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Ekbert Hering · Rolf Martin · Martin Stohrer

Physik
für Ingenieure
12. Auflage
Physik für Ingenieure
Ekbert Hering  Rolf Martin 
Martin Stohrer

Physik für Ingenieure


12. Auflage
Ekbert Hering Martin Stohrer Ž
Hochschule für angewandte
Wissenschaften Aalen
Aalen, Deutschland

Rolf Martin
Köngen, Deutschland

Unter Mitarbeit von: Prof. Dr. Hanno Käß, Hochschule Esslingen Prof. Dr. G. Kurz, Hochschule
Esslingen Dr. rer. nat. Wolfgang Schulz, Zweckverband Landeswasserversorgung Stuttgart

ISBN 978-3-662-49354-0 ISBN 978-3-662-49355-7 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-662-49355-7

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Zum Geleit

Physikalische Grundlagen sind für den Ingenieur unerlässlich, weil sie so-
wohl prinzipielle Grenzen aufzeigen als auch eine klare Orientierung im
schneller werdenden technischen Wandel bieten. Quantentheorie und Fest-
körperphysik sind derzeit die Schrittmacher des technischen Fortschritts;
deshalb wird ihnen in diesem Buch der gebührende Platz eingeräumt. Mein
Wunsch ist, dass die Erkenntnisse aus der physikalischen Grundlagenfor-
schung einen erkennbaren praktischen Nutzen zeigen. So wie der Quanten-
Hall-Effekt nicht nur die physikalischen Grundlagen gefördert hat, sondern
auch in der Präzisionsmesstechnik als Widerstandsnormal von Bedeutung ist,
sollte die Verbindung zwischen physikalischen Grundlagen und ingenieurmä-
ßiger Umsetzung enger und effektiver werden.
Möge dieses Buch einen Beitrag dazu leisten.

Prof. Dr. Klaus von Klitzing


Nobelpreisträger der Physik 1985

Vorwort zur zwölften, aktualisierten Auflage

Mit der vergangenen 11. Auflage wurden bereits umfangreiche Aktuali-


sierungen und Verbesserungen vorgenommen. Diese wurden von unserer
Leserschaft sehr begrüßt. Sie haben uns auch ermuntert, die Struktur des
Werkes beizubehalten, die Zusammenhänge in Übersichten zu verdichten,
Vergleiche und praxisrelevante Zahlenwerte und Informationen in Tabellen-
form zusammenzustellen, viele praktische Beispiele aus dem Ingenieuralltag
vorzustellen und die physikalischen Zusammenhänge kompakt und klar
strukturiert darzustellen. Vor allem aber die Übungsaufgaben und die aus-
führliche Darlegung der Lösungswege fanden überall großes Lob. Auf
Anregung unserer Leserschaft haben wir für die am häufigsten gelesenen oder
heruntergeladenen Kapitel zusätzliche Übungsaufgaben erstellt und deren
Lösungen beschrieben. Dies betrifft die Kapitel Mechanik, Thermodyna-
mik, Elektrizitätslehre und Magnetismus, Schwingungen und Wellen sowie
Optik und Akustik. Auf den Innenseiten des Werkes wurden die Werte
der physikalischen Naturkonstanten, die häufig gebrauchte Umrechnung von
Energiemaßen und Energieäquivalenten sowie alte oder außerhalb des SI ver-

V
VI Zum Geleit

wendete Maßeinheiten aufgeführt. Dadurch kann die Leserschaft schnell auf


diese häufig benötigten Informationen zugreifen.
Ein Markenzeichen des Werkes ist auch, dass wir die aktuellen DIN-
Normen benennen und uns auch strikt daran halten. Damit geben wir unseren
Lesern für den praktischen Einsatz wichtige aktuelle und verlässliche Hin-
weise. Auch in der 12. Auflage haben wir deshalb die neuesten Normen
eingepflegt und die international neu festgelegten Zahlenwerte für Konstan-
ten aktualisiert sowie die Liste der Nobelpreisträger ergänzt. Viele Bilder
wurden durch aktuellere ersetzt und Formulierungen komplexer Zusammen-
hänge noch treffender vorgenommen. Um Physikvorlesungen in der Struktur
dieses Buches schnell vorbereiten und darbieten zu können, hat Herr Prof. Dr.
Axel Löffler zusätzlich Folien in Power-Point erstellt. Diese sind für Dozen-
ten gedacht und können passwortgeschützt von dieser Seite heruntergeladen
werden: http://www.springer.com/de/book/9783662493540
Unser Mitherausgeber und Koautor Prof. Dr. Martin Stohrer lebt leider
nicht mehr. Er war für uns ein langjähriger, liebenswerter Freund und für
unsere Leserschaft ein exzellenter Fachmann auf dem Gebiet der Akustik
und der Wärme- und Stoffübertragung sowie ein maßgebender und engagier-
ter Verfechter der erfolgreichen Struktur dieses Werkes. Weil dieses Werk
mit der Bezeichnung „HMS“ (Hering, Martin, Stohrer) seit vielen Jahren
ein Markenzeichen ist, haben wir den Titel beibehalten. Gleichwohl haben
wir mit Prof. Dr. Hanno Käß von der Hochschule Esslingen einen jungen,
engagierten Physiker mit praktischer Erfahrung in der Industrie und Lehr-
erfahrung an Hochschulen gewinnen können. Er wird mit seiner aktuellen
Erfahrung in Lehre, Forschung und Transfer das Werk qualitätvoll weiterent-
wickeln. Darauf freuen wir uns sehr.
Dank sagen möchten wir vor allem Herrn Dr. Hubertus von Riedesel
und Frau Eva Hestermann-Beyerle vom Springer Verlag. Sie geben uns mit
jeder Auflage aufs Neue die Chance, das erfolgreiche Standardwerk den neu-
en Bedürfnissen der Leserschaft anzupassen. Mit ihrer professionellen und
freundlichen Betreuung haben sie uns immer motiviert, mit großem Energie-
einsatz an diesem Werk zu arbeiten. Die außerordentlich positive Resonanz
von Studierenden, Kollegen aus den Hochschulen und Persönlichkeiten aus
der Industrie und der Wissenschaft sowie die vielen ermunternden Zuschrif-
ten und Verbesserungsvorschläge haben dieses Werk zusätzlich aktualisiert.
In alter Verbundenheit möchten wir die Kollegen aus der Universität Mün-
chen erwähnen: Prof. Dr. J. de Boer, Prof. Dr. K.E.G. Löbner und Prof. Dr.
K.-H.Speidel sowie die Kollegen Prof. Dr. J. Massig und Prof. Dr. D. Weber
von der Hochschule Aalen. Stellvertretend für die vielen Persönlichkeiten,
die uns beim Gelingen dieses aktuellen Werkes unterstützt haben, möchten
wir nennen: Herrn Dr. Norbert Südland von der Universität Ulm für die
Durchrechnung vieler Übungsaufgaben und die wertvollen Hinweise, Prof.
Dr. U. Weiss von der Universität Stuttgart, Prof. Dr. G. Prillinger und Frau
Prof. Dr. R. Hiesgen von der Hochschule Esslingen, Herrn Dr. R. Behr von
der Physikalisch Technischen Bundesanstalt sowie Herrn Dr. H. D. Rüter von
der Universität Hamburg, der uns bei der Darstellung der Quantenmechanik
sehr geholfen hat. Ausgezeichnete Unterstützung erhielten wir wieder von
Fachleuten aus der Industrie, denen wir allen ganz herzlich danken möchten.
Zum Geleit VII

Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern beim Arbeiten mit die-
sem Werk gute Erkenntnisse in der faszinierenden Welt der Physik und viel
Freude beim Lernen. Sehr gerne nehmen wir konstruktive Hinweise aus dem
sachkundigen Leserkreis auf und freuen uns auf Ihre Hinweise.

Aalen, Esslingen Ekbert Hering


Frühjahr 2017 Rolf Martin

Vorwort zur ersten Auflage

Das vorliegende Lehrbuch gibt eine Einführung in die physikalischen Grund-


lagen der Ingenieurwissenschaften. Es ist das Anliegen des Buches, eine
Brücke zu schlagen zwischen grundlegenden physikalischen Effekten und
den Anwendungsfeldern der Ingenieurpraxis. Es ist deshalb selbstverständ-
lich, dass ausschließlich SI-Maßeinheiten verwendet werden und in den
entsprechenden Abschnitten auf DIN- bzw. ISO-Normen hingewiesen wird.
Bei der Stoffauswahl sind besonders die modernen Teilgebiete berücksich-
tigt, wie beispielsweise Festkörperphysik (einschließlich Halbleiterphysik
und Optoelektronik), technische Akustik, Lasertechnik, Holografie, Klima-
technik und Wärmeübertragung sowie in der Atom- und Kernphysik der
quantisierte Hall-Effekt. Ein Sonderabschnitt Strahlenschutz informiert über
die Strahlenbelastung aus Kernkraftwerken, über die physikalische und bio-
logische Wirksamkeit radioaktiver Stoffe, die Strahlenmesstechnik sowie
über die neuen gesetzlichen Vorschriften zum Strahlenschutz.
Zum mathematischen Verständnis sind die Verfahren der Differenzial-,
Integral- und Vektorrechnung notwendig; allerdings sind die entsprechenden
Herleitungen so ausführlich, dass auch der Leser mit geringen Vorkennt-
nissen zu folgen vermag. Das Buch ist so konzipiert, dass es sich nicht
nur an Studenten wendet, sondern auch praktizierenden Ingenieuren die
physikalischen Grundlagen zur Einarbeitung in neue Fachgebiete und zur
Weiterbildung liefert. Somit ist es auch eine Basis für eine flexible berufli-
che Entwicklung.
Im ersten Abschnitt sind die Methode physikalischen Erkennens und der
Aufbau der Physik erläutert. Die Physik soll in ihren Zusammenhängen
begriffen und nicht als bloße Aneinanderreihung spezieller physikalischer
Gesetze missdeutet werden. Der Stoff ist in die Abschnitte Mechanik,
Thermodynamik, Elektrizität und Magnetismus, Schwingungen und Wellen,
Optik, Akustik, Atom- und Kernphysik, Festkörperphysik sowie Relativitäts-
theorie eingeteilt. Jedem Abschnitt ist ein Strukturbild vorangestellt, das die
jeweiligen Teilbereiche und ihre gesetzmäßigen Zusammenhänge aufzeigt.
Damit soll das Denken in Zusammenhängen gefördert und den Details ihr
Platz im Gesamtgefüge zugewiesen werden. Übergreifende Darstellungen
(z. B. beim Feldbegriff in der Mechanik, Thermodynamik und Elektrizitäts-
lehre) sollen dem Leser darüber hinaus das universelle Denkkonzept der
Physik vor Augen führen. Komplizierte Zusammenhänge sind in zweifarbi-
gen Skizzen oder durch Rechnerausdrucke veranschaulicht; zahlreiche Bilder
aus der Technik vermitteln einen aktuellen Praxisbezug.
VIII Zum Geleit

Um zu zeigen, wie sich die physikalische Erkenntnis durch die Geniali-


tät einzelner Physiker sprunghaft entwickelt hat, sind in den entsprechenden
Abschnitten die Meilensteine der Physik und ihre Wegbereiter genannt und
im Anhang die Physik-Nobelpreisträger aufgeführt.
Zur Vertiefung des Verständnisses enthalten viele Unterabschnitte aus der
Ingenieurpraxis stammende Berechnungsbeispiele. Aufgaben (mit Lösun-
gen im Anhang) ermöglichen es dem Leser, selbst den Stoff zu üben und
sein physikalisches Wissen zu vertiefen. Um alternative Fragestellungen zu
untersuchen und physikalische Sachverhalte grafisch zu veranschaulichen,
wurden programmierbare Rechner verwendet. Den Firmen Casio und Sharp,
insbesondere den Herren Newerkla und Wachter, möchten wir für die Bereit-
stellung programmierbarer Taschenrechner danken.
Wir danken unseren akademischen Lehrern und Vorbildern, die uns zur
physikalischen Erkenntnis geführt haben, vor allem den Professoren U. Deh-
linger, H. Haken, M. Pilkuhn, A. Seeger und C. F. von Weizsäcker. Für
konstruktive Kritik bedanken wir uns bei unseren Kollegen H. Bauer, M. Käß,
P. Kleinheins, G. Kneer, J. Linser und R. Schempp. Frau G. Folz und den
Herren K. Schmid und A. Plath danken wir für ihre tatkräftige Mithilfe. Der
Unterstützung vieler Firmen ist es zu verdanken, dass aktuelles Anschau-
ungsmaterial bereitgestellt werden konnte. Hierbei sind besonders folgende
Firmenmitarbeiter zu erwähnen: B. Imb (BBC), P. Gradischnig (BMW),
D. Stöckel und P. Tautzenberger (Rau), M. Mayer (Osram), F. Schreiber
(Siemens), H. Garrels (Varta) und H. Schweikart (Voith). Ganz besonderer
Dank gebührt dem VDI-Verlag, speziell Herrn Dipl.-Ing. H. Kurt, der das
Lektorieren übernahm und für die reibungslose Abwicklung in erfreulicher
Atmosphäre sorgte. Dabei wurde er in den Abschnitten 2, 3 und 6 von Pro-
fessor F. Hell in besonders sachkundiger Weise unterstützt. Zuletzt möchten
wir unseren Familien für ihre Geduld, ihre moralische Unterstützung und ihr
großes Verständnis danken.
Wir hoffen, dass dieses Buch den Ingenieurstudenten eine gute Hilfe beim
Erarbeiten physikalischer Zusammenhänge und den Ingenieuren in der Praxis
ein brauchbares Nachschlagewerk ist. Gern nehmen wir Kritik und Verbes-
serungsvorschläge entgegen.

Aalen, Esslingen und Stuttgart, Ekbert Hering


Januar 1988 Rolf Martin
Martin Stohrer
Verwendete physikalische Symbole

(Symbole, die in nachfolgenden Abschnitten die gleiche Bedeutung haben,


sind nur einmal angegeben.)

2. Mechanik

A Fläche
a Beschleunigung
c Lichtgeschwindigkeit; Schallgeschwindigkeit
cA Auftriebsbeiwert
cD Druckwiderstandsbeiwert
cM Momentenbeiwert
cW Widerstandsbeiwert
d Abstand; Dickenänderung
E Energie; Elastizitätsmodul
e Einheitsvektor
F Kraft
Fr Froudezahl
G Schubmodul, Gravitationskonstante
g Gravitationsfeldstärke
g Fallbeschleunigung
H Fallhöhe; Förderhöhe
h Höhe
I Flächenträgheitsmoment
J Massenträgheitsmoment
j Transportflussdichte;
Massenstromdichte
K Kompressionsmodul
k Federsteifigkeit; Rauigkeit
kt Drehfedersteifigkeit
L Drehimpuls
l Länge
M Drehmoment
Ma Mach’sche Zahl
m Masse
mP Massenstrom
n Drehzahl
IX
X Verwendete physikalische Symbole

P Leistung
p Impuls
p Druck; Anteil
Q Förderstrom (Pumpen);
Volumenstrom (Turbinen)
R Gaskonstante; Krümmungsradius
r Ortsvektor
Re Reynoldszahl
s Ortskoordinate
s Weg; Bogenlänge
T Kelvin-Temperatur; Periodendauer
t Zeit
V Volumen
VP Volumenstrom
v Geschwindigkeit
W Arbeit
w spezifische (massebezogene) Arbeit

˛ Durchflusszahl; Kontraktionszahl; Winkelbeschleunigung


ˇ Winkel
 Zirkulation
Schiebung; Scherwinkel; Raumausdehnungskoeffizient
 Differenz
" Neigungswinkel; Dehnung; Expansionszahl; Gleitzahl
 dynamische Viskosität; Wirkungsgrad
# Celsius-Temperatur
~ Kompressibilität
 Rohrreibungszahl
 Reibungszahl; Ausflusszahl; Poissonzahl
 kinematische Viskosität
% Dichte
 Spannung; Normalspannung
 Schubspannung
˚ Transportgröße
' Drehwinkel; Potenzialfunktion; Geschwindigkeitsziffer; Fluidität
'G Gravitationspotenzial
! Winkelgeschwindigkeit

3. Thermodynamik

a Temperaturleitfähigkeit
C; Cm ; c Wärmekapazität, molare bzw. spezifische Wärmekapazität
Cmp , cp isobare molare bzw. isobare spezifische Wärmekapazität
CmV , cV isochore molare bzw. isochore spezifische Wärmekapazität
C12 Strahlungsaustauschkoeffizient
c Schallgeschwindigkeit
EA Aktivierungsenergie
Verwendete physikalische Symbole XI

EN kin mittlere kinetische Energie eines Moleküls


F; Fm ; f freie Energie, freie molare bzw. freie spezifische Energie
f Anzahl der Freiheitsgrade; Wärmequellendichte
G; Gm ; g freie Enthalpie, freie molare bzw. freie spezifische Enthalpie
gi statistisches Gewicht des Zustandes i
H; Hm ; h Enthalpie, molare bzw. spezifische Enthalpie
jq Wärmestromdichte
k Boltzmann-Konstante; Wärmedurchgangskoeffizient
M Molmasse
Me spezifische Ausstrahlung
mM Masse eines Moleküls
N Teilchenanzahl eines Systems
n Polytropenexponent, Teilchenzahldichte
NA Avogadro-Konstante
Pi Wahrscheinlichkeit der Besetzung des Zustands i
p Druck
Q; Qm ; q Wärme, molare bzw. spezifische Wärme
QP Wärmestrom
Ri ; Rm individuelle bzw. allgemeine (molare) Gaskonstante
S; Sm ; s Entropie, molare bzw. spezifische Entropie
T thermodynamische Temperatur
U; Um ; u innere Energie, molare bzw. spezifische innere Energie
V; Vm ; v Volumen, molares bzw. spezifisches Volumen
vm ; v;N vw mittlere, durchschnittliche bzw. wahrscheinlichste Geschwindig-
keit von Gasmolekülen
W thermodynamische Wahrscheinlichkeit
x Feuchtegrad
Z Realgasfaktor

˛ Längenausdehnungskoeffizient; Absorptionsgrad
˛ Wärmeübergangskoeffizient
Raumausdehnungskoeffizient
" Emissionsgrad; Kompressionsverhältnis
"K ; "W Leistungszahl einer Kältemaschine bzw. einer Wärmepumpe
th thermischer Wirkungsgrad
~ Isentropen-(Adiabaten-)Exponent
 Wärmeleitfähigkeit
 Stoffmenge (Teilchenmenge)
% Dichte; Reflexionsgrad
 Transmissionsgrad
˚e Strahlungsleistung
' relative Luftfeuchte
'a absolute Luftfeuchte
'12 Einstrahlzahl
XII Verwendete physikalische Symbole

4. Elektrizität und Magnetismus

Ar relative Atommasse
Ä elektrochemisches Äquivalent
AH Hall-Koeffizient
B magnetische Induktion, Flussdichte
B Blindleitwert, Suszeptanz
BR Remanenzinduktion
BS Sättigungsinduktion
C Kapazität
D elektrische Verschiebungsdichte
E elektrische Feldstärke
EH Hall-Feldstärke
e Elementarladung
FL Lorentz-Kraft
F Faraday-Konstante
f Spulenformfaktor
G Leitwert, Konduktanz
H magnetische Feldstärke
HC Koerzitivfeldstärke
I; i elektrische Stromstärke
iO Amplitude der elektrischen Stromstärke
I; ieff Effektivwert der Wechselstromstärke
J magnetische Polarisation
j elektrische Stromdichte
L Induktivität
M Magnetisierung
m Ampere’sches magnetisches Moment
mC Coulomb’sches magnetisches Moment
N Windungszahl
P elektrische Polarisation
P; p Leistung
p elektrisches Dipolmoment
Q elektrische Ladung; Blindleistung
R elektrischer Widerstand
Rm magnetischer Widerstand
S Scheinleistung
TC Curie-Temperatur
TN Néel-Temperatur
U; u elektrische Spannung
uO Amplitude der elektrischen Spannung
U; ueff Effektivwert der elektrischen Spannung
UH Hall-Spannung
uind induzierte Spannung
WA Austrittsarbeit
Wel elektrische Arbeit und Feldenergie
wel elektrische Energiedichte
Wmagn magnetische Arbeit und Feldenergie
Verwendete physikalische Symbole XIII

wmagn magnetische Energiedichte


X Blindwiderstand, Reaktanz
Z Scheinwiderstand, Impedanz
z Wertigkeit

˛ Temperaturkoeffizient des elektrischen Widerstandes


Spannungsfaktor
" Permittivität
"0 elektrische Feldkonstante
"r Permittivitätszahl
~ elektrische Leitfähigkeit, Konduktivität
 Permeabilität
0 magnetische Feldkonstante
r Permeabilitätszahl
% spezifischer elektrischer Widerstand, Resistivität
% Raumladungsdichte
 Streufaktor; elektrische Flächenladungsdichte
 Zeitkonstante
' elektrisches Potenzial; Verlustwinkel
e elektrische Suszeptibilität
m magnetische Suszeptibilität
 elektrische Durchflutung
˚ magnetischer Fluss
elektrischer Fluss

5. Schwingungen und Wellen

c Phasengeschwindigkeit
cgr Gruppengeschwindigkeit
d Dämpfungskoeffizient
f Frequenz
f0 ; fd Eigenfrequenz der freien ungedämpften bzw. gedämpften Schwin-
gung
fRes Resonanzfrequenz
fS Schwebungsfrequenz
p
j 1
k Federsteifigkeit; Wellenzahl
kt Drehfedersteifigkeit
Q Güte
I; S Intensität
T Periodendauer
T0 ; Td Periodendauer der freien ungedämpften bzw. gedämpften Schwin-
gung
TS Periodendauer der Schwebung
w Energiedichte
y Auslenkung
yO Amplitude
XIV Verwendete physikalische Symbole

ˇ Auslenkungswinkel
ˇO Amplitude des Auslenkungswinkels
Phasenverschiebung zwischen Erreger und Schwinger
Gangunterschied
ı Abklingkoeffizient
 Kreisfrequenzverhältnis
# Dämpfungsgrad
 logarithmisches Dekrement
 Wellenlänge
' Phasenwinkel
'0 Nullphasenwinkel
' Phasenverschiebung zwischen zwei Schwingungen
! Kreisfrequenz
!0 ; !d Kreisfrequenz der freien ungedämpften bzw. gedämpften Schwin-
gung
˝ Erregerkreisfrequenz
!Res Resonanzkreisfrequenz

6. Optik

AN numerische Apertur
a; a0 Gegenstands- bzw. Bildweite
A; B Einstein-Koeffizienten
b Spaltbreite
D0 Brechkraft
DAP ; DEP Durchmesser von Austritts- bzw. Eintrittspupille
Ee Bestrahlungsstärke
Ev Beleuchtungsstärke
Eph Energie eines Photons
e Abstand zweier Linsen
f; f 0 gegenstandsseitige bzw. bildseitige Brennweite
g Gitterkonstante
He Bestrahlung
Hv Beleuchtung
h Planck’sche Konstante
I Intensität
Ie Strahlstärke
Iv Lichtstärke
Km fotometrisches Strahlungsäquivalent
k Blendenzahl
l Kohärenzlänge
Le Strahldichte
Lv Leuchtdichte
Me spezifische Ausstrahlung
Mv spezifische Lichtausstrahlung
m Ordnungszahl bei Interferenzen
Ni Besetzungszahl des Niveaus i
Verwendete physikalische Symbole XV

n Brechungsindex
p Gitterstrichzahl
Qe Strahlungsenergie
Qv Lichtmenge
r Krümmungsradius
s; s 0 gegenstandsseitige bzw. bildseitige Schnittweite
u0 Durchmesser des Unschärfekreises
V Hellempfindlichkeitsgrad
y; y 0 Gegenstands- bzw. Bildgröße
Z Dämmerungszahl
z; z 0 Abstand vom Gegenstand bzw. Bild zum jeweiligen Brennpunkt

˛ brechender Winkel eines Prismas


ˇ0 Abbildungsmaßstab
0 Vergrößerung
ı Ablenkungswinkel
" Einfallswinkel
"r Reflexionswinkel
"0 Brechungswinkel
"p Polarisationswinkel
 Glanzwinkel
 Winkel zwischen Strahl und optischer Achse
 Lebensdauer
˚e Strahlungsleistung
˚v Lichtstrom
' Zentriwinkel
˝ Raumwinkel

7. Akustik

A äquivalente Schallabsorptionsfläche
B Biegesteifigkeit
d Absorberdicke
fG Grenzfrequenz der Spuranpassung
GpU Übertragungsmaß elektroakustischer Wandler
I Schallintensität
L Schallpegel
LS Lautstärke
Ln Norm-Trittschallpegel
m00 flächenbezogene Masse
P Schallleistung
p Schalldruck
R Schalldämm-Maß
r Reflexionsfaktor
S Lautheit; Fläche
T Nachhallzeit
v Schallschnelle
XVI Verwendete physikalische Symbole

w Schallenergiedichte
y Elongation
Z Schallkennimpedanz

˛ Schallausbreitungs-Dämpfungskoeffizient
˛s Schallabsorptionsgrad
ı Einfallswinkel
Bewertungsfaktor
%s Schallreflexionsgrad
s Schalltransmissionsgrad

8. Atom- und Kernphysik

A Nukleonenzahl; Aktivität
AS spezifische Aktivität
a0 Bohr’scher Radius des Wasserstoffatoms im Grundzustand
B Baryonenzahl
D; DP Energiedosis, Energiedosisleistung
Dq ; DP q Äquivalentdosis, Äquivalentdosisleistung
d Flächenmasse
E Energie-Eigenwert
EB Bindungsenergie
ES Schwellenenergie
F; F Gesamtdrehimpuls des Atoms einschließlich Kerndrehimpuls, zu-
gehörige Quantenzahl
g Faktor nach Landé
H Hamilton-Funktion
HO Hamilton-Operator
h Planck’sches Wirkungsquantum („ D h=.2 /)
I; I Kerndrehimpuls, zugehörige Quantenzahl
J; J Gesamtdrehimpuls der Elektronenhülle, zugehörige Quantenzahl
j; j Gesamtdrehimpuls eines Elektrons, zugehörige Quantenzahl
L; L Gesamtbahndrehimpuls der Elektronenhülle, zugehörige Quan-
tenzahl
L Leptonenzahl
l; l Bahndrehimpuls eines Elektrons, zugehörige Quantenzahl
m1 magnetische Quantenzahl des Drehimpulses
ms magnetische Quantenzahl des Spins
mj magnetische Quantenzahl des Gesamtdrehimpulses
m0 Ruhemasse
N Neutronenzahl
n Hauptquantenzahl
Q Kern-Quadrupolmoment
R Reichweite
RH Rydberg-Konstante
S Gesamtspinmoment
Verwendete physikalische Symbole XVII

s; s Elektronenspin, zugehörige
Quantenzahl (Spinquantenzahl)
t1=2 Halbwertszeit
u atomare Masseneinheit
x Schichtdicke
Z Kernladungszahl (Ordnungszahl, Protonenzahl)

˛ Feinstrukturkonstante
gyromagnetisches Verhältnis
 Zerfallskonstante; Wellenlänge
;  magnetisches Moment
 Absorptionskoeffizient
K Kern-Magneton
B Bohr’sches Magneton
 Frequenz
˘ Paritätsquantenzahl
˙ makroskopischer Wirkungsquerschnitt
 Wirkungsquerschnitt
˚ Flussdichte
 zeitabhängige Wellenfunktion
Wellenfunktion

9. Festkörperphysik

A Fläche; Transistor-Stromverstärkung in Basisschaltung


a Gitterkonstante
B Transistor-Stromverstärkung in Emitterschaltung
Bc kritische magnetische Flussdichte
cgr Gruppengeschwindigkeit
cph Phasengeschwindigkeit
D.E/ Zustandsdichte
D Detektivität
EB Bindungsenergie
Ee Bestrahlungsstärke
EF Fermi-Energie
Eg Breite der verbotenen Zone
f .E/ Fermi-Dirac-Verteilungsfunktion
IB ; IC ; IE Basis-, Kollektor- bzw. Emitterstrom
IF Flussstrom
Iph Fotostrom
IS Sperrsättigungsstrom
Ith Schwellstrom
jc kritische Stromdichte
k Wellenzahl
kF Fermi-Vektor
L Kristall-Länge; Lorenz’sche Zahl
l mittlere freie Weglänge
XVIII Verwendete physikalische Symbole

M Molmasse; Multiplikationsfaktor
NL ; Nv effektive Zustandsdichte im Leitungsband bzw. im Valenzband
n Elektronenkonzentration
nA ; nD Akzeptoren- bzw. Donatorenkonzentration
ni Eigenleitungsdichte
nph Phononendichte
nN Brechungsindex
p Löcherkonzentration
S Empfindlichkeit
Tc kritische Temperatur
TD Debye-Temperatur
TE Einstein-Temperatur
TF Fermi-Temperatur
T0 charakteristische Temperatur
Ud Diffusionsspannung
UF Flussspannung
UK Kontaktspannung
UL Leerlaufspannung
Uth Thermospannung
V ./ Hellempfindlichkeitsgrad
vd Driftgeschwindigkeit
vF Fermi-Geschwindigkeit

˛ Absorptionskoeffizient; Madelung-Konstante; thermischer Aus-


dehnungskoeffizient
"N mittlere Energie eines Atoms
 Quantenausbeute
; n ; p Beweglichkeit, Elektronen- bzw. Löcherbeweglichkeit
˚0 magnetisches Flussquantum

10. Spezielle Relativitätstheorie

l; l 0 Länge im System S bzw. S0


m; m0 bewegte Masse bzw. Ruhemasse
t; t 0 Zeit im System S bzw. S0
u Geschwindigkeit

v Systemgeschwindigkeit
relativistischer Faktor
Inhaltsverzeichnis

1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1 Physikalischer Erkenntnisprozess . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Bereiche der physikalischen Erkenntnis . . . . . . . . . . . . . 3
1.3 Physikalische Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.3.1 Definition und Maßeinheit . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.3.2 Messgenauigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.3.3 Fehlerfortpflanzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.3.4 Kurvenanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.3.5 Ausgleichsgeradenkonstruktion . . . . . . . . . . . . 15
1.3.6 Korrelationsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.3.7 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

2 Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.2 Kinematik des Punktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2.2.1 Eindimensionale Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.2.2 Dreidimensionale Kinematik . . . . . . . . . . . . . . 26
2.2.3 Kreisbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.2.4 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
2.3 Grundgesetze der klassischen Mechanik . . . . . . . . . . . . 32
2.3.1 Konzept der klassischen Dynamik . . . . . . . . . . . 32
2.3.2 Newton’sche Axiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.3.3 Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.3.4 Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.3.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
2.4 Dynamik in bewegten Bezugssystemen . . . . . . . . . . . . . 38
2.4.1 Relativ zueinander geradlinig bewegte
Bezugssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
2.4.2 Gleichförmig rotierende Bezugssysteme . . . . . . . 40
2.4.3 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
2.5 Impuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
2.5.1 Impuls eines materiellen Punktes . . . . . . . . . . . 44
2.5.2 Impuls eines Systems materieller Punkte . . . . . . . 45
2.5.3 Raketengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
2.5.4 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
2.6 Arbeit und Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

XIX
XX Inhaltsverzeichnis

2.6.1 Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
2.6.2 Leistung, Wirkungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
2.6.3 Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
2.6.4 Energieerhaltungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
2.6.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
2.7 Stoßprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
2.7.1 Übersicht und Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . 55
2.7.2 Gerader, zentraler, elastischer Stoß . . . . . . . . . . 56
2.7.3 Gerader, zentraler, unelastischer Stoß . . . . . . . . . 58
2.7.4 Schiefe, zentrale Stöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
2.7.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
2.8 Drehbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
2.8.1 Drehmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
2.8.2 Newton’sches Aktionsgesetz der Drehbewegung . . 62
2.8.3 Arbeit, Leistung und Energie bei der Drehbewegung 63
2.8.4 Drehbewegungen von Systemen materieller Punkte 64
2.8.5 Analogie Translation und Rotation . . . . . . . . . . 65
2.8.6 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
2.9 Mechanik starrer Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
2.9.1 Freiheitsgrade und Kinematik . . . . . . . . . . . . . 67
2.9.2 Kräfte am starren Körper . . . . . . . . . . . . . . . . 68
2.9.3 Schwerpunkt und potenzielle Energie eines starren
Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
2.9.4 Kinetische Energie eines starren Körpers . . . . . . 72
2.9.5 Massenträgheitsmomente starrer Körper . . . . . . . 74
2.9.6 Kreisel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
2.9.7 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
2.10 Gravitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
2.10.1 Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
2.10.2 Newton’sches Gravitationsgesetz . . . . . . . . . . . 87
2.10.3 Hubarbeit und potenzielle Energie . . . . . . . . . . . 89
2.10.4 Satellitenbahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
2.10.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
2.11 Mechanik deformierbarer fester Körper – Elastomechanik . 92
2.11.1 Elastische Verformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
2.11.2 Plastische Verformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
2.11.3 Härte fester Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
2.11.4 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und
Aeromechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
2.12.1 Ruhende Flüssigkeiten (Hydrostatik) und ruhende
Gase (Aerostatik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
2.12.2 Fluide – strömende Flüssigkeiten (Hydrodynamik)
und Gase (Aerodynamik) . . . . . . . . . . . . . . . . 117

3 Thermodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
3.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
3.1.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
3.1.2 Thermodynamische Grundbegriffe . . . . . . . . . . 155
Inhaltsverzeichnis XXI

3.1.3 Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156


3.1.4 Thermische Ausdehnung . . . . . . . . . . . . . . . . 158
3.1.5 Allgemeine Zustandsgleichung idealer Gase . . . . 162
3.1.6 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
3.2 Kinetische Gastheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
3.2.1 Gasdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
3.2.2 Thermische Energie und Temperatur . . . . . . . . . 166
3.2.3 Geschwindigkeitsverteilung der Gasmoleküle . . . . 168
3.2.4 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
3.3.1 Wärme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
3.3.2 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
3.3.3 Erster Hauptsatz der Thermodynamik . . . . . . . . 173
3.3.4 Berechnung der Wärmekapazitäten . . . . . . . . . . 176
3.3.5 Spezielle Zustandsänderungen idealer Gase . . . . . 179
3.3.6 Kreisprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
3.3.7 Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik . . . . . . . 195
3.3.8 Thermodynamische Potenziale . . . . . . . . . . . . . 203
3.3.9 Dritter Hauptsatz der Thermodynamik . . . . . . . . 204
3.4 Zustandsänderungen realer Gase . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
3.4.1 Van-der-Waals’sche Zustandsgleichung . . . . . . . 205
3.4.2 Gasverflüssigung (Joule-Thomson-Effekt) . . . . . . 208
3.4.3 Phasenumwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
3.4.4 Dämpfe und Luftfeuchtigkeit . . . . . . . . . . . . . . 216
3.5 Wärmeübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
3.5.1 Wärmeleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
3.5.2 Konvektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
3.5.3 Wärmestrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
3.5.4 Wärmedurchgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
3.5.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

4 Elektrizität und Magnetismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237


4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen . . . . . . . . . . . . . 238
4.1.1 Ladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
4.1.2 Stromstärke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
4.1.3 Spannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
4.1.4 Widerstand und Leitwert . . . . . . . . . . . . . . . . 242
4.1.5 Ohm’sches Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
4.1.6 Kirchhoff’sche Regeln im verzweigten Stromkreis . 246
4.1.7 Schaltung von Widerständen . . . . . . . . . . . . . . 248
4.1.8 Messbereichserweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . 251
4.1.9 Ausgewählte Messanordnungen . . . . . . . . . . . . 252
4.1.10 Klemmenspannung und innerer Widerstand . . . . . 254
4.1.11 Schaltung von Spannungsquellen . . . . . . . . . . . 255
4.1.12 Elektrische Leistung und elektrische Arbeit . . . . . 257
4.1.13 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen . . . . . . . . . 259
4.2.1 Ladungstransport in Flüssigkeiten . . . . . . . . . . . 259
XXII Inhaltsverzeichnis

4.2.2 Ladungstransport im Vakuum und in Gasen . . . . . 274


4.2.3 Plasmaströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
4.2.4 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282
4.3 Elektrisches Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282
4.3.1 Allgemeiner Feldbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . 282
4.3.2 Beschreibung des elektrischen Feldes . . . . . . . . . 282
4.3.3 Elektrische Feldstärke und Kraft . . . . . . . . . . . . 283
4.3.4 Elektrische Feldstärke und elektrostatisches
Potenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
4.3.5 Bewegung geladener Teilchen im elektrischen Feld 290
4.3.6 Leiter im elektrischen Feld . . . . . . . . . . . . . . . 295
4.3.7 Nichtleiter im elektrischen Feld, elektrische
Polarisation und Permittivitätszahl . . . . . . . . . . 303
4.3.8 Energieinhalt des elektrischen Feldes . . . . . . . . . 312
4.3.9 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
4.4 Magnetisches Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314
4.4.1 Beschreibung des magnetischen Feldes . . . . . . . . 314
4.4.2 Magnetische Feldstärke und Durchflutungsgesetz . 315
4.4.3 Magnetische Flussdichte und Kraftwirkungen im
Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320
4.4.4 Materie im Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330
4.4.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
4.5 Instationäre Felder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
4.5.1 Elektromagnetische Induktion . . . . . . . . . . . . . 344
4.5.2 Periodische Felder (Wechselstromkreis) . . . . . . . 350
4.5.3 Ein- und Ausschaltvorgänge in Stromkreisen . . . . 363
4.5.4 Messgeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
4.5.5 Zusammenhang elektrischer und magnetischer
Größen – Maxwell’sche Gleichungen . . . . . . . . . 371
4.5.6 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374

5 Schwingungen und Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377


5.1 Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
5.1.1 Physikalische Grundlagen schwingungsfähiger
Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
5.1.2 Freie Schwingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
5.1.3 Erzwungene Schwingung . . . . . . . . . . . . . . . . 400
5.1.4 Überlagerung von Schwingungen . . . . . . . . . . . 405
5.1.5 Schwingungen mit mehreren Freiheitsgraden
(gekoppeltes Schwingungssystem) . . . . . . . . . . 414
5.1.6 Nichtlineare Schwinger . . . . . . . . . . . . . . . . . 417
5.1.7 Parametrisch erregte Schwingungen . . . . . . . . . . 418
5.1.8 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418
5.2 Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419
5.2.1 Physikalische Grundlagen der Wellenausbreitung . 419
5.2.2 Harmonische Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422
5.2.3 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426
5.2.4 Doppler-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427
5.2.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430
Inhaltsverzeichnis XXIII

5.2.6 Interferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430


5.2.7 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439

6 Optik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
6.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
6.2 Geometrische Optik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
6.2.1 Lichtstrahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
6.2.2 Reflexion des Lichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443
6.2.3 Brechung des Lichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449
6.2.4 Abbildung durch Linsen . . . . . . . . . . . . . . . . . 459
6.2.5 Blenden im Strahlengang . . . . . . . . . . . . . . . . 471
6.2.6 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471
6.2.7 Abbildungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472
6.2.8 Optische Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472
6.3 Radio- und Fotometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481
6.3.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481
6.3.2 Strahlungsphysikalische Größen . . . . . . . . . . . . 482
6.3.3 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488
6.3.4 Lichttechnische Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . 489
6.3.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491
6.3.6 Farbmetrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491
6.3.7 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495
6.4 Wellenoptik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495
6.4.1 Interferenz und Beugung . . . . . . . . . . . . . . . . 495
6.4.2 Polarisation des Lichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . 521
6.5 Quantenoptik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530
6.5.1 Lichtquanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530
6.5.2 Dualismus Teilchen–Welle . . . . . . . . . . . . . . . 534
6.5.3 Wärmestrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535
6.5.4 Laser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537
6.5.5 Materiewellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541
6.6 Abbildung mikroskopischer Objekte . . . . . . . . . . . . . . . 544
6.6.1 Beugungsbegrenzte Abbildung . . . . . . . . . . . . . 544
6.6.2 Überwindung der Beugungsbegrenzung . . . . . . . 546

7 Akustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553
7.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553
7.2 Schallwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554
7.2.1 Schallausbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554
7.2.2 Schallwandler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559
7.2.3 Schallwellen an Grenzflächen . . . . . . . . . . . . . 563
7.2.4 zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568
7.3 Schallempfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569
7.3.1 Physiologische Akustik . . . . . . . . . . . . . . . . . 569
7.3.2 Musikalische Akustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572
7.3.3 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575
7.4 Technische Akustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576
7.4.1 Raumakustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576
7.4.2 Luftschalldämmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578
7.4.3 Körperschalldämmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579
XXIV Inhaltsverzeichnis

7.4.4 Strömungsgeräusche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582


7.4.5 Ultraschall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584
7.4.6 Schalleinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584
7.4.7 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586

8 Atom- und Kernphysik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589


8.1 Bohr’sches Atommodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590
8.1.1 Optisches Spektrum des Wasserstoffatoms . . . . . . 590
8.1.2 Bohr’sche Postulate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593
8.1.3 Quantenbedingungen nach Bohr/Sommerfeld . . . . 593
8.2 Quantentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595
8.2.1 Hamilton-Operator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597
8.2.2 Schrödinger-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . 599
8.2.3 Unschärferelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603
8.2.4 Quantenmechanik des Wasserstoffatoms . . . . . . . 606
8.2.5 Quanten-Hall-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609
8.2.6 Tunneleffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614
8.3 Bahn- und Spinmagnetismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617
8.3.1 Zeeman- und Stark-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . 619
8.3.2 Elektronen- und Kernspinresonanz . . . . . . . . . . 619
8.4 Systematik des Atombaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621
8.4.1 Periodensystem der Elemente . . . . . . . . . . . . . 621
8.4.2 Aufbau der Elektronenhülle . . . . . . . . . . . . . . . 622
8.5 Röntgenstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623
8.5.1 Bremsstrahlung und charakteristische Strahlung . . 623
8.5.2 Absorption von Röntgenstrahlung,
Computertomografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624
8.6 Molekülspektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627
8.6.1 Potenzialkurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627
8.6.2 Rotations-Schwingungs-Spektrum . . . . . . . . . . . 628
8.6.3 Raman-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631
8.7 Aufbau der Atomkerne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 632
8.7.1 Größe und Ladungsverteilung . . . . . . . . . . . . . 632
8.7.2 Kernmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635
8.8 Kernumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 642
8.8.1 Radioaktiver Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 642
8.8.2 Kernreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653
8.8.3 Kernspaltung und Kernreaktoren . . . . . . . . . . . . 658
8.8.4 Kernfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 663
8.9 Elementarteilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 670
8.9.1 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 671
8.9.2 Erhaltungssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675
8.9.3 Fundamentale Wechselwirkungen . . . . . . . . . . . 676
8.10 Strahlenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 678
8.10.1 Wechselwirkung der Strahlung mit Materie . . . . . 679
8.10.2 Dosisgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 687
8.10.3 Biologische Wirkung der Strahlung . . . . . . . . . . 689
8.10.4 Dosismessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692
Inhaltsverzeichnis XXV

8.10.5 Strahlenschutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 696


8.10.6 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 700

9 Festkörperphysik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 703
9.1 Struktur fester Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 703
9.1.1 Kristallbindungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 703
9.1.2 Kristalline Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 706
9.1.3 Gitterfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 709
9.1.4 Amorphe Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 712
9.1.5 Makromolekulare Festkörper . . . . . . . . . . . . . . 713
9.1.6 Ausgewählte Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . 717
9.1.7 Flüssigkristalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 722
9.2 Elektronen in Festkörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725
9.2.1 Energiebänder-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725
9.2.2 Metalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 728
9.2.3 Halbleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 734
9.2.4 Supraleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745
9.2.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 749
9.3 Thermodynamik fester Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . 750
9.3.1 Gitterschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 750
9.3.2 Effekte im Zusammenhang mit Wärmefluss und
elektrischem Strom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 757
9.3.3 Piezoelektrizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 759
9.3.4 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761
9.4 Optoelektronische Halbleiter-Bauelemente . . . . . . . . . . . 762
9.4.1 Strahlungsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 762
9.4.2 Empfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 766

10 Spezielle Relativitätstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775


10.1 Relativität des Bezugssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775
10.2 Lorentz-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 777
10.3 Relativistische Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 780
10.3.1 Längenkontraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 780
10.3.2 Zeitdilatation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 780
10.3.3 Relativistische Addition der Geschwindigkeiten . . 782
10.4 Relativistische Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 783
10.5 Spezielle Relativitätstheorie in der Elektrodynamik . . . . . 786
10.5.1 Elektrodynamische Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . 786
10.5.2 Doppler-Effekt des Lichtes . . . . . . . . . . . . . . . 787
10.5.3 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 788

11 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 789
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 789
11.1.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 789
11.1.2 Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 792
11.1.3 Thermodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 813
11.1.4 Elektrizität und Magnetismus . . . . . . . . . . . . . . 824
11.1.5 Schwingungen und Wellen . . . . . . . . . . . . . . . 831
11.1.6 Optik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 840
XXVI Inhaltsverzeichnis

11.1.7 Akustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 864


11.1.8 Atom- und Kernphysik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 869
11.1.9 Festkörperphysik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 870
11.1.10 Spezielle Relativitätstheorie . . . . . . . . . . . . . . . 875
11.2 Nobelpreisträger der Physik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 878

Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 887
Einführung
1

Auf geniale und faszinierende Weise ist


1.1 Physikalischer Erkenntnisprozess
es dem menschlichen Geist gelungen, alle
denkbaren physikalischen Erscheinungen auf
Die Physik ist ein Teilgebiet der Naturwissen-
höchstens sieben physikalische Grundgrößen
schaften. Sie beschäftigt sich im Gegensatz zur
(Basisgrößen) zurückzuführen (Zeit, Masse,
Medizin oder Biologie mit der leblosen Umwelt.
Länge, Temperatur, Stromstärke, Lichtstärke
Dieser eingeengte Betrachtungsbereich muss be-
und Stoffmenge, Abschn. 1.3.1). Diese Re-
achtet werden, wenn es um die Frage geht, ob die
duktion der Komplexität auf verhältnismäßig
Methoden der physikalischen Erkenntnis auch
wenige relevante Faktoren ist ein Grund für
auf andere Wissenschaftsgebiete direkt übertrag-
den Erfolg bei der ingenieurmäßigen Umset-
bar sind.
zung physikalischer Erkenntnisse in der Tech-
In der Physik versucht man, die Gesetzmäßig-
nik.
keiten der unbelebten Umwelt zu erfassen. Sind
In der Ingenieurpraxis können physikalische
diese bekannt, so kann man die physikalischen
Zusammenhänge jedoch auch so komplex
Gesetze für technische Zwecke ausnützen. Die
sein, dass empirisch gefundene Beziehungen
Ingenieurwissenschaft ist ein Beispiel hierfür,
in Tabellen und Grafiken niedergelegt wer-
weil man in allen ihren Bereichen, beispielswei-
den müssen, weil sie theoretisch nicht exakt
se im Maschinenbau, in der Feinwerktechnik und
in der Elektrotechnik, erfolgreich physikalische
Gesetze in der industriellen Praxis angewendet. b
Der Prozess der physikalischen Erkenntnis ist in
Abb. 1.1 als geschlossener Regelkreis dargestellt.
Er umfasst vier Stationen:

a) Experiment a c
Im ersten Schritt werden Merkmale der leb-
losen Umwelt, die physikalischen Größen,
gesucht. Zur präziseren Beschreibung müssen
auch Merkmale durch physikalische Defini-
tionen festgelegt werden (z. B. die Definiti- d
on der Kraft). In einem Experiment werden
durch Messungen zwei oder mehr physikali-
sche Größen miteinander verglichen und die
dabei aufgestellten Zusammenhänge aufge-
schrieben. Abb. 1.1 Regelkreis der physikalischen Erkenntnis

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2016 1


E. Hering, R. Martin, M. Stohrer, Physik für Ingenieure, DOI 10.1007/978-3-662-49355-7_1
2 1 Einführung

genug vorhergesagt werden können (z. B. der des sich bewegenden Körpers vorhergesagt
Einfluss der Reibung bei der Strömung realer werden.
Flüssigkeiten und Gase). Der große Erfolg der physikalischen Erkennt-
b) Induktionsschluss nismethode beruht hauptsächlich auf der Ge-
Werden physikalische Zusammenhänge im- nauigkeit und Zuverlässigkeit der Vorhersa-
mer wieder experimentell bestätigt, dann ge. Zum Beispiel wäre die Mondlandung
kann gefolgert werden, dass sie zu jeder Zeit nicht möglich gewesen, wenn auf der Erde
und an jedem Ort gültig sind. Dieser Schluss, nicht alle Gesetzmäßigkeiten bekannt gewe-
der eine Verallgemeinerung darstellt, wird in sen wären, sodass alle möglichen Ereignis-
der Mathematik Induktionsschluss (Schluss se während des Fluges auf der Erde simu-
von n auf n C 1) genannt. Eine derartige Ver- liert werden konnten. Es war möglich, die
allgemeinerung ist nur zulässig, wenn sich Mondlandung gleichsam im Geist vorweg-
die physikalischen Konstanten nicht ändern. zunehmen, weil die physikalischen Theorien
Diese wichtige Forderung nach der Konstanz richtig und zuverlässig sind und eine gülti-
der Naturereignisse äußert sich in der Phy- ge Aussage im konkreten Fall erlauben. Ein
sik in der Existenz von Naturkonstanten (z. B. wichtiger Bestandteil der ingenieurmäßigen
Lichtgeschwindigkeit c). Beim Übertragen Denkweise besteht nämlich darin, zukünfti-
des physikalischen Erkenntnisprozesses auf ges Verhalten beispielsweise von Maschinen
andere Disziplinen, z. B. auf die Psycholo- oder elektronischen Schaltungen durch die
gie, muss daher genau geprüft werden, ob die gültigen physikalischen Gesetze vorauszuse-
Konstanz der Aussageparameter gegeben und hen. Diese Methode wird vor allem auf dem
damit eine Verallgemeinerung der Beziehun- Gebiet der Schadensverhütung außerordent-
gen zulässig ist. lich wirkungsvoll eingesetzt.
c) Physikalische Gesetze a) Experiment
Mit der Verallgemeinerung durch den Induk- Auch die sorgfältigste Vorhersage physikali-
tionsschluss ist ein physikalisches Gesetz for- scher Zustände kann fehlerhaft sein, weil be-
muliert (z. B. die Kraft ist proportional zur stimmte Einflussgrößen nicht berücksichtigt
Masse und Beschleunigung). Das physika- sind. Aus diesem Grund muss die Vorhersage
lische Gesetz wird für die weitere Analyse eines physikalischen Gesetzes durch ein Ex-
und die Anwendung mathematisch formuliert periment auf ihre Richtigkeit überprüft wer-
(z. B. F D ma). Bildet die Vielzahl an phy- den (Verifikation). Voraussetzung dafür ist,
sikalischen Gesetzen ein widerspruchsfreies dass mit dem physikalischen Gesetz ein realer
System wissenschaftlicher Aussagen über die Messaufbau definiert ist, der die Verifizierung
gesetzmäßigen Zusammenhänge eines physi- der Prognose erlaubt. Diese harte Forderung
kalischen Bereiches, so wird dieses System von Albert Einstein, dass jedes physikalische
Theorie genannt. Die Theorie ermöglicht ei- Gesetz zugleich eine Messvorschrift für ei-
nerseits eine Vorhersage durch die Deduktion ne reproduzierbare Messung darstellen muss,
(d) und andererseits die Überprüfung ihres ei- hat die Physik davor bewahrt, in geistreiche
genen Wahrheits- bzw. Gültigkeitsanspruches Phantastereien abzugleiten. Mit der Prüfung
durch das Experiment (a). der Prognose am Experiment ist der physika-
d) Deduktion lische Erkenntnisprozess wie in einem Regel-
Aus den physikalischen Theorien oder Geset- kreis geschlossen. Die Wirklichkeit korrigiert
zen können mit Hilfe der Logik spezielle, auf damit im Verifikationstest den physikalischen
ein konkretes Problem bezogene Aussagen Erkenntnisprozess. Auf diese Weise ist aus-
hergeleitet werden. In der klassischen Mecha- geschlossen, dass dieser auf das rein geisti-
nik kann beispielsweise aus der Bahnkurve ge Denkvermögen des Menschen beschränkt
für den schiefen Wurf zu jeder Zeit jeder Ort bleibt.
1.2 Bereiche der physikalischen Erkenntnis 3

1.2 Bereiche der physikalischen  Erfahrbarkeit


Erkenntnis Makrophysikalische Vorgänge sind unmittel-
bar erfahrbar, mikrophysikalische dagegen
Wie Abb. 1.2 zeigt, lässt sich die Physik in zwei nicht. Dies bedeutet, dass die Mikrophysik im
Hauptbereiche einteilen, in die Makrophysik und Prinzip nicht anschaulich sein kann, weil sie
in die Mikrophysik. Entscheidend für die Zuord- sich der Anschauung entzieht.
nung ist die Größe der Wirkung (Wirkung D  Zerlegung
Energie  Zeit). Sind die Wirkungen sehr groß Die Makrophysik beschäftigt sich mit Phäno-
im Vergleich zum Planck’schen Wirkungsquan- menen, die in kleinere Teile zerlegbar sind und
tum h D 6;6260693  1034 J s, dann handelt nach ihrer Zerlegung getrennt untersucht wer-
es sich um Vorgänge in der Makrophysik. Sind den können. In der Mikrophysik handelt es
die Wirkungen dagegen in der Größenordnung sich grundsätzlich um unzerlegbare Teilchen
von h, so liegt die Mikrophysik vor. Anschaulich (Quanten). Aufgrund dieser Tatsache müssen
könnte diese Einteilung auch in dieser Weise vor- die praktizierten analytischen, auf Zerlegung
genommen werden: Die Mikrophysik beschäftigt basierenden Experimente versagen. Dies hat
sich mit Phänomenen im atomaren und subato- zur Folge, dass unser experimenteller Zugriff
maren Bereich (Längen in der Größenordnung auf die unzerlegbaren Teile völlig anders gear-
. 1010 m), während sich die Makrophysik mit tet sein muss.
bis zu lichtmikroskopisch sichtbaren Phänome-  Ablaufstruktur
nen auseinandersetzt (Längen in der Größenord- Während die Makrophysik kontinuierliche,
nung & 106 m). Die wesentlichen Unterschiede stetige Abläufe zum Inhalt hat, die es gestat-
zwischen Makro- und Mikrophysik gehen aus ten, die zeitliche Entwicklung physikalischer
Abb. 1.2 hervor: Vorgänge genau zu verfolgen, spielen sich mi-

Abb. 1.2 Bereiche der physikalischen Erkenntnis


4 1 Einführung

krophysikalische Vorgänge diskontinuierlich Beide Theorien wurden durch P.A.M. D IRAC


und unstetig ab. miteinander verknüpft.
Die klassische Physik hat vier Hauptbereiche:
Die klassische Physik beschreibt die Phänomene
der Makrophysik, die Quantenphysik die Effekte  Mechanik
der Mikrophysik. Klassische Physik und Quan- Sie beschreibt die Zustandsänderungen eines
tenphysik haben in ihrer Beschreibungsmethodik massebehafteten Körpers in Raum und Zeit.
in drei Punkten fundamentale Unterschiede:  Thermodynamik
In der Thermodynamik beschreibt man physi-
 Anschaulichkeit kalische Erscheinungen, bei denen die Tempe-
Weil die Quantenphysik nicht unmittelbar er- ratur eine wichtige zusätzliche Zustandsgröße
fahrbare Effekte beschreibt, ist sie im Gegen- ist.
satz zur klassischen Physik unanschaulich und  Elektrizität und Magnetismus
abstrakt. Die Elektrizität und für bewegte Ladungen
 Determiniertheit die Theorie des Magnetismus befassen sich
In der Quantenphysik laufen keine streng vor- mit den Effekten eines physikalischen Sys-
herbestimmten (deterministischen) Prozesse tems, wenn zusätzlich zu den mechanischen
ab wie in der klassischen Physik. Die Abläufe Grundgrößen (Masse, Länge und Zeit) noch
sind deshalb nicht chaotisch, sondern sie ge- die Eigenschaft der Ladung vorhanden ist.
horchen einer statistischen Gesetzmäßigkeit.  Wellenlehre
 Messgenauigkeit In diesem Lehrgebiet werden periodische Zu-
In der Quantenphysik können im Gegensatz standsänderungen beschrieben. Wellen kön-
zur klassischen Physik bestimmte physikali- nen sowohl materiegebunden (z. B. Akustik)
sche Zustände (z. B. Ort und Geschwindigkeit als auch nicht an Materie gebunden sein (z. B.
eines Teilchens) nicht exakt, sondern nur in- Optik).
nerhalb bestimmter Unschärfen experimentell
bestimmt werden: Durch die Messung eines Bis zum ersten Viertel des zwanzigsten Jahr-
Wertes u wird ein anderer Messwert v so hunderts herrschte das streng kausale und deter-
beeinflusst, dass dieser nicht mehr exakt mess- ministische Denkprinzip der klassischen Physik
bar ist (Abschn. 6.5.5.2). Der physikalische Newton’scher Prägung vor. Da es sehr erfolg-
Zustand ist deshalb nicht mehr durch einen reich war, wurde es von anderen Wissenschaften
genauen Wert beschreibbar, sondern durch ei- übernommen. Beispielsweise erklärt der Darwi-
ne statistische Wahrscheinlichkeit, bestimmte nismus in klaren, kausalen Gedankenketten die
Werte vorzufinden. Entwicklung der Arten (Evolutionstheorie). Ge-
mäß der Schulmedizin wird die Krankheit von
In Abb. 1.3 sind die Gebiete der Physik darge- isolierbaren Einflüssen verursacht (z. B. Bak-
stellt. In der Mitte befindet sich das Gebiet der terien, Viren oder Organdefekten); durch Be-
klassischen Physik. Ihre Erscheinungen können seitigung dieser einzelnen Krankheitsursachen
völlig gleichwertig entweder durch das Wellen- wird der Mensch gesund. In der geschichtlichen
bild oder durch das Partikelbild erklärt werden. Beurteilung durch den Marxismus (historischer
Die klassische Physik wird durch zwei Erfah- Materialismus) wird eine kausale Argumentati-
rungen erweitert: Zum einen führt die Tatsache on verwendet und die Determiniertheit des ge-
der endlichen Signalgeschwindigkeit zur Relati- schichtlichen Ablaufes postuliert. Die kausalde-
vitätstheorie (links) und zum andern führen die terministische Denkweise Newton’scher Prägung
Unschärferelationen zur Quantentheorie (rechts), nach dem Regelkreis physikalischen Erkennens
die die Gebiete Molekül- und Atomphysik so- (Abb. 1.1) auf andere Gebiete zu übertragen, ist
wie Kern- und Elementarteilchenphysik umfasst. aber bedenklich, wenn
1.2 Bereiche der physikalischen Erkenntnis 5

Abb. 1.3 Gebiete der Physik

 die für den Induktionsschluss geforderte Kon- Quantenphysik ist. Damit wurde in der Physik
stanz der Systemvariablen nicht gegeben ist, erstmalig die deterministische Denkweise in ih-
weil diese je nach Situation unterschiedliche rer generellen Gültigkeit in Frage gestellt. Dies
Werte einnehmen (z. B. hängt die Antwort in bedeutet freilich nicht, dass der in Abb. 1.1 darge-
einem Interview auch von der Art der Frage- stellte Regelkreis der physikalischen Erkenntnis
stellung ab) und wenn in der Quantenphysik falsch wird. Er ist nach wie
 die für einen Deduktionsschluss notwendige, vor gültig. Es wird beim Induktionsschluss die
vollständige Kenntnis der Anfangsbedingun- Konstanz der Variablen ersetzt durch die Kon-
gen eines Systems nicht gegeben ist. stanz der statistischen Zusammenhänge, weshalb
die Deduktion keine determinierten, sondern le-
Die heute beklagte „Unmenschlichkeit“ der diglich wahrscheinliche Vorhersagen erlaubt.
Technik und die Zukunftslosigkeit vieler Men- Weil in quantenmechanischen Systemen die
schen hat ihren Grund auch darin, dass die Elemente unteilbar sind, sind sie ganzheitlich und
rein kausale, deterministische Denkweise von der dürfen nicht analytisch betrachtet werden. Zudem
klassischen Physik ausgehend weite Bereiche der besteht zwischen den quantenmechanischen Sys-
geistigen Welt erfasst hat. In letzter Konsequenz temkomponenten eine so starke Wechselwirkung,
führt dieses Denken zu dem Schluss, das mensch- dass bei einer Trennung der Komponenten für
liche Leben sei ein sinnloses, vorherbestimmtes eine Einzelanalyse diese erheblich verändert wer-
Existieren. Der Begriff Freiheit als Gegenteil von den; somit ist ein Denken in wechselwirkenden
Determiniertheit wird dann ebenso sinnlos wie Zusammenhängen (Regelkreisen) bei quanten-
ein Moralbegriff, da vorherbestimmte Abläufe mechanischen Systemen notwendig.
keinen Schuldigen kennen. Das für viele Probleme unserer Zeit (z. B. Um-
Mit der Begründung der Quantenphysik Mitte weltzerstörung) notwendige vernetzte Denken in
der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts wur- ganzheitlichen Kategorien als erforderliche Kor-
de deutlich, dass sich atomare und subatomare rektur zur isolierten, analytischen Denkweise war
Strukturen nicht mehr deterministisch verhalten in der Physik bereits vor achtzig Jahren notwen-
und die klassische Physik ein Spezialfall der dig, um quantenphysikalische Effekte erklären
6 1 Einführung

zu können. Sicherlich wird ein über die statisti- nur noch die SI-Einheiten benutzt werden. Durch
sche Determiniertheit hinausgehendes Denkkon- Vorsätze oder Präfixe können dezimale Vielfa-
zept benötigt, um soziale und lebendige Syste- che oder Teile der Einheiten gebildet und damit
me in ihrem Verhalten richtig beschreiben zu umständlich zu schreibende Zehnerpotenzen der
können. Aus diesem Grund wird von einigen Maßzahlen vermieden werden. In Tab. 1.1 sind
Physikern versucht, die Quantenphysik in ihrer die Vorsilben und Kurzzeichen für die Vorsät-
ganzheitlichen, auf Regelkreisen beruhenden Be- ze zusammengestellt. Doppelvorsätze wie z. B.
trachtungsweise als Denkmodell beispielsweise mm, sind nicht zulässig.
für gesellschaftliche Strukturen und deren Ver- Hohe Anforderungen an die Genauigkeit des
änderungen oder zur ästhetischen Beurteilung Vergleichs mit der Einheit, d. h. an die Mess-
von Kunstwerken heranzuziehen. Es bleibt ab- genauigkeit, können nur mit sehr aufwändigen
zuwarten, inwieweit diese Übertragungsversuche Apparaturen erfüllt werden, bei denen Störein-
quantenmechanischer Denkkonzepte auf andere flüsse auf den Vergleichsmaßstab weitgehend
Wissenschaften erfolgreich sind. ausgeschlossen und die Ablesung des Vergleichs-
maßstabs hochverfeinert ist. Weltweit kann ein
solcher messtechnischer Aufwand nur in wenigen
1.3 Physikalische Größen Mess- und Eichlaboratorien getrieben werden.
In der Bundesrepublik Deutschland ist dafür die
1.3.1 Definition und Maßeinheit Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in
Braunschweig zuständig. Abb. 1.4 zeigt das pri-
Eine physikalische Größe kennzeichnet Eigen- märe Zeitnormal der PTB Braunschweig, die
schaften und beschreibt Zustände sowie Zu- Atomuhr. Schon wegen dieses messtechnischen
standsänderungen von Objekten der Umwelt. Sie Aufwandes wurde in den SI-Vereinbarungen
muss nach der Forderung Einsteins (Abb. 1.1) darauf geachtet, die Einheiten der physikali-
messbar sein, d. h. ein Messverfahren definie- schen Größen auf möglichst wenige, voneinan-
ren. Die Vereinbarung, nach der die beobachtete der unabhängige Basiseinheiten zurückzuführen.
physikalische Einheit quantifiziert wird, ist die Von deren absoluter Messgenauigkeit sind unse-
Einheit der physikalischen Größe. Beispielsweise re physikalischen Beobachtungen bestimmt. In
wurde für die Temperatur T als Einheit K (Kel-
vin) der 273,16-te Teil der Temperatur des Tripel-
punktes von Wasser festgelegt (Abschn. 3.1.3). Tab. 1.1 Bezeichnung der dezimalen Vielfachen und Teile
von Einheiten
Der Zahlenwert vor der Einheit gibt an, wie oft
der Vergleichsmaßstab der Einheit angelegt wer- Zehnerpotenz Vorsilbe Kurzzeichen Beispiel
1018 Exa E Em, EJ
den kann. Somit besteht eine physikalische Größe
1015 Peta P Pm, PJ
G immer aus einer quantitativen Aussage fGg
1012 Tera T Tm, TJ
(ausgedrückt durch den Zahlenwert) und einer 109 Giga G Gm, GJ
qualitativen Aussage ŒG (ausgedrückt durch die 106 Mega M Mm, MJ
Einheit): 103 Kilo k km, kJ
G D fGg  ŒG: (1.1) 102 Hekto h hPa, hJ
101 Deka da dam, daJ
Durch das Gesetz über Einheiten im Messwe-
101 Dezi d dm, dJ
sen vom 2. Juli 1969 (BGBl. I S. 709) wurden 102 Zenti c cm, cJ
ab 1.1.1978 die Vereinbarungen der Internatio- 103 Milli m mm, mJ
nalen Organisation für Standardisation (ISO), 106 Mikro  m, J
die sogenannten SI-Einheiten (Systeme Interna- 109 Nano n nm, nJ
tional d’Unités), in der Bundesrepublik Deutsch- 1012 Piko p pm, pJ
land eingeführt. Im amtlichen und geschäftlichen 1015 Femto f fm, fJ
Verkehr dürfen seither für physikalische Größen 1018 Atto a am, aJ
1.3 Physikalische Größen 7

Abb. 1.4 Die Cäsium-Atomuhren CS1, CS2 und CS3 der PTB Braunschweig, aufgestellt in der abgeschirmten und
klimatisierten Atomuhrenhalle

Tab. 1.2 sind die sieben Basisgrößen im SI- ihrer Definitionsgleichung abgeleitet. Eine Aus-
Einheitensystem wiedergegeben, ihre Definitio- wahl abgeleiteter Einheiten zeigt Tab. 1.3.
nen und ihre relative Messunsicherheit angege- Bei der theoretischen Beschreibung der ermit-
ben. telten Zusammenhänge zwischen den physikali-
Durch die ISO-Festlegung der Vakuum- schen Größen ergeben sich universelle Proportio-
Lichtgeschwindigkeit vom 20.10.1983 auf c D nalitätskonstanten, die Naturkonstanten. Einige
299:792:458 m=s ist das Meter von der Sekunde dieser Naturkonstanten sind in Tab. 1.4 aufge-
metrologisch abhängig geworden. Durch die Be- führt.
ziehung c 2 D 1=0 "0 ist bei Kenntnis der Licht-
geschwindigkeit c und der magnetischen Feld-
konstanten 0 der Wert für die elektrische Feld- 1.3.2 Messgenauigkeit
konstante "0 exakt festgelegt (Abschn. 4.5.5).
Nach dem von K. von Klitzing 1980 entdeck- Die Messung einer physikalischen Größe er-
ten quantisierten Hall-Effekt lässt sich auch ei- folgt durch den Vergleich der Einheit dieser
ne aus Naturkonstanten sehr exakt bestimmba- Größe nach der Messmethode der SI-Vereinba-
re Basisgröße für den elektrischen Widerstand rung oder einem darauf geeichten Messverfahren.
R D h=.ie2 / bestimmen .i D 1; 2; 3; : : :/. Oft werden die Messwerte von Wiederholungs-
Die SI-Einheiten der übrigen physikalischen Grö- messungen Abweichungen untereinander haben,
ßen werden aus den Basiseinheiten entsprechend die kennzeichnend für die Messgenauigkeit sind.
8 1 Einführung

Tab. 1.2 Basisgrößen, Basiseinheiten und Definitionen im SI-Maßsystem


Basisgröße Basiseinheit Symbol Definition relative
Unsicherheit
Zeit Sekunde s 1 Sekunde ist das 9.192.631.770-fache der Periodendauer der 1014
dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus
des Grundzustands von Atomen des Nuklids 133 Cs entsprechen-
den Strahlung
Länge Meter m 1 Meter ist die Länge der Strecke, die Licht im Vakuum wäh- 1014
rend der Dauer von 1=299:792:458 Sekunden durchläuft
Masse Kilogramm kg 1 Kilogramm ist die Masse des internationalen Kilogrammpro- 109
totyps
elektrische Ampere A 1 Ampere ist die Stärke eines zeitlich unveränderlichen Stroms, 106
Stromstärke der, durch zwei im Vakuum parallel im Abstand von 1 Meter
voneinander angeordnete, geradlinige, unendlich lange Leiter
von vernachlässigbar kleinem kreisförmigem Querschnitt flie-
ßend, zwischen diesen Leitern je 1 Meter Leiterlänge die Kraft
2  107 Newton hervorruft
Temperatur Kelvin K 1 Kelvin ist der 273,16-te Teil der thermodynamischen Tempe- 106
ratur des Tripelpunktes des Wassers
Lichtstärke Candela cd 1 Candela ist die Lichtstärke in einer bestimmten Richtung 5  103
einer Strahlungsquelle, die monochromatische Strahlung der
Frequenz 540 THz aussendet und deren Strahlstärke in dieser
Richtung 1=683 W=sr beträgt
Stoffmenge Mol mol 1 Mol ist die Stoffmenge eines Systems, das aus ebenso viel 106
Einzelteilchen besteht, wie Atome in 12=1000 Kilogramm des
Kohlenstoffnuklids 12 C enthalten sind

Wie Tab. 1.5 zeigt, ist dabei zwischen den sys- DIN 55 303-2: Statistische Auswertung
tematischen, für das Messverfahren charakteris- von Daten,
tischen Abweichungen und den zufälligen oder DIN 55 350-21 bis 24: Qualitätssicherung und
statistischen, vom Experimentator abhängigen Statistik.
Abweichungen zu unterscheiden.
Um systematische Abweichungen aufzude- Zur grafischen Analyse der Messwertschwankun-
cken, werden in der Prüfpraxis Ringversuche gen dient das Histogramm. Ein Beispiel hierfür
durchgeführt, bei denen dieselbe Probe von ver- zeigt Abb. 1.5. In dieses wird balkenförmig über
schiedenen Prüfstellen gemessen und die Ergeb- dem Messwert x die relative Häufigkeit hj des
nisse anschließend verglichen werden. Aus den Messwerts aufgetragen:
zufälligen Abweichungen wird durch die Fehler-
Nj
rechnung die Messgenauigkeit des angewandten hj D : (1.2)
Messverfahrens bestimmt. Die mathematischen N
Grundlagen für diese Analyse der Messgenauig- Nj ist die Anzahl des Messwerts xj bei N Mes-
keit sind in Lehrbüchern der Statistik und Wahr- sungen der Messgröße x.
scheinlichkeitstheorie beschrieben. Die praxisge- Bei zufälligen Messabweichungen ist die Häu-
rechten Verfahren sind in Normen zusammenge- figkeitsverteilung symmetrisch zu einem häu-
fasst: figsten Wert, dem Erwartungswert . Bei einer
Wiederholungsmessung wird dieser Erwartungs-
DIN 1 319: Grundbegriffe der Mess- wert mit größter Wahrscheinlichkeit gemessen.
technik, Vom häufigsten Wert abweichende Messwerte xj
DIN ISO 3534-1: Statistik – Begriffe und werden umso seltener gemessen, je größer ihre
Formelzeichen, Abweichung dj D xj   vom Erwartungswert 
DIN 53 804-1: Statistische Auswertung, ist.
1.3 Physikalische Größen 9

Tab. 1.3 Zusammenstellung einiger physikalischer Größen mit ihren SI-Einheiten, die von den Basiseinheiten abge-
leitet sind
Physikalische Größe Formel- Berechnung Einheit
zeichen
Fläche A A D Länge  Breite m2
Bogen m
Winkel ' 'D D rad Radiant
Radius m
Fläche des Kugelabschnitts m 2
Raumwinkel ˝ ˝D D sr Steradiant
Quadrat des Kugelradius m2
1 1
Frequenz ; f f D D Hz Hertz
Periodendauer s
Wegintervall m
Geschwindigkeit v vD
Zeitintervall s
Geschwindigkeitsänderung m
Beschleunigung a aD
Zeitintervall s2
m
Kraft F F D Masse  Beschleunigung kg  2 D N Newton
s
m2
Arbeit, Energie W; E W D Kraft  Weg kg  2 D J Joule
s
Arbeit m2
Leistung P P D kg  3 D W Watt
Zeitintervall s
m2
Wärme Q Q D Energie kg  2 D Ws D J Joule
s
Wärme kg  m2 J
Wärmekapazität C C D D
Temperaturintervall s2  K K
elektrische Ladung Q Q D elektr. Stromstärke  Zeit As DC Coulomb
elektrische Kraft kg  m N V
elektrische Feldstärke E ED D D
elektrische Ladung s3  A As m
elektrische Arbeit kg  m2 W
elektrische Spannung U U D D DV Volt
elektrische Ladung A  s3 A
elektrische Spannung kg  m 2
V
elektrischer Widerstand R RD D D Ohm
elektrische Stromstärke A2  s3 A
elektr. Stromstärke  Windungszahl A
magnetische Feldstärke H H D
Spulenlänge m
kg  m2
magnetischer Fluss ˚ ˚ D magnetische Induktion  Fläche D V  s D Wb Weber
A  s2
kg Wb
magnetische Induktion B B D Permeabilität  magnetische Feldstärke D 2 DT Tesla
A  s2 m
Lichtstrom cd  sr
Beleuchtungsstärke E ED D lx Lux
Fläche m2

Wird die Anzahl der Wiederholungsmessun- h.x/dx ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei ei-
gen stark erhöht, so geht die Häufigkeitsver- ner Wiederholungsmessung der Messwert x zwi-
teilung h.xj / in eine glockenförmige Normal- schen x und x C dx liegt. Die Funktion h.x/ ist
Verteilung der Messwerte über. Im Grenzfall symmetrisch p zum Erwartungswert  und durch
liegen die Werte des Histogramms auf der von den Faktor 1= 2  2 so normiert, dass die Wahr-
C.F. Gauß aufgestellten Verteilungsfunktion scheinlichkeit 1 ist, bei einer Wiederholungsmes-
sung einen Wert x im Bereich 1 < x < C1
2
1  .x/ zu finden. Die Varianz  2 ist ein Maß für die
h.x/ D p e 2 2 : (1.3)
2  2 Breite der Verteilungsfunktion h.x/W 68;3 % der
10 1 Einführung

Tab. 1.4 Wichtige Naturkonstanten (international empfohlene CODATA-Werte von 2014)


Bezeichnung Symbol Wert relative Unsicherheit
m
Vakuum-Lichtgeschwindigkeit c 2;99792458  108 0
s
N m2
Gravitationskonstante G 6;67408  1011 4;7  105
kg2
Avogadro-Konstante NA 6;022140857  1023 mol1 1;2  108
Elementarladung e 1;6021766208  1019 A s 6;1  109
Ruhemasse des Elektrons m0e 9;10938356  1031 kg 1;2  108
Ruhemasse des Protons m0p 1;672621898  1027 kg 1;2  108
Planck’sches Wirkungsquantum h 6;62607004  1034 J s 1;2  108
Sommerfeld’sche Feinstrukturkonstante ˛ 7;2973525664  103 2;3  1010
As
elektrische Feldkonstante "0 8;854187817  1012 0
Vm
Vs
magnetische Feldkonstante 0 4   107 0
Am
As
Faraday-Konstante F 9;648533289  104 6;2  109
mol
J
universelle Gaskonstante Rm 8;3144598 5;7  107
mol K
J
Boltzmann-Konstante k 1;38064852  1023 5;7  107
K
W
Stefan-Boltzmann-Konstante  5;670367  108 2 4 2;3  106
m K

Tab. 1.5 Abgrenzung zwischen systematischen und statistischen Abweichungen


systematische Abweichungen statistische Abweichungen
Hinweise unsymmetrische Häufung der Messwerte von symmetrische Häufung der Messwerte um
Wiederholungsmessungen einen häufigsten Wert
Ursachen falsche Kalibrierung der Messgeräte (z. B. Schwankungen beim Anlegen von Maßstäben
falsch eingestellter Nullpunkt) (z. B. mangelnde Geschicklichkeit, elektroni-
Ablesefehler (z. B. Parallaxenfehler bei Zei- sche Triggerschwankungen)
gerinstrumenten) Schätzung von Zwischenwerten auf Maßstäben
falsche Messgerätejustierung (z. B. nicht hori-
zontale Aufstellung)
Messwertdriften (z. B. Messverfahren verän-
dert die Messgröße)
Abhilfen Konsistenzmessungen (z. B. Eichpunkte, Mess- keine (Messgenauigkeit des Messverfahrens
bereichsumschaltung) entspricht Messfehler)
stabilisierende Maßnahmen (z. B. Thermostati-
sierung, Vakuumschutz)
Einsatz unterschiedlicher Messverfahren
Charakterisierung Angabe von Namen, Institut (amtliche Zulas- Angabe der Abweichung nach mathematischer
sung, Prüfstelle), Messdatum und verwendeten Analyse der Messwerte (Fehlerrechnung)
Messgeräten

Messwerte liegen im Bereich x D  ˙  und ximums der Gauß-Verteilung, bestimmt werden;


95;4 % im Bereich x D  ˙ 2 . Die Varianz  2 es ist
2
kann auch aus der Halbwertsbreite b1=2 , d. h. der b1=2
2 D 2
D 0;18b1=2 : (1.4)
Breite der Glockenkurve in halber Höhe des Ma- 8 ln 2
1.3 Physikalische Größen 11

Die Genauigkeit eines Messverfahrens be-


stimmt die Breite der Häufigkeitsverteilung. Die
Standardabweichung s charakterisiert somit die
Messgenauigkeit des verwendeten Messverfah-
rens und kann deshalb durch Wiederholungs-
messungen nicht erhöht werden; dazu muss das
Messverfahren geändert werden.
Dagegen erhöhen Wiederholungsmessungen
die Genauigkeit, sodass der berechnete arithme-
tische Mittelwert xN mit dem Erwartungswert 
als wahrem häufigsten Wert der Messgröße über-
einstimmt. Die Standardabweichung des arithme-
Abb. 1.5 Histogramm der Häufigkeitsverteilung hj (T )
tischen Mittelwerts xN in Tab. 1.6 ist ein Maß
bei einer Schwingungsdauermessung sowie die Normal- für die Abweichung zwischen Schätzwert xN und
verteilungskurve nach (1.3) für  D TN und  2 D sT2 mit wahrem Wert .
TN D 1;2116 s und sT D 0;0172 s Häufig liegt bei Messungen die Anzahl der
Wiederholungsmessungen, d. h. die Anzahl der
Aus der Häufigkeitsverteilung h.xj / einer endli- Messungen N abzüglich der Anzahl der gesuch-
chen Anzahl N von Messungen der m diskreten ten Erwartungswerte unter zehn. Bei einer sol-
Messwerte x1 ; : : : ; xm lassen sich für den Erwar- chen kleinen Anzahl von Messungen ähnelt in
tungswert  und die Varianz  2 nach der Theorie der Regel das Histogramm Abb. 1.5 nur sehr ent-
der Beobachtungsfehler von Gauß Schätzwer- fernt einer Normalverteilungskurve nach (1.3).
te berechnen. Demnach ist die beste Näherung Dementsprechend ungenau ist die Abschätzung
für  der arithmetische Mittelwert xN aus den des Erwartungswertes der Messgröße durch das
Messwerten. Die theoretischen Beziehungen zur arithmetische Mittel der Messwerte. Die Güte
Berechnung der Schätzwerte sind in Tab. 1.6 zu- dieser Abschätzung wird durch einen Vertrau-
sammengestellt. ensbereich um den arithmetischen Mittelwert ge-
Charakteristisch für die Varianz  2 und da- kennzeichnet, in dem der Erwartungswert der
mit die Breite der Häufigkeitsverteilung ist die Messgröße mit einer vom Experimentator vor-
Summe der quadratischen Abweichungen .xi  zugebenden Wahrscheinlichkeit, der statistischen
x0 /2 von einem Festwert x0 ; die Fehlersum- Sicherheit P , liegt.
me FS. Die Fehlersumme hat den minimalen Nach der Theorie der Beobachtungsfehler
Wert FSmin , wenn für den Festwert der arithme- (t-Verteilung nach Student, alias W.S. G OS -
tische Mittelwert xN eingesetzt wird. Mit Hilfe der SET , 1876 bis 1937) sind bei normalverteilten

minimalen Fehlersumme lässt sich als Breiten- Messgrößen die Vertrauensgrenzen für den Er-
maß der Häufigkeitsverteilung die Standardab- wartungswert abhängig von der Anzahl N der
weichung s berechnen; s ist die minimale Feh- Messungen und der Standardabweichung s des
lersumme FSmin , normiert auf die Anzahl nw D Messverfahrens:
N  1 der Wiederholungsmessungen. Die Stan-
dardabweichung s hat dieselbe Maßeinheit wie obere Vertrauensgrenze: xo D xN C uz ;
die Messgröße x. Nach der Theorie der Beob- untere Vertrauensgrenze: xu D xN  uz :
achtungsfehler ist s 2 der beste Schätzwert für die
Varianz  2 . In Abb. 1.5 ist in das Histogramm Die Messunsicherheit uz , die den Vertrauensbe-
die Verteilungsfunktion h.x/ nach (1.3) einge- reich des statischen Messwerts abgrenzt, berech-
zeichnet, wenn an Stelle von  und  2 die nach net sich nach (5) in Tab. 1.6 und hängt von der
Tab. 1.6 berechneten Werte xN und s 2 gesetzt wer- Standardabweichung xN des arithmetischen Mit-
den. telwerts ab.
12 1 Einführung

Tab. 1.6 Beziehungen zur Berechnung der Kennwerte der Fehlerrechnung


Kennwerte der Fehlerrechnung Beziehungen
N
1 X
xN arithmetischer Mittelwert; Schätzwert für den Erwartungswert xN D xi (1)
N iD1
N
X
FSmin minimale Fehlersumme einer Anzahl von N Messwerten FSmin D N 2
.xi  x/
iD1
N
X
D xi2  N xN 2 (2)
iD1
r
FSmin
s Standardabweichung des Messwerts bzw. Messverfahrens; Schätzwert für sD (3)
die Varianz N 1
s
xN Standardabweichung des arithmetischen Mittelwerts xN D p (4)
N
uz Zufallskomponente der Messunsicherheit mit tP -Faktor der Student- uz D xt
N P (5)
Verteilung

Der Faktor t folgt aus der Student-t-Verteilung Tab. 1.7 Zahlenwerte nach DIN 1319-3 und Anpassungs-
und ist abhängig von der Anzahl der Wieder- polynom des t -Faktors der Vertrauensgrenzen für ver-
schiedene statistische Sicherheiten
holungsmessungen und der geforderten statisti-
schen Sicherheit P . In Tab. 1.7 sind für verschie- Anzahl der Statistische Sicherheit P
Wiederholungs- 68,3 % 95,4 %
dene Werte der statistischen Sicherheit P Werte messungen
für den t-Faktor aufgeführt. In der Physik und nw D N  k t 0;68 t0;95
in der Vermessungstechnik rechnet man mit der 1 1,84 12,71
statistischen Sicherheit P D 68;3 %. In diesem 2 1,32 4,30
Fall entspricht die Messunsicherheit uz gerade 3 1,20 3,18
der Standardabweichung xN des arithmetischen 4 1,15 2,78
Mittelwerts. In der Industrie dagegen bevorzugt 5 1,11 2,57
man die höhere statistische Sicherheit von P D 7 1,08 2,37
95;4 %. Deshalb muss bei der Angabe der Mess- 10 1,06 2,25
20 1,03 2,09
unsicherheit bzw. des Vertrauensbereichs stets
50 1,01 2,01
die gewählte statistische Sicherheit P angegeben
100 1,00 1,98
werden.
> 100 1,00 1,96
Liegt neben der statistischen Messunsicher- Anpassungs- t0;68 D 1 t0;95 D 1;96
heit uz auch noch eine systematische Messunsi- polynom 0;584 3;012
C C
cherheit us vor, so ist als Gesamt-Messunsicher- nw nw
heit die Summe, also der Wert ug D uz C us , 0;032 1;273
 
n2w n2w
anzugeben. 0;288 8;992
Das Ergebnis von N Messungen der Mess- C
n3w
C 3
nw
größe x mit einem Messverfahren, dessen Mess-
genauigkeit durch die Standardabweichung s ge-
kennzeichnet ist, wird in der Form
wird allerdings in der Praxis oft weggelassen.
s Dies kann zu Verwirrungen führen. So kann bei-
xP D xN ˙ tP p (1.5) spielsweise die Temperaturmessung mit einem
N
Thermometer mit 1=10 ıC Teilung bei einer Ka-
angegeben. Der Index P kennzeichnet bei sehr librierung mit der statistischen Sicherheit von
genauen Messungen die gewählte statistische Si- 68;3 % eine Messgenauigkeit von ug D 0;1 K
cherheit. Die Angabe der statistischen Sicherheit aufweisen. Für den Einsatz in der Industrie mit
1.3 Physikalische Größen 13

einer Anforderung an die statistische Sicherheit 1.3.4 Kurvenanpassung


von 95;4 % muss für dieses Thermometer die
doppelte Messungenauigkeit ug D 0;2 K ange- Außer der direkten Bestimmung von Mess-
geben werden. werten für einzelne physikalische Größen f ,
Wie aus (1.5) hervorgeht, nimmt die Mess- beispielsweise der Länge oder der Masse ei-
unsicherheit von x nur mit der Wurzel der nes Körpers, wird in Physik und Technik die
Messungen ab. Deshalb steigern viele Wiederho- Messtechnik dazu eingesetzt, Theorien von Na-
lungsmessungen die Messgenauigkeit des Erwar- turvorgängen zu überprüfen und die Parameter
tungswertes der Messgröße nur noch wenig. dieser Theorien experimentell zu bestimmen.
In Tab. 1.6 sind die absoluten Standardab- Dabei werden für unterschiedliche Messvaria-
weichungen zusammengestellt. Zum Vergleich blen x1 ; x2 ; x3 ; : : : die Messwerte f1 ; f2 ; f3 ; : : :
der Genauigkeiten verschiedener Messverfahren der physikalischen Größe f gemessen, mit
werden häufig die relativen Standardabweichun- den theoretischen Werten f .x1 I a0 ; a1 ; : : :/,
gen des Messverfahrens s=xN bzw. des arith- f .x2 I a0 ; a1 ; : : :/, f .x3 I a0 ; a1 ; : : :/ : : : vergli-
metischen Mittelwerts x=N xN herangezogen. Die chen und die Parameter a0 ; a1 ; : : : der Theorie
Relativwerte werden dabei jeweils auf den arith- so gewählt, dass die theoretischen Werte der
metischen Mittelwert xN bezogen und in Prozent- physikalischen Größe f im Rahmen der Messge-
werten (1 % D 102 ), Promille (1  D 103 ) nauigkeit mit den Messwerten übereinstimmen.
oder parts per million (1 ppm D 106 ) angege- Lassen sich die Messwerte nicht durch die theo-
ben. retischen Kurven anpassen, so ist entweder die
zugrunde liegende Theorie falsch oder die Mes-
sung mit systematischen Messfehlern behaftet.
1.3.3 Fehlerfortpflanzung Eine für die theoretische Elementarteilchenphy-
sik bahnbrechende experimentelle Untersuchung
Oft werden die physikalischen Größen mit Fehleranalyse zeigt Abb. 1.6.
f .x; y; z; : : :/ nicht direkt gemessen, sondern Sind die Messfehler der Messwerte f1 ; f2 ; : : :
indirekt aus den Messungen der Teilgrößen zufällig und unterliegen sie dem Normalver-
x; y; z; : : : bestimmt, beispielsweise die Dichte % teilungsgesetz, so sind nach der Theorie der
eines zylindrischen Körpers aus den Messungen Beobachtungsfehler von Gauß die Parameter
der Masse, des Durchmessers und der Höhe. Als a0 ; a1 ; : : : der Theorie am wahrscheinlichsten, für
Messergebnisse liegen also die arithmetischen
Mittelwerte und die Standardabweichungen der
Teilgrößen vor. Nach dem Fehlerfortpflanzungs-
gesetz von Gauß lassen sich aus diesen Werten
der Teilgrößen der wahrscheinliche Wert fN der
indirekt gemessenen Größe f .x; y; z; : : :/ und
deren Standardabweichungen nach den Bezie-
hungen in Tab. 1.8 errechnen.
Häufig wird (2) in Tab. 1.8 für die Standard-
abweichung mit Hilfe des absoluten Größtfehlers
f nach (3) in Tab. 1.8 abgeschätzt. Besonders
einfach lässt sich der relative Größtfehler f =fN
einer Größe f D a  x k y m z n berechnen, die über
Abb. 1.6 PETRA-Experimente am Deutschen Elektro-
Potenzprodukte von den Teilgrößen abhängt: nen-Synchrotron (DESY) bewiesen 1983 das Versagen
ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ der reinen Quanten-Elektrodynamik (QED) bei der Er-
f ˇ xN ˇ ˇ yN ˇ ˇ Nz ˇ zeugung von Myonen und bestätigten im Rahmen der
D jkjˇ ˇ ˇ C jmjˇ
ˇ ˇ C jnjˇ
ˇ ˇ : (1.6) Messgenauigkeit die Theorie der elektroschwachen Wech-
fN N
x ˇ N
y ˇ zN ˇ
selwirkung (QED C WEAK)
14 1 Einführung

Tab. 1.8 Beziehungen für die Kennwerte der Fehlerrechnung indirekt gemessener physikalischer Größen
Kennwerte der Fehlerfortpflanzung der Fehlerrechnung Beziehungen
fN wahrscheinlichster Wert der indirekt fN D f .x;
N y;
N zN ; : : :/ (1)
gemessenen physikalischen Größe f
s 2  2  2
@f @f @f
sf Standardabweichung der Größe f sf D sx2 C sy2 C sz2 C : : : (2)
bzw. des indirekten Messverfahrens @x @y @z
für f
ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ
ˇ @f ˇ ˇ @f ˇ ˇ @f ˇ
f absoluter Größtfehler der Größe f f D ˇˇ ˇˇ xN C ˇˇ ˇˇ yN C ˇˇ ˇˇ Nz C : : : (3)
bzw. des Messverfahrens für f @x @y @z
N y;
x; N zN ; : : : arithmetische Mittelwerte der Teilmessgrößen x; y; z; : : :
x;N y; N Nz ; : : : Standardabweichungen der Mittelwerte x; N y;
N zN ; : : :
@f @f @f
; ; ; : : : partielle Ableitungen der Funktion f .x; y; z; : : :/ nach den Teilgrößen x; y; z; : : : an der Stelle
@x @y @z N y;
x; N zN ; : : :

die die Fehlersumme, d. h. die Summe der Qua- über Funktionen f mit linearen Normalgleichun-
drate der Abweichungen, ein Minimum ist: gen. Die Standardabweichungen sa0 ; sa1 ; : : : der
Parameter lassen sich aus dem Wert des Mini-
X N mums der Fehlersumme FSmin , der Anzahl der
FS D gi Œfi  f .xi I a0 ; a1 ; : : :/2 Wiederholungsmessungen nw und aus den Ge-
i D1
wichten g1 ; g2 ; : : : der Messwerte ermitteln.
! Minimum: (1.7) Oft lässt sich eine theoretische Beziehung y D
f .xI a0 ; a1 / durch eine Transformation v D v.y/
Mit den Gewichten gi können die Beiträge ein- in eine Geradendarstellung v D mx C a umfor-
zelner Messwerte zur Fehlersumme unterschied- men. Die Parameter Steigung m und Achsenab-
lich gewichtet werden. schnitt a dieser Geradendarstellung v.x/ können
Es wird bei diesem Ansatz vorausgesetzt, dass dann entweder rechnerisch oder grafisch durch
die Abweichungen fi  f .xi I a0 ; a1 ; : : :/ vonein- eine Regressionsgerade ermittelt werden. Durch
ander unabhängig sind und die Standardabwei- die Umformung von y D f .x/ in v D v.x/ än-
chung der Messungen fi für alle Maßvariablen dern sich jedoch die Gewichte gi der einzelnen
xi , denselben Wert s hat. Messwerte; die Fehlersumme lautet dann
Die Forderung dieser Methode der kleinsten
N
Quadrate führt auf ein System von Normalglei- X
chungen für die Parameter a0 ; a1 ; : : :: FS D gi .vi  m xi  a/2 : (1.9)
i D1
N
X @f Ist die Standardabweichung sy für alle Werte yi
2 gi Œfi  f .xi I a0 ; a1 ; : : :/ D 0;
@a0 gleich und kann die Messungenauigkeit der Wer-
i D1
(1.8a) te xi vernachlässigt werden, so ergeben sich die
Gewichte gi aus
N
X @f
2 gi Œfi  f .xi I a0 ; a1 ; : : :/ D0 1
i D1
@a1 gi D  2 : (1.10)
@v.yi /
(1.8b) sy2
@yi
und so fort:
In Abb. 1.8 sind für die Spezialfälle der linearen,
Für Linearkombinationen der Parameter a0 ; a1 ; logarithmischen und exponentiellen Regression
: : : ist das Normalgleichungssystem linear und die Lösungen für die Mittelwerte und Standard-
geschlossen lösbar. Abb. 1.7 gibt einen Überblick abweichungen der Parameter zusammengestellt.
1.3 Physikalische Größen 15

Abb. 1.7 Funktionen mit einem linearen Normalgleichungssystem für die Parameter der Kurvenanpassung

Die Vertrauensgrenzen uz , die die statistische le Beurteilung, ob die Theorie im Rahmen der
Messungenauigkeit begrenzen, ergeben sich je Messgenauigkeit mit den Messwerten überein-
nach geforderter statistischer Sicherheit aus dem stimmt. Wird ein linearer Zusammenhang y D
Faktor t von Tab. 1.7. Es ist zu beachten, dass bei mx C a zwischen der Messvariablen x und der
k Parametern und N Messungen die Anzahl der Messgröße y erwartet, so kann im Messdia-
Wiederholungsmessungen nw D N  k beträgt. gramm die Ausgleichsgerade auch grafisch durch
So ist bei der Regressionsgeraden die Anzahl der die Messwerte gelegt werden. Der Parameter aN
Wiederholungsmessungen nw D N  2. Das Er- ergibt sich aus dem Achsenabschnitt der Aus-
gebnis der Kurvenanpassung ist gleichsgerade, m N aus der Steigung.
Die Standardabweichungen m und a der
sa Parameter lassen sich durch 2 Grenzgeraden
a D aN ˙ t.nw / p : (1.11)
N I und II an die Messwerte abschätzen, die
durch den Schwerpunkt der Messwerte ys D
1 PN 1 PN
N i D1 yi und xs D N i D1 xi zu legen sind.
1.3.5 Ausgleichsgeradenkonstruktion Eine der Grenzgeraden ist die steilste, die andere
die flachste mögliche Gerade durch die Messwer-
Eine zeichnerische Darstellung der Messpunkte te, wie Abb. 1.9 zeigt. Aus den der Zeichnung
und des Verlaufs der angepassten theoretischen entnommenen Parametern mI ; aI sowie mII und
Kurve eignet sich besonders gut für die schnel- aII der Grenzgeraden werden die Anpassungsfeh-
16 1 Einführung

ys ist die geschätzte Standardabweichung der


Ordinate ys des Schwerpunkts der Messwerte.
Die grafische Bestimmung der Ausgleichsgera-
den und die Analyse der Anpassungsgenauigkeit
über Randgeraden sind naturgemäß sehr sub-
jektiv. Doch bei einiger Messerfahrung gelingt
es, die rechnerisch ermittelten wahrscheinlichs-
ten Werte und den Vertrauensbereich für eine
statistische Sicherheit von 68,3 % in guter Annä-
herung auch auf grafischem Weg wiederzugeben.

1.3.6 Korrelationsanalyse

In der Messwertanalyse wird die Methode der Re-


gressionsgeraden benutzt, um zu untersuchen, ob
zwischen den N Messwerten oder Merkmalen yi
und xi einer zweidimensionalen Häufigkeitsver-
teilung yi D y.xi / ein Zusammenhang besteht.
Ist der Zusammenhang linear bzw. ist eine Pro-
portionalität zwischen den Werten yi und xi vor-
handen, dann liegen diese Wertepaare auf einer
Abb. 1.8 Kurvenanpassung durch lineare, logarithmische Regressionsgeraden. Sind die Werte yi und xi da-
und exponentielle Regression gegen voneinander unabhängig, dann streuen die
Punkte in der yi .xi )-Darstellung regellos, sodass
sich ein „Sternenhimmel“ gemäß Abb. 1.10a er-
gibt.
Ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, dass ein
linearer Zusammenhang zwischen yi und xi be-
steht, ist der Betrag des Korrelationskoeffizien-
ten r:
ˇ ˇ
ˇ PN ˇ
ˇ .x  N
x/.y  N
y/ ˇ
i i
r D ˇ qP i D1
ˇ ˇ
P ˇ;
ˇ N N ˇ
ˇ i D1 .xi  x/N 2 i D1 .yi  y/
N 2ˇ
(1.13a)
ˇ v ˇ
ˇ u PN 2
ˇ

Abb. 1.9 Grafische Kurvenanpassung für das Thermoele- ˇ u x
i D1 i  N N
x
ment Cu–CuNi an die Eichkurve r D ˇm
ˇ N PN
t
2
ˇ (1.13b)
y  N N
y 2ˇ
ˇ i D1 i ˇ

mit
ler in folgender Weise bestimmt:
N
1 X als dem Mittelwert der
ˇ I
ˇ m  mII ˇ
ˇ xN D xi
m D ˙ ˇˇ ˇ; (1.12a) N i D1 Merkmale xi ;
2 ˇ
N
ˇ I 1 X als dem Mittelwert des
ˇ 
ˇ a  aII ˇ yN D yi
a D ˙ ˇ ˇ ˇ C j ys j : (1.12b) N i D1 Merkmals yi
2 ˇ
1.3 Physikalische Größen 17

Abb. 1.10 Korrelationsanalyse der mittleren täglichen Heizleistung und äquivalenter Außentemperatur (unter
Heizleistung eines Wohnhauses: a) Zusammenhang zwi- Berücksichtigung von Sonnenzustrahlung und Windein-
schen Heizleistung und Außenlufttemperatur; Korrelation fluss); Korrelation wahrscheinlich (r > 0;9)
unwahrscheinlich (r < 0;5); b) Zusammenhang zwischen

und Es ergeben sich folgende Messwerte:

T D 1;21 sI 1;20 sI 1;23 sI 1;19 sI 1;21 sI 1;22 sI


PN
i D1 xi yi  N x
N  yN als der Steigung der
N D
m PN 2
N2 Regressionsgeraden: 1;18 sI 1;21 sI 1;24 sI 1;20 sI 1;21 sI 1; 25 sI
i D1 xi  N x
1;19 sI 1;20 sI 1;22 sI 1;21 sI 1;19 sI 1;23 sI
Der Korrelationskoeffizient r ist also proportio-
1;21 sI 1;22 sI 1;20 sI 1;24 sI 1;21 sI 1;22 sI
nal zur Steigung m der Regressionsgeraden durch
die Messwerte xi ; yi . Nach (1.13b) berechnet ei- 1;20 s:
ne Reihe von Taschenrechnerprogrammen den a) Berechnet werden soll der wahrscheinlichste
Korrelationskoeffizienten r. Liegt der Korrelati- Wert der Schwingungsdauer.
onskoeffizient nahe bei r D 1 (also 0;8 < r  b) Wie groß ist die Standardabweichung und da-
1;0), etwa entsprechend Abb. 1.10b, dann be- mit die Genauigkeit des Messverfahrens?
steht mit großer Wahrscheinlichkeit eine lineare c) Wie groß ist die Standardabweichung des
Beziehung zwischen den Messwerten bzw. Merk- arithmetischen Mittelwerts?
malen yi , und xi . Ein Zusammenhang zwischen d) Welchen Wert hat die Grenze uz des Vertrau-
den beiden Merkmalen yi und xi ist unwahr- ensbereichs, wenn eine statistische Sicherheit
scheinlich, wenn der Korrelationskoeffizient wie von P D 95 % verlangt wird?
in Abb. 1.10a im Bereich 0  r < 0;5 liegt.
Ü 1-2 Die Wärmeleitfähigkeit  eines Stoffes
wird im Plattengerät nach DIN 52 612 unter sta-
1.3.7 Zur Übung tionären Temperaturbedingungen aus der Mes-
sung der Probendicke s, der Kantenlängen a
Ü 1-1 Die Schwingungsdauer eines Fadenpen- und b der plattenförmigen Probe, aus den Ober-
dels wird mit einer Stoppuhr 25-mal gemessen. flächentemperaturen T1 und T2 auf der Kalt- und
18 1 Einführung

Warmseite sowie aus dem Wärmestrom ˚ durch von der mittleren Außenlufttemperatur unter-
die Probe bestimmt. Es gilt sucht. In einem weiteren Schritt wird zum Ver-
gleich der Zusammenhang der Heizleistung mit
˚s einer äquivalenten Außentemperatur analysiert.
D :
ab.T2  T1 / Diese berücksichtigt die Einflüsse der Sonnen-
zustrahlung, der mittleren Windgeschwindigkeit
Die Messwerte bei einer Leichtbetonprobe sind an den Außenflächen und die Wärmespeicherfä-
higkeit der Auenwandkonstruktion und wird aus
˚ D .16 ˙ 0;1/ W; b D .495 ˙ 1/ mm; den lokalen Klimadaten berechnet. Für einen 17-
s D .80 ˙ 1/ mm; T2 D .15 ˙ 0;1/ ı C; tägigen Messzyklus ergeben sich folgende Daten:
ı
a D .500 ˙ 1/ mm; T1 D .6 ˙ 0;1/ C:
Tag-Nr. mittlere mittlere äquivalente
tägliche Außenluft- Außentem-
a) Wie groß ist der wahrscheinlichste Wert der Heizleistung temperatur peratur
Wärmeleitfähigkeit? kW ı
C ı
C
b) Wie groß ist die Standardabweichung s der 1 85 2,3 0,8
Wärmeleitfähigkeit? 2 81 1,5 0,4
c) Wie groß ist der relative Größtfehler der Wär- 3 67 0,6 3,2
meleitfähigkeitmessung? 4 93 0,6 3;0
5 81 3,2 1,2
6 88 2,8 0;7
Ü 1-3 Für das Thermoelement-Material Cu–
7 102 2,2 2
CuNi soll die thermoelektrische Beziehung für
8 73 6,0 0,6
die Bezugstemperatur #0 D 0 ı C 9 65 6,2 4,2
10 64 3,4 3,5
Uth D a1 # C a2 # 2 11 78 1,0 0,2
12 65 0,5 2,0
an die Werte der folgenden Wertetabelle rech- 13 81 1,8 0,7
nerisch und grafisch angepasst werden. Zu be- 14 74 3,0 1,4
stimmen sind die wahrscheinlichsten Werte der 15 65 4,0 2,6
Thermomaterialkonstanten a1 und a2 und der 16 52 4,4 4,4
Vertrauensbereich für eine statistische Sicherheit 17 59 5,3 3,4
P D 68;3 %.
a) Wie groß sind die Steigung und der Ach-
senabschnitt der Regressionsgeraden bei der
Wertetabelle für Cu–CuNi: Abhängigkeit der mittleren Heizleistung von
der Außenlufttemperatur bzw. von der äqui-
#=ı C 40 30 20 10
valenten Außentemperatur (Abb. 1.10)?
Uth =mV 1;50 1;14 0;77 0;39 b) Beurteilt werden soll anhand der Korrelati-
#=ı C 0 C10 C20 C30 C40 onskoeffizienten die Abhängigkeit der mittle-
Uth =mV 0 C0;40 C0;80 C1;21 C1;63 ren Heizleistung von den beiden Parametern
#= C
ı
C50 C60 C70 C80 Außenlufttemperatur und äquivalenter Au-
ßentemperatur.
Uth =mV C2;05 C2;48 C2;91 C3;35
c) Wie groß sind die Standardabweichungen der
#=ı C C90 C100 C110 C120 Steigung und des Achsenabschnitts bei den
Uth =mV C3;80 C4;25 C4;71 C5;18 beiden Regressionsgeraden?
d) Wie groß sind die Vertrauensbereiche für die
Ü 1-4 Bei der energetischen Analyse eines Steigung und den Achsenabschnitt der Re-
Mehrfamilienhauses mit Zentralheizung wird die gressionsgeraden bei der statistischen Sicher-
Abhängigkeit der mittleren Heizleistung je Tag heit P D 68;3 %?
Mechanik
2

de der klassischen Mechanik, die ihm zu Eh-


2.1 Einführung
ren auch als Newton’sche Mechanik bezeichnet
Die Mechanik ist der Teil der Physik, der sich mit wird.
der Zusammensetzung und dem Gleichgewicht Die allgemeinen Begriffe der Mechanik, wie
von Kräften, die auf einen ruhenden Körper wir- z. B. Masse, Kraft, Arbeit, Energie und Impuls,
ken (Statik), mit Bewegungsvorgängen (Kinema- und ihre mathematischen Methoden, wie z. B. die
tik) und den Kräften als Ursache der Bewegung Beschreibung von Bewegungsabläufen mit Hilfe
(Dynamik) befasst. Die Dynamik wird auch als von Differenzial- und Integralgleichungen, sind
Kinetik bezeichnet oder dient als Sammelbegriff für die ganze Physik von grundlegender Bedeu-
für Statik und Kinetik. tung. Die außerordentlichen Erfolge der New-
Eine Übersicht über die Bereiche der Mecha- ton’schen Mechanik beispielsweise auch in den
nik, die Zusammenhänge zwischen ihren Teilge- Gebieten Astronomie und Wärmelehre nährten
bieten und ihren wichtigsten Beziehungen ver- lange Zeit den Glauben, dass sich alle Natur-
mittelt Abb. 2.1. erscheinungen auf die Mechanik zurückführen
Die Mechanik nimmt unter den Teilgebie- ließen. Um die Wende vom 19. ins 20. Jahr-
ten der Physik eine besondere Stellung ein. Die hundert wurde klar, dass dies bei der Elek-
planmäßige Erforschung der Naturgesetze be- trodynamik nicht möglich ist. Ferner erkannte
gann im 16. und 17. Jahrhundert in der Mechanik. man, dass die Newton’sche Mechanik ganz kla-
So wurde beispielsweise durch die Fallversu- re Gültigkeitsgrenzen hat. So liefert die klassi-
che von Galilei (G. G ALILEI, 1564 bis 1642) sche Mechanik falsche Voraussagen, wenn sich
erstmals das gezielte Experiment als Hilfsmit- Objekte mit sehr großer Geschwindigkeit (ins-
tel wissenschaftlicher Erkenntnis in der Physik besondere nahe Lichtgeschwindigkeit) bewegen.
eingeführt (Abschn. 1.1, Abb. 1.1). Galileis Un- Dort wird sie abgelöst von der durch Einstein
tersuchungen zur Dynamik wurden von Huygens (A. E INSTEIN, 1879 bis 1955) begründeten rela-
(C HR . H UYGENS, 1629 bis 1695) fortgeführt tivistischen Mechanik. Im Bereich der atomaren
und von Newton (I. N EWTON, 1643 bis 1727) Dimensionen versagt die klassische Mechanik
zu einem gewissen Abschluss gebracht. Auf den ebenfalls: Mikroobjekte gehorchen der Quanten-
Newton’schen Axiomen fußt das ganze Gebäu- mechanik (Abschn. 1.2, Abb. 1.3).

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2016 19


E. Hering, R. Martin, M. Stohrer, Physik für Ingenieure, DOI 10.1007/978-3-662-49355-7_2
20 2 Mechanik

Abb. 2.1 Strukturbild der Mechanik

In diesem Abschnitt werden lediglich Ge- Punktes auf einem Reifen. Für die vollständi-
setze der klassischen Mechanik beschrieben ge Beschreibung des Bewegungszustands eines
(Abb. 2.1). Systems sind demnach unter Umständen vie-
le Angaben erforderlich. Da aber jedes System
aus einzelnen Punkten zusammengesetzt ist, hat
2.2 Kinematik des Punktes die Beschreibung der Bewegung eines einzelnen
Punktes eine vorrangige Bedeutung. In diesem
Die Kinematik hat zur Aufgabe, die Bewegung Abschnitt ist deshalb ausschließlich die Kinema-
von Körpern zu beschreiben. Dies geschieht tik des einzelnen Punktes beschrieben. Die Kine-
durch die Angabe von Ortskoordinaten und de- matik der starren Körper wird in Abschn. 2.9.1
ren Zeitabhängigkeit. Bei komplizierten Gebil- erläutert.
den können einzelne Teile ganz verschiedene Die Kinematik befasst sich nicht mit der Frage
Bewegungen ausführen. So ist etwa bei einem nach der Ursache einer bestimmten Bewegung.
fahrenden Auto die Bewegung eines Punktes der Dies ist Aufgabe der Dynamik oder Kinetik. Die
Karosserie völlig verschieden von jener eines Kinematik ist eine reine Bewegungsgeometrie.
2.2 Kinematik des Punktes 21

2.2.1 Eindimensionale Kinematik

2.2.1.1 Geschwindigkeit
Eindimensional ist die Kinematik eines Punktes,
wenn die Bewegung nur auf einer vorgegebenen
Bahn erfolgt, wie es beispielsweise bei Schienen-
fahrzeugen und Werkzeugschlitten der Fall ist.
Eindimensional wird die Bewegung deshalb ge-
nannt, weil zur eindeutigen Ortsbestimmung die Abb. 2.3 Zur Definition der Geschwindigkeit, t Zeit
Angabe einer Koordinate ausreicht, ein solcher (sonstige Bezeichnungen wie in Abb. 2.1)
spurgeführter Punkt also nur einen Freiheitsgrad
hat. Die Lage eines Punktes P ist eindeutig be-
schrieben, wenn gemäß Abb. 2.2 die längs der halt durch den Grenzübergang t ! 0 aus:
Bahn gemessene Entfernung s von einem An- s ds
fangspunkt A angegeben ist. v D lim D D sP : (2.2)
t !0 t dt
Eine wichtige Grundgröße der Kinematik ist
die Geschwindigkeit. Je größer die Geschwin- Der Differenzialquotient nach der Zeit wird in der
digkeit eines Punktes ist, umso größer ist der Mechanik häufig mit einem aufgesetzten Punkt
zurückgelegte Weg innerhalb einer bestimmten symbolisiert. Der Differenzialquotient ds=dt hat
Zeitspanne. Befindet sich nach Abb. 2.3 ein Punkt eine anschauliche Bedeutung:
zur Zeit t am Ort P1 , charakterisiert durch die
Entfernung s.t/ vom Ausgangspunkt A, und zur Die Geschwindigkeit ist die Steigung der
Zeit t C t am Ort P2 mit der Entfernung s.t C Kurve in einem Weg-Zeit-Diagramm.
t/, dann ist die mittlere Geschwindigkeit

s.t C t/  s.t/ s


vm D D : (2.1) Beispiel 2.2-1
.t C t/  t t
Abb. 2.4a zeigt ein Weg-Zeit-Diagramm eines
Die abgeleitete SI-Maßeinheit der Geschwindig- Fahrzeugs. Wie groß ist dessen minimale, ma-
keit v ist 1 m=s. Andere Quotienten gesetzlich zu- ximale und mittlere Geschwindigkeit?
gelassener Längen- und Zeiteinheiten, wie z. B.
km=h, sind ebenfalls möglich. Lösung
Wird die Zeitdifferenz t zu groß gewählt, Am Anfang und Ende des s; t-Diagramms hat
dann kann die tatsächliche Momentangeschwin- die Kurve eine waagrechte Tangente; hier liegt
digkeit v von der mittleren Geschwindigkeit also die minimale Geschwindigkeit v D 0
vm erheblich abweichen. Um die Momentange- vor. Der Punkt P auf der Kurve kennzeichnet
schwindigkeit zu erhalten, muss nach (2.1) ein den Ort maximaler Steigung. Der Betrag der
Quotient aus der Weg- und Zeitdifferenz bei ver- Steigung lässt sich aus dem eingezeichneten
schwindend kurzem Zeitintervall gebildet wer- Steigungsdreieck ablesen, dessen Hypotenuse
den. Mathematisch drückt man diesen Sachver- eine Tangente zur Kurve in P ist. Man erhält
30 km
vmax D D 2;36 km=min
12;7 min
D 142 km=h:

Die mittlere Geschwindigkeit für den Gesamt-


vorgang beträgt
Abb. 2.2 Ortskoordinate eines Punktes P auf vorgegebe- 30 km
ner Bahn s Weg vom Anfangspunkt A vm D D 0;75 km=min D 45 km=h:
40 min
22 2 Mechanik

a Weil dieses Integral die Bedeutung der Fläche


unter einer Kurve hat, kann der zurückgeleg-
te Weg durch Flächenbestimmung aus dem
v; t-Diagramm gewonnen werden. Sehr häu-
fig liegen in der Praxis gemessene Kurven vor,
die nicht analytisch beschrieben werden kön-
nen. Bei solchen Kurven muss die Integration
bzw. Flächenbestimmung „numerisch“ durch-
geführt werden.

Als Beispiel einer solchen Integration ist in


Abb. 2.4b die Fläche zwischen 0 5 t 5 15 min
rot eingezeichnet. Durch Auszählen von Karos
auf Millimeterpapier ergibt sich die „Fläche“
6,7 km. Zur Zeit t D 15 min ist also s.15 min/ D
6;7 km. Dieses Ergebnis stimmt mit der Abb. 2.4a
b
gut überein.

2.2.1.2 Beschleunigung
Eine beschleunigte Bewegung liegt vor, wenn
sich die Geschwindigkeit im Lauf der Zeit ändert.
Die Beschleunigung ist umso größer, je stärker
sich die Geschwindigkeit innerhalb einer Zeit-
spanne t ändert. Sind v.t/ die Geschwindigkeit
eines Punktes zur Zeit t und v.t C t/ die Ge-
schwindigkeit zur späteren Zeit t C t, so ist die
mittlere Beschleunigung
v.t C t/  v.t/ v
am D D : (2.4)
.t C t/  t t
Abb. 2.4 Bewegung mit ungleichförmiger Geschwindig- Die abgeleitete SI-Maßeinheit der Beschleuni-
keit (Beispiel 2.2-1). a Weg-Zeit-Diagramm, b Geschwin-
digkeit-Zeit-Diagramm gung a ist 1 m=s2 . Wie bei der Geschwindigkeit
weicht im Allgemeinen die Momentanbeschleu-
nigung a von der mittleren Beschleunigung am
Bestimmt man nun im s; t-Diagramm von ab. Die Momentanbeschleunigung erhält man
Abb. 2.4a an jedem Punkt die Steigung, so nach einem Grenzübergang für verschwindend
erhält man das kontinuierliche Geschwindig- kurze Messzeiten aus
keit-Zeit-Diagramm von Abb. 2.4b. Liegt aber v dv
das v; t-Diagramm durch eine Messung be- a D lim D D v:
P (2.5)
t !0 t dt
reits vor, dann kann das zugehörige s; t-
Die Beschleunigung kann anschaulich interpre-
Diagramm durch Integration ermittelt werden.
tiert werden:
Ist s0 der Ort zur Zeit t0 , dann ist der Ort s.t1 /
zur Zeit t1 gegeben durch das Integral
Die Beschleunigung ist die Steigung der
Zt
Kurve in einem Geschwindigkeit-Zeit-Dia-
s.t/ D s0 C v./d: (2.3) gramm.
t0
2.2 Kinematik des Punktes 23

a sich daraus die v; t-Kurve durch Integration:

Zt
v.t/ D v0 C a./d (2.6)
t0

mit v0 als der Geschwindigkeit zur Zeit t0 .


Die rot eingezeichnete Fläche in Abb. 2.5b
b stellt beispielsweise die Geschwindigkeit zur Zeit
t1 D 0;5 s dar. Weil die Beschleunigung analy-
tisch vorliegt, kann sofort integriert werden. Man
erhält
Z0;5 s
v.0;5 s/ D 0;79 m=s2  cos.3;14 s1 t/dt
0
D 0;25 m=s:

2.2.1.3 Einfache Spezialfälle


Von Bedeutung sind die Spezialfälle der gleich-
Abb. 2.5 Beschleunigte Bewegung (Beispiel 2.2-2). mäßigen Geschwindigkeit v D konstant und der
a Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm, b Beschleunigung- gleichmäßigen Beschleunigung a D konstant.
Zeit-Diagramm Für diese Fälle liefern die allgemeinen Gleichun-
gen verhältnismäßig einfache Ausdrücke, die in
Abb. 2.6 zusammengefasst sind. Sehr einfache
Beispiel 2.2-2 Beschreibungen ergeben sich, wenn die jeweili-
Bei einem mathematischen Pendel hängt an gen Integrationskonstanten v0 und s0 gleich null
einem Faden ein kleiner Körper mit vernach- gesetzt werden.
lässigbarer Ausdehnung. Die Geschwindigkeit Ein allgemein bekanntes Beispiel für die Be-
dieses Massenpunktes wird durch die Bezie- wegung mit konstanter Beschleunigung ist der
hung v.t/ D 0;25 m=s  sin.3;14 s1 t/ be- freie Fall an der Erdoberfläche. Alle Körper er-
schrieben und ist in Abb. 2.5a dargestellt in fahren beim Fall im Vakuum die Fallbeschleu-
der Zeitspanne 0 5 t 5 1 s. Wie lautet der nigung g D 9;81 m=s2 . Beim Fall in der Luft
Ausdruck für die Beschleunigung des Punk- wirkt sich der Strömungswiderstand störend aus,
tes? Wie groß sind die Extremwerte? der aber in vielen Fällen vernachlässigt werden
kann.
Lösung
Für die Beschleunigung gilt Beispiel 2.2-3
Von einem h D 10 m hohen Turm wird eine
a D dv=dt D 0;79 m=s2  cos.3;14 s1 t/: kleine Stahlkugel mit der Anfangsgeschwin-
digkeit v0 D 5 m=s senkrecht nach oben
Die Extremwerte sind amax D ˙0;79 m=s2 geworfen. Für diesen Fall sind die v; t- und
bei t D 0 bzw. t D 1 s. Den Verlauf zeigt y; t-Diagramme zu zeichnen. Zu berechnen
Abb. 2.5b. sind die maximale Steighöhe, die Gesamtzeit,
die vergeht, bis die Kugel auf der Erde auf-
Liegt die a; t-Kurve vor (z. B. mit einem Be- schlägt, und die Endgeschwindigkeit, mit der
schleunigungsaufnehmer gemessen), dann ergibt die Kugel auf der Erde ankommt.
24

Abb. 2.6 Translationsbewegung


2 Mechanik
2.2 Kinematik des Punktes 25

Lösung a
Abb. 2.7a zeigt die gewählte Höhenkoordina-
te. Die y-Achse weist senkrecht nach oben;
y D 0 entspricht der Erdoberfläche. Die An-
fangsbedingungen zur Zeit t D 0 sind y.0/ D
h und v.0/ D Cv0 . Die Beschleunigung ist
a D g D konstant. Das Minuszeichen bringt
zum Ausdruck, dass die Beschleunigung der
positiven y-Richtung entgegengesetzt ist.
Aus (2.6) bzw. Abb. 2.6 folgt für die Ge-
schwindigkeit

v.t/ D v0  gt: (I)

Der Ort der Kugel ergibt sich aus (2.3) bzw.


Abb. 2.6 zu
1
y.t/ D h C v0 t  gt 2 : (II) b
2
Die Gleichungen (I) und (II) sind in den ki-
nematischen Diagrammen Abb. 2.7b und 2.7c
dargestellt. Die maximale Steighöhe ist erreicht,
wenn v D 0 geworden ist (Umkehrpunkt). Aus
(I) folgt für diesen Zeitpunkt t.ymax / D v0 =g D
0;51 s.
Aus (II) erhält man die zugehörige Ortskoor-
dinate
1
ymax D h C v02 =g D 11;27 m:
2
Der Fall ist beendet, wenn y D 0 wird. Die
zugehörige Zeit tf folgt aus der quadratischen
Gleichung (II):

1 2
gt  v0 tf  h D 0:
2 f
Für die Fallzeit des freien Falls ergibt sich allge-
mein q
v0 C v02 C 2gh
tf D : (2.7)
g
In Beispiel 2.2-3 ist tf D 2;03 s (Abb. 2.7c). Die
Geschwindigkeit vf der Kugel am Ende des Falls
ergibt sich aus (I) mit der Zeit tf zu
q
vf D  v02 C 2gh: (2.8)
Abb. 2.7 Zu Beispiel 2.2-3: Senkrechter Wurf nach oben.
In Beispiel 2.2-3 ist jvf j D 14;9 m=s (Abb. 2.7b). a Höhenkoordinate, b Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm,
c Weg-Zeit-Diagramm
26 2 Mechanik

Der freie Fall aus der Ruhe ist als Spezialfall


für v0 D 0 in den vorgenannten Herleitungen
enthalten. So gelten z. B. für die Fallzeit aus der
Höhe h s
2h
tf D (2.9)
g
und für die Endgeschwindigkeit
p
jvf j D 2gh: (2.10)

2.2.2 Dreidimensionale Kinematik

2.2.2.1 Ortsvektor und Bahnkurve


Die Bewegung eines Punktes im dreidimensiona- Abb. 2.8 Ortsvektor und Bahnkurve. x, y, z Raumkoor-
dinaten, t Zeit
len Raum hat drei Freiheitsgrade; zu seiner ein-
deutigen Lagebestimmung ist die Kenntnis von
drei Koordinaten erforderlich. Dazu können bei-
spielsweise die Komponenten eines Ortsvektors
r, der vom Ursprung eines Koordinatensytems
bis zum Ort des betreffenden Punktes zeigt, be-
nutzt werden. Wird gemäß Abb. 2.8 ein karte-
sisches Koordinatensystem verwendet, dann hat
der Ortsvektor r.t/, als Spaltenmatrix geschrie-
ben, die Komponenten
0 1
x.t/
B C
r.t/ D @ y.t/ A :
z.t/
Abb. 2.9 Zur Definition des Geschwindigkeitsvektors v.
Werden die Ortsvektoren zu verschiedenen Zei- x, y, z Raumkoordinaten, t Zeit, s Weg, r Ortsvektor
ten aufgezeichnet, wandert die Spitze der Orts-
vektoren auf der Bahnkurve des Punktes.
In diesem Abschnitt wird ausschließlich mit der mittleren Geschwindigkeit definiert:
kartesischen Koordinaten gearbeitet. Bei be-
stimmten Bewegungsabläufen ist jedoch die Ver- r.t C t/  r.t/ r
vm D D : (2.11)
wendung anderer Koordinatensysteme (z. B. Ku- .t C t/  t t
gelkoordinaten oder Zylinderkoordinaten) vor-
teilhaft. Dieser Vektor hat die Richtung des Differenzvek-
tors r und gibt grob die Bewegungsrichtung an.
2.2.2.2 Geschwindigkeitsvektor Wenn die Zeitspanne t genügend klein ist, gilt
Abb. 2.9 zeigt die Bewegung eines Punktes auf jrj  s. Damit ist der Betrag des Vektors
einer gekrümmten Bahnkurve. Es sind zwei Orts- vm ungefähr gleich der mittleren Geschwindig-
vektoren r zu den Zeiten t und t Ct eingezeich- keit, wie sie in (2.1) definiert ist.
net. In Analogie zur Definitionsgleichung (2.1) Der Vektor der Momentangeschwindigkeit v
für die mittlere Geschwindigkeit wird ein Vektor ergibt sich wieder durch den Grenzübergang
2.2 Kinematik des Punktes 27

t ! 0:
1 0
xP
r dr
v D lim (2.12)
B C
D D @ yP A :
t !0 t dt
zP

Der Betrag des Vektors v ist exakt gleich der frü-


her in (2.2) eingeführten Geschwindigkeit, denn
nach dem Grenzübergang besteht zwischen Bo-
gen und Sehne kein Unterschied mehr. Für die
Richtung des Vektors gilt (Abb. 2.9):
Abb. 2.10 Tangential- und Normalkomponenten des Be-
schleunigungsvektors
Der Vektor v der Momentangeschwindig-
keit liegt stets tangential zur Bahnkurve.
dar. Der Betrag der Tangentialbeschleunigung
dv=dt ist identisch mit der Beschleunigung, die
Mit Hilfe des Tangenteneinheitsvektors e tan bei der eindimensionalen Bewegung durch (2.5)
(Betrag eins, Richtung der Tangente an die Bahn- definiert wurde.
kurve) kann der Vektor der Geschwindigkeit auch Zur Bestimmung der Normalkomponente
so geschrieben werden: anorm muss die Differenziation de tan =dt durch-
geführt werden. Dazu wird zuerst der Differen-
v D ve tan : (2.13) zenquotient e tan =t bestimmt. Abb. 2.11 zeigt
die Konstruktion des Differenzvektors e tan D
2.2.2.3 Beschleunigungsvektor e tan .t Ct/e tan .t/. Jede gekrümmte Bahn lässt
Der Vektor der Beschleunigung wird als Ablei-
sich auf einem mehr oder weniger langen Bogen-
tung des Geschwindigkeitsvektors nach der Zeit
stück s als Kreis mit dem Krümmungsradius R
definiert:
annähern. e tan steht senkrecht auf der Bahnkur-
0
vP x
1 0
xR
1 ve in Richtung Krümmungsmittelpunkt M. Für
dv die Beträge gilt
(2.14)
B C B C
aD D @ vPy A D @ yR A :
dt
vPz zR s je tan j
 D je tan j:
R je tan j
Dieser Vektor steht, wie in Abb. 2.10 gezeigt, im
Allgemeinen schief zur Bahnkurve. Seine Tan- Damit ist der Betrag des Differenzenquotienten
gential- und Normalkomponenten atan und anorm ˇ ˇ
ˇ e tan ˇ s vm
können berechnet werden, indem der Geschwin- ˇ t ˇ  tR D R :
ˇ ˇ
digkeitsvektor v D ve tan nach der Zeit differen-
ziert wird. Dies ergibt mit Hilfe der Produktregel Nach dem Grenzübergang t ! 0 ergibt sich
der Differenzialrechnung ˇ ˇ
ˇ de tan ˇ
ˇ ˇD v:
dv de tan ˇ dt ˇ R
a D atan C anorm D e tan C v :
dt dt
Somit ist die Normalkomponente der Beschleu-
Das erste Glied hat die Richtung der Tangen- nigung
te und stellt die Tangentialkomponente der Be-
de tan
schleunigung anorm D v oder
dt
dv v2
atan D e tan (2.15) anorm D e norm (2.16)
dt R
28 2 Mechanik

Abb. 2.12 Zu Beispiel 2.2-4: Wurfparabel

Abb. 2.11 Zur Bestimmung des Differenzialquotienten


de tan =dt Wurfparabel:
g
y D tan ˇ0 x  x2: (2.17)
2v02 cos2 ˇ0
mit e norm als dem Normaleinheitsvektor an der
Bahnkurve. b) An welchem Punkt P1 befindet sich die
Kugel zur Zeit t1 D 2 s?
Beispiel 2.2-4 Der zugehörige Ortsvektor lautet r 1 D
Eine kleine Kugel wird zur Zeit t D 0 mit der
!
30;00 m
Anfangsgeschwindigkeit v0 D 30 m=s unter .
32;34 m
dem Winkel ˇ0 D 60ı gegen die Horizonta-
c) Wie groß sind Betrag und Richtung der
le abgeschossen. Unter Vernachlässigung des
Geschwindigkeit v1 zur Zeit t1 ?
Luftwiderstands soll die Bewegung diskutiert
Der Geschwindigkeitsvektor lautet v1 D
werden. !
15;00 m=s
.
a) Wie lauten die allgemeinen Ausdrücke für 6;36 m=s
a.t/; v.t/ und r.t/? Der Betrag der Geschwindigkeit ist
Abb. 2.12 zeigt das verwendete Koordi- jv1 j D 16;3 m=s. Der Geschwindigkeits-
natensystem. Beschleunigt wird die Ku- vektor liegt tangential an der Parabel,
gel infolge der Schwerkraft nur senkrecht sein Winkel gegen die x-Achse folgt aus
nach unten, tan ˇ1 D 6;36
15 D 0;424 zu ˇ1 D 23 .
ı
! also ist die Beschleunigung
0 d) Wie groß sind Normal- und Tangentialbe-
aD . Für die Geschwindigkeit gilt schleunigung anorm .t1 / und atan .t1 /?
g
Abb. 2.12 zeigt die Komponentenzerle-
! gung von a. Es ergeben sich
v0 cos ˇ0
v.t/ D :
v0 sin ˇ0  gt janorm .t1 /j D g cos ˇ1 D 9;03 m=s2 und
2
jatan .t1 /j D g sin ˇ1 D 3;83 m=s :
Der Ortsvektor hat die Form
! e) Zu welchem Zeitpunkt ts erreicht die Ku-
v0 t cos ˇ0 gel den Scheitel S?
r.t/ D :
v0 t sin ˇ0  21 gt 2 Am Scheitel ist vy D 0 bzw. v0 sin ˇ0 
gts D 0; daraus folgt
Wird aus der x- und y-Komponente des
Ortsvektors die Zeit t eliminiert, so er- v0 sin ˇ0
ts D D 2;65 s:
hält man die Gleichung der Bahnkurve, die g
2.2 Kinematik des Punktes 29

f) Wie groß ist der Krümmungsradius Rs der


Wurfparabel im Scheitel?
Die Geschwindigkeit im Scheitel beträgt
vs D v0 cos ˇ0 D 15 m=s. Nach (2.16) gilt
janorm j D v 2 =R; somit ist Rs D vs2 =g D
22;94 m.

2.2.3 Kreisbewegungen

Bei einer Kreisbewegung ist die Normalkompo-


nente der Beschleunigung stets zum Kreismit-
telpunkt gerichtet; man nennt sie deshalb auch
Zentripetalbeschleunigung. Ist r der Radius des
Kreises und v die Bahngeschwindigkeit, so gilt
für die Zentripetalbeschleunigung
Abb. 2.13 Definition des Drehwinkels ' der Kreisbewe-
v2
jazp j D : (2.18) gung. r Radius, s Bogenlänge
r
Die Tangentialbeschleunigung jatan j D dv=dt
Der Winkelgeschwindigkeit ! wird der Cha-
hängt davon ab, ob sich die Geschwindigkeit
rakter eines axialen Vektors zugeschrieben. Die-
betragsmäßig ändert. Für Kreisbewegungen mit
ser steht senkrecht auf der Ebene der Kreisbahn.
konstanter Geschwindigkeit ist atan D 0.
Die Richtung von ! ist nach Abb. 2.14 der Dreh-
Bei der Kreisbewegung ist es häufig vorteil-
richtung einer Rechtsschraube zugeordnet. Liegt,
haft, anstatt der Größen r; v und a andere, spe-
wie in der oberen Hälfte von Abb. 2.14 darge-
ziell auf die Kreisbewegung angepasste Größen
stellt ist, die Kreisbahn in der Zeichenebene, wird
zur Beschreibung des Bewegungsablaufs zu ver-
die Richtung von ! durch die Symbole für die
wenden. Nach Abb. 2.13 lässt sich der Ort eines
Pfeilspitze ˇ oder das Pfeilende ˝ angezeigt.
Punktes P auf einem Kreis sowohl durch den
Die Winkelgeschwindigkeit hängt mit der Dreh-
Drehwinkel ' als auch durch die Bogenlänge s
zahl oder Drehfrequenz n und der Periodendauer
angeben. In der Kinematik empfiehlt es sich, den
T zusammen:
Winkel im Bogenmaß als Bogenlänge, bezogen
auf den Radius, zu verwenden: 2 
! D 2 n D : (2.21)
s T
'D : (2.19)
r Mit der Winkelgeschwindigkeit ! schreibt man
die Zentripetalbeschleunigung azp nach (2.18) in
Die SI-Maßeinheit für ' ist 1 m=m D 1 rad
vektorieller Form:
(Radiant). Der Winkel wird von der positiven
x-Achse aus im mathematisch positiven Sinn azp D ! 2 r: (2.22)
(Gegenuhrzeigersinn) gemessen.
Ändert sich der Winkel mit der Zeit, dann Bei beschleunigter Kreisbewegung gibt die Win-
gibt die Winkelgeschwindigkeit an, welcher Dreh- kelbeschleunigung ˛ an, wie sich die Winkelge-
winkel in der Zeiteinheit überstrichen wird. Die schwindigkeit mit der Zeit ändert:
Winkelgeschwindigkeit
d! d2 '
' d' ˛D D 2: (2.23)
! D lim D (2.20) dt dt
t !0 t dt
Die SI-Maßeinheit für ˛ ist 1 rad=s2 oder kurz
hat die Maßeinheit 1 rad=s oder kurz 1 s .
1
1 s2 . Auch die Winkelbeschleunigung ist ein
30 2 Mechanik

Abb. 2.14 Zur Definition der vektoriellen Winkelgeschwindigkeit ! bei verschiedenen Drehrichtungen

axialer Vektor. Bei positiver Beschleunigung ist beschreibt, und b) vom Standpunkt eines Be-
˛ gleichsinnig parallel zu !. Bei Bremsvorgän- obachters auf der Straße, von dem aus der
gen sind ˛ und ! entgegengesetzt gerichtet. Punkt auf der in Abb. 2.15 gezeigten Zykloide
Da die Größen '; ! und ˛ genauso miteinan- läuft. Die Parameterdarstellung der Zykloide
der verknüpft sind wie die Größen s, v und a ist x D r.!t  sin !t/ und y D r.1 
der eindimensionalen Kinematik, sind alle Glei- cos !t/.
chungen in Abb. 2.6 direkt auf Kreisbewegungen
anwendbar, wenn jeweils einander zugeordnete a 1) Wie groß ist die Winkelgeschwindigkeit
Größen nach dem Schema s ! ', v ! !, !?
a ! ˛ ausgetauscht werden. Beim Abrollen eines Rads ohne Schlupf
Die Vektoren v und a der allgemeinen dreidi- ist die Geschwindigkeit des Mittelpunk-
mensionalen Kinematik sind auf einfache Weise tes identisch mit der Umfangsgeschwin-
mit den entsprechenden Größen ! und ˛ ver- digkeit. Deshalb gilt ! D v0 =r D
knüpft. Eine Zusammenstellung der Beziehungen 99;2 rad=s.
enthält Tab. 2.1. a 2) Wie groß ist die Beschleunigung des
Punktes und welche Richtung hat sie?
Beispiel 2.2-5 Da es sich um eine gleichförmige Kreis-
Ein Autoreifen mit dem Radius r D 0;28 m bewegung handelt, besteht die Beschleu-
rollt auf einer Ebene mit der Geschwindigkeit nigung lediglich aus der Zentripetalbe-
v0 D 100 km=h. Die Bewegung eines Punk- schleunigung, die zum Kreismittelpunkt
tes auf der Lauffläche soll diskutiert werden, weist. Sie beträgt azp D ! 2 r D
und zwar a) vom Standpunkt eines mitfahren- 2756 m=s2 oder das 281-fache der Erd-
den Beobachters, wo der Punkt eine Kreisbahn beschleunigung.
2.2 Kinematik des Punktes 31

Tab. 2.1 Kreisbewegungsgleichungen (r Radius, t Zeit, N Anzahl Umdrehungen)


Bewegungsgrößen gleichmäßige gleichmäßig beschleunigte gleichmäßig beschleunigte
Kreisbewegung Kreisbewegung Kreisbewegung
'.t0 / D '0 '.t0 / D '0 ; !.t0 / D !0 '0 D 0; !0 D 0; t0 D 0
Winkelbeschleunigung ˛D0 ˛ D ˛0 ˛ D ˛0
p
Winkelgeschwindigkeit ! D !0 ! D !0 C ˛0 .t  t0 / ! D ˛0 t D 2˛0 '
!2
Drehwinkel ' D '0 C !0 .t  t0 / ' D '0 C !0 .t  t0 / ' D 21 ˛0 t 2 D D 2 N
2˛0
C 21 ˛0 .t  t0 /2
Umfangsgeschwindigkeit v D r!0 v D rŒ!0 C ˛0 .t  t0 / v D r˛0 t
v D!r
Zentripetalbeschleunigung azp D r!20 azp D rŒ!0 C ˛0 .t  t0 /2 azp D r˛02 t 2
azp D !  v D ! 2 r
Tangentialbeschleunigung atan D 0 atan D ˛0 r atan D ˛0 r
atan D ˛  r

Umkehrpunkte liegen bei t D


0; T; 2T; : : : In ! einem Umkehrpunkt
0
ist v.0/ D ; der Punkt ruht mo-
0
mentan auf der Fahrbahn. Nach einer
Viertelumdrehung ist die !Geschwin-
Abb. 2.15 Zykloide als Bahnkurve eines Punktes auf der
Lauffläche eines Rads (Beispiel 2.2-5) 1
digkeit v.T =4/ D , verläuft
v0
1
p unter 45 und hat den Betrag
also ı
a 3) Wie groß sind Drehzahl und Perioden- 2v0 D 141 km=h.
dauer? Scheitelpunkte sind gegeben durch t D
Nach (2.21) ergeben sich n D !=2  D T =2; 3=2T; : : : In einem Scheitelpunkt
15;8 s1 D 947 min1 und T D 63;3 ms. ist die
b 1) Wie lautet der Vektor der Geschwindig- ! Geschwindigkeit v.T =2/ D
2
keit v.t/? Welchen Betrag und welche v0 , also jvj D 200 km=h. Sie
0
Richtung hat v in den Umkehrpunkten
U, in der gezeichneten Stellung zur Zeit ist waagerecht gerichtet und doppelt so
t D T =4 und in den Scheitelpunkten S? groß wie die Geschwindigkeit der Ach-
Der Ortsvektor lautet se.
! b 2) Wie lautet der Vektor der Beschleuni-
x.t/ gung a.t/?
r.t/ D
y.t/
! !
!t  sin !t dv sin !t
Dr : aD D r! 2 :
1  cos !t dt cos !t

Daraus ergibt sich durch Ableiten nach Dieser Vektor läuft auf einem Kreis um
der Zeit ! und ist stets zum Radmittelpunkt gerich-
1  cos !t tet. Sein Betrag ist jaj D r! 2 D azp .
v D r! b 3) Wie groß ist der Krümmungsradius der
sin !t
! Zykloide im Scheitelpunkt?
1  cos !t Nach (2.16) ist R D v 2 =anorm D 4r D
D v0 :
sin !t 1;12 m.
32 2 Mechanik

2.2.4 Zur Übung mit dem Radius r D 2 km. Dabei legt er die
Strecke s D 1200 m zurück. Zu Beginn der
Ü 2-1 Ein Fahrzeug wird aus dem Stand wech- betrachteten Bewegung hat er die Geschwindig-
selnd beschleunigt und zwar keit v1 D 30 km=h, am Ende v2 D 100 km=h.
a) Wie lange dauert der Beschleunigungsvor-
für 0 5 t 5 2 s mit a D 1 m=s2 , gang? b) Wie groß ist die Tangentialbeschleuni-
für 2 s < t < 4 s mit a D 0 und gung? c) Berechnen Sie die Winkelbeschleuni-
für 4 s 5 t 5 5 s mit a D 2 m=s2 . gung. d) Wie groß ist die Zentripetalbeschleuni-
gung zu Beginn und am Ende des Vorgangs?
a) Zeichnen Sie die kinematischen Diagramme,
d. h. das a; t-Diagramm, das v; t-Diagramm und Ü 2-6 Die Erde benötigt für eine vollständi-
das s; t-Diagramm für 0 5 t 5 5 s. b) Wie ge Umdrehung die Zeit T D 86:163 s (einen
groß ist die maximale Geschwindigkeit? c) Wel- Sternentag). a) Wie groß ist die Winkelgeschwin-
che Geschwindigkeit hat das Fahrzeug zur Zeit digkeit !E der Erde? b) Welche Richtung hat
t D 5 s? d) Wie groß ist der insgesamt zurückge- der Vektor !E ? c) Wie groß ist die Umfangsge-
legte Weg? schwindigkeit an einem Ort mit dem Breitenwin-
kel '? Berechnen Sie die Umfangsgeschwindig-
Ü 2-2 Ein Bauteil wird ungleichmäßig aus der keit am Äquator und in Stuttgart mit ' D 48ı 410
Ruhe beschleunigt. In kurzen Zeitabständen wird nördlicher Breite (Erdradius R D 6370 km).
die Geschwindigkeit gemessen; es ergibt sich ei- d) Wie groß ist die Zentripetalbeschleunigung am
ne Wertetabelle: Äquator und in Stuttgart?

t in s 0 1 2 3 4 5
v in m=s 0 0,2 0,7 1,6 3,2 6,0 2.3 Grundgesetze der klassischen
Mechanik
a) Zeichnen Sie maßstäblich das v; t-
Diagramm (Millimeterpapier). b) Ermitteln Sie 2.3.1 Konzept der klassischen Dynamik
aus dem v; t-Diagramm das a; t-Diagramm. Wie
groß ist die Beschleunigung zur Zeit t1 D 4 s? Die Kinematik (Abschn. 2.2) hat die Bewe-
c) Bestimmen Sie durch grafische bzw. numeri- gung materieller Punkte geometrisch-analytisch
sche Integration den zurückgelegten Weg nach beschrieben, ohne die Frage zu stellen: „Was ist
t2 D 5 s. die Ursache für die Bewegung?“ Die Dynamik
untersucht die Ursachen für die Bewegung eines
Ü 2-3 Ein Ball rollt auf einem waagerechten Körpers. Jeder Körper besteht aus Materie; er hat
Tisch von der Höhe h D 0;75 m über die Kante eine Masse und eine geometrische Ausdehnung,
und fällt zu Boden. Der Auftreffpunkt ist in ho- d. h. ein Volumen. Einfache Verhältnisse liegen
rizontaler Richtung s D 0;40 m von der Kante dann vor, wenn die geometrische Ausdehnung
entfernt. Wie groß war die Geschwindigkeit des des Körpers klein ist im Vergleich zu den Di-
Balls auf dem Tisch? mensionen (Abmessungen, Abstände), in denen
sich der Körper bewegt. In höchster Idealisierung
Ü 2-4 Ein Elektromotor läuft mit der Drehzahl ist die Masse des Körpers in einem materiellen
n0 D 1400 min1 . Nach dem Abschalten wird er Punkt vereinigt, der keine räumliche Ausdehnung
mit konstanter Winkelverzögerung ˛ abgebremst, mehr hat. Mit der Modellvorstellung des mate-
bis er nach N D 50 Umdrehungen stehen bleibt. riellen Punktes werden einfachste Verhältnisse
a) Wie groß ist die Winkelverzögerung ˛? b) Wie geschaffen, denn ein materieller Punkt kann nicht
lange dauert der Bremsvorgang? rotieren und sich nicht verformen.
Wie ein Körper ist auch ein materieller Punkt
Ü 2-5 Ein Eisenbahnzug fährt mit gleichmäßiger Einwirkungen von außen ausgesetzt; physika-
Tangentialbeschleunigung auf einem Kreisbogen lisch bezeichnet man dies als die Einwirkung der
2.3 Grundgesetze der klassischen Mechanik 33

Tab. 2.2 Die Newton’schen Axiome


Newton’sche Axiome Formulierung Beziehung
1. Axiom Jeder Körper behält seine Geschwindigkeit nach Betrag und Richtung
Trägheitsgesetz so lange bei, wie er nicht durch äußere Kräfte gezwungen wird, seinen
Bewegungszustand zu ändern.
2. Axiom Die zeitliche Änderung der Bewegungsgröße, des Impulses p D mv, ist allgemein:
Aktionsgesetz gleich der resultierenden Kraft F . Um einen Körper konstanter Masse zu d
Grundgesetz der beschleunigen, ist eine Kraft F erforderlich, die gleich dem Produkt aus F D .mv/
dt
Mechanik Masse m und Beschleunigung a ist. speziell:
F D ma
3. Axiom Wirkt ein Körper 1 auf einen Körper 2 mit der Kraft F12 , so wirkt der F12 D F21
Wechselwirkungsgesetz Körper 2 auf den Körper 1 mit der Kraft F21 ; beide Kräfte haben den
actio = reactio gleichen Betrag, aber entgegengesetzte Richtungen.

Umgebung auf das System oder – noch allge- Es gibt beliebig viele Inertialsysteme; sie alle
meiner – als die Wechselwirkung zweier Systeme. haben die Eigenschaft, sich gegen den Fixstern-
Die Kraft ist die physikalische Größe, welche die himmel geradlinig und gleichförmig zu bewegen.
Einwirkung beschreibt, die den Bewegungszu- Absolute Ruhe lässt sich nicht feststellen, es gibt
stand des Körpers ändert. Dabei werden Körper deshalb kein ausgezeichnetes Inertialsystem.
unterschiedlicher Masse durch die gleiche Kraft Die Erde rotiert relativ zum Fixsternhimmel,
unterschiedlich beschleunigt. das Bezugssystem Erde stellt deshalb kein Iner-
Begründet auf Erfahrung und durch kühne Ex- tialsystem dar. Ist die Erdrotation im Vergleich
trapolation erfasste Newton die Wechselwirkun- zum Zeitablauf eines Experiments vernachlässig-
gen zwischen beschleunigendem und beschleu- bar langsam, dann ist ein mit der Erde verbun-
nigtem System und formulierte drei Axiome zur denes Bezugssystem in sehr guter Näherung ein
Mechanik, welche die Begriffe Kraft und Mas- Inertialsystem.
se definieren, ihre Verknüpfung angeben und ein Das zweite Newton’sche Axiom heißt Aktions-
Maßsystem festlegen. prinzip, weil es den Zusammenhang zwischen
der Bewegungsänderung eines Körpers und der
Einwirkung von Kräften herstellt. Newton ver-
2.3.2 Newton’sche Axiome stand unter Bewegungsänderung nicht nur die
Beschleunigung; seine mathematische Formulie-
In Tab. 2.2 sind die drei Axiome in moderner rung umfasste bereits den Impuls p D mv
Schreibweise zusammengefasst, wie sie I. N EW- (Abschn. 2.5). Somit lässt sich das Aktionsgesetz
TON (1643 bis 1727) im Jahr 1687 veröffentlich- schreiben:
te. Die Newton’schen Axiome beschreiben die
makroskopische Welt der klassischen Physik ex- dp d dv dm
F D D .mv/ D m Cv : (2.24)
akt; sie versagen jedoch bei der Beschreibung der dt dt dt dt
mikroskopischen Welt der Atome (Quantenphy- Für den im täglichen Leben häufigen Fall einer
sik, Abschn. 8.2) und bei Geschwindigkeiten, die konstanten Masse ergibt sich daraus das New-
nicht mehr klein gegen die Lichtgeschwindigkeit ton’sche Grundgesetz
c sind (Relativitätstheorie, Kap. 10).
Das erste Axiom definiert ein Bezugssystem, F D ma: (2.25)
in dem die drei Axiome gelten. Die physikali-
schen Gesetzmäßigkeiten der Mechanik nehmen Wenn die Summe der äußeren Kräfte gleich null
ihre einfachste mathematische Form an, wenn ist, dann ist auch die Beschleunigung null und da-
sie für ein Bezugssystem aufgeschrieben werden, mit die Geschwindigkeit konstant, entsprechend
in dem die Geschwindigkeit eines Körpers ohne der Forderung des ersten Axioms.
äußere Einwirkungen konstant ist. Man nennt sol- Das dritte Axiom, das Axiom über die Wech-
che Systeme Inertialsysteme. selwirkungen, sagt aus, dass es eine einzelne,
34 2 Mechanik

isolierte Kraft nicht gibt. Es wirkt immer ein Kör- Die physikalische Größe Masse hat außer
per (oder ein System 1) auf einen zweiten Körper der Eigenschaft Trägheit auch die Eigenschaft
(oder System 2). Wird eine Systemgrenze vorge- Schwere. Auf Körper im Wirkungsbereich der
geben, dann kann zwischen äußeren Kräften, die Riesenmassen kosmischer Körper (z. B. der Son-
von einem Körper außerhalb des Systems her- ne oder der Erde) wirken Gravitationskräfte (Ab-
rühren, und inneren Kräften, die nur innerhalb schn. 2.10), die proportional zu den Massen der
des Systems wirken, unterschieden werden. Die- beteiligten Körper sind. Die Schwere einer Masse
se Systemgrenzen können nach Zweckmäßigkeit ist also ein Kennzeichen für die Kraft des Zentral-
gewählt werden. gestirns auf diesen Körper. Experimentell lässt
Das dritte Axiom setzt voraus, dass die Kräfte sich kein Unterschied zwischen träger und schwe-
gleichzeitig, d. h. ohne Zeitverzögerung, wahrge- rer Masse nachweisen. Die Identität von träger
nommen werden. Weil die Lichtgeschwindigkeit und schwerer Masse ist die Grundlage für die
die Grenzgeschwindigkeit für die Ausbreitung ei- Einstein’sche Relativitätstheorie (Kap. 10).
nes Signals oder einer Information ist, dauert es
eine endliche Zeitspanne, bis ein Körper die Än-
derung einer Kraftwirkung spürt, die von einem 2.3.4 Kraft
zweiten Körper ausgeübt wird. Für dieses Pro-
blem der Gleichzeitigkeit hat Einstein die Lösung Nach dem zweiten Newton’schen Axiom ist die
in den Grundgesetzen der relativistischen Mecha- Kraft F für Körper mit konstanter Masse propor-
nik angegeben (Kap. 10). tional zur Momentanbeschleunigung a. Die Kraft
ist also eine vektorielle physikalische Größe, de-
ren Richtung parallel zur Beschleunigung a und
2.3.3 Masse deren Betrag F D ma ist. Im SI-System ist die
Einheit für die Kraft 1 kg m s2 D 1 N (Newton).
Trägheit ist der Widerstand eines Körpers gegen Für die Addition von Kräften und die Zerle-
eine Bewegungsänderung. Das Maß für die Träg- gung einer Kraft in verschiedene Kraftrichtun-
heit ist die Masse. Die Masse ist unabhängig vom gen gelten die Regeln der Vektorrechnung. In
Ort, an dem sich ein Körper befindet und in der Abb. 2.16 sind für die Addition von zwei Kräf-
klassischen Mechanik unabhängig vom Bewe- ten und für die Zerlegung einer Kraft in zwei
gungszustand des Körpers. Damit ist die Masse Richtungen die grafischen Lösungswege im Kräf-
auch ein geeignetes Maß für die Menge, d. h. für teparallelogramm und die trigonometrischen Lö-
die Anzahl der Teilchen (Atome, Moleküle) in ei- sungen angegeben. Die Addition von mehr als
nem Körper. Die Addition von Massen entspricht zwei Kräften erfolgt zweckmäßigerweise durch
der Addition von Mengen. Die Maßeinheit der die Methode der Komponentenzerlegung in ei-
Masse ist durch einen Eichkörper festgelegt (Ab- nem kartesischen Koordinatensystem.
schn. 1.3). Ist die Beschleunigung eines Körpers a D 0,
Eine Möglichkeit zum Vergleich von Massen so ist auch die resultierende Kraft auf den Kör-
gibt das Newton’sche Aktionsgesetz. Man las- per nach dem Newton’schen Aktionsprinzip null.
se auf zwei Körper mit den Massen m1 und m2 Dies ist die Bedingung des statischen Kräfte-
jeweils die gleiche Kraft wirken und bestimme gleichgewichts:
experimentell die Beschleunigungen a1 und a2 ,
N
die den beiden Körpern erteilt werden. Dann gilt X
Fj D F1 C F2 C : : : D 0: (2.27)
im eindimensionalen Fall nach (2.25)
j D1
m1 a2
D : (2.26) Körper fallen auf der Erde mit einer konstan-
m2 a1
ten Fallbeschleunigung g D 9;81 m=s2 (Ab-
Damit ist das Verhältnis zweier Massen durch ei- schn. 2.2.1.3). Die Ursache dieser gleichmäßig
ne dynamische Messung bestimmbar. beschleunigten Bewegung ist die Schwerkraft
2.3 Grundgesetze der klassischen Mechanik 35

Abb. 2.16 Kräfteaddition und Kraftzerlegung

oder Gewichtskraft auf die Masse m der Körper.


Nach dem zweiten Newton’schen Axiom beträgt
die Schwerkraft

FG D mg (2.28)

und wirkt in Richtung der Fallbeschleunigung


(näherungsweise zum Erdmittelpunkt). Die Mas-
senanziehung durch die Erdmasse ist die Ursache
der Schwerkraft (Abschn. 2.10). Die Schwerkraft
auf Körper an der Erdoberfläche führt bei Kör-
pern auf einer schiefen Ebene mit dem Neigungs-
winkel " gemäß Abb. 2.17 zu einer hangabwärts,
parallel zur schiefen Ebene gerichteten beschleu- Abb. 2.17 Kräfte auf schiefer Ebene. " Neigungswinkel
nigenden Kraft, der Hangabtriebskraft FH , mit
dem Betrag
FH D mg sin " (2.29)
Kräfte aus, die elastischen Kräfte oder Feder-
und zu einer senkrecht auf die Ebene wirkenden kräfte. Abb. 2.18 gibt hierzu Erläuterungen. Nach
Kraft, der Normalkraft FN , mit dem Betrag dem dritten Newton’schen Axiom ist die der De-
formation entgegenwirkende, elastische Kraft Fel
FN D mg cos ": (2.30) entgegengesetzt gleich der von außen wirkenden
Kraft Fa ; die Längenänderung s ist also ein Maß
Die beschleunigende Kraft, die einen Körper für die verursachende Kraft.
bei der gleichförmigen Kreisbewegung auf einer Alle Festkörper zeigen innerhalb maximaler
Kreisbahn hält und die Zentripetalbeschleuni- Deformationsgrenzen ein elastisches Verhalten
gung azp nach (2.22) verursacht, ist nach dem (Abschn. 2.11), das durch das Hooke’sche Gesetz
Newton’schen Grundgesetz die Zentripetalkraft (Abb. 2.18b) beschrieben wird:

Fzp D m! 2 r: (2.31) Fel D ks: (2.32)

Sie ist zum Mittelpunkt der Kreisbahn gerichtet. Die Proportionalitätskonstante k wird als Feder-
Kräfte verursachen nicht nur beschleunigte konstante oder Richtgröße bezeichnet.
Bewegungen (dynamische Kraftwirkung), son- Große elastische Längenänderungen, hervor-
dern ändern auch die geometrische Form von gerufen schon durch kleine Kräfte, weisen Me-
Körpern. Umgekehrt üben deformierte Körper tallfedern auf; Federwaagen werden deshalb in
36 2 Mechanik

der Praxis als Kraftmesser eingesetzt. Abb. 2.19


zeigt eine Übersicht über den Aufbau von Kraft-
messern entsprechend DIN EN ISO 376 51 301
und den VDI/VDE/GESA-Richtlinien 2635 und
VDI/VDE 2637.
Werden mehrere Federn gekoppelt, so ist die
resultierende Richtgröße kres bei der Parallel-
schaltung (verschiedene Kräfte, gleicher Weg)

F1 =s C F2 =s C : : : D k1 C k2 C k3 : : : D kres;p

und bei der Serienschaltung (verschiedene Wege,


gleiche Kraft)

s1 =F C s2 =F C : : : D 1=k1 C 1=k2
C : : : D 1=kres;s :

Unter realen Bedingungen wird die Bewegung


Abb. 2.18 Elastische Deformation a äußere Kraft Fa und von Körpern durch Reibung an der Unterlage,
elastische Rückstellkraft Fel , b Federkonstante k der umgebenden Flüssigkeit oder dem umgeben-

Abb. 2.19 Methoden der Kraftmessung


2.3 Grundgesetze der klassischen Mechanik 37

Abb. 2.20 Reibungskräfte

den Gas beeinflusst. Nach dem Newton’schen Tab. 2.3 Haft- und Gleitreibungszahlen (H und G )
Aktionsprinzip ist die Ursache der Bewegungsän- Stoffpaar H G
derung durch Reibung eine Kraft, die Reibungs- Stahl auf Stahl 0,15 0,12
kraft FR . Die Richtung der Reibungskraft FR ist Stahl auf Holz 0,5 bis 0,6 0,2 bis 0,5
der Bewegungsrichtung, also der Momentange- Stahl auf Eis 0,027 0,014
schwindigkeit v des Körpers stets entgegenge- Holz auf Holz 0,65 0,2 bis 0,4
richtet: FR  v. Der Betrag von FR setzt sich Holz auf Leder 0,47 0,27
je nach Situation in unterschiedlicher Weise aus Gummi auf Asphalt 0,9 0,85
Gummi auf Beton 0,65 0,5
den drei Grenzfällen in Abb. 2.20 zusammen.
Gummi auf Eis 0,2 0,15
Die Festkörperreibung hängt von der Oberflä-
chenbeschaffenheit der reibenden Körper ab; die
Reibungszahlen für die Haft- und Gleitreibungs- ist R D 0;002; Straßenfahrzeuge haben Werte
kraft unterscheiden sich stark. In Tab. 2.3 sind von etwa R D 0;02 bis R D 0;05.
die Werte einiger Stoffpaare zusammengestellt. Die Reibungskraft bei der Bewegung von Kör-
Der Laufwiderstand beim Abrollen eines Rades pern in Flüssigkeiten und Gasen hängt von der
auf einer Unterlage hängt nicht nur von der Ver- Dichte und Viskosität der Medien, der Geome-
formung des Bodens durch die Normalkraft und trie (Stromlinienform, Spoiler) der Körper und
vom Raddurchmesser ab, sondern auch noch von dem Strömungstyp (laminar, turbulent) ab (Ab-
den Reibungsverhältnissen in der Radnabe. schn. 2.12.2.4). In laminaren Strömungen ist der
Bei niedrigen Geschwindigkeiten ist die Lauf- Strömungswiderstand FR proportional zur Ge-
widerstandskraft näherungsweise proportional schwindigkeit: FR  v. Kommt es durch die
zur Normalkraft. Die Proportionalitätskonstante Reibungskraft an der Körperoberfläche in der
ist die Rollreibungszahl R . Bei Eisenbahnrädern Strömung zu Rotationsbewegungen (Wirbel), so
38 2 Mechanik

nimmt der Strömungswiderstand erheblich zu Ü 2-10 Auf einen Körper (Masse m D 2;0 kg)
und die Reibungskraft ist FR  v 2 . wirken drei Kräfte (F1 ; F2 und F3 ). Unter ihrem
Nur Bewegungen mit Festkörperreibung ver- Einfluss bewegt er sich mit der konstanten Be-
laufen gleichmäßig beschleunigt oder verzögert; schleunigung a D 1 ms2 nach Süden. Die Kraft
dominieren die anderen Reibungsarten, dann sind F1 weist nach Norden, ihr Betrag ist F1 D 3;0 N.
die Bewegungsgesetze kompliziert. Die Kraft F2 weist nach Osten, ihr Betrag ist
F2 D 2;0 N. Wie groß ist F3 nach Betrag und
Richtung?
2.3.5 Zur Übung
Ü 2-11 Eine Aufzugskabine hat die Masse
Ü 2-7 Zwei Körper (Masse m1 < m2 ) hängen mA D 1200 kg, die Masse des Gegengewichts ist
an einem dünnen, masselosen Faden, der über ei- mG D 1100 kg. In der Kabine befindet sich eine
ne masselose Rolle läuft. Zwischen der Rolle und Person (Masse mM D 75 kg).
dem Faden soll es keine Reibung geben. a) Wie a) Mit welcher Beschleunigung a fiele die Ka-
groß ist die Beschleunigung a der beiden Körper? bine, wenn die Bremseinrichtungen versagten?
b) Wie groß ist die Kraft FF im Faden? (Vereinfachend seien z. B. die Trägheit der Seil-
trommeln und die Reibung vernachlässigt.) b)
Ü 2-8 Ein Radiergummi (m D 40 g) liegt auf Welches wäre unter diesen Fallbedingungen das
einer Metallscheibe (Radius r D 20 cm). Die scheinbare Gewicht der Person? c) Nach einer
Scheibe rotiert mit konstanter Winkelgeschwin- Fallhöhe von h D 15 m wird die Kabine durch
digkeit !. Die Haftreibungszahl zwischen Schei- Federn aufgefangen und nach einem Bremsweg
be und Radiergummi ist H D 0;5. von s D 20 cm zum Stillstand gebracht. Welche
a) Welche Kräfte wirken auf den Radiergum- mittlere Kraft Fm spürt die Person beim Brems-
mi (Skizze)? b) Welche Kraft oder welche Kräfte vorgang in den Beinen?
bringt die Zentripetalkraft auf den Radiergum-
mi auf? c) Der Radiergummi wird r1 D 5 cm Ü 2-12 Eine schwere Last soll an einem Stahlseil
vom Drehzentrum positioniert. Wie groß muss hochgezogen werden. In Ruhestellung zeigt ein
die Drehzahl n1 mindestens sein, damit der Ra- Kraftmesser eine Gewichtskraft FG D 8  104 N
dierer zu rutschen anfängt? d) Die Scheibe rotiere an; die zulässige Höchstbelastung des Seils ist
mit der Drehzahl n2 D 70 min1 . In welchem Fmax D 105 N. Welches ist die größte erlaubte
Radius-Bereich bleibt der Radiergummi liegen? Beschleunigung beim Hochziehen der Last?

Ü 2-9 Aus einem Maschinengewehr treten in


einer Sekunde sechs Geschosse (Masse jeweils 2.4 Dynamik in bewegten
m D 25 g) aus. Die Geschwindigkeit der Kugeln Bezugssystemen
ist v D 800 m s1 .
a) Die Kugeln treffen auf einen fest im Boden 2.4.1 Relativ zueinander geradlinig
verankerten großen Holzklotz und bleiben in ihm bewegte Bezugssysteme
stecken. Welche mittlere Kraft Fm1 wird auf den
Klotz ausgeübt? b) Welche mittlere Kraft Fm2 ist Betrachtet sei die Bewegung zweier Bezugssys-
aufzuwenden, um einen Rückstoß des Gewehres teme gegeneinander, wobei eines der beiden Sys-
zu unterdrücken? c) Angenommen, die Kugeln teme vereinfachend als ruhend (Inertialsystem)
bleiben nicht stecken; sie sollen abprallen und mit angenommen wird. Die Koordinaten des materi-
einem Zehntel ihrer Anfangsgeschwindigkeit auf ellen Punkts P im ruhenden System S sind x; y; z,
der alten Flugbahn zurückfliegen. Welche mittle- die im bewegten System S0 dagegen x 0 ; y 0 ; z 0 .
re Kraft Fm wird unter diesen Bedingungen auf Zur Zeit t D 0 sollen die beiden Systeme
den Klotz ausgeübt? zusammenfallen. Für den Fall, dass die Relativ-
2.4 Dynamik in bewegten Bezugssystemen 39

Abb. 2.21 Galilei-Transformation in gleichmäßig gegeneinander beschleunigten Bezugssystemen

bewegung der beiden Bezugssysteme gleichmä- Werden beispielsweise in einem mit konstanter
ßig beschleunigt, aS also konstant ist, sind die Geschwindigkeit fahrenden Zug Fallexperimente
sich ergebenden Transformationen der Koordina- durchgeführt, dann sind die Messergebnisse, wie
ten, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen in z. B. Fallzeit und Endgeschwindigkeit, dieselben
Abb. 2.21 angegeben. wie auf dem Bahnsteig.
In der klassischen Physik wird der Zeitmaß-
stab in beiden Bezugssystemen als gleich ange-
Beispiel 2.4-1
nommen, die Zeitkoordinaten also mit t D t 0
Es soll gezeigt werden, dass der Abstand zwei-
transformiert und damit eine absolute Zeit vor-
er Punkte P1 und P2 Galilei-invariant ist, d. h.
ausgesetzt. Wie die Relativitätstheorie (Kap. 10)
nicht von der Relativbewegung zweier Be-
zeigt, gilt diese Annahme nur in der klassischen
zugssysteme gegeneinander abhängt. Verein-
Näherung, dass die Relativgeschwindigkeit vS im
fachend sollen die beiden Punkte in der x; y-
Vergleich zur Lichtgeschwindigkeit c klein ist.
Ebene liegen und sich das System S0 längs der
Ist die Geschwindigkeit des bewegten Sys-
x-Richtung bewegen.
tems vS D konstant, dann ist die Beschleuni-
gung aS D 0 und damit a D a0 ; die Be-
schleunigung eines Körpers ist also in beiden Lösung
Systemen gleich. In diesem Spezialfall Galilei- Die Koordinaten der beiden Punkte sind
Transformation ist auch die Kraft, die eine Be-
schleunigung bewirkt, in beiden Systemen gleich. im ruhenden System S: P1 .x1 ; y1 ; 0/ und
Sämtliche Gleichungen der Mechanik haben im P2 .x2 ; y2 ; 0/,
bewegten Bezugssystem dieselbe Struktur wie im bewegten System S0 : P1 .x10 ; y10 ; 0/ und
im ruhenden, die Gesetze sind Galilei-invariant. P2 .x20 ; y20 ; 0/.
40 2 Mechanik

Für die Abstandsquadrate ergeben sich nach beschleunigten System S0 ist der Körper im sta-
dem Satz des Pythagoras tischen Gleichgewicht, wenn gemäß (2.27) die
Summe aller Kräfte (einschließlich der Trägheits-
s 2 D .x2  x1 /2 C .y2  y1 /2 und kraft) null ist:
s 02 D .x20  x10 /2 C .y20  y10 /2
Fres C Ft D 0: (2.35)
D Œ.x2  vs t/  .x1  vs t/2 C Œy2  y1 2
D .x2  x1 /2 C .y2  y1 /2 D s 2 :
Beispiel 2.4-2
Ein Beobachter im bewegten Koordinatensys- Welche Kräfte wirken auf eine Person, die sich
tem S0 misst also den gleichen Abstand wie ein in einem an der Erdoberfläche frei fallenden
Beobachter im ruhenden System S. Bewegt sich Aufzug befindet?
das System S0 gegenüber S beschleunigt mit der
Beschleunigung aS , dann gilt nach Abb. 2.21 für Lösung
die Beschleunigung im bewegten System a0 D Es wird ein ruhendes, mit der Erde verbun-
a  aS . In jedem System wird ein Beobachter die denes Koordinatensystem gewählt, in dem
Beschleunigung auf die Wirkung einer Kraft zu- der Vektor der Fallbeschleunigung nach un-
rückführen: im Bezugssystem S auf F D ma und ten zeigt. In diesem ruhenden System ist die
in S0 auf F 0 D ma0 D ma  maS . Die Diffe- Kraft auf die Person gleich der Gravitations-
renz der beiden Kräfte ist die Trägheitskraft oder kraft F D mg.
Scheinkraft Das beschleunigte Koordinatensystem ist
Ft D maS : (2.33) fest mit der Aufzugskabine verbunden. Dieses
System beschleunigt mit as D g gegen das
Diese Trägheitskraft muss zusätzlich zu den rea- ruhende System. Deshalb wirkt auf die Person
len physikalischen Kräften, wie beispielsweise im beschleunigten System zusätzlich zur Gra-
der Gravitation oder elektrostatischen Kraft, die vitationskraft noch die Trägheitskraft
im ruhenden System S die Beschleunigung a
verursachen, im beschleunigten System S0 in Ft D mas D mg:
Rechnung gesetzt werden, damit auch in S0 das
Newton’sche Grundgesetz F 0 D ma0 angewen- Für die Kraft im beschleunigten System der
det werden kann. Aufzugskabine gilt

Prinzip von d’Alembert F 0 D F C Ft D mg  mg D 0:


Kräfte auf einen Körper bewirken eine Beschleu-
nigung. Schreibt man das Newton’sche Aktions- Der beschleunigte – also mitfallende – Beob-
gesetz (2.25) um, so lautet es achter spürt keine resultierende Kraft, er fühlt
sich kräftefrei! – Auf dieselbe Weise entsteht
F C .ma/ D 0: (2.34) die Kräftefreiheit in Raumstationen.

J. d’A LEMBERT (1717 bis 1783) interpretierte


den Ausdruck (ma) als die von (2.33) bekannte 2.4.2 Gleichförmig rotierende
Trägheitskraft Ft D maS . Bezugssysteme
Mit der d’Alembert’schen Trägheitskraft kön-
nen dynamische Probleme auf statische zurück- In rotierenden Bezugssystemen treten zusätzlich
geführt werden. Hierbei wird zusätzlich zu realen zu den realen physikalischen Kräften weitere
physikalischen Kräften, die auf einen Körper wir- Trägheits- oder Scheinkräfte auf, die der mit-
ken und durch ihre Resultierende Fres beschrie- bewegte Beobachter benötigt, um die Beschleu-
ben werden, eine Trägheitskraft Ft eingeführt. Im nigung eines Körpers erklären zu können: die
2.4 Dynamik in bewegten Bezugssystemen 41

Abb. 2.22 Rotierendes Koordinatensystem

Zentrifugalkraft und die Coriolis-Kraft (G. G. daher


C ORIOLIS, 1792 bis 1843).
dr dx 0 0 dy 0 0 dz 0 0 di 0
Fallen die Nullpunkte 0 des ruhenden Systems vD D i C j C k C x0
dt dt dt dt dt
S und des mit der konstanten Winkelgeschwin- 0 0
dj dk
digkeit ! rotierenden Systems S0 zusammen, C y0 C z0 :
dann sind die Abstände r und r vom Nullpunkt
0 dt dt
in beiden Koordinatensystemen gleich: Im rotierenden System wird die Geschwindigkeit
0 0 dy 0 0
v0 D dx dt i C dt j gemessen. Für die zeit-
0
r D r D xi C yj C zk lichen Änderungen der Einheitsvektoren gelten
D x 0 i 0 C y 0 j 0 C z 0 k0 : (2.36) nach Abb. 2.22
di 0
Dabei sind i , j und k die Einheitsvektoren des D !  i0
und
0 0 0 dt
ruhenden Koordinatensystems und i , j und k dj 0
diejenigen des rotierenden. D !  j 0:
dt
Abb. 2.22 zeigt den grafisch leichter darstell-
baren Fall einer Rotation, bei der die z- und Entsprechend ist im dreidimensionalen Fall
z 0 -Achsen zusammenfallen und die z-Achse Ro-
dk0
tationsachse ist. D !  k0 :
dt
Die Einheitsvektoren im rotierenden Koordi-
natensystem ändern ihre Richtung relativ zum Zwischen der im ruhenden Koordinatensystem
ruhenden und sind zeitlich nicht konstant; es ist gemessenen Geschwindigkeit v D .dx=dt/i C
42 2 Mechanik

.dy=dt/j und der Geschwindigkeit v0 des rotie- senkrecht zur Drehachse. Die Zentrifugalbe-
renden Systems besteht der Zusammenhang schleunigung ist betragsmäßig gleich groß wie
die Zentripetalbeschleunigung azp nach (2.22),
v D v0 C !  r: (2.37) dieser aber entgegengesetzt gerichtet.

Eine nochmalige Differenziation der Geschwin- Beispiel 2.4-3


digkeit v ergibt die Beschleunigung a D dv=dt. Wegen der Eigenrotation der Erde addiert sich
Wird diese Differenziation nach dem Mus- zur Fallbeschleunigung g die ortsabhängige
ter der Differenziation von r zur Herleitung Zentrifugalbeschleunigung azf . Deshalb ist die
von (2.37) ausgeführt, dann gilt effektive Fallbeschleunigung g eff nach Betrag
dv d0 v und Richtung abhängig von der geografischen
D C !  v: (2.38) Breite ". Wie groß ist der Korrekturterm g
dt dt
für den Betrag der Fallbeschleunigung?
dv=dt ist die Ableitung im Inertialsystem, d0 v=dt
im rotierenden System. Der erste Teil in (2.38) Lösung
beschreibt die Geschwindigkeitsänderung im ro- Mit den Bezeichnungen in Abb. 2.23 gilt R D
tierenden System, der zweite Teil kommt durch rE cos " und mit (2.42) und (2.21)
die Drehbewegung des Koordinatensystems S0
 2
zustande. Gleichung (2.37) in (2.38) eingesetzt, 2 
azf D ! 2 R D rE cos "
ergibt TE
d0 0 mit TE als der Periodendauer. Aus Abb. 2.23
aD .v C !  r/ C !  .v0 C !  r/
dt folgt durch Anwendung des Kosinussatzes für
d0 v 0 d0 r die effektive Erdbeschleunigung
D C! C !  v0 C !  .!  r/:
dt dt p
geff D g 1 C .azf =g/2  2.azf =g/ cos ":
In einem rotierenden Koordinatensystem nach
Abb. 2.22 ist die Beschleunigung Der Korrekturterm für den Betrag der Erd-
beschleunigung ist g D g  geff . Mit
a0 D a  2!  v0  !  .!  r/: (2.39)

Wird der Ortsvektor r in eine Komponente R


senkrecht zur Winkelgeschwindigkeit ! (!R D
0) und eine Komponente A parallel dazu (! 
A D 0) zerlegt, so wird !  .!  r/ D !  .! 
R/ D .!R/!  .!!/R D ! 2 R. Somit ist die
Beschleunigung

a0 D a C 2v0  ! C ! 2 R: (2.40)

Im gleichförmig rotierenden Bezugssystem tre-


ten also zwei zusätzliche Beschleunigungen auf,
nämlich die Coriolis-Beschleunigung

ac D 2v0  ! D 2!  v0 (2.41)

senkrecht auf der Bewegungsrichtung v0 und der


Drehachse ! und die Zentrifugalbeschleunigung

azf D .!  r/  ! D ! 2 R D azp (2.42) Abb. 2.23 Zu Beispiel 2.4-3


2.4 Dynamik in bewegten Bezugssystemen 43

rE D 6370 km und TE D 23;93 h (Sternen-


tag) errechnet sich der Korrekturterm bei der
mittleren geografischen Breite " D 50ı der
Bundesrepublik Deutschland zu g.50ı / D
0;014 m s2 .
Ein Lot zeigt also nicht zum Massenmit-
telpunkt der Erde, sondern nach Abb. 2.23 in
Richtung g eff .

Nach dem Newton’schen Grundgesetz führen


die Beschleunigungen nach (2.41) und (2.42) im
rotierenden Bezugssystem zu zwei Trägheitskräf-
ten, der Zentrifugalkraft

Fzf D m.!  r/  ! D m! 2 R (2.43)


Abb. 2.24 Coriolis-Kraft Fc auf der Nordhalbkugel der
und der Coriolis-Kraft Erde. v0 Geschwindigkeit, " nördliche Breite, !E Winkel-
geschwindigkeit
FC D 2mv0  !: (2.44)

Die Coriolis-Kraft hängt nicht vom Ort r 0 des der Hoch- und Tiefdruckgebiete sind (spiralför-
materiellen Punktes ab und tritt immer auf, wenn mig) gekrümmt. Bei Drehbewegungen von Ma-
der !-Vektor nicht parallel zum Geschwindig- schinenteilen mit großen Winkel- und Arbeits-
keitsvektor v0 verläuft. Die Coriolis-Kraft ist null, geschwindigkeiten kann sich die Coriolis-Kraft
wenn die Relativbewegung parallel zur Drehach- deutlich auf die Beanspruchung von Lagern und
se erfolgt. Führungen auswirken.
Alle mit der Erde starr verbundenen Koordi- Im Vergleich zu den anderen, die Bewegung
natensysteme sind wegen der Rotation um die beeinflussenden Kräften, wie z. B. die Gravitati-
Erdachse streng genommen keine Inertialsyste- onskraft, die Antriebskraft oder der Fahrwider-
me. Relativbewegungen auf der Erdoberfläche stand, ist die Coriolis-Kraft in der Regel vernach-
erfolgen in einer Tangentialebene an die Erdku- lässigbar.
gel, wie Abb. 2.24 zeigt. Auf der Nordhalbkugel
bewirkt die Coriolis-Kraft für alle nicht geführten Beispiel 2.4-4
Bewegungen eine Abweichung nach rechts. Ein Fahrzeug mit der Masse m D 1000 kg
Die Rotation der Erde lässt sich mit dem fährt mit der Geschwindigkeit v 0 D 72 km=h
Foucault’schen Pendel nachweisen. Wegen der von Süden nach Norden. Wie groß ist
Coriolis-Kraft dreht sich die Schwingungsebene bei der geografischen Breite " D 50ı
des Pendels im rotierenden System. Die Winkel- Nord die Coriolis-Kraft und die Coriolis-
geschwindigkeit, mit der sich die Erde unter dem Beschleunigung (TE  24 h)?
schwingenden Pendel wegdreht, ist gleich der
Azimutalkomponente !a der Winkelgeschwin- Lösung
digkeit der Erddrehung am Ort der geografischen Nach (2.44) ist die Coriolis-Kraft
Breite ":
2  Fc D 2mv 0 !E sin.v0 ; !/
!a D sin ":
TE D 2  103 kg  20 m=s  7;2  105 s1
Bei " D 50ı beträgt die Winkelgeschwindigkeit  sin 50ı
!a D 11;5ı =h. D 2;2 NI
Auch bei atmosphärischen Strömungen macht
sich die Coriolis-Kraft bemerkbar: Die Bahnen sie wirkt nach Osten.
44 2 Mechanik

(l D 50 m) auf und markiert den Endpunkt des


Lots auf einem horizontalen Messtisch. Danach
lässt man vom Aufhängepunkt des Lots aus eine
kleine Kugel fallen und beobachtet den Auftreff-
punkt auf der Platte.
a) Wodurch ist die Richtung des Lots an einem
Ort mit " D 50ı nördlicher Breite bestimmt; b) In
welche Himmelsrichtung wird die fallende Kugel
abgelenkt, und wie weit entfernt ist der Auftreff-
punkt der Kugel vom Endpunkt des Lots?

Ü 2-16 Bei einem Kettenantrieb entsprechend


Abb. 2.25 werden die Kettengliederbolzen bei der
Kettenumlenkung durch die Zentrifugalkraft Fzf
belastet. Wie groß ist die daraus bedingte Zug-
kraft F , wenn das Kettenglied die Masse m D 4 g
und den Bolzenabstand d D 12;6 mm hat, der
Kettenradius R D 116 mm beträgt und sich das
Kettenrad mit der Drehzahl n D 3500 min1
dreht?

2.5 Impuls

Abb. 2.25 Zu Ü 2-16


2.5.1 Impuls eines materiellen Punktes

Nach dem zweiten Newton’schen Axiom ändert


Aus (2.41) und (2.44) ergibt sich für die sich der Bewegungszustand eines Körpers unter
Coriolis-Beschleunigung ac D Fc =m D 2;2  dem Einfluss einer Kraft; seine Momentange-
103 m=s2 . schwindigkeit erhöht oder erniedrigt sich. Nach
der Newton’schen Formulierung (2.24) ist die
Bewegungsgröße eines Körpers der Impuls:
2.4.3 Zur Übung
p D mv: (2.45)
Ü 2-13 An einem Ort der geografischen Breite Die abgeleitete Einheit des Impulses ist
" D 50ı fällt ein Körper mit der Masse m D 1 kg m s1 D 1 N s.
10 kg mit der Geschwindigkeit v 0 D 100 m=s Der Impuls p ändert sich unter dem Einfluss
auf die Erdoberfläche. Berechnen Sie für den einer Kraft F gemäß
Aufprall nach Betrag und Richtung jeweils die
Zentrifugalkraft und die Coriolis-Kraft. dp
F D : (2.24)
dt
Ü 2-14 Wie groß ist die Coriolis-Beschleuni-
gung für ein Flugzeug, das horizontal über einen Die Kraft ist gleich der zeitlichen Ände-
Ort der geografischen Breite " D 50ı in jeweils rung des Impulses.
eine der vier Himmelsrichtungen fliegt?

Ü 2-15 Um die Rotation der Erde zu demons- Die Wirkung einer Kraft F auf einen Kör-
trieren, führt man in einem Bergwerksschacht per im Zeitintervall t wird als Kraftstoß be-
folgenden Versuch aus: Man hängt ein langes Lot zeichnet. Dieser führt zu einer Änderung des
2.5 Impuls 45

Abb. 2.27 Zu Beispiel 2.5-1

Schläger auf den Ball ausgeübten Kraft ist nä-


herungsweise eine Dreiecksfunktion entspre-
chend Abb. 2.27. Mit welcher Geschwindig-
keit ve bewegt sich der Ball fort?
Abb. 2.26 Kraftstöße mit a zeitabhängigem Kraftverlauf
und b zeitlich konstanter Kraft
Lösung
Nach (2.46) ist der ausgeübte Kraftstoß gleich
Impulses p eines materiellen Punktes mit der der Impulsänderung. Weil der Ball anfangs in
konstanten Masse m. Gleiche Kraftstöße führen Ruhe war, ist der Anfangsimpuls null. Aus
zu gleichen Impulsänderungen; die Geschwin- dem Endimpuls lässt sich bei bekannter Masse
digkeitsänderungen sind jedoch unterschiedlich sofort die Endgeschwindigkeit angeben:
und hängen von der Masse des Körpers ab. 8ms
Z
Der Kraftstoß
F .t/dt D mve  0:
Zt2 Zp2 0
F .t/dt D dp D p 2  p 1 D p (2.46)
Die Fläche unter der Dreiecksfunktion reprä-
t1 p1
sentiert das Integral; also errechnet man
ist gleich dem Zeitintegral der Kraft und gleich 8ms
Z
der Impulsänderung des materiellen Punktes. Im 1
F .t/dt D  200 N  8  103 s D 0;80 N s;
Allgemeinen hängt die wirkende Kraft F von 2
0
der Zeit ab, wie es in Abb. 2.26 zum Ausdruck
kommt. Ist die Kraft jedoch während der Kon- 0;80 kg m=s
ve D D 8;0 m=s:
taktzeit konstant, dann vereinfacht sich (2.46) zu 0;1 kg

p D F .t2  t1 / D F t: (2.47)


2.5.2 Impuls eines Systems materieller
Punkte
Beispiel 2.5-1
Beim Minigolfspiel wird ein ursprünglich ru- Bisher wurde ein einzelner materieller Punkt be-
hender Ball der Masse m D 0;1 kg weg- trachtet. Kräfte, die auf ihn wirken, müssen not-
geschlagen. Der zeitliche Verlauf der vom wendigerweise von außen kommen. Im Folgen-
46 2 Mechanik

und so fort;

Fk D Fak C Fi1k C Fi2k C Fi3k C Fi4k C : : :


dp k
C Fink D
dt
und so fort. Zusammenfassend ergibt sich
n n n n
X X X X dp k
Fk D Fak C Fji k D :
Abb. 2.28 Kräfte auf Punkt k in einem System materiel- dt
kD1 kD1 j;kD1 kD1
ler Punkte j ¤k
(2.48)
Bei der Summation sind die nicht existierenden
den wird ein System betrachtet, das aus mehreren Kräfte Fkki
wegzulassen.
materiellen Punkten aufgebaut ist. Zu den Kräf- Nach dem dritten Newton’schen Axiom gibt
ten, die von außen, also über die Systemgrenze, es für jede auftretende innere Kraft Fji k eine ent-
an den materiellen Punkten des Systems angrei- sprechende Gegenkraft Fikj . Diese beiden Kräfte
fen, kommen noch innere Kräfte, die zwischen kompensieren sich; deshalb vereinfacht sich das
den materiellen Punkten innerhalb des Systems Gleichungssystem (2.48) erheblich. Die Gesamt-
wirken. Das System ist ein abgeschlossenes Sys- summe der inneren Kräfte verschwindet:
tem, wenn nur innere Kräfte wirken.
n
X
Fikj D 0: (2.49)
2.5.2.1 Impulssatz
k;j D1
Es liege ein abgegrenztes System materieller k¤j
Punkte vor, das insgesamt n Teilchen enthalte,
deren Koordinaten r k .t/ von einem beliebigen Werden die Summe der äußeren Kräfte zur resul-
Pn a
Koordinatennullpunkt O aus gemessen werden, tierenden Kraft Fa D kD1 Fk und die Sum-
wie es Abb. 2.28 verdeutlicht. Auf jeden Punkt me
Pn der Einzelimpulse zum Gesamtimpuls p D
k des Systems wirken eine äußere Kraft Fak , die kD1 pk zusammengefasst, dann entspricht der
ihren Ursprung außerhalb des Systems hat, und Impulssatz für ein System materieller Punkte
innere Kräfte Fji k , die von der Wechselwirkung
dp
des k-ten materiellen Punktes mit allen übrigen Fa D (2.50)
dt
materiellen Punkten j.j ¤ k/ herrühren. Die
Gesamtkraft Fk auf den k-ten materiellen Punkt völlig dem für einen einzelnen materiellen Punkt.
ist gleich seiner Impulsänderung dp k =dt.
Die Bewegungsgleichungen für sämtliche n 2.5.2.2 Massenmittelpunkt und
materiellen Punkte des Systems sind Schwerpunktsatz
Der Impulssatz erhält eine besonders einfache
F1 D Fa1 C CFi21 C Fi31 C Fi41 C : : : Form, wenn für ein System materieller Punkte
dp 1 der Massenmittelpunkt oder Schwerpunkt S ein-
C F in1 D ; geführt wird. Für ein System materieller Punkte
dt
F2 D Fa2 C Fi12 C CFi32 C Fi42 C : : : ist der Ortsvektor dieses speziellen Punktes S
dp2
Pn
mk  r k .t/
C Fin2 D r s .t/ D kD1 : (2.51)
dt m
2.5 Impuls 47

P
Hierbei ist m D nkD1 mk die Gesamtmasse des kurz vor und kurz nach dem Stoß –, wenn die
Systems und r k der Ortsvektor des einzelnen ma- Wirkung der äußeren Kräfte im Stoßintervall ver-
teriellen Punktes. Weisen Systeme aus gleichen nachlässigbar ist.
Massenpunkten eine Symmetrieachse auf, dann
liegt der Massenmittelpunkt auf dieser Achse. Beispiel 2.5-2
Die Geschwindigkeit des Schwerpunktes er- Ein Pkw mit der Masse m1 D 1;3 t fährt
gibt sich durch die Differenziation von (2.51) zu auf einer abschüssigen Straße mit dem Nei-
Pn gungswinkel ˇ D 5ı auf einen stehenden
dr S .t/ kD1 mk vk .t/
D vS .t/ D Wagen mit der Masse m2 D 1 t auf. Nach
dt Pn m dem Aufprall rutscht der gestoßene Wagen
p .t/ p vollgebremst s2 D 8 m weit. Die Brems-
D kD1 k D :
m m spur des auffahrenden Wagens ist s1 D 5 m
Bezogen auf die Schwerpunktsbewegung vS lässt lang. Bei den Straßenverhältnissen beträgt die
sich der Impulssatz aus (2.50) umformen in den Gleitreibungszahl G D 0;8. Mit welcher Ge-
Schwerpunktsatz Fa D dp=dt D mdvS =dt oder schwindigkeit v1 fuhr der Pkw auf, wenn ein
gleichmäßig verzögerter Bremsvorgang ange-
F D ma : (2.52) nommen wird?
S

Lösung
Der Schwerpunkt eines beliebigen Systems Aus den Bremsspurlängen werden die Ge-
materieller Punkte bewegt sich so, als sei schwindigkeiten v10 und v20 kurz nach dem
im Schwerpunkt die Gesamtmasse m des Aufprall berechnet:
Körpers vereinigt und als griffen die äuße-
Bremsverzögerung:
ren Kräfte im Schwerpunkt an.
aB D .FR  FH /=m
D g.G cos ˇ  sin ˇ/
Wirken auf ein System von Massenpunkten Bremsweg:
keine äußeren Kräfte, dann bleibt der Massenmit-
sB D v 02 =2aB ;
telpunkt nach dem Newton’schen Trägheitsgesetz
in Ruhe oder er bewegt sich gleichförmig gerad- Geschwindigkeiten nach dem Stoß:
linig. p
v10 D 2s1 aB D 8;3 m=sI
2.5.2.3 Impulserhaltungssatz p
v20 D 2s2 aB D 10;6 m=s:
Wirkt auf ein System materieller Punkte keine re-
P
sultierende äußere Kraft, ist also nkD1 Fka D 0, Mit dem Impulserhaltungssatz nach (2.54) be-
dann ist nach (2.50) dp=dt D 0. Der Gesamtim- rechnet man die Auffahrgeschwindigkeit v1 :
puls des Systems p ist konstant. Für die Summe
der Einzelimpulse des Systems gilt der Impulser- m1 v10 C m2 v20
haltungssatz v1 D
m1
D 16;4 m=s D 59 km=h:
p 1 Cp 2 C : : : C p n D konstant (2.53)
oder m1 v1 C m2 v2 C : : : C mn vn
D m1 v01 C m2 v02 C : : : C mn v0n : (2.54) 2.5.3 Raketengleichung

Wirken äußere Kräfte, wie beispielsweise beim Die Beschleunigung einer Rakete ist der be-
Stoß auf einer schiefen Ebene, so gilt der Impuls- sondere Bewegungsfall, bei dem die Masse des
erhaltungssatz – eingeschränkt auf die Zeitpunkte Körpers, der eine Bewegungsänderung erfährt,
48 2 Mechanik

nicht konstant ist. Durch den Massenausstoß hei- Tab. 2.4 Daten der Mondrakete Saturn V mit dem Treib-
ßer Gase gemäß Abb. 2.29 wird die Schubkraft satz der ersten Stufe
der Rakete erzeugt. In der Zeitspanne dt ändert Startmasse m0 2;9  106 kg
sich die Raketenmasse m um dm, die Geschwin- Leermasse mleer 0;82  106 kg
digkeit v ändert sich um dv. Brennschlusszeit tB 160 s
Mit dem Impulssatz nach (2.50) lässt sich der Relativgeschwindigkeit vrel 2;6  104 m s 1
3 1

Massenstrom mP 1;3  10 kg s
Verlauf der Raketengeschwindigkeit, die Rake-
Schub Fschub 3;4  107 N
tengleichung, ableiten. Die Impulsänderung des
Systems aus Rakete und Gas im Zeitintervall dt
ist
Mit folgenden Näherungen soll (2.56) integriert
dp D Œ.m C dm/.v C dv/ C dm v   mv werden:
T T

oder mit dmT D dm  Der Treibstoff wird im Zeitintervall 0 5 t 5


tB bis zur Brennschlusszeit tB ausgestoßen;
dp D mdv  dmŒvT  .v C dv/:  die Relativgeschwindigkeit vrel ist während
der Brennzeit konstant;
Mit der Strahlgeschwindigkeit  der Massenstrom m P der ausgestoßenen Treib-
gase ist konstant.
vrel D vT  .v C dv/;
Ist m0 die Anfangsmasse, bestehend aus Rakete
mit der sich das Treibgas relativ zur Rakete ent- und Treibstoff, und m
leer die Masse der ausge-
fernt, lautet der Impulssatz brannten Rakete, dann ist der Massenstrom
dp dv dm m0  mleer
Fa D Dm  vrel : P D
m
dt dt dt tB
Die für den Raketenantrieb charakteristische
und die Abnahme der Raketenmasse
Schubkraft ist

dm m.t/ D m0  mt:
P (2.57)
Fschub D vrel : (2.55)
dt
In Tab. 2.4 sind einige charakteristische Daten
Die Bewegungsgleichung der Rakete hängt von der Saturn-V-Rakete angegeben, mit der 1969 das
der Schubkraft Fschub und den äußeren Kräf- amerikanische Apollo-Raumschiff die erste be-
ten Fa , wie beispielsweise den Gravitationskräf- mannte Mondlandung durchführte.
ten, ab: Die erreichbare Endgeschwindigkeit hängt li-
dv near von der Ausströmgeschwindigkeit vrel ab.
m.t/ D Fa C Fschub : (2.56) Bei mehrstufigen Raketen wird die ausgebrann-
dt
te Stufe abgeworfen. Der Start der nächsten Stufe
erfolgt mit der Endgeschwindigkeit der Vorstufe
als Anfangsgeschwindigkeit v0 .
Erfolgt der Start der ersten Stufe der Rakete im
Schwerefeld der Erde, dann ist als äußere Kraft
die Gravitationskraft auf die Rakete zu berück-
sichtigen. Die Gravitationskraft ist der Schub-
kraft entgegengerichtet. Werden für die Start-
phase der Luftwiderstand und die Änderung der
Abb. 2.29 Massen und Geschwindigkeiten von Rakete Fallbeschleunigung mit der Steighöhe vernach-
und Treibstoff zur Zeit t und t C dt lässigt, rechnet man also mit g D g0 D konstant,
2.5 Impuls 49

dann ist die äußere Kraft Fa D m.t/g 0 . Für den


Betrag der Beschleunigung gilt
dv P
m
a.t/ D D vrel  g0 : (2.58)
dt m0  mt
P
Durch Integration ergibt sich für den Betrag der
Geschwindigkeit
 
m0
v.t/ D vrel ln  g0 t C v0 : (2.59)
m0  mt
P
Beim Start von der Erdoberfläche mit der An-
fangsgeschwindigkeit v0 D 0 erhält man für die
Brennschlusszeit tB die Endgeschwindigkeit
 
m0
v.tB / D vrel ln  g0 tB : (2.60) Abb. 2.30 Geschwindigkeit der Saturn-V-Rakete (1. Stu-
mleer fe) bei senkrechtem Start auf der Erde mit näherungsweise
(Raketengleichung nach K. Z IOLKOWSKIJ; 1857 konstantem Schwerefeld (I) und Zündung im Weltraum
ohne Einwirkung äußerer Kräfte (II)
bis 1935).
Durch eine weitere Integration folgt aus (2.59)
die Höhe h.t/ der Rakete über der Erdoberfläche:
Zahlenwerten liegen die Daten der Startstufe der
vrel .m0  mt/ P Saturn V-Rakete nach Tab. 2.4 zugrunde.
h.t/ D
 m P  
m0 m0
  1  ln
m0  mt P m0  mtP 2.5.4 Zur Übung
1 2
 g0 t : (2.61) Ü 2-17 Auf einer ebenen Unterlage liegt eine
2
Kugel (Masse m D 2;0 kg). Die Kugel wird
Bei Brennschluss tB ist die Höhe parallel zur Unterlage mit einem Hammer an-
geschlagen. Die Kontaktzeit ist t D 5 ms, die
  
vrel mleer m0 m0
hB D  1  ln mittlere Kraft F D 100 N. a) Wie groß sind Ge-
mP mleer mleer
1 schwindigkeit und Impuls der Kugel nach dem
 g0 tB2 : (2.62) Stoß? b) Wie groß ist die Beschleunigung wäh-
2
rend der Stoßzeit?
Mit der Geschwindigkeit v.tB / aus (2.60) erreicht
die Rakete nach Brennschluss noch eine Steig- Ü 2-18 Ein Auto hat die Masse m D 1000 kg.
höhe hs D v 2 .tB /=2g0 (2.10). Der Bahnschei- Es fährt mit v D 50 km=h geradeaus. Welche Im-
tel des senkrechten einstufigen Raketenaufstiegs pulsänderung p – nach Betrag und Richtung –
liegt nach dieser Näherungsrechnung in der Hö- muss aufgebracht werden, um eine Richtungsän-
he htotal über Startniveau gemäß derung von 120ı zu bewerkstelligen, ohne den
Betrag der Geschwindigkeit v zu ändern?
v 2 .tB /
htotal D hB C : (2.63)
2g0
Ü 2-19 Die Mondmasse mM beträgt etwa
In Abb. 2.30 ist jeweils der Verlauf der Geschwin- 0;0123mE (mE D Erdmasse). Der Abstand zwi-
digkeit für den Fall, dass – wie im Weltraum schen Erdmittelpunkt und Mondmittelpunkt ist
– keine äußere Kraft wirkt .g0 D 0/ und für REM D 3;8  105 km, der Erdradius RE D
den Fall, dass der Start gegen die Erdgravita- 6370 km. Wo liegt der Massenmittelpunkt S des
tion erfolgt, wiedergegeben. Den angegebenen Systems Erde und Mond?
50 2 Mechanik

Ü 2-20 Beim spontanen radioaktiven Zerfall


sendet ein U-238-Kern ein ˛-Teilchen gemäß fol-
gender Reaktion aus:

238
92 U ! 234 4
90 Th C 2 He:

Die Geschwindigkeit des ˛-Teilchens wird zu


v˛ D 1;4  107 m=s gemessen. Welches ist die Ge-
schwindigkeit vTh des Rückstoßkerns Thorium? Abb. 2.31 Zur Definition der Arbeit

Ü 2-21 Wie viel Treibstoff muss eine Einstu-


fenrakete aufnehmen, damit sie nach Verbrennen
des gesamten Treibstoffs die erste kosmische
Geschwindigkeit von v D 7;9 km=s erreicht?
Die Leermasse der Rakete ist mleer D 1000 kg,
die Ausströmgeschwindigkeit gegen die Rake-
te ist vrel D 3000 m=s, die Brennschlusszeit ist
tB D 120 s. Unterscheiden Sie zwischen einem
„Start“ im Weltraum außerhalb des Graviations-
bereichs eines Himmelskörpers und einem Start Abb. 2.32 Arbeit einer ortsabhängigen Kraft F .x; y/
im Schwerefeld der Erde. längs des Wegs von s1 .x1 ; y1 / nach s2 .x2 ; y2 /

2.6 Arbeit und Energie Nach der Definitionsgleichung (2.64) ist die
Maßeinheit der Arbeit 1 N m D 1 J (Joule).
2.6.1 Arbeit In Abb. 2.33 sind Fälle zusammengestellt, bei
denen die Kraft F Arbeit gegen ortsunabhän-
Wirkt eine Kraft F auf einen materiellen Punkt gige Kräfte verrichtet. Dazu zählen die im erd-
oder Körper und verschiebt ihn dabei um ein nahen Gravitationsfeld näherungsweise konstan-
Wegelement s, so hat die Kraft den Zustand des te Schwerkraft FG und die von ihr verursachte
Körpers verändert, sie hat Arbeit verrichtet. Die Hangabtriebskraft sowie die auf dem Verschie-
mechanische Arbeit ist definiert als bungsweg konstante Festkörperreibungskraft FR .
Mit aufgenommen ist die Beschleunigungsarbeit
W D jF jjsj cos.F ; s/ (2.64) gegen die Trägheitskraft Ft der beschleunigten
Masse (2.33):
entsprechend Abb. 2.31 oder in differenzieller Zs2
Schreibweise als Skalarprodukt W12 D F  ds
s1
dW D F  ds: (2.65)
Zs2   vZ2 .s2 /
dv
Die insgesamt längs eines Weges von s1 nach D  m  .vdt/ D m.v  dv/:
dt
s2 von einer Kraft F .r; t/ verrichtete Arbeit er- s1 v .s
1 1 /
gibt sich durch Integration der Einzelbeiträge,
Die Integration zeigt, dass die Beschleunigungs-
wie Abb. 2.32 verdeutlicht:
arbeit nur von der Differenz der Quadrate der
Z2s Z2s Geschwindigkeiten abhängt:
W12 D dW D F  ds: (2.66) 1  
W12 D m v22  v12 : (2.67)
s1 s1 2
2.6 Arbeit und Energie 51

Abb. 2.33 Arbeit gegen ortsunabhängige Kräfte

Die Beschleunigungsarbeit ist null, wenn, wie Lösung


bei der gleichförmigen Kreisbewegung, dv und v Nach (2.32) gilt als lineares Kraftgesetz für
senkrecht aufeinander stehen: sich der Geschwin- die Federauslenkung Frück D kx. Beim
digkeitsbetrag also nicht ändert. Stauchen oder Dehnen hält die Kraft F der
Die Arbeit beim Dehnen und Stauchen ei- rücktreibenden Systemkraft zu jedem Zeit-
ner Feder und beim Anheben eines Körpers ge- punkt das Gleichgewicht: F D Frück . Die
gen die Gravitationskraft über größere Strecken aufzuwendende Arbeit W12 beim Dehnen von
wird nicht mehr gegen konstante Kräfte geleistet. x1 auf x2 ist
Abb. 2.34 enthält für diese Fälle ortsabhängiger
Kräfte die Integration von (2.66). Die Arbeit ent- Zx2 Zx2
spricht dabei der Fläche zwischen der Kraftkurve W12 D F  dx D ./.kx/  dx:
und der Wegachse innerhalb der Integrations- x1 x1
grenzen.
x und dx sind parallel gerichtet, daher ergibt
Beispiel 2.6-1 sich
Wie groß ist der Arbeitsaufwand beim Dehnen 1  
W12 D k x22  x12 : (2.68)
oder Stauchen einer idealen Feder? 2
52 2 Mechanik

Abb. 2.34 Arbeit gegen ortsabhängige Kräfte

tung
Die aufzuwendende Verformungsarbeit Wg
Pm D : (2.71)
nimmt quadratisch mit der Auslenkung zu. tg
Leistungen von Antrieben misst man, indem die
in der Zeitspanne abgegebene Arbeit definiert
in messbare Reibungsarbeit oder Reibungswär-
2.6.2 Leistung, Wirkungsgrad
me umgewandelt wird. Die abgegebene effektive
Leistung Peff eines Antriebs oder mechanischen
Das Maß dafür, in welcher Zeitspanne eine Arbeit
Wandlers ist wegen der Reibungsverluste PV
verrichtet wird, ist die Leistung
kleiner als die zugeführte Nennleistung PN . Das
W Kennzeichen für die Effektivität der Leistungs-
P D : (2.69) wandler ist der Wirkungsgrad
t

Die Maßeinheit der Leistung ist 1 N m s1 D Peff PV


D D1 : (2.72)
1 J s D 1 W (Watt). Die Leistung hängt vom
1 PN PN
Zeitintervall t ab. Die Momentanleistung P er-
Der Wirkungsgrad ist dimensionslos, der Werte-
gibt sich mit (2.65) zu
bereich liegt zwischen 0 5  5 1.
dW Stimmen die Zeitintervalle der Leistungszu-
P D D F v: (2.70) fuhr und Leistungsabgabe nicht überein, bei-
dt
spielsweise bei dem langsamen Anheben eines
Aus der über die Gesamtzeit tg verrichteten Ge- Rammbärs mit anschließendem raschem Auf-
samtarbeit Wg errechnet sich die mittlere Leis- prall, dann wird der Wirkungsgrad über das Ver-
2.6 Arbeit und Energie 53

hältnis von Nutzarbeit Wab zur zugeführten Ar-


beit Wzu definiert:
Zt1
Peff dt
Wab 0
D D t : (2.73)
Wzu Z2
PN dt
0

Werden mehrere Antriebe und Wandler hinterein-


andergeschaltet, dann ist der Gesamtwirkungs-
grad der Anlage das Produkt aus den Einzelwir-
kungsgraden:
Wab;n Wab;1
ges D D
Wzu;1 Wzu;1
Wab;2 Wab;n
 ::: oder
Wab;1 Wab;n1
ges D 1 2 : : : n : (2.74)

Beispiel 2.6-2
Ein Förderkorb, dessen Masse einschließlich
maximaler Nutzlast m1 D 1000 kg beträgt und
dessen Gegengewicht die Masse m2 D 450 kg
hat, fährt mit der Beschleunigung a1 D 1 m=s2
aufwärts, bis er die konstante Fördergeschwin-
digkeit v2 D 5 m=s erreicht. Die gesamte
Reibungskraft ist FR D 500 N. Abb. 2.35
verdeutlicht den Vorgang. Welche Spitzenleis-
tung und welche Dauerleistung benötigt der
Antrieb, wenn der Wirkungsgrad  D 0;9 be-
trägt?

Lösung
Die Kraft F1 an dem Umfang der Trommel
während des Anfahrens ergibt sich aus

F1 C m2 .g  a/ D m1 .g C a/ C FR

zu Abb. 2.35 Zu Beispiel 2.6-2


F1 D m1 .g C a/  m2 .g  a/ C FR
D 7450 N:
Die maximale Nennleistung während des An-
Im Bewegungsabschnitt mit konstanter För- fahrens beträgt
dergeschwindigkeit ist
F1 v2
PN;max D D 41;4 kW:
F2 D .m1  m2 /g C FR D 6000 N: 
54 2 Mechanik

Die Dauer-Nennleistung bei der anschließen- Energie


den gleichförmigen Bewegung des Förderkor- 1
Ekin D mv 2 (2.77)
bes ist 2
und der potenziellen Energie Epot , in der die
F2 v2
PN D D 33;3 kW: Energieanteile zusammengefasst sind, die nur

von einer Ortskoordinate abhängen. Hierzu gehö-
Antriebsaggregate müssen so ausgelegt wer- ren die von der Verformungsarbeit WV herrühren-
den, dass sie über die Dauerleistung hinaus de elastische Energie
kurzfristig eine wesentlich höhere Spitzenleis-
1 2
tung aufbringen können. Eelast D ks (2.78)
2
und die durch die Hubarbeit WH erzeugte Lage-
2.6.3 Energie energie
ELage D mgh: (2.79)
Führt man einem Körper mechanische Arbeit zu,
dann ändert sich der physikalische Zustand des Die Energieanteile hängen betragsmäßig davon
Körpers: Eine gespannte Feder kann einen an ihr ab, wo das Bezugsniveau h D 0 und der Aus-
befestigten Körper beschleunigen, also Beschleu- gangszustand s D 0 liegen und auf welches
nigungsarbeit verrichten; ein durch Arbeitsver- Koordinatensystem die Geschwindigkeit v bezo-
richtung beschleunigter Wagen kann eine schiefe gen ist.
Ebene bergauf fahren und damit Hubarbeit ver-
richten. Körper unterscheiden sich also dadurch,
in welchem Maß ihnen Arbeit zugeführt wurde. 2.6.4 Energieerhaltungssatz
Das Maß dafür ist die Energie E.
Die als Energie gespeicherte Arbeit muss nicht
in der Arbeitsform abgegeben werden, in der
Durch Zufuhr oder Abgabe von Arbeit wird sie aufgenommen wurde. Diese Abgabe ist auch
die Energie eines Körpers oder die Gesamt- in anderen Arbeitsformen möglich. Beim Bo-
energie eines Systems materieller Punkte genschießen wird beispielsweise die elastische
erhöht oder erniedrigt. Energie in Beschleunigungsarbeit des Pfeils und
eventuell beim Schuss bergauf in Hubarbeit um-
gewandelt. Alle Naturerscheinungen gehorchen
Die Energie wird in der gleichen Maßein- einem fundamentalen Gesetz, der Erhaltung der
heit 1 J angegeben wie die Arbeit, durch die sie Energie:
verändert wird. Es gilt also der Energiesatz der
Mechanik:
In einem abgeschlossenen System bleibt
E D Enachher  Evorher D W: (2.75) der Energieinhalt konstant. Energie kann
weder vernichtet werden noch aus nichts
Die Energieanteile eines Körpers werden durch entstehen; sie kann sich in verschiedene
die Arbeit, die sie erzeugt haben, beschrieben und Formen umwandeln oder zwischen ver-
ergeben wie diese additiv die Gesamtenergie. Die schiedenen Teilen des Systems ausge-
mechanische Energie eines Körpers ist tauscht werden.

E D Ekin C Epot : (2.76)


Es gibt kein Perpetuum mobile erster Art;
Sie setzt sich zusammen aus der durch die Be- d. h., es ist unmöglich, eine Maschine zu bau-
schleunigungsarbeit WB erzeugten kinetischen en, die dauernd Arbeit verrichtet, ohne dass ihr
2.7 Stoßprozesse 55

von außen ein entsprechender Energiebetrag zu- 2.6.5 Zur Übung


geführt wird (Abschn. 3.3.3).
Der Energieerhaltungssatz ist nicht beweis- Ü 2-22 Eine Stahlkugel (Masse m) fällt frei aus
bar; er fasst die jahrhundertelangen Erfahrun- der Höhe h auf eine Stahlplatte und springt da-
gen mit Energieumwandlungsexperimenten zu- nach auf eine Höhe h1 D 0;9h zurück. a) Wie
sammen. In seiner allgemeinen Form beinhaltet groß ist ihre Geschwindigkeit v0 unmittelbar vor
er außer den mechanischen Energieformen der dem Aufprall? b) Wie groß ist die Geschwin-
kinetischen und der potenziellen Energie auch digkeit unmittelbar nach dem Aufprall? c) Wie
thermische Energien, chemische Energien, elek- groß ist die Impulsänderung p der Stahlkugel
trische und magnetische Feldenergien. nach Betrag und Richtung? d) Welcher Anteil
Bleiben in Systemen die nichtmechanischen der ursprünglichen kinetischen Energie wurde in
Energien der Körper konstant, ist also in ideali- nicht-mechanische Energieformen umgesetzt?
sierten mechanischen Systemen die Reibungsar-
beit vernachlässigbar, dann gilt für die kinetische Ü 2-23 Eine Feder (Federkonstante k D
Energie und die potenzielle Energie des Systems 200 N=m) wird um y D 15 cm zusammenge-
materieller Punkte der Energieerhaltungssatz der drückt. Dann wird eine Kugel (Masse m D 80 g)
Mechanik auf sie gelegt. Wie hoch springt die Kugel, wenn
die Feder plötzlich entspannt wird?
Ekin C Epot D konstant: (2.80)
Ü 2-24 Eine Schraubenfeder ist durch eine Kraft
In diesem Fall hängen die mechanischen Energi- F1 D 50 N gespannt. Wirkt zusätzlich eine Kraft
en zu zwei Zeitpunkten t und t 0 folgendermaßen F D 30 N an der Feder, wird diese um l D
zusammen: 20 cm verlängert. a) Wie groß ist die für diese
Verlängerung erforderliche Arbeit? b) Wie groß
1  2  1  
m1 v1  v102 C m2 v22  v202 C : : : ist die Gesamtenergie der gespannten Feder?
2 2
1   1  
C k1 s12  s102 C k2 s22  s202 C : : : Ü 2-25 Bei großen Deformationen wird das
2   2   Kraftgesetz einer realen Feder nicht-linear. Für
C m1 g h1  h01 C m2 g h2  h02 C : : : eine Pufferfeder gilt k.x/ D k C k x 2 mit k D
1 2 1
D 0: (2.81) 103 N=m und k2 D 107 N=m3 . Wie weit wird die-
se Feder zusammengedrückt, wenn ein Körper,
Im mechanischen Energieerhaltungssatz ist die der die kinetische Energie Ekin D 0;3 N m hat,
potenzielle Energie des Systems durch die La- in x-Richtung aufprallt?
gekoordinaten s oder h eindeutig bestimmt; sie
hängt nicht vom Weg und den Wechselwirkun-
gen auf diesem Weg ab. Die elastische Kraft 2.7 Stoßprozesse
und die Gewichtskraft, die die potenzielle Ener-
gie bestimmen, werden als konservative Kräfte 2.7.1 Übersicht und Grundbegriffe
bezeichnet. Im Gegensatz dazu gilt (2.81) nicht
mehr, wenn Reibungsvorgänge und nichtelasti- Bei einem Stoßprozess berühren sich zwei (oder
sche Verformungen bewirken, dass der Energie- auch mehrere) Körper kurzzeitig unter Ände-
zustand vom gewählten Weg abhängt. In dieser rung ihres jeweiligen Bewegungszustands, wie
Weise vom Weg abhängige Kräfte sind dissipati- Abb. 2.36 verdeutlicht. Kennzeichnend ist die
ve Kräfte. Einmaligkeit und die im Vergleich zur gesam-
56 2 Mechanik

ten Beobachtungsdauer kurze Kontaktzeit der be-


teiligten Körper. In dieser Wechselwirkungszeit
treten verhältnismäßig große Kräfte auf. Die Be-
wegung wenigstens eines der beteiligten Körper
ändert sich abrupt.
Stoß-Beispiele sind Billard-, Tennis- oder Fuß-
ballstöße und Auto-Unfallversuche. Abb. 2.37
zeigt ein Beispiel hierfür. Stoßprozesse treten
auch bei atomaren Vorgängen auf. Bei Zusam-
menstößen zwischen Atomen und Molekülen
treten an die Stelle der elastischen Kräfte der
Mechanik elektrostatische Wechselwirkungs-
kräfte. Eine Klassifikation der Stöße zwischen
makroskopischen Körpern lässt sich nach den
geometrischen Verhältnissen und den Ände-
Abb. 2.36 Zeitlicher Verlauf des Stoßes zweier elasti-
rungen der kinetischen Energie der Stoßpartner scher Körper
treffen. Abb. 2.38 zeigt eine Übersicht.

2.7.2 Gerader, zentraler, elastischer


Stoß

Für ein Zeitintervall kurz vor und kurz nach


dem Stoß sind die Änderungen der potenziel-
len Energien der Stoßpartner und die Reibungs-
verluste vernachlässigbar gegenüber den kine-
tischen Energien; für den Stoßzeitraum ist das
System abgeschlossen und ohne Einwirkung äu-
ßerer Kräfte. Zwischen den Geschwindigkeiten
der Stoßpartner vor dem Stoß v1 sowie v2 und
nach dem Stoß v01 sowie v02 besteht nach dem
Impulserhaltungssatz gemäß (2.54) der Zusam-
menhang

m1 v1 C m2 v2 D m1 v01 C m2 v02 : (2.82)

Die Vektoren können algebraisch addiert wer-


den, weil der gerade zentrale Stoß eindimensional
ist, wie Abb. 2.39 verdeutlicht. Die zweite Be-
stimmungsgleichung ist der Energieerhaltungs-
satz nach (2.81):

1 1 1 2 1 2
m1 v12 C m2 v22 D m1 v 0 1 C m2 v 0 2 : (2.83)
2 2 2 2
Durch Umformung von (2.83) ergibt sich
Abb. 2.37 Crash-Test-Zeitverlauf. Auffahrgeschwindig-
      keit 64 km=h, Zeitspanne seit dem Aufprall: a 0 ms,
m1 v1 C v10 v1  v10 D m2 v20 C v2 v20  v2 b 75 ms, c 150 ms. Werkfoto: Daimler AG
2.7 Stoßprozesse 57

Abb. 2.38 Klassifikation der Stoßprozesse. Betrachtet werden nur Stöße, bei denen die Stoßpartner vor dem Stoß reine
Translationsbewegungen ausführen

Setzt man (2.84) in (2.82) ein, so führt dies auf


die Bestimmungsgleichungen für die Geschwin-
digkeiten nach dem Stoß:

.m1  m2 /v1 C 2m2 v2


v10 D ; (2.85)
m1 C m2
2m1 v1 C .m2  m1 /v2
Abb. 2.39 Gerader, zentraler Stoß v20 D : (2.86)
m1 C m2

Sind die Massen der Stoßpartner gleich, so tau-


und mit (2.82) schen die beiden Körper Geschwindigkeit, Im-
  puls und kinetische Energie aus; war vor dem
v1  v2 D  v10  v20 : (2.84) Stoß der gestoßene Körper in Ruhe, so ist nach
dem Stoß der stoßende Körper in Ruhe. Stößt
Vom Körper 2 aus gesehen, bewegt sich der ein schwerer Körper einen leichten, dann bewe-
Körper 1 nach dem Stoß mit derselben Relativge- gen sich beide nach dem Stoß in der gleichen
schwindigkeit weg, mit der er vor dem Stoß auf Richtung weiter. Ist dagegen die Masse des ge-
den Körper 2 zugelaufen ist. stoßenen Körpers größer als die des stoßenden,
58 2 Mechanik

so wird der stoßende Körper reflektiert und nach


dem Stoß laufen die Körper entgegengesetzt aus-
einander. Kollidieren Körper extrem unterschied-
licher Massen – prallt beispielsweise ein Ball auf
eine Wand –, dann wird beim elastischen Stoß
der stoßende Körper vollständig reflektiert. Er be-
hält seine kinetische Energie; der Impuls und die
Geschwindigkeit sind nach dem Stoß entgegen-
gesetzt zur Einfallsrichtung gerichtet.

Beispiel 2.7-1
Ein Neutron mit der Masse m1 D mN stößt
zentral auf einen ruhenden Atomkern mit der
Masse m2 D N mN . Die Kollision ist nähe-
rungsweise elastisch. Welcher Anteil f der
kinetischen Energie des Neutrons wird auf den
Atomkern übertragen?

Lösung
Die Energie des stoßenden Neutrons ist Abb. 2.40 Gerader, zentraler Stoß: Anteil f der Energie-
übertragung in Abhängigkeit vom Massenverhältnis der
1 Stoßpartner
Ekin, Nvor D m1 v12 :
2
Beim Stoß wird die Energie E übertragen: 2.7.3 Gerader, zentraler, unelastischer
Stoß
1  2 0

E D m1 v1  v12 :
2 Geht beim Stoßvorgang kinetische Energie bei-
spielsweise durch Reibungs- oder inelastische
Der Anteil f der übertragenen kinetischen
Verformungsarbeit verloren, dann muss der all-
Energie ist
gemeine Energiesatz nach (2.75) zur Berechnung
E v
02 der Geschwindigkeiten nach dem Stoß herange-
f D D 1  12 zogen und der Energieverlust W berücksichtigt
Ekin, N vor v1
  werden:
m1  m2 2 4m1 m2
D1 D 1 1 1
m1 C m2 .m1 C m2 /2 m1 v12 C m2 v22 D m1 v102 (2.87)
2 2 2
4N
D : 1
.1 C N /2 C m2 v202 C W:
2
Der Anteil f der Energieübertragung bei ei- Zusätzlich zum Impulserhaltungssatz nach (2.82)
nem geraden, zentralen, elastischen Stoß ei- ist eine weitere Bestimmungsgleichung notwen-
nes ruhenden Stoßpartners ist in Abhängigkeit dig, um die Geschwindigkeiten v10 und v20 nach
vom Massenverhältnis m1 W m2 in Abb. 2.40 dem Stoß und den Energieverlust W berechnen
aufgetragen. Der Energieübertrag ist umso hö- zu können (Beispiel 2.5-2).
her, je geringer der Massenunterschied zwi- Besonders interessant ist der unelastische
schen den Stoßpartnern ist. Zum Abbremsen Stoß, bei dem die beiden Körper miteinander ver-
schneller Neutronen in Kernreaktoren ist al- koppelt werden und sich nach dem Stoß mit der
so Wasser (H2 O) oder schweres Wasser (D2 O) gemeinsamen Geschwindigkeit
sehr viel effektiver als etwa eine Bleiabschir-
mung. v 0 D v10 D v20
2.7 Stoßprozesse 59

Der Verlust an kinetischer Energie ergibt sich


zu
m1 m2   2
W D 1  "2 v1  v2 : (2.90)
2.m1 C m2 /

Beispiel 2.7-2
Die Stoßzahl lässt sich aus Fallversuchen be-
stimmen. Dabei lässt man eine kleine Kugel
aus der Fallhöhe h auf einen schweren .m2 
Abb. 2.41 Gerader, zentraler, unelastischer Stoß mit m1 / ruhenden Körper fallen (Abb. 2.42). Wie
Kopplung (vollplastischer Stoß) groß ist die Stoßzahl ", wenn die Fallhöhe
h D 70 cm beträgt und die Zeitspanne zwi-
schen dem ersten und dem zweiten Aufprall
gemäß Abb. 2.41 bewegen. Der Impulserhal- t D 0;72 s?
tungssatz dieses unelastischen Stoßes lautet
Lösung
m1 v1 C m2 v2 D .m1 C m2 /v 0 I Nach dem freien Fall kommt es zum ersten
Aufprall nach der Zeit
daraus folgt
s
0 m1 v1 C m2 v2 2h
v D : (2.88) t1 D D 0;378 s:
m1 C m2 g
Die für den elastischen Stoß gefundene Gl.
Die Aufprallgeschwindigkeit der kleinen Ku-
(2.84) für die Geschwindigkeitsdifferenzen vor
gel ist
und nach dem Stoß
p
v20  v10 D v1  v2 v1 D 2gh D gt1

gilt für den unelastischen Stoß nicht mehr. Viel- Nach (2.89) prallt die Kugel ab mit der Ge-
mehr gilt für den Stoß mit Kopplung, der auch als schwindigkeit
vollkommen plastischer Stoß bezeichnet wird
v10 D "v1 ;
v20  v10 D 0:
dabei sind v2 und v20 jeweils null.
Es liegt nahe, den teilplastischen Stoß zu definie-
ren, bei dem folgender Zusammenhang gilt:

v20  v10 D ".v1  v2 /: (2.89)

" wird als Stoßzahl bezeichnet und kann folgende


Werte annehmen:

"D1 elastischer Stoß,


"D0 vollkommen plastischer Stoß,
0<"<1 teilweise plastischer Stoß.

Die Stoßzahl kann experimentell bestimmt wer-


den. Beispielsweise beträgt sie für Körper aus
gehärtetem Stahl " D 0;95; für Blei gilt " D 0. Abb. 2.42 Zu Beispiel 2.7-2: Bestimmung der Stoßzahl
60 2 Mechanik

Die Zeitspanne bis zu einem erneuten Auf-


prall ist

2jv10 j 2"v1
t D D D 2"t1 :
g g

Damit wird die Stoßzahl

t
"D D 0;95:
2t1

2.7.4 Schiefe, zentrale Stöße

2.7.4.1 Elastische Stöße


Abb. 2.43 skizziert die Lage der Stoßpartner für
den Augenblick, in dem sie sich berühren. Die
Abb. 2.43 Schiefer, zentraler, elastischer Stoß
Verbindungslinie der beiden Massenmittelpunk-
te in diesem Augenblick ist die Stoßgerade; in Tab. 2.5 Schiefer, zentraler, elastischer Stoß
Abb. 2.43 ist es die y-Achse. Ohne Reibung kann Geschwindigkeiten
in die x-Richtung senkrecht zur Stoßgeraden kei- vor dem nach dem
ne Kraft übertragen werden. Die Komponenten Stoß Stoß
der Impulse in x-Richtung sind vor und nach dem Körper 1 v1x 0
v1x D v1x
Stoß gleich: Masse m1
0 .m1  m2 /v1y C 2m2 v2y
0 v1y v1y D
m1 v1x D m1 v1x ; (2.91) m1 C m2
0
0
m2 v2x D m2 v2x : (2.92) Körper 2 v 2x v 2x D v 2x
Masse m2 2m1 v1y C .m2  m1 /v2y
0
v2y v2y D
Der Impulserhaltungssatz nach (2.54) in Rich- m1 C m2
tung der Stoßgeraden ergibt eine weitere skalare
Bestimmungsgleichung:
aus (2.94)
m1 v1y C m2 v2y D 0
m1 v1y C 0
m2 v2y : (2.93) v12 D v102 C v202 : (2.95)
Die Geschwindigkeitsrichtungen der Stoßpartner
Beim elastischen Stoß entsteht kein Energiever- stehen in diesem Fall nach dem Stoß senkrecht
lust; der Energieerhaltungssatz nach (2.81) lautet aufeinander. Erfolgt andererseits der schiefe, zen-
also trale, elastische Stoß gegen eine Wand .m2 
1  2  1  2  m 1 /, dann folgt aus Tab. 2.5
2 2
m1 v1x C v1y C m2 v2x C v2y (2.94)
2 2 v1y D v01y : (2.96)
1  02 02
 1  02 02

D m1 v1x C v1y C m2 v2x C v2y :
2 2 Die Tangens der Winkel ˇ1 und ˇ2 sind gleich
groß. Es gilt: tan ˇ1 D .v1y =v1x / und tan ˇ10 D
Gleichungen (2.91) bis (2.94) sind vier Bestim- 0
.v1y 0
=v1x /. Dies ist das Reflexionsgesetz für den
mungsgleichungen für die unbekannten Kompo-
schiefen elastischen Stoß eines Körpers an einer
nenten v1x , v1y , v2x und v2y der Stoßpartner nach
0 0 0 0
Wand:
dem Stoß. Die Lösungen des Gleichungssystems
ˇ10 D ˇ1 : (2.97)
sind in Tab. 2.5 dargestellt.
Sind die Massen der beiden Stoßpartner gleich Der Ausfallwinkel ist also gleich dem Einfallwin-
und ist der gestoßene Körper in Ruhe, dann folgt kel.
2.8 Drehbewegungen 61

2.7.4.2 Inelastische Stöße Ü 2-28 Ein Geschoss (Masse m1 D 20 g)


Wenn der Stoßvorgang nicht mehr elastisch er- fliegt horizontal mit der Geschwindigkeit v1 D
folgt, dann gilt der Energieerhaltungssatz der 200 m=s. Es trifft auf einen als Pendel an ei-
Mechanik nicht mehr. Zwar liefert der Impuls- nem langen Draht aufgehängten Holzklotz (Mas-
erhaltungssatz für die beiden kartesischen Ko- se m D 1;0 kg) und durchschlägt ihn. Nachdem
ordinaten zwei skalare Gleichungen, aber es die Kugel aus dem Klotz ausgetreten ist, hat das
sind zusätzlich noch zwei geometrische Bedin- Pendel eine Geschwindigkeit von vp D 2;0 m=s.
gungen für den Stoßvorgang notwendig. Diese a) Wie groß ist die Geschwindigkeit v10 des
können beobachtete Ablenkwinkel oder gemes- Geschosses nach Durchschlagen des Pendelklot-
sene Geschwindigkeitsbeträge sein. Hat man die zes? (Dabei darf die Bewegung des Pendels in
Geschwindigkeiten nach dem Stoßvorgang be- der Wechselwirkungszeit mit dem Geschoss ver-
stimmt, so kann man durch Vergleich der kine- nachlässigt werden.) b) Ist der Zusammenstoß
tischen Energien vor und nach dem Stoß den vollständig unelastisch? Welcher Anteil der kine-
Energieanteil ermitteln, der in nichtmechanische tischen Energie wird in nichtmechanische Ener-
Energieformen umgesetzt wurde. gien umgesetzt?
Ein grundlegendes Beispiel für einen inelas-
tischen Stoß ist der Franck-Hertz-Versuch (Ab- Ü 2-29 Ein Körper (Masse m1 D 50 g) hat eine
schn. 8.2, Abb. 8.6). Gasatome nehmen beim Geschwindigkeit v1 D 10 m=s. Er trifft auf ein
Stoß mit Elektronen nur diskrete Energien auf ruhendes Objekt (m2 D 100 g). Nach dem Zu-
und geben sie kurze Zeit später als Lichtquant ab. sammenstoß ist die Geschwindigkeit des ersten
Körpers auf v10 D 6 m=s vermindert; er fliegt in
eine Richtung, die um 45ı gegen seine ursprüng-
2.7.5 Zur Übung liche Flugrichtung abweicht.
a) Wie groß ist die Geschwindigkeit v20 – nach
Ü 2-26 Im Weltraum, wo äußere Kräfte vernach- Betrag und Richtung – des zweiten Körpers nach
lässigt werden dürfen, soll von einer Trägerrakete dem Stoß? b) Wie viel Energie wird beim Stoß in
(Masse m, Geschwindigkeit v) eine Raumkap- nichtmechanische Energieformen umgesetzt?
sel (Masse m=2) abgesprengt werden. Das nicht
mehr gebrauchte Bruchstück (Masse m=2) soll
dabei zur Ruhe kommen. Welcher Energiebetrag 2.8 Drehbewegungen
ist dem System zuzuführen?
2.8.1 Drehmoment
Ü 2-27 Ein Eisenbahnwaggon (Masse m1 D
24:000 kg) rollt mit einer Geschwindigkeit v1 D Um einen materiellen Punkt oder einen Körper in
3 m=s auf geraden, ebenen Schienen. Er stößt mit Rotation um eine vorgegebene Drehachse zu ver-
einem zweiten Waggon (Masse m2 D 20:000 kg), setzen, muss ein Drehmoment ausgeübt werden.
der sich mit der Geschwindigkeit v2 D 1;8 m=s in Das Drehmoment hängt gemäß Abb. 2.44 ab
derselben Richtung bewegt, zusammen. von Betrag und Richtung der Kraft F und dem
a) Nehmen Sie an, die Waggons kuppeln beim Abstand r des Angriffspunkts der Kraft von der
Stoß zusammen. Welches ist die gemeinsame Drehachse. Die Richtung des Drehmoments steht
Endgeschwindigkeit v 0 ? Welcher Betrag an Ener- senkrecht auf der von r und F aufgespannten
gie wurde in Wärme umgesetzt? b) Nehmen Sie Ebene. Das Drehmoment ist definiert als Vektor-
an, der Zusammenstoß sei vollständig elastisch produkt aus dem Radiusvektor r und der äußeren
und die Waggons trennen sich dann wieder. Wel- Kraft F :
ches sind dann die Endgeschwindigkeiten v10 und M D r F: (2.98)
v20 der beiden Waggons? c) Was ändert sich an
den Antworten zu den Teilfragen a) und b), wenn Ein Drehmoment hat seinen größten Wert, wenn
sich die beiden Waggons anfangs aufeinander zu der Radiusvektor r und die Kraft F senkrecht
bewegen? aufeinander stehen. Die Maßeinheit des Dreh-
62 2 Mechanik

Abb. 2.44 Zur Definition des Drehmoments M


Abb. 2.45 Zur Definition des Drehimpulses L

moments ist 1 N m. Dies ist formal die gleiche


Einheit, die auch Arbeit und Energie haben; im läuft, ist die momentane Bahngeschwindigkeit
Gegensatz zu diesen skalaren Größen ist das nach Tab. 2.1 gegeben durch v D !  r. Der
Drehmoment jedoch eine Vektorgröße. Für die Drehimpuls L der Drehbewegung des materiel-
Berechnung von Gleichgewichten, besonders bei len Punktes ist somit
starren Körpern (Abschn. 2.9), spielt das Dreh-
moment eine zentrale Rolle. L D r  p D mr  .!  r/
D mŒ.r  r/!  .r!/r:
2.8.2 Newton’sches Aktionsgesetz der Weil r senkrecht auf ! steht, ist .r  !/ D 0 und
Drehbewegung
L D .mr 2 /!: (2.100)
2.8.2.1 Drehimpuls eines materiellen
Punktes Der Drehimpuls L ist proportional zur Winkel-
Der momentane Ort eines materiellen Punktes
geschwindigkeit ! der Drehbewegung. Die Pro-
der Masse m, der sich unter dem Einfluss einer
portionalitätskonstante ist das Massenträgheits-
Kraft F auf einer Bahnkurve bewegt, wird durch
moment J des materiellen Punktes im Abstand
den Radiusvektor r vom Ursprung eines Iner-
r von der Drehachse:
tialsystems aus beschrieben, wie aus Abb. 2.45
hervorgeht.
J D mr 2 : (2.101)
Seine Momentangeschwindigkeit ist v, der
Impuls p D mv. Der materielle Punkt führt ei-
Der Drehimpuls L als die Bewegungsgröße der
ne Drehbewegung aus, wenn sein Impuls p eine
Drehbewegung ergibt sich damit zu
Komponente senkrecht zum Ortsvektor r des ma-
teriellen Punkts hat, das Vektorprodukt r  p also
L D J !: (2.102)
nicht verschwindet. Diese für die Drehbewegung
charakteristische Größe wird als Drehimpuls L
Verglichen mit dem Impuls p der Trans-
definiert:
lationsbewegung tritt beim Drehimpuls L
L D r  p: (2.99)
der Rotationsbewegung an die Stelle der
Die Maßeinheit des Drehimpulses ergibt sich zu Masse m das geometrieabhängige Massen-
1 N m s. trägheitsmoment J und an die Stelle der
Für einen materiellen Punkt, der mit der Win- Bahngeschwindigkeit v die Winkelgeschwin-
kelgeschwindigkeit ! auf einer Kreisbahn um- digkeit !.
2.8 Drehbewegungen 63

2.8.2.2 Dynamisches Grundgesetz der


Rotation Die Winkelbeschleunigung ˛ der Dreh-
Aus (2.99) folgt für die zeitliche Änderung des bewegung ist der Ursache, dem äußeren
Drehimpulses Drehmoment M , proportional.
dL d dr dp
D .r  p/ D pCr  :
dt dt dt dt Die Integration von (2.103) ergibt den Dreh-
Die Bahngeschwindigkeit v D dr=dt und der momentenstoß:
Impuls p D mv sind gleichgerichtet, ihr Vektor-
produkt verschwindet. Nach dem Newton’schen Zt2
Aktionsprinzip (2.24) ist die Impulsänderung M dt D L: (2.105)
dp=dt gleich der äußeren Kraft F auf die Mas- t 1

se m und somit ist


Die Drehimpulsänderung L ist gleich dem In-
dL tegral des von den äußeren Kräften ausgeübten
D r  F D M: (2.103)
dt Drehmoments. Ist das äußere Drehmoment M D
M0 D konstant, dann ist die Drehimpulsän-
Die zeitliche Änderung des Drehimpulses derung durch den Drehmomentenstoß L D
ist gleich dem Drehmoment der äußeren M0 t.
Kräfte auf den Körper.

2.8.3 Arbeit, Leistung und Energie bei


Wirken keine äußeren Momente, dann bleibt der Drehbewegung
der Drehimpuls L nach Betrag und Richtung
konstant, der Drehimpuls des materiellen Punkts Ein Drehmoment M , das einen Körper um eine
bleibt erhalten. Zentralkräfte, wie beispielswei- Achse in eine Drehbewegung versetzt, verrichtet
se die Gravitationskraft (Abschn. 2.10), die dem Arbeit. Die Arbeit W bei der Rotationsbewegung
Radiusvektor r des materiellen Punktes entge- ist nach Abb. 2.32
gengesetzt gerichtet sind, üben auf diesen kein Zs1 Z'1
Drehmoment aus; der Bahndrehimpuls der Kör- W D F .s/  ds D F .'/  .d'  r/
per ist konstant. Wird das Massenträgheitsmo-
s0 '0
ment durch eine Verkürzung des Abstands der
Masse zur Drehachse vermindert, so erhöht sich Z'1
die Winkel-geschwindigkeit des Körpers. D .r  F .'//  d'
Auf einer Kreisbahn ist das Massenträgheits- '0

moment J eines materiellen Punktes konstant.


Aus (2.102) folgt oder
Z'1
dL d d! W D M .'/  d': (2.106)
D .J !/ D J ;
dt dt dt '0

und mit (2.103) und der Winkelbeschleunigung Ist das Drehmoment konstant, dann gilt
˛ D d!=dt ergibt sich das dynamische Grundge-
setz der Rotation: W D M.'1  '0 /:

M D J ˛: (2.104) Das aufzuwendende Drehmoment M ist propor-


tional zum Drehwinkel ' bei der Torsion von
Wie bei der Newton’schen Grundglei- Körpern im elastischen Bereich oder bei Tor-
chung (2.25) gilt: sionsfedern. Die Proportionalitätskonstante wird
64 2 Mechanik

analog zum Hooke’schen Gesetz der longitudi- 2.8.4 Drehbewegungen von Systemen
nalen Dehnung als Drehfedersteifigkeit kt be- materieller Punkte
zeichnet. Die Arbeit gegen das winkelabhängige
Torsionsmoment ergibt sich aus der Integration 2.8.4.1 Drehimpulssatz
von (2.106): In einem System von N materiellen Punkten,
1   deren Koordinaten von einem beliebigen Koor-
W D kt '12  '22 : (2.107) dinatennullpunkt aus gemessen werden, wirken
2
auf jeden materiellen Punkt k am Ort r k .t/ eine
Die Torsionsarbeit wird in der elastischen Verfor- resultierende äußere Kraft F a und innere Kräfte
k
mung des deformierbaren Körpers gespeichert. F i , die von allen übrigen materiellen Punkten
jk
Die sehr kleinen Richtmomente von Torsions- j ¤ k des Systems ausgehen. Der Drehim-
fäden ermöglichen es, aus der Drehwinkelände- pulssatz (2.103) lautet dann für den materiellen
rung sehr kleine Energien, wie beispielsweise Punkt k
bei der Bestimmung der Gravitationskraft mit 0 1
der Torsionswaage (Abschn. 2.10.2), zu messen. dLk X N

Aus (2.106) folgt für die momentane Leistung der D r k  @F ak C F ji k A


dt
Kraft, die das Drehmoment bewirkt, j ¤k
N
dW X
P D D M!: (2.108) D M ak C M ji k :
dt
j ¤k
Durch die Arbeitszufuhr oder -abfuhr ändert sich
die kinetische Energie eines im Abstand r um Es ergeben sich N Gleichungen für die materiel-
eine Drehachse rotierenden materiellen Punktes. len Punkte des Systems. Werden diese summiert,
Seine Rotationsenergie beträgt dann verschwindet die Summe der Momente der
inneren Kräfte:
rot 1 1
Ekin D mv 2 D mr 2 ! 2 oder N X N
2 2 X
rot 1 M ji k D 0:
Ekin D J ! 2: (2.109) kD1 j ¤k
2
Nach dem Energiesatz (2.75) ändert die Arbeit Nach (2.98) und dem dritten Newton’schen Axi-
der äußeren Kraft eines Drehmoments die Rota- om F i D F i ergibt sich
jk kj
tionsenergie. Mit (2.104) und (2.106) ergibt sich
der Energiesatz für Drehbewegungen: r 1  F i21 C r 2  F i12 D .r 2  r 1 /  F i12 D 0;
Z'1 tZ.'1 /
d! weil r 2  r 1 parallel zu F i12 ist, wie man in
W D J ˛d' D J !dt
dt Abb. 2.46 erkennt. Werden die Drehimpulse der
'0 t .'0 /
einzelnen materiellenPPunkte zu einem Gesamt-
!.'Z1 /D!1 N
drehimpuls L D kD1 Lk und die äußeren
DJ !d! Momente zu einemPresultierenden Gesamtdreh-
N a
!.'0 /D!0 moment M D kD1 M k zusammengefasst,
dann folgt der Drehimpulssatz für ein System von
bzw.
1  2  materiellen Punkten:
W D J !1  !02 : (2.110)
2 dL
Die Differenz der Rotationsenergie in der End- D M: (2.111)
dt
und Anfangslage ist gleich der Arbeit, die von
dem am Körper angreifenden, äußeren Drehmo- Der Drehimpulssatz für ein System entspricht
ment bei der Drehung des Körpers um eine feste formal völlig dem für einen einzelnen materiel-
Drehachse verrichtet wird. len Punkt (2.103).
2.8 Drehbewegungen 65

Wie groß ist die neue Drehfrequenz n1 und


die mittlere Leistung, die sie aufbringt?

Lösung
Bei Vernachlässigung der Reibung zwischen
Schlittschuhen und Eis bleibt der Drehimpuls
erhalten: L0 D L1 oder n0 J0 D n1 J1 . Daraus
folgt n1 D n0 J0 =J1 D 10 s1 . Die mittlere
Leistung ist

W 1 J1 !12  J0 !02
Pm D D D 1;9 kW:
Abb. 2.46 Zum Drehimpulssatz: System aus drei materi- t 2 t
ellen Punkten

2.8.4.3 Energieerhaltungssatz
Wenn einem Systen materieller Punkte keine Ar-
2.8.4.2 Drehimpulserhaltungssatz beit zugeführt wird, bleibt die Energie der Ro-
Wirken auf ein System von N materiellen Punk- tationsbewegung konstant. Für das System gilt
PN
ten mit dem Gesamtdrehimpuls L D kD1 Lk nach (2.110) der Energieerhaltungssatz für die
keine äußeren Momente (M a D 0), dann ist Rotationsenergie der Massenpunkte:
nach dem Drehimpulssatz (2.111) die Drehim-
pulsänderung dL=dt D 0. Die Summe der Ein- N
X 1
zeldrehimpulse des Massensystems ist konstant Jk !k2 D konstant: (2.114)
2
und der Gesamtdrehimpuls L bleibt nach Betrag kD1
und Richtung erhalten:
Nur bei starren Körpern sind die Winkelge-
L D L1 C L2 C : : : C LN D konstant: (2.112) schwindigkeiten der materiellen Punkte gleich;
dann gilt für die Rotationsenergie die einfachere
Gl. (2.130).
Verschwindet das Gesamtdrehmoment der
äußeren Kräfte auf ein System materiel-
ler Punkte, dann gilt der Drehimpulserhal- 2.8.5 Analogie Translation und
tungssatz. Rotation

Die mathematische Struktur der Bewegungsglei-


chungen und die Beziehungen für Arbeit und
J1 !1 .t1 / C J2 !2 .t1 / C : : : C JN !N .t1 /
Energie der Rotationsbewegung entsprechen völ-
D J1 !1 .t2 / C J2 !2 .t2 / C : : : C JN !N .t2 /: lig denjenigen der Translationsbewegung. An die
(2.113) Stelle der Kraft F , der Geschwindigkeit v, der
Beschleunigung a und der Masse m in den Be-
Beispiel 2.8-1 ziehungen für die Translation treten bei der Ro-
Eine Eiskunstläuferin dreht sich mit ausge- tation die physikalischen Größen Drehmoment
breiteten Armen mit der Drehfrequenz n0 D M , Winkelgeschwindigkeit !, Winkelbeschleu-
2 s1 . Zur Pirouette verkleinert sie ihr Mas- nigung ˛ und Massenträgheitsmoment J . In
senträgheitsmoment von J0 D 6 kg m2 auf Tab. 2.6 sind die entsprechenden Beziehungen
J1 D 1;2 kg m2 in der Zeit t D 1;0 s. und Gleichungen einander gegenübergestellt.
66 2 Mechanik

Tab. 2.6 Analogie Translation und Rotation


Translation Rotation
Größe, Formelzeichen Einheit Größe, Formelzeichen Einheit
Weg m Winkel rad D 1
s, ds '; d'
Geschwindigkeit m=s Winkelgeschwindigkeit rad=s D 1=s
ds d'
vD !D
dt dt
Beschleunigung m=s2 Winkelbeschleunigung rad=s2 D 1=s2
dv d2 s d! d2 '
aD D 2 ˛D D 2
dt dt dt dt
Masse kg Massenträgheitsmoment kg m2
m P
J D i mi ri2
Kraft kg m=s2 D N Drehmoment M D r  F Nm
dp dL
F D ma D M D J˛ D
dt dt
Impuls kg m=s D N s Drehimpuls kg m2 =s D N m s
p D mv L D J!
Federsteifigkeit N=m Drehfedersteifigkeit N m=rad D N m
ˇ ˇ ˇ ˇ
ˇF ˇ ˇM ˇ
k D ˇˇ ˇˇ kt D ˇˇ ˇˇ
s '
Arbeit Nm D J D Ws Arbeit Nm D J D Ws
dW D F ds dW D M d'
Spannarbeit J Spannarbeit N m rad2 D J
W D 21 ks 2 W D 21 kt ' 2
kinetische Energie J kinetische Energie J
trans 1 rot 1
Ekin D 2
mv 2 Ekin D 2
J !2
Leistung W D J=s Leistung W D J=s
dW dW
P D D Fv P D D M!
dt dt

2.8.6 Zur Übung vom Punkt A parallel zur y-Achse, wie Abb. 2.47
verdeutlicht. a) Wie groß ist das Drehmoment
Ü 2-30 Ein Körper der Masse m fällt aus der Ru- M bezüglich des Koordinatenursprungs? b) Wie
he im Gravitationsfeld der Erde. Er bewegt sich groß ist der Drehimpuls L bezüglich des Koor-
dinatenursprungs in Abhängigkeit von der Zeit?
c) Zeigen Sie, dass der Drehimpulssatz gilt, dass
also M D dL=dt ist.

Ü 2-31 Vier gleiche Massen befinden sich an den


Ecken eines Quadrats der Seitenlänge b gemäß
Abb. 2.48. Wie groß sind die vier Massenträg-
heitsmomente

a) JA bezüglich einer Achse senkrecht zur


Zeichenebene durch das Zentrum des Qua-
drats,
b) JB bezüglich einer Achse senkrecht zur
Abb. 2.47 Zu Ü 2-30 Zeichenebene durch einen Eckpunkt,
2.9 Mechanik starrer Körper 67

einzelnen Punkten fest sind, vermindert sich die


Anzahl der Freiheitsgrade erheblich, und zwar
auf sechs. Ein starrer Körper hat also f D 6
Freiheitsgrade. Die Kenntnis von sechs Größen
reicht demnach aus, um die Lage und Orientie-
rung eines starren Körpers im Raum eindeutig
zu beschreiben. So kann in einem kartesischen
Koordinatensystem ein Punkt des Körpers, bei-
spielsweise der Massenmittelpunkt, mit Hilfe von
drei Koordinaten festgelegt werden. Drehungen
des Körpers um diesen Punkt sind durch weitere
drei Winkel gegen die Koordinatenachsen voll-
ständig definiert.
Die sechs Freiheitsgrade des starren Körpers
lassen sich aufspalten in je drei Freiheitsgrade der
Translations- und der Rotationsbewegung.
Abb. 2.48 Zu Ü 2-31

Bei einer Translation werden alle Punkte


c) JC bezüglich einer Achse in der Zeichenebene des starren Körpers um die gleiche Strecke
in einer Diagonalen und parallel verschoben.
d) JD bezüglich einer Achse in der Zeichenebe-
ne längs einer Quadratseite?
Abb. 2.49a zeigt die Translation eines Kör-
pers in der x; y-Ebene. Verschiebungen in der z-
2.9 Mechanik starrer Körper Richtung sind selbstverständlich ebenfalls mög-
lich. Der Punkt P läuft auf der gestrichelten
Ein starrer Körper ist ein System aus N einzel- Bahnkurve. Die Bahnkurven der anderen Punkte
nen Massenpunkten, deren gegenseitige Abstän- des Körpers haben dieselbe Form, sie sind ledig-
de vollkommen unveränderlich sind. Auch unter lich parallel verschoben.
dem Einfluss äußerer Kräfte soll der starre Kör-
per seine Form nicht ändern. Obwohl ein solcher
idealisierter Körper in der Natur nicht existiert, Bei der Rotation eines starren Körpers
ist das Konzept des starren Körpers sehr hilfreich, rotieren sämtliche Massenpunkte mit der
um viele technische und physikalische Probleme gleichen Winkelgeschwindigkeit.
auf einfache Weise und mit genügender Genauig-
keit zu lösen.
Abb. 2.49b zeigt die Rotation um den festste-
henden Punkt P. Die Drehachse steht senkrecht
2.9.1 Freiheitsgrade und Kinematik zur Zeichenebene. Der Vektor ! der Winkelge-
schwindigkeit verläuft parallel zur z-Achse (Ab-
Ein einzelner Massenpunkt benötigt zu seiner schn. 2.2.3). Aus Abb. 2.49c geht hervor:
Lokalisierung in einem Koordinatensystem drei
Angaben, d. h., ein Massenpunkt hat f D 3
Freiheitsgrade. Ein System von N voneinander Die allgemeine Bewegung eines starren
unabhängigen Massenpunkten (etwa ein Gas) hat Körpers setzt sich aus Translation und Ro-
demnach f D 3N Freiheitsgrade. Da aber bei tation zusammen.
einem starren Körper die Abstände zwischen den
68 2 Mechanik

Abb. 2.50 Zu Beispiel 2.9-1: Abrollendes Rad

Umfangsgeschwindigkeit ist für alle Punkte


gleich, nämlich vU D !r. Die Größe folgt
aus der Forderung, dass die Geschwindigkeit
des Punktes A, der mit der ruhenden Fahr-
bahn in Kontakt ist, null sein muss. Dies ist
nur dann der Fall, wenn vM D vU ist. Die
Geschwindigkeit des Punktes B ist unter 45ı
nach oben gerichtet. Ihr Betrag ist vB D
p
2vM D 141 km=h. Die Geschwindigkeit des
Punktes C ist vC D 2vM D 200 km=h.

2.9.2 Kräfte am starren Körper


Abb. 2.49 Bewegung eines starren Körpers: a Translati-
on, b Rotation, c zusammengesetzte Bewegung
Kräfte, die am starren Körper angreifen, sind li-
nienflüchtig.
So entsteht z. B. die in Abb. 2.15 gezeigte Diese Eigenschaft sei anhand von Abb. 2.51
Zykloide durch Überlagerung einer geradlini- erläutert. An einem starren Körper greift im
gen Translationsbewegung konstanter Geschwin- Punkt P1 die Kraft F1 an. Im Punkt P2 , der auf
digkeit mit einer Rotationsbewegung konstanter der Wirkungslinie der Kraft F1 liegt, werden nun
Winkelgeschwindigkeit. die Kräfte F2 und F 02 angebracht, die entgegen-
gesetzt gleich groß sind (F2 C F 02 D 0) und
deshalb auf den Bewegungszustand des Körpers
Beispiel 2.9-1 keinen Einfluss haben. F1 und F2 sollen gleich
Ein Rad rollt entsprechend Abb. 2.50 auf ei- groß sein: F1 D F2 . Nun fasst man in Gedanken
ner ebenen Unterlage. Sein Radius beträgt r D F1 und F 02 zusammen. Die beiden Kräfte ha-
0;28 m. Die Geschwindigkeit des Mittelpunkts ben zwar keine Resultierende, würden aber einen
beträgt vM D 100 km=h. Wie groß sind die elastischen Körper (z. B. ein Gummiband) in die
Geschwindigkeiten der Punkte A, B und C re- Länge ziehen. Da der starre Körper keine Defor-
lativ zur Fahrbahn (s. auch Beispiel 2.2-5)?

Lösung
Die Geschwindigkeit der Punkte erhält man
durch Überlagerung der gemeinsamen Trans-
lationsgeschwindigkeit vM nach rechts mit ei-
ner Umfangsgeschwindigkeit, die jeweils tan-
gential zum Kreis verläuft. Der Betrag der Abb. 2.51 Linienflüchtigkeit der Kraft am starren Körper
2.9 Mechanik starrer Körper 69

Abb. 2.52 Resultierende Kraft am starren Körper

mation erleidet, heben sich diese beiden Kräfte


auf, ohne irgendeine Veränderung am Zustand
des Körpers zu bewirken. Als einzige Kraft bleibt Abb. 2.53 Drehmoment eines Kräftepaars
damit die Kraft F2 am Punkt P2 übrig, welche die
gleiche Wirkung hat wie die ursprüngliche Kraft
F1 am Punkt P1 . Daraus folgt: Die Resultierende eines solchen Kräftepaars
ist null: F1 C F2 D 0. Aus dem Impulssatz für
Systeme gemäß (2.50) folgt:
Man darf bei einem starren Körper eine
Kraft beliebig längs ihrer Wirkungslinie
verschieben, ohne dass sich sein Bewe- Ein starrer Körper erfährt unter der Wir-
gungszustand ändert. kung eines Kräftepaars keine Translations-
beschleunigung.

Der Begriff des Angriffspunktes einer Kraft ist


demnach beim starren Körper ohne Bedeutung. Mit anderen Worten: Wenn der Massenmittel-
Jeder Punkt des Körpers längs der Wirkungslinie punkt des Körpers (Abschn. 2.5.2.2) in Ruhe ist,
kann mit gleichem Recht als Angriffspunkt be- wird er diesen Zustand auch beibehalten, wenn
trachtet werden. ein Kräftepaar an ihm angreift.
Abb. 2.52 zeigt, wie von zwei an verschiede- Ein Kräftepaar versucht aber, den Körper in
nen Punkten A und B an einem starren Körper an- Rotation zu versetzen; es übt ein Drehmoment
greifenden Kräften, die in einer Ebene liegen, die aus.
Resultierende ermittelt wird. Im Schnittpunkt C Die beiden Einzelkräfte F1 und F2 haben be-
der beiden Wirkungslinien wird die Resultieren- züglich des willkürlich gewählten Nullpunkts 0
de FR z. B. mit Hilfe des Kräfteparallelogramms in Abb. 2.53 die Drehmomente
ermittelt. Der Angriffspunkt der Resultierenden
am starren Körper kann irgendwo längs ihrer M1 D r 1  F1 und M2 D r 2  F2 :
Wirkungslinie angenommen werden.
Mit F2 D F1 folgt für das gesamte Drehmo-
Von besonderem Interesse ist der Fall, wenn
ment M D M1 C M2 D r 1  F1  r 2  F1 oder
zwei gleich große entgegengesetzt gerichtete
Kräfte F1 und F2 an einem starren Körper an- M D .r 1  r 2 /  F1 : (2.115)
greifen, wobei die Wirkungslinien nicht auf einer
Geraden liegen. Ein solches Kräftesystem, das in Der Vektor M steht senkrecht auf der Ebene, die
Abb. 2.53 gezeigt ist, nennt man ein Kräftepaar. von den Kräften aufgespannt wird. Er weist in
70 2 Mechanik

Abb. 2.53 in die Zeichenebene hinein. Für den


Betrag des Drehmoments gilt

M D sF I (2.116)

dabei ist s der Abstand der beiden Wirkungsli-


nien, F der Betrag der Kräfte: F D jF1 j D
jF2 j. Das Drehmoment eines Kräftepaars ist
nach (2.116) unabhängig von der Lage des Be-
Abb. 2.54 Zu Beispiel 2.9-2: Belasteter Träger
zugspunkts 0. Es hängt nur von den Kräften selbst
und deren gegenseitigem Abstand ab. Dies be-
deutet:
Ein starrer Körper ist im statischen Gleich-
gewicht, wenn die Summe aller an ihm
Das Kräftepaar darf auf dem starren Kör-
angreifenden äußeren Kräfte und Drehmo-
per beliebig verschoben werden, ohne dass
mente null ist.
sich an der Wirkung des ausgeübten Dreh-
moments etwas ändert.

Beispiel 2.9-2
Die Ebene, in der die Kräfte liegen, darf da-
bei nicht gekippt werden. Der Vektor M des Der in Abb. 2.54 gezeigte Träger ist im
Drehmoments ist auch nicht an einen bestimmten Punkt A drehbar gelagert und wird im Punkt
Punkt gebunden, sondern beliebig parallel ver- C von einer Kette gehalten. Im Punkt B greift
schiebbar. Man bezeichnet diesen Vektor deshalb unter 45ı die Kraft F D 500 N an. Welche
als freien Vektor (im Gegensatz etwa zum gebun- Lagerkräfte FA und FC werden durch F ver-
denen Vektor der Kraft oder dem linienflüchtigen ursacht?
Kraftvektor am starren Körper).
Lösung
Wirkt ein Kräftepaar auf einen zunächst ru-
Wenn an einem Körper nur drei Kräfte angrei-
henden, frei beweglichen starren Körper, dann
fen, müssen die Wirkungslinien aller Kräfte
wird dieser in Drehung versetzt; d. h., er erfährt
durch einen Punkt gehen, denn nurPdann lässt
eine Winkelbeschleunigung. Dabei rotiert der
sich nach (2.118) die Bedingung Ma D 0
Körper um seinen Massenmittelpunkt; denn jener
erfüllen. Alle drei Kräfte dürfen bezüglich
wird nach obigen Aussagen nicht beschleunigt, er
des gemeinsamen Schnittpunkts kein Drehmo-
ist also der einzige Punkt, der in Ruhe bleibt.
ment besitzen.
Soll ein starrer Körper in Ruhe bleiben
Da eine Kette nur Kräfte in Längsrich-
(Grundaufgabe der Statik), dann muss das Dreh-
tung aufnehmen kann, ist die Wirkungslinie
moment eines Kräftepaars durch ein anderes
der Kettenkraft FC durch die Verlängerung
kompensiert werden, sodass insgesamt kein re-
der Kette gegeben. Durch ihren Schnittpunkt
sultierendes Drehmoment übrig bleibt. Eine
P mit der Wirkungslinie von F muss auch
Translationsbeschleunigung des Körpers unter-
die Wirkungslinie der Lagerkraft FA gehen.
bleibt, wenn keine resultierende Kraft auf ihn
Da nun die Richtungen der Kräfte bekannt
wirkt. Diese Forderungen werden zusammen-
sind, können die Beträge z. B. durch grafische
gefasst in den Gleichgewichtsbedingungen der
Konstruktion eines Kraftecks ermittelt wer-
Statik:
den.
X Aus dem Krafteck liest man mit einer ent-
Fa D 0; (2.117)
X sprechenden Ungenauigkeit ab FA D 390 N
Ma D 0: (2.118) und FC D 190 N. Eine rechnerische Lösung
2.9 Mechanik starrer Körper 71

Der Körper ist im statischen Gleichgewicht,


wenn er am Ort
PN
mk r k
r S D kD1 (2.120)
m
unterstützt wird. Der Schwerpunkt S eines starren
Körpers ist also der bei der Bewegung eines Sys-
tems materieller Punkte nach dem Schwerpunkt-
satz (2.51) ausgezeichnete Ort. Im kartesischen
Koordinatensystem sind die Schwerpunktskoor-
Abb. 2.55 Gleichgewicht eines starren Körpers dinaten
PN PN
mk x k mk yk
xS D kD1 ; yS D kD1 ;
des Problems durch systematische Anwen- m m
dung von (2.117) und (2.118) ist ebenfalls PN
mk z k
möglich. zS D kD1 : (2.121)
m
Bei starren Körpern mit kontinuierlicher Massen-
2.9.3 Schwerpunkt und potenzielle verteilung und homogener Dichte lässt sich die
Energie eines starren Körpers Schwerpunktskoordinate über das Volumeninte-
grale berechnen.
Der Schwerpunkt S eines starren Körpers ist 1
Z Z Z
der Ort, an dem eine entgegengesetzt zur Fall- rS D r.x; y; z/dxdydz:
V
beschleunigung g wirkende Kraft FS angrei-
fen muss, damit dieser unter der Wirkung der Bei homogenen symmetrischen Körpern liegt der
Schwerkraft im statischen Gleichgewicht ist, wie Schwerpunkt auf den Symmetrieachsen.
Abb. 2.55 zeigt. Die Gleichgewichtsbedingun- Ein starrer Körper lässt sich nicht deformie-
gen der Statik nach (2.117) fordern das Kräf- ren; der elastische Anteil der potenziellen Energie
tegleichgewicht zwischen den Gewichtskräften ist also null. Ein starrer Körper hat als poten-
Fk D mk g der materiellen Punkte und der Stütz- zielle mechanische Energie nur die Lageenergie
kraft FS : des Schwerpunkts. Wird die z-Koordinate par-
allel zur Fallbeschleunigung g gelegt, dann gilt
N
X nach (2.121)
mk g C FS D 0I
kD1 XN

XN E pot D mk gzk D mgzS : (2.122)


FS D g mk D mg: (2.119) kD1
kD1
Die Höhe des Schwerpunkts S über dem Bezugs-
Nach (2.118) gilt für das Drehmomentengleich- niveau bestimmt die potenzielle Energie eines
gewicht bezüglich einer beliebigen Drehachse starren Körpers.
Die räumliche Änderung der potenziellen
XN Energie bei der Auslenkung des Körpers aus
r k  mk g C r S  F S D 0 oder der Gleichgewichtslage ist das Kennzeichen für
kD1 die drei Gleichgewichtslagen starrer Körper. In
Abb. 2.56 sind die Fälle des stabilen, labilen
N
!
X
mk r k  mr S  g D 0: und indifferenten Gleichgewichts einander gegen-
kD1 übergestellt.
72 2 Mechanik

Abb. 2.56 Gleichgewichtslagen

2.9.4 Kinetische Energie eines starren aus der kinetischen Energie der Schwerpunkts-
Körpers bewegung mit der Schwerpunktsgeschwindigkeit
PN
vS und der Gesamtmasse m D kD1 mk und
Werden die Geschwindigkeiten vk D dr k .t/=dt aus der kinetischen Energie der Bewegung relativ
der materiellen Punkte eines Systems zerlegt in zum Schwerpunkt:
eine Geschwindigkeit v0k D dr 0k .t/=dt relativ 1 2 1X
N
2
zum Schwerpunkt S und die Bahngeschwindig- Ekin D mvS C mk vk0 : (2.123)
2 2
keit vS D dr S .t/=dt des Schwerpunktes, dann ist kD1

die kinetische Energie des Systems Bei starren Körpern sind wegen der Konstanz
N  2 der Abstände zwischen den Massenpunkten kei-
X 1 dr k .t/ ne radialen Bewegungen relativ zum Schwer-
Ekin D mk
2 dt punkt möglich, sondern nur Drehbewegungen um
kD1
N   den Schwerpunkt (Abschn. 2.9.1). Die kinetische
1X dr S .t/ dr 0k .t/ 2
D mk C Energie eines starren Körpers setzt sich also zu-
2 dt dt sammen aus dem Anteil Ekin trans
der Translation
kD1
rot
  N
1 dr S .t/ 2 X des Schwerpunkts und dem Anteil Ekin der Ro-
Ekin D mk tation der Massenpunkte um den Schwerpunkt:
2 dt
kD1
ges trans rot
1X
N  0 
dr k .t/ 2 Ekin D Ekin C Ekin : (2.124)
C mk
2 dt
kD1 Nach (2.123) ist die Translationsenergie des star-
N
dr S .t/ X dr 0k .t/ ren Körpers mit der Gesamtmasse m
C mk :
dt dt 1 2
kD1 trans
Ekin D mv : (2.125)
2 S
Der letzte Term ist der Gesamtimpuls der Mas-
senpunkte im Schwerpunkt-Koordinatensystem Die Rotationsenergie eines starren Körpers, des-
S0 , der nach der Schwerpunktsdefinition ge- sen Massenpunkte mk , wie in Abb. 2.57 skizziert,
mäß (2.120) null ist. Die kinetische Energie eines um eine Achse durch den Punkt P mit der ge-
Systems materieller Punkte ist also die Summe meinsamen Winkelgeschwindigkeit ! und der
2.9 Mechanik starrer Körper 73

Gleichung (2.130) für den starren Körper stimmt


mit (2.109) für die Rotationsenergie eines materi-
ellen Punktes auf einer Kreisbahn exakt überein.
Auch (2.102) für den Drehimpuls L eines ein-
P
zelnen materiellen Punktes und das dynamische
Grundgesetz nach (2.104) für die Drehbewe-
gung eines Massenpunktes gelten für den starren
Körper, wenn statt des Massenträgheitsmoments
des materiellen Punktes auf einer Kreisbahn das
Massenträgheitsmoment JP des starren Körpers
Abb. 2.57 Zur Berechnung der Rotationsenergie eines bezüglich der Drehachse durch P nach (2.127)
starren Körpers
eingesetzt wird.
Ein kräftefreier starrer Körper rotiert immer
Umlaufgeschwindigkeit vPk D !rPk rotieren, um den Schwerpunkt. Für die Berechnung der
wobei der Punkt P sich mit der Momentange- Rotationsenergie ist die Kenntnis des Massen-
schwindigkeit vP auf einer Bahnkurve bewegt, ist trägheitsmoments JS um die durch den Schwer-
nach (2.123) punkt gehende Rotationsachse erforderlich.

N
!
1 X Beispiel 2.9-3
rot
Ekin D mk rPk ! 2 :
2
(2.126) Bei einer Reibungskupplung gemäß Abb. 2.58
2
kD1 rotiert die Kupplungsscheibe ohne Antrieb
mit der Drehzahl n1 D 3000 min1, ihr
Der Klammerausdruck wird analog zur Defini-
Massenträgheitsmoment ist J1 D 0;5 kg m2 .
tionsgleichung (2.101) als Massenträgheitsmo-
Sie wird auf die anfangs stillstehende Schei-
ment JP des starren Körpers bezüglich der Dreh-
be mit dem Massenträgheitsmoment J2 D
achse durch P bezeichnet:
0;4 kg m2 gedrückt. Die Lager- und Luftrei-
N
X bung soll vernachlässigt werden. Wie groß ist
2
JP D mk rPk : (2.127) die Drehzahl n0 nach dem Kupplungsvorgang
kD1 und welcher Anteil der ursprünglichen Rotati-
onsenergie wurde in Wärme und Abriebarbeit
Für einen Körper mit kontinuierlicher Massen-
umgesetzt?
verteilung geht die Summe in das Integral
Z Z
Lösung
JP D r 2 dm D %.r/r 2 dV (2.128)
Ohne äußere Drehmomente gilt nach dem
V
Drehimpulserhaltungssatz nach (2.113)
über. Das Massenträgheitsmoment eines starren J1 !1 D J1 ! 0 CJ2 ! 0 . Mit ! D 2 n ergibt sich
Körpers mit homogener Dichte wird über das Vo- die Drehzahl nach dem Kupplungsvorgang:
lumenintegral
J1
Z Z Z n0 D n1 D 1667 min1:
J1 C J2
JP D % r 2 .x; y; z/; dxdydz (2.129)
V Die Verlustarbeit WV ist nach dem Energie-
satz (2.110)
berechnet. Die kinetische Energie der Rotation
eines starren Körpers um die Achse durch P mit 1 1
dem Massenträgheitsmoment JP ist also WV D J1 !12  .J1 C J2 /! 02
2 2  
1 J1
rot 1 D J1 .2 n1 /2 1  D 11 kJI
Ekin D JP ! 2 : (2.130) 2 J1 C J2
2
74 2 Mechanik

Abb. 2.58 Zu Beispiel 2.9-3

der Verlustanteil beläuft sich auf


WV J2
1
D D 44 %:
J !2
2 1 1
J1 C J2

Die Enddrehzahl n0 und der Energieverlust


Abb. 2.59 Zum Massenträgheitsmoment des dickwandi-
WV sind unabhängig von der Kupplungszeit. gen Hohlzylinders
Während der Kupplungsdauer wird der Dreh-
impuls der Kupplungsscheibe verändert; das
dabei am Kupplungsbelag auftretende Dreh- 2. Dickwandiger Hohlzylinder, Massenträg-
moment ist nach (2.105) von der Kupplungs- heitsmoment bezüglich Rotationssymmetrie-
dauer abhängig und bestimmt die maximale achse (Abb. 2.59).
Abriebkraft. Der dickwandige Hohlzylinder kann erzeugt
werden durch Ineinanderstellen von unend-
lich vielen dünnwandigen Hohlzylindern, von
2.9.5 Massenträgheitsmomente denen in Abb. 2.59 einer rot eingezeichnet
starrer Körper ist. Die Masse dieses Hohlzylinders der Dich-
te % mit Radius r und Wandstärke dr ist
Das Massenträgheitsmoment hängt außer von der dm D 2 rl% dr. Sein Massenträgheitsmo-
Masse selbst ganz wesentlich von der Form des ment ist nach (2.131)
Körpers und der Verteilung der Masse bezüglich
der Drehachse ab. An einigen Beispielen soll die dJ D dmr 2 D 2 l%r 3 dr:
Berechnung mit Hilfe von (2.129) gezeigt wer-
den. Das Massenträgheitsmoment des dickwandi-
gen Hohlzylinders erhält man durch Sum-
1. Dünnwandiger Hohlzylinder, Massenträg- mation (Integration) der Massenträgheitsmo-
heitsmoment bezüglich Rotationssymmetrie- mente aller dünnwandigen Hohlzylinder:
achse.
Ein Hohlzylinder wird dünnwandig genannt, Zra ˇ
3 r 4 ˇˇra
wenn die Wandstärke s gegenüber seinem Ra- J D 2 l% r dr D 2 l% ˇ
4 ri
dius r vernachlässigbar ist: s  r. Alle ri
Masseteilchen haben dann praktisch den glei- 1  
D  l% ra4  ri4 :
chen Abstand r von der Drehachse, sodass die 2
Summation nach (2.127) ergibt
Dieser Ausdruck kann  mit Hilfe
 der Masse
J D mr 2 : (2.131) des Körpers m D   ra2  ri2 l% umgeschrie-
2.9 Mechanik starrer Körper 75

ben werden zu Steiner’scher Satz


1  2  Die in Abb. 2.60 angegebenen Massenträgheits-
J D m ra C ri2 : momente beziehen sich auf Achsen, die durch
2
den Schwerpunkt gehen. Aus diesen Massen-
3. Vollzylinder, Massenträgheitsmoment be- trägheitsmomenten JS lassen sich die Massen-
züglich Rotationssymmetrieachse. trägheitsmomente JP bezüglich anderer Achsen
Das Massenträgheitsmoment eines Vollzylin- schnell berechnen. Abb. 2.62 zeigt einen starren
ders mit dem Radius r und der Masse m folgt Körper, der um eine Achse durch den Punkt P ro-
sofort aus obiger Gleichung für ri D 0 und tiert, die im Abstand r parallel zu einer Achse
ra D r: durch den Schwerpunkt S verläuft. Die Bewe-
1 rot
J D mr 2 : gungsenergie des Körpers ist nach (2.130) Ekin D
2 1
J
2 P ! 2
.
Abb. 2.60 zeigt eine Zusammenstellung von Bewegung des Körpers, nämlich die Rotation
Massenträgheitsmomenten einiger Körper. um die Achse durch P, kann auch dargestellt wer-
den als Translationsbewegung des Schwerpunkts
Beispiel 2.9-4 und Rotation des Körpers um den Schwerpunkt.
Ein Vollzylinder mit der Masse m und dem Interpretiert man die Bewegung auf diese Wei-
Radius r rollt eine schiefe Ebene mit dem se, dann setzt sich die kinetische Energie aus der
Neigungswinkel ˇ hinab, wie in Abb. 2.61 Translationsenergie des Schwerpunktes (Masse
verdeutlicht. Wie groß ist seine Beschleuni- m, Geschwindigkeit vS ) und der Rotationsener-
gung? gie um den Schwerpunkt zusammen:
Lösung 1 2 1
Vernachlässigt man die Rollreibungsverluste, Ekin D mv C JS ! 2 :
2 S 2
so läuft der Vorgang unter Energieerhaltung
ab. Wenn die Walze längs der schiefen Ebene Mit vS D r! erhält man
den Weg s zurücklegt, nimmt ihre potenziel-
le Energie um Epot D mgh D mgs sin ˇ 1
Ekin D .mr 2 C JS /! 2 :
ab. Um den gleichen Betrag nimmt die Be- 2
wegungsenergie zu, die sich als Summe von Beide Betrachtungsweisen müssen selbstver-
Translationsenergie und Rotationsenergie be- ständlich dieselbe Bewegungsenergie ergeben.
züglich der Symmetrieachse darstellen lässt: Ein Vergleich mit (2.130) liefert daher
1 2 1
Ekin D mv C JS ! 2 : JP D JS C mr 2 : (2.132)
2 2
Mit ! D v=r ergibt sich
Diese Gleichung ist als Steiner’scher Satz
1 1 v2 (J. S TEINER, 1796 bis 1863) bekannt. Aus dem
mgs sin ˇ D mv 2 C JS 2 oder Steiner’schen Satz folgt unmittelbar, dass für ei-
2 2 r
2mgs sin ˇ 4 ne Schar paralleler Achsen das Trägheitsmoment
v2 D D gs sin ˇ: minimal wird bezüglich der Achse, die durch den
m C JS =r 2 3
Schwerpunkt geht.
Aus der für gleichmäßige Beschleunigung Die in Abb. 2.60 gezeigten Körper sind hoch-
gültigen kinematischen Beziehung v 2 D 2as symmetrisch. Für kompliziert geformte Gebilde
folgt lässt sich das Trägheitsmoment i. Allg. nicht
2
a D g sin ˇ: mehr berechnen, sondern es muss experimentell
3 bestimmt werden. Dazu eignen sich beispiels-
Würde die Walze reibungsfrei abrutschen, oh- weise Drehschwingungen, bei denen die Schwin-
ne zu rotieren, dann wäre die Beschleunigung gungsdauer vom Massenträgheitsmoment um die
a D g sin ˇ. Drehachse abhängt (Abschn. 5.1).
76 2 Mechanik

Abb. 2.60 Massenträgheitsmomente einiger Körper


2.9 Mechanik starrer Körper 77

Kugel, Würfel und Tetraeder), nimmt das Träg-


heitsmoment bezüglich jeder Achse durch den
Schwerpunkt denselben Wert an.
Das Besondere an den Hauptträgheitsachsen
ist, dass bei der Rotation eines Körpers um eine
Hauptträgheitsachse keine Lagerreaktionen auf-
treten. Solche Drehachsen müssen also nicht im
Raum fixiert werden; deshalb bezeichnet man sie
als freie Achsen. Durch Hochwerfen eines qua-
derförmigen Kastens kann man sich leicht davon
überzeugen, dass die Rotation um die Achsen mit
dem kleinsten und größten Trägheitsmoment sta-
bil, um die Achse mit dem mittleren dagegen labil
ist. Abb. 2.63 zeigt einige Körper, die um freie
Abb. 2.61 Zu Beispiel 2.9-4: Walze auf schiefer Ebene
Achsen rotieren.
Das Auftreten der Lagerkräfte bei der Rotati-
on um eine Achse, die nicht Hauptträgheitsachse
ist, ist unmittelbar einleuchtend, wenn z. B. die
Rotation einer Hantel nach Abb. 2.64 betrachtet
wird. Vernachlässigt man die Masse des Stabes,
dann greift an jeder Kugel eine Zentrifugalkraft
Fzf an, die versucht, die Kugel nach außen zu zie-
hen (d’Alembert’sches Prinzip). Das Kräftepaar
der beiden Zentrifugalkräfte übt auf die Hantel
das Drehmoment Mzf aus, das versucht, die gan-
ze Anordnung im Gegenuhrzeigersinn zu drehen.
Von den Lagern müssen daher die Lagerkräfte
FL auf die Welle ausgeübt werden, deren Dreh-
moment ML das Kippmoment kompensiert. Für
Abb. 2.62 Zum Steiner’schen Satz den Betrag des Drehmoments Mzf ergibt sich (s.
Ü 2-35)

Freie Achsen Mzf D 2mr 2 sin # cos #! 2


Bestimmt man bezüglich aller Achsen durch den D mr 2 ! 2 sin 2#:
Schwerpunkt eines starren Körpers das Massen-
trägheitsmoment, dann stellt man fest, dass die Das Drehmoment und damit die erforderlichen
Achsen mit dem größten und dem kleinsten Träg- Führungskräfte verschwinden für # D 0 und # D
heitsmoment senkrecht aufeinander stehen. Diese 90ı . In diesen Extremlagen rotiert die Hantel um
beiden und die darauf senkrecht stehende drit- eine Hauptträgheitsachse bzw. freie Achse.
te Achse werden als Hauptträgheitsachsen be- Für den Maschinenbau ergibt sich hieraus die
zeichnet. Die Trägheitsmomente bezüglich die- Konsequenz, dass alle schnell rotierenden Teile
ser Achsen heißen Hauptträgheitsmomente. Bei ausgewuchtet sein müssen, um unnötige Lager-
rotationssymmetrischen Körpern (z. B. Zylinder, beanspruchungen zu vermeiden.
Scheibe und Ring) sind zwei Hauptträgheitsmo-
mente gleich. Alle zur Symmetrieachse senkrech- Trägheitstensor
ten Achsen durch den Schwerpunkt haben das Die Gleichung (2.102), L D J !, für den Zusam-
gleiche Trägheitsmoment. Bei einigen Körpern, menhang zwischen Drehimpuls L und Winkel-
deren Schwerpunkt Symmetriezentrum ist (z. B. geschwindigkeit ! suggeriert, dass die Richtung
78 2 Mechanik

Abb. 2.64 Rotation einer Hantel

Abb. 2.65 Rotation eines starren Körpers um die z-


Achse. Das x,y,z-Koordinatensystem ist körperfest, ro-
tiert also mit

Abb. 2.65 zeigt einen unsymmetrischen star-


ren Körper, der um die z-Achse rotieren soll.
Der Vektor der Winkelgeschwindigkeit weist in
z-Richtung. Der Drehimpuls Lk eines beliebigen
Massenpunktes mk am Ort r k beträgt
Abb. 2.63 Körper, die um freie Achsen (Symmetrie-
achsen mit größtem Massenträgheitsmoment) rotieren: Lk D r k  p k D m k r k  v k
a Scheibe, b Stab, c Perlenkette
D mk r k  .!  r k /:

Führt man die beiden Vektorprodukte aus, so er-


des Vektors L parallel ist zum Vektor !. Dies gibt sich
ist jedoch nur der Fall, wenn der rotierende Kör- 0
xk zk
1
per gewisse Symmetrieeigenschaften aufweist. B C
Lk D ! mk @ yk zk A :
Im Allgemeinen weisen L und ! in verschiedene
Richtungen. xk2 C yk2
2.9 Mechanik starrer Körper 79

Der Drehimpuls des kompletten starren Körpers wobei J und ! nach den Regeln der Matri-
wird durch Summation über alle Massenpunkte zenmultiplikation multipliziert werden. Für das
berechnet: 0 P 1 Beispiel von Abb. 2.65 ergibt sich
 mk x k z k 0 10 1 0 1
B P C Jxx Jxy Jxz 0 Jxz
L D ! @  mk yk zk A :
P   B CB C B C
mk xk2 C yk2 L D @Jyx Jyy Jyz A@ 0 A D ! @ Jyz A :
Jzx Jzy Jzz ! Jzz
L hat gewöhnlich drei von Null verschiedene
Komponenten, liegt also nicht parallel zum Vek- Die Deviationsmomente bewirken, dass der Kör-
tor !, der in z-Richtung schaut. Wenn der Körper per mit einem äußeren Drehmoment stabilisiert
rotiert, läuft L auf einem Kegelmantel um. Damit werden muss. Wenn sie verschwinden, sind keine
ist L nicht konstant und zur Führung des Körpers Lagermomente erforderlich und der Körper kann
ist ein äußeres Drehmoment M D dL=dt erfor- frei rotieren. Gewisse Symmetrieeigenschaften
derlich. führen zum Verschwinden von Deviationsmo-
Der Zusammenhang zwischen den beiden zu- menten. Ist beispielsweise die z-Achse eine Ro-
einander verdrehten Vektoren L und ! lässt sich tatiossymmetrieachse, dann gilt Jxz D Jyz D 0
elegant beschreiben, wenn das Massenträgheits- und der Drehimpulsvektor L verläuft parallel zu
moment J als Tensor definiert wird: !. Es tritt also kein Kippmoment auf.
0 1 Für jeden Körper gibt es ein Koordinatensys-
Jxx Jxy Jxz
B C tem, so dass alle Zentrifugalmomente verschwin-
J D @Jyx Jyy Jyz A ; den. Der Trägheitstensor lautet dann
Jzx Jzy Jzz 0 1
JI 0 0
mit den Trägheitsmomenten B
J D @0
C
JII 0 A:
Z
X     0 0 JIII
Jxx D mk yk2 C zk2 bzw. y 2 C z 2 dm;
Vol
Z Die Trägheitsmomente JI , JII und JIII sind die
Jyy D
X 
mk xk2 2

C zk bzw.
 2
x Cz 2

dm; Hauptträgheitsmomente. Rotiert ein Körper um
eine Hauptträgheitsachse, so ist L parallel zu !
Vol
X Z und M D dL=dt D 0, es sind also keine Lager-
   
Jzz D mk xk2 C yk2 bzw. x 2 C y 2 dm reaktionen erforderlich.
Vol
(2.133) Beispiel 2.9-5
Wie lautet der Trägheitstensor für die Hantel
und den Deviations- oder Zentrifugalmomenten von Abb. 2.64 und welche Richtung hat der
X Z Vektor L des Drehimpulses? Die Zeichenebe-
Jxy D Jyx D  mk xk yk bzw.  xy dm; ne sei die x,z-Ebene.
Vol
X Z Lösung
Jxz D Jzx D  mk xk zk bzw.  xz dm; Im gezeichneten Moment, in dem die Hantel
Vol in der Zeichenebene liegt, ist der Trägheitsten-
Z
X sor
Jyz D Jzy D  mk yk zk bzw.  yz dm:
Vol J D 2mr 2
(2.134) 0 1
cos2 # 0  sin # cos #
Der Drehimpuls berechnet sich nun gemäß B
@ 0 1 0
C
A:
L D J !;  sin # cos # 0 sin2 #
80 2 Mechanik

Der Drehimpulsvektor wird damit


0 1
 cos #
L D J ! D 2mr 2 ! sin # @
B C
0 A:
sin #

L liegt in der Zeichenebene und steht senk-


recht auf der Hantelachse. Bei der Rotation
um die z-Achse läuft L auf einem Kegelman-
tel um. Das erforderliche Drehmoment müs-
sen die Lagerreaktionen aufbringen (s. auch
Ü 2-35).

Trägheitsellipsoid
Bestimmt man die Massenträgheitsmomente ei-
nes Körpers bezüglich verschiedener Achsen
durch den Schwerpunkt und trägt in Polarkoordi-
naten jeweils
p in Achsenrichtung die Länge R D
const= J ab, so liegen alle Endpunkte auf einem
Ellipsoid (Poinsot-Konstruktion). Die Hauptach-
sen des Ellipsoids werden durch die Hauptträg-
heitsachsen gebildet. Aus dem Trägheitsellipso- Abb. 2.66 Kräftefreier symmetrischer Kreisel in karda-
id kann das Massenträgheitsmoment bezüglich nischer Aufhängung
willkürlicher Schwerpunktsachsen grafisch oder
analytisch bestimmt werden. Bei rotationssym-
metrischen Körpern ist das Trägheitsellipsoid ein Kräftefreier Kreisel, Nutation
Rotationsellipsoid. Bei hochsymmetrischen Kör- Ein Kreisel, der in seinem Schwerpunkt unter-
pern wie Kugel, Würfel, Tetraeder usw. bekommt stützt wird und in allen Raumrichtungen drehbar
es Kugelform. Diese Körper haben keine Devia- ist, wird kräftefreier Kreisel genannt. Technisch
tionsmomente. kann dies z. B. durch eine kardanische Auf-
hängung entsprechend Abb. 2.66 realisiert wer-
den. Da auf einen solchen Kreisel von außen
2.9.6 Kreisel kein Drehmoment ausgeübt werden kann, muss
nach dem Drehimpulserhaltungssatz der Vektor
Jeder starre Körper, der eine Drehbewegung aus- L des Drehimpulses in einem Inertialsystem sei-
übt, ist ein Kreisel. Symmetrische Kreisel sind ne Richtung beibehalten. Rotiert der Kreisel so,
starre Körper, bei denen zwei Hauptträgheits- dass seine Figurenachse und die Drehimpulsach-
momente gleich groß sind. Diese Bedingung er- se zusammenfallen, dann bleibt auch die Rich-
füllen alle auf einer Drehmaschine hergestellten tung der Figurenachse im Raum fest. Der freie
Teile, aber auch andere, beispielsweise quadrati- Kreisel kann an seinem äußeren Rahmen beliebig
sche Scheiben. Beim abgeplatteten Kreisel (z. B. bewegt werden, ohne dass sich die einmal ein-
Scheibe) ist das Trägheitsmoment um die Figu- gestellte Richtung verändert. Dieser Effekt wird
renachse größer, beim verlängerten Kreisel (z. B. beim Kurskreisel zur Navigation ausgenutzt. Bei
Stab) kleiner als die äquatorialen Trägheitsmo- modernen Geräten weicht die Achse von der ein-
mente. gestellten Richtung um weniger als 0;1 ı =h ab.
2.9 Mechanik starrer Körper 81

Drehachse ! des Kreisels ist die Berührungsli-


nie der beiden Kegel. Sie steht ebenfalls nicht
fest im Raum, sondern läuft auf der Oberfläche
des Rastpolkegels um die Drehimpulsachse L.
Abb. 2.67 skizziert die Verhältnisse des abgeplat-
teten Kreisels. Beim verlängerten Kreisel rollt
der Gangpolkegel mit seiner Außenseite auf dem
Rastpolkegel ab.

Präzession
Abb. 2.68a zeigt einen rotierenden Kreisel, der
an einer Leine unsymmetrisch aufgehängt ist.
Während ein nicht rotierender starrer Körper bei
dieser Art der Aufhängung sofort herunterfallen
würde, dreht sich der rotierende Kreisel um den
Aufhängepunkt, wobei die horizontale Lage der
Kreiselachse erhalten bleibt. Diese höchst erstaun-
liche Bewegung wird als Präzession bezeichnet.
Die Ursache der Präzession ist das Drehmo-
ment, das infolge der unsymmetrischen Aufhän-
gung auf den Kreisel ausgeübt wird. Abb. 2.68b
zeigt, dass das Kräftepaar aus Gewichtskraft und
Stützkraft ein Drehmoment M erzeugt, das in
der Horizontalebene liegt und auf dem Vektor
L des Drehimpulses senkrecht steht. Ein solches
Drehmoment kann aber den Betrag des Drehim-
Abb. 2.67 Nutationsbewegung eines abgeplatteten Krei- pules nicht ändern, sondern nur seine Richtung,
sels wie Abb. 2.68c zeigt. Innerhalb einer kurzen
Zeitspanne t ändert sich der Drehimpuls um
L D M t. Der neue Drehimpuls L.t C t/
Versetzt man einem kräftefreien Kreisel einen steht wieder senkrecht zum ebenfalls kreisenden
kurzzeitigen Schlag, dann
R ändert sich der Dreh- Drehmoment M .t C t/. Unter der Wirkung
impuls L um L D M .t/dt, bleibt dann aber des Drehmoments M läuft daher die Spitze des
wieder konstant nach Größe und Richtung. Die Drehimpulsvektors L mit konstanter Winkelge-
Folge des Schlages aber ist, dass der Kreisel eine schwindigkeit auf einem Kreis. Dies ist völlig
Taumelbewegung ausführt, die als Nutation be- analog zur Kreisbewegung eines Körpers mit
zeichnet wird. konstanter Geschwindigkeit, wobei die Zentripe-
Die Nutationsbewegung kann nach Abb. 2.67 talkraft auch immer senkrecht auf der Geschwin-
anschaulich so erklärt werden, dass zwei Kegel digkeit steht und sich nur deren Richtung, nicht
aufeinander abrollen, wobei die Kegelspitzen im aber deren Betrag ändert.
festgehaltenen Schwerpunkt des Kreisels liegen. Die Winkelgeschwindigkeit der Präzession !p
Der Rastpolkegel, dessen Achse die Drehimpuls- kann aus Abb. 2.68c abgelesen werden. Innerhalb
achse ist, steht fest im Raum. Der Gangpolkegel der Zeitspanne t dreht sich der Drehimpulsvek-
ist mit dem Kreisel fest verbunden und wälzt sich tor um den Winkel
auf dem Rastpolkegel ab. Die Figurenachse als
Achse des Gangpolkegels läuft damit auf dem rot L Mt
' D D :
gestrichelten Nutationskegel um. Die momentane L L
82 2 Mechanik

a b

Abb. 2.68 Präzession eines Kreisels: a unsymmetrisch aufgehängter, horizontal präzedierender Fahrradkreisel, b Kräf-
te und Drehmomente auf den Kreisel, c Drehimpulsänderung durch das Drehmoment

Dann ist aber die Winkelgeschwindigkeit !p D


'=t oder hung) so, dass er versucht, die Richtung
M M seines Drehimpulsvektors auf kürzestem
!p D D : (2.135)
L J! Wege gleichsinnig parallel zum Vektor der
Die Richtung, in der die Kreiselachse wandert, Störung einzustellen.
wird durch den Satz vom gleichsinnigen Paralle-
lismus festgelegt:
Kreiselmomente
Erzwingt man bei einem rotierenden Kreisel von
Ein Kreisel verhält sich unter dem Einfluss außen her eine Richtungsänderung der Drehach-
einer Störung (Drehmoment, Zwangsdre- se, dann müssen die Lager bei dieser künstlichen
Präzession Kräfte und Momente aufnehmen. Die
2.9 Mechanik starrer Körper 83

Abb. 2.70 Kreiselhorizont. Werkfoto: Bodenseewerk

der Kanzel aufgehängt ist, erfüllt diesen Zweck


nicht, da es bei einem Kurvenflug nicht in Rich-
tung der Vertikalen, sondern in Richtung der
Resultierenden aus Schwerkraft und Zentrifugal-
kraft weist (Scheinlot).
Abb. 2.69 Kreiselmoment bei einer erzwungenen Prä-
Der freie Kreisel, der in Richtung der Horizon-
zession talen eingestellt wird, kann für eine bestimmte
Zeit den Horizont darstellen. Da er aber aufgrund
technischer Unzulänglichkeit mit der Zeit aus-
Kenntnis des wirkenden Drehmoments ist wich- wandert, wurden Geräte entwickelt, die selbst-
tig bei rotierenden Maschinenteilen, deren Dreh- tätig Abweichungen von der Horizontalrichtung
achse einer Richtungsänderung unterzogen wird. ausgleichen. Bei einer Methode bedient man sich
In Abb. 2.69 ist eine rotierende Scheibe ge- des Kreiselpendels, bei dem ein Kreisel etwas
zeigt, die um die Hochachse gedreht wird. Nach außerhalb des Schwerpunktes unterstützt wird.
dem Satz vom gleichsinnigen Parallelismus ver- Infolge des Schweremoments führt der Kreisel
sucht der Vektor L, sich parallel zum Vektor langsame Präzessionsbewegungen um die Verti-
!p der erzwungenen Präzession einzustellen. Die kale aus. Im Gegensatz zu einem einfachen Lot,
Kreiselachse drückt also im hinteren Lager nach das alle Schwankungen des Flugzeugs relativ
unten und im vorderen nach oben. Entsprechend rasch mitmacht, hat ein Kreiselpendel eine sehr
reagieren die Lager auf den Kreisel mit den ein- große Schwingungsdauer (bis zu einer Stunde)
gezeichneten Lagerkräften FL . Das Drehmoment und mittelt daher aus allen Richtungen die Ver-
M , das der Kreisel auf die Lager ausübt, ergibt tikalrichtung heraus. Abb. 2.70 zeigt eine techni-
sich sofort durch Umkehr von (2.135): sche Ausführung des Kreiselhorizonts.

M D L  !p : (2.136) Kreiselkompass
Der Kreiselkompass ist ein gefesselter Kreisel,
Von den zahlreichen Anwendungen des Kreisels dessen Achse sich nur in einer Horizontalebe-
seien einige Beispiele aus der Navigation kurz ne bewegen kann. Häufig wird dies dadurch
beschrieben. erreicht, dass das Rotorgehäuse in einer Flüssig-
keit schwimmt. Im Gegensatz zu einem freien
Kreiselhorizont Kreisel, der seine Achsenrichtung in einem In-
Bei einem Flugzeug, das in oder über den Wolken ertialsystem konstant hält, muss der gefesselte
fliegt, braucht der Pilot zur Orientierung einen Kreisel die Erdrotation mitmachen. Die Kreisel-
künstlichen Horizont. Ein einfaches Lot, das in achse erfährt also eine Zwangsdrehung mit der
84 2 Mechanik

bedienen sich aus diesem Grund der Trägheits-


navigation, die hier nicht erläutert sei.
Auf fahrenden Schiffen oder Flugzeugen zeigt
der Kreiselkompass nicht exakt nach Norden,
er weist einen Fahrtfehler (Missweisung) auf.
Fährt ein Schiff auf einem Meridian nach Norden,
dann entspricht dieser Bewegung eine zusätzliche
Winkelgeschwindigkeit !Z , die vektoriell zu !E
addiert wird. Der Kreiselkompass versucht dann,
seine Achse parallel zur resultierenden Winkel-
geschwindigkeit !R einzustellen, was zu einem
Anzeigefehler in westlicher Richtung führt. Bei
einer Bewegung auf einem Breitenkreis ist die zu-
sätzliche Winkelgeschwindigkeit !Z parallel zu
!E , sodass kein Fehler entsteht. Der Fahrtfehler
muss rechnerisch korrigiert werden.

Wendekreisel
Der Wendekreisel dient dazu, Drehungen und
Abb. 2.71 Einstellung des Kreiselkompasses in Nord- Drehgeschwindigkeiten zu messen. Soll z. B. die
richtung Drehung eines Schiffes um eine vertikale Ach-
se gemessen werden, dann wird ein Kreisel so
eingebaut, dass seine Achse horizontal liegt. Die
Winkelgeschwindigkeit der Erdrotation !E . Das horizontale Lage wird z. B. durch Federn erzwun-
auftretende Kreiselmoment dreht die Kreiselach- gen. Bei einer Drehung des Schiffs wird nach
se nach dem Satz vom gleichsinnigen Parallelis- dem Satz vom gleichsinnigen Parallelismus der
mus so, dass der Drehimpulsvektor L und die Kreisel versuchen, seine Achse senkrecht zu stel-
Richtung der Zwangsdrehung !E parallel wer- len. Dies wird aber durch die Federn verhindert.
den. Der Kreisel nimmt deshalb eine Schräglage ein,
Wie Abb. 2.71 zeigt, gelingt dies vollkom- bei der das von der Drehung verursachte Kreisel-
men für einen Kreiselkompass, der am Äquator moment vom rücktreibenden Moment der Federn
Ä aufgestellt ist. Befindet sich der Kreisel auf ei- im Gleichgewicht gehalten wird. Der Ausschlag
nem beliebigen Breitenkreis am Punkt P, dann des Kreisels ist damit porportional zur Drehge-
kann sich sein Drehimpuls L nicht parallel zu schwindigkeit des Schiffs. Geräte mittlerer Qua-
!E einstellen; denn die Kreiselachse ist ja an lität sind in der Lage, Drehgeschwindigkeiten bis
eine Tangentialebene zur Erde gefesselt. Immer- herab zu 0;01 ı =h nachzuweisen. Der Drehwinkel
hin ist eine Optimierung der Lage dann erreicht, wird von integrierenden Wendekreiseln gemes-
wenn die Kreiselachse tangential zu einem Me- sen.
ridian eingestellt ist, d. h., wenn sie nach Norden Optische Faserkreisel bzw. Laserkreisel ent-
weist. Befindet sich der Kreisel am Nord- oder halten keine rotierenden Teile, sind also im Grun-
Südpol N bzw. S, dann steht L immer senk- de keine Kreisel. Mit Hilfe des Sagnac-Effekts
recht auf !E . Jede Richtung der Kreiselachse ist (G. M. M. S AGNAC, 1869 bis 1928) werden
gleich ungünstig; der Kreisel hat keine Vorzugs- Drehungen eines Systems gegenüber einem Iner-
richtung. tialsystem nachgewiesen. Laserkreisel erreichen
Der Kreiselkompass versagt also wie der ma- die vorgenannte Genauigkeit bei einer Winkel-
gnetische Kompass an den Polen. U-Boote, die auflösung von 2 Winkelsekunden; sie werden
sich unter dem Packeis des Nordpols befinden, bereits in der Luftfahrt eingesetzt.
2.10 Gravitation 85

2.9.7 Zur Übung groß ist die Auflagerkraft zu Beginn der Bewe-
gung? c) Mit welcher Winkelgeschwindigkeit !
Ü 2-32 Lösen Sie das Problem von Bei- geht der Stab durch die vertikale Lage?
spiel 2.9-2 rechnerisch.
Ü 2-38 Ein Rad mit dem Radius r D 20 cm und
Ü 2-33 Eine starre Hantel besteht aus zwei Ku- der Masse m D 20 kg rollt nach Abb. 2.61 eine
geln mit jeweils der Masse m D 2 kg, die durch schiefe Ebene mit dem Neigungswinkel ˇ D 15ı
einen runden Stab mit dem Durchmesser dS D hinab. Aus dem Stand legt es nach t D 2 s den
10 mm verbunden sind. Der Abstand der bei- Weg s D 2;9 m zurück. a) Wie groß ist das
den Kugelmittelpunkte beträgt l D 1 m. Kugeln Massenträgheitsmoment JS bezüglich der Dreh-
und Stab bestehen aus Stahl der Dichte % D achse durch den Schwerpunkt? b) Wie groß muss
7;85 kg=dm3. Wie groß ist das Massenträgheits- der Haftreibungskoeffizient zwischen Rad und
moment JS bezüglich einer Achse, die auf der Unterlage mindestens sein, damit das Rad nicht
Stabachse senkrecht steht und durch den Schwer- rutscht?
punkt geht, wenn die Stabmasse und die Aus-
dehnung der Kugeln a) vernachlässigt, b) nicht Ü 2-39 Ein rotierendes Rad (Masse m D 2 kg,
vernachlässigt werden? Massenträgheitsmoment JS D 300 kg cm2, Dreh-
zahl n0 D 2800 min1, Radius r D 15 cm) wird
Ü 2-34 Zur experimentellen Bestimmung des auf den horizontalen Fußboden aufgesetzt. Infol-
Massenträgheitsmoments eines Rades wird ein ge Reibung zwischen Rad und Unterlage wird
Faden über dieses gelegt, an dem zwei Körper mit das Rad beschleunigt. a) Wie groß ist die End-
den Massen m1 D 1 kg und m2 D 1;5 kg befes- geschwindigkeit, die sich einstellt, nachdem der
tigt sind. Das Rad ist reibungsfrei gelagert, sein Rutschvorgang abgeschlossen ist? b) Wie lange
Radius beträgt r D 30 cm. Man beobachtet, dass rutscht das Rad, wenn der Reibungskoeffizient
die Körper in der Zeit t D 2 s aus dem Stand den zwischen Rad und Unterlage  D 0;2 beträgt?
Höhenunterschied h D 1 m zurücklegen.
a) Berechnen Sie die Beschleunigung a, mit Ü 2-40 Ein schwerer Kreisel sei wie in Abb. 2.68
der sich die angehängten Körper bewegen. b) Be- einseitig aufgehängt. Die Kreiselachse verlaufe
stimmen Sie die Kraft im Faden jeweils über nicht waagerecht sondern schließe mit der Ver-
den Körpern 1 und 2. c) Wie groß ist das Mas- tikalen den Winkel # ein. Zeigen Sie, dass die
senträgheitsmoment des Rades bezüglich seiner Winkelgeschwindigkeit der Präzession !p nicht
Drehachse? vom Winkel # abhängt.

Ü 2-35 Für die rotierende Hantel in Abb. 2.64


soll das Drehmoment auf die Lager berechnet 2.10 Gravitation
werden. Zeichnen Sie die Funktion M.#) auf.
Für welchen Winkel wird das Drehmoment ma- 2.10.1 Beobachtungen
ximal?
Bewegungen der Gestirne oder Erscheinungen am
Ü 2-36 Wie groß ist bei einem rollenden dünn- Himmel haben die Menschen schon immer faszi-
wandigen Zylinder das Verhältnis Translations- niert und zu einer Erklärung herausgefordert. Die
zu Rotationsenergie? Geschichte des Verstehens der Bewegungen am
Firmament, der Himmelsmechanik, ist verknüpft
Ü 2-37 Ein langer dünner Stab mit der Masse mit berühmten Namen und Theorien.
m D 1;4 kg und der Länge l D 1;8 m ist an einem C LAUDIUS P TOLEMÄUS (um 100 bis 160
Ende drehbar gelagert. Er wird aus waagrechter n. Chr.) begründete im 2. Jahrhundert das geozen-
Lage losgelassen. a) Wie groß ist die Winkelbe- trische Weltsystem, das philosophisch die Son-
schleunigung ˛ und die Beschleunigung aS des derstellung der Erde hervorhob. Eine richtige,
Schwerpunktes zu Beginn der Bewegung? b) Wie wenn auch komplizierte Beschreibung der Plane-
86 2 Mechanik

Abb. 2.72 Die Kepler’schen Gesetze

tenbahnen war durch Epizykeln möglich. Dieses I SAAC N EWTON (1643 bis 1727) stellte
Weltbild galt als Glaubenssatz über 14 Jahrhun- die allgemeinen Bewegungsgesetze für mecha-
derte lang. nische Systeme und das Gravitationsgesetz (Ab-
N IKOLAUS KOPERNIKUS (1473 bis 1543) schn. 2.10.2) auf. Damit konnte er die Kep-
konnte mit dem heliozentrischen Weltsystem, das ler’schen Gesetze herleiten.
die Sonne in den Mittelpunkt stellte, die Bewe- A LBERT E INSTEIN (1879 bis 1955) entwi-
gung der Planeten einfacher beschreiben. ckelte 1915 die allgemeine Relativitätstheorie,
T YCHO DE B RAHE (1546 bis 1601) lieferte die die Newton’sche Gravitationstheorie als Nä-
als letzter großer Astronom ohne Fernrohr exak- herung enthält. Damit konnten die mit der New-
tes Beobachtungsmaterial über die Bewegung der ton’schen Mechanik nicht erklärbare Periheldre-
Gestirne. hung der Merkurbahn und die Krümmung von
J OHANNES K EPLER (1571 bis 1630) leitete Lichtstrahlen unter dem Einfluss der Gravitation
aus der Analyse der Brahe’schen Messdaten des erklärt werden.
Mars drei empirische Gesetzmäßigkeiten über die Die aus diesen Beobachtungen und Theorien
Bewegung der Planeten her. Sie sind in Abb. 2.72 bestimmten Bahndaten und Planetenkenngrößen
aufgeführt und erläutert. sind in Tab. 2.7 zusammengestellt. Simulationen
2.10 Gravitation 87

Tab. 2.7 Planetendaten des Sonnensystems


Radius Masse
Planet große Umlauf- numeri- mittlere Fallbe- Rotations- Anzahl
Bahnhalb- zeit T sche Ex- Erdradius Erdmasse Dichte % schleu- dauer in s der
achse a in s zentrizität Erdradius Erdmasse in kg m3 nigung Monde
in m der Ellip- rE D mE D gÄquator
senbahn " 6;371  5;972  in m s2
106 m 1024 kg
Merkur 5;79  1010 7;60  106 0,206 0,383 0,055 5;4  103 3,7 5;07  106 0
Venus 1;08  1011 1;94  107 0,0067 0,950 0,815 5;2  103 8,9 2;10  107 0
Erde 1;50  1011 3;16  107 0,017 1,00 1,00 5;5  103 9,78 8;62  104 1
Mars 2;28  1011 5;94  107 0,093 0,532 0,107 3;9  103 3,7 8;86  104 2
Jupiter 7;78  1011 3;74  108 0,048 10,97 318 1;3  103 23 3;57  104 > 60
Saturn 1;43  1012 9;35  108 0,054 9,46 95,2 0;69  103 8,7 3;88  104 > 60
Uranus 2;87  1012 2;64  109 0,047 3,98 14,5 1;3  103 8,6 6;21  104 > 27
Neptun 4;50  1012 5;17  109 0,0086 3,87 17,1 1;6  103 11 5;80  104 13

2.10.2 Newton’sches
Gravitationsgesetz

Aus der Modellvorstellung elliptischer Planeten-


bahnen, als Kepler’sche Gesetze in Abb. 2.72 zu-
sammengestellt, leitete Newton eine Beziehung
über die gegenseitige Anziehung zweier Körper,
die Gravitation, her und verallgemeinerte dies
auf die Wechselwirkung zwischen allen materi-
ellen Körpern.
Zwischen zwei beliebigen materiellen Punk-
ten mit den Massen m1 und m2 wirkt eine anzie-
hende Kraft, die Gravitationskraft FG , die dem
Abstandsvektor r 12 der materiellen Punkte entge-
gengerichtet ist, wie Abb. 2.74 verdeutlicht. Der
Betrag der Gravitationskraft ist
m1 m2
jFG j D G 2
: (2.137)
r12

Abb. 2.73 Planetariumsprojektor Zeiss-Modell Univer- Die Proportionalitätskonstante G, die Gravitati-


sarium VIII mit Faseroptiken. Foto: Planetarium Jena onskonstante, hat den Wert
m3
G D .6;67408 ˙ 0;00031/  1011 :
der Bewegungen am Himmel vor dem Hinter- kg s2
grund des Fixsternhimmels werden in Planetarien Die Gravitationskonstante wird mit der Gravita-
mit aufwändigen dreidimensionalen Projektions- tionsdrehwaage nach Abb. 2.75 bestimmt. Aus
techniken dargestellt; Abb. 2.73 vermittelt einen Symmetriegründen gilt (2.137) auch für homo-
Eindruck von dieser optomechanischen Spitzen- gene Kugeln, wenn r12 der Abstand der Mittel-
technik. punkte ist. Durch Verlagerung der Kugeln mit den
88 2 Mechanik

und den Erdradius rE bestimmt wird:


mE
gDG : (2.138)
rE2

Aus (2.138) lässt sich mit Hilfe des Zahlenwerts


der Gravitationskonstante und dem bekannten Er-
dradius rE D 6370 km die Erdmasse zu mE D
5;97  1024 kg berechnen.
Nach der Newton’schen Gravitationstheorie
ist die Zentralkraft, die die Planeten auf den ellip-
Abb. 2.74 Massenanziehung, Gravitation tischen Bahnen um die Sonne hält, die Massen-
anziehung der Planetenmasse durch die Sonnen-
masse. Daraus folgt direkt das dritte Kepler’sche
Gesetz (Beispiel 2.10-1).
Die Gravitationskraft der Sonne auf die Plane-
ten wirkt parallel zum Radiusvektor und übt da-
her auf die Planetenbewegung kein Drehmoment
aus, der Drehimpuls ist auf der Planetenumlauf-
bahn konstant. In der Bahnebene ist die Hälfte
des Produkts r dr gerade die vom Radiusvektor
überstrichene Fläche
1
dA D jr  drj:
2
Der Flächensatz (dA=dt D konstant) des zweiten
Kepler’schen Gesetzes veranschaulicht geome-
trisch die Drehimpulserhaltung
ˇ ˇ
ˇ dr ˇˇ dA
Abb. 2.75 Prinzip der Cavendish’schen Gravitations- jLj D jr  pj D mp ˇr 
ˇ D 2mp
dt ˇ dt
drehwaage
auf der Planetenbahn. Das erste Kepler’sche Ge-
setz folgt aus dem Energieerhaltungssatz auf der
Massen m2 von den Lagen A und B in die Lagen
Planetenbahn nach (2.80). Die Herleitung über
A0 und B0 wird die Richtung der Gravitations-
die Kegelschnittgleichung ist mathematisch recht
kraft auf die kleinen Probemassen m1 umgekehrt,
umständlich.
wodurch diese ein Drehmoment auf den Torsi-
onsfaden ausüben. Die Probemassen m1 drehen
sich dadurch um den Drehwinkel ', bis erneut Beispiel 2.10-1
das rücktreibende Torsionsmoment des Torsions- Ableitung des dritten Kepler’schen Gesetzes
fadens das Drehmoment der Gravitationskraft für kreisförmige Planetenbahnen (Mitbewe-
zwischen den Massen m1 und m2 kompensiert. gung der Sonne wird vernachlässigt).
Durch eine Lichtzeigeranordnung wird der sehr
kleine Drehwinkel ' messbar.
Ein Vergleich der Gravitationskraft nach Lösung
(2.137) mit der Gewichtskraft nach (2.28) ergibt, Wie die Werte der numerischen Exzentrizi-
dass die Fallbeschleunigung g auf der Erdober- tät in Tab. 2.7 ausweisen, haben die meisten
fläche durch die Gravitation der Erdmasse mE Planetenbahnen unseres Sonnensystems Wer-
2.10 Gravitation 89

te von ungefähr null und können daher in guter de kann die Sonnenmasse zu mS D 2  1030 kg 
Näherung als Kreisbahnen beschrieben wer- 300:000 mE ermittelt werden.
den. Für eine gleichförmige Kreisbewegung
eines Planeten mit der Masse mp muss die
Gravitationskraft die Zentripetalkraft aufbrin- 2.10.3 Hubarbeit und potenzielle
gen. Bezeichnet man die Masse des Zentral- Energie
gestirns, der Sonne, mit mS , den Bahnradius
der Planeten mit rp und die Umlaufzeit mit Tp , Wird ein Körper der Masse m2 von einem Körper
dann gilt nach (2.31) für die Zentripetalkraft der Masse m1 , beispielsweise der Erde, weg-
transportiert oder angehoben, so ist gegen die
4 2 Gravitationskraft FG durch eine äußere Kraft Fa
jFzp j D mp rp !p2 D mp rp :
Tp2 Arbeit zu verrichten. Abb. 2.77 erläutert dies. Die
erforderliche Hubarbeit ist nach (2.64)
Die Gravitationskraft zwischen Sonne und X X
Planet ist nach (2.137) WAB D Fk  r k C Fak  sk :
k k
mS mp
FG D G :
rp2 Alle Wegelemente sk auf Kugelschalen um den
Massenmittelpunkt von m1 verlaufen senkrecht
Durch Gleichsetzen erhält man zur Richtung der Gravitationskraft; die Arbeit auf
diesen Teilwegen ist null. Die aufzuwendende
4 2 mS mp
mp rp DG 2 :
Tp2 rp

Das dritte Kepler’sche Gesetz lautet (nach der


Herleitung in Beispiel 2.10-1)

rp3 GmS
D D konstant: (2.139)
Tp2 4 2

Die Konstante ist unabhängig von der Mas-


se mp des Planeten. In die Konstante geht nur
die Masse mS des Zentralgestirns, der Sonne,
ein. Sie ist für alle Planeten eines Sonnensys-
tems gleich. (2.139) gilt auch für den Umlauf
von Monden oder Satelliten um Planeten; die
Konstante wird dann durch die Planetenmasse be-
stimmt und beträgt beispielsweise bei der Erde
1;01  1013 m3 =s2 .
Gleichung (2.139) gilt auch für elliptische
Bahnen; als Radius ist die große Halbachse der
Ellipsenbahn einzusetzen. Abb. 2.76 zeigt in dop-
pellogarithmischer Auftragung die Gültigkeit des Abb. 2.77 Hubweg gegen die Schwerkraft: Zerlegung in
dritten Kepler’schen Gesetzes am Beispiel der radiale Wegelemente r und Kugelschalen-Wegelemente
Planeten der Sonne. Aus der Steigung der Gera- sk
90 2 Mechanik

Abb. 2.76 Planeten des Sonnensystems: Zusammenhang zwischen der großen Halbachse der Planetenbahn und der
Umlaufzeit

Hubarbeit ist, wenn man zu infinitesimalen Weg- Masse m2 die Gravitationskraft der Masse m1
stücken übergeht, nicht mehr spürt. Wird von diesem Bezugsniveau
aus m2 auf m1 zubewegt, dann wird Arbeit frei;
Zr2 Zr2
die potenzielle Energie, die zur Umwandlung in
WAB D Fa  dr D  FG  dr andere Energiearten verwendet werden kann, ver-
r1 r1 mindert sich und ist
Zr2
dr Zr
D Gm1 m2 2 : dr m1 m2
r Epot D Gm1 m2 2 D G : (2.141)
r1 r r
1
Daraus erhält man
  Gleichungen (2.139) bis (2.141) gelten nicht nur
1 1 für Massenpunkte, sondern auch für ausgedehn-
WAB D Gm1 m2  : (2.140)
r1 r2 te Körper mit Kugelform. Die Radien sind dabei
die Abstände der Massenmittelpunkte. Im Innern
Die Hubarbeit des Körpers mit der Masse m2 ge- von Systemen aus materiellen Punkten kommen
gen die Gravitationskraft der Masse m1 hängt nur innere Kräfte dazu; die Gravitationskraft stimmt
vom Abstand r1 und r2 der Orte vom Massenmit- nicht mehr mit (2.137) überein.
telpunkt von m1 ab, nicht aber vom Weg. Diese Die potenzielle Energie einer Masse m0 , die
Hubarbeit wird nach dem Energiesatz (2.75) als von mehreren Massen m1 bis mN angezogen
potenzielle Energie des Körpers mit der Masse wird, setzt sich additiv aus den Einzelanteilen
m2 , bezogen auf die Masse m1 , gespeichert. Das nach (2.141) zusammen:
Bezugsniveau für die potenzielle Energie einer
Masse m2 unter der Massenanziehung der Mas- m0 m1 m0 m2 m0 mN
Epot D G G :::G :
se m1 wird mit r D 1 so gewählt, dass die r1 r2 rN
2.10 Gravitation 91

Die Kenngröße, die sich am Ort r.x0 ; y0 ; z0 / der der Atmosphäre. Höhere Bahnen werden zu sehr
Masse m0 summiert, ist das Gravitationspotenzi- gestört von der Sonne und anderen Planeten. Die
al 'G der Einzelmassen m1 bis mN : mehr als 24 Satelliten des Global Positioning Sys-
tem (GPS) laufen auf sechs Kreisbahnen, die um
XN
mk 56ı gegen die Äquatorebene geneigt sind, in einer
'G D  G : (2.142) Höhe von 20:200 km.
rk
kD1
Von besonderer Bedeutung für die Datenüber-
tragung sind geostationäre Satelliten oder Syn-
Flächen im Raum, auf denen das Gravitations-
chronsatelliten. Sie sollen über einem definierten
potenzial einer Massenverteilung konstant ist,
Punkt der Erde still stehen. Man kann sich leicht
werden als Äquipotenzialflächen bezeichnet; die
klar machen, dass dies nur möglich ist für Kreis-
Äquipotenzialfläche einer Zentralmasse ist ei-
bahnen in der Äquatorebene. In welcher Höhe ein
ne Kugelschale um deren Massenmittelpunkt. Ist
Satellit platziert werden muss, damit er sich syn-
das Gravitationspotenzial 'G an einem Ort r be-
chron mit der Erde dreht, folgt aus dem dritten
kannt, so beträgt die potenzielle Energie einer
Kepler’schen Gesetz. Nach (2.139) gilt für den
Masse m0 an diesem Ort
Abstand rS , den der Satellit vom Erdmittelpunkt
haben muss
Epot D m0 'G .r/: (2.143) s
2
3 GmE TE
rS D :
Die Gravitationskraft auf m0 an diesem Ort ergibt 4 2
sich aus der Umkehrung von (2.65) zu
Mit der Periodendauer der Erdrotation (sideri-
d' .r/ sche Umlaufzeit, Sterntag) TE D 86:163 s ergibt
FG .r/ D m0 G D m0 g.r/: (2.144) sich rS D 42:161 km. Subtrahiert man davon den
dr
mittleren Erdradius rE D 6371 km, so ergibt sich
Der Gradient des Gravitationspotenzials am Ort eine Höhe von h D 35:790 km über der Erdober-
r wird als Gravitationsfeldstärke g definiert. Der fläche.
Vergleich mit der Beziehung für die Schwerkraft
nach (2.28) zeigt, dass Betrag und Richtung der Kosmische Geschwindigkeiten
Fallbeschleunigung g an einem Ort die Gravitati- Die erforderliche Geschwindigkeit eines Kör-
onsfeldstärke angeben. Ist der räumliche Verlauf pers, der von der Erdoberfläche abgeschossen
der Fallbeschleunigung aus Experimenten oder wird und eine bestimmte Bahn erreichen soll,
Simulationsrechnungen bekannt, dann kann über wird als kosmische Geschwindigkeit bezeichnet.
eine Integration von (2.144) der Verlauf der po- Die erste kosmische Geschwindigkeit vk1 ist
tenziellen Energie berechnet werden. die Geschwindigkeit, die ein Körper haben muss,
der sich auf einer Kreisbahn direkt an der
Erdoberfläche bewegen soll. Diese Bahn mit
2.10.4 Satellitenbahnen Radius rE ist natürlich praktisch nicht reali-
sierbar, sondern nur von theoretischem Interes-
Die Bahnen künstlicher Satelliten, die um die Er- se. Aus der Gleichgewichtsbedingung zwischen
de laufen, werden durch dieselben Kepler’schen Gravitations- und Zentrifugalkraft
Gesetze beschrieben, wie sie von der Planetenbe- 2
mS mE mS vk1
wegung bekannt sind. Satellitenbahnen sind also G 2 D folgt
Ellipsen (Spezialfall: Kreise), wobei die Erde in rE rE
s
einem Brennpunkt der Ellipse steht. GmE p km
Praktisch realisierbare Bahnen haben Höhen vk1 D D grE D 7;91 :
rE s
von 200 km bis 10 km und Umlaufdauern von
6

88 min bis etwa 4 Monate. Niedrigere Bahnen Die zweite kosmische Geschwindigkeit vk2 ist die
sind nicht möglich wegen Reibungsverlusten in Geschwindigkeit, mit der ein Körper abgeschos-
92 2 Mechanik

sen werden muss, um den Anziehungsbereich der kräfte auf einen Körper der Masse m gerade auf-
Erde zu verlassen. Sie kann mithilfe des Ener- heben. Wo liegt dieser „neutrale Punkt“? Radius
gieerhaltungssatzes berechnet werden: Ekin;E C der Mondbahn: rE,M D 384:000 km, Mondmasse
Epot;E D Ekin,1 C Epot,1 . Mit der Definition der mM D 7;35  1022 kg.
potenziellen Energie nach (2.141) ergibt sich
Ü 2-43 Ein künstlicher Satellit läuft in einer
1 2 mS mE Flughöhe h D 1000 km auf einer Kreisbahn um
mS vk2 G D0 oder
2 rE die Erde (Erdradius rE D 6371 km). a) Wie groß
s
GmE p km ist die Bahngeschwindigkeit v des Satelliten? b)
vk2 D 2 D 2vk1 D 11;2 : Wie groß ist seine Umlaufzeit T ? c) Welche spe-
rE s
zifische Arbeit w (auf die Masse m D 1 kg
bezogen) ist aufzuwenden, um den Satelliten in
Beispiel 2.10-2
diese Bahn zu bringen? d) Welcher Anteil f die-
Wie groß ist die Fluchtgeschwindigkeit, um
ser spezifischen Arbeit entspricht der kinetischen
den Mond zu verlassen? Die Mondmasse ist
Energie des Satelliten?
mM D 7;35  1022 kg, der Mondradius ist rM D
1738 km.
Ü 2-44 Ein Meteor kommt ohne Anfangsge-
Lösung
schwindigkeit in den Anziehungsbereich der
Die Fluchtgeschwindigkeit ist nach obiger Sonne und fällt auf diese zu. Wie groß ist die Ge-
Gleichung schwindigkeit des Meteors, wenn er

a) sich im Bahnabstand der Erde von der Sonne


s
GmM km
vk2 D 2 D 2;38 : befindet?
rM s
b) an einem Ort mit halbem Erdbahnradius ist?
c) an der Sonnenoberfläche unverglüht ankäme?
Massereiche Sterne können am Ende ih-
rer Entwicklungsgeschichte kollabieren und zu
(Sonnenmasse mS D 2  1030 kg; Sonnenradius
einem schwarzen Loch werden. Sie besitzen
rS D 696:000 km; Erdbahnradius rSE D 150 
ein derart starkes Gravitationsfeld, dass nicht
106 km.)
einmal Licht (Photonen) aus Bereichen inner-
halb eines kritischen Radius, des so genann-
Ü 2-45 Der mittlere Abstand des Jupiter-
ten Schwarzschild-Radius (K ARL S CHWARZ -
Mondes Jo vom Planeten Jupiter beträgt 4;216 
SCHILD, 1873 bis 1916) entweichen kann. Die
105 km; seine Umlaufzeit ist T D 1 d 18 h
Größe dieses Ereignishorizonts findet man, in-
27 min. Berechnen Sie aus diesen Angaben die
dem für die Fluchtgeschwindigkeit die Lichtge-
Masse mJ des Planeten Jupiter.
schwindigkeit c gesetzt wird:

2Gm
rS D : 2.11 Mechanik deformierbarer fester
c2
Körper – Elastomechanik

2.10.5 Zur Übung Beim Einsatz von Werkstoffen in Maschinen sind


die Reaktionen auf äußere Kraft- bzw. Momen-
Ü 2-41 In welcher Höhe h über der Erdoberflä- teinwirkungen außerordentlich wichtig. Gehen
che hat die Fallbeschleunigung den Wert gh D die Form- oder Gestaltänderungen fester Körper
5 m s2 ? (Der Erdradius ist rE D 6371 km.) nach Beendigung der äußeren Kraft- bzw. Mo-
mentenwirkungen wieder vollständig zurück, so
Ü 2-42 Zwischen Erde und Mond gibt es einen finden reversible Verformungsprozesse statt, die
geometrischen Ort, an dem sich die Gravitations- elastisch sind. Bleiben dagegen Formänderungen
2.11 Mechanik deformierbarer fester Körper – Elastomechanik 93

Abb. 2.78 Zur Definition der Spannung

zurück, dann haben irreversible Verformungspro-


zesse stattgefunden und es sind plastische Verfor- Abb. 2.79 Dreiachsiger Spannungszustand.  Normal-
mungen aufgetreten. spannung,  Schubspannung

2.11.1 Elastische Verformung  drei Normalspannungen x , y , z und


 sechs Schubspannungen xy , xz , yx , yz , zx ,
Spannungen zy .
Die Kenngröße für die Beanspruchung von Fest-
körperteilchen ist die Spannung S. Sie ist der Dabei gibt der erste Index die Schnittebene und
Quotient aus der Teilkraft dF und dem Flächen- der zweite die Wirkungsrichtung an; z. B. liegt
element dA, wie Abb. 2.78 zeigt: xy in der x-Ebene und wirkt in der y-Richtung.
Da aus Symmetriegründen xy D yx , xz D zx
dF und yz D zy ist, wird der Spannungszustand
SD : (2.145)
dA durch die Angabe von drei Normalspannungen
x , y , z und drei Schubspannungen xy , xz , yz
In der Praxis mechanischer Beanspruchungen vollständig beschrieben.
wird die Spannung in der Maßeinheit N=mm2
gemessen; es ergeben sich dann handliche Maß- Verformungen
zahlen. Wird nach Abb. 2.78 die Teilkraft dF in Wirken auf einen Körper äußere Kräfte bzw. äu-
ihre Normalkomponente dFn und ihre Tangenti- ßere Momente ein, so erfährt er Verformungen.
alkomponente dFt zerlegt, dann ergeben sich eine Grundsätzlich sind zwei Verformungsmöglich-
Normalspannung  und eine Schubspannung  keiten denkbar, die Dehnung " und die Schie-
(Tangentialspannung): bung . Für die Dehnung gilt allgemein
dFn l  l0 l
D ; (2.146) "D D : (2.148)
dA l0 l0
dFt
D : (2.147) Dabei bleiben die rechten Winkel am Körperele-
dA
ment erhalten. Mit Schiebung oder Scherung wird
In einem würfelförmigen Körperelement lässt eine Winkeländerung bezeichnet:
sich, wie Abb. 2.79 zeigt, der Spannungszustand
vollständig beschreiben durch Schiebung D Winkeländerung : (2.149)
94 2 Mechanik

In diesem Fall bleiben die Kantenlängen l0 des 1781 bis 1840) bezeichnet. Ihr Wert ist immer
Körperelementes gleich, und es ergibt sich ein positiv, aber kleiner als 0,5. Das Minuszeichen
Abweichungswinkel vom rechten Winkel (aus- in (2.153) kennzeichnet die Gegenläufigkeit von
gedrückt im Bogenmaß). Längenänderung und Dickenänderung. Die bei
In der Praxis werden üblicherweise vier Ver- der Querkontraktion auftretende Volumendiffe-
formungsarten unterschieden. Abb. 2.80 zeigt die renz V errechnet sich für einen achsensym-
Unterschiede, Kenngrößen und Gesetzmäßigkei- metrischen, prismatischen Stab aus der Differenz
ten. zwischen dem Volumen nach der Verformung V 0
und dem ursprünglichen Volumen V0 zu
Dehnung
Im elastischen Bereich ist die Längenände- V D V 0  V0 D .d C d /2 .l C l/  d 2 l:
rung l proportional zur Normalkraft Fn . Mit der
Definition der Dehnung " als relative Längenän- Die Summenglieder höherer Ordnung sind ge-
derung " D l= l (2.148) und (2.146) für die genüber den Gliedern erster Ordnung vernachläs-
Zug- bzw. Druckspannung  D dFn =dA ergibt sigbar. Somit ergibt sich
sich das Hooke’sche Gesetz (R. H OOKE, 1635 bis
1703) für die elastische Verformung: V D d 2 l C 2d ld:

 D E": (2.150) Für die relative Volumenänderung eines stabför-


migen Körpers unter eindimensionaler Zugbean-
Der Proportionalitätsfaktor ist der Elastizitätsmo- spruchung gilt
dul E, der im allgemeinen Fall die Normalspan-
nungsänderung d , bezogen auf die Dehnungs- V d 2 l 2d ld l d
D 2 C D C2 :
änderung d", beschreibt und zeitabhängig sein V d l 2
d l l d
kann:
d Man erhält also
E.; t/ D : (2.151)
d"
V
Der Elastizitätsmodul ist eine Werkstoffkenn- D ".1  2/: (2.154)
V
größe, die für praktische Zwecke meist in der
Maßeinheit N=mm2 oder GN=m2 geschrieben Der Volumenunterschied ist für positive Span-
ist. Tab. 2.8 enthält einige Festigkeitskennzah- nungen definitionsgemäß positiv; nach (2.154) ist
len. – In (2.151) sind Zugspannungen positiv und daher 1  2 > 0 und 0 <  5 0;5.
Druckspannungen negativ einzusetzen.
Allseitige Kompression
Querdehnung Wenn ein Körper einer allseitigen isotropen
Die angreifende Normalkraft Fn verursacht außer Druckbeanspruchung  D p unterliegt, dann
der Längenänderung l auch eine materialspezi- ist die Volumenänderung
fische Dickenänderung d . Die Querdehnung "q
ist die relative Dickenänderung: V
D 3": (2.155)
V
d
"q D : (2.152) Analog zum Elastizitätsmodul E beschreibt der
d
Kompressionsmodul
Die Querdehnung ist der Dehnung proportional,
sodass gilt pV
KD (2.156)
"q D ": (2.153) V

Der Proportionalitätsfaktor  wird als Quer- die erforderliche Druckänderung bezogen auf die
dehnungszahl oder Poissonzahl (S. D. P OISSON, relative Volumenänderung; er ist immer positiv.
2.11 Mechanik deformierbarer fester Körper – Elastomechanik 95

Abb. 2.80 Verformungsarten


96 2 Mechanik

Tab. 2.8 Kennzahlen für die Festigkeit einiger Werkstoffe


Werkstoff Elastizitäts- Querdehnungs- Kompressions- Schub-Modul Bruchdeh- Zug- bzw.
Modul E in zahl  Modul K in G in GN=m2 nung "B Druckfestigkeit
GN=m2 GN=m2 B in GN=m2
Eis 9,9 0,33 10 3,7
Blei 17 0,44 44 5,5 bis 7,5 0,014
Al (rein) 72 0,34 75 27 0,5 0,013
Glas 76 0,17 38 33 0,09
Gold 81 0,42 180 28 0,5 0,14
Messing 100 0,38 125 36 0,05 0,55
(kaltverf.)
Kupfer 126 0,35 140 47 0,02 0,45
(kaltverf.)
V2A-Stahl 195 0,28 170 80 0,45 0,7

In der Praxis wird K meist in MN=m2 angege-  D Ft =A und dem Scherwinkel gilt der dem
ben. Zwischen den Kenngrößen der elastischen Hooke’schen Gesetz analoge Zusammenhang
Verformung besteht der Zusammenhang
 D G : (2.159)
E
KD : (2.157)
3.1  2/ Der Proportionalitätsfaktor wird Schubmodul G
genannt. Er ist ein Maß für die Gestaltelastizität
Die relative Volumenänderung V =V eines Kör- fester Körper. (In (2.159) ist der Scherwinkel
pers bei einer isotropen Druckänderung p ist im Bogenmaß einzusetzen.) Analog zum Elasti-
die Kompressibilität zitätsmodul E nach (2.151) ist der Schubmodul
V d
1 G.; t/ D (2.160)
~D V D : (2.158) d
p K
das Verhältnis der Schubspannung zum Scher-
Beispiel 2.11-1 winkel.
Ein Draht aus Federstahl (E D 2105 N=mm2 ) Zwischen Elastizitätsmodul E, Querdeh-
hat einen Durchmesser d D 1;5 mm und ist nungszahl  und Schubmodul G besteht der
l D 3 m lang. Er wird um 5 mm verlängert. Zu Zusammenhang
berechnen sind die Dehnung ", die Zugspan-
nung z und die Zugkraft Fz . E
GD : (2.161)
2.1 C /
Lösung
Durch Umformen ergibt sich E=2G D 1 C .
Für die Dehnung gilt " D l= l D 1;67 
Da  zwischen 0 und 0;5 liegt, ergibt sich für den
103 D 0;17 %. Die Zugspannung ist z D
Schubmodul ein Bereich von
E " D 333 N=mm2 , und die Zugkraft beträgt
  2
Fz D z A D 333;33  4 d D 589 N. E E
<G< : (2.162)
3 2
Scherung
Wirken Querkräfte Ft parallel zur Oberfläche auf Diese Beziehungen gelten nur für isotrope Werk-
einen Körper, dann erfährt dieser eine Scherung stoffe. Konstruktionswerkstoffe sind meist qua-
um den Scherwinkel (Abb. 2.80). Diese Bean- siisotrope Werkstoffe. Für anisotrope Einkristal-
spruchungsart ruft also eine Gestaltsänderung des le müssen dagegen die Richtungsabhängigkeiten
Körpers hervor. Zwischen der Schubspannung der Kenngrößen berücksichtigt werden.
2.11 Mechanik deformierbarer fester Körper – Elastomechanik 97

Tab. 2.9 Räumliche Spannungszustände


Normalspannung  Dehnung " Schubspannung  Schiebung
 
E " 1 1
x-Komponente x D "x C "x D .x  .y C z // xy D G xy xy D xy
1C 1  2 E G
 
E " 1 1
y-Komponente y D "y C "y D .y  .z C x // xz D G xz xz D xz
1C 1  2 E G
 
E " 1 1
z-Komponente z D "z C "z D .z  .x C y // yz D G yz yz D yz
1C 1  2 E G

Die in diesem Abschnitt aufgezeigten Zu- kreise. Wenn jedoch in allen Ebenen x, y und z
sammenhänge zwischen Normalspannungen  von null verschiedene Schubspannungen auftre-
und Dehnungen " bzw. Schubspannungen  und ten, dann versagt diese Methode. Die gesuchten
Schiebungen gestatten die allgemeine Formu- Hauptspannungen müssen dann durch aufwändi-
lierung des Hooke’schen Gesetzes für alle drei gere mathematische Verfahren errechnet werden.
Raumrichtungen. Alle möglichen Belastungsfälle Um die Gleichung für den Mohr’schen Span-
können hieraus errechnet werden. Tab. 2.9 ver- nungskreis aufzustellen, wird ein Bauteil mit
mittelt eine Übersicht. einer Zugkraft Fx beansprucht. Deshalb ist die
Normalspannung x bereits Hauptspannung, wie
Elementare Belastungsfälle Abb. 2.82 zeigt. Wird eine Ebene AC betrach-
Abb. 2.81 zeigt die vier elementaren Belastungs- tet, die um den Winkel ' verdreht ist, dann kann
fälle Zug bzw. Druck, Scherung, Biegung und die Zugkraft Fx in eine Komponente Fn senk-
Torsion, ihre zugehörigen Normal- und Schub- recht zur Ebene AC und in eine Komponente Ft
spannungen, Dehnungen und Schiebungen sowie tangential dazu zerlegt werden. Es gelten Fn D
einige Beispiele. Daraus ist ersichtlich, dass bei Fx cos ' und Ft D Fx sin '. Damit ergeben sich
reinem Zug bzw. Druck sowie reiner Biegung für die bezüglich der Ebene AC D A= cos '
keine Schubspannungen und Schiebungen vor- wirkende Normalspannung ' bzw. die Schub-
handen sind, während bei reiner Scherung bzw. spannung '
Torsion keine Normalspannungen und Dehnun-
gen auftreten. In der Praxis treten diese vier ele- Fn F
' D C D cos2 ' D x cos2 ' (2.163)
mentaren Belastungsfälle kombiniert auf. Dann A A
können sie unter Verwendung von Tab. 2.9 und
oder
Abb. 2.81 ermittelt werden.
x
' D .1 C cos.2'// (2.164)
Hauptspannungen 2
Als Hauptspannungen werden die Normalspan-
und
nungen  bezeichnet, für die keine Schubspan-
nungen auftreten. Die Hauptspannungsrichtung Ft F x
nennt man Hauptachse. Ein Spannungszustand ' D C D sin ' cos ' D  sin.2'/:
A A 2
ist demnach vollständig beschrieben, wenn al- (2.165)
le drei Hauptspannungen 1 , 2 , 3 und deren In dem skizzierten Fall gilt für die Hauptspan-
Hauptachsen bekannt sind. Häufig treten Bean- nungsrichtung ' D 0, weil ' D 0 ist.
spruchungen an Bauteiloberflächen auf, in denen Die maximale Schubspannung max tritt für
die Hauptachsen 1, 2 und 3 mit den Koordina- sin.2'/ D 1 auf. Aus dieser Bedingung folgt
tenachsen x, y und z zusammenfallen. Für diese 2' D 90ı oder ' D 45ı . Für diesen Win-
Fälle lassen sich die gesuchten Hauptspannun- kel wird nach (2.165) die maximale Schubspan-
gen durch ein grafisches Verfahren nach Mohr nung max D x =2. Die zugehörige Normal-
(C. O. M OHR, 1835 bis 1918) ermitteln. Es erge- spannung beträgt ebenfalls  D x =2. Werden
ben sich drei Kreise, die Mohr’schen Spannungs- aus (2.164) und (2.165) unter Berücksichtigung
98

Abb. 2.81 Vier elementare Belastungsfälle


2 Mechanik
2.11 Mechanik deformierbarer fester Körper – Elastomechanik 99

z D 15 N=mm2 ;
zx D 0; zy D 0:

Gesucht sind die Hauptspannungen 1 , 2 und


3 sowie die Winkelabstände der Hauptachsen
1, 2 und 3 von den Raumachsen x, y und z.

Lösung
Zur Lösung wird das grafische Verfahren
nach Mohr angewandt. Die Mohr’schen Span-
nungskreise werden gemäß Abb. 2.83 konstru-
iert.

a) Es werden alle Angaben der Normal- bzw.


Schubspannungen in das  --Diagramm
eingezeichnet (schwarze Punkte in
Abb. 2.83).
b) Die Punkte .x =xy / und .y =yx / müssen
Abb. 2.82 Zur Herleitung des Mohr’schen Spannungs- auf einem Kreis liegen. Ihre Verbindungs-
kreises gerade ist der Durchmesser dieses Krei-
ses, der die  -Achse im Mittelpunkt M1
schneidet. Damit kann der Kreis 1 gezeich-
von sin2 .2'/ C cos2 .2'/ D 1 die Winkelfunktio- net werden.
nen eliminiert, so ergibt sich folgender Zusam- c) Der Mohr’sche Spannungskreis 1 liefert
menhang zwischen ' und ' : als Schnittpunkte mit der  -Achse . D
0/ die Werte 1 D 42;5 N=mm2 und
x 2 2 D 2;5 N=mm2 für die Hauptspannun-
   2
x
'  C '2 D : (2.166)
2 2 gen (weiße Punkte in Abb. 2.83).
d) Die beiden anderen Kreise 2 und 3 lassen
Diese Gleichung beschreibt den Mohr’schen
sich eindeutig konstruieren.
Spannungskreis in der ' -' -Ebene mit dem Ra-
e) Zwischen der Hauptachse 1 und der y-
dius r D .x =2/ und dem Mittelpunkt .x =2=0/
Ebene liegt der Winkel 2' D 67ı oder
(Abb. 2.82b). Der Spannungskreis zeigt die
' D 33;5ı .
Normal- bzw. Schubspannungen, die an einem
um den Winkel ' verschobenen Flächenelement Elastische Energie
wirken, wenn die Normalspannung x bereits Bei der Längen- bzw. Volumenänderung von
Hauptspannung ist. Körpern wird Arbeit verrichtet. NachRder Defi-
nitionsgleichung für die Arbeit W D F dl gilt
Beispiel 2.11-2 wegen F D A und dl D l"
Gegeben sei folgender Spannungszustand Z Z
(dreiachsige Zugbeanspruchung): W D Ald" D V  d"I (2.167)

x D 10 N=mm2 ; hierin ist V das Ausgangsvolumen. Ist die Ver-


2 formung völlig elastisch, so wird die Verfor-
xy D 20 N=mm ; xz D 0;
mungsarbeit als potenzielle Energie im Körper
2
y D 30 N=mm ; gespeichert und bei der Entlastung wieder frei-
yx D 20 N=mm2 ; yz D 0; gesetzt.
100 2 Mechanik

Abb. 2.83 Mohr’sche Spannungskreise für Beispiel 2.11-2

2.11.2 Plastische Verformung

Bei der plastischen Verformung wird nur ein Teil


der Verformungsenergie wiedergewonnen und
der Körper bleibt deformiert. Abb. 2.84 zeigt die
Hysteresekurve einer elastisch-plastischen Ver-
formung. Ihr Verlauf ist analog zur magneti-
schen Hysterese B D f .H / (Abschn. 4.4.4.2,
Abb. 4.110). Wird der Körper erstmalig elas-
tisch verformt, dann durchläuft er die Kurve OP.
Bei Verringerung der Spannung wird eine an-
dere Kurve durchlaufen. Ist der Körper völlig
Abb. 2.84 Mechanische Hysterese spannungsfrei, so bleibt eine Restdehnung "01 üb-
2.11 Mechanik deformierbarer fester Körper – Elastomechanik 101

Abb. 2.86 Prüfmaschine für den Zugversuch nach DIN


EN 10002. Werkfoto: Zwick/Röll

Abb. 2.85 Spannungs-Dehnungs-Diagramm eines Zug-


versuchs für den Federstahl 55 Si7
hand des Spannungs-Dehnungs-Diagramms von
Federstahl 55 Si7 erläutert:

 elastischer Bereich (0 bis El): Es gilt das Hoo-


rig, die nur durch einen entgegengesetzten Druck ke’sche Gesetz, d. h., die Verformung geht bei
aufgehoben werden kann. Wird der Druck nach Entlastung wieder zurück;
dem Höchstwert Q wieder zurückgenommen, so  elastisch-plastischer Bereich (El bis Pl): Nach
bleibt der Körper um "02 gestaucht, sodass es ei- der Entlastung geht die Dehnung nicht mehr
nes Zugs bedarf, um ihn wieder in die Ausgangs- vollständig zurück, ein Teil der Verformung
lage zu bringen. Die Arbeit, die während eines bleibt;
Spannungs-Dehnungs-Zyklus im Körper bleibt,  plastischer Bereich (Pl bis S): Nach der Ent-
ist 0 1 lastung bleibt die Dehnung näherungsweise
ZQ ZP
erhalten, der Körper ist verformt;
I
W D V @  d" C  d"A D V  d":
B C
 Bruchpunkt B: Bei dieser Spannung bricht das
P Q Material.
(2.168)
H
Die Verlustenergiedichte w  D W=V D  d" Zur Messung des Spannungs-Dehnungs-Verlaufs
der plastischen Verformung entspricht der Fläche für metallische Werkstoffe wird der Zugversuch
der Hysteresekurve im Spannungs-Dehnungs- nach DIN EN 10 002 durchgeführt. Abb. 2.86
Diagramm. zeigt eine Universal-Prüfmaschine.
In dem Spannungs-Dehnungs-Diagramm las- Beim Zugversuch sind zwei unterschied-
sen sich unter Zugbeanspruchung mehrere Berei- liche Spannungs-Dehnungs-Verläufe zu unter-
che unterscheiden. In Abb. 2.85 sind diese an- scheiden, wie Abb. 2.87 zeigt. Entweder erfolgt
102 2 Mechanik

a b

Abb. 2.87 Spannungs-Dehnungs-Verläufe bei Zugversuchen mit a stetigem Übergang vom elastischen in den plasti-
schen Bereich und b unstetigem Übergang

der Übergang vom elastischen in den plastischen ableiten. Er ist die Steigung der Spannungs-
Bereich monoton oder nicht monoton. Erfolgt Dehnungs-Kurve im Ursprung. In Abb. 2.85 ist
der Übergang stetig (Abb. 2.87a), dann wird als E D 2105 N=mm2 . Eine weitere Werkstoffkenn-
Dehngrenze Rp diejenige Spannung herangezo- größe ist die Bruchdehnung "B , also die Dehnung
gen, die zu einer bestimmten plastischen (blei- im Bruchpunkt B. In Abb. 2.85 ist "B D 6 %.
benden) Dehnung "r geführt hat. Üblich ist die Die plastische Verformung hinterlässt keine
0,2 %-Dehngrenze Rp0;2 . Eine Parallele zur Hoo- Volumenänderung (V D 0). Dies bedeutet, dass
ke’schen Geraden (gestrichelte Linie) schneidet die Querdehnungszahl nach (2.155)  D 0;5 be-
die Spannungs-Dehnungs-Kurve im Punkt mit trägt. Für diese reinen Gestaltsänderungen sind
der Ordinate Rp0;2 . In Abb. 2.85 ist Rp0;2 D also nur Schubspannungen verantwortlich. Sie
1080 N=mm2. bringen ganze Kristallebenen entlang bestimmter
Die Spannung, die zur Höchstzugkraft ge- Gitterbaufehler (Versetzungen, Abschn. 9.1.3.2)
hört, ist die Zugfestigkeit Rm . In Abb. 2.85 ist zum Abgleiten, ohne dass sich das Kristallgitter
Rm D 1275 N=mm2 . Die Zugfestigkeit reiner geändert hat. Die aus den Zugversuchen errech-
Metalle beträgt Rm D 10 bis Rm D 20 N=mm2 neten Materialkennwerte müssen unter gleichen
(z. B. Blei), diejenige hochfester Stähle Rm D Versuchsbedingungen (DIN EN 10 002) stattfin-
2500 bis Rm D 4500 N=mm2. Die sehr häufig den. Hierzu zählen die Versuchstemperatur (z. B.
im Maschinenbau eingesetzten Bau- und Vergü- 18 ı C bis 25 ı C) und die im Zugversuch ge-
tungsstähle haben eine Zugfestigkeit zwischen fahrene Zuggeschwindigkeit zwischen den Span-
Rm D 400 N=mm2 und Rm D 1200 N=mm2 . nungswerten 10 N=mm2 und 30 N=mm2 .
Bleibt bei zunehmender Dehnung die Zugkraft
erstmalig gleich oder fällt sie ab, dann ist die
Streckgrenze erreicht. 2.11.3 Härte fester Körper
Beim nicht monotonen Übergang vom elasti-
schen in den plastischen Bereich wird eine obere Die Härte eines Stoffs ist der Widerstand gegen
Streckgrenze ReH und eine untere Streckgrenze das Eindringen eines anderen Körpers. Am häu-
ReL unterschieden (Abb. 2.87b). figsten werden in der Materialprüfung zur Här-
Aus der Spannungs-Dehnungs-Kurve lässt tebestimmung metallischer Werkstoffe statische
sich auch der Elastizitätsmodul E nach (2.151) Eindring-Härteprüfverfahren eingesetzt. Dabei
2.11 Mechanik deformierbarer fester Körper – Elastomechanik 103

drückt man einen Probekörper mit einer Prüfkraft tigkeit Rm für Stahl aus der Vickers-Härte nach
F stoßfrei in einer bestimmten Zeit in das zu der Beziehung Rm  3;38 HV als ersten Anhalts-
prüfende Material und misst den Eindruck oder punkt abschätzen.
bestimmt die Eindringtiefe. In Abb. 2.88 sind die
drei wichtigsten Verfahren, das Rockwell-Verfahren (HR)
nach DIN EN 50 103
 Brinell-Verfahren, Hierbei wird die Härte aus der Eindringtiefe eines
 Vickers-Verfahren und Probekörpers direkt ermittelt. Eine Prüfvorkraft
 Rockwell-Verfahren F0 (98 N) stellt einen sicheren Kontakt zum Prüf-
ling her und erzeugt die Eindringtiefe s0 , die die
vergleichend gegenübergestellt und das Mess- Bezugsskala darstellt. Durch mindestens viermal
prinzip, die Auswertungsformeln und die An- so große Prüfkräfte wird die Eindringtiefe sh be-
wendungsgebiete aufgezeigt. Wichtig ist die An- stimmt, aus der an einer Skala der Härtewert
gabe der Prüfbedingungen beim Dokumentieren direkt abgelesen werden kann.
der Härtegrade. In der Praxis werden zwei Varianten eingesetzt,
das Rockwell-B-Verfahren (HRB) und das Rock-
Brinell-Verfahren (HB) nach DIN EN 50 351 well-C-Verfahren (HRC). Beide Verfahren benut-
Hierbei wird eine Kugel aus gehärtetem Stahl zen die Prüfvorkraft F0 D 98 N und legen den
oder Hartmetall mit einer Prüfkraft F in die Härtemaßstab auf 2 m je Härteeinheit fest. Der
Oberfläche des zu prüfenden Werkstoffs gedrückt große Vorteil bei der Härtemessung nach Rock-
und der Durchmesser d der Eindrückkalotte ge- well ist die Automatisierbarkeit der Methode. Ein
messen. Der Quotient aus Prüfkraft F und einge- Nachteil ist die im Vergleich zum Brinell- und
drückter Oberfläche A ist der Brinell-Härtewert Vickers-Verfahren geringere Messgenauigkeit.
HB. Er wird nach (1) in Abb. 2.88 errechnet. Obwohl die Härtewerte nach Brinell, Vickers
Der Faktor 0;102 rechnet die SI-Krafteinheit N und Rockwell auf unterschiedliche Weise ermit-
in kp um (1 N ¶ 0;102 kp). Durch diesen Kunst- telt werden, können die Härtegrade innerhalb be-
griff bleiben die alten Härtewerte unverändert. stimmter Bereiche ineinander umgerechnet wer-
Letztendlich bedeutet dies jedoch, dass unver- den. Die Vickers-Härte ist der Bezugsmaßstab,
ständlicherweise die Einheit kp=mm2 künstlich weil diese Methode das ganze Härtespektrum von
beibehalten wird. In Abb. 2.88 sind die Prüfbe- weich bis extrem hart überdeckt. Die Härtever-
dingungen angegeben. Dieses Härteprüfverfah- gleichstabellen sind in DIN 50 150 genormt.
ren wird nur für weiche Werkstoffe angewandt.

Vickers-Verfahren (HV) 2.11.4 Zur Übung


nach DIN EN ISO 8 495
Hierbei wird statt einer harten Kugel eine Dia- Ü 2-46 Ein Stahlstab der Länge l D 1;5 m ro-
mantpyramide mit einer quadratischen Grund- tiert um eine Achse, die senkrecht zur Stabachse
fläche mit einer Prüfkraft F (Kleinlastbereich durch ein Stabende geht. Bei welcher Drehzahl
1,96 N bis 49 N, Normallastbereich 49 N bis reißt der Stab? (Rm D 450 N=mm2 ).
980 N) in den zu prüfenden Werkstoff gedrückt
und der Eindruck d D .d1 C d2 /=2 ermittelt. Ü 2-47 Ein Rundstab mit dem Durchmesser d
Die Auswertung erfolgt nach (2) aus Abb. 2.88. und Länge l besitzt einen Elastizitätsmodul E.
Der Faktor 0,102 rührt wie bei der Formel zur Er- Wenn er in Längsrichtung gezogen wird, verlän-
rechnung der Brinell-Härte, (1) in Abb. 2.88, von gert er sich wie eine Feder, es muss also das
der Umrechnung von N in kp her. Diese Härte- Hooke’sche Gesetz F D ks gelten nach (2.32).
prüfmethode ist für weiche und harte Werkstoffe a) Von welchen physikalischen Größen hängt
einsetzbar. Die Brinell-Härte kann näherungswei- die Federkonstante k ab? b) Welchen Durchmes-
se 1:1 in die Vickers-Härte umgerechnet werden. ser muss ein Stahlstab mit E D 200 GN=m2
Nach DIN EN ISO 18 265 kann man die Zugfes- und Länge l D 1 m haben, wenn seine Feder-
104

Abb. 2.88 Härteprüfverfahren


2 Mechanik
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 105

konstante k D 1 MN=m sein soll? c) Welche 2.12.1 Ruhende Flüssigkeiten


Arbeit ist erforderlich, um einen Stab um 0,5 % (Hydrostatik) und ruhende Gase
zu verlängern? d) Wie groß ist die relative Volu- (Aerostatik)
menänderung des Stabes, wenn die Poissonzahl
 D 0;3 beträgt? 2.12.1.1 Druck
Aufgrund der leichten Verschiebbarkeit der Mo-
leküle in Flüssigkeiten und Gasen wirken sich
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten Kräfte auf Flüssigkeits- und Gasvolumina im
und Gase-, Hydro- Grenzfall unendlich langsamer Veränderungen
und Aeromechanik (statischer Grenzfall) sofort auf das Gesamtvolu-
men aus. Es kommt zu einem einheitlichen Zu-
Die Hydro- und Aeromechanik beschreibt Zu- stand in den Flüssigkeiten und Gasen, der durch
stände und Bewegungen von Flüssigkeiten den Druck p beschrieben wird. Dieser ist defi-
und Gasen. Flüssigkeiten sind kaum zusam- niert als Quotient aus der Kraft dF , die senkrecht
mendrückbar (inkompressibel), aber ihre Mole- auf ein Flächenelement dA der Begrenzungsflä-
küle lassen sich leicht gegeneinander bewegen che wirkt:
(unbestimmte Gestalt). Gase haben dagegen we- dF
pD : (2.169)
der eine bestimmte Gestalt, noch ein bestimmtes dA
Volumen (kompressibel). Sind die Flüssigkeiten Durch die Vereinbarung, dass, wie in Abb. 2.90
oder Gase in Ruhe, so gelten die Gesetze der gezeigt, dF die Kraftkomponente senkrecht zur
Hydro- und Aerostatik. Bewegen sich Flüssigkei- Begrenzungsfläche dA ist, wird die Kraftrichtung
ten oder Gase, gelten die Gleichungen der Hydro- festgelegt. Der Druck ist also eine skalare phy-
und Aerodynamik. sikalische Größe mit der Maßeinheit 1 N=m2 D
In der Hydrostatik sind der Kolbendruck, der 1 Pa. Die Druckmaßeinheit ist nach dem franzö-
Schweredruck und der Auftrieb von Bedeutung, sischen Physiker Pascal (B. PASCAL, 1623 bis
in der Aerostatik der Zusammenhang zwischen 1662) benannt. Eine weitere spezielle SI-Einheit
Druck und Volumen (Boyle-Mariotte’sches Ge- für den Druck ist 1 bar D 105 Pa. Der irdische
setz) sowie die Abhängigkeit des Drucks von der Luftdruck liegt bei p  1 bar.
Höhe (Barometrische Höhenformel). Abb. 2.91 zeigt die zur Druckmessung ein-
In der Hydro- und Aerodynamik unterscheidet gesetzten Messgeräte (Manometer), deren An-
man ideal-reibungsfreie, laminare und turbulente wendungsgebiete und einzelne Manometerbau-
Strömungen. Ihnen liegen die Newton’schen Ge- formen. Im Wesentlichen gibt es vier Arten:
setze der Flüssigkeitsbewegung zugrunde, die in Flüssigkeits-, Kolben- und Federmanometer so-
der Navier-Stokes-Gleichung zusammengefasst wie elektrische Druckmesser. Die Flüssigkeits-
sind, wie Abb. 2.89 ausführlich zeigt. Bei den manometer eignen sich zur Messung gerin-
ideal-reibungsfreien Flüssigkeiten und Gasen gilt ger Druckdifferenzen, und die Kolbenmanometer
die Bernoulli’sche Gleichung, bei den laminaren sind robuste Messgeräte. Weil sie einfach gebaut,
Strömungen sind die Strömungsverhältnisse für robust und preiswert sind, sind die federelasti-
Rohre, Kugeln und Platten von Bedeutung. Bei schen Manometer am weitesten verbreitet (z. B.
den turbulenten Strömungen treten Wirbel auf, das Aneroid-Barometer zur Messung des barome-
die zum Strömungswiderstand führen und eine trischen Drucks). Bei den elektrischen Druckmes-
Strömungsleistung erfordern. Der Übergang von sern wird die mechanische Druckenergie durch
laminarer zu turbulenter Strömung wird durch die verschiedene Effekte direkt in elektrische Ener-
Reynolds-Zahl bestimmt, die aus Ähnlichkeitsge- gie umgewandelt. Sie werden zur Messung sehr
setzen berechnet wird. kleiner oder sehr großer Drücke sowie zur Druck-
106

Abb. 2.89 Übersicht über die Hydro- und Aerodynamik


2 Mechanik
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 107

gilt

V V
% D m 2
D %
V V

und damit
%
D ~p: (2.171)
%
Die Kompressibilität  der Flüssigkeiten ist im
Vergleich zu den Werten bei Gasen sehr klein.
Abb. 2.90 Zur Definition des Drucks Die Eigenschaft von Flüssigkeiten, leicht ver-
schiebbar und näherungsweise inkompressibel zu
sein, wird in der Technik zur räumlichen Kraft-
verfolgung bei schnell wechselnden Druckvertei- übertragung ausgenützt (Hydraulik). Abb. 2.92
lungen hoher Frequenzen eingesetzt. Sie haben zeigt als Anwendung dieses Effekts die hydrau-
den Vorteil, dass ihre elektrischen Ausgangssi- lische Presse. Diese hat zwei bewegliche Kol-
gnale direkt zur Steuerung und Regelung wei- ben mit unterschiedlichen Querschnittsflächen
terverarbeitet werden können. Bei der Auswahl A1 und A2 . Die Rückschlagventile ermöglichen
eines geeigneten Manometers sind vor allem fol- wiederholte Pumpstöße auf den Presskolben:
gende Punkte zu berücksichtigen: Durch Öffnen des Absperrventils kann der Press-
kolben wieder zurückgefahren werden. Wird der
 Aggregatszustand des Messstoffs, Pumpenkolben durch eine Kraft F1 reibungsfrei
 Druck, Temperatur und weitere Stoffeigen- um die Wegstrecke s1 verschoben, so drückt das
schaften des Messstoffs sowie verschobene Volumen den Presskolben mit einer
 Beeinflussung des Zeitverhaltens der Messein- Kraft F2 um die Wegstrecke s2 nach oben. Wegen
richtung durch die Messanordnung. der Gleichheit des Volumens (Inkompressibilität
der Flüssigkeiten) gilt A1 s1 D A2 s2 .
Empfehlungen für eine messtechnisch sinnvol- Ferner muss die am Pumpenkolben aufge-
le Druckbestimmung sind in der VDI/VDE- wandte Arbeit W1 D F1 s1 gleich der am Press-
Richtlinie 3512, Blatt 3 (Messanordnungen für kolben frei werdenden Arbeit W2 D F2 s2 sein.
Druckmessungen) enthalten. Es gilt F1 s1 D F2 s2 . Durch Division erhält man

2.12.1.2 Kompressibilität F1 F2
D oder p1 D p2 D p:
Druckerhöhungen bewirken bei Flüssigkeiten A1 A2
und Gasen eine Volumenabnahme. Näherungs-
weise ist die relative Volumenänderung V =V Für die Kraft F2 am Presskolben folgt
proportional zur Druckänderung p:
A2
F2 D F1 :
V A1
D ~p: (2.170)
V
Dies bedeutet, dass die Kraft F2 im Presskol-
Die Kompressibilität  mit der Maßeinheit Pa1 ben um das Verhältnis A2 W A1 größer ist als die
ist die Proportionalitätskonstante; das Minuszei- Pumpkraft F1 . Für kreisförmige Kolben mit den
chen kennzeichnet die gegenläufigen Änderun- Durchmessern d1 und d2 ergibt sich
gen von Volumen und Druck. Wegen der Vo-
lumenänderung erfolgt auch eine Änderung der F1 A1 d2
D D 12 : (2.172)
Dichte % D m=V der Flüssigkeiten und Gase. Es F2 A2 d2
108

Abb. 2.91 Druckmesser (Werkfotos: Alexander Wigand GmbH)


2 Mechanik
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 109

Abb. 2.92 Hydraulische Presse, schematisch

Die in komprimierten Gasen gespeicherte me-


chanische Arbeit lässt sich wegen der leichten
Verschiebbarkeit der Gasmoleküle in einem Gas-
volumen an jeder Stelle entnehmen. Komprimier-
te Gase, vor allem Pressluft, werden in Maschi-
nenanlagen als Energieträger für Arbeitsprozesse
Abb. 2.93 Druckwandlung und Steuerungen eingesetzt (Pneumatik). Die Ex-
pansionsvorgänge, besonders bei pneumatischen
Regelungen, erfolgen dabei im Allgemeinen so
Weitere Hydraulikanwendungen sind Flüssig-
schnell, dass die Arbeitsabgabe isentrop erfolgt
keitsbremsen, hydraulische Hebebühnen oder
(Abschn. 3.3.5.4).
Druckwandler. Abb. 2.93 zeigt das Prinzip. Wird
die Kraft auf zwei Kolben unterschiedlicher Flä-
2.12.1.3 Volumenausdehnungskoeffizient
che konstant gehalten, so treten Druckunterschie-
Temperaturänderungen T ändern ebenfalls das
de auf .p1 < p2 /.
Volumen von Flüssigkeiten und Gasen. Die relati-
Gase sind sehr kompressibel. Für ideale Ga-
ve Volumenänderung V =V0 ist näherungsweise
se kann die isotherme Kompressibilität id. Gas aus
proportional zur Temperaturänderung:
der Zustandsgleichung (Abschn. 3.1.5, (3.20))
berechnet werden: V
1 D #: (2.174)
id. Gas D : (2.173) V0
p
ist der Volumenausdehnungskoeffizient; seine
Sie hängt nur vom Gasdruck und nicht von der Maßeinheit ist K1 . In der Technik wird als Be-
Gasart ab. zugsvolumen das Volumen V0 bei #0 D 0 ı C
110 2 Mechanik

angesetzt. Beträgt bei #0 D 0 ı C die Dichte %0 D


m=V0 , so ändert sie sich infolge der tempera-
turbedingten Volumenänderung. Bezogen auf das
Volumen

V D V0 C V D V0 .1 C #/

ist die Dichte Abb. 2.94 Zum Schweredruck in einer Flüssigkeit

m %0
%D D : (2.175)
V 1 C #

Der Volumenausdehnungskoeffizient der Flüssig-


keiten ist klein im Vergleich zu dem von Gasen
(Abschn. 3.1.4). Für alle idealen Gase ist er
gleich und beträgt D 1=T0 D 1=273;15 K1 D
0;00366 K1 .

2.12.1.4 Schweredruck
Durch die Gewichtskraft der Moleküle wird in
tieferen Schichten von Flüssigkeiten und Ga-
sen die Kraft auf die Begrenzungsfläche des
Flüssigkeits- oder Gasvolumens erhöht. In größe-
ren Tiefen ist der Druck in der Flüssigkeit oder
im Gas um den Schweredruck erhöht. Die Druck-
Abb. 2.95 Seitendruck in einer Flüssigkeit
erhöhung dp bei einer kleinen Zunahme dy der
Tiefe der Flüssigkeits- oder Gassäule beträgt
Die Summe von äußerem Druck pa und
dp D %gdy: (2.176)
Schweredruck py wird hydrostatischer Druck
phydr genannt. Die Abhängigkeit des hydrostati-
% ist die Dichte der Flüssigkeits- oder Gasschicht
schen Drucks von der Tiefe y (Abb. 2.94) ergibt
in der Tiefe y.
sich aus
phydr D pa C %gy: (2.178)
Schweredruck in Flüssigkeiten
Wegen der Schwerkraft wirkt auf eine Fläche Wie (2.178) zeigt, kann zur Druckmessung die
zusätzlich zu einem äußeren Druck pa die Ge- Höhe einer Flüssigkeitssäule verwendet werden
wichtskraft FG der über dieser Fläche liegenden (Flüssigkeitsmanometer). Der Schweredruck von
Flüssigkeitssäule, wie Abb. 2.94 zeigt. Diese Ge- 10 m Wasser beträgt nach (2.177) etwa 1 bar D
wichtskraft beträgt FG D mg D %Ayg. Für den 105 Pa.
Flüssigkeitsdruck am Ende der Säule ergibt sich Der Schweredruck auf eine seitliche Fläche As
durch Integration von (2.176) wird Seitendruck genannt. Da der Schweredruck
proportional zur Tiefe y zunimmt, greift die
py0 D %gy0 : (2.177) resultierende Kraft Fs nicht im Flächenschwer-
punkt S, sondern in einem tiefer gelegenen Punkt,
Dies bedeutet, dass der Schweredruck von Flüs- dem Druckmittelpunkt S0 an, wie Abb. 2.95 ver-
sigkeiten lediglich von der Füllhöhe, nicht aber deutlicht. Zur Berechnung der seitlich wirkenden
von der Form des Gefäßes abhängt. Man spricht Kraft wird die Fläche in Teilflächenstücke dA
hierbei vom hydrostatischen Paradoxon. unterteilt. Die Seitenkraft dFs innerhalb einer
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 111

Teilfläche dA beträgt dFs D %gydA. Für die ge- Lösung


samte Seitenkraft gilt dann Für die Seitendruckkraft Fs gilt nach (2.179)
Zy2 Zy2
Fs D %gys As D 103  9;81  10  2  3 N
Fs D %gydA D %g ydA:
D 5;89  105 N:
y1 y1

Ry Dieser Wert zeigt, wie außerordentlich groß


Das Integral y12 ydA wird statisches Moment
die Seitendruckkräfte sind. Den Druckmittel-
Ms D ys As genannt. (ys ist die Tiefe vom Flüs-
punktsabstand a erhält man nach (2.181): a D
sigkeitsspiegel bis zum Schwerpunkt S.) Somit
Is =.ys As / mit dem Flächenträgheitsmoment
gilt für die Seitendruckkraft
Is D bh3 =12. Somit errechnet man
Fs D %gys As : (2.179)
bh3 1
aD D 7;5 cm:
Weil das Moment der Seitendruckkraft Fs be- 12 ys bh
züglich S übereinstimmen muss mit der Summe Schweredruck in Gasen
(Integral) der Einzelmomente, gilt
Der Schweredruck eines Gases errechnet sich
zDy
Z1 sy aus der über einer Bezugsebene stehenden Gas-
Fs a D  z%g.ys  z/dA; oder säule. Da die Gase durch die Wirkung der Erd-
anziehungskraft komprimiert werden, nimmt die
zDys y2
Dichte des Gases mit zunehmender Höhe ab.
yZ1 ys yZ1 ys
Aus diesem Grund kann (2.176) nur für eine
ys As a D ys zdA C z 2 dA: kleine Höhendifferenz dh gültig sein, innerhalb
ys y2 ys y2 derer die Dichte annähernd konstant ist. Bei einer
Höhenzunahme dh über Meereshöhe nimmt die
Das erste Integral ist null, das zweite ist das
Höhe der Gassäule und damit der hydrostatische
Flächenträgheitsmoment Is der Fläche As bezüg-
Druck um dp D %gdh ab. Unter der Vor-
lich S: Z aussetzung einer konstanten Temperatur (Boyle-
Is D z 2 dA: (2.180) Mariotte’sches Gesetz, Abschn. 3.1.5, (3.15)) gilt
As für den Zusammenhang zwischen Druck und
Damit ergibt sich für den Druckmittelpunktab- Dichte % D .%0 p/=p0 . Somit gilt
stand
Is Zp Zh
aD : (2.181) dp %0 g
ys As D dh bzw:
p p0
Die Seitendruckkräfte können besonders am Fuß p0 0
 
von Staudämmen erhebliche Werte erreichen und p %0 g
ln D h oder
erfordern deshalb in diesem Bereich große Stau- p0 p0
dammquerschnitte. % g
 0 h
p D p0 e p0 und
%0 g
 p0 h
Beispiel 2.12-1 % D %0 e : (2.182)
Ein b D 2 m breites und h D 3 m hohes
seitliches Loch in einer Schleusenwand wird Dies ist die barometrische Höhenformel. Sie
von einer Platte verschlossen, deren Schwer- zeigt, dass der Schweredruck eines Gases mit
punkt ys D 10 m unter dem Wasserspiegel steigender Höhe h über dem Ausgangsniveau ex-
(% D 1  103 kg=m3 ) liegt. Berechnet werden ponentiell abfällt, und gilt, wenn in jeder Höhe
sollen die Seitendruckkraft Fs und der Ab- dieselbe Temperatur # herrscht.
stand a des Schwerpunkts vom Angriffspunkt Für die Normatmosphäre nach DIN 5450 ist
der resultierenden Seitenkraft Fs . für eine Lufttemperatur # D 0 ı C, p0 D
112 2 Mechanik

Abb. 2.97 Zur Entstehung der Auftriebskraft

Abb. 2.96 Barometrische Höhenformel für Luft nach


(2.183) jeweiligen Temperatur und der Wetterlage abhän-
gig. OTTO VON G UERICKE (1602 bis 1686) be-
wies 1654 die Wirkung des Luftdrucks durch sein
1;01325  105 Pa und %0 D 1;293 kg=m3. Somit Experiment mit den Magdeburger Halbkugeln.
beträgt der Exponent in der barometrischen Hö- Er pumpte zwei Halbkugelschalen (Halbmesser
henformel %0 g=p0 D 1;251 104 m1 . Abb. 2.96 r D 21 cm) mit einer selbsterfundenen Luftpum-
zeigt die Druckabhängigkeit von der Höhe h für pe nahezu luftleer. Der äußere Luftdruck presste
Luft. Zum besseren Vergleich ist der Druck nor- deshalb die beiden Halbkugeln mit einer Kraft
miert als p=p0 aufgetragen. Werden die errech- F D p0  r 2  1;4104 N zusammen. Diese Kraft
neten Werte in die barometrische Höhenformel war so groß, dass acht Pferde an jeder Seite die
eingesetzt, so gilt für Luft Kugel nicht auseinanderziehen konnten.
4 m1 h
p D 1;01325  105 Pa  e1;25110 : (2.183) 2.12.1.5 Auftrieb
Wegen des Schweredrucks von Flüssigkeiten und
Die Höhe, bei der der Ausgangspunkt nur noch Gasen sind alle in Flüssigkeiten und Gasen einge-
halb so groß ist (p D p0 =2, Halbwertshöhe), be- tauchte Körper leichter als außerhalb dieser Me-
trägt h1=2 D 5;54 km. Dies bedeutet, dass der dien (Archimedisches Prinzip) (A RCHIMEDES,
Luftdruck nach h D 5;54 km auf die Hälfte ab- 287 bis 212 v. Chr.). Diese Erscheinung wird
nimmt (Abb. 2.96). Auftrieb genannt. Abb. 2.97 zeigt einen in eine
Die internationale Höhenformel berücksich- Flüssigkeit oder ein Gas eingetauchten Körper.
tigt die Temperaturabnahme mit steigender Höhe. Da sich die Seitenkräfte F und F gegensei-
s1 s2
Sie ist bis zur Tropopause (h D 11 km) gültig und tig aufheben, bleibt wegen der Höhendifferenz
lautet h2 h1 eine Kraftdifferenz F2 F1 auf die Unter-
 5;255 fläche bestehen, die gleich der Auftriebskraft FA
6;5
p D 1;013  105 Pa 1  h : ist. Wenn die Dichte %fl der Flüssigkeit oder des
288 km Gases konstant ist, beträgt die Auftriebskraft
(2.184)
Mit der Temperaturkorrektur ergibt sich für den
FA D F2  F1 D A.p2  p1 /
Dichteverlauf in der Erdatmosphäre
D A%fl g.h2  h1 /:
 4;255
kg 6;5
% D 1;2255 3 1  h : (2.185) Da A.h2  h1 / das Volumen des Körpers bzw.
m 288 km
das durch den eingetauchten Körper verdrängte
Der Luftdruck in Meereshöhe beträgt im Jahres- Flüssigkeitsvolumen Vverd ist, gilt
durchschnitt p D 101:325 Pa (Normdruck). Der
aktuelle Luftdruck ist zusätzlich noch von der FA D %fl gVverd D mverd g D FG;verd (2.186)
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 113

mit mverd bzw. FG;verd als der Masse bzw. der In Flüssigkeiten verschiedener Dichten taucht ein
Gewichtskraft des verdrängten Flüssigkeits- oder schwimmender Körper unterschiedlich tief ein.
Gasvolumens. Die Auftriebskraft FA ist dem- Aus der Bestimmung der Senktiefe wird durch
nach gleich der Gewichtskraft des verdrängten Benutzung von Senkwaagen oder Aräometern in
Flüssigkeits- bzw. Gasvolumens. Sie hängt nur der Praxis häufig die Dichte von Flüssigkeiten er-
vom Volumen des eingetauchten Körpers bzw. mittelt.
von der verdrängten Flüssigkeitsmenge, nicht Bei einem schwimmenden Körper können
aber von seinem Gewicht ab. Bei gleichem Ein- sich Stabilitätsprobleme ergeben, wie Abb. 2.98
tauchvolumen erfährt also ein Stück Holz diesel- zeigt. Die Gewichtskraft FG greift im Schwer-
be Auftriebskraft wie ein Stück Blei. punkt des Körpers SK und die Auftriebskraft FA
Je nach dem Gewicht FG des eingetauchten im Schwerpunkt SFl an. Im Gleichgewichtszu-
Körpers sind drei Fälle zu unterscheiden: stand fallen die Wirkungslinien der beiden Kräfte
zusammen, sodass kein Drehmoment M wirk-
FG < FA : Der Körper schwimmt. sam werden kann. Wird der Körper gedreht, so
FG D FA : Der Körper schwebt. gibt es einen Schnittpunkt zwischen der Symme-
FG > FA : Der Körper sinkt. trielinie des Körpers und der Auftriebskraft FA .
Er wird Metazentrum M genannt. Der Abstand
Durch die Wirkung ihrer Auftriebskraft können zwischen den beiden Schwerpunkten SK und Sfl
die Dichten von festen Körpern und Flüssigkeiten ist der Ortsvektor r. Liegt das Metazentrum M
bestimmt werden. Dabei ist es erforderlich, dass über dem Körperschwerpunkt SK , dann wird der
die Gewichtskräfte des festen Körpers in Luft Körper vom Drehmoment M D r  FA in die
(FG;L ) und nach dem Eintauchen in eine Flüs- Gleichgewichtslage zurückgedreht (stabile Lage,
sigkeit (FG;E ) gemessen werden, z. B. durch eine Abb. 2.98b). Befindet sich das Metazentrum M
hydrostatische Waage. Der Gewichtsunterschied unterhalb des Körperschwerpunktes SK , so kippt
FG;L  FG;E ist gleich der Auftriebskraft: der Körper wegen des Momentes M D r  FA
um (instabile Lage, Abb. 2.98c).
FG;L  FG;E D FA D %fl Vg:
2.12.1.6 Grenzflächeneffekte
Wird für das Volumen des festen Körpers V D Kräfte, die zwischen gleichartigen Atomen oder
m=%K gesetzt und das Gewicht des festen Kör- Molekülen eines Stoffes wirken, werden Kohä-
pers durch FG;L D mg ausgedrückt, ergibt sich sionskräfte (Zusammenhangskräfte) genannt. Sie
sind elektrischen Ursprungs und werden auch van
m %fl
FG;L  FG;E D %fl g D FG;L : (2.187) der Waals’sche Kräfte genannt (Abschn. 9.1.1.1).
%K %K
Kohäsionskräfte treten in festen Körpern und
Bei bekannter Dichte %fl der Flüssigkeit lässt sich Flüssigkeiten auf. Bei Gasen ist ihre Wirkung
die Dichte %K des festen Körpers berechnen: erst kurz oberhalb der Siedepunkte feststellbar;
die Kohäsionskräfte verursachen die Abweichun-
FG;L %fl gen vom idealen Gasverhalten und den Übergang
%K D %fl D : (2.188) zum realen Gas (Abschn. 3.4). Die Kohäsions-
FG;L  FG;E FG;E
1 kräfte sind allgemein wesentlich stärker als die
FG;L
Gravitationskräfte.
Ist dagegen die Dichte des festen Körpers be- Wirken zwischen den Molekülen zweier ver-
kannt, so ergibt sich die Dichte der Flüssigkeit schiedener Stoffe Anziehungskräfte, so werden
gemäß sie Adhäsionskräfte (Anhangskräfte) genannt. Sie
  können zwischen festen Körpern, festen Körpern
FG;E
%fl D %K 1  : (2.189) und Flüssigkeiten sowie zwischen festen Körpern
FG;L und Gasen (Adsorption) wirken.
114 2 Mechanik

a b c

Abb. 2.98 Stabilität schwimmender Körper

richtet werden. Aus diesem Grund haben auch


Moleküle an der Oberfläche einer Flüssigkeit ei-
ne potenzielle Energie, die Oberflächenenergie
genannt wird.
Wird die Arbeit dW zur Oberflächenvergröße-
rung auf die Oberflächenänderung dA bezogen,
so ergibt sich die Oberflächenspannung

dW
D : (2.190)
dA

Abb. 2.99 Kohäsionskräfte in Flüssigkeiten Die Einheit ist 1 J=m2 D 1 kg=s2 D 1 N=m.
Da ein System immer den Zustand kleinst-
möglicher potenzieller Energie einnimmt, sind
Oberflächenspannung Flüssigkeitsoberflächen stets Minimalflächen;
Die zwischen den Molekülen einer Flüssigkeit z. B. besitzt die Kugel die kleinste Oberfläche
wirkenden Kohäsionskräfte heben sich im Innern unter allen Körpern gleichen Volumens.
der Flüssigkeit auf, da jedes Molekül allseitig Die Oberflächenspannung wird häufig mit ei-
von gleichartigen Molekülen umgeben ist, wie nem beweglichen Bügel nach Abb. 2.100 ge-
Abb. 2.99 zeigt. An der Oberfläche fehlen die messen. Ein Drahtbügel der Länge l wird in
nach außen gerichteten Kräfte. Deshalb entsteht die Flüssigkeit getaucht und mit einer Kraft F
eine resultierende Kraft Fres ins Innere der Flüs- herausgezogen. Dabei bildet sich zwischen den
sigkeit. Um Moleküle gegen diese Kraft an die Eckpunkten ABCD eine dünne Flüssigkeitshaut.
Oberfläche zu bringen, muss die Arbeit W ver- Werden die Kraft F , bei der die Flüssigkeitshaut
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 115

Andererseits errechnet man nach (2.190) für


die Vergrößerung der Oberflächenenergie

dWob D  dA D  .4 .r C dr/2  4 r 2 /


D  .4 r 2 C 8 rdr C 4 dr 2  4 r 2 /:

Weil dr 2  2rdr ist, kann der Ausdruck


4 dr 2 vernachlässigt werden und man erhält
dWob D  8 rdr.
Da die aufzuwendende Arbeit dWauf zur
Vergrößerung der Oberflächenenergie dWob
verwendet wurde, müssen beide gleich groß
sein, sodass also dWauf D dWob ist. Aus
Abb. 2.100 Zur Messung der Oberflächenspannung
p4 r 2 dr D  8 rdr folgt der Oberflächen-
druck
2
reißt, und der Weg s gemessen, so kann die pD : (2.192)
r
Oberflächenspannung berechnet werden. Es gilt
In diesem Beispiel ist
nach (2.190)
2  30  103
W Fs F pD N=m2 D 3;33 N=m2 :
D D D : (2.191) 1;8  102
A 2ls 2l
Aus (2.192) ist ersichtlich, dass der Druck
Hierbei ist 2l die gesamte Randlänge der Flüs- p mit abnehmendem Radius r größer wird.
sigkeitshaut an der Vorder- und Rückseite des Deshalb wird der höhere Druck der kleineren
Bügels. Aus (2.191) wird ersichtlich, dass die Seifenblase die größere Seifenblase aufblasen.
Oberflächenspannung als eine auf eine Randli- Dadurch wird die größere Seifenblase größer
nie bezogene Oberflächenkraft verstanden wer- und die kleinere kleiner werden; die größere
den kann. Seifenblase „schluckt“ also die kleinere.
Beispiel 2.12-2 Kapillarität
Es ist der Oberflächendruck p in einer Flüs- Bei der Berührung eines Flüssigkeitstropfens mit
sigkeitskugel (oder einer Gaskugel innerhalb einer festen Unterlage können gemäß Abb. 2.101
einer Flüssigkeit) bei bekannter Oberflächen- zwei Extremfälle auftreten:
spannung  und dem Kugelradius r zu bestim-
men ( D 30  103 N=m, r D 1;8 cm). Was  vollkommene Benetzung: Die Adhäsionskräfte
wird geschehen, wenn zwei Seifenblasen un- sind größer als die Kohäsionskräfte. Deshalb
terschiedlicher Radien miteinander verbunden wird sich die Flüssigkeit auf der Oberfläche
werden? des festen Körpers ausbreiten;
 unvollkommene Benetzung: Die Adhäsions-
Lösung kräfte sind wesentlich kleiner als die Kohä-
Wird der Kugelradius r um dr vergrößert, so sionskräfte. Deshalb wird sich die Flüssigkeit
wird auch die Oberfläche A um dA größer. So- tropfenförmig zusammenziehen.
mit gilt für die hierfür aufzuwendende Arbeit
Es wirken die Grenzflächenspannungen 13 zwi-
dWauf D F dr D pAdr D p4 r 2 dr: schen gasförmiger (1) und fester Phase (3), 12
116 2 Mechanik

Abb. 2.101 Benetzung

zwischen gasförmiger (1) und flüssiger (2) und Benetzungsvorgänge sind beispielsweise wichtig
für die Wirksamkeit von Waschmitteln, Herstel-
23 zwischen flüssiger (2) und fester Phase (3).
Der Winkel zwischen der festen Phase und der lung von Emulsionen oder bei der Schwimmauf-
bereitung von Erzen. Benetzungserscheinungen
Flüssigkeitsoberfläche ist ˛. Wie aus Abb. 2.101
hervorgeht, müssen die waagrechten Spannungs- spielen auch eine Rolle, wenn enge Röhrchen
komponenten gleich groß sein, damit sich die (Kapillaren) in Flüssigkeiten getaucht werden.
Flüssigkeit nicht verschiebt: Wie Abb. 2.101 zeigt, tritt der Fall ein, dass in
der Kapillare die Flüssigkeit um die Höhe h hö-
13 D 23 C 12 cos ˛ oder her (Kapillaraszension oder kapillare Hebung)
12 cos ˛ D 13  23 : (2.193) oder tiefer steht (Kapillardepression oder kapil-
lare Senkung). Diese Erscheinung wird allgemein
Hinsichtlich der Benetzung gilt: Kapillarität genannt.
Im Folgenden ist die Kapillaraszension (kapil-
0 5 ˛ 5  =2: vollkommene Benetzung (z. B. lare Hebung) von Interesse. Die von der Ober-
Wasser/Glas ˛  0ı ). flächenspannung  herrührende Kraft F und
 =2 < ˛ 5  : keine Benetzung (z. B. Quecksil- die Gewichtskraft der angehobenen Flüssigkeits-
ber/Glas ˛ D 140ı ). säule FG müssen gleich groß sein: F D FG .
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 117

Mit Ü 2-50 Die Wassermenge eines Teiches kann


F D  l D  2 r und durch einen Schieber abgelassen werden. Dieser
2
FG D mfl g D V%g D  r h%g hat eine Masse m D 120 kg, er ist h D 1;5 m
hoch und b D 2 m breit. Mit welcher Öffnungs-
ergibt sich kraft muss der Schieber zunächst betätigt werden,
wenn das Wasser bis zum oberen Schieberrand
2
 2 r D  r h%g: steht (Reibungszahl zwischen Führungsschiene
und Schieber  D 0;45)? Wie groß ist diese, nach-
Bei nicht vollständiger Benetzung ist die Steig- dem der Schieber 60 cm hochgezogen wurde?
höhe h vom Randwinkel ˛ abhängig, sodass  D
12 cos ˛ gesetzt werden muss. Dann ist Ü 2-51 Ein Wassertropfen mit dem Radius rW D
0;1 cm wird in Tröpfchen mit dem Radius rT D
12 cos ˛2 r D  r 2 h%g: 105 cm zerstäubt. Auf das Wievielfache erhöht
sich die Oberflächenenergie?
Somit gilt für die kapillare Steighöhe

212 cos ˛ 2.12.2 Fluide – strömende


hsteig D : (2.194) Flüssigkeiten (Hydrodynamik)
%gr
und Gase (Aerodynamik)
Diese Formel liefert für nicht benetzende Flüssig-
keiten . =2 < ˛ 5  / negative Steighöhen. Sie Strömende Flüssigkeiten und Gase sind Ge-
zeigt ferner, dass die kapillare Hebung bzw. Sen- genstand der Strömungsmechanik. Diese be-
kung umso größer ist, je kleiner der Radius der schreibt den Transport von Massen (Flüssig-
Kapillare ist. keiten oder Gasen) aufgrund der Schwerkraft
Die Kapillarwirkung ist für das Aufsteigen oder von Druckdifferenzen unter Berücksichti-
von Flüssigkeiten in allen porösen Körpern ver- gung der Molekülreibung. In der Hydrodynamik
antwortlich, beispielsweise in Pflanzenfasern, werden die inkompressiblen und in der Aerody-
Dochten oder Mauersteinen. namik die kompressiblen Strömungen untersucht.
Auch Gase sind näherungsweise inkompressibel,
2.12.1.7 Zur Übung wenn ihre Strömungsgeschwindigkeit höchstens
ein Drittel der Schallgeschwindigkeit beträgt. Die
Ü 2-48 In ein teilweise mit Wasser gefülltes U- Strömungsmechanik kann je nach Berücksichti-
Rohr mit der Querschnittsfläche A D 1 cm2 gung der molekularen Reibung in die Strömung
werden in einen Schenkel 4,8 g einer zwei- idealer Flüssigkeiten und Gase und in die Strö-
ten, wasserunlöslichen Flüssigkeit eingefüllt. Der mung realer Flüssigkeiten und Gase eingeteilt
Spiegel dieser Flüssigkeit liegt um den Abstand werden.
a D 1;2 cm über dem Wasserspiegel des anderen
Schenkels. Wie groß ist die Dichte % der Flüssig- 2.12.2.1 Strömungsfeld
keit? Die strömenden Masseteilchen weisen eine räum-
liche Geschwindigkeitsverteilung auf; es liegt
Ü 2-49 Eine Schiffsladung wird in einem ge- ein Strömungsfeld vor (zum Feldbegriff s. Ab-
schlossenen Hafendock gelöscht. Es passiert ein schn. 4.3.1). Das Strömungsfeld ist ein Vektor-
Unfall, bei dem die entladenen Güter ins Was- feld: Es beschreibt die Geschwindigkeitsvektoren
ser fallen, das Schiff durch einen umstürzenden der transportierten Masseteilchen an jedem Ort
Kran leck geschlagen wird und sinkt. Hebt oder für jeden Augenblick. Es kann ortsabhängig (in-
senkt sich der Wasserspiegel, a) wenn die Güter homogen) oder ortsunabhängig (homogen) und
in das Wasser fallen, b) wenn das Schiff unter- zeitabhängig (instationär) oder zeitunabhängig
geht? (stationär) sein. Abb. 2.102 zeigt die divergie-
118 2 Mechanik

Die Darstellung der Ursache des Massentrans-


ports durch eine Feldgröße, welche die Wechsel-
wirkung des Masseteilchens mit der Umgebung
beschreibt, ist ein allgemeines Konzept der Phy-
sik. Wie aus Abb. 2.103 hervorgeht, unterschei-
det sich die Beschreibung des Massentransports
als Folge des Gefälles (Gradienten) des Strö-
mungspotenzials mathematisch nicht von derje-
nigen des Wärmetransports bei einem Tempe-
raturgradienten oder des Ladungstransports bei
einem elektrischen Potenzialgradienten. Ist die
jeweilige Transportgröße (Masse, Wärmemenge,
Ladung) in einem abgegrenzten Raumteil kon-
stant, existieren in diesem Feldbereich also keine
Abb. 2.102 Stromlinien in einer Stromröhre
Quellen oder Senken der Transportgröße, so gilt
für die jeweilige Feldstärke E die Kontinuitäts-
gleichung, nämlich div E D 0, welche die
renden Feldlinien des Strömungsfeldes (Strom- Massenerhaltung, die Wärmeerhaltung oder die
linien) eines Diffusors. Die Tangenten an die Ladungserhaltung beschreibt. Die Verknüpfung
Stromlinien des Strömungsfeldes beschreiben in der Kontinuitätsgleichung mit der Felddefiniti-
jedem Raumpunkt die Richtung der Strömungs- onsgleichung führt in allen Fällen von Abb. 2.103
geschwindigkeit. Von den Stromlinien zu unter- zu einer gleichartigen Differenzialgleichung für
scheiden sind die Bahnlinien einer Strömung, die Potenzialfunktion ', die den räumlichen Ver-
welche die tatsächliche Bewegung der Masse- lauf des Geschwindigkeitspotenzials, der Tempe-
teilchen während der Strömung beschreiben. Die ratur oder des elektrischen Potenzials beschreibt.
Bahnlinien können durch Farbstoffe, Rauch- oder Für das jeweilige Transportproblem ist also die-
Schwebeteilchen (z. B. Bärlappsamen) sichtbar se Differenzialgleichung für die Potenzialfunk-
gemacht werden. Im instationären Zustand ändert tion, die sogenannte Laplace-Gleichung (P. L A -
sich das Stromlinienbild von Augenblick zu Au- PLACE , 1749 bis 1827), unter den geometrischen
genblick: Bis das Masseteilchen auf seiner Bahn Randbedingungen des Transportproblems zu lö-
einen Ort erreicht, hat sich die Geschwindigkeit sen:
an diesem Ort gegenüber dem vorhergehenden
@2 ' @2 ' @2 '
Augenblick schon geändert. Nur in stationären ' D C C D 0: (2.195)
Strömungsfeldern fallen Bahnlinien und Strom- @x 2 @y 2 @z 2
linien zusammen. Die Mathematik hat dafür in der Potenzialtheo-
Abb. 2.102 zeigt die Stromlinien in einem ge- rie eine Vielzahl an Lösungswegen und Lösungen
schlossenen Raumgebiet (Stromröhre). Je größer entwickelt. Experimentell kann die räumliche
die Anzahl der Stromlinien ist, die eine senk- Potenzialverteilung dreidimensional im elektro-
rechte Fläche durchströmen, desto höher ist die lytischen Trog gemäß Abb. (2.104) oder zwei-
Stromdichte durch diese Fläche. In Abb. 2.102 dimensional auf Leitfähigkeitspapier bestimmt
ist die Stromdichte durch die Fläche A1 höher als werden. Dazu werden die Geometrien der Trans-
durch die Fläche A2 . Strömen aus einer Strom- portwege als Elektroden in einem Elektrolyten
röhre mehr Teilchen heraus, als hineinfließen, (z. B. Wasser) bzw. auf Spezialpapier aufge-
dann befindet sich in der Stromröhre eine Quelle, zeichnet, durch das Anlegen einer elektrischen
im umgekehrten Falle eine Senke. Fließen gleich Spannung an die Elektroden die Randbedingun-
viele Teilchen aus der Stromröhre heraus wie gen festgelegt und der Verlauf der elektrischen
hineinfließen, so ist die Stromröhre quellen- und Spannung und damit das Potenzialfeld gemes-
senkenfrei. sen.
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik

Abb. 2.103 Vergleich der Felder in der Hydrodynamik mit den Feldern in der Wärmelehre und in der Elektrizitätslehre
119
120 2 Mechanik

stromdichte jW und die elektrische Stromdichte


jel berechnet werden.

2.12.2.2 Grundgleichungen idealer


(reibungsfreier) Strömungen
Ideale Gase sind Gase, deren Kohäsion vernach-
lässigbar klein ist, und ideale Flüssigkeiten sind
inkompressibel. Die Strömungen idealer Gase
und idealer Flüssigkeiten sind definitionsgemäß
reibungsfrei.

Kontinuitätsgleichung (Durchflussgleichung)
Für den Vektor der Massenstromdichte gilt nach
Abb. 2.103
Abb. 2.104 Elektrolytischer Trog (schematisch) j D %v: (2.196)
Im allgemeinen Fall wird weder die Strömungs-
geschwindigkeit v konstant sein (keine paralle-
le Stromlinien), noch die Fläche A senkrecht
durchströmt werden, wie aus Abb. 2.106 hervor-
geht. Der Anteil des Massenstroms dm,P der ein
kleines Flächenelement dA durchströmt, beträgt
(mit dem Winkel ˛ zwischen dem Strömungsge-
schwindigkeitsvektor v und dem Vektor dA des
Flächenelements, der senkrecht auf der Fläche
dA steht)

Abb. 2.105 Stromlinien bei plötzlicher Querschnittsver- dm


P D jj jjdAj cos ˛ D j dA: (2.197)
änderung (Auftreten eines Eckenwirbels)
Dies bedeutet: Der Anteil des Massestroms dm P
ist gleich dem Skalarprodukt aus der Masse-
Abb. 2.105 zeigt die Stromlinien eines Strö- stromdichte j und dem Flächenelement dA.
mungsfeldes bei einer plötzlichen Querschnitts- Durch Integration über die geschlossene Oberflä-
veränderung, wie man sie mittels eines automati- che ergibt sich der gesamte, durch die Oberfläche
schen Äquipotenziallinienschreibers (Abb. 4.54,
Abschn. 4.3.4) aufzeichnen kann. Werden die
Randbedingungen der Temperatur bzw. des
Drucks durch proportionale elektrische Spannun-
gen nachgebildet, so können im elektrolytischen
Trog auch Probleme des Massentransports (z. B.
Stauzonen) oder des Wärmetransports (z. B.
Wärmebrücken) analysiert werden.
Ist die Potenzialfunktion '.x; y; z/ ermittelt,
können durch Gradientenbidung die räumliche
Feldstärkeverteilung bestimmt und damit die zur
Feldstärke proportionalen Transportflussdichten,
nämlich die Massenstromdichte jH , die Wärme- Abb. 2.106 Zur Kontinuitätsgleichung
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 121

herrschenden Druck p1 die Arbeit W1 D


p1 V1 D p1 A1 s1 aufgebracht werden. Wegen
der Inkompressibilität der Flüssigkeit tritt bei A2
dann ein gleich großes Volumen V2 D V1 D
V aus und verrichtet die Arbeit W2 D p2 V2 D
p2 A2 s2 . Hat das Flüssigkeitsvolumen am Ort
Abb. 2.107 Konstanz des Volumenstroms in einer Strom- der Querschnittsfläche A1 die potenzielle Ener-
röhre (stationäre Strömung) gie %V1 gh1 und die kinetische Energie 21 %V v12
sowie bei A2 die potenzielle Energie %Vgh2
und die kinetische Energie 12 %V v22 , so gilt nach
des eingeschlossenen Volumens ein- und aus- dem Energieerhaltungssatz bei vernachlässigba-
tretende Massenstrom (analog zum elektrischen rer Reibung gemäß Abb. 2.108a
Fluss , (4.123) in Abschn. 4.3.6.1:  
1 2
dm
I I W D %V v1 C %Vgh1
P D
m D j dA D %vdA: (2.198) 2
dt 1 
O O  %V v22 C %Vgh2 :
2
Drei Fälle treten auf:
Mit W D p2 V  p1 V folgt daraus
Quelle: Das Integral ist > 0; 1 1
Senke: Das Integral ist < 0 und p1 C %v12 C%gh1 D p2 C %v22 C%gh2 (2.201)
2 2
Quellenfreiheit: Das Integral ist D 0.
oder allgemein
Quellen- bzw. Senkenfreiheit bedeutet, dass der 1 2
Massenstrom durch ein Volumenelement kon- p C %v C %gh
2
stant bleibt. Für eine solche stationäre Strömung „ƒ‚… „ƒ‚… „ƒ‚…
statischer dynamischer geodätischer
existiert eine Kontinuitätsgleichung; sie ergibt Druck Druck Druck
(Staudruck)
sich aus (2.198) für dm=dt D konstant durch In-
tegration zu D pges D konstant: (2.202)

Diese Gleichung wird nach ihrem Entdecker


mP D %1 v1 A1 D %2 v2 A2 D %vA D konstant:
Bernoulli-Gleichung genannt (D. B ERNOULLI,
(2.199)
1700 bis 1782). Sie besagt, dass an jedem Ort für
Bei inkompressiblen Flüssigkeiten ist die Dich-
eine Stromlinie die Summe aus statischem, geo-
te % konstant. Für diese und Gasströmun-
dätischem und dynamischem Druck (Staudruck)
gen mit vernachlässigbaren Druckunterschieden
konstant ist.
geht (2.199) in
Analog zur Energieerhaltung ist in
P
m Abb. 2.108b an der Seite die Druckerhaltung
VP D D Av D konstant (2.200) nach der Bernoulli-Gleichung aufgezeigt. Aus
%
Abb. 2.108a ist erkennbar, dass an Punkt 2
über. Der Volumenstrom VP , das Produkt aus wegen der größeren Fläche A2 die Durchström-
der Querschnittsfläche A und der Strömungs- geschwindigkeit v2 kleiner und damit auch die
geschwindigkeit v D ds=dt, ist entsprechend kinetische Energie bzw. der dynamische Druck
Abb. 2.107 konstant. 1 Zudem ist die Lage
geringer ist als in Punkt .
des Punktes 2 tiefer, sodass auch der geodäti-
Bernoulli-Gleichung sche Druck abnimmt. Da aber die Summe aller
Um ein Flüssigkeitsvolumen V1 D A1 s1 Drücke konstant sein muss, hat dies zur Fol-
durch die Querschnittsfläche A1 in die Strö- ge, dass der statische Druck p2 stark zunehmen
mungsröhre einzubringen, muss bei dem dort muss.
122 2 Mechanik

Abb. 2.108 Zur Bernoulli-Gleichung: a Stromröhre, b Druck- und Energieverlauf

Während der geodätische Druck %gh und Die Drucksonde misst durch radiale Öff-
der Betriebsdruck p bereits aus der Mecha- nungen im Mantel der Sonde (parallel zu den
nik der ruhenden Flüssigkeiten und Gase be- Stromlinien) den statischen Druck pstat . Bei den
kannt sind (hydrostatischer Druck, (2.178) in Drucksonden wird meist ein piezoelektrischer
Abschn. 2.12.1.4), tritt der dynamische Druck Drucksensor eingesetzt. Den statischen Druck
(Staudruck) nur in strömenden Medien auf. pstat und den Staudruck pdyn misst das Pitot-
Rohr (H. P ITOT, 1695 bis 1771), das eine
Anwendungen der Kontinuitäts- und der axiale Bohrung hat. Das Prandtl’sche Staurohr
Bernoulli-Gleichung (L. P RANDTL, 1875 bis 1953) ist eine Kombinati-
on von Drucksonde und Pitot-Rohr. Es misst den
Druck- und Volumenstrommessung Differenzdruck zwischen Gesamtdruck und stati-
Abb. 2.109 zeigt die Wirkungsweise von Druck- schem Druck, d. h. den dynamischen Druck bzw.
messern, deren Messgrößen sowie die Berech- den Staudruck pdyn direkt. Sind Druck und Dich-
nungsgleichungen. te konstant, dann eignet sich das Prandtl’sche
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 123

dyn
dyn

Summe aus statischem


Druck und Staudruck

= pstat + pdyn

Abb. 2.109 Messung des Drucks und des Volumenstroms

Staurohr auch zur Bestimmung der Strömungs- ment V


geschwindigkeit v. Für reibungsfreie Strömun-
gen ergibt sich aus (2.202) 1 1 WR WK
p1 C %1 v12 D p2 C %2 v22 C C :
2 2 V V
s (2.204)
2pdyn Die Kompressionsarbeit W K ist abhängig
vD : (2.203)
% vom Isentropenexponenten ~ D cp =cv (Ab-
schn. 3.3.4), bei inkompressiblen Medien aber
Mit dem Prandtl’schen Staurohr werden lokale vernachlässigbar. Die Reibungsverluste WR der
Strömungsgeschwindigkeiten ermittelt. Soll der Flüssigkeit oder des Gases an der Grenzschicht
Volumenstrom durch eine Querschnittsfläche A des Drosselgeräts können auch zur Entstehung
nach (2.200) berechnet werden, dann muss durch von Wirbeln führen. Die Verlustanteile in (2.204)
Ausmessen des Strömungsgeschwindigkeitspro- werden mit Hilfe der Expansionszahl " und der
fils über die Querschnittsfläche die mittlere Strö- Durchflusszahl ˛ auf die kinetische Energie der
mungsgeschwindigkeit abgeschätzt werden. Strömung im Drosselgerät bezogen:
Besser geeignet zur Volumenstrommessung v
sind die Drosselgeräte nach DIN EN ISO 5167, u
u WK
mit denen man direkt die mittlere Strömungsge- u
V ;
"Du t1  1 (2.205)
schwindigkeit vm misst. In Drosselgeräten wird
%2 v22
durch Düsen oder Blenden der Strömungsquer- 2
schnitt vermindert – Abb. 2.110 zeigt drei Aus-
v
u
u WR
führungen – und aus der Differenz der statischen u
˛Du V : (2.206)
Drücke vor und im Bereich der Drosselstelle t1  1
2
die mittlere Strömungsgeschwindigkeit berech- % v
2 2
2
net. Mit Berücksichtigung der Reibungsarbeit WR
und der Kompressionsverluste WK am Drossel- Werden (2.205) und (2.206) in (2.204) eingesetzt
gerät lautet die Beziehung für ein Volumenele- und die quadratischen Glieder der Verluste ver-
124 2 Mechanik

Abb. 2.110 Drosselgeräte nach DIN EN ISO 5167

nachlässigt, dann ergibt sich der Staudruck a b


 
1 2 2 2 1 2
%2 v2 D ˛ " p1  p2 C %1 v1
2 2

und mit (2.199) die Strömungsgeschwindigkeit


an der Drosselstelle:
v
u 2.p1  p2 / Abb. 2.111 Zum Torricelli’schen Ausflussgesetz
v2 D ˛"uu  2 : (2.207)
t %2 A2 2 2
%2 1  ˛ "
%1 A21 Gasströmungen liefern einen hohen, leicht mess-
baren Wirkdruck. Bei Blenden ist ˛" < 1 und
Somit beträgt der Volumenstrom stark strömungsabhängig.

VP D A2 v2 Ausfließen von Flüssigkeiten aus Gefäßen


v
u 2.p1  p2 / Ein mit Flüssigkeit gefülltes Gefäß entsprechend
D ˛"A2 u : (2.208)
u
t

%2 A22 2 2 Abb. 2.111 habe in der Höhe h unterhalb des
%2 1  ˛ " Flüssigkeitsspiegels ein Loch, das so klein ist,
%1 A21
dass der Flüssigkeitsspiegel beim Ausströmen
Das Korrekturfaktorprodukt ˛" ist abhängig von kaum sinkt .v1  v2 /. Für das Niveau 1 und das
der Drosselgerätebauweise und von der Stärke Niveau 2 ist der statische Druck gleich dem Luft-
des Volumenstroms. Es muss auf einer Eichstre- druck p0 . Nach der Bernoulli-Gleichung (2.202)
cke bestimmt werden; für Normdrosselgeräte ist gilt
˛" in DIN EN ISO 5167 tabelliert.
Das Venturi-Rohr wird häufig zur Bestim- %v 2 %v 2
%gh1 C 1 C p0 D %gh2 C 2 C p0 :
mung der Strömungsgeschwindigkeit in Flüssig- 2 2
keiten eingesetzt. Bei ihm ist in weiten Volu-
Daraus folgt
menstrombereichen ˛" D 1; allerdings ist beim p
v2 D 2gh: (2.209)
Venturi-Rohr, besonders bei der Messung von
Gasströmen, der Wirkdruck p1  p2 im Vergleich Die Ausflussgeschwindigkeit v2 ist gleich der
zu den anderen Drosselgeräten klein. Blenden in Geschwindigkeit des freien Falls irgendeines
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 125

Körpers (auch der Flüssigkeitssäule) aus der Hö-


he h (Abb. 2.111b). Dies wurde bereits von
E. T ORRICELLI (1608 bis 1647) festgestellt.
Nach (2.199) erhält man den Massenstrom aus
mP D %Av oder
p
P D %A 2gh:
m (2.210)

In der Praxis sind weit geringere Werte für die


Ausflussgeschwindigkeit v2 oder den Massen-
strom mP festzustellen. Dies ist auf zwei Einflüsse Abb. 2.112 Statischer und dynamischer Druck in Abhän-
zurückzuführen: gigkeit von der Geschwindigkeit (Bernoulli-Gleichung)

 Flüssigkeitsreibung: Die Flüssigkeitsreibung


wird durch die Geschwindigkeitsziffer ' be-
rücksichtigt (für Wasser beträgt '  0;97);
 Verengung des austretenden Strahls (Kontrak-
tion): Am Ausflussloch tritt eine Einschnü-
rung des austretenden Flüssigkeitsstrahls ein,
sodass sich der Ausflussquerschnitt verklei-
nert. Der Grad der Einschnürung wird durch
die Kontraktionszahl ˛ berücksichtigt, die von
der Ausflussform abhängt (für scharfkantige
Ausflussöffnungen ˛  0;61).

Das Produkt aus beiden Einflussgrößen ist die


Ausflusszahl Abb. 2.113 Prinzip des Zerstäubers
 D '˛: (2.211)
Mit der Ausflusszahl  müssen die Werte für sich der Betriebsdruck im Steigrohr vermin-
die Ausflussgeschwindigkeit v2 (2.209) und den dert. Der Luftdruck p0 wirkt auf die Flüssig-
Massenstrom m P (2.210) multipliziert werden, keit im Steigrohr, die im Luftstrahl zerstäubt
um realistische Ergebnisse zu erzielen (z. B. für wird.
Wasser bei scharfkantiger Ausflussöffnung  D  Wasserstrahlpumpe: Durch eine Düse wird der
'˛ D 0;59). Wasserstrahl eingeschnürt, sodass am Punkt
A in Abb. 2.114 eine höhere Strömungsge-
Saugeffekt von Strömungen schwindigkeit auftritt (höherer dynamischer
Wie Abb. 2.112 zeigt, nimmt (bei gleichblei- Druck). Der dadurch verminderte statische
bendem geodätischem Druck) mit zunehmender Druck bewirkt, dass Luftteilchen in der Um-
Strömungsgeschwindigkeit v der Betriebsdruck gebung angesaugt werden. Einen angeschlos-
p nach der Bernoulli-Gleichung ab. Dies führt zu senen Rezipienten kann man auf diese Weise
Saugeffekten bei Strömungen. leerpumpen. Die untere Grenze der Wirksam-
keit der Wasserstrahlpumpe wird durch den
 Zerstäuber: Durch ein waagrechtes Rohr Dampfdruck des Wassers gesetzt; bei Raum-
strömt Luft. Die Strömungsgeschwindigkeit temperatur liegt der Grenzwert bei p  2;7 
nimmt im Punkt A in Abb. 2.113 wegen der 103 Pa.
Einengung des Rohrs zu, sodass auch der dy-  Hydrodynamisches (aerodynamisches) Para-
namische Druck an der Stelle A zunimmt und doxon: Ein Flüssigkeits- oder Gasstrahl, der
126 2 Mechanik

Abb. 2.116 Magnus-Effekt

äußere Druck p0 die bewegliche Platte an


den Strahl presst. Dieser Effekt kann leicht
nachvollzogen werden, wenn ein spritzender
Gartenschlauch in einen sich füllenden Eimer
getaucht wird. Wird der Schlauch in Rich-
Abb. 2.114 Prinzip der Wasserstrahlpumpe
tung des Eimerbodens geführt, so wird er kurz
vor dem Boden direkt an den Eimerboden ge-
presst. Mit diesem Effekt ist auch erklärbar,
weshalb sich dicht nebeneinander fahrende
Fahrzeuge anziehen können.
 Magnus-Effekt: Rotiert ein Zylinder in einer
strömenden Flüssigkeit oder in Gas entspre-
chend Abb. 2.116, so nimmt die Strömungs-
geschwindigkeit an der Oberseite zu. Weil
dadurch der statische Druck an der Obersei-
te kleiner wird als an der Unterseite, erfährt
der Zylinder eine senkrecht zur Strömung
wirkende, Magnus-Effekt genannte Kraft F
(H. G. M AGNUS, 1802 bis 1870).

Beispiel 2.12-3
In einer Stahlflasche befindet sich Gas unter
dem Druck pGas . Der äußere Druck beträgt
p0 . Wie groß ist die Ausströmgeschwindigkeit
vaus beim Öffnen des Ventils?

Lösung
Abb. 2.115 Hydrodynamisches Paradoxon Nach der Bernoulli-Gleichung (2.202) gilt im
vorliegenden Fall pGas D %vaus 2
=2 C p0 . Dar-
aus ergibt sich das Ausströmgesetz nach Bun-
gemäß Abb. 2.115 gegen eine bewegliche sen:
Platte gerichtet ist, drückt diese nicht weg, s
sondern zieht sie an. Der statische Druck pstat 2.pGas  p0 /
vaus D : (2.212)
nimmt an der Plattenoberfläche ab, sodass der %
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 127

Strömungsimpuls a b
Geschwindigkeitsänderungen strömender Medi-
en bewirken Impulsänderungen, die nach dem
Impulssatz (Abschn. 2.5.2.1) Kräfte ergeben. Sol-
che Kräfte treten in der Strömungslehre vor allem
beim Verzögern oder Beschleunigen der Medien
sowie beim Umlenken auf. Der Impulssatz wird
im Folgenden auf reibungsfreie, inkompressible
Medien und stationäre Strömungen beschränkt.
Der Vorteil bei der Anwendung des Impulssat-
zes ist, dass nur die Strömungsverhältnisse beim
Eintritt in und Austritt aus dem Strömungsraum
bekannt sein müssen, um die Kraftwirkungen zu
bestimmen, nicht aber die Strömungsvorgänge im Abb. 2.117 Zum Impulssatz in der Hydrodynamik: Was-
serstrahl aus einer Düse a auf eine feststehende Platte,
Inneren des Strömungsraumes. Der Impulssatz b auf eine mit der Geschwindigkeit u bewegte Platte
lautet nach (2.50)
X dp
Fa D :  Abgrenzen des Systems (Strömungsraums)
dt
und Festlegen des Ein- und Austritts des Strö-
Darin ist der Impuls p D mv. Mit der Dichte mungsraums;
% D m=V kann für den Impuls in strömenden  Ermitteln der Querschnitte, der Strömungs-
Medien geschrieben werden geschwindigkeiten und Drücke am Ein- und
Austritt;
p D %V v: (2.213)  Bestimmen der äußeren Kräfte und der Im-
pulskräfte sowie
In inkompressiblen, stationären Strömungen sind  Ermitteln der resultierenden Kraft (grafisch
Dichte und Geschwindigkeit konstant. Dann gilt und analytisch).
für die Impulsänderung
Der Impulssatz spielt bei Wasserkraftmaschinen
dp dV wegen der Strahlablenkung eine wichtige Rolle.
D %v : (2.214)
dt dt Ein Strahl, der aus einer Düse austritt, wird an ei-
ner Wand so umgelenkt, dass er parallel zur Wand
Der Impulssatz für einen beliebigen Strömungs- abströmt. Wird der Strahl wie in Abb. 2.117 senk-
raum lautet damit recht auf eine Platte gerichtet, so gilt für die
X X dV Kraft in x-Richtung Fx D %vdV =dt und wegen
Fa D %v : (2.215) dV =dt D Av
dt
P Fx D %v 2 A: (2.216)
Fa äußere Kräfte, die an den Grenzen des
Strömungsraums von außen angreifen Bewegt sich die Wand mit der Geschwindigkeit
(z. B. Druck- oder Schwerekräfte), u in Strahlrichtung, dann nimmt die Kraft ab
P dV
%v Impulskräfte, die an den Grenzen des (Abb. 2.117b):
dt
Strömungsraums nach außen wirken.
Fx D %A.v  u/2 : (2.217)
Das Vorzeichen ist beim Eintritt in den Strö-
mungsraum positiv und beim Verlassen negativ. Je nach Form der Wand und Auftreffwinkel des
Bei der Anwendung des Impulssatzes ist folgen- Strahls ergeben sich unterschiedliche Kräfte bzw.
de Vorgehensweise zweckmäßig: Drehmomente.
128 2 Mechanik

a  d 2
Druckkraft Fp1 D p1 A D p1 ,
4
dV
Impulskraft FI1 D %v D %Av 2 D
dt
 d 2
%v 2 .
4
2 (gegen die Strömungs-
Kräfte am Austritt
richtung):

 d 2
Druckkraft Fp2 D p2 A D p2 ;
4
 d 2
Impulskraft FI2 D %v 2 :
4
Nach dem Kräftedreieck in Abb. 2.118b ist
˛ Fres 1
sin D 2
:
2 2  d  d 2
%v 2 C p1
4 4

b
Daraus folgt

 d 2 ˛
Fres D .p1 C %v 2 / sin : (2.218)
2 2
Man erhält mit v D 4VP =d 2   D 25;46 m=s,
% D 103 kg=m3 und ˛ D 90ı

Fres D 12;76 kN:


Abb. 2.118 Beispiel 2.12-4 Kräfte in einem durchström-
ten Rohrkrümmer Die Kraft FSchr auf die Flanschschrauben ist
gleich der Summe aus der Druckkraft Fp und
der Impulskraft FI :
Beispiel 2.12-4
Ein Rohrkrümmer von 90ı hat einen Durch-  d 2
FSchr D Fp1 C FI1 D .p1 C %v 2 /
messer (Nennweite) d D 10 cm. Bei einem 4
äußeren Druck p D 5  105 Pa fließen VP D D 9;0 kN:
0;2 m3 =s Wasser hindurch. Der Krümmer ist
am Eintritt und am Austritt an ein gera- Strömungs-Drehimpuls
des Rohrstück angeflanscht. Berechnet wer- Ein Masseteilchen dm, das sich gemäß
den sollen die resultierende Kraft Fres auf den Abb. 2.119 im Abstand r von einem Bezugspunkt
Krümmer und die Kraft FSchr auf die Flansch- D mit der Geschwindigkeit v bewegt, besitzt be-
schrauben entsprechend Abb. 2.118. züglich D den Drehimpuls

dL D dmr  v:
Lösung
Die Geschwindigkeiten am Ein- und Austritt Mit der Umfangsgeschwindigkeit vu gilt für den
sind v1 D v2 D v. Betrag des Drehimpulses
Kräfte am Eintritt
1 (in Strömungsrich-
tung): dL D dmrvu :
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 129

moment M1 . Es ergibt sich aus der Änderung des


Drehimpulses L.
Maßgebend sind die Komponenten der
Geschwindigkeiten in Umfangsrichtung vu2
bzw. vu1 . Nach (2.219) ist

dV
M D% .vu2 r2  vu1 r1 /: (2.220)
dt
Bei Pumpen ist das feststehende Leitrad dem
Laufrad zur Druckerhöhung nachgeschaltet. Des-
halb sind die Komponenten der Umfangsge-
schwindigkeiten vu2 kleiner als vu1 , sodass
nach (2.220) ein verzögerndes Moment auftritt.
In Abb. 2.121 sind die Strömungsverhältnis-
Abb. 2.119 Zum Drehimpulssatz se für radiale Laufräder in Turbinen und Pumpen
vergleichend gegenübergestellt. Hierin sind

Nach dem Drehimpulssatz (2.103) ist die zeitli- u Umfangsgeschwindigkeit am Laufrad (u D


che Änderung des Drehimpulses mit einem auf- !r),
tretenden Moment verknüpft: v relative Strömungsgeschwindigkeit des Medi-
ums,
M D mrvP u: (2.219) c absolute Strömungsgeschwindigkeit des Flui-
dums, bezogen auf die ruhende Umgebung,
Das in einer Turbine dem Laufrad vorgeschalte- cm Mediankomponente von c,
te Leitrad in Abb. 2.120 steht fest. In ihm wird cu Umfangskomponente von c.
die Strömung von der Geschwindigkeit v1 auf
die Geschwindigkeit v2 beschleunigt. Das auf die Für die Berechnung des Drehmomentes M ist die
Leitschaufeln ausgeübte Drehmoment M ist die absolute Strömungsgeschwindigkeit am Umfang
Differenz aus Austrittsmoment M2 und Eintritts- cu von Bedeutung. Aus dem Geschwindigkeits-
diagramm am Eintritt bzw. am Austritt lässt sich
durch Messen der Umlaufgeschwindigkeit u des
Laufrades und der relativen Strömungsgeschwin-
digkeit v des Mediums über Vektoraddition die
absolute Strömungsgeschwindigkeit c D u C v
ermitteln. Diese lässt sich in eine Komponente,
die in die Mitte weist (Mediankomponente cm )
und eine Komponente, die am Umfang angreift
(cu ), zerlegen. Daraus ergibt sich nach (2.220) das
Drehmoment für eine Turbine:
dV
M D% .cu1 r1  cu2 r2 /: (2.221)
dt
Bei Pumpen werden die Indizes im Klammer-
ausdruck vertauscht. Die Leistung des Laufrades
kann aus P D M! ermittelt oder aus der Fall-
Abb. 2.120 Turbinenleitrad, schematisch
höhe HF der Turbine und dem Volumenstrom
130

Abb. 2.121 Strömungsverhältnisse in den Laufrädern von Turbinen und Pumpen


2 Mechanik
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 131

dV =dt errechnet werden: 2.12.2.3 Zur Übung


dV
P D M! D %gHF : (2.222)
dt Ü 2-52 Zur Messung des Volumenstroms in ei-
Wird diese Gleichung nach der Fallhöhe HF um- ner horizontalen Wasserzuführung (% D 1 kg=
gestellt und für M (2.221) eingesetzt (! D v=r), dm3 ) mit einem Rohrdurchmesser dR D 10 cm
dann ergibt sich die Euler’sche Gleichung für die wird ein Venturi-Rohr eingebaut, das an einer
Turbine: Verengung einen Durchmesser dV D 7;5 cm auf-
1 weist. Es wird ein Volumenstrom VP D 2 l=s
HF D .cu1 u1  cu2 u2 /: (2.223)
g gemessen. Welcher Druckunterschied wird ange-
zeigt (˛" D 1)?
(Für Pumpen werden die Indizes in dem Klam-
merausdruck vertauscht.) Als Folge von Ver- Ü 2-53 Durch ein Rohr mit einem Durchmes-
lusten wird die wirkliche Fallhöhe HF;real einer ser d D 40 mm fließt bei einem Druck p1 D
Turbine kleiner, die wirkliche Förderhöhe HF;real 3  105 Pa Wasser mit einer Geschwindigkeit v D
einer Pumpe größer sein, als sich aus (2.223) er- 4 m=s. Welcher Druck entsteht, wenn der Rohr-
gibt. durchmesser an einer Stelle wegen Verkalkung
Ist eine Strömung drehimpulsfrei, gilt für die nur noch 65 % des ursprünglichen Durchmessers
Turbine cu2 D 0, für die Pumpe cu1 D 0. Für die beträgt?
Fallhöhe HFT einer Turbine bzw. die Förderhöhe
HFP einer Pumpe ergibt sich dann Ü 2-54 Ein Behälter ist immer mit Wasser bis
1 zur Höhe h D 4 m gefüllt. An der Seite ist
HFT D cu1 u1 bzw: h0 D 4 cm vom Boden entfernt eine Ausström-
g
öffnung mit einem Durchmesser d D 2 cm
1
HFP D cu2 u2 : (2.224) angebracht. Welcher Wasserstrom fließt aus der
g
Öffnung, wenn a) keine Reibung berücksichtigt
wird, b) die Geschwindigkeitsziffer ' D 0;97
Beispiel 2.12-5 und die Kontraktionszahl ˛ D 0;82 ist sowie c)
Eine Förderpumpe (Radialkreiselpumpe) hat zusätzlich zu a) ein Überdruck p D 2  105 Pa
einen Laufraddurchmesser d D 250 mm und wirkt?
läuft mit einer Drehzahl n D 2950 min1 . Die
absolute Austrittsgeschwindigkeit ist c2 D Ü 2-55 In einem Wasserkraftwerk steht eine Tur-
35 m=s, und der Winkel zwischen c2 und bine, die einen Volumenstrom VP D 10 m3 =s ver-
der Umfangsgeschwindigkeit u2 beträgt 30ı . arbeitet. Die Druckleitung hat einen Durchmesser
Berechnet werden soll die Förderhöhe bei d D 1;2 m und einen Druck p D 6  105 Pa. Be-
drehimpulsfreier Strömung (unter Vernachläs- rechnet werden sollen a) die Geschwindigkeit des
sigung der Reibung). Wassers im Druckrohr, b) die Geschwindigkeit
des austretenden Wasserstrahls, wenn der Druck
Lösung an der Düsenöffnung noch p D 1;1  105 Pa be-
Nach (2.224) gilt für die Förderhöhe bei dreh- trägt und c) die Höhendifferenz zwischen Turbine
impulsfreier Anströmung und Oberfläche des Sees, aus dem das Wasser in
1 die Turbine fließt.
HFP D cu2 u2 :
g
Ü 2-56 Ein Prandtl-Rohr ist mit Alkohol gefüllt
Es ist u2 D !r2 D 2   n  r2 und cu2 D (% D 0;9 kg=dm3) und wird in ein Flugzeug
c2  cos.30ı /; somit erhält man eingebaut. Es zeigt eine Höhendifferenz h D
20 cm. Wie groß ist die Flugzeuggeschwindig-
1 ı keit, wenn die Dichte der Luft 1;27 kg=m3 be-
HFP D c2  cos.30 /2 nr2 D 119;3 m:
g trägt?
132 2 Mechanik

Abb. 2.122 Zum Newton’schen Reibungsgesetz: a lineares Geschwindigkeitsgefälle, b Abgleiten der Flüssigkeits-
schichten

2.12.2.4 Strömungen realer Flüssigkeiten schwindigkeit v parallel zur ruhenden Wand zu


und Gase verschieben, ist proportional zur Fläche A und
zum Geschwindigkeitsgefälle dv=dx:
Laminare Strömung und innere Reibung
In diesem Abschnitt werden, wie im vorigen, die dv
FR D A : (2.225)
inkompressiblen Flüssigkeiten und Gase unter dx
dem Begriff Fluide zusammengefasst. Zwischen
Mit FR =A als der Schubspannung  gilt auch
den Molekülen eines Fluidums wirken Kohäsi-
onskräfte (Abschn. 2.12.1.6). Aus diesem Grund dv
treten bei der Strömung zwischenmolekulare Rei-  D : (2.226)
dx
bungskräfte auf, deren Wirkung innere Reibung
genannt wird. Dieses Gesetz wird nach seinem Entdecker New-
Zwischen zwei Platten der Dicke d befinde ton’sches Reibungsgesetz genannt. Der Propor-
sich eine Flüssigkeit, wie Abb. 2.122a zeigt. Die tionalitätsfaktor  ist die dynamische Viskosität
2
untere Platte 1 ist in Ruhe (v D 0), während die (Zähigkeit). Sie hat die Einheit N s=m D Pa s
obere Platte 2 mit der konstanten Geschwindig- (Pascalsekunde).
keit v D v0 nach rechts bewegt wird. Da somit Der Kehrwert der dynamischen Viskosität  ist
die obere Flüssigkeitsschicht die Geschwindig- die Fluidität:
1
keit v0 hat und die untere keine Geschwindig- 'D (2.227)

keit aufweist, entsteht in der Flüssigkeitsschicht
ein Geschwindigkeitsgefälle 0 5 v 5 v0 . Da mit der Einheit m2 =.N s/. Das Verhältnis der
dieses nicht, wie in Abb. 2.122a gezeichnet, li- dynamischen Viskosität  zur Dichte % des Me-
near zu sein braucht, wird ein differenzielles diums wird als kinematische Zähigkeit  bezeich-
Geschwindigkeitsgefälle dv=dx definiert. Gleiten net:

die einzelnen Flüssigkeitsschichten (Lamina- D I (2.228)
%
te) mit verschiedenen Geschwindigkeiten über-
einander hinweg, ohne sich zu vermischen ihre Einheit ist m2 =s. Die dynamische Viskosi-
(Abb. 2.122), wird diese Strömung als laminare tät  ist ein Materialwert, der stark temperatur-
Strömung bezeichnet. und druckabhängig ist. Die Temperaturabhängig-
Das durch die Reibung verursachte Überein- keit kann näherungsweise mit
andergleiten der Flüssigkeitsschichten kann auch
b
bei einem durch eine Scherkraft verschobenen  D Ae T (2.229)
Papierstoß beobachtet werden, wobei die einzel-
nen Papierbögen die Flüssigkeitsschichten sind. beschrieben werden. Hierbei sind A und b em-
Die Reibungskraft FR , die notwendig ist, um pirisch ermittelte Konstanten. Die dynamische
eine Platte der Fläche A mit der konstanten Ge- Viskosität von Gasen ist sehr viel geringer als
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 133

die von Flüssigkeiten, unabhängig vom Gasdruck


und nimmt mit steigender Temperatur proportio-
nal zur steigenden mittleren Geschwindigkeit der
Gasmoleküle zu.
Stoffe, für die das Newton’sche Reibungsge-
setz (2.226) nicht gilt, wie beispielsweise für
Fette, werden nichtnewton’sche Substanzen ge-
nannt. Sie sind Sonderfälle, für die alle folgenden
Überlegungen nicht gelten.

Anwendung des Reibungsgesetzes

Laminare Rohrströmung
Bei einer laminaren Strömung durch ein Rohr
haftet die Flüssigkeit am Rand und bewegt sich
in der Mitte am schnellsten. Die Strömung kann
zusammengesetzt gedacht werden aus dünnen
Hohlzylindern, die reibungsbehaftet aneinander
vorbeigleiten. Abb. 2.123 zeigt die Geschwin-
digkeitsverteilung in einer Rohrströmung. Ein Abb. 2.123 Laminare Rohrströmung nach dem Hagen-
Flüssigkeitszylinder mit dem Radius r gleitet Poiseuille’schen Gesetz
am angrenzenden Hohlzylinder (rot) ab. An der
Grenzfläche ist die Druckkraft Fp gleich der Rei-
Hagen-Poiseuille’sche Gesetz (G. H AGEN, 1797
bungskraft FR : Fp D FR . Aus
bis 1884; J. L. M. P OISEUILLE, 1799 bis 1869):
dv p1  p2 2
.p1  p2 / r 2 D A bzw: v.r/ D .R  r 2 /: (2.230)
dr 4l
dv
.p1  p2 / r 2 D 2 rl
dr Gleichung (2.230) beschreibt einen parabelför-
migen Verlauf der Geschwindigkeit in Abhängig-
ergibt sich keit vom Radius. Der Massenstrom dm P errech-
net sich nach (2.198) aus dmP D %v.r/dA D
2l 2 %v.r/r dr. Wird v.r/ nach dem Hagen-
rdr D  dv:
.p1  p2 / Poisseuille’schen Gesetz eingesetzt und inte-
griert, dann resultiert
Durch Integration wird daraus
ZR
4l dm % .p1  p2 / 2
2
r D v C C: P D
m D .R  r 2 /rdr
.p1  p2 / dt 2l
0

Mit der Randbedingung, dass bei r D R die Strö- oder


mungsgeschwindigkeit v D 0 ist, erhält man die % R4 .p1  p2 /
Integrationskonstante C D R2 und es gilt P D
m : (2.231)
8l
4l P D %VP ergibt sich der Volumenstrom VP des
Mit m
r2 D  v C R2 : Durchflusses durch das Rohr:
.p1  p2 /

Wird diese Gleichung nach der Strömungsge-  R4 .p1  p2 /


VP D : (2.232)
schwindigkeit v aufgelöst, so ergibt sich das 8l
134 2 Mechanik

Diese Gleichung zeigt, dass der Volumenstrom


bzw. der Massenstrom durch Vergrößerung des
Radius (VP  R4 ) wesentlich mehr gesteigert
werden kann als durch die Erhöhung der Druck-
differenz (VP  .p1  p2 /). Beispielsweise wird
bei der Verdoppelung des Rohrradius R das
Durchflussvolumen 16-mal größer. Ferner folgt
aus dieser Gleichung, dass bei konstantem Quer-
schnitt A der Druckabfall .p1  p2 / proportional
zur Rohrlänge l ist:

.p1  p2 /  l: (2.233)

Aus der Bedingung, dass die Reibungskraft FR


gleich der an den Rohrenden wirkenden Druck-
kraft Fp ist, lässt sich die Reibungskraft

FR D Fp D .p1  p2 /A D .p1  p2 / R2 Abb. 2.124 Höppler-Kugelfallviskosimeter. Werkfoto:


Haake

bestimmen. Wird p1  p2 aus (2.232) eingesetzt,


so ergibt sich 41 % des ursprünglichen Warmwasserstroms
erhalten.
VP
FR D 8l :
R2 Laminare Umströmung
Durch eine ähnliche Rechnung wie für das
Der Volumenstrom VP hängt über die Beziehung Hagen-Poiseuille’sche Gesetz ergibt sich für
VP D  R2 vm mit der mittleren Strömungsge- die Reibungskraft bei der laminaren Umströ-
schwindigkeit vm zusammen, sodass für die Rei- mung einer Kugel das Stokes’sche Reibungsge-
bungskraft FR gilt setz (C. G. S TOKES, 1819 bis 1903):

FR D 8 lvm : (2.234) FR D 6 rv (2.235)

Beispiel 2.12-6 mit v als der Relativgeschwindigkeit zwischen


In einem Warmwasserrohr verringert sich in- Kugel und Flüssigkeit und r als dem Radius der
folge von Kalkablagerungen der Rohrdurch- Kugel.
messer um 20 %. Berechnet werden soll die Durch Bestimmung der Sinkgeschwindig-
prozentuale Änderung des Massenstroms m.
P keit v einer Kugel in einem Rohr konstan-
ten Querschnitts kann die dynamische Visko-
Lösung sität  bestimmt werden. Abb. 2.124 zeigt
Nach (2.231) verhält sich das in der Praxis weit verbreitete Höppler-
Kugelfallviskosimeter. Die Reibungskraft FR er-
P Kalk
m R4 0;84 rechnet sich aus der Differenz zwischen der Ge-
D Kalk D D 0;41: wichtskraft FG und der Auftriebskraft FA zu
mP0 R04 14
FR D FG  FA . Aus
Bei dieser Verringerung des Rohrdurchmes-
sers durch Verkalken bleiben also nur noch 6 rv D %K VK g  %Fl VFl g
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 135

folgen mit dem Kugelvolumen VK D 43  r 3 parallel verlaufen, ändern sich in der turbulenten
Strömung die Geschwindigkeitsvektoren ständig
2gr 2 .%K  %Fl / nach Richtung und Größe. Streng genommen ist
vD und (2.236)
9 eine turbulente Strömung deshalb immer insta-
2gr 2 .%K  %Fl / tionär. Als stationär wird sie angesehen, wenn die
D : (2.237) über den Querschnitt gemittelte Geschwindigkeit
9v
von der Zeit unabhängig ist.
Bernoulli-Gleichung bei Newton’scher Eine Wirbelbildung tritt auf, wenn sich die
Reibung Flüssigkeitsschichten ablösen. Die Entstehung
Die Reibungskraft verursacht in der Stromröhre von Wirbeln kann modellmäßig erklärt werden.
(Abb. 2.102) einen Druckverlust pV und vermin- Abb. 2.125a zeigt den reibungsfreien Idealfall.
dert dadurch die Druckdifferenz p1  p2 . Wird Während an den Punkten A und C die Strö-
die Bernoulli-Gleichung (2.201) um den Druck- mungsgeschwindigkeit v D 0 und deshalb nach
verlust erweitert, so ergibt sich der Bernoulli-Gleichung der statische Druck ma-
ximal ist, wird an den Punkten B und D die
%v12 %v 2 Geschwindigkeit am größten (v D vmax ) und des-
%gh1 C C p1 D %gh2 C 2 C p2 C pV :
2 2 halb der Druck am geringsten. Ohne Wirkung
(2.238) einer Reibungskraft werden die Flüssigkeitsteil-
chen von A nach B beschleunigt und durch die
In der Praxis wird der Druckverlust oft als Ver-
zunehmende Druckkraft von B nach C auf v D
lusthöhe hV angegeben:
0 wieder abgebremst; Entsprechendes gilt für
den Weg ADC. Unter der Wirkung von Rei-
pV D %ghV : (2.239)
bungskräften werden die Flüssigkeitsteilchen vor
dem Punkt C zur Ruhe kommen. Die Reibungs-
Die Verlusthöhe hV ist diejenige Höhe, um die
kraft wird sie zwingen, ihre Richtung zu ändern.
der Zufluss angehoben werden muss, um am Aus-
Dadurch treten Wirbel auf, die nach dem Dre-
fluss aus der Stromröhre denselben Druck wie im
himpulserhaltungssatz (Abschn. 2.8.4) paarweise
reibungsfreien Fall zu erzeugen.
auftreten (Abb. 2.125b).
Für die Verlusthöhe hV in geraden Rohrleitun-
Die Widerstandskraft FW setzt sich aus
gen mit konstantem Querschnitt gilt das Rohrwi-
zwei Anteilen zusammen. Dies verdeutlicht
derstandsgesetz
Abb. 2.126.
l v2
hV D  : (2.240)  Reibungswiderstandskraft FR (z. B. längs ei-
d 2g
ner überströmten Platte, Abb. 2.126a). Dies ist
Hierin sind die bei der Strömung wirkende Reibungskraft.
Nach einer bestimmten „Lauflänge“ entlang
l Länge der Rohrleitung, der Platte wird die Grenzschicht der Strö-
d Durchmesser des Rohres, mung turbulent. Der Umschlag in Turbulenz
v Strömungsgeschwindigkeit, hängt von der Form der Plattenvorderkante,
g D 9;81 m=s2 Fallbeschleunigung. aber auch von der Rauigkeit der Oberfläche ab.
 Druckwiderstandskraft FD (z. B. quer ange-
Der dimensionslose Proportionalitätsfaktor  ist strömte Platte, Abb. 2.126b). Beispielsweise
die Rohrreibungszahl. Sie ist stark abhängig von bilden sich auf der Rückseite einer quer ange-
der Oberflächenrauigkeit und der Reynoldszahl. strömten Platte Wirbel, in denen sich die Flüs-
sigkeitsteilchen sehr schnell bewegen. Nach
Umströmen von Körpern der Bernoulli-Gleichung hat dies einen ver-
Während bei der laminaren Strömung die Ge- minderten statischen Druck zur Folge. Da-
schwindigkeitsvektoren der Flüssigkeitsteilchen durch entsteht eine Druckdifferenz vor und
136 2 Mechanik

a b

Abb. 2.125 Umströmung von zylindrischen Körpern

Abb. 2.126 Widerstände bei Strömungen

hinter der Platte. Die dieser Druckdifferenz Sie nimmt quadratisch mit der Strömungsge-
entsprechende Kraft ist die Druckwiderstands- schwindigkeit zu.
kraft. Sie tritt auch bei Umlenkungen und Der Proportionalitätsfaktor cW in (2.242) ist
Querschnittsveränderungen auf. Sie ist pro- dimensionslos und wird Widerstandsbeiwert ge-
portional zum Staudruck und zur angeström- nannt. Man misst ihn experimentell im Wind-
ten Stirnfläche A, d. h. dem in Strömungsrich- kanal, und er ist nur bei Vernachlässigung der
tung wirkenden Profil: Reibungswiderstandskraft konstant, d. h. bei ho-
% hen Anströmgeschwindigkeiten. Abb. 2.127 zeigt
FD D cD v 2 A: (2.241) einen Pkw im Strömungskanal. In Abb. 2.128
2
sind einige Widerstandsbeiwerte cW für un-
cD ist der Druckwiderstandsbeiwert. Für den ge- terschiedliche Anströmgeometrien zusammenge-
samten Widerstand (Abb. 2.126c) ergibt sich die stellt. Ein Körper in Stromlinienform mit cW D
Widerstandskraft aus 0;055 zeigt den geringsten Widerstandsbeiwert.
% Diese Geometrie hat die Besonderheit, dass der
FW D FR C FD D cw Av 2 : (2.242)
2 Druckabfall entlang des Körpers so langsam
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 137

Abb. 2.127 PKW (Audi A6) mit dem Widerstandsbeiwert cW D 0;30 im Windkanal. Werkfoto: Audi

stattfindet, dass keine Wirbel auftreten können. nes umströmten Profils zeigt, bildet sich zunächst
In der Praxis würden bei Fahrzeugen dadurch al- eine laminare Grenzschicht aus. In diesem Be-
lerdings sehr lange Heckteile notwendig werden. reich werden die Teilchen beschleunigt. Bei der
Um sie zu verkürzen und trotzdem günstige cW - weiteren Strömung entlang der Platte nimmt der
Werte zu erreichen, wird das Strömungsprofil nur Strömungsdruck zu, sodass wegen der jetzt be-
schwach verjüngt und dann plötzlich senkrecht ginnenden Verzögerung der strömenden Teilchen
mit einer Abrisskante begrenzt. Die störende Rei- eine Wirbelbildung einsetzt. Es entsteht auf ei-
bungswirkung von Wirbeln kann auch dadurch ner laminaren Grenzschicht eine turbulente Strö-
gemildert werden, dass die Wirbel durch Schlitze mung.
an der Oberfläche abgesaugt werden. Die Leis- Der Begriff Grenzschicht wurde von
tung, die gegen eine turbulente Strömung aufge- L. P RANDTL (1875 bis 1957) in die Strömungs-
bracht werden muss, errechnet sich wegen P D lehre eingeführt. Die Grenzschichtdicke Dl der
F v zu laminaren Strömung nimmt mit p zunehmender
% Länge des Profils proportional zu l zu. Sie ist
P D cW Av 3 : (2.243) umso dünner, je kleiner die Viskosität ist. Die
2
Grenzschichtdicke Dl kann folgendermaßen ab-
Die Strömungsleistung nimmt also mit der dritten geschätzt werden:
Potenz der Anströmgeschwindigkeit zu. (Bei der Wird eine Platte der Fläche A und der Län-
Verdopplung der Anströmgeschwindigkeit z. B. ge l mit der konstanten Geschwindigkeit v durch
verachtfacht sich die Strömungsleistung.) eine Flüssigkeitsschicht gezogen, dann muss
Bei der Umströmung von Körpern bildet sich nach (2.225) die Reibungskraft
eine Grenzschicht D aus, innerhalb der die Strö-
mungsgeschwindigkeit von v D 0 auf den vollen v
FR D 2A
Wert ansteigt. Wie Abb. 2.129 am Beispiel ei- Dl
138 2 Mechanik

Für die Grenzschichtdicke Dl ergibt sich daraus:


s r
l l
Dl  2 D 2 : (2.244)
%v v

Für die turbulente Strömung sind die Vorgänge


wegen der Wirbelbildung komplizierter. Glei-
chungen zur Berechnung der Dicke der Grenz-
schicht einer laminaren Strömung D1 und der
einer turbulenten Strömung Dt sind für eine ebe-
ne Platte in Abb. 2.129 aufgeführt.

Ähnlichkeitsgesetze
Um Vorgänge der Strömungsmechanik im Labor-
maßstab studieren und um strömungsmechani-
sche Anlagen, z. B. Wasserkraftwerke, entwerfen
zu können, werden im verkleinerten Maßstab
Modelle angefertigt. Damit man richtige Aussa-
gen erhält, muss das Modell dem Original ähnlich
sein. Wie Abb. 2.130 zeigt, muss für strömungs-
mechanische Modelle Ähnlichkeit in zwei Berei-
chen vorliegen:

 Geometrische Ähnlichkeit: Modell und Origi-


nal müssen in ihren geometrischen Abmes-
sungen proportional sein (Länge, Fläche und
Volumen). Ein besonderes Problem ist die Ab-
Abb. 2.128 Widerstandsbeiwerte unterschiedlicher Kör- bildung der Oberflächenrauigkeit;
per  hydromechanische Ähnlichkeit: Modell und
Original müssen in ihren hydromechanischen
Eigenschaften proportional sein (Geschwin-
aufgebracht werden. Die zu beiden Seiten der
digkeit, Beschleunigung, Kraft, Dichte, Visko-
Platte mitgenommene Flüssigkeit der Masse
sität und kinematische Zähigkeit).
m  2ADl %
Nach O. R EYNOLDS (1842 bis 1912) ist die
hydrodynamische Ähnlichkeit erreicht, wenn ei-
bewegt sich im Mittel mit der halben Geschwin-
ne dimensionslose Zahl, die nach ihm benannte
digkeit der Platte und erfährt in der Zeitspanne
Reynoldszahl Re, von Original und Modell über-
t D l=v einen Impulszuwachs von
einstimmen.
v v
p D m  2ADl % : Reynoldszahl Re
2 2
Die Reynoldszahl lässt sich anschaulich aus den
Nach dem Newton’schen Grundgesetz (2.24) gilt Geschwindigkeitsverhältnissen zweier umström-
ter ähnlicher Körper nach Abb. 2.131 herleiten.
p v 2ADl %v=2 Körper A hat die Dicke LA und eine Grenz-
FR D D 2A  :
t Dl l=v schichtdicke von DA . Wird der Körper A um
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 139

Abb. 2.129 Laminare und turbulente Grenzschichtbildung bei der Umströmung von Körpern

Abb. 2.131 Strömungsverhältnisse um ähnliche Körper

Abb. 2.130 Geometrische und hydromechanische Ähn-


lichkeit
140 2 Mechanik

einen konstanten geometrischen Faktor verklei- Tab. 2.10 Kritische Reynoldszahl Rekrit sowie Rohrrei-
nert, dann entsteht eine entsprechende Geometrie bungszahl  bzw. Widerstandsbeiwert cW (bei Re 
Rekrit ) für verschiedene Strömungsgeometrien
für den Körper B.
Wegen der Kontinuitätsgleichung (2.199) blei- Rekrit I cW
64
ben die Geschwindigkeitsverhältnisse gleich, kreisrundes Rohr 2320 D
Re
wenn gilt: vA0 =vA D vB0 =vB . Damit ändern
24
sich auch die Verhältnisse der anderen Grö- Kugel 1;7  105 bis cW D
4  105 Re
ßen entsprechend, sodass für die Grenzschichtdi-
cken D und die charakteristischen Längen L gilt: 1;328
Platte 3;2  105 bis 106 cW D p
DA =DB D LA =LB . Mit (2.244) für die Grenz- (längs angeströmt) Re
schichtdicke D erhält man:
s
A LA %B vB LA Bei turbulenten Strömungen spielt die Ober-
D : (2.245) flächenrauigkeit k eine wichtige Rolle. Sie hängt
%A vA B LB LB
sehr von der Bearbeitung der Werkstückoberflä-
Daraus ergibt sich folgende Gleichung: che ab. Die Rauigkeitswerte dieser Oberflächen
werden ermittelt, indem man ihre Strömungs-
vA LA %A vB LB %B widerstände vergleicht mit denen, die künst-
D : lich erzeugte Sandrauigkeiten verursachen. In
A B
Abb. 2.132 ist für Rohre das Rohrreibungszahl-
Der Ausdruck vL%= ist die dimensionslose (), -Reynoldszahl-(Re)-Diagramm dargestellt.
Reynoldszahl Re. Es gilt also: Es ist doppeltlogarithmisch ausgeführt und zeigt
vier Bereiche:
vL% vL
Re D D : (2.246)
   Laminarer Bereich (schräg abwärts geneigte
Gerade für  D 64=Re; Re < 2320);
Hierbei ist v die Strömungsgeschwindigkeit und  turbulenter Bereich (Re > 2320) und zwar für
L eine charakteristische Länge. Diese wird durch – hydraulisch glatte Rohre (k D 0; Kurve a;
den Versuchsaufbau bestimmt, mit dem die  D f(Re)) und für
Reynoldszahl gemessen wird (z. B. ein Rohr- – hydraulisch raue Rohre (Bereich II;  D
oder Kugeldurchmesser oder die Länge einer f.k=D// sowie das
Platte).  ist die dynamische,  die kinematische – Übergangsgebiet (Bereich I;  D
Viskosität. Durch den Zusammenhang mit der f.Re; k=D//.
Viskosität ist die Reynoldszahl temperatur- und
bei Gasen auch druckabhängig. Der in der Praxis wichtige Bereich ist in
Bei einer laminaren Strömung ist Re < Rekrit Abb. 2.132 hervorgehoben. Tab. 2.11 zeigt den
mit Rekrit als der kritischen Reynoldszahl. Die Zusammenhang zwischen der Rohrreibungszahl
Strömung ist turbulent, wenn Re > Rekrit ist.  bzw. dem Widerstandsbeiwert cW und der
Der Umschlag der beiden Zustände (bei Rekrit / ist Reynoldszahl Re für Rohre und Platten in diesen
nicht sprunghaft und hängt beispielsweise auch vier Strömungsgebieten.
von der Störfreiheit an der Einlaufstelle ab.
Tab. 2.10 zeigt die kritischen Reynoldszahlen Beispiel 2.12-7
und die Widerstandsbeiwerte für ein kreisrundes Das Modell eines Pkw wird im Maßstab 1:10
Rohr, eine Kugel und eine Platte im Laminar- im Windkanal erprobt. Berechnet werden soll
bereich. (Für ein kreisrundes Rohr wird statt cW die Anblasgeschwindigkeit v2 , wenn die Strö-
üblicherweise die Rohrreibungszahl  verwendet, mungsverhältnisse des Fahrzeugs bei einer
s. (2.240).) Fahrtgeschwindigkeit v1 D 120 km=h un-
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 141

Abb. 2.132 Rohrreibungszahl-()-Reynoldszahl-(Re)-Diagramm: k Rauigkeit, D Rohrdurchmesser, k=D relative


Rauigkeit (aus: Wärmetechnische Arbeitsmappe, VDI-Verlag 1980)

tersucht werden sollen (gleiche kinematische Froudezahl Fr


Zähigkeit v1 D v2 /. Die Froudezahl Fr (F ROUDE, 1810 bis 1879) ist
ebenfalls eine dimensionslose Kennzahl und be-
Lösung schreibt ähnliche Strömungen, bei denen vor al-
Da die Reynoldszahlen vom Original (1) lem die Schwerkraft FG von Bedeutung ist. Dies
und Modell (2) übereinstimmen müssen, gilt ist beispielsweise bei der hydraulischen bzw.
Re1 D Re2 . Aus pneumatischen Förderung von Staub, Sand oder
Körnern der Fall, spielt aber auch bei der Wi-
v1 L1 v2 L2
D derstandsermittlung von Oberflächenwellen für
v1 2 Schiffskörper eine Rolle. Die hydrodynamische
erhält man Ähnlichkeit (Abb. 2.130) fordert hier die Pro-
L1 10 portionalität von Schwerkraft FG D mg und
v2 D v1 D 120  km=h D 333;3 m=s: Trägheitskraft Ft D ma:
L2 1
m1 g m1 a 1
Dieser Wert liegt kurz unterhalb der Schall- D :
m2 g m2 a 2
geschwindigkeit für Luft .c D 344 m=s bei
# D 20 ı C). Es ist deshalb empfehlenswert, Bei einer Dimensionsbetrachtung kann v für die
den Modellmaßstab zu vergrößern (z. B. auf Dimension der Beschleunigung Œa D Œv2 =ŒL
1 W 8). gesetzt werden. Dann gilt nach Kürzen der Mas-
142

Tab. 2.11 Rohrreibungszahl  und Widerstandsbeiwert cW für Rohre mit dem Durchmesser D und Platten mit der Länge l in Abhängigkeit von der Rauigkeit k und der
Reynoldszahl Re
laminare Grenzschicht turbulente Grenzschicht
hydraulisch glatt hydraulisch rau Übergangsgebiet
64
Rohre (1) Blasius
Re
D
0;3164 1 D 1 2;51 k
4
(2) (4) (5)
k D
D p p D 2 lg C 1;14 p D 2 lg p C 0;27
Re   Re 
Nikuradse   Colebrook  

.2320 < Re < 105 /

1 Re 
(3)
2;31
p D 2 lg

Prandtl/Karman p !

0;309
.lg.Re=7/2 /
cW 

1;328 0;0745
Platten cW D p (6) cW D p 5
(7) Voraussetzung: cW aus empirischen Tabellenwerken
Re Re k
Re = 100
l
0;418
(8)
l
k
2 C lg
cW D   2;53
2 Mechanik
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 143

sen Spezielle Probleme der Strömungsmechanik


a1 a2
D oder Auftrieb an umströmten Körpern
g g
Œv1 2 Œv2 2 Œv2 Treten bei der Umströmung von Körpern an
D D : (2.247) der Oberseite höhere Strömungsgeschwindigkei-
ŒL1 Œg ŒL2 Œg ŒLŒg
ten als an der Unterseite auf, so hat dies nach der
Die Froudezahl ist die Wurzel aus diesem Aus- Bernoulli-Gleichung zur Folge, dass an der Ober-
druck: seite ein Unterdruckgebiet und an der Unterseite
v
Fr D p : (2.248) ein Überdruckgebiet entsteht, wie Abb. 2.133a
Lg
zeigt. Aus diesem Grund wird eine dynamische
Bei Strömungsuntersuchungen für Schiffsmodel-
Auftriebskraft FA wirksam, die analog zur Druck-
le im Schleppkanal müssten idealerweise der
kraft FD (2.241)
Widerstand durch die Oberflächenwellen (Frou-
dezahl Fr) und der Reibungswiderstand im Was- %
FA D cA v 2 A (2.249)
ser (Reynoldszahl Re) gleich sein. Wie (2.246) 2
und (2.248) zeigen, liegen allerdings völlig unter-
beträgt mit cA als dem Auftriebsbeiwert. Die
schiedliche Abhängigkeiten von der umströmten
p Fläche A ist die maximale Projektionsfläche
Länge vor; es ist Re  L und Fr  1= L: In
des Körpers (z. B. bei einem Tragflügel: A D
der Praxis wird bei Schiffen vor allem auf Gleich-
Spannweite s mal Spanntiefe l). Die Auftriebs-
heit der Froudezahl geachtet, weil der Einfluss
kraft FA und die Widerstandskraft FW D
der Oberflächenwellen größer ist als derjenige
cW %=2v 2 A ergeben vektoriell addiert die resultie-
der Reibungskraft.
rende Kraft
Beispiel 2.12-8
F0 D FA C F W : (2.250)
Das Modell eines Schiffes im Maßstab 1:15
wird im Schleppkanal untersucht. Berechnet
Die Analyse der Laplace-Gleichung (2.195) für
werden soll die Geschwindigkeit im Schlepp-
den räumlichen Verlauf der Geschwindigkeits-
kanal v2 für eine Fahrtgeschwindigkeit des
funktion der Strömung um das Hindernis ergibt,
Schiffes von v1 D 20 km=h a) bei gleicher
dass in wirbelfreien Strömungsfeldern keine Auf-
Reynoldszahl Re1 D Re2 und b) bei gleicher
triebskräfte entstehen. Erst der Anfahrwirbel, der
Froudezahl Fr1 D Fr2 .
sich wegen der Grenzschichtreibung an der hinte-
Lösung ren Tragflügelkante ablöst, führt zu Druckkräften
auf den angeströmten Körper. Dieser Anfahrwir-
a) Gemäß Beispiel 2.12-7 errechnet man für bel verursacht um den Tragflügel eine Zirkulation
gleiche Reynoldszahlen I Z
L1 15  D vds D rotvdA (2.251)
v2 D v1 D 20  km=h D 83;3 m=s:
L2 1
gemäß Abb. 2.133b, deren Drehimpuls den Dreh-
b) Für gleiche Froudezahlen ist
impuls des Anfahrwirbels kompensiert. Nach
v1 v2 der Theorie von K UTTA (1867 bis 1944) und
p Dp :
L1 g L2 g J OUKOWSKY (1847 bis 1921) erzeugt die Zirku-
Daraus folgt lation auf einen Tragflügel der Spannweite s die
s r Auftriebskraft
L1 1
v2 D v1 D 20 km=h D 1;4 m=s: FA D %vs: (2.252)
L2 15
Die beiden Geschwindigkeiten unterschei- Die resultierende Kraft F0 greift am Druck-
den sich also um den Faktor 60. punkt P an (Abb. 2.133a). Aus dem Drehmoment
144 2 Mechanik

a b

Abb. 2.133 Zum dynamischen Auftrieb an umströmten Körpern: a Kräfte, b „Zirkulation“

M um den vorderen Punkt O, das vom Anstell- nicht vernachlässigbare Dichteänderungen. Die
winkel ˛ abhängt, kann der Abstand r D OP Bernoulli-Gleichung (2.202) gilt dann nur noch
des Druckpunkts bestimmt werden. Mit (2.249) für sehr kleine Strömungsbereiche, in denen
und (2.242) folgt die Höhendifferenzen vernachlässigbar klein sind
und die Dichte näherungsweise konstant ist. Ei-
M D r.FA cos ˛ C FW sin ˛/ oder ne differenzielle Druckänderung dp bewirkt dann
% 2
M D v Ar.cA cos ˛ C cW sin ˛/: (2.253) eine differenzielle Änderung der Strömungsge-
2 schwindigkeit vdv:
Mit cM l D r.cA cos ˛ C cW sin ˛/ resultiert
dp
% vdv C D0 oder integriert
M D cM v 2 Al: (2.254) %
2 Z
v2 dp
cM wird Momentenbeiwert genannt. Durch die C D konstant: (2.256)
2 %
Messung des Drehmomentes M im Windkanal
kann der Momentenbeiwert cM und damit die Diese Gleichung ist die verallgemeinerte Ber-
Lage des Druckpunktes eines Tragflügelprofils noulli-Gleichung für kompressible Medien.
bestimmt werden. Für die adiabatischen Strömungen idealer Ga-
Für einen Tragflügel soll die Auftriebskraft se ergibt sich nach (3.66) (Abschn. 3.3.5.4)
FA möglichst groß und die Widerstandskraft FW p=%~ D konstant. Wird daraus die Dichte %
möglichst gering werden. Ein Maß dafür ist die in (2.256) eingesetzt und diese integriert, ergibt
Gleitzahl sich
FW cW
"D D : (2.255)
FA cA v2 ~ p
C D konstant: (2.257)
Die Werte für den Widerstandsbeiwert cW und 2 ~1 %
den Auftriebsbeiwert cA sind vom Anstellwinkel
˛ (Abb. 2.133a) abhängig. Diese Zusammenhän- Bei idealen Gasen ist der Isentropenexponent
ge werden empirisch im Windkanal ermittelt und ~ D cp =.cp  Ri / (Abschn. 3.3.4, (3.60)). Mit
in ein Polardiagramm eingezeichnet. Abb. 2.134 Hilfe der Zustandsgleichung idealer Gase (Ab-
zeigt das Polardiagramm der Auftriebs- und schn. 3.1.5, (3.20)) erhält man für die adiabati-
Widerstandsbeiwerte eines Hubschrauberrotor- schen Gasströmungen den folgenden Zusammen-
blatts. hang zwischen der Strömungsgeschwindigkeit v
und der absoluten Gastemperatur T :
Bernoulli-Gleichung für kompressible Medien
Gase zeigen bei hohen Strömungsgeschwindig- v2
C cp T D konstant: (2.258)
keiten (v > 0;3c; c Schallgeschwindigkeit) 2
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 145

Abb. 2.134 Auftriebs- und Widerstandsbeiwerte für das Rotorblatt eines Hubschraubers. Werkbild: MBB

Bewirkt eine Querschnittsänderung dA eine dp=% D 0 und c 2 D dp=d% ergibt sich


Geschwindigkeitsänderung dv, so spielt bei kom- aus (2.260)
pressiblen Strömungen das Verhältnis der Strö-
mungsgeschwindigkeit v zur Schallgeschwindig- vdv dA dv
2
C C D0 oder
keit c des Mediums eine wichtige Rolle. Dieses c A v  
dimensionslose Verhältnis wird als Machzahl Ma dA v 1
D  dv:
bezeichnet (E. M ACH, 1838 bis 1916): A c2 v

v Damit gilt für die Querschnittsabhängigkeit von


Ma D : (2.259)
c Über- und Unterschallströmungen .v=c D Ma/

Für eine stationäre Strömung gilt dm=dt D dA dv


D .Ma2  1/: (2.261)
%Av D konstant oder in differenzieller Form A v

d% dA dv Tab. 2.12 gibt das Geschwindigkeitsverhalten


C C D 0: (2.260) bei Querschnittsänderungen für den Unterschall-
% A v
bzw. Überschallbereich an. Es ist ersichtlich,
Mit der differenziellen Schreibweise der verall- dass sich Unterschallströmungen entgegengesetzt
gemeinerten Bernoulli-Gleichung (2.256) vdv C zu den Überschallströmungen verhalten. Im Un-
146 2 Mechanik

Tab. 2.12 Unterschall- und Überschallströmung bei Bei der Pumpenkennlinie H D f .Q/ dagegen
Querschnittsänderung (v Strömungsgeschwindigkeit, c nimmt bei Strömungspumpen mit zunehmen-
Schallgeschwindigkeit)
dem Förderstrom Q die Förderhöhe H ab
Quer- Quer- Quer- (Abb. 2.136).
schnitts- schnittser- schnitts-
verengung weiterung minimum Abb. 2.137 zeigt das Schema einer Pumpsta-
dA < 0 dA > 0 dA D 0 tion. Die Bernoulli-Gleichung (2.202) für diese
Unterschall dv > 0 dv < 0 entweder Anlage lautet unter der Berücksichtigung der
Ma < 1 dv D 0 Reibungsverluste durch die Verlusthöhe hV für
Überschall dv < 0 dv > 0 oder
den Eintritt e bzw. den Austritt a
Ma > 1 vDc
Pe v2
he C HA C C e
%g 2g
terschallbereich erhöht sich bei Querschnittsver- Pa v2
engung die Geschwindigkeit, während sie sich D ha C h C C a:
%g 2g
im Überschallbereich vermindert. In Höhen ober-
halb h D 180 km ist die Atmosphäre allerdings Die Geschwindigkeiten ve und va sind in den
so dünn, dass keine Schallausbreitung mehr statt- Punkten e und a zu messen. Daraus errechnet
finden kann. Die Machzahl ist dann bedeutungs- sich die Förderhöhe HA zu
los. – Wichtig ist ebenfalls das unterschiedliche
pa  pe
Verhalten bei einer Querschnittserweiterung. Bei HA D .ha  he / C
einer Lavaldüse ist dies beispielsweise der Fall. %g
„ ƒ‚ …
Deshalb ist am Einlauf v < c, sodass am engsten statischer Anteil
Querschnitt v D c wird. Bei einem Diffusor hin- v 2  ve2
C a C hV (2.262)
gegen wird v > c, wenn p genügend abgesenkt 2g
wird. „ ƒ‚
dynamischer Anteil

2.12.2.5 Anwendungen Gleichung (2.262) enthält einen statischen An-


teil, der vom Förderstrom Q unabhängig ist, und
Pumpen einen dynamischen Anteil, der eine Funktion des
Pumpen sind Arbeitsmaschinen zur Förderung Förderstromes Q ist. (Hierbei ist die Verlusthö-
von flüssigen Medien von einem niedrigen auf he hV durch den Förderstrom Q bedingt.) Wegen
ein höheres Energieniveau. Die verschiedenen v D Q=A resultiert
Eigenschaften der Fördermedien (z. B. geringe
oder große Viskosität, chemische Aggressivität), pa  pe
HA D .ha  he / C
die Forderungen nach bestimmten Förderströmen %g
 2  2
und die Überwindung genau definierter Förder- Q Q

höhen sind der Grund für die Vielzahl von Pum- 2
Aa A2e
pentypen. In Abb. 2.135 sind sie vergleichend C C hV : (2.263)
2g
gegenübergestellt. In der Hydrodynamik sind die
Kreiselpumpen und die Strahlpumpen von Be- Mit zunehmendem Förderstrom Q nimmt die er-
deutung. Die folgenden Beispiele beziehen sich forderliche Förderhöhe HA der Pumpe zu.
auf die in der Praxis häufig eingesetzte Kreisel-
pumpe und auf die Begriffe, Zeichen und Ein- Beispiel 2.12-9
heiten nach DIN EN 24 260, die im Pumpenbau Die Förderhöhe HA und der Leistungsbe-
üblich sind. darf P einer Kesselspeisepumpe (Höhenunter-
Die Funktion HA D f .Q/ wird Anlagekenn- schied ha  he D 5 m; % D 907 kg=m3) sollen
linie (Rohrleitungskennlinie) genannt. Sie hat errechnet werden (analog DIN EN 24 260).
den schematischen Verlauf gemäß Abb. 2.136. Die Anlage weist folgende Betriebsdaten auf:
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 147

Abb. 2.135 Bauformen von Pumpen


148 2 Mechanik

2
6 .11  6/  105
D 6 5 C
4 907  9;81
 
0;062 0;062
3

0;82 1;52 7
C
2  9;81 5m
C 77

D 68;19 m:

Abb. 2.136 Förderstrom Q in Abhängigkeit von der För- %gQH


b) Der Leistungsbedarf ist P D D
derhöhe HA 
42;8 kW.

Wasserturbinen
Wasserturbinen sind Wasserkraftmaschinen, in
denen hydraulische Energie (Lageenergie und
Strömungsenergie) in mechanische Arbeit um-
gewandelt wird. Je nach Anteil der Lageener-
gie (bestimmt durch die Fallhöhe H ) im Ver-
hältnis zur Strömungsenergie unterscheidet man
drei Ausführungen, die nach ihren Konstrukteu-
ren Pelton-Turbinen (L. A. P ELTON, 1829 bis
1908), Francis-Turbinen (J. B. F RANCIS, 1815
bis 1892) und Kaplan-Turbinen (V. K APLAN,
1876 bis 1934) genannt werden; außerdem gibt
es noch S-Turbinen (S-förmiger Strömungskanal)
Abb. 2.137 Schema einer Pumpstation
und Rohrturbinen (Abb. 2.139). Nach der Fallhö-
he werden die Wasserturbinen eingeteilt in
Eintrittsdruck pe D 6  105 Pa,
 Hochdruck-Turbinen: Bei ihnen ist die Fallhö-
Austrittsdruck pa D 11  105 Pa,
he H groß (H > 200 m) und der Volumen-
Förderstrom Q D 0;06 m3 =s,
strom Q klein. Beispiele dafür sind Pelton-
Verlusthöhe hV D 7 m,
und Francis-Turbinen;
Eintrittsquerschnitt Ae D 1;5 m2 ,
 Mitteldruck-Turbinen: Bei ihnen ist die Fall-
Austrittsquerschnitt Aa D 0;8 m2 ,
höhe H mittelgroß und der Volumenstrom Q
Wirkungsgrad  D 0;85.
ebenfalls. Beispiele dafür sind Francis- und
Kaplan-Turbinen;
 Niederdruck-Turbinen: Bei ihnen ist die Fall-
Lösung
höhe H klein (H < 50 m) und der Volumen-
strom Q groß. Beispiele hierfür sind Kaplan-,
a) Nach (2.263) ergibt sich für die Förderhöhe
S- und Rohr-Turbinen.
pa  pe
HA D .ha  he / C Um diese verschiedenen Turbinentypen sowie
%g
 2
Q Q 2 unterschiedliche Baugrößen desselben Typs un-
 tereinander vergleichen zu können, dient die spe-
A2a A2e
C C hV zifische Drehzahl nq . Sie ergibt sich aufgrund
2g
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 149

Abb. 2.138 Anwendungsbereiche der verschiedenen Arten von Wasserturbinen. Werkbild: Voith

von Ähnlichkeitsgesetzen aus analogen Überle- spiele und Laufräder der verschiedenen Turbi-
gungen wie die Reynolds- bzw. die Froundezahl nenarten sowie konstruktive Merkmale und Ein-
(Abschn. 2.12.2.4). Sie ist die Drehzahl, die sich satzbereiche aufgeführt.
ergibt, wenn die Turbinen bei einer Fallhöhe In Abschn. 2.12.2.2 ist darauf hingewiesen,
H D 1 m einen Volumenstrom Q D 1 m3 =s ver- dass nach der Bernoulli-Gleichung (2.202) der
arbeiten. Der Zusammenhang zwischen Fallhöhe statische Druck pstat mit zunehmender Strö-
und Volumenstrom ergibt sich aus mungsgeschwindigkeit v abnimmt. Sinkt der sta-
p tische Druck unter den Dampfdruck pD der
n Q Flüssigkeit, dann bilden sich Dampfblasen oder
nq D 0;75 (2.264)
H vorhandene Blasen vergrößern sich. Steigt der
mit n als der Drehzahl der Anlage. Druck wieder an, dann kondensiert der Dampf
Die Anwendungsbereiche von Wasserturbinen in den Hohlräumen, und das Strömungsmedi-
in Abhängigkeit von Fallhöhe H und spezifi- um schlägt mit hoher Geschwindigkeit auf das
scher Drehzahl nq sind in Abb. 2.138 dargestellt. Turbinenmaterial. Dieser Vorgang wird Kavita-
Daraus ist ersichtlich, dass Pelton-Turbinen für tion (Hohlraumbildung) genannt. Dabei können
hohe Fallhöhen bei niedrigen spezifischen Dreh- Druckspitzen bis 1010 Pa bei Frequenzen um
zahlen und Kaplan- bzw. S- oder Rohrturbinen 2 kHz auftreten. Diese ständigen Beanspruchun-
bei niedrigen Fallhöhen und hohen spezifischen gen führen zur Zerstörung der Materialoberflä-
Drehzahlen zum Einsatz kommen. In den Über- che. Die kritische Geschwindigkeit, oberhalb der
schneidungsbereichen muss man die Vor- und Kavitation eintritt, lässt sich aus der Bernoulli-
Nachteile der Turbinenart abwägen. Häufig sind Gleichung (2.202) zu
die örtlichen Gegebenheiten ausschlaggebend. In s
Abb. 2.139 sind die Turbinentypen vergleichend 2.pges  pD /
vkrit D (2.265)
gegenübergestellt. Es sind außerdem Einbaubei- %
150

Abb. 2.139 Wasserturbinentypen. Werkfotos: Voith


2 Mechanik
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 151

abschätzen. Sie ist für Wasser bei pges D 1 bar tungsrohr hat eine Länge von l D 7 m und einen
und 20 ı C (pD D 2340 Pa) vkrit D 14 m=s. Durchmesser d D 1;7 cm. Wie groß ist der erfor-
Dies bedeutet, dass mit der Kavitation bei vielen derliche Pumpendruck (%Öl D 0;85 kg=l; Öl D
Wassermaschinen gerechnet werden muss. Bei 0;2 N s=m2 )?
der Konstruktion von Wasserturbinen sollte daher
darauf geachtet werden, dass Ü 2-58 Zur Messung der dynamischen Viskosi-
tät  eines Öls (%Öl D 0;85 kg=l) wird ein Kugel-
 möglichst hohe äußere Drücke auftreten, fallviskosimeter benutzt. Die Stahlkugel (%K D
 dünne Schaufelprofile verwendet werden und 7;85 kg=dm3) hat einen Durchmesser d D 2 mm
 nur kleine Anstellwinkel möglich sind. und fällt in t D 2 s s D 10 cm weit. Wie groß
ist ?
Zur Beurteilung der Gefahr auftretender Kavita-
tion kann die Kavitationszahl  nach D. T HOMA
Ü 2-59 Ein Segelflugzeug der Masse m D
herangezogen werden:
200 kg und der Projektionsfläche A D 18 m2
p0  pD fliegt mit einer Geschwindigkeit v D 60 km=h
D 1 2 (2.266)
2 %v 0
unter einem Gleitwinkel  D 8ı . Wie groß sind
Auftriebs- und Widerstandskraft? Zu bestimmen
Dabei ist p0 der Referenzdruck und v0 die Refe- sind ferner der Widerstandsbeiwert cW und der
renzgeschwindigkeit. Bestimmt man experimen- Auftriebsbeiwert cA .%Luft D 1;25 kg=m3 /.
tell die kritische Kavitationszahl kr , bei der
Kavitation einsetzt, dann ist für  > kr die Strö- Ü 2-60 Ein Wasserbehälter hat am Boden eine
mung frei von Kavitation. waagerechte Ausflussröhre mit dem Durchmes-
ser d D 1;2 mm, die l D 50 cm lang ist.
2.12.2.6 Zur Übung Aus welcher Höhe h über der Ausflussröhre
sinkt der Wasserspiegel ab, wenn turbulente Strö-
Ü 2-57 Ein Öltankeinlauf liegt 6 m höher als die mung in laminare Strömung umschlägt (W D
Pumpe (Förderstrom VP D 0;8 l=s). Das Zulei- 103 N s=m2 )?
Thermodynamik
3

Ein thermodynamisches System kann mit sei-


3.1 Grundlagen
ner Umgebung in Wechselwirkung stehen. Findet
3.1.1 Einführung kein Austausch von Energie und Masse über
die Systemgrenzen statt, so ist das System ab-
Die Thermodynamik beschreibt die Zustände und geschlossen. Wird nur die Arbeit W (z. B. me-
deren Änderung infolge der Wechselwirkung mit chanische, elektrische, magnetische Arbeit) aus-
der Umgebung von kompliziert zusammenge- getauscht, liegt ein adiabates System vor. Bei
setzten makroskopischen Systemen durch eine geschlossenen Systemen findet ein Austausch
geringe Anzahl makroskopischer Variablen, wie von Arbeit W und Wärme Q und bei offenen
z. B. Druck oder Temperatur, sowie durch ther- Systemen noch zusätzlich ein Masseaustausch
modynamische Potenziale. statt.
Das System kann makroskopisch betrachtet Die wichtigsten Erkenntnisse in der Thermo-
werden. Hierbei wird das gesamte System durch dynamik sind in vier Hauptsätzen formuliert.
makroskopisch messbare Systemeigenschaften Der erste Hauptsatz ist der Energieerhaltungs-
und deren Zusammenhänge beschrieben. Dies satz. Er besagt, dass die Änderung der inneren
wird als phänomenologische Thermodynamik be- Energie U durch Wärmezufuhr Q und (oder)
zeichnet, die der älteste Zweig der Thermodyna- Arbeitsverrichtung W erfolgen kann. Der zweite
mik ist. Hauptsatz sagt mit Hilfe des Entropiebegriffs et-
Das System kann auch mikroskopisch betrach- was über die Richtung von Zustandsänderungen
tet werden. Hierbei werden die makroskopischen aus. Bei reversiblen Prozessen ist die Entropie-
Systemeigenschaften auf die Wechselwirkungen änderung null; bei irreversiblen Prozessen ist
der Systembestandteile (Atome, Moleküle) zu- sie positiv, d. h., die Wärme ist nicht vollstän-
rückgeführt. Die Beschreibung erfolgt mit den dig in andere Energieformen umwandelbar. Von
statistischen Methoden der klassischen Mecha- der Thermodynamik irreversibler Prozesse sind
nik bzw. der Quantenmechanik. Beispielsweise die Transport- und Ausgleichsvorgänge von be-
erklärt die kinetische Gastheorie das Zustande- sonderer praktischer Bedeutung. Die Entropie S
kommen des Gasdrucks und ermöglicht ein tiefe- lässt sich auch mikroskopisch als Wahrschein-
res Verständnis des Temperaturbegriffs. Oder es lichkeitsfunktion deuten (Logarithmus der Zu-
können mit Hilfe der Statistik thermodynamische standswahrscheinlichkeit ln W multipliziert mit
Potenziale hergeleitet werden, aus denen sich der Boltzmann-Konstanten k). Zustandsänderun-
alle Zustandsgrößen und Materialeigenschaften gen werden in Richtung maximaler Wahrschein-
(z. B. die spezifische Wärmekapazität) ergeben. lichkeit (maximale Entropie) ablaufen. Der dritte
In Abb. 3.1 sind diese Betrachtungsweisen ge- Hauptsatz (Satz von Nernst) zeigt, dass bei An-
genübergestellt. näherung der Temperatur an den absoluten Null-

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2016 153


E. Hering, R. Martin, M. Stohrer, Physik für Ingenieure, DOI 10.1007/978-3-662-49355-7_3
154 3 Thermodynamik

Abb. 3.1 Strukturbild der Thermodynamik

punkt .T ! 0/ die Entropie konstant wird. Endzustand abhängen, beschrieben werden. Zu


Diese Konstante wird gleich null gesetzt. Aus den Zustandsfunktionen (thermodynamischen
dem dritten Hauptsatz folgt auch, dass der ab- Potenzialen) gehören die innere Energie U , die
solute Nullpunkt (T D 0) nicht erreicht werden Enthalpie H , die freie Energie F , die freie En-
kann. thalpie G und die Entropie S.
Ein thermodynamisches System – sei es gas- Mit den Zustandsgleichungen und Zustands-
förmig (ideale oder reale Gase), flüssig oder funktionen ist die Beschreibung von Gleich-
fest – kann durch Zustandsgleichungen und Zu- gewichtszuständen und Gleichgewichtsbedingun-
standsfunktionen, die nur vom Anfangs- und gen möglich.
3.1 Grundlagen 155

Tab. 3.1 Thermodynamische Systeme


Bezeichnung des Systems Kennzeichen der Systemgrenzen Beispiele
offen durchlässig für Materie und Energie Wärmeübertrager, Gasturbine
geschlossen durchlässig für Energie, undurchlässig für geschlossener Kühlschrank, Warmwasser-
Materie heizung, Heißluftmotor
abgeschlossen undurchlässig für Energie und Materie verschlossenes Thermosgefäß
adiabat undurchlässig für Materie und Wärme, rasche Kompression in einem Gasmotor
durchlässig für mechanische Arbeit

3.1.2 Thermodynamische
Grundbegriffe Die Änderung Z einer Zustandsgröße Z
hängt nicht von der Art der Prozessführung
Systeme ab, sondern nur vom Anfangs- und Endzu-
Ein räumlich abgrenzbarer Bereich, der heraus- stand. Es gilt
gelöst von seiner Umgebung betrachtet werden
soll, wird als System bezeichnet. Nach Art der Z D Z2  Z1 : (3.1)
Systemgrenzen werden verschiedenartige Syste-
me unterschieden, wie aus Tab. 3.1 hervorgeht.
Eine Zustandsgröße ist also eine eindeutige
Zustand, Zustandsgrößen, Prozessgrößen Funktion der unabhängigen Variablen. Beispiels-
In der Mechanik wird die Lage eines Punktes weise lässt sich die innere Energie U eines Sys-
im Raum durch drei Koordinaten festgelegt; in tems (Abschn. 3.3.3) als Funktion der Variablen
der Thermodynamik benutzt man Zustandsgrö- T und V schreiben: U D U.T; V /. Daher ist das
ßen, um den Zustand eines Systems zu beschrei- Differenzial
ben. Historisch bedingt wird zwischen den direkt    
messbaren thermischen Zustandsgrößen @U @U
dU D  dT C dV
@T V @V T
 Druck p,
 Volumen V , das totale Differenzial einer Funktion der Zu-
 Temperatur T standsvariablen.
Im Gegensatz zu den wegunabhängigen Zu-
und den davon abgeleiteten kalorischen Zu- standsgrößen sind Wärme und mechanische Ar-
standsgrößen, wie z. B. beit wegabhängige Prozessgrößen. Die mit dem
System bei einer Zustandsänderung ausgetausch-
 innere Energie U , ten Energiebeträge sind von dem Verlauf des
 Enthalpie H und Prozesses abhängig.
 Entropie S Infolgedessen ist eine differenziell kleine Grö-
ße einer solchen Prozessgröße nicht das totale
unterschieden. Differenzial einer Funktion von Zustandsvaria-
Bleiben die Zustandsgrößen zeitlich konstant, blen. Derartige kleine Größen werden im Fol-
dann befindet sich das System in einem Gleichge- genden nicht mit einem d versehen, sondern mit
wichtszustand. Der Zustand eines Systems kann einem •. So ist also beispielsweise eine diffe-
auf verschiedene Weise verändert werden (z. B. renziell kleine Wärme •Q oder ein differenziell
durch Wärmezufuhr von außen). Hat sich, aus- kleiner Arbeitsbetrag •W .
gehend von dem Gleichgewichtszustand 1, ein Für jeden Gleichgewichtszustand sind die Zu-
neuer Gleichgewichtszustand 2 eingestellt, dann standsgrößen durch eine Zustandsgleichung mit-
haben alle Zustandsgrößen wieder wohldefinierte einander verknüpft. So gilt z. B. für ideale Gase
Werte angenommen. ein einfacher Zusammenhang zwischen Druck,
156 3 Thermodynamik

Volumen und Temperatur (Abschn. 3.1.5). Bei dann gilt


realen Gasen ist der Zusammenhang komplizier- mM D Mr u:
ter und muss empirisch und mit Hilfe von Mo-
dellrechnungen ermittelt werden (Abschn. 3.4). u D 1;6605  1027 kg ist die atomare Massenein-
heit, nämlich ein Zwölftel der Masse eines 12 C-
Spezifische und molare Größen Atoms. Die Zahl der Teilchen der Stoffmenge
Viele thermodynamische Größen sind extensiv,  D 1 mol ist gegeben durch die Avogadro’sche
1
d. h., sie hängen von der Substanzmenge (Masse Konstante NA D 6;0221  10 mol . Damit wird
23

m, Stoffmenge ) des Systems ab (z. B. inne- die Molmasse


re Energie U , Enthalpie H ). Intensive Größen g
sind davon unabhängig (z. B. Druck p, Tempe- M D mM NA D Mr uNA D Mr :
mol
ratur T ). Wird eine extensive Größe durch die
Substanzmenge dividiert, ergibt sich eine inten- Hat also beispielsweise Stickstoff (N2 ) die re-
sive Größe. lative Molekülmasse Mr D 28, dann ist seine
Eine spezifische Größe x ergibt sich nach Molmasse M D 28 g=mol.
DIN 1345 aus einer gemessenen extensiven Grö-
ße X, indem durch die Masse m des Systems Beispiel 3.1-1
dividiert wird: Um m D 2 kg Wasser zu verdampfen, ist die
X Verdampfungswärme Qd D 4;512 MJ erfor-
xD : (3.2)
m derlich. Wie groß sind die spezifische und die
In der Maßeinheit einer spezifischen Größe steht molare Verdampfungswärme von Wasser?
immer x D : : : kg1 . Spezifische Größen werden
nach DIN 1345 mit kleinen Formelbuchstaben Lösung
geschrieben. Für die spezifische Verdampfungswärme er-
Der Quotient aus einer gemessenen Größe X hält man qd D Qd =m D 2;256 MJ=kg. Die
und der Stoffmenge  ist die molare Größe Xm , Molmasse von Wasser ist M D 18 g=mol. So-
die durch den Index m gekennzeichnet wird: mit beträgt die molare Verdampfungswärme

X Qmd D 2;256 MJ=kg  18 g=mol


Xm D : (3.3)
 D 40;6 kJ=mol:

Die Maßeinheit einer molaren Größe enthält stets


Xm D : : : mol1 . 3.1.3 Temperatur
Jede spezifische Größe kann leicht in die ent-
sprechende molare Größe umgerechnet werden. Die Temperatur ist der menschlichen Empfin-
Aus (3.2) und (3.3) folgt sofort X D x m D Xm , dung direkt zugänglich und wird mit Begriffen
oder wie „warm“ und „kalt“ umschrieben. Körper,
m die sich auf verschiedener Temperatur befinden,
Xm D x D xM: (3.4)
 können durch Befühlen unterschieden und ent-
Darin ist M die Molmasse der betreffenden Sub- sprechend ihrer Temperatur klassifiziert werden.
stanz (Einheit kg=mol). Bringt man zwei Körper verschiedener Tempe-
Die Molmasse eines chemischen Elements ratur in Kontakt, so stellt man fest, dass der
bestimmt man am einfachsten aus der im Pe- warme Körper kälter und der kalte wärmer wird.
riodensystem angegebenen relativen Atommasse Es findet ein Temperaturausgleich statt, der dann
Ar bzw. der relativen Molekülmasse Mr bei ei- beendet ist, wenn das System einen Gleichge-
nem Molekül. Ist mM die Masse eines Moleküls, wichtszustand erreicht hat. Dieser Sachverhalt
3.1 Grundlagen 157

wird durch den nullten Hauptsatz der Thermody-


namik ausgedrückt:

Im thermischen Gleichgewicht haben alle


Bestandteile eines Systems dieselbe Tem-
peratur.

Der vorgenannte subjektive Temperaturbegriff


muss natürlich durch eine Temperaturdefiniti-
on mit entsprechenden Messvorschriften ersetzt
werden. Die exakte Definition der sog. ther-
modynamischen Temperatur geschieht über den
Wirkungsgrad einer idealen Wärmekraftmaschi-
ne und wird in Abschn. 3.3.6 behandelt.
Abb. 3.2 Prinzip eines Gasthermometers mit konstantem
Bereits im Jahr 1704 stellte G. A MONTONS Gasvolumen. Durch Heben oder Senken des Ausgleichs-
(1663 bis 1705) fest, dass der Druck eines Gases, gefäßes A wird der Quecksilberspiegel im linken Schenkel
dessen Volumen konstant gehalten wird, von der des U-Rohrs auf der Nullmarke gehalten. p Druck T ab-
solute Temperatur
Temperatur abhängt. Er schlug vor, die Tempera-
tur proportional zum Druck des Gases zu setzen
(T  p) und damit die Temperaturmessung
auf eine Druckmessung zurückzuführen. Man er- sind. Der Tripelpunkt des Wassers ist leicht her-
reicht dies mit Hilfe des in Abb. 3.2 dargestellten zustellen und mit einer Toleranz von einigen
Gasthermometers. Es lässt sich zeigen, dass die Millikelvin reproduzierbar. Die 13. Generalkon-
Temperatur des Gasthermometers für ideale Ga- ferenz für Maße und Gewichte (GKMG) legte
se (Abschn. 3.1.4 und 3.1.5) identisch ist mit der 1967 als Einheit für die Temperatur fest:
oben erwähnten thermodynamischen Temperatur.
Die Abweichungen, die reale Gase zeigen, kann
man rechnerisch berücksichtigen. 1 Kelvin ist der 273,16te Teil der thermody-
Der im Gasthermometer bestimmte Gasdruck namischen Temperatur des Tripelpunktes
p kann erst dann in eine Temperatur T umgerech- von Wasser.
net werden, wenn die Proportionalitätskonstante
zwischen Druck und Temperatur festgelegt ist.
Alle Experimente, besonders die in Abschn. 3.1.4 Die Einheit Kelvin (K) für die absolute Tem-
geschilderten von Gay-Lussac, zeigen, dass es peratur wurde zu Ehren von W. T HOMSON (1824
einen absoluten Nullpunkt der Temperatur gibt. bis 1907), dem späteren Lord Kelvin gewählt, auf
Um eine Temperaturskala festzulegen, ist daher den die Temperaturskala zurückgeht.
nur noch die Temperatur eines weiteren Punk- Die so definierte Kelvin-Skala hat dieselbe
tes zu definieren. Dazu wurde der Tripelpunkt Skalenteilung wie die bereits 1742 von A. C EL -
des Wassers zu TTr D 273;16 K (Kelvin) festge- SIUS (1701 bis 1744) vorgeschlagene Skala, bei
legt. Der Tripelpunkt ist der Zustand, bei dem in der Schmelz- und Siedepunkte des Wassers unter
einem Gefäß der feste, flüssige und gasförmige Normdruck (0 ı C bzw. 100 ı C) als Fixpunkte die-
Aggregatzustand miteinander im Gleichgewicht nen. Der Zusammenhang zwischen der absoluten
158 3 Thermodynamik

Tab. 3.2 Definierende Fixpunkte der ITS-90. Wenn nicht anders angegeben, beträgt der Druck pn D 101;325 kPa
Gleichgewichtszustand T90 in K #90 in ı C
Siedepunkt von Helium bei verschiedenen Dampfdrücken 3 bis 5 270;15 bis 268;15
Tripelpunkt des Gleichgewichtswasserstoffs 13;8033 259;3467
Siedepunkt von Wasserstoff beim Dampfdruck 32,9 kPa 17 256;15
und 102,2 kPa 20;3 252;85
Tripelpunkt des Neons 24;5561 248;5939
Tripelpunkt des Sauerstoffs 54;3584 218;7916
Tripelpunkt des Argons 83;8058 189;3442
Tripelpunkt des Quecksilbers 234;3156 38;8344
Tripelpunkt des Wassers 273;16 0;01
Schmelzpunkt der Galliums 302;9146 29;7646
Erstarrungspunkt des Indiums 429;7485 156;5985
Erstarrungspunkt des Zinns 505;078 231;928
Erstarrungspunkt des Zinks 692;677 419;527
Erstarrungspunkt des Aluminiums 933;473 660;323
Erstarrungspunkt des Silbers 1234;93 961;78
Erstarrungspunkt des Goldes 1337;33 1064,18
Erstarrungspunkt des Kupfers 1357;77 1084,62

Temperatur T in Kelvin und der Temperatur # in Messaufgaben, Messobjekte und Temperaturbe-


Grad Celsius ergibt sich aus reiche wurden unterschiedliche Messverfahren
entwickelt. Eine Zusammenstellung gängiger
# T
ıC
D  273;15: (3.5) Methoden enthält Tab. 3.3. Die VDE/VDI-
K Richtlinien 3511 geben eine ausführlichere Dar-
stellung sowie eine Zusammenstellung der rele-
Durch diese Definition wird erreicht, dass Tem-
vanten DIN-Normen.
peraturdifferenzen in beiden Einheiten dieselbe
Maßzahl haben.
Für den praktischen Gebrauch wurde die In-
3.1.4 Thermische Ausdehnung
ternationale Temperaturskala von 1990 (ITS-90)
erarbeitet. Sie stützt sich auf 17 gut reproduzier-
Festkörper
bare thermodynamische Gleichgewichtszustände
Die meisten Festkörper dehnen sich bei Erwär-
als definierende Fixpunkte (Tab. 3.2) und gilt
mung aus. Die relative Verlängerung l= l eines
als derzeit beste Darstellung thermodynamischer
Stabes kann innerhalb bestimmter Grenzen pro-
Temperaturen.
portional zur Temperaturänderung T gesetzt
Zur Interpolation zwischen den Fixpunkten
werden:
wird zwischen 0,65 K und 5 K die Temperatur aus
dem Dampfdruck von 3 He bzw. 4 He bestimmt; l
zwischen 3 K und 24,5561 K mit einem Gasther- D ˛T: (3.6)
l
mometer. Oberhalb 13,8033 K bis 1234,93 K
werden Pt-Widerstandsthermometer und für noch Ist die Länge l1 bei der Temperatur #1 bekannt,
höhere Temperaturen Spektralpyrometer einge- so folgt für die Länge l2 bei der Temperatur #2
setzt.
l2 D l1 Œ1 C ˛.#2  #1 / (3.7)
Temperaturmessung
Jede physikalische Größe, die sich mit der Tem- mit T D T2  T1 D #2  #1 . Die Proportiona-
peratur ändert, kann zur Temperaturmessung litätskonstante ˛ ist der Längenausdehnungsko-
herangezogen werden. Für die verschiedensten effizient. Sie ist ein Materialparameter und kann
3.1 Grundlagen 159

Tab. 3.3 Temperaturmessverfahren


Thermometertyp Messbereich in ı C Fehlergrenzen physikalisches Messprinzip
mechanische Berührungsthermometer
Flüssigkeits-Glasthermometer Füllung:
Pentangemisch 200 bis 30 Näherungsweise Thermische Ausdehnung einer Flüssigkeit wird zur
Alkohol 110 bis 210 in Größenord- Temperaturmessung verwendet. Die Temperatur wird aus
Toluol 90 bis 100 nung der dem Stand der Flüssigkeit in einer Glaskapillare ermittelt
Skalenteilung.
Hg–Tl 58 bis 30 Details in
Quecksilber 38 bis 800 VDE/VDI 3511
Galliumlegierung bis 1000
Flüssigkeits- 35 bis 500 1 bis 2 % des Thermische Ausdehnung einer Flüssigkeit (z. B. Hg
Federthermometer Anzeigebereichs unter 100 bis 150 bar) wird auf eine Rohr- oder Schne-
ckenfeder übertragen
Dampfdruck- 50 bis 350 1 bis 2 % des Dampfdruck einer Flüssigkeit (Ethylether, Hexan,
Federthermometer Anzeigebereichs Toluol, Xylol) wird auf eine Rohr- oder Schneckenfeder
übertragen
Stabausdehnungs- 0 bis 1000 1 bis 2 % des Thermische Ausdehnung eines Metallstabs bewegt ein
thermometer Anzeigebereichs Messwerk
Bimetallthermo- 50 bis 400 1 bis 3 % des Thermobimetall besteht aus zwei fest miteinander
meter Anzeigebereichs verbundenen Schichten aus Werkstoffen mit unter-
schiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten
und krümmt sich bei Temperaturänderung
elektrische Berührungsthermometer
Thermoelemente
AuFe–NiCr 270 bis 0 0,75 % des Zwischen zwei Verbindungsstellen verschiedener Metalle
Cu-Konstantan 200 bis 400 Temperatur- entsteht eine Thermospannung, wenn die
Fe-Konstantan 200 bis 700 Sollwerts, Verbindungsstellen auf verschiedenen Temperaturen sind
mindestens 3 K (Seebeck-Effekt)
NiCr-Konstantan 200 bis 900
Pt–PtRh 0 bis 1600
W–WMo 0 bis 3300
Widerstandsthermometer
Platin 250 bis 1000 0,3 bis 5 K Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstandes
Nickel 60 bis 180 0,2 bis 2,1 K von Metallen und Halbleitern dient zur
Heißleiter 273 bis 400 0,5 bis 1,5 K Temperaturbestimmung
Kaltleiter 40 bis 270
berührungslose Thermometer
Strahlungspyrometer
Spektralpyrom. 650 bis 5000 1 bis 35 K Temperatur eines Körpers wird aus der
Bandstrahlungsp. 50 bis 2000 1 bis 1,5 % des Energiestromdichte seiner elektromagnetischen Strahlung
Gesamtstrah- 40 bis 3000 Bereichs bestimmt. Messung erfolgt entweder in engem
lungspyrometer Spektralbereich, breitem Spektralband oder im gesamten
Spektrum
Verteilungspyrometer
Farbangleichpyr. 1150 bis 2000 10 bis 25 K Rote und grüne Strahlungsanteile von Messstelle und
Verhältnis- 200 bis 2200 1 bis 1,5 % des Referenzlampe werden verglichen. Vergleich erfolgt
pyrometer Bereichs subjektiv durch Farbvergleich oder objektiv durch
Fotoempfänger
160 3 Thermodynamik

Tab. 3.3 (Fortsetzung)


Thermometertyp Messbereich in ı C Fehlergrenzen physikalisches Messprinzip
besondere Messverfahren
Fotothermometrie 250 bis 1000 ˙1 K Die Oberfläche eines heißen Körpers wird mit infrarot-
empfindlichen Platten fotografisch aufgenommen. Zur
Untersuchung von Temperaturfeldern geeignet
Temperatur- 40 bis 1350 ˙5 K Auf Messkörper wird Farbe aufgebracht, die bei Errei-
messfarben chen einer bestimmten Temperatur den Farbton ändert
Temperatur- 100 bis 1600 ˙7 K Zylindrische Körper aus Metalllegierungen zeigen durch
kennkörper Schmelzen eine bestimmte Temperatur an
Segerkegel 600 bis 2000 Mischung aus Ton und Feldspat wird bei Erreichen einer
bestimmten Temperatur weich, der Kegel neigt sich zur
Seite
akustisches 271 bis 253 Temperaturabhängigkeit der Schallgeschwindigkeit in
Thermometer Gasen ist ein Maß für die Temperatur
magnetisches 273 bis 200 Magnetische Suszeptibilität paramagnetischer Salze
Thermometer hängt reziprok von der absoluten Temperatur ab
Glasfaser- 50 bis 250 Auflösung 0,1 K Die Fähigkeit einer Glasfaser, Lichtwellen zu führen,
thermometer hängt vom temperaturempfindlichen Brechungsindex ab

Tab. 3.4 Mittlerer linearer Längenausdehnungskoeffizi- Die beiden letzten Glieder der Klammer sind
ent ˛ einiger Festkörper in verschiedenen Temperaturbe- gegenüber dem linearen Glied vernachlässigbar.
reichen
Daher erhält man in guter Näherung
106 ˛ in K1 106 ˛ in K1
Temperaturbereich 0 ı C 5 # 5 0 ıC 5 # 5 V2 D V1 Œ1 C .#2  #1 / (3.8)
100 ı C 500 ı C
Aluminium 23;8 27;4 oder für die relative Volumenänderung
Kupfer 16;4 17;9
Stahl C 60 11;1 13;9 V
D T (3.9)
rostfreier Stahl 16;4 18;2 V
Invarstahl 0;9 mit T D T2  T1 D #2  #1 und dem Raum-
Quarzglas 0;51 0;61
ausdehnungskoeffizienten
gewöhnliches Glas 9 10;2
D 3˛: (3.10)

näherungsweise konstant gesetzt werden. In der


Wirklichkeit steigt der Längenausdehnungskoef- Beispiel 3.1-2
fizient ˛ mit der Temperatur leicht an; Tab. 3.4 Eine Messingkugel (˛ D 19106 K1 ) hat bei
enthält einige mit 106 multiplizierte Mittelwerte der Temperatur #1 D 20 ı C den Durchmes-
für die Temperaturbereiche 0 ı C 5 # 5 100 ı C ser d1 D 20;00 mm. Auf welche Temperatur
und 0 ı C 5 # 5 500 ı C. #2 muss sie erwärmt werden, damit sie in ei-
Mit der Längenausdehnung der Körper ist nem Ring mit dem Innendurchmesser d2 D
zwangsläufig eine Volumenänderung verknüpft. 20;03 mm stecken bleibt? Wie hat sich das Ku-
Für das Volumen V2 eines Würfels bei der Tem- gelvolumen verändert?
peratur #2 gilt nach (3.7), wenn V1 das Volumen
bei #1 ist Lösung
Nach (3.6) ist die Temperaturänderung
V2 D l23 D l13 Œ1 C ˛.#2  #1 /3
d 0;03 mm
D V1 Œ1 C 3˛.#2  #1 / C 3˛ 2 .#2  #1 /2 T D D
d˛ 20 mm  19  106 K1
C ˛ 3 .#2  #1 /3 : D 79 K:
3.1 Grundlagen 161

Also ist die erforderliche Temperatur #2 D C HARLES (1746 bis 1823), die von J. L. G AY-
99 ı C. Die relative Volumenvergrößerung be- L USSAC (1778 bis 1823) vertieft wurden, er-
trägt nach (3.9) und (3.10) gaben, dass bei einem Gas unter konstantem
Druck das Volumen linear mit der Temperatur ge-
V
D T D 3˛T D 4;5  10 : 3 mäß (3.9) variiert:
V
V .#/ D V0 .1 C #/;
Die Dichte % eines Körpers ist umgekehrt
proportional zum Volumen. Für die Temperatur- wenn V das Volumen bei # D 0 ı C ist.
0 0
abhängigkeit gilt Experimente liefern für den Raumausdeh-
m nungskoeffizienten im Gay-Lussac’schen Ge-
%.#/ D : setz für fast alle Gase den gleichen Wert. Die
V0 .1 C #/
Unterschiede zwischen den einzelnen Gasen wer-
Ist %0 D m=V0 die Dichte bei #0 D 0 ı C, dann ist den umso geringer, je niedriger der Druck p ist.
die Dichte bei der Temperatur # Im Grenzfall p ! 0 ergibt sich für alle Gase
%0 1
%.#/ D  %0 .1  #/: (3.11) D 0;003661 K1 D :
1 C # 273;15 K
Flüssigkeiten Ein Gas in diesem Grenzzustand wird als ideales
Weil Flüssigkeiten keine Eigengestalt haben, ist Gas bezeichnet.
nur die Volumenänderung von Interesse. Es gel- Wie die grafische Darstellung des Gay-
ten (3.8), (3.9) und (3.11); allerdings ist der Lussac’schen Gesetzes in Abb. 3.3 zeigt, wird
Raumausdehnungskoeffizient größer als bei das Volumen bei # D 273;15 ı C gleich null.
Festkörpern. Einige Zahlenwerte enthält Tab. 3.5. Dies ist der absolute Nullpunkt der Tempera-
Bemerkenswert ist die Anomalie des Wassers. tur. Natürlich gilt das Gay-Lussac’sche Gesetz
Bei der Temperatur # D 4 ı C hat die Dichte ihr bei sehr tiefen Temperaturen nicht mehr. Rea-
Maximum mit %max D 0;999973 kg=dm3. Wenn le Gase kondensieren beim Abkühlen; selbst am
im Winter ein See zufriert, sammelt sich das Was- absoluten Nullpunkt muss noch ein bestimm-
ser von # D 4 ı C und größter Dichte am Grund; tes Restvolumen, nämlich das Eigenvolumen der
darüber liegen die kälteren und leichteren Schich- Atome, übrig bleiben. Die absolute Temperatur
ten. Weil die kalten Schichten nicht absinken, T erlaubt eine einfache Formulierung des Gay-
erfolgt keine Wärmeübertragung durch Konvek- Lussac’schen Gesetzes:
tion. Der Wärmetransport durch Wärmeleitung
T V
ist nicht sehr effektiv (Abschn. 3.5), sodass tiefe V .T / D V0 bzw. D konst: (3.12)
Seen nicht bis zum Grund durchgefrieren. T0 T
Hierbei ist T0 D 273;15 K.
Gase Wird das Volumen eines Gases konstant gehal-
Bei Gasen hängt das Volumen vom Druck ten und die Temperatur verändert, dann variiert
und der Temperatur ab. Messungen von J. A. C. der Druck p gemäß

p.#/ D p0 .1 C #/ (3.13)
Tab. 3.5 Raumausdehnungskoeffizient einiger Flüssig-
keiten bei der Temperatur # D 20 ı C oder
Stoff 103 in K1
T p
Wasser 0,208 p.T / D p0 bzw. D konst: (3.14)
Quecksilber 0,182
T0 T
Pentan 1,58 Diese Gleichung ist die Grundlage der Tempe-
Ethylalkohol 1,10 raturbestimmung nach Amontons mit Hilfe des
Heizöl 0,9 bis 1,0 Gasthermometers.
162 3 Thermodynamik

damit die Konstante von der Gasmenge ab, die


sich im Gefäß befindet.
Zur Bestimmung der Konstante wird (3.16) in
die Form
pV pn Vn
D (3.17)
T Tn
gebracht. Die Größen mit dem Index n be-
ziehen sich auf den in DIN 1343 festgelegten
Normzustand mit der Normtemperatur Tn D
273;15 K (#n D 0 ı C) und dem Normdruck pn D
101:325 Pa.
Das Volumen Vn des Gases hängt mit der
Abb. 3.3 Zusammenhang zwischen dem Volumen V und Dichte %n beim Normzustand und der Masse m
der Temperatur T eines idealen Gases bei konstantem
Druck gemäß
m
Vn D
%n
3.1.5 Allgemeine Zustandsgleichung zusammen. Somit wird aus (3.17)
idealer Gase
pV pn
D m:
Das Volumen V und der Druck p einer ab- T Tn % n
geschlossenen Menge eines idealen Gases sind
Die Werte für pn ; Tn und %n werden zusammen-
bei konstanter Temperatur durch das Gesetz von
gefasst zu der individuellen (speziellen) Gaskon-
Boyle-Mariotte verknüpft:
stanten
pn
pV D konst: (3.15) Ri D : (3.18)
Tn % n
Der Zusammenhang wurde 1662 von R. B OYLE Die Zustandsgleichung idealer Gase erhält dem-
(1627 bis 1691) und unabhängig von ihm 1679 nach die Form
von E. M ARIOTTE (1620 bis 1684) experimentell
gefunden. pV D mRi T: (3.19)
Die Gesetze von Boyle-Mariotte, Gay-Lussac
und Charles, formuliert in (3.15), (3.12) so- Da die Gaskonstante Ri von der Dichte %n des
wie (3.14), lassen sich in einer Gleichung, der Gases abhängt, ergibt sich für jede Gasart eine
Zustandsgleichung idealer Gase kombinieren: eigene, individuelle Konstante.

pV
D konst: (3.16) Beispiel 3.1-3
T Wie groß ist die individuelle Gaskonstante von
Reale Gase befolgen (3.16) umso besser, je ge- trockener Luft?
ringer der Druck und je höher die Temperatur ist.
Die physikalischen Gründe hierfür sind in Ab- Lösung
schn. 3.2.1 erläutert. Die Dichte beim Normzustand beträgt %n D
Die Zustandsgrößen Druck p, Volumen V und 1;2923 kg=m3. Damit errechnet man für die
Temperatur T einer konstanten Stoffmenge eines Gaskonstante
idealen Gases gehorchen stets (3.16). Durch Auf-
lösung nach dem Druck ergibt sich p D konst. 101325 N m2
Ri D
T =V . 273;15 K  1;2923 kg m3
Werden das Gefäßvolumen und die Tempe- J
D 287;05 :
ratur vorgegeben, dann hängt der Gasdruck und kg K
3.1 Grundlagen 163

Der Nachteil, für jedes Gas eine besondere Hierin ist N D NA die Teilchenanzahl des Sys-
Gaskonstante in (3.19) einsetzen zu müssen, ent- tems. Der Quotient
fällt, wenn in (3.17) das Volumen Vn durch die
Stoffmenge  ausgedrückt wird. Nach dem Satz Rm J
kD D 1;38065  1023
von A. AVOGADRO (1776 bis 1856) benötigt NA K
eine bestimmte Teilchenmenge eines idealen Ga-
wird als Boltzmann-Konstante (L. B OLTZMANN,
ses bei bestimmten Werten des Drucks und der
1844 bis 1906) bezeichnet. Hiermit ergibt sich ei-
Temperatur stets das gleiche Volumen, und zwar
ne weitere Form der Zustandsgleichung idealer
unabhängig von der Gasart. Für die Stoffmenge
Gase:
 D 1 mol beträgt beim Normzustand nach DIN
pV D N kT: (3.22)
1443 das Molvolumen Vmn D 22;414 dm3 =mol.
Somit ist das Volumen Vn der Teilchenmenge 
Beispiel 3.1-4
Vn D Vmn ; Ein Gefäß mit V D 2 l Inhalt wird bei der
Temperatur # D 22 ı C evakuiert und an-
und (3.17) erhält die Form schließend mit Helium gefüllt, bis sich gegen-
über dem äußeren Luftdruck pL D 1016 hPa
pV pn Vmn
D : der Überdruck pü D 2;0 bar eingestellt hat.
T Tn Wie groß sind die Teilchenanzahl N , die Teil-
Die Konstanten der rechten Seite fasst man zur chenmenge v und die Masse m des Gases?
universellen (molaren) Gaskonstante Rm zusam-
men: Lösung
pn Vmn J Der Druck des Gases beträgt p D pL C pü D
Rm D D 8;3145 :
Tn mol K 3;016  105 Pa. Die absolute Temperatur ist
Damit erhält man die Zustandsgleichung der T D 295;15 K. Nach (3.22) folgt für die Teil-
idealen Gase: chenanzahl
pV D Rm T: (3.20) pV
N D
kT
Diese Form hat den Vorteil, dass für alle Gase
3;016  105 N m2  2  103 m3
dieselbe Gaskonstante verwendet werden kann. D
Die individuelle Gaskonstante Ri kann bei 1;381  1023 N m K1  295;15 K
Kenntnis der Molmasse M des Gases aus der D 1;48  1023 :
molaren Gaskonstante Rm berechnet werden.
Nach (3.4), die den allgemeinen Zusammenhang Die Teilchenmenge ist
zwischen spezifischen und molaren Größen be-
pV N
schreibt, gilt D D D 0;246 mol:
Rm TRm NA
Ri D : (3.21)
M Helium hat die Molmasse M D 4;003 g=mol.
Die Anzahl der Teilchen in der Teilchenmenge Damit ist die Masse des Gases m D M D
 D 1 mol wird durch die Avogadro’sche Kon- 0;985 g.
stante angegeben:
Der funktionale Zusammenhang der drei Zu-
NA D 6;0221  1023 mol1 :
standsgrößen Druck, Volumen und Tempera-
Mit der Avogadro-Konstante kann die rechte Sei- tur in der Zustandsgleichung der idealen Gase
te von (3.20) umgeformt werden: kann in einem dreidimensionalen Raum nach
Abb. 3.4 anschaulich dargestellt werden. Al-
Rm le Gleichgewichtszustände liegen auf der ge-
pV D NA T:
NA krümmten Fläche. Schnitte durch die Fläche
164 3 Thermodynamik

den? Der Elastizitätsmodul des Stahls beträgt


E D 2  105 N=mm2 (Abschn. 2.11).

Ü 3-4 Bei #1 D 20 ı C beträgt die Dichte von


Quecksilber %1 D 13;546 kg=dm3. Bei welcher
Temperatur #2 ist die Dichte %2 D 13;5 kg=dm3?

Ü 3-5 Wie groß ist die individuelle Gaskonstan-


te von Wasserdampf, wenn bei der Temperatur
# D 800 ı C und dem Druck p D 9;807 bar das
spezifische Volumen v D 0;5 m3 =kg beträgt?

Ü 3-6 In ein Gefäß mit dem Volumen V D 20 l


wird bei der Temperatur # D 22 ı C Luft ge-
pumpt, bis sich der Überdruck pü D 100 bar
einstellt. Welche Masse hat das Gas, wenn der äu-
ßere Luftdruck pL D 1 bar beträgt?
Abb. 3.4 Zustandsfläche der Zustandsgleichung idealer
Ü 3-7 In einem Gefäß mit V D 1 m3 Inhalt be-
Gase. p Druck, Vm molares Volumen, T absolute Tempe-
ratur findet sich bei der Temperatur T D 250 K und
dem Druck p D 2;5 bar ein ideales Gas. Wie groß
bei konstanter Temperatur liefern die Hyper- ist dessen Teilchenmenge?
beln des Boyle-Mariotte’schen Gesetzes im p; V -
Diagramm. Schnitte bei konstantem Druck erzeu-
gen die Geraden des Gay-Lussac’schen Geset- 3.2 Kinetische Gastheorie
zes im V; T -Diagramm, und schließlich ergeben
Schnitte bei konstantem Volumen die Geraden 3.2.1 Gasdruck
des Charles’schen Gesetzes im p; T -Diagramm.
Die bisher phänomenologisch eingeführten Zu-
standsgrößen erhalten eine mechanische Inter-
3.1.6 Zur Übung pretation durch die kinetische Gastheorie. Hier-
bei legt man die atomare Struktur der Materie
Ü 3-1 Ein Glasstab aus Pyrex-Glas und ein Maß- zugrunde und leitet die thermodynamischen Ei-
stab aus Messing Ms 58 sind bei #1 D 20 ı C genschaften der Gase aus der Bewegung der
genau l1 D 1000 mm lang. Welche Länge liest Gasmoleküle unter Anwendung der Gesetze der
man für den Glasstab ab, wenn beide Körper auf Mechanik ab.
#2 D 100 ı C erwärmt werden? (˛Glas D 3;2  Ein ideales Gas zeichnet sich dadurch aus,
106 K1 ; ˛Ms D 19  106 K1 ) dass es die Zustandsgleichung idealer Gase (3.15)
und folgende in Abschn. 3.1.5 befolgt. Ein reales
Ü 3-2 Eine kreisförmige Stahlplatte hat bei #1 D Gas verhält sich dann ideal, wenn die Teilchen-
20 ı C den Durchmesser d1 D 1200 mm. Um wel- dichte gering und die Temperatur wesentlich über
chen Betrag nimmt ihre Fläche zu, wenn sie auf der Siedetemperatur der Substanz liegt. In diesem
#2 D 96 ı C erwärmt wird? Zustand ist das Eigenvolumen der Moleküle sehr
viel kleiner als das Gefäßvolumen; außerdem
Ü 3-3 Wie groß ist die Zugspannung in Eisen- sind die zwischenmolekularen Kräfte vernach-
bahnschienen bei #1 D 20 ı C, wenn sie bei lässigbar, da diese eine sehr kurze Reichweite
#2 D C20 ı C spannungsfrei verschweißt wur- haben.
3.2 Kinetische Gastheorie 165

Abb. 3.6 Zur kinetischen Gastheorie: Kraftstöße auf die


Wand. Fi Kraft, t Zeit, a Kantenlänge, vxi Geschwindig-
keit

Abb. 3.5 Zur kinetischen Gastheorie: Würfel mit einem


schen Reflexionsgesetz reflektiert und gibt dabei
Molekül der Geschwindigkeit vi . x, y, z Koordinaten,
a Kantenlänge den Impuls p i D 2mM vxi an die Wand ab.
Nach einer bestimmten Laufzeit t wiederholt
sich der Vorgang, sodass in regelmäßigen Abstän-
Die Modellsubstanz des idealen Gases hat fol- den nach Abb. 3.6 ein Kraftstoß auf die rechte
gende Eigenschaften: Wand ausgeübt wird. Die mittlere Kraft FNi auf
die rechte Wand beträgt
 Das Gas besteht aus einer großen Anzahl
gleichartiger Teilchen, den Molekülen. 2
F Ni D pi D 2mM vxi D mM vxi :
 Die räumliche Ausdehnung der Teilchen ist so t 2a=vxi a
klein, dass ihr Eigenvolumen gegenüber dem
Gefäßvolumen vernachlässigbar ist (Konzept Damit ist der „Druck“, von einem Molekül her-
des Massenpunktes). rührend,
 Zwischen den Teilchen existieren keine Wech-
FNi mM vxi 2
mM vxi 2
selwirkungskräfte, ausgenommen bei einem pNi D D D :
A a 3 V
Zusammenstoß.
 Die Zusammenstöße der Teilchen untereinan- Nun sollen sich N Teilchen mit verschiedenen
der und mit den Gefäßwänden verlaufen völlig Geschwindigkeiten im Würfel befinden. Falls sie
elastisch innerhalb einer vernachlässigbaren untereinander nicht zusammenstoßen, ergibt sich
Zeitspanne. der Druck auf die Wand durch Summation über
alle N Einzelbeiträge:
Der Druck, den ein Gas auf die Gefäßwand aus-
mM  2 
übt, wurde bereits 1738 von Bernoulli so erklärt, pD 2
vx1 C vx2 2
C vx3 C    C vxN2

dass die Teilchen bei ihren Zusammenstößen mit V


N
der Wand an diese einen bestimmten Impuls über- mM X 2
D v :
tragen und dadurch eine Kraft ausüben. Zur Be- V i D1 xi
stimmung des Drucks sei zunächst nach Abb. 3.5
ein Würfel der Kantenlänge a als Gefäß betrach- Bei den üblichen Teilchenanzahlen verschwindet
tet, in dem sich lediglich ein Molekül der Masse das in Abb. 3.6 angedeutete diskrete Auftreten
mM befinden soll. Das Molekül bewege sich mit der Stöße vollkommen. Tatsächlich treffen bei-
der Geschwindigkeit vi und treffe auf die rech- spielsweise bei einem mit Luft gefüllten Gefäß
te Wand des Würfels. Gemäß den Stoßgesetzen im Normzustand auf jeden Quadratzentimeter der
von Abschn. 2.7 wird das Teilchen wie beim opti- Wand je Sekunde etwa 3  1023 Teilchen.
166 3 Thermodynamik

Die Geschwindigkeiten der einzelnen Mole- Tab. 3.6 Mittlere Geschwindigkeit vm und Schallge-
küle messen zu wollen, ist ein hoffnungsloses schwindigkeit c einiger Gase beim Normzustand #n D
0 ı C und pn D 1;013 bar (% Dichte, ~ Isentropenexpo-
Unterfangen. Sinnvoll sind nur statistische Aus- nent)
sagen, z. B. eine Berechnung des Mittelwerts.
Gas % in kg=m3 ~ vm in m=s c in m=s
Der obige Ausdruck lässt sich mit dem mittleren
Helium 0,1785 1,67 1305 974
Geschwindigkeitsquadrat Argon 1,784 1,67 413 308
Wasserstoff 0,0899 1,41 1840 1260
N
1 X 2 Sauerstoff 1,4289 1,40 461 315
vx2 D v
N i D1 xi Stickstoff 1,2505 1,40 493 337
Luft 1,2928 1,40 485 331
vereinfachen zu
mM Beispiel 3.2-1
pD N vx2 :
V Beim Normzustand beträgt die Dichte von
Nun gilt für jedes Teilchen Stickstoff %n D 1;2505 kg=m3. Wie groß ist
die mittlere Geschwindigkeit?
v2 D v2x C vy2 C v2z :
Lösung
s
Da bei vielen Teilchen alle Raumrichtungen 3  101:325 N m2
gleichmäßig vorkommen, gilt für die Mittelwer- vm D D 493 m=s:
1;2505 kg m3
te der Geschwindigkeitsquadrate

1 2 Die mittlere Geschwindigkeit der Moleküle


vx2 D vy2 D vz2 D v :
3 ist in der Größenordnung der Schallgeschwindig-
keit. Nach (5) aus Tab. 5.8 gilt für die Schallge-
Demnach erhält man für den Druck schwindigkeit
1N r
pD mM v 2 : (3.23) ~p
3V cD :
%
Diese Grundgleichung der kinetischen Gastheo-
rie ist auch gültig, wenn Zusammenstöße zwi- ~ ist der in Abschn. 3.3.5 definierte Isentropen-
schen den Teilchen stattfinden, sowie bei belie- exponent, der im Bereich 1 < ~ 5 5=3 liegt.
biger Gefäßform. Tab. 3.6 enthält Werte der mittleren Geschwin-
Gleichung (3.23) lässt sich mit Hilfe der Dich- digkeit vm und der Schallgeschwindigkeit c für
te % D m=V D N mM =V umschreiben: einige Gase.

1 2
pD %v : (3.24) 3.2.2 Thermische Energie und
3
Temperatur
Diese Beziehung kann benutzt werden, um die
mittleren Molekülgeschwindigkeiten in Gasen zu Wird die Grundgleichung (3.23) der kinetischen
berechnen. Als mittlere Geschwindigkeit vm wird Gastheorie in der Form
die Wurzel aus dem mittleren Geschwindigkeits-
quadrat v 2 definiert: 1
pV D N mM v 2
3
s
p 3p
vm D v 2 D : (3.25) geschrieben, so ist eine Verwandtschaft mit der
% allgemeinen Zustandsgleichung (3.22) idealer
3.2 Kinetische Gastheorie 167

Gase
pV D N kT Die Temperatur ist ein Maß für die mittlere
kinetische Energie der Moleküle.
offensichtlich. Durch Gleichsetzen der rechten
Seiten entsteht die Beziehung

1 Durch die Verknüpfung von Temperatur und


mM v 2 D kT; kinetischer Energie wird auch wieder auf die
3
Existenz eines absoluten Temperatur-Nullpunkts
die zeigt, dass das mittlere Geschwindigkeitsqua- hingewiesen, bei dem jede Teilchenbewegung
drat proportional zur Temperatur ist. Daraus folgt aufhört. (Die Quantentheorie lehrt, dass bei T D
sofort für die Temperaturabhängigkeit der mittle- 0 K noch eine Nullpunktsenergie vorhanden ist.)
ren Geschwindigkeit:
s Gleichverteilungssatz
r
3kT 3Rm T Die Modellsubstanz – die Grundlage der vorge-
vm D D : (3.26) nannten abgeleiteten Gleichungen – besteht aus
mM M
punktförmigen Teilchen mit jeweils f D 3 Frei-
heitsgraden. Da sich im zeitlichen Mittel die Be-
wegung der Moleküle gleichmäßig auf alle drei
Beispiel 3.2-2
Raumrichtungen verteilt, kann man die kineti-
Wie groß ist die mittlere Geschwindigkeit vm
sche Energie eines Moleküls in drei gleiche Teile
und die Schallgeschwindigkeit c von Luft bei
aufspalten. Auf jeden Freiheitsgrad entfällt somit
# D 20 ı C?
die mittlere thermische Energie pro Molekül
Lösung 1
Aus (3.26) folgt EN f D kT: (3.29)
2
r
vm20 293 Dieses Ergebnis kann verallgemeinert werden
D und vm20 D 1;036vm0 : auf Gase, deren Teilchen nicht punktförmig sind
vm0 273
(z. B. das hantelförmige N2 -Molekül) und daher
Mit vm0 D 485 m=s (Tab. 3.6) ergibt sich mehr als drei Freiheitsgrade haben:
vm20 D 502 m=s. Im gleichen Verhältnis
nimmt die Schallgeschwindigkeit von c0 D
331 m=s auf c20 D 343 m=s zu. Die thermische Energie eines Moleküls
verteilt sich gleichmäßig auf alle seine
Eine sehr plastische Deutung des Temperatur- Freiheitsgrade. Jeder Freiheitsgrad hat die
begriffs wird möglich durch Einführung der mitt- Energie EN f D 21 kT .
leren kinetischen Energie EN kin eines Teilchens der
Masse mM :
1
EN kin D mM v 2 : (3.27) Dieser Gleichverteilungssatz (Äquipartions-
2 prinzip) liefert für die mittlere thermische Ener-
Aus (3.26) und (3.27) folgt gie eines Moleküls mit f Freiheitsgraden
3 f
EN kin D kT: (3.28) EN D kT: (3.30)
2 2
Dieser Ausdruck erlaubt eine anschauliche In- Der Gleichverteilungssatz verliert seine Gültig-
terpretation der phänomenologisch eingeführten keit bei tiefen Temperaturen, wo Quanteneffekte
Zustandsgröße „Temperatur“: wirksam werden (Abschn. 3.3.4).
168 3 Thermodynamik

3.2.3 Geschwindigkeitsverteilung Er tritt auf in den Gleichungen der Leitfä-


der Gasmoleküle higkeit von Halbleitern, in der Diodenkennlinie,
beim Verdampfen von Flüssigkeiten und beim
Boltzmann-Faktor Elektronenaustritt aus Glühkathoden, um einige
Die barometrische Höhenformel gemäß (2.182) Beispiele zu nennen.
beschreibt die Druckabnahme in der Atmosphäre Haben mehrere Zustände dieselbe Energie
mit zunehmender Höhe h: (entartete Zustände), dann kann dies durch ein
statistisches Gewicht g berücksichtigt werden.
% gh
 0
ph D p0 e p0 : Aus (3.31) wird dann
N2 g2 E2 E1
Der Exponent lässt sich leicht umformen: D e kT : (3.32)
N1 g1
mM gh
ph D p0 e kT : Wenn ein System verschiedene Zustände mit den
Energien E1 ; E2 ; : : : einnimmt, so ist die Wahr-
Da die Teilchenanzahldichte n D N=V propor- scheinlichkeit dafür, dass der Zustand mit der
tional zum Druck ist, gilt für das Verhältnis der Energie Ei besetzt ist, gegeben durch
Teilchenanzahldichten in der Höhe h und am Erd- Ei

boden bei h D 0: Pi  gi e kT : (3.33)

nh mM gh Maxwell’sche Verteilungsfunktion
D e kT :
n0 Bei einem Gas ändern sich infolge der Zusam-
menstöße zwischen den Gasmolekülen ständig
Der Zähler im Exponenten entspricht der Diffe- deren Geschwindigkeiten. Trotzdem ist eine sta-
renz der potenziellen Energie Epot im Schwe- tistische Aussage darüber möglich, mit welcher
refeld zwischen den beiden betrachteten Zustän- Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Geschwin-
den, sodass auch gilt digkeit vorkommt. Nach (3.33) ist die Wahr-
scheinlichkeit für das Auftreten einer Geschwin-
nh Epot
D e kT : digkeit zwischen v und v C dv gegeben durch die
n0 Verteilungsfunktion
Dieses Ergebnis lässt sich verallgemeinern auf mM v 2

zwei beliebige Energiezustände E1 und E2 . Wer- f .v/dv D Cg.v/e 2kT dv:


den auf diese beiden Energieniveaus N Teilchen Darin berücksichtigt g.v/dv das statistische Ge-
verteilt, dann gilt für die Besetzungszahlen bzw. wicht des Geschwindigkeitsintervalls.
Teilchenanzahldichten Im dreidimensionalen Geschwindigkeitsraum
N2 n2 E2 E1 E
nach Abb. 3.7 liegen die Spitzen aller Geschwin-
D D e kT D e kT : (3.31) digkeitsvektoren mit den Beträgen zwischen v
N1 n1
und v C dv in einer Kugelschale mit dem Radius
Diese Exponentialfunktion ist als Boltzmann- v und der Dicke dv. Die Anzahl der möglichen
Faktor bekannt und spielt in den Gleichungen der Geschwindigkeitsvektoren ist proportional zum
Gleichgewichtsstatistik eine große Rolle. Volumen dieser Kugelschale 4 v 2 dv. Setzt man

g.v/ D 4 v 2 ;
Der Boltzmann-Faktor gibt an, welcher dann ergibt sich die Normierungskonstante C aus
Bruchteil der Teilchen aufgrund ihrer ther- der Forderung
mischen Bewegung die Energieschwelle Z1
E2  E1 überschritten hat. f .v/dv D 1:
0
3.2 Kinetische Gastheorie 169

Abb. 3.8 Maxwell’sche Geschwindigkeitsverteilung für


Stickstoffmoleküle
Abb. 3.7 Zur Maxwell’schen Geschwindigkeitsvertei-
lung: Geschwindigkeiten zwischen v und v C dv
Die durchschnittliche Geschwindigkeit v, also der
arithmetische Mittelwert der Geschwindigkeits-
Dies ist der mathematische Ausdruck dafür, dass beträge aller Teilchen, liegt zwischen vw und vm :
ein Teilchen mit Sicherheit irgendeine Geschwin- s r
digkeit zwischen null und unendlich haben muss. 8kT 8
Durch Bestimmung des Integrals folgt vD D vm : (3.36)
 mM 3 
!3=2
mM An vielen Prozessen sind nur jene Teilchen be-
C D : teiligt, deren Energie eine bestimmte Schwelle
2 kT
überschreitet. Beispiele sind chemische Reaktio-
Die Maxwell’sche Geschwindigkeitsverteilung nen, Glühemission von Elektronen aus Metallen,
lautet demnach Stoßionisation in Gasen. Mit Hilfe von (3.34)
lässt sich berechnen, welcher Bruchteil der Teil-
!3=2
mM mM v 2
chen die erforderliche Mindestenergie bzw. Min-
f .v/dv D 4 v 2 e 2kT dv: (3.34) destgeschwindigkeit besitzt.
2 kT

Sie wurde von J. C. M AXWELL im Jahr 1859 Beispiel 3.2-3


gefunden und 1876 von L. B OLTZMANN theore- Eine chemische Reaktion wird eingeleitet,
tisch begründet. wenn die Gasatome eine Aktivierungsenergie
Abb. 3.8 zeigt die Verteilungsfunktion für von EA D 1 eV D 1;6  1019 J aufbrin-
Stickstoff-Moleküle bei den Temperaturen T D gen. Welcher Bruchteil der Moleküle ist dazu
300 K und T D 900 K. in der Lage, wenn die Masse der Moleküle
Die wahrscheinlichste Geschwindigkeit vw , al- mM D 4;65  1026 kg beträgt? Die Temperatur
so diejenige, die am häufigsten auftritt, kann sei T1 D 300 K bzw. T2 D 900 K. Wie groß ist
aus (3.34) durch Bestimmung des Maximums er- jeweils die mittlere Geschwindigkeit vm ?
mittelt werden:
Lösung
s
Die Aktivierungsenergie entspricht einer
q Min-
r
2kT 2
vw D D vm : (3.35) 2EA
mM 3 destgeschwindigkeit von v0 D mM D
170 3 Thermodynamik

2625 m=s. Im Vergleich hierzu sind die mitt- 5 ı C beträgt? (Zur Temperaturabhängigkeit der
leren Geschwindigkeiten klein: Schallgeschwindigkeit siehe Beispiel 3.2-2. Die
s Längenänderung der Pfeife ist ein vernachlässig-
3kT1 barer Effekt.)
vm;1 D D 517 m=s und
mM
Ü 3-10 Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit da-
vm;2 D 895 m=s: für, dass Stickstoff-Moleküle bei Raumtempera-
tur (T D 300 K) Geschwindigkeiten im Intervall
Der Bruchteil x der Moleküle mit v = v0 be- 1000 m=s 5 v 5 1100 m=s haben? Wie vie-
trägt le Moleküle erfüllen diese Bedingung, wenn das
R1 Z1
v0 f .v/dv Gas beim Normdruck das Volumen V D 1 l aus-
x D R1 D f .v/dv:
f .v/dv füllt?
0
v0

Ü 3-11 Bei der Glühemission von Wolfram müs-


Eine numerische Integration mit einem pro-
sen die Elektronen die Austrittsarbeit WA D
grammierbaren Rechner liefert
4;5 eV überwinden. Welcher Bruchteil der Elek-
16 tronen ist dazu bei Raumtemperatur bzw. bei T D
für T1 D 300 KW x1 D 1;14  10 und
1500 K in der Lage? (Das Elektronengas wird nä-
für T2 D 900 KW x2 D 1;06  105 : herungsweise wie ein ideales Gas angesehen.)

Obwohl die Temperatur nur um den Faktor


drei variiert, verändert sich die Anzahl der 3.3 Hauptsätze der Thermodynamik
reaktionsfähigen Teilchen um neun Größen-
ordnungen. 3.3.1 Wärme

Ist die Mindestgeschwindigkeit v0 sehr viel Aus dem letzten Abschnitt geht hervor, dass
größer als die mittlere Geschwindigkeit vm , dann die Temperatur ein Maß ist für die Energie, die
gilt in guter Näherung für den Bruchteil x der re- in der ungeordneten thermischen Bewegung der
aktionsfähigen Teilchen Teilchen steckt. Bei Gasen und Flüssigkeiten ist
r dies die kinetische Energie der Translation und
2 EA  EA Rotation der Moleküle sowie die Schwingungs-
xDp e kT : (3.37)
  kT energie der Molekülschwingungen. In Festkör-
pern schwingen die Atome um ihre Ruhelagen;
hierbei werden mit zunehmender Temperatur die
3.2.4 Zur Übung Schwingungsamplituden immer größer.
Bringt man zwei Körper, die sich auf verschie-
Ü 3-8 Ein Gefäß mit V D 1 l Inhalt ist mit He- denen Temperaturen befinden, in Kontakt, dann
lium gefüllt. Das Gas befindet sich im Normzu- findet ein Temperaturausgleich statt: Die Tem-
stand. a) Wie groß ist die mittlere Geschwindig- peratur des kälteren Körpers nimmt zu und die
keit vm der Atome? b) Wie groß ist die gesamte des wärmeren nimmt ab. Dies bedeutet nach den
kinetische Energie aller He-Atome, die sich in vorgenannten Erläuterungen, dass vom warmen
dem Gefäß befinden? System an das kalte System Energie übertragen
wird. Diese Energieübertragung belegt man mit
Ü 3-9 Eine Orgelpfeife einer Kirchenorgel dem Begriff Wärme:
schwingt bei #1 D 20 ı C mit der Frequenz
f1 D 440 Hz. Die Frequenz einer Pfeife ist pro-
portional zur Schallgeschwindigkeit in der Luft. Wärme ist Energie, die aufgrund ei-
Welche Frequenz gibt die Pfeife im Winter ab, nes Temperaturunterschieds zwischen zwei
wenn die Temperatur der angesaugten Luft #2 D
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 171

Die Wärmekapazität kann nur in bestimmten


Systemen übertragen wird. Diese Energie- Grenzen als Konstante angesehen werden. Tat-
übertragung hat eine eindeutige Richtung. sächlich hängt sie von der Temperatur ab. Bei
Die Wärme fließt stets in Richtung der einer endlichen Temperaturänderung von T1 auf
niedrigeren Temperatur. Der Wärmeüber- T2 beträgt die übertragene Wärme
gang ist also ein irreversibler Prozess.
ZT2 ZT2
Q12 D m c.T /dT D  Cm .T /dT: (3.41)
T1 T1
Wird einem Festkörper oder einer Flüssigkeit
Wärme zugeführt, dann ist dies immer mit einer Ist das Temperaturintervall klein, kann die Wär-
Temperaturerhöhung verknüpft, falls kein Pha- mekapazität näherungsweise als konstant ange-
senübergang stattfindet (Abschn. 3.4.3). Um die nommen werden und (3.41) vereinfacht sich zu
Temperatur T eines Systems um dT zu erhöhen,
ist eine Wärmezufuhr •Q erforderlich, die pro- Q12 D mc.T2  T1 / D Cm .T2  T1 /: (3.42)
portional zu dT ist:
Diese Gleichung gilt auch für einen größeren
•Q D C dT: (3.38) Temperaturbereich, wenn anstatt der wahren ei-
ne mittlere Wärmekapazität eingesetzt wird.
Die Proportionalitätskonstante C ist die Wärme-
kapazität des Systems. Sie hängt von der Art des Beispiel 3.3-1
Stoffs und von der Menge ab, sie ist also eine ex- Wie groß ist die Wärme, die einem Bauteil aus
tensive Größe. Eisen von der Masse m D 0;8 kg zugeführt
Je nachdem, ob die Wärmekapazität C auf werden muss, um es von #1 D 20 ı C auf #2 D
die Masse m oder die Teilchenmenge  bezogen 400 ı C zu erwärmen?
wird, ergibt sich die spezifische Wärmekapazität
Lösung
C In diesem Temperaturintervall ist die spezi-
cD (3.39) fische Wärmekapazität linear von der Tem-
m
peratur abhängig c1 D 465 J=.kg K/, c2 D
oder die molare Wärmekapazität 615 J=.kg K/. Die mittlere spezifische Wärme-
kapazität beträgt c D 540 J=.kg K/. Damit ist
C die erforderliche Wärme
Cm D : (3.40)

Q12 D mc.#2  #1 /
Nach (3.4) gilt der Zusammenhang Cm D cM .
D 0;8 kg  540 J=.kg K/  380 K
Die SI-Maßeinheit der Wärme ist wie für jede
Energieform 1 J (Joule). Somit erhalten die Wär- D 164 kJ:
mekapazitäten die Maßeinheiten C : 1 J=.K/, c:
Zur Veranschaulichung: Mit der gleichen
1 J=.kg K/, Cm : 1 J=.mol K/.
Energie könnte man das Bauteil von v1 = 0 auf
Im älteren Schrifttum und im praktischen Ge-
v2 D 640 m=s beschleunigen.
brauch findet man häufig noch die früher übli-
che Maßeinheit für die Wärme, die Kilokalorie. Die spezifische bzw. molare Wärmekapazität
Für die Internationale Tafelkalorie gilt der Um- von Gasen hängt außer von der Gasart auch ab
rechnungsfaktor 1 kcalIT D 4;1868 kJ. (Molare von
Wärmekapazitäten einiger Gase enthält Tab. 3.8
in Abschn. 3.3.4, spezifische Wärmekapazitä-  der Temperatur,
ten von einigen Festkörpern und Flüssigkeiten  dem Druck (nicht bei idealen Gasen) und von
Tab. 3.12 in Abschn. 3.5.1.)  der Prozessführung.
172 3 Thermodynamik

Die umgesetzte Wärme kann deshalb i. Allg.


nicht nach (3.41) berechnet werden, da je nach
Versuchsbedingungen eine ganz bestimmte Wär-
mekapazität einzusetzen wäre. Für die Praxis
sind besonders zwei Versuchsbedingungen von
Bedeutung, für die die Wärmekapazitäten vieler
Gase gemessen sind:

a) Temperaturänderung bei konstantem Volu-


men; die isochore Wärmekapazität wird mit
dem Index „V “ gekennzeichnet: CV , cV ,
CmV ;
b) Temperaturänderung bei konstantem Druck;
die isobare Wärmekapazität erhält den Index
„p“: Cp , cp , Cmp .

Kalorimetrie
Wärmekapazitäten werden in Kalorimetern ge-
messen. Abb. 3.9 zeigt das Prinzip eines Mi-
schungskalorimeters, das geeignet ist, die Wär-
mekapazität von Festkörpern und Flüssigkeiten
zu messen. Im Innern des gut isolierten Dewar- Abb. 3.9 Mischungskalorimeter. m Masse, c spezifische
Gefäßes befindet sich eine Flüssigkeit (meist Wärmekapazität 1 Flüssigkeit, 2 Festkörper
Wasser) der Masse m1 bei der Temperatur T1 .
Wird ein Körper der Masse m2 mit der Tempera-
tur T2 in die Flüssigkeit eingetaucht, so stellt sich ist verhältnismäßig schwierig. Das Gas wird in
nach einiger Zeit die Mischungstemperatur Tm ein Kalorimetergefäß eingeschlossen und – z. B.
ein. Es muss folgende Energiebilanzgleichung er- mit einer elektrischen Heizung – aufgeheizt. Da
füllt sein: die Wärmekapazität des Gefäßes sehr viel grö-
ßer ist als die des Gases, ist das Messergebnis
m1 c1 .Tm  T1 / C CK .Tm  T1 /
nicht sonderlich genau. Einfacher ist die Bestim-
D m2 c2 .T2  Tm /: mung der spezifischen Wärmekapazität cp unter
konstantem Druck:
CK ist die Wärmekapazität des Kalorimeters. Gemäß Abb. 3.10 leitet man eine bestimm-
Daraus bestimmt sich die zu messende spezifi- te Menge erhitztes Gas in einer Rohrschlange
sche Wärmekapazität des Körpers 2: durch ein Wasserkalorimeter. Aus der Tempera-
.m1 c1 C CK /.Tm  T1 / turdifferenz T1  T2 , dem Massenstrom und der
c2 D : (3.43) Temperaturzunahme der Flüssigkeit lässt sich die
m2 .T2  Tm /
Wärmekapazität cp bestimmen. cV kann aus cp
Es ist einleuchtend, dass mit dieser Methode die berechnet werden (Abschn. 3.3.4).
spezifische Wärmekapazität nur relativ zu der des
Wassers c1 gemessen werden kann. Aus diesem
Grund hat man früher die spezifische Wärme- 3.3.2 Zur Übung
kapazität des Wassers mit c1 D 1 kcal=.kg K/
festgelegt und darauf alle anderen Wärmekapa- Ü 3-12 Die Wärmekapazität CK eines Kalori-
zitäten bezogen. meters soll bestimmt werden. Dazu wird ein
Die Bestimmung der spezifischen Wärmeka- Kupferblock der Masse m2 D 150 g und der
pazität cV von Gasen bei konstantem Volumen Temperatur #2 D 35 ı C in das Wasserbad der
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 173

dem Debye’schen T 3 -Gesetz c D konst.  T 3 . Für


Zink gilt Cm D 1;76 J=.mol K/ (T D 20 K). Wel-
che Wärme muss einem Bauteil der Masse m D
200 g entzogen werden, wenn es von T2 D 20 K
auf T1 D 4;2 K abgekühlt werden soll?

3.3.3 Erster Hauptsatz der


Thermodynamik

Aus der kinetischen Gastheorie folgt sehr ein-


leuchtend, dass Wärme eine Energieform ist. Die-
se Theorie wurde erst um die Mitte des 19. Jahr-
hunderts entwickelt. Bis dahin war die Meinung
vorherrschend, dass beim Wärmeübergang von
Abb. 3.10 Kalorimeter zur Bestimmung der isobaren
einem heißen auf einen kalten Körper ein Wär-
spezifischen Wärmekapazität cp von Gasen. T Tempera-
tur mestoff, das „Phlogiston“, überwechselt. Von den
zahlreichen Experimenten, die im Lauf der Zeit
die Theorie des Wärmestoffs zu Fall brachten,
Masse m1 D 250 g und der Temperatur #1 D seien kurz zwei erwähnt:
15 ı C getaucht. Die Mischungstemperatur beträgt Im Jahr 1797 beaufsichtigte Graf Rumford
#m D 15;9 ı C. (B. T HOMPSON, 1753 bis 1814) das Kanonen-
bohren im Münchener Zeughaus. Mit Hilfe ei-
Ü 3-13 In ein Kalorimeter, das mit Methyl- nes von Pferden angetriebenen Bohrers wurde
alkohol der Masse m1 D 0;3 kg gefüllt ist, eine Kanone aufgebohrt. Die dabei entwickelte
wird eine Heizwicklung getaucht und mit elek- Wärme wurde an Kühlwasser abgegeben. In 2,5
trischem Strom geheizt. Die Heizleistung beträgt Stunden wurden 8,5 kg Wasser zum Kochen ge-
P D 100 W. Die Temperaturzunahme der Flüs- bracht. Rumford zog aus seinen Beobachtungen
sigkeit ist dT =dt D 0;119 K=s. Wie groß ist den Schluss, dass die Temperaturerhöhung durch
die spezifische Wärmekapazität von Methylalko- die mechanische Arbeit der Pferde verrichtet
hol, wenn die Wärmekapazität des Kalorimeters wurde: „Mehr Energie lässt sich erzeugen, indem
CK D 95 J=K beträgt? man mehr Pferdefutter verwendet.“ – 1799 brach-
te H. DAVY (1778 bis 1829) zwei Eisstücke von
Ü 3-14 Um die isobare spezifische Wärmekapa- # D 0 ı C durch Reiben zum Schmelzen. Auch
zität von Stickstoffmonoxid (NO) zu bestimmen, hierbei wurde die erforderliche Schmelzwärme
wird das Gas gemäß Abb. 3.10 durch ein Kalori- durch mechanische Arbeit zugeführt.
meter geleitet. Dieses ist mit m1 D 1 kg Wasser Im Jahr 1842 erkannte der Arzt R. M AYER
gefüllt. Die Wärmekapazität des Gefäßes ist ver- (1814 bis 1878) als erster die Existenz eines all-
nachlässigbar. Die Temperaturdifferenz zwischen gemeinen Energieerhaltungssatzes, der außer den
ein- und ausströmendem Gas ist T1  T2 D 5 K. bisher bekannten mechanischen Energieformen
Der Volumenstrom beträgt VP D 1 l=s. Die Dichte die Wärme mit einschließt. Er stellte fest, dass
von NO ist % D 1;34 kg=m3 . Die Tempera- der Energiesatz der Mechanik uneingeschränkt
turzunahme der Flüssigkeit ist dT3 =dt D 1;6  gilt, wenn die Wärme als weitere Energieform
103 K=s. Wie groß ist die isobare spezifische berücksichtigt wird. Aus vorliegenden Daten der
Wärmekapazität cp und die isobare molare Wär- spezifischen Wärmekapazitäten cp und cV von
mekapazität Cm;p ? Luft berechnete er als erster das mechanische
Wärmeäquivalent, also den Umrechnungsfaktor
Ü 3-15 Die spezifische Wärmekapazität der der (damals) in Kalorien gemessenen Wärme in
Festkörper entspricht bei tiefen Temperaturen mechanische Energieeinheiten. Aufgrund unge-
174 3 Thermodynamik

nauer Messdaten erhielt Mayer einen Zahlenwert, die Systemgrenzen Energie mit der Umgebung
der um 14 % vom korrekten Wert abwich. ausgetauscht wird. Die Energieübertragung um-
Von 1843 bis 1850 bemühte sich J. P. J OULE fasst in den folgenden Betrachtungen lediglich
(1818 bis 1889) in vielen verschiedenartigen Ex- Wärme und mechanische Arbeit, kann aber jeder-
perimenten um eine genaue Bestimmung des me- zeit auf alle vorhandenen Energieformen ausge-
chanischen Wärmeäquivalents. Er erhielt einen dehnt werden. Für die Änderung dU der inneren
Zahlenwert für das mechanische Wärmeäquiva- Energie gilt somit
lent, der lediglich um 1 % von dem heute aner-
kannten Wert 4;1868 kJ D 1 kcal abweicht. dU D •Q C •W: (3.44)
Unabhängig von Mayer entwickelte 1847
H. v. H ELMHOLTZ (1821 bis 1894) den allge-
meinen Energiesatz, der außer mechanischer und
Die Änderung der inneren Energie eines
Wärmeenergie auch alle anderen Energieformen,
geschlossenen Systems entspricht der Sum-
wie z. B. elektrische, magnetische und chemische
me von übertragener Wärme und Arbeit.
Energie, einschließt. Dieser erste Hauptsatz der
Thermodynamik lautet:
Das Vorzeichen der umgesetzten Energiebeträ-
ge wird wie folgt festgelegt: Wärme und Arbeit,
In einem abgeschlossenen System bleibt
die dem System zugeführt werden, erhalten ein
der Gesamtbetrag der Energie konstant.
positives Vorzeichen. Wenn das System Energie
Innerhalb des Systems können die ver-
nach außen abgibt, ist diese negativ.
schiedenen Energieformen ineinander um-
Die innere Energie ist eine Zustandsgröße
gewandelt werden.
(Abschn. 3.1.2), d. h., sie hängt nur vom augen-
blicklichen Zustand des Systems ab, nicht aber
davon, wie das System in diesen Zustand ge-
Helmholtz kam zu seiner Schlussfolgerung
langt ist. Wäre dies nicht so, dann ließe sich
aufgrund der Tatsache, dass es nicht gelingt, ein
ein Perpetuum mobile konstruieren. Speziell bei
Perpetuum mobile zu bauen, also eine Maschi-
den idealen Gasen gilt nach (3.30) für die innere
ne, die ständig Arbeit abgibt, ohne gleichzeitig
Energie
entsprechende Energie aufzunehmen. Eine solche
Maschine, die dem ersten Hauptsatz widerspre- f f
chen würde, wäre ein Perpetuum mobile erster U D N EN kin D N kT D  Rm T: (3.45)
2 2
Art.

Die innere Energie der idealen Gase hängt


Es gibt kein Perpetuum mobile erster Art. außer von der Stoffmenge nur von der Tem-
peratur ab.

Dieser Erfahrungssatz ist schon recht alt. Be-


reits 1775 beschloss die französische Akademie Wird bei einer Zustandsänderung das Volu-
der Wissenschaften, Vorschläge von Erfindern für men konstant gehalten, dann kann am System
ein Perpetuum mobile nicht mehr zu prüfen. keine Volumenänderungsarbeit verrichtet wer-
den. Nach (3.44) gilt für eine solche isochore
Innere Energie Zustandsänderung
Die gesamte thermische Energie eines Systems,
die in der ungeordneten Bewegung der Teilchen dU D •QjV Dkonst. D CmV dT D mcV dT:
steckt, wird nach Kelvin als innere Energie U des
Systems bezeichnet. Diese kann nach den obigen Da die innere Energie eine Zustandsgröße ist,
Erläuterungen nur geändert werden, wenn über kann für eine beliebige Zustandsänderung, die
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 175

nicht isochor zu sein braucht, die Änderung der


inneren Energie nach der vorgenannten Bezie-
hung berechnet werden:

dU D CmV dT D mcV dT: (3.46)

Für beliebige Zustandsänderungen idealer


Gase hängt die Änderung der inneren Ener- Abb. 3.11 Zur Bestimmung der Volumenänderungsarbeit.
A Kolbenfläche, F Kraft, p Druck, ds Wegelement
gie nur von der isochoren Wärmekapazität
und der Temperaturänderung ab.

Bei einer endlichen Temperaturänderung ist


die gesamte Änderung der inneren Energie

ZT2
U D U2  U1 D  CmV .T /dT
T1

ZT2
Dm cV .T /dT (3.47)
T1

oder nach (3.44)


Abb. 3.12 Volumenänderungsarbeit im p; V -Diagramm.
U D U2  U1 D Q12 C W12 : (3.48) 1, 2 Grenzpunkte, W12 Volumenänderungsarbeit, a, b We-
ge
Die umgesetzte Wärme Q12 und die mechanische
Arbeit W12 sind Prozessgrößen (Abschn. 3.1.2).
Wird das Volumen von V1 nach V2 geändert, so
Sie hängen von der Art der Prozessführung ab,
ist die Gesamtarbeit
lassen sich also nicht nach der Art der inneren
Energie als Differenz zweier fester Werte be- ZV2
schreiben. W12 D  p.V /dV: (3.50)
Zur Berechnung der Volumenänderungsarbeit
V1
bei einem geschlossenen System sei die Kom-
pression eines Gases gemäß Abb. 3.11 betrachtet. Abb. 3.12 erlaubt eine anschauliche Interpretati-
In einem Zylinder mit verschiebbarem Kolben on:
befindet sich ein Gas unter dem Druck p. Zur
Verschiebung des Kolbens mit der Fläche A um
die Strecke ds ist die Arbeit •W D F ds D pAds Die Volumenänderungsarbeit entspricht der
erforderlich. Das Produkt Ads D dV entspricht Fläche unter der Kurve der Zustandsände-
der Änderung des Gasvolumens. Das Differenzial rung im p; V -Diagramm.
der Arbeit ist also – mit dem Minuszeichen nach
der Vorzeichenvereinbarung –
Es wird noch einmal deutlich, dass die Arbeit
•W D pdV: (3.49) als Prozessgröße vom Weg im p; V -Diagramm
176 3 Thermodynamik

abhängt. Für dieselben Endpunkte 1 und 2 er- Die innere Energie ändert sich dabei nach (3.44)
fordert der Weg a eine geringere Arbeit als der und (3.49) um
Weg b.
dU D •Q C •W D Cmp dT  pdV:
Enthalpie
Außer der inneren Energie U ist eine weitere Zu- Da die innere Energie eine Zustandsgröße ist,
standsgröße, die Enthalpie H sehr nützlich: lässt sich ihre Änderung für beliebige Zustands-
änderungen nach (3.46) berechnen:
H D U C pV: (3.51)
dU D CmV dT:
Das totale Differenzial der Enthalpie ist dH D
dU C pdV C V dp. Für Zustandsänderungen, die Durch Gleichsetzen dieser beiden Ausdrücke er-
unter konstantem Druck ablaufen, vereinfacht es hält man
sich zu dH D dU C pdV .
Mit der Volumenänderungsarbeit in geschlos- CmV dT D Cmp dT  pdV
senen Systemen •W D pdV ergibt sich dH D
dU  •W . Diese Beziehung lässt sich mit dem oder
ersten Hauptsatz (3.44) so schreiben: p dV
Cmp  CmV D :
 dT
dH D •QjpDkonst. D Cmp dT D mcp dT:
Aus der Zustandsgleichung idealer Gase ergibt
(3.52)
sich dV =dT D Rm =p und schließlich

Cmp  CmV D Rm : (3.53)


Bei einer isobaren Zustandsänderung ist die
umgesetzte Wärmemenge gleich der Ände-
Ebenso gilt mit der individuellen Gaskonstan-
rung der Enthalpie.
te Ri für die spezifischen Wärmekapazitäten

cp  cV D Ri : (3.54)
Die Einführung der Enthalpie vereinfacht ther-
modynamische Berechnungen bei Zustandsände-
Die isochore molare Wärmekapazität kann nun
rungen, die bei konstantem Druck ablaufen sowie
aus der inneren Energie des Systems berechnet
bei Strömungsvorgängen in offenen Systemen.
werden. Nach (3.46) gilt

1 dU
3.3.4 Berechnung der CmV D : (3.55)
 dT
Wärmekapazitäten
Die Temperaturabhängigkeit der inneren Energie
In diesem Abschnitt soll gezeigt werden, dass wird durch (3.45) beschrieben:
die isochore spezifische bzw. molare Wärmeka-
pazität einfach gebauter Moleküle mit Hilfe der f
U.T / D Rm T:
Ergebnisse der kinetischen Gastheorie berechnet 2
werden kann. Die isobaren Wärmekapazitäten cp
Die Basis dieser Beziehung ist der Gleichver-
und Cmp hängen mit den isochoren Wärmekapa-
teilungssatz (Abschn. 3.2.2), nach dem die ther-
zitäten cV und CmV wie folgt zusammen:
mische Energie eines Moleküls gleichmäßig auf
Die Temperatur eines idealen Gases der Teil-
seine verschiedenen Freiheitsgrade f verteilt ist.
chenmenge  soll isobar um dT erhöht werden.
Somit gilt für die isochore molare Wärmekapazi-
Die erforderliche Wärme ist
tät
f
•QjpDkonst. D Cmp dT: CmV D Rm : (3.56)
2
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 177

Tab. 3.7 Freiheitsgrade, molare Wärmekapazitäten Cm und Isentropenexponent ~ für verschiedene Molekülformen
Molekülform Symbol Freiheitsgrade J J ~
CmV in Cmp in
Translation Rotation Oszillation gesamt mol K mol K
punktförmig 3 – – 3 12,47 20,79 1,67
starre Hantel 3 2 – 5 20,79 29,10 1,40
schwingende Hantel 3 2 2 7 29,10 37,41 1,29
mehratomig, starr 3 3 – 6 24,94 33,26 1,33

Die isobare molare Wärmekapazität folgt Tab. 3.8 Gemessene molare Wärmekapazitäten Cm ei-
aus (3.53) niger Gase beim Normdruck pn D 1;013 bar und der
Temperatur # D 20 ı C
 
f Gas CmV in Cmp in ~
Cmp D C 1 Rm : (3.57) J J
2
mol K mol K
Entsprechend sind die spezifischen Wärmekapa- Helium He 12,47 20,79 1,67
zitäten Argon Ar 12,47 20,78 1,67
f Wasserstoff H2 20,49 28,80 1,41
cV D Ri (3.58) Sauerstoff O2 21,04 29,36 1,40
2
Stickstoff N2 20,79 29,10 1,40
und 
f
 Luft 20,76 29,08 1,40
cp D C 1 Ri : (3.59) Chlor Cl2 25,74 34,05 1,35
2
Kohlendioxid CO2 28,57 36,88 1,29
Das Verhältnis von isobarer und isochorer Wär- Schwefeldioxid SO2 31,37 39,69 1,27
mekapazität ist der Isentropenexponent ~, der Methan CH4 26,71 35,02 1,31
bei isentropen Zustandsänderungen eine wichtige Ethan C2 H6 43,68 51,99 1,19
Rolle spielt (Abschn. 3.3.5). Mit (3.56) bis (3.59) Ammoniak NH3 27,70 35,01 1,31
folgt

Cmp cp 2 da infolge des geringen Massenträgheitsmoments


~D D D1C : (3.60) dafür extrem hohe Temperaturen nötig wären
CmV cV f
(Begründung weiter unten). Für die Schwingung
Zur Berechnung der Wärmekapazitäten von Ga- einer Hantel werden zwei Freiheitsgrade ange-
sen nach (3.56) bis (3.59) ist die Kenntnis setzt, da bei einem schwingenden System im
der Molekülform erforderlich, um die mögli- Mittel derselbe Energiebetrag als kinetische und
chen Freiheitsgrade f des Moleküls angeben zu als potenzielle Energie vorliegt (Abschn. 5.1).
können. Für verschiedene Molekültypen sind in Die theoretisch berechneten molaren Wärme-
Tab. 3.7 die Freiheitsgrade und die daraus berech- kapazitäten in Tab. 3.7 können nun mit den ge-
neten molaren Wärmekapazitäten sowie der Isen- messenen Werten in Tab. 3.8 verglichen werden.
tropenexponent angegeben. Jedes Teilchen hat Bei den Edelgasen stimmen die Messungen her-
drei Translationsfreiheitsgrade. Dazu kommen vorragend mit den theoretischen Berechnungen
bei mehratomigen Molekülen noch drei Freiheits- für punktförmige Teilchen überein. Die zwei-
grade der Rotation. Bei zweiatomigen Molekülen atomigen Gase zeigen mit Ausnahme von Chlor
in Form einer gestreckten starren Hantel wer- eine gute Übereinstimmung mit den theoreti-
den nur zwei Freiheitsgrade für die Rotation schen Werten der starren Hantel. Dies bedeuet:
angesetzt. Diese entfallen auf die Rotation um Die Moleküle von H2 , O2 und N2 verhalten sich
Achsen, die senkrecht zur Hantelachse stehen. bei Raumtemperatur wie starre Hanteln. Die Zah-
Die Rotation um die Hantelachse tritt nicht auf, lenwerte von Cl2 liegen zwischen den erwarteten
178 3 Thermodynamik

Abb. 3.13 Temperaturabhängigkeit der isochoren molaren Wärmekapazität CmV von Wasserstoff. Wasserstoff disso-
ziiert bei etwa T D 3200 K. Die fortgesetzte gestrichelte Linie gilt für ein stabiles zweiatomiges Molekül

für die starre und die schwingende Hantel. Tat- Drehimpuls eines Moleküls gequantelt. Der mi-
sächlich schwingt bei Raumtemperatur etwa die nimale Drehimpuls Lmin beträgt „ D h=2  mit
Hälfte der Cl2 -Moleküle, während die andere der Planck’schen Konstanten h. Damit ist die mi-
Hälfte starr ist. Dieses auf den ersten Blick merk- nimale Rotationsenergie eines Moleküls mit dem
würdige Verhalten wird verständlich, wenn die Massenträgheitsmoment J
Temperaturabhängigkeit der Wärmekapazität be-
trachtet wird. 1 L2min 1 „2
Erot,min D D :
Abb. 3.13 zeigt den Verlauf der molaren Wär- 2 J 2J
mekapazität CmV von Wasserstoff in Abhängig- Ist die mittlere thermische Energie 21 kT je Frei-
keit von der Temperatur. Offenbar verhält sich H2 heitsgrad kleiner als diese minimale Rotations-
bei tiefen Temperaturen wie ein einatomiges Gas energie, so wird das Molekül bei einem Stoß
mit drei Freiheitsgraden. Mit steigender Tempe- i. Allg. nicht in Rotation versetzt werden kön-
ratur beginnen die Moleküle ab etwa T D 80 K nen. Nach den Regeln der Quantenmechanik ist
zu rotieren; dies bewirkt einen Anstieg der Wär- auch die Schwingungsenergie gequantelt mit der
mekapazität. Bei Raumtemperatur rotieren prak- Mindestenergie hf , f ist hierbei die Schwin-
tisch alle Moleküle. Die Wärmekapazität nimmt gungsfrequenz. Diese Energie liegt üblicherweise
erneut zu, wenn ab etwa T D 800 K die Molekü- höher als die Schwellenenergie für die Rotation.
le zu schwingen beginnen. Die Schwelle, bei der
die Oszillation einsetzt, liegt für Cl2 tiefer als für Beispiel 3.3-2
H2 , sodass bei Cl2 unterhalb der Raumtemperatur Bei welcher Temperatur beginnen die Wasser-
bereits ein Großteil der Moleküle schwingt. stoff-Moleküle zu rotieren?
Vom klassischen Gleichverteilungssatz her
ist das Ausfrieren von Freiheitsgraden mit ab- Lösung
nehmender Temperatur nicht verständlich. Nach Die Grenze ist näherungsweise gegeben durch
1
den Gesetzen der Quantenmechanik aber ist der 2
kT  12 „2 =J . Für das Massenträgheitsmo-
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 179

ment gilt J D 2mr 2 . Mit m D 1;67  1027 kg


und r  5  1011 m ergibt sich J  8;35 
1048 kg m2 . Die Temperaturschwelle ist dann
etwa T  „2 =kJ D 95 K.

Die letzte Gruppe der Gase in Tab. 3.7 be-


steht aus mehratomigen Molekülen, die jeweils
mehrere Schwingungsformen haben können. Bei
Raumtemperatur sind die meisten Schwingungen
noch nicht angeregt, sodass keine Systematik in
die gemessenen Wärmekapazitäten gebracht wer-
den kann.
Bei kristallinen Festkörpern sitzen die einzel-
nen Atome bzw. Moleküle an festen Plätzen eines
Raumgitters. Punktförmige Atome können dabei
Schwingungen in den drei Raumrichtungen aus-
führen. Da jede Schwingungsrichtung formal mit Abb. 3.14 Temperaturabhängigkeit der molaren Wärme-
zwei Freiheitsgraden in die Rechnung eingeht, kapazität einiger Festkörper
haben die Atome jeweils sechs Freiheitsgrade für
die Berechnung der Wärmekapazität. Nach (3.56)
ist dann die molare Wärmekapazität eines Fest- geschlossenen System durchgeführt werden. Das
körpers Gas sei in einem dichten Zylinder mit verschieb-
J barem Kolben eingeschlossen. Die Prozessfüh-
CmV D 3Rm D 24;9 :
mol K rung sei so kontrolliert, dass zu jeder Zeit Druck
Dieses Ergebnis ist als Dulong-Petit’sches Gesetz und Temperatur des Gases mit Umgebungsdruck
(P. L. D ULONG, 1785 bis 1838, und A. T. P ETIT, und -temperatur im Gleichgewicht sind. Ferner
1791 bis 1820) bekannt. Wie Abb. 3.14 zeigt, erfolge die Bewegung des Kolbens reibungsfrei.
wird das Dulong-Petit’sche Gesetz bei hohen Unter diesen Voraussetzungen sind die beschrie-
Temperaturen gut befolgt, während mit abneh- benen Prozesse jederzeit umkehrbar (reversibel).
mender Temperatur durch Ausfrieren der Frei- Für alle Prozesse wird anhand einer Darstel-
heitsgrade die Wärmekapazität gegen null geht. lung im p; V -Diagramm die umgesetzte Energie
Bei komplizierten Molekülkristallen (bei- (mechanische Arbeit bzw. Wärme) berechnet.
spielsweise Eis) kommen außer den Schwingun- Alle Gleichungen werden mit molaren Größen
gen auch Rotationen ganzer Molekülgruppen vor, geschrieben. Für Berechnungen mit spezifischen
sodass die molare Wärmekapazität oberhalb des Größen müssen lediglich folgende Vertauschun-
Wertes liegt, den die Dulong-Petit’sche Regel an- gen durchgeführt werden:
gibt.
Rm ! mRi ;
Cmp ! mcp ;
3.3.5 Spezielle Zustandsänderungen CmV ! mcV :
idealer Gase
Die wichtigsten Ergebnisse der folgenden Be-
Zustandsänderungen, die in realen Systemen ab- trachtungen sind in Abb. 3.22 am Ende von Ab-
laufen, sind meist recht komplex, lassen sich aber schn. 3.3.5 tabellarisch zusammengefasst.
durch verhältnismäßig einfach zu behandelnde
spezielle Zustandsänderungen annähern. 3.3.5.1 Isotherme Zustandsänderung
Die Zustandsänderungen sollen mit einem Die isotherme Zustandsänderung (T D konst.)
idealen Gas konstanter Teilchenmenge in einem kann nach Abb. 3.15 so realisiert werden, dass
180 3 Thermodynamik

Abb. 3.15 Realisierung der isothermen Zustandsände-


rung

ein Zylinder mit guter Wärmeleitfähigkeit an


ein Wärmebad großer Wärmekapazität angekop- Abb. 3.16 Isotherme Kompression vom Zustand 1 zum
pelt wird. Die Zustandsänderung soll sehr lang- Zustand 2. Temperaturen der Isothermen: T < T 0 < T 00 ,
sam (quasistatisch) erfolgen. Die allgemeine Zu- W12 Volumenänderungsarbeit
standsgleichung idealer Gase (3.20) nimmt im
Fall konstanter Temperatur die Form des Boyle-
Mariotte’schen Gesetzes (3.15) an:
Die Volumenänderungsarbeit entspricht der
pV D Rm T D konst: Fläche unter der Kurve im p; V -Diagramm.

Im p; V -Diagramm von Abb. 3.16 ist die Isother-


me eine Hyperbel. Das Gas wird vom Anfangs- Da bei einer isothermen Zustandsänderung die
zustand 1 auf den Endzustand 2 komprimiert. innere Energie konstant bleibt (sie hängt nur von
Hierbei muss dem System eine Volumenände- T ab), nimmt der erste Hauptsatz die Form
rungsarbeit zugeführt werden. Nach (3.50) ist
dU D •Q C •W D 0 oder W12 D Q12
diese Arbeit
ZV2 an. Dies bedeutet, dass die gesamte bei einer
Kompression zugeführte Arbeit quantitativ als
W12 D  p.V /dV:
Wärme an die Umgebung abgegeben werden
V1
muss. (Dieser Wärmeübergang findet nur dann
Mit dem Boyle-Mariotte’schen Gesetz p D statt, wenn die Systemtemperatur höher ist als
Rm T =V ergibt sich hieraus die Umgebungstemperatur; damit der Tempera-
turanstieg vernachlässigbar klein bleibt, muss der
V1 Prozess unendlich langsam geführt werden.) Um-
W12 D Rm T ln : (3.61)
V2 gekehrt muss bei einer isothermen Expansion
die vom System nach außen abgegebene Arbeit
In Übereinstimmung mit der Vorzeichenkonven- zunächst als Wärme aus dem umgebenden Wär-
tion von Abschn. 3.3.3 wird die zugeführte Kom- mebad dem System zufließen. Für die umgesetzte
pressionsarbeit positiv. Bei einer Expansion wird Wärme gilt
die abgegebene Arbeit negativ. Gemäß der Be-
deutung des Integrals kann die Arbeit im p; V - V2
Q12 D Rm T ln : (3.62)
Diagramm anschaulich sichtbar gemacht werden: V1
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 181

Abb. 3.18 Realisierung der isobaren Zustandsänderung


Abb. 3.17 Isochore Erwärmung vom Zustand 1 zum Zu-
stand 2
3.3.5.3 Isobare Zustandsänderung
Die isobare Zustandsänderung (p D konst:) kann
3.3.5.2 Isochore Zustandsänderung
nach Abb. 3.18 verwirklicht werden. Durch sta-
Bei der isochoren Zustandsänderung wird durch
tische Belastung des Kolbens ist der Druck im
ein genügend steifes Gefäß das Volumen der ein-
Innenraum konstant, unabhängig von der Höhe
geschlossenen Gasmenge konstant gehalten. Die
des Kolbens. Die Zustandsgleichung idealer Gase
Zustandsgleichung idealer Gase entspricht im
nimmt die Form des Gay-Lussac’schen Gesetzes
Fall V D konst. dem Gesetz von Charles und
nach (3.12) an:
Gay-Lussac, (3.14):
V Rm
p Rm D D konst:
D D konst: T p
T V
Im p; V -Diagramm nach Abb. 3.17 kann die Iso- Im p; V -Diagramm von Abb. 3.19 ist die Isobare
chore als vertikale Gerade dargestellt werden. Beieine waagrechte Gerade. Die gezeigte Expansi-
der skizzierten isochoren Erwärmung muss man on verläuft so, dass dem System von Abb. 3.18
dem System Wärme zuführen. Es gilt •Q D durch eine geeignete Heizung die Wärme Q12 zu-
CmV dT und hieraus geführt wird, worauf sich der Kolben nach oben
schiebt. Für die erforderliche Wärme gilt •Q D
Q12 D CmV .T2  T1 /: (3.63) Cmp dT oder

CmV ist in diesem Fall die mittlere molare Wär- Q12 D Cmp .T2  T1 /: (3.64)
mekapazität zwischen den Temperaturen T1 und
T2 . Die Volumenänderungsarbeit entspricht der Flä-
Da bei konstantem Volumen keine Volu- che unter der Isobare. Sie beträgt
menänderungsarbeit vorkommt, nimmt der erste
Hauptsatz die Form dU D •Q und U2  U1 D W12 D p.V1  V2 /: (3.65)
Q12 an. Dies bedeutet, dass die zugeführte Wär-
me ausschließlich der Erhöhung der inneren Diese Arbeit ist bei einer Expansion negativ, d. h.,
Energie dient. sie wird vom System nach außen abgegeben. Bei
182 3 Thermodynamik

eine Wärmeübertragung keine Zeit bleibt. Der


Name Isentrope rührt daher, dass die Zustands-
größe Entropie, die in Abschn. 3.3.7 definiert
ist, bei einer reibungsfrei und quasistatisch ver-
laufenden Zustandsänderung konstant bleibt. Die
reversibel durchlaufende Adiabate ist mit der
Isentrope identisch (Einzelheiten hierzu in Ab-
schn. 3.3.7).
Bei einem adiabaten System (•Q D 0) nimmt
der erste Hauptsatz die Form dU D •W oder

dU C pdV D 0 (1)

an. Mit (3.46) gilt

CmV dT C pdV D 0: (2)

Die Änderung der Enthalpie ist nach (3.51) und


Abb. 3.19 Isobare Expansion vom Zustand 1 zum Zu- (3.52)
stand 2. W12 Volumenänderungsarbeit
dH D dU C pdV C V dp D Cmp dT:
einer Kompression ist die Arbeit positiv, da sie Mit (1) ergibt sich hieraus
dem System zugeführt werden muss.
Nach dem ersten Hauptsatz ist Cmp dT D V dp: (3)

•Q D dU  •W oder Durch Elimination von dT aus (2) und (3) folgt


Q12 D U2  U1 C p.V2  V1 /: Cmp dV dp
D :
CmV V p
Dies bedeutet, dass bei einer Erwärmung sowohl
die Erhöhung der inneren Energie als auch die Diese Gleichung lässt sich direkt integrieren.
abgegebene mechanische Arbeit durch die zu- Führt man noch zur Abkürzung den bereits
geführte Wärme gedeckt werden müssen. Zur in (3.60) definierten Isentropenexponenten (Adia-
Erinnerung: Bei der isochoren Erwärmung wurde batenexponenten) ~ D Cmp =CmV ein, so ergibt
durch die zugeführte Wärme lediglich die inne- sich
re Energie vergrößert. Dies ist der anschauliche
V2 p1
Grund, weshalb die isobare Wärmekapazität stets ~ ln D ln :
größer ist als die isochore: Cmp > CmV . V1 p2
Aus dieser Beziehung folgt sofort die Isentropen-
3.3.5.4 Isentrope Zustandsänderung gleichung (Adiabatengleichung)
Die isentrope Zustandsänderung kann in einem
adiabaten System realisiert werden, bei dem p1 V1~ D p2 V2~ oder
jeglicher Wärmeübergang zur Umgebung unter- ~
pV D konst: (3.66)
bunden wird. Im Gegensatz zur isothermen Zu-
standsänderung, bei der gemäß Abb. 3.15 ein Eine Verknüpfung zwischen Temperatur und Vo-
guter Wärmekontakt zur Umgebung notwendig lumen ergibt sich, wenn mit Hilfe der Zustands-
ist, muss der Zylinder jetzt mit einer geeigneten gleichung idealer Gase der Druck eliminiert wird:
Wärmeisolation versehen werden. Die adiabate
Zustandsänderung lässt sich leicht verwirklichen, T1 V1~1 D T2 V2~1 oder
wenn der Prozess sehr schnell abläuft, sodass für T V ~1 D konst: (3.67)
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 183

mit p.V / D p1 V1~ =V ~ ergibt sich


"  #
p1 V1 V1 ~1
W12 D 1 : (3.69)
~1 V2

Diese Beziehung ist mit Hilfe der Poisson’schen


Gleichungen und der Zustandsgleichung idealer
Gase auf vielfältige Art und Weise umformbar.
Eine wesentlich einfachere Berechnung der Ar-
beit hingegen ist durch den ersten Hauptsatz
möglich. Für ein adiabates System .•Q D 0/
nimmt dieser die Form dU D •W an. Dies be-
sagt, dass die bei einer isentropen Kompression
zugeführte Volumenänderungsarbeit ausschließ-
lich der Erhöhung der inneren Energie dient.
Diese beträgt aber nach (3.46) •W D dU D
Abb. 3.20 Isentrope Kompression vom Zustand 1 zum C mV dT bzw. nach Integration
Zustand 2
W12 D CmV .T2  T1 /: (3.70)

Schließlich lässt sich noch eine Beziehung zwi- Beispiel 3.3-3


schen Druck und Temperatur herstellen: Eine Luftfeder besteht aus einem Zylinder
mit 250 mm Durchmesser und 500 mm Län-
p11~ T1~ D p21~ T2~ oder ge, der durch einen verschiebbaren Kolben
1~ ~ abgeschlossen ist. Die Luft im Zylinder ha-
p T D konst: (3.68)
be zunächst ebenso wie die Umgebungsluft
die Temperatur #1 D 20 ı C und den Druck
Gleichungen (3.66) bis (3.68) werden als Pois-
p1 D 1 bar. Welche kinetische Energie hat ein
son’sche Gleichungen bezeichnet. Sie wurden
auffahrendes Fahrzeug, wenn beim Aufprall
von D. P OISSON (1781 bis 1840) im Jahr 1822
der Kolben 400 mm weit eindringt? Welche
formuliert.
Temperatur und welcher Druck wird erreicht?
Im p; V -Diagramm von Abb. 3.20 ist ei-
ne isentrope Kompression dargestellt. Der Kur-
Lösung
venverlauf von 1 nach 2 entspricht p D
Der Enddruck ist nach (3.66)
konst=V ~ (3.66) und ist steiler als bei einer iso-
thermen Zustandsänderung. Dies bedeutet, dass   1;4
V1 ~ 5
die Temperatur des Systems während der Kom- p2 D p1 D 1 bar 
V2 1
pression zunimmt. Umgekehrt kühlt sich das Gas
bei einer isentropen Entspannung ab. D 9;52 bar:
Die Volumenänderungsarbeit lässt sich auch
Die Temperatur beträgt nach (3.67)
hierbei als Fläche unter der Kurve ermitteln bzw.
durch Integration von (3.66) berechnen:  ~1  0;4
V1 5
T2 D T1 D 293 K 
ZV2 V2 1
W12 D  p.V /dV; D 558 KI
V1 #2 D 285 ı C:
184 3 Thermodynamik

Die Teilchenmenge ist  D p1 V1 =Rm T1 D


1;01 mol. Mit der molaren Wärmekapazität
CmV D 20;8 J=mol K errechnet man die
Kompressionsarbeit nach (3.70) zu W12 D
5567 J. Ein Teil dieser Arbeit, nämlich WL D
.V1  V2 /p1 D 1963 J, wird von der Um-
gebungsluft geleistet und nur die Differenz
stammt vom auffahrenden Fahrzeug. Dem-
nach ist Ekin D 3604 J.

3.3.5.5 Polytrope Zustandsänderung


Sowohl die isotherme Zustandsänderung pV 1 D
konst: als auch die isentrope Zustandsänderung
pV ~ D konst: sind Extreme, die sich in der
Praxis kaum verwirklichen lassen. Bei der Kom-
pression bzw. Expansion eines Gases in einem
Verdichter oder Motor wird eher eine polytrope Abb. 3.21 Polytropen. n Polytropenexponent, ~ Isentro-
penexponent; hervorgehoben: Bereich 1 < n < ~ der
Zustandsänderung der Form Polytrope im engeren Sinn

pV n D konst. (3.71)

ablaufen, wobei der Polytropenexponent n im 3.3.5.6 Zur Übung


Allgemeinen zwischen 1 und ~ liegt: 1 < n < ~.
Im p; V -Diagramm der Abb. 3.21 verläuft ei- Ü 3-16 Beim Dieselmotor wird im Kompressi-
ne solche polytrope Zustandsänderung innerhalb onstakt Luft so rasch verdichtet, dass keine Wär-
des gekennzeichneten Gebiets. Für einen realen meabgabe an die Umgebung erfolgt und die hohe
Verdichtungsprozess, wie er beispielsweise in ei- Temperatur zur Entzündung des eingespritzten
nem ungekühlten Turboverdichter stattfindet, ist Kraftstoffs ausreicht. Gegeben sei ein Motor mit
n < ~. dem Verdichtungsverhältnis V1 =V2 D 20. Zu Be-
Die Polytropengleichung (3.71) beschreibt ginn der Kompression ist das Volumen V1 D
aber auch alle bisher beschriebenen Zustandsän- 0;6 l mit Luft der Temperatur #1 D 27 ı C und
derungen. Dabei nimmt der Polytropenexponent dem Druck p1 D 950 mbar gefüllt. a) Wie
folgende Werte an: hoch ist die Endtemperatur #2 nach der Kom-
pression? b) Welcher Druck p2 stellt sich ein?
 Isotherme: n D 1,
c) Welche Arbeit W12 muss während der Kom-
 Isentrope: n D ~,
pression von außen am Kolben verrichtet wer-
 Isobare: n D 0,
den?
 Isochore: n D 1.

Die Poisson’schen Gleichungen (3.66) bis (3.68) Ü 3-17 Ein Wetterballon hätte prall gefüllt das
gelten auch für polytrope Zustandsänderun- Volumen Vmax D 50 m3 . Am Erdboden ist er nur
gen, wenn der Isentropenexponent ~ durch den teilweise gefüllt worden: Beim Druck p1 D 1 bar
Polytropenexponenten n ersetzt wird. Ebenso und der Temperatur #1 D 7 ı C nimmt das ein-
gilt (3.69) für die Berechnung der Volumenän- gefüllte Wasserstoffgas nur das Volumen V1 D
1
derungsarbeit, wenn anstelle des Isentropenexpo- 6 Vmax ein.
nenten der Polytropenexponent eingesetzt wird.
Eine Zusammenstellung der wichtigsten Er- a) Welche Gasmenge  und welche Masse m
gebnisse von Abschn. 3.3.5 zeigt Abb. 3.22. enthält der Ballon?
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik

Abb. 3.22 Spezielle Zustandsänderungen idealer Gase


185
186 3 Thermodynamik

b) Der Aufstieg geschieht so rasch, dass durch


die Ballonhülle praktisch keine Wärme über-
tragen wird. In einer bestimmten Höhe ist der
Innendruck gleich dem Außendruck p2 D
0;2 bar. Welches Gasvolumen V2 enthält dann
der Ballon?
c) Wie groß ist in diesem Fall die Temperatur T2
der Gasfüllung?
d) Sonneneinstrahlung heizt danach den Ballon
auf. Das Füllgas dehnt sich so lange aus, bis
der Ballon prall gefüllt ist. Dabei bleibt der
Druck konstant (p3 D p2 ). Auf welchen Wert
T3 steigt dabei die Gastemperatur?
e) Welche Wärme Q23 hat das Gas aufgenom- Abb. 3.23 Rechtsläufiger Kreisprozess. 1, 2 Zustands-
men? punkte, helle Graufläche: zugeführte Volumenänderungs-
arbeit, gesamte Graufläche: abgegebene Volumenände-
rungsarbeit, umfahrene Fläche: Nutzarbeit
Ü 3-18 Eine abgeschlossene Menge eines idea-
len Gases wird vom Ausgangszustand p1 D
1 bar, V1 D 1 l und #1 D 22 ı C auf die Hälfte
3.3.6 Kreisprozesse
seines Volumens verdichtet. Während der Kom-
pression wird Wärme zugeführt, sodass eine Zu-
Durchläuft ein System eine Folge von Zustands-
standsänderung gemäß der Beziehung pV 2 D
änderungen, sodass der Endzustand wieder mit
konst. durchlaufen wird. a) Wie groß ist der er-
dem Anfangszustand übereinstimmt, so handelt
reichte Enddruck p2 ? b) Welche Endtemperatur
es sich um einen Kreisprozess. Ein rechtsläufi-
#2 stellt sich ein? c) Welche Arbeit W12 wur-
ger Kreisprozess liegt vor, wenn die Zustands-
de dem System bei der Kompression zugeführt?
änderungen im p; V -Diagramm im Uhrzeiger-
d) Wie groß ist die zugeführte Wärme Q12 , wenn
sinn durchlaufen werden. Beim Kreisprozess in
das Gas aus Molekülen in Form einer starren
Abb. 3.23 wird während der Expansion von 1
Hantel besteht, bei denen die Freiheitsgrade der
nach 2 Volumenänderungsarbeit nach außen ab-
Translation und Rotation angeregt sind?
gegeben, die der Fläche unter der oberen Kurve
entspricht. Bei der anschließenden Kompression
Ü 3-19 Wasserstoff mit der Teilchenmenge 
von 2 nach 1 wird Arbeit zugeführt, die der Flä-
wird in einem Zylinder mit verschiebbarem Kol-
che unter der unteren Kurve entspricht. Insgesamt
ben einer Zustandsänderung unterworfen. Der
wird also bei einem rechtsläufigen Kreisprozess
Ausgangszustand ist gekennzeichnet durch p1 D
mehr Arbeit abgegeben als zugeführt.
1 bar, V1 D 2 l und #1 D 20 ı C. Die Zustands-
änderung erfolgt im p; V -Diagramm längs einer
Geraden vom Anfangs- zum Endzustand, der be-
Die je Umlauf nach außen abgegebene
stimmt ist durch den Druck p2 D 2 bar und das
Nutzarbeit entspricht dem Flächeninhalt
Volumen V2 D 3 l. a) Wie groß ist die Teil-
der vom Kreisprozess eingeschlossenen Fi-
chenmenge  des Gases? b) Wie groß ist die
gur im p; V -Diagramm. Sie kann als Kreis-
Endtemperatur #2 ? c) Welche Arbeit W12 gibt das
integral geschrieben werden:
Gas nach außen ab? d) Um welchen Betrag U
steigt die innere Energie des Gases? e) Welche I I
Wärmemenge Q12 wird bei der Zustandsände- W D •W D  pdV: (3.72)
rung zugeführt?
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 187

Tab. 3.9 Eigenschaften von Kreisprozessen 3.3.6.1 Carnot’scher Kreisprozess


Umlaufsinn rechtsläufig linksläufig
Bezeichnung Kraftmaschinen- Arbeitsmaschinen- Rechtsläufiger Prozess
prozess prozess Von S. C ARNOT (1796 bis 1832) wurde ein
Wärmefluss Wärme wird bei Wärme wird bei Kreisprozess vorgeschlagen, mit dem Wärme in
hoher Temperatur tiefer Temperatur
aufgenommen und aufgenommen und
einer periodisch arbeitenden Maschine in me-
bei tiefer Tempera- bei hoher Tempera- chanische Arbeit umgeformt werden kann. Nach
tur abgegeben. tur abgegeben. Abb. 3.24 verläuft der Prozess im p; V -Dia-
mechanische Differenz von zu- Differenz von ab- gramm zwischen zwei Isothermen und zwei Isen-
Arbeit und abgeführter und zugeführter tropen. Als Arbeitsmedium dient ein ideales Gas
Wärme wird als Wärme wird als
mechanische Nutz- mechanische Ar- der Teilchenmenge , Folgende Einzelprozesse
arbeit abgegeben. beit zugeführt. werden aneinandergereiht:
Beispiele Verbrennungs- Kältemaschine,
motor, Wärme- Wärmepumpe 1 ! 2: Isotherme Kompression von V1 auf V2 bei
kraftmaschine der tiefen Temperatur T1 :
zugeführte Arbeit

Der erste Hauptsatz nimmt bei einem komplet- V1


W12 D Rm T1 ln ;
ten Umlauf die Form V2
I I I
abgegebene Wärme
dU D 0 D •Q C •W (3.73)
V1
Q12 D Rm T1 ln :
an. Das Kreisintegral über alle Änderungen der V2
inneren Energie ist null, da die innere Energie als
2 ! 3: Isentrope Kompression von V2 auf V3 ; die
Zustandsgröße nach einem vollen Umlauf wieder
Temperatur steigt von T1 auf T3 :
den Anfangswert annimmt. Dies bedeutet, dass
zugeführte Arbeit
sich die je Zyklus abgegebene Nutzarbeit aus der
Differenz der zu- und abgeführten Wärmen er- W23 D CmV .T3  T1 /:
gibt.
Bei einem linksläufigen Kreisprozess wird die 3 ! 4: Isotherme Expansion von V3 auf V4 bei
Figur im p; V -Diagramm im Gegenuhrzeigersinn der hohen Temperatur T3 :
durchlaufen. Da hierbei die abgegebene Expan- zugeführte Wärme
sionsarbeit stets kleiner ist als die zugeführte
Kompressionsarbeit, läuft der Prozess nur, wenn V4
Q34 D Rm T3 ln ;
mit Hilfe eines Motors periodisch mechanische V3
Arbeit zugeführt wird. Tab. 3.9 zeigt eine Gegen-
überstellung der Eigenschaften von rechts- und abgegebene Arbeit
linksläufigen Kreisprozessen. V4
Die Kreisprozesse, die im Folgenden beschrie- W34 D Rm T3 ln :
V3
ben werden, sollen reibungsfrei durchlaufen wer-
den. Ferner soll sich das Gas stets im thermo- 4 ! 1: Isentrope Expansion von V4 auf V1 ; die
dynamischen Gleichgewicht mit der Umgebung Temperatur fällt von T3 auf T1 :
befinden. Unter diesen Voraussetzungen sind alle abgegebene Arbeit
Kreisprozesse reversibel führbar, d. h., sie können
sowohl rechts- als auch linksläufig sein. W41 D CmV .T3  T1 /:
188 3 Thermodynamik

Abb. 3.24 Carnot’scher Kraftmaschinenprozess. Q Wärme, W Arbeit, rot umgrenzte Fläche: Nutzarbeit

Die Nutzarbeit je Zyklus entspricht dem Inhalt Sie ist negativ, weil sie vom System nach außen
der rot begrenzten Fläche im p; V -Diagramm der abgegeben wird.
Abb. 3.24. Sie beträgt Die Energieströme, die bei der Carnot-Kraft-
I maschine (und im Prinzip bei jeder Wärmekraft-
W D •W D W12 C W23 C W34 C W41 : maschine) umgesetzt werden, sind in Abb. 3.25
anschaulich dargestellt. Von der zugeführten
Mit W23 D W41 ergibt sich Wärme kann nur ein Teil (meist der kleinere)
als mechanische Arbeit abgegeben werden. Den
W D W12 C W34 anderen Teil muss das System als Abwärme an ei-
 
V4 V1 ne Wärmesenke tiefer Temperatur abführen. Aus
D Rm T3 ln  T1 ln :
V3 V2 dem ersten Hauptsatz folgt die Bilanzgleichung
Für die beiden Isentropen gilt nach (3.67) jW j D Qzu  jQab j
T3 V3~1 D T1 V2~1 und oder, mit den Bezeichnungen des Carnot-
T3 V4~1 D T1 V1~1 : Prozesses und richtigen Vorzeichen,

Daraus folgt für die Volumina V4 =V3 D V1 =V2 Q12 C Q34 C W D 0: (3.74)
und schließlich für die Nutzarbeit
Verschiedene Kreisprozesse lassen sich mitein-
V4 ander vergleichen durch Berechnung des ther-
W D Rm ln .T3  T1 /:
V3 mischen Wirkungsgrades th , der den Nutzen
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 189

Beispiel 3.3-4
Welcher thermische Wirkungsgrad ist mit ei-
nem Carnot-Prozess erreichbar, der zwischen
den Temperaturen #3 D 500 ı C und #1 D
50 ı C abläuft?

Lösung
Nach (3.76) ist

450 K
th;C D D 0;58 D 58 %
773 K
Der Carnot-Prozess lässt sich praktisch nicht
realisieren, da zu viele widersprüchliche Eigen-
schaften in einem System vereinigt sein müssten.
Seine große Bedeutung liegt in der Abschätzung
Abb. 3.25 Energieflussdiagramm eines rechtsläufigen des maximalen Nutzeffekts einer Wärmekraftma-
Carnot-Prozesses schine, die zwischen zwei Temperaturgrenzen
Wärme in Arbeit umwandeln soll. Ein Vergleich
verschiedener rechtsläufiger Kreisprozesse, die
(abgegebene Arbeit) zum Aufwand (zugeführte
zwischen der Maximaltemperatur T3 und der
Wärme) ins Verhältnis setzt:
Minimaltemperatur T1 ablaufen, zeigt, dass der
jW j jP j höchstmögliche thermische Wirkungsgrad durch
th D D : (3.75) den Carnot-Prozess erreicht wird.
Qzu QP zu

Beim Carnot-Prozess ist zugeführte Wärme Thermodynamische Temperatur


Da der thermische Wirkungsgrad des Carnot-
V4 Prozesses nur von den Temperaturen der beteilig-
Qzu D Q34 D Rm T3 ln :
V3 ten Wärmebäder, aber nicht vom Arbeitsstoff ab-
hängt, ist eine Temperaturdefinition möglich, die
Damit ist der thermische Wirkungsgrad von speziellen Thermometereigenschaften unab-
hängig ist. Nach (3.74) bis (3.76) gilt
T3  T1 T1
th;C D D1 : (3.76)
T3 T3 Qzu  jQab j jQab j T1
th D D1 D1 :
Qzu Qzu T3
Der thermische Wirkungsgrad des Carnot-
Hieraus folgt die Beziehung zwischen den umge-
Prozesses ist nur von den Temperaturen der
setzten Wärmemengen und den Temperaturen der
beiden Wärmebäder abhängig.
Wärmebäder:

jQab j T1 Q12 Q34


Der thermische Wirkungsgrad des Carnot- D oder C D 0: (3.77)
Qzu T3 T1 T3
Prozesses könnte dann 100 % werden, wenn die
Temperatur der Wärmesenke T1 D 0 K wäre. Gleichung (3.77) erlaubt nach W. Thomson (Lord
Da in der Praxis die Wärmesenke z. B. das Kühl- Kelvin) die Definition der thermodynamischen
wasser eines Flusses oder die Umgebungsluft ist, Temperatur. Die Temperaturen zweier Wärme-
muss für die Erzielung eines hohen Wirkungsgra- bäder lassen sich dadurch vergleichen, dass man
des die Temperatur der Wärmequelle so hoch wie zwischen ihnen einen idealen Carnot-Prozess ab-
möglich sein. laufen lässt und die übertragenen Wärmen misst.
190 3 Thermodynamik

werden. Der zu kühlende Raum dient als Wär-


mequelle. Ihm wird bei der Temperatur T1 , die
niedriger ist als die Umgebungstemperatur T3 , die
Wärme Qzu entzogen und dem System zugeführt.
Als Wärmesenke dient i. Allg. die Umgebung.
Das Verhältnis von Nutzen zu Aufwand wird bei
linksläufigen Kreisprozessen als Leistungszahl "
bezeichnet. Bei einer Kältemaschine ist der Nut-
zen die Wärme Qzu , der Aufwand ist die Arbeit
W des Antriebsmotors. Die Leistungszahl einer
Kältemaschine wird deshalb definiert als

Qzu QP zu
"K D D : (3.79)
W P

(QP zu Wärmefluss, P Antriebsleistung). Für den


Abb. 3.26 Energieflussdiagramm eines linksläufigen Carnot-Prozess ergibt sich mit den bereits berech-
Carnot-Prozesses neten Energiebeträgen

T1
"K;C D : (3.80)
Wird die Temperatur eines Wärmebads festge- T3  T1
legt, z. B. die Temperatur von Wasser am Tri-
pelpunkt mit TTr D 273;16 K, dann kann die Die Leistungszahl ist umso günstiger, je näher die
ganze Temperaturskala ausgemessen werden. Die Temperaturen von Wärmequelle und Wärmesen-
so definierte thermodynamische Temperatur ist ke beieinander liegen.
identisch mit der Gastemperatur des Gasthermo-
meters (Abschn. 3.1.3). Beispiel 3.3-5
Eine Kältemaschine nach Carnot soll eine
Linksläufiger Prozess Kühlraumtemperatur von #1 D 5 ı C bei einer
Beim linksläufigen Carnot-Prozess wird das Außentemperatur von #3 D 35 ı C erreichen.
p; V -Diagramm von Abb. 3.24 im Gegenuhrzei- Wie groß ist die Leistungszahl "K;C ?
gersinn durchlaufen. Dabei wird bei der tiefen
Temperatur T1 Wärme aus der Umgebung aufge- Lösung
nommen und bei der hohen Temperatur T3 wieder Nach (3.80) ist "K;C D 278 K=30 K D 9;27.
abgegeben. Das Energieflussdiagramm des links- Dies bedeutet, dass die Leistung des Antriebs-
läufigen Prozesses ist in Abb. 3.26 dargestellt. motors nur rund ein Neuntel der Wärmeleis-
Die Energiebilanz sagt aus, dass die abgegebene tung sein muss, die dem Kühlraum entzogen
Wärme betragsmäßig gleich ist der Summe aus werden soll.
zugeführter Wärme und mechanischer Arbeit:
b) Wärmepumpe
jQab j D Qzu C W: (3.78) Bei der Wärmepumpe ist die Wärmequelle die
Umgebung (z. B. Luft, Erdreich, Grundwasser),
Der linksläufige Kreisprozess kann auf zweierlei der die Wärme bei tiefer Temperatur entzogen
Arten genutzt werden: und dem System zugeführt wird. Wärmesenke ist
z. B. die Warmwasserheizung eines Hauses. Der
a) Kältemaschine Nutzen bei der Wärmepumpe liegt also in der bei
Eine Kältemaschine hat die Aufgabe, einen Raum hoher Temperatur abgegebenen Wärme Qab ; der
zu kühlen, in dem z. B. Lebensmittel gelagert Aufwand ist auch in diesem Fall die Arbeit W
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 191

des Antriebsmotors. Die Leistungszahl der Wär-


mepumpe wird deshalb definiert als

jQab j jQP ab j
"W D D : (3.81)
W P
Für den Carnot-Prozess ergibt sich
T3 1
"W;C D D : (3.82)
T3  T1 th;C
Die Leistungszahl der Wärmepumpe nach Car-
not ist immer größer als eins, und zwar umso Abb. 3.27 Kreislauf einer Kompressor-Kältemaschine
größer, je kleiner der thermische Wirkungsgrad bzw. -Wärmepumpe
eines rechtsläufigen Carnot-Prozesses zwischen
denselben Temperaturgrenzen ist, d. h., je kleiner
die Temperaturdifferenz T3  T1 ist. großen Anlagen, die mit einem Dieselmotor an-
getrieben werden, sind die erreichbaren Leis-
Beispiel 3.3-6 tungszahlen größer.
Eine Wärmepumpe nimmt Wärme aus der
Umgebungsluft bei #1 D 10 ı C auf und gibt 3.3.6.2 Technische Kreisprozesse
Wärme an eine Warmwasserheizung mit der Die Kreisprozesse, die in realen Maschinen ab-
Vorlauftemperatur #3 D 40 ı C ab. Wie groß laufen, können durch idealisierte Vergleichspro-
ist die Leistungszahl nach Carnot? zesse angenähert werden. Abb. 3.28 zeigt eine
Zusammenstellung von Vergleichsprozessen, die
Lösung in technischen Wärmekraftmaschinen idealisiert
Nach (3.82) gilt "W;C D 313 K=50 K D 6;26. ablaufen. Die Pfeile im p; V -Diagramm zeigen
die Prozesse, bei denen Wärme zu- bzw. abge-
In der Praxis werden Kältemaschinen und führt wird.
Wärmepumpen meist mit Kältemitteln, wie z. B. Obwohl Verbrennungsmotoren offene Syste-
Butan, Propan und Kohlenstoffdioxid, betrieben, me sind, können sie näherungsweise als geschlos-
die während des Kreisprozesses Phasenänderun- sene Systeme angesehen werden. Beim Seiliger-
gen (Abschn. 3.4.3) durchlaufen. Das Prinzip des Prozess (nach einem Vorschlag von M. S EILI -
Kreislaufs zeigt Abb. 3.27. In einem Verdamp- GER, 1922) wird Frischluft isentrop verdichtet.
fer wird dem flüssigen Kältemittel, das geringen Nach Zündung des Luft-Kraftstoff-Gemisches
Druck und niedrige Temperatur hat, die Wärme läuft eine Verbrennung ab, die näherungsweise
Qzu zugeführt, sodass es verdampft. Der Dampf durch eine isochore und isobare Wärmezufuhr
wird in einem Kompressor verdichtet und so- beschrieben wird. Die Expansion des verbrann-
mit erwärmt. Im Kondensator wird dem heißen ten Gemisches erfolgt isentrop. Der nachfolgende
Dampf die Wärmemenge Qab entzogen, sodass Austausch von verbrannten Gasen durch Frisch-
das Kältemittel kondensiert. Die unter hohem luft wird als isochore Wärmeabgabe angenähert.
Druck stehende Flüssigkeit wird durch ein Dros- Der thermische Wirkungsgrad ist abhängig von
selventil entspannt. Dabei kühlt sie sich ab und den Temperaturen der fünf Eckpunkte.
wird dem Verdampfer für den nächsten Kreislauf Ein Spezialfall des Seiliger-Prozesses mit
zugeleitet. V2 D V3 D V4 ist der Otto-Prozess (N. OT-
Die Leistungszahlen realer Wärmepumpen TO, 1832 bis 1892, Abb. 3.29). Hierbei verbrennt
sind niedriger als die Leistungszahl eines Carnot- das Luft-Kraftstoff-Gemisch nach der Zündung
Prozesses. Für elektrisch betriebene Luft/Wasser- so schnell, dass die Wärmezufuhr idealisierend
Wärmepumpen ist beispielsweise W  3. Bei wie eine isochore Zustandsänderung erfolgt. Der
192 3 Thermodynamik

Abb. 3.28 Technische Kreisprozesse


3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 193

Abb. 3.29 p; V -Diagramm eines Zylinders eines 3-Zy- Mitteldruck 12; 25 bar. Der Ausschnitt bis 10 bar zeigt die
linder-Otto-Motors, " D 12, Hubraum 443 cm3 pro Zylin- Ladungswechselschleife. Messungen René Grössl, RO-
der, Drehzahl n D 6200 min1 , Volllastbetrieb, indizierter TAX

thermische Wirkungsgrad hängt ab vom Kom- Der Stirling-Prozess kann nach Abb. 3.30 nä-
pressionsverhältnis " D V1 =V2 . herungsweise so realisiert werden, dass ein Ar-
Ein weiterer Spezialfall des Seiliger-Prozesses beitskolben und ein Verdrängerkolben, um 90ı
mit p2 D p3 D p4 ist der Diesel-Prozess phasenverschoben, auf eine Kurbelwelle arbei-
(R. D IESEL, 1858 bis 1913). Der Kraftstoff wird ten. Der Verdrängerkolben schiebt die Luft im
so in die komprimierte Luft eingespritzt, dass die Zylinder hin und her und bringt sie abwech-
Verbrennung näherungsweise isobar erfolgt. Der selnd in Kontakt mit dem heißen bzw. kalten
thermische Wirkungsgrad des Diesel-Prozesses Teil der Maschine. Der Regenerator besteht aus
übertrifft den des Otto-Prozesses, allerdings ist Metallspänen, die beim Durchströmen der hei-
der mittlere Kolbendruck im Dieselmotor we- ßen Luft Wärme aufnehmen und diese nachher
sentlich höher als im Ottomotor und der Ausstoß wieder an die durchströmende kalte Luft abge-
an NOx -Abgasen ungünstiger. ben.
Das Arbeitsmedium beim Stirling-Prozess Abb. 3.31 zeigt ein Demonstrationsmodell ei-
(R. S TIRLING, 1790 bis 1878) ist ein Gas (meis- nes Heißluftmotors. Im Deckel ist eine Glüh-
tens Luft). Die Wärmezufuhr erfolgt bei der wendel eingebaut, die als elektrische Wärme-
isochoren Erwärmung und der isothermen Ex- quelle dient. Die Wärmesenke ist Kühlwasser,
pansion. Die während der isochoren Abkühlung das den unteren Teil des doppelwandigen Zy-
abgegebene Wärme ist betragsmäßig so groß wie linders durchfließt. Der Heißluftmotor kann be-
die bei der isochoren Erwärmung zugeführte: züglich des thermischen Wirkungsgrades bis-
Q23 D Q41 . Gelingt es, die abgegebene Wärme lang nicht mit den Verbrennungsmotoren kon-
Q41 zwischenzuspeichern und bei der isocho- kurrieren, weil die interne Wärmeübertragung
ren Erwärmung wieder dem System zuzuführen, .Q41 ! Q23 / nur unvollkommen gelingt. Der
dann muss von außen her nur noch die Wär- linksläufige Stirling-Prozess wurde z. B. bei der
me Q34 zugeführt werden und der thermische Philips-Gaskältemaschine verwirklicht, die mit
Wirkungsgrad erreicht den Wert des Carnot- dem Arbeitsmedium Wasserstoff oder Helium bei
Prozesses. der Luftverflüssigung eingesetzt wird.
194 3 Thermodynamik

Abb. 3.30 Realisierung eines Stirling’schen Kreisprozesses

In der offenen Gasturbine, die hauptsächlich


bei Flugzeugen verwendet wird, läuft ein Pro-
zess ab, den man näherungsweise durch den
Joule-Prozess beschreiben kann. Luft wird im
Verdichter isentrop komprimiert. In der Brenn-
kammer wird eingespritzter Treibstoff (Kerosin)
mit der heißen Luft verbrannt (isobare Erwär-
mung) und anschließend in der Turbine isen-
trop entspannt. Die verbrannten Gase werden
beim realen Prozess ausgestoßen. Der idealisierte
Kreisprozess wird durch eine isobare Abkühlung
geschlossen. Ortsfeste Gasturbinen arbeiten nach
dem geschlossenen Ericsson-Prozess (J. E RICS -
SON, 1803 bis 1899), der von J. ACKERET und
C. K ELLER näherungsweise verwirklicht wur-
de. Unter der Voraussetzung, dass die bei den
isobaren Zustandsänderungen umgesetzten Wär-
memengen intern übertragen werden können, er-
reicht der Ericsson-Prozess den thermischen Wir-
kungsgrad des Carnot-Prozesses.
In Dampfkraftanlagen läuft i. Allg. der Clau-
Abb. 3.31 Demonstrationsmodell eines Heißluftmotors sius-Rankine-Prozess (R. J. E. C LAUSIUS, 1822
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 195

chen Wirkungsgrad hätte eine Carnot-Maschine,


die zwischen denselben Maximal- und Minimal-
temperaturen T3 und T1 arbeitet?

Ü 3-21 Eine Wärmepumpe mit der Leistungs-


zahl "W D 3 soll ein Haus heizen. Die erforder-
liche Heizleistung ist jQP ab j D 15 kW bei #3 D
45 ı C. Die Außentemperatur beträgt #1 D 5 ı C.
a) Welche elektrische Leistung P nimmt der Mo-
tor auf? b) Wie groß wäre die Leistung PC des
Antriebsmotors, wenn ein Carnot-Prozess ablau-
fen würde?

Ü 3-22 In einer mit Wasserstoff betriebenen


Gaskältemaschine läuft ein linksläufiger Stirling-
Abb. 3.32 Zu Aufgabe Ü 3-20 Kreisprozess aus 2 Isoba- Prozess mit folgenden Einzelprozessen ab:
ren und 2 Isochoren
1 ! 2: Isochore Erwärmung vom Anfangszu-
stand p1 D 9 bar, V1 D 0;28 l und T1 D
bis 1885; W. J. M. R ANKINE, 1802 bis 1872) 77 K auf T2 D 300 K;
ab. Die Speisewasserpumpe erhöht von 1 nach 2 ! 3: Isotherme Kompression von V1 D V2 auf
2 isentrop den Druck des Wassers. Durch iso- V3 D V4 D 0;14 l;
bare Wärmezufuhr wird das Wasser verdampft 3 ! 4: Isochore Abkühlung von T2 auf T1 ;
und der Heißdampf von 3 nach 4 in der Turbi- 4 ! 1: Isotherme Expansion von V4 auf V1 .
ne isentrop entspannt. Im Kondensator verflüssigt
sich der entspannte Dampf durch Wärmeabfuhr a) Wie groß ist die Leistungszahl "K des Pro-
an das Kühlwasser und Kondensat wird wieder zesses unter der Voraussetzung, dass die interne
der Speisewasserpumpe zugeleitet. Der thermi- Wärmeübertragung Q34 D Q12 ideal gelingt?
sche Wirkungsgrad ist im Wesentlichen von der b) Welche Kälteleistung Qzu liefert die Maschi-
Enthalpie des Dampfes vor und nach der Ent- ne, wenn n D 1400 min1 Zyklen durchlaufen
spannung abhängig. werden? c) Wie groß ist die erforderliche Leis-
tung P des Antriebsmotors? d) Welche Wärme-
3.3.6.3 Zur Übung leistung jQP ab j wird an die Umgebung abgege-
ben?
Ü 3-20 Mit einem idealen Gas wird der rechts-
läufige Kreisprozess gemäß Abb. 3.32 durchge-
führt, der sich aus Isobaren und Isochoren zu- 3.3.7 Zweiter Hauptsatz der
sammensetzt. Die Zustandsgrößen der Eckpunkte Thermodynamik
im p; V -Diagramm sind p1 D 7;5 bar, p2 D
10 bar, V2 D 1 l; V3 D 1;5 l. Das Gas besteht 3.3.7.1 Reversible und irreversible
aus zweiatomigen Molekülen, die im betrachte- Prozesse
ten Temperaturbereich rotieren, ohne zu schwin- Wird vom elastischen Stoß zweier Billardku-
gen. Die Teilchenmenge beträgt  D 0;3 mol. geln eine Filmaufnahme gemacht und der Film
a) Wie groß sind die Temperaturen T1 ; T2 und anschließend vorwärts- und rückwärtslaufend be-
T3 ? b) Welche Nutzarbeit W wird je Umlauf ab- trachtet, so kann ein Zuschauer, der bei der
gegeben? c) Welche Wärme Qzu muss je Zyklus Aufnahme nicht dabei war, nicht sagen, welche
zugeführt werden? d) Wie groß ist der thermische Laufrichtung des Films das Experiment richtig
Wirkungsgrad th des Kreisprozesses? e) Wel- wiedergibt. In beiden Richtungen könnte der Vor-
196 3 Thermodynamik

gang abgelaufen sein; keine der beiden Varian- Konzentration räumlich konstant ist. Konzen-
ten verletzt die Stoßgesetze. Solche umkehrbaren trationsunterschiede dagegen bauen sich nicht
oder reversiblen Vorgänge werden in der Mecha- von selbst auf;
nik beobachtet, wenn keine Wärmeentwicklung  Wärmeübergang: Wärme geht von einem war-
infolge von Reibung auftritt. men auf einen kalten Körper über, bis die
Temperatur ausgeglichen ist. Temperaturun-
terschiede jedoch entstehen nicht von selbst;
Ein Prozess ist reversibel, wenn bei seiner  Chemische Reaktionen, die von selbst ablau-
Umkehr der Ausgangszustand wieder er- fen: Wasserstoff verbindet sich mit Sauerstoff
reicht wird, ohne dass Änderungen in der zu Wasser. Für die Zersetzung des Wassers in
Umgebung zurückbleiben. seine Bestandteile hingegen muss Energie auf-
gewendet werden.

Reversible Zustandsänderungen von Gasen Bei genauer Betrachtung sind alle natürlich ab-
sind als idealisierte Grenzfälle denkbar, wenn die laufenden und technischen Prozesse irreversibel.
Prozesse reibungsfrei und quasistatisch verlau- Reversible Vorgänge sind lediglich idealisierte
fen, sodass der Druck und die Temperatur des Grenzfälle.
Gases zu jeder Zeit mit der Umgebung im Gleich-
gewicht sind. 3.3.7.2 Formulierungen des zweiten
Wird der Fall eines Apfels von einem Baum Hauptsatzes
gefilmt und der Film später rückwärts laufend be- Die Irreversibilität natürlicher und technischer
trachtet, so löst die Szene allgemeine Heiterkeit Prozesse ist der Inhalt des zweiten Hauptsatzes
aus. Jedermann weiß aus Erfahrung, dass dieser der Thermodynamik. Dieser legt die Richtung
Vorgang irreversibel ist, also nicht von allein in der von selbst ablaufenden Vorgänge fest, die
umgekehrter Richtung abläuft. stets einem Gleichgewichtszustand zustreben. Ei-
ne klassische Formulierung des zweiten Haupt-
satzes stammt von Thomson (Lord Kelvin) aus
Ein Vorgang ist irreversibel, wenn seine dem Jahr 1851:
Umkehr zum Ausgangszustand nur unter
äußerer Einwirkung möglich ist, wobei ei-
ne Veränderung in der Umgebung zurück- Es gibt keine periodisch arbeitende Ma-
bleibt. schine, die Wärme aus einer Wärmequelle
entnimmt und vollständig in mechanische
Arbeit umwandelt.
Beim unelastischen Aufprall des Apfels auf
den Boden wird seine kinetische Energie in ther-
mische Energie umgesetzt; die Temperatur des Die Erfahrung zeigt, dass eine Wärmekraftma-
Apfels und der unmittelbaren Umgebung erhöht schine stets auch Wärme an eine Wärmesenke
sich demnach geringfügig. Der umgekehrte Vor- tiefer Temperaturen abgeben muss (Abb. 3.25).
gang, dass der Apfel sich abkühlt und dann nach Ließe sich eine Maschine konstruieren, die oh-
oben hüpft, ist noch nie beobachtet worden, ob- ne Wärmeabgabe bei tiefer Temperatur auskäme,
wohl er den ersten Hauptsatz nicht verletzen so wären die Energieprobleme der Menschheit
würde. für alle Zeiten gelöst. Da z. B. in den Weltmee-
Weitere Beispiele für irreversible Vorgänge ren ein ungeheuerer Betrag an innerer Energie
sind steckt, könnten durch geringfügiges Abkühlen
des Meerwassers nahezu unbegrenzte Energiere-
 Diffusion: Stoffe breiten sich aufgrund eines serven freigesetzt werden. Eine solche Maschi-
Konzentrationsgefälles so lange aus, bis die ne, die zwar den zweiten, nicht aber den ersten
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 197

Hauptsatz verletzt, wird als Perpetuum mobile a


zweiter Art bezeichnet. Eine weitere Formulie-
rung des zweiten Hauptsatzes lautet also:

Es gibt kein Perpetuum mobile zweiter Art.

Die linksläufigen Kreisprozesse zeigen, dass


Wärme unter Arbeitsaufwand einem kalten Kör-
per entzogen und einem warmen Körper zuge-
führt werden kann (Abb. 3.26). Clausius formu-
lierte 1850 den zweiten Hauptsatz so:
b

Wärme geht nicht von selbst von einem kal-


ten auf einen warmen Körper über.

Anhand von Abb. 3.33 erkennt man, dass der


thermische Wirkungsgrad des Carnot-Prozesses
nicht übertroffen werden kann. Zwischen den
Temperaturgrenzen T3 D 600 K und T1 D
300 K wirkt je ein rechts- und ein linksläufi-
ger Kreisprozess. Abb. 3.33a zeigt eine Carnot-
Wärmekraftmaschine, die nach (3.76) den ther-
mischen Wirkungsgrad th;C D 0;5 hat. Ihre Abb. 3.33 Es existiert keine Maschine, die einen höheren
Nutzeffekt als die Carnot-Maschine hat: a Kopplung von
mechanische Nutzarbeit wird eingesetzt, um ei- rechts- und linkslaufender Carnot-Maschine, b Kopplung
ne Wärmepumpe zu betreiben, die nach (3.82) einer rechtsläufigen „Super“-Maschine mit einer linksläu-
die Leistungszahl "W;C D 2 aufweist. Aus den figen Carnot-Maschine
Daten geht klar hervor, dass im Endeffekt je-
dem Wärmebad die Wärmemenge, die ihm eine
Maschine entnimmt, von der anderen wieder zu- warmen Körper übergeht, was gegen den zweiten
geführt wird. Hauptsatz verstößt. Daraus folgt:
Abb. 3.33b zeigt eine hypothetische „Super“-
Wärmekraftmaschine mit einem thermischen
Wirkungsgrad, der den Carnot’schen übertrifft Ein höherer thermischer Wirkungsgrad als
(z. B. th;S D 0;75). Nimmt diese Maschine bei- der des Carnot-Prozesses ist nicht möglich.
spielsweise die Wärmeleistung 4 kW vom oberen
Wärmebad auf, dann gibt sie QP D 1 kW an das
kalte Reservoir und P D 3 kW an die Wärme- 3.3.7.3 Entropie
pumpe ab. Die Carnot-Wärmepumpe nimmt aus Die bisherigen Formulierungen des zweiten
dem unteren Wärmebad QP D 3 kW an Wärme- Hauptsatzes können mathematisch ausgedrückt
leistung auf und gibt an das obere QP D 6 kW ab. werden mit Hilfe der Zustandsgröße Entropie,
Dies bedeutet schlussendlich, dass Wärme ohne die gestattet, den Grad der Irreversibilität ei-
äußere Arbeitszufuhr von einem kalten auf einen nes Vorganges zu berechnen. Ausgangspunkt der
198 3 Thermodynamik

zial ist definiert als


•Qrev
dS D : (3.84)
T
Die Maßeinheit der Entropie ist J=K. Der Null-
punkt kann willkürlich gewählt werden. Die
Entropiedifferenz zwischen einem Ausgangszu-
stand 1 und einem Endzustand 2 ist
Z2
•Qrev
S D S2  S1 D : (3.85)
T
1

Die Entropieänderung ist als Differenz zweier


Zustandsgrößen wegunabhängig. Zu ihrer Be-
rechnung muss aber ein – wenigstens in Gedan-
Abb. 3.34 Ersatz eines beliebigen Kreisprozesses durch ken – realisierbarer reversibler Weg beschritten
ein System von Carnot-Prozessen werden. Bei reversibel geführten adiabaten Zu-
standsänderungen ist •Qrev D 0. Somit gibt es
keine Änderung der Entropie (S1 D S2 ); die Zu-
folgenden Betrachtungen ist der ideale reversi-
standsänderung verläuft isentrop.
bel geführte Carnot-Prozess (Abb. 3.24). Für die
Die Entropieänderung bei einer Zustandsände-
umgesetzten Wärmen und die Temperaturen der
rung eines idealen Gases lässt sich aus (3.84) mit
Wärmebäder gilt nach (3.77)
Hilfe des ersten Hauptsatzes berechnen:
Q12 Q34
C D 0: •Qrev dU C pdV
T1 T3 dS D D :
T T
Der Quotient von übertragener Wärme und der
Mit (3.46) für die Änderung der inneren Energie
absoluten Temperatur, bei der sie übertragen wur-
ergibt sich daraus
de, wird als reduzierte Wärme bezeichnet. Of-
fensichtlich ist die Summe der reduzierten Wär- dT p
men bei einem kompletten Umlauf eines reversi- dS D CmV  C dV:
T T
blen Carnot-Prozesses null. Wird ein beliebiger
Kreisprozess reversibel durchlaufen, dann kann Nach der Zustandsgleichung idealer Gase ist
er nach Abb. 3.34 durch unendlich viele diffe- p=T D Rm =V und somit
renziell schmale Carnot-Prozesse ersetzt werden. dT dV
Auch hierbei ist die Summe aller reduzierten dS D CmV C Rm :
T V
Wärmen null:
I Wird die molare Wärmekapazität CmV als kon-
•Qrev
D 0: (3.83) stant vorausgesetzt, kann integriert werden:
T
T2 V2
Der Index rev soll daran erinnern, dass die Pro- S D S2  S1 D CmV ln C Rm ln :
T1 V1
zessführung reversibel sein muss. (3.86)
Wenn die Größe •QTrev bei einem kompletten
Umlauf keine Änderung erfährt, erfüllt sie die Nach (3.51) kann die innere Energie durch die
Voraussetzungen, die an eine Zustandsgröße ge- Enthalpie H ausgedrückt werden:
stellt werden. Diese Zustandsgröße bezeichnet
man nach Clausius als Entropie S. Ihr Differen- dU D dH  pdV  V dp:
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 199

Die Entropieänderung ist größer als null, weil


V2 > V1 ist. Ist z. B.  D 1 mol und V2 =V1 D
2, dann beträgt die Entropieänderung

J J
S D 1 mol  8;314  ln 2 D 5;76 :
mol K K

Hat der Carnot’sche Kreisprozess irreversible


Anteile (z. B. Reibungsarbeit oder Wärmeüber-
Abb. 3.35 Zu Beispiel 3.3-7 Gay-Lussac’scher Versuch tragung mit Temperaturgefälle zwischen Wärme-
bad und Gas), so ist der thermische Wirkungsgrad
geringer als bei vollkommen reversibler Prozess-
Damit gilt
führung:
dH  V dp dT dp Q12 C Q34 T3  T1
dS D D Cmp  Rm th;irr D < th;rev D :
T T p Q34 T3
und nach der Integration Anstelle von (3.77) gilt dann

T2 p2 Q12 Q34
S D S2  S1 D Cmp ln  Rm ln : C < 0:
T1 p1 T1 T3
(3.87)
Für beliebige irreversible Kreisprozesse gilt ent-
Beispiel 3.3-7 sprechend (im Gegensatz zu (3.83), die nur bei
In einem berühmt gewordenen Versuch ließ reversibler Prozessführung gültig ist)
Gay-Lussac nach Abb. 3.35 ein Gas aus einem I
•Qirr
Behälter in einen zunächst evakuierten Re- < 0: (3.88)
T
zipienten strömen. Die Anordnung war nach
außen wärmeisoliert (adiabates System). Gay- Nach Abb. 3.36 sei jetzt ein Kreisprozess be-
Lussac fand, dass nach Erreichen des Gleich- trachtet, der aus einem irreversiblen .1 ! 2/
gewichtszustands die Temperatur des Gases und einem reversiblen .2 ! 1/ Weg besteht.
nicht verändert war und schloss daraus, dass Der Gesamtprozess ist damit irreversibel, und
die innere Energie idealer Gase nicht vom nach (3.88) gilt
Volumen abhängt. Wie groß ist die Entropie-
änderung bei dem geschilderten Vorgang? I Z2 Z1
•Q •Qirr •Qrev
D C < 0:
T T T
Lösung 1 2
Obwohl die Ausströmung ins Vakuum ein
Mit (3.85) kann man schreiben
hochgradig irreversibler Prozess ist, lässt sich
die Entropieänderung mit Hilfe eines rever- Z2
siblen Ersatzprozesses berechnen. Ein denk- •Qirr
C S1  S2 < 0:
barer Ersatzprozess ist die isotherme Ex- T
1
pansion mit jeweils dem gleichen Anfangs-
und Endzustand wie der tatsächliche Prozess. Betrachtet man insbesondere adiabate Systeme,
Nach (3.86) gilt dann mit T1 D T2 bei denen keine Wärmeübertragung stattfindet
(•Qirr D 0), dann gilt
V2
S D S2  S1 D Rm ln :
V1 S2  S1 > 0: (3.89)
200 3 Thermodynamik

Abb. 3.37 T; S-Diagramm des Carnot-Prozesses. W Ar-


beit 1 bis 4 Zustandspunkte
Abb. 3.36 Kreisprozess mit reversiblem und irreversi-
blem Anteil

malwert zu, den sie im Gleichgewichtszustand


erreicht hat.
In einem adiabaten geschlossenen System Aus der Definitionsgleichung der Entropie
sind irreversible Prozesse stets mit einem dS D •Qrev =T folgt, dass in einem T; S-Dia-
Anstieg der Entropie verknüpft. Bei rever- gramm die reversibel umgesetzte Wärmemenge
sibler Prozessführung bleibt die Entropie als Fläche unter der Kurve einer Zustandsände-
konstant. rung abgelesen werden kann:

•Qrev D T dS oder
Mathematisch kann diese Aussage auch so Z2
formuliert werden: Q12;rev D T dS: (3.91)
1
dS = 0: (3.90)
Abb. 3.37 zeigt das Wärmeschaubild des Carnot-
Das Gleichheitszeichen gilt für reversible, das Prozesses. Die zugeführte Wärme entspricht der
Größer-als-Zeichen für irreversible Prozesse. Da Fläche unterhalb der Geraden 3–4, die abgege-
in der Natur von selbst nur irreversible Prozesse bene Wärme ist sichtbar als Fläche unterhalb der
ablaufen, gilt: Geraden 1–2. Die Nutzarbeit entspricht wie beim
p; V -Diagramm dem Flächeninhalt der umfahre-
nen Figur.
In einem adiabaten geschlossenen System
können von selbst nur Vorgänge ablaufen, 3.3.7.4 Statistische Deutung der
bei denen die Entropie ansteigt. Entropie
Mit Hilfe statistischer Betrachtungen soll gezeigt
werden, dass die Entropie in engem Zusammen-
Ein Beispiel für den Entropieanstieg ist die hang steht zu der Wahrscheinlichkeit, mit der ein
Ausströmung eines Gases ins Vakuum (Bei- bestimmter Zustand realisiert werden kann.
spiel 3.3-7). Ist ein System abgeschlossen, dann Zunächst soll gemäß Abb. 3.38 der übersicht-
ist die innere Energie des Systems konstant und liche Fall betrachtet werden, dass sich lediglich
die Entropie des Systems strebt einem Maxi- N D 4 Moleküle in einem Gefäß befinden.
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 201

Verlauf der thermischen regellosen Bewegung


gelegentlich alle Moleküle in einer Gefäßhälf-
te befinden (die Gleichverteilung ist nur 6-mal
wahrscheinlicher), nimmt die Komplexionenzahl
W der Gleichverteilung mit zunehmender Teil-
chenzahl N extrem zu. Bereits bei N D 10
Molekülen lässt sich die Gleichverteilung 5 W 5
durch W D 252 Mikrozustände realisieren, ist
also 252-mal wahrscheinlicher als der Zustand
0 W 10. Bei den großen Teilchenzahlen, wie sie
Abb. 3.38 Verschiedene Mikrozustände bei der Vertei- in Gasen vorkommen, z. B. in der Größenord-
lung von N D 4 Molekülen auf die zwei Hälften eines
nung der Avogadro’schen Konstante, besitzt die
Gefäßes
Gleichverteilung der Moleküle auf das Gefäßvo-
lumen eine derart hohe Wahrscheinlichkeit, dass
Teilt man das Gefäß willkürlich in zwei Hälf- die spontane Besetzung des halben Gefäßvolu-
ten, so befindet sich jedes Molekül mit dersel- mens durch alle Moleküle nicht auftreten wird.
ben Wahrscheinlichkeit entweder in der linken Von L. B OLTZMANN stammt die Erkenntnis,
oder in der rechten Gefäßhälfte. Nun sollen aber dass derjenige Makrozustand, der sich durch die
fünf so genannte Makrozustände verglichen wer- meisten Mikrozustände verwirklichen lässt, also
den. Das sind Besetzungen der beiden Hälften der Zustand mit größter Wahrscheinlichkeit, zu-
mit n1 W n2 D 0 W 4, 1 W 3, 2 W 2, 3 W 1 und 4 W 0 gleich auch der Zustand mit maximaler Entropie
Molekülen. Anhand der durchnummerierten Mo- ist. Nach Boltzmann gilt der Zusammenhang
leküle erkennt man sofort, dass jeder Makro-
S D k ln W; (3.93)
zustand durch verschieden viele Mikrozustände
oder Komplexionen realisiert werden kann. So hat mit der Boltzmann-Konstante k als Proportiona-
der Zustand der Gleichverteilung in den beiden litätsfaktor.
Gefäßhälften, n1 W n2 D 2 W 2, mit den meisten Bei großen Teilchenzahlen N lassen sich die
Mikrozuständen (W D 6) die höchste Wahr- Fakultäten N Š praktisch nicht mehr berechnen.
scheinlichkeit der Realisierung. Für die Berechnung des Logarithmus der Fa-
Diese Überlegungen sind vergleichbar dem kultäten kann die Stirling’sche Näherungsformel
Würfeln mit zwei Würfeln: Jede Augenzahl eines verwendet werden:
Würfels hat dieselbe Wahrscheinlichkeit, näm-
lich 1=6. Die Summe der beiden Augenzahlen ln N Š  N  ln N  N: (3.94)
wird aber am häufigsten 7 ergeben, weil diese
Summe die meisten Realisierungsmöglichkeiten
(Mikrozustände) besitzt, nämlich 1 C 6, 2 C 5, Beispiel 3.3-8
3 C 4, 4 C 3, 5 C 2 und 6 C 1. Wie groß ist der Zuwachs an Entropie, wenn
Die Zahl der Mikrozustände, die denselben ein ideales Gas mit N Molekülen über-
Makrozustand ergeben, oder die Komplexionen- strömt in ein Gefäß mit doppeltem Volumen
zahl, beträgt (Abb. 3.35, Beispiel 3.3-7, Überströmversuch
NŠ von Gay-Lussac).
W D : (3.92)
n1 Šn2 Š
Sie wird auch als thermodynamische Wahrschein- Lösung
lichkeit bezeichnet. Im Gegensatz zur normalen Der Anfangszustand, in dem sich das Gas in
Wahrscheinlichkeit ist W meist eine große Zahl. einer Gefäßhälfte befindet, besitzt die Kom-
Während man sich bei N D 4 Molekü- plexionenzahl WA D NNŠ0ŠŠ D 1 und damit die
len durchaus noch vorstellen kann, dass sich im Entropie SA D k ln 1 D 0.
202 3 Thermodynamik

Der Endzustand mit der größten Realisie- charakteristischen Schwellwert der Energie- oder
rungswahrscheinlichkeit ist die Gleichvertei- Stoffzufuhr plötzlich zu makroskopisch wahr-
lung mit der Komplexionenzahl WE D NN Š 2 nehmbaren Ordnungszuständen. Durch Selbstor-
  . 2
Š/
ganisation setzen sich jene neuartigen Moden
und der Entropie SE D k ln N Š  2 ln N2 Š .
(Ordner) durch, die den anderen Systemteilen
Mithilfe der Stirling’schen Formel (3.94)
ihre Ordnung am erfolgreichsten aufprägen (Ver-
wird daraus
sklavung) und die höchsten Wachstumsraten ha-
ben. Aus der Unordnung (Chaos) entstehen al-
SE D N k ln 2 D Rm ln 2:
so in offenen Systemen geordnete Strukturen.
Die Entropieänderung ist damit Welche Ordnungszustände sich unter gegebenen
Randbedingungen bilden, ist Untersuchungsge-
S D SE  SA D Rm ln 2; genstand der von H. H AKEN ( 1927) begründe-
ten Lehre vom Zusammenwirken der Einzelteile
in Übereinstimmung mit der thermodynami- offener Systeme, der Synergetik.
schen Berechnung von Beispiel 3.3-7.
3.3.7.5 Zur Übung
Füllt man in einen Behälter weißen Sand und
schichtet darüber vorsichtig dunklen Sand, dann Ü 3-23 Wie groß ist die Energie, die man mit
werden sich die beiden Sandsorten beim Schüt- einem Perpetuum mobile zweiter Art aus dem
teln des Gefäßes mischen. Dieser typisch irrever- Meerwasser gewinnen könnte, wenn dieses um
sible Mischungsvorgang kann vom Standpunkt # D 1 ı C abgekühlt würde? Die Masse des
der Wahrscheinlichkeitsrechnung so interpretiert Meerwassers ist m  1;4  1021 kg. Wie lan-
werden, dass das System vom unwahrscheinli- ge würde dieser Energievorrat reichen bei einem
chen Zustand hoher Ordnung in den wahrschein- mittleren Leistungsbedarf der Menschheit von
licheren Zustand großer Unordnung übergeht. ungefähr P D 17 TW (Prognose bis 2020)?
Von selbst ablaufende Vorgänge gehen stets von
geordneten Zuständen in Richtung größerer Un- Ü 3-24 Stickstoff wird vom Normzustand pn ; Tn
ordnung. Da sie gleichzeitig mit einem Entropie- und Vn D 1 l a) isobar, b) isochor auf die Tempe-
anstieg verknüpft sind, folgt: ratur T1 D 500 K erwärmt. Wie groß ist in beiden
Fällen die Entropieänderung?

Die Entropie ist ein Maß für den Grad der Ü 3-25 Welche Kurvenform hat eine Isocho-
Unordnung eines Systems. re im T; S-Diagramm? Wie sieht demnach das
T; S-Diagramm des Stirling-Prozesses aus? Wie
kann man zeigen, dass der thermische Wirkungs-
Das Prinzip des Entropieanstiegs gilt nur für grad des idealen Stirling-Prozesses mit funktio-
abgeschlossene Systeme, nicht aber für offene. nierender interner Wärmeübertragung mit dem
Ist ein offenes System weit entfernt vom thermi- des Carnot-Prozesses identisch ist?
schen Gleichgewicht, so bewirken einerseits die
Energiezufuhr oder auch der Zustrom neuer Stof- Ü 3-26 Ein Teil aus Kupfer mit der Masse m D
fe und andererseits die Umwandlung im System 1 kg und der Temperatur #1 D 10 ı C wird in Kon-
in andere Energie- und Stoffformen, dass sich im takt gebracht mit einem gleich schweren Kupfer-
System ständig neue Lagen der Systemteile zu- teil mit #2 D 30 ı C. a) Um welchen Betrag ändert
einander, neuartige Bewegungsabläufe oder neu- sich die Entropie der beiden Körper beim Tem-
artige Reaktionsabläufe bilden, an denen größere peraturausgleich, wenn kein Wärmetransport zur
Bereiche des Systems beteiligt sind. Unter den Umgebung erfolgt?
sich kurzzeitig bildenden, miteinander konkurrie- b) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass
renden Strukturen (Moden) kommt es ab einem der umgekehrte Vorgang von selbst abläuft?
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 203

3.3.8 Thermodynamische Potenziale auch jede andere Form von Arbeit •W 0 (z. B.
elektrische Arbeit bei elektrochemischen Reak-
Der zweite Hauptsatz erlaubt Aussagen über die tionen und Oberflächenarbeit) verstanden wird:
Richtung von selbst ablaufender Prozesse in adia- •W D •WV C •W 0 .
baten bzw. abgeschlossenen Systemen. Viele Pro- Wird das Volumen eines Systems konstant ge-
zesse, besonders chemische Reaktionen, laufen halten, dann ist •WV D 0, und aus (3.96) folgt
bei konstanter Temperatur ab. Hierbei kann die •W 0 5 dF oder dF  •W 0 5 0.
Richtung von selbst ablaufender Vorgänge mit Bei spontan ablaufenden Reaktionen wird
der von Helmholtz eingeführten freien Energie F Nutzarbeit abgegeben, d. h. •W 0 = 0. Für die
bestimmt werden: freie Energie folgt daraus

F D U  T S: (3.95) dF 5 0: (3.97)

Das totale Differenzial dieser Zustandsgröße ist


dF D dU  T dS  SdT . Für isotherme Sys- In einem isotherm-isochoren System ver-
teme gilt dT D 0 und dF D dU  T dS. Mit laufen reversible Vorgänge bei konstanter
dem ersten Hauptsatz dU D •Qrev C •Wrev und freier Energie, irreversible Prozesse unter
der Definitionsgleichung (3.84) für die Entropie Abnahme der freien Energie. Im Gleichge-
T dS D •Qrev folgt für reversible Prozesse dF D wicht hat die freie Energie ein Minimum.
•Wrev oder •Wrev D dF .
Die Arbeit, die ein isothermes System bei re-
versiblen Prozessen abgeben kann, entspricht der Somit ist auch die Richtung chemischer Re-
Abnahme der freien Energie. Bei irreversibler aktionen aufgezeigt: In isotherm-isochoren Sys-
Prozessführung ist die abgegebene Arbeit stets temen verlaufen chemische Reaktionen spontan,
kleiner als bei reversibler Führung, also •Wirr < wenn die freie Energie der Reaktionspartner nach
•Wrev . Damit gilt der Reaktion geringer ist als vorher.
Die freie Energie gehört zu den thermodyna-
 •W 5 dF: (3.96)
mischen Potenzialen. Wie in der Mechanik die
Das Gleichheitszeichen gilt im Fall reversibler, Komponenten einer Kraft durch Differenziation
das Kleiner-als-Zeichen bei irreversibler Prozess- des Potenzials nach den Koordinaten ermittelt
führung. werden können, besteht in der Thermodynamik
die Möglichkeit, alle Zustandsgrößen durch Dif-
ferenziation aus thermodynamischen Potenzialen
Der maximale Arbeitsbetrag, den ein iso- zu gewinnen. Für die freie Energie gilt
thermes System nach außen abgeben kann,
ist gleich der Abnahme der freien Energie. dF D dU  T dS  SdT:

Mit dem ersten und zweiten Hauptsatz


Nimmt beispielsweise bei einer isothermen
dU D •Q  pdV D T dS  pdV
chemischen Reaktion die innere Energie von U1
auf U2 ab, dann kann nicht die ganze Diffe-
folgt
renz U als Arbeit nach außen abgegeben wer-
dF D pdV  SdT: (1)
den, sondern nur der Anteil der freien Energie
F D U  TS. Der Teilbetrag TS, die Das totale Differenzial der Funktion F .V; T /
gebundene Energie, wird in Wärme umgesetzt. kann geschrieben werden
Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass    
unter „Arbeit“ in diesem Fall nicht nur die Vo- @F @F
dF D dV C dT: (2)
lumenänderungsarbeit •WV D pdV , sondern @V T @T V
204 3 Thermodynamik

Aus dem Vergleich der Beziehungen (1) und (2)


folgt In isotherm-isobaren Systemen strebt die
  freie Enthalpie ein Minimum an, das sie im
@F Gleichgewichtszustand erreicht hat.
pD und (3.98)
@V
 T
@F
S D : (3.99)
@T V
3.3.9 Dritter Hauptsatz der
Ist ein thermodynamisches Potenzial als Funkti- Thermodynamik
on seiner natürlichen Variablen bekannt, so kann
Durch experimentelle Untersuchungen fand
man durch reine Differenziationsprozesse andere
Nernst (W. N ERNST, 1864 bis 1941) im Jahr
thermodynamische Potenziale oder Zustandsgrö-
1906, dass die Entropie fester Körper am ab-
ßen gewinnen. Auf diese Weise werden beispiels-
soluten Temperaturnullpunkt nicht von der
weise Dampftafeln berechnet.
Kristallmodifikation abhängt. So hat z. B. weißes
Ein weiteres thermodynamisches Potenzial ist
und graues Zinn bei T D 0 dieselbe Entropie:
die freie Enthalpie G oder Gibbs’sches Potenzial
Sweiß .0/ D Sgrau .0/.
(J. W. G IBBS, 1839 bis 1903):
Bei Annäherung eines homogenen Systems an
den absoluten Nullpunkt ist im Gleichgewicht die
G D H  T S D U C pV  T S: (3.100)
molare Entropie unabhängig von thermodynami-
schen Parametern (z. B. Druck, Volumen, Kris-
Für das totale Differenzial der Zustandsgröße
tallstruktur, Magnetfeld) und nimmt einen kon-
G.p; T / gilt
stanten Wert Sm0 an. Dieser Nernst’sche Wärme-
satz wurde von Planck erweitert, der die Entropie
dG D dU C pdV C V dp  T dS  SdT:
am absoluten Nullpunkt null setzte:
Mit dU CpdV D •Q D T dS folgt dG D V dp
S0 D 0 für T D 0: (3.104)
SdT . Durch Vergleich mit
   
@G @G
dG D dp C dT Die Entropie reiner Stoffe ist am absoluten
@p @T
T p
Temperaturnullpunkt null.
ergeben sich

@G
 Diese Festlegung der Entropie durch den drit-
V D und (3.101) ten Hauptsatz ist im Einklang mit der statis-
@p T
  tischen Deutung der Entropie. Der Gleichge-
@G
S D : (3.102) wichtszustand am absoluten Nullpunkt zeichnet
@T p
sich durch maximale Ordnung aus. Die Unord-
nung und damit die Entropie sind null.
Die freie Enthalpie hat eine ähnliche Bedeutung
Der dritte Hauptsatz ist nur gültig für reine
wie die freie Energie. In einem isotherm-isobaren
Stoffe. Mischkristalle haben bei T D 0 eine
System gilt
endliche Entropie. Außerdem müssen die Syste-
dG 5 0: (3.103)
me im thermodynamischen Gleichgewicht sein.
Das Gleichheitszeichen gilt für reversible, das Dies ist z. B. bei Gläsern nicht der Fall. Gläser
Kleiner-als-Zeichen für irreversible Vorgänge. haben auch bei T D 0 noch eine Unordnung,
3.4 Zustandsänderungen realer Gase 205

demnach ist S0 > 0. Der Übergang in eine ge-


ordnete kristalline Phase findet nicht statt, weil Der absolute Temperaturnullpunkt lässt
bei tiefen Temperaturen die Reaktionsgeschwin- sich nicht erreichen.
digkeiten vernachlässigbar klein werden.
Die Entropie eines Systems kann nach dem
dritten Hauptsatz absolut berechnet werden Der dritte Hauptsatz wird deshalb gelegentlich
auch als Satz von der Unerreichbarkeit des abso-
ZT luten Nullpunkts bezeichnet.
•Qrev
S.T / D
T
0
3.4 Zustandsänderungen realer Gase
ZT
c.T /
Dm dT: (3.105) Sind die Wechselwirkungen zwischen den Gas-
T
0 molekülen – beispielsweise in der Nähe von
Phasenumwandlungen – nicht mehr zu vernach-
Die Entropie bleibt nur dann endlich, wenn die lässigen, so handelt es sich um reale Gase. Mit
spezifische Wärmekapazität c.T / mit abnehmen- der allgemeinen Zustandsgleichung idealer Gase
der Temperatur hinreichend schnell gegen null (Abschn. 3.1.5) lässt sich die Dichte % aus der ab-
geht. Dies ist in der Tat der Fall: Bei vielen soluten Temperatur T und dem Druck p ableiten:
Festkörpern gilt bei tiefen Temperaturen das De- pV D mR T ergibt wegen % D m=V
i
bye’sche T 3 -Gesetz c.T / D konst.  T 3 (Ab-
schn. 9.3.1.2). p
%D (3.106)
Aus dem dritten Hauptsatz folgt auch, dass der Ri T
thermische Ausdehnungskoeffizient .@V =@T /p mit Ri als der spezifischen Gaskonstante. Für rea-
und der Druckkoeffizient .@p=@T /V bei Annähe- le Gase mit molekularen Wechselwirkungen wird
rung an den absoluten Nullpunkt null werden. die Zustandsgleichung mit dem Realgasfaktor Z
In Abschn. 3.3.6 ist ausgeführt, dass ein korrigiert:
Carnot-Prozess, bei dem die tiefe Temperatur p
%D : (3.107)
T1 D 0 ist, einen thermischen Wirkungsgrad ZRi T
von th D 1 hat. Bei einem reversiblen Carnot- Abb. 3.39 zeigt den Verlauf der Realgasfakto-
Prozess (Abb. 3.24) gilt nach dem zweiten Haupt- ren Z von Luft in Abhängigkeit vom Druck p
satz für das Kreisintegral der Entropie (von 0 bis 300 bar).
I Die Dichte von Gasgemischen %G errechnet
dS D S12 C S23 C S34 C S41 D 0: sich aus den jeweiligen Dichten %1 ; %2 ; : : : ; %n
und deren prozentualen Volumenanteilen:
P
Nun ist S23 D S41 D 0 wegen isentroper Prozess- %i Vi
%G D : (3.108)
führung. Nach dem dritten
H Hauptsatz ist S12 D 0 V
für T1 D 0. Also gilt S D S34 D 0. Die Entro-
pieänderung während der isothermen Expansion
von 3 nach 4 ist aber nach (3.85) 3.4.1 Van-der-Waals’sche
Zustandsgleichung
Q34
S34 D > 0: Die für ideale Gase abgeleiteten Gesetze ver-
T3
nachlässigen zwei Einflussgrößen, die bei ho-
Der Widerspruch löst sich nur, wenn die tiefe hen Drücken und tiefen Temperaturen besonders
Temperatur T1 > 0 gesetzt wird. Daraus folgt: deutlich in Erscheinung treten, nämlich
206 3 Thermodynamik

sind (Abschn. 2.12.1.6, Abb. 2.99). Im Innern


der Gasphase heben sich die zwischenmolekula-
ren Kräfte zwar auf, an den Grenzflächen (z. B.
einer Gasoberfläche) aber weisen sie eine resul-
tierende Kraft in Richtung des Gasinneren auf.
Dadurch erhöht sich der Innendruck im Gas (Bin-
nendruck); das Korrekturglied ist deshalb positiv.
Der Binnendruck pbi ist proportional zur Dich-
te der anziehenden Teilchen und zur Dichte der
stoßenden Umgebungsteilchen. Insgesamt ist al-
so der Binnendruck proportional zum Quadrat
der Dichte: pbi  %2 oder wegen %  1=Vm ist
pbi  1=Vm2 .
Der Faktor b berücksichtigt das Wechsel-
wirkungsvolumen der Molekülkräfte, das van-
der-Waals’sche Kovolumen; es entspricht etwa
dem vierfachen Eigenvolumen des Moleküls. Die
van-der-Waals’sche Zustandsgleichung stellt für
konstante Temperaturen (Isothermen) im p; V -
Diagramm eine Funktion dritten Grades dar.
Abb. 3.40 zeigt den Verlauf der Isothermen für
Kohlendioxid (CO2 ). Unterhalb der Isothermen
für die kritische Temperatur Tk (für CO2 ist Tk D
304;2 K) weisen die Isothermen mit abnehmen-
Abb. 3.39 Realgasfaktor Z von Luft dem Molvolumen ein Druckmaximum und ein
Druckmimimum auf. Dies widerspricht jedoch
der experimentellen Erfahrung: Mit fallendem
 die zwischen den Gasmolekülen stattfinden- Volumen durchläuft der Druck nicht die Kurve
den Anziehungskräfte (Kohäsion) und EDCBA (Isotherme 273 K), sondern verläuft ho-
 das Eigenvolumen der Gase (Kovolumen). rizontal längs der Geraden ECA. Dies liegt daran,
dass bei realen Gasen ab dem Punkt E eine Ver-
J. D. VAN DER WAALS (1837 bis 1923) hat flüssigung eintritt, die am Punkt A abgeschlossen
den Druck und das Volumen in der allgemeinen ist. Der bei weiterer Komprimierung erfolgende
Gasgleichung dementsprechend korrigiert. Die steile Druckanstieg rührt von der im Vergleich zu
van-der-Waals’sche Zustandsgleichung lautet mit Gasen sehr kleinen Kompressibilität von Flüssig-
molaren Größen keiten her.
Der Druck pE in Abb. 3.40, bei dem eine
 
a Verflüssigung einsetzt, ist der Dampfdruck. Nach
p C 2 .Vm  b/ D Rm T: (3.109)
Vm dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik (Ab-
schn. 3.3.7) müssen die Flächeninhalte über der
Darin sind Vm das Molvolumen und a sowie b Linie CDE und unter der Linie ABC gleich sein.
gasspezifische Materialkonstanten. Werden für jede Isotherme jeweils die Punkte
Den Korrekturterm a=Vm2 nennt man Binnen- E der beginnenden Verflüssigung des Gases und
druck. Er berücksichtigt die Wirkung der zwi- jeweils die Punkte A des Endes der Verflüssi-
schenmolekularen Anziehungskräfte (van-der- gung miteinander verbunden, so ergibt sich ein
Waals-Kräfte, Abschn. 9.1.1.1), die Kohäsions- Bereich, innerhalb dessen eine Umwandlung von
kräfte zwischen den Flüssigkeitsmolekülen, die der gasförmigen Phase in die flüssige stattfin-
auch für die Oberflächenspannung verantwortlich det (rot umgrenzte Zone in Abb. 3.40). Links
3.4 Zustandsänderungen realer Gase 207

drei kritischen Werte von Gasen (Tk ; pk und


Vk ) durch folgende drei Bestimmungsgleichun-
gen errechnet werden: p D f .V / (van-der-
Waals’sche Zustandsgleichung für die Isotherme
T D Tk /; .@p=@V /Tk D 0 (waagerechte Tangen-
te) und .@2 p=@V 2 /Tk D 0 (Wendepunkt). Aus
(@p=@V /Tk D 0 und .@2 p=@V 2 /Tk D 0 folgen

Vmk D 3b (3.110)

und
8a
Tk D : (3.111)
27bRm
Werden diese beiden Gleichungen in die van-
der-Waals’sche Zustandsgleichung (3.109) einge-
setzt, ergibt sich

a
pk D : (3.112)
27b 2

Aus der Kombination aller drei Gleichungen er-


hält man
pk Vmk 3
Abb. 3.40 Verlauf der Isothermen für Kohlendioxid im D Rm : (3.113)
p; V -Diagramm
T k 8
Bei dem Vergleich mit dem Wert des Realgasfak-
tors Z (3.107) ergibt sich für den kritischen Punkt
von diesem Gebiet liegt nur die flüssige und
rechts nur die gasförmige Phase vor. Im Ko- pk Vmk 3
Zk D D : (3.114)
existenzgebiet sind beide Phasen vorhanden. Bei Rm Tk 8
Wasser heißen diese Gebiete: überhitzter Dampf
(rein gasförmiger Zustand), trocken gesättigter Wenn die allgemeine Gasgleichung für ideale Ga-
Dampf (Grenzkurve) und Naßdampf (innerhalb se am kritischen Punkt gültig wäre, müsste Zk D
des Verflüssigungsgebiets). Der höchste Dampf- 1 sein. Der Realgasfaktor Z gibt also den Grad
druckpunkt ist der kritische Punkt K. Die zugehö- der Abweichung von der allgemeinen Gasglei-
rige Temperatur ist die kritische Temperatur Tk . chung an (Abb. 3.39).
Sie ist der Wendepunkt der entsprechenden Iso- Sind zwei der kritischen Werte pk ; Vmk und Tk
therme. Die zugehörigen Werte sind der kritische bekannt, dann können die van-der-Waals’schen
Druck pk (für CO2 ist pk D 7;38 MPa) und Konstanten a und b errechnet werden:
das kritische Volumen Vk (für CO2 ist Vmk D Vmk Rm Tk
0;1275 m3 =kmol). Oberhalb des Punktes K ist bD D ; (3.115)
3 8pk
eine Verflüssigung durch alleinige Komprimie- 2
rung (kleineres Volumen und höherer Druck) a D 3pk Vmk D 27b 2 pk : (3.116)
nicht möglich. Tab. 3.10 enthält die kritischen
Werte für Temperatur und Druck sowie die van- Beispiel 3.4-1
der-Waals’schen Konstanten a und b für einige Für Kohlendioxid (CO2 ) gilt am kritischen
ausgewählte Stoffe. Punkt Tk D 304;2 K und pk D 7;38 MPa. Es
Da der kritische Punkt K einen Wendepunkt sollen hieraus die van-der-Waals’schen Kon-
mit waagrechter Tangente darstellt, können die stanten a und b berechnet werden.
208 3 Thermodynamik

Tab. 3.10 Kritische Temperatur Tk , kritischer Druck pk sowie van-der-Waals’sche Konstanten a und b verschiedener
Stoffe
N m4 m3
Stoff Tk in K pk in MPa a in 105 kmol2
b in 102 kmol
Elemente
Wasserstoff (H2 ) 33,240 1,296 0,2486 2,666
Helium (He) 5,2010 0,2275 0,0347 2,376
Stickstoff (N2 ) 126,20 3,400 1,366 3,858
Sauerstoff (O2 ) 154,576 5,043 1,382 3,186
Luft 132,507 3,766 1,360 3,657
anorganische Verbindungen
Chlor (Cl2 ) 417 7,70 6,59 5,63
Wasser (H2 O) 647,30 22,120 5,5242 3,041
Ammoniak (NH3 ) 405,6 11,30 4,246 3,730
Kohlendioxid (CO2 ) 304,2 7,3825 3,656 4,282
organische Verbindungen
Methan (CH4 ) 190,56 4,5950 2,3047 4,310
Propan (C3 H8 ) 370 4,26 9,37 9,03
Butan (C4 H10 ) 425,18 3,796 13,89 11,64

Lösung beispielsweise für Luft T =p D 2;5 K=MPa


Nach (3.115) gilt und für Kohlendioxid T =p D 7;5 K=MPa.
Die Luftverflüssigung gelang erstmalig Linde
Rm Tk (C. v. L INDE, 1842 bis 1934) im Jahr 1876.
bD D 0;0428 m3 =kmol;
8pk Genaue Rechnungen ergeben, dass der Joule-
Thomson-Effekt auch zu einer Erwärmung führen
nach (3.116) gilt kann. Oberhalb der Inversionstemperatur Ti er-
wärmt sich ein Gas und unterhalb dieser kühlt es
N m4 sich ab. Näherungsweise ist
a D 27b 2 pk D 3;66  105 :
kmol2
2a
Ti  : (3.117)
Rm b
3.4.2 Gasverflüssigung
(Joule-Thomson-Effekt) Da für die kritische Temperatur eines realen Ga-
ses nach (3.111) Tk D 8a=.27bRm / gilt, ist die
Bei einem realen Gas ist wegen der zwischen- Inversionstemperatur
molekularen Wechselwirkungen und des Eigen-
volumens der Moleküle die innere Energie U Ti D 6;75Tk : (3.118)
volumen- und druckabhängig. Wird ein reales
Gas adiabat (ohne Wärmeübertragung) und oh- Weil für Luft, Stickstoff, Sauerstoff und Kohlen-
ne Arbeitsverrichtung (Drosselung) entspannt, so dioxid die Inversionstemperatur Ti weit oberhalb
kühlt es sich im Gegensatz zum idealen Gas der Raumtemperatur liegt, kühlen sich diese Gase
ab. Zur Überwindung der zwischenmolekularen nach dem Joule-Thomson-Effekt ab, während sich
Anziehungskräfte muss nämlich Energie aufge- Wasserstoff bei Raumtemperatur (Tk D 33;3 K)
wendet werden, die aus dem Vorrat der inneren erwärmt. Deshalb wird Wasserstoff zwecks Ver-
Energie U entnommen wird. Dieser Effekt wird flüssigung erst mit flüssigem Stickstoff vorge-
Joule-Thomson-Effekt genannt (J. P. J OULE, 1818 kühlt.
bis 1889, und W. T HOMSON, 1824 bis 1907). Die In Abb. 3.41 sind einige technisch bedeutsame
druckbezogenen Temperaturdifferenzen betragen Temperaturen und die entsprechenden physikali-
3.4 Zustandsänderungen realer Gase 209

Abb. 3.41 Physikalische Effekte und einige technisch bedeutsame Temperaturen

schen Effekte zusammengestellt. Für die Unter- und zweckmäßigerweise durch eine chemische
suchung von Werkstoffen bei tiefen Temperatu- Strukturformel angegeben.
ren kühlt man die Proben mit flüssiger Luft (T D Abb. 3.42 zeigt die möglichen Phasenüber-
79 K) oder flüssigem Stickstoff (T D 77 K) ab. gänge für die drei Aggregatzustände fest, flüssig
Zur Untersuchung des supraleitenden Zustandes und gasförmig unter Berücksichtigung von Mo-
(Abschn. 9.2.3) kühlt man meist mit flüssigem difikationsänderungen innerhalb des festen Zu-
Helium (T D 4;2 K bis 0;83 K). Um tiefere Tem- stands. Allen Phasenübergängen ist gemeinsam,
peraturen, die durch den Joule-Thomson-Effekt dass Wärme zu- bzw. abgeführt werden muss, oh-
nicht mehr erreicht werden, zu erhalten, müssen ne dass eine Temperaturänderung eintritt. Diese
paramagnetische Salze adiabat entmagnetisiert Wärme wird deshalb als latente Wärme bezeich-
werden. Infolge der während der Entmagnetisie- net. Wird beispielsweise der Phasenübergang von
rung zunehmenden Unordnung der magnetischen fest nach flüssig betrachtet, dann dient die zuge-
Struktur wird – analog zum Verdampfungspro- führte Wärme der Aufbrechung des Festkörper-
zess – dem Stoff Wärme entzogen, sodass ei- gitters. Die bei konstantem Druck und konstanter
ne Abkühlung eintritt (z. B. Cäsium-Titan-Alaun, Temperatur zugeführte Wärme erhöht die En-
T D 0;0034 K). Nach diesem magnetokalo- thalpie der Substanz: Hflüssig D Hfest C HS .
rischen Effekt werden Temperaturen bis T D HS wird als Schmelzenthalpie bezeichnet. Sie
102 K erzeugt. Noch tiefere Temperaturen (bis wird bei der Erstarrung wieder frei (HS ).
T D 106 K) kann man durch Entmagnetisierung Beim Übergang vom festen in den gasförmigen
von Atomkernen erreichen. Zustand muss die Summe aus Schmelzenthal-
pie HS und Verdampfungsenthalpie HV als
Sublimationsenthalpie Hsub D HS C HV
3.4.3 Phasenumwandlungen zugeführt werden.
Abb. 3.43 zeigt den Temperaturverlauf als
Eine Phase ist ein räumlich abgegrenztes Gebiet Funktion der zugeführten spezifischen Enthal-
eines Stoffes mit gleichen physikalischen Eigen- pie für Wasser vom Aggregatzustand fest (Eis)
schaften. Der Begriff Phase kann sowohl auf die bis gasförmig (Wasserdampf). In Tab. 3.11 sind
drei Aggregatzustände der Materie (fest, flüssig, die Schmelz- bzw. Siedepunkte sowie die spe-
gasförmig) als auch auf die verschiedenen Modi- zifischen Schmelz- bzw. Verdampfungsenthal-
fikationen desselben Stoffs (z. B. ˛- und -Eisen) pien zusammengestellt (die Siedepunkte und
angewandt werden. Die unterschiedlichen chemi- Verdampfungsenthalpien beziehen sich auf den
schen Bestandteile werden Komponenten genannt Normdruck pn D 1;013  105 Pa).
210 3 Thermodynamik

Abb. 3.42 Phasenübergänge und zugehörige Enthalpien (Einstoffsystem)

Abb. 3.43 Temperaturverlauf der spezifischen Enthalpie von Wasser

3.4.3.1 Thermodynamisches zurücktreibt, forttreibt oder keinen Einfluss zeigt.


Gleichgewicht In der Mechanik (Abschn. 2.9.3) liegt bei einem
Ein physikalisches System befindet sich im stabilen Gleichgewicht ein Minimum der potenzi-
Gleichgewicht, wenn sein physikalischer Zustand ellen Energie vor.
gleich bleibt. Es gibt stabile, labile und indiffe- Unterschiede in der potenziellen Energie (Gra-
rente Gleichgewichte, je nachdem, ob eine äußere dient des mechanischen Potenzials) sind die trei-
Störung das System zum Gleichgewichtszustand benden Kräfte, die im Minimum verschwinden.
3.4 Zustandsänderungen realer Gase 211

Tab. 3.11 Schmelz- bzw. Verdampfungstemperatur # sowie spezifische Schmelzenthalpie hS und spezifische Ver-
dampfungsenthalpie hV verschiedener Stoffe beim Druck pn D 1013 hPa
Stoff Schmelzen # in ı C hS in kJ=kg Verdampfen # in ı C hV in kJ=kg
Elemente
Wasserstoff (H2 ) 259;15 58,6 252;75 461
Helium (He) 270;7 3,52 268;94 20,9
Stickstoff (N2 ) 209;85 25,75 195;75 201
Sauerstoff (O2 ) 218;75 13,82 182;95 214
Luft 213 192;3 197
anorganische Verbindungen
Chlor (Cl2 ) 100;95 90,4 34;45 289
Wasser (H2 O) 0;00 335 100;00 2257
Ammoniak (NH3 ) 80 339 33;45 1369
Kohlendioxid (CO2 ) 56;55 184 78;45 574
organische Verbindungen
Methan (CH4 ) 182;45 58,6 161;45 510
Propan (C3 H8 ) 187;65 80,0 42;05 426
Butan (C4 H10 ) 138;35 77,5 0;65 386

In der Wärmelehre können je nach Systemzu- te Anzahl von Teilchen vorhanden, deren Ge-
stand fünf Gleichgewichtsforderungen auftreten schwindigkeit und somit deren kinetische Ener-
(Abschn. 3.3.8). Sie sind in Abb. 3.44 zusammen- gie groß genug ist, um gegen die Kohäsionskräfte
gestellt: der Nachbarteilchen die Flüssigkeitsoberfläche
zu durchstoßen.
 Maximum der Entropie S für ein abgeschlos- Betrachtet sei ein Gefäß, in dem sich eine
senes System ohne Materie- und Energieaus- Flüssigkeit befindet. Wird der Gasraum evaku-
tausch; iert, so steigt der Dampfdruck so lange, bis sich
 Minimum der freien Enthalpie G für ein ein Gleichgewicht zwischen der Verdampfungs-
isobar-isothermes System; und der Kondensationsrate einstellt. Dann liegt
 Minimum der freien Energie F für ein isochor- ein gesättigter Dampf vor und der zugehörige
isothermes System; Dampfdruck heißt Sättigungsdampfdruck ps . Er
 Minimum der Enthalpie H für ein isobar- ist unabhängig vom Volumen, da sich bei Ver-
adiabates System sowie größerung bzw. bei Verkleinerung des Volumens
 Minimum der inneren Energie U für ein entsprechend mehr Dampf bildet bzw. konden-
isochor-adiabates System. siert. Auch das Einbringen von Körpern oder
anderen Gasmolekülen beeinflusst also den Sät-
Chemische Reaktionen, die isobar und isotherm tigungsdampfdruck nicht. Für die Dampfdrücke
spontan ablaufen, haben alle eine negative molare eines Gasgemischs (Partialdrücke) gilt deshalb
freie Enthalpie Gm . Dabei kann entweder Wär- das Dalton’sche Gesetz (J. DALTON, 1766 bis
me frei werden .H < 0/ oder der Endzustand 1844):
der Reaktion weist eine sehr viel höhere Entropie
auf .S D .H  G/= T < 0/.
Der gesamte Druck eines Gasgemisches ist
3.4.3.2 Gleichgewicht zwischen flüssiger gleich der Summe der Partialdrücke:
und gasförmiger Phase
Analog zur Maxwell’schen Geschwindigkeitsver- n
X
teilung in Gasen (Abschn. 3.2.3) gibt es auch pges D pi : (3.119)
in Flüssigkeiten eine temperaturabhängige Ver- i D1
teilungsfunktion. Es ist immer eine bestimm-
212 3 Thermodynamik

Abb. 3.44 Gleichgewichtsbedingungen für die verschiedenen thermodynamischen Zustände

Der Sättigungsdampfdruck steigt mit zuneh- schn. 3.3.6) durchlaufen wird. Wie Abb. 3.46
mender Temperatur, da zusätzlich Flüssigkeit zeigt, wird die Flüssigkeit auf dem Weg 3–4
verdampft, und nimmt ab mit fallender Tempe- bei der Temperatur T C dT und dem Sätti-
ratur, weil Dampf kondensiert. Abb. 3.45 zeigt gungsdruck ps C dps durch Zufuhr der molaren
den Verlauf des Sättigungsdampfdruckes ps von Verdampfungsenthalpie Hmv verdampft. Auf
Wasser in Abhängigkeit von der Temperatur. dem Weg 1–2 erfolgt bei der Temperatur T
Diese Dampfdruckkurve beschreibt die für das und dem Dampfdruck ps eine Kondensation. Zu-
Gleichgewicht zwischen flüssiger und gasförmi- nächst liegt das Volumen VmD in gasförmigem Zu-
ger Phase maßgebenden Wertepaare von Sätti- stand vor, am Ende ist das Volumen VmFl flüssig.
gungsdampfdruck ps und Temperatur. (Die adiabaten Teilstücke 4–1 und 2–3 sind infi-
Die Dampfdruckkurve wird durch den Boltz- nitesimal klein und daher bedeutungslos.) Die in
mann-Faktor (3.31) beschrieben: diesem Diagramm verrichtete Arbeit ist dW D
E .VmD  VmFl /dps . Nach (3.75) und (3.76) lässt sich
ps  e kT : (3.120) der thermische Wirkungsgrad des Carnot’schen
Kreisprozesses ermitteln aus
E ist die Energie, die benötigt wird, um vom
flüssigen in den gasförmigen Zustand zu gelan-
 D 
dT Vm  VmFl dps
gen. th D D :
T Hmv
Der Verlauf der Dampfdruckkurve kann ge-
nauer berechnet werden. Hierbei geht man da- Daraus ergibt sich als Steigung der Dampf-
von aus, dass mit einem Mol verdampfender druckkurve die Clausius-Clapeyron’sche-Glei-
Flüssigkeit ein Carnot’scher Kreisprozess (Ab- chung (R. E. C LAUSIUS, 1822 bis 1888, und
3.4 Zustandsänderungen realer Gase 213

Abb. 3.45 Verlauf des Sättigungsdampfdrucks ps von Wasser in Abhängigkeit von der Temperatur

Da das Molvolumen des Dampfes VmD stets grö-


ßer ist als das der Flüssigkeit VmFl , ist die Steigung
positiv, d. h., der Sättigungsdampfdruck steigt –
wie erwartet – mit zunehmender Temperatur.
Wird das Molvolumen der Flüssigkeit VmFl ver-
nachlässigt und der gesättigte Dampf als ideales
Gas betrachtet .VmD D Rm T =ps /, dann gilt

dps Hmv ps
D oder
dT Rm T 2
dps Hmv dT
D :
ps Rm T 2
Abb. 3.46 Carnot’scher Kreisprozess für eine verdamp- Nach Integration erhält man
fende und kondensierende Flüssigkeit  
ps Hmv
ln D C c: (3.122)
ps0 Rm T
B. P. E. C LAPEYRON, 1799 bis 1864):
Dies entspricht dem Boltzmann-Faktor (3.120).
dps Hmv Die Dampfdruckkurve lässt sich unter Be-
D D  : (3.121)
dT Vm  VmFl T rücksichtigung der Temperaturabhängigkeit der
214 3 Thermodynamik

Verdampfungsenthalpie für viele Substanzen in Übergang vom festen in den flüssigen Zustand,
folgender Form darstellen: ist wesentlich geringer als vom gasförmigen
  in den flüssigen Zustand. Deshalb zeigen die
ps a T Schmelzdruckkurven einen steileren Anstieg als
ln D   b ln C c: (3.123)
ps0 T T0 die Dampfdruckkurven (Abb. 3.47). In den meis-
ten Fällen ist das Volumen des festen Körpers
a; b und c sind materialabhängige Konstanten.
VmFest kleiner als das Flüssigkeitsvolumen VmFl ,
Die Dampfdruckkurve endet bei hohen Tempera-
sodass die Schmelzdruckkurve mit zunehmender
turen am kritischen Punkt.
Temperatur steigt. Bei Wasser dagegen ist das
Ist der Dampfdruck einer Flüssigkeit gleich
Eisvolumen größer als das Flüssigkeitsvolumen
dem auf der Flüssigkeit wirkenden Druck eines
(Anomalie des Wassers). Dann wird nach (3.124)
anderen Gases (z. B. Luft auf Wasser), so bilden
die Steigung der Schmelzdruckkurve dpf =dT ne-
sich auch im Innern der Flüssigkeit Dampfblasen;
gativ. Dies hat zur Folge, dass die Schmelz-
die Flüssigkeit siedet. Wird der auf der Flüs-
temperatur mit zunehmendem Druck sinkt, so-
sigkeitsoberfläche liegende Druck erhöht, dann
dass Eis bei gleichbleibender Temperatur durch
steigt der Siedepunkt. Dieser Effekt wird bei ei-
Druckerhöhung schmilzt. Dieser Effekt macht
nem Dampfkochtopf ausgenützt. Wird der Druck
Eissportarten, z. B. Schlittschuhlaufen, möglich:
erniedrigt, so fällt der Siedepunkt, sodass bei-
Infolge des Drucks schmilzt das Eis; wird der
spielsweise Wasser in großen Höhen deutlich
Druck weggenommen, dann gefriert der Wasser-
unterhalb # D 100 ı C kocht. Die Temperaturab-
film wieder.
hängigkeit des Siedepunkts wird aus der Dampf-
Der Übergang vom festen in den gasförmigen
druckkurve (Abb. 3.45) erkennbar.
Aggregatzustand (Sublimieren) findet bei ent-
Eine Verdampfung in offener Umgebung ist
sprechend niedrigen Drücken und Temperaturen
eine Verdunstung. Da der Dampf ständig weg-
statt. Diesen Vorgang kann man bei Normaldruck
transportiert wird, kann sich kein Phasengleich-
bei Kohlensäureschnee (Trockeneis) beobachten.
gewicht bilden, sodass große Mengen Flüssig-
keit verdunsten können. Die aufzuwendende Ver-
3.4.3.4 Koexistenz dreier Phasen
dampfungswärme wird zum Teil der Flüssigkeit
Der Verlauf der Phasengrenzen zwischen den
entzogen, die sich deshalb abkühlt (Verduns-
drei Aggregatzuständen fest, flüssig und gasför-
tungskälte).
mig in Abhängigkeit von Druck, Temperatur und
Volumen wird durch ein Zustandsdiagramm be-
3.4.3.3 Gleichgewicht zwischen fester
schrieben. Abb. 3.47a zeigt dieses dreidimensio-
und flüssiger Phase
nale „Gebirge“, Abb. 3.47b das p; T -Zustands-
Auch zwischen flüssiger und fester Phase besteht
diagramm und Abb. 3.47c nochmals das p; T -
ein Gleichgewicht Die Schmelztemperatur ist wie
Zustandsdiagramm speziell für Kohlendioxid in
bei der Phasenumwandlung flüssig–gasförmig
detaillierter Form. Besonders wichtig sind die
nach der Clausius-Clapeyron’schen Gleichung
Gleichgewichtsgebiete (Koexistenzgebiete). Die
vom Druck abhängig. Diese Schmelzdruckkurve
grauen Flächen in Abb. 3.47a zeigen die Gleich-
beschreibt die für das Gleichgewicht zwischen
gewichtsgebiete zwischen Festkörper und Flüs-
fester und flüssiger Phase maßgebenden Werte-
sigkeit (1), Flüssigkeit und Gas (2) sowie Fest-
paare von Schmelzdruck pf und Temperatur T :
körper und Gas (3). Außerdem ist der kritische
dpf Hms Punkt K ersichtlich. Das Flüssigkeitsgebiet wird
D  Fl  : (3.124) oberhalb des kritischen Drucks p durch die
dT Fest
Vm  Vm T k
kritische Isotherme Tk gegen das Gasgebiet ab-
Hierbei ist Hms die molare Schmelzenthalpie, gegrenzt (gestrichelte rote Linie in Abb. 3.47).
VmFl bzw. FmFest das Molvolumen der flüssigen Die Begrenzungshyperbel am rechten Bildrand
bzw. festen Substanz und T die Schmelztempe- gibt den Übergang zum idealen Gas an. Am kri-
ratur. Die Volumenänderung VmFl  VmFest , beim tischen Punkt K für Kohlendioxid betragen die
3.4 Zustandsänderungen realer Gase 215

b a

Abb. 3.47 Zustandsdiagramm. a Dreidimensionales für Kohlendioxid. p Druck, V Volumen, T absolute


p; V; T -Diagramm (schematisch), b zweidimensiona- Temperatur, Tr Tripelpunkt, K kritischer Punkt, 1, 2, 3
les p; T -Diagramm (schematisch), c p; T -Diagramm Gleichgewichtsgebiete

Werte für die Zustandsgrößen pk D 7;38 MPa pelpunkt des Wassers ist der Fundamentalpunkt
und Tk D 304;2 K. An der Sublimationsdruck- für die Temperaturskala nach Kelvin. Er liegt bei
kurve von Kohlendioxid lässt sich der Vorgang der Temperatur TTr D 273;16 K, der Druck be-
der Sublimation bei Normaldruck zeigen, für den trägt pTr D 612 Pa. Für Kohlendioxid betragen
Normdruck pn D 0;1013 MPa ergibt sich im die Werte TTr D 216;6 K und pTr D 0;52 MPa
Gleichgewicht aus der Sublimationsdruckkurve (Abb. 3.47c).
die Temperatur T D 195 K (# D 78 ı C). Befinden sich in einem Gefäß mehrere Phasen,
Bei dieser Temperatur findet ein direkter Über- dann sind die Zustandsvariablen Druck und Tem-
gang vom festen in den gasförmigen Zustand statt peratur nicht voneinander unabhängig.
(Sublimation). Im p; T -Zustandsdiagramm gibt Die Anzahl der Freiheitsgrade f , d. h. die
es einen einzigen Punkt Tr, in dem die feste, Anzahl der physikalischen Zustandsgrößen, die
flüssige und gasförmige Phase im Gleichgewicht frei variiert werden können, sind durch die
stehen. Er wird Tripelpunkt genannt. Die Koexis- Gibbs’sche Phasenregel (J. W. G IBBS, 1839 bis
tenz von drei Phasen tritt nur bei einer wohldefi- 1903) gegeben:
nierten Temperatur auf, weshalb der Tripelpunkt
zur Temperaturdefinition geeignet ist. Der Tri- f D k C 2  P: (3.125)
216 3 Thermodynamik

Abb. 3.47 (Fortsetzung)

Es bedeuten hierbei k die Anzahl der unabhängi- Freiheitsgrad mehr (f D 0), d. h., die physikali-
gen chemischen Komponenten und P die Anzahl schen Zustandsgrößen Druck p und Temperatur
der Phasen. Für reines Wasser ist k D 1. Liegt T sind festgelegt.
nur eine Phase vor (z. B. die Gasphase), dann ist
P D 1 und es gibt f D 2 Freiheitsgrade. Dies
bedeutet, dass die Temperatur und der Druck un- 3.4.4 Dämpfe und Luftfeuchtigkeit
abhängig voneinander variieren können. Liegen
aber zwei Phasen gleichzeitig vor (z. B. entlang Die Berechnung und Auslegung von Luftzustän-
der Dampfdruckkurve), so gibt es nur noch einen den (Konditionierung) ist ein wichtiges Arbeits-
Freiheitsgrad (f D 1); beispielsweise ist dann feld der Klimatechnik und Luft das technisch
nur die Temperatur unabhängig variierbar. Im wichtigste Dampf-Gas-Gemisch. Wenn in der
Tripelpunkt liegen alle drei Phasen nebeneinan- Luft Wasserdampf enthalten ist, liegt feuchte Luft
der vor (P D 3). In diesem Fall gibt es keinen vor. Die Aufgabe der Klimatechnik besteht dar-
3.4 Zustandsänderungen realer Gase 217

Abb. 3.48 Aufgaben der Klimatechnik und ihre technische Realisierung

in, Luftmassen zu befeuchten oder zu trocknen. ton’schen Gesetz aus der Summe der Partial-
Nach Abb. 3.48 gibt es hierfür drei Möglichkei- drücke (Druck der trockenen Luft pTL und Druck
ten: des Wasserdampfes pD ) zusammen: pFL D
pTL C pD .
 Mischung von Luftmassen,
 Wärmezu- bzw. -abfuhr und Absolute Luftfeuchtigkeit
 Wasserzu- bzw. -abfuhr. Die absolute Luftfeuchtigkeit 'a ist der Quotient
aus der Masse des in der Luft enthaltenen Was-
Diese Konditionierungskonzepte für Luft werden serdampfes mD und dem Volumen der feuchten
beispielsweise zur Lösung folgender Aufgaben Luft VFL :
mD
eingesetzt: 'a D : (3.126)
VFL
 Auslegung von stationären Klimaanlagen,
Relative Luftfeuchtigkeit
 Auslegung der Klimatisierung von Verkehrs-
Die relative Luftfeuchtigkeit ' ist der Quotient
mitteln (air condition in Bussen und Flugzeu-
aus dem Partialdruck des Wasserdampfes pD und
gen) sowie
dem Sättigungsdampfdruck des Wasserdampfes
 Auslegung von Produktionshallen zur Kunst-
ps (bei der jeweiligen Temperatur):
stoffverarbeitung. (Einige Kunststoffe geben
nach zu feuchter Verarbeitung Wasser ab. pD
Dann schrumpft das Kunststoffteil, es ist nicht 'D : (3.127)
ps
mehr maßhaltig.)
(Der Wert wird manchmal noch mit 100 mul-
Die zahlenmäßigen Angaben in den folgenden tipliziert, und die relative Luftfeuchtigkeit ' in
Gleichungen sind auf den Normdruck (pn D Prozent angegeben.) Je nachdem, ob die relative
Luftfeuchtigkeit ' < 1, ' D 1 oder ' > 1 ist, ist
1;013  105 Pa) bezogen und für den in der Kli-
matechnik üblichen Temperaturbereich zwischendie Luft ungesättigt, gesättigt oder übersättigt.
# D 10 ı C und # D C40 ı C näherungsweise Physikalische Effekte, die stark abhängig von
gültig. der Feuchtigkeit sind, dienen zur Messung und
Regelung der relativen Luftfeuchtigkeit. Früher
Druck der feuchten Luft wurde vorwiegend die Längenänderung hygro-
Der Druck pFL der feuchten Luft wird un- skopischer Stoffe zur Messung herangezogen.
mittelbar an einem Barometer abgelesen (Ab- In Feuchtesensoren modernerer Art nutzt man
schn. 2.12.1.1) und setzt sich nach dem Dal- die Änderung von elektrischen Eigenschaften
218 3 Thermodynamik

Dichte der feuchten Luft


Die Dichte der feuchten Luft %FL setzt sich aus
der Dichte der trockenen Luft %TL und des Damp-
fes %D zusammen: %FL D %TL C %D . Wird das
allgemeine Gasgesetz verwendet, so ist %TL D
pTL =.Ri TL T / und %D D pD =.Ri D T /. Nach dem
Dalton’schen Gesetz (3.119) ist pTL D pFL  pD ,
sodass sich für die Dichte der feuchten Luft ergibt
 
1 pFL  pD pD
%FL D C : (3.129)
T Ri TL Ri D

Da Ri D größer als Ri TL ist, ergibt sich


nach (3.129), dass feuchte Luft leichter ist als tro-
ckene.

Spezifische Enthalpie feuchter Luft


Die spezifische Enthalpie (h D H=m ŒkJ=kg)
der feuchten Luft hFL ist die Summe aus der spe-
zifischen Enthalpie der trockenen Luft hTL und
der mit dem Feuchtegrad x multiplizierten spezi-
Abb. 3.49 Thermo-Hygrograf. Werkfoto: Luftbefeuch- fischen Enthalpie des Wasserdampfes hD , also
tung Proklima GmbH

hFL D hTL C xhD : (3.130)


(z. B. Widerstands- oder Kapazitätshygrometer),
Setzt man für T0 D 273;15 K die Enthalpie
die vom Sättigungsgrad der Luft abhängige Ab-
willkürlich gleich null, dann gilt nach (3.52)
kühlung befeuchteter Thermometer (Aspirations-
für die spezifische Enthalpie der trockenen Luft
psychrometer) oder das Beschlagen abgekühlter
hTL D cp TL .T  T0 / und für die des Wasser-
Spiegel (Taupunktsspiegel) zur Feuchtemessung.
dampfes unter Berücksichtigung der spezifischen
Die fortlaufende Messung der Temperatur
Verdampfungsenthalpie hV des Wassers hD D
und der relativen Luftfeuchtigkeit ist für die
cp D .T  T0 / C hV .
Überwachung von technischen und baulichen
Für klimatechnische Berechnungen geeigneter
Anlagen von Bedeutung (z. B. Telefonzentralen
ist das Mollier-Diagramm (R. M OLLIER, 1863
oder Kunstausstellungen). Sie kann mit Thermo-
bis 1935), eine grafische Darstellung der Zusam-
Hygrografen gemäß Abb. 3.49 erfolgen.
menhänge von (3.128) bis (3.130) zwischen der
Feuchtegrad Temperatur # der spezifischen Enthalpie h der
Unter dem Feuchtegrad x versteht man den Quo- feuchten Luft, der relativen Luftfeuchtigkeit '
tienten aus der Masse des Wasserdampfes mD und dem Feuchtegrad x. Üblicherweise erstellt
und der Masse der trockenen Luft mTL : man das Mollier-Diagramm für Normdruck ge-
mäß Abb. 3.50.
mD
xD : (3.128)
mTL
Beispiel 3.4-2
Der Feuchtegrad kann mit der allgemeinen Gas- Gegeben sind m D 50 kg feuchte Luft vom
gleichung pV D mRi T in Druckverhältnisse Umgebungsdruck p D 1;013  105 Pa mit ei-
umgerechnet werden; dabei ist für trockene Luft ner Temperatur # D 35 ı C und einer relativen
Ri TL D 287 J=.kg K/ und für Wasserdampf Luftfeuchtigkeit '1 D 0;5 (50 %). Berech-
Ri D D 462 J=.kg K/ zu setzen. net werden soll die Wärmemenge, die dieser
3.5 Wärmeübertragung 219

Abb. 3.50 h; x-Diagramm nach Mollier für feuchte Luft beim Druck p D 1013 hPa (VDI-Richtlinie 2067, Blatt 3).
' relative Feuchte. Die roten Linien beziehen sich auf Beispiel 3.4-2

Luftmasse zu entziehen ist, um als neuen Luft- mH2 O D x m berechnen, wobei x D


zustand eine Temperatur #2 D 20 ı C bei einer x1  x2 D 2;9 g=kg ist. Somit errechnet sich
relativen Luftfeuchtigkeit von ' D 1 (100 %) mH2 O D 2;9  50 g D 145 g Kondenswasser.
zu erzielen. Ferner soll bestimmt werden, wel- Für die abgeführte Wärmemenge gilt
che Kondenswassermenge hierbei anfällt.
kJ
H D .h2  h1 /m D 23 50 kg
Lösung kg
In Abb. 3.50 ist dieser Vorgang rot einge- D 1550 kJ:
zeichnet. Der Luftzustand 1 hat einen Feuch-
tegrad von x1 D 17;5 g=kg und eine spezifi-
sche Enthalpie von h1 D 80 kJ=kg. Da der 3.5 Wärmeübertragung
Feuchtegrad sich bis zur relativen Luftfeuch-
tigkeit von ' D 100 % nicht ändert, wird Durch die Trennwand zwischen thermodyna-
im h; x-Diagramm eine senkrechte Wegstre- mischen Systemen mit unterschiedlichen Tem-
cke zurückgelegt. Entlang der Sättigungslinie peraturen und damit unterschiedlichen kineti-
verläuft der Prozess weiter bis zum Zustand 2. schen Energien wird vom System höherer Tem-
Dieser hat einen Feuchtegrad x2 D 14;6 g=kg peratur Wärme an das System mit niedrigerer
und eine spezifische Enthalpie h2 D 57 J=kg. Temperatur abgegeben. Der Wärmedurchgang
Daraus lässt sich die Kondenswassermenge lässt sich gemäß Abb. 3.51 in die drei Über-
220 3 Thermodynamik

Abb. 3.51 Wärmeübertragungsmechanismen

tragungsmechanismen Wärmeleitung, Konvekti- gradienten @#=@n in einer Raumrichtung n und


on und Wärmestrahlung einteilen. In Festkörpern der in der Zeitspanne t durch eine Grenzfläche
tritt nur Wärmeleitung in Form einer Übertragung A transportierten Wärme Q, der Wärmestrom-
der Schwingungsenergien benachbarter Molekü- dichte jQ D Q=At D Q=A, P beschreibt das
le und der kinetischen Energien der Leitungs- Fourier’sche Grundgesetz des molekularen Wär-
elektronen in Stoßprozessen auf (Abschn. 9.3.1). metransports (J. B. J. F OURIER, 1768 bis 1830):
In Flüssigkeiten kommt es auch ohne von außen
aufgeprägter Zwangsströmung zu Strömungen j q D  grad # (3.131)
erwärmter Teilmengen, zur freien Konvektion.
Wird die Flüssigkeit durch äußere Druckkräfte mit dem Temperaturgradienten
in Bewegung versetzt, so wird dieser Wärme- @# @# @#
transportmechanismus als erzwungene Konvek- grad # D iC jC k: (3.132)
@x @y @z
tion bezeichnet. In stehenden Flüssigkeiten be-
stimmt die Wärmeleitung den Wärmetransport. Die Proportionalitätskonstante  ist die Wärme-
Mit Ausnahme dünner ruhender Gasschichten, in leitfähigkeit des Wärmekontakts. Die Maßeinheit
denen die Wärmeleitung nicht vernachlässigbar der Wärmeleitfähigkeit ist W/(m K). Die Wär-
meleitfähigkeitswerte der Stoffe sind sehr unter-
ist, dominieren in Gasen die Konvektion und die
Wärmestrahlung zwischen den Wänden des Gas- schiedlich. Die Wärmeleitfähigkeit ist besonders
volumens. Im Vakuum ist der Wärmetransport gering, wenn bei ruhenden Gasen die Dichte
durch Wärmestrahlung der einzige Wärmeüber- der energieübertragenden Moleküle niedrig ist.
tragungsmechanismus. Sie ist besonders hoch – etwa in Metallen –,
wenn parallel zur Energieleitung durch Übertra-
gung der Schwingungsenergien der Atomrümp-
3.5.1 Wärmeleitung fe frei bewegliche Elektronen bei Stoßprozessen
Energie transportieren. In elektrisch gut leiten-
Den Zusammenhang zwischen der Ursache eines den Metallen ist bei nicht zu tiefen Tempera-
Wärmetransports, einem räumlichen Temperatur- turen nach dem Wiedemann-Franz’schen Gesetz
3.5 Wärmeübertragung 221

Tab. 3.12 Wärmetechnische Stoffwerte


kg J W m2
Stoff # in ı C % in 103 cp in  in a in 106
m3 kg K mK s
Festkörper
Aluminium 20 2,70 920 221 88,89
Eisen 20 7,86 465 67 18,33
Grauguss 20 ca. 7,2 545 ca. 50 ca. 13
Stahl 0.6 C 20 7,84 460 46 12,78
Gold 20 19,30 125 314 130,57
Kupfer 20 8,90 390 393 113,34
Schamottestein 100 1,7 835 0,5 0,35
Normalbeton 10 2,4 880 2,1R 1,0
Gasbeton 10 0,5 850 0,22R 0,5
Ziegelstein 10 1,2 835 0,5R 0,5
Eis 0 0,92 1930 2,2 1,25
Schnee 0 0,1 2090 0,11 0,53
Fichtenholz 10 0,6 2000 0,13R 0,11
Polystyrol fest 20 1,05 1300 0,17 0,125
Glas 20 2,5 800 0,8 0,4
Schaumglas 10 0,1 800 0,045R 0,6
Mineralfaser 10 0,2 800 0,04R 0,3
Flüssigkeiten
Wasser 20 0,998 4182 0,600 0,144
Wärmeträgeröl 20 0,87 1830 0,134 0,084
Kältemittel R 12 20 1,46 900 0,086 0,065
Gase
Luft 20 0,00119 1007 0,026 21,8
Kohlendioxid 0 0,00195 827 0,015 9,08
Wasserdampf 150 0,00255 2320 0,031 5,21

# Temperatur, % Dichte, cp spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck,  Wärmeleitfähigkeit (R Rechenwert


DIN 4108), a Temperaturleitfahigkeit.

(G. H. W IEDEMANN, 1826 bis 1899, R. F RANZ, renanteil (abnehmende Rohdichte) ab. Porosierte,
1827 bis 1902) die Wärmeleitfähigkeit  pro- luft- oder schwergasgeschäumte sowie faserarti-
portional zur elektrischen Leitfähigkeit ~ (Ab- ge Stoffe mit einer Wärmeleitfähigkeit unter  D
schn. 9.3.1.3) gemäß 0;1 W=.m K/ werden als Wärmedämmstoffe be-
zeichnet.
 D LT ~: (3.133) Die Wärmeleitfähigkeit ist temperaturabhän-
gig und besonders bei porosierten Stoffen stark
T ist die absolute Temperatur des Stoffs, L wird abhängig von der Materialfeuchtigkeit. Zur Be-
als Lorenz’sche Zahl bezeichnet und hat für urteilung des Wärmeschutzes im Hochbau nach
alle Metalle annähernd denselben Wert L D DIN 4108 werden deshalb nur Rechenwer-
2;45  108 V2 =K2 . Isolatoren, beispielsweise die te der Wärmeleitfähigkeit R verwendet, die
nichtmetallischen Baustoffe, sind schlechte Wär- einen der praktischen Baufeuchtigkeit entspre-
meleiter. Ruhende Gasschichten in Poren oder chenden Zuschlag zu den experimentell im
zwischen Mineral-, Glas-, Holz- oder Korkfa- trockenen Zustand gemessenen Wärmeleitfähig-
sern vermindern die Wärmeleitfähigkeit erheb- keitswerten enthalten. In Tab. 3.12 sind eini-
lich. Bei Mauersteinen nimmt die Wärmeleitfä- ge wärmetechnische Stoffwerte zusammenge-
higkeit etwa proportional zum wachsenden Po- stellt.
222 3 Thermodynamik

Wärmeleitung:
 
@# @jqx @jqy @jqz
c% D fP  C C : (3.135)
@t @x @y @z

Die Elimination der Wärmestromdichten


in (3.135) mit Hilfe von (3.131) führt auf die
Bestimmungsgleichung für den räumlichen Ver-
lauf der Isothermen und das zeitliche Verhalten
des skalaren Temperaturfeldes #.x; y; z; t/:
 2 
@# @ # @2 # @2 #
c% D fP C  C C :
@t @x 2 @y 2 @z 2
(3.136)
Rand- und Anfangsbedingungen bestimmen die
Lösungsfamilien der partiellen Differenzialglei-
chung (3.136). Interne Wärmequellen können
vernachlässigt und fP D 0 gesetzt werden,
wenn die Lösungen nur für den wärmequellen-
Abb. 3.52 Wärmeströme durch die Oberfläche eines Vo- freien Bereich des Temperaturfeldes gesucht und
lumenelements dV D dxdydz mit der Wärmequellen-
die Wärmequellen bei der Wahl der Randbe-
dichte fP
dingungen berücksichtigt werden. Im stationären
Fall sind die Temperaturen zeitlich konstant und
Nach dem ersten Hauptsatz der Thermodyna- @#=@t D 0. Das stationäre, wärmequellenfreie
mik (Abschn. 3.3.3) ist die Zunahme der inneren Temperaturfeld folgt aus der Lösung der Laplace-
Energie cdm@#=@t (c ist die spezifische Wärme- Gleichung (2.195)
kapazität, dm D %dV die Masse des Volumenele-
@2 # @2 # @2 #
mentes dV D dxdydz) gleich der Energiezufuhr C 2 C 2 D 0: (3.137)
@x 2 @y @z
durch die internen Wärmequellen mit der Ener-
giedichte fP im Volumenelement dV , abzüglich
Der Laplace-Gleichungstyp kommt auch in an-
der Wärmeströme jq dA durch die Oberflächen
deren Bereichen der Physik, beispielsweise in
dA des Volumenelements gemäß Abb. 3.52:
der Elektrostatik, vor. Dort experimentell für
spezielle Randbedingungen gefundene Lösungen
@#
cdm D fPdV können auf Wärmetransportprobleme übertragen
@t
werden (elektrisches Analogon der Wärmelei-
 fŒjq .x C dx/  jq .x/dydz
tung, Abschn. 2.12.2, Abb. 2.103).
C Œjq .y C dy/  jq .y/dxdz Sind das Temperaturfeld und der Verlauf der
C Œjq .z C dz/  jq .z/dxdyg: Isothermen bekannt, dann berechnen sich daraus
(3.134) die Wärmeströme nach (3.131), wobei die Wär-
mestromrichtung senkrecht auf den Isothermen
In einem infinitesimalen Volumenelement sind steht. So lassen sich die in Abb. 3.53 dargestellten
die Wärmestromdichten, entwickelt in eine Tay- Lösungen für die stationäre Wärmeleitung durch
lorreihe jq .x C dx/ D jq .x/ C .@jqx =@x/dx, eine Platte, eine Rohrwand und eine Hohlkugel
jq .y C dy/ D jq .y/ C .@jqy =@y/dy und jq .z C ableiten.
dz/ D jq .z/ C .@jqz =@z/dz. Diese Beziehun- Der Wärmestrom durch mehrschichtige Bau-
gen in (3.134) eingesetzt ergibt die Fourier’sche teile wird durch die sukzessive Aneinanderrei-
Differenzialgleichung für den Transport durch hung der Berechnungen für die Einzelschichten
3.5 Wärmeübertragung

Abb. 3.53 Lösungen für den stationären Wärmetransport durch Wärmeleitung


223
224 3 Thermodynamik

ermittelt, wobei wegen des Energieerhaltungssat-


zes die Wärmeströme an den Grenzflächen gleich
gesetzt werden. Die Lösungen für mehrschichtige
Trennwände sind ebenfalls in Abb. 3.53 aufge- Oi

führt.

Beispiel 3.5-1
Wie groß ist der stationäre Wärmestrom durch
eine s2 D 24 cm dicke Hochlochziegel-
wand .R D 0;50 W=.m K/) mit einer au-
ßenseitigen s3 D 60 mm dicken Polystyrol-
Dämmplattenschicht (R D 0;04 W=.m K/)
und s4 D 6 mm Kunstharzputz (R D Oa

0;70 W=.m K/) gemäß Abb. 3.54, auf die


raumseitig ein S1 D 15 mm dicker Kalkgips-
putz (R D 0;70 W=.m K/) aufgebracht ist?
Wie ist der Temperaturverlauf im Beharrungs-
zustand in der Wand, wenn die Oberflächen-
Abb. 3.54 Temperaturverlauf in einer mehrschichtigen
temperaturen innen #Oi D 17 ı C und außen Wand nach Beispiel 3.5-1
#Oa D 10 ı C betragen?

Lösung definiert, der im vorliegenden Fall Rg D


Die Energieerhaltung fordert, dass die Wär- 2;01 m2 K=W ist, so errechnet sich die Wärme-
mestromdichte jq in allen Schichten gleich ist. stromdichte jq durch die Wand zu
Mit (3) aus Abb. 3.53 führt diese Forderung
auf 1
jq D .#Oi  #Oa / D 13;4 W=m2 : (3.142)
1 2 Rg
jq D .#Oi  #1 / D .#1  #2 /
s1 s2
Die Temperaturen an den Schichtgrenzen las-
3 4 sen sich mit Hilfe von (3.138) bestimmen:
D .#2  #3 / D .#3  #Oa /: (3.138)
s3 s4
Der Quotient  D =s ist der Wärmedurch- #1 D #Oi  R1 jq D 17;0 ı C
lasskoeffizient einer Schicht, der Kehrwert  .0;02  13;4/K D 16;7 ı C; (3.143)
R D 1= der Wärmedurchlasswiderstand mit #2 D #1  R2 jq D 10;3 ı C; (3.144)
der Maßeinheit m2 K=W. ı
#3 D #2  R3 jq D 9;9 C und (3.145)
Wird (3.138) in die Beziehung ı
#Oa D #3  R4 jq D 10 C: (3.146)
#Oi  #Oa D .#Oi  #1 / C .#1  #2 /
C .#2  #3 / C .#3  #Oa / Nach (2) aus Abb. 3.53 ist in plattenförmigen
(3.139) Schichten der Temperaturabfall linear. Das
Temperaturprofil in der Außenwand hat also
eingesetzt, so folgt den in Abb. 3.54 eingezeichneten Verlauf.
 
s1 s2 s3 s4 Gleichung (3.141) für den Gesamt-Wärme-
#Oi  #Oa D jq C C C :
1 2 3 4 durchlasswiderstand Rg gilt nur für eindimensio-
(3.140)
nale Wärmeströme durch plattenförmige Bautei-
Wird als Gesamt-Wärmedurchlasswiderstand
le. Sind die Wärmeströme in einem Bauteil di-
s1 s2 s3 s4 vergent und mehrdimensional, wie z. B. bei einer
Rg D C C C (3.141)
1 2 3 4 Außenecke oder in der Rippe eines Wärmerohrs
3.5 Wärmeübertragung 225

Abb. 3.56 Konvektiver Wärmeübergang bei einer er-


zwungenen Kanalströmung. # Temperatur der Wand (In-
dex W ) bzw. des Fluids (Index F), jqw Wärmestromdichte,
v Strömungsgeschwindigkeit

In der Regel lässt sich (3.136) ebenso wie (3.137)


für praktische Fälle nicht geschlossen lösen, son-
dern muss durch ein Iterationsverfahren nume-
risch integriert werden (Methode der finiten Ele-
mente).

3.5.2 Konvektion
Abb. 3.55 Divergente Wärmeströme geometrischer Wär-
mebrücken Beim konvektiven Wärmeübergang findet die
Wärmeübertragung zwischen zwei thermodyna-
mischen Systemen statt, die sich relativ zueinan-
gemäß Abb. 3.55 (gekrümmte Isothermen), dann der bewegen, wie es beispielsweise bei der Wär-
ergibt die Anwendung von (3.141) falsche Wär- meübertragung von einem Fluid, also einer Flüs-
medurchlasswiderstandswerte; dies zeigt schon sigkeit oder einem Gas, an eine Wand der Fall
der Vergleich von (3.141) mit (7) in Abb. 3.53 ist, wie Abb. 3.56 zeigt. Erfolgt die Strömung des
im einfachen Fall der radialen Wärmestromlinien Fluids nur durch Auftriebskräfte, die ein tempera-
eines zylindrischen Rohrs. turabhängiges Dichtegefälle im Fluid verursacht,
Instationäre Wärmeleitungsvorgänge, bei- dann wird dieser Wärmeübergang als freie Kon-
spielsweise der Aufheizvorgang einer Wand vektion bezeichnet. Bei der erzwungenen Kon-
oder periodische Wärmeübertragungsprozesse, vektion handelt es sich um eine Zwangsströmung
erfordern die Lösung der zeitabhängigen Wärme- unter der Wirkung äußerer Kräfte, beispielsweise
leitungsgleichung (3.136). Die Lösungen haben von Antriebskräften von Pumpen oder Ventilato-
als charakteristische Kenngröße die Temperatur- ren. Auch beim konvektiven Wärmeübergang an
leitfähigkeit a der Trennwand in m2 =s: windausgesetzten Bauteilen überwiegt in der Re-
gel der Anteil der erzwungenen Konvektion.
 Die Proportionalitätskonstante zwischen der
aD : (3.147)
c% auf die wärmeübertragende Wandfläche A bezo-
226 3 Thermodynamik

nicht einfach, weil im Allgemeinen die Tempe-


raturverteilung im Fluid sehr inhomogen ist. Der
Zahlenwert des konvektiven Wärmeübergangsko-
effizienten hängt also im konkreten Fall von der
Festlegung der Temperaturdifferenz # D #F 
#W ab.
Im Fall des konvektiven Wärmeübergangs
ist die Berechnung des Wärmestroms mit der
Fourier-Differenzialgleichung (3.136) wegen der
räumlichen Mitführung des Temperaturfelds mit
der Fluidbewegung extrem kompliziert. Um
einen von der Strömungsgeschwindigkeit v ab-
hängigen Transportanteil erweitert, lautet (3.136)
für den wärmequellenfreien Bereich
  
@# @# @# @#
cp % C vx C vy C vz
@t @x @y @z
Abb. 3.57 Temperaturprofil des konvektiven Wärme-  2 2 2 
übergangs mit Grenzschicht vor der wärmeaufnehmenden @ # @ # @ #
D C 2 C 2 : (3.150)
Wand @x 2 @y @z

Betrag und Richtung der Strömungsgeschwindig-


genen Wärmestromdichte jq und dem Tempera- keit zu jedem Zeitpunkt an jedem Ort im Fluid
turgefälle zwischen der Fluidtemperatur #F und folgen aus dem dynamischen Kräftegleichge-
der Wandtemperatur #W wird als Wärmeüber- wicht für ein Volumenelement der Strömung, den
gangskoeffizient ˛K definiert: Navier-Stokes-Gleichungen der Hydromechanik.
Nach diesen gilt für die x-Komponente der Strö-
jq D ˛K .#F  #W /: (3.148) mungsgeschwindigkeit

Adhäsionskräfte zwischen den Fluid- und Wand- @vx @vx @vx


vx C vy C vz
atomen sind die Ursache, dass sich im Fluid @x @y @z
vor der Wand eine Grenzsschicht entsprechend 1 @p
 2
@ vx @2 vx @2 vx

Abb. 3.57 ausbildet, in der die Strömungsge- D  C C C
% @x @x 2 @y 2 @z 2
schwindigkeit der Fluidmoleküle null ist. Durch
diese ruhende Fluidschicht vor der Wand wird C gT: (3.151)
die Wärme nur durch Wärmeleitung transpor-
In (3.151) hält der auf das Volumen bezogenen
tiert, sodass in diesem Bereich das Fourier’sche
Trägheitskraft neben der von der Dichte % ab-
Grundgesetz (3.131) gilt:
hängigen Druckkraft und der zur kinematischen
 
@# Viskosität  proportionalen Reibungskraft auch
jq D  : (3.149) eine Auftriebskraft das Gleichgewicht (T ist
@n Grenzschicht
das Temperaturgefälle im Fluid, das den Auftrieb
( ist die Wärmeleitfähigkeit der stehenden Flüs- verursacht, g die Fallbeschleunigung und der
sigkeit oder des ruhenden Gases, @#=@n der thermische Ausdehnungskoeffizient des Fluids).
Temperaturgradient in der Grenzschicht normal Die Lösungen der Differenzialgleichung
zur Wand und jq die Wärmestromdichte in die (3.151) können laminare und turbulente Strö-
Wand.) mungsformen sein. Der Wärmeübergangskoef-
Im Gegensatz zur Wandtemperatur #W ist fizient der Konvektion ˛K wird in der Praxis
die Festlegung und Messung der Fluidtempe- mit Hilfe von Modellversuchen ermittelt. Die
ratur #F , besonders bei der freien Konvektion, Versuchsergebnisse lassen sich auf andere kon-
3.5 Wärmeübertragung 227

vektive Wärmeübergangsverhältnisse übertragen, Die Kenngrößen des Wärmeübergangs müssen


wenn diese geometrisch und hydrodynamisch also in folgender Relation zueinander stehen:
ähnlich sind, also die charakteristischen Längen
L, die Viskositäten , die Strömungsgeschwin- fv2 v 2 L1 f fv 2 v2 L21
D 22 D D oder
digkeiten v, Dichten %, thermische Ausdehnungs- fL v1 L2 fL2 1 v1 L22
und Wärmeübergangskoeffizienten ; ˛  sowie (3.155)
die Wärmeleitfähigkeiten , die Temperaturdif- v2 L2 v1 L1
D D Re: (3.156)
ferenzen T u. a. zueinander proportional sind 2 1
(Abschn. 2.12.2.4). Damit die Lösung eines Mo-
Das dimensionslose Verhältnis vL= wird
dellfalls auf ein konkretes Problem übertragen
Reynoldszahl Re genannt und entspricht dem Ver-
werden kann, müssen die Maßstabsfaktoren
hältnis der Trägheitskraft zur Reibungskraft. Die
L2 2 2 Trägheits- und Reibungskräfte in den Strömun-
fL D ; f D ; f D ; gen zweier Wärmeübergänge mit erzwungener
L1 1 1
%2 ˛ v2 Konvektion sind einander ähnlich, wenn die
f% D ; f˛ D 2 ; fv D ; Reynoldszahlen übereinstimmen. Mit Hilfe der
%1 ˛1 v1
Reynoldszahl kann der Umschlagpunkt bestimmt
a2 cp2 T2 werden, bei dem eine laminare Strömung in eine
fa D ; fcp D ; fT D ;
a1 cp1 T1 turbulente „umkippt“. Diese kritische Reynolds-
p2 2 zahl Rekr ist stark geometrieabhängig. Bei einem
fp D ; f D (3.152)
p1 1 Kreisrohr mit dem Rohrinnendurchmesser als
charakteristischer Länge L ist die Strömung la-
Zwangsbedingungen genügen; dann stimmen
minar für Re < 2300, oberhalb dieses Wertes,
die Differenzialgleichungen (3.150) und (3.151)
ausgelöst durch kleinste Störungen, turbulent
des Problems mit denjenigen des Modell-
(Abschn. 2.12.2.4, Abb. 2.129).
falls überein. Werden beispielsweise in (3.151)
Charakteristisch für die freie Konvektion ist
für die Temperaturverteilung #.x2 ; y2 ; z2 ; v2 ; %2 ;
die Grashofzahl Gr. Sie folgt aus der Bedingung
cp2 ; 2 / die Maßstabsfaktoren (3.152) eingesetzt
gemäß f fv 2 v2 L21 2 g2 T2
2
D D f fg fT D :
  fL 1 v1 L22 1 g1 T1
fv2 @vx1 @vx1 @vx1 (3.157)
vx1 C vy1 C vz1
fL @x1 @y1 @z1 Wird die Strömungsgeschwindigkeit v mit Hilfe
von (3.156) eliminiert, ergibt sich
 
fp 1 @p1
D 
f% fL % @x1 2 g2 T2 L32 1 g1 T1 L31
f fv
 2
@ vx1 @2 vx1 @2 vx1
 D D Gr: (3.158)
C 1 C C 22 12
fL2 @x12 @y12 @z12
Die Auftriebs- und Reibungsverhältnisse zweier
C f fg fT . 1 g1 T1 /; (3.153)
Strömungen mit gleichen Grashofzahlen entspre-
chen sich.
so stimmt diese Gleichung mit der Differen-
Auch aus der Fourier-Gleichung (3.149) lässt
zialgleichung einer Lösung #.x1 ; y1 ; z1 ; v1 ; %1 ;
sich unter Berücksichtigung von (3.148) eine
cp1 ; 1 / überein, wenn die Maßstabsfaktoren fol-
Ähnlichkeitsforderung ableiten, wenn der Maß-
genden Bedingungen genügen:
stabsfaktor f˛ D ˛K2
 
=˛K1 gebildet wird. Aus
fv2 fp  
f fv f @#
D D D f fg fT : (3.154) 1 
D f˛ ˛K1 .#F  #W / (3.159)
fL f% fL fL2 fL @L1
228 3 Thermodynamik

Tab. 3.13 Dimensionslose Kenngrößen der konvektiven Wärmeübertragung


Kenngröße Zeichen Definition Gl. Problembereich
at
Fourierzahl Fo Fo D 2 (1) instationäre Wärmeleitung
L
v2
Froudezahl Fr Fr D (2) Strömungen unter Schwerkrafteinfluss
gL
g T L3
Grashofzahl Gr Gr D (3.158) freie Konvektion bei Temperaturgradient
2

˛ L
Nußeltzahl Nu Nu D K (3.160) stationärer konvektiver Wärmeübergang

vL
Pécletzahl Pe Pe D (3) erzwungene instationäre Konvektion
a
%cp
Prandtlzahl Pr Pr D (4) Wärmeübertragungskenngröße des Fluids

vL
Reynoldszahl Re Re D (3.156) Strömungen unter Reibungseinfluss


folgt #m des Fluids angesetzt, bei einer Rohrströmung


beispielsweise das arithmetische Mittel aus den

˛K2 L2 ˛  L1
D K1 D Nu: (3.160) Ein- und Austrittstemperaturen.
2 1
Beispiel 3.5-2
Die Nußeltzahl Nu ist für den konvektiven Wär-
Wie hängt der konvektive Wärmeübergangs-
meübergang die charakteristische Kennzahl. Ei-
koeffizient einer Wand von der Oberflächen-
nige weitere dimensionslose Kenngrößen sind in
temperatur der Wand ab? Wie groß ist er auf
Tab. 3.13 zusammengestellt.
der Raumseite einer Außenwand, deren Wär-
Werden die Versuchsergebnisse von Modell-
meschutz nach DIN 4108 so bemessen ist,
fällen verallgemeinert, so ergeben sich Beziehun-
dass bei einer Raumlufttemperatur von #Li D
gen zwischen den dimensionslosen Kenngrößen
20 ı C die Oberflächentemperatur nicht unter
der Wärmeübertragung. Tab. 3.14 enthält die ex-
#Oi D 13;7 ı C absinkt? Die Raumhöhe ist nor-
perimentell gefundenen Beziehungen für die Nu-
malerweise etwa h D 2;5 m.
ßeltzahl Nu einiger spezieller Wärmeübergänge.
Lässt sich ein konvektiver Wärmeübergang
Lösung
auf einen solchen Modellfall abbilden, dann kann
Für Luft mit #Li D 20 ı C ist nach Tab. 3.15
aus dessen Nußeltzahl Nu der Wärmeübergangs-
Pr D 0;7. Nach (5) aus Tab. 3.14 ist bei freier,
koeffizient ˛K bestimmt werden:
laminarer Konvektion vor einer senkrechten
Nu Wand Nu D 0;53 (Gr Pr)1=4 und mit (3.161)
˛K D : (3.161)
L  1=4
  g T L3
˛K;lam D 0;48 : (3.162)
Im Einzelfall ist die Wahl der charakteristischen L 2
Länge L problematisch. Sie muss entsprechend
der Festlegung im Modellfall gewählt werden. Mit der Raumhöhe h als charakteristischer
Die Stoffwerte der fluiden Medien sind tempe- Länge L und der Näherung für den Wärme-
raturabhängig, wie aus Tab. 3.15 hervorgeht. Als ausdehnungskoeffizienten der Luft D 1=Tm
Bezugstemperatur wird eine mittlere Temperatur sowie mit den Zahlenwerten aus Tab. 3.15 für
Tab. 3.14 Modellfälle konvektiver Wärmeübergänge (nach VDI-Wärmeatlas, 4. Aufl. 1984)
3.5 Wärmeübertragung

Strömungsmodell laminarer Bereich turbulenter Bereich Hinweise


1=2 1=3 0;037Re0;8 Pr
erzwungene Kon- Nu D 0;664Re Pr (1) Nu D (2) L Plattenlängen in Strö-
vektion längs einer 1 C 2;443Re0;1 .Pr2=3  1/ mungsrichtung
Platte #m D 12 .#E C #A /
#E Eintrittstemperatur
#A Ausströmtemperatur
di di
erzwungene Strö- (3) (4)
0;125.Re  1000/Pr
di Innendurchmesser Rohr
L L
Nu D 49;0 C 4;17RePr Nu D 1C
"

mung im Rohrinneren L Rohrlänge


 1=3  2=3 #

1 C 4;49 .Pr2=3  1/
p

 D .1;82lgRe  1;64/2 #m D 21 .#E C #A /


8̂ 92

1=6
0;387.GrPr/
ˆ >
>

freie Konvektion an (5) (6) L Höhe der vertikalen


ˆ >

8=27
ˆ >

9=16
ˆ >

Nu D 0;53.GrPr/1=4
ˆ >

vertikaler Wand oder Wand oder des Rohres


ˆ >

0;492
< =

um ein senkrechtes bzw. kurze Seitenlänge der


Pr
Nu D 0;825 C 2 ! 3
ˆ >

Rohr horizontalen Platte


ˆ
ˆ >
>
ˆ
ˆ >
>

(7)
ˆ 41 C 5 >
>

Nu  0;129.GrPr/1=3
:̂ ;

1=4
freie Konvektion Nu D 0;70.GrPr/ (8) Nu D 0;155.GrPr/1=3 (9) T D .#0  #1 /
längs einer horizonta- #0 Oberflächentemperatur
len Platte in Flächenmitte
#1 Fluidtemperatur außer-
halb Grenzschicht
#m D 12 .#0 C #1 /
229
230 3 Thermodynamik

Tab. 3.15 Wärmetechnische Stoffwerte von Wasser und trockener Luft bei dem Druck p D 1 bar (aus: VDI-
Wärmeatlas, 10. Aufl. 2006)
# % cp    a Pr
ı
C kg=m3 kJ=.kg K/ 103 K 103 W=.m K/ 106 kg=.m s/ 106 m2 =s 106 m2 =s
Wasser
0 999,8 4,218 0,0672 561,0 1791,3 1,792 0,133 13,48
20 998,2 4,181 0,2067 598,4 1002,0 1,004 0,143 7,00
50 988,0 4,180 0,4578 643,6 547,1 0,554 0,156 3,55
99,63 958,6 4,216 0,7487 678,9 293,0 0,295 0,168 1,76
trockene Luft
100 2,019 1,011 5,852 16,02 11,77 5,829 7,85 0,742
0 1,275 1,006 3,674 24,18 17,24 13,52 18,83 0,718
20 1,188 1,007 3,421 25,69 18,24 15,35 21,47 0,715
100 0,9329 1,012 2,683 31,39 21,94 23,51 33,26 0,707
200 0,7356 1,026 2,115 37,95 26,09 35,47 50,30 0,705
500 0,4502 1,093 1,293 55,64 36,62 81,35 113,1 0,719
1000 0,2734 1,185 0,785 80,77 50,82 185,9 249,2 0,746
# Celsius-Temperatur, % Dichte, cp Spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck, Wärmeausdehnungs-
koeffizient,  Wärmeleitfähigkeit,  dynamische Viskosität,  kinematische Viskosität, a Temperaturleitfähigkeit,
Pr Prandtlzahl.

eine mittlere Temperatur von Tm D 290 K er- der effektive Wärmeübergangskoeffizient ab-
gibt sich geschätzt werden mit der Beziehung

W m1=4 T 1=4


q
2 2 W

˛K;lam D 5;7 ˛K;eff D ˛K;lam C ˛K;turb D 3;2 2 :
m2 K Tm h m K
 1=4 (3.164)
W T
6 2 : (3.163)
m K Tm h=m Bei der erzwungenen Konvektion ist häu-
fig der Einfluss der Anströmgeschwindigkeit auf
Dies ist eine häufig angeführte Näherungs- den übertragenen Wärmestrom von Interesse. In
formel für die freie Konvektion in Luft. diesem Fall muss der Faktor der Strömungsge-
Mit den angegebenen Daten des Beispiels schwindigkeit v aus der Nußeltzahl abgespaltet
ist der konvektive Wärmeübergangskoeffizient werden.
auf der Raumseite der Außenwand ˛K;lam
D
2
1;8 W=.m K/.
Bei der freien Konvektion in Luft kann je- 3.5.3 Wärmestrahlung
doch vor Wänden der turbulente Anteil des
konvektiven Wärmeübergangs nicht vernach- Die Abgabe von Wärmestrahlung hängt außer
lässigt werden. Die Nußeltzahl Nu ist größer von der Temperatur T nur noch von der Größe
als der Näherung ˛K  T 1=4 zugrunde liegt. und der Struktur der Oberfläche ab. Die höchste
Im vorliegenden Beispiel ist die Grashof- Strahlungsdichte emittiert ein schwarzer Körper
zahl Gr D 1;47  1010 und die Nußelt- (Hohlraumstrahler, Abb. 6.69 in Abschn. 6.3.2).
zahl für den turbulenten Bereich nach (6) in Ein solcher schwarzer Körper absorbiert ande-
Tab. 3.14 Nu D 254. Der sich mit diesem rerseits auch die gesamte auffallende Strahlungs-
Wert nach (3.161) für den turbulenten kon- energie und wandelt sie in Wärme um.
vektiven Wärmeübergangskoeffizienten erge- Bei nicht schwarzen Körpern ist das Ab-
bende Wert ist ˛K;turb

D 2;6 W=.m2 K/. Im strahlungsvermögen gleich dem Absorptions-
Übergangsbereich der Strömungsarten kann grad. Blanke Metalloberflächen haben deshalb
3.5 Wärmeübertragung 231

ein geringes Abstrahlungsvermögen, weil sie we- Tab. 3.16 Emissionsgrad " für die Gesamtstrahlung bei
nig absorbieren. Wenn das Absorptionsvermögen der Temperatur # (aus: VDI-Wärmeatlas, 10. Auflage
2006 und Kohlrausch Praktische Physik, 24. Auflage
eines nicht schwarzen Körpers < 1 und unab- 1996)
hängig von der Wellenlänge ist, dann liegt ein
Oberfläche # in ı C "
grauer Körper vor. Auf den schwarzen Körper
Metalle
wird das Emissions- und Absorptionsvermögen Aluminium
anderer grauer Körper bezogen und durch den poliert 100 0,12
Emissionsgrad " und den Absorptionsgrad ˛ ge- oxidiert 93 0,23
kennzeichnet. Ist Me die spezifische Ausstrahlung Chrom poliert 150 0,071
des grauen Körpers und Me;s die des schwarzen, Gold poliert 227 0,021
dann ist der Emissionsgrad " des grauen Körpers Eisen
poliert 100 0,20
Me angerostet 20 0,62
"D : (3.165)
Me;s verzinkt 28 0,26
Messing
Entsprechend hängt der Absorptionsgrad ˛ des nicht oxidiert 25 0,045
grauen Körpers vom Verhältnis der absorbierten oxidiert 200 0,61
Strahlungsleistungen Ma des grauen und Ma;s des Nichtmetalle
schwarzen Körpers ab: Beton 20 0,94
Dachpappe 20 0,86
Ma Glas 20 0,88
˛D : (3.166) Holz (Eiche) 20 0,90
Ma;s
Mauerwerk. Putz 20 0,91
Kunststoffe 20 0,92
Definitionsgemäß sind für einen schwarzen
Lacke, Farben 100 0,88 bis 0,92
Körper " D 1 und ˛ D 1. Die Emissionszah-
Wasser 20 0,90
len ausgewählter grauer Körper sind in Tab. 3.16 Ziegelstein, rot 20 0,93
aufgeführt.
Der Emissionsgrad und der Absorptionsgrad
eines Temperaturstrahlers sind nach dem Kirch-
hoff’schen Strahlungsgesetz (G. R. K IRCHHOFF,
1824 bis 1887) immer gleich:

" D ˛: (3.167)

Wäre dies nicht so, dann könnte durch eine geeig-


nete Führung des Strahlungsaustausches erreicht
werden, dass der Körper mehr Strahlung von der
Umgebung absorbiert, als er emittiert. Er wür-
de sich dadurch unter Abkühlung der Umgebung
immer mehr erwärmen. Dies widerspricht jedoch
dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik (Ab-
schn. 3.3.7).
Die Strahlungsleistung ˚e der auf eine Trenn-
wand einfallenden Strahlung gemäß Abb. 3.58
verteilt sich auf die reflektierte Strahlungsleis-
tung ˚r , die durch die Trennwand durchgehende
Strahlungsleistung ˚t und auf den absorbier- Abb. 3.58 Reflexion, Transmission und Absorption von
ten und in Wärmeenergie umgewandelten Anteil Strahlung bei einer Trennwand
232 3 Thermodynamik

˚a . Nach dem Energieerhaltungssatz besteht zwi- Ein grauer Temperaturstrahler mit der Strahl-
schen dem Reflexionsgrad % D ˚r =˚e , dem dichte Le1 D Me1 =. ˝0 / (6.76), der Tempera-
Transmissionsgrad  D ˚t =˚e und dem Absorp- tur T1 , der Fläche A1 und dem Emissionsgrad "1
tionsgrad ˛ D ˚a =˚e der Zusammenhang strahlt also an eine Fläche A2 die Strahlungsleis-
tung ˚e1 ab:
% C  C ˛ D 1: (3.168)
˚e1 D A1 "1 '12 T14 : (3.172)
Für einen nicht transparenten Stoff mit dem
Der graue Temperaturstrahler mit den Strah-
Transmissionsgrad  D 0, wie es die meisten
lungskennwerten A1 ; "1 und T1 emittiert nicht
technischen Stoffe im Infrarotbereich der elektro-
nur die Strahlungsleistung ˚e1 an die Fläche A2 ,
magnetischen Strahlung sind, gilt
sondern empfängt auch von dieser die Strah-
lungsleistung ˚e2 . Der von der Fläche A1 mit
% D 1  ˛ D 1  ": (3.169)
der höheren absoluten Temperatur T1 an die Flä-
che A2 mit der niedrigeren absoluten Temperatur
Bei der Wärmestrahlung gelten die gleichen Ge-
T2 durch Wärmestrahlung transportierte Wärme-
setze wie bei der elektromagnetischen Strahlung
strom QP 12 ist
im Sichtbaren (Fotometrie, Abschn. 6.3), nur
liegen, wie Abschn. 6.3, Abb. 6.70 zeigt, die  
QP 12 D C12 A1 T14  T24 : (3.173)
Strahlungsmaxima der Temperaturstrahler mit ei-
ner Oberflächentemperatur unter 600 ı C weit im C12 mit der Maßeinheit W=.m2 K4 / ist der Strah-
infraroten Wellenlängenbereich der elektroma- lungsaustauschkoeffizient. Aus der Bilanz der
gnetischen Strahlung. ausgetauschten Strahlungsleistungen zwischen
Nach dem Stefan-Boltzmann-Gesetz (Ab- den beiden grauen Körpern unterschiedlicher
schn. 6.3.2, (6.84), ist die spezifische Ausstrah- Temperatur folgt für den Strahlungsaustauschko-
lung Me eines grauen Temperaturstrahlers effizienten
"1 "2  '12
Me .T / D "T 4 I (3.170) C12 D A1 2
: (3.174)
1  .1  "1 /.1  "2 / A '
2 12

 D 5;670  108 W m2 K4 ist die Stefan- Für nichtmetallische Strahler mit (1  "/ <
Boltzmann-Konstante. 0;1 kann (3.174) näherungsweise ersetzt werden
Beim Wärmetransport durch Wärmestrahlung durch
sind die Flächen, die die elektromagnetische C12 D "1 "2  '12 : (3.175)
Energie übertragen, nicht mehr klein. In die-
sem Fall muss das fotometrische Grundgesetz In Abb. 3.59 sind die Strahlungsaustauschkoef-
(Abschn. 6.3.2, (6.72)) über die Strahlungsaus- fizienten C12 einiger Spezialfälle zusammenge-
tauschflächen A1 und A2 integriert werden. Zur stellt.
dimensionslosen Einstrahlzahl '12 wird der nur
Beispiel 3.5-3
von der Geometrie abhängige Teil von (6.72) zu-
Wie groß ist die Wärmestromdichte jq S des
sammengefasst:
Wärmestrahlungsaustausches zwischen zwei
1
Z Z
cos ˇ1 cos ˇ2 sehr großen Platten mit den Oberflächentem-
'12 D dA1 dA2 : peraturen T1 und T2 sowie den Emissionszah-
 A1 r2
A1 A2 len "1 und "2 ?
(3.171)
Hierbei ist r der Abstand der Flächen A1 und Lösung
A2 ; ˇ1 und ˇ2 sind die Winkel zwischen der Die von der Platte 1 abgestrahlte Gesamt-
.1/
Strahlungsrichtung und den jeweiligen Flächen- Ausstrahlung Me;ges ist die spezifische Aus-
normalen. strahlung Me1 der Platte 1 zuzüglich der
3.5 Wärmeübertragung 233

Abb. 3.59 Strahlungsaustauschkoeffizienten C12 für verschiedene Geometrien


234 3 Thermodynamik

an der Oberfläche 1 reflektierten Gesamt- differenz .T1  T2 / ein Wärmeübergangskoeffizi-


.2/
Ausstrahlung Me;ges der Platte 2. Dasselbe ent für Wärmestrahlung ˛S definieren:
trifft auf die Ausstrahlung der Platte 2 zu. Mit  
der (3.170) gilt also, wenn für nichttransparen- ˛S D C12 T12 C T22 .T1 C T2 /: (3.177)
te Platten (3.169) berücksichtigt wird
Er beschreibt den Wärmeübergang von der wär-
.1/ 4 .2/
Me;ges D "1 T1 C %1 Me;ges meren Fläche A1 zur kälteren Fläche A2 . Die ge-
samte Strahlungswärmeabgabe oder -aufnahme
D "1 T14 C .1  "1 /Me;ges
.2/
;
einer Fläche A1 ergibt sich, wenn der Strahlungs-
.2/
Me;ges .1/
D "2 T24 C %2 Me;ges austausch mit allen Flächen im Halbraum über
D " T 4 C .1  " /M .1/ : der Fläche A1 aufsummiert wird.
2 2 2 e;ges

Werden aus diesen beiden Gleichungen die


Gesamt-Ausstrahlungen der Platten 3.5.4 Wärmedurchgang

"1 T14 C .1  "1 /"2 T24 Die Kenngröße für den Wärmetransport von ei-
.1/
Me;ges D und
nem Medium 1 mit der Temperatur #M1 in ein
1  .1  "1 /.1  "2 /
Medium 2 mit der Temperatur #M2 < #M1 durch
"2 T24 C .1  "2 /"1 T14
.2/
Me;ges D die Fläche A einer wärmedämmenden Trenn-
1  .1  "1 /.1  "2 / wand, beispielsweise von der Raumluft durch die
Außenwand an die Außenluft, ist der Wärme-
bestimmt, dann beträgt die Wärmestromdichte
durchgangskoeffizient U . Im Beharrungszustand
jqS der Wärmestrahlung
ist der Wärmestrom
.1/ .2/
jqS D Me;ges  Me;ges
  QP D UA.#M1  #M2 /: (3.178)
"1 "2  T14  T24
D : Die Maßeinheit des Wärmedurchgangskoeffizi-
1  .1  "1 /.1  "2 /
enten ist W=.m2 K/. Bei gekrümmten wärme-
Ein Vergleich mit (3.173) bestätigt (1) aus übertragenden Flächen, wie beispielsweise einem
Abb. 3.59 für den Strahlungsaustauschkoef- dickwandigen Heizungsrohr, bezieht man den
fizienten C12 zwischen zwei parallelen Flä- Wärmedurchgangskoeffizient auf die Innenober-
chen. Die Strahlungswärmestromdichte zwi- fiäche Ai oder die Außenoberfläche Aa .
schen den beiden Scheiben einer Isoliervergla- Eine Analyse der Fourier’schen Wärmelei-
sung ."1 D "2 D 0;88/ mit den Temperaturen tungsgleichung (3.135) ergibt, dass die unter sta-
#o1 D 10 ı C und #o2 D 0 ı C beträgt beispiels- tionären Bedingungen nach (3.178) ermittelten
weise jq S D 38;4 W=m2 . Wärmedurchgangskoeffizienten die Wärmedäm-
mung auch beschreiben, wenn die Wärmeströme
Die absoluten Temperaturen der Temperatur- instationär, aber, wie beispielsweise bei einer
strahler bestimmen den Wärmetransport durch Heizperiode, mit einer Zykluszeit tZ periodisch
Wärmestrahlung. Wird (3.173) umgeschrieben in verlaufen. In diesen Fällen sind die in (3.178)
über die Zykluszeit tZ gemittelten Werte
QP 12
jqS D (3.176) ZtZ
A1 1
 
D C12 T12 C T22 .T1 C T2 /.T1  T2 /; QNP D P
Q.t/dt und (3.179)
tZ
0

so lässt sich entsprechend (3.148) als Proportio- ZtZ


1
nalitätskonstante zwischen der Wärmestromdich- #N M D #M .t/dt (3.180)
tZ
te der Wärmestrahlung jq S und der Temperatur- 0
3.5 Wärmeübertragung 235

einzusetzen. Der Wärmedurchgangskoeffizient


ist also die wärmetechnische Kenngröße für die
Wärmedämmung einer Trennwand.
Der Wärmedurchgang durch eine Trennwand
setzt sich aus dem Wärmeübergang innen vom
abgebenden Medium mit der Temperatur #M1 auf
die Trennwand mit der Oberflächentemperatur in-
nen #Oi , der Wärmeleitung durch die Trennwand
mit dem Temperaturgefälle zur Oberflächentem-
peratur außen #Oa und dem Wärmeübergang au-
ßen an das aufnehmende Medium mit der Tem-
peratur #M2 zusammen. Oi

Bei den Wärmeübergängen innen und au-


ßen addieren sich die Wärmeströme der
Konvektion und Strahlung.
Oa

Sind die Umgebungsflächentemperaturen in-


nen #Ui und außen #Ua etwa so hoch wie die
jeweiligen Fluidtemperaturen #M1 und #M2 , dann
können die einzelnen Wärmeübergangskoeffizi-
enten addiert werden. Der Anteil der Wärmelei- Abb. 3.60 Wärmedurchgang durch eine mehrschichtige
tung bei freier und erzwungener Konvektion wird Trennwand
nicht getrennt ausgewiesen, sondern ist in ˛K ent-
halten (Abb. 3.57):
sind nach dem Energieerhaltungssatz bei wär-
  
˛i D ˛Ki C ˛S i und (3.181) mequellenfreien Trennwänden alle gleich und so
P
groß wie die Wärmestromdichte jq D Q=A des

˛a D ˛Ka 
C ˛Sa : (3.182)
Wärmedurchgangs nach (3.178)
Der Wärmedurchgangskoeffizient einer ebenen jq D U.#M1  #M2 /: (3.188)
planparallelen Trennwand lässt sich einfach be-
rechnen, auch wenn diese aus mehreren Schich- Durch Umformen der Temperaturdifferenz zwi-
ten aufgebaut ist, wie in Abb. 3.60 verdeutlicht. schen den beiden Medien zu
Die Wärmestromdichten der einzelnen Wärme-
ströme #M1  #M2 D .#M1  #Oi / C .#Oi  #1 /
C .#1  #2 / C .#2  #Oa /

jqi D ˛i .#M1  #Oi /; (3.183) C .#Oa  #M2 / (3.189)
1
jq1 D .#Oi  #1 /; (3.184) und Einsetzen von (3.183) bis (3.188) in (3.189)
s1
lässt sich die Bestimmungsgleichung des Wärme-
2
jq2 D .#1  #2 /; (3.185) durchgangskoeffizienten U der plattenförmigen
s2
Trennwand aufstellen (DIN EN ISO 6946).
3
jq3 D .#2  #Oa / und (3.186) 1
s3 U D 1 : (3.190)

jqa D ˛a .#Oa  #M2 / (3.187) ˛
s1
C 1 C 2 C s33 C ˛1
s2
i a
236 3 Thermodynamik

Bei gekrümmten Trennwänden ist (3.190) nicht dert sich der Gesamtwärmestrom, wenn eine der
anwendbar. In einem solchen Fall müssen die beiden Scheiben zur Luftschicht hin durch ei-
Faktoren von (3.190) mit den Wärmeübertra- ne Bedampfung nur noch einen Emissionsgrad
gungsflächen der Einzelschichten gewichtet wer- " D 0;08 aufweist?
den, weshalb die Bestimmungsgleichungen des
Wärmeübergangskoeffizienten mathematisch äu- Ü 3-29 Das Flachdach über einer Halle mit
ßerst kompliziert sind. einer Lufttemperatur #L D 20 ı C hat von
Die Oberflächentemperaturen zu beiden Sei- außen nach innen den folgenden Aufbau:
ten der Trennwand werden berechnet, in- Dachhaut (UV-geschützt, Wärmedämmung
dem (3.188) in (3.183) oder (3.187) eingesetzt vernachlässigbar), 60 mm Wärmedämmung
wird: ( D 0;04 W=.m K/), 160 mm Stahlbetonde-
cke ( D 2;1 W=.m K/), 10 mm Innenputz
U.#M1  #M 2 / ( D 0;70 W=.m K/. Man rechne mit den Norm-
#Oi D #M1  ; (3.191)
˛i Übergangswiderständen 1=˛i D 0;13 m2 K=W
U.#M1  #M 2 / und 1=˛a D 0;035 m2 K=W gemäß DIN 4108.
#Oa D #M2  : (3.192)
˛a Welchen Wärmedurchgangskoeffizienten hat die-
ses Flachdach? Wie groß ist zwischen Sommer
Die Temperaturen #1 und #2 der Berührungsflä- und Winter der Temperaturunterschied an der
chen der Trennwandschichten in Abb. 3.60 lassen Berührungsfläche von Betondecke und Wärme-
sich dann über (3.143) und (3.144) bestimmen. dämmung, wenn für die Sommerzeit mit einer
durch Sonneneinstrahlung auf #O D 60 ı C an-
gehobenen Oberflächentemperatur außen und für
3.5.5 Zur Übung die Winterzeit mit einer Außenlufttemperatur
#a D 15 ı C gerechnet wird?
Ü 3-27 Welchen konvektiven Wärmestrom gibt
ein senkrechter Plattenheizkörper mit der Höhe Ü 3-30 Die Körperkerntemperatur des Men-
h D 0;6 m und der Breite b D 1;2 m turbulent schen beträgt #K D 37 ı C, der Wärmedurch-
an die Umgebungs luft ab, wenn die gleichförmi- lasswiderstand des menschlichen Gewebes etwa
ge Oberflächentemperatur #O D 40 ı C und die RG D 0;08 m2 K=W. Wie groß ist die Wärme-
Lufttemperatur #L D 20 ı C beträgt? stromdichte auf der menschlichen Haut, wenn
der Mensch, bekleidet mit einer Kleidung, deren
Ü 3-28 Wie groß sind die Teilwärmeströme Wärmedurchlasswiderstand RKL D 0;2 m2 K=W
der Wärmeleitung, Konvektion (turbulent oh- beträgt, sich in einem Raum befindet, dessen
ne Verknüpfung mit der Wärmeleitung) und Raumlufttemperatur #Li D 21 ı C ist und des-
Wärmestrahlung durch die 12 mm dicke Luft- sen Wände, Decke und Boden eine Oberflächen-
schicht einer 1 m mal 1 m großen Zweischeiben- temperatur von #u D 14 ı C haben? Die Wär-
Isolierverglasung (Außenscheibe 0 ı C, Innen- meübergangskoeffizienten seien näherungsweise
scheibe 10 ı C)? Um welchen Prozentsatz vermin- ˛K D 3;3 W=.m2 K/ und ˛S D 5;1 W=.m2 K/.
Elektrizität und Magnetismus
4

Die Eigenschaften der Elektrizität und des Ma-  Beschleunigte Ladungsbewegung


gnetismus lassen sich nicht – wie in der Ther- Hierbei ändert sich das elektrische und magne-
modynamik – aus der Mechanik ableiten. Ein tische Feld. Ein zeitlich sich änderndes Ma-
Grund hierfür ist, dass eine neue Eigenschaft gnetfeld B induziert ein elektrisches Feld E ,
der Materie mit einbezogen werden muss: die das zur Beschleunigung der Ladungen führen
Ladung. Sie ist materiegebunden, als Elementar- kann (Induktionsgesetz). Aus den Eigenschaf-
ladung e quantisiert und hat zwei Ausprägungen: ten des elektrischen Feldes (Quellen, wirbel-
positive und negative Ladungen. Abb. 4.1 zeigt, frei) und des magnetischen Feldes (quellen-
wie die Gebiete Elektrizität und Magnetismus frei, Wirbel) ergeben sich in Verbindung mit
zusammenhängen. Grundsätzlich sind drei Bewe- dem Induktionsgesetz periodisch sich ändern-
gungszustände der Ladungen möglich: de elektromagnetische Felder, die sich unab-
hängig von Materie ausbreiten können (elek-
 Ruhende Ladungen tromagnetische Wellen). – Die Kraftwirkung
Dies ist das Gebiet der Elektrostatik. Kräfte auf eine Ladung im elektrischen und magneti-
zwischen zwei Ladungen werden durch das schen Feld wird durch die elektromagnetische
Coulomb’sche Gesetz beschrieben. Die Be- Kraft beschrieben.
schreibung der Kraftwirkung auf Ladungen
(elektrisches Feld) erfolgt durch die am Ort Elektrische und magnetische Felder in Materie
der Ladung herrschende elektrische Feldstär- führen zu einer Wechselwirkung mit den atoma-
ke E . Dieses elektrische Feld hat Quellen ren Bausteinen (Polarisation), sodass sich die im
(positive Ladungen) und Senken (negative La- Material herrschende elektrische bzw. magneti-
dungen), weshalb die Feldlinien nicht in sich sche Feldstärke von der äußeren Feldstärke unter-
geschlossen sind (wirbelfrei). scheidet. Diese Wechselwirkung wird durch Ma-
 Ladungsbewegung mit konstanter Geschwin- terialgleichungen beschrieben: im elektrischen
digkeit Feld durch D D "E und im magnetischen
Dieses Gebiet nennt man Magnetostatik. Es Feld durch B D H . Eine weitere Material-
„fließt“ ein konstanter Strom, der ein zeit- gleichung verknüpft die Stromdichte j über die
lich konstantes Magnetfeld erzeugt (dB=dt D Leitfähigkeit ~ mit der elektrischen Feldstärke E
0). Es ist quellenfrei, da es keine magneti- (Ohm’sches Gesetz).
schen Elementarladungen gibt; und die ma- Die gesamten elektrischen und magneti-
gnetischen Feldlinien sind in sich geschlossen schen Erscheinungen (Elektrodynamik) werden
(Wirbel). in vier Differenzialgleichungen (bzw. Vektor-

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2016 237


E. Hering, R. Martin, M. Stohrer, Physik für Ingenieure, DOI 10.1007/978-3-662-49355-7_4
238 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.1 Strukturbild Elektrizität und Magnetismus

gleichungen) zusammengefasst, die die Feld- schn. 10.5) bedürfen sie deshalb keiner Korrek-
größen E ; D; H und B miteinander verknüp- tur.
fen (Maxwell’sche Gleichungen). Zur Lösung
der Maxwell’schen Gleichungen sind die drei
Feldgleichungen .D D "E ; B D H und 4.1 Physikalische Gesetze und
j D ~E erforderlich. Die Maxwell’schen Definitionen
Gleichungen beinhalten bereits die endliche
Geschwindigkeit der Informationsausbreitung In diesem Abschnitt sind die grundlegenden Er-
(Konstanz der Vakuumlichtgeschwindigkeit c); scheinungen der Elektrizitätslehre beschrieben,
aufgrund der Relativitätstheorie Einsteins (Ab- die wichtigsten physikalischen Größen definiert
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 239

und die physikalischen Gesetze am Beispiel des ungleichnamige Ladungen ziehen sich an. Für
metallischen Leiters wiedergegeben. die anziehende oder abstoßende Kraft, die ei-
ne Punktladung Q1 auf eine im Abstand r12
sich befindende Punktladung Q2 ausübt, gilt das
4.1.1 Ladung Coulomb’sche Gesetz (benannt nach dem fran-
zösischen Physiker C. A. C OULOMB, 1736 bis
Die Ladung Q hat folgende Eigenschaften: 1806):
1 Q1 Q2 r 12
 Es gibt nur zwei Sorten von Ladungen: positi- F12 D 2
: (4.2)
4 "0 r12 r12
ve und negative. Sie dienen zur Erklärung der  
Abstoßung und Anziehung von Ladungen so- r 12
: Einheitsvektor von Q1 nach Q2
wie der Ladungsneutralität. r12
 Die Ladung ist quantisiert, d. h., es gibt eine Diese Kraft weist dabei in Richtung der Ver-
kleinste elektrische Ladungsmenge, die Ele- bindungslinie beider Ladungen. Die Maßstabs-
mentarladung e. Sie ist eine Naturkonstante konstante "0 ist die elektrische Feldkonstante
und hat den Wert bzw. die Dielektrizitätskonstante des Vakuums:

C2
e D 1;602177  1019 C: (4.1) "0 D 8;854  1012 : (4.3)
N m2
Diese Elementarladung tragen z. B. die Ele- Mit ihr errechnet sich der Proportionalitätsfaktor
mentarteilchen Proton (positive Ladung) und des Coulomb’schen Gesetzes:
Elektron (negative Ladung). Jede elektrische
Ladung ist damit ein Vielfaches der elektri- 1 N m2
D 8;988  109 2 : (4.4)
schen Elementarladung. So entspricht die La- 4 "0 C
dungseinheit von 1 C etwa der Ladung von
6;24  1018 Elektronen. Die Messung der Ele- Das Coulomb’sche Gesetz gilt nicht nur für
mentarladung glückte erstmalig R. A. M ILLI - punktförmige Ladungen, sondern auch noch nä-
KAN im Jahr 1910 (Abschn. 4.3.5.5). herungsweise für Kugeln, wenn deren Abstand
 Die Ladung ist an Materie gebunden, sie (von Kugelmitte zu Kugelmitte) groß im Ver-
ist – wie bereits ausgeführt – eine diskrete gleich zu den Kugelradien ist. Abb. 4.2 zeigt
Eigenschaft der Materie. Elementarladungen den Verlauf der Coulomb-Kraft zwischen zwei
tragen beispielsweise folgende Elementarteil- Ladungen in Abhängigkeit von der Ladungsent-
chen (Abschn. 8.9): fernung. Es wird deutlich, dass die Coulomb-
Ce: Proton, Positron, C Myon, C Pion, Kraft für kleine Ladungsabstände sehr groß ist,
e: Elektron, Antiproton,  Myon,  Pion, aber mit zunehmendem Ladungsabstand schnell
0: Neutron, Neutrino, Photon, 0 Pion. an Bedeutung verliert.
 Für die Ladung gilt der Erhaltungssatz: In ei- Die Coulomb-Kraft weist mathematisch die-
nem abgeschlossenen System bleibt die Netto- selbe Struktur auf wie die Gravitationskraft, näm-
ladung (Menge aller positiver abzüglich Men- lich
ge aller negativer Ladungen) erhalten. m1 m2 r12
 Im makroskopischen Bereich bedeutet nega- F D G 2
: (2.137)
r12 r12
tive Ladung Elektronenüberschuss und posi-
tive Ladung Elektronenmangel. Die Ladung da sie
wird durch Elektronen bzw. Ionen transpor-
tiert (Abschn. 4.2).  eine Zentralkraft ist,
 quadratisch mit der Teilchenentfernung ab-
Elektrische Ladungen üben Kräfte aufeinander nimmt und
aus. Gleichnamige Ladungen stoßen sich ab und  symmetrisch in den Ladungen ist.
240 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.2 Coulomb’sche Anziehungskraft zwischen zwei


Ladungen mit Q1 D 106 C und Q2 D 3  106 C

Tab. 4.1 Unterschiede zwischen der Coulomb- und der


Gravitationskraft
Unterscheidungs- Kräfte Abb. 4.3 Resultierende Kraft bei drei Ladungen (Kraft-
merkmale Coulomb-Kraft Gravitationskraft wirkung eines Dipols)
Ursache Ladungen Massen
Kraftrichtung Anziehung oder Anziehung
Abstoßung, je
nach Vorzeichen Daraus folgt
der Ladungen
Stärke groß sehr klein d d 1 Q1 Q3
jFres j D F31 D :
Abschirmbarkeit ja nein r r 4 "0 r 2
Bedeutung Zusammenhalt Zusammenhalt d Q1 Q3
der Atome des Makrokos- jFres j D : (4.5)
mos 4 "0 r 3

(Wird Q1 und Q2 im Abstand d als Dipol auf-


In Tab. 4.1 sind die wichtigsten Unterschiede gefasst, dann ist Q1 d das Dipolmoment. Dies
zwischen der elektrischen Coulomb-Kraft und bedeutet, dass die von einem Dipol auf eine
der Gravitationskraft zusammengestellt. Ladung Q3 (in gleichem Abstand von Q1 und
Sind mehr als zwei Ladungen vorhanden, so Q2 / ausgeübte Kraft umgekehrt proportional
gilt das Coulomb’sche Gesetz für jedes Ladungs- zur dritten Potenz des Abstandes ist.)
paar. Betragen die Ladungen Q1 ; Q2 ; Q3 : : : Qn ,
so ist die Kraft, die beispielsweise auf Q1 ausge-
übt wird, die Resultierende der Kraftvektoren 4.1.2 Stromstärke
F1 D F12 C F13 C    C F1n : Wird in der Zeitspanne dt durch eine Quer-
schnittsfläche die Ladung dQ hindurchbewegt,
Beispiel 4.1-1 dann berechnet sich die Stromstärke I zu
Drei betragsmäßig gleiche Ladungen Q1 ; Q2
und Q3 befinden sich in den Eckpunkten eines dQ
I D : (4.6)
gleichschenkligen Dreiecks gemäß Abb. 4.3. dt
Wie groß ist die Kraft auf die Ladung Q3 ?
Die Einheit der Stromstärke I ist nach dem fran-
Lösung zösischen Physiker A. M. A MPÈRE (1775 bis
Es gilt: 1839) benannt.
d Aus (4.6) folgt, dass auch die Ladung aus der
jFres j D 2 cos '  F31 D 2   F31 : Dauer des Stromflusses berechnet werden kann
2r
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 241

als  Wärmewirkung
Zt2 Stromdurchflossene Leiter erwärmen sich, än-
QD I.t/dt: (4.7) dern ihre Länge (ihr Volumen) und oft andere
t1 temperaturabhängige Größen, z. B. den elek-
trischen Widerstand oder die Farbe.
Dies ist eine wichtige Methode der Ladungsbe-  Chemische Wirkung (Elektrochemie)
stimmung für zeitabhängige Ströme. Die Ladung In elektrolytischen Leitern können Ladun-
ist anschaulich als Fläche unter der I.t/-Kurve gen und Ionen transportiert und an Festkör-
zu verstehen. Ist die Stromstärke in der Zeit kon- pern, den sogenannten Elektroden, abgeschie-
stant, d. h. der Ladungstransport stationär, so gilt den werden (Galvanotechnik). Diese Wirkung
wurde früher zur Definition des Ampere her-
Q D I t: (4.8) angezogen: 1 A scheidet nämlich in 1 s aus
einer wässrigen Silbernitratlösung 1,118 mg
Die Stromstärke I ist im Internationalen Einhei- Silber ab.
tensystem als Basisgröße über die Kraftwirkung  Magnetische Wirkung (Elektromagnetismus)
zweier stromdurchflossener Leiter definiert (Ab- Stromdurchflossene, gerade Leiter werden
schn. 1.3): von einem zylindersymmetrischen Magnet-
feld umgeben.

Eine Stromstärke I besitzt dann den Wert 1


Ampere, wenn die durch zwei im Abstand 4.1.3 Spannung
von 1 m befindliche geradlinige, paralle-
le Leiter (mit Durchmesser null) fließende Die Spannung U ist ein Maß für die hineinge-
Stromstärke je Meter Länge eine Kraft von steckte Ladungstrennungsarbeit je Ladung: U D
2  107 N hervorruft. W=Q. Sind positive und negative Ladungen
räumlich getrennt als positiver oder negativer Pol,
dann liegt zwischen diesen Polen eine Spannung,
Diese Definition wurde gewählt, um die elek- die elektrische Urspannung genannt wird. Wer-
trische Energie und die mechanische Energie in den diese Pole miteinander verbunden, so findet
gleichen Einheiten messen zu können; es gilt ein Ladungstransport und damit ein Stromfluss
statt und die Ladungsunterschiede gleichen sich
1 V A s D 1 J D 1 N m: aus. In leitenden Festkörpern (z. B. Metallen)
sind nur Elektronen frei beweglich, sodass am
Als Stromrichtung wurde die Bewegungsrichtung Plus-Pol Elektronenmangel und am Minus-Pol
von plus .C/ nach minus ./ festgelegt. Diese Elektronenüberschuss herrscht. Werden diese Po-
sogenannte „technische“ Stromrichtung ist ent- le miteinander verbunden, dann fließen die Elek-
gegengesetzt der tatsächlichen Elektronenbewe- tronen vom Minus- zum Plus-Pol. Die technische
gung. Stromrichtung legt im Gegensatz zum physikali-
Die Stromdichte in einem stromdurchflosse- schen Verhalten folgendes fest:
nen Draht des Querschnitts A ist definiert als

I
j D : (4.9) Bei passiven Bauelementen (z. B. Ohm’-
A
scher Widerstand) fließt im äußeren Strom-
Wie in nachfolgenden Abschnitten ausführlich kreis der Strom vom Pluspol der Span-
erläutert ist, zeigt der elektrische Strom drei Wir- nungsquelle zu ihrem Minuspol.
kungen:
242 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.4 Richtungssinn für Strom und Spannung


Abb. 4.5 Arten von Spannungsquellen

Konsequent durchgeführt erhält man auch so


keine physikalisch falschen Ergebnisse. Abb. 4.4 Spannung in Abschn. 4.4.3 und der fotovoltai-
zeigt die Pfeilrichtungen für die Stromstärke I sche Umwandlungsprozess in Abschn. 9.4 aus-
und die Spannung U . Die Spannung U in V ist führlich beschrieben.
über die elektrische Energie definiert:

4.1.4 Widerstand und Leitwert


Ein Volt liegt dann zwischen zwei Punk-
ten eines metallischen Leiters, wenn beim Der elektrische Widerstand R ist ein Maß für die
Transport der Ladung von 1 Coulomb eine Hemmung des Ladungstransports und bestimmt
Energie von 1 Joule umgesetzt wird. deshalb die Stromstärke bei einer bestimmten
Spannung. Er ist folgendermaßen definiert:

Es gilt
Pab Der elektrische Widerstand R beträgt
U D : (4.10) 1 Ohm, wenn zwischen zwei Punkten eines
I
metallischen Leiters beim Spannungsabfall
In Abschn. 4.3 ist der wichtige Zusammenhang von 1 Volt genau 1 Ampere fließt.
zwischen elektrischer Feldstärke, elektrischem
Potenzial und Spannung hergeleitet. An dieser
Stelle soll lediglich angemerkt werden, dass im Die Einheit ist 1 V=A D 1 .
Falle elektrischer Kräfte die Spannung UAB zwi- Mit der Entdeckung des Quanten-Hall-Effek-
schen zwei Punkten A und B gleich der Potenzi- tes durch K. v. K LITZING (Abschn. 8.2.5) lässt
aldifferenz ' zwischen diesen Punkten ist: sich das Ohm unabhängig von der Geometrie und
den physikalischen Eigenschaften verschiedener
UAB D ' D 'A  'B : (4.11) Werkstoffe allein durch Naturkonstanten mit ho-
her Genauigkeit (108 ) darstellen .h=e 2 / D
Spannungsquellen halten zwischen zwei Punk- 25:812;8 ; hierbei ist h das Planck’sche Wir-
ten eine Spannung aufrecht. Dies geschieht durch kungsquantum h D 6;626176  1034 J s und e die
Umwandlung von chemischer Energie (galvani- Elementarladung.
sche Elemente), mechanischer Energie (Genera- Der Kehrwert des elektrischen Widerstandes
toren) oder Lichtenergie (Solarzellen) in elektri- ist der Leitwert G:
sche Energie. Abb. 4.5 gibt eine Übersicht. Die 1
elektrochemischen Vorgänge in den galvanischen GD : (4.12)
R
Elementen sind in Abschn. 4.2, die durch me-
chanische Änderung des Magnetflusses erzeugte Er wird in Siemens S oder in 1 gemessen.
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 243

Der elektrische Widerstand R eines metalli- Coefficient). Sie werden als Temperatur-
schen Leiters der Länge l und dem Querschnitt A fühler, zur Messung von Strömungsge-
ist schwindigkeiten oder zur Spannungsstabi-
l lisierung verwendet und bestehen aus einer
RD% : (4.13)
A halbleitenden Oxidkeramik.
– Kaltleiter:
Die Proportionalitätskonstante ist der spezifische
stark zunehmender Widerstand bei zuneh-
Widerstand % (Resistivität).
mender Temperatur (PTC: Positive Tempe-
RA rature Coefficient). Sie werden als Tempe-
%D : (4.14) raturfühler, als Thermostat und zur Strom-
l
stabilisierung verwendet und bestehen aus
Er wird üblicherweise für Festkörper in Metalldrähten.
. mm2 /=m und für Flüssigkeiten in  cm ge-  Spannung
messen. VDR-Widerstände oder Variatoren (VDR: Vol-
Analog zum Leitwert ist der Kehrwert des tage Dependent Resistance) sind stark span-
spezifischen elektrischen Widerstandes die elek- nungsabhängig und werden zur Spannungssta-
trische Leitfähigkeit ~: bilisierung und zur Stoßspannungsbegrenzung
eingesetzt.
1 l Gl  Licht
~D D D : (4.15)
% RA A In diesem Fall handelt es sich um lichtemp-
findliche Widerstände (LDR: Light Dependent
Abb. 4.6 zeigt einen Überblick über die gängigen Resistance), die z. B. in Belichtungsmessern
technischen Widerstände, über ihre Werkstoffe, eingebaut werden.
ihre Eigenschaften, ihre normierten Bauausfüh-
rungen (nach DIN) und ihre Anwendungsfelder. Die einstellbaren Widerstände ändern den Wider-
Zur besseren Anschauung sind einige Wider- stand entweder linear oder logarithmisch (posi-
standstypen abgebildet. tiv oder negativ). Linear einteilbare Widerstände
Widerstände können in feste oder einstellbare werden als Spannungsteiler (Potenziometer oder
Widerstände eingeteilt werden. Die Festwider- Trimmer) eingesetzt, logarithmisch verstellbare
stände lassen sich weiter untergliedern in lineare Widerstände zur Lautstärkeregelung verwendet.
oder nichtlineare Widerstände. Die linearen Wi- Als Werkstoffe werden Draht, Kohleschichten
derstände genügen dem Ohm’schen Gesetz (un- und Cermet (Keramikträger mit eingebranntem
ter Berücksichtigung des Temperaturverhaltens). Metalloxid und Glaspulver) eingesetzt.
Sie bestehen aus Cr–Ni-Draht (wegen des gerin- Da der spezifische elektrische Widerstand zu
gen Temperaturkoeffizienten) oder aus Schicht- denjenigen physikalischen Größen gehört, die
materialien, wie z. B. Kohlenstoff, Cr–Ni, SnO2 , den größten Messbereich abdecken (von % D
Au–Pt oder in Lack dispergierten Kohlenstoff- 108  m bei Edelmetallen bis zur 1013  m bei
teilchen. Abb. 4.6 zeigt weitere Unterscheidungs- Isolatoren; dies sind 21 Zehnerpotenzen), gibt
merkmale und die bevorzugten Anwendungsfel- seine Analyse oftmals genauen Aufschluss über
der. Der Widerstandswert und die Toleranzen die physikalischen Prozesse im atomaren Be-
werden häufig als Farbringe aufgebracht. Bei den reich.
nichtlinearen Widerständen ist der Widerstand Elektrischer Widerstand und spezifischer elek-
abhängig von folgenden physikalischen Größen: trischer Widerstand (und selbstverständlich auch
Leitwert und elektrische Leitfähigkeit) sind tem-
 Temperatur peraturabhängig. Abb. 4.7 zeigt den prinzipiellen
– Heißleiter: Verlauf des spezifischen elektrischer Widerstan-
fallender Widerstand bei zunehmender des von der Temperatur T für einen metallischen
Temperatur (NTC: Negative Temperature Leiter, einen Halbleiter und einen Supraleiter.
244
4

Abb. 4.6 Einteilung von Widerständen und ihre Bauarten


Elektrizität und Magnetismus
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 245

Tab. 4.2 Eigenschaften einiger Leiterwerkstoffe (Be-


zugswiderstand R20 )
Werkstoff spezifischer Temperatur-
elektrischer koeffizient ˛ in
Widerstand % 103 K1
in  cm
Silber 1;6  106 3,8
Kupfer 1;7  106 3,9
Gold 2;2  106 3,9
Abb. 4.7 Prinzipieller Verlauf des spezifischen elektrin-
Aluminium 2;7  106 4,7
scher Widerstandes für einen metallischen Leiter, einen
Halbleiter und einen Supraleiter Platin 1  105 3,9
Platin-Iridium 3;2  105 2
Platin-Rhodium 2  105 1,7
Beim metallischen Leiter nimmt der Widerstand Zinn 1;1  105 4,6
R bzw. der spezifische elektrische Widerstand %
mit der Temperatur zu. Es gelten folgende lineare
Näherungen:

R.#/ D R20 .1 C ˛.#  20 ı C//; (4.16)


ı
%.#/ D %20 .1 C ˛.#  20 C//: (4.17)

Hierbei ist R20 bzw. %20 der Widerstand bzw. der


spezifische elektrische Widerstand eines metalli- Abb. 4.8 Strom-Spannungs-Kennlinien für einen metal-
schen Leiters bei 20 ı C, # die Temperatur in ı C lischen Leiter nach dem Ohm’schen Gesetz, eine Halblei-
und ˛ der Temperaturkoeffizient des elektrischen terdiode und eine Gasentladungsröhre
Widerstandes bei 20 ı C.
Der Temperaturkoeffizient ˛ gibt an, welche
relative Widerstandsänderung R=R der Leiter steigt dann entsprechend dem Widerstandsver-
bei Änderung um T D 1 K erfährt: halten der Metalle mit zunehmender Temperatur
an.
R % Supraleiter zeigen unterhalb der Sprungtem-
˛D D : (4.18) peratur T überhaupt keinen messbaren Wider-
R20 T %20 T C
stand mehr. Die Erklärungen für den unterschied-
(Hinweis: Die Gleichungen sind lediglich lineare lichen Widerstandsverlauf in Abhängigkeit von
Näherungen.) der Temperatur erfolgen in Abschn. 9.2.
Tab. 4.2 zeigt ausgewählte Zahlenwerte für
den spezifischen elektrischen Widerstand % (Re-
sistivität) und den Temperaturkoeffizienten ˛. 4.1.5 Ohm’sches Gesetz
Bei vielen reinen Metallen liegt der Temperatur-
koeffizient ˛ bei 1=250 K1 . Kaum temperatur- Der Zusammenhang zwischen der Spannung U
abhängige Speziallegierungen sind Konstantan als Ursache des Ladungstransports und der
(60 % Cu, 40 % Ni: ˛ D 3  105 K1 ) und Man- Stromstärke I als Wirkung wird Strom-Span-
ganin (86 % Cu, 2 % Ni, 12 % Mn: ˛ D 2  nungs-Kennlinie genannt. Abb. 4.8 zeigt drei ty-
105 K1 ). Solche Werkstoffe werden beispiels- pische Verläufe für einen metallischen Leiter, der
weise zur Herstellung konstanter Widerstände dem Ohm’schen Gesetz folgt, eine Halbleiterdi-
verwendet. ode und eine Gasentladungsröhre.
Bei Halbleitern fällt der spezifische Wider- Ohm fand für viele Leiter einen linearen Zu-
stand mit steigender Temperatur zunächst und sammenhang zwischen Strom I und Spannung
246 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.10 Stromverteilung bei Parallellschaltung von


drei Widerständen

Abb. 4.9 Knotenregel


Hierbei werden zufließende Ströme positiv
und abfließende Ströme negativ eingesetzt. Dies
U : I  U . Für den Widerstand R gilt dann zeigt Abb. 4.9. Danach gilt

U I1 C I2  I3  I4  I5  I6 D 0
RD ; (4.19)
I
U D RI: (4.20) oder

Es sei besonders betont, dass das Ohm’sche Ge- I1 C I2 D I3 C I4 C I5 C I6 :


setz zwar für Metalle und Elektrolyte bei kon-
stanter Temperatur gut erfüllt ist, im Allgemeinen Die Knotenregel spielt bei der Aufteilung des
aber nur einen – wenn auch bedeutenden – Spe- Stromflusses eine Rolle, wie dies bei Parallel-
zialfall darstellt. schaltungen vorkommt. Hier gilt aufgrund des
Ohm’schen Gesetzes I D U=R für die Strom-
bzw. Widerstandsverhältnisse:
4.1.6 Kirchhoff’sche Regeln im
verzweigten Stromkreis
In einer Parallelschaltung verhält sich der
Die Kirchhoff’schen Regeln (G. K IRCHHOFF, Gesamtstrom zu den einzelnen Teilströmen
1824 bis 1887) beschreiben das Verhalten der umgekehrt wie der Gesamtwiderstand zu
elektrischen Ströme in einem verzweigten Strom- den Teilwiderständen.
kreis (Knotenregel) und der Spannungen in einem
geschlossenen Stromkreis (Maschenregel).
Iges W I1 W I2 W I3 W : : : W In
1. Kirchhoff’sches Gesetz (Knotenregel) 1 1 1 1 1
D W W W (4.22)
W ::: W :
Nach dem Gesetz der Ladungserhaltung müssen Rges R1 R2 R3 Rn
alle einem Stromknoten zugeführten Ladungen
.C/ gleich den abfließenden Ladungen ./ sein. Für den Fall dreier parallel geschalteter Wider-
Dies bedeutet für die Ströme an einem Knoten: stände gemäß Abb. 4.10 gilt z. B.

1 1 1 1
I W I1 W I2 W I3 D W W W :
Die Summe aller Ströme eines Stromkno- R R1 R2 R3
tens ist null:
Für den häufig vorkommenden Fall zweier paral-
m
X lelgeschalteter Widerstände schreibt man
Ii D 0: (4.21)
i D1 1 1 1
I W I1 W I2 D W W :
R R1 R2
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 247

Für die Stromstärke I1 und I2 folgt daraus


1 1
I1 W I2 D W ;
R1 R2
I1 R2
D : (4.23)
I2 R1
Die Teilströme verhalten sich in diesem Fall um-
gekehrt wie die zugehörigen Teilwiderstände.

2. Kirchhoff’sches Gesetz (Maschenregel)


Nach dem Energieerhaltungssatz muss beim Abb. 4.11 Maschenregel
Transport einer elektrischen Ladung in einem ge-
schlossenen Stromkreis (Masche) die zugeführ-
te und die abgegebene elektrische Arbeit gleich Bei der Reihenschaltung von Widerständen gilt
groß sein. Für die elektrische Spannung U als für die Teilspannungen nach der Maschenregel
Maß dafür gilt: und wegen des Ohm’schen Gesetzes U D RI :

Die Summe aller treibenden Spannungen In einer Reihenschaltung verhalten sich die
(U0i ) ist gleich der Summe aller Span- Teilspannungen wie die zugehörigen Wi-
nungsabfälle (Uabj ). derstände.

k n
X X U1 W U2 W U3 W    W Un D R1 W R2 W R3 W    W Rn :
U0i D Uabj : (4.24) (4.26)
i D1 j D1

Werden die Spannungspfeile entsprechend den Für drei Reihenwiderstände lautet das Verhältnis
Vorschriften (für Spannungsquellen von Plus
nach Minus und für Spannungsabfälle in Rich- U1 W U2 W U3 D R1 W R2 W R3 :
tung der Stromstärke, Abb. 4.4) eingesetzt, so
kann die Maschenregel auch folgendermaßen for- Für den häufig vorkommenden Fall zweier Wi-
muliert werden: derstände, wiedergegeben in Abb. 4.12, ergibt
sich

U1 R1
Die Summe aller Spannungen eines Strom- D : (4.27)
kreises (Masche) ist null. U2 R2

oder
m
X
Ul D 0: (4.25) U0 .R1 C R2 /
D ;
lD1 U1 R1
Es sind in Zählrichtung verlaufende Spannungen hieraus folgt
positiv und gegen die Zählrichtung verlaufende
Spannungen negativ einzusetzen. Für die vorlie- R1
U1 D U0 : (4.28)
gende Masche gemäß Abb. 4.11 gilt also nach .R1 C R2 /
(4.25)
Diese Gleichung spielt bei der Spannungsteiler-
U1  U02 C U4 C U03  U3  U2  U01 D 0: schaltung (Abschn. 4.1.9) eine wichtige Rolle.
248 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.13 Gesamtwiderstand bei der Reihenschaltung


Abb. 4.12 Spannungsverteilung bei Reihenschaltung von
zwei Widerständen
Der gesamte Spannungsabfall kann auch durch
einen Gesamtwiderstand ausgedrückt werden, so-
Bestehen Stromkreise aus einer Vielzahl von dass gilt
Maschen (Maschenanzahl m) mit mehreren Ver- U D Rges I:
zweigungsknoten (Knotenanzahl k), dann liegt
ein „Netzwerk“ vor. Für die Anzahl zI der Glei- Damit ergibt sich
chungen zur Errechnung aller Teilströme gilt bei
gegebenen Spannungsquellen und Widerständen Rges I D R1 I C R2 I C R3 I C    C Rn I

m C k > zI : (4.29) und nach Divsion durch die konstante Stromstär-


ke I
Dies bedeutet, dass die Summe aus der Anzahl n
der Maschen m und der Anzahl der Knoten k im-
X
Rges D R1 C R2 C R3 C    C Rn D Ri ;
mer größer als die Anzahl zI der zu errechnenden i D1
Teilströme ist. Somit stehen mehr Gleichungen (4.30)
als zu lösende Variablen zur Verfügung. Die nicht 1 1 1 1 1
zur Lösung verwendeten Gleichungen werden D C C CC
Gges G1 G2 G3 Gn
sinnvollerweise zur Probe der errechneten Strom- n
werte eingesetzt.
X 1
D D Rges : (4.31)
i D1
Gi

4.1.7 Schaltung von Widerständen In einer Reihenschaltung ist der Gesamtwi-


derstand die Summe der Einzelwiderstän-
Reihenschaltung
de. Der Kehrwert des Gesamtleitwertes ist
Abb. 4.13 zeigt die Reihenschaltung von n Wi-
gleich der Summe der Kehrwerte der Ein-
derständen. Da keine Knoten vorhanden sind,
zelleitwerte.
kann keine Stromaufteilung erfolgen. Dies be-
deutet, dass bei einer Reihenschaltung die Strom-
stärke konstant bleibt, d. h., alle Bauelemente Parallelschaltung
werden von derselben Stromstärke durchlaufen. Abb. 4.14 zeigt die Parallelschaltung von Wi-
Die zugehörige Maschenregel (4.24) lautet derständen. Nach der Maschenregel muss in je-
dem Stromkreis dieselbe Spannung U abfallen.
U D U1 C U2 C U3 C    C Un ; Dies bedeutet, dass bei einer Parallelschaltung
U D R1 I C R2 I C R3 I C    C Rn I: die Spannung konstant bleibt, d. h., an jedem
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 249

Wird die gesamte Stromstärke I durch den Ge-


samtwiderstand Rges ausgedrückt, so erhält man

U
I D :
Rges

Somit ist
U U U U U
D C C C C
Rges R1 R2 R3 Rn

oder nach Division mit der konstanten Span-


nung U

I 1 1 1 1
D C C CC
Rges R1 R2 R3 Rn
n
X 1
D ; (4.32)
i D1
Ri
n
X
Gges D G1 C G2 C G3 C    C Gn D Gi :
Abb. 4.14 Gesamtwiderstand bei der Parallelschaltung i D1
(4.33)

Bauelement fällt dieselbe Spannung U ab. Das In einer Parallelschaltung ist der Kehrwert
vorliegende Netzwerk hat einen Knoten und n des Gesamtwiderstandes gleich der Summe
Maschen. der Kehrwerte der Einzelwiderstände. Dies
Knotenregel: hat zur Folge, dass der Gesamtwiderstand
kleiner als der kleinste Einzelwiderstand
I D I1 C I2 C I3 C    C In : (a) ist. Der gesamte Leitwert ist die Summe der
Einzelleitwerte.
Maschenregel:
U
U D I1 R1 ergibt I1 D ; (b) Beispiel 4.1-2
R1
U Gegeben seien die Widerstände einer Drei-
U D I2 R2 ergibt I2 D ; (c) ecksschaltung .RD / oder einer Sternschal-
R2
tung .RS / gemäß Abb. 4.15. Es sollen aus
U
U D I3 R3 ergibt I3 D ; (d) der Dreiecksschaltung die Sternwiderstän-
R3
de (Dreieck-Stern-Transformation) bzw. aus
und so fort bis der Sternschaltung die Dreieckswiderstän-
de (Stern-Dreieck-Transformation) errechnet
U
U D In Rn ergibt In D : (n C 1) werden. Wie groß sind die entsprechenden Wi-
Rn
derstände, wenn a) alle Widerstände gleich,
Werden die aus den Maschenregeln berechne- bzw. b) wenn RD12 D 100 , RD23 D 150 ,
ten Stromstärken I1 bis In (Gleichungen (b) bis RD31 D 200  und RS10 D 12 , RS20 D
(n C 1)) in die Formel für die Gesamtstromstärke 48 , RS30 D 72  sind?
I (a) eingesetzt, so ist
Lösung
U U U U a) Dreieck-Stern-Transformation für gleiche
I D C C CC :
R1 R2 R3 Rn Widerstände:
250 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.15 Dreieck-Stern-Schaltung (a) und Stern-Dreieck-Schaltung (b) für gleiche Widerstände

Für den Widerstand zwischen zwei Klem- erhält man folgenden Ausdruck für 2RS2
men (Abb. 4.15) gilt (4.41) bzw. (4.42):

RD .RD C RD / 2 RD23 .RD12 C RD31 /


2RS D D RD (4.34) RS2 C RS3 D (4.40)
3RD 3 RD12 C RD23 C RD31

oder
2RD12 RD23
RD 2RS2 D (4.41)
RS D und (4.35) RD12 C RD23 C RD31
3
RD12 RD23
RD D 3RS : (4.36) RS2 D : (4.42)
RD12 C RD23 C RD31
b) Dreieck-Stern-Transformation für unter-
Entsprechend gelten die Umrechnungs-
schiedliche Widerstände:
gleichungen
Dabei geht man folgendermaßen vor. Zu-
nächst bildet man die drei möglichen Sum- RD12 RD31
men zweier Sternwiderstände RS1 C RS2 RS1 D ; (4.43)
RD12 C RD23 C RD31
(4.37), RS1 C RS3 (4.38) und RS2 C RS3 RD23 RD31
(4.40). Wird (4.38) von (4.37) abgezogen, RS3 D : (4.44)
RD12 C RD23 C RD31
dann erhält man (4.39):
Für die drei Unbekannten RD12 , RD23 und
RD12 .RD23 C RD31 /
RS1 C RS2 D (4.37) RD31 gelten folgende Umrechnungsbezie-
RD12 C RD23 C RD31 hungen:
RD31 .RD12 C RD23 /
RS1 C RS3 D (4.38)
RD12 C RD23 C RD31 RS1 RS2
RD12 D RS1 C RS2 C ; (4.45)
RS3
RS2  RS3 D RS2 RS3
RD23 D RS2 C RS3 C ; (4.46)
RD12 RD23 C RD12 RD31  RD31 RD12  RD31 RD23 RS1
RD12 C RD23 C RD31 RS3 RS1
(4.39) RD31 D RS3 C RS1 C : (4.47)
RS2

Wird zu dieser Gleichung (4.40) addiert Mit den angegebenen Widerständen er-
(Eliminierung des Sternwiderstands RS3 ), rechnen sich die Sternwiderstände ((4.42)
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 251

bis (4.44)) zu
100  200
RS1 D  D 44;44 I
100 C 150 C 200
100  150
RS2 D  D 33;33 I
100 C 150 C 200
150  200
RS3 D  D 66;67 :
100 C 150 C 200
Für die Dreieckswiderstände gelten nach
(4.45) bis (4.47)
12  48
RD12 D 12  C 48  C 
72
D 68 I Abb. 4.16 Messbereichserweiterung eines Strommessers

48  72
RD23 D 48  C 72  C 
12 Daraus lässt sich der parallel zu schaltende Wi-
D 408 I derstand errechnen:
72  12
RD31 D 72  C 12  C  Ri
48 Rp D : (4.48)
D 102 : In
1
Ia

Spannungsmesser (Voltmeter)
4.1.8 Messbereichserweiterung
Um den Spannungsabfall in einem Stromkreis
Strommesser (Amperemeter) messen zu können, muss der Spannungsmesser
Um die Stromstärke in einem Stromkreis messen parallel zum zu messenden Spannungsabfall (Ne-
zu können, muss der Strommesser im Strom- benschluss) liegen. Der Innenwiderstand Ri des
kreis (Hauptschluss) liegen. Der Innenwiderstand Spannungsmessers muss möglichst groß sein, da-
Ri des Strommessers muss möglichst klein sein, mit möglichst wenig Strom durch das Voltmeter
damit die volle Spannung U0 am äußeren Wider- fließt und der ganze Strom durch Ra fließen kann.
stand Ra abfallen kann. Müssen Spannungen gemessen werden, die
Müssen Ströme gemessen werden, die den den Messbereich des Spannungsmessers über-
Messbereich des Strommessers überschreiten schreiten, so muss der die Höchstspannung über-
würden, so muss der überschüssige Stroman- steigende Teil der Spannung an einem Vorwider-
teil am Amperemeter vorbeigeleitet werden. Dies stand RV abfallen, verdeutlicht in Abb. 4.17. Die
bezweckt ein parallel geschalteter Widerstand neu zu messende Spannung wird mit Un und der
Rp (Shunt, Nebenwiderstand). Abb. 4.16 zeigt höchstmögliche Spannungsabfall im Voltmeter
die Schaltung zur Messbereichserweiterung eines mit Ua bezeichnet. Da sowohl der Vorwiderstand
Strommessers. Wird die neu zu messende Strom- RV als auch das Voltmeter von demselben Strom
stärke mit In und die höchstmögliche Stromstärke I durchflossen werden, gilt
durch das Amperemeter mit Ia bezeichnet, so
Un  Ua Ua
fließt durch den Parallelwiderstand Rp die Strom- I D D :
stärke In Ia . Da sich gemäß (4.23) bei der Paral- RV Ri
lelschaltung die Stromstärken umgekehrt wie die
Daraus ergibt sich der Vorwiderstand
Widerstände verhalten, gilt
 
Ia Rp Un
D : RV D Ri 1 : (4.49)
In  Ia Ri Ua
252 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.17 Messbereichserweiterung eines Spannungs-


messers

Beispiel 4.1-3 Abb. 4.18 Wheatstone’sche Brücke


a) Der Messbereich eines Amperemeters
(Ia D 10 mA; Ri D 0;5 ) soll auf 100 mA,
1 A, 10 A und 20 A und b) der Messbereich ei- b) Messbereichserweiterung des Voltmeters:
nes Voltmeters (Ua D 100 mV; Ri D 100 ) Nach (4.49) gilt im vorliegenden Fall
auf 1 V, 10 V, 100 V und 1 kV erweitert wer-  
den. Die entsprechenden Widerstände sind zu Un
RV D 100  1 :
ermitteln. 0;1 V

Erweiterung auf
Lösung
a) Messbereichserweiterung des Ampereme- 1 VW RV D 100   .10  1/
ters: D 900 I
Nach (4.48) gilt im vorliegenden Fall 10 VW RV D 100   .100  1/
D 9900 I
0;5 
Rp D : 100 VW RV D 100   .1000  1/
In
1
0;01 D 99:900 I
1 kVW RV D 100   .10:000  1/
Erweiterung auf
D 999:900 :
0;5 
100 mAW Rp D
10  1
D 0;055 I 4.1.9 Ausgewählte Messanordnungen
0;5 
1 AW Rp D Wheatstone’sche Brücke
100  1
Mit der Wheatstone’schen Brücke (C. W HEAT-
D 5;050  103 I STONE , 1802 bis 1875) lassen sich Ohm’sche
0;5  Widerstände bestimmen. Abb. 4.18 zeigt das
10 AW Rp D
1000  1 Schaltschema der Wheatstone’schen Brücke.
D 5;005  104 I Der zu messende Widerstand Rx wird zwi-
0;5  schen die Klemmen C und B eingesteckt. Der
20 AW Rp D Gleitkontakt wird auf einem Widerstandsdraht
2000  1
D 2;501  104 : zwischen A und B so lange verschoben, bis über
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 253

a b Wird (a) in (b) eingesetzt, so ergibt sich für die


gesuchte Teilspannung Ux
R2
Ux D U1 : (4.51)
R1 C R2
Dies bedeutet, dass sich die Gesamtspannung U1
im Verhältnis des Teilwiderstandes zum Gesamt-
widerstand aufteilt.
Im Belastungsfall fließt durch Ra der Strom Ia
und durch R2 nur noch die Stromstärke I  Ia .
Abb. 4.19 Potenziometerschaltung Da R2 und Ra parallel geschaltet sind, ist der Ge-
samtwiderstand
R2 Ra
die Brücke CD kein Strom mehr fließt. (Punkt D Rp D :
R2 C Ra
ist der Gleitkontakt.) Dann gilt die Maschenre-
gel (4.25) für Wird dieser in (4.51) eingesetzt, dann beträgt die
Masche ACD: Spannung Ux0
Rp
Rn I1  R1 I2 D 0 oder Rn I1 D R1 I2 : (a) Ux0 D U1
R1 C Rp
Masche CBD: oder
R2 Ra
Rx I1  R2 I2 D 0 oder Rx I1 D R2 I2 : (b) Ux0 D U1 : (4.52)
R1 R2 C Ra .R1 C R2 /
Durch Division von (b) und (a) erhält man Gleichung (4.52) geht in (4.51) über, wenn
R1 R2  Ra .R1 C R2 / ist, bzw. Ra 
Rx R2
D : R1 R2 =.R1 C R2 ). Dann ist der Strom Ia durch
Rn R1 den Außenwiderstand Ra vernachlässigbar.
Damit errechnet sich der gesuchte Widerstand zu
Beispiel 4.1-4
R2 Eine Spannungsquelle mit U1 D 24 V ist an
Rx D Rn : (4.50) einem Gesamtwiderstand von 8  angeschlos-
R1
sen. An einem Teilwiderstand von R2 D 1 
Potenziometerschaltung wird die Spannung Ux abgegriffen. Wie groß
Mit Hilfe der Schaltung entsprechend Abb. 4.19 ist sie im unbelasteten und im belasteten Zu-
wird eine Aufteilung der Gesamtspannung U1 in stand, wenn der äußere Widerstand a) gering
kleinere Teilspannungen möglich (Spannungstei- .Ra D 0;5 / bzw. wenn er b) hoch ist .Ra D
ler), indem ein Schleifkontakt den Gesamtwider- 100 /?
stand Rges in die Anteile R1 und R2 aufteilt (zur
technischen Ausführung s. Abb. 4.6). Für die ab- Lösung
gegriffene Spannung Ux ist es entscheidend, ob a) Geringer äußerer Widerstand Ra D 0;5 .
der Spannungsteiler unbelastet (Abb. 4.19a) oder Unbelasteter Zustand:
wegen des Stromflusses durch einen äußeren Wi- 1
Ux D 24 V D 3 V;
derstand Ra belastet ist (Abb. 4.19b). 8
Für den unbelasteten Fall gilt
belasteter Zustand:
U1 1  0;5
I D .a/ und Ux D R2 I: .b/ Ux0 D 24 V D 1;109 V:
R1 C R2 7  1 C 0;5  8
254 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.20 Schema der Kompensationsmethode

b) Hoher äußerer Widerstand Ra D 100 .


Unbelasteter Zustand: Abb. 4.21 Stromkreis mit Spannungsquelle (Urspannung
U0 und innerem Widerstand Ri ) und äußerem Verbrau-
unverändert Ux D 3 V; cherwiderstand Ra

belasteter Zustand:
4.1.10 Klemmenspannung und innerer
1  100 Widerstand
Ux0 D 24 V D 2;97 V:
7  1 C 100  8
Spannungsquellen erzeugen zwischen zwei
Der Wert der abgegriffenen Spannung Ux0 im Punkten (den Klemmen) eine Spannung (Klem-
belasteten Fall weicht bei einem großen äu- menspannung UKl ). Im Inneren der Spannungs-
ßeren Widerstand kaum vom unbelasteten Fall quellen findet eine Umwandlung in elektrische
ab (in diesem Beispiel lediglich um 1 %). Energie statt (z. B. bei galvanischen Elementen
von chemischer in elektrische Energie, Abb. 4.5).
Kompensationsmethode nach Poggendorf Die dadurch erzeugte Urspannung U0 , angelegt
Die nach J. C. P OGGENDORF (1796 bis 1877) be- an einen Stromkreis, führt zum Transport der
nannte Methode gestattet es, die „Urspannung“ Ladungsträger.
U0 von solchen Spannungsquellen zu ermitteln, Wegen des inneren Widerstandes Ri der Span-
deren Spannung mit steigendem Stromdurch- nungsquellen selbst (z. B. Widerstand der Elek-
fluss absinkt (z. B. bei galvanischen Elementen, trolytflüssigkeit bei einem galvanischen Element)
Abb. 4.5 und Abschn. 4.2). Dies geschieht da- fällt ein Teil der Urspannung als innerer Span-
durch, dass der Stromfluss durch eine entge- nungsabfall Ui D Ri I bereits in der Spannungs-
gengesetzt gleich große Spannung „kompensiert“ quelle ab, wie es Abb. 4.21 verdeutlicht. Damit
wird (daher der Name Kompensationsmethode). steht zum Abfall an einem Verbraucherwider-
Abb. 4.20 zeigt die zugehörige Schaltung. Eine stand nur noch die Klemmenspannung UKl zur
Spannungsquelle mit der Spannung U wird mit Verfügung:
den gleichen Polen über einen Spannungsteiler UKl D U0  Ui ; (4.54)
an die zu messende Urspannung U0 angeschlos- UKl D U0  Ri I: (4.55)
sen. Ein Schleifkontakt wird so verschoben, dass
der Stromkreis mit der Urspannung U0 stromlos Aus (4.55) ist ersichtlich, dass die Klemmen-
wird (I0 D 0). Dann fällt am Teilwiderstand Rx spannung UKl umso kleiner wird, je größer die
die Spannung U0 ab, sodass gilt U0 D Rx I . Mit Stromstärke I ist. Diese errechnet sich nach dem
I D U=R erhält man Ohm’schen Gesetz zu
Rx U0
U0 D U: (4.53) I D : (4.56)
R Ri C Ra
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 255

Eingesetzt in (4.55) erhält man für die Klemmen-


spannung
U0 Ra
UKl D : (4.57)
Ri C Ra

Hieraus lässt sich der innere Widerstand einer


Spannungsquelle berechnen: Abb. 4.22 Reihenschaltung von Spannungsquellen

 
U0
Ri D Ra 1 : (4.58) Widerstand R die Parallelschaltung vorteilhaft.
UKl a
Am Beispiel gleich großer Spannungselemente
Beispiel 4.1-5 seien die Zusammenhänge erläutert.
Eine Autobatterie hat eine Urspannung von
12,6 V und einen inneren Widerstand Ri D Reihenschaltung
120 m. Der Zuleitungswiderstand zum An- Werden n Spannungsquellen in Reihe geschaltet,
lasser beträgt 10 m. Zum Anlassen wird eine wie es Abb. 4.22 zeigt, so addieren sich die Ur-
Stromstärke von 60 A benötigt. Wie groß ist spannungen zu nU0 und die inneren Widerstände
beim Beginn des Anlassens die Klemmen- zu nRi . Damit erhält man nach (4.56) für die
spannung an der Batterie und am Anlasser Stromstärke I
sowie der Verbraucherwiderstand Ra ? nU0
I D : (4.59)
Ra C nRi
Lösung
Für die Klemmenspannung gilt nach (4.55) Ist Ra klein im Vergleich zu Ri , so kann der äu-
ßere Widerstand vernachlässigt werden. Dann ist
UKl D U0  Ri I: I D U0 =Ri , d. h., die Stromstärke ist nur so
Ri D 0;12  für Batterieklemmen: groß wie bei einem einzigen Spannungselement
UKl D 12;6 V  0;12 :60 A D 5;4 VI und die Schaltung bietet keinen Vorteil. Ist dage-
gen Ra vergleichsweise zu nRi groß, so ist I D
Ri D 0;13  für Anlasserklemmen:
nU0 =Ra , d. h. die Stromstärke wird proportional
UKl D 12;6 V  0;13   60 A D 4;8 V: zur Anzahl der Spannungsquellen vergrößert.

Aus (4.56) folgt für den äußeren Verbraucher- Parallelschaltung


widerstand Werden n Spannungsquellen gemäß Abb. 4.23
parallel geschaltet, so ist die Urspannung zwar
U0 12;6
Ra D  Ri D   0;13  gleich der eines einzelnen Elementes, aber
I 60
der gesamte Innenwiderstand vermindert sich
D 0;08 :
auf Ri =n. Damit beträgt die Stromstärke I
nach (4.56)
4.1.11 Schaltung von U0
Spannungsquellen I D : (4.60)
Ri
Ra C
n
Soll die Stromstärke durch einen Stromkreis
möglichst groß werden, so können Spannungs- Bei einem großen Verbraucherwiderstand Ra im
elemente in Reihe oder parallel geschaltet wer- Vergleich zum inneren Widerstand Ri ist Ri =n
den. Ausschlaggebend ist der äußere Widerstand. vernachlässigbar klein, sodass die Stromstärke
Bei einem großen äußeren Widerstand Ra ist die nur so groß ist wie bei einem einzigen Span-
Reihenschaltung und bei einem kleinen äußeren nungselement und die Schaltung bietet keinen
256 4 Elektrizität und Magnetismus

b) Parallelschaltung und c) bei der Gruppen-


schaltung 2  5 sowie 5  2? Bei welcher Schal-
tung ist die Stromstärke am größten?

Lösung
Abb. 4.23 Parallelschaltung von Spannungsquellen a) Reihenschaltung.
Nach (4.59) gilt

10  1;5
I D A D 2;14  104 A:
80 C 10  7000

b) Parallelschaltung.
Nach (4.60) gilt

1;5
I D A D 1;92  103 A:
7000
80 C
10
c) Gruppenschaltung 2  5.
Nach (4.61) gilt

2  1;5
I D A D 1;04  103 A:
2  7000
Abb. 4.24 Gruppenschaltung von Spannungsquellen 80 C
5
Gruppenschaltung 5  2.
Vorteil. Ist dagegen Ra vergleichsweise vernach- Nach (4.61) gilt
lässigbar zu Ri =n, dann steigt die Stromstärke
um das n-fache an. 5  1;5
I D A D 4;27  104 A:
5  7000
80 C
Gruppenschaltung 2
Werden n Spannungsquellen hintereinander und
m solcher Reihen parallel geschaltet, so liegt eine Die Stromstärke bei der Parallelschaltung ist
Gruppenschaltung vor. Abb. 4.24 zeigt das Prin- am größten .Ra  Ri /.
zip. Die gesamte Urspannung beträgt dann nU0
und der gesamte innere Widerstand nRi =m. Da- Beispiel 4.1-7
mit ist die Stromstärke I nach (4.56) Für eine Gruppenschaltung soll die Stromstär-
ke maximiert werden. Gegeben ist die Ge-
nU0 samtanzahl z D mn Elemente.
I D : (4.61)
nRi
Ra C
m Lösung
Nach (4.61) gilt
Beispiel 4.1-6
Zehn Trockenbatterien mit einer Nennspan- nU0 z
I D ; da n D I
nung von je 1,5 V und einem Innenwiderstand nRi m
Ra C
von Ri D 7 k werden an einen Verbrau- m
cher mit Ra D 80  angeschlossen. Wie groß z mU0
I D 2 :
ist die Stromstärke bei a) Reihenschaltung, m Ra C zRi
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 257

Für eine maximale Stromstärke gilt

dI
D0
dm
.m2 Ra C zRi / zU0  z mU0 .2mRa /
D :
.m2 Ra C zRi /2

Da der Nenner ungleich 0 ist, kann mit diesem


die Gleichung multipliziert werden, sodass nur
noch der Zähler gleich 0 übrig bleibt:

.m2 Ra C zRi /zU0  z mU0 .2mRa / D 0;


Abb. 4.25 Verlauf der Stromstärke in Abhängigkeit von
m2 zRa U0 C z 2 Ri U0  2m2 zRa U0 D 0 j W zU0 ; der Anzahl m parallel geschalteter Spannungsquellen für
U0 D 2 V
m2 Ra C zRi  2m2 Ra D 0;
m2 Ra D zRi ;
Die Einheit ist 1 V A D 1 W (Watt). Gebräuch-
s
Ri
mD z : lich ist auch die Einheit kW D 103 W.
Ra
Mit Hilfe des Ohm’schen Gesetzes kann die
Leistung in weiteren Schreibweisen dargestellt
Setzt man für z D mn, so gilt m2 Ra D mnRi werden. In Tab. 4.3 sind die mit der elektrischen
oder Leistung P zusammenhängenden Gleichungen
m Ri für U; R und I zusammengestellt.
D : Die Arbeit ist definiert als Produkt aus Leis-
n Ra
tung und Zeit:
Das Maximum der Stromstärke ist von der Ur-
W D P t: (4.63)
spannung unabhängig. Für Ri D 1;2 ; Ra D
0;3  und z D mn D 64 gilt Dies bedeutet, dass alle Gleichungen in Tab. 4.3
s für die elektrische Arbeit entsprechend (4.63)
1;2 anwendbar sind. Wird für P das Produkt UI ge-
m D 64 D 16 und n D 4: setzt, so erhält man
0;3
W D UI t: (4.64)
Abb. 4.25 zeigt den Verlauf der Stromstärke in
Abhängigkeit von der Anzahl m der parallel Die Umrechnung mit dem Ohm’schen Ge-
geschalteten Spannungselemente. Wie bereits setz (4.20) und (5) in Tab. 4.3 ergibt
ermittelt, liegt das Maximum der Stromstärke
bei m D 16. W D RI 2 t; (4.65)
2
U
W D t: (4.66)
R
4.1.12 Elektrische Leistung und
Da I t D Q ist, kann (4.64) auch geschrieben
elektrische Arbeit
werden
Wie bereits in Abschn. 4.1.3 erläutert, ist die W D UQ: (4.67)
Spannung U über die abgegebene Leistung defi-
niert (4.10), sodass man für die Leistung schreibt Es sei darauf hingewiesen, dass die Beziehungen
für die elektrische Leistung bzw. Arbeit, in de-
P D UI: (4.62) nen die Stromstärke I vorkommt, nur dann gültig
258 4 Elektrizität und Magnetismus

Tab. 4.3 Gleichungen zur elektrischen Leistung


Elektrische Leistung P Spannung U Widerstand R Stromstärke I
U U
P D UI (4.62) U D RI (4.20) RD (4.19) I D (7)
I R
U2 P U2 P
P D (1) U D (3) RD (5) I D (8)
R I P rU
p P P
P D I 2R (2) U D RP (4) RD 2 (6) I D (9)
I R

sind, wenn die Stromstärke I konstant ist. In Der Strom steigt in 0,3 s von 0 auf 1,5 A und
diesem Fall ist die abgegebene Arbeit W propor- bleibt dann konstant. Wie groß ist die elektri-
tional zur Zeit, sodass die Leistung P konstant sche Arbeit nach 0,3 s und nach 1 s? – Wird
ist. Fließt dagegen keine konstante Stromstärke, die abgegebene Leistung bei 0,5 A, 1 A und
so muss die Momentanleistung bestimmt werden, 1,5 A nach den Beziehungen P D UI oder
die als Differenzialquotient der Arbeit W nach P D I 2 =R berechnet, so ergeben sich teilwei-
der Zeit t definiert ist (vgl. dazu die Ausführun- se unterschiedliche Werte. Warum treten diese
gen in der Mechanik, Abschn. 2.6.2, (2.70)): Abweichungen auf und welche Gleichung be-
schreibt die Leistungsabgabe richtig?
dW
P .t/ D : (2.70) Anmerkung: Der zeitlich lineare Stroman-
dt
stieg ist eine Vereinfachung. Der exakte Ver-
Daraus ergibt sich lauf ist durch (4.285) in Abschn. 4.5.3.2 gege-
Z ben.
W D P .t/dt (4.68)
Lösung
und mit P D UI.t/ a) Arbeit innerhalb t D 0;3 s.
Z Da die Stromstärke bis zur Zeit t D 0;3 s
W D UI.t/dt: (4.69) stetig zunimmt, muss (4.69) angewendet
werden:
Die elektrische Arbeit hat die Einheit V A s D Z0;3 s
W s D N m D J. Damit ist die Gleichheit der Wel D UI.t/dt mit I.t/ D kt
elektrischen und der mechanischen Arbeit her- 0
gestellt, die es direkt gestattet, elektrische Grö- .k: Konstante/:
ßen in mechanische umzurechnen. Gebräuchlich Damit gilt
als Einheit für die elektrische Arbeit ist auch
1 kW h D 3;6  106 W s (N m oder J). Z0;3 s
1 s
Die Arbeit des elektrischen Stroms besteht Wel D U ktdt D U kt 2 j0;3
0 : (a)
2
sehr häufig in der Reibungsarbeit der fließen- 0
den Ladungsträger (Elektronen), die Stromwär-
me oder Joule’sche Wärme erzeugen. Die engen Für die Konstante ergibt sich
Beziehungen zwischen Wärme und elektrischer I 1;5 A
Leitfähigkeit sind in Abschn. 9.3.2 (thermoelek- kD D ;
t 0;3 s
trische Effekte) ausführlich beschrieben.
Die Zusammenhänge zwischen elektrischer in (a) eingesetzt ergibt
Arbeit, elektrischer Feldstärke E und der elek- 1 1;5
trischen Kraft Fel sind in Abschn. 4.3 hergeleitet. Wel D  12   0;32 V A s D 2;7 W s:
2 0;3
Beispiel 4.1-8 b) Arbeit innerhalb t D 1 s.
An einer Spule mit einem Widerstand von Von 0,3 s bis 1 s, d. h. 0,7 s lang fließt
8  liegt eine konstante Spannung von 12 V. der konstante Strom von 1,5 A. Dann gilt
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen 259

nach (4.64)

Wel D UI t D 12  1;5  0;7 V A s


D 12;6 W s:

Insgesamt beträgt die elektrische Arbeit


dann

Wel D 2;7 W s C 12;6 W s D 15;3 W s:

c) Leistungsberechnung.

0;5 A W P D I 2 R D 2 WI
P D UI D 6 WI
1A W P D I 2 R D 8 WI
P D UI D 12 WI
Abb. 4.26 Schaltung zu Ü 4-1
1;5 A W P D I 2 R D 18 WI
P D UI D 18 W:

Die gesamte Leistungsabgabe wird durch 4.2 Ladungstransport in


die Beziehung P D UI ermittelt. Die Flüssigkeiten und Gasen
Gleichung P D I 2 R beschreibt lediglich
die Leistungsabgabe in Form von Wärme 4.2.1 Ladungstransport in
(Wärmeleistung). Die Leistungsdifferenz Flüssigkeiten
P D UI  I 2 R wird zum Aufbau eines
Magnetfeldes in der Spule verwendet (Ab- Die Leitungsvorgänge in Flüssigkeiten gehören
schn. 4.4.2). zu den komplizierten Gebieten der physikali-
schen Chemie, speziell der Elektrochemie. In die-
sem Abschnitt sollen nur die wichtigsten Erschei-
4.1.13 Zur Übung nungen und die einfachsten Gesetze beschrieben
werden.
Ü 4-1 Für den in Abb. 4.26 angegebenen
„Stromkreis“ sind der Gesamtwiderstand, die 4.2.1.1 Dissoziation und Elektrolyse
zum Mittelpunkt M führenden Teilströme I1M ;
In metallisch leitenden Festkörpern bewegen
I2M und I3M sowie der gesamte Leistungsver-
sich beim Stromdurchgang Elektronen. Im Un-
brauch zu bestimmen.
terschied dazu wandern in Flüssigkeiten Ionen,
Ü 4-2 Bei einer Heizwicklung soll zur Werk- dies sind positiv oder negativ geladene Atome
stoffauswahl der spezifische Widerstand ermittelt oder Moleküle. Diese Ladungsträger entstehen
werden. Die Wicklung ist 5 m lang, 0,15 mm dick dadurch, dass sich Salze, Säuren oder Laugen
(Durchmesser) und muss bei einer Spannung von beim Eintragen in Lösungsmitteln in positiv oder
230 V eine Stromstärke von 3 A tragen können. negativ geladene Moleküle aufspalten: sie disso-
ziieren.
Ü 4-3 Zwei gleichnamig geladene Kugeln mit Die Ladungsträger eines Salzes (Kupfersulfat,
der Masse m D 2 g hängen an einem als masselos CuSO4 ), einer Säure (Salzsäure, HCl) und ei-
zu betrachtenden Faden mit der Länge l D 75 cm ner Lauge (Natronlauge, NaOH) sind in Tab. 4.4
und sind wegen der Wirkung der abstoßenden aufgeführt. Die Ionen tragen elektrische Elemen-
Kraft s D 25 cm voneinander entfernt. Wie groß tarladungen entsprechend ihrer chemischen Wer-
ist die Ladung Q der Kugeln? tigkeit.
260 4 Elektrizität und Magnetismus

Tab. 4.4 Dissoziation (Beispiele)


Stoff Kation Anion
CuSO4 Cu2C SO2
4
HCl HC Cl
NaOH NaC OH

Abb. 4.28 Elektrolyse (schematisch)

Für eine metallische Anode gilt


Abb. 4.27 Hydratisierung von Ionen

Me ! MeC C e :
Bei der Dissoziation in Wasser schieben sich Dies bedeutet: Das Metall löst sich an der Anode
die Wassermoleküle durch ihr anisotropes Dipol- auf und geht in Lösung. An der Kathode findet
moment (Beispiel 4.1-1 und Abb. 4.3) zwischen dagegen durch Elektronenaufnahme immer eine
die Ionen und ordnen sich um diese an, etwa wie Reduktion statt. Bei dem genannten Beispiel wird
es Abb. 4.27 zeigt. Die Ionen sind in diesem Fall das Metallion zum Metall reduziert:
hydratisiert, d. h. von einer Wolke von Wasserdi-
polen umgeben. MeC C e ! Me:
Da die positiven Ionen zur Kathode (Minus-
pol) wandern, werden sie Kationen genannt, im In diesem Fall wird das Metall an der Kathode
Gegensatz zu den Anionen, die zur Anode (Plus- abgeschieden.
pol) wandern. Elektrisch leitende Lösungen, die Die Elektrolyse spielt in der Technik bei dem
aus Kationen und Anionen bestehen, heißen Elek- Aufbringen von Metallüberzügen, dem Galvani-
trolyte. sieren (nach L. G ALVANI, 1737 bis 1798), eine
Werden zwei Elektroden (Kathode und An- wichtige Rolle. Die häufigsten galvanischen Me-
ode) gemäß Abb. 4.28 in einen Elektrolyten ge- tallüberzüge bestehen aus Chrom, Nickel, Cad-
taucht und an eine Spannungsquelle angeschlos- mium, Gold und Silber. Sie dienen vor allem zur
sen, dann findet eine elektrolytische Stromleitung Erhöhung der mechanischen (Hartverchromen)
statt (Elektrolyse). Sie unterscheidet sich von der oder chemischen Widerstandsfähigkeit (Verni-
metallischen Leitung sehr wesentlich, weil zu- ckeln von Eisen), zur Verbesserung der elektri-
sammen mit den Ionen nicht nur Elementarla- schen Leitfähigkeit (Vergolden oder Versilbern
dungen, sondern auch Materie transportiert wird. von Kontakten) oder aber auch nur zur Verschö-
Grundsätzlich laufen an den Elektroden folgende nerung. Selbst auf Kunststoffen können galvani-
Reduktions- bzw. Oxidationsprozesse, die Re- sche Überzüge abgeschieden werden (Galvano-
doxreaktionen, ab: plastik).
An die Anode werden vom Elektrolyten Elek- Auch zur Metallgewinnung werden elektro-
tronen abgegeben; es findet eine Oxidation statt. lytische Verfahren eingesetzt. In diesem Fall
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen 261

verwendet man eine unlösliche Anode und ei- dung je transportiertem Molekül ze (e ist die
ne Metallsalzlösung dient als Elektrolyt. An Elementarladung) errechnen:
der Kathode wird dann das sehr reine Metall
(99,9 %) abgeschieden. Ein spezielles Verfahren Q It
N D D : (4.71)
zur Metallgewinnung auf diesem Wege ist die ze ze
Schmelzfluss-Elektrolyse. Hierbei werden nied- Mit (4.70) und (4.71) gilt für die Masse in Abhän-
riger schmelzende Metallgemische erschmolzen gigkeit der transportierten Ladung m D nM D
und aus dieser Schmelze das Metall an der Ka- Q=.zeNA /M ,
thode elektrolytisch abgeschieden. Bei Alumi-
nium besteht die Schmelze aus Aluminiumoxid M
mD I t: (4.72)
(Al2 O3 ) in geschmolzenem Kryolith (Na3 AlF6 ). zNA e
Der Schmelzpunkt für Al2 O3 ist 2000 ı C; durch
das Zusatzmittel Kryolith wird er auf 935 ı C Dies ist das erste Faraday’sche Gesetz:
herabgesetzt. Auf diese Weise werden außer Alu-
minium auch Magnesium, Beryllium und Cer
gewonnen. Die Masse m des abgeschiedenen Stoffes
Außerdem setzt man die Elektrolyse ein, um ist nur der transportierten Ladungsmenge
aus Wasser Knallgas oder Wasserstoff herzustel- Q D I t proportional. Sie hängt weder von
len oder um Ätznatron bzw. Ätzkali zu gewinnen. der Geometrie der Elektroden noch von der
An der Anode können auch Oxidschichten Konzentration des Elektrolyten ab.
abgeschieden werden (anodische Oxidation). Be-
sondere Anwendung findet dies beim Eloxalver-
fahren (elektrolytisch oxidiertes Aluminium), in Aufgrund des ersten Faraday’schen Gesetzes
dem der anodisch gepolte Aluminiumkörper mit ist es möglich, die Stromstärke I bzw. die elektri-
einer einfärbbaren korrosionsbeständigen Oxid- sche Ladung Q durch die abgeschiedenen Stoff-
haut überzogen wird. mengen zu messen (Voltameter nach A. VOL -
Beim elektrolytischen Polieren (z. B. von Alu- TA, 1745 bis 1827, bzw. Coulombmeter nach
minium und Edelstahl) wird das Metall anodisch A. C OULOMB, 1736 bis 1806). Für Silber gilt
so abgetragen, dass besonders glatte Oberflächen Ä D 1;11817 mg=.A s/. Dies bedeutet, dass bei
entstehen. In einem fertigungstechnischen Ver- einer Stromstärke von 1 A in 1 s m D 1;11817 mg
fahren können auch elektrolytisch feinste Löcher Silber abgeschieden werden (frühere Definition
gebohrt (Elektroerosion) oder gezielt Bohrlöcher des Ampere als Einheit der Stromstärke).
entgratet werden. Weiterhin gelten folgende Definitionen:
Das Produkt aus Avogadro-Konstante NA und
4.2.1.2 Faraday’sche Gesetze Elementarladung e wird Faraday-Konstante F
Die beiden Faraday’schen Gesetze (M. FARA - genannt:
DAY, 1791 bis 1867) beschreiben den Zusam-
menhang zwischen transportierter Masse und F D NA e D 96:485 A s=mol: (4.73)
Ladung. Die transportierte Masse wird durch das
Das elektrochemische Äquivalent Ä ist definiert
Produkt aus der Stoffmenge n und der Molmasse
als
M bestimmt: m D nM . Die Molzahl n errechnet
sich aus der Molekülanzahl N dividiert durch die M m
Avogadro-Konstante NA : ÄD D : (4.74)
zF Q
N
nD : (4.70) Das elektrochemische Äquivalent Ä hat die Ein-
NA
heit kg/(A s) und gibt an, wie viel kg eines
Die Molekülanzahl N lässt sich auch aus dem Stoffes bei einer Stromstärke von 1 A in 1 s abge-
Quotienten aus transportierter Ladung Q und La- schieden werden. Gemäß (4.74) ist die Masse m
262 4 Elektrizität und Magnetismus

Tab. 4.5 Elektrochemische Daten einiger Elemente


Molmasse
Element Wertigkeit Molmasse elektrochemisches Faraday-
Wertigkeit Äquivalent Konstante
g g g As
103
mol mol As mol
Wasserstoff 1 1,00797 1,00797 0,01046 96.364
Sauerstoff 2 15,9994 7,9997 0,08291 96.487
Aluminium 3 26,9815 8,9938 0,09321 96.490
Eisen 3 55,847 18,616 0,19303 96.441
Nickel 2 58,71 29,355 0,30415 96.515
Kupfer 2 63,54 31,77 0,32945 96.433
Zink 2 65,37 32,685 0,33875 96.487
Silber 1 107,870 107,870 1,11817 96.470
Zinn 4 118,69 29,673 0,30755 96.482
Platin 4 195,09 48,773 0,50588 96.412

proportional zur Molmasse M; aber umgekehrt


proportional zur Wertigkeit z (Anzahl der Ele-
mentarladungen), sodass gilt

m1 M1 M2 Ä1
D W D : (4.75)
m2 z1 z2 Ä2

Somit lautet das zweite Faraday’sche Gesetz:

Die von gleichen Elektrizitätsmengen ab-


geschiedenen Massen (elektrochemische
Äquivalente) verhalten sich wie die Mol- Abb. 4.29 Elektrische Doppelschicht (schematisch)
massen je Wertigkeit.

Metallionen in Lösung gehen, umso größer wird


die Gegenkraft des elektrischen Feldes der Dop-
In Tab. 4.5 sind die Wertigkeiten, die Mol-
pelschicht, bis der Lösungsprozess zum Stillstand
massen, die Molmassen je Wertigkeit und die
kommt. Die dann erreichte Spannung zwischen
elektrochemischen Äquivalente angegeben. Zur
Metall und Elektrolyt wird Urspannung genannt.
Kontrolle wurde in der letzten Spalte aus den
Sie kann nur mit einer zweiten Elektrode gemes-
Zahlenwerten (Division der Molmasse je Wertig-
sen werden. Üblicherweise wird als Bezugselek-
keit mit dem elektrochemischen Äquivalent) die
trode die Standardwasserstoffelektrode (SWE)
Faraday-Konstante errechnet.
gewählt. Abb. 4.30 zeigt eine Ausführung. Sie be-
4.2.1.3 Elektrochemische steht aus einem Platinblech, das in eine wässrige
Spannungsquellen Lösung von H3 OC -Ionen taucht und gleichzeitig
Wird ein Metall in einen Elektrolyten getaucht, von Wasserstoffgas umspült wird. Das Potenzi-
so gibt es – wie im vorhergehenden Abschnitt al dieser Elektrode wird willkürlich gleich null
an einer Anodenreaktion gezeigt – positive Io- gesetzt. Mit dieser Anordnung misst man die
nen ab. Dadurch entsteht, wie Abb. 4.29 zeigt, elektrochemische Spannungsreihe der Metalle.
eine elektrische Doppelschicht zwischen positi- Tab. 4.6 zeigt die elektrochemische Spannungs-
vem Elektrolyt und negativer Elektrode. Je mehr reihe der wichtigsten Metalle (bei 25 ı C). Im
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen 263

Tab. 4.6 Elektrochemische Spannungsreihe der Metalle


Metall Spannung U in V
Li/LiC 3;02
Cs/CsC 2;92
K/KC 2;92
Ca/Ca2C 2;84
Na/NaC 2;71
Mg/Mg2C 2;38
Al/Al3C 1;66
Mn/Mn2C 1;05
Zn/Zn2C 0;76
Fe/Fe2C 0;44
Cd/Cd2C 0;40
Ni/Ni2C 0;25
Abb. 4.30 Standardwasserstoffelektrode Sn/Sn2C 0;136
Pb/Pb2C 0;126
H/HC ˙0
oberen Teil sind die Metalle mit negativem (d. h. Cu/Cu2C C0;34
Elektronen werden abgegeben) und im unteren Cu/CuC C0;52
Hg/Hg2C C0;798
Teil mit positivem elektrochemischen Potenzial 2
Ag/AgC C0;80
(Abschn. 4.3.4) zusammengestellt.
Hg/Hg2C C0;854
Tauchen zwei unterschiedliche Metalle in den-
Pt/Pt2C C1;2
selben Elektrolyt, dann entsteht zwischen ihnen Au/AuC C1;42
eine Spannung, die gleich der Potenzialdiffe- Au/Au3C C1;5
renz der elektrochemischen Einzelpotenziale ist.
So gilt beispielsweise für eine Kombination von
Zink und Kupfer U D UCu  UZn D 0;34 
.0;76/ V D 1;1 V. Solche Kombinationen wer-
den galvanische Zellen genannt. Sie liefern Strom
aufgrund des umgekehrten Vorgangs der Elektro-
lyse. Mehrere zusammengeschaltete galvanische
Zellen ergeben eine Batterie.
Abb. 4.31 zeigt eine Einteilung der galvani-
schen Elemente. In ihnen findet immer eine Um-
wandlung von chemischer in elektrische Energie
statt. Ist diese Umwandlung nicht mehr rück- Abb. 4.31 Einteilung der galvanischen Elemente
gängig zu machen (nicht aufladbar), wird von
Primärelementen gesprochen, ist dagegen eine
Rückwandlung möglich (wieder aufladbar), so Aufgrund der elektrochemischen Spannungs-
liegen Sekundärelemente (Akkumulatoren) vor. reihe (Tab. 4.6) sind eine Vielzahl von Primär-
Im Unterschied zu galvanischen Zellen befin- elementen denkbar. Die in der Praxis am häu-
den sich in Brennstoffzellen die Reaktionspart- figsten eingesetzten chemischen Systeme zeigt
ner nicht in derselben Zelle, sondern werden als Abb. 4.32. Es sind die zugehörigen chemischen
Brennstoffe von außen zugeführt. Zudem kommt Reaktionen beschrieben und folgende wichtige
es in den Zellen nicht zu einer Abscheidung von Kenngrößen gegenübergestellt: volumen- bzw.
festen Reaktionsprodukten. Die Brennstoffzellen gewichtsbezogene Energiedichte in W h=l bzw.
werden den Primärelementen zugerechnet. in W h=kg, Nennspannung in V und Strombelas-
264 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.32 Primärelemente (Werkfotos: Sonnenstein und VARIA)


4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen 265

Abb. 4.32 (Fortsetzung)

tung in mA=cm2 . Ferner sind die wichtigsten Lithium) oxidiert (Freisetzung von Elektronen)
Einsatzgebiete aufgeführt sowie der Aufbau und und eine oxidische Metallverbindung (Mangan-,
die Ausführung einiger galvanischen Zellen ge- Silber-, Quecksilberoxid) als positive Elektrode
zeigt. (Kathode) reduziert. Für Primärelemente sind die
Wie Abb. 4.32 zu entnehmen ist, liegt bei den Normen DIN EN 60 086-1 bis -05 maßgebend.
Primärelementen der Schwerpunkt bei den Zink- Eine wichtige Vergleichsgröße sind die vo-
und Lithium-Systemen. Die chemische Reakti- lumen- bzw. gewichtsbezogenen Energiedichten.
on, die den elektrischen Strom erzeugt, ist trotz Hierbei wird deutlich, dass das Leclanché-Sys-
unterschiedlicher Reaktionspartner grundsätzlich tem den niedrigsten Wert hat und die alkali-
immer dieselbe: An der negativen Elektrode (An- schen Zink/Luft- sowie die Lithium-Systeme die
ode) wird ein Metall (in diesem Fall Zink oder höchsten Energiedichten aufweisen. Eine Fülle
266 4 Elektrizität und Magnetismus

weiterer Einflussgrößen, wie z. B. Selbstentla- elektronischen Geräten (z. B. Handy, Minicom-


dung, Materialpreis und Herstellkosten, erklären puter, PDA).
die Typenvielfalt der Primärelemente und ihre Für die Energieversorgung mit höheren Strö-
unterschiedlichen Einsatzbereiche. So sind bei- men wurden wiederaufladbare Lithium-Batterien
spielsweise Silber- und Lithium-Systeme vom entwickelt, bei denen dünne Folien zu Rollen
Materialpreis her über 100-mal teurer als die gewickelt werden. Diese Rundzellen versorgen
Zink/Braunstein-Elemente. Deshalb finden für größere tragbare Geräte mit Energie (z. B. Lap-
den gewöhnlichen Batterieeinsatz (Taschenrech- tops und Notebooks). Aufgrund der hohen Ener-
ner, Radios, Taschenlampen, Spielgeräte u. a.) die giedichte und des niedrigen Innenwiderstands
preiswerten Leclanché-Elemente Verwendung. müssen sie durch eine Schutzelektronik geschützt
Die teuren Silber- und Lithium-Systeme sind werden. Diese verhindert Tiefentladung, Überla-
für spezielle Anwendungsfälle geeignet, z. B. dung und Kurzschlüsse.
das Zink/Silberoxid-System für Armbanduhren Besonders interessant sind wiederaufladbare
und Hörgeräte. Die Lithium/Braunstein-Elemen- Lithium-Batterien, bei denen die Folien zu Sta-
te werden wegen ihrer hohen Energiedichte, ihrer peln laminiert werden. Sie verbinden die hohe
Auslaufsicherheit und des großen Temperaturbe- Belastbarkeit mit einer großen Flexibilität in der
reiches (von 40 ı C bis C70 ı C) in Kameras, Formgebung. So lassen sich optimale Ausnut-
Computern und medizinischen Geräten bevor- zungen der Gerätegehäuse und damit maximale
zugt eingesetzt. Einem ganz speziellen Verwen- Betriebszeiten erzielen.
dungszweck dient die Lithium/Thionylchlorid- Auch in Zukunft steht zu erwarten, dass Li-
Batterie als Stromlieferant für den Herzschritt- thium-Batterien weitere Bereiche der Anwendun-
macher. gen erobern werden. Das bezieht sich besonders
In den letzten Jahrzehnten gewannen Lithium- auf ultradünne Batterien in intelligenten Chip-
Batterien immer mehr an Bedeutung. Sie be- Karten und gedruckte Batterien für Etiketten.
stechen durch ihre hohe Energiedichte. Lithium- Bei den wiederaufladbaren galvanischen Ele-
Batterien gibt es sowohl als primäre als auch menten (Sekundärelemente oder Akkumulatoren)
als sekundäre Systeme. Sie können in einem we- spielen in der technischen Anwendung vor allem
sentlich weiteren Temperaturbereich eingesetzt die bewährten Blei (Pb/PbO2 )- und die Stahl-
werden als Batterien mit wässrigen Elektrolyten akkumulatoren in der Kombination Ni/Fe oder
(typisch 30 ı C bis 100 ı C). Fe/Cd eine wichtige Rolle. In Abb. 4.33 sind sie
Die ersten in Massenproduktion hergestellten vergleichend gegenübergestellt. Wie viele Lade-
Lithium-Batterien waren primäre Rundzellen in und Entladezyklen ein Akkumulator unbeschadet
Wickeltechnik. Sie haben eine sehr hohe Strom- überstehen kann, ist besonders wichtig für die Le-
belastbarkeit und werden vorwiegend in Foto- bensdauer der wiederaufladbaren Systeme.
apparaten für Blitze und Winder, aber auch in In Abb. 4.33 sind außerdem die Einsatzbe-
digitalen Kameras eingesetzt. reiche der Akkumulatortypen angegeben sowie
Primäre Lithium-Rundzellen in Massentech- deren Aufbau gezeigt. Alle Systeme können als
nologie (analog zu Alkali-Mangan-Batterien) ha- offene oder als geschlossene (gasdichte) Ausfüh-
ben eine wesentlich geringere Strombelastbar- rungen verwendet werden. So ist beispielsweise
keit, aber eine höhere Kapazität, d. h. Laufzeit. außer dem als Starterbatterie bekannten Blei-
Dadurch sind sie für Langzeitanwendungen mit Akkumulator (Abb. 4.33a) auch eine gasdich-
geringen Strömen prädestiniert (z. B. Heizkosten- te Ausführung in zylindrischer Form abgebildet
zähler). (Abb. 4.33b). Bei ihr befindet sich die galvani-
Die kleinsten Lithium-Batterien sind wieder- sche Zelle in einem dichten Polypropylengehäuse
aufladbare Knopfzellen. Sie werden in Baugrö- mit einer schlagfesten Metallummantelung. Die
ßen mit etwa 5 mm Durchmesser und 1 mm Höhe dünnen Elektroden (PbO2 und Pb) sind als Wi-
gefertigt. Ihr Einsatzbereich ist der Erhalt des ckel in der Zelle untergebracht. Ein saugfähiges
Speicherinhalts (Memory Back-up) in tragbaren Glasfaservlies dient zur elektrischen Potenzial-
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen

Abb. 4.33 Sekundärelemente (Werkfotos: VARTA, VARTA Microbattery)


267
268 4 Elektrizität und Magnetismus

trennung sowie zur Aufnahme und Bindung des Nennstrom). Deshalb ist auch ein Schnellladen
Elektrolyten. bei völliger Entladung möglich.
Die Blei-Akkumulatoren finden hauptsächlich Seit etwa 15 Jahren findet in diesem Bereich
in drei Bereichen Anwendung, für die Normen ein Verdrängungsprozess statt. Das moderne Sys-
vorliegen: tem Nickel/Metallhydrid hat schon in den meisten
Bereichen das System Nickel/Cadmium ersetzt.
 Starterbatterien Die Vorteile der Nickel/Metallhydrid-Batterien
(Batterien zum Anlassen von Verbrennungs- sind:
motoren; DIN 72 310, DIN 72 311, DIN 72
331 bis DIN 72 333, DIN EN 50 342, DIN EN  höhere Kapazität,
60 095, DIN IEC 60 095-2, SN EN 50 342,  Cadmium-frei, dadurch wesentlich umwelt-
SN EN 60 095), freundlicher,
 Antriebsbatterien  kein „Memory-Effekt“.
(DIN 40 540, DIN 43 534 bis DIN 43 539,
DIN 43 595, DIN EN 60 254), Dem gegenüber steht die momentan noch et-
 ortsfeste Bleibatterien was geringere Belastbarkeit des Nickel/Metall-
(DIN 40 734 bis DIN 40 744, DIN EN 60 896). hydrids. Deswegen konnten bisher Nickel/Cad-
mium-Batterien im Bereich der niedrigen und
Die herkömmliche Bleibatterie ist kostengünstig mittleren Leistungen (z. B. Rasierer, digitale Ka-
und hat ihre Vorteile vor allem bei einer stark mera, Elektrozahnbürste) ersetzt werden. Aller-
wechselnden Stromentnahme, z. B. als Starter- dings werden die Hochstrom-Anwendungen, wie
oder Antriebsbatterie. In vielen Anwendungs- elektrische Werkzeuge, heute noch weitestge-
bereichen tritt sie in Konkurrenz zu den Ni- hend mit Nickel/Cadmium-Batterien ausgerüstet.
ckel/Cadmium-Stahlakkumulatoren. Diese zeich- Ein weiterer Vorteil der wieder aufladbaren
nen sich vor allem durch die Möglichkeit eines Nickel/Cadmium-Zellen besteht in ihren hervor-
lageunabhängigen Einbaus, eine lange Lebens- ragenden Eigenschaften bei tiefer Temperatur.
dauer und eine hohe Belastbarkeit aus. Die ebenfalls zu den Stahlakkumulatoren zäh-
In zunehmendem Maß ersetzen die wiederauf- lenden Nickel/Eisen-Systeme sind wegen des
ladbaren Nickel/Cadmium-Zellen die Primärbat- Nachteils der schnellen Selbstentladung durch
terien. Deshalb sind sie, mit diesen austauschbar, die Nickel/Cadmium-Akkumulatoren ersetzt
baugleich auf dem Markt (Abb. 4.33d). Aller- worden. Ihr Einsatzgebiet liegt noch in Schie-
dings sind die volumen- und gewichtsbezoge- nenfahrzeugen und Schiffen.
nen Energiedichten bei den Nickel/Cadmium-
Zellen bedeutend ungünstiger als bei vergleich- Beispiel 4.2-1
baren Primärbatterien (Abb. 4.32 im Vergleich Eine alkalische Zink/Braunstein-Babybatterie
mit Abb. 4.33), sie sind jedoch wieder aufladbar. (IEC LR 14) hat eine Masse m D 64;5 g
Gasdichte Nickel/Cadmium-Akkumulatoren und ein Volumen V D 26;53 cm3 . Berechnet
unterscheiden sich im Elektrodenaufbau. Es gibt werden soll die Nutzungsdauer bei einem kon-
die Ausführung mit einer Masse- oder einer stanten Stromverbrauch von I D 30 mA und
Sinterelektrode (Abb. 4.33c und d). Die Sin- einer mittleren Lastspannung von U D 1;2 V.
terelektroden bestehen aus einem hochporösen
Gerüst (Pluspol: Nickel-Sauerstoff; Minuspol: Lösung
Cadmium-Sauerstoff), das vom Elektrolyten Gemäß Abb. 4.32 gilt für die Energie-
(Kalilauge) durchtränkt ist. Die Isolierung der dichte des Elementes W D 100 W h=kg.
Elektroden erfolgt durch einen Separator aus Daraus errechnet sich die Energie E D
Kunststoffgewebe. Die Sinterzellen sind beson- 100 W h=kg  0;0645 kg D 6;45 W h. Für die
ders für hohe Belastungen geeignet (100-facher gespeicherte Ladung errechnet sich Q D
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen 269

6;45 W h=1;2 V D 5;4 A h. Bei einem Strom-


verbrauch von 0,03 A ergibt dies eine Nut-
zungsdauer von tN D 5;4 A h=0;03 A D
180 h.

4.2.1.4 Brennstoffzellen
Die direkte Gewinnung elektrischer aus che-
mischer Energie (kalte Verbrennung) findet in
Brennstoffzellen statt. Der Umweg über die heiße
Verbrennung, bei der zunächst Wärme erzeugt
wird, die dann über einen thermodynamischen
Kreisprozess in mechanische und schließlich
elektrische Energie umgewandelt wird, entfällt.
Damit ist auch der Wirkungsgrad einer Brenn-
stoffzelle nicht durch den Carnot’schen Wir-
kungsgrad (Abschn. 3.3.6.1) begrenzt, sondern
kann höhere Werte annehmen. Die klassische
Brennstoffzelle „verbrennt“ Wasserstoff und Sau- Abb. 4.34 Prinzipieller Aufbau einer H2 =O-Brennstoff-
erstoff zu Wasser. Dies ist die Umkehrreakti- zelle mit Protonen leitendem Elektrolyten (PEM FC)
on zur Elektrolyse, bei der unter Zufuhr von
elektrischer Energie mithilfe von Platinelektro-
den Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und giert:
Sauerstoff zerlegt wird. Bereits 1839 wurde von O2 C 4 e ! 2 O2 und
S IR W ILLIAM G ROVE eine derartige Zelle vor- 2 O2 C 4 HC ! 2 H2 O:
gestellt.
Das Redoxpotenzial dieser Reaktion liegt bei
Funktionsweise '  1;23 V (NHE). Im Leerlauf könnte eine
Im Prinzip besteht eine Brennstoffzelle aus zwei H2 /O2 -Zelle also eine Urspannung von U0 D
Elektroden, an denen Redoxreaktionen ablaufen, 1;23 V liefern.
und einem elektronisch isolierenden Elektroly- Die Reaktionen finden an der Dreipha-
ten, der aber Ionen leitend ist (Abb. 4.34). Bei sengrenze Gasraum/Elektronenleiter/Ionenleiter
einer H2 /O2 -Zelle wird an der Anode Wasserstoff statt. Der Ionenleiter, durch den die Protonen
oxidiert (Elektronenabgabe): wandern, besteht meist aus einer perfluorierten
und mit Sulfonylgruppen (SO 3 ) modifizierten
C 
2 H2 ! 4 H C 4 e : Kunststofffolie (Nafion™). Im Prinzip wirkt die
Folie wie ein wasserhaltiger Schwamm, der von
Das Redoxpotenzial dieser Reaktion gegen- nanometerbreiten Kanälen durchzogen ist, durch
über der Normalwasserstoffelektrode (NHE, welche die Protonen von einer Seite auf die an-
Abb. 4.30) beträgt ' D 0 V. dere gelangen. Brennstoffzellen mit Protonen lei-
Während die gebildeten Protonen durch die tenden Membranen werden als PEMFC (Proton
Membran zur Kathode gelangen, fließen die Exchange Membrane Fuel Cell) bezeichnet. Die
Elektronen über den äußeren Stromkreis und Kunststofffolien sind stabil unterhalb ca. 120 ı C.
können dort an einem Verbraucher mit dem Last- Sie werden meist für mobilen Einsatz im Kraft-
widerstand RL elektrische Arbeit verrichten. fahrzeug verwendet oder als Batterieersatz im
An der Kathode findet eine Reduktion (Elek- Kleinleistungsbereich.
tronenaufnahme) des zugeführten Sauerstoffs Es gibt auch die Möglichkeit, anstatt des
statt, der dann mit den Protonen zu Wasser rea- Protonentransports von der Anode zur Kathode,
270 4 Elektrizität und Magnetismus

einen Transport von Sauerstoffionen (O2 aber


auch OH oder CO2 3 ) von der Kathode zur
Anode durchzuführen, wo dann ebenfalls Was-
ser entsteht. Sauerstoff leitende Materialien sind
meist keramische Werkstoffe, die erst bei Tempe-
raturen von 600 ı C bis 1000 ı C eine ausreichende
Ionen-Leitfähigkeit aufweisen. Sie werden vor-
zugsweise bei stationären Anlagen wie Kraftwer-
ke oder Blockheizkraftwerke eingesetzt. Brenn-
stoffzellen mit keramischen Elektrolyten werden
als SOFC (Solid Oxide Fuel Cell) bezeichnet.
Die Elektroden setzen sich aus einer Mi-
Abb. 4.35 Spannung und Leistung eines H2 =O2 -Brenn-
schung von Nanometer großen Platin- oder
stoffzellenstapels aus 6 Zellen in Abhängigkeit vom
Platin-Rutheniumpartikeln und Kohlenstoffparti- Strom. Nutzungsgrad der Kathode 20 %. Zentrum für
keln (Graphit) zusammen. Am katalytisch wirk- Solarenergie- und Wasserstoffforschung (ZWS), Ulm
samen (teuren) Platin laufen die Redoxreaktio-
nen ab. Es ist ebenso wie der (billigere) Koh-
lenstoff ein Elektronenleiter. Auf diese Elek- einer H2 =O2 -Zelle entnommen werden kann, ist
troden werden jeweils Gasdiffusionselektroden, etwa 1 W=cm2 .
das sind poröse Elektronen leitende Kohlenstoff-
Fasermatten, gepresst, die zur Stromableitung Wirkungsgrad
und Gasversorgung dienen. Die Zelle wird von Bei einem Verbrennungsmotor ist der maxima-
außen durch elektrisch voneinander isolierte le Wirkungsgrad durch den thermodynamischen
abdicht- und verschraubbare Metallrahmen zu- Carnot-Wirkungsgrad ((3.76), Abschn. 3.3.6.1)
sammengehalten. Darin sind Ein- und Ableitun- begrenzt (tatsächlich ist der reale Wirkungsgrad
gen für die Gasversorgung sowie für das über- deutlich kleiner):
schüssige Wasser und die elektrischen Kontakte
jW j T1
angebracht.  t h;C D D1 :
H T
Kenngrößen der H2 =O2 -Brennstoffzelle jW j ist die abgegebene Nutzarbeit, H die zuge-
Eine typische Strom-Spannungs-Kennlinie eines führte Enthalpie (Wärme). Der Prozess verläuft
H2 /O2 -Zellenstapels ist in Abb. 4.35 dargestellt. zwischen der hohen Temperatur T und der tiefen
Die Leerlaufspannung von ca. 1 V pro Zelle ist Temperatur T1 . In Abb. 4.36 ist der Wirkungs-
kleiner als die theoretische Zellenspannung von grad des Carnot-Prozesses in Abhängigkeit von
1,23 V. Mit steigendem Strom nimmt die Span- der hohen Temperatur T dargestellt. Offensicht-
nung ab. Die Kennlinie hängt u. a. ab von der lich werden hohe Wirkungsgrade nur bei hohen
Temperatur, dem Innenwiderstand der Zelle, der Temperaturen erreicht.
Reinheit der Gase, vom Katalysator und der Men- Bei einer Brennstoffzelle reagiert Wasserstoff
ge an zugeführtem Wasserstoff. mit Sauerstoff zu Wasser:
Die Leistung P , die der Zelle entnom- H2 C 12 O2 ! H2 O mit G D 237 kJ=mol
men werden kann, ergibt sich als Produkt und H D 286 kJ=mol bei 25 ı C.
aus Strom und Spannung und ist ebenfalls in Im Idealfall wird die gesamte freie Enthalpie
Abb. 4.35 dargestellt. Die Leistungsdichte, die (Gibbs’sches Potenzial, Abschn. 3.3.8) G als
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen 271

Der Wirkungsgrad einer Brennstoffzelle nimmt


mit steigender Temperatur ab (Abb. 4.36). Of-
fensichtlich erreicht der Carnot-Prozess den Wir-
kungsgrad der Brennstoffzelle erst bei sehr hohen
Temperaturen.
Der Wirkungsgrad einer Brennstoffzelle kann
experimentell bestimmt werden aus dem Ver-
hältnis der gewonnenen elektrischen Energie und
dem Energieinhalt (unterer Heizwert Hu , da die
Kondensationswärme des entstehenden Wassers
in der Regel nicht genutzt wird). Dieser Wert
wird auch als Energiewirkungsgrad bezeichnet.
Abb. 4.36 Maximaler Wirkungsgrad einer H2 =O2 - Der Wirkungsgrad hängt vom Strom ab. Er ist
Brennstoffzelle bezogen auf den (unteren) Heizwert in im Teillastbereich bei geringer Strom- und Leis-
Abhängigkeit von der Temperatur im Vergleich zum ther- tungsentnahme am günstigsten.
modynamischen Carnot-Wirkungsgrad (tiefe Temperatur
300 K)
Brennstoffzellentypen
Anhand des verwendeten Elektrolyten und
elektrische Arbeit nutzbar: seiner erforderlichen Betriebstemperatur wer-
den verschiedene Brennstoffzellen unterschie-
G D nF U0 : (4.76) den. Tab. 4.7 zeigt eine Zusammenstellung.
Im Gegensatz zu den Verbrennungsprozessen,
n: Anzahl der Elektronen, die bei der Reaktion die als Volumenprozesse mit steigender Leistung
fließen (hier: n D 2), spezifisch günstiger werden, laufen die Redoxre-
F : Faraday-Konstante (4.73), aktionen der Brennstoffzellen an der Oberfläche
U0 : Leerlauf-Zellenspannung im thermodynami- von Elektrode und Elektrolyt ab. Mit steigender
schen Gleichgewicht (hier: U0 D 1;23 V). Leistung nehmen Masse und Volumen der Zel-
len daher nicht spezifisch ab wie bei Motoren und
Der maximale Wirkungsgrad der idealen Zelle ist
Turbinen. Dafür werden hohe Wirkungsgrade be-
damit
reits bei kleinen Zellgrößen erzielt.
G nF U0 Die Fläche einer Brennstoffzelle kann aus
Zelle D D : (4.77)
H H technischen Gründen nicht beliebig groß ge-
Für 25 ı C ergibt sich mit den oben angegebe- macht werden. Für die Entnahme größerer
nen Werten als maximaler Wirkungsgrad  D Leistungen werden daher mehrere Einzelzel-
83 %. Bezieht man die nutzbare Energie auf den len zu Stapeln (Stacks) gekoppelt (Abb. 4.37).
Heizwert (unterer Heizwert Hu ) anstatt auf den Die typischen Leistungen für einen PEM-
Brennwert (oberer Heizwert Ho ), dann wird der Brennstoffzellenstapel reichen von wenigen Watt
Wirkungsgrad sogar 94,5 %. bis zu 300 kW.
Aus der Definition G D H  T S der freien
Enthalpie nach (3.100) folgt bei konstanter Tem- 4.2.1.5 Elektrokinetische Vorgänge
peratur G D H  TS und daraus für den Bewegt sich aufgrund entgegengesetzter La-
Wirkungsgrad dungsverteilung die feste Phase relativ zur flüssi-
gen, so treten elektrokinetische Effekte auf, von
H  TS S denen zwei von besonderer technischer Bedeu-
Zelle D D1 T: (4.78)
H H tung sind:
272 4 Elektrizität und Magnetismus

Tab. 4.7 Daten verschiedener Brennstoffzellen. BZ: Brennstoffzelle, FC: Fuel Cell, BHKW: Block-Heizkraftwerk
Zellentyp Betriebstem- Elektrolyt Brennstoff wanderndes Wirkungsgrad Anwendungen
peratur in °C Ion in %
Polymer-Elektrolyt- 60 bis 100 Polymer- H2 HC  nH2 O 50 bis 70 Kfz-Antrieb,
Membran-BZ Membran CH3 OH portable Strom-
PEMFC (Proton Ex- (Nafion™) versorgung,
change Membrane FC) Klein-BHKW
Alkalische BZ 50 bis 120 KOH H2 OH 60 bis 70 Raumfahrt,
AFC (Alkaline FC) CH3 OH portable Strom-
versorgung
Phosphorsaure BZ 190 bis 210 H3 PO4 CH4 refor- HC  nH2 O 35 bis 555 BHKW
PAFC (Phosphoric miert
Acid FC) H2
Schmelzkarbonat-BZ 600 bis 700 Li2x Kx CO3 CH4 refor- CO2
3 55 bis 65 Kraftwerke
MCFC (Molten Car- Schmelze miert, CO BHKW
bonate FC) H2
Oxidkeramische BZ 800 bis 1050 Y2 O3 /ZrO2 CH4 refor- O
2 60 bis 65 Kraftwerke,
SOFC (Solid Oxide Keramik miert, CO, BHKW
FC) H2 , CH4

Abb. 4.38 Elektrophoretisch abgeschiedene Kieselgur

Bei der Elektrophorese (gr. phor, tragen)


werden Teilchen kolloidaler Größenordnung
Abb. 4.37 Stack aus sechs Brennstoffzellen. Zentrum für
Solarenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW), Ulm (106 mm bis 104 mm) dispergiert, die sich ge-
genüber dem Dispersionsmittel aufladen. In ei-
nem elektrischen Feld bewegen sich die Teilchen
 Elektrophorese (Bewegung kleinster Teilchen zur gegenpoligen Elektrode. Abb. 4.38 zeigt,
in einer Flüssigkeit aufgrund eines elektri- wie sich durch Elektrophorese feinste gelade-
schen Feldes) und ne Kieselgurteilchen (105 mm Durchmesser) auf
 Elektroosmose (Bewegung einer stromführen- einem metallischen Filtersieb niedergeschlagen
den Flüssigkeit durch einen porösen Festkör- haben. Solche kieselgurbeschichteten Metallsie-
per). be dienen z. B. in Brauereien zur Bierfiltration.
Im Vergleich zum mechanischen Anströmen von
Im Gegensatz zur Elektrolyse findet eine La- Kieselgur ist die elektrophoretisch aufgebrachte
dungsträgerbewegung nur in einer Richtung statt Schicht wesentlich gleichmäßiger. Ist die Filter-
(unipolare Wanderung). schicht verbraucht, so kann durch Umpolen des
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen 273

elektrischen Feldes die verschmutzte Kieselgur-


schicht vom Metallsieb entfernt werden.
Unterschiedliche Teilchen weisen verschiede-
ne Wanderungsgeschwindigkeiten auf, sodass ei-
ne elektrophoretische Trennung von Substanzen
möglich ist. Dies wird beispielsweise in der Bio-
medizin zur Analyse von Proteinen ausgenutzt.
Das elektrophoretische Tauchlackieren (ETL)
ist ein in der Automobilindustrie weit verbreitetes
Verfahren zur Grund- und Einschichtlackierung
von Karossen und Fahrzeugteilen. Man unter-
scheidet zwischen anodisch und kathodisch ab-
geschiedenen Lackmaterialien (ATL und KTL).
Abb. 4.39 Kataphorese-Anlage. Werkfoto: Dürr
Das KTL-Verfahren hat sich in den letzten Jahren
fast überall durchgesetzt. Als wesentliche Vortei- a
le seien genannt:

 Vollständiger Umgriff
Beim Beschichten von Automobilkarossen
werden zuerst die Außenhautteile beschichtet.
Diese isolieren sich bei höherer Schichtdicke
von selbst, sodass die elektrische Stromdichte
von außen nach innen in die Hohlräume wan-
dert.
 Unterwanderungsbeständigkeit
b
Die Unterwanderungsbeständigkeit der KTL-
Materialien ist im Vergleich zu den ATL-
Lacken um den Faktor drei besser.
 Gute Haftung
KTL-Lackschichten sind sehr gleichmäßig
und haften mechanisch sehr fest auf der Phos-
phatierung.

Abb. 4.39 zeigt eine Kataphoreseanlage. In dem


Tauchbecken befinden sich in Wasser gelöste,
positiv geladene Lackteilchen. Wird das metal-
lische Werkstück negativ und der Tauchbecken-
rand bzw. geeignete Anoden positiv geladen, so
wandern die Lackkolloide zum Werkstück. Nor-
malerweise beträgt die Schichtdicke bei einer
Spannung von 80 V bis 350 V und einer Be- Abb. 4.40 Elektroosmose, schematisch
schichtungsdauer von 2 bis 43 Minuten etwa
10 m bis 35 m.
Bei der Elektroosmose läuft der Wanderungs- gengesetzte Ladungen. So entstehen z. B. positive
prozess umgekehrt ab. Ein poröser Körper wird Ionen, die auf ihrer Wanderung zum negativen
beispielsweise von zwei entgegengesetzt gelade- Pol noch hydratisierte Wasserdipole mitschlep-
nen Wassersäulen umgeben, wie es Abb. 4.40a pen, etwa gemäß Abb. 4.40b. Auf diese Weise
zeigt. An den Porenwänden bilden sich entge- steigt der Wasserspiegel auf der rechten Seite
274 4 Elektrizität und Magnetismus

Die Richardson-Konstante A ist materialabhän-


gig und liegt zwischen 106 A=.m2 K2 / (Wolfram)
und 102 A=.m2 K2 / (Metalloxide). Die eben-
falls werkstoffabhängige Austrittsarbeit WA liegt
zwischen 1 eV bei Metalloxiden und 5 eV bei
Nickel (zum Begriff eV, Elektronenvolt, Ab-
schn. 4.3.5.1, (4.99)).
Abb. 4.41 Arten der Elektronenemission

Fotoemission
und sinkt auf der linken. Mit Hilfe elektroosmo- Werden Lichtquanten mit der Energie W D
tischer Wasserbewegungen können u. a. Mauer- hf (Abschn. 6.5.1.1) auf eine Metalloberfläche
werke oder Schlamm-Massen entwässert werden. gestrahlt, dann lösen sich Elektronen aus dem
Metallverbund, wenn die Energie der Photonen
größer als die Austrittsarbeit WA ist. Diese Elek-
4.2.2 Ladungstransport im Vakuum tronen werden als Fotostrom außerhalb des Me-
und in Gasen talls registriert. Der Fotostrom ist ein Maß für
die Lichtintensität. Als Kathode wird eine mit
4.2.2.1 Ladungstransport im Vakuum Cadmium, Cäsium oder Kalium verspiegelte eva-
Für einen Ladungstransport im Vakuum (bei ei- kuierte Glasröhre verwendet, die bei Lichteinfall
nem Druck von etwa 102 Pa bis 104 Pa) müssen Elektronen zur ringförmigen Anode aussendet.
freie Ladungsträger erzeugt werden. Dieser Vor- Die kinetische Energie Wkin der freigesetzten
gang wird Ladungsträgerinjektion oder Emission Elektronen berechnet sich dann zu
genannt. Von großer praktischer Bedeutung ist
die Elektronenemission. Elektronen sind im Me- Wkin D hf  WA : (4.80)
tallverbund zwar leicht beweglich, doch werden
sie an der Oberfläche wegen der Anziehungs- Innerhalb bestimmter Grenzen ist in diesen Fo-
kräfte der zurückbleibenden Atomrümpfe, die die tozellen der gemessene Fotostrom proportional
Austrittsarbeit WA erfordern, am Verlassen ge- zur Intensität des Lichtes. Die Fotozellen ersetzt
hindert. Abb. 4.41 zeigt, dass hierfür die Zufuhr man in zunehmendem Maß durch Halbleiter-
von kinetischer Energie in Form von Wärme Fotodetektoren (Abschn. 9.4).
(thermische Emission), Licht (Fotoemission) und
elektrischer Energie (Feldemission) nötig ist oder Feldemission
dass kinetische Energie durch Stoßprozesse be- Zur Überwindung der Austrittsarbeit WA bedarf
reits erzeugter Ladungsträger (Sekundärelektro- es elektrischer Feldstärken von etwa 109 V=m
nenemission) zugeführt werden muss. (Zusammenhang zwischen elektrischer Feldstär-
ke E und Spannung U , Abschn. 4.3.4, (4.87)).
Thermische Emission (Glühemission) Um diese hohen Feldstärken für verhältnismäßig
Durch Erwärmen der Glühkathode nimmt die geringe Spannungen (etwa 100 V) zu erzeugen,
mittlere kinetische Energie der Elektronen an den wird die Kathode zu einer feinen Spitze geformt
Elektroden so stark zu, dass Elektronen austre- (Radius der Spitze etwa 107 m).
ten können. Die Abhängigkeit der Stromdichte Als Anode dient eine Glaskugel, die um
j der austretenden Elektronen von der Austritts- die Kathodenspitze angeordnet ist und mit ei-
arbeit WA und der Temperatur T beschreibt die ner Leuchtschicht (ZnS) überzogen ist. Die von
Richardson-Gleichung (O. R ICHARDSON, 1879 der Kathodenspitze emittierten Elektronen geben
bis 1959): ihre kinetische Energie beim Aufprall auf die
WA
Anode als Lichtquanten ab. Dadurch entsteht ein
j D AT 2 e kT : (4.79) Abbild der atomaren Struktur des Kathodenma-
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen 275

Abb. 4.43 Strom-Spannungsverlauf bei einer unselbstän-


digen Gasentladung

lung oder durch Wärmezufuhr, so findet eine


unselbstständige Gasentladung statt. Bei einer
Abb. 4.42 Monoatomarer Thorium-Film auf Wolfram selbstständigen Gasentladung werden die Ga-
se durch die Bewegung ihrer eigenen Moleküle
selbst ionisiert, z. B. durch ihre kinetische Ener-
terials auf dem Leuchtschirm (Feldelektronenmi- gie in starken elektrischen Feldern.
kroskop, Abb. 4.42).
Unselbständige Gasentladung
Sekundärelektronenemission Befindet sich ein ionisiertes Gas zwischen zwei
Die kinetische Energie der bereits freigesetzten Elektroden der Spannung U , dann ist der in
Elektronen kann wiederum die Austrittsarbeit WA Abb. 4.43 typische Strom-Spannungsverlauf zu
überwinden und nochmals Elektronen (Sekun- beobachten. Im Bereich I gilt das Ohm’sche Ge-
därelektronen) freisetzen. Der Sekundäremissi- setz. Die Gasionen stoßen auf dem Weg zur ge-
onsfaktor gibt an, wie viele Sekundärelektronen genpoligen Elektrode auf den Widerstand anderer
im Verhältnis zu den Primärelektronen emittiert Gasatome. Ferner können sie durch Anlagern an
werden. Er liegt bei reinen Metallen bei 1, für Ionen entgegengesetzter Ladung wieder zu neu-
Halbleiter zwischen 2 und 15. Durch geeignet tralen Gasatomen werden (Rekombination). Die-
angeordnete Elektroden (Dynoden), zwischen de- ser Bereich wird daher Rekombinationsbereich
nen Beschleunigungsspannungen liegen, können genannt. Steigt die Spannung zwischen den Elek-
sehr kleine Ströme rauscharm bis auf das 1010 - troden weiter, dann gelangen die Gasionen so
fache verstärkt werden. Als Foto-Multiplier wird schnell zur entsprechenden Elektrode, dass kei-
er zur Messung sehr kleiner Lichtintensitäten (so- ne Rekombinationsprozesse mehr ablaufen kön-
gar einzelner Lichtquanten) eingesetzt. nen. Es fließen also alle Gasionen ab. Der jetzt
messbare Strom hat deshalb den größtmöglichen
4.2.2.2 Ladungstransport in Gasen Wert, er heißt Sättigungsstrom. Der zugehörige
Gase sind gewöhnlich Nichtleiter. Um sie elek- Spannungsbereich ist der Sättigungsbereich (Be-
trisch leitend zu machen, müssen entweder La- reich II). Werden die Ionen durch zunehmende
dungsträger eingebracht (Ladungsträgerinjekti- Spannung so stark beschleunigt, dass ihre kine-
on) oder die Gase ionisiert werden. Geschieht tische Energie die neutralen Gasatome zu ioni-
die Ionisation des Gases durch äußere Einwir- sieren vermag, dann werden Sekundärelektronen
kung, wie z. B. durch Bestrahlung mit UV-Licht, erzeugt (Bereich III) und es läuft eine selbständi-
durch radioaktive Strahlung oder Röntgenstrah- ge Gasentladung ab.
276 4 Elektrizität und Magnetismus

Selbständige Gasentladung und dunklen Zonen. Abb. 4.44 zeigt schematisch


Bei einer selbständigen Gasentladung findet ein die Leuchtbereiche zwischen Kathode und Ano-
Ladungsfluss ohne äußere Einwirkung statt. Die de (a), den Verlauf der Raumladung % (b), der
Gasatome vermögen durch ihre eigene kineti- Feldstärke E (c) und der Spannung U (d). Zwi-
sche Energie andere durch Stoß zu ionisieren schen der Kathode und dem Kathodenlicht liegt
(Stoßionisation). Die dazu erforderliche kineti- ein kleiner dunkler Bereich, der Aston’sche Dun-
sche Energie stammt aus der Energie des elek- kelraum. In diesem Bereich ist die Feldstärke E
trischen Feldes: Wel D QU D eEl (die Ladung am größten. Durch den Aufprall positiver Ionen
Q besteht im Allgemeinen aus der Elementarla- auf die Kathode werden Elektronen freigesetzt
dung eI l ist die mittlere freie Weglänge). Da die (negative Raumladung), die zunehmend Feld-
mittlere freie Weglänge umso größer ist, je we- energie aufnehmen. Im Bereich des Hittorf’schen
niger Gasatome vorhanden sind (je geringer der Dunkelraums werden durch die schnellen Elek-
Gasdruck p ist), gilt tronen viele Gasatome ionisiert, sodass eine star-
eE ke positive Raumladung entsteht. Die Energie
W  :
p der Elektronen wird im kathodischen Glimm-
licht (beginnend mit einem Glimmsaum) durch
Daraus lässt sich der Ionisierungskoeffizient s
Lichtaussendung verbraucht. Deshalb nimmt die
ermitteln. Er gibt an, wie viel Ionen (dN ) pro
Feldstärke bis auf null ab und es entsteht eine
Wegstrecke (dx) zusätzlich erzeugt werden und
große negative Ladungsdichte.
ist eine Funktion von E=p, sodass gilt
Nach dem Faraday’schen Dunkelraum leuch-
s D f .E=p/: tet eine positive Säule. In diesem Gebiet sind
gleich viel (negative) Elektronen wie positive Io-
Dies bedeutet, dass der Ionisierungskoeffizient nen vorhanden (quasineutrales Plasma). Hier dif-
eine Funktion des Quotienten aus elektrischer fundieren fortwährend Elektronen und Ionen an
Feldstärke und Gasdruck ist. Jedes Gas kann die Wand und rekombinieren dort unter Lichtaus-
ab einer bestimmten Feldstärke bzw. Spannung strahlung. Die Energie zur Erzeugung neuer La-
(bezogen auf den gleichen Druck) ionisiert wer- dungsträger wird dem konstanten elektrischen
den. Die Ionisierung läuft lawinenartig ab; jedes Feld entnommen. Die positive Säule ist der längs-
Ion ionisiert seinerseits ein anderes, das wieder- te leuchtende Teil einer Glimmentladung. Zwi-
um neue zu ionisieren vermag. Mit der lawi- schen ihr und der Anode kann ein kleiner glim-
nenartigen Zunahme der Ionen – entsprechend mender Bereich liegen (anodisches Glimmlicht).
einer Kettenreaktion – nimmt der innere Wi- Unmittelbar vor der Anode ist ein Feldstärkean-
derstand zwischen den Elektroden ab. Um den stieg festzustellen, der von der negativen Raum-
Strom zu begrenzen, muss man deshalb Vorwi- ladung der schnell abfließenden Elektronen her-
derstände einschalten. Hierzu dient vielfach der rührt.
induktive Wechselstromwiderstand einer Spule
(Abschn. 4.5.2.2). Bogen- und Funkenentladung
Fließen durch eine Gasentladungsröhre große
Während die meisten unselbständigen Gasent-
ladungen ohne Leuchterscheinungen ablaufen, Ströme, dann werden die Elektroden sehr heiß.
Die glühende Kathode sendet sehr viele Elek-
spielen die Lichtausstrahlungen der selbständi-
tronen aus, sodass die Leuchtstärke in der po-
gen Gasentladungen in der Technik eine wichtige
sitiven Säule entsprechend groß wird. Dies ist
Rolle. Sie sind sehr stark von der Gasart, dem
Gasdruck, der Temperatur und der Elektroden- eine Bogenentladung. Sie kann sowohl bei klei-
geometrie abhängig. nem Druck (Vakuumbogenentladung) als auch
bei hohem Druck (106 Pa bis 107 Pa in Hoch-
Glimmentladung drucklampen) stattfinden. Rasch gelöschte und
Bei einer Glimmentladung in einem zylindri- deshalb nur kurz aufleuchtende Bogenentladun-
schen Rohr erkennt man eine Reihe von hellen gen werden Funkenentladungen genannt.
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen 277

Abb. 4.44 Vorgänge bei einer Glimmentladung

Kathoden- und Kanalstrahlen Kathodenloch hindurchtretenden positiven Ionen


Wird in einer Gasentladungsröhre der Druck auf werden Kanalstrahlen genannt. Da sie sich im
10 Pa bis 1 Pa vermindert, so ist die Wahrschein- feldfreien Raum bewegen, bleibt ihre Geschwin-
lichkeit für Stoßprozesse gering. Aus diesem digkeit konstant.
Grunde können die Elektronen aus der Kathode Die wichtigste Anwendung der Strahlung glü-
das Feld nahezu ungestört und mit unverminder- hender Körper ist die Glühlampe zur Beleuch-
ter Geschwindigkeit geradlinig durchlaufen. Die- tung von Objekten und Räumen. Abb. 4.45
se Elektronenstrahlen werden Kathodenstrahlen zeigt eine Übersicht der unterschiedlichen Ar-
genannt. Mit abnehmendem Druck werden zu- ten und Anwendungsbereiche. Eine Anwen-
nächst die Dunkelräume größer und die positive dung der Entladungserscheinungen ist die Ent-
Säule verschwindet, bis eine Glimmerscheinung ladungslampe. Die gebräuchlichsten Arten sind
aus dem Hittorf’schen Dunkelraum übrig bleibt. in Abb. 4.46 zusammengestellt. Festkörperlicht-
Bei weiterer Druckabnahme hört die Glimm- quellen stellen eine weitere Anwendung von
erscheinung auf und die Wände beginnen zu Strahlung aus anorganischen Kristallen und or-
fluoreszieren. ganischen Polymeren dar. Die beiden wichtigs-
Wird statt einer massiven Kathode eine Loch- ten Repräsentanten sind die Leuchtdiode (LED)
platte verwendet, dann setzt sich die Leuchter- und organische Leuchtdiode (OLED, Abb. 4.46
scheinung hinter der Kathode fort. Die durch das rechts).
278 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.45 Arten der Glühlampen


4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen

Abb. 4.46 Entladungs- und Festkörperlampen (Werksfoto: OSRAM)


279
280 4 Elektrizität und Magnetismus

Glühlampen zeichnen sich durch folgende Ei- entsprechend deutlich die Lebensdauer der Halo-
genschaften aus: genlampe unter Absenkung des Lichtstroms und
der Lichtausbeute erhöht werden.
 kontinuierliches Spektrum (Temperaturstrah- Je nach Füllgas und Fülldruck können
ler); Glühlampen eingeteilt werden in Vakuumlampen,
 über alle Spannungsbereiche ohne Vorschalt- gasgefüllte Lampen mit Normal- und Überdruck
geräte betreibbar; sowie in gasgefüllte Überdrucklampen mit Halo-
 sofort betriebsbereit (d. h. kein Zündvorgang genzusätzen (Halogenlampen). Bei Lampen mit
und keine Einbrennzeit). geringer Leistungsaufnahme (z. B. Allgebrauchs-
glühlampen bis 15 W) sind Vakuumlampen in-
Die wichtigsten Vorzüge von Entladungslampen folge geringerer Verluste durch fehlende Wärme-
sind: ableitung über das Füllgas im Vergleich zu gas-
gefüllten vorteilhafter. Bei höheren Leistungen
 Lichtausbeute ist größer als bei Glühlampen; kann dieser Wärmeverlust durch höhere Tempe-
 Lebensdauer ist höher als bei Glühlampen; raturbelastung des Leuchtkörpers ausgeglichen,
 Farbspektrum ist durch Zusätze und Leucht- die damit verbundene Erhöhung der Verdamp-
stoffe beeinflussbar. fungsgeschwindigkeit des Wolframs (Leuchtkör-
per) durch Größe und Anzahl (Fülldruck) der
Leuchtdioden besitzen folgende Merkmale: Gasmoleküle (inaktive Edelgase wie Argon (Ar),
Xenon (Xe) oder Krypton (Kr)) reduziert und
 schmalbandiges Emissionsspektrum (farbige somit der Schwärzungsprozess durch Wolfram-
Lichtemission je nach Halbleitermaterial); ablagerungen an den kalten Lampenteilen (Kol-
 hohe Lebensdauer bis zu 100.000 h; ben) verzögert werden.
 geringe Größe; Halogenzusätze zum Füllgas in Form halo-
 schnelle Ein-Aus-Schaltvorgänge. genierter Kohlenwasserstoffe oder Jod (I2 ) be-
wirken einen Kreisprozess zwischen den vom
Abb. 4.45 zeigt eine Einteilung der Glühlam- Leuchtkörper abdampfenden Wolframteilchen
pen, ihre besonderen Eigenschaften, ihre Norm- und dem Halogen. Bei Temperaturen um 250 ı C
vorschriften und typische Anwendungsbereiche (also in der Nähe der kälteren Kolbenwand) ver-
sowie einige typische Bauarten. Das zugehörige binden sich diese Wolframteilchen mit dem Ha-
Diagramm zeigt den Zusammenhang zwischen logen zu Wolframhalogeniden. Gelangen diese
Lichtstrom, Lichtausbeute und Lebensdauer in infolge von Konvektion wieder in Temperatur-
Abhängigkeit von der Spannung. Im gemeinsa- bereiche um 1500 ıC (in Leuchtkörpernähe), so
men Schnittpunkt aller Kurven ist 100 % Lebens- zerfallen diese Verbindungen wieder in Wolf-
dauer, Lichtstrom und Lichtausbeute bei 100 % ram und Halogen. Damit stehen die freigewor-
Spannung. denen Halogenbestandteile erneut zum Kreispro-
Die stark nichtlinearen Abhängigkeiten wer- zess zur Verfügung. Durch diesen Kreisprozess
den zum Beispiel bei Betrachtung einer 12 V- wird bewirkt, dass sich die abdampfenden Wolf-
Halogenlampe besonders deutlich. Betreibt man ramteilchen nicht auf der kälteren Kolbenwan-
eine 12 V-Lampe anstatt bei der Nennspannung dung niederschlagen, sodass eine Schwärzung
von 12,0 V bei 12,6 V so resultiert aus dieser des Lampenkolbens während der Lebensdauer
Spannungserhöhung um 5 % eine Lebensdauer- weitgehend unterbunden wird.
reduzierung um 50 %. Die Halogenlampe fällt Halogenglühlampen können heute in Leis-
also bereits nach der Hälfte der Nennlebens- tungsstufen zwischen 1 W und 20.000 W her-
dauer aus. Dagegen steigert diese 5 %ige Span- gestellt werden. Halogenzusätze in Verbindung
nungserhöhung den Lichtstrom um 20 % und mit der Überdrucktechnik ermöglichen in Relati-
die Lichtausbeute verbessert sich um 12 %. Bei on zur herkömmlichen Glühlampentechnik auch
einer geringfügigen Spannungsabsenkung kann bei Lampen mit hoher Leistung kleine Bauab-
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen 281

messungen sowie höhere Temperaturbelastungen LED und einem gelb emittierenden Leuchtstoff
des Leuchtkörpers oder alternativ hierzu länge- erzeugt. Dieser Leuchtstoff befindet sich unmit-
re Lebensdauern. Typische Anwendungsgebiete telbar auf der LED und wird durch das blaue
sind Fahrzeugscheinwerfer, Allgemeinbeleuch- Licht der LED zur Luminiszenz angeregt.
tung (z. B. Flutlichtanlagen, Effektbeleuchtung) Wesentliche Vorteile der LED im Vergleich
und Foto-, Studio- und Bühnenbeleuchtung. zur Glühlampe sind die kompakte Bauform und
In Abb. 4.46 sind die Entladungslampen in die hohe Lebensdauer. So verdrängte bereits im
Glimm-, Niederdruck-, Spektral-, Hochdruck- Automobilbereich zur Beleuchtung des Armatu-
und Höchstdrucklampen eingeteilt, die ent- renbretts die LED weitgehend die Glühlampe.
sprechenden Kenngrößen zusammengestellt, die Im Bereich der Signal- und Anzeigenanwendung
wichtigsten Normen erwähnt und hauptsächli- liegt die Stärke der LED in der hohen Effizienz
chen Anwendungsfelder aufgezeigt sowie einige der farbigen Lichterzeugung. Bei der Lichter-
Lampentypen exemplarisch dargestellt. Bei den zeugung von farbigen Licht mittels Glühlam-
Entladungslampen werden beim Stromdurchgang pen müssen verlustbehaftete Farbfilter eingesetzt
Gase oder Metalldämpfe (z. B. Quecksilber oder werden, die die Gesamteffizienz des Systems er-
Natrium) angeregt. Die dabei aufgenommene ki- heblich reduzieren. LEDs lassen sich in allen
netische Energie wird als Strahlung wieder ab- Betriebsarten, wie Sofortstart, Blinken und Dim-
gegeben. Je nach Gas, Druck, Leuchtstoffen und men von 0 % bis 100 % mit relativ einfachen
anderen Zusätzen in der Lampe können Lichtfar- Betriebsgeräten bei niedrigen Betriebsspannun-
be, Lichtstrom und Strahlenintensität beeinflusst gen anwenden.
und gezielt eingestellt werden. Organische Leuchtdioden (OLED) sind im
Entladungslampen benötigen im Gegensatz Vergleich zur LED nicht aus Halbleiterkristallen,
zu Glühlampen eine Zündhilfe (z. B. Glimmstar- sondern aus verschiedenen dünnen organischen
ter, Zündelektrode oder Zündgerät) und strom- Polymerschichten aufgebaut. Aufgrund der Poly-
begrenzende Vorschaltgeräte (VG), z. B. Dros- mereigenschaften und der geringen Gesamtdicke
selspulen, Streufeldtransformatoren oder elek- einer OLED von etwa 0;5 m lassen sich fle-
tronische Vorschaltgeräte (EVG). Infolge der xible, flächige und farbige Lichtquellen herstel-
geringen Leistungsaufnahme bei gleicher Licht- len. Hauptanwendungen der OLED sind aktive
emission (z. B. 9 W-Leuchtstofflampe statt 60 W- Matrix-Displays für die Text- und Bilddarstel-
Glühlampe oder in Form von Energiesparlampen) lung.
sowie wegen der wesentlich höheren Lebensdau-
er haben Entladungslampen in vielen lichttechni-
schen Anwendungen die Glühlampen ersetzt. 4.2.3 Plasmaströme
Neben der Lichterzeugung durch Glüh- und
Entladungslampen werden immer häufiger Fest- Ein Plasma besteht aus positiven Ionen und ne-
körperlampen in zahlreichen Anwendungen ein- gativen Elektronen großer Dichte. Wegen der an-
gesetzt (Abb. 4.50). Im Fall der Leuchtdi- nähernd vollständigen Ionisation der Materie (bis
ode (LED) wird ein Festkörperkristall aus zu 99 %) wird der Plasmazustand auch als vierter
verschiedenen Halbleitermaterialschichten durch Aggregatszustand bezeichnet. Ein Beispiel eines
einen Stromfluss zum Leuchten angeregt (Ab- quasineutralen Plasmas (gleich viel positive wie
schn. 9.4.1.1, Abb. 9.72). Je nach Art des ver- negative Ladungsträger) ist die positive Säule ei-
wendeten Materials strahlt die Leuchtdiode in ner Glimmentladung (Abb. 4.44a).
unterschiedlichen Farben mit schmalbandigem Das physikalische Verhalten von Materie im
Spektrum (  15 nm bis 30 nm). Als Halblei- Plasmazustand spielt vor allem in der Astro-
termaterial kommen die Verbindungen InGaAlP physik und in der Kernphysik eine Rolle. Die
(Rot, Amber, Gelb) und InGaN (Grün, Blau) Ladungsträgerkonzentrationen liegen z. B. in der
zum Einsatz. Das Licht einer weißen LED wird Ionosphäre bei 1010 Ladungsträgern je m3 , in
aus der Farbmischung einer blau leuchtenden der Sternatmosphäre bei 1020 je m3 und im
282 4 Elektrizität und Magnetismus

Sterninnern sogar bei 1030 je m3 . Diese ho- kalische Größe Z, die nicht nur in einem einzigen
hen Konzentrationen werden durch extrem ho- Punkt, sondern im gesamten Raum wirksam und
he Temperaturen (10.000 bis 30.000 K) verur- damit messbar ist. Ein Feld kann daher mathema-
sacht. Die Atomkerne und die Elektronen werden tisch beschrieben werden:
bei einer Temperatur von 108 K völlig vonein-
ander getrennt, sodass es zu einer Atomkern- Z D Z.x; y; zI t/: (4.81)
verschmelzung (Kernfusion) kommen kann (Ab-
Abb. 4.47 zeigt, dass Felder eingeteilt werden
schn. 8.8.4).
können je nach ihrer Unabhängigkeit bzw. Ab-
Beim magnetohydrodynamischen Generator
hängigkeit von bestimmten Größen:
(MHD-G.) wird ein Plasmastrom durch ein trans-
versales Magnetfeld geschickt. Ähnlich wie beim  Richtung
Hall-Effekt (Abschn. 4.4.3.2, Abb. 4.108) werden Richtungsunabhängige Felder sind skalare
positive und negative Teilchen getrennt, sodass (z. B. Temperaturfelder) und richtungsabhän-
eine elektrische Spannung auftritt. Dadurch wird gige sind Vektorfelder.
thermische direkt in elektrische Energie umge-  Ort
wandelt. Im allgemeinen Fall sind die Felder abhän-
gig vom Ort (inhomogen). Nur in Spezialfällen
sind sie unabhängig vom Ort (homogen), z. B.
4.2.4 Zur Übung das elektrische Feld zwischen den Platten ei-
nes Plattenkondensators oder das magnetische
Ü 4-4 Für ein Aluminiumwerk mit 20 Schmelz- Feld im Innern einer lang gestreckten Spule.
öfen steht in einer Entfernung von 500 m ein  Zeit
Generator eines Kraftwerks, der diese mit Strom Zeitunabhängige Felder werden stationär
versorgt. Die Verbindungsleitungen bestehen aus (z. B. laminare Strömung durch ein Rohr) und
Kupfer (%Cu D 0;018   mm2 =m; Querschnitt zeitabhängige Felder instationär genannt.
A D 64 cm2 ). Die Aluminiumöfen sind in Rei-
he geschaltet und an jedem liegt eine Spannung
von 4,6 V. Jeder Ofen soll je Schicht (8 h) 100 kg 4.3.2 Beschreibung des elektrischen
Aluminium erzeugen .Ä D 0;09321 mg=.A s/). Feldes
Wie groß muss die am Generator erzeugte Leis-
tung sein? Aus Abschn. 4.1 geht hervor, dass eine der Ursa-
chen für elektrische Kraftwirkungen die Ladun-
Ü 4-5 Ein Stahlzylinder (Länge l D 1;50 m; gen sind. Diese elektrischen Kräfte lassen sich
Radius r D 5 cm) soll galvanisch mit einer nach dem Coulomb’schen Gesetz (4.2) berechnen
Schichtdicke d D 5  102 mm vernickelt wer- (nicht für zeitlich sich ändernde Felder). Sie wir-
den (%Ni D 8;7 kg=dm3; Ä D 0;30415 mg=.A s/). ken nicht nur im Ort der Ladung selbst, sondern
Welche Stromstärke ist dazu erforderlich und wie auch in deren Umgebung. Es ist deshalb ein elek-
lange muss das Werkstück im Bad bleiben, wenn trisches Feld vorhanden:
die Stromdichte j D 25 A=m2 nicht überschrit-
ten werden darf?
Das elektrische Feld wird mathematisch
durch ein Vektorfeld beschrieben. Es rührt
4.3 Elektrisches Feld von elektrischen Ladungen her und be-
schreibt die Wirkungslinien der elektri-
4.3.1 Allgemeiner Feldbegriff schen Kräfte in Betrag und Raumrichtung.
Als anschauliches Hilfsmittel verwendet
In der Physik tritt die Bezeichnung Feld in ver- man hierfür den Begriff elektrische Feldli-
schiedenen Zusammenhängen auf (z. B. in Ab- nien.
schn. 2.12.2.1). Ein Feld ist allgemein eine physi-
4.3 Elektrisches Feld 283

Abb. 4.47 Einteilung der Felder

Die elektrischen Feldlinien weisen folgende Innere von metallischen Körpern immer feld-
Eigenschaften auf: frei ist, wie es in Abb. 4.48f angedeutet ist.
Mit metallischen Umhüllungen können des-
 Sie beschreiben die elektrischen Kraftwirkun- halb elektrische Felder abgeschirmt werden
gen: (Faraday’scher Käfig).
– die Tangente an die Feldlinie gibt die
Kraftrichtung an; Abb. 4.48 zeigt den Verlauf der elektrischen Feld-
– die Kraftwirkungen sind eindeutig, d. h. die linien für eine positive Ladung (a), für zwei
Feldlinien schneiden sich nicht; gleich große, entgegengesetzte Ladungen (b), für
– die Dichte der Feldlinien gibt Anhaltspunk- zwei gleich große gleichnamige Ladungen (c),
te für die Stärke der Kraftwirkungen an für zwei gleich große Metallplatten (d), für ei-
verschiedenen Stellen; ne Metallplatte und eine Metallspitze (e) und für
 sie besitzen einen Anfang (positive Ladung) einen Metallrahmen zwischen zwei Metallplat-
und ein Ende (negative Ladung). Dies be- ten (f).
deutet, dass es keine in sich geschlossenen
Feldlinien gibt. Die Richtung von positiver zu
negativer Ladung ist willkürlich festgelegt; 4.3.3 Elektrische Feldstärke und Kraft
 positiv geladene Körper werden in Richtung
der Feldlinien beschleunigt, negativ geladene Wird in ein elektrisches Feld eine punktförmige
den Feldlinien entgegen; Prüfladung Q gebracht, so spürt diese eine Kraft
 da auf metallischen Leitern die Elektronen frei F : Der Quotient aus der Kraft F und der Prüfla-
beweglich sind, werden sie so lange verscho- dung Q wird elektrische Feldstärke E genannt:
ben, bis keine tangentiale Kraftkomponente F
mehr vorhanden ist. Dies bedeutet, dass auf ED : (4.82)
Q
elektrischen Leitern die elektrischen Feldlini-
en senkrecht stehen; Die Maßeinheit ist 1 N=C D 1 V=m.
 befinden sich metallische Körper im elektri- Die elektrische Feldstärke ist ein Vektor in
schen Feld, so sitzen die Ladungen immer Richtung der Kraft. Die Definition der elektri-
an der Oberfläche. Dies bedeutet, dass das schen Feldstärke E als Kraft je Probeladung
284 4 Elektrizität und Magnetismus

a b c

d e f

Abb. 4.48 Feldlinienbilder

erfolgt analog der Gravitationsfeldstärke g (Gra- genden Ladungen Q1 ; Q2 bis Qn zu


vitationskraft pro Masse, Abschn. 2.10.3). Für die
Kraft im elektrischen Feld ergibt sich aus (4.82) E .P / D 1
0
4 "0
!
F D E Q: (4.83) Q1 Q2 Qn
 r C 3 r 20 C : : : C 3 r n0 :
3 10
r10 r20 rn 0
Am Beispiel einer Punktladung kann der Zu-
sammenhang zwischen Feldstärke und Kraft gut Dabei ist r der Abstand der n-ten Ladung vom
n0
gezeigt werden. Nach dem Coulomb’schen Ge- Ort der Prüfladung.
setz (4.2) gilt Die Feldlinien gehen strahlenförmig (radial)
1 Q1 Q2 r
F D  : von der Punktladung aus (Abb. 4.48a) oder füh-
4 "0 r2 r
ren zu ihr hin und die Feldstärke nimmt quadra-
Für die Feldstärke E der Punktladung Q1 am Ort tisch mit der Entfernung von der Punktladung Q1
der Prüfladung Q2 folgt nach (4.82) ab.
In inhomogenen Feldern (Abb. 4.47) ist die
F 1 Q1 elektrische Feldstärke und damit die Kraftwir-
ED D  3 r: (4.84) kung in unterschiedlichen Raumpunkten ver-
Q2 4 "0 r
schieden groß. In homogenen Feldern dagegen,
Dabei ist r der Abstandsvektor des Aufpunktes z. B. zwischen zwei geladenen parallelen Plat-
von der felderzeugenden Punktladung Q1 . ten (Abb. 4.48d), ist die elektrische Feldstär-
Die elektrische Feldstärke E .P0 / am Ort P0 ke und folglich die Kraft überall gleich groß.
einer Prüfladung errechnet sich bei n felderzeu- Für die Spannung U zwischen den Platten gilt:
4.3 Elektrisches Feld 285

R
U D E ds. Für homogene Felder ergibt sich

U DEd

oder für die elektrische Feldstärke E


U
ED : (4.85)
d
Diese Beziehung beschreibt als Spezialfall die
elektrische Feldstärke E zwischen zwei gelade-
nen Platten (Plattenkondensator, Abschn. 4.3.6.2)
in Abhängigkeit vom Abstand d . Für den allge-
meinen (inhomogenen) Feldfall jedoch muss man
auf (4.82) zurückgreifen.

Beispiel 4.3-1
An den Eckpunkten eines Quadrates mit der
Seitenlänge von 10 cm befinden sich gleiche
Ladungen Q1 bis Q4 von je 5  107 C, wie es
Abb. 4.49 verdeutlicht. Ermitteln Sie mit ei-
nem Rechenprogramm die Feldstärke E (Be-
trag und Richtung) im Mittelpunkt P des Qua-
drates für folgende vier Ladungsanordnungen:

Q1 Q2 Q3 Q4
a/    
b/   C C
c/  C  C
d/   C 

Fassen Sie das Programm so ab, dass beliebi-


ge Ladungen in den Eckpunkten sitzen können
und die Ladungsabstände unterschiedlich sein Abb. 4.49 Rechnerausdruck der Lösungen von Bei-
können. spiel 4.3-1

Lösung
Für die Feldstärke E der Punktladung Q1 am Feldstärke E am Ort P in Betrag und Rich-
Ort P gilt nach (4.84) tung.
Im Programm werden die Ladungen Q1 bis
Q1 Q1 Q4 und der Ladungsabstand D eingegeben.
jE Q;P j D 2 D  2 :
Ausgegeben werden eine kurze Darstellung

Dp D
4 "0 2 8 "0 des Problems und der Vektor der elektrischen
2 2
Feldstärke E im Punkt P in Betrag und Rich-
D ist der Ladungsabstand. Durch Vektorad- tung. Die Richtungsangabe erfolgt in Grad, 0ı
dition werden alle vier elektrischen Feldstär- bedeutet die Linie senkrecht nach oben. Der
ken (herrührend von den vier Ladungen) im Winkel wird in mathematisch positiver Rich-
Punkt P addiert und ergeben die resultierende tung größer. Abb. 4.49 zeigt den Ausdruck für
286 4 Elektrizität und Magnetismus

Daraus ergibt sich


ZB
WAB D  QE ds oder
A
ZB
WAB D Q E ds: (4.86)
A

Wegen des Energieerhaltungssatzes muss diese


Verschiebungsarbeit unabhängig vom Weg von A
1 oder
nach B (z. B. 2 in Abb. 4.50) sein, so-
dass gilt
ZB ZA I
Abb. 4.50 Verschiebung von Ladung im elektrischen E ds C E ds D E ds D 0;
Feld A B

d. h., die Aufsummierung aller skalaren Produk-


die Fälle a) bis d) sowie für eine beliebige La- te E ds.D jE j  jdsj  cos.E ; ds// entlang eines
dungseingabe (Fall e)). geschlossenen Weges muss null sein.
Man erhält folgende Ergebnisse: Der Quotient aus negativer Verschiebungsar-
Für den Fall gleicher Ladungen (Fall a)) beit WAB und Ladung Q ist die elektrische Span-
gibt es keine Feldstärke im Punkt P. Im Fall nung UAB zwischen den Punkten A und B.
b) herrscht eine Feldstärke von 2;54  108 V=m ZB
senkrecht nach oben (Winkel gleich 0ı ). Im WAB
UAB D  D E ds: (4.87)
Fall c) herrscht dieselbe Feldstärke um 90ı Q
A
verschoben und im Fall d) beträgt die Feldstär-
ke 1;79  10 V=m in einem Winkel von 315 . Wird im Feld einer Punktladung Q1 eine positive
8 ı

Im allgemeinen Fall e) seien als Ladungen Probeladung Q vom Ort A (rA ) zum Ort B .rB /
eingegeben: verschoben, so ist mit Hilfe von (4.84) die Span-
Q1 D 1 C, Q2 D 2 C, Q3 D 5 C und nung zwischen den Punkten A und B
Q4 D 1;5 C sowie ein Ladungsabstand von Q1

1 1

1000 m. Man erhält eine Feldstärke von 5;46  UAB D  : (4.88)
4 "0 rA rB
104 V=m und einen Winkel von 305;54ı .
Wird die Probeladung Q vom Unendlichen
.rA D 1/ zum Punkt B geführt, dann ist die
4.3.4 Elektrische Feldstärke und Spannung zwischen unendlich und Punkt B
elektrostatisches Potenzial
ZB
Q1
U1B D E ds D  :
Um eine positive, punktförmige Probeladung Q 4 "0 rB
im elektrischen Feld vom Punkt A nach Punkt 1

B zu verschieben (Abb. 4.50), muss gegen die Sie hängt also nur von der Lage des Punktes B
Feldkraft F D QE eine Verschiebungsarbeit im elektrischen Feld ab. Als elektrisches Potenzi-
verrichtet werden: al 'B des Punktes B wird bezeichnet:
ZB ZB
W1B
WAB D  F .s/ds: 'B D  E ds D : (4.89)
Q
A 1
4.3 Elektrisches Feld 287

formuliert werden:

E D grad': (4.94)

Folglich kann man die Komponenten des elektri-


schen Feldes durch die Potenzialänderung in den
entsprechenden Richtungen bestimmen. Das Mi-
nuszeichen besagt, dass der Vektor E in Richtung
abnehmenden Potenzials zeigt (entsprechend der
Feldrichtung von C nach ). Der Vektor E zeigt
Abb. 4.51 Elektrostatisches Potenzial und Spannung dabei in Richtung der maximalen Änderung des
zwischen zwei Punkten Potenzials '. Ein Vergleich von (4.91) und (4.94)
zeigt:
Die elektrische Spannung UAB zwischen zwei  Wird dem Punkt 1 das Potenzial 0 zugeord-
Punkten A und B eines elektrischen Feldes lässt net, dann erhält man das Potenzial des Auf-
sich durch Kombination von (4.87) und (4.88) als punktes P durch Integration der elektrischen
Differenz der elektrischen Potenziale 'B und 'A Feldstärke auf dem Weg von P nach 1. Das
darstellen, wie Abb. 4.51 zeigt: Ergebnis ist unabhängig vom genauen Verlauf
des Weges.
UAB D 'B  'A D ': (4.90)
 Aus dem elektrostatischen Potenzial ' lässt
Somit schreibt man für den Zusammenhang sich durch Anwendung des Vektoroperators
zwischen Ladungsverschiebearbeit WAB , Span- Gradient die elektrische Feldstärke E (bzw.
nung UAB , Potenzialdifferenz ' und elektri- deren Komponenten Ex ; Ey und Ez / errech-
scher Feldstärke E nen ((4.93) bzw. (4.94)).
ZB  Beide Beschreibungsweisen des elektrischen
WAB Feldes, also durch die elektrische Feldstärke
 D UAB D ' D E ds: (4.91)
Q E und andererseits durch das elektrostatische
A
Potenzial ', sind gleichberechtigt.
Für sehr kleine Verschiebungen ist

d' D E ds D jE j  jdsj cos.E ; ds/: Äquipotenzialflächen


Auf Äquipotenzialflächen herrscht immer glei-
Findet diese sehr geringe Verschiebung in Feld-
ches Potenzial (' D konstant), d. h., der Poten-
richtung statt (cos .E ; ds/ D 1), so gilt
zialunterschied ist null .' D 0/. Dann folgt
d' nach (4.91)
jE j D  (4.92)
ds
0 D E ds D jE jjdsj cos.E ; ds/: (4.95)
oder für die räumlichen Komponenten des Feldes
0 1 Das Skalarprodukt E ds wird null, wenn die bei-
@' @' @' A den Vektoren senkrecht aufeinander stehen, wie
E .x; y; z/ D @ i C j C k
@x
„ƒ‚… @y @z
„ƒ‚… es Abb. 4.52 zeigt (dann ist cos .E ds/ D 0), so-
„ƒ‚…
dass gilt E ?ds.
Ex C Ey C Ez
In der Zeichenebene entsprechen den
(4.93) Äquipotentialflächen die Äquipotenziallinien.
Gleichung (4.93) kann auch mit dem Vektorope- Diese Aussage bedeutet:
rator Gradient
 Wird die Ladung auf den Äquipotenziallinien
@ @ @ verschoben, so ist aufgrund (4.91) die Ver-
grad D iC jC k
@x @y @z schiebungsarbeit WAB D 0.
288 4 Elektrizität und Magnetismus

Äquipotenziallinien aufwändig, aus den Linien gleichen Potenzials –


die leicht zu messen sind – die elektrischen Feld-
linien (die schwieriger zu messen wären) zu er-
mitteln. In der Praxis setzt man dazu Äquipoten-
ziallinienschreiber ein; hierbei zeichnet man die
Feldlinien Leitergeometrien mit Leitsilber auf Widerstands-
papier und ermittelt bei angelegter Spannung
zwischen den Leitsilberlinien die Linien glei-
cher Spannung mit einem Voltmeter. Abb. 4.54
zeigt einen automatisch arbeitenden Äquipoten-
ziallinienschreiber, der mikroprozessorgesteuert
die Linien gleicher Spannung selbsttätig abfährt
und programmgesteuert die Äquipotenziallinien
ermittelt, sie sofort mit Schreiber aufzeichnet
und über ein Computerprogramm gleichzeitig die
Abb. 4.52 Äquipotenziallinien und elektrische Feldlinien elektrischen Feldlinien registrieren kann.
Abb. 4.55 stellt die Äquipotenziallinien bzw.
die elektrischen Feldlinien zwischen einer ebe-
 Die elektrischen Feldlinien stehen immer nen Platte und einer metallischen Spitze dar. Es
senkrecht auf den Äquipotenziallinien. Da die wird deutlich, wie dicht die Äquipotenziallinien
elektrischen Feldlinien ihrerseits immer senk- oder wie stark das elektrische Feld oder die elek-
recht auf den metallischen Oberflächen stehen, trischen Kräfte in unmittelbarer Umgebung der
sind die Oberflächen von metallischen Leitern Spitze sind. Es kann gezeigt werden, dass die
immer Äquipotenzialflächen. Feldstärke

Die Bewegung geladener Teilchen im elektri-  umso größer ist, je kleiner der Spitzenradius
schen Feld lässt sich gut mit der reibungsfrei- ist und
en Bewegung von Wasserteilchen in einer ber-  kaum von der Geometrie der Gegenelektrode
gigen Landschaft vergleichen. Dies rührt u. a. beeinflusst wird.
von der Ähnlichkeit der Gravitationskraft mit
der elektrostatischen Coulomb-Kraft her. Wie Die hohe elektrische Feldstärke und damit die
Abb. 4.53 zeigt, ist der Verlauf des elektrosta- großen elektrischen Kräfte um metallische Spit-
tischen Potenzials einem Gebirge vergleichbar, zen nutzt man in der Technik
in dem die Äquipotenziallinien den Höhenlinien
(Linien gleicher potenzieller Energie) entspre-  beim Blitzableiter,
chen. Wie die Wasserteilchen senkrecht zu den  im Geiger’schen Spitzenzähler zum Nachweis
Höhenlinien in Richtung des Gefälles reibungs- ionisierender Strahlung (Abschn. 8.8.1.4) und
frei nach unten laufen, so werden die Ladungen  im Feldelektronenmikroskop zur Untersu-
senkrecht zu den Äquipotenziallinien beschleu- chung atomarer Strukturen (Abschn. 4.2.2.1).
nigt. In Richtung des steilsten Abfalls sind die
Höhenlinien wie die Äquipotenziallinien dicht Beispiel 4.3-2
gedrängt und dies ist die bevorzugte Bewegungs- Eine Ladung Q wird mit konstanter Ge-
richtung. schwindigkeit vom Punkt A zum Punkt C
Wegen dieser Eigenschaft, dass die elektri- über die Strecke ABC bewegt (Abb. 4.56).
schen Feldlinien immer senkrecht zu den Linien Berechnet werden soll die Potenzialdifferenz
gleichen Potenzials stehen, ist es häufig weniger zwischen den Punkten C und A (UCA /.
4.3 Elektrisches Feld 289

Abb. 4.53 Vergleich Gravitationsfeld und elektrisches Feld

Abb. 4.55 Äquipotenziallinien und elektrische Feldlini-


en an einer metallischen Spitze

Abb. 4.54 Automatischer Äquipotenziallinienschreiber


290 4 Elektrizität und Magnetismus

Newton’schen Grundgesetz der Dynamik eine


Beschleunigung erfährt:

Fel D ma;
QE D ma:

Daraus ergibt sich die Beschleunigung


Q
aD E: (4.96)
m
Ist das elektrische Feld homogen, so durchläuft
ein geladenes Teilchen eine Bewegung mit kon-
stanter Beschleunigung. Deshalb nimmt die kine-
tische Energie Ekin ständig zu, und zwar auf Kos-
ten der potenziellen Energie, d. h. des Potenzial-
unterschieds entlang des Beschleunigungswegs.
Nach dem Energieerhaltungssatz gilt

Ekin D Epot ;
1  
Abb. 4.56 Zu Beispiel 4.3-2. Eine äußere Kraft F be- m v 2  v02 D Q.'1  '2 / D QU;
wegt eine Ladung Q auf dem Weg ABC 2
1  2 
m v  v02 D QU: (4.97)
2
Lösung Man erkennt, dass die kinetische Energie propor-
RB
Nach (4.91) gilt UAB D  A E dl . Somit er- tional zur durchlaufenden Beschleunigungsspan-
gibt sich nung U zunimmt. Falls die Anfangsgeschwindig-
keit v0 D 0 ist, setzt man an
ZB ZB
E 1
UBA D 'B  'A D  E cos ˛ dl D p dl Ekin D mv 2 D QU: (4.98)
2 2
A A
E E p In der Atom- und Kernphysik (Kap. 8) werden
Dp lDp 2 d D Ed: die Energien von Elementarteilchen üblicherwei-
2 2
se in Elektronenvolt (eV) gemessen:
Die Punkte B und C haben gleiches Potenzial,
da die Feldstärke E senkrecht zum Wegele-
ment dl steht, sodass E dl D 0 wird. Es Ein Elementarteilchen mit der Elementarla-
handelt sich also um die Äquipotenziallinie dung e D 1;60219  1019 A s erhält beim
(BC), sodass gilt UCA D UBA D Ed . Durchlaufen einer Potenzialdifferenz von
1 V eine Energiezunahme von

4.3.5 Bewegung geladener Teilchen im 1 Elektronenvolt .eV/ D 1;60219  1019 J:


elektrischen Feld (4.99)

4.3.5.1 Grundlegende Betrachtungen


Ein elektrisch geladenes Teilchen (z. B. ein Elek- Außer der Einheit eV werden auch andere grö-
tron oder ein Proton) wird im elektrischen Feld ßere Einheiten verwendet:
der Feldstärke E wegen der elektrischen Kraft
Fel D QE in Feldrichtung beschleunigt, so- 1 MeV D 106 eV D 1;60219  1013 J;
dass das Teilchen mit der Masse m nach dem 1 GeV D 109 eV D 1;60219  1010 J: (4.100)
4.3 Elektrisches Feld 291

Aus (4.98) lässt sich die Endgeschwindigkeit ge- Lösung


ladener Teilchen berechnen: a) Es sind folgende Beziehungen zu verwen-
r den:
2QU m0 D 9;11  1031 kgI
vD : (4.101)
m
e D 1;602  1019 CI
Gleichungen (4.97), (4.98) und (4.101) sind nur c D 2;998  108 m=s:
für kleine Geschwindigkeiten gültig. Für sehr
schnelle fliegende Teilchen (ab etwa 10 % der Für ein Elektron gilt weiterhin die Elektro-
Vakuumlichtgeschwindigkeit c; bei Elektronen nengeschwindigkeit (klassisch)
schon bei der relativ kleinen Spannung von
p
2500 V) ist der relativistische Massenzuwachs vek D 5;93  105 U=V m=s; (4.104)
spürbar (Abschn. 10.4):
relativistisch
m0
mD r  v 2 :
1 ver D 2;998  108
c s
1
Hierin ist m0 die Ruhmasse des Teilchens 1 m=s;
.1;957  106 U=V C 1/2
und c die Vakuumlichtgeschwindigkeit. Es gilt (4.105)
nach (10.16) für die kinetische Energie Ekin D
mc 2  m0 c 2 . Eingesetzt in (4.98) resultiert 9;11  1031 kg
mD s  2 ; (4.106)
ver
QU D .m  m0 /c 2 1
0 1 2;998  108 m=s
m 1
B
D m0 c 2 B
1 C
(4.102) m0
Ds  2 : (4.107)
@r  v 2  1A ;
C ver
1
1 2;998  108 m=s
c

und für v errechnet sich nach (4.102) b) Abb. 4.57 zeigt die Abhängigkeit der Elek-
tronengeschwindigkeit von der Spannung
v
u 1 im klassischen bzw. im relativistischen
v D cu
u1   2 : (4.103) Fall: Die Geschwindigkeit nach der klassi-
t QU
C1 schen Formel würde ab 105 V sehr schnell
m0 c 2 ins Unendliche anwachsen, während sie im
relativistischen Fall in die Gerade vel D c
Beispiel 4.3-3 einmündet.
Für ein Elektron (Ruhemasse m0 D 9;11 
1031 kg) sollen anhand eines Programms für
die durchlaufenen Spannungen von 1 V bis 4.3.5.2 Bewegung eines geladenen
1010 V (in 10 V-Schritten) die Elektronenge- Teilchens quer zum elektrischen
schwindigkeit v, die Elektronenmasse m so- Feld
wie die relative Massenzunahme m=m0 er- Es sei angenommen, dass Elektronen nach
rechnet werden. Bei wie viel eV ist die Elek- (4.101) mit einer Geschwindigkeit von
tronenmasse im Vergleich zur Ruhemasse um
s
5 %; 10 %; : : : ; 100 % größer? Zeichnen Sie v
2e
in Abhängigkeit von U im klassischen und im vox D Ua
me
relativistischen Fall auf.
292 4 Elektrizität und Magnetismus

Analog zum waagerechten Wurf erhält man


für die Bewegung in x-Richtung x D vox t und
in y-Richtung y D 12 ay t 2 D 2m
eE 2
e
t .
Durch Eliminieren von t ergibt sich die Bahn-
gleichung (s. waagrechter Wurf, (2.17) in Ab-
schn. 2.2.2.3):
a 2
yD 2
x oder
2vox
eE
yD 2
x2: (4.108)
2me vox

Da für die elektrische Feldstärke im Kondensator


Abb. 4.57 Elektronengeschwindigkeit v normiert auf die E D UKond =d gesetzt werden kann und vox 2
D
Lichtgeschwindigkeit c in Abhängigkeit von der Span-
nung im klassischen und relativistischen Fall 2eUa =me ist, erhält man

UKond 2
yD x : (4.109)
4d Ua

Für den Ablenkwinkel ' gilt

vy eE
tan ' D D t: (4.110)
vox me vox

Wegen t D l=vox gilt nach Verlassen des Feldes

eEl
tan ' D : (4.111)
Abb. 4.58 Flugbahn eines Elektrons im homogenen 2
me vox
elektrischen Querfeld
Mit (4.85) für E und (4.101) für vox
2
erhält man

in ein homogenes Querfeld E einströmen. Die- l UKond


ses Feld kann durch einen Plattenkondensa- tan ' D : (4.112)
2d Ua
tor der Plattenlänge l und dem Plattenabstand
d erzeugt werden. Dies geschieht u. a. beim Für die Ablenkung aus der Flugrichtung nach
Elektronenstrahl-Oszilloskop (Abschn. 4.3.5.4) Verlassen des Feldes bedeutet dies:
und ist schematisch in Abb. 4.58 dargestellt. Die
Bahnkurve des Elektrons ent- spricht der eines  Je größer l (oder die Flugdauer t), desto grö-
waagrechten Wurfes (Abschn. 2.2.1.3), da ßer die Ablenkung;
 je größer die Kondensatorspannung UKond
 in x-Richtung eine Bewegung mit konstanter oder die Feldstärke E D UKond =d , desto grö-
Geschwindigkeit vox und ßer die Ablenkung und
 in y-Richtung eine Bewegung mit konstanter  je größer die Anodenspannung Ua (oder die
Beschleunigung ay D e E=me (4.96) erfolgt. Geschwindigkeit v), desto kleiner die Ablen-
kung.
(Die Gravitationskraft kann im Vergleich zur
Feldkraft vernachlässigt werden.) Daraus errech- Wenn sich im Abstand s von der Kondensator-
net sich eine Geschwindigkeit in y-Richtung von mitte ein Auffangschirm befindet, dann kann die
vy D ay t. Ablenkung b (Abb. 4.58) berechnet werden ge-
4.3 Elektrisches Feld 293

mäß
 
l
b D yA C s  tan ':
2

Mit den Beziehungen für yA (4.108) und


tan ' (4.111) ergibt sich
 
eE 2 l eEl
bD 2
l C s 2
2me vox 2 me vox
 
eEl l 1
D 2
Cs ;
me vox 2 2
Abb. 4.59 Bewegung eines geladenen Teilchens parallel
eEls eUKond ls ls UKond zum elektrischen Feld
bD 2
D 2
D : (4.113)
me vox me dvox 2d Ua

4.3.5.3 Bewegung eines geladenen


Teilchens parallel zum
elektrischen Feld
Als Beispiel sei ein positiv geladenes Teilchen
gewählt, ein Proton mit der Masse mP und der
Ladung Ce. Wie Abb. 4.59 zeigt, entspricht die
elektrische Kraft Fel D eE der Gravitationskraft
FGr D mg (s. dazu auch Abb. 4.53). Die kon-
stante Beschleunigung des Protons errechnet sich
nach (4.96) zu

eE
aD :
mP Abb. 4.60 Braun’sche Röhre, schematisch

Es ergeben sich die bekannten Beziehungen der


Mechanik für den freien Fall, wenn anstelle von 4.3.5.4 Elektronenstrahl-Oszilloskop
g der obige Ausdruck für a gesetzt wird: v D at, In der sogenannten Braun’schen Röhre des Elek-
tronenstrahl-Oszilloskops (F. B RAUN, 1850 bis
eE 1918) fließen die aus der Heizkathode austreten-
vD t: (4.114)
mP den und durch die Anodenspannung beschleu-
nigten Elektronen nicht über die Anode zurück,
Für den Weg gilt y D 12 at 2 , sondern treten aufgrund ihrer Trägheit durch das
Anodenblech hindurch und treffen am anderen
1 eE 2
yD t ; (4.115) Ende der Röhre auf eine lumineszierende Sub-
2 mP stanz (z. B. Zinksulfid) auf, die durch die Ener-
gieabsorption der auftreffenden Elektronen zum
für den Zusammenhang zwischen Geschwindig- Aussenden von sichtbarem Licht angeregt wird.
p
keit, Beschleunigung und Weg v D 2ay, Zur Horizontal- und Vertikalablenkung des Elek-
s tronenstrahls dienen um 90ı versetzt angeordnete
2eE Ablenkkondensatoren. Abb. 4.60 lässt das Prin-
vD y: (4.116)
mP zip des Aufbaus erkennen.
294 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.61 Messanordnung zur Bestimmung des Verlaufs


der Strom-Spannungskennlinie eines spannungsabhängi-
gen Widerstandes (VDR)

b
In Abb. 4.61 wird als Beispiel die Schaltung
zur Messung der Strom-Spannungs-Kennlinie ei-
nes spannungsabhängigen Widerstandes (VDR)
gezeigt. Die horizontale Ablenkung (x) wird von
der am VDR-Widerstand abfallenden Spannung
bestimmt, während die vertikale Ablenkung (y)
einer Spannung entspricht, die dem Stromfluss
durch den VDR-Widerstand proportional ist.
Bei der Messung eines Spannungssignals wird
die zu messende Spannung an die Vertikalplatte
angelegt; an der Horizontalplatte befindet sich in Abb. 4.62 a Kräfte auf einen geladenen Körper in einer
diesem Fall eine zeitlich einstellbare, interne Sä- Flüssigkeit, b Kräftegleichgewicht beim Schweben eines
gezahnspannung (Kippspannung). Wird die zeit- Körpers in einer Flüssigkeit unter der Wirkung eines elek-
liche Ablenkung (von links nach rechts) synchron trischen Feldes
zur Ablenkung der zu untersuchenden Messgrö-
ße geschaltet (getriggert), dann entsteht auf dem
Schirm ein stehendes Bild. In Abb. 4.62b ist zusammengestellt, wie mit die-
ser Anordnung die Bestimmung
4.3.5.5 Bewegung elektrisch geladener
Körper in einer Flüssigkeit und  der Ladung Q der Kugel,
im elektrischen Feld  der Dichte %Fl der Flüssigkeit und
Es sei angenommen, dass sich in einem senk-  der Dichte %K des festen Körpers
rechten elektrischen Feld ein geladener Körper in
einer Flüssigkeit befindet. Es wirken auf ihn drei erfolgen kann. Dabei ist VK das Volumen der Ku-
Kräfte, wie Abb. 4.62a zeigt: die des elektrischen gel, Q die Ladungsmenge des Körpers, E die
Feldes Fel , die Auftriebskraft FAuftrieb und die elektrische Feldstärke und g die Erdbeschleuni-
Gewichtskraft FG . Wird das elektrische Feld so gung.
eingestellt, dass der geladene Körper schwebt, Mit einer ähnlichen Messanordnung (mit Luft-
dann muss die Summe aller äußeren Kräfte gleich füllung) gelang es im Jahr 1910 R. A. M ILLIKAN
P
null sein ( Faußen D 0): (1868 bis 1953), die Elementarladung zu bestim-
men und ihre Quantisierung nachzuweisen. Für
Fel C FAuftrieb C FG D 0: (4.117) diesen Schwebezustand gilt dann (ohne die Auf-
4.3 Elektrisches Feld 295

4.3.6.1 Elektrische Influenz, elektrische


Verschiebungsdichte und
elektrische Feldstärke
In einem Leiter sind die Ladungsträger (im All-
gemeinen Elektronen) frei beweglich. Das Lei-
terinnere ist deshalb immer feldfrei; zusätzlich
aufgebrachte Ladungen sitzen stets an der Ober-
Abb. 4.63 Materie im elektrischen Feld fläche. Sie haben alle das gleiche Potenzial.
Die Flächenladungsdichte  ist ein Maß dafür,
wie viel Teilladung Q sich auf einer Teilflä-
triebskraft der Flüssigkeit) che A befindet:

Fel C FG D 0; Q
D : (4.119)
U A
Q D mg;
d Die Maßeinheit ist Œ  D 1 C=m2 D 1 A s=m2 .
mgd
QD : (4.118) Anhand der Messung der influenzierten La-
U dung ist eine Beschreibung und Berechnung des
Die Teilchenmasse kann durch die Sinkge- elektrischen Feldes möglich. Bringt man bei-
schwindigkeit im Gravitationsfeld unter Berück- spielsweise gemäß Abb. 4.64a ein metallisches
sichtigung der Stokes’schen Reibungskraft (Ab- Doppelplättchen in ein homogenes elektrisches
schn. 2.12.2.4, (2.235)) bestimmt werden; hierbei Feld, so werden Ladungen auf dem Doppelplätt-
wird der Radius des Masseteilchens mikrosko- chen getrennt (Abb. 4.64b). Werden anschlie-
pisch ermittelt. ßend die Plättchen innerhalb des Feldes getrennt
(Abb. 4.64c), so verbleibt der Raum zwischen
den Plättchen feldfrei. Dies ist nur möglich, wenn
4.3.6 Leiter im elektrischen Feld die Flächenladungsdichte  auf den Influenz-
plättchen genau so groß ist, wie diejenige auf
Befindet sich Materie in einem elektrischen Feld, den Kondensatorplatten. Die Ladung Q, die
so wirkt auf alle Ladungen in dieser Materie eine auf den Influenzplättchen sitzt, kann nun außer-
elektrische Kraft. Wegen der unterschiedlichen halb des elektrischen Feldes gemessen werden,
Beweglichkeit der Ladungsträger im Leiter (frei beispielsweise nach (4.7) über den Entladestrom
beweglich) und im Nichtleiter (gering beweglich) (Abb. 4.64d). Es zeigt sich, dass die so bestimmte
lassen sich die in Abb. 4.63 zusammengestellten Ladungsdichte auf den Influenzplatten der elek-
Effekte beobachten: trischen Feldstärke proportional ist. Die Propor-
tionalitätskonstante ist die elektrische Feldkon-
 Im Leiter werden die beweglichen Elektronen stante "0 :
relativ zu den Atomrümpfen verschoben und  D "0 E:
dadurch positive und negative Ladungsträger
getrennt (Influenz). Das vektorielle Produkt "0 E ist eine interessan-
 Im Nichtleiter werden die Ladungsträger nur te Feldgröße, die allerdings erst dann wichtig
geringfügig verschoben (Polarisation). wird, wenn sich Materie im elektrischen Feld
befindet (Abschn. 4.3.7). Sie wird als elektri-
Nachfolgend sind die Erscheinungen in Leitern, sche Verschiebungsdichte D bezeichnet, weil sie
in Abschn. 4.3.7 die in Nichtleitern beschrieben. durch Verschieben von Influenzplättchen gemes-
296 4 Elektrizität und Magnetismus

a b

c d

Abb. 4.64 Influenzplatten im homogenen elektrischen Feld

sen werden kann: A, die in einem homogenen Feld senkrecht zu den


Feldlinien steht. Der Fluss durch diese Fläche ist
D D "0 E : (4.120) definiert als

Ihr Zahlenwert entspricht der influenzierten Flä- D AD D A"0 E:


chenladungsdichte auf den Metallplatten:

Q Die Verschiebungsdichte D spielt damit die Rolle


jDj D  D : (4.121) der Flussdichte:
A

Ihre Maßeinheit ist ŒD D 1 C=m2 D 1 A s=m2 . DD :


Die elektrischen Feldlinien haben eine gewis- A
se Ähnlichkeit mit den Stromlinien der Strö- Ist das elektrische Feld inhomogen und die Be-
mungsmechanik (Abschn. 2.12.2). Wie dort kann zugsfläche gegenüber den Feldlinien um den
man einen elektrischen Fluss definieren, der Winkel ' gekippt (Abb. 4.65b), dann sind Fluss
eine bestimmte Fläche A durchsetzt. Die Grö- und Flussdichte differenziell zu definieren:
ße kann interpretiert werden als ein Maß für die
Gesamtzahl der Feldlinien, die eine Fläche senk- d
d D DdA und D D : (4.122)
recht durchsetzen. Abb. 4.65a zeigt eine Fläche dA?
4.3 Elektrisches Feld 297

Abb. 4.66 Fluss durch eine Kugeloberfläche

deren Zentrum sich die Ladung Q befindet


(Abb. 4.66).
Nach (4.84) ist die elektrische Feldstärke einer
Punktladung im Abstand R

Q
E.R/ D :
4 "0 R2
Die Feldlinien weisen radial vom Zentrum weg
(Abb. 4.66). Damit ist in jedem Punkt der Ober-
fläche der Normalenvektor dA parallel zur Ver-
Abb. 4.65 Elektrischer Fluss durch eine Fläche
schiebungsdichte D bzw. der Feldstärke E . Für
das Integral von (4.123) ergibt sich
I I
D DdA D "0 E dA
Die elektrische Verschiebungsdichte ist I
Q
gleich dem elektrischen Fluss je Flächen- D dA D Q:
Einheit. 4 R2
Der von einer Punktladung ausgehende Fluss
durch eine beliebige konzentrische Kugelfläche
Der gesamte Fluss durch eine größere Flä- entspricht also der Ladung Q der Punktladung.
che ergibt sich durch Integration über die Fläche: Hätte man anstatt der Kugel eine beliebige ande-
Z Z re geschlossene Fläche um die Ladung Q gelegt,
D D dA D "0 E dA: (4.123) dann wäre wegen des Skalarproduktes DdA das-
A A
selbe Ergebnis heraus gekommen.
Sitzen innerhalb einer geschlossenen Fläche n
Als Beispiel soll der Fluss durch eine Kugel- Ladungen Qi , dann ist der Fluss durch die Ober-
oberfläche mit Radius R berechnet werden, in fläche gleich der Summe der Ladungen. Dieses
298 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.67 Elektrischer Fluss durch eine geschlossene


Oberfläche, in deren Innenraum sich keine Ladungen be-
finden
Abb. 4.68 Zur Berechnung der Feldstärke im Platten-
kondensator nach Beispiel 4.3-4
Ergebnis wird als Gauß’scher Satz (C. F. G AUSS,
1777 bis 1855) bezeichnet:
stand ist der Außenraum feldfrei und im In-
I n
X nern liegt ein homogenes Feld vor (Abb. 4.68).
D DdA D Qi : (4.124)
Denkt man sich nun die geschlossene rote Flä-
i D1
che um eine Platte gelegt, dann ist der Fluss
durch die Fläche
Der durch eine geschlossene, beliebig
geformte Oberfläche gehende elektrische
I
Fluss ist gleich der Summe der von dieser D DdA D DA D "0 EA:
Fläche eingeschlossenen Ladungen.
Dieser Fluss muss nach dem Gauß’schen Satz
gleich sein der Summe aller Ladungen inner-
Befindet sich innerhalb einer geschlossenen halb der Bezugsfläche. Also gilt
Oberfläche keine Ladung, so ist nach (4.124) der
Fluss durch diese Fläche null. Dies hängt ein- Q 
D "0 EA oder E D D :
fach damit zusammen, dass der Fluss ein Maß "0 A "0
ist für die Zahl der Feldlinien, die eine Fläche
durchdringen. Da jede Feldlinie, die in den Raum Der Gauß’sche Satz ermöglicht bei gewis-
eintritt, diesen auch wieder verlassen muss (sie sen geometrischen Konstellationen die Be-
kann ja nicht auf einer Ladung im Innern enden), rechnung der Feldstärke aus der Ladungsver-
ist der Gesamtfluss null (Abb. 4.67). teilung. In Abb. 4.69 ist die Feldstärke E in
der Umgebung von geladenen Körpern unter-
Beispiel 4.3-4 schiedlicher Geometrie zusammengestellt.
Die elektrische Feldstärke im Innern eines
Plattenkondensators ist zu bestimmen, wenn
auf den Platten der Fläche A die Ladung Q 4.3.6.2 Kondensator und Kapazität
sitzt. Kondensatoren sind zwei gegeneinander isolierte,
entgegengesetzt geladene Leiteroberflächen be-
Lösung liebiger Geometrie, zwischen denen eine Poten-
Im Idealfall eines Plattenkondensators mit zialdifferenz ' oder eine Spannung U herrscht,
großer Plattenfläche und kleinem Plattenab- wie Abb. 4.70 zeigt. Ein Kondensator ist ein
4.3 Elektrisches Feld 299

Abb. 4.69 Elektrische Feldstärke von geladenen Körpern verschiedener Geometrien


300 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.71 Symbol für die Kapazität

Abb. 4.71 zeigt das Schaltungssymbol eines


Kondensators mit den Messvorschriften für La-
Abb. 4.70 Kapazität beliebiger Körper
dung und Spannung.

Kapazität eines Plattenkondensators


wichtiges elektrisches Bauelement und dient u. a. Ein Plattenkondensator besteht aus zwei paral-
zur Speicherung elektrischer Ladung und elektri- lelen Platten im Abstand d (Abb. 4.72). Liegt
scher Energie. zwischen ihnen die Spannung U , dann herrscht
Die Geometrie und der Abstand der Leiter- an jeder Stelle dieselbe elektrische Feldstärke E
oberflächen bestimmen die Ladungstrennungsar- (homogenes Feld). Nach Beispiel 4.3-4 ist der
beit und damit die Spannung, die je getrennte Zusammenhang zwischen der Feldstärke und der
Ladungsmenge Q entsteht. Das Maß dafür ist Ladung auf den Platten
die Kapazität C des Kondensators, d. h. die La-
Q
dungsmenge Q, die bei einer Spannung U auf ED :
den Kondensatoroberflächen gespeichert wird. Es "0 A
gilt
Q Nach (4.85) und Beispiel 4.3-2 gilt E D U=d
C D ; und damit
U
Q D C U: (4.125) A
Q D "0 U:
d
Allgemein schreibt man
R Hieraus folgt für die Kapazität des Plattenkon-
DdA densators CPl
C D R : (4.126)
E ds
Q A
D CPl D "0 : (4.127)
U d
Die Kapazität C gibt an, wie viel La-
dung Q je Spannungseinheit 1 V gespei- Diese Beziehung ist nur gültig, wenn zwischen
chert werden kann. den Platten Vakuum (oder näherungsweise Luft)
ist. In anderen Fällen ist "0 durch die Permittivität
" D "0 "r zu ersetzen (Abschn. 4.3.7).
Die Einheit der Kapazität ist das Farad F: Wie man aus (4.127) folgern kann, ist die Ka-
1 F D 1 A s=V. pazität eines Plattenkondensators CPl nur abhän-
Ein Farad ist eine sehr große Einheit; in der gig von der Plattenfläche A und dem Plattenab-
Praxis sind kleinere Einheiten üblich, z. B. F D stand d . Sie ist umso größer, je größer die Platten-
106 F; nF D 109 F, pF D 1012 F. fläche A und je kleiner der Plattenabstand d ist.
4.3 Elektrisches Feld 301

Abb. 4.72 Plattenkondensator


Abb. 4.73 Kugelkondensator

In der Technik vergrößert man die Fläche durch


Aufwickeln von Metallfolie (oder Aufrauen der Abb. 4.74 gibt die Gleichungen für die Kapazitä-
Oberfläche durch Ätzen bei Elektrolytkondensa- ten anderer Geometrien wieder.
toren) und verkleinert die Abstände, indem man
dünne Kunststofffolien (oder Oxidschichten) als Beispiel 4.3-5
Zwischenlagen verwendet. Für einen Kondensa- Die Gleichung für die Kapazität eines Zylin-
tor mit n Platten gilt derkondensators (2) in Abb. 4.74 soll herge-
leitet werden.
.n  1/A
C D "0 : (4.128)
d Lösung H
Kapazität eines Kugelkondensators Nach (4.123) und (4.124) gilt E dA D "10 Q.
Ein Kugelkondensator besteht aus zwei konzen- Für eine geschlossene Fläche im Abstand r
trisch angeordneten Hohlkugeln mit den Radien entsprechend Abb. 4.75 und unter Berücksich-
r1 und r2 gemäß Abb. 4.73. Ist der Abstand der tigung der Länge l des Zylinders gilt
beiden Hohlkugeln r sehr klein, dann kann I
näherungsweise die Bestimmung der Kapazität
E dA D E.2 r/l D Q="0 ;
nach (4.127) für den Plattenkondensator erfol-
gen; hierbei ist die Fläche A D 4 r 2 und d D Q
ED :
r, sodass sich "0 2 rl
2
r
CKug D 4 "0 (4.129)
r Die Potenzialdifferenz zwischen den Platten
ergibt. Für größere Abstände der beiden Hohlku- beträgt nach (4.91)
geln gilt
Zr2 Zr2
r1 r2 Q
CKug D 4 "0 : (4.130) U D E dr D dr
.r2  r1 / 2 "0 rl
r1 r1
Die Kapazität einer einzigen Kugel mit dem Ra- Zr2  
Q dr Q r2
dius r ist D D ln :
CKug D 4 "0 r: (4.131) 2 "0 l r 2 "0 l r1
r1
302 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.74 Kapazitäten von Körpern verschiedener Geometrien

Für die Kapazität gilt Lösung


Nach (4.130) gilt
Q Q2 "0 l 2 "0 l
C D D   D  :
U r1 r2
Q ln rr21 ln rr12 CKug D 4 "0 D 45;85 mF:
.r2  r1 /

Beispiel 4.3-6
Die Erdkugel ist stets negativ geladen mit der Schaltung von Kapazitäten
Ladung Q  900:000 C. Die positive Ge- Bei der Parallelschaltung addieren sich die spei-
genladung sitzt in den höheren Schichten der chernden Flächen für die Speicherung der nega-
Atmosphäre (h D 100 km). Wie groß ist die tiven bzw. positiven Ladungen (4.127) und des-
Kapazität dieses riesigen Kugelkondensators? halb ist die Gesamtkapazität gleich der Summe
4.3 Elektrisches Feld 303

die Ersatzkapazitäten bei der Parallel- und Rei-


henschaltung zusammengestellt.

4.3.7 Nichtleiter im elektrischen Feld,


elektrische Polarisation und
Permittivitätszahl

In Nichtleitern (Isolatoren) sind die Ladungsträ-


ger nicht frei beweglich. Deshalb ist auch das In-
nere eines Nichtleiters im elektrischen Feld nicht
feldfrei. Das Feld greift gleichsam durch den
Isolator hindurch. Solche Stoffe werden deshalb
auch Dielektrika genannt (nach dem griechischen
Wort „dia“ für „durch“).
Abb. 4.77 zeigt die Vorgänge in einem Platten-
Abb. 4.75 Querschnitt eines Zylinderkondensators kondensator. Vor Einbringen des Dielektrikums
herrsche die elektrische Feldstärke E0 D U0 =d
(Abb. 4.77a). Wird ein Dielektrikum zwischen
der parallelen Einzelkapazitäten. Bei der Reihen- die Platten gebracht, so verschieben sich die La-
schaltung addieren sich jedoch die Einzelspan- dungen auf dem Isolator, sodass ein geringeres
nungen und somit die Kehrwerte der Kapazitä- Feld Em im Dielektrikum zwischen den Platten
ten (4.127). In Abb. 4.76 sind die Gleichungen für herrscht (Abb. 4.77b). Es ist Em < E0 und des-

Abb. 4.76 Ersatzkapazität bei Reihen- und Parallelschaltung von Kondensatoren


304 4 Elektrizität und Magnetismus

a Wegen C D Q=U führt dies bei konstanter La-


dung zu

Cm
D "r ; Cm D " r C0 : (4.133)
C0

Wird ein Dielektrikum in ein elektrisches


Feld gebracht, so nimmt die elektrische
Feldstärke gegenüber der des Vakuums auf
den "r -ten Teil ab, während die Kapazi-
tät durch das Einbringen des Dielektrikums
auf das "r -fache steigt.

b
Die Größe "r wird Permittivitätszahl oder re-
lative Dielektrizitätszahl genannt und ist dimen-
sionslos. Ihr Wert ist stets = 1. Wie Abb. 4.77b
zeigt, wird die ursprüngliche Feldstärke E 0 um
das Gegenfeld E P , d. h. um das elektrische Feld
der Polarisationsladungen im Dielektrikum ge-
schwächt:

E0
Em D D E0  EP : (4.134)
"r

Wird der Kondensator an die Spannungsquel-


le angeschlossen, so können so viele Ladungen
c
auf die Plattenoberfläche des Kondensators nach-
fließen, dass das Polarisationsfeld E P (Elektri-
sierung) kompensiert wird und wieder das ur-
sprüngliche Feld herrscht. Dann nimmt aber die
Verschiebungsdichte D m auf das "r -fache zu oder
wird um die elektrische Polarisation P, d. h. um
die Dichte der Polarisationsladungen auf der Di-
elektrikumsoberfläche erhöht:

D m D "r D 0 D D 0 C P: (4.135)

Da die Verschiebungsdichte D 0 D "0 E 0 ist


Abb. 4.77 Feldverlauf zwischen den Platten eines Kon- (4.120), ergibt sich
densators mit und ohne Dielektrikum, "r D 2
D m D "0 "r E m D "E m D "0 E m C P: (4.136)
halb Um < U0 ; es gilt
Ferner gilt
E0 U0
D D "r : (4.132) " D "0 "r : (4.137)
Em Um
4.3 Elektrisches Feld 305

Tab. 4.8 Permittivitätszahl einiger Werkstoffe Bei einer Verbindung einer Spannungsquel-
Werkstoffe Permittivitätszahl "r le mit einem Kondensator ist die Spannung U
Paraffin 2,2 und damit E konstant, während bei Trennung des
Polypropylen 2,2 Kondensators von der Spannungsquelle die La-
Polystyrol 2,5 dung Q und damit die Verschiebungsdichte D
Polycarbonat 2,8 gleich bleibt. In beiden Fällen steigt die Kapa-
Polyester 3,3 zität auf das "r -fache an, wenn ein Dielektrikum
Kondensatorpapier 4 bis 6 in den Kondensator eingebracht wird. Bleibt der
Zellulose 4,5
Kondensator mit der Spannungsquelle verbun-
Al2 O3 12
den, dann erhöht sich die elektrische Energie Wel
Ta2 O5 27
Wasser 81
auf das "r -fache, während sie sich im anderen Fall
Keramik (NDK) 10 bis 200 auf den "r -ten Teil verringert.
Keramik (HDK) 103 bis 104 Tab. 4.9 zeigt in den Spalten die beiden Fälle
(Kondensator mit der Spannungsquelle verbun-
den oder getrennt) und in den Zeilen, welche der
elektrischen Größen konstant bleiben bzw. sich
Für das elektrische Feld in einem Dielek- ändern.
trikum steht bei allen physikalischen Glei- Abb. 4.77c zeigt den Fall eines teilweise ge-
chungen statt "0 das Produkt " D "0 "r füllten Kondensators. Schwarz gezeichnet sind
(Permittivität). die Feldlinien des elektrischen Feldes E und rot
diejenigen des Feldes der Verschiebungsdichte
D. Während E im Innenraum der Materie redu-
Tab. 4.8 zeigt die Permittivitätszahl einiger ziert wird, also an der Grenzfläche einen Sprung
wichtiger Dielektrika. Aus (4.136) folgt für die erleidet, ist D überall konstant. Das bedeutet,
elektrische Polarisation dass das D-Feld eine Grenzfläche stetig durch-
setzt. Bei schräg zu den Feldlinien verlaufenden
P D D m  "0 E m D "0 "r E m  "0 E m Grenzflächen gilt dies für die Normalkomponen-
te (Abb. 4.83).
oder
Kondensatoren als Bauelemente in der
P D "0 E m ."r  1/: (4.138) Elektrotechnik
Kondensatoren gehören zu den wichtigsten Bau-
Der Faktor ."r  1/ ist die elektrische Suszeptibi-
elementen in der Elektrotechnik. Die Werte für
lität e . Somit gilt
die Kapazitäten erstrecken sich über zwölf De-
P D e "0 E m : (4.139) kaden (von 1 pF bis über 1 F). In sehr unter-
schiedlichen Bereichen werden Kondensatoren
Für das zur Polarisation P gehörende elektrische eingesetzt, beispielsweise
Gegenfeld E P ergibt sich
 beim Speichern von Ladung und elektrischer
EP D ."r  1/Em D e Em (4.140) Energie (Elektronen-Blitzgerät, Plasmaerzeu-
gung, Laser, Kopierer);
und im Fall des von der Spannungsquelle ge-  bei der Trennung von Gleich- und Wechsel-
trennten Kondensators strom bzw. von Wechselströmen unterschied-
"r  1 licher Frequenzen (Lautsprecherankopplung,
EP D E0  Em D E0 D e Em : Verstärker, Störschutz) sowie zur Siebung und
"r
Glättung von pulsierenden Gleichspannungen
Für Dielektrika ist "r > 1 und deshalb e > 0. (Brumm-Siebung bei netzbetriebenen Elektro-
Für Vakuum gilt "r D 1 bzw. e D 0. geräten);
306 4 Elektrizität und Magnetismus

Tab. 4.9 Kondensator und Dielektrikum


Kondensator bleibt mit der Spannungsquelle Kondensator wird von der Spannungsquelle
verbunden getrennt
Q
konstante Größen elektrische Spannung U , elektrische Feld- Ladung Q, Verschiebungsdichte D D
A
U
stärke E D
d
sich ändernde Größen Ladung Q bzw. Verschiebungsdichte D, Spannung U bzw. Feldstärke E,
1
Q D DA  "r , U D Ed  ,
"r
Q Q
Kapazität C D  "r , Kapazität C D  "r ,
U U
1 1 1
elektrische Energie W D C U 2  "r elektrische Energie W D CU2 
2 2 "r

 in Schwingkreisen, beispielsweise zur Sender- minium) und die Dielektrika aus Papier- oder
abstimmung bei Rundfunk- und Fernsehemp- aus Kunststofffolien. Metallfolien und Dielek-
fängern; trika werden aufgewickelt. Kunststofffolien ha-
 in Zeitkreisen ben wegen ihres niedrigeren Verlustfaktors, ihrer
(RC-Glieder, Blinkschaltungen, Anzugs- und großen Homogenität und ihrer kleineren Dicken
Abfallsverzögerungen für Relais); (bis zu 1;5 m) Papier als Dielektrikum zum Teil
 als Phasenschieber verdrängt. Papier ist pflanzlicher Herkunft, das
– zur Blindstromkompensation oft die geforderten engen Toleranzen elektrischer
(Leuchtstofflampen mit Spule oder Leis- Werte nicht einhalten kann. Abb. 4.79 zeigt eine
tungskondensatoren nach VDE 0560-4); elektronenmikroskopische Aufnahme von Kon-
– zur Drehfelderzeugung densatorpapier (32.000-fach vergrößert). Hierbei
(Hilfsphase für Motoranlauf oder Motor- wird die zerklüftete Oberflächenstruktur deutlich.
betrieb an ein Ein-Phasen-Netz, Motorbe- Von den Kunststoffen sind als Dielektrikum
triebs-Kondensatoren nach VDE 0560-8); vor allem Polycarbonat (C), Polypropylen (P),
 in der Leistungselektronik Polystyrol (S) und Polyester (Polyethylentereph-
(Bedämpfen von Spannungsspitzen, Kommu- thalat (T)) im Einsatz. Die in Klammern gesetz-
tierung, Filtern von Oberwellen). ten Abkürzungen werden zur Kennzeichnung des
Kunststoffes verwendet. Der wichtigste Kunst-
Abb. 4.78 zeigt eine Einteilung von Fest-Konden- stoff ist Polypropylen (P). Besondere Bedeu-
satoren nach ihren Technologien sowie die ein- tung hat auch Polystyrol (S) im „Styroflex“-
stellbaren Kondensatoren. Diese Übersicht ent- Kondensator, da dieser Kunststoff einen negati-
hält die einzelnen Kondensatortypen, ferner die ven Temperaturkoeffizienten aufweist und damit
zugehörigen Nennspannungs- und Kapazitäts- gut zur Temperaturkompensation verwendet wer-
bereiche, die Verlustfaktoren, wichtige Normen den kann. Ein spezielles Anwendungsgebiet für
und typische Anwendungsfelder. Schnittbilder, Kunststofffolien-Kondensatoren ist in der Leis-
Prinzipskizzen und Bilder veranschaulichen die tungselektronik der Bereich hoher Spannungen
Funktionsweise bzw. die Bauformen von Kon- (100 V bis 6,6 kV) und hoher Kapazitäten (0;1 F
densatoren. Das Diagramm rechts zeigt, für wel- bis 15 mF). Diese Kondensatoren werden als
che Spannungs-Kapazitäts-Bereiche die entspre- Leistungs-Kondensatoren (Lei-Ko) bezeichnet.
chenden Kondensatorentypen Verwendung fin- Bei Kondensatoren mit metallisierten Elektro-
den. den werden die Dielektrika mit Metall (meist
Bei den Folien-Kondensatoren bestehen die Aluminium oder Zink) bedampft. Metallisierte
Kondensatorplatten aus Metallfolien (meist Alu- Papierfolien werden häufig mit MP, metallisier-
4.3 Elektrisches Feld 307

Abb. 4.78 Einteilung der Kondensatoren


308 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.78 (Fortsetzung)

te Kunststofffolien mit MK abgekürzt. Bei den Elko) ist der Tantal-Elko (Ta-Elko) vor allem
Kunststoffen dient ein weiterer Buchstabe zur wegen seiner hohen Ladungsdichte begehrt. Bei
Kennzeichnung der Kunststoffart (z. B. MKP: einem Elko besteht die Anode aus Metall (Al
metallisierte Kunststofffolie aus Polypropylen). oder Ta). In Al-Elkos werden Aluminiumfoli-
Die Kunststofffolien werden in Dicken bis un- en (100 m dick) verwendet, deren Oberfläche
ter 2 m verwendet. Eine wichtige Eigenschaft durch Ätzen etwa um das 20- bis 100-fache ver-
der MK-Kondensatoren ist die Fähigkeit zur Aus- größert ist. Bei Tantal wird die große Oberfläche
heilung nach erfolgten Durchschlägen. durch Sintern von Tantal-Pulver erzeugt (1 cm3
Die Elektrolytkondensatoren überdecken den gesintertes Ta-Pulver hat eine Oberfläche bis zu
größten Bereich an Spannung und Kapazi- etwa 30:000 cm2, d. h. 3 m2 ).
tät und zählen zu den zuverlässigsten Bauele- Abb. 4.80 zeigt eine Aufnahme mit dem
menten. Außer dem verhältnismäßig preisgüns- Rasterelektronenmikroskop (3000-fache Vergrö-
tigen Aluminium-Elektrolyt-Kondensator (Alu- ßerung) von der Oberfläche einer geätzten
4.3 Elektrisches Feld 309

Aluminium-Folie. Die größere Oberfläche und


die doppelt so große Permittivität von Tantal-
oxid ("r D 27) im Vergleich zu Aluminiumoxid
("r D 12) erlauben für Tantal-Elkos kleinere
Bauformen bei gleichen Kapazitätswerten. Das
Dielektrikum eines Elkos besteht aus einer ato-
maren Oxidschicht (Al2 O3 bzw. Ta2 O5 ). Durch
einen flüssigen Elektrolyten wird die Leitung zur
negativen Kathodenfolie aus hochreinem Metall
sichergestellt. Die Elkos müssen polungsrichtig
eingebaut werden. Häufig kennzeichnet der län-
gere Anschlussdraht den positiven Pol. Den Auf-
bau für Al- bzw. Ta-Elkos zeigt eine Skizze in
Abb. 4.78.
Außer den gesinterten Ta-Elkos werden auch
Keramik-Kondensatoren in Sintertechnik herge-
stellt. Man unterscheidet drei Typen:

 Typ-I-Kondensatoren
Abb. 4.79 Elektronenmikroskopische Aufnahme eines
Das Dielektrikum besteht aus einer Keramik-
Kondensatorpapiers (32.000-fache Vergrößerung)
schicht mit niedriger Dielektrizitätszahl (ND;
"r von 10 bis 200), z. B. Titandioxid und Ma-
gnesiumtitanat;
 Typ-II-Kondensatoren
Die dielektrische Keramikschicht besitzt eine
hohe Dielektrizitätszahl (HD; "r von 700 bis
104 ), z. B. Bariumtitanat;
 Typ-III-Kondensatoren
Als Ausgangsmaterial wird eine ferroelektri-
sche Scheibe verwendet (z. B. Bariumtitanat),
die durch Reduktions- und Oxidationsprozes-
se Halbleitersperrschichten bildet, die wie ein
Dielektrikum wirken. Diese Kondensatoren
haben spannungsabhängige Kapazitätswerte.

Die Keramik-Kondensatoren werden häufig in


Chip-Ausführung als Vielschicht-Kondensator
hergestellt. Besonders geschätzt sind die erzielba-
ren kleinen Abmessungen, die hohe Volumenka-
pazität sowie die gute Lötbarkeit auf Leiterplat-
ten.
Bei den einstellbaren Kondensatoren wird
Abb. 4.80 Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme
einer geätzten Aluminiumfolie (3000-fache Vergröße- zwischen Drehkondensatoren, Luft- und Ke-
rung) ramiktrimmern und Kapazitätsdioden unter-
310 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.81 Arten der elektrischen Polarisation

schieden. Drehkondensatoren bestehen aus Atomistische Deutung der elektrischen


Plattenpaketen mit je einer festen Einheit (Stator) Polarisation
und einer drehbaren Platte (Rotor). Bis zu vier Fallen die Schwerpunkte der positiven Ladung
Plattenpakete werden üblicherweise hintereinan- CQ und der negativen Ladung Q nicht in ei-
der geschaltet. Werden die Rotorplatten gedreht, nem Punkt zusammen, so entsteht ein elektrischer
dann ändern sich die Kapazitäten (linear oder Dipol. Dieser wird durch das elektrische Dipol-
logarithmisch). Trimmer dienen zum Feinab- moment p beschrieben:
gleich von Kapazitätswerten. Die Plattenflächen
werden entweder wie beim Drehkondensator p D Qd: (4.141)
gedreht oder bestehen aus konzentrisch angeord-
neten zylindrischen Elektroden (aus Aluminium d ist der Abstand der beiden Ladungen. Der
oder verzinktem Messing). Die Kapazitätsdioden Vektor p zeigt von der negativen zur positiven
sind die modernsten Bauelemente für einstellba- Ladung. Die Summe aller Dipolmomente geteilt
re Kapazitäten, wie sie u. a. beim automatischen durch das Probenvolumen ist die in Abb. 4.77 ein-
Sendeabgleich in Rundfunkgeräten Einsatz fin- geführte Polarisation P :
den. P
pi N
Das Diagramm rechts in Abb. 4.78 zeigt PD D p: N
V V
die Spannungs-Kapazitäts-Bereiche der verschie-
denen Kondensatortypen. Leistungskondensato- Wird nichtleitende Materie in ein elektrisches
ren (Lei-Ko) werden u. a. in der Leistungselek- Feld gebracht, so verschieben sich die Ladungs-
tronik eingesetzt, z. B. zur Unterdrückung von schwerpunkte der Moleküle, sie werden elek-
Spannungsspitzen an Leistungshalbleitern (Trä- trisch polarisiert. Grundsätzlich sind zwei Arten
gerstaueffekt). Für den Bereich der Stromver- von Polarisation möglich, wie Abb. 4.81 verdeut-
sorgung werden überwiegend Elektrolytkonden- licht:
satoren verwendet. Bei der Kopplung und HF-
Anwendung spielen die Keramikkondensatoren,  Verschiebungspolarisation (dielektrische Po-
die metallisierten Folien-Kondensatoren sowie larisation).
die Metall- und Kunststofffolien-Kondensatoren  Orientierungspolarisation (paraelektrische
eine bedeutende Rolle. Polarisation).
4.3 Elektrisches Feld 311

Bei der Verschiebungspolarisation werden die


ursprünglich zusammenfallenden positiven und
negativen Ladungen verschoben, sobald diese
Moleküle ins elektrische Feld geraten. (Die leich-
ter beweglichen Elektronenhüllen werden auf die
positive Seite gezogen.) Das so induzierte Di-
polmoment ist in bestimmten Grenzen von der
Feldstärke abhängig und im elektrischen Feld
immer wirksam, vorausgesetzt, es liegt kein per-
manenter Dipol vor. Beim Abschalten des Feldes
verschwindet der Dipol und die Ladungsschwer-
punkte fallen wieder in einem Punkt zusammen.
Die paraelektrische Polarisation (in Analo-
gie zum Paramagnetismus, Abschn. 4.4.4.2) oder
Orientierungspolarisation tritt nur bei Molekülen
mit einem Dipolmoment auf (z. B. Wasser). Im
elektrischen Feld erfolgt eine Orientierung der
Dipole. Da die Wärmebewegung die Orientie-
rung behindert, ist die paraelektrische Polarisati-
on stark temperaturabhängig.
Ist die Verschiebungspolarisation oder die pa-
raelektrische Polarisation in allen drei Raumrich-
tungen gleich groß, so liegt ein isotropes Verhal-
ten vor. Die drei Vektoren elektrische Feldstärke Abb. 4.82 Temperatur- und Frequenzabhängigkeit der
Permittivitätszahl und des Verlustwinkels von Polyester
E , Verschiebungsdichte D und Polarisation P
stehen parallel zueinander und können anhand
von (4.136) und (4.139) umgerechnet werden. von E und die Spalten die Herkunft der Raum-
Für den Fall einer richtungsabhängigen, d. h. ani- komponenten von D wieder.
sotropen Polarisation wird "r ein symmetrischer Die Permittivitätszahl "r ist häufig auch noch
Tensor zweiter Stufe. So gilt für die Umrech- temperatur- und frequenzabhängig. Abb. 4.82
nung des Vektors der elektrischen Feldstärke zeigt die Permittivitätszahl und den Verlustwin-
E .x; y; z/ in den Vektor der elektrischen Ver- kel (Abschn. 4.5.2.3) von Polyester in Abhängig-
schiebungsdichte D.x; y; z/ (4.136) keit von der Temperatur und der Frequenz.

D.x; y; z/ D "0 "r E .x; y; z/ Elektrische Feldstärke und elektrische


0 1 Verschiebungsdichte an Grenzflächen
"x x "x y "x z Abb. 4.77c zeigt, dass sich bei senkrechtem Ver-
(4.142)
B C
"r D @"y x "y y "y z A : lauf der elektrischen Feldlinien zur Grenzfläche
"z x "z y "z z die elektrische Feldstärke E an der Grenzfläche
zwischen Vakuum und Dielektrikum sprungartig
Dabei stellt z. B. das Element "x z den "r -Wert ändert, während die Verschiebungsdichte D ste-
dar, der von der x-Komponente der elektrischen tig die Grenzfläche durchdringt.
Feldstärke E herrührt und einen Beitrag zur Verlaufen die elektrischen Feldlinien schräg
z-Komponente der elektrischen Verschiebungs- zur Grenzfläche der Dielektrika, so gelten gemäß
dichte D liefert. Die Zeilen des Tensors "r geben Abb. 4.83 für die Normal- bzw. Tangentialkom-
deshalb die Aufteilung der Raumkomponenten ponenten des E - bzw. D-Vektors folgende Ge-
312 4 Elektrizität und Magnetismus

(1) (2)

Abb. 4.83 Elektrische Feldstärke und Verschiebungsdichte an der Grenzfläche zweier unterschiedlicher Dielektrika

setzmäßigkeiten: 4.3.8 Energieinhalt des elektrischen


Feldes
D1t D2t
tan '1 D ; tan '2 D I
D1n D2n Für die elektrische Energie gilt gemäß (4.67)
Q
daraus folgt Zmax
tan '1 Dt Wel D U.Q/dQ; (4.144)
D 1t
tan '2 D2 0

Q
und mit (1) aus Abb. 4.83 und wegen U.Q/ D C lauten die Umformungen

tan '1 "r1 1 Q2 1 1


D : (4.143) Wel D D QU D C U 2 : (4.145)
tan '2 "r2 2 C 2 2
Wel gibt die elektrische Arbeit an, die benötigt
Die elektrischen Feldlinien an der Grenz- wird, um einen Kondensator mit der Kapazität C
fläche zweier unterschiedlicher Dielektrika auf eine Spannung U aufzuladen. Für den spezi-
gehorchen einem Brechungsgesetz (analog ellen Fall des Plattenkondensators ist U D Ed
zur Optik). und C D "0 "r A=d . Deshalb gilt für die in einem
Kondensator gespeicherte elektrische Energie
 
Das Brechungsgesetz sagt aus, dass beim Ein- 1 A
Wel D "0 "r .Ed /2 ;
tritt in einDielektrikum mit größerem "r (kleine- 2 d
rem "r / die Feldlinien (für E und D) vom Lot 1
Wel D "0 "r .Ad /E 2 : (4.146)
weg (zum Lot hin) gebrochen werden. 2
4.3 Elektrisches Feld 313

Da Ad das Volumen zwischen den Kondensa-


torplatten ist, schreibt man für die elektrische
Energiedichte

Wel 1
wel D D "0 "r E 2 (4.147)
V 2
oder wegen "0 "r E D D

Wel 1
wel D D DE : (4.148)
V 2
Gleichung (4.148) ist nicht nur für den Platten-
kondensator, sondern allgemein gültig.

Kraft zwischen zwei Kondensatorplatten Abb. 4.84 Schaltung von Kapazitäten gemäß Ü 4-8
Aus dem Zusammenhang zwischen Arbeit und
Kraft dW D F ds errechnet sich die Anziehungs- a
kraft zu
dW
F D :
ds

Da dW D 21 QdU ist, gilt

QdU dU
F D und wegen DE
2ds ds
QE
F D : (4.149)
2 b
U
Wird für Q D C U und für E D d
gesetzt, dann
ist

CU2
F D (4.150)
2d

und wegen C D "0 "r Ad

"0 "r AU 2
F D : (4.151) Abb. 4.85 Plattenkondensator (Fläche A, Plattenab-
2d 2 stand d ) mit verschiedenen Füllungen. Zu Ü 4-9

4.3.9 Zur Übung Ü 4-7 Ein Wattebausch mit der Masse m D


3  102 g ist mit einer Ladung Q D 4  108 C
Ü 4-6 Zwei Platten mit einem Radius r D 8 cm geladen. Wie groß muss die Spannung zwischen
befinden sich im Abstand d D 4 mm voneinan- den Platten eines waagrecht liegenden Konden-
der. Welche Kapazität hat der Kondensator? Wie sators (Plattenabstand d D 5 cm) sein, damit der
groß ist die elektrische Feldstärke zwischen den Wattebausch schwebt?
Platten und wie groß ist die Ladung und die Ver-
schiebungsdichte auf jeder der beiden Platten bei Ü 4-8 Berechnet werden soll die Gesamtkapazi-
U D 10 V? tät der Kondensator-Anordnung nach Abb. 4.84.
314 4 Elektrizität und Magnetismus

Ü 4-9 Ein Plattenkondensator ist mit zwei un-


terschiedlichen Dielektrika ("r1 und "r2 / nach
Abb. 4.85a und 4.85b gefüllt. Ermittelt werden
soll jeweils die Gleichung für die Gesamtkapazi-
tät.

4.4 Magnetisches Feld


Abb. 4.86 Stabmagnet und magnetische Feldlinien
4.4.1 Beschreibung des magnetischen
Feldes
Die magnetischen Feldlinien weisen analog
Stromdurchflossene Leiter und Werkstoffe, deren zu den elektrischen Feldlinien bestimmte Eigen-
atomare Elektronenströme speziell ausgerichtet schaften auf:
sind, die Magnete, üben aufeinander Kräfte aus,
die sich von der Coulomb-Kraft und der Gravita-  die Tangente an die Feldlinien gibt die
tionskraft bezüglich Stärke und Richtung grund- Kraftrichtung an;
legend unterscheiden. Die magnetischen Kräfte  die Kraftwirkung ist eindeutig, d. h., die Feld-
wirken jedoch genau wie diese im gesamten linien schneiden sich nicht;
Raum. Die Stärke und die Richtung der magne-  die Dichte der gezeichneten Feldlinien ist ein
tischen Kraft an einem Ort lassen sich durch die Maß für die Stärke der Kraftwirkungen.
Kraftwirkung auf einen kleinen Probemagneten
(Magnetnadel) oder einen kleinen stromdurch- Im Gegensatz zum elektrischen Feld zeigt das
flossenen Leiter bestimmen und werden durch ein magnetische Feld Besonderheiten:
Vektorfeld, das magnetische Feld, beschrieben:
 es gibt keine magnetischen Monopole,
 die magnetischen Feldlinien sind in sich ge-
Das magnetische Feld rührt von elektri- schlossen, sie haben keinen Anfang und kein
schen Strömen her. Von deren Richtung Ende.
hängt die Richtung der magnetischen Kräf-
te ab. Diese beiden Richtungen müssen Das Magnetfeld der Erde
nicht übereinstimmen. Das magnetische Die Erde ist von einem Magnetfeld umgeben. Der
Feld beschreibt die Wirkungslinien der ma- magnetische Südpol liegt in der Nähe des geo-
gnetischen Kräfte in Betrag und Richtung. grafischen Nordpols (74ı nördlicher Breite und
100ı westlicher Länge auf der Halbinsel Boothia
im Norden Kanadas). Der magnetische Nord-
Entsprechend Abb. 4.86 sind folgende Be- pol befindet sich in der Nähe des geografischen
zeichnungen und Richtungen charakteristisch für Südpols (72ı südlicher Breite und 155ı östlicher
magnetische Kräfte: Ein Magnet besitzt einen Länge in der Antarktis). Die Abweichung des
Nord- und einen Südpol. Außerhalb des Magne- Erdmagnetfeldes von der geografischen Nord-
ten laufen die Feldlinien vom Nord- zum Südpol Süd-Richtung wird Deklination genannt und be-
(positive Feldrichtung). Gleichnamige Pole sto- trägt für Deutschland etwa ' D 2ı westlich. Die
ßen sich ab und ungleichnamige ziehen sich an. magnetischen Feldlinien verlaufen am Äquator
4.4 Magnetisches Feld 315

flossenen Leiter sind, wie es Abb. 4.88 zeigt. Die-


ser fundamentale Zusammenhang wurde 1820
von H. C. O ERSTED (1777 bis 1851) entdeckt.
Die Stromstärke I und das zugehörige Magnet-
feld bilden vektoriell ein Rechtssystem, d. h., bei
positivem Stromfluss (von unten nach oben) ist
die Feldlinienrichtung mathematisch positiv (ent-
gegen dem Uhrzeigersinn).
Dies lässt sich gut merken: Zeigt der Daumen
der rechten Hand in die Stromrichtung, dann wei-
sen die gekrümmten Finger in Feldrichtung.
Wird die Stärke des magnetischen Feldes ent-
Abb. 4.87 Erdmagnetfeld lang der magnetischen Feldlinien mit H bezeich-
net, so beschreibt das Durchflutungsgesetz (Am-
pere’sches Gesetz) den Zusammenhang zwischen
Stromdichte j D I=A und magnetischer Feld-
stärke (magnetischer Erregung) H :
I Z n
X
D H ds D j dA D Ii : (4.152)
A i D1

Das Integral der magnetischen Feldstärke


H längs einer geschlossenen Umlauflinie
ist gleich dem gesamten durch diese Fläche
hindurchfließenden Strom I .

Die magnetische Feldstärke H hat die Maß-


einheit 1 A=m.
Abb. 4.88 Magnetfeld eines geraden, stromdurchflosse-
nen Leiters R Analog zur R elektrischen Spannung U D
E ds wird H ds als magnetische Spannung
bezeichnet. Der Wert der magnetischen Span-
parallel zur Erdoberfläche. An den anderen Or- nung Hauf einer geschlossenen magnetischen Feld-
ten sind sie gemäß Abb. 4.87 zur Horizontalen linie H ds ist die magnetische Randspannung
geneigt (Inklination), und zwar umso stärker, je . Das Integral der Stromdichte j über die
näher die Pole sind. Das Magnetfeld der Erde ist Fläche innerhalb der geschlossenen magneti-
nicht ortsfest, sondern wandert geringfügig. schen Feldlinie, bei einzelnen Stromfäden wie
in Abb. 4.89 also die Summe der Ströme I1 C
I2 C : : :, ist die elektrische Durchflutung
R  der
4.4.2 Magnetische Feldstärke und magnetischen Feldlinie:  D A j dA. Bei meh-
Durchflutungsgesetz reren Strömen innerhalb eines Integrationsweges
überlagern sich also deren Magnetfelder, und es
Experimentell kann festgestellt werden, dass ein gilt beispielsweise für den Fall in Abb. 4.89 nach
stromdurchflossener gerader Leiter ein Magnet- dem Durchflutungsgesetz
feld aufweist, dessen Feldlinien konzentrische
I
Kreise in der Ebene senkrecht zum stromdurch- H ds D I1 C I2 C I3  I4  I5 C I6 :
316 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.89 Zum Begriff Durchflutung

Abb. 4.91 Magnetische Feldlinien in einer Zylinderspule


Abb. 4.90 Magnetische Feldstärke H um einen einzel- (Solenoid)
nen geradlinigen stromdurchflossenen Leiter

auf der geschlossenen Feldlinie in Abb. 4.90 mit


Umschließt der in sich geschlossene Integrations- dem Radius r beträgt s D 2 r, so dass gilt
weg keine Ströme, dann gilt, da j D 0,
I H  2 r D I;
H ds D 0: (4.153) I
H D : (4.154)
2 r
Das Durchflutungsgesetz ist allgemein gültig.
Die magnetische Feldstärke H nimmt also mit
Mit ihm kann die magnetische Feldstärke H
zunehmender Entfernung proportional zu 1=r ab.
beliebig verlaufender stromführender Leiter be-
rechnet werden.
Magnetische Feldstärke einer Zylinderspule
Die magnetische Feldstärke H i in einer im Ver-
Magnetische Feldstärke eines geradlinigen,
gleich zum Durchmesser langen, stromdurchflos-
stromdurchflossenen Leiters
senen Zylinderspule (Solenoid) gemäß Abb. 4.91
Das Durchflutungsgesetz lautet in diesem Fall
ist parallel zur Spulenachse und über die gesamte
nach (4.152)
I n
Querschnittsfläche hinweg konstant; die Feldli-
niendichte ist groß (Abb. 4.91b). Außerhalb der
X
H ds D Ii D I:
i D1
Spule ist das Magnetfeld sehr schwach; die Feld-
liniendichte ist gering .H a  0/.
Experimentell zeigt sich, dass die magnetische Da eine geschlossene magnetische Feldli-
Feldstärke H auf konzentrischen Kreisen um den nie N Windungen mit jeweils der Stromstärke I
stromdurchflossenen Leiter konstant ist. Der Weg umschließt (Abb. 4.91a), gilt nach dem Durchflu-
4.4 Magnetisches Feld 317

tungsgesetz (4.149) a
I Z Z
H ds D H i .s/dsi C H a .s/dsa D NI:

Im Innern der Spule ist H i .s/ konstant: H i D


H , Rdas Wegintegral ergibt die Spulenlänge l:
H i ds D H l. Der Integralanteil außerhalb der
Spule ist wegen H a  H i vernachlässigbar
klein. Für das Magnetfeld im Innern einer langen
Zylinderspule gilt deshalb
NI
H D : (4.155)
l
Die magnetische Polung einer Zylinderspule lässt
sich folgendermaßen merken: Zeigen die Finger
der rechten Hand in Stromrichtung, dann weist
der Daumen zum Nordpol der Spule.
b
Magnetische Feldstärke einer Ringspule
Das magnetische Feld im Innern einer dicht ge-
wickelten ringförmigen Spule gemäß Abb. 4.92
ist kreisförmig innerhalb der Grenzen

d d
R 5r 5RC :
2 2
Nach dem Durchflutungsgesetz gilt

H 2 r D NI:

Ist der Radius der Spule R  d=2, dann herrscht


in der Spule ein annähernd homogenes kreisför-
miges Feld (Abb. 4.92b) mit der magnetischen
Feldstärke
NI
H D : (4.156)
2 R Abb. 4.92 Magnetische Feldlinien in einer Ringspule
(Toroid)
Magnetische Feldstärke stromdurchflossener
Leiter beliebiger Geometrie
Ein kleines Leiterstück der Länge ds liefert in ei- Gleichung (4.157) ist das Biot-Savart’sche Ge-
nem Punkt P in der Entfernung r den Beitrag setz (J. B. B IOT, 1774 bis 1862, und F. S AVART,
1791 bis 1841). Dieses ist, wie die Beispiele 4.4-1
I ds
dH D sin ' und 4.4-2 zeigen, die differenzielle Form des
4 r 2 Durchflutungsgesetzes (4.152) und diesem völlig
zur magnetischen Feldstärke (Abb. 4.93). Vekto- äquivalent. Mit seiner Hilfe werden im Folgen-
riell gilt den die magnetische Feldstärke im Mittelpunkt
I ds  r eines Kreisstroms und die magnetische Feldstär-
dH D : (4.157)
4  r 3 ke in einer kurzen Zylinderspule berechnet.
318 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.93 Zum Biot-Savart’schen Gesetz

Abb. 4.95 Feldstärke eines Kreisstroms auf der Symme-


trieachse nach dem Gesetz von Biot-Savart

Welche Feldstärke ergibt sich in der Mitte und


am Rand, wenn die Länge l D 1 cm und
der Durchmesser d D 0;8 cm beträgt? Der
Abb. 4.94 Magnetische Feldstärke im Mittelpunkt eines
Strom durch die Spule mit N D 12 Windun-
Kreisstroms gen ist I D 8 A. Wie groß ist der Fehler, wenn
(4.155) für die lange Zylinderspule verwendet
wird?
Beispiel 4.4-1
Die magnetische Feldstärke H im Mittelpunkt Lösung
eines kreisförmig fließenden Stroms (I D Zunächst wird nur eine Stromschleife mit Ra-
10 A, r D 10 cm) ist zu berechnen. dius R D d=2 betrachtet. Die magnetische
Feldstärke in einem Punkt A auf der Symme-
Lösung trieachse (Abb. 4.95) wird mithilfe des Biot-
Da der Radius r gemäß Abb. 4.94 senkrecht Savart’schen Gesetzes (4.157) berechnet:
zum Linienelement ds steht, ist sin ' D 1. So-
mit lautet das Biot-Savart’sche Gesetz (4.157) I ds  r
dH D :
I 4  r 3
I I
dH D ds oder H D ds:
4 r 2 4 r 2 Der Winkel ' zwischen Leiterelement ds und
H Radiusvektor r ist 90°, sodass gilt
Das geschlossene Wegintegral ds ist der
Umfang des Kreises 2 r. Man schreibt also I
dH D ds: (4.159)
I 4 r 2
H D 2 r:
4 r 2 Der Feldstärkeanteil in Achsenrichtung ist
Daraus ergibt sich für die magnetische Feld- dH  sin ˇ. Durch Integration über den kom-
stärke im Mittelpunkt des stromdurchflosse- pletten Ring erhält man die magnetische Feld-
nen Kreises stärke in Achsenrichtung im Punkt A:
I I
H D : (4.158) I sin ˇ I sin ˇ
2r H D ds D 2 R: (4.160)
4 r 2 4 r 2
10 A A
Es resultiert H D 20;1 m
D 50 m .
R
Nun gilt r D sin ˇ
und damit
Beispiel 4.4-2
Die magnetische Feldstärke auf der Symme- I
H D sin3 ˇ: (4.161)
trieachse einer kurzen Spule ist zu berechnen. 2R
4.4 Magnetisches Feld 319

der auf die Schleife der Dicke dh entfällt


NI
dI D dh:
l
Damit ergibt sich

NI
dH D sin3 ˇdh:
2Rl
Zur Integration empfiehlt sich eine Integration
über alle möglichen Winkel ˇ. Mit

h R
cot ˇ D ergibt sich dh D  2 dˇ und
R sin ˇ
NI 3 R NI
dH D  sin ˇ 2 dˇ D  sin ˇdˇ:
2Rl sin ˇ 2l
Abb. 4.96 Kurze Zylinderspule. Die Variable x wird aus
der Spulenmitte heraus gemessen Die Integration

Zˇ1
NI
Im Mittelpunkt des Kreisrings ist ˇ D 90ı . H D sin ˇdˇ ergibt
Daraus folgt für die magnetische Feldstärke 2l
180ı ˇ2
im Mittelpunkt eines Ringstromes die bereits IN
von (4.158) bekannte Beziehung. H D .cos ˇ1 C cos ˇ2 /: (4.164)
p 2l
Mit sin ˇ D Rr und r D R2 C l 2 lässt
sich (4.161) umformen in Nun gilt
l
IR2 Cx
H D p 3 : (4.162) cos ˇ1 D q 2  2 und
2 l
2 R2 C l 2 R C 2 Cx
l
x
Aus dieser Gleichung lässt sich für große Ab- cos ˇ2 D q 2  2 :
stände vom Kreisleiter (l  R) folgende R2 C 2l  x
Näherungslösung herleiten:
Damit wird die Feldstärke in Abhängigkeit
IR 2 von x:
H D : (4.163)
2l 3 NI
H.x/ D
2l
Aus (4.161) lässt sich die Feldstärke auf der 0 1
Symmetrieachse einer Spule berechnen. Dazu l l
B Cx x C
denkt man sich nach Abb. 4.96 die Spule auf- B 2 2 C
B s C s 2 C :
C
gebaut aus dünnen Ringen der Dicke dh. B  2 
@ l l A
Ein solcher Ring erzeugt im Punkt A ein R2 C Cx R2 C x
2 2
Magnetfeld der Stärke
(4.165)
sin3 ˇ
dH D dI: In der Spulenmitte, bei x D 0 ergibt sich
2R
NI NI
Wenn auf die Länge l der Spule N Windungen HMitte D q Dp : (4.166)
2 R2 C l2 d2 C l2
kommen, dann ist der Anteil des Stromes I , 4
320 4 Elektrizität und Magnetismus

Für eine langgestreckte Zylinderspule mit l  a


d folgt der bereits bekannte Ausdruck
NI
HMitte D : (4.155)
l
Am Rand der Spule, bei x D l=2 gilt
NI
HRand D p : (4.167)
2 R2 C l 2
Bei einer langgestreckten Spule ist die Feld-
stärke am Rand halb so groß wie in der Mitte:
NI 1
HRand D D HMitte :
2l 2
Gemäß (4.166) ergibt sich mit den oben ge- b
nannten Zahlenwerten
A
HMitte D 7;5  103 :
m
Aus (4.155) für die lange Spule folgt
A
HMitte D 9;6  103 :
m
Der relative Fehler der Näherungslösung nach
Abb. 4.97 Spannungsstoß und magnetischer Fluss
(4.155) ist 28 %.

Der Spannungsstoß ist davon abhängig, wie


4.4.3 Magnetische Flussdichte und
viele magnetische Feldlinien beim Herausziehen
Kraftwirkungen im Magnetfeld
durch die von der Leiterschleife aufgespannte
Fläche gekreuzt werden und aus wie vielen Win-
4.4.3.1 Magnetischer Fluss, magnetische
dungen N die Leiterschleife gewickelt ist. Dies
Flussdichte
bedeutet, dass der Spannungsstoß der Anzahl der
Aus dem vorhergehenden Abschnitt geht hervor,
parallel zur Flächennormalen dAn befindlichen
dass die Ursache für das Auftreten eines Magnet-
magnetischen Feldlinien entspricht (Abb. 4.97a).
feldes ein Fließen elektrischer Ladungen bzw. das
Die Anzahl der magnetischen Feldlinien wird in
Vorhandensein einer Stromstärke I ist. In diesem
Analogie zu Wasserflüssen der magnetische Fluss
Magnetfeld kann man folgende Wirkungen be-
˚ genannt. Der Fluss durch die Leiterschleife
obachten: Wird eine im Magnetfeld befindliche
ändert sich durch das Herausziehen der Leiter-
Leiterschleife aus dem Magnetfeld gezogen, wie
schleife von ursprünglich ˚ auf null um ˚ D
es
R Abb. 4.97a zeigt, so wird ein Spannungsstoß ˚  0 D ˚. Die Änderung des magnetischen
U dt gemessen (Abb. 4.97b). Der Spannungs-
Flusses wird direkt dem Spannungsstoß zugeord-
Zeit-Verlauf ist bei einer schnellen Durchquerung
net:
des Magnetfeldes steiler und bei einer langsame- R
ren flacher. Die Flächen unter diesen Kurven sind U.t/dt
˚ D : (4.168)
jedoch immer gleich groß. N
4.4 Magnetisches Feld 321

Entsprechend gilt für den Spannungsstoß


Z
U.t/dt D N˚: (4.169)

R
Der Spannungsstoß U dt ist gleich der
Änderung des magnetischen Flusses ˚, der
die Fläche eines Leiters senkrecht durch-
setzt.

Die Einheit des Flusses ist 1 V s D 1 Wb (We-


ber).
Wegen der Abhängigkeit des Spannungssto-
ßes von der Größe und der Orientierung der
Leiterschleifenfläche zur Richtung des magneti-
Abb. 4.98 Beliebig orientierte Leiterschleife im Magnet-
schen Flusses wird außer der magnetischen Feld- feld
stärke H eine weitere vektorielle magnetische
Feldgröße, die magnetische Flussdichte oder die
magnetische Induktion B definiert: Zylinderspule, und die magnetische Flussdich-
te B, z. B. bestimmt aus dem Spannungsstoß in
˚ d˚
BD bzw: : (4.170) einer nach Abb. 4.98 im Winkel ' zur Zylin-
A? dA? derspulenachse herausgezogenen Leiterschleife,
stets gleichgerichtet und zueinander proportional.
Die magnetische Induktion oder Flussdich- Es gilt die Beziehung
te B beschreibt den magnetischen Fluss ˚
pro Flächeneinheit senkrecht zu den Feldli- B D 0 H : (4.172)
nien.
Die Proportionalitätskonstante ist die magneti-
sche Feldkonstante 0 . Ihr Zahlenwert ergibt
Die Einheit der magnetischen Induktion ist sich aus den Kraftwirkungen elektrischer Strö-
1 V s=m2 D 1 T (Tesla). me (s. Definition des Ampere in Abschn. 1.3.1
Aus (4.170) lässt sich der magnetische Fluss und 4.1.2).
˚ durch eine Fläche z. B. einer beliebig orientier- Die magnetische Feldkonstante beträgt dem-
ten Leiterschleife berechnen: nach
Z Z
Vs Vs
˚ D BdA D B cos 'dA: (4.171) 0 D 4   107  1;257  106 :
Am Am
(4.173)
Sind also die magnetischen Feldlinien unter ei-
nem Winkel ' zur Flächennormalen geneigt, Gleichung (4.172) gilt nur im materiefreien
so ist nur die Flussdichte senkrecht zur Fläche Raum.
B cos ' maßgebend, wie Abb. 4.98 zeigt.
Die magnetische Flussdichte B und die ma- 4.4.3.2 Kraftwirkungen im Magnetfeld
gnetische Feldstärke H dienen beide zur Be- Verschiedene Magnetfelder überlagern sich zu
schreibung der Richtung und Stärke einer ma- einem resultierenden Magnetfeld, z. B. das Ma-
gnetischen Wirkung. Im Vakuum sind die ma- gnetfeld eines Permanentmagneten und das eines
gnetische Feldstärke H , z. B. in einer langen stromdurchflossenen Leiters. Aus diesem resul-
322 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.99 Kraftwirkung auf einen stromdurchflossenen Leiter im Magnetfeld

tierenden Feld lassen sich Kraftwirkungen ablei- gneten, wie Abb. 4.99b zeigt. Das resultierende
ten. Feld hat in diesem Fall eine Feldlinienverdich-
tung auf der linken und eine Feldlinienverdün-
Stromdurchflossener Leiter im Magnetfeld nung auf der rechten Seite. Auf den Leiter wird
Abb. 4.99a zeigt einen stromdurchflossenen Lei- eine Kraft in Richtung der Feldverdünnung (nach
ter im Feld eines Permanentmagneten. Die im rechts) wirksam.
mathematisch negativen Sinne umlaufenden ma- Experimentell gilt für den Kraftbeitrag dF
gnetischen Feldlinien des stromdurchflossenen eines stromdurchflossenen Leiterelementes der
Leiters überlagern sich mit den vom Nord- zum Länge dl
Südpol laufenden Feldlinien des Permanentma- dF D I.dl  B/: (4.174)
4.4 Magnetisches Feld 323

Verläuft der stromführende Leiterabschnitt mit


der Länge l senkrecht zum Magnetfeld, so gilt

Zl Zl
F DI .dl  B/ D I B  dl
0 0
Zl
D I B  dl ;
0
F D I B  l oder Abb. 4.100 Prinzip des Drehspulinstrumentes

F D I.l  B/: (4.175)

Die Kraft auf einen stromdurchflossenen Leiter Beispiel 4.4-3


hat den Betrag Zwischen den kreisförmigen Polen eines Per-
manentmagneten befindet sich ein Weich-
F D I lB sin ': (4.176)
eisenkern, der 100 Wicklungen einer quadrati-
' ist der Winkel zwischen Magnetfeld B und schen Leiterschleife mit der Kantenlänge l D
dem geraden Leiterstück l . 3 cm trägt (Prinzip des Drehspulinstrumen-
tes gemäß Abb. 4.100). Die Induktion beträgt
B D 2;5 T und die Wicklungen werden von
Die Kraft F auf einen stromdurchflosse- einer Stromstärke I D 4;8 A durchflossen.
nen Leiter der Länge l in einem Magnetfeld a) Welches Drehmoment erfährt ein Zeiger
B wirkt senkrecht zur Fläche, die von den und wie groß ist der Winkelausschlag bei einer
Vektoren l und B aufgespannt wird. Winkelrichtgröße von kt D 3  102 N m=ı ?
b) Wie groß ist die Stromstärke bei einem
Zeigerausschlag von 40ı ?
(Veranschaulichung durch die Rechte-Hand-
Regel: Daumen in Stromrichtung, Zeigefinger in Lösung
magnetischer Feldrichtung: dann zeigt der Mit- Für die magnetische Kraft Fmagn gilt
telfinger in Kraftrichtung.) nach (4.177) Fmagn D NI lB
Befindet sich der stromdurchflossene Lei- a) Es ergibt sich ein Drehmoment von
ter senkrecht zum Magnetfeld, dann gilt (da
sin ' D 1): M D Fmagn l D NIBl 2 D 1;08 N m:
F D I lB: (4.177)
Ferner gilt
Gemäß (4.177) lässt sich die magnetische In-
duktion B über die Kraftwirkung im Magnetfeld M
erklären: M D kt ' oder ' D D 36ı :
F kt
BD : (4.178)
Il b) Es gilt für das Drehmoment M D kt ' D
NIBl 2 . Daraus folgt für die Stromstärke
Die magnetische Flussdichte B gibt an, wie
groß die Kraft ist, die je Stromstärke- und kt '
I D D 5;33 A:
je Längeneinheit auf einen stromdurchflos- NBl 2
senen Leiter wirkt.
Magnetisches Moment
Eine kleine Kompassnadel dreht sich im Magnet-
Die Einheit von B ist damit auch 1 N=A m. feld stets so, dass sie parallel zu den Feldlinien
324 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.101 Dipole im homogenen Feld: a elektrischer Dipol im E -Feld, b magnetischer Dipol im B-Feld, links Sei-
tenansicht, rechts Draufsicht

ausgerichtet ist. Dreht man sie im Feld, so ent-


Das Drehmoment wird null, wenn der Dipol sich
steht ein rücktreibendes Drehmoment. Dasselbe parallel zu den Feldlinien ausgerichtet hat, d. h.
gilt für einen elektrischen Dipol (Abschn. 4.3.7),
wenn pjjE liegt.
wie Abb. 4.101a zeigt. In einem inhomogenen Feld verbleibt übri-
Auf jede Ladung Q des Dipols wirkt eine gens eine resultierende Kraft, sodass der Dipol
Kraft F D QE. Das Drehmoment dieses Kräf- nicht nur gedreht, sondern in Richtung größter
tepaars ist (Abschn. 2.9.2) Feldstärke gezogen wird.
Da die Kompassnadel im Magnetfeld ein
M D F d sin ' D QdE sin ': Drehmoment erfährt, wie der elektrische Dipol
im elektrischen Feld, liegt es nahe, auch von
Mit der Definition des elektrischen Dipolmo- magnetischen Dipolen und ihrem magnetischen
ments Dipolmoment zu reden. Jede vom Strom durch-
p D Qd: (4.141) flossene Leiterschleife erfährt im Magnetfeld ein
Drehmoment, besitzt also ebenfalls ein magne-
Ist das Drehmoment auf den Dipol tisches Dipolmoment. Abb. 4.101b zeigt eine
Schleife der Länge l und Breite b, die vom
M D p  E: (4.179) Strom I durchflossen wird, in einem Magnet-
4.4 Magnetisches Feld 325

feld der Flussdichte B. Während sich die Kräfte e e!


Es ist I D D , sodass man schrei-
F1 C F2 C F3 D 0 aufheben, bilden die beiden T0 2 
ben kann
Kräfte F ein Kräftepaar, das die Schleife dreht.
Mit e! e!r 2
m D  r 2 D :
2  2
F D I lB
Für ein Elektron mit Drehimpuls „ wird das
wird das Drehmoment des Kräftepaars magnetische Moment

M D F b sin ' D I lbB sin ' D IAB sin ': e„


mD D 9;27  1024 A m2 :
2me
Dabei ist A D lb die Fläche der Leiterschleife.
Um eine formale Ähnlichkeit mit dem elektri- Dieser Wert wird als Bohr’sches Magneton B
schen Dipolmoment herzustellen, definiert man bezeichnet (Abschn. 8.3).

m D AI: (4.180) Kraft zwischen zwei parallelen


stromdurchflossenen Leitern
als magnetisches Dipolmoment, gelegentlich Befinden sich zwei stromdurchflossene Leiter im
auch als Ampere’sches Dipolmoment bezeichnet; Abstand d voneinander, so spürt der Leiter 1 das
Œm D 1A  m2 . A ist der Flächennormalenvek- Magnetfeld des Leiters 2. Dessen magnetische
tor, der dem Stromfluss im Richtungssinn einer Flussdichte ist gemäß (4.154 und 4.172)
Rechtsschraube zugeordnet ist (Abb. 4.101b).
Damit ist das Drehmoment, das die Leiter- I2
B2 D 0 :
schleife im Magnetfeld erfährt 2 d
Für die Kraft zwischen zwei Leitern gilt entspre-
M D m  B: (4.181)
chend (4.177)
Ohne Beweis sei angefügt, dass obige Aussagen
F12 D I1 lB2
für beliebig geformte Leiterschleifen der Flä-
che A gilt. und unter Berücksichtigung von B2
Gelegentlich wird auch das Coulomb’sche
Moment 0 I1 I2 l
F12 D : (4.183)
2 d
mC D 0 AI: (4.182)
Abb. 4.102 zeigt die Überlagerung der magneti-
benutzt. Das Drehmoment eines Dipols im Ma- schen Feldlinien für zwei parallele stromdurch-
gnetfeld wird dann flossene Leiter. Bei zwei gleichgerichteten Strö-
men wirkt zwischen den Leitern eine Anzie-
M D mC  H : hungskraft (Abb. 4.102a), während bei entgegen-
gesetzt fließenden Strömen zwischen den Leitern
Beispiel 4.4-4 eine Abstoßungskraft wirkt (Abb. 4.102b).
Das magnetische Moment m eines Elektrons,
das mit der Winkelgeschwindigkeit ! im Ab- Kraft auf bewegte Ladungsträger
stand r um den Atomkern kreist, ist zu berech- im Magnetfeld
nen. Bewegte Ladungsträger erfahren im Magnetfeld
eine Kraft. Gleichung (4.174)
Lösung
Es gilt nach (4.180) m D AI . dF D I.dl  B/
326 4 Elektrizität und Magnetismus

a b

Abb. 4.102 Kraft zwischen zwei parallelen stromdurchflossenen Leitern

lässt sich für diesen Fall umformen: Für die Ge- Abb. 4.103 verdeutlicht den Zusammenhang.
schwindigkeit der Ladungsträger gilt v D dl =dt, Die Kraft wird nach ihrem Entdecker Lorentz-
hieraus folgt dl D vdt. Eingesetzt ergibt dies Kraft genannt (H. A. L ORENTZ, 1853 bis 1928).
Der Betrag der Lorentz-Kraft ist
dF D I dt.v  B/:
jFL j D QvB sin.v; B/: (4.185)
Mit I dt D dQ erhält man dF D dQ.vB/ oder

FL D Q.v  B/: (4.184) Die Lorentz-Kraft ist demnach maximal, wenn


v und B senkrecht zueinander stehen und null,
wenn sich die Ladungsträger in Richtung des ma-
Bewegt sich eine Ladung Q mit der Ge- gnetischen Feldes bewegen.
schwindigkeit v durch ein Magnetfeld der Sind die fließenden Ladungen in einem Lei-
magnetischen Induktion B, so spürt die La- ter Elektronen, so erfahren die mit einer Ge-
dung eine Kraft. Diese wirkt senkrecht zu v schwindigkeit vel in x-Richtung fließenden Elek-
und senkrecht zu B. tronen in einem Querfeld By in y-Richtung eine
Lorentz-Kraft in z-Richtung. Sie beträgt je Elek-
4.4 Magnetisches Feld 327

Abb. 4.103 Kraft auf bewegte (negative) Ladungsträger im Magnetfeld

aufgebaut wird und eine elektrische Gegenkraft


Fel D eEy auftritt. Die Verschiebung der Elek-
tronen aufgrund der Lorentz-Kraft kommt dann
zum Stillstand, wenn sich ein Gleichgewicht der
Kräfte einstellt:

Fel D FLy oder  eEy D evx Bz :

Es ist Ey D Uy =b, sodass für die zwischen den


Stirnseiten in y-Richtung messbare Spannung Uy
folgt
Abb. 4.104 Hall-Effekt (negative Ladungsträger)
Uy D Bz vx b D UH : (4.187)

tron Die Spannung UH wird Hall-Spannung genannt


(E. H. H ALL, 1855 bis 1938).
FLz D e.vx  By /: (4.186) Die Stromdichte jx der Elektronen in x-
Richtung ist
Sie wirkt wegen der negativen Ladung der Elek-
tronen in die negative z-Richtung. jx D nevx D ~Ex : (4.188)

Hall-Effekt Dabei ist n die Anzahl der Elektronen je Volu-


Durch ein leitendes Plättchen mit der Breite b und men und e die Elementarladung. Eingesetzt in die
der Dicke d fließe in x-Richtung ein Strom Ix . Gleichung für die Hall-Spannung ergibt sich
Senkrecht hierzu herrsche ein Magnetfeld Bz .
1
Dann wirkt auf jedes Elektron die Lorentz-Kraft UH D jx Bz b: (4.189)
ne
FLy D evx Bz : 1
Der Faktor ne wird Hall-Koeffizient AH genannt:
Durch diese Lorentz-Kraft werden die Elektro- 1
nen in y-Richtung verschoben, sodass an der AH D : (4.190)
ne
linken Stirnseite ein Elektronenüberschuss und
an der rechten Stirnseite ein Elektronenmangel Somit kann (4.189) geschrieben werden
herrscht, wie Abb. 4.104 zeigt. Dies hat zur Fol-
ge, dass in y-Richtung ein elektrisches Gegenfeld UH D AH jx Bz b: (4.191)
328 4 Elektrizität und Magnetismus

Tab. 4.10 Hall-Koeffizienten einiger Werkstoffe a b


m3
Werkstoff AH in 1011 C
Elektronenleitung
Kupfer Cu 5;5
Gold Au 7;5
Natrium Na 25
Caesium Cs 28
Löcherleitung
Cadmium Cd C6
Zinn Sn C14
Abb. 4.105 Kreisbewegung freier Elektronen im Ma-
Beryllium Be C24;4 gnetfeld
Halbleiter
Wismut Bi 5  104
Indium-Arsenid InAs 107 AH von Silber, die Ladungsträgerkonzentati-
on n und die Elektronenbeweglichkeit .

Wegen jx D Ix =.bd / gilt


Lösung
AH Bz Nach (4.192) gilt für den Hall-Koeffizienten
UH D Ix D RH Ix : (4.192)
d
UH d m3
AH D D 8;87  1011 :
Da die Hall-Spannung proportional zur magneti- IB C
schen Induktion B ist, werden Hall-Sonden zur
Messung von Magnetfeldern verwendet. In Hall- Aus (4.190) ergibt sich n D A1H e D 7  1028 m13 .
Generatoren geschieht die Multiplikation zweier Aus AH D ~ resultiert
elektrischer Größen .Ix Bz / durch Messung der  
Hallspannung UH . 7 1
 D AH ~ ~Silber D 6;25  10
Bei dem von K. v. K LITZING entdeckten m
Quanten-Hall-Effekt ist der Hall-Widerstand RH m 2
gequantelt. Er hat eine große Bedeutung als Wi- D 5;54  103 :
Vs
derstandsnormal (Abschn. 4.1.4 und 8.2.5).
Mit Hilfe des Hall-Koeffizienten AH können Kraftwirkungen auf frei bewegliche
folgende physikalische Größen ermittelt werden: Ladungsträger
Bewegen sich freie Ladungsträger (z. B. Elek-
 die Ladungsträgerkonzentration n (wichtig tronen in einem Oszilloskop oder Protonen in
u. a. bei Halbleitern, s. Abschn. 9.2.3), einem Beschleuniger) mit einer konstanten Ge-
 das Vorzeichen der Ladungsträger (Löcherlei- schwindigkeit v in einem magnetischen Quer-
tung plus und Elektronenleitung minus), feld, so wirkt auf sie die Lorentz-Kraft FL D
 die Ladungsträgerbeweglichkeit  D ~AH . Q.v  B/. Sie steht – analog zur Zentripetal-
kraft einer Kreisbewegung in der Mechanik –
Tab. 4.10 zeigt die Werte des Hall-Koeffizienten senkrecht zur Geschwindigkeit v und ändert le-
AH für einige ausgewählte Werkstoffe. diglich die Richtung, nicht aber den Betrag der
Teilchengeschwindigkeit, wie Abb. 4.105a zeigt.
Beispiel 4.4-5 Deshalb führen die geladenen Teilchen im Ma-
Durch eine 0,1 mm dicke Silberfolie fließt ein gnetfeld eine Kreisbewegung aus, wenn sie mit
Strom von 4 A. Im senkrecht zur Folie be- konstanter Geschwindigkeit v in ein homogenes
findlichen Magnetfeld (B D 6;2 V s=m2 ) wird magnetisches Querfeld gelangen (Abb. 4.105b).
eine Hall-Spannung UH D 22 V gemessen. Durchlaufen geladene Teilchen einen Kreis mit
Bestimmt werden sollen die Hall-Konstante dem Radius r, so ist die Zentrifugalkraft gleich
4.4 Magnetisches Feld 329

a In einem Synchrotron (Abb. 4.106b) bleibt der


Radius der beschleunigten Teilchen gleich, weil
entsprechend der zunehmenden Geschwindigkeit
v das Magnetfeld B ebenfalls erhöht wird.
Aus (4.193) ist auch die spezifische Ladung ei-
nes Elementarteilchens bestimmbar:

Q v
D : (4.194)
m rB
b Für ein Elektron gilt dann

Q e C
D D 1;76  1011 : (4.195)
m mel kg

Entsprechend der spezifischen Ladung von Teil-


chen entstehen unterschiedliche Auftreffpunkte.
Mit einem geeignet konstruierten Massenspektro-
graf nach F. W. A STON (1877 bis 1945) können
diese sichtbar gemacht und somit die relativen
Atommassen ermittelt werden.
Abb. 4.106 a Zyklotron, schematisch und b Synchrotron
Beispiel 4.4-6
In einem Zyklotron werden Protonen in einem
der Lorentz-Kraft: Magnetfeld von B D 2 T beschleunigt. Zeigen
Sie, dass die Anzahl der Umläufe je Sekunde
mv 2 von der Teilchengeschwindigkeit und vom Ra-
D QvB oder
r dius unabhängig ist. Berechnen Sie diese im
mv vorliegenden Fall.
rD : (4.193)
QB
Lösung
Diese Beziehung zeigt, dass bei konstantem ma-
Nach (4.194) gilt v D Q rB. Für die Frequenz
gnetischen Querfeld der Bahnradius umso kleiner !
m
gilt f D 2  mit ! D vr .
wird, je größer das Magnetfeld ist. Mit zuneh-
Wird v in die Gleichung für die Frequenz
mender Geschwindigkeit der geladenen Teilchen
eingesetzt, so ergibt sich
wird der Radius größer. Dies wird bei den Teil-
chenbeschleunigern ausgenutzt. In Abb. 4.106 v QB
erkennt man das Prinzip. Bei einem Zyklotron f D D : (4.196)
2 r 2 m
herrscht ein konstantes Magnetfeld, und die Teil-
chen werden durch ein elektrisches Wechselfeld Im vorliegenden Fall ermittelt man mit QP D
zwischen den Bereichen I und II auf höhere 1;6021019 C und mP D 1;6721027 kgI f D
Geschwindigkeiten gebracht (Abb. 4.106a). Da- 30;49 MHz.
durch entsteht eine spiralförmige Bahn, die aus
aneinandergrenzenden Halbkreisen besteht. (Bei Kraftwirkung im elektrischen
hohen Teilchengeschwindigkeiten ist der rela- und magnetischen Feld
tivistische Massenzuwachs zu berücksichtigen, Bewegen sich geladene Teilchen sowohl in ei-
s. Abschn. 10.4.) nem elektrischen als auch in einem magnetischen
330 4 Elektrizität und Magnetismus

Feld, dann wirkt die resultierende Kraft


Die Permeabilitätszahl r ist eine dimensi-
F D QE C Q.v  B/: (4.197) onslose Verhältniszahl; sie gibt an, um das
Wievielfache sich die magnetische Fluss-
Sind beide Felder – d. h. das elektrische und das dichte mit Materie (B m ) im Verhältnis
magnetische Feld – parallel, so bewegen sich ge- zur magnetischen Flussdichte ohne Materie
ladene Teilchen auf einer Schraubenbahn, da das (B 0 ) verändert.
Magnetfeld eine Kreisbahn um die Magnetfeld-
achse erzwingt und das elektrische Feld eine
Kraft in Längsrichtung bewirkt. Aus (4.198) folgt
Die formale Ähnlichkeit der Feldgleichungen
im Vakuum B m D r B 0 D 0 r H 0 : (4.199)

D D "0 E und B D 0 H ; Analog zum elektrischen Feld wird die durch die
Materie zusätzlich hervorgerufene magnetische
bzw. in Materie Flussdichte magnetische Polarisation J genannt:

D D "r "0 E und B D r 0 H ; J D B m  B 0: (4.200)

suggeriert, dass sich Mit B m D r B 0 ergibt sich aus (4.200)

E , H ; sowie D , B J D .r  1/B 0 D .r  1/0 H 0 : (4.201)

entsprechen. Tatsächlich zeigen die Kraftwirkun- Der Faktor .r  1/ heißt analog zur elektrischen
gen auf elektrische Ströme oder allgemeiner auf Suszeptibilität (4.139) magnetische Suszeptibili-
bewegte Ladungen im Magnetfeld, sowie auf ru- tät m . Somit formt sich (4.201) um zu
hende und bewegte Ladungen im elektrischen
Feld, dass J D m B 0 D m 0 H ; (4.202)
jJ j jJ j
E , B und D , H m D D : (4.203)
jB 0 j 0 jH j
miteinander korrespondieren.
Die magnetische Suszeptibilität m be-
schreibt das Verhältnis von Polarisation J ,
4.4.4 Materie im Magnetfeld hervorgerufen durch Materie im Magnet-
feld, und der magnetischen Flussdichte B 0
4.4.4.1 Grundbegriffe (ohne Materie).
Wird Materie in ein magnetisches Feld gebracht,
so ändert sich – analog zur Materie im elektri-
schen Feld (Abschn. 4.3.7) – die magnetische Wird am System außer dem Einbringen von
Flussdichte B. Es ist Materie nichts geändert, dann bleibt der einge-
prägte Strom in der Spule konstant und damit
jB m j
r D : (4.198) auch die Feldstärke; H ist also im Vakuum und
jB 0 j in Materie gleich (H invariant). Für die Magneti-
4.4 Magnetisches Feld 331

 paramagnetische Stoffe
r wenig größer als 1 bzw. m geringfügig po-
sitiv, Beispiele: Al, Pt, Ta;
 ferromagnetische Stoffe
r wesentlich größer als 1 bzw. m deutlich
positiv, Beispiele: Co, Fe, Ni.

Tab. 4.11 vermittelt eine Übersicht über die ma-


gnetische Suszeptibilität einiger dia-, para- und
ferromagnetischer Werkstoffe bei Raumtempera-
tur.

4.4.4.2 Stoffmagnetismus
Abb. 4.107 Einteilung magnetischer Werkstoffe nach Das unterschiedliche magnetische Verhalten von
den Zahlenwerten von r bzw. m
Materie ist auf deren Elektronenstruktur zurück-
zuführen. Die Elektronen erzeugen als sich be-
wegende elektrische Ladungen magnetische Mo-
sierung M gilt:
mente, und zwar durch
J
MD : (4.204)  die Bahnbewegung ein magnetisches Bahnmo-
0
ment mBahn senkrecht zur Umlauffläche und
Nach weiteren Umformungen ergeben sich fol- durch
gende Formulierungen:  die Eigenrotation (Elektronen-Spin) ein ma-
gnetisches Spinmoment mSpin .
M D .r  1/H D m H : (4.205)
Das von der Kernbewegung herrührende Kern-
spinmoment kann wegen der geringen Magnet-
Für die magnetische Induktion B ergibt sich dann

B D 0 H C J D 0 .H C J =0 / Tab. 4.11 Magnetische Suszeptibilität magnetischer


D 0 .H C M /: (4.206) Werkstoffe
Werkstoff magnetische Suszeptibilität
Die Magnetisierung M entspricht der Summe Ferromagnetika
aller magnetischen Dipolmomente m dividiert Mu-Metall
(75 Ni-Fe) bis 9  104
durch das Probenvolumen:
Fe (rein) 104
P
mi N Fe-Si 6  103
MD D m:N Ferrite (weich) 1  103
V V
AlNiCo 3
Die Magnetisierung ist bei vielen Stoffen pro- Ferrite (hart) 0;3
portional zur magnetischen Feldstärke H . Aus- Paramagnetika
genommen hiervon sind die nichtlinearen ma- O2 (flüssig) 3;6  103
Pt 2;5  104
gnetischen Werkstoffe (z. B. die Ferromagnetika).
Al 2;4  105
Werkstoffe können nach ihrem Verhalten im Ma-
O2 (gasförmig) 1;5  106
gnetfeld .r D B=B 0 / gemäß Abb. 4.107 einge-
Diamagnetika
teilt werden in N2 (gasförmig) 6;75  109
Bi 1;5  104
 diamagnetische Stoffe Au 2;9  105
r wenig kleiner als 1 bzw. m geringfügig ne- Cu 1  105
gativ, Beispiele: Cu, Bi, Pb; H2 O 7  106
332 4 Elektrizität und Magnetismus

wirkung vernachlässigt werden. Abb. 4.108 zeigt mente und damit die magnetische Suszeptibilität
die Arten des Stoffmagnetismus, die jeweiligen ab. Es gilt hierbei das Curie’sche Gesetz (P. C U -
Ursachen und Wirkungen, die Temperaturabhän- RIE, 1859 bis 1906):
gigkeit des Kehrwertes der Suszeptibilität sowie
typische magnetische Werkstoffe. Der Ferroma- C
m D : (4.207)
gnetismus ist wegen seiner großen technischen T
Bedeutung ausführlich beschrieben.
Der Faktor C ist eine stoffabhängige Größe.
Diamagnetismus
Ferromagnetismus
Der Diamagnetismus ist eine Eigenschaft aller
Unaufgefüllte innere Elektronenschalen, wie sie
Körper; er kann aber durch andere magneti-
vor allem bei den Übergangsmetallen (Fe, Ni, Co,
sche Erscheinungen überdeckt werden. In rei-
Gd, Er) vorkommen, führen zu gleichgerichteten
ner Form tritt er auf, wenn sich die magneti-
Spinmomenten. Es existieren ganze Kristallbe-
schen Spinmomente aller Atomelektronen aufhe-
reiche gleicher Magnetisierung in der Größe von
ben. Dies ist bei Elementen mit abgeschlossenen
etwa 10 m bis 1 mm. Sie werden Weiss’sche
Elektronenschalen der Fall (Pauli-Prinzip, Ab-
Bezirke genannt (P. E. W EISS, 1865 bis 1940).
schn. 8.4). Wird ein diamagnetischer Stoff in
Sie sind im unmagnetisierten Zustand regellos
ein äußeres Magnetfeld gebracht, erzeugt die
verteilt, sodass der Werkstoff nach außen unma-
Wechselwirkung des magnetischen Elektronen-
gnetisch ist. Durch Anlegen eines äußeren Feldes
Bahnmomentes mBahn mit diesem äußeren Ma-
werden die Weiss’schen Bezirke zunehmend in
gnetfeld eine Präzession der Elektronenbahn.
Feldrichtung ausgerichtet. Die parallele Ausrich-
Durch diese Kopplung der Elektronenbewegung
tung der magnetischen Spinmomente wird mit
entstehen inneratomare Ringströme, deren Ma-
zunehmender Temperatur zerstört, bis sie ober-
gnetfeld dem äußeren Magnetfeld entgegenge-
halb der ferromagnetischen Curie-Temperatur TC
setzt gerichtet ist (Lenz’sche Regel, Abschn. 4.5).
völlig aufgehoben ist und die ferromagnetischen
Das gesamte Magnetfeld wird dadurch schwä-
Stoffe nur noch ein paramagnetisches Verhalten
cher. Aus diesem Grund ist die Permeabilitätszahl
aufweisen.
r < 1 bzw. die magnetische Suszeptibilität
Für Temperaturen oberhalb TC gilt das Curie-
m < 0. Der Diamagnetismus verschwindet wie-
Weiss’sche Gesetz:
der, wenn das äußere Feld abgeschaltet wird.
Eine Temperaturabhängigkeit der Suszeptibilität C
ist nicht festzustellen. Typische Stoffe mit dia- m D : (4.208)
T  TC
magnetischem Verhalten sind Ag, Au, Cu, Bi
oder H2 . Die Curie-Temperaturen einiger ferromagneti-
scher Werkstoffe sind in Tab. 4.12 zusammenge-
Paramagnetismus stellt.
Unaufgefüllte Elektronenschalen (bzw. eine un- Ferromagnetika weisen ein nichtlineares Ver-
gerade Anzahl von Elektronen) führen zu nicht halten der magnetischen Induktion B in Abhän-
vollständig kompensierten magnetischen Spin- gigkeit von der magnetischen Feldstärke H auf,
momenten. Diese magnetischen Spinmomente d. h., die Permeabilitätszahl r bzw. die magneti-
sind regellos verteilt. Das äußere Magnetfeld sche Suszeptibilität m ist nicht konstant, sondern
richtet die Elementarmagnete durch seine Wech- eine komplizierte Funktion von H . Einen typi-
selwirkung mit dem magnetischen Spinmoment schen Verlauf der Permeabilitätszahl bei zuneh-
aus; dieser vollständigen Ausrichtung steht je- mender magnetischer Feldstärke H zeigt sche-
doch die Wärmebewegung der Atome entgegen. matisch Abb. 4.109. Der spezielle Verlauf von r
Die thermische Bewegung der Atome nimmt mit in Abhängigkeit von der magnetischen Feldstär-
steigender Temperatur zu, dementsprechend der ke H ist vom Werkstoff und von der Vorbehand-
Grad der Ausrichtung der magnetischen Spinmo- lung des Werkstoffs abhängig.
4.4 Magnetisches Feld

Abb. 4.108 Arten des Stoff-Magnetismus


333
334 4 Elektrizität und Magnetismus

Tab. 4.12 Ferromagnetische Curie-Temperatur einiger Neukurve. Sie nähert sich asymptotisch der Gera-
Werkstoffe den
Werkstoff ferromagnetische Curie-
Temperatur TC in K B D 0 H C JS D 0 .H C MS /;
Dy 87
Gd 289 wenn alle Elektronenspins parallel zum äuße-
Cu2 MnAl 603 ren Feld ausgerichtet sind, d. h. wenn die ma-
Ni 631 gnetische Polarisation ihren Sättigungswert JS
Fe 1042 erreicht hat. Abb. 4.111 zeigt die Weiss’schen
Co 1400 Bezirke eines Nickel-Einkristalls im unmagne-
tischen Zustand (Abb. 4.111a, entspricht dem
Punkt 0 der Neukurve), bei teilweiser Magneti-
sierung (Abb. 4.111b, entspricht dem Gebiet II
der Neukurve) und bei vollständiger Magneti-
sierung (Abb. 4.111c, entspricht der Sättigungs-
induktion BS ). Besonders gut sichtbar ist die
einheitliche Magnetisierung der Weiss’schen Be-
zirke, die durch die Bloch-Wände (F. B LOCH,
1905 bis 1983) voneinander getrennt sind. Diese
Bloch-Wände sind die Übergangszonen, in denen
Abb. 4.109 Verlauf der Permeabilitätszahl r in Abhän- sich die Magnetisierung von einem Weiss’schen
gigkeit von der Feldstärke H für einen Ferromagneten Bezirk zum andern ändert.
In der Neukurve laufen drei Elementarpro-
zesse ab: Bei der Erhöhung der äußeren ma-
gnetischen Feldstärke H nimmt die magneti-
sche Induktion B aufgrund von Bloch-Wand-
Verschiebungen schnell zu. Zunächst finden die
leichter verschiebbaren reversiblen Wandver-
schiebungen (Bereich I) und später die schwerer
verschiebbaren irreversiblen Wandverschiebun-
gen statt (Bereich II). Die Bezirke, die annä-
hernd in Feldrichtung ausgerichtet sind, vergrö-
ßern sich in diesen beiden Phasen auf Kosten
der anderen. Das Material ist teilweise magne-
tisiert (Abb. 4.111b). Bei weiter zunehmendem
Magnetfeld H nimmt die magnetische Indukti-
on B nur noch geringfügig zu. In diesem Bereich
finden Drehprozesse statt (Bereich III), bei de-
nen sich die magnetischen Momente vollends in
Abb. 4.110 Hysteresekurve die vorgegebene Feldrichtung drehen. Das Ma-
terial ist dann bis zur Sättigungspolarisation JS
magnetisiert (Abb. 4.111c). Von diesem Punkt an
In Abb. 4.110 ist die Abhängigkeit der ma- nimmt B nur noch geringfügig zu.
gnetischen Flussdichte B von der magnetischen Wird das magnetische Feld ausgeschaltet
Feldstärke H (Hysteresekurve) dargestellt. Vom (H D 0), dann bleibt eine Restinduktion üb-
unmagnetisierten Zustand H D B D 0 aus- rig, die man Remanenzflussdichte (Remanenz) BR
gehend verändert sich die Flussdichte B bei nennt. Um wieder einen unmagnetischen Ma-
monoton anwachsender Feldstärke H längs der terialzustand zu erreichen (B D 0), muss ei-
4.4 Magnetisches Feld 335

Tab. 4.13 Entmagnetisierungsfaktor für ausgewählte


Geometrien
Geometrie Magnetisierung Entmagnetisie-
rungsfaktor N
dünne Platte in Plattenebene 0
senkrecht zur 1
Plattenebene
sehr langer Stab in Längsrichtung 0
in Querrichtung 1/2
Kugel 1/3

gnetisches Material. Bei erneuter Erhöhung des


magnetischen Feldes wird wieder die Sättigungs-
induktion JS erreicht. Die durchlaufene Kurve
nennt man Hystereseschleife.
Wird anstelle der Induktion B die Polarisati-
on J über der magnetischen Feldstärke H aufge-
tragen, dann hat die Koerzitivfeldstärke HC , bei
der die Polarisation null wird einen anderen Wert
als im B.H /-Diagramm. Aus diesem Grund gibt
es zweierlei Koerzitivfeldstärken: HCJ im J.H /-
Diagramm und HCB im B.H /-Diagramm. Der
numerische Unterschied ist allerdings nicht er-
heblich.

Scherung
Wird mit einem stabförmigen Magnetwerkstoff
eine Magnetisierungskurve aufgenommen, so
kann diese je nach Geometrie des Stabes unter
Umständen erheblich von der Magnetisierungs-
kurve abweichen, die man mit einem geschlosse-
nen Ring desselben Materials misst.
Der Grund liegt in der entmagnetisierenden
Abb. 4.111 Veränderung der Weiss’schen Bezirke eines Wirkung der Magnetpole an den Stabenden. Die-
Nickel-Einkristalls bei Zunahme des Magnetfeldes se erzeugen ein entmagnetisierendes Feld H 00 ,
das dem von außen angelegten Feld H 0 (bei-
spielsweise durch eine Spule erzeugt, mit H 0 D
ne Gegenfeldstärke eingestellt werden. Sie wird NI = l/ entgegengesetzt gerichtet ist und dieses
Koerzitivfeldstärke HC genannt. Bei weiter zu- schwächt. Im Innern der Probe ist deshalb die
nehmendem Gegenfeld wird das Material bis zur Feldstärke H kleiner als die Feldstärke des äuße-
Sättigung in Gegenrichtung (JS ) aufmagneti- ren Feldes: H D H 0 H 00 . Das entmagnetisieren-
siert. Beim Ausschalten des Magnetfeldes (H D de Feld ist umso größer, je größer die Polarisation
0) fällt die magnetische Induktion wieder bis zur in der Probe ist: H 00 D NM D N J0 . N wird als
Remanenzflussdichte (BR ) und erst ein positi- Entmagnetisierungsfaktor bezeichnet. Er hängt
ves Magnetfeld (HC ) erzeugt wieder ein unma- nur von der Probengeometrie ab (Tab. 4.13).
336 4 Elektrizität und Magnetismus

Curie-Gesetz:

C
m D : (4.210)
T C TN

Unterhalb dieser Temperatur verläuft die Tempe-


raturabhängigkeit der magnetischen Suszeptibili-
tät m meist sehr unterschiedlich. Sie ist zudem
stark von der Kristallrichtung abhängig. Typi-
sche antiferromagnetische Substanzen sind MnO,
NiO, CoO, CrF3 , FeF3 , CoF3 (Abb. 4.108).
Sind die magnetischen Momente der antipar-
allel eingestellten Untergitter nicht gleich groß,
dann ist ein resultierendes magnetisches Mo-
ment vorhanden. Dies wird Ferrimagnetismus
Abb. 4.112 Scherung der Hystereseschleife für den genannt. Er hat teils antiferromagnetische und
Entmagnetisierungsfaktor N D 0;01. BR0 ist die schein-
bare, BR die wahre Remanenzdichte des Werkstoffs
teils ferromagnetische Eigenschaften (z. B. Hys-
terese). Die Werkstoffe heißen Ferrite. Typi-
sche Kristallstrukturen sind Spinelle der Form
Für die wahre Feldstärke im Innern der Probe MeOFe2 O3 – für Me kann z. B. Fe, Ni, Co ste-
gilt damit hen – aber auch hexagonale Ferrite der Form
MeO  6 Fe2 O3 (Me: Ba, Sr, Pb) oder Granate der
J Form 3 Me2 O3 5 Fe2 O3 (Me: dreiwertiges Selten-
H D H0  N ; oder mit .4:223/
0 Erdmetall, z. B. Ce3C , Sm3C ).
B Die Ferrite haben große technische Bedeutung
H0  N sowohl als weichmagnetische als auch als dauer-
0
H D : (4.209) magnetische Werkstoffe. Sie sind keine Metalle,
N 1
sondern Ionenkristalle. Deshalb weisen sie einen
Abb. 4.112 zeigt den ersten und zweiten Qua- hohen spezifischen Widerstand auf (1 < % <
dranten einer gemessenen (gescherten) Hystere- 103  m) im Vergleich zu den Metallen (% 
seschleife B.H 0/ und die mit Hilfe von (4.210) 107  m). Aus diesem Grund treten kaum mess-
zurückgescherte Hysteresekurve B.H /. Offen- bare Wirbelströme (Abschn. 4.5.1.2) auf, sodass
sichtlich ist die Remanenz BR0 D 0;5 T im Stab Ferrite vor allem für magnetische Anwendungen
wesentlich niedriger als die Remanenz BR D bei hohen Frequenzen (z. B. Spulenkerne bei Fre-
1;1 T in einem ringförmigen geschlossenen Ma- quenzen bis 5 MHz) eingesetzt werden.
gneten. Der Temperaturverlauf der Suszeptibilität ist
im Allgemeinen sehr kompliziert, oberhalb der
Antiferromagnetismus und Ferrimagnetismus ferromagnetischen Curie-Temperatur TC zeigt sie
Unaufgefüllte innere Elektronenschalen führen einen paramagnetischen Verlauf.
zu parallelen magnetischen Spinmomenten. Bei
Antiferromagnetika liegen zwei gleich große fer- Magnetostriktion
romagnetische Untergitter vor, die sich anti- Durch Blochwandverschiebungen aufgrund eines
parallel einstellen. Deshalb ist die Suszeptibili- äußeren Magnetfeldes kann eine Längenände-
tät auch nur schwach positiv. Die Suszeptibili- rung eintreten. Diese elastische Formänderung
tät entspricht oberhalb der Néel-Temperatur TN bei Anwesenheit eines magnetischen Feldes heißt
(L. N ÉEL, 1904 bis 2000) dem abgewandelten Magnetostriktion. Abb. 4.113 zeigt schematisch
4.4 Magnetisches Feld 337

Hierzu zählen die Legierungen aus AlNiCo, FeTi,


PtCo, FeCoV und CuNiFe sowie die Selten-Erd-
Kobaltverbindungen (SECo, z. B. SmCo5 ) und
die NdFeB-Magnete. Im weichmagnetischen wie
im hartmagnetischen Bereich werden auch Fer-
rite eingesetzt (s. Ferrimagnetismus).
Die Fläche der Hysteresekurve ist ein Maß für
die Energie, die zur Ummagnetisierung notwen-
dig ist. Für weichmagnetische Materialien muss
sie möglichst gering gehalten werden. Die Ver-
luste liegen für Bleche mit der Dicke 0,2 mm bis
0,5 mm bei B D 1 T und f D 50 Hz zwischen
Abb. 4.113 Magnetostriktion bei Eisen und Nickel 0;06 W=kg (65 % NiFe) und 10 W=kg (Eisen).
Amorphe Weichmagnete bilden die neueste
weichmagnetische Werkstoffgruppe. Sie zeich-
die positive Magnetostriktion (gestrichelt) bei nen sich durch besonders hohe Permeabilitäts-
Eisen (Längenvergrößerung bei kleinerer Brei- werte (r bis zu 200.000) bei kleinen Koerzitiv-
te) und die negative Magnetostriktion bei Ni- feldstärken (HC von 0;3 A=m bis 2 A=m) aus.
ckel (Längenverkürzung bei zunehmender Brei- In Tab. 4.14 sind die wichtigsten dauerma-
te). Die Längenänderungen l= l liegen im All- gnetischen Werkstoffgruppen, ihre Zusammen-
gemeinen zwischen 3  105 und C5  105. Ma- setzung, die Kennzahlen Remanenzinduktion BR ,
gnetostriktive Materialien dienen der Erzeugung Koerzitivfeldstärke HC und das maximale Ener-
von Ultraschall mit einer Frequenz bis 60 kHz gieprodukt .BH /max (Abschn. 4.5.1.4, (4.234))
und einer Schallintensität bis 105 W=m2 . sowie typische Eigenschaften aufgeführt. Zu den
ältesten und bewährtesten Dauermagnetwerkstof-
4.4.4.3 Magnetische Werkstoffe fen gehören die AlNiCo-Legierungen. Sie haben
Abb. 4.114 zeigt eine Einteilung der magneti- zwar eine hohe Remanenzinduktion, jedoch eine
schen Werkstoffe nach IEC 404-1. Je nach Koer- sehr kleine Koerzitivfeldstärke. Die Strontium-
zitivfeldstärke HC können sie in drei Hauptgrup- bzw. Bariumhexaferrite (SrO(Fe2 O3 )6 ) sind Sin-
pen eingeteilt werden, nämlich in terkörper, die in beliebige Formen gepresst
und in jede gewünschte Magnetisierungsrich-
 weichmagnetische Werkstoffe entsprechend tung gebracht werden können. Sie haben keine
0;1 < HC < 103 A=m, so große Remanenzinduktion, aber eine linea-
 magnetisch halbharte Werkstoffe entspre- re Entmagnetisierungskurve. Höhere Koerzitiv-
chend 103 < HC < 4;5  104 A=m und in feldstärken (HC  360 kA=m) weisen PtCo-
 magnetisch harte Werkstoffe entsprechend Dauermagnete auf. Die höchste magnetische
HC > 4;5  104 A=m. Energiedichte (.BH /max  160 kJ=m3 ) haben
die Selten-Erd-Kobalt-Magneten (z. B. SmCo5 )
Die niedrigsten Koerzitivfeldstärken (HC  und Magnete aus NdFeB.
1 A=m) weisen hochnickelhaltige Legierungen Zu den großtechnisch im Versuch befindlichen
(75 % NiFe, Permalloy und amorphe Werkstof- magnetischen Fördersystemen gehört die ma-
fe auf Co-Basis) auf, gefolgt von Legierungen gnetische Schwebebahn Transrapid. Abb. 4.115
mit mittlerem Nickelgehalt (50 % NiFe; HC  zeigt die Schnellbahn und Abb. 4.116 schema-
10 A=m) und amorphen Werkstoffen auf Fe- tisch die Funktionsweise.
Basis, Eisen (Silicium) (HC  100 A=m) und
Kobalt-Eisen (HC  300 A=m). Magnetwerk- Berechnung von Dauermagnetsystemen
stoffe mit Koerzitivfeldstärken größer als 4;5  Ein Dauermagnetsystem, etwa gemäß Abb.
104 A=m sind die hartmagnetischen Werkstoffe. 4.117, besteht aus einem Dauermagneten und
338 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.114 Übersicht über die magnetischen Werkstoffe

Tab. 4.14 Dauermagnetwerkstoffe


abschre- ausscheidungs- kaltbearbeitete Pulver- Legierungen Seltene Erden
ckungsge- gehärtete Legierungen magnete mit Ordnungs- (SE)
härteter Stahl Legierungen struktur
Werkstoffe 36 % Co AlNiCo CuNiFe
(9Al15Ni23Co4Cu) (60Cu20Ni20Fe) Ba-Ferrit CoPt
64 % Fe CuNiCo CoV SECo5
(35Cu24Ni41Co) (53Co14V33Fe) Sr-Ferrit FePt (SE: Sm, Ce);
CoFe NdFeB
(52Co38Fe10V)
FeMo
(68Fe20Mo12Co)
BR in T 0,9 1,3 1 0,38 0,6 0,9; 1,2
kA
HC in 20 56 42 132 360 700; 800
m
kJ
BHmax in 3 8 56 28 25 64 160; 280
m
Bemerkungen gute Form- gute magnetische Anwendung: beliebig teuer; Spezial- teuer; Spezial-
barkeit; Stabilität Drähte zur formbar; magnete magnete
teuer; kleines Tonaufzeichnung sehr hart
.BH /max
4.4 Magnetisches Feld 339

wird. Grundlage zur Berechnung der Scherungs-


geraden und der maximalen Energie je Volumen,
.BH /max -Wert, sind

 das Durchflutungsgesetz für  D 0


I
H ds D 0 .4:153/ und

 das Gesetz der Erhaltung des magnetischen


Flusses (Flussgleichung)
I
Abb. 4.115 Magnetschwebebahn Transrapid auf der Ver-
BdA D konstant .4:171/:
suchsstrecke. Foto: Thyssen Henschel
Für ein Magnetsystem gilt das Durchflutungsge-
setz

Hm lm D  HL lL (4.211)

mit Hm bzw. HL als der magnetischen Feldstärke


im Magneten bzw. im Luftspalt und lm bzw. lL als
der Länge des Magneten bzw. des Luftspaltes.
Der Spannungsfaktor . > 1/ berücksichtigt
die zusätzlich zum Luftspalt vorhandenen un-
magnetischen Bereiche im Verlauf der magneti-
schen Spannung, z. B. die Weicheisenanteile und
die unmagnetischen Zwischenräume von Klebe-
schichten. In der Praxis weist er Werte zwischen
1 und 1,3 auf. Aus dem Durchflutungsgesetz
Abb. 4.116 Funktionsweise der Magnetschwebebahn für den Dauermagnetkreis (4.211) ist ersichtlich,
dass Dauermagnete mit einer hohen Koerzitiv-
feldstärke eine geringe Länge aufweisen können
und umgekehrt.
Das Gesetz zur Erhaltung des magnetischen
Flusses in einem magnetischen Kreis lautet

Bm Am D BL AL (4.212)

mit Bm bzw. BL als der magnetischen Flussdich-


te im Magneten bzw. im Luftspalt und Am bzw.
AL als Querschnittsfläche des Magneten bzw. des
Luftspaltes.
Der Streufaktor  . > 1/ berücksichtigt die
Abb. 4.117 Dauermagnetsystem Streuung, d. h. die magnetischen Feldlinien, die
nicht den Luftspalt durchsetzen. Er variiert in der
Praxis zwischen 1 und 10. (Für  D 10 bedeutet
zwei weichmagnetischen Polschuhen, die den dies, dass lediglich 10 % des Dauermagnetflusses
magnetischen Fluss verlustarm zum Luftspalt lei- als Nutzfluss im Arbeitsluftspalt genutzt werden
ten, in dem die magnetische Energie genutzt können.)
340 4 Elektrizität und Magnetismus

gespeicherte magnetische Energie durch Multi-


plikation der Flussgleichung (4.212) mit dem
Durchflutungsgesetz (4.211):

BL2
.Bm Hm /Vm D BL HL VL  D  VL :
0
(4.214)

Löst man nach BL auf, so ergibt sich als nutzbare


magnetische Flussdichte im Luftspalt
s
0 Vm
BL D .BH /m : (4.215)
VL

Die im Luftspalt zur Verfügung stehende ma-


gnetische Flussdichte BL ist proportional zum
Magnetvolumen und zum .BH /m -Wert. Dies be-
Abb. 4.118 Optimaler Arbeitspunkt A eines Permanent- deutet, dass bei hohem .BH /m -Wert das Ma-
magneten gnetvolumen klein gewählt werden kann. Der
optimale Arbeitspunkt wird dort liegen, wo BH
maximal ist, d. h. wo sich der .BH /max -Wert
Abb. 4.118 zeigt den Verlauf der Entmagne- und die Scherungsgerade schneiden. Dann kann
tisierungskurve. Aufgrund der Geometrie wird die höchste Luftspaltinduktion bei kleinstem Ma-
ein Arbeitspunkt A eingestellt, der die Koordina- gnetvolumen erreicht werden.
ten (Hm =Bm ) hat. Die Gleichung der Geraden
durch den Arbeitspunkt A und den Nullpunkt 0 Beispiel 4.4-7
wird Scherungsgerade genannt. Ein Magnetsystem soll aus einem AlNiCo
Aus dem Durchflutungsgesetz (4.211) und der Werkstoff entworfen werden. Der Arbeits-
Gleichung der Flusserhaltung (4.212) folgt mit- punkt liegt bei HA D 40 kA=m und BA D
hilfe von BL D 0 HL die Gleichung der Sche- 800 mT ( D 3, D 1). Aus konstruktiven
rungsgeraden Gründen muss ein Luftspalt des Querschnitts
A1 D 2;4 cm2 und der Länge lL D 3;6 cm so-
 AL lm wie eine Länge des dauermagnetischen Werk-
Bm D 0 Hm : (4.213)
Am lL stoffs von lm D 6;4 cm vorgesehen werden.

Hieraus ist ersichtlich, dass die Scherungsgerade a) Wie groß muss die magnetische Fläche Am
vom Werkstoff unabhängig ist und nur von der bzw. das Magnetvolumen Vm gewählt wer-
Geometrie des Magneten abhängt. den, um diese Anforderungen zu erfüllen?
Der Arbeitspunkt A ergibt sich als Schnitt- b) Wie groß ist die im Luftspalt nutzbare ma-
punkt der Scherungsgerade mit der Entmagne- gnetische Flussdichte?
tisierungskurve (Abb. 4.118). Es ist erwähnens- c) Der .BH /max -Wert der AlNiCo-Legierung
wert, dass die sich einstellende Flussdichte Bm liegt bei 42 kJ=m3 . Wie lautet der optimale
deutlich geringer ist, als die Remanenzflussdich- Arbeitspunkt A(HA =BA )?
te BR . Hierbei gilt: Je größer der Luftspalt, um so d) Um wie viel Prozent kann das Magnetvo-
geringer ist die Flussdichte. lumen verringert werden, wenn der Dauer-
Da das Produkt BH die magnetische Energie magnetwerkstoff SmCo5 mit .BH /max D
je Volumen darstellt, ergibt sich die im Luftspalt 144 kJ=m3 eingesetzt wird?
4.4 Magnetisches Feld 341

Lösung
a) Die Gleichung der Scherungsgeraden
(4.213) wird nach Am aufgelöst:

0 AL lm
Am D Hm D 0;805 cm2 :
lL Bm

Das Magnetvolumen ist Vm D Am lm D


5;15 cm3 .
b) Die im Luftspalt nutzbare magnetische
Flussdichte ist gemäß (4.215)

Bm Am
BL D D 89;4 mT:
AL
Abb. 4.119 Elektromagnet
c) Es gelten folgende Gleichungen:

.BA HA / D 42  103 J=m3 ; Mithilfe von BL = 0 HL wird daraus


 AL lm
BA D 0 HA D 2  105 HA : lL
Am lL  D HFe lFe C BL :
0
Daraus errechnet sich HA D 45;8 kA=m
und BA D 917 mT. Nun gilt wegen der Konstanz des Flusses (4.212)
d) Es gilt (4.215) für die magnetische Induk-
tion im Luftspalt BFe AFe D BL AL und damit
lL AFe
s  D HFe lFe C BFe oder
0 Vm 0 AL 
BL D .BH /m D 0;28 T:
VL lFe lL AFe
1 D HFe C BFe : (4.216)
 0 AL 
Da Vm .BH /m konstant bleiben muss und
.BH /max von SmCo5 im Verhältnis zu Al- Um die Flussdichte bei gegebener Durchflu-
NiCo 144=42 D 3;43 fach so hoch ist, tung  zu bestimmen, wird diese lineare Be-
kann das Volumen um den Faktor 3,43 ziehung zwischen BFe und HFe als Scherungs-
abnehmen. Dies bedeutet, dass lediglich gerade in das Diagramm B.H / eingetragen
29 % des ursprünglichen Magnetvolumens (Abb. 4.120). Der Schnittpunkt der Scherungsge-
erforderlich wären, um dieselbe Luftspalt- rade mit der Magnetisierungskurve (bei Weichei-
induktion zu erzeugen. sen ist die Hystereseschleife so schmal, dass sie
durch eine mittlere Kurve ersetzt werden kann)
Berechnung von Elektromagneten ist der Arbeitspunkt A des Elektromagneten.
Ein Elektromagnet besteht aus einem Weichei-
senkern (z. B. Dynamoblech) mit einem Luftspalt Analogie elektrischer Stromkreis und
(Abb. 4.119). Das Magnetfeld wird durch eine magnetischer Kreis
Spule mit N Windungen erzeugt, die vom Strom Das Durchflutungsgesetz  D HFe lFe C HL lL
I durchflossen wird. kann mit der Gleichung der Flusserhaltung ˚ D
Das Durchflutungsgesetz (4.152) angewandt BFe AFe D BL AL ( D 1) umgeformt werden zu
auf eine geschlossene Schleife liefert  
lFe lL
D˚ C D Vm : (4.217)
 D NI D HFe lFe C HL lL : r 0 AFe 0 AL
342 4 Elektrizität und Magnetismus

keinen tieferen physikalischen Hintergrund auf-


weist, sondern lediglich den Umgang mit magne-
tischen Größen erleichtert, weil letztere analog
zum elektrischen Stromkreis verwendet werden
können.

Beispiel 4.4-8
Ein Ringkern entsprechend Abb. 4.122 hat die
Abmessungen d1 D 16 mm, d2 D 12;5 mm
und h D 6 mm. Der Luftspalt beträgt 1 mm.
Wie groß ist der magnetische Widerstand a) im
Ringkern und b) im Luftspalt? c) Welcher
Strom muss durch die Spule mit N D 1200
Windungen fließen, wenn eine Luftspaltinduk-
tion von B D 1;5 T gefordert wird? Die
Magnetisierungskurve des Eisenkerns ist in
Abb. 4.120 gegeben.
Abb. 4.120 Arbeitspunkt A eines Elektromagneten mit
 D 2000 A, lL D 2 mm, lFe D 200 mm, AFe D AL ,
 D1 Lösung
a) Aus Abb. 4.120 kann abgelesen werden,
dass die Flussdichte B D 1;5 T eine ma-
Gleichung (4.217) hat formale Ähnlichkeit mit gnetische Erregung von H D 2;72 kA=m
dem Ohm’schen Gesetz U D IR, wobei die ma- erfordert. Die Permeabilität beträgt damit
gnetische Spannung Vm die Rolle der elektrischen
B Vs
Spannung U spielt, der Fluss ˚ den Strom I er- Fe D D 5;51  104 :
setzt und der Klammerausdruck H Am
  Die relative Permeabilität ist r D
lFe lL
C Fe =0 D 439. Mit
Fe AFe 0 AFe L
d1  d2
schließlich den gesamten magnetischen Wider- AD h D 10;5  106 m2 und
2
stand des Kreises darstellt. Der Gesamtwider- d1 C d2
stand ist in diesem Fall die Summe der magne- l1 D    l2 D 43;8 mm
2
tischen Widerstände des Eisens und des Luftspal-
tes. Die Analogien zwischen den Beziehungen beträgt der magnetische Widerstand im Ei-
im elektrischen und magnetischen Kreis sind in senkern nach (4.218)
Abb. 4.121 zusammengestellt. l1 A
Der magnetische Widerstand einer Substanz in Rm1 D D 7;56  106 :
0 r A Wb
einem magnetischen Kreis ist
b) Der magnetische Widerstand im Luftspalt
l A
Rm D : (4.218) ist Rm2 D l02A D 75;8  106 Wb . Somit ist
r 0 A der gesamte magnetische Widerstand des
Kreises Rm ges D Rm1 C Rm2 D 83;4 
Im Vergleich zum elektrischen Widerstand R D A
106 Wb .
.1=~/.l=A/ kann 0 r als magnetische Leitfä- c) Nach dem Ohm’schen Gesetz gilt (2) in
higkeit gedeutet werden. Tatsächlich ist die rela- Abb. 4.121
tive Permeabilität r ein Maß für die Fähigkeit,
magnetische Feldlinien zu leiten. Es muss an die-  NI
Rm ges D D :
ser Stelle betont werden, dass diese Analogie ˚ BL A
4.4 Magnetisches Feld 343

Abb. 4.121 Analogie zwischen elektrischem und magnetischem Kreis

Rm ges BL A
Daraus folgt I D D 1;09 A.
N

4.4.5 Zur Übung

Ü 4-10 In einem waagrechten homogenen Ma-


gnetfeld mit der magnetischen Flussdichte B D
2;5 T bewegt sich senkrecht ein Proton mit der
Energie Ep D 3 MeV. Wie groß ist die Kraft, die
auf das Proton wirkt?

Ü 4-11 Nachzuweisen ist, dass das Verhältnis


Abb. 4.122 Abmessungen des Ringkerns im Bei- der Hall-Feldstärke EH zur elektrischen Feld-
spiel 4.4-8 stärke E der Beziehung EH =E D B=.ne%/
entspricht. % ist die Resistivität des Werkstoffs.
344 4 Elektrizität und Magnetismus

4.5 Instationäre Felder

In diesem Abschnitt sind die Eigenschaften zeit-


lich sich ändernder elektrischer und magnetischer
Größen beschrieben. Zur Unterscheidung von
den zeitlich konstant bleibenden Größen sind sie
mit kleinen Buchstaben bezeichnet.

4.5.1 Elektromagnetische Induktion

Abb. 4.123 Zu Ü 4-12 4.5.1.1 Induktionsgesetz


Aus Abschn.R 4.4.3.1 geht hervor, dass der Span-
nungsstoß U dt gleich der Änderung des ma-
gnetischen Flusses ˚ ist, der die Fläche ei-
nes Leiters senkrecht durchdringt ((4.169) und
Abb. 4.97)). M. FARADAY (1791 bis 1867) er-
kannte 1831:
Abb. 4.124 Zu Ü 4-13

Jede zeitliche Änderung des magnetischen


Ü 4-12 Ein Holzzylinder mit der Masse m D Flusses ˚ induziert eine elektrische Span-
100 g, dem Radius r und der Länge l D 20 cm nung uind :
hat N D 20 Drahtwicklungen. Wie groß ist die
Stromstärke I durch die Wicklungen, die den Zy- d˚
uind D N : (4.219)
linder am Abrollen auf der schiefen Ebene mit dt
dem Winkel ˛ hindert? Abb. 4.123 verdeutlicht
die Anordnung. Die magnetische Flussdichte be-
trägt B D 0;85 T. Die induzierte Spannung ist proportional zur
Windungszahl N und zur zeitlichen Änderung
Ü 4-13 Zwei parallele Leiter sind gemäß des magnetischen Flusses d˚=dt. In einem ge-
Abb. 4.124 im Abstand d voneinander entfernt schlossenen Stromkreis fließt dann ein Indukti-
und werden vom gleichen Strom I in unter- onsstrom. Er ist nach H. F. E. L ENZ (1804 bis
schiedlichen Richtungen durchflossen. Wie groß 1865) der Ursache der Induktion entgegengesetzt
ist die magnetische Flussdichte B im Abstand x gerichtet (bewegungshemmende Wirkung). Dies
vom Mittelpunkt? wird durch das Minuszeichen zum Ausdruck ge-
bracht. Es ist demnach unmöglich, ein perpetuum
Ü 4-14 Der Einfluss des Luftspalts auf die Fluss- mobile so zu entwerfen, dass durch die induzier-
dichte eines Elektromagneten soll untersucht te Spannung ein Strom fließt, der das Magnetfeld
werden. Bestimmen Sie dazu für das Material von verstärken könnte, um wieder weitere Spannung
Abb. 4.120 für die Breiten lL D 1 mm, 2 mm und zu induzieren.
3 mm die Flussdichte bei sonst unveränderten Da- R Der magnetische Fluss ist definiert als ˚ D
ten:  D 2000 A, lFe D 200 mm, AFe D AL und A BdA oder ˚ D BA cos ' D BAn . Hierbei ist
 D 1. ' der Winkel zwischen der Flächennormalen von
4.5 Instationäre Felder 345

Abb. 4.125 Induktionsvorgänge

A, durch die der magnetische Fluss tritt, und der (zweite Maxwell’sche Gleichung, Abschn. 4.5.5)
Richtung der magnetischen Flussdichte B (Ab- und hat eine überragende Bedeutung in den elek-
schn. 4.4.3.1, Abb. 4.98). An ist der Flächenanteil trotechnischen Anwendungen.
senkrecht zu den Feldlinien. Wird der Term für
den magnetischen Fluss in (4.219) eingesetzt, so 4.5.1.2 Induktionsvorgänge
ergibt sich Die verschiedenen Möglichkeiten, Spannungen
  zu induzieren, sind in Abb. 4.125 zusammen-
dB dAn
uind D N An C B : (4.220) gestellt. Zunächst ist zu unterscheiden, ob die
dt dt Änderung des magnetischen Flusses durch die
Aus dieser Gleichung geht hervor, dass es gleich- Änderung des Magnetfeldes oder durch die Flä-
gültig ist, ob sich chenänderung geschieht. Diese unterschiedlichen
Fälle sind in einer Skizze veranschaulicht, die
 die Flussdichte .dB=dt/ bei gleich bleibender sich ändernde Größe ist beschrieben und das In-
Fläche An (Transformatorprinzip) oder duktionsgesetz formuliert. Zum Schluss ist auf
 die senkrecht zum Magnetfeld stehende Flä- mögliche Anwendungen hingewiesen.
che .dAn =dt/ bei gleich bleibender Flussdich- Zur Erklärung von Induktionsvorgängen bei
te B (Generatorprinzip) ändert. Spulen ist es wichtig, Feldspule und Indukti-
onsspule zu unterscheiden. Die Feldspule erzeugt
Das Induktionsgesetz zeigt den Zusammenhang wegen des Stromflusses durch einen wendelför-
zwischen elektrischem und magnetischem Feld mig gewickelten Draht ein magnetisches Feld
346 4 Elektrizität und Magnetismus

(Abschn. 4.4.2, Abb. 4.91). In der Induktionsspu- Änderung des Erregerstroms in einer
le wird aufgrund der Änderung des magnetischen Feldspule (Fall b)
Flusses eine Spannung induziert. Das Magnetfeld wird in diesem Fall durch Än-
derung des Erregerstroms dIerr =dt geändert (3)
Relativbewegung eines Magneten und einer in Abb. 4.125. Beim Induktionsgesetz muss be-
Induktionsspule (Fall a) achtet werden, welches die Windungszahl der
In diesem Fall ist es gleichgültig, ob Feldspule nFeld und welches die Windungszahl
der Induktionsspule Nind ist (4) in Abb. 4.125.
 das Magnetfeld von einem Dauermagneten
oder einem Elektromagneten herrührt und Bewegter Leiter im Magnetfeld (Fall c)
 der Magnet sich gegen eine Spule oder die Wird ein Leiter der Länge l senkrecht zu den
Spule sich gegen einen Magneten bewegt. Feldlinien mit einer Geschwindigkeit v D ds=dt
bewegt, so ändert sich die Fläche um dA=dt D
Beispiel 4.5-1 lv ((5) in Abb. 4.125). Somit wird die Spannung
Ein ballistisches Galvanometer kann zur Mes- uind D NBlv ((6) in Abb. 4.125) induziert. Das
sung der magnetischen Flussdichte B benutzt Auftreten der Induktionsspannung uind im be-
werden. Dazu zeigt die Skala die Ladungs- wegten Leiter lässt sich auch mit der Wirkung der
menge an. Die Galvanometerspule hat 50 Lorentz-Kraft auf bewegte Ladungsträger erklä-
Windungen und einen Windungsquerschnitt ren (Abschn. 4.4.3.2). Die Lorentz-Kraft FL D
von 4 cm2 . (Der Vektor der magnetischen e.v  B/ (4.184) greift an jedem Elektron an
Flussdichte B ist parallel zur Flächennorma- und führt zur Ladungstrennung. Dadurch tritt
len An .) Wie groß ist die magnetische Fluss- ein Gegenfeld E ind auf, in dem die Gegenkraft
dichte B, wenn beim schnellen Entfernen der Find D eE ind wirksam ist. Abb. 4.126 verdeut-
Spule aus dem Magnetfeld die Skala eine La- licht den Zusammenhang. Die Ladungen können
dungsmenge von 8;3  106 C anzeigt (innerer so lange verschoben werden, bis ein Gleichge-
Widerstand des Galvanometers Ri D 40 , wicht zwischen der Lorentz-Kraft FL und der
Messspulenwiderstand RS D 18 )? Feldkraft Find existiert.
Für die Beträge gilt:
Lösung
Nach dem Induktionsgesetz (4.219) folgt jFL j D jFind j;
evB D eEind ;
uind D NR d˚=dt. Daraus wird uind dt D
N d˚ und uind dt D N ˚ D NBA. vB D Eind :
Nach dem Ohm’schen Gesetz ist U D
I.Ri C RS /. Dann ist Wegen Eind D uind = l gilt für die Windung
Z
uind D Blv: (4.221)
.Ri C RS / idt D NBA;

R Wirbelströme
und da idt D Q ist, gilt Werden ausgedehnte leitende Körper in einem
Magnetfeld bewegt oder sind sie ruhend wech-
.Ri C RS /Q D NBA: selnden Magnetfeldern ausgesetzt, so werden in
dem Leiter durch die induzierte Spannung Strö-
Daraus folgt me induziert. Man nennt diese Wirbelströme,
weil die Induktionsstromlinien wie Wirbel in
.Ri C RS /Q sich geschlossen sind. Die Wirbelströme hem-
BD D 2;4  102 T:
NA men nach der Lenz’schen Regel durch ihr ma-
4.5 Instationäre Felder 347

deshalb entweder Kabel aus vielen dünnen Ein-


zeldrähten zu einer Litze verdrillt, damit die
Stromführung abwechselnd innen und außen ver-
läuft, oder es werden Hohlleiter verwendet.
Mit dem Wirbelstrom-Messverfahren können
zerstörungsfrei Werkstoffe auf Fehler untersucht
werden. Dazu wird im Prüfling ein elektrischer
Wechselstrom geeigneter Amplitude, Frequenz
und Richtung erzeugt. Die auftretenden Unregel-
mäßigkeiten dieses Stroms werden elektronisch
ausgewertet. Diese Prüfmethode ist besonders
Abb. 4.126 Induktionsgesetz für einen bewegten Leiter
schnell und findet u. a. Einsatz bei der zerstö-
im Magnetfeld rungsfreien Werkstoffprüfung im Triebwerksbau.

Flächenrotation mit konstanter Drehzahl


gnetisches Gegenfeld die Bewegung und wir- (Fall d)
ken wegen der Proportionalität zu v (4.221) wie Wird in einem Magnetfeld eine Fläche mit einer
die Reibung fester Körper in Flüssigkeiten (Ab- konstanten Drehzahl n (oder Winkelgeschwin-
schn. 2.3.4, Newton’sches Reibungsgesetz). digkeit !) gedreht, so ist die induzierte Spannung
Technische Anwendungen sind Wirbelstrom- abhängig von der das Feld senkrecht durchset-
Drehzahlmesser zur Direktanzeige unmittelbar zenden Fläche An D A cos.!t/. Daraus errech-
an der Messstelle, ferner Elektro-Leistungsmes- net sich eine Flächenänderung von dAn =dt D
ser (von 0;03 kW bis 2250 kW) z. B. für Kraft- A! sin.!t/. Eingesetzt in das Induktionsgesetz
maschinenprüfstände oder Wirbelstromdämpfun- ergibt sich ein sinusförmiger Verlauf einer Wech-
gen in Messgeräten. Die Wirbelströme zwischen selspannung:
Aluminiumscheibe und den Polen eines Dauer-
magneten sorgen bei einem Wechselstromzähler uind D NBA! sin.!t/: ((8) in Abb. 4.125)
für eine gleichförmige Rotation der Zählscheibe.
Sind dagegen Wirbelströme unerwünscht (z. B. Die Amplitude beträgt uO D NBA!.
bei Transformatorenblechen), dann muss der spe- Ein Wechselstrom kann dann fließen, wenn die
zifische Widerstand des Leiters entsprechend ver- Enden der rotierenden Flächen über einen äuße-
größert werden, um den Stromfluss zu unterbin- ren Widerstand zu einem Stromkreis geschlos-
den. sen werden. Die wichtigste Anwendung ist der
Dies wird z. B. bei Transformatorenblechen Wechselstromgenerator, der zur Erzeugung von
dadurch erreicht, dass die Blechpakete aus vielen Wechselspannungen bzw. -strömen dient. Er be-
dünnen, gegeneinander isolierten Blechlamellen steht aus einem ruhenden Teil (Stator), der z. B.
bestehen. Die Wirbelstromverluste in weichma- das Magnetfeld erzeugt, und einem rotierenden
gnetischen Werkstoffen sind eine wichtige elek- Teil (Rotor oder Läufer), der z. B. von einer Spu-
trische Kennziffer (Abschn. 4.4.4.2). le gebildet wird. An Schleifringen wird in diesem
Auch in einem von Wechselstrom durchflos- Fall die erzeugte Spannung abgenommen (Ab-
senen geraden Leiter treten Wirbelströme in der schn. 4.5.2.8).
Weise auf, dass diese im Innern entgegen dem
Wechselstrom und an der Oberfläche mit dem 4.5.1.3 Selbstinduktion
Wechselstrom fließen. Der Effekt wird mit zuneh- Nach dem Induktionsgesetz (4.219) tritt an den
mender Wechselstromfrequenz größer, sodass bei Enden einer Leiterschleife oder Spule immer
hohen Frequenzen (f > 107 Hz) nur noch die dann eine Induktionsspannung auf, wenn der
Außenhaut des Leiters Strom führt (Skin- oder Fluss durch die Schleife sich ändert. Dabei ist es
Hauteffekt). In der Hochfrequenztechnik werden unerheblich, wodurch die Flussänderung zustan-
348 4 Elektrizität und Magnetismus

de kommt. So tritt auch eine Induktionsspannung


auf, wenn der Strom durch eine Spule und damit
der Fluss durch die Spule sich ändert. Da dieser
Induktionsvorgang vom Magnetfeld verursacht
wird, das die Spule selbst erzeugt, spricht man
von Selbstinduktion im Gegensatz zur Fremdin-
duktion, die dann vorliegt, wenn die Flussände-
rung in einer Spule durch äußere Maßnahmen
erzeugt wird.
Sind in der Umgebung des Leiters ausschließ- Abb. 4.127 Selbstinduktivität einer Doppelleitung
lich unmagnetische Stoffe vorhanden, dann ist
der Gesamtfluss, der den Leiter durchsetzt, pro-
portional zum Augenblickswert i des Stromes: Für die Induktivität einer langen Zylinderspule
mit N Windungen, Fläche A und Länge l gilt mit
˚ D N ˚ D Li:
ges (4.222) (4.155) und (4.222)
N 2 r o A
L ist die von der Geometrie abhängige Induktivi- LD : (4.225)
l
tät des Stromkreises.
Bei Stromänderung entsteht im Stromkreis ei- Bei kurzen Spulen gilt allgemein
ne induzierte Spannung N 2 r o A
LDf ; (4.226)
d˚ di l
uind D N D L : (4.223)
dt dt dabei beschreibt der Formfaktor f die geometri-
schen Streufeldverluste kurzer Spulen (0 < f <
Diese Spannung ist nach der Lenz’schen Regel so 1).
gerichtet, dass der Stromänderung entgegenge- Für Spulen mit Eisenkern ist die Induktivi-
wirkt wird. Die Spule wehrt sich also sozusagen tät nicht konstant sondern vom Strom abhängig.
gegen Änderungen des Stromes. Sie hat gewis- Anhand der Magnetisierungskurve lässt sich bei
se Trägheitseigenschaften wie die träge Masse in gegebenem Strom die Flussdichte und damit die
der Mechanik. Wird wie bei einem Ohm’schen Permeabilität  und die Induktivität bestimmen.
Verbraucher eine Spannung uL eingeführt, de- Die Selbstinduktivität spielt in Wechselstrom-
ren Zählrichtung mit der Stromrichtung überein- kreisen eine große Rolle (Abschn. 4.5.2). Sie ist
stimmt, dann gilt für beliebige Leiteranordnungen und -geometrien
schwierig zu berechnen, lässt sich im Wechsel-
di
uL D L : (4.224) stromkreis aber gut durch Messen bestimmen.
dt Die Selbstinduktivität L einer geraden Einfach-
Die Maßeinheit der Induktivität ist das Henry oder Doppelleitung gemäß Abb. 4.127 beträgt
(J. H ENRY, 1797 bis 1878):
Einfachleitung
   
ŒL D 1 Wb=A D 1 V s=A D 1  s D 1 H: 0 r l 2l 3
LD ln  ; (4.227)
2  r 4
Doppelleitung
Die Induktivität beträgt 1 Henry, wenn bei 0 r l
  
a 1

der Änderung der Stromstärke um 1 A in- LD ln C : (4.228)
  r 4
nerhalb von 1 s eine Spannung von 1 V
induziert wird. Soll eine mit Draht gewickelte Spule eine nur
vernachlässigbar kleine Induktivität haben, bei-
4.5 Instationäre Felder 349

spielsweise für Messwiderstände, dann wird die- Lösung


se aus entgegengesetzt gleichen (bifilaren) Wick- Für L1 gilt (4.227) und für L2 (4.228), sodass
lungen hergestellt. Dann heben sich die Magnet- man schreiben kann
felder annähernd auf, sodass keine Selbstinduk-   
tion stattfinden kann. – Die Selbstinduktivitäten 0 r l 2l 3
ln 
verhalten sich bei einer Schaltung wie Ohm’sche L1 2  r 4
D    D 0;5;
Widerstände, sodass gilt: L2 0 r l a 1
ln C
  r 4

Bei der Reihenschaltung ist die gesamte Aus dieser Gleichung folgt für die Länge l D
Selbstinduktivität Lges gleich der Summe 0;136 m.
der einzelnen Selbstinduktivitäten.
4.5.1.4 Energie des magnetischen Feldes
Die Energie des magnetischen Feldes kann aus
n
X der elektrischen Energie des induzierten Feldes
LR;ges D L1 C L2 C L3 C    C Ln D Li : hergeleitet werden:
i D1
(4.229) Zt
di
W D uL idt mit uL D L ;
dt
0
Bei der Parallelschaltung ist der Kehrwert
der gesamten Selbstinduktivität 1=Lges Zt ZI
di
gleich der Summe der Kehrwerte der ein- W D L idt; W D Lidi;
dt
zelnen Selbstinduktivitäten. 0 0
1
Wmagn D LI 2 : (4.232)
2
1 1 1 1 1
D C C CC Diese Formel ist allgemein für jedes magnetische
LP;ges L1 L2 L3 Ln
n Feld gültig. Für die magnetische Energie in ei-
X 1
D oder (4.230) ner langen Zylinderspule ergibt sich mit L D
i D1
L i 0 r AN 2 = l und H D I N= l oder I D H l=N
n
!1
X 1 1
LP;ges D : (4.231) Wmagn D 0 r H 2 Al (4.233)
i D1
Li 2

Wie bei den Ohm’schen Widerständen ist bei und mit 0 r H D B sowie Al D V
einer Parallelschaltung die gesamte Selbstinduk-
1
tivität LP;ges kleiner als die kleinste einzelne Wmagn D BH V: (4.234)
Selbstinduktivität. 2

Für die Energiedichte in einem homogenen Feld


Beispiel 4.5-2 gilt
Der Radius eines Leiters beträgt r D 0;25 mm
und der Abstand der beiden Leiter einer Dop- Wmagn 1
pelleitung a D 10 cm. Wie groß muss die Län- wmagn D D BH : (4.235)
V 2
ge l der Leiter sein, wenn das Verhältnis der
Selbstinduktivitäten von Einfachleitung und Diese Formel zeigt Ähnlichkeit mit der Energie-
Doppelleitung L1 =L2 D 0;5 beträgt? dichte im elektrischen Feld wel D 12 DE (4.148).
350 4 Elektrizität und Magnetismus

a b magnetischen Arbeit Wmagn gleichgesetzt. Es er-


gibt sich

0 r H 2
Fl D Al:
2
Es kürzt sich der Weg l heraus, sodass übrig
bleibt

Abb. 4.128 Magnetische Energie 1


F D 0 r H 2 A oder (4.239)
2
BHA B 2A
F D D : (4.240)
Sie ist allgemein gültig, da sich die Magnetfel- 2 20 r
der aus kleinen homogenen Bereichen aufbauen
lassen. Für die magnetische Energie eines inho- Beispiel 4.5-3
mogenen Magnetfeldes gilt deshalb Bei der Abschaltung von Spulen können Fun-
Z ken entstehen. Sie werden vermieden, wenn
1 ein Löschkondensator parallel zum Schal-
Wmagn D BH dV: (4.236)
2 ter geschaltet wird. Die Induktivität einer
V
Schaltspule beträgt L D 4 H, der Spulenstrom
Daraus ergibt sich, dass der Flächeninhalt der I D 5 A, und der Löschkondensator wurde bei
Hysteresekurve ein Maß für die Energiedichte einer Prüfspannung von 10 kV getestet. Wie
darstellt (Abschn. 4.4.4.2). Eine andere Möglich- groß ist die Kapazität C des Löschkondensa-
keit, die magnetische Feldenergie zu bestimmen, tors zu wählen?
besteht über den magnetischen Fluss ˚ (oder
die Magnetisierungskurve). Für die elektrische Lösung
Arbeit gilt allgemein dW D UI dt. Mit dem Die Energie des elektrischen Feldes eines
Induktionsgesetz uind D N d˚=dt wird dW D Kondensators Eel muss gleich der Energie des
I N d˚ oder magnetischen Feldes einer Spule Emagn sein.
Es gilt Eel D Emagn . Aus (4.145) für Eel
Z˚ und (4.232) für Emagn gilt
Wmagn D I N d˚: (4.237)
1 1
0 C U 2 D LI 2 :
2 2
Abb. 4.128 zeigt die Magnetisierungskurve (Ab- Daraus errechnet sich die Kapazität zu
schn. 4.4.4.2) für r D konstant (Fall a) und
für ein ferromagnetisches, nicht lineares r . Die Vs
LI 2 4  25 A2
hervorgehobene Fläche stellt die magnetische C D 2 D A D 1 F:
Energie dar. Für den Fall eines linearen Magne- U 108 V2
tisierungsverlaufes ist der Flächeninhalt

1 4.5.2 Periodische Felder


Wmagn D I N ˚: (4.238) (Wechselstromkreis)
2
Wegen N ˚ D LI folgt wieder (4.232). Dieser Abschnitt beschreibt elektrische Wechsel-
Im allgemeinen Fall muss die Fläche berech- felder, die durch harmonische Funktionen (z. B.
net oder numerisch ermittelt werden. sin oder cos) beschrieben werden können. Zur
Aus der Energie des Magnetfeldes lässt sich ausführlichen Erläuterung der Definitionen und
die Tragkraft eines Magneten berechnen. Die me- Begriffe aus der Schwingungslehre wird auf Ab-
chanische Arbeit Wmech D F l wird dabei mit der schn. 5.1 verwiesen.
4.5 Instationäre Felder 351

Hierbei ist iO die Amplitude und 'i der Nullpha-


senwinkel des Wechselstroms.
In einem Wechselstromkreis sind 'u und 'i oft
nicht gleich, sodass gilt

' D 'u  'i : (4.243)

Die Phasenverschiebung ' zwischen Spannung


und Strom hängt im Wechselstromkreis von der
Selbstinduktivität L und der Kapazität C ab (Ab-
schn. 4.5.2.2). Ist ' > 0, so eilt die Spannung
dem Strom voraus, ist ' < 0, so eilt die Span-
nung dem Strom nach, wie Abb. 4.129 zeigt.
Geräte zur Messung von Wechselstromgrößen
zeigen den sogenannten Effektivwert an. Er ist ein
zeitlicher quadratischer Mittelwert der entspre-
chenden elektrischen Größe. (Zwei Gründe sind
für die Bestimmung des Quadrates ausschlagge-
bend: Zum einen werden Abweichungen positi-
Abb. 4.129 Wechselstrom und Wechselspannung
ver und negativer Art durch Quadrieren immer
positiv und zum anderen würde ein über die Zeit-
dauer T integrierter arithmetischer Mittelwert ge-
4.5.2.1 Grundlagen des
nau null ergeben, da sich im Integrationsintervall
Wechselstromkreises
gleich viele positive wie negative Flächenantei-
Im vorhergehenden Abschnitt wurde anhand des
le befinden.) Der Effektivwert des Wechselstroms
Induktionsgesetzes gezeigt, dass beim Drehen
ieff errechnet sich dann zu
einer Leiterschleife mit konstanter Drehzahl n
(bzw. konstanter Winkelgeschwindigkeit !) in v
u
einem homogenen Magnetfeld eine periodische u ZT
u1
Spannung induziert wird (Abb. 4.125, Fall d). ieff D I D t i 2 dt; (4.244)
T
Diese periodische Spannung kann entsprechend 0
v
Abb. 4.129 beschrieben werden als u
u ZT r
u 1 T
ieff D iO t cos2 .!t C 'i /dt D iO ;
u.t/ D uO cos.!t C 'u /: (4.241) T 2T
0

Dabei ist uO die maximale Spannung oder die iO O


ieff D I D p  0;707i: (4.245)
Amplitude der Spannung, ! die Winkelgeschwin- 2
digkeit (! D 2 n mit n als der Drehzahl) und 'u
Entsprechend gilt für den Effektivwert der Span-
der Nullphasenwinkel der Wechselspannung.
nung
Die Frequenz der technischen Wechselspan-
nung bzw. des -stroms ist f D 50 Hz, was einer uO
Winkelgeschwindigkeit von ! D 100  s1 ent- ueff D U D p  0;707u:
O (4.246)
2
spricht. In einem geschlossenen Wechselstrom-
kreis fließt durch die Bauelemente ein Wechsel- In der Wechselstromtechnik werden bei eindeuti-
strom derselben Frequenz. Er lautet allgemein ger Zuordnung die Effektivwerte durch U D ueff
(Abb. 4.129) und I D ieff bezeichnet.
Zur Darstellung, zur Berechnung und zum
i.t/ D iO cos.!t C 'i /: (4.242) besseren Verständnis des Wechselstromkreises
352 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.130 Darstellung komplexer Größen im Zeigerdia- Abb. 4.131 Bezeichnung elektrischer Wechselstromgrö-
gramm ßen im Zeigerdiagramm

werden Wechselspannung, Wechselstrom und 4.5.2.2 Bauelemente im


Widerstand als komplexe Größen in Form von Wechselstromkreis
Zeigern in der Gauß’schen Zahlenebene darge- Abb. 4.132 zeigt das Verhalten der drei Bauele-
stellt. Dies ist deshalb vorteilhaft, weil sich nach mente Widerstand (R), Spule (L) und Konden-
der Euler’schen Formel der komplexe Exponent sator (C ) im Wechselstromkreis. Die erste Zeile
einer Exponentialfunktion durch die harmoni- dieser Übersicht bezeichnet das grafische Sym-
schen trigonometrischen Funktionen ausdrücken bol und zeigt, dass jedes Bauelement von dem
lässt als gleichen Wechselstrom i.t/ D iO cos.!t/ durch-
flossen wird und in ihm ein Spannungsabfall u.t/
Z D jZjej' D jZj.cos ' C j sin '/ stattfindet. Den Zusammenhang zwischen Strom-
D jZj cos ' C jjZj sin ' : stärke i und Spannung u liefert ein für jedes
Bauelement spezifisches Gesetz (Zeile 2), z. B.
„ ƒ‚ … „ ƒ‚ …
Realteil Imaginärteil
(4.247) das Ohm’sche Gesetz für den Widerstand, das
Induktionsgesetz für die Spule und den Zusam-
Dies bedeutet, dass die komplexepZahl Z D menhang zwischen Ladung und Spannung für
Realteil C j  Imaginärteil .j D 1/ in der den Kondensator. Die nächste Zeile zeigt den
Gauß’schen Zahlenebene liegt und einen Real- zeitlichen Verlauf von Strom und Spannung (Mo-
teil von jZj cos ' und einen Imaginärteil von mentanwerte). So ist daraus ersichtlich, dass
jZj sin ' hat (Abb. 4.130). Der Betrag jZj und
der Winkel ' zwischen reeller Achse und dem  beim Widerstand Strom und Spannung nicht
Zeiger errechnet sich nach phasenverschoben sind,
 bei der Spule die Spannung dem Strom um
q  =2 vorauseilt und
jZj D .Realteil/2 C .Imaginärteil/2 ;  beim Kondensator die Spannung dem Strom
(4.248) um  =2 nacheilt.
Imaginärteil
tan ' D : (4.249) Diese Ergebnisse lassen sich auch in einem Zei-
Realteil
gerdiagramm (Zeile 4) anschaulich darstellen. In
Da nur der Realteil eines Zeigers physikalische ihm rotieren die eventuell phasenverschobenen
Wirkungen zeigt, werden die elektrischen Wech- Strom- und Spannungszeiger mit der Winkelge-
selstromgrößen (Spannung, Strom, Widerstand schwindigkeit ! und erzeugen so die Momen-
und Leistung) auch gemäß Abb. 4.131 bezeich- tanwerte. Die Widerstände sind entweder reell
net: Der Realteil ist der Wirkanteil, der Imagi- (beim Ohm’schen Widerstand R) oder imaginär
närteil der Blindanteil einer Wechselstromgröße; (bei der Spule XL D j!L und beim Kondensa-
beide zusammen ergeben als komplexen Zeiger tor XC D j.! C /1 ). Die reellen Widerstände
die Scheingröße. (Wirkwiderstände) werden prinzipiell mit dem
4.5 Instationäre Felder

(1)

(2) (3)

j j
(4) (5) (6)

Abb. 4.132 Bauelemente im Wechselstromkreis


353
354 4 Elektrizität und Magnetismus

Buchstaben R und die imaginären Widerstände Resonanzfrequenz bevorzugt erhalten, alle


(Blindwiderstände) mit X bezeichnet. Die For- Spannungen mit anderen Frequenzen werden un-
meln für die Widerstände der Bauelemente be- terdrückt (z. B. Reihenschaltung eines speziellen
sagen etwas über die Frequenzabhängigkeit der RLC-Gliedes als Siebelement). Gleichzeitig fließt
Widerstände: bei der Resonanzfrequenz wegen der fehlenden
induktiven und kapazitiven Widerstandsantei-
 der Ohm’sche Widerstand ist frequenzunab- le eine maximale Stromstärke. Zu beachten ist
hängig, aber, dass sich die Blindspannungen an Spule
 der induktive Widerstand XL nimmt mit stei- und Kondensator zwar aufheben, beim einzelnen
gender Frequenz zu und Bauelement aber beträchtlich hoch sein können
 der kapazitive Widerstand XC nimmt mit stei- und in der Lage sind, die Bauelemente zu zerstö-
gender Frequenz ab. ren.

4.5.2.3 Reihenschaltung von 4.5.2.4 Parallelschaltung von


Bauelementen im Bauelementen im
Wechselstromkreis Wechselstromkreis
Abb. 4.133 zeigt die Verhältnisse bei der Rei- Abb. 4.134 zeigt die Verhältnisse bei der Par-
henschaltung von Widerstand R und Spule L allelschaltung der Bauelemente Widerstand (R),
(RL-Glied), Widerstand R und Kondensator C Spule (L) und Kondensator (C ). Wie im Fall der
(RC-Glied) sowie von Widerstand R, Spule L Reihenschaltung (Abschn. 4.5.2.3) werden die
und Kondensator C (RLC-Glied). Da bei einer Fälle RL-, RC- und RLC-Glied betrachtet. Bei
Reihenschaltung die Ströme konstant bleiben, ad- der Parallelschaltung bleibt die angelegte Span-
dieren sich die jeweiligen Spannungszeiger der nung konstant. Deshalb addieren sich in diesem
Bauelemente (Zeigerdiagramm in Zeile 1 und Fall die Teilströme vektoriell zum Gesamtstrom
Spannung in Zeile 2). Nach dem Ohm’schen (Zeigerdiagramm in Abb. 4.134). Das Ohm’sche
Gesetz für den Wechselstromkreis gilt für die Ef- Gesetz für den Strom im Wechselstromkreis lau-
fektivwerte U und I tet dann

U D IZ: (4.250) U
I D D U Y: (4.252)
Z
Daraus ergeben sich die schaltungstypischen
Daraus ergeben sich für die jeweilige Schal-
komplexen Wechselstromwiderstände Z sowie
tung spezifische komplexe Leitwerte Y D G C
die Phasenverschiebungswinkel tan '.
jB sowie Phasenverschiebungswinkel. – Bei der
Bei der Reihenschaltung aller drei Bauele-
Parallelschaltung aller drei Bauelemente R, L
mente R, L und C besteht die Möglichkeit, die
und C tritt eine Stromresonanz des Parallel-
Phasenverschiebung zwischen Strom und Span-
kreises auf. Die Thomson-Gleichung für die
nung aufzuheben. Dies ist der Fall, wenn UL D
Resonanzfrequenz ist für die Reihenschaltung
UC ist. Dann gilt die Thomson-Gleichung (W.
und für die Parallelschaltung gleich. Die RLC-
T HOMSON, 1824 bis 1907, später Lord Kelvin)
Resonanzschaltungen eignen sich zum Bau von
für Reihenresonanz:
Siebelementen oder Sperrkreisen, zum Unter-
drücken von Störfrequenzen und als Filter zur
r
1
!D (4.251) Frequenzwahl.
LC

(s. Differenzialgleichung eines elektrischen 4.5.2.5 Leistung im Wechselstromkreis


Schwingkreises in Abschn. 5.1). Bei der Rei- Der zeitliche Verlauf von Strom i.t/ und Span-
henresonanz bleibt die Spannung mit der nung u.t/ eines Wechselstromkreises ist in
4.5 Instationäre Felder

j
j j
j

(1) (2) (3)

(4) (5) (6)

L C

Abb. 4.133 Reihenschaltung der Bauelemente im Wechselstromkreis


355
356

j j
j
j
j

(1) (2) (3)

(4) (5) (6)


4

C L

(7)

Abb. 4.134 Parallelschaltung von Bauelementen im Wechselstromkreis


Elektrizität und Magnetismus
4.5 Instationäre Felder 357

Abb. 4.135 Zeitlicher Verlauf von Strom, Spannung und


Leistung im Wechselstromkreis

Abb. 4.135 dargestellt. Die Momentanleistung er-


rechnet sich nach

p.t/ D u.t/i.t/ (4.253)

und zeigt je nach Richtung und Größe der Wech- Abb. 4.136 Momentan-, Schein-, Wirk- und Blindleis-
selspannung bzw. des Wechselstroms positive tung im Wechselstromkreis
oder negative Energieflüsse. Die mittlere Leis-
tung oder Wirkleistung ergibt sich aus der Dif-
ferenz der positiven und negativen Flächen der Daraus errechnet sich der zeitliche Verlauf der
ui-Kurve und der Zeitachse in Abb. 4.136 und Leistung:
errechnet sich zu
p.t/ D u.t/; i.t/
ZT D 2UI cos.!t C 'u / cos.!t C 'i /:
1
P D u.t/i.t/dt: (4.254)
T
0 Durch Anwendung des Additionstheorems
2 cos2 !t D cos.2!t/ C 1 ergibt sich
Bei harmonischem Spannungs- und Stromverlauf
ist die Wirkleistung
p.t/ D UI cos ' (4.258)
1 C UI cos.2!t C 'u C 'i /:
P D uO iO cos ' D UI cos ': (4.255)
2
(Der Winkel ' ist in Übereinstimmung mit
Hierbei ist der Winkel ' die Phasenverschie-
(4.243) gegeben durch ' D 'u  'i .)
bung zwischen Wechselspannung und Wechsel-
Wie Abb. 4.136a zeigt, schwingt die Mo-
strom (4.243).
mentanleistung mit der doppelten Frequenz der
Für einen harmonischen Spannungs- und
Wechselspannung um den Durchschnittswert, der
Stromverlauf gilt nach (4.241), (4.242)
nach (4.255) der Wirkleistung P entspricht.
und (4.243)
Abb. 4.136b zeigt, wie die Scheinleistung S aus
u.t/ D uO cos.!t C 'u / Anteilen der Wirkleistung P und der Blindleis-
p tung Q besteht. Es gilt
D U 2 cos.!t C 'u /; (4.256)
i.t/ D iO cos.!t C 'i / S D UI; (4.259)
p p
D I 2 cos.!t C 'i /: (4.257) S D P 2 C Q2 (4.260)
358 4 Elektrizität und Magnetismus

und für den Phasenverschiebungswinkel Tab. 4.15 Gleichungen für Wechselstromwiderstände


und -leitwerte
Q Widerstand Leitwert
tan ' D : (4.261)
P P P
Wirkanteil R D 2 (1) GD 2 (2)
I U
Ferner ist
Resistanz Konduktanz
P D UI cos ' D S cos ' (4.262) Q Q
Blindanteil X D 2 (3) B D  2 (4)
I U
und der Leistungsfaktor Reaktanz Suszeptanz
U I
P Scheingröße Z D (5) Y D (6)
cos ' D : (4.263) I U
S Impedanz Admittanz
Er gibt an, wie viel der gesamten Leistung S
als Wirkleistung zur Verfügung steht. Er sollte
Tab. 4.15 zeigt die Formelzeichen sowie die Be-
möglichst nahe bei 1 liegen. Die Blindleistung Q
zeichnungen nach DIN 40 110 für die Wirk-,
beträgt
Blind- und Scheinanteile von Widerstand Z D
Q D UI sin ' D S sin ': (4.264) R C jX und Leitwert Y D G C jB.

Der Blindfaktor sin ' errechnet sich dann als Beispiel 4.5-4
Ein Elektromotor hat die Leistung P D
Q
sin ' D : (4.265) 45 kW und wird mit einer Klemmenspannung
S von U D 400 V betrieben. Der Leistungsfak-
Die durch elektrische Zuleitungen und durch tor ist cos ' D 0;85. Wie groß ist die Schein-
elektrische Geräte fließende Stromstärke kann und Blindleistung, wie groß ist die Stromstär-
tatsächlich größer sein als der Wirkstrom IWirk , ke I sowie der Wirk- und Blindstrom?
der wirklich nutzbar ist. Es ist deshalb wich-
tig, den Blindfaktor sin ' möglichst klein oder Lösung
den Leistungsfaktor cos ' nahe bei 1 zu halten. Aus (4.263) ergibt sich für die Scheinleistung
Zur Kompensation des Blindstromanteils können
Phasenschieberkondensatoren (Abschn. 4.3.7, P 45 kW
SD D D 52;94 kW:
Abb. 4.78) verwendet werden, deren kapazitiver cos ' 0;85
Blindwiderstand so groß wie der induktive Blind-
widerstand ist. Für die Blindleistung Q gilt Die Blindleistung beträgt nach (4.264)

Q D UIBlind Q D S sin ' D 52;94 kW  0;5267


D 27;88 kW:
mit
U
IBlind D D U! C: Für die Stromstärke I ergibt sich nach (4.259)
XC
Damit ergibt sich Q D U 2 ! C . Die zur S 52;94  103 V A
I D D D 132;4 A:
Blindstromkompensation notwendige Kapazität U 400 V
errechnet sich daraus zu
Für den Wirkstrom gilt IWirk D I cos ' D
Q 112;5 A und für den Blindstrom IBlind D
C D 2 : (4.266)
U ! I sin ' D 69;7 A.
4.5 Instationäre Felder 359

Abb. 4.138 Dreieck-Stern-Schaltung

Tab. 4.16 Leiterstrom und Leiterspannung in der Drei-


eck-Stern-Schaltung bei symmetrischer Last
Leiterstrom Leiterspannung
Dreieck- IU D Ip V D (1) UUV D UVW D (2)
Schaltung IW D 3  UWU D
Strangstrom Strangspannung
Stern- IU D IV D (3) UUV D Up VW D (4)
Schaltung IW D UWU D 3 
Strangstrom Strangspannung
(Mittelpunkt- Strangspannung
Abb. 4.137 Verlauf der drei Wechselspannungen beim strom D null) UUN D UVN D
Drehstromnetz UWN

a
4.5.2.6 Drehstrom
Im öffentlichen Stromnetz fließt ein sogenann-
ter Dreiphasenstrom oder Drehstrom. Ursache
sind drei Wechselspannungen u1 ; u2 und u3 , die
um jeweils 120ı .2 =3/ phasenverschoben sind,
wie Abb. 4.137 zeigt. Die drei Wechselspan-
nungen werden durch drei voneinander unab-
hängige Spulenwicklungen im Generator erzeugt b
(Abschn. 4.5.2.8). Dann ergeben sich sechs Spu-
lenendpunkte. Durch eine geeignete Verkettung
als Dreiecksschaltung bzw. als Sternschaltung Abb. 4.139 Schema des Transformators
gemäß Abb. 4.138 können die notwendigen An-
schlussstellen auf drei (U, V, W) bzw. vier (U, V, p
W, N) verringert werden. 400 V= 3  230 V. Gleichung (4.274) gilt nur,
In Tab. 4.16 sind die Zusammenhänge zwi- wenn alle drei Stränge gleichmäßig belastet sind.
schen dem Leiterstrom und der Leiterspannung
für die Dreieck- bzw. Sternschaltung zusammen- 4.5.2.7 Transformation von
gestellt. Durch die Spule fließende Ströme bzw. Wechselströmen
an den Spulen abfallende Spannungen werden als Werden um einen gemeinsamen Eisenkern an
Strangströme bzw. Strangspannungen bezeich- zwei gegenüberliegenden Seiten (Primär- bzw.
net, zu den Punkten fließende Ströme bzw. zwi- Sekundärseite) Spulenwicklungen angebracht,
schen den Punkten auftretende Spannungsabfälle dann entstehen zwei induktiv gekoppelte Spulen.
als Leiterströme bzw. Leiterspannungen. Da mit solchen Bauelementen Spannungen trans-
Im öffentlichen Stromnetz ist die Sternschal- formiert werden können, werden sie Transfor-
tung anzutreffen. Die Leiterspannung beträgt matoren genannt. Abb. 4.139 zeigt das Schema
400 V (früher 380 V) und die Strangspannung eines Transformators (a) und das Symbol (b).
360 4 Elektrizität und Magnetismus

Liegt an der Primärseite eine Wechselspannung


u1 , so wird nach dem Induktionsgesetz ein ma-
gnetischer Fluss verändert:

d˚1
u1 D N1 :
dt
Wegen der induktiven Kopplung wird die ma- Abb. 4.140 Widerstandstransformation
gnetische Flussänderung an die Sekundärseite
weitertransportiert, sodass dort die Spannung
zur Spannungsversorgung eines niederohmigen
d˚2 Lautsprechers. Abb. 4.140 zeigt das Prinzip. Für
u2 D N2
dt die Impedanzen Z D U=I gilt nach (4.268)
Z1 U1 I2
induziert wird. Werden beide Gleichungen durch- Z2 D I1 U2 D ü . Damit wird die Impedanz Za
2

einander dividiert, so gilt für den idealen, verlust- transformiert in


losen Transformator (˚1 D ˚2 /
Za0 D Za  ü: (4.269)
U1 N1
D D ü: (4.267)
U2 N2
4.5.2.8 Elektrische Maschinen
Dies bedeutet, dass eine Spannungstransformati- In den meisten elektrischen Maschinen findet
on im Verhältnis der Windungszahlen (Überset- eine Umwandlung von mechanischer und elek-
zungsverhältnis ü) stattfindet. – Diese Gleichung trischer Energie statt. Dabei wird zur Erzeugung
gilt nur für den unbelasteten Fall. Meist können eines Drehmomentes die Kraftwirkung zwischen
die Leistungsverluste beim Transport des magne- einem stromdurchflossenen Leiter und einem
tischen Flusses ˚ von der Primär- und Sekundär- Magnetfeld (4.175) ausgenutzt. Je nach Um-
seite vernachlässigt werden. Dann gilt P1 D P2 wandlungsrichtung gibt es zwei Arten von elek-
und mit P D UI cos ' ergibt sich U1 I1 D U2 I2 trischen Maschinen:
oder
U1 I2 N1
D D D ü: (4.268)  Generatoren (Dynamomaschine)
U2 I1 N2
Mechanische Energie (kinetische Energie der
Gleichung (4.268) zeigt, dass sich die Strom- Rotation) wird in elektrische Energie umge-
stärken umgekehrt zu den Windungszahlen bzw. wandelt, indem durch eine Drehbewegung der
Spannungen verhalten. magnetische Fluss eine Änderung erfährt. Da-
Transformatoren spielen bei der Stromversor- durch tritt nach dem Induktionsgesetz (4.219)
gung eine wichtige Rolle, da durch die Hoch- eine elektrische Spannung auf.
spannungstransformation die Stromstärken für  Elektromotoren
den Transport verringert werden können und so- Elektrische Antriebsenergie wird in mechani-
mit nach P D I 2 R geringere Verlustleistungen sche Energie (kinetische Energie der Rotation)
auftreten. Zu diesem Zweck werden die von Ge- umgewandelt. Anliegende elektrische Span-
neratoren erzeugten Spannungen von 10 kV bis nungen verursachen Ströme, deren Magnetfel-
20 kV auf 110 kV bis 380 kV herauftransformiert der auf das vorhandene Magnetsystem Kräfte
und für den Verbraucher auf 230 V bzw. 400 V bzw. Drehmomente ausüben, die die mechani-
herabgesetzt. Hohe Spannungs- bzw. Stromwer- sche Rotation der Antriebsachse verursachen
te können über Messwandler gemessen werden, (Ausnahme: Drehstrom Asynchronmotor, da
wenn das Übersetzungsverhältnis genau bekannt kein Magnetsystem vorhanden).
ist und die Leistungen nicht hoch sind.
Eine weitere Anwendung ist die Widerstand- Da die elektrischen Maschinen eine große Typen-
stransformation über einen Transformator, z. B. vielfalt aufweisen, können nur wenige wichtige
4.5 Instationäre Felder 361

Abb. 4.141 Elektrische Maschinen

beschrieben werden. Sie sind in Abb. 4.141 zu-


sammengestellt. Generatoren und Elektromoto-
ren sind prinzipiell gleich aufgebaut. Sie beste-
hen aus einem Magnet- und einem Spulensystem
mit (in einigen Fällen) zwei Schleifkontakten.
Das Magnetsystem besteht entweder aus Elektro-
oder aus Dauermagneten. Das Spulensystem, in
dem die Spannung induziert wird, wird Anker ge-
nannt. Ein Teil des Magnet- bzw. Spulensystems
ist feststehend (Stator), der andere Teil rotierend Abb. 4.142 Stator und Rotor einer Innenpolmaschine.
(Rotor oder Läufer). Befindet sich das Magnet- Werkfotos: Emod
system als Stator außen, so liegt eine Außenpol-
maschine vor; bewegt es sich dagegen als Rotor
im Innern, so handelt es sich um eine Innenpol-
maschine. Abb. 4.142 zeigt den Stator (a) und den
Rotor (b) einer Innenpolmaschine. Diese Bau-
art wird häufig bei Generatoren hoher Drehzahl
vorgefunden, weil die Schleifringe entfallen. Bei
den meisten elektrischen Maschinen dient die im
Spulensystem induzierte Spannung zur Erregung
des magnetischen Feldes (Siemens’sches Dyna-
moprinzip).
Bei den elektrischen Maschinen unterschei-
det man zwischen einer Haupt- und einer Ne-
benschlussmaschine, wie Abb. 4.143 zeigt. Bei Abb. 4.143 Haupt- und Nebenschlussmaschine
einer Hauptschlussmaschine fließt der gesamte
Strom durch den Elektromagneten (Widerstän-
de des Magnetfeldes M und Ankerwicklung A de des Magnetfelds und der Ankerwicklung sind
sind in Reihe geschaltet, Abb. 4.143a), während parallel geschaltet, Abb. 4.143b). In diesem Fall
bei einer Nebenschlussmaschine nur ein Teil des wirkt in der Anlaufphase nur der remanente Ma-
Stroms durch den Magneten fließt (Widerstän- gnetismus.
362 4 Elektrizität und Magnetismus

Generatoren sprechende An- und Abstoßung der Magnetfelder


Wie Abb. 4.141 zeigt, gibt es Generatoren zur in Drehung versetzt werden können. Die Syn-
Erzeugung von Gleich-, Wechsel- und Dreh- chronmotoren finden vor allem Anwendung bei
strom. Der einfachste Wechselstromgenerator be- gleich bleibenden Drehzahlen. Die Leistungen
steht aus einer drehbaren Spule im Magnetfeld ausgeführter Maschinen reichen in den Mega-
(Abb. 4.125, Fall d). Wird die Anordnung um- wattbereich.
gekehrt, sodass die Magnetpole innen liegen und Der Asynchronmotor wird mit Wechselstrom
die Induktionsspule außen ist, so liegt ein In- betrieben. Deshalb muss die Stromänderung im
nenpolgenerator vor. Bei diesem kann der er- Drehfeld und im Anker gleichzeitig erfolgen.
zeugte Wechselstrom ohne Schleifringe direkt Dann ist die Drehzahl auch frequenzunabhängig
von den Spulenwicklungen abgegriffen werden. und der Motor läuft asynchron zur Frequenz der
Dies ist bei hoher Drehzahl besonders günstig. Wechselspannung. Der Asynchronmotor ist der
Beim Drehstromgenerator als Innenpolmaschine am häufigsten eingesetzte Elektromotor. Er findet
besitzt der Anker drei voneinander unabhängi- vielseitige Anwendung in der Technik, so z. B.
ge, um 120ı verschobene Spulensysteme, die als
Dreieck oder als Stern geschaltet werden kön-  für Rührgeräte und Pumpen in der chemischen
nen und Drehstrom erzeugen. Außenpolgenera- Industrie,
toren werden wegen der zusätzlich benötigten  für Datendrucker und Antriebe für Disketten-
Schleifringe heute praktisch kaum noch gebaut. laufwerke,
Gleichstrom wird dadurch erzeugt, dass die  in Bohr-, Schleif- und Kunststoffspritzmaschi-
untere Halbwelle des Wechselstroms durch einen nen,
Polwender oder Kommutator nach oben geklappt  in Inkubatoren oder Pumpen von EKG-
wird. Diese pulsierende Gleichspannung kann Apparaten in der Medizin,
geglättet werden, wenn viele Spulen und entspre-  als Spiegelantriebe für elektrooptische Geräte
chend viele Polwender eingebaut werden. Dieses und
Polwendersystem wird dann Kollektor genannt,  in Musikautomaten, Plattenspielern und
weil es alle Spannungen zur Gleichspannung auf- Tonband- sowie Kassettengeräten.
sammelt.
Drehstrommotoren sind meist so aufgebaut wie
Elektromotoren ein Drehstromgenerator als Innenpolmaschine.
Entsprechend Abb. 4.141 ist die Umkehrung Durch die zeitlich gegeneinander verschobenen
eines (Einphasen-)Wechselstromgenerators (der Spannungen des Drehstromnetzes entsteht ein
praktisch ohne Bedeutung ist), ein (Einpha- Drehfeld. Der Läufer benötigt keine Wicklung.
sen-)Wechselstrommotor; die Umkehrung eines Er ist ein Kurzschlussläufer, der als Käfigan-
Gleichstromgenerators ist der Gleichstrommotor; ker gebaut wird. Abb. 4.144 zeigt einen univer-
die Umkehrung des Drehstromgenerators ist der sell einsetzbaren Schneckengetriebe-Motor (a)
Drehstrommotor. und dessen Drehzahl-Momenten-Kennlinie (b)
Ein Wechselstrommotor kann sowohl als Syn- für einen Käfigläufer-Motor der Nennleistung
chronmotor als auch als Asynchronmotor An- 75 kW (Linie I), für einen Käfigläufer-Motor
wendung finden. Als Synchronmotor ist er des- der Nennleistung 0,37 kW (II) sowie für einen
halb die Umkehrung des Wechselstromgene- Schlupfläufer-Motor (III). Das Diagramm zeigt,
rators, weil die Frequenz der Wechselspan- dass die Drehzahl eines Asynchronmotors mit
nung proportional zur Drehzahl des Läufers ist zunehmender Belastung abnimmt. Die Drehzahl
(Abb. 4.125, Fall d). Die Synchronmaschine läuft des Läufers nL ist stets kleiner als die Drehzahl
gleichsam synchron mit dem durch die Wechsel- des Feldes nF . Dieser Schlupf s wird definiert als
spannung erzeugten Magnetfeld. Allerdings müs-
sen diese Motoren durch einen Gleichstrom in nF  nL
sD  100 %: (4.270)
eine Anfangsdrehung kommen, ehe sie durch ent- nL
4.5 Instationäre Felder 363

erforderlich. Weil die gesamte Spannung am An-


ker liegt, muss der Motor mit einem Anlasser
gestartet werden.

4.5.3 Ein- und Ausschaltvorgänge in


Stromkreisen

Dieser Abschnitt beschreibt den Strom- bzw.


Spannungsverlauf beim Ein- und Ausschalten
von Stromkreisen, in denen sich ein Kondensator
oder eine Spule befindet.

4.5.3.1 Ein- und Ausschalten mit einem


Kondensator
In Abb. 4.145 sind die Schaltung, die entspre-
chende Differenzialgleichung mit ihren Lösun-
gen für den zeitlichen Verlauf der Ladung q, der
Spannung u und der Stromstärke i sowie die Gra-
fik des zeitlichen Verlaufes von Spannung und
Strom dargestellt.
Beim Schließen des Stromkreises gilt nach der
Maschenregel (Abschn. 4.1.6, (4.25)), dass die
Summe aller Spannungen null ist:
Abb. 4.144 Schneckengetriebemotor mit Drehzahl-Mo-
menten-Kennlinien. Werkfoto: Bauer q
U0  Ri  D 0: (4.271)
C

Der Schlupf von Drehstromasynchronmotoren Mit i D dq=dt gilt


beträgt für kleine Motoren (ca. 0,11 kW) etwa dq q
12 % und für große Motoren (ca. 75 kW) etwa U0  R  D 0:
dt C
2 %. Alle Gleichstrommotoren können – wie die
Generatoren – als Haupt- oder Nebenschlussma- Nach Division durch R und einer Umstellung er-
schinen betrieben werden. Für Gleichstrommo- hält man die Differenzialgleichung
toren als Hauptschlussmotor liegen Feldmagnet
und Anker in Reihe (Abb. 4.143). Dies bedeutet, dq 1 U0
C q D 0: (4.272)
dass bei starkem Stromfluss das Magnetfeld groß dt RC R
ist, sodass ein starkes Anzugsmoment spürbar Die zugehörige Lösung lautet
wird. Die Drehzahl dieses Motors ist belastungs-
 
abhängig und findet wegen seines starken An- 1
qC D C U0 1  e RC t : (4.273)
zugsmomentes vor allem Einsatz bei elektrischen
Antrieben (z. B. Fahrzeugantriebe). Beim Ne-
Wegen u D q=C wird der zeitliche Verlauf der
benschlussmotor dagegen liegen Feldmagnet und
Spannung am Kondensator beschrieben gemäß
Anker parallel. Die Drehzahl dieses Motors ist
nahezu belastungsunabhängig. Ein solcher An-
 1

uC D U0 1  e RC t : (4.274)
trieb ist beispielsweise für Werkzeugmaschinen
364 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.145 Ein- und Ausschaltvorgänge im Stromkreis mit einem Kondensator


4.5 Instationäre Felder 365

Da dq=dt D i ist, folgt aus (4.273) nach Diffe- RL-Stromkreis geschlossen, so gilt nach der Ma-
renziation nach der Zeit schenregel (Abschn. 4.1.6, (4.25)), dass die Sum-
me aller Spannungen null sein muss:
U0  1 t
iD e RC : (4.275)
R di
U0  Ri  L D 0: (4.280)
Der Faktor RC hat die Dimension Zeit: dt
 A s=V D V A s=.A V/ D s. Er wird kapazi- Die Spannung U0 fällt an zwei Bauteilen ab:
tive Zeitkonstante  genannt, weil er angibt, wie
schnell sich die Spannung uC dem Endwert U0  erstens am Widerstand R; dies entspricht einer
nähert. Bei Stromkreisen mit hoher Kapazität ist konstanten Stromstärke I D U0 =R (gestri-
die Zeitkonstante groß, da es lange dauert, bis der chelte Linie in Abb. 4.146);
Kondensator aufgeladen ist.  zweitens wird in der Spule ein Magnetfeld
Beim Ausschalten der Spannungsquelle U0 aufgebaut, das zur stetigen Zunahme des
entlädt sich der Kondensator über den Wider- Stroms entsprechend i D .U0 =L/t führt
stand R. Es wird in der Differenzialgleichung (punktierte Linie).
(4.272) U0 D 0. Damit gilt
Das Zusammenwirken dieser beiden Teile er-
dq 1
C q D 0: (4.276) zeugt zunächst eine linear zunehmende Strom-
dt RC stärke, die in den konstanten Endwert I0 D U0 =R
Diese Form der Differenzialgleichung lässt sich einbiegt. Dieser Kurvenverlauf lässt sich analy-
durch Trennung der Variablen direkt integrieren: tisch aus der Lösung der Differenzialgleichung
(4.280) herleiten. Nach Division durch L ergibt
(4.277) sich die Differenzialgleichung für die Stromstär-
1
qC D Q0 e RC t :
ke:
Nach entsprechender Umformung ergibt sich di R U0
C i D 0: (4.281)
1
 RC t dt L L
u C D U0 e : (4.278)
Die zugehörige Lösung lautet
und wegen i D dq=dt
U0  R

U0 iD 1  e L t : (4.282)
i D e
1
 RC t
: (4.279) R
R
Der Faktor L=R hat die Dimension Zeit: H= D
4.5.3.2 Ein- und Ausschalten mit einer V s A=.A V/ D s. Er wird induktive Zeitkonstan-
Induktivität te  genannt, weil er angibt, wie schnell sich die
Wird in einem Stromkreis mit einem Wider- Stromstärke i dem Endwert I0 D U0 =R nähert.
stand R und einer Spule der Induktivität L eine Bei Stromkreisen mit hoher Induktivität ist die
Spannung U ein- bzw. ausgeschaltet, so ergeben Zeitkonstante groß, sodass der Endwert sehr spät
sich verzögerte Anpassungen der Stromstärke an erreicht wird. Die Zeitkonstante  kann grafisch
diese Situationen. Abb. 4.146 zeigt die zugehö- ermittelt werden als Schnittpunkt der beiden Kur-
rige Schaltung, die entsprechende Differenzial- ven i D .U0 =L/t (punktierte Linie in Abb. 4.146)
gleichung mit ihrer Lösung sowie die Strom-Zeit- und I0 D U0 =R (gestrichelte Linie). Dann gilt
Diagramme. Die Differenzialgleichungen sind
analog zum Stromkreis mit einer Kapazität. Wäh- U0 U0
D oder
rend in einem RC -Kreis die Differenzialglei- L R
chungen für die Ladungen gelten, sind sie in L
D : (4.283)
diesem Fall für die Ströme gültig. Wird der R
366 4 Elektrizität und Magnetismus

(1) (3)

(2) (4)

Abb. 4.146 Ein- und Ausschaltvorgänge im Stromkreis mit einer Induktivität

Beim Ausschalten wird die Spannung U0 D 0, würde besonders für hohe Induktivitäten die ge-
sodass sich die Differenzialgleichung verein- samte Induktionsspannung L.di=dt/ lange Zeit
facht: zwischen den Schaltkontakten liegen. Dadurch
di R könnten die Schaltkontakte oder die Bauelemente
C i D 0: (4.284) zerstört werden.
dt L
Abb. 4.147a zeigt das Ein- und Ausschalt-
Diese Gleichung lässt sich analog zur Differen-
verhalten (Spannungs-Zeit-Verlauf nach (4.274)
zialgleichung (4.272) durch Trennung der Varia-
und (4.278)) für eine Batteriespannung von U0 D
blen direkt lösen. Es gilt
24 V und Kapazitäten von C D 50 nF, 100 nF
R
i D I0 e L t : (4.285) und 150 nF. Mit größeren Werten der Kapazität
C vergrößern sich also die Ein- und Ausschalt-
Beim Ausschalten ist eine Parallelschaltung von zeiten. Abb. 4.147b zeigt das Ein- und Ausschalt-
Widerstand und Spule empfehlenswerter als die verhalten nach ((4.282) und (4.285)) für eine
Reihenschaltung (Abb. 4.146), weil dann sofort Batteriespannung von U0 D 24 V, einen Wi-
ein Teil des Stroms über den Widerstand abflie- derstand von R D 2  und Induktivitäten von
ßen kann. Für den Fall einer Reihenschaltung L D 100 mH, 300 mH und 500 mH. Auch hier
4.5 Instationäre Felder 367

In Abb. 4.148 sind die Messgeräte, ihre Sym-


bole nach VDE 0410 sowie ihre Hauptanwen-
dungsgebiete beschrieben.

Drehspulmesswerk
Ein Drehspulmesswerk besteht aus einem dreh-
baren zylindrischen Spulenkörper, der sich in
einem ringförmigen Spalt eines Dauermagneten
bewegen kann. Auf der Achse der Drehspule
befinden sich zwei Spiralfedern, die als Stromzu-
führungen für die Spule dienen, sowie ein Zeiger.
Im Luftspalt zwischen dem Dauermagneten und
dem Spulenkörper herrscht ein radiales Magnet-
feld. Wenn durch den Spulenkörper ein Gleich-
strom fließt, dann tritt ein Drehmoment auf, das
proportional der Stromstärke ist und von dem
Gegendrehmoment der Spiralfeder im Gleichge-
wicht gehalten wird. Der Ausschlagwinkel des
Zeigers ist demnach proportional zur Stromstär-
ke .'  I /.
Kleinere Bauformen werden dadurch erreicht,
dass sich der Dauermagnet als feststehender Zy-
linder im Zentrum des Messwerkes befindet. Die
Spule ist drehend um ihn gelagert und der Luft-
spalt wird durch einen Hohlzylinder aus Weichei-
Abb. 4.147 Ein- und Ausschaltverhalten von a Kapazitä- sen abgeschlossen (Drehspul-Kernmagnet-Mess-
ten; b Induktivitäten werk). Drehspulmesswerke werden zur Messung
von Gleichströmen und Gleichspannungen ver-
wendet. Sie gehören zu den empfindlichsten
erkennt man, dass sich die Ein- und Ausschalt- elektrischen Messwerken (minimale Stromstär-
zeiten für höhere Werte für L vergrößern. ke 109 A). Wird ein Gleichrichter vorgeschaltet,
so können auch Effektivwerte von Wechselströ-
men und -spannungen bei sinusförmigem Kur-
4.5.4 Messgeräte venverlauf gemessen werden. Ebenso kann man
sie als Widerstandsmesser einsetzen, wenn sie
Elektrische Messgeräte dominieren in der physi- als Brücke in Zusammenhang mit einer konstan-
kalischen Messtechnik; für die meisten physika- ten Spannungsquelle geschaltet werden (Wheat-
lischen Größen, wie z. B. Temperatur oder Kraft, stone’sche Brücke, Abschn. 4.1.9). Durch Vor-
gibt es elektrische Messwertaufnehmer, sodass schalten eines Thermoumformers, bei dem mit
die Messwerte als elektrische Signale zur Verfü- Hilfe eines Thermoelements die Temperaturerhö-
gung stehen. Diese elektrischen Signale können hung an einem kleinen Lastwiderstand gemessen
als Daten sofort weiterverarbeitet oder als Steuer- und über einen Kalibrierfaktor auf den anliegen-
bzw. Regelgrößen verwendet werden. Üblicher- den Wechselstrom zurückgeschlossen wird, las-
weise unterscheidet man zwischen analogen und sen sich die Effektivwerte von Wechselströmen
digitalen Messgeräten, ferner zwischen solchen, und -spannungen beliebiger Welligkeit messen.
die nur gemittelte Werte (z. B. Effektivwerte) Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Dreh-
messen und solchen, die es gestatten, den zeitli- spulmessgeräten sind der Grund für die kompakte
chen Verlauf der Messgrößen darzustellen. Bauform von Vielfachmessinstrumenten.
368 4 Elektrizität und Magnetismus

Abb. 4.148 Einteilung der Messgeräte


4.5 Instationäre Felder 369

Ein wichtiger Spezialfall ist das Drehspul- Ein eisenloses Messwerk ist sehr empfindlich
quotientenmesswerk (oder Kreuzspulinstrument). für fremde Magnetfelder. Häufig wird deshalb ein
Hierbei bewegen sich zwei um 30ı versetzte Spu- eisengeschlossenes Messwerk gebaut. Dies hat
len im Dauermagnetfeld. Werden die beiden Spu- aber den Nachteil, dass man nur bei geringen Fre-
len von unterschiedlichen Stromstärken i1 und i2 quenzen (um 50 Hz) richtig messen kann. Mit
durchflossen, ist der Zeigerausschlag ' propor- einem elektrodynamischen Quotientenmesswerk
tional zum Quotienten der beiden Stromstärken kann der Leistungsfaktor cos ' ermittelt werden.
i1 =i2 . Eine Spule kann man als Amperemeter und
die andere als Voltmeter schalten. Dann misst der Hitzdrahtmesswerk
Quotient direkt den Widerstand (unabhängig von Das klassische Hitzdrahtinstrument, bei dem
einer Batteriespannung). Eine Hauptanwendung die Ausdehnung eines Drahtes durch die beim
dieses Messwerkes ist die Temperaturmessung Stromfluss entstehende Wärme zu Messzwe-
mit Hilfe von Widerstandsthermometern. cken ausgenutzt wird, ist heute kaum noch im
Einsatz. Statt dessen werden wärmeempfindli-
Dreheisenmesswerk che Bauelemente (z. B. PTC-Widerstände, Ab-
Das Dreheisenmesswerk besteht aus einer Spu- schn. 4.1.4 und Abb. 4.6) oder Thermoelemente
le, die vom Messstrom durchflossen wird. Im (Abschn. 9.3.2.2) eingebaut. Auf diese Weise
Zentrum dieser Spule befinden sich zwei Weich- ist es möglich, Effektivwerte von Strömen und
eisenplättchen, von denen eines an der Spule Spannungen bei höchsten Frequenzen zu messen.
und das andere an der Zeigerachse befestigt ist.
Beim Stromfluss durch die Spule werden bei- Bimetallmesswerk
de Plättchen gleichnamig magnetisiert. Dadurch Werden Bimetallspiralen von Strom durchflos-
stoßen sie sich ab. Der Zeigerausschlag ist pro- sen, so biegen sie sich aufgrund der Erwärmung
portional zum Effektivwert der Messgröße, und auf. Das hierbei auf die Zeigerachse übertragene
zwar unabhängig von der Kurvenform. Drehei- Moment ist so groß, dass auch ein Schleppzeiger
seninstrumente sind sehr robuste Geräte, haben mitgeführt werden kann. Auf diese Weise können
allerdings einen hohen Leistungsverbrauch und Maximalwerte angezeigt werden. Bimetallmess-
sind wegen der Wirbelstromverluste nicht bei werke finden vorzugsweise Anwendung bei der
Frequenzen über 1 kHz einsetzbar. Überwachung thermischer Belastungen von Ka-
beln und Transformatoren.
Elektrodynamisches Messwerk
Beim elektrodynamischen Messwerk wird der Elektrostatisches Messwerk
Permanentmagnet des Drehspulmesswerks durch Im elektrostatischen Messwerk dient die Cou-
einen Elektromagneten ersetzt. Wird der Strom lomb’sche Kraft (Abschn. 4.3.8, (4.150)) zwi-
durch beide Spulen geleitet, so ist der Ausschlag schen zwei Platten als Messgröße. Um Durch-
proportional zum Quadrat der Stromstärke. Aus schläge zu verhindern, wird bei Gleichstrom ein
diesem Grund können sowohl Gleich- als auch sehr hochohmiger Widerstand (R > 1014 ) und
Wechselgrößen gemessen werden. Sehr wich- bei Wechselstrom ein Kondensator vorgeschal-
tig ist auch die Möglichkeit, das Produkt UI , tet. Wegen der geringen elektrostatischen Kraft
d. h. die elektrische Leistung zu messen. Dazu können zwei Platten erst ab Spannungen grö-
dient eine Spule als Strompfad, die andere mit ßer als 1 kV zu Messzwecken eingesetzt wer-
einem Vorschaltwiderstand als Spannungspfad. den. Ordnet man eine Vielzahl von Metallplat-
Die Phasenverschiebung cos ' ist annähernd null, ten vertikal stapelartig übereinander, so liegt ein
wenn der Widerstand im Spannungsfeld sehr Multizellular-Messwerk vor. Leichte Metallna-
hoch ist. Die Blindleistung lässt sich dadurch deln, die an der vertikal aufgehängten Achse
messen dass eine Spule (Phasenverschiebung um befestigt sind, können sich nach Art des Drehkon-
90ı ) den Widerstand ersetzt. densators zwischen den Platten drehen. Durch die
370 4 Elektrizität und Magnetismus

Vielfachanordnung erhöht sich die Einstellkraft


des Messwerkes, sodass bereits Spannungen ab
100 V gemessen werden können.
Der Einsatz elektrostatischer Messwerke ist
auf Spezialanwendungen beschränkt (z. B. Mes-
sung von sehr großen Widerständen R > 109 
oder als Röntgendosimeter).

Induktionsmesswerk
In einem Induktionsmesswerk bewegt sich ei-
ne nicht ferromagnetische Scheibe (meist aus
Aluminium) zwischen zwei um 90ı versetzten
Elektromagneten. Der Elektromagnet zwischen
Abb. 4.149 Digitales Messwerk, schematisch. Werkfoto:
der drehbaren Scheibe erzeugt beim Stromfluss Gossen
ein Magnetfeld, das Wirbelströme in der Schei-
be induziert. Der in der Ebene der Scheibe be-
findliche zweite Elektromagnet erzeugt ein Ma- Abb. 4.149 gibt einen schematischen Einblick
gnetfeld, das auf die Wirbelströme einwirkt und in den Aufbau digitaler Messwerke. Die digitalen
die Scheibe in Drehung versetzt. Wenn in dem Vielfachinstrumente ersetzen in zunehmendem
zwischen der Scheibe befindlichen Magneten ei- Maß die analogen Multimeter. Digitale Multi-
ne Spannung geschaltet wird (Spannungsjoch) meter messen nicht nur die gewünschten elektri-
und im senkrecht dazu stehenden Magneten ein schen Grundgrößen (Spannung, Stromstärke und
Strom fließt, dann ist die Drehfrequenz proportio- Widerstand für Gleich- und Wechselstrom), son-
nal zur Wirkleistung UI cos '. Wird die Anzahl dern nehmen auch nach eigenen Programmen
der Umdrehungen gezählt, handelt es sich um Messauswertungen vor.
einen Energiezähler (kWh-Zähler). Die Scheibe
wird durch einen Permanentmagneten gebremst. Elektronenstrahl-Oszilloskop
Das so beschriebene Induktionsmesswerk ist als Um den zeitlichen Verlauf von Messgrößen ver-
elektrische Maschine ein gebremster Asynchron- folgen zu können, benutzt man Elektronenstrahl-
motor (Abschn. 4.5.2.8). Oszilloskope. Das Messprinzip basiert auf der
Ablenkung von Elektronen im elektrischen und
Vibrationsmesswerk magnetischen Feld in einer Braun’schen Röhre
Ein Vibrationsmesswerk besteht aus einem auf (Abschn. 4.3.5.5).
die Schwingungsfrequenz abgestimmten Satz Die Verwendungsart der beschriebenen Mess-
federnder Zungen (13 bis 21 Stück), die bei geräte sowie die Geräteeigenschaften müssen
Resonanz ihre Amplitude vergrößern. Vibrations- nach VDE 0410 auf den Geräten angegeben wer-
messwerke dienen zur Bestimmung der Wechsel- den. Abb. 4.150 zeigt eine Zusammenstellung
stromfrequenz und werden als Zungenfrequenz- dieser Symbole. So bedeutet z. B.
messer zur Frequenzüberwachung von 50 Hz
bzw. 60 Hz eingesetzt.

Digitales elektronisches Messwerk Drehspulmessgerät für Gleichstrom (Güte-


Durch Analog-Digitalwandler, teilweise mikro- klasse 1), für Wechselstrom (Güteklasse 1,5)
prozessorgesteuert, können die meisten analogen und Widerstandsmessung (Güteklasse 1,5), in der
Messwerke zu digitalen Messgeräten ausgebaut Gebrauchslage waagrecht mit der Prüfspannung
werden. 3 kV.
4.5 Instationäre Felder 371

Abb. 4.150 Geräteeigenschaften nach VDE 0410

4.5.5 Zusammenhang elektrischer und


magnetischer Größen – Der Gesamtstrom aus Leitungsstrom und
Maxwell’sche Gleichungen Verschiebestrom durch eine Fläche A er-
zeugt in der Randkurve C eine magnetische
Die Maxwell’schen Gleichungen wurden von Spannung.
J. C. M AXWELL (1831 bis 1879) formuliert. Sie
beschreiben die analytische Verknüpfung von
elektrischem und magnetischem Feld und umge- Strom- und Magnetfeldrichtung bilden ein
kehrt. In Abb. 4.151 findet sich eine vergleichen- Rechtssystem.
de Gegenüberstellung. Die zweite Maxwell’sche Gleichung ist das
Die erste Maxwell’sche Gleichung ist die allge- allgemeine Induktionsgesetz. Es lautet in diffe-
meine Formulierung des Durchflutungsgesetzes renzieller Schreibweise
(Abschn. 4.4.2, (4.152)). Sie besagt, dass zur Er-
zeugung eines Magnetfeldes nicht unbedingt ein P
rotE D B ((5) aus Abb. 4.151)
Stromfluss (d. h. Ladungstransport) notwendig ist.
Beispielsweise entsteht zwischen den Platten ei- und in Integralform
nes Kondensators während des Ladevorgangs ein I Z
@B
magnetisches Wirbelfeld, obwohl an dieser Stel- E ds D  dA: ((3) aus Abb. 4.151)
le ganz offensichtlich kein Strom fließt. @t
R Schon die C A
Änderung des elektrischen Flusses DdA, ein so
genannter Verschiebungsstrom, reicht aus, um ein Flussdichteänderung BP und Richtung der elektri-
Magnetfeld zu erzeugen. schen Feldlinien bilden ein Linkssystem.
372 4 Elektrizität und Magnetismus

(1)
∂ (3)

(2)

(4) (5)

(6) (7)

(8) (11)
(9) (12)
(10)
(13)

Abb. 4.151 Maxwell’sche Gleichungen für das elektrische und magnetische Feld

Für die Bewegungsinduktion (Abb. 4.126) Die Quellen des Verschiebungsfeldes D sind La-
folgt mithilfe der Vektoranalysis bei kleinen Ge- dungen, an denen die Feldlinien beginnen und
schwindigkeiten v  c die Faraday’sche Fluss- enden. Nach dem Gauß’schen Satz, (4.124), ist
regel das Integral des elektrischen Flusses über eine
I Z geschlossene FlächeH S gleich der Ladung im In-
d d˚ nern der Fläche: DdA D Q. Da es keine
E 0 ds D  BdA D  : (4.286)
dt dt magnetischen Monopole gibt, an denen die B-
C A
Feldlinien beginnen
H und enden könnten, gilt im
E 0 D E C v  B ist die im bewegten Draht Magnetfeld BdA D 0. Das Magnetfeld ist
wirksame Feldstärke. Bei einer geschlossenen demnach quellenfrei, es ist ein Wirbelfeld. Das
Leiterschleife mit Widerstand R gilt elektrische Feld ist in der Elektrodynamik eben-
falls ein Wirbelfeld mit geschlossenen Feldlinien
d
Z
d˚ (Abb. 4.151). Lediglich in der Elektrostatik be-
RI D  BdA D  : (4.287) ginnen und enden die Feldlinien des elektrischen
dt dt
A Feldes an Ladungen.
4.5 Instationäre Felder 373

Tab. 4.17 Gebiete der Elektrizitätslehre und des Magne-


tismus
j D0 j ¤0
dB
D 0 Elektrostatik und Elektrodynamik
dt Magnetostatik stationärer Ströme
dD
D0
dt
dB
¤ 0 elektromagnetische Elektrodynamik qua-
dt Wellen sistationärer Ströme Abb. 4.152 Ausbreitung einer elektromagnetischen Wel-
dD

dD
 le durch wechselseitig induzierte elektrische und magne-
¤0 für 0 tische Felder
dt dt

Die Materialgleichungen beschreiben die Ein- das Ohm’sche Gesetz in der Formulierung
flüsse des Materials auf die elektrischen und j D ~E (4.188).
magnetischen Felder. Die elektrische (P) und 3.) Elektrodynamik quasistationärer Ströme
magnetische (J ) Polarisation ist im einfachs- Fließt ein Strom (j ¤ 0) und ändert sich das
ten Fall proportional zur jeweiligen Feldstärke Magnetfeld (dB=dt ¤ 0), wobei der Ver-
E bzw. H . Die Proportionalitätskonstante ist schiebungsstrom gegenüber dem Leitungs-
die Suszeptibilität . Bei hohen Feldstärken tre- strom vernachlässigt werden kann (nahezu
ten nichtlineare Effekte auf wie die nichtlineare stationär: (dD=dt  0/, dann gelten das
Optik bei intensiven Laserfeldern. Die Strom- Durchflutungsgesetz und das Induktionsge-
dichte j ist mit der elektrischen Feldstärke E setz (die erste und die zweite Maxwell’sche
über das Ohm’sche Gesetz j D ~E verknüpft. Gleichung). Sie sind die Grundlagen der in
Während auf jede Ladung in einem elektri- Abschn. 4.5 beschriebenen Phänomene zeit-
schen Feld eine Kraft ausgeübt wird, tritt die lich sich ändernder elektrischer und magne-
Lorentz-Kraft im Magnetfeld nur bei bewegten tischer Felder.
Ladungen auf. 4.) Elektromagnetische Wellen
Mit den Maxwell’schen Gleichungen ist eine Die geniale Voraussage von Maxwell bestand
vollständige Beschreibung elektromagnetischer darin, dass er seine Gleichungen als For-
Vorgänge möglich. Tab. 4.17 zeigt die vier denk- mulierungen für elektromagnetische Wellen
baren Spezialfälle: interpretieren konnte für den Fall, dass kein
Stromfluss vorhanden war (j D 0).
1.) Elektrostatik und Magnetostatik In Abb. 4.152 ist der Fall dargestellt, dass
Fließt weder ein Strom (j D 0) noch än- die zeitliche Änderung dB=dt des primären
dert sich das magnetische Feld (dB=dt D 0) Magnetfeldes nicht konstant ist. Wenn bei-
sowie die elektrische Verschiebungsdichte spielsweise die Flussdichte harmonisch von
(dD=dt D 0), dann existieren elektrostati- der Zeit abhängt, gemäß B D BO sin !t, dann
sche und magnetostatische Felder vollkom- ist BP D B!O cos !t. In diesem Fall ist das er-
men unabhängig voneinander. zeugte elektrische Wirbelfeld ebenfalls zeit-
2.) Elektrodynamik stationärer Ströme lich veränderlich, was seinerseits wieder ein
Fließt lediglich ein Strom (j ¤ 0), ist zeitlich veränderliches magnetisches Wirbel-
jedoch keine Änderung des magnetischen feld bildet usw. Die Verkettung von elektri-
Feldes (dB=dt D 0) und der elektrischen schen und magnetischen Feldern stellt eine
Verschiebungsdichte (dD=dt D 0) vor- elektromagnetische Welle dar, die sich mit
handen, so ist wegen des Durchflutungs- Lichtgeschwindigkeit im Raum ausbreitet.
gesetzes (Abb. 4.89, (4.152)) bereits eine Diese elektromagnetischen Wellen wurden
magnetische Wirkung spürbar. Ferner gilt von H. H ERTZ (1857 bis 1894) experi-
374 4 Elektrizität und Magnetismus

der Phasenverschiebungswinkel zwischen Strom


und Spannung? Welche Kapazität benötigt ein zu
Spule und Röhre parallel geschalteter Kondensa-
tor zur Blindstromkompensation?

Ü 4-19 Ein Leiter wird gemäß Skizze mit kon-


Abb. 4.153 Zu Ü 4-16 stanter Geschwindigkeit v D 10 cm=s durch
ein homogenes Magnetfeld der Flussdichte B D
0; 5 T gezogen. Die Breite des Magnetfelds ist
mentell nachgewiesen (Abschn. 5.2.2). Da l D 3 cm.
das Licht als elektromagnetische Welle ver-
standen werden kann, ist außerdem eine
enge Beziehung zwischen Elektrodynamik
und Wellenoptik vorhanden (Abschn. 6.1
und 6.4).

4.5.6 Zur Übung

Ü 4-15 Eine eisenlose Flachspule hat 200 Win-


dungen und umschließt eine Fläche von 150 cm2 .
Sie rotiert mit einer Drehzahl von 800 min1 in
einem homogenen Magnetfeld. (Die Feldlinien
stehen senkrecht zur Drehachse.) Bei welcher a) Berechnen Sie die induzierte Spannung, die
magnetischen Induktion B wird die Scheitelspan- während der Bewegung im Magnetfeld zwischen
nung von uO D 48 V induziert? den Klemmen a und b liegt. Ist zur Bewegung
des Leiters eine Kraft erforderlich? (Von Reibung
Ü 4-16 Für die Schaltung in Abb. 4.153 sollen wird abgesehen). Welche Richtung hat der Span-
die Stromstärke, der Phasenverschiebungswin- nungspfeil zwischen den Klemmen a und b?
kel ' und die Wirkleistung im Wechselstromnetz Die nachstehenden Fragen beziehen sich auf
(U D 230 V, f D 50 Hz) berechnet werden. den Fall, dass ein Widerstand R D 3;3  an
die Klemmen a und b angeschlossen wird. Alle
Ü 4-17 Bei einem Magnetsystem beträgt die anderen Elemente der durch den Widerstand ent-
Länge des Eisenkerns 75 cm und die Breite des stehenden Leiterschleife seien ideal leitend.
Luftspaltes 1 mm. Die Permeabilitätszahl des Ei- b) Wie groß ist der Strom durch diesen Wi-
sens ist r D 750. Um den wievielten Teil nimmt derstand und welche Richtung hat er? c) Welche
die magnetische Feldstärke im Luftspalt ab, wenn Kraft wirkt auf den Leiter und in welcher Rich-
die Breite des Luftspaltes verdoppelt wird? tung? d) Welche Leistung muss zur Verschiebung
des Leiters aufgewendet werden?
Ü 4-18 Eine Leuchtstoffröhre benötigt U D
50 V und eine Stromstärke von I D 0;12 A. Ü 4-20 Ein Bandpassfilter besteht aus einem
Welche Induktivität L muss eine in Reihe ge- Ohm’schen Widerstand R D 100 , einer Spu-
schaltete Spule haben, damit die Leuchtstoffröhre le der Induktivität L D 100 H und einem
an die Netzspannung (230 V, 50 Hz) angeschlos- Kondensator der Kapazität C D 100 F. Die
sen werden kann? (Der Ohm’sche Anteil der Wechselspannung am Eingang hat den Effektiv-
Spule sei vernachlässigbar klein.) Wie groß ist wert U1 D 10 V.
4.5 Instationäre Felder 375

tung bei 50 Hz ohmsch-induktiv oder ohmsch-


kapazitiv? c) Wie groß ist der aufgenomme-
ne Strom I und der Phasenverschiebungswinkel
' D 'u  'i zwischen Strom I und Span-
nung U 1 ? d) Berechnen Sie das Spannungsver-
hältnis U2 =U1 sowie den Phasenverschiebungs-
winkel zwischen U 1 und U 2 bei f D 50 Hz.
e) Bei welcher Frequenz f0 wird der Gesamt-
widerstand minimal? Berechnen Sie auch für
diese Frequenz das Spannungsverhältnis U2 =U1
und den Phasenverschiebungswinkel zwischen
a) Berechnen Sie den Scheinwiderstand Z der U1 und U2 . f) Welchen Werten strebt das Ver-
Schaltung für die Frequenz f D 50 Hz hin- hältnis U2 =U1 zu für sehr niedrige Frequenzen
sichtlich des Eingangs. b) Verhält sich die Schal- f ! 0 und sehr hohe Frequenzen f ! 1?
Schwingungen und Wellen
5

Bei Schwingungen und Wellen finden periodi-


sche Zustandsänderungen statt, die mechanische
Systeme (im festen, flüssigen und gasförmigen
Zustand) und elektromagnetische Systeme erfas-
sen können. Im allgemeinen Fall wird Energie
zwischen Energiereservoirs periodisch hin- und
herbewegt. Systeme, die zu einem solchen pe-
riodischen Energieaustausch fähig sind, werden
Oszillatoren genannt. Bei mechanischen Schwin-
Abb. 5.1 Zusammenhang zwischen Schwingung und
gungen eines Feder-Masse-Systems (Federpendel Welle
oder mechanischer Oszillator) betrifft dies die
potenzielle Energie der Feder und die kinetische
Energie der Masse und beim elektromagneti-
schen Schwingkreis die elektrische Energie des 5.1 Schwingungen
Kondensators und die magnetische Energie der
Spule. Die Periodizität des Energieaustausches In vielen Bereichen des täglichen Lebens, der Phy-
sik und der Biologie spielen periodische Vorgän-
wird beschrieben durch die Schwingungsdauer T
ge eine bedeutende Rolle. Erwähnt seien als Bei-
für einen Energieaustauschzyklus bzw. durch die
Frequenz f , d. h. die Anzahl der Zyklen je Zeit- spiele für den Bereich des täglichen Lebens Ebbe
einheit. Es gilt der Zusammenhang und Flut, Tag und Nacht, für die Physik das Uh-
renpendel, der Schwingquarz, der elektromagneti-
1 sche Schwingkreis, die Atom- und Gitterschwin-
f D : (5.1) gungen und für die Medizin der Pulsschlag.
T

Aus Abb. 5.1 geht der Unterschied zwischen


Schwingungen und Wellen hervor. Erfassen die 5.1.1 Physikalische Grundlagen
periodischen Energieschwankungen nur einzel- schwingungsfähiger Systeme
ne schwingungsfähige Elemente, dann sind dies
Schwingungen; werden dagegen von den Ener- Schwingungen werden in freie und erzwungene
gieschwankungen eine Vielzahl elastisch oder sowie in ungedämpfte und gedämpfte Schwin-
quasielastisch aneinander gekoppelter Elemente gungen eingeteilt. Abb. 5.2 zeigt die Zusammen-
erfasst, so treten Wellen auf, bei denen sich die hänge am Beispiel eines Körpers, der mit einer
Energiezustände periodisch im Raum fortpflan- Feder verbunden ist und in horizontaler Richtung
zen. schwingen kann.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2016 377


E. Hering, R. Martin, M. Stohrer, Physik für Ingenieure, DOI 10.1007/978-3-662-49355-7_5
378 5 Schwingungen und Wellen

Abb. 5.2 Harmonische Schwingungen

Bei der freien Schwingung wird dem Oszil- Ein Resonator ist ein Oszillator, dem von
lator einmalig zu einem bestimmten Zeitpunkt außen eine periodische Erregung mit der Erreger-
Energie durch Stoß oder durch die Auslenkung frequenz fE aufgezwungen werden kann. Unter
des Oszillators zugeführt. Anschließend wird dem Einfluss des Erregers führt der Resonator er-
das System sich selbst überlassen; der Oszil- zwungene Schwingungen mit der Erregerfrequenz
lator schwingt dann mit einer systemtypischen, fE aus. Wenn die Erregerfrequenz fE gleich oder
konstanten Eigenfrequenz f0 . Wird dem Schwin- annähernd gleich der Resonanzfrequenz fR ist,
gungssystem im weiteren zeitlichen Verlauf keine tritt Resonanz ein. Bei Resonanz wächst im un-
Energie zugeführt oder entzogen, so schwankt gedämpften Fall (ohne Energieverluste) die Am-
die Auslenkung des Oszillators periodisch mit plitude unendlich an (Resonanzkatastrophe). Im
der Eigenfrequenz f0 zwischen zwei konstanten gedämpften Fall steigt dagegen die Amplitude bei
Maximalwerten (Scheitelwert oder Amplitude y).O Resonanz lediglich bis auf einen endlichen Ma-
Der Scheitelwert der Schwingung, die als unge- ximalwert der Auslenkung an, bei dem der Ener-
dämpfte freie Schwingung bezeichnet wird, ist gieverlust je Schwingungsperiode gerade gleich
konstant und abhängig vom Energiebetrag, mit der zugeführten Erregerenergie ist. Ist die Er-
dem die freie Schwingung erregt wurde. Wirken regerfrequenz fE wesentlich niedriger als die
dagegen äußere Kräfte, z. B. die Reibung oder Resonanzfrequenz fR , so schwingen Erreger und
Energieverluste des Oszillators, so nimmt der Resonator gleichphasig; die Phasenverschiebung
Scheitelwert der freien Schwingung im zeitlichen zwischen den beiden Schwingungen ist null. Ist
Verlauf ab. Dies kennzeichnet die gedämpfte freie fE  fR , dann schwingen Erreger und Resona-
Schwingung. Ferner ist die Frequenz fd der ge- tor gegenphasig; die Phasenverschiebung beträgt
dämpften freien Schwingung wegen des stattfin- in diesem Fall D 180ı . Ohne Dämpfung
denden Energieverlustes kleiner als die Eigenfre- kommt es bei Resonanz zu einem Phasensprung
quenz f0 der ungedämpften freien Schwingung. von  D 180ı . Mit Dämpfung verläuft die
5.1 Schwingungen 379

a d

Abb. 5.3 Zusammenhang zwischen der Kreisbewegung und den harmonischen Schwingungen (a bis c) sowie rotie-
rende Zeiger in der komplexen Ebene (d)

Phasenverschiebung mit zunehmender Erreger- Im Allgemeinen ist die mathematische Beschrei-


frequenz stetig. bung periodischer Auslenkungen, wie z. B. regel-
Die wichtigste Eigenschaft aller schwingungs- mäßig wiederkehrender Spitzen, sehr schwierig
fähigen Systeme ist die Periodizität. (Abschn. 5.1.4.3, Fourieranalyse). In der Pra-
xis gibt es jedoch viele Schwingungen, deren
Auslenkungs-Zeit-Gesetz durch eine mathemati-
Bei der Periodizität werden bestimmte sche Cosinus- bzw. Sinus-Funktion beschrieben
Muster in konstanten Zeitintervallen (Peri- werden kann. Solche Schwingungen werden har-
ode T ) wiederholt. monische Schwingungen genannt.
Die harmonische Schwingung lässt sich durch
den Vergleich mit der Parallelprojektion ei-
Wird das periodisch wiederkehrende Muster
ner gleichförmigen Kreisbewegung anschaulich
als Auslenkung y aufgefasst, so kann der periodi-
beschreiben. Abb. 5.3 zeigt den Zusammen-
sche Vorgang mathematisch formuliert werden:
hang zwischen der Kreisbewegung eines Zeigers
y.t/ D y.t C T /: (5.2) mit konstanter Umlaufdauer T0 bzw. Winkelge-
schwindigkeit !0 D 2 f0 D 2 =T0 (5.1) und
Die Auslenkung y zu einer Zeit t ist gleich groß der Auslenkung y.t/. (Der Index null bedeu-
wie die Auslenkung y zur Zeit t C T ; hierbei ist tet, dass es sich um Größen der ungedämpften
T die Schwingungsdauer (Periode) des Systems. Schwingung handelt.)
380 5 Schwingungen und Wellen

Tab. 5.1 Charakteristische Größen ungedämpfter harmonischer Schwingungen


Kenngröße Bedeutung
Periodizität
Schwingungsdauer T kleinste Zeitspanne zwischen zwei aufeinander folgenden, gleichen Schwingungszuständen
(Periode) (z. B. zeitlicher Abstand zwischen zwei Maxima oder Minima)
Frequenz f Anzahl der Schwingungen je Zeit
1
f D D N=tN in Hz (N : Anzahl der Schwingungen; tN : Zeit für N Schwingungen)
T

Kreisfrequenz ! ! D 2 f D in s1
T
Auslenkungen bzw. Momentanwerte
Momentanwert y.t / momentane Auslenkung zur Zeit t (errechenbar aus (5.3) bis (5.5))
Scheitelwert yO maximaler Wert der Auslenkung (für sin.!t C '0 ) oder cos.!t C '0 / D 1)
(Amplitude)
Phasenwinkel
Nullphasenwinkel '0 Anfangslage des schwingenden Systems zur Zeit t D 0. Es folgt aus (5.5)
(Anfangsphase) y.0/
'0 D arccos (1)
yO
'0 > 0: voreilend
'0 < 0: nacheilend
allgemeiner Phasen- ' D !t C '0
winkel Summe der Phasenlage .!t / eines Punktes zur Zeit t und des Nullphasenwinkels '0
(Momentanphase) '
Phase
Phase augenblicklicher Zustand einer Schwingung (bestimmt durch zwei Schwingungsgrößen,
z. B. Weg und Zeit)

Startet der Zeiger seine Bewegung im Null-  eine für das schwingungsfähige System typi-
punkt und wird die Auslenkung y.t/ als Projek- sche Kreisfrequenz !0 D 2 f0 D 2 =T0 und
tion des Zeigers auf die Waagrechte verstanden durch
(Abb. 5.3a), so ergibt sich eine Cosinusfunktion:  die zwei Konstanten yO und '0 , die von den An-
fangsbedingungen abhängen.
y.t/ D yO cos.!0 t/: (5.3)
Abb. 5.3d zeigt die Analogie zwischen einer
Wird dagegen die Auslenkung als Projekti- Kreisbewegung von Zeigern und der Darstel-
on des Zeigers auf die Senkrechte verstanden lung komplexer Zahlen nach der Euler’schen
(Abb. 5.3b), so ergibt sich eine Sinusfunktion: Formel. Werden in der waagrechten Achse (x-
Achse) die Realteile und in der senkrechten Ach-
y.t/ D yO sin.!0 t/: (5.4)
se (y-Achse) die Imaginärteile (j ) aufgezeichnet,
j.!t C'0 /
Ist der Zeiger um einen Winkel '0 vom Nullpunkt dann kann ein komplexer Zeiger re in
verschoben (Nullphasenwinkel) und wird er auf seinen Realteil r cos.!t C ' 0 / und seinen Ima-
die Waagrechte projiziert, dann ergibt sich eine ginärteil r sin.!t C '0 / zerlegt werden. Wegen
phasenverschobene Cosinusfunktion: dieses Zusammenhangs zwischen den trigonome-
trischen Funktionen im Bereich der komplexen
y.t/ D yO cos.!0 t C '0 /: (5.5) Zahlen mit der Exponentialfunktion wird das
Verhalten von Schwingungen häufig mit komple-
Gleichungen (5.3) bis (5.5) beschreiben das Weg- xen Zahlen in der komplexen Ebene beschrie-
Zeit-Gesetz der harmonischen Schwingung. Sie ben.
zeigen, dass harmonische Schwingungen be- Die wichtigsten Kenngrößen harmonischer
schrieben werden durch Schwingungen sind in Tab. 5.1 zusammengestellt
5.1 Schwingungen 381

b
Abb. 5.5 Eindimensionales Feder-Masse-System

5.1.2 Freie Schwingung

5.1.2.1 Differenzialgleichung des


ungedämpften Feder-Masse-
c
Systems
Für das eindimensionale Feder-Masse-System in
Abb. 5.5 gilt die Newton’sche Bewegungsglei-
chung

Fa D ma

mit der von außen wirksamen Kraft Fa gleich der


Federkraft Fk , die nach dem Hooke’schen Gesetz
Abb. 5.4 Charakteristische Kenngrößen harmonischer
Schwingungen
(Abschn. 2.3.4) als rücktreibende Kraft propor-
tional und entgegengesetzt zur Auslenkung y ist
.Fk  y/. Es gilt
und in Abb. 5.4 veranschaulicht. Die genormten
Fa D Fk D ky: (5.6)
Definitionen sind in DIN 1311 zu finden.
Die Proportionalitätskonstante k wird Federkon-
Beispiel 5.1-1 stante genannt. Damit ist aus dem Newton’schen
Eine harmonische Schwingung hat die Fre- Gesetz abzuleiten
quenz f0 D 0;2 Hz, die Amplitude yO D 2 cm
und die Anfangsauslenkung y.0/ D 1 cm. Das ky D ma:
Maximum der Schwingung kommt später. Es
sind T0 , !0 , '0 und y.t/ zur Zeit t D 11 s zu Für die Beschleunigung in Auslenkungsrichtung
berechnen. y gilt a D d2 y=dt 2 , somit ist

d2 y
Lösung ky D m oder
T0 D 1=f0 D 5 sI !0 D 2 f0 D 0;4  s1 . dt 2
Für den Nullphasenwinkel '0 gilt nach (1) in d2 y
m C ky D 0 oder
Tab. 5.1 cos '0 D y.0/=yI
O '0 D 60ı (da Ma- dt 2
ximum später); '0 D 1;05. dy
2
k
C y D 0: (5.7)
dt 2 m
y.t/ D 2 cm cos.0;4 t=s  1;05/;
Diese Gleichung ist die Differenzialgleichung
y.11 s/ D 2 cm cos.0;4 11  1;05/ (DGL) des linearen Feder-Masse-Systems mit
D 1;96 cm: folgenden Eigenschaften: Sie ist
382 5 Schwingungen und Wellen

 linear, d. h., die Variable oder ihre Ableitun- Abb. 5.6a zeigt den Weg-Zeit-Verlauf des Feder-
gen treten nicht als Produkte oder Potenzen Masse-Systems. Bei der Momentanphase ' D 0
auf; ist der Körper bis zur Amplitude yO ausgelenkt. Er
 eine Gleichung zweiter Ordnung, d. h., die läuft bei ' D  =2 durch den Nullpunkt, drückt
höchste Ableitung ist die zweite Ableitung; bei ' D   die Feder um die negative Amplitu-
 homogen, d. h., die Differenzialgleichung wird de zusammen, schwingt bei ' D 3 =2 wieder
null, wenn die Werte der Variablen und deren durch den Nullpunkt und ist bei ' D 2  wie-
Ableitungen null werden, und sie hat der maximal ausgelenkt. In Abb. 5.6b sind die
 konstante Koeffizienten, d. h., die Faktoren vor periodischen Abläufe der drei Bewegungsglei-
den Variablen und deren Ableitungen sind chungen dargestellt:
konstant.
 das Weg-Zeit-Gesetz y.t/ (5.5) mit durchge-
Die Lösung der Differenzialgleichung (5.7) ent- zogener Linie,
sprechend (5.5) wird durch folgenden Ansatz  das Geschwindigkeit-Zeit-Gesetz v.t/ (5.8),
erreicht: gestrichelt, und
 das Beschleunigung-Zeit-Gesetz a.t/ (5.9),
Weg-Zeit-Gleichung:
strichpunktiert.
y.t/ D yO cos.!0 t C '0 /; (5.5)
Geschwindigkeit-Zeit-Gleichung: Für die Maximalwerte von Weg y; Geschwindig-
dy keit v und Beschleunigung a gilt
D v.t/ D y!O 0 sin.!0 t C '0 /; (5.8)
dt
Beschleunigung-Zeit-Gleichung: ymax D y;
O (5.13)
d2 y vmax D y!
O 0; (5.14)
O 02 cos.!0 t C '0 /:
D a.t/ D y! (5.9)
dt 2 amax D O 02 :
y! (5.15)
Werden die Weg-Zeit-Gleichung (5.5) und die
Die Bewegungsabläufe zeigen, dass in der Aus-
Beschleunigung-Zeit-Gleichung (5.9) in die Dif-
gangslage ' D 0 die Auslenkung maximal, die
ferenzialgleichung (5.7) eingesetzt, so ergibt sich
Geschwindigkeit des Körpers gleich null und die
k Beschleunigung in negativer Richtung maximal
y!O 02 cos.!0 t C '0 / C yO cos.!0 t C '0 / D 0:
m ist. Dies bedeutet, die gesamte Energie des Sys-
tems ist in der potenziellen Energie der Feder
Der Term yO cos.!0 t C '0 / kürzt sich heraus, so-
gespeichert. Beim Winkel ' D  =2 schwingt
dass gilt
k der Körper durch den Nullpunkt. In diesem Fall
!02 C D 0; ist die Auslenkung gleich null (und damit die
m
k Beschleunigung) und die Geschwindigkeit des
!02 D : (5.10) Körpers maximal. Es ist die gesamte potenzielle
m
Energie der Feder in kinetische Energie des Kör-
Das Quadrat der Kreisfrequenz !0 hängt somit pers verwandelt worden, die sich nach ' D  
nur ab von den charakteristischen Konstanten wieder in potenzielle Energie der Feder, nach
Masse und Federkonstante (Federsteifigkeit) des ' D 3 =2 wieder beim Nulldurchgang in ki-
Feder-Masse-Systems. Aus (5.10) errechnet sich netische Energie des Körpers und nach ' D
r 2  wieder in potenzielle Energie der Feder ver-
k !0
!0 D und f0 D ; (5.11) wandelt. Am Beispiel des Feder-Masse-Systems
m 2  wird deutlich, dass bei Schwingungen Energie
r
2  m
T0 D D 2  : (5.12) zwischen Energiezuständen periodisch hin- und
!0 k hergeschoben wird.
5.1 Schwingungen 383

Abb. 5.6 Bewegungsverhalten des Feder-Masse-Systems


384 5 Schwingungen und Wellen

5.1.2.2 Allgemeine Differenzialgleichung


der freien, ungedämpften
harmonischen Schwingung
Die Differenzialgleichung des Feder-Masse-Sys-
tems (5.7) kann so verallgemeinert werden, dass
sie für alle freien, ungedämpften harmonischen
Schwingungen gültig ist. In dieser allgemeinen
Form lautet sie
d2
(Variable) C Konstante  (Variable) D 0:
dt 2
(5.16)

Sie hat die Lösung

Variable D Variablemax  cos.!0 t C '0 / (5.17)


mit !02 D Konstante: (5.18)

Daraus errechnet sich


p
!0 D Konstante; (5.19)
r
2  1
T0 D D 2  : (5.20)
!0 Konstante
Abb. 5.7 zeigt, wie die allgemeine Struktur
der Differenzialgleichung nach (5.16) hergeleitet Abb. 5.7 Struktur der Differenzialgleichung einer freien,
ungedämpften harmonischen Schwingung
werden kann. Um die hier auftretenden Dreh-
winkel vom Phasenwinkel ' unterscheiden zu
können, sind sie mit ˇ bezeichnet.
Zeit.) Es gilt
Als Voraussetzung zur Gültigkeit der Diffe-
renzialgleichung muss sichergestellt sein, dass
P C Epot .y/ D konstant
Eges D Ekin .y/
die Bewegungsursache proportional und entge-
gengesetzt zur Variablen ist. Da die Bewegungs-
oder
ursache für die Translation Kräfte und für die
Rotation Drehmomente sind, müssen Kräfte und dEges dEkin dEpot
Drehmoment diesen Forderungen genügen. Als D yR C yP D 0 (5.21)
dt dyP dy
allgemeine Proportionalitätskonstanten werden
für die Translation konstT und für die Rotation (s. auch Herleitung der Differenzialgleichung ei-
konstR gesetzt. Aus dem Newton’schen Gesetz nes mathematischen Pendels).
für die Bewegung F D ma bzw. M D J ˛ ergibt
sich durch Umstellen und Ordnen der Glieder 5.1.2.3 Differenzialgleichungen und
nach fallenden Ableitungen die entsprechende Lösungen spezieller
Differenzialgleichung für die Translation bzw. mechanischer
für die Rotation mit ihren Lösungen für y bzw. Schwingungssysteme
ˇ und !0 . Zur Aufstellung der Differenzialgleichung des
Die Differenzialgleichung (5.16) kann auch Feder-Masse-Systems und ihrer Lösung sei auf
aus dem Energieerhaltungssatz hergeleitet wer- Abschn. 5.1.2.1 verwiesen. Im Folgenden wer-
den. (Ein Punkt bzw. zwei Punkte über y be- den die sonstigen mechanischen Pendel beschrie-
deuten die erste bzw. zweite Ableitung nach der ben.
5.1 Schwingungen 385

Mathematisches Pendel Tab. 5.2 Korrekturfaktor für größere Auslenkungswinkel


Das mathematische Pendel (Abb. 5.8) besteht aus Winkel Korrekturfaktor
einer punktförmigen Masse, die an einem unelas- 1ı 1;00002
tischen Faden mit der Länge l aufgehängt ist. 5ı 1;00048
(Die Masse des Fadens ist gegenüber der punkt- 10ı 1;00191
ı
förmigen Masse vernachlässigbar klein.) Wird 30 1;01741
ı
das mathematische Pendel um den Drehwinkel ˇ 45 1;03997
bis zum Umkehrpunkt B ausgelenkt, so gilt nach
dem Energieerhaltungssatz
gesetzt wird (Abbruch der Reihenentwicklung
A P B 3 5 7
Ekin .ˇ/ D Epot .ˇ/: sin ˇ D ˇ  ˇ3Š C ˇ5Š  ˇ7Š C     nach dem
ersten Glied). Damit ergibt sich
Die kinetische Energie im Punkt A beträgt
g
1 ˇR C ˇ D 0: (5.23)
A P P 2 l
Ekin .ˇ/ D m.l ˇ/
2
Die Lösung lautet
und die potenzielle Energie am Punkt B
B ˇ.t/ D ˇO cos.!0 t C '0 / (5.24)
Epot .ˇ/ D mgl.1  cos ˇ/: r
g
mit !0 D (5.25)
Da nach (5.21) die Energieänderung gleich null l
s
sein muss, gilt l
und T0 D 2   : (5.26)
dEges g
D ml ˇ ˇ C mgl sin ˇ ˇP D 0:
2 P R
dt
Die exakte Lösung der Schwingungsdauer T0
Daraus ergibt sich die Differenzialgleichung nach der Differenzialgleichung (5.22) lässt sich
als Reihenentwicklung darstellen:
g
ˇR C sin ˇ D 0: (5.22)
l s  2  
1 1 2 13 2 4
Diese beschreibt keine harmonische Schwin- T0 D 2  1C a C a
g 2 24
gung. Die nach (5.16) geforderte Differenzial-   !
gleichung entsteht dadurch, dass sin ˇ  ˇ 135 2 6
C a C  (5.27)
246

mit a D sin.ˇ=2/O im großen Klammer-Aus-


druck, der als Korrekturfaktor anzusehen ist.
Tab. 5.2 enthält Korrekturfaktoren für zuneh-
mende Winkelausschläge ˇ. So beträgt die Ab-
weichung für ˇO D 10ı beispielsweise 1;9 %.
Dies bedeutet, dass für kleine Ausschläge ˇO die
Schwingungsdauer recht genau mit (5.26) be-
rechnet werden kann.
Wie (5.26) zeigt, hängt die Schwingungsdau-
er T0 nicht von der Masse des angehängten
Körpers ab. Mit diesem Pendel gelang es L. F OU -
CAULT (1819 bis 1868), die Erdbeschleunigung
Abb. 5.8 Mathematisches Pendel experimentell sehr genau zu bestimmen.
386 5 Schwingungen und Wellen

Torsionsschwinger er experimentell zu ermitteln. Es gilt


Wird ein Körper an einem Torsionsfaden ge-
mäß Abb. 5.9 aufgehängt und vollführt er um T02
JA D kt : (5.32)
die Aufhängungsachse AA Drehschwingungen, 4 2
so handelt es sich um einen Torsionsschwinger.
Es gilt dabei das Newton’sche Gesetz der Rotati- Falls die Aufhängeachse nicht durch den Schwer-
on: Ma D J ˛. punkt geht, muss der Steiner’sche Satz (Ab-
Das äußere Moment Ma ist ein Rückstellmo- schn. 2.9.5) berücksichtigt werden, wie in
ment, das proportional und entgegengesetzt zum Abb. 5.10 verdeutlicht.
Drehwinkel ˇ wirkt: Ma D kt ˇ.
Die Proportionalitätskonstante kt wird als Beispiel 5.1-2
Drehfedersteifigkeit bezeichnet. Das Massenträg- Zur Bestimmung des Massenträgheitsmomen-
heitsmoment J ist längs der Achse AA wirk- tes werden geometrisch unregelmäßig geform-
sam (JA ). Mit ˛ D d2 ˇ=dt 2 D ˇR ergibt sich te Körper als Torsionsschwinger aufgehängt.
Die Kalibrierung der Aufhängung geschieht
R
kt ˇ D JA ˇ: mit einem Körper, dessen Trägheitsmoment
bekannt ist. Es ist ein Stahlzylinder mit dem
Umgeformt ergibt sich die Differenzialgleichung Durchmesser d D 80 mm und der Länge l D
150 mm, der für 10 Schwingungen eine Zeit
kt von 67;8 s braucht. Der zu messende Körper
ˇR C ˇD0 (5.28)
JA benötigt für 10 Schwingungen 107;5 s. Wie
groß ist das Massenträgheitsmoment dieses
mit der Lösung
Körpers? (Aufhängung immer in der Schwe-
ˇ.t/ D ˇO cos.!0 t C '0 /; (5.29) reachse.)
s
kt Lösung
!0 D ; (5.30)
JA Für den Eichkörper gilt nach (5.31)
s
2  JA s
T0 D D 2  : (5.31) J0 4 2 J0
!0 kt T0 D 2  ; kt D I
kt T02
Der Torsionsschwinger erlaubt, Massenträgheits-
momente aus der Messung der Schwingungsdau- für den Messkörper gilt analog

4 2 J 0
kt D 0 :
T0 2

Abb. 5.10 Steiner’scher Satz zur Berechnung von Träg-


Abb. 5.9 Torsionsschwinger heitsmomenten
5.1 Schwingungen 387

Durch Gleichsetzen ergibt sich für das Mas-


senträgheitsmoment des Messkörpers
0
T0 2
J0 D J0 : (5.33)
T02

Das Massenträgheitsmoment des Eichkörpers


ist
Abb. 5.11 Physisches Pendel
m
J0 D r 2 D 4;74  103 kg m2 :
2
Mit Hilfe eines physischen Pendels können –
Damit ergibt sich gemäß (5.33) mit den ge- wie mit einem Torsionspendel – Massenträg-
messenen Schwingungsdauern T0 D 6;78 s heitsmomente gemessen werden. Auch hierbei
und T00 D 10;75 s muss zur Berechnung von JS der Steiner’sche
Satz (Abb. 5.10) berücksichtigt werden. Es gilt
J 0 D 11;9  103 kg m2 : nach (5.37)
T2
Physisches Pendel JA D 0 2 mgr: (5.38)

Ein physisches Pendel ist ein starrer Körper, der Häufig wird in der Technik die Schwingungsdau-
entsprechend Abb. 5.11 um den Aufhängepunkt er eines physischen Pendels auf die entsprechen-
A schwingen kann. Es gilt das Newton’sche Be- de Länge eines mathematischen Pendels gleicher
wegungsgesetz für die Rotation: Ma D JA ˛ D Schwingungsdauer zurückgeführt. Diese Pendel-
R hierbei ist das äußere Drehmoment Ma das
JA ˇ; länge wird reduzierte Pendellänge lred genannt
rücktreibende Moment aufgrund der Gewichts- und ist für spezielle Körper in Handbüchern der
kraft FG . Somit gilt Ma D FG d und da der Technik tabelliert.
Hebelarm d D r sin ˇ ist, lässt sich schreiben Da die Schwingungsdauer beider Pendel
gleich groß sein soll, gilt
F G r sin ˇ D JA ˇ:R
phys
T0 D T0math ;
Um zur allgemeinen Struktur der Differenzial- s s
gleichung (5.16) zu gelangen, muss sin ˇ durch JA lred
2  D 2  :
den Winkel ˇ ersetzt werden (siehe Näherungs- mgr g
formel für mathematisches Pendel). Dann gilt
Daraus ergibt sich
FG rˇ D JA ˇR oder
mgr JA
ˇR C ˇ D 0: (5.34) lred D : (5.39)
JA mr

Die Lösung lautet Beispiel 5.1-3


Ein Rad gemäß Abb. 5.12 mit der Masse m D
ˇ.t/ D ˇO cos.!0 t C '0 /; (5.35) 1 kg und den Abmessungen di D 96 mm und
da D 125 mm pendelt an einer Schneide A.
r
mgr
!0 D ; (5.36) Die Periodendauer beträgt T0 D 0;65 s. Er-
JA
s mittelt werden sollen das Massenträgheitsmo-
2  JA ment um den Schwerpunkt und die reduzierte
T0 D D 2  : (5.37)
!0 mgr Pendellänge.
388 5 Schwingungen und Wellen

Gesetz gilt

Fa D ma;
mFl g D mges y:
R

Die Masse der überstehenden Flüssigkeitsmenge


kann errechnet werden aus

mFl D VFl % D A2y%:

Daraus ergibt sich


Abb. 5.12 Zu Beispiel 5.1-3 2A%gy D mges y:
R

Die Differenzialgleichung des Flüssigkeitspen-


dels lautet dann
2A%g
yR C y D 0: (5.40)
mges

Allgemein gilt

Abb. 5.13 Flüssigkeitspendel im U-Rohr y.t/ D yO cos.!0 t C '0 /; (5.41)


s
2A%g
!0 D ; (5.42)
mges
Lösung r
Nach dem Steiner’schen Satz ist JS D JA  2  mges
T0 D D 2  : (5.43)
mri2 ; hierbei errechnet sich JA aus (5.38) mit !0 2A%g
r D ri . Somit ist
Für die gesamte Masse gilt mges D Al%, sodass

T02
 sich die Differenzialgleichung (5.40) zu
JS D mri g  ri D 2;74  103 kg m2 :
4 2 2g
yR C yD0 (5.44)
Für die reduzierte Pendellänge gilt nach (5.39) l
und (5.38) vereinfacht. Die Lösung ist

T02 y.t/ D yO cos.!0 t C '0 /; (5.41)


lred D g D 0;105 m: r
4 2 2g
!0 D ; (5.45)
Flüssigkeitspendel im U-Rohr l
s
Wird in ein U-Rohr mit konstantem Querschnitt 2  l
A eine Flüssigkeit der Dichte % eingefüllt, so T0 D D 2  : (5.46)
!0 2g
stellt sich im Gleichgewicht eine U-förmige Flüs-
sigkeitssäule der Länge l ein. Wird der Gleich- Aus (5.46) geht hervor, dass die Schwingungs-
gewichtshorizont – die gestrichelte Linie in dauer des Flüssigkeitspendels nicht von der Dich-
Abb. 5.13 – um y verschoben, dann ist eine Dif- te % der Flüssigkeit oder dem Querschnitt des
ferenz der Flüssigkeitsniveaus von 2y vorhanden. U-Rohrs abhängt. Ferner entspricht die Schwin-
Das Gewicht der überstehenden Flüssigkeitsmas- gungsdauer des Flüssigkeitspendels der des ma-
se mFl (gekennzeichneter Bereich) bewirkt eine thematischen Pendels mit der halben Länge der
rücktreibende Kraft. Nach dem Newton’schen Flüssigkeitssäule.
5.1 Schwingungen 389

Abb. 5.15 Zu Beispiel 5.1-4

Lösung
Nach (5.43) ist T0 D 0;974 s, f0 D 1=T0 D
1;027 Hz !0 D 2 f0 D 6;45 s1 .
Bei einer Schenkelneigung von D
50ı wirkt die rücktreibende Kraft Frück D
mFl g sin D 2A%g sin y. Diese Kraft
beschleunigt die Gesamtmasse mges D A%l.
2g sin
Die Differenzialgleichung yR C yD0
r l
2g sin
führt zu !0 D D 5;65 s1 , f0 D
l
0;90 Hz, T0 D 1;11 s.

5.1.2.4 Gesamtenergie der freien,


ungedämpften Schwingung
Für das Feder-Masse-System soll die Gesamt-
energie berechnet werden. Es gilt
Abb. 5.14 Mechanische Schwingungssysteme mit ihren
Differenzialgleichungen und Eigenkreisfrequenzen !0 Eges .t/ D Epot .t/ C Ekin .t/: (5.47)

Die potenzielle Energie errechnet sich gemäß


In Abb. 5.14 sind die Differenzialgleichungen
1
und deren Lösungen für die hier beschriebenen Epot .t/ D ky.t/2
2
mechanischen Pendel zusammengestellt.
mit
Beispiel 5.1-4 y.t/ D yO cos.!0 t C '0 /;
In einem U-Rohr mit einem lichten Durch- dann ist
messer von di D 1 cm schwingt eine Queck-
silbersäule nach einer einmaligen Auslenkung 1
Epot .t/ D k yO 2 cos2 .!0 t C '0 /: (5.48)
um 3 cm. Die Masse des Quecksilbers beträgt 2
0,5 kg. Berechnet werden sollen T0 , !0 und f0 .
Für die kinetische Energie gilt
Wie ändern sich diese Größen, wenn das U-
Rohr, wie in Abb. 5.15 dargestellt, um 50ı zur 1
Waagrechten geneigt ist? Ekin .t/ D mv.t/2
2
390 5 Schwingungen und Wellen

Abb. 5.16 Energieerhaltung bei Schwingungsvorgängen

mit
O 0 sin.!0 t C '0 /;
v.t/ D y!
dann ist

1
Ekin .t/ D myO 2 !02 sin2 .!0 t C '0 /: (5.49)
2

Nach (5.10) ist m!02 D k, sodass für die kineti-


Abb. 5.17 Ungedämpfter elektromagnetischer Schwing-
sche Energie auch geschrieben werden kann kreis

1 2 2
Ekin .t/ D k yO sin .!0 t C '0 /: (5.50)
2 Ekin .t/ und der Gesamtenergie Eges .t/ einge-
Werden (5.48) und (5.49) in die Gleichung zeichnet. Es wird deutlich, dass die Summe von
für den Energieerhaltungssatz (5.47) eingesetzt, potenzieller und kinetischer Energie zu jedem
dann ergibt sich Zeitpunkt t gleich dem Wert der gesamten Ener-
gie Eges .t/ ist. Außerdem erkennt man, dass
1 2 sich die potenzielle und kinetische Energie mit
Eges .t/ D k yO Œcos2 .!0 t C '0 / der doppelten Systemfrequenz periodisch hin-
2
C sin2 .!0 t C '0 /: (5.51) und herbewegen. Dieser periodische Energieaus-
tausch ist – wie bereits in der Einführung zu
Mit cos2 .!0 t/ C sin2 .!0 t/ D 1, vO D !0 yO und diesem Hauptabschnitt erwähnt – die Grundei-
k D m!02 gelten die Beziehungen genschaft von Schwingungen.

1 2 1 5.1.2.5 Elektromagnetische Schwingung


Eges .t/ D k yO D m!02 yO 2 Ein elektromagnetischer Schwingkreis besteht
2 2
1 2 aus einem Kondensator der Kapazität C und einer
D mvO D konstant: (5.52) Spule der Induktivität L gemäß Abb. 5.17. Für
2
den Stromkreis gilt, dass die Summe aller Span-
Somit ist bestätigt, dass die gesamte Schwin- nungen gleich null ist:
gungsenergie der freien, ungedämpften Schwin-
gung zu jeder Zeit konstant ist. Die Gesamtener- uL C uC D 0: (5.53)
gie ist proportional zum Quadrat der Schwin-
gungsamplitude yO 2 bzw. der Maximalgeschwin- Abb. 5.18 zeigt die Differenzialgleichungen und
digkeit vO 2 . deren Lösungen für die Schwingung der La-
In Abb. 5.16 ist der zeitliche Verlauf der poten- dung q, der Stromstärke i und der Spannung am
ziellen Energie Epot .t/, der kinetischen Energie Kondensator uC . Alle Schwingungen haben die-
5.1 Schwingungen 391

Abb. 5.18 Differenzialgleichungen und ihre Lösungen im ungedämpften elektromagnetischen Schwingkreis

selbe Kreisfrequenz !0 bzw. Periodendauer T0 : die Amplitude beträgt


1 1
!0 D p ; (5.54) iO D q!
O 0 D qO p D 20 mAI
LC LC
p
T0 D 2  LC : (5.55)
der Phasenwinkel ist '0i D   2 .
(s. Thomson-Gl. (4.251)). c) Für die Frequenz gilt

Beispiel 5.1-5 !0 1
f0 D D p D 1;59  103 s1 :
Die Kapazität des Schwingkreises (Abb. 5.17) 2  2  LC
wird in Schalterstellung 0-2 durch eine an-
gelegte Gleichspannung U0 aufgeladen und Abb. 5.19 zeigt die Analogie mechanischer
durch Umschalten auf Stellung 1-2 wird die (am Beispiel des Feder-Masse-Systems) und
Schwingung erregt. Es ist U0 D 2 V, L D elektromagnetischer Schwingungen (am Beispiel
10 mH und C D 1 F. Zu berechnen sind des Schwingkreises Kondensator–Spule). Wäh-
rend beim mechanischen System die Auslen-
a) Amplitude qO und Nullphasenwinkel '0q kung periodisch schwingt und ein periodischer
der Ladung, Austausch zwischen potenzieller und kinetischer
b) Amplitude iO und Nullphasenwinkel '0i der Energie stattfindet, schwingt im elektromagne-
Stromstärke sowie tischen System die Ladung zwischen Kapazität
c) die Eigenfrequenz f0 . und Spule hin und her und es findet ein pe-
riodischer Austausch zwischen elektrischer und
Lösung magnetischer Energie statt. Der Masse im me-
chanischen System entspricht die Spule im elek-
a) Es gilt qO D C uO C mit uO C D U0 . Also ist
tromagnetischen Schwingkreis, die sich als trä-
qO D 2  106 C; für den Nullphasenwinkel
ges Element der Stromänderung widersetzt. Die
gilt '0q D '0u D 0.
rücktreibende Kraft ist im mechanischen System
b) Es ist
proportional zur Federkonstanten k und im elek-
dq tromagnetischen Schwingkreis umso größer, je
iD D q!O 0 sin.!0 t/ kleiner die Kapazität ist.
dt
  Im Ausgangszustand (Abb. 5.19, ' D 0) ist im

O 0 cos !0 t 
D q! I
2 mechanischen System die Auslenkung maximal
392 5 Schwingungen und Wellen

Abb. 5.19 Analogie mechanischer und elektromagnetischer Schwingungen


5.1 Schwingungen 393

Tab. 5.3 Unterschiedliche Reibungskräfte und die entsprechenden Differenzialgleichungen bei gedämpften Schwin-
gungen
Reibungskraft geschwindigkeitsunabhängige geschwindigkeitsabhängige geschwindigkeitsabhängige
Reibungskraft viskose Reibungskraft Luftreibungskraft
FR D FN FR D dv FR D bv 2
Differenzialgleichung myR ˙ FN C ky D 0 myR C d yP C ky D 0 myR ˙ b yP 2 C ky D 0
des Feder-Masse- Substitution:
Systems FN
y0 D
k
d k b 2 k
s D y ˙ y0 yR C yP C y D 0 yR ˙ yP C y D 0
m m m m
sR D yR
k
sR C sD0
m

und deshalb die potenzielle Energie maximal und  die geschwindigkeitsabhängige Reibungs-
die kinetische Energie null. Im elektromagneti- kraft, die proportional zur Geschwindigkeit
schen Schwingkreis ist die Kondensatorspannung ist (Newton’sches Reibungsgesetz der visko-
und somit die elektrische Energie maximal; dage- sen Reibung),
gen fließt kein Strom durch die Spule, sodass die FR D dv; (5.57)
magnetische Energie null ist. Nach einem Win-
kel von  =2 durchläuft die Masse mit maximaler  die geschwindigkeitsabhängige Reibungs-
Geschwindigkeit die Nulllage. Die potenzielle kraft, die proportional zum Quadrat der
Energie ist null und die kinetische Energie ma- Geschwindigkeit ist (z. B. Luftreibung),
ximal. Entsprechend ist im elektromagnetischen FR D bv 2 : (5.58)
Schwingkreis die Spannung am Kondensator und
damit die elektrische Energie gleich null, wäh- Auch die Differenzialgleichungen des Feder-
rend der Spulenstrom und die magnetische Ener- Masse-Systems sind für diese drei Fälle in
gie maximal sind. Im mechanischen bzw. elektro- Tab. 5.3 zusammengestellt. Die Lösungen wer-
magnetischen Schwingungssystem wiederholen den (bis auf die vom Quadrat der Geschwin-
sich diese Zustände periodisch. digkeit abhängige Reibungskraft) im Folgenden
näher erläutert.
5.1.2.6 Freie gedämpfte Schwingung
Wird eine freie Schwingung durch Wirken Geschwindigkeitsunabhängige Reibungskraft
von Reibungskräften gedämpft, so kommt die Je nachdem, ob sich der Körper nach oben (v
Schwingung im Laufe der Zeit zur Ruhe. Energe- in Richtung y) oder nach unten (v in Richtung
tisch betrachtet wird ein Teil der Schwingungs- y) bewegt, wirkt die Reibungskraft in negativer
energie in thermische Energie verwandelt, und oder positiver y-Richtung. Deshalb müssen die-
zwar so lange, bis keine Schwingungsenergie se Bewegungsabläufe getrennt betrachtet werden.
mehr vorhanden ist. Tab. 5.3 zeigt übersichtlich Abb. 5.20 zeigt eine Übersicht.
drei unterschiedliche Reibungskräfte bei freien, Für die Aufwärtsbewegung gilt die Bewe-
gedämpften Schwingungen: gungsgleichung

myR C FN C ky D 0: (5.59)


 die geschwindigkeitsunabhängige Gleit- oder
Rollreibungskraft Die Konstante FN kann gleich ky0 gesetzt
und als konstante Vorspannung aufgefasst wer-
FR D FN ; (5.56) den. Wird weiter y C y0 D s gesetzt, dann
394 5 Schwingungen und Wellen

(1) (4)

(2) (2)

(3) (5)

Abb. 5.20 Bewegungsabläufe beim Wirken einer geschwindigkeitsunabhängigen Reibungskraft

ergibt sich für s die Differenzialgleichung der Durch Ersetzen von s durch y C y0 gilt für den
ungedämpften harmonischen Schwingung (Ab- zeitlichen Verlauf der Auslenkung y
schn. 5.1.2.2, (5.16))
y D .yO C y0 / cos.!0 t C '0 /  y0 : (5.63)
k
sR C s D 0 (5.60)
m Beginnt die Bewegung beim negativen Maximal-
wert A ('0 D 0 am Punkt A) nach oben, so
mit der Lösung
findet eine völlig ungedämpfte Cosinus-Schwin-
gung statt, allerdings um die um y0 verschobene
s D sO0 cos.!0 t C '0 /; (5.61)
r t-Achse. Nach der halben Periodendauer T0 =2
k ist die Schwingung am höchsten Punkt B ange-
!0 D : (5.62)
m langt. Dort beginnt die Abwärtsbewegung, bei
5.1 Schwingungen 395

der die Reibungskraft das Vorzeichen umkehrt Das Verhältnis von Abklingkoeffizient ı und
(Abb. 5.20), sodass eine ungedämpfte Schwin- Kreisfrequenz !0 ergibt den dimensionslosen
gung um die um Cy0 verschobene t-Achse statt- Dämpfungsgrad # der gedämpften Schwingung:
findet. Da die Kurve stetig verlaufen muss (unte-
ı
res Teilbild in Abb. 5.20), ist nach jeder halben #D : (5.66)
Periodendauer die Amplitude um 2y0 kleiner, !0
d. h. nach einer ganzen Periodendauer T um Der doppelte Wert wird Verlustfaktor d  genannt.
4FN Sein Kehrwert ist die Güte Q:
4y0 D .
k
Die Amplituden werden aus diesem Grund im- d d
mer um denselben Betrag kleiner, sodass ihre d  D 2# D Dp ; (5.67)
m!0 mk
Zahlenwerte einer arithmetischen Reihe entspre- p
1 m!0 mk
chen. Dieser Reibungsvorgang hat zur Folge, dass QD D D : (5.68)
das System nicht genau bei y D 0 zur Ru- 2# d d
he kommt, sondern außerhalb (in diesem Fall Mit dem charakteristischen Parameter # lautet
bei y0 ). Dies kann bei Messsystemen zu Null- die Differenzialgleichung eines freien, gedämpf-
punktsabweichungen führen, die bei der Aus- ten Systems
wertung von Messdaten berücksichtigt werden
müssen. yR C 2#!0 yP C !02 y D 0: (5.69)

Abb. 5.21 zeigt die drei möglichen Lösungsfälle


Geschwindigkeitsproportionale (viskose)
dieser Differenzialgleichung.
Reibung
Die Reibungskraft ist in diesem Fall proportional
a) Schwingfall für !0 > ı.# < 1/
zur Geschwindigkeit (Newton’sches Reibungsge-
Die Lösung lautet
setz):
FR D dv: (5.57) y.t/ D yO0 eıt cos.!d t C '0 /: (5.70)
Die Proportionalitätskonstante d heißt Dämp- Die Kreisfrequenz der gedämpften Schwingung
fungskoeffizient. Die zugehörige Differenzialglei- ! beträgt
d
chung (Tab. 5.3) lautet r
k d2
!d D  (5.71)
d k m 4m2
yR C yP C y D 0: (5.64) q
m m D !02  ı 2 (5.72)
p p
Der Faktor k=m ist die Kreisfrequenz der un- D !0 1  # 2 : (5.73)
gedämpften Schwingung:
Dies bedeutet, dass die Kreisfrequenz des ge-
r dämpften Schwingers !d kleiner als die Kreis-
k
!0 D : (5.10) frequenz des ungedämpften Schwingers !0 ist.
m (Entsprechend größer ist die Periodendauer der
Der Faktor d=.2m/ wird als Abklingkoeffizient ı gedämpften Schwingung Td im Vergleich zur un-
(in s1 ) definiert: gedämpften Schwingung T0 .)
Wie aus (5.70) weiter hervorgeht, nehmen die
d Amplituden entsprechend der Exponentialfunkti-
ıD : (5.65)
2m on eıt ab. Dies heißt, dass aufeinander folgende
Amplitudenverhältnisse konstant sind. Für den
Wie (5.70) verdeutlicht, beschreibt er die zeitlichen Verlauf der mittleren Schwingungs-
exponentielle Amplitudenabnahme der frei- energie E gilt deshalb
Sch
en, gedämpften harmonischen Schwingung
nach (5.64). ESch .t/ D ESch .0/e2ıt : (5.74)
396 5 Schwingungen und Wellen

Abb. 5.21 Lösungen der drei Fälle bei gedämpften Systemen

Der Abklingkoeffizient ı kann sowohl analytisch Daraus errechnet sich der Abklingkoeffizient
als auch grafisch ermittelt werden. Nach (5.70)  
gilt für die Amplituden zweier aufeinander fol- yOi
ln
gender Schwingungen yOi C1 
ıD D : (5.78)
Td Td
ıTd
yOi C1 D yOi e oder
yOi Bei der grafischen Bestimmung von ı geht man
D eıTd D c; (5.75) ebenfalls von (5.70) aus:
yOi C1

d. h., das Amplitudenverhältnis zweier aufein- O D yO0 eıt :


y.t/
ander folgender Schwingungen ist konstant. Es
wird Dämpfungsverhältnis c genannt. Für die n- Diese Gleichung wird durch Logarithmieren auf
te Amplitude gilt entsprechend eine Geradengleichung zurückgeführt:

yOi ln.y.t/=
O yO0 / D ıt;
D cn : (5.76)
yOi Cn y D mx C b: (5.79)

Zur Bestimmung des Abklingkoeffizienten ı wird Daraus ist ersichtlich, dass der Abklingkoeffizi-
(5.75) logarithmiert. Der Logarithmus zweier ent ı der Steigung m der Geraden entspricht.
aufeinander folgenden Amplituden wird loga- In einer Grafik wird zweckmäßigerweise auf
rithmisches Dekrement  genannt: halblogarithmischem Papier der Logarithmus der
  Amplituden yOi aufeinander folgender Schwin-
yOi
 D ln D ln.c/ D ıTd : (5.77) gungen als Funktion der Zeit aufgetragen und aus
yOi C1 der Steigung der Abklingkoeffizient ı bestimmt.
5.1 Schwingungen 397

Beispiel 5.1-6 werden die beiden Integrationskonstanten y1 und


Die Amplitude eines gedämpften Feder- y 2 bestimmt.
Masse-Systems beträgt zu Beginn der Schwin-
gung yO0 D 10 cm. Sie ist nach 20 Schwin- c) Aperiodischer Grenzfall für !0 D ı .# D 1/
gungen noch halb so groß. Wie groß ist bei Die Lösung lautet für diesen Fall
einer Schwingungsdauer Td D 2 s das Dämp- y.t/ D .y1 C c2 t/eıt : (5.80)
fungsverhältnis k, das logarithmische Dekre-
ment , der Abklingkoeffizient ı und die Fre- Die beiden Integrationskonstanten y1 und c2 wer-
quenz des ungedämpften Systems? Wie lautet den wieder durch die Anfangsbedingungen er-
die Bewegungsgleichung y.t/ des gedämpften mittelt. Beim aperiodischen Grenzfall tritt ge-
Systems? rade eben keine Schwingung mehr auf. Er
spielt für viele Messgeräte eine wichtige Rolle,
wenn Schwingungen vermieden und trotzdem die
Lösung p Messwerte möglichst schnell eingestellt werden
Nach (5.76) gilt 2 D c 20 oder c D 20
2 D
müssen.
1;0353. Das heißt, jede nachfolgende Ampli-
Abb. 5.22 zeigt den Einfluss des Dämpfungs-
tude ist um 3,4 % kleiner als die vorausgegan-
grades # auf den Schwingungsverlauf.
gene. Für das logarithmische Dekrement gilt
nach (5.77)
5.1.2.7 Gedämpfte elektromagnetische
Schwingung
 D ln.c/ D 0;03466:
Ein gedämpfter elektromagnetischer Schwing-
kreis besteht entsprechend Abb. 5.23 aus ei-
Nach (5.78) errechnet sich der Abklingkoeffi-
ner Spule L, einem Kondensator C und ei-
zient ı zu
nem Ohm’schen Widerstand R (s. auch Ab-
 schn. 4.5.2.2).
ıD D 1;733  102 s1 : Aus der Forderung, dass die Summe aller
T
Spannungen in einer Masche eines Stromkreises
Nach (3) (Abb. 5.21) errechnet sich !0 zu gleich null sein muss .uL C uC C uR D 0/,
q kann die Differenzialgleichung für den gedämpf-
!0 D !d2 C ı 2 D 3;14160 s1 : ten elektromagnetischen Schwingkreis hergelei-
tet werden. Im Folgenden wird die Differenzial-
Die Kreisfrequenz des ungedämpften Systems gleichung aber über den Energiesatz aufgestellt.
!0 ist im Vergleich zur Kreisfrequenz des ge- Da bei einer freien, gedämpften harmonischen
dämpften Systems !d nur geringfügig größer Schwingung die Energieverlustrate pro Zeitein-
(1/10 Promille). Dies ist in der Praxis häufig heit konstant ist, gilt
der Fall. dEges
Da y.0/ D yO0 ist, ist der Nullphasenwin-  D i 2 R: (5.81)
dt
kel '0  0. Aus den zuvor errechneten Werten
Die Verlustleistung i 2 R kann auch noch Verluste,
ergibt sich gemäß (5.70) folgende Bewegungs-
wie z. B. Wirbelstromverluste oder Ummagneti-
gleichung:
sierungsverluste, enthalten. Mit dem Energiein-
2 1 halt für Spule und Kapazität entsteht aus (5.81)
y.t/ D 10 cm  e1;7310 s t cos. s1 t/:  
d 1 2 1 q2
 Li C D i 2 R;
b) Kriechfall für !0 < ı .# > 1/ dt 2 2C
Die Lösung ist in Abb. 5.21 durch (5) angegeben. di q dq ˇˇ d
Li  i D i 2 R mit i D ;ˇ ;
In diesem Fall tritt keine Schwingung mehr auf; dt C dt dt
die Amplitude nimmt ganz langsam ab. Durch die d2 i i di
Angabe der Anfangsbedingungen y.0/ und y.0/ P L  D R:
dt 2 C dt
398 5 Schwingungen und Wellen

> ( )= e cos( d + ) = / cos



= arctan
√1 −
Schwingfall

= ( )=( + )e = (1 + )e = ; =
aperiodischer
Grenzfall

< ( )= e √
+ e √
= 1+
2 √ −1
= 1−
2
Kriechfall

√ −1

Abb. 5.22 Schwingfall, aperiodischer Grenzfall und Kriechfall eines gedämpften Systems mit den Anfangsbedingun-
gen y.0/ D y0 D 1 und y.0/
P D0
5.1 Schwingungen 399

Berechnet werden sollen

a) die Eigenkreisfrequenz !0 , die Schwingungs-


dauer T0 , der Nullphasenwinkel '0 und die
Amplitude y,O
b) die momentane Auslenkung y.t/, die momen-
Abb. 5.23 Gedämpfter elektromagnetischer Schwing- tane Geschwindigkeit v.t/ und die momenta-
kreis ne Beschleunigung a.t/ für die Zeit t D 1;2 s,
c) die maximale Geschwindigkeit vmax und die
Tab. 5.4 Charakteristische Kenngrößen mechanischer maximale Beschleunigung amax sowie
und elektromagnetischer Schwingkreise mit Dämpfung
d) die potenzielle und die kinetische Energie ei-
mechanisch elektromagnetisch nes schwingenden Körpers der Masse m D
Masse m Induktivität der Spule L
0;1 kg bei der Auslenkung y.t/ D 0;10 m.
Dämpfungskonstante d Widerstand R
1
Federkonstante k Kehrwert der Kapazität Ü 5-2 Ein Reagenzglas mit dem Durchmesser
C
d D 1;2 cm, in dem sich Blei befindet, schwimmt
Kreisfrequenz !0
r
k
r
1 aufrecht im Wasser. Die Gesamtmasse (Reagenz-
!0 D
m
!0 D
LC glas C Blei) beträgt m D 30 g. Wird das Glas
Abklingkoeffizient ı kurzzeitig ins Wasser gedrückt, dann führt es
d R Schwingungen aus.
ıD ıD (1)
2m 2L
Dämpfungsgrad # a) Es soll nachgewiesen werden, dass bei Ver-
r r
ı d 1 ı R C nachlässigung der Flüssigkeitsreibung eine
#D D #D D (2)
!0 2 mk !0 2 L harmonische Schwingung in vertikaler Rich-
Güte Q p r tung vorliegt;
1 mk 1 1 L
QD D QD D (3)
2# d 2# R C ferner sollen berechnet werden

b) die „Federkonstante“ k, die Schwingungs-


Daraus ergibt sich dauer T0 und die Eigenkreisfrequenz !0 des
Systems,
d2 i R di 1 c) die Abhängigkeit der Eigenkreisfrequenz !0
C C i D 0: (5.82)
dt 2 L dt LC vom Durchmesser d des Reagenzglases so-
Diese Differenzialgleichung hat dieselbe Struktur wie
wie die eines freien, gedämpften mechanischen d) die potenzielle und kinetische Energie zur
Systems (5.64). In Tab. 5.4 sind die mechani- Zeit t D 1;2 s bei einer Amplitude von yO D
schen und elektrischen Größen von gedämpften 1 cm und Nullphasen-Winkel '0 D 0.
schwingungsfähigen Systemen sowie die Glei-
chungen für die Kreisfrequenz !0 , den Abkling- Ü 5-3 Ein Schwingkreis mit einer Spule (L D
koeffizienten ı, den Dämpfungsgrad # und die 10 mH) hat einen Drehkondensator mit veränder-
Güte Q gegenübergestellt. licher Kapazität C . Bei einer Änderung des Dreh-
winkels um D 180ı wird ein Frequenzbereich
5.1.2.8 Zur Übung von 1 kHz bis 3 kHz überstrichen. Berechnet wer-
den soll die Abhängigkeit der Eigenkreisfrequenz
Ü 5-1 Ein Körper führt eine ungedämpfte, har- !0 von dem Drehwinkel des Drehkondensators
monische Schwingung mit folgender Weg-Zeit- bei linearer Abhängigkeit der Kapazität C vom
Gleichung aus: y.t/ D 0;25 m cos.4  s1 t C  5 /. Drehwinkel .
400 5 Schwingungen und Wellen

Ü 5-4 Bei einer gedämpften Schwingung beträgt


die Amplitude der ersten Schwingung 20 cm.
Nach 15 Schwingungen nimmt sie um die Hälfte
ab. Berechnet werden sollen

a) das Dämpfungsverhältnis c bzw. das logarith-


mische Dekrement ,
b) der Abklingkoeffizient ı bzw. die Kreisfre- Abb. 5.24 Erzwungene Schwingung des Feder-Masse-
Systems
quenz der gedämpften Schwingung !d bei
einer Schwingungsdauer von Td D 3;5 s so-
wie
Schwingung:
c) die Schwingungsgleichung y.t/ des gedämpf-
ten Systems (Nullphasenwinkel '0 D 0).
d2 y dy FOE
C 2#!0 C !02 y D cos.˝t/: (5.85)
dt 2 dt m
5.1.3 Erzwungene Schwingung
5.1.3.2 Lösung der Differenzialgleichung
5.1.3.1 Differenzialgleichung der der erzwungenen gedämpften
erzwungenen Schwingung Schwingung
Wird einem mechanischen (oder elektrischen) Die Differenzialgleichung der erzwungenen
schwingungsfähigen System (Resonator) von ei- Schwingung (5.85) ist im Gegensatz zu der
nem äußeren Erreger eine periodische Kraft Differenzialgleichung für die freie Schwingung
(oder Spannung) aufgezwungen, dann ergibt sich inhomogen. Die allgemeine Lösung einer linea-
eine erzwungene Schwingung. Nach einer ausrei- ren, inhomogenen Differenzialgleichung ist
chend langen Zeit (Einschwingdauer) wird das
schwingungsfähige System mit der vom Erreger yinh D yhom C ypart ; (5.86)
erzwungenen Kreisfrequenz ˝ schwingen.
Für die folgenden Überlegungen wird das d. h. die Summe aus der allgemeinen Lö-
in Abb. 5.24 dargestellte mechanische System sung der homogenen Differenzialgleichung yhom
betrachtet. Hierbei gilt das Newton’sche Bewe- und irgend einer, die inhomogene Differenzi-
gungsgesetz: algleichung befriedigenden partikulären Lösung
ypart , wie aus Abb. 5.25 hervorgeht. Die Lö-
FFed C FR C FE D ma: (5.83) sung der homogenen Differenzialgleichung ist
bereits bestimmt: Es ist die Bewegungsglei-
Für die periodisch erregende Kraft FE gelte chung des Schwingfalles (5.70) der freien, ge-
dämpften Schwingung (oberer Kurvenverlauf in
FE D FOE cos.˝t/: (5.84) Abb. 5.25). Infolge der Dämpfung nimmt der
Beitrag der homogenen Lösung mit der Zeit ab.
Hierbei ist FOE der Maximalwert der erregenden Für Zeiten t  1=ı bestimmt allein der Bei-
dy
Kraft. Mit FFed D ky und FR D d gilt trag der partikulären Lösung (in diesem Fall die
dt
Schwingung mit der erregenden Kreisfrequenz
dy d2 y ˝) das Schwingungsverhalten. Da das System
ky  d C FOE cos.˝t/ D m 2 : nach einer Einschwingzeit der Erregerschwin-
dt dt
gung (5.84) folgt, ist als Ansatz für die partiku-
Durch geeignete Umstellung und unter Be- läre Lösung
rücksichtigung des Dämpfungsgrades # ergibt
sich die Differenzialgleichung der erzwungenen O j.˝t  /
ypart .t/ D ye (5.87)
5.1 Schwingungen 401

Abb. 5.26 Erreger- und Resonatorschwingung in der


komplexen Ebene

Eingesetzt in die Differenzialgleichung (5.85) er-


gibt mit FE D FOE ej˝t

O 2 ej.˝t  / C 2#!0 jy˝e


y˝ O j.˝t  /
FOE j˝t
O j.˝t  / D
C!02 ye e :
m

Durch Division mit ej.˝t  / resultiert


Abb. 5.25 Einschwingvorgang und stationärer Zustand
bei einer erzwungenen Schwingung FOE j
O 2 C j 2#!0 y˝
y˝ O C !02 yO D e :
m

zu wählen. Der Winkel beschreibt die Pha- Der komplexe Ausdruck auf der linken Glei-
senverschiebung zwischen der Erreger- und der chungsseite wird nach Real- und Imaginärteil
Resonatorschwingung. Abb. 5.26 zeigt diesen getrennt:
Zusammenhang in der komplexen Ebene. Hierbei
ist die erregende Kraft FE ein komplexer Zeiger
  FOE j
yO !02  ˝ 2 Cj 2#!0 ˝ yO D e : (5.90)
FOE ej˝t , der mit der erregenden Kreisfrequenz ˝ „ ƒ‚ … „ ƒ‚ … m
Realteil Imaginärteil
rotiert. Die Auslenkung des Schwingers ye O j.˝t  /
rotiert als Zeiger mit derselben Frequenz, jedoch Nach der Euler’schen Formel gilt für den rechten
um die Phasenverschiebung verzögert. Wie Teil der Gleichung
groß diese Phasenverschiebung ist, hängt von der
Erregerfrequenz ˝, der Eigenfrequenz !0 und FOE j FOE
der Dämpfung ab. e D .cos C j sin /: (5.91)
m m
Als Ableitungen von (5.87) errechnen sich
Somit kann der komplexe Zeiger FOE =m in
dy
O j.˝t  / ;
D jy˝e (5.88) Abb. 5.27 in seinen Realteil
dt
d2 y FOE  
O 2 ej.˝t  / :
D y˝ (5.89) .Real/ D yO !02  ˝ 2 (5.92)
dt 2 m
402 5 Schwingungen und Wellen

Abb. 5.27 Real- und Imaginärteil des komplexen Zeigers


einer erzwungenen Schwingung

Abb. 5.28 Amplitudenresonanzfunktion


und in seinen Imaginärteil

FOE
.Imaginär/ D 2#!0 ˝ yO (5.93) 5.1.3.3 Amplitudenresonanzfunktion
m Für den Betrag des Zeigers in Abb. 5.27 gilt nach
Pythagoras
zerlegt werden. Der Winkel zwischen dem kom-
plexen Zeiger FOE =m und der Realteilachse ist die !2
FOE
Phasenverschiebung . O 2:
D yO 2 .!02  ˝ 2 /2 C .2#!0 ˝ y/
Aus der Lage des komplexen Zeigers lässt sich m
der Amplitudenverlauf in Abhängigkeit von der Daraus ergibt sich für den Amplitudenverlauf
Erregerfrequenz ˝ (Amplitudenresonanzfunkti-
on) und der Verlauf der Phasenverschiebung FOE
zwischen Resonator und Erreger ebenfalls als yO D q : (5.94)
m .!02  ˝ 2 /2 C .2#!0 ˝/2
Funktion der Erregerfrequenz (Phasenresonanz-
funktion) bestimmen. Zweckmäßigerweise wird das Verhältnis der
Die Amplituden- und die Phasenresonanz- Kreisfrequenz der erzwungenen Schwingung ˝
funktion sind in Abhängigkeit des Kreisfre- und der ungedämpften freien Schwingung !0 ein-
quenzverhältnisses  D ˝=!0 in Abb. 5.28 geführt:
bzw. 5.30 dargestellt. Es sind drei wichtige Fäl- ˝
le in den Frequenzverhältnissen zu unterschei- D : (5.95)
!0
den:
Ohne Dämpfung gilt: Wenn ˝ D !0 ist, wird
 D 1 und es tritt der für die erzwungene Schwin-
 die quasistatische Anregung   1,
gung charakteristische Resonanzfall ein. Für
 die Resonanz   1 und
 < 1 ist der Resonanzfall noch nicht erreicht
 die hochfrequente Anregung   1.
(˝ < !0 ) und für  > 1 ist der Resonanzfall
bereits überschritten .˝ > !0 /.
Für jeden dieser Fälle kann es je nach Dämp-
Unter Berücksichtigung des Parameters  und
fungsgrad # (keine Dämpfung, geringe oder
m D k=!02 gilt für die Amplitudenresonanzfunk-
überkritische Dämpfung) Unterschiede im Am-
tion allgemein
plituden- und Phasenverhalten geben. Sie werden
FOE
im Folgenden ausführlicher erläutert. Die Ergeb- yO D p : (5.96)
nisse sind in Tab. 5.5 zusammengefasst. k .1  2 /2 C .2#/2
5.1 Schwingungen 403

Tab. 5.5 Amplituden- und Phasenverlauf einer erzwungenen Schwingung für verschiedene Dämpfungsgrade und un-
terschiedliche Kreisfrequenzverhältnisse
Kreisfrequenzverhältnis  Dämpfungsgrad #
ohne Dämpfung geringe Dämpfung überkritische Dämpfung
p
# D0 # 5 0;1 # = 21 2
FOE FOE FOE
Amplitude yO D yO D yO D
quasistatische Anregung k k k
1 nimmt für 0 <  < 1 mit  zu nimmt für 0 <  < 1 mit  zu mit  > 0 abnehmend
(˝  !0 ) Phasenverschiebung D 0
Resonanz   1 Amplitude Amplitude Amplitude
(˝  !0 ) yO ! 1 yO ! Maximum FOE
yO <
k
 
Phasenverschiebung D
2
hochfrequente Anregung Amplitude yO ! 0 yO ! 0 yO ! 0
1
(˝  !0 )
Phasenverschiebung Phasenverschiebung Phasenverschiebung
D  !   (abhängig von #) ! 

Abb. 5.28 zeigt den Verlauf der Amplitudenre- 3. Resonanzfall (  1) mit Dämpfung #
sonanzfunktion in Abhängigkeit von  für ei- Ist eine Dämpfung vorhanden, so wird der
nige Dämpfungsgrade #. In der Amplitudenre- Nenner in der Formel für die Amplituden-
sonanzfunktion treten folgende Spezialfälle auf resonanzfunktion (5.96) nicht mehr null. Es
(Tab. 5.5). kann das Kreisfrequenzverhältnis Res bzw.
die Resonanzfrequenz !Res ermittelt werden,
1. Sehr langsame, quasistatische Auslenkung für die die Amplitude maximal wird. Dies ist
(  1) der Fall, wenn der Radiand R der Wurzel im
Es wird Nenner von (5.96) ein Minimum wird:

FOE R D .1  2 /2 C .2#/2 ! Minimum:


yO D D y (stat):
k
Wird die erste Ableitung nach  gleich null
Dies ist die statische Auslenkung aufgrund
gesetzt, so ergibt sich
der Federkraft.
2. Resonanzfall ( D 1) ohne Dämpfung (# D 0) p
Res D 1  2# 2 (5.97)
In diesem Fall wird der Nenner null, d. h. die
Amplitude wird unendlich groß (Abb. 5.28): oder die Resonanzkreisfrequenz
yO (Res) ! 1. Der Erreger pumpt bei jeder p
Schwingung phasengerecht Energie in den !Res D !0 1  2# 2 : (5.98)
Resonator, sodass dessen Amplitude ständig
zunimmt. Es kommt zur Resonanzkatastro- Dies bedeutet, dass bei einer Dämpfung das
phe. Sie kann durch bestimmte Maßnahmen Maximum der Amplitudenresonanzfunktion
verhindert werden: bei einer Resonanzfrequenz liegt, die stets
 Vermeidung periodischer Kraftwirkungen, kleiner als die Eigenkreisfrequenz !0 (bzw.
 Einbau von Dämpfungsgliedern oder !d ) ist.
 große Differenzen zwischen der Eigen- Werden die Beziehungen für Res (5.97) bzw.
kreisfrequenz !0 und der erregenden !Res (5.98) in die Amplitudenresonanzfunk-
Kreisfrequenz ˝.  1/. tion (5.96) eingesetzt, so ergibt sich für die
404 5 Schwingungen und Wellen

Größe der Amplitude im Resonanzfall

FOE
yO (Res) D p : (5.99)
k2# 1  # 2
Aus den Gleichungen für die Resonanzfre-
quenz (5.97) bzw. (5.98) und der Resonanz-
amplitude (5.99) geht hervor, dass mit stei-
gendem Dämpfungsgrad # die Resonanzfre-
quenzen immer kleiner werden und die Am-
plituden ebenfalls abnehmen (Abb. 5.28).
Die Amplitudenüberhöhung findet nur bis zu
einer Grenzdämpfung #Gr statt, für die die
Wurzel in (5.97) noch reell ist. Diese Grenze Abb. 5.29 Resonanzüberhöhung und Güte eines
Schwingkreises
liegt bei
1 1 p
#Gr D p D 2: (5.100)
2 2
Wird (5.102) mit (5.103) multipliziert, so ist
Bei Überschreiten dieses Grenzdämpfungs- das Ergebnis 1. Dies bedeutet, dass für gerin-
grades #Gr fallen die Amplituden mit zuneh- ge Dämpfungsgrade (# 5 0;1) gilt
menden Kreisfrequenzverhältnissen  ständig
ab (überkritische Dämpfung). yO (Res)
Höhe  Breite  D 1: (5.104)
Das Verhältnis von Resonanzamplitude yO (stat)
yO (Res) und der statischen Auslenkung
Ein wichtiges Anwendungsgebiet sind die
yO (stat) wird Resonanzüberhöhung genannt:
mechanischen Frequenzfilter in der Nachrich-
yO (Res) 1 tentechnik. Hat ein solches Filter bei einer
D p : (5.101) Resonanzfrequenz von fRes D 50 kHz eine
yO (stat) 2# 1  # 2
Güte von Q D 15:000, so beträgt die Band-
Für einen geringen Dämpfungsgrad # gilt breite
yO (Res) 1
 . Dies beschreibt nach (5.68) fRes 50:000 1
yO (stat) 2# f D D Hz D 3 Hz:
die Güte eines Schwingkreises, sodass nähe- Q 15:000 3
rungsweise gilt
4. Hochfrequente Anregung .  1/
yO (Res) 1 Für hohe Erregerfrequenzen geht unabhän-
 D Q: (5.102)
yO (stat) 2# gig vom Dämpfungsgrad # die Amplitude
der erzwungenen Schwingung gegen null. In
Die Güte eines Schwingkreises nimmt also
der Praxis wird dieser Grenzfall verwendet,
mit steigender Resonanzüberhöhung zu.
um die Übertragung von Eigenschwingungen
Die Halbwertsbreite der Resonanzkurve bei
zu vermeiden, so z. B. in der Akustik die
schwacher Dämpfung ist die Breite  an der
yO (Res) Schalldämmung zu erhöhen; die Eigenkreis-
Stelle p , verdeutlicht in Abb. 5.29. frequenz !0 des erregten Bauteils muss durch
yO (stat)  2 eine entsprechende Wahl des Verhältnisses
Sie beträgt
1 Federkonstante zu Masse weit unterhalb der
  : (5.103) Erregerkreisfrequenz ˝ liegen.
Q
5.1 Schwingungen 405

 ), und zwar umso genauer, je geringer die


Dämpfung # ist (Abb. 5.30).
5.1.3.5 Zur Übung

Ü 5-5 Eine Maschine der Masse m D 1;5 t


steht auf sechs gleichen Federn der Federkon-
stante k D 3  104 N=m. Dämpfungselemente
bewirken eine Dämpfung mit dem Dämpfungs-
grad # D 0;15. Wenn die Maschine mit der
Drehzahl n1 D 500 min1 läuft, treten infolge ei-
ner äußeren Erregerkraft Schwingungen mit der
Amplitude yO1 D 1 mm auf. Wie groß muss die
Abb. 5.30 Phasenresonanzfunktion Drehzahl n2 gewählt werden, damit die Amplitu-
de auf yO2 D 0;1 mm abnimmt?

5.1.3.4 Phasenresonanzfunktion Ü 5-6 In einen elektrischen Schwingkreis mit


Für den Winkel des Zeigers in Abb. 5.27 gilt der Induktivität L D 20 mH und der Kapazität
C D 2 F wird ein Widerstand R eingebaut. Be-
2# ˝!0 rechnet werden sollen
tan D   (5.105)
!02  ˝ 2
a) die Eigenfrequenz f0 bzw. die Eigenkreisfre-
2#
D : (5.106) quenz !0 des ungedämpften Systems,
.1  2 / b) der Wert des Widerstandes R; wenn sich die
Eigenfrequenz um 3 % ändern soll,
Abb. 5.30 zeigt die Phasenresonanzfunktion
c) die Resonanzüberhöhung und die Breite der
als Funktion von  für einige Dämpfungsgra-
Resonanzkurve des Schwingkreises.
de #. Auch hierbei unterscheidet man Spezialfäl-
le:
5.1.4 Überlagerung von
1. Quasistatische Anregung (  1) Schwingungen
Die erregende Kraft ändert sich so langsam,
dass der Schwinger folgen kann. Deshalb gibt Solange die Auslenkungen den elastischen Be-
es keine Phasenverschiebung zwischen Erre- reich nicht übersteigen, können für die Überla-
ger und Resonator. gerung von Schwingungen die unterschiedlichen
2. Resonanzfall ( D 1) ohne Dämpfung (# D 0) momentanen Auslenkungen der Einzelschwin-
Für diesen Fall ergibt (5.106) einen unbe- gungen zeitpunktgerecht zur momentanen Ge-
stimmten Ausdruck. Wie Abb. 5.30 zeigt, ist samtauslenkung addiert werden (Superpositions-
im Resonanzfall ein Sprung im Phasenwinkel prinzip). Hierbei gelten die Additionstheoreme
von 0 auf   vorhanden. der Trigonometrie.
3. Resonanzfall (  1) mit Dämpfung # Bei der Überlagerung von Schwingungen
Es ist tan D 1, d. h. D  2 . Für jeden kommt es darauf an, ob die Schwingungsrich-
Dämpfungsgrad ist im Resonanzfall die Pha- tungen parallel sind oder senkrecht aufeinander-
senverschiebung D  2 . Deshalb wird auch stehen. Jede Schwingung kann sich von der zu
für # D 0 der Schwingung dieser Phasenwin- überlagernden in ihrer Phase, Amplitude oder
kel zugeordnet. Frequenz unterscheiden. Tab. 5.6 zeigt die wich-
4. Hochfrequente Anregung (  1) tigsten Phänomene, die sich ergeben, wenn Be-
Der Erreger und der Resonator schwingen an- wegungsrichtungen und Frequenzen gleich blei-
nähernd gegenphasig (für  ! 1 ist D ben oder sich ändern.
406 5 Schwingungen und Wellen

Tab. 5.6 Resultierende Schwingung bei Schwingungs- bung zwischen den beiden Zeigern beträgt
überlagerung
Frequenzart Bewegungsrich- Bewegungsrich- ' D '01  '02 : (5.110)
tungen parallel tungen senkrecht
gleiche Schwingung glei- verschiedene El- In einem solchen Zeigerdiagramm kann man die
Frequenzen cher Frequenz, lipsen je nach neue Schwingung yneu durch Vektoraddition der
verschiedener Am- Amplitude und Zeiger y1 und y2 grafisch ermitteln. Bei der
plitude und/oder Phasenlage
Phase Rechnung müssen Additionstheoreme berück-
unter- Schwebungen ganzzahlige Fre- sichtigt werden, die zu folgenden Ergebnissen für
schiedliche Fourier-Synthese quenzverhältnisse die neue Amplitude yOneu und den neuen Nullpha-
Frequenzen Lissajous-Figuren senwinkel '0 neu führen:
q
yOneu D yO12 C 2yO1 yO2 cos.'01  '02 / C yO22 ;
(5.111)
yO1 sin '01 C yO2 sin '02
tan '0 neu D : (5.112)
yO1 cos '01 C yO2 cos '02
Abb. 5.32 zeigt Spezialfälle:

Maximale Verstärkung (' D 0 bzw. ' D


n2 I n D 1; 2; 3; : : :)
Wenn keine Phasenverschiebung zwischen den
sich überlagernden Schwingungen vorhanden ist,
Abb. 5.31 Überlagerung gleichfrequenter Schwingungen wird yOneu maximal (Abb. 5.32a):
gleicher Raumrichtung q
yOneu D yO12 C 2yO1 yO2 C yO22 D yO 1 C yO 2 : (5.113)

5.1.4.1 Überlagerung harmonischer Sind die beiden Amplituden gleich groß (yO1 D
Schwingungen gleicher O dann ist die resultierende Amplitude
yO2 D y),
Raumrichtung und gleicher doppelt so groß:
Frequenz yOneu D 2y:
O (5.114)
Folgende zwei harmonische Schwingungen sol-
len sich überlagern: Auslöschung (yO1 D yO2 I ' D .2n  1/ )
Sind beide Amplituden gleich groß und die Pha-
y1 .t/ D yO1 cos.!t C '01 /; (5.107) senverschiebung ' D   oder ein ungeradzahli-
ges Vielfaches davon, dann wird die Schwingung
y2 .t/ D yO2 cos.!t C '02 /: (5.108)
ausgelöscht (Abb. 5.32b):
Sie ergeben die neue harmonische Schwingung yOneu D 0: (5.115)

(5.109) Haben die sich überlagernden Schwingungen be-


yneu .t/ D yOneu cos.!t C '0 neu /:
liebige Amplituden und Nullphasenwinkel, dann
Abb. 5.31 zeigt die Amplituden als Zeiger in ergibt sich eine neue harmonische Schwingung
der Gauß’schen Zahlenebene. Die Amplituden yO1 mit derselben Kreisfrequenz ! (bzw. Perioden-
bzw. yO2 sind um die Nullphasenwinkel '01 bzw. dauer T ). Die neue Amplitude und die neue
'02 verschoben und rotieren mit der gleich blei- Phase müssen in diesem Fall nach (5.111)
benden Kreisfrequenz !. Die Phasenverschie- und (5.112) berechnet werden (Abb 5.32c).
5.1 Schwingungen 407

a Unter Anwendung des  Additionstheorems


 
cos ˛ C cos ˇ D 2 cos ˛Cˇ2
cos ˛ˇ
2
entsteht
bei der Addition von (5.116) und (5.117)

yneu .t/ D y1 .t/ C y2 .t/


 
.!1  !2 /
D 2yO cos t
2
 
.!1 C !2 /
 cos t : (5.118)
2
b
Bei geringen Frequenzunterschieden gilt nähe-
rungsweise !1  !2 . Man erhält

!1 C !2
!neu D  !1  !2 : (5.119)
2
Die resultierende Schwingung nach (5.118) ist
harmonisch mit der neuen Kreisfrequenz !neu
c
und einer sich ändernden Amplitude mit der
Schwebungsfrequenz fS . Es resultiert

yneu .t/ D 2yO cos. fS t/ cos.!neu t/: (5.120)

Es gilt für die Schwebungsfrequenz fS

fS D f2  f1 (5.121)

Abb. 5.32 Verstärkung und Auslöschung bei der Über- und für die Periodendauer der Schwebung TS
lagerung gleichfrequenter Schwingungen gleicher Raum-
richtung 1 T1 T2
TS D D : (5.122)
fS T1  T2

5.1.4.2 Überlagerung harmonischer Für die Frequenz der neuen Schwingung gilt nach
Schwingungen gleicher (5.118) unter Berücksichtigung von (5.119)
Raumrichtung mit geringen f1 C f2
Frequenzunterschieden fneu D : (5.123)
2
(Schwebung)
Unterscheiden sich die Frequenzen von zwei zu Für die Schwingungsdauer errechnet sich
überlagernden Schwingungen nur geringfügig,
dann treten Schwebungen auf: Die Amplituden 2T1 T2
Tneu D : (5.124)
der resultierenden Schwingung schwellen lang- T1 C T2
sam an und wieder ab.
Die Amplitude der neuen Schwingung ist doppelt
Als Voraussetzung für eine reine Schwebung
so groß wie die der Ausgangsschwingungen:
müssen die beiden Schwingungen dieselbe Am-
plitude haben. Bei gleicher Phase '01 D '02 D 0 yOneu D 2y:
O (5.125)
gilt
y1 .t/ D yO cos.!1 t/; (5.116) Sind die Amplituden der sich überlagernden
y2 .t/ D yO cos.!2 t/: (5.117) Schwingungen nicht gleich groß, dann tritt eine
408 5 Schwingungen und Wellen

bungsfall) und im zweiten Fall einen großen


Unterschied aufweisen.

Lösung
1. Fall: nahe beieinander liegende Frequenzen
(Schwebungsfall)
Abb. 5.33a zeigt die beiden Ausgangs-
schwingungen, Abb. 5.33b die resultierende
Schwebung. Die beiden Ausgangsamplituden
betragen yO1 D yO2 D 1;5 cm, die Perioden-
dauer der ersten Schwingung T1 D 1 s und
die der zweiten Schwingung T2 D 10=11 s.
Die zweite Periodendauer ist also um 9 %
kleiner als die erste. Das Verhältnis der Pe-
riodendauer beträgt T2 =T1 D 10=11. Wie
Abb. 5.33b verdeutlicht, hat die Amplitu-
de der Schwebung den doppelten Wert der
Ausgangsschwingung (2yO D 3 cm) und die
Schwebungsdauer TS (von Maximum zu Ma-
ximum) beträgt 10 s (auch nach (5.122)). Die
Schwingungsdauer der Schwebung Tneu ist
nach (5.124) Tneu D 0;952 s und wird in
Abb. 5.33b bestätigt.

2. Fall: große Unterschiede der Frequenzen


Abb. 5.33 Schwebungen
Die Ausgangsamplituden betragen wieder
yO1 D yO2 D 1;5 cm. Die Periodendauer der
unreine Schwebung auf. Hierbei wird die Ampli- ersten Schwingung beträgt T1 D 1 s und
tude nie null, sondern lediglich periodisch mini- die der zweiten T2 D 12 s. Das Verhältnis
mal. der Periodendauer beträgt T2 =T1 D 12=1
Da Schwebungserscheinungen sehr genaue oder das Frequenzverhältnis f1 W f2 D 12.
Frequenzvergleiche ermöglichen, dienen sie u. a. Abb. 5.34a zeigt die Ausgangsschwingungen
in der Akustik zum „sauberen“ (nämlich schwe- und Abb. 5.34b die resultierende Schwin-
bungsfreien) Abgleich von Tonfrequenzen. In der gung. Die neue Amplitude ist ebenfalls dop-
Musik wird dies zum Stimmen von Instrumenten pelt so groß wie die Ausgangsamplitude. Wie
verwendet. Abb. 5.34b zeigt, tritt keine Schwebung und
keine harmonische Schwingung mehr auf. Die
Beispiel 5.1-7 schnellere Schwingung (kleinere Perioden-
Es soll ein Programm zur Überlagerung zwei- dauer, d. h. größere Frequenz; hier die erste
er Schwingungen unterschiedlicher Frequen- Schwingung mit T1 D 1 s schwingt um die
zen entwickelt werden, das die Ausgangs- periodische Achse, die durch die langsamere
schwingungen und die resultierende Schwin- Schwingung gegeben ist (größere Perioden-
gung zeichnet. Im ersten Fall sollen die dauer, d. h. kleinere Frequenz; hier die zweite
Frequenzen nahe beieinander liegen (Schwe- Schwingung mit T2 D 12 s).
5.1 Schwingungen 409

Abb. 5.35 Überlagerung harmonischer Schwingungen


Abb. 5.34 Schwingungsüberlagerung bei großen Fre- mit ganzzahligen Frequenzverhältnissen und Amplituden-
quenzunterschieden spektrum nach der Fourier-Analyse

5.1.4.3 Überlagerung harmonischer und die der zweiten Schwingung


Schwingungen gleicher
Raumrichtung mit ganzzahligen T2 D 2;5 s .f2 D 0;4 Hz/
Frequenzverhältnissen
(Fourier-Analyse) gemäß Abb. 5.35a. Abb. 5.35b zeigt die resul-
Besteht zwischen den sich überlagernden tierende Schwingungsdauer TR (im vorliegenden
Schwingungen ein großer Frequenzunterschied Fall ist TR D T1 ) und die resultierende Amplitude
und stehen die Schwingungsfrequenzen im yOR D yO1 C yO2 D 2 cm.
Verhältnis ganzer Zahlen, so entstehen wieder Werden in einem Diagramm die Amplitu-
periodisch schwingende Muster. Abb. 5.35 zeigt den gegen die Kreisfrequenzen aufgetragen, so
die Überlagerung zweier Schwingungen (Am- ergibt sich eine spektrale Darstellung der Am-
plitude yO D 1 cm) mit einfacher und dreifacher plituden (Amplitudenspektrum). Dieses Spektrum
Frequenz. Die Periodendauer der ersten Schwin- zeigt, welche Frequenzen mit welchen Ampli-
gung beträgt tuden am Zustandekommen der resultierenden
  Schwingung beteiligt sind (Abb. 5.35c), enthält
4 aber keine Information über die Phasenlage der
T1 D 7;5 s f1 D Hz
30 Ausgangsschwingungen.
410 5 Schwingungen und Wellen

a Abb. 5.36b zeigt die resultierende Schwingung


yR .t/:

4yO 1
yR .t/ D sin.!t/ C sin.3!t/
  3

1
C sin.5!t/ : (5.126)
5

Sie zeigt in erster Näherung eine Rechteck-


schwingung. In Abb. 5.36c ist das Amplituden-
spektrum dargestellt.
Durch Überlagern von Schwingungen mit
geeignet gewählten Amplituden und Frequen-
zen kann praktisch jede gewünschte periodische
Funktion generiert werden (Fourier-Synthese).
b Der umgekehrte Vorgang, die Zerlegung eines
periodischen Musters in seine Elementarschwin-
gungen, wird Fourier-Analyse (J. B. J. F OURIER,
1768 bis 1830) genannt. F OURIER zeigte, dass
sich jedes periodische Muster eindeutig in ei-
ne Reihe von elementaren Cosinus- und Sinus-
schwingungen zerlegen lässt. Die auftretenden
c Kreisfrequenzen sind dabei ganzzahlige Vielfa-
che der das periodische Muster beschreibenden
Grundkreisfrequenz. Somit gilt nach F OURIER
1
a0 X
yR .t/ D C .ak cos.k!t/
2
kD1
C bk sin.k!t//: (5.127)
Abb. 5.36 Überlagerung dreier Schwingungen und Am-
plitudenspektrum nach der Fourier-Analyse
k ist eine ganze Zahl, die folgende Bedeutung
hat:
Abb. 5.36 zeigt die Überlagerung von drei
Schwingungen (! D 15 s I yO D 2;2 cm) der k
  1 D 1: Grundschwingung
Form yi .t/ D yOi sin.!i t/. (erste Harmonische),
k D 2: erste Oberschwingung
4yO (zweite Harmonische),
y1 .t/ D sin.!t/; k D 3: zweite Oberschwingung
 
4yO (dritte Harmonische),
yO2 .t/ D sin.3!t/; :: ::
3  : :
4yO k D n: .n  1/-te Oberschwingung
yO3 .t/ D sin.5!t/ (Abb. 5.36a)
5  (n-te Harmonische).
5.1 Schwingungen 411

Abb. 5.37 Rechteckfunktion

Die Fourier-Koeffizienten ak und bk geben an,


wie stark die einzelnen Anteile vertreten sind. Sie
berechnen sich aus

ZT
2
ak D yR .t/ cos.k!t/dt (5.128)
T
0
.k D 0; 1; 2 : : :/
und
ZT
2
bk D yR .t/ sin.k!t/dt: (5.129)
T
0
.k D 1; 2; 3 : : :/:

Beispielsweise lautet die Fourier-Reihe einer Abb. 5.38 Fourier-Analyse des Spannungsverlaufs bei
Rechteckkurve gemäß Abb. 5.37 mit der Peri- einem Kommutierungskondensator
odendauer T D 2 =!

4yO 1 bei der Grundfrequenz 200 Hz die Teilspan-
yR .t/ D sin.!t/ C
sin.3!t/
  3 nung 3200 V.) Aus Abb. 5.38b und 5.38c geht
das Amplitudenspektrum der Spannung bzw. der

1
C sin.5!t/ C : : : : (5.130) Stromstärke hervor. Aufgrund der starken Ab-
5
weichung des trapezförmigen Spannungsimpul-
Die Summe der ersten drei Glieder des Klammer- ses von der reinen Sinusform wirken auch noch
ausdrucks zeigt Abb. 5.36b (s. auch (5.126)). höherfrequente Anteile von Spannungen und
Abb. 5.38 zeigt ein Beispiel für eine Fourier- Stromstärken auf den Kondensator. Beispiels-
Analyse in der Elektrotechnik. In Abb. 5.38a ist weise zeigt das Amplitudenspektrum der Strom-
das Oszillogramm der Spannung eines Kommu- stärke, dass trotz niedriger Grundfrequenz von
tierungskondensators dargestellt. Diese Konden- 200 Hz (Stromamplitude iO D 125 A) auch noch
satoren dienen zur Löschung des leitenden Zu- die 15. Oberschwingung .15200 Hz D 3000 Hz)
standes eines Halbleiterbauelementes und wer- mit einer Stromamplitude von iO27 D 50 A auf
den dazu periodisch stoßartig umgeladen. (In den Kondensator einwirkt. Die Fourier-Analyse
diesem Fall beträgt die Umladezeit 300 s und lässt erkennen, in welchen Frequenzen und bei
412 5 Schwingungen und Wellen

F/N

Abb. 5.39 Fourier-Analyse der tangentialen Komponente der Pleuelkraft eines Kolbens nach Beispiel 5.1-8

welchen Strom- und Spannungsamplituden diese 5.1.4.4 Überlagerung harmonischer


Kondensatoren einwandfrei arbeiten müssen. Schwingungen mit ganzzahligem
F OURIER zeigte ferner, dass auch jede nicht- Frequenzverhältnis, die
periodische Funktion (stückweise stetig) eindeu- senkrecht zueinander schwingen
tig als Integral über harmonische Anteile darstell- (Lissajous-Figuren)
bar ist (Fourier-Integral). Bei der Überlagerung zweier senkrecht zuein-
ander verlaufender Schwingungen mit ganzzah-
Beispiel 5.1-8 ligen Frequenzverhältnissen ergeben sich Lissa-
Der Verlauf der tangentialen Komponente der jous-Figuren (J. L ISSAJOUS, 1822 bis 1880).
Pleuelkraft eines Kolbens wird über zwei Mo- Zunächst werden zwei senkrecht verlaufende
torumdrehungen aufgezeichnet (Kurbelwinkel Schwingungen gleicher Kreisfrequenz (mit einer
KW von 720ı ). Phasenverschiebung) betrachtet. Es gilt
Abb. 5.39 zeigt den Verlauf der Tangenti- x.t/ D xO sin.!t/ (5.131)
alkraft (dicke Linie) und eine Fourier-Analyse
bis zu 15 Harmonischen sowie die Koeffizien- und
ten a und b. Es sind die ersten fünf harmo- y.t/ D yO sin.!t C '/: (5.132)
nischen Schwingungen eingezeichnet (dünne Nach dem Additionstheorem sin.˛ C ˇ/ D
Linien). Die Summenkurve über alle 15 Har- sin ˛ cos ˇ C cos ˛ sin ˇ ergibt (5.132)
monischen liegt knapp unter dem ersten Ma-
ximum und schmiegt sich verhältnismäßig gut y.t/ D yO sin.!t/ cos ' C yO cos.!t/ sin ':
der Originalkurve an. (5.133)
5.1 Schwingungen 413

Aus (5.131) folgt a


v
u !2
x u x
sin.!t/ D und cos.!t/ D t1  :
xO xO

Damit wird aus (5.133)


v
u !2
x u x
y.t/ D yO cos ' C yO t1  sin '
xO xO b c
oder
v
u !2
y x u x
 cos ' D t1  sin ':
yO xO xO

Quadriert ergibt sich die allgemeine Gleichung


der Ellipse:

y2 x 2 2yx d e
2
C 2 cos ' D sin2 ': (5.134)
yO xO yO xO

Bei gleichen Schwingungsfrequenzen ergibt sich


im Allgemeinen eine Ellipse nach Abb. 5.40a, aus
deren Achslage sich die Phasenverschiebung be-
stimmen lässt:

y.0/ x.0/
sin ' D D : (5.135)
yO xO
Abb. 5.40 Senkrechte Überlagerung gleichfrequenter
Dabei ist y.0/ die Auslenkung für x D 0 und Schwingungen (Lissajous-Figuren)
x.0/ die Auslenkung für y D 0.
Für die Phasenverschiebungen ' D 0, ' D
 
2 und ' D   treten folgende Spezialfälle auf  Ellipse mit der
 
Hauptachse parallel zur y-
((5.134), Abb. 5.40b bis 5.40e): Achse (' D 2
; Abb. 5.40c):

y2 x2
 Gerade mit positiver Steigung (' D 0) C D 1: (5.137)
yO 2 xO 2
Es wird
 Kreis mit Mittelpunkt im Koordinatenursprung
y2 x 2 2yx (' D  2 ; yO D x;
O Abb. 5.40d)
C  D0
yO 2 xO 2 yO xO Bei gleichen Amplituden yO D xO wird aus der
Ellipse ein Kreis:
oder
y 2 C x 2 D yO 2 D konst: (5.138)
 2
y x
 D 0I
yO xO
 Gerade mit negativer Steigung (' D  ;
daraus ergibt sich (Abb. 5.40b) Abb. 5.40e):

yO yO
yD x: (5.136) y D  x: (5.139)
xO xO
414 5 Schwingungen und Wellen

Abb. 5.41 Lissajous-Figuren unterschiedlicher Phasenlage für die Frequenzverhältnisse 1 W 1, 1 W 2, 1 W 3 und 2 W 3

Werden für den allgemeinen Fall ungleicher 5.1.5 Schwingungen mit mehreren
ganzzahliger Frequenzen die resultierenden Aus- Freiheitsgraden (gekoppeltes
lenkungen ermittelt, so entstehen komplizierte Schwingungssystem)
Bahnkurven. Aus der Anzahl der Maxima auf der
waagrechten oder senkrechten Achse können die Die hierfür wichtigen Begriffe sind in DIN 1311,
Frequenzverhältnisse abgelesen werden. Es gilt Blatt 3, definiert. Unter Freiheitsgrad wird analog
zur Mechanik (Abschn. 2.9.1) die Mindestanzahl
!x W !y D fx W fy D k W l: (5.140) der Koordinaten verstanden, die zur Beschrei-
bung des Systems notwendig sind.
Hierbei sind !x und !y bzw. fx und fy die Fre- Zum besseren Verständnis gekoppelter Vor-
quenzen der x- und y-Schwingung, k die Anzahl gänge seien zwei gleiche Feder-Masse-Pendel
der senkrechten und l die Anzahl der waagrech- betrachtet, die durch eine Kopplungsfeder ver-
ten Maxima. bunden sind, wie es Abb. 5.42 zeigt. Das ge-
koppelte Schwingungssystem hat zwei Freiheits-
Beispiel 5.1-9 grade der Auslenkung y1 und y2 ; zwei gleiche
Nach Eingabe der beiden Frequenzverhältnis- Massen m, gleiche Federkonstanten k sowie eine
se sollen mittels eines Rechner-Programms Kopplungsfeder mit der Federkonstanten k12 . Es
die Lissajous-Figuren für unterschiedliche besteht also aus zwei gleich großen Energiespei-
Phasenlagen gezeichnet werden. chern, zwischen denen durch die Kopplungsfe-
der ein periodischer Energieaustausch stattfinden
Lösung kann. Wird z. B. der erste Körper in Abb. 5.42a
Abb. 5.41 zeigt das Ergebnis jeweils für ein ausgelenkt, dann gibt das erste Pendel seine Ener-
Frequenzverhältnis von 1 W 1, 1 W 2, 1 W 3 und gie allmählich an das zweite Pendel ab, bis dieses
2 W 3. Der Phasenwinkel beträgt in allen Fällen die gesamte Energie besitzt und der Vorgang
' D 0ı bis ' D 360ı . wieder in die andere Richtung abläuft. Es gibt
5.1 Schwingungen 415

a Kopplungsfeder um y1  y2 zusammengedrückt,
sodass das Newton’sche Gesetz der Bewegung
lautet

ky1  k12 .y1  y2 / D ma1 :


b
Daraus ergibt sich die Differenzialgleichung für
den ersten Schwinger:

d2 y1 k k12
C y1 C .y1  y2 / D 0: (5.143)
dt 2 m m

Abb. 5.42 Elastisch gekoppelte Feder-Masse-Schwinger Beim zweiten Schwinger ist die Kopplungsfeder
um y1  y2 zusammengedrückt, sodass das New-
ton’sche Gesetz heißt
lediglich zwei Schwingungszustände, bei denen
keine Energieübertragung stattfindet. Sie werden ky2  k12 .y2  y1 / D ma2 :
Fundamentalschwingungen genannt.
Daraus bildet man die Differenzialgleichung für
 Gleichphasige Schwingung den zweiten Schwinger:
Das Kopplungsglied ist in diesem Fall nicht
wirksam, weil die Kopplungsfeder immer ent- d2 y2 k k12
C y2 C .y2  y1 / D 0: (5.144)
spannt bleibt. Deshalb schwingen die Massen dt 2 m m
mit der Frequenz der ungedämpften harmoni-
Werden beide Differenzialgleichungen addiert, so
schen Schwingung:
ergibt sich folgende gekoppelte Differenzialglei-
chung für y1 C y2 :
r
1 k
f1 D f0 D : (5.11)
2  m
d2 k
 Gegenphasige Schwingung .y1 C y2 / C .y1 C y2 / D 0: (5.145)
dt 2 m
In diesem Fall bleibt aus Symmetriegründen
die Mitte der Kopplungsfeder in Ruhe. Jedem Werden beide Differenzialgleichungen subtra-
Körper (System) kann somit die Federkon- hiert, dann entsteht eine andere Differenzialglei-
stante der eigenen Feder k und die Federkon- chung für y1  y2 :
stante der halben Kopplungsfeder 2k12 zuge-
d2 k C 2k12
rechnet werden. Daraus ergibt sich die Fre- .y1 y2 /C .y1 y2 / D 0: (5.146)
quenz der zweiten Fundamentalschwingung: dt 2 m
r Gleichungen (5.145) und (5.146) beschreiben un-
1 k C 2k12 gedämpfte harmonische Schwingungen. Die Lö-
f2 D : (5.141)
2  m sungen sind die Frequenzen bzw. die Schwin-
In allen anderen Fällen findet eine Überlage- gungsdauern der bereits oben genannten Funda-
rung der Fundamentalschwingungen so statt, dass mentalschwingungen. Aus (5.145) folgt
eine Schwebung entsteht mit der Schwebungsfre- r
quenz k
!1 D !0 D ; (5.10)
fS D f2  f1 (5.142) m
r
1 k
(Abschn. 5.1.4.2). Um die Vorgänge genauer zu f1 D f0 D ; (5.11)
analysieren, werden im Folgenden die Differen- 2  m
r
zialgleichungen für die beiden Schwinger aufge- m
T1 D T0 D 2  : (5.12)
stellt (Abb. 5.42b). Beim ersten Schwinger ist die k
416 5 Schwingungen und Wellen

Aus (5.146) folgt angewendet, dann gilt


r ! !
k C 2k12 !1 C !2 !1  !2
!2 D ; (5.147) y1 D yO cos t cos t :
m 2 2
1
r
k C 2k12 (5.153)
f2 D ; (5.141) Wird (5.152) von (5.151) subtrahiert, dann ergibt
2  m
r sich
m
T2 D 2  : (5.148) yO
k C 2k12 y2 D .cos.!1 t/  cos.!2 t//:
2
Für eine gleichphasige Schwingung .y1 D y2 / Wird das Additionstheorem
verschwindet die Differenzialgleichung (5.146)    
und es bleibt für (5.145) stehen ˛Cˇ ˛ˇ
cos ˛  cos ˇ D 2 sin sin
2 2
d2 y1 k
C y1 D 0: (5.149) angewendet, dann gilt
dt 2 m ! !
!1 C !2 !1  !2
Es findet eine Schwingung mit der ersten Funda- y2 D yO sin t sin t :
mentalfrequenz f1 D f0 (5.10) statt. 2 2
Bei einer gegenphasigen Schwingung .y1 D (5.154)
y2 / verschwindet die Differenzialgleichung Gleichungen (5.153) und (5.154) beschreiben
(5.145) und es bleibt für (5.146) stehen nach Abschn. 5.1.4.2 Schwebungen. Dies be-
deutet, dass der erste und der zweite Schwinger
d y1
2
k C 2k12 Schwebungen ausführen, die gemäß Abb. 5.43
C y1 D 0: (5.150) um  
verschoben sind.
dt 2 m 2
Als Kopplungsgrad  der beiden Schwinger
Diese Schwingung hat die zweite Fundamental- gilt für gleiche Massen und gleiche Amplituden
frequenz f2 (5.141).
k12
Für den allgemeinen Fall wird folgende An- D oder (5.155)
fangsbedingung erfüllt: Bei Beginn der Schwin- k C k12
gung .t D 0/ ist der erste Schwinger maxi- T 2  T22 f22  f12
 D 12 D : (5.156)
mal ausgelenkt (y1 .0/ D y) O und der zweite T1 C T22 f22 C f12
Schwinger in Ruhe (y2 .0/ D 0). Damit wird
mit 0 <  < 1. Bei loser Kopplung ist   1
y1 C y2 D y. O
und f1 ¤ f2 . Bei fester Kopplung ist   1 und
Die beiden Fundamentalschwingungen gehor-
f1  f2 .
chen folgenden Ansätzen:
Mit zunehmender Kopplung werden die bei-
den Fundamentalfrequenzen f1 und f2 deutlich
y1 C y2 D yO cos.!1 t/; (5.151)
verschieden.
y1  y2 D yO cos.!2 t/: (5.152) Im allgemeinen Fall sind n Schwinger mit-
einander gekoppelt. Dieses System besitzt dann
Durch Addition von (5.151) und (5.152) ergibt n Fundamentalschwingungen (Eigenschwingun-
sich gen). Solche Systeme sind in der Molekül- und
yO Festkörperphysik von Bedeutung (Abschn. 8.6.2,
y1 D .cos.!1 t/ C cos.!2 t//: 9.2.1).
2
Abb. 5.44 zeigt die induktive Kopplung
Wird das Additionstheorem elektromagnetischer Schwingkreise. Das Schema
    des Messaufbaus verdeutlicht Abb. 5.44a, und
˛Cˇ ˛ˇ Abb. 5.44b zeigt die prinzipielle Resonanzkurve
cos ˛ C cos ˇ D 2 cos cos
2 2 (Spannung in Abhängigkeit von der Frequenz).
5.1 Schwingungen 417

Abb. 5.45 Sägezahnspannung

für die Federkraft) zugrunde lag (Abschn. 5.1.2.2,


Abb. 5.7). Bereits beim mathematischen und phy-
sischen Pendel (Abschn. 5.1.2.3) war eine Nä-
herung für kleine Winkel notwendig, um diese
Linearität zu erzeugen. Die Kräfte im elektri-
schen und magnetischen Feld (Abschn. 4.1.1 und
4.4.3.2) sind beispielsweise nicht linear, sondern
proportional zu 1=r 2 ((Coulomb’sches Gesetz),
Abb. 5.43 Schwebungen zweier gekoppelter Feder-Mas-
(4.2)). Dies hat zur Folge, dass der Schwingungs-
se-Schwinger
zustand durch eine nichtlineare Differenzialglei-
a chung beschrieben werden muss, deren Lösungen
keine harmonischen Funktionen (Sinus- bzw. Co-
sinusfunktion) mehr sind. Diese Schwingungs-
Oszilloskop
systeme werden daher als nichtlinear bezeich-
Sinus- net. Ebenfalls nichtlineare Differenzialgleichun-
generator
gen treten auf, wenn die Koeffizienten vor den
Variablen oder deren Ableitungen nicht konstant,
sondern von den Variablen selbst bzw. deren Ab-
Spannung proportional zur Frequenz
leitungen abhängig sind.
Aus diesen Gründen ist eine Vielzahl nicht-
b linearer Schwinger denkbar, deren zeitliche Zu-
standsänderungen komplizierte Verläufe zeigen.
Auf eine ausführliche Darstellung kann aus gu-
tem Grund deshalb verzichtet werden, weil nach
F OURIER jede beliebige Schwingungsform in
harmonische Anteile zerlegt werden kann (Ab-
schn. 5.1.4.3).
Besondere Bedeutung haben die Kippschwin-
gungen. Bei ihnen wird einer der Energiespeicher
Abb. 5.44 Induktive Kopplung elektromagnetischer
Schwingkreise: a Messanordnung, b Resonanzkurve
des Schwingungssystems kontinuierlich gefüllt.
zweier Schwingkreise Dieser entleert sich schlagartig nach bestimmten
Zeiten, wenn ein charakteristischer Schwellen-
wert überschritten wird.
5.1.6 Nichtlineare Schwinger Auf diese Weise entsteht eine Sägezahnspan-
nung, etwa entsprechend Abb. 5.45. Elektri-
In den vorhergehenden Abschnitten sind har- sche Kippschwingungen werden beispielsweise
monische Schwingungen beschrieben, denen ein in Fernsehbildröhren eingesetzt, um den Elek-
lineares Kraftgesetz (z. B. das Hooke’sche Gesetz tronenstrahl über die Zeile zu leiten und am
418 5 Schwingungen und Wellen

Tab. 5.7 Orts- und zeitabhängige Schwingungen


ortsabhängig zeitabhängig
sklero- (nicht parametrisch) rheo- (parametrisch)
d2 y d2 y
linear C !02 y D 0 C !02 .t /y D 0
dt 2 dt 2
d2 y d2 y
nichtlinear C !02 .y/y D 0 C !02 .y; t /y D 0
dt 2 dt 2

Zeilenende schlagartig zurückzusetzen. Meist kleinster elektrischer Signale (z. B. aus dem Welt-
werden hierzu Kondensatoren aufgeladen, die raum).
nach Erreichen der Zündspannung uZ über eine
Glimmlampe entladen werden.
5.1.8 Zur Übung
5.1.7 Parametrisch erregte Ü 5-7 Es überlagern sich die folgenden paralle-
Schwingungen len, ungedämpften Schwingungen:

Im Gegensatz zu den nichtlinearen Schwingun-   


gen, bei denen die Schwingungsparameter von y1 .t/ D 0;05 m cos 4  s1 t C und
3
der momentanen Auslenkung abhängig sind, hän-  

1
y2 .t/ D 0;08 m cos 4  s t C :
gen bei den parametrischen Schwingungen die 5
Systemparameter von der Zeit ab (z. B. eine pe-
riodische Längenänderung des Fadens beim ma- Bestimmt werden sollen die Amplitude yO und der
thematischen Pendel oder eine periodische Kapa- Nullphasenwinkel '0 der resultierenden Schwin-
zitätsänderung beim elektrischen Schwingkreis). gung y.t/ D yO cos.!t C '0 /.
Um die Unterscheidung zwischen nichtlinearen
oder parametrischen Schwingern besser trefen zu Ü 5-8 Zwei gleiche Feder-Masse-Systeme
können, wird nach DIN 1311, Blatt 2, vorgeschla- schwingen in x- bzw. y-Richtung. Das Maximum
gen, die parametrischen Schwingungen durch die in x-Richtung und das Minimum in y-Richtung
Vorsilbe rheo zu kennzeichnen. Tab. 5.7 zeigt werden gleichzeitig erreicht. Die Amplitude der
die Bezeichnungen der orts- und zeitabhängigen x-Schwingung ist dreimal so groß im Vergleich
Schwingungen. zur y-Schwingung.
Mit Hilfe parametrisch angeregter Schwin-
gungen kann dem Schwingungssystem zusätz- a) Wie groß ist der Phasenunterschied ' der bei-
lich Energie zugeführt werden. Dazu muss den Schwingungen?
das Schwingungssystem bereits schwingen und b) Nun sollen die beiden Schwingungen über-
die parametrische Erregung (Pumpfrequenz) die lagert werden. Welche Lissajous-Figur ent-
doppelte Eigenfrequenz haben. steht?
In der Mechanik sind parametrische Schwin-
gungen bei Pendeln mit periodisch bewegten Ü 5-9 Ein Sägezahngenerator erzeugt einen
Aufhängepunkten oder Pendellängen zu beob- Spannungsverlauf u.t/, der zur Zeit t D 0 bei
achten (z. B. periodische Änderung der Pendel- u.0/ D 1 V beginnt und in der Zeit T D 1 ms
länge durch die Kniebewegungen in einer Schiff- linear auf u.T / D C1 V ansteigt. Wie lauten
schaukel). Parametrische Verstärker dienen in die Fourier-Koeffizienten des Sägezahns? Welche
der Elektrotechnik zur rauscharmen Verstärkung Form hat das Spektrum?
5.2 Wellen 419

5.2 Wellen

5.2.1 Physikalische Grundlagen der


Wellenausbreitung

Eine Wellenausbreitung wird beobachtet, wenn


schwingungsfähige Systeme räumlich miteinan-
der gekoppelt sind. Durch die Kopplung kann
sich die Schwingung eines Systems auf die Nach-
barn übertragen, was zu einer räumlichen Aus-
breitung des Schwingungszustandes führt. Dieser
Sachverhalt, der in Abb. 5.1 schematisch darge-
stellt ist, soll hier noch einmal veranschaulicht
werden.
Abb. 5.46a zeigt eine Reihe von Fadenpen-
deln, die über Schraubenfedern miteinander ver-
bunden sind. Regt man das erste Pendel zu har-
monischen Schwingungen in y-Richtung an, so
wird die erste Feder periodisch gedehnt und ge-
staucht, sodass sie das zweite Pendel ebenfalls zu
Schwingungen in y-Richtung anregt. Das zweite
Pendel regt nun seinerseits das dritte zu Schwin-
gungen an, dann wird das vierte erregt und so
fort, bis die ganze Reihe schwingt. In der zeit-
lichen Abfolge entsteht jeweils zwischen zwei
Pendeln eine Verzögerung im Schwingungszu-
stand, da die Wechselwirkungskraft erst wirk-
sam wird, wenn die Kopplungsfeder gespannt Abb. 5.46 Fortschreitende Welle zwischen gekoppelten
Pendeln: a Pendel mit Kopplungsfedern, b Zustand einer
wird. Der Schwingungszustand breitet sich also Transversalwelle, c Zustand einer Longitudinalwelle
nicht sofort über die ganze Reihe aus, vielmehr
wird die Schwingung mit einer charakteristi-
schen Fortpflanzungsgeschwindigkeit längs der in der Optik eine Rolle spielt, wird in Abschn. 6.4
x-Achse weitergetragen. näher darauf eingegangen.
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Eine Longitudinal- oder Längswelle entsteht,
Schwingzustandes und die Entstehung einer wenn das erste Pendel, wie in Abb. 5.46c ange-
Welle überhaupt hängen als ganz wesentlich deutet, in x-Richtung bewegt wird. Auch dieser
von der Kopplung der einzelnen Oszillatoren Schwingungszustand breitet sich mit einer typi-
ab. Abb. 5.46b zeigt in einer Momentaufnahme schen Verzögerung von Pendel zu Pendel aus,
den „eingefrorenen“ Schwingungszustand der sodass man eine laufende Welle erhält, bei der
ganzen Pendelreihe. Ausbreitungs- und Schwingungsrichtung parallel
Schwingen die Pendel gemäß Abb. 5.46b sind. Die Longitudinalwelle ist eine Folge von
senkrecht zur Ausbreitungsrichtung, spricht man Verdichtungen und Verdünnungen, die sich mit ei-
von einer Transversal- oder Querwelle. Wenn die ner bestimmten Geschwindigkeit ausbreiten.
einzelnen Schwinger ihre Schwingungsrichtung Betrachtet man eine laufende Welle, etwa ei-
(hier die y-Richtung) während der Ausbreitung ne Welle auf einer Wasseroberfläche, so erscheint
beibehalten, nennt man die Welle linear polari- es, als würde Wasser in Laufrichtung der Welle
siert. Da die Polarisation von Wellen besonders transportiert. Tatsächlich wird aber lediglich ein
420 5 Schwingungen und Wellen

Ablauf der Zeit T hat sich das Wellenbild repro-


duziert, allerdings ist eine bestimmte Stelle, z. B.
der durch einen Pfeil markierte Wellenberg, um
die Strecke  vorgerückt. Dieser Abstand zweier
gleichartiger Zustände im Wellenbild wird Wel-
lenlänge  genannt. Da die Welle innerhalb der
Periodendauer T gerade den Weg  zurückgelegt
hat, ergibt sich eine einfache Beziehung für die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit c der Welle:

cD : (5.157)
T
Mit der Frequenz f D 1=T der Oszillatoren er-
hält man
c D f: (5.158)

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit c einer


Welle ist das Produkt aus Wellenlänge 
und Frequenz f .

Abb. 5.47 Zustände einer laufenden Transversalwelle


In Abb. 5.48 ist eine Serie von Momentauf-
nahmen einer laufenden Longitudinalwelle dar-
Schwingungszustand übertragen, wie man deut- gestellt. Die Wellenlänge  gibt wieder an, um
lich bei der Betrachtung der schwingenden Pen- welchen Weg ein bestimmter Zustand, in diesem
delreihe erkennt. Die einzelnen Pendel schwin- Fall z. B. die durch den Pfeil gekennzeichnete
gen ortsfest mit einer bestimmten Amplitude und Verdünnung, innerhalb der Periodendauer T fort-
Frequenz, lediglich die Information des Schwin- schreitet. Das Zeichnen einer Longitudinalwelle
gens wird übertragen. ist sehr umständlich, weshalb in der Praxis meist
auch die Longitudinalwelle wie eine Transver-
salwelle gezeichnet wird. Die tatsächliche Aus-
Bei einer Wellenbewegung wird keine Ma- lenkung der Teilchen wird dabei um 90ı gedreht
terie transportiert, dafür aber Energie. aufgezeichnet, wie Abb. 5.49 zeigt.
Bisher sind Wellen nur in diskret angeordne-
ten Oszillatoren betrachtet worden. Wellen sind
Diese Energieübertragung ist notwendig, um aber auch in den Kontinua ausbreitungsfähig. (Im
die einzelnen Oszillatoren zu Schwingungen an- Grunde hat man es immer noch mit einzelnen Os-
zuregen. zillatoren zu tun, deren Größe aber auf die Maße
Die Auslenkungen der einzelnen Oszillatoren von Atomen verringert ist.) In Gasen und Flüssig-
hängen sowohl vom Ort als auch von der Zeit keiten ohne innere Reibung sind lediglich Lon-
ab. Eine Möglichkeit der grafischen Darstellung gitudinalwellen ausbreitungsfähig. Andere Wel-
dieses Zusammenhangs ist in Abb. 5.47 gezeigt. lentypen existieren nicht, weil benachbarte Volu-
Jedes Teilbild stellt eine Momentaufnahme ei- melemente einer seitlichen Verschiebung keinen
ner Welle dar; hierbei schreitet die Zeit von oben Widerstand entgegensetzen. (Die Medien haben
nach unten in gleichmäßigen Intervallen fort. Die keinen Schubmodul.)
gesamte Zeitspanne zwischen der ersten und der An der Grenzfläche von Flüssigkeiten und Ga-
letzten Darstellung ist identisch mit der Schwin- sen kann es jedoch zu transversalen Oberflächen-
gungsdauer T der beteiligten Oszillatoren. Nach wellen kommen, wie etwa bei den Wasserwellen.
5.2 Wellen 421

Abb. 5.48 Zustände einer Longitudinalwelle. Der Pfeil markiert jeweils den Ort größter Verdünnung

In Festkörpern sind alle Wellentypen ausbrei- Verbindet man benachbarte Punkte mit gleich-
tungsfähig: Außer den Longitudinalwellen gibt artigem Schwingungszustand (z. B. Wellenberge)
es verschiedene Transversalwellen: Biegewellen einer Welle miteinander, so erhält man eine geo-
und Scherungswellen. Die wichtigste Transver- metrische Fläche, die Wellenfläche oder Wellen-
salwelle in Stäben ist die Torsionswelle. Es findet front. Die Form der Wellenfläche hängt vom er-
auch Wellenumformung von einem Typ in einen regenden Zentrum sowie von den Eigenschaften
anderen statt. So löst z. B. eine Longitudinalwelle des Übertragungsmediums ab. Von besonderer
bei einem Stab mit einem exzentrisch aufgesetz- Bedeutung sind die in Abb. 5.51 dargestellten Ku-
ten Körper eine sekundäre Biegewelle aus. gelwellen und ebenen Wellen. Kugelwellen ent-
Eine besondere Form der Transversalwellen stehen, wenn ein punktförmiger Erreger Wellen
sind die elektromagnetischen Wellen. Bei ihnen aussendet. Beispielsweise breitet sich nach der
schwingt entsprechend Abb. 5.50 ein elektrischer Zündung eines kleinen Knallkörpers eine kugel-
und ein magnetischer Feldstärkevektor senkrecht förmige Verdichtungswelle in der Luft aus. Ebene
zur Ausbreitungsrichtung. Die elektromagneti- Wellen entstehen, wenn ein ausgedehnter ebener
schen Wellen benötigen im Gegensatz zu den Strahler Wellen aussendet. Ein Lautsprecher mit
oben behandelten elastischen Wellen kein Über- einer großen Membran gibt näherungsweise ebe-
tragungsmedium. Sie können sich sowohl im ne Wellen ab. Ein Ausschnitt einer Kugelwelle
Vakuum als auch (in bestimmten Grenzen) in Ma- kann in großem Abstand vom Erregerzentrum als
terie ausbreiten. ebene Welle angesehen werden.

Abb. 5.49 Longitudinalwelle, dargestellt als Transversalwelle


422 5 Schwingungen und Wellen

liebigen Ort x wird ebenfalls harmonisch schwin-


gen, allerdings zeitlich verspätet gegenüber dem
ersten.
Die zeitliche Verschiebung beträgt t D x=c.
Damit ist die Auslenkung des Oszillators am Ort
x gegeben durch

y D yO cosŒ!.t  t/ C '0 


!
!
D yO cos !t  x C '0 :
c

Unter Berücksichtigung von (5.157) und (5.158)


ergibt sich
   
Abb. 5.50 Momentaufnahme einer elektromagnetischen t x
Welle: a Feldverteilung, b Energiedichte y D yO cos 2   C '0
T 

oder

y.x; t/ D yO cos.!t  kx C '0 /: (5.159)

Die Konstante k wird Wellenzahl genannt und ist


definiert als

kD : (5.160)

Abb. 5.51 Wellenflächen einer Kugelwelle und einer ebe-
nen Welle Gleichung (5.159) beschreibt eine Welle, die
nach rechts läuft, d. h. in Richtung zunehmender
x-Werte. Entgegengesetzte Laufrichtung erhält
Die Begriffsbestimmungen zur Beschreibung man durch Vertauschen eines Vorzeichens in der
schwingender Kontinua und Wellen sind in DIN Klammer:
1311, Blatt 4, definiert.
y.x; t/ D yO cos.!t C kx C '0 /: (5.161)

5.2.2 Harmonische Wellen Durch (5.159) und (5.161) wird auch mathema-
tisch noch einmal zum Ausdruck gebracht, dass
5.2.2.1 Mathematische Beschreibung die Auslenkungen bei einer Welle vom Ort und
harmonischer Wellen von der Zeit abhängen. Ist wie in diesem Fall die
Der mathematische Zusammenhang zwischen Ortsabhängigkeit nur die Funktion einer Ortsko-
Auslenkung y, Ort x und Zeit t bei einer Welle ordinate, dann nennt man die Welle einfach. Im
hängt von der Art der Anregung ab. Von beson- Rahmen dieses Buches werden nur einfache Wel-
derer Bedeutung ist die harmonische Anregung. len betrachtet.
Wird z. B. in Abb. 5.46 das erste Pendel bei x D 0 Hält man die Raumkoordinate x fest, so wird
harmonisch, d. h. gemäß y D yO cos.!t C '0 / aus (5.159) y.t/ D yO cos.!t  '1 /, also eine
angeregt, so bildet sich eine harmonische Welle harmonische Schwingung. Dieser Fall tritt bei-
oder Sinuswelle aus. Ein Oszillator an einem be- spielsweise auf, wenn eine Schallwelle an das
5.2 Wellen 423

Ohr gelangt und dort am festen Ort x das Trom- Wie in Abschn. 7.2.1 gezeigt wird, lässt sich
melfell zu erzwungenen Schwingungen mit der die Intensität einer Schallwelle nach (7.22) auch
Frequenz f erregt. Zu einer bestimmten Zeit t schreiben als
wird aus (5.159) y.x/ D yO cos.kx C '2 ), also
1 1 pO 2 1
das Momentbild einer harmonischen Welle, wie I D vO pO D D vO 2 Z:
2 2Z 2
es z. B. in Abb. 5.47 gezeigt ist.
Dabei ist vO die maximale Geschwindigkeit der
5.2.2.2 Energietransport Teilchen, die so genannte Schnellenamplitude
In Abschn. 5.2.1 ist bereits darauf hingewie- und pO die Amplitude des Schallwechseldrucks.
sen worden, dass eine laufende Welle Energie Z ist die Feldwellenimpedanz oder kurz der Wel-
von einem Ort zum andern transportiert. Solange lenwiderstand. Bei Schallwellen ist nach (7.15)
die Wellenbewegung anhält, enthält jedes Vo-
pO
lumenelement des Übertragungsmediums einen Z D D %c;
bestimmten Energiebetrag. Die Energie je Volu- vO
meinheit nennt man Energiedichte. das Produkt aus Dichte und Phasengeschwindig-
Bei mechanischen Wellen hat ein Volumenele- keit, also eine spezifische Größe des Mediums, in
ment dV mit der Masse dm D %dV nach (5.52) dem die Welle läuft.
die Schwingungsenergie (kinetische plus poten- Allgemein wird der Quotient aus einer dyna-
zielle Energie) mischen Feldgröße (hier: p) O und einer kinema-
tischen Feldgröße (hier: v) O als Wellenwiderstand
1 1 oder Impedanz bezeichnet.
dW D %dV vO 2 D %dV yO 2 ! 2 :
2 2 Die Energiedichte elektromagnetischer Wel-
len setzt sich aus elektrischer und magnetischer
Energiedichte (Abschn. 4.5.5) zusammen:
Die Energiedichte w mechanischer Wel-
len ist proportional dem Quadrat der Am- dE 1
plitude yO und dem Quadrat der Kreisfre- wD D .ED C HB/
dV 2
quenz !: 1 
D "r "0 E 2 C r 0 H 2 :
2
dW 1 2 2
wD D %yO ! : (5.162) Die elektrische und magnetische Energiedichte
dV 2
sind gleich, sodass auch gilt

w D "r "0 E 2 D r 0 H 2 : (5.165)


Die Energie, die je Zeiteinheit eine Fläche dA
senkrecht durchsetzt, also der Quotient aus Leis-
tung und Fläche, nennt man Intensität oder Ener- Die Energiedichte elektromagnetischer
giestromdichte. Die Intensität I lässt sich wie Wellen ist proportional zum Quadrat
jede Stromdichte als Produkt von Dichte (hier: des elektrischen bzw. magnetischen
Energiedichte) und Strömungsgeschwindigkeit Feldstärkevektors.
(hier: Ausbreitungsgeschwindigkeit) schreiben:

I D wc: (5.163) Die Energiedichte variiert längs der Ausbrei-


tungsrichtung, wie es in Abb. 5.50 dargestellt
Mit der Energiedichte nach (5.162) ergibt sich für ist. Die einzelnen Maxima verschieben sich mit
die Intensität mechanischer Wellen Lichtgeschwindigkeit auf der x-Achse. Am fes-
ten Ort x schwankt die Energiedichte gemäß
1 2 2
I D c%yO ! : (5.164) 2
2 w D "r "0 EO cos2 .!t C '0 /:
424 5 Schwingungen und Wellen

Die Energiestromdichte S einer elektromagneti- Tab. 5.8 Wellenwiderstand Z bei der Ausbreitung elek-
schen Welle ist nach (5.163) tromagnetischer Wellen im freien Raum auf Leitungen
in komplexer Notation. ~: elektrische Leitfähigkeit, !:
Kreisfrequenz der Welle
S D "r "0 E 2 c D r 0 H 2 c: (5.166)
Wellen auf Leitungen Wellen im freien Raum
Definition des Wellenwiderstandes
Sie schwankt wie die Energiedichte räumlich und
U E
zeitlich. Der Mittelwert der Energiestromdichte, ZL D (1) ZF D (2)
I H
die Intensität I , ist gegeben durch verlustbehaftetes Übertragungsmedium
s r
1 1 R C j!L0
0
r 0
2 2 ZL D (3) Z D (4)
SN D I D "r "0 EO c D r 0 HO c G 0 C j!C 0 F
"r "0  j~=!
2 2
verlustloses Übertragungsmedium
r 0 r
1 L 0
oder, mit c D p (Abschn. 5.2.2.3) Z L;0 D (5) Z F;0 D (6)
"r "0 r 0 C0 "0

r r
1 "r "0 O 2 1 r 0 O 2
SN D I D E D H :
2 r 0 2 "r "0 Für eine Koaxialleitung mit dem Innenleiter-
(5.167) durchmesser d und dem Außenleiterdurchmes-
Ein Detektor, der die Energiestromdichte des ser D (Abb. 4.74) gilt
Lichts misst, wird infolge der hohen Frequenz  
des Lichtes immer nur den Mittelwert SN anzei- 0 2"r "0   0 r 0 D
C D und L D ln :
gen. ln.D=d / 2  d
Die Energiestromdichte lässt sich auch sehr
einfach als Vektorprodukt der elektrischen und Bei der verlustlosen Freiraumübertragung im Va-
magnetischen Feldstärke darstellen: kuum beträgt der Wellenwiderstand
r
S D E  H: (5.168) 0
ZF;0 D D 376;7 :
"0
Der Vektor S weist in Ausbreitungsrichtung
der Welle und wird Poynting’scher Vektor Dieser Wert wird als Wellenwiderstand des Vaku-
(J. H. P OYNTING , 1852 bis 1914) der Energie- ums bezeichnet.
stromdichte genannt. Fällt eine Welle auf eine Grenzfläche, die zwei
Auch bei elektromagnetischen Wellen sind Medien mit unterschiedlichen Wellenwiderstän-
die charakteristischen Feldgrößen E und H den Z1 und Z2 voneinander trennt, so wird ein
bzw. Spannung U und Strom I auf Leitungen Teil der Welle an der Grenzfläche reflektiert,
durch einen Wellenwiderstand in Analogie zum der andere Teil tritt durch, er wird transmittiert
Ohm’schen Gesetz miteinander verknüpft. (Abb. 7.5). Wie in Abschn. 7.2.3 hergeleitet wird,
Tab. 5.8 gibt einen Überblick über die Abhän- ist der Reflexionsgrad %, der die reflektierte In-
gigkeiten. Dabei sind die gestrichenen Größen tensität Ir mit der einfallenden Ie verknüpft, bei
die so genannten Leitungsbeläge, d. h. der län- senkrechtem Einfall
genbezogene Widerstand R0 des Leiters, der län-  
genbezogene Querleitwert G 0 des Isolators sowie Ir Z1  Z2 2
%D D : (5.169)
die längenbezogene Kapazität C 0 und Indukti- Ie Z1 C Z2
vität L0 der Leitung. Für eine einfache Doppel-
Die transmittierte Intensität ergibt sich aus dem
leitung mit Drahtradius r und Drahtabstand a
Transmissionsgrad 
(Abb. 4.74 und (4.127)) gilt
"r "0   r 0  a  It 4Z1 Z2
C0 D und L0 D ln : D D1%D : (5.170)
ln.a=r/   r Ie .Z1 C Z2 /2
5.2 Wellen 425

Offensichtlich kommt es zu keiner Reflexi-


on, wenn die Wellenwiderstände beider Medien
gleich sind: Z1 D Z2 . Insbesondere wird ei-
ne elektromagnetische Welle auf einer Leitung
nicht reflektiert, wenn die Leitung mit einem
Ohm’schen Abschlusswiderstand R D ZL ab-
geschlossen wird. Das ist u. a. wichtig bei An-
tennenleitungen. Ist das Leitungsende offen, wird
die Welle am Ende reflektiert und bildet in der
Überlagerung mit einer einlaufenden Welle eine
stehende Welle (Absch. 5.2.6.2). Abb. 5.52 Teilstück einer gespannten Saite
Bei den ebenen Wellen ist die Energiedich-
te und somit auch die Amplitude längs der
Ausbreitungsrichtung konstant, da sich die Wel- (Die Einspannstellen liegen außerhalb des Dia-
lenflächen, durch die die Energie hindurchtritt, gramms.) Die Kraft F , die beidseitig des gekenn-
nicht ändern (Abb. 5.51 rechts). Dies bedeutet, zeichneten Volumelements angreift, wird in ihre
dass (5.159) und (5.161) für ebene Wellen gelten. x- und y-Komponente zerlegt. Die rücktreiben-
Bei Kugelwellen hingegen muss mit zunehmen- de Kraft, die das Volumelement in die Ruhelage
dem Abstand von der Quelle der Energieinhalt y D 0 zurücktreibt, ist
auf immer größer werdende Flächen verteilt wer-
den. Weil die Kugelflächen mit dem Radius r Frück D .Fy .x/  Fy .x C dx//
quadratisch zunehmen, muss die Energiedichte D F sin.˛ C d˛/  F sin ˛:
mit 1=r 2 abnehmen. Die Gleichung für eine Ku-
gelwelle (Abb. 5.51 links) lautet also für r > 0: Für kleine Auslenkungen gilt1
A @y
y.r; t/ D cos.!t  kr C '0 /: (5.171) sin ˛  ˛  tan ˛ D
r @x
Bei Zylinderwellen, bei denen die Wellenflächen und
die Form langer Zylinder haben, verteilt sich @˛ @2 y
d˛ D dx D dx:
die von der Quelle abgestrahlte Leistung auf @x @x 2
immer größere Zylinderoberflächen, die propor- Damit beträgt die Rückstellkraft
tional zum Abstand r wachsen. Dadurch nimmt
die Intensität mit 1=r ab. Die Gleichung einer Zy- 
@y @2 y

@y
linderwelle lautet demnach Frück D F C 2 dx  F
@x @x @x
B @2 y
y.r; t/ D p cos.!t  kr C '0 /: (5.172) DF dx:
r @x 2

5.2.2.3 Phasengeschwindigkeit Die Rückstellkraft beschleunigt das Massenele-


Die Geschwindigkeit einer Welle in einem be- ment der Masse dm nach dem Newton’schen
stimmten Medium wird bestimmt mit Hilfe der Grundgesetz:
Wellengleichung, die zuerst von Euler (L. E U -
LER, 1707 bis 1783) angegeben wurde. Das Auf- @2 y
Frück D dma D dm
stellen und die Lösung dieser Differenzialglei- @t 2
chung seien am Beispiel der Wellenausbreitung 1
Bei der partiellen Differenziation @y=@x wird y.x; t / nur
auf einer gespannten Saite demonstriert. nach x differenziert; die Variable t wird konstant gehalten.
Abb. 5.52 zeigt einen Ausschnitt aus einer ge- Der Differenzialquotient @y=@t wird durch Differenzieren
spannten Saite, die mit der Kraft F gespannt ist. nach t gebildet; hierbei bleibt x konstant.
426 5 Schwingungen und Wellen

oder gleichung lautet deshalb allgemein


@2 y @2 y
F 2 dx D dm 2 :
@x @t @2 y 2
2@ y
D c : (5.175)
Mit der Querschnittsfläche A der Saite gilt für die @t 2 @x 2
Masse dm D %Adx. Damit erhält man die Diffe-
Die Wellengleichung heißt gewöhnliche Wellen-
renzialgleichung
gleichung, wenn sie – wie in diesem Fall –
@2 y @2 y hinsichtlich des Ortes nur die zweite Ableitung
F 2 dx D %Adx 2 enthält.
@x @t
Nach dieser Methode kann man in allen Sys-
oder temen, in denen eine Wellenausbreitung möglich
@2 y F @2 y ist, die Wellengleichung aufstellen und somit
D : (5.173)
@t 2 A% @x 2 einen Ausdruck für die Ausbreitungsgeschwin-
Die allgemeine Lösung dieser Wellendifferenzial- digkeit einer Welle erhalten. Ohne Herleitung
gleichung ist nach d’Alembert eine Funktion vom sind in Tab. 5.9 Gleichungen zur Bestimmung der
Typ y.x; t/ D f .x ˙ ct/. Insbesondere ist die Wellengeschwindigkeit in verschiedenen Syste-
harmonische Welle nach (5.159) und (5.161) ei- men angegeben.
ne Lösung. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Welle
Zur Kontrolle bildet man die zweiten Ab- wird im engeren Sinne als Phasengeschwindig-
leitungen der Funktion y.x; t/ D yO cos.!t  keit c bezeichnet, die streng zu unterscheiden ist
kx C '/: von der später noch zu definierenden Gruppenge-
schwindigkeit cgr (Abschn. 5.2.6.4):
@2 y
O 2 cos.!t  kx C '/;
D y!
@t 2
Die Phasengeschwindigkeit gibt an, wie
@2 y
O 2 cos.!t  kx C '/
D yk schnell sich ein Schwingungszustand kon-
@x 2
stanter Phase (z. B. Wellenberg, Wellen-
und setzt sie in die Wellengleichung (5.173) ein: tal, Nulldurchgang), also eine Wellenflä-
che, fortbewegt.
O 2 cos.!t  kx C '/
y!
F
D O 2 cos.!t  kx C '/:
yk In der Gleichung einer ebenen Welle y D
A%
yO cos.!t  kx C '0 ) wird ein Zustand konstanter
Daraus ergibt sich Phase festgelegt durch !t  kx C '0 D konst.
Orte konstanter Phase sind x D !t C'0kkonst . Die
!2 .2 f /2 F Phasengeschwindigkeit, definiert als c D dx=dt,
2
D 2
D c2 D : beträgt dann
k .2 =/ A% !
cD : (5.176)
Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit einer Welle k
auf einer Saite beträgt demnach Dieser Ausdruck ist identisch mit der in (5.158)
s definierten Fortpflanzungsgeschwindigkeit c D
F f .
cD : (5.174)
A%

Beim Vergleich mit der Wellengleichung (5.173) 5.2.3 Zur Übung


stellt man fest, dass der erste Faktor auf der
rechten Seite von (5.173) mit dem Quadrat der Ü 5-10 Schallwellen, die vom menschlichen Ohr
Wellengeschwindigkeit identisch ist. Die Wellen- wahrgenommen werden, haben Frequenzen im
5.2 Wellen 427

Tab. 5.9 Phasengeschwindigkeit diverser Wellen in ver- durchmesser ist d D 10 mm, die Dichte beträgt
schiedenen Medien % D 1;5 kg=dm3 .
Wellentyp Phasengeschwindigkeit
q p
Longitudinalwellen in c D ~p %
D ~Ri T (1) a) Wie groß ist die Phasengeschwindigkeit c der
Gasen Welle?
q
Longitudinalwellen in cD K
%
(2) b) Welche Wellenlänge  tritt auf?
Flüssigkeiten c) Wie lautet die Gleichung der Welle, wenn zur
q
Longitudinalwellen in cD E
%
(3) Zeit t D 0 am Ort x D 0 die Auslenkung
dünnen Stäben y D 0 und die Geschwindigkeit v < 0 ist?
q
G
Torsionswellen in cD %
(4)
dünnen Rundstäben Ü 5-13 Das menschliche Ohr kann Schallinten-

q
EI p q
Biegewellen in dünnen c D  %A
D ! 4 EI
%A
(5) sitäten ab etwa I D 1012 W=m2 wahrnehmen.
Stäben
q q q Berechnen Sie für die Frequenz f D 1000 Hz
F  F
Seilwellen cD A%
D %
D m0
(6) und die Schallgeschwindigkeit c D 340 m=s
Elektromagnetische cD p1
"0 0
(7) die Schwingungsamplitude yO der schwingenden
Wellen im Vakuum Partikeln. Vergleichen Sie das Ergebnis mit der
1
Elektromagnetische cD p
"r "0 r 0
(8) Molekülgröße der Partikel.
Wellen in Materie
Elektromagnetische cD p1 (9)
L0 C 0
Wellen auf Leitungen Ü 5-14 Berechnen Sie die Amplitude der elektri-
schen und magnetischen Feldstärke der Lichtwel-
A Fläche, C Kapazitätsbelag, E Elastizitätsmodul,
0

G Schubmodul, I Flächenträgheitsmoment, K Kom- le eines Lasers, der im Pulsbetrieb die Leistung


pressionsmodul, L0 Induktivitätsbelag, m0 Massenbelag, P D 1 GW an die Fläche A D 0;01 mm2 abgibt.
p Druck, Ri individuelle Gaskonstante, T thermodynami-
sche Temperatur, "0 elektrische Feldkonstante, "r relative
Permittivitätszahl, ~ Isentropenexponent,  Wellenlänge, Ü 5-15 Ein Radiosender mit der Leistung P D
0 magnetische Feldkonstante, r relative Permeabilität, 100 kW strahle Kugelwellen in den isotropen
% Dichte,  Zugspannung, ! Kreisfrequenz. Ein Stab gilt Raum. Welche Intensität hat die elektromagne-
als dünn, wenn die Querdimensionen klein gegen die Wel- tische Welle im Abstand 100 km vom Sender?
lenlänge sind.
(Verluste seien vernachlässigt.)

Bereich 16 Hz 5 f 5 20 kHz. Welche Wel-


lenlängen haben diese Schallwellen, wenn die 5.2.4 Doppler-Effekt
Schallgeschwindigkeit in Luft c D 340 m=s be-
trägt? Bewegen sich eine Quelle, die eine Welle aus-
sendet, und ein Beobachter relativ zueinander,
Ü 5-11 Eine ebene Schallwelle wird durch die so registriert der Beobachter die Frequenz fB ,
Gleichung y D 5104 msin.1980 s1 t6 m1  die verschieden ist von der Frequenz fQ , mit
x/ beschrieben. der die Quelle schwingt. Diese Frequenzverschie-
Berechnen Sie a) die Frequenz f , b) die Wel- bung kann häufig im Straßenverkehr beobachtet
lenlänge , c) die Phasengeschwindigkeit c und werden: Bei einem hupenden Auto, das am Beob-
d) die Geschwindigkeitsamplitude vO eines Teil- achter vorüberfährt, erniedrigt sich während des
chens. Vorbeifahrens die Tonhöhe (Frequenz) des Si-
gnaltons. Bei Schallwellen wurde dieser Effekt
Ü 5-12 Auf einem langen Seil wird eine Trans- erstmals von C HRISTIAN D OPPLER (1803 bis
versalwelle erzeugt, indem ein Seilende sinusför- 1853) im Jahr 1842 beschrieben.
mig mit der Frequenz f D 5 Hz und derAmpli- Für die Berechnung der Frequenzverschie-
tude yO D 20 cm hin- und herbewegt wird. Die bung sind folgende Fälle zu unterscheiden: Be-
Spannkraft des Seils beträgt F D 100 N, der Seil- wegung des Beobachters, Bewegung der Quelle
428 5 Schwingungen und Wellen

a b c

Abb. 5.53 Wellenfelder zum Doppler-Effekt: a ruhende Quelle, bewegter Beobachter, b bewegte Quelle, ruhender
Beobachter und c Mach’scher Kegel beim Überschallflug

und beiderseitige Bewegung. „Bewegung“ be- b) Beobachter ruht, Quelle bewegt sich
deutet in diesem Fall, dass sich die Quelle bzw. Abb. 5.53b zeigt das Wellenfeld einer nach rechts
der Beobachter relativ zum Übertragungsmedium laufenden Schallquelle. Da die Quelle ihren ei-
(Luft), in dem sich die Welle ausbreitet, bewegt. genen Wellenzügen nacheilt, ist der Abstand
zwischen den Wellenflächen auf der Vorderseite
a) Beobachter bewegt sich, Quelle ruht gestaucht, auf der Rückseite gedehnt. Für einen
Die Schwingungen einer Schallquelle breiten Beobachter, auf den die Welle zuläuft, ist die
sich in Form von Kugelwellen in der Luft aus, wirksame Wellenlänge B D   vQ TQ ver-
wie Abb. 5.53a zeigt. Bewegt sich ein Beobachter kürzt und die Frequenz fB D cB erhöht. Mit
mit der Geschwindigkeit vB auf die Quelle zu, so c D fQ D TQ ergibt sich
kommen die Verdichtungen und Verdünnungen
der Luft in rascherer Folge an sein Ohr als beim fQ
fB D : (5.179)
Stillstand. Der zeitliche Abstand, in dem zwei 1  vQ =c
aufeinander folgende Verdichtungen beim Beob- Entfernt sich die Quelle vom Beobachter, so gilt

achter ankommen, beträgt TB D cCv B
. Damit fQ
ist die Frequenz, die der Beobachter wahrnimmt, fB D : (5.180)
1 C vQ =c
fB D cCv 
B
. Mit der Beziehung c D fQ ergibt
sich Gleichungen (5.179) und (5.180) unterscheiden
!
vB sich von (5.177) und (5.178). Bei kleinen Ge-
fB D fQ 1 C : (5.177)schwindigkeiten gehen die entsprechenden Aus-
c
drücke ineinander über. Bei großen Geschwin-
Entfernt sich der Beobachter von der Quelle, so digkeiten, besonders nahe der Schallgeschwin-
gilt ! digkeit c, ergeben sich erhebliche Abweichun-
vB gen.
fB D fQ 1  : (5.178)
c
c) Beobachter und Quelle bewegen sich
Die beiden Endformeln gelten nur für den Fall, Falls sich sowohl der Beobachter als auch die
dass sich der Beobachter radial auf die Quelle zu Quelle relativ zur Luft bewegen, gibt es je nach
bzw. von ihr weg bewegt. Erfolgt die Bewegung Bewegungsrichtung mehrere Möglichkeiten der
auf einem um die Quelle konzentrischen Kreis, Frequenzverschiebung. In Tab. 5.10 sind alle Fäl-
so beobachtet man keine Doppler-Verschiebung. le schematisch dargestellt.
Für beliebige Bewegungen muss man in (5.177)
und (5.178) die Radialkomponente der Beob- Beispiel 5.2-1
achtergeschwindigkeit einsetzen, um die richtige Zwei Züge fahren auf parallelen Gleisen mit
Frequenz zu erhalten. der gleichen Geschwindigkeit v einander ent-
5.2 Wellen 429

Tab. 5.10 Doppler-Effekt: Die verschiedenen Bewe- Michelson und Morley 1887 zeigten, bedarf es
gungsmöglichkeiten von Quelle und Beobachter sind keines Übertragungsmediums (Äther) für die
durch Pfeile angedeutet. Die Geschwindigkeiten vB ; vQ
und c sind betragsmäßig in die Gleichungen einzusetzen Ausbreitung elektromagnetischer Wellen. Für die
Doppler-Verschiebung ist nicht die Geschwin-
Quelle Beobachter beobachtete Frequenz
digkeit relativ zu einem ruhenden Koordinaten-
 vB 
  fB D fQ 1 C (5.177) system, sondern nur die Relativgeschwindigkeit
c
 vB  v von Quelle und Beobachter zueinander maß-
 ! fB D fQ 1  (5.178) gebend. Es ergibt sich bei Annäherung (Ab-
c
fQ schn. 10.5.2)
!  fB D vQ (5.179) r
1 cCv
c fB D fQ : (5.181)
fQ cv
  fB D vQ (5.180)
1C Entfernen sich Quelle und Beobachter voneinan-
c
c C vB der, werden bei dem Bruch in (5.181) Zähler und
!  fB D fQ (1)
c  vQ Nenner vertauscht.
c  vB
 ! fB D fQ (2)
c C vQ d) Quelle bewegt sich mit
c C vB Überschallgeschwindigkeit
  fB D fQ (3)
c C vQ Abb. 5.53b zeigt das Wellenfeld, das um ei-
c  vB ne bewegte Quelle entsteht. Mit zunehmender
! ! fB D fQ (4)
c  vQ Geschwindigkeit der Quelle nähern sich die Wel-
lenflächen auf der Vorderseite immer mehr, bis
sie schließlich für vQ D c alle durch einen
gegen. Ein Zug gibt ein Pfeifsignal ab, das Punkt gehen und die Einhüllende wie eine ebe-
ein Reisender im anderen Zug hört. Der Rei- ne Wand aussieht. Durchstößt die Quelle die-
sende ist musikalisch und behauptet, beim se „Schallmauer“ und fliegt mit Überschallge-
Vorbeifahren eine Tonhöhenänderung von ei- schwindigkeit, dann stellt sich ein Wellenfeld
ner Quinte (Frequenzverhältnis 3 W 2) gehört gemäß Abb. 5.53c ein. An der Spitze des Kegels
zu haben. Wie schnell fahren die Züge? Die befindet sich das auslösende Objekt. Dieses muss
Schallgeschwindigkeit beträgt c D 340 m=s. von sich aus gar keine Schallwellen aussenden.
Bei seiner Bewegung drängt es die Luftmoleküle
Lösung
zur Seite, erzeugt also vor sich eine Drucker-
Nach (1) und (2) in Tab. 5.10 ist die Fre-
höhung, hinter sich eine Druckerniedrigung. Die
quenz, die der Beobachter bei Annäherung
cCv Druckwellen breiten sich vom jeweiligen Ent-
hört, fB1 D fQ , bei Entfernung fB2 D stehungspunkt kugelförmig im Raum aus. Im
cv
cv stationären Zustand ergibt die Überlagerung al-
fQ . Das Frequenzenverhältnis beträgt
cCv ler Kugelwellen als Einhüllende einen Kegel,
  den Mach’schen Kegel (E RNST M ACH, 1838
fB1 3 cCv 2 bis 1916). Die kegelförmige Wellenfront nennt
D D :
fB2 2 cv man eine Kopfwelle. Weil sich auf dem Kegel-
Daraus folgt mantel die Druckerhöhungen addieren, hört ein
Beobachter, über den diese Stoßfront hinwegrast,
q
3
1 einen explosionsartigen Knall.
2
v D cq D 34;35 m=s D 123;6 km=h: Der Überschallknall tritt auf bei schnellen Ge-
3
2 C1
schossen und Überschallflugzeugen.
Der halbe Öffnungswinkel ˛ des Mach’schen
Die bisher angegebenen Formeln sind nicht Kegels ergibt sich nach Abb. 5.53c aus folgen-
anwendbar beim Doppler-Effekt des Lichts. Wie der Überlegung: Eine zur Zeit t D 0 am Punkt
430 5 Schwingungen und Wellen

A erzeugte Druckwelle ist in der Zeit t mit der Ü 5-19 Ein Flugzeug fliegt mit der Machzahl
Schallgeschwindigkeit c von A nach B gelaufen, Ma D 1;5.
hat also den Weg AB, d. h. ct zurückgelegt. In der
gleichen Zeit flog die Quelle von A nach Q, legtea) Wie groß ist der halbe Öffungswinkel des
also den Weg AQ, d. h. vQ t zurück. Der Sinus des Mach’schen Kegels?
Mach’schen Winkels ˛ ist damit b) Das Flugzeug befinde sich zur Zeit t D 0
c 1 genau senkrecht über einem Beobachter in
sin ˛ D D : (5.182) einer Höhe von h D 5000 m. Nach wel-
vQ Ma
cher Zeit hört der Beobachter den Überschall-
Ma nennt man die Mach’sche Zahl (s. a. (2.259)). knall?

5.2.5 Zur Übung 5.2.6 Interferenz


Ü 5-16 Eine Blaskapelle macht Musik im Frei- 5.2.6.1 Überlagerung von Wellen
en. Wie schnell muss ein Autofahrer auf die gleicher Frequenz
Musiker zufahren, damit er daspMusikstück einen Laufen mehrere Wellen durch ein gemeinsames
12
Halbton (Frequenzverhältnis 2 W 1) höher hört? Übertragungsmedium, so kann es an bestimmten
Stellen des Raumes zu Überlagerungen der ein-
Ü 5-17 Ein Lokführer, der mit der Geschwindig- zelnen Wellen kommen. Es zeigt sich, dass im
keit v D 90 km=h auf einen Tunnel zufährt, lässt Allgemeinen das Prinzip der ungestörten Super-
ein Pfeifsignal der Frequenz f D 500 Hz ertö- position anwendbar ist. Dabei geht man davon
nen. aus, dass sich jede Welle so ausbreitet, als ob die
a) Welche Frequenz fB hört ein ruhender Beob- anderen Wellen nicht da wären; man überlagert
achter, an dem der Zug bereits vorbeigefahren sie dann additiv. Erscheinungen, die an einer be-
ist? stimmten Stelle des Raumes durch Überlagerung
b) Am Tunneleingang wird das Signal reflek- von Wellen hervorgerufen werden, nennt man In-
tiert. Welche Frequenz fT hört der Beobach- terferenz.
ter? Zunächst soll untersucht werden, wie sich
c) Wie groß ist die Frequenz fL des reflektierten zwei in derselben Richtung laufende ebene Wel-
Signals für den Lokführer? len gleicher Amplitude überlagern. Die erste
Welle sei gegeben durch
Ü 5-18 Beim Verkehrsradar wird ein Radarstrahl
an einem entgegenkommenden Kraftfahrzeug re- y1 D yO cos.!t  kx/:
flektiert. Ein Detektor, der neben dem Sender
steht, misst die Frequenzverschiebung des reflek- Die zweite Welle weise gegenüber der ersten
tierten Strahls gegenüber der Sendefrequenz. die Phasenverschiebung ' bzw. den Gangunter-
'
schied D  auf:
a) Zeigen Sie, dass die relative Frequenzände- 2 
rung in guter Näherung f =f D 2v=c be-
trägt. v ist die Geschwindigkeit des Autos, c y2 D yO cos.!t  kx C '/
 
die Lichtgeschwindigkeit.
D yO cos !t  kx C 2  :
b) Wie groß ist die Frequenzänderung, wenn 
v D 60 km=h und f D 9 GHz ist?
c) Mit welcher Genauigkeit muss f gemes- Die resultierende Welle, die durch Addition der
sen werden, wenn die Geschwindigkeit v D beiden Teilwellen entsteht, ist wieder eine ebene
60 km=h auf 10 % genau sein soll? Welle mit der gleichen Frequenz und Wellenlän-
5.2 Wellen 431

a b c

Abb. 5.54 Überlagerung ebener Wellen mit Zuständen für t D 0

ge, aber anderer Amplitude und Phasenlage: Tab. 5.11 Interferenzbedingungen für konstruktive und
! destruktive Interferenz, Ordnungszahl m D 0; 1; 2; 3 : : :
' ' Bedingung für konstruktive destruktive
y D 2yO cos cos !t  kx C
2 2 Interferenz Interferenz
Gangunterschied D m D .2mC1/ 2
oder
! ! Phasenverschiebung ' D m2  ' D .2m C 1/ 

y D 2yO cos   cos !t  kx C   :
 
(5.183) beiden Teilwellen ein ungeradzahliges Vielfaches
der halben Wellenlänge beträgt.
In Abb. 5.54 sind einige Sonderfälle dargestellt:

a) Gangunterschied D 0; Phasenverschie- Beispiel 5.2-2


bung ' D 0. Die Amplitude der resultie- Zwei Lautsprecherboxen B1 und B2 sind im
renden Welle ist doppelt so groß wie die der Abstand d D 4 m aufgestellt. Ein Hörer sitzt
Ausgangswellen. Die Nulldurchgänge liegen so, dass er von der Box B1 die Entfernung
am selben Ort wie bei den Ausgangswellen. s1 D 4;2 m, von B2 den Abstand s2 D 3;2 m
b) Gangunterschied D =2; Phasenverschie- hat. Für welche Frequenzen können sich die
bung ' D  . Die beiden Ausgangswellen Schallwellen am Ort des Hörers auslöschen?
schwingen an jedem Ort gegenphasig und lö- (Reflexionen, z. B. an den Wänden, seien ver-
schen sich überall aus. nachlässigt.)
c) Gangunterschied D =4; Phasenverschie-
bung ' D  =2. Die p Amplitude der resultie-
Lösung
renden Welle ist 2-mal größer als die der Bedingung für Auslöschung ist nach Tab. 5.11
Ausgangswellen. Die Nulldurchgänge liegen der Gangunterschied D s2  s1 D .2m C
zwischen denen der Wellen y1 und y2 .  2.s2  s1 /
1/ . Daraus folgt m D . Mit
2 2m C 1
Die Ergebnisse sind in Tab. 5.11 wiedergege- c
fm D erhält man für die sich weginter-
ben. Konstruktive Interferenz, d. h. Verstärkung m
ferierenden Frequenzen
der beiden Wellen, ergibt sich, wenn der Gang-
unterschied ein ganzzahliges Vielfaches der Wel- 2m C 1
lenlänge ist. Destruktive Interferenz – also Auslö- fm D c :
2.s2  s1 /
schung – tritt ein, wenn der Gangunterschied der
432 5 Schwingungen und Wellen

Bei kontinuierlicher Verschiebung eines Spie-


gels variiert daher das Empfängersignal peri-
odisch. Ist x die Verschiebung eines Spiegels
zwischen zwei Empfängermaxima, so beträgt die
Wellenlänge der ebenen Welle  D 2x. Auf diese
Weise lässt sich beispielsweise die Wellenlänge
der untersuchten Welle bestimmen. Nimmt man
als Welle eine Lichtwelle, so kann man wegen
der kleinen Wellenlänge von nur einigen hundert
Nanometern ungewöhnlich präzise Längenmes-
sungen vornehmen (Abschn. 6.4). Bereits 1889
haben Michelson und Morley darauf hingewie-
sen, dass die Längeneinheit „Meter“ als Vielfa-
ches einer bestimmten Lichtwellenlänge definiert
werden könnte. Diese Definition wurde auch rea-
lisiert und war bis 1983 gültig.
Abb. 5.55 Michelson-Interferometer, schematisch. S,
Bei Lichtwellen gelingen Interferenzexperi-
Sender; P, halbdurchlässige Platte; S1 und S2 , Spiegel;
E, Empfänger mente nur dann, wenn die beiden interferierenden
Wellen kohärent sind. Einzelheiten hierüber fin-
det man in Abschn. 6.4.
Mit der Schallgeschwindigkeit c D 340 m=s
folgt 5.2.6.2 Stehende Wellen
fm D 170 Hz  .2m C 1/: Bringt man zwei ebene Wellen gleicher Ampli-
tude und Frequenz, aber entgegengesetzter Lauf-
Man erhält die Zahlenwerte f0 D 170 Hz, richtung zur Interferenz, so entsteht eine stehen-
f1 D 510 Hz, f2 D 850 Hz, f3 D 1190 Hz de Welle. Praktisch geschieht dies z. B. bei der
und so fort. Reflexion einer Welle an einer Wand. Mathema-
tisch werden die beiden entgegengesetzt laufen-
Im Interferometer nach Michelson kann die den Wellen beschrieben durch
Überlagerung von zwei ebenen Wellen mit belie-
bigem Gangunterschied beobachtet werden. Das y1 D yO cos.!t  kx/
Prinzip geht aus Abb. 5.55 hervor. Eine ebe-
und
ne Welle (Lichtwelle, elektromagnetische Mikro-
welle, Ultraschallwelle), die der Sender S aus- y2 D yO cos.!t C kx C '/:
strahlt, wird von der halbdurchlässigen Platte P in
zwei Teilwellen zerlegt, die nach der Reflexion an Die resultierende Welle ergibt sich durch Additi-
den Spiegeln S1 und S2 im unteren Arm des Spek- on der beiden Teilwellen:
trometers überlagert werden. Je nach Weglänge  '  '
zwischen P und S1 bzw. S2 kommt es zur In- y.x; t/ D 2 O
y cos !t C cos kx C :
2 2
terferenz mit verschiedenen Gangunterschieden. (5.184)
Sind die Spiegel so justiert, dass der Empfän- In Abb. 5.56 sind verschiedene Zustände der
ger E ein maximales Signal registriert, so liegt durch (5.184) beschriebenen stehenden Welle
konstruktive Interferenz vor, d. h., der Gangun- dargestellt. In regelmäßigen Abständen =2, ent-
terschied der beiden Teilwellen beträgt D m. stehen Schwingungsknoten bzw. Schwingungs-
Verschiebt man jetzt z. B. den Spiegel S1 um =4, bäuche. Es ist zu beachten, dass diese Knoten und
so verändert sich der Weg im betreffenden Arm Bäuche ortsfest sind und sich nicht wie bei der
des Spektrometers um =2; dies führt zur Auslö- laufenden Welle längs der x-Achse weiterbewe-
schung der interferierenden Wellen. gen.
5.2 Wellen 433

Abb. 5.56 Zustände einer stehenden Welle

Abb. 5.57 Reflexion einer Transversalwelle am festen (a) Abb. 5.58 Stehende Wellen auf einer Saite
und losen Ende (b)

gen an, so bildet sich eine stehende Welle aus,


Bei jeder Reflexion einer Welle tritt ein ste- die bei fester Einspannung einen Knoten, bei lo-
hendes Wellenfeld auf. Ob sich an der Re- ser Halterung einen Bauch am Schlauchende hat.
flexionsstelle ein Schwingungsknoten oder ein Stehende Wellen treten in vielen Gebieten der
Schwingungsbauch ausbildet, hängt davon ab, ob Physik auf. Im Folgenden werden einige Beispie-
die Reflexion an einem festen oder losen Ende le beschrieben.
erfolgt. Hängt man einen mit Sand gefüllten fle-
xiblen Schlauch an der Decke auf und versetzt Transversalwellen auf Saiten
ihm einen Schlag, so läuft die Ausbuchtung nach Spannt man eine Saite an beiden Enden ein, so
oben und nach der Reflexion am fest eingespann- bildet sich bei geeigneter Anregung eine stehende
ten Ende auf der anderen Seite wieder herunter, Welle aus. (In Abb. 5.58 wird eine Einspannstelle
wie Abb. 5.57a zeigt. Die Welle erfährt also einen zu transversalen Schwingungen mit kleiner Am-
Phasensprung um ' D  . Ist hingegen das obere plitude angeregt.) Je nach Erregerfrequenz bilden
Ende des Schlauches an einem dünnen Bindfa- sich verschiedene stehende Wellen mit verschie-
den gemäß Abb. 5.57b befestigt, so erfolgt bei denen Knoten aus. Da an den Einspannstellen
der Reflexion am losen Ende kein Phasensprung, stets ein Knoten sein muss, hat die Grundschwin-
d. h., die Auslenkung kommt auf derselben Sei- gung einen Bauch in der Saitenmitte. Die Länge
te zurück, auf der sie begann. Regt man nun den l der Saite muss demnach mit der halben Wellen-
Schlauch mit geeigneter Frequenz zu Schwingun- länge übereinstimmen: l D =2. Mit c D f
434 5 Schwingungen und Wellen

ergibt sich für die Frequenz des Grundtons


c
f0 D : (5.185)
2l
Die Phasengeschwindigkeit der Welle beträgt da-
bei s
F
cD : (5.174) Abb. 5.59 Stehende Schallwellen im Kundt’schen Rohr:
A%
a Prinzip der Anregung und b Knoten und Bäuche (Foto-
Die erste Oberschwingung hat in der Saitenmit- grafie)
te einen Knoten, die zweite Oberschwingung hat
zwei Knoten und so fort. Die n-te Oberschwin-
gung hat n Knoten und die Frequenz Longitudinalwellen in Gasen
Longitudinale stehende Wellen in einer Luftsäu-
fn D .n C 1/f0 : (5.186) le können im Kundt’schen Rohr sichtbar gemacht
werden, wie es Abb. 5.59 zeigt. Die Luftsäule
Beispiel 5.2-3
im Innern eines Glasrohrs wird z. B. mit Hil-
Abb. 5.58 zeigt Fotografien stehender Wellen
fe eines Lautsprechers in Längsschwingungen
auf einer Gummischnur. Die Anregung ge-
versetzt. Die Länge der schwingenden Luftsäu-
schieht mit einem Klingeltrafo variabler Fre-
le lässt sich mit dem verschiebbaren Stempel
quenz. Die Dichte der Saite beträgt % D
am linken Ende verändern. Bei passender Länge
0;95 kg=dm3 , die Spannkraft F D 1 N, die
bildet sich ein stehendes Wellenfeld mit großen
Saitenlänge l D 2 m, der Durchmesser der
Schwingungsamplituden aus. Im Rohrinnern be-
Saite d D 1 mm.
findet sich Korkmehl, das an den Schwingungs-
a) Mit welcher Frequenz f0 muss die Saite bäuchen aufgewirbelt wird und an den Knoten
angeregt werden, damit sich die Grund- liegen bleibt. Der Abstand zweier benachbarter
schwingung einstellt? Knoten beträgt auch in diesem Fall =2.
b) Wie viel Knoten lassen sich beobachten, Stehende Longitudinalwellen spielen auch ei-
wenn die maximal einstellbare Frequenz ne große Rolle bei Blasinstrumenten. Als Bei-
fmax D 50 Hz beträgt? spiel seien die Eigenschwingungen der Orgel-
pfeifen näher untersucht. Bei Orgelpfeifen wird
Lösung die Luft am vorderen Ende über eine Schneide
eingeblasen und durch die entstehenden Wirbel
a) Nach (5.185) ist die Frequenz des Grund- die Luftsäule zu Schwingungen angeregt. Bei
tons offenen Pfeifen ist das hintere Ende der Pfei-
c fe offen. Dort wird die Schallwelle reflektiert
f0 D : Mit
s2l und läuft zurück. Es bildet sich eine stehende
F Welle aus, die an den Enden des Rohres einen
cD Schwingungsbauch (Druckknoten) aufweist (Re-
A%
s flexion am losen Ende). Abb. 5.60 zeigt einige
1N Schwingungsformen einer offenen Pfeife. Die
D
7;85  107 m2  950 .kg=m3/ Longitudinalwellen werden als Transversalwel-
D 36;6 m=s len dargestellt. Die Grundschwingung hat in der
Mitte einen Knoten. Die Länge l der Pfeife ent-
ist die Grundfrequenz f0 D 9;15 Hz. spricht also einer halben Wellenlänge der Schall-
b) Eine Schwingung mit n Knoten hat die welle. Mit der Schallgeschwindigkeit c ergibt
Frequenz fn D .n C 1/f0 . Mit der Bedin- sich die Frequenz des Grundtons wie bei den Sai-
gung fn 5 fmax folgt n D 4. tenschwingungen zu f0 D c=.2l/ (5.185). Die
5.2 Wellen 435

Abb. 5.61 Eigenschwingungen gedackter Orgelpfei-


fen (Verlauf der Auslenkung bzw. Geschwindigkeit):
a Grundschwingung, b erste Oberschwingung und
c zweite Oberschwingung

Bei den Musikinstrumenten schwingen au-


ßer der Grundschwingung immer mehrere
Oberschwingungen mit. Der typische indivi-
duelle Klang eines Instrumentes wird durch
sein Obertonspektrum bestimmt (Abschn. 7.2.2,
Abb. 7.16).
Abb. 5.60 Eigenschwingungen offener Orgelpfei-
fen (Verlauf der Auslenkung bzw. Geschwindigkeit):
a Grundschwingung, b erste Oberschwingung und 5.2.6.3 Beugung
c zweite Oberschwingung Eine Welle, die auf ein Hindernis trifft, wird an
dessen Rändern gebeugt. Sie erfährt eine Rich-
tungsänderung und pflanzt sich auch in Richtun-
n-te Oberschwingung hat n C 1 Knoten und die gen fort, die innerhalb der geometrischen Schat-
Frequenz fn D .n C 1/f0 (5.186). tengrenzen liegen. Die Richtungsänderung und
Bei „gedackten“ Pfeifen ist ein Ende der Pfei- die Ausbildung der neuen Wellenfront hinter dem
fe verschlossen. Am geschlossenen Ende entsteht Hindernis können nach dem Prinzip von Huygens
ein Schwingungknoten, am offenen ein Schwin- (C. H UYGENS , 1629 bis 1695) ermittelt wer-
gungsbauch. Die verschiedenen Eigenschwin- den: Alle Punkte einer Wellenfläche schwingen
gungsformen sind in Abb 5.61 gezeigt. Bei der mit gleicher Phase. Sie haben dieselbe Frequenz
Grundschwingung ist die Länge l der Pfeife mit wie der Wellenerreger und unterscheiden sich
=4 identisch. Die Frequenz des Grundtones ist demnach nicht grundsätzlich von diesem. Nach
deshalb Huygens kann nun jeder Punkt einer Wellenflä-
c
f0 D : (5.187) che als Ausgangspunkt einer sog. Elementarwelle
4l
Eine gedackte Pfeife klingt also bei gleicher Län- (Kugelwelle) gedacht werden. Werden zu einem
ge um eine Oktave tiefer als eine offene Pfeife. bestimmten Zeitpunkt von allen Punkten einer
Die Frequenz der n-ten Oberschwingung beträgt Wellenfläche Elementarwellen ausgesandt, so er-
gibt sich die Wellenfläche zu einem späteren
fn D .2n C 1/f0 : (5.188) Zeitpunkt als Einhüllende aller Elementarwellen.
Abb. 5.62 zeigt Beispiele für die Anwendung des
Bei der gedackten Pfeife kommen im Ober- Huygens’schen Prinzips.
tonspektrum nur ungeradzahlige Vielfache der Das Huygens’sche Prinzip der Elementarwel-
Grundfrequenz vor. len wurde von A. J. F RESNEL (1788 bis 1827)
436 5 Schwingungen und Wellen

Abb. 5.62 Beispiele zum Huygens’schen Prinzip

Abb. 5.64 Beugung am Doppelspalt

Die Existenz der Elementarwellen kann man


durch folgenden Versuch sichtbar machen: Lässt
man – wie in Abb. 5.63 gezeigt – ebene Wasser-
wellen auf eine Wand mit einer kleinen Öffnung
zulaufen, so bildet sich hinter der Öffung eine
kreisförmige Elementarwelle aus. Hat die Wand
zwei oder mehr Öffnungen, so ergibt sich das
Wellenfeld hinter den Hindernissen durch Inter-
ferenz der Elementarwellen.
Die Beugung an einem Doppelspalt soll mit
Hilfe von Abb. 5.64 genauer untersucht werden.
Von unten her bewege sich eine ebene Welle auf
ein Hindernis zu, das im Abstand d zwei spaltför-
mige Öffnungen hat. Von diesen Öffnungen aus
werden Elementarwellen in den Raum hinter dem
Hindernis abgestrahlt.
Symbolisieren die konzentrischen Kreise die
Abb. 5.63 Elementarwelle hinter einer spaltförmigen Wellenberge der Elementarwellen, so erhält man
Öffnung Verstärkung immer am Schnittpunkt zweier Krei-
se, weil dort der Gangunterschied ein ganzzahli-
ges Vielfaches der Wellenlänge ist. Die Verbin-
erweitert. Er zeigte, dass die Schwingung ei- dungslinien aller dieser Orte mit konstruktiver
nes beliebigen Punktes im Wellenfeld dadurch Interferenz ergeben als Interferenzmuster eine
zustande kommt, dass sämtliche Elementarwel- Schar konfokaler Hyperbeln, die der Hyperbel-
len, die von einer Wellenfläche ausgehen, in dem gleichung .x 2 =a2 /  .y 2 =b 2 / D 1 genügen, mit
betreffenden Punkt überlagert werden. Das Huy- a D m.=2/ und b 2 D .d=2/2  a2 .
gens-Fresnel’sche Prinzip erwies sich als außer- Die Ordnungszahl m gibt den Gangunter-
ordentlich fruchtbar; denn man ist damit in der schied der interferierenden Kugelwellen in Viel-
Lage, alle Beugungserscheinungen zu erklären. fachen der Wellenlänge  an. Die Intensitäts-
5.2 Wellen 437

Abb. 5.65 Wellenpaket endlicher Länge

maxima nullter Ordnung .m D 0/ liegen auf


der y-Achse. Aus geometrischen Gründen ist die
Ordnungszahl beschränkt auf Werte m 5 d= (in
Abb. 5.64 auf m D 0 bis m D 3). Rechts sind
die Asymptoten eingezeichnet, an die sich die Abb. 5.66 Zustände einer Wellengruppe. Der Pfeil kenn-
Hyperbeln in großem Abstand von den Spalten zeichnet das Maximum der Gruppe; der kleine Kreis einen
(Fernfeld) anschmiegen. Die Winkel der Asym- Zustand konstanter Phase
ptoten zur y-Achse betragen

sin ˛m D m : (5.189) Die Addition der beiden Teilwellen ergibt
d
Bei den bisherigen Betrachtungen war die Spalt- y D 2yO cos.!t kx/ cos.!t kx/ (5.190)
öffnung sehr viel kleiner als die Wellenlänge. Der
Fall, dass die Wellenlänge kleiner ist als die Öff- mit
nung, ist vor allem in der Optik häufig anzutreffen
(Abschn. 6.4). !1 C !2
!D als der mittleren Kreisfrequenz,
2
k1 C k2
5.2.6.4 Überlagerung von Wellen kD als der mittleren Wellenzahl,
2
unterschiedlicher Frequenz !1  !2
Die ebene Welle y D yO cos.!t  kx/ ist so- ! D sowie
2
wohl räumlich als auch zeitlich unendlich aus- k D 1 k  k2
.
gedehnt, d. h., sie hat weder Anfang noch En- 2
de. Reale physikalische Wellen sind begrenzt.
Der erste Faktor in (5.190) stellt eine laufen-
Beispielsweise laufen bei der digitalen Nach-
de Welle dar, deren Frequenz und Wellenzahl
richtentechnik Wellenzüge endlicher Länge auf
praktisch mit den Werten der Ausgangswellen
elektrischen Leitungen. Ein solches Wellenpa-
identisch sind. Die Phasengeschwindigkeit dieser
ket ist schematisch in Abb. 5.65 wiedergegeben.
Welle beträgt
Ein Wellenpaket kann mathematisch nicht durch
die genannte Gleichung beschrieben, sondern es ! !1 C !2
muss nach dem Satz von F OURIER als Summe cD D :
k k1 C k2
bzw. Integral über unendlich viele k-Werte (Wel-
lenzahlen) dargestellt werden. Die wesentlichen Der zweite Faktor ist verantwortlich für eine
Eigenschaften eines Wellenpakets können am langwellige Modulation der Amplitude mit der
Beispiel der Schwebungsgruppe diskutiert wer- Ausbildung von Wellengruppen. Abb. 5.66 zeigt
den, die entsteht, wenn zwei ebene Wellen mit zwei Momentbilder der Funktion von (5.190) mit
leicht unterschiedlicher Frequenz und Wellenlän- von oben nach unten fortschreitender Zeit. Das
ge überlagert werden: Maximum der Wellengruppe, durch einen Pfeil
gekennzeichnet, bewegt sich mit der Gruppen-
y1 D yO cos.!1 t  k1 x/;
geschwindigkeit cgr , die man auf folgende Weise
y2 D yO cos.!2 t  k2 x/: berechnen kann:
438 5 Schwingungen und Wellen

Die Einhüllende der Gruppe entspricht dem Man unterscheidet hierbei drei Fälle:
langwelligen Anteil von (5.190): dc
> 0; cgr < c, normale Dispersion;
d
y D 2yO cos.!t  kx/: dc
< 0; cgr > c, anomale Dispersion;
d
Ein Zustand konstanter Phase dieser Funktion dc
D 0; cgr D c, keine Dispersion.
wird beschrieben durch !t  kx D konst. d
Orte konstanter Phase sind Die in Abb. 5.66 dargestellte Welle zeigt normale
!t  konst. Dispersion: Ein Zustand konstanter Phase, durch
xD : einen kleinen Kreis gekennzeichnet, bewegt sich
k
rascher als das Maximum der Wellengruppe.
Damit ergibt sich die Geschwindigkeit der Grup- In der Optik wird die Lichtgeschwindigkeit
pe: c in einem Medium über den Brechungsindex n
dx ! !1  !2 ausgedrückt (Abschn. 6.2.3.1):
cgr D D D :
dt k k1  k2 c0
cD ;
Für beliebige Wellenpakete, die durch Fourier- n
Synthese erzeugt werden, ist die Gruppenge- c ist die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum.
0
schwindigkeit Dieser Brechungsindex zeigt üblicherweise
d!
cgr D : (5.191) Dispersion, d. h., er hängt von der Lichtwellen-
dk
länge ab: n D n./.
Wird für die Gruppengeschwindigkeit von
Lichtwellen ein Gruppenindex definiert gemäß
Die Gruppengeschwindigkeit ist die Ge-
schwindigkeit, mit der sich die Hüllkurve c0
ngr D ;
einer Wellengruppe weiterbewegt und so- cgr
mit auch die Geschwindigkeit, mit der die dann besteht für diese beiden Brechungsindizes
Energie transportiert wird. folgender Zusammenhang
dn
ngr D n   (5.193)
:
Die Gruppengeschwindigkeit ist von großer d
praktischer Bedeutung. Wie man leicht zeigen In der optischen Nachrichtentechnik laufen mo-
kann, hängt die Gruppengeschwindigkeit cgr mit dulierte Lichtsignale auf Glasfasern. Die für
der Phasengeschwindigkeit c über die Beziehung die Signalübertragung maßgebliche Geschwin-
digkeit ist die Gruppengeschwindigkeit, die mit
dc
cgr D c   (5.192) Hilfe des Gruppenindex bestimmt wird.
d
Beispiel 5.2-4
zusammen. Aus dieser Gleichung erkennt man, In der Nachrichtentechnik werden elektroma-
dass Gruppen- und Phasengeschwindigkeit nur gnetische Wellen häufig auf Hohlleitern über-
dann gleich sind, wenn die Phasengeschwindig- tragen. Schwingt nach Abb. 5.67 der elektri-
keit c nicht von der Wellenlänge  abhängt, d. h. sche Feldvektor E in z-Richtung und läuft die
wenn dc=d D 0 ist. Bei sehr vielen prakti- Welle in y-Richtung, dann gilt folgende Dis-
schen Anwendungen hängt jedoch die Phasen- persionsrelation:
geschwindigkeit von der Wellenlänge ab. Dies v
nennt man Dispersion. Sie bewirkt, dass ein Wel- u !2
u  
lenpaket im Laufe der Zeit seine Form verän- t
!.k/ D c0 k C 2 :
a
dert – es zerläuft.
5.2 Wellen 439

digkeit
s
 2
d! fgr
cgr D D c0 1 :
dk f
Für das Produkt der beiden Geschwindigkei-
ten gilt:
cgr  c D c02 :

5.2.7 Zur Übung

Ü 5-20 Zwei Wellen gleicher Frequenz, Schwin-


gungsrichtung und Laufrichtung überlagern sich.
Sie werden beschrieben durch
Abb. 5.67 Phasen- und Gruppengeschwindigkeit einer
elektromagnetischen Welle in einem Hohlleiter
  
y1 D 3  104 m  cos !t  kx C und
 6 

y2 D 2  104 m  cos !t  kx C :
Für Wellen dieser Art ist die Phasen- und 3
Gruppengeschwindigkeit zu bestimmen.
Ermitteln Sie a) die resultierende Amplitude y,
O b)
die Phasenverschiebung der resultierenden Welle
Lösung gegenüber y1 .
Aus der Dispersionsrelation folgt für die Pha-
sengeschwindigkeit Ü 5-21 Ein Stahlstab mit der Dichte % D
! c0 c0 7;83 kg=dm3 und der Länge l D 1 m ist in
cD Ds 2 s 2 : der Mitte fest eingespannt. Durch Reiben er-
k 
c0

fgr
1 1 zeugt man eine Longitudinalschwingung mit der
2af f Grundfrequenz f0 D 2527 Hz.

Eine Wellenausbreitung ist offensichtlich nur a) Wie groß ist die Schallgeschwindigkeit im
möglich, wenn die Frequenz f größer ist als Stab?
eine Grenzfrequenz fgr : b) Bestimmen Sie den Elastizitätsmodul des
Stahls.
c0 c) Welche Frequenzen haben die möglichen
f > fgr D :
2a Obertöne?
Zudem ist die Phasengeschwindigkeit c stets Ü 5-22 Zwei ebene ungedämpfte Wellen laufen
größer als die Vakuumlichtgeschwindigkeit c0 in gleicher Richtung und überlagern sich. Die
(Abb. 5.67). Dies ist kein Widerspruch zur Frequenzen sind f1 D 30 Hz und f2 D 33 Hz.
Relativitätstheorie, nach der weder materielle Die Ausbreitungsgeschwindigkeit ist für beide
Körper schneller sein können als die Vakuum- c1 D c2 D 330 m=s.
lichtgeschwindigkeit, noch Energie mit einer
größeren Geschwindigkeit übertragen werden a) Welchen räumlichen Abstand haben zwei auf-
kann. Tatsächlich werden Signale (Energie) einander folgende Wellengruppen?
auf dem Hohlleiter mit der Gruppengeschwin- b) Wie groß ist die Schwebungsfrequenz am fes-
digkeit übertragen, die stets kleiner ist als die ten Ort eines Detektors?
Vakuumlichtgeschwindigkeit. Aus der Disper- c) Wie groß ist die Gruppengeschwindigkeit ei-
sionsrelation folgt für die Gruppengeschwin- ner Schwebungsgruppe ?
440 5 Schwingungen und Wellen

Ü 5-23 Der Brechungsindex von Quarzglas zeigt von einem GaAlAs-Laser, der bei der Wellen-
normale Dispersion. Im Kern einer Glasfaser länge  D 850 nm emittiert. Wie groß ist der
werden folgende Werte gemessen: Gruppenindex?

bei 1 D 840 nmW n1 D 1;47393; Ü 5-24 Eine in x-Richtung laufende Welle


bei 2 D 860 nmW n2 D 1;47359: wird an der Stelle x0 reflektiert (Reflexionsgrad
100 %). Wie lautet die Gleichung der stehenden
Bestimmen Sie näherungsweise, mit welcher Welle, die vor der Wand entsteht, wenn die Wel-
Geschwindigkeit (Gruppengeschwindigkeit) sich le an einer a) harten, b) weichen Wand reflektiert
der Schwerpunkt eines kurzen Lichtpulses auf ei- wird? c) Wie ist der Druckverlauf vor der Wand,
ner Glasfaser ausbreitet. Der Lichtblitz stammt wenn es sich um eine Schallwelle handelt?
Optik
6

Gleichungen haben elektromagnetische Wellen


6.1 Einführung
als Lösung, die sich mit Lichtgeschwindigkeit
Die Optik ist die Lehre vom Licht und befasst im Vakuum ausbreiten. Es gelang, alle Gesetze
sich mit den Erscheinungen, die durch unser der Optik aus den Grundgleichungen der Elektro-
Sinnesorgan Auge wahrgenommen werden. Die dynamik herzuleiten, sodass die Optik zu einem
Gliederung der Optik in ihre historisch gewach- Teilgebiet der Elektrodynamik wurde.
senen Teilgebiete ist in Abb. 6.1 schematisch Abb. 6.2 zeigt die Einordnung des sichtba-
dargestellt. ren Lichtes in das Gesamtspektrum der elektro-
Die Auffassung über das Wesen des Lichtes magnetischen Wellen. Das sichtbare Spektrum
änderte sich mehrmals im Lauf der Zeit. Von liegt im Wellenlängenbereich  D 380 nm bis
Newton wurde 1672 eine Korpuskulartheorie ent-  D 780 nm. Die Wellenlänge  ist mit der Fre-
wickelt. Ihr zufolge sendet eine Lichtquelle klei- quenz f und der Lichtgeschwindigkeit c durch
ne Korpuskeln aus, die sich mit großer Geschwin- c D f verknüpft (Abschn. 5.2.1). Mit der Vaku-
digkeit geradlinig fortbewegen, bis sie entweder umlichtgeschwindigkeit c0 D 299:792;458 km=s
direkt oder nach der Reflexion an Gegenständen ergeben sich Frequenzen des sichtbaren Lichts im
ins Auge gelangen und dort Sinnesreize auslösen. Bereich f D 3;84  1014 Hz bis 7;89  1014 Hz.
Mit seiner Korpuskulartheorie war Newton in der Unser Auge ist demnach in einem Frequenzinter-
Lage, die Reflexion und Brechung von Licht zu vall von einer Oktave empfindlich.
erklären. Nachdem Ende des 19. Jahrhunderts die Wel-
Die Phänomene der Beugung und Interfe- lentheorie des Lichtes etabliert war, wurden um
renz des Lichtes konnten nur mit der zuerst von die Jahrhundertwende Experimente bekannt, die
Huygens (1678) entwickelten Wellentheorie des mit der Wellentheorie nicht interpretierbar wa-
Lichtes erklärt werden, die später durch die Ar- ren. Diese Schwierigkeiten treten immer dann
beiten von Young (1802) erhärtet wurde. War man auf, wenn Licht und Materie in Wechselwirkung
zunächst noch der Meinung, dass es sich um elas- treten, z. B. bei der Absorption und Emission
tische Longitudinalwellen in einem das Weltall von Licht. Einen Ausweg fand Einstein (1905)
erfüllenden „Äther“ handelte, so wurde nach der mit der Einführung seiner Lichtquantenhypothe-
Entdeckung der Polarisation des Lichtes durch se. Danach soll Licht aus einzelnen Lichtquanten
Malu̇s (1808) von Fresnel (1815) der Schluss bestehen, die Energie in ganzen Paketen, d. h.
gezogen, dass das Licht eine transversale Welle quantenhaft, mit Materie austauschen. Je nach
darstellt. Experiment wurde deshalb Licht entweder als
Die Natur der Lichtwellen als elektroma- Teilchenstrom oder als elektromagnetische Welle
gnetische Transversalwellen wurde schließlich interpretiert. Diese Zweigleisigkeit der Beschrei-
von Maxwell (1865) erkannt. Die Maxwell’schen bung wurde mit dem Begriff Welle-Teilchen-

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2016 441


E. Hering, R. Martin, M. Stohrer, Physik für Ingenieure, DOI 10.1007/978-3-662-49355-7_6
442 6 Optik

Abb. 6.1 Strukturbild physikalische Optik

Dualismus belegt. Erst in der Quantenoptik bzw.


Quantenelektrodynamik wurde eine theoretische
Beschreibung gefunden, die beide Aspekte verei-
nigt.

6.2 Geometrische Optik

6.2.1 Lichtstrahlen

Die geometrische Optik oder Strahlenoptik fußt


auf der Prämisse: Lichtstrahlen breiten sich im
homogenen Medium geradlinig aus. Der Begriff
der Strahlen stammt aus der Korpuskulartheo-
rie, wo der Weg einer Korpuskel durch einen
geraden Strahl beschrieben wird. Auch in der
Wellentheorie hat der Lichtstrahl eine sinnvolle
Bedeutung; er entspricht der Normalen auf einer
Wellenfläche.
Abb. 6.3a zeigt eine punktförmige Lichtquel-
le mit konzentrischen kugelförmigen Wellenflä-
chen. Die eingezeichneten Strahlen, die von der
Lichtquelle ausgehen, stehen senkrecht auf den
Wellenflächen. Die Gesamtheit aller Strahlen, die
von der Blende begrenzt werden, nennt man ein
Strahlenbündel. Wenn die Strahlen – wie in die-
sem Fall – von einem Punkt ausgehen bzw. sich
Abb. 6.2 Wellenlängen  und Frequenzen f im Spek- in einem Punkt schneiden, ist das Bündel homo-
trum der elektromagnetischen Wellen zentrisch.
6.2 Geometrische Optik 443

Abb. 6.4 Reflexionsgesetz: Der Einfallswinkel " ist


gleich dem Reflexionswinkel "r

Abb. 6.3 Strahlen- und Wellenflächen: a Homozentri- Die Normale zur Fläche durch den Auftreffpunkt
sches Strahlenbündel und Kugelwellen, b paralleles Strah- wird als Einfallslot bezeichnet. Es gilt das Refle-
lenbündel und ebene Wellen xionsgesetz:

Bei ebenen Wellen, die z. B. von Lasern aus-


Einfallender Strahl, reflektierter Strahl und
gesandt werden oder in großer Entfernung von
Einfallslot liegen in einer Ebene; der Ein-
Lichtquellen vorliegen, sind die Strahlen paral-
fallswinkel " und der Reflexionswinkel "r
lel (Abb. 6.3b). Der Pfeilrichtung an den Strah-
sind gleich: "r D ".
len kommt keine besondere Bedeutung zu, denn
der Lichtweg ist grundsätzlich umkehrbar. Licht-
strahlen, die sich durchkreuzen, beeinflussen sich
Das Reflexionsgesetz, das von Euklid 300
gegenseitig nicht. Ein Strahl verläuft also immer
v. Chr. gefunden wurde, ist theoretisch leicht er-
so, als ob keine anderen Strahlen vorhanden wä-
klärbar. In Newtons Korpuskulartheorie folgt die-
ren.
se Gesetzmäßigkeit aus dem elastischen Stoß
Die geometrische Optik ist anwendbar, so-
eines leichten Teilchens an einer schweren
lange die Dimension der Gegenstände, Linsen,
Wand. Im Wellenbild ergibt sich das Reflexi-
Spiegel, Blenden usw. groß sind gegenüber der
onsgesetz zwanglos aus der Konstruktion Huy-
Wellenlänge des Lichtes. Sind dagegen die Ab-
gens’scher Elementarwellen an der Auftreffstelle
messungen in der Größenordnung der Wellen-
(Abschn. 5.2.6.3).
länge, dann werden Beugungseffekte wirksam,
die mit der Wellenoptik erklärt werden müssen
(Abb. 6.1). Beispiel 6.2-1
Zwei ebene Spiegel bilden nach Abb. 6.5
einen Winkelspiegel mit dem Öffnungswin-
6.2.2 Reflexion des Lichtes kel . Ein Lichtstrahl, der senkrecht zur ge-
meinsamen Kante verläuft, wird durch beide
6.2.2.1 Reflexion an ebenen Flächen Spiegel reflektiert. Wie groß ist der Ablen-
Fällt ein Lichtstrahl nach Abb. 6.4 auf eine spie- kungswinkel ı? Was ergibt sich speziell für
gelnde Fläche, so wird der Strahl reflektiert. D 45ı und D 90ı ?
444 6 Optik

Abb. 6.5 Strahlengang im Winkelspiegel (zu Bei- Abb. 6.6 Spiegelbild einer punktförmigen Lichtquelle L
spiel 6.2-1) in einem Spiegel

Lösung Bildentstehung beim Spiegel


Die Winkelsumme im Dreieck ABC beträgt Befindet sich ein Gegenstand vor einem Spiegel,
so kann ein Beobachter, der in den Spiegel blickt,
.90ı  ˛/ C .90ı  ˇ/ C D 180ı : (1) ein Bild des Gegenstandes sehen. In Abb. 6.6
fällt das Licht einer punktförmigen Lichtquel-
Im Dreieck ABD gilt le L auf einen ebenen Spiegel. Jeder Lichtstrahl
wird nach dem Reflexionsgesetz reflektiert. Die
2˛ C 2ˇ C .180ı  ı/ D 180ı : (2)
gestrichelten Verlängerungen der Strahlen treffen
Aus (1) und (2) folgt ı D 2 . Für D 45ı sich hinter dem Spiegel im Punkt L0 . Für einen
ist der Ablenkwinkel ı D 90ı . Ein solcher Beobachter scheinen alle Strahlen vom Punkt L0
Winkelspiegel wird in der Geodäsie benutzt, herzukommen. L0 ist daher das Bild der Licht-
um senkrechte Richtungen zu bestimmen. Für quelle L.
D 90ı wird der Ablenkungswinkel ı D
180ı , d. h., der einfallende und der reflektierte
Strahl sind parallel. Gegenstandspunkt L und Bildpunkt L0 lie-
gen auf einer Normalen zur Spiegelfläche
Aus einem 90ı -Winkelspiegel wird ein Tripel- und haben den gleichen Abstand vom Spie-
spiegel, wenn man noch eine dritte spiegelnde gel.
Fläche senkrecht zu den beiden vorhandenen auf-
bringt. (Die Flächen stoßen aneinander wie bei
einer Würfelecke.) Ein Lichtstrahl, der in einen Es handelt sich in diesem Fall um ein virtu-
Tripelspiegel fällt, wird stets so reflektiert, dass elles oder scheinbares Bild, weil sich nicht die
der reflektierte Strahl parallel zum einfallenden Strahlen selbst, sondern nur ihre Verlängerungen
verläuft. Außer als Rückstrahler an Fahrzeugen schneiden. Ein virtuelles Bild kann im Gegensatz
wird der Tripelspiegel bei der optischen Entfer- zu einem reellen Bild, bei dem sich die Strahlen
nungsmessung eingesetzt. Dabei wird ein Licht- wirklich schneiden, nicht auf einem Schirm sicht-
puls von einem Sender ausgestrahlt, an einem bar gemacht werden.
Tripelspiegel reflektiert und mit einem Detektor
nachgewiesen, der unmittelbar beim Sender steht. 6.2.2.2 Zur Übung
Die Entfernung zwischen Sender und Tripelspie-
gel ergibt sich aus der Laufzeit des Lichtpulses Ü 6-1 Leiten Sie das Reflexionsgesetz her mit
und der Lichtgeschwindigkeit. Hilfe der Huygens’schen Elementarwellen (Ab-
6.2 Geometrische Optik 445

schn. 5.2.6.3). Hinweis: Wenn eine ebene Welle Selbst bei geometrisch idealer Paraboloidform
auf einen Spiegel fällt, werden an den Schnitt- sind bei einem Scheinwerfer nicht alle Strahlen
punkten der Wellenflächen mit der Spiegelebene parallel, weil die Lichtquelle (Lampenwendel)
Kugelwellen ausgesandt, deren Einhüllende die nicht punktförmig ist, sondern eine endliche Aus-
neue Wellenfront bildet. dehnung hat.
Für die Praxis sind sphärische Hohl- oder
Ü 6-2 Ein Winkelspiegel hat den Öffungswinkel Konkavspiegel von größerer Bedeutung als die
D 72ı . Konstruieren Sie sämtliche Bilder ei- Parabolspiegel. Ein sphärischer Hohlspiegel ist
ner punktförmigen Lichtquelle, die innerhalb des eine innen verspiegelte Kugelkalotte. Fällt ent-
Spiegels steht. Wie viele Bilder ergeben sich?

a
6.2.2.3 Reflexion an gekrümmten
Flächen
Wenn ein Lichtstrahl auf eine gekrümmte spie-
gelnde Fläche fällt, so ist nach dem Reflexions-
gesetz der Einfallswinkel gleich dem Ausfalls-
winkel. Die gekrümmte Fläche wird im Auftreff-
punkt des Lichtstrahls durch ihre Tangentialebe-
ne ersetzt, das Einfallslot ist die Normale durch
den Berührpunkt.
Fällt Licht gemäß Abb. 6.7 parallel zur
optischen Achse (Rotationssymmetrieachse) auf
einen Parabolspiegel, so schneiden sich alle
Strahlen in einem Punkt, dem Brennpunkt F.
Sitzt dagegen im Brennpunkt eine punktförmige
Lichtquelle, so verlassen wegen der Umkehrbar-
keit des Strahlengangs alle Strahlen als paralleles b
Lichtbündel den Parabolspiegel. Parabolspiegel
werden bei Scheinwerfern benutzt, um eine mög-
lichst gute Bündelung des Lichtes zu erhalten.

Abb. 6.7 Strahlengang bei einem Parabolspiegel mit Abb. 6.8 Katakaustik beim Hohlspiegel: a Entstehung,
Brennpunkt F b Fotografie
446 6 Optik

Abb. 6.10 Abbildung eines Punktes O auf der optischen


Achse CS eines Hohlspiegels (r < 0)

Abb. 6.9 Reflexion eines paraxialen Strahls parallel zur


optischen Achse CS am Hohlspiegel fachung gilt – unabhängig vom Abstand, den der
Strahl von der optischen Achse hat –
r
sprechend Abb. 6.8a ein Lichtbündel parallel zu f0 D : (6.1)
2
optischen Achse CS auf den Hohlspiegel, so kön-
nen sich infolge der anderen Krümmungsverhält- Bildentstehung beim Hohlspiegel
nisse nicht alle Strahlen in einem Punkt treffen In Abb. 6.10 befindet sich ein Objekt O auf der
wie beim Parabolspiegel. optischen Achse CS. Der Lichtpunkt sendet in al-
Die Reflexion eines achsenparallel einfallen- le Raumrichtungen Lichtstrahlen aus. Diejenigen
den Strahls erkennt man in der oberen Hälfte Strahlen, die auf den Hohlspiegel treffen, werden
von Abb. 6.8a. Das Einfallslot ist die Verbindung dort reflektiert und vereinigen sich alle wieder im
zwischen Auftreffpunkt A und Kreismittelpunkt Punkt O0 . Diesen Punkt O0 bezeichnet man als
C. In der unteren Hälfte von Abb. 6.8a fällt Bild des Gegenstandes O.
ein achsenparalleles Lichtbündel auf den Spie- Um die Lage des Bildpunktes zu finden, ge-
gel. Die Einhüllende aller reflektierten Strahlen nügt es, zwei ausgewählte Strahlen, die von O
ist eine geschlossene Kurve, die Katakaustik. In ausgehen, zu verfolgen. Der Schnittpunkt dieser
Abb. 6.8b ist das Foto einer Katakaustik wieder- beiden Strahlen ist der Bildpunkt. Ein solcher
gegeben. Hierbei wurde ein innen verspiegelter Strahl verläuft in Abb. 6.10 auf der optischen
Ring mit parallelem Licht beleuchtet. Achse. Er wird am Scheitel S reflektiert und
Bei der Betrachtung von Abb. 6.8a fällt auf, läuft auf der optischen Achse wieder zurück. Der
dass diejenigen Strahlen, die nahe der optischen zweite Strahl wird am Punkt A reflektiert und
Achse verlaufen, in einem Punkt F0 gesammelt schneidet die optische Achse in O0 . Der Zusam-
werden. Diese achsennahen Strahlen werden als menhang zwischen der Gegenstandsweite a und
Paraxialstrahlen bezeichnet. Die Reflexion eines der Bildweite a0 ergibt sich aus einer kleinen
Strahls, der parallel zur optischen Achse CS auf Rechnung:
einen Hohlspiegel mit dem Krümmungsradius r Für die beiden Dreiecke OCA und CO0 A gilt
fällt, ist noch einmal in Abb. 6.9 ausführlich dar- nach dem Sinussatz
gestellt.
Der Abstand f 0 des Brennpunktes F0 vom sin " sin " OC CO0
D D D :
Scheitel S beträgt f 0 D r  CF. Die Strecke CF0 sin.180ı  '/ sin ' OA O0 A
im gleichschenkligen Dreieck CF0 A ist CF0 D
Dabei kann geschrieben werden
r=.2 cos "/. Damit ergibt sich für die Brennwei-
te f 0 des Hohlspiegels f 0 D r.1  1=.2 cos "//.
OC D a  r D a  2f 0 und
Bei paraxialen Strahlen ist der Winkel " sehr 0 0 0 0
klein und cos "  1. Im Rahmen dieser Verein- O C D r  a D 2f  a :
6.2 Geometrische Optik 447

der parallel zur optischen Achse verläuft, geht


nach der Reflexion durch den Brennpunkt F0 . Ein
zweiter Strahl, der von P aus durch F0 geht, wird
nach der Reflexion achsenparallel. Am Schnitt-
punkt der beiden reflektierten Strahlen liegt der
Bildpunkt P0 .
Der Zusammenhang zwischen Gegen-
standsgröße y und Bildgröße y 0 ist anhand
von Abb. 6.11 zu erkennen. Im z; y-
Koordinatensystem erhalten alle Größen ein
Vorzeichen. Die positive y-Richtung weist
Abb. 6.11 Abbildung eines ausgedehnten Gegenstandes nach oben, die positive z-Richtung nach rechts.
durch einen Hohlspiegel mit Paraxialstrahlen (Weitere Hinweise auf die in der technischen
Optik übliche Vorzeichenkonvention s. Ab-
schn. 6.2.3.5.) In den Dreiecken ABF0 und F0 O0 P0
Für paraxiale Strahlen gilt näherungsweise OA  gilt näherungsweise für paraxiale Strahlen
a und O0 A  a0 . Damit ergibt sich
y 0 y
a  2f 0 0
2f  a 0 tan  D 0 0
D 0 :
D : a f f
a a0
Mithilfe der Abbildungsgleichung (6.2) folgt un-
Nach kurzer Umformung erhält man die Abbil- mittelbar für den Abbildungsmaßstab oder die
dungsgleichung des Hohlspiegels: Lateralvergrößerung
1 1 1
C 0 D 0 : (6.2) y0 a0
a a f ˇ0 D D : (6.3)
y a
Beim Durchrechnen von Strahlengängen ist es
Durch Umformung von (6.2) ergibt sich die Be-
häufig zweckmäßig, den aufgefalteten Strahlen-
0 ziehung
gang zu benutzen. Dabei wird der Bildpunkt O af 0
hinter dem Spiegel eingezeichnet (Abb. 6.10). a0 D : (6.4)
af0
Bei Auffaltung gilt die Abbildungsgleichung
Setzt man (6.4) in (6.3) ein, so folgt für den Ab-
1 1 1 bildungsmaßstab
0  D 0 ;
aauf a fauf
f0
ˇ0 D 0 : (6.5)
dabei ist die aufgefaltete Brennweite f a

0 r Es ergeben sich für jaj > jf 0 j reelle, umgekehrte


fauf D D f 0 :
2 Bilder. Für jaj < jf 0 j gilt a0 > 0; dies bedeutet,
Liegt ein Gegenstandspunkt P nicht auf der dass das Bild rechts hinter dem Spiegel liegt. Das
optischen Achse, so liegt auch sein Bildpunkt P0 Bild ist virtuell, aufrecht und stets größer als der
außerhalb. Allerdings gilt für den Zusammen- Gegenstand.
hang von Gegenstandsweite a und Bildweite
a0 auch in diesem Fall die Abbildungsglei- Beispiel 6.2-2
chung (6.2), falls nur paraxiale Strahlen an der Vor einem Hohlspiegel mit f 0 D 5 cm steht
Abbildung beteiligt sind. Die Lage des Bildpunk- im Abstand a D 2;5 cm ein y D 1 cm großer
tes lässt sich nach Abb. 6.11 sehr einfach zeichne- Gegenstand. Wo liegt das Bild und wie groß ist
risch konstruieren. Ein von P ausgehender Strahl, es?
448 6 Optik

Lösung
Nach (6.4) ist die Bildweite

af 0 .2;5/  .5/
a0 D D cm D 5 cm :
af0 2;5 C 5

Der Abbildungsmaßstab ist

y0 a0 5 cm Abb. 6.13 Bildkonstruktion beim Wölbspiegel (zu Bei-


ˇ0 D D D D2: spiel 6.2-3)
y a 2;5 cm

Also ist die Bildgröße y 0 D 2 cm; das Bild


steht aufrecht hinter dem Spiegel, es ist virtu- Umwelt wieder, erzeugt aber ein großes Gesichts-
ell. Eine zeichnerische Lösung ist in Abb. 6.12 feld.
wiedergegeben. Bei genauem Abmessen stellt
man fest, dass das zeichnerische Ergebnis Beispiel 6.2-3
vom rechnerischen etwas abweicht. Dies liegt Vor einem Konvexspiegel mit der Brennweite
an den rechnerischen Vereinfachungen für f 0 D 5 cm steht im Abstand a D 10 cm ein
paraxiale Strahlen. Die Abbildungsgleichung y D 2 cm großer Gegenstand. Wo liegt das
gilt umso besser, je kleiner die Gegenstands- Bild und wie groß ist es?
größe y im Vergleich zur Brennweite f ist.
Lösung
Beim sphärischen Wölb- oder Konvexspiegel Nach (6.4) ist die Bildweite
ist die Außenseite einer Kugelkalotte verspiegelt. af 0 10  5
Die für den Hohlspiegel abgeleiteten Gleichun- a0 D D cm D 3;33 cm :
af0 15
gen (6.2) bis (6.5) gelten unverändert auch für
den Wölbspiegel, lediglich die Brennweite ändert Der Abbildungsmaßstab beträgt
das Vorzeichen:
y0 a0 3;33
r ˇ0 D D D D 0;333 :
f0 D ; mit r > 0 : (6.6) y a 10
2
Also ist die Bildgröße y 0 D 0;666 cm. Eine
Dies bedeutet, dass der Brennpunkt auf der dem zeichnerische Lösung zeigt Abb. 6.13.
Gegenstand abgewandten Seite des Spiegels liegt.
Das Bild ist beim Wölbspiegel immer virtuell, 6.2.2.4 Zur Übung
aufrecht und verkleinert. Der Wölbspiegel wird
gern als Rückspiegel bei Kraftfahrzeugen be- Ü 6-3 Auf einen Hohl- bzw. Wölbspiegel gege-
nutzt. Er gibt zwar ein verkleinertes Bild der bener Brennweite fällt schief zur optischen Achse
ein paraxialer Strahl. Konstruieren Sie seinen
Weg nach der Reflexion.

Ü 6-4 Konstruieren Sie den Bildpunkt eines par-


allelen Lichtbündels, das schief zur optischen
Achse auf einen Hohl- bzw. Wölbspiegel gege-
bener Brennweite fällt.

Ü 6-5 Auf der optischen Achse eines Hohlspie-


gels befindet sich im Abstand a D 5f 0 . 51 f 0 / vom
Abb. 6.12 Abbildung eines Gegenstandes innerhalb der Scheitel eine punktförmige Lichtquelle. Welchen
Brennweite beim Hohlspiegel (zu Beispiel 6.2-2) Abstand l hat das Bild von der Lichtquelle?
6.2 Geometrische Optik 449

Ü 6-6 Der Mond erscheint von der Erde aus a


unter einem Winkel von 310 . Wie groß ist der
Durchmesser seines Bildes, das vom 200-Zoll-
Spiegel der Mt.-Palomar-Sternwarte (Kaliforni-
en) entworfen wird? Wo entsteht das Bild? Die
Brennweite des Spiegels beträgt f 0 D 16;8 m.

Ü 6-7 Bezeichnet man beim Hohlspiegel den


Abstand des Gegenstandes vom Brennpunkt mit
z und den des Bildes mit z 0 , so gilt stets zz 0 D
f 0 2 . Beweisen Sie diese Abbildungsgleichung
nach Newton.
b
6.2.3 Brechung des Lichtes

6.2.3.1 Brechung an ebenen


Grenzflächen
Fällt ein Lichtstrahl schräg auf eine Grenzfläche
zwischen zwei verschiedenen Werkstoffen, so
wird die Richtung des Strahls an der Grenzfläche
geändert, der Strahl wird gebrochen. Abb. 6.14
zeigt eine Prinzipskizze dieses Vorgangs sowie
ein Foto der Lichtbrechung eines Laserstrahls an
der Grenzfläche Luft-Plexiglas. Zunächst gibt es
an jeder Grenzfläche auch einen mehr oder we-
niger intensiven reflektierten Strahl, wobei nach
dem Reflexionsgesetz Einfallswinkel " und Re-
flexionswinkel "r gleich sind. Der gebrochene
Strahl liegt in einer Ebene mit den beiden ande-
ren Strahlen und dem Lot auf der Grenzfläche. Abb. 6.14 Brechung eines Lichtstrahls an einer ebenen
Der Brechungswinkel "0 ist kleiner als der Ein- Grenzfläche. a Prinzipskizze, b Brechung an der Grenz-
fallswinkel ", wenn die Brechung vom optisch fläche Luft–Plexiglas
dünneren ins optisch dichtere Medium erfolgt.
Nach dem Satz von der Umkehrbarkeit des Licht-
wegs erfolgt die Brechung beim Übergang vom Eine Erklärung des Brechungsgesetzes mit Hilfe
optisch dichteren ins optisch dünnere Medium so, von Newtons Korpuskulartheorie verlangt, dass
dass der Strahl vom Lot weg gebrochen wird. die Korpuskeln, wenn sie z. B. von Luft in Glas
Der Zusammenhang zwischen Einfallswinkel " eindringen, eine Geschwindigkeitssteigerung er-
und Brechungswinkel "0 wurde von dem hollän- fahren, da nur dann die Brechung zum Lot hin
dischen Mathematiker Snellius (W. S NELL VON erfolgt. Die Korpuskulartheorie kam spätestens
R AYEN, 1591 bis 1626) im Jahr 1620 gefunden. dann zu Fall, als man gelernt hatte, Lichtge-
Nach Snellius ist das Verhältnis zwischen dem schwindigkeiten zu messen. Es ergab sich dabei,
Sinus des Einfallswinkels " und dem Sinus des dass die Lichtgeschwindigkeit in Materie stets
Brechungswinkels "0 eine Konstante, die von der kleiner ist als die Lichtgeschwindigkeit c0 D
Natur der beiden Stoffe abhängt: 299:729;458 km=s im Vakuum; sie ist in Glas
kleiner als in Luft.
sin " Die Brechung des Lichtes an Grenzflächen
D konstant : (6.7)
sin "0 ist zwanglos erklärbar mit der Wellentheorie von
450 6 Optik

Tab. 6.1 Brechzahl n einiger Stoffe für gelbes Na-Licht


(Wellenlänge  D 589 nm) bei der Temperatur # D 20 ı C
und dem Druck p D 1013 mbar
Festkörper n Flüssigkeiten und n
Gase
Eis 1;310 Luft 1;0003
Flussspat 1;434 Kohlendioxid 1;0045
Quarzglas 1;459 Wasser 1;333
Borkron BK l 1;510 Ethylalkohol 1;362
Flintglas F 3 1;613 Benzol 1;501
Caesiumiodid 1;790 Schwefel- 1;628
Bariumoxid 1;980 kohlenstoff
Diamant 2;417 Methyleniodid 1;742
Abb. 6.15 Brechung einer ebenen Welle an einer Grenz-
fläche

c in Materie wird üblicherweise als Brechzahl


Huygens. Abb. 6.15 zeigt eine ebene Welle, oder Brechungsindex n des betreffenden Materi-
die auf eine Grenzfläche zuläuft. Die Phasenge- als bezeichnet:
c0
schwindigkeit im oberen Medium beträgt c, im nD : (6.9)
c
unteren c 0 mit c 0 < c. Die Schnittpunkte der
Mit Hilfe des Brechungsindex nimmt (6.8) die
ebenen Wellenflächen mit der Grenzfläche sind
Form des Snellius’schen Brechungsgesetzes an:
Zentren Huygens’scher Elementarwellen, deren
Einhüllende die neue Wellenfront und damit die sin " n0
neue Laufrichtung ergibt. Rechts sind die wesent- D D konstant : (6.10)
sin "0 n
lichen Punkte und Strecken ohne die Wellenflä-
chen noch einmal gezeichnet. Trifft eine Wellen- Das Brechungsgesetz kann auch umgeformt wer-
front im Punkt C auf die Grenzfläche, so vergeht den zu
noch die Zeit t D AB=c, bis auch das rechte En-
de der Wellenfront am Punkt B die Grenzfläche n sin " D n0 sin "0 D konstant : (6.11)
trifft. Inzwischen hat die Kugelwelle, die von C
ausging, den Weg CD D c 0 t zurückgelegt. Für
die Dreiecke ABC und BCD gilt Das Produkt aus Brechungsindex und Sinus
des Winkels zwischen Lichtstrahl und Lot
AB tc bleibt bei einer Brechung konstant. Es wird
sin " D D und
CB CB als Invariante der Brechung bezeichnet.
0 CD c0 t
sin " D D :
CB CB
Damit ergibt sich Durchschreitet ein Lichtstrahl eine Schicht-
struktur verschiedener Stoffe mit den Brechungs-
sin " c
D 0 : (6.8) indizes n1 , n2 , n3 . . . , so gilt mit den Winkeln "1 ,
sin " 0 c "2 , "3 . . . , die der Strahl relativ zum Lot einnimmt

Das Verhältnis der Sinus-Werte von n1 sin "1 D n2 sin "2 D n3 sin "3 : : :
Einfalls- und Brechungswinkel ist gleich
dem Verhältnis der Lichtgeschwindigkei- In Tab. 6.1 sind die Brechzahlen einiger Stoffe
ten in den benachbarten Gebieten. zusammengestellt.
Besonders häufig ist der Fall, dass ein Licht-
strahl an der Grenzfläche zwischen Luft und
Der Quotient zwischen der Lichtgeschwindig- einem dichteren Medium gebrochen wird. Mit
keit c0 im Vakuum und der Lichtgeschwindigkeit guter Näherung kann der Brechungsindex von
6.2 Geometrische Optik 451

Luft n D 1 gesetzt werden. Dann gilt das ver- a


einfachte Brechungsgesetz

sin "
D n0 : (6.12)
sin "0

Beispiel 6.2-4
Das Foto Abb. 6.14b zeigt die Brechung ei-
nes roten Laserstrahls der Wellenlänge  D
633 nm an der Grenzfläche Luft-Plexiglas.
Wie groß ist der Brechungsindex von Plexi-
glas?
b
Lösung
sin " sin 40ı
n0 D D D 1;49 :
sin " 0 sin 25;5ı

Der Brechungsindex ist keine Konstante, son-


dern hängt von der Wellenlänge (Farbe) des
Lichts ab. Im Fall normaler Dispersion (Ab-
schn. 5.2.6.4) nimmt mit steigender Wellenlänge
der Brechungsindex ab.
Bisher wurde vorausgesetzt, dass ein Licht-
strahl vom optisch dünneren ins optisch dichtere
Medium eindringt. Bei umgekehrtem Strahlen-
gang, wie er in Abb. 6.16 gezeigt ist, gehört
zum Strahl 1 mit dem Einfallswinkel "1 , der re-
flektierte Strahl 1r und der gebrochene 10 mit
dem Brechungswinkel "01 wobei "01 > "1 ist.
c
Mit zunehmendem Winkel " steigt "0 verstärkt
an, bis für den Strahl 2 beim Einfallswinkel "g
der Brechungswinkel "02 D 90ı wird. Man nennt
"g den Grenzwinkel der Totalreflexion. Für " >
"g (Strahl 3) gibt es keinen gebrochenen Strahl
mehr, sondern nur noch den reflektierten Strahl
3r. Die ganze Strahlungsleistung des einfallen-
den Strahls ist im reflektierten Strahl vorhanden;
das Licht wird total reflektiert. Abb. 6.16b zeigt
einen gebrochenen, Abb. 6.16c einen total reflek-
tierten Laserstrahl an der Grenzfläche Plexiglas–
Luft. Für den Grenzwinkel der Totalreflexion gilt
n0 sin 90ı D n sin "g oder

n0
sin "g D : (6.13)
n

Hierbei ist n der Brechungsindex des optisch Abb. 6.16 Totalreflexion. a Prinzip, b gebrochener (" <
dichteren, n0 der des dünneren Mediums. Ist das "g ) und c total reflektierter Laserstrahl (" > "g /
452 6 Optik

dünnere Medium Luft (mit n0  1), so gilt a

1
sin "g D : (6.14)
n

Beispiel 6.2-5
Im Halbleiter GaP (Ausgangsmaterial für
Leuchtdioden) ist der Brechungsindex n D 3;3.
Wie groß ist der Grenzwinkel der Totalreflexi-
on?

Lösung
sin "g D 1=n D 1=3;3 D 0;3 liefert
"g D 17;6ı . Von den Lichtstrahlen, die im
Innern des Kristalls erzeugt werden, können
also nur diejenigen den Kristall verlassen, die
innerhalb eines schlanken Kegels von "g D
17;6ı Öffnungswinkel auf die Kristallober-
fläche auftreffen. Alle anderen werden total
reflektiert.

Ein Beispiel für die technische Nutzung der


Totalreflexion ist die Übertragung von Daten
auf Lichtwellenleitern (optische Nachrichten-
technik). Abb. 6.17 zeigt das Prinzip einer Stu- b
fenindexfaser. Der Brechungsindex nimmt von n1
im Kern stufenförmig ab auf n2 im Mantel und
n D 1 in der umgebenden Luft. Typische Ab-
messungen einer solchen Glasfaser sind: 50 m
Kerndurchmesser, 125 m Manteldurchmesser.
Ein Lichtstrahl, der unter dem Winkel #0 auf die
Stirnfläche der Faser fällt, wird zum Lot hin ge-
brochen und trifft schließlich unter dem Winkel
Abb. 6.17 Prinzip eines Lichtwellenleiters (Stufenin-
" D 90ı  #1 auf die Grenzfläche zwischen dexfaser). a Aufbau, b Verlauf der Brechzahl n über dem
Kern und Mantel. Er kann dort nur total reflek- Radius r
tiert werden, wenn " > "g ist mit sin "g D n2 =n1 .
Der Eintrittswinkel #0 des Lichtstrahls kann al-
so nicht beliebig groß werden, sonst ist im Innern Für eine typische Nachrichtenfaser aus Quarz-
die Totalreflexion nicht mehr gegeben (gestrichelt
glas, bei der der Kern mit 13;5 % GeO2 dotiert
gezeichneter Strahl in Abb. 6.17). Der maximale ist, gelten bei  D 850 nm die Werte n1 D 1;474
Aufnahmewinkel #0;max , unter dem Licht in die und n2 D 1;453. Mit diesen ergeben sich die
Faser eingekoppelt werden kann, bestimmt sich numerische Apertur AN D 0;248 und der ma-
aus der Beziehung ximale Einkoppelwinkel #0;max D 14;4ı . Eine
q solche Glasfaser kann also nur Strahlen weiter-
sin #0;max D n21  n22 D AN I (6.15) leiten, die unter diesem verhältnismäßig „schlan-
ken“ Winkel auf die Stirnfläche fallen. Ändert
Die Größe AN ist die numerische Apertur der Fa- sich der Brechungsindex nicht sprunghaft, son-
ser. dern kontinuierlich, so ergeben sich gekrümmte
6.2 Geometrische Optik 453

Abb. 6.18 Gekrümmter Lichtstrahl bei kontinuierlich va-


riierendem Brechungsindex

Lichtstrahlen. Abb. 6.18 zeigt als Beispiel hierfür


einen Laserstrahl in einer Küvette mit Salzwas-
ser. Die Salzkonzentration und damit auch der
Brechungsindex nehmen kontinuierlich von un-
ten nach oben ab. Gekrümmte Lichtstrahlen tre-
ten auch auf, wenn infolge von Temperatur- und
Dichtegradienten in der Luft der Brechungsindex
sich stetig ändert (Luftspiegelung, Fata Morga- b
na).
Ein spezieller Lichtwellenleiter ist die Gradi-
entenfaser, die schematisch in Abb. 6.19 darge-
stellt ist. Bei ihr ändert sich der Brechungsindex
kontinuierlich von n1 in der Mitte auf n2 im
Mantel. Die Gradientenfaser hat gegenüber der
Stufenindexfaser den Vorteil, dass Lichtpulse, die
Abb. 6.19 Lichtwellenleiter mit kontinuierlich veränder-
unter verschiedenen Winkeln #0 in die Faser lichem Brechungsindex n (Gradientenfaser). a Aufbau,
eingekoppelt werden, nahezu dieselbe Laufzeit b Verlauf der Brechzahl n über dem Radius r
haben, bis sie am anderen Ende der Faser an-
kommen. So hat beispielsweise der in Abb. 6.19
gezeichnete Strahl einen größeren Weg zurückzu- unter dem Einfallswinkel 60ı . Die Einfallsebe-
legen als ein Strahl, der exakt auf der Symmetrie- ne ist parallel zu einer Würfelfläche. Berechnen
achse läuft. Er befindet sich aber häufig in Gebie- und zeichnen Sie den weiteren Weg des Licht-
ten mit kleinerem Brechungsindex, läuft dort also strahls.
schneller und kompensiert so seinen Umweg.
Da Laufzeitdifferenzen verschiedener Moden die Ü 6-9 Durchquert ein Lichtstrahl eine planparal-
Übertragungskapazität beschränken, kann auf der lele Platte, so ist der durchgehende Strahl parallel
Gradientenfaser eine höhere Datenrate übertra- zum einfallenden, jedoch seitlich versetzt. Wie
gen werden als auf der Stufenindexfaser. groß ist der Strahlversatz x in Abhängigkeit von
der Plattendicke d , dem Brechungsindex n0 und
6.2.3.2 Zur Übung dem Einfallswinkel "?

Ü 6-8 Ein Lichtstrahl fällt auf einen Glaswür- Ü 6-10 Wie groß ist der Grenzwinkel der Total-
fel mit dem Brechungsindex n D 1;5. Der reflexion für Plexiglas an Luft? Der Brechungs-
Strahl trifft genau die Mitte einer Würfelfläche index kann aus Abb. 6.16b entnommen werden.
454 6 Optik

Abb. 6.20 Strahlenverlauf in einem Prisma

6.2.3.3 Brechung an einem Prisma Abb. 6.21 Ablenkwinkel ı und Austrittwinkel "02 in Ab-
In der Optik versteht man unter einem Pris- hängigkeit vom Einfallswinkel "01 bei der Brechung eines
ma meist einen dreikantigen Glaskörper gemäß Lichtstrahls an einem Prisma; Brechungsindex n D 1;5,
Abb. 6.20. Zwei ebene polierte Flächen sind Prismenwinkel ˛ D 60ı
um den brechenden Winkel ˛ gegeneinander ge-
neigt, sie schneiden sich in der brechenden Kante
K. Im Folgenden wird stets vorausgesetzt, dass kungswinkel ı als Funktion des Einfallswin-
Lichtstrahlen im Hauptschnitt verlaufen, d. h. in kels "01 dargestellt werden. Die Umgebung sei
einer Ebene, die senkrecht zur brechenden Kan- Luft mit n0 D 1.
te steht. Das Prisma mit dem Brechungsindex n
Lösung
sei umgeben von einem Medium mit dem Bre-
Gleichung (6.16) sollte am besten mit ei-
chungsindex n0 . In Abb. 6.20 fällt ein Strahl unter
nem programmierbaren Rechner ausgewertet
dem Einfallswinkel "01 auf die linke Prismenflä-
werden. Abb. 6.21 zeigt das Ergebnis. Der
che und verlässt nach zweimaliger Brechung die
Ablenkwinkel ı zeigt ein Minimum beim Ein-
rechte Prismenfläche unter dem Ausfallswinkel
fallswinkel "01;min D 48;6ı . Der zugehöri-
"02 . Der Ablenkungswinkel ı lässt sich aus ele-
ge Ausfallswinkel beträgt ebenfalls "02;min D
mentaren geometrischen Sätzen bestimmen: ı D
48;6ı . Der Strahl durchläuft das Prisma also
"01 C "02  ˛. Mit Hilfe des Brechungsgesetzes
symmetrisch. Dieses Ergebnis kann allgemein
n0 sin "01 D n sin "1 und n0 sin "02 D n sin "2 so-
mit Hilfe der Differenzialrechnung bewiesen
wie der Beziehung "1 C "2 D ˛ lässt sich der
werden:
Ablenkungswinkel ı für beliebige Einfallswinkel
"01 berechnen:
Bei einem Prisma ist die Strahlablenkung
ı D "01  ˛ minimal, wenn Eintritts- und Austrittswin-
"
v
! kel gleich sind.
u n 2
u
C arcsin sin ˛ t 0  sin2 "01
n
# Für symmetrischen Durchgang gelten "01 D
D 12 .ı C ˛/ und "1 D "2 D 21 ˛. Mithilfe
"02
 cos ˛ sin "01 : (6.16)
des Brechungsgesetzes ergibt sich sofort der mi-
nimale Ablenkwinkel
!
Beispiel 6.2-6 n ˛
Für ein Prisma mit dem Brechungsindex n D ımin D 2 arcsin sin ˛ : (6.17)
n0 2
1;5 und dem brechenden Winkel ˛ D 60 ı

sollen der Austrittswinkel "02 und der Ablen- Für Beispiel 6.2-6 erhält man ımin D 37;2ı .
6.2 Geometrische Optik 455

Aus Abb. 6.21 folgt ferner, dass für Eintritts-


winkel "01 < 27;9ı kein austretender Strahl be-
obachtet wird, weil an der zweiten brechenden
Fläche Totalreflexion auftritt. Aus der Bedingung
sin "2;g D n0 =n folgt für den Grenzwinkel an der
Eintrittsfläche
  
n n0
"01;g D arcsin 0 sin ˛  arcsin :
n n
(6.18)
Für Beispiel 6.2-6 ergibt sich in Übereinstim-
mung mit Abb. 6.21 "01;g D 27;9ı .
Bei einem Prisma mit kleinem brechendem Abb. 6.22 Rechtwinkliges Umlenkprisma
Winkel ˛ und symmetrischem Strahlendurch-
gang gilt für den minimalen Ablenkwinkel nähe-
rungsweise !
n
ımin  ˛ 0  1 : (6.19)
n

Da der Ablenkwinkel ı vom Brechungsindex


abhängt, wird kurzwelliges Licht bei normaler
Dispersion stärker gebrochen als langwelliges
Licht. Ein Prisma bietet daher die Möglichkeit,
Lichtstrahlen verschiedener Wellenlänge räum-
lich zu trennen, also spektral zu zerlegen. Diese
Eigenschaft wird ausgenutzt beim Prismenspek-
trometer (Abschn. 6.4.1.12).
Prismen haben in der Optik vielfältige An-
wendungen. Meist werden sie anstelle von Spie- Abb. 6.23 Rechtwinkliges Umkehrprisma
geln benutzt, um Lichtstrahlen umzulenken, wo-
bei die Totalreflexion an einer Prismenfläche
oder an mehreren ausgenutzt wird. Abb. 6.22
zeigt ein gleichschenklig-rechtwinkliges Prisma
als Umlenkprisma. Der einfallende Lichtstrahl
wird an der Hypotenusenfläche total reflektiert.
(Der Grenzwinkel der Totalreflexion beträgt "g D
41;5ı bei Borkron-Glas mit n D 1;51.)
Fällt nach Abb. 6.23 Licht senkrecht auf die Abb. 6.24 Geradsichtiges Wendeprisma
Hypotenusenfläche eines Prismas, so wird es,
nach zweimaliger Reflexion an den Katheten
um 180ı umgelenkt, das Prisma parallel verlas- menfeldstecher Verwendung. Das Umkehr- oder
sen. Zugleich wird das Bild eines Gegenstandes Wendeprisma nach G. B. A MICI (1786 bis 1863)
(Pfeil) um 180ı gedreht, also z. B. oben mit unten entsprechend Abb. 6.24 vertauscht ebenfalls oben
vertauscht. Schickt man den austretenden Strahl und unten, hat aber einen geradsichtigen Stahlen-
noch durch ein zweites Prisma, das gegenüber gang. Eine vollständige Bildumkehr erhält man,
dem ersten um 90ı gedreht ist, so wird auch wenn zwei dieser Prismen um 90ı verdreht hin-
noch links und rechts vertauscht; man erhält al- tereinander gestellt werden.
so eine vollkommene Bildumkehr. Ein solches Abb. 6.25 zeigt das Pentagonalprisma nach
Umkehrprisma nach Porro (1848) findet im Pris- Goullier (1865). Nach zweimaliger Reflexion des
456 6 Optik

Abb. 6.26 Vorzeichenkonvention an Kugelflächen

6.2.3.5 Brechung an Kugelflächen

Vorzeichenkonvention
Zwei Medien mit den Brechzahlen n und n0 seien
nach Abb. 6.26 durch eine Kugelfläche vonein-
ander getrennt. Im Folgenden werden für alle
Abb. 6.25 Pentagonalprisma für konstante Ablenkung Strecken und Winkel Vorzeichen verwendet, wie
ı D 90ı sie in der technischen Optik gebräuchlich und
durch DIN 1335 festgelegt sind.
einfallenden Lichtstrahls ist der Ablenkwinkel Die Achse durch den Kugelmittelpunkt C ist
ı D 2˛, er ist unabhängig vom Einfallswin- die optische Achse, zugleich z-Achse des Ko-
kel. Das Pentagonalprisma ist im Prinzip ein mit ordinatensystems. Die positive z-Richtung wird
Glas gefüllter Winkelspiegel (Abb. 6.5). Auch in durch die Laufrichtung des Lichts bestimmt und
diesem Fall müssen die Seitenflächen verspiegelt geht im Allgemeinen von links nach rechts. Die
sein, weil die Lichtstrahlen so steil auf die Grenz- y-Achse steht senkrecht auf der z-Achse und
fläche fallen, dass eine Totalreflexion nicht mehr weist von unten nach oben. Der Durchstoßpunkt
möglich ist. der optischen Achse durch die Kugelfläche ist
der Scheitel S. Der Radius der Kugel ist posi-
6.2.3.4 Zur Übung tiv, wenn der Mittelpunkt C rechts vom Scheitel
S liegt und negativ, falls C links von S liegt.
Ü 6-11 Ein Prisma mit brechendem Winkel ˛ D Sämtliche Strecken, die vom Bezugspunkt S aus
45ı und der Brechzahl n D 1;51 wird nach nach links gemessen werden, also entgegen der
Abb. 6.20 durchstrahlt. Zeichnen Sie ein Dia- z-Richtung, erhalten ein negatives Vorzeichen.
gramm analog Abb. 6.21. Wie groß ist der mi- Strecken, die nach rechts gemessen werden, sind
nimale Ablenkwinkel ımin und der zugehörige positiv.
Eintritts- und Austrittswinkel "01;min und "02;min ? Die Vorzeichen der Winkel sind gemäß
Bei welchem Grenzwinkel "01;g tritt an der rech- Abb. 6.27 definiert: Die Richtungen des Licht-
ten Fläche Totalreflexion auf? strahls ( und  0 ) und des Lotes (') werden von
der optischen Achse aus angegeben. Bei Drehung
Ü 6-12 Für ein Prisma mit brechendem Winkel im Gegenuhrzeigersinn (mathematisch positiv)
˛ D 60ı wird experimentell der minimale Ab- erhält der Winkel ein positives Vorzeichen. Der
lenkwinkel ımin D 47;2ı ermittelt. Wie groß ist Einfallswinkel " und der Brechungswinkel "0 sind
der Brechungsindex n des Glases? mit den beiden anderen Winkeln folgendermaßen
6.2 Geometrische Optik 457

Abb. 6.27 Brechung eines Strahls an einer konvexen Ku-


gelfläche

verknüpft: c

' D   " D  0  "0 :

Abbildung eines Punktes


In Abb. 6.27 geht von einem punktförmigen Ob-
jekt O auf der optischen Achse ein Lichtstrahl
Abb. 6.28 Strahlengang durch eine Kugelfläche (zu Bei-
aus, der die Kugelfläche in A trifft. Für n0 > spiel 6.2-7)
n wird der Strahl zum Einfallslot hin gebro-
chen und schneidet die optische Achse in O0 ;
O0 ist das Bild des Gegenstandes O. Mittels sondern auch von der Strecke l bzw. dem Win-
trigonometrischer Formeln lässt sich eine Be- kel  ab. Ein Objektpunkt wird demnach nicht
ziehung aufstellen zwischen den Schnittweiten s als Punkt abgebildet, sondern als Bildlinie auf der
und s 0 . optischen Achse. Beschränkt man sich jedoch auf
Der Sinus-Satz liefert für das Dreieck OCA paraxiale Strahlen, dann gelten die Näherungen
l  s und l 0  s 0 . Aus (6.20) wird dann
OC sin.180ı  "/ s C r sin "
D oder D I 
1 1
  
OA  sin ' l  sin ' 0 1 1
n  Dn  0 : (6.21)
r s r s
ebenso gilt für das Dreieck CO0 A
Diese Beziehung ist eine Invariante der Bre-
CO 0
sin "
0 0
s r sin " chung; sie wird auch als Abbe’sche Invariante
0
D oder D : bezeichnet. Die Beschränkung auf achsennahe
AO0 sin.180ı C '/ l0  sin '
Strahlen ist Merkmal der Gauß’schen Optik, be-
Einfallswinkel " und Brechungswinkel "0 sind nannt nach C. F. G AUSS (1777 bis 1855), der
verknüpft durch das Brechungsgesetz n sin " D 1840 die entsprechenden mathematischen Grund-
n0 sin "0 . lagen schuf.
Aus diesen Beziehungen folgt
Beispiel 6.2-7
sr s0  r Abb. 6.28 zeigt die Abbildung eines punktför-
n D n0 0 : (6.20)
l l migen Objekts O durch eine Kugelfläche. Es
sei n D 1 und n0 D 1;5.
Wird diese Gleichung nach s 0 aufgelöst, so er-
hält man den Ort des Bildpunktes O0 . Wie man a) Für r D C80 mm und s D 500 mm ist s 0
leicht erkennt, hängt dieser nicht nur von s und r, zu berechnen.
458 6 Optik

Lösung
Nach (6.21) gilt

n0 r 1;5  80
s0 D sr D mm D 353 mm :
n0  s 1;5  50080
500

s 0 ist positiv, das Bild liegt hinter der brechen-


den Fläche und ist reell.

b) Wie groß ist s 0 für s D 100 mm und r D


C80 mm? Abb. 6.29 Abbildung eines ausgedehnten Objekts durch
eine brechende Kugelfläche
Lösung

s 0 D 400 mm :
Ein kleiner, achsennaher und senkrecht
Das negative Vorzeichen des Wertes bedeutet, zur optischen Achse stehender Gegenstand
dass der Bildort links vom Scheitel liegt, das wird mit Hilfe von Paraxialstrahlen ähnlich
Bild ist virtuell. abgebildet.

c) Der Objektort liege im Unendlichen, d. h.


s D 1. Wo liegt der Bildpunkt bei einer Der Abbildungsmaßstab ist nach Abb. 6.29
konkav gekrümmten Kugelfläche mit r D
80 mm? y0 s0  r s0  r
ˇ0 D D D :
y r s sr
Lösung
Aus (6.21) folgt für s D 1 Unter Berücksichtigung von (6.21) ergibt sich für
den Abbildungsmaßstabe
n0 r 1;5  80
s0 D D D 240 mm :
0
n n 0;5 y0 n s0
ˇ0 D D 0 : (6.22)
y n s
Das Bild liegt vor der Kugelfläche, es ist vir-
tuell. Von J. DE L AGRANGE (1736 bis 1813) wurde
1803 eine wichtige Beziehung zwischen den Nei-
Abbildung eines ausgedehnten Gegenstandes gungswinkeln der Strahlen zur optischen Achse
Abb. 6.29 zeigt die Abbildung eines Punktes O und der Gegenstands- bzw. Bildgröße gefunden.
auf der optischen Achse mittels paraxialer Strah- In Abb. 6.27 verlaufen zwei Strahlen unter den
len in den Bildpunkt O0 . Ein Punkt P, der gemein- beiden spitzen Winkeln  und  0 zu optischen
sam mit O auf einem Kreis um C liegt, wird in P0 Achse. Für das Winkelverhältnis 0 gilt bei klei-
abgebildet. Gegenstandsweite und Bildweite sind nen Winkeln (tan   sin    ) 0 D  0 = D
für P und P0 identisch mit den Werten für O und s=s 0 . Mithilfe von (6.22) folgt daraus
O0 . Liegen verschiedene Objektpunkte auf einer
Kugelschale um C, so entstehen ihre Bildpunk- n y  D n0 y 0  0 : (6.23)
te auch auf einer Kugelschale um C. Gegenstand
und Bild sind einander ähnlich. Beschränkt man
sich auf paraxiale Strahlen, d. h. auf Gegenstände Das Produkt aus Brechungsindex, Gegen-
und Bilder kleiner Ausdehnung, dann kann man standsgröße und Strahlneigung ist eine op-
die Kugelflächen in den Punkten O und O0 durch tische Invariante.
die Tangentialebenen T und T0 annähern:
6.2 Geometrische Optik 459

Da die Gültigkeit von (6.23) von


H. von H ELMHOLTZ (1821 bis 1894) auch für
ein System von mehreren brechenden Flächen
bewiesen wurde, nennt man sie Helmholtz-
Lagrange’sche Gleichung.

6.2.3.6 Zur Übung

Ü 6-13 Wie tief erscheint ein 1,5 m tiefes Was-


serbecken einem Betrachter, der von oben ins
Wasser schaut? Abb. 6.30 Abbildung eines Punktes auf der optischen
Achse durch eine Sammellinse

6.2.4 Abbildung durch Linsen Setzt man diese in die obige Gleichung ein, so
ergibt sich
6.2.4.1 Dünne Linsen
   
1 1 0 1 1
Linse grenzt an verschiedene Medien nL  0 Dn  0 : (2)
r2 s1  d r2 s2
In den meisten optischen Systemen tritt Licht-
brechung an Gläsern auf, die von zwei kugel- Aus den Gleichungen (1) und (2) lässt sich s10
förmigen Flächen begrenzt werden. Abb. 6.30 eliminieren und eine Beziehung zwischen den
zeigt eine solche Linse und die Abbildung ei- Schnittweiten s1 und s20 herstellen:
nes Lichtpunktes O auf der optischen Achse. Der
Brechungsindex der Linse sei nL , der der angren- nL r1 s1 nL r2 s20
D 0 Cd :
zenden Gebiete n bzw. n0 . Die Krümmungsradien nr1 C .nL  n/s1 n r2 C .nL  n0 /s20
der Kugelflächen sind r1 und r2 . (6.24)
Ein Lichtstrahl, der von O ausgehend die Lin- Die Schnittweitengleichung (6.24) verknüpft die
se in A trifft, würde nach O01 gebrochen, falls nur Schnittweiten s1 und s20 für ein beliebiges Flä-
die linke Kugelfläche allein vorhanden wäre. Das chenpaar im Abstand d .
Bild O01 befände sich dann im Medium mit dem Eine wesentliche Vereinfachung der etwas un-
Brechungsindex nL im Abstand s10 von der linken handlichen Gleichung ist möglich, wenn die Lin-
Fläche. Die Schnittweiten s1 und s10 sind durch sendicke d vernachlässigbar ist. Für die unend-
die Abbe’sche Invariante (6.21) verknüpft: lich dünne Linse .d D 0/ geht die objektseitige
    Schnittweite s1 in die Objektweite a und die bild-
1 1 1 1 seitige Schnittweite s20 in die Bildweite a0 über
n  D nL  0 : (1)
r1 s1 r1 s1 (Abb. 6.30). Aus (6.24) wird dann
Tatsächlich wird der Strahl im Punkt B an n0 n nL  n nL  n0
der rechten Grenzfläche noch einmal gebrochen,  D  : (6.25)
a0 a r1 r2
sodass das Bild im Punkt O0 entsteht. Glei-
chung (6.21) ergibt, auf die rechte Kugelfläche Bei bekannten Linsendaten lässt sich aus (6.25)
angewandt (O’1 spielt die Rolle eines virtuellen zu jedem Gegenstandsort der zugehörige Bildort
Gegenstandes), berechnen.
    Der Abbildungsmaßstab kann aus der
1 1 1 1 Helmholtz-Lagrange’schen Gleichung (6.23) be-
nL  D n0  0 :
r2 s2 r2 s2 rechnet werden:
Die Strecke s2 hängt mit der Linsendicke d und y0 n
ˇ0 D D 0 0 :
s10 zusammen über die Beziehung s2 D s10  d . y n 
460 6 Optik

Brennpunkt F gehen, hinter der Linse ach-


senparallel, d. h., der Bildort ist a0 D 1.
Nach (6.27) sind die gegenstandsseitige Brenn-
weite f 0 und die bildseitige Brennweite f 0 be-
tragsmäßig gleich, es gilt

f D f 0 : (6.30)

Die Abbildungsgleichung (6.27) erhält eine be-


Abb. 6.31 Strahlenbündel durch die Brennpunkte einer sonders einfache Gestalt, wenn die durch (6.29)
Sammellinse definierte Brennweite eingeführt wird:

1 1 1
Für das Verhältnis der beiden Winkel gilt bei pa-  D 0 : (6.31)
a0 a f
raxialen Strahlen nach Abb. 6.30 = 0 D a0 =a.
Somit erhält man für den Abbildungsmaßstab
Beispiel 6.2-8
0n a0 Im Abstand a D 50 cm von einer Sammel-
ˇ D 0 : (6.26)
n a linse mit der Brennweite f 0 D 20 cm steht ein
Die Linse ist beiderseits von Luft umgeben Gegenstand. Wie groß ist die Bildweite a0 und
Eine weitere wesentliche Vereinfachung ergibt der Abbildungsmaßstab ˇ 0 ?
sich für den Fall, dass die dünne Linse beidseitig
von Luft mit n D n0 D 1 umgeben ist. Aus (6.25) Lösung
folgt dann Die Abbildungsgleichung (6.31) liefert für den
  Bildort
1 1 1 1 af 0
 D .n L  1/  : (6.27) a0 D (6.32)
a0 a r1 r2 aCf0
Der Abbildungsmaßstab ist in diesem Fall und für den Abbildungsmaßstab

a0 f0
ˇ0 D : (6.28) ˇ0 D : (6.33)
a aCf0
Abb. 6.31 zeigt, dass sich alle Strahlen eines
Für dieses Beispiel ergibt sich also
Lichtbündels, das parallel zur optischen Ach-
se auf eine bikonvexe Linse fällt, in einem 50 cm  20 cm
Punkt schneiden. Dieser Punkt ist der bildseitige a0 D D 33;3 cm und
50 cm C 20 cm
Brennpunkt F dieser Sammellinse. Die bildsei-
0
20 cm
tige Brennweite f 0 lässt sich einfach aus (6.27) ˇ0 D D 0;667 :
50 cm C 20 cm
berechnen. Wenn die Gegenstandsweite a D 1
gesetzt wird, folgt für die Bildweite, d. h. für die Die Eigenschaften der Brennpunktsstrahlen
bildseitige Brennweite die Linsenmacherformel machen auch eine sehr einfache zeichnerische
1

1 1
 Konstruktion der Abbildung möglich, die anhand
0
D D D .n L  1/  : (6.29) von Abb. 6.32 erläutert werden soll. Die vom
f0 r1 r2
Punkt P ausgesandten Strahlen 1, 2 und 3 tref-
Die Größe D 0 D 1=f 0 nennt man die Brechkraft fen sich wieder im Punkt P0 ; also ist P0 das Bild
einer Linse. Die Maßeinheit für die Brechkraft ist des Gegenstandes P. Strahl 1 verläuft parallel zur
die Dioptrie: 1 dpt D 1 m1 . optischen Achse bis zur Mitte der im Idealfall
Wie Abb. 6.31 ebenfalls zeigt, verlaufen al- unendlich dünnen Linse; von dort wird er zum
le Strahlen, die durch den gegenstandsseitigen bildseitigen Brennpunkt F0 gebrochen. Strahl 3
6.2 Geometrische Optik 461

gen (6.32) und (6.33) zeigt, dass reelle Bilder nur


entstehen für jaj > jf j. Für a D f liegt das
Bild im Unendlichen, für jaj < jf j ist a0 < 0;
d. h., das Bild liegt im Gegenstandsraum und ist
virtuell. Abb. 6.33 zeigt die Verknüpfung von
Gegenstand und Bild für verschiedene Gegen-
standsweiten a.
Für manche Zwecke ist es sinnvoll, die
Abb. 6.32 Abbildung eines Gegenstandes mit Hilfe von
Brennpunktsstrahlen und Mittelpunktsstrahl
Objekt- bzw. Bildweite von den jeweiligen
Brennpunkten aus zu messen. Bezeichnet man
nach Abb. 6.32 den Abstand vom objektseiti-
gen Brennpunkt F zum Objekt O mit z und
die entsprechende Länge im Bildraum mit z 0 , so
gilt
0
z z 0 D f 2 : (6.34)
Diese besonders einfache Beziehung zwischen
Objekt- und Bildort wird Newton’sche Abbil-
dungsgleichung genannt.

Linsentypen
Die bisher behandelte Sammellinse hat ihren
Abb. 6.33 Zuordnung von Gegenstand und Bild bei einer Namen von der Fähigkeit, parallel einfallende
Sammellinse Strahlen in der Brennebene zu sammeln. Die
Brennweite f 0 hängt nach (6.29) von den Radien
der beiden Kugelflächen ab. Wird die Brennwei-
geht durch den objektseitigen Brennpunkt F und te f 0 negativ, dann liegt der bildseitige Brenn-
läuft hinter der Linse parallel zur optischen Ach- punkt F0 im Gegenstandsraum, der objektseitige
se. Strahl 2 geht durch den Mittelpunkt der Linse im Bildraum. Mit einer solchen Zerstreuungs-
und erfährt keine Ablenkung (planparallele Platte linse können Lichtstrahlen nicht gebündelt wer-
der Dicke d  0). den, es sind lediglich virtuelle Bilder erzeugbar.
Die Diskussion der Abbildungsgleichung Abb. 6.34 zeigt eine Übersicht gebräuchlicher
(6.31) sowie der daraus resultierenden Beziehun- Linsenformen.

Abb. 6.34 Linsenformen und deren Eigenschaften


462 6 Optik

Abb. 6.36 Abbildung eines Gegenstandes mit einer Zer-


streuungslinse (zu Beispiel 6.2-9)

Abb. 6.35 Verlauf von achsenparallelen Strahlen bei ei-


ner Zerstreuungslinse mit den Brennpunkten F und F0 6.2.4.2 Zur Übung

Ü 6-14 Konstruieren Sie den weiteren Weg eines


Die Bedeutung der Brennpunkte bei einer Zer- Lichtstrahls, der unter einem beliebigen Winkel
streuungslinse wird in Abb. 6.35 erläutert. Fallen schief auf eine Sammellinse (Zerstreuungslinse)
Strahlen parallel zur optischen Achse auf die Lin- fällt.
se, so scheinen sie nach der Brechung aus F0
zu kommen. Diese Eigenschaft der Brennpunkts- Ü 6-15 Eine plankonvexe Linse mit dem Bre-
strahlen gestattet wieder eine einfache zeichneri- chungsindex nL D 1;51 hat an Luft die Brenn-
sche Konstruktion der Abbildung. weite f 0 D 10 cm. Sie berührt mit der ebenen
Fläche die Glaswand eines Aquariums, das mit
Wasser gefüllt ist. a) Sonnenlicht fällt parallel
Beispiel 6.2-9 zur optischen Achse auf die Linse. Wo liegt der
Vor einer Zerstreuungslinse mit der Brenn- Fokus F0 im Wasser? b) In welcher Entfernung
weite f 0 D 30 cm steht im Abstand a D von der Linse entsteht das Bild eines Fisches,
60 cm ein Gegenstand. Wo entsteht das der 20 cm von der Linse entfernt im Wasser
Bild und wie groß ist der Abbildungsmaßstab schwimmt? Wie groß ist der Abbildungsmaß-
ˇ0 ? stab? Lösen Sie die Aufgabe zeichnerisch und
rechnerisch.
Lösung
Abb. 6.36 zeigt die zeichnerische Konstrukti- Ü 6-16 Von F. W. B ESSEL (1784 bis 1846)
on mit Hilfe der Brennpunktsstrahlen 1 und stammt folgende Methode zur experimentellen
2 sowie des nicht abgelenkten Mittelpunkt- Bestimmung der Brennweite einer Sammellinse:
sstrahls 3. Das Bild ist aufrecht, verkleinert Ein leuchtender Gegenstand und eine Mattschei-
und virtuell. Ein virtuelles Bild kann nicht be werden in festem Abstand l (l > 4f 0 ) aufge-
auf einer Mattscheibe sichtbar gemacht wer- stellt. Bildet man den Gegenstand mit einer Linse
den; trotzdem kann es ein Beobachter wahr- auf die Mattscheibe ab, so gibt es zwei Linsen-
nehmen. Die von P0 ausgehenden Strahlen stellungen, bei denen eine Abbildung möglich ist.
können von der Augenlinse wieder auf die Berechnen Sie aus dem Abstand t der beiden Lin-
Netzhaut fokussiert werden. Die Rechnung er- senorte die Brennweite der Linse.
gibt mit (6.32) und (6.33) für die Bildweite
a0 D 20 cm und für den Abbildungsmaßstab Ü 6-17 Eine plankonvexe Linse mit dem Krüm-
ˇ 0 D 1=3. mungsradius r1 D 20 cm bildet einen Gegenstand
6.2 Geometrische Optik 463

mit der Gegenstandsweite a D 70 cm im Ab- Die Brennweiten f 0 und f , die gemäß Abb. 6.37
stand a0 D 93;5 cm ab. Wie groß ist die Brech- von den Hauptebenen zu den entsprechenden
kraft D 0 und der Brechungsindex nL der Linse? Brennpunkten gerechnet werden, können aus fol-
gender Überlegung gewonnen werden: Für den
6.2.4.3 Dicke Linsen Tangens des Winkels 20 gilt bei paraxialen Strah-
Ist die Linsendicke d nicht mehr vernachläs- len tan 20 D h0 =sF0 0 D h=f 0 ; also ist
sigbar klein, so müssen die vorgenannten Ab-
bildungsgleichungen etwas modifiziert werden. h
f 0 D 0 sF0 0 : (1)
Fällt ein Lichtstrahl entsprechend Abb. 6.37 par- h
allel zur optischen Achse auf eine dicke Sammel-
Ebenso gilt
linse, so wird er nach zweimaliger Brechung an
den beiden Kugelflächen im bildseitigen Brenn- h0 h h s0
0
punkt F0 die optische Achse schneiden. Der tan 1 D 0 D 0 oder 0
D 0 1 :
s1  d s1 h s1  d
Strahlenverlauf im Innern der Linse ist für die (2)
optische Abbildung völlig unwichtig. Der Strah- Wird (2) in (1) eingesetzt, so gilt für die Brenn-
lenverlauf im bildseitigen Außenraum sieht je- weite
denfalls so aus, als ob der Strahl vom Punkt Q0 s0
f 0 D 0 1 sF0 0 :
herkäme. Dieser Schnittpunkt der gestrichelten s1  d
Strahlverlängerung definiert die Lage der bild-
Der Abstand s1 folgt unmittelbar aus der Ab-
0
seitigen Hauptebene H0 . Wie später noch gezeigt
be’schen Invarianten (6.21) zu
wird, kann die Lage der Hauptebenen berechnet
werden. Dadurch ist eine sehr einfache Konstruk- nL
tion der Strahlen im Außenraum der Linse mög- s10 D r1 :
nL  1
lich. Beispielsweise wird ein Strahl, der durch
den gegenstandsseitigen Brennpunkt F geht, un- Damit erhält man folgenden Ausdruck für die
geachtet seines tatsächlichen Verlaufs bis zur ge- Brechkraft:
genstandsseitigen Hauptebene H verlängert und  
verläuft von dort parallel zur optischen Achse. 1 0 1 1
D D D .n L  1/ 
Der Abstand des bildseitigen Brennpunktes f0 r1 r2
2
F vom Linsenscheitel S , d. h. die Strecke sF0 ,
0 0 0 .n L  1/ d
C : (6.36)
ergibt sich unmittelbar aus der Schnittweitenglei- nL r1 r2
chung (6.24) für einen unendlich weit entfernten
Gegenstand, also für s1 D 1. Ebenso ist der Hierin ist das erste Glied die Brechkraft der dün-
Ort des objektseitigen Brennpunktes, d. h. die nen Linse, wie sie bereits in (6.29) angegeben
Strecke sF , aus (6.24) zu ermitteln, indem die wurde. Das zweite Glied wirkt gleichsam als Kor-
Bildweite s20 D 1 gesetzt wird. Im Folgenden rekturglied und erfasst den Einfluss der Linsendi-
werden nur Gleichungen angegeben für den Fall, cke d . Es ist immer dann vernachlässigbar, wenn
dass die Linse beidseitig von Luft umgeben ist. die Linsendicke klein ist gegenüber der Differenz
Für diesen Spezialfall liefert die Schnittweiten- der Radien, d. h., wenn gilt d  jr2  r1 j.
gleichung (6.24) Gleichung (6.36) lässt sich auch direkt nach
der Brennweite auflösen:
nL r1  .nL  1/d nL r1 r2
sF0 0 D r2 I f0 D  : (6.37)
.nL  1/ŒnL .r2  r1 / C .nL  1/d  nL  1 nL .r2  r1 / C .nL  1/d
nL r2 C .nL  1/d
sF D r1 :
.nL  1/ŒnL .r2  r1 /C.nL  1/d  Die gegenstandsseitige Brennweite f wird ana-
(6.35) log zur eben gezeigten Methode berechnet. Wie
464 6 Optik

Abb. 6.37 Lage der Hauptebenen bei einer dicken Sammellinse

schon bei der dünnen Linse sind auch bei der di-
cken Linse die Beträge der Brennweiten gleich.
Es gilt nach (6.30) f D f 0 .
Falls die Brennweite einer Linse bekannt ist,
lässt sich das Gleichungspaar (6.35) für die Ab-
stände der Brennpunkte von den Scheiteln sehr
viel einfacher ausdrücken. Aus dem Vergleich
von (6.35) und (6.37) folgt
 
nL  1 d Abb. 6.38 Abbildung eines Gegenstandes durch eine di-
sF0 0 D f 0 1   I cke Sammellinse (zu Beispiel 6.2-10)
nL r1
 
nL  1 d
sF D f 0 1 C  : (6.38)
nL r2
a0 als Abstand zwischen Hauptebene H 0 und
Den Abstand der Hauptebenen von den Schei- Bild, so gilt auch bei dicken Linsen die von den
teln erhält man nach Abb. 6.37 durch einfache dünnen Linsen her bereits bekannte Abbildungs-
Differenzbildung zweier Strecken, nämlich sH0 0 D gleichung (6.31): 1=a  1=a D 1=f . Ebenso
0 0

sF0 0  f 0 und sH D sF  f . Dabei ergibt sich wird der Abbildungsmaßstab nach der bereits be-
kannten Gleichung (6.28) berechnet: ˇ 0 D a0 =a.
nL  1 d
sH0 0 D f 0  I
nL r1 Beispiel 6.2-10
n L  1 d Gegeben sei eine Linse mit r1 D 5 cm. r2 D
sH D f 0  : (6.39) 5 cm, d D 3 cm, nL D 1;7. Ein Gegen-
nL r2
stand ist sO D 8 cm vom linken Scheitel
Wird nach Abb. 6.38 die Gegenstandsweite a als entfernt (Abb. 6.38). In welchem Abstand sO0 0
Entfernung des Gegenstandes von der Hauptebe- vom rechten Scheitel entsteht das Bild? Wie
ne H definiert und entsprechend die Bildweite groß ist ˇ 0 ?
6.2 Geometrische Optik 465

Lösung Ü 6-19 Eine Glaskugel mit dem Radius r und


Die Brechkraft der Linse beträgt nach (6.36) der Brechzahl nL wird als Linse verwendet. Wie
  groß ist die Brennweite f 0 , und wo befinden sich
0 1 1 0;72 3 die Hauptebenen?
D D 0;7  C cm1   cm1
5 5 1;7 25
D 0;245 cm1 D 24;5 dpt : Ü 6-20 Wie hängt bei einer Plankonvex-
(Plankonkav-)Linse die Brennweite f 0 von der
Die Brennweite ist f D 4;07 cm. Für die Ab- Linsendicke ab?
0

stände der Hauptebenen von den Scheiteln gilt


nach (6.39) Ü 6-21 Wie groß ist die Brennweite f 0 einer
Meniskuslinse mit r1 D r2 D r und der Di-
0;7 3
sH0 0 D sH D 4;07 cm   D 1;01 cm : cke d ? Wo liegen die Hauptebenen? Zeichnen Sie
1;7 5
maßstäblich die Brechung eines von links kom-
Abb. 6.38 zeigt die Lage der beiden Hauptebe- menden achsenparallelen Strahls für r D 5 cm,
nen. Für die weitere Rechnung benötigt man d D 3 cm und nL D 1;7.
zunächst die Gegenstandsweite
6.2.4.5 Linsensysteme
a D sO  sH D 8 cm  1;01 cm D 9;01 cm : Viele optische Systeme bestehen aus mehreren
Linsen mit gemeinsamer optischer Achse. Der für
Die Bildweite a0 folgt aus der Abbildungsglei- eine optische Abbildung relevante Strahlenver-
chung (6.32): lauf kann konstruiert werden, wenn die Gesamt-
af 0
9;01  4;07 brennweite sowie die Lage der zwei Hauptebenen
a0 D 0
D cm D 7;42 cm : des Systems bekannt sind. Man führt also letztlich
aCf 9;01 C 4;07
das System ersatzweise auf eine dicke Linse zu-
Der Abstand von der rechten Linsenfläche ist rück.

sO0 0 D a0 C sH0 0 D 7;42 cm  1;01 cm D 6;41 cm : Beispiel 6.2-11


Zwei dünne Sammellinsen L1 und L2 gemäß
Der Abbildungsmaßstab wird nach (6.28) be-
Abb. 6.39 sind im Abstand e D 25 cm ange-
rechnet:
bracht. Die Brennweiten betragen f10 D 60 cm
a0 7;42 cm und f20 D 50 cm. Wie groß ist die Gesamt-
ˇ0 D D D 0;82 :
a 9;01 cm
Die grafische Lösung ist in Abb. 6.38 wieder-
gegeben. Das Bild ist reell, Kopf stehend und
verkleinert.

6.2.4.4 Zur Übung

Ü 6-18 Gegeben sei eine plankonvexe Linse mit


den Daten r1 D 1. r2 D 4 cm, d D 2 cm und
nL D 1;7. a) Wie groß ist die Brennweite f 0 der
Linse? b) Wo befinden sich die Hauptebenen H
und H0 relativ zu den Linsenscheiteln S und S0 ?
c) Im Abstand sO D 12 cm von der ebenen
Fläche befindet sich ein Objekt. In welcher Ent-
fernung sO0 0 , von der Kugelfläche entsteht das Abb. 6.39 Lage der Hauptebenen bei einem System aus
Bild? d) Wie groß ist der Abbildungsmaßstab ˇ 0 ? zwei Sammellinsen (zu Beispiel 6.2-11)
466 6 Optik

brennweite f 0 und wo liegen die Hauptebenen Brennweiten vernachlässigbar ist. Dies ist prak-
des Systems? tisch der Fall, wenn sich zwei Linsen berühren.
Aus (6.42) resultiert dann
Lösung
Sehr einfach lässt sich das Problem zeichne- D 0 D D10 C D20 : (6.43)
risch lösen. In Abb. 6.39 fällt von links her
ein achsenparalleler Strahl auf die Linse L1
und wird auf F01 zu gebrochen. Hinter der Lin- Bei eng zusammenstehenden Linsen ist die
se L2 verläuft der Strahl parallel zur Geraden Brechkraft des Systems gleich der Summe
AB (s. Ü 6-14), sodass er schließlich die opti- der Brechkräfte der einzelnen Linsen.
sche Achse im Brennpunkt F0 schneidet. Der
Schnittpunkt der Strahlverlängerungen defi-
niert die Lage der bildseitigen Hauptebene Um die Brennweite einer Zerstreuungslin-
H0 . Nach obigem Muster wird der Weg einesse zu messen, kombiniert man diese mit ei-
ner Sammellinse größerer Brechkraft, sodass das
von rechts parallel zur optischen Achse einfal-
System insgesamt sammelnd wirkt. Für die-
lenden Strahls konstruiert. Brennpunkt F und
Hauptebene H sind somit bestimmt. ses System bestimmt man dann durch Ausmes-
sen einer reellen Abbildung die Gesamtbrenn-
Durch Anwendung der Abbildungsglei- weite (Ü 6-16). Die Brennweite der Zerstreu-
chung (6.31) erhält man für die Abstände der ungslinse lässt sich dann aus (6.43) berech-
Brennpunkte von den Linsen nen.

1 1 1 6.2.4.6 Zur Übung


0 D 0 C 0 und
sF0 f2 f1  e
1 1 1 Ü 6-22 Eine dünne plankonvexe Linse hat den
D 0  0 : (6.40) Krümmungsradius r D 20 cm und den Bre-
sF f1 f2  e 1
chungsindex nL1 D 1;75. Eine plankonkave Lin-
Für Beispiel 6.2-11 ergibt sich sF0 0 D 20;6 cm und se mit dem Brechungsindex nL2 D 1;52 wird so
sF D 17;6 cm. neben die erste Linse gestellt, dass sich die beiden
Die Brennweite des Systems, als Abstand zwi- ebenen Flächen berühren. Das System hat dann
schen Brennpunkt und zugeordneter Hauptebene die Gesamtbrennweite f D 60 cm. a) Wie groß
0

definiert, lässt sich durch elementare geometri- ist der Krümmungsradius r2 der Zerstreuungs-
sche Überlegungen, auf deren Wiedergabe hier linse? b) Welchen Abstand e müssen die beiden
verzichtet wird, berechnen. Das Ergebnis ist Linsen haben, damit die Gesamtbrennweite auf
f 0 D 30 cm abnimmt? c) Bestimmen sie zeichne-
0 0
f f risch und rechnerisch die Lage der Hauptebenen
f 0 D f D 0 1 02 : (6.41)
f1 C f2  e von b). d) In welchem Abstand sO0 0 von der Zer-
streuungslinse wird ein Objekt abgebildet, das
Für Beispiel 6.2-11 ergibt sich f 0 D 35;3 cm. sO D 65 cm vor der Sammellinse steht? Wie
Die Brechkraft des Systems ist groß ist der Abbildungsmaßstab ˇ 0 ?

1 1 1 e Ü 6-23 Ein Laserstrahl soll von 2 mm Durch-


D0 D D 0C 0 0 0 oder
f0 f1 f2 f1 f2 messer auf 10 mm aufgeweitet werden. Zur Ver-
D 0 D D10 C D20  e D10 D20 : (6.42) fügung steht eine Zerstreuungslinse mit f10 D
10 cm. Welche Brennweite f20 braucht die noch
Besonders einfache Verhältnisse liegen vor, erforderliche Sammellinse? Wie groß ist der Ab-
wenn der Abstand e der Linsen gegenüber den stand e der zwei Linsen?
6.2 Geometrische Optik 467

Abb. 6.40 Strahlenverlauf bei einem beliebigen opti- Abb. 6.41 Transfer eines Strahls zwischen zwei Refe-
schen System renzebenen

6.2.4.7 Matrixmethoden mit der Transfermatrix


Optische Systeme bestehen meist aus mehreren !
Linsen und anderen Bauelementen. Eine elegan- 1 d
T D (6.45)
te Beschreibung des Weges, den ein Lichtstrahl 0 1
durch ein solches System nimmt, bietet die Ma-
trixmethode. Brechungsmatrix
Ein Strahl ist durch zwei Parameter beschreib- Abb. 6.42 zeigt die Brechung eines Strahls an ei-
bar (Abb. 6.40). Beispielsweise durch die Hö- ner Kugelfläche, die zwei Medien mit den Brech-
he h1 in einer beliebigen Referenzebene RE1 zahlen n und n0 voneinander trennt.
sowie sowie den Neigungswinkel 1 relativ zur Aus den Beziehungen  0 D "0 C' D "0  hr und
optischen Achse. Die Höhe h2 und der Winkel 2  D " C ' D "  hr für die Winkel sowie dem
in einer anderen Referenzebene RE2 hängt line- Brechungsgesetz in paraxialer Form n " D n0 "0
ar von den Eingangsdaten h1 und 1 ab und kann folgt
in Form einer Matrixgleichung geschrieben wer-
! !
h0 h
den: DB
0
! !
h2 h1 
DM (6.44)
2 1
mit der Brechungsmatrix
!
A B !
M D ist die Systemmatrix, deren 1 0
C D BD (6.46)
nn0 n
Form von den optischen Bauteilen des Systems n0 r n0
abhängt.
Im Wesentlichen wird der Weg eines Strahls Strahlmatrix einer Linse
durch ein optisches System durch zwei Vorgänge Nach Abb. 6.43 falle ein Strahl auf eine dicke
beeinflusst: den Transfer und die Brechung. Linse mit Brechzahl nL , die links und rechts um-

Transfermatrix
Als Transfer wird der Weg eines Strahls inner-
halb eines homogenen Mediums (einheitlicher
Brechungsindex) bezeichnet. Nach Abb. 6.41 gilt
für die Winkel 2 D 1 und für die Höhen
h2 D h1 C d tan 1 bzw. bei paraxialer Optik
h2 D h1 C d1 . In Matrixschreibweise gilt
! !
h2 h1
DT Abb. 6.42 Brechung an einer Kugelfläche
2 1
468 6 Optik

Abb. 6.44 Strahlengang am Hohlspiegel mit Auffaltung

sich

Abb. 6.43 Verlauf eines Strahls durch eine dicke Linse Ldünn, Luft D
! ! !
1 0 1 0 1 0
nL 1 1nL 1
:
geben ist von Medien mit den Brechzahlen n1 r2
nL 0 1
nL r1 nL
und n2 . Der Weg des Lichtstrahls wird durch drei
Matrizen beschrieben: Nach den Regeln der Matrizenmultiplikation
Brechung an der Fläche S1 führt dies zu der Matrix
! ! !
h01 h1 1 0
D B S1 ; Ldünn, Luft D  :
10 S 1 S .nL  1/ r12  r11 1
1 1
!
Transfer von S1 nach S2 A B
Das Matrixelement C der -Matrix ist
! ! C D
h2 h01
D T S1 S2 nach (6.29) identisch mit der negativen Brech-
2 10 kraft der Linse. Damit vereinfacht sich die Matrix
zu
und Brechung an der Fläche S2 ! !
! ! 1 0 1 0
h02 h2 Ldünn, Luft D D (6.48)
D B S2 :  f10 1 D 0 1
20 S 2 S
2 2
Reflexionsmatrix
Insgesamt werden damit die Ausgangsgrößen mit Abb. 6.44 zeigt die Reflexion an einem sphäri-
den Eingangsgrößen verknüpft durch schen Spiegel (Abb. 6.10). In der Praxis wird der
! ! Strahlengang gerne aufgefaltet, d. h. nach rechts
h02 h1 weiter gezeichnet. Die Höhen und Winkel hängen
D B S2 T S1 S2 B S1
20 S 1 S zusammen gemäß
2 1
! ! !
h1 h0 h
D Ldick DR mit der Reflexionsmatrix
1 S 0 
1
!
mit der Strahlmatrix für dicke Linsen 1 0
RD 2 : (6.49)
! ! ! r
1
1 0 1 d 1 0
Ldick D nL n0 nL nnL n
n0 r2 n0 0 1 nL r1
Systemmatrix
nL
(6.47) Für ein beliebiges System brechender und reflek-
tierender Flächen (Abb. 6.40) sind die Höhen und
Für den Fall der dünnen Linse (d D 0), die beid- Winkel an zwei Referenzebenen durch (6.44) ver-
seitig von Luft umgeben ist (n D n0 D 1) ergibt knüpft. Die Systemmatrix ergibt sich durch Ma-
6.2 Geometrische Optik 469

fokussiert. Damit ist RE2 identisch mit


der bildseitigen Brennebene.
B D 0: Strahlen, die von einem Punkt der Re-
ferenzebene RE1 ausgehen, vereinigen
sich wieder in einem Punkt der Referen-
zebene RE2 . Damit sind RE1 und RE2
Gegenstands- und Bildebene (sie sind
konjugiert). Der Abbildungsmaßstab ist

y0
ˇ0 D DA: (6.51)
y
C D 0: Parallelstrahlen werden in Parallelstrah-
len übergeführt. Es liegt also ein afokales
System vor (Fernrohr, Abschn. 6.2.8.6).
Die Winkelvergrößerung (Vergrößerung
des Fernrohrs) ist
Abb. 6.45 Strahlengänge beim Verschwinden spezieller 0
Matrixelemente 0 D DD: (6.52)

D D 0: Alle Strahlen, die von einem Punkt der
trizenmultiplikation verschiedenster Transfer-, Referenzebene RE1 ausgehen, werden
Brechungs- und Reflexionsmatrizen: zu Parallelstrahlen. Damit ist RE1 die ge-
! ! genstandseitige Brennebene.
h2 h1
DM ; mit Lage der Kardinalpunkte
2 1
! Bezüglich der zwei Referenzebenen RE1 und
A B RE2 (Abb. 6.40) lassen sich einfache Ausdrücke
MD D Mk Mk1 : : : M2 M1 :
C D finden für die Abstände zu den interessanten
Punkten eines optischen Systems. Sie sind in
Für die Determinante der Systemmatrix gilt Tab. 6.2 zusammen gestellt.
n1
det M D AD  BC D ; (6.50) Beispiel 6.2-12
n2
Für das System von zwei dünnen Sammellin-
wobei n1 und n2 die Brechungsindizes an den Re- sen des Beispiels 6.2-11 Abb. 6.39 soll mithil-
ferenzebenen RE1 und RE2 sind. Sehr häufig ist fe der Matrizenmethode die Systembrennwei-
am Anfang und am Ende eines Systems Luft, so- te bestimmt werden.
dass sich (6.54) vereinfacht zu
Lösung
det M D AD  BC D 1 : Zweckmäßigerweise legt man die Referenz-
ebene RE1 in die Linse L1 und die Ebene RE2 in
Dies ist ein wichtiges Ergebnis zur Kontrolle der die Linse L2 . Damit wird die Systemmatrix ein
Systemmatrix auf etwaige Rechenfehler. Produkt aus zwei Linsenmatrizen nach (6.48)
Falls eines oder mehrere Matrixelemente der sowie einer Transfermatrix nach (6.45) :
Systemmatrix null sind, ergeben sich interessante
Schlussfolgerungen (Abb. 6.45). M D L2 T L1
! ! !
1 0 1 e 1 0
A D 0: Ein paralleles Strahlenbündel wird auf D :
 f10 1 0 1  f10 1
einen Punkt in der Referenzebene RE2 2 1
470 6 Optik

Tab. 6.2 Lage der Kardinalpunkte eines optischen Sys-


tems
Kardinalpunkt Beziehung
D
Abstand des objektseitigen s1;F D (1)
Brennpunktes F von RE1 C
A
Abstand des bildseitigen 0
s2;F 0 D  (2)
Brennpunktes F0 von RE C
2
D  .n1 =n02 /
Abstand der objektseitigen s1;H D (3)
Hauptebene H von RE1 C
Abb. 6.46 Zu Beispiel 6.2-13
1A
Abstand der bildseitigen 0
s2;H 0 D (4)
Hauptebene H0 von RE2 C
n1 =n02 der Gegenstandsebene übereinstimmt und RE2
objektseitige Brennweite f D (5)
C mit der Bildebene (Abb. 6.46).
1
bildseitige Brennweite f0 D (6) Die Systemmatrix wird damit:
C
0 10 10 1
1 sO0 0 0;5833 25 cm 1 40 cm
M D@ A@ A@ A
Nach Ausmultiplikation ergibt sich 0 1 0;02833 cm1 0;5 0 1
0 1
e
! 0;5833  0;02833 cm1 sO0 0 48;33 cm  0;6333sO0 0
1 f10
e D@ A
MD 0;02833 cm1 0;6333
 f10  1
f20 C e
f10 f20 1 e
f20
1
Nach Abb. (6.45) liegt eine optische Abbil-
und numerisch mit f10 D 60 cm, f20 D 50 cm dung vor, wenn B D 0 ist. Aus 48;33 cm 
und e D 25 cm 0;6333 s0O0 D 0 folgt sO0 0 D 76;3 cm. Der Ab-
! bildungsmaßstab ist nach (6.51) ˇ 0 D A D
0;5833 25 cm 0;5833  0;02833 cm1  76;3 cm D 1;58.
MD :
0;02833 cm1 0;5 Das Bild ist reell, umgekehrt und vergrößert.

Zur Kontrolle: det M D 1. 6.2.4.8 Zur Übung


Für die Gesamtbrennweite bzw. Brechzahl
gilt nach (6) in Tab. 6.2 Ü 6-24 Ein Linsensystem besteht aus drei dün-
1
f0
D C D f10 C f10  f 0ef 0 D 2;83 dpt, in nen Linsen der Brennweiten f 0 D 3 cm, f 0 D
1 2 1 2 1 2
Übereinstimmung mit den Gleichungen (6.41) 7;5 cm und f30 D 1;5 cm. Die Abstände zwi-
und (6.42). Ebenso einfach lassen sich aus der schen den Linsen sind e12 D 3 cm und e23 D
Systemmatrix die Gleichungen (6.40) für die 9 cm. Wie groß ist die Brennweite des Systems?
Lage der Brennpunkte sowie der Hauptpunkte Wo liegen die Brennpunkte und die Hauptpunk-
herleiten. te? Die Linsen befinden sich an Luft.

Beispiel 6.2-13 Ü 6-25 Bestimmen Sie die Brennweite sowie die


Im Abstand sO D 40 cm von der Linse L1 Lage der Brennpunkte und der Hauptpunkte für
des Systems von Beispiel 6.2-12 stehe ein Ge-
eine Glaslinse, welche die Form einer Halbkugel
genstand. Wo entsteht das Bild? Wie groß ist
hat, die beiderseits von Luft umgeben ist. Lin-
der Abbildungsmaßstab? sendaten: nL D 1;5; r1 D C3 cm; r2 D 1.
Wo erscheint das Bild eines Objektes, das sich im
Lösung Abstand sO D 10 cm vom linken Linsenschei-
Das System wird nach links und rechts so tel befindet? Geben Sie den Abstand sO0 0 von der
erweitert, dass die Referenzebene RE1 mit rechten Planseite an.
6.2 Geometrische Optik 471

dargestellt ist. Für diejenigen Gegenstandspunk-


te, die sich innerhalb der Grenzen P1 und P2
befinden, gelangen alle Strahlen, die die Eintritts-
pupille passiert haben, auch auf das Bild. Für Ge-
genstandspunkte zwischen P1 und P3 bzw. P2 und
P4 wirkt die Linsenfassung als Blende, sodass nur
ein Teil der Strahlen auf das Bild gelangt. Ge-
genstandspunke schließlich, die außerhalb von P3
Abb. 6.47 Strahlbegrenzung durch eine Blende und P4 sitzen, werden durch die vorliegende An-
ordnung überhaupt nicht mehr abgebildet. Das
Gesichtsfeld ist hier nicht scharf begrenzt, son-
6.2.5 Blenden im Strahlengang
dern es wird nach außen hin allmählich dunkler.
In jedem optischen System sind Blenden vor- Diesen Effekt bezeichnet man als Vignettierung
handen, die den Querschnitt der zur Abbildung oder Abschattung. Soll das Gesichtsfeld scharf
verwendeten Lichtstrahlen begrenzen. Abb. 6.47 begrenzt sein, so muss in der Bildebene eine
zeigt die Abbildung des Gegenstandes P1 P2 Gesichtsfeldblende angebracht werden. Anstelle
durch eine Sammellinse ins reelle Bild P01 P02 . In- einer körperlichen Blende kann auch das Bild
nerhalb des schraffierten Kegels laufen alle Strah- einer Blende, eine Luke, das Gesichtsfeld begren-
len, die vom Punkt P2 ausgehen und in P02 ge- zen.
sammelt werden. Das Strahlenbündel ist begrenzt
durch eine materielle Blende oder Pupille. Die
Linse entwirft von der Blende ein reelles Bild, die 6.2.6 Zur Übung
Austrittspupille AP, durch die wieder alle Strah-
len gehen müssen. Vom Gegenstandspunkt O, Ü 6-26 In 30 cm Abstand vor einer Sammellin-
der auf der optischen Achse liegt, gelangen al- se steht eine Blende mit 12 mm Durchmesser.
le Strahlen, die innerhalb des strichpunktierten Ihr Bild (AP) entsteht 60 cm hinter der Linse.
Kegels liegen, zur Abbildung. Der Öffnungswin- a) Welchen Durchmesser hat die Austrittspupille?
kel  wird objektseitiger Aperturwinkel genannt, b) Konstruieren Sie mithilfe der Pupillenstellun-
der konjugierte Winkel  0 ist der bildseitige Aper- gen die Abbildung eines Gegenstandes mit a D
turwinkel. Allgemein wird  durch die Eintritts-
pupille EP begrenzt,  0 durch die Austrittspupille
AP. In Abb. 6.47 spielt also die reale Blende zu-
gleich die Rolle der Eintrittspupille. Lässt man
den Durchmesser der Eintrittspupille gegen null
gehen, so werden die zur Abbildung gelangen-
den Lichtkegel immer schlanker, bis schließlich
nur noch die rot gestrichelten Hauptstrahlen üb-
rig bleiben.
Es ist offensichtlich, dass die Lichtmenge,
die vom Gegenstand zum Bild gelangt, von der
Größe der Eintrittspupille abhängt. Die Blende
steuert damit die Helligkeit des Bildes.
Eine weitere Funktion einer Blende ist die
Begrenzung des Gesichtsfelds. Diese Blenden-
wirkung ist in Abb. 6.48 verdeutlicht, wo der Abb. 6.48 Begrenzung des Gesichtsfelds bei einem aus-
Gegenstandsraum von Abb. 6.47 noch einmal gedehnten Gegenstand
472 6 Optik

Tab. 6.3 Abbildungsfehler


Bezeichnung Ursache und Auswirkung Beseitigung
sphärische Ein Objektpunkt auf der optischen Achse wird, falls nur Kombination mehrerer Linsen
Aberration (Öff- achsennahe Strahlen an der Abbildung beteiligt sind, wei- verschiedener Brennweite (z. B.
nungsfehler) ter von einer Sammellinse entfernt abgebildet, als bei der Sammellinse und Zerstreuungslinse);
ausschließlichen Verwendung achsenferner Strahlen. Da- Variation der Linsenform.
her wird ein Punkt durch weit geöffnete Strahlenbündel Ein korrigiertes System wird als
nicht als Punkt, sondern als Zerstreuungsscheibchen abge- Aplanat bezeichnet
bildet
Astigmatismus Ausgedehnte ebene Objekte werden nicht in einer Ebene, Kombination mehrerer Linsen aus
und Bildfeld- sondern auf zwei gekrümmten Bildschalen, die sich auf geeigneten Gläsern; Veränderung der
wölbung der optischen Achse berühren, abgebildet. Deshalb ent- Blendenlage.
steht bei der Abbildung eines Punktes, der außerhalb der Ein korrigiertes System ist ein An-
optischen Achse liegt, auch bei der Verwendung schlanker astigmat
Strahlenbündel kein Bildpunkt, sondern zwei zueinander
senkrecht verlaufende Bildstriche auf den beiden Bild-
schalen in verschiedenen Abständen von der Linse
Koma Strahlenbündel großer Öffnung bilden einen Punkt, der Abblenden; Fehler ist stark abhängig
außerhalb der optischen Achse liegt, nicht als Punkt, son- von der Blendenlage
dern als ovale Figur mit kometenhaftem Schweif ab
Verzeichnung Bei falscher Blendenlage sind Bild und Objekt nicht Blende bzw. Pupille sollte in der
geometrisch ähnlich. Liegt die Blende zu weit im Gegen- Linsenebene liegen. Verwirklicht im
standsraum, wird ein Quadrat tonnenförmig verzeichnet, orthoskopischen Objektiv
liegt sie zu weit im Bildraum, resultiert eine kissenförmige
Verzeichnung
chromatische Farbfehler, der aufgrund der Dispersion des Linsenmateri- Kombination von Sammellinse aus
Aberration als entsteht, wenn zur Abbildung kein monochromatisches Kronglas und Zerstreuungslinse aus
Licht verwendet wird. Das Bild wird unscharf und erhält Flintglas; korrigiertes Objektiv ist
farbige Ränder ein Achromat

50 cm Gegenstandsweite und y D 1 cm Größe. gegenläufig sind, sodass sie sich bei der Kombi-
c) Wie groß muss der Linsendurchmesser min- nation ganz oder teilweise aufheben. Eine voll-
destens sein, damit auch die Randpartien ohne kommene Korrektur aller Abbildungsfehler ist
Abschattung abgebildet werden? nicht möglich.

6.2.7 Abbildungsfehler 6.2.8 Optische Instrumente

Bei der bisherigen Beschreibung optischer Ab- 6.2.8.1 Menschliches Auge


bildungen ist idealisierend vorausgesetzt, dass In Abb. 6.49 sind die wichtigsten Teile des
nur achsennahe Strahlen an der Abbildung be- menschlichen Auges dargestellt. Das Auge wird
teiligt sind. Sobald Strahlen in großem Abstand eingehüllt von der stabilen Lederhaut Le. Dar-
von der optischen Achse bzw. unter großen Win- unter liegt die für den Stoffwechsel wichti-
keln gegen diese verlaufen, ist die Abbildung ge Aderhaut A, die mit der lichtempfindlichen
mit Fehlern behaftet. Tab. 6.3 zeigt eine knappe Netzhaut N ausgekleidet ist. Die lichtdurchläs-
Zusammenstellung der wichtigsten Abbildungs- sigen Teile des Auges sind die Hornhaut H,
fehler. die mit Kammerwasser gefüllte vordere Augen-
Zur Behebung der Abbildungsfehler sind im- kammer K, die Linse Li sowie der gallertartige
mer mehr oder weniger komplizierte Linsensys- Glaskörper G.
teme erforderlich. Dabei wird ausgenutzt, dass Das normalsichtige Auge ist im Ruhezustand
bestimmte Fehler in verschiedenen Linsentypen so eingestellt, dass paralleles Licht unendlich
6.2 Geometrische Optik 473

Lichtmenge, die ins Auge fällt. Die Brechung


des Lichts findet vorwiegend an der gekrümmten
Hornhaut statt. Die Linse sorgt lediglich dafür,
dass Gegenstände in verschiedenen Entfernungen
scharf gesehen werden. Zu diesem Zweck wird
die Krümmung der Augenlinse mithilfe des Zi-
liarmuskels Z verändert (Akkommodation). Der
nächstgelegene Punkt, den man eben noch scharf
sehen kann, wird Nahpunkt genannt. Er liegt
bei Jugendlichen bei etwa 10 cm und nimmt
mit zunehmendem Alter zu. Als Bezugssehwei-
te oder deutliche Sehweite wurde der Abstand
aB D 25 cm festgelegt, in dem der normal-
Abb. 6.49 Querschnitt durch das menschliche Auge sichtige Mensch ohne Anstrengung Gegenstände
betrachten kann. Der Fernpunkt liegt beim nor-
a malsichtigen Auge im Unendlichen.
Beim kurzsichtigen Auge ist die Brechkraft
des Systems so groß, dass parallel einfallende
Strahlen schon vor der Netzhaut vereinigt werden
(Abb. 6.50b). Der Kurzsichtige kann unendlich
entfernte Gegenstände nicht scharf sehen, sein
Fernpunkt liegt im Endlichen. Zur Korrektur wird
eine Brille mit Zerstreuungslinsen verwandt.
Beim übersichtigen (weitsichtigen) Auge ist
b die Brechkraft so gering, dass der Brennpunkt
hinter der Netzhaut liegt (Abb. 6.50c). Der Über-
sichtige kann durch Akkommodation diesen Feh-
ler zum Teil ausgleichen. Die ständige Anspan-
nung des Augenmuskels wirkt aber ermüdend.
Zur Korrektur trägt der Übersichtige eine Sam-
mellinse.
Hat das Auge in zwei zueinander senkrechten
Richtungen verschiedene Brennweiten, so liegt
Augenastigmatismus vor. Zur Korrektur muss das
c Brillenglas in verschiedenen Richtungen unter-
schiedlich gekrümmt sein.
Die eigentlich lichtempfindlichen Sinneszel-
len des Auges sind die in der Netzhaut eingebet-
teten Stäbchen und Zapfen. Die Zapfen können
verschiedene Farben (rot, grün, blau) unterschei-
den, während die wesentlich empfindlicheren
Abb. 6.50 Menschliches Auge: a normalsichtig, b kurz-
Stäbchen farbuntüchtig sind. Die Lichtempfin-
sichtig, c übersichtig (weitsichtig) dung wird über Nervenfasern dem Sehzentrum
des Gehirns zugeleitet. An der Stelle, wo die
Sehnerven das Auge verlassen, ist die Netzhaut
ferner Gegenstände auf die Netzhaut fokussiert unempfindlich (blinder Fleck B in Abb. 6.49).
wird, wie es Abb. 6.50 zeigt. Dabei regelt die Die größte Dichte der Zapfen besteht in der Netz-
Iris I (Regenbogenhaut) als Eintrittspupille die hautgrube NG; nach außen hin nimmt die Anzahl
474 6 Optik

der Zapfen ab, gleichzeitig nimmt die Anzahl der Dabei ist  0 der Sehwinkel mit,  derjenige ohne
Stäbchen zu. Instrument. Meist kann man den Tangens durch
Das Auflösungsvermögen des Auges ist eng den Winkel selbst ersetzen.
mit der Struktur der Netzhaut verknüpft. So kön-
nen zwei Punkte nicht mehr getrennt wahrgenom- 6.2.8.2 Zur Übung
men werden, wenn ihre Bildpunkte so aneinander
liegen, dass nur ein einziger Zapfen angeregt Ü 6-27 Der Nahpunkt eines übersichtigen Auges
wird. Der physiologische Grenzwinkel, unter dem sei aN D 50 cm. Welche Brechkraft muss eine
Gegenstände noch getrennt wahrgenommen wer- Brille haben, damit der Nahpunkt des Auges in
den können, beträgt etwa eine Winkelminute für die Bezugssehweite aB D 25 cm rückt? (Der
Bilder in der Netzhautgrube NG (Abb. 6.49). Abstand e 0 zwischen Brillenglas und Augenlinse
In der Bezugssehweite 25 cm müssen demnach sei vernachlässigbar.)
zwei Punkte 0,07 mm weit auseinander sein, da-
mit man sie noch als getrennt wahrnimmt. Ü 6-28 Bei einem kurzsichtigen Menschen liegt
der Fernpunkt aF D 50 cm vor dem Auge.
Funktion der optischen Instrumente Welche Brechkraft braucht seine Brille, damit er
Nach Abb. 6.51 entwerfen die brechenden Tei- wieder bis unendlich sehen kann?
le des Auges auf der Netzhaut ein umgekehrtes
reelles Bild eines Gegenstandes. Die Größe des 6.2.8.3 Lupe
Netzhautbildes ist direkt proportional zum Seh- Die Lupe ist eine Sammellinse kurzer Brennwei-
winkel  , unter dem das Objekt erscheint. Will te. Ihre Vergrößerung ist umso höher, je stärker
man von einem Gegenstand mehr Details erken- die Brechkraft der Linse ist. Nach DIN 58 383
nen, muss er näher ans Auge gebracht werden. versteht man unter Lupen im engeren Sinne sol-
Dadurch nimmt der Sehwinkel bzw. die scheinba- che, die eine mindestens dreifache Vergrößerung
re Größe des Gegenstandes zu. Bei Unterschrei- haben. Bei geringeren Vergrößerungen spricht
ten des Nahpunktes wird das Netzhautbild wegen man von Lesegläsern. Die Vergrößerung hängt
mangelnder Akkommodationsfähigkeit unscharf. nicht nur von der Lupe selbst ab, sondern auch
Eine weitere Vergrößerung ist nur möglich, wenn ganz wesentlich vom Abstand zwischen Gegen-
optische Instrumente (Lupe, Mikroskop, Fern- stand und Lupe bzw. Auge. Da es praktisch
rohr) zu Hilfe genommen werden. Die Aufgabe unmöglich ist, für alle vorkommenden Abstän-
der optischen Instrumente besteht darin, den Seh-de mit einfachen Formeln eine Vergrößerung zu
winkel zu vergrößern. Da das Netzhautbild dem berechnen, gibt man in der Regel die Normal-
Tangens des Sehwinkels proportional ist, defi- vergrößerung der Lupe an. Dazu wird festgelegt,
niert man sinnvollerweise als Vergrößerung (An- dass der Gegenstand in der Brennebene der Linse
gularvergrößerung) eines Instruments steht und das Auge auf Unendlich akkommodiert
ist.
tan  0 0
0 D  : (6.53) Abb. 6.52 zeigt den Strahlengang für diesen
tan   Fall. Es ist im Prinzip gleichgültig für die Ver-
größerung, wo das Auge steht; denn alle Strahlen,
die von einem Punkt des Gegenstandes ausgehen,
verlaufen hinter der Linse unter demselben Win-
kel  0 zur optischen Achse. Allerdings ist das Ge-
sichtsfeld am größten, wenn sich das Auge mög-
lichst nahe an der Linse befindet. Welches Strah-
lenbündel zur Abbildung herangezogen wird, legt
Abb. 6.51 Definition des Sehwinkels  die Augenpupille fest. Die Augenlinse vereinigt
6.2 Geometrische Optik 475

Abb. 6.52 Strahlengang bei der Lupe Abb. 6.53 Gegenstand innerhalb der Brennweite einer
Lupe

die Parallelstrahlen zu einem Punkt auf der Netz-


In diesem Fall ist also die Angularvergrößerung
haut.
identisch mit der Lateralvergrößerung (Abbil-
Nach Abb. 6.52 gilt für den Winkel  0 die
dungsmaßstab). Mit a0 D aB ergibt sich aus der
Beziehung tan  0 D y=f D y=f 0 . Zur Bestim-
Abbildungsgleichung (6.31) sofort die Lupenver-
mung der Vergrößerung vergleicht man diesen
größerung bei Akkommodation:
Winkel mit jenem, unter dem das Objekt für
das unbewaffnete Auge erscheint, wenn es im 0 aB
Abstand aB D 25 cm (Bezugssehweite) an- L;A D1 D 1 C L0 : (6.55)
f0
geordnet ist: tan  D y=aB . Somit gilt für die
Normalvergrößerung der Lupe 6.2.8.4 Mikroskop
aB Für sehr starke Vergrößerungen wäre nach (6.54)
L0 D  0 : (6.54) eine Lupe mit extrem kleiner Brennweite erfor-
f
derlich, was technisch schwer zu realisieren ist.
Die Vergrößerung ist positiv, weil aB ein ne- Eine kleine Brennweite lässt sich aber auch erzie-
gatives Vorzeichen hat. Eine Lupe bewirkt also len, wenn man anstatt einer Linse ein Linsensys-
gegenüber der Betrachtung mit unbewaffnetem tem mit zwei Linsen nimmt. Obwohl die beiden
Auge keine Bildumkehr. Linsen selbst verhältnismäßig große Brennweiten
Soll die Vergrößerung gesteigert werden, so haben können, ist nach (6.41) bei geeignetem Ab-
wird der Abstand zwischen Lupe und Objekt stand die Gesamtbrennweite des Systems klein.
vermindert. Dadurch entsteht ein virtuelles ver- Der Strahlengang im Mikroskop ist in
größertes Bild in endlichem Abstand vom Auge. Abb. 6.54 dargestellt. Das Objektiv Ob entwirft
Bringt man die Linse nach Abb. 6.53 in eine sol- von dem Gegenstand G ein vergrößertes reelles
che Position, dass das virtuelle Bild im Abstand Zwischenbild ZB. Dieses Zwischenbild wird mit-
der Bezugssehweite aB von der Linse entsteht, hilfe des Okulars Ok betrachtet. Das Okular hat
dann gilt für den Winkel  0 , unter dem der Haupt- die Funktion einer Lupe und dient der weiteren
strahl die Linse durchgesetzt Vergrößerung des Zwischenbildes. Die parallelen
y y0 Strahlen, die in Abb. 6.54 das Okular verlassen,
tan  0 D D : werden durch die Augenlinse auf die Netzhaut
a aB
des Betrachters fokussiert.
Unter der Voraussetzung, dass sich das Auge Die Abbildung geschieht im Mikroskop in
dicht an der Lupe befindet, durchsetzt der Haupt- zwei Stufen. Dementsprechend lässt sich die Mi-
strahl die Augenlinse unter demselben Winkel. kroskopvergrößerung M0 aus dem Abbildungs-
Das Verhältnis der Sehwinkel mit und ohne In- maßstab ˇOb0
des Objektives und der Lupenver-
strument ist dann größerung Ok0
des Okulars berechnen:
tan  0 y0
D D ˇ0 :
tan  y M0 D ˇOb
0 0
Ok : (6.56)
476 6 Optik

Abb. 6.54 Strahlengang beim Mikroskop

Der Abbildungsmaßstab ˇOb 0


wird mithilfe der
elementaren Gleichungen (6.28) und (6.31) be-
rechnet. Er ist besonders einfach darstellbar mit-
hilfe der optischen Tubuslänge t des Mikroskops:
0
ˇOb D t=fOb 0
. Somit ist die Gesamtvergröße-
rung des Mikroskops
t aB
M0 D 0 0 : (6.57)
fOb fOk

In der Praxis kann man die Gesamtvergröße-


rung eines Mikroskops sofort aus den Zahlen
bestimmen, die auf Objektiv und Okular eingra-
viert sind. Steht beispielsweise auf einem Ob-
jektiv 40=0;65, so beträgt der Abbildungsmaß-
stab jˇ 0 j D 40 und die numerische Apertur
ist AN D 0;65. Ist z. B. auf dem Okular 10
eingraviert, dann ergibt sich die Mikroskopver- Abb. 6.55 Technische Ausführung eines Mikroskops:
a Objektiv, Plan-Apochromat 100  =1;40 Oil, b Inverses
größerung jM0 j D 400. Die mechanische Tu- Mikroskop (Axiovert 200), bei dem das Objekt von unten
buslänge moderner Mikroskope ist in der Regel betrachtet wird. Diese Anordnung hat besondere Vorteile
t D 160 mm. Normwerte für Objektiv- und Oku- für biologische Präparate, die am Boden einer Kulturscha-
larvergrößerungen sind in DIN 58 886 festgelegt. le wachsen. 13, 14: Lampen für Auf- und Durchlicht, 18:
Kondensor, 19: 6-fach Objektivrevolver, 2: Okular. Werk-
Die Öffnung der abbildenden Strahlenbündel bilder: Carl Zeiss AG, Göttingen
wird in Abb. 6.54 durch den Durchmesser des
Objektivs begrenzt. Das Objektiv ist demnach die
Eintrittspupille EP des Systems. Die Austrittspu- skops wiedergegeben. Das Auflösungsvermögen
pille AP ist das vom Okular entworfene Bild der des Mikroskops ist in Abschn. 6.4.1.8 beschrie-
Eintrittspupille. An der Stelle der Austrittspupille ben.
sollte sich die Pupille des beobachtenden Auges
befinden. 6.2.8.5 Zur Übung
Sowohl das Objektiv als auch das Oku-
lar eines Mikroskops besteht zur Korrektur der Ü 6-29 Bei einem Mikroskop ist die Objektiv-
Abbildungsfehler immer aus mehreren Linsen. brennweite fOb0
D 4 mm, die Okularbrennweite
Abb. 6.55a zeigt Ansicht und Schnitt eines mo- fOk D 25 mm und die Tubuslänge t D 160 mm.
0

dernen Planapochromaten, der besonders gegen a) Wie groß ist die Mikroskopvergrößerung M0 ?
sphärische und chromatische Aberration sowie b) In welchem Abstand zOb vom vorderen Ojek-
Bildfeldwölbung korrigiert ist. In Abb. 6.55b sind tivbrennpunkt muss sich das Objekt befinden,
Aufbau und Strahlengang eines modernen Mikro- wenn es von einem auf unendlich eingestell-
6.2 Geometrische Optik 477

ten Auge scharf gesehen werden soll? c) Das a


Okular wird um zOk nach hinten verschoben
und entwirft dadurch ein reelles Bild. In wel-
chem Abstand aOk 0
vom Okular muss man einen
Schirm aufstellen, um das Bild aufzufangen, und
wie groß ist der gesamte Abbildungsmaßstab ˇ 0 ?
Zeichnen Sie ein Diagramm für 1 mm 5 zOk 5
25 mm. Was ergibt sich speziell für zOk D
1 mm?

b
Ü 6-30 Ein Mikroskop kann ersatzweise wie ei-
ne Lupe mit extrem kleiner Brennweite behandelt
werden. Berechnen Sie für das Mikroskop von
Ü 6-29 die Gesamtbrennweite f 0 und die Lupen-
vergrößerung L0 Wieso ist die Gesamtbrennweite
negativ?

6.2.8.6 Fernrohr
Das Fernrohr hat die Aufgabe, den Sehwinkel,
unter dem weit entfernte Gegenstände erschei- Abb. 6.56 Grundtypen des Fernrohrs: a Kepler’sches
nen, zu vergrößern. Das Bild soll mit entspann- Fernrohr, b Galilei’sches Fernrohr
tem Auge betrachtet werden. Dies bedeutet, dass
ein ins Fernrohr eintretendes paralleles Strahlen-
bündel auch wieder als paralleles Bündel aus- Die Vergrößerung des Fernrohrs lässt sich an-
treten muss. Diese Bedingung wird von einem hand von Abb. 6.56 folgendermaßen bestimmen:
afokalen System mit zwei Linsen erfüllt. Dabei Der Winkel  , unter dem ein Strahlenbündel von
fällt der bildseitige Brennpunkt der ersten Linse einem weit entfernten Gegenstand ins Objektiv
mit dem gegenstandsseitigen der zweiten zusam- fällt, ist derselbe Winkel, unter dem man den Ge-
men. genstand mit unbewaffnetem Auge sehen würde.
Abb. 6.56 zeigt die beiden Grundtypen des Der Sehwinkel  0 , unter dem die Strahlen ins Au-
Fernrohrs. Das Kepler’sche (1611) oder astro- ge gelangen, ist offensichtlich größer als  . Nach
nomische Fernrohr hat zwei Sammellinsen, das Abb. 6.56 gilt für die Winkelfunktionen (Vor-
Galilei’sche (1609) oder holländische Fernrohr zeichen der Winkel s. Abschn. 6.2.3.5 und DIN
eine Sammel- und eine Zerstreuungslinse. Beim 1335) tan  0 D y 0 =fOk 0
und tan  D y 0 =fOb0
.
Kepler’schen Fernrohr entwirft das Objektiv in Damit ergibt sich für die Vergrößerung des Fern-
seiner bildseitigen Brennebene ein reelles Zwi- rohrs
schenbild ZB eines unendlich entfernten Gegen- 0
fOb
standes, das dann mit dem als Lupe wirkenden F0 D  0 : (6.58)
fOk
Okular betrachtet wird. Befindet sich das Ob-
jekt in endlicher Entfernung, so entsteht das Setzt man die Brennweiten vorzeichenrichtig
Zwischenbild hinter der bildseitigen Brennebene. in (6.58) ein, wird die Vergrößerung des Kep-
Eine Scharfeinstellung geschieht am einfachsten ler’schen Fernrohrs negativ, die des Galilei’schen
dadurch, dass der Abstand zwischen Objektiv Fernrohrs positiv. Dieser Sachverhalt lässt sich
und Okular verlängert wird. Beim Galilei’schen auch leicht anhand von Abb. 6.56 erkennen: Die
Fernrohr kommt es nicht zur Ausbildung eines re- prinzipielle Richtung eines Lichtbündels beim
ellen Zwischenbildes, denn die konvergierenden Galilei’schen Fernrohr wird beibehalten, wäh-
Strahlen treffen auf die Zerstreuungslinse, bevor rend sie sich beim Kepler’schen umkehrt. Das
sie sich in einem Punkt vereinigen können. Kopf stehende Bild stört in der Astronomie nicht,
478 6 Optik

a durch das Okular betrachtet. Wie Abb. 6.57b


am Beispiel eines Zielfernrohrs zeigt, sind sol-
che Fernrohre sehr lang. Die Bildumkehr ist
auch mithilfe von Umkehrprismen möglich.
Abb. 6.57c zeigt einen Prismenfeldstecher, bei
dem mit einem Porro’schen Prismensatz (Ab-
b schn. 6.2.3.3) das Bild aufgerichtet wird. Dieses
Fernrohr ist sehr kurz. Zusätzlich wird durch die
Strahlumlenkung an den Prismen der gegensei-
tige Abstand der beiden Objektive wesentlich
größer als der Augenabstand. Dieser Effekt un-
c terstützt das stereoskopische Sehen.
Abb. 6.58 zeigt die Abbildung eines Licht-
bündels, das parallel zur optischen Achse ins
Objektiv fällt. Die Objektivöffnung definiert die
Eintrittspupille EP des Systems. Ihr Bild, die
Austrittspupille AP, erscheint in der Gegend
des Brennpunktes F02 des Okulars. Beim Kep-
ler’schen Fernrohr erscheint die Austrittspupille
als reelles Bild der Eintrittspupille. An der Stel-
le der Austrittspupille sollte sich das Auge des
Beobachters befinden. Hält man z. B. einen Feld-
d
stecher gegen den Himmel und blickt von weitem
auf das Okular, so sieht man deutlich die Aus-
trittspupille als hellen Fleck von einigen mm
Durchmesser.
Beim Galilei’schen Fernrohr erscheint die
Austrittspupille als virtuelles Bild zwischen den
beiden Linsen. Da man das Auge nicht unmit-
telbar an die Stelle der Austrittspupille bringen
kann, erscheint das Gesichtsfeld nicht scharf be-

Abb. 6.57 Bildumkehr beim terrestrischen Fernrohr.


a Prinzip, b technische Ausführung in einem Zielfernrohr,
c Prismenfeldstecher mit Porro’schem Umkehrprismen- b
satz, d Fernglas mit geradsichtigem Prismensystem nach
Schmidt-Pechan. Werkbilder: Carl Zeiss, Oberkochen

für irdische Beobachtungen jedoch muss das Bild


aufgerichtet werden.
Im terrestrischen Fernrohr wird nach Abb. 6.58 Pupillenlage beim Fernrohr; Abbildung eines
Abb. 6.57a mit der Umkehrlinse U das reelle achsenparallelen Lichtbündels beim a Kepler’schen und
Zwischenbild Kopf stehend abgebildet und dann b Galilei’schen Fernrohr
6.2 Geometrische Optik 479

grenzt. Es ist außerdem verhältnismäßig klein, rungszahl Z angegeben werden:


vergleichbar mit einem Blick durch ein Schlüs- q
selloch. Der Vorteil des Galilei’schen Fernrohrs Z D jF0 jDEP : (6.60)
ist seine kurze Baulänge. In Abb. 6.58 sind zwei
Fernrohre gleicher Vergrößerung gezeichnet, da- DEP ist der Durchmesser der Eintrittspupille in
bei ist das Galilei’sche etwa halb so lang wie das mm.pMit DEP D jF0 jDAP gilt auch Z D
Kepler’sche Fernrohr. Das Galilei’sche Fernrohr jF0 j DAP .
wird am meisten als Opernglas verwendet. p Für den Feldstecher 8  30 ergibt sich Z D
Wie man Abb. 6.58 entnimmt, verhalten sich 240 D 15;5. Ist bei einem Fernrohr die Aus-
die Strahldurchmesser von Ein- und Austritts- trittspupille größer als 8 mm, dann ist DAP D
pupille wie die Brennweiten von Objektiv und 8 mm zu setzen. Dieser Grenzwert ist der maxi-
Okular. Es gilt also male Durchmesser der menschlichen Augenpu-
pille.
DEP
jF0 j D : (6.59) Schließlich sei noch die Frage untersucht, ob
DAP die Helligkeit eines betrachteten Gegenstandes
Nach DIN 58 386 wird mithilfe von (6.59) die gesteigert wird, wenn man ihn mit einem Fern-
Vergrößerung eines Fernrohrs gemessen. rohr betrachtet. Ein Maß für die Helligkeit ist der
Das Gesichtsfeld des Kepler’schen Fernrohrs Lichtstrom ˚ (Abschn. 6.3), der auf einen Zap-
kann wesentlich erweitert werden, wenn man an fen der Netzhaut fällt. Ohne Fernrohr sei dieser
der Stelle des reellen Zwischenbildes eine Feld- Lichtstrom ˚0 . Benutzt man ein Fernrohr, so wird
linse FL oder Kollektivlinse gemäß Abb. 6.59 an- wegen der großen Objektivöffnung zwar mehr
bringt. Diese Feldlinse ändert zwar nicht die Ver- Licht eingefangen als vom unbewaffneten Auge;
größerung, bricht die Strahlen aber so, dass sie dieser große Lichtstrom wird aber auf ein grö-
die Okularlinse verhältnismäßig zentral durchset- ßeres Netzhautbild verteilt, sodass im Endeffekt
zen. Dadurch können die Strahlen unter einem die Helligkeit mit Instrument gleich der Hellig-
größeren Winkel ins Objektiv einfallen und tref- keit ohne Instrument ist. (Tatsächlich erscheint
fen trotzdem noch auf die Okularlinse. Die Aus- das Bild mit Instrument sogar dunkler wegen
trittspupille rückt durch diese Maßnahmen näher der unvermeidlichen Absorptions- und Reflexi-
ans Okular. onsverluste an den Linsen.) Andere Verhältnisse
Bei Fernrohren werden in der Regel als ergeben sich bei der Betrachtung punktförmiger
wichtigste Kenngrößen die Vergrößerung und Objekte. In diesen Fällen ist das Bild wieder
der Durchmesser der Eintrittspupille angegeben. nur ein Punkt, und zwar sowohl bei Betrach-
Steht beispielsweise auf einem Feldstecher 830, tung mit unbewaffnetem Auge als auch bei der
so sind F0 D 8 und DEP D 30 mm. Als Maß Betrachtung durch ein Fernrohr. Dies bedeutet,
für die Leistungsfähigkeit bei Dämmerung kann dass der eingefangene Lichtstrom vollständig,
nach DIN 58 386 vom Hersteller die Dämme- z. B. auf einen Zapfen der Netzhaut gelenkt wird.
Der Lichtstrom wird durch das Instrument im
Verhältnis der Flächen von Eintrittspupille und
Augenpupille gesteigert. Ist die Augenpupille so
groß wie die Austrittspupille des Instruments,
nimmt die Helligkeit mit dem Quadrat der Fern-
rohrvergrößerung zu:
0
˚ D F 2 ˚0 : (6.61)

Bei der Betrachtung von Fixsternen werden selbst


Abb. 6.59 Wirkung einer Feldlinse beim Kepler’schen mit den größten astronomischen Fernrohren die
Fernrohr Sterne nur punktförmig wiedergegeben. Der Sinn
480 6 Optik

der Fernrohre in der Astronomie besteht deshalb


nicht in einer Vergrößerung der Objekte, son-
dern in einer Steigerung der Helligkeit. So kann
man mit dem Fernrohr Sterne sehen, die mit
dem bloßen Auge nicht wahrnehmbar sind. Das
Auflösungsvermögen des Fernrohrs ist in Ab-
schn. 6.4.1.8 beschrieben.

6.2.8.7 Zur Übung

Ü 6-31 Bei einem Feldstecher 8  30 beträgt Abb. 6.60 „Unendliche“ Einstellung beim Fotoapparat
der Abstand zwischen Objektiv und Okular l D
200 mm bei Einstellung auf Unendlich. a) Wie
Das Objektiv kann nicht wie das Auge auf un-
groß ist die Brennweite von Objektiv und Oku-
terschiedliche Objektabstände akkommodieren.
lar? b) Zur Einstellung auf nahe Objekte lässt sich
Deshalb muss für verschiedene Entfernungen der
das Okular um l D 5 mm herausdrehen. Wel-
Abstand zwischen Objektiv und Film gemäß der
ches ist der kürzeste Abstand vom Objektiv, in
Abbildungsgleichung variiert werden.
dem Gegenstände noch scharf gesehen werden,
Wie beim Auge kann der Lichtstrom, der auf
wenn das Auge auf unendlich akkommodiert ist?
den Film fällt, mithilfe einer Irisblende geregelt
werden. Ein Maß für die einfallende Lichtmen-
Ü 6-32 Zeigen Sie, dass der Einbau einer Feld-
ge ist nach DIN ISO 517 die relative Öffnung
linse gemäß Abb. 6.59 die Vergrößerung eines
DEP =f 0 . Diese wichtige Kenngröße ist meist auf
Fernrohrs nicht beeinflusst. (Hinweis: Berech-
dem Kameraobjektiv angegeben. Steht beispiels-
nen Sie die Brennweite des Systems Feldlinse-
weise auf einer Kamera 1 W 2;8; f D 45 mm,
Okular.)
dann beträgt die maximale relative Öffnung 1/2,8
und die Brennweite f 0 D 45 mm. Der Objek-
Ü 6-33 Ein Fixstern wird mit einem astrono-
tivdurchmesser ist bei dieser Kamera DEP D
mischen Fernrohr betrachtet. Die Objektivbrenn-
16 mm.
weite ist fOb
0
D 2;4 m, die Okularbrennweite
Von größerer praktischer Bedeutung ist der
fOk D 4 cm, der Objektivdurchmesser DEP D
0
Kehrwert der relativen Öffnung, die Blendenzahl
32 cm. a) Wie groß ist die Fernrohrvergrößerung?
k. Es gilt
b) Welchen Durchmesser hat die Austrittspupil- f0
le? c) Berechnen Sie die Dämmerungszahl Z. d) kD : (6.62)
DEP
Wie groß ist die Helligkeitssteigerung gegenüber
der Beobachtung mit bloßem Auge, falls Augen- Die Blendenzahl kann an der Kamera eingestellt
pupille und Austrittspupille gleich groß sind? e) werden. Die Werte sind so abgestuft, dass sich
Wie groß ist die Helligkeitssteigerung, wenn sich die Fläche und damit der Lichtstrom von einem
die Augenpupille auf 8 mm vergrößert hat? Wert auf den andern um den Faktor 2 ändern.
Dies bedeutet, dasspsich aufeinander folgende
6.2.8.8 Fotoapparat Blendenzahlen um 2 ändern müssen. Die in
Der Fotoapparat ist das optische Instrument, das DIN ISO 517 genormte Hauptreihe der Blenden-
dem menschlichen Auge am meisten ähnelt. An- zahlen lautet ausschnittsweise
stelle der Augenlinse steht ein Objektiv, das
zur Korrektur von Abbildungsfehlern immer aus 1I 1;4I 2I 2;8I 4I 5;6I 8I 11I 16I 22 :
mehreren Einzellinsen zusammengesetzt ist. Das
Objektiv entwirft das Bild eines Gegenstandes Eine absolut scharfe Abbildung auf einem ebenen
nach Abb. 6.60 in der Filmebene FE. Dort befin- Film ist theoretisch nur möglich, wenn das Ob-
det sich statt der Netzhaut ein lichtempfindlicher jekt auch eben ist; hierbei steht die Objektebene
Film, oder bei Digitalkameras ein CCD-Chip. OE in Abb. 6.61 senkrecht zur optischen Achse.
6.3 Radio- und Fotometrie 481

sich in a D 3 m Entfernung befindet. In-


nerhalb welcher Gegenstandsweiten av und ah
wird die Abbildung scharf? Wie groß ist die
Schärfentiefe?

Lösung
Zulässiger Unschärfekreis nach (6.65):

Formatdiagonale
u0 D
1000
Abb. 6.61 Schärfentiefe beim Fotoapparat
43;3 mm
D D 0;0433 mm I
1000
nach (6.63) ist av D 1;99 m, ah D 6;07 m
Objektpunkte, die vor oder hinter der idealen Ob- und die Schärfentiefe a D av ah D 4;08 m.
jektebene OE liegen, werden in der Filmebene FE
als kleine Unschärfekreise abgebildet. Da sowohl 6.2.8.9 Zur Übung
das Auge als auch das Filmmaterial bzw. der
CCD-Chip infolge seiner Körnung ein begrenztes Ü 6-34 Berechnen Sie die Schärfentiefe für die
Auflösungsvermögen haben, kann man stets ei- in Beispiel 6.2-14 angegebenen Zahlenwerte, je-
ne bestimmte Unschärfe auf dem Film tolerieren. doch mit Blende 2;8.
Gibt man einen akzeptablen Durchmesser u0 des
Unschärfekreises an, so liegt der Objektbereich, Ü 6-35 Mit einer Kleinbildkamera (f 0 D 45 mm)
der „scharf“ abgebildet wird, zwischen den Gren- soll mit Blende 8 fotografiert werden. Welche
zen av und ah . Dabei liegt av vor, ah hinter der Entfernung a muss eingestellt werden, wenn
theoretischen Objektebene OE. Durch elementa- die hintere Grenzentfernung ah D 1 sein
re Rechnung erhält man für die Grenzwerte soll? Wie groß ist dann die vordere Grenzentfer-
nung av ?
af 0 2
av D und
f 0 2  u0 k.a C f 0 /
af 0 2 6.3 Radio- und Fotometrie
ah D : (6.63)
f 02 C u0 k.a C f 0 /
6.3.1 Einführung
Die Schärfentiefe beträgt dann
In der geometrischen Optik des letzten Ab-
a D av  ah : (6.64) schnitts werden oft Begriffe, wie z. B. Lichtinten-
sität und Helligkeit, verwendet, ohne dass diese
Die Schärfentiefe wird mit zunehmender Blen- im Einzelnen definiert sind. Die Strahlungs- oder
denzahl k immer größer. Die Größe des zulässi- Lichtmessung beschäftigt sich mit der Messung
gen Unschärfekreises hängt von dem verwende- dieser Größen. Hierbei interessiert z. B. die Mes-
ten Filmformat ab. Als Faustformel kann verwen- sung der Strahlungsleistung sowie deren räumli-
det werden che und spektrale Verteilung.
Bei der objektiven Radiometrie wird die
Formatdiagonale Strahlungsleistung mit einem „unbestechlichen“
u0 D : (6.65)
1000 Messinstrument gemessen. Je nach Empfänger-
typ ist der Wellenbereich nicht auf das sicht-
Beispiel 6.2-14 bare Spektrum beschränkt. Zur Kennzeichnung
Mit einer Kleinbildkamera (Format 24 mm  solcher strahlungsphysikalischer Größen werden
36 mm) mit f 0 D 45 mm Brennweite soll bei die Formelzeichen mit dem Index „e“ (für ener-
Blende 8 ein Objekt fotografiert werden, das getisch) versehen. Wird die Strahlung mit dem
482 6 Optik

Auge bewertet, spricht man von subjektiver Fo-


tometrie. Die so erhaltenen lichttechnischen Grö-
ßen werden durch den Index „v“ (für visuell)
bei den physikalischen Größen gekennzeichnet.
Es versteht sich von selbst, dass lichttechnische
Größen nur für den sichtbaren Spektralbereich
definiert sind. Ebenso versteht man unter „Licht“
im engeren Sinn elektromagnetische Strahlung
im Wellenlängenbereich  D 380 nm bis  D
780 nm. Die in der Fotometrie verwendeten Be- Abb. 6.62 Zur Definition des Raumwinkels
griffe, Formelzeichen und Maßeinheiten sind in
DIN 5031 festgelegt.
de. Was allen drei Empfängern gemeinsam ist, ist
der Raumwinkel ˝, unter dem sie vom Sender
6.3.2 Strahlungsphysikalische Größen aus gesehen werden.
Zur Definition des Raumwinkels: Um einen
Fällt elektromagnetische Strahlung auf einen ge-
leuchtenden Punkt wird eine Kugel mit Radius r
eigneten Empfänger, so kann man die in ei-
beschrieben. Beleuchtet die Strahlung eine Figur
ner bestimmten Zeit zugeführte Strahlungsener-
der Fläche A auf der Kugel, dann sagt man, dass
gie messen. Zur Messung bieten sich verschie-
die Strahlung im Raumwinkel ˝ D A=r 2 auf-
dene physikalische Effekte an. Beispielsweise
tritt. Die SI-Maßeinheit des Raumwinkels ist der
wird beim Bolometer die Erwärmung eines ge- 2
Steradiant: 1 sr D 1 m2 =m . Der Übersichtlich-
schwärzten Platinbleches über die Änderung des
keit wegen schreibt man gern
elektrischen Widerstands gemessen. Beim Ther-
moelement fließt ein Thermostrom, wenn es bei A
Bestrahlung erwärmt wird. Bestimmte Halbleiter ˝D ˝0 (6.67)
r2
ändern bei Bestrahlung ihren elektrischen Wider-
stand (innerer Fotoeffekt). Bei Fotodioden fließt mit ˝0 D 1 sr. Der größte Raumwinkel beträgt
während der Bestrahlung ein Fotostrom. 4   sr, wenn die Strahlung den ganzen Raum er-
Die Strahlungsleistung ˚e (auch Strahlungs- füllt. Strahlt ein Strahler nur in den Halbraum,
fluss), die auf einen Detektor trifft, hängt mit beträgt der Raumwinkel 2   sr. Falls die bestrahl-
der Strahlungsenergie Qe folgendermaßen zu- te Fläche nicht zu groß ist, macht man keinen
sammen: nennenswerten Fehler, wenn die Empfängerflä-
dQe che eben anstatt kugelförmig ist. Diese Näherung
˚e D : (6.66)
dt ist gut erfüllt, wenn der Abstand zwischen Sen-
Die Strahlungsleistung wird im SI-Maßsystem in der und Empfänger größer ist als die in DIN 5032
Watt, die Strahlungsenergie in Joule gemessen: definierte fotometrische Grenzentfernung. Diese
1 W D 1 J=s. soll mindestens das Zehnfache der größten Quer-
Die Strahlungsleistung, die auf einen Emp- dimension von Empfänger bzw. Sender betragen.
fänger fällt, hängt außer von seiner Fläche auch Im Folgenden wird vereinfacht nur ein Fall be-
von seinem Abstand zum Sender ab. Abb. 6.62 trachtet: Der Abstand zwischen Sender und Emp-
zeigt drei verschiedene Empfänger in den Ent- fänger ist größer als die fotometrische Grenzent-
fernungen r1 ; r2 und r3 von einem Sender. Die fernung. Es handelt sich also um kleine Sender
Abmessungen sind so gewählt, dass alle Emp- und Empfänger, die räumlich weit auseinander
fänger auf einem gemeinsamen Kegel liegen. Es liegen.
ist einleuchtend, dass jeder dieser Empfänger Abb. 6.63 zeigt einen Sender mit der Fläche
die gleiche Strahlungsleistung nachweisen wür- A1 , der Licht aussendet, das vom Empfänger mit
6.3 Radio- und Fotometrie 483

Abb. 6.64 Strahlstärke Ie in Abhängigkeit vom Ab-


strahlwinkel "1 im Polardiagramm a beim Lambert’schen
Strahler, b bei einer Leuchtdiode

Abb. 6.63 Strahlenkegel, der vom Sender auf den Emp-


Die Strahlstärke Ie als Funktion des Abstrah-
fänger fällt
lungswinkels "1 (Abb. 6.63) kann experimentell
bestimmt werden und wird häufig in den Daten-
der Fläche A2 nachgewiesen wird. Der wirksame blättern von Emittern angegeben. Abb. 6.64 zeigt
Raumwinkel beträgt das Abstrahlverhalten von zwei verschiedenen
Strahlungsquellen. Das Diagramm Abb. 6.64a
A2 cos "2 zeigt die Abstrahlcharakteristik eines Lambert-
˝D ˝0 : (6.68) Strahlers (J. W. L AMBERT, 1728 bis 1777).
r2
Bei ihm ist die Strahldichte Le konstant, die
Er enthält die Projektion der Fläche A2 auf die Strahlstärke Ie befolgt das Lambert’sche Cosi-
Verbindungsgerade von Sender und Empfänger. nusgesetz
Die Strahlungsleistung, die auf den Empfänger
fällt, ist proportional zum Raumwinkel. Es gilt Ie ."1 / D Ie .0/ cos "1 : (6.71)

˚e D Ie ˝ (6.69) Alle Körper mit rauen, diffus reflektierenden


Flächen, wie z. B. Gipswände, Pappe und Pa-
mit der Strahlstärke Ie als Proportionalitäts- pier, verhalten sich in guter Näherung wie Lam-
konstanten. Die Maßeinheit der Strahlstärke ist bert’sche Strahler. Sie erscheinen aus allen Rich-
1 W/sr. tungen gleich hell. Betrachtet man sie von der
Die Strahlstärke Ie und damit der Strahlungs- Seite, dann nimmt zwar die Strahlstärke mit dem
fluss ˚e , der in einen bestimmten Raumwinkel ˝ Cosinus des Winkels ab, im gleichen Verhältnis
ausgesandt wird, ist proportional zur Senderflä- erscheint aber auch die Senderfläche vermin-
che A1 . Beobachtet man die Senderfläche unter dert. Die Fläche erscheint deshalb dem Auge
dem Winkel "1 (Abb. 6.63) von der Seite, dann gleich hell. Aus der Tatsache, dass Sonne und
wird von der Senderfläche nur die Projektion A1 Mond über die ganze Oberfläche gleichmäßig
cos "1 wirksam. Die Strahlstärke kann demnach hell leuchten, folgt, dass auch diese Körper Lam-
geschrieben werden als bert’sche Strahler sind.
Abb. 6.64b zeigt das Abstrahlungsdiagramm
Ie ."1 / D Le A1 cos "1 : (6.70) einer Leuchtdiode (LED). Bei ihr ist die Strahl-
dichte Le nicht konstant, sondern hängt vom
Die Größe Le nennt man die Strahldichte. Ih- Winkel "1 ab. Die gezeigte LED hat eine schlanke
re Maßeinheit ist 1 W/(m2 sr). Die Strahldichte Strahlungskeule in Vorwärtsrichtung, wie sie vor-
ist abhängig von den Sendereigenschaften, bei- zugsweise bei Lichtschranken eingesetzt wird.
spielsweise von dem Werkstoff, der Oberflächen- Mit den bisher definierten Begriffen gilt für
beschaffenheit oder der Temperatur. die Strahlungsleistung ˚e , die auf einen Empfän-
484 6 Optik

ger trifft (Abb. 6.63),

˚e D Le A1 cos "1 ˝ :

Mit dem Raumwinkel

A2 cos "2
˝D ˝0
r2

ergibt sich eine Beziehung, die völlig sym-


metrisch Sender- und Empfängergrößen enthält,
nämlich das fotometrische Grundgesetz:
Abb. 6.65 Zur Berechnung der spezifischen Ausstrah-
A1 cos "1 A2 cos "2 lung
˚e D Le ˝0 : (6.72)
r2

Bei ausgedehnten Strahlungsquellen und Emp- In den roten Raumbereich, der von den Kegeln
fängern erscheinen verschiedene Orte auf der mit den Öffnungswinkeln "1 und "1 C d"1 be-
Sender- bzw. Empfängeroberfläche unter ver- grenzt wird, fließt der Strahlungsfluss d˚e D
schiedenen Winkeln "1 und "2 . Ferner kann die Ie ."1 /d˝. Dabei ist der Raumwinkel
Strahldichte Le vom Ort auf der Senderoberflä-
che abhängen. Das bedeutet, dass (6.72) streng dA
genommen nur differenziell formuliert werden d˝ D ˝0 D 2  sin "1 d"1 ˝0 :
r2
kann:
Mit Ie ."1 / D Le A1 cos "1 beträgt der Strahlungs-
dA1 cos "1 dA2 cos "2
2
d ˚e D Le ˝0 : (6.73) fluss
r2
d˚e D Le A1 cos "1 sin "1 2 d"1 ˝0 :
Dies ist die Strahlungsleistung, die von einem
Senderelement der Fläche dA1 auf ein Element Den gesamten Strahlungsfluss erhält man
dA2 des Empfängers fällt. Die gesamte Strah- durch Integration vom Winkel " D 0 bis " D '
1 1 1
lungsleistung ˚e ergibt sich dann aus einer Inte- zu
gration über die Sender- und Empfängerfläche.
Eine weitere Größe, die den Sender charakte- Z'1
risiert, ist die spezifische Ausstrahlung Me . Dar- ˚e D Le A1 2  ˝0 cos "1 sin "1 d"1
unter versteht man das Verhältnis von insgesamt 0
abgegebener Strahlungsleistung ˚e zur Sender- 2
D Le A1  sin '1 ˝0 :
fläche A1 :
Für die spezifische Ausstrahlung folgt unmittel-
˚e
Me D D Le cos "1 ˝ : (6.74) bar
A1 Me D Le   sin2 '1 ˝0 : (6.75)
Die spezifische Ausstrahlung wird in W/m2 ge- Von besonderem Interesse ist es, wenn der Strah-
messen. ler in den kompletten Halbraum emittiert. Der
Für einen Lambert-Strahler sei ein Zusam- Öffnungswinkel des Kegels beträgt dann '1 D
menhang zwischen der spezifischen Ausstrah-  =2 und aus (6.75) folgt für die spezifische Aus-
lung und der Strahldichte hergeleitet. Der Sender strahlung des Lambert’schen Strahlers
schickt die Strahlung in einen Kegel mit dem hal-
ben Öffnungswinkel '1 , wie es Abb. 6.65 zeigt. M e D L e   ˝0 : (6.76)
6.3 Radio- und Fotometrie 485

Tab. 6.4 Zusammenstellung radiometrischer Größen. Zeit, Fläche und Raumwinkel. Wenn dies nicht erfüllt ist,
Die vereinfachten Gleichungen gelten unter der Voraus- gelten die vereinfachten Gleichungen für die Mittelwerte
setzung, dass die Strahlungsenergie konstant ist bezüglich

Größe Symbol Einheit Beziehung Erklärung


Z
Strahlungsener- Qe W s D J Qe D ˚e dt Energietransport durch elektromagnetische Strahlung
gie
dQe
Strahlungsleis- ˚e W D J=s ˚e D Leistung der elektromagnetischen Strahlung
tung dt
d˚e ˚e
spezifische Me W=m2 Me D  Quotient aus Strahlungsleistung und Senderfläche
Ausstrahlung dA1 A1
d˚e ˚e
Strahlstärke Ie W=sr I D  Quotient aus Strahlungsleistung und Raumwinkel, in
d˝1 ˝1 den die Strahlung austritt
W d2 ˚e
Strahldichte Le Le D Quotient aus Strahlungsleistung und Raumwinkel
sr  m2 d˝1 dA1 cos "1 (d. h. Strahlstärke) sowie Projektion der Senderfläche
dIe auf eine Ebene senkrecht zur Betrachtungsrichtung
D
dA1 cos "1
Ie
Le 
A1 cos "1
d˚e ˚e
Bestrahlungs- Ee W=m2 ED  Quotient aus Strahlungsleistung und bestrahlter Flä-
stärke dA2 A2 che
Z
Bestrahlung He J=m2 He D Ee dt  Ee t Zeitintegral der Bestrahlungsstärke

Auf der Empfängerseite interessiert außer dem Die strahlungsphysikalischen Größen sind noch
auftreffenden Strahlungsfluss ˚e auch die Be- einmal in Tab. 6.4 zusammengestellt.
strahlungsstärke Ee , d. h. der auf die Empfänger-
fläche bezogene Strahlungsfluss Beispiel 6.3-1
Ein Flächenelement der Erde, das senkrecht
˚e
Ee D : (6.77) zur Sonne ausgerichtet ist, empfängt die Be-
A2 strahlungsstärke Ee D 1;35 kW=m2 (außer-
Die Maßeinheit der Bestrahlungsstärke ist halb der Atmosphäre). Diese Größe heißt So-
1 W/m . Für die Bestrahlungsstärke folgt
2 larkonstante. Die Sonne erscheint unter dem
mit (6.68) und (6.69) das fotometrische Ent- halben Öffnungswinkel '2 D 160 . Wie groß ist
fernungsgesetz die spezifische Ausstrahlung Me der Sonne?

Ie ."1 / Lösung
Ee D cos "2 ˝0 : (6.78)
r2 Abb. 6.66 zeigt schematisch die kugelförmige
Wird ein Empfänger eine bestimmte Zeitspanne Sonne mit Radius r sowie einen Empfänger
t bestrahlt, dann ergibt das Produkt aus Be- auf der Erde im Abstand R .R  r/. Die
strahlungsstärke und Zeit die Bestrahlung He ; Kugelschicht auf der Sonne, begrenzt durch
nämlich die auftreffende Energie je Flächenein- die Winkel "1 und "1 C d"1 , hat die Fläche
heit: He D Ee t, gemessen in W s=m2 D J=m2 . dA1 D 2 r 2 sin "1 d"1 . Von ihr fällt der Strah-
Allgemein gilt lungsfluss

dA1 cos."1 C "2 / A2 cos "2


Z
He D Ee .t/dt : (6.79) d˚e D Le ˝0
R2
486 6 Optik

Abb. 6.66 Zur Ableitung der spezifischen Ausstrahlung Abb. 6.67 Strahlungsverhältnisse bei der optischen Ab-
der Sonne (zu Beispiel 6.3-1) bildung

auf den Empfänger. Infolge des großen Ab- Strahlungsfluss, der von der Linse aufgenommen
stands von Erde und Sonne gilt in guter Nä- wird, ist nach (6.75)
herung cos."1 C "2 / D cos "1 und cos "2 D 1.
Damit sind ˚e D A1 Le;1   sin2 '1 ˝0 : (1)

Le Le;1 ist die Strahldichte des Gegenstands. Wer-


d˚e D A2 cos "1 dA1 ˝0
R2 den Verluste an der Linse vernachlässigt, so ge-
langt der gesamte Strahlungsfluss ins Bild und
und
wegen der Symmetrie gilt eine analoge Bezie-
d˚e Le hung:
dEe D D 2 cos "1 dA1 ˝0 : ˚e D A2 Le;2  sin2 '2 ˝0 : (2)
A2 R

Die gesamte Bestrahlungsstärke erhält man Für schlanke Strahlenbüschel gilt sin '  ', so-
durch Integration über alle Winkel "1 von 0 bis dass aus (1) und (2) folgt
 =2:
!2 Le;1 A1 '12 D Le;2 A2 '22 :
r
Ee D Le   ˝0 :
R Nun ist aber nach der Helmholtz-Lagrange’schen
Für das Verhältnis der Längen gilt r=R  '2 . Gleichung (6.23) y1 '1 D y2 '2 oder A1 '12 D
Nach (6.76) ist Me D Le  ˝0 ; damit folgt A2 '2 .
2

Ee D Me '22 . Die spezifische Ausstrahlung der Daraus ergibt sich, dass die Strahldichte für
Sonne ist somit Gegenstand und Bild gleich groß ist, d. h. Le;1 D
Le;2 . Selbstverständlich kann sich die Bestrah-
Ee 1;35  103 W=m2 lungsstärke Ee ändern. Falls der Strahlungsfluss
Me D 2 D 3/ 2
D 62;4 MW=m2 : vom Objekt verlustlos zum Bild gelangt, hängt
'2 .4;65  10
die Bestrahlungsstärke des Bildes vom Abbil-
Jeder Quadratmeter der Sonnenoberfläche dungsmaßstab ˇ ab. Ist etwa ˇ D 2, dann ist die
0 0

strahlt also 62,4 MW aus. Bildfläche viermal so groß wie die Objektfläche,
und die Bestrahlungsstärke wurde auf ein Viertel
Optische Abbildung vermindert.
Es soll untersucht werden, wie sich die fotome-
trischen Größen bei einer optischen Abbildung
verhalten. Bei der optischen Abbildung bleibt die
Abb. 6.67 zeigt eine einfache Abbildung ei- Strahldichte Le überall konstant; die Be-
nes Gegenstands mit der Fläche A1 durch eine strahlungsstärke Ee kann sich ändern.
Sammellinse. Das Bild hat die Fläche A2 . Der
6.3 Radio- und Fotometrie 487

Dieser Satz gilt auch für weit geöffnete Strah-


lenbüschel, wenn die Abbildung aberrationsfrei
ist.

Spektrale Größen
Abb. 6.69 Hohlraumstrahler
Wenn die Strahlung über einen größeren Wellen-
längenbereich verteilt ist, werden zur Charakteri-
sierung der Wellenlängenabhängigkeit spektrale sendet in Abhängigkeit von seiner Temperatur
strahlungsphysikalische Größen erforderlich. Zu elektromagnetische Strahlung aus. Diese Strah-
jeder Größe Xe wird die spektrale Größe Xe; de- lung wird sichtbar, wenn die Temperatur etwa
finiert als 600 ı C erreicht (Rotglut). Mit steigender Tempe-
dXe
Xe;  D : (6.80) ratur verschiebt sich die Glühfarbe über hellrot
d
(850 ı C), gelb (1000 ı C) nach weiß (1300 ı C).
So ist z. B. die spektrale Strahldichte Le;  D Der spektrale Verlauf der ausgesandten Strahlung
dLe =d, gemessen in W/(m2 sr nm). ist für einen schwarzen Körper theoretisch be-
Die spektralen strahlungsphysikalischen Grö- rechenbar. Ein schwarzer Körper zeichnet sich
ßen Xe; werden mit einem Spektrometer experi- dadurch aus, dass er alle auftreffende Strahlung
mentell bestimmt. Die jeweilige Größe Xe erhält absorbiert; sein Reflexionsvermögen ist null. Ein
man bei bekanntem Xe;  durch Integration: schwarz gestrichener oder berußter Körper er-
füllt diese Bedingung nur unvollkommen, sehr
Z2 gut dagegen ein kleines Loch in der Wand eines
Xe D Xe;  ./d : (6.81) Hohlraums. Abb. 6.69 zeigt die technische Aus-
1 führung eines solchen Hohlraumstrahlers. Licht-
strahlen, die durch das Loch ins Innere gelangen,
Der spektrale Strahlungsfluss einer blauen LED
werden vielfach reflektiert und gestreut, bis sie
ist in Abb. 6.68 wiedergegeben. Die Breite sol-
schließlich absorbiert werden. Es besteht nur eine
cher LED-Spektren ist typischerweise  
geringe Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Strahl
40 nm.
wieder durch das Loch nach außen gelangt. Die-
Von großer praktischer Bedeutung ist das
ses erscheint daher absolut schwarz. Heizt man
Spektrum der Temperaturstrahler. Jeder Körper
die Wände des Hohlraums, tritt aus der Öffnung
Strahlung, die bei höherer Temperatur sichtbar
wird. (Das Loch ist dann selbstverständlich nicht
mehr schwarz.)
Eine gültige theoretische Beschreibung des
Spektrums der Wärmestrahlung (s. auch Ab-
schn. 6.5.3) gelang 1900 M. P LANCK (1858 bis
1947). Danach gilt für die spektrale Strahldichte
c1 1 1
Le;  .; T / D : (6.82)
5 ec2 =T  1 ˝0
Die Konstanten c1 und c2 in der Planck’schen
Strahlungsgleichung sind

c1 D 2hc 2 D 1;191  1016 W m2 und


2
c2 D hc=k D 1;439  10 mK :

Dabei ist c die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum


Abb. 6.68 Spektrum einer blauen Leuchtdiode und k die Boltzmann-Konstante. Die Konstante
488 6 Optik

h nennt man das Planck’sche Wirkungsquantum; Mithilfe von thermodynamischen Überlegun-


sie hat den Wert gen fanden 1879 bzw. 1884 J. S TEFAN (1835
bis 1893) bzw. L. B OLTZMANN (1844 bis 1906),
h D 6;626  1034 J s : dass die abgestrahlte Leistung proportional zur
Der Verlauf der spektralen Strahldichte Le;  über vierten Potenz der Temperatur ist: Le  T .
4

der Wellenlänge  ist in Abb. 6.70 dargestellt. Dieses Stefan-Boltzmann’sche Gesetz wird übli-
Hat der Strahler eine Temperatur nahe der Raum- cherweise für die spezifische Ausstrahlung Me
temperatur, liegt die maximale Emission bei   geschrieben:
10 m. Mit zunehmender Temperatur verschiebt
sich das Maximum ins sichtbare Gebiet. Bei T D Me .T / D T 4 (6.84)
6000 K, etwa der Temperatur an der Sonnenober-
fläche entsprechend, liegt das Maximum mitten mit der Konstanten
im sichtbaren Spektralbereich 0;38 m <  < 2 5 k 4
0;78 m. D D 5;670  108 W=.m2 K4 / :
15h3 c 2
Die gestrichelte Hyperbel (in der doppelt-
logarithmischen Darstellung eine Gerade) in
Abb. 6.70 verbindet die Maxima der Strahlungs- 6.3.3 Zur Übung
isothermen. Die Verschiebung des Maximums
mit der Temperatur wird durch das Wien’sche Ü 6-36 Um die Strahlungseigenschaften einer
Verschiebungsgesetz beschrieben (W. W IEN, Leuchtdiode zu messen, wird gemäß Abb. 6.63
1864 bis 1928): ein Detektor im Abstand r D 0;5 m um die LED
max T D konstant D 2898 m K : (6.83) geführt. Als Funktion des Winkels "1 registriert
man folgende Strahlungsleistungen ("2 D 0):
Die gesamte Strahldichte Le eines schwarzen
Körpers erhält man nach (6.81) durch Integrati- "1 in ı 0 30 45 60 80 90
on ausR der spektralen Strahldichte Le;  gemäß ˚e in nW 62,0 53,3 43,8 31,7 10,8 0
Le D Le;  d.
Sender- und Empfängerfläche sind A1 D
A2 D 1 mm2 . a) Berechnen Sie die Strahlstär-
ke Ie für die angegebenen Winkel. b) Prüfen Sie
nach, ob sich die LED wie ein Lambert-Strahler
verhält und zeichnen Sie ein Strahlungsdiagramm
analog Abb. 6.64. c) Wie groß ist die Strahldich-
te Le ? d) Welche spezifische Ausstrahlung hat die
LED? e) Wie groß ist die maximale Bestrahlungs-
stärke Ee des Empfängers?

Ü 6-37 Ein Hohlraumstrahler wird bei der Tem-


peratur T D 1800 K betrieben. Die Strahlung
wird durch einen Monochromator geschickt, der
lediglich im Wellenlängenbereich 640 nm 5  5
680 nm durchlässig ist. a) Wie groß ist die Strahl-
dichte Le der durchgelassenen Strahlung unter
der Annahme, dass der Monochromator verlust-
los arbeitet?
R (Um die numerische Integration
Abb. 6.70 Spektrale Strahldichte eines schwarzen Strah- Le D Le;  d zu umgehen, kann näherungs-
lers weise gesetzt werden Le  Le;  .660 nm/ 
6.3 Radio- und Fotometrie 489

40 nm.) b) Berechnen Sie zum Vergleich die


Strahldichte Le einer roten LED, die bei  D
660 nm mit einer Halbwertsbreite von  D
40 nm strahlt. Die Strahlstärke beträgt Ie D
5  104 W=sr, die Fläche A D 0;5 mm2 .

Ü 6-38 Mit einer Sammellinse (Brennglas) der


Brennweite f 0 D 100 mm und dem Durchmesser
d1 D 40 mm wird die Sonne auf ein Papier ab-
gebildet. Der Sonnendurchmesser erscheint von
der Erde aus unter dem Winkel 320 . a) Welchen
Durchmesser d2 hat das Sonnenbild? b) Wie groß
ist die Bestrahlungsstärke Ee;2 auf dem Papier,
wenn die Bestrahlungsstärke am Ort der Linse
Ee;1 D 750 W=m2 beträgt?

6.3.4 Lichttechnische Größen

Die in Abschn. 6.3.2 definierten strahlungsphy- Abb. 6.71 Hellempfindlichkeitsgrad des Standard-Beob-
sikalischen Größen lassen sich mit einem ge- achters. V ./: Tagessehen, fotopische Anpassung V 0 ./:
eichten Empfänger objektiv messen. Dient als Nachtsehen, skotopische Anpassung
Empfänger das Auge, so bewertet dieses die auf-
treffende Strahlung nach einer bestimmten Cha-
rakteristik. Betrachtet man beispielsweise eine Die Helligkeitsempfindung des Auges hängt
rote ( D 660 nm) und eine grüne Leuchtdiode also ab von der Strahlungsleistung ˚e , die ins
( D 560 nm), die beide dieselbe Strahlungs- Auge gelangt, und vom Hellempfindlichkeitsgrad
leistung abgeben, dann erscheint im Vergleich V ./. Der Lichtstrom ˚v (Index v für visuell)
die grüne LED etwa 16 mal heller als die rote. ist ein Maß für den Helligkeitseindruck. Für mo-
Die Augenempfindlichkeit hängt also offensicht- nochromatische Lichtquellen gilt bei fotopischer
lich stark von der Wellenlänge des Lichtes ab. Anpassung
Da die Helligkeitsempfindung von einem zum
anderen Beobachter schwankt, wurden mit ei- ˚v D Km ˚e V ./ : (6.85)
ner großen Anzahl von Testpersonen Vergleiche
durchgeführt. So entstand der Hellempfindlich- Die Konstante Km wird als Maximalwert des
keitsgrad des Standard-Beobachters, der von der fotometrischen Strahlungsäquivalents bei Tages-
Commission Internationale de l’Eclairage (CIE) sehen bezeichnet. Sie ist eng verknüpft mit der
festgelegt wurde. weiter unten eingeführten Maßeinheit für die
Abb. 6.71 zeigt den spektralen Verlauf des Lichtstärke, der Candela, und beträgt Km D
Hellempfindlichkeitsgrads. Bei Tageslicht (Zap- 683 lm=W (Lumen/Watt).
fensehen, fotopische Anpassung) ist der Hell-
empfindlichkeitsgrad V ./. Bei Nacht (Stäb- Beispiel 6.3-2
chensehen, skotopische Anpassung) wird der Eine rote LED emittiert Licht der Wellenlänge
Hellempfindlichkeitsgrad durch die Kurve V 0 ./  D 660 nm. Die Strahlungsleistung beträgt
beschrieben; beide Kurven sind auf 1 normiert. ˚e D 46 W. Wie groß ist der Lichtstrom ˚v ?
Offensichtlich spricht das Auge bei Nacht auf
Blautöne stärker an als am Tage (Purkinje- Lösung
Effekt). Die Zahlenwerte für V ./ und V 0 ./ sind Bei  D 660 nm ist der Hellempfindlichkeits-
in DIN 5031 tabelliert. grad V ./ D 6;1  102 . Damit errechnet sich
490 6 Optik

Tab. 6.5 Fotometrische Größen


Strahlungsphysikalische Größen lichttechnische Größen
Benennung Zeichen Maßeinheit Benennung Zeichen Maßeinheit
Strahlungsenergie Qe Ws Lichtmenge Qv lm s
Strahlungsleistung ˚e W Lichtstrom ˚v lm
spezifische Ausstrahlung Me W=m2 spezifische Lichtausstrahlung Mv lm=m2
Strahlstärke Ie W/sr Lichtstärke Iv cd D lm=sr
Strahldichte Le W=.m2 sr/ Leuchtdichte Lv cd=m2
Bestrahlungsstärke Ee W=m2 Beleuchtungsstärke Ev lx D lm=m2
Bestrahlung He W s=m2 Belichtung Hv lx s

der Lichtstrom zu Tab. 6.6 Lichtstrom einiger Lichtquellen


Lichtquelle Lichtstrom
˚v D 683 lm=W  46  106 W  6;1  102 Leuchtdiode (weiß) bis 200 lm
D 1;9  103 lm : Glühlampe 230 V, 60 W 730 lm
Glühlampe 230 V, 100 W 1380 lm
Bei skotopischer Anpassung gilt für die Be- Leuchtstoffröhre 230 V, 40 W 2300 lm
rechnung des Lichtstroms die Beziehung Quecksilberdampflampe 230 V, 125 W 5400 lm
Quecksilberdampflampe 230 V, 2000 W 125.000 lm
˚v0 D Km0 ˚e V 0 ./ : (6.86)

Der Maximalwert des fotometrischen Strah- Die lichttechnischen Größen haben Maßein-
lungsäquivalents bei Nachtsehen beträgt Km0 D heiten, die mit der SI-Basiseinheit für die Licht-
1699 lm=W. Im Folgenden sind nur noch die stärke 1 cd (Candela) verknüpft sind. Die Can-
Gleichungen für das Tagessehen angegeben. Die dela ist die Lichtstärke einer Strahlungsquelle,
Beziehungen für das Nachtsehen entsprechen den die monochromatische Strahlung der Frequenz
vorgenannten Darlegungen. 540  1012 Hz in eine bestimmte Richtung aus-
Ist die Strahlung nicht monochromatisch son- sendet und deren Strahlstärke in dieser Richtung
dern spektral breitbandig, dann muss für die Ie D 1=683 W=sr beträgt (Abschn. 1.3).
Berechnung des Lichtstroms über das sichtbare Licht mit der Frequenz f D 540 THz hat
Spektrum integriert werden: die Wellenlänge  D 555 nm. Der Hellempfind-
lichkeitsgrad ist in diesem Fall V .555 nm/ D 1.
Z nm
780
Somit gilt für die Lichtstärke 1 Candela
˚v D Km ˚e;  ./V ./d : (6.87)
380 nm 1 W
Iv D 1 cd D Km Ie D Km :
So wie die Strahlungsleistung nach der Bewer- 683 sr
tung durch das Auge in den Lichtstrom umge- Hieraus folgt sofort für den Umrechnungsfak-
wandelt wird, kann für jede andere strahlungs- tor Km der bereits genannte Wert Km D
physikalische Größe Xe eine entsprechende licht- 683 .cd sr/=W D 683 lm=W. Als abgeleitete
technische Größe Xv angegeben werden. Die Einheiten sind für den Lichtstrom das Lumen
Berechnung erfolgt nach (1 lm D 1 cd sr) und für die Beleuchtungsstärke
Z nm
780 das Lux (1 lx D 1 lm=m2 ) eingeführt.
Xv D Km Xe;  ./V ./d : (6.88) In Tab. 6.6 sind einige in der Praxis vor-
kommende Werte für den Lichtstrom zusam-
380 nm
mengestellt. Daten zur Beleuchtungsstärke zeigt
Die Bezeichnungen dieser neuen lichttechni- Tab. 6.7. Die Anforderungen an die Beleuch-
schen Größen sind zusammen mit ihren Maßein- tungsstärke in Innenräumen sind in DIN 5035
heiten in Tab. 6.5 den entsprechenden strahlungs- niedergelegt. Beleuchtungsstärken für Straßenbe-
physikalischen Größen gegenübergestellt. leuchtung findet man in DIN 5044. Die lichttech-
6.3 Radio- und Fotometrie 491

Tab. 6.7 Daten zur Beleuchtungsstärke Tab. 6.8 Primärvalenztripel Rot, Grün und Blau
Beleuchtung Beleuchtungsstärke Farbe Wellenlänge relative Strah-
Sonne, Sommer 70.000 lx lungsleistung
Sonne, Winter 5500 lx Rot R 700,0 nm 72,096
Tageslicht, bedeckter Himmel 1000 bis 2000 lx Grün G 546,1 nm 1,3791
Vollmond 0,25 lx Blau B 435,8 nm 1,0000
Sterne ohne Mond, klare Nacht 103 lx
Grenze der Farbwahrnehmung 3 lx
Arbeitsplatzbeleuchtung, hohe 1000 lx
Ansprüche
Wohnzimmerbeleuchtung 120 lx
Straßenbeleuchung 1 lx bis 16 lx

nischen Anwendungen sind in Abschn. 4.2.2.2,


Abb. 4.49 und 4.50 dargestellt.

6.3.5 Zur Übung

Ü 6-39 Welche Lichtstärke Iv muss eine Licht-


quelle haben, damit an einem r D 1;5 m entfern-
ten Arbeitsplatz bei senkrechter Beleuchtung die Abb. 6.72 Additive Farbmischung
Beleuchtungsstärke Ev D 500 lx beträgt?

Ü 6-40 Eine gelbe LED emittiert Licht bei empfunden wird. Deshalb wurden Methoden ent-
 D 590 nm. Die Emissionsfläche beträgt wickelt, um eine Farbe durch Maßzahlen objektiv
A1 D 0;5 mm2 . Die Abstrahlungscharakteris- zu charakterisieren. Mit solchen Maßzahlen kann
tik gehorcht dem Lambert’schen Cosinus-Gesetz. eine bestimmte Farbe überwacht und reproduziert
Im Abstand r D 1 m unter dem Winkel "1 D werden. Die Grundlagen der Farbmessung sind in
30ı zur Sendernormalen (Abb. 6.63) befindet DIN 5033 festgelegt.
sich ein Empfänger ("2 D 0) mit der Fläche Zur eindeutigen Kennzeichnung einer Farbe
A2 D 20 mm2 . Die auf den Empfänger fallen- genügen drei Angaben: entweder abstrakte Zah-
de Strahlungsleistung beträgt ˚e D 1;2  108 W. len oder anschauliche Begriffe wie Farbton, Sät-
a) Wie groß ist der Lichtstrom ˚v , der auf tigung und Helligkeit. Durch Farbmischung kann
den Detektor trifft? (Die Augenempfindlichkeit mithilfe von drei beliebigen, aber voneinander
ist V .590 nm/ D 0;757.) b) Berechnen Sie unabhängigen Grundfarben (sogen. Primärvalen-
die Beleuchtungsstärke am Ort des Empfängers. zen) jede beliebige Farbe erzeugt werden. Häufig
c) Unter welchem Raumwinkel ˝ erscheint der werden für Farbmischversuche die von der CIE
Detektor vom Sender aus? d) Wie groß ist die im Jahr 1931 festgelegten Primärvalenzen Rot,
Lichtstärke Iv .0/ der LED senkrecht zur strahlen- Grün und Blau verwendet, die in Tab. 6.8 näher
den Fläche? e) Wie groß ist die Leuchtdichte Lv beschrieben sind.
der LED? (Die LED kann als monochromatische
Lichtquelle angesehen werden.) Farbmischung
Bei additiver Farbmischung werden beispiels-
weise nach dem Schema von Abb. 6.72 drei Far-
6.3.6 Farbmetrik ben auf einer ideal weißen Wand überlagert. Die
Farben verschmelzen auch dann zu einer Misch-
Die verbale Beschreibung einer Farbe ist schwie- farbe, wenn sie nicht miteinander, sondern hinter-
rig, da der Farbeindruck subjektiv unterschiedlich einander in schneller Folge dem Auge dargeboten
492 6 Optik

werden (z. B. beim Farbenkreisel). Beim Farb- sättigten Spektralfarben nur so gemischt werden,
fernseher liegen kleine Farbelemente so dicht dass beispielsweise Rot zusammen mit der aus-
beieinander, dass sie vom Auge nicht mehr ge- zumessenden Farbe genau so erscheint, wie die
trennt werden können und so eine Mischfarbe Mischung aus Grün und Blau (so genannte äuße-
entsteht. Die additive Mischung des Sonnenlichts re Mischung):
ergibt die Farbe Weiß. Ebenso ergibt sich Weiß,
wenn zwei sogen. Komplementärfarben additiv F C RR D GG C BB ; oder
gemischt werden, z. B. F D RR C GG C BB :
Rot – Blaugrün, Orange – Blau, Gelb – Vio-
lett. Die Nachteile negativer Farbmaßzahlen umgeht
Bei der additiven Mischung zu „Weiß“ ent- man durch eine rechnerische Koordinatentrans-
steht je nach Helligkeit der verwendeten Licht- formation auf ein anderes Primärvalenzsystem,
quellen die Reihe der unbunten Farben von Weiß in dem nur positive Farbmaßzahlen vorkommen.
über verschiedene Graustufen bis Schwarz. Von der CIE wurde deshalb 1931 ein Normva-
Werden mithilfe von Farbfiltern aus weißem lenzsystem mit den Normvalenzen X , Y und Z
Licht spektrale Anteile entfernt, entsteht durch eingeführt. Diese sind zwar physikalisch nicht er-
subtraktive Farbmischung farbiges Licht (z. B. zeugbar, trotzdem kann jede Farbe in diesem vir-
beim Diapositiv). Wird eine bestimmte Farbe aus tuellen Primärvalenzsystem dargestellt werden:
dem Spektrum entfernt, so verbleibt als Misch-
farbe seine Komplementärfarbe. Mit drei passend F D XX C Y Y C ZZ : (6.89)
gewählten Filtern (z. B. Blaugrün, Gelb und Pur-
pur) kann die ganze Reihe der unbunten Farben Die Normfarbwerte X, Y und Z werden folgen-
erzeugt werden. Körperfarben undurchsichtiger dermaßen berechnet:
Körper beruhen auf selektiver Remission. So ent- Z
steht beispielsweise das Blattgrün der Pflanzen
X Dk N
' x./ d ;
dadurch, dass das Chlorophyll im roten Spektral-
Z
bereich (640 nm    680 nm) absorbiert und
Y Dk N
' y./ d ;
deshalb die Komplementärfarbe grün vom Blatt
Z
remittiert wird.
ZDk ' zN ./ d : (6.90)
Farbmaßzahlen
Eine Strahlung, die auf das Auge trifft und k ist eine geeignet wählbare Konstante,
schließlich eine bestimmte Farbempfindung aus- N
x./; N
y./ und z./
N sind die Normspektral-
löst, wird beschrieben durch die als Farb- werte, die durch Messungen mit Testpersonen
gefunden wurden und durch die CIE 1931
reizfunktion ' bezeichnete spektrale Strahlungs-
verteilung. Zur Bestimmung der Maßzahlen einer für den farbmetrischen Normalbeobachter mit
Farbe F kann man beispielsweise durch additive 2ı -Gesichtsfeldgröße festgelegt wurde. Weitere
Farbmischung aus den drei Primärvalenzen R, G Funktionen für ein Gesichtsfeld von 10ı wur-
und B eine Farbe erzeugen, die der vorgegebe- den 1964 definiert. Die Normspektralwerte sind
nen Farbe gleich ist. In einem dreidimensionalenin DIN 5033 in Schritten von  D 5 nm
Farbraum, der von den drei Basisvektoren R, G tabelliert und in Abb. 6.73 dargestellt. In der
und B aufgespannt wird, kann jede Farbe F ein- Praxis werden obige Integrale über Summen be-
deutig als Vektor dargestellt werden: rechnet. Im 2ı -Normvalenzsystem ist die Norm-
spektralwertfunktion y./
N identisch mit dem in
F D RR C GG C BB Abb. 6.71 dargestellten Hellempfindlichkeitsgrad
V ./. Dadurch ist der Normfarbwert Y propor-
Die Farbmaßzahlen R; G und B sind nicht immer tional zu den fotometrischen Größen wie Leucht-
positiv. Insbesondere können viele der hoch ge- dichte, Lichtstrom usw.
6.3 Radio- und Fotometrie 493

Abb. 6.73 Normspektralwertfunktionen x./,


N N
y./ und
zN ./ für den farbmetrischen Normalbeobachter mit 2ı -
Gesichtsfeldgröße. Die Kurven sind so normiert, dass die
Fläche unter den Kurven gleich ist Abb. 6.74 Normfarbtafel für das 2ı -Normvalenzsystem.
E: Farbort des energiegleichen Spektrums (Unbuntpunkt).
1; 1,5; 2 : : : 10: Farborte des schwarzen Strahlers mit Tem-
Farbtafel peraturen in 1000 K. Innerhalb des gestrichelten Dreiecks
liegen die Farborte, die sich mit einer Farbfernsehbildröh-
Verzichtet man beispielsweise auf die Angabe
re realisieren lassen
der Helligkeit, dann kann die Farbart durch zwei
Angaben gekennzeichnet werden. Anstelle der
dreidimensionalen Darstellung einer Farbvalenz
durch die Normfarbwerte X, Y und Z wird des- Beispiel 6.3-3
halb in der Praxis meist eine Darstellung in einer Welche Normfarbwertanteile x und y hat
ebenen Normfarbtafel bevorzugt. Dazu werden gelbes Natriumlicht der Wellenlänge  D
die Normfarbwertanteile 589 nm, das von einer Spektrallampe ausge-
sandt wird?
X
xD ; Lösung
X CY CZ
Y Für spektral schmalbandiges Licht gilt
yD ; nach (6.90) X D k x./,N Y D k y./
N
X CY CZ
Z und Z D k z./.N Die Normspektralwerte
zD (6.91) für  D 589 nm können durch lineare In-
X CY CZ
terpolation aus der DIN 5033 entnommen
gebildet und y gegen x aufgetragen. Die Berech- werden: xN D 1;0168, yN D 0;7689 und
nung von z ist entbehrlich, denn x C y C z D 1. zN D 0;0012. Damit ergibt sich X = 1;0168 k,
Nach der Darstellung von Abb. 6.74 ist jeder Y D 0;7689 k und Z D 0;0012 k. Mit
Farbart in der Farbtafel ein Punkt zugeordnet. Die X C Y C Z D 1;7869 k folgt x D 0;5690,
Normfarbwertanteile der Spektralfarben bilden y D 0;4303 und z D 0;0007. Zur Kontrolle:
einen geschlossenen hufeisenförmigen Kurven- x C y C z D 1.
zug, den Spektralfarbenzug. Die Verbindungsge-
rade seiner Eckpunkte ist die Purpurgerade. Alle Der Unbuntpunkt E in Abb. 6.74 ist der Farb-
reellen Farben liegen innerhalb der so umschlos- ort des energiegleichen Spektrums, d. h. ' D
senen Fläche. konstant. Er hat die Normfarbwertanteile x D
494 6 Optik

y D z D 1=3. Die unbunte Farbe E entsteht spektralen Farbanteil


aber auch durch Mischung von zwei Kompensa-
FE yF  yn xF  xn
tionsfarben, die auf gegenüberliegenden Seiten pe D D D (6.92)
auf einer Geraden durch den Unbuntpunkt lie- SE yS  yn xS  xn
gen, beispielsweise durch die Spektralfarben mit beschrieben. Dabei sind (xF , yF ) die Normfarb-
 D 490 nm und  D 600 nm. wertanteile der zu beschreibenden Farbvalenz F,
Dicht am Unbuntpunkt (Weißpunkt) vorbei (xn , yn ) die des Unbuntpunktes E und (xS , yS ) die
führt der Kurvenzug der Farben des schwar- der bunttongleichen Spektralfarbe.
zen Strahlers. Der geringste Abstand liegt bei
T  5600 K. Zur Kennzeichnung der Farbart Beispiel 6.3-4
eines Strahlers kann die Farbtemperatur Tf ver- Welchen spektralen Farbanteil pe hat die
wendet werden. Das ist die Temperatur eines Farbart des Punktes F in Abb. 6.74?
Planck’schen Strahlers, der dieselbe Farbart hat.
Liegt der Farbort des Strahlers nicht auf dem Lösung
Planck’schen Kurvenzug, kann lediglich eine Entweder durch direktes Ausmessen oder
ähnlichste Farbtemperatur Tn angegeben wer- durch Berechnen der beiden sich schneiden-
den. den Geraden und damit der Abstände FE und
Die Eckpunkte des gestrichelten Dreiecks in SE folgt pe D 0;693.
Abb. 6.74 sind die Farborte der drei beim Farb-
fernsehen verwendeten Primärfarben. Sie haben In der Farbtafel von Abb. 6.74 weichen geo-
folgende Koordinaten: Rot: (0;67=0;33), Grün: metrische Abstände stark von den empfundenen
(0;21=0;71), Blau: (0;14=0;08). Innerhalb des ge- Farbabständen ab. Insbesondere ist der Bereich
strichelten Dreiecks liegen alle Farbarten, die mit der grünen Farben im Vergleich zu Rot und
der Farbbildröhre darstellbar sind. Damit können Blau stark ausgedehnt. Um eine bessere Überein-
nahezu alle in der Natur vorkommenden Farbar- stimmung zu erhalten, wurde 1976 von der CIE
ten nachgebildet werden. die UCS (Uniform Chromaticity Scale)-Farbtafel
Alle Farbarten, die sich durch Mischung von eingeführt, die eine projektive Transformation
zwei Farben herstellen lassen, liegen auf einer der Normfarbtafel darstellt und deren Koordina-
Geraden. Beispielsweise kann die Farbe F in ten u0 und v 0 durch folgende Transformations-
Abb. 6.74 durch Mischung der beiden Spektral- gleichungen aus den Normfarbwertanteilen x und
farben  D 500 nm und  D 540 nm erzeugt y hervorgehen:
werden, aber natürlich auch durch beliebige an- 4x
dere Kombinationen. Die Farbart F kann auch u0 D und (6.93)
3  2x C 12y
aufgefasst werden als additive Mischung von
9y
Weiß (Unbuntpunkt E) mit der Spektralfarbe S v0 D :
(hier:  D 520 nm). Alle Punkte auf der Gera- 3  2x C 12y
den EFS haben denselben Buntton (Farbton) aber Farbmessverfahren
unterschiedliche Sättigung. Die Wellenlänge des Für die praktische Messung von Farben haben
Punktes S wird als bunttongleiche Wellenlänge sich drei Verfahren herausgebildet:
d bezeichnet.
Eine anschauliche Beschreibung einer Farbe  Beim Gleichheitsverfahren wird die zu unter-
ist auch möglich mithilfe der Helmholtz-Maß- suchende Farbe in einem zweigeteilten Ge-
zahlen. Dies ist die Angabe der bunttongleichen sichtsfeld mit Farben, deren Maßzahlen be-
Wellenlänge d , der Sättigung oder Buntheit so- kannt sind, verglichen.
wie der Helligkeit (z. B. Normfarbwert Y oder  Beim Spektralverfahren werden nach (6.90)
Leuchtdichte Lv ). Die Sättigung wird durch den die Normfarbwerte X; Y und Z berechnet. Die
6.4 Wellenoptik 495

Farbreizfunktion ' muss mit einem Spektral- 1801 gezeigt. Der Young’sche Interferenzversuch
fotometer gemessen werden. am Doppelspalt (Abschn. 6.4.1.10) beweist ein-
 Beim Dreibereichsverfahren wird die Strah- deutig die Wellennatur des Lichtes.
lung auf drei verschiedene Detektoren gerich- Im Gegensatz zur Interferenz mechanischer
tet, deren spektrale Empfindlichkeit mithilfe Wellen ist die Interferenz von Licht nicht ganz
von Filterschichten den drei Normspektral- einfach zu beobachten. Eine wesentliche Bedin-
funktionen von Abb. 6.73 angepasst sind. Die gung für die Beobachtung stationärer Interferenz-
drei Empfängersignale sind damit proportio- muster ist die Kohärenz der wechselwirkenden
nal zu den Normfarbwerten X, Y und Z. Wellen. Zwei Wellen werden kohärent genannt,
wenn die gegenseitige Phasendifferenz während
der Beobachtungszeit konstant bleibt. Gibt es
6.3.7 Zur Übung zwischen zwei Wellen keine feste Phasenbezie-
hung, spricht man von inkohärenten Wellen. Das
Ü 6-41 Alle Farbarten, die sich durch Mischung spontan emittierte Licht eines heißen Körpers
aus zwei Ausgangsfarben herstellen lassen, lie- stammt von einzelnen voneinander unabhängi-
gen in der Normfarbtafel von Abb. 6.74 auf einer gen Atomen. Aus diesem Grund können Wellen,
Geraden. Zeigen Sie, dass man durch Mischen die von zwei verschiedenen Lichtquellen aus-
der Spektralfarben  D 490 nm (Türkis) und gesandt werden, nicht miteinander interferieren.
 D 600 nm (Orange) Weiß erzeugen kann. Es ist praktisch ausgeschlossen, dass zwischen
den unabhängig ausgestrahlten Wellenzügen eine
Ü 6-42 Die Farbreizfunktion einer LED wird feste Phasenbeziehung besteht. Zur Interferenz
näherungsweise
 beschrieben
 durch './ D des Lichtes müssen deshalb die interferierenden
.x  0 /2 Lichtwellen von demselben Punkt einer Licht-
k exp  , mit 0 D 640 nm und  D
2 2 quelle stammen. Experimentell ist dies mög-
17 nm. Bestimmen Sie die Normfarbwertanteile lich durch Aufspalten eines Lichtstrahls mithilfe
x und y des Lichts. von z. B. teildurchlässigen Platten und Spiegeln.
Abb. 6.75 zeigt die Überlagerung von zwei Wel-
lenzügen, die jeweils aus derselben Lichtquelle
6.4 Wellenoptik stammen.
Die elektromagnetischen Wellen, die von
6.4.1 Interferenz und Beugung Temperaturstrahlern ausgesandt werden, sind
nicht beliebig lang, sondern sie sind Wellen-
6.4.1.1 Kohärenz züge endlicher Länge (Abb. 5.65). Die Bedeu-
Die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten der Wel- tung dieser Tatsache für die Interferenz geht aus
lenausbreitung gehen aus Abschn. 5.2 hervor. Der Abb. 6.75 klar hervor. Während in Abb. 6.75a
vorliegende Abschnitt soll spezielle Eigenschaf- die beiden Wellenzüge miteinander interferieren,
ten der Lichtwellen vertiefen. kommt es in Abb. 6.75b und c nicht zur Interfe-
In Abschn. 5.2.6 ist gezeigt, dass sich zwei renz. Der Grund ist offensichtlich: In Abb. 6.75b
Wellen derselben Frequenz auslöschen, wenn der ist die Wegdifferenz s zwischen den beiden Teil-
Gangunterschied der beiden Wellen ein un- wellen größer als die Länge der beiden Wel-
geradzahliges Vielfaches der halben Wellenlänge lenzüge. Sie treffen deshalb nacheinander am
beträgt: Interferenzort ein und können nicht miteinander
interferieren. In Abb. 6.75c sind zwar die geo-
 metrischen Wege gleich, das rechte Wellenpaket
D .2m C 1/ I m D 0; 1; 2; : : :
2 läuft aber eine bestimmte Strecke durch ein Me-
Umgekehrt verstärken sich die Wellen beim dium (Brechungsindex n) und kommt infolge der
Gangunterschied D m (Tab. 5.10). Dass sol- verminderten Ausbreitungsgeschwindigkeit ver-
che Interferenzeffekte auch bei Licht beobachtet spätet am Interferenzort an. Entscheidend für die
werden können, wurde erstmals von T. YOUNG Beobachtung der Interferenz ist daher, dass die
496 6 Optik

Tab. 6.9 Kohärenzeigenschaften verschiedener Licht-


quellen
Lichtquelle Frequenz- Kohärenz-
bandbreite länge l
f
weißes Licht  200 THz  1;5 m
Spektrallampe, Raum- 1,5 GHz 20 cm
temperatur
Kr-Spektrallampe, auf 375 MHz 80 cm
T D 77 K gekühlt
Halbleiterlaser 2 MHz 150 m
GaAlAs
HeNe-Laser, fre- 150 kHz 2 km
quenzstabilisiert

Dabei müssen Frequenzen innerhalb der


Abb. 6.75 Erzeugung kohärenter Wellenzüge durch Re- Bandbreite
1
flexion: a konstruktive Interferenz, b keine Interferenz, zu f  (6.95)
große geometrische Wegdifferenz, c keine Interferenz, zu 
große optische Wegdifferenz überlagert werden. Auch auf der Wellenlängen-
skala ist ein Wellenzug endlicher Länge nicht
beliebig scharf, sondern er hat eine Linienbreite
optische Wegdifferenz n s nicht größer wird als die
mittlere Länge der Wellenzüge. jf j
Verschiebt man, ausgehend von Abb. 6.75a, jj D  : (6.96)
f
den linken Spiegel nach oben, bis schließlich
die Stellung von Abb. 6.75b erreicht ist, so wird Bei einer Spektrallampe ist der Frequenzbereich
das ursprünglich stark ausgeprägte Interferenz- f im Allgemeinen nicht durch (6.95) bestimmt.
bild immer kontrastärmer, bis es schließlich ganz In Wirklichkeit sind die Spektrallinien durch den
verschwindet. Der größte Gangunterschied der Doppler-Effekt und Stöße verbreitert. Ein typi-
beiden Wellen, bei dem gerade noch Interferenz scher Wert für die Breite des Frequenzbandes ei-
beobachtet werden kann, ist die Kohärenzlänge l. ner Cd-Spektrallampe ist f D 1500 MHz. Dies
Diese entspricht der mittleren Länge der interfe- entspricht bei  D 509 nm einer Linienbreite von
rierenden Wellenzüge und ist verknüpft mit der  D 1;3  10 m und einer Kohärenzlänge
12

mittleren Zeitdauer  des Emissionsaktes nach von l D 20 cm.


der Beziehung Selbst bei genügend großer Kohärenzlänge
l Dc (6.94) kann ein Interferenzversuch mit Licht misslin-
gen, wenn die strahlende Fläche oder die Öffnung
mit c als der Lichtgeschwindigkeit. Die Zeit , der Lichtbündel zu groß ist. Hat die Lichtquelle
während der ein Wellenzug ausgesandt wird, be- die Größe b und ist der halbe Öffnungswinkel  ,
trägt bei isolierten Atomen typischerweise   dann wird Interferenz nur beobachtet, wenn die
108 s. Dies ergibt Wellenzüge mit der Länge l  Kohärenzbedingung
3 m. Bei hoher Temperatur und großer Atomdich-
te wird die Kohärenzlänge erheblich vermindert, 2 b sin    (6.97)
wie aus Tab. 6.9 hervorgeht.
Ein Wellenzug der Länge l wird nach Fourier erfüllt ist.
beschrieben als Integral über Sinuswellen ver- Die kurze Kohärenzlänge von Licht norma-
schiedener Frequenzen und Wellenlängen. ler Lampen rührt daher, dass die Emissionsakte
6.4 Wellenoptik 497

fe eines Winkelspiegels so reflektiert, dass die


Wellen aus den virtuellen Bildern L1 und L2
herzukommen scheinen. Die beiden virtuellen
Lichtquellen L1 und L2 senden kohärente Wellen
aus, die im Überlappungsgebiet zur Interferenz
gebracht werden. Die konzentrischen Kreise in
Abb. 6.76 sollen Wellenberge darstellen. Dann
ist an jedem Schnittpunkt der Kreise die Bedin-
gung für konstruktive Interferenz erfüllt. Längs
der eingezeichneten Punkte verstärken sich also
die Wellen, dazwischen löschen sie sich aus. Auf
einer Wand, die von den Lichtbündeln getrof-
fen wird, entsteht das unten stehende stationäre
Interferenzbild. Die Ordnungszahl m gibt den
Gangunterschied der interferierenden Wellen in
Vielfachen der Wellenlänge an: D m. Wie
bereits in Abschn. 5.2.6.3 erwähnt, liegen die
Punkte konstruktiver Interferenz auf konfokalen
Hyperbeln mit den Brennpunkten L1 und L2 . Die
Hyperbeln entsprechen der Gleichung

x2 y2
 D1 (6.98)
a2 b 2
mit a D m.=2/ und b 2 D .d=2/2  a2 I d ist
der Abstand der beiden virtuellen Lichtquellen.
In großem Abstand von den Lichtquellen schmie-
gen sich die Hyperbeln an ihre Asymptoten an.
Dies sind Geraden, die aus dem Koordinatenur-
sprung kommen und mit der y-Achse die Winkel
˛m einschließen. Für die Asymptotenwinkel gilt

Abb. 6.76 Fresnel’scher Spiegelversuch 


sin ˛m D m : (6.99)
d
Der Abstand zwischen zwei Interferenzstreifen
der einzelnen Atome nicht miteinander korre- an der Wand ist proportional zur verwendeten
liert sind. Der Laser (Abschn. 6.5.4) ist eine Wellenlänge. Nimmt man Weißlicht anstelle von
Lichtquelle, bei der die einzelnen Atome bei der monochromatischem Licht, ist die konstruktive
Lichtaussendung miteinander kooperieren und Interferenzbedingung nur für die Interferenzli-
ihr Licht jeweils phasengerecht aussenden. Da- nie nullter Ordnung .m D 0/ zu erfüllen. Es
durch entsteht ein fast monochromatischer Wel- erscheint ein weißer Interferenzstreifen nullter
lenzug mit mehreren Kilometern Kohärenzlänge. Ordnung, der von schwarzen Streifen begrenzt
In der Praxis vorkommende Kohärenzlängen sind ist. Die Interferenzstreifen höherer Ordnung be-
in Tab. 6.9 zusammengestellt. kommen farbige Ränder.
Die Interferenz von Licht aus zwei kohären-
ten Lichtquellen wurde 1821 von A. J. F RES - 6.4.1.2 Zur Übung
NEL (1788 bis 1827) demonstriert. Im klassi-
schen Fresnel’schen Spiegelversuch wird nach Ü 6-43 Die theoretische Grenze der Frequenz-
Abb. 6.76 das Licht einer Lichtquelle L mithil- bandbreite eines Lasers ist f  1 Hz. Berech-
498 6 Optik

nen Sie die theoretische Linienbreite für  D


600 nm und die Kohärenzlänge l.

Ü 6-44 Bei einem Experiment mit dem Fres-


nel’schen Winkelspiegel beträgt der Abstand der
beiden virtuellen Lichtquellen (Abb. 6.76) d D
0;6 mm. Im Abstand D D 2 m von den Licht-
quellen befindet sich eine Wand, auf der die
Interferenzstreifen beobachtet werden. Wie groß
ist der Abstand x zwischen zwei Interferenz-
streifen in der Nähe der Symmetrieachse, wenn
als Lichtquelle eine Natriumdampflampe mit  D
589 nm verwendet wird?

6.4.1.3 Interferenzen an dünnen


Schichten

Interferenzen gleicher Neigung


Interferenzen zwischen kohärenten Lichtwellen
entstehen durch Reflexion von Lichtwellen an
planparallelen Schichten. In Abb. 6.77 fällt ein
Lichtstrahl von der Lichtquelle L auf eine durch-
lässige Platte mit dem Brechungsindex n. Im
Abb. 6.77 Interferenzen an planparalleler Platte
Auftreffpunkt A wird der Strahl teilweise reflek-
tiert und gebrochen. Der gebrochene Strahl wird
in B wieder teilweise reflektiert und gebrochen, Dies ist noch nicht der vollständige Gangun-
ebenfalls in C, D und so fort. Zunächst sei die terschied. Wie bereits in Abschn. 5.2.6.2 erläu-
Überlagerung der beiden Strahlen 10 und 20 be- tert, erfährt der am dichteren Medium reflektierte
trachtet (die weiteren Strahlen 30 , 40 und so fort Strahl 10 einen Phasensprung um  , was ei-
haben vernachlässigbare Intensitäten). Die bei- nem zusätzlichen Gangunterschied von =2 ent-
den Parallelstrahlen werden im Brennpunkt F0 spricht. Der Strahl 20 erleidet bei der Reflexion in
einer Linse vereinigt. (Bei Betrachtung mit dem B keinen Phasensprung.
Auge ist dies die Augenlinse.) Ob am Punkt Somit beträgt der Gangunterschied der beiden
F0 Helligkeit oder Dunkelheit herrscht, hängt Strahlen 10 und 20
vom Gangunterschied der beiden interferierenden
Lichtwellen 10 und 20 ab. p 
D 2d n2  sin2 "  : (6.100)
Die geometrische Wegdifferenz der Strahlen 2
10 und 20 ist nach Abb. 6.77 AB C BC  AP. Die
optische Wegdifferenz beträgt n.ABCBC/AP. Die Wellen verstärken sich bei D m, sie lö-
Für die Wegdifferenzen gilt schen sich aus für D .2m C 1/.=2/.
Die Bedingung für Helligkeit lautet somit
d
AB C BC D 2 I AP D 2d tan "0 sin " : p 
1

cos "0 2d n2  sin2 " D m C : (6.101)
2
Mithilfe des Brechungsgesetzes sin "= sin "0 D n
ergibt sich daraus die Gangdifferenz mit m D 0; 1; 2; : : : Dunkelheit herrscht bei
p p
s D 2d n2  sin2 " : 2d n2  sin2 " D .m C 1/ : (6.102)
6.4 Wellenoptik 499

Die Bedingungen (6.101) und (6.102) sind bei Lösung


vorgegebener Plattendicke d und Wellenlänge  Nach (6.101) wird Licht der Wellenlänge re-
nur für ganz bestimmte Winkel " einzuhalten. Al- flektiert, die der Bedingung
le Strahlen, die mit dem gleichen Winkel " auf
die Platte treffen, erzeugen in der Brennebene 2d n 931 nm
m D D
der Linse (oder auf der Netzhaut des Auges) ei- mC 21
m C 12
ne Interferenzlinie. Verschiedene Winkel ", die
Gleichungen (6.101) und (6.102) befriedigen, er- genügt. Folgende Wellenlängen erfüllen diese
zeugen Interferenzlinien gleicher Neigung, die Voraussetzung:
wegen der Symmetrie kreisförmig sind und als
Haidinger’sche Ringe bezeichnet werden. m D 0: 0 D 1862 nm ;
Die durchgelassenen Strahlen 100 und 200 in m D 1: 1 D 621 nm ;
Abb. 6.77 werden im Brennpunkt F00 überla-
gert. m D 2: 2 D 372 nm ;
p Für sie beträgt der Gangunterschied D
2d n2  sin2 ". Der in (6.100) zusätzlich einge- m D 3: 3 D 266 nm usw.
brachte Gangunterschied von =2 für die Refle-
xion am dichteren Medium taucht hier nicht auf. Da nur die Wellenlänge 1 D 621 nm im
Daraus folgt, dass sich die Interferenzen in F00 sichtbaren Spektralbereich liegt, erscheint die
komplementär zu jenen in F0 verhalten, d. h., die Seifenblase rot.
Bedingungen für Helligkeit und Dunkelheit sind
genau vertauscht. Die Interferenzen des durchge- Reflexvermindernde Schichten
lassenen Lichtes sind nicht so gut sichtbar wie die Interferenzen an dünnen Schichten werden be-
des reflektierten Lichtes, weil die Intensitäten der nutzt, um Reflexe an Glasoberflächen zu besei-
Strahlen 100 und 200 sehr unterschiedlich sind (z. B. tigen. In der Regel werden Linsen für optische
10 W 1), während 10 und 20 nahezu dieselbe Inten- Geräte vergütet, d. h. mit einer reflexmindernden
sität haben. Schicht überzogen.
Die Wirkungsweise einer Vergütungsschicht
Farben dünner Blättchen geht aus Abb. 6.78 hervor. Auf ein Glas mit dem
Dünne Schichten, wie z. B. Seifenlamellen, Öl-
filme auf Wasser, Aufdampfschichten und Oxid-
a
schichten, zeigen bei Beleuchtung mit weißem
Licht oft herrliche Interferenzfarben. Diese ent-
stehen, wenn nach (6.101) und (6.102) je nach
Dicke, Brechungsindex und Einfallswinkel aus
dem angebotenen weißen Spektrum eine Farbe
oder mehrere Farben reflektiert, andere dagegen
ausgelöscht werden. Aus der Farbe kann man bei
einiger Übung die Schichtdicke recht genau be- b
stimmen.

Beispiel 6.4-1
Eine Seifenlamelle mit der Dicke d D 350 nm
wird mit weißem Licht senkrecht beleuch-
tet. Welche Farbe hat das von der Seifenhaut
reflektierte Licht, wenn der Brechungsindex Abb. 6.78 Interferenzen an dünnen Schichten: a Reflex
n D 1;33 beträgt? vermindernde Schicht, b dielektrischer Spiegel
500 6 Optik

Brechungsindex nG sei eine dünne Schicht (Di- sodass man für das ganze sichtbare Spektrum ei-
cke d ) mit dem Brechungsindex n1 aufgebracht. ne merkliche Entspiegelung erhält. Das rötliche
Darüber sei Luft mit dem Brechungsindex n0 D oder violette Aussehen vergüteter Linsen kommt
1. Der einfallende Strahl e wird an zwei Grenz- daher, dass bevorzugt die Wellenlängen von den
flächen reflektiert und liefert die Strahlen r1 und Enden des sichtbaren Spektrums reflektiert wer-
r2 . Schichtdicke d und Brechungsindex n1 sind den.
nun so zu wählen, dass sich die beiden reflek- Eine spektral breitbandige Entspiegelung ist
tierten Strahlen auslöschen. Nach dem Energie- möglich, wenn drei /4-Schichten aufgedampft
erhaltungssatz hat dann der durchgehende Strahl werden.
d die ganze Strahlungsleistung des einfallenden
Strahls. Dielektrische Spiegel
Ist nG > n1 > n0 , dann entsteht sowohl Spiegel mit Reflexionsgraden von % > 99;9 %
r1 als auch r2 durch Reflexion am optisch dich- sind möglich mit dielektrischen Mehrfachschich-
teren Medium. Beide Strahlen erfahren also den ten, bei denen abwechselnd eine Schicht mit
Phasensprung  . Bei senkrechtem Einfall ist des- hohem n1 und niedrigem Brechungsindex n2 auf
halb die Gangdifferenz der beiden Strahlen D ein Substrat aufgebracht wird (Abb. 6.78b). Die
2 n1 d . Schichtdicken werden so gewählt, dass die opti-
Die Bedingung für Auslöschung ist D schen Dicken ein Viertel der Vakuumwellenlänge
.2 m C 1/.=2/ oder .2 m C 1/.=2/ D 2n1 d . betragen:
Für m D 0 erhält man die kleinste Schichtdicke.
Sie beträgt ein Viertel der Lichtwellenlänge in der n1 d1 D n2 d2 D =4 : (6.104)
Schicht:
 Da bei jeder Reflexion an einer Schicht mit hö-
dD : (6.103)
4 n1 herem Brechungsindex ein Phasensprung von  
Eine vollständige Auslöschung der reflektierten oder =2 auftritt, sind die Gangunterschiede von
Wellen erreicht man nur, wenn deren Amplitu- jeweils zwei benachbarten reflektierten Strahlen
den gleich sind. Dies ist dann der Fall, wenn r1 und r2 eine ganze Wellenlänge. Es kommt
der Brechungsindex n1 des Vergütungsmaterials also zu konstruktiver Interferenz. Dielektrische
p Spiegel werden vorzugsweise als Laserspiegel
der Bedingung n1 D n0 nG genügt. Als Be-
schichtungssubstanzen haben sich z. B. Kryolith eingesetzt.
(Na3 AlF6 ) mit n D 1;33 und Magnesiumfluorid
(MgF2 ) mit n D 1;38 bewährt. Interferenzen gleicher Dicke
Fallen nach Abb. 6.79 zwei kohärente Strahlen
Beispiel 6.4-2
auf einen Keil, sodass sie sich im Punkt P wie-
Wie dick muss eine Entspiegelungsschicht aus der vereinigen, dann herrscht in P Helligkeit oder
MgF2 sein, um die Reflexe für sichtbares Licht Dunkelheit je nach Gangunterschied der beiden
( D 550 nm) zu verringern? Strahlen. Die beiden Strahlen 1 0
und 20 können
entweder mit einer Linse auf einem Schirm oder
mit der Augenlinse auf der Netzhaut vereinigt
Lösung
werden. Der Gangunterschied der beiden Teil-
Nach (6.103) ist die erforderliche Mindestdi-
wellen bestimmt sich bei kleinem Keilwinkel ˛
cke
550 nm nach (6.100) zu
dD D 100 nm :
4  1;38 p 
D 2d n2  sin2 "  :
2
Grundsätzlich gelingt die Beseitigung der Re-
flexe nur für eine diskrete Wellenlänge, z. B. für Da mit größer werdendem Abstand von der
die Mitte des sichtbaren Spektrums mit  D Keilkante die Dicke d zunimmt, erhält man in re-
550 nm. Der Effekt ist aber nicht sehr selektiv, gelmäßigen Abständen helle und dunkle Interfe-
6.4 Wellenoptik 501

Abb. 6.79 Interferenzen an einem Keil

renzstreifen, sogenannte Fizeau-Streifen (H. F I -


ZEAU, 1819 bis 1896). Diese Interferenzstreifen
gleicher Dicke verlaufen parallel zur Keilkante.
An der Keilkante selbst ist d D 0 und somit
der Gangunterschied infolge des Phasensprungs
von Strahl 1 eine halbe Wellenlänge. Die Strah-
len löschen sich also an der Keilkante aus, sodass
man dort immer einen dunklen Streifen sieht. Wie
schon bei den Interferenzen gleicher Neigung be-
schrieben, treten auch beim durchgehenden Licht
Interferenzstreifen auf, die sich komplementär zu
jenen des reflektierten Lichts verhalten.
Streifen gleicher Dicke sind auch die als New-
Abb. 6.80 Newton’sche Ringe: a Versuchsaufbau nach
ton’sche Ringe bekannten Interferenzkurven, die Hooke, b Ringsystem bei Beleuchtung mit monochroma-
an flachen Luftkeilen entstehen. Sie treten z. B. tischem Licht
auf, wenn ein hinter Glas gerahmtes Diaposi-
tiv ungleichmäßig am Glas anliegt. Die New-
ton’schen Ringe lassen sich sehr schön beobach- oder subtrahiert werden muss, weil ein Strahl am
ten mit einer Anordnung, die 1665 zuerst von optisch dichteren Medium (Planplatte) reflektiert
Hooke und 1676 von Newton benutzt wurde. wird. An einer Stelle mit der Keildicke d beträgt
Nach Abb. 6.80 wird auf eine ebene Glasplatte demnach der Gangunterschied D 2d  =2.
eine plankonvexe Linse mit großem Krümmungs- Die Radien der hellen Interferenzringe können
radius aufgesetzt. Wird die Anordnung von oben leicht anhand von Abb. 6.80 berechnet werden.
mit parallelem Licht beleuchtet, dann entstehen Helligkeit tritt auf, wenn der Gangunterschied der
Interferenzstreifen gleicher Dicke am Luftkeil, interferierenden Wellen ein ganzzahliges Vielfa-
die in diesem Fall wegen der Symmetrie Kreise ches der Wellenlänge beträgt. Dies ist der Fall für
um den Berührpunkt sind. Da der Keilwinkel bei die Dicken dm des Luftkeils
diesem Luftkeil nicht konstant ist, nimmt der Ab-
 
stand der Ringe nach außen ab.  1
dm D mC mit m D 0; 1; 2; : : : (1)
Bei der Berechnung des Gangunterschieds von 2 2
zwei interferierenden Wellen muss wieder be-
achtet werden, dass zusätzlich zur geometrischen Die Dicke dm ist mit dem Radius rm und dem
Wegdifferenz 2 d eine halbe Wellenlänge addiert Krümmungsradius R der Linse verknüpft durch
502 6 Optik

p
dm D R  R2  rm2 . Für rm  R gilt nähe-
rungsweise
1 rm2
dm  : (2)
2R
Durch Kombination von (1) und (2) folgt für die
Radien der hellen Kreise
s 
1
rm D mC R (6.105)
2

mit m D 0; 1; 2; : : : Dunkle Ringe haben die Ra-


dien p
rm D m R : (6.106)
An der Berührungsstelle der beiden Gläser ist Abb. 6.81 Wirkungsweise des Michelson-Interferome-
immer ein dunkler Fleck. Bei bekannter Licht- ters
wellenlänge kann z. B. durch Ausmessen der
Interferenzringe der Krümmungsradius R des ge-
krümmten Glases berechnet werden. Ring hat den Radius r10 D 4 mm. Wie groß ist
die Wellenlänge des Lichtes?
Oberflächenprüfung
Beobachtet man Unregelmäßigkeiten im System Ü 6-46 Eine dicke Glasplatte mit Brechungs-
der Newton’schen Kreisringe, so weist dies dar- index nG D 1;5 ist mit einem dünnen Film
auf hin, dass bei der gekrümmten Fläche Ab- mit nF D 1;3 überzogen. Eine monochroma-
weichungen von der idealen Kugelform vorlie- tische ebene Welle variabler Wellenlänge fällt
gen. (Die Ebenheit der Planplatte ist selbstver- senkrecht auf die Platte. Licht der Wellenlänge
ständlich Voraussetzung.) Allgemein kann man  D 693;3 nm wird stark, Licht der Wellenlän-
aus Unregelmäßigkeiten im System der Fizeau- ge  D 594;3 nm wird nicht reflektiert. Wie dick
Streifen an Luftkeilen auf Oberflächenfehler der ist der Film?
Platten schließen. Da der Abstand zwischen
zwei benachbarten Interferenzstreifen gleicher Ü 6-47 Eine Glasplatte .nG D 1;5) ist mit MgF2
Dicke immer einer Dickenänderung des Keils (n D 1;33) überzogen. a) Wie dick muss die
von einer halben Wellenlänge entspricht, kön- Antireflexschicht sein, damit Licht mit der Wel-
nen aus Verschiebungen der Interferenzstreifen lenlänge  D 633 nm bei senkrechtem Einfall
Oberflächenfehler (z. B. Rauigkeiten) im Bereich nicht reflektiert wird? b) Für welche Wellenlän-
von Bruchteilen der Lichtwellenlänge vermessen ge wird die Reflexion minimal, wenn Licht unter
werden. Verschiedene Interferenzmuster, die bei " D 45ı zur Oberfläche einfällt?
der Oberflächenprüfung von Optikteilen entste-
hen, sind in DIN 3140, Teil 5, zusammengestellt. 6.4.1.5 Interferometer
Mithilfe der Fizeau-Streifen werden Passfehler Interferometer sind optische Geräte, bei de-
von Optikbauteilen klassifiziert. nen mithilfe von Lichtinterferenzen physikali-
sche Größen, wie z. B. Länge, Brechzahl, Winkel
6.4.1.4 Zur Übung und Wellenlänge, gemessen werden. Der wich-
tigste Interferometer-Grundtyp ist das Michelson-
Ü 6-45 Zur Bestimmung der Wellenlänge von Interferometer (A. A. M ICHELSON, 1852 bis
monochromatischem Licht werden Newton’sche 1931).
Ringe nach Abb. 6.80 ausgemessen. Die Plan- Aufbau und Arbeitsweise des Michelson-
konvexlinse hat die Brennweite f D 5 m und
0 Interferometers sind schematisch in Abb. 6.81
den Brechungsindex n D 1;5. Der zehnte dunkle dargestellt. Von der Lichtquelle L fällt Licht un-
6.4 Wellenoptik 503

ter 45ı auf den teilverspiegelten Strahlteiler T. a


Dabei entstehen zwei unter 90ı verlaufende Teil-
strahlen 1 und 2, die nach der Reflexion an den
Spiegeln S1 und S2 in sich selbst zurückgeworfen
werden. Die reflektierten Strahlen werden erneut
durch den Strahlteiler geteilt, sodass schließlich
die Überlagerung der Strahlen 10 und 20 mithilfe
der Fernrohrs F betrachtet werden kann. Die auf-
tretenden Interferenzerscheinungen können auch
mit dem bloßen Auge betrachtet bzw. mittels ei-
ner Linse auf einen Schirm projiziert werden. Die
Kompensationsplatte K sorgt für gleiche Glaswe-
ge der interferierenden Teilstrahlen.
Wenn die beiden Spiegel S1 und S2 gleich weit
b
vom Punkt P entfernt sind, treffen die Strahlen 10
und 20 ohne Gangunterschied beim Fernrohr ein
und verstärken sich. Verstärkung tritt ebenfalls
ein, wenn einer der beiden Spiegel um ein Viel-
faches der halben Wellenlänge verschoben wird.
Verschiebt man dagegen um ein ungeradzahli- Abb. 6.82 Interferenzmikroskop: a Aufbau, b Interfe-
ges Vielfaches einer Viertelwellenlänge, dann lö- renzstreifen an einer Stufe der Höhe s
schen sich die Strahlen 10 und 20 aus. Völlige
Dunkelheit oder Helligkeit wird nur beobachtet,
wenn ebene Wellen, z. B. von einem Laser, inter- Endmaßen und Präzisionsmaßstäben mithilfe des
ferieren. Michelson-Interferometers.
Eine Lichtquelle, die Kugelwellen aussen- Bei der Oberflächenprüfung mithilfe des In-
det, erzeugt als Interferenzmuster Haidinger’sche terferenzmikroskops nach Abb. 6.82a wird das
Ringe, die so zustande kommen: In Abb. 6.81 vergrößerte Bild eines Prüflings P mit Interfe-
ist mit S02 das virtuelle Bild des Spiegels S2 ein- renzstreifen überlagert. Zwei identische Mikro-
gezeichnet. Die Interferenzlinien, die beobachtet skopobjektive Ob 1 und Ob 2 bilden sowohl
werden, sind die Interferenzen gleicher Neigung den Prüfling als auch eine Vergleichsplatte V ho-
an einer planparallelen Platte der Dicke d . Kippt her optischer Güte mithilfe des Okulars Ok ab.
man einen der beiden Spiegel ganz leicht, dann Alle Unebenheiten auf der Oberfläche des Prüf-
beobachtet man die Fizeau-Streifen am Luftkeil. lings spiegeln sich im System der Fizeau-Streifen
Bei Verwendung von weißem Licht und gleichen wider. Abb. 6.82b zeigt das entstehende Interfe-
Abständen der Spiegel vom Punkt P ist der Strei- renzmuster, wenn die Oberfläche des Prüflings
fen nullter Ordnung leicht zu identifizieren als eine Stufe aufweist. Der Abstand zweier Strei-
einziger achromatischer Streifen. fen entspricht einer halben Wellenlänge. Unter
Bei der Verschiebung eines Spiegels ver- der Annahme, dass eine Versetzung von 1/10
schiebt sich das System der Interferenzstreifen, der Streifenbreite noch messbar ist, kann man
sodass man durch Auszählen der durchlaufen- mit dem Interferenzmikroskop Höhenunterschie-
den Streifen die Verschiebung eines Spiegels in de auf der Objektoberfläche vom Betrag s D
Vielfachen von =2 messen kann. Auf diese Art =20 bestimmen. Bei Verwendung von grünem
wurde von Michelson u. a. die Länge des Meter- Licht mit  D 540 nm beträgt die messbare Hö-
Prototyps in Vielfachen der Lichtwellenlänge ei- henauflösung also s D 27 nm.
ner bestimmten Spektrallampe ausgemessen und
so eine neue Meterdefinition eingeführt, die bis 6.4.1.6 Beugung am Spalt
1983 Gültigkeit hatte (Abschn. 1.3). In der op- Eine fundamentale Prämisse der geometrischen
tischen Messtechnik misst man die Länge von Optik ist die geradlinige Ausbreitung des Lichtes.
504 6 Optik

Abb. 6.84 Beugungsbild eines Spaltes

Abb. 6.85 Beugung am Spalt; Überlagerung von Ele-


mentarwellen

(J. F RAUNHOFER, 1787 bis 1826) liegt sowohl


die Lichtquelle als auch der Beobachtungsschirm
Abb. 6.83 Beugung an einer Öffnung: a Fresnel’sche Be-
trachtung, b und c Fraunhofer’sche Betrachtung
im Unendlichen (Abb. 6.83b). Praktisch kann
dies nach Abb. 6.83c realisiert werden, indem
Lichtquelle und Schirm jeweils im Brennpunkt
Tatsächlich wird dies auch beobachtet, wenn sich einer Linse stehen. Alle folgenden Ableitungen
Lichtstrahlen ungestört im homogenen Raum beziehen sich auf die Fraunhofer’sche Betrach-
ausbreiten. Sobald aber Hindernisse die freie tungsweise; die Beugung nach Fresnel ist in Ab-
Ausbreitung stören, stellt man fest, dass Licht- schn. 6.4.1.16 beschrieben.
strahlen ihre Richtung ändern. Sie werden an den Bei der Fraunhofer’schen Beugung am Spalt
Rändern der Hindernisse gebeugt. Wie im Fol- entsteht auf einem Schirm die in Abb. 6.84 ge-
genden verdeutlicht, ist die Abweichung von der zeigte Helligkeitsverteilung. Ein zentraler heller
geradlinigen Ausbreitung des Lichtes umso stär- Streifen ist symmetrisch von dunklen und hellen
ker, je kleiner die Dimensionen der Öffnungen Streifen umgeben. Der Abstand der Beugungs-
und Hindernisse sind, an denen das Licht gebeugt streifen vergrößert sich mit abnehmender Spalt-
wird. breite und zunehmender Wellenlänge.
Bei der Untersuchung der Beugungserschei- Zur Ableitung der Beugungsverhältnisse am
nungen unterscheidet man zwei Fälle der expe- Spalt sei nach Abb. 6.85 ein Spalt mit der Brei-
rimentellen Ausführung, die in Abb. 6.83 darge- te b, der senkrecht zur Zeichenebene nicht be-
stellt sind. Abb. 6.83a zeigt die Beugung nach grenzt sein soll, von links mit parallelem Licht
Fresnel. Lichtquelle L und Beobachtungspunkt P beleuchtet. Es treffen also ebene Wellen auf
auf dem Schirm liegen in endlichem Abstand von den Spalt. Die Lichtintensität in einem belie-
der Öffnung. Bei der Fraunhofer’schen Beugung bigen Punkt hinter dem Spalt kann mit Hilfe
6.4 Wellenoptik 505

des Prinzips von Huygens und Fresnel (Ab-


schn. 5.2.6.3) bestimmt werden. Danach sendet
jeder Punkt auf einer Wellenfläche Kugelwellen
aus, die im betrachteten Aufpunkt überlagert wer-
den. In Abb. 6.85 sind innerhalb des Spalts acht
diskrete Sender solcher Elementarwellen im Ab-
stand s angeordnet. Allgemein seien es p Sender
mit p ! 1. Die Intensität, die in großer Entfer-
nung vom Spalt in Richtung des Winkels ˛ zur
Spaltnormalen auf tritt, ergibt sich aus den nach-
folgenden Überlegungen.
Alle acht .p/ elektromagnetischen Wellen ha-
ben in großem Abstand dieselbe Amplitude E O der
elektrischen Feldstärke. Lediglich die Phasenla- Abb. 6.86 Addition von p Elementarwellen
gen der ankommenden Wellen sind verschieden,
denn zwischen jeweils zwei benachbarten Wel-
len besteht nach Abb. 6.85 der Gangunterschied Setzt man für den Phasenwinkel
D s sin ˛ D b sin ˛=p. Die Phasendifferenz
zwischen zwei benachbarten Kugelwellen ist am b sin ˛
' D 2 
Aufpunkt p

b sin ˛ ein, dann ist


' D 2  D 2  :
 p sin
  b
sin ˛

O˛ DE
E O0 
:
 b
Die resultierende Feldstärke ist demnach 
sin ˛

O cos.!t/ C E
E˛ D E O cos.!t C '/ C Der Vorfaktor E O 0 D p EO ist die Amplitude der
O cos.!t C 2'/ C Feldstärke, die aus der Überlagerung von p Wel-
CE
len ohne Phasenverschiebung resultiert, die also
CCE O cosŒ!t C .p  1/' : in Geradeausrichtung .˛ D 0/ beobachtet wird.
Beachtet man, dass die Intensität proportional
Diese Summe kann sehr einfach bestimmt wer- zum Quadrat der Feldstärke ist (Abschn. 5.2.2.2),
den, wenn die Wellen komplex geschrieben und dann ergibt sich für die Intensität I˛ der in Rich-
in der komplexen Ebene addiert werden: tung ˛ abgebeugten Strahlung
 
O j!t .e 0 C e j' C e j2' C    C e j.p1/' / sin2  b
E ˛ D Ee  sin ˛
I˛ D I0  2 : (6.107)
 b

sin ˛
Abb. 6.86 zeigt die Addition der acht Zeiger, die
jeweils um den Phasenwinkel ' gegeneinander Abb. 6.87 zeigt die Intensitätsverhältnisse bei der
verdreht sind. Für die Länge des resultierenden Beugung am Spalt. Aufgetragen ist die mathe-
Zeigers liest man ab matische Funktion I˛ =I0 D sin2 x=x 2 mit x D
. b=/ sin ˛. Die Funktion hat Nullstellen (phy-
EO ˛ D 2r sin.˚=2/ mit ˚ D p' : sikalisch: Dunkelheit) für x D ˙ ; ˙2 ; ˙3 
und so fort. Daraus folgt, dass sich die Teilwel-
len völlig auslöschen in den Richtungen mit den
Mit '  E=rO ergibt sich Winkeln ˛m , die gegeben sind durch die Bezie-
hung
EO p' 
O ˛ D 2 sin
E : sin ˛m D ˙m (6.108)
' 2 b
506 6 Optik

Abb. 6.88 Beugungsbild hinter einer Lochblende

Lösung
Abb. 6.87 Intensitätsverteilung bei der Beugung am Nach (6.108) gilt für die Winkel des ersten
Spalt Minimums sin ˛1 D ˙=b. Der Abstand der
beiden Minima ist deshalb

mit der Ordnungszahl m D 1; 2; 3; : : : Es ist s D 2l tan ˛1  2l sin ˛1 D 2l .=b/ :


bemerkenswert, dass immer dann Dunkelheit
herrscht, wenn die Wellen, die von den Rändern Die Spaltbreite beträgt
des Spalts ausgehen, einen Gangunterschied von
einem Vielfachen der Wellenlänge aufweisen. 2l  2  8 m  633 nm
Außer dem zentralen Hauptmaximum nullter bD D D 33;8 m :
s 0;3 m
Ordnung gibt es Nebenmaxima höherer Ordnung,
die näherungsweise in der Mitte zwischen den Bei der bisherigen Betrachtung war der Spalt
Nullstellen liegen. Für die Lage der Nebenmaxi- in einer Richtung unendlich ausgedehnt. Be-
ma gilt grenzt man den Spalt auch in der Höhe, so findet
  auch in dieser Richtung Beugung statt; hier sind
1  die Winkel, unter denen dunkle Streifen auftre-
sin ˛m  ˙ m C (6.109)
2 b ten, wieder durch (6.108) gegeben.
Ein praktisch wichtiger Fall ist die Beu-
mit m D 1; 2; 3; : : : gung an einer Lochblende mit dem Durchmes-
ser d . Aus Symmetriegründen ist klar, dass das
Beispiel 6.4-3 Beugungsbild rotationssymmetrisch sein muss.
Ein Spalt wird mit monochromatischem Licht Abb. 6.88 zeigt ein Beugungsbild hinter einer
eines HeNe-Lasers ( D 633 nm) beleuch- Lochblende. Das zentrale Airy’sche Beugungs-
tet. Man betrachtet das Beugungsbild auf ei- scheibchen, in das etwa 84 % der gesamten durch
ner l D 8 m entfernten Wand. Der Abstand das Loch gehenden Energie fällt, ist von dunklen
zwischen den beiden Minima erster Ordnung und hellen Ringen umgeben. Die mathematische
beträgt s D 30 cm. Wie groß ist die Spaltbrei- Berechnung der Intensitätsverteilung führt auf
te b? Bessel-Funktionen und wurde erstmals 1835 von
6.4 Wellenoptik 507

Schirm, auf dem das Bild entstand, war s D


1;45 m von der Lochblende entfernt, der Durch-
messer des dritten schwarzen Rings war d3 D
30 mm. Welchen Durchmesser d hat die Loch-
blende?

Ü 6-49 Wie groß ist das Intensitätsverhältnis der


Nebenmaxima zum Hauptmaximum bei der Beu-
gung am Spalt? Bestimmen Sie mithilfe eines
Abb. 6.89 Beugungsbild eines Drahtes: a Durchmesser Rechners die Zahlenwerte für die ersten drei Mi-
0,2 mm, b Durchmesser 0,05 mm nima.

Ü 6-50 Stellen Sie ein Programm auf zur Be-


G. B. A IRY (1801 bis 1892) gelöst. Die Funktion rechnung der Halbwertsbreite der Beugungsfigur
 2 von Abb. 6.87. Wie groß ist der Winkel ˛1=2 , für
I˛ 2J1 .x/ d den die Intensität auf I0 =2 zurückgeht?
D mit xD  sin ˛ :
I0 x 
(6.110) 6.4.1.8 Auflösungsvermögen optischer
beschreibt den normierten Intensitätsverlauf in Instrumente
Abhängigkeit vom Winkel ˛. J1 .x/ ist die
Alle optischen Instrumente, wie z. B. Fernrohr,
Bessel-Funktion 1. Ordnung, d der Durchmes-
Mikroskop und auch das menschliche Auge, ha-
ser der Blende. Der Winkel, unter dem der erste
ben ein begrenztes Auflösungsvermögen. Dies
dunkle Ring auftritt, ist gegeben durch
bedeutet, dass sehr eng benachbarte Punkte eines
 Objektes nicht mehr getrennt abgebildet werden.
sin ˛1 D 1;22 : (6.111) Ursache für das endliche Auflösungsvermögen ist
d
die Beugung des Lichts beispielsweise an Blen-
Weitere Minima treten auf für sin ˛2 D den oder Linsenfassungen. Betrachtet man etwa
2;232.=d /; sin ˛3 D 3;238.=d / und so fort. mit einem Fernrohr einen Fixstern, dann wird
Vertauscht man in Abb. 6.83c den Spalt mit ei- nach den Gesetzen der geometrischen Optik als
nem Draht gleicher Dicke, so stellt man fest, dass Bild ein Lichtpunkt erwartet. Tatsächlich erhält
außerhalb der geometrisch optischen Abbildung man aber infolge der Beugung an der Objektiv-
die gleiche Beugungsfigur auftritt wie beim Spalt. öffnung ein Airy’sches Beugungsscheibchen mit
Abb. 6.89 zeigt das Beugungsbild eines Drahtes. endlichem Durchmesser, umgeben von schwä-
(Für die Aufnahme wurde das Zentralbild wegen cheren Ringen (Abb. 6.88). Wenn man zwei be-
seiner großen Helligkeit ausgeblendet; die Beu- nachbarte Fixsterne betrachtet, erhält man zwei
gungsfiguren sind in der Senkrechten begrenzt, Beugungsscheibchen, die selbstverständlich nur
weil der Laser, mit dem der Draht beleuchtet dann getrennt wahrgenommen werden, wenn sie
wurde, ein Lichtbündel von nur wenigen Mil- einen bestimmten Mindestabstand voneinander
limetern Durchmesser aussendet.) Die Tatsache, haben. Ist der Abstand der beiden Beugungs-
dass komplementäre Hindernisse (z. B. Spalt und scheibchen zu klein, dann verschwimmen beide
Draht) dieselbe Beugungsfigur liefern, wurde von zu einem hellen Fleck, und dies bedeutet, dass die
J. BABINET (1794 bis 1872) entdeckt und wird beiden Sterne dem Beobachter wie ein Stern er-
als Babinet’sches Theorem bezeichnet. scheinen.
Die Frage, welchen Abstand die Beugungs-
6.4.1.7 Zur Übung scheibchen für eine sichere Auflösung haben
müssen, ist nicht eindeutig zu beantworten. Häu-
Ü 6-48 Die in Abb. 6.88 gezeigte Beugungsfigur fig wird das Rayleigh’sche Kriterium zugrunde
entstand durch Beleuchtung einer Lochblende gelegt. Nach L ORD R AYLEIGH (1842 bis 1919)
mit einem HeNe-Laser mit  D 633 nm. Der sind zwei Objekte dann sicher zu trennen, wenn
508 6 Optik

Lösung
Für die Wellenlänge  D 550 nm folgt
aus (6.112) für den Grenzwinkel

ı D 2;8  107 rad D 0;05800 :

Gleichung (6.112) gibt auch das Auflösungs-


vermögen des Auges an. Der Grenzwinkel des
Auflösungsvermögens infolge der Beugung an
Abb. 6.90 Intensitätsverteilung der Beugungsbilder
zweier punktförmiger Objekte in der Bildebene einer der Pupille stimmt etwa überein mit dem physio-
Linse logischen Grenzwinkel von einer Winkelminute
(Abschn. 6.2.8.1).
Beim Mikroskop gelten dieselben vorgenann-
das Maximum nullter Ordnung der Beugungsfi- ten Überlegungen. Der Grenzwinkel nach (6.112)
gur des ersten Objekts und das erste Minimum lässt sich umrechnen in einen Mindestabstand y,
des zweiten Objekts aufeinander fallen. Dieser den zwei Objektpunkte haben müssen, damit sie
Zustand ist in Abb. 6.90 dargestellt. Die ausge- getrennt werden:

zogene Gesamtintensität als Summe der beiden y = 0;61 : (6.113)
gestrichelten Beugungsfiguren zeigt eine deut- AN
liche Einsattelung. Mithilfe von (6.111) folgt, Hierbei ist AN D n sin  die numerische Aper-
dass zwei Objektpunkte, die unter dem Winkel ı tur des Objektivs;  ist der halbe Öffnungswin-
erscheinen, dann aufgelöst werden, wenn die Be- kel, unter dem das Objektiv vom Objekt aus
ziehung erscheint, n ist der Brechungsindex des Medi-
 ums, das sich zwischen Objekt und Objektiv
ı = 1;22 (6.112)
d befindet. Gleichung (6.113) setzt voraus, dass
man selbstleuchtende Objekte betrachtet. Ein Ob-
erfüllt ist. Hier ist d der Objektiv- bzw. Blenden- jekt das von einer Lampe beleuchtet wird und
durchmesser. Da es sich stets um kleine Winkel das Licht diffus ins Objektiv streut, kann wie
handelt, ist der Sinus durch den Winkel selbst im ein Selbstleuchter angesehen werden. Beleuchtet
Bogenmaß ersetzt. Aus (6.112) folgt: man ein Objekt mit kohärentem Licht, dann kön-
nen an feinen Strukturen der Objektoberfläche
Beugungserscheinungen auftreten, die das Auf-
Das Auflösungsvermögen eines optischen lösungsvermögen bestimmen. Abbe zeigte, dass
Instruments ist umso besser, je größer der in diesem Fall das Auflösungsvermögen gemäß
Objektivdurchmesser und je kleiner die y D =AN berechnet wird. Dieser Ausdruck
Wellenlänge des Lichtes ist. stimmt bis auf den Faktor 0,61 mit (6.113) über-
ein (Abschn. 6.6).
Aus den vorgenannten Überlegungen folgt:
Das Auflösungsvermögen großer astronomi-
scher Spiegelteleskope ist nicht beugungsbe-
grenzt, sondern durch atmosphärische Störun- Mit einem Mikroskop sind Objektstruktu-
gen eingeschränkt. Diese werden vermieden ren in der Größenordnung der Lichtwellen-
bei Teleskopen, die im Weltraum stationiert länge auflösbar.
sind.

Beispiel 6.4-4 Beispiel 6.4-5


Welche Auflösung hat das seit 1990 im Welt- Welchen kleinsten Abstand zweier Objekt-
raum stationierte Hubble-Teleskop mit einem punkte kann man mit einem Lichtmikroskop
Spiegeldurchmesser von d D 2;4 m? noch auflösen?
6.4 Wellenoptik 509

Lösung
Mikroskope mit Ölimmersion haben eine ma-
ximale numerische Apertur von etwa AN D
1;4. Nach (6.113) gilt dann y = 0;44 . Dies
bedeutet also praktisch, dass zwei Teilchen
dann getrennt werden, wenn ihr Abstand ei-
ne halbe Wellenlänge beträgt. Beleuchtet man
das Objekt mit blauem Licht der Wellenlänge
 D 450 nm, dann ist y = 200 nm.

6.4.1.9 Zur Übung

Ü 6-51 Welchen Grenzwinkel können zwei Ob- Abb. 6.91 Beugung am Gitter
jektpunkte haben, damit sie mit dem Auge aufge-
löst werden? Der Pupillendurchmesser sei d D
2 mm. Der Glaskörper des Auges hat den Bre- Zur Berechnung der abgebeugten Intensität I˛
chungsindex n D 1;34. Die Berechnung soll für bei insgesamt p Spalten werden entsprechend
grünes Licht der Wellenlänge  D 550 nm durch- Abb. 6.85 die Feldstärken von p interferierenden
geführt werden. Vergleichen Sie das Ergebnis mit Wellen addiert.
dem physiologischen Grenzwinkel. Zwei benachbarte Wellen haben den Gangun-
terschied D g sin ˛; die Phasenwinkel unter-
Ü 6-52 Ab welcher Größe kann man Objekte auf scheiden sich um ' D .2 =/g sin ˛.
dem Mond mit dem bloßen Auge unterscheiden, Die Addition der p Wellen ergibt eine resul-
wenn die Augenpupille d D 4 mm Durchmesser tierende Feldstärke !
hat?  g
p' sin p sin ˛
O 0 sin
E O0
E 
Ü 6-53 Ein Wanderer betrachtet eine s D 15 km EO˛ D 2 D ! :
weit entfernte Burg. An einer Burgwand befindet p sin ' p  g
2 sin sin ˛
sich eine Fensterfront mit Fenstern im Abstand 
y D 1 m. a) Kann er mithilfe eines Fernroh- Für die Intensität erhält man
res 8  30 die Fensterreihe auflösen? b) Welches !
Auflösungsvermögen hat sein Auge bei einer Pu-  g
sin2 p sin ˛
pillengröße von d D 1;5 mm? I0 
I˛ D 2 ! :
p
2  g
6.4.1.10 Beugung am Gitter sin sin ˛

Mehrere Spalte, die nach dem Muster gemäß
Abb. 6.91 in regelmäßigen Abständen angeord- Die Intensitätsverteilung infolge der Beugung an
net sind, bezeichnet man als Beugungsgitter. Ein jedem einzelnen Spalt wird durch (6.107) berück-
solches Gitter kann z. B. so hergestellt werden, sichtigt.
dass in eine durchsichtige Glasplatte Striche ein- Die gesamte Gitterbeugungsfunktion lautet
geritzt werden, die lichtundurchlässig sind. Die  
Breite eines Spaltes sei b, der Abstand zweier 2  b
sin sin ˛
Spalte ist die Gitterkonstante g. Senkrecht zur I˛ 
D  2 
Zeichenebene seien die Spalte unbegrenzt. Bei I0  b
Fraunhofer’scher Beobachtung fällt von links her sin ˛

ein paralleles Lichtbündel (ebene Wellen) auf 2
  g 
das Gitter. Beobachtet wird die in Richtung des sin p sin ˛
  : (6.114)
Winkels ˛ abgebeugte Intensität I˛ in unendlich 2  g
p sin
2 sin ˛
großer Entfernung (Abb. 6.83b). 
510 6 Optik

Abb. 6.92 Beugung am Doppelspalt; Spaltbreite b D


106 m, Spaltabstand g D 609 m a) theoretische Inten-
sitätsverteilung, b) Fotografie des Beugungsbildes

Die Gitterbeugungsfunktion ist ein Produkt Abb. 6.93 Interferenzfunktion bei p D 2; 4 und 8 Spal-
ten
aus zwei Faktoren; hierbei beschreibt der erste
Faktor I1 die Beugungsfunktion des Einzelspal-
tes, der zweite Faktor I2 die Interferenzfunktion Interferenzfunktion
des Gitters.
sin2 .p z/  g
Zunächst sei der historisch bedeutsame Fall I2 D mit z D sin ˛
des Doppelspalts .p D 2/ angeführt. Mithilfe p 2 sin2 .z/ 
eines Doppelspalts wurde 1802 von Young erst- betrachtet. Wie Abb. 6.93 zeigt, hat diese
mals ein Interferenzversuch mit Licht erfolgreich Funktion Hauptmaxima bei den Stellen z D
durchgeführt und die Wellennatur des Lichtes be- 0; ˙ ; ˙2  : : : Hauptmaxima treten also auf un-
wiesen. Young bestimmte damit als erster die ter den Winkeln ˛m , die die Gleichung
Wellenlänge des Lichtes. Abb. 6.92 zeigt die In-

tensitätsverteilung bei der Beugung am Doppel- sin ˛m D ˙m (6.115)
spalt. Man sieht deutlich die langsam variierende g
Einhüllende der Spaltfunktion, die die rasch vari- mit m D 0; 1; 2; : : : erfüllen. Bei diesen Win-
ierende Interferenzfunktion moduliert. keln beträgt der Gangunterschied benachbarter
Für die allgemeine Untersuchung des Auftre- Wellen ein ganzzahliges Vielfaches der Wellen-
tens von Maxima und Minima wird zunächst die länge. Das Ergebnis stimmt mit (1) aus Tab. 5.10
6.4 Wellenoptik 511

Abb. 6.95 Beugungsbild eines Strichgitters mit dem


Spaltabstand g D 4 m (a) und g D 10 m (b)

Abb. 6.94 Beugungsfunktion eines Gitters mit p D 40


Spalten

und (6.99) überein, die die konstruktive Interfe-


renz beim Doppelspalt beschreiben.
Zwischen den Hauptmaxima liegen p  2 Ne-
benmaxima, deren Höhen im Vergleich zu den
Hauptmaxima mit steigender Strichzahl p im-
mer schwächer werden. Bei den üblicherweise Abb. 6.96 Beugungsgitter bei schiefer Durchstrahlung
verwendeten großen Linienzahlen der optischen
Gitter ist die Intensität der Nebenmaxima prak-
tisch vernachlässigbar. Die Hauptmaxima werden erkennt man besonders deutlich die abnehmen-
mit steigender Strichanzahl p immer schärfer. de Intensität mit zunehmender Ordnungszahl der
Die zunehmende Schärfe der Linien mit steigen- Beugungsmaxima.
der Strichanzahl ist typisch für die Vielstrahl- Der Abstand der Maxima vergrößert sich,
interferenz. Je mehr Teilwellen an der Interfe- wenn das Gitter gedreht wird. Das einfallende
renz beteiligt sind, umso schärfer werden die Licht trifft dann nicht mehr senkrecht auf das
Bedingungen für konstruktive Interferenz. Typi- Gitter, sondern nach Abb. 6.96 unter dem Ein-
sche Gitter kommerzieller Spektrometer haben fallswinkel ˇ. Wie man sich leicht klar macht,
1000 und mehr Striche pro mm. Bei einer Brei- beträgt der Gangunterschied zwischen zwei inter-
te von 50 mm : : : 100 mm kann man also mit p  ferierenden Wellen D g.sin ˛  sin ˇ). Beu-
100:000 Spalten rechnen. gungsmaxima treten auf unter den Winkeln ˛m ,
Die gesamte theoretische Beugungsfunkti- die der Beziehung
on (6.114) ist in Abb. 6.94 für den Fall p D
40 und g D 10 b dargestellt. Die Winkel der g .sin ˛m  sin ˇ/ D ˙m  (6.116)
Hauptmaxima entsprechen (6.115). Ihre Intensi-
tät nimmt nach außen geringfügig ab. Alle Li- mit m D 0; 1; 2; : : : genügen.
nien befinden sich noch im Hauptmaximum der Die vorstehenden Betrachtungen zur Beugung
Spaltfunktion. Abb. 6.95 zeigt Fotos der Beu- am Gitter zeigen, dass die Richtungen, unter
gungsbilder, die in großem Abstand hinter zwei denen Beugungsmaxima auftreten, von der Wel-
verschiedenen Gittern entstanden. In Abb. 6.95b lenlänge des Lichtes abhängen. Man kann daher
512 6 Optik

mithilfe von Gittern sehr präzise Wellenlängen- Tab. 6.10 Spektralapparate


messungen vornehmen. Dieser Aspekt ist in Ab- Spektroskop Beobachtung eines Spektrums mit dem
schn. 6.4.1.12 ausführlich erläutert. Auge. Häufig als Tascheninstrument in
Wird ein Objekt unter dem Mikroskop be- der analytischen Chemie eingesetzt
Spektrograf Komplettes Spektrum wird auf Fotoplatte
leuchtet, dann können an feinen Strukturen Beu-
registriert. Vergleich mit Eichspektrum
gungserscheinungen ähnlich jenen beim Gitter bekannter Spektrallinien liefert die Wel-
auftreten. Abbe konnte zeigen, dass ein Bild lenlänge. Schwärzung ist Maß für die
der betrachteten Struktur nur dann beobachtet Lichtintensität
werden kann, wenn außer dem Strahl nullter Spektro- Wellenlängenbestimmung einzelner
meter Spektrallinien anhand einer geeichten
Ordnung mindestens auch die Beugungsmaxima Wellenlängenskala über Winkelmessung
erster Ordnung ins Objektiv eintreten können. Mono- Ausblenden eines schmalbandigen
Die Details werden umso deutlicher, je mehr chromator Wellenlängenbereichs aus einem an-
Beugungsmaxima vom Objektiv aufgenommen gebotenen Spektrum
werden. Aufgrund dieser Tatsache gelangte Abbe Spektral- Kombination von Monochromator und
fotometer fotoelektrischem Empfänger (Foto-
zu einer Beziehung für das Auflösungsvermö-
multiplier) zur Bestimmung spektraler
gen eines Mikroskops, die nahezu identisch ist Stoffdaten, wie z. B. Absorptionsgrad
mit (6.113) des vorstehenden Abschnitts. Nach und Transmissionsgrad
Abbe sind zwei Objektpunkte dann auflösbar,
wenn ihr Abstand y die Beziehung

y= (6.117)
AN
erfüllt; AN ist die numerische Apertur des Objek-
tivs (Abschn. 6.6.1).

6.4.1.11 Zur Übung

Ü 6-54 Bei einem Gitter ist die Gitterkonstan-


te doppelt so groß wie die Spaltbreite: g D 2 b.
Welche Beugungsordnungen m werden im Beu-
gungsbild beobachtet? Abb. 6.97 Gittermonochromator, schematisch

Ü 6-55 Welche Beugungsordnungen treten auf,


wenn ein Gitter mit 1200 Strichen/mm mit grü- nach Verwendungszweck etwas anders gebaut
nem Licht der Wellenlänge  D 550 nm durch- sind. In Tab. 6.10 sind einige Geräte angeführt.
strahlt wird? Das Herz aller Spektralapparate ist entweder ein
Prisma oder ein Gitter, mit deren Hilfe das Spek-
Ü 6-56 Ein Strichgitter mit 1000 Strichen/mm trum der verschiedenen Lichtwellenlängen räum-
wird mit gelbem Natriumlicht der Wellenlänge lich auseinandergezogen wird.
 D 589 nm durchstrahlt. a) Unter welchem Abb. 6.97 zeigt den schematischen Aufbau ei-
Winkel ˛1 zur Gitternormalen liegen die Beu- nes Spektrometers bzw. Monochromators nach
gungsmaxima erster Ordnung? b) Das Gitter wird Czerny-Turner. Das durch den Eintrittsspalt E
um ˇ D 10ı gedreht. Welche Winkel ˛1 ergeben eintretende Licht wird mithilfe des Hohlspiegels
sich jetzt für die erste Ordnung? S1 als paralleles Lichtbündel auf das Reflexions-
gitter G geworfen. Das abgebeugte Lichtbündel
6.4.1.12 Spektralapparate wird durch den Hohlspiegel S2 auf den Austritts-
Zur Messung von Lichtwellenlängen wurden ver- spalt A fokussiert. Welche Wellenlänge durchge-
schiedene Spektralapparate entwickelt, die je lassen wird, hängt von der Winkelstellung des
6.4 Wellenoptik 513

Abb. 6.98 Echelette-Gitter

Abb. 6.99 Zum Auflösungsvermögen eines Gitters. Die


Beugungsfunktion für die Wellenlänge  ist schwarz
Gitters ab. Das Gitter wird mit einem geeigne-
ten Getriebe langsam gedreht, sodass die durch-
gelassene Wellenlänge proportional zur Zeit t genden wird das Auflösungsvermögen eines Git-
anwächst. Stellt man hinter den Austrittsspalt ei- ters ermittelt. Abb. 6.99 zeigt eine vereinfachte
ne Fotodiode mit nachgeschaltetem Verstärker, Darstellung der Beugungsfunktion, wie sie z. B.
dann kann auf einem x; t-Schreiber ein Spektrum an der rechten Wand des Monochromators von
aufgezeichnet werden. Auf diese Weise entstand Abb. 6.97 entsteht. Die Hauptmaxima von zwei
z. B. das Spektrum der LED von Abb. 6.68. dicht benachbarten Wellenlängen  und  C d
Reflexionsgitter moderner Spektrometer sind werden in der m-ten Ordnung dann getrennt,
fast immer als Echelette-Gitter (frz. echelet- wenn das Intensitätsmaximum von  C d auf
te: kleiner Maßstab) ausgeführt. In eine Glas- das erste Minimum von  fällt (Rayleigh’sches
oberfläche wird mit einem Diamanten ein sä- Kriterium). Da der Raum zwischen zwei Haupt-
gezahnähnliches Profil eingeritzt, wie es in maxima von p  1 Minima durchsetzt ist, muss
Abb. 6.98 gezeigt ist. (Bei den holografischen gelten
Gittern wird das Profil auf fotochemischem Weg
geätzt.) Beim Einfallswinkel ˇ ist der Beu- .m C 1/  m
m. C d/  m  D :
gungswinkel ˛m für die m-te Ordnung wieder p
durch (6.116) gegeben. Will man nun in eine
bestimmte Ordnung m besonders viel Licht be- Hieraus folgt sofort für das Auflösungsvermögen
kommen, dann muss der Blaze-Winkel ı (engl. eines Gitters

to blaze: flammen) so gewählt werden, dass D mp : (6.119)
d
die Beugungsrichtung der natürlichen Reflexi-
onsrichtung entspricht. Dies ist der Fall für den Das Auflösungsvermögen ist also umso größer,
Blaze-Winkel je mehr Striche das Gitter hat und je höher die
Beugungsordnung ist, mit der man arbeitet.
1 Wie Abb. 6.99 zeigt, ist der nutzbare Wellen-
ıD .ˇ  ˛/ : (6.118)
2 längenbereich  beschränkt. Wird  zu groß,
dann verschmilzt z. B. die Linie  C  erster
Während bei einem normalen Transmissions- Ordnung mit der Linie  zweiter Ordnung. Auf
gitter das gebeugte Licht in viele Ordnungen dieselbe Weise wie oben macht man sich klar,
mehr oder weniger gleichmäßig verteilt wird dass der nutzbare Wellenlängenbereich – das ist
(Abb. 6.95), kann bei einem Echelette-Gitter der Bereich, in dem das Gitterspektrometer eine
praktisch das gesamte gebeugte Licht in eine be- eindeutige Wellenlängenmessung erlaubt – be-
stimmte Beugungsordnung gelenkt werden. Das schränkt ist auf
spektrale Auflösungsvermögen eines Spektralap-
parats hängt von seinem Gitter, der verwendeten 
 D : (6.120)
Beugungsordnung und der Spaltbreite ab. Im Fol- m
514 6 Optik

Beispiel 6.4-6
Mit einem Gitter mit der Strichanzahl p D
120:000 bei 1200 Strichen/mm sollen die bei-
den Natrium-D-Linien getrennt werden. Ist
dies möglich? Wie groß ist der nutzbare
Wellenlängenbereich ? Die Wellenlängen Abb. 6.100 Schema eines Prismenspektrometers
betragen 1 D 589;5930 nm und 2 D
588;9963 nm.
 D 633 nm unter dem Einfallswinkel ˇ D 50ı .
a) Wie groß ist der Beugungswinkel ˛1 für die
Lösung
erste Ordnung? b) Wie groß muss der Blaze-
Mit dem genannten Gitter kann nur in der ers-
Winkel ı sein, damit maximale Intensität in der
ten Ordnung gemessen werden, da für m > 1
ersten Ordnung auftritt?
nach (6.115) der Sinus des Beugungswinkels
größer als 1 wäre. Das Auflösungsvermögen
Ü 6-58 Die beiden Natrium-D-Linien mit 1 D
beträgt somit =d D 1;2  105 . Erforderlich
589;5930 nm und 2 D 588;9963 nm sollen mit
ist zur Trennung der D-Linien
einem Gitter getrennt werden, das 50 Striche/mm
 589 nm hat. a) Wie breit muss das Gitter mindestens sein,
D D 987 : wenn in der ersten Ordnung gemessen werden
d 0;5967 nm
soll? b) Welches Auflösungsvermögen hat dieses
Das genannte Gitter kann also mehr als hun- Gitter, wenn es in der dritten Ordnung benutzt
dert mal feinere Wellenlängendifferenzen auf- wird?
lösen. Der nutzbare Wellenlängenbereich ist
 D  D 589 nm. Ü 6-59 Welche Basisbreite muss ein Prisma
mindestens haben, damit man mit ihm die bei-
Ist ein Spektrum mit einem großen Wellenlän- den Na-D-Linien auflösen kann? Das Prisma aus
genbereich zu untersuchen, muss eine Vorzerle- Flintglas F3 hat bei  D 589 nm die Dispersion
gung des Spektrum beispielsweise mithilfe eines dn=d D 8;5  10 m .
4 1

Prismenmonochromators durchgeführt werden,


der in Abb. 6.100 schematisch dargestellt ist. Die 6.4.1.14 Röntgenbeugung an
Trennung benachbarter Wellenlängen (ausgezo- Kristallgittern
gene und gestrichelte Strahlen) hängt ab von der Die Röntgenbeugung an Raumgittern ist von be-
Basislänge B des Prismas sowie von der Disper- sonderer Wichtigkeit bei der Untersuchung der
sion dn=d des Glases. Das Auflösungsvermögen Kristallstruktur fester Körper. Zur Herleitung der
eines Prismas beträgt (ohne Beweisführung an wesentlichen Beziehungen sei als erstes die Beu-
dieser Stelle) gung einer Lichtwelle an einer linearen Punktrei-
ˇ ˇ
 ˇ dn ˇ he nach Abb. 6.101a betrachtet. Parallele Strahlen
D B ˇˇ ˇˇ : (6.121)
d d sollen unter dem Glanzwinkel ˛0 gegen die x-
Achse auf die Punktreihe fallen. Die an den ein-
Im Allgemeinen haben Gitterspektrometer ein zelnen Punkten gestreuten Lichtwellen interferie-
höheres Auflösungsvermögen als Prismenspek- ren konstruktiv miteinander, wenn der Gangun-
trometer. Letztere haben aber keine Begrenzung terschied zwischen zwei benachbarten Strahlen
im nutzbaren Wellenlängenbereich. ein ganzes Vielfaches der Wellenlänge beträgt.
Aus Abb. 6.101a folgt sofort, dass Interferenz-
6.4.1.13 Zur Übung maxima auftreten für die Winkel ˛ gegen die
x-Achse, für die gilt
Ü 6-57 Auf ein Echelette-Gitter mit 450 Stri-
chen/mm fällt das Licht eines HeNe-Lasers mit a .cos ˛  cos ˛0 / D h  (6.122)
6.4 Wellenoptik 515

Abb. 6.101 Beugung an einer Punktreihe. a Zur Ablei-


tung der Bedingung für konstruktive Interferenz, b Beu-
gungskegel Abb. 6.102 Beugung am Flächengitter: a Punktgitter,
b Beugungsbild hinter einem Kreuzgitter mit a D 4 m,
b D 10 m
mit der Ordnungszahl h D 0; 1; 2; : : : Diese Glei-
chung ist physikalisch gleichwertig mit (6.116). ˛ und ˇ gestreuten Strahlen außer (6.122) noch
Wegen der Symmetrie liegen die Intensitätsmaxi- dem Ausdruck
ma der verschiedenen Ordnungen h auf Kegeln
um die x-Achse mit halbem Öffnungswinkel ˛ b .cos ˇ  cos ˇ0 / D k 
(Abb. 6.101b). Bei Fraunhofer’scher Betrachtung
wird das gebeugte Licht auf einem Bildschirm mit der Ordnungszahl k D 0; 1; 2; : : : entspre-
in großer Entfernung aufgefangen. Als Schnitt- chen. Das Interferenzmuster, das jetzt auf einem
kurven der Kegel mit dem Schirm ergibt sich Schirm entsteht, ist ein System von Punkten, die
eine Hyperbelschar. Bei kleiner Ordnungszahl h an den Schnittpunkten von zwei gekreuzten Hy-
gehen die Interferenzlinien in eine Schar nahe- perbelscharen liegen. Bei kleinen Ordnungszah-
zu paralleler Geraden über, sodass man das vom len h und k entsteht ein rechteckiges Punktmuster
ebenen Gitter her bekannte Interferenzbild erhält gemäß dem Foto Abb. 6.102b. Tatsächlich ist
(Abb. 6.95). dies das Beugungsbild eines Kreuzgitters (zwei
Die lineare Punktreihe wird nun nach gekreuzte Strichgitter). Nach dem Theorem von
Abb. 6.102a zu einem ebenen Punktgitter erwei- Babinet ergibt sich dabei aber dasselbe Interfe-
tert. Lichtstrahlen, die unter den Winkeln ˛0 und renzmuster (Abschn. 6.4.1.6).
ˇ0 relativ zur x- bzw. y-Achse auftreffen, inter- Aus dem Flächengitter nach Abb. 6.102a wird
ferieren konstruktiv, wenn die unter den Winkeln ein Raumgitter, wenn gleichartige Flächengitter
516 6 Optik

in der dritten Dimension übereinander gestapelt


werden. Der Abstand gleichartiger Netzebenen
in der z-Richtung sei c. Lichtstrahlen sollen un-
ter den Winkeln ˛0 ; ˇ0 und 0 gegen die x-, y-
bzw. z-Achse auftreffen. Interferenzmaxima wer-
den beobachtet unter den Winkeln ˛; ˇ und
gegen die Achsen, die dem Gleichungssystem

a .cos ˛  cos ˛0 / D h  ;
b .cos ˇ  cos ˇ0 / D k  ;
c .cos  cos 0 / D l  (6.123)

mit ganzzahligen Ordnungszahlen h; k; l entspre-


chen. Für eine beliebige, aber feste Wellenlänge Abb. 6.103 Laue-Aufnahme eines Kupfer-Einkristalls in
sind diese Laue-Gleichungen im Allgemeinen (100)-Orientierung. Die vierzählige Symmetrie des kubi-
nicht zu erfüllen. Bestrahlt man das Raumgitter sches Kristalls spiegelt sich im Beugungsbild wider. Foto:
aber mit weißem Licht, dann können mit ver- Max-Planck-Institut für Metallforschung, Stuttgart
schiedenen Wellenlängen die Laue-Gleichungen
für einige Winkel ˛; ˇ und erfüllt werden.
Ideale dreidimensionale Gitter sind die Kris-
tallgitter der Festkörper. Nach einem Vorschlag
von M. V. L AUE (1879 bis 1960) zeigten Fried-
rich und Knipping 1912, dass Beugung von
Röntgenstrahlung an Kristallgittern möglich ist.
(Sichtbares Licht wird an Kristallen nicht ge-
beugt, weil die Wellenlänge viel zu groß ist im
Vergleich zur Gitterkonstanten.) Zur Herstellung
einer Laue-Aufnahme wird auf einen Kristall
„weiße“ Röntgenstrahlung gerichtet. Eine Foto-
platte, die hinter dem Kristall angebracht ist,
wird an den Stellen geschwärzt, an denen Beu- Abb. 6.104 Netzebenen eines Kristalls
gungsmaxima auftreffen. Abb. 6.103 zeigt ein
solches Laue-Diagramm. Das Punktmuster spie-
gelt die Symmetrie des Kristallgitters in Bezug Netzebenen eines Kristalls zurückgeführt wer-
auf die Durchstrahlungsrichtung wider. Mit Hilfe den. Jeder Kristall ist von einer großen Anzahl
von Laue-Aufnahmen werden Kristalle orientiert, von Netzebenen durchzogen, auf denen die ein-
wenn sie z. B. in bestimmten Richtungen ge- zelnen Atome angeordnet sind, wie Abb. 6.104
schnitten werden sollen. zeigt. Der Abstand benachbarter Netzebenen
Historisch ist die Laue-Beugung deshalb so ist für verschiedene Netzebenenscharen unter-
bedeutend, weil damit zugleich die Wellennatur schiedlich. Fällt nach Abb. 6.105 ein paralleles
der Röntgenstrahlen sowie die Raumgitterstruk- Strahlenbündel auf einen Kristall, dann werden
tur der Kristalle bewiesen werden konnten. die einzelnen Röntgenstrahlen an verschiedenen
Eine einfachere Erklärung der Beugung von Netzebenen reflektiert. Konstruktive Interferenz
Röntgenstrahlen an Kristallgittern stammt von liegt vor, wenn der Gangunterschied benachbar-
W. H. B RAGG (1862 bis 1942) und Sohn ter reflektierter Strahlen ein ganzes Vielfaches der
W. L. B RAGG (1890 bis 1971). Danach kann die Wellenlänge beträgt, d. h., wenn die Bragg’sche
Röntgenbeugung an Kristallen auf die Reflexi- Bedingung
on von Röntgenstrahlen an den verschiedenen 2d sin  D m (6.124)
6.4 Wellenoptik 517

flex erster Ordnung unter dem Glanzwinkel


 D 10;15ı auftritt?

Lösung
Nach (6.124) gilt

 D 2d sin  D 4;027  1010 m  sin 10;15ı


D 7;1  1011 m D 71 pm :
Abb. 6.105 Reflexion von Röntgenstrahlen an einer
Netzebenenschar
Eine für die Praxis sehr wichtige Methode
zur Bestimmung von Netzebenenabständen und
damit zur Strukturanalyse ist das Pulververfah-
ren nach Debye-Scherrer. Hierbei werden keine
großen Einkristalle benötigt, sondern viele kleine
Kristallite. Dazu wird das Material meist pulve-
risiert und zu einem kleinen Stäbchen gepresst.
Fällt ein monochromatischer Röntgenstrahl R
nach Abb. 6.107a auf das Stäbchen P, wird die
Röntgenstrahlung an den willkürlich orientierten
Abb. 6.106 Schema eines Drehkristall-Spektrometers Netzebenen der regellos verteilten Kriställchen
gebeugt. Genügend viele Netzebenen schließen
mit dem Primärstrahl einen Winkel  ein, der die
mit der Ordnungszahl m D 0; 1; 2; : : : erfüllt Bragg’sche Bedingung (6.124) befriedigt. Die ab-
ist; d ist der Abstand benachbarter Netzebenen, gebeugten Röntgenstrahlen liegen auf Kegelmän-
 der Glanzwinkel. Die Bragg’sche Bedingung teln um den Primärstrahl und schwärzen einen
ist den Laue’schen Gleichungen (6.123) äquiva- Film F, der konzentrisch um das Stäbchen ge-
lent. Nur wenn weißes Licht auf einen Kristall legt ist. Aus der Lage der Linien auf dem Film
fällt, können die Reflexe an den verschiedenen (Abb. 6.107b) lassen sich die Netzebenenabstän-
Netzebenenscharen zugleich beobachtet werden. de und damit die Kristallstruktur bestimmen.
Trifft monochromatische Röntgenstrahlung
auf einen Kristall, dann werden nach der 6.4.1.15 Zur Übung
Bragg’schen Bedingung Reflexe nur beobachtet,
wenn der Glanzwinkel  ganz bestimmte Werte Ü 6-60 Ein kubischer Kristall mit a D b D
annimmt. Beim Drehkristall-Spektrometer nach c D 0;3 nm wird in z-Richtung mit Röntgen-
Bragg entsprechend Abb. 6.106 fällt Röntgen- strahlen bestrahlt, a) Welche Wellenlänge muss
strahlung durch einen Spalt S auf einen Einkris- die Strahlung haben, damit ein (1, 1, 1)-Reflex,
tall K, der langsam gedreht wird. Ein Röntgen- d. h. h D k D 1, l D 1, auftritt? b) In welchen
detektor D dreht sich mit doppelter Winkelge- Richtungen sind Beugungsmaxima beobachtbar?
schwindigkeit mit. Registriert der Detektor beim
Winkel  einen Röntgenreflex, dann kann bei be- Ü 6-61 Der Abstand benachbarter (100)-
kanntem Netzebenenabstand d die Wellenlänge Netzebenen in NaCl beträgt d D 0;28 nm. Unter
der Röntgenstrahlung bestimmt werden. welchen Glanzwinkeln treten die ersten drei Beu-
gungsordnungen auf, wenn Röntgenstrahlung der
Beispiel 6.4-7 Wellenlänge  D 7;1  1011 m auf einen Einkris-
Die Strahlung einer Röntgenröhre mit Mo- tall fällt?
lybdänanode fällt auf einen LiF-Kristall mit
2 d D 4;027  1010 m. Wie groß ist die Wel- Ü 6-62 Der Abstand zwischen (100)-Ebenen des
lenlänge der Röntgenstrahlung, wenn der Re- Eisens beträgt d D 2;8  1010 m. Eisenpulver
518 6 Optik

Abb. 6.107 Pulvermethode nach Debye-Scherrer: a De- fisches Positiv). Foto: Max-Planck-Institut für Metallfor-
bye-Scherrer-Kamera (schematisch), b Debye-Scherrer- schung, Stuttgart
Aufnahme einer Palladium-Silicium-Legierung (fotogra-

wird in einer Debye-Scherrer-Kammer mit Rönt- ständnis diene folgendes Gedankenexperiment:


genstrahlung der Wellenlänge  D 1;54  1010 m Wirft man eine Handvoll Steine ins Wasser, so
bestrahlt. a) Wie groß sind die Winkel zwischen hängt die sich ausbreitende Wellenfront von den
dem Primärstrahl und den gestreuten Strahlen der Amplituden (Größe der Steine) und Phasenlagen
ersten zwei Beugungsordnungen? b) Welches ist (Zeitpunkt des Eintauchens) aller Elementarwel-
die größte beobachtbare Beugungsordnung? len ab. Ändert sich Amplitude oder Phase auch
nur einer Elementarwelle, dann ändert sich auch
6.4.1.16 Holografie die Form der resultierenden Wellenfront.
Die Holografie ist eine Methode, mit der man Bei der gewöhnlichen Fotografie geht der
räumliche Bilder von Gegenständen erzeugen räumliche Eindruck verloren, weil die Schwär-
kann. Der Raumeindruck ist so echt wie bei der zung des Films nur von der Intensität (Ampli-
Betrachtung des Gegenstands selbst. Steht z. B. tudenquadrat) der Lichtwelle abhängt, nicht aber
im Vordergrund des Bildes ein Hindernis, so kann von ihrer Phase. Die Information, die in der Pha-
man durch Bewegen des Kopfes um das Hinder- senlage steckt, geht verloren. Bei der Holografie
nis herum schauen wie beim realen Objekt. Die wird diese Information dadurch konserviert, dass
Holografie wurde von D. G ABOR (1900 bis 1979) die Welle, die vom Objekt ausgeht, mit einer sog.
1948 entwickelt, ist aber praktisch erst nutzbar, Referenzwelle zur Interferenz gebracht wird. Das
seit mit dem Laser eine intensive kohärente Licht- auf einer Fotoplatte registrierte Interferenzmuster
quelle zur Verfügung steht. enthält dann Informationen über Amplitude und
Wird ein Gegenstand mit einer kohärenten Phase der Wellen.
Lichtquelle beleuchtet, dann sendet jeder be- Das Prinzip sei zunächst anhand von
strahlte Punkt des Objekts Huygens’sche Ele- Abb. 6.108 demonstriert. In Abb. 6.108a ist
mentarwellen aus, deren Gesamtheit die vom eine kugelförmige Objektwelle, die von einem
Objekt abgestrahlte Welle ergibt. Die Wellenfront Objektpunkt P ausgeht, mit einer ebenen Refe-
dieser Welle enthält alle Informationen über das renzwelle gleicher Wellenlänge zur Interferenz
Objekt, sodass es nach Gabor möglich sein sollte, gebracht. Orte gleicher Phase (Verstärkung) der
rückwärts aus der Form der Wellenfront die Form Wellen sind als ausgezogene Linien gezeichnet,
des Objekts zu rekonstruieren. Zum besseren Ver- Orte mit entgegengesetzter Phase (Auslöschung)
6.4 Wellenoptik 519

Abb. 6.108 Prinzip der Holografie. a Überlagerung einer Kugelwelle des Punktes P mit einer ebenen Referenzwelle,
b Hologramm (Fresnel’sches Zonensystem), c Wiedergabe des Bildes

sind gestrichelt dargestellt. Ein Film F wird an a


den Stellen maximaler Amplitude geschwärzt;
es entsteht das Fresnel’sche Zonensystem gemäß
Abb. 6.108b als Interferenzmuster. Zur Wie-
dergabe des Bildes wird nach Abb. 6.108c das
entwickelte Hologramm H nur noch mit der Re-
ferenzwelle beleuchtet. Das Hologramm wirkt
wie ein Strichgitter, an dem die Referenzwelle
gebeugt wird. (Die abrupten Übergänge zwischen
undurchsichtigen und transparenten Stellen sind
in Wirklichkeit stetig.) Ein Teil der gebeugten
Strahlen trifft sich im reellen Bildpunkt P0r , der
andere Teil divergiert und scheint aus dem virtu-
ellen Bildpunkt P0v zu kommen. Damit wurde ein b
Bild des Gegenstands entworfen. Erwähnenswert
ist, dass eine Zonenplatte parallele Lichtstrahlen
bündelt wie eine Sammellinse; man nennt sie
deshalb auch Zonenlinse.
Bei der Aufnahme eines Hologramms eines
ausgedehnten Objekts O wird nach Abb. 6.109a
ein Laserstrahl L in zwei Teilstrahlen zerlegt,
von denen einer das Objekt beleuchtet, der an-
dere (rot) als Referenzstrahl verwendet wird. Die
einzelnen Objektpunkte senden Kugelwellen aus,
sodass auf der Fotoplatte F ein kompliziertes In-
terferenzmuster entsteht. Nach der Entwicklung
hat das Hologramm etwa das Aussehen eines Ge-
wirrs von Fingerabdrücken. Von der Form des
Objekts ist nichts zu erkennen. Zur Bildwiederga- Abb. 6.109 Holografie-Apparatur, schematisch: a Auf-
be stellt man das Hologramm H nach Abb. 6.109b nahme, b Wiedergabe
520 6 Optik

Anwendungen
Einen Überblick über die wichtigsten technischen
Anwendungen der Holografie zeigt Tab. 6.11.
Für die Speicherung von Informationen sind
Hologramme besonders gut geeignet, weil in
jedem Punkt des Hologramms die Information
vom ganzen Objekt steckt. Dies bedeutet prak-
tisch, dass selbst ein Teilstück eines zerbroche-
nen Hologramms bei der Rekonstruktion wieder
das gesamte dreidimensionale Bild liefert (aller-
dings konstrastärmer als das Bild eines vollstän-
Abb. 6.110 Reflexion von weißem Licht an den Schwär- digen Hologramms). Ein Hologramm ist daher
zungsebenen eines Weißlichthologramms ein gegen Informationsverlust geschützter Spei-
cher. Hat man digitale Daten in Form von ebe-
nen Punktmustern vorliegen, dann kann man auf
an seine alte Stelle und beleuchtet es mit der Re- einem Hologramm mehrere hundert Vorlagen ab-
ferenzwelle. Für das Auge A entsteht dann ein speichern. Dazu wird nach jeder Aufnahme das
dreidimensionales Bild B an der Stelle, wo vor- Hologramm um einen definierten Winkel gedreht
her das Objekt stand. (Winkelkodierung). Bei der Wiedergabe kann
Für die Wiedergabe des Bildes ist in der Re- je nach Winkel zwischen Hologramm und Re-
gel derselbe Laser wie bei der Aufnahme erfor- ferenzwelle ein bestimmtes Teilbild ausgelesen
derlich. Ein Weißlichthologramm kann dagegen werden. Man rechnet mit einer Speicherkapazität
auch mit weißem Licht betrachtet werden. Bei von 1011 bis 1012 bit auf einem Hologramm.
der Aufnahme eines Weißlichthologramms fällt Bei der holografischen Korrelation wird zu-
die Gegenstandswelle z. B. von vorn, die Re- nächst von einem Muster ein Hologramm aufge-
ferenzwelle von hinten auf die Fotoplatte. Da- nommen. Bei der Wiedergabe sitzt ein Bauteil,
durch bilden sich stehende Wellen aus, die ge- das mit dem Muster verglichen werden soll, an
mäß Abb. 6.110 im Abstand =2 die Fotoplat- der Stelle des Objekts. Beleuchtet man das Holo-
te schwärzen. Bei dicker Emulsion erhält man gramm nur noch mit der Objektwelle (Referenz-
damit mehrere praktisch parallel übereinander welle ausgeschaltet), dann wird durch Beugung
liegende Hologramme. Die Betrachtung des Ho- der Objektwelle am Hologramm die Referenz-
logramms erfolgt in Reflexion. Weißes Licht fällt welle rekonstruiert, die auf einen Fotodetektor
auf die verschiedenen einzelnen Hologramme fokussiert werden kann. Dies gelingt ideal, wenn
und wird an ihnen reflektiert wie an den Netz- die beiden zu vergleichenden Bauteile formgleich
ebenen eines Kristalls. Nach der Bragg’schen sind. Weicht die Form des Prüflings vom Muster
Gleichung (6.124) wird nur einfarbiges Licht ab, so wird ein abweichender Fotostrom regis-
reflektiert. Je nach Blickrichtung erscheint das triert, dessen Abweichung vom Sollwert ein Maß
Bild in einer anderen Farbe. Verwendet man bei für den Formfehler des Objektes ist. Dieses Prüf-
der Aufnahme drei Laser mit den Farben rot, verfahren ist kaum zeitaufwändig und kann auto-
grün und blau, so werden in verschiedenen Tie- matisiert werden.
fen der Emulsion Hologramme für rotes, grünes Die Interferenzholografie ist eine wichtige
bzw. blaues Licht erzeugt. Bei Betrachtung die- Methode in der zerstörungsfreien Werkstoffprü-
ses Farbhologramms mit weißem Licht entsteht fung, der Verformungs- und Schwingungsanalyse
durch additive Farbmischung ein farbiges Bild von Bauteilen. Bewegungen oder Verformungen
des Gegenstands. aufgrund mechanischer oder thermischer Belas-
6.4 Wellenoptik 521

Tab. 6.11 Technische Anwendungen der Holografie


Speicherung von Informa- holografische Korrelation Interferenzholografie Herstellung optischer Bau-
tionen teile
Archivierung von Vergleich eines Werk- Zerstörungsfreie Werk- Ersatz von lichtbrechenden
5 dreidimensionalen Bil- stückes mit einem stoffprüfung, Vermessen optischen Bauteilen wie
dern, z. B. Werkstücke, holografisch fixierten von Bewegungen und Linsen, Spiegel, Prismen,
Modelle, Kunstwerke, Muster, automatische Verformungen aufgrund Strahlteiler durch Holo-
5 zweidimensionalen Bil- Formerkennung, Erken- mechanischer oder ther- gramme. Holografische
dern, wie Ätzmasken nung von Formfehlern an mischer Belastung, Herstellung von Beugungs-
für Halbleiterfertigung, Werkstücken und Werk- Schwingungsanalyse gittern
digitale optische Daten- zeugen
speicher

tungen werden durch Interferenzstreifen sicht-


bar. Es sind mehrere Methoden in der Praxis
gebräuchlich. Beim Doppelbelichtungsverfahren
werden hintereinander zwei Hologramme des
Objekts auf einer Fotoplatte aufgenommen. Hat
sich der Gegenstand zwischen den beiden Auf-
nahmen verformt, dann ist sein Bild mit In-
terferenzlinien überzogen, aus denen der Grad
der Verformung abgelesen werden kann. Beim
Echtzeitverfahren wird nur ein Hologramm ei-
nes Objektes aufgenommen. Bei der Betrachtung
wird das Objekt selbst nicht entfernt. Dadurch
kommt es zur Interferenz zwischen dem Bild
des Hologramms und dem Objekt selbst. Man
Abb. 6.111 Interferenzholografische Aufnahme der
kann nun das Objekt z. B. durch mechanische Bremsklappe eines Flugzeugs. Die Interferenzlinien
Belastung deformieren und die Formänderung in zeigen die Verformung des aus CFK bestehenden
Echtzeit beobachten. Die Zeitmittelholografie ist Bauteils bei Erwärmung. Werkfoto: Dornier GmbH,
Friedrichshafen
eine Methode zur Schwingungsanalyse. Hierbei
wählt man zur Belichtung des Hologramms eine
Zeit, die groß ist gegen die Schwingungsdauer. Punktes P vom Film s D 50 cm und die Wellen-
Dadurch entstehen helle Knotenlinien und dunkle länge des Lasers  D 633 nm beträgt?
Schwingungsbäuche. Abb. 6.111 zeigt eine Dop-
pelbelichtungsaufnahme eines Bauteils, das sich Ü 6-64 Die Zonenplatte von Ü 6-63 wird mit ei-
infolge Erwärmung verformt hat. nem Kr-Laser der Wellenlänge 0 D 647;1 nm
Mithilfe von Hologrammen können optische beleuchtet. In welchem Abstand von der Zonen-
Bauteile ersetzt werden, die zum Teil sehr arbeits- platte entsteht das Bild?
intensiv aus Glas gefertigt werden. Ein Beispiel
ist die fokussierende Wirkung der Zonenplatte in
Abb. 6.108c. 6.4.2 Polarisation des Lichtes

6.4.1.17 Zur Übung 6.4.2.1 Einführung


Durch die Experimente der Beugung und Interfe-
Ü 6-63 Welche Radien haben die Kreisringe ma- renz wird die Wellennatur des Lichtes bewiesen.
ximaler Schwärzung der Fresnel’schen Zonen- Die Väter der Wellenlehre, die Forscher Huy-
platte nach Abb. 6.108b, wenn die Entfernung des gens, Fresnel und Young, dachten dabei an eine
522 6 Optik

longitudinale Welle, bei der sich ein bestimmter


Zustand in einem „Äther“ ausbreitet, analog zu
den Schallwellen in Gasen. Durch einen Zufall
fand E. L. M ALUS (1775 bis 1812) im Jahr 1808,
dass Licht eine „Seitlichkeit“ aufweist. Er blick-
te durch ein Kalkspatprisma auf ein Fenster, in
dem sich das Sonnenlicht spiegelte. Durch Dre-
hen des Prismas veränderte sich die Helligkeit;
unter einem bestimmten Blickwinkel wurde gar
kein Licht vom Prisma durchgelassen. Malus zog
daraus den Schluss, dass das Licht bei der Refle-
xion am Fensterglas seinen natürlichen Charakter
verlor, es wurde polarisiert.
Seit Maxwell weiß man, dass Licht eine trans-
versale elektromagnetische Welle ist, bei der sich Abb. 6.113 Zirkular polarisiertes Licht
ein elektrisches und magnetisches Feld, charak-
terisiert durch die elektrische und magnetische
Abb. 6.112 zeigt eine solche linear polarisierte
Feldstärke E und H , mit Lichtgeschwindigkeit
Welle. Der E -Vektor des Lichts schwingt in
ausbreitet. Abb. 5.50 zeigt ein Momentbild einer
der Schwingungsebene, die durch den Polarisa-
ebenen elektromagnetischen Welle. Die Feldvek-
tor P vorgegeben wird. Senkrecht zu dieser Ebene
toren E und H stehen senkrecht aufeinander
schwingt der H -Vektor (nicht gezeichnet) in der
und schwingen gleichphasig. Natürliches Licht
Polarisationsebene. Um nachzuweisen, dass das
besteht aus kurzen Wellenzügen, die völlig re-
natürliche Licht durch den Polarisator linear po-
gellos mit willkürlichen Schwingungsrichtungen
larisiert wurde, schickt man das Licht durch einen
ausgestrahlt werden (Abschn. 6.4.1.1). Da im
Analysator A, der wie der Polarisator aufgebaut
zeitlichen Mittel jede Schwingungsrichtung vor-
ist. Ist die Analysatorrichtung um den Winkel
kommt, ist senkrecht zur Ausbreitungsrichtung
' gegenüber der Schwingungsrichtung verdreht,
keine Richtung ausgezeichnet.
dann wird vom elektrischen Feldvektor E nur die
Natürliches Licht kann mithilfe eines Po-
Projektion E cos ' vom Analysator durchgelas-
larisators (Abschn. 6.4.2.2) polarisiert werden.
sen. (Hinter dem Analysator schwingt das Licht
in Richtung der Analysatorachse.) Das Gesetz
von Malus beschreibt den Zusammenhang zwi-
schen den Intensitäten I0 und I vor und hinter
dem Analysator sowie dem Winkel ':

I D I0 cos2 ' : (6.125)

Stehen Polarisator und Analysator gekreuzt .' D


90ı /, dann lässt der Analysator kein Licht durch.
Abb. 6.113 zeigt zwei Lichtwellen, bei de-
nen die elektrischen Feldvektoren E in zwei
zueinander senkrechten Ebenen schwingen. Sind
die Amplituden E gleich groß und beträgt der
Gangunterschied der Wellen =4 (Phasendiffe-
renz  =2), dann läuft der resultierende Feldvek-
tor auf einer Schraubenlinie um die z-Achse.
Licht dieser Art nennt man zirkular polarisiert.
In Abb. 6.113 handelt es sich um eine rechts zir-
Abb. 6.112 Linear polarisiertes Licht
kulare Polarisation; hierbei läuft der E -Vektor
6.4 Wellenoptik 523

auf einer Rechtsschraube. Trifft diese rechts zir-


kular polarisierte Welle auf einen Analysator A,
dann läuft der E -Vektor, wenn man der Wel-
le entgegenblickt, im Uhrzeigersinn auf einem
Kreis. Dies bedeutet, dass im zeitlichen Mittel
zirkular polarisiertes Licht durch einen einfachen
Analysator nicht ausgelöscht werden kann. Da-
zu muss erst mithilfe eines =4-Plättchens der
Abb. 6.114 Zum Brewster’schen Gesetz: a Schwingungs-
Gangunterschied zwischen den beiden Teilwellen
richtung senkrecht zur Einfallsebene, b Schwingungsrich-
rückgängig gemacht werden, sodass man wieder tung in der Einfallsebene
linear polarisiertes Licht erhält, das durch einen
quer stehenden Analysator ausgelöscht werden
kann. Zur Erklärung des Brewster’schen Gesetzes
Sind bei der Überlagerung von zwei senk- wird in Abb. 6.114 ein beliebiger E -Vektor des
recht zueinander schwingenden Teilwellen ent- einfallenden natürlichen Lichtes in zwei Kompo-
weder die Amplituden nicht gleich oder ist der nenten zerlegt, wobei E? senkrecht zur Einfalls-
Gangunterschied von =4 verschieden, dann läuft ebene, Ek parallel zur Einfallsebene schwingt.
der resultierende Feldvektor auf einer elliptischen Die ins Glas eindringende elektromagnetische
Schraube; das Licht ist elliptisch polarisiert. Welle regt die Elektronen des Glases zu erzwun-
Durch Interferenzversuche stellt man fest, genen Schwingungen an, die dann ihrerseits nach
dass senkrecht zueinander polarisierte Wellen den Maxwell’schen Gleichungen elektromagneti-
nicht miteinander interferieren; die Intensitäten sche Wellen abstrahlen. Die Abstrahlcharakteris-
addieren sich einfach. tik ist wie bei einer linearen Antenne so geartet,
dass in der Schwingungsrichtung nichts abge-
6.4.2.2 Erzeugung von polarisiertem strahlt wird (Abb. 6.114b), während senkrecht zur
Licht Schwingungsrichtung die Abstrahlung maximal
ist (Abb. 6.114a).
Reflexion und Brechung Der gebrochene Strahl enthält vorwiegend
Natürliches Licht, das auf eine Glasoberfläche Feldvektoren, die in der Einfallsebene schwin-
fällt, ist nach der Reflexion teilweise polarisiert, gen. Lässt man einen Lichtstrahl unter dem
und zwar so, dass E -Vektoren, die senkrecht zur Brewster’schen Winkel auf einen Stapel von
Einfallsebene schwingen, dominieren. Das re- Glasplatten fallen, dann ist das durchgehende
flektierte Licht ist vollständig polarisiert, wenn Licht praktisch vollständig parallel zur Einfalls-
der Einfallswinkel so gewählt wird, dass der ebene polarisiert.
reflektierte und der gebrochene Strahl aufein-
ander senkrecht stehen. Die Schwingungsrich- Doppelbrechung
tung ist dabei senkrecht zur Einfallsebene. Nach
Blickt man durch einen isländischen Kalkspat
Abb. 6.114 ist der erforderliche Einfallswinkel "p ,
(CaCO3 ) auf ein beschriebenes Papier, dann er-
der als Polarisationswinkel oder Brewster’scherscheint die Schrift doppelt, wie Abb. 6.115 zeigt.
Winkel bezeichnet wird, aus dem Brechungsge- Dieser Effekt der Doppelbrechung ist auf die
setz ableitbar: anisotropen optischen Eigenschaften des Kris-
ı
sin "p D n sin .90  "p / D n cos "p oder talls zurückzuführen. (Anisotropie bedeutet, dass
physikalische Eigenschaften von Stoffen, beson-
tan "p D n (6.126)
ders von Kristallen, richtungsabhängig sind.) Der
mit n als dem Brechungsindex. Dieses Kalkspat lässt sich leicht spalten; hierbei nehmen
Brewster’sche Gesetz (D. B REWSTER, 1781 bis seine Spaltflächen die Form eines Rhomboeders
1868) liefert für Kronglas mit der Brechzahl an. Das in Abb. 6.116 gezeichnete regelmäßige
n D 1;51 den Polarisationswinkel "p D 56;5ı . Rhomboeder hat als Spaltflächen sechs Rhomben
524 6 Optik

Abb. 6.118 Wellenflächen in einachsigen Kristallen.


a negativer Kristall (z. B. Kalkspat) b positiver Kristall
(z. B. Quarz)

Abb. 6.115 Doppelbrechender Kalkspat te Ebene, die sowohl den Lichtstrahl als auch
die optische Achse enthält, wird Hauptschnitt ge-
nannt. Es zeigt sich, dass der Lichtstrahl in zwei
Teilstrahlen aufspaltet. Der ordentliche Strahl o
geht ungebrochen durch die Grenzfläche, wie
man es von den Gläsern gewohnt ist. Der au-
ßerordentliche Strahl e (extraordinär) wird seit-
lich abgelenkt. Eine Untersuchung mit Hilfe ei-
nes Analysators zeigt, dass die beiden Strahlen
Abb. 6.116 Optische Achse eines Kalkspats senkrecht zueinander polarisiert sind. Beim or-
dentlichen Strahl liegt die Schwingungsrichtung
senkrecht zum Hauptschnitt, beim außerordentli-
(Rauten), bei denen jeweils zwei gegenüberlie- chen liegt sie im Hauptschnitt.
gende Winkel 102ı bzw. 78ı betragen. Die strich- Die Geschwindigkeit, mit der sich ordentli-
punktierte Achse geht durch zwei gegenüberlie- che Strahlen ausbreiten, ist in jeder Raumrich-
gende Ecken, an denen drei 102ı -Winkel zusam- tung gleich. Wellenflächen von Elementarwellen
menstoßen. Sie wird kristallografische Haupt- sind daher Kugeln. Bei außerordentlichen Strah-
achse oder optische Achse genannt. Sie ist eine len ist die Lichtgeschwindigkeit richtungsabhän-
dreizählige Symmetrieachse des Kristalls. gig. Wellenflächen sind in diesem Fall Rotati-
In Abb. 6.117 fällt ein Strahl senkrecht auf onsellipsoide, wie sie in Abb. 6.118 dargestellt
eine Spaltfläche eines Kalkspats. Die gezeichne- sind. In Richtung der optischen Achse ist die
Ausbreitungsgeschwindigkeit für beide Polarisa-
tionsrichtungen gleich. Senkrecht dazu ergeben
sich die größten Abweichungen. In negativen
Kristallen ist die Lichtgeschwindigkeit des außer-
ordentlichen Strahls größer, in positiven kleiner
als die des ordentlichen Strahls. Quantitativ wird
dies beschrieben durch zwei verschiedene Bre-
chungsindizes; Tab. 6.12 enthält einige Zahlen-
werte.
Abb. 6.119 zeigt das Zustandekommen der
verschiedenen Laufrichtungen im Kristall. An
den Auftreffstellen der einfallenden Strahlen wer-
Abb. 6.117 Strahlenverlauf im Hauptschnitt eines Kalk-
den Huygens’sche Elementarwellen ausgesandt
spats (Abschn. 5.2.6.3). Als Einhüllende der Kugeln
6.4 Wellenoptik 525

Tab. 6.12 Brechzahlen einachsiger Kristalle für gelbes


Natrium-Licht (Wellenlänge  D 589 nm)
Substanz no ne ne  no Bezeichnung
Kalkspat 1,6584 1,4864 0,1720 negativ
Turmalin 1,6425 1,6220 0,0205
Quarz 1,5442 1,5533 C0,0091 positiv
Rutil 2,6158 2,9029 C0,2871 Abb. 6.120 Glan-Thompson-Prisma

und S. P. T HOMPSON (1883) benutzt. Bei diesem


Kalkspatprisma steht die optische Achse senk-
recht zur Zeichenebene. Das Prisma wird dia-
gonal durchgeschnitten und anschließend wieder
z. B. mit Kanadabalsam verkittet. Treffen die ein-
fallenden Strahlen an die verkittete Grenzfläche,
dann wird der ordentliche Strahl total reflektiert,
denn der Brechungsindex n D 1;542 von Ka-
nadabalsam ist kleiner als der Brechungsindex
von Kalkspat für den ordentlichen Strahl. An der
geschwärzten Seitenwand des Prismas wird der
ordentliche Strahl absorbiert, während der außer-
ordentliche das Prisma verlässt.
Bei einem Kalkspat, in den das Licht senk-
recht zur optischen Achse eintritt (wie beim
Glan-Thompson-Prisma), findet keine Aufspal-
tung der beiden Teilstrahlen statt, wie man sich
leicht anhand von Abb. 6.121 überzeugt. Da
aber die außerordentliche Wellenfront e schnel-
ler fortschreitet als die ordentliche o, besteht
nach Verlassen des Kristalls zwischen den beiden
Abb. 6.119 Aufspaltung von Strahlen, die schräg zur op- senkrecht zueinander polarisierten Teilwellen ein
tischen Achse auf einen Kalkspat fallen Gangunterschied D d.no  ne /. Dieser Effekt
wird ausgenutzt zur Herstellung von elliptisch
oder zirkular polarisiertem Licht. Dazu lässt man
bzw. Ellipsoide ergeben sich zwei verschiedene
linear polarisiertes Licht, dessen Schwingungs-
Wellenfronten und damit ein Auseinanderlaufen
richtung unter 45ı zur optischen Achse geneigt
der ordentlichen und außerordentlichen Strahlen.
ist, auf den Kristall fallen. Der E -Vektor wird
Die Tatsache, dass natürliches Licht in einem
dann im Kristall in zwei gleich große, aufeinan-
doppelbrechenden Kristall in zwei zueinander
der senkrecht stehende Anteile zerlegt. Die Zu-
senkrecht polarisierte Teilstrahlen zerlegt wird,
sammensetzung der Teilwellen hinter dem Kris-
kann man nutzen, um Polarisatoren herzustel-
tall ergibt zirkular polarisiertes Licht, falls der
len. Durch eine geeignete Anordnung ist dafür
Gangunterschied ein ungeradzahliges Vielfaches
zu sorgen, dass ordentlicher und außerordentli-
von =4 beträgt, d. h., wenn die Beziehung
cher Strahl voneinander getrennt werden. Es wur-
den verschiedene Polarisationsprismen konstru- 
iert, die diese Aufgabe erfüllen. W. N ICOL (1768 d .no  ne / D .2k C 1/ (6.127)
4
bis 1851) entwickelte 1828 das erste brauch-
bare Prisma. Am häufigsten wird heute das in mit k D 0; 1; 2; : : : erfüllt ist. Beträgt der Gang-
Abb. 6.120 gezeigte Prisma von P. G LAN (1877) unterschied D =2, dann ergibt sich wieder
526 6 Optik

Abb. 6.122 Betrachtung einer Buchseite durch zwei Po-


larisationsfolien. a Polarisationsrichtungen parallel, b Po-
larisationsrichtungen gekreuzt

sorbiert und nur der außerordentliche verlässt


(geschwächt) den Kristall.
Moderne Polarisationsfolien bestehen aus
Kunststoffen, die mit dichroitischen Farbstoffen
eingefärbt sind. Eine einheitliche Ausrichtung
der Farbstoffmoleküle wird erreicht durch me-
chanische Reckung der Kunststoffe oder durch
Ausrichtung in elektrischen oder magnetischen
Abb. 6.121 Senkrechter Lichteinfall auf einen Kalkspat,
Feldern. Solche Polaroid-Filter sind sehr großflä-
der parallel zur optischen Achse geschnitten ist chig herstellbar. Abb. 6.122 zeigt die Wirkungs-
weise von zwei Polarisationsfolien. Der erreich-
bare Polarisationsgrad liegt meist unter 99 %. Für
linear polarisiertes Licht, allerdings hat sich die exakte Messungen verwendet man deshalb auch
Schwingungsebene um 90ı gedreht. heute noch Polarisationsprismen.
In der Praxis benutzt man gern Gips- oder
Glimmerplättchen, die sich dünn spalten lassen. 6.4.2.3 Technische Anwendungen
Obwohl bei diesen zweiachsigen Kristallen die der Doppelbrechung
Verhältnisse etwas komplizierter sind, gilt das Substanzen, die von Natur aus nicht doppelbre-
oben Gesagte sinngemäß. chend sind, können unter der Wirkung äuße-
rer Felder (mechanische Spannungen, elektrische
Dichroismus und magnetische Felder) akzidentelle Doppelbre-
Einige doppelbrechende Kristalle absorbieren chung zeigen.
sichtbares Licht (sie sind farbig) in der Weise,
dass das Absorptionsmaximum für den ordentli- Spannungsdoppelbrechung
chen Strahl bei einer anderen Wellenlänge liegt Gläser und Kunststoffe werden infolge mecha-
als jenes für den außerordentlichen. Beleuch- nischer Spannungen doppelbrechend. So vergrö-
tet man sie mit linear polarisiertem Licht, so ßert sich z. B. in einem auf Zug beanspruchten
erscheinen sie je nach Schwingungsrichtung in Glasstab der Abstand der Atome in Längsrich-
verschiedenen Farben (Dichroismus). Ein klas- tung, wodurch sich der Brechungsindex vermin-
sischer Vertreter dieser Gruppe ist der grüne dert. Quer zur Zugrichtung wird infolge der
Turmalin. Bestrahlt man eine etwa 1 mm dicke Querkontraktion der Atomabstand reduziert und
Turmalinplatte mit natürlichem Licht, dann wird dementsprechend der Brechungsindex vergrö-
der ordentliche Strahl praktisch vollständig ab- ßert. Der Stab wird also doppelbrechend wie
6.4 Wellenoptik 527

ein positiv einachsiger Kristall mit der optischen Rasch abgekühlte Gläser stehen unter per-
Achse in der Beanspruchungsrichtung. manenten inneren Spannungen, die man span-
Zur experimentellen Untersuchung des ebe- nungsoptisch sichtbar machen kann. Linsen und
nen Spannungszustands in mechanisch belaste- Prismen müssen absolut spannungsfrei sein. (Der
ten Bauteilen stellt man ein Modell des Bau- Brechungsindex darf nicht von der Richtung ab-
teils aus Kunststoff her. Bringt man dieses Mo- hängen.) Sie dürfen daher zwischen gekreuzten
dell zwischen gekreuzte Polarisationsfolien, dann Polarisatoren keine Aufhellung bewirken.
wird das an sich schwarze Gesichtsfeld infolge
der Spannungsdoppelbrechung aufgehellt. (Das Elektromagnetische Lichtschalter
Licht wird elliptisch polarisiert.) Dabei schwin- Elektrische und magnetische Felder können in
gen ordentlicher und außerordentlicher Strahl in isotropen Substanzen Doppelbrechung hervor-
den Hauptspannungsrichtungen. Nach Durchlau- rufen. Tab. 6.13 zeigt eine Zusammenstellung
fen des Modells besteht ein Gangunterschied der wichtigsten Effekte. Lichtmodulatoren oder
zwischen den Teilstrahlen, der proportional ist Lichtschalter, die einen dieser Effekte ausnutzen,
zur Differenz der Hauptspannungen:  1 2 . haben im Prinzip den Aufbau, der in Abb. 6.124
Alle Orte, bei denen die Hauptspannungsrichtun- für eine Pockels-Zelle (W. P OCKELS , 1865 bis
gen mit den Schwingungsrichtungen von Polari- 1913) dargestellt ist. Zwischen gekreuzten Po-
sator und Analysator übereinstimmen, erscheinen larisatoren P und A ist ein Kristall K ange-
schwarz, da hier kein elliptisches Licht entsteht. bracht, bei dem z. B. die Stirnseiten mit einem
Auf diese Weise entstehen im Bild dunkle Li- transparenten Metallfilm überzogen sind. Legt
nien, die Isoklinen, die Punkte gleicher Haupt- man eine Spannung U und damit ein elektri-
spannungsrichtung verbinden. Bei Verwendung sches Feld in longitudinaler Richtung an, dann
von weißem Licht entstehen als Isochromaten wird der Kristall doppelbrechend. Die ordentli-
bezeichnete farbige Linien. Sie kennzeichnen Or- che und außerordentliche Welle, deren Schwin-
te mit gleicher Hauptspannungsdifferenz 1  gungsrichtung senkrecht aufeinander stehen, lau-
2 oder Hauptschubspannung max . Abb. 6.123 fen mit verschiedenen Geschwindigkeiten durch
zeigt Isochromaten, die an einem Modell aus ei- den Kristall, sodass an dessen Ende zwei Wellen
nem Verbundwerkstoff (GFK, glasfaserverstärk- mit einem Gangunterschied ankommen. Die
ter Kunststoff) aufgenommen wurden. Überlagerung ergibt elliptisch polarisiertes Licht,
das vom Analysator nicht zurückgehalten wer-
den kann. Besteht zwischen der ordentlichen und
der außerordentlichen Welle ein Gangunterschied
von einer halben Wellenlänge, dann ergibt die
Überlagerung wieder linear polarisiertes Licht,
das aber gegenüber der Polarisationsrichtung um
90ı gedreht ist und somit durch den Analysator
nicht geschwächt wird.
Mit elektrooptischen Zellen lässt sich Licht
praktisch trägheitslos schalten. Sie finden Ver-
wendung bei der Hochgeschwindigkeitsfotogra-
fie, Lichtmodulation beim Tonfilm und Bildfunk,
zur Lichtgeschwindigkeitsmessung und als Gü-
Abb. 6.123 Isochromaten an einem Modell eines glas- teschalter (Q-switch) in Riesenimpulslasern. Die
faserverstärkten Kunststoffs, das senkrecht zu den Fa- magnetooptische Doppelbrechung ist von gerin-
serachsen auf Zug beansprucht wird. a Bohrungen ohne
Einlagerungen, b Einlagerungen mit guter Haftung zur gem praktischen Interesse, da der Effekt verhält-
Matrix. Fotos: S. Roth, G. Grüninger, DFVLR Stuttgart nismäßig schwach ausgeprägt ist.
528 6 Optik

Tab. 6.13 Elektrooptische und magnetooptische Effekte


Kerr-Effekt (J. K ERR , 1875) Pockels-Effekt (F. C. P O - Cotton-Mouton-Effekt
CKELS, 1893) (A. C OTTON, H. M OUTON,
1907)
Erklärung Optisch isotropes Material Piezoelektrische Kristalle oh- Flüssigkeiten mit anisotro-
wird im transversalen elektri- ne Symmetriezentrum werden pen Molekülen werden im
schen Feld doppelbrechend im elektrischen Feld doppel- transversalen Magnetfeld dop-
brechend pelbrechend
Feldabhängigkeit jno  ne j  E 2 jno  ne j  E jno  ne j  H 2
Gangunterschied D lKE 2 I K: Kerr- D ln3o r63 E für lon- D lCH 2 I C : Cotton-
nach Durchlaufen Konstante z. B. K D gitudinale Zelle; r63 : Mouton’sche Konstante, z. B.
der Länge l 2;48  1012 m V2 für Ni- elektrooptische Konstante, C D 3;181  1014 m A2 für
trobenzol bei  D 589 nm z. B. r63 D 24  1012 m V1 , Nitrobenzol bei  D 589 nm
no D 1;5 für KD P
Geometrie Elektrisches Feld senkrecht Feld meist in longitudinaler Magnetfeld senkrecht zur
zur Ausbreitungsrichtung des Richtung, auch transversal Ausbreitungsrichtung des
Lichtes möglich Lichtes
Materialien Nitrobenzol, Nitrotoluol, ADP (Ammoniumdihy- Benzol, Toluol, Nitrobenzol
Schwefelkohlenstoff, Ben- drogenphosphat), KDP
zol; in Festkörpern um eine (Kaliumdihydrogenphosphat)
Zehnerpotenz, in Gasen um KD P (deuteriertes KDP),
drei Zehnerpotenzen kleinerer Lithiumniobat
Effekt
typische Feld- E  106 V/m Halbwellenspannung bei lon- H  107 A=m
stärke für gitudinaler Zelle mit KD P,
Gangunterschied U  4 kV
D =2
Modulationsfre- modulierbar bis etwa modulierbar über 1 GHz langsam
quenz 200 MHz

benen Gefäßform anpassen. Sie bestehen aus


langen, stäbchenförmigen Molekülen mit starker
Nahordnung. So richten sich z. B. in nematischen
Flüssigkristallen die zigarrenähnlichen Moleküle
im Mittel parallel aus (Abschn. 9.1.6, Abb. 9.28).
Bei einer Flüssigkristall-Drehzelle nach
Schadt-Helfrich befindet sich in einem 5 m bis
15 m breiten Raum zwischen zwei Glasplatten
ein nematischer Flüssigkristall. Die Glasplatten
sind mit einer transparenten Elektrodenschicht
überzogen, die durch eine besondere Behand-
lung (Schrägbedampfen, Reiben) so präpariert
ist, dass sich die Moleküle in einer Vorzugsrich-
Abb. 6.124 Lichtmodulation mit einer Pockels-Zelle
tung anlagern. Sind die Vorzugsrichtungen der
beiden Platten um 90ı gegeneinander verdreht,
Flüssigkristallanzeigen dann ordnen sich die Moleküle schraubenförmig
(Liquid Crystal Displays, LCD) beruhen auf dem an, wie Abb. 6.125a zeigt. Strahlt man linear po-
Prinzip der Drehung der Schwingungsebene von larisiertes Licht, dessen Schwingungsrichtung
polarisiertem Licht. Flüssigkristalle sind organi- parallel zur Orientierungsrichtung der Deck-
sche Substanzen, die keine Eigengestalt haben, schicht weist, in eine solche verdrillte nematische
sondern sich wie Flüssigkeiten einer vorgege- Phase (Twisted Nematic, TN) der Dicke d , dann
6.4 Wellenoptik 529

a b

Abb. 6.125 Prinzip einer Flüssigkristall-Drehzelle (TN-


Zelle), a spannungslos, b mit angelegter Spannung

läuft die Komponente des elektrischen Feldes in


Richtung der Moleküllängsachsen langsamer als
die dazu orthogonale Komponente. Infolge die-
Abb. 6.126 Aufbau einer Reflexions-Drehzelle
ser Doppelbrechung wird das linear polarisierte
Licht zu elliptischem, das bei richtig dimensio-
nierter Dicke des Flüssigkristalls in der Tiefe d /2 6.4.2.4 Optische Aktivität
zu zirkular polarisiertem wird und schließlich Schneidet man eine Quarzplatte senkrecht zur
über elliptisches wieder in linear polarisiertes optischen Achse und strahlt linear polarisiertes
übergeht, allerdings mit einer um 90ı gedrehten Licht parallel zur optischen Achse ein, so entsteht
Schwingungsrichtung. Die Schwingungsebene keine Doppelbrechung (ordentlicher und außer-
wird nicht gedreht, wenn zwischen den Elek- ordentlicher Strahl sind gleich schnell), jedoch
troden ein elektrisches Feld liegt (Spannung dreht sich die Schwingungsrichtung des pola-
U D 1;5 V bis 5 V). Dann richten sich näm- risierten Lichtes um einen bestimmten Winkel.
lich die Moleküle im Innern der Zelle parallel Substanzen, die in der Lage sind, die Schwin-
zum elektrischen Feld aus; lediglich unmittelbar gungsebene von polarisiertem Licht zu drehen,
an den Elektroden bleibt die Vorzugsrichtung nennt man optisch aktiv. Außer Quarz zeigen
erhalten (Abb. 6.125b). noch andere Kristalle, wie z. B. Zinnober, Natri-
Abb. 6.126 zeigt den Aufbau einer Reflexions- umchlorat und Kaliumbromat, eine optische Ak-
anzeige. Umgebungslicht fällt von vorn rechts auf tivität. Der Effekt hängt mit der Kristallstruktur
die Zelle und erhält durch den Polarisator P1 ei- zusammen, denn beim Schmelzen verschwindet
ne waagrechte Schwingungsrichtung. Die beiden er. Tatsächlich sind die Siliciumatome des Quar-
Glasplatten G sind mit transparenten Elektroden zes schraubenförmig angeordnet. Hierbei gibt
versehen, wobei die Elektroden der hinteren Zelle es rechts- und linksgängige Schrauben, die ei-
aus sieben einzeln ansteuerbaren Elementen be- ne Links- bzw. Rechtsdrehung bewirken. (Beim
stehen. Zwischen den beiden Glasplatten befindet Rechtsquarz wird die Schwingungsebene im Uhr-
sich die verdrillte nematische Phase, in der die zeigersinn gedreht, wenn der Beobachter dem
Schwingungsrichtung des Lichts um 90ı gedreht Lichtstrahl entgegenblickt.) Der Drehwinkel ˛ ist
wird. Das Licht durchsetzt den Polarisator P2 , proportional zur Kristalldicke d :
dessen Durchlassrichtung gegenüber P1 um 90ı
verdreht ist. Nach der Reflexion am Reflektor R ˛ D Œ˛ d I (6.128)
dreht sich der Lichtweg um und das reflektierte
Licht tritt wieder vorn rechts aus der Zelle aus. Œ˛ ist das längenbezogene Drehvermögen. Es
Aktiviert man jetzt beispielsweise die Elektroden hängt stark von der Wellenlänge ab (Rotationsdi-
1, 3, 5, 6 und 7, so erscheint die dunkle Ziffer spersion) und beträgt für Quarz bei  D 589;3 nm
3 auf hellgrauem Hintergrund. Nach ähnlichem und # D 20 ı C Œ˛ D 21;724 ı =mm.
Prinzip lassen sich auch Transmissionsanzeigen Die Schwingungsebene von linear polarisier-
konstruieren. Der besondere Vorteil der LCD- tem Licht wird auch in verschiedenen Flüssig-
Anzeigen ist der geringe Leistungsbedarf von nur keiten gedreht, wie z. B. in wässrigen Lösungen
etwa 5 W=cm2 . von Rohrzucker, Traubenzucker, Weinsäure und
530 6 Optik

Buttersäure. Auch hier beobachtet man sowohl 6.4.2.5 Zur Übung


Rechts- als auch Linksdrehung. Die Drehung
wird verursacht durch asymmetrisch aufgebaute Ü 6-65 Natürliches Licht fällt mit der Intensität
Moleküle. Am häufigsten tritt die optische Akti- I0 auf einen Polarisator. Wie groß ist die Intensi-
vität auf bei organischen Verbindungen mit asym- tät I des linear polarisierten Lichtes hinter dem
metrischen Kohlenstoffatomen. Dies sind Koh- Polarisator, wenn Absorptionsverluste vernach-
lenstoffatome, deren vier Valenzen durch vier lässigt werden?
verschiedene Atome oder Atomgruppen abgesät-
tigt sind. Bei Lösungen optisch aktiver Substan- Ü 6-66 Natürliches Licht fällt mit der Intensität
zen in inaktiven Lösungsmitteln (z. B. Wasser) I0 auf drei hintereinander stehende Polarisatoren,
ist der Drehwinkel proportional zur Konzentrati- die jeweils um 30ı gegeneinander verdreht sind.
on der Lösung. Über den gemessenen Drehwin- Wie groß ist das Verhältnis I3 :I0 , wenn I3 die In-
kel kann man demnach die Konzentration einer tensität hinter dem dritten Polarisator ist?
Lösung bestimmen. So wird mit einem Sacchari-
meter beispielsweise die Zuckerkonzentration im Ü 6-67 Welche elektrische Feldstärke ist erfor-
Harn bestimmt. Auch der Zuckergehalt des Trau- derlich, damit in einer mit Nitrobenzol gefüllten
benmostes (Öchslegrade) wird über die Drehung l D 4 cm langen Kerr-Zelle die zwei Teilstrahlen
der Polarisationsebene gemessen. einen Gangunterschied von D =2 erhalten?
Bringt man durchsichtige isotrope Körper in
ein Magnetfeld und durchstrahlt sie in Rich- Ü 6-68 Zeigen Sie, dass bei einer longitudinalen
tung der Feldlinien, dann wird auch in diesem Pockels-Zelle die Halbwellenspannung unabhän-
Fall die Schwingungsebene von linear polari- gig ist von der Länge der Zelle. Wie groß ist sie
siertem Licht gedreht. Diese Magnetorotation ist für  D 589;3 nm, wenn KD P verwendet wird?
als Faraday-Effekt bekannt und wurde 1846 von
M. FARADAY (1791 bis 1867) entdeckt. Der Ü 6-69 Das längenbezogene Drehvermögen Œ˛
Drehwinkel ˛ hängt außer von der Dicke d der von Quarz hängt von der Wellenlänge ab. Folgen-
Substanz auch von der Magnetfeldstärke H und de Messwerte liegen vor:
einer Materialkonstanten V ab:
 D 656;3 nmW Œ˛ D 17;314 ı =mm ;
˛DV dH : (6.129)  D 486;1 nmW Œ˛ D 32;766 ı =mm :

V nennt man die Verdet’sche Konstante. Auch Nach Biot lässt sich die Rotationsdispersion
mithilfe des Faraday-Effekts lässt sich Licht durch die Gleichung Œ˛ D A=2 C B=4 be-
schnell modulieren. Es gibt Modulatoren für Fre- schreiben. Bestimmen Sie die Konstanten A und
quenzen von mehr als 200 MHz. Als aktive Ma- B. Wie groß ist das Drehvermögen für  D
terialien verwendet man ferromagnetische Gra- 589;3 nm?
nate seltener Erden, beispielsweise Ga-dotiertes
Yttrium-Eisen-Granat (YIG). Der Drehwinkel
hängt nicht linear vom Magnetfeld ab, sondern 6.5 Quantenoptik
zeigt wie die Magnetisierung selbst eine star-
ke Feldabhängigkeit mit Sättigungsverhalten. Im 6.5.1 Lichtquanten
Bereich der Sättigung ist der Drehwinkel typisch
100 ı =cm bis 200 ı =cm; er zeigt starke Disper- 6.5.1.1 Lichtelektrischer Effekt
sion. YIG ist im sichtbaren Spektralbereich un- Beleuchtet man eine negativ geladene Metallplat-
durchsichtig, jedoch zwischen  D 1;2 m und te mit kurzwelligem Licht, so entlädt sie sich.
 D 5 m völlig transparent. Dieser lichtelektrische Effekt oder äußere Fotoef-
6.5 Quantenoptik 531

Abb. 6.127 Lichtelektrischer Effekt, a Vakuumfotozelle, für verschiedene Wellenlängen .2 > 1 / und d kineti-
b Fotostrom in Abhängigkeit von der Bremsspannung für sche Energie Ekin der Fotoelektronen in Abhängigkeit von
monochromatisches Licht verschiedener Intensität .I2 > der Lichtfrequenz f
I1 /; c Fotostrom in Abhängigkeit von der Bremsspannung

fekt wurde 1887 erstmals von W. H ALLWACHS d. h., wenn eine Bremsspannung zwischen An-
(1859 bis 1922) studiert. Genauere Untersuchun- ode und Kathode anliegt. Abb. 6.127b und c
gen von P. L ENARD (1862 bis 1947) zeigten, dass zeigen den Zusammenhang zwischen Fotostrom
infolge der Bestrahlung Elektronen aus dem Me- und Bremsspannung. Der Fotostrom verschwin-
tall herausgeschlagen werden. det, wenn die Bremsspannung den Grenzwert Ugr
Die kinetische Energie der wegfliegenden erreicht hat, der mit der kinetischen Energie der
Elektronen kann mit einer Vorrichtung gemäß Elektronen gemäß
Abb. 6.127a gemessen werden. In einer Vaku-
1 2
umfotozelle befindet sich eine Fotokathode K Ekin D mv D eUgr
gegenüber einer Anode A. Die vom Licht aus- 2
gelösten Fotoelektronen werden von der Anode zusammenhängt. Hierbei ist m die Masse und
abgesaugt, wenn diese auf positivem Potenzial v die Geschwindigkeit der Elektronen sowie e
gegenüber der Kathode liegt. Der Fotostrom kann die Elementarladung. Die kinetische Energie der
am Amperemeter abgelesen werden. Er verrin- emittierten Fotoelektronen ist also proportional
gert sich, wenn die Spannung umgepolt wird, zur Grenzspannung Ugr .
532 6 Optik

Abb. 6.127b bis d sagen aus: hat die mathematische Form einer Geradenglei-
chung:
 Die kinetische Energie der Fotoelektronen Ekin D hf  WA I
hängt nicht von der Intensität, sondern nur
h ist die Geradensteigung, WA die Nullpunkt-
von der Frequenz des eingestrahlten Lichtes
verschiebung. Physikalisch können die Glieder
ab (Abb. 6.127d). Die Fotoemission kommt
auf der rechten Seite mithilfe des Energiesatzes
zum Erliegen, wenn die Frequenz einen unte-
interpretiert werden: Die Energie des Photons be-
ren Grenzwert fgr erreicht.
trägt
 Erhöht man die Intensität des Lichtes, dann
Eph D hf : (6.130)
nimmt auch der Strom der emittierten Fo-
toelektronen zu, nicht aber deren kinetische Um ein Elektron vom Metall abzulösen, ist ei-
Energie. ne Austrittsarbeit WA aufzubringen, sodass für
das Elektron als kinetische Energie die Differenz
Diese Ergebnisse stehen im Widerspruch zu den von Photonenenergie und Austrittsarbeit zur Ver-
Erwartungen, die man aufgrund der Wellentheo- fügung steht:
rie des Lichtes an ein solches Experiment stellt. Ekin D Eph  WA :
In Anwesenheit eines oszillierenden elektrischen
Damit ist auch die Existenz einer Grenzfrequenz
Feldes der Form E D EO cos !t erwartet man,
fgr verständlich. Der Auslöseprozess kann über-
dass die Elektronen des Metalls zu erzwungenen
haupt nur ablaufen, wenn die Photonenenergie
Schwingungen angeregt werden, und zwar mit
größer ist als die erforderliche Austrittsarbeit. Im
der Amplitude
Grenzfall gilt hfgr D WA .
e EO
yO D  2  : Die Konstante h ist das bereits von Planck
m !0  ! 2 im Jahr 1900 eingeführte und nach ihm benann-
te Planck’sche Wirkungsquantum. Planck nahm
Elektronen, die an der Metalloberfläche sitzen,
bei der Ableitung des Strahlungsgesetzes der
sollten daher das Metall verlassen, wenn ihre
Wärmestrahler (6.82) an, dass die Strahlung von
Amplitude yO einen bestimmten kritischen Wert
einzelnen Oszillatoren ausgeht, deren Energie ge-
überschreitet. Daraus folgt:
mäß En D nhf von der Frequenz abhängt. Die
Planck’sche Konstante beträgt
 Die kinetische Energie der Elektronen sollte
mit steigender Lichtintensität . EO 2 / anwach- h D 6;626  1034 J s D 4;136  1015 eV s :
sen.
 Die Fotoemission sollte bei jeder Frequenz Sie kann als Geradensteigung aus Abb. 6.117d
stattfinden, vorausgesetzt, die Lichtintensität experimentell bestimmt werden. Dies gelang Mil-
ist ausreichend. likan im Jahr 1916.
Da die Photonenenergie Eph der Frequenz f
Die Schwierigkeiten bei der Interpretation des des Lichtes proportional ist, muss sie der Wellen-
lichtelektrischen Effekts wurden durch A. E IN - länge  umgekehrt proportional sein:
STEIN (1879 bis 1955) überwunden, der 1905 sei-
hc
ne revolutionäre Lichtquantenhypothese formu- Eph D : (6.131)
lierte. Nach Einstein wird die Energie einer Licht- 
quelle in einzelnen Paketen (Lichtquanten oder Für den praktischen Gebrauch kann man die bei-
Photonen) transportiert. Jedes emittierte Elektron den Naturkonstanten h und c sofort in diese
wird durch ein Photon ausgelöst, das seine Ener- Gleichung einsetzen und erhält damit
gie dabei an das Elektron abgibt. Die Energie ei-
h0
nes Lichtquants kann aus Abb. 6.127d abgelesen Eph D (6.132)
werden. Die Abhängigkeit der kinetischen Ener- 
gie der Fotoelektronen von der Lichtfrequenz mit h0 D hc D 1;24 eV m.
6.5 Quantenoptik 533

Beispiel 6.5-1 a
Bei der Untersuchung des lichtelektrischen
Effekts an Natrium stellt man fest, dass für
Wellenlängen  > gr D 451 nm keine Foto-
elektronen ausgelöst werden. Wie groß ist die
Austrittsarbeit von Natrium?

Lösung
Fotoelektronen werden emittiert, wenn die
Photonenenergie größer ist als die Austritts- b
arbeit. Im Grenzfall gilt WA D Eph;gr .
Mit (6.132) ergibt sich
1;24 m eV 1;24 m eV
WA D D D 2;75 eV :
gr 0;451 m
Die Werte für die Austrittsarbeit der Elektro-
nen in Metallen betragen einige Elektronenvolt.
Besonders niedrige Werte haben die Alkalimetal-
le, bei denen das Valenzelektron offenbar verhält-
nismäßig schwach gebunden ist.

6.5.1.2 Compton-Effekt
Eine besondere Unterstützung der Einstein’schen
Lichtquantenhypothese wurde von A. H. C OMP -
TON (1892 bis 1962) geliefert, der 1923 die
Streuung von Röntgenstrahlen an freien und
schwach gebundenen Elektronen untersuchte.
Compton ließ nach Abb. 6.128a einen Röntgen-
strahl der Wellenlänge  auf einen Grafitblock S
fallen. Mithilfe eines Röntgendetektors D maß er
die Intensität und Wellenlänge 0 der gestreuten
Röntgenstrahlung in Abhängigkeit vom Streu-
winkel #. Die Ergebnisse sind in Abb. 6.128b
qualitativ dargestellt. Compton beobachtete, dass
die gestreute Röntgenstrahlung zusätzlich zur pri-
mären Wellenlänge  eine spektral verschobene
Komponente enthält, deren Wellenlänge 0 vom
Winkel # abhängt.
Abb. 6.128 Compton-Streuung: a Messanordnung, b In-
Im Rahmen der Wellenlehre ist Comptons
tensität der gestreuten Röntgenstrahlung in Abhängigkeit
Ergebnis nicht interpretierbar, denn man erwar- von der Wellenlänge für verschiedene Streuwinkel #
tet, dass die Elektronen des Streukörpers von
der elektromagnetischen Welle zu erzwungenen
Schwingungen angeregt werden. Die schwingen- Frequenz haben wie die einfallende Welle. Ei-
den Elektronen können dann ihrerseits elektro- ne Frequenz- bzw. Wellenlängenverschiebung ist
magnetische Wellen aussenden, die aber dieselbe nicht möglich.
534 6 Optik

Compton und unabhängig von ihm Debye er- und in y-Richtung


klärten den Streuvorgang als elastischen Stoß
eines Photons mit einem ruhenden Elektron ent- hf 0
0D sin #  mv sin ' : (3)
sprechend Abb. 6.129. c
Der Energieerhaltungssatz lautet für diesen
Aus (1), (2) und (3) folgt für die Verschiebung der
Vorgang
Wellenlänge
hf C m0 c 2 D hf 0 C mc 2 : (1)
h
 D 0   D .1  cos #/ :
(6.134)
m0 c
f ist die Lichtfrequenz vor, f 0 die nach dem
Stoß; m0 c 2 ist die Ruheenergie des Elektrons  D h=.m c/ nennt man die Compton-Wel-
c 0
(Kap. 10) und mc 2 ist die Energie des bewegten lenlänge; sie beträgt  D 2;426  1012 m.
c
Elektrons. Es gilt hierbei In bester Übereinstimmung mit dem Experi-
m0 ment hängt die Wellenlängenverschiebung 
mD p : nicht vom Streumaterial und der Primärwellen-
1  v 2 =c 2
länge  ab.
Der Impuls eines Photons ist das Produkt aus
seiner Masse und seiner Geschwindigkeit. Die
Geschwindigkeit des Photons ist die Lichtge-
6.5.2 Dualismus Teilchen–Welle
schwindigkeit c. Ein Photon hat keine Ruhemas-
Die in Abschn. 6.4 beschriebenen Interferenz-
se (es gibt kein ruhendes Photon), man kann ihm
und Beugungsexperimente zeigen, dass Licht
aber nach Einsteins Äquivalenzprinzip von Mas-
Welleneigenschaften hat. Den lichtelektrischen
se und Energie .E D mc 2 / eine Masse zuordnen,
Effekt und den Compton-Effekt kann man da-
nämlich
E hf gegen nur verstehen, wenn man annimmt, dass
mph D 2 D 2 : Licht mit Materie seine Energie in ganzen Quan-
c c
Damit ist der Impuls eines Photons p D mph c ten des Betrags Eph D hf austauscht und dass
oder diese Lichtquanten den Impuls p D h= ha-
hf h ben. Licht hat demnach sowohl Teilchen- als
pD D : (6.133) auch Welleneigenschaften. Je nach Experiment
c 
Der Gesamtimpuls muss beim Stoß erhalten kommt der Wellen- oder Teilchencharakter zum
bleiben. Es gelten in x-Richtung Vorschein (Abb. 6.130). Eine Theorie, die beide
Aspekte vereinigt, ist die Quantenelektrodyna-
hf hf 0 mik, die in diesem Buch nicht beschrieben wer-
D cos # C mv cos ' : (2) den soll.
c c
Zur Klärung des Zusammenhangs zwischen
Wellen- und Teilchenbild sei das in Abb. 6.130
skizzierte Experiment betrachtet: Paralleles Licht
fällt von unten auf einen Doppelspalt. Ist jeweils
entweder nur der rechte oder der linke Spalt ge-
öffnet, so ergeben sich die nicht unterbrochenen
schwarzen Intensitätsverteilungen (Abb. 6.130a).
Sind beide Spalte geöffnet, dann erwartet man –
falls sich die Photonen wie klassische Teilchen
Abb. 6.129 Compton-Streuung eines Photons an einem (z. B. Schrot aus einer Schrotflinte) verhalten –
Elektron a vor und b nach dem Stoß als resultierende Beugungsfigur die rote Kur-
6.5 Quantenoptik 535

a nen lokalisierbaren Stellen von den auftreffenden


Photonen geschwärzt wird. Es wurden solche
Versuche auch mit Fotomultipliern gemacht, die
in der Lage sind, einzelne Photonen nachzuwei-
sen. Dabei hat sich gezeigt, dass jedes hinter dem
Doppelspalt registrierte Photon als Ganzes an-
kommt, also die Energie Eph D hf hat.
Das Experiment verläuft mithin nicht so, dass
sich ein Photon vor den Spalten teilt und mit sich
selbst interferiert (Prinzip der Unteilbarkeit).
Die zunächst widersprüchlichen Aussagen
von Wellen- und Teilchenbild lassen sich durch
eine statistische Betrachtungsweise vereinen: Bei
Experimenten, wie z. B. bei der Beugung am
Doppelspalt, werden nach Abb. 6.130c die Pho-
tonen an diskreten Stellen des Raumes nachge-
b
wiesen. Der Ort, an dem ein bestimmtes Photon
ankommt, kann nicht vorhergesagt werden. Es
lässt sich lediglich eine Auftreffwahrscheinlich-
keit angeben. Hierbei ist die Wahrscheinlichkeits-
funktion identisch mit dem Quadrat der Wellen-
amplitude, die der wellentheoretischen Betrach-
tung entspricht, also der klassisch berechneten
Beugungsfunktion. Hat man es mit großen Photo-
nenströmen zu tun, so beschreibt die wellentheo-
c
retische Beugungsfunktion praktisch exakt die
tatsächlich vorliegende Photonendichte.

6.5.3 Wärmestrahlung

Die Berechnung der spektralen Strahlungsdich-


Abb. 6.130 Beugung am Doppelspalt: a Beugungsfigu- te eines schwarzen Strahlers nach (6.82) gelang
ren der Einzelspalte, b Beugungsfigur des Doppelspalts, Planck im Jahr 1900 mithilfe der klassischen
c Photonendichte auf einer Fotoplatte Elektrodynamik unter der einschränkenden Vor-
aussetzung, dass schwingende Oszillatoren nur
Energien vom Betrag En D nhf annehmen
ve. Dabei wird argumentiert, dass ein Teilchen können. Einstein leitete 1917 die Planck’sche
entweder durch den einen oder durch den ande- Strahlungsgleichung aus der Lichtquantenhypo-
ren Spalt fliegt. Die gesamte Verteilungsfunktion these ab.
muss daher die Summe der Einzelverteilungen Wie in Abschn. 8.1 beschrieben, nehmen
sein. Tatsächlich beobachtet man aber bei Licht Elektronen in Atomen diskrete Energiestufen ein.
die in Abb. 6.130b gezeigte Lichtintensität. Dar- Abb. 6.131 zeigt einen Ausschnitt aus einer sol-
aus folgt, dass die Photonen nicht wie makrosko- chen Energieleiter mit nur zwei möglichen Ener-
pische Teilchen anzusehen sind. giezuständen E1 und E2 . Nach Einstein exis-
Eine Untersuchung bei schwachen Lichtströ- tieren drei mögliche Wechselwirkungsmechanis-
men zeigt, dass eine hinter dem Doppelspalt men zwischen dem Atom und der elektromagne-
angebrachte Fotoplatte (Abb. 6.130c) an einzel- tischen Strahlung:
536 6 Optik

einheit und Frequenzintervall) des Strahlungsfel-


des:  
dN
D B12 uf .f /N1 :
dt Abs.
Die Proportionalitätskonstante B12 heißt Ein-
stein-Koeffizient und ist ein Maß für die Wahr-
scheinlichkeit eines Absorptionsaktes. Die Rate
der spontanen Emission ist proportional zur An-
zahl N2 der Atome im angeregten Energieniveau
Abb. 6.131 Wechselwirkungen zwischen Photonen und E2 :  
Elektronen in einem Atom dN
D A21 N2 :
dt sp. Em.
Der Einstein-Koeffizient A21 ist ein Maß für die
Wahrscheinlichkeit eines spontanen Übergangs
eines Elektrons vom Energieniveau E2 zum Ener-
gieniveau E1 . Die induzierte Emission hängt so-
wohl von der Besetzungszahl N2 als auch von der
spektralen Energiedichte uf .f / des Strahlungs-
feldes ab:
 
dN
Abb. 6.132 Besetzungszahlen von zwei Energieniveaus D B21 uf .f /N2 :
dt ind. Em.

Der Einstein-Koeffizient B21 ist analog zu B12


 Absorption: Ein Photon wird absorbiert (es definiert. Im thermodynamischen Gleichgewicht
verschwindet aus dem Strahlungsfeld) und müssen die Übergangsraten in beiden Richtungen
hebt ein Elektron vom Energiezustand E1 auf gleich sein:
E2 , wenn seine Energie der Bedingung Eph D      
hf D E2  E1 genügt. dN dN dN
D C
 Spontane Emission: Nach einer mittleren Le- dt Abs. dt sp. Em. dt ind. Em.
bensdauer  im oberen Energieniveau E2 geht
ein Elektron in das untere Energieniveau E1 Diese Bedingung liefert für die Besetzungszahlen
über; hierbei wird ein Photon der Energie
N2 B12 uf .f /
Eph D hf D E2  E1 ausgesandt. D :
 Induzierte Emission: Ein Photon der Energie N1 A21 C B21 uf .f /
Eph D hf D E2  E1 stimuliert ein Elek-
Im thermodynamischen Gleichgewicht kann das
tron zu einem Übergang von E2 nach E1 . Das
Verhältnis der Besetzungszahlen aber auch
dabei emittierte Photon verstärkt das primäre.
aus der Boltzmann-Verteilung berechnet wer-
den ((3.31) in Abschn. 3.2.3):
Bei einem System von N Atomen befinden
sich nach Abb. 6.132 N1 Atome im unteren, N2 N2 E2 E1

im oberen Energiezustand. Die Besetzungszahlen D e k T : (6.135)


N1
ändern sich bei Wechselwirkung mit Photonen
und durch die spontane Emission. Die Absorp- k D 1;38  1023 J=K ist die Boltzmann-Kon-
tionsrate, d. h. die Anzahl der Übergänge je Zeit- stante. Ein Vergleich liefert mit hf D E2  E1
einheit von E1 nach E2 ist proportional zur An-
A21
zahl N1 der Atome im tiefen Energiezustand und uf .f / D :
hf
zur Energiedichte uf .f / (Energie je Volumen- B12 e kT  B21
6.5 Quantenoptik 537

Die Einstein-Koeffizienten können durch folgen-


de Betrachtung bestimmt werden: Im Grenzfall
T ! 1 muss die spektrale Energiedichte uf .f /
ebenfalls gegen unendlich gehen. Diese Bedin-
gung wird nur erfüllt, wenn B12 D B21 ist. Somit
beträgt die spektrale Energiedichte des Strah-
lungsfelds

A21
uf .f / D  hf
:
B12 e kT  1

Für den Grenzfall kleiner Frequenzen hf  kT


gilt das experimentell gut gesicherte Gesetz von
Rayleigh-Jeans:

8 f 2
uf .f / D kT : (6.136) Abb. 6.133 Spektrale Strahldichte Le;  eines schwarzen
c3 Strahlers für verschiedene Temperaturen T

Mit der Reihenentwicklung ehf =kT D 1 C


h f =kT C    gilt nach Einstein für hf  kT bekannte Form

A21 kT 2 hc 2 1
uf .f / D : Le; .; T /d D 5
 hc d : (6.140)
B12 hf  ˝0 e kT  1

Ein Vergleich mit (6.136) führt zu Abb. 6.133 zeigt Strahlungsisothermen der
Planck’schen Strahlungsformel (s. dazu auch
A21 8 hf 3 Abb. 6.70). Die gestrichelte Kurve gibt das Wi-
D : (6.137) en’sche Verschiebungsgesetz (6.83) wieder.
B12 c3

Demnach beträgt die spektrale Energiedichte des


Strahlungsfelds 6.5.4 Laser

8 hf 3 1 Der Laser ist eine neuzeitliche Lichtquelle mit


uf .f; T / D  hf : (6.138)
c 3
e kT  1 faszinierenden Eigenschaften. Das Wort LASER
ist eine Abkürzung für Light Amplification by
Aus der spektralen Energiedichte uf .f; T / lässt Stimulated Emission of Radiation und bedeutet
sich die spektrale Strahldichte Le;f .f; T / eines etwa: Lichtverstärkung durch stimulierte Emissi-
Hohlraumstrahlers berechnen: on von Strahlung. Bei dieser Lichtart spielt die
von Einstein 1917 postulierte induzierte oder sti-
c 1
Le;f D uf : mulierte Emission von Licht eine wesentliche
4  ˝0
Rolle. Wie Abb. 6.131 zeigt, kann ein Lichtquant
Damit ergibt sich die Planck’sche Strahlungsglei- der Energie Eph D E2  E1 ein Elektron zu ei-
chung nem Übergang von einem hohen Energieniveau
E2 auf ein tieferes Energieniveau E1 stimulieren.
2 hf 3 1 Die Übergangsrate ist nach den Erläuterungen im
Le;f .f; T /df D 2
 hf df (6.139) vorhergehenden Abschnitt durch
c ˝0 e kT  1
 
dN
oder, wenn man die Frequenz f durch die Wel- D B21 uf .f /N2
lenlänge  ersetzt, die bereits aus Abschn. 6.3.1 dt ind. Em.
538 6 Optik

gegeben. Ein Photon der betreffenden Energie


kann aber auch absorbiert werden und damit ein
Elektron vom tieferen Energiezustand E1 auf den
höheren E2 heben (Abb. 6.131). Diese Über-
gangsrate ist
  Abb. 6.135 Aufbau eines optisch gepumpten Lasers
dN
D B12 uf .f /N1 D B21 uf .f /N1 :
dt Abs.
erfüllen. Die gestrichelten Bereiche bezeichnen
Da im thermodynamischen Gleichgewicht
Übergänge, die meist strahlungslos sind.
nach (6.135) stets N1 > N2 ist, überwiegt die
Die Funktion des Lasers beruht auf folgen-
Absorptionsrate stets die stimulierte Emissions-
dem Prinzip: Hat man beispielsweise durch einen
rate. Um eine kräftige stimulierte Emission zu
Lichtblitz im aktiven Material eine Besetzungs-
erhalten, muss eine Besetzungsinversion, d. h.
inversion erreicht, dann werden zunächst durch
N2 > N1 vorliegen. Ein solcher Zustand ist in
spontane Emission Photonen der Energie hf D
der Natur nirgends verwirklicht, sondern muss
E2  E1 erzeugt. Durch Wechselwirkung eines
künstlich herbeigeführt werden.
Photons mit einem angeregten Atom kann dessen
Bei den Festkörperlasern (Rubin, Nd-YAG)
Elektron zu einem Übergang stimuliert werden.
wird die Besetzungsinversion durch optisches
Das dabei ausgesandte Photon verstärkt dabei
Pumpen, d. h. mithilfe einer starken Lampe er-
die primäre Welle phasengerecht. Die verstärkte
zwungen. (Der Rubin-Laser war übrigens der
Welle stimuliert weitere Elektronen zu Übergän-
erste funktionierende Laser; er wurde 1960 von
gen, sodass sich eine Photonenlawine ausbildet.
T. H. Maiman gebaut.) Bei Gaslasern läuft der
Diese Lawine kommt zum Erliegen, wenn die
Pumpmechanismus über Stöße in einer Gasentla-
Besetzungsinversion abgebaut ist. Wird durch
dungsröhre. Obwohl der eigentliche Prozess der
den Pumpvorgang ständig Energie nachgeliefert,
stimulierten Emission nur zwischen zwei Ener-
kann sich ein stationärer Zustand einstellen. Im
gieniveaus abläuft, sind am ganzen Laserprozess
Gegensatz zum Glühlicht, bei dem die Photonen
mindestens drei oder besser vier Energieniveaus
bzw. die einzelnen Wellenzüge völlig unkorre-
beteiligt. Abb. 6.134 zeigt die Übergänge in ei-
liert ausgestrahlt werden, hat man es beim Laser
nem Drei- bzw. Vier-Niveau-System. Damit sich
mit einem kollektiven Phänomen zu tun: Alle
eine Besetzungsinversion aufbauen kann, müssen
Photonen koppeln phasengerecht an die vorhan-
die Lebensdauern  der Elektronen in den ein-
dene Welle an, sodass eine Lichtwelle mit sehr
zelnen Niveaus die angegebenen Ungleichungen
großer Kohärenzlänge entsteht (Abschn. 6.4.1.1
und Tab. 6.9).
a b Nach Abb. 6.135 wird das aktive Material in
einen Resonator, bestehend aus den Spiegeln S1
und S2 , eingesetzt. Zwischen den Spiegeln baut
sich eine stehende Welle auf. In der Teilchen-
vorstellung: Photonen, die sich in longitudinaler
Richtung bewegen, durchqueren immer wieder
das aktive Material und werden verstärkt, wäh-
rend solche, die den Weg schräg zur Längsachse
nehmen, sehr schnell das aktive Material verlas-
sen und nicht weiter verstärkt werden. Der Spie-
Abb. 6.134 Beteiligung verschiedener Energieniveaus
am Laserprozess, a Drei-Niveau-System (z. B. Rubin- gel S1 hat eine Reflexion von 100 %, während
Laser), b Vier-Niveau-System (z. B. Nd-YAG-Laser, Gas- der Auskoppelspiegel S2 eine geringe Transmis-
laser) sion aufweist. Dadurch wird ständig ein Bruchteil
6.5 Quantenoptik 539

inversion herbei geführt werden muss. Je nach


Art dieses Mediums werden verschiedene Laser-
typen unterschieden (Abb. 6.137). Diese werden
im Folgenden beschrieben.

Gaslaser
Je nach verwendeter Art des Gases unterscheidet
man zwischen folgenden Lasertypen:

 Molekül-Laser: Der CO2 -Laser wird in der


Fertigungstechnik am häufigsten eingesetzt.
Dem Gas CO2 sind noch N2 und He zuge-
setzt. Die Laserenergie bei CO2 sind bestim-
mend. N2 -Molekule übertragen die Energie
durch Stöße auf die CO2 -Moleküle. Die Gas-
temperatur von CO2 darf dabei 150 ı C nicht
Abb. 6.136 Wirkungsweise des Güteschalters: a Güte,
überschreiten, weil sonst der Lasereffekt nicht
b Besetzungsinversion, c Ausgangsleistung
mehr eintreten kann. Helium hat eine gute
Wärmeleitfähigkeit und transportiert die frei
der nach rechts laufenden Photonen ausgekop- werdende Wärme nach außen. Die Wellen-
pelt. länge liegt bei 10;6 m (fernes Infrarot). Die
Es gibt Laser, z. B. Rubin, die praktisch nur Haupteinsatzgebiete liegen bei der Material-
im Pulsbetrieb arbeiten, um die große Wärmeleis- bearbeitung.
tung abführen zu können. Viele Laser lassen sich  Neutralatom-Laser: Der wichtigste Laser ist
auch fortdauernd betreiben. Für viele praktische der HeNe-Laser. Das Lasermedium ist ein
Anwendungen muss das Laserlicht gepulst wer- Gasgemisch aus Helium (5 bis 10 mal mehr)
den. Dies wird durch das Q-switching bewirkt, und Neon. Elektrisch angeregt wird zunächst
erläutert in Abb. 6.136: Während des Pumpvor- das Helium, das seine Energie nahezu voll-
gangs wird die Resonatorgüte Q künstlich nied- ständig an das Neon abgibt. Die Wellenlänge
rig gehalten, sodass der Laser nicht anschwingt liegt bei 633 nm (rot). Die Einsatzgebiete sind
und eine hohe Besetzungsinversion aufgebaut im Wesentlichen die Messtechnik.
wird. Erhöht man nun zu einem bestimmten Zeit-  Ionen-Laser: Am häufigsten wird der ArC -
punkt die Güte, so entlädt sich die ganze im Laser eingesetzt. Im grünen bis ultravioletten
Resonator gespeicherte Energie in einem kur- Spektralbereich werden Ausgangsleistungen
zen, leistungsstarken Lichtpuls. Mit Güteschal- bis zu 10 W erreicht.
tern lassen sich Pulsdauern von etwa 1 ns und  Excimer-Laser: Der wichtigste Vertreter ist
Leistungen von 1010 W erzielen. Als Q-switch der ArF-Laser. Er hat eine Wellenlänge von
können beispielsweise die in Abschn. 6.4.2.3 175 nm bis 483 nm (ultraviolett). Eingesetzt
und 6.4.2.4 beschriebenen elektro- und magne- wird er in der Materialbearbeitung von Kunst-
tooptischen Zellen in den Resonator eingebaut stoff, Glas, Keramik und im menschlichen
werden. Auge zur Korrektur von Fehlsichtigkeit, ferner
Die hervorstechendsten Eigenschaften des La- in der Messtechnik und in der Fotochemie.
serlichts sind die hohe Monochromasie und die
damit zusammenhängende räumliche und zeitli- Festkörperlaser
che Kohärenz. Von der Vielzahl der Anwendun- Festkörperlaser bestehen aus Kristallen oder Glä-
gen des Lasers zeigt Tab. 6.14 eine Auswahl. sern, die mit optisch aktiven Ionen dotiert sind.
Jeder Laser benötigt ein aktives Medium, in Sie werden optisch, mit Anregungslampen oder
dem, wie bereits beschrieben, eine Besetzungs- mit einem Diodenlaser gepumpt.
540 6 Optik

Tab. 6.14 Anwendungen des Lasers


Optische Messtechnik Materialbearbeitung Nachrichtentechnik Medizin und Biologie
Interferometrie, Holo- Bohren, Schweißen, optische Nachrichtenüber- Anheften der Netzhaut bei
grafie, Spektroskopie, Schneiden, Aufdampfen; tragung durch modulierte Ablösung; Durchbohren
Entfernungsmessung über Auswuchten und Ab- Lichtpulse. Signale von verschlossener Blutgefäße;
Laufzeit von Laserpulsen, gleichen von rotierenden Halbleiterlasern werden in Zerstörung von Krebs-
Laser-Radar, Leitstrahl und schwingenden Teilen; Glasfasern geführt. – Opti- zellen; Schneiden von
beim Tunnel-, Straßen- und Trimmen von Widerstän- sche Datenspeicherung und Gewebe; Zahnbehandlung
Brückenbau den -wiedergabe, Beispiel: Ton-
wiedergabe von digitaler
Schallplatte, Compact-Disc

Abb. 6.137 Übersicht über verschiedene Typen von Laserstrahlquellen

 Rubin-Laser: dieser Laser wurde als ers- Halbleiterlaser (Diodenlaser)


ter entwickelt. Er hat eine Wellenlänge von Der Laser besteht aus einem Halbleitermaterial,
694 nm. das elektrisch angeregt wird. Der Aufbau ist ähn-
 Nd:YAG-Laser: Dies ist der am meisten ver- lich dem einer LED. Der Laser-Effekt kommt
breitete Festkörperlaser. Das laseraktive Me- durch die Rekombination von Ladungsträgern
dium besteht aus einem Yttrium-Alumini- in der Sperrschicht zustande (Abschn. 9.4.1.2).
um-Granat-Kristall, in dem Neodym-Ionen Im Unterschied zu einer LED kann die Laser-
eingebettet sind. Die Wellenlänge liegt bei diode mit einer höheren Stromdichte betrieben
1;064 m bis 1;3 m. Es sind Leistungen bis werden. Die Kristall-Endflächen dienen als Spie-
zu 1,8 kW möglich. Durch nachgeschaltete gel des optischen Resonators. Typische Vertreter
Verstärkerstufen kann die Ausgangsleistung sind InGaAsP-Laser (570 nm bis 1;6 m) und
weiter erhöht werden. Die Hauptanwendungs- GaAlAs-Laser (780 nm bis 880 nm). Die Halblei-
felder sind die Materialbearbeitung. terlaser ermöglichen kleine Abmessungen. Des-
 Nd:Glas-Laser: Die Wellenlänge liegt bei halb werden sie häufig als Lichtquellen in CD-
1;06 m (nahes Infrarot). Spielern, bei optischen Plattenspeichern, bei La-
6.5 Quantenoptik 541

serprintern und in der Nachrichtentechnik einge- Bestrahlungsstärken dieser Intensität sind weit
setzt. Bei höheren Leistungen ab 2,5 kW können größer, als man sie mit konventionellen Licht-
sie auch in der Materialbearbeitung Verwendung quellen erzeugen kann (Ü 6-38). Bei Riesen-
finden. impulslasern (Festkörperlaser oder CO2 -Laser
mit Q-switch) lassen sich im Puls Leistun-
Flüssigkeitslaser gen von 100 MW und Bestrahlungsstärken
Sie bestehen aus organischen Farbstoffen in stark von 1013 W=cm2 erzielen. Bei kontinuierlich
verdünnter Lösung und werden optisch mit Blitz- arbeitenden CO2 -Lasern erreicht man Leistun-
lampen oder Lasern gepumpt. Sie finden Einsatz gen von über 10 kW und Bestrahlungsstärken
in der Spektroskopie, weil sie von 300 nm bis von mehr als 5 GW=cm2 .
1;2 m einstellbar sind.
Ein nahezu paralleler Laserstrahl lässt sich mit
einer Sammellinse ideal fokussieren und kann 6.5.5 Materiewellen
so der Materialbearbeitung dienen. Aufgrund der
Beugung an der Linse erzeugt man allerdings kei- 6.5.5.1 De-Broglie-Beziehung
nen punktförmigen Fokus, sondern der Strahl mit Stimuliert durch die Erfolge der Einstein’schen
dem Durchmesser D schnürt sich zu einem mini- Lichtquantenhypothese, in der den klassi-
malen Durchmesser d ein und wird dann wieder schen elektromagnetischen Wellen Teilchen-
breiter. Für einen Strahl mit gaußförmiger Inten- eigenschaften zugeschrieben wurde, postulierte
sitätsverteilung gilt für den Taillendurchmesser in 1924 der französische Physiker L. DE B ROGLIE
guter Näherung (1892 bis 1987), dass die bisher als Teilchen
4 f 0 interpretierten Elektronen auch Welleneigen-
dD : (6.141)
 D schaften aufweisen sollten. Die Wellenlänge 
Bei guter Fokussierung und großer Strahlungs- dieser Materiewellen sollte nach de Broglie mit
leistung wird die Bestrahlungsstärke so groß, dem Impuls p der Teilchen nach (6.133) zusam-
dass alle absorbierenden Materialien verdampfen menhängen:
und auf diese Weise abgetragen werden.
h
D : (6.142)
Beispiel 6.5-2
p
Wie groß ist die Bestrahlungsstärke in der Schnelle Elektronen mit großem Impuls haben
Taille eines CO2 -Lasers mit einem Strahl- demnach eine kleine Wellenlänge. Beschleunigt
durchmesser von D D 5 mm, der mit einer man ein Elektron in einem elektrischen Feld mit
Linse der Brennweite f 0 D 5 mm fokussiert der Beschleunigungsspannung U , dann lässt sich
wird? Der Laser emittiert die Strahlungsleis- seine Endgeschwindigkeit aus der Zunahme der
tung ˚e D 1 kW bei der Wellenlänge  D kinetischen Energie berechnen:
10;59 m. r
1 2 2eU
m v D eU; v D :
Lösung 2 m
Der Taillendurchmesser ist nach (6.141)
Der
p Impuls des Elektrons beträgt p D mv D
4  10;59  106 m 5  103 m 2eUm. Somit ist die Materiewellenlänge
d D
   5  103 m
h
D 1;35  105 m : D p : (6.143)
2eUm
Damit ist die Fläche der Taille A D
Diese „klassische“ Rechnung muss bei großen
1;43  1010 m2 und die Bestrahlungsstärke
Beschleunigungsspannungen durch eine „relati-
˚e W W vistische“ ersetzt werden, die dem Massenzu-
Ee D D 7  1012 2 D 7  108 :
A m cm2 wachs bei großen Geschwindigkeiten Rechnung
542 6 Optik

trägt (Abschn. 4.3.5.1, Abb. 4.57, und Kap. 10).


Dabei ergibt sich

h
D r 2 : (6.144)
eU
m0 c m0 c 2
C1 1

Beschleunigungsspannungen um 1 kV rufen Wel-


lenlängen hervor, die in der Größenordnung von
Röntgenwellenlängen liegen. Falls die Elektro-
nen wirklich Welleneigenschaften haben, sollte
daher ein Elektronenstrahl, der auf ein Kristallgit-
ter gerichtet ist, dieselben Beugungserscheinun-
gen zeigen wie ein Röntgenstrahl.
Der erste Nachweis der Elektronenbeugung
gelang 1927 C. DAVISSON und L. G ERMER an
Nickel-Einkristallen. Mittlerweile wurden sämt-
liche mit Licht bzw. Röntgenstrahlung möglichen
Beugungsexperiment (z. B. Beugung am Dop-
pelspalt, an einer Kante und am Fresnel’schen
Biprisma) auch mit Elektronenstrahlen nachvoll-
zogen. Abb. 6.138 zeigt Beugungserscheinungen,
die mit Elektronenstrahlen aufgenommen wur-
den.
Nicht nur mit Elektronen, sondern auch mit
Protonen und Neutronen, sogar mit ganzen Ato-
men und großen Molekülen (z. B. C60 ) kön-
nen Beugungsexperimente durchgeführt werden.
Daraus folgt:

Alle Mikroteilchen tragen sowohl Teil-


chen- als auch Wellencharakter in sich.

Die Interpretation des Wellencharakters Abb. 6.138 Elektronenbeugung. a Feinbereichsbeugung


an einkristallinem Zirkonoxid ZrO2 (Foto: Max-Planck-
schließt sich eng an die Erläuterungen in Ab- Institut für Metallforschung, Stuttgart) b Beugung an einer
schn. 6.5.2 über Photonen an. Bei der Beugung polykristallinen Zn-Cd-Schicht
am Doppelspalt nach Abb. 6.130 werden die
einzelnen Teilchen als Ganzes an diskreten
Orten nachgewiesen. Die klassisch berech- Beziehung (6.142) gegeben ist. Nach M. B ORN
nete Intensitätsverteilung gibt lediglich die (1882 bis 1970) ist die Wahrscheinlichkeit, ein
Wahrscheinlichkeit an, ein Teilchen an einem Teilchen am Ort .x; y; z/ anzutreffen, gegeben
bestimmten Ort anzutreffen. durch j .x; y; z/j2 .
Die Materiewellen werden durch eine Wel- Die Wellennatur der Elektronen wird beson-
lenfunktion  .x; y; z; t/ mit einer Wellenlän- ders eindrucksvoll beim Elektronenmikroskop de-
ge  beschrieben, die durch die De-Broglie- monstriert (Abschn. 6.6).
6.5 Quantenoptik 543

eine Impulskomponente px senkrecht dazu ha-


ben. Diese seitliche Impulskomponente muss das
Teilchen beim Beugungsvorgang am Spalt er-
halten haben. Da bei enger werdendem Spalt
immer größere Winkel ˛ auftreten, sind damit
auch immer größere Impulse px in x-Richtung
verknüpft. Alle Elektronen, die am Beugungs-
vorgang beteiligt sind müssen durch den Spalt
hindurchgetreten sein. Die Spaltbreite x gibt
also die Genauigkeit an, mit der der Ort der
Elektronen in der Spaltebene angegeben werden
kann.
Beschränkt man sich auf die erste Beu-
gungsordnung, dann ist der maximal mögliche
Winkel ˛, unter dem die Elektronen auftreten,
nach (6.108) sin ˛ D =x. Andererseits ist
nach Abb. 6.139 sin ˛ D px =p und damit
px =p D =x.
Die Elektronen haben eine Materiewellenlän-
ge , die nach der De-Broglie-Beziehung (6.142)
mit dem Impuls p verknüpft ist:  D h=p. Setzt
man dies in die obige Gleichung ein, so ergibt
sich
px h
Abb. 6.139 Zur Ableitung der Heisenberg’schen Un- D oder xpx D h :
schärferelation: Beugung von Elektronen an einem Spalt
p px

Da für die höheren Beugungsordnungen noch


größere Winkel ˛ und damit größere Impulskom-
6.5.5.2 Heisenberg’sche ponenten px auftreten, gilt allgemein
Unschärferelation
Bei der in Abschn. 6.4.1.6 beschriebenen Beu- xpx = h : (6.145)
gung des Lichtes am Spalt wurde gezeigt, dass
die Beugungsfigur eines Spaltes umso breiter Dies ist die Heisenberg’sche Unschärferelation,
wird, je enger der Spalt ist. Dieser gegenläu- die von W. H EISENBERG 1927 gefunden wurde.
fige Effekt ist von grundlegender Bedeutung Sie verknüpft die Messfehler von Orts- und Im-
für die Quantenmechanik; er sei anhand der in pulsbestimmung miteinander (Abschn. 8.2.3):
Abb. 6.139 skizzierten Beugung eines Elektro-
nenstrahls an einem Spalt erläutert.
Schickt man einen parallelen Elektronen- Je genauer der Ort eines Teilchens festge-
strahl durch einen Spalt, so entsteht auf einem legt wird, umso ungenauer lässt sich sein
Schirm eine Verteilung der gebeugten Elektro- Impuls bestimmen und umgekehrt.
nen, die durch das Punktmuster angedeutet ist.
Die Auftreffwahrscheinlichkeit j j2 der Elektro-
nen entspricht der klassischen Beugungsfunkti- In der makroskopischen Physik tritt die Un-
on (6.107). Ein Teilchen, das unter dem Winkel schärferelation nicht in Erscheinung, weil der
˛ zur primären Strahlrichtung austritt, muss zu- Zahlenwert der Planck’schen Konstanten h sehr
sätzlich zu seinem Impuls in Strahlrichtung auch klein ist.
544 6 Optik

6.5.5.3 Zur Übung 6.6 Abbildung mikroskopischer


Objekte
Ü 6-70 UV-Licht einer Quecksilberdampf-
Lampe mit der Wellenlänge  D 253;7 nm fällt 6.6.1 Beugungsbegrenzte Abbildung
auf eine Cäsium-Oberfläche (WA D 2;14 eV).
a) Welche kinetische Energie haben die emit- Instrumente, die zur Vergrößerung kleinster Ob-
tierten Fotoelektronen? b) Wie groß ist ihre jekte gebaut werden, stoßen irgendwann an
Geschwindigkeit? die Grenzen ihre Auflösungsvermögens (Ab-
schn. 6.4.1.8). Dies kommt daher, dass die geo-
Ü 6-71 Ein Laserstrahl mit der Wellenlänge metrische Optik versagt, wenn die Dimensionen
 D 647 nm hat die Strahlungsleistung ˚e D der Gegenstände in die Größenordnung der Licht-
100 mW. Wie viel Photonen NP je Sekunde wer- wellenlänge kommen. Infolge der Beugung an
den transportiert? Linsenfassungen, Aperturblenden und an den zu
untersuchenden Objekten selbst, ist das Auflö-
Ü 6-72 Röntgenstrahlen mit der Wellenlänge sungsvermögen begrenzt.
 D 70;94  1012 m werden an Elektronen ge- Die Abbe’sche Theorie der Bildentstehung in
streut. Wie groß ist der maximale Energieverlust einem Mikroskop geht davon aus, dass ein Ob-
der Röntgenquanten? jekt mit feiner Strukturierung durchstrahlt wird
(Abb. 6.140). Denkt man sich als Objekt ein
Ü 6-73 Sichtbares Licht hat die Wellenlängen Strichgitter mit dem Strichabstand g, so wird das
380 nm 5  5 780 nm. In welchem Bereich lie- Licht an den Spalten gebeugt und tritt dann ins
gen die Energien der sichtbaren Photonen? Objektiv des Mikroskops ein. In Abb. 6.140 sind
der Übersichtlichkeit halber nur die Beugungs-
Ü 6-74 Die Nachweisgrenze des menschlichen ordnungen m D 0 und ˙1, ausgehend von zwei
Auges liegt für gelbes Licht mit der Wellenlän- Spalten, gezeichnet. Die parallelen Strahlen wer-
ge  D 590 nm bei der Strahlungsleistung ˚e D den in der Brennebene des Objektivs vereinigt
1;7  1018 W. Wie viele Lichtquanten NP müssen und erzeugen dort das primäre Bild (hier die
demnach je Sekunde auf die Netzhaut fallen, da- drei Punkte mit m D 1, 0, C1). In der Zwi-
mit ein Nervenreiz ausgelöst wird? schenbildebene (s. auch Abb. 6.54) entsteht dann
als sekundäres Bild das vergrößerte Abbild des
Ü 6-75 Ein He-Ne-Laser mit der Wellenlänge Objektes. Die Intensitätsverteilung in der Bild-
 D 633 nm und dem Strahldurchmesser D D ebene kommt durch die Interferenz der drei von
2 mm wird mit einer Linse mit der Brennwei- den Beugungspunkten ausgesandten Wellen zu-
te f 0 D 150 mm fokussiert. Berechnen Sie die stande. Sie entspricht also hier der Gitterfunktion
Bestrahlungsstärke Ee in der Taille, wenn die La- eines Dreifachspaltes ((6.114), Abb. 6.93).
serleistung ˚e D 0;6 mW ist. Die in Abb. 6.140 gezeigte Intensitätsvertei-
lung am Ort des Zwischenbilds hat nur eine sehr
Ü 6-76 Ein Geschoss mit der Masse m D 40 g grobe Ähnlichkeit mit dem Objekt. Das Bild wird
fliegt mit der Geschwindigkeit v D 1000 m=s. dem Objekt immer ähnlicher, je mehr Beugungs-
Wie groß ist die zugehörige Materiewellenlänge? punkte in der Brennebene entstehen, also je mehr
Wieso beobachtet man keine Beugungseffekte? höhere Beugungsordnungen ins Objektiv eintre-
ten und an der Abbildung mitwirken (Vielstrahl-
Ü 6-77 Thermische Neutronen haben die Ener- interferenz, Abb. 6.93). Im Idealfall ergibt sich
gie E D 25 meV. Wie groß ist die De-Broglie- schließlich die gestrichelte Intensitätsverteilung.
Wellenlänge? Die Neutronenmasse ist mn D Blendet man andererseits alle Beugungsordnun-
1;675  1027 kg. Vergleichen Sie das Ergebnis gen jmj  1 aus, sodass nur noch die nullte
mit typischen Gitterkonstanten von Kristallen. Ordnung an der Abbildung teilnimmt, dann er-
6.6 Abbildung mikroskopischer Objekte 545

der Bildebene entsteht, ist, dass außer der null-


ten wenigstens eine erste Beugungsordnung ins
Objektiv eintritt.
Für den in Abb. 6.140 dargestellten Fall gilt,
dass das Objektiv so groß ist, dass die Ordnun-
gen m D ˙1 mitwirken. Nach (6.115) treten
die Hauptmaxima erster Ordnung auf unter dem
Winkel sin ˛1 D =g. Ist der maximale Öff-
nungswinkel ˛ ebenso groß, dann ist der kleinste
aufzulösende Abstand in der Objektebene


ymin D :
sin ˛
Enthält der Raum zwischen Objekt und Objektiv
eine Immersionsflüssigkeit mit Brechungsindex
n, dann wird die Wellenlänge um n reduziert und
es gilt

ymin D :
n sin ˛
Das Produkt aus Brechzahl und Sinus des Öff-
nungswinkels wird als numerische Apertur be-
zeichnet (6.15):
AN D n sin ˛ :

Damit gilt für den kleinsten aufzulösenden Ob-


Abb. 6.140 Bildentstehung im Mikroskop nach Abbe jektabstand

ymin D : (6.146)
AN
gibt sich ein gleichmäßig hell ausgeleuchtetes Werden bei schiefer Durchleuchtung des Objekts
Gesichtsfeld, das keinerlei Informationen mehr zur Abbildung lediglich die Beugungsordnungen
über das abzubildende Objekt enthält. Die Vor- m D 0 und C1 verwendet, dann wird die Auf-
aussetzung dafür, dass überhaupt eine Struktur lösungsgrenze noch ungefähr um den Faktor 2
mit einer gewissen Ähnlichkeit zum Objekt in reduziert.

Abb. 6.141 Verwendete Wellenlängen und Auflösungsgrenzen beugungsbegrenzter Mikroskope


546 6 Optik

Trockensysteme haben eine numerische Aper- kussiert. Die durchgehenden Strahlen erzeugen
tur von AN < 0;95. Mit Immersionsflüssigkeit dann mittels einer weiteren Zonenplatte (Objek-
kommt man auf Werte von AN < 1;6 (Abb. 6.55, tiv) ein stark vergrößertes Bild, das mit einer
AN D 1;4). CCD-Kamera aufgenommen wird. Die numeri-
Grob gesprochen ist nach (6.146) das Auflö- sche Apertur ist typischerweise AN  0;05,
sungsvermögen eines Mikroskops begrenzt auf sodass nach (6.146) eine Auflösung vom Zwan-
Objektdetails von der Größe der Wellenlänge. zigfachen der Wellenlänge erwartet wird. Die
Durch Verwendung von kürzeren Wellenlängen tatsächliche Auflösung entspricht etwa der Brei-
bei UV-, Röntgen- und Elektronenmikroskopen te des äußersten Rings der Zonenplatte. Praktisch
konnte die Auflösungsgrenze bis in atomare Di- erreicht man mit weicher Röntgenstrahlung ei-
mensionen vorangetrieben werden (Abb. 6.141). ne Auflösung von etwa 20 nm. Besonders inter-
Das Lichtmikroskop arbeitet mit sichtbarem essant sind die Wellenlängen zwischen 2,4 nm
Licht (VIS), das mittels Glaslinsen die Abbil- und 4,4 nm, dem so genannten „Wasserfenster“.
dung und Vergrößerung des Gegenstandes be- Dort absorbieren organische Substanzen wesent-
wirkt (Abschn. 6.2.8.4). Für eine Bildentstehung lich stärker als Wasser, sodass ein guter Kontrast
sind gefärbte oder geätzte Präparate erforderlich, entsteht. Es lassen sich somit biologische Prä-
die das Licht amplitudenmodulieren. Optische parate in wässriger Lösung untersuchen. Harte
Kontrastierungsverfahren erlauben auch Unter- Röntgenstrahlung (Eph > 10 keV) lässt sich
suchungen an unveränderten Präparaten. Durch- mit brechenden konkaven Metall-Linsen (Al) fo-
lichtpräparate müssen dünn geschnitten, Auf- kussieren. Damit wurden Auflösungen von etwa
lichtpräparate geschliffen und poliert sein. Das 300 nm erzielt.
Lichtmikroskop erreicht die theoretische Auflö- Das Elektronenmikroskop, hier das Transmis-
sung nach (6.146). In der Praxis wird eine mini- sions-Elektronenmikroskop (TEM) arbeitet mit
male Auflösung von etwa 200 nm erreicht. Elektronen, die beschleunigt werden mit Span-
Das UV-Mikroskop arbeitet mit UV-Strahlung nungen zwischen 50 kV und 3 MV. Nach (6.144)
im Bereich von 340 nm bis 193 nm. Zur Abbil- ergeben sich dadurch Materiewellenlängen von
dung sind Quarzlinsen erforderlich. Die Präpa- 5,4 pm bis 360 fm. Die Elektronenstrahlen wer-
rate müssen UV-Strahlung absorbieren, reflek- den mit elektrostatischen bzw. elektromagne-
tieren oder in längerwelliges Lumineszenzlicht tischen Linsen fokussiert. Der Aufbau ent-
umwandeln. Auch beim UV-Mikroskop wird die spricht dem klassischen Lichtmikroskop. Wegen
theoretische Auflösungsgrenze nach (6.146) er- der großen Öffnungsfehler der Elektronenlinsen
reicht. In der Halbleiter-Fotolithografie mit  D muss die Apertur sehr klein gemacht werden
193 nm (ArF-Excimerlaser) werden standardmä- (AN  0;04). Dadurch ist die Auflösungsgren-
ßig Strukturen mit 65 nm Abstand hergestellt, die ze deutlich größer als die Wellenlänge. Praktisch
im Labor bereits auf 30 nm reduziert wurden. erreicht ein 500 kV-Mikroskop eine Auflösung
Lange Zeit galt es unmöglich, ein Röntgen- von etwa 100 pm. Man kann damit also Ato-
mikroskop zu bauen, weil der Brechungsindex me in Kristallgittern abbilden (Abb. 6.142). Weil
von Gläsern für Röntgenstrahlen nahe bei 1 liegt Elektronen in Materie stark absorbiert werden,
(n D 1  ı, mit ı  103 ), Röntgenstrahlen al- können nur ultradünn geschnittene, vakuumbe-
so praktisch nicht gebrochen werden. Möglich ist ständige Präparate untersucht werden.
eine Reflexion an Kristallgittern bei streifendem
Einfall (Abschn. 6.4.1.14, Abb. 6.105). Heute
können Röntgenlinsen aus Fresnel’schen Zonen- 6.6.2 Überwindung der
platten (Abb. 6.108) hergestellt werden. Beim Beugungsbegrenzung
Transmissions-Röntgenmikroskop (TXM) wird
monochromatische Strahlung einer starken Rönt- Die Beugungsbegrenzung der Auflösung lässt
genquelle (z. B. Synchrotronstrahlung) mithilfe sich umgehen, wenn nicht das gesamte Objekt
einer Zonenplatte (Kondensor) auf das Objekt fo- simultan abgebildet, sondern mithilfe einer Son-
6.6 Abbildung mikroskopischer Objekte 547

Abb. 6.143 Rastertunnelmikroskop, Messprinzip. Werk-


Abb. 6.142 Hochauflösende TEM-Aufnahme einer ˙ 3 bild IBM, Zürich
(111)-Korngrenze in Strontiumtitanat. Das eingesetzte
Strukturmodell zeigt die Positionen von Atomsäulen in
der Korngrenze, die mittels quantitativer Bildauswertung
bestimmt wurden. Aufnahme: O.Kienzle, MPI für Metall- gliedern zeilenförmig über die Probe bewegt
forschung, Stuttgart (Abb. 6.143). Wird die Spitze in z-Richtung
so gesteuert, dass der Tunnelstrom konstant
bleibt, dann folgt die Spitze allen Erhebungen
de abgerastert wird und die erhaltenen Informa- und Vertiefungen der abgerasterten Oberfläche.
tionen anschließend zu einem Bild zusammen- Die Spannung Uz am Piezokristall, der die z-
gesetzt werden. Die Auflösung der Rasterson- Bewegung bewirkt, beinhaltet somit sämtliche
denmikroskopie ist im Wesentlichen durch den Informationen über die Topografie der Proben-
Durchmesser der verwendeten Sonde sowie die oberfläche, so dass damit auf elektronischem
Reichweite der Wechselwirkung zwischen ihr Weg ein Rasterbild der Oberfläche erzeugt wer-
und der Probe bestimmt. den kann.
Die Auflösung des Tunnelmikroskops beträgt
Rastertunnelmikroskop in lateraler Richtung etwa 200 pm und ist in ver-
Beim Rastertunnelmikroskop (Scanning Tunne- tikaler Richtung kleiner als 10 pm. Man kann da-
ling Microscope, STM), das 1981 von G. B INNIG mit also einzelne Atome abbilden (Abb. 6.144).
(geb. 1943) und H. ROHRER (geb. 1933) entwi- Damit ein Tunnelstrom fließen kann, müssen die
ckelt wurde (Nobelpreis 1986), dient als Sonde zu untersuchenden Präparate elektrische leitfähig
eine extrem dünn ausgezogene Wolframnadel, sein.
deren Spitze im Idealfall durch ein Atom gebildet
wird. Befindet sich die Spitze in einem Abstand Rasterkraftmikroskop
von ungefähr 1 nm von der zu untersuchenden Proben, die nicht elektrisch leitend sind, kön-
Oberfläche, dann überlappen sich die elektroni- nen mit dem Rasterkraftmikroskop (Atomic For-
schen Wellenfunktionen und es fließt zwischen ce Microscope, AFM) untersucht werden. Dieses
Spitze und Probe ein Tunnelstrom, der extrem ist eine Weiterentwicklung des Rastertunnelmi-
empfindlich (exponentiell) vom Abstand zwi- kroskops durch G. Binnig, C. Quate und C.
schen Probe und Spitze abhängt (Abschn. 8.2.6). Gerber im Jahr 1986. Dabei wird wieder mithil-
Um eine Abbildung der Probenoberfläche zu fe von Piezo-Stellgliedern mit einer sehr feinen
erhalten, wird die Spitze mittels Piezo-Stell- Spitze (z. B. Si, SiN, Krümmungsradius 0,1 nm
548 6 Optik

Abb. 6.145 Prinzip des Rasterkraftmikroskops

Abb. 6.144 Rastertunnelmikroskop: Cu-Phthalocyanin-


Moleküle eines auf einer (111)-Si-Oberfläche aufge-
dampften 50 nm dicken Films. Aufnahme: Renate Hies-
gen, Hochschule Esslingen, Dieter Meissner, Fachhoch-
schule Wels, Österreich

bis 10 nm) über die zu untersuchende Probe ge-


rastert. Die Spitze befindet sich am Ende eines
Biegebalkens (cantilever), der infolge der Wech-
Abb. 6.146 AFM-Aufnahme von roten Blutkörperchen.
selwirkungskraft zwischen Spitze und Probe ver- Durchmesser ca. 8 m, Höhe ca. 300 nm. Aufnahme: Jür-
bogen wird. Diese Durchbiegung und damit die gen Haiber, Physiklabor, Hochschule Esslingen
Stärke der Kraft kann optisch detektiert werden
über die Ablenkung eines reflektierten Laser-
strahls auf einer positionsempfindlichen Fotodi- Bilder der Oberfläche ergeben sich auch, wenn
ode (Abb. 6.145). Regelt man die Höhe mithilfe die Spitze die Oberfläche nicht berührt. Dazu
des z-Piezos so, dass die Kraft konstant bleibt, so wird der Federbalken zu vertikalen Schwingun-
liefert die Spannung Uz wieder eine Information gen erregt (tapping mode). Die dicht über der
über die Topografie der Oberfläche und erlaubt Probenoberfläche schwingende Spitze wird durch
die elektronische Erstellung eines dreidimensio- van-der-Waals-Wechselwirkung mit den Atomen
nalen Abbilds. Bei harten Proben ist eine laterale der Probe gedämpft und liefert so beispielswei-
Auflösung von 100 pm erreichbar (Abb. 6.146). se Informationen zur Adhäsion und Nano-Härte.
Jenseits der einfachen Abbildung einer Ober- Verwendet man Messsonden, die mit spezifi-
fläche können mit dem Kraftmikroskop weite- schen chemischen Substanzen belegt sind, dann
re Informationen über die physikalischen und lässt sich eine Aussage machen über die che-
chemischen Eigenschaften der Probe gewonnen mische Zusammensetzung der Probenoberfläche
werden. Beispielsweise wird beim Reibungsmi- (Chemical Force Microscope, CFM). Beschich-
kroskop (Friction Force Microscope, FFM) der tet man die Spitze mit einem ferromagnetischen
Federbalken in lateraler Richtung (y-Richtung in Stoff, dann liefert die Wechselwirkung mit ver-
Abb. 6.145) über die Probe bewegt. Durch das schiedenen magnetischen Strukturen ein Bild der
seitliche Verdrehen des Federbalkens kann die magnetischen Eigenschaften der Probe (Magne-
Reibungskraft in Abhängigkeit von der Normal- tic Force Microscope, MFM). Man kann damit
kraft auf einer Nanometerskala untersucht wer- beispielsweise magnetische Datenbits auf Com-
den. puterfestplatten sichtbar machen.
6.6 Abbildung mikroskopischer Objekte 549

Rasterelektronenmikroskop
Beim Rasterelektronenmikroskop (REM, engl.
Scanning Electron Microscope, SEM) wird als
Sonde ein mithilfe von magnetischen Linsen
erzeugter schlanker Elektronenstrahl scharf auf
die Probe fokussiert. Rastert dieser die Pro-
benoberfläche zeilenförmig ab, so werden teils
die primären Elektronen zurück gestreut, teils
aus der Probe Sekundärelektronen ausgelöst und
mit einem Kollektor gesammelt. Mit dem dar-
aus gewonnenen elektronischen Signal wird die
Helligkeit eines parallel dazu laufenden Fern-
sehmonitors gesteuert, so dass auf dem Monitor
ein vergrößertes Abbild der Oberfläche entsteht
(Abb. 6.147).
Die Bedeutung der REM-Bilder liegt nicht
so sehr in der erzielbaren Vergrößerung (Auf-
lösungsgrenze etwa 10 nm), als vielmehr in der
enormen Schärfentiefe und Plastizität der Bil-
der. Abb. 6.147a zeigt die Wendel der Lampe
eines Kfz-Scheinwerfers. Der Glaskolben wur-
de bei einem Unfall zerstört, so dass die Wendel
durchbrannte und das entstehende Wolframoxid
sich auf den kälteren Bereichen niederschlug. Die
große Schärfentiefe zeigt sich auch in der Aus-
schnittsvergrößerung von Abb. 6.147b.
Der Elektronenstrahl löst beim Rastern nicht
nur Elektronen aus der Oberfläche aus, sondern
auch charakteristische Röntgenstrahlung (Ab-
schn. 8.5). Mithilfe der Röntgenfluoreszenzana-
lyse (RFA) kann somit eine Materialbestimmung
des untersuchten Objekts durchgeführt werden.
Abb. 6.147c zeigt ein auf der heißen Glühwen-
del aufgeschmolzenes Glaskügelchen sowie die
Konzentration von Silicium längs der horizonta-
len Linie.
Die im REM untersuchten Präparate müssen
vakuumfest und elektrisch leitend sein. Nicht-
leitende Substanzen werden mit einer dünnen
Goldschicht besputtert und dadurch leitend.

Optisches Nahfeldmikroskop
Dass auch bei einer optischen Abbildung die
Beugungsbegrenzung überwunden werden kann,
wenn im Nahfeld anstatt im Fernfeld gemessen Abb. 6.147 REM-Aufnahmen einer durchgebrannten
Lampenwendel. a Wendel mit Wolframoxid, 100 m,
wird, hat der Ire E. Synge bereits 1928 erkannt. b Ausschnittsvergrößerung vom oberen Bildrand des Teil-
Die technischen Probleme konnten aber erst Mit- bilds a, 10 m, c aufgeschmolzenes Glaskügelchen
te der 1980er Jahre gemeistert werden. Bei der mit Elementanalyse, 10 m
550 6 Optik

b c

Abb. 6.149 PSTM-Bild der Moden des Lichtfeldes, das


in einem photonischen Kristall lokalisiert ist. Wellenlänge
1;56 m, Auflösung 250 nm. Aufnahme: Sushil Mujum-
dar, Nano-Optics Group, ETH Zürich
Abb. 6.148 Optische Nahfeldmikroskopie, a Messprin-
zip, b SNOM, c PSTM
bleibt, durch die das Licht austritt. Da Licht in
Al ca. 6 nm tief eindringt, ist der kleinstmögliche
optischen Nahfeldmikroskopie wird wie beim Aperturdurchmesser 12 nm. Das von der Probe
Rastertunnel- oder Rasterkraftmikroskop die Pro- transmittierte (oder reflektierte) Licht wird von
benoberfläche abgerastert. Die Sonde, meist eine einem Fotodetektor nachgewiesen.
angespitzte Glasfaser mit einem Krümmungsra- Beim Photon Scanning Tunneling Microsco-
dius von einigen Nanometern, wird mittels Piezo- pe (PSTM) wird das Objekt so beleuchtet, dass
Stellgliedern in einem Abstand von wenigen Na- Totalreflexion auftritt. Dabei erstreckt sich das
nometern über die Probe bewegt (Abb. 6.148a). elektromagnetische Feld geringfügig über die
Dabei kann die Sonde entweder das Objekt be- Probenoberfläche hinaus mit exponentiell abneh-
leuchten oder vom Objekt abgegebenes Licht mender Feldstärke. Dieses so genannte evanes-
weiterleiten oder beides. Die zwei wichtigsten zente Feld kann von einer Spitze „angezapft“
Modifikationen sind in Abb. 6.148b und c darge- werden. Es tunneln also quasi Photonen von der
stellt. Probe zur Glasfaser, die in diesem Fall nicht
Beim Scanning Near-Field Optical Microsco- metallisiert sein muss und das Licht zu einem De-
pe (SNOM) dient die Spitze zur Beleuchtung. tektor weiter leitet.
Um das Licht möglichst punktförmig auf die Je feiner die Spitze und je kleiner der Ab-
Probe zu bringen, wird eine dünn ausgezogene stand zur Probenoberfläche ist, umso besser ist
oder geätzte Glasfaser metallisiert (z. B. durch das Auflösungsvermögen und zwar unabhängig
Bedampfen mit Aluminium), sodass am unte- von der Wellenlänge. Eine typische Auflösungs-
ren Ende nur eine winzige Öffnung (Apertur) grenze ist etwa 20 nm, die aber mit speziellen
6.6 Abbildung mikroskopischer Objekte 551

Spitzen und Methoden auf etwa 1 nm verbessert Abb. 6.149 zeigt einen durch ein Gitter von Boh-
werden kann. Die schwierige Aufgabe der Ab- rungen gebildeten photonischen Kristall, in dem
standsregelung zwischen Spitze und Probe wird Licht einer bestimmten Wellenlänge gefangen ist.
mit den Methoden, die bereits vom AFM her be- Mittels einer unbeschichteten Faserspitze wur-
kannt sind (tapping mode) realisiert. de das evaneszente Feld (Abb. 6.148c) an der
Mit dem optischen Nahfeldmikroskop kön- Oberfläche des photonischen Kristalls abgetastet
nen nicht nur materielle Objekte abgebildet, son- und damit die Feldverteilung der eingeschlosse-
dern auch das Lichtfeld selbst vermessen werden. nen Lichtwelle sichtbar gemacht.
Akustik
7

spektrum mit nahezu konstantem Druckverlauf)


7.1 Einführung
eingeteilt.
Die Akustik beschäftigt sich mit der Ausbreitung Bei der Schallausbreitung unterscheidet man
von Longitudinalwellen in Gasen, Flüssigkeiten die geometrische Akustik mit geradlinigen Schall-
und Festkörpern. Abb. 7.1 zeigt eine Übersicht wegen im Raum und den Schallreflexionen an
über das Fachgebiet Akustik. Von besonderer Be- den raumumschließenden Flächen, die Schallab-
deutung sind die Ausbreitung von Schall in Luft sorption, die die Raumakustik und den empfan-
und die beim Menschen ausgelöste Schallempfin- genen Schallpegel bestimmt, sowie die Schall-
dung. Je nach Frequenzverlauf des Schalldrucks dämmung als Schallschutz zwischen benachbar-
wird Schall in Ton (eine Schallfrequenz, sinus- ten Räumen.
förmiger Druckverlauf), Geräusch (breitbandiges Die Schallwechseldrücke erstrecken sich über
Frequenzspektrum, stark schwankender Druck- mehr als sechs, die Schallfrequenzen über mehr
verlauf) oder Knall (sehr breitbandiges Frequenz- als zehn Zehnerpotenzen. Je nach Schalldruck-

Abb. 7.1 Strukturbild Akustik


© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2016 553
E. Hering, R. Martin, M. Stohrer, Physik für Ingenieure, DOI 10.1007/978-3-662-49355-7_7
554 7 Akustik

belastung, Schallfrequenzbereich und Wirkungs-


grad werden elektroakustische Wandler nach dem
elektrostatischen, elektrodynamischen, elektro-
magnetischen, piezoelektrischen oder piezoresis-
tiven Prinzip verwendet. Von besonderer Bedeu-
tung ist als biologischer akustischer Wandler das
menschliche Gehör sowie dessen Lautstärke- und
Abb. 7.2 Ausbreitung einer ebenen Schallwelle
Schallfrequenzempfindung.

V D Sx und dem Druckgradienten dp=dx


7.2 Schallwellen
einer räumlichen Druckstörung, das hydrodyna-
mische Grundgesetz:
7.2.1 Schallausbreitung
dp dv
Schall ist die Ausbreitung lokaler Druckschwan- S x  %V D0 oder
dx dt
kungen in Medien. Der Zusammenhang zwi- dv 1 dp
schen den räumlichen und zeitlichen Druckzu- D : (7.3)
dt % dx
ständen bei der Schallausbreitung wird im Fol-
genden für den mathematisch einfacheren Fall Gleichung (7.3) geht aus den zeitabhängigen
der Ausbreitung einer eindimensionalen ebenen Navier-Stokes’schen Gleichungen der Hydrome-
Kompressionsstörung wiedergegeben. In dem in chanik (3.151) hervor, wenn man in diesen Dif-
Abb. 7.2 dargestellten säulenförmigen Volumen- ferenzialgleichungen die nichtlinearen Glieder
element V mit der Querschnittsfläche S ändert vernachlässigt. Bei der Schallausbreitung sind
sich räumlich der Druck in Ausbreitungsrichtung die Geschwindigkeiten und Dichteänderungen so
x längs der Säulenachse. Das Zusammenschie- klein, dass diese Näherung zulässig ist.
ben der Moleküle mit der Auslenkungsgeschwin- Die Druckstörung verursacht im Volumen
digkeit v, der Schnelle, bewirkt eine rücktreiben- V D Sx einen räumlichen Geschwindig-
de Kraft Frück die vom Druckunterschied an den keitsgradienten dv=dx und damit verbunden eine
Begrenzungsflächen des Volumenelements her- zeitliche Volumenänderung dV =dt. Mit der Kon-
rührt: tinuitätsbedingung folgt aus Abb. 7.2
x dp
Frück D .p2  p1 /S D S x : dV V Œt1 C dt  V Œt1 
jxj dx D
dt dt
(7.1) SŒx C .v2  v1 /dt  Sx
D
Wegen der Beschleunigung a infolge der Druck-  dt dv 
störung erfährt bei einer Dichte % im Volumen V Sx C S v1 C dx x  v1 dt  Sx
D
die Masse m D %V die Trägheitskraft dt

dv und somit
F t D ma D %V : (7.2) dV dv
dt DV : (7.4)
dt dx
Aus dem dynamischen Kräftegleichgewicht Ft C Die Volumenänderung eines komprimierbaren
Frück D 0 folgt der Zusammenhang zwischen Mediums ist über den Kompressionsmodul K
der Beschleunigung a D dv=dt eines Volumens mit der Druckänderung im Medium verknüpft;
7.2 Schallwellen 555

nach (2.158) und Abb. 2.80 gilt für ein Volu- Sind die Querabmessungen bei Festkörpern
men V klein gegen die Wellenlänge (z. B. dünner Stab),
so tritt auch eine Querdehnung oder Kontrak-
dV V
D oder tion des Körpers ein. Dann muss anstelle des
dp K Kompressionsmoduls K der Elastizitätsmodul E
dV V dp
D : (7.5) gesetzt werden, sodass gilt:
dt K dt s
Durch Gleichsetzung von (7.4) und (7.5) er- E
cdünner Stab D : (7.9)
hält man für den Zusammenhang zwischen ei- %
nem räumlichen Geschwindigkeitsgefälle und
Die Druckänderung bei der Schallausbreitung in
der dadurch hervorgerufenen zeitlichen Druckän-
Gasen erfolgt im Vergleich zur Wärmeleitung so
derung
dv 1 dp schnell, dass die Zustandsänderung isentrop ohne
D : (7.6) Wärmeübertragung verläuft. Durch Differenzie-
dx K dt
ren folgt aus (3.66) pV ~ D konstant für isentrope
Durch Differenzieren von (7.3) nach x und (7.6)
Zustandsänderungen
nach t lassen sich die beiden Beziehungen ver-
knüpfen: dV V
D
dp ~p
1 @2 p @2 v 1 @2 p
 D D  bzw:
% @x 2 @t @x K @t 2 und durch Vergleich mit (7.5) für den isentropen
2
@ p K@ p 2 Kompressionsmodul K idealer Gase
D : (7.7)
@t 2 % @x 2 cp p
K D ~p D : (7.10)
cV
Gleichung (7.7) hat die Form der
d’Alembert’schen Wellengleichung (5.175) (Ab- ~ ist der Isentropenexponent nach (3.60) (Ab-
schn. 5.2.2.3). Wie dort gezeigt, erfüllen alle schn. 3.3.4), der vom Verhältnis der spezifischen
Druckfunktionen der Form p.x; t/ D p.x ˙ c t/ Wärmekapazitäten der Gase abhängt. Wird (7.10)
diese partielle Differenzialgleichung zweiter mit Hilfe der Zustandsgleichung idealer Gase
Ordnung, c ist dabei die konstante Phasen- p D %Ri T umgeformt und in (7.8) eingesetzt,
geschwindigkeit, mit der sich die Störung im so ergibt sich die Schallgeschwindigkeit in Gasen
kompressiblen Medium ausbreitet. Im Fall der zu
Ausbreitung von Druckstörungen wird die Pha- s
sengeschwindigkeit c als Schallgeschwindigkeit p cp Ri
cGas D ~Ri T D T : (7.11)
bezeichnet. Der Vergleich von (7.7) mit (5.194) cV
ergibt, dass die Schallgeschwindigkeit c durch
die Dichte % und den Kompressionsmodul K Hierin sind cp und cV die spezifischen Wärmeka-
bestimmt ist: s pazitäten bei konstantem Druck bzw. konstantem
K Volumen und Ri die spezifische (massebezogene)
cD : (7.8) Gaskonstante.
%
Werden – wie bei Stoßwellenexperimenten – sehr Beispiel 7.2-1
große Dichtegradienten und Geschwindigkeits- Es soll eine Näherungsgleichung für die Tem-
änderungen erzeugt, sind die Näherungen des peraturabhängigkeit der Schallgeschwindig-
hydrodynamischen Grundgesetzes nicht mehr er- keit cL in Luft abgeleitet werden.
füllt. Die Druckausbreitung wird dann nicht
durch die Differenzialgleichung (7.7) beschrie- Lösung
ben; insbesondere ist die Schallgeschwindigkeit Werden die Werte cp D 1;005 J=.g K/, cV D
nicht mehr konstant. 0;717 J=.g K/ und Ri D 287 J=.kg K/ von
556 7 Akustik

Tab. 7.1 Dichte, Schallgeschwindigkeit und Schallkennimpedanz einiger Stoffe beim Normdruck pn D 1013 hPa
Dichte % Schallgeschwindigkeit c Schallkennimpedanz Z0
kg m kg
in 3 in in 2
m s m s
Luft 20 ı C trocken 1;396 319 445
Luft 0 ı C trocken 1;293 331 427
Luft 20 ı C trocken 1;21 344 416
Luft 100 ı C trocken 0;947 387 366
Wasserstoff 0 ı C 0;090 1260 113
Wasserdampf 130 ı C 0;54 450 243
Wasser 0 ı C 1000 1400 1;40  106
20 ı C 998 1480 1;48  106
Glyzerin 1260 1950 2;46  106
Eis 920 3200 2;94  106
Holz 600 4500 2;70  106
Glas 2500 5300 13;0  106
Beton 2100 4000 8;4  106
Stahl 7700 5050 39  106

Luft in (7.11) eingesetzt, so ergibt sich chung


s
m # p.x; t/ D p0 C pw
cL D 331;5 1C : ( !)
s 273;15 ı C x
D p0 C pO cos 2 f t  :
c
Im meteorologischen Temperaturbereich
(7.12)
von etwa 20 ı C < # < C40 ı C ist
#=273;15 C  1, sodass die Wurzel durch
ı
Hierin ist p0 der statische Gasdruck und pO
eine Reihenentwicklung genähert werden die Amplitude des Schallwechseldrucks pw . Die
kann: Schnelleverteilung der Schallausbreitung ergibt
m

1 #
 sich aus der Differenziation von (7.12) nach x
cL  331;5 1C und Integration von (7.3) nach t zu
s 2 273;15 ı C
 
# m
( !)
D 331;5 C 0;6 ı : 1 x
C s v.x; t/ D pO cos 2 f t  : (7.13)
%c c
Die Abweichungen der Werte der Näherungs-
gleichung sind im obigen Temperaturbereich Die Schnelleamplitude vO beträgt also
kleiner als 0,2 %. 1
vO D pO : (7.14)
%c
Die Schallgeschwindigkeit einiger Festkörper,
Flüssigkeiten und Gase enthält Tab. 7.1. Die Schallschnelle v.x; t/ ist über den Wellenwi-
Die Lösungsfunktion der Wellengleichung derstand oder die Schallkennimpedanz
(7.7) hängt entscheidend von den Rand- und An-
fangsbedingungen ab. Im einfachsten Fall der Z D %c (7.15)
sinusförmigen Erregung durch einen eindimen-
sionalen harmonischen Schallgeber mit der Erre- eindeutig mit dem Schallwechseldruck pw .x; t/
gerfrequenz f lautet die Lösung der Wellenglei- verknüpft. Z ist über die Dichte und die Schallge-
7.2 Schallwellen 557

schwindigkeit von dem statischen Druck p0 und Der am Ort x0 gemessene resultierende Effektiv-
der Temperatur T des Gases abhängig. Anhand wert ist dann für zwei Schalldrücke
einer Schnellemessung kann also der Schall- v
wechseldruckverlauf analysiert werden. Werte
u Z
u1
u
für die Schallkennimpedanz einiger Stoffe sind peff D t .p1 C p2 /2 dt

in Tab. 7.1 aufgeführt. Durch Integration oder 0
Differenziation von (7.13) ergeben sich die Elon- v
u Z
gation y und die Beschleunigung a der von der u1 Z Z
u 1 2
Schallwelle verursachten longitudinalen Mole- Dt p1 dt C
2
p2 dt C
2
p1 p2 dt :
  
külschwingung: 0 0 0

Für nichtkohärente Schallwellen verschwindet im


( !)
1 1 x
y.x; t/ D pO sin 2 f t  zeitlichen Mittel das Produkt der Schallwechsel-
2 f %c c
amplituden und in diesem häufigen Fall gilt
(7.16)
q
und peff D 2 2
(7.20)
p1; eff C p2; eff C    :
a.x; t/ D  2 f 
( !) Mit den Beziehungen (7.14) und (7.16) ist die
1 x
 pO sin 2 f t  : (7.17) Energiedichte w D dW=dV einer Schallwelle
%c c
1 1 1 pO 2
Schallaufnehmer zeigen den über die Integrati- w D %.2 f /2 yO 2 D % vO 2 D : (7.21)
2 2 2 %c 2
onszeit  gebildeten Effektivwert peff des Schall-
wechseldrucks an: Nach (5.163) ist die Schallintensität
v
u Z 1 dW 1
u
u1 I D D wc D %c vO 2 oder
peff D t 2
pw .x; t/dt : (7.18) S dt 2

1 p2
0
I D vO pO D veff peff D eff : (7.22)
2 Z
Für sinusförmige Schallwellen gilt analog den
Effektivwerten elektrischer Wechselströme Die Schallleistung P einer Schallquelle ergibt
sich, wenn die Schallintensität auf einer Oberflä-
pO che um die Schallquelle, z. B. einer Kugeloberflä-
peff D p : (7.19)
2 che, aufsummiert wird, aus
Z
Solange die Schallwechselamplituden im Ver- P D I dS : (7.23)
gleich zum statischen Gasdruck klein sind
S
(Schalldruckpegel L < 130 dB, Abschn. 7.2.2),
überlagern sich an einem Ort des Schallfeldes die Die geometrische Form einer Schallquelle be-
Schalldrücke additiv (Superpositionsprinzip): stimmt die Lösung der Wellengleichung (7.7),
die räumliche Ausbreitung des Schallwechsel-
p.x0 ; t/ D p1 .x0 ; t/ C p2 .x0 ; t/ C    drucks und damit die Schallintensität an jedem
558 7 Akustik

(1) (2)

(3) (4)

Abb. 7.3 Schallquellengeometrien

Ort im Schallfeld der Schallquelle. Eindimen- delt (Dissipation); zum anderen regt die Schall-
sionale Schallfelder, wie sie (7.12) beschreibt, welle translatorische, rotatorische und andere
und die nach (7.22) eine konstante Schallin- Freiheitsgrade der Moleküle des Schallübertra-
tensität haben, gibt es näherungsweise nur im gungsmediums an (Relaxation), sodass die der
Nahfeld ausgedehnter ebener Schallquellen oder Schallwelle entzogene Anregungsenergie nach
in vergleichsweise kleinen Schallfeldbereichen einer charakteristischen Zeitkonstante (Relaxati-
weit entfernt von lokalisierten Schallquellen. Bei onszeit) ebenfalls der inneren Energie des Me-
punkt- oder kugelförmigen Schallquellen ist die diums zugeführt wird. Diese Schallausbreitungs-
Schallintensität räumlich nicht konstant; bei Ver- dämpfung führt zu einer exponentiellen Abnahme
dopplung des Abstands zum Kugelmittelpunkt der Schallintensität. Zusätzlich zu einer eventuell
sinkt die Schallintensität auf ein Viertel. durch die Schallquellengeometrie verursachten
In Abb. 7.3 sind die Beziehungen für die drei Intensitätsabnahme bewirkt diese Absorptions-
Grundgeometrien der ebenen, linien- und punkt- dämpfung einen Schallintensitätsabfall an einem
förmigen Schallquellen zusammengestellt. Ort r, bezogen auf die Intensität an einem Ort r0 ,
Erfolgt die Schallwellenausbreitung über grö- von
ßere Entfernungen, beispielsweise in Luft über
mehr als 100 m, dann machen sich Schallener- I.r/ D I.r0 /e˛.rr0 / : (7.24)
gieverluste durch Schallabsorption bemerkbar.
Die Schallenergie wird dabei zum einen durch Der Dämpfungskoeffizient ˛ (Maßeinheit m1 )
innere Reibung und durch nicht vollständige isen- ist abhängig von der Schallfrequenz und von
trope Kompression direkt in Wärme umgewan- den Schallabsorptionseigenschaften des Medi-
7.2 Schallwellen 559

ums. Der Luftdämpfungskoeffizient hängt bei- den Luftspalt eines Magneten; hierdurch wird
spielsweise von der Luftfeuchtigkeit ab; bei nor- der magnetische Fluss im Magnetjoch modu-
malen klimatischen Verhältnissen ist die Luftab- liert und in einer Wicklung eine elektrische
sorption bei tiefen Schallfrequenzen gering, erst Spannung induziert.
oberhalb f D 1000 Hz beträgt der Luftdämp-  Beim piezoelektrischen Wandler bewirkt die
fungskoeffizient ˛L  103 m1 entsprechend Deformation des Kristalls durch den Schall-
einer Intensitätsabnahme von mehr als 4 dB=km. druck eine Verschiebung der Ladungsstruk-
Einen besonders hohen Dämpfungskoeffizi- tur und piezoelektrisch, erzeugte Oberflächen-
enten weisen Schallabsorbermaterialien auf. Die ladungen, deren elektrische Spannung zum
große innere Reibungsfläche der faserartigen Schalldruck proportional ist.
oder porösen Stoffe, wie z. B. Mineralfasern,  Beim piezoresistiven Wandler werden durch
Steinwolle und Filze, erhöht die Dissipation. den Schalldruck die Körner von Kohlegrieß
unterschiedlich gepresst, sodass sich der elek-
trische Widerstand des Kohlegrießes ändert
7.2.2 Schallwandler und der dadurch modulierte elektrische Strom
an einem Lastwiderstand eine in erster Nä-
Die Wechseldrücke von Schallwellen überspan- herung zum Schalldruck proportionale Span-
nen in der Technik einen Wertebereich von mehr nung erzeugt.
als sechs Zehnerpotenzen. Schallwandler müs-
sen also in diesem großen Bereich den Schall- Schalldruckmessgeräte bilden über Gleichrich-
wechseldruck oder die nach (7.3) damit ver- ter die Effektivwerte der Ausgangsspannungen
knüpfte Schallschnelle über ein mechanisches elektroakustischer Wandler und korrigieren durch
Schwingungssystem (Membran) in eine elektri- spezielle Verstärkerkennlinien den Frequenzgang
sche Spannung umwandeln können. Schallemp- des Übertragungsmaßes. Die Messanzeige muss
fänger oder Mikrofone wandeln den Schalldruck mit Eichschallquellen kalibriert werden.
in elektrische Spannung, Schallgeber oder Laut- Handliche Zahlenwerte für die Schallwechsel-
sprecher elektrische Leistung in Schallleistung. druck-Effektivwerte ergeben sich, wenn diese in
Die verschiedenen elektroakustischen Wand- einem relativen logarithmischen Maßstab, dem
ler unterscheiden sich im Absolutwert und in der Schalldruckpegel Lp , angegeben werden:
Frequenzabhängigkeit des Wandlerwirkungsgra- !
2
des, aber auch in ihrer mechanischen Empfind- p eff
Lp D 10 lg 2
dB
lichkeit und ihrer Schalldruckbelastbarkeit. peff; 0
In Abb. 7.4 sind die gebräuchlichen elektro- 
peff

akustischen Wandlerprinzipien einander gegen- D 20 lg dB : (7.25)
peff; 0
übergestellt:
Der Bezugsschalldruck peff; 0 liegt an der unte-
 Beim elektrostatischen Wandler bildet die ren Hörgrenze und ist nach DIN EN ISO 1 683
Schallwandlermembran zusammen mit einer auf peff; 0 D 2  105 Pa festgelegt. Wie in der
Gegenelektrode einen Kondensator, dessen Elektrotechnik wird das Zehnfache des logarith-
Kapazität und damit elektrische Spannung mischen Relativmaßes des Schallpegels mit der
sich mit der Membranauslenkung ändert. Einheit Dezibel gekennzeichnet.
 Beim elektrodynamischen Wandler bewegt die Außer dem Schalldruckpegel gibt es weitere
Membran eine Spule in einem Topfmagne- Schallpegel; sie sind in Tab. 7.2 zusammenge-
ten, sodass zur Schallschnelle proportionale stellt. Nur bei einer Schallkennimpedanz Z D
elektrische Spannungen in der Schwingspule 400 kg=.m2 s/ des Ausbreitungsmediums, wie sie
induziert werden. etwa Luft bei # D 20 ı C aufweist, und bei
 Beim elektromagnetischen Wandler verändert gleichen Bezugsflächen S D S0 für den Schall-
die Bewegung der magnetischen Membran leistungspegel ergeben sich gleiche Pegelwerte.
560 7 Akustik

Abb. 7.4 Elektroakustischen Wandler

Die Addition von Schallpegeln ist nicht algebra- ergibt den Gesamtschallpegel
isch; so ist beispielsweise 0 dB C 0 dB D 3 dB.
Addiert werden können nur die Schallintensitä- I
Lges D 10 lg dB
ten oder entsprechend (7.22) die Quadrate der I0
n
!
Schalldruckeffektivwerte. Die Summe relativer X Li

Schallintensitäten D 10 lg 10 10 dB dB : (7.26)
i D1
I I1 I2 L1 L2
D C C : : : D 10 10 dB C 10 10 dB C    In der Praxis führt man die Pegeladdition sukzes-
I0 I0 I0 n
X Li sive für jeweils zwei Pegel aus, indem man die
D 10 10 dB
Schallpegel-Additionstabelle 7.3 benutzt. Zum
i D1
7.2 Schallwellen 561

Tab. 7.2 Schallpegel


Schallpegel Definition Bezugsgröße Beziehungen
peff
Schalldruckpegel Lp D 20 lg dB peff; 0 D 2  10 5
Pa
peff; 0
peff D Z veff
veff m
Schallschnellepegel Lv D 20 lg dB 8
veff; 0 D 5  10
veff; 0 s
2
peff 2
I D D veff Z
Z
I W
Schallintensitätspegel LI D 10 lg dB I0 D 1012
I0 m2
2
peff
P DS
Z
P
Schallleistungspegel LW D 10 lg dB P0 D 1012 W
P0

Tab. 7.3 Schallpegel-Additionstabelle (L Pegel- Dieser Wert ergibt sich auch anhand von
differenz, Lz Pegelzuschlag) Tab. 7.3:
L Lz L Lz L Lz
dB dB dB dB dB dB L32 D L3  L2 D 1 dB; Lz; 32 D 2;5 dB I
0,0 3,0 4,0 1,5 8,0 0,6
L4 D L3 C Lz; 32 D 76;5 dBI
0,5 2,8 4,5 1,3 9,0 0,5
1,0 2,5 5,0 1,2 10,0 0,4 L41 D L4  L1 D 6;5 dB; Lz; 41 D 0;9 dB I
1,5 2,3 5,5 1,1 12,0 0,3 Lges D L4 C Lz; 41 D 77;4 dB :
2,0 2,1 6,0 1,0 14,0 0,2
2,5 1,9 6,5 0,9 16,0 0,1 Zur Charakterisierung von Schallgebern, zur
3,0 1,8 7,0 0,8 =20 0,0
Analyse von Schallquellen und zur Messung
3,5 1,6 7,5 0,7
des Koinzidenzeffekts bei Trennwänden (Ab-
schn. 7.2.3) ist die Bestimmung der Frequenz-
abhängigkeit des Schallpegels erforderlich, das
größeren Pegel L1 addiert man einen Pegelzu-
Schallfrequenzspektrum. Dazu wird das Span-
schlag Lz , der entsprechend der Pegeldifferenz
nungssignal des elektroakustischen Schallwand-
L D L1  L2 Tab. 7.3 entnommen wird.
lers durch Bandfilter, im einfachsten Fall durch
elektrische Resonanzkreise entsprechend Ab-
Beispiel 7.2-2
schn. 4.5.2.4 mit variabler Resonanzfrequenz, nur
Wie groß ist der Gesamtschallpegel von drei
in einem Frequenzintervall verstärkt und damit
Schallquellen mit den Schallpegeln L1 D
der Schallpegel in Abhängigkeit von der Reso-
70 dB, L2 D 73 dB, L3 D 74 dB?
nanzfrequenz des Bandfilters gemessen. Akus-
tische Bandfilter werden durch das Verhältnis
Lösung
fo =fu der oberen zur unteren Grenzfrequenz so-
Nach (7.26) ermittelt man p
wie die Bandmittenfrequenz fm D fo fu cha-
rakterisiert. Je schmaler das Frequenzintervall
Lges D 10 lg.100;170 C 100;173 C 100;174 / dB
fo  fu ist, desto höher ist die Auflösung des
D 10 lg.5;507  107 / dB D 77;4 dB : Schallfrequenzspektrums. Für Schall- und Lärm-
562 7 Akustik

Tab. 7.4 Terz und Oktavfilter (fu ; fo untere bzw. obere Frequenzgrenze, A Schallpegelabschwächung bei A-
Bewertung)
Oktave Terz
fu fo fm A fu fo fm A
Hz Hz Hz dB Hz Hz Hz dB
11 22 16 56;7 14,1 17,8 16 56;7
17,8 22,4 20 50;5
22,4 28,2 25 44;7
22 44 31,5 39;4 28,2 35,5 31,5 39;4
35,5 44,7 40 34;6
44,7 56,2 50 30;2
44 88 63 26;2 56,2 70,7 63 26;2
70,7 89,1 80 22;5
89,1 112 100 19;1
88 177 125 16;1 112 141 125 16;1
141 178 160 13;4
178 224 200 10;9
177 355 250 8;6 224 282 250 8;6
282 355 315 6;6
355 447 400 4;8
355 710 500 3;2 447 562 500 3;2
562 708 630 1;9
708 891 800 0;8
710 1420 1000 0 891 1122 1000 0
1122 1413 1250 C0;6
1413 1778 1600 C1;0
1420 2840 2000 C1;2 1778 2239 2000 C1;2
2239 2818 2500 C1;3
2818 3548 3150 C1;2
2840 5680 4000 C1;0 3548 4467 4000 C1;0
4467 5623 5000 C0;5
5623 7079 6300 0;1
5680 11.360 8000 1;1 7079 8913 8000 1;1
8913 11.220 10.000 2;5
11.220 14.130 12.500 4;3
11.360 22.720 16.000 6;6 14.130 17.780 16.000 6;6
17.780 22.390 20.000 9;3

schutzanalysen
p ist das Grenzfrequenzverhältnis Beispiel 7.2-3
fo =fu D 3 2 des Terzfilters ausreichend; es ent- Wie groß ist der Oktavpegel, wenn bei den
spricht etwa der Auflösung des menschlichen Mittenfrequenzen fm folgende Terzpegel LT
Ohres. gemessen werden:
Für Grobanalysen werden Oktavfilter mit dem
Grenzfrequenzverhältnis fo =fu D 2 eingesetzt. fm LT
In Tab. 7.4 sind die Bandmittenfrequenzen und 400 Hz 55 dB
Grenzfrequenzen der Terz- und Oktavfilter zu- 500 Hz 59 dB
sammengestellt. 630 Hz 58 dB .
7.2 Schallwellen 563

Lösung Der Energieerhaltungssatz Ie D Ir C It für senk-


Nach (7.26) ist rechten Einfall lautet mit Hilfe von (7.22)

LOktav D 10 lg.100;1 L400 C 100;1 L500 1 pOe2 .0/ 1 pOr2 .0/ 1 pOt2 .0/
D C : (7.29)
2 Z1 2 Z1 2 Z2
C 100;1 L630 / dB
D 62;4 dB : Diese Gleichung lässt sich umschreiben in

Z2 .pOe2 .0/  pOr2 .0// D Z1 pOt2 .0/ und daraus


7.2.3 Schallwellen an Grenzflächen Z2 .pOe .0/  pOr .0//.pOe .0/ C pOr .0// D Z1 pOt2 .0/ :

An der Grenzfläche zweier Medien mit un- Nun gilt als Folge des Kräftegleichgewichts für
terschiedlicher Schallkennimpedanz Z D % c die Amplituden der Schallwechseldrücke
wird die Schallwelle teilweise reflektiert, wie
Abb. 7.5 zeigt. Bei senkrechtem Einfall ist nach pOe .0/ C pOr .0/ D pOt .0/ : (7.30)
dem Energieerhaltungssatz die Summe der re-
flektierten Schallintensität Ir und der transmit- Dividiert man die vorige Gleichung durch (7.30),
tierten Schallintensität It gleich der einfallenden so entsteht
Schallintensität Ie .
Damit gilt für den Zusammenhang zwischen Z2 .pOe .0/  pOr .0// D Z1 pOt .0/
dem Schall-Reflexionsgrad %S D Ir =Ie und
D Z1 .pOe .0/ C pOr .0// :
dem Schall-Transmissionsgrad S D It =Ie einer
Grenzfläche .x D 0/
Hieraus folgt für den Reflexionsfaktor r einer
Grenzfläche
%S C S D 1 : (7.27)
pOr .0/ peff; r .0/ Z2  Z1
Wird im Medium II die transmittierte Schall- rD D D : (7.31)
pOe .0/ peff; e .0/ Z2 C Z1
energie absorbiert und in Wärme umgewandelt
(Dissipation), dann ist der Schallabsorptions- Für den Schall-Reflexionsgrad gilt
grad ˛S D Ia =Ie des absorbierenden Mediums
nach (7.27)
 
Ir .0/ 2 Z2  Z1 2
˛S D 1  %S : (7.28) %S D Dr D : (7.32)
Ie .0/ Z2 C Z1

Schließlich ergibt sich nach (7.28) für den Schall-


Absorptionsgrad einer Grenzfläche

4Z1 Z2
˛S D 1  %S D : (7.33)
.Z1 C Z2 /2

An schallharten Grenzflächen Z2  Z1 , bei-


spielsweise beim Übergang von Luft in Wasser
oder Beton, wird die Schallwelle nahezu total re-
flektiert. Eine ebenfalls sehr große Schallreflexi-
on tritt bei schallweichen Grenzflächen Z2  Z1
auf. In beiden Fällen kommt es durch die Überla-
gerung von einfallender und reflektierter Schall-
Abb. 7.5 Schall an einer Grenzfläche welle zu Schallinterferenzen (Abschn. 5.2.6) und
564 7 Akustik

zu stehenden Schallwellen mit Intensitätsknoten


und -bäuchen gemäß Abb. 7.6. Im Kundt’schen
Rohr (Abb. 5.59) wird über stehende Wellen
die Schallwellenlänge  bestimmt. – In realen
Schallfeldern ist die räumliche Verteilung der
Schallinterferenzen kompliziert. Im Nahfeld vor
Wänden erhöht sich beispielsweise der Schall-
pegel durch die Reflexion um L D 3 dB, in
Ecken durch dreidimensionale Reflexionen sogar
um L D 6 dB.
Schallreflexionen an Grenzflächen von Medi-
en mit unterschiedlicher Schallkennimpedanz
werden in der Ultraschalldiagnostik (Ab-
schn. 7.4.5) zur Lokalisierung von Materialfeh-
lern benutzt sowie bei der Körperschallisolierung
(Abschn. 7.4.3) zur Verhinderung der Schallein-
Abb. 7.6 Schallreflexion
leitung angewandt.
Schallabsorber erreichen nur dann einen ho-
hen Schallabsorptionsgrad ˛s , wenn die Schall- Schallwelle sind so groß wie die Schallschnel-
kennimpedanz des Absorbermaterials in etwa le vt und der Schalldruck pt der durch die
derjenigen von Luft entspricht und somit die vordere Grenzfläche durchgehenden Schall-
Schallwelle eindringen kann. Wird die Schall- welle.
energie nur in einem schmalen Schallfrequenz-  Die Schallenergieverluste in der Trennwand
bereich absorbiert, so handelt es sich um Reso- durch Dissipation sind vernachlässigbar, es
nanzabsorber nach dem Prinzip der erzwungenen gilt also S D 1  %S .
Schwingung eines Feder-Masse-Systems (Ab-  Nur die Massenträgheit der Trennwand be-
schn. 5.1.3). Im Bereich der Resonanzfrequenz stimmt das Resonanzverhalten; der Einfluss
fo nehmen diese Systeme große Schallenergien der Elastizität und anderer nichtlinearer oder
auf und wandeln diese als Strömungs- und Rei- frequenzabhängiger Effekte wird nicht be-
bungsverlust in Wärme um. rücksichtigt.
Poröse Schallabsorber wirken schallabsorbie-
rend, wenn die Schallwellenlänge S D c=f kür- Bei sehr biegeweichen Stoffen, wie z. B. bei
zer als die vierfache Absorberdicke ist. Werden Gummi- oder Bleimatten, sind diese Näherun-
poröse Absorber vor schallharten Grenzflächen gen erfüllt, bei Wänden und Decken dagegen
befestigt, so ist der Schallabsorptionsgrad ˛S ma- nur bei sehr tiefen Anregungsfrequenzen (Ab-
ximal, wenn der Abstand einem Viertel der Wel- schn. 7.4.2).
lenlänge der stehenden Schallwelle entspricht, Trifft, wie in Abb. 7.8 skizziert, auf die Grenz-
die nach Abb. 7.6 durch die Interferenz zwi- fläche unter dem Einfallswinkel ı eine einfallen-
schen der einlaufenden und reflektierten Schall- de Schallwelle mit dem Schallwechseldruck pe
welle zustande kommt. Einen Überblick über und der Schallschnelle ve , dann gilt für den Druck
Aufbau und Eigenschaften technischer Schallab- p1 auf der Einfallsebene x1 mit (7.30) für Z1 D
sorber gibt Abb. 7.7. Z2
Die Schalltransmission durch Trennwände
lässt sich berechnen, wenn folgende Näherungen p1 .x1 / D pe .x1 / C pr .x1 /
gemacht werden: D 2pe .x1 /  pt .x1 / (7.34)

 Die Grenzfläche ist biegeweich, die Schall- und für die Schallwechseldruckdifferenz über
schnelle v2 und der Schallwechseldruck p2 dem Wandquerschnitt, vernachlässigbare Schall-
der auf der Wandrückseite abgestrahlten absorption in der Wand und damit pt .x2 / D
7.2 Schallwellen 565

(1) (2) (3)

Abb. 7.7 Schallabsorber

pt .x1 / vorausgesetzt.

p1 .x1 /  p2 .x2 /
D .2pe .x1 /  pt .x1 //  pt .x2 /
D 2.pe .x1 /  pt .x1 // : (7.35)

Diese Druckdifferenz p1  p2 bewirkt nach der


hydrodynamischen Grundgleichung (7.3) eine
Beschleunigung der Trennwand in x-Richtung:

dvx p1 .x1 /  p2 .x2 /


% D
dt x1  x2
Abb. 7.8 Schalldurchgang durch eine dünne Wand
566 7 Akustik

oder mit der Wanddicke s D x2  x1 und der Für senkrechten Schalleinfall ı D 0 ergibt sich
flächenbezogenen Masse m00 D %s
1
dv S .0ı / D   : (7.40)
m00
x
D p1  p2 : (7.36)  m00 f 2
dt 1C
Z
Die Beschleunigung wird durch die zeitliche Än-
In diesem Fall ist also der Transmissionsgrad
derung der Schnelle vt der transmittierten Welle
einer Trennwand umso größer, je kleiner die flä-
bewirkt. Deren x-Komponente ist bei einem Aus-
chenbezogene Masse und je niedriger die Schall-
fallwinkel ı
frequenz ist. Für Schallschutztrennwände gilt
vx .x1 / D vtx .x1 / D vt .x1 / cos ı : (7.37) meistens  m00 f =Z  1, sodass für ı <
90 (7.39) in
ı

In komplexer Schreibweise gelten für die Schall-  2


wellen an der Grenzfläche x D x1 mit der Z
S .ı/  (7.41)
Kreisfrequenz ! D 2 f  m00 f cos ı

pe .x1 / D pOe ej!t und v1 .x1 / D vO 1 ej!t übergeht. Vielfachreflexionen bewirken in Räu-
men, dass die Schalleinstrahlung gleichmäßig
sowie über alle Einfallswinkel ı, d. h. diffus verteilt
ist. Wegen cos2 ı D 0;5 ist daher der Trans-
pt .x1 / D pOt ej!t und vt .x1 / D vOt ej!t : missionsgrad S .ı/ einer Trennwand im diffusen
Schallfeld
Damit ergibt sich aus (7.36), wenn (7.37)
und (7.35) eingesetzt werden, p !2
2Z
S .ı/ D D 2S .0ı / : (7.42)
dvt  m00 f
m00 cos ı D m00 cos ı.j!/vO t e j!t
dt
D 2.pOe  pOt /e j!t : Als Schalldämmmaß R der Trennwand wird

Wird die Schnelle vOt nach (7.14) mit Hilfe der 1


R D 10 lg dB (7.43)
Schallkennimpedanz Z D %c der Luft in den S .ı/
Wechseldruck pOt umgewandelt, ergibt sich
definiert. Für ein diffuses Schallfeld ist also das
pOt j!t Schalldämmmaß einer biegeweichen Trennwand
j! m00 cos ı e D 2.pOe  pOt /e j!t
Z
 f m00
oder R D 20 lg dB  3 dB : (7.44)
Z
pt .x1 / 1
D :(7.38) Dies ist das Massengesetz für das theoretische
pe .x1 / m00 ! cos ı Schalldämmmaß einer Wand. – In der Pra-
1Cj
2Z xis findet man bei Platten und Wänden mehr
oder weniger große Abweichungen der gemes-
Der Transmissionsgrad S .ı/ hat dann die Win-
senen Schalldämmmaße gegenüber (7.44), wie
kelabhängigkeit
Abb. 7.9 zeigt. Bei schrägem Schalleinfall gemäß
It
ˇ
ˇ
ˇ2
pt .x1 / ˇ
ˇ Abb. 7.10 kommt es wegen der bei der Herlei-
S .ı/ D D ˇˇ tung von (7.44) vernachlässigten Biegesteifigkeit
Ie pe .x1 / ˇ
des Wandmaterials zu transversalen Biegewellen,
1
D  00  : (7.39) die die Platte passieren, auf der Plattenrückseite
m  f cos ı 2 Schall abstrahlen und somit die Schalldämmung
1C
Z vermindern.
7.2 Schallwellen 567

Abb. 7.9 Luftschalldämmmaß R einer 70 mm di-


cken Gipsplattenwand, beidseitig verspachtelt (m00 D
80 kg=m2 , E D 6  109 N=m2 , fg D Grenzfrequenz der
Spuranpassung nach (7.50))

Biegewellen auf Platten haben eine anomale


Dispersion (Abschn. 5.2.6.4). Die Ausbreitungs- Abb. 7.10 Biegewellen durch Spuranpassung
geschwindigkeit cB ist frequenzabhängig und
wird vom Quotienten aus Biegesteifigkeit B und
flächenbezogener Masse m00 bestimmt: streifendem Schalleinfall ı D 90ı . Die untere
r Grenzfrequenz fg der Spuranpassung beträgt al-
4 B so
p
cB D 2 f : (7.45) r
m00 cL2 m00
fg D : (7.48)
2  B
Die Biegewellen werden von einer auftreffenden
Schallwelle der Wellenlänge L resonant erregt, Im diffusen Schallfeld 0ı 5 ı 5 90ı setzt
wenn die Wellenlängenkomponente der Schall- bei Schallfrequenzen f > fg die erhöhte,
welle parallel zur Plattenebene, also deren Spur- durch den Koinzidenzeffekt verursachte Schall-
wellenlänge S D L = sin ı mit der Wellenlänge transmission ein und das Schalldämmmaß weicht
B D cB =f der Biegewelle übereinstimmt (Koin- vom theoretischen Massengesetz nach (7.44) ab
zidenzeffekt oder Spuranpassung): (Abb. 7.9).
s r Homogene Platten mit der Dichte % und der
2  4 B Dicke s sowie dem Elastizitätsmodul E und der
S D B D : (7.46) Querkontraktions- oder Poissonzahl  haben die
f m00
Biegesteifigkeit B D E s 3 =Œ12.1  2 /. Die
Bei einem Einfallswinkel ı tritt also Spur- Grenzfrequenz fg;hom homogener Platten ist dem-
anpassung bei folgender Schallfrequenz f D nach
cL =L ein: r
2
cL 12.1  2 /% 1
2
r
00
fg;hom D : (7.49)
cL cL m 2  E s
f D D : (7.47)
S sin ı 2  sin2 ı B
Wird der Einfluss von .0 5  5 0;5/ ver-
Nach (7.47) ergibt sich die tiefste Schallfrequenz, nachlässigt, so beträgt bei Luftschall (cL D
bei der noch eine Biegewelle erregt wird, bei 340 m=s) die Luftschall-Grenzfrequenz fg L ho-
568 7 Akustik

mogener Platten tavbändern ermittelten Oktavpegel? c) Zum oben


beschriebenen Klang wird zusätzlich ein weiteres
 m 2 1 r % Geräusch dazugeschaltet, sodass sich für beide
fg L;hom D 6;4  104 : (7.50)
s s E Signale gemeinsam ein Gesamtpegel von 95 dB
ergibt. Wie groß ist der Pegel des zweiten Ge-
Trennwände wirken schalldämmend, wenn ih- räusches?
re flächenbezogene Masse m00 groß ist und ihre
Grenzfrequenz fg oberhalb des Frequenzberei- Ü 7-3 Ein Lautsprecher mit kugelförmiger Ab-
ches liegt, in dem die Trennwand als Schallschutz strahlung befindet sich frei im Raum und wird mit
wirken soll. Bei üblichen homogenen Trenn- einer elektrischen Leistung von P D 100 W
wandmaterialien sind flächenbezogene Masse gespeist. Der akustische Wirkungsgrad des Laut-
und Biegesteifigkeit bzw. Dicke, Dichte und Elas- sprechers betrage  D 5 %. a) Wie groß sind
tizitätsmodul so verknüpft, dass man eine mate- die Schallintensität und der Schallpegel in 10 m
rialunabhängige Kurve für den Zusammenhang Entfernung vom Lautsprecher? b) Wie groß ist die
zwischen Schalldämmmaß R und flächenbezoge- Intensität in 10 m Entfernung vom Lautsprecher,
ner Masse m00 angeben kann (Abschn. 7.4.2). wenn sich derselbe unmittelbar vor einer schall-
harten Wand befindet? c) In welcher Entfernung
vom Lautsprecher beträgt die Intensität ein Viertel
7.2.4 zur Übung des Wertes, der sich in 10 m Entfernung vom Laut-
sprecher ergibt? Wie hoch ist der Schallpegel?
Ü 7-1 Ein quaderförmiger Raum mit allseitig
schallharten Oberflächen hat die Länge L D Ü 7-4 Bei einer ebenen, sinusförmigen Schall-
10 m, die Breite B D 8 m und die Höhe H D welle wird in Luft bei 20 ı C und Normdruck
6 m. a) Berechnen Sie für jede der drei Raum- eine Schalldruckamplitude von 0,2 Pa gemessen.
achsen die Frequenzen der ersten fünf Raum- a) Wie groß ist die maximale Schallschnelle?
resonanzen bei einer Schallausbreitung in Luft b) Welchen Effektivwert hat die Schallschnelle?
mit der Schallgeschwindigkeit 340 m/s. b) Ge- c) Wie groß sind Schallintensität sowie Schallpe-
ben Sie die ermittelten Resonanzen innerhalb des gel der Welle? d) Wie ändern sich Schallintensität
Oktavbandes mit der Bandmittenfrequenz fm D und Schallpegel beim Übergang von Luft in Ar-
63 Hz an. c) Wie ändert sich die Schallausbrei- gon bei 20 ı C und Normdruck? Die beiden Gase
tung und die Frequenz der ersten Raumresonanz sind voneinander getrennt durch eine dünne ver-
in jede der drei Raumachsen, wenn im Rahmen nachlässigbare Membran. Argon hat am Norm-
einer Modelluntersuchung Helium anstatt Luft zustand die Dichte %n D 1;784 kg=m3 und die
am Normzustand (#n D 0 ı C, pn D 1;013 bar) Schallgeschwindigkeit 308 m/s (Tab. 3.6).
verwendet wird?
Ü 7-5 Auf einem Betriebsgelände befinden sich
Ü 7-2 Gegeben ist ein Klang, der sich aus 10 drei Schallquellen, die als Punktquellen betrach-
Teiltönen mit den Frequenzen fn D n  f1 zu- tet werden können. Neben dem Betriebsgelände
sammensetzt; es gelte f1 D 200 Hz und n D steht ein Wohngebäude; für dieses soll die Wir-
1; 2; 3; : : : 10. Der Pegel des ersten Teiltones be- kung der Schallimmission bestimmt werden. In
trägt L1 D 90 dB. Die Pegel der nachfolgenden jeweils 2 m Abstand von den Quellen werden fol-
Teiltöne nehmen von Teilton zu Teilton jeweils gende Schallpegel gemessen: L1;2 m D 93 dB,
um 2,5 dB ab. a) Wie groß ist der Gesamtschall- L2;2 m D 97 dB und L3;2 m D 98 dB. Die Abstän-
pegel des Klangs? b) Für den Klang wird eine de zum Wohnhaus sind r1 D 160 m, r2 D 100 m
Frequenzanalyse mit Oktavfiltern durchgeführt und r3 D 252 m. a) Wie groß ist der Schallpegel
(Oktavmittenfrequenzen fm D 125 Hz, 250 Hz, jeder einzelnen Quelle am Wohngebäude? b) Wie
500 Hz, 1000 Hz und 2000 Hz). Welche Teiltö- groß ist der resultierende Gesamt-Schallpegel am
ne befinden sich im jeweiligen Oktavband und Wohngebäude, wenn alle drei Quellen gleichzei-
wie groß sind die daraus in den einzelnen Ok- tig einwirken? c) An welcher der drei Schall-
7.3 Schallempfindung 569

quellen ist eine Lärmminderungsmaßnahme am und verstärken die Auslenkungen des Trommel-
sinnvollsten, um den Gesamtpegel am Wohnge- fells auf das ovale Fenster.
bäude zu senken? Um wie viel muss der Pegel Das Innenohr ist sehr kompliziert aufgebaut.
mindestens gemindert werden, dass der Gesamt- Grob vereinfachend besteht es aus zwei mit-
pegel am Gebäude höchstens 60 dB beträgt? einander verbundenen Räumen (Skalae vestibuli
und tympani) und ist mit einer natriumionen-
Ü 7-6 Eine s D 10 mm dicke einscheibige reichen Flüssigkeit (Perilymphe) gefüllt. Beim
Glaswand (Dichte % D 2500 kg=m3 ; Querdeh- ovalen und runden Fenster ist das Flüssigkeitsvo-
nungszahl  D 0;17; Elastizitätsmodul E D lumen jeweils durch bewegliche Membranen ab-
76 GN=m2 / ist schalltechnisch zu analysieren. geschlossen, so dass die vom Schall verursachte
a) Welches Luftschalldämmmaß hat die Glas- Steigbügelfußbewegung in eine Schwingung der
wand bei 250 Hz und 1000 Hz? b) Wo liegt die inkompressiblen Perilymphflüssigkeit umgewan-
Grenzfrequenz dieser Glaswand? c) Welche Aus- delt wird. Diese Flüssigkeitsschwingung erzeugt
wirkung hat der Koinzidenzeffekt auf das Luft- mechanische Deformationen der Basilarmem-
schalldämmmaß der Glaswand? (Schätzwert für bran der Schneckenspindel, die die beiden Pe-
R bei 250 Hz und 1000 Hz). rilymphteilräume trennt. Die Schneckenspindel
ist mit kaliumionenreicher Flüssigkeit (Endolym-
phe) gefüllt, zwischen Endo- und Perilymphe
7.3 Schallempfindung besteht also ein elektrisches Gleichspannungspo-
tenzial. Die Haarzellen des Cortischen Organs
7.3.1 Physiologische Akustik auf der Basilarmembran erleiden durch die Ba-
silarmembranbewegung elektrische Potenzialän-
Das menschliche Ohr ist nach statistischen Rei- derungen und die dadurch im Hörnerv erzeugten
henuntersuchungen erst dann in der Lage, Schall- Reizströme lösen im Gehirn die Schallempfin-
wellen zu registrieren und eine Schallempfindung dung aus.
im Bewusstsein auszulösen, wenn die Schall- Gleiche Schallpegel unterschiedlicher Fre-
frequenz im Bereich f D 16 Hz bis 20 kHz quenz führen zu einer unterschiedlichen Schall-
und der Effektivwert des Schallwechseldrucks empfindung. In Abb. 7.12 ist als untere Grenz-
über ca. peff D 2  105 Pa liegt. Die obere kurve in Abhängigkeit von der Schallfrequenz
Frequenzgrenze des Hörbereichs verringert sich der Schalldruckpegel Lp eingezeichnet, der eben
mit zunehmendem Alter erheblich. Bei Schall- noch einen Höreindruck hervorruft, die Hör-
drücken oberhalb p D 20 Pa oder Schallpegeln schwelle.
höher als L D 120 dB registriert der Mensch Der Maßstab für das Lautheitsempfinden des
nahezu keine Frequenz- und Amplitudenabhän- Gehörorgans ist die Lautstärke LS . Er ist so
gigkeit des Schalls mehr, sondern er empfindet gewählt, dass bei einer Schallfrequenz f D
nur noch Schmerz (akustische Schmerzgrenze). 1000 Hz der Wert der Lautstärke gleich dem Wert
Einen Überblick über die Abgrenzung des Hörbe- des Schalldruckpegels ist:
reichs von den übrigen Schallfrequenzbereichen
gibt Tab. 7.5. LS .1 kHz/ Lp .1 kHz/
Das menschliche Gehörorgan besteht, wie D (7.51)
phon dB
Abb. 7.11 schematisch wiedergibt, aus drei Berei-
chen, dem äußeren Ohr, dem Mittelohr und dem Die Lautstärke wird in der Maßeinheit phon
Innenohr. Der äußere Gehörgang wirkt als offe- gemessen. Der Verlauf der Lautstärkepegel in
ne Pfeife (Abschn. 5.2.6.2), die Eigenfrequenz Abb. 7.12 gibt an, welcher Schalldruckpegel
der Luftsäule bewirkt im Bereich 2 kHz < f < Lp .f / einer Schallwelle die gleiche Schallemp-
4 kHz eine Resonanzverstärkung der Schallam- findung auslöst wie der Schalldruckpegel Lp
plituden. Hammer, Amboss und Steigbügel wir- (1000 Hz) einer 1 kHz-Schallwelle. Anhand von
ken als mechanische Übersetzung; sie übertragen Abb. 7.12 kann für Schall mit einem schmalban-
570 7 Akustik

Tab. 7.5 Schallbereiche


Schallbereich Infraschall Hörbereich Ultraschall Hyperschall
Frequenzbereich 0 Hz bis 15 Hz 16 Hz bis 20 kHz 20 kHz bis 10 GHz 10 GHz bis 10 THz
Schallgeber mechanische mechanisch: Pfeifen, mechanisch: Pfeifen, Josephson-Kontakte,
Rüttler (Shaker) Sirenen, Musikinstru- Sirenen, Pneuma- piezoelektrisch gekop-
mente; elektroakustisch: tik; elektroakustisch: pelte Mikrowellen-
elektrodynamische und elektrostriktive, Resonatoren
elektromagnetische piezoelektrische,
Lautsprecher elektrostatische Laut-
sprecher
Schallaufnehmer piezoelektri- Kondensatormikrofon, Kondensatormikrofon, Josephson-Kontakte,
sche Aufnehmer, elektrodynamische, piezoelektrische Mikro- piezoelektrisch gekop-
Dehnungsmess- piezoelektrische, piezo- fone pelte Mikrowellen-
streifen resistive Mikrofone Resonatoren
Anwendungs- Lagerschwin- Fonotechnik, Schall- Reinigung, Entga- Grundlagenphysik,
praxis gungen, und Lärmschutz, sen, Dispergieren, Phononenspektroskopie,
Körperschall, Raumakustik, Schwin- Emulgieren, Polyme- Molekularkinetik
Bauwerksschwin- gungsisolierung risationssteuerung,
gungsanalyse, Ultraschallbearbeitung
Erdbebenwellen (Bohren, Schneiden),
Werkstoffprüfung, Ul-
traschalldiagnostik,
Modellakustik

Abb. 7.11 Menschliches Gehörorgan, schematisch

Abb. 7.12 Kurven gleicher Lautstärke LS nach DIN ISO


digen Frequenzspektrum von maximal Terzbrei- 226
te durch eine Schallpegel- und Mittenfrequenz-
messung die Lautstärke bestimmt werden. Das
menschliche Gehör nimmt Lautstärkeunterschie- che Hörschwelle aber bei einem etwas höherem
de von LS D 1 phon gerade noch wahr. Bei Schalldruck liegt.
LS D 120 phon liegt die Schmerzgrenze des Ge- Bei der Angabe als Lautstärke LS entspricht
hörs. eine Verdopplung der Schallempfindung einer
Die Hörschwelle entspricht nicht dem Laut- Zunahme der Lautstärke um 10 phon. Ein pro-
stärkepegel von LS D 0 phon, sondern dem von portional zur Schallempfindung steigendes Maß
LS D 4 phon. Der Grund dafür ist, dass inter- ist die Lautheit
national als Bezugsschalldruck der runde Wert 
LS

0;1 phon 40
peff; 0 D 2  105 Pa vereinbart ist, die tatsächli- S D2 sone : (7.52)
7.3 Schallempfindung 571

Die Zahlenwerte der Lautheit S werden durch


den Zusatz sone gekennzeichnet. Nach (7.52)
entspricht die Lautstärke LS D 40 phon der Laut-
heit S D 1 sone.
Außer den wegen der Resonanzeigenschaf-
ten des Gehörorgans komplizierten Lautstärke-
kurven in Abb. 7.12 weist die Schallempfindung
einen Verdeckungseffekt auf. Treffen gleichzei-
tig zwei frequenzbenachbarte Schallspektren auf
das Gehör, so wird durch das Übersprechen be-
nachbarter Sensoren im Cortischen Organ das
Abb. 7.13 Bewertungskurven A und C nach DIN EN
Schallspektrum mit dem niedrigeren Schallpegel 61 672-1
verdeckt und im Wesentlichen ruft nur der hö-
here Schallpegel eine Schallempfindung hervor.
In der Schallmesspraxis wird dieser komplexe Hohe Schalldruckamplituden führen nur in
Zusammenhang zwischen der Schallempfindung Extremfällen, beispielsweise bei Stoßwellen von
und dem messbaren Schallpegelspektrum durch Explosionen, zur Schädigung des Trommelfells;
Bewertungskurven berücksichtigt, die sich in den sie führen in der Regel zu einer sofortigen Ver-
Schallpegelmessern durch eine elektronisch ein- täubung, bei der durch Stoffwechselstörungen die
fache frequenzabhängige Verstärkung verwirkli- Haarzellenempfindlichkeit vermindert wird. Die-
chen lassen. Von den in der DIN EN 61 672-1 se Anhebung der Hörschwelle bildet sich wieder
festgelegten oder vorgeschlagenen Bewertungs- vollkommen zurück, wenn die hohe Schallexpo-
kurven A und C wird in der Messpraxis die sition durch Erholungspausen unterbrochen wird
A-Bewertung am weitaus häufigsten benutzt; sie und nur kurzfristig ist. Jahrelange Schallbelas-
nähert den Verlauf der Schallempfindung für tung verursacht eine beschleunigte Degeneration
Lautstärken unter LS D 90 phon. Die Schallpegel der Haarzellen und einen irreversiblen Hörver-
von gehörschädigendem Lärm über LS D 100 lust, die Lärmschwerhörigkeit.
phon wird mit der C-Kurve bewertet. Der äquivalente Dauerschallpegel (Mitte-
Die bewerteten Schallpegel werden berechnet, lungspegel) ist ein Maß für die Schallbelastung
indem zu den terz- oder oktavweise gemessenen des Gehörs. Er wird durch Aufsummieren der
Schallpegeln Li ein frequenzabhängiges Bewer- A-bewerteten Schallpegel LA;i in den n Zeitinter-
tungsmaß i addiert wird. So ist der A-bewertete vallen ti des Bezugszeitraums tB , beispielsweise
Schallpegel LA eines Schallspektrums tB D 8 h, gebildet:
( n ) ( n  )
X Li C i 1 X LA;i
LA D 10 lg 10 10 dB dB.A/ : (7.53) Lm D 10 lg ti  10 10 dB dB.A/ :
tB i D1
i D1
(7.54)
Die Bewertungsmaße kann man Abb. 7.13 ent- Nach der VDI-Richtlinie 2058 liegt der Grenz-
nehmen; die Zahlenwerte der A-Bewertungsma- wert der Gehörbelastbarkeit bei einem äquiva-
ße A sind in der Tab. 7.4 aufgeführt. Die bewer- lenten Dauerschallpegel von Lm D 85 dB .A/,
teten Schallpegel werden in dB(A) oder dB(C) bezogen auf einen achtstündigen Arbeitstag; er
angegeben. führt bei 5 % der Betroffenen nach zehn Jahren
Mit zunehmendem Lebensalter wird durch die zu einer Lärmschwerhörigkeit.
Schallbelastung und Gefäßveränderung im Inne- Wird der auf einen achtstündigen Arbeits-
nohr der Stoffwechsel der Hörzellen vermindert. tag bezogene, äquivalente Dauerschallpegel von
Die Frequenzabhängigkeit und der Absolutwert Lm D 90 dB .A/ überschritten, dann sind Gehör-
der Hörschwelle verändern sich; es stellt sich die schutzmittel (Stöpselgehörschützer, Kapselgehör-
Altersschwerhörigkeit ein. schützer, Gehörschutzkappen) zu tragen.
572 7 Akustik

Die berufsbedingte Schwerhörigkeit beginnt


meistens mit einer Anhebung der Hörschwel-
le im Frequenzbereich von f D 2 kHz bis
f D 6 kHz, weil dort viele Lärmquellen
das Schallpegelmaximum haben. Die über die
Schallempfindung vegetativ gesteuerte Innenohr-
Stoffwechseländerung kann auch auf andere Kör-
perfunktionen übergreifen und zu Kreislauf-,
Herz- und Gleichgewichtsstörungen führen.

7.3.2 Musikalische Akustik

Die Schallempfindung des Menschen unterschei-


det den hörbaren Schall nicht nur nach dessen
Lautheit, sondern auch nach dem Höreindruck
des Schallereignisses. Die Unterscheidung des
Höreindrucks in Ton, Klang, Geräusch und Knall
wird durch den Verlauf des Intensitätsspektrums
des Schalls bestimmt.
Abb. 7.14 Höreindruck, charakteristische Spektren und
Die Schallwelle eines Tons ist rein sinusför- Schallschnelleverlauf (v Schallschnelle, t Zeit, I Intensi-
mig und monofrequent. Klänge sind eine Überla- tät, f Frequenz)
gerung mehrerer Schallwellen unterschiedlicher
Amplitude und Frequenz, wobei die Frequenzen
in ganzzahligen Verhältnissen zueinander stehen. trum der Zeitverlauf der Schnelle und umgekehrt.
Lässt sich das Frequenzverhältnis durch ganze Fast-Fourier-Transform-Analysatoren errechnen
Zahlen nicht größer als acht ausdrücken, so ist aus der zeitlichen Änderung der elektrischen
die abendländische Schallempfindung ein Wohl- Spannung der elektroakustischen Wandler das
klang (Konsonanz), im anderen Fall ein Miss- Frequenzspektrum; Echtzeitanalysatoren geben
klang (Dissonanz). Das Intensitätsspektrum eines das Spannungssignal gleichzeitig auf eine Rei-
Geräusches ist nicht mehr linienförmig, sondern he schmalbandiger Filter und messen parallel die
breitbandig und hat einen stark schwankenden Spannungsamplituden der einzelnen Bandfilter.
Amplitudenverlauf. Bei einem Knall schließlich Die niedrigste Frequenz im Schallspektrum be-
ist der Intensitätsverlauf über einen großen Fre- stimmt die Tonhöhe des Grundtons.
quenzbereich nahezu konstant. Klangerzeugende Instrumente unterscheiden
In Abb. 7.14 sind die charakteristischen sich durch das Verhältnis der Amplituden der
Schallspektren der verschiedenen Höreindrücke höherfrequenten Schwingungen, der Obertöne,
und der jeweilige zeitliche Verlauf der Schnel- zur Grundschwingung, dem Grundton. Für einige
le, den die zu diesen Höreindrücken führenden Musikinstrumente unterschiedlicher Klangfarbe
Schallwellen an Mikrofonmembranen oder dem sind in Abb. 7.16 die gemessenen Frequenzspek-
Trommelfell des Gehörorgans hervorrufen, ein- tren dargestellt.
ander gegenübergestellt. Abb. 7.15 gibt diese Die Einstufung der Tonhöhen durch das Ge-
Schallspektren als grafische Aufzeichnungen am hör ist weitgehend proportional zur Schallfre-
Bildschirm wieder. quenz. Nur für Töne mit Schallpegeln über L D
Der Schnelleverlauf einer Schallwelle ist 60 dB treten im Gehörorgan nichtlineare Über-
mit deren Intensitätsspektrum eindeutig ver- tragungseffekte auf; Töne unter f D 500 Hz
knüpft. Durch eine Fouriertransformation (Ab- werden höher und Töne über f D 4 kHz tiefer
schn. 5.1.4.3) ergibt sich aus dem Intensitätsspek- empfunden. Die Wahrnehmbarkeitsschwelle von
7.3 Schallempfindung 573

Abb. 7.15 Charakteristische Schallspektren: Schnellever- Frequenzspektrum (Abszisse: f , Ordinate: I ): e Ton a00 ,
lauf (Abszisse: t , Ordinate: v): a Ton a0 , b Klang a0 -cis00 - f Dreiklang a0 -cis00 -e00 , g Geräusch (Wassereinlauf in Be-
e00 , c Geräusch (Wasserauslauf), d Knall (Handklatschen). cken), h Knall (Handklatschen)
574 7 Akustik

Abb. 7.16 Lautstärkespektren von Musikinstrumenten im ton Hering), b Trompete (Originalton Martin), c Akkorde-
Vergleich, Kammerton a0 D 440 Hz (Aufnahme mit on (Originalton Stohrer)
Fast-Fourier-Transform-Analysator): a Violine (Original-

relativen Tonhöhenschwankungen ist frequenz-


und intensitätsabhängig; sie beträgt bei mittleren
Schallpegeln etwa 0,3% der Tonfrequenz.
Zur Skalierung der Tonhöhenempfindung wird
der Frequenzbereich der Schallempfindung lo-
garithmisch in Oktaven unterteilt; die Verdopp-
lung der Tonfrequenz ergibt einen Oktavschritt.
Abb. 7.17 gibt die Einteilung in Oktaven wie-
der. Zur Orientierung sind der Tonumfang einiger
Musikinstrumente und die Gesangs-Stimmlagen
aufgeführt.
Die Oktave wird in zwölf Tonintervalle mit
ganzzahligen Frequenzverhältnissen unterteilt;
der Tonhöhenunterschied benachbarter Toninter-
valle beträgt einen Halbtonschritt. Die Toninter-
valle sind in Tab. 7.6 zusammengestellt und durch Abb. 7.17 Frequenzbereiche der Oktaven, der Stimmla-
ihre Klangempfindung charakterisiert. gen und der Grundtöne einiger Musikinstrumente
7.3 Schallempfindung 575

Tab. 7.6 Tonintervalle quenz fd00 D fc0 35 34 D fc0 20 . Geht man von d00
9
Intervall Frequenz- Halbton- Klang- wieder zwei Quinten zurück, so sollte wieder der
Verhältnis umfang empfindung Ton c0 entstehen. Tatsächlich aber weicht die sich
Prime 1:1 0 Konsonanz dann ergebende Frequenz f D fc0 20 22
D fc0 80
9 33 81
kleine Sekunde 16:15 1 Dissonanz von der Tonfrequenz fc0 um den Faktor 80/81 ab.
große Sekunde 9:8; 10:9 2 Dissonanz
Beim Spielen einer Melodie mit den reinen In-
kleine Terz 6:5 3 Konsonanz
tervallsprüngen gemäß Tab. 7.6 bewegt man sich
große Terz 5:4 4 Konsonanz
zwangsläufig immer weiter von einer festen Ton-
Quarte 4:3 5 Konsonanz
Quinte 3:2 7 Konsonanz
leiter weg. Diese diatonischen Unstimmigkeiten
kleine Sexte 8:5 8 Konsonanz wirken sich besonders beim Übergang auf die
große Sexte 5:3 9 Konsonanz anderen Tonleitern der Dur- und Moll-Tonarten
kleine Septime 9:5, 16:9 10 Dissonanz aus, wenn durch chromatische Erhöhung oder Er-
große Septime 15:8 11 Dissonanz niedrigung die benötigten Halbtonintervalle fest-
Oktave 2:1 12 Konsonanz gelegt werden.
Zur Zeit J. S. Bachs wurde die chromatisch
Tab. 7.7 Tonleitern wohltemperierte Stimmung eingeführt, bei der die
diatonisch rein chromatisch wohltemperiert Oktave in zwölf gleiche Halbtonschritte unterteilt
Ton f :fc0 f in Ton f :fc0 f in ist (Tab. 7.7). Das Frequenzverhältnis zweier p
auf-
Hz Hz einander folgender Halbtöne beträgt dabei 12 2.
c0 1 264 c0 20=12 261,6 Mit dieser chromatischen Tonleiter wurden die
cis0 = des0 21=12 277,2 diatonischen Probleme gelöst, nach ihr sind die
d0 9/8 297 d0 22=12 293,7 Instrumente mit fester Stimmung (z. B. Klavier)
dis0 = es0 23=12 311,1 gestimmt.
e0 5/4 330 e0 24=12 329,6
f0 4/3 352 f0 25=12 349,2
fis0 = ges0 26=12 370,0
g0 3/2 396 g0 27=12 392,0
7.3.3 Zur Übung
gis0 = as0 28=12 415,3
a0 5/3 440 a0 29=12 440,0 Ü 7-7 An einem Arbeitsplatz werden folgende
ais0 = b0 210=12 466,2 Oktavpegel gemessen:
h0 15/8 495 h0 211=12 493,9
c00 2 528 c 00
212=12 523,3 fm /Hz 16 31,5 63 125 250 500 1000 2000
L/dB 43 48 49 60 52 53 50 38

Die stufenweise Anordnung der Töne inner- a) Welcher Gesamt-Schallpegel wird gemessen?
halb der Oktave ergibt die Tonleiter. Basis der b) Welchen A-bewerteten Schallpegel hat das
abendländischen Musik ist die diatonische C- gemessene Frequenzspektrum? c) Wie hoch ist
Dur Tonleiter mit der Grundtonbezeichnung c. der äquivalente Dauerschallpegel an diesem Ar-
Die Frequenzverhältnisse f :fc0 der sieben Tö- beitsplatz, wenn wegen eines zusätzlichen Ma-
ne zum Grundton sind in Tab. 7.7 aufgeführt; schinengeräusches während eines 10-stündigen
für die internationale Stimmung des Normstimm- Arbeitstages zwei Stunden lang der Oktavpegel
tons a0 (Kammerton) auf fa0 D 440 Hz sind die bei 250 Hz auf 80 dB ansteigt?
Frequenzen der Töne der eingestrichenen Oktave
angegeben. Ü 7-8 Einem Menschen wird ein Sinuston nied-
Die diatonische Tonleiter, die mit ganzzahli- riger Frequenz vorgespielt. Der Ton erzeugt beim
gen Frequenzverhältnissen gebildet wird, ist in Hörer einen Schalldruckpegel von 92 dB. Der
sich nicht widerspruchsfrei, wie folgendes Bei- Hörer empfindet den Ton als gleich laut wie einen
spiel zeigt: Ausgehend von der Frequenz fc0 des Sinuston der Frequenz 1 kHz mit einem Schall-
Tons c0 kommt man durch einen großen Sext- und druckpegel von 70 dB. a) Was war die Frequenz
einen Quartschritt auf den Ton d00 mit der Fre- des tiefen Tones? b) Wie groß ist die Lautstärke
576 7 Akustik

des Tones? c) Welche Lautheit besitzt der Ton?


d) Wie groß müsste die Lautstärke sein, damit der
Ton vom Hörer doppelt so laut empfunden wür-
de?

7.4 Technische Akustik

7.4.1 Raumakustik

Bei der Schallausbreitung in Räumen, beispiels-


weise in Wohnräumen, Büros, Veranstaltungssä-
len und Hallen wird die Schallempfindung und Abb. 7.18 Schalleinfall auf eine Schallabsorptionsfläche
die Hörsamkeit im Raum von den Intensität-
und Laufzeitverhältnissen zwischen dem gradli-
Eine Wandfläche Si mit dem Schallabsorpti-
nig einfallenden Schall, dem Direktschall, und
onsgrad ˛i – schematisch in Abb. 7.18 wieder-
dem über Reflexionen an den Wänden und Flä-
gegeben – absorbiert unter dem Einfallswinkel ı
chen im Raum an den Empfangsort gestreu-
aus einem Raumwinkelbereich d˝ die Schallleis-
ten Schall, dem indirekten Schall, bestimmt. Ist
tung
die Laufzeitdifferenz zwischen dem direkten und
dPı D ˛i Iı .Si cos ı/d˝ : (7.55)
dem indirekten Schall, besonders dem Anteil
mit nur einem einzigen Rückwurf, kleiner als Iı ist die Schallintensität der unter dem Winkel ı
die absolute Wahrnehmbarkeitsschwelle von et- einfallenden Schallwelle. Im diffusen Schallfeld
wa 0,05 s, dann sind die Reflexionen unschädlich ist diese unabhängig vom Einfallswinkel und
für die Hörsamkeit und wirken sich vorteilhaft Iı D Idiffus . Mit dem Raumwinkelbereich
auf die Verständlichkeit und die Klangfärbung,
besonders bei Musik, aus. .2   r sin ı/.rdı/ 1
d˝ D 2
D sin ıdı
Die nützlichen Rückwürfe kompensieren die 4 r 2
geometrisch bedingte Schallpegelabnahme des ergibt sich die gesamte von der Fläche Si absor-
Direktschalls bei wachsendem Abstand zwischen bierte Schallleistung
Schallgeber und -empfänger. Größere Laufzeit-
Z =2
unterschiede sind schädlich, besonders wenn pe- 1
riodische Rückwurffolgen, sogenannte Flatter- Pi D Idiffus Si ˛i cos ı sin ı dı : (7.56)
2
echos, auftreten. Diese entstehen durch Schall- 0

rückwürfe zwischen parallelen, gut reflektieren- Im Allgemeinen hängt der Schallabsorptionsgrad


den Raumumschließungsflächen. Sie lassen sich ˛i einer schallabsorbierenden Fläche vom Schall-
durch konstruktive Maßnahmen wie schiefwink- einfallswinkel ı ab; deshalb definiert man einen
lige Flächenanordnungen, im Extremfall in ei- mittleren Absorptionsgrad
ner Fünfeckgeometrie, oder durch schallabsor-
 =2
bierende Wand- und Deckenverkleidungen unter- R
˛i cos ı sin ı dı
drücken. 0
Häufige Reflexionen bewirken, dass der in- ˛N i D
 =2
R
direkte Schall am Empfangsort gleichmäßig aus cos ı sin ı dı
0
allen Ausbreitungsrichtungen einfällt und die
Schallenergiedichte w überall im Raum gleich Z =2
groß ist. Ein solches Schallfeld wird als diffuses D2 ˛i cos ı sin ı dı : (7.57)
Schallfeld bezeichnet. 0
7.4 Technische Akustik 577

Durch Summation der von allen Raumflächen Si


absorbierten Schallleistung Pi ergibt sich die ge-
samte Schallabsorptionsleistung
X 1 X
Pges D Pi D Idiffus Si ˛N i
i
4 i
1
D Idiffus A : (7.58)
4

Für die Absorptionseigenschaften eines Raumes


charakteristisch ist die äquivalente Absorptions-
fläche X
AD Si ˛N i : (7.59)
i

Wird (7.58) durch den Schallleistungsgrenzwert Abb. 7.19 Bestimmung der Nachhallzeit aus dem Schall-
P0 D I0 S0 der Hörschwelle dividiert, so ergibt pegelabfall eines diffusen Schallfeldes. Nachhallzeit
T =2 D 0;55 s oder T D 1;1 s
sich mit den Gleichungen in Tab. 7.2 der Schallin-
tensitätspegel des diffusen Schallfelds:
Die Integration von (7.61) ergibt, dass die Schall-
A
LI;diffus D LW  10 lg dB : (7.60) energie in einem Raum exponentiell abnimmt,
4S0
wenn die Schallquelle ausgeschaltet wird:
LW ist der Schallleistungspegel der Schallquel-
W .t/ D W .0/ecAt =.4V / : (7.62)
le, S0 D 1 m2 die Bezugsfläche. Die äquivalente
Absorptionsfläche A eines Raumes bestimmt al-
Als charakteristische Zeitkonstante für den Ab-
so den Schallpegel des diffusen Schallfeldes und
fall der Schallenergie ist die Nachhallzeit T
darüber hinaus den akustischen Raumeindruck.
festgelegt. Es ist die Zeitspanne, in der die Schall-
Ist A groß, hat der Raum eine geringe Halligkeit,
energie auf W .T / D 106 W .0/ oder der Schall-
seine Akustik wird als trockene Akustik gekenn-
pegel Ldiffus des diffusen Schallfelds um L D
zeichnet. Sehr hallige Räume dagegen haben eine
60 dB abgenommen hat. Aus (7.62) ergibt sich
geringe äquivalente Absorptionsfläche.
Diese für den raumakustischen Eindruck cha- 24 ln 10 V
rakteristische Größe A kann messtechnisch ein- T D : (7.63)
c A
fach durch eine Nachhallmessung bestimmt wer-
den. Dazu wird entsprechend Abb. 7.19 der Für Luftschall mit einer mittleren Schallge-
zeitliche Abfall des Schallpegels Ldiffus im dif- schwindigkeit von cL D 340 m=s geht (7.63) über
fusen Schallfeld untersucht, wenn die Schall- in die Sabine’sche Formel:
quelle abgeschaltet wird. Die im Zeitintervall dt 0;163 V
dem Raumvolumen V durch Absorption verlo- T D : (7.64)
m=s A
ren gehende Schallenergie dW=dt ist gleich
der absorbierten Schallleistung Pges nach (7.58). Die Nachhallzeit T hängt vom Raumvolumen
Die Schallintensität des diffusen Schallfeldes ist und – über den Zusammenhang mit der äqui-
Idiffus D wc und hängt damit von der Schall- valenten Absorptionsfläche A – wie der Schall-
energiedichte w D W=V ab; es gilt die Bestim- absorptionsgrad ˛S (Abb. 7.7) von der Schall-
mungsgleichung frequenz ab. Um eine optimale Hörsamkeit in
Vortragsräumen, einen vollen Klangeindruck in
dW 1 cA
 D Pges D W : (7.61) Musiksälen oder eine ausreichende Schallpe-
dt 4 V gelreduktion in Sporthallen zu erreichen, sind
578 7 Akustik

frequenz- und raumvolumenabhängige Anforde-


rungen an die Nachhallzeit festgelegt. So sollen
nach DIN 18 032 in Sporthallen die Nachhallzei-
ten möglichst kurz oder oberhalb f D 500 Hz im
unbesetzten Zustand nicht größer als T D 1;8 s
sein. Eine optimale Sprachverständlichkeit wird
nach DIN 18 041 erreicht, wenn im Frequenzbe-
reich 500 Hz < f < 1000 Hz die Nachhallzeit
T D 1;0 s bis T D 1;2 s beträgt.
Eine raumakustische Optimierung erstreckt
sich nicht nur auf die Anpassung der äquivalenten
Absorptionsfläche an die zur Nutzung erforder- Abb. 7.20 Luftschallanregung und -abstrahlung einer
Trennwand (S schallabstrahlende Oberfläche im Emp-
lichen Nachhallzeiten. Ein weiterer wesentlicher fangsraum mit der äquivalenten Schallabsorptionsflä-
Planungsteil befasst sich mit der geometrischen che A)
Ausbreitung des Direktschalls und der nützlichen
ersten Schallrückwürfe. Mit Reflektoren, spezi-
ellen Deckenformen, ausgeklügelten Schallab- Die Luftschalldämmung wird durch ein lo-
sorberanordnungen sowie akustisch wirksamen garithmisches Maß für den Luftschalltransmissi-
Verkleidungen von Wänden und Decke wird im onsgrad S , das Schalldämmmaß R, gekennzeich-
konkreten Fall der Raum nach den akustischen net (7.43):
Erfordernissen optimiert. 1 P1
R D 10 lg dB D 10 lg dB : (7.65)
S .ı/ P2
7.4.2 Luftschalldämmung Die Größe P1 ist die auf die Trennwand
auftreffende, P2 die auf die Rückseite in den
Trifft der durch Sprechen, Musik oder Arbeits- Empfangsraum abgestrahlte Schallleistung. Die
tätigkeit erzeugte Luftschall (Schallpegel L1 ) auf gesamte, auf die Trennwandfläche S auftreffen-
die Wände und Decken eines Raumes, so wer- de Schallleistung ist nach (7.56) für ˛i D 1
den diese zu erzwungenen Biegeschwingungen
Idiffus, 1 S
angeregt. Die periodisch auftretenden Über- und P1 D : (7.66)
Unterdrücke der Schallwellen an der Trennwand 4
oder Trenndecke lenken die Bauteile senkrecht Die transmittierte Schallleistung P2 D s P1
zur Wandfläche aus, wie in Abb. 7.20 dargestellt. wird im Empfangsraum von der äquivalenten Ab-
Diese Biegeschwingungen erregen die Luftteil- sorptionsfläche A absorbiert und führt zu einem
chen im Nachbarraum, die sich vor der Trenn- diffusen Schallfeld im Empfangsraum, dessen
wand S befinden, zu Schwingungen und er- Schallintensität nach (7.58)
zeugen dadurch im Nachbarraum Schallwellen 4P2 Idiffus, 1 S
(Schallpegel L2 ). Bei erzwungenen Schwingun- Idiffus, 2 D D S (7.67)
A A
gen (Abschn. 5.1.3) ist die Schwingungsampli-
tude – und damit die in den Nachbarraum abge- ist. Werden die Schallleistungen der diffusen
strahlte Schallleistung – abhängig von der Lage Schallfelder im Sende- und Empfangsraum 2
auf
der Anregungsfrequenzen bezüglich der Eigen- die Bezugsintensität I0 D 10 12
W=m bezo-
frequenzen der Biegeschwingungen der Trenn- gen und wird (7.67) logarithmiert, so ergibt sich
wand und von deren Dämpfung. Wegen der Ein- für die Schallpegeldifferenz zwischen Sende- und
spannbedingungen ist die Luftschalltransmission Empfangsraum
kompliziert und muss messtechnisch erfasst wer- S
den. L1  L2 D R  10 lg dB : (7.68)
A
7.4 Technische Akustik 579

Außer vom Schalldämmmaß R hängt also die Ziel der Körperschalldämmung ist es, die Ein-
von den Bewohnern empfundene Schalldäm- leitung von Körperschall in ein Bauteil sowie die
mung L1  L2 vom Verhältnis der Trennwandflä- Ausbreitung und die Abstrahlung als Luftschall
che S zur äquivalenten Absorptionsfläche A des möglichst niedrig zu halten. Die Möglichkeiten
Empfangsraums ab. hierzu sind
Gleichung (7.68) wird in der Praxis dazu ver-
wendet, das Schalldämmmaß einer Konstruktion  die Körperschalldämmung durch Reflexion
zu bestimmen: des Körperschalls an Grenzflächen mit ho-
hen Schallkennimpedanzunterschieden (Luft-
S
R D L1  L2 C 10 lg dB : (7.69) zwischenschichten in zweischaligen Trenn-
A
wänden, Sperrmassen) oder abgestimmter
Zu diesem Zweck werden der diffuse Schallpegel elastischer Zwischenschichten (Federelemen-
L1 der Lautsprecher im Senderaum, der diffuse te, Gummiplatten);
Schallpegel L2 im Empfangsraum und die Trenn-  die geometrische Körperschalldämmung
wandfläche S gemessen sowie nach (7.64) über durch Verminderung der Körperschalldichte,
eine Nachhallzeitanalyse im Empfangsraum die indem die Entfernung von der Quelle ver-
äquivalente Absorptionsfläche A ermittelt. größert wird und die abstrahlenden Flächen
R ist von der Schallfrequenz abhängig und verkleinert werden;
muss nach DIN 52 210 terzweise im Bereich  die Körperschalldämmung durch Dissipation
100 Hz < f < 3200 Hz bestimmt werden. der Körperschallenergie in zwischengeschal-
Der Schallschutz hängt nicht nur von der teten Materialien mit hoher innerer Rei-
Schalldämmung der Trennfläche S zwischen den bung (Hochpolymere, Sand, Entdröhnmate-
Räumen ab, sondern in hohem Maß auch von rialien) und über Reibungsverluste an Kon-
der Schalllängsleitung entlang der flankieren- taktflächen (Nagelverbindungen, Stoßstellen-
den Bauteile. Die Luftschalldämmung der Trenn- Dämmung an Bauteilübergängen);
wand oder Trenndecke wird durch diese Schall-  die Verminderung des Abstrahlgrads der kör-
längsleitung begrenzt. perschallabstrahlenden Fläche, indem durch
konstruktive Maßnahmen (kleinflächige Un-
terteilung, Aussteifungen, Lochungen) die
7.4.3 Körperschalldämmung Abstrahlfläche möglichst klein gemacht (cha-
rakteristische Durchmesser kleiner als die
Körperschall ist die Ausbreitung von Schall in Luftschallwellenlänge) und in nebeneinander-
einem festen Medium oder an der Oberfläche liegende Gebiete mit entgegengesetzter Pha-
eines Festkörpers mit Schallfrequenzen im Hör- senlage (Schallinterferenz-Auslöschung) zer-
bereich oberhalb f D 15 Hz. Schallwellen mit legt wird.
kleineren Frequenzen werden als Schwingungen
oder Erschütterungen bezeichnet. Die Erregung In der Praxis werden die verschiedenen Mög-
von Körperschall in festen Bauteilen durch di- lichkeiten miteinander kombiniert. Eine beson-
rekt einwirkende mechanische Kräfte ist viel ders wirkungsvolle Körperschallisolation ist die
wirksamer als die Luftschallanregung. Beson- elastische Lagerung des Schallgebers, wie in
ders wirksam sind stoßartige Körperschallerre- Abb. 7.21 dargestellt. Hierbei steht der Erreger
gungen. Das Frequenzspektrum dieser Schlagge- mit seiner Fundamentplatte auf einer federnden
räusche ist so breit, dass eine Vielzahl der mög- Zwischenschicht gemäß Abb. 7.22 (z. B. Metall-
lichen Körperschallwellenformen, wie beispiels- oder Gummifederkörper, weiche Gummi-, Kork-
weise Longitudinal-, Transversal- oder Rayleigh- oder Schaumstoffplatten, Fasermatten) und bildet
Oberflächenwellen, angeregt werden. so ein schwingungsfähiges Masse-Feder-System.
580 7 Akustik

Abb. 7.21 Körperschalldämmende elastische Maschinen-


lagerung
Abb. 7.23 Visko-elastisches Einmassensystem

nahmestudios, kann man über die elastische La-


gerung des Raumes auf Federisolatoren errei-
chen.
Die Verminderung der Krafteinleitung und da-
mit der Körperschallanregung wird durch den
Isolierwirkungsgrad  beschrieben:

FOL
D1 : (7.71)
FOE

Die Größe FOL ist die Amplitude der eingeleiteten,


FOE der erregenden Kraft. – Häufig dominiert die
Abb. 7.22 Elastische Lagerungen: a Stahlfederband, Kraftkomponente der Erregung senkrecht zum
b gelochte Gummiplatte, c Gummimetallelement
Fundament; diese eindimensionale Schwingung
kann mit Hilfe der Lösungen für die gedämpfte
erzwungene Schwingung in Abschn. 5.1.3 be-
Liegt die erregende Körperschallfrequenz f
schrieben werden.
weit oberhalb der Resonanz- oder Abstimmfre-
Die eingeleitete Kraft in Abb. 7.23, die Lager-
quenz des Masse-Feder-Systems
kraft FL , ist FL D kx C d x. P Ihre Amplitude FOL
1
r
k ist
f0 D (7.70) s
2  m  2
˝
FOE 1 C 4 # 2
mit m als der schwingenden Masse und k als der !0
FOL D v" :
Federkonstante der Federschicht, dann ist nach u  2 #2  2
t 1 ˝ ˝
u
der Theorie der erzwungenen Schwingungen C 4# 2
(Abschn. 5.1.3) die Schwingungsamplitude des !0 !0
Bauteils, in das der Körperschall eingeleitet wird, (7.72)
kleiner als die Erregeramplitude. Die Einleitung ˝ D 2 f ist die Erreger-Kreisfrequenz, !0 D
des Körperschalls, beispielsweise eines Ventila- 2 f0 die Eigenfrequenz des Schwingungssys-
tors in die Rohdecke, wird dadurch vermindert. tems mit der Masse m und der Richtgröße k
Auch die Körperschallisolierung hochempfindli- und # der Dämpfungsgrad. Im Fall eines Ein-
cher Empfangsräume, beispielsweise von Auf- massensystems ist der Isolierwirkungsgrad  der
7.4 Technische Akustik 581

Abb. 7.25 Doppeltelastische Maschinenaufstellung


(FE ; FL Erreger- bzw. Lagerkraft, m Masse, k Federkon-
Abb. 7.24 Resonanzkurve eines Einmassensystems mit stante)
Verlauf des Isolierwirkungsgrads 

Zweimassensystems, verdeutlicht in Abb. 7.25.


elastischen Lagerung demnach Durch eine doppeltelastische Maschinenaufstel-
s  2 lung kann man mit verhältnismäßig einfachen
˝ Mitteln bereits einen Isolierwirkungsgrad errei-
1 C 4# 2
!0 chen, der in der Praxis durch ein Einmassensys-
 D 1  v" : tem nicht realisierbar ist.
u   2 #2  2
t 1 ˝ ˝
u
C 4# 2 Der Trittschall ist ein bauphysikalischer Son-
!0 !0 derfall der Körperschallanregung. Er wird durch
(7.73) das Begehen und das um etwa L D 20 dB.A/
Ist die Dämpfung vernachlässigbar, also #  0, stärkere Geräusch des Hüpfens und des Stüh-
dann folgt aus (7.73) für ˝ > !0 leverrückens auf harten Gehbelägen verursacht
  und über die Decke direkt in den darunterlie-
˝ 2 genden Raum übertragen. Über Stoßstellen der
2
!0 Decke an flankierende Bauteile breitet sich das
 D  2 : (7.74)
˝ Trittschallgeräusch in umliegende Räume aus.
1 Die Trittschallübertragung wird nach DIN 52 210
!0
gemessen, indem nach Abb. 7.26 ein Norm-
In Abb. 7.24 ist der Verlauf des Verhältnisses Hammerwerk mit einer Schlagfrequenz von 10
aus übertragener zu erregender Kraft in Abhän- Schlägen je Sekunde auf die Decke aufgestellt
gigkeit vom Verhältnis zwischen Erreger- und und im Empfangsraum der Trittschallpegel Lgem
Eigenfrequenz für verschiedene Dämpfungskon- terzweise aufgenommen wird.
stanten aufgetragen und der sich nach (7.73) er- Der Einfluss der Schallabsorption des Emp-
gebende Isolierungswirkungsgrad  eingezeich- fangsraumes auf den gemessenen diffusen
net. Eine schalldämmende Wirkung wird erst Schallpegel wird durch ein Korrekturglied
erreicht,
p wenn die Erregerfrequenz oberhalb des berücksichtigt, das vom logarithmischen Ver-
2-fachen der Eigenfrequenz liegt. Isolierwir- hältnis der äquivalenten Schallabsorptionsfläche
kungsgrade von  > 93 % werden bei # D 0 nur AE des Empfangsraumes zu einer Normab-
erreicht, wenn das Erreger- zu Eigenfrequenzver- sorptionsfläche A0 D 10 m2 abhängt. Der
hältnis den Wert ˝=!0 D 4 übersteigt. Norm-Trittschallpegel Ln der Deckenkonstruk-
Beim Einmassensystem fällt die Amplitude tion ist also
der eingeleiteten Kraft FL nach (7.72) für ˝ 
AE
!0 proportional zu 1=˝ 2 . Einen steileren Ab- Ln D Lgem C 10 lg dB : (7.75)
A0
fall ( 1=˝ 4 ) und damit einen höheren Isolier-
wirkungsgrad erreicht eine elastische Lagerung AE wird durch eine Nachhallzeitmessung
nach dem Prinzip eines schwingungsgekoppelten nach (7.64) bestimmt.
582 7 Akustik

b Abb. 7.27 Schwimmender Estrich

sich allerdings nur erreichen, wenn die Estrich-


platte keine Schallbrücken aufweist, also keine
Mörtelbrücken oder feste Verbindungen über un-
genügend abgedeckte Versorgungsleitungen zur
Rohdecke oder zur Wand hat.

7.4.4 Strömungsgeräusche

Abb. 7.26 Norm-Messung des Trittschallschutzes von


Strömungsgeräusche entstehen, wenn in Maschi-
Decken: a Messanordnung, schematisch, b Norm-Ham- nen und Geräten Strömungsenergie in Schall-
merwerk energie im Hörfrequenzbereich umgewandelt
wird. Zu zeitlichen Schwankungen der Gas-
oder Flüssigkeitsströmung kommt es vor al-
Bei massiven, einschaligen Rohdecken be- lem beim Umströmen von Hindernissen sowie
stimmt die flächenbezogene Masse m00 D m=A an Strömungskrümmungen und Ausströmöffnun-
der Decke, wie niedrig der Norm-Trittschallpegel gen. Beispielsweise werden beim Umströmen ei-
ist. Jedoch lassen sich selbst mit sehr schweren nes Zylinders mit abströmseitiger Wirbelbildung
Decken von m00  600 kg=m2 keine solch niedri- gemäß Abb. 7.28 Kraft- und Druckschwankun-
gen Trittschallpegel erreichen, dass der Mindest- gen erzeugt, die ein breitbandiges Strömungsrau-
Trittschallschutz nach DIN 4109 Schallschutz im schen verursachen. Ist die Wirbelablösung an den
Hochbau erfüllt ist. Der Trittschallschutz wird umströmten Körpern asymmetrisch, oder wird –
verbessert, wenn durch weichfedernde Gehbe- wie bei Propellern – der Wirbelbildung eine
läge die Körperschalleinleitung vermindert oder Periodizität aufgeprägt, so entstehen schmalban-
der Fußboden durch eine weichfedernde Dämm- dige Strömungsgeräusche, die Hiebtöne. Über
schicht von der Rohdecke abgekoppelt wird. die Rohr- oder Behälterwandungen werden die
Dieser als schwimmender Estrich bezeichnete Druckschwankungen des Fluids in Luftschall
Bodenaufbau besteht aus einer lastverteilenden umgewandelt.
Platte aus Zementmörtel (Zementestrich), As- Wechselkräfte durch Wirbelablösung entste-
phalt (Gussasphaltestrich) oder Spanplatten (Tro- hen auch durch Reibungsvorgänge in der Misch-
ckenestrich) auf einer weichen, 6 mm bis 30 mm zone zwischen dem hochbeschleunigten Frei-
dicken Trennschicht. Abb. 7.27 zeigt einen sol- strahl von Düsenöffnungen und dem ruhen-
chen Aufbau. Eine gute Trittschalldämmung lässt den Gas, in das der Freistrahl einströmt, wie
7.4 Technische Akustik 583

Abb. 7.28 Erzeugung einer Wechselkraft durch wechsel-


seitige Wirbelablösung an einem angeströmten Zylinder

Abb. 7.30 Entstehung und Implosion von Kavitations-


blasen (v Strömungsgeschwindigkeit)

wenn der statische Druck wieder über den Sät-


Abb. 7.29 Wechseldruck erzeugende Wirbel um turbu- tigungsdampfdruck ansteigt. Bei dieser Implo-
lenten Freistrahl einer Düse sion entstehen sehr hohe Druckspitzen bis zu
p D 105 bar, die zu Materialschäden (Kavi-
tationskorrosion, Abschn. 2.12.2.5) führen und
Abb. 7.29 zeigt. Das Freistrahlgeräusch hat eine ein prasselndes, breitbandiges Geräusch (Kavita-
ausgeprägte Richtcharakteristik in Ausströmrich- tionsgeräusch) verursachen.
tung, sein Schallfrequenzspektrum ist sehr breit- Kavitation und Wirbelablösung in Armaturen
bandig. mit großen Querschnittsverengungen bewirken
Wenn an Regelventildurchlässen die Schallge- die Geräusche bei der Wasserentnahme und beim
schwindigkeit des gasförmigen Strömungsmedi- Abwasserabfluss. Über die Rohrleitungen und die
ums überschritten wird und sich dadurch Stoß- Wassersäule werden diese Druckschwankungen
wellen ausbilden, kommt es ebenfalls zu hörba- weitergeleitet und als Luftschall abgestrahlt.
ren Strömungsgeräuschen. Aber auch Resonanz- Durch Wasserschalldämpfer (Querschnitts-
schwingungen von Ventilkegel und Ventilspindel erweiterungen mit Gummikörper) in den
können zu Armaturengeräuschen führen. Leitungen, eine Ummantelung der Steigroh-
Tritt in strömenden Flüssigkeiten Kavitati- re mit losem Sand oder eine Unterbrechung
on auf, dann entsteht noch ein weiteres Strö- der Leitung durch zwischengeschaltete, körper-
mungsgeräusch. Die Kavitation wird dadurch schalldämmende Gummielemente kann man
verursacht, dass die Strömungsgeschwindigkeit die Weiterleitung von Installationsgeräuschen
v an umströmten Profilen oder Strömungskanten unterdrücken. Besonders wirkungsvoll wird
sehr hoch wird. Nach der Bernoulli-Gleichung das Armaturengeräusch vermindert, wenn die
(Abschn. 2.12.2.2) vermindert sich der statische Strömungsgeschwindigkeit durch zwei hinter-
Druck p D pges  %=2v 2 ; er kann niedriger einander geschaltete Lochbleche am Ausfluss
als der Sättigungsdampfdruck pS der Flüssig- (Luftsprudler) vermindert und die Wirbelab-
keit sein. An kleinen Luftbläschen als Keimen lösung durch weite, kantenfreie Ventilsitze
entstehen dann dampfgefüllte Hohlräume, wie verhindert wird. Mit diesen Maßnahmen er-
in Abb. 7.30 skizziert. Diese Dampfblasen kon- reicht man einen Armaturengeräuschpegel
densieren schlagartig mit Schallgeschwindigkeit, LAG 5 20 dB.A/.
584 7 Akustik

7.4.5 Ultraschall mit dem Echolot und zur Kommunikation unter


Wasser.
Schall mit Frequenzen oberhalb des Hörbereichs Eine weitere Anwendung des Ultraschalls ist
von etwa f D 20 kHz bis 10 GHz bezeichnet die bildgebende Ultraschalldiagnostik in der Me-
man als Ultraschall. Mechanische Ultraschall- dizin. An der Trennfläche von Muskelgewebe
geber, wie z. B. Pfeifen (Galton-Pfeife) und Si- und Gewebeflüssigkeit wird etwa 0,1 % der Ul-
renen, erzeugen Ultraschallfrequenzen bis etwa traschallenergie reflektiert. Um einerseits eine
f D 200 kHz. Höhere Schallfrequenzen und hohe räumliche Auflösung durch kurze Wellen-
größere Ultraschallleistungen erreichen elektro- längen zu erlangen, andererseits aber trotz der
akustische Schallgeber. Im mittleren Ultraschall- Ultraschalldämpfung ausreichend tief ins Kör-
Frequenzbereich wird die Magnetostriktion, al- perinnere eindringen zu können, verwendet man
so die Längenänderung eines ferromagnetischen Ultraschallfrequenzen im Bereich von 3 MHz bis
Stabes aus Nickel oder Weicheisen im Magnet- 15 MHz. Mittels Ultraschalldiagnostik kann der
feld einer Hochfrequenzspule, zur Ultraschal- Mediziner ohne Strahlenbelastung Organverän-
lerzeugung verwendet (Abschn. 4.4.4.2). Höhe- derungen analysieren und Schwangerschaftsent-
re Frequenzbereiche und besonders hohe Ultra- wicklungen verfolgen.
schallintensitäten von über I D 100 W=cm2 Bei Ultraschallfrequenzen von etwa f D
lassen sich durch die Elektrostriktion, also 20 kHz bis f D 40 kHz lassen sich so ho-
den umgekehrten piezoelektrischen Effekt, von he Schallintensitäten und Schallschnellen errei-
Quarz- oder Bariumtitanatplatten erreichen (Ab- chen, dass an festen Grenzflächen Kavitation
schn. 9.3.3). auftritt. Durch die Implosion der Kavitationsbla-
Die Wellenlänge des Ultraschalls ist kurz; in sen können z. B. Emulsionsvorgänge eingeleitet,
Luft ist sie kleiner als etwa  D 1;5 cm. Beu- Metallschmelzen und Flüssigkeiten entgast so-
gungen sind deshalb bei üblichen Dimensionen wie Schmutzteilchen von Oberflächen losgeris-
vernachlässigbar, sodass die Ultraschallausbrei- sen werden (Ultraschall-Reinigung).
tung mit den Gesetzen der geometrischen Optik Die große Ultraschallenergie wird auch zum
beschrieben werden kann. Ultraschall kann zu Ultraschallbohren eingesetzt. In harten und sprö-
Ultraschall-Richtstrahlen gebündelt werden, de- den Materialien, wie z. B. Glas und Quarz, lassen
ren Reflexion man z. B. zur Ortung von Unstetig- sich bei geeigneter Schleifmittelzugabe durch re-
keiten verwendet. sonantes mechanisches Absprengen feinste Pro-
Reflexionen treten an Grenzschichten mit filformen herstellen.
sprunghafter Änderung der Schallkennimpedanz
auf, beispielsweise beim Schall-Übergang von
Festkörpern auf Luftschichten in Rissen von 7.4.6 Schalleinsatz
Schmiedeteilen, Lunkern von Gusseisen oder an
Aufdopplungen von Blechen. Aus dem Zeitun- Als Luftschall wird die Schallausbreitung in Luft
terschied zwischen dem Aussenden und dem und Gasen bezeichnet; als Flüssigkeitsschall das
Empfang des reflektierten Ultraschalls, dem Ul- Schallfeld in Wasser und anderen Fluiden. Die
traschallecho, lässt sich bei bekannter Schallge- Ausbreitung wird in beiden Fällen durch das hy-
schwindigkeit der Abstand der Reflexionsstelle drodynamische Grundgesetz nach (7.3) beschrie-
berechnen (Echolotverfahren). Diskontinuitäten ben, die daraus folgende Wellenausbreitung als
kann man bei der Ultraschall-Werkstoffprüfung longitudinale Kompressionswelle bestimmt die
zerstörungsfrei bis auf 0,1 mm genau lokalisie- Anwendung. Die Schallausbreitung in Festkör-
ren. pern wird Körperschall genannt und führt wegen
Zu den ältesten Anwendungen des Ultra- der möglichen Schubspannungen und Schubde-
schalls gehören die Verfahren zur Ortung von formation zu komplexen, von der Isotropie des
Unterseebooten nach dem Sonar-Prinzip (sound elastischen Kontinuums abhängigen Schallfel-
navigation and ranging), zur Tiefenbestimmung dern aus Longitudinal- und Transversalwellen;
7.4 Technische Akustik 585

Tab. 7.8 Schallanwendungen


Schallart Luftschall Flüssigkeitsschall Körperschall
Infraschall f < 20 Hz Geräusch von Windböen, Erschütterungsanalyse
Brandung (1 Hz bis 16 Hz) (1 Hz bis 16 Hz);
Erdbebenmessung (5 mHz
bis 20 mHz);
Überwachung von Kern-
waffentests;
Analyse innerer Organ-
schwingungen;
Schallermüdung
Hörakustik f D 16 Hz bis Raumakustik; Strömungsgeräusch- und Maschinen- und Getriebe-
20 kHz Schall- und Lärmschutz; Armaturengeräuschminde- geräuschminderung;
Physiologische Akustik: Bauakustik; rung; Schienenverkehr-
Beschreibung des Hörvor- Schalldämmung; Kavitationsgeräusche; Körperschallschutz
gangs; Auswirkung von Schalldämpfung und Hiebtonminderung
Schall auf den menschli- Schallabsorption;
chen Organismus Hiebtonanalyse;
Psychologische Akustik: Gehörschutz
Menschliche Wahrneh-
mung und Empfindung von
Schallwellen (musikalische
Akustik)
Technische Akustik:
Schallmesstechnik,
Schallabstrahlung,
Schallabsorption und
Schalldämpfung (medi-
zinische Akustik)
Ultraschall Informationsübertragung Sonar-Tiefenmessung; Ultraschall-
f D 20 kHz bis 1 GHz (Fernbedienung); Doppler-Strömungsge- Werkstoffprüfung;
Signalübertragung (Pfei- schwindigkeitsmessung; Ultraschalldiagnostik;
fen); Emulsions-Dispergieren; Polymer-Reibungsschwei-
Näherungsschalter; Nanopartikel- ßen;
Echolot-Ortung Disagglomerieren; Ultraschallermüdung (sonic
Homogenisieren; fatigue);
Ultraschallreinigung; Stoßwellen-Nierensteinzer-
Abwasseraufbereitung trümmerung
Hyperschall Festkörper-
f > 1 GHz Oberflächenanalyse;
Mikroskopie durch Pho-
nonstreuung

an der Oberfläche der Festkörper kommt es zu wird als Infraschall bezeichnet. Der Schallfre-
Oberflächenwellen, die Biegewelle auf platten- quenzbereich oberhalb der Hörakustikfrequenzen
förmigen Bauteilen (Abb. 7.10) ist ein Beispiel wird in Ultraschall und Hyperschall unterteilt.
dafür. Während es im Ultraschallbereich viele inter-
Im hörakustischen Frequenzbereich der essante technische Schallanwendungen in allen
Schallwellen findet sich der Großteil der Aggregatzuständen gibt, ist die Hyperschallaus-
Schallanwendungen. Sprach- und Musikübertra- breitung ausschließlich ein Festkörperphänomen.
gungen, aber auch Schall- und Lärmschutz sind Tab. 7.8 weist, aufgeschlüsselt nach den ver-
die Hauptanwendungsgebiete. Der Schallfre- schiedenen Schallarten, die Einsatzbereiche und
quenzbereich unterhalb der Tiefton-Hörschwelle Anwendungsgebiete von Schall aus.
586 7 Akustik

7.4.7 Zur Übung geht. Dieser Abstand, bei dem die Intensität des
Direktschalls gleich der konstanten Intensität des
Ü 7-9 Eine Werkhalle (Länge 25 m, Breite 15 m, diffusen Schallfelds wird, heißt Hallradius rH .
Höhe 7 m) soll für kulturelle Veranstaltungen als
Saal für Musik- und Sprechdarbietungen genutzt
B
werden. Bei den Veranstaltungen wird von ei-
ner durchschnittlichen Zuhörerzahl von 300 Per-
sonen (äquivalente Schallabsorptionsfläche pro 1 2
Person A D 0;5 m2 / ausgegangen. Die Schall-
absorptionsgrade der Raumoberflächen im mitt- L H
leren Frequenzbereich von 500 Hz betragen für
die Wände ˛W D 0;02, für den Boden ˛B D 0;04
und für die Decke ˛D D 0;15. a) Wie groß ist a) Der Hallradius rH ist ein Maß für die äqui-
im vorgefundenen Raumzustand die Nachhallzeit valente Absorptionsfläche A. Leiten Sie einen
bei 500 Hz mit und ohne Publikum? b) Bestim- Zusammenhang zwischen beiden Größen her!
men Sie unter Berücksichtigung von Publikum b) Wie groß ist die äquivalente Absorptionsflä-
die erforderliche raumakustische Maßnahme an che A von Raum 1?
der Decke, wenn für die vorgesehene Nutzung bei c) Welche akustische Leistung PW gibt die Test-
500 Hz die optimale Nachhallzeit 1,3 s beträgt. schallquelle ab?
Welche Fläche SAbs der Decke muss mit Absor-
bermaterial abgedeckt werden, wenn ˛Abs D 0;8 Beide Räume haben dieselbe äquivalente Absorp-
beträgt? tionsfläche A. In Raum 2 wird ein konstanter
diffuser Pegel von L2 D 40 dB gemessen.
Ü 7-10 Die Schalldämmung eines Fensters soll
unter folgenden Voraussetzungen abgeschätzt d) Wie groß sind Schalldämmmaß R und Trans-
werden: Fensterfläche 2;2 m2 , Raumvolumen missionsgrad  der Trennwand?
45 m3 , Nachhallzeit des Raumes 0,4 s. Der dif-
fuse Schallpegel außerhalb des Fensters wird
gemessen zu L1 D 75 dB. Im Innern ergibt sich Ü 7-12 Zur zerstörungsfreien Prüfung des nach-
ein Pegel von L2 D 38 dB. a) Das Schalldämmaß stehend skizzierten Werkstücks werden darin mit
R des Fensters ist zu berechnen unter der Annah- einem Schallwandler kurze Ultraschallpulse ein-
me, dass die Schallübertragung durch die Mauern strahlt. An Materialfehlern und Grenzflächen er-
vernachlässigbar ist. b) Wie groß wird der diffuse folgt eine Reflexion dieser Schallwellen. Im Fol-
Pegel im Raum, wenn das Fenster halb bzw. ganz genden wird die Dämpfung im Material vernach-
geöffnet wird? lässigt, Schallgeschwindigkeit c und Dichte %
betragen in Stahl cSt D 5000 m=s und %St D
Ü 7-11 Zwei aneinander grenzende, quaderför- 7;85 g=cm sowie in Aluminium cAl D 5100 m=s
3

mige Räume mit gleichem Volumen V1 D V2 D und %Al D 2;70 g=cm .


3

75 m3 werden akustisch vermessen. Die gemein-


same Trennwand hat die Breite B D 5 m und Schall- Stahl Aluminium
die Höhe H D 2;5 m. In Raum 1 steht eine wandler
Testschallquelle L mit kugelförmiger Abstrahl-
charakteristik. Die Messung mit einem bewegli-
chen Messmikrofon ergibt, dass der Schallpegel
im Raum 1 für Abstände r  1;5 m von der d
Quelle in den konstanten Wert L1 D 85 dB über-
7.4 Technische Akustik 587

a) Die Ultraschallfrequenz beträgt 6 MHz. Wel- d) Welchen Pegelabstand werden Echosignale


che Wellenlänge  und welche Wellenzahl k von Materialfehlern gleicher Größe und glei-
haben die Schallwellen in Stahl und Alumini- chen Reflexionsverhaltens in Stahl und in
um? Aluminium unter der Annahme rein eindi-
b) Welcher relative Anteil  der eingestrahlten mensionaler Schallausbreitung ungefähr auf-
Schallintensität tritt von Stahl in Aluminium weisen?
über? e) Welche Folge hat ein Luftspalt zwischen
c) Welche Dicke d hat die Stahlschicht, wenn Schallwandler und Werkstück für die Mes-
8,5 s nach Einstrahlen des Schallpulses ein sung?
starkes Echosignal auftritt?
Atom- und Kernphysik
8

Aus der Übersicht Abb. 8.1 geht hervor, dass


die Quantentheorie die Grundlage der quantitati-
ven Beschreibung der Eigenschaften der Materie
vom Festkörper bis zum Quark ist. Bis zum
atomaren Bereich ist die Schrödinger-Gleichung
(Abschn. 8.2.2), für den subatomaren Bereich
die Dirac-Gleichung (Abschn. 8.9) gültig. Wie
Abb. 8.1 außerdem zeigt, sind Informationen
über den Aufbau von Molekülen, Atomen und
subatomaren Bausteinen nur über die Wechsel-
wirkungsprozesse zwischen Teilchen (bzw. Wel-
len) und dem zu untersuchenden Objekt zu erhal-
ten.
Solche Wechselwirkungen sind die Absorpti-
on oder Emission von elektromagnetischer Strah-
lung oder die Streuung von Teilchen (z. B. von
Elektronen am Atomkern zur Ermittlung der La-
dungsverteilung). Um die Strukturen des Mess-
objekts zu erkennen, muss die Wellenlänge der
Strahlung kleiner als die aufzulösende Struktur
sein. Abb. 8.1 zeigt die Größenbereiche von Fest-
körper, Molekül, Atom, Kern und Elementarteil-
chen mit den für sie typischen Energiediagram- Abb. 8.1 Atombau und Spektren
men. Durch die genannten Wechselwirkungspro-
zesse finden Übergänge zwischen den einzelnen
Energieniveaus (Energiezuständen) statt, deren frarotstrahlung aus, während für Kernübergänge
Energiedifferenzen in Wellenlängen umgerech- -Strahlung benötigt wird.
net (E D h c=) in der Größenordnung des Das Wort Atom kommt aus dem Griechischen
untersuchten Objekts liegen. Dies hat zur Fol- und bedeutet das Unzerschneidbare. Es wurde
ge, dass mit kleiner werdenden Strukturen im- im fünften und vierten Jahrhundert v. Chr. von
mer höhere Energien erforderlich sind. Wie aus den Naturphilosophen D EMOKRIT (460 bis 370),
Abb. 8.1 hervorgeht, reicht bei Molekülen für P LATON (429 bis 348) und A RISTOTELES (384
Übergänge zwischen Schwingungszuständen In- bis 322) zur Erklärung von Stoffeigenschaften

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2016 589


E. Hering, R. Martin, M. Stohrer, Physik für Ingenieure, DOI 10.1007/978-3-662-49355-7_8
590 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.2 Atomistik

eingeführt. Der moderne Atombegriff bezeich- gel mit einem Durchmesser der Größenordnung
net den kleinsten Bestandteil eines chemischen von 1010 m. Führen die Elektronen in der homo-
Elements, der noch die Eigenschaften des Ele- genen positiven Ladungsverteilung Schwingun-
ments hat. Eine Zerlegung des Atoms in seine gen aus, so findet eine Emission von elektro-
Bestandteile Protonen, Neutronen und Elektro- magnetischer Strahlung statt (Hertz’scher Dipol).
nen hat den Verlust der Elementeigenschaften Die nach diesem Modell errechneten Schwin-
(z. B. Spektrum) zur Folge. Der atomare Auf- gungsfrequenzen konnten experimentell nicht be-
bau der Materie (Abb. 8.2) zeigt sich u. a. dar- stätigt werden. Streuexperimente von E. RU -
in, dass es bestimmte ganzzahlige Massenver- THERFORD (1871 bis 1937) mit ˛-Teilchen an
hältnisse gibt, in denen die Elemente chemi- Atomen führten zu folgendem Atommodell: Die
sche Reaktionen eingehen (Dalton’sches Gesetz). positive Ladung und fast die gesamte Masse des
Für Gase stellte Gay-Lussac fest, dass sie nur Atoms ist in einem Atomkern (Durchmesser etwa
in bestimmten ganzzahligen Volumenverhältnis- 1014 m) konzentriert, der von einer Elektronen-
sen miteinander reagieren. Avogadro zog daraus hülle umgeben ist (Durchmesser etwa 1010 m).
den Schluss, dass gleiche Volumina gleich viele Auch mit diesem Atommodell konnten die dis-
Teilchen enthalten (Avogadro-Konstante NA D kreten Frequenzen der emittierten elektromagne-
6;022  1023 mol1 , Abschn. 3.1.5). Die Atomis- tischen Strahlung nicht berechnet werden.
tik der Elektrizität zeigen die Faraday’schen Ge-
setze (Abschn. 4.2.1.2), da die abgeschiedene
Stoffmenge proportional zur Ladungsmenge ist. 8.1.1 Optisches Spektrum des
Das Auftreten von Energie in unteilbaren Por- Wasserstoffatoms
tionen (Quanten) wurde von Planck zur Erklä-
rung des Energieaustausches zwischen Materie Unter einem Spektrum versteht man in der Op-
und Strahlung (Planck’sches Strahlungsgesetz, tik die Abhängigkeit der Strahlungsintensität von
der Frequenz bzw. der Wellenlänge der Strah-
Abschn. 6.5.3) eingeführt. Dies ist der Ausgangs-
punkt der Quantentheorie, ohne die eine quan- lung. Die Auswertung und die Interpretation von
titative Beschreibung molekularer, atomarer und Spektren geschieht in der Spektroskopie. Zur
subatomarer Vorgänge nicht möglich wäre. Messung von Spektren, beispielsweise von Fest-
körpern, Molekülen und Atomen, werden die
in Abb. 8.3 zusammengestellten Spektroskopie-
8.1 Bohr’sches Atommodell Verfahren eingesetzt.
Bei der Emissionsspektroskopie wird die Pro-
J. J. T HOMSON (1856 bis 1940) entwickelte 1904 be beispielsweise durch Hochfrequenzfelder io-
folgende Atomvorstellung: Die Elektronen befin- nisiert und zur Lichtemission angeregt. Nach der
den sich in einer homogen positiv geladenen Ku- spektralen Zerlegung des Lichts durch einen Mo-
8.1 Bohr’sches Atommodell 591

Abb. 8.3 Spektroskopie-Verfahren

nochromator (Prisma, Gitter, s. Abschn. 6.4.1.12) (Protonenresonanzspektrum von Dichlorbenzol


kann man aus den Wellenlängen der Emissions- in Abb. 8.3).
linien auf das Element und aus der Intensität Die Spektroskopie ist ein unentbehrliches
der Linien auf die Konzentration des Elements Hilfsmittel in der analytischen Chemie, beispiels-
in der Probe schließen (Abb. 8.3, Ausschnitt weise zur Bestimmung der Elemente (z. B. Cad-
des Spektrums von Eisen). Bei der Absorpti- mium, Blei, Quecksilber, Selen) in einer Probe
onsspektroskopie werden beispielsweise die in (z. B. des Bodens, der Luft, des Wassers oder ei-
die Gasphase überführten Atome oder Molekü- nes Nahrungsmittels). Mit Spektroskopieverfah-
le mit Licht bestimmter Wellenlänge bestrahlt. ren ist es heute möglich, Elementmengen in der
Durch Absorption wird die eingestrahlte Inten- Größenordnung von 1012 g (1 pg) zu bestimmen.
sität proportional der Teilchenkonzentration in Solche Messmethoden dienen der Kontrolle der
der Probe geschwächt (Abb. 8.3, Spektrum von Umwelt bezüglich Kontamination durch Schwer-
Schwefeldioxid). Bei der Resonanzspektroskopie metalle.
wird im Gegensatz zur Emissions- und Absorpti- Im Folgenden wird das optische Emissions-
onsspektroskopie die Probe mit einer konstanten spektrum des einfachsten Atoms, des Wasser-
Frequenz bestrahlt und eine äußere Größe (z. B. stoffs, betrachtet. In Abb. 8.4 ist ein Teil des
Magnetfeld, Druck oder Temperatur) verändert. Emissionsspektrums (4050 nm bis 50 nm) dar-
Bei bestimmten Werten wird die eingestrahlte gestellt. Da die Wellenlänge umgekehrt propor-
Strahlung absorbiert. Zur Messung kann die von tional zur Strahlungsenergie ist (E D hf D
der Probe aufgenommene Intensität (durchgezo- h c=), wird meist nicht die Wellenlänge, son-
gene Linie in Abb. 8.3) oder die abgestrahlte dern die der Energie proportionale Wellenzahl
Intensität (gestrichelte Linie) gemessen werden Q D 1= D E=.h c/ angegeben. Das Spek-
592 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.4 Spektrum des Wasserstoffatoms

trum setzt sich aus mehreren Serien von Linien Es bedeuten:


zusammen, deren Abstand bis zur Seriengrenze
immer kleiner wird. Die Balmerserie (J. J. BAL - n0 natürliche Zahl,
MER, 1825 bis 1898) ist in Abb. 8.4 vergrößert Q Wellenzahl der Spektrallinie,
wiedergegeben. Die Serie beginnt im sichtbaren f Frequenz der Spektrallinie,
Bereich mit der H˛ -Linie ( D 656;460 nm, Q D RH Rydberg-Konstante
15:233;21 cm1 ) und endet mit der Seriengren- (RH D 4=G D 109:737;3157 cm1 ,
ze H1 . D 364;71 nm, Q D 27:419;4 cm1 /. c RH D 3;28984196  1015 s1 ).
Balmer stellte eine empirische Beziehung zur Be-
rechnung der gemessenen Wellenlängen auf: Die nach dieser Gleichung berechneten Wellen-
längen sind in Abb. 8.4 den gemessenen Werten
n2 gegenübergestellt und ergeben eine ausgezeich-
D G (8.1)
n2  4 nete Übereinstimmung. Die weiteren Serien des
Emissionsspektrums des Wasserstoffatoms kön-
Hierin ist G eine Proportionalitätskonstante und nen ebenfalls durch (8.2) beschrieben werden:
n eine ganze Zahl .n D 3; 4; : : :/. Diese Bezie- n0 D 1 (Lyman), n0 D 2 (Balmer), n0 D 3 (Pa-
hung kann auch verallgemeinert werden als schen), n0 D 4 (Brackett), n0 D 5 (Pfund).
  Die Untersuchung der Spektrallinien bei grö-
1 1 1
Q D D RH  ; n0 < n ßerer Auflösung ergibt, dass diese aus mehreren
 n0 2 n2 Linien, den Multipletts, bestehen. Abb. 8.4 zeigt
 
c 1 1 die H˛ -Linie der Balmerserie bei größerer Auflö-
f D D c RH  : (8.2)
 n0 2 n2 sung.
8.1 Bohr’sches Atommodell 593

8.1.2 Bohr’sche Postulate senatome werden als Rydberg-Atome bezeichnet


und haben eine Lebensdauer in der Größenord-
Das vorstehend beschriebene Spektrum des Was- nung von Millisekunden.
serstoffatoms konnte mit dem Rutherford’schen Die Absorption von Licht erfolgt durch den
Atommodell nicht erklärt werden. Dieses steht Übergang des Elektrons von einem Zustand nied-
aus folgenden Gründen im Widerspruch mit der riger Energie in einen Zustand höherer Energie
klassischen Mechanik und Elektrodynamik: (z. B. n D 1 nach n0 D 2). Die Energie E D
hf der absorbierten Strahlung muss der Ener-
 Die Bewegung der Elektronen um den Atom- giedifferenz der Zustände entsprechen. Bei der
kern kann klassisch in unendlich vielen Bah- Emission findet der umgekehrte Vorgang statt.
nen ablaufen (Kreise, Ellipsen). Dann müssten Die Wellenzahl der dabei emittierten Strahlung
die Atome einer Atomsorte unterschiedlich in berechnet sich nach (2) in Abb. 8.5. Sie ist iden-
ihrer räumlichen Ausdehnung sein; dies wi- tisch mit der Balmer-Formel (8.2). Die Rydberg-
derspricht allen experimentellen Ergebnissen. Konstante ist damit auf die elementaren Größen
 Die um den Atomkern umlaufenden Elektro- Elektronenladung e, Ruhemasse des Elektrons
nen stellen eine beschleunigte Ladung dar, m0 und das Planck’sche Wirkungsquantum h zu-
die nach der Elektrodynamik elektromagneti- rückgeführt. Der Vergleich von R1 aus (2) mit
sche Energie abstrahlen müsste (Hertz’scher RH aus (8.2) ergibt einen Unterschied von etwa
Dipol). Durch diesen ständigen Energiever- 60 cm1 . Dieser Unterschied ist auf die Mitbe-
lust würde sich das Elektron spiralförmig dem wegung des Kerns zurückzuführen, dessen Masse
Kern nähern, bis es in den Kern stürzen würde. bisher unendlich groß angenommen wurde.
Nach der klassischen Theorie wären Atome Die Bohr’schen Postulate gestatten die Be-
deshalb instabil. rechnung des Wasserstoffspektrums und der was-
serstoffähnlichen Spektren (Systeme mit einem
Zur Aufhebung dieser Widersprüche stellte 1913 Z-fach geladenen Kern und einem einzigen Hül-
N. B OHR (1885 bis 1962) drei Postulate auf. lenelektron, z. B. HeC , Li2C ). Mit höher auflösen-
Abb. 8.5 zeigt die Bohr’schen Postulate, ihre ma- den Spektralapparaten wird eine Aufspaltung der
thematische Formulierung und die sich daraus Spektrallinien beobachtet. So erscheint beispiels-
ergebenden Konsequenzen. Demnach sind von weise die H˛ -Linie als Dublett (Aufspaltung
der Vielzahl der klassisch möglichen Bahnen nur in zwei Linien) mit einem Wellenzahlabstand
solche Bahnen erlaubt, für die der Bahndrehim- von 0;33 cm1 . Da diese Aufspaltung durch die
puls ein ganzzahliges Vielfaches einer kleinsten Bohr’schen Postulate nicht erklärbar ist, mussten
Wirkungsgröße ist („ D h=2 ; h: Planck’sches sie korrigiert werden. Dies gelang A. S OMMER -
Wirkungsquantum). Die Quantisierungsvorschrift FELD (1868 bis 1951).
des Drehimpulses nach Bohr ist in seinen Konse-
quenzen vergleichbar mit der Quantisierung der
Energie nach Planck. Die Bohr’schen Postulate 8.1.3 Quantenbedingungen nach
führen ebenfalls zu diskreten Zuständen (Bah- Bohr/Sommerfeld
nen) mit der Energie En . Der Energieabstand
zwischen den Zuständen wird bis zur Ionisati- Abb. 8.5 zeigt die Erweiterung durch Sommer-
onsgrenze des Atoms immer geringer (Abb. 8.5). feld. In Analogie zu den Planetenbahnen (Ab-
Nach (1) und (3) in Abb. 8.5 ergibt sich für das schn. 2.10) sind außer den Bohr’schen Kreis-
Wasserstoffatom .Z D 1/ die Energie E1 D bahnen auch Ellipsenbahnen mit gleicher Ener-
13;59 eV (entspricht der Ionisierungsenergie) gie möglich. Die große Halbachse der Ellipse
und der Radius r1 D 52;9 pm (Bohr’scher Ra- an bestimmt die Energie und wird durch die
dius a0 ). Für n D 100 ergibt sich der Radius Hauptquantenzahl n beschrieben. Zur Charakte-
des Wasserstoffatoms zu r100 D 5  107 m; dies risierung der kleinen Halbachse bn; k wird analog
entspricht der Größe eines Virus. Derartige Rie- zu n eine neue Quantenzahl, die Nebenquanten-
594

(2)

(3)

(1)

(4)

Abb. 8.5 Bohr’sche Postulate und Erweiterung durch Sommerfeld


8 Atom- und Kernphysik
8.2 Quantentheorie 595

zahl k, eingeführt. Für sie gilt 1 5 k 5 n. windliche Schwierigkeiten bei der Berechnung
Das Verhältnis der beiden Halbachsen wird durch der Spektren von Mehrelektronensystemen.
bn; k =an D k=n bestimmt. Dies bedeutet, dass
zu einer Energie En n Energiezustände gleicher
Energie gehören (n-fache Entartung), die sich
8.2 Quantentheorie
durch die Nebenquantenzahl (k D 1 bis n) un-
terscheiden (Abb. 8.5). So ist beispielsweise der
Die klassische Physik umfasst die Mechanik
Energiezustand für n D 3 dreifach entartet, d. h.,
(Newton) und die Elektrodynamik (Maxwell). Ei-
es handelt sich um drei Energiezustände gleicher
ne Konsequenz der Maxwellgleichungen ist das
Energie mit k D 1; 2; 3.
Auftreten elektromagnetischer Wellen. Das klas-
Bei einer klassischen Betrachtungsweise der
sische Weltbild umfasst somit
Bewegung des Elektrons auf einer Ellipsenbahn
muss sich infolge des Drehimpulserhaltungssat-
 Materie: punktförmige Teilchen mit der Mas-
zes (Flächensatz, Abschn. 2.10) das Elektron
se m und der Ladung Q,
in Kernnähe schneller bewegen als in großer
 Strahlung: elektromagnetische Wellen,
Entfernung. Nach der Relativitätstheorie nimmt
 Kräfte: Gravitationskraft und Lorentz-Kraft.
die Masse des Elektrons mit zunehmender Ge-
schwindigkeit zu (Abschn. 10.2), sodass das
(Die Lorentz-Kraft ist das Kopplungsglied zwi-
Elektron in Kernnähe schwerer ist. Wegen En 
schen Mechanik und Elektrodynamik.)
m0 kommt es zu einer Energieabsenkung des
Mit der klassischen Physik konnten aber nicht
Zustandes, die umso größer ist, je kleiner die
alle experimentellen Befunde erklärt und berech-
Halbachse bn; k und damit die Nebenquantenzahl
net werden. In Abb. 8.6 sind einige grundlegende
k ist. Das rechnerische Ergebnis von Sommerfeld
Experimente zusammengestellt, deren Ergebnis-
ist in Abb. 8.5 angegeben (4). Die relativistische
se einen Widerspruch zur klassischen Physik dar-
Energieänderung ist abhängig von dem Quadrat
stellen.
einer Konstanten ˛, die Sommerfeld’sche Fein-
Plancks Einführung der Quantenhypothe-
strukturkonstante genannt wird:
se zur Beschreibung der schwarzen Strahlung
Geschwindigkeit des Elektrons auf der 1. Bohr-Bahn (Hohlraumstrahlung, Abschn. 6.5.3) führte zu
˛D einer völligen Revision des physikalischen Welt-
Lichtgeschwindigkeit
bildes. Hierbei geht es um die Beschreibung des
und beträgt Energieaustausches zwischen Materie und Strah-
lung, die nach der klassischen Theorie kontinu-
˛ D 0 c0 e 2 =2h D 7;297352568  103  1=137 : ierlich erfolgt, sodass die Energie im Lauf der
Zeit vollständig aus der Materie in die Strah-
Eine genaue Bestimmung von ˛ kann durch den lung übergeht. Dies ist dann nicht mehr mög-
von K. VON K LITZING (geb. 1943) entdeck- lich, wenn die Energie in bestimmten Portionen
ten Quanten-Hall-Effekt vorgenommen werden (Quanten) beieinander bleibt. Die Strahlung ist
(Abschn. 8.2.5). Infolge der relativistischen Mas- somit ein Teilchenstrom aus Energie-Quanten
senänderung des Elektrons wird die Entartung (Photonen) mit der Energie E D hf D „ !
aufgehoben und führt zu einer Aufspaltung der (Planck’sches Wirkungsquantum h, ! D 2  f )
Spektrallinien (Abb. 8.5). und dem Impuls p D h= D „ k (Wellenzahl
Trotz dieser großen Erfolge der Bohr-Som- k D 2  =). Dieser Teilchencharakter der Strah-
merfeld’schen Theorie zur Deutung der Spektren lung zeigt sich deutlich bei der Beschreibung
von Einelektronensystemen ergaben sich unüber- des lichtelektrischen Effekts und der Compton-
596

Abb. 8.6 Grundlegende Experimente zur Quantentheorie


8 Atom- und Kernphysik
8.2 Quantentheorie 597

Streuung (Abb. 8.6, s. Abschn. 6.5.1.1 und Ab- Unschärferelation und damit durch die Größe des
schn. 6.5.1.2). Planck’schen Wirkungsquantums (vgl. Abb. 1.2
De Broglie stellte 1925 die Hypothese auf, in Abschn. 1.2).
dass jedem freien Teilchen eine Welle zugeord-
net werden kann, dessen Wellenlänge durch
8.2.1 Hamilton-Operator
 D h =p I (8.3)
p D m v (Impuls des Teilchens) Extremalprinzipien (d. h., bestimmte physikali-
sche Größen werden zu Extremwerten) spielen in
gegeben ist (Abschn. 6.5.5). Diese Umkehrung der Physik eine bedeutende Rolle zur Erklärung
der Planck’schen Vorstellung, dass die Teilchen von Zustandsänderungen bzw. Bewegungsabläu-
ebenso Wellencharakter haben, wurde 1927 ein- fen. In der Thermodynamik laufen beispielswei-
drucksvoll durch die Experimente von C. J. DA - se Prozesse so ab, dass die Gesamtentropie ein
VISSON (1881 bis 1958) und L. H. G ERMER Maximum annimmt. In der Optik muss nach
(1896 bis 1971) bestätigt. Die aus dem In- dem Fermat’schen Prinzip (Abschn. 6.1) der op-
terferenzmuster der Beugung von Elektronen tische Weg (Produkt aus Brechungsindex und
an einer Kristalloberfläche ermittelte Wellenlän- geometrischem Weg) einen Extremwert anneh-
ge der Elektronen entspricht der De-Broglie- men (i. Allg. ein Minimum). Für Bewegungen der
Wellenlänge (8.3). Mechanik existiert ebenfalls ein Extremalprinzip,
Anhand der in Abb. 8.6 zusammengestell- das Hamilton’sche Prinzip (W. R. H AMILTON ,
ten Experimente wird deutlich, dass Materie und 1805 bis 1865), nach dem die Wirkung (Energie
Strahlung eine Doppelnatur aufweisen, indem sie mal Zeit) extremal wird.
sich je nach Experiment einmal als Welle, ein Ein mechanisches System wird durch den zeit-
anderes Mal als Teilchen verhalten (Dualismus lichen Verlauf der Ortskoordinaten der System-
Welle–Teilchen). Es ist offensichtlich, dass Ma- bestandteile (Bewegungsgleichung) beschrieben.
terie nicht gleichzeitig aus Wellen und Partikeln Für die Bewegung eines Teilchens kann dies
bestehen kann. Dieser Dualismus ist somit nichts beispielsweise durch die Bewegungsgleichungen
anderes als der Ausdruck unserer Unzulänglich- x.t/; y.t/ und z.t/ erfolgen. In vielen Fällen
keit, das Verhalten der uns umgebenden Objekte sind die Bewegungsmöglichkeiten der Systembe-
widerspruchsfrei zu beschreiben. Die Beschrei- standteile durch Zwangsbedingungen oder Bin-
bung von Vorgängen und die Begriffsbildung dungen eingeschränkt. Wenn beispielsweise die
stammen aus unserer Erfahrung des täglichen Le- Bewegung eines Teilchens nur in einer Ebene
bens. Begriffe wie Ort, Impuls oder Energie ver- stattfindet, ist z konstant, sodass z.t/ entfällt.
binden wir mit Körpern, die sich für uns sichtbar Durch derartige Bindungen wird die Anzahl der
bewegen; die Begriffe Wellenlänge und Frequenz Freiheitsgrade des Systems verringert. Für ein
bringen wir in Zusammenhang mit Wasserwel- System aus n Teilchen ergibt sich die Anzahl der
len oder der Farbe des Lichts. Objekte unserer Freiheitsgrade zu f D 3n  r mit r als der An-
Anschauung bestehen aus vielen Teilchen (Mo- zahl der Bindungen.
leküle, Atome). Betrachten wir dagegen einzelne Für jedes dieser n Teilchen gilt die New-
Atome oder atomare Prozesse, so sind diese un- ton’sche Bewegungsgleichung, beispielsweise
serer Anschauung nicht direkt zugänglich, sodass für das i-te Teilchen in x-Richtung Fxi D mi xR i .
eine Beschreibung mit makroskopisch gewonne- Die r Bindungen verknüpfen die Koordinaten
nen Begriffen widersprüchlich sein muss. Durch der n Teilchen untereinander. Deshalb sind die
die mathematische Beschreibung in der Quanten- Newton’schen Bewegungsgleichungen der ein-
theorie wird der Widerspruch beseitigt, und der zelnen Teilchen voneinander abhängig (gekop-
Dualismus tritt nicht auf, da man sich von der pelt). Die Lösungen solcher gekoppelter Bewe-
Anschauung löst. Die Grenze der Anwendbarkeit gungsgleichungen sind, wenn überhaupt, nur mit
des Partikel- oder Wellenbildes ergibt sich aus der sehr großem mathematischem Aufwand zu fin-
598 8 Atom- und Kernphysik

kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Aus der


Vielzahl möglicher Wege bestimmt das Hamil-
ton’sche Prinzip den Weg, für den gilt:

Die Wirkung W (Einheit: Energie mal Zeit)


entlang des Wegs im Phasenraum muss
einen Extremwert annehmen.

Zt2
W D L.q1 ; : : : ; qf ; qP1 ; : : : ; qPf ; t/ dt
t1

! Extremwert : (8.4)
Abb. 8.7 Phasenraum

Die Funktion L D Ekin  V wird als


den. Um dieses Problem generell und einfacher Lagrange-Funktion bezeichnet. Sie hat die Di-
zu lösen, werden für ein System mit f Freiheits- mension einer Energie. V ist die potenzielle und
graden f voneinander unabhängige (generalisier- Ekin die kinetische Energie. Eine andere Formu-
te) Koordinaten qk D qk .t/ (k D 1; 2; : : : ; f ) lierung von (8.4) mit Hilfe der Variationsrech-
gesucht. Solche generalisierte Koordinaten müs- nung ergibt
sen nicht nur Raumkoordinaten, sondern können
auch zusammengesetzte Größen sein. d @L @L
 D0I k D 1; 2; : : : ; f : (8.5)
Zur Beschreibung des Zustands eines Teil- dt @qPk @qk
chensystems genügt nicht allein die Kenntnis der
Lagen x i der Teilchen, sondern es müssen auch Durch Einführung des generalisierten Impulses
deren Geschwindigkeiten xP i bekannt sein. Dies
ergibt sich aus der Newton’schen Formulierung @L.q1 ; : : : ; qf ; qP1 ; : : : ; qPf ; t/
pk D I (8.6)
der Mechanik .F D mx/. R Ist die Kraft F als @qPk
Funktion der Zeit bekannt, so kann die Zukunft k D 1; 2; : : : ; f
des Systems (Entwicklung) nur berechnet wer-
den, wenn die zur Lösung der Differenzialglei- ergibt sich aus der Lagrange-Funktion (8.4) ei-
chung zweiter Ordnung notwendigen zwei Inte- ne neue Funktion, die Hamilton-Funktion H
grationskonstanten .xP i ; x i / zu einem bestimmten .pk ; qk ; t/. Sie stellt i. Allg. die Gesamtenergie
Zeitpunkt t bekannt sind. Für eine Beschreibung des Systems dar:
des Systems durch generalisierte Koordinaten
muss entsprechend qk und qPk D dqk =dt .k D H D Ekin C V : (8.7)
1; 2; : : : ; f / zu einem bestimmten Zeitpunkt be-
kannt sein.
Für ein Teilchen in einem Potenzial V .x/
Für ein System mit einem Freiheitsgrad .f D
ergibt sich die Hamilton-Funktion für den eindi-
1/ kann der Zustand eines Systems zu einem
mensionalen Fall zu
bestimmten Zeitpunkt t als Punkt in einem Ko-
ordinatensystem mit den Koordinaten q und qP px2
dargestellt werden (Phasenraum). In Abb. 8.7 H D C V .x/ D Egesamt : (8.8)
2m
sind die Zustände des Systems zum Zeitpunkt
t1 .q1 ; qP1 / und t2 .q2 ; qP2 / dargestellt. Die zeitli- Durch Ableitung der Hamilton-Funktion nach
che Entwicklung des Systems von t1 nach t2 den generalisierten Impulsen pk und den genera-
8.2 Quantentheorie 599

lisierten Koordinaten qk ergeben sich die Bewe- Für die Bewegungsgleichung ergibt sich
gungsgleichungen nach (8.9)
@H pˇ
@H @H D ˇP D I
D qPk I D pPk I (8.9) @pˇ m l2
@pk @qk
@H
k D 1; 2; : : : ; f : D pPˇ D mgl sin ˇ :

Beispiel 8.2-1 Daraus ergibt sich


Man bestimme die Bewegungsgleichung ei- g
ˇR C sin ˇ D 0 :
nes mathematischen Pendels (Abschn. 5.1.2.3, l
Abb. 5.7) mit Hilfe des Hamilton’schen Prin-
zips.
8.2.2 Schrödinger-Gleichung
Lösung
Nach de Broglie kann dem Teilchen eine Welle 
Die Anzahl der Freiheitsgrade einer Punkt-
mit dem Wellenvektor k D p=„ und der Kreis-
masse m ist 3. Bindungen: Bewegung nur in
frequenz ! zugeordnet werden:
der Ebene .z D 0/, Abstand der Masse m zum
i
Aufhängepunkt ist konstant:  .x; t/ D ae.ikx xi!t / D a e „ .px xE t /
p
.E D „! I px D „ kx I i D 1/ :
f D3r D32D1:
(8.10)
Das System hat einen Freiheitsgrad und kann Die imaginäre Einheit wird in der Quantentheorie
durch eine generalisierte Koordinate q D mit i bezeichnet.
ˇ.t/ beschrieben werden. Für die Lagrange- Die Bestrahlung eines Spalts beispielsweise
Funktion ergibt sich mit Elektronen führt zu einem Beugungsbild, das
zum einen im Wellenbild und zum andern im
1
L D Ekin  V D m .xP C yP C zP /  mgy : Teilchenbild erklärt werden kann, wie Abb. 8.8
2 2 2
2 und 6.130 verdeutlicht. Im Wellenbild ergibt sich
für die Intensitätsverteilung I.x/ D j .x; t/j2
Mit den Bindungen z D 0; x D l sin ˇ; y D
(Abschn. 6.4.1.6). Im Teilchenbild ist die Inten-
l.1  cos ˇ/ lautet die Lagrange-Funktion
sitätsverteilung durch die Häufigkeitsverteilung
1 2 P2 h.x/ (Anzahl der Elektronen je Wegelement)
L D ml ˇ  mgl.1  cos ˇ/ : gegeben. Da beide Bilder ein und dasselbe Ex-
2
periment beschreiben, muss gelten
Nach (8.6) berechnet sich der zu ˇ gehörige
I.x/  j .x; t/ j2  h.x/ : (8.11)
Impuls pˇ zu pˇ D @L=@ˇP D ml 2 ˇ. P
Wellenbild Teilchenbild
Damit ergibt sich die Hamilton-Funktion
zu Die Häufigkeit h.x/ dividiert durch die Ge-
samtanzahl der gemessenen Teilchen (z. B. An-
H.qk ; pk / D Ekin C V D
X
pk qPk  L zahl der Elektronen) ergibt die Wahrscheinlich-
k
keit, ein Elektron am Ort x anzutreffen. Wie
aus (8.11) hervorgeht, kann j .x; t/j2 somit als
D H.ˇ; pˇ /I
Wahrscheinlichkeit (genauer als Wahrscheinlich-
2
1 pˇ keitsdichte) interpretiert werden. Für die Auf-
H D C mgl.1  cos ˇ/ :
2 m l2 enthaltswahrscheinlichkeit w eines Elektrons in
600 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.8 Beugung am Spalt

einem Volumenelement dV D dx dy dz gilt mit den Größen

w D j .x; y; z; t/j2 dV: (8.12) m Masse des Teilchens,


V .r/ Potenzielle Energie; r = .x; y; z/,
Damit ist ein wichtiger Unterschied zur klassi- Laplace-Operator:
schen Physik aufgezeigt. In der klassischen Phy-
 
sik wird das Teilchen durch seine Bahnkurve @2 @2 @2 @ @ @ 2
D 2 C 2 C 2 D ; ; D r 2:
r.t/ beschrieben, in der Quantentheorie dage- @x @y @z @x @y @z
gen nur durch seine Aufenthaltswahrscheinlich-
keit j j2 dV . Die Wellenfunktion  .r; t/ kann in einen orts-
Die Fundamentalgleichung der Quantentheo- und zeitabhängigen Anteil getrennt werden:
rie, die die Bestimmung von  ermöglicht, ist  .r; t/ D eiEt =„ .r/. Durch Einsetzen in
die Schrödinger-Gleichung (E. S CHRÖDINGER , die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung (8.13)
1887 bis 1961). Sie ist vergleichbar mit der ergibt sich die zeitunabhängige Schrödinger-
Newton’schen Bewegungsgleichung, aus der die Gleichung:
Bahnkurve r.t/ bestimmt wird. Die zeitabhängi-  
ge Schrödingergleichung lautet „2
 C V .r/ .r/ D E .r/ : (8.14)
  2m
„2 @
 C V .r/  .r; t/ D i„  .r; t/ Wird in die zeitabhängige Schrödinger-Glei-
2m @t i
(8.13) chung die ebene Welle  .r; t/ D a e „
.prEt /
8.2 Quantentheorie 601

für ein freies Teilchen .V .r/ D 0/ eingesetzt, so Wird dieser Ausdruck in die Schrödinger-
erhält man (unter Berücksichtigung von p r D Gleichung (8.14) eingesetzt, so ergibt sich
px x C py y C pz z/ als Lösung  2 
pO
C V .xO O
y; O
z/ .x; y; z/
„2  i .prEt /  @  i .prE t /  2m
 ae „ D i„ ae „ ; „ ƒ‚ …
2m @t O
H
p2 D E .x; y; z/ : (8.18)
DE: (8.15)
2m
Der Operator HO ist die quantenmechanische
Dies ist die kinetische Energie eines freien Teil- Übersetzung der Hamilton-Funktion H D
chens in der klassischen Physik. p 2 =.2 m/ C V .x; y; z/ D Egesamt , in der die
2 2
Wird die Operation „ D „ r auf klassischen Größen durch die Operatoren ersetzt
2

die Wellenfunktion eines freien Teilchens an- worden sind (Korrespondenz-Prinzip).


gewandt, so erhält man mit 2m E (8.15) das In Tab. 8.1 ist die räumliche und zeitliche
Quadrat des Teilchenimpulses. Zieht man die Entwicklung des Systems im klassischen und
2 2
Quadratwurzel ausder Operation  „ r , so er- quantenmechanischen Fall beschrieben. Die Be-
gibt sich „i r D „i @x@ @
; @y ; @z@ . Die Anwendung schreibung eines quantenmechanischen Systems
dieser Operation auf die Wellenfunktion .r/ erfolgt durch eine Wellenfunktion, die alle ver-
liefert den Impuls p des Teilchens: fügbaren Informationen über das System enthält.
Die Messgrößen werden dabei durch Operatoren
„  i pr  i dargestellt. Die möglichen Messwerte des Opera-
r e„ D p e„pr : (8.16) tors AO sind die Eigenwerte a des Operators. Man
i
erhält diese durch Anwendung des Operators auf
Aus (8.15) und (8.16) ergibt sich, dass der die zu diesem Eigenwert gehörige Wellenfunkti-
klassische Impuls p in der Quantentheorie durch on, die Eigenfunktion genannt wird. Es ergibt sich
den Impulsoperator pO D .„=i/r ersetzt wird. die Eigenwertgleichung
Tab. 8.1 zeigt eine Gegenüberstellung der klas-
sischen und quantenmechanischen Beschreibung Operator  Eigenfunktion Eigenwert  Eigenfunktion
von Systemen. Daraus ist ersichtlich, dass die (8.19)
AO  n .r/ D a  n .r/ :
mathematische Abbildung des Systems im klassi-
schen Fall durch Skalare und Vektoren geschieht, Diese reellen Eigenwerte a können diskret
die in der Quantenmechanik durch Operatoren .an ; n D 1; 2; 3; : : : ; k/ oder kontinuierlich
ersetzt werden. Operatoren sind Rechenvorschrif- sein. Befindet sich das quantenmechanische Sys-
ten (z. B. Differenziation, Multiplikation), die auf tem nicht in einem Eigenzustand n sondern in
eine Wellenfunktion anzuwenden sind. Zur einem allgemeinen Zustand, so ergibt sich für den
Unterscheidung zwischen klassischer Größe und Operator AO ein schwankender Messwert mit Mit-
Operator versieht man die physikalische Größe telwert aN (Erwartungswert):
mit dem Zeichen O. Aus dem Quadrat des Im- Z
pulses p 2 D px2 C py2 C pz2 ergibt sich für den
aN D 
.r/AO .r/dV : (8.20)
entsprechenden Operator

ist die konjugiert komplexe Funktion zu
 
2 2 @2 @2 @2
pO D „ C C D „2 : .r/. Ein solcher allgemeiner Zustand .r/ er-
@x 2 @y 2 @z 2
(8.17) gibt sich durch lineare Überlagerung (Superposi-
602 8 Atom- und Kernphysik

Tab. 8.1 Klassisches und quantenmechanisches System


Klassische Beschreibung Quantenmechanische Beschreibung
Vektoren und Skalare Operatoren
Messgröße (Ob- Ortsvektor: r Ortsoperator: rO
servable) x; y; z xO D xI yO D yI zO D z 
Impulsvektor: p Impulsoperator: pO D „i r r D @
; @; @
@x @y @z
px ; py ; pz „ @
pOx D i @x
I pOy D „i @y
@
I pOz D
„ @
i @z
O2
Energie: E D Ekin C V .r/ Energie: O Ekin D 2Pm I EO D i „ @t@
V .r/I
Drehimpulsvektor: l D r p O
Drehimpulsoperator: l D „i .rO  r /
 
l 2 D lx2 C ly2 C lz2 lOx D „i y @z@  z @y
@

2
lO D lOx2 C lOy2 C lOz2
Zeit: t Zeit: t
mathematische Vektorrechnung – Vektoranalysis Operatorenalgebra
Abbildung des
physikalischen
Systems
Gesamtenergie H.r.t /; p.t // HO .x;
O y;
O zO ; pOx ; pOy ; pOz /
des Systems D Ekin .r.t /; p.t // C V .r.t // D Ekin .x;
O y; O zO ; pOx ; pOy ; pOz / C V .x;
O y;
O zO /
(Hamilton-
Funktion)
Beschreibung der
@H
@x
@H
D pPx I @<y D pPy I @H
@z
D pPz HO  .r; t / D i„ @t@  .r; t /
zeitlichen und @H
D xI
P @H
D yI
P @H
D zP zeitabhängige Schrödinger-Gleichung
@px @py @pz
räumlichen Lösung dieser Gleichungen liefert die Lösung der Schrödinger-Gleichung liefert die
Entwicklung des Bahnkurve des Teilchens (Bewegungs- Wellenfunktion
Systems gleichung): )  .r; t / Skalar
) r.t / Es gibt keine Bahnkurve eines Teilchens, sondern
nur seine Wahrscheinlichkeit  .r; t /  .r; t /dV ,
es in dem Volumen dV anzutreffen:
 .r; t /  .r; t / D j .r; t /j2 = 0
„ ƒ‚ …
Wahrscheinlichkeitsdichte
R
.    dV D1/
( konjugiert komplex)


 enthält alle verfügbaren Informationen über


das System
Messprozess Die Observablen können zu jedem Zeit- Der Messprozess verändert das System,
punkt unabhängig voneinander genau sodass beispielsweise Ort und Impuls
gemessen werden, beispielsweise Ort nicht gleichzeitig scharf messbar sind.
und Impuls. – Das System wird durch Unschärferelation x px = „2
den Messvorgang nicht verändert
Korrespondenz- Die Definitionsgleichungen der klassischen Mechanik, die keine Ableitungen enthalten, gelten
prinzip auch für die entsprechenden Operatoren der Quantenmechanik. – Wenn das quantenmechani-
sche System „genügend groß“ wird, muss die Quantenmechanik in die klassische Mechanik
übergehen

tion) der Eigenzustände n .r/ entsprechend miert ist, sodass gilt


X Z
.r/ D cn n .r/ (8.21) 
.r/ .r/dV D 1 : (8.22)
n

mit Faktoren cn , die komplex sein können. Vor- Dies bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit eins
aussetzung ist stets, dass die Wellenfunktion nor- ist, das Teilchen irgendwo im Raum anzutreffen.
8.2 Quantentheorie 603

Deshalb muss die Wellenfunktion für r ! ˙1 zeigt. Das quantenmechanische Ergebnis zeigt,
schnell gegen null gehen oder periodisch sein. dass sich n .x/ über diese Umkehrpunkte hinaus
Im Folgenden soll die Lösung der erstreckt. Da j n .x/j2 dV die Aufenthaltswahr-
Schrödinger-Gleichung für einige konkrete scheinlichkeit angibt, bedeutet dies, dass sich das
Probleme, den Potenzialtopf, den harmoni- Teilchen auch außerhalb der klassischen Um-
schen Oszillator und die Potenzialschwelle kehrpunkte aufhalten kann.
genauer betrachtet werden. In Abb. 8.9 ist die Der Widerspruch zum klassischen Verhalten
Schrödinger-Gleichung für diese Potenziale mit eines Teilchens wird noch deutlicher beim Anlau-
den Randbedingungen und den Lösungen ange- fen eines Teilchens gegen eine Potenzialschwelle.
geben. Aus diesen Beispielen ist ersichtlich, dass Bei einer Energie E des Teilchens kleiner als die
zur Lösung der Differenzialgleichung bei den Potenzialschwelle kann das Teilchen klassisch
vorgegebenen Randbedingungen ein erheblicher die Schwelle nicht überwinden, sodass es voll-
mathematischer Aufwand erforderlich ist. ständig reflektiert wird (Abb. 8.9). In der Quan-
Betrachtet man das quantenmechanische Er- tenmechanik besteht dagegen eine Wahrschein-
gebnis des Rechteckpotenzials und des harmoni- lichkeit, das Teilchen hinter der Potenzialschwel-
schen Oszillators, so zeigt sich als fundamentaler le anzutreffen. Diese Wahrscheinlichkeit wird
Unterschied zum klassischen Ergebnis, dass nur durch den Transmissionskoeffizienten T ausge-
diskrete Energiezustände En erlaubt sind. Die drückt. Je dünner die Potenzialschwelle ist, umso
Aufeinanderfolge der Energieniveaus wird durch größer wird T . Dieses Durchdringen einer Poten-
eine ganze Zahl n bestimmt, die als Quanten- zialschwelle, obwohl es klassisch nicht möglich
zahl bezeichnet wird. Beim Rechteckpotenzial wäre, wird Tunneleffekt genannt und spielt bei-
.En  n2 / nimmt der Abstand E zwischen be- spielsweise beim ˛-Zerfall (Abschn. 8.8.1.2) und
nachbarten Energieniveaus mit der Quantenzahl dem Tunnelmikroskop (Abschn. 8.2.6) eine ent-
n zu .E  n/. Beim harmonischen Oszillator scheidende Rolle.
ist En  n, d. h., der Abstand zwischen benach-
barten Energieniveaus ist konstant. Ein weiterer
Unterschied zum klassischen Ergebnis besteht 8.2.3 Unschärferelation
darin, dass der quantenmechanisch niedrigste
Energiezustand von null verschieden ist, sodass Wie in Abschn. 8.2.2 ausgeführt, ist es ein Grund-
dem Teilchen auch am absoluten Nullpunkt eine postulat der Quantentheorie, dass die Eigenwerte
Energie (Nullpunktsenergie) zukommt. Weil das der Messgröße (dargestellt durch ihren Operator)
Planck’sche Wirkungsquantum h sehr klein ist identisch mit den Messwerten sind. Wendet man
.h D 6;6261  1034 J s/, wird die Energiequante- dieses Postulat auf ein freies Teilchen an, das
lung erst bei atomaren Dimensionen und Teilchen durch eine ebene Welle beschrieben wird, so er-
geringer Masse (z. B. Elektronen) erkennbar. Für gibt sich
makroskopische Systeme liegt die Energiequan-
telung weit unterhalb jeder Messgenauigkeit pOx eikx x D px eikx x ;
Für einen Potenzialtopf mit der Länge l D „ @ ikx x
1 cm und ein Teilchen mit der Masse m D 1 g e D „ kx eikx x I „kx D px : (8.23)
i @x
ergibt sich für die Energieniveaus
Der Ausdruck eikx x ist die Eigenfunktion zum
„2  2 2
En D n D 3;4  1044 n2 eV : Impulsoperator pOx (analog y und z). Ein ent-
2 m l2 sprechendes Experiment würde als Resultat einer
Für den harmonischen Oszillator mit der Energie Impulsmessung pn ergeben. Befindet sich das
E (klassisch z. B. eine an einer Feder schwingen- Teilchen in einem allgemeinen Zustand, so kann
de Masse m) bewegt sich klassisch das Teilchen dieser durch die Superposition von ebenen Wel-
zwischen den Umkehrpunkten x0 , wie Abb. 8.9 len (8.24) innerhalb eines Bereichs k um k0
604 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.9 Lösung der Schrödinger-Gleichung für einige Potenziale


8.2 Quantentheorie 605

Wird nach einer Messung (z. B. Impulsmessung)


eine weitere Messung (z. B. Ortsmessung) durch-
geführt, so bedeutet dies die Anwendung des
entsprechenden Operators auf den Zustand des
Systems n nach der ersten Messung. Dies hat
zur Folge, dass für die Messung zweier Messgrö-
ßen an einem quantenmechanischen System das
jeweilige Messergebnis von der Reihenfolge der
Messungen abhängen kann. Betrachtet seien die
Operatoren AO und BO sowie die zu beiden Ope-
ratoren gehörige Eigenfunktion . Wird zuerst
die Messung von AO vorgenommen, so ergibt sich
AO D a (a ist Eigenwert zu A). O Eine anschlie-
Abb. 8.10 Wellenpaket
ßende Messung von BO liefert B. O AO / D b a
(b ist Eigenwert zu B). O Werden beide Messun-
gen umgekehrt durchgeführt, so folgt A. O BO / D
(Wellenpaket) dargestellt werden (Abb. 8.10):
a b . Die Differenz der beiden Gleichungen lie-
k0ZCk fert .AOBO  BO A/
O D .a b  b a/ . Wenn man
ikx x
.x/ D c.k/e dk : (8.24) fordert, dass die Messergebnisse von der Reihen-
k0 k folge unabhängig sind, so muss .a b  b a/ D 0
sein. Dies muss für jede gemeinsame Eigenfunk-
Führt man eine Impulsmessung an einem Teil- tion von AO und BO gelten:
chen, dargestellt durch ein Wellenpaket, durch, so
erhält man einen beliebigen Messwert pn =„ im .AOBO  BO A/
O D 0; kurz
Bereich k0  k < pn =„ < k0 C k. Die Wie-
.AOBO  BO A/
O D ŒA;
O B
O D0: (8.27)
derholung der Impulsmessung in einem neuprä-
parierten Wellenpaket .x/ liefert einen anderen
Wenn eine solche Operatorengleichung auftritt,
Messwert für pn . Eine mehrmalige Wiederholung
muss man sich stets hinter dem Operator ei-
der Messung an jeweils neupräparierten Wellen-
ne Wellenfunktion vorstellen. Der Ausdruck
paketen ergibt eine Verteilung der Messwerte mit
in (8.28) wird als Vertauschungsrelation oder
dem Erwartungswert pN als Mittelwert (8.20). Der
Kommutator bezeichnet:
erhaltene Messwert pn ist der Eigenwert der Ei-

genfunktion eikn x ; kn D pn =„; hierdurch befindet ˆ D 0 Messergebnis unab-
sich das Teilchen nach der Messung im Ei-
ˆ
ˆ
ˆ
< hängig von der Reihen-
genzustand zum entsprechenden Messwert. Die ŒA; O BO D i CO folge der Messung
Messung verändert damit den Zustand des Sys- ˆ
ˆ
ˆ ¤ 0 Messergebnis von der
ˆ
tems: :̂ Reihenfolge abhängig
Messprozess (8.28)
.x/ ! Q .x/ D .x/ ) a n n
allgemeiner Anwendung Eigenfunktion Messwert
von  Eigenwert
Zustand
des Systems Wenn die Messung zweier Messgrößen (Observa-
(8.25) blen) von der Reihenfolge der Messung abhängig
Befindet sich das System in einem Eigenzustand ist, können beide Messgrößen gleichzeitig nicht
zum Operator A, O so bleibt dieser Eigenzustand beliebig genau gemessen werden, da die erste
nach einer Messung erhalten: Messung den Zustand des Systems unkontrolliert
verändert (es befindet sich nach der Messung in
Messprozess
n .x/  ! n .x/ ) an einem beliebigen Eigenzustand). Dies ist genau
Eigenzustand Anwendung Eigenfunktion Messwert
die Aussage der Heisenberg’schen Unschärfere-
von  Eigenwert
(8.26) lation (Abschn. 6.5.5.2). Durch den Formalismus
606 8 Atom- und Kernphysik

der Quantentheorie kann die Gültigkeit folgender Ergebnisse sind in Abb. 8.11 dargestellt. Es ist
Relation für die Eigenwerte a, b, c der Operato- zweckmäßig, das kugelsymmetrische Problem in
ren aus (8.28) gezeigt werden. Kugelkoordinaten zu rechnen.
Aufgrund der in Abschn. 8.2.3 durchgeführten
c2 allgemeine Heisen- Überlegungen gilt für den Drehimpulsoperator lO,
.a/2  .b/2 = berg’sche Unschärfe- dass seine Komponenten lOx ; lOy ; lOz nicht gleich-
4
relation zeitig scharf messbar sind, dagegen lOz und lO .
2

mittleres Schwan- Ferner gilt die gleichzeitige Messbarkeit auch


.a/2 D .a  a/ N 2 kungsquadrat für den Hamilton-Operator HO und lOz bzw. lO .
2

(analog b) Dies ermöglicht eine Trennung der Schrödinger-


(8.29) Gleichung in einen Radialanteil R.r/, der nur
von r abhängig ist, und einen Drehimpulsanteil
Mit dem Ort und Impulsoperator ergibt sich für F .#; '/, der nur von den Winkeln # und ' ab-
den Kommutator und damit für die Unschärfere- hängt (Abb. 8.11).
lation Die Lösung der Drehimpulseigenwert-
gleichung sind die Kugelflächenfunktionen
ŒpOx ; x
O D i „ I ŒpOx ; yO D0I 2
2
F1; m .#; '/. Die Eigenwerte zu lO und lOz sind

.px /2  .x/2 = I analog y; z : (8.30) diskret (gequantelt). Durch2 Einsetzen des Ei-
4 genwerts „2 l.l C 1/ von lO in den Radialanteil
oder weniger exakt der Wellenfunktion ergibt sich für die effektive
potenzielle Energie Veff der Ausdruck

px x = ; analog y; z : (8.31) 1 Ze 2 „2 l.l C 1/
2 Veff D  C : (8.32)
4 "0 r 2mred r 2
Für den Drehimpulsoperator (Tab. 8.1) erge- Coulomb-Energie Rotationsenergie
O2 O
ben sich folgende Kommutatoren: Œl ; lz  D 0,
Der zweite Term von (8.32) ist die Rotations-
ŒlOz ; lOx  D i„lOy (x; y; z zyklisch vertauschbar).
2 energie eines auf der Kreisbahn mit Radius r
Es ist lO mit jeweils nur einer Komponente lOx ; lOy umlaufenden Teilchens mit der reduzierten Mas-
oder lOz gleichzeitig messbar. se mred :
Die Unschärferelationen beziehen sich auf den
Genauigkeitsgrad der gegenwärtigen (gleichzei- 1 .J !/2
Erot D J ! 2 D
tigen) Kenntnis der verschiedenen Größen. Die- 2 2J
se Relationen beschränken nicht die Genauig- l 2
l 2

keit beispielsweise einer Ortsmessung allein oder D D (8.33)


2J 2mred r 2
einer Geschwindigkeitsmessung allein, sondern
lediglich die Kenntnis beispielsweise der Ge- mit J D mred r 2 als dem Massenträgheitsmoment
schwindigkeit bei einer Ortsmessung. und l D J ! als dem Bahndrehimpuls. Durch
Vergleich von (8.32) mit (8.33) ergibt sich für den
Bahndrehimpuls
8.2.4 Quantenmechanik des p
Wasserstoffatoms l 2 D „2 l.l C 1/I jl j D „ l.l C 1/ (8.34)

Mit den quantentheoretischen Grundlagen von mit der Bahndrehimpulsquantenzahl l D


Abschn. 8.2.1 bis 8.2.3 kann das Wasserstoffatom 0; 1; 2; : : : Für die z-Komponente des Bahn-
quantenmechanisch berechnet werden. Weil der drehimpulses ergeben sich aus der Eigenwertglei-
mathematische Aufwand erheblich ist, sei dar- chung diskrete Werte lz D „ m (mit der magne-
auf verzichtet. Der grundlegende Weg und die tischen Quantenzahl m D 0, ˙1, ˙2, : : :, ˙l)
8.2 Quantentheorie 607

Abb. 8.11 Lösung des Wasserstoffproblems


608 8 Atom- und Kernphysik

a z-Richtung einstellen kann. Dies hat folgende


Konsequenzen:

 Der Bahndrehimpuls l hat stets eine Kompo-


nente in x- und y-Richtung.
 Die Berechnung der Erwartungswerte lNx und
lNy der Operatoren lOx und lOy ergibt jeweils null.
Im Mittel verschwinden für einen Eigenzu-
stand Fl; m .#; '/ die Drehimpulskomponenten
in x- und y-Richtung.

Um diese beiden Aussagen zu erfüllen, muss


angenommen werden, dass der Bahndrehimpuls-
vektor l um die z-Achse präzediert. Dies ist in
Abb. 8.12b veranschaulicht.
Der Bahndrehimpulsvektor l verändert zeit-
lich seine Richtung, obwohl kein äußeres Dreh-
moment vorhanden ist. Die Präzession ist letzten
Endes eine alleinige Folge der Unschärferelation
(nicht gleichzeitige Messbarkeit von lx ; ly ; lz /.
Als Lösung des Radialanteils der Wellenfunk-
tion (Abb. 8.11) ergibt sich Rn; l .r/, der nur von
den beiden Quantenzahlen n (Hauptquantenzahl)
und l (Bahndrehimpulsquantenzahl, Nebenquan-
tenzahl) abhängig ist. Die gesamten Lösungen
b der Schrödinger-Gleichung des Wasserstoffpro-
blems werden als Atomorbitale bezeichnet. In
Abb. 8.13 ist lediglich der Drehimpulsanteil dar-
gestellt.
Für das Wasserstoffatom sind die Energieei-
genwerte En nur von der Hauptquantenzahl n
abhängig (Abb. 8.11). Zu jedem Energiezustand
En gibt es n2 Zustände gleicher Energie .l D
0; 1; 2; : : : ; n  1I l < m < l, zu jedem l ge-
hören 2 l C 1 Zustände). Die Energie En ist somit
Abb. 8.12 Vektordiagramm des Bahndrehimpulses n2 -fach entartet.

 Die Entartung bezüglich der Nebenquanten-


(Abb. 8.11). Die Projektion des Bahndrehim- zahl l wird aufgehoben (die Energie der Zu-
pulsvektors l auf die z-Richtung .lz / kann damit stände für unterschiedliche l-Werte bei glei-
nur ein ganzzahliges Vielfaches von „ sein. Dies chem n-Wert wird verschieden), wenn das Po-
wird durch das Vektordiagramm in Abb. 8.12 ver- tenzial kugelsymmetrisch ist, aber nicht mehr
anschaulicht. Zu jedem l-Wert gibt es 2l C 1 proportional zu 1=r ist. Dies ist bei allen
verschiedene m-Werte, d. h., die dem Bahn- Mehrelektronensystemen der Fall. Die Entar-
drehimpulsvektor l entsprechende Energie ist tung bezüglich der Nebenquantenzahl l wird
.2l C 1/-fach entartet. Aus dem Vektordiagramm auch bei relativistischer Rechnung aufgeho-
(Abb. 8.12a) wird deutlich, dass sich der Bahn- ben (Bohr-Sommerfeld’sche Quantenzahl k D
drehimpuls l quantenmechanisch nie parallel zur l C 1).
8.2 Quantentheorie 609

Eine wichtige Auswahlregel für optische


Übergänge ist l D ˙1.

8.2.5 Quanten-Hall-Effekt

8.2.5.1 Freies Elektron im Magnetfeld


(quantenmechanisch)
Im Folgenden sei der Einfluss eines Magnetfeldes
auf ein freies Elektron quantenmechanisch be-
schrieben. Zur Vereinfachung des Problems soll
sich das Elektron nur in der x; y-Ebene senkrecht
zum magnetischen Feldvektor B bewegen kön-
nen. Abb. 8.14 vermittelt eine Übersicht.
Die elektrische Feldstärke E ergibt sich durch
Ableitung des elektrischen Potenzials '.x; y; z/
nach den Ortskoordinaten x; y und z:
 
@ @ @
E D grad ' D  '; '; '
@x @y @z
D r ' :

Abb. 8.13 Drehimpulsanteil der Wellenfunktionen des


Analog kann die magnetische Induktion B aus
Wasserstoffatoms dem Vektorpotenzial A durch Rotationsbildung
erhalten werden:

@ @
 Die Entartung bezüglich m wird aufgehoben, B D rot A D Az  Ay ;
@y @z
wenn dem Coulomb-Potenzial eine nicht ku- 
@ @ @ @
gelsymmetrische Störung (z. B. elektrisches Ax  Az ; Ay  Ax :
oder magnetisches Feld) überlagert wird (Ab- @z @x @x @y
schn. 8.3). Damit lautet die Hamilton-Funktion H eines
Elektrons mit der Ladung – e
Zur Ermittlung des Absorptionsspektrums ei-
nes Atoms wird dieses mit Licht unterschiedli- 1
H D .p  .e/A/2 C .e/ ' : (8.35)
cher Frequenz bestrahlt. Stimmt die Photonen- 2m
energie „! mit einer Energiedifferenz von Zu-
Die Bewegungsgleichung des Elektrons ergibt
ständen .En;l;m En0 ;l 0 ;m0 / überein, so wird dieses
sich mit den Hamilton’schen Gleichungen xP D
Photon absorbiert und ein Elektron geht vom
@H=@p x und pPx D @H=@x (analog y; Ab-
Zustand n; l; m in den Zustand n0 ; l 0 ; m0 über.
schn. 8.2.1) zu
Ein derartiger Übergang kann nicht zwischen be-
liebigen Zuständen erfolgen. Es gibt bestimmte m rR D .e/E C .e/.v  B/ : (8.36)
Auswahlregeln, nach denen eine Zustandsände- elektrische Lorentz-Kraft
Kraft
rung von n; l; m nach n0 ; l 0 ; m0 möglich ist. Diese
Auswahlregeln ergeben sich durch die Symme- Zur Aufstellung der Hamilton-Funktion muss das
trie der Wellenfunktionen der Zustände, zwischen entsprechende Vektorpotenzial eingesetzt wer-
denen der Elektronenübergang stattfinden soll, den. Für das hier zu lösende Problem soll die ma-
und der Wechselwirkung mit der Lichtwelle. gnetische Induktion B nur eine z-Komponente
610 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.14 Klassische und quantenmechanische Beschreibung des freien Elektrons in einem Magnetfeld

Bz aufweisen. Ein Vektorpotenzial A, das ein Impuls des Elektrons in y-Richtung py D „ky
Magnetfeld B D rot A D .0; 0; Bz / erzeugt, ist eine Konstante der Bewegung .pPy D 0/.
ist gegeben durch A D .0; Bz x; 0/. Mit die- Die Gesamtenergie H des Systems wird durch
sem Vektorpotenzial ergibt sich die in Abb. 8.14 das Magnetfeld nicht verändert, da die Lorentz-
angegebene Hamilton-Funktion H für die Elek- Kraft stets senkrecht zur Bewegungsrichtung des
tronenbewegung in der x; y-Ebene senkrecht zur Elektrons wirkt. Die quantenmechanische Lö-
Magnetfeldrichtung Bz . sung liefert die Energiewerte des harmonischen
In Abb. 8.14 ist dieses Problem klassisch und Oszillators E D . C1=2/„!c mit dem konstan-
quantenmechanisch gelöst. Klassisch ergibt sich ten Energieabstand „!c . (!c ist die Zyklotron-
als Bahnkurve des Elektrons eine Kreisbahn um frequenz.) Die Energiewerte E sind unabhängig
den Mittelpunkt .x0 D 1=.m!c /  „ky ; y0 /. Der von der Wellenzahl ky (Elektronenspin nicht be-
8.2 Quantentheorie 611

rücksichtigt). Die Wellenfunktion .x; y/ des 8.2.5.2 Quanten-Hall-Effekt


Elektrons setzt sich aus einer ebenen Welle in y- K LAUS VON K LITZING (geb. 1943) entdeckte
Richtung und den Wellenfunktionen des harmo- im Februar 1980 am Hochfeld-Magnetlaborato-
nischen Oszillators (Abb. 8.9) um die Ruhelage rium des Max-Planck-Instituts für Festkörperfor-
schung in Grenoble den Quanten-Hall-Effekt und
„ „
x0 D  ky D ky wurde dafür 1985 mit dem Nobelpreis für Phy-
m !c e Bz
sik ausgezeichnet. Der klassische Hall-Effekt ist
zusammen. Im Gegensatz zur klassischen Lösung in Abschn. 4.4.3.2 beschrieben. Durch Anlegen
sind nur diskrete Kreisbahnen erlaubt. einer Spannung U an den Leiter (dreidimen-
Wird senkrecht zu B zusätzlich ein elek- sionales Elektronengas) fließt ein Strom I in
trisches Feld E angelegt, so lautet die klas- x-Richtung, wie Abb. 4.104 zeigt. Durch das
sische Bewegungsgleichung (8.36) mit E D Magnetfeld in z-Richtung entsteht senkrecht zu
.Ex ; 0; 0/; B D .0; 0; Bz / und r D .x; y; z/ B und I eine Spannung UH D RH I (Hall-
Spannung). RH wird (analog zum Ohm’schen
m xR D .e/Ex C .e/Bz yP ;
Gesetz U D RI ) als Hall-Widerstand bezeich-
m yR D .e/B z xP : net, für den sich klassisch RH D Bz =.nde/
Eine Lösung dieser gekoppelten Differenzialglei- ergibt, d : Dicke des Leiters.
chungen ist Von Klitzing verwendete zur Untersuchung
des Hall-Effekts nicht ein dreidimensionales son-
x D x0 C a cos !c t ; dern ein zweidimensionales Elektronengas (Be-
Ex eBz wegung der Elektronen im Leitungsband nur
y D y0 C a sin !c t  tI !c D : in x- und y-Richtung möglich). Ein zwei-
Bz m
(8.37) dimensionales Elektronengas (2DEG) kann in
einem MOS-FET (Silicium-Metalloxid-Oberflä-
Sie drückt eine Kreisbewegung aus mit dem Ra- chen-Feldeffekttransistor, Abschn. 9.2.3.4) reali-
dius a. Ihr Mittelpunkt bewegt sich senkrecht zu siert werden (Abb. 8.15). An der Oberfläche des
E und B mit der konstanten Geschwindigkeit p-Si-Materials unterhalb der SiO2 -Isolatorschicht
yP D vy D .Ex =Bz / in y-Richtung.
Bei der quantenmechanischen Lösung muss
zur Hamilton-Funktion H noch die potenzielle
Energie eEx addiert werden. Infolge der schnel-
len Kreisbewegung der Elektronen im Magnet-
feld (großes B) addiert sich zu E lediglich
die potenzielle Energie des Kreismittelpunktes x0
mit
„ Ex
eEx D eEx x0 D eEx ky D  „ky :
m !c Bz
Damit ergibt sich für die Energie in einem zusätz-
lichen elektrischen Feld
   
1 Ex
E D  C „ !c C  „ ky : (8.38)
2 Bz
Die Geschwindigkeit vy D @E =@py D @E =
@.„ ky / errechnet sich somit zu

vy D .Ex =Bz / : (8.39)


Abb. 8.15 Zweidimensionales Elektronengas in einem
Dies ist identisch mit dem klassischen Ergebnis. MOS-FET
612 8 Atom- und Kernphysik

bildet sich beim Anlegen einer positiven Span-


nung UG (Gate-Spannung) eine 5 nm bis 10 nm
dicke n-Inversionsschicht. Diese kann in sehr gu-
ter Näherung als 2DEG betrachtet werden. Die
flächenbezogene Ladungsträgerkonzentration ns
kann durch die Gate-Spannung UG über mehre-
re Größenordnungen variiert werden:
C0
ns D .UG  UE / : (8.40)
e
Die Größe C0 ist die flächenbezogene Kapazi-
tät der SiO2 -Schicht und UE ist die Einsatzspan-
nung zur Ausbildung des 2DEG. Durch Anle-
gen einer Spannung U zwischen Quelle (Source)
und Senke (Drain) fließt ein Strom I in der n-
Inversionsschicht. Es gilt das Ohm’sche Gesetz
U D RI , solange I einen kritischen Wert nicht Abb. 8.16 Abhängigkeit der Hall-Spannung UH und der
überschreitet. Längs-Spannung U von der Gatespannung UG (B D
18 T; I D 1 A; T D 1;5 K)
Für ein 2DEG ist der Widerstand in x-
Richtung R D U=I D %.Lx =Ly /; mit % als
Resistivität. Die auftretende Hall-Spannung in
y-Richtung wird analog zum klassischen Hall-
Effekt berechnet (Abschn. 4.4.3.2) und beträgt
UH D Bz =.ns e/I D RH I . Der Hall-Widerstand
RH D %H D Bz =ns e ist im 2DEG unabhän-
gig von den Abmessungen Lx und Ly der Probe.
Die Hall-Spannung wird damit bei konstantem
Längsstrom I und Flussdichte Bz umgekehrt pro-
portional zur flächenbezogenen Trägerdichte ns :
UH  1=ns .
Abb. 8.16 zeigt Messkurven der Hall-
Spannung und der Längsspannung, wie sie
v. K LITZING bei tiefer Temperatur und hoher
Flussdichte erhielt.
Abb. 8.17 zeigt %H und % in Abhängigkeit von
der Magnetfeldstärke B. Im Verlauf der Hall-
Spannung UH treten im Gegensatz zum erwarte-
ten Verlauf .UH  1=ns/ Plateaus auf, an denen
die Spannung U extrem gering wird (praktisch
null). Der spezifische Hall-Widerstand %H in den
Abb. 8.17 Abhängigkeit der Widerstände %H und % von
Plateaus nimmt einen ganzzahligen Bruchteil von
der Magnetfeldstärke
h=e 2 an:
h 25:813
RH D %H D   .i D 1; 2; : : :/: Bereits die klassische Betrachtung zeigt, dass
e2i i
(8.41) ein ideales (reibungsfreies) zweidimensionales
Dieses quantenartige Verhalten des Hall- Elektronengas in gekreuzten elektrischen und
Widerstands wird als Quanten-Hall-Effekt (von- magnetischen Feldern außergewöhnliche Eigen-
Klitzing-Effekt) bezeichnet. schaften besitzt. In Abschn. 8.2.5.1 wurde ge-
8.2 Quantentheorie 613

zeigt, dass unter dem Einfluss eines elektrischen dann sind mögliche ky -Werte ganzzahlige Vielfa-
Feldes in x-Richtung und eines Magnetfeldes che von 2 =Ly . Die maximale Wellenzahl ky, max
in z-Richtung die Elektronen sich auf Zykloi- folgt aus der Forderung, dass x0 maximal so
denbahnen in y-Richtung bewegen mit der Ge- groß sein kann wie Lx . Damit wird ky, max D
schwindigkeit vy D Ex =Bz . Das bedeutet, dass .eBz =„/Lx und die maximale Zahl von Zustän-
Lx Ly
ein Strom in y-Richtung fließt mit der Strom- den auf einem Landau-Niveau Nmax D eB„ z  2  .
dichte jy D ens vy D ens Ex =Bz . Für die Der Entartungsgrad D D Nmax =Lx Ly ist so-
Stromdichte j und elektrische Feldstärke E be- mit
steht damit folgender Zusammenhang: eBz
DD : (8.44)
j D  E , mit dem Leitfähigkeitstensor h
! Wenn nun die Dichte ns der Elektronen erhöht
0 xy ns e wird, dann wird zuerst das tiefste Landau-Niveau
D und xy D :
yx 0 Bz mit D Elektronen gefüllt, dann das nächsthöhere
und so fort.
Umgekehrt ist mit dem Widerstandstensor In realen Systemen entsteht der Widerstand in-
! folge von Streuung der Elektronen. Dabei muss
0 %xy Bz ein Elektron von seinem Ausgangszustand in
%D und %xy D ;
%yx 0 ns e einen freien Endzustand gestreut werden. Sind
nun alle Landau-Niveaus voll belegt, dann liegt
E D %j :
der nächste freie Zustand um „ !c höher. Bei tie-
Ferner gilt fen Temperaturen und hohen Magnetfeldern ist
diese Energie so groß, dass sie nicht aufgebracht
Bz werden kann. Mit anderen Worten: der Streu-
RH D D %xy D %H : (8.42)
ns e prozess kann nicht stattfinden. Also führt eine
komplette Besetzung der Landau-Niveaus zu ei-
Das bedeutet, dass der spezifische Widerstand
nem Verschwinden des Widerstandes %xx .
%xx in Längsrichtung verschwindet, zugleich mit
Für das Verschwinden des Widerstandes ist
der Leitfähigkeit xx . In realen Systemen sorgt
somit erforderlich, dass die Elektronendichte ein
die Streuung der Elektronen am Gitter und an
ganzzahliges Vielfaches des Entartungsgrades
Verunreinigungen dafür, dass %xx und xx nicht
ist: ns D i D. Mit (8.42) ergibt sich damit für
null werden.
den Hall-Widerstand RH D Bz =ns e D Bz =iDe
Quantenmechanisch werden die Elektronen-
und mit (8.44)
wellenfunktionen beschrieben durch eine ebene
Welle in y-Richtung und Wellenfunktionen des h
harmonischen Oszillators in x-Richtung um den RH D %H D 2 ; i D 1; 2; 3 : : : (8.45)
ie
Punkt x0 D .„=eBz /ky (Abschn. 8.2.5.1). Ener-
getisch tritt eine Quantelung der Energieniveaus Eine weitere Betrachtungsweise ergibt sich, wenn
in die Landau-Niveaus ein, deren Energie gege- der magnetische Fluss ˚ durch die Probe berech-
ben ist durch net wird: ˚ D BA D BLx Ly . Der magnetische
Fluss ist quantisiert in Vielfachen des Flussquants
E D . C 1/„ !c ;  D 0; 1; 2; : : : (8.43) (Abschn. 9.2.4)
h
Jedes Landau-Niveau kann nur eine begrenz- ˚0 D : (8.46)
e
te Zahl von Elektronen aufnehmen. Dieser sog.
Entartungsgrad kann folgendermaßen bestimmt Damit ist die Zahl der Flussquanten, welche
werden: die Probe durchdringen N˚ D ˚=˚0 D
Werden für die Wellenfunktionen in y- Bz Lx Ly e= h. Die Dichte der Flussquanten ist
Richtung periodische Randbedingungen voraus- n˚ D N˚ =Lx Ly D eBz = h. Das Verhältnis
gesetzt, .x; yCLy / D .x; y/ (Abschn. 9.2.2), von Elektronendichte ns zu Flussquantendichte
614 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.18 Hall-Effekt mit gebrochenen Quantenzahlen


an AlGaAs/GaAs

n˚ wird als Füllfaktor i bezeichnet und beträgt


Abb. 8.19 Zusammengesetzte Teilchen für den Füllfak-
ns ns h ns tor i D 1=3, bei dem drei Flussquanten mit einem
iD D D : (8.47) Elektron verbunden sind
n˚ eBz D

Ganzzahlige Füllfaktoren i D 1; 2; 3 : : : bedeu-


ten, dass die Landau-Niveaus  D 0; 1; 2 : : : die Elektronen mit den Flussquanten zusammen-
vollständig besetzt sind, was zu den Plateaus gesetzte Teilchen (Abb. 8.19). Diese so entstan-
im Hallwiderstand und zum Verschwinden des denen Bosonen können in einen gemeinsamen
Längswiderstands führt. Grundzustand kondensieren, analog zum Mecha-
Nach der Entdeckung des Quanten-Hall- nismus der Supraleitung (Abschn. 9.2.4).
Effektes durch K. v. Klitzing 1980 wurden Der Quanten-Hall-Effekt (QHE) hat nicht
1982 von H. Störmer und D. Tsui an hoch- nur die Theorie der Festkörperphysik befruch-
reinen AlGaAs/GaAs-Heterostrukturen zweidi- tet (Abb. 8.20), sondern hat auch weit reichende
mensionale Elektronengase untersucht. Bei tiefer Auswirkungen auf dem Gebiet der Metrologie.
Temperatur (einige mK) und hohen Flussdichten So ist die Genauigkeit der Widerstandsmessung
fanden sie Strukturen wie in Abb. 8.17, jedoch durch den QHE um den Faktor 1000 gesteigert
zusätzlich solche bei gebrochen rationalen Quan- worden. Seit 1990 wird von der PTB das Wi-
tenzahlen i D 1=3; 2=5; 2=3 : : : (Abb. 8.18). derstandsnormal auf der Grundlage der interna-
Für die Entdeckung dieses fraktionalen Quanten- tional festgelegten von-Klitzing-Konstante RK D
Hall-Effekts wurden H. L. S TÖRMER (geb. 1949) 25:812;8074434  mit einer relativen Unsicher-
und D. C. T SUI (geb. 1939) zusammen mit heit von 3;2  1010 weitergegeben.
R. B. L AUGHLIN (geb. 1950) für die theoretische
Interpretation im Jahre 1998 mit dem Nobelpreis
ausgezeichnet. 8.2.6 Tunneleffekt
Nach der Theorie von Laughlin wird das Elek-
tronengas bei Temperaturen nahe dem absolu- In Abschn. 8.2.2 ist gezeigt, dass Elektronen ei-
ten Nullpunkt und hohen Magnetfeldern in eine ne Potenzialschwelle V (Abb. 8.9) „überwinden“
neue Form von Quantenflüssigkeit gezwungen. können, obwohl klassisch ihre Energie .EElektron /
Für Elektronen ist wegen des Pauli-Prinzips (Ab- dafür nicht ausreicht (EElektron < V0 ; Tunnelef-
schn. 8.4.2) die Kondensation in einen gemein- fekt). Der Tunneleffekt ermöglicht, Oberflächen
samen Grundzustand verboten. Deshalb bilden in ihrer atomaren Struktur sichtbar zu machen.
8.2 Quantentheorie 615

Abb. 8.20 Bedeutung des Quanten-Hall-Effekts

gen einer Spannung zwischen den Metallen wird


die Differenz der Fermi-Energieniveaus aufrecht-
erhalten. Die Stromdichte jTunnel des durch die
Potenzialschwelle fließenden Elektronenstroms
(Tunnelstrom) kann nach (8.48) berechnet wer-
den:
 2
e ~0
jTunnel D U e2~0 d .eU  ˚/
„  2 d
p
Abb. 8.21 Energiediagramm zweier Metalle mir sehr ge- 2~0 D 10;25 ˚.eV/ nm1 : (8.48)
ringem Abstand d
Hierin ist d die Dicke der Potenzialschwelle in
nm, U die angelegte Spannung in V und ˚ die
Haben zwei unterschiedliche Metalle einen Austrittsarbeit in eV. Es gilt
sehr kleinen Abstand d (keine Berührung), so er-
gibt sich das in Abb. 8.21 dargestellte Energiedia- ˚ D .˚1 C ˚2 /=2 :
gramm. Durch den Tunneleffekt können Elektro-
nen vom Metall 1 in das Metall 2 durch die Poten- Josephson Effekt
zialbarriere durchtunneln. Voraussetzung ist, dass B RIAN D. J OSEPHSON (geb. 1940) entdeckte
die den Potenzialwall durchdringenden Elektro- 1962 den nach ihm benannten quantenmechani-
nen ein freies (unbesetztes) Energieniveau im schen Effekt, den Josephson-Effekt. Dieser tritt
Metall 2 antreffen. Deshalb können nur Elektro- auf, wenn zwei Supraleiter durch eine dünne
nen aus dem Bereich EF .1/ bis EF .1/  eU in (wenige nm) Isolierschicht (SIS: Supraleiter –
den Bereich EF .2/ bis EF .2/ C eU durchtunneln. Isolator – Supraleiter) von einander getrennt sind
Ohne äußere Beeinflussung würden sich die bei- (SIS-Josephson-Element nach Abb. 8.22). In ei-
den Fermi-Energieniveaus ausgleichen, sodass nem solchen Josephson-Kontakt können Cooper-
kein Elektronenfluss durch die Potenzialschwelle Paare (Abschn. 9.2.4) über die Isolierschicht von
stattfindet (Gleichgewichtszustand). Durch Anle- einem Supraleiter zum anderen tunneln; es fließt
616 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.22 Prinzipieller Aufbau eines SIS-Josephson-


Elementes

Abb. 8.24 Stromstärke-Spannungs-Kennlinie einer SIS-


1V-Schaltung mit Mikrowelleneinstrahlung (70 GHz)

Abb. 8.25 10V-SIS-Josephson-Array


Abb. 8.23 Stromstärke-Spannungs-Kennlinie einer SIS-
1V-Schaltung ohne Mikrowelleneinstrahlung
verbindlich festgelegt und beträgt:
also ein Tunnelstrom. Legt man eine Spannung an
eine Josephson-Tunnelstrecke und strahlt gleich- KJ90 D 483:597;87 GHz=V : (8.50)
zeitig eine elektromagnetische Welle mit Mikro-
wellenfrequenz (z. B. 70 GHz) ein, dann treten in Analog zur von-Klitzing-Konstanten (RK D
der Strom-Spannungs-Kennlinie diskrete Span- 25:812;807 ˝) für den Widerstand (Ab-
nungsstufen Un (Abb. 8.23 und Abb. 8.24) auf schn. 8.2.5.2) wird die Josephsonkonstante als
vom Betrag: Spannungsnormal festgelegt.
h Werden viele tausende Josephson-Elemente
Un D n f (8.49) in Serie geschaltet (Josephson-Array), dann sind
2e
üblicherweise Spannungsreferenzen von 10 V
Dabei ist n D 1; 2; 3 : : : die Ordnung der Stu- bis C10 V bei einer Toleranz von ˙5 nV mög-
fe, h das Planck’sche Wirkungsquantum, e die lich. Abb. 8.25 zeigt ein 10 V-SIS-Josephson-
Elementarladung und f die eingestrahlte Fre- Array. Die 14:000 Josephson-Kontakte sind in
quenz. Bei einer typischen Mikrowellenfrequenz den Mikrowellenbahnen angeordnet. Zur Mes-
von 70 GHz beträgt der Abstand der Spannungs- sung wird das Array mit Bond-Drähten an einen
stufen etwa 150 V. Der Faktor 2e= h wird als Probenträger angeschlossen. Abb. 8.26 zeigt zwei
Josephsonkonstante KJ bezeichnet. Josephson-Apparaturen der PTB (Physikalisch
Die Unsicherheiten der Spannungen sind sehr Technischen Bundesanstalt) in Braunschweig.
gering (1:1010 , z. B. 1 nV bei 10 V). Die Joseph- Eine Apparatur wird zur Reproduzierung der Ein-
sonkonstante K J90 wurde am 1.1.1990 weltweit heit „Volt“ und für Kalibrierungen benutzt. Die
8.3 Bahn- und Spinmagnetismus 617

trischer Strom I betrachtet werden. Die Strom-


stärke I ergibt sich als Quotient aus der Ladung
des Elektrons und der Zeit für einen Umlauf T :
e e
I D D !: (8.53)
T 2 
Für das magnetische Dipolmoment ergibt sich
daraus
e e
 D IA D  !   r2 D  ! r2 : (8.54)
2  2
Das Minuszeichen gilt für das negativ ge-
Abb. 8.26 Apparatur zur Reproduzierung der Einheit ladene Elektron, e ist der Betrag der Elemen-
„Volt“. Werkfoto: PTB Braunschweig
tarladung. – Durch Einsetzen des Betrages des
Bahndrehimpulses jl j D jr  pj D mvr D
zweite Apparatur kann für Forschungszwecke m!r 2 ergibt sich für das magnetische Dipolmo-
eingesetzt werden. Die Apparaturen haben eine ment l (1) in Abb. 8.27. Aufgrund spektro-
Unsicherheit von besser als 1 nV bei 10 V. skopischer Daten und der Ergebnisse der Quan-
tentheorie muss dem Elektron unabhängig von
seiner Bahnbewegung ein magnetisches Dipol-
8.3 Bahn- und Spinmagnetismus moment zugeschrieben werden. Analog zum ma-
gnetischen Dipolmoment der Bahnbewegung l ,
Ein elektrischer Kreisstrom I erzeugt ein ma- das proportional dem Bahndrehimpuls l ist, kann
gnetisches Dipolfeld (Abschn. 4.4.3). Für das dieses magnetische Dipolmoment des Elektrons
magnetische Dipolmoment  gilt nach (4.180) s proportional zum Eigendrehimpuls (Spin) s
angenommen werden ((2) in Abb. 8.27). Der Spin
 D IA (8.51) des Elektrons ergibt sich aus der Lösung der
relativistischen Schrödinger-Gleichung (Dirac-
mit A als dem Vektor senkrecht auf der vom Gleichung).
Kreisstrom aufgespannten Fläche .A D jAj/. In Die Quantenmechanik des Bahndrehimpulses
einem homogenen Magnetfeld mit der magneti- ist in Abschn. 8.2.4 (Wasserstoffproblem) be-
schen Induktion B erfährt der magnetische Dipol schrieben. Der Bahndrehimpuls l kann nur dis-
nach (4.181) ein Drehmoment M D   B. Das krete Werte annehmen (Abb. 8.11). Für den Spin
Drehmoment ist null, wenn  parallel zu B aus- (Eigendrehimpuls) des Elektrons gelten analoge
gerichtet ist, d. h., wenn der Kreisstrom senkrecht Beziehungen wie für den Bahndrehimpuls. Im
zu B fließt. Eine Verdrehung des Dipolmoments Gegensatz zur Bahndrehimpulsquantenzahl l, die
um den Winkel ˛ gegen B erfordert die Arbeit nur ganzzahlig auftritt, kann die Spinquantenzahl
R˛ s des Elektrons nur den Wert 1/2 annehmen. Des-
W D B sin 'd' D B.1  cos ˛/. Damit halb sind nur zwei Spineinstellungen bezüglich
0
lässt sich eine (potenzielle) magnetische Energie der z-Richtung möglich (Abb. 8.27).
definieren: Aus (2) in Abb. 8.27 ergibt sich für die erste
Bohr’sche Bahn .jl j D „/ ein magnetisches Mo-
Emag D  B cos ˛ D  B : (8.52) ment B (Bohr’sches Magneton):
e
Abb. 8.27 zeigt die Analogie zwischen Bahn-, B D „ D 9;2740  1024 A m2 : (8.55)
2me
Spin- und Kernmagnetismus. Das um den Kern
mit der Geschwindigkeit v und dem Radius r Es ist zweckmäßig, das magnetische Dipol-
kreisende Elektron kann als kreisförmiger elek- moment von Elektronen als Vielfaches (Einhei-
618
8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.27 Bahn- und Spinmagnetismus des Elektrons; Kernmagnetismus durch Protonen und Neutronen
8.3 Bahn- und Spinmagnetismus 619

ten) von B anzugeben. – In Abschn. 8.2.4 ist ge- drehimpuls J . Da die magnetischen Dipolmo-
zeigt, dass der Bahndrehimpuls um die z-Achse mente mit den entsprechenden Drehimpulsen ge-
präzediert. Dies gilt auch für den Spin des Elek- koppelt sind, addieren sich die magnetischen Di-
trons. Da mit dem Drehimpuls ein magnetisches polmomente zu einem Gesamtdipolmoment J .
Dipolmoment l bzw. s verbunden ist, präze- Die Komponente von J in z-Richtung .J; z /
diert auch dieses um die z-Achse und ist wie l kann die Werte mJ „ .mJ D J; J  1; : : : ; J /
bzw. s gequantelt. Experimentell kann somit nur annehmen. Die Energie des magnetischen Dipols
die Komponente von  in z-Richtung gemessen in einem Magnetfeld B0 in z-Richtung ergibt sich
werden. nach (8.52) zu Emag D J; z B0 . Für den Ener-
Befindet sich das magnetische Dipolmo- gieunterschied E zweier Zustände .mJ D 1/
ment in einem Magnetfeld mit der magneti- gilt
schen Induktion Bz , so ist damit eine Vor-
zugsrichtung festgelegt. Das magnetische Dipol- EmJ ;mJ 1 D gJ B B0 : (8.57)
moment kann sich zu Bz nur in bestimmten
Werten einstellen, die durch l; z bzw. s; z ((2) Die Aufspaltung von Energiezuständen im Ma-
und (4) in Abb. 8.27) gegeben sind. Mit (8.52) er- gnetfeld wird als Zeeman-Effekt bezeichnet
gibt sich damit für die Energie des magnetischen (P. Z EEMAN, 1865 bis 1943). Die Auswahlregel
Dipolmoments in einem Magnetfeld der magne- für optische Übergänge lautet mJ D 0; ˙1.
tischen Induktion Bz Übergänge mit mJ D 0 heißen  -
( Übergänge, die mit mJ D ˙1 heißen  -
ml  B B z Übergänge. Die  - und  -Strahlung ist unter-
Emag D z Bz D :
2;0023 msB Bz schiedlich polarisiert. Wird das Atom in ein elek-
(8.56) trisches Feld E gebracht, so wird ein elektrisches
Es sind somit nur diskrete Energiezustände mög- Dipolmoment p induziert, das proportional zu
lich. Das Verhältnis von magnetischem Dipolmo- E ist .p D ˛E / (Abschn. 4.3.7). ˛ wird als
ment  und dem entsprechenden Drehimpuls l Polarisierbarkeit bezeichnet. Die Energie Eel ei-
bzw. s wird als gyromagnetisches Verhältnis nes elektrischen Dipols p im elektrischen Feld E
bezeichnet und kann makroskopisch gemessen beträgt Eel D 21 pE D 12 ˛E 2 . Die Größe des in-
werden. Zwischen magnetischem Dipolmoment duzierten elektrischen Dipolmoments hängt von
l bzw. s und dem Drehimpuls l bzw. s tritt der Elektronenverteilung (gegeben durch n, l, m)
ein Proportionalitätsfaktor (g-Faktor) auf. Dieser ab. Dadurch erfahren die Atomorbitale im elektri-
g-Faktor ist mit dem gyromagnetischen Verhält- schen Feld unterschiedliche Energieänderungen,
nis verknüpft (Abb. 8.27). Er beträgt für den die zu einer Aufspaltung der Spektrallinien füh-
Bahnmagnetismus gl D 1 und für den Spin- ren. (Stark-Effekt; J. S TARK, 1874 bis 1957).
magnetismus gs D 2;0023 (Ermittlung durch
quantenmechanische Berechnung).
8.3.2 Elektronen- und
Kernspinresonanz
8.3.1 Zeeman- und Stark-Effekt
In Abb. 8.27 ist dem Bahn- und Spinmagnetismus
Aus Abb. 8.27 geht hervor, dass sich in einem der Elektronen Kernmagnetismus gegenüberge-
äußeren Magnetfeld B0 in z-Richtung das ma- stellt. Der Atomkern hat einen Eigendrehimpuls
gnetische Dipolmoment des Spins s bzw. das I, der gequantelt ist und deshalb nur diskrete
magnetische Dipolmoment der Bahn l nur dis- Werte annehmen kann. Die Kernspinquantenzahl
kret einstellen kann: s; z D gs ms B bzw. I hat je nach Atomkern halb- oder ganzzahlige
l; z D gl ml B . (m ist die magnetische Quan- Werte zwischen 0 und 15=2. Das magnetische
tenzahl.) Für ein Mehrelektronensystem addieren Moment des Kerns I ist über den gI -Faktor
sich die Drehimpulse l und s zu einem Gesamt- mit dem Drehimpuls I verknüpft. Analog dem
620 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.28 Energieaufspaltung von Elektronen und Protonen im Magnetfeld

Bohr’schen Magneton .B / der Elektronenhülle


führt man das Kernmagneton K D B =1836 D
e„=.2mp / ein. Je nach Kern ist der gI -Faktor
größer oder kleiner als null und somit das magne-
tische Moment I parallel oder antiparallel dem
Eigendrehimpuls I. Abb. 8.28 zeigt die Niveau-
aufspaltung für ein Elektron und ein Proton in ei-
nem äußeren Magnetfeld B0 . Wird senkrecht zum
B0 -Feld ein Wechselfeld B? mit der Resonanz-
frequenz f D gs B B0 = h bzw. f D gl K B0 = h
eingestrahlt, so wird ein Übergang zwischen den
Niveaus erfolgen (Umklappen des magnetischen
Moments). Je nach Feldstärke B0 sind hierfür bei
der Elektronenspinresonanz Mikrowellen (GHz), Abb. 8.29 Aufbau eines Resonanzspektrometers (sche-
bei der Protonenkernspinresonanz Radiowellen matisch). Werkbild: Siemens
(60 MHz bis 800 MHz) erforderlich.
Abb. 8.29 zeigt den prinzipiellen Aufbau einer
Spinresonanzanordnung. Zwischen den Polschu- flüssig). Der Frequenzgenerator erzeugt die erfor-
hen des Magneten (B0 muss homogen und sehr derliche Resonanzfrequenz. Zur Aufnahme eines
konstant sein) befindet sich die Probe (fest oder Resonanzspektrums wird entweder bei fester Fre-
8.4 Systematik des Atombaus 621

Die Protonenresonanz wird in abgewandelter


Form in der Medizin eingesetzt (Kernspintomo-
grafie). Dabei befindet sich der Patient in einem
homogenen Magnetfeld, das durch ein Gradien-
tenfeld überlagert wird (Abb. 8.29, rote Lini-
en). Dieser Feldgradient ermöglicht eine Zuord-
nung des Resonanzsignals zum Entstehungsort.
Abb. 8.31 zeigt das Schnittbild eines Kopfes, auf-
genommen mit einem Kernspintomografen.

8.4 Systematik des Atombaus

8.4.1 Periodensystem der Elemente

Das Periodensystem der Elemente wurde gleich-


Abb. 8.30 Protonenresonanzspektrum von Chloro- zeitig von J. L. M EYER (1830 bis 1895) und
form (CHCl3 ), Methylenchlorid (CH2 Cl2 ) und Ethanol D. M ENDELEJEW (1834 bis 1907) aufgestellt.
(CH3 CH2 OH) Sie ordneten die Elemente nach den Atommassen
und Elemente gleicher chemischer Eigenschaften
untereinander an. Die Anordnung der Elemen-
te erfolgt im Periodensystem in 7 waagrechten
Perioden und 18 senkrechten Gruppen. Die ers-
te Periode enthält nur zwei Elemente (Wasser-
stoff und Helium). Die zweite und dritte Periode
enthalten jeweils acht Elemente, die vierte und
fünfte 18 Elemente. Zur Aufrechterhaltung der
chemischen Verwandtschaft der Elemente inner-
halb einer Gruppe müssen den Perioden sechs
und sieben nach Lanthan und Actinium jeweils
14 weitere Elemente eingeordnet werden (Lan-
thanoiden, Actinoiden).
Abb. 8.31 Kernspintomogramm eines menschlichen
Die chemische Verwandschaft innerhalb einer
Schädels. Werkfoto: Siemens
Gruppe und das periodische Auftreten bestimmter
chemischer Eigenschaften zeigen sich beispiels-
quenz das Magnetfeld variiert oder bei festem weise durch das Säure-Base Verhalten ihrer Oxi-
Feld ein Frequenzband eingestrahlt. Abb. 8.30 de. In dem diesem Buch beigefügten Periodensys-
zeigt das Protonenresonanzspektrum einer Mi- tem (Faltblatt im Anhang) ist basisches Verhalten
schung von Lösungsmitteln. Es ist zu erkennen, mit blauer und saures Verhalten mit roter Farbe
dass die Lage der Resonanzsignale von der che- gekennzeichnet. Innerhalb einer Periode wechselt
mischen Umgebung des Protons abhängig ist die Farbe von dunkelblau über hellblau, hellrot
(Abschirmungseffekte u. a.). Ferner können be- nach dunkelrot, während innerhalb einer Grup-
nachbarte Protonen miteinander wechselwirken, pe nur graduelle Unterschiede auftreten. Das pe-
sodass es zu einer typischen Signalaufspaltung riodische Verhalten zeigt sich besonders in der
kommt (Wechselwirkung von CH3 -Protonen und ersten Ionisierungsenergie. Dies ist die zur Los-
CH2 -Protonen). Für die Strukturaufklärung orga- lösung des äußersten Elektrons (Valenzelektrons)
nischer Verbindungen ist die Kernspinresonanz- vom Atom erforderliche Energie. Für die Elemen-
Spektroskopie ein wichtiges Hilfsmittel. te der ersten Gruppe (Alkalimetalle Lithium, Na-
622 8 Atom- und Kernphysik

trium, Kalium, Rubidium, Cäsium) ist diese Ener-


gie gering, verglichen mit der 18. Gruppe der
Edelgase (Helium, Neon, Argon, Krypton, Xe-
non, Radon). In dem vorliegenden Periodensys-
tem sind zu jedem Element noch weitere physika-
lische und chemische Daten angegeben.
Die Position des Elements im Periodensystem
wird durch die Ordnungszahl Z beschrieben.
Sie entspricht der Anzahl der Elektronen in
der Elektronenhülle bzw. der Kernladungszahl
(Anzahl der positiven Ladungen im Atomkern).
Da die chemischen und physikalischen Eigen-
schaften der Elemente durch die Elektronen be-
stimmt werden (z. B. Ionisierungspotenzial, Wer-
tigkeit), muss sich die Periodizität in der Elek-
tronenanordnung der Elektronenhülle widerspie-
geln.

8.4.2 Aufbau der Elektronenhülle

In Abschn. 8.2.4 ist die quantenmechanische Lö- Abb. 8.32 Energiediagramm der besetzten Atomorbitale
sung für das Wasserstoffatom beschrieben. Für
Mehrelektronensysteme kann die Lösung der
Schrödinger-Gleichung nur noch näherungsweise keine Elektronen in allen vier Quantenzahlen
erfolgen. Die Lösung für das Wasserstoffproblem .n; l; ml ; ms / übereinstimmen dürfen.
ergibt für das Elektron drei Quantenzahlen: Aus dem Energiediagramm Abb. 8.32 folgt,
dass sich nach Abschluss von Zuständen mit glei-
 Hauptquantenzahl n, chem n; l (Teilschalen) besonders stabile Elek-
 Bahndrehimpulsquantenzahl tronenanordnungen ergeben. Für abgeschlossene
l D 0; 1; 2; : : : ; n  1; TeilschalenPaddieren sich die Bahndrehimpulse l i
 magnetische Quantenzahl zu
P L D i l i D 0 bzw. die Spins s i zu S D
ml D 0; ˙1; ˙2; : : : ; ˙l. s D 0 und diese abgeschlossenen Schalen ha-
i i
ben damit auch kein magnetisches Dipolmoment.
Zu diesen Quantenzahlen muss die magneti- Die Elektronenanordnung (Elektronenkonfi-
sche Quantenzahl des Elektronenspins hinzuge- guration) im Atom wird durch die Symbolik
fügt werden: ms D ˙1=2.
Beim Mehrelektronensystem wird durch (Hauptquantenzahl)(Bahndrehimpuls) (Anzahl der Elektronen)
die zusätzliche elektrostatische Wechselwir-
kung zwischen den Elektronen die Entartung vorgenommen. In Tab. 8.2 ist die maximale An-
der Energiezustände (Abschn. 8.2.4) bezüglich zahl der Elektronen zur Hauptquantenzahl n mit
des Bahndrehimpulses l aufgehoben. Es ergibt der Kurzschreibweise zusammengestellt. Da die
sich das in Abb. 8.32 dargestellte Energiedia- Entartung im Wasserstoffatom n2 ist, können 2n2
gramm. Dieses gilt nur, wenn die Zustände mit Elektronen mit der Hauptquantenzahl n im Atom
Elektronen besetzt sind. Die Auffüllung der Ener- auftreten.
giezustände mit Elektronen erfolgt nach dem Zur Vereinfachung kürzt man die Elektronen-
Pauli-Prinzip, das besagt, dass in einem Atom konfiguration des jeweils letzten Edelgases ab
8.5 Röntgenstrahlung 623

Tab. 8.2 Elektronenkonfiguration


n l ml ms Bezeich- Elek-
nung tronen
Anzahl
1 0 0 ˙1=2 1 s2 2 2
2 0 0 ˙1=2 2 s2 2
1 1, 0, 1 ˙1=2 2 p6 6 8
3 0 0 ˙1=2 3 s2 2
1 1, 0, 1 ˙1=2 3 p6 6 18
2 2, 1, 0, 1, 2 ˙1=2 3 d10 10
4 0 0 ˙1=2 4 s2 2
1 1, 0, 1 ˙1=2 4 p6 6 32
2 2, 1, 0, 1, 2 ˙1=2 4 d10 10
3 3, 2, 1, 0, 1, 2, 3 ˙1=2 4 f14 14 Abb. 8.33 Aufbau einer Röntgenröhre (schematisch)

(beispielsweise [Ar]) und gibt nur die äußersten


Elektronen an, also z. B. Li: [He]2 s1 .

8.5 Röntgenstrahlung

In Abschn. 8.4 sind die Energiezustände der äu-


ßeren Elektronen (Valenzelektronen) und deren
Aufspaltung beschrieben. Der folgende Abschnitt
hat die Energiezustände der inneren Elektronen
zum Inhalt.

8.5.1 Bremsstrahlung und


charakteristische Strahlung

Die Röntgenstrahlung (Strahlungsenergie im Be-


reich keV) wird in vielen technischen und me-
dizinischen Bereichen eingesetzt, z. B. im Rönt-
gentomograf und bei Materialuntersuchungen.
Abb. 8.33 zeigt den schematischen Aufbau ei-
ner Röntgenröhre. Elektronen werden aus einer
beheizten Kathode emittiert und durch Anlegen Abb. 8.34 Entstehung des Röntgenspektrums einer
einer Spannung U0 von etwa 20 kV bis 250 kV Röntgenröhre
auf die Anode (Antikathode) beschleunigt. Die
in das Material eindringenden Elektronen wer-
den durch das elektrische Feld der positiv ge- scher Strahlung führt. Die so erzeugte Strahlung
ladenen Atomkerne abgelenkt und abgebremst. bezeichnet man als Röntgenbremsstrahlung. Das
Dieser Vorgang ist in Abb. 8.34 veranschaulicht. Spektrum der Bremsstrahlung ist ein kontinuier-
Die Abbremsung des Elektrons ist eine nega- liches Spektrum, da es sich um freie Elektronen
tive Beschleunigung der Ladung, die nach der handelt, deren Energie nicht gequantelt ist (Ab-
Elektrodynamik zur Aussendung elektromagneti- schn. 8.2). Die kurzwellige Grenze des Brems-
624 8 Atom- und Kernphysik

Tab. 8.3 Ionisierungsenergien innerer Elektronen


Element Ordnungszahl EK in keV ELIII in keV
Aluminium 13 1;560 0;073
Kupfer 29 8;979 0;931
Silber 47 25;514 3;351
Wolfram 74 69;525 10;207
Gold 79 80;725 11;919

strahlspektrums ergibt sich aus der vollständigen


Abbremsung des Elektrons mit der Energie eU0
in einem Vorgang .0 D hc=.eU0 //.
Die auf das Antikathodenmaterial auftreffen-
Abb. 8.35 Absorption in Abhängigkeit von der Energie
den Elektronen können Elektronen aus den in- der Röntgenstrahlung
neren Schalen entfernen, sodass eine Ionisation
des Atoms stattfindet. In Tab. 8.3 sind die Io-
nisierungsenergien für das Elektron der K- und (Abschn. 8.10) und wird mathematisch beschrie-
L-Schale EK und EL für einige Elemente ange- ben durch
geben. I D I0 ex : (8.58)
Elektronenübergänge aus den höheren Scha-
len füllen die entstandene Elektronenlücke un- Hierin ist I die Strahlungsintensität nach dem
ter Aussendung charakteristischer Röntgenstrah- Materiedurchgang, I0 diejenige vor dem Mate-
lung (Linienspektrum, Abb. 8.34) auf. Die Be- riedurchgang und  der Schwächungskoeffizient.
zeichnung der Strahlung erfolgt durch zwei Grö- Dieser setzt sich aus dem Streuanteil streu und
ßen. Die erste gibt die Schalenbezeichnung des Absorptionsanteil abs zusammen. Für abs gilt
Endzustands des Elektrons an (K, L, M, . . . ),
die zweite als Index .˛; ˇ; ; : : :/ die Schalenher- Zk
abs  I 3<k<4: (8.59)
kunft des Elektrons. Das Auftreten des charak- E3
teristischen Röntgenspektrums ist abhängig von
der Beschleunigungsspannung U0 der Elektro- Der Absorptionskoeffizient nimmt mit zuneh-
nen und dem Antikathodenmaterial. Bei gerin- mender Energie E der Strahlung ab. Bei be-
stimmten Energien treten große Sprünge im Ab-
gen Elektronenenergien eU0 reicht die Energie
sorptionskoeffizienten auf, wie Abb. 8.35 zeigt.
nur zur Ionisation beispielsweise der L-Schale
Die Energie dieser Absorptionskanten entspricht
aus. Es können somit nur die L-Linien (L-Serie)
der Ionisationsenergie des zugehörigen Elek-
entstehen. Bei größerer Elektronenenergie ist ei-
ne Ionisation der K-Schale möglich. Es entste- trons.
hen die K-Linien (K-Serie). Das kontinuierliche Eine wichtige Anwendung der Absorption
Bremsstrahlspektrum wird vom diskreten Linien- von Röntgenstrahlung ist die Röntgendiagnos-
spektrum des Antikathodenmaterials überlagert. tik in der Medizin. Der Körper wird mit Rönt-
genstrahlung bestrahlt und der nicht absorbierte
Strahlungsanteil ermittelt (Röntgenfilm). Berei-
8.5.2 Absorption von che großer Schwärzung stellen Körperteile mit
Röntgenstrahlung, geringem Absorptionskoeffizienten (z. B. Gewe-
Computertomografie be), Bereiche geringer Schwärzung Körperteile
mit großem Absorptionskoeffizienten (z. B. Kno-
Die Schwächung von Röntgenstrahlung beim chen) dar. Da die verschiedenen Absorptionsko-
Durchgang durch Materie der Dicke x erfolgt effizienten der entsprechenden Bereiche gemäß
durch Ionisation (Fotoeffekt) und Streuprozesse Abb. 8.36 entlang der Durchstrahlrichtung auf-
8.5 Röntgenstrahlung 625

Abb. 8.36 Schwächung der Röntgenstrahlung beim


Durchgang durch Materie unterschiedlicher Zusammen-
setzung

Abb. 8.38 Kombination der vorläufigen Bilder zum Ob-


jektbild

lere Feld soll sich durch einen verhältnismä-


ßig großen Absorptionskoeffizienten (22 ) von
der Umgebung unterscheiden. In drei Messserien
wird die Probe durchstrahlt und die Intensität I
ermittelt. Aus den so erhaltenen neun Gleichun-
gen können 11 bis 33 berechnet werden. Wird
dem Absorptionskoeffizienten ein Grauwert oder
eine Farbe zugeordnet, so entsteht eine Abbil-
dung des inneren Aufbaus der Probe, also z. B.
eines Körperteils. Will man Einzelheiten in der
Größenordnung Millimeter auflösen, so muss das
3  3-Raster auf 200  200 erweitert werden. Dies
erfordert die Lösung eines Gleichungssystems
mit 200200 D 40:000 Unbekannten. Hierfür ist
eine sehr lange Rechenzeit erforderlich. Um aus
den Messergebnissen trotzdem ein Bild des Kör-
perinneren zu gewinnen, wird entlang der Durch-
strahlrichtung ein konstanter mittlerer integraler
Abb. 8.37 Prinzip der Computertomografie Absorptionskoeffizient angenommen. Dies führt
zu den in Abb. 8.38 dargestellten vorläufigen
Bildern, deren Überlagerung (Aufsummierung)
summiert werden, handelt es sich um ein integra- ein ungefähres Bild des Probeninnern ergibt. Bei
les Abbildungsverfahren. dieser Bildrekonstruktion findet eine Verschmie-
Eine entscheidende Verbesserung der Ab- rung des mittleren Teils statt. Dies kann durch
bildung gelingt durch die Röntgencomputerto- eine Kontrastverstärkung (hervorgerufen durch
mografie. Hiermit ist es möglich, entlang der die mathematische Operation der Faltung an der
Durchstrahlrichtung Strukturen (Bereiche unter- Messkurve) verbessert werden. In Abb. 8.39 sind
schiedlicher Absorptionskoeffizienten) aufzulö- Aufnahmen eines Kopfes bei unterschiedlichen
sen. Man erhält somit Schnittbilder des Kör- Schnittstellen dargestellt. Abb. 8.40 zeigt sche-
pers. Das Prinzip der Computertomografie zeigt matisch den Aufbau eines Computertomografen.
Abb. 8.37 am Beispiel einer aus neun gleich Hierbei wird lediglich die Röntgenröhre bewegt,
großen Bereichen bestehenden Probe. Das mitt- während die Detektoren in einem Kreis fest an-
626 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.39 Schnittbilder eines Kopfes, aufgenommen mit einem Röntgencomputertomografen. (Ostalbklinikum
Aalen)
8.6 Molekülspektren 627

Abb. 8.40 Aufbau eines Computertomografen (schema-


tisch) Abb. 8.41 Potenzialkurve eines bindenden und nichtbin-
denden Molekülorbitals

geordnet sind. Die Bestrahlungszeit beträgt nur


einige Sekunden. analog zu den Atomorbitalen den Aufenthalts-
wahrscheinlichkeiten von Elektronen. Erstrecken
sie sich über beide Atomkerne A und B, so führt
8.6 Molekülspektren dies zu einer Anziehung (bindendes Molekülor-
bital). Ist das Molekülorbital lediglich auf ein
Atome kommen in den seltensten Fällen isoliert Atom A bzw. B beschränkt, so findet keine Bin-
vor. Sie gehen chemische Bindungen ein. Au- dung statt (nichtbindendes Molekülorbital). Für
ßer der ionischen und metallischen Bindung, die das einfachste Molekül HC 2 ist dies in Abb. 8.41
die Wechselwirkung vieler Atome beinhaltet, gibt mit den entsprechenden Potenzialkurven veran-
es noch die kovalente Bindung zwischen zwei schaulicht.
Atomen zu einem Molekül, z. B. N2 , HCl, CO Findet eine chemische Bindung zwischen A
(Abschn. 9.1). und B statt, so zeigt die Potenzialkurve beim
Gleichgewichtsabstand re ein Minimum. Ei-
ne weitere Annäherung der Atomkerne führt
8.6.1 Potenzialkurve zu einer schnell anwachsenden abstoßenden
Coulomb-Kraft. In Abb. 8.41 ist rot das harmo-
Wird der Abstand r zwischen zwei Atomen A nische Potenzial .V .r/  .r  re /2 / und die
und B (z. B. Wasserstoff und Chlor) immer mehr dazu gehörige, von r linear abhängige Kraft ein-
verringert, dann tritt eine Kraftwirkung FAB .r/ gezeichnet. Das harmonische Potenzial ist für die
zwischen ihnen auf. Diese kann abstoßend oder Umgebung des Gleichgewichtsabstandes re eine
anziehend wirken und somit zu einer Energieer- gute Näherung.
höhung bzw. Energieabsenkung
Rr von AB führen. Das klassische Modell eines zweiatomigen
(Das Potenzial V .r/ D 1 F .r /dr nimmt mit Moleküls kann durch zwei Massen mA und mB
0 0

r zu oder ab.) Die Ursache der Potenzialände- beschrieben werden, die im Abstand re durch ei-
rung besteht in der Wechselwirkung der nicht ne Feder verbunden sind. Eine Auslenkung aus
vollständig besetzten Atomorbitale von A und B der Gleichgewichtslage re führt zu einer rück-
miteinander (Coulomb-Wechselwirkung). Dabei treibenden Kraft, sodass die beiden Kerne ge-
bilden sich Molekülorbitale aus. Sie entsprechen geneinander schwingen können. Die zur Auslen-
628 8 Atom- und Kernphysik

lineares Molekül nichtlineares Molekül

CO2 (Kohlendioxid) H2O (Wasser)

fSchw = 3 · 3 – 5 = 4 fSchw = 3 · 3 – 6 = 3

+ • +

Abb. 8.42 Schwingungen eines dreiatomigen Moleküls

kung erforderliche Energie wirkt als Potenzial


V .r/ für die Schwingung des Moleküls um die Abb. 8.43 Verschiebung der Potenzialkurve bei Mole-
Gleichgewichtslage re . Ein n-atomiges Molekül külanregung
hat folgende voneinander unabhängige Bewe-
gungsmöglichkeiten (f : Anzahl der Freiheits-
Anregung des Moleküls zu einer Verschiebung
grade):
des Gleichgewichtsabstands re im angeregten Zu-
stand führen, wie Abb. 8.43 verdeutlicht. Eine
 Schwingung der Kerne gegeneinander
Anregung in einen nichtbindenden Zustand führt
(Schwerpunkt des Moleküls bewegt sich
zur Dissoziation des Moleküls.
nicht)
(
3n  5 lineares Molekül 8.6.2 Rotations-Schwingungs-
fSchw D
3n  6 nichtlineares Molekül Spektrum

 Rotation um den Schwerpunkt Die Schwingungs- und Rotationszustände sind


( gequantelt, d. h., das Molekül kann nicht mit
2 lineares Molekül jeder Frequenz schwingen bzw. jeder Kreisfre-
frot D
3 nichtlineares Molekül quenz rotieren.
Zur Berechnung der Energiewerte ESchw (Ei-
 Translation des Schwerpunktes genwerte) und der zugehörigen Wellenfunktionen
der Schwingungszustände Schw .r  re / muss die
ftrans D 3 : Schrödinger-Gleichung gelöst werden:
 
Abb. 8.42 zeigt die Schwingungsmöglichkei- pO 2
C Vel .r  re / Schw .r  re / D
ten eines dreiatomigen Moleküls. – In einem 2m
Molekül können wie beim Atom Elektronen in ESchw Schw .r  re / : (8.60)
ein energetisch höheres Orbital angeregt wer-
den. Dies führt zu einer Erhöhung der Poten- Als Potenzialverlauf Vel .r/ muss die in Abb. 8.41
zialkurve um die Anregungsenergie EAnreg . In- für den bindenden Zustand angegebene Funktion
folge der veränderten Elektronenverteilung und eingesetzt werden. Für nicht zu große Auslenkun-
der damit verbundenen Änderung der Coulomb- gen aus der Ruhelage kann dieses Potenzial durch
Wechselwirkungsenergie kann eine elektronische das harmonische Potenzial V .r  re / D 12 D.r 
8.6 Molekülspektren 629

Abb. 8.44 Harmonischer Oszillator mit den Wellenfunktionen .r/ und den Aufenthaltswahrscheinlichkeiten j .r/j2
im Vergleich zum anharmonischen Oszillator

re /2 ersetzt werden. Die Lösung der Schrödinger- so treten im Spektrum Oberschwingungen bei
Gleichung für dieses Potenzial ist in Abb. 8.9 2 „ !; 3„ !; : : : auf.
angegeben (Abschn. 8.2.2). Für große Schwingungsamplituden gilt die
In Abb. 8.44 sind die Energieniveaus ESchw D Näherung durch das harmonische Potenzial nicht
„!. 21 C v/ mit den Energien und den Aufent- mehr. Die Energiezustände rücken bis zur Dis-
haltswahrscheinlichkeiten j Schw .r  re /j2 ein- soziation des Moleküls immer dichter zusam-
gezeichnet. (v ist die Schwingungsquantenzahl.) men (Abb. 8.44). Gleichzeitig verschiebt sich
Die Wahrscheinlichkeit, die Atomkerne in ei- der Gleichgewichtsabstand re zu größeren Wer-
nem Abstand zwischen .r  re / und .r  re C ten (Unsymmetrie des Potenzials).
dr/ anzutreffen .j Schw .r  re /j2 dr/, ist für die Zur Berechnung der Energiewerte Erot (Ei-
angeregten Zustände am Parabelrand am größ- genwerte) und der zugehörigen Wellenfunktionen
ten. Lediglich im Grundzustand .v D 0/ mit der Rotationszustände rot .#; '/ benötigt man
der Nullpunktsenergie 12 .„ !/ liegt das Maxi- die Schrödinger-Gleichung
mum der Aufenthaltswahrscheinlichkeit in der
Mitte der Parabel. Durch Absorption oder Emis- lO2
sion eines Photons der Energie „ ! findet ein rot .#; '/ D Erot rot .#; '/ : (8.61)
2J
Übergang zwischen benachbarten Energiezu-
ständen statt (Grundschwingung). Ändert sich Dabei ist der Abstand re zwischen den Ato-
die Schwingungsquantenzahl v um ˙2; ˙3; : : : , men A und B konstant (V .r/ D konst D 0,
630 8 Atom- und Kernphysik

starrer Rotator). Die Rotationsenergie ist durch


Erot D 12 J ! 2 D l 2 =.2J / gegeben .J D
mred re2 , reduzierte Masse mred , Drehimpuls l D
J !/. Die Lösung dieser Schrödinger-Gleichung
ist in Abb. 8.11 angegeben. Sie besteht aus den
Drehimpuls-Eigenfunktionen rot D Fl; m .#; '/
mit den Eigenwerten des Drehimpulsquadrats.
Für die Eigenwerte des starren Rotators ergibt
sich damit
„2
Erot .l/ D .l C 1/ l (8.62)
2J
mit l als Rotationsquantenzahl.
Der Abstand zwischen zwei benachbarten
Energieniveaus beträgt

„2
Erot .l C 1/  Erot .l/ D .l C 1/ (8.63)
J
und nimmt mit l stark zu. Das Quadrat der
Eigenfunktionen des Drehimpulses einer rotie-
renden Hantel jFl; m .#; '/j2 ist in Abb. 8.45 als
Polardiagramm für einige Quantenzahlen l dar-
gestellt (Abschn. 8.2.4). Der Radiusvektor r in
#-Richtung gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass
die Molekülachse in dieser Richtung liegt. Abb. 8.45 Polardiagramm zur Verdeutlichung der Lage
Mit zunehmender Rotationsenergie werden der Molekülachse bei der Rotation
die Fliehkräfte größer und führen zu einer Ver-
größerung des Abstands und damit des Trägheits-
moments J (unstarrer Rotator). Dies führt zu
einer Absenkung der Rotationsenergie (8.62).
Wird ein Molekül, beispielsweise HCl, mit In-
frarotstrahlung bestrahlt, so finden Schwingungs-
und Rotationsübergänge gleichzeitig statt (Rota-
tionsschwingungsspektrum). Abb. 8.46 zeigt die
beiden Schwingungsniveaus v D 0 und v 0 D
1 mit den zu jedem Schwingungszustand gehö-
renden Rotationszuständen l bzw. l 0 . Mit den
Auswahlregeln v D 0; ˙1; ˙2; : : : und l D
˙1 ergeben sich zwei Zweige im Absorptions-
spektrum, ein R-Zweig mit l D C1 und ein
P-Zweig mit l D 1. Der Übergang mit l D
Abb. 8.46 Infrarot-Gasspektrum von Chlorwasserstoff
0 ist in einem zweiatomigen Molekül nicht er-
(HCl) mit den entsprechenden Übergängen im Energieni-
laubt und erscheint als Lücke im Spektrum. Bei veauschema (Nicolet 5DX FT-IR-Spektrometer)
mehratomigen Molekülen gelten die Auswahlre-
geln nicht in voller Strenge, und der Übergang
mit l D 0 tritt auf. .v; l/ befinden. Ist dieser Energiezustand von vie-
Die Stärke der Absorption hängt von der An- len Molekülen besetzt, so kann mehr Strahlung
zahl der Moleküle ab, die sich im Energiezustand absorbiert werden, als wenn sich nur wenige
8.6 Molekülspektren 631

Abb. 8.47 Infrarotspektrum einer Polystyrolfolie (Nico-


let 5DX FT-IR-Spektrometer)

Moleküle in diesem Zustand befinden. Die Be-


setzung der Zustände wird durch die Temperatur
T bestimmt und durch die Boltzmann-Verteilung Abb. 8.48 Quantenmechanische Darstellung des Ra-
beschrieben (Abschn. 3.2.3). man-Effekts
Die Rotationsstruktur im Absorptionsspek-
trum tritt nur bei Gasen unter geringem Druck
auf. Bei Druckerhöhung finden zunehmend mehr 8.6.3 Raman-Effekt
Stöße zwischen den Molekülen statt, die eine
Linienverbreiterung zur Folge haben (Druckver- In einem Molekül können nur solche Schwin-
breiterung). Bei Flüssigkeiten ist die Rotation gungen elektromagnetische Strahlung absorbie-
sehr stark behindert. Infolgedessen beobachtet ren, bei denen sich während der Schwingung das
man keine einzelnen Rotationslinien mehr, son- Dipolmoment ändert. In einem unpolaren Mo-
dern eine verhältnismäßig breite unstrukturierte lekül, beispielsweise im N2 - oder O2 -Molekül,
Absorptionsbande. Im festen Zustand ist die Ro- ändert sich bei der Schwingung der Atome kein
tationsbewegung nahezu völlig unterdrückt, so- Dipolmoment und es findet somit auch keine
dass die Absorptionsbanden schmaler werden. Strahlungsabsorption statt (IR-inaktiv). Die in
Abb. 8.47 zeigt das Infrarot-Absorptionsspek- Abschn. 8.6.2 genannten Auswahlregeln . D
trum einer Kunststofffolie aus Polystyrol. Ein 0; ˙1; : : : ; l D ˙1/ gelten nur für Dipolstrah-
solches Infrarotspektrum zeigt deutliche Absorp- lung.
tionen bei bestimmten Wellenzahlen (Energien), Durch Messung des gestreuten Lichts
denen bestimmte Schwingungen im Molekül zu- (Raman-Effekt; C. V. R AMAN, 1888 bis 1970)
geordnet werden können. So weisen beispiels- können auch die nicht IR-aktiven Schwingun-
weise die Absorptionslinien zwischen 3000 und gen bestimmt werden. Die feste oder flüssige
3100 cm1 auf einen Aromaten (Benzolring) hin. Probe wird mit intensivem monochromatischen
Anhand eines solchen Spektrums können Kunst- Licht (z. B. He-Ne-Laser, Kr-Laser) bestrahlt.
stoffe identifiziert oder Motorenöle auf Verunrei- Die eingestrahlte Energie „ !L (!L ist die La-
nigungen untersucht werden. serkreisfrequenz) darf von der Substanz nicht
632 8 Atom- und Kernphysik

absorbiert werden. Man misst die von der Pro-  Der Kern hat eine positive Ladung der Größe
be gestreute Strahlung. Infolge der intensiven Z e. (Z ist die Ordnungszahl.)
Bestrahlung wird ein Elektron auf ein virtuel-  Der positiv geladene Atomkern erzeugt
les Niveau (kein Eigenzustand des Moleküls) ein elektrisches Feld (Coulombfeld ei-
angeregt und geht sofort wieder in einen Ener- ner Punktladung mit der Feldstärke E D
giezustand des Moleküls über. Dabei sind die in .1=4  "0 /.Z e=r 3 /r.
Abb. 8.48 dargestellten Fälle möglich:  In der Streufolie soll keine Mehrfachstreuung
der ˛-Teilchen auftreten.
 Rayleigh-Streuung: Das Molekül geht in sei-
nen Ausgangszustand zurück .! D !L /; Der Abstand b (Stoßparameter), mit dem das ˛-
 Raman-Streuung: Das Molekül geht in einen Teilchen am punktförmigen Streuzentrum (Kern)
angeregten Zustand über (! < !L , Stokes- vorbeifliegt, ist durch
Übergang); das Molekül geht in einen abge-
regten Zustand über (! > !L , Antistokes- ZZ 0 e 2

1

Übergang). bD cot  (8.64)
2E 2
Damit ist der Streustrahlung mit der Grund-
gegeben mit E als der Energie und Z 0 als der La-
frequenz !L das Schwingungs- und Rotations-
dung des Teilchens.
spektrum überlagert. Durch die Anregung über
Bei einem konstanten Streuwinkel  muss ein
den virtuellen Zustand gelten nicht die Auswahl-
˛-Teilchen mit höherer Energie näher am Streu-
regeln für Dipolstrahlung.
zentrum vorbeifliegen als ein ˛-Teilchen mit ge-
ringerer Energie. Das Auftreten von Abweichun-
gen (anomale Rutherford-Streuung), beispiels-
8.7 Aufbau der Atomkerne
weise bei Aluminium unterhalb b  6  1015 m
(6 fm), weist auf eine kurzreichweitige anziehen-
8.7.1 Größe und Ladungsverteilung
de Kraft hin (Kernkraft). Somit hat ein positiv
geladenes Teilchen den in Abb. 8.50 dargestellten
Die ersten Erkenntnisse über einen Atomkern er-
Potenzialverlauf, bestehend aus dem Coulomb-
gaben Untersuchungen über die Streuung von
Potenzial und dem Kernpotenzial. Als Kernradi-
˛-Teilchen (Heliumkerne) an dünnen Metallfo-
us R kann man den Abstand definieren, bei dem
lien durch E. RUTHERFORD (1871 bis 1937)
sich beide Kräfte etwa das Gleichgewicht halten.
im Jahr 1911. In Abb. 8.49 ist die Rutherford-
Als Ergebnis einer Großzahl von Messungen er-
Streuung anderen elastischen Streuprozessen ge-
gibt sich für den so definierten Kernradius
genübergestellt. Die quantitative Beschreibung
von Streuprozessen erfolgt durch den differen-
R D R0 A1=3 :
ziellen Wirkungsquerschnitt d=d˝. Dieser gibt
an, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein auf das .R0 D 1;2  1015 m/ (8.65)
Streuobjekt auftreffendes Teilchen (Quant) unter
dem Winkel  in den Raumwinkel ˝ gestreut mit der Massenzahl A D N C Z. Für die Dichte
wird. Die theoretische Beschreibung der Ergeb- der Kernmaterie gilt (Kern als Kugel angenom-
nisse der Rutherford-Streuung an unterschiedli- men)
chen Streumaterialien kann mit folgenden Vor- Amu
%Kern D 4 
aussetzungen durchgeführt werden: 3
.R0 A1=3 /3
g
 Das Atom besteht aus einem Kern, der fast  2  1014 D konstant : (8.66)
cm3
die gesamte Masse des Atoms vereinigt. Die
Wechselwirkung der ˛-Teilchen mit den Elek- Mit Teilchenstrahlen, deren Wellenlänge größer
tronen führt zu keiner merklichen Winkelab- als das zu untersuchende Objekt ist, können keine
lenkung. Informationen über die innere Struktur des Kerns,
8.7 Aufbau der Atomkerne 633

Abb. 8.49 Streuung von ˛-Teilchen, Elektronen, Röntgen-Quanten und Neutrinos


634 8 Atom- und Kernphysik

Coulomb-Potenzial

Kernpotenzial
(genauer Verlauf nicht bekannt)

Abb. 8.50 Potenzialverlauf

beispielsweise über die Ladungsverteilung, erhal-


ten werden. Hierfür müssen Teilchen- oder Quan-
tenstrahlen mit einer Wellenlänge, die kleiner als
der Atomkernradius ist, verwendet werden.
Zur Untersuchung der Ladungsverteilung im
Kern werden hochenergetische Elektronen (E  Abb. 8.51 Ladungsverteilung im Atomkern
300 MeV) auf die Streufolie (Target) geschossen
und wie bei der Rutherford-Streuung (Abb. 8.49)
wird der Anteil elastisch gestreuter Elektronen in Das experimentelle Ergebnis (Abb. 8.49) zeigt
Abhängigkeit vom Winkel vermessen. Der expe- eine Art Interferenzstruktur. Es ist prinzipiell
rimentelle Aufwand ist um ein Vielfaches größer vergleichbar mit der elastischen Streuung von
als bei der Rutherford-Streuung. Ein Spektrome- Röntgen-Quanten an einem Kristall, bei der eben-
ter ist erforderlich, um elastisch gestreute Elek- falls Interferenzen auftreten. Sie sind bedingt
tronen von inelastisch gestreuten zu trennen. Be- durch die Struktur der Elektronenverteilung im
rechnet man den differenziellen Wirkungsquer- Festkörper. Das Streuzentrum ist für die hoch-
schnitt für die Coulomb-Streuung von hochener- energetischen Elektronen nicht mehr punktför-
getischen und damit hochrelativistischen Elek- mig, sondern stellt eine Ladungsverteilung %.r/
tronen .E  moe c 2 / an einer punktförmi- dar, wobei an unterschiedlichen Stellen der La-
gen Ladung Z e, so unterscheidet sich der Wert dungsverteilung gestreute Wellen interferieren.
von der Rutherford-Streuung durch den Faktor In erster Näherung kann die Ladungsver-
4 cos2 .=2/. Dieser Faktor rührt vom inneren teilung durch eine Fermi-Verteilung gemäß
Drehimpuls (Eigendrehimpuls, Spin) des Elek- Abb. 8.51 beschrieben werden. Die modell-
trons her, der mit einem magnetischen Moment unabhängig ermittelten Ladungsverteilungen zei-
verbunden ist (Abschn. 8.3). Aus der Sicht des gen keine Gesetzmäßigkeiten mit der Mas-
Elektrons bedeutet das vorbeifliegende geladene senzahl. Die auftretenden Oszillationen in der
Streuzentrum einen Strom mit einem Magnetfeld, Ladungsverteilung sind darauf zurückzuführen,
mit dem das magnetische Moment des Elektrons dass der Kern aus einzelnen Teilchen aufgebaut
in Wechselwirkung tritt. ist, und das streuende Elektron den Impulsunter-
8.7 Aufbau der Atomkerne 635

schied p D p a p 0 nur an ein Proton überträgt,


von dem es auf den gesamten Kern übertragen
wird. Eine geringe Erhöhung der Ladungsver-
teilung vor dem Abfall der Ladungsdichte wird
durch die Coulomb-Abstoßung der Protonen ver-
ursacht, die dadurch stärker an den Rand des
Kerns gedrückt werden.

8.7.2 Kernmodelle

Nach der Entdeckung des Neutrons 1932 durch


J. C HADWICK (1891 bis 1974) ergab sich folgen-
des Kernmodell: Der Atomkern, der den Haupt-
anteil der Masse vereinigt, besteht aus Proto-
nen und Neutronen (Nukleonen), die durch die
kurzreichweitigen Kernkräfte zusammengehalten
werden.
Mithilfe eines Massenspektrometers kann die
Masse eines Atoms sehr genau bestimmt werden.
Abb. 8.52a zeigt den Aufbau und die Arbeitswei-
se eines modernen Massenspektrometers. In der
Ionenquelle wird die Probe ionisiert, dann wer-
den die entstandenen Ionen beschleunigt und in
einem elektrischen und magnetischen Feld ge-
trennt. Das Auflösungsvermögen eines solchen
Massenspektrometers verdeutlicht Abb. 8.52b.
Als Einheit verwendet man die atomare Mas-
seneinheit u (Atommassenkonstante). Diese ist
definiert als ein Zwölftel der Masse des Kohlen- Abb. 8.52 Massenspektrometer: a Aufbau, schematisch,
stoffisotops 12 C: b Ausschnitt aus einem Massenspektrum. Werkbild: Fin-
nigan Mat, Bremen
1
mu D 1 u D ma .12 C/ (8.67)
12
1 12  103 kg=mol Die Masse von 1 mol eines Atoms oder Moleküls
D
12 NA ergibt die Molmasse M :
D 1;66054  1027 kg (
Ar NA mu D Ar  1 g=mol ;
M D
NA D 6;02214  1023 mol1 ist die Avogadro- Mr NA mu D Mr  1 g=mol :
Konstante, d. h. die Anzahl der Teilchen je mol.
Die relative Atommasse Ar (Molekülmasse Mr ) In der Kernphysik und besonders in der Ele-
ist durch   mentarteilchenphysik ist es üblich, die Masse
ma mm
Ar D I Mr D eines Teilchens in der äquivalenten Energie über
(8.68)
mu mu die Beziehung m D E=c 2 anzugeben. Es ergibt
gegeben. Hierin ist sich mu D 1 u D 931;4943 MeV=c 2 . (Häufig ent-
fällt c 2 .) In Tab. 8.4 sind für einige Teilchen und
ma ; ma .A X/ Atommasse (des Nuklids A X), Atomkerne die Massen zusammengestellt.
mm ; mm .Ax By / Molekülmasse (des Moleküls Die genauen Atommassen von instabilen Ker-
Ax By ). nen oder Teilchen kann man aus Kernreaktionen
636 8 Atom- und Kernphysik

Tab. 8.4 Teilchen- und Nuklidmassen


Teilchen bzw. Nuklid Masse in u
Elektron 5;48580  104
Proton 1;00727647
Neutron 1;008664915
1
H 1;007825037
2
H 2;014101787
4
He 4;00260325
9
Be 9;0121825
12
C 12;00000000
14
N 14;003074008
17
O 16;9991306 Abb. 8.53 Bindungsenergie je Nukleon in Abhängigkeit
27
Al 26;9815413 von der Massenzahl
30
Si 29;9737717
30
P 29;9783098
164
Dy 163;929183 Die Größe EB =c 2 D m wird auch als Mas-
165
Dy 164;931712 sendefekt bezeichnet. Die Berücksichtigung der
Bindungsenergie der Elektronen Ee kann durch
die Näherung
oder Zerfallsprozessen (˛-, ˇ-Zerfall) durch Mes-
sung der Zerfallsenergien ermitteln. Ein Beispiel Ee D 15;73Z 7=3 eV (8.70)
hierfür ist die Bestimmung der Masse des Neu-
in eV erfolgen. In Abb. 8.53 ist der Verlauf der
trons aus der Reaktion der Spaltung des Deuteri-
Bindungsenergie je Nukleon EB =A in Abhängig-
ums durch -Quanten:
keit von der Massenzahl für die stabilen Kerne
2 1 1 dargestellt. Die Bindungsenergie je Nukleon ist
1 H C ! 0 n C 1 H C E :
negativ abgetragen. Das Minimum der Kurve be-
Der Betrag E D 2;226 MeV ergibt sich aus findet sich im Bereich der Massenzahl A D 60.
der Energie der -Quanten, die zur Spaltung von Es sind grundsätzlich zwei Kernprozesse
2
1 H erforderlich ist (endoergische Reaktion). Auf- denkbar, durch die Energie erzeugt werden kann:
grund der Energieerhaltung gilt
 Kernspaltung
ma .2 H/c 2 D ma .n/c 2 C ma .1 H/c 2 C E : Durch Spaltung eines Kerns mit der Massen-
92 U; EB =A D 7;6 MeV) in zwei
zahl 235 (235
Mit den Tabellenwerten für ma .2 H/ und ma .1 H/ gleich große Bruchstücke (EB =A D 8;5 MeV)
ergibt sich für ma .n/ D 939;573 MeV=c 2 . In ana- wird eine Energie von etwa 200 MeV frei.
loger Weise kann anhand der genau bestimmten  Kernfusion
Atommassen der E-Wert der allgemeinen Re- Die Verschmelzung leichter Kerne, beispiels-
aktion weise Wasserstoff zu Helium, führt zu einem
1
N nCZ H! 1 N CZ
K C E Energiegewinn von etwa 24 MeV.
0 1 Z

berechnet werden. Der E-Wert dieser Reaktion Näherungsweise ist die Bindungsenergie je Nu-
ergibt die Bindungsenergie EB des Kerns: kleon (7,5 MeV bis 8,8 MeV) konstant. Dies hat
zur Folge, dass ein Nukleon nicht mit jedem an-
EB D .N ma .n/ C Z ma .1 H/  deren Nukleon eine Wechselwirkung durch Kern-
 ma .N CZ 2
K//c : (8.69) kräfte eingeht. In einem solchen Fall müssten
A.A  1/=2 „Bindungen“ gebildet werden, so-
Hierin ist ma .n/ die Masse des Neutrons, dass EB =A proportional A wäre. Die Kernkräfte
ma .1 H/ die des neutralen Wasserstoffatoms und haben somit „Sättigungscharakter“ wie die kova-
ma .N CZ K/ die Atommasse des K-Atoms. lente Bindung zwischen zwei Wasserstoffatomen.
8.7 Aufbau der Atomkerne 637

Tab. 8.5 Tröpfchenmodell des Atomkerns


Name Abhängigkeit von der Konstante in Bemerkungen
Massenzahl MeV
Kondensationsenergie EV D aV A aV D 15;85 Volumenenergie, da A dem Kernvolumen
Volumenenergie proportional; entspricht der Konstanz der Bin-
dungsenergie je Nukleon
Oberflächenenergie EO D CaO A2=3 aO D 18;34 Die Nukleonen an der Oberfläche haben
weniger Bindungspartner, sodass die Bindungs-
energie proportional zu r 2 D A2=3 verringert
wird
Coulomb-Energie EC D CaC Z 2 A1=3 aC D 0;71 gegenseitige Abstoßung der Protonen; Ener-
gie einer homogen geladenen Kugel mit der
Ladung Z e
 2
Z  A2
Asymmetrie-Energie EA D CaA aA D 92;86 Berücksichtigt den Neutronenüberschuss, der
A zu einer Verminderung von EB führt gegenüber
einem symmetrischen Kern;
.A  2Z/2
Symmetrie-Energie ES D CaS aS D 23;22 Symmetrie der Kernkräfte zwischen Neutron
A aA und Proton
aS D
8̂ 4
< ı.A; Z/ .g; g/
Paarungsenergie Eı D 0 .g; u/.u; g/Kerne Durch das Tröpfchenmodell nicht erklärbar
:̂ Cı.A; Z/ .u; u/
33
ıD
A
 
A 2
Z
2
EB D aV A C aO A2=3 C aC Z 2 A1=3 C aA C Eı Weizsäcker-Formel (1)
A
 2
A
Z
EB 1=3 2 4=3 2 Eı
D aV C aO A C aC Z A C aA C
A A2 A

8.7.2.1 Tröpfchenmodell Neutronenzahl N sind in Abb. 8.54 Linien kon-


Bei diesem Kernmodell betrachtet man die Nu- stanter Werte EB =A in Abhängigkeit von N und
kleonen als Moleküle eines inkompressiblen ge- Z dargestellt. Man erhält ein Tal, das bei kleinen
ladenen Flüssigkeitströpfchens. Zwischen den N; Z-Werten sehr stark abfällt und eng ist, sich
Flüssigkeitsmolekülen im Tröpfchen wirkt eine aber zu größeren N; Z-Werten öffnet. In dieses
anziehende Kraft kurzer Reichweite. Die Bin- Diagramm sind die stabilen Atomkerne (Nuklide)
dungsenergie des Tröpfchens ist dann derjenige mit eingezeichnet. Rechts unten ist die Schnitt-
Energiebetrag, der bei der Kondensation freier kurve entlang einer Geraden mit A D konstant
Moleküle zu einem Tröpfchen frei wird. Diese (Isobaren) dargestellt. Hierbei handelt es sich um
Energie hängt von der Anzahl der kondensier- eine Parabel. Wird der Paarungsterm mit berück-
ten Moleküle, der Oberfläche des Tröpfchens, der sichtigt, so ergibt sich für gerade A-Werte eine
Coulomb-Energie und von der Form des Tröpf- Doppelparabel. Der stabile Kern befindet sich in
chens ab (Weizsäcker-Formel (1) in Tab. 8.5). der Nähe des Parabelminimums. Die im linken
Die Abhängigkeit der einzelnen Terme von der Parabelast liegenden Nuklide wandeln sich durch
Massenzahl A ist in Tab. 8.5 zusammengestellt. ˇ  -Zerfall .n ! p C e /, die rechts liegenden
Zur Veranschaulichung der Beziehung zwischen durch ˇ C -Zerfall .p ! n C eC / in Richtung auf
der Bindungsenergie je Nukleon, der Massenzahl das stabile Nuklid um. Deshalb wird das Tal auch
A D N C Z und der Ordnungszahl Z bzw. der Tal der ˇ-Stabilität bezeichnet. Es gilt für dieses
638 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.54 Linien konstanter Bindungsenergie je Nukleon nach der Weizsäcker-Formel ohne Paarungsterm (stabile
Nuklide eingezeichnet)

Tal ˛-Zerfall oder die Kernspaltung mit einem Ener-


  giegewinn verbunden. Man erkennt daraus, dass
@.EB =A/
D0: ˛-Strahler nur bei Ordnungszahlen größer als 60
@Z ADkonst zu erwarten sind.
Dies liefert (ohne Paarungsterm) die Linie der ˇ- Alle Nuklide mit Z > 84 sind instabil. Sie
Stabilität haben zum Teil große Halbwertszeiten (232 90 Th:
1;4  1010 a) und kommen deshalb noch natürlich
A auf unserer Erde vor. Durch Kernreaktionen sind
ZD :
1;98 C 0;015 A2=3 Elemente bis Z D 111 (Roentgenium) hergestellt
worden.
Mithilfe der Bindungsenergieformel (1) in
Betrachtet man die stabilen Nuklide im Z-N-
Tab. 8.5 kann auch die Stabilität der Kerne gegen-
Diagramm genauer, so stellt man fest, dass bei
über ˛-Zerfall und Spontanspaltung (f: fission)
den Neutronen- bzw. Protonenzahlen 2, 8, 20, 50,
angegeben werden. Eine solche Zerfallsreakti-
82, 126 (magische Zahlen) besonders viele sta-
on kann dann ablaufen, wenn diese mit einem
bile Isotope (Nuklide mit gleicher Protonenzahl)
Energiegewinn verbunden ist:
bzw Isotone (Nuklide mit gleicher Neutronen-
h   N CZ4  i zahl) auftreten. Von den 267 bekannten stabilen
E˛ D ma N CZ Z K  ma Z2 K  ma .˛/ c
2
Nukliden sind
=0;
h   N=2CZ=2  i 2 158 g, g-Kerne Z gerade N gerade;
Ef D ma N CZ
Z K  2 ma K c =0:
53 g, u-Kerne Z gerade N ungerade;
In Abb. 8.54 sind Linien für E˛ D 0 und Ef D 0 50 u, g-Kerne Z ungerade N gerade;
eingezeichnet. Rechts von diesen Linien ist der 6 u, u-Kerne Z ungerade N ungerade:
8.7 Aufbau der Atomkerne 639

Die Betrachtung der Separationsenergie für Neu- Nukleonen des Kerns wie die Leitungselektro-
tronen En bzw. Protonen Ep liefert nen des Metalls beschrieben werden. Dies ist
in Abb. 8.55 dargestellt. Alle Teilchen mit dem
En .Z; N / Spin 1/2 (Elektronen, Protonen, Neutronen) be-
h   i
D ma A K  m
A1 
K  m .n/ c2 ; finden sich in einem rechteckigen Potenzialtopf
Z a Z a
unterschiedlicher Höhe mit der Kantenlänge a.
Ep .Z; N / Die Lösung der Schrödinger-Gleichung, die für
h   i
A
A1 
D ma Z K  ma Z1 K  ma .p/ c : 2 jede Koordinate getrennt durchgeführt werden
kann, ergibt die Energieniveaus mit den Quan-
Dies führt zu einem ähnlichen Verlauf wie das tenzahlen i . In einem Koordinatensystem mit
Ionisierungspotenzial der Elektronenhülle. Bei den Achsen x ; y ; z stellen die Gitterpunkte
bestimmten Werten von N oder Z (den magi- die erlaubten Zustände dar. In q 1/8 der Kugel-
schen Zahlen) treten Extremwerte von En und Ep schale mit dem Radius % D 2x C y2 C 2z
auf (Abschn. 8.7.2.2, Abb. 8.56). befinden sich dann dN D 12  %2 d% Zustände. Mit
Die Differenz der Separationsenergien En Ep % D ap=. „/ und p 2 dp D p2m3 E dE ergibt
von benachbarten Isotopen bzw. Isotonen sich die angegebene Zustandsdichte als Funkti-
ın D En .Z; N /  En .Z; N  1/ ; on der Energie. Da in diesem Potenzialtopf N
Teilchen untergebracht werden sollen, und nach
ıp D Ep .Z; N /  Ep .Z  1; N / dem Pauli-Prinzip bei Spin 1/2 Teilchen 2 Teil-
weist darauf hin, dass bei geraden N - bzw. Z- chen je Zustand Platz haben, muss der Topf bis
Werten stets eine größere Separationsenergie er- zu einer bestimmten Energie EF (Fermi-Energie)
forderlich ist. Zwei Nukleonen (Protonen oder lückenlos aufgefüllt werden. Der Kern oder das
Neutronen) bilden ein energetisch günstiges Paar. Elektronensystem befindet sich dann im Grund-
Deshalb bezeichnet man ın bzw. ıp als Paa- zustand (thermodynamisch T D 0). Anhand der
rungsenergie ( 2 MeV). Auch im Verlauf der bekannten Teilchenanzahldichte n D N=V kann
Paarungsenergie treten bei den magischen Zahlen mit der Beziehung
Extremwerte auf. Diese Effekte weisen auf eine ZEF
Schalenstruktur des Kerns hin. dn
nD 2 dE
dE
0
8.7.2.2 Schalenmodell
Im Tröpfchenmodell werden die Nukleonen wie die Fermi-Energie berechnet werden.
die Moleküle eines Tropfens behandelt. Beim Bei der bisherigen Betrachtung des Kerns
Schalenmodell geht man davon aus, dass ein Nu- nach dem Fermi-Gas-Modell wurde die Ladung
kleon in einem mittleren Kernpotenzial, hervor- der Protonen und damit die Coulomb-Abstoßung
gerufen durch die andern Nukleonen, einen be- nicht berücksichtigt, sodass sich für Protonen
stimmten Eigenzustand einnimmt, der durch die und Neutronen der gleiche Potenzialtopf mit
Eigenwerte Energie und Bahndrehimpuls charak- den gleichen Eigenzuständen ergibt. Durch die
terisiert ist. Im Grundzustand des Kerns wer- Berücksichtigung der Coulomb-Abstoßung ver-
den die Zustände nacheinander nach dem Pauli- schiebt sich der Potenzialtopf der Protonen zu
Prinzip mit der entsprechenden Anzahl Nukleo- geringeren Bindungsenergien. Die Folge ist, dass
nen besetzt. die Fermi-Energien EFp des Protonentopfes hö-
Trotz der starken Wechselwirkung zwischen her liegen als die des Neutronentopfes EFn . Dies
den Nukleonen gibt es keine Möglichkeit für ein ist vergleichbar mit dem Kontakt zweier Metal-
Teilchen, seinen Zustand, d. h. seine Quantenzah- le mit unterschiedlicher Fermi-Energie, bei denen
len, ohne eine äußere Energiezufuhr zu ändern. es im Gleichgewicht durch Elektronenfluss zum
Sie verhalten sich deshalb wie wechselwirkungs- Ausgleich der beiden Fermi-Energien kommt. Es
freie Teilchen. Aus diesem Grund können die entsteht ein Kontaktpotenzial (s. auch Abb. 9.68
640 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.55 Elektronen in einem Metall im Vergleich zu Nukleonen im Kern

in Abschn. 9.3.2.2). Der gleiche Vorgang erfolgt Mit Hilfe des Fermi-Gas-Modells hat man
auch im Kern. Es wandeln sich Protonen in Neu- ungefähre Daten über die Tiefe des Potenzials
tronen um, sodass EFp D EFn ist. Die Energie- und die Begründung des Neutronenüberschusses,
verschiebung E des Protonentopfes gegenüber nicht aber über den Verlauf der Separations-
dem Neutronentopf lässt sich aus der Differenz energien. Aus der Physik der Elektronenhülle ist
der Gesamtenergie bekannt, dass Extremwerte, beispielsweise des
Ionisierungspotenzials, durch Schalenabschluss
ZEF zustande kommen. Im Kern liegen die Schalen-
dn 5=2 3
EG D E dE D C0 EF D NEF abschlüsse bei den magischen Zahlen. Abb. 8.56
dE 5
0 zeigt den Vergleich der Schalenstruktur von Elek-
tronenhülle und Kern. Es gilt, die Eigenzustände
für eine gleichmäßige Verteilung .N D Z/ und in einem mittleren Kernpotenzial durch Lösung
eine Verteilung Z; N abschätzen. Dieser Ener- der Schrödinger-Gleichung zu ermitteln. Für das
gieunterschied E  .1=4/.N  Z/2 =A ist Elektron im Wasserstoffatom ist dieses Potenzial
proportional dem Neutronenüberschuss und ent- das Coulomb-Potenzial (Abb. 8.11).
spricht dem Asymmetrie- bzw. Symmetrieterm Der Verlauf des Kernpotenzials lässt sich nicht
der Weizsäcker-Gleichung. auf ein einfaches Potenzial zurückführen, sondern
8.7 Aufbau der Atomkerne 641

Abb. 8.56 Elektronenhülle und Atomkern

kann nur empirisch ermittelt werden. Aufgrund niveaus hat dies keinen merklichen Einfluss. Die
der kurzen Reichweite der Kernkräfte muss man Lösungen für das so angenäherte Woods-Saxon-
annehmen, dass das Kernpotenzial sehr schnell Potenzial ergeben sich durch Interpolation beider
abfällt und im Kernmittelpunkt konstant ist, da oben genannter Potenzialverläufe.
dort das Nukleon allseitig von Nukleonen umge- Die Bezeichnung der Energiezustände erfolgt
ben ist und keine resultierende Kraft erfährt. Ein in gleicher Weise wie bei der Elektronenhülle.
Potenzial, das den Anforderungen genügt, ist das In Abb. 8.56 sind die Energiezustände mit den
Woods-Saxon-Potenzial (Abb. 8.56). Die Lösung maximal besetzbaren Teilchenzahlen angegeben.
der Schrödinger-Gleichung mit diesem Potenzial Man erkennt, dass dieses Modell die Schalen-
ist nur numerisch möglich. Dieses Potenzial kann abschlüsse bei 2 und 8 erklärt, nicht aber die
näherungsweise aus einem kugelsymmetrischen höheren. Der Grund liegt in der Wechselwirkung
Rechteckpotenzial und dem Potenzial des har- des Spinmoments mit dem Bahnmoment (Spin-
monischen Oszillators zusammengesetzt werden Bahn-Kopplung); hierbei kommt es zu einer Auf-
(Abb. 8.56). Für diese Potenziale lässt sich die spaltung der Energieniveaus, wie Abb. 8.57 zeigt.
Schrödinger-Gleichung explizit lösen, wenn der Man erkennt deutlich die Schalenabschlüsse bei
Potenzialverlauf nicht bei r D R abgeschnitten den magischen Zahlen sowohl für die Neutronen
wird. Auf die Lage der tiefer liegenden Energie- als auch für die Protonen.
642 8 Atom- und Kernphysik

isolierte 1898 aus dem Uranmineral Pechblende


(U3 O8 ) die Elemente Polonium und Radium, die
wesentlich stärker als Uran strahlen.

8.8.1.1 Strahlenarten
Die von den natürlich vorkommenden Substan-
zen emittierte Strahlung (natürliche Radioakti-
vität) lässt sich in einem Magnetfeld in drei
Komponenten zerlegen.

’-Strahlung
’-Strahlen werden nur wenig abgelenkt und sind
aufgrund der Ablenkungsrichtung positiv gela-
den. Es handelt sich hierbei um Heliumkerne
(bestehend aus 2 Protonen und 2 Neutronen).

“ -Strahlung
“ -Teilchen werden im Magnetfeld stärker als
’-Teilchen abgelenkt und haben eine negative
Ladung. Es handelt sich hierbei um Elektronen
mit sehr hoher Geschwindigkeit (etwa 99 % der
Lichtgeschwindigkeit c).

”-Strahlung
Diese Strahlung wird durch ein Magnetfeld nicht
Abb. 8.57 Energiediagramm der Protonen und Neutro- abgelenkt. Es handelt sich um eine elektromagne-
nen im Kern mit Spin-Bahn-Kopplung tische Strahlung vergleichbar der Röntgenstrah-
lung, jedoch mit größerer Energie (> 100 keV).
Da die ”-Strahlung in vielen Wechselwirkungs-
8.8 Kernumwandlung prozessen Teilchencharakter hat, spricht man
auch von ”-Quanten.
Es gibt grundsätzlich zwei Typen von Kernum-
wandlungen, den radioaktiven Zerfall und die “C -Strahlung
Kernreaktionen. Während beim radioaktiven Zer- Hierbei handelt es sich um positiv geladene Elek-
fall die Prozesse ohne äußere Beeinflussung ab- tronen (Positronen). Bei Kernreaktionen entste-
laufen, müssen sie bei Kernreaktionen von außen hen instabile Kerne (radioaktive Nuklide), die
in Gang gesetzt werden (z. B. durch Beschuss des Positronen aussenden (künstliche Radioaktivität).
Atomkerns mit Teilchen).
8.8.1.2 Zerfallsreaktionen
Die bei der Kernumwandlung ablaufende Kern-
8.8.1 Radioaktiver Zerfall reaktion kann für den radioaktiven Zerfall allge-
mein geschrieben werden
Der französische Physiker H. A. B ECQUEREL
A A0 0 AA0
(1852 bis 1908) entdeckte 1896, dass von Uran- Z K ! Z 0 K C ZZ 0 x C E :
salzen eine Strahlung ausgeht, die eine lichtdicht
verpackte Fotoplatte schwärzt. Das Ehepaar M. Bei dem von selbst ablaufenden radioaktiven
und P. C URIE (1867 bis 1934 bzw. 1859 bis 1906) Zerfall ist E stets positiv (exoergische Reakti-
8.8 Kernumwandlung 643

fallsgleichung, dem E-Wert, dem Energiedia-


gramm und der Energieverteilung (Spektrum) der
emittierten Strahlung zusammengestellt.

˛-Zerfall
Die von den Radionukliden emittierten ’-Teil-
chen haben eine Energie zwischen E˛ D 4 MeV
und 9 MeV. Der Potenzialverlauf für die Wech-
selwirkung eines ’-Teilchens mit dem Kern ist
vereinfacht in Abb. 8.60 gezeigt. Damit ein ’-
Teilchen in das anziehende Kernpotenzial ge-
langt, muss es die Coulomb-Abstoßung überwin-
den (z. B. > 9 MeV für 238 92 U). Ein vom Kern
Abb. 8.58 Energiediagramm des radioaktiven Zerfalls emittiertes ’-Teilchen müsste klassisch eine kine-
von I
131 tische Energie besitzen, die größer als die Poten-
zialschwelle ist. Die ’-Teilchen, die beispielswei-
se den Uran-238-Kern verlassen, haben jedoch
on) und berechnet sich aus den Massendifferen- lediglich eine Energie von 4;20 MeV. Sie müs-
zen (Abschn. 8.7.2): sen somit die Potenzialschwelle durchtunneln.
In Abschn. 8.2.2 ist für ein Rechteckpotenzial
E D ŒmN .K/  mN .K0 /  mN .x/c 2 : gezeigt, dass quantenmechanisch ein solcher Vor-
gang möglich ist.
Hierbei ist mN die Masse des Atomkerns. Mit der
Atommasse ma .A Z K/ D mN .Z K/ C Z me ergibt “-Zerfall
A

sich Im Gegensatz zum ’-Spektrum weist das “-


Spektrum eine kontinuierliche Energieverteilung
E D Œma .K/  ma .K0 /  ma .x/c 2 : auf. Die Ursache für diese Energieverteilung liegt
in der Emission zweier Teilchen, dem Elektron
Die Energie E verteilt sich auf das emittierte “ und dem Antineutrino N e bzw. dem Positron
Teilchen x, auf den Kern K0 als Rückstoßener- “C und dem Neutrino e . Die Maximalenergie
gie (Impulserhaltung) und auf möglicherweise der “-Teilchen verteilt sich dabei statistisch auf
frei werdende ”-Quanten. Nach dem Kernum- diese beiden Teilchen: E“ C E D Emax . Das
wandlungsprozess befinden sich die Nukleonen Neutrino ist ein Teilchen ohne Ladung und mit
(Protonen, Neutronen) nicht immer im Grund- der Ruhemasse m D 0. Es wird nicht von
zustand, sondern in einem angeregten Zustand. einem elektromagnetischen Feld umgeben (im
Beim Übergang von diesem in den Grundzu- Gegensatz zum Elektron) und hat den Spin 1/2.
stand (oder einen anderen angeregten Zustand) Aufgrund dieser Eigenschaften ist der Nachweis
werden ”-Quanten emittiert. Analog zu den an- des Neutrinos sehr schwierig. Er gelang 1956
geregten Zuständen der Elektronenhülle (Ab- durch die Reaktion
schn. 8.2.4) kann man die Anregungszustände
0
des Kerns in einem Energiediagramm darstel- 0N e C 11 p ! 10 n C 01 e :
len. Abb. 8.58 zeigt das Energiediagramm von
Iod (131 I). Die einzelnen Energiezustände werden In einem Experiment wurden Protonen (Was-
durch die Kernspinquantenzahl I (analog J der ser) mit Antineutrinos aus einem Kernreaktor
Elektronenhülle) und die Parität (Abschn. 8.9.2) bestrahlt. Der Nachweis der Positronen erfolg-
charakterisiert. te über ihre Vernichtungsstrahlung (01 e C 10 e !
In Abb. 8.59 sind die Zerfallsmöglichkeiten 2 ) und der Nachweis des Neutrons über die
von instabilen Kernen mit der allgemeinen Zer- bei einer (n, ”)-Reaktion, mit Cadmium (Ab-
644 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.59 Radioaktive Zerfallsreaktionen


8.8 Kernumwandlung 645

um mindestens zwei Elektronenmassen größer


sein muss als die Atommasse von K0 . Der Elek-
troneneinfang kann dagegen immer stattfinden,
wenn ma .K/ > ma .K0 / ist; er tritt somit bevor-
zugt bei geringen E-Werten auf. Bei höheren
E-Werten tritt dagegen der “C -Zerfall in den
Vordergrund. Es gibt viele Nuklide, die sowohl
“C -Zerfall als auch den Elektroneneinfang aus-
führen. Durch Auffüllung der Elektronenlücke
in der K-Schale wird charakteristische Röntgen-
strahlung frei.

”-Emission
Nach einer Kernumwandlung (’-, “ -, “C -
Zerfall) befindet sich der Kern K0 häufig in ei-
Abb. 8.60 Energieverhältnisse beim Beschuss eines nem angeregten Zustand (Lebensdauer 1016 s
Kerns mit ’-Teilchen bis 1013 s). Beim Übergang zwischen Energie-
niveaus des Kerns wird ”-Strahlung frei. Das
diskontinuierliche ”-Spektrum ist für jedes Ra-
schn. 8.8.2) auftretende ”-Strahlung. Der Wir- dionuklid charakteristisch. Für die Übergänge
kungsquerschnitt dieser Antineutrinoreaktion ist zwischen den Niveaus gelten die Auswahlregeln
sehr gering und beträgt 1043 cm2 . analog zur Elektronenhülle. Das emittierte ”-
Der ˇ  -Zerfall führt zu einem Abbau eines Quant nimmt einen Drehimpuls L„ mit .Ia CIe =
Neutronenüberschusses im Kern; hierbei wird ein L = jIa  Ie jI Ia ist die Kernspinquantenzahl
Elektron aus dem Kern emittiert. Es entsteht ein des Ausgangszustandes, Ie die des Endzustan-
Nuklid mit gleicher Massenzahl, aber mit einer des). 2L bezeichnet die Ordnung der Strahlung
um eins größeren Ordnungszahl. “ -Strahler lie- (21 D 2: Dipolstrahlung; 22 D 4: Quadrupol-
gen deshalb unterhalb der Linie der “-Stabilität strahlung; 23 D 8: Oktupolstrahlung). Je höher
(Abb. 8.54). die Ordnung der Strahlung, desto geringer ist
Der “C -Zerfall führt zu einem Abbau eines die Übergangswahrscheinlichkeit zwischen den
Protonenüberschusses im Kern. Es entsteht ein entsprechenden Kernniveaus. Außer der Dreh-
Nuklid mit gleicher Massenzahl, aber mit einer impulserhaltung muss noch die Erhaltung der
um eins geringeren Ordnungszahl (deshalb Zer- Parität (Abschn. 8.9) berücksichtigt werden.
fallsrichtung im Energiediagramm nach links). Ist der Unterschied im Kernspin zwischen
“C -Strahler liegen oberhalb der Linie der “- Ausgangszustand Ia und Endzustand Ie (Grund-
Stabilität (Abb. 8.54). zustand) besonders groß, so ist die Übergangs-
wahrscheinlichkeit sehr gering (Lebensdauer be-
Elektroneneinfang sonders groß). In diesem Fall spricht man von
Beim Elektroneneinfang wird vom Kern ein Hül- einem mesomeren Zustand, der mit dem Zusatz
lenelektron (meist K-Elektron) eingefangen. Be- m bezeichnet wird (z. B. 137 m Ba).
trachtet man die Aufenthaltswahrscheinlichkeit Das ”-Quant (Photon) hat einen Eigendrehim-
des K-Elektrons, so besteht eine Wahrscheinlich- puls mit der Spinquantenzahl s D 1. Übergänge
keit, dieses Elektron auch im Kern anzutreffen. zwischen Ia D 0 und Ie D 0 können deshalb
Beim “C -Zerfall treten im Gegensatz zum nicht unter Aussendung eines ”-Quants erfol-
“ -Zerfall im E-Wert zwei Elektronenmassen

gen. Wenn sich bei einem solchen Übergang die
auf. Dies bedeutet, dass die Atommasse von K Parität nicht ändert, so kann ein Konversionselek-
646 8 Atom- und Kernphysik

tron ausgesandt werden oder bei genügend hoher Anzahl der Zerfälle je Zeiteinheit .dN=dt/ wird
Zerfallsenergie (E > 1;02 MeV) ein Elektron- als Aktivität A bezeichnet.
Positron-Paar. dN
Bei der inneren Konversion gibt der Kern seine AD D N : (8.72)
dt
Anregungsenergie nicht in Form von -Quanten,
sondern durch direkte Wechselwirkung mit der Die Einheit der Aktivität ist das Becquerel
Elektronenhülle (meist 1 s-Elektron) an das Hül- (Bq). 1 Bq entspricht einem Zerfall je Sekunde.
lenelektron ab. Dabei entstehen monoenergeti- Aus (8.71) ergibt sich durch Integration das Zer-
sche Elektronen. Die Elektronenlücke wird unter fallsgesetz:
Aussendung charakteristischer Röntgenstrahlung N D N0 et : (8.73)
aufgefüllt. Die Größe N ist die Anzahl der noch vorhande-
nen und N0 die zum Zeitpunkt t D 0 vorhandene
p-Emission, n-Emission Anzahl zerfallsfähiger Kerne. In der Praxis wird
Befindet sich nach einem Kernzerfall der Folge- die weniger anschauliche Größe  durch die
kern in einem hoch angeregten Zustand, so ist Halbwertszeit T ersetzt. Sie gibt an, in welcher
ein Zerfall unter Aussendung eines Protons oder Zeit eine ursprünglich vorhandene Anzahl Kerne
Neutrons möglich (verzögerte Protonen, verzö- N0 durch Zerfall auf die Hälfte N0 =2 abgenom-
gerte Neutronen). Die Emission verzögerter Neu- men hat. Aus (8.73) ergibt sich damit für die
tronen spielt bei der Regelung eines Kernreaktors Halbwertszeit
eine entscheidende Rolle.
ln 2 0;69315
T D D : (8.74)
Spontanspaltung  
Im Jahre 1940 entdeckte man die Spontanspal- Ist die Zerfallswahrscheinlichkeit  groß, so wer-
tung (ohne äußere Beeinflussung) von Uran- den in kürzerer Zeit T die Hälfte der Kerne
238-Kernen. Die zugehörige Halbwertszeit (Ab- zerfallen als bei kleiner Zerfallswahrscheinlich-
schn. 8.8.1.3) beträgt 9  1015 a (Halbwertszeit keit. Mit (8.74) kann das Zerfallsgesetz für die
für ’-Zerfall 4;47  109 a). Die Spontanspaltung Kernanzahl N bzw. Aktivität A geschrieben wer-
überwiegt bei schweren, neutronenreichen Ker- den als
nen. Cf-254 spaltet sich mit einer Halbwertszeit ln 2 t
von 60 d unter Aussendung von durchschnittlich N D N0 et D N0 e T t
D N0  2  T ;
3;88 Neutronen und eignet sich deshalb gut als A D A0 et D A0 e
ln 2
T t
t
D A0  2 T : (8.75)
Laborneutronenquelle.
Hierbei ist A die Aktivität zum Zeitpunkt t und
8.8.1.3 Radioaktives Zerfallsgesetz A0 die zum Zeitpunkt t D 0. Abb. 8.61 zeigt den
Zu welchem Zeitpunkt ein bestimmter instabi- zeitlichen Verlauf der Aktivität.
ler Kern zerfällt, lässt sich nicht vorhersagen. Es Wird der Logarithmus der Aktivität aufgetra-
sind nur Aussagen über die Wahrscheinlichkeit gen, so entsteht eine Gerade. In Tab. 8.6 sind
des Zerfalls möglich. Diese Zerfallswahrschein- Angaben über die natürliche Radioaktivität von
lichkeit  ergibt sich aus dem Verhältnis von im Wasser und einigen Nahrungsmitteln zusammen-
Moment zerfallenden Kernen (dN=dt/ zur Ge- gestellt.
samtanzahl vorhandener instabiler Kerne N : Die Beziehung zwischen Aktivität A und Teil-
chenzahl N .A D N / ist die Grundlage vieler
dN=dt
D : (8.71) Anwendungen radioaktiver Stoffe in der Chemie
N
und Technik (z. B. klinische Chemie, Korrosions-
Die Zerfallswahrscheinlichkeit  ist für jeden ra- untersuchungen). Wird N durch die Masse der
dioaktiven Zerfall eine charakteristische Größe Substanz ersetzt, so gilt
und wird Zerfallskonstante genannt. Die Dimen- mNA
A D N D  (8.76)
sion von  ist eine reziproke Zeit (1/s). Die M
8.8 Kernumwandlung 647

Tab. 8.7 Masse von jeweils 37 Bq entsprechendem rei-


nem Radionuklid
Nuklid Halbwertszeit T Masse in g
14
C 5730 a 0;22  109
85
Kr 10;72 a 2;5  1012
122
Sb 2;74 d 2;5  1015
18
F 110 min 1;0  1017

In Tab. 8.7 sind für einige Radionuklide die


Massen angegeben, die einer Aktivität von 37 Bq
(messtechnisch gut zu ermitteln) entsprechen.
Liegen mehrere unterschiedliche Radionuklide
vor, so muss man zwischen abhängigem (ge-
Abb. 8.61 Zeitlicher Verlauf der Aktivität netisch verknüpftem) und unabhängigem (nicht
genetisch verknüpftem) Zerfall unterscheiden. In
Tab. 8.6 Natürliche Radioaktivität Abb. 8.62 sind diese beiden Fälle gegenüber-
Gegenstand Radionuklid Konzentration in gestellt. Bei Radionukliden, die nicht genetisch
mBq/l verknüpft sind, zerfällt jedes unabhängig vom an-
Grundwasser 3
H 40 bis 400
deren in ein stabiles Nuklid. Die Gesamtaktivität
40
K 4 bis 400
ergibt sich aus der Summe der Einzelaktivitä-
238
U 1 bis 200
ten (1) in Abb. 8.62. Bei genetisch verknüpf-
Oberflächen- 3
H 20 bis 100
ten Radionukliden ist der Folgekern ebenfalls
gewässer 40
K 40 bis 2000
instabil. Die in der Natur vorkommenden Zer-
238
U bis zu 40
fallsreihen, ausgehend von 238 U, 235 U und 232 Th
Trinkwasser 3
H 20 bis 70
entsprechend Abb. 8.63, sind Beispiele von ge-
40
K 200
netisch verknüpften Radionukliden. Diese natür-
238
U 0;4
lichen Zerfallsreihen enden bei unterschiedlichen
Milch 40
K 46 Bq/kg
Bleiisotopen.
Rindfleisch 116 Bq/kg
Für zwei miteinander genetisch verknüpf-
Hering 136 Bq/kg
te Radionuklide (Mutter-Tochter-System) ergibt
sich die Aktivität der Tochter Ab aus ihrem Zer-
fall .b Nb ) und aus ihrer Bildung durch Zerfall
mit m als der Masse des Radionuklids oder des-
der Mutter .Ca Na / (2) in Abb. 8.62. Die Lö-
sen Verbindung, M als Molmasse des Radionu-
sung dieser Differenzialgleichung führt zur (3) in
klids oder dessen Verbindung und der Avogadro-
Abb. 8.62 (zu Beginn keine Tochter vorhanden).
Konstante NA D 6;022  1023 mol1 .
Ist die Halbwertszeit Tb größer als Ta , so
Die Aktivität ist direkt proportional der Mas-
ist die Zerfallsgeschwindigkeit von a größer als
se des entsprechenden Radionuklids. Somit kann
von b. Es findet somit eine Anhäufung von b statt.
aus der Aktivitätsmessung die Menge der Sub-
Wenn a zerfallen ist, wird die Aktivität nur von b
stanz ermittelt werden, z. B.
bestimmt, die dann mit der Halbwertszeit von b
1 g 238 U .T D 4;51  109 a/W A D 1;23  104 Bq abnimmt (Abb. 8.62).
Wenn Ta > Tb ist, so lässt sich aus (3) in
(8.75) und (8.73), Abb. 8.62 ersehen, dass nach einer bestimmten
Zeit der Faktor eb t gegenüber ea t vernachläs-
37 Bq 131 I .T D 8;05 d/W m D 8;1  1015 g sigt werden kann. Dies führt zu (4) in Abb. 8.62.
Das Verhältnis der Aktivitäten von a und b ist
(8.75) und (8.73). nach einer bestimmten Zeit konstant. Es stellt
648

(1)

(2)

(3)

(4)

(5)

Abb. 8.62 Radioaktives Gleichgewicht


8 Atom- und Kernphysik
8.8 Kernumwandlung 649

Abb. 8.63 Natürliche Zerfallsreihen

sich ein Gleichgewichtszustand ein (radioaktives die beiden Aktivitäten im Gleichgewicht gleich
Gleichgewicht). Die Größe des Aktivitätsverhält- .Aa D Ab /. Wird aus einem radioaktiven Geich-
nisses wird durch die Halbwertszeiten bestimmt. gewicht b entfernt, so bildet sich b durch Zerfall
Für den häufigen Fall, dass die Halbwertszeit von a wieder nach (Abb. 8.62). Nach zehn Halb-
von a wesentlich größer als die von b ist, sind wertszeiten von b (5) in Abb. 8.62 hat sich b bis
650 8 Atom- und Kernphysik

auf 0;1 % nachgebildet. Für Uran-238, das von Füllgas zusätzliche Elektronen erzeugen (Foto-
seinen Folgeprodukten abgetrennt wurde, sind effekt). Im Proportionalbereich (Abb. 8.64) liegt
nach zehn Halbwertszeiten von Thorium-234 die Gasverstärkung Ag zwischen 102 und 105 .
folgende Radionuklide im Gleichgewicht: 238 U, Der Stromimpuls, den ein geladenes Teilchen im
234
Th, 234 m Pa; AU238 D ATh234 D APa234 m . Proportionalzählrohr auslöst, ist proportional der
Aufgrund des radioaktiven Gleichgewichts kom- primär erzeugten Elektronenanzahl. Deshalb ist
men kurzlebige Radionuklide noch natürlich vor. eine Teilchenunterscheidung bzw. Energiemes-
sung möglich.
8.8.1.4 Messung ionisierender Strahlung Bei weiterer Erhöhung der Spannung vergrö-
Ionisierende Strahlung (’; “; ”-Strahlung) kann ßert sich die Gasverstärkung Ag auf 106 bis
nur über ihre Wechselwirkungsprozesse mit 108 . Die einzelnen Elektronenlawinen überlagern
Materie nachgewiesen werden (Abschn. 8.10, sich, und die Anzahl der durch Fotoeffekt erzeug-
Abb. 8.91). Zur Messung der Aktivität oder Ener- ten Elektronen erhöht sich. Da die Elektronen
gie der Strahlung eines radioaktiven Präparats wesentlich beweglicher sind als die Ionen (gerin-
wird hauptsächlich die Ionisation und die Anre- gere Masse), wandern sie schneller zur Anode als
gung von Materie ausgenutzt. Die entsprechen- die Ionen zur Kathode. Dadurch bildet sich ei-
den Strahlungsdetektoren werden als Ionisations- ne positive Raumladung aus, die die Feldstärke
detektoren bzw. Anregungsdetektoren bezeichnet. so weit herabsetzt, dass das Entstehen einer neu-
Sie sind in Abb. 8.64 mit ihrem Aufbau und ihren en Elektronenlawine nicht mehr möglich ist. Das
Eigenschaften zusammengestellt. Zählrohr kann eine bestimmte Zeit (Totzeit) kei-
Bei den Ionisationsdetektoren wird die durch ne Strahlung registrieren. Nach 104 s wandern
die Strahlung im Zählgas oder Halbleiterkris- die positiven Ionen zur Kathode und erzeugen bei
tall erzeugte Ladung (Primärionisation) gemes- ihrer Neutralisation aus der Kathode oder durch
sen. Die im Gasraum durch Primärionisation Fotoeffekt weitere Elektronen, die eine erneu-
des Zählgases (Edelgase He, Ne, Ar) erzeug- te Lawine auslösen. Der Vorgang muss deshalb
ten Elektronen und Ionen wandern infolge des durch Zusatz eines Löschgases (Methan, Ethanol,
angelegten elektrischen Feldes zu den Elektro- Brom, Chlor) gelöscht werden. Das Löschgas
den. Dies ist der Ionisationskammerbereich. Die mindert zum einen das Entstehen von Fotoelek-
Anzahl der gebildeten Ionen hängt von der Strah- tronen (durch Absorption der Photonen), zum
lungsart und -energie ab. ’-Teilchen erzeugen andern übergeben die Ionen durch Stoß ihre La-
längs ihres Wegs mehr Ionen als “-Teilchen dung an das Löschgas. Beim Entladen der Lösch-
(Abschn. 8.10). Deshalb liegt die Kurve für gasmoleküle an der Kathode dissoziieren diese
’-Teilchen in Abb. 8.64 höher als die für “- ohne Aussendung von Sekundärelektronen. Da
Teilchen. Durch Erhöhung der angelegten Span- die Erzeugung eines Ionenpaars zur Auslösung
nung werden die primär erzeugten Elektronen einer Elektronenlawine und damit eines Impul-
zwischen zwei Stößen mit Gasatomen so stark ses ausreicht, bezeichnet man diese Zählrohre als
beschleunigt, dass sie ihrerseits ionisieren kön- Auslösezählrohre (Geiger-Müller-Zählrohr).
nen (Sekundärionisation). Die sekundär erzeug- Bei den Halbleiterdetektoren wird das emp-
ten Elektronen können wieder Gasatome oder findliche Volumen durch die Raumladungszone
Gasmoleküle ionisieren. Dieser Prozess wird eines pn-Übergangs gebildet (Abb. 8.64). An ihr
noch durch das zur Anode zunehmende elek- fällt fast die gesamte, von außen angelegte Span-
trische Feld (Zylinderkondensator) begünstigt. nung U ab. Erzeugt ein geladenes Teilchen oder
Es entstehen örtlich begrenzte Elektronenlawi- ein ”-Quant entlang des Weges durch Ionisation
nen (Bereich 1 mm). Aus einem primär erzeugten Elektron-Lochpaare, so führt dies zu einem Span-
Elektron entstehen somit Ag -Elektronen (Gasver- nungsimpuls am Widerstand R. Außer den in
stärkungsfaktor Ag ). Die von angeregten Atomen unterschiedlichen Bauformen eingesetzten Ober-
oder Molekülen (durch Stoßprozesse) ausgesand- flächensperrschichtdetektoren werden zur Ener-
ten Photonen können aus dem Wandmaterial und giemessung von ”-Quanten Ge(Li)-Detektoren
8.8 Kernumwandlung 651

Abb. 8.64 Eigenschaften und Anwendung von Strahlungsdetektoren Werkfotos: Zinser und Canberra
652 8 Atom- und Kernphysik

wegen ihrer großen Energieauflösung eingesetzt Tab. 8.8 Anwendung radioaktiver Nuklide
(Si (Li) für Röntgenstrahlung). Zur Vergröße- Bereiche Anwendungsfelder
rung der Raumladungszone wird Li bei 400 ı C umschlossene Strahlungsquellen
in einen p-leitenden Si- oder Ge-Einkristall ein- Medizin Strahlentherapie
diffundiert. Da die auf Zwischengitterplätzen ab- Strahlenchemie Sterilisierung medizinischer Pro-
gelagerten Li-Atome als Donatoren wirken (bei dukte (z. B. Einwegspritzen);
Konservierung von Nahrungsmit-
Raumtemperatur bereits ionisiert), bildet sich ein teln; Abwasserbehandlung
pn-Übergang aus. Unter dem Einfluss einer in chemische Ana- Röntgenfluoreszenz-Analyse;
Sperrichtung angelegten Spannung lässt man bei lytik Elektroneneinfangdetektor zum
100 ı C die Li-Ionen von der n-Seite in das p- Spurennachweis halogenierter Koh-
lenwasserstoffe
Gebiet driften. Auf diese Weise entsteht zwischen
Messtechnik Durchstrahl- und Rückstrahl-
dem n- und dem p-Gebiet eine hochohmige, Verfahren mit ˇ- und -Quellen
eigenleitende Zone (i-Schicht, Abschn. 9.2.3). (z. B. Messung der Füllhöhe, der
Diese i-Zone stellt das empfindliche Detektorvo- Dichte und der Dicke)
lumen dar (pin-Fotodiode Abschn. 9.4.2.3). Um Energieum- Umwandlung der Zerfallsenergie in
das Herausdiffundieren der Li-Atome zu verhin- wandlung Wärme; weitere Umwandlung der
Wärme (Seebeck-Effekt) in elektri-
dern, muss der Ge- oder Si-Kristall mit flüssigem sche Energie; Radionuklid-Batterien
Stickstoff (77 K) gekühlt werden. offene Strahlungsquellen
Durch Herstellung von extrem reinen Medizin Organ-Funktionsdiagnostik (Leber-
Germanium-Einkristallen ist die Dotierung mit und Nierendiagnostik); Lokalisa-
Li-Atomen nicht mehr erforderlich. Derartige tionsdiagnostik (Anreicherung im
Gewebe); Szintigrafen
Detektoren werden als Reinstgermaniumdetekto-
chemische Ana- Bestimmung des Schilddrüsenhor-
ren bezeichnet. lytik mons
Bei den Anregungsdetektoren führt die Strah- Ökotoxikologie Bestimmung der Anreicherung von
lung zu einer Lichtemission in einem Szin- Umweltchemikalien in Organen und
tillator. Der Aufbau eines Szintillationsdetek- Geweben von Tieren durch radioakti-
ve Markierung
tors ist in Abb. 8.64 dargestellt. Der Lichtblitz
Prozessanalyse quantitative Verfolgung des Stoff-
wird mit einem Photosekundärelektronenverviel- Transports in verfahrenstechnischen
facher (PSEV) in ein elektrisches Signal um- Anlagen durch Zusatz radioaktiver
gewandelt und verstärkt (Abschn. 4.2.2.1). Als Indikatoren
Szintillatoren werden anorganische oder orga- Verschleißmes- Abriebmessung bis 103 m bis
sungen 104 m
nische Kristalle sowie Flüssigkeiten bzw. fes-
te Lösungen (Plastszintillatoren) eingesetzt. An-
organische Stoffe lumineszieren im Gegensatz
zu organischen Stoffen nur im kristallinen Zu- festen, inaktiven Hülle oder in einem festen, in-
stand. Die meisten Kristalle müssen durch Einbau aktiven Stoff eingebettet.
von Fremdatomen (Aktivatoren) lumineszenzfä- Unter betriebsmäßiger Beanspruchung wird
hig gemacht werden. Organische Verbindungen ein Austritt radioaktiver Stoffe mit Sicherheit ver-
können sowohl in Lösung als auch im kristallinen hindert. Offene radioaktive Strahlenquellen sind
Zustand eingesetzt werden. beispielsweise radioaktive Lösungen.
Tab. 8.8 gibt einen Überblick der Einsatzge-
8.8.1.5 Anwendung radioaktiver Stoffe biete radioaktiver Stoffe. Wichtige Bereiche sind
Beim Einsatz radioaktiver Stoffe unterscheidet die Medizin und Chemie. Außer der Funktions-
man gemäß Tab. 8.8 zwischen offenen und um- und Lokalisationsdiagnostik werden radioakti-
schlossenen radioaktiven Strahlenquellen. In um- ve Stoffe zur Bestimmung beispielsweise des
schlossenen radioaktiven Strahlenquellen sind Schilddrüsenhormons Triiodthyronin (T3) im
die radioaktiven Stoffe in einer allseitig dichten, Konzentrationsbereich ng/ml (109 g=ml) routi-
8.8 Kernumwandlung 653

nemäßig eingesetzt. Ein immer wichtigeres Ge- bis 1956) die erste Kernreaktion durch, bei der
biet ist die Untersuchung des Verhaltens von ein künstliches radioaktives Nuklid entstand:
Chemikalien in der Umwelt (Ökotoxikologie).
27
Abb. 8.65 zeigt einige wichtige Einsatzgebiete 13 Al C 42 ’ ! 30 1
15 P C 0 n C E ;
umschlossener radioaktiver Strahlenquellen. Bei 30 30 0
15 P ! 14 Si C 1 e C E :
den Durchstrahlverfahren wird die Schwächung
bzw. Absorption der Strahlung im Messobjekt Zur Vereinfachung der Reaktionsgleichung wird
zur Messung herangezogen. Die durchdringende folgende Kurzschreibweise eingeführt:
Strahlungsintensität ist abhängig von der Dicke
oder Füllhöhe des Objekts. Die Rückstreuverfah- 9 4
4 Be C 2 ’ ! 6 C
12
C 10 n C E
ren nützen den Rückstreueffekt aus. Der Strah- 9 12
4 Be .’; n/ 6 C :
lendetektor ist im Gegensatz zu dem Durchstrahl-
messverfahren nicht gegenüber dem radioaktiven Diese .’; n/-Reaktion dient zur Herstellung von
Strahler, sondern auf der gleichen Seite angeord- Neutronen im Labor.
net. Von diesen beiden Verfahren unterscheiden
sich die Radiografieverfahren, bei denen das Un- 8.8.2.1 Energetik
tersuchungsobjekt durch “-, ”- oder n-Strahlen Die Kernreaktion kann allgemein geschrieben
abgebildet wird. werden als
Radioaktive Strahlung (meist ’-Teilchen) io-
nisiert die Luft, deren Ionen die elektrische Auf- A C a D B C b C E
Target Projektil Produktkern Produktteilchen
ladung neutralisiert. Dies erfolgt durch fest einge-
baute Flächenstrahler (Statikeliminatoren) oder A (a, b) B :
durch Luftgebläse mit einem radioaktiven Prä-
parat in der Düse (Abb. 8.65). Eine BeseitigungDie bei der Kernreaktion frei werdende oder
benötigte Energie  E (exoergische bzw. endoer-
statischer Elektrizität ist bei folgenden Proble-
men erforderlich: gische Reaktion) berechnet sich aus der Massen-
differenz des Ausgangszustands (A + a) und des
 Klebeverhalten unterschiedlich geladener Wa- Endzustandes (B + b):
renbahnen (Papier, Folien aller Art),
 Anziehen unerwünschter Teilchen aus der E D Œ.ma .A/ C ma .a// 
Luft (z. B. Staubteilchen bei Lackierungsar-  .ma .B/ C ma .b//c 2 :
beiten),
 Funkenbildung (Gefahr bzw. Belästigung für In Tab. 8.9 sind einige stabile und instabile Nuk-
Bedienungspersonal, eventuell Explosions- lide jeweils mit der Nuklidmasse, Halbwertszeit,
und Brandherde). Häufigkeit und dem Wirkungsquerschnitt zusam-
mengestellt. Anhand dieser Werte errechnet sich
der E-Wert für die Reaktion, 94 Be (’, n) 126 C zu
8.8.2 Kernreaktionen 5;7 MeV. Diese Reaktion ist exoergisch, und das
’-Teilchen muss lediglich die elektrische Absto-
Die erste künstliche Kernumwandlung wurde von ßung durch die positive Kernladung überwinden.
Rutherford 1919 beschrieben. Er beschoss in ei- Für die (n, ”)-Reaktion 16466 Dy (n, ”) 66 Dy er-
165
ner Nebelkammer Stickstoffkerne mit ’-Teilchen gibt sich ein E-Wert von 5;63 MeV. Die bei
des 214 Po und konnte das Auftreten von Protonen der exoergischen Reaktion frei werdende Ener-
nachweisen: gie verteilt sich auf den Produktkern B und das
14
C 42 ’ ! 178 O C 11 p C E : Produktteilchen b unter Berücksichtigung des
7N
Impulserhaltungssatzes. Für die (n, ”)-Reaktion
Nach der Entdeckung des Neutrons führten 1934 ergibt sich, dass nahezu der gesamte Energiebe-
F. J OLIOT (1900 bis 1958) und I. C URIE (1887 trag E als ”-Quant(en) ausgesendet wird.
654

Abb. 8.65 Einsatzbereiche offener und umschlossener radioaktiver Strahlenquellen


8 Atom- und Kernphysik
8.8 Kernumwandlung

Abb. 8.65 (Fortsetzung)


655
656 8 Atom- und Kernphysik

Tab. 8.9 Daten einiger Nuklide


Nuklid Häufigkeit in % Nuklidmasse in u Halbwertszeit T Wirkungsquerschnitt für
thermische Neutronen
4
He 100 4;00260325 –
9
Be 100 9;0121825 – 0;0092 barn
10
B 20 10;0129380 – 0;5 barn
11
B 80 11;0093053 – 0;005 barn
12
C 98;89 12;00000000 – 0;0034 barn
17
N 17;008449 4;61 s
21
Mg 21;011715 122;5 ms
113
Cd 12;26 112;9044013 – 20:000 barn
115
Cd 114;905429 53;45 h

Eine endoergische Reaktion (E < 0) kann


nur ablaufen, wenn das Projektil a eine minimale
Energie ES mitbringt. Diese Schwellenenergie ist
infolge der Impulserhaltung größer als E:
 
ma .a/
ES D E 1 C : (8.77)
ma .A/

Für die Reaktion 27


13 Al (’, n) 15 P mit E D
30

2;65 MeV ergibt sich ES zu 3;04 MeV.


Beim Ablauf der Kernreaktion mit geladenen
Teilchen muss die Abstoßungsenergie zwischen
gleichnamig geladenen Teilchen berücksichtigt
werden (Coulomb-Wall VC ). Es gilt Abb. 8.66 Darstellung der Kernreaktion über einen
Compoundkern im Energiediagramm
Za ZA
VC D 1;44 : (8.78)
R
Hierin ist VC die Höhe des Coulomb-Walls in kern (Compoundkern C) mit einer Lebensdauer
MeV, Za die Ladung des Projektils und ZA die < 1016 s. Der Grundzustand des Zwischenkerns
Ladung des Targetkerns jeweils in Vielfachen der liegt im Allgemeinen tiefer als der Ausgangs-
Elementarladung sowie R die Summe der Radien zustand (A + a) aufgrund der Bindungsenergie
1=3
von A und a in fm .R D R0 .A1=3
a C AA /; R0 D EB;a des Projektils im Compoundkern. Für Pro-
1;2 fm/. tonen und Neutronen beträgt diese Energie im
Für die Reaktion 94 Be (’, n) 126 C ergibt sich Mittel 8 MeV. Je nach Energie des Projektils Ea
ein Coulomb-Wall von VC D 3;16 MeV. Auf- wird ein angeregter Zustand des Compoundkerns
grund dieses Ergebnisses dürfte die Kernreaktion erreicht, von dem aus verschiedene Zerfallsreak-
klassisch nur mit ’-Teilchen mit einer Energie > tionen ablaufen können. Bei (n, ”)-Reaktionen
3;16 MeV ablaufen. Durch den Tunneleffekt (Ab- (1) geht der angeregte Compoundkern unter Aus-
schn. 8.2.2) ist die (’, n)-Reaktion auch mit sendung von ”-Quanten in den Grundzustand
’-Teilchen geringerer Energie möglich. über. Viele der so entstandenen Reaktionspro-
Wie beim radioaktiven Zerfall können auch dukte sind infolge des Neutronenüberschusses
die Kernreaktionen in einem Energiediagramm “ -Strahler. Der Compoundkern kann auch über
dargestellt werden. Abb. 8.66 zeigt ein allge- den Weg 2 oder 3 in B C b bzw. B0 C b0 zer-
meines Energiediagramm. Aus dem Target und fallen. In Tab. 8.10 sind einige Kernreaktionen
dem Projektil (A + a) bildet sich ein Zwischen- zusammengestellt. Welche der möglichen Kern-
8.8 Kernumwandlung 657

Tab. 8.10 Kernreaktionen


Bezeichnung Beschreibung
Austausch- Ein Teilchen gelangt in den Kern, ein
reaktion anderes wird dafür emittiert. (p, n); (d,
p); (’, p)
Einfang- Das einfallende Teilchen verbleibt
reaktion im Kern. Die Anregungsenergie wird
durch Emission von ”-Quanten frei.
(n, ”)
elastische Das einfallende Teilchen wird, ohne
Streuung den Kern anzuregen, wieder emittiert.
(n, n) Abb. 8.67 Zum Begriff Wirkungsquerschnitt
inelastische Das Teilchen gibt einen Teil seiner
Streuung Energie als Anregungsenergie an den
Kern. (n, n0 ) che betragen. Dies ist nur quantenmechanisch
inelastische Teilchen werden aus dem Kern durch
Stöße
durch die Welleneigenschaften zu erklären. Je-
energiereiche Teilchen herausgeschla-
gen. (n, 2n); (d, 2n) dem Reaktionstyp eines bestimmten Kerns A
Kernspaltung mit dem Projektil, beispielsweise Neutronen n,
Der Kern zerfällt beim Beschuss in
muss ein Wirkungsquerschnitt zugeordnet wer-
zwei oder mehrere Bruchstücke. (n, f);
(”, f) A
den (z. B. (n, A A
n) ; .n, ”/ , (n, p) ; : : :; partielle Wir-
kungsquerschnitte). Der totale Querschnitt oder
Gesamtwirkungsquerschnitt tA ergibt sich durch
reaktionen ablaufen, wird durch die Energie und Addition der partiellen Wirkungsquerschnitte:
Art des Projektils bestimmt.
tA D (n,
A A
n) C .n, ”/ C    : (8.79)
8.8.2.2 Wirkungsquerschnitt
Der Wirkungsquerschnitt  gibt die Wahrschein-
Durch Bestrahlung von 27 13 Al mit Neutronen kön-
lichkeit an, mit der eine Kernreaktion stattfindet.
nen folgende Kernreaktionen ablaufen:
Stellt man sich die Atomkerne als kleine Ziel-
scheiben bestimmter Fläche vor, die mit Projek-
tilen a beschossen werden, so wird immer dann
eine Kernreaktion (a; b) ablaufen, wenn ein Pro-
jektil die Zielscheibe trifft, wie in Abb. 8.67
verdeutlicht. Damit ergibt sich die Trefferanzahl
pro Zeit zu

Trefferzahl
Zeit
D Projektilteilchen a
FlächeZeit
 Wahrscheinlichkeit
des Treffers
d N=dt D ˚  NA  :

˚ ist die Projektilflussdichte in m2 s1 , NA Die Abhängigkeit des Wirkungsquerschnitts


die Anzahl der Kerne A im Target und  der von der Projektilenergie wird als Anregungsfunk-
Wirkungsquerschnitt (Fläche der Zielscheibe je tion bezeichnet. Abb. 8.68 zeigt die Anregungs-
Atom in m2 ). funktionen des 2713 Al für die unterschiedlichen
Die Einheit des Wirkungsquerschnitts ist das Reaktionen. Der Wirkungsquerschnitt kann sich
barn (1 b D 1028 m2 ) und entspricht etwa dabei um Größenordnungen ändern und weist
der Kernquerschnittsfläche. Der Wirkungsquer- u. U. bei bestimmten Energien ein Maximum
schnitt ist abhängig von dem Reaktionstyp, der auf. Dies wird besonders beim Verlauf des tota-
Energie des Projektils und dem Zielkern (Target). len Wirkungsquerschnitts für Neutronen mit Cd
Er kann ein Vielfaches der Kernquerschnittsflä- in Abb. 8.69 deutlich. Bei bestimmten Neutro-
658 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.68 Wirkungsquerschnitt von 27 Al für verschiede-


ne Kernreaktionen in Abhängigkeit von der Neutronen-
energie
Abb. 8.70 Darstellung der Aktivierungsgleichung

Die Lösung dieser Differenzialgleichung ergibt


für NY in Abhängigkeit von der Zeit
 ˚NX
NY D .1  eY tB / : (8.81)
Y
Diese Gleichung ist in Abb. 8.70 für zwei unter-
schiedliche Halbwertszeiten dargestellt. Nach der
Bestrahlungszeit tB zerfällt das Radionuklid mit
Abb. 8.69 Wirkungsquerschnitt von Cadmium in Ab- der Halbwertszeit T .
Y
hängigkeit von der Neutronenenergie

nenenergien treten Maxima des Wirkungsquer-


8.8.3 Kernspaltung und Kernreaktoren
schnitts (Resonanzen) auf, wenn die Energie des
Teilchens einem Wert entspricht, der genau zu
8.8.3.1 Kernspaltung
Durch Bestrahlung schwerer Atomkerne mit ge-
einem Energieniveau des Zwischenkerns führt
eigneten Teilchen a (z. B. n, p, d, ’) kann ei-
(Abb. 8.66). Analoge Resonanzen treten in der
ne Kernspaltung ausgelöst werden. Eine solche
Elektronenhülle auf, wenn die Strahlungsener-
Spaltung wird im Gegensatz zur Spontanspaltung
gie einer Energiedifferenz der Elektronenniveaus
als künstliche Spaltung (kurz Kernspaltung) be-
entspricht.
zeichnet. Die erste künstliche Kernspaltung wur-
In den meisten Fällen ist der durch die Kern-
de von O. H AHN (1879 bis 1968) und F. S TRASS -
reaktion X(x, y)Y gebildete Kern Y radioaktiv
MANN (1902 bis 1980) 1938 bei dem Versuch der
und zerfällt mit der Zerfallskonstanten Y .Y D
Herstellung von Transuranelementen entdeckt.
ln 2=TY /. Für die Änderungsrate dN=dt der Ker-
Die wichtigste Spaltreaktion ist die (n, f)-
ne Y gilt
Reaktion. Die Spaltung wird dabei durch thermi-
dNY
3 sche Neutronen (E  102 eV) ausgelöst:
Bildung D ˚ NX 
dt 7 ! d NY
7
A C n ! .C / ! B C D C n C E :
dNY 5 dt Compoundkern
Zerfall D Y NY
dt Aus dem schweren Kern A bildet sich durch
D NX ˚  Y NY (8.80) Neutroneneinfang der Compoundkern C. Dieser
8.8 Kernumwandlung 659

Tab. 8.11 Wirkungsquerschnitt (n,f)


Nuklid Kerntyp (n, f) in barn Neutronenzahl 
227
Th (g, u)  200
229
Th (g, u) 31
232
Th (g, g) 0;00004
230
Th (g, g) 5 0;0012 2;08 ˙ 0;02
233
U (g, u) 531 3;13 ˙ 0;06
235
U (g, u) 582 2;43 ˙ 0;07
238
U (g, g) < 0;0005
239
U (g, u)  14
239
Np (u, u) 2500
237
Np (u, g) 0;019
238
Np (u, u) 2070 Abb. 8.71 Abhängigkeit des Spaltungsquerschnitts von
239
Pu (g, u) 743 2;874 ˙ 0;138 der Neutronenenergie. (Das Resonanzgebiet ist nur ange-
240
Pu (g, g)  0;03 2;884 ˙ 0;007 deutet.)
241
Pu (g, u) 1009 2;969 ˙ 0;023

Bruchstücke zerfällt. Von der Neutronenabsorp-


zerfällt in zwei mittelschwere Kerne B und D un- tion bis zur kritischen Deformation dauert es
ter Aussendung mehrerer Neutronen. In Tab. 8.11 etwa 1015 s. Die entstandenen Spaltprodukte lie-
sind für einige Kerne die Wirkungsquerschnitte gen in hochangeregten Zuständen vor und zer-
(n, f) und die Neutronenzahl  für die Kernspal- fallen innerhalb von 1014 s unter Aussendung
tung mit thermischen Neutronen zusammenge- von ”-Strahlung und Abdampfen von Neutronen
stellt. Für (g, u)-Kerne (z. B. 233 U, 235 U, 239 Pu (prompte Neutronen) in den Grundzustand. Die-
und 241 Pu) ist der Wirkungsquerschnitt beson- se sogenannten primären Spaltprodukte zerfallen
ders groß, verglichen mit (g, g)-Kernen (z. B. durch “ -Zerfall und Aussenden von ”-Quanten
238
U, 240 Pu und 232 Th). Dies ist darauf zurück- über mehrere Nuklide (sekundäre Spaltprodukte)
zuführen, dass die Bindungsenergie eines zusätz- in stabile Kerne.
lichen Neutrons für (g, u)-Kerne besonders groß Zwei dieser Spaltketten sind in Abb. 8.73
ist, sodass die Energieschwelle für die Kernspal- gezeigt. In einer Zeit von 0,2 s bis 54 s nach
tung leichter überschritten werden kann. Dies der Spaltung treten durch Neutronenzerfall von
führt zu einem großen Wirkungsquerschnitt (n, f) . Spaltprodukten sogenannte verzögerte Neutronen
Abb. 8.71 zeigt die Energieabhängigkeit des auf. Der Bruchteil dieser verzögerten Neutronen
Spaltungsquerschnitts (n, f) für 238 U, 235 U und beträgt bei der Spaltung des 233 U 0;0026, bei 235 U
239
Pu. Das Resonanzgebiet zwischen 1 eV und 0;0065 und bei 239 Pu 0;0021.
1 keV ist nur angedeutet. Die Häufigkeit der Spaltprodukte von 235 U bei
Der Ablauf der Kernspaltung durch thermi- der Spaltung durch thermische Neutronen ist in
sche Neutronen ist für den wichtigen Spaltstoff Abb. 8.74 in Abhängigkeit von der Massenzahl
235
U in Abb. 8.72 gezeigt. Durch Neutronen- gezeigt. Es tritt bevorzugt eine asymmetrische
einfang bildet sich aus 235 U der Compoundkern Spaltung auf. Die Maxima der Kurve liegen im
236
U. Dabei wird die Bindungsenergie des Neu- Bereich der Massenzahlen 90 bis 100 und 133 bis
trons in Höhe von etwa 6 MeV frei. Der ange- 143 mit einer Spaltausbeute von etwa 6 %. Für
regte Kern führt Deformationsschwingungen aus die symmetrische Spaltung (A D 236=2) beträgt
(vergleichbar mit einem schwingenden Wasser- die Spaltausbeute lediglich 102 %. Die Häufig-
tropfen). Bei großen Deformationen des Kerns keitsverteilung der Spaltprodukte sieht für 233 U
ist die langreichweitige Coulomb-Abstoßung der und 239 Pu ähnlich aus.
Protonen größer als die kurzreichweitige Kern- Der bei der Spaltung frei werdende Energie-
kraft, sodass der Kern instabil wird und in zwei betrag E kann aus der Bindungsenergiekurve
660 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.72 Zeitlicher Verlauf bei der Kernspaltung

Abb. 8.74 Massenverteilungskurve bei der Spaltung von


235
U mit thermischen Neutronen

auf die Reaktionsprodukte. Durch Umwandlung


Abb. 8.73 Spaltkette von 235 U dieser Spaltenergie in Wärme kann mittels einer
Dampfturbine elektrische Energie erzeugt wer-
den (Kernreaktoren).
(Abb. 8.53) abgeschätzt werden. Für 235 U ergibt
sich ein Energiegewinn von 0;86 MeV je Nukleon 8.8.3.2 Kernreaktoren
oder 200 MeV je Spaltung. Diese Energie verteilt Die kinetische Energie der Spaltprodukte und die
sich zu 85 % auf die Spaltprodukte als kinetische Energie des “-Zerfalls werden in unmittelbarer
Energie. Abb. 8.75 zeigt die Energieverteilung Nähe des Zerfallsorts in Wärme umgewandelt.
8.8 Kernumwandlung 661

Abb. 8.75 Verteilung der Spaltenergie auf die Spaltprodukte

Die Energie der Neutronen und der ”-Strahlung Zum Vergleich: Bei der Verbrennung von 1 kg
steht nur dann als Wärme zur Verfügung, wenn Kohlenstoff wird eine Energie von 34  103 kJ frei
diese im betreffenden Medium absorbiert wird. (5  107 mal weniger als für 1 kg 235 U).
Die Energie der Neutrinos geht infolge der gerin- Voraussetzung für die Energiegewinnung
gen Wechselwirkung verloren. Durch Neutronen- durch Kernspaltung ist das Freiwerden von 2 bis
einfang erhöht sich die Energie je Spaltung um 3 Neutronen je Spaltung, um eine Kettenreaktion
den Wert der Bindungsenergie der Neutronen. Im zu ermöglichen. Die Spaltung eines 235 U-Kerns
Mittel wird je Kernspaltung des 235 U eine nutz- führt zu 2 Neutronen, die ihrerseits eine Spaltung
bare Energie von 200 MeV frei. induzieren und somit 2  2 Neutronen freisetzen.
Für die Berechnung der Energie, die aus 1 kg Diese 4 Neutronen erzeugen durch Kernspaltung
spaltbaren Materials 235 U in einem Kernreak- 2  4 Neutronen und so fort. Für diese Kettenre-
tor gewonnen werden kann, muss berücksichtigt aktion ist der Multiplikationsfaktor k D 2, da je
werden, dass ein Teil des spaltbaren Materials Neutron 2 Neutronen erzeugt werden. Um eine
durch (n, ”)-Reaktion in weniger leicht spaltbares kontrollierte Kettenreaktion zur Energiegewin-
Material umgewandelt wird. Dieser Anteil ergibt nung aufrecht zu erhalten, muss k D 1 sein.
sich aus dem Verhältnis der Wirkungsquerschnit- In Abb. 8.76 ist die Neutronenbilanz für einen
te für Spaltung und Absorption ((n,f) =(n,”) D idealisierten (unendlich ausgedehnten) Reaktor
0;839): dargestellt. Ein Neutron erzeugt durch die Kern-
1000 g spaltung  schnelle Neutronen ( D 2;43 für
E D 200  106 eV  0;839  235
U). Infolge der Spaltung von 238 U mit schnel-
235 g=mol
len Neutronen werden "  1 zusätzliche schnelle
1
 6;022  1023 ; Neutronen erzeugt. Damit diese schnellen Neu-
mol tronen (Energie einige MeV) weitere 235 U-Kerne
E D 6;89  1013 Ws D 6;89  1010 kJ spalten können, müssen sie durch Streuprozes-
D 797 MWd : se auf thermische Energie abgebremst werden.
662 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.76 Neutronenbilanz bei der Thermalisierung schneller Spaltneutronen

Dies erfolgt in einem Moderator, der aus leich-


ten Atomen mit geringen Einfangsquerschnit-
ten, beispielsweise Wasser oder Graphit, besteht.
Zur Thermalisierung von Spaltneutronen sind
im Mittel 18 Stöße mit Wassermolekülen, da-
gegen 2170 mit Uranatomen notwendig (Aus-
gangsenergie En D 1;75 MeV; Endenergie En D
0;025 eV). Bei der Thermalisierung der Neutro-
nen entstehen Verluste durch Neutroneneinfang
des 238 U im Resonanzgebiet .p/. Damit eine
Spaltung auftritt, muss das thermische Neutron
vom Spaltstoff absorbiert werden (f ). Diese Ab-
sorption führt mit der Wahrscheinlichkeit p  zu
einer Spaltung. Diese Spaltwahrscheinlichkeit p 
ergibt sich aus dem Verhältnis des Spaltquer-
schnitts zum Gesamtabsorptionsquerschnitt. Der
Multiplikationsfaktor k1 für einen idealen Reak- Abb. 8.77 Vermehrungsfaktor in Abhängigkeit von der
tor ist Neutronenenergie für verschiedene Spaltstoffe

k1 D "pfp  D "pf : (8.82)


Spaltstoff absorbierte Neutron emittiert werden.
Der Vermehrungsfaktor  D p gibt die An- Abb. 8.77 zeigt  für verschiedene Spaltstoffe


zahl der schnellen Neutronen an, die für jedes im in Abhängigkeit von der Neutronenenergie. Für
8.8 Kernumwandlung 663

235
U ergibt sich für thermische Neutronen (En  Für den Betrieb eines Druckwasserreaktors
102 eV) mit  D 2;43 der Wert  D 2;07. Es (Abb. 8.78) mit 235 U als Spaltstoff muss dieser
sind also nur 2;07 Neutronen weiterhin nutzbar, etwa auf 5 % angereichert werden (natürlicher
der Rest geht durch die (n, ”)-Reaktion mit 238 U 235
U-Gehalt 0;72 %). Die abgebrannten Brenn-
verloren. stoffelemente enthalten noch etwa 0;8 % 235 U.
Beim realen Reaktor muss der Neutronen- Die gewonnene Energie stammt dabei zur Hälfte
verlust durch die endliche Ausdehnung des Re- aus der Spaltung von 239 Pu, das durch Neutronen-
aktorkerns berücksichtigt werden. Der effektive einfang aus 238 U gebildet wird.
Multiplikationsfaktor ist Das Verhältnis neu gebildeter spaltbarer Ato-
me zur Anzahl der gespaltenen Atome wird als
keff D k1 L : (8.83) Konversionsfaktor bzw. Brutrate bezeichnet. Ist
die Brutrate größer als 1, so erzeugt der Reaktor
L ist die Leckage, d. h. die Wahrscheinlichkeit, mehr spaltbares Material als er verbraucht (Brut-
dass ein Spaltneutron im Reaktor verbleibt. Je reaktor s. Abb. 8.80). Folgende Kombinationen
nach Größe von keff unterscheidet man drei Fälle: von Spalt- und Brutstoff sind sinnvoll:

– keff < 1: Das System ist unterkritisch, die Ket-


tenreaktion kann nicht ablaufen.
– keff D 1: Das System ist kritisch, die Kettenre-
aktion ist möglich.
– keff > 1: Das System ist überkritisch.

Durch den Verbrauch an Kernbrennstoff und das Zur Beurteilung der Möglichkeit eines Brutreak-
Entstehen neutronenabsorbierender Spaltproduk- tors ist der Vermehrungsfaktor  wichtig. Aus
te ist eine bestimmte Überschussreaktivität ı D Abb. 8.77 ist zu erkennen, dass 239 Pu als Spalt-
keff  1 erforderlich. Diese wird durch Kontroll-stoff mit thermischen Neutronen (En  102 eV)
stäbe aus stark neutronenabsorbierendem Materi- lediglich den Wert 2;1 hat. Dieser Wert ist zur
al (z. B. Cadmium, Bor) gesteuert. Das Auftreten Aufrechterhaltung einer Kettenreaktion zu ge-
verzögerter Neutronen spielt bei der Regelung ring. Für schnelle Neutronen (En  MeV)
des Reaktors eine wichtige Rolle, da durch sie steigt der -Wert auf 2;93 an. Deshalb ist ein
eine Verlängerung der Regelzeit hervorgerufen Brutreaktor auf der Basis Uran-238/Plutonium-
wird. 239 nur mit schnellen Neutronen durchführbar
(schneller Brutreaktor). Für 233 U als Spaltstoff
8.8.3.3 Reaktortypen beträgt der -Wert für thermische Neutronen 2;3
Die Einteilung der Reaktoren kann nach verschie- und damit ist ein thermischer Brüter möglich.
denen Gesichtspunkten erfolgen, beispielsweise Im Thorium-Hochtemperaturreaktor (Abb. 8.79)
nach dem wird ein Konversionsfaktor nahe bei 1 erreicht.

 Brennstoff (z. B. Uranoxid, Uran-Plutonium-


oxid (MOX)), 8.8.4 Kernfusion
 Moderator (z. B. leichtes Wasser, schweres
Wasser (D2 O), Graphit), 8.8.4.1 Fusionsreaktion
 Kühlmittel (z. B. gasgekühlte, wassergekühlte,Aus Abb. 8.53 ist ersichtlich, dass eine Ver-
natriumgekühlte Reaktoren). schmelzung (Fusion) leichter Kerne, z. B. Was-
serstoff zu Helium, zu einem Energiegewinn
In Abb. 8.78 bis 8.83 sind einige Reaktortypen führt. Solche Fusionsreaktionen laufen ständig in
mit ihren charakteristischen Daten beschrieben. der Sonne und in Fixsternen ab. Man unterschei-
664 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.78 a Reaktorgebäude, b Reaktordruckbehälter und c Brennstoffelement eines Druckwasserreaktors. Werkbil-


der: Kraftwerk-Union
8.8 Kernumwandlung 665

Abb. 8.79 Reaktorgebäude, Reaktorkern und Brennelement eines Hochtemperaturreaktors. Werkfoto: Hochtempera-
tur-Reaktorbau GmbH

det hierbei zwischen dem Deuterium-Zyklus und Kohlenstoff-Zyklus


dem Kohlenstoff-Stickstoff-Zyklus.
6 C C 1 p ! 7 N ! 6 C C e C e
12 1 13 13 C

6C C 1p ! 7N C ”
13 1 14
Deuterium-Zyklus
7 N C 1 p ! 8 O ! 7 N C e C e
14 1 15 15 C
1 p C 1 p ! 1 D C e C e (langsam)
1 1 2 C

7 N C 1 p ! 6 C C 2 He
15 1 12 4
1 D C 1 p ! 2 He C ” (rasch)
2 1 3
Bruttoreaktion 4 1 p ! 42 He C 2 eC C 2 e C E
1
3
2 He C 3
2 He ! 4
2 He C 2 1
1 p (rasch)
Bruttoreaktion 4 11 p ! 42 He C 2 eC C 2 e C E
666 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.80 Reaktortank und Brennelemente eines schnellen Brutreaktors. Werkfoto: Schnell-Brüter-Kernkraftwerks-
gesellschaft

Die Bruttoreaktion ist für beide Zyklen gleich. Bei der Explosion einer Wasserstoffbombe
Aus der Massendifferenz errechnet sich E D findet eine Kernfusion statt. Die für die Fusion
.4ma (H)  ma . 4 He/  4me /c 2 zu 24;69 MeV. benötigten hohen Temperaturen werden hierbei
Zur Überwindung der Coulomb-Abstoßung zwi- durch eine Kernspaltung erzeugt.
schen den gleichnamig geladenen Kernen müssen Für die Durchführung der Kernfusion zur
die Kerne eine ausreichende kinetische Energie Energiegewinnung kann man folgende Fusions-
Ekin haben. Aus der kinetischen Gastheorie ergibt reaktionen in Betracht ziehen:
sich für die wahrscheinlichste kinetische Ener-
2 3
gie (Maximum der Maxwell’schen Geschwindig- 1D C 1T ! 42 He C 10 n C 17;61 MeV
keitsverteilung vw2 D 2=3v 2 , Abschn. 3.2.3) 2
1D C 1D
2
! 32 He C 10 n C 3;27 MeV
2 2
m 2 1D C 1D ! 31 T C 11 p C 4;03 MeV
Ekin D v D kT : (8.84)
2 w 2 3
! 42 He C 11 p C 18;35 MeV
1 D C 2 He
k ist die Boltzmann-Konstante. Zur Über- 1 11
1p C 5B ! 342 He C 8;7 MeV :
windung der Proton-Proton-Abstoßung ist ei-
ne Energie von etwa 0;5 MeV nötig. Dies ent- Aus diesen Reaktionsgleichungen ist ersicht-
spricht nach (8.84) einer Temperatur von T D lich, dass die Bildung des stabilen 42 He große
5;8  109 K. Die Temperatur im Sonneninnern be- Energiebeträge freisetzt. Abb. 8.81 zeigt den Wir-
trägt etwa 1;5  107 K. Da für den Kohlenstoff- kungsquerschnitt  der Fusionsreaktion D-T und
Stickstoff-Zyklus eine etwa viermal höhere Tem- D-D in Abhängigkeit von der Deuteronenenergie.
peratur erforderlich ist als für den Deuterium- Die Deuterium-Tritium-Reaktion hat den größten
Zyklus, läuft dieser bevorzugt auf Sternen ab, Wirkungsquerschnitt und erfordert gleichzeitig
deren Innentemperatur größer ist als die der Son- die geringsten Ausgangsenergien der Stoßpart-
ne. ner. Dies führt bei der Anwendung in einem Fu-
8.8 Kernumwandlung 667

ten wird auf das radioaktive Tritium verzichtet


und durch Wasserstoff oder Deuterium ersetzt.
Aus Abb. 8.81 ist ersichtlich, dass für den
Ablauf der Fusion aufgrund des Wirkungs-
querschnitts eine Teilchenenergie von mehr als
100 keV nötig ist (entspricht einer Temperatur
von 108 K). Bei dieser Temperatur sind die Ato-
me vollständig ionisiert. Ein solches Gas aus
Ionen und Elektronen nennt man Plasma. We-
gen der freien Ladungsträger und des meist ho-
hen Energieinhalts weichen die Eigenschaften
des Plasmas von den sonstigen Zustandsformen
der Materie ab. Plasmen weisen ein besonderes
Verhalten in elektrischen und magnetischen Fel-
dern auf und zeigen charakteristische Transport-
eigenschaften (Wärmeleitung, Viskosität, Diffu-
sion und elektrische Leitfähigkeit). Sie können
Strahlung vom Hochfrequenz- bis zum Röntgen-
bereich emittieren.
Zur Zündung des Plasmas muss dieses zuerst
durch äußere Energiezufuhr auf eine Temperatur
Abb. 8.81 Abhängigkeit des Wirkungsquerschnitts von aufgeheizt werden, bei der genügend Fusions-
der Deuteronenenergie für die Kernfusion reaktionen ablaufen, sodass die frei werdende
Fusionsenergie die Temperatur ohne äußere Hei-
zung aufrechterhält. Dies bedeutet ein Gleichge-
sionsreaktor zur größtmöglichen Leistungsdichte wicht zwischen der Heizung durch die Fusions-
und geringsten Brenntemperatur. Die freigesetzte Heliumkerne (Deuterium-Tritium-Plasma) und
Energie verteilt sich mit 14 MeV auf das Neutron den Energieverlusten durch Abstrahlung und
und mit 3;5 MeV auf den Heliumkern. Während Wärmeleitung. Die das Plasma verlassenden
der Heliumkern im Reaktorraum bleibt und zur Neutronen werden im Blanket abgebremst, ih-
Aufrechterhaltung der Brenntemperatur beiträgt, re Energie wird als thermische Energie frei und
verlässt das Neutron den Reaktorraum und er- kann in einem Fusionsreaktor über Dampferzeu-
zeugt (erbrütet) den Brennstoff Tritium. Tritium ger, Turbine und Generator in elektrische Energie
ist im Gegensatz zu Deuterium instabil (“-Zerfall, umgewandelt werden.
T D 12;3 a) und kommt deshalb in der Natur Außer der Temperatur ist für die Zündung ei-
praktisch nicht vor. In einer den Reaktorraum um- nes Plasmas die Teilchendichte n (Teilchen/cm3 )
schließenden Lithiumwand, dem „Blanket“, wird und die Energieeinschlusszeit  wichtig. Je bes-
das Tritium durch folgende Reaktionen gebildet: ser die Wärmeisolierung des Plasmas ist – je
7
geringer also die Energieverluste sind –, desto
3 Li C 10 n ! 42 He C 31 T C 10 n  2;47 MeV größer ist die Energieeinschlusszeit. Bereits 1957
6
3 Li C 10 n ! 42 He C 31 T C 4;78 MeV wurden von J. D. L AWSON Minimalwerte für die
Temperatur T und den Einschlussparameter (Pro-
(Natürliches Lithium enthält 92;6 % 7 Li und dukt aus Teilchendichte n und Energieeinschluss-
7;4 % 6 Li.) Deuterium steht praktisch in un- zeit ) aufgestellt (Lawson-Kriterium), ab der ein
begrenzter Menge in den Weltmeeren zur Fusionsreaktor mit positiver Energiebilanz mög-
Verfügung, Lithium findet sich in Lithium- lich ist. Für die Deuterium-Tritium-Reaktion er-
Lagerstätten, mineralhaltigen Quellen und im gibt sich eine Temperatur von 108 K und ein Ein-
Meerwasser. Bei den gegenwärtigen Experimen- schlussparameter von etwa 1014 s=cm3 . Abb. 8.82
668 8 Atom- und Kernphysik

nenstrahlen) aufgeheizt. Das entstehende Plasma


wird infolge seiner eigenen Massenträgheit (ohne
Magnetfelder) für eine bestimmte Zeit zusammen
bleiben, die ausreichen sollte, um durch Fusions-
reaktionen einen Energieüberschuss zu erreichen.
Durch Anlegen von Magnetfeldern werden
beim magnetischen Einschluss die geladenen
Teilchen auf Spiralbahnen um die Magnetfeldli-
nien gezwungen. Dadurch kann der gaskinetische
Druck des Plasmas durch ein äußeres Magnetfeld
aufgefangen werden. Der Druck des Magnetfelds
ist durch das Quadrat der Feldstärke bestimmt,
der Druck des Plasmas durch die Dichte und
Temperatur. Bei den Zündbedingungen herrscht
ein Plasmadruck von etwa 1 bar, der Magnetfel-
der in der Größenordnung 5 T bis 10 T erfordert.
Bei einer linearen Anordnung treten Teilchen-
verluste an den Enden auf, da das Plasma längs
der Feldlinien ungehindert ausströmen kann. Die-
se Verluste können durch „magnetische Spiegel“
mit stark erhöhter Magnetfeldstärke an den En-
Abb. 8.82 Lawson-Diagramm den vermindert werden.
Das Ausströmen des Plasmas wird durch Aus-
bildung von toroidalen Anordnungen verhindert.
zeigt den genauen Verlauf des Einschlusspara- Hierbei sind die Magnetfeldlinien zu Ringen ge-
meters mit der Temperatur für die Deuterium- schlossen und bilden einen magnetischen Torus.
Tritium-Reaktion (Lawson-Diagramm). In die- Die Magnetfeldstärke nimmt mit kleiner werden-
ses Diagramm sind die bisher in Fusionsexperi- dem Radius zu, sodass der magnetische Druck
menten erreichten Einschlussparameter als graue auf der Innenseite des Torus größer ist als auf der
Punkte eingezeichnet. Die rot schraffierten Ge- Außenseite. Dadurch würde das Plasma inner-
biete geben den erwarteten Bereich der laufenden halb kurzer Zeit gegen die Außenwand gedrückt.
Experimente an. Durch geeignete Zusatzfelder muss dies verhin-
dert werden. Das resultierende Feld muss so be-
8.8.4.2 Experimente zur kontrollierten schaffen sein, dass die Feldlinien schraubenför-
Kernfusion mig um die Torusachse verlaufen und geschlos-
Zur Erfüllung des Lawson-Kriteriums muss das sene magnetische Flussflächen aufspannen.
Plasma bei geeigneter Zündtemperatur (108 K) In Abb. 8.83 sind zwei Anordnungen zum
hinreichend lange ohne Wandkontakt zusammen- Erreichen dieser Verdrillung gezeigt. Beim To-
gehalten werden. Die dafür notwendige Ein- kamak bildet das Plasma die Sekundärwicklung
schlusszeit  ist umso kleiner, je größer die Plas- eines Transformators. Es entsteht ein Plasma-
madichte n ist. strom, der ein ringförmiges Magnetfeld erzeugt
Im Prinzip gibt es zwei voneinander unab- (poloidales Feld). Die Überlagerung von poloi-
hängige Wege, diese Bedingungen zu erfüllen: dalem und toroidalem Feld führt zu der notwendi-
den Trägheitseinschluss und die Anwendung von gen Verdrillung der Feldlinien. Mit dem Tokamak
Magnetfeldern, wie Abb. 8.83 zeigt. Beim Träg- ASDEX (Axial Symmetrisches Divertor Experi-
heitseinschluss werden kleine Mengen aus festem ment) will das Max-Planck-Institut für Plasma-
Deuterium und Tritium (Pellets) durch Hochleis- physik unter reaktorähnlichen Bedingungen vor
tungslaser (oder auch mit Elektronen- oder Io- allem die Plasmareinhaltung mit einem magne-
8.8 Kernumwandlung 669

Abb. 8.83 Plasmaeinschluss-Verfahren zur Kernfusion. Fotos: Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Garching

tischen Divertor studieren. Divertoren sind Ne- und von dort an die Wand des Plasmagefäßes
benkammern, die durch besondere Führung des gestreut werden können. Beim Auftreffen der
Magnetfeldes ober- und unterhalb des Plasma- Elektronen, Ionen, Neutralteilchen und Neutro-
schlauches entstehen. nen auf die Gefäßwand oder durch Strahlenein-
Das Transformatorprinzip funktioniert nur wirkung können Atome von der Wand gelöst
während der Einschaltphase der zentralen Trans- werden und das Plasma verunreinigen. Beson-
formatorspule (zentrale OH-Spule in Abb. 8.83). ders problematisch sind Schwermetalle, da sie bei
Nur dann wird ein Plasmastrom induziert, der das den Fusionstemperaturen erst teilweise ionisiert
poloidale Feld zur Plasmastabilisierung erzeugt. sind und deshalb intensive Linien- und Rekombi-
Im Tokamak ist daher nur Pulsbetrieb möglich. nationsstrahlung aussenden, die zu einem Ener-
Im Gegensatz zu den Tokamaks arbeiten die gieverlust des Plasmas führt. Ein Wolframatom
Stellaratoren nur mit externen Magnetfeldern unter 10:000 Plasmateilchen würde die thermo-
und können daher kontinuierlich betrieben wer- nukleare Zündung verhindern.
den. Zur Erzeugung der schraubenförmigen Feld- Der aus dem Plasma an der Gefäßwand an-
linien sollen beim Stellarator-Experiment Wen- gelagerte Wasserstoff wird durch die Bestrahlung
delstein VII-AS am Max-Planck-Institut für Plas- freigesetzt und wieder zurückgeführt. Der Rück-
maphysik 45 unterschiedlich geformte Einzel- fluss von kälteren, vorwiegend neutralen Wasser-
spulen eingesetzt werden. Folgende Problemkrei- stoffatomen von der Gefäßwand in das Plasma
se sind besonders kritisch: spielt bei der Teilchen- und Energiebilanz des
Plasmas eine wichtige Rolle.
Plasmaverunreinigungen
Im Plasma findet eine Vielzahl von Stößen der Plasmainstabilitäten
Teilchen untereinander statt, durch die die Teil- Eine stromdurchflossene Plasmasäule ist von ei-
chen aus dem Plasmainnern an den Plasmarand nem zylindrischen Magnetfeld umgeben. Schnürt
670 8 Atom- und Kernphysik

sich der Plasmaschlauch zufällig an einer Stelle entspricht der Verbrennung von 8  106 kg Koh-
leicht ein, so vergrößert sich das Magnetfeld und le, die aus 1 kg Uran-235 durch Kernspaltung
damit der Druck des Magnetfeldes auf das Plas- der von 2  106 kg Kohle. Die Kernspaltung kann
ma. Dieser Druck verstärkt die Einschnürung der leicht mit thermischen Neutronen in Gang ge-
Plasmasäule, bis es u. U. zur Stromunterbrechung setzt werden. Für die Kernfusion müssen erst un-
kommt. Ein zufälliger Knick in der Plasmasäu- gewöhnlich hohe Temperaturen (108 K) erzeugt
le führt auf der Seite mit dem kleineren Radius werden. Bei der Kernspaltung entstehen große
zu einer Magnetfeldvergrößerung und damit zu Mengen an hochradioaktivem Abfall, im Gegen-
einer Druckerhöhung in Knickrichtung. Die In- satz zur Fusionsreaktion, bei dem das radioakti-
stabilität nimmt von selbst zu. ve Tritium im Kreislauf geführt wird; lediglich
durch Neutronenaktivierung der Materialien ent-
Plasmaheizung stehen radioaktive Stoffe.
Damit die Kernfusion mit Energiegewinn abläuft,
muss das Plasma auf 108 K aufgeheizt werden.
Die Heizung des Plasmas kann durch Ohm’sche 8.9 Elementarteilchen
Heizung, Neutralteilcheninjektionsheizung oder
Hochfrequenzheizung erfolgen. Die Ohm’sche Das Ziel der Elementarteilchenphysik ist die Auf-
Heizung geschieht durch einen Plasmastrom (vgl. deckung und Beschreibung der fundamentalen
Tokamak). Durch den Plasmawiderstand wird Gesetze der Wechselwirkung von Materie. Unter
dem Plasma Energie (Wärme) zugeführt. Da Wechselwirkung wird dabei ganz allgemein jede
der Widerstand des Plasmas mit zunehmender Kraft oder jeder Einfluss auf Materie verstanden,
Temperatur abnimmt, ist diese Methode nur zur der zu einer Zustandsänderung führt.
Anfangsheizung geeignet. – Bei der Neutral- Die Frage nach den Elementarteilchen ist
teilcheninjektionsheizung werden geladene Teil- grundlegend mit der Frage nach dem Zusam-
chen beschleunigt und vor Einschuss in das menhalt der Atomkerne (Kernkraft) verbun-
Plasma neutralisiert. (Geladene Teilchen können den. Um eine Auflösung x zu erreichen, ist
das Magnetfeld nicht durchdringen.) Die kine- nach der Unschärferelation px = „=2
tische Energie der eingeschossenen Neutralteil- ein Impuls p = „=.2 x/ erforderlich. Nach
chen liegt weit über der der Plasmaionen und der Relativitätstheorie kann gemäß E 2 D p 2 c 2 C
wird durch Stöße an sie übertragen. m20 c 4 (10.19) die entsprechende Energie berech-
Die Ionen und Elektronen eines Plasmas füh- net werden. Zur Ermittlung der inneren Struktur
ren verschiedenartige Eigenschwingungen aus, des Protons (x  1016 m) sind Energien in der
die durch Einstrahlung einer elektromagneti- Größenordnung GeV erforderlich. Experimente
schen Welle zur Resonanz angeregt werden kön- in der Elementarteilchenphysik sind deshalb nur
nen. Die spiralförmige Bewegung der gelade- mit äußerst leistungsstarken Beschleunigeranla-
nen Teilchen um die Magnetfeldlinien erfolgt gen möglich.
mit einer bestimmten Kreisfrequenz (Zyklotron- Tab. 8.12 zeigt die Bauelemente von mo-
frequenz). Diese liegt bei Ionen und den übli- dernen Beschleunigeranlagen. Seit den siebziger
chen Magnetfeldstärken zwischen 10 MHz und Jahren sind Kollisionsexperimente (Speicherring-
100 MHz, für Elektronen zwischen 60 GHz und experimente) üblich, bei denen die zusammen-
150 GHz. Durch Einstrahlung mit der entspre- stoßenden Teilchen (z. B. e , eC , p, p ) einen
chenden Frequenz nehmen die Teilchen aus dem entgegengesetzten Impuls haben. Deshalb bleibt
elektromagnetichen Feld Energie auf und geben der Schwerpunkt des gesamten Systems in Ru-
sie durch Stöße an das Plasma ab. he, sodass die doppelte Teilchenenergie (z. B. für
Kernspaltung und Kernfusion unterscheiden Protonen 2 Ep D 2270 GeV D 540 GeV) zur Er-
sich in folgenden wichtigen Punkten: Die Ener- zeugung neuer Teilchen zur Verfügung steht. Um
giegewinnung aus 1 kg Deuterium durch Fusion den gleichen Energiebetrag (540 GeV) beim Be-
8.9 Elementarteilchen 671

Tab. 8.12 Bauelemente moderner Beschleunigeranlagen


Bauteil Funktion
Ionenquelle Sie liefert die erforderlichen Teilchen (z. B. Elektronen, Protonen)
Beschleunigungsstrecken Resonatoren (Resonatorfrequenz 30 MHz bis 1000 MHz), in denen die Teilchenpakete
je Resonatorlänge Spannungsstöße bis 106 V=m erhalten. Durch Hintereinanderschalten
vieler Resonatoren können Teilchen zu sehr hoher Energie beschleunigt werden
Hochfrequenzsender Die Resonatoren werden von Hochfrequenzsenderöhren (Klystron) gespeist mit einer
Dauerleistung von mehr als 1 MW
Vakuumsystem Die zu beschleunigenden Teilchen müssen in einer Röhre mit Ultrahochvakuum
(108 mbar) zur Vermeidung von Stößen geführt werden. Dabei müssen, um die Abga-
be von Gasen zu vermeiden, Schweißstellen, Flansche und die Oberfläche des Materials
besonders behandelt werden
Strahlführungssysteme
Quadrupolmagnete Sie dienen zur Bündelung des Teilchenstrahls.
Sextupolmagnete Stabilisierung des Teilchenstrahls.
Ablenkmagnete Sie sind bei Ringen erforderlich, um die Teilchen auf die Kreisbahn zu zwingen (Ener-
gieverlust durch Synchrotronstrahlung); bei Linearbeschleunigern nicht erforderlich
Zusatzeinrichtungen Vorbeschleuniger, Einschusssystem, Korrekturelemente, Strahlmess- und Kontrollein-
richtungen

schuss eines ruhenden Protons zur Verfügung zu tenzahlen (z. B. B, S, C, I3 /. Alle anderen Eigen-
haben, muss das bewegte Proton eine Energie von schaften, beispielsweise Masse und Lebensdauer,
155 TeV (1012 eV) haben. stimmen bei Teilchen und Antiteilchen überein.
Zum Nachweis der Reaktionsprodukte sind In Abb. 8.86 sind nur für die Leptonen und
aufwändige Detektoren erforderlich, die nicht nur Quarks die Antiteilchen mit angegeben (rot). Die
Art und Energie der Teilchen, sondern auch ih- grau unterlegten Teilchen sind aus heutiger Sicht
re Richtung genau bestimmen. Abb. 8.84a zeigt stabil. Dies gilt auch für die entsprechenden An-
den Detektor TASSO (Two Arm Spektrometer titeilchen (sofern sie nicht mit anderen Teilchen
Solenoid) und Abb. 8.84b den Querschnitt sche- zusammenkommen). Das Neutron ist nur im ge-
matisch. Die vom Computer rekonstruierten Teil- bundenen Zustand (z. B. im Atomkern) stabil.
chenbahnen (z. B.  C , KC , K ) für eine Energie Man unterscheidet zwischen Teilchen mit
von 35 GeV (e , eC ) sind in Abb. 8.85 dargestellt.
schwacher (Leptonen) und Teilchen mit starker
Wechselwirkung, den Hadronen. Die Hadronen
bestehen aus den Baryonen (Spin J halbzahlig)
8.9.1 Einteilung und den Mesonen (Spin J ganzzahlig). Baryonen
zerfallen stets direkt oder über einen Umweg in
Die ersten Elementarteilchen, die Pionen Nukleonen (Protonen oder Neutronen):
 C ;  ı ;   , Myonen , Kaonen und Positronen,
wurden in der Höhenstrahlung durch Bestrahlung n ! p C e C N e .T D 918 s/
fotografischer Emulsionen oder durch Nebelkam- †C ! p C  ı .T D 0;8  1010 s/
meraufnahmen nachgewiesen.
!n C  C
In Abb. 8.86 oben sind einige Teilchen mit
ihren charakteristischen Größen (Quantenzahlen) „
0
! ı C  ı .T D 3  1010 s/
aufgeführt. Die Masse der Teilchen ist durch die ƒ
ı
! p C  
Beziehung m D E=c in der Einheit MeV=c an- C .1232/ ! n C  C
2 2
.T D 6  1024 s/ :
gegeben. Zu jedem Teilchen existiert ein Antiteil-
chen mit entgegengesetzter Ladung und entge- Baryonen können im Gegensatz zu Mesonen we-
gengesetzten Werten aller ladungsartigen Quan- der einzeln erzeugt werden, noch durch Zerfall
672 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.84 a Detektor TASSO am DESY, b Querschnitt des Detektors TASSO. Foto: Deutsches Elektronen-Synchro-
tron, Hamburg
8.9 Elementarteilchen 673

Übergang in den Grundzustand ein oder mehrere


Photonen emittiert, emittieren die angeregten Ha-
dronenteilchen Pionen. Dies weist auf eine innere
Struktur der Teilchen hin; diese können deshalb
nicht als elementar betrachtet werden.
In Abb. 8.86 unten sind die nach heutiger
Sicht elementaren Bausteine (Quarks und An-
tiquarks) mit ihren Quantenzahlen zusammen-
gestellt. Die Mesonen lassen sich durch ein
Quark-Antiquarkpaar und die Baryonen durch
eine Dreier-Quarkkombination aufbauen. Nach
dem Pauli-Prinzip müssen sich in einem System
die Teilchen mit Spin s D 1=2 (Fermionen) in
einer Quantenzahl unterscheiden. Dies erfordert
die Einführung einer zusätzlichen Quantenzahl
der Farbladung (rot, grün, blau), die weder mit
einer Farbe noch mit einer elektrischen Ladung
vergleichbar ist.
Abb. 8.85 Vom Computer rekonstruierte Teilchenbahnen
Die Quark-Antiquark-Systeme (Mesonen)
aufgrund der Daten von TASSO
kann man mit einem Positronium vergleichen.
Dieses ist eine wasserstoffähnliche Verbindung
verschwinden. Die Mesonen zerfallen in Photo- aus einem Positron und einem Elektron. Analog
nen, Elektronen und Neutrinos: werden die Quark-Antiquark-Systeme als Quar-
konia (z. B. Charmonium ccN oder Bottonium bb) N
 C ! C C  .T D 2;6  108 s/ bezeichnet. Die Quantenzahlen der Teilchen er-
geben sich durch entsprechende Addition aus
  !  C N  .T D 2;6  108 s/
den Quantenzahlen der Quarks gemäß Tab. 8.13.
 ı ! ” C ” .T D 0;83  1016 s/ Die Kombination zweier Quarks kann somit nur
! ” C eC C e Teilchen mit ganzzahligem Spin (Mesonen),
! !  C C   C  ı .T D 1023 s/ die von drei Quarks nur Teilchen mit halbzah-
ligem Spin (Baryonen) liefern. Höhere Spins als

 ı C ”
J D 1 ergeben sich durch einen zusätzlichen
KC ! C C  .T D 1;24  108 s/
Bahndrehimpuls der Quarks, vergleichbar dem
!  C C  ı Wasserstoffatom. In Abb. 8.87 ist dies für das
N ı C  C
DC ! K .T D 7  1013 s/ : N System dargestellt. Die Übergänge zwischen
c c-
einzelnen Zuständen erfolgen unter Aussendung
Die gebildeten Myonen (Leptonen) zerfallen von ”-Quanten.
nach folgendem Schema: Streuexperimente mit Elektronen bzw. Neutri-
nos (Abb. 8.49) zur Untersuchung der inneren
C ! N  C eC C e Struktur des Protons ergaben die Existenz von
 !  C e C N e : drei Streuzentren (Quarks) in den Nukleonen.
Zwischen Neutrino und Quark treten schwache
Viele der neu entdeckten Hadronen konnten Wechselwirkungskräfte auf, die nur eine Reich-
als angeregte Zustände anderer Teilchen inter- weite von etwa einem tausendstel Protonendurch-
pretiert werden. Diese angeregten Zustände sind messer haben (1017 m). Der Zwischenraum zwi-
in der Atomphysik mit dem angeregten Was- schen den Quarks muss ein elektrisch neutrales
serstoffatom vergleichbar. Während dieses beim Füllmaterial enthalten, mit dem das Neutrino
674 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.86 Elementarteilchen


8.9 Elementarteilchen 675

Tab. 8.13 Quantenzahlen von Proton und Neutron


Proton p Neutron n
Quarkkombination uCuCd uCdCd
Ladung Q 2=3 C 2=3  1=3 D C1 2=3  1=3  1=3 D 0
Baryonenzahl B 1=3 C 1=3 C 1=3 D C1 1=3 C 1=3 C 1=3 D 1
Isospin I3 1=2 C 1=2  1=2 D 1=2 1=2  1=2  1=2 D 1=2

zesse durchdringen. Entsprechend der Erhaltung


elektrischer Ladung ergibt sich für das leichteste
geladene Teilchen, das Elektron, dass dieses sta-
bil sein muss.

Leptonenzahl L
Es gibt sechs Leptonen (Le , L , L£ ) in den Fa-
milien (e, e ), (,  ) und (£, £ ) mit ihren
Antiteilchen (Abb. 8.86). Sie haben den Spin 1/2
und nur elektromagnetische schwache Wechsel-
wirkung. Den Leptonen wird die Leptonenzahl
L D 1 (Antiteilchen L D 1) zugeordnet. Diese
bleibt bei einer Reaktion erhalten:

C ! eC C   C e
1 D .1/ C .1/ C .C1/ :
LW „ƒ‚…
„ƒ‚… „ƒ‚… „ƒ‚…
L Le L Le

Baryonenzahl B
Abb. 8.87 Quarkoniumzustände Baryonen (Spin 1/2) zerfallen direkt oder indi-
rekt stets in ein Proton (Neutron zerfällt in ein
Proton). Baryonen können sich nur ineinander
kaum wechselwirkt. Dieses Füllmaterial wird im verwandeln aber sie können nicht verschwinden.
Wesentlichen mit Trägern der Quarkkräfte (Gluo- Demzufolge bleibt die Baryonenzahl B erhalten
nen) identifiziert. (Baryonen B D 1; Antibaryonen B D 1; alle
anderen Teilchen B D 0, auch die Photonen):

8.9.2 Erhaltungssätze eC C e ! p C p
BW 0 C 0 D 1 C .1/ :
Elektrische Ladung Q
Die elektrische Ladung eines abgeschlossenen Die Erhaltung der Baryonenzahl führt zur Stabi-
Systems bleibt erhalten: lität des leichtesten Baryons, dem Proton (analog
dem Elektron bei Ladungserhaltung), und gilt für
  !   C   alle Wechselwirkungen.
QW 1 D 1 C 0 :
Seltsamkeit S
Das Pion und das Muon müssen deshalb exakt Diese Quantenzahl leitet sich von den „seltsamen
dieselbe Ladung haben. Neutrinos sind elektrisch Teilchen“, z. B. ƒ und Kı , ab. Solche Teilchen
neutral und können deshalb große Materiemen- sollten theoretisch eine Lebensdauer von 1023 s
gen ohne Energieverlust durch Ionisationspro- haben. Seltsamerweise ist ihre tatsächliche Le-
676 8 Atom- und Kernphysik

bensdauer aber 1013 -mal länger. Diese Seltsam- Wellenfunktion somit nur ihr Vorzeichen ändern:
keit bleibt bei Reaktionen mit starker und elek-
tromagnetischer Wechselwirkung erhalten, nicht .x; y; z/ D .x; y; z/
aber bei der schwachen Wechselwirkung. P D 1 .gerade Parität/ ;
.x; y; z/ D  .x; y; z/
Charme C, Bottom B P D 1 .ungerade Parität/ :
Außer der Seltsamkeit S können noch weitere
Quantenzahlen, wie z. B. Charme C und Bottom Die Parität kann sich bei der schwachen Wech-
B  , eingeführt werden, die bei elektromagneti- selwirkung ändern. Anschaulich bedeutet dies,
scher und starker Wechselwirkung erhalten blei- dass eine Reaktion in ihrer räumlich gespiegel-
ben. Diese Quantenzahlen sind mit den c- bzw. ten Form nicht genau in derselben Weise (mit
b-Quarks verknüpft. derselben Häufigkeit) abläuft. Es tritt bei der
schwachen Wechselwirkung eine grundlegende
Isospin I Rechts-links-Unsymmetrie auf.
Das Proton und das Neutron (Abb. 8.86) können
als zwei verschiedene Zustände ein und dessel-
ben Teilchens aufgefasst werden. Der jeweilige 8.9.3 Fundamentale
Zustand des Teilchens wird durch den Isospin I Wechselwirkungen
mit der Multiplizität .2I C 1/ gekennzeichnet.
Der Isospin ist ein Vektor mit drei Komponenten Man unterscheidet vier fundamentale Wechsel-
im abstrakten Isospinraum. Die dritte Komponen- wirkungen, die Gravitation, die elektromagneti-
te des Isospins I3 .Iz / liefert eine Aussage über sche, die starke und die schwache Wechselwir-
die Ladung. Für ein Proton ist I3 D C1=2, für kung. Aufgrund neuer Erkenntnisse können die
ein Neutron I3 D 1=2. Bei der starken Wech- elektromagnetische und die schwache Wechsel-
selwirkung bleibt der Isospin erhalten (I D wirkung zur elektroschwachen Wechselwirkung
0), während bei der elektromagnetischen Wech- zusammengefasst werden. In Abb. 8.88 sind die
selwirkung nur die dritte Komponente erhalten Wechselwirkungen mit ihren wichtigen Merkma-
bleibt (I D 0;1; I3 D 0). len zusammengestellt.
Die elektromagnetische Wechselwirkung
Spin J, Parität P wirkt zwischen geladenen Teilchen und wird
Der Spin eines Teilchens ergibt sich durch Kom- in der nichtrelativistischen Quantenmechanik
bination der Quarkspins und des Bahndrehimpul- durch die Schrödinger-Gleichung mit dem elek-
ses. Die Teilchen lassen sich durch das Produkt trischen Potenzial ' und dem Vektorpotenzial A
aus einer Wellenfunktion .x; y; z/ und einer beschrieben. Durch Einführung des Spins und des
Spinfunktion '.s/ beschreiben. Die Wahrschein- magnetischen Moments ist damit eine Beschrei-
lichkeit, das Teilchen an einem bestimmten Ort bung aller elektromagnetischen Niederenergie-
mit einem bestimmten Spin anzutreffen, ist durch Phänomene, wie z. B. Atombau, Spektren, mole-
das Quadrat der Wellenfunktion j .x; y; z/j2 ge- kulare Bindung, Makromoleküle und Festkörper,
geben. Dieses Betragsquadrat ist prinzipiell un- möglich.
abhängig von einer Spiegelung der Koordinaten Gravitation, Kern- und Elementarteilchenphy-
an einer Ebene (Übergang eines rechtsdrehenden sik können damit nicht beschrieben werden. Die
in ein linksdrehendes Koordinatensystem). Diese relativistische Beschreibung von Teilchen erfolgt
Spiegelung an einer Ebene ist identisch mit einer durch die Wellengleichung von P. A. M. D IRAC
Inversion (Spiegelung am Koordinatenursprung (1902 bis 1984). Diese stellt die Verknüpfung
x; y; z; s ! x; y; z; s), verbunden mit ei- von Relativitätstheorie und Quantenmechanik dar
ner Drehung. Die Invarianz der Wellenfunktion (Abb. 1.3). Die Lösung dieser Gleichung enthält
gegenüber der Drehung ist durch die Drehim- den Eigendrehimpuls und das magnetische Mo-
pulserhaltung gegeben. Bei der Inversion darf die ment der Teilchen, weshalb diese Größen nicht
8.9 Elementarteilchen 677

Abb. 8.88 Fundamentale Wechselwirkungen

extra eingeführt werden müssen. Außerdem ent- sacht. Dieses Austauschteilchen ist das Pion
hält die Dirac-Gleichung als Lösung die Antiteil- ( C ;   ;  ı ):
chen. p ! n C  C
Die starke Wechselwirkung beschreibt n ! p C  
den Zusammenhalt der Atomkerne durch
n ! n C  ı
die kurzreichweitige Kernkraft (Reichweite
etwa 1015 m). Mit Hilfe der relativisti- p C  ı ! p
schen Energiebeziehung ergibt sich analog p C   ! n
zur Schrödinger-Gleichung die Klein-Gordon- n C  C ! p :
Gleichung, wiedergegeben in Tab. 8.14. Aus
der Reichweite r0 D 1=k der Wellenfunktion Dementsprechend kann die elektromagnetische
errechnet sich die Masse m zu etwa einem Wechselwirkung ebenfalls durch den Austausch
Fünftel der Protonenmasse. Diese Lösung kann von Teilchen (Photonen) verstanden werden. Da
als Teilchen interpretiert werden (Austausch- die Reichweite der elektromagnetischen Wech-
teilchen), das ständig zwischen den Nukleonen selwirkung unendlich ist, muss das Photon die
ausgetauscht wird und so die Kernkraft verur- Masse null haben. Die anschauliche Beschrei-
678 8 Atom- und Kernphysik

Tab. 8.14 Gegenüberstellung der nichtrelativistischen und der relativistischen Wellengleichung


Schrödinger-Gleichung Klein-Gordon-Gleichung
p2
Energie-Impuls- E D (nichtrelativistisch) E 2 D p2 c02 C m20 c 4 (relativistisch)
Gleichung 2m
 
„ „ @ @ @ @
Operatoren pO D r D ; ; I EO D i„
i i @x @y @z  @t  
@ „2 @2 @2 @2 @2  @2 @2 @2 m20 c04
Wellenglei- i„ C C C  D0  c02 C 2 C 2 C  D0
chung des freien @t 2 m @x 2 @y 2 @z 2 @t 2 @x 2 @y @z „2
Teilchens
1 kr mc
D e0 kD
r „
p
i r 1 „ Reichweite der
Lösung (statio- D 0e „ r0  D
när) k mc Wellenfunktion
MeV
mit r0  1015 m ) m  200
c2

1988). Abb. 8.89 zeigt den Neutronenzerfall in


einem Feynman-Diagramm. In Abb. 8.88 sind
die Feynman-Diagramme für die fundamentalen
Wechselwirkungen eingezeichnet.
Leptonen zeigen keine starke Wechselwir-
kung. Dies wird deutlich bei der Elektron-
Elektron-Streuung, bei der Abstände von un-
gefähr 1015 m auftreten, und bei den 1-s-
Elektronen in schweren Atomen, deren Wellen-
funktion zum erheblichen Anteil im Kerninnern
liegt. Beim “-Zerfall werden Elektronen aus ei-
nem Kern emittiert:

n ! p C e C N e :

Dies ist eine Wechselwirkung zwischen vier Teil-


chen mit dem Spin 1/2, die als schwache Wech-
selwirkung bezeichnet wird. Die Austauschteil-
chen der schwachen Wechselwirkung sind die
Weakonen WC ; W und Zı (Abb. 8.89).

8.10 Strahlenschutz

In vielen wissenschaftlichen und technischen


Bereichen (z. B. Röntgendiagnostik, Strahlen-
therapie, Kerntechnik, Biotechnologie, Teilchen-
Abb. 8.89 Neutronenzerfall im Feynman-Diagramm beschleuniger, Radiochemie, Plasmaforschung)
wird mit Substanzen oder Apparaturen gearbei-
bung der Umwandlungsprozesse von Teilchen tet, die direkt oder indirekt ionisierende Strahlung
erfolgt in einem Zeit-Ort-Koordinatensystem emittieren. Die Grundlage des Strahlenschutzes –
(Feynman-Diagramm, R. P. F EYNMAN, 1918 bis Abb. 8.90 zeigt die Zusammenhänge – ist die
8.10 Strahlenschutz 679

Abb. 8.90 Strahlenschutz

Wechselwirkung der verschiedenen Strahlenarten schaft und Technik und unter Berücksichti-
(z. B. ’, p, d, n, ”; “) unterschiedlichster Ener- gung aller Umstände des Einzelfalles auch
gie und Flussdichte mit der Materie. Durch diese unterhalb der festgesetzten Grenzwerte so ge-
Wechselwirkungsprozesse sind die Messgrößen ring wie möglich zu halten.
und Messprinzipien vorgegeben. Die Wechsel-
wirkungsprozesse der Strahlung mit dem leben- Unter Kontamination versteht man eine uner-
den Organismus und der daraus resultierenden wünschte Verunreinigung durch radioaktive Stof-
biologischen Wirkung ermöglicht die Beurtei- fe, beispielsweise von Arbeitsflächen, Geräten,
lung bezüglich der Qualität der Strahlung. Ferner Räumen, Wasser, Luft. Es muss nicht nur die äu-
führt die Wechselwirkung der Strahlung mit der ßere Strahlenbelastung des Menschen begrenzt
Materie über die Sekundärstrahlung zur Beein- werden, sondern auch die innere Strahlenbelas-
flussung des primären Strahlungsfeldes und somit tung, die durch Aufnahme radioaktiver Substan-
der Strahlenbelastung (Abb. 8.90). zen über Kontamination der Umwelt (Luft, Was-
Die – in der Regel schädliche – biologi- ser) direkt oder indirekt (über die Nahrungskette)
sche Wirkung der Strahlung erfordert Strahlen- in den Körper gelangen (Inkorporation).
schutzmaßnahmen zur Minderung der Strahlen-
belastung auf ein nach dem jeweiligen Stand
der Wissenschaften für vertretbar angesehenes 8.10.1 Wechselwirkung der Strahlung
Maß. Die gesetzlichen Regelungen enthalten die mit Materie
Strahlenschutz- und Röntgenverordnung. In die-
sen sind die Aufgaben des Strahlenschutzes for- Die wichtigsten Wechselwirkungsprozesse der
muliert: verschiedenen Strahlenarten mit der Materie sind
in Abb. 8.91 zusammengestellt. Durch die Wech-
1. Jede unnötige Strahlenexposition oder Konta- selwirkungsprozesse mit dem Absorbermateri-
mination von Personen, Sachgütern oder der al wird die Flussdichte der Strahlung und de-
Umwelt ist zu vermeiden. ren Energie durch Energieabgabe an das Ab-
2. Jede Strahlenexposition oder Kontamination sorbermaterial oder durch Streuprozesse gemin-
von Personen, Sachgütern oder der Umwelt dert. Die Abhängigkeit der Flussdichte von der
ist unter Beachtung des Standes von Wissen- Schichtdicke oder Flächenmasse des Absorber-
680 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.91 Wechselwirkungsprozesse von Strahlung mit Materie


8.10 Strahlenschutz 681

Abb. 8.91 (Fortsetzung)


682 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.91 (Fortsetzung)


8.10 Strahlenschutz 683

Abb. 8.91 (Fortsetzung)

materials wird Absorptionskurve genannt. Die- Direktionisierende Strahlen


se ist in Abb. 8.91 mit eingezeichnet und wird Zu dieser Gruppe gehören alle geladenen Teil-
durch die Wahrscheinlichkeit (Wirkungsquer- chen, beispielsweise ’-Teilchen, Elektronen bzw.
schnitt) der einzelnen Wechselwirkungsprozesse Positronen aus radioaktiven Zerfällen (“ , “C ),
bestimmt. In vielen Fällen ist es zweckmäßig, den Elektronen aus Beschleunigern (e), Protonen (p)
verwendeten Absorber nicht durch seine Schicht- oder Deuteronen (d). Der Hauptabsorptionspro-
dicke x, sondern durch das Produkt aus Schicht- zess ist die Anregung und Ionisation der Absor-
dicke und Dichte des Absorbermaterials, d. h. beratome bzw. Moleküle. Dabei tritt das geladene
durch die Flächendichte d , zu charakterisieren. Teilchen über sein elektromagnetisches Feld mit
684 8 Atom- und Kernphysik

den Elektronen der Hülle in Wechselwirkung; Tab. 8.15 Mittlere Ionisierungsenergie


hierbei bestimmen Energie, Ladung und Masse Ordnungs- Element bzw. Stoff mittlere Ionisierungs-
des Teilchens den differenziellen Energieverlust zahl Z energie IN in eV
dE=dx D S (Bremsvermögen) und das dif- 1 Wasserstoff 18;7
ferenzielle Ionisationsvermögen (Ionenpaare je 6 Graphit 78
Flugstrecke dN=dx, auch spezifische Ionisation 13 Aluminium 163
79 Gold 797
genannt) in einem Absorbermaterial.
82 Blei 826
Vergleicht man Protonen und Elektronen glei-
Luft 86;8
cher Energie, so ist die Geschwindigkeit des Wasser 65;1
Protons infolge seiner 1836-mal größeren Masse
etwa 43-mal geringer als die des Elektrons. Dies
führt zu einer größeren Wechselwirkungszeit des lich, dass mit zunehmender Energie des Teilchens
Protons mit dem Absorberatom und daher zu ei- das Bremsvermögen abnimmt (Abb. 8.91) und
nem größeren differenziellen Ionisationsvermö- bei gleicher Ladung und Energie des Teilchens
gen (Abb. 8.91). (z. B. p und d) das schwerere Teilchen stärker
Der differenzielle Energieverlust kann für im Material gebremst wird. Die Reichweite (Ein-
schwere geladene Teilchen (z. B. ’, p, d) mit ei- dringtiefe) von ’-Teilchen mit einer Energie von
ner Energie E  m0 c 2 (nichtrelativistische Teil- 10 MeV in Kohlenstoff beträgt nur 0;07 mm. Bei
chen) näherungsweise durch die Bethe-Bloch- Teilchenenergien im Bereich der Ruheenergie –
Gleichung (H. A. B ETHE , 1906 bis 2005 und dies entspricht bei Protonen ungefähr 103 MeV –
F. B LOCH, 1905 bis 1983) beschrieben werden: zeigt das Bremsvermögen infolge relativistischer
  Effekte ein Minimum. Die Reichweite R.E0 / der
dE Z z 2 e4 n 2 moe vi2 Teilchen mit der Anfangsenergie E0 gibt die not-
S D D ln
dx 4   "20 moe vi2 IN wendige Schichtdicke oder Flächenmasse an, die
  das Teilchen bei senkrechtem Auftreffen nicht
Z z 2 e 4 NA mi 4 moe Ekin
D ln (8.85) mehr zu durchdringen vermag.
8   "20 moe Ekin MA INmi Bei schweren geladenen Teilchen findet kaum
Streuung statt, sodass die Bahnkurve nahezu eine
S Bremsvermögen, ŒS D 1 MeV=cm, Gerade ist. Die Reichweite ergibt sich aus dem
Z Ordnungszahl des Absorbermaterials, Bremsvermögen zu
z Ladung des Teilchens i,
mi Masse des Teilchens i, Z0 ZE0
1 1
vi Geschwindigkeit des Teilchens i, R.E0 / D  dE D dE :
Ekin kinetische Energie des Teilchens i, dE=dx dE=dx
E0 0
n Teilchendichte des Absorbermaterials (8.86)
NA Avogadro-Konstante
MA Molmasse des Absorbers Für Elektronen, die sehr stark gestreut wer-
IN mittlere Ionisierungsenergie. den, liefert diese Beziehung die Bahnlänge, d. h.
den Weg unter Berücksichtigung der Umwege in-
Die mittlere Ionisierungsenergie ist in folge Streuung im Absorber, die größer als die
Tab. 8.15 für einige Elemente zusammengestellt. Reichweite ist. Die Reichweite, die sich aus der
Dividiert man das Bremsvermögen S durch Absorptionskurve ergibt, Abb. 8.91, schwankt
die Dichte % des Absorbermaterials, so erhält statistisch für die einzelnen Teilchen infolge der
man das Massenbremsvermögen. Mit Hilfe dieser diskontinuierlichen Energieabgabe an das Absor-
Größe kann durch Gewichtung mit dem Masse- bermaterial. Man gibt deshalb in der Praxis die
anteil der entsprechenden Komponente das Mas- mittlere Reichweite (gegeben durch die Schicht-
senbremsvermögen von Mischungen und Verbin- dicke, die zu einer Flussdichte-Halbierung führt)
dungen ermittelt werden. Aus (8.85) wird ersicht- oder die extrapolierte Reichweite (Schnittpunkt
8.10 Strahlenschutz 685

Tab. 8.16 Mittlerer Energieverbrauch EN zur Bildung ei- renzielle Ionisationsvermögen von Elektronen ist
nes Ionenpaars um den Faktor 1000 kleiner als bei ’-Teilchen.
Gas EN in eV EI in eV Gleichung (8.87) berücksichtigt lediglich den
Elektronen, ’-Teilchen, Ionisierungs- Energieverlust durch Ionisation und Anregung,
“-Teilchen energie nicht dagegen den Energieverlust durch Brems-
Helium 41;4 44;4 24;6 strahlung. Der Energieverlust durch Bremsstrah-
Argon 26;1 26;4 15;8 lung wird erst oberhalb der Ruheenergie des Teil-
Wasserstoff 36;3 36;7 15;4
chens merklich, z. B. für Protonen oberhalb einer
Stickstoff 34;7 36;5 15;6
Ruheenergie von etwa 103 MeV; hierbei laufen
Luft 34;0 35;1 –
dann zum großen Teil Kernreaktionen ab. Bei
Elektronen steigt das Massenbremsvermögen in-
der Wendetangente mit der Schichtdickenachse) folge der Bremsstrahlung .S=%/Strahlung oberhalb
an. 1 MeV stark an (Abb. 8.91). Die Elektronenbahn
Betrachtet man das differenzielle Ionisations- im Absorbermaterial ist im Gegensatz zu den
vermögen dN=dx, so ist dies für Protonen, vergli- schweren geladenen Teilchen nicht geradlinig,
chen mit ’-Teilchen, um den Faktor 10 geringer weil infolge der wesentlich geringeren Masse des
(Abb. 8.91). ’-Teilchen zeigen im differenziel- Elektrons Streuungen auftreten. Die Integration
len Ionisationsvermögen in Luft ein Maximum über das reziproke Bremsvermögen .dE=dx/1
bei ungefähr 1 MeV, das zu einem Maximum (Summe der Energieverluste durch Ionisation und
der Ionendichte am Ende der Teilchenbahn führt. Bremsstrahlung) analog den schweren geladenen
Der Energieverbrauch zur Erzeugung eines Io- Teilchen ergibt die mittlere Bahnlänge. Infolge
nenpaars ist für ’- und “-Teilchen in Tab. 8.16 mit der Vielfachstreuung haben die Elektronen kei-
der Ionisierungsenergie zusammengestellt. Die ne einheitliche Reichweite nach (8.86), sondern
für ’-Teilchen angegebenen Daten gelten auch in nur eine maximale Reichweite. Hierunter ver-
guter Näherung für Protonen und Deuteronen, da steht man die zur vollständigen Absorption der
der Energieverlust unabhängig von der Teilchen- Elektronenstrahlung erforderliche Absorberdicke
art ist. Aus diesen Daten ist ersichtlich, dass der oder Flächenmasse.
Energieverbrauch etwa doppelt so groß ist wie die Das exponentielle Absorptionsverhalten von
Ionisierungsenergie. Die Hälfte der Energie wird “-Teilchen für radioaktive Strahlung (Abb. 8.91)
somit zur Anregung von Atomen oder Molekülen ist rein zufällig und durch die Messgeome-
verbraucht. trie (Anordnung von Strahlenquelle-Absorber-
Für Elektronen muss das Bremsvermögen re- Detektor) beeinflussbar. Da bei der Absorpti-
lativistisch berechnet werden, da die Ruheenergie on – besonders bei hohen Elektronenenergien
des Elektrons E D moe c 2 D 0;511 MeV beträgt. und großer Ordnungszahl des Absorbermateri-
Das Bremsvermögen für Elektronen ergibt sich als – Bremsstrahlung auftritt, führt dies in der
damit zu Absorptionskurve zu einer Konstanten, von der
Flächenmasse unabhängigen Flussdichte (Brems-
dE Ze4 n strahluntergrund). Aus der maximalen Reichwei-
SD  D 
dx 8 "20 moe v 2 te kann auf die Energie bzw. die Maximalenergie

moe v 2 Ekin
 der “-Teilchen geschlossen werden.
 ln C f .ˇ/ : (8.87) Das Auftreten von Vielfachstreuung im Ab-
2IN2 .1  ˇ 2 /
sorber wird besonders durch die Rückstreuung
mit f .ˇ/ als Funktion, die ˇ D v=c enthält. Das deutlich. Bei der Rückstreuung verlassen die
Bremsvermögen für Luft in Abhängigkeit von der Elektronen entgegen der Auftreffrichtung den
Elektronenenergie (Abb. 8.91) zeigt den Anstieg Absorber. “C -Teilchen verhalten sich analog “ -
von S über 1 MeV, der durch den logarithmi- Teilchen. Nachdem das “C -Teilchen durch Wech-
schen Term in (8.87) verursacht wird. Das diffe- selwirkungsprozesse seine kinetische Energie an
686 8 Atom- und Kernphysik

das Absorbermaterial abgegeben hat, zerstrahlt Der Gesamtschwächungs- bzw. Gesamtmas-


(annihiliert) es mit einem Elektron zu zwei ”- senschwächungskoeffizient setzt sich aus den Ko-
Quanten der Energie 0;511 MeV D moe c 2 . effizienten der einzelnen Wechselwirkungspro-
zesse zusammen. Die Schwächungskoeffizien-
Indirekt ionisierende Strahlen ten können als Wahrscheinlichkeiten interpretiert
Die Schwächung von Röntgen- und ”-Strahlung werden, mit der der Wechselwirkungsprozess
(Abb. 8.91) kann beschrieben werden durch stattfindet. Somit ist der lineare Schwächungs-
koeffizient i proportional einem Wirkungsquer-
˚.x/ D ˚0 ex D ˚0 e.=%/d : (8.88) schnitt i für den Prozess i. Vom Gesamtschwä-
chungskoeffizienten ist der stets kleinere Energie-
˚.x/ Photonenflussdichte nach dem Absorber, absorptionskoeffizient e zu unterscheiden. Der
˚0 Photonenflussdichte vor dem Absorber, Energieabsorptionskoeffizient e ist stets kleiner
x Schichtdicke des Absorbers, als der Gesamtschwächungskoeffizient, da der
 linearer Schwächungskoeffizient, Streuanteil des Compton-Effektes (c;Streu ) unbe-
d Flächenmasse d D x%, rücksichtigt bleibt:
=% Massenschwächungskoeffizient.
 D Foto C c;Abs C c;Streu C Paar ;
Der lineare Schwächungskoeffizient bzw. e D Foto C c;Abs C Paar : (8.90)
Massenschwächungskoeffizient ist eine Funkti-
on der Photonenenergie und der Ordnungszahl Aus Abb. 8.91 ist zu erkennen, dass im nieder-
des Absorbers. Der Unterschied zu den direkt energetischen Bereich der Fotoeffekt, im hoch-
ionisierenden Teilchen besteht darin, dass das energetischen Bereich der Paarbildungseffekt
Röntgen- bzw. ”-Quant lange Wege zwischen und im Zwischenbereich der Compton-Effekt
zwei Wechselwirkungsprozessen zurücklegt und überwiegt.
die das Absorbermaterial durchdringenden Quan- Wie bei den Wechselwirkungsprozessen ge-
ten die Ausgangsenergie haben (abgesehen von ladener Teilchen können auch durch die ”-
inelastisch gestreuten Quanten). Eine vollständi- Quanten Elektronen aus inneren Schalen der
ge Absorption der Strahlung ist im Gegensatz zu Absorberatome entfernt werden. Beim Auf-
den geladenen Teilchen nicht möglich. Der Mas- füllen der Elektronenlücke durch Elektronen
senschwächungskoeffizient für Gemische oder aus höheren Schalen entsteht Sekundärstrah-
Verbindungen kann aus den Massenanteilen p lung (Röntgen-Fluoreszenzstrahlung) geringen
der Komponenten ermittelt werden: Durchdringungsvermögens.
Im Gegensatz zu den ”-Quanten können Neu-
tronen nur mit dem Atomkern wechselwirken.
X X
.=%/Mischung D pi .=%/i I pi D 1 :
i i Die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten einer
(8.89) bestimmten Reaktion wird durch den Wirkungs-
Die Wechselwirkungsprozesse der ”-Strahlung querschnitt (n, x) beschrieben, der eine große
mit Materie sind der Fotoeffekt, Compton-Effekt Abhängigkeit von der Neutronenenergie und
und Paarbildungseffekt. Während beim Fotoef- dem Absorbermaterial aufweist. Die wichtigsten
fekt Elektronen aus inneren Schalen entfernt wer- Wechselwirkungsprozesse sind in Abb. 8.91 zu-
den und den Großteil der ”-Energie als kinetische sammengestellt.
Energie erhalten, tritt beim Compton-Effekt die Schnelle Neutronen verlieren durch inelas-
Wechselwirkung mit äußeren Elektronen (gerin- tische (n, n0 ) und elastische Streuprozesse (n,
ge Bindungsenergie, quasi-freie Elektronen) ein n) ihre Energie; hierbei ist der Energieverlust
(Abschn. 6.5.1.2). Beim Paarbildungseffekt muss durch inelastische Streuung infolge Kernanre-
aus Energie und Impulserhaltungsgründen ein gung größer und allgemein bei leichten Kernen
Teilchen (z. B. Atomkern) zur Erzeugung eines am größten. Deshalb werden zum Abbremsen
Positron-Elektron-Paars vorhanden sein. von Neutronen leichte Stoffe, wie z. B. Was-
8.10 Strahlenschutz 687

ser bzw. schweres Wasser (D2 O), Paraffin oder dm. Bei gleichem Strahlungsfeld ergeben sich für
Graphit eingesetzt. Bereits während des Brems- unterschiedliche Stoffe unterschiedliche Ionen-
vorgangs können die Neutronen von Kernen ein- dosen, da die zur Erzeugung eines Ionenpaares
gefangen werden (.n; ”)-Reaktion). Mit kleiner erforderliche Energie vom Material abhängig ist.
werdender Neutronenenergie nimmt die Wahr- Außer der SI-Einheit C/kg findet man noch die
scheinlichkeit .n; ”/ des Neutroneneinfangs zu.
ältere Einheit Röntgen (R). 1 R ist diejenige Io-
Beim Neutroneneinfang werden ein oder meh- nendosis einer ionisierenden Strahlung, bei der
rere ”-Quanten frei, deren Gesamtenergie der in 0;001293 g Luft (1 cm3 Luft unter Normal-
Bindungsenergie des Neutrons (etwa 8 MeV) ent- bedingungen) bei Elektronengleichgewicht mit
der Umgebung eine Ionisation von 3;33  1010 C
spricht. Beim Strahlenschutz ist zu beachten, dass
die durch Neutroneneinfang oder andere Kernre- jedes Vorzeichens erzeugt wird. Für Luft benö-
aktionen entstandenen Nuklide häufig radioaktivtigt man zur Erzeugung eines Ionenpaars 34 eV.
sind. Somit entspricht 1 R einer Energiedosis von
0;877  102 Gy (in Luft).
Die Ionendosis und Ionendosisleistung sind
8.10.2 Dosisgrößen für alle ionisierenden Strahlen mit Ausnahme
der Neutronen gültig. Für die Umrechnung der
Abb. 8.92 zeigt die Dosisgrößen, deren Ein- Ionendosis in Luft in die Energiedosis eines Ma-
teilung und Zusammenhänge. Die fundamentale terials gilt für Röntgen- und ”-Strahlung
physikalische Dosisgröße ist die Energiedosis
D (Messung in Gray: Gy), während die Ionen- .e =%/Material
DDf I : (8.91)
dosis J aus messtechnischem Grund und die .e =%/Luft
Äquivalentdosis H (Messung in Sievert: Sv) so-
wie die effektive Äquivalentdosis E wegen ih- Bei Verwendung der Einheit C=kg für die Io-
rer Bedeutung in der Strahlenbiologie und im nendosis I und J=kg für die Energiedosis D gilt
Strahlenschutz eingeführt wurden. Die Energie- f D 34;0 J=C.
dosis D gibt die in einem Masseelement dm D In Abb. 8.93 ist die Energieabhängigkeit von
% dV absorbierte Energie dE an. Diese Größe  e für verschiedene Materialien dargestellt. Für
ist unabhängig von der Art der Wechselwirkung Weichteilgewebe (entspricht etwa Wasser) ergibt
der Strahlung und dem Absorbermaterial. Zur sich mit (e =%/Gewebe =.e =%/Luft D 1;1),
Kennzeichnung eines Strahlenfeldes oder einer
Strahlenwirkung durch die Energiedosis ist die 1 R (in Luft) D 0;97  102 Gy (in Gewebe) :
Angabe des bestrahlten Materials notwendig, da
die Wahrscheinlichkeit der Wechselwirkungspro- In der Strahlenschutzpraxis gilt
zesse vom Material abhängig ist. 1 C=kg (in Luft) ¶ 37;6 Gy (in Weichteilge-
Eine für den Menschen tödliche Energiedosis webe).
von 10 Gy D 10 J=kg führt in Wasser ledig- Zur Beurteilung der biologischen Wirkung der
lich zu einer Temperaturerhöhung von 2  103 K. Strahlung ist die Energiedosis ungeeignet, da
Aus diesem Grund ist die direkte Messung der gleiche Dosen verschiedener Strahlungsarten un-
Energiedosis mit einem Kalorimeter nur bei ver- terschiedliche Schädigungen in Art und Stärke
hältnismäßig hohen Dosen möglich und sehr zeigen. In der Strahlenbiologie wurde deshalb
aufwändig. Messtechnisch lassen sich verhält- der Faktor der relativen biologischen Wirksam-
nismäßig einfach und genau Ladungen erfassen. keit fRBW eingeführt. Dieser ergibt sich durch
Deshalb betrachtet man nicht die Summe aller den Vergleich der für eine bestimmte biologi-
Wechselwirkungsprozesse, die zu einer Energie- sche Wirkung erforderlichen Energiedosis Di der
abgabe an das Masseelement dm führen, sondern zu beurteilenden Strahlung mit der Energiedo-
nur die Ionisation und definiert die Ionendosis sis Do einer Vergleichsstrahlung, z. B. 250 kV
J als erzeugte Ladung eines Vorzeichens dQ je Röntgenstrahlung oder 60 Co ”-Strahlung. Für ei-
688 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.92 Verwendete Dosisgrößen

ne bestimmte biologische Wirkung gilt Der Faktor fRBW ist von der betrachteten Strah-
lenwirkung abhängig. Man führt deshalb zur Be-
Do .Vergleichsstrahlung/ urteilung der biologischen Wirkung den dimensi-
fRBW D :
Di .zu bewertende Strahlung/ onslosen Strahlungs-Wichtungsfaktor wR (R für
(8.92) radiation) ein. Das Produkt aus Energiedosis und
8.10 Strahlenschutz 689

gung L. Dieser Wert entspricht dem Bremsver-


mögen S und wird im Allgemeinen in keV=m
für Wasser angegeben. Man ordnet den L-Werten
einen Strahlungs-Wichtungsfaktor wR von 1 bis
20 entsprechend Abb. 8.94 zu. Für die Beurtei-
lung von ”-Strahlung und n-Strahlung werden die
L-Werte der Sekundärteilchen (Rückstoßkerne,
Compton-Elektronen, Fotoelektronen) zugrunde
gelegt. Die lineare Energieübertragung L ist ab-
hängig von der Energie der Strahlung und nimmt
für geladene Teilchen normalerweise mit zuneh-
mender Energie ab. Dies führt am Ende der
Teilchenbahn zu einem größeren Energieverlust
je Wegstrecke als zu Beginn der Teilchenbahn.
Damit gelten entlang der Teilchenbahn unter-
schiedliche wR -Werte. Für eine bestimmte An-
fangsenergie kann ein durchschnittlicher L-Wert
und damit ein effektiver wR angegeben werden.
Zur Betrachtung der Wirkung der Strahlung
auf den Menschen muss neben der räumlichen
und zeitlichen Verteilung die Strahlenart und
Energie sowie die unterschiedliche Empfindlich-
keit von Organen/Gewebe berücksichtigt werden.
Die Strahlenart bzw. Energie wird durch den
Strahlungs-Wichtungsfaktor wR , die unterschied-
liche Empfindlichkeit der Organe/Gewebe durch
den Gewebe-Wichtungsfaktor wT (T für tissue,
siehe Abb. 8.94) bewertet. Durch diese Bewer-
tung sind Strahlenbelastungen unterschiedlicher
Art und Energie sowie in unterschiedlicher Or-
ganen bezüglich ihrer biologischen Wirkung mit-
einander vergleichbar und damit addierbar.
P 9
Organdosis HT D wR  DT;R =
R E
Abb. 8.93 Energieabsorptionskoeffizient in Abhängig-
Effektive Dosis ET D wT  HT ;
keit von der Photonenenergie für verschiedene Stoffe
X X
D wT wR  DT, R (8.94)
T R
X
wR wird als Äquivalentdosis H bezeichnet: mit wT D 1 „Körperdosis“
T
H D wR  D : (8.93)

Im Gegensatz zum Faktor fRBW , der gemes- 8.10.3 Biologische Wirkung der
sen werden kann, wird wR unter Berücksichti- Strahlung
gung der biologischen Erkenntnisse festgesetzt.
H ist somit prinzipiell nicht messbar. In Abb. 8.94 sind die Wechselwirkungen der un-
Die biologische Wirkung einer Strahlung ist terschiedlichen Strahlen in Materie (z. B. Gewe-
eng verknüpft mit der linearen Energieübertra- be) mit dem Verlauf des Qualitätsfaktors zusam-
690 8 Atom- und Kernphysik

Abb. 8.94 Abhängigkeit des Strahlungs-Wichtungsfaktor von der linearen Energieübertragung und Zusammenstel-
lung von Gewebe-Wichtungsfaktoren
8.10 Strahlenschutz 691

mengestellt. Röntgenstrahlen, ”-Quanten und “-


Teilchen haben eine geringe lineare Energieüber-
tragung und damit wR D 1. Mit zunehmender
Energie der Quanten oder Elektronen verschiebt
sich die maximale relative Tiefendosis in das Ge-
webeinnere, wie Abb. 8.95 zeigt. Für “-Teilchen
aus einem radioaktiven Zerfall nimmt die Tiefen-
dosis rasch mit der Gewebetiefe ab. Die mittleren
Strahlungs-Wichtungsfaktoren wR für Neutronen
sind stark von der Neutronenenergie abhängig.
Thermische Neutronen (En D 2;5  108 MeV)
haben ein wR D 5, im Energiebereich 100 keV
bis 2 MeV ein wR D 20 und ab 20 MeV wie-
der wR D 5 (Abb. 8.94). Neutronen haben wie
”-Quanten ein großes Durchdringungsvermögen.
’-Teilchen dagegen dringen kaum in das Gewebe
ein, haben einen großen L-Wert und damit einen
großen Strahlungs-Wichtungsfaktor von 20. In-
korporierte ’-Strahler, die sich in bestimmten
Organen anreichern (z. B. in Knochenmark), ha-
ben deshalb eine besonders große schädigende
Wirkung.
Durch Ionisation und Anregung können sich
chemisch sehr reaktive Molekülbruchstücke, so-
genannte Radikale (Moleküle oder Molekül-
bruchstücke mit ungepaartem Elektron), bilden, Abb. 8.95 Relative Tiefendosis und Dosisverhältnis
die die komplizierten chemischen Reaktionen in
der Zelle beeinflussen. Besonders schwerwie-
gend wirken sich Veränderungen der Erbanlagen belastung mit geringer Dosis über viele Jahre
der Zellen aus, insbesondere bei Keimzellen oder bewirkt infolge der natürlichen Regenerationsfä-
während des frühen Wachstums eines Organis- higkeit eine wesentlich geringere Schädigung als
mus. Die Zellen sind in der Phase der Zellteilung die gleiche Dosis in kurzer Zeit, in Tab. 8.17 sind
besonders strahlenempfindlich. Deshalb erweisen somatische Strahlenwirkungen für unterschiedli-
sich Gewebe mit hohen Zellteilungsraten, wie che Äquivalentdosen bei kurzzeitiger Ganzkör-
z. B. Knochenmark und Haut, stärker gefährdet perbestrahlung zusammengestellt.
als Zellen, die sich weniger häufig teilen (Nerven, Durch die natürliche Radioaktivität und die
Bindegewebe, Muskel). Höhenstrahlung ist der Mensch ständig einer
Man unterscheidet hinsichtlich der Wirkung Strahlenbelastung ausgesetzt. Hinzu kommt die
zwischen Schäden in Körperzellen (somatische Strahlenbelastung in der Medizin (Röntgen-
Strahlenschäden), die am bestrahlten Organismus diagnostik) und bei technischen Anwendungen
in Erscheinung treten, und Schäden in Keim- (Kerntechnik). In Abb. 8.96 ist die mittlere ge-
zellen (genetische Schäden), die sich nur in netisch signifikante Strahlenbelastung der Bevöl-
der Nachkommenschaft auswirken. Für geneti- kerung der Bundesrepublik Deutschland zusam-
sche und somatische Spätschäden (Krebs) durch mengestellt.
Strahleneinwirkung gibt es keine untere Dosis- Die individuelle Strahlenbelastung kann deut-
grenze, unterhalb derer eine schädigende Wir- lich von der mittleren Strahlenbelastung abwei-
kung mit Sicherheit nicht auftritt. Eine Dauer- chen. Ein dauernder Aufenthalt in 1000 m Höhe
692 8 Atom- und Kernphysik

Tab. 8.17 Somatische Strahlenwirkungen bei kurzzeitiger Ganzkörperbestrahlung mit ”-Strahlung angegeben in ef-
fektiver Dosis
Dosis 1. Woche 2. Woche 3. Woche 4. Woche
Schwellendosis keine subjektiven Blutbild wird rasch
0;25 Sv Symptome, Absinken wieder normal
der Anzahl von Lym-
phozyten im Verlauf
von zwei Tagen
subletale Dosis 1 Sv Blutbild wird rasch keine deutlichen sub- Unwohlsein, Mattig- Spermienproduktion
wieder normal jektiven Symptome keit, Appetitmangel; lässt vorübergehend
Haarausfall, wunder nach. Kräfteverfall,
Rachen Erholung wahr-
scheinlich
mittlere letale Dosis am ersten Tag Erbre- keine deutlichen Unwohlsein, Mattig- längere bis lebens-
4 Sv chen und Übelkeit, Symptome keit, Appetitlosigkeit; lange Sterilität bei
Absinken der Anzahl Haarausfall, Ent- Männern; Kräftever-
der Lymphozyten auf zündungen im fall, 50 % Todesfälle
1000/mm3 innerhalb Rachenraum und
von zwei Tagen Dünndarm
letale Dosis 7 Sv nach 1 bis 2 h Erbre- Mattigkeit, Ap-
chen und Übelkeit. petitlosigkeit,
Nach zwei Tagen Entzündungen im
keine Lymphozyten Mund- und Ra-
mehr chenraum, innere
Blutungen, hohes
Fieber

über dem Meerespiegel erhöht die Strahlenbe- in Tab. 8.18 angegebenen Werten. Diese liegen
lastung durch kosmische Strahlung bereits um deutlich unterhalb des in der Strahlenschutzver-
0;15 mSv=a. ordnung angegebenen Grenzwertes von 1 mSv=a.
Abb. 8.97 zeigt die Häufigkeitsverteilung der
terrestrischen Komponente der natürlichen Strah-
lenbelastung für die Bevölkerung der Bundes- 8.10.4 Dosismessung
republik Deutschland. Ein Langstreckenflugzeug
in einer Höhe von 10 km bis 20 km kann für Zur Dosismessung muss ein durch die Strah-
den Flugreisenden eine Erhöhung der Strahlen- lung in Materie verursachter, dosisproportionaler
belastung durch die kosmische Strahlung bis messbarer Effekt ausgenutzt werden, wie z. B.
0;005 mSv je Flugstunde bedeuten. Ionisation, Lichterzeugung in einem Szintillator,
Auch Kohlekraftwerke emittieren natürli- Veränderungen in Festkörpern, chemische Reak-
che radioaktive Stoffe, beispielsweise die ’- tionen oder Wärmeerzeugung. In Abb. 8.98 sind
Strahler 238 U, 234 U, 232 Th, 226 Ra und 210 Po. Ein einige Messverfahren mit der Energieabhängig-
320-MW-Kohlekraftwerk emittiert jährlich etwa keit der Anzeige und dem Messbereich zusam-
4  109 Bq. Die Gesamtjahresabgaben radioak- mengestellt.
tiver Stoffe in der Abluft und im Abwasser Bei der in der Praxis wichtigen Messung der
aus kerntechnischen Anlagen der Bundesrepu- Ionendosis unterscheidet man je nach Messbedin-
blik Deutschland bezogen auf eine erzeugte elek- gungen zwischen der Standard-Gleichgewichts-
trische Energie von 1 GWa betragen für Edel- Ionendosis und der Hohlraum-Ionendosis. Die
gase 3200 GBq=GWa, Tritium 10360 GBq=GWa Standard-Gleichgewichts-Ionendosis ist die Io-
und 131 I 0;023 GBq=GWa. Anhand der Emissi- nendosis, die von einer Photonenstrahlung an ei-
onswerte berechnet sich die Strahlenexposition nem Punkt bei Sekundärelektronengleichgewicht
in der Umgebung von Kernkraftwerken zu den frei in Luft erzeugt wird. Man wählt ein ent-
8.10 Strahlenschutz

Abb. 8.96 Strahlenexposition der Bevölkerung in Deutschland mit Wertebereich für exponierte Einzelpersonen in Klammern
693
694 8 Atom- und Kernphysik

Tab. 8.18 Strahlenexposition in der Umgebung von Atomkernkraftwerken 2004


Kernkraftwerk Oberer Wert der effektiven Dosis für Erwachsene S=a
radioaktive Stoffe mit der Luft radioaktive Stoffe mit dem Abwasser
Kahl < 0;1 < 0;1
Lingen < 0;1 –
Obrigheim 2 0;2
Stade 0;5 < 0;1
Würgassen 0;1 < 0;1
Biblis A,B 0;5 0;2
Neckarwestheim 1,2 2 0;5
Brunsbüttel 1 < 0;1
Isar 1,2 2 0;2
Unterweser 0;2 0;1
Philippsburg 1,2 3 0;1
Krümmel 0;9 < 0;1
Gundremmingen A,B,C 2 0;6

sprechend großes Luftvolumen und misst die in Wandmaterial. Solche Dosimeter sind bis 3 MeV
einem allseitig von Luft umgebenen Teilvolu- einsetzbar. In Abb. 8.99 ist ein Stabdosimeter
men erzeugte Ladung. Dadurch wird erreicht, schematisch dargestellt. Die in die Ionisations-
dass die Summe der Elektronenenergien, die in kammer eindringende Strahlung erzeugt durch
das Messvolumen gelangen, gleich der Energie primäre Ionisationsprozesse Ladungen, die zu
der austretenden Elektronen ist (Sekundärelek- einer Entladung des Kondensators führen. Die
tronengleichgewicht). Dies kann nur bis zu einer Ladung des Kondensators wird durch das Quarz-
Energie von 500 keV verwirklicht werden. Wird fadenelektrometer angezeigt und kann durch das
das Messvolumen mit einer Wand umgeben, für Mikroskop (Okularlinse – Objektiv) abgelesen
die gilt werden. Die Aufladung des Kondensators erfolgt
mit einem Ladegerät über den Ladestift. Diese
.e =S/Kammerwand D .e =S/Luft (8.95) Stabdosimeter sind vorzugsweise zur Ermittlung
der Personendosis bestimmt und werden hierzu
mit S als dem Bremsvermögen der Sekundär- am Körper getragen. Außerdem können sie auch
elektronen, so spricht man von luftäquivalentem als Ortsdosimeter verwendet werden. Bei höhe-
ren Energien und anderen Strahlenarten wird die
Ionendosis in einem kleinen gasgefüllten Hohl-
raum mit „gewebeäquivalenten“ Wänden gemes-
sen (Hohlraum-Ionendosis).
Die Messung der Neutronen-Ortsdosisleistung
ist infolge der unterschiedlichen Neutronen-
energien (0;025 eV bis MeV) problematisch.
Dies zeigen die Absorptionskurven für schnel-
le Neutronen (Abb. 8.91), jeweils gemessen
mit einem Detektor, der nur schnelle Neu-
tronen bzw. thermische Neutronen nachweist.
Die Zunahme des Flusses thermischer Neu-
tronen erfolgt durch die Abbremsung der
schnellen Neutronen im Absorbermaterial. Zur
Abb. 8.97 Terrestrische Strahleneinwirkung Messsung der Neutronen-Ortsdosisleistung dient
8.10 Strahlenschutz

Abb. 8.98 Dosismessverfahren


695
696 8 Atom- und Kernphysik

lungen, die in der Strahlenschutzverordnung fest-


gelegt sind. Die Strahlenschutzverordnung gilt
für den Umgang mit radioaktiven Stoffen, ih-
re Beförderung, Einfuhr und Ausfuhr sowie die
Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung von
radioaktiven Mineralien, den Umgang mit Kern-
brennstoffen und die Errichtung und den Betrieb
von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strah-
len mit einer Energie oberhalb von 5 keV (§ 2 der
Strahlenschutzverordnung). In den beiden Ver-
ordnungen (Strahlenschutz- und Röntgenverord-
nung) sind unter Berücksichtigung genetischer
Schäden Dosisgrenzwerte gemäß Tab. 8.19 fest-
gelegt, die kontrolliert und eingehalten werden
müssen.
Außer den in Abb. 8.92 dargestellten Dosis-
größen sind im Strahlenschutz noch weitere Do-
sisbegriffe, wie z. B. Personendosis, Körperdosis
und Ortsdosis, wichtig. Unter Personendosis ver-
steht man die Dosis, die von einem Dosimeter an
einer für die Strahlenexposition repräsentativen
Stelle der Körperoberfläche (Brust ! Ganzkör-
per, Finger ! Hände) angezeigt wird, angegeben
als Äquivalentdosis H (Weichteilgewebe). Die
Abb. 8.99 Aufbau eines Füllhalterdosimeters effektive Äquivalentdosis E (Körperdosis) ist die
gewichtete Summe der Strahlenbelastung der Or-
gane (8.94).
ein LiI-Szintillationsdetektor, dessen Kristall Die Ortsdosis (Ortsdosisleistung) gibt die
(10 mm ¿  2 mm) auf einem Plexiglaslichtleiter Äquivalentdosis für Weichteilgewebe an einem
montiert ist und sich im Mittelpunkt eines kugel- bestimmen Ort des Strahlungsfeldes in einem
förmigen Polyethylenmoderators befindet. Durch bestimmten Zeitintervall an. Durch die unter-
den kombinierten Effekt von Moderierung, Streu- schiedliche Ortsdosisleistung werden verschiede-
ung und Absorption in der Kugel wird erreicht, ne Bereiche des Strahlungsfeldes abgetrennt. Wie
dass der im Mittelpunkt herrschende Fluss ther- aus Tab. 8.19 hervorgeht, unterscheidet man zwi-
mischer Neutronen weitgehend der Äquivalent- schen Sperrbereich, Kontrollbereich und Über-
dosisleistung an der Oberfläche der Kugel, unab- wachungsbereich. In diesen Bereichen sind un-
hängig vom Neutronenspektrum, entspricht. terschiedliche Überwachungsmaßnahmen vorge-
schrieben. Der Zugang zum Sperrbereich ist nur
in Ausnahmefällen beruflich strahlenexponierten
8.10.5 Strahlenschutzmaßnahmen Personen der Kategorie A und B gestattet. Im
Kontrollbereich dürfen nur Personen der Kate-
Im Strahlenschutz unterscheidet man zwischen gorie A und B tätig sein. In Ausnahmefällen ist
beruflich strahlenexponierten und nicht beruf- auch für nicht beruflich strahlenexponierte Perso-
lich strahlenexponierten Personen. Jede Person, nen, beispielsweise für Ausbildungszwecke, der
die beruflich mit Röngtenstrahlung, radioaktiver Zugang zum Kontrollbereich gestattet.
Strahlung oder anderen ionisierenden Strahlen zu Man unterscheidet zwischen äußerer (Strah-
tun hat, wird als beruflich strahlenexponierte Per- lenquellen außerhalb des Körpers) und innerer
son bezeichnet und unterliegt gesetzlichen Rege- (Strahlenquellen innerhalb des Körpers) Strah-
8.10 Strahlenschutz 697

Tab. 8.19 Strahlenschutzbereiche (§ 36, StrschV.) und Dosisgrenzwerte für beruflich Strahlenexponierte Personen
(§ 54–59, StrschV.)

Kategorie A (mSv/a) Kategorie B (mSv/a)


Effektive Äquivalentdosis E 20 > E > 6  ) 6>E>1
Organdosen HT :
– Augenlinse 150 > HT > 45 45 > HT > 15
– Haut, Hände, Füße 500 > HT > 150 150 > HT > 50
– Rotes Knochenmark, Keimdrüsen < 50 < 15
– Schilddrüse < 300 < 100
– Andere Organe < 150 < 50

) gemittelt über einen Zeitraum von 5 Jahren, maximal 50 mSv in einem einzigen Jahr

lenbelastung. Die Gefahr einer inneren Strahlen- portional zur Zeit verhält:
belastung ist bei Arbeiten mit offenen radioakti-
ven Stoffen durch Inkorporation besonders groß. H D HP t .H konstant/ I
Zt
Schutz vor äußerer Strahlenbelastung H D HP .t/dt : (8.96)
Mit folgenden Maßnahmen schützt man sich vor
0
äußerer Strahlenbelastung:
 Einhaltung möglichst großer Abstände von
 Strahlenquellen mit möglichst kleiner Quell- der Strahlenquelle sowie
stärke verwenden, soweit dies technisch ein-  Verwendung von Abschirmungen.
zurichten ist,
 Minimierung der Aufenthaltsdauer im Strah- Eine punktförmige Strahlenquelle (Dimensionen
lungsfeld. Dies ist eine einfache, aber wir- der Quelle klein im Verhältnis zur betrachteten
kungsvolle Maßnahme, da sich die Dosis pro- Umgebung), die in alle Richtungen gleichmäßig
698 8 Atom- und Kernphysik

Tab. 8.20 Gammastrahlendosiskonstante H einiger Ra- “-Strahlung kann im Prinzip eine ähnliche Be-
dionuklide ziehung aufgestellt werden; hierbei wird aller-
Radionuklid Dosiskonstante H dings die Äquivalent-Dosisleistungskonstante zur
in Sv m2 h1 Bq1 Dosisleistungs-Funktion, da die “-Teilchen ent-
24
Na 4;72  1013
lang ihres Weges Energie verlieren. Außerdem
60
Co 3;36  1013
werden die “-Teilchen bereits im radioaktiven
131
I 5;45  1014
Präparat absorbiert (Selbstabsorption), sodass die
137
Cs 7;70  1014
226
Ra 2;14  1013
Berechnung der Äquivalentdosis von “-Strahlung
sehr schwierig ist.
Aus (8.97) entnimmt man, dass sich die Dosis-
abstrahlt (isotrop), erzeugt an einem Punkt im leistung mit dem Quadrat des Abstandes vermin-
Abstand r von der Quelle eine Flussdichte, die dert. Deshalb sollten auch schwach radioaktive
proportional der Quellstärke (Anzahl der Teil- Präparate niemals mit den Händen angefasst wer-
chen oder Quanten je Zeiteinheit) und umgekehrt den, wie das Rechenbeispiel Tab. 8.21 belegt.
proportional dem Quadrat des Abstandes ist. Dies Man erkennt, welchen Einfluss auf die Dosis der
ist dadurch bedingt, dass die Oberfläche einer Ku- Abstand des Objekts zu einem Strahler hat.
gel um die Strahlenquelle mit r 2 zunimmt. Je Eine weitere Möglichkeit, die Dosisleistung
größer die Flussdichte, desto größer ist bei kon- zu senken, ist die Verwendung von Abschirmun-
stantem Energieabsorptionskoeffizienten e die gen. ’-Teilchen lassen sich bereits durch ein
je Zeiteinheit absorbierte Energie im Material. Stück Papier vollständig absorbieren. Mit milli-
Somit ist die Flussdichte proportional zur Dosis- meterdickem Aluminium erreicht man eine voll-
leistung. Für Photonenstrahlung gilt ständige Absorption von “-Teilchen. Hierbei ist
allerdings das Auftreten von Sekundärstrahlung
d A größerer Reichweite (Bremsstrahlung, Röntgen-
H D HP D H 2 : (8.97)
dt r strahlung) zu berücksichtigen. Im Gegensatz zur
’- und “-Strahlung kann die ”-Strahlung nicht
Hierin ist HP die Äquivalentdosisleistung in Sv=h, vollständig absorbiert, sondern nur geschwächt
A die Aktivität der Quelle in Bq, r der Ab- werden. Es gilt das exponentielle Absorptions-
stand von der Quelle und H die Äquivalent- gesetz (8.88) mit dem linearen Schwächungs-
Dosisleistungskonstante in Sv h1 m2 Bq1 . koeffizienten . In Abb. 8.100 ist diese Größe
Die Äquivalent-Dosisleistungskonstante H für einige Materialien in Abhängigkeit von der
ist abhängig vom Energiespektrum der Quel- Energie dargestellt. Da infolge des Comptonef-
le und dem Energieabsorptionskoeffizienten e fekts im Absorbermaterial auch Streuung von
für Weichteilgewebe (wR D 1 für Röntgen- ”-Strahlung auftritt, kann dies zu einer Erhö-
und ”-Strahlung). In Tab. 8.20 sind für eini- hung der Dosisleistung führen. Dies wird durch
ge Radionuklide die Konstanten angegeben. Für den Dosisaufbaufaktor B, der eine Funktion der

Tab. 8.21 Zahlenbeispiel zur Strahlenbelastung


Radioaktives Präparat: 137 Cs Abstand r in m Äquivalentdosisleistung H in
Dosiskonstante: 0;077 Sv h1 m2 MBq1 Sv h1
Aktivität: 10 MBq
direktes Greifen des radioaktiven Präparats, 0;01 7;7  103 Finger
Armlänge 0;5 m 0;5 3;1 Körper
Verwendung einer Zange zum Greifen (0,25 m) 0;25 12;3 Finger
0;75 1;4 Körper
1;00 0;77
Abschirmung 5 cm Blei 1;00 0;004
 D 1;2 cm1 ; B D 2
8.10 Strahlenschutz 699

Abb. 8.101 Dosisaufbaufaktor in Abhängigkeit vom Pro-


dukt aus Schwächungskoeffizient und Absorberdichte so-
wie der Energie der ”-Quanten

Abb. 8.100 Energieabhängigkeit des linearen Schwä- Schutz vor innerer Strahlenbelastung
chungskoeffizienten einiger Metalle Man unterscheidet zwischen offenen und um-
schlossenen radioaktiven Stoffen. Umschlossene
radioaktive Stoffe sind ständig von einer allsei-
Energie. Absorberdicke und des Absorbermate- tig dichten, festen, inaktiven Hülle umschlossen
rials ist, berücksichtigt. In Abb. 8.101 sind die oder in festen inaktiven Stoffen ständig so ein-
B-Werte für Blei und Eisen in Abhängigkeit von gebettet, dass bei üblicher betriebsmäßiger Be-
x dargestellt. Damit ergibt sich für die Äquiva- anspruchung ein Austritt radioaktiver Stoffe mit
lentdosisleistung hinter einer Abschirmung Sicherheit verhindert wird.
Beim Arbeiten mit offenen radioaktiven Stof-
A
HP D H 2 ex B.x; E/ (8.98) fen (z. B. Lösungen, Feststoffe, Gase) besteht
r „ƒ‚… „ ƒ‚ …
„ƒ‚… Schwächungs- Aufbau- die Gefahr einer Aufnahme in den Körper
Dosis ohne faktor faktor
Abschirmung (Inkorporation). Dies muss durch entsprechen-
de Laboreinrichtungen und umsichtiges Arbei-
Zur Berechnung der Dosisleistung hinter einer ten verhindert werden, denn eine innere Strah-
Abschirmung entnimmt man aus Abb. 8.100 lenbelastung ist bedeutend gefährlicher als ei-
und 8.101 die Werte für  und B. Für 137 Cs ne äußere Strahleneinwirkung. Die inkorporier-
.E” D 0;662 MeV) entnimmt man die in ten Radionuklide können sich im Körper in
Tab. 8.21 angegebenen Werte und kann damit die bestimmten Organen anreichern und diese bis
Dosisleistung hinter einer 5 cm dicken Bleiwand zu ihrem vollständigen Zerfall direkt schädi-
ermitteln. gen.
700 8 Atom- und Kernphysik

Tab. 8.22 Radiotoxizität und kritische Organe


Nuklid Freigrenze Bq Halbwertszeit Tphys. Halbwertszeit Tbiol. kritisches Organ
U-238  ) 103 4;47  109 a 300 d Nieren
Cs-137 104 30;17 a 100 d Muskel
Pb-210  ) 104 22;3 a 730 d Knochen
Po-210 104 138;4 d 40 d Milz
Sr-90 104 28;6 a 11 a Knochen
U-233 104 1;59  105 a 300 d Knochen
Ce-144 105 284;8 d 330 d Knochen
Na-24 105 15 h 19 d ges. Körper
Cd-109 106 1;3 a 100 d Leber
I-131 106 8;0 d 180 d Schilddrüse
Na-22 106 2;6 a 19 d ges. Körper
Sr-85 106 68 m 11 a Knochen
C-14 107 5730 a 35 a Fett
Rh-105 107 35;4 h 28 d Nieren
H-3 109 12;3 a 19 a ges. Körper

) im Gleichgewicht mit Tochternukliden

Zur Beurteilung der Radiotoxizität (Tab. 8.22) auch in den Personen-Kontaminationsmonitoren


ist deshalb außer der physikalischen die biologi- eingebaut. Beim Verlassen des Isotopenlabors
sche Halbwertszeit wichtig. Diese gibt die Zeit muss jede Person diesen Monitor betreten. Es er-
an, in der eine im Körper vorhandene Aktivi- folgt eine Messung der Oberflächenaktivität (Bq
tät durch Ausscheidung auf die Hälfte vermin- cm2 ) von Händen und Schuhen bzw. Kleidung
dert wurde. Nach der Radiotoxizität werden die (mit beweglichem Detektor). Bei Überschreitung
Freigrenze und Grenzwerte beispielsweise für eines Schwellenwertes sind Dekontaminations-
Luft, Wasser und Nahrungsmittel festgelegt. Un- maßnahmen erforderlich. Zur Überprüfung von
ter Freigrenze versteht man die Aktivität, mit der Kontaminationen am Arbeitsplatz eignen sich
man ohne Genehmigung oder Anzeige umgehen besonders Kontaminationsmonitore, die für ein
kann. Der Umgang mit Aktivitäten oberhalb der Radionuklid direkt die Aktivität je Fläche ange-
Freigrenze erfordert eine Umgangsgenehmigung ben.
(des Gewerbeaufsichtsamts), die bestimmte La- Zum Schutz von Wasser und Luft müssen in
boreinrichtungen und die Fachkenntnis des Per- einem Isotopenlabor besondere Kontrolleinrich-
sonals voraussetzt. Als kritisches Organ wird das tungen installiert sein. Die Messung der Aktivität
Organ bezeichnet, das nach einer Inkorporation erfolgt durch Tauchzählrohre, die in das Abwas-
die empfindlichsten Reaktionen des Körpers er- ser eintauchen. Nur wenn entsprechende Grenz-
warten lässt. werte unterschritten werden, darf das Abwasser
In einem Labor, in dem mit offenen radioak- in die öffentliche Kanalisation abgeleitet werden,
tiven Stoffen oberhalb der Freigrenze gearbeitet andernfalls ist eine ordnungsgemäße Beseitigung
wird (Isotopenlabor), müssen Überwachungsein- des radioaktiven Wassers erforderlich.
richtungen auf Kontamination vorhanden sein,
um ein ungewolltes Verschleppen der radioakti-
ven Stoffe in die angrenzenden Räume zu vermei- 8.10.6 Zur Übung
den. Hierfür werden häufig Xenon-Großflächen-
Zählrohre eingesetzt. Es handelt sich um Propor- Ü 8-1 Welche Photonenenergien und welche
tionalzählrohre mit einer effektiven Fensterfläche Wellenlängen werden bei der Balmer-Serie des
bis 900 cm2 und Zählwirkungsgrade je nach Ra- Wasserstoffatoms emittiert? Welche dieser Spek-
dionuklid bis zu 35 %. Diese Detektoren sind trallinien liegen im sichtbaren Spektralbereich?
8.10 Strahlenschutz 701

Ü 8-2 Charakteristische Röntgenstrahlung ent- 14


C, das entsprechend seiner Halbwertszeit zer-
steht beim Übergang von Elektronen aus Schalen fällt. In einem lebendigen Organismus ist das
höherer in solche niedrigerer Energie, insbeson- Verhältnis von 14 C zu 12 C etwa 1;3  1012 . Da-
dere in innere Schalen mit kleiner Hauptquan- mit ist die spezifische Aktivität 0;25 Bq=g. Da
tenzahl n. a) Berechnen Sie die Quantenenergie nach dem Absterben des Organismus kein Koh-
und Wellenlänge der Kupfer-K’ -Strahlung, die lenstoff mehr eingebaut wird, kann aus der heute
entsteht, wenn Elektronen von der L-Schale auf noch messbaren Aktivität an 14 C-Zerfällen in ei-
die K-Schale fallen. Benutzen Sie dazu nähe- nem solchen Objekt auf sein Alter geschlossen
rungsweise das Bohr’sche Atommodell. b) Das werden.
Bohr’sche Atommodell ist natürlich für ein
Mehrelektronenproblem nicht anwendbar. Be- Ü 8-4 Natürliches Silicium enthält die Isotope
rechnen Sie mit Hilfe der Tab. 8.3 die exakte 28
Si, 29 Si und 30 Si. Beim Transmutation Doping
Wellenlänge der Röntgen-K’1 -Strahlung, die ent- wird es mit Neutronen bestrahlt. Dabei wandeln
steht, wenn Elektronen aus der LIII - in die K- sich Kerne in 29 Si, 30 Si und 31 Si um. 31 Si ist in-
Schale übergehen. stabil und geht durch einen “-Zerfall mit einer
Halbwertszeit von 2;6 h in den stabilen Kern 31 P
Ü 8-3 Berechnen Sie mit Hilfe der Radiokar- über. Damit ist Silicium mit Phosphor dotiert.
bonmethode das Alter eines in einer archäologi- a) Ein Siliciumkristall der Masse 1 kg soll mit ei-
schen Fundstätte ausgegrabenen Knochens, der ner Phosphor-Konzentration von np D 1017 cm3
80 g Kohlenstoff enthält. Die 14 C-Zerfallsrate be- dotiert werden. Wie groß ist dann die Zahl der be-
trägt 6;4 Bq. nötigten 31 Si-Kerne? b) Wie groß ist die Aktivität
Hinweis: In organischen Substanzen befindet des Kristalls? c) Wie lange muss man warten bis
sich stets ein geringer Anteil an radioaktivem die Aktivität auf 1 Bq abgenommen hat?
Festkörperphysik
9

Die Festkörperphysik hat sich seit Mitte des ramische Werkstoffe) und in der Halbleitertech-
20. Jh. von der reinen Grundlagenforschung zu nik verwiesen.
dem wichtigsten anwendungsorientierten Gebiet
entwickelt. Abb. 9.1 zeigt, dass die Festkörper-
physik ohne die Atom- und Quantenphysik nicht 9.1 Struktur fester Körper
verstanden werden kann, sodass des Öfteren auf
die entsprechenden Abschnitte verwiesen werden 9.1.1 Kristallbindungsarten
muss.
Wie Abb. 9.1 weiterhin zeigt, spielt die Fest- Zwischen den Atomen bzw. Molekülen fes-
körperphysik praktisch in jedem Bereich eine ter Körper wirken ausschließlich elektrostatische
Rolle, da sie die mechanischen, thermischen, Kräfte der Anziehung oder Abstoßung. Magneti-
elektrischen, magnetischen und optischen Eigen- sche Kraftwirkungen können demgegenüber völ-
schaften fester Körper beschreibt. So betrach- lig vernachlässigt werden. Je nach Wirkungswei-
tet haben alle Abschnitte dieses Buches zu ihr se der Kräfte unterscheidet man vier Bindungsty-
einen Bezug. Um die große Bedeutung der Fest- pen:
körperphysik zu zeigen, sei beispielsweise auf
die Anwendungen in der Nanotechnologie, in  van-der-Waals’sche Bindung,
der Mikroelektronik (vom Computerchip bis zur  kovalente (homöopolare) Bindung,
Flüssigkristallanzeige), in der Werkstofftechnik  Ionenbindung (heteropolare Bindung) und
(z. B. metallische, magnetische, amorphe und ke-  metallische Bindung.

Abb. 9.2 zeigt für die jeweilige Bindungsart die


Kraftwirkungen, die Bindungsenergie, Beispiele
und die typischen Werkstoffeigenschaften.

9.1.1.1 Van-der-Waals’sche Bindung


Auch Atome und Moleküle, die keine Elektronen
austauschen können, weil ihre Elektronenschalen
abgeschlossen sind, üben aufeinander schwache
elektrische Bindungskräfte aus und kristallisie-
ren; so befinden sich auch Edelgase bei entspre-
Abb. 9.1 Strukturbild Festkörperphysik chend tiefen Temperaturen im festen Aggregatzu-

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2016 703


E. Hering, R. Martin, M. Stohrer, Physik für Ingenieure, DOI 10.1007/978-3-662-49355-7_9
704 9 Festkörperphysik

Abb. 9.2 Bindungsarten

stand, bis auf He, das unter T D 2;2 K superfluid stand ab (Nahwirkung) und ist zudem ziemlich
wird. Fällt aufgrund der Molekülstruktur oder der schwach (etwa 0;02 eV=Atom bis 0;1 eV=Atom).
Beweglichkeit der Atomelektronen der Schwer- van-der-Waals-Kräfte treten bei jeder Bindung
punkt der positiven Ladung nicht mit dem der auf, doch sind sie im Vergleich zu den bei an-
negativen zusammen, so entsteht ein permanen- deren Bindungsarten wirkenden Bindungskräften
tes bzw. induziertes elektrisches Dipolmoment so klein, dass sie vernachlässigt werden können.
(Abschn. 4.3.7). Dieses influenziert im Nach-
baratom oder benachbarten Molekül ein entge- 9.1.1.2 Kovalente (homöopolare)
gengesetztes Dipolmoment, sodass eine schwach Bindung
wirkende Anziehungskraft auftritt. Sie wird nach Für die homöopolare oder kovalente Bindung
ihrem Entdecker van-der-Waals-Kraft genannt sind die Elektronenstrukturen der Elemente der
(J. D. VAN DER WAALS, 1837 bis 1923). dritten bis fünften Hauptgruppe des Periodensys-
Je mehr benachbarte Atome vorhanden sind tems (Abschn. 8.5.1) besonders geeignet. Bei-
und je dichter diese beieinander liegen, umso spielsweise haben alle Elemente der vierten
fester ist die Bindung. Deshalb kristallisieren Gruppe vier Valenzelektronen in der äußers-
die Edelgase in der kubisch-dichtesten Kugelpa- ten Elektronenschale. Mit Hilfe je eines Elek-
ckung. Die Bindungsenergie der van-der-Waals- trons von vier nächsten Nachbarn kann sich
Bindung ist jedes Atom eine edelgasähnliche Elektronenkon-
figuration schaffen, die energetisch sehr günstig
Konstante
EB D : (9.1) ist. Jeweils zwei benachbarte Atome teilen sich
r6 ein Elektronenpaar, wobei der Elektronenaus-
Die Konstante liegt in der Größenordnung von tausch dann zu einer anziehenden Kraft führt,
1077 J m6 . Wie (9.1) zeigt, nimmt die Bindungs- wenn die beteiligten Elektronen entgegengesetzte
energie EB sehr schnell mit zunehmendem Ab- Spinrichtungen haben. Die Orbitale der Elek-
9.1 Struktur fester Körper 705

Abb. 9.4 Einfluss der Nachbarionen auf die Bindungs-


energie bei einer Ionenbindung
Abb. 9.3 Tetraederstruktur des Diamantgitters

mit
tronen (Abschn. 8.2.4) gehen eine Hybridisie-  
rung ein und dies bewirkt eine stark gerichtete ˛ 1 1 1 1
D2  C  C
Bindung. So schließen beispielsweise die sp3 - r r 2r 3r 4r
 
Hybridorbitale des Kohlenstoffs einen Winkel 2 1 1
D 1 C  :
von 109;5ı ein, sodass sich die in Abb. 9.3 skiz- r 2 3
zierte tetraedrische Struktur des Diamantgitters
ergibt. Der Faktor 2 vor der Klammer berücksichtigt,
Die kovalente Bindung herrscht in Stoffen, die dass die Ionenkette nach beiden Seiten verläuft;
Isolatoren oder Halbleiter sind. Sie sind außeror- r ist der Abstand benachbarter Ionen im Kristall.
dentlich hart und schwer verformbar und weisen Daraus ergibt sich
einen hohen Schmelzpunkt auf.
˛ 2  ln 2 1;386
D D : (9.3)
9.1.1.3 Ionenbindung r r r
Diese Bindung beruht auf der Coulomb-
Im dreidimensionalen Fall ist die Berechnung
Kraft (4.1.1) zweier Ionen, d. h. unterschiedlich
komplizierter. Der konstante Faktor ˛ wird
geladener Atome oder Moleküle. Das Anion ist
als Madelung-Konstante bezeichnet (E. M ADE -
negativ, das Kation positiv geladen. Die Bin-
LUNG, 1881 bis 1972) und beträgt für das dreidi-
dungsenergie zweier Ionen beträgt
mensionale Kochsalzgitter (NaCl) ˛ D 1;75.
Die Ionenbindung ist typisch für Salze. Diese
Q2 1
EB D : Substanzen sind bei niedrigen Temperaturen Iso-
4 "0 r
latoren, weisen aber bei höheren Temperaturen
Im Gegensatz zur van-der-Waals’schen Bin- aufgrund der Dissoziation der Ionen eine elektro-
dungsenergie, die proportional zu 1=r 6 abnimmt, lytische Ionenleitung auf. Diese Werkstoffe sind
verringert sich die Bindungsenergie der Ionen- in der Regel hart und nur plastisch verformbar.
bindung nur mit 1=r. Die Ionenbindung hat daher
eine große Reichweite und macht die Einbezie- Beispiel 9.1-1
hung auch der weiter entfernten Nachbarn erfor- Für NaCl soll die Bindungsenergie EB für
derlich. Abb. 9.4 zeigt am Beispiel einer linearen einen Atomabstand von 2;8  1010 m berech-
Kette, wie dies bei der Errechnung der Bindungs- net werden.
energie berücksichtigt wird. Für die Bindungs-
energie gilt Lösung
Q2 ˛ Nach (9.2) ergibt sich EB D .˛e 2 /=.4 "0 r/ D
EB D (9.2) 1;44  1018 J=Ion oder 8;99 eV=Ion: Experi-
4 "0 r
706 9 Festkörperphysik

mentell wird ein Wert von 7,99 eV/Ion ge- 9.1.2 Kristalline Strukturen
funden. Dies bedeutet, dass eine abstoßende
Energie von etwa 10 % der Bindungsenergie Viele Festkörper haben eine in drei Raumrichtun-
berücksichtigt werden muss. gen regelmäßige (periodische) Atomstruktur, die
kristalline Struktur genannt wird. Manche Kris-
9.1.1.4 Metallische Bindung talle lassen diese Symmetrien mit bloßem Au-
Bei der metallischen Bindung kommt die binden- ge erkennen. Festkörper ohne regelmäßige Ato-
de Wirkung dadurch zustande, dass die von den manordnung werden amorph genannt. Zu dieser
Atomen abgegebenen äußeren Valenzelektronen Stoffgruppe gehören beispielsweise die Gläser,
energetisch mit allen positiven Atomrümpfen des die keramischen Werkstoffe und viele organi-
Kristalls wechselwirken und dadurch eine metal- sche Materialien (Kunststoffe). Bei kristallinen
lische Bindungskraft hervorrufen. Diese Bindung Strukturen sind die physikalischen Größen (z. B.
kettet die Bindungspartner nicht starr aneinan- Resistivität oder Zugfestigkeit) von der Kristall-
der. Die Bindungselektronen sind nicht lokalisiert richtung abhängig (anisotropes Verhalten), wäh-
und haben eine große Beweglichkeit (Elektronen- rend sie bei homogenen amorphen Strukturen in
gas). Deshalb haben Kristalle mit metallischen allen Richtungen gleich groß sind (isotropes Ver-
Bindungen eine gute elektrische Leitfähigkeit und halten).
Wärmeleitung. Die Bindungskräfte sind nicht so Die meisten Festkörper kristallisieren aus ih-
stark wie bei der Ionenbindung, sondern eher mit ren Schmelzen polykristallin; die kristallinen
der kovalenten Bindung vergleichbar. Da die Bin- Strukturen erstrecken sich nur über eine Grö-
dungskräfte gleichmäßig im Raum wirken, wer- ße von einigen Mikrometern. Die makroskopi-
den dichteste Kugelpackungen bevorzugt. Atome schen Eigenschaften dieser Festkörper sind iso-
mit zur metallischen Bindung geeigneter Elektro- trop. Durch Kristallziehverfahren gelingt es heu-
nenstruktur, d. h. Metalle, kommen im Wesent- te, meterlange Einkristalle mit einheitlicher Git-
lichen in der ersten, zweiten und dritten Haupt- terstruktur herzustellen, wie Abb. 9.5 zeigt. Sie
gruppe sowie in den Nebengruppen des periodi- werden bevorzugt in der Halbleiterfertigung be-
schen Systems vor. nötigt.
Weil bei der metallischen Bindung die positi-
ven Atomrümpfe nicht stark aneinander gebun- 9.1.2.1 Kristallsysteme
den sind, ist es auch leicht möglich, andere Ato- Bei einem Kristall befinden sich die Atome in
me einzuschmelzen und Legierungen herzustel- jeder Raumrichtung in gleichmäßigen Abstän-
len. Die Deformationsenergie des Kristallgitters den an den Kreuzungspunkten eines räumlichen
darf jedoch nicht größer als die Bindungsener- Gitters. Das Kristallgitter kann somit durch ein
gie der metallischen Bindung sein, weil sich sonst räumliches Koordinatensystem beschrieben wer-
die Legierungspartner entmischen. Besonders le- den, dessen kleinstes Element die Elementarzelle
gierungsgeeignete Atome sind aus diesem Grund ist.
Atome aus den benachbarten Gruppen. Im Allge- Wie Abb. 9.6 verdeutlicht, wird die Ele-
meinen brauchen Legierungen jedoch kein festes mentarzelle beschrieben durch
stöchiometrisches Atomverhältnis aufzuweisen,
um stabil zu sein.  die Atomabstände entlang der Koordinaten-
Wegen der räumlichen Isotropie der metalli- achsen (z. B. Gitterkonstante a in x-Richtung,
schen Bindung ist eine leichte Verschiebbarkeit b in y-Richtung und c in z-Richtung) so-
der Atomrümpfe innerhalb der Kristallstruktur wie
vorhanden. Metalle und Legierungen sind des-  die Winkel ˛; ˇ und zwischen den Kristall-
halb in der Regel leicht verformbar. achsen.
9.1 Struktur fester Körper 707

Abb. 9.5 Einkristalline Reinst-Silicium-Stäbe mit einem


Durchmesser von 150 mm. Werkfoto: Wacker-Chemitro-
nic

Abb. 9.7 Bravais-Gitter

Innerhalb dieser Kristallsysteme sind je nach Be-


legung mit Atomen noch vier Varianten unter-
scheidbar:

 primitive Gitter
Es sind nur die Eckpunkte der Elementarzelle
mit Atomen belegt;
 flächenzentrierte Gitter
Zusätzlich sind die Gitterflächen mit Atomen
belegt;
Abb. 9.6 Beschreibung einer Elementarzelle durch Git-
terkonstanten in den drei Raumrichtungen
 basiszentrierte Gitter
Zusätzlich sind zwei gegenüberliegende Flä-
chen mit Atomen belegt;
Man unterscheidet sieben Kristallsysteme  raumzentrierte Gitter
(Abb. 9.7) nach folgenden Kriterien: Zusätzlich befindet sich noch ein Atom im In-
nern der Zelle.
 die Gitterkonstanten sind gleich oder ungleich
und Die sieben Kristallsysteme mit ihren Varian-
ı ten ergeben die 14 Bravais-Gitter (A. B RAVAIS ,
 die Winkel zwischen den Achsen sind 90
oder haben einen anderen Betrag. 1811 bis 1863). Sie sind in Abb. 9.7 nach zu-
708 9 Festkörperphysik

Tab. 9.1 Atomare Konstanten einiger Metalle mit kubisch-flächenzentrierter und kubisch-raumzentrierter Struktur
Kubisch- Dichte % in Gitter- Abstand Kubisch- Dichte % in Gitter- Abstand
flächen- g/cm3 konstante zweier nächs- raum- g/cm3 konstante zweier nächs-
zentriert a in 1010 m ter Nachbarn zentriert a in 1010 m ter Nachbarn
in 1010 m in 1010 m
Ce 6;9 5;16 3;64 Cs 1;9 6;08 5;24
Pb 11;34 4;94 3;49 K 0;86 5;33 4;62
Ag 10;49 4;08 2;88 Ba 3;5 5;01 4;34
Au 19;32 4;07 2;88 Na 0;97 4;28 3;71
Al 2;7 4;04 2;86 Zr 6;5 3;61 3;16
Pt 21;45 3;92 2;77 Li 0;53 3;50 3;03
Cu 8;96 3;61 2;55 W 19;3 3;16 2;73
Ni 8;90 3;52 2;49 Fe 7;87 2;86 2;48

nehmender Teilchendichte geordnet zusammen-  Folge ABAB : : : über den Kugellücken der
gestellt. Ausgangslage A liegt die Kugelebene B, und
Die Kristallstrukturen ergeben sich durch die die nächste Kugelebene liegt wieder über der
Verschiebung (Translation) der Elementarzellen Ausgangslage A. Dies ist typisch für die he-
um die Gitterkonstanten in allen drei Achsen- xagonal dichteste Kugelpackung (HdP-, A3-
richtungen. Diese Gitter nennt man deshalb auch Struktur);
Translationsgitter. Die Kristallstrukturen können  Folge ABCABC : : : über den Kugellücken
durch Röntgen-, Elektronen- und Neutronenbeu- der Ausgangslage A liegt die Kugelebe-
gung genau bestimmt werden (Röntgenanalyse, ne B, darauf folgt über den entstandenen
Abschn. 6.4.1.14). Kugellücken die Kugelebene C, bis sich
Bei den Metallen spielen wegen der isotropen die Kugelschichtung wiederholt. Dies
Bindungswirkung (Abschn. 9.1.1.4) nur drei Git- ist typisch für die kubisch-flächenzen-
tertypen eine wesentliche Rolle: trierte Struktur (Kfz-, A1-Struktur).

 die kubisch-flächenzentrierte Struktur (Kfz- In beiden Fällen beträgt das Kugelvolumen


oder A1-Struktur), 74 % des Volumens der Elementarzelle. Für das
 die kubisch-raumzentrierte Struktur (Krz- kubisch-raumzentrierte Gitter (Krz, A2) ergibt
oder A2-Struktur) und sich noch eine Packungsdichte von 68 %. In
 die hexagonal dichteste Kugelpackung (HdP- Abb. 9.8 sind die Eigenschaften der drei Gitter-
oder A3-Struktur). typen dichtester Kugelpackungen gegenüberge-
stellt.
In Tab. 9.1 sind für einige Metalle mit kubisch- Um die Atomanzahl je Elementarzelle fest-
flächenzentrierter oder kubisch-raumzentrierter stellen zu können, muss bedacht werden, dass bei
Kristallstruktur die Dichte, die Gitterkonstante einer kubischen Elementarzelle die Eckatome zu
und der Abstand zweier nächster Nachbarn an- 8 Zellen, die flächenzentrierten Atome zu 2 Zel-
gegeben. len und die raumzentrierten Atome zu 1 Zelle
gehören. Es befinden sich also in der kubisch-
9.1.2.2 Dichteste Kugelpackungen flächenzentrierten Elementarzelle 8  1=8 C 6 
Die Atome, idealisiert dargestellt als Kugeln, 1=2 D 4 Atome. Entsprechende Berechnungen
liegen besonders dicht beieinander, wenn auf- ergeben für die HdP- bzw. Krz-Struktur 2 Atome
einander folgende Kugelebenen die Lücken der je Elementarzelle.
Ausgangsebene besetzen. Es gibt zwei Möglich- Die Koordinationszahl gibt die Anzahl der
keiten, diese dichteste Kugelpackung zu verwirk- nächsten Nachbarn an. Sie beträgt bei der Kfz- und
lichen: der HdP-Struktur 12 und bei der Krz-Struktur 8.
9.1 Struktur fester Körper 709

Abb. 9.9 Indizierung von Kristallrichtungen und Kristal-


lebenen

Die reziproken Werte sind h D 2, k D 1 und l D


3. Dies sind die Miller’schen Indizes der Ebene
(213). Alle dazu parallelen Ebenen sind kristallo-
Abb. 9.8 Gittertypen dichtester Kugelpackung grafisch gleichwertig, z. B. (213) und (426).
Die Kristallrichtung steht immer senkrecht zur
Kristallebene. Die Indizierung der Richtung setzt
9.1.2.3 Richtungen und Ebenen im man in eckige Klammern, also [213]. Das Werte-
Kristallgitter tripel ist die Gruppe kleinster ganzer Zahlen, die
Weil viele physikalische Eigenschaften in Kris- sich untereinander verhalten wie die Komponen-
tallen richtungsabhängig sind, müssen Kristall- ten des Richtungsvektors (Abb. 9.9). Abb. 9.10
richtungen und atombesetzte Ebenen (Netze- zeigt die Indizierung der wichtigsten Ebenen und
benen) gekennzeichnet werden. Dies geschieht Richtungen in kubischen Kristallen.
durch Miller’sche Indizes (W. H. M ILLER, 1801
bis 1880).
Für die Indizierung wird ein Koordinaten- 9.1.3 Gitterfehler
system gewählt, dessen Achsen parallel zu den
Kanten der Elementarzelle des Gitters sind. Die Der periodisch regelmäßige Kristallaufbau kann
Koordinatensysteme sind deshalb für kubische, Fehler aufweisen (Gitterfehler), die zu veränder-
tetragonale, orthorhombische und hexagonale ten Materialeigenschaften führen können. Durch
Kristallsysteme rechtwinklig. Weil die Kristall- den Einbau von Gitterfehlern können deshalb ge-
ebenen die Kristallachsen immer im Verhältnis zielt Werkstoffeigenschaften eingestellt werden,
ganzer Zahlen (bezogen auf die Gitterkonstanten) z. B. eine hohe Zugfestigkeit oder ein bestimmter
schneiden, kann eine Ebene in einem dreiachsi- Verformungsgrad oder elektrische Eigenschaf-
gen Koordinatensystem durch ein Zahlentripel h, ten (Halbleiter). Abb. 9.11 zeigt die Einteilung
k und l indiziert werden. Die Ebenenkennzeich- der Gitterfehler. Die Modellvorstellungen von
nung wird in runde Klammern gesetzt .h; k; l/. Kristallgitterfehlern werden durch elektronen-
Als Bezugsgrößen dienen also die Gitterkon- mikroskopische Beobachtungen analoger Fehler
stanten in x-, y- und z-Richtung (a; b und c). bei Flussliniengittern in Supraleitern bestätigt
Abb. 9.9 zeigt die Vorgehensweise. Die Ebene (Abschn. 9.2.4). Die Fotos stammen von einer
durch die Punkte A, B und C hat folgende Ach- Pb/6,3 %In-Folie der Dicke 1 m bei T D 2;1 K
senabschnitte: x D a=2, y D b und z D c=3. und Ba D 7  103 T. Außerdem zeigt eine elek-
710 9 Festkörperphysik

 Fremdstörstellen
Fremde Atome befinden sich im Atomgit-
ter entweder an einem regulären Atomplatz
(Substitutionsatome) oder zwischen den Git-
terplätzen (Einlagerungsatome oder interstiti-
elle Atome).

Punktfehler wirken sich auf die spezifische


Wärmekapazität und die elektrischen Eigen-
schaften aus. Von besonderer Bedeutung sind bei
Halbleitern die Fremdstörstellen der Dotierung.

9.1.3.2 Linienfehler
Die Linienfehler werden Versetzungen genannt.
Bei Stufenversetzungen enden Gitterebenen wie
Keile im Kristall. Die Gleitrichtung ist senkrecht
zur Versetzungslinie (Symbol ?). Bei Schrau-
benversetzungen ist das Kristallgitter parallel zur
Versetzungslinie um eine Netzebene (Abstand
des Burgers-Vektors b) versetzt. Schraubenver-
setzungen lassen sich modellhaft so vorstellen,
dass das Kristallgitter zur Hälfte aufgeschnitten
wird und die Schnittkanten z. B. um eine Gitter-
konstante verschoben werden. Im realen Kristall
liegen die Versetzungen sowohl als Stufen- als
auch als Schraubenversetzungen vor (gemisch-
Abb. 9.10 Miller’sche Indizes für Ebenen und Richtun-
gen in kubischen Kristallen te Versetzungen). Die Versetzungsdichte wird in
Länge je Volumen (cm/cm3 ) angegeben. Sie liegt
für weichgeglühte Metalle beispielsweise zwi-
tronenmikroskopische Aufnahme Versetzungsli- schen 106 cm2 und 108 cm2 und kann durch
nien in Kupfer-Einkristallen. Schmieden auf 1011 cm2 bis 1012 cm2 gestei-
gert werden.
9.1.3.1 Punktfehler Durch Versetzungen können Kristallebenen
Man unterscheidet folgende Punktfehler: leichter gegeneinander verschoben werden. Dies
wird deutlich, wenn eine Stufenversetzung mit
 Leerstellen einer Falte im Teppich verglichen wird. Durch
Es fehlen Atome auf den Gitterplätzen die Wanderung der Teppichfalte (der Stufen-
(Schottky-Fehlordnung); versetzung) wird der Teppich verschoben (der
 Zwischengitteratome Kristall verformt). Diese Verschiebung des Tep-
Es befinden sich zusätzliche Atome im Git- pichs (plastische Verformung des Kristalls) durch
ter zwischen den Atomen (Anti-Schottky- Wanderung der Falte (der Versetzung) ist mit
Fehlordnung); viel geringerem Kraftaufwand möglich als die
 Frenkel-Paare Verschiebung des ganzen Teppichs (der ganzen
Es fehlen Atome auf den Gitterplätzen (Leer- Netzebene). Die äußere Spannung, die zur Ver-
stellen) und es befinden sich zusätzliche Ato- schiebung einer Versetzung notwendig ist, liegt
me auf Zwischengitterplätzen; zwischen 0;1 N=m2 und 1 N=m2 .
9.1 Struktur fester Körper
711

Abb. 9.11 Gitterfehler (Fotos: Flussliniengitter in Supraleitern nach Eßmann und Träuble)
712 9 Festkörperphysik

9.1.3.3 Flächenfehler Tab. 9.2 Amorphe Werkstoffe und ihre Eigenschaften


Hierbei handelt es sich um Fehler in den Grenz- Zusammensetzung (Atom- Eigenschaften
flächen der Kristallbereiche. Stapelfehler tre- prozent)
ten bei den dichtesten Kugelpackungen (Ab- Eisen-Legierungen Fe(80) hohe Permeabilitätszahl
schn. 9.1.2.2) auf, wenn entweder zusätzliche mit C, Si, B(20) z. B. r > 5  105
Fe82 B18
Stapelebenen eingefügt oder entfernt werden. Eisen-Nickel-Legierungen kleine Koerzitivfeldstärke
Korngrenzen sind die Grenzflächen zwischen Fe(40) und Ni(40) mit Hc  1 A=m
Kristalliten, d. h. verschieden orientierten Kris- Si oder B(20) z. B.
tallbereichen. Sie sind etwa 10 m bis 100 m Fe40 Ni40 B20
groß und vor allem bei Vielkristallen (Polykris- Kobalt-Nickel-Eisen-
Legierungen Co, Ni,
tallen) gut zu erkennen. Fe(75) mit Si oder B(25)
z. B. Co50 Ni20 Fe6 Si12 B12
Fe32 Ni36 Cr14 P12 B6 sehr hart und korrosions-
9.1.4 Amorphe Werkstoffe beständig
Ti50 Be40 Zr10 hohe Festigkeit bei gerin-
Im Gegensatz zu kristallinen Festkörpern sind ger Dichte (4;13 g=cm3 )
in amorphen Festkörpern die einzelnen Atome
weitgehend unregelmäßig angeordnet. Daraus er-
geben sich eine Vielzahl spezieller Werkstoff- Dadurch ist die für Metalle typische dichtes-
eigenschaften. Im Folgenden ist die technisch te Raumausfüllung nicht möglich. In Tab. 9.2
bedeutsame Werkstoffgruppe der amorphen Le- sind einige amorphe Legierungen und ihre Eigen-
gierungen beschrieben. schaften wiedergegeben.
Kühlt man eine Legierung mit einer Abkühl- Amorphe Legierungen zeigen eine einzigarti-
geschwindigkeit von mehr als 106 K=s ab, friert ge Kombination von Festigkeit und Verformbar-
die weitgehend ungeordnete amorphe Struktur keit. Es gibt metallische Gläser, deren Bruchgren-
der flüssigen Phase ein, und die Kristallisation ze dreimal größer ist als diejenige von rostfreiem
unterbleibt. Dies wird durch das Schmelzspinn- Stahl; hierbei ist die Ermüdungsfestigkeit ver-
verfahren erreicht, bei dem die flüssige Schmelze gleichbar mit hochwertigen Stählen. Wegen der
auf eine schnell rotierende (Umfangsgeschwin- amorphen Struktur ist eine Verformbarkeit des
digkeit 10 m=s bis 50 m=s), sehr gut wärmelei- Materials durch Wanderung von Versetzungen
tende Trommel gespritzt wird und dort zu einem nicht möglich. Bei Zugbeanspruchung bricht die
dünnen Band erstarrt. Dieses Verfahren erlaubt Probe so, dass die Bruchfläche unter 45ı zur
die kontinuierliche Herstellung von Bändern mit Zugrichtung verläuft. In der Bruchebene sind
einer Dicke von 20 m bis 50 m und Bandbrei- Risse erkennbar, die, wie Abb. 9.12 zeigt, unter
ten von 1 mm bis 50 mm. dem Elektronenmikroskop erhaben wie Blutge-
Die amorphen Legierungen werden auch me- fäße aussehen und dem Bruchverhalten von Fet-
tallische Gläser genannt. Sie haben nämlich ei- ten ähnlich sind.
nerseits die Eigenschaften von Metallen (z. B. Die amorphen Legierungen sind wie die Glä-
elastisch bei hoher mechanischer Spannung, ma- ser extrem korrosionsbeständig. Dennoch ist eine
gnetisch weich, gut wärme- und stromleitend) Behandlung der Oberfläche durch galvanische
und andererseits die Eigenschaften von Gläsern Überzüge oder durch Elektropolieren wie bei
(z. B. mechanisch hart und sehr korrosionsbestän- Metallen möglich.
dig). Während Metalle eine kubische oder hexa- Die elektrischen und magnetischen Eigen-
gonale Elementarzelle aufweisen, ist bei Gläsern schaften sind ebenfalls bemerkenswert. Die Re-
das in der Zellmitte befindliche Atomvolumen et- sistivität metallischer Gläser auf Fe-Ni- oder
was kleiner als bei der hexagonalen Anordnung, Co-Ni-Fe-Basis liegt zwischen 1;2 . mm2 /=m
sodass eine fünfzählige Symmetrie entsteht, die und 1;5 . mm2 /=m und ist vergleichbar mit
auch bei metallischen Gläsern beobachtet wird. Edelstahl (1;12 . mm2 /=m). In der Regel ist
9.1 Struktur fester Körper 713

Abb. 9.12 Bruchflächen von amorphem Band (Vergröße-


rung 1800:1). Werkfoto: VAC Abb. 9.13 Makromolekulare Festkörper

die Resistivität zwei- bis dreimal größer als bei 9.1.5 Makromolekulare Festkörper
vergleichbaren kristallinen Metallen. Der Tem-
Aus sehr langen Molekülen aufgebaute Fest-
peraturkoeffizient der Resistivität ist sehr klein
und liegt im Bereich von 100  106 K1 bis körper sind makromolekulare Festkörper. Die
500  106 K1 . Es sind amorphe Legierungen mit einzelnen Bausteine werden durch die ko-
einem Temperaturkoeffizienten von ungefähr null valente oder homöopolare Elektronenpaarbin-
herstellbar. dung zusammengehalten (Abschn. 9.1.1.2). Wie
Ausgangsmetalle für magnetische Anwendun- Abb. 9.13 zeigt, sind makromolekulare Fest-
gen sind die klassischen magnetischen Metalle körper Riesenmoleküle aus vielen Einzelatomen
Fe, Co und Ni. Durch kristallisationshemmende (z. B. Fullerene, C60 , C70 ) vielen einzelnen Mole-
Zusätze von Al, B, C, P und Si in der Größenord- külen (Monomeren) zusammengesetzt. Der ma-
nung von 15 bis 25 Atomprozent wird der amor- kromolekulare Festkörper kann amorph, teil-
phe Zustand erreicht (Tab. 9.2). Die amorphen kristallin oder kristallin sein. Es treten Faden-,
Legierungen zeigen eine extrem hohe Permea- Schicht- und Raumnetzstrukturen auf. Kristalline
bilitätszahl .r  500:000/, eine kleine Koer- Fadenstrukturen sind bei den Elementen Schwe-
zitivfeldstärke .Hc  1 A=m/ und sehr geringe fel (S), Selen (Se) und Tellur (Te) zu finden.
Ummagnetisierungsverluste (z. B. 10 W=kg bei Kristalline Schichtstrukturen sind typisch für
0;2 T und 20 kHz). Somit gehören sie zu den bes- die Elemente der Fünfergruppe des periodischen
ten weichmagnetischen Materialien (Abb. 4.121) Systems, wie z. B. Phosphor (P), Arsen (As),
und werden verwendet als Antimon (Sb) und Wismut (Bi) sowie Kohlen-
stoff (C) in der Graphitstruktur. Die wichtigste
 Transformatorenbleche, Werkstoffgruppe sind die hochpolymeren organi-
 magnetische Abschirmungen, schen Werkstoffe, die als Polymerwerkstoffe oder
 hartes Tonkopfmaterial, das zugleich schnell Kunststoffe bekannt sind.
ummagnetisierbar ist,
 magnetische Speicher aufgrund der schnellen 9.1.5.1 Struktur und Eigenschaften
und verlustfreien Ummagnetisierung und als der Polymerwerkstoffe
 Federn und Spannbänder zur Verstärkung von Die Polymerwerkstoffe entstehen durch chemi-
Kunststoff und Gummi (z. B. Autoreifen). sche Reaktion (Polymerisieren) der Monome-
714 9 Festkörperphysik

Tab. 9.3 zeigt die Einteilung der Polymerwerk-


stoffe in Thermoplaste, Elastomere und Duro-
mere (Duroplaste) sowie die wichtigsten Eigen-
schaften. Thermoplaste sind schmelzbar, quell-
bar, löslich, schon mit geringem Energieeinsatz
(ab 200 ı C) wiederverwendbar und deshalb um-
weltfreundlich. Thermoplaste sind die gebräuch-
lichsten Polymerwerkstoffe. Unter den vielen
Sorten bestreiten drei Werkstoffe zwei Drittel der
Produktion aller Polymerwerkstoffe: die Mas-
senkunststoffe Polyethylen (PE), Polyvinylchlorid
(PVC) und Polystyrol (PS). Unter den Thermo-
plasten befinden sich auch Kunststoff-Fasern, die
z. B. unter den Markennamen Nylon, Trevira und
Abb. 9.14 Polymerisation von Polyethylen Dralon bekannt sind.
Zu den Elastomeren werden nicht schmelz-
bare, nicht lösliche, aber quellbare Polymer-
ren zu Makromolekülen. Abb. 9.14 zeigt dies werkstoffe gerechnet. Sie sind weitmaschig ver-
am Beispiel von Polyethylen (PE). Durch Öff- netzt und zeigen elastisches Verhalten. Die Ver-
nen der Kohlenstoff-Doppelbindungen des Mo- netzung wird „Vulkanisieren“ genannt. Sie ge-
nomers C2 H4 kommt es zur Polymerisation: schieht nach oder während der Formgebung. Zu
Es entsteht das Makromolekül .CH2 /n . Solche den Elastomeren zählen die künstlichen Gum-
Makromoleküle können linear oder kettenför- miwerkstoffe (Kunstkautschuk, z. B. Buna, Neo-
mig, verzweigt oder vernetzt sein (weitmaschig pren) und Polyurethan (z. B. Bayflex, Elastolan).
oder engmaschig); ihre Ordnung kann statis- Die Duromere sind im Gegensatz zu den Elas-
tisch (Knäuelstruktur) oder parakristallin gerich- tomeren hart, nicht schmelzbar, nicht quellbar,
tet sein. unlöslich und wie die Elastomere nicht umwelt-
Die Länge der Makromoleküle liegt zwischen freundlich, da sie nicht wiederverwendbar sind.
106 mm und 103 mm, und die Kettendicke be- Man kann sie jedoch über die Verschwelung (Py-
trägt etwa 2  107 mm bis 3  107 mm. Da die rolyse) zur Energieerzeugung heranziehen.
Länge eines Makromoleküls nicht direkt zugäng- Zu ihnen zählen beispielsweise die Bakeli-
lich ist, wird als Ersatzgröße die mittlere relative te, Formaldehydharze und Expoxidharze (EP).
Molekülmasse .Mr D mM =u/ verwendet. Sie be- Epoxidharze werden auch faserverstärkt als spe-
trägt bei den Polymerwerkstoffen einige Tausend zielle Hochleistungswerkstoffe eingesetzt, z. B.
bis zu 7 Millionen. Die mittlere Molekülmasse ist zur Herstellung der Rotorblätter für Hubschrau-
ein Maß für die Viskosität des Werkstoffs. Eine ber und von ähnlich hochbeanspruchten Teilen.
große Molekülmasse bedingt eine große Viskosi-
tät und umgekehrt. 9.1.5.2 Spezielle Eigenschaften
Für das Werkstoffverhalten ist auch die Streu- der Polymerwerkstoffe
breite der Molekülmasse (Molekülmassenvertei- Die Eigenschaften der Polymerwerkstoffe sind
lung) maßgebend. Besteht beispielsweise ein Po- sehr stark abhängig von der Temperatur, der Zeit,
lymerwerkstoff nur aus Makromolekülen glei- der Höhe und der Art der Beanspruchung. Zu-
cher Länge, so zeigt er bei einer bestimmten dem werden diese Werkstoffe von der Umgebung
Temperatur ein plötzliches Aufschmelzverhalten; beeinflusst, z. B. von Lösungsmitteln und der UV-
besteht er dagegen aus unterschiedlich langen Strahlung.
Makromolekülen, dann zeigt er einen weiten Er- Aus der Vielzahl der Eigenschaften sei im
weichungsbereich. Folgenden das mechanische Verformungsverhal-
9.1 Struktur fester Körper 715

Tab. 9.3 Kunststoffe (Polymerwerkstoffe)


Charakterisitik Polymerwerkstoff
Thermoplaste Elastomere Duromere
Schmelzverhalten schmelzbar nicht schmelzbar nicht schmelzbar
Quellverhalten quellbar quellbar nicht quellbar
Löslichkeit löslich nicht löslich nicht löslich
Struktur Molekülknäuel, unvernetzt, weitmaschig vernetzt, engmaschig vernetzt
amorph, teilkristallin amorph, teilkristallin
Umweltfreundlichkeit wiederverwendbar (200 ı C) nicht wiederverwendbar (pyrolysierbar)
Verarbeitung alle Verfahren alle Verfahren, Formge- Pressen, Spritzgießen,
bung vor oder während der Formgebung während der
Vernetzung („Vulkanisie- Vernetzung („Härtung“)
ren“)
Beispiele Polyethylen (PE), Buna, Kautschuk, Phenolformaldehyd,
Polyvinylchlorid (PVC), Silicon Rubber (SIR), Melaminformaldehyd,
Polystyrol (PS), Polychloropren (CR), Harnstoffformaldehyd, (un-
Polyamid (Nylon, Perlon), Neopren gesättigter Polyester, UP),
Polyester (Trevira, PET), Epoxidharz (EP)
Polyacrylnitril (Dralon),
Polycarbonat (Macrolon)

Abb. 9.15 Spannungs-Dehnungs-Diagramme von Polystyrol: a bei verschiedenen Dehngeschwindigkeiten und b bei
verschiedenen Prüftemperaturen

ten ausgewählt. Abb. 9.15a zeigt Spannungs- für Polymerwerkstoffe die alleinige Angabe von
Dehnungs-Kurven von Polystyrol in Abhän- Werkstoffkennwerten (z. B. Zugfestigkeit) nicht
gigkeit von der Beanspruchungsgeschwindigkeit ausreicht. Es ist vielmehr notwendig, die entspre-
und Abb. 9.15b in Abhängigkeit von der Tem- chende Temperatur und die Belastungsgeschwin-
peratur. Bei hoher Belastungsgeschwindigkeit digkeit mit anzugeben.
(500 mm/s) und tiefer Temperatur (40 ı C) zeigt Die Werkstoffkennwerte von Kunststoffen
Polystyrol ein relativ sprödes Verhalten, weil (z. B. Zugfestigkeit) bleiben nicht konstant,
die Umlagerung der Makromoleküle verhindert sondern ändern sich mit der Belastungsdau-
wird. Bei geringer Belastungsgeschwindigkeit er (Kriechverhalten). Deshalb ist die Kenntnis
(0,1 mm/s) und hoher Temperatur (80 ı C) sind des Zeitstandsverhaltens von Polymerwerkstof-
Umlagerungen möglich, sodass zähes Verhal- fen wichtig. Abb. 9.16 zeigt für einige Poly-
ten auftritt. Abb. 9.15 soll verdeutlichen, dass merwerkstoffe die Zugfestigkeit in Abhängigkeit
716 9 Festkörperphysik

Abb. 9.16 Einfluss der Temperatur auf die Zugfestigkeit


einiger Kunststoffe

von der Temperatur: Die Zugfestigkeit nimmt mit Abb. 9.17 Verformungsverhalten von Kunststoffen
steigender Temperatur beträchtlich ab.
Eine weitere Besonderheit von Polymer-
werkstoffen ist der Abbau der Zugfestigkeit mender Belastungsgeschwindigkeit "P D d"=dt
bei UV-Einstrahlung. Nur Polytetrafluorethy- an (Abb. 9.15a). Das visko-elastische Verhalten
len (PTFE) weist keine UV-Abhängigkeit der (relaxierendes Verhalten) wird durch das Voigt-
Zugfestigkeit auf. Alle anderen Kunststoffe Kelvin-Modell erklärt. So werden die Gummi-
können durch Zusatz von Stabilisatoren weitge- elastizität von Kautschuk und Relaxationsvor-
hend UV-beständig gemacht werden. gänge (z. B. Kriechen) verständlich.
Das Verformungsverhalten kann durch ei- Das Vier-Parameter-Modell von H. B URGER
ne Kombination des elastischen Verhaltens (Fe- gestattet die Beschreibung des Verformungsver-
der nach Hooke) mit einem viskosen Verhalten haltens eines Polymerwerkstoffs. Die Gesamt-
(Dämpfungsglied nach Newton) modellhaft er- dehnung "ges ist die Summe aus der elastischen
klärt werden (Rheologie). Abb. 9.17 zeigt die un- Dehnung "el , der Relaxationsdehnung "r und der
terschiedlichen Modelle und das zugehörige Deh- viskosen Dehnung "v . Mit den entsprechenden
nungsverhalten. Das Maxwell-Modell beschreibt Ausdrücken ergibt sich die zeitabhängige Deh-
das elastisch-viskose Verhalten: nung:
P   
"P D "Pel C "Pv D C : (9.4) 1 t 1   t
E0 0 "ges .t/ D C C 1e
E0 0 Er
Hierin ist "el der elastische Dehnungsanteil, E0  0 u.t/ : (9.5)
der Elastizitätsmodul für den elastischen Be-
reich und 0 die statische Viskosität. Dem-  D r =Er ist die Relaxationszeit, wobei Er der
nach steigt die Zugspannung ges mit zuneh- Elastizitätsmodul, r die dynamische Viskosität
9.1 Struktur fester Körper 717

Abb. 9.18 Einteilung der Verbundwerkstoffe

im Relaxationszustand und u.t/ eine Sprung-  Metalle und Polymere,


funktion ist.  Metalle und Keramik sowie
 Polymere und Keramik.

9.1.6 Ausgewählte Werkstoffe Kombinationen aus gleichartigen Werkstoffgrup-


pen bezeichnet man als Stoffverbunde (z. B. koh-
9.1.6.1 Verbundwerkstoffe lenstofffaserverstärkter Kohlenstoff, SiC-Faser in
Werden verschiedene Werkstoffe zu einem Ver- SiC). Abb. 9.18 vermittelt einen Überblick über
bundwerkstoff vereinigt, dann lassen sich die die Verbundwerkstoffe, ihre Einteilung und An-
unterschiedlichen Eigenschaften der beteiligtenwendungsbereiche sowie ihre Herstellungsver-
Werkstoffe kombinieren. Beispielsweise zeigt fahren. Nach der räumlichen Anordnung der
stahlfaserverstärktes Kupfer sowohl eine hohe Komponenten lassen sich die Verbundwerkstoffe
Festigkeit (Stahl) als auch eine gute elektrische
in vier Gruppen einteilen:
Leitfähigkeit (Kupfer). Häufig werden folgende
Werkstoffgruppen zu Verbundwerkstoffen kom-  Schichtverbundwerkstoffe
biniert: (schichtförmiger Aufbau der Komponenten),
718 9 Festkörperphysik

 Teilchenverbundwerkstoffe
(in einer Matrix eingebettete kleine Teilchen),
 Durchdringungsverbundwerkstoffe
(zusammenhängende Gerüste der beteiligten
Komponenten, z. B. Tränklegierungen),
 Faserverbundwerkstoffe
(in einer homogenen Grundmasse eingebettete
Fasern).

Schichtverbundwerkstoffe
Aus der Vielzahl der Schichtverbundwerkstof-
fe seien nur einige wichtige Anwendungsfälle
genannt. Für Schichtverbundwerkstoffe in der
Elektro- bzw. Wärmetechnik ist die elektrische
Leitfähigkeit bzw. die Wärmeleitfähigkeit von
Bedeutung. Die elektrische Leitfähigkeit ist stark
richtungsabhängig. Senkrecht zu den Schichten
sind die Widerstände der Einzelschichten in Rei-
he und parallel zu den Schichten parallel ge-
schaltet. Analoges gilt für die Wärmeleitfähig-
keit.
Kontaktbimetalle bestehen aus einem Kontakt-
träger aus einem Unedelmetall (z. B. Cu) und Abb. 9.19 Kontaktverbundwerkstoff AgCdO10/AgCd/
Cu (Vergrößerung 126:1). Werkfoto: RAU
einem an geeigneter Stelle aufgebrachten Kon-
taktwerkstoff aus Edelmetall (z. B. Ag, Au). Der
Kontaktträgerwerkstoff soll eine gute elektrische
Thermobimetalle finden in folgenden Gebieten
und thermische Leitfähigkeit, gute Festigkeits-
Anwendung:
und Federeigenschaften, hohe Erweichungs- und
Dauerverwendungstemperaturen sowie gute Ver-  Messtechnik
arbeitungseigenschaften aufweisen. Die wich- (z. B. als Thermometer oder Temperatur-
tigsten Trägerwerkstoffe sind Kupferlegierun- schreiber),
gen (z. B. Messing und Zinnbronze). Der Kon-  Elektrotechnik
taktwerkstoff soll einen niedrigen, vor allem (z. B. als Schutzschalter oder als Regler im
aber konstanten Übergangswiderstand aufweisen. Bügeleisen),
Diese Forderung wird nur von Werkstoffen auf  Energietechnik
Edelmetallbasis erfüllt. Vielfach sind die Kon- (z. B. als Temperaturregler im Warmwasser-
taktwerkstoffe selbst wiederum Verbundwerk- mischer),
stoffe (Teilchen-, Durchdringungs- oder Faser-  Automobilbau
verbundwerkstoffe), so z. B. Ag/CdO. Abb. 9.19 (z. B. als Kühlwasser- oder Lichtmaschinen-
zeigt das Gefüge des dreifachen Kontaktverbund- regler).
werkstoffes Silber/Cadmiumoxid (AgCdO10) in
der Folge AgCdO10/AgCd/Cu. Teilchenverbundwerkstoffe
Thermobimetalle bestehen aus zwei Werkstof- Bei den Teilchenverbundwerkstoffen werden un-
fen unterschiedlicher Wärmeausdehnung. Die lösliche metallische oder nichtmetallische Teil-
Komponente mit der kleineren Wärmeausdeh- chen in eine metallische oder nichtmetallische
nung (˛ 5 5  106 K1 ) wird passive Kompo- Matrix eingebettet. Sind es harte Teilchen (z. B.
nente, die mit der größeren Wärmeausdehnung Carbide, Oxide oder Silicide) in einer wei-
(˛ = 15  106 K1 ) aktive Komponente genannt. chen Matrix, so tritt wegen der Behinderung
9.1 Struktur fester Körper 719

Abb. 9.21 Metallische Kugeln in einer Kunststoffmatrix


(Kugeldurchmesser etwa 50 m). Werkfoto: RAU

Abb. 9.20 Inneroxidierter Mehrschichtverbundwerkstoff


AgCdO10 (Vergrößerung 120:1). Werkfoto: RAU

von Versetzungswanderungen eine Festigkeitszu-


nahme ein (Dispersionshärtung). Für elektrische
Kontakte benutzt man einen Silber-Cadmium-
Verbundwerkstoff. Abb. 9.20 zeigt das Schliffbild
des Teilchenverbundwerkstoffs AgCdO10, her-
gestellt durch innere Oxidation.
Wegen der guten Hochtemperatureigenschaf-
ten finden disperionsgehärtete Legierungen An-
wendung beim Herstellen von Turbinenschau-
feln oder bei Geräten in der Glasherstellung.
Abb. 9.22 a Druckfühler mit leitfähigem Kunststoff,
Mit Kunststoff-Metall-Verbundwerkstoffen kön- schematisch, und b lokalisierte Leitfähigkeit in leitfähi-
nen leitende Elastomere hergestellt werden: gem Kunststoff (nach RAU)
Man bettet metallisch leitende Kohlenstoff-
oder Silberkugeln (etwa 50 m Durchmesser)
in Silikonkautschuk, Polyurethan oder Neopren. möglich, auf einer Fläche von 1 cm2 etwa 50 un-
Abb. 9.21 zeigt einen vergrößerten Ausschnitt. abhängige Schalter unterzubringen.
Sehr wichtige Anwendungen sind Druckfühler
und Bauelemente mit lokaler Leitfähigkeit ge- Durchdringungsverbundwerkstoffe
mäß Abb. 9.22a, z. B. für Folientastaturen. Wird Diese Werkstoffgruppe wird bei Hochleistungs-
der Druck auf einen solchen Verbundwerkstoff kontakten eingesetzt. Die hochschmelzende
größer, dann vergrößern sich auch die metal- Komponente ist beispielsweise ein Wolframge-
lischen Berührungsflächen. Abb. 9.23 zeigt die rüst, das mit Kupfer oder Silber getränkt ist. Die
Druckabhängigkeit des elektrischen Widerstands. Verdampfung des niedrig schmelzenden Kupfers
Bei der lokalisierten Leitfähigkeit (Abb. 9.22b) kühlt das höher schmelzende Wolframgerüst,
erzeugt man nur an der Stelle des Drucks ei- sodass dieser Durchdringungsverbundwerkstoff
ne Leitfähigkeit des Materials. Zur Zeit ist es sogar abbrandfester ist als reines Wolfram. Als
720 9 Festkörperphysik

lagerung der Fasern und ausreichender Bindung


zwischen Faser und Matrix gilt, dass die Dehnung
der Faser und der Matrix gleich ist. Dann ist die
Gesamtspannung des Verbundwerkstoffes gleich
der Summe aus den Spannungen der Matrix und
der Faser:

ges D m Vm C f Vf :

Die Größe m bzw. f ist die Spannung der Matrix


bzw. der Faser und Vm bzw. Vf der Volumenanteil
der Matrix bzw. der Faser. Auf diese Weise ist
es möglich, die Spannungs-Dehnungs-Kurve des
Faserverbundwerkstoffes aus den entsprechen-
den Kurven des Faser- bzw. des Matrixmaterials
zusammenzusetzen. Analog gilt für den Elastizi-
tätsmodul
Abb. 9.23 Druckabhängigkeit des elektrischen Wider-
standes eines leitfähigen Kunststoffes Eges D Em Vm C Ef Vf :

Die höchsten Zugfestigkeitswerte (etwa


Schweißelektrode findet Wolfram getränkt mit 30:000 N=mm2) werden von einkristallinen
Thoriumoxid oder anderen Oxiden Einsatz. Für Fasern (Whiskers) erreicht. Abb. 9.24 zeigt
wartungsfreie Gleitlager verwendet man poröse Saphir-Whiskers vergrößert. Ein wichtiges Ein-
Sinterwerkstoffe (z. B. PbSn 10), die mit Öl oder satzfeld von Faserverbundwerkstoffen ist der
einem anderen Gleitmittel getränkt sind. Sind die Leichtbau in Fahr- und Flugzeugen, wo eine
Geschwindigkeiten nicht allzu groß, so reicht das große Festigkeit und Steifigkeit bei geringem
in den Poren befindliche Gleitmittel zur Schmie- Gewicht gefordert werden. Zur Anwendung kom-
rung aus. men z. B. Aluminiumlegierungen mit Bor-, SiC-
oder C-Fasern.
Faserverbundwerkstoffe Ein kostengünstiger Faserverbundwerkstoff
Dies sind Werkstoffe, bei denen kontinuierliche für elektrische Kontakte ist der Silber-Nickel-
(Endlosfasern) oder diskontinuierliche (Kurzfa- bzw. der Silber-Kohlenstoff-Faserverbundwerk-
sern) metallische oder nichtmetallische Fasern stoff, dargestellt in Abb. 9.25. Dieser Werkstoff
in eine metallische oder nichtmetallische Ma- wird durch Bündeln von Manteldrähten herge-
trix eingebettet sind. Die faserverstärkten Po- stellt. Durch die Anzahl der Manteldrähte und die
lymerwerkstoffe sind in Abschn. 9.1.5 und die Bündelungsvorgänge können die erforderlichen
Filament-Supraleiter in Abschn. 9.2.4 beschrie- Faserdurchmesser eingestellt werden (zwischen
ben. Die Fasern können vorgefertigt sein oder 5  108 m und 104 m). Aus solchen Verbund-
während der Herstellung des Verbundwerkstoffs werkstoffen stellt man Kontaktteile nach kon-
entstehen (z. B. thermisch durch gerichtete eu- ventionellen Herstellungsverfahren, z. B. durch
tektische Erstarrung oder mechanisch durch Stre- Pressen, Walzen und Löten, her.
cken von Teilchen beim Strangpressen).
Die festigkeitssteigernde Wirkung der Faser- 9.1.6.2 Formgedächtnis-Legierungen
verbundwerkstoffe beruht nur bedingt auf der Be- Formgedächtnis-Legierungen (Memory-Legie-
hinderung von Versetzungsbewegungen. In grö- rungen) zeigen eine temperaturabhängige
ßerem Maß wird die Fähigkeit der hochfesten Formänderung. Dieser Formgedächtnis-Effekt
Fasern, einen Teil der Kräfte bzw. Spannungen beruht auf einer martensitischen Phasenumwand-
zu übernehmen, ausgenutzt. Bei paralleler Ein- lung zwischen den geordneten Gitterstrukturen
9.1 Struktur fester Körper 721

gedächtnis-Effekt noch weitere Sondereigen-


schaften, wie z. B. hohes Dämpfungsvermögen
und superelastisches Verhalten. In Abb. 9.26 sind
die drei möglichen Arten des Formgedächtnis-
Effektes zusammengestellt:

 Einwegeffekt
Martensitisches Ausgangsmaterial wird re-
versibel verformt, z. B. durch Verschieben
von Zwillingsgrenzen. Nach der Erwärmung
über die austenitische Umwandlungstempera-
tur stellt sich die unverformte Ausgangslage
wieder ein. Eine weitere Formänderung nach
der Abkühlung ist nicht möglich.
 Zweiwegeffekt
Martensitisches Ausgangsmaterial wird über
den reversiblen Anteil hinaus zusätzlich durch
Versetzungsbewegung, d. h. irreversibel, ver-
formt. Bei Erwärmung über die austenitische
Umwandlungstemperatur hinaus entsteht ei-
ne bestimmte Hochtemperaturform und bei
Abkühlung eine entsprechende Niedertempe-
raturform. Diese Umwandlung kann nahezu
beliebig oft wiederholt werden.
Abb. 9.24 Saphir (Al2 O3 )-Whiskers. Werkfoto: RAU  All-Round-Effekt
Diese Erscheinung tritt nur bei speziellen
NiTi-Legierungen auf. Martensitisches Aus-
gangsmaterial wird verformt und bei 400 ı C
bis 500 ı C getempert. Die Abkühlung und die
anschließende Erwärmung haben eine völlige
Formumkehr zur Folge. Diese Umwandlung
kann nahezu beliebig oft wiederholt werden.

Abb. 9.27 zeigt eine Druckfeder und einen


Biegestreifen mit Zweiwegeffekt aus einer Cu-
Zn-Al-Legierung. In Tab. 9.4 sind die Werkstoff-
eigenschaften der drei heute technisch anwend-
baren Memory-Legierungen NiTi, Cu-Zn-Al und
Cu-Al-Ni zusammengestellt. Sie weisen folgende
Abb. 9.25 Kontaktniet aus Faserverbundwerkstoff Ag- Besonderheiten auf:
Ni20. Werkfoto: RAU
 großes Arbeitsvermögen je Volumeneinheit;
 vollständige Formänderung innerhalb eines
der Hochtemperaturphase (Austenit) und der kleinen Temperaturbereichs;
Niedertemperaturphase (Martensit). Wegen der  unterschiedliche Bewegungsarten möglich,
geringen inneren Spannungen ist diese Pha- z. B. Drücken, Ziehen, Biegen, Drehen;
senumwandlung nahezu vollständig reversibel.  Beschränkung der Formänderung auf be-
Memory-Legierungen zeigen außer dem Form- stimmte Bereiche des Bauelements.
722 9 Festkörperphysik

Abb. 9.26 Formgedächtnis-Legierungen

Knochen durch spreizbare Nägel oder Heilung


von Rückgratverkrümmungen durch einen Stab
aus einer Memory-Legierung, der sich bei einer
Abkühlungsbehandlung streckt.

9.1.7 Flüssigkristalle

9.1.7.1 Aufbau und Struktur


Flüssigkristalle werden von lang gestreckten Mo-
lekülen meist aromatischer Verbindungen gebil-
det. Sie befinden sich in einem Zwischenzu-
Abb. 9.27 Druckfeder und Biegestreifen mit Zweiwegef- stand (Mesophase) zwischen dem festen, kristal-
fekt aus einer Cu-Zn-Al-Legierung. Werkfoto: RAU linen, anisotropen Zustand eines Festkörperkris-
talls und dem beweglichen, flüssigen, isotropen
Zustand einer Flüssigkeit. In Flüssigkristallen
Einsatzmöglichkeiten gibt es in der Elektro- sind zwei unterschiedliche Ordnungsstrukturen
technik zum Anzeigen, Messen und Regeln, in möglich: einerseits die von Festkörpern her üb-
der Wärme- und Installationstechnik sowie im liche regelmäßige Anordnung der Massenmittel-
Apparate-, Maschinen- und Automobilbau. Ei- punkte (in diesem Fall Molekülschwerpunkte)
ne bemerkenswerte Anwendung ist eine Wär- und andererseits die Ordnungsmöglichkeiten in
mekraftmaschine, bei der die Formänderung der Bezug auf die Achse der Moleküle. Je nach
Memory-Legierungen über eine Kurbelwelle in Ordnungsstruktur unterscheidet man nematische
eine Drehbewegung umgesetzt wird. Auch in der (fadenförmige), cholesterische (von Cholesterin
Medizintechnik sind Einsatzmöglichkeiten ge- abstammend) und smektische (seifenartige) Flüs-
geben, z. B. Zusammenfügen von gebrochenen sigkristalle. Abb. 9.28 zeigt die Ordnungsstruk-
9.1 Struktur fester Körper 723

Tab. 9.4 Eigenschaften von Memory-Legierungen


Eigenschaft Legierung
NiTi Cu-Zn-Al Cu-Al-Ni
Dichte in g/cm3 6,4 bis 6,5 7,8 bis 8,0 7,1 bis 7,2
elektrische Leitfähigkeit in 106 S=m 1 bis 1,5 8 bis 13 7 bis 9
maximale As -Temperatur in ı C 120 120 170
maximaler Einwegeffekt in % 8 4 5
maximaler Zweiwegeffekt in % 5 1 1,2
Überhitzbarkeit in ı C bis 400 bis 160 bis 300
Zugfestigkeit in N/mm2 800 bis 1000 400 bis 700 700 bis 800
Bruchdehnung in % 40 bis 50 10 bis 15 5 bis 6

Abb. 9.28 Flüssigkristalle

tur, die chemische Zusammensetzung und die talle zeigen noch einen Teil der Ordnung der
Anwendungsbereiche ausgewählter Flüssigkris- Molekülschwerpunkte. Diese sind in bestimmten
talle. Ebenen angeordnet; die Molekülachsen sind in
Bei den nematischen Flüssigkristallen sind die der Regel parallel.
Molekülschwerpunkte keiner Ordnung unterwor-
fen, nur die lang gestreckten Achsen der orga- 9.1.7.2 Eigenschaften
nischen Moleküle sind parallel ausgerichtet. Die Die Flüssigkristalle weisen ein besonderes Ver-
cholesterischen Flüssigkristalle weisen verdrillte halten in ihren mechanischen, optischen und ins-
nematische Strukturen auf, d. h., die Vorzugs- besondere elektrooptischen Eigenschaften auf.
richtung der lang gestreckten Molekülachsen än-
dert sich von Ebene zu Ebene schraubenförmig. Mechanische Eigenschaften
Es entsteht eine Helix mit konstanter Ganghöhe Flüssigkristalle haben eine von der Substanz und
(teilweise in der Größenordnung der Wellenlänge der Temperatur abhängige Viskosität, die wegen
des sichtbaren Lichts). Smektische Flüssigkris- der Orientierung der Molekülachsen stark aniso-
724 9 Festkörperphysik

trop ist; bei Strömung in Orientierungsrichtung 9.1.7.3 Anwendungsbereiche


ist sie gering und senkrecht dazu sehr groß. Eine Wie Abb. 9.28 zeigt, finden vor allem nematische
weitere Besonderheit ist die Orientierungselas- und cholesterische Flüssigkristalle Anwendung.
tizität. Durch eine äußere Störung (z. B. durch Aus der Vielzahl der Anwendungsbereiche seien
ein elektrisches Feld) können die Molekülachsen die Thermotopografie, die Molekülspektroskopie
verschoben werden; nach dem Aufheben dieser und das große Gebiet der Anzeigetechnik ange-
Störung stellt sich der frühere Zustand wieder führt.
ein.
Thermotopografie
Optische Eigenschaften Wenn die Ganghöhe der Helix eines choleste-
Besonders cholesterische Flüssigkristalle zeigen rischen Flüssigkristalls temperaturabhängig ist,
eine Doppelbrechung, die bis 100-mal größer wechselt der Flüssigkristall in bestimmten Tem-
ist als die von Quarz. Eine weitere Eigenschaft peraturbereichen die Farbe. Dadurch wird eine
ist die Möglichkeit der selektiven Totalreflexion, Temperaturmessung auf Oberflächen möglich. Es
wenn die Ganghöhe der Helix in der Größenord- kommen Flüssigkristallschichten zum Einsatz,
nung der Wellenlänge von Licht liegt. Für die die 20 m dick sind. Zur Ausschaltung der Re-
reflektierte Wellenlänge gilt r D p nN mit p flexion an der Oberfläche sind sie mit einem
als Ganghöhe der Helix und nN als mittlerer Bre- schwarzen Lack (oder einer schwarzen Folie)
chungsindex des Flüssigkristalls. Die Ganghöhe überzogen. Auf diese Weise können Temperatur-
ist abhängig von Druck und Temperaturänderun- unterschiede von bis zu 0,007 K (meist bis 0,1 K)
gen sowie beeinflussbar durch elektrische und gemessen werden und die Ansprechzeiten 1/30 s
magnetische Felder. Somit ist eine elektrisch ge- gestatten eine dynamische Beobachtung.
steuerte Farbumschaltung möglich. Solche Wärmebilder finden Einsatz in der zer-
störungsfreien Werkstoffprüfung. Beispielsweise
Elektrooptische Eigenschaften können dadurch Materialeinschlüsse, Klebe- und
Besonders wichtige elektrooptische Effekte sind Schweißfehler sowie Werkstoffermüdungen fest-
außer den erwähnten Farbeffekten die Streu- und gestellt und der Temperaturverlauf in elektroni-
Orientierungseffekte. Ohne elektrisches Feld sind schen Bauelementen verfolgt werden. In der Me-
die Flüssigkristalle nicht streuend und transpa- dizin erlaubt die Thermotopografie Rückschlüsse
rent; beim Anlegen eines elektrischen Feldes tritt auf Durchblutungsverläufe sowie die Diagnose
Streuung auf und der Flüssigkristall wird mil- von Tumoren. In der Optik können die Schwin-
chig trüb. Die Orientierungseffekte beschreiben gungsanteile von Infrarotlasern sichtbar gemacht
die Vorgänge bei der Umorientierung homogener werden.
Schichten. Eine Werkstoffkenngröße ist hierbei
die Permittivitätszahl. Ist diese in Molekülach- Molekülspektroskopie
senrichtungen größer als in senkrechter Rich- Da die Flüssigkristalle ihre eigene Orientierungs-
tung, dann liegt eine positive Anisotropie vor, im richtung anderen Molekülen aufzwingen, kann
umgekehrten Fall eine negative. Im ersten Fall in der Molekülspektroskopie eine hohe Auf-
richten sich die Molekülachsen parallel zum elek- lösung erzielt werden. Die Moleküle werden
trischen Feld aus, im zweiten Fall senkrecht zum ausgerichtet, die statistische, räumlich isotrope
elektrischen Feld. Durch Ein- und Ausschalten Bewegung unterdrückt und damit die Linien-
eines elektrischen (bzw. magnetischen) Feldes breiten der Molekülspektren vermindert. Flüssig-
können die Moleküle um 90ı gedreht werden, kristalle werden deshalb in fast allen spektro-
sodass sich ihre optischen Eigenschaften ändern skopischen Untersuchungsverfahren eingesetzt,
(Schadt-Helfrich-Drehzelle, Abb. 6.125). z. B. in der Fluoreszenz (UV)-, Infrarot (IR)-,
9.2 Elektronen in Festkörpern 725

Kernresonanz (NMR)-, Elektronenspinresonanz etwa 102  cm vermindert, wenn nur ein Fremd-
(ESR)- und Mößbauer-Spektroskopie sowie bei atom einer Million Germaniumatome zugefügt
der Gaschromatografie. wird. Die Deutung dieser Eigenschaften erfordert
eine genauere Kenntnis der elektronischen Struk-
Anzeigetechnik tur der Festkörper.
Dieser Bereich ist das zur Zeit bedeutends-
te technische Anwendungsfeld für Flüssigkris-
talle (prinzipieller Aufbau, s. Abschn. 6.4.2.4, 9.2.1 Energiebänder-Modell
Abb. 6.125 und Abb. 6.126). Die Flüssigkris-
tallanzeige (LCD, Liquid Crystal Display) hat Modell gebundener Elektronen
folgende Vorzüge: In Abschn. 8.1.2 ist dargelegt, dass sich Elek-
tronen, die an isolierte Atome gebunden sind,
 geringer Stromleistungsbedarf (2 W=cm2 nur auf diskreten Energieniveaus aufhalten kön-
bis 100 W=cm2, Batteriebetrieb möglich); nen. Abb. 9.30 zeigt ein sehr vereinfachtes
 kleine Betriebsspannungen (3 V bis 100 V; Schema der Energiezustände. Die Aufenthalts-
kombinierbar mit integrierten Schaltungen); wahrscheinlichkeit der Elektronen um die Ker-
 sehr kleine Stromdichte (108 A=mm2 je Bild- ne wird durch das Quadrat der Wellenfunktion
punkt; großflächige Anzeigen möglich); j j2 beschrieben. Die Lösung der Schrödinger-
 mehrfarbige Anzeigen; Gleichung liefert für  räumliche stehende Wel-
 Speicherung von Informationen durch Mi- len. Bilden zwei Atome ein Molekül, dann über-
schung geeigneter Flüssigkristalle sowie lappen sich die Wellenfunktionen der beiden Ato-
 großer Helligkeitsbereich und großer Kon- me. Die Wechselwirkung der beteiligten Elek-
trast, da kein Eigenlicht abgestrahlt wird. tronen führt dazu, dass ursprünglich gleichar-
tige Energieniveaus der Einzelatome in jeweils
Nachteilig ist, dass die Anzeige als nicht selbst- zwei eng benachbarte Energieniveaus aufspal-
leuchtende Anzeige im Dunkeln mit Fremdlicht ten. Dieser Vorgang ist analog zur Entstehung
betrieben werden muss. der zwei Eigenfrequenzen bei der Kopplung von
zwei gleichartigen schwingenden Systemen (Ab-
schn. 5.1.5).
9.2 Elektronen in Festkörpern Abb. 9.30 verdeutlicht die Aufspaltung der
Energieniveaus in zwei, drei (bei drei wechsel-
Der spezifische Widerstand oder Resistivität % wirkenden Systemen) und N (bei N Atomen im
von Festkörpern variiert von 108  m bis Festkörper) eng benachbarte Energieniveaus. Im
1017  m um 25 Zehnerpotenzen und ist daher Festkörper liegen die N Energiezustände so eng
die physikalische Größe mit dem größten Werte- beieinander, dass sie nicht getrennt werden kön-
bereich. Anhand der Resistivität erfolgt üblicher- nen, sondern zu einem breiten Energieband ver-
weise eine Einteilung der Stoffe nach Abb. 9.29 schmelzen. Diese erlaubten Energiebänder sind
in in Abb. 9.30 schraffiert gezeichnet.

 Leiter mit % < 105  m,


 Halbleiter mit 105  m < % < 107  m und Elektronen halten sich in Festkörpern in-
 Isolatoren mit % > 107  m. nerhalb erlaubter Energiebänder auf, die
durch verbotene Zonen voneinander ge-
Der spezifische Widerstand einzelner Werk- trennt sind.
stoffe zeigt eine ausgeprägte Abhängigkeit von
der Temperatur (Abb. 4.7), dem Druck und an-
deren Parametern. Beispielsweise wird die Resis- Elektronen hoch liegender Energieniveaus ha-
tivität von reinem Germanium von 45  cm auf ben einen großen mittleren Abstand vom Kern.
726 9 Festkörperphysik

Abb. 9.29 Spezifischer elektrischer Widerstand und Bandstrukturen der Festkörper. Die mit Elektronen besetzten
Energiezustände sind rot gekennzeichnet. VB: Valenzband, LB: Leitungsband, VZ: Verbotene Zone

Die Frage, ob ein Festkörper ein Leiter oder


Nichtleiter ist, hängt von der Besetzung der Bän-
der mit Elektronen ab. Ist beispielsweise ein Band
vollständig gefüllt, können die Elektronen dieses
Bandes nicht am Stromtransport teilnehmen. Ein
fließender Strom bedeutet nämlich, dass die Elek-
tronen bei der Bewegung durch den Festkörper
kinetische Energie aufnehmen, also energetisch
auf eine höhere Stufe gehoben werden. In einem
vollbesetzten Band, in dem keine höheren Ener-
gieniveaus frei sind, ist dies aber nicht möglich.
Daraus folgt:

Elektrische Leiter sind solche Festkörper,


Abb. 9.30 Erlaubte Energiezustände der Elektronen im bei denen ein Energieband nur teilweise be-
Atom, Molekül und Festkörper setzt ist.

Infolge der intensiven Wechselwirkung mit den Das oberste vollständig gefüllte Band heißt
Nachbarelektronen spalten die oberen Energieni- Valenzband. Das darüber liegende entweder teil-
veaus stärker auf als die unteren. Dadurch wer- weise gefüllte oder auch leere Band wird als Lei-
den die hoch liegenden Energiebänder breiter als tungsband bezeichnet. Bei den klassischen Lei-
die tief liegenden. Diese Verbreiterung der Ener- tern erster Art (Elemente der Gruppe 1 (I A) und
giebänder kann so weit führen, dass sie sich 11 (I B) des Periodensystems) ist nach Abb. 9.29
überlappen (Leiter zweiter Art, Abb. 9.29). das Leitungsband halb gefüllt. Dies ist verständ-
9.2 Elektronen in Festkörpern 727

Materiewelle durch die De-Broglie-Beziehung


nach (6.142) mit dem Impuls p der Elektronen
zusammen:  D h=p. h ist die Planck’sche Kon-
stante. Mit der Wellenzahl k D 2 = und „ D
h=.2 / ergibt sich

h
pD D „k : (9.6)


Diese Gleichung vermittelt zwischen den Grö-


ßen p des Teilchenbildes und  bzw. k des Wel-
lenbildes. Die kinetische Energie der Elektronen
hängt mit dem Impuls p bzw. der Wellenzahl k
Abb. 9.31 Anordnung der Elektronen im Kupferatom
zusammen:
p2 „2 k 2
ED D : (9.7)
2m 2m
lich bei Betrachtung der Elektronenkonfiguration
im Einzelatom. Die Größe E über k aufgetragen ergibt also
Abb. 9.31 zeigt die Anordnung bei ei- eine Parabel, wie sie in Abb. 9.32a dargestellt
nem Kupferatom, bei dem das oberste 4s- ist. Während ein wirklich freies Elektron prak-
Energieniveau, das nach dem Pauli-Prinzip zwei tisch jeden beliebigen Zustand (gekennzeichnet
Elektronen mit entgegengesetzter Spinrichtung durch ein Wertepaar E und k) auf der Para-
aufnehmen könnte, von nur einem Elektron be- bel einnehmen kann, ergeben sich für Elektro-
setzt ist. Bei der Vereinigung der Kupferatome nen in Kristallen bestimmte Energiebereiche auf
zum Festkörper bleibt das zugehörige 4 s-Band der Parabel, die verboten sind. Breitet sich eine
halb besetzt. Andere Metalle (z. B. die Erdalka- Elektronenwelle längs einer Atomkette mit der
limetalle) haben zwar ein voll besetztes oberstes Gitterkonstanten a aus, dann wird die Welle an
Energieband, durch Überlappung mit einem dar- den Atomen reflektiert, sobald die Wellenlänge 
überliegenden leeren Leitungsband entsteht aber der Materiewelle die Bragg’sche Reflexionsbe-
letztlich wieder ein breites teilweise gefülltes dingung (6.124) erfüllt:
Band (Leiter zweiter Art, Abb. 9.29).
Bei den Halbleitern und Isolatoren ist das lee- 2a
n D ; mit n D 1; 2; 3; : : :
re Leitungsband vom gefüllten Valenzband durch n
eine mehr oder weniger breite verbotene Zone
(VZ) getrennt. Die Breite Eg dieses Energie-
gaps ist maßgebend für die elektrische Leitfähig-
keit. Substanzen mit Eg . 3 eV werden nach
Abb. 9.29 zu den Halbleitern, solche mit Eg &
3 eV zu den Isolatoren gerechnet.

Modell freier Elektronen


Die Entstehung der Bandstruktur kann man auch
verstehen, wenn die Elektronen näherungsweise
als frei bewegliche Teilchen betrachtet werden.
Nach der Quantentheorie wird die Aufenthalts-
wahrscheinlichkeit der Elektronen im Kristall
durch das Quadrat der Wellenfunktion j j2 be- Abb. 9.32 Energiebandstruktur a im erweiterten und
schrieben. Hierbei hängt die Wellenlänge  dieser b reduzierten Zonenschema
728 9 Festkörperphysik

1969) eingeteilt. Wegen der Periodizität im k-


Raum können die Brillouin-Zonen höherer Ord-
nung des erweiterten Zonenschemas nach dem
Muster von Abb. 9.32b in die erste Zone geklappt
werden. Bei diesem reduzierten Zonenschema
liegen alle E.k/-Kurven in der ersten Brillouin-
Zone.
Abb. 9.33 Aufenthaltswahrscheinlichkeit j j2 stehender
Elektronenwellen mit  D 2a und potenzielle Energie
Epot der Elektronen im Feld der Atomrümpfe
9.2.2 Metalle

Diesen Wellenlängen entsprechen die Wellenzah- Die meisten Eigenschaften der Metalle lassen
len sich anhand des Modells des freien Elektronen-
2   
kn D D n: (9.8) gases verstehen. Dieses wurde von A. S OM -
n a MERFELD (1868 bis 1951) vorgeschlagen und
Durch Überlagerung der laufenden mit den von E. F ERMI (1901 bis 1954) erweitert. Es be-
reflektierten Wellen entstehen stehende Elektro- schreibt die Leitungselektronen der Metalle so
nenwellen mit ortsfesten Knoten und Bäuchen. wie die frei beweglichen Moleküle eines Gases,
Abb. 9.33 zeigt die Aufenthaltswahrscheinlich- vernachlässigt also die Wechselwirkung der Elek-
keit j j2 für zwei Elektronenwellen mit jeweils tronen mit den ortsfesten Atomkernen und damit
derselben Wellenlänge 1 D 2a: auch das Auftreten von Energielücken.
Befinden sich die Elektronen in einem Wür-
 
1  cos k1 x D cos x ; fel der Kantenlänge L, dann ist ihre Auf-
a enthaltswahrscheinlichkeit durch das Quadrat
 
2  sin k1 x D sin x : der Wellenfunktion  gegeben, die als Lö-
a
sung aus der Schrödinger-Gleichung (8.14) folgt.
Bei der Welle 1 besteht eine große Wahrschein- Für freie Elektronen lautet die zeitunabhängige
lichkeit dafür, dass die Elektronen nahe den Schrödinger-Gleichung
Atomrümpfen sind und durch die niedrige poten-  
zielle Energie eine Absenkung der Gesamtener- „2 @2 k @2 k @2 k
 C C D Ek k :
gie im Vergleich zu freien Elektronen erfahren. 2m @x 2 @y 2 @z 2
Die Elektronen, die durch die Welle 2 beschrie-
Lösungen dieser Differenzialgleichung sind ebe-
ben werden, halten sich vorwiegend zwischen
ne Wellen der Form
den Atomrümpfen auf und haben daher eine hö-
here Energie. Daraus folgt: Elektronen mit der ikr
k  e :
Wellenzahl k1 D ˙ =a haben nicht die Ener-
gie E1 D „2 k12 =.2m/ der freien Elektronen, Hierbei gibt die Richtung des Wellenzahlenvek-
sondern je nach Art der Wellenfunktion eine grö- tors k die Laufrichtung der Welle an. Zweck-
ßere oder kleinere Energie. Die E.k/-Parabel in mäßigerweise wird verlangt, dass die Wellen-
Abb. 9.32a bekommt daher an der Stelle k1 D funktionen in x-, y- und z-Richtung periodische
˙ =a eine Unstetigkeitsstelle, an der für einen Randbedingungen erfüllen, d. h., es soll gelten
k-Wert zwei Energiewerte existieren, die durch .x CL; y; z/ D .x; y; z/ und Entsprechendes
eine verbotene Zone oder Energielücke voneinan- für die y- und z-Richtung. Diese Randbedingun-
der getrennt sind. Weitere Energielücken ergeben gen werden erfüllt, wenn die Komponenten des
sich für die stehenden Wellen der höheren Wel- k-Vektors den Bedingungen
lenzahlen nach (9.8): kn D ˙. =a/n.
Das E.k/-Diagramm wird gemäß Abb. 9.32a 2  4 
kx D 0; ˙ ; ˙ 
in Brillouin-Zonen (L. B RILLOUIN, 1889 bis L L
9.2 Elektronen in Festkörpern 729

Tab. 9.5 Parameter des Fermi-Niveaus verschiedener


Metalle
Ele- Elektro- Wellen- Fermi- Fermi-Ge-
ment nenkon- zahl kF in Energie schwin-
zentra- 108 cm1 EF in eV digkeit
tion n in vF in
1022 cm3 108 cm=s
Li 4,6 1,1 4,7 1,3
Na 2,5 0,90 3,1 1,1
K 1,34 0,73 2,1 0,85
Cu 8,50 1,35 7,0 1,56
Ag 5,76 1,19 5,5 1,38
Abb. 9.34 Fermi-Kugel im k-Raum; Kristall im Orts- Au 5,90 1,20 5,5 1,39
raum

der Fermi-Kugel von N Teilchen


genügen. Entsprechendes gilt für ky und kz .
Der Impuls des Elektrons hängt nach (9.6) mit 4 3 N .2 /3
dem Wellenzahlenvektor gemäß p D „k zusam-  kF D :
3 2 V
men. Die Energie der Teilchen ist nach (9.7)
Daraus folgt für die Wellenzahl an der Oberfläche
„2 2 „2  2  der Fermi-Kugel
Ek D k D kx C ky2 C kz2 :
2m 2m  1=3
2N
Die Energie ist gequantelt, da die Komponenten kF D 3  : (9.9)
V
des Wellenzahlvektors diskrete Werte annehmen.
Im k-Raum, der nach Abb. 9.34 von den Kompo- Die Fermi-Energie ist nach (9.7)
nenten kx ; ky und kz aufgespannt wird, ist eine
Fläche konstanter Energie eine Kugel.
 
„2 N 2=3
Da die Komponenten des Wellenzahlvektors EF D 3 2 : (9.10)
2m V
in ganzzahligen Vielfachen von 2 =L gequan-
telt sind, ist in jedem Volumenelement des k- Diejenigen Elektronen, deren Zustände an der
Raums von der Größe .2 =L/3 Platz für jeweils Oberfläche der Fermi-Kugel liegen, haben die
zwei Elektronenzustände. Die Zahl Zwei rührt maximale Geschwindigkeit vF . Mit pF D mvF D
vom Pauli-Prinzip, das zulässt, dass ein Zustand, „kF ergibt sich
der in allen Quantenzahlen kx ; ky und kz über-
 
einstimmt, von zwei Elektronen mit entgegen- „ N 1=3
gesetzten Spinrichtungen besetzt werden kann. vF D 3  2 : (9.11)
m V
Befinden sich N Elektronen im Kristall mit dem
Volumen V D L3 , dann werden alle möglichen Alle Parameter des Fermi-Niveaus hängen von
Energiezustände von unten herauf besetzt, bis al- der Konzentration n D N=V der freien Elektro-
le N Teilchen untergebracht sind. Das höchste nen ab. Tab. 9.5 zeigt die nach (9.9) bis (9.11)
besetzte Energieniveau wird Fermi-Niveau ge- berechneten Werte für einige Metalle. Die Elek-
nannt. Die zugehörige Energiefläche der Fermi- tronenzahldichten werden experimentell mit Hil-
Energie EF im k-Raum von Abb. 9.34 ist eine fe des Hall-Effekts bestimmt (Abschn. 4.4.3.2).
Kugel mit dem Radius kF . Wenn das Elementar- Für bestimmte Fragestellungen ist die Kennt-
volumen .2 /3 =V im k-Raum für zwei Teilchen nis der Anzahl dN von Zuständen im Energie-
Platz bietet, dann gilt für das Volumen 4=3. kF3 / intervall zwischen E und E C dE wichtig. Im
730 9 Festkörperphysik

k-Raum liegen diese Zustände innerhalb einer


Kugelschale mit dem Radius k und der Dicke dk.
Die Anzahl der möglichen Zustände ist

4 k 2 dk
dN D 2 :
.2 /3 =V
p
Mit k D 2mE=„ und
r
1 m
dk D dE
„ 2E

resultiert
 3=2 Abb. 9.35 Fermi-Dirac-Verteilungsfunktion (k: Boltz-
V 2m mann-Konstante)
dN D E 1=2 dE :
2 2 „2

Die Zustandsdichte D.E/, d. h. die Anzahl der Energiebereiches von


Zustände je Volumeneinheit und Energieintervall,
ist D.E/ D .dN=dE/ .1=V / oder E  4;4kT : (9.14)
 3=2
1 2m Die bei tiefen Temperaturen scharfe Fermi-Kante
D.E/ D E 1=2 :
(9.12) weicht also mit zunehmender Temperatur immer
2 2 „2
mehr auf.
Die bisherigen Erläuterungen gelten streng ge-
nommen nur für T D 0. Nur am absoluten Null- Beispiel 9.2-1
punkt besetzen die Elektronen alle Energienive- Wie breit ist der Energiebereich, in dem
aus von null bis EF . Bei endlicher Temperatur die Fermi-Dirac-Verteilung von Natrium bei
nimmt die kinetische Energie des Elektronenga- Raumtemperatur (300 K) von 90 % auf 10 %
ses zu, sodass einige Energieniveaus oberhalb abnimmt?
der Fermi-Kante besetzt werden und eine gleiche
Lösung
Anzahl unterhalb leer bleibt. Die Wahrschein-
lichkeit, mit der ein bestimmter Energiezustand Nach Tab. 9.5 ist EF D 3;1 eV. Mit k D
E mit Elektronen besetzt ist, wird beschrieben 8;62  105 eV=K ist kT D 0;0259 eV und
durch die Fermi-Dirac-Verteilungsfunktion nach (9.14) E  4;4kT D 0;114 eV.
Bezogen auf EF ist die relative Breite der
1 Übergangszone E=EF D 3;7 %.
f .E/ D .EE /=.kT / : (9.13) Der Übergang ist also auch bei Raumtem-
e F C1
peratur noch verhältnismäßig scharf.
Die Fermi-Dirac-Statistik ist anwendbar auf
Teilchen mit halbzahligem Spin, zu denen die Die Dichte der besetzten Energiezustände ist
Elektronen gehören. Abb. 9.35 zeigt die Wahr- das Produkt aus Zustandsdichte und Verteilungs-
scheinlichkeitsfunktion für zwei verschiedene funktion D.E/  f .E/. Abb. 9.36 zeigt den Ver-
Temperaturen. Bei T D 0 sind alle Zustände lauf in Abhängigkeit von der Energie für Kupfer
unterhalb der Fermi-Energie EF besetzt, ober- bei der verhältnismäßig hohen Temperatur T D
halb EF leer: f .E/ D 1 für 0 5 E < EF , 1200 K .kT =EF  1=70/.
f .E/ D 0 für E > EF . Bei endlicher Tempe-
ratur sind entsprechend den schraffierten Flächen Molare Wärmekapazität des Elektronengases
Zustände unterhalb der Fermi-Energie leer und Nach dem Gleichverteilungssatz der Thermody-
oberhalb besetzt. Die Besetzungswahrscheinlich- namik (Abschn. 3.2.2) sollten die freien Elek-
keit nimmt von 90 % auf 10 % ab innerhalb eines tronen einen merklichen Beitrag zur spezifischen
9.2 Elektronen in Festkörpern 731

Die innere Energie dieser N Elektronen ist


mithin näherungsweise

3 3 T
Uel D N  kT  N kT :
2 2 TF

Der Beitrag zur molaren Wärmekapazität ist


nach (3.55) Cm; el  3 Rm .T =TF /. Eine exakte
Analyse liefert den Ausdruck

1 2 T
Cm; el D   Rm : (9.16)
2 TF

Der Beitrag der Elektronen zur molaren


Wärmekapazität der Metalle hängt linear
von der Temperatur ab.

Diese Aussage stimmt mit den experimen-


Abb. 9.36 Dichte der besetzten Energiezustände in Kup- tellen Befunden überein. Da bei tiefen Tem-
fer bei T D 1200 K peraturen der Beitrag der Gitterschwingungen
zur Wärmekapazität nach dem Debye’schen Ge-
setz Cm; Gitter D AT 3 (Abschn. 9.3.1.2) abfällt,
Wärmekapazität der Metalle liefern. Jedes frei überwiegt bei genügend tiefen Temperaturen der
bewegliche Elektron hat drei Freiheitsgrade und Beitrag der Elektronen zur spezifischen bzw. mo-
somit die mittlere thermische Energie EN kin D laren Wärmekapazität.
.3=2/kT . Da jedes Atom praktisch ein freies
Elektron mitbringt, sollte nach den Erläuterungen Elektrische Leitung
in Abschn. 3.3.4 der Beitrag des Elektronengases Die Elektronen eines Metalls bewegen sich infol-
zur molaren Wärmekapazität Cm; el D .3=2/Rm ge der Wärmebewegung statistisch verteilt in alle
betragen. Tatsächlich ist aber der Beitrag der Raumrichtungen, sodass ihr mittlerer Geschwin-
Elektronen bei Zimmertemperatur lediglich un- digkeitsvektor null ist:
gefähr 1/100 des erwarteten Wertes.
Die Erklärung dieser Beobachtung ist mit Hil- 1 X
N
1 „ X
N

fe der Fermi-Dirac-Statistik möglich. Wird das v m D v i D ki D 0 :


N i D1 N m i D1
Elektronengas von T D 0 aus erwärmt, dann
nehmen nach Abb. 9.35 und Abb. 9.36 nicht al-
In einem elektrischen Feld der Feldstärke E
le Elektronen thermische Energie auf, wie dies
wirkt auf jedes Elektron die Kraft eE , so-
klassisch erwartet wird, sondern nur die Elek-
dass alle Elektronen beschleunigt werden. Der
tronen, die innerhalb des schmalen Streifens von
regellosen Bewegung wird jetzt eine gemeinsame
einigen kT Breite bei E D EF angesiedelt sind.
Driftbewegung mit der (mittleren) Driftgeschwin-
Von der Gesamtzahl N der Elektronen kann also
digkeit vd überlagert.
nur ein Bruchteil der Größenordnung N=N 
Ohne Reibungseffekte würden die Elektro-
kT =EF D T =TF zur Wärmekapazität beitragen.
nen immer schneller werden. Tatsächlich finden
EF aber im Kristall Stoßprozesse statt, die dafür
TF D (9.15) sorgen, dass sich nach einer bestimmten Zeit ei-
k
ne konstante Driftgeschwindigkeit einstellt (bei
ist die Fermi-Temperatur. konstanter Feldstärke). Die Elektronen werden
732 9 Festkörperphysik

sammen gemäß

j D envd, 0 (9.21)

mit n D N=V als der Konzentration der freien


Elektronen. Mit (9.19) resultiert hieraus

e2
j D nE 0 D ~E 0 : (9.22)
m
Dies ist das Ohm’sche Gesetz (Abschn. 4.1.5),
das besagt, dass die Stromdichte proportional zur
Abb. 9.37 Abhängigkeit der Driftgeschwindigkeit von elektrischen Feldstärke ist; die Proportionalitäts-
der Zeit im Fall des Gleichstroms konstante ~ ist die elektrische Leitfähigkeit. Für
einen Leiter mit konstantem Querschnitt ergibt
sich hieraus die bekannte Form I D U=R.
vorwiegend durch Gitterschwingungen (Phono- Aus (9.20) und (9.22) folgt die für die Pra-
nen, Abschn. 9.3.1) und an Störungen des Gitters xis wichtige Verknüpfung zwischen elektrischer
(z. B. Gitterbaufehler, Verunreinigungen, Korn- Leitfähigkeit ~ und Beweglichkeit :
grenzen) gestreut. Die mittlere Beschleunigung
beträgt ~ D en : (9.23)
dvd eE vd
D  : (9.17)
dt m 
Beispiel 9.2-2
Das Glied eE =m beschreibt die Geschwin-
Wie groß ist die Beweglichkeit  von Elektro-
digkeitszunahme durch das angelegte elektrische
nen in Kupfer bei Raumtemperatur?
Feld; das Glied vd = berücksichtigt die Rei-
bungsvorgänge im Gitter. Dabei geht man wie
Lösung
bei der inneren Reibung laminar strömender Flüs-
Die elektrische Leitfähigkeit von reinem Kup-
sigkeiten davon aus, dass die Reibungskraft pro-
fer ist ~ D 5;9  105 1 cm1 . Die Konzen-
portional zur Strömungsgeschwindigkeit ist. Die
tration der freien Elektronen ist nach Tab. 9.5
Zeitkonstante  heißt Relaxationszeit.
n  8;5  1022 cm3 . Somit ist nach (9.23) die
Im zeitlich konstanten Feld (Gleichstromver-
Beweglichkeit
halten) E D E 0 ergibt die Integration von (9.17)
~ cm2
vd D vd; 0 .1  et = / ; (9.18) D  43 :
en Vs

dargestellt in Abb. 9.37. Im stationären Zustand


.t ! 1; dvd =dt D 0/ nimmt die Driftgeschwin- Die Relaxationszeit  kann aus (9.22) be-
digkeit den konstanten Wert stimmt werden:
~m
e D 2 : (9.24)
vd; 0 D   E 0 D  E 0 (9.19) e n
m
Da an den Streuprozessen nur die Elektronen
an. Die stationäre Driftgeschwindigkeit ist pro- teilnehmen, die an der Oberfläche der Fermi-
portional zur Feldstärke E 0 . Die Proportionali- Kugel sitzen, ist deren Geschwindigkeit etwa die
tätskonstante Fermi-Geschwindigkeit vF (9.11). Innerhalb der
e
D  (9.20) Relaxationszeit  legen die Elektronen die mittle-
m
re freie Weglänge l zurück:
ist die Beweglichkeit. Die Driftgeschwindigkeit
vd; 0 hängt mit der elektrischen Stromdichte j zu- l D vF  : (9.25)
9.2 Elektronen in Festkörpern 733

Beispiel 9.2-3
Wie groß ist die mittlere freie Weglänge der
Elektronen in Kupfer bei Raumtemperatur?

Lösung
Mit ~ D 5;9  105 1 cm1 und n 
8;5  1022 cm3 ist die Relaxationszeit
nach (9.24)  D 2;5  1014 s. Die Fermi-
Geschwindigkeit ist nach (9.11) bzw. Tab. 9.5
vF D 1;56  106 m=s. Demnach beträgt
die mittlere freie Weglänge l D vF  D
3;9  108 m.
Im Vergleich hierzu ist der Abstand zwi-
schen nächsten Nachbarn im Kupfergitter
nach Tab. 9.1 2;55  1010 m.

Das Beispiel zeigt, dass die Elektronen in Me-


tallen zwischen zwei Zusammenstößen im Mittel
einen Weg von etwa hundert Atomabständen zu-
rücklegen.
Mit abnehmender Temperatur steigt i. Allg.
die Leitfähigkeit von Metallen, weil die Streu-
ung der Elektronen am schwingenden Gitter Abb. 9.38 Temperaturabhängigkeit des spezifischen
zurückgeht. Bei sehr tiefen Temperaturen do- Widerstands von Kupfer-Einkristallen unterschiedlicher
miniert die temperaturunabhängige Streuung an Reinheit (nach Saeger)
Gitterfehlern (Verunreinigungen). Für den spe-
zifischen Widerstand gilt die Matthiessen’sche
Regel (F. M ATTHIESSEN, 1830 bis 1906):

%.T / D %R C %G .T / : (9.26)

Hierbei ist %R der temperaturunabhängige Rest-


widerstand, der sich für T ! 0 einstellt, und
%G .T / der temperaturabhängige Anteil der Git-
terschwingungen. Abb. 9.38 zeigt den typischen
Verlauf des spezifischen Widerstandes in Abhän-
gigkeit von der Temperatur. Ein Maß für die Abb. 9.39 Fermi-Fläche von Zinn (nach Hering und
Lück): a Fläche in der dritten Brillouin-Zone des erwei-
Reinheit einer Substanz ist das Widerstandsver- terten Zonenschemas, b reduziertes Zonenschema
hältnis
%.4;2 K/
rD ; sind deshalb zur Herstellung von Normalwider-
%.293 K/
ständen geeignet.
das typischerweise in der Größenordnung von Wie eingangs erwähnt, wird beim Modell
103 bis 106 liegt. Es kann durch Legieren sowie des freien Elektronengases das Auftreten von
mechanische Verformung stark beeinflusst und Energiebändern mit verbotenen Zonen nicht be-
bis in die Größenordnung von eins gebracht wer- rücksichtigt. Die Kontur der Fermi-Fläche realer
den. Der Ohm’sche Widerstand solcher Werk- Metalle weicht mehr oder weniger von der in
stoffe hängt kaum von der Temperatur ab. Sie Abb. 9.34 dargestellten idealen Kugelgestalt ab.
734 9 Festkörperphysik

Bei Na und K sind die Abweichungen kleiner Tab. 9.6 Halbleitende Verbindungen
als 0;15 %, bei anderen Metallen dagegen zum Gruppen des Periodensystems zur Beispiele
Teil erheblich größer. Abb. 9.39 zeigt als Bei- Kombination der Elemente
spiel die experimentell bestimmte Fermi-Fläche IV Si, Ge, Sn (grau)
von Zinn. Ihre Form bestimmt die elektronischen IV–IV SiC
Eigenschaften der Festkörper, da nur diejenigen III–V GaAs, InSb
Elektronen durch äußere Felder beeinflusst wer- II–VI ZnTe, CdSe, HgS

den können, die sich nahe der Fermi-Fläche be-


wegen.
träger zur Verfügung stehen. Im Bänderschema
von Abb. 9.29 ist das oberste Valenzband voll-
9.2.3 Halbleiter ständig besetzt, das darüberliegende Leitungs-
band ist leer.
Halbleiter haben einen spezifischen elektrischen Durch Energiezufuhr, z. B. durch Temperatur-
Widerstand im Bereich 103  cm bis 109  cm. erhöhung oder Lichteinfall, können einzelne Bin-
Die Werte liegen also zwischen denjenigen der dungen gelöst werden. Dies hat zur Folge, dass
Metalle und der Isolatoren (Abb. 9.29). Der spe- freie Elektronen im Kristall zur Verfügung ste-
zifische elektrische Widerstand von Halbleitern hen. Im Bändermodell von Abb. 9.40 entspricht
ist im Unterschied zu Leitern und Isolatoren stark diesem Vorgang das Anheben von Elektronen aus
von der Dotierung mit Fremdatomen, der Tempe- dem Valenzband (VB) ins Leitungsband (LB).
ratur sowie dem Lichteinfall abhängig. Die fehlenden Elektronen im Valenzband werden
Die Elementhalbleiter aus der IV. Gruppe Defektelektronen oder Löcher genannt. Sie ver-
des Periodensystems kristallisieren in der Dia- halten sich im See der negativen Elektronen wie
mantstruktur, bei der jedes Atom vier nächste positive Teilchen. Da freie Elektronen und Löcher
Nachbarn hat, die an den Ecken eines regelmä- immer nur paarweise erzeugt werden können, gilt
ßigen Tetraders angeordnet sind. Weitere Halb- für die Dichten der Elektronen n und der Lö-
leiter mit tetraedrischem Gitter ergeben sich nach cher p
H. J. W ELKER (1912 bis 1981), indem Verbin- nDp: (9.27)
dungen zwischen Elementen aus verschiedenen
Gruppen des Periodensystems hergestellt wer- Wird an den Kristall eine Spannung angelegt,
den, sodass die mittlere Anzahl der Valenzelek- dann fließen die freien Elektronen zur Anode.
tronen (vier) erhalten bleibt (Tab. 9.6). Von be- Gebundene Elektronen in der Nachbarschaft von
sonderer Bedeutung für die Optoelektronik sind Löchern können durch Platzwechsel in ein Loch
Mischkristalle auf der Basis der III-V-Halbleiter, springen (hopping-conductivity); hierbei wandert
bei denen die Breite der verbotenen Zone in das Loch in Richtung Kathode. Der Gesamtstrom
bestimmten Grenzen beliebig einstellbar ist. Bei- in einem Halbleiter lässt sich daher als Summe
spiele hierfür sind aus einem Elektronenstrom und einem Löcher-
strom bilden. Für die elektrische Leitfähigkeit
 ternäre Mischkristalle Gax Al1x As und eines Halbleiters gilt in Erweiterung von (9.23)
 quaternäre Mischkristalle Inx Ga1x Asy P1y .
~ D e .nn C p p / : (9.28)

9.2.3.1 Eigenleitung Die Beweglichkeiten von Elektronen n und Lö-


Die Elementhalbleiter der IV. Gruppe haben je- chern p technisch wichtiger Halbleiter sind in
weils vier Valenzelektronen, die mit Elektronen Tab. 9.7 angegeben. Sie zeigen bei reinen Halb-
der Nachbaratome Elektronenpaarbindungen ein- leitern eine geringe Temperaturabhängigkeit:
gehen. Am absoluten Nullpunkt ist keine elektri-
sche Leitung möglich, da keine freien Ladungs- .T / D 0 .T =T0 /3=2 : (9.29)
9.2 Elektronen in Festkörpern 735

Abb. 9.40 Leitungsmechanismen in Halbleitern

Tab. 9.7 Eigenschaften der Halbleiter Ge, Si und GaAs. (Die Zahlenwerte gelten für T D 300 K)
Ge Si GaAs
Kristallstruktur Diamant Diamant Zinkblende
Gitterkonstante a in 1010 m 5,65771 5,43043 5,65325
linearer Ausdehnungskoeffizient ˛ in 106 K1 5,90 2,56 6,86
spezifische Wärmekapazität c in kJ/(kg K) 0,31 0,70 0,35
Wärmeleitfähigkeit  in W/(m K) 64 145 46
Schmelzpunkt #s in ı C 937 1415 1238
Atomdichte N=V in 1022 cm3 4,42 5,0 4,42
Dichte % in kg/m3 5326,7 2328 5320
Molmasse M in g/mol 72,60 28,09 144,63
Bandgap Eg in eV 0,660 1,11 1,43
intrinsische Trägerdichte ni in cm3 2;33  1013 1;02  1010 2;00  106
Effektive Zustandsdichte
im Leitungsband NL in cm3 1;24  1019 2;85  1019 4;55  1017
im Valenzband NV in cm3 5;35  1018 1;62  1019 9;32  1018
relative Dielektrizitätszahl 16 11,8 12,9
Beweglichkeit n in cm2 /(V s) 3900 1350 8500
p in cm2 /(V s) 1900 480 435

Die Berechnung der Ladungsträgerdichten n und träger, die sich als Produkt aus Zustandsdichte
p geschieht mit Hilfe der Fermi-Dirac-Statistik und Besetzungswahrscheinlichkeit ergibt:
(Abschn. 9.2.2).
Abb. 9.41 zeigt die Zustandsdichte im n.E/ D De .E/ f .E/ ;
Leitungs- und Valenzband, die Fermi-Dirac-
Verteilungsfunktion und die Dichte der Ladungs- p.E/ D Dh .E/.1  f .E// :
736 9 Festkörperphysik

mit NV als der effektiven Zustandsdichte des Va-


lenzbandes.
Die Dichte der freien Elektronen und Löcher
in reinen Halbleitern wird auch als intrinsische
Trägerdichte ni bezeichnet. Es gilt ni D n D p
und mit obigen Beziehungen
p Eg Eg
ni .T / D NL NV e 2kT D ni0 T 3=2 e 2kT :
(9.30)
Die mit Hilfe von (9.30) bestimmten Trägerdich-
ten sind für die Halbleiter Ge, Si und GaAs
in Tab. 9.7 zusammengestellt. Aus diesen Daten
folgt für den temperaturunabhängigen Faktor ni0
in (9.30) für
Abb. 9.41 Zustandsdichte D.E/, Besetzungswahr-
scheinlichkeit f .E/ und Trägerdichte n.E/ sowie p.E/  Germanium ni0 D 1;57  1015 cm3 K3=2 ,
eines reinen Halbleiters
 Silicium ni0 D 4;14  1015 cm3 K3=2 ,
 Galliumarsenid ni0 D 3;95  1015 cm3 K3=2 .
Das Fermi-Niveau liegt bei tiefen Temperatu-
Das Produkt von freier Elektronen- und Lö-
ren etwa in der Mitte der verbotenen Zone. Für
cherdichte ist bei gegebener Temperatur eine
die Dichte der Elektronen im Leitungsband gilt
Konstante, unabhängig von der Dotierung. Es
Z1 gilt
n D De .E/ f .E/dE : Eg

E
np D n2i .T / D n2i0 T 3 e kT : (9.31)
L

Die Zustandsdichte De .E/ wird nach (9.12) be- Beispiel 9.2-4


rechnet; hierbei muss aber anstatt der Masse des Wie groß ist der spezifische Widerstand von
freien Elektrons eine effektive Zustandsdichte- reinem Germanium bei T1 D 300 K und T2 D
masse md eingesetzt werden. Die Fermi-Dirac- 200 K?
Funktion nach (9.13) beträgt für E  EF  kT
Lösung
f .E/ D e 
EEF
kT : Nach (9.28) gilt
1
Damit lässt sich obiges Integral geschlossen lö- %D :
sen: e ni .n C p /
EL FF Bei T1 D 300 K ist nach Tab. 9.7
n.T / D NL e kT :
ni D 2;33  1013 cm3 und n C
Die Größe p D 5800 cm2=.V s/. Damit ergibt sich
%.300 K/ D 46  cm.
 3=2
2 md kT Bei T2 D 200 K ist die Trägerdichte
NL D 2
h2 g E
3=2  2kT
ni .T2 / D ni0 T2 e 2 D 2;15  1010 cm3
ist die effektive Zustandsdichte im Leitungsband.
Sie ist in Tab. 9.7 angegeben. Die gleiche Rech- und die Beweglichkeit nach (9.29)
nung ergibt für die Löcherdichte im Valenzband
 3=2
T2
 FkT v
E E .T2 / D .T1 / D 10:655 cm2=.V s/ :
p.T / D NV e T1
9.2 Elektronen in Festkörpern 737

Somit beträgt der spezifische Widerstand Tab. 9.8 Ionisationsenergie ED von Donatoren und EA
%.200 K/ D 2;72  104  cm. von Akzeptoren in Silicium und Germanium
Störstelle Ionisierungsenergie ED bzw. EA in meV
Bei dieser Rechnung wurde vereinfachend Silicium Germanium
vorausgesetzt, dass die Breite der verbotenen Zo- Donatoren
ne konstant ist. Tatsächlich hängt Eg von der P 44 12,76
Temperatur ab. As 49 14,04
Sb 39 10,19
Die große Temperaturabhängigkeit des elek-
Akzeptoren
trischen Widerstandes von Halbleitern liegt in
B 45 10,4
der exponentiellen Abhängigkeit der Trägerdich- Al 57 10,2
te von der Temperatur begründet. Mit Hilfe Ga 65 10,8
von (9.28) bis (9.30) folgt In 160 11
Eg
R.T /  R0 e 2kT : (9.32)
kann als freies Loch am Ladungstransport teil-
Der Widerstand steigt mit abnehmender Tem- nehmen. Die elektrische Leitung beruht also vor-
peratur an. Aus diesem Grund sind Halbleiter- wiegend auf der Wanderung der positiven Löcher,
widerstände besonders gut geeignet als Tempe- man spricht deshalb von p-Leitung und von p-
ratursensoren zur Messung tiefer Temperaturen Typ-Halbleitern. Da die Störstellen aus der III.
(NTC-Widerstand, Abb. 4.6). Gruppe Elektronen aus dem Valenzband aufneh-
men, werden sie als Akzeptoren bezeichnet. Die
9.2.3.2 Störstellenleitung Ionisationsenergie EA der wichtigsten Akzepto-
Der spezifische Widerstand von Halbleitern kann ren sind in Tab. 9.8 zusammengestellt.
erheblich verändert werden durch den Einbau Am absoluten Nullpunkt sind alle Störstellen
von Fremdatomen. Wird beispielsweise Silicium neutral. Der spezifische Widerstand des Halblei-
mit Atomen aus der V. Gruppe des Periodensys- ters ist wie bei der Eigenleitung unendlich groß.
tems dotiert, dann bringt nach Abb. 9.40 jedes Mit steigender Temperatur werden die Störstellen
Störatom ein Elektron mit, das keine Bindung ionisiert, und die Dichte der freien Ladungsträ-
mit nächsten Nachbarn eingeht und durch gerin- ger nimmt rasch zu. Solange erst ein Teil der
ge Energiezufuhr von seinem Atom abgetrennt Störstellen ionisiert ist, spricht man von Stör-
werden kann. Im Bänderschema sind diese Elek- stellenreserve. Die Trägerdichte wird wie bei der
tronen energetisch dicht unter der Leitungsband- Eigenleitung mit Hilfe der Fermi-Dirac-Statistik
kante angesiedelt. Die Ionisierungsenergien ED berechnet. Abb. 9.42 zeigt die Verteilungsfunkti-
einiger Donatoren (Elektronenspender) sind in on der Elektronen bei tiefen Temperaturen. Die
Tab. 9.8 für die Halbleiter Silicium und Germa- Fermi-Energie EF liegt dabei in der Mitte zwi-
nium zusammengestellt. Aus den Zahlenwerten schen den Störstellenniveaus und den benachbar-
ist ersichtlich, dass bereits bei Raumtemperatur ten Bandkanten.
praktisch alle Störstellen ionisiert sind. In diesem Ist bei n-Dotierung die Konzentration der Do-
Fall beruht die elektrische Leitung vorwiegend natoratome nD , dann ergibt sich für die Konzen-
auf dem Transport der negativen Elektronen (Ma- tration der freien Elektronen
joritätsträger). Der Halbleiter wird deshalb als
r
n-leitend oder als n-Typ bezeichnet. nD NL  ED
Dotiert man mit Elementen aus der III. Grup- n.T / D e 2kT : (9.33)
2
pe, so fehlt an jedem Störatom ein Elektron
zur Bindung. Bereits durch geringe Energiezu- Der Ausdruck ist analog zu (9.30) für die Ei-
fuhr kann dieses lokalisierte Loch von einem genleitung. ED spielt in diesem Fall die Rolle
Elektron eines Nachbaratoms ausgefüllt werden. der Bandlücke (Bandgap). Bei p-Typ-Halbleitern
Dadurch wandert das Loch ins Valenzband und gilt entsprechend mit der Akzeptoren-Konzentra-
738 9 Festkörperphysik

Abb. 9.42 Fermi-Dirac-Verteilung in n- und p-Halblei-


tern bei tiefen Temperaturen. Die schraffierten Gebiete
entsprechen den besetzten Elektronenzuständen

tion nA
r
nA NV  EA
p.T / D e 2kT : (9.34)
2
Abb. 9.43 zeigt den Verlauf der Trägerdichte bei
n-Typ-Silicium in Abhängigkeit von der Tem-
peratur. Mit steigender Temperatur nimmt die Abb. 9.43 Ladungsträgerdichte in n-Typ-Silicium in Ab-
hängigkeit von der Temperatur. Dotierung: Phosphor,
Dichte der freien Ladungsträger rasch zu und nD D 1015 cm3
geht schließlich in ein waagrechtes Plateau über,
wenn im Zustand der Störstellenerschöpfung al- Tab. 9.9 Halbleitereigenschaften im Zustand der Stör-
le Störstellen ionisiert sind. Ein weiterer Tem- stellenerschöpfung (bei Raumtemperatur; nD  ni bzw.
nA  ni )
peraturanstieg verursacht eine erneute Zunahme
der Trägerdichte, wenn die Eigenleitungsdichte n-Typ p-Typ
ni .T / größer wird als die Störstellenkonzentra- Majoritätsträgerdichte n D nD p D nA
tion. Im Bereich der Störstellenerschöpfung gilt Minoritätsträgerdichte p D n2i =nD n D n2i =nA
elektrische Leitfähigkeit ~ D en nD ~ D ep nA
bei n-Dotierung
v
u !2
nD u nD nimmt mit steigender Dotierung etwas ab und
nD C t C n2i wird temperaturunabhänig.
2 2

und bei p-Dotierung 9.2.3.3 pn-Übergang


Das Grundelement der meisten Halbleiterbau-
elemente ist der pn-Übergang, in dem nach
v
u !2
nA u nA Abb. 9.44a p- und n-leitendes Material anein-
pD C t C n2i :
2 2 anderstoßen. Abb. 9.44b zeigt den Dotierungs-
verlauf eines unsymmetrischen abrupten pn-
Bereits bei mäßiger Dotierung gilt i. Allg. nD  Übergangs in Silicium mit der Akzeptorkonzen-
ni oder nA  ni . Demnach ist die Majori- tration nA D 1  1016 cm3 im p-Gebiet und der
tätsträgerdichte n bzw. p gleich der Dotierungs- Donatorkonzentration nD D 2  1016 cm3 im n-
Konzentration. Die Minoritätsträgerdichte folgt Gebiet. Die Ladungsträgerkonzentrationen sind
unmittelbar aus (9.31). Tab. 9.9 gibt die Bezie- in Abb. 9.44c dargestellt. Weit weg vom Über-
hungen für n; p und ~ wieder. Die Beweglichkeit gang sind die Majoritätsdichten identisch mit
9.2 Elektronen in Festkörpern 739

a Elektronen aus dem n- ins p-Gebiet und Löcher


vom p- ins n-Gebiet. Die Übergangszone verarmt
an beweglichen Ladungsträgern. Die minimale
Ladungsträgerkonzentration in Silicium ist .n C
b p/min D 2ni D 2;04  1010 cm3 .
Durch den Abzug der Löcher aus dem p-
Gebiet entsteht an dessen Rand durch die io-
nisierten Akzeptoren, die nicht mehr durch die
entsprechende Anzahl von Löchern kompensiert
c werden, eine negative Raumladungszone. Eben-
so entsteht im n-Gebiet durch die positiven
Donatorrümpfe eine positive Raumladungszone.
Abb. 9.44d zeigt den Verlauf der Raumladungs-
dichte %. Aufgrund der Ladungsneutralität gilt für
die Breiten dn und dp

dn n D D dp n A : (9.35)
d
Wegen der positiven und negativen Raumla-
dungszone entstehen ähnlich wie beim Platten-
kondensator ein Potenzialgefälle und ein elek-
trisches Feld zwischen dem n- und p-Gebiet.
Abb. 9.44e zeigt den Potenzialverlauf, der mit
Hilfe der Poisson-Gleichung berechnet werden
kann und parabolisch vom Ort abhängt. Die Po-
e
tenzialdifferenz Ud zwischen n- und p-Gebiet
wird Diffusionsspannung genannt, weil sie in-
folge der Diffusion der beweglichen Ladungs-
träger entsteht. Abb. 9.44f zeigt den Verlauf der
elektrischen Feldstärke, die dem Gradienten des
Potenzials ' entspricht (Abschn. 4.3.4: E D
grad ' (4.94)).
Der Betrag der Diffusionsspannung kann
f aus thermodynamischen Überlegungen berech-
net werden. Nach Abschn. 3.2.3 ist das Ver-
hältnis der Elektronendichte im p-Gebiet zu
der im n-Gebiet gegeben durch den Boltzmann-
Faktor (Boltzmann-Näherung der Fermi-Dirac-
Verteilung)
Abb. 9.44 pn-Übergang: a p- und n-leitendes Silicium
in Kontakt, b Störstellenkonzentration, c Dichteverlauf
np n2i
D D eeUd =.kT / :
der beweglichen Ladungsträger, d Raumladungsgebiete, nn nA nD
e Potenzialverlauf (Ud Diffusionsspannung), f elektrische
Feldstärke Daraus folgt für die Diffusionsspannung
kT nA nD
Ud D (9.36)
ln :
e n2i
den Störstellenkonzentrationen. Die Minoritäts-
dichten sind nach (9.31) berechnet. Infolge des Die Größe kT =e D UT wird oft als Tempe-
großen Konzentrationsunterschieds diffundieren raturspannung bezeichnet. Bei Raumtemperatur
740 9 Festkörperphysik

(300 K) beträgt sie UT D 25;9 mV. Eine genaue a


Analyse des Potenzialverlaufs ergibt für die Brei-
te der Raumladungszone
s
2 " r " 0 Ud n A C n D
d D dn C dp D  : (9.37)
e nA nD
b
Beispiel 9.2-5
Für einen pn-Übergang in Silicium mit nD D
2  1016 cm3 und nA D 1  1016 cm3 sollen
die Diffusionsspannung Ud und die Breite der
Raumladungszone berechnet werden.

Lösung c
Nach (9.36) ist

2  1032 cm6
Ud D 25;9 mV  ln
1;04  1020 cm6
D 0;73 V : Abb. 9.45 Verteilung der Ladungsträger und Bändermo-
dell beim pn-Übergang a ohne äußere Spannung, b Span-
nung in Sperrrichtung (U < 0) und c Spannung in
Die Breite der Raumladungszone ist
Flussrichtung (U > 0)
nach (9.37) mit "r D 11;8 d D 0;38 m. Auf
die beiden Teilgebiete entfallen nach (9.35)
dp D 0;25 m und dn D 0;13 m.
sättigt der Strom und geht in den Sperrsättigungs-
Abb. 9.45a zeigt links anschaulich die Vertei- strom IS über.
lung der Ladungsträger in einem pn-Übergang. Abb. 9.45c zeigt die Verhältnisse im pn-
Die Kreise stellen die ortsfesten ionisierten Ak- Übergang unter der Wirkung einer Spannung in
zeptoren und Donatoren dar. Der graue Bereich Flussrichtung (U > 0). Die angelegte Spannung
symbolisiert das Gebiet der beweglichen Elektro- baut die Diffusionsspannung ab, sodass die Band-
nen, der rote das der Löcher. Die Bänderdarstel- verbiegung kleiner wird. Die Breite der Raum-
lung rechts zeichnet sich dadurch aus, dass im ladungszone wird verringert (in (9.37) wird Ud
thermodynamischen Gleichgewicht ohne äußere ersetzt durch Ud  U ); die beweglichen Ladungs-
Spannung das Fermi-Niveau in allen Bereichen träger reichern sich in der Verarmungszone an
auf gleicher Höhe liegt. Die Bandkanten ver- und dringen ins benachbarte Gebiet ein, wo sie
schieben sich zwischen dem n- und p-Gebiet um mit den dortigen Majoritäten rekombinieren. Der
den Energiebetrag eUd . fließende Strom nimmt mit wachsender Span-
Legt man nach Abb. 9.45b eine Sperrspan- nung stark zu. Nach W. S HOCKLEY (1910 bis
nung an (U < 0), dann werden die beweg- 1989) gilt für die Abhängigkeit des Stroms von
lichen Elektronen zum Pluspol und die Löcher der Spannung
zum Minuspol gezogen. Dadurch verbreitert sich  
die Raumladungszone (in (9.37) wird Ud ersetzt I D IS eeU=.kT /  1 : (9.38)
durch Ud C jU j). Es fließt nur noch ein geringer
Sperrstrom, der darauf beruht, dass Minoritäten Abb. 9.46 zeigt typische Kennlinien für Ge-
an den Übergang diffundieren und dort von dem und Si-Dioden. Der Sperrsättigungsstrom IS ist
starken elektrischen Feld auf die andere Seite bei Raumtemperatur in der Größenordnung von
befördert werden. Bei großen Sperrspannungen 1 nA für Si und 1 A für Ge. Er ist sehr stark tem-
9.2 Elektronen in Festkörpern 741

Abb. 9.46 Diodenkennlinien von Silicium und Germani-


um

peraturabhängig gemäß

IS  eEg =.kT / :
Abb. 9.47 Durchbruch des pn-Übergangs: a Zener-
In Sperrrichtung kann es zu einem Durchbruch Effekt, b Lawinenmultiplikation
kommen. Dies beruht zum einen auf dem Zener-
Effekt (C. M. Z ENER, 1905 bis 1993). Hier-
bei werden nach Abb. 9.47a infolge der großen 9.2.3.4 Transistor
Feldstärke im Innern des Übergangs Elektronen Transistoren gehören zu den wichtigsten elektro-
aus dem Valenzband des p-Materials waagrecht nischen Bauelementen. Sie werden zum Verstär-
über die verbotene Zone ins Leitungsband des ken und Schalten elektrischer Signale verwendet.
n-Materials gezogen (tunneln). Der Zener-Effekt Man unterscheidet bipolare und unipolare Tran-
tritt bevorzugt bei stark dotierten Dioden auf und sistoren. Letztere werden auch Feldeffekttransis-
kann dort schon bei wenigen Volt Sperrspannung toren genannt, die wiederum in Sperrschicht-
einsetzen. Der zweite Mechanismus, der zum bzw. MOS-Feldeffekttransistoren unterteilt wer-
Durchbruch führt, ist in Abb. 9.47b angedeutet. den. Eine Übersicht über den Aufbau, die Kenn-
Ein Elektron bewegt sich bei großer elektrischer linien und die Anwendungsbereiche vermittelt
Feldstärke so schnell, dass es bei einem Zusam- Abb. 9.49.
menstoß mit dem Gitter einen Teil seiner Energie Der bipolare Transistor arbeitet im Unter-
abgeben und ein neues freies Elektron-Loch-Paar schied zum Feldeffekttransistor mit Ladungs-
erzeugen kann. Diese Ladungsträger werden in trägern beider Polaritäten (Elektronen und Lö-
gleicher Weise beschleunigt und können ihrer- cher). Er besteht aus zwei hintereinander geschal-
seits neue freie Paare schaffen, sodass der Strom teten pn-Übergängen. Je nach Dotierung wer-
lawinenartig anwächst. den npn- und pnp-Transistoren unterschieden.
Beide Effekte weisen eine gegenläufige Tem- Abb. 9.50a zeigt die Schaltzeichen der Transis-
peraturabhängigkeit der Durchbruchspannung toren, Abb. 9.50b die drei Zonen unterschiedli-
UZ (Z-Spannung) auf. Bei Si-Dioden mit UZ D cher Dotierung, Abb. 9.50c die Wirkungsweise
5;6 V lässt sich die beste Temperaturkonstanz eines npn-Transistors und Abb. 9.50d die Basis-
der Durchbruchspannung erzielen. In Abb. 9.48 Schaltung eines npn-Transistors. Die Beschal-
sind die in der Technik wichtigsten Diodentypen tung des pnp-Transistors ist im Prinzip gleich,
(Aufbau, Kennlinien, Funktionsweise und An- lediglich die Polaritäten sind vertauscht. Für den
wendungen) zusammengestellt. bipolaren Transistor sind je nach Zuordnung von
742
9

effiziente Licht-
quelle für Be-
leuchtungszwecke

Abb. 9.48 Eigenschaften der wichtigsten Dioden


Festkörperphysik
9.2 Elektronen in Festkörpern 743

Abb. 9.49 Aufbau und Eigenschaften von Transistoren

Basis, Emitter und Kollektor zum Eingang oder darauf, dass praktisch derselbe Strom am Ein-
zum Ausgang drei Schaltungsarten möglich. Der gang bei einem niedrigen Eingangswiderstand
Schaltungstyp trägt den Namen des Transistor- (Durchlassrichtung) eine kleine Spannung UEB
teils, der sowohl am Eingang als auch am Aus- am Ausgang wegen des hohen Ausgangswider-
gang liegt. Aus diesem Grund unterscheidet man stands (Sperrrichtung) eine große Spannung UCB
zwischen Basis-, Emitter- und Kollektorschal- hervorruft. Der Transistor dient in diesem Fall
tung. zur Spannungsverstärkung (100- bis 1000-fach)
Bei der Basisschaltung (Abb. 9.50c und d) und zur Leistungsverstärkung (20 dB bis 30 dB).
wird an den Emitter-Basis-Übergang eine Span- Die Transistorkennlinien in Abb. 9.51 zeigen für
nung UEB (kleiner 1 V) in Durchlassrichtung die Basisschaltung die Kollektorstromstärke IC in
gelegt, am Basis-Kollektor-Übergang liegt die Abhängigkeit von der Kollektor-Basis-Spannung
Sperrspannung UCB . Die Elektronen fließen vom UCB für unterschiedliche Emitterströme IE . Der
Emitter zur Basis. Dort teilt sich der Strom inVerstärkungseffekt wird daraus ersichtlich.
einen geringen Basisstrom IB und einen hohen Abb. 9.51 zeigt auch die Kennlinien, glei-
Kollektorstrom IC auf. Die Basiszone ist sehr chungsmäßigen Zusammenhänge und Anwen-
dünn, sodass der Kollektorstrom beinahe so großdungsgebiete der anderen Transistorschaltungen.
ist wie der Emitterstrom. Der Stromverstärkungs-
Die Kennlinien beschreiben die Abhängigkeiten
faktor der wichtigsten Kenngrößen eines Transistors.
ˇ ˇ
ˇ IC ˇ Sie werden meist in vier Quadranten dargestellt.
A D ˇˇ ˇˇ (9.39)
Der erste Quadrant beschreibt die Ausgangskenn-
E I
linie (UCB für die Basis-, UCE für die Emitter-
der Basisschaltung ist annähernd eins, genauer und UEC für die Kollektorschaltung). Der zwei-
0,95 bis 0,995. Der Verstärkungseffekt beruht te Quadrant zeigt den Verlauf der Stromverstär-
744 9 Festkörperphysik

Die Kollektorschaltung hat einen hohen Ein-


und einen niedrigen Ausgangswiderstand. Sie
wird vor allem als Impedanzwandlerstufe sowie
in Gegentaktendstufen eingesetzt. Sie erzeugt
keine Spannungsverstärkung, jedoch eine Strom-
verstärkung wie die Emitterschaltung.
Im Unterschied zum bipolaren Transistor sind
beim Feldeffekt-Transistor (FET) nur Ladungs-
träger einer Sorte, also Elektronen oder Löcher,
beteiligt. Beim Sperrschicht-FET (Abb. 9.49)
liegt an einem n-leitenden Bereich eine Gleich-
spannung, sodass die Elektronen von der Quelle
(source) zur Senke (drain) fließen. Die Breite
des Kanals wird von zwei seitlichen p-Zonen
und der anliegenden sperrenden Steuerspannung
(Gate-Spannung) gesteuert. Wird die Steuerspan-
nung erhöht, dann werden die Raumladungszo-
nen, gekennzeichnet durch gestrichelte Linien in
Abb. 9.49, breiter und verengen die Strombahn.
Dies bedeutet, dass die Spannung am Gate durch
die Änderung des elektrischen Feldes im pn-
Übergang die Stromstärke zwischen Source und
Drain steuert.
Abb. 9.50 Wirkungsweise des Transistors Ein besonders wichtiger Transistor ist der
MOS-FET (metal oxide semiconductor-FET).
Die Steuerspannung beeinflusst die Leitfähig-
keit einer dünnen Oberflächenschicht im Halb-
kungskennlinie und der dritte Quadrant die Ein-
leiterkristall (Abb. 9.49). Beim Anreicherungstyp
gangskennlinien. Im vierten Quadranten kann der
fließt ohne Steuerspannung kein Strom zwischen
Verlauf der Spannungs-Rückwirkungskennlinien
Quelle und Senke. Eine negative Steuerspannung
dargestellt werden. Da diese jedoch aus den Kur-
verdrängt die Elektronen in das Kristallinnere,
ven der übrigen Kennlinien ermittelt werden kön-
sodass eine oberflächennahe schmale p-leitende
nen, werden sie meist nicht gesondert aufgeführt.
Schicht entsteht. Je nach Anwendungsfall gibt
Am häufigsten wird die Emitterschaltung ein-
es p-MOS oder n-MOS-Feldeffekttransistoren
gesetzt. Die Stromverstärkung in der Emitter-
mit einem Aluminium- bzw. Silicium-Gate. In
schaltung ist das Verhältnis von Kollektorstrom
der C MOS-Technik (komplementäre MOS-
zu Basisstrom: B D jIC =IB j. Mit IB D IE  IC
Technik) wirken sowohl p-MOS- als auch n-
und (9.42) folgt
MOS-Transistoren zusammen.
A Eine Vielzahl von Transistoren oder andere
BD : (9.40) Bauelemente können in einem einzigen Ferti-
1A
gungsprozess auf einem einkristallinen Silicium-
Für die genannten A-Werte von 0,95 bis 0,995 plättchen (Chip) hergestellt werden. Abb. 9.52
ergeben sich B-Werte von 20 bis 200. Die Emit- zeigt die einzelnen Fertigungsschritte dieser
terschaltung liefert also sowohl eine Spannungs- Planartechnik zur Herstellung zweier Transisto-
als auch eine Stromverstärkung und damit auch ren. In integrierten Schaltkreisen (IC, Integrated
eine Leistungsverstärkung. Sie ist also eine uni- Circuit) sind eine große Anzahl von Halbleiter-
versell einsetzbare Schaltung zum Verstärken von bauelementen gleichzeitig herstellbar. Abb. 9.53
Spannungen, Strömen und Leistungen. zeigt eine integrierte Schaltung mit einem Kon-
9.2 Elektronen in Festkörpern 745

Abb. 9.51 Grundschaltungen und Kennlinien von Transistoren

Abb. 9.53 Integrierte Schaltung von Transistor, Konden-


sator und Widerstand

densator, einem Transistor und einem Wider-


stand. Durch Großintegration (SLSI, Super Lar-
ge Scale Integration) kann man über 1 Mio.
Bauelemente auf einem Chip unterbringen. Auf
diese Weise lassen sich die Herstellungskosten
je Element beträchtlich senken und eine hohe
Zuverlässigkeit bei gleichzeitig geringem Leis-
tungsverbrauch garantieren.

9.2.4 Supraleitung

Abb. 9.52 Herstellungsgang für zwei nebeneinander lie- Als 1908 dem holländischen Physiker H. K A -
gende Planar-Transistor-Systeme MERLINGH -O NNES (1853 bis 1926) die Ver-
746 9 Festkörperphysik

flüssigung des Heliums bei 4,2 K gelang, mach-


te er die überraschende Entdeckung, dass der
Widerstand von Quecksilber bei dieser Tem-
peratur unmessbar klein wird. Er nannte diese
Erscheinung Supraleitfähigkeit. Seitdem stellte
man bei sehr vielen Metallen und Legierun-
gen sowie Halbleitern unterhalb einer jeweils
charakteristischen Sprungtemperatur Tc Supra-
leitung fest. Ein Supraleiter hat außer der Er-
scheinung des verschwindend geringen Wider-
standes .R D 0/ eine zweite wichtige Eigen-
schaft: Aus dem Innern eines Supraleiters wird
immer ein Magnetfeld verdrängt, d. h., ein Supra-
leiter ist auch ein idealer Diamagnet (Bi D 0,
m D 1). Dieser zweite Effekt wird nach ihren
Entdeckern Meißner-Ochsenfeld-Effekt genannt
(F. W. M EISSNER, 1882 bis 1974, R. O CHSEN -
FELD, 1901 bis 1993). Modellhaft wird angenom-
men, dass in einer dünnen Oberflächenschicht des
Supraleiters sehr große Oberflächenströme, soge-
nannte Supraströme zirkulieren, die ein äußeres Abb. 9.54 Abhängigkeit der kritischen Flussdichte von
der Temperatur für einige supraleitende Metalle
Magnetfeld abschirmen.
Der supraleitende Zustand wird oberhalb ei-
ner kritischen magnetischen Flussdichte Bc zer-
stört. Diese hängt mit der Sprungtemperatur Tc
zusammen und zeigt eine parabolische Tempe-
raturabhängigkeit. In guter Näherung kann der
Zusammenhang durch
 2 !
T
Bc D B0 1  (9.41)
Tc

beschrieben werden. Hierin ist Tc die material-


spezifische Sprungtemperatur und B0 die kriti-
sche Flussdichte für T D 0. Abb. 9.54 zeigt die
Abhängigkeit der kritischen Flussdichte von der
Temperatur für einige Metalle. Bei den Supralei-
tern erster Art tritt der Wechsel von der supra-
leitenden in die normalleitende Phase sprunghaft
ein, wie Abb. 9.55a erkennen lässt, während
bei den Supraleitern zweiter Art ein kontinu-
ierlicher Übergang vom supraleitenden in den
normalleitenden Zustand stattfindet, verdeutlicht
in Abb. 9.55b. Oberhalb einer kritischen magneti-
schen Flussdichte Bc1 beginnt ein Eindringen des
magnetischen Flusses, jedoch bei nach wie vor Abb. 9.55 Magnetisierungsverlauf in Supraleitern
9.2 Elektronen in Festkörpern 747

Abb. 9.56 Flussliniengitter einer Folie aus Pb 3,6 % In


bei T D 1;2 K und B D 0;007 T (nach Eßmann und Träu-
ble)

unmessbar kleinem Widerstand. Dies geschieht


quantisiert in Form von normalleitenden magne-
tischen Flussschläuchen, die eine regelmäßige
Struktur bilden. Der Wert eines solchen magne-
tischen Flussquants beträgt
Abb. 9.57 Übergang vom supraleitenden in den normal-
h leitenden Zustand bei Blei (weiß: supraleitend, schwarz:
˚0 D D 2  1015 V s : (9.42) normalleitend) bei a 2;5  102 T und b 7;5  102 T (nach
2e
Eßmann und Träuble)
Die Größe h ist das Planck’sche Wirkungs-
quantum und e die Elementarladung. Die nor-
malleitenden Flussschläuche bilden auf der Ober- den. Technisch bedeutsam ist, dass die Werte von
fläche des Supraleiters regelmäßige Gittermuster, Bc2 oft um mehrere Zehnerpotenzen höher liegen
die 1966 erstmals durch H. T RÄUBLE (1932 bis als die von Bc1 .
1976) und U. E SSMANN (geb. 1937) sichtbar In Tab. 9.10 sind die wichtigsten supralei-
gemacht wurden. Abb. 9.56 zeigt eine solche tenden Elemente und Verbindungen mit ihren
Struktur. Die Anordnungs- und Gitterfehler die- Sprungtemperaturen Tc und ihren kritischen ma-
ser Flussschläuche entsprechen den Versetzungen gnetischen Flussdichten Bc bzw. Bc2 aufgeführt.
von Metallgittern (Abschn. 9.1.3, Abb. 9.11). Es wurde empirisch ermittelt, dass nur Metal-
Abb. 9.57 zeigt den allmählichen Übergang le mit einer Valenzelektronenanzahl zwischen 2
vom supraleitenden in den normalleitenden Zu- und 8 supraleitend werden; hierbei weisen die
stand bei einer 0,1 mm dicken Bleifolie. In Elemente mit 3, 5 und 7 Valenzelektronen die
Abb. 9.57a beträgt die äußere magnetische Fluss- höchsten Sprungtemperaturen auf. In Tab. 9.10
dichte Ba D 2;5  102 T, es sind zylinderförmige hat die Verbindung Nb3 Ge die höchste kritische
magnetische Bereiche sichtbar, die etwa 50 Fluss- Temperatur von Tc D 23 K und die Verbin-
quanten umfassen. Mit zunehmender magneti- dung PbMo6 S8 die höchste kritische magnetische
scher Flussdichte gehen sie bei Ba D 7;5  102 T Flussdichte Bc2 D 60 T.
(Abb. 9.57b) in mäanderförmige magnetische Die angegebenen Grenzwerte werden weit
Bereiche über. Nach dem Überschreiten der obe- übertroffen durch keramische Werkstoffe, die
ren kritischen magnetischen Flussdichte Bc2 ist erstmals 1986 von J. G. B EDNORZ (geb. 1950)
der Werkstoff vollständig normalleitend gewor- und K. A. M ÜLLER (geb. 1927) beschrieben wur-
748 9 Festkörperphysik

Tab. 9.10 Kritische Temperatur Tc und kritische Flussdichte Bc supraleitender Elemente und Verbindungen
Supraleiter erster Art Supraleiter zweiter Art
Stoffe Tc in K B0 in T Stoffe Tc in K Bc2 in T
Al 1,19 0,0099 MoRe 12,6
Hg 4,15 0,0412 Nb3 Al 18 32
In 3,4 0,0293 Nb3 Ge 23 30
Pb 7,2 0,0803 Nb3 Sn 18 20
Sn 3,72 0,0309 NbTi 10,6 11,8
Th 1,37 0,0162 NbZr 10,8 11
Tl 2,39 0,0171 PbMo6 S8 15 60
V3 Ga 14,5 23
V3 Si 17,1 23
Supraleiter zweiter Art Hochtemperatur-Supraleiter
Stoffe Tc in K Bc2 in T Stoffe Tc in K Bc2 in T
Nb 9,2 0,27 YBa2 Cu3 O7x 93 110 bis 240
Ta 4,39 0,18 Bi2 Sr2 CaCu2 O8Cx 85 60 bis 250
V 5,3 0,34 Bi2 Sr2 Ca2 Cu3 O10Cx 110 40 bis 250
Zn 0,9 0,0053 HgBa2 Ca2 Cu3 O8Cx 133 108
Bi3 Ba 5,69 0,074 Te2 Ca2 Ba2 Cu3 Ox 135 100 bis 200
Bi3 Sr 5,62 0,053
Mo3 Re 9,8 0,053
Nb3 Au 11 –
NbSn2 2,6 0,062

den. Es handelt sich hierbei um Keramiken mit mation des Atomgitters. Durch die elektrische
Perowskit-Struktur auf der Basis von Kupfer- Wechselwirkung verzerrt ein Elektron das lo-
oxid in Verbindung mit Erdalkalimetallen und kale Atomgitter. Ist diese Deformationsenergie
seltenen Erden wie beispielsweise La-Ba-Cu-O, größer als die thermischen oder magnetischen
La-Sr-Cu-O und Y-Ba-Cu-O. Es wurden Sprung- Einflüsse auf das Gitter, so wirkt sich diese
temperaturen Tc von weit über 100 K gemessen Deformation bindend auf ein zweites Elektron
und kritische Flussdichten (bei T D 4;2 K) von aus, das damit an das erste Elektron gekoppelt
Bc > 350 T. Diese Hochtemperatur-Supraleiter ist und einen gemeinsamen Energiezustand ein-
benötigen zur Herbeiführung des supraleitenden nimmt. Bei Cooper-Paaren ist der Gesamtspin
Zustands nicht mehr das teuere flüssige Helium, bzw. Gesamtimpuls null. Aus diesem Grund sind
sondern sie werden bereits bei der Siedetempera- sie nicht dem Pauli-Prinzip unterworfen, sodass
tur des flüssigen Stickstoffs (T D 77 K) supralei- alle Cooper-Paare den tiefstmöglichen quanten-
tend. Somit versprechen diese neuen Werkstoffe mechanischen Energiezustand einnehmen kön-
sensationelle technische Anwendungen. nen. Die Cooper-Paare unterliegen nicht mehr der
Die physikalische Deutung der Supralei- Fermi-Dirac-Statistik (Abschn. 9.2.1), sondern
tung gelang J. BARDEEN (1908 bis 1991), der Bose-Einstein-Statistik wechselwirkungsfrei-
L. N. C OOPER (geb. 1930) und J. R. S HRIEF - er Teilchen. Die Cooper-Paare treten nicht mehr
FER (geb. 1931) erstmals im Jahr 1957. Die mit dem Atomgitter in störende Wechselwir-
nach ihnen benannte BCS-Theorie geht davon kung, weshalb sie sich auch widerstandslos durch
aus, dass jeweils zwei Elektronen mit entge- den Supraleiter bewegen können. Die Existenz
gengesetztem Eigendrehimpuls (Spin) und Im- von Cooper-Paaren konnte bei der Bestimmung
puls ein sogenanntes Cooper-Paar bilden. Die des Wertes eines Flussquantes bestätigt werden.
Kopplung der beiden das Cooper-Paar bilden- Nach (9.42) wird das Flussquant durch Teilchen
den Leitungselektronen erfolgt über die Defor- mit doppelter Elementarladung gebildet.
9.2 Elektronen in Festkörpern 749

Stromleitung hoher Leistung (P > 2 GW). Das


bedeutendste technische Einsatzfeld liegt heute
im Bau supraleitender Magnete hoher magneti-
scher Flussdichten (B > 10 T). Sie werden in
der Festkörper-, Hochenergie- und Plasmaphy-
sik eingesetzt. Ferner dienen sie zum Trennen
und Abscheiden magnetischer Substanzen. Die
Verdrängung des magnetischen Feldes in einem
Supraleiter wird bei elektrodynamischen Schwe-
beverfahren ausgenutzt. Diese Schwebetechnik
ermöglicht die Entwicklung von reibungsfreien
magnetischen Lagern (z. B. für Kompasse oder
Zentrifugen). Der Bau von Synchrongeneratoren
Abb. 9.58 Verlauf der kritischen Größen Sprungtempe- mit einer supraleitenden Erregerwicklung ist be-
ratur, kritische Flussdichte und Stromdichte (schematisch)
reits verwirklicht worden. In jüngster Zeit werden
supraleitende Magnete in der Medizintechnik bei
der Kernspin-Tomografie verwendet.
Eine wichtige technische Bedeutung haben die
Als supraleitende Werkstoffe werden vor al-
Supraleiter zweiter und dritter Art (Hochfeldsu-
lem NbTi und Nb3 Sn eingesetzt. NbTi hat eine
praleiter) sowie künftig die keramischen Supra-
Sprungtemperatur von 9 K und ist (bei 4;2 K) bis
leiter mit den kritischen Größen
Bc2 D 11;5 T supraleitend. Durch wiederhol-
 kritische Temperatur Tc , tes Kaltverformen und anschließende Wärmebe-
 kritische magnetische Flussdichte Bc2 und handlung werden als Pinning-Zentren Ausschei-
 kritische Stromdichte jc . dungen mit einem Durchmesser in der Größe
der Flussschläuche (etwa 108 m) erzeugt, und
Diese Größen sind voneinander abhängig und zwar in einer Dichte von etwa 1015 cm1 . Wird
beschreiben in Abb. 9.58 einen Bereich, inner- der Strom oder das Magnetfeld im Supraleiter
halb dessen Supraleitung möglich ist. geändert, dann kann es zur Wanderung der Fluss-
Fließt durch einen Supraleiter zweiter Art ein schläuche kommen, sodass die supraleitenden
Transportstrom IT , dann übt dieser auf die Fluss- Drähte teilweise normalleitend werden. Die auf-
schläuche eine Lorentz-Kraft IT B aus, die zu tretende Wärme muss schnell abgegeben werden
einer Wanderung der Schläuche und damit ver- können, um zu verhindern, dass die Drähte voll-
bunden zu einer Wärmeentwicklung führt, so- ständig normalleitend werden. Aus diesem Grund
dass die Supraleitfähigkeit verloren geht. Durch werden dünne Filamente mit einem Durchmesser
Anheften (Pinnen) dieser Flussschläuche in ih- von 5 m bis 50 m in eine Kupfermatrix ein-
rer gegenwärtigen Lage können supraleitende gebettet. Abb. 9.59 zeigt den Querschliff eines
Materialien verhältnismäßig hohe Stromdichten NbTi-Filament-Verbundleiters mit etwa 10:000
tragen (für NbTi zwischen 2  105 A=cm2 und Filamenten. Die maximale Stromstärke dieses
6  105 A=cm2 ). Versetzungen, Ausscheidungen Verbundleiters beträgt bei 4;2 K 1400 A bei 9 T
und Korngrenzen wirken in Supraleitern 2. Art bzw. 5200 A bei 5 T.
(harte Supraleiter) als Pinning-Zentren für die
Flussschläuche. Für keramische Hochtemperatur-
Supraleiter wurden bei T D 77 K ebenfalls 9.2.5 Zur Übung
kritische Stromdichten von über 105 A=cm2 ge-
messen. Ü 9-1 Die Dichte von Eisen beträgt 7850 kg=m3 .
Die Supraleitung kann in unterschiedlicher Wie groß ist die Fermi-Energie EF unter der
Weise technisch genutzt werden. Widerstandslo- Voraussetzung, dass jedes Eisenatom ein freies
se supraleitende Kabel dienen zur verlustfreien Elektron im Kristall zur Verfügung stellt?
750 9 Festkörperphysik

Ü 9-8 Ein mit P dotierter Si-Kristall soll als


Temperaturfühler eingesetzt werden. Bei T1 D
77 K beträgt der elektrische Widerstand des Bau-
elements R1 D 1 k. a) Wie groß ist der Wi-
derstand R2 bei der Temperatur T2 D 50 K,
wenn die Beweglichkeit als konstant angesehen
werden kann? b) Wie groß ist der Temperaturko-
effizient dR=dT des Ohm’schen Widerstands bei
T1 D 77 K?
Abb. 9.59 Schliffbild eines NbTi-Multifilamentleiters
mit etwa 10.000 Filamenten zu je 25 m Durchmesser und
Cu/CuNi-Mischmatrix (1400 A bei 9 T). Werkfoto: VAC Ü 9-9 Zur Herstellung einer Ge-Diode wird eine
schwach p-dotierte Scheibe mit dem spezifischen
Widerstand % D 5  cm als Ausgangsmaterial
Ü 9-2 Die Fermi-Energie von Na ist nach benutzt. In diesem Kristall wird durch Eindiffu-
Tab. 9.5 EF D 3;1 eV. Wie groß sind die Wahr- sion von Phosphor eine n-Zone erzeugt. a) Wie
scheinlichkeiten, dass die Energieniveaus E1 D groß muss die Donatorenkonzentration nD sein,
3;05 eV und E2 D 3;15 eV besetzt sind bei den damit die Diffusionsspannung Ud D 0;3 V ist?
Temperaturen T1 D 300 K und T2 D 600 K? b) Wie viel g Phosphor sind in 1 cm3 der n-
Schicht verteilt?
Ü 9-3 Wie groß ist der Beitrag der Elektro-
nen Cm; el zur molaren Wärmekapazität Cm D Ü 9-10 Wie breit ist die Raumladungszone eines
28 J=.mol K/ von Natrium bei 20 ı C? pn-Übergangs in Silicium mit nD D 1017 cm3
und nA D 1015 cm3 a) in spannungslosem Zu-
Ü 9-4 Wie groß ist die mittlere freie Weglän- stand, b) mit einer Sperrspannung UR D 10 V,
ge der Elektronen in Eisen bei Raumtemperatur, c) mit einer Flussspannung von UF D 0;5 V?
wenn der spezifische Widerstand % D 105  cm
beträgt? (weitere Daten s. Ü 9-1).
9.3 Thermodynamik fester Körper
Ü 9-5 Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, an
der Leitungsbandkante des Halbleiters Silicium 9.3.1 Gitterschwingungen
bei Raumtemperatur (300 K) Elektronen zu fin-
den? Folgende Fälle sollen untersucht werden: 9.3.1.1 Schwingende Gitterbausteine
a) Das Fermi-Niveau befinde sich in der Mitte der und Phononen
verbotenen Zone (Eigenleitung), b) Das Fermi- Im Kristallgitter eines Festkörpers befinden sich
Niveau befinde sich E D 20 meV unterhalb regelmäßig angeordnete Gitterbausteine, die elas-
der Leitungsbandkante (n-Halbleiter). c) Wie tisch miteinander gekoppelt sind. Diese führen
groß ist die Wahrscheinlichkeit beim Halbleiter thermische Schwingungen um ihre Ruhelagen
nach b), an der Valenzbandkante Löcher zu fin- aus. Wird ein Gitterbaustein von außen angeregt,
den? beispielsweise durch Stoß eines Gasmoleküls,
Wechselwirkung mit elektromagnetischer Strah-
Ü 9-6 Wie groß ist der spezifische Widerstand lung (Photonenstoß) oder Neutronenbestrahlung,
von eigenleitendem Germanium bei T D 600 K? dann wird sich die damit verknüpfte Auslenkung
über die elastische Kopplung auf die Nachbarn
Ü 9-7 An einer Si-Probe der Länge l D 2 cm übertragen und als Welle durch das Kristallgitter
und des Querschnitts A D 1 cm2 mit der Dotie- laufen. Abb. 9.60 zeigt die Auslenkung der Teil-
rungskonzentration nD D 1015 cm3 (Sb) wird chen bei einer transversalen Gitterwelle.
der Widerstand R D 10  gemessen. Wie groß Durch viele Experimente, z. B. durch Rönt-
ist die Beweglichkeit der Majoritätsträger? gen- und Neutronenstreuung an Kristallen, wurde
9.3 Thermodynamik fester Körper 751

Als einfaches Beispiel sei nach Abb. 9.61 eine


lineare Kette aus gleichartigen Atomen der Mas-
se m betrachtet, in der eine Longitudinalwelle
läuft. Der äquidistante Abstand (Gitterkonstante)
zwischen den Atomen sei a, die Federkonstante,
die das lineare Kraftgesetz der Wechselwirkungs-
kraft nächster Nachbarn beschreibt, kF . Dieses
gekoppelte Schwingungssystem (Abschn. 5.1.5)
zeigt folgende Abhängigkeit der Kreisfrequenz
von den obigen Parametern:
r
2kF
!D .1  cos ka/ : (9.45)
m
Abb. 9.60 Transversale Gitterwellen
Es ergibt sich kein bestimmter Wert für die
Frequenz sondern ein Phononspektrum, in dem
festgestellt, dass die Energie in einer Gitter- die Frequenz von der Wellenlänge  bzw. der
schwingung gequantelt ist. Analog zum Photon, Wellenzahl k abhängt. Der Zusammenhang zwi-
dem Energiequant der elektromagnetischen Wel- schen ! und k wird als Dispersionsrelation be-
len, werden die Quanten der Gitterwellen als zeichnet und ist in Abb. 9.62a dargestellt. Al-
Phononen bezeichnet. Die Energie eines Phonons le praktisch vorkommenden Wellenzahlen lie-
ist nach (6.129) gen innerhalb der ersten Brillouin-Zone (Ab-
schn. 9.2.1):
EPhonon D hf D „! (9.43)    
 5k5C :
a a
mit f und ! als Frequenz bzw. Kreisfrequenz
der Schwingung, h als der Planck’schen Konstan-
ten und „ D h=.2 /. Die Phononen haben wie
die Photonen einen Impuls pPhonon , der nach der
De-Broglie-Beziehung (Abschn. 6.5.5) mit der
Wellenlänge  bzw. der Wellenzahl k zusammen-
hängt. Es gilt

h
pPhonon D D „k : (9.44)


Gitterschwingungen können also als Teilchen


aufgefasst werden, die sich mit der Schallge-
schwindigkeit cs durch den Kristall bewegen,
dabei untereinander sowie mit anderen Teil-
chen (z. B. Elektronen, Neutronen, Photonen)
zusammenstoßen und Energie und Impuls austau-
schen.

Abb. 9.62 Gitterwellen einer linearen Atomkette: a Di-


Abb. 9.61 Lineare Atomkette spersionsrelation der Phononen, b Schallgeschwindigkeit
752 9 Festkörperphysik

Die Vorzeichen der k-Vektoren geben die Lauf- Hooke’schen Gesetzes mit der Spannung  und
richtung der Welle an. Die maximale Wellenzahl dem Elastizitätsmodul E verknüpft ist:  D E".
Für die Spannung gilt
 
kmax D (9.46)
a F F a
D D 2 DE :
entspricht der minimalen Wellenlänge A a a
Die Kraft F , die auf ein Teilchen wirkt, ist nach
min D 2a ; (9.47) Hooke der Verschiebung a proportional: F D
kF a. Daraus folgt eine Beziehung zwischen Fe-
die sich nach Abb. 9.60 dadurch auszeichnet, derkonstante kF und E-Modul E:
dass benachbarte Atome gegenphasig schwin-
gen. Die Geschwindigkeit der Phononen ent- kF D a E : (9.52)
spricht der Gruppengeschwindigkeit der Gitter-
Wird (9.52) in (9.50) eingesetzt, dann ergibt sich
welle. Nach (5.191) ist diese cgr D d!=.dk/. Mit
für den Grenzfall langer Wellen (tiefe Frequen-
!.k/ aus (9.45) folgt
zen) die maximale Schallgeschwindigkeit cs;max
r der Longitudinalwellen
kF sin ka
cgr D a p : (9.48) r s
2m 1  cos ka a3E E
cs; max D D : (9.53)
m %
Die Phasengeschwindigkeit der Welle beträgt
nach (5.176) cph D f D !=k und mit 9.45) Diese Gleichung ist identisch mit (3) in Tab. 5.9
r p aus der Kontinuumstheorie.
2kF 1  cos ka Die größte Eigenfrequenz ist nach (9.45) für
cph D :(9.49)
m k k D  =a
r
Die Funktionen (9.48) und (9.49) sind in kF
Abb. 9.62b dargestellt. Bei k D 0 ist die Phasen- !max D 2 :
m
geschwindigkeit gleich der Gruppengeschwin-
Mit (9.52) resultiert
digkeit
r
r 1 aE
kF fmax D : (9.54)
cph .k D 0/ D cgr .k D 0/ D a : (9.50)   m
m
Beispiel 9.3-1
Für sehr lange Wellen .  a/ gibt es also keine Wie groß ist die maximale Schallgeschwin-
Dispersion. Am Rand der Brillouin-Zone ist digkeit und die maximale Eigenfrequenz von
! r Eisenatomen in einem Eisenstab, der zu Lon-
  2a kF gitudinalschwingungen angeregt wird? (Elas-
cph kD D ;
a   m tizitätsmodul E D 2  1011 N=m2 , Gitterkon-
! stante a D 2;9  1010 m, Molmasse M D
 
cgr kD D0: (9.51) 55;85 kg=kmol, Dichte % D 7850 kg=m3 )
a
Lösung
Die verschwindende Gruppengeschwindigkeit ist Nach (9.53) ist die p
maximale Schallgeschwin-
ein Ausdruck dafür, dass die Wellen mit k D digkeit cs; max D E=% D 5048 m=s. Die
˙ =a stehende Wellen sind (Abschn. 9.2.1). maximale Eigenfrequenz ist nach (9.54)
Ist a die Auslenkung eines Teilchens aus der r
Gleichgewichtslage, dann ist " D a=a die Deh- 1 aE
fmax D :
nung, die nach Abschn. 2.3.1 bei Gültigkeit des   m
9.3 Thermodynamik fester Körper 753

(z. B. NaCl), erfährt der Kristall durch die opti-


schen Phononen eine starke Polarisation. Dieser
Schwingungstyp kann daher sehr effektiv durch
elektromagnetische Wellen (Licht) angeregt wer-
den.
Abb. 9.63a verdeutlicht, dass zwischen den
akustischen und optischen Phononenästen eine
Frequenzlücke (schraffiert) existiert. Der Kristall
hat in diesem Frequenzintervall keine Eigen-
schwingungen. Wellen mit solchen Frequenzen
(für Ge 6;65  1012 Hz bis 7;33  1012 Hz) wer-
den stark gedämpft. Während bei Germanium
in anderen Raumrichtungen, wie z. B. [100], die
Frequenzlücke nicht auftritt, ist sie bei Kristallen,
die zwei Atome unterschiedlicher Masse in der
Elementarzelle haben, immer vorhanden.

Beispiel 9.3-2 
  1
Die Gitterschwingungen mit k D a
1 ha-
Abb. 9.63 Phononen in Kristallen mit zwei Atomen in 1
der Elementarzelle: a Dispersionsrelation von Germani- ben in Germanium die Frequenzen fTA D
um, b akustische und c optische Phononen 1;90 THz, fLA D 6;65 THz, fLO D 7;33 THz,
fTO D 8;68 THz. a) Wie groß sind die zuge-
hörigen Phononenenergien? b) Wie groß sind
Mit m D M=NA D 9;27  1026 kg ergibt sich die Impulse der Phononen, wenn in Ge die
fmax D 7;96 GHz. Gitterkonstante a D 5;65  1010 m beträgt?
c) Welchen Impuls hat ein Photon mit der glei-
Befinden sich zwei oder mehr Atome in chen Energie wie das LA-Phonon?
der Elementarzelle, dann ergeben sich je nach
Schwingungstyp verschiedene Dispersionsrela-
Lösung
tionen, wie sie in Abb. 9.63a für Germanium dar-
gestellt sind. Man unterscheidet akustische und a) Für die Phononenenergien gilt nach (9.43)
optische Phononen, die jeweils noch in longitu- EPhonon D hf . Man errechnet ETA D
dinale und transversale unterteilt sind. Folgende 7;85 meV, ELA D 27;5 meV, ELO D
Abkürzungen sind üblich: 30;3 meV und ETO D 35;9 meV.
b) Der Impuls ist nach
p (9.44) pPhonon D „k.
 TA: transversal akustisch, Mit jkj D . =a/ 3 erhält man pLA D
 LA: longitudinal akustisch, 1;02  1024 N s.
 LO: longitudinal optisch, c) Der Impuls eines Photons ist nach (6.112)
 TO: transversal optisch. pPhoton D .hf /=c. Mit hf D ELA D
27;5 meV ergibt sich pPhoton D 1;47 
Bei den akustischen Phononen schwingen 1029 N s  pPhonon .
nach Abb. 9.63b die beiden verschiedenen Teil-
chensorten gleichphasig, bei den optischen Pho- Praktisch kann der Photonenimpuls im Ver-
nonen nach Abb. 9.63c gegenphasig. Falls die gleich zum Phononenimpuls immer vernachläs-
beiden Atome unterschiedliche Ladung tragen sigt werden.
754 9 Festkörperphysik

9.3.1.2 Molare und spezifische und für die molare Wärmekapazität


Wärmekapazität  
Jeder schwingungsfähige Gitterbaustein eines hf 2  hf
Cm D 3Rm e kT : (9.58)
Festkörpers hat drei Freiheitsgrade. Da sich die kT
Schwingungsenergie gleichmäßig auf die kineti-
Die Grenze für den Übergang von (9.56) in (9.57)
sche und potenzielle Energie verteilt, hat jedes
liegt bei der Einstein-Temperatur
Atom im Festkörper die mittlere Energie EN D
2.3=2/kT D 3kT . Die innere Energie eines Sys- hf
TE D : (9.59)
tems aus N Teilchen ist also U D 3N kT und k
die molare Wärmekapazität nach der Dulong-
Genaue Messungen des Temperaturverlaufs der
Petit’schen Regel (Abschn. 3.3.4)
spezifischen Wärmekapazität in Festkörpern ha-
1 dU ben ergeben, dass die Einstein’sche Formel zu
Cm D D 3Rm : geringe Wärmekapazitäten voraussagt, weil sie
 dT
auf der Annahme beruht, dass es nur eine einzi-
Die tatsächlich gemessene molare Wärmeka- ge Frequenz der Gitterschwingungen (die eines
pazität weicht indessen von diesem Wert stark ab Gitterbausteins) gibt. Ein Gitter hat aber genau
und zwar umso mehr, je fester die Gitterbindung, so viele Schwingungszustände wie Gitterbaustei-
je leichter die Gitterbausteine und je tiefer die ne (Abschn. 5.1.5).
Temperatur ist. Einstein forderte deshalb 1907, Nach P. D EBYE (1884 bis 1966) ist der Ener-
dass die Schwingungsenergie der Gitterbaustei- giegehalt eines Festkörpers in den stehenden
ne in ganzzahligen Vielfachen von hf gequan- Wellen der N Gitterschwingungen gespeichert.
telt sein muss. Unter der Annahme, dass N - Er berechnete die Gesamtenergie bei drei Frei-
Oszillatoren mit drei Freiheitsgraden unabhängig heitsgraden zu
voneinander mit derselben Frequenz schwingen, ZzD 3
T3 z dz
ergibt sich für die Gesamtenergie unter Berück- U D 9N kT 3 (9.60)
TD ez  1
sichtigung der Boltzmann’schen Verteilungsfunk- 0
tion (Abschn. 3.2.3)
mit z D .hf /=.kT / und zD D TD =T . TD ist die
N hf Debye-Temperatur:
U D 3 hf : (9.55) hfgr
e kT  1 TD D : (9.61)
k
Für hohe Temperaturen .kT  hf / beträgt die Die Größe fgr ist die Debye’sche Grenzfrequenz,
innere Energie die in der Nähe der Maximalfrequenz (9.54)
der elastischen Schwingungen des Kristalls liegt.
U  3N kT D 3Rm T : (9.56) Tab. 9.11 zeigt die Debye-Temperaturen einiger
Festkörper.
Die molare Wärmekapazität befolgt damit die Für den Fall T  TD ergibt (9.60) wieder
Dulong-Petit’sche Regel. Für niedrige Tempera- U  3N kT und für die molare Wärmekapazität
turen .kT  hf / wird die Energie im Wesentli- Cm D 3Rm (Dulong-Petit). Bei T  TD resul-
chen von der Exponentialfunktion bestimmt und tiert
ist viel kleiner, als nach der Dulong-Petit’schen 3 T3
Regel zu erwarten ist. Insbesondere für T D 0 K U D  4 N kT 3 und (9.62)
5 TD
resultiert Cm D 0. Es gilt
12 4 T3
C m D   Rm : (9.63)
hf
U D 3N hf e kT (9.57)
5 TD3
9.3 Thermodynamik fester Körper 755

Tab. 9.11 Debye-Temperatur TD einiger Stoffe


Stoff TD in K Stoff TD in K
Pb 88 Mg 405
Na 172 Al 428
Ag 226 LiF 740
NaCl 281 Diamant 1860
Cu 345

Abb. 9.65 Temperaturverteilung in einem Festkörper

konstante Temperaturdifferenz T D T1  T2
anliegt. Die je Flächen und Zeiteinheit transpor-
tierte Wärme, die Wärmestromdichte jq beträgt

T
jq D  : (9.64)
x
Abb. 9.64 Molare Wärmekapazität der Festkörper nach
den Theorien von Einstein, Debye und Dulong-Petit Hierbei ist  die Wärmleitfähigkeit in W/(m K)
(Abschn. 3.5.1).
Der Zusammenhang zwischen der Wärmeleit-
Für T ! 0 geht die molare bzw. spezifische fähigkeit und der Phononenbewegung lässt sich
Wärmekapazität mit T 3 gegen null. Die De- berechnen. Wenn in der Mitte des Festkörpers
bye’sche Beschreibung ist wesentlich genauer als die Temperatur T herrscht, dann liegt links und
die Einstein’sche. Noch vorhandene Unterschie- rechts im Abstand ˙lph ein Bereich, in dem
de zum Experiment rühren von der bei Debye kein Phononenzusammenstoß stattfindet. Die von
nicht berücksichtigten Dispersion der Gitterwel- links kommenden Phononen haben die Energie
len her. Abb. 9.64 zeigt die molare Wärmekapazi-
 
tät in Abhängigkeit von der Temperatur nach dem 3 T
ET1 D k T C lph
Einstein’schen bzw. dem Debye’schen Ansatz. 2 x

9.3.1.3 Wärmeleitfähigkeit und die von rechts kommenden


 
3 T
Isolatoren ET2 D k T  lph :
2 x
Zwar breiten sich die Phononen im Festkör-
per mit Schallgeschwindigkeit aus, jedoch ist Ist die Dichte der Phononen nph D Nph =V und
der durch sie bewirkte Wärmetransport deutlich ihre Geschwindigkeit cs , dann ist die mittlere
langsamer. Dies rührt daher, dass die Phononen Phononenstromdichte in positiver bzw. negativer
untereinander und mit Verunreinigungen zusam- x-Richtung 1=6.nph cs /. Für die Energiestrom-
menstoßen und ihre Richtungen dauernd ändern. dichte im Mittelpunkt gilt bei der Temperatur T :
Ihnen wird, ähnlich wie den Gasmolekülen und Energiestromdichte von links:
Elektronen, eine mittlere freie Phononenweglän-  
ge lph zugeordnet. Abb. 9.65 zeigt schematisch 1 3 T
nph cs k T C lph
den Querschnitt eines Festkörpers, an dem eine 6 2 x
756 9 Festkörperphysik

Energiestromdichte von rechts: % D 2;4  103 kg=m3 , spezifische Wärmeka-


  pazität c D 840 J=.kg K/, Schallgeschwin-
1 3 T
nph cs k T  lph : digkeit cs D 4880 m=s, Wärmeleitfähigkeit
6 2 x  D 1 W=.m K/.
Die Differenz der Energiestromdichten ist gleich
der Wärmestromdichte Lösung
Nach (9.68) gilt für die mittlere freie Weg-
1 T
jq D nph kcs lph : (9.65) länge lph D 3=.% c cs /. Mit obigen Werten
2 x
ergibt sich lph D 3;05  1010 m. Diese Strecke
Durch Vergleich mit (9.64) folgt für die Wärme- entspricht etwa dem Wert einer Gitterkonstan-
leitfähigkeit ten.
1
D nph kcs lph : (9.66) Metalle
2
In Metallen kann Wärme nicht nur durch Pho-
Da bei drei Freiheitsgraden die innere Energie nonen, sondern auch durch die freien Elektro-
U D 3kT nph V beträgt, folgt für die spezifische nen übertragen werden. Die Wärmeleitfähigkeit
Wärmekapazität (Abschn. 3.3.4) aufgrund des Energietransports der Elektronen
wird durch (9.68) beschrieben; hierbei wird für
1 dU nph k
cD D3 c die spezifische Wärmekapazität der Elektronen
m dT % aus (9.16) eingesetzt. Mit der Molmasse M gilt
mit der Dichte % D m=V oder
Cm; el 1 Rm T
1 c% cel D D  2 :
nph D : (9.67) M 2 M TF
3 k
Anstelle der Schallgeschwindigkeit cs steht die
Hieraus ergibt sich die Wärmeleitfähigkeit Fermi-Geschwindigkeit vF und anstatt der mitt-
1 leren freien Weglänge der Phononen die entspre-
 D %ccs lph : (9.68) chende Größe l D v  nach (9.25) für die
3 F
Elektronen. Folglich resultiert für die Wärmeleit-
Mit dieser Gleichung ist es möglich, durch Mes-
fähigkeit der Elektronen
sen von  die mittlere freie Weglänge lph zu be-
rechnen. Bei tiefen Temperaturen .T  TD / ist 1 T Rm %
die mittlere freie Weglänge der Phononen lph so el D  2 vF2  :
6 TF M
groß, dass sie in der Größenordnung der Kristall-
dimensionen liegt und demnach konstant ist. Da Mit EF D 12 mvF2 D kTF und
entsprechend den vorgenannten Ausführungen in
diesem Bereich die spezifische Wärmekapazität c Rm % N
D k D nk
proportional zu T ist, gilt auch für die Wärme-
3 M V
leitfähigkeit   T 3 . Bei hohen Temperaturen
ergibt sich
.T  TD / ist die spezifische Wärmekapazi-
tät c konstant. Die Wärmeleitfähigkeit fällt mit 1 n
steigender Temperatur wegen der zunehmenden el D  2 k 2 T : (9.69)
3 m
Phononen-Stoßwahrscheinlichkeit gemäß  
1=T . Die Größe n D N=V ist die Elektronenzahldich-
te. In reinen Metallen ist die Wärmeleitfähigkeit
Beispiel 9.3-3 durch die Elektronen stets ein bis zwei Größen-
Wie groß ist die mittlere freie Weglänge lph ordnungen größer als durch Gitterschwingungen.
der Phononen in Porzellan bei Raumtempe- Es gilt daher für die Wärmeleitfähigkeit des Fest-
ratur? Folgende Daten sind bekannt: Dichte körpers   el . Für die elektrische Leitfähigkeit
9.3 Thermodynamik fester Körper 757

gilt nach (9.24) ~ D ne 2 =m. Somit ist das Ver- ist nach (9.25) l D vF  D 3;4  108 m.
hältnis von Wärme- zu elektrischer Leitfähigkeit Dieses Ergebnis stimmt sehr gut mit dem
 2 Resultat von Beispiel 9.2-3 überein.
  2 k
D T :
~ 3 e
9.3.2 Effekte im Zusammenhang
mit Wärmefluss und elektrischem
Bei konstanter Temperatur ist für alle Me- Strom
talle die Wärmeleitfähigkeit  proportional
zur elektrischen Leitfähigkeit ~: Im Zusammenhang mit einem Wärmestrom ˚,
einem elektrischen Strom I und einem Magnet-
 D LT ~ : (9.70) feld H können drei unterschiedliche Effekte auf-
treten. Bei den thermoelektrischen Effekten be-
dingt ein Wärmestrom ˚ eine Potenzialdifferenz
Dies ist das Wiedemann-Franz’sche Gesetz ' oder umgekehrt eine Potenzialdifferenz '
(G. H. W IEDEMANN, 1826 bis 1899; R. F RANZ, einen Wärmestrom ˚. Bei den thermomagneti-
1827 bis 1902). Die Konstante schen Erscheinungen erzeugen ein Wärmefluss
und ein Magnetfeld H entweder eine Potenzial-
 
 2 k 2 oder eine Temperaturdifferenz, und bei den gal-
LD (9.71) vanomagnetischen Effekten erzeugen ein elektri-
3 e
scher Strom und ein Magnetfeld eine Potenzial-
wird Lorenz’sche Zahl (L. L ORENZ, 1829 bis oder eine Temperaturdifferenz.
1891) genannt und beträgt L D 2;45 
108 V2 =K2 . Aus der Proportionalität von  und 9.3.2.1 Galvanomagnetische
~ folgt, dass gute elektrische Leiter auch gute und thermomagnetische Effekte
Wärmeleiter und umgekehrt schlechte elektrische In Abb. 9.66 sind die galvano- und thermo-
Leiter auch schlechte Wärmeleiter sind. magnetischen Effekte zusammengestellt. Galva-
nomagnetische Effekte sind alle Erscheinungen,
Beispiel 9.3-4 die bei einem stromdurchflossenen Leiter auf-
Die elektrische Leitfähigkeit von Kupfer ist treten können, der sich in einem Magnetfeld
bei Raumtemperatur ~ D 5;9  107 1 m1 , befindet. In der vorliegenden Betrachtung stehen
die Wärmeleitfähigkeit  D 384 W=.m K/. Strom I und Magnetfeld H senkrecht aufeinan-
a) Wie groß ist die Lorenz-Zahl L in Kupfer? der. Das Auftreten einer Potenzialdifferenz '
b) Wie groß ist die mittlere freie Weglänge l senkrecht zur Strom- und Magnetfeldrichtung
der Elektronen? wird als Hall-Effekt bezeichnet (Abschn. 4.4.3.2).
Zusätzlich zur Hall-Spannung liegt eine trans-
Lösung
versale Temperaturdifferenz T vor; dies ist
der Ettingshausen-Effekt (A. v. E TTINGSHAU -
a) Nach (9.70) ist die Lorenz-Zahl L D
SEN, 1850 bis 1932). Diese Erscheinung kann
=.T ~/ D 2;22  108 V2 =K2 in guter
wie auch der Hall-Effekt durch die Wirkung der
Übereinstimmung mit dem theoretischen
Lorentz-Kraft (Abschn. 4.4.3.2) erklärt werden.
Wert von (9.71).
Aus diesem Grund ist die Temperaturdifferenz
b) Nach (9.69) ist die Relaxationszeit
T proportional zur Stromstärke I und zum Ma-
3m gnetfeld H . Das Auftreten einer longitudinalen
D 2 2 : Temperaturdifferenz T wird als Nernst-Effekt
  nk T
bezeichnet (W. H. N ERNST, 1864 bis 1941). In-
Mit n  8;5  1028 m3 ergibt sich  D folge der Ablenkung der Strombahnen im Ma-
2;2  1014 s. Die mittlere freie Weglänge gnetfeld beobachtet man eine Widerstandszunah-
758 9 Festkörperphysik

Abb. 9.66 Galvanomagnetische und thermomagnetische Effekte

me und damit eine Potenzialdifferenz in longi- 1856 bis 1937). Liegt die beobachtete Differenz
tudinaler Richtung. Dies ist der Thomson-Effekt in Richtung des Wärmestroms, so wird diese
(W. T HOMSON, 1824 bis 1907). Erscheinung zweiter Righi-Leduc- oder Maggi-
Bei den thermomagnetischen Effekten fließt Righi-Effekt genannt.
ein Wärmestrom ˚ und es wirkt ein homogenes
Magnetfeld (im Bild transversal). Unter diesen 9.3.2.2 Thermoelektrische Effekte
Bedingungen kann entweder eine Potenzialdiffe- Fließt durch einen Festkörper ein Wärmestrom
renz ' oder eine Temperaturdifferenz T ge- ˚, so kann eine Potenzialdifferenz in Strom-
messen werden. Der Ettingshausen-Nernst-Effekt richtung auftreten. Diese Erscheinung nennt man
ist die Umkehrung des Ettingshausen-Effekts. Seebeck-Effekt (T. J. S EEBECK, 1770 bis 1831).
Fließt ein Wärmestrom ˚ senkrecht zum Ma- Den umgekehrten Effekt, bei dem durch Anle-
gnetfeld H , dann wird eine transversale Potenzi- gen einer Potenzialdifferenz ' ein Tempera-
aldifferenz ' gemessen. Diese Erscheinung ist turunterschied T gemessen wird, nennt man
das thermische Analogon zum Hall-Effekt. Wird Peltier-Effekt (J. C. A. P ELTIER, 1785 bis 1845).
eine longitudinale Potenzialdifferenz entlang des Abb. 9.67 verdeutlicht die Vorgänge.
Wärmestromes gemessen (Thermokraft), so ist Wenn sich zwei Metalle mit unterschiedlichen
dies der zweite Ettingshausen-Nernst-Effekt. Bei Fermi-Grenzen gemäß Abb. 9.68a berühren, er-
einem Wärmefluss ˚ und einem transversalen folgt durch einen Diffusionsstrom ein Ausgleich
homogenen Magnetfeld H tritt eine senkrecht dieser Niveaus. Das eine Metall (z. B. Zn) mit
zu beiden Größen stehende Temperaturdifferenz dem höheren Fermi-Niveau EF2 (geringere Aus-
auf; dabei handelt es sich um den Righi-Leduc- trittsarbeit WA2 ) gibt Elektronen an das andere
Effekt (A. R IGHI, 1850 bis 1920; S. A. L EDUC, Metall (z. B. Cu) mit niedrigerem Fermi-Niveau
9.3 Thermodynamik fester Körper 759

Umverteilung der Elektronen auf die verschiede-


nen Energieniveaus erfolgt (Abschn. 9.2.2), so-
dass die Fermi-Energie verschoben wird. Mess-
glieder, die diesen Effekt ausnutzen, werden
Thermoelemente genannt. Sie sind zur Tempe-
raturmessung besonders gut geeignet, weil sie
eine geringe Wärmekapazität bei einer hohen
Empfindlichkeit haben und die Temperaturwer-
te in Form von elektrischen Signalen direkt zu
Steuer- und Regelzwecken weiterverarbeitet wer-
den können. Die Änderung der Thermospannung
mit der Temperatur wird Thermokraft genannt;
diese liegt im Bereich 105 V=K. Tab. 9.12 zeigt
die thermoelektrische Spannungsreihe. Das links
Abb. 9.67 Thermoelektrische Effekte stehende Metall ist an der kälteren Lötstelle ge-
genüber einem rechts stehenden thermoelektrisch
a positiv.
In der Technik werden vor allem die Thermo-
paare NiCr–Ni (bis 1000 ıC), Eisen–Konstantan
(bis 700 ı C), Kupfer–Konstantan (bis 400 ı C)
und Platin/Rhodium–Platin (bis 1300 ı C) ver-
wendet. Die Thermospannungen und die To-
leranzen sind für diese Thermopaare nach
DIN EN 60584-1 genormt (Tab. 9.12). Für
Temperaturen bis 2000 ıC werden Thermo-
b
paare aus Iridium/Rhenium-Iridium eingesetzt.
Auch Halbleiterwerkstoffe (z. B. Zinkantimonid-
Bleitellurid) finden wegen ihrer großen Thermo-
kräfte ( 200 V=K) Verwendung (bis 600 ı C).
Die Umkehrung des Seebeck-Effektes ist der
Peltier-Effekt (Abb. 9.67). Wird ein Strom durch
die Thermopaare geschickt, kühlt sich eine Löt-
Abb. 9.68 Entstehung eines Kontaktpotenzials stelle ab und die andere erwärmt sich. Peltier-
Elemente (z. B. Wismuttellurid) werden in der
Technik in Kühlschränken oder Wärmepumpen
EF1 ab (höhere Austrittsarbeit WA1 ). Der dabei eingesetzt oder dienen zur Kühlung von integrier-
fließende Diffusionsstrom baut eine entgegenge- ten Schaltkreisen und Halbleiterlasern. Das der-
setzt wirkende Kontaktspannung UK auf, sodass zeit kleinste Peltier-Element (0;6 mm  0;6 mm)
der Diffusionsstrom aussetzt, wenn die Fermi- verwendet man als Kühlelement auf elektroni-
Niveaus in beiden Bereichen auf gleicher Höhe schen Schaltkarten. Peltier-Kaskaden finden in
liegen (Abb. 9.68b). Kühlsystemen mit Wärmeübertragern Anwen-
Werden verschiedene Metalle an beiden En- dung.
den fest verbunden, z. B. durch Löten oder
Schweißen, und diese Enden unterschiedlichen
Temperaturen T1 < T2 ausgesetzt, dann wird eine 9.3.3 Piezoelektrizität
Thermospannung Uth messbar, die proportional
zum Temperaturunterschied T ist. Die Ursache Bestimmte Materialien erzeugen bei einer äuße-
ist, dass mit einer Temperaturänderung stets eine ren Krafteinwirkung eine elektrische Spannung.
760 9 Festkörperphysik

Tab. 9.12 Werkstoffe für Thermopaare und ihre Eigenschaften nach DIN EN 60 584-1
Thermopaar NiCr–Ni Eisen–Konstantan Kupfer–Konstantan Platin/Rhodium–
(100Fe–45Ni55Cu) (100Cu–45Ni55Cu) Platin (90Pt10Rh–
100Pt)
Eigenschaften
spezifischer Wider- 0,72 bis 0,27 0,49 bis 0,11 0,49 bis 0,017 0,062 bis 0,034
stand % bei 20 ı C in
˝ mm2 =m
Temperatur in ı C Thermospannungen in mV
200 5,89 8,15 5,70
100 3,55 4,75 3,40
0 0 0 0 0
100 4,10 5,37 4,25 0,645
200 8,14 10,95 9,20 1,44
300 12,21 16,56 14,90 2,32
400 16,40 22,16 21,00 3,26
500 20,64 27,85 27,41 4,23
600 24,90 33,67 34,31 5,24
700 29,13 39,72 6,27
800 33,28 46,22 7,35
900 37,33 53,14 8,45
1000 41,27 9,59
1100 45,11 10,75
1200 48,83 11,95
1300 52,40 13,16
1400 14,37
1500 15,58
1600 16,77
1700 17,94

Dieser Effekt wird piezoelektrischer Effekt (Pie-  Scher-Effekt:


zoeffekt) genannt (gr. piezo: ich drücke). Er wur- Die Krafteinwirkung F erzeugt eine diagonal
de 1880 von den Brüdern P. C URIE (1859 bis wirkende Polarisation P und damit eine Quer-
1906) und P. J. C URIE (1855 bis 1941) bei ei- spannung U .
nigen Kristallen entdeckt. Die Eigenschaft wird
z. B. an Seignettesalz, Quarz, Weinsäure, Turma- Der piezoelektrische Effekt tritt in Werk-
lin und Zinkblende festgestellt. Auch der inverse stoffen auf, die eine Perowskit-Struktur ge-
piezoelektrische Effekt, d. h. die Geometrieände- mäß Abb. 9.70 aufweisen. Die chemische Zu-
rung eines Kristalls bei Anlegen einer äußeren sammensetzung ist ein zweiwertiges Element
Spannung, ist bekannt. Abb. 9.69 zeigt für den di- A2C (z. B. Barium oder Blei), ein vierwertiges
rekten und den inversen piezoelektrischen Effekt Element B4C (z. B. Titan, Zirkon oder Zinn)
die drei technisch nutzbaren Vorgänge. und Sauerstoff O2 3 . Diese Verbindungen sind
oberhalb der ferroelektrischen Curie-Temperatur
 Längs-Effekt: (Abschn. 4.4.4.2) kubisch. Unterhalb dieser Tem-
Die Krafteinwirkung F erzeugt eine Polarisa- peratur verzerrt sich die Elementarzelle zu einer
tion P und damit eine Spannung U in gleicher tetragonalen Struktur. Hierbei verschieben sich
Richtung. auch die Abstände zwischen den positiven und
 Quer-Effekt: den negativen Ladungen, sodass ein elektrisches
Die Krafteinwirkung F erzeugt eine transver- Dipolmoment entsteht. Die benachbarten Ele-
sale Polarisation P und damit eine Querspan- mentarzellen ordnen sich entsprechend um, es
nung U . tritt eine spontane Polarisation P auf.
9.3 Thermodynamik fester Körper 761

 Beliebige Formgebung durch die Sintertech-


nologie,
 beliebige Wahl der Polarisationsrichtung,
 große Permittivitätszahl ("r  1000),
 großer Energiewandlungsfaktor (25 % bis
50 %) sowie
 gute Korrosionsbeständigkeit.

Bei Bariumtitanat-Sinterkörpern liegt die Curie-


Temperatur und damit die Grenze für den pie-
zoelektrischen Einsatz bereits bei TC D 120 ı C.
Für höhere Temperaturen ist Bleizirkonattitanat,
ein Zweistoffsystem mit der Zusammensetzung
PbŒTi1x Zrx  O3 (x  0;5) geeignet. Durch Wahl
des Mischungsverhältnisses Titan zu Zirkon las-
sen sich die physikalischen Eigenschaften variie-
ren.
Piezokeramische Bauteile werden in vielen
Bereichen eingesetzt. Eine Übersicht vermittelt
Abb. 9.69 Piezoelektrizität
Abb. 9.71.

9.3.4 Zur Übung

Ü 9-11 Die Ausbreitungsgeschwindigkeit von


langwelligen Longitudinalwellen in einem Eisen-
stab ist cs D 5048 m=s. a) Wie groß ist der
Elastizitätsmodul von Eisen, wenn die Dichte
% D 7850 kg=m3 beträgt? b) Wie groß ist die Fe-
derkonstante kF im Eisengitter?

Abb. 9.70 Perowskit-Struktur piezoelektrischer Verbin- Ü 9-12 In Silicium haben Phononen


 mit dem
dungen   10
Wellenvektor k D 1;64 a die Energien
0
ETO D 58;2 meV und ETA D 18;2 meV. Wie
Die gebräuchlichsten Materialien sind Ba- groß sind a) die Frequenzen der Gitterschwingun-
riumtitanat und Bleizirkontitanat, die als Sin- gen, b) die Phononenimpulse?
terkörper hergestellt werden. Die vermisch-
ten und vermahlenen Rohstoffe werden ei- Ü 9-13 Wie groß ist die spezifische Wärme-
nem Kalzinierungsbrand unterzogen, das Gra- kapazität von Diamant bei 20 ı C nach der De-
nulat presst man zu Rohkörpern und sintert bye’schen Theorie? Wie groß ist die relati-
bei 1200 ı C. Anschließend werden die Ober- ve Abweichung zum gemessenen Wert c D
flächen sehr genau geschliffen, die Metallelek- 0;502 kJ=.kg K/?
troden aufgebracht und eine remanente Polari-
sation in der gewünschten Vorzugsrichtung er- Ü 9-14 Wie groß ist die mittlere freie Weglänge
zeugt. Piezo-Sinterkörper haben folgende Vortei- von Phononen in Quarzglas? (% D 2;2 kg=dm3,
le: Wärmeleitfähigkeit  D 1;36 W=.K m/, Schall-
762 9 Festkörperphysik

Abb. 9.71 Anwendungen des piezoelektrischen Effektes

geschwindigkeit cs D 5400 m=s, spezifische


Wärmekapazität c D 170 J=.kg K/.)

Ü 9-15 Der spezifische elektrische Widerstand


von Silber bei 20 ı C ist % D 1;6  108  m. Wie
groß ist näherungsweise die Wärmeleitfähigkeit
?

9.4 Optoelektronische
Abb. 9.72 Leuchtdiode, in Flussrichtung betrieben (sche-
Halbleiter-Bauelemente matisch)

Die Optoelektronik ist ein Teilgebiet der Elektro-


nik, das sich mit Erscheinungen befasst, die beirichtung betrieben wird. Bei der Flussspannung
der Umwandlung von elektrischer Energie in op- UF wird die Diffusionsspannung so weit abge-
tische und umgekehrt auftreten. Das wichtigste baut, dass die Elektronen des n-Gebietes über
Bauelement ist der Halbleiter-pn-Übergang, der die kleine Barriere leicht ins p-Gebiet diffundie-
als Lichtsender und auch als -empfänger einge- ren können; umgekehrt fließen Löcher aus dem
setzt werden kann. Optoelektronische Bauteile p- ins n-Gebiet. In der Nähe des Übergangs re-
werden u. a. in der Anzeigetechnik, Messtech- kombinieren die Elektronen mit den Löchern und
nik, Elektronik, Datenverarbeitung sowie Ener- geben dabei Energie von der Größenordnung Eg
gietechnik eingesetzt. ab. Bei der strahlenden Rekombination wird die-
se Energie in Form von Photonen der Energie
hf  Eg ausgesandt. Dies bedeutet, dass eine
9.4.1 Strahlungsquellen LED näherungsweise monochromatisches Licht
aussendet, dessen Wellenlänge g nach (6.130)
9.4.1.1 Lumineszenzdioden und (6.131) von der Breite der verbotenen Zone
Alle Lumineszenz- oder Leuchtdioden (Light Eg abhängt:
Emitting Diode, LED) bestehen aus einem pn-
Übergang (Abschn. 9.2.3.3). Abb. 9.72 zeigt die hc 1;24 m eV
Bandstruktur eines pn-Übergangs, der in Fluss- g D D : (9.72)
Eg Eg
9.4 Optoelektronische Halbleiter-Bauelemente 763

a b

Abb. 9.74 Aufbau einer GaAsP-LED auf a absorbieren-


dem GaAs-Substrat, b transparentem GaP-Substrat
Abb. 9.73 Spektren verschiedener Lumineszenzdioden

Tab. 9.13 Materialien für Lumineszenzdioden


Material: Dotierstoff Farbe Wellenlänge
 in nm
GaAs:Si IR 930
GaAs0;6 P0;4 , AlGaInP rot 650
GaAs0;15 P0;85 , AlGaInP gelb 590
GaP:N, InGaN grün 570
GaN, InGaN/AlGaN blau 470

Abb. 9.73 zeigt Spektren verschieden farbi- Abb. 9.75 Bauformen von Lumineszenzdioden: a Chip
ger Leuchtdioden. Die Linienbreite liegt in der in Kunststoffgehäuse vergossen, b Reflektorwanne mit
transparentem Kunststoff, (Diode erhält starke Richt-
Größenordnung von   40 nm. Sie hängt im charakteristik), c Reflektorwanne mit diffus streuendem
Wesentlichen von der Temperatur ab und nimmt Kunststoff (Diode strahlt breit ab; für Displays geeignet)
mit steigender thermischer Energie der Ladungs-
träger zu.
Die Farbe der LED ist nach (9.72) direkt Anzahl der injizierten Elektronen (falls keine
von der Breite der verbotenen Zone Eg abhän- strahlungslosen Übergänge stattfinden). Daraus
gig. Sie kann also durch die Wahl des Halb- folgt, dass die abgegebene Strahlungsleistung im
leiters bestimmt werden. Besonders zu erwäh- Idealfall proportional zum Flussstrom sein muss.
nen sind Mischkristalle auf der Basis von GaAs Der Aufbau einer GaAsP-LED ist schema-
und GaP in der Zusammensetzung GaAsx P1x . tisch in Abb. 9.74 gezeigt. Auf einem einkris-
Je nach Mischungsverhältnis kann das Bandgap tallinen Substrat wird der Mischkristall durch
zwischen 2;24 eV (x D 0) und 1;43 eV (x D 1) Flüssig- oder Gasphasenepitaxie abgeschieden.
und damit die Farbe zwischen grün und IR ein- Nach rückwärts ausgesandte Photonen werden
gestellt werden. Tab. 9.13 zeigt eine Zusammen- nur im GaAs-Substrat absorbiert, da nur dort
stellung der Daten gebräuchlicher Leuchtdioden. die Energie der Lichtquanten ausreicht, um ein
Weißlicht-LEDs bestehen aus blau emittierenden Elektron vom Valenz- ins Leitungsband zu heben
InGaN-LEDs, deren kurzwelliges Licht durch (Abschn. 9.4.2). Je nach Anwendungszweck setzt
Beschichtung mit Leuchtstoffen (z. B. YAG:Ce) man die Chips in verschiedene Gehäuseformen;
bis ins Rote transformiert wird. Abb. 9.75 zeigt einige Beispiele.
Da jedes Elektron, das vom externen An- Lumineszenzdioden sind sehr zuverlässig. Im
schluss ins n-Gebiet strömt, irgendwann einmal normalen Betrieb sind Lebensdauern von etwa
mit einem Loch rekombinieren muss, ist die An- 106 h zu erwarten. Die Lebensdauer ist dabei
zahl der generierten Photonen so groß wie die so definiert, dass bis zum Ende die Strahlungs-
764 9 Festkörperphysik

Abb. 9.77 Aufbau einer Laserdiode

Abb. 9.76 Bänderschema einer Laserdiode bei Betrieb in


Brechungszahl von Halbleitern ist die Reflexion
Flussrichtung. Die schraffierten Gebiete sind mit Elektro-
nen besetzt so stark, dass keine externen Spiegel erforderlich
sind.
Mit zunehmendem Strom steigt nach
leistung der LED auf die Hälfte des Neuwerts Abb. 9.78 die Ausgangsleistung wie bei einer
abgenommen hat. LED an. In diesem Bereich der spontanen Emis-
sion ist die Strahlungsleistung verhältnismäßig
9.4.1.2 Halbleiterlaser niedrig. Wenn der optische Gewinn (gain) die
Die Laserdiode ist ein pn-Übergang mit sehr Verluste übertrifft, setzt bei einem bestimmten
großer Dotierungskonzentration, d. h. nD bzw. Schwellstrom Ith (threshold) der Laserbetrieb
nA beträgt etwa 1019 cm3 . Derart hoch dotierte ein. Im Bereich der stimulierten Emission nimmt
Halbleiter nennt man entartet. Das Bändersche- die Strahlungsleistung extrem zu.
ma von Abb. 9.76 zeigt, dass die Elektronen Der Schwellstrom ist temperaturabhängig; er
im n-Material das Leitungsband, die Löcher im nimmt mit steigender Temperatur zu gemäß
p-Material das Valenzband auffüllen. Wird die
Diode in Flussrichtung betrieben, so stellt sich Ith D I0 eT =T0 : (9.73)
bei einer bestimmten Flussspannung das Bänder-
schema so ein, wie es in Abb. 9.76 gezeigt ist. Im Für die charakteristische Temperatur T0 hat man
Übergangsbereich zwischen p- und n-Halbleiter, empirisch folgende Werte gefunden:
der aktiven Zone, sind energetisch hoch liegende
Zustände im Leitungsband mit Elektronen be-  GaAlAs-Laser: 120 K bis 230 K,
setzt, tief liegende im Valenzband sind leer. Es  InGaAsP-Laser: 60 K bis 80 K.
liegt also eine Besetzungsinversion vor, die nach
den Ausführungen in Abschn. 6.5.4 die Grund- Die Wellenlänge der Laserstrahlung hängt wie
voraussetzung für die stimulierte Emission des bei der LED vom Bandgap Eg des Halbleiters
Lasers ist. ab. Tab. 9.14 zeigt eine Zusammenstellung häufig
Die zweite Laserbedingung, die Rückkopplung verwendeter Lasermaterialien. Mit den quater-
der Lichtwellen an Resonatorspiegeln, wird bei nären Halbleitern lässt sich der für die optische
den Laserdioden folgendermaßen erfüllt: Nach Nachrichtentechnik wichtige Spektralbereich von
Abb. 9.77 bildet man den Laserkristall als Qua- 1;3 m bis 1;6 m erfassen, in dem die Glas-
der aus (Länge etwa 200 m bis 500 m, Breite fasern die besten Übertragungseigenschaften ha-
etwa 100 m bis 250 m). Die spiegelnden End- ben.
flächen sind Spaltflächen des Kristalls, die völlig Abb. 9.79 zeigt das Emissionsspektrum eines
eben und planparallel sind. Infolge der großen InGaAsP-Lasers bei  D 1;3 m. Die Breite
9.4 Optoelektronische Halbleiter-Bauelemente 765

Tab. 9.14 Materialien für Halbleiter-Laser


Material Wellenlängen- Anwendungen
bereich in m
ternäre Misch- 0,69 bis 0,87 optische Da-
kristalle tenspeicher,
Gax Al1x As optische Nach-
richtentechnik,
Materialbearbei-
tung
quaternäre 0,92 bis 1,65 optische Nach-
Mischkristalle richtentechnik
Inx Ga1x Asy P1y
Bleisalze, z. B. 4 bis 40 Umweltmess-
Pbx Sn1x Se technik,
Absorptions-
messungen im
mittleren IR

Abb. 9.79 Emissionsspektrum eines InGaAsP-Lasers

nN ist der Brechungsindex des Kristalls. Durch


geeignete Dimensionierung des Lasers kann er-
Abb. 9.78 Kennlinie eines Halbleiterlasers: a Prinzip, reicht werden, dass nur eine Longitudinalmode
b Messkurven für einen InGaAsP-Laser mit  D 1;3 m schwingt. Ein solcher Monomode-Laser ist ex-
trem schmalbandig (Tab. 6.9).
Aus Abb. 9.80 geht der Aufbau eines Laser-
der gestrichelten Einhüllenden ist typischerweise moduls mit einem InGaAsP-Laser für die opti-
  4 nm, also etwa zehnmal schmaler als ty- sche Nachrichtentechnik hervor. Der Laser sitzt
pische LED-Linienbreiten. Das Spektrum besteht auf einem Peltier-Kühler. Die Strahlung wird in
aus mehreren sehr scharfen Linien, den longitu- eine Glasfaser eingekoppelt, die direkt vor ei-
dinalen Schwingungsmoden des Lasers. Im Laser ner Spiegelfläche montiert ist. Die Strahlung, die
können sich nur solche stehenden Wellen auf- die hintere Spiegelfläche verlässt, fällt auf eine
bauen, bei denen die Länge L des Lasers ein Monitor-Fotodiode, über die der Flussstrom des
ganzzahliges Vielfaches der halben Wellenlänge Lasers so geregelt werden kann, dass eine kon-
ist (Abschn. 5.2.6.2): stante Ausgangsleistung zur Verfügung steht.
 Ausgereifte Laserstrukturen lassen Lebens-
N Dm
nL ; m D 1; 2; 3; : : : (9.74) dauern von 105 h bis 106 h erwarten und kommen
2
766 9 Festkörperphysik

Tab. 9.15 Detektoren auf der Grundlage des Fotoeffekts


äußerer Fotoeffekt innerer Fotoeffekt
nicht verstärkend
Fotokatode (Vakuum- Fotowiderstand, Fotodi-
Fotozelle) ode, Fotoelement
verstärkend
Fotomultiplier (PM), Fotolawinendiode,
(Sekundärelektronen- (Avalanche-Foto-Diode,
vervielfacher, SEV), APD), Fototransistor, Fo-
Bildverstärkerröhre (Bild- tothyristor
wandler)

Abb. 9.80 Laser-Modul für die optische Nachrichten-


übertragung. Werkfoto: SEL Alcatel

damit annähernd an die Lebensdauern von LEDs


heran.

9.4.2 Empfänger
Abb. 9.81 Absorptionskoeffizienten verschiedener Halb-
9.4.2.1 Absorption elektromagnetischer
leiter
Strahlung
Aus der Vielzahl von Detektoren für elektroma-
gnetische Strahlung zeigt Tab. 9.15 eine Zusam- Für die Wellenlänge gilt mit (9.72)
menstellung der Detektoren, die auf dem Foto-
effekt beruhen. Beim äußeren Fotoeffekt wird hc 1;24 m eV
5 D : (9.76)
ein Elektron durch ein auftreffendes Photon voll- Eg Eg
ständig aus dem Festkörper entfernt. Das Photon
Diese Schwellenbedingung zeigt sich im Ver-
muss als Mindestenergie die Austrittsarbeit des
lauf des Absorptionskoeffizienten ˛, der für einige
betreffenden Materials haben (Abschn. 6.5.1.1).
Halbleiter in Abb. 9.81 dargestellt ist. Der Ab-
Im Folgenden sind ausschließlich Detektoren be-
sorptionskoeffizient (Absorptionskonstante) ˛ ist
schrieben, die auf dem inneren Fotoeffekt von
folgendermaßen definiert: Fällt auf einen Kris-
Halbleitern beruhen. Hierbei wird durch ein auf-
tall der Dicke d Strahlung der Leistung ˚0 , dann
treffendes Photon ein Elektron aus seiner Bin-
ist die durchgelassene Strahlungsleistung ˚ ge-
dung gerissen und im Kristall beweglich, den es
geben durch
aber nicht verlässt. Im Bänderschema wird bei
˚ D ˚0 e˛ d : (9.77)
der Absorption eines Photons ein Elektron vom
Valenz- ins Leitungsband gehoben, also ein freies
Elektron-Loch-Paar erzeugt. Damit dieser Vor- Beispiel 9.4-1
gang ablaufen kann, muss die Photonenenergie Wie dick muss ein Siliciumkristall mindes-
Eph D hf mindestens so groß sein wie die Breite tens sein, damit er Licht der Wellenlänge  D
der verbotenen Zone: 700 nm so absorbiert, dass nur noch 1/1000
der auffallenden Strahlungsleistung durchge-
Eph = Eg : (9.75) lassen wird?
9.4 Optoelektronische Halbleiter-Bauelemente 767

Lösung
Nach Abb. 9.81 ist der Absorptionskoeffizient
˛ D 2;5  103 cm1 . Die erforderliche Schicht-
dicke ist nach (9.77) d D 1=˛ ln.˚0 =˚/ D
27;6 m.

9.4.2.2 Fotowiderstand
Beim Fotowiderstand oder Fotoleiter wird die
Tatsache genutzt, dass der Ohm’sche Wider-
stand des Bauteils von der Bestrahlung abhängt.
Nach (9.28) gilt für die elektrische Leitfähigkeit
~ D e.nn C pp /. Werden zusätzlich zu den
bereits im Material vorhandenen Ladungsträgern
durch absorbierte Photonen weitere geschaffen,
dann nimmt die Leitfähigkeit zu bzw. vermin-
Abb. 9.82 Detektivität verschiedener Fotoleiter
dert sich der Widerstand. Die Widerstandsände-
rung kann in einer elektrischen Schaltung in eine
Spannungsänderung verwandelt und nachgewie-
sen werden.
Für verschiedene Wellenlängenbereiche wur-
den unterschiedliche Detektoren entwickelt, de-
ren Detektivität D  in Abb. 9.82 dargestellt ist.
Die Detektivität ist eine Größe, die gestattet,
die Leistungsfähigkeit verschiedener Detektoren
miteinander zu vergleichen:

US =UN p
D D Af : (9.78) Abb. 9.83 Bänderschema einer Fotodiode ohne äußere
˚e Spannung

In dieser Definitionsgleichung ist US =UN das


Verhältnis von Signal- zu Rauschspannung (Si- 9.4.2.3 Fotodioden
gnal/Noise), ˚e die eingestrahlte Leistung, A die Wird ein pn-Übergang (Abschn. 9.2.3.3) dem
Detektoroberfläche und f die Bandbreite der Licht ausgesetzt, dann werden die in der Raumla-
Nachweiselektronik. Im sichtbaren Bereich ist dungszone erzeugten freien Elektron-Loch-Paare
CdS das wichtigste Material, im nahen IR die nach Abb. 9.83 sofort getrennt durch das einge-
Halbleiter PbS, InAs und InSb. Der wichtigste baute elektrische Feld (Diffusionsspannung Ud ).
Störstellenfotoleiter ist Germanium mit verschie- Die Elektronen bewegen sich zur n-, die Löcher
denen Dotierstoffen. Beispielsweise ist Ge:Zn bis zur p-Seite des Übergangs. Diese Ladungstren-
etwa 40 m Wellenlänge verwendbar. Aufgrund nung geht vonstatten ohne äußere Spannung, sie
ihres einfachen Aufbaus und der einfachen Nach- kann aber durch Anlegen einer Spannung beein-
weiselektronik werden Fotoleiter häufig einge- flusst werden.
setzt. Sie sind meist nicht sehr schnell. So hat Wird die Diode mit offenen Enden betrieben
beispielsweise PbS, das für die Wellenlängen der bzw. mit einem sehr hochohmigen Lastwider-
optischen Nachrichtentechnik 1;3 m bis 1;6 m stand, dann lädt sich die p-Seite positiv, die n-
bestens geeignet wäre, eine Zeitkonstante von et- Seite negativ auf. Die Diffusionsspannung wird
wa 500 s und ist daher viel zu langsam, um abgebaut und an den Enden ist die Leerlauffoto-
schnell modulierte Signale nachweisen zu kön- spannung UL abgreifbar. Die maximale Leerlauf-
nen. spannung ist zwangsläufig immer kleiner als die
768 9 Festkörperphysik

Abb. 9.84 Leerlaufspannung und Kurzschlussstrom ei-


ner Silicium-Fotodiode (Fotoelement)

Diffusionsspannung, sodass gilt UL < Ud bzw.


UL < Eg =e. Dioden mit großem Bandabstand Eg
liefern eine große Leerlaufspannung UL .
Werden die Enden der Diode kurzgeschlossen,
dann fließt im äußeren Stromkreis der Fotostrom
(Kurzschlussstrom) IF , der die Richtung eines Abb. 9.85 Spektrale Empfindlichkeit einer Si-Fotodiode
(gestrichelt die theoretische Empfindlichkeit bei  D
Sperrstroms hat. Zum Fotostrom tragen nicht nur
100 % Quantenausbeute)
die Ladungsträger bei, die innerhalb der Raumla-
dungszone erzeugt werden. Auch Ladungsträger,
die als Minoritäten außerhalb entstehen und im
IF =˚e . Mit (9.79) beträgt die Empfindlichkeit
Lauf ihrer Lebensdauer an den Übergang diffun-
dieren, werden durch das elektrische Feld auf die e
andere Seite gezogen und tragen zum Fotostrom S./ D ./
hf
bei. Der Fotostrom hängt linear von der absor-
bierten Strahlungsleistung ˚e ab. Falls jedes ab- oder mit (6.110) und (6.111)
sorbierte Photon ein Elektron-Loch-Paar erzeugt,
e
das zum Fotostrom beiträgt, ist die Quantenaus- S./ D ./
beute  D 1 und der Fotostrom beträgt IF D hc
 A
.˚e e/=.hf /. D ./ : (9.80)
In der Praxis gelangen nicht alle erzeugten La- 1;24 m W
dungsträger an den Übergang. Somit tragen nicht
Abb. 9.85 zeigt die Empfindlichkeit einer Si-
alle zum Fotostrom bei; die wellenlängenabhän-
Fotodiode in Abhängigkeit von der Wellenlän-
gige Quantenausbeute ist kleiner als eins: ./ <
ge. Gestrichelt eingezeichnet ist der Verlauf der
1. Der Fotostrom ist daher
Empfindlichkeit einer idealen Diode mit der
˚e e Quantenausbeute  D 100 %. Die gemessene
IF D ./ : (9.79) Kurve liegt generell tiefer, verläuft aber bei kur-
hf
zen Wellenlängen etwa parallel zur theoretischen
Abb. 9.84 zeigt den linearen Zusammenhang Kurve. Der steile Abfall auf der langwelligen Sei-
zwischen Fotostrom (Kurzschlussstrom) und Be- te kommt daher, dass die Photonen nicht mehr
leuchtungsstärke einer Silicium-Fotodiode. genügend Energie haben, um Elektronen über
Die Empfindlichkeit S (Sensitivity) einer Foto- die verbotene Zone zu heben. Die Forderung
diode ist definiert als Verhältnis von Fotostrom der grundlegenden Gleichung (9.76) kann somit
IF zu absorbierter Strahlungsleistung ˚e : S D nicht mehr erfüllt werden.
9.4 Optoelektronische Halbleiter-Bauelemente 769

Beispiel 9.4-2
Wie groß ist die Quantenausbeute  der Fo-
todiode von Abb. 9.85 bei der Wellenlänge
 D 800 nm?

Lösung
Nach (9.80) ist die Quantenausbeute

S./ 1;24 m W
./ D :
 A

Aus Abb. 9.85 ermittelt man S.800 nm/ D


0;47 A=W. Demnach beträgt die Quantenaus-
beute .800 nm/ D 73 %. Von jeweils 100 ab-
sorbierten Photonen tragen also 73 Elektron-
Loch-Paare zum Fotostrom bei. Abb. 9.86 Kennlinien einer Fotodiode

Die Kennlinie einer Fotodiode geht aus der


bekannten Diodenkennlinie nach (9.38) hervor, larzelle ist aber für große Leistungen ausge-
indem man vom Gesamtstrom den lichtinduzier- legt (Abschn. 9.4.2.5) und speziell für das Son-
ten Fotostrom abzieht: nenspektrum optimiert. Der Arbeitspunkt A in
 eU  Abb. 9.86 ist der Schnittpunkt der Widerstands-
I D IS e kT  1  IF : (9.81) geraden I D U=RL und der Diodenkennlinie.
Die Leistung, die der Zelle entnommen werden
Abb. 9.86 zeigt eine Kennlinienschar mit der Be- kann, ist P .A/ D U.A/jI.A/j und hängt von der
strahlungsstärke als Parameter. Im Leerlauf (I D Lage des Arbeitspunktes A ab. Durch Variation
0) ist an den Enden die Leerlaufspannung UL ab- von RL kann die abgegebene Leistung optimiert
greifbar, für die aus (9.81) folgt werden.
Beim Diodenbetrieb wird die Diode (Foto-
 
kT IF diode im engeren Sinn) mit einem Lastwider-
UL D ln C1 : (9.82) stand RL in Reihe an eine Batterie angeschlossen,
e IS
wobei die Batteriespannung UB in Sperrrichtung
IS ist der Sperrsättigungsstrom (Dunkelstrom). anliegt. Der Arbeitspunkt B in Abb. 9.86 ist
Da der Fotostrom linear von der Beleuchtungs- der Schnittpunkt der Widerstandsgeraden I D
stärke abhängt, nimmt die Leerlaufspannung, wie .UB  U /=RL mit der Kennlinie. Bei Änderung
Abb. 9.84 zeigt, logarithmisch zu. Im Kurz- der Beleuchtungsstärke ändert sich nach (9.79)
schlussbetrieb (U D 0) fließt der Kurzschluss- und (9.81) der Strom (Abb. 9.83), sodass am
strom IK , der nach (9.81) mit dem Fotostrom Lastwiderstand eine Spannung IRL abgreifbar
identisch ist: IK D IF . ist, die der Beleuchtungsstärke proportional ist.
Je nach äußerer Schaltung unterscheidet man Infolge der linearen Abhängigkeit der Aus-
die Betriebszustände Elementbetrieb und Di- gangsspannung von der Strahlungsleistung ist
odenbetrieb. Im Elementbetrieb wird die Diode die Fotodiode ein hervorragendes Instrument zur
ohne äußere Spannungsquelle direkt an einen Messung von Strahlungsleistungen. Fotodioden
Lastwiderstand RL (Verbraucher) angeschlossen. reagieren schneller als Fotoleiter und sind des-
Die Diode arbeitet als Stromgenerator im vier- halb geeignet, schnell modulierte Signale, wie
ten Quadranten der Kennlinie von Abb. 9.86 sie etwa in der optischen Nachrichtentechnik
und wird als Fotoelement bzw. Solarzelle be- vorkommen, zu detektieren. Die Grenzfrequenz
zeichnet. Beide sind im Prinzip gleich; die So- hängt im Wesentlichen davon ab, wie schnell
770 9 Festkörperphysik

Ladungsträger, die außerhalb der Raumladungs-


zone erzeugt werden, an dieselbe herandiffundie-
ren. Die Schaltzeiten handelsüblicher Silicium-
Fotodioden betragen einige Mikrosekunden.
Für Fotodioden im sichtbaren Spektralbereich
und für das nahe IR verwendet man Silici-
um. Die Empfindlichkeitskurve von Abb. 9.85
zeigt, dass die Si-Fotodiode sehr gut geeignet ist,
die Strahlung von GaAs-Emittern nachzuweisen.
Für die Wellenlängen 1;3 m bis 1;6 m (op-
tische Nachrichtentechnik) sind Ge-Fotodioden
geeignet. Vorteilhafter sind Dioden aus ternären
Halbleitern, wie beispielsweise InGaAs. Für das Abb. 9.87 Pin-FET-Modul für die optische Nachrichten-
technik. Werkfoto: SEL Alcatel
fernere IR werden InAs, InSb und dotiertes Ger-
manium verwendet (Abb. 9.82).
folge der großen Feldstärke werden freie La-
Pin-Fotodiode dungsträger so schnell, dass sie durch Stoßio-
Pin-Dioden haben zwischen p- und n-Zone ei- nisation weitere Elektron-Loch-Paare erzeugen
ne verhältnismäßig dicke (im Bereich von etwa können und ein lawinenartiger Anstieg der An-
1 m bis etwa 300 m) eigenleitende (intrinsic) zahl der Ladungsträger eintritt (Abb. 9.47b). Die
Schicht, die sehr hochohmig ist. Die angeleg- innere Verstärkung wird durch einen Multiplikati-
te Sperrspannung fällt praktisch über der i-Zone onsfaktor M beschrieben. Typische Werte sind für
ab, sodass in der i-Zone eine große Feldstär-
ke vorliegt. Die Photonen werden vorwiegend  Si-APD: M D 100 bis maximal 10 ,
4

in der dicken i-Schicht absorbiert, erzeugen al-  Ge-APD: M D 40 bis maximal 200.
so dort Elektron-Loch-Paare, die sofort durch das
Ein großer Verstärkungsfaktor bedeutet, dass
elektrische Feld getrennt werden. Dadurch fallen
durch ein Photon eine große Ladungsträgerlawi-
die langsamen Diffusionsprozesse der einfachen
ne ausgelöst wird. Je größer die Lawine ist, umso
pn-Dioden weg. Pin-Dioden reagieren schnell
länger dauert es aber, bis alle Ladungsträger
und können bis in den GHz-Bereich eingesetzt
den Übergang überquert haben. Große Verstär-
werden. Durch das große Sammelvolumen wird
kung und hohe Grenzfrequenz lassen sich daher
ihre Empfindlichkeit gegenüber normalen pn-
nicht gleichzeitig realisieren. In der Praxis wird
Übergängen weiter ins IR ausgedehnt.
ein Verstärkungs-Bandbreite-Produkt angegeben,
Abb. 9.87 zeigt einen Baustein mit einem
das typischerweise folgende Werte aufweist:
Pin-FET-Empfänger für die optische Nachrich-
tenübertragung. Das optische Signal fällt von  Si-APD: Mf  200 GHz,
der Glasfaser auf eine Pin-Diode und wird im  Ge-APD: Mf  20 GHz.
nachgeschalteten Verstärker mit einem FET am
Eingang verstärkt. Hat beispielsweise eine APD ein Verstärkungs-
Sehr großflächige Pin-Dioden mit i-Zonen von Bandbreite-Produkt von 160 GHz, dann ist bei
einigen Millimetern Dicke werden als Detektoren einer Bandbreite von f D 2 GHz der Multi-
für Röntgenstrahlung (Si) und Gammastrahlung plikationsfaktor M D 80. Bei hohen Frequenzen
(Ge) verwendet. wird die APD der Pin-Diode häufig vorgezogen
wegen der internen Verstärkung.
Lawinen-Fotodiode
Lawinen-Fotodioden (Avalanche Foto Diode, 9.4.2.4 Fototransistor
APD) werden mit einer Sperrspannung knapp Der Fototransistor ist wie die APD ein Detek-
unterhalb der Durchbruchspannung betrieben. In- tor mit innerer Verstärkung. Abb. 9.88a zeigt
9.4 Optoelektronische Halbleiter-Bauelemente 771

Abb. 9.89 Schematischer Aufbau einer Solarzelle

die Verstärkung eingestellt werden. Meist ist er


aber gar nicht herausgeführt.
Fototransistoren reagieren erheblich langsa-
mer als Fotodioden und werden deshalb nur bis
zu Frequenzen von etwa 100 kHz verwendet.
Fototransistoren verwendet man in Lichtschran-
ken, Lochkartenlesern, Optokopplern und Foto-
metern. Außer den bipolaren Transistoren gibt es
auch Foto-Feldeffekttransistoren.

9.4.2.5 Solarzellen
Die Solarzelle ist grundsätzlich eine Fotodiode
Abb. 9.88 Bipolarer Fototransistor: a Aufbau, b Kennli- mit großer Fläche (Abb. 9.89). Durch absor-
nien bierte Photonen gebildete Elektron-Loch-Paare
werden infolge des eingebauten elektrischen Fel-
des getrennt. Dabei werden die Elektronen zum
den Aufbau eines Bipolartransistors. Der Basis- n-Kontakt, die Löcher zum p-Kontakt befördert
Kollektor-Übergang ist großflächig ausgeführt (Abb. 9.83). Die Deckfläche der Solarzelle ist
und in Sperrrichtung gepolt. Durch Photonen- mit einem Gitter dünner Kontaktfinger versehen,
absorption erzeugte Elektron-Loch-Paare werden die den erzeugten Fotostrom ableiten. Wegen des
getrennt. Die Löcher fließen durch die Basis zum hohen Reflexionsgrades der Halbleiter muss die
Emitter, die Elektronen zum Kollektor. Die Span- Oberfläche der Zelle stets mit einer reflexver-
nung am flussgepolten Emitter-Basis-Übergang mindernden Schicht versehen werden. Da der
nimmt leicht zu und somit der Emitter- bzw. Absorptionskoeffizient beim Halbleiter Silicium
Kollektorstrom. Der Kollektorstrom beträgt nä- nur langsam mit der Photonenenergie ansteigt
herungsweise (Abb. 9.81), benötigen Si-Solarzellen eine Dicke
von 200 m bis 300 m. Solarzellen aus GaAs
IC D .1 C B/IF ; (9.83)
kommen dagegen mit Dicken von 1 m bis 2 m
ist also um den Stromverstärkungsfaktor B in aus.
Emitterschaltung größer als der Fotostrom IF . Ty- Im Kurzschlussbetrieb fließt durch die Solar-
pische Werte für die Stromverstärkung liegen bei zelle ein Fotostrom IK , der proportional ist zur
B D 100 bis B D 1000. eingestrahlten Leistung ˚e :
Das Ausgangskennlinienfeld von Abb. 9.88b IK  ˚e D Ee A (9.84)
unterscheidet sich nicht grundlegend von dem ei-
nes normalen Transistors. Lediglich ist anstelle Bei gegebener Bestrahlungsstärke Ee steigt der
des Basisstroms als Parameter die Beleuchtungs- Strom und damit die produzierte elektrische Leis-
stärke Ev aufgetragen. Am Basisanschluss kann tung proportional zur Fläche A.
772 9 Festkörperphysik

für den optimalen Lastwiderstand ist

UL
RL;opt  : (9.88)
IK

Das Verhältnis der weißen Rechteckfläche in


Abb. 9.90 zur größten denkbaren Rechteckflä-
che, gebildet durch den Kurzschlussstrom IK und
die Leerlaufspannung UL , wird als Füllfaktor be-
zeichnet:
Im Um Pm
FF D D : (9.89)
Abb. 9.90 Strom-Spannungs-Kennlinie einer Si- IK UL IK UL
Solarzelle bei Standard-Testbedingungen (STC).
Zellengröße 15 cm  15 cm. Die Hyperbeln sind Kurven Der Füllfaktor ist ein Maß für die Güte der Zelle.
konstanter Leistung P D U  I Er beträgt 70 % bis 85 %.

Beispiel 9.4-3
Im Leerlaufbetrieb ist nach (9.82) an den Kon- Wie groß ist der Füllfaktor der Zelle in
takten der Solarzelle die Leerlaufspannung Abb. 9.90?
   
kT IK kT IK
UL D ln C1  ln Lösung
e IS e IS Aus dem Diagramm wird entnommen: UL D
(9.85)
0;6 V, Um D 0;49 V, IK D 7;6 A, Im D 6;7 A.
abgreifbar, die logarithmisch von der Strahlungs-
Damit ist der Füllfaktor FF D 72 %.
leistung abhängt (Abb. 9.84).
Zeichnet man – anders als in Abb. 9.86 – Der Wirkungsgrad einer Solarzelle ist definiert
die Kennlinie der Solarzelle im ersten Quadran- als Verhältnis der maximal entnehmbaren elektri-
ten, so gilt für die Strom-Spannungs-Kennlinie schen Leistung P zur eingestrahlten optischen
m
(Abb. 9.90) einer idealen Solarzelle Leistung ˚e :
   
eU Pm IK UL FF
I D IK  IS exp 1 : (9.86) D D : (9.90)
kT ˚e Ee A
Ist der Lastwiderstand im Außenkreis RL , dann Trotz großer Anstrengungen ist der Wirkungs-
definiert der Schnittpunkt der Widerstandsgera- grad handelsüblicher Solarzellen nicht höher als
den I D U=RL mit der Kennlinie den Arbeits- etwa 15 %. Die wichtigsten Verlustmechanismen
punkt. Der optimale Lastwiderstand liegt vor, sind in Tab. 9.16 zusammengestellt.
wenn die Fläche des weißen Rechtecks maximal Entscheidend für die optischen Verluste ist
ist, nämlich die in Abb. 9.91 dargestellte spektrale Bestrah-
Pm D Im Um : (9.87) lungsstärke Ee;  des Sonnenlichts. Außerhalb
der Lufthülle (AM0, Air Mass Zero) entspricht
Der zugehörige Arbeitspunkt ist in Abb. 9.90 mit
die Verteilung etwa der eines schwarzen Strahlers
MPP (Maximum Power Point) gekennzeichnet.
mit T D 5960 K (Abschn. 6.5.3). Die integrale
Da sich die Kennlinie mit der Sonneneinstrahlung
Bestrahlungsstärke
verändert, muss für effektiven Betrieb der Last-
widerstand durch eine elektronische Schaltung so Z1
angepasst werden, dass stets im Punkt maximaler W
Ee D Ee;  d D 1353 2
Leistung gearbeitet wird. Ein erster Schätzwert m
0
9.4 Optoelektronische Halbleiter-Bauelemente 773

Tab. 9.16 Verluste in Si-Solarzellen Tab. 9.17 Wirkungsgrade verschiedener Solarzellen aus
industrieller Fertigung
optische Verluste elektrische Verluste
Reflexion an der Interne Zellenverluste infolge Material Technologie Wirkungsgrad
Oberfläche  3 % des Serienwiderstands des Si einkristallin 16 % bis 18 %
Abschattung durch Zellenmaterials und der polykristallin 14 % bis 16 %
Kontaktfinger  3 % Kontaktfinger  1 % polykr. Band 11 % bis 16 %
Photonen mit über- Rekombination von Dünnschicht 7 % bis 8 %
schüssiger Energie  Ladungsträgern in Basis
CdTe Dünnschicht 9 % bis 10 %
32 % und Emitter  22 %
Photonen mit unge- Cu(In,Ga) (S,Se)2 Dünnschicht 9 % bis 12 %
nügender Energie 
24 %
schüssige Energie Eph Eg wird in der Solarzelle
in Wärme verwandelt.
Die größten elektrischen Verluste entstehen
durch Rekombination der Ladungsträger an der
Grenzfläche zwischen der p-dotierten Basis und
der metallisierten Rückseite (Abb. 9.89). Die Re-
kombination wird stark reduziert, wenn der Halb-
leiter passiviert wird durch eine dünne Schicht
aus SiO2 oder SiN. Da diese Schicht elektrisch
isoliert, müssen viele punktförmige Kontakte
durch die Schicht hergestellt werden. Ein kleines
Gebiet mit hoher p-Dotierung erzeugt ein elek-
trisches Feld, das die Elektronen von den Kon-
takten fern hält (local back surface field). In der
Forschung sucht man nach preisgünstigen Ver-
Abb. 9.91 Spektrale Bestrahlungsstärke des Sonnen- fahren, um diese Tausende von Punktkontakten
lichts außerhalb der Atmosphäre (AM0) und auf der
Erdoberfläche (AM1,5). g ist die Grenzwellenlänge für an der Zellenrückseite herzustellen. Wenn dieses
Absorption in Silicium Problem gelöst ist, sollten Si-Solarzellen in der
Massenproduktion mit Wirkungsgraden von etwa
20% möglich sein.
wird als Solarkonstante bezeichnet. Je nach Ein- Das nach wie vor wichtigste Material zum Bau
strahlwinkel und Weglänge der Strahlen durch von Solarzellen ist Silicium. Wegen der hohen
die Atmosphäre wird die Bestrahlungsstärke in- Materialkosten wird intensiv nach Alternativen
folge von Absorption an Luftmolekülen verrin- gesucht (Tab. 9.17).
gert. Wird die Lufthülle senkrecht durchstrahlt,
spricht man von AM1-Verhältnissen (Air Mass 9.4.2.6 Zur Übung
One). Bei AM2 legen die Strahlen den doppel-
ten Weg zurück usw. Als Standard zur Messung Ü 9-16 Bei einem GaAlAs-Laser ist der
des Wirkungsgrades wurde das AM1,5-Spektrum Schwellstrom bei 0 ı C Ith;0 D 38;6 mA und
mit Ee D 1000 W=m2 festgelegt (STC, Standard bei 70 ı C Ith;70 D 60;8 mA. a) Wie groß ist die
Test Conditions). charakteristische Temperatur T0 ? b) Wie groß ist
Der ganze Teil des Spektrums, der rechts von der Schwellstrom Ith;20 bei 20 ı C?
der Grenzwellenlänge g liegt, wird nicht absor-
biert, weil die Photonenenergie nicht ausreicht, Ü 9-17 Wie groß ist der Modenabstand longi-
um ein Elektron-Loch-Paar zu bilden. Strahlung tudinaler Moden bei einem InGaAsP-Laser der
mit  < g wird zwar absorbiert, aber die über- Wellenlänge  D 1;3 m, wenn der Laserreso-
774 9 Festkörperphysik

nator L D 500 m lang ist? Der Brechungsindex Ü 9-21 Die Abbildung zeigt ein Kennlinien-
ist nN D 3;31; die Dispersion sei vernachlässigt. feld eines Solarmoduls. Welches ist der opti-
male Lastwiderstand für die Bestrahlungsstärke
Ü 9-18 Ab welcher Wellenlänge g wird InSb 1 kW=m2 ? Wie groß ist die maximale elektrische
(Bandgap Eg D 0;18 eV) transparent? Leistung sowie der Füllfaktor des Moduls?

Ü 9-19 Eine InGaAs-Fotodiode hat bei  D


1;3 m die Empfindlichkeit S D 0;6 A=W.
a) Wie groß ist ihre Quantenausbeute ? b) Von
einem 1;3 m-Laser trifft die Strahlungsleistung
˚e D 0;5 mW auf die Diode. Wie groß ist der
Kurzschlussstrom IK ?

Ü 9-20 Eine Si-Fotodiode hat den Sperrsätti-


gungsstrom IS D 10 pA. Ihre Empfindlichkeit
S./ wird durch Abb. 9.85 beschrieben. Wie groß
ist die Leerlaufspannung, wenn die Strahlungs-
leistung ˚e D 5 W eines HeNe-Lasers . D
633 nm) auf die Diode fällt?
Spezielle Relativitätstheorie
10

Die Relativitätstheorie, von A. E INSTEIN (1879 dass die Relativitätstheorie in allen Bereichen der
bis 1955) entwickelt, besteht aus der Speziel- Physik gültig ist, sodass relativistische Effekte
len Relativitätstheorie (1905 veröffentlicht) und von den Elementarteilchen bis zum Universum
der Allgemeinen Relativitätstheorie (1916 veröf- nachweisbar sind.
fentlicht). Die Spezielle Relativitätstheorie be-
fasst sich mit Fragen der Definition von Raum
und Zeit in Systemen, die sich gegeneinander 10.1 Relativität
mit konstanter Geschwindigkeit bewegen. In der des Bezugssystems
Allgemeinen Relativitätstheorie werden relativ
In Abschn. 2.4.1 sind die als Galilei-Transfor-
zueinander beschleunigte Systeme sowie der Ein-
mation bezeichneten Gleichungen (Abb. 2.21)
fluss von Gravitationsfeldern auf Maßstäbe und
für Inertialsysteme beschrieben. Inertialsyste-
Uhren untersucht. So betrachtet ist die Spezielle
me sind Bezugssysteme, in denen das Träg-
Relativitätstheorie ein Spezialfall der Allgemei-
heitsgesetz gilt, nach dem sich Körper ohne
nen Relativitätstheorie.
Krafteinwirkung entweder in Ruhe befinden oder
Weil die Spezielle Relativitätstheorie mathe-
geradlinig gleichförmig bewegen. Die Galilei-
matisch einfacher und ihre Ergebnisse für die
Transformation erlaubt die Umrechnung der Be-
ingenieurmäßigen Anwendungen wichtiger sind,
wegungsgleichungen von einem Inertialsystem S
wird auf eine ausführliche Erörterung der Allge-
in ein anderes Inertialsystem S0 , das sich relativ
meinen Relativitätstheorie verzichtet. Relativis-
zu S mit einer konstanten Geschwindigkeit v be-
tische Effekte treten nur bei Geschwindigkeiten
wegt. Daraus resultiert das Relativitätsprinzip der
nahe der Lichtgeschwindigkeit auf. Da man es
klassischen Mechanik:
im täglichen Umgang mit physikalischen Sys-
temen nicht mit solchen sehr schnell ablaufen-
den Vorgängen zu tun hat, sind die relativis- Die Gesetze der klassischen Mechanik gel-
tischen Korrekturen an der klassischen Physik ten unverändert in Inertialsystemen, die
kaum wahrnehmbar. Dies hat auch zur Folge, sich relativ zueinander mit konstanter Ge-
dass die relativistischen Effekte den alltäglichen schwindigkeit bewegen. Es gibt kein be-
Erfahrungen zu widersprechen scheinen. In der vorzugtes Bezugssystem und keine Mög-
Elementarteilchenphysik (Abschn. 8.9) aber kann lichkeit, eine Geschwindigkeit absolut zu
wegen der sehr schnellen Abläufe nur relativis- messen.
tische Mechanik und relativistische Elektrodyna-
mik betrieben werden. Dies hat beispielsweise
auch für den Ingenieur beim Bau von Beschleu- Die Galilei-Transformation fordert bei ei-
nigern Konsequenzen. Wichtig ist festzustellen, ner Geschwindigkeitsüberlagerung die Addition

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2016 775


E. Hering, R. Martin, M. Stohrer, Physik für Ingenieure, DOI 10.1007/978-3-662-49355-7_10
776 10 Spezielle Relativitätstheorie

Dieses Postulat der Speziellen Relativitäts-


theorie beruht auf 1887 durchgeführten Messun-
gen von A. A. M ICHELSON (1852 bis 1931) und
E. W. M ORLEY (1838 bis 1923), die mit Hilfe
des Michelson-Interferometers (Abschn. 6.4.1.5,
Abb. 6.81) experimentell nachwiesen, dass die
Lichtgeschwindigkeit unabhängig von der Rela-
tivbewegung ist.
Wie in Abb. 10.2 dargestellt, führt die Kon-
stanz der Lichtgeschwindigkeit zu einem Wi-
derspruch zur Galilei-Transformation. Um ihn
Abb. 10.1 Geschwindigkeitsüberlagerung aufzulösen, müssen die Raum-Zeit-Maßstäbe neu
berechnet werden. Dies besorgt die Lorentz-
Transformation. Die entsprechenden Gleichun-
bzw. Subtraktion von Relativgeschwindigkeiten. gen wurden bereits 1899 von H. A. L ORENTZ
Dies sei anhand von Abb. 10.1 erläutert. In (1853 bis 1928) aufgestellt, allerdings lediglich
Abb. 10.1a befindet sich ein Geschütz auf einem bezogen auf die Maxwell’schen Gleichungen in
Wagen. Bewegt sich der Wagen mit einer Ge- elektromagnetischen Feldern (Abschn. 4.5.5) und
schwindigkeit v D 50 km=h relativ zur ruhenden fälschlicherweise unter der Annahme abgeleitet,
Wand und wird auf die Wand ein Geschoss mit dass sie aus der Wechselwirkung eines im Raum
der Geschwindigkeit u D 100 km=h abgefeuert, absolut ruhenden Äthers mit elektrischen und ma-
so beträgt die Geschossgeschwindigkeit relativ gnetischen Feldern herrührt. Einstein zog aus der
zur Wand vrel D u C v D 150 km=h. Bewegt Konstanz der Lichtgeschwindigkeit den Schluss,
sich der Wagen mit einer Relativgeschwindigkeit dass der Äther als Übertragungsmedium für elek-
v D 50 km=h von der Wand weg, dann trifft das tromagnetische Wellen nicht existiert.
Geschoss an der Wand mit der Relativgeschwin- Dies bedeutet, dass alle Bewegungen relativ
digkeit vrel D u  v D 50 km=h auf. zu irgendeinem System stattfinden (daher der
Die Addition bzw. Subtraktion der Geschwin- Name Relativitätstheorie). Die Lorentz-Transfor-
digkeiten nach der Galilei-Transformation gelten mation sollte nicht nur elektrodynamische Vor-
für Bewegungen mit Geschwindigkeiten nahe der gänge betreffen, sondern alle materiebehafteten
Lichtgeschwindigkeit c nicht mehr. Sendet ein Systeme. Folgende Folgerungen lassen sich der
Stern 1 Licht aus gemäß Abb. 10.1b und be- Lorentz-Transformation entnehmen (Abb. 10.2):
wegt sich ein Gestirn 2 mit v D 100:000 km=s
auf diesen Stern 1 zu oder mit derselben Ge-  Längenkontraktion
schwindigkeit vom Stern 1 weg, dann beträgt Ein relativ zu einem Beobachter sich bewe-
in beiden Fällen die Geschwindigkeit des Lichts gender Körper erscheint verkürzt.
relativ zum zweiten Stern vrel D c. Dieser ex-  Zeitdilatation
perimentelle Befund ist ein Grundprinzip der Die Zeit verläuft in einem System, das relativ
Relativitätstheorie: zu einem Beobachter bewegt wird, langsamer.
 Additionstheorem der Geschwindigkeiten
Hiermit wird sichergestellt, dass bei Ge-
Licht breitet sich unabhängig von der Re- schwindigkeitsüberlagerungen die Relativge-
lativbewegung zwischen Lichtquelle und schwindigkeit die Lichtgeschwindigkeit nicht
Beobachter in allen Systemen mit der kon- übersteigt.
stanten Vakuumlichtgeschwindigkeit c D  Massenzunahme
2;99792458  108 m=s aus. Die Masse eines Körpers nimmt mit seiner
Geschwindigkeit zu.
10.2 Lorentz-Transformation 777

Abb. 10.2 Postulate der speziellen Relativitätstheorie und Folgerungen

 Äquivalenz von Masse und Energie


10.2 Lorentz-Transformation
Mit dieser Äquivalenzbeziehung werden die
Erhaltungssätze für die Materie einerseits und Bewegt sich ein System S0 .x 0 ; y 0 ; z 0 ; t 0 / mit der
für die Energie andererseits zu einem einzigen konstanten Geschwindigkeit v in x-Richtung re-
Erhaltungsprinzip zusammengeführt. Zu den lativ zum System S .x; y; z; t/, dann lautet die
bekannten Energieformen kommt die zusätz- Lorentz-Transformation, die die Koordinaten der
liche Energie der Ruhemasse. Systeme S und S0 ineinander umrechnet (un-
 Elektromagnetische Kraft ter Berücksichtigung der Konstanz der Lichtge-
Durch die Relativbewegung von Ladun- schwindigkeit c),
gen entsteht eine mit der elektrostatischen
Kraft verbundene magnetische Kraft (Lorentz- x D .x 0 C vt 0 / bzw. x 0 D .x  vt/ (10.1)
Kraft). 0
yDy bzw. y 0 D y (10.2)
 Doppler-Effekt
Die Relativbewegung von Quelle und Beob- z D z0 bzw. z 0 D z (10.3)
achter führt zu einem relativistischen Doppler-
 v   v 
t D t 0 C 2 x 0 bzw. t 0 D t  2 x :
Effekt. c c
(10.4)
778 10 Spezielle Relativitätstheorie

Hierbei ist der relativistische Faktor:

1
Dv !2 : (10.5)
u
u
t1  v
c

Beim Vergleich mit der Galilei-Transformation


(Abb. 2.21) kann man feststellen, dass die Orts-
koordinaten x; y; z bzw. x 0 ; y 0 ; z 0 durch den re-
lativistischen Faktor korrigiert werden. Für
den Fall c ! 1 wird D 1, und
die Lorentz-Transformation geht in die Galilei-
Transformation über. Relativistische Effekte tre-
ten deshalb auf, weil die Lichtgeschwindigkeit
endlich ist, sodass sich Signale nicht unendlich
rasch ausbreiten können. Der relativistische Fak-
tor stellt sicher, dass die Lichtgeschwindigkeit
c die höchste Teilchengeschwindigkeit darstellt, Abb. 10.3 Grafische Darstellung der Lorentz-Transfor-
mation im Minkowski-Diagramm
da für v > c der relativistische Faktor imagi-
när wird. Wie aus (10.4) ersichtlich, ist die Zeit
für jeden Beobachter verschieden. Die Zeit t 0 des
Beobachters in S0 hängt von der Zeit t des Be- die t 0 -Achse .x 0 D 0/ folgendermaßen berechnet
obachters in S, von dessen Koordinate x und der werden: Aus der Lorentz-Transformation (10.1)
Relativgeschwindigkeit der Systeme ab. resultiert für x 0 D 0 der Ausdruck x D vt.
Die Lorentz-Transformation kann man durch Die Gleichung für die x 0 -Achse lautet .t 0 D 0
Minkowski-Diagramme (H. M INKOWSKI, 1864 für (10.4)) x D .c 2 =v/t. In Abb. 10.3 ist das
bis 1909) grafisch veranschaulichen. Dabei be- Koordinatensystem für x 0 und t 0 eingezeichnet.
schränkt man sich auf eindimensionale Bewe- Der Maßstabsfaktor für die x 0 -Achse ist wegen
gungen (z. B. in x-Richtung), sodass sich ein x D x 0 der relativistische Faktor und für
Intertialsystem S durch ein zweidimensionales die t 0 -Achse wegen t D t 0 ebenfalls. Die Win-
Koordinatensystem darstellen lässt. Die Zeit t kel zwischen x- und x 0 -Achse sowie zwischen t 0 -
wird als Ordinate und die x-Koordinate als Ab- und t-Achse sind ebenfalls gleich (˛).
szisse gezeichnet, wie es Abb. 10.3 zeigt. Üb-
licherweise wird die x-Achse in der Einheit Beispiel 10.2-1
Lichtsekunde (Ls) unterteilt, d. h. in Strecken, die Zwei Inertialsysteme S und S0 bewegen sich
vom Licht in einer Sekunde durchlaufen werden mit der Geschwindigkeit v D 0;75 c rela-
(1 Lichtsekunde D 3  108 m). Die Bahnkurve tiv zueinander. Bestimmt werden sollen a) die
eines Lichtstrahls (Lichtlinie) ist in diesem Dia- Gleichung für die x 0 -und t 0 -Achse und ihre
gramm die Winkelhalbierende x D ct. Ein Punkt Darstellung im Minkowski-Diagramm, b) die
P mit den Koordinaten x und t (y D konst., Maßstäbe für die x 0 -und t 0 -Achse, c) die
z D konst.) wird Weltpunkt des Ereignisses oder Lorentz-Transformation. d) Gegeben sind fol-
Ereignis genannt. Die Bewegungen von Teilchen gende Ereignisse:
sind als Linien darstellbar, die man als Weltlinien
des bewegten Teilchens bezeichnet. in S0 : P0 (2I 0I 0I 0) und Q0 (2I 0I 0I 1) am glei-
Für ein zweites Inertialsystem S0 , das sich mit chen Ort,
der Geschwindigkeit v.v < c/ entlang der x- in S: R (1I 0I 0I 2) und T (1I 0I 0I 2) zur sel-
Achse bewegt und denselben Ursprung hat, kann ben Zeit.
10.2 Lorentz-Transformation 779

c) Die Lorentz-Transformation lautet nach


(10.1) bis (10.4)

x D 1;51.x 0 C 0;75ct 0 / bzw.


0
x D 1;51.x  0;75ct/ ;
y D y0 bzw. y0 D y ;
z D z0 bzw. z0 D z ;
t D 1;51.t 0 C 0;75x 0 =c/ bzw.
0
t D 1;51.t  0;75x=c/ :

d) Nach der Lorentz-Transformation werden


die Ereignisse umgerechnet:
P0 .2I 0I 0I 0/: Nach (10.1) resultiert x D
1;51x 0 D 1;51  2 Ls D 3;02 Ls. Nach
(10.4) ergibt sich t D 0;75x 0 =c D 1;51 
0;75  2 s D 2;27 s. Das Ergebnis ist also P
.3;02I 0I 0I 2;27/.
Abb. 10.4 Minkowski-Diagramm für Beispiel 10.2-1 Für Q0 .2I 0I 0I 1/ ermittelt man

x D 1;51.x 0 C 0;75 c t 0 /
Die Ereignisse in den jeweils anderen Be-
zugssystemen sollen errechnet und in das D 1;51.2 C 0;75  1/ Ls D 4;15 Ls I
Minkowski-Diagramm eingezeichnet werden.
t D 1;51.1 C 0;75  2/ s D 3;78 s. Das Er-
Lösung gebnis lautet demnach Q .4;15I 0I 0I 3;78/.
a) Für die t 0 -Achse gilt x D vt  0;75ct und Die beiden Ereignisse P0 und Q0 , die in S0
für die x 0 -Achse x D .c 2 =v/t D 4=3.ct/. am gleichen Ort eintreten, finden in S an
Da im Minkowski-Diagramm c D 1 ge- verschiedenen Orten statt.
setzt wird, gilt für die t 0 -Achse x D 0;75t Für R .1I 0I 0I 2/ gilt
und für die x 0 -Achse x D 4=3.t/ gemäß
Abb. 10.4. x 0 D 1;51.1  0;75  2/ Ls D 3;775 Ls I
b) Der Maßstabsfaktor für die x 0 - und die t 0 - t 0 D 1;51.2  0;75  .1// s D 4;15 s :
Achse ist der relativistische Faktor . Er
errechnet sich nach (10.5) zu Damit ist R0 .3;78I 0I 0I 4;15/.
Für T .1I 0I 0I 2/ wird
1
Dq
x 0 D 1;51.1  0;75  2/ Ls D 0;755 Ls I
 2
1  vc
1 t 0 D 1;51.2  0;75  1/ s D 1;89 s :
Dp D 1;51 :
1  .0;75/2
Damit ist T0 .0;755I 0I 0I 1;89/. Die bei-
Dies bedeutet, dass die Koordinate x D 0 den Ereignisse R und T, die in S gleich-
1 bei x D liegt und entsprechend t 0 D zeitig stattfinden, treten in S0 zu ver-
1 bei t D . Demnach sind die Einheiten schiedenen Zeiten auf. Abb. 10.4 zeigt
auf der x 0 - und t 0 -Achse um das 1,51-fache das Minkowski-Diagramm für dieses Bei-
größer als auf der x- und t-Achse. spiel.
780 10 Spezielle Relativitätstheorie

10.3 Relativistische Effekte

10.3.1 Längenkontraktion

Im System S ist der Abstand zweier Punkte, die


auf einer zur x-Achse parallelen Strecke liegen,
l D x2  x1 . Im System S0 , das sich längs
der x-Achse mit der Geschwindigkeit v bewegt,
wird der Abstand l 0 D x20  x10 gemessen. Die
Abstände transformieren sich nach der Lorentz-
Transformation (10.1) gemäß
   
l D x2  x1 D x20 C vt 0  x10 C vt 0 ;
l D x20 C vt 0  x10  vt 0 ;
 
l D x20  x10 D l 0 oder
r
1  v 2

l0 D l D 1  l: (10.6) Abb. 10.5 Längenkontraktion und Zeitdilatation im
c
Minkowski-Diagramm

Für alle Körper, die sich mit einer kon-


Daraus folgt
stanten Geschwindigkeit v relativ zueinan-
der bewegen, verkürzen sich die Längen  v 
t 0 D t  2 .x2  x1 / : (10.7)
des anderen Körpers
q in dieser Richtung c
 v 2
um den Faktor 1  c . Senkrecht zur
Wenn für einen ruhenden Beobachter in S die Er-
Bewegungsrichtung liegende Strecken er-
eignisse gleichzeitig stattfinden, so ist t D 0.
scheinen nicht verkürzt. Dieser Effekt heißt
Nach (10.7) sind für den bewegten Beobachter
Längenkontraktion.
in S0 die Ereignisse nicht gleichzeitig. Welches
der beiden Ereignisse der Beobachter früher oder
Die Längenkontraktion ist unabhängig von später sieht, hängt vom Wert der Koordinaten x2
der Zeit t 0 . Sie ist auch aus dem Minkowski- und x1 ab, da die Differenz x2 x1 das Vorzeichen
Diagramm Abb. 10.5 ersichtlich. Für die Zahlen- bestimmt. Finden zwei Ereignisse am gleichen
werte des Beispiels 10.2-1 erscheint eine Strecke, Ort statt (x2 D x1 , d. h. x2  x1 D 0), dann gilt
die im System S die Länge x D 3 Ls D 33108 m für (10.7)
hat, im System S0 auf ungefähr x 0 D 2 Ls D t
2  3  108 m verkürzt. Umgekehrt wird auch die t 0 D t D r  v 2 : (10.8)
Strecke x 0 D 3 Ls in S0 auf x D 2 Ls in S ver- 1
kürzt. c

10.3.2 Zeitdilatation Bewegen sich zwei Beobachter mit einer


konstanten Geschwindigkeit v relativ zu-
Nach der Lorentz-Transformation gilt für die einander, dann erscheint das Zeitintervall
Zeitdifferenz in relativ zueinander bewegten Sys- t 0 des Systems S0 vom System S aus
temen nach (10.4) betrachtet größer zu sein und umgekehrt.
 vx2   vx1  Dieser Effekt wird Zeitdilatation genannt.
t 0 D t20  t10 D t2  2  t1  2 :
c c
10.3 Relativistische Effekte 781

Die Zeitdilatation ist ebenfalls im Minkowski- den Weg ct D 3  108  104 km D 30 km zu-
Diagramm (Abb. 10.5) zu erkennen. Liegt bei- rücklegen können.
spielsweise im System S0 zwischen zwei Ereig-
nissen die Zeitspanne t 0 D 2 s, so erscheint Beispiel 10.3-1
diese einem Beobachter in S als t D 3 s und Ein Raumfahrer besteigt im Alter von dreißig
umgekehrt. Jahren ein sehr schnelles Raumschiff. Wäh-
Die Zeitdilatation hat zur Folge, dass für rend er nach seiner Zeitmessung fünf Jahre
zwei gegeneinander bewegte Beobachter jeder später wieder heimkehrt, ist sein Zwillings-
feststellt, dass die Uhr des anderen nachgeht bruder bereits sechzig Jahre alt. Wie schnell
(Uhrenparadoxon). Dies wurde beim deutschen muss der Raumfahrer fliegen, um diesen Zeit-
Spacelab-Flug D-1 im Experiment Navex bestä- unterschied zu erzeugen? Wie groß ist die
tigt. Es stellte sich heraus, dass die Borduhr Zeitdilatation bei der Geschwindigkeit v D
im Raumschiff, das sich mit etwa 28.000 km/h 3000 m=s?
um die Erde bewegte, je Tag um etwa 25,5 s
langsamer lief als die Vergleichsuhr der Boden-
Lösung
station. Wenn nach der Zeitdilatation die Uhren
Für die Zeitdilatation gilt nach (10.8) t 0 D
im System S0 langsamer als im System S laufen,
t. Für t 0 D 30 Jahre und t D 5 Jahre
ist es denkbar, dass bei Zwillingen, von denen
gilt: 30 a D  5 a oder D 30=5 D 6. Daraus
einer sich bei einem Raumflug sehr schnell re-
folgt
lativ zur Erde bewegt, er seinen Bruder bei der 1
Rückkehr um Jahre gealtert vorfindet (Zwillings- r  v 2 D 6
paradoxon). 1
Die Längenkontraktion und die Zeitdilatation c
wurden durch Experimente mit Elementarteil- p
chen bestätigt. In etwa 30 km Höhe entstehen und somit v=c D 25=36  0;986 oder v 
-Mesonen, die eine Zerfallsdauer von etwa tZ D 0;986 c.
2  10 s aufweisen. Sie haben eine Geschwin-
6 Für v D 3000 m=s ist
digkeit in der Größenordnung der Lichtgeschwin-
1
digkeit .v  c/. Ohne relativistische Effekte Ds
 
1;
können die -Mesonen nur den Weg ctZ D 3  103 2
1
3  108  2  106 m D 600 m zurücklegen. Den- 3  108
noch werden die -Mesonen auf der Erdober-
fläche nachgewiesen (30 km entfernt). Dies kann sodass dieser Effekt nicht beobachtet wird.
sowohl durch die Längenkontraktion, als auch Das Zwillingsparadoxon ist nicht umkehr-
durch die Zeitdilatation erklärt werden. Wegen bar. Es könnte argumentiert werden, dass aus
der Mesonengeschwindigkeit von v D 0;9998 c0 Symmetriegründen vom Standpunkt des fah-
beträgt der relativistische Faktor D 50. Auf- renden Astronauten aus der zurückbleibende
grund der Längenkontraktion erscheint dem be- Bruder jünger sein sollte. Dieser Schluss ist
wegten -Meson der Weg von 30 km tatsächlich nicht zulässig, weil das Problem an sich nicht
auf l D 30  10  0;02 m D 600 m verkürzt.
0 3 symmetrisch ist. Während der Zwilling auf
Verwendet man (10.8) für die Zeitdilatation, so der Erde in einem Inertialsystem bleibt, steigt
erscheint die Zerfallszeit von der Erde aus auf der Astronaut von einem System, das sich
t D 2  106 =0;02 s D 104 s gedehnt, sodass von der Erde wegbewegt auf ein System um,
die -Mesonen im Koordinatensystem der Erde das sich auf die Erde zubewegt. Wegen dieses
782 10 Spezielle Relativitätstheorie

Wechsels des Bezugssystems kann der fahren- und Entsprechendes für die z-Komponente der
de Astronaut nicht so argumentieren wie sein Geschwindigkeit u. Der komplette Satz der
ruhender Zwilling. Transformationsformeln lautet

u0x C v ux  v
ux D v u0x D v ;
10.3.3 Relativistische Addition 1 C 2 u0x 1  2 ux
der Geschwindigkeiten c c
u0y uy
uy D  v  u0y D  v  ;
In einem System S0 , das sich mit der Geschwin- 1 C 2 u0x 1  2 ux
digkeit v in x-Richtung relativ zum System S c c
u0z uz
bewegt, laufe ein Punkt mit der Geschwindigkeit uz D  v 
0
uz D  v  :
1 C 2 u0x 1  2 ux
0 1 c c
u0x (10.9)
u0 D @ u0y A :
B C

u0z Für kleine Systemgeschwindigkeiten .v  c/


gehen (10.9) in die klassische Form der Galilei-
Seine Geschwindigkeit u im System S ergibt Transformation von Abb. 2.21 in Abschn. 2.4.1
sich aus der Lorentz-Transformation ((10.1) bis über.
(10.4)). Demnach ist
Beispiel 10.3-2
dx D dx 0 C vdt 0 ; Im System S bewegen sich zwei Teilchen
dy D dy ;0 längs der x-Achse mit den Geschwindigkei-
ten u1x D 0;9c und u2x D 0;9c aufeinander
dz D dz 0 ; zu. Wie groß ist die Geschwindigkeit des Teil-
v 0
dt D dt 0 C dx : chens 1 relativ zum Teilchen 2?
c2
Für die Geschwindigkeitskomponente ux gilt Lösung
Das Teilchen 2 ruhe im System S0 (u02x D 0),
dx 0
dx C vdt 0 das sich seinerseits mit v D 0;9c längs
ux D D v der x-Achse des Systems S bewegt. Die Ge-
dt dt 0 C 2 dx 0
c schwindigkeit u01x des Teilchens 1 im Sys-
dx 0 tem S0 und damit relativ zu Teilchen 2 ist nach
dx C vdt
0 0 Cv
dt 0 (10.9)
D v D :
dt 0 C 2 dx 0 v dx 0
c 1 C u1x  v 0;9c C 0;9 c
c 2 dt 0 u01x D D
v 0;9c
1  2 u1x 1 C 2  0;9c
Mit u0x D dx 0 =dt 0 ergibt sich c c
1;80
u0x C v D c D 0;9945c :
ux D : 1;81
v
1 C 2 u0x
c Nach der klassischen Galilei-Transformation
wäre die Relativgeschwindigkeit die 1,8-fache
Auf dieselbe Weise ergibt sich für die y-Kompo-
Lichtgeschwindigkeit. Tatsächlich ist nach
nente
(10.9) durch Geschwindigkeitsaddition kei-
dy u0y ne Geschwindigkeit größer als die Lichtge-
uy D D  v  schwindigkeit erhältlich, solange u  c und
dt 1 C 2 u0x
c v  c ist.
10.4 Relativistische Dynamik 783

10.4 Relativistische Dynamik (2) folgt

Der Stoß zweier Körper in einem abgeschlosse- m.0/


m.v/ D r :
nen System verläuft unter Erhaltung des Gesamt- v2
impulses. Da in diesem Fall nur wechselseitige 1 2
c
Einflüsse und keine Einwirkung von dritten Kör-
pern oder Koordinatensystemen auftreten, gilt Die Masse m.0/ D m0 wird als Ruhemasse des
der Impulserhaltungssatz auch in relativistischen Körpers bezeichnet. Damit gilt für die Masse ei-
Systemen. Wie sich sofort zeigt, ist dies aller- nes Körpers mit der Geschwindigkeit v
dings nur möglich, wenn die Masse eines Körpers
m0
nicht konstant ist, sondern von seiner Geschwin- m.v/ D r (10.10)
 v 2 D m0 :
digkeit abhängt. 1
Im Folgenden sei zur Berechnung der relati- c
vistischen Masse ein unelastischer Stoß zweier
Körper mit Kopplung betrachtet (Abschn. 2.7.3).
Die Massen m der Körper seien gleich groß, ein Ein Körper mit der Ruhemasse m0 , der sich
Körper ruhe vor dem Stoß. Es wird zwischen der mit der Geschwindigkeit v relativ zu einem
Masse des ruhenden Körpers m.0/ und der des Inertialsystem bewegt, erfährt einen relati-
bewegten Körpers m.v/ unterschieden. Zunächst vistischen Massenzuwachs.
wird der Stoß im Koordinatensystem S beschrie-
ben, in dem der Körper 1 die Geschwindigkeit
u1 D v (in x-Richtung) hat, der Körper 2 ist Abb. 10.6 zeigt den Massenzuwachs und die
in Ruhe (u2 D 0). Dann lautet der Impulserhal- Längenkontraktion in Abhängigkeit von v=c. Es
tungssatz ist ersichtlich, dass ein Körper mit der Mas-
se m0 niemals Lichtgeschwindigkeit erreichen
m.v/v D Œm.v/ C m.0/u : (1) kann, weil er damit eine unendlich große Masse
bekäme und zu seiner Beschleunigung eine un-
u ist die gemeinsame Endgeschwindigkeit der endlich große Beschleunigungsarbeit erforderlich
Körper. Der gleiche Vorgang kann auch im Sys- wäre.
tem S0 beschrieben werden, das sich relativ zu Nach (10.10) gilt für den relativistischen Im-
S mit der Geschwindigkeit v längs der x-Achse puls
bewegt. In diesem System sind die Geschwindig-
keiten u01 D 0 und u02 D v. Der Stoß läuft völlig m0
p D m.v/v D r  v 2 v D m0 v :
gleichartig wie im System S ab. Die gemeinsame
Endgeschwindigkeit ist in diesem Fall u. Die 1
c
beiden Endgeschwindigkeiten sind durch (10.9) (10.11)
miteinander verknüpft. Mit ux D u und u0x D u
resultiert aus (10.9) Für die relativistische Kraft F ergibt sich wegen
F D dp=dt ((2.24) in Abschn. 2.3.2)
u C v
uD uv : (2) 0 1
1 2
c d BB r m0 v
C
F D C : (10.12)
Gleichung (2) liefert für den klassischen Grenz- dt @  v 2A

1
fall v  c das Ergebnis u D v=2. Aus (1) und c
784 10 Spezielle Relativitätstheorie

dere ist i. Allg. die Beschleunigung nicht parallel


zur Kraft.

Beispiel 10.4-1
Ein Elektron der Ruhemasse m0 D
9;109  1031 kg wird durch ein elektrisches
Feld 0 1
1
B C
E D E0 @ 1 A
0

mit E0 D 105 V=m beschleunigt. Wie lau-


tet der Vektor a der Beschleunigung, wenn
das Teilchen im betrachteten Zeitpunkt a) ruht
und b) die Geschwindigkeit
0 1
1
cB
v D @ 0 A hat‹
C
Abb. 10.6 Längenabnahme und Massenzunahme nach
der Lorentz-Transformation in Abhängigkeit des Ge- 2
schwindigkeitsverhältnisses v=c
0

Lösung
Die Kraft beträgt immer
Findet eine Relativbewegung mit der konstanten 1 0
Geschwindigkeit v in x-Richtung statt, dann er- 1
F D E e D 1;602  1014 N @ 1 A :
B C
gibt sich aus (10.12) für die Kraftkomponente in
x-Richtung 0
m0 a x
Fx D  3
(10.13) a) Der relativistische Faktor ist D 1 für
 v 2 3=2 D m0 ax :
1 v D 0. Damit ist nach (10.13) bis (10.15)
c ax D Fx =m0 D 1;759  1016 m=s2 und
ay D 1;759  1016 m=s2 . Der Beschleuni-
Die Größe ax ist die Beschleunigungskomponen- gungsvektor lautet
te in x-Richtung. Für die Kraftkomponenten
p in y- 0
1
1
und z-Richtung bleibt der Faktor 1  .v=c/2 in B C
a D a0 @ 1 A
(10.12) konstant, sodass gilt
0
m0 a y
Fy D r  v 2 D m0 ay ; (10.14)
mit a0 D 1;759  1016 m=s2 ; er ist parallel
1
c zum Kraftvektor.
m0 a z b) Der relativistische Faktor ist
Fz D r  v 2 D m0 az : (10.15)
1 1
c Dr D 1;155 :
1
Aus (10.13) bis (10.15) folgt, dass die Beschleu- 1
4
nigung, die eine bestimmte Kraft hervorruft, da-
von abhängt, ob sie parallel oder senkrecht zur Die Beschleunigungskomponenten sind daher
momentanen Geschwindigkeit wirkt. Insbeson- ax D Fx =.m0 3 / D a0 = 3 D a0 =1;54I ay D
10.4 Relativistische Dynamik 785

Fy =.m0 / D a0 =1;155. Damit beträgt der Be- Gleichung (10.16) zeigt, dass die von einer äuße-
schleunigungsvektor ren Kraft an einem Massenpunkt geleistete Arbeit
0 1 zu einer Massenänderung führt. Allgemein lässt
0;650 sich zeigen, dass für alle Energieformen gilt:
B C
a D a0 @ 0;866 A I
0
Jede Energiezufuhr ist mit einer Massenzu-
er ist also nicht parallel zum Kraftvektor. nahme verknüpft.

Wird ein Körper im System S in x-Richtung


beschleunigt, dann muss folgende Beschleuni- Die einzelnen Glieder in (10.16) können fol-
gungsarbeit geleistet werden: Für die Verschie- gendermaßen definiert werden:
bung längs des Weges dx ist die Arbeit dW D
Fx dx erforderlich. Mit (10.13) ergibt sich E D mc 2 (10.17)
dvx ist die Gesamtenergie des Körpers,
dW D m0 3 ax dx D m0 3 vx dt
dt
D m0 3 vx dvx : E0 D m0 c 2 (10.18)

Der Index „x“ wird im Folgenden weggelassen, ist die Ruheenergie.


da ohnehin nur x-Komponenten betrachtet wer- Die kinetische Energie ist die Differenz aus
den. Die Gesamtarbeit bei der Beschleunigung Gesamtenergie E und Ruheenergie E0 W Ekin D
von der Geschwindigkeit v D 0 auf v beträgt E  E0 . Diese Ergebnisse wurden von Einstein
zum Prinzip der Äquivalenz von Masse und Ener-
Zv
m0 v gie verallgemeinert:
W D   v 2 3=2 dv :
0 1
c
Jeder Körper mit der Masse m hat die Ener-
Nach Ausführung der Integration ergibt sich gie E D mc 2 .
m0 2 2
W Dr  v 2 c  m0 c :
1 Demzufolge stellt Materie eine Energieform
c dar; Energie ist in Materie und Materie ist in
Dieser Ausdruck wird wie in der klassischen Energie umwandelbar. Diese Prozesse werden bei-
Mechanik als kinetische Energie des Körpers in- spielsweise durch die Paarerzeugung (Elektron
terpretiert: und Positron) und die Annihilation (Zerstrahlung
von Materie und Antimaterie) eindrucksvoll be-
Ekin D mc 2  m0 c 2 : (10.16) stätigt. Die Elementarteilchenphysik zeigt die völ-
lige Symmetrie zwischen Materie und Antimaterie
Für kleine Geschwindigkeiten v  c geht
(Abschn. 8.9). In Abschn. 4.3.5.1 ist beschrieben,
(10.16) in den klassischen Ausdruck für die ki-
wie sich die Geschwindigkeit v geladener Teil-
netische Energie über: chen beim Durchlaufen einer Potenzialdifferenz
0 1 bei Anwendung der relativistischen Beziehungen
B 1 C ändert.
Ekin D B  1 C m0 c 2
@ r  v 2 A Zwischen Energie und Impuls eines Teilchens
1 folgt durch Kombination von (10.11) und (10.17)
c
 2 
1v 1 E2
 1C  1 m0 c 2 D m0 v 2 : p2 D  m20 c 2 : (10.19)
2 c2 2 c2
786 10 Spezielle Relativitätstheorie

Für das Photon mit der Ruhemasse m0 D 0 er-


gibt sich hieraus p D E=c, oder, mit E D hf
nach (6.129), p D hf =c D h=. (6.132)

Beispiel 10.4-2
Bei der Annihilation eines Elektrons (e) und
eines Positrons (Ce) verschwinden die beiden
Teilchen und es entsteht -Strahlung. Auf-
grund des Impulserhaltungssatzes entstehen
zwei Photonen, die in entgegengesetzter Rich-
tung ausgesandt werden. Zu berechnen sind
die Energie und die Wellenlänge jedes Pho-
tons.

Lösung
Der Impulserhaltungssatz lautet: p1 D p2
oder hf1 =c D hf2 =c und schließlich f1 D
f2 D f . Der Energieerhaltungssatz lautet
2m0 c 2 D 2hf . Dies bedeutet, dass jedes Pho- Abb. 10.7 Elektromagnetische Kraft
ton die Ruheenergie m0 c 2 des Elektrons bzw.
Positrons hat, also hf D 0;51 MeV.
nur verschiedene Spielformen desselben physi-
Die Wellenlänge beträgt  D h=.m0 c/ D
kalischen Phänomens, der elektromagnetischen
2;4  1012 m. Falls das Elektron-Positron-
Wechselwirkung. Je nach Wahl des Koordinaten-
Paar bereits kinetische Energie hat, ist die
systems ist die Wechselwirkung rein elektrisch,
Photonenenergie größer als 0,51 MeV und die
rein magnetisch oder gemischt.
Wellenlänge kleiner als 2,4 pm.
Zur Illustration soll nach Abb. 10.7 die Kraft
zwischen der Ladung Q und einem Leiter be-
rechnet werden. Im System S ruht der Draht,
die Elektronen fließen mit der Geschwindigkeit
10.5 Spezielle Relativitätstheorie u nach rechts, die konventionelle Stromrichtung
in der Elektrodynamik geht nach links. Die Ladung Q bewege sich mit
der Geschwindigkeit u ebenfalls nach rechts. Der
10.5.1 Elektrodynamische Kraft Draht ist insgesamt elektrisch neutral. Aufgrund
der Lorentz-Kraft wird die Ladung Q durch das
Die elektrostatische Kraft zwischen ruhenden Magnetfeld des Stroms vom Draht abgestoßen.
Ladungen und die magnetische Kraft zwischen Das System S0 soll sich mit der Geschwin-
bewegten Ladungen erhalten eine Verknüpfung digkeit v D u längs des Leiters nach rechts
durch die Relativitätstheorie. Es lässt sich zeigen, bewegen. In S0 ruhen die Ladung Q und die Elek-
dass ein rein elektrisches Feld in einem System tronen des Leiters. Die positiven Ionen laufen
S von einem Beobachter in S0 , das sich relativ dafür nach links mit der Geschwindigkeit u0 D
zu S bewegt, als elektrisches und magnetisches u. Im Gegensatz zum System S ist in S0 der
Feld gesehen wird. Ebenso erhält ein rein magne- Draht aber elektrisch nicht neutral. Infolge der
tisches Feld durch Wechsel in ein bewegtes Ko- Längenkontraktion ist nämlich der Abstand zwi-
ordinatensystem zusätzlich ein elektrisches Feld. schen den positiven Ionen kleiner, der Abstand
Elektrische und magnetische Kräfte sind damit zwischen den negativen Elektronen größer als im
10.5 Spezielle Relativitätstheorie in der Elektrodynamik 787

System S. Dadurch wird die Ladungsdichte %0C > System S werden Photonen der Energie E D hf
%0 , der Draht ist positiv geladen. Zusätzlich zum emittiert. Im System S0 , das sich mit der Ge-
Magnetfeld entsteht ein radial nach außen gerich- schwindigkeit v vom System S entfernt, sitzt ein
tetes elektrisches Feld, das die ruhende Ladung Beobachter, der die Energie E 0 D hf 0 der Pho-
Q abstößt. tonen registriert. Werden die Photonen zunächst
Vom Standpunkt der Relativitätstheorie ist als materielle Teilchen angesehen, dann ist ihre
klar, dass zumindest bei kleinen Geschwindigkei- Energie bzw. ihr Impuls
ten (v  c,  1) die Wechselwirkungskraft
unabhängig von der Wahl des Koordinatensys- in S: E D m.u/c 2 ; p D m.u/u ,
tems sein muss. Die beiden Ausdrücke für die in S’: E 0 D m.u0 /c 2 ; p 0 D m.u0 /u0 .
Kraft, die in Abb. 10.7 angegeben sind, können
also gleichgesetzt werden: Die Geschwindigkeiten transformieren sich nach
(10.9):
0 I u2 %C AQ u0 C v
Qu D 2 : uD :
2 r c 2 "0 r u0 v
1C 2
c
Mit I D %C uA ergibt sich ein Zusammen-
hang zwischen den elektrischen und magneti- Aus diesen Gleichungen folgt nach einigen Um-
schen Feldkonstanten und der Lichtgeschwindig- formungen E D .E 0 C vp 0 / . Wird jetzt speziell
keit: für Photonen E D hf , E 0 D hf 0 und p 0 D E 0 =c
1 eingesetzt, dann ergibt sich hf D hf 0 .1 C v=c/
c2 D : (10.20)
"0 0 oder für die Frequenz im System S0
r
Die rein magnetische Kraft (Lorentz-Kraft) Fmagn 0 cv
im System S ist mit der rein elektrischen Kraft Fel0 f Df : (10.22)
cCv
im System S0 verknüpft durch
Wenn sich der Beobachter der Quelle nähert,
Fel0 D Fmagn : (10.21) gilt r
0 cCv
f Df : (10.23)
cv
10.5.2 Doppler-Effekt des Lichtes
Beispiel 10.5-1
Beim Doppler-Effekt des Schalls (Abschn. 5.2.4) Ein Flugzeug fliegt mit der Geschwindigkeit
müssen mehrere Fälle unterschieden werden: Die v D 300 m=s auf einen Radarsender der
Frequenzverschiebung ist jeweils anders für den Frequenz f D 9 GHz zu. Wie groß ist die
Fall, dass der Beobachter im Übertragungsmedi- Frequenzänderung, die im Flugzeug gemessen
um Luft ruht und die Quelle bewegt wird oder wird?
dass die Quelle ruht und sich der Beobachter be-
wegt. Einstein folgerte aus dem Experiment von Lösung
Michelson und Morley, dass für Licht kein Über- Da v  c ist, kann (10.23) entwickelt wer-
tragungsmedium (Äther) existiert. Dies bedeutet, den: f 0  f .1 C v=c/ D f .1 C 1  106 /. Die
dass man beim Doppler-Effekt des Lichts nicht relative Frequenzänderung beträgt f =f D
die oben erwähnten Fälle unterscheiden muss. .f 0  f /=f D f 0 =f  1 D 106 . Die ab-
Die Frequenzänderung hängt lediglich von der solute Frequenzänderung ist f D 1 kHz.
Relativgeschwindigkeit zwischen Quelle und Be-
obachter ab. Gleichungen (10.22) und (10.23) beschreiben
Eine einfache Ableitung der Doppler-Formel die Frequenzverschiebung beim longitudinalen
ist möglich mit der Lichtquantenvorstellung. Im Doppler-Effekt, bei dem der Beobachter sich
788 10 Spezielle Relativitätstheorie

längs der Lichtstrahlen bewegt. Bewegt sich der Ü 10-3 Ein Einstein-Zug der Länge l 0 D
Beobachter mit der Geschwindigkeit v senkrecht 2  106 km und der Geschwindigkeit v D 240:000
zu einem Lichtstrahl, dann wird der transversale km=s hat Türen im ersten und letzten Wagen, die
Doppler-Effekt beobachtet. In diesem Fall beträgt sich bei Lichteinfall automatisch öffnen. In der
die beobachtete Frequenz Mitte des Zuges befindet sich ein Fahrgast A. So-
r bald die Zugmitte den am Bahnsteig stehenden
0
 v 2 Beobachter B passiert, wird im Zuginnern von A
f Df 1 : (10.24)
c ein Lichtsignal ausgesandt. In welchen zeitlichen
Abständen öffnen sich für A und B die Zugtü-
Dieser Ausdruck entspricht der Zeitdilatation von ren? Wie weit von A entfernt müsste eine weitere
(10.8), nach der bewegte Uhren langsamer lau- lichtgesteuerte Zugtür angebracht werden, damit
fen. In der klassischen Wellenlehre gibt es keinen der Beobachter B am Bahnsteig ein gleichzeitiges
transversalen Doppler-Effekt. Öffnen beider Türen feststellt?

Ü 10-4 Ein Autofahrer fährt mit v D 100 km=h


10.5.3 Zur Übung auf ein Verkehrsradargerät zu. Der am Auto re-
flektierte Radarstrahl wird mit einem Detektor
Ü 10-1 Ein Studierender der Ingenieurwissen- unmittelbar neben dem Sender nachgewiesen.
schaften hat diesen Abschnitt des Buches stu- Wie groß ist die Frequenz fE des Empfangssi-
diert und findet die Lorentz-Kontraktion für eine gnals, wenn das Sendesignal die Frequenz fS D
Schlankheitskur geeignet. Wie groß müsste seine 9 GHz hat? Wie groß ist die Schwebungsfre-
Geschwindigkeit sein, damit er ruhenden Be- quenz, wenn die beiden Signale überlagert wer-
trachtern nur noch drei Viertel so dick erscheint? den?
Kann er sich, was den Massenzuwachs betrifft,
darüber freuen? Ü 10-5 Um wie viel verringert sich die Mas-
se eines Kernreaktors in einem Jahr, wenn oh-
Ü 10-2 Ein Proton der Ruhemasse mp0 und der ne Unterbrechung die konstante Leistung P D
Geschwindigkeit v D 0;75c stößt mit einem 500 MW abgegeben wird?
ruhenden Proton zusammen. Nach einem voll-
kommen unelastischen Stoß entsteht ein neues Ü 10-6 Wie groß ist die Masse eines Elektrons,
Teilchen der Ruhemasse m0 . Wie groß ist m0 , und das auf die kinetische Energie Ekin D 30 GeV
welche Geschwindigkeit u hat das neue Teilchen beschleunigt wird und wie groß ist seine Ge-
(keine Energieabgabe nach außen)? schwindigkeit?
Anhang
11

Ü 1-2:
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben
a) Der wahrscheinlichste Wert der Wärmeleitfä-
higkeit  berechnet sich aus den Mittelwerten
11.1.1 Einführung
der Messgrößen:
Ü 1-1: Die für die Aufgabe relevanten Gleichun- ˚N sN W
gen sind in Tab. 1.6 zusammengestellt. N D   D 0;575 :
N N
aN b T2  T1 N mK
a) Der wahrscheinlichste Wert der Schwin- b) Die Standardabweichung des Mittelwerts der
gungsdauer T ist der arithmetische Mittelwert Wärmeleitfähigkeit beträgt
N
N
T D
1 X
Ti D 1;2116 s : N D sN
N i D1 v
u    2
u @ N 2 @
b) Die minimale Fehlersumme beträgt
u ˚ C Ns
 @˚ 2  @s 2
u
u
N
u @ @ N
X Duu C aN C b
F Smin D Ti2  N TN 2 D 0;007136 s2 : u  @a @b
2  
@ N 2
u
i D1 t @ N
C T2 C T1
Daraus folgt für die Standardabweichung des @T2 @T1
Messverfahrens Die Ableitungen sind:
r
F Smin @ s 
sT D D 0;0172 s : D D
N 1 @˚ ab.T2  T1 / ˚
c) Die Standardabweichung des arithmetischen 1 1
D 0;03591 m K ;
Mittelwerts beträgt
@ ˚ 
sT D D
sTN D TN D p D 0;00345 s : @s ab.T2  T1 / s
N 2 1
D 7;1829 W m K ;
d) Wenn eine statistische Sicherheit von 95 % @ ˚s 
verlangt wird, beträgt der t-Faktor nach der D 2 D
@a a b.T2  T1 / a
Interpolationsformel von Tab. 1.7 für nW D 2 1
D 1;1493 W m K ;
N  1 D 24 Wiederholungen t0;95 D
2;08. Damit wird die Messunsicherheit uz D @ ˚s 
D 2 D
TN t0;95 D 0;0072 s. Das Endergebnis lautet @b ab .T2  T1 / b
2 1
somit T0;95 D .1;2116 ˙ 0;0072/ s. D 1;1609 W m K ;
© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2016 789
E. Hering, R. Martin, M. Stohrer, Physik für Ingenieure, DOI 10.1007/978-3-662-49355-7_11
790 11 Anhang

@ ˚s  Die gesuchten Koeffizienten werden damit


D D
@T2 ab.T2  T1 /2 T2  T1 P P 4 P 2 P 3
xi yi xi  xi yi xi
D 0;06385 W m1 K2 a1 D

mV
und D 3;919  102 ı und
P 2P 2 C P P 3
@ ˚s  xi xi yi  xi yi xi
DC D a2 D
@T1 ab.T2  T1 /2 T2  T1
1 2 mV
D 0;06385 W m K : D 3;338  105 ı 2 :
C
Damit ergibt sich N D sN D 0;0122 mK W
. Die Standardabweichung der y-Werte wird in
c) Der absolute Größtfehler der Wärmeleitung Anlehnung an (3) aus Tab. 1.6 berechnet gemäß
ist r s
P
F Smin .yi  a1 xi  a2 xi2 /2
ˇ
ˇ @ ˇ
ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ sy D D
ˇ ˚N C ˇ @ ˇ Ns C ˇ @ ˇ aN
ˇ ˇ ˇ ˇ N 2 N 2
N max D ˇˇ
@˚ ˇ ˇ @s ˇ ˇ @a ˇ
D 6;037  103 mV :
ˇ ˇ ˇ ˇ
ˇ @ ˇ ˇ @ ˇ
C ˇˇ ˇˇ bN C ˇˇ ˇ TN2
Der Fehler in a1 rührt her von den Fehlern der
@b @T2 ˇ
ˇ
ˇ @ ˇ
ˇ Messgrößen yi . Daher gilt nach dem Fehlerfort-
C ˇˇ ˇ TN1 : pflanzungsgesetz (2) aus Tab. 1.8
@T1 ˇ
v  2  2
u
@a1 @a1
Mit den bereits berechneten Ableitungen er- u
u sy C sy C : : : C
gibt sich  @y1 2 @y2
u
sa1 D u
t @a1
C sy
W @yN
N max D 0;0259 : s
mK P 4
xi
oder sa1 D sy :
Der relative Größtfehler beträgt
In gleicher Weise folgt für die Standardabwei-
N max
D 4;5 % : chung von a2 :
N s
P 2
xi
sa2 D sy :
Ü 1-3: Die Funktion Uth D a1 # C a2 # wird im
2

Folgenden geschrieben als y D a1 x C a2 x 2 . Die
Mit unseren Werten ergibt sich sa1 D 6;24 
Bedingung,
P dass die Fehlersumme minimal wird,
105 mV=ı C und sa2 D 6;58  107 mV=ı C2 .
FS D .yi  a1 xi  a2 xi2 /2 D Min!, führt zu
Der t-Faktor ist nach Tab. 1.7 für nW D N 
folgenden Normalgleichungen:
2 D 15 Wiederholungsmessungen t0;68 D 1;04.
X X X Damit wird die Messunsicherheit
a1 xi2 C a2 xi3 D xi yi (1)
sa mV
uz;a1 D t0;68 p 1 D 1;6  105 ı
X X X
a1 xi3 C a2 xi4 D xi2 yi : (2) N C

Die Koeffizienten-Determinante ist und


sa mV
X X X 2 uz,a2 D t0;68 p 2 D 1;7  107 ı 2 :
D xi2 xi4  xi3 : N C
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 791

Außenlufttemperatur äquivalente Außentemperatur


a) Koeffizienten der linearen Regression
a0 D 84;07 kW a0 D 82;68 kW
a1 D 3;20 kW=ı C a1 D 5;79 kW=ı C
b) Korrelationskoeffizient nach (1.13b)
r D 0;45 r D 0;93
kein linearer Zusammenhang enger Zusammenhang
c) Standardabweichungen q
q P 2 q
xi
sy D FS min
N 2
; sa0 D sy
; sa1 D sy N
sa0 D 5;52 kW sa0 D 1;48 kW
sa1 D 1;63 kW=ı C sa1 D 0;61 kW=ı C
d) Der t -Faktor bei nW D N  2 D 15 Wiederholungsmessungen beträgt nach Tab. 1.7 t0;68 D 1;04. Damit
wird die Messunsicherheit uz;a D t0;68 psaN
a0 D .84;07 ˙ 1;39/ kW a0 D .82;68 ˙ 0;37/ kW
a1 D .3;20 ˙ 0;41/ kW=ı C a1 D .5;79 ˙ 0;15/ kW=ı C

Die zu bestimmenden Konstanten lauten so- der Ordinatenabschnitt


mit: a1 D .39;191 ˙ 0;016/  103 mV=ı C und P 2P P P
a2 D .33;38 ˙ 0;17/  106 mV=ı C2 . xi yi  xi xi yi
a0 D

und die Geradensteigung


P P P
N xi yi  xi yi
a1 D :

Es ergeben sich folgende Werte in Abhän-


gigkeit von der Außenlufttemperatur bzw. der
äquivalenten Außentemperatur:

Ü 1-4: Die Heizleistung y wird in Abhängigkeit


von der Temperatur x mit einer linearen Funktion
beschrieben: y D a0 C a1 x. Mit den in Abb. 1.8
angegebenen Beziehungen ist die Koeffizienten-
Determinante
X X 2
DN xi2  xi ;
792 11 Anhang

11.1.2 Mechanik 1
2
at 2 D 0;5 sm2 t 2 . Für 2 s < t < 4 s gilt
s.t/ D s0 C v0 .t  t0 / D 2 m C 2 ms .t  2 s/.
Ü 2-1: Für 4 s  t  5 s gilt s.t/ D s0 C v0 .t  t0 / C
a) 1
a.t t0 /2 D 6 mC2 ms .t 4 s/1 sm2 .t 4 s/2 .
2
Der insgesamt zurückgelegte Weg ist s.5 s/ D
7 m. Er entspricht der Gesamtfläche unter der
v.t/-Kurve.

Ü 2-2:
a)

b) Durch punktweises Bestimmen der Steigung


entsteht die a.t/-Kurve:

b) Die Geschwindigkeit hängt im Falle der kon-


stanten Beschleunigung linear von der Zeit
ab: v D at D 1 m s2 t für 0  t  2 s. Die Steigung des v.t/-Diagramms zur Zeit
Für 2 s < t < 4 s bleibt die Geschwindig- t1 D 4 s beträgt a D 2;1 m=s2 . Die Tangen-
keit konstant v D 2 m=s. Für 4 s  t  5 s te ist im Diagramm eingezeichnet.
liegt ein Bremsvorgang vor. Die Geschwin- c) Werden im v.t/-Diagramm die Punkte durch
digkeit variiert gemäß v.t/ D v0 a.t t0 / D Geraden verbunden und die Flächen der Tra-
2 ms  2 sm2 .t  4 s/. Die maximale Geschwin- peze unter diesem Polygonzug ermittelt, so
digkeit ist vmax D 2 m=s. ergibt sich ein Weg von s.5 s/ D 8;7 m, der al-
c) Am Ende des Vorgangs ist v.5 s/ D 0. Dies lerdings etwas zu groß ist. Nach Aufzeichnen
sieht man auch aus dem a.t/-Diagramm. Die auf Millimeterpapier und manuellem Auszäh-
Gesamtfläche ist null. len der Karos wurde eine Fläche von s.5 s/ 
d) Der Weg entspricht der Fläche im v.t/- 8;2 m ermittelt. Mit Hilfe von Excel wur-
Diagramm. Für 0  t  2 s gilt s.t/ D de an die Messpunkte ein Polynom vierten
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 793

Grades angepasst, das folgendermaßen lau- Daraus folgt für die Zeitspanne
tet: v.t/ D 8;333  103 t 4  3;333  102 t 3 C
1;917  101 t 2 C 3;333  102 t. Durch Inte- 2s
t D D 66;5 s :
gration dieses Ausdrucks folgt für den Weg v1 C v2
s.5 s/ D 8;4 m.
b) Die Tangentialbeschleunigung ist
Ü 2-3: Die Wurfparabel für den waagrechten v v2  v1 m
Wurf entsteht durch Überlagerung einer Be- atan D D D 0;293 2 :
t t s
wegung mit konstanter Geschwindigkeit in x-
Richtung und einer Fallbewegung mit konstan- c) Mit dem in Tab. 2.1 dargestellten Zusammen-
ter Beschleunigung in y-Richtung. Entsprechend hang zwischen Tangentialbeschleunigung und
lautet! der Vektor der Beschleunigung ! a D Winkelbeschleunigung ergibt sich
0 v0 atan rad
, der Geschwindigkeit v D und ˛D D 1;46  104 2 :
g gt r s
!
v0 t
der Ortsvektor r D . d) Die Zentripetalbeschleunigung ist
h  21 gt 2
Die Fallzeit tF bestimmt sich aus der Forde- 2 v2
rung, dass die y-Komponente des Ortsvektors a zp D r! D :
r
1
null wird: y.tF / D 0 D h  2 gtF . Daraus folgt
2
q Damit wird
tF D 2h g D 0;391 s.
In dieser Zeit wurde in x-Richtung der Weg v2 m
azp;1 D 1 D 0;0347 2 und
s D 0;40 m D v0 tF zurück gelegt. Dies ergibt die r s
Geschwindigkeit v0 D 1;02 m=s. v22 m
azp;2 D D 0;386 2 :
r s
Ü 2-4: Im Fall konstanter Winkelbeschleuni-
gung (-verzögerung, ˛ < 0) gilt für die Win- Ü 2-6:
kelgeschwindigkeit !.t/ D !0 C ˛t und für a) Die Winkelgeschwindigkeit folgt aus der Pe-
den Drehwinkel '.t/ D !0 t C 21 ˛t 2 . Am Ende riodendauer gemäß
des Bremsvorganges (Zeitpunkt tf / gilt !.tf / D 2  rad
0 D !0 C ˛tf und N  2  D !0 tf C 12 ˛tf2 . Die !E D D 7;29  105 :
TE s
Auflösung der beiden Gleichungen für die beiden
Unbekannten ˛ und tf liefert b) Der Vektor !E verläuft parallel zur Erdachse
(Drehachse) von Süden nach Norden.
!02  n20 rad c) Die Umfangsgeschwindigkeit ist das Produkt
a) ˛ D  D D 34;2 2 und
4N   N s aus Winkelgeschwindigkeit und Abstand r
!0 2N
b) tf D  D D 4;29 s. von der Drehachse:
˛ n0
Ü 2-5: v D r! D R! cos ' :
a) Bei gleichmäßiger Beschleunigung wächst
die Geschwindigkeit mit der Zeit linear an: Für den Äquator gilt v.0/ D 465 m=s. In
v.t/ D v1 C at und v2 D v1 C at. Der Stuttgart ist v.48ı 410 / D 307 m=s.
zurück gelegte Weg s in der Zeit t kann d) Die Zentripetalbeschleunigung ist
am einfachsten aus der mittleren Geschwin-
azp D r! 2 D R! 2 cos ' :
digkeit berechnet werden:
v1 C v2 Am Äquator gilt azp .0/ D 0;0339 m=s2 , in
s D vt
N D t : Stuttgart azp .48ı 410 / D 0;0224 m=s2 .
2
794 11 Anhang

Ü 2-7: Für die Grenzdrehzahl gilt


a) An den beiden Körpern zieht jeweils ihre Ge- r
1 gH
wichtskraft m1 g bzw. m2 g nach unten. Der n1 D D 1;58 s1 D 94;6 min1 :
Faden erfährt also zwei entgegengesetzt ge- 2  r1
richtete Kräfte. Die resultierende Kraft ist d) Der Stabilitätsbereich ist gegeben durch
Fres D FG; 2  FG; 1 D .m2  m1 /g. Die-
gH
se Kraft beschleunigt das gesamte System. r D 9;13 cm :
Also gilt nach Newton: Fres D mges a oder 4 2 n22
.m2  m1 /g D .m2 C m1 /a. Daraus folgt Ü 2-9:
m2  m1 a) Wenn die Geschosse in den Holzklotz ein-
aD g: dringen, gibt es jedes Mal eine große Kraft-
m1 C m2
spitze. Ersetzt man nun die im zeitlichen
b) Zur Bestimmung der Fadenkraft wird bei- Abstand T D 1=6 s auftretenden Kraftstö-
spielsweise Körper 1 betrachtet. An ihm greift ße durch eine gleichmäßige mittlere Kraft, so
nach oben die Fadenkraft FF an und nach kann man sich vorstellen, dass diese mittle-
unten die Gewichtskraft FG;1 D m1 g. Die re Kraft jeweils in der Periodendauer T die
resultierende Kraft wirkt nach oben und be- Geschwindigkeit v eines Geschosses gleich-
schleunigt ihn mit der bereits bekannten Be- mäßig auf null abbremst. Damit ist die mittle-
v
schleunigung a. Demnach gilt nach Newton: re Beschleunigung am D und die mittlere
T
Fres D FF  m1 g D m1 a, oder FF D m1 .g C Kraft
a/. Wird a von oben eingesetzt, folgt für die mv
Fadenkraft Fm1 D mam D D 120 N :
T
2m1 m2 b) Nach actio = reactio gilt für das Gewehr das-
FF D g:
m1 C m2 selbe wie für den Holzklotz, also ist Fm2 D
Fm1 . Vektoriell gilt Fm2 D Fm1 .
Ü 2-8:
c) Wenn die Kugeln wieder mit einem Zehntel
a) Die Gewichtskraft FG wirkt senkrecht nach
ihrer Geschwindigkeit abprallen, ist die mitt-
unten. Der Radiergummi macht nur dann ei-
lere Beschleunigung größer als in a), nämlich
ne Kreisbewegung, wenn eine in Richtung
Zentrum wirkende Kraft vorhanden ist, die v C 0;1  v v
am D D 1;1 :
Zentripetalkraft. T T
Die mittlere Kraft wird jetzt auch um 10 %
größer als bei a), nämlich Fm D 132 N.

Ü 2-10: Wenn der Körper nach Süden beschleu-


nigt wird, wirkt die resultierende Kraft Fres D
F1 C F2 C F3 ebenfalls nach Süden, bzw. in
einem kartesischen x; y-Koordinatensystem in
Richtung der negativen y-Achse. Ihr Betrag ist
b) Die Haftreibungskraft FH zwischen Gummi Fres D ma D 2 N. In vektorieller Schreibweise
und Scheibe spielt hier die Rolle der Zentri- gilt damit
petalkraft. ! ! ! !
c) Stabilität ist gegeben für FH D mgH  0 0 2N F3; x
D C C
mr1 ! 2 . Wenn der Radierer rutschen soll, 2 N 3N 0 F3; y
muss gelten !
r
gH 2 N
!> : oder F3 D :
r1 5 N
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 795

Der Betrag der Kraft ist nach oben erforderlich. Diese wird aufge-
p bracht von der resultierenden Kraft aus Ge-
F3 D jF3 j D 4 C 25 N D 5;39 N : wichtskraft nach unten und Bodenkraft nach
oben:
Sie weist in den dritten Quadranten des Koordi-
natensystems. Der Winkel zur positiven x-Achse
Fres D FBoden  mM g D mM am :
beträgt
 
5 Die mittlere Kraft in den Beinen ist die Ge-
' D arctan D 68;2ı C 180ı D 248;2ı : genkraft zur Bodenkraft. Also gilt
2
Ü 2-11:  
a) Im reibungsfreien Fall und ohne Berücksich- h
Fm D mM .g C am / D mM g C a
tigung der Seiltrommel und der Seilmasse s
gelten die Ausführungen von Ü 2-7. Damit ist D 4802 N :
die Beschleunigung
mA C mM  mG m Dies ist das 6;5-fache seiner Gewichtskraft.
aD g D 0;723 2 :
mA C mM C mG s
Ü 2-12: Die Resultierende aus Seil- und Ge-
b) Am Mitfahrer greifen zwei Kräfte an: die Ge- wichtskraft beschleunigt die Last nach oben:
wichtskraft nach unten und die Kraft vom Fres D FSeil  FG D ma. Damit ist die Beschleu-
Kabinenboden auf seine Beine nach oben. nigung
Die resultierende Kraft ist verantwortlich für
die Beschleunigung des Mitfahrers. Also gilt FSeil  FG
aD :
nach Newton: m

Fres D mM g  FBoden D mM a oder FG


Mit m D wird die maximale Beschleunigung
FBoden D mM .g  a/ D 681;5 N : g
 
Nach actio = reactio drückt der Mitfahrer mit Fmax  FG Fmax m
amax D D  1 g D 2;45 2 :
derselben Kraft auf den Boden. Wenn er auf FG =g FG s
einer Waage stünde, würde diese die Masse
FBoden Ü 2-13: Die Zentrifugalkraft zieht senkrecht zur
mscheinbar D D 69;5 kg anzeigen.
g Erdachse nach außen und beträgt unabhängig von
c) Nach einer Fallhöhe von h D 15 m hat die der Geschwindigkeit des Körpers (Ü 2-6) Fzf D
Kabine
p die Geschwindigkeit (Abb. 2.6) v D mr! 2 D mR cos "!E2 D 0;218 N. Die Geschwin-
2ah D 4;66 m=s. Um diese Geschwindig- digkeit v0 des fallenden Körpers weist näherungs-
keit innerhalb des Bremsweges s D 20 cm auf weise in Richtung Erdmittelpunkt (s. Ü. 2-15).
null abzubremsen ist die mittlere Beschleuni- Die Winkelgeschwindigkeit !E liegt parallel zur
gung Erdachse. Damit weist die Coriolis-Kraft FC D
2mv0  !E nach Osten (in die Zeichenebene hin-
v2 m ein). Sie beträgt FC D 2mv 0 !E sin.90ı C "/ D
am D D 54;2 2
2s s 2mv 0 !E cos " D 0;0937 N.
796 11 Anhang

b) Die Kugel wird nach Osten abgelenkt, wie


in Ü 2-13 erläutert. Die Ablenkung kann fol-
gendermaßen bestimmt werden: Während des
Falls wirkt die Coriolis-Kraft in Richtung Os-
ten (positive x-Richtung), wenn man vernach-
lässigt, dass sie sich ein klein wenig dreht. Ihr
Betrag ist FC D 2mv 0 !E cos ". Für die Fall-
geschwindigkeit gilt v 0 D gt. Damit erfährt
der Körper eine Beschleunigung

FC
aC D D 2 g !E cos "  t
m

nach Osten, d. h. in x-Richtung. Die x-


Ablenkung ergibt sich durch zweifache Inte-
gration: vx D g!E cos "t 2 ,

1
xD g!E cos "t 3 :
Ü 2-14: Die Coriolis-Beschleunigung ist aC D 3
2!E v0 ; dabei ist !E die Winkelgeschwindigkeit
Der Ortsvektor der Bahnkurve lautet somit
der Erde und v0 die Geschwindigkeit des Flug-
zeugs relativ zur Erde. 1
!
g !E cos "t 3
Flug nach Norden: v0 hat die Richtung ei- r.t/ D 3 :
nes Meridians. Die Coriolis-Beschleunigung aC h  21 g t 2
weist damit nach Westen. Der Betrag ist aC D
2!E v 0 sin ". Dieser Fall ist in Abb. 2.24 darge- Am Ende des freien Falls ist die Ablenkung
stellt.
1
Flug nach Süden: aC weist in Richtung Osten, x.tF / D g !E cos "tF3  5 mm
der Betrag ist wieder aC D 2!E v 0 sin ". 3
Flug nach Osten: !E und v0 stehen senkrecht mit der Fallzeit
aufeinander. Der Vektor aC weist ins Erdinnere,
s
er steht senkrecht auf der Erdachse. Der Betrag 2h
ist aC D 2!E v 0 . tF D D 3;19 s :
g
Flug nach Westen: !E und v0 stehen senkrecht
aufeinander. Der Vektor aC steht senkrecht auf
der Erdachse und weist nach außen. Der Betrag
ist wieder aC D 2!E v 0 .

Ü 2-15:
a) Das Lot hängt in Richtung g eff (Abb. 2.23).
Für den Winkel ˇ zwischen g eff und g gilt
nach dem Sinus-Satz
sin ˇ sin "
D :
azf geff
Damit ist
azf rE !E2
sin ˇ D sin " D cos " sin "
geff geff
und ˇ D 0;0975ı .
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 797

Ü 2-16: Die Kräfte F1 und F2 , die von den bei- Für den Betrag gilt
den benachbarten Gliedern auf das betrachtete p
Kettenglied ausgeübt werden, verlaufen tangen- p D m v 3 D 24;06  103 N s :
tial zum Kreis (Abb. 2.25). Die Zentrifugalkraft
greift am Schwerpunkt des Kettenglieds an und Der Winkel bezüglich der x-Achse ist
zieht radial nach außen. Nach D ’A LEMBERT be-
p !
steht Gleichgewicht, wenn die Vektorsumme aus 3
F1 und F2 sowie der Zentrifugalkraft Fzf null ist: ' D arctan C 180ı D 150ı :
3
F1 CF2 CFzf D 0. Nach Abb. 2.25 bedeutet dies,
dass die drei Kräfte ein geschlossenes Krafteck
bilden müssen.
Der Winkel ˇ zwischen den Kräften F1 und
F2 ergibt sich aus der Kettengeometrie. Aus der
Ähnlichkeit der Dreiecke folgt
d Fzf
D oder
R F1
R R2
F1 D F2 D Fzf D m.2 n/2 D 574 N :
d d
Ü 2-17:
a) Die Impulsänderung entspricht nach (2.46)
dem Zeitintegral der Kraft oder der mittle-
ren Kraft multipliziert mit der Zeitdauer der
Ü 2-19: Wenn der Koordinatennullpunkt in den
Einwirkung. Damit ist der Impuls am Ende
Mittelpunkt der Erde gelegt wird, gilt nach (2.51)
der Kontaktzeit p D F t D 0;5 N s. Die Ge-
für den Ortsvektor des Schwerpunkts
schwindigkeit ist v D p=m D 0;25 m=s.
b) Die mittlere Beschleunigung ist am D v=t D mM
50 m=s2 . rS D r E; M :
m CmE M

Ü 2-18: Das Auto fährt einen Drittelskreis um Der Schwerpunkt liegt also auf der Verbindungs-
den Mittelpunkt M. Die Geschwindigkeit zu Be- linie der Schwerpunkte von Erde und Mond. Sein
ginn der Kurvenfahrt sei Abstand vom Erdmittelpunkt ist
!
1 mM
v1 D v ; RS D RE; M D 0;01215  RE; M
0 mE C mM
D 4617 km :
am Ende der Kurvenfahrt
Der gemeinsame Schwerpunkt liegt mit RS D
! !
cos 120ı 1=2
v2 D v D v p : 4617 km D 0;725RE also noch innerhalb der
sin 120ı 3=2
Erdkugel.
Die Impulsänderung ist
Ü 2-20: Unter der Voraussetzung, dass der Uran-
p D p 2  p1 D m .v2  v1 / Kern vor dem Zerfall in Ruhe ist, ist der Ge-
! samtimpuls des Systems null. In Abwesenheit
3=2
D mv p : äußerer Kräfte gilt der Impulserhaltungssatz, d. h.
3=2 es muss gelten: p Th C p ˛ D p U D 0 oder
798 11 Anhang

p Th D p ˛ . Für die Geschwindigkeiten ergibt d) Die kinetische Energie beträgt vor dem Auf-
sich damit vTh mTh D v˛ m˛ oder prall Ekin, 0 D 12 mv02 und nach dem Aufprall

m˛ 4 1 2 1
vTh D  v˛ D  v˛ : Ekin, 1 D mv D mv02  0;9 :
mTh 234 2 1 2

Der Betrag der Geschwindigkeit ist Der Verlust an mechanischer Energie ist da-
mit
m
vTh D 2;4  105 : 1 2
s Ev D Ekin, 0  Ekin, 1 D mv .1  0;9/
2 0
Ü 2-21: Bei einem Start auf der Erdoberflä- D 0;1  Ekin, 0 :
che gilt für die Brennschluss-Geschwindigkeit
näherungsweise (Vernachlässigung der Höhen- Es wurde demnach
abhängigkeit von g sowie des Luftwiderstands)
nach (2.60) Ev
f D D 10 %
Ekin, 0
 
mleer C mT
v.tB / D vrel ln  g0 tB : in nicht mechanische Energieformen umge-
mleer
setzt.
Die Masse des erforderlichen Treibstoffes wird
damit
   
v.tB / C g0 tB
mT D mleer exp 1
vrel
D 19;6  103 kg D 19;6 t :

Beim Start im Weltall fällt die Erdbeschleuni-


gung g0 weg und es verbleibt
   
v.tB /
mT D mleer exp  1 D 12;9 t :
vrel
Ü 2-23: Beim Zusammendrücken der Feder
Ü 2-22:
wird die Arbeit W D 12 k.y/2 benötigt, die als
a) Unter Vernachlässigung der Luftreibung folgt
potenzielle Energie im System steckt (Zustand 1).
die Endgeschwindigkeit beim freien Fall
Wenn die Kugel ihre größte Höhe erreicht hat
unmittelbar aus dem Energieerhaltungssatz:
(Zustand 2), muss sie dieselbe potenzielle Ener-
Epot D Ekin oder mgh D 12 mv02 .
p gie besitzen, also ist 12 k.y/2 D mgh. Daraus
Hieraus ergibt sich v0 D 2gh. folgt für die Steighöhe
b) Wenn die Kugel nachher wieder auf die Hö-
he h1 steigt, muss analog
p zu a)pdie Startge- k.y/2
schwindigkeit v1 D 2gh1 D 2gh  0;9 D hD D 2;87 m :
p 2mg
0;9v0 D 0;95v0 sein.
c) Die Impulsänderung ist p D p 1  p0 D Bezüglich der ungespannten Feder ist die Steig-
0;95  mv0  mv0 D 1;95  mv0 . höhe h0 D h  y D 2;72 m.
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 799

Durch Auflösen der biquadratischen Gleichung


1 4 1 2
k2 s C k1 s  Ekin D 0
4 2
folgt für den Federweg
s
 2
2 k1 k1 4Ekin
s D C C
k2 k2 k2
D 2;606  104 m2 und s D 1;61 cm :

Ü 2-26: Wegen der Abwesenheit äußerer Kräfte


gilt der Impulserhaltungssatz:
Ü 2-24: m
mv D v0 :
a) Nach Abb. 2.34 ist die erforderliche Arbeit 2
W12 D 12 k.l22  l12 /. Sie entspricht der grau-
Damit wird die Geschwindigkeit der weiter flie-
en Fläche im Kraft-Weg-Diagramm, die sich
genden Rakete v0 D 2v.
als Trapezfläche sehr einfach aus der mittleren
Höhe F1 C F=2 und der Breite l berech-
nen lässt:
 
F
W12 D F1 C l D 13 J :
2 Ihre kinetische Energie ist

b) Die Gesamtenergie ist Eelast D 12 kl22 . Mit der 0 1 m 02


Ekin D v D mv 2 :
Federsteifigkeit k D F D Fl22 folgt daraus 22
l
Die kinetische Energie zu Beginn der Bewe-
1 F22 1 .F1 C F /2 gung ist
Eelast D D l D 21;3 J : 1
2 k 2 F Ekin D mv 2 :
2
Ü 2-25: Die gesamte kinetische Energie wird in
Der Differenzbetrag E D Ekin 0
 Ekin D
potenzielle Energie der gespannten Feder umge- 1 2
mv ist dem System zuzuführen (z. B. durch das
setzt: 2
Lösen gespannter Federn oder durch eine Spreng-
Zs ladung etc.).
Ekin D Eelast D F .x/ dx :
Ü 2-27:
0
a) Beim unelastischen Stoß mit Kopplung folgt
aus dem Impulserhaltungssatz für die gemein-
Mit dem Kraftgesetz F .x/ D kx D k1 x C k2 x 3
same Endgeschwindigkeit nach (2.88)
wird das Integral
m1 v1 C m2 v2 m
Zs v0 D D 2;45 :
m 1 C m 2 s
Ekin D .k1 x C k2 x 3 / dx
0
Der Verlust an kinetischer Energie ist
  ˇs nach (2.87)
1 1 ˇ
D k1 x 2 C k2 x 4 ˇˇ
2 4 1 1 1
0
W D m1 v12 C m2 v22  .m1 C m2 /v 0 2
1 2 1 4 2 2 2
D k1 s C k2 s :
2 4 D 7855 J
800 11 Anhang

bzw. mit der Stoßzahl " D 0 nach (2.90) Ü 2-29:


a) Es gilt der Impulserhaltungssatz:
m1 m2
W D .v1  v2 /2 D 7855 J : x-Richtung:
2.m1 C m2 /
m1 v1 D m1 v10 cos 45ı C m2 v20 cos ˇ ; (1)
b) Beim elastischen Stoß gilt für die Endge-
schwindigkeiten nach (2.85) und (2.86): y-Richtung:
.m1  m2 /v1 C 2m2 v2 m
v10 D D 1;91 0 D m1 v10 sin 45ı  m2 v20 sin ˇ : (2)
m1 C m2 s

und

.m2  m1 /v2 C 2m1 v1 m


v20 D D 3;11 :
m1 C m2 s

c) Das Vorzeichen der Geschwindigkeit v2 wird


umgedreht: v2 D 1;8 m=s.
Damit ergibt sich Mit den angegebenen Zahlenwerten folgt aus
m (1)
v 0 D 0;818 ; W D 125;7 kJ ; m
s v20 cos ˇ D 2;879 (10 )
m m s
v10 D 1;36 ; v20 D 3;44 : und aus (2)
s s
m
Ü 2-28: v20 sin ˇ D 2;121 : (20 )
s
a) Für das System aus Holzklotz und Geschoss
gilt der Impulserhaltungssatz: Durch Division dieser beiden Gleichungen er-
gibt sich für den Winkel
m1 v1 D mvP C m1 v10 :
2;121 m=s
tan ˇ D D 0;737
Die Geschwindigkeit des austretenden Ge- 2;879 m=s
schosses ergibt sich zu
und ˇ D 36;4ı .
m1 v1  mvP m Aus (10 ) oder (20 ) folgt die Geschwindigkeit
v10 D D 100 :
m1 s
m
v20 D 3;58 :
b) Der Energieverlust beträgt nach (2.87) s

1 1 2 1 b) Der Energieverlust ist


W D m1 v12  m1 v10  mvP2 D 298 J :
2 2 2 0 0
E D Ekin,1  Ekin,1  Ekin,2
Der Stoß ist nicht vollständig unelastisch.
Nach (2.90) ist die Stoßzahl oder
s 1 1 2 1 2
2W .m1 C m/ E D m1 v12  m1 v10  m2 v20
"D 1 D 0;49 : 2 2 2
m1 mv12 D 0;961 J :
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 801

Ü 2-30: Ü 2-32: Zur Lösung werden die Gleichgewichts-


a) Das Drehmoment der Gewichtskraft bezüg- bedingungen der Statik angewandt. Die Glei-
lich Koordinatenursprung ist chung (2.117) für das Kräftegleichgewicht liefert
für die x- und y-Komponenten zwei Gleichun-
M D r  FG D r  g  m : gen:

Der Vektor weist in z-Richtung (in die Zei-


chenebene hinein). Der Betrag ist konstant:
M D mgr sin ˇ D mgb.
b) Der Drehimpuls ist L D r  p D r  v  m;
mit v D gt ergibt sich L D r  g  mt.
Der Vektor L weist ebenfalls in z-Richtung,
sein Betrag ist x-Richtung:

L D mgr sin ˇt D mgbt : FA; x C Fx D 0 oder


F
c) Die zeitliche Ableitung des Drehimpulses ist FA; x D p D 353;6 N :
2
dL y-Richtung:
Dr gmDM ;
dt
FA; y  Fy C FC D 0 oder
erfüllt also den Drehimpulssatz.
F
FA; y  p C FC D 0 :
2

Das Momentengleichgewicht nach (2.118) lie-


fert bezüglich Punkt A:

FC  5;5 m  Fy  3 m D 0
oder
F 3
FC D p D 192;8 N :
5;5  2

Damit wird
F
FA; y D p  FC D 160;7 N :
2

Ü 2-31: Das Massenträgheitsmoment einer Die Kraft am Lager A beträgt somit


Punktmasse ist J D Pm r .2Bei mehreren Massen-
2
q
x C FA; y D 388;4 N :
2 2
punkten gilt J D mk rk . Für das Quadrat von FA D FA;
Abb. 2.48 ergibt sich:
Ü 2-33:
 p 2
a) JA D 4m b2 2 D 2mb 2 , a) Wenn die Kugeln als Massenpunkte angenä-
 p 2 hert werden und die Stabmasse vernachlässigt
b) JB D 2mb 2 C m b 2 D 4mb 2 , wird, gilt
 2
c) JC D 2m pb2 D mb 2 ,  2
l
JS D 2m D 1 kg m2 :
d) JD D 2mb 2 . 2
802 11 Anhang

c) Die beiden ungleichen Fadenkräfte üben auf


das Rad ein Drehmoment aus vom Betrag

M D .FF;2  FF;1 /r D 1;097 N m :

In Analogie zum Newton’schen Grundgesetz


b) Das Massenträgheitsmoment des Stabes ist F D ma gilt für Drehbewegungen M D J ˛
nach (2.60) (Tab. 2.6). Das Massenträgheitsmoment des
Rades ist folglich
1
JSt D mSt lSt2 : M Mr
12 J D D D 0;658 kg m2 :
˛ a
Zur Berechnung der Stablänge lSt muss zu-
nächst der Kugelradius ermittelt werden. Es
gilt für die Kugelmasse m D 43  rK3 % und da-
q
3m
mit rK D 3 4 % D 39;3 mm.
Die Stablänge ist damit lSt D l  2rK D
0;9213 m.
Mit der Stabmasse mSt D  4 dSt2 lSt % D
0;568 kg folgt für das Massenträgheitsmo-
ment des Stabes JSt D 0;04018 kg m2 .
Das Massenträgheitsmoment einer Kugel be-
züglich ihres Schwerpunkts ist nach Abb. 2.60
JK D 52 mrK2 D 1;237  103 kg m2 .
Das Massenträgheitsmoment beider Kugeln
bezüglich Schwerpunkt S ergibt sich mithilfe
des Steiner’schen Satzes (2.132), zu
 2 !
l
JK;S D 2 JK C m D 1;002 kg m2 :
2

Das gesamte Massenträgheitsmoment der


Hantel beträgt somit
Ü 2-35: Die Zentrifugalkraft, die an einer Kugel
JS D JK;S C JSt D 1;043 kg m2 ; angreift, ist nach (2.43)
ist also etwa 4 % größer als der Näherungs- Fzf D m! 2 R D m! 2 r sin # :
wert nach Teil a).
Das Drehmoment der beiden Zentrifugalkräfte
Ü 2-34:
(Kräftepaar) beträgt nach (2.116)
a) Die Beschleunigung ist konstant, so dass die
kinematische Beziehung (s. Abb. 2.6) h D Mzf D s  Fzf D 2r cos #  m! 2 r sin #
1 2h m
2
at gilt und damit a D t 2 D 0;5 s2 .
2

b) Die Fadenkraft über dem Körper 1 ist oder nach trigonometrischer Umformung

FF;1 D m1 .g C a/ D 10;31 N : Mzf D m! 2 r 2 sin 2# :

Über dem Körper 2 ist die Fadenkraft Die Sinusfunktion des doppelten Winkels ist null
für die Winkel # D 0 und 90ı , sie ist maximal
FF;2 D m2 .g  a/ D 13;97 N : für # D 45ı .
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 803

Ü 2-36: Für die Translationsenergie gilt nach


trans
(2.125) Ekin D 21 mvS2 . Der Zylinder rotiert um
seinen Schwerpunkt. Dann ist die Rotationsener-
gie nach (2.130)

rot 1
Ekin D JS ! 2 :
2
Mit dem Massenträgheitsmoment des dünnwan-
digen Hohlzylinders JS D mr 2 nach (2.131)
ergibt sich
Lösungsvariante:
rot 1
Der Drehimpulsvektor L wird ermittelt als Ekin D mr 2 ! 2 :
Produkt aus dem Trägheitstensor und der Winkel- 2
geschwindigkeit. Für unseren Fall ergibt sich Nun gilt für einen ohne Schlupf abrollenden
0 10 1 0 1 Zylinder die Abrollbedingung vS D !r. Damit
Jxx Jxy Jxz 0 Jxz wird
B CB C B C
L D @Jyx Jyy Jyz A @ 0 A D ! @Jyz A : 1
rot trans rot
Jzx Jzy Jzz ! Jzz Ekin D mvS2 und Ekin D Ekin :
2
In einem raumfesten Koordinatensystem, das mit Ü 2-37:
dem rotierenden körperfesten zur Zeit null über- a) Das Grundgesetz der Drehbewegungen M D
einstimmen soll, nehmen die Zentrifugalmomen- J ˛ (Tab. 2.6) wird angewandt auf das La-
te und das Trägheitsmoment folgende Werte an: ger L. Das Drehmoment der Gewichtskraft ist
ML D FG r D mg 2l .
Jxz D 2mr 2 sin # cos #  cos !t Das Massenträgheitsmoment eines dünnen
D mr 2 sin 2#  cos !t; Stabes bezogen auf das Stabende L ist nach
2
Jyz D 2mr sin # cos #  sin !t dem Satz von Steiner (2.132),
 2
D mr 2 sin 2#  sin !t; l 1 1
JL D JS C m D ml 2 C ml 2
2 2
Jzz D 2mr sin # : 2 12 4
1 2
Damit wird der Vektor des Drehimpulses D ml :
3
Damit wird die Winkelbeschleunigung
0 1
 sin 2#  cos !t
2 B C
L.t/ D mr ! @  sin 2#  sin !t A : ML 3g rad
˛D D D 8;18 2 :
2 sin2 # JL 2l s

Nach dem Drehimpulssatz (2.111), gilt für das Die Beschleunigung des Schwerpunkts ent-
Drehmoment, das die Lager aufbringen muss spricht der Tangentialbeschleunigung auf ei-
0 1 nem Kreis und beträgt nach Tab. 2.1
sin !t
dL l 3 m
D mr 2 ! 2 sin 2# @ cos !t A : aS D ˛ D g D 7;36 2 :
B C
M .t/ D
dt 2 4 s
0

Dieses Drehmoment läuft mit der rotierenden


Hantel um. Sein Betrag ist

jM j D mr 2 ! 2 sin 2# :
804 11 Anhang

b) Am Stab greifen zwei Kräfte an: die Ge- Die kinetische Energie wurde hierbei als reine
wichtskraft im Schwerpunkt S und die La- Rotationsenergie bezüglich L angesetzt. Für
gerkraft im Lager L. Nach dem Schwerpunkt- die Winkelgeschwindigkeit folgt
satz (2.52), ist es unerheblich, wo die äußeren r
Kräfte Fa angreifen. Der Schwerpunkt wird 3g rad
!D D 4;04 :
auf jeden Fall beschleunigt gemäß l s

Fa D FG C FL D maS : Ü 2-38:
a) Die Beschleunigung ist konstant, so dass das
Für die Beträge gilt Weg-Zeit-Gesetz s D 12 at 2 (Abb. 2.6) gilt.
Daraus folgt die Beschleunigung
3
mg  FL D m g und 2s m
4 aD D 1;45 2 :
1 t2 s
FL D mg D 3;43 N :
4 Die Winkelbeschleunigung des abrollenden
Lösungsvariante: Rades ist ˛ D ar .
Das Grundgesetz der Drehbewegungen an- Wendet man das Grundgesetz der Drehbewe-
gewandt auf den Schwerpunkt lautet MS D gungen M D J ˛ (Tab. 2.6) auf den Momen-
JS ˛. Nun ist MS D FL 2l und JS D 12 1
ml 2 . tanpol P an, so ergibt sich
Mit dem bereits bekannten Wert für die
Winkelbeschleunigung ˛ D 32 gl ergibt sich MP D mgr sin ˇ D JP ˛ und damit
1
FL 2l D 12 ml 2  23 gl oder FL D 41 mg. mgr sin ˇ
JP D :
c) Die gesuchte Winkelgeschwindigkeit ergibt a=r
sich aus dem Energieerhaltungssatz. Wird der
Nullpunkt der potenziellen Energie willkür-
lich in den tiefsten Punkt des Schwerpunktes
gelegt (s. Skizze), dann gilt Epot;1 D Ekin;2
oder
 
l 1 2 1 1 2
mg D JL ! D ml ! 2 :
2 2 2 3

Das Massenträgheitsmoment bezüglich P ist


nach dem Steiner’schen Satz, (2.132), JP D
JS C mr 2 .
Damit wird das Massenträgheitsmoment be-
züglich Schwerpunkt

mgr 2 sin ˇ
JS D  mr 2
a
 
g sin ˇ
D mr 2  1 D 0;601 kg m2 :
a
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 805

b) Die Winkelbeschleunigung des Rades wird Mithilfe von (1) ergibt sich für die Endge-
verursacht durch ein Drehmoment, das die schwindigkeit
Haftreibungskraft am Umfang des Rades er-
zeugt. Bezüglich Schwerpunkt S gilt MS D !0 r
vf D v.tf / D mr 2
FR r D JS ˛. 1C JS
Die Haftreibungskraft beträgt FR  H FN D 2 n0 r m
H mg cos ˇ (Abb. 2.20). Damit ist der erfor- D D 17;6 :
1C mr 2 s
derliche Haftreibungskoeffizient JS

JS ˛ JS a b) Die Rutschphase dauert


H  D 2
rmg cos ˇ r mg cos ˇ
2 n r v
a tf D  0  D f D 8;97 s :
D tan ˇ  D 0;115 : mr 2 g
g cos ˇ g 1 C JS

Ü 2-39:
a) Die beschleunigende Kraft ist die Reibungs-
kraft FR D mg zwischen Rad und Fuß-
boden. Sie bewirkt eine konstante Beschleu-
nigung a D FmR D g. Damit steigt die
Geschwindigkeit des Rades linear mit der Zeit
an:
v.t/ D at D g  t : (1)
Bezüglich des Mittelpunkts S bewirkt die
Reibungskraft ein konstantes Bremsmoment
MS D FR r D mgr, das die Winkelbe-
schleunigung ˛ D M S
JS
D mgr
JS
zur Folge hat.
Die Winkelgeschwindigkeit des Rades wird
dadurch zeitlich mit einer linearen Funktion
verringert:
mgr
!.t/ D !0  ˛t D !0  t (2)
JS

So lange das Rad rutscht, sind Winkelge-


schwindigkeit !.t/ und Geschwindigkeit v.t/
völlig entkoppelt. Sobald aber der Rutschvor-
gang abgeschlossen ist und damit eine Be-
wegung mit konstanter Geschwindigkeit bzw.
Winkelgeschwindigkeit erfolgt, muss die Ab-
rollbedingung v D !r erfüllt sein. Damit gilt
für den Zeitpunkt tf : Lösungsvariante:
  Einen anderen Weg zur Lösung bietet der
mgr Drehimpulserhaltungssatz. Bezüglich eines
gtf D !0  tf r :
JS beliebigen Punktes auf der Fahrbahn erzeugt
die Reibungskraft kein Drehmoment und des-
Durch Umformung folgt mit (2) halb bleibt der Drehimpuls bezüglich die-
!0 r ses Punktes erhalten. Nun kann der Drehim-
tf D  2
: puls eines starren Körpers zusammen gesetzt
g 1 C mrJS werden aus einem Drehimpuls um seinen
806 11 Anhang

Schwerpunkt sowie dem Bahndrehimpuls des Ü 2-40: Bezüglich Aufhängepunkt A wirkt das
Schwerpunkts, in dem die Gesamtmasse ver- Drehmoment der Gewichtskraft M D mgl sin #.
einigt ist: Der Vektor M steht senkrecht auf der Zeichen-
ebene und weist in dieselbe hinein. Aufgrund des
L D LS C mr  vS : Drehmomentes ändert sich die Horizontalkompo-
Vor dem Aufsetzen gilt L D LS D JS !0 . nente LH D L sin # des Drehimpulses L in der
Nach Ablauf des Rutschvorgangs gilt L D Zeitspanne dt um dLH D M dt.
JS !f C mrvf . Wie in Abb. 2.68c dargestellt ist, dreht sich da-
Mit der Abrollbedingung v D !r folgt durch der Vektor LH um den Winkel

vf M dt
JS !0 D JS C mrvf d' D :
r L sin #
und daraus
Die Winkelgeschwindigkeit der Präzession
r!0 wird damit
vf D JS D mr 2
:
1C JS
d' mgl sin # mgl
!P D D D ;
dt L sin # L

ist also nicht abhängig vom Winkel, den die


Drehachse mit der Vertikalen einnimmt.

Ü 2-41: Ein Körper der Masse m erfährt im Ab-


stand r vom Erdmittelpunkt die Anziehungskraft
(Gewichtskraft)
m  mE
FG D G :
r2

Setzt man FG D mg, so folgt daraus für die Fall-


beschleunigung g.r/ D G mr 2E und mit (2.138)
 2
g.r/ D g rrE .
Wird der Abstand zwischen Schwerpunkt des
Körpers und Schwerpunkt der Erde als r D rE Ch
geschrieben, dann folgt für die Höhenabhängig-
keit der Fallbeschleunigung
 2
GmE rE
gh D 2
Dg :
.rE C h/ rE C h

Aufgelöst nach der gesuchten Höhe ergibt sich


mit dem Erdradius rE D 6371 km
r 
g
h D rE  1 D 2553 km :
gh

Ü 2-42: Der neutrale Punkt P habe von der Er-


de aus den Abstand r0 . Die Anziehungskräfte FE
und FM , die ein Körper der Masse m zur Erde
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 807

bzw. zum Mond erfährt, sollen gleich sein: b) Schreibt man die Gleichgewichtsbedingung
als
m  mE m  mM
G DG :
r02 .rE;M  r0 /2 m  mE
G D m.rE C h/! 2
.rE C h/2
Aus dieser Bedingung folgt eine quadratische
4 2
Gleichung für den gesuchten Abstand: D m.rE C h/ 2 ;
T
 
mM
2
r0 1  2
 2rE;M r0 C rE;M D0: so folgt für die Umlaufzeit
mE
s
Die Lösung dieser Gleichung liefert .rE C h/3
T D 2  D 6299 s
rE;M GmE
r0 D :
D 1 h 45 min :
q
1 ˙ mmME
Diese Gleichung entspricht dem dritten Kep-
Nur die positive Lösung der Wurzel liefert einen
ler’schen Gesetz, (2.139).
Ort, der zwischen Erde und Mond liegt und zwar
c) Der Satellit hat auf seiner Umlaufbahn die
im Abstand r0 D 346:000 km  54;3  rE .
Energie
Die negative Lösung der Wurzel führt zu einem
Punkt, der rechts vom Mond im Abstand r0 D 1 m  mE
432:000 km liegt. Die Gravitationskräfte sind in Eh D mv 2  G :
2 rE C h
diesem Punkt auch gleich, allerdings ziehen bei-
de in Richtung Erde. Vor dem Start auf der Erdoberfläche hat der
Satellit die Energie
Ü 2-43:
a) Aus der Gleichgewichtsbedingung zwischen 1 m  mE
Gravitationskraft und Zentrifugalkraft E0 D mv02  G :
2 rE
m  mE mv 2 Die aufzuwendende Arbeit, um den Satelliten
G D
.rE C h/2 rE C h auf seine Bahn zu bringen ist damit
folgt für die Bahngeschwindigkeit 1  
W D Eh  E0 D m v 2  v02
2
s
GmE m 1 1

vD D 7;35  103 :  GmmE  :
rE C h s rE C h rE
808 11 Anhang

Vernachlässigt man v02 (v02  v 2 ), dann wird Dann ist die Zentrifugalkraft
die spezifische Arbeit
l
  Fzf D mrS ! 2 D m .2 n/2 D 2 2 Al 2 %n2 :
W 1 1 1 2
wD D v 2  GmE 
m 2 rE C h rE
Die Zugspannung an der Einspannstelle wird da-
J J
D 27;04  106 C 8;49  106 mit
kg kg
MJ Fzf
D 35;5 : D D 2 2 l 2 %n2 :
kg A

d) Der größte Teil der aufzuwendenden Arbeit Mit der gegebenen Zugfestigkeit 3 Rm und der
entfällt auf die kinetische Energie. Der Bruch- Dichte von Stahl % D 7850 kg=m folgt für die
teil ist maximale Drehzahl
s
Wkin 27 MJ=kg 1 Rm
f D D D 76 % : nmax D D 35;9 s1 D 2156 min1 :
W 35;5 MJ=kg l% 2%

Ü 2-44: Die gesuchte Geschwindigkeit folgt aus Mit diesem Ergebnis kann der Vollständig-
dem Energieerhaltungssatz. Wird die potenzielle keit halber die Zentrifugalbeschleunigung des
Energie nach (2.141) angesetzt, dann ist sie zu Schwerpunkts berechnet werden:
Beginn der Bewegung null (r ! 1). Die kine-
tische Energie ist ebenfalls null (v ! 0). Damit azf D rS ! 2 D l .2 n/2 D 38:160 m D 3890g :
gilt: 2 s2
Daraus folgt, dass die Stabachse tatsächlich senk-
0 D Epot .r/ C Ekin .r/ recht auf der Drehachse steht. Die Abweichung
mM mS 1 infolge der Wirkung der Gewichtskraft ist nur
D G C mM v 2 :
r 2 0;014ı .
Die Geschwindigkeit
q ergibt sich daraus zu
2GmS
v.r/ D r
.
Für die verschiedenen Fälle sind die Ergebnis-
se:
q
km
a) v.rSE / D 2Gm rSE D 42;2 s ,
S

  p Ü 2-47:
b) v 12 rSE D 2v.rSE / D 59;7 km s , a) Das Hooke’sche Gesetz (2.150), in der Spra-
q
c) v.rS / D 2GmS km
D 619 s . che der Festigkeitslehre, lautet  D E".
rS F 4
Nun ist die Spannung  D FA D  d 2 und
l s
die Dehnung " D l D l . Damit ergibt sich
Ü 2-45: Nach dem dritten Kepler’schen Ge- 2
F 4
setz, (2.139), gilt für die Masse des Zentralkör-  d 2
D E sl oder F D E d 4l
s. Durch Vergleich
pers Jupiter mit F D ks folgt für die Federkonstante kD
E d 2
4l
.
4 2 rJo 3
27
b) Aus obiger Gleichung folgt q für den erforder-
mJ D D 1;898  10 kg D 318  mE :
GTJo 2 lichen Durchmesser d D 4kl E 
D 2;52 mm.
c) Nach (2.68) ist die Formänderungsarbeit
Ü 2-46: Vereinfachend wird angenommen, dass W D 12 ks 2 D 21 k.l"/2 D 12;5 J.
die Stabachse senkrecht zur Drehachse steht. Lösungsvariante:
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 809

R (2.167) gilt für die Arbeit W D


Nach Durch Umformung ergibt sich für die gesuchte
V  d. Im elastischen Bereich ist  D E" Dichte der Flüssigkeit
2
und damit W D 12 VE"2 D 21  d4 l E"2 D 1 kg
12;5 J. %D 1 aA
D 0;8 3
:
C dm
d) Die relative Volumenänderung ist % W m

nach (2.154) VV


D ".1  2/ D 2  10 3
D Ü 2-49:
0;2 %. Das Stabvolumen wird also geringfü- a) Die Ladung habe die Dichte % , das Wasser
L
gig vergrößert. %W und es gelte %L > %W . Dann muss für den
Teil des Auftriebs, der auf die Ladung entfällt,
Ü 2-48: Die Länge der Flüssigkeitssäule ergibt gelten:
sich aus ihrer Masse m und der gesuchten Dichte
% zu FA D FG;L ;
m
lD : d. h. die Auftriebskraft muss gleich groß sein
A%
wie die Gewichtskraft.
Unterhalb der gestrichelten Linie befindet sich le- Nun gilt für das Volumen Vverd der verdräng-
diglich Wasser im Gleichgewicht. Das bedeutet, ten Flüssigkeit nach dem Gesetz von Archi-
dass der Druck im linken und im rechten Schen- medes, (2.186)
kel auf Höhe der gestrichelten Linie gleich sein
%W gVverd D %L gVL oder
muss. Mithilfe von (2.177) gilt für den Schwe-
%L
redruck %W g.l  a/ D %gl, dabei ist %W D Vverd D VL :
1 kg=dm3 die Dichte von Wasser. % W

Es wird also mehr Volumen verdrängt, als


dem Volumen VL der Ladung entspricht. Kon-
sequenterweise wird also der Wasserspiegel
– wenn auch geringfügig – nach dem Sinken
fallen.
b) Für das ganze Schiff gilt dieselbe Argumenta-
tion. Auch hier wird beim Schwimmen mehr
Volumen verdrängt, als dem tatsächlichen
Schiffsvolumen entspricht.

Ü 2-50: Nach (2.179) gilt für die Seitendruck-


kraft auf den Schieber FS D %gyS AS . Die Rei-
bungskraft auf den bewegten Schieber ist FR D
FS . Die Gesamtkraft, die zum Heben erforder-
lich ist, beträgt somit
h
F1 D FG C FR D mg C %g bh
  2
1
D g m C %bh2  D 11;1 kN :
2
Wenn der Schieber um 60 cm hoch gezogen ist,
wird in obiger Gleichung die Höhe h ersetzt
durch h  60 cm D 90 cm. Die Zugkraft beträgt
dann F2 D 4;75 kN.
810 11 Anhang

Ü 2-51: Die Oberflächenenergie vergrößert sich Ü 2-53: Unter der Annahme, dass die Strömung
mit Vergrößerung der Oberfläche gemäß (2.190) ideal ist, gilt mit der Gleichung von Bernoul-
um li, (2.201),

W D A D  .AT  AW / : 1 1
p1 C %v12 D p2 C %v22 oder
2 2
Die Oberfläche des Tropfens vor dem Zerstäuben 1  
ist AW D 4 rW 2
. p2 D p1 C % v12  v22 :
2
Das Volumen V D 34  rW 3
des Tropfens bleibt
beim Zerstäuben unverändert. Dabei beziehen sich die Größen mit Index 1 auf
Ist N die Zahl der erzeugten Tröpfchen, dann den weiten und jene mit Index 2 auf den vereng-
gilt ten Teil des Rohres.
Mithilfe der Kontinuitätsgleichung, (2.200),
4 3 4 3 wird
 r D N   rT oder
3 W 3  2
 3
rW A1 d1
N D 12
D 10 : v2 D v1 D v1 :
rT A2 d 2

Die Oberfläche von N Tröpfchen mit Radius Damit ergibt sich der gesuchte Druck
rT ist AT D N  4 rT2 . "  4 #
Damit steigt die Oberflächenenergie um 1 2 d1
p2 D p1 C %v1 1  D 2;63 bar :
  2 d2
2 2
W D  N  4 rT  4 rW :
Ü 2-54:
Die relative Zunahme beträgt a) Wenn die Reibung nicht berücksichtigt wird,
W 2
N  4 rT  4 rW 2  2
rT gilt das Ausflussgesetz von Torricelli, (2.209):
D 2
D N  1 p
WW 4 rW rW v D 2g.h  h0 / :
rW
D  1 D 104 :
rT Der Volumenstrom ist damit
Die Oberflächenenergie steigt also um das 104 -  d 2 p
fache an. Videal D Av D 2g.h  h0 /
4
l m3
Ü 2-52: Nach (2.208) ist der Volumenstrom D 2;77  10 :
s h
beim Venturi-Rohr für ˛" D 1
v
u b) Im Realfall beträgt nach (2.211) die Ausfluss-
P u 2p zahl  D '˛ D 0;795. Der Volumenstrom
V D AV u   2  :
t
% 1  AR AV reduziert sich somit auf
l m3
Vreal D Videal D 2;20  8 :
Daraus folgt für den Druckunterschied s h
(s. Abb. 2.110)
 c) Wenn zwischen Behälter und Außenwelt
 2 
ein Überdruck p vorliegt, dann folgt aus
VP 2 % 1  AVR A
der Bernoulli-Gleichung für die Ausströmge-
p D
2AV 2 schwindigkeit
!2 "  4 # s 
VP 2 dV p

m
D 8% 2
1  D 70 Pa : v D 2 C g.h  h 0 / D 21;9 :
 dV dR % s
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 811

Der Volumenstrom ist V D Av D 6;87 sl  Ü 2-56: Die Druckdifferenz im Prandtl’schen


3
25 mh . Staurohr, der so genannte Staudruck, ist
(Abb. 2.109)
Ü 2-55:
pStau D %gh D 1766 Pa :
a) Die Geschwindigkeit des Wassers im Rohr
folgt unmittelbar aus der Kontinuitätsglei- Der Staudruck entspricht dem dynamischen
chung (2.200): Druck: pStau D pdyn D 21 %v 2 .
q folgt (2.203) für die Geschwindigkeit:
Daraus
V 4V m 2pdyn
v1 D D D 8;84 :
A  d 2 s vD % . % ist hier die Dichte der Luft.
Mit der gegebenen Dichte ergibt sich v D
b) Nach der Gleichung von Bernoulli, (2.201), 52;7 ms D 190 km h .
gilt In größerer Höhe, in welcher der Luftdruck
und damit auch die Dichte geringer ist (2.185),
1 2 1 2 wird der Staudruck bei gleicher Flugzeugge-
p1 C %v1 D p2 C %v2 :
2 2 schwindigkeit niedriger.
Daraus folgt die Ausströmgeschwindigkeit
Ü 2-57: Nach dem Gesetz von Hagen und Poi-
s seuille, (2.232) gilt für den Volumenstrom bei
2.p1  p2 / m laminarer Strömung
v2 D v12 C D 32;5 :
% s
 R4 p
VP D :
c) Die Gleichung von Bernoulli lautet in diesem 8l
Fall
Daraus folgt für den Druckunterschied längs der
1 1 Leitung
p1 C %v12 D p3 C %v32 C %gh3 : 8l VP
2 2 p D D 546 kPa :
 R4
Die Geschwindigkeit an der Oberfläche des
Sees ist praktisch null: v3 D 0. Der Druck ent- Zusätzlich muss die Pumpe den Schweredruck
spricht dem äußeren Luftdruck: p3  1 bar. nach (2.177) überwinden:
p3
Damit ergibt sich für die Höhe: h3 D p1%g C
pS D %gh D 50 kPa :
v12
2g
D 55 m.
Der erforderliche Pumpendruck ist damit

pP D p C pS D 596 kPa  6 bar :

Ü 2-58: Die Kugel sinkt mit konstanter Ge-


schwindigkeit v, wenn die Gewichtskraft so groß
ist wie die Summe aus Reibungskraft und Auf-
trieb. Dann gilt nach (2.237) für die Viskosität

2gr 2 .%K  %Fl /


D :
9v
Mit der Geschwindigkeit v D s=t D 0;05 m=s
ergibt sich  D 0;305 Pa s.
812 11 Anhang

Ü 2-59: Beim Segelflugzeug wird im Gleitflug Bei Rohrströmungen gilt nach (2.246)
die Gewichtskraft FG kompensiert durch die Re-
sultierende F0 aus Auftriebskraft FA und Wider- dv%
Re D :
standskraft FW . Damit gilt für die Beträge: 

F0 D FG D mg D 1;96 kN : Mit der kritischen Reynoldszahl Rekr D 2320


nach Tab. 2.10 folgt daraus für die Strömungs-
Re 
Die Auftriebskraft beträgt FA D F0 cos ˇ D geschwindigkeit v D d%kr D 1;93 ms .
1;94 kN. Der Druckverlust in der Röhre ist nach Hagen-
Der Auftriebsbeiwert ist nach (2.249) Poiseuille (2.232)

2FA 8l VP 8lv R2 8lv


cA D D 0;622 : pV D D D D 21;5 kPa :
%v 2 A  R 4  R 4 R2
Die Widerstandskraft beträgt FW D F0 sin ˇ D
273 N.
Nach (2.242) ist damit der Widerstandsbei-
wert
2FW
cW D 2 D 0;0874 :
%v A

Für die Gleitzahl gilt

cW 1
"D D tan ˇ D 0;14 D :
cA 7;1

Ü 2-60: Beim Umschlag von laminarer in tur-


bulente Strömung entspricht die Reynoldszahl Wendet man die modifizierte Bernoulli-Glei-
gerade der kritischen Rekr . chung nach (2.238) auf die Punkte 1 und 2 an, so
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 813

gilt Herleitung:
 
Fläche: A D d 2 ,
1 2 1 2 4
p1 C %v1 C %gh1 D p2 C %v2 C %gh2 dA  
2 2 Änderung der Fläche: D 2d und damit
dd 4
C pV : A D  4 2dd .
A
Die Drücke p1 und p2 sind gleich dem Atmo- Die relative Flächenänderung ist D
A
sphärendruck, v1 ist bei großem Gefäßdurchmes- d
2 D 2˛T .
ser vernachlässigbar. Damit gilt für die erforder- d
liche Höhe: Mit ˛ D 11;1  106 K1 aus Tab. 3.4 ergibt
sich
1 2
%v C pV
hD 2 D 2;38 m : A D 2˛AT D 1908 mm2 :
%g

Lösungsvariante: Ü 3-3: Wenn die Schienen nicht verschweißt


Die Verlusthöhe ist nach (2.240) wären, würden sie sich beim Abkühlen verkür-
zen. Die relative Längenänderung ist nach (3.6)
l v2 64 l v 2
hV D  D D 2;19 m : l
d 2g Re d 2g D ˛T :
l
Dazu kommt die Geschwindigkeitshöhe Da dies durch das Verschweißen verhindert wird,
erfahren sie eine Dehnung von demselben Betrag:
v2
hD D 0;19 m : l
2g "D D ˛T :
l
Die Gesamthöhe ist damit h D 2;38 m.
Nach dem Hooke’schen Gesetz, (2.150), beträgt
die Spannung
11.1.3 Thermodynamik N
 D E" D E˛T D 88;8 :
mm2
Ü 3-1: Die Länge bei der höheren Temperatur ist
nach (3.7) Ü 3-4: Nach (3.11) verhält sich die Dichte ge-
mäß
l2 D l1 Œ1 C ˛.#2  #1 / %2 1  #2
D :
%1 1  #1
und damit für Glas l2;Glas D 1000;256 mm und
für Messing l2;Ms D 1001;52 mm. Daraus folgt für die gesuchte Temperatur
Für das Verhältnis der Längen gilt
1  %2 =%1
#2 D #1 C D 38;7 ı C :
l2;Glas
D 0;9987 :
l2;Ms
Lösungsvariante:
Damit liest man auf dem Messingmaßstab die Die relativen Änderungen von Dichte und Vo-
Länge des Glasstabes zu l D 998;7 mm ab. lumen betragen %%
D  VV
D  T .
Daraus folgt für die Temperaturdifferenz
Ü 3-2: Die Fläche der Platte ist proportional zum %
Quadrat des Durchmessers. Damit ändert sich die T D  D 18;7 K :
%
Fläche mit dem doppelten linearen Ausdehnungs-
koeffizienten. Also beträgt die Endtemperatur 38;7 ı C.
814 11 Anhang

Ü 3-5: In Anlehnung an (3.18) beträgt die indi- Ü 3-9: Die Schallgeschwindigkeit ist proportio-
viduelle Gaskonstante am gegebenen Zustand nal zur
p Wurzel aus der absoluten Temperatur:
c  T. q
p pv J Damit gilt cc21 D TT21 .
Ri D D D 457 :
T% T kg  K Wenn die Grundfrequenz der Pfeife pro-
portional ist zur Schallgeschwindigkeit (Ab-
Ü 3-6: Aus der allgemeinen Zustandsgleichung
schn. 5.2.6.2), dann gilt auch für die Frequenzen
idealer Gase, (3.19) folgt die Masse:
s s
pV f2 T 2 T2
mD : D oder f2 D f1 D 428;6 Hz :
Ri T f1 T1 T1

Die individuelle Gaskonstante von Luft ist gemäß Ü 3-10: Die Wahrscheinlichkeit für das Auf-
Beispiel 3.1-3 Ri D 286;9 J=.kg K/. Damit ergibt treten von Geschwindigkeiten zwischen v1 D
sich m  2;4 kg. 1000 m=s und v2 D 1100 m=s ist nach (3.34)

Ü 3-7: Die Stoff- oder Teilchenmenge beträgt Zv2


nach (3.20) f .v/ dv mit
v1
pV
D 120 mol :
 m 3=2 mM v2
D M
Rm T f .v/ D 4 v 2 e 2kT :
2 kT
Ü 3-8: Die Masse eines Stickstoffmoleküls (N2 ) beträgt
a) Die mittlere Geschwindigkeit für ein be-
stimmtes Gas hängt nur von der Temperatur M
m M D Mr u D :
ab. Nach (3.26) gilt für Helium mit der Mol- NA
masse M D 4;0026 g=mol (s. Periodensys-
tem) Mit der Molmasse M D 28;014 g=mol und der
r
3Rm T m Avogadro-Konstante NA D 6;022  1023 mol1
vm D D 1305 : ergibt sich mM D 4;652  1026 kg.
M s
Durch numerische Integration mit einem
b) Die Anzahl der He-Atome beträgt nach der Rechner folgt für die gesuchte Wahrscheinlich-
allgemeinen Zustandsgleichung idealer Ga- Rv2
keit f .v/ dv D 7;02  103 .
se (3.22), v1
pn V Um die numerische Integration zu umgehen,
N D :
kTn kann mit guter Genauigkeit auch gerechnet wer-
den
Die mittlere kinetische Energie eines He-
Atoms ist nach (3.28) v1  v2 m
N
f .v/v mit vN D D 1050 und
2 s
3 m
EN kin D kTn : v D v2  v1 D 100 :
2 s

Damit ist die gesamte kinetische Energie aller Die gesuchte Wahrscheinlichkeit beträgt damit
Atome
N
f .v/v D 6;78  103 :
3 pn V 3
Ekin, ges D N EN kin D kTn  D pn V
2 kTn 2 Im Gefäß befinden sich N D pkTnV
D 2;45  1022
D 152 J : Moleküle. Damit wird die Zahl der Moleküle, die
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 815

Geschwindigkeiten im angegebenen Intervall be- CK / dT erforderlich. Die Heizleistung beträgt


sitzen
ıQ dT
P D D .c1 m1 C CK / :
N
f .v/vN 20
 1;7  10 : dT dt
Daraus folgt für die spezifische Wärmekapazität
Ü 3-11: Obwohl die Elektronen im Festkörper
P
der Fermi-Statistik unterliegen (Abschn. 9.2.2), dT =dt
 CK kJ
soll hier näherungsweise das Elektronengas c 1 D D 2;48 :
m1 kg  K
durch die Maxwell’sche Geschwindigkeitsvertei-
lung beschrieben werden. Ü 3-14: Beim Durchströmen des Gases der Mas-
Um die Austrittsarbeit von WA D 4;5 eV zu se m kühlt sich dasselbe um T1  T2 D 5 K ab.
überwinden, muss die Geschwindigkeit der Elek- Dabei wird die Wärme
tronen
r ıQ D cp m.T1  T2 /
2 WA m
v0 D D 1;26  106 frei. Diese Wärme heizt das Wasserbad um
m s
ıQ cp m.T1  T2 /
betragen. dT3 D D
c1 m1 c1 m1
Nach der Näherungslösung von (3.37) beträgt
der Bruchteil der Elektronen, der schneller ist auf.
als v0 r Abgeleitet nach der Zeit ergibt sich
2 WA  WA
xDp e kT : dT3 P 1  T2 /
cp m.T cp VP %.T1  T2 /
  kT D D :
dt c1 m1 c1 m1
Für T D 300 K ergibt sich x.300 K/ D
Die gesuchte isobare spezifische Wärmekapazität
3;77  1075 und für T D 1500 K x.1500 K/ D kJ
ergibt sich daraus mit c1 D 4;187 kgK zu
5;06  1015 .
Obwohl die Temperatur nur um einen Faktor dT3
5 ansteigt, ist die Wahrscheinlichkeit des Elektro- dt c1 m1 kJ
cp D D1 :
nenaustritts um den Faktor 1;34  10 gestiegen.
60 P
V %.T1  T2 / kg K

Die molare Wärmekapazität ist nach (3.4)


Ü 3-12: Aus der Energiebilanzgleichung
kJ g J
m1 c1 .Tm  T1 / C CK .Tm  T1 / Cmp D cp M D 1  30 D 30 :
kg  K mol mol  K
D m2 c2 .T2  Tm /
Ü 3-15: Schreibt man die spezifische Wärmeka-
folgt die Wärmekapazität des Kalorimeters: pazität gemäß D EBYE als c D aT 3 , dann gilt für
die zu entziehende Wärme nach (3.41)
m2 c2 .T2  Tm /  m1 c1 .Tm  T1 /
CK D : ZT1
Tm  T1 1  
Q21 D m aT 3 dT D ma T14  T24 :
4
Die spezifische Wärmekapazität von Wasser ist T2
kJ
c1 D 4;187 kgK , die von Kupfer ist c2 D
kJ
Die spezifische Wärmekapazität bei T2 D 20 K
0;386 kgK . folgt aus der gegebenen molaren Wärmekapazität
Damit ergibt sich CK D 182 J=K. gemäß (3.4) zu

Ü 3-13: Um die Temperatur des Kalorimeters Cm J


cD D 0;0269 :
um dT zu erhöhen, ist die Wärme ıQ D .c1 m1 C M gK
816 11 Anhang

Die Konstante a beträgt damit Ü 3-17:


a) Die Stoffmenge wird aus der allgemeinen
c J Zustandsgleichung idealer Gase (3.20), be-
aD D 3;365  106
T23
g  K4 stimmt:
p1 V1
und die abzuführende Wärme Q21 D 26;9 J. D D 358 mol :
Rm T1
Ü 3-16: Die Masse des Gases ist
a) Wenn keine Wärme an die Umgebung abge-
geben wird, liegt ein adiabates System vor. m D M:
Bei isentroper Zustandsänderung ist die End-
Mit der Molmasse M D 2;016 g=mol ergibt
temperatur nach (3.67)
sich m D 721 g.
 ~1 b) Bei isentroper Ausdehnung gilt die Poisson-
V1
T2 D T1 : Gleichung pV ~ D const, (3.66). Daraus
V2 berechnet sich das Volumen mit dem Isen-
tropenexponent von Wasserstoff ~ D 1;41
Bei Luft ist der Isentropenexponent ~ D 1;4
(Tab. 3.8) zu
(Tab. 3.8).
Damit wird die Endtemperatur T2 D 995 K  1=~
p1
oder #2 D 722 C.
ı V2 D V1 D 26;1 m3 :
p2
b) Der Enddruck beträgt nach (3.69)
c) Die Temperatur nach der Expansion folgt
 ~
V1 aus der allgemeinen Zustandsgleichung idea-
p2 D p1 D 63 bar : ler Gase (3.16):
V2
p1 V1 p2 V2
c) Die Kompressionsarbeit ist nach (3.70) D oder
T1 T2
p2 V2
W12 D CmV .T2  T1 / : T2 D T1 D 175 K bzw.
p1 V1
Die Stoffmenge folgt aus der allgemeinen Zu- #2 D 98 ı C :
standsgleichung idealer Gase, (3.20):
d) Die allgemeine Zustandsgleichung idealer
p1 V1 Gase (3.16), liefert bei isobarer Zustandsän-
D D 0;0228 mol : derung
Rm T1
V3
Die molare isochore Wärmekapazität von T3 D T2 D 336 K bzw. #3 D 63 ı C :
V2
Luft (zweiatomige Moleküle mit f D 5 Frei-
heitsgraden) ist nach (3.56) e) Bei der isentropen Expansion wurde keine
Wärme aufgenommen. Die Wärmezufuhr er-
5 J folgt bei der isobaren Erwärmung und ist
CmV D Rm D 20;8 :
2 mol  K nach (3.64)
Damit beträgt die Arbeit Q23 D Cmp .T3  T2 / :

p1 V1 5 Die molare isobare Wärmekapazität von Luft


W12 D Rm .T2  T1 /
Rm T1 2 ist nach Tab. 3.8
 
5 T2 J
D p1 V1  1 D 330 J : Cmp D 28;76
2 T1 mol  K
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 817

Damit wird die aufgenommene Wärme d) Bei einer beliebigen Zustandsänderung sind
Q23 D 1;65 MJ. die Prozessgrößen Q und W sowie die
Zustandsgröße U über den ersten Haupt-
Im p; V -Diagramm haben die Zustandsände- satz, (3.48), verknüpft:
rungen folgenden Verlauf:
U D U2  U1 D Q12 C W12 :

Die Änderung der inneren Energie gehorcht


bei beliebigen Zustandsänderungen (3.47):
Z
U D U2  U1 D  CmV .T / dT

 CmV .T2  T1 / :

Die Stoffmenge folgt aus der allgemeinen Zu-


standsgleichung idealer Gase, (3.20):
p1 V1
Ü 3-18: D D 0;0408 mol :
Rm T1
a) Wenn die Zustandsänderung so verläuft, dass
der Polytropenexponent n D 2 ist, gilt Die molare isochore Wärmekapazität ist für
 2 ein Molekül mit f D 5 Freiheitsgraden
p1 V12 D p2 V22 oder p2 D p1 VV12 D 4p1 D nach (3.56)
4 bar.
b) Die Endtemperatur folgt aus der allgemeinen 5 J
CmV D Rm D 20;8 :
Zustandsgleichung idealer Gase (3.16): 2 mol  K

p1 V1 p2 V2 Damit wird die Änderung der inneren Energie


D oder
T1 T2 p1 V1 f
p2 V2 U D U2  U1 D Rm .T2  T1 /
T2 D T1 D 2T1 D 590 K bzw. Rm T1 2
p1 V1  
f T2 f
D p1 V1  1 D p1 V1
#2 D 317 ı C : 2 T1 2
D 250 J :
c) Die Volumenänderungsarbeit entspricht nach
(3.50) der Fläche unter der Kurve der Zu- Die gesuchte Wärme folgt nun aus dem ersten
standsänderung: Hauptsatz zu

ZV2 ZV2 3
dV Q12 D U  W12 D p1 V1 D 150 J :
W12 D  p.V / dV D p1 V12 2
V2
V1 V1 Im p; V -Diagramm haben die Zustandsände-
 
1 1 rungen folgenden Verlauf:
D p1 V12  D p1 V1 D 100 J :
V2 V1

Alternativ kann auch die Formel aus


Abb. 3.22 verwendet werden:
p2 V2  p1 V1
W12 D D p2 V2  p1 V1
n1
V1
D 4p1  p1 V1 D p1 V1 :
2
818 11 Anhang

Ü 3-19: Eine Zustandsänderung, die im p; V - Die molare isochore Wärmekapazität ist nach
J
Diagramm längs einer Geraden verläuft, lässt Tab. 3.8 CmV D 20;43 molK . Rechnet man
sich beispielsweise realisieren durch eine Anord- idealisierend nach (3.56) CmV D f2 Rm , mit
nung, bei welcher der Gasdruck auf den Kolben f D 5 Freiheitsgraden, so ergibt sich
durch eine gespannte Feder kompensiert wird.
U D 1000 J :

e) Die zugeführte Wärme folgt nun aus dem ers-


ten Hauptsatz, (3.48), zu

Q12 D U  W12 D 1150 J :

Ü 3-20:
a) Die Stoffmenge des Gases ist nach der
a) Die Temperaturen ergeben sich aus der
allgemeinen Zustandsgleichung idealer Ga-
allgemeinen Zustandsgleichung idealer Ga-
se, (3.20):
se, (3.20):
p1 V1
D D 0;08206 mol : p1 V1
Rm T1 T1 D D 301 K ;
Rm
p2 V2
T2 D D 401 K ;
Rm
p3 V3
T3 D D 601 K :
Rm

b) Die abgegebene Arbeit entspricht der umfah-


renen Fläche des Kreisprozesses, also hier
einer Rechtecksfläche:

b) Die Endtemperatur ergibt sich aus (3.16): W D .V3  V1 /.p2  p1 / D 125 J :

p1 V1 p2 V2 Gemäß Vorzeichenkonvention gilt W D


D oder
T1 T2 125 J.
p2 V2
T2 D T1 D 3T1 D 879 K bzw.
p1 V1
#2 D 606 ı C :

c) Die abgegebene Arbeit entspricht nach (3.50)


betragsmäßig der Fläche unter der Kurve der
Zustandsänderung. Diese Trapezfläche kann
direkt berechnet werden:
p1 C p2
W12 D .V2  V1 / D 150 J :
2
d) Bei Erhöhung der Temperatur erhöht sich
nach (3.47) auch die innere Energie:

U D U2  U1 D CmV .T2  T1 / :
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 819

c) Wärme wird zugeführt bei der isochoren Er- b) Bei einem Carnot-Prozess wäre die Leis-
wärmung 1 ! 2 sowie bei der isobaren tungszahl nach (3.82)
Erwärmung (Expansion) 2 ! 3. Nach (3.63)
und (3.64) gilt T3
"W; C D D 6;36
T3  T1
Q12 D CmV .T2  T1 / und
und die erforderliche Motorleistung lediglich
Q23 D Cmp .T3  T2 / :
P D 2;36 kW.
Die molaren Wärmekapazitäten sind nach Ü 3-22:
Tab. 3.7 für Moleküle mit f D 5 Freiheits- a) Der Wirkungsgrad des idealen Stirling-Pro-
graden zesses entspricht jenem des Carnot-Prozesses
und ist nach (3.80)
5 J
CmV D Rm D 20;79 und
2 mol  K T1
7 J "K;C D D 0;345 :
Cmp D Rm D 29;1 : T3  T1
2 mol  K

Damit ergibt sich Q12 D 624 J und Q23 D


1746 J .
Die gesamte zugeführte Wärme beträgt somit
Qzu D Q12 C Q23 D 2370 J .
d) Der thermische Wirkungsgrad ist nach (3.75)

jW j
th D D 5;27 % :
Qzu

e) Die Maximaltemperatur des Prozesses ist


T3 D 601 K, die Minimaltemperatur T1 D
301 K. Ein Carnot-Prozess zwischen diesen
beiden Temperaturen hätte nach (3.76) den
Wirkungsgrad b) Vom Wärmebad der tiefen Temperatur T1
wird Wärme zugeführt während der isother-
T3  T1
th;C D D 50 % : men Expansion 4 ! 1. Nach (3.62) gilt
T3
V1
Ü 3-21: Q41 D Rm T1 ln :
V4
a) Die Leistungszahl der Wärmepumpe ist
nach (3.81) Die Stoffmenge  folgt aus der allgemeinen
ˇ ˇ Zustandsgleichung idealer Gase, (3.20):
ˇQP ab ˇ
"W D : p1 V1
P D :
Rm T1
Damit ist die Leistung, die der Motor zufüh-
ren muss Damit wird
ˇ ˇ
ˇQP ab ˇ V1
P D D 5 kW : Q41 D p1 V1 ln D 175 J :
"W V4
820 11 Anhang

Bei einer Drehzahl von n D 1400 min1 ist a) Im Falle der isobaren Zustandsänderung gilt
die zugeführte Wärmeleistung (d. h. die dem (s. auch (3.87))
Kühlgut entzogene Kälteleistung)
ıQ D Cmp dT und
QP zu D Qzu  n D 4;08 kW :
ZT1
dT T1
c) Die Leistung des Antriebsmotors ist nach S D Cmp D Cmp ln :
(3.79) T T n
Tn
QP zu
P D D 11;8 kW :
"K Die Stoffmenge  folgt aus der allgemeinen
d) Nach dem Energieflussdiagramm von Zustandsgleichung idealer Gase, (3.20):
Abb. 3.26 wird die Summe der zugeführten
pn Vn
Leistungen bei hoher Temperatur abgegeben. D D 0;0446 mol :
Damit ist R m Tn

Die isobare molare Wärmekapazität von N2


ˇ ˇ
ˇQP ab ˇ D QP zu C P D 15;9 kW :
ist nach Tab. 3.8
Ü 3-23: Ein Perpetuum Mobile 2. Art könnte
Wärme aus dem Meerwasser aufnehmen, ohne J
Cmp D 29;1 :
zugleich Wärme an ein kälteres Wärmebad ab- mol K
zugeben. Wenn die Masse m an Meerwasser um
Damit ergibt sich die Entropieänderung
die Temperatur T abgekühlt würde, dann wäre
die frei werdende Energie
S D 0;785 J=K :
Q D cmT :
b) Im Falle der isochoren Zustandsänderung er-
kJ
Mit c D 4;17 kgK ergibt sich Q D 5;8  1024 J. gibt sich (siehe (3.86))
Diese Energie würde 3;4  1011 s oder etwa
10:800 Jahre reichen. T1 J
S D CmV ln D 0;560 :
Tn K
Ü 3-24: Die Entropieänderung ist nach (3.85)
Ü 3-25: Der Stirling-Prozess verläuft zwischen
ZT1 Isothermen und Isochoren (Abb. 3.28). Isother-
ıQrev
S D S1  Sn D : men sind im T; S-Diagramm natürlich waagrech-
T
Tn te Geraden. Bei einer isochoren Zustandsände-
Beide Wege sind im Prinzip reversibel führbar. rung gilt nach (3.86) für die Entropie

T
S.T / D S0 C CmV ln ;
T0

wobei S0 die Entropie bei der Temperatur T0 ist.


Umgeformt ergibt sich, dass eine Isochore im
T; S-Diagramm durch eine Exponentialfunktion
beschrieben wird:
 
S  S0
T .S/ D T0 exp
CmV
   
S0 S
D T0 exp   exp :
CmV CmV
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 821

der andere um 10 K abgekühlt wird. Dabei


gilt:
ıQrev D mcdT und
ıQrev dT
dS D D mc :
T T
Beim Aufheizen ergibt sich die Entropieände-
rung

ZTm
dT Tm
S1 D mc D mc ln ;
T T1
T1

beim Abkühlen
Beim gezeichneten T; S-Diagramm wurde
willkürlich die Entropie des Zustandes 2 auf Null Tm
S2 D mc ln :
gesetzt: S2 D 0. T2
Die Flächen unter den beiden Exponential- Damit ist die komplette Entropieänderung
funktionen sind gleich, nämlich  
Tm Tm
Z S D mc ln C ln :
T .S/ dS D Q D CmV .T3  T1 / : T1 T2
Mit der Wärmekapazität c D 0;384 kJ=.kg K/
Sie stellen die Wärme dar, die intern bei der iso- für Kupfer ergibt sich S D 0;447 J=K. Die
choren Abkühlung gespeichert und anschließend Entropieänderung ist positiv. Der Vorgang des
bei der isochoren Erwärmung wieder zugeführt Temperaturausgleichs ist daher irreversibel.
wird. Damit verbleiben für den Wärmeaustausch b) Die Entropie ist mit der thermodynamischen
mit der Umgebung nur noch die schraffierten Wahrscheinlichkeit verknüpft nach (3.93):
Flächen unter den Geradenstücken. Diese sind S D k ln W .
aber flächengleich mit den Rechteckflächen des Also gilt S1 D k ln W1 und S2 D k ln W2 ,
Carnot-Prozesses von Abb. 3.37. Daraus folgt, sowie S D S2  S1 D k.ln W2  ln W1 / D
W2
dass der ideale Stirling-Prozess den gleichen Wir- k ln W1
.
kungsgrad besitzt wie der Carnot-Prozess. Das Wahrscheinlichkeitsverhältnis mit dem
die beiden Zustände realisiert werden ist da-
Ü 3-26: mit
a) Beim Kontakt entsteht eine Temperatur, die W2 22
dem Mittelwert der beiden Temperaturen ent- D eS=k D e3;2410 oder
W1
spricht (Abschn. 3.3.1, Kaloriemetrie):
W1 22 22
D e3;2410 D 101;410 :
T1 C T2 W2
Tm D D 293;15 K :
2 Das bedeutet, dass die Einstellung des Origi-
22
nalzustands um den Faktor 101;410 unwahr-
scheinlicher ist, als der Zustand des Tempera-
turausgleichs.

Ü 3-27: Für den Wärmetransport ist die Nu-


Zur Berechnung der Entropieänderung des ßeltzahl entscheidend. Nach Tab. 3.14, (7) gilt
Systems muss ein reversibler Ersatzprozess näherungsweise
betrachtet werden. Hier kann z. B. ein Körper
reversibel um 10 K erwärmt werden, während Nu  0;129.Gr Pr/1=3 :
822 11 Anhang

Die Grashofzahl ist nach Tab. 3.13, (3.158) Bei einer Scheibenfläche von A D 1 m2 ist der
Wärmestrom infolge Leitung
g T L3
Gr D :
2 QP L D 22 W :

Die erforderlichen Stoffwerte sind in Tab. 3.15 Der Wärmestrom infolge Konvektion wird ana-
zusammengestellt. Für Luft von 20 ı C gilt: D log zu Ü 3-27 berechnet. Hier ergibt sich:
3;421  103 K1 und  D 15;35  106 m2 =s.
Die Temperaturdifferenz ist T D TO  TL D Grashofzahl: Gr D 1;972  109 ,
20 K. Prandtlzahl: Pr D 0;718,
Die charakteristische Länge L entspricht der Nußeltzahl: Nu D 145,
Höhe h D 0;6 m des Heizkörpers.
Mit diesen Daten ergibt sich für die Grashof- Wärmeübergangskoeffizient ˛K D 3;5 mW
2 K .
zahl Damit wird die Wärmestromdichte infolge
Gr D 6;153  108 Konvektion
W
jq;K D ˛K T D 35 2
Die Prandtlzahl ist nach (4) in Tab. 3.13 m

%cp und der Wärmestrom QP K D 35 W.


Pr D D 0;715 :
 Der Wärmestrom infolge Strahlung ist
nach (3.173)
Damit wird die Nußeltzahl Nu D 98;1.
 
Nach (3.161) beträgt der Wärmeübergangsko- QP S D C12 A T14  T24 :
effizient
Der Strahlungsaustauschkoeffizient ist nach (1)
Nu  W
˛K D D 4;2 2 : in Abb. 3.59
L m K
 
Damit ist der Wärmestrom vom Heizkörper in die C12 D 1 1
D 2
:
"1
C "2
1 "
1
Raumluft
Mit der Stefan-Boltzmann-Konstante
W
jq;K D ˛K .TO  TL / D 84 :
m2 W
 D 5;67  108
m2  K4
Bei einer Heizkörperfläche (Vorder- und Rück-
seite des Heizkörpers) von und dem Emissionsgrad von Glas " D 0;88 nach
Tab. 3.16 ergibt sich C12 D 4;455  108 m2WK4
A D 2hb D 1;44 m2 und QP S D 38 W .
Der gesamte Wärmestrom beträgt somit
wird der Wärmestrom infolge Konvektion
QP ges D QP L C QP K C QP S D 95 W :
QP K D 121 W :
Der Wärmedurchlasswiderstand der Scheibe ist
Ü 3-28: Die Wärmestromdichte infolge Wärme-
leitung beträgt nach (3.131), mit der Wärmeleit- AT m2  K
RD D 0;105 :
fähigkeit  D 0;026 W=.m  K/ aus Tab. 3.12: QP ges W

T W Wird eine Scheibe bedampft, so dass sie einen


jq;L D  D 22 2 : Emissionsgrad von " D 0;08 aufweist, dann
s m
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 823

reduziert sich der Strahlungsaustauschkoeffizient


auf
W
C12, bedampft D 4;487  109 2 4
m K
und der Wärmestrom infolge Strahlung auf

QS; bedampft D 4 W :

Der gesamte Wärmestrom beträgt jetzt

Qges, bedampft D 61 W :
Dieser Wärmestrom muss auch durch die
Die prozentuale Reduktion ist Wärmedämmung fließen. Nach (3.131) gilt hier-
für
QP ges, normal  QP ges, bedampft
D 36 % : #O  #Gr
QP ges, normal QP D 1 A :
s1
Nach der Bedampfung erhöht sich der Wärme- Durch Gleichsetzen der beiden Beziehungen
durchlasswiderstand der Scheibe auf folgt
A T m2  K 1
Rbedampft D D 0;164 : U2 .#O  #L / D .#O  #Gr / oder
QP ges, bedampft W s
 1
1
 U2 #O C U2 #L
Ü 3-29: Der Wärmedurchgangskoeffizient U #Gr D
s1
D 25;1 ı C :
(DIN EN ISO 6946) des Daches beträgt nach 1
s1


(3.190)
1 Im Winter ist die Außentemperatur #a D 15 ı C.
U1 D 1 :
s1 s2 s3 1
C 1 C 2 C 3 C ˛ Damit ist der Wärmestrom durch die Decke
˛ a i

QP D U1 A.#L  #a / :
Mit den angegebenen Werten ergibt sich U1 D
0;57 mW
2 K . Die Oberflächentemperatur der Dachhaut be-
Die Temperatur #Gr an der Grenzschicht zwi- stimmt sich aus
schen Wärmedämmung und Betondecke kann
berechnet werden, wenn der Wärmestrom durch QP D ˛a A.#O  #a / :
die Decke bekannt ist.
Im Sommer ist die Oberflächentemperatur Durch Gleichsetzen der Wärmeströme folgt
#O D 60 C direkt gegeben. Das bedeutet, dass
ı
U1 .#L  #a / D ˛a .#O  #a /
der Wärmeübergang von der Außenluft auf die
Dachhaut nicht betrachtet werden muss. Der U - und für die Oberflächentemperatur
Wert beträgt in diesem Fall
U1 .#L  #a / C ˛a #a
#O D D 14;3 ı C :
1 W ˛a
U2 D s1 D 0;581 2 :
C s22 C s33 C ˛1 m K
1 i Damit wird die Temperatur an der Grenzfläche
wie bereits oben abgeleitet
Der Wärmestrom durch die Decke ist
 
nach (3.178) 1
 U #O C U2 #L
s1 2
#Gr D 
D 15;6 ı C :
P
Q D U2 A.#O  #L / : 1
s1
824 11 Anhang

Der Temperaturunterschied an der Grenzfläche Aus diesen beiden Gleichungen lassen sich die
zwischen Sommer und Winter beträgt somit Temperaturen auf der Oberfläche der Haut und
T D 9;5 K. der Kleidung berechnen:

Ü 3-30: Zwischen Körperinnerem und Umge- #H D 32;9 ı C und #Kl D 22;8 ı C :


bung wird sich folgendes Temperaturprofil ein-
Die gesuchte Wärmestromdichte folgt beispiels-
stellen:
weise aus
#H ist die Oberflächentemperatur des Körpers 1 W
jG D .#K  #H / D 51 2 :
(Haut), RG m
#Kl ist die Oberflächentemperatur der Kleidung.

Für die Wärmestromdichten gelten folgende Be- 11.1.4 Elektrizität und Magnetismus
ziehungen nach (3.142):
Ü 4-1: Zur Lösung werden die Kirchhoff’schen
Im Gewebe: 1
jG D RG .#K  #H /, Gesetze verwendet. Die Maschenregel, (4.25), er-
1
in der Kleidung: jKl D RKl .#H  #Kl / gibt, angewandt auf

Masche 1: 3 I1M  5I3M  U D 0 ; (1)


und nach (3.148) und (3.177) für
Masche 2: 6 I1a C 4I2M  3 I1M D 0 ;
Wärmestrahlung: jS D ˛S .#Kl  #U /, (2)
Konvektion: jK D ˛K .#Kl  #Li /. Masche 3: 8 I2a C 5I3M  4 I2M D 0 :
(3)

Die Knotenregel (4.21), liefert, angewandt auf

Knoten K: I1a D I2a C I2M ; (4)


Knoten M: I1M C I2M C I3M D 0 : (5)

Damit wurden für die fünf Unbekannten fünf


Gleichungen gefunden, die lösbar sind.

Weil der Wärmestrom durch alle Schichten


konstant sein muss, lassen sich folgende Glei-
chungen aufstellen:

1 1
.#K  #H / D .#H  #Kl / (1)
RG RKl

und

1
.#H  #Kl / D ˛S .#Kl  #U / C
RKl
C ˛K .#Kl  #Li / : (2)
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 825

Eliminiert man beispielsweise mithilfe von (4) Ü 4-2: Zur Auswahl eines geeigneten Materials
den Strom I1a in (2), so ergibt sich wird der spezifische Widerstand berechnet. Der
Widerstand des Heizdrahtes ist nach (4.13)
6I2a C 10I2M  3I1M D 0 l 4l
oder RD% D% 2 :
A  d
3I1M  10I2M Nach dem Ohm’schen Gesetz, (4.19), gilt R D UI
I2a D :
6 und somit
Dies eliminiert I2a in (3):  d 2 U mm2
%D D 0;271 
4lI m
8 5
D 2;71  10  cm :
.3I1M  10I2M / C 5I3M  4I2M D 0
6
oder Ü 4-3: Der Winkel ˇ, den der Faden relativ zum

80
 Lot einnimmt, wird bestimmt aus sin ˇ D 2ls D
4I1M  4 C I2M C 5I3M D 0 : 0;167. Damit ist ˇ D 9;59ı .
6
Im Gleichgewicht zeigt die Resultierende aus
Damit verbleiben drei Gleichungen für drei Un- elektrischer Abstoßungskraft Fel und Gewichts-
bekannte kraft FG in Fadenrichtung. Damit gilt für den
Winkel ˇ:
U
3I1M  5I3M D Fel
 tan ˇ D oder
52 FG
4I1M  I2M C 5I3M D 0
3 Fel D mg tan ˇ D 3;32  103 N:
I1M C I2M C I3M D 0 ;
Die Coulomb’sche Abstoßungskraft ist nach (4.2)
die nach den gängigen Regeln der linearen Alge- 1 Q2
bra gelöst werden. Fel D :
4 "0 s 2
Es ergibt sich:
Daraus folgt die gesuchte Ladung:
p
I1M D 1;286 A; I2M D 0;058 A; Q D Fel 4 "0 s 2 D 1;52  107 C :
I3M D 1;228 A:

De Strom, der durch die Batterie fließt, folgt aus


der Knotenregel, angewandt auf Knoten L:

I D I1a C I1M :

Mit (2) ist I1a D 3I1M 4I


6
2M
D 0;681 A und I D
1;967 A.
Mit dem Ohm’schen Gesetz ergibt sich für den
Gesamtwiderstand

U
Rges D D 5;08  :
I

Der gesamte Leistungsverbrauch ist nach (4.62)

P D I U D 19;67 W :
826 11 Anhang

Ü 4-4: Nach (4.72) ist die Masse des abgeschie- Ü 4-5: Der elektrische Strom ist nach den Fara-
denen Metalls proportional zum Strom: day’schen Gesetzen proportional zur abgeschie-
denen Masse. Mit (4.72) bis (4.74) sowie (4.9)
M
mD It : gilt
zNA e
m
Mit (4.73) und (4.74) gilt I D jA D :
R
At
M Die Masse der Nickelschicht ist
D AR :
zNA e
m D V%Ni D Ad%Ni ;

dabei ist A die Oberfläche des Zylinders und d


die Schichtdicke.
Da die Stromstärke begrenzt ist, folgt aus den
beiden Gleichungen die erforderliche Zeit:
m Ad%Ni d%Ni
tD D D D 15;9 h :
R
AjA R
AjA R
Aj
Die Oberfläche des Zylinders beträgt A D
2 rl C 2 r 2 D 0;487 m2 , was zu einer Strom-
stärke von I D jA D 12;2 A führt.
Insgesamt wird die Masse m D Ad%Ni D
R D 0;212 kg abgeschieden.
I At

Ü 4-6: Die Kapazität des Kondensators ist


nach (4.127)
A  r 2
C D "0 D "0 D 4;45  1011 F
d d
D 44;5 pF :
Damit ist der erforderliche Strom
Die elektrische Feldstärke ist nach (4.85)
m
I D D 37;25 kA : U V
R
At ED D 2500 :
d m
Die 20 Öfen benötigen die Leistung
Für die Verschiebungsdichte gilt nach (4.120)
PO D 20UO I D 3;427 MW :
As
D D "0 E D 2;21  108 :
Die Leitungen besitzen den Widerstand RL D m2
%Cu Al . Damit wird die Ladung auf den Platten nach
Mit einer Leitungslänge von l D 1000 m er- (4.121) (s. auch Beispiel 4.3-4)
gibt sich RL D 2;81 m.
Die Verlustleistung der Leitungen ist nach (2) U
Q D DA D "0 EA D "0  r 2
aus Tab. 4.3 d
D 4;45  1010 A s :
PL D I 2 RL D 3;903 MW :
Zur Kontrolle: Nach der Definitionsglei-
Damit ist die erforderliche Generatorleistung chung (4.125) für die Kapazität gilt

PGen D PO C PL D 7;33 MW : Q D C U D 44;5 pF  10 V D 4;45  1010 A s :


11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 827

Ü 4-7: Im statischen Gleichgewicht muss die pazität für sich ist nach (4.127) und (4.136)
Gewichtskraft mg kompensiert werden durch die
A A
elektrische Feldkraft QE (der Auftrieb wird ver- C1 D "r1 "0 und C2 D "r2 "0 :
2d 2d
nachlässigt):
mg D QE : Die Gesamtkapazität ist nach (1) aus
Abb. 4.76
U "r1 C "r2 A
Mit E D folgt (s. (4.118) Cges D C1 C C2 D "0 I
d 2 d
mgd es wird also das arithmetische Mittel der bei-
U D D 368 V : den relativen Permittivitätszahlen wirksam.
Q
b) Dieser Fall entspricht der Hintereinander-
schaltung von Kondensatoren. Die Einzelka-
pazitäten sind jetzt
2A 2A
C1 D "r1 "0 und C2 D "r2 "0 :
d d
Nach (2) aus Abb. 4.76 ist die Gesamtkapazi-
tät
Ü 4-8: Abb. 4.84 kann folgendermaßen umge-
zeichnet werden: 1 1 1 d d
D C D C
Cges C1 C2 2"r1 "0 A 2"r2 "0 A
d."r1 C "r2 /
D
2"r1 "r2 "0 A
und
2"r1 "r2 A
Cges D "0 :
"r1 C "r2 d
Ü 4-10: Das Proton verspürt die Lorentz-
Kraft (4.184),
FL D Qv  B :

Die Kraft steht senkrecht auf der Ebene, die durch


die Vektoren v und B aufgespannt wird. Da v
senkrecht auf B steht, gilt für den Betrag der
Die Kapazität des unteren Zweiges ist nach
Kraft FL D evB.
den Regeln für Parallel- und Reihenschaltung von
Die Geschwindigkeit ergibt sich aus der kine-
Abb. 4.76
tischen Energie
1 1 1 1 0;511 r
D C C D 1 2 2Ekin m
Cu 5 F 9 F 5 F F Ekin D mv ! v D D 24  106 :
2 m s
oder Cu D 1;957 F :
Damit wird die Kraft FL D 9;6  10 N.
12

Damit ist die Gesamtkapazität Cges D 3 F C


4 F C 1;963 F D 8;963 F. Ü 4-11: Die Hall-Feldstärke ist nach (4.187) und
Abb. 4.104 EH D UbH D Bvx .
Ü 4-9: Die Feldstärke in Längsrichtung ist nach
a) In diesem Fall handelt es sich um eine Par- (4.188) Ex D nev ~
x
.
allelschaltung von zwei Kondensatoren mit Das Verhältnis der beiden Feldstärken wird
EH B~ B
jeweils der halben Plattenfläche A. Jede Ka- damit Ex D ne D ne% .
828 11 Anhang

Ü 4-12: Die Stromschleife besitzt nach (4.180) Auf der Symmetrieachse, für x D 0, ergibt sich
das magnetische Moment
20 I
B.0/ D :
m D NIA D 2NI lr :  d

Im Magnetfeld erfährt sie nach (4.181) das Dreh-


moment

M D mB sin ˛ D 2NI lrB sin ˛ ;

das den Zylinder bergauf bewegen möchte.


Infolge der Hangabtriebskraft wirkt auf den
Zylinder das Drehmoment

M D mgr sin ˛ ;

das den Zylinder bergab bewegen möchte.


Im Gleichgewicht müssen die beiden Drehmo-
mente gleich sein: Ü 4-14: Auf der senkrechten Achse werden die
Positionen l0L D 2;51 T, 1;26 T und 0;84 T ein-
mgr sin ˛ D 2NI lrB sin ˛ : gezeichnet und von dort die Scherungsgeraden
zum Punkt lFe D 10 kA m
auf der waagrechten
Daraus folgt für die erforderliche Stromstärke: Achse. Die Schnittpunkte der Scherungsgeraden
mit der Magnetisierungskurve liefern die Arbeits-
mg
I D D 0;144 A : punkte.
2N lB Es ergeben sich folgende Werte:
Bemerkung: Die Lösung setzt voraus, dass der lL D 1 mm: B D 1;56 T; lL D 2 mm: B D
Haftreibungskoeffizient zwischen Walze und Un- 1;17 T und lL D 3 mm: B D 0;81 T.
terlage genügend groß ist, so dass der Zylinder
nicht abrutscht.

Ü 4-13: Die magnetische Flussdichte, die der


linke Leiter erzeugt, ist nach (4.154) und (4.172)

I
B1 D 0 d  :
2  2 Cx

Der rechte Leiter erzeugt

I
B2 D 0 d :
2  2
x

Beide Flussdichten sind gleich gerichtet und ad-


dieren sich zur gesamten Flussdichte
!
0 I 1 1
B.x/ D d
C d
2  2
Cx 2
x
0 I 2d
D :
  d  4x 2
2
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 829

Ü 4-15: Bei der rotatorischen Spannungserzeu- Der Wechselstromwiderstand ist


gung ist nach (8) in Abb. 4.125 die induzierte s
 
Spannung 2
1 2
Z D R C !L  D 207;9 :
!C
u.t/ D NBA! sin !t :
Der Effektivwert des Stromes ergibt sich damit
Die Amplitude ist
zu
U
uO D NBA! : I D D 1;11 A :
Z
Die erforderliche magnetische Flussdichte be-
Für den Phasenverschiebungswinkel gilt
trägt somit
1
uO uO jUL j  jUC j !L  !C
BD D D 191 mT : tan ' D D D 2;95 :
NA! NA2 n UR R
Ü 4-16: Die Schaltung von Abb. 4.153 kann auf Damit wird der Winkel ' D 1;24 rad D 71;3ı .
folgendes Ersatzschaltbild reduziert werden: Die Wirkleistung ist

P D UI cos ' D 81;6 W :

Ü 4-17: Der magnetische Widerstand des Krei-


ses ist
lFe lL
Rm D C :
r 0 A 0 A
Der Widerstand beträgt
Nun gilt nach (4.217) das „Ohm’sche Gesetz“ für
1 magnetische Kreise
RD 1 1
D 66;67  ;
200  C 100   
lFe lL
die Kapazität ist  D Vm D ˚ C :
r 0 A 0 A
1
C D 1 1
D 3;33 F ; Nimmt man näherungsweise an, dass die relative
C
10 F 5 F Permeabilität r des Eisens konstant ist, so gilt
die Induktivität ist bei konstanter Durchflutung 
1 
lFe lL; 1
 
lFe lL; 2

L D 3H C 1 1
D 3;67 H : ˚1 C D ˚2 C :
1H
C 2H r 0 A 0 A r 0 A 0 A
Das Zeigerdiagramm der R-L-C -Reihen- Damit ist das Verhältnis der Flussdichten
schaltung nach Abb. 4.133 hat folgende Form:
lFe lL; 1 lFe
C C lL; 1
B2 ˚2 r 0 A 0 A 
D D D r
B1 ˚1 lFe lL; 2 lFe
C C lL; 2
r 0 A 0 A r
2
D :
3
Bei Verdoppelung des Luftspalts wird die Fluss-
dichte demnach auf 2/3 des ursprünglichen Wer-
tes reduziert.
830 11 Anhang

Hinweis: Die Konstanz der relativen Permea- Um den Blindstrom zu kompensieren, wird
bilität ist in der Realität eher nicht gegeben. ein Kondensator parallel geschaltet:
Deshalb muss man wie in Ü 4-14 durch Eintragen
der Scherungsgerade in die Magnetisierungskur-
ve den Arbeitspunkt bestimmen.

Ü 4-18: Eine Leuchtstoffröhre benötigt zum Be-


trieb eine Vorschaltdrossel (Abb. 4.46). Der ge-
samte Verbraucher ist damit eine Reihenschal-
tung aus Ohm’schem Widerstand und Spule:

Wie aus dem Zeigerdiagramm hervorgeht,


wird dadurch der Gesamtstrom I in den Zufüh-
rungsleitungen geringer. Bei vollständiger Blind-
Aus dem Zeigerdiagramm folgt mit UR D stromkompensation sind I und U in Phase. Nun
50 V und U D 230 V: gilt
q
UL D U 2  UR2 D 224;5 V : UL IC IV XL UZ
sin ' D D oder D :
U IV IV Z UXC
Nun ist UL D IV XL D IV !L und damit
UL Daraus folgt X L
Z2
D X1C und R2 C.!L/
!L
2 D !C .
LD D 5;955 H :
IV 2 f Die erforderliche Kapazität ist

Kontrolle: L
Nach (1) in Abb. 4.140 ist der Wechselstrom- C D 2 D 1;62 F :
R C .!L/2
widerstand des Verbrauchers
p Alternative:
ZV D R2 C .!L/2 : Nach (4.266) ist die benötigte Kapazität
Der Ohm’sche Widerstand ist R D UIVR D Q
416;7 . Damit ergibt sich Z D 1917  und für C D 2 :
U !
den Strom durch den Verbraucher IV D U=Z D
0;12 A. Die Blindleistung des Verbrauchers ist Q D
Für den Phasenverschiebungswinkel zwischen S sin ' D UIV sin ' D 26;94 VA. Damit ergibt
Strom und Spannung folgt aus dem Zeigerdia- sich ebenfalls C D 1;62 F.
gramm
Ü 4-19:
UR
cos ' D D 0;217 : a) Die induzierte Spannung folgt aus der Fara-
U day’schen Flussregel juind j D d˚=dt oder
Damit ist ' D 77;4ı . juind j D Blv D 1;5 mV. Solange kein Strom
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 831

fließt, ist zur Bewegung keine Kraft erforder- 11.1.5 Schwingungen und Wellen
lich. Die Lorentz-Kraft FL D qv  B drückt
die Leitungselektronen zum Punkt b. Damit Ü 5-1: Bei einer harmonischen Schwingung der
liegt a auf höherem Potenzial als b und der Form y.t/ D 0;25 m  cos.4 s 1  t C  =5/, ist
Spannungspfeil weist von a nach b.
b) Nach (4.287) beträgt der Strom I D d˚=dtR
D a) die Kreisfrequenz gegeben als Vorfaktor der
Blv
D 0;455 mA. Er fließt von a nach b; Zeit t:
R
im geschlossenen Stromkreis im Gegenuhr- !0 D 4 s 1 ,
zeigersinn. die Schwingungsdauer
c) Die Kraft wirkt der Bewegungsrichtung v ent-

gegen (Lenz’sche Regel). Sie beträgt nach T0 D D 0;5 s ;
!0
Gl. 4.177 F D I lB D 6;82  106 N.
d) Die Leistung ergibt sich entweder aus P D der Nullphasenwinkel
F v oder aus P D I 2 R zu P D 6;82107 W. '0 D  =5 rad oder 36ı ,
die Amplitude
Ü 4-20: yO D 0;25 m.
a) Die
 komplexe
 Impedanz beträgt Z D R C b) Die momentane Auslenkung zur Zeit t D
1
j !L  !C D .100  j31; 8/  D 104;9   1;2 s beträgt y.1;2 s/ D 0;25 m. Der Körper
ı
ej17;6 . Für den Betrag folgt mit (3) aus befindet sich im unteren Totpunkt.
Abb. 4.133 Z D 104;9 . Für die Geschwindigkeit gilt allgemein
b) Die Schaltung verhält sich ohmsch-kapazitiv, nach (5.8)
da der Phasenverschiebungswinkel ' D
17;6ı negativ ist. v D yP D y! O 0 sin.!0 t C '0 / :
c) Nach dem Ohm’schen Gesetz gilt I D
ı
U 1 =Z D 95;3 mA  e j17;6 . Der Strom eilt der Zur Zeit t D 1;2 s ergibt sich v.1;2 s/ D 0,
Spannung voraus; der Phasenverschiebungs- was zu erwarten war, da der Körper im Tot-
winkel ist ' D 17;6ı . punkt momentan still steht.
d) Das Verhältnis zwischen Ein- und Ausgangs- Die Beschleunigung ist nach (5.9)
spannung beträgt nach der Spannungsteiler-
regel (4.26) U 2 =U 1 D R=Z D 0;953  a D yR D y! O 02 cos.!0 t C '0 / :
ı
e j17;6 mit dem Betrag U2 =U1 D 0;953 und
Zur Zeit t D 1;2 s ergibt sich a.1;2 s/ D
dem Phasenverschiebungswinkel 'u2  'u1 D
39;5 m=s2 .
17;6 (U 2 eilt gegenüber U 1 vor).
ı
Das ist die maximale Beschleunigung
e) Aus dem Zeigerdiagramm in Abb. 4.133 geht
(Abb. 5.6).
hervor, dass der Gesamtwiderstand minimal
c) Die maximale Geschwindigkeit ist
wird, nämlich Z D R, wenn sich die bei-
den imaginären Anteile aufheben, p d. h. für
vmax D vO D y!O 0 D 3;14 m=s :
!L  1=.! C / D 0 oder !0 D 1= LC D
104 s1 . Die Resonanzfrequenz beträgt f0 D Die maximale Beschleunigung ist
!0 =.2 / D 1592 Hz. Das Spannungsverhält-
nis wird damit U2 =U1 D R=R D 1. U 2 und amax D aO D y!O 02 D 39;5 m=s2 :
U 1 sind in Phase; die Schaltung verhält sich
ohmsch. d) Die potenzielle Energie entspricht der Feder-
f) Für f ! 0 sperrt der Kondensator und es spannenergie
folgt U2 =U1 ! 0. Für f ! 1 sperrt die 1
Epot D k y 2 :
Spule und wieder gilt U2 =U1 ! 0. 2
832 11 Anhang

Die Federkonstante folgt aus der Eigenkreis- c) Nach (5.19) wird die Kreisfrequenz
frequenz: r r
k  d 2 %g
k D !02 m D 15;8 N=m : !0 D D D 6;08 s1
m 4m
Damit ergibt sich Epot D 0;0790 J. und die Schwingungsdauer
Die kinetische Energie

1 T0 D D 1;03 s :
Ekin D m v2 !0
2
d) Die Kreisfrequenz hängt linear vom Durch-
kann am einfachsten aus dem Energieerhal-
messer ab:
tungssatz nach (5.52) berechnet werden: r
 %g s1
1  2  !0 D d D 5;068 d :
Ekin D Eges  Epot D k yO  y 2 4m cm
2
D 0;415 J : e) Die Gleichung der Auslenkung lautet:
Ü 5-2:
y.t/ D yO cos.!0 t/ :
a) Wird das Reagenzglas der Querschnittsfläche
A um die Strecke y ins Wasser gedrückt, so Zur Zeit t D 1;2 s gilt y.1;2 s/ D 0;528 cm.
verdrängt es das Wasservolumen V D Ay. Damit ist die potenzielle Energie
Nach dem Archimedischen Prinzip, (2.186),
ist die damit erzeugte zusätzliche Auftriebs- 1 2
Epot D ky D 1;547  105 J :
kraft oder Rückstellkraft 2

Frück D A%gy : Die Geschwindigkeit zur Zeit t D 1;2 s ist


m
Da die Rückstellkraft wie bei einer Feder pro- O 0 sin.!0 t/ D 0;05167
v D yP D y! :
portional ist zur Auslenkung, resultiert eine s
harmonische Schwingung Damit wird die kinetische Energie
1 2
Ekin D mv D 4;000  105 J :
2
Für die Gesamtenergie ergibt sich somit

Eges D Ekin C Epot D 5;547  105 J :

Zur Kontrolle:
1 2
Eges D k yO D 5;547  105 J :
2
Ü 5-3: Die Kapazität C des Kondensators soll
vom Drehwinkel linear abhängen gemäß

b) Die „Federkonstante“ beträgt k D A%g D C D a C b :


  2 N
4
d %g D 1;109 m
.
Die Differenzialgleichung der harmonischen Die Eigenfrequenz des Schwingkreises ist nach
Schwingung lautet: (5.54)

A%g 1
yR C yD0: f0 D p :
m 2  LC
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 833

Daraus folgt für die Kapazität Die Kreisfrequenz beträgt

1 2 
C D : !d D D 1;795 s1 :
2
f0 4 2 LC Td
c) Die Schwingungsgleichung lautet
Für den Winkel 1 D 0 ist f1 D 1 kHz und C1 D
2;533 F, für den Winkel 2 D 180ı ist f2 D y.t/ D yO0 eıt cos.!d t/
3 kHz und C2 D 281;4 nF. 1
D 20 cm  e0;0132 s t  cos.1;795 s1 t/ :
Die Konstanten a und b der Eingangsglei-
chung können damit aus folgenden Gleichungen Ü 5-5: Die sechs parallelen Federn entsprechen
bestimmt werden: einer Feder mit der resultierenden Federkonstante
kres D 6k. Die Eigenfrequenz der Schwingung
C1 D a  0 C b liefert b D C1 und beträgt somit
C2  C1
C2 D a  180ı C b liefert a D : 1
r
6k
180ı f0 D D 1;743 Hz :
2  m
Also gilt allgemein
Die erregende Drehzahl n1 D 500 min1 D
C2  C1 8;33 s1 liegt oberhalb von f0 . Wird die Drehzahl
C. / D C C 1 :
180ı erhöht, geht die Amplitude zurück. Nach (5.96)
ist die Amplitude der erzwungenen Schwingung
Die Eigenkreisfrequenz beträgt damit in Abhän-
gigkeit vom Drehwinkel FOE ˝
yO D q mit  D :
!
1 1 k .1  2 /2 C .2#/2 0
!0 . / D p Dq  :
LC L C1 C C1802 C1

ı Nun gilt

Zur Kontrolle: FOE


1 yO1 D q und
!0 .0/ D pLC D 6828 s1 und f0 .0/ D 2
1 k 1  21 C .2#1 /2
1 kHz und !0 .180ı / D p1 D 18:851 s1 und
LC2
f0 .180ı / D 3 kHz. FOE
yO2 D q 2 :
k 1  22 C .2#2 /2
Ü 5-4:
a) Nach (5.76) gilt für das Amplitudenverhältnis Unter der Voraussetzung, dass die Kraftamplitude
konstant bleibt, gilt für das Verhältnis
yOi n
D2Dc : v
yOi C1 u 
u 1  22 2 C .2#2 /2
yO1
D 10 D  t
2
Mit n D 15 folgt yO2 1  2 C .2#1 /2
1
p
n mit 1 D 4;781:
c D 2 D 21=15 D 1;047 :
Diese Gleichung kann nach der gesuchten nor-
Das logarithmische Dekrement beträgt mierten Frequenz 2 aufgelöst werden. Nach Lö-
sung einer biquadratischen Gleichung ergibt sich
 D ln c D 0;04621 :
2 D 14;83 :
b) Die Abklingkonstante ist nach (5.77)
Damit ist die gesuchte Erregerfrequenz

ıD D 0;0132 s1 : f2 D 2 f0 D 25;85 Hz bzw. n2 D 1550 min1 :
Td
834 11 Anhang

Ü 5-6: Ü 5-7: Nach (5.111) ist die Amplitude der ent-


a) Das ungedämpfte System hat nach (5.54) die stehenden Schwingung
Eigenkreisfrequenz q
1 yOneu D yO12 C 2yO1 yO2 cos.'01  '02 / C yO22
3 1
!0 D p D 5  10 s
LC D 12;7 cm :

und die Eigenfrequenz Für den Nullphasenwinkel der resultierenden


!0 Schwingung gilt nach (5.112)
f0 D D 795;8 Hz :

yO1 sin '01 C yO2 sin '02
tan '0neu D D 1;007 :
b) Die Eigenfrequenz bei Dämpfung beträgt yO1 cos '01 C yO2 cos '02
nach (5.73) und (2) aus Tab. 5.4
r Damit ist '0neu D 0;789 rad D 45;2ı .
p 2
R C
!d D !0 1  # 2 D !0 1  : Ü 5-8:
4L
a) Für die Schwingungen in x- bzw. y-Richtung
Nun soll gelten: !d D !0  0;997, also ist gilt
r
R2 C x.t/ D xO cos.!0 t C 'x / und
0;997 D 1  :
4L
y.t/ D yO cos.!0 t C 'y / :
Daraus ergibt sich
r Da nur der Phasenunterschied ' D 'y  'x
L gesucht ist, kann willkürlich 'x D 0 gesetzt
R D 2 .1  0;9972 / D 15;48  :
C werden. Damit gilt x.t/ D xO cos.!0 t/ und

Der Dämpfungsgrad dieser Schwingung ist y.t/ D yO cos.!0 t C '/ :


ı R
#D D D 0;0774 : Das Maximum in x-Richtung tritt auf zur Zeit
!0 2L!0
O Zur selben Zeit muss die y-
t D 0: x.0/ D x.
c) Die Resonanzüberhöhung ist nach (5.102) bei Schwingung ihr Minimum aufweisen:
schwacher Dämpfung, die hier gegeben ist,
y.0/ D yO D yO cos ' :
O
y.Res/ 1
 D Q D 6;46 :
O
y.stat/ 2# Daraus folgt

Die 3-dB-Breite der Resonanzkurve ist ' D arccos.1/ D   oder 180ı :


nach (5.103)

1 b) Bei der Überlagerung entsteht im Allge-


 D D 0;155 : meinen eine Ellipse. Aus der Ellipsenglei-
Q
chung (5.134) folgt für den Spezialfall ' D  
Das bedeutet anschaulich eine Frequenzbreite die Geradengleichung (5.139)
von
yO 1
yD xD x:
f D   f0 D 123 Hz : xO 3
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 835

Die Überlagerung der ersten 10 Glieder der


Fourier-Reihe liefert folgende Abb.:

Ü 5-9: Die Funktion der Sägezahnspannung lau-


tet u.t/ D uO C 2TuO t für 0  t  T mit uO D 1 V.
Die Fourier-Koeffizienten bestimmen sich
nach (5.128) und (5.129):
ZT  
2 2uO
ak D uO C t cos.k!t/dt und Ü 5-10: Nach (5.158) gilt
T T
0
c
ZT   D :
2 2uO f
bk D uO C t sin.k!t/dt :
T T
0 Damit sind die gesuchten Wellenlängen
.16 Hz/ D 21;3 m und .20 kHz/ D 17 mm.
Bereits aus Symmetriegründen (die Funktion ist
punktsymmetrisch zum Ursprung) folgt, dass die
Ü 5-11: Eine Welle der Form
Fourier-Koeffizienten ak verschwinden:

ak D 0 : y.x; t/ D 5  104 m
 sin.1980 s1  t  6 m1  x/
Für die bk folgt nach Integration
2uO besitzt nach (5.159)
bk D  :

a) die Kreisfrequenz ! D 1980 s1 und damit
Damit lautet die Fourier-Reihe !
die Frequenz f D 2  D 315 Hz,

2uO 1 b) die Wellenzahl k D 6 m1 und damit die Wel-
u.t/ D  sin.!t/ C sin.2!t/ C
  2 lenlänge  D 2 
k D 1;05 m,
1
 c) nach (5.158) oder (5.176) die Phasenge-
C sin.3!t/ C : : : : schwindigkeit
3
Das Spektrum hat folgende Form: ! m
c D f D D 330 :
k s
d) Die Geschwindigkeit oder Schnelle der
schwingenden Teilchen ist mit

y.x; t/ D yO cos.! t  kx C '0 / W


@y
vD D y!O sin.!t  kx C '0 / :
@t
Die Schnellenamplitude beträgt

O D 0;99 m=s :
vO D y!
836 11 Anhang

Ü 5-12: Mit der Dichte % D 1;293 kg=m3 (Tab. 7.1) folgt


a) Die Phasengeschwindigkeit der Welle ist daraus für die Schwingungsamplitude
nach (5.174) s
2I
D 1;07  1011 m :
s s
yO D
F 4F m c%! 2
cD D D 29;1 :
A%  d 2 % s
Die Schwingungsamplitude ist kleiner als die
b) Nach (5.158) ist die Wellenlänge Molekülgröße (einige 1010 m).

c Ü 5-14: Wird die Fläche gleichmäßig bestrahlt,


D D 5;83 m :
f dann ist die Intensität

c) Die Gleichung der Welle lautet allgemein P W


I D D 1  1017 2 :
nach (5.159) A m

y.x; t/ D yO cos.!t  kx C '0 / ; Nach (5.167) gilt


r
2  !
1 "r "0 O 2
mit ! D 2 f D 31;4 s , k D1

D c
D I D E :
2  r 0
1;078 m und yO D 20 cm.
1

Der Nullphasenwinkel '0 bestimmt sich aus Für Luft gilt in guter Näherung "r D r D 1.
den Anfangsbedingungen: Damit wird die Amplitude der elektrischen Feld-
stärke r
y.0; 0/ D 0 D yO cos '0 : p 0
O
E D 2I 4
"0
Die möglichen Werte für den Nullphasenwin-
kel sind oder mit dem Wellenwiderstand des Vakuums
nach (6) in Tab. 5.8
  3 
'0 D und '0 D : p V
2 2 EO D 2IZF;0 D 8;68  109 :
m
Die Geschwindigkeit (Schnelle) ist
Die Amplitude der magnetischen Feldstärke wird
@y mit (2) in Tab. 5.8
vD D y! O sin.!t  kx C '0 / I
@t
v D .0; 0/ D y! O sin.'0 / : EO A
HO D D 2;31  107 :
ZF;0 m
v.0; 0/ wird nur dann negativ, wenn '0 D  2
ist. Ü 5-15: Die abgestrahlte Leistung verteilt sich
Damit lautet die komplette Lösung: gleichmäßig auf eine Kugeloberfläche. Damit ist
die Intensität
y.x; t/ D P P W
   I D D D 7;96  107 2 :
20 cm  cos 31;4 s1  t  1;08 m1  x C : A 4 r 2 m
2
Ü 5-16: Für den Fall des bewegten Beobachters
Ü 5-13: Nach (5.164) gilt für die Intensität gilt nach (5.177)
1  vB 
I D c%yO 2 ! 2 : fB D fQ 1 C :
2 c
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 837

Daraus folgt für die gesuchte Geschwindigkeit Damit ergibt sich


  p
fB 12
 cCv 1 C vc 1Cˇ
vB D 1 c D 21 c fB D fQ D fQ D fQ
fQ cv 1  vc 1ˇ
m km
D 20;2 D 72;8 mit ˇ D vc .
s h
Da ˇ  1, gilt in guter Näherung
mit der Schallgeschwindigkeit c D 340 m=s.
fB D fQ .1 C ˇ/2 D fQ .1 C 2ˇ/ :
Ü 5-17:
a) Der ruhende Beobachter hört nach (5.180) die Die relative Frequenzänderung ist
Frequenz
f fB  fQ fB v
fQ D D 1 D 2 :
fQ fQ fQ c
fB D v D 465;8 Hz :
1 C cQ
b) Die absolute Frequenzänderung ist
b) Vom Tunneleingang werden die Wellen re-
flektiert, die in Vorwärtsrichtung abgestrahlt v
f D fQ  2 D 1 kHz :
wurden, die also eine höhere Frequenz auf- c
weisen (Abb. 5.53b). Nach (5.179) gilt
Die relative Frequenzänderung beträgt
fQ
fT D v D 539;7 Hz : f
1  cQ D 1;11  107 :
fQ
c) Der Lokführer bewegt sich auf die Wellen zu, f
die vom Tunneleingang mit der Frequenz fT c) Aus v D 2fQ c folgt nach dem Fehlerfort-
reflektiert wurden. Damit gilt nach (5.177) pflanzungsgesetz, (3) aus Tab. 1.8, dass f
ebenfalls auf 10 % genau sein muss. Dabei
vB  ist vorausgesetzt, dass der Fehler der Quel-

fL D fT 1 C D 579;4 Hz :
c lenfrequenz fQ vernachlässigbar ist. Der Ab-
solutfehler der Differenzfrequenz muss also
Ü 5-18: kleiner als 100 Hz sein.
a) Die beweglichen Elektronen in den Metalltei-
len des Fahrzeugs werden nach (5.181) mit Ü 5-19:
der Frequenz a) Nach (5.182) gilt für den halben Öffnungs-
r winkel des Mach’schen Kegels
cCv
fE D fQ
cv c 1 2
sin ˛ D D D oder ˛ D 41;8ı :
vQ Ma 3
zu erzwungenen Schwingungen erregt. Sie
strahlen ihrerseits Wellen mit eben dieser Fre- b) Die Schallschleppe trifft im Abstand
quenz ab, die der Beobachter (Detektor) nahe
des Senders erneut dopplerverschoben wahr- h
nimmt mit der Frequenz sD D 5;59 km
tan ˛
r
cCv auf den Boden. Um diese Strecke bis zum Be-
fB D fE : obachter zurück zu legen, benötigt das Flug-
cv
838 11 Anhang

zeug und die Schallschleppe die Zeit Ü 5-21:


a) In der Stabmitte, der Einspannstelle, befindet
s s sich ein Schwingungsknoten. Die freien En-
tD D D 11 s :
vQ c Ma den sind Schwingungsbäuche. Damit ist die
Stablänge l identisch mit der halben Wellen-
länge:
0
lD oder 0 D 2l :
2
Nach (5.158) ist die Schallgeschwindigkeit
im Stab
m
c D 0 f0 D 2lf0 D 5054 :
s

Ü 5-20:
a) Das Zeigerdiagramm hat zur Zeit t D 0 und
b) Nach (3) in Tab. 5.9 gilt
am Ort x D 0 folgendes Aussehen:
s
E N
cD oder E D %c 2 D 2  1011 2 :
% m

c) Bei der ersten Oberschwingung gilt

1 2
lD3 oder 1 D l :
2 3
Damit wird die Frequenz
c
f1 D 3 D 3f0 D 7581 Hz :
2l
Die Serie der Obertöne ist dieselbe wie bei
den gedackten Pfeifen (5.188):

fn D .2n C 1/f0 :
Die resultierende Amplitude ist nach Pytha-
goras
q
yO D yO12 C yO22 D 3;61  104 m :

Dasselbe Ergebnis liefert auch die Anwen-


dung von (5.111). Ü 5-22:
b) Für den Phasenverschiebungswinkel gilt a) Die Addition der beiden Teilwellen ergibt
tan ' D yyOO21 D 23 oder ' D 0;588 rad D 33;7ı . nach (5.190) y D 2yO cos.!t kx/ cos.!t 
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 839

kx/, mit ! D !1 C! 2
2
D  .f1 C f2 / und Für die Wellenzahl gilt k D 2 

. Also ist
k1 Ck2
kD 2 .  
! f   1 1
Mit k D c D 2  c ergibt sich k D c .f1 C k D 2   :
2 1
f2 /:
Ferner ist ! D !1 ! 2
2
D  .f1  f2 / und Damit ergibt sich für die Gruppengeschwindig-
 
k D c .f1  f2 /. keit
Die Einhüllende der Funktion (Abb. 5.66) ist
!
gegeben durch cos.!t kx/. Zur Zeit t D cgr D
k
0 gilt cos.kx/. Sie hat ein Maximum am Ort
1 1
x D 0. Das nächste Maximum (Minimum) 
n n1 1 n1 1  n2 2
tritt auf an der Stelle, an der gilt kx D   D c0 2 2 D c0
1 1 n1 n2 .1  2 /
oder 
2 1
  c m
xD D D 110 m : D 0;67188c0 D 2;0143  108 :
k f2  f1 s
Damit ist der Abstand benachbarter Schwe- Der Gruppenindex wird
bungsgruppen s D 110 m. c0
b) Am Ort x D 0 ist die zeitabhängige Schwe- ngr D D 1;48835 :
cgr
bung gegeben durch den Ausdruck cos.!t/.
Nach dem ersten Maximum bei t D 0, folgt Alternative:
das nächste bei Nach (5.193) ist der Gruppenindex

  1 dn n
tD D : ngr D n   n :
! f1  f2 d 
Dabei ist
Die Schwebungsfrequenz ist damit
n1 C n2 1 C 2
fS D f2  f1 D 3 Hz : nD ; D ;
2 2
n D n2  n1 und  D 2  1 :
c) Die Gruppengeschwindigkeit beträgt nach
(5.191) Damit ergibt sich ngr D 1;48821, in guter
Übereinstimmung mit obigem Wert.
! f1  f2 m
cgr D D c D c D 330 :
k f1  f2 s Ü 5-24: Die hinlaufende Welle wird beschrieben
Die Welle erfährt keine Dispersion. durch yhin D yO cos.!t  kx C '/, die rück-
laufende durch yrück D yO cos.!t C kx C /.
Ü 5-23: Nach (5.191) ist die Gruppengeschwin- Durch Addition folgt die Gleichung
 der ste-

digkeit henden Welle: ysteh D 2yO  cos !t C 'C2 
d! !  
cgr D  : cos kx  '2 .
dk k
Nun gilt a) Bei festem Ende muss die Auslenkung einen
Knoten bei x0 haben. Aus der Randbedin-
c c0
! D 2 f D 2  D 2  : gung ysteh .x0 ; t / D 0 für alle Zeiten, folgt
 n kx0  '2 D  2 (weitere Lösungen mit 3 =2,
Also ist 5 =2 . . . ) oder D '  2kx0 C   (Pha-
  sensprung  ). Setzen wir willkürlich ' D 0,
1 1 dann ist D    2kx0 und ysteh D 2 yO 
! D !2  !1 D 2  c0  :
n2 2 n1 1 cos !t C  2  kx0  cos kx C  2  kx0 .
840 11 Anhang

b) Bei losem Ende muss an der Stelle x0 in Kugelwellen ergibt die Wellenflächen der reflek-
Bauch entstehen. Aus der Randbedingung tierten Welle.
ysteh .x0 ; t/ D Max! für alle Zeiten folgt
kx0  '2 D 0 (weitere Lösungen  , 2 
. . . ) oder D '  2kx0 (kein Phasensprung).
Für ' D 0 lautet die Gleichung der ste-
henden Welle ysteh D 2yO  cos.!t  kx0 / 
cos.kx  kx0 /.
c) Druck p und Auslenkung y sind bei einer
Schallwelle immer um  =2 bzw. =4 phasen-
verschoben (s. Abbildung). Daraus folgt, dass
an der harten Wand ein Druckbauch und an Ü 6-2: Es entstehen vier Bilder.
der weichen Wand ein Druckknoten auftritt.
Mit anderen Worten: eine weiche Wand (z. B.
eine dünne Membran) kann weder Über- noch
Unterdrücken Stand halten. Daher muss der
Schallwechseldruck an der Wand zu jeder Zeit
null sein, was einem Knoten entspricht. Die
feste Wand dagegen ist in der Lage Über- und
Unterdrücke aufzunehmen, also entsteht hier
ein Druckbauch.

Ü 6-3: Zeichnet man parallel zum einfallenden


Strahl einen Strahl durch den Brennpunkt F0 , so
wird dieser nach der Reflexion im Punkt P par-
11.1.6 Optik allel zur optischen Achse zurückgeworfen. Da
der Ausgangsstrahl und der Strahl F0 P parallel
Ü 6-1: An den Schnittpunkten der Wellenflä- sind, scheinen sie aus dem Unendlichen zu kom-
chen der einlaufenden Welle mit der Spiegel- men. Ihr Bildpunkt muss also in der Brennebene
ebene werden Elementarwellen mit den Radien liegen. Das bedeutet, dass der reflektierte Strahl
, 2, 3 usw. gezeichnet. Die Einhüllende der durch den Punkt P0 gehen muss.
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 841

Für a D 15 f 0 folgt
1 02
f 1
a0 D 1 0
5
D f0 :
5
f f0 4

Das Bild liegt rechts vom Spiegel und ist vir-


tuell. Der gesuchte Abstand beträgt somit
9 0 9
l D ja  a0 j D jf j D  f 0 :
20 20
Ü 6-6: Strahlen vom unteren Rand des Mondes
Ü 6-4: Alle parallelen Strahlen müssen sich in fallen unter dem Winkel " D 15;50 relativ zur op-
der Brennebene schneiden. Da der rote Strahl tischen Achse auf den Spiegel. Sie schneiden sich
durch F0 nach der Reflexion zu einem achsenpar- im Punkt P0 , der sich in der Höhe
allelen Strahl wird, ist der gemeinsame Schnitt-
punkt bekannt.

Ü 6-5: Es liegen die Verhältnisse von Abb. 6.10


15;5ı
vor. Die Bildweite ist nach (6.2) bzw. (6.4) y 0 D jf 0 j tan " D 16;8 m  tan
60
af 0 D 0;07575 m
a0 D :
af0
befindet. Das Bild des Mondes hat damit den
Für a D 5f 0 ergibt sich Durchmesser

d 0 D 2y 0 D 15;15 cm :
5f 0 2 5
a0 D D f0 :
5f 0  f 0 4 Ü 6-7: Für die Bild- und Gegenstandsweite gilt

Der gesuchte Abstand beträgt somit a0 D z 0 C f 0 und a D z C f 0 :


ˇ
ˇ 0 5 0ˇ
ˇ Setzt man diese Beziehungen in die Abbildungs-
0 15 0
l D ja  a j D ˇ5f  f ˇˇ D
ˇ jf j gleichung (6.2) ein, so ergibt sich
4 4
15 1 1 1
D f0 : 0
C 0 0
D 0
4 zCf z Cf f
842 11 Anhang

oder mit gemeinsamem Hauptnenner Daher wird der Strahl total reflektiert und trifft
unter dem Winkel "3 D 90ı  "2 D "1 auf die
z0 C f 0 C z C f 0 1 rechte Grenzfläche, die er mit "4 D 60ı verlässt.
0 0 0
D 0 :
.z C f /.z C f / f Der Ablenkwinkel zwischen dem ein- und
f 0 .z 0 C 2f 0 C z/ D .z C f 0 /.z 0 C f 0 / dem ausfallenden Strahl ist ı D 120ı .

Nach Ausmultiplikation folgt

z 0 f 0 C 2f 0 2 C zf 0 D zz 0 C zf 0 C z 0 f 0 C f 0 2

und damit die Newton’sche Abbildungsgleichung


2
zz 0 D f 0 :

Ü 6-8: Für die erste Brechung gilt nach (6.11)

sin 60ı D n sin "1 :

Damit ist der Brechungswinkel

1
sin "1 D sin 60ı D 0;577 oder "1 D 35;26ı :
n
Der Strahl trifft auf die obere Grenzfläche unter
dem Winkel "2 D 90ı  "1 D 54;74ı . Dieser
Winkel ist aber größer als der Grenzwinkel der
Totalreflexion
Ü 6-9: Mit dem Brechungsgesetz (6.11), gilt
1
"g D arcsin D 41;8ı :
n sin " D n0 sin "0 :
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 843

Der Brechungswinkel ist Ü 6-11: Der Ablenkwinkel ist nach (6.16)


 
0 1 q
" D arcsin sin " : ıD "01  ˛ C arcsin sin ˛ n2  sin2 "01 
n0
!
Für die Länge l innerhalb der Platte gilt
 cos ˛ sin "01 :
d d d
lD Dp Dq :
cos " 0 2
1  sin " 0
1  n10 2 sin2 " Der minimale Ablenkwinkel beträgt nach (6.17)
 ˛
Der seitliche Versatz wird damit ımin D 2 arcsin n sin  ˛ D 25;6ı :
2
x D l sin."  "0 / Er tritt auf bei symmetrischem Durchgang. Dann
d ist
Dq  1
1  n10 2  sin2 " "01 D "02 D .ımin C ˛/ D 35;3ı :
2
  
1
 sin "  arcsin sin " :
n0

An der rechten Fläche tritt nach (6.18) Total-


reflexion auf, wenn der Einfallswinkel kleiner ist
als
  
1
"01; g D arcsin n sin ˛  arcsin D 5;33ı :
Beispiel: n
" D 45ı , d D 10 mm und n0 D 1;5 liefert
x D 3;29 mm. Ü 6-12: Der minimale Ablenkwinkel beträgt
Für " ! 90ı folgt x ! d , für " D 0 ist x D 0. nach (6.17)
 ˛
Ü 6-10: Nach Abb. 6.16b beträgt bei einem Win- ı min D 2 arcsin n sin ˛ :
2
kel von " D 30 im Plexiglas der Winkel " D
ı 0

48;5ı an Luft. Damit ist n sin 30ı D sin 48;5ı Daraus folgt für den Brechungsindex
oder n D 1;5.  
Der Grenzwinkel der Totalreflexion ist sin ˛Cı2min
nach (6.14) nD   D 1;61 :
sin ˛ 2
1
"g D arcsin D 41;9ı : Ü 6-13: Aufgrund der Abbe’schen Invariante
1;5
(6.21), gilt    
Wie Abb. 6.16c zeigt, wird der Strahl bei einem 1 1 1 1
n  D n0  0 :
Einfallswinkel von 50ı total reflektiert. r s r s
844 11 Anhang

Mit n0 D 1, n D 1;333 (Tab. 6.1) und r D 1 Zerstreuungslinse:


ergibt sich Die Konstruktion läuft sinngemäß wie oben
  beschrieben. Allerdings liegt jetzt F rechts von
1 1 s der Linse.
n  D 0 oder s 0 D D 1;13 m :
s s n
Ü 6-15:
a) Wenn die Brennweite an Luft f 0 ist, dann gilt
nach der Linsenmacherformel, (6.29)
1 1
D .nL  1/ oder r1 D .nL  1/f 0 :
f0 r1
Aus (6.25) folgt mit a D 1
nW nL  1
0
D :
a r1
Die Bildweite a0 ist identisch mit der Brenn-
weite im Wasser:
Ü 6-14: Sammellinse: nW
In F wird ein Lot errichtet. Der Punkt P in fW0 D r1 D nW f 0 D 13;33 cm :
nL  1
der Brennebene kann als Gegenstandspunkt auf-
gefasst werden. Sein Bildpunkt liegt im Unend-
lichen. Also muss ein Strahl, durch den Mittel-
punkt, der nicht gebrochen wird und der gesuchte
Strahl hinter der Linse, parallel verlaufen.

b) Nach (6.25) gilt


1 nW nL  1
 D :
a0 a r2
Der Radius r2 ist jetzt negativ:
r2 D .nL  1/f 0 .
Damit ergibt sich für die Bildweite

af 0
a0 D D 30 cm :
a C nW f 0
Der Abbildungsmaßstab beträgt nach (6.26)

y0 nW a 0
ˇ0 D D D 2 :
y a
Das Bild ist reell und Kopf stehend.
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 845

Daraus ergibt sich die gesuchte Brennweite zu

l2  t2
f0 D :
4l

Ü 6-17: Aus der Abbildungsgleichung (6.31)


folgt die Brechkraft der Linse:

1 1 1
D0 D D 0  D 2;5 dpt :
f0 a a

Ü 6-16: Es gilt die Abbildungsgleichung (6.31) Der Brechungsindex ergibt sich aus der Linsen-
macherformel (6.29):
1 1 1
 D 0
a0 a f 1 1
D0 D 0
D .nL  1/ oder
f r1
Sowie die geometrische Beziehung
nL D 1 C D 0 r1 D 1;50 :
a C a0 D l :
Ü 6-18:
a) Die Brennweite kann nach (6.36) berechnet
werden:
 
1 0 1
D D D .n L  1/  D 17;5 dpt
f0 r2

und daraus f 0 D 5;71 cm.


b) Die gegenstandseitige Hauptebene H befin-
det sich nach (6.39) im Abstand sH D
f 0 nLn1 d
L r2
D C1;18 cm von der Planfläche.
Aus diesen beiden Gleichungen ergibt sich ei-
ne quadratische Gleichung für die Gegenstands-
weite, bei der eine Abbildung möglich ist:

a2 C al C f 0 l D 0 :

Sie hat zwei Lösungen:


p
l ˙ l 2  4f 0 l
a1;2 D
s2
 2
l l
D ˙  f 0l :
2 2

Die beiden Linsenorte, für die eine scharfe Ab- Die bildseitige Brennebene H0 hat den Ab-
bildung auf der Mattscheibe möglich ist, liegen stand
symmetrisch zur Mitte des Aufbaus. Ihr Abstand nL  1 d
ist sH0 0 D f 0 D0
n L r1
s
 2
l p
Vom rechten Scheitel, d. h. sie verläuft durch
t D2  f 0 l D l 2  4f 0 l :
2 den Scheitel.
846 11 Anhang

c) Die Gegenstandsweite beträgt Ü 6-20: Bei einer Plankonvex- oder Plankon-


kavlinse ist r1 D 1. Die Brechkraft ist daher
a D sO  sH D 13;18 cm : nach (6.36)
 
Die Bildweite folgt aus (6.32): 1 0 1
D D D .n L  1/  ;
f0 r2
af 0
a0 D D 10;1 cm :
aCf0 hängt also nicht von der Dicke ab.

Der Abstand vom rechten Scheitel beträgt Ü 6-21: Die Brennweite folgt aus (6.37):

sO0 0 D a0 D 10;1 cm : nL r2
f0 D  D 28;9 cm :
nL  1 .nL  1/ d
d) Der Abbildungsmaßstab ist nach (6.28)
Für die Lage der Hauptebenen liefert (6.39):
y0 a0
ˇ0 D D D 0;77 :
y a nL  1 d r
sH0 0 D f 0 D D 7;14 cm
nL r 1  nL
Ü 6-19: Die Brennweite bestimmt sich aus
und
(6.36) mit den Krümmungsradien: r1 D Cr,
r2 D r: nL  1 d
sH D f 0 D sH0 0 D 7;14 cm :
nL r
 
1 0 1 1 .nL  1/2 2r
D D D .n L  1/ C  Ü 6-22:
f0 r r nL r2
2 nL  1 a) Die Brennweite der plankonvexen Linse kann
D  : aus der Linsenmacherformel, (6.29), berech-
r nL
net werden:
Die Brennweite wird damit
1 0 1
r nL 0 D D1 D .nL;1  1/ D 3;75 dpt und
f0 D  : f1 r1
2 nL  1
f10 D 26;7 cm:
Für die Lage der Hauptebenen gilt nach (6.39):
Nach (6.43) addieren sich die Brechkräfte,
nL  1 2r wenn die Linsen eng zusammen stehen:
sH0 0 D f 0 D r und
nL r
1 1 1
0 nL  1 2r D 0 D D10 C D20 oder D 0C 0 :
sH D f Dr: f0 f1 f2
nL r

Beide Hauptebenen liegen also in der Linsenmit- Daraus folgt D20 D 2;08 dpt oder f20 D
te. 48 cm.
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 847

Aus der Linsenmacherformel für die plan-


konkave Linse erhält man den gesuchten Ra-
dius:  
1 1
f20 D .n L;2  1/  r2
liefert
r2 D .nL;2  1/f2 D C25 cm.
0

b) Die Gesamtbrennweite eines Systems aus


zwei Linsen ist nach (6.41)
f10 f20
f0 D :
f10 C f 0  e

Der gesuchte Abstand beträgt somit

f10 f20
e D f10 C f20  D 21;3 cm :
f0
d) Die Gegenstandsweite beträgt
c) Der Brennpunkt F0 hat nach (6.40) den Ab-
stand sF0 0 von der Konkavlinse (Linse L2 ):
a D sO  sH D 51;7 cm :
1 1 1
D 0C 0 D 0;167 cm1 oder Nach (6.32) wird die Bildweite
sF0 0 f2 f1  e
sF0 0 D 6 cm: af 0
a0 D D 71;5 cm :
Ebenso gilt für den Brennpunkt F relativ zur aCf0
Linse L1 :
Das Bild hat von der Zerstreuungslinse den
1 1 1 Abstand
D 0  0 D 0;231 cm1
sF f1 f2  e
oder sF D 43;3 cm : sO0 0 D a0 C sH0 0 D 47;5 cm :

Die Lage der Hauptebene H0 relativ zur Linse Der Abbildungsmaßstab beträgt
L2 ergibt sich aus sF0 0 D sH0 0 C f 0 oder sH0 0 D
sF0 0  f 0 D 24 cm. y0 a0
ˇ0 D D D 1;38 :
In gleicher Weise ergibt sich für den Abstand y a
der Hauptebene H von der Linse L1 :
Das Bild ist reell, Kopf stehend und vergrö-
sH D sF  f D sF C f 0 D 13;3 cm : ßert.
848 11 Anhang

Ü 6-23: Um ein paralleles Strahlenbündel wie- matrizen:


der in ein paralleles Bündel abzubilden, muss das
M D L3 T 23 L2 T 12 L1
System afokal sein, d. h. die Brennweite muss ! !
f 0 D 1 sein. 1 0 1 9 cm
D
0;667 cm1 1 0 1
! !
1 0 1 3 cm
0;133 cm1 1 0 1
!
1 0
0;333 cm 1
1
!
3 15;6 cm
D
1;667 cm1 9

Aus (6.41) folgt damit Zur Kontrolle wird die Determinante berech-
net: det M D 1.
f10 C f20  e D 0 oder e D f10 C f20 : Die Brennweite des Systems ist nach (6) in
Tab. 6.2 f 0 D  C1 D 0;6 cm. Das System ist
Die Brennpunkte F01 und F2 liegen an derselben also zerstreuend.
Stelle. Aus dem Strahlensatz folgt Der objektseitige Brennpunkt F liegt nach (1)
in Tab. 6.2 am Ort s1;F D DC D 5;4 cm links von
r2 r1 0 0 r2 Linse L .
D oder f2 D f1 D 50 cm : 1
f20 f10 r1 Der bildseitige Brennpunkt F0 liegt nach (2) in
A
Tab. 6.2 s2;F0
0 D  C D 1;8 cm rechts von Linse
Der Abstand der Linsen ist e D 40 cm. L3 .
Die objektseitige Hauptebene
  H liegt nach (3)
Ü 6-24: Die Referenzebene RE1 liege in L1 , die D  n1 =n02
Ebene RE2 in L3 . Damit besteht die Systemma- in Tab. 6.2 s1;H D C
D 6 cm links
trix aus drei Linsenmatrizen und zwei Transfer- von L1 .
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 849

Die bildseitige Hauptebene H0 liegt nach (4) der Abstand der objektseitigen Hauptebene H von
1A
in Tab. 6.2 s2;H
0
0 D D C2;4 cm rechts von RE1 ist nach (3) in Tab. 6.2:
C s1; H D D1
C D 0, d. h. die Hauptebene verläuft
L3 .
durch den Scheitel, der Abstand der bildseitigen
Hauptebene H0 von RE2 nach (4) in Tab. 6.2:
Ü 6-25: Die Konvexfläche liegt links, die Plan-
fläche rechts. Die Referenzebene RE1 geht durch 1A
0
den Scheitel, RE2 liegt in der Planfläche. s2; H0 D D 2 cm :
C
Nach (6.47) gilt für die Linsenmatrix:
! ! ! Die Abbildung des Objekts kann mit der klas-
1 0 1 r1 1 0 sischen Abbildungsgleichung behandelt werden.
Ldick, Luft D 1nL 1
:
0 nL 0 1 nL r1 nL In diesem Fall ist die Gegenstandsweite a D
sO D 10 cm. Gleichung (6.32) liefert für die
Nach den Regeln der Matrizenmultiplikation er-
Bildweite
gibt sich
r1
!
0 af 0
1
nL nL
a D D 15 cm :
Ldick, Luft D 1n aCf0
L
r1
1
! Der Abstand vom rechten Scheitel ist damit
0;6667 2 cm
D :
0;1667 cm1 1 sO0 0 D a0 C s2; 0
H0 D 13 cm :
Zur Kontrolle wird die Determinante berechnet:
det Ldick; Luft D 1. Wird die Berechnung mit der Matrixmethode
Die Brennweite ist nach (6) in Tab. 6.2: durchgeführt, dann erweitert man zweckmäßiger-
weise das System so, dass die Referenzebene RE1
0 1 im Objekt liegt und die Referenzebene RE2 im
f D  D 6 cm ;
C Bild. Die Systemmatrix besteht jetzt aus zwei
der Abstand des objektseitigen Brennpunktes F Transfermatrizen und der bereits bekannten Lin-
von RE1 ist nach (1) in Tab. 6.2: senmatrix:
D !0 1
s1; F D D 6 cm ; 1 sO0 0 0;6667 2 cm
C MD @ A
0 1 0;1667 cm 1
1
der Abstand des bildseitigen Brennpunktes F0 von
!
RE2 ist nach (2) in Tab. 6.2: 1 sO
:
0 A 0 1
s2; F0 D  D 4 cm ;
C
850 11 Anhang

Nach den Regeln der Matrizenmultiplikation Ein Gegenstand der Gegenstandsweite a D


ergibt sich 50 cm wird nach (6.32) abgebildet am Ort

0;6667  0;1667 cm1 sO0 0 af 0


MD a0 D D 33;3 cm :
0;1667 cm1 aCf0
!
0;6667sO C 2 cm C 0;1667 cm1 sO sO0 0 C sO0 0 Der Abbildungsmaßstab beträgt nach (6.33)
:
0;1667 cm1 sO C 1
y0 a0
ˇ0 D D D 0;667 :
Nach Abb. 6.45 liegt eine Abbildung vor, wenn y a
das Matrixelement B D 0 ist:
Damit ist die Bildgröße y 0 D yˇ 0 D
0;6667sO C 2 cm 6;67 mm.
1 0 0 Zur Konstruktion des Bildes können Strahlen
C0;1667 cm sO sO0 C sO0 D 0 :
verwendet werden, die durch die Randpunkte
der Pupillen gehen.
Daraus folgt sO0 0 D 13 cm.
c) Der notwendig Radius r der Linse folgt aus
geometrischen Überlegungen (Strahlensatz)
Ü 6-26:
zu 22;5 mm. Der erforderliche Linsendurch-
a) Für den Abbildungsmaßstab gilt nach Strah-
messer ist damit 2r D 45 mm.
lensatz
Ü 6-27: Das Auge habe die Brennweite fA0 , die
ˇ 0 ˇ
ˇa ˇ
ˇ 0 D ˇˇ AP ˇˇ D 2 : Brennweite der Brille ist fB0 . Für beide Fälle gilt
aEP
die Abbildungsgleichung (6.31). Beim unbewaff-
Damit ist der Durchmesser der Austrittspupil- neten Auge gilt:
le doppelt so groß wie der Durchmesser der
Eintrittspupille: dAP0
D 24 mm. 1 1 1
0
 D 0 : (1)
a aN fA

Sitzt die Brille nahe beim Auge, können


nach (6.43) die Brechkräfte von Brille und Auge
addiert werden:

1 1 1
0
D 0 C 0 :
f fA fB

Damit wird die Abbildungsgleichung

1 1 1 1
b) Die Brennweite der Linse folgt aus der Abbil- 0
 D 0 C 0 : (2)
a aB fA fB
dungsgleichung (6.31):
Subtrahiert man (1) von (2), so ergibt sich
1 1 1
0
D 0  D 5 dpt oder
f aAP aEP 1 0 1 1
0 0 D DB D  C D 2 dpt :
f D 20 cm : fB aB aN
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 851

Ü 6-29:
a) Die Mikroskopvergrößerung beträgt nach
(6.57)
t aB
M0 D 0 0 D 400 :
fOb fOk
b) Nach der Newton’schen Abbildungsglei-
chung (6.34) gilt für die Abstände von Objekt
und Bild von den jeweiligen Brennpunkten

z  z 0 D f 0 2 :

Für unseren Fall wird daraus mit z 0 D t


(Abb. 6.54):
2
zOb  t D f 0 Ob ; oder
f 0 2Ob
zOb D  D 0;1 mm :
t
Ü 6-28: Wie in Ü 6-27 gilt für das unbewaffnete c) Normalerweise entsteht das Zwischenbild
Auge in der vorderen Brennebene des Okulars
1 1 1 (Abb. 6.54). Wird das Okular um zOk nach
 D 0 (1)
a 0 aF fA hinten verschoben, dann wird das Zwischen-
bild durch das Okular abgebildet. Die Gegen-
und für das Auge mit Zerstreuungslinse
standsweite beträgt
1 1 1 1 0
 D 0 C 0 : (2) aOk D fOk C zOk :
a0 1 fA fB
Nach (6.32) entsteht das stark vergrößerte
Durch Subtraktion der beiden Gleichungen folgt Bild im Abstand
0  0 
1 1 0 aOk fOk fOk 0
D DB0 D D 2 dpt : aOk D 0 D 1C fOk
fB0 aF aOk C fOk zOk
vom Okular.
Der Abbildungsmaßstab des Okulars ist
nach (6.33)
0 0
0 fOk fOk
ˇOk D 0 D  :
aOk C fOk zOk
Der gesamte Abbildungsmaßstab beträgt
0
t fOk
ˇ 0 D ˇOb
0 0
 ˇOk D 0 :
fOb zOk

Für den Fall zOk D 1 mm ergibt sich aOk


0
D
650 mm und ˇ D 1000.
0
852 11 Anhang

b) Wenn das Auge auf Unendlich akkomodiert


ist, müssen parallele Strahlen die Okularlinse
verlassen. Das bedeutet, dass das Zwischen-
bild ZB in der Brennebene F2 entstehen muss.
Es besitzt vom Objektiv die Bildweite

a0 D fOb
0
C l :

Mithilfe der Abbildungsgleichung (6.31)


folgt für die Gegenstandsweite

1 1 1
 D 0 oder
a0 a fOb
Ü 6-30: Das Mikroskop von Ü 6-29 hat ein Ob-
1 1 1
jektiv der Brennweite fOb
0
D 4 mm und ein D 0  0 :
a fOb C l fOb
Okular der Brennweite fOk D 25 mm. Der Lin-
0

senabstand ist Dies ergibt a D 6499 mm  6;5 m.


0 0
eD fOb Ct C fOk D 189 mm :

Die Gesamtbrennweite des Systems beträgt


nach (6.41)
0 0
fOb fOk f0 f0
f0 D 0 0 D Ob Ok D 0;625 mm :
fOb C fOk  e t
Nach (6.54) wird damit die Lupenvergrößerung
aB
L0 D  D 400 :
f0 Ü 6-32: Wenn die Feld- oder Kollektivlinse an
Die Vergrößerung ist negativ, weil im Gegensatz der Stelle des Zwischenbildes angebracht ist, be-
zur Lupe das Bild beim Mikroskop Kopf steht. findet sie sich in der vorderen Brennebene des
Okulars. Das System aus Feldlinse und Okular-
Ü 6-31: Der Feldstecher hat eine Vergrößerung linse besitzt also den Linsenabstand
von jF0 j D 8 und den Objektivdurchmesser
0
DOb D 30 mm. e D fOk :

a) Nach Abb. 6.56 gilt Nach (6.41) beträgt die Systembrennweite von
0 0
zwei Linsen
l D fOb C fOk I
0 0 0 0
fFeld fOk fFeld fOk
ferner ist die Vergrößerung f0 D 0 0 D 0
0
D fOk
fFeld C fOk e fFeld
0
fOb
F0 D  0 :
und zwar unabhängig von der Brennweite der
fOk
Feldlinse.
Aus diesen beiden Gleichung können die
Brennweiten berechnet werden: Ü 6-33:
a) Die Fernrohrvergrößerung beträgt nach (6.58)
0 F0
fOb D 0 l D 177;8 mm und 0
F  1 0 fOb
0 0
 F D  0 D 60 :
fOk D l  fOb D 22;2 mm : fOk
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 853

b) Der Durchmesser der Austrittspupille ist Ebenso folgt für die hintere Grenzentfernung
nach (6.59)
af 0 2
DEP ah D D 3;64 m :
DAP D D 5;33 mm : f 0 2 C u0 k.a C f 0 /
jF0 j
Die Schärfentiefe ist damit
c) Die Dämmerungszahl ist in (6.60) definiert:
q a D av  ah D 1;09 m :
ZD jF0 jDEP D 139 :
Ü 6-35: Die hintere Grenzentfernung wird
d) Wenn Augenpupille und Austrittspupille den- nach (6.63) unendlich, falls f 0 2 C u0 k.a C f 0 / D
selben Durchmesser haben, steigt die Hellig- 0 ist.
keit mit Instrument nach (6.61) mit dem Qua- Daraus folgt für die einzustellende Gegen-
drat der Fernrohrvergrößerung. Der Licht- standsweite
strom ˚, der ins Auge fällt, ist im Vergleich
f 02
zum Lichtstrom ˚0 bei unbewaffnetem Auge aD  f 0 D 5;89 m :
u0 k
2
˚ D  0 F ˚0 D 3600  ˚0 : Die vordere Grenzentfernung wird dann

e) Wenn die Augenpupille einen Durchmesser af 0 2 f 02


av D Da
von DAuge D 8 mm aufweist, könnte das f 0 2  u0 k.a C f 0 / f 02 C f 02
Auge einen Lichtstrom empfangen, der pro- a
portional zur Fläche der Augenpupille ist: D D 2;95 m :
2
  2 Ü 6-36:
˚0  AAuge D D :
4 Auge
"1 in ° 0 30 45 60 80 90
Da aber wegen der kleineren Austrittspupille ˚e in nW 62;0 53;3 43;8 31;7 10;8 0
des Fernrohrs nur die Fläche Ie in mW=sr 15;5 13;3 10;9 7;9 2;7 0
Ie .0/ in mW=sr 15;5 15;4 15;4 15;9 15;5 –
  2
AAP D D Le in kW=.m2  sr/ 15;5 15;4 15;4 15;9 15;5 –
4 AP

beleuchtet wird, beträgt der Lichtstrom mit a) Die Strahlstärke ist nach (6.69) gegeben durch
Instrument nur noch
˚e
 2 Ie D ;
A AP D AP ˝
˚ D  0 2F ˚0 D  0 2F ˚0
AAuge DAuge
wobei der Raumwinkel anhand (6.67) berech-
D 1600  ˚0 : net wird:

Ü 6-34: Die vordere Grenzentfernung einer A2


˝D ˝0 :
„scharfen“ Abbildung ist nach (6.63) r2
Damit gilt
af 0 2 ˚e ."1 /r 2
av D : Ie ."1 / D :
f 02  u0 k.a Cf 0/
A2 ˝0

Mit f 0 D 45 mm, u0 D 0;0433 mm, a D 3 m Die Ergebnisse sind in obiger Tabelle einge-
und Blende k D 2;8 ergibt sich av D 2;55 m. tragen.
854 11 Anhang

b) Wenn die LED ein Lambert-Strahler ist, dann Diese Leistung ist maximal für "1 D "2 D 0:
muss nach (6.71) gelten:
A1 A2
˚e; max D Le ˝0 :
Ie ."1 / D Ie .0/  cos "1 : r2

Damit ist nach (6.77) die maximale Bestrah-


lungsstärke

˚e; max A1 mW
Ee; max D D Le 2 ˝0 D 62 2 :
A2 r m

Ü 6-37:
a) Die Strahlstärke wäre nach (6.81) als Integral
zu berechnen:
Z2
Le D Le;  ./ d :
1

Näherungsweise soll gelten:


Um dies zu überprüfen, wird
N   :
Le  Le;  ./
Ie ."1 /
Ie .0/ D
cos "1
Nach (6.82) ist die spektrale Strahldichte des
berechnet und in obige Tabelle eingetragen. Hohlraumstrahlers
Es zeigt sich, dass Ie .0/ hinreichend konstant
c1 1 1
ist. Die LED hat demnach Lambert’sche Cha- Le;  D
 e
5 c2 =T  1 ˝0
rakteristik. Das Polardiagramm Ie ."1 / zeigt
W
die Abstrahlcharakterisitk. D 5;22  109 3
c) Die Strahldichte beträgt nach (6.70) m  sr
W
D 5;22 2 :
Ie ."1 / m  nm  sr
Le D :
A1 cos "1 Damit ergibt sich die Strahldichte
Sie ist in der fünften Zeile der obi- W
gen Tabelle eingetragen. Der Mittelwert ist Le  209 2 :
m  sr
15,5 kW=.m2  sr/.
d) Die spezifische Ausstrahlung eines Lambert- b) Die Strahldichte der LED ist nach (6.70)
Strahlers, der in den Halbraum emittiert, ist
nach (6.76) Ie W
Le D D 1000 2 :
A1 m  sr
Me D Le  ˝0 D 48;7 kW=m2 :
Sie ist also deutlich höher, als die des Hohl-
e) Auf den Empfänger fällt nach dem fotome- raumstrahlers.
trischen Grundgesetz, (6.72), die Strahlungs-
leistung Ü 6-38:
a) Die parallelen Randstrahlen von der Sonne
A1 cos "1 A2 cos "2 durchsetzen die Linse unter dem Winkel " D
˚e D Le 2
˝0 : 320 D 9;31  103 rad.
r
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 855

Das Bild in der Brennebene hat damit den Daraus folgt die gesuchte Lichtstärke mit "2 D 0
Durchmesser zu
1 lm
Iv D Ev r 2 D 1125 D 1125 cd :
0
d2 D f " D 0;931 m : ˝ 0 sr
Ü 6-40:
a) Der Lichtstrom, der auf den Empfänger fällt,
ist nach (6.85)

˚v D Km V ./˚e D 6;2  106 lm :

Der Hellempfindlichkeitsgrad V ./ ist in


DIN 5031 in Nanometerschritten tabelliert.
b) Die Beleuchtungsstärke ist in Analogie
zu (6.77)
b) Wenn die Bestrahlungsstärke am Ort der Lin-
se Ee;1 beträgt, dann durchdringt die Linse die ˚v
Ev D D 0;31 lx :
Strahlungsleistung A2

 d12 c) Der Raumwinkel ist nach (6.68)


˚e D Ee;1 ALinse D Ee;1 :
4 A2
˝D ˝0 D 20  106 sr :
r2
Vernachlässigt man die Verluste in der Linse,
dann fällt diese Strahlungsleistung auch auf
das Bild der Sonne. Damit wird die Bestrah-
lungsstärke nach (6.77)
 2
˚e ˚e 4 d1
Ee;2 D D D Ee;1
ABild  d22 d2
d) Da die LED eine Lambert’sche Abstrahlcha-
MW
D 1;38 2 : rakteristik besitzt, gilt nach (6.71)
m
Iv ."1 / D Iv .0/ cos "1 :
Die Vernachlässigung der Linsenabsorption
ist natürlich in Wahrheit nicht gegeben. Tat- Die Lichtstärke Iv ."1 / beträgt mit (6.69)
sächlich zeigt das Glas starke Absorption im
˚v
UV und IR, so dass die wirkliche Bestrah- Iv ."1 / D D 0;31 cd D 310 mcd :
lungsstärke wesentlich niedriger ist. Um die ˝
wirkliche Bestrahlungsstärke zu berechnen, Damit wird die Lichtstärke in Vorwärtsrich-
muss der Absorptionsgrad des Linsenmate- tung
rials in Abhängigkeit von der Wellenlänge
Iv ."1 /
bekannt sein. Iv .0/ D D 358 mcd :
cos "1
Ü 6-39: Nach dem fotometrischen Entfernungs- e) Die Leuchtdichte beträgt nach (6.70)
gesetz (6.78) gilt für den Zusammenhang von
Lichtstärke und Beleuchtungsstärke Iv ."1 / cd
Lv D D 716  103 2
A1 cos "1 m
Iv klm
Ev D 2 cos "2 ˝0 : D 716 2
r m  sr
856 11 Anhang

Ü 6-41: Die Spektralfarbe der Wellenlänge  D Die Normfarbwertanteile ergeben sich zu x D


490 nm besitzt nach DIN 5033 die Normspektral- 0;7191 und y D 0;2809.
werte xN D 0;0320, yN D 0;2080 und zN D 0;4652. Soll der Farbort genauer bestimmt werden,
Damit sind gemäß (6.90) die Normfarbwerte müssen die Integrale
X D 0;0320k, Y D 0;2080k und Z D 0;4652k, Z Z
mit X C Y C Z D 0;7052k. X D ' x./N d ; Y D ' y./
N d und
Nach (6.91) ergeben sich die Normfarb- Z
wertanteile x D 0;0454, y D 0;2950 und z D Z D ' zN ./ d
0;6596.
Zur Kontrolle: x C y C z D 1;0000. bestimmt werden, die in der Praxis durch Sum-
Für die Spektralfarbe der Wellenlänge  D men berechnet werden:
600 nm ergibt sich in gleicher Weise mit X X
XD 'i xN i ; Y D 'i yNi und
xN D 1;0622; yN D 0;6310 und zN D 0;0008 W X
ZD 'i zN i :
x D 0;6270; y D 0;3725 und z D 0;0005 :
Wieder gilt x C y C z D 1;0000 : Die nachfolgende Tabelle ist ein Ausschnitt einer
Excel-Tabelle mit der die Berechnung vorgenom-
Die Farborte aller Mischfarben die- men wird.
ser beiden Spektralfarben liegen in der Für die Farbwertanteile ergibt sich in guter
Normfarbtafel auf einer Geraden durch Übereinstimmung mit der obigen Näherungs-
die Punkte Ptürkis .0;0454=0;2950/ und rechnung:
Porange .0;6270=0;3725/.
Sie müssen einer Geradengleichung der Form x D 0;7011 und y D 0;2988:
y D ax Cb genügen. Durch Einsetzen der beiden Ü 6-43: Aus der fundamentalen Wellenglei-
Punkte ergeben sich die Gleichungen chung
c
0;2950 D 0;0454a C b c D f oder  D
f
0;3725 D 0;6270a C b :
folgt durch Ableiten
Daraus folgt a D 0;1333 und b D 0;2890. d c c
Also lauten alle erzeugbaren Farborte: y D D  2 oder d D  2 df :
df f f
0;1333x C 0;2890 mit 0;0454  x  0;6270.
Setzt man x D 1=3 ein, so ergibt sich y D Geht man zu den etwas größeren Intervallen über,
1=3. so gilt
c 
Das sind aber die Koordinaten des Unbunt-  D 2 f D f :
punktes E. f f
Dies ist (6.96). Ersetzt man f durch c=, so er-
Ü 6-42: Wird in erster Näherung die Lichtquelle gibt sich der unvorstellbar kleine Wert von
als monochromatisch angesehen, dann gilt für die
Farbreizfunktion '.0 / D k und '. ¤ 0 / D 0. 2
 D f D 1;2  1021 m :
Mithilfe der Zahlenwerte der Normspektral- c
werte x.640
N nm/ D 0;4479, y.640N nm/ D Die Kohärenzlänge ist mit (6.94) und (6.95)
0;1750 und zN .640 nm/ D 0 aus der DIN 5033
ergibt sich für die Normfarbwerte X D 0;4479, c
lD D 3  108 m :
Y D 0;1750 und Z D 0. f
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 857

=nm xN yN zN ' ' xN ' yN ' zN


570 0,7621 0,952 0,0021 0,0002 0,0002 0,0002 0,0000
575 0,8425 0,9154 0,0018 0,0007 0,0006 0,0006 0,0000
580 0,9163 0,87 0,0017 0,0020 0,0018 0,0017 0,0000
585 0,9786 0,8163 0,0014 0,0053 0,0052 0,0044 0,0000
590 1,0263 0,757 0,0011 0,0132 0,0136 0,0100 0,0000
595 1,0567 0,6949 0,001 0,0301 0,0318 0,0209 0,0000
600 1,0622 0,631 0,0008 0,0628 0,0667 0,0396 0,0001
605 1,0456 0,5668 0,0006 0,1201 0,1256 0,0681 0,0001
610 1,0026 0,503 0,0003 0,2107 0,2113 0,1060 0,0001
615 0,9384 0,4412 0,0002 0,3391 0,3183 0,1496 0,0001
620 0,8544 0,381 0,0002 0,5006 0,4277 0,1907 0,0001
625 0,7514 0,321 0,0001 0,6775 0,5091 0,2175 0,0001
630 0,6424 0,265 0 0,8411 0,5403 0,2229 0,0000
635 0,5419 0,217 0 0,9577 0,5190 0,2078 0,0000
640 0,4479 0,175 0 1,0000 0,4479 0,1750 0,0000
645 0,3608 0,1382 0 0,9577 0,3455 0,1323 0,0000
650 0,2835 0,107 0 0,8411 0,2385 0,0900 0,0000
655 0,2187 0,0816 0 0,6775 0,1482 0,0553 0,0000
660 0,1649 0,061 0 0,5006 0,0825 0,0305 0,0000
665 0,1212 0,0446 0 0,3391 0,0411 0,0151 0,0000
670 0,0874 0,032 0 0,2107 0,0184 0,0067 0,0000
675 0,0636 0,0232 0 0,1201 0,0076 0,0028 0,0000
680 0,0468 0,017 0 0,0628 0,0029 0,0011 0,0000
685 0,0329 0,0119 0 0,0301 0,0010 0,0004 0,0000
690 0,0227 0,0082 0 0,0132 0,0003 0,0001 0,0000
X D 4;1052, Y D 1;7495, Z D 0;0005

Ü 6-44: Die Orte konstruktiver Interferenz lie- Nach (6.106) sind die Radien der dunklen Ringe
gen in großem Abstand auf den Asymptoten, p
deren Winkel durch (6.99) gegeben sind. So ist rm D mR :
der Winkel des ersten Maximums
Damit wird die Wellenlänge des Lichts

sin ˛1 D :
d r2
 D m D 640 nm :
Der Abstand von der Symmetrieachse, auf der mR
das Maximum nullter Ordnung auftritt, ist
Ü 6-46: Der geometrische Wegunterschied der
D beiden reflektierten Strahlen ist 2d . Der optische
x D D tan ˛1  D sin ˛1 D  D 1;96 mm :
d Gangunterschied beträgt damit 2d nF . Wenn kei-
ne Reflexion erfolgen soll, dann müssen sich die
Ü 6-45: Aus der Brennweite lässt sich mithil- beiden reflektierten Wellen auslöschen (destruk-
fe der Linsenmachergleichung (6.29) der Krüm- tive Interferenz), also einen Gangunterschied von
mungsradius der Linse berechnen: einer halben Wellenlänge oder ungeradzahligen
1 1 Vielfachen davon aufweisen:
D .n  1/ liefert
f0 R 1
R D .n  1/f 0 D 2;5 m : 2d nF D .2m C 1/ : (1)
2
858 11 Anhang

Soll starke Reflexion auftreten, dann müssen die Für d D 119 nm und m D 0 folgt  D
reflektierten Wellen konstruktiv interferieren, al- 536 nm.
so einen Gangunterschied von ganzzahligen Viel-
fachen der Wellenlänge haben: Ü 6-48: Der dritte dunkle Ring erscheint unter
dem Winkel ˛3 relativ zur Symmetrieachse, der
2d nF D m2 : (2) gegeben ist durch

Aus den beiden Gleichungen folgt für die Ord- 


sin ˛3 D 3;238 :
nungszahl der Interferenz m D 3 und für die d
Dicke der Schicht d3
Mit tan ˛3 D 2s
folgt
2
d Dm D 800 nm :
2nF 3;238 3;238 3;238  2s
dD  D
sin ˛3 tan ˛3 d3
Ü 6-47:
a) Nach (6.103) ist die erforderliche Mindestdi- D 198 m :
cke

dD D 119 nm :
4n1
Weitere mögliche Schichtdicken sind
.2m C 1/
dm D D 357 nm; 595 nm; : : :
4n1
b) Der Gangunterschied zwischen den bei-
den reflektierten Strahlen ist (s. Herleitung
von (6.100)
q Ü 6-49: Die Intensitätsverhältnisse werden
D 2d n21  sin2 " : durch (6.107) beschrieben:
 
I˛ sin x 2 b
D mit x D   sin ˛ :
I0 x 
Nebenmaxima treten nach (6.109) auf für
sin ˛m  .m C 21 / b , d. h. für xm   .m C 12 /.
Sucht man mithilfe eines Rechnerprogramms
in der Gegend dieser Stellen die Maxima obiger
Funktion, so erhält man folgende numerische Er-
gebnisse:
I1 I2
D 0;0472 ; D 0;0165 und
I0 I0
Die Reflexion wird minimal, wenn gilt:
I3
D 0;00834 :
 I0
D .2m C 1/ :
2
Ü 6-50: Mathematisch ist die Halbwertsbreite
Daraus folgt für die gesuchte Wellenlänge gegeben durch den Schnittpunkt der Funktion
q
4d n21  sin2 "
 
I˛ sin x 2 I˛ 1
D : D mit D ;
2m C 1 I0 x I0 2
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 859

oder vereinfacht Auflösungsvermögens beträgt nach (6.112)


x
sin x D p : 
2 ı D 1;22 D 2;24  105 rad
d
Diese Gleichung hat die numerische Lösung x D
für eine Wellenlänge von  D 550 nm. An
1;391557.
der Burgwand sollten damit Details im Ab-
Damit ist der gesuchte Winkel gegeben durch
stand y D ıs  34 cm aufgelöst werden.
 Die Fenster können also ohne weiteres gese-
sin ˛1=2 D 0;4429 : hen werden.
b
b) Beim Auge mit d D 1;5 mm ist die Auflö-
Ü 6-51: Der Grenzwinkel für das beugungsbe- sungsgrenze
grenzte Auflösungsvermögen ist nach (6.112)

y D 1;22 s D 6;7 m :
 d
ı D 1;22 :
d
Die Fenster werden also nicht aufgelöst.
Da im Auge die Wellenlänge des Lichts verkürzt
ist um den Betrag des Brechungsindex, gilt für Ü 6-54: Die Lage der Hauptmaxima ist gegeben
den Grenzwinkel innerhalb des Auges durch (6.115):
 
ıi D 1;22 : sin ˛m; max D ˙m :
nd g
Dies entspricht aber nach dem Snellius’-
Da die Interferenzfunktion des Gitters durch die
schen Brechungsgesetz (mit sin ı  ı) einem
Spaltbeugungsfunktion moduliert wird, kommt
Grenzwinkel außerhalb des Auges von wiederum
es an all jenen Stellen zur Auslöschung, an de-
 nen die Spaltfunktion null wird. Diese Minima
ı D 1;22  3;4  104 rad  1;20 : der Spaltbeugungsfunktion sind nach (6.108) ge-
d
geben durch
Dieser Grenzwinkel stimmt etwa überein mit dem
physiologischen Grenzwinkel von ungefähr einer 
sin ˛k; min D ˙ k :
Winkelminute (Abschn. 6.2.8.1). b

Ü 6-52: Nach den Ausführungen von Ü 6-51 be- Ist also sin ˛m; max D sin ˛k; min oder
trägt der Grenzwinkel für  D 550 nm
 
m Dk ;
 g b
ı D 1;22 D 1;7  104 rad :
d
dann ist kein Beugungsreflex zu beobachten. Nun
Der Abstand Erde-Mond ist ungefähr rE;M  soll gelten: g D 2b, d. h.
3;8  108 m. Damit ergibt sich auf dem Mond eine
Längendifferenz von  
m Dk oder m D 2k :
2b b
y D ırE;M  64 km :
Da k D 1; 2; 3; : : :, folgt, dass für m D
Ü 6-53: 2; 4; 6; : : : Auslöschung erfolgt. Also sind nur
a) Ein Fernrohr 8  30 hat einen Objektivdurch- die Hauptmaxima mit den Ordnungszahlen m D
messer von 30 mm. Der Grenzwinkel des 0; 1; 3; 5; : : : beobachtbar.
860 11 Anhang

Ü 6-55: Die Winkel der Maxima sind nach Nach (6.119) ist das Auflösungsvermögen ei-
(6.115) gegeben durch nes Gitters in der ersten Ordnung

 
sin ˛m D ˙m D ˙m  0;66 : Dp:
g d
Die notwendige Strichzahl des Gitters ist da-
Da der Sinus eines Winkels nie größer sein kann
mit p  987.
als 1, kann man lediglich die Beugungsordnun-
Bei 50 Strichen pro mm ist die erforderliche
gen
Breite des Gitters s  20 mm.
b) In der dritten Ordnung wird das Auflösungs-
mD0˙1
vermögen drei mal größer:
beobachten. 
D 3p  3000 :
d
Ü 6-56:
a) Die Beugungsmaxima 1. Ordnung treten Ü 6-59: Das erforderliche Auflösungsvermögen
nach (6.115) auf unter den Winkeln des Gitters ist nach Ü 6-58

 
˛1 D ˙ arcsin D ˙36;1ı : D 987 :
g d
Aus (6.121) folgt die Basisbreite des Prismas:
b) Bei einem verdrehten Gitter gilt nach (6.116):
=d
 B D 11;6 mm :
sin ˛C1 D C sin ˇ oder ˛C1 D 49;7 ı : jdn=dj
g
Ü 6-60:
Für m D 1 folgt a) Die Laue-Gleichungen (6.123) bestimmen die
Winkel, unter denen Interferenzmaxima auf-
 treten. Für einen Röntgenstrahl in z-Richtung
sin ˛1 D  C sin ˇ oder ˛1 D 24;5ı :
g ist ˛0 D ˇ0 D 90ı und 0 D 0.
Mit a D b D c und h D k D 1 sowie l D 1
Ü 6-57: werden die Laue-Gleichungen
a) Nach (6.116) beträgt der Beugungswinkel
  a cos ˛ D  (1)
 a cos ˇ D  (2)
˛1 D arcsin  C sin ˇ D 28;8ı :
g
a.cos  1/ D  : (3)
Für m D C1 gibt es keine Lösung.
Für die Richtungskosinusse muss gelten:
b) Der Blaze-Winkel muss nach (6.118) folgen-
dermaßen gewählt werden: cos2 ˛ C cos2 ˇ C cos2 D 1 : (4)
1 Setzt man (1) bis (3) in (4) ein, so folgt
ıD .ˇ  ˛/ D 10;6ı :
2
 2  2  
   2
Ü 6-58: C C 1 D1:
a a a
a) Das erforderliche Auflösungsvermögen des
Gitters ist Die Lösung dieser Gleichung ist
 589  2 2
D D 987 : D oder  D a D 0;2 nm :
d 589;5930  588;9963 a 3 3
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 861

Die größte mögliche Ordnungszahl ist damit


m D 3.
Die zugehörigen Winkel betragen 3 D
55;59ı und 23 D 111;18ı .

Ü 6-63: Die Kreise entstehen durch den Schnitt


der Kugelwellen mit den ebenen Wellen. Liegt
auf der Symmetrieachse in der Filmebene kon-
struktive Interferenz vor, dann ist der Radius des
ersten Rings nach Pythagoras
p
r1 D .s C 1  /2  s 2 :

Für den k-ten Ring gilt


b) Die Winkel ˛, ˇ und folgen aus (1) bis (3):
˛ D 48;2ı , ˇ D 48;2ı und D 70;5ı . p p
rk D .s C k/2  s 2 D 2ks C k 2 2 :
Ü 6-61: Röntgenreflexe werden beobachtet,
wenn die Bragg-Bedingung, (6.124) erfüllt ist: Da s  , gilt in guter Näherung
p p
2d sin  D m : rk  2ks D 0;796 mm  k :

Damit gilt   Die ersten vier Radien sind r0 D 0; r1 D


 0;796 mm, r2 D 1;13 mm, r3 D 1;38 mm, r4 D
 D arcsin m :
2d 1;59 mm, usw.

Die ersten drei Glanzwinkel betragen:

1 D 7;28ı ; 2 D 14;69ı und 3 D 22;36ı :

Ü 6-62:
a) Nach Abb. 6.106 ist der Winkel zwischen dem
Primärstrahl und dem gebeugten Strahl dop-
pelt so groß wie der Glanzwinkel , der die
Bragg-Bedingung (6.124) erfüllt:
 

2 D 2 arcsin m :
2d

Die ersten beiden Winkel betragen: 21 D


31;92ı und 22 D 66;73ı . Ü 6-64: Die Gangunterschiede benachbarter
b) Das Argument der arcsin-Funktion muss stets Wellen müssen eine Wellenlänge sein. Nach Py-
kleiner oder gleich 1 sein: thagoras gilt für die k-te Welle:

 2
rk2 C f 0 D .f 0 C k0 /2 :
m 1:
2d
Daraus folgt für die Ordnungszahl: Daraus folgt für die Brennweite der Zonenlinse

2d rk2  k 2 0 2 rk2
m D 3;6 : f0 D  :
 2k0 2k0
862 11 Anhang

Nun gilt nach Ü 6-63 und hinter dem dritten Polarisator


 2
rk2 D 2ks 1 3 9
I3 D I2 cos2 30ı D  I0 D I0
2 4 32
und damit D 0;281 I0 :
 Ü 6-67: Nach Tab. 6.13 ist der Gangunterschied
f0 Ds D 48;9 cm :
0 der beiden Teilstrahlen beim Kerr-Effekt

D lKE 2

mit der Kerr-Konstanten K D 2;48  1012 m=V2 .


Wenn der Gangunterschied eine halbe Wellen-
länge sein soll, gilt

1 V
EDp D 2;25  106 :
2lK m

Ü 6-68: Nach Tab. 6.13 gilt für den Gangun-


terschied der beiden Teilstrahlen beim Pockels-
Effekt

D ln30 r63 E :
Ü 6-65: Nach dem Gesetz von Malus (6.125),
ist die Intensität hinter einem Polarisator I D Die Feldstärke ist bei longitudinal anliegender
I0 cos2 ', wenn ' der Winkel zwischen der Spannung E D Ul . Damit wird der Gangunter-
Schwingungsrichtung des Lichts und der Durch- schied
lassrichtung des Polarisators ist. Nun besitzt na- D n30 r63 U ;
türliches Licht keine Vorzugsrichtung sondern
besteht aus Wellenzügen mit statistisch regellos unabhängig von der Länge.
wechselnden Schwingungsrichtungen. Man muss Die Halbwellenspannung ist
daher über alle möglichen Winkel ' mitteln:

U=2 D D 3;64 kV :
Z2  2n30 r63
1 1
I D I0 cos2 ' D I0 cos2 ' d' D I0 :
2  2 Ü 6-69: Setzt man die Messwerte des Drehver-
0
mögens in °/mm und die Wellenlängen in nm in
Ü 6-66: Hinter dem ersten Polarisator beträgt die die Gleichung
Intensität nach den Ausführungen von Ü 6-65
A B
Œ˛ D 2 C 4
1  
I1 D I0 :
2 ein, dann ergeben sich die beiden Gleichungen
Nach dem Gesetz von Malus, (6.125), ist die In- A B
tensität hinter dem zweiten Polarisator 17;314 D 2
C (1)
656;3 656;34
1 3 A B
I2 D I1 cos2 30ı D  I0 32;766 D 2
C : (2)
2 4 486;1 486;14
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 863

Nach den Regeln der linearen Algebra folgen dar- Damit ist die Wellenlänge der gestreuten Rönt-
aus die beiden Konstanten genstrahlung
ı
0 D  C  D 75;79  1012 m :
A D 7;1116  106  .nm/2 ;
mm
ı Die Energie der ankommenden Quanten beträgt
11
B D 1;4904  10  .nm/4 :
mm hc
Eph D ;

Für die Wellenlänge  D 589;3 nm wird das
Drehvermögen Œ˛ D 21;714 ı =mm. die der gestreuten Quanten

0 hc
Ü 6-70: Eph D 0 :

a) Die Energie der auftreffenden Photonen ist
nach (6.130) bis (6.132) Damit wird der Energieverlust
 
0 1 1
1;24 m  eV E D Eph  Eph D hc  0
Eph D hf D D 4;89 eV :  

D 1;79  1016 J D 1;119 keV :
Von dieser Energie wird die Austrittsarbeit
WA D 2;14 eV benötigt, um die Elektronen Der relative Energieverlust ist
auszulösen. Der verbleibende Rest steht als E 
kinetische Energie zur Verfügung: D 1  0 D 6;4 % :
Eph 

Ekin D Eph  WA D 2;75 eV : Ü 6-73: Die Photonenenergie beträgt nach


(6.36) bzw. (6.37)
b) Die Geschwindigkeit der Elektronen folgt aus 1;24 m  eV
Eph D :
1 
Ekin D mv 2 zu Für die Wellenlängen des sichtbaren Lichts
r2
2Ekin m 380 nm    780 nm (Abschn. 6.1) ergeben
vD D 9;83  105 : sich die Energien 3;26 eV  Eph  1;59 eV.
m s

Ü 6-71: Die Leistung ist das Produkt aus der Ü 6-74: Wie bei Ü 6-71 erläutert, ist die Leis-
Energie eines Photons und der Zahl der Photo- tung eines monochromatischen Lichtstrahls
nen, die je Zeiteinheit ausgesandt werden: hc
˚e D Eph NP D N :

P
˚e D Eph N :
Daraus folgt für den Photonenstrom
Daraus ergibt sich ˚e 
NP D  5 s1 :
hc
˚e ˚e 
NP D D D 3;26  1017 s1 : Ü 6-75: Nach (6.141) ist der Taillendurchmesser
Eph hc
bei einem Gauß’schen Strahl
Ü 6-72: Beim Compton-Effekt ist nach 4f 0
dD D 6;045  105 m :
(6.134) die maximale Änderung der Röntgen-  D
Wellenlänge für # D 180ı Die mittlere Bestrahlungsstärke ist nach (6.77)
h ˚e 4˚e W W
 D 0   D 2 D 2C D 4;85  1012 m : Ee D D D 2;09  105 2 D 20;9 :
m0 c A  d 2 m cm2
864 11 Anhang

Ü 6-76: Die Wellenlänge der Materiewelle ist Für die drei Raumrichtungen ergeben sich fol-
nach (6.142) gende Resonanzfrequenzen:

h h m fL; m =Hz fB; m =Hz fH; m =Hz


D D D 1;66  1035 m :
p mv 1 17 21,25 28,3
2 34 42,5 56,7
Die Größe aller vorkommenden Gegenstände, 3 51 63,75 85
Spalte, Aperturblenden etc. ist viel größer als 4 68 85 113,3
diese Wellenlänge. Starke Beugungseffekte be- 5 85 106,3 141,7
obachtet man aber, wenn Wellenlänge und Di-
mensionen der beugenden Objekte in derselben Nun gibt es aber auch Resonanzen von ste-
Größenordnung liegen. henden Wellen, die sich schräg zu den Haupt-
achsen des Quaders ausbreiten, wenn folgen-
Ü 6-77: Nach (6.142) ist die Materie-Wellenlän- de Bedingung erfüllt ist:
ge r
h c  mL 2  mB 2  mH 2
D : fres D C C
p 2 L B H
mit mL , mB , mH D 0; 1; 2; : : :, wobei mindes-
Mit der kinetischen Energie E D 12 mv 2 und dem tens ein m ¤ 0 sein muss.
Impuls p D mv folgt Zusätzlich zu den oben angegebenen Re-
p sonanzfrequenzen ergeben sich: f110 D
p2
ED oder p D 2Em : 27;2 Hz, f101 D 33;0 Hz, f011 D 35;4 Hz,
2m
f111 D 39;3 Hz usw.
Damit ist die Wellenlänge b) Das Oktavband mit der Mittenfrequenz fm D
63 Hz erstreckt sich von fu D 44 Hz bis
h 10 f o D 88 Hz (Tab. 7.4). In diesem Band lie-
D p D 1;81  10 m :
2Em gen die Frequenzen, die in obiger Tabelle fett
gedruckt sind.
Diese Wellenlänge entspricht etwa der Gitter- c) Nach (7.11) ist die Schallgeschwindigkeit in
konstante typischer Kristalle. Neutronen können Gasen r
demnach an Kristallgittern gebeugt werden. p ~p
c D ~Ri T D :
%

11.1.7 Akustik Helium hat am Normzustand die Dichte %n D


0;17847 kg=m3 (Tab. 3.6). Mit dem Isentro-
Ü 7-1: penexponenten ~ D 5=3 ergibt sich cHe D
a) Bei schallharten Wänden entsteht durch 973 m=s.
die Überlagerung von einlaufender und re- Für Luft am Normzustand gilt nach Tab. 7.1:
flektierter Welle eine stehende Welle mit cLuft D 331 m=s. Damit sind die Grund-
Schwingungsknoten an der Wand (Abb. 7.6 frequenzen in den drei Hauptrichtungen des
und 5.58). Wie bei den stehenden Wellen auf Quaders für die beiden Gase:
Saiten (Abschn. 5.2.6.2) entstehen Resonan-
L D 10 m B D 8m H D 6m
zen bei den Frequenzen fn D .n C 1/f0 mit
c f1; Luft =Hz 16,55 20,69 27,58
der Grundfrequenz f0 D 2L . f1; He =Hz 48,65 60,81 81,08
Setzt man n C 1 D m, wobei m D
1; 2; 3; : : :, dann gilt
Die Resonanzfrequenzen in Helium sind we-
c gen der höheren Schallgeschwindigkeit nähe-
fm D m : rungsweise um den Faktor 3 höher als in Luft.
2L
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 865

fm =Hz fu =Hz fo =Hz fn =Hz LOktav =dB


125 88 177 – 0
250 177 355 200 90
500 355 710 400, 600 89,4
1000 710 1420 800, 1000, 1200, 1400 85,6
2000 1420 2800 1600, 1800, 2000 75,2

Ü 7-2: Der zugehörige Pegel ist nach Tab. 7.2:


a) Die Pegel der Teiltöne betragen L1 D
90 dB, L2 D 87;5 dB, L3 D 85 dB, : : :, I10 m
L10 m D 10 lg dB D 96 dB :
L10 D 67;5 dB. Der Gesamtschallpegel wird I0
nach (7.26)
b) Vor einer schallharten Wand strahlt der Laut-
10
! sprecher nur in Vorwärtsrichtung ab, d. h. in
X
Lges D 10 lg
Ln
10 10 dB dB D 93;6 dB : eine Halbkugel. Damit gilt
nD1
PSchall
I.r/ D :
b) Die Frequenzen der Teiltöne sind f1 D 2 r 2
200 Hz, f2 D 400 Hz, f3 D 600 Hz, : : :,
Jetzt ergibt sich für die Intensität I10
0
m D
f10 D 2000 Hz. Davon befinden sich in 3 W
7;96  10 m2 D 2I10 m und für den Pegel
den angegebenen Oktavbändern die folgen-
L010 m D L10 m C 3 dB D 99 dB.
den Frequenzen fn . Die Pegel in den einzel-
c) Da die Intensität proportional zu 1=r 2 ab-
nen Oktavbändern werden wie in Teilaufgabe
nimmt, ist sie in doppeltem Abstand, al-
a) berechnet.
so in 20 m Entfernung, auf ein Viertel zu-
c) Der Gesamtpegel des ersten Klangs ist
rückgegangen. Der Pegel hat dann um 10 
Lges;1 D 93;6 dB. Zusammen mit dem Zu-
lg 4 D 6 dB abgenommen auf L20 m D 90 dB
satzgeräusch mit dem Pegel L2 ergibt sich der
(Abb. 7.3).
Gesamtpegel 95 dB. Dann gilt mit (7.26):
 L  Ü 7-4:
ges,1 L2
95 dB D 10 lg 10 10 dB C 10 10 dB dB : a) Die Schnellenamplitude vO und die Amplitude
pO des Schallwechseldrucks sind nach (7.14)
und (7.15) über die Wellenkennimpedanz Z
Daraus folgt
verknüpft:
 Lges, 1

L2 D 10 lg 109;5  10 10 dB dB pO
vO D mit Z D %c :
  Z
D 10 lg 109;5  109;36 dB D 89;5 dB :
Nach Tab. 7.1 ist Z D 416 mkg2 s und damit vO D
Ü 7-3: 4;8  104 ms .
a) Die akustische Leistung des Lautsprechers ist b) Der Effektivwert
p ist bei sinusförmigen Grö-
PSchall D   P D 5 W. Diese Leistung verteilt ßen der 2-te Teil des Scheitelwerts:
sich im Raum gleichmäßig auf Kugeloberflä-
chen, so dass nach (2) in Abb. 7.3 gilt: vO m
veff D p D 3;4  104 :
2 s
PSchall
I.r/ D : c) Die Schallintensität beträgt nach (7.22)
4 r 2

In r D 10 m Abstand ergibt sich I10 m D


2
peff W
I D 2
D veff Z D 4;8  105 2 :
3;98  103 mW2 . Z m
866 11 Anhang

Der Pegel ist gemäß Tab. 7.2 Ü 7-5:


a) Die Schallintensität einer Punktquelle ist
I nach (2) in Abb. 7.3
LI D 10 lg dB D 76;8 dB :
I0
P
I.r/ D :
d) Gemäß Abb. 7.5 kommt es an der Grenzflä- 4 r 2
che zu einer Reflexion, so dass die Intensität Damit ist der Pegel in Abhängigkeit vom Ab-
It der transmittierten Welle kleiner ist, als die stand
der einfallenden Ie . Nach (7.27) sowie (7.32) P
L.r/ D 10 lg dB :
bzw. (7.33) gilt für den Transmissionsgrad 4 r 2 I0
Für die Pegeldifferenz zweier Orte mit den
4Z1 Z2
S D 1  %S D : Radien r0 und ri folgt L.ri /  L.r0 / D
.Z1 C Z2 /2 10 .lg r02  lg ri2 /dB D 20 lg rr0i dB (s. (4) in
Abb. 7.3).
Der Wellenwiderstand von Argon ist Z2 D
Mit r0 D 2 m ergeben sich damit am Wohn-
cAr %Ar .
haus folgende drei Pegel:
Nach (7.11) ist die Schallgeschwindigkeit
proportional zur Wurzel aus der absoluten 2m
L1; Haus D L1;2 m C 20 lg dB
Temperatur. Damit ist 160 m
s D 93 dB  38;06 dB D 54;94 dB ;
293;15 m 2m
cAr, 20 D cAr, 0 D 319 : L2; Haus D L2;2 m C 20 lg dB
273;15 s 100 m
D 97 dB  33;98 dB D 63;02 dB
Aus der Zustandsgleichung idealer Ga- und
se (3.19), lässt sich die Dichte eines Gases
2m
berechnen, wenn die Dichte am Normzustand L3; Haus D L3;2 m C 20 lg dB
bekannt ist: 252 m
D 98 dB  42;01 dB D 55;99 dB :
m pn Tn
%.T / D D D %n : b) Die drei Einzelpegel werden nach (7.26) zu
V Ri T T
einem Gesamt-Pegel addiert:
Für Argon bei 20 C ergibt sich %Ar, 20 D
ı
3
!
kg X Ln
1;662 m3 . Lges D 10 lg 10 10 dB dB
Damit ist der Wellenwiderstand von Argon nD1
bei 20 ı C und Normdruck Z2 D 530 mkg2 s .
 
D 10 lg 105;494 C 106;302 C 105;599 dB
Die Intensität der Welle, die in Argon ein-
D 64;3 dB :
dringt, wird damit
c) Die dominierende Schallquelle ist die Quel-
5 W le 2. Also sollte ihr Beitrag reduziert werden.
IAr D ILuft  S D 4;73  10 :
m2 Wenn der Gesamtpegel am Haus L0ges D
60 dB betragen soll, dann gilt
Der Schallpegel ändert sich somit nur gering-
fügig auf L0ges D 60 dB
 L02; Haus

IAr D 10 lg 10 5;494
C 10 10 dB C 105;599 dB :
LAr D 10 lg dB D 76;7 dB :
I0
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 867

Nach kurzer Umformung folgt der erforderli- Wert für das Schalldämmaß. Für die Frequenz
che Pegel von Quelle 2 am Haus: f D 250 Hz gilt also
 
L02, Haus D 10 lg 106  105;494  105;599 dB RMessung  RRechnung D 30;5 dB :
D 54;64 dB :
Für die hohe Frequenz f D 1000 Hz, die in
In 2 m Abstand von der Quelle wird der erfor- der Größenordnung der Grenzfrequenz liegt,
derliche Pegel gilt RMessung < RRechnung .

2m Ü 7-7:
L02;2 m D L02; Haus  20 lg dB
100 m a) Der Gesamtpegel wird nach (7.26) berechnet:
D 88;6 dB : !
8
X
Lges D 10  lg 10Li =10 dB dB
Der Pegel der Quelle 2 muss also um L2 D
i D1
8;4 dB gesenkt werden.
D 62;1 dB :
Ü 7-6:
a) Unter der Annahme einer biegeweichen Wand b) Zur Berechnung des A-bewerteten Pegels
gilt für das Schalldämmmaß (7.44): müssen die Bewertungsfaktoren 
i zur Pe-
gelabschwächung berücksichtigt werden:
 f m0
R D 20 lg dB  3 dB : i fm =Hz Li =dB i =dB
Li C i
Z 10 dB
1 16 43 56;7 1;37
Die flächenbezogene Masse der Wand ergibt 2 31;5 48 39;4 0;86
sich aus der Dicke s und der Dichte % zu 3 63 49 26;2 2;28
4 125 60 16;1 4;39
m kg 5 250 52 8;6 4;34
m0 D D s% D 25 2 :
A m 6 500 53 3;2 4;98
7 1000 50 0 5;00
Mit Z D 416 kg m2 s1 (Tab. 7.1) folgt 8 2000 38 +1;2 3;92
R250 Hz D 30;5 dB und R1000 Hz D 42;5 dB.
Da die Frequenzen sich wie 4:1 verhalten, ist P Li C i
Mit 10 10 dB D 250:439 wird der A-
R1000 Hz um 20 lg 4 dB D 12 dB höher als
bewertete Pegel nach (7.53): LA D 54 dB.A/.
R250 Hz .
c) Mit Maschinenschaden ist der Pegel bei fm D
b) Die Grenzfrequenz der Spuranpassung ist
250 Hz
nach (7.48) r
c 2 m0
fg D L : L250 C 250 D 80 dB  8;6 dB D 71;4 dB :
2  B

Mit der Biegesteifigkeit Damit wird der gewichtete Pegel während der
zwei lauten Stunden: LA; 2 h D 71;5 dB.A/.
Es 3 Der äquivalente Dauerschallpegel während
BD D 6522 N m 10 h Mittelungszeit wird nach (7.54):
12.1  2 /

und der Schallgeschwindigkeit cL D 344 m=s 1 
Lm D 10  lg 2 h  107;15 C
(Tab. 7.1) ergibt sich fg D 1166 Hz. 10 h

c) Wenn die Frequenz der Welle klein ist ge- 
C 8 h  105;4 dB.A/ D 64;8 dB.A/ :
gen fg , dann liefert (7.44) einen vernünftigen
868 11 Anhang

Ü 7-8: Die zusätzliche Absorptionsfläche wird da-


a) Aus dem Diagramm der Isophonen von durch erzeugt, dass ein Teil der Decke mit
Abb. 7.12 liest man ab: f  32 Hz. Absorbermaterial abgedeckt wird. Damit gilt:
b) Die Lautstärke beträgt LS D 70 phon.
c) Die Lautheit ist nach (7.52) AD; vorher D ˛D SD ;
AD; nachher D ˛Abs SAbs C ˛D .SD  SAbs /
S D 20;1.7040/ sone D 8 sone :
D AD; vorher C A :
d) Wenn der Hörer den Ton doppelt so laut emp-
Aus diesen beiden Gleichungen folgt für den
findet, ist die Lautheit doppelt so groß, also
Deckenanteil, der mit Absorbermaterial ver-
S 0 D 2S D 16 sone.
sehen werden muss,
Die zugehörige Lautstärke beträgt
A

lg 16
 SAbs D D 81;23 m2 :
L0S D 10 C 4 phon D 80 phon : ˛Abs  ˛D
lg 2
Ü 7-10:
Eine Erhöhung der Lautstärke um 10 phon a) Die äquivalente Absorptionsfläche des Raums
bzw. des Pegels um 10 dB führt zu einer Ver- ist nach der Sabine’schen Formel, (7.64)
doppelung der Schallempfindung.
0;163 V
AD D 18;3 m2 :
Ü 7-9: m=s T
a) Die äquivalente Absorptionsfläche ist für den
leeren Raum nach (7.59) Nun ist nach (7.69) das Schalldämmmaß

S
Aleer D ˛W SW C ˛B SB C ˛D SD R D L1  L2 C 10 lg dB D 28 dB :
A
D 82;45 m2 :
b) Der Pegel L02 im Innenraum folgt wieder
Die Nachhallzeit beträgt nach der Sabi- aus (7.69), jetzt allerdings unter der Maßga-
ne’schen Formel, (7.64): be, dass die Dämmung des offenen Fensters
null ist:
0;163 V
Tleer D D 5;19 s : S
m=s A L02 D L1 C 10 lg dB :
A
Wenn 300 Personen anwesend sind, tragen
diese noch zusätzlich 150 m2 zur Absorpti- Bei halb geöffnetem Fenster führt dies zum
onsfläche bei. Damit beträgt die äquivalente Pegel L02; halb D 62;8 dB.
Absorptionsfläche des vollen Raums Avoll D Bei vollständiger Öffnung ist der Pegel um
232;45 m und die Nachhallzeit Tvoll D
2 3 dB höher: L02; voll D 65;8 dB.
1;84 s.
Ü 7-11:
b) Wenn die optimale Nachhallzeit erreicht wer-
a) Die Definition des Leistungspegels des dif-
den soll, muss die äquivalente Absorptionsflä-
fusen Schallfelds einer Quelle, welche die
che erhöht werden auf
Schalleistung PW abgibt, liefert:
0;163 V
Aopt D D 285;25 m2 : A
m=s Topt Ldiffus D LW  10 lg dB
4S0
Dies ist ein Anstieg um A D Aopt  Avoll D PW A
D 10 lg dB  10 lg dB
52;8 m .2 P0 4S0
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 869

Der Pegel des Direktschalls der Quelle L mit d)


der Schallleistung PW ist im Abstand r

Idirekt PW Ie,St
Ldirekt D 10 lg dB D 10 lg dB
I0 4 r 2 I0 Ie,Al = Ie,St·τ
Für r D rH wird Ldiffus D Ldirekt . Gleichset- Ir, St = ρ·Ie,St
zen liefert
PW PW 4S0 Ir,Al = ρ ·Ie,St· τ
2
D  Ir,Al/St = Ir,Al·τ
4 rH I0 P0 A

Daraus folgt mit S0 D 1 m2 und den Bezugs- Stahl Aluminium


größen I0 und P0 der Pegelmessung

A Die Welle, die von Aluminium in den Stahl


rH2 D zurückläuft, hat die Intensität Ir;Al=St D Ir;Al 
16 
 D %  Ie;St   2 .
b) Der Übergang in das diffuse Schallfeld erfolgt Das Verhältnis der beiden Intensitäten
bei rH D 1;5 m. Damit wird die äquivalente ist Ir;St =Ir;Al D %  Ie;St =.%  Ie;St  2 / D 1= 2 .
Absorptionsfläche A D rH  16  D 113; 1 m .
2 2 Daraus folgt Ir;St D Ir;Al = 2 und durch Lo-
I I
c) Der Schallleistungspegel der Quelle beträgt garithmieren 10 lg Ir;St 0
dB D 10 lg Ir;Al 0
dB C
1
10 lg  2 dB.
A
LW D L1 C 10 lg dB D 99; 5 dB: Damit beträgt der gesuchte Pegelabstand
4S0 LSt  LAl D 20 lg 1 dB D 2;3 dB.
Damit ist die Leistung der Schallquelle P D e) Der vergleichsweise sehr geringe Wellenwi-
P0 10LW =10dB D 1012 W109;95 D 8;94 mW. derstand der Luft führt zu hoher Reflexion an
d) Dämmmaß der Trennwand: R D L1  L2 C den beiden Grenzflächen Schallwandler/Luft
BH
10 lg A dB D 35;4 dB. und Luft/Stahl. Dies ergibt eine sehr geringe
1
Aus R D 10 lg  dB folgt für den Transmissi- in den Stahl eingekoppelte Schallleistung.
onsgrad  D 10 R=10dB
D 2;86  10 .
4

Ü 7-12: 11.1.8 Atom- und Kernphysik


a) Wellenlänge und Wellenzahl in Stahl (St) und
Ü 8-1: Nach dem Bohr’schen Atommodell
Aluminium (Al):
(Abb. 8.5) gilt für die Energie des Elektrons in
4
 D c =f D 8;33  10 m D 833 m; Abhängigkeit von der Hauptquantenzahl n:
St St

kSt D 2 =St D 7540 m1 ; e 4 m0 1 1


En D  2

2 2 n2
D 2;18  1018 J  2
Al D cAl =f D 8;33  104 m D 850 m; 32  "0 „ n
1
kAl D 2 =Al D 7392 m1 D 13;6 eV  2 :
n
b) Transmissionsgrad  D 4Z1 Z2 =.Z1 C Z2 /2 . Die Balmer-Serie entsteht durch Übergänge von
Die Wellenwiderstände betragen: Z1 D den Energieniveaus mit n > 2 auf das Niveau
%St cSt D 3;925  107 kg m2 s1 , Z2 D n0 D 2. Damit ergeben sich folgende Photonen-
%Al cAl D 1;377  107 kg m2 s1 . Damit ergibt energien:
sich  D 76;9 %.  
c) Die Stahlschicht wird zwei Mal durchlaufen, 1 1
Eph D hf D 13;6 eV  2 :
somit d D cSt t =2 D 21;55 mm. 4 n
870 11 Anhang

Die ersten Werte der Reihe sind: Eph; 3 D 11.1.9 Festkörperphysik


1;89 eV, Eph; 4 D 2;55 eV, Eph; 5 D 2;86 eV usw.
Die zugehörigen Wellenlängen berechnen sich Ü 9-1: Wenn jedes Fe-Atom ein freies Elektron
nach n D Ehcn mit hc D 1;24 m eV. liefert, dann ist die Dichte der Leitungsband-
3 D 656 nm (H˛ /, 4 D 486 nm (Hˇ ), 5 D elektronen so groß wie die Atomdichte. Für die
434 nm (H ) usw. Die kürzeste noch sichtbare Massendichte gilt
(oder eben nicht mehr sichtbare) Spektrallinie ist
m M
10 D 380 nm. %D D ;
V V
Ü 8-2:  ist die Stoffmenge, M die Molmasse.
a) Nach Bohr ist die Energie elektronischer Nun gilt für die Stoffmenge  D NNA , mit
Energieniveaus der Avogadro-Konstanten NA und der Teilchen-
zahl N .
Z 2 e 4 m0 1 Damit wird die Teilchenzahldichte
En D  2 2 2 n2
 (1) in Abb. 8.5 :
32  "0 „ N NA %
nD D D 8;465  1028 m3
V M
Für Kupfer mit Z D 29 ergibt sich für die K-
D 8;465  1022 cm3 :
Schale: E1 D 292  13;6 eV D 11;438 keV
und für die L-Schale: E2 D 292  13;6 eV  Nach (9.10) beträgt die Fermi-Energie
1
4
D 2;859 keV.
Also ist die Quantenenergie der Röntgen-K- „2
EF D .3 2 n/2=3 :
Strahlung EK D E2  E1 D 8;579 keV. 2m
Die zugehörige Wellenlänge beträgt  D
hc Mit „ und m (Elektronenmasse) aus Tab. 1.4 er-
EK D 145 pm. gibt sich
b) Nach Tab. 8.3 ist die frei werdende Energie
bei einem Übergang von LIII nach K EK˛1 D EF D 1;13  1018 J D 7;03 eV :
8;048 keV. Die Wellenlänge ist  D 154 pm.
Ü 9-2: Die Wahrscheinlichkeit für die Beset-
Ü 8-3: Die Aktivität von m D 80 g Kohlenstoff zung eines Energieniveaus E mit Elektronen ist
einer lebenden Substanz beträgt A0 D 0;25 Bq g
 nach (9.13)
m D 20 Bq.
1
Aus (8.75) ergibt sich für das Alter f .E/ D   :
1 C exp EE kT
F

 
ln AA0 T Für die Energie E1 D 3;05 eV, dicht unter der
tD D 9400 a :
ln 2 Fermi-Energie, ergibt sich bei den beiden Tem-
peraturen f .E1 , T1 / D 0;874 und f .E1 , T2 / D
Ü 8-4:
0;725.
a) Der Si-Kristall hat das Volumen V D m% D
Für die Energie E2 D 3;15 eV, dicht oberhalb
429 cm3 . Die Zahl der gewünschten Phos- der Fermi-Energie, folgt f .E2 , T1 / D 0;126 und
phoratome und der damit benötigten 31 Si- f .E2 , T2 / D 0;275.
Kerne ist N0 D V nP D 4;29  1019 .
b) Die Aktivität zu Beginn ist A0 D lnT2 N0 D Ü 9-3: Der Beitrag der Elektronen zur molaren
3;18  1015 Bq. Wärmekapazität ist nach (9.16) und (9.15)
c) Aus  A0(8.75)
 folgt für die Wartezeit t D
ln A T 1 T 1 kT
D 154 h D 5;6 d. Cm; el D  2 Rm D  2 Rm :
ln 2 2 TF 2 EF
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 871

Mit EF D 3;1 eV nach Tab. 9.5 ergibt sich c) Die Wahrscheinlichkeit, an der Valenzband-
kante Löcher zu finden, ist
J
Cm; el D 0;334 :
mol  K fh .EV / D 1  f .EV /
Das sind 1;2 % der gesamten molaren Wärmeka- 1
D1  EF  :
pazität. 1 C exp EVkT

Ü 9-4: Die mittlere freie Weglänge der Elektro- Mit EV  EF D .Eg  E/ D 1;09 eV
nen in Metallen ist nach (9.25) ergibt sich

l D vF  : fh .EV / D 4;88  1019 :

Die Fermi-Geschwindigkeit ist nach (9.11) Ü 9-6: Der spezifische Widerstand eines Eigen-
leiters ist nach (9.28)

vF D .3 2 n/1=3 :
m 1 1
%D D :
Mit der Elektronendichte n D N=V D ~ eni .n C p /
8;465  1028 m3 aus Ü 9-1 ergibt sich vF D
Die intrinsische Trägerdichte ist nach (9.30)
1;57  106 ms .
Die Relaxationszeit ist nach (9.24) 
Eg

3=2
ni D ni0 T exp  D 3;9  1016 cm3 :
~m m 15 2kT
D 2 D 2 D 4;19  10 s :
e n e n%
Die Summe der Beweglichkeiten ist nach Tab. 9.7
Damit wird die mittlere freie Weglänge l D bei 300 K
6;59 nm.
cm2
 D n C p D 5800 :
Ü 9-5: Die Wahrscheinlichkeit, an der Leitungs- Vs
bandkante Elektronen zu finden, ist nach (9.13)
Diese hängt nach (9.29) von der Temperatur ab
1 gemäß
f .EL / D  EL EF  :
1 C exp kT  3=2
T cm2
.T / D 0 D 2050 :
a) Wenn das Fermi-Niveau in der Mitte der ver- T0 Vs
botenen Zone liegt, gilt
Damit ergibt sich der spezifische Widerstand bei
Eg 600 K:
EL  EF D D 0;555 eV und
2
f .EL / D 4;75  1010 : % D 7;8  102  cm :

b) Für den Fall, dass das Fermi-Niveau E D Tatsächlich ist das Ergebnis nicht ganz korrekt,
20 meV unter der Leitungsbandkante liegt, weil die Breite der Energielücke Eg ebenfalls
gilt von der Temperatur abhängt. Bei T D 600 K ist
Eg .600 K/  0;55 eV.
1 Damit wird ni D 1;13  1017 cm3 und % D
f .EL / D  E  D 0;316 :
1 C exp kT 2;7  102  cm.
872 11 Anhang

Ü 9-7: Bei dotiertem Silicium ist der spezifische Ü 9-9:


Widerstand nach Tab. 9.9 a) Die Diffusionsspannung beträgt nach (9.36)
1 1 kT nA nD
%D D : Ud D ln 2 :
~ enD n e ni
Daraus ergibt sich die Beweglichkeit der Elektro-
Die Akzeptorenkonzentration in der p-Zone
nen zu
berechnet sich nach Tab. 9.9:
1 ~ D %1 D enA p und daraus nA D %e 1
D
n D : p
%enD 6;57  1014 cm3 .
Mit R D % Al folgt Damit wird die erforderliche Donatorenkon-
zentration
l cm2  
n D D 1248 : n2i eUd
enD RA Vs nD D exp D 9;06  1016 cm3 :
nA kT
Ü 9-8: Für die Ladungsträgerkonzentration
b) Die Masse m der Phosphor-Atome ist
gilt bei tiefen Temperaturen (Störstellenreserve)
nach (6.33) m D M ;
 
ED
n.T /  exp  : mit der Stoffmenge  und der Molmasse M D
2kT
30;974 g=mol.
Damit ist der Widerstand Nun ist die Stoffmenge
1 1 N
R.T /  % D D oder D ;
~ en.T / n NA
 
ED
R.T / D a  exp I mit der Avogadro-Konstanten NA und der
2kT
Teilchenzahl N .
a ist eine Konstante, ED die Donatoren- Daraus folgt für die Masse
Ionisationsenergie nach Tab. 9.8.
NM
mD :
a) Mit   NA
ED
R1 D a  exp und Dividiert man durch das Probenvolumen, so
2kT1
  ergibt sich
ED
R2 D a  exp folgt m N M M g
2kT2 D D nD D 4;66 :
cm3
  
R1 ED 1 1 V V NA NA
D exp  und
R2 2k T1 T2 Ü 9-10:
R2 D 5;99 k˝ : a) Die Breite des p,n-Übergangs ist nach (9.37)
s
b) Der Temperaturkoeffizient des Widerstands 2"r "0 Ud nA C nD
ist dD  :
  e nA  nD
dR ED ED
D a exp
dT 2kT 2 2kT Die Diffusionsspannung wird nach (9.36) be-
ED rechnet:
D R.T / :
2kT 2 kT nA nD
Bei 77 K ergibt sich Ud D ln 2 D 0;713 V :
e ni
ˇ
dR ˇˇ  Mit "r D 11;8 (Tab. 9.7) ergibt sich d D
D 43 :
dT ˇ77 K K 0;969 m.
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 873

b) Wenn eine Sperrspannung UR anliegt, wird Für die TO- und TA-Phononen ergibt sich
in (9.37) Ud ersetzt durch fTO D EhTO D 14;1 THz und fTA D EhTA D
4;4 THz.
Ud  UR D Ud C jUR j : b) Der Impuls der Phononen ist nach (9.44)

Damit vergrößert sich die Raumladungszone h


pPhonon D D „k :
auf 
s
Ud C jUR j Der Betrag des Wellenzahlvektors ist k D
d D 0;969 m D 3;76 m : 1;64  a .
Ud
Mit der Gitterkonstanten a D 5;43  1010 m
c) Liegt eine Flussspannung UF an, so wird die aus Tab. 9.7 ergibt sich k D 9;49  109 m1
Dicke der Raumladungszone reduziert auf und damit pPhonon D 1  1024 N s.
s
Ud  UF Ü 9-13: Für Diamant ist die Debye-Temperatur
d D 0;969 m D 0;530 m : TD D 1860 K (Tab. 9.11). Für T  TD gilt
Ud
nach (9.63) für die molare Wärmekapazität
Ü 9-11:  3
a) Nach (5.169) oder (9.53) ist die Phasen- 12 4 T J
Cm D   Rm D 7;61 :
geschwindigkeit von Longitudinalwellen mit 5 TD mol  K
großer Wellenlänge
Mit der Molmasse M D 12;011 g=mol wird
s die spezifische Wärmekapazität nach (3.39)
E
cs D : und (3.40)
%
Cm J
Damit wird der Elastizitätsmodul cD D 633;6 :
M kg  K
N J
E D %cs2 D 2  1011 : Der Literaturwert ist cLit D 502 kgK . Die relative
m2 ccLit
Abweichung beträgt cLit D 26 %.
b) Die Federkonstante der „Federn“, mit denen
die Eisenatome gegeneinander schwingen, ist Ü 9-14: Aus (9.68) für die Wärmeleitfähigkeit
nach (9.52)
1
 D %ccs lph
kF D aE : 3

Nach Tab. 9.1 ist die Gitterkonstante von Ei- folgt für die mittlere freie Weglänge
sen a D 2;87  1010 m. Damit ergibt sich
3
kF D 57;4 N=m. lph D D 2 nm :
%ccs
Ü 9-12:
Ü 9-15: Nach dem Wiedemann-Franz’schen Ge-
a) Die Energie eines Phonons ist nach (9.43)
setz, (9.70), gilt
EPhonon D hf D „! :
 D LT ~ ;
Daraus folgt für die Frequenz der elastischen
mit der Lorenz’schen Zahl
Wellen
 
EPhonon  2 k 2 V2
f D : L D D 2;45  108 2 :
h 3 e K
874 11 Anhang

Damit wird die Wärmeleitfähigkeit Mit (6.109) und (6.110) ergibt sich für die
Wellenlängen
LT W
D D 449
% Km hc 1;24 m  eV
 > g D D D 6;89 m :
Eg Eg
Ü 9-16:
a) Die Temperaturabhängigkeit des Schwell- Ü 9-19:
stroms wird durch (9.73) beschrieben: a) Die Empfindlichkeit einer Fotodiode ist
nach (9.80)
Ith D I0 eT =T0 :
e
SD ./ :
Aus hc
It h; 1 D I0 eT1 =T0 und
Daraus folgt für die Quantenausbeute
It h; 2 D I0 eT2 =T0
Shc
folgt für die charakteristische Temperatur ./ D D 57 % :
e
T1  T2 Das bedeutet, dass von je 100 auftreffenden
T0 D It h; 1
D 154 K :
ln It h; 2
Photonen 57 nachgewiesen werden.
b) Der Fotostrom, der als Kurzschlussstrom
b) Die Konstante I0 beträgt messbar ist, beträgt nach (9.79)

It h; 1 ˚e e ˚e e ./
I0 D D 6;56 mA IK D Iph D ./ D
eT1 =T0 hf hc
und damit wird D 300 A :

It h; 20 D 44 mA : Ü 9-20: Die Leerlaufspannung, die an der Foto-


diode auftritt, ist nach (9.82)
Ü 9-17: Die Wellenlängen der Longitudinalmo-
 
den sind nach (9.74) kT Iph
UL D ln C1 :
e IS
N
2nL
m D :
m Der Fotostrom folgt aus (9.79) mit (9.80) zu
Durch Ableiten nach der Modenzahl ergibt sich
Iph D ˚e S./ :
dm N
2nL
D 2 : Die Empfindlichkeit kann aus Abb. 9.85 heraus
dm m
gemessen werden: S.633 nm/ D 0;35 A=W. Da-
Setzt man dm D 1, dann ist die Wellenlängen- mit ergibt sich ein Fotostrom von I D 1;75 A.
ph
differenz benachbarter Moden Dies führt zu einer Leerlaufspannung von
N
2nL 2 UL D 0;312 V.
ı D 2 D m D 0;51 nm :
m N
2nL
Ü 9-21: Durch Anpassung verschiedener Leis-
Ü 9-18: Ein Halbleiter ist transparent für Photo- tungshyperbeln P D U  I findet man die
nen, deren Energie kleiner als die Bandlücke ist, Hyperbel mit der maximalen Leistung Pm D
d. h. Eph < Eg . 217 W. Der optimale Lastwiderstand ist RL;opt D
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 875

3;34 . Am optimalen Arbeitspunkt ist die Span- dabei ist v die Geschwindigkeit vor und u die
nung Um D 26;9 V und der Strom Im D 8;06 A. Geschwindigkeit nach dem Stoß. Der Energieer-
Mit UL D 33;3 V und IK D 8;68 A folgt für den haltungssatz lautet nach (10.10) und (10.17)
Füllfaktor FF D 75;1 %.
mp0 c 2 2 m0 c 2
q  2 C m p0 c D q  2 : (2)
1  vc 1  uc

Aus den Gleichungen (1) und (2) folgt

v
uD q  2 D 0;451c und
1 C 1  vc
q  u 2
v 1 c
m0 D mp0 q  2 D 2;24 mp0 :
u
1  vc

11.1.10 Spezielle Relativitätstheorie Ü 10-3: Der Einsteinzug hat im bewegten Sys-


tem S0 die Länge l 0 D 2  106 km D 20 3
Ls D
Ü 10-1: Nach (10.6) erscheinen einem ruhenden 6;67 Ls (Lichtsekunden). Für die Lichtgeschwin-
Beobachter die Längen in Bewegungsrichtung digkeit wird der gerundete Wert c D 3  10 m=s
8

verkürzt um den Faktor benutzt.


r
l0  v 2 1
D 1 D :
l c
0
Soll ll D 34 sein, dann ist die erforderliche Ge-
schwindigkeit a) Der Mitfahrer A im System S0 löst zur Zeit
s s t D 0 die beiden Lichtsignale aus, die sich
 0 2  2
l 3 mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Sie er-
v Dc 1 Dc 1
l 4 reichen gleichzeitig die Enden P und Q nach
m Ablauf der Zeitspanne
D 0;661c D 1;98  108 :
s
0 l0
töffnen D D 3;33 s :
Für eine Schlankheitskur eignet sich die Methode 2c
nicht, da in der Richtung senkrecht zur Bewegung
keine Längenkontraktion stattfindet. Es gibt also für das Öffnen der Türen keinen
Der Massenzuwachs ist nach (10.10) Zeitunterschied: t 0 D 0.
b) Für den im System S ruhenden Beobachter er-
m.v/ 1 4 scheint der Zug verkürzt auf die Länge
Dq  v 2 D D 3 :
m0
1 c l0
lD :

Ü 10-2: Für den Stoß gilt der Impulserhaltungs-
satz und mit (10.11): Der relativistische Faktor ist
mp0 v m0 u 1
 v 2 D q  u 2 ; (1) Dq  2 D 1;667
q
1 c 1 c 1  vc
876 11 Anhang

und damit die Zuglänge l D 4 Ls D am Ort x D c  tP D 1;111 Ls befinden. Mit-


1;2  109 m. hilfe von (10.1) kann diese Koordinate in das
Die Laufzeit zum hinteren Zugende P berech- System S0 transformiert werden:
net der Beobachter B aus
x 0 D .x  vt/ D 0;37 Ls :
l
tP D D 1;111 s :
2.v C c/ Die Tür müsste also im Zug um 0;37 Ls ent-
Die Laufzeit zum vorderen Zugende Q ist für fernt von A nach vorne angebracht werden.
den Beobachter B
Ü 10-4: Der Radarstrahl erregt die beweglichen
l Elektronen in den Metallteilen der Karosserie
tQ D D 10 s :
2.c  v/ zu erzwungenen Schwingungen nach (10.23) mit
der Frequenz
Damit entsteht eine Zeitdifferenz von t D
8;889 s. r s
cCv 1Cˇ
Zweiter Lösungsweg: fPKW D fS D fS :
Analog zu (10.7) gilt für die Zeitdifferenz im c  v 1ˇ
System S
Die schwingenden Elektronen strahlen ihrerseits
v  0 eine Welle mit dieser Frequenz ab, die beim Emp-
 
0 0
t D t C 2 x2  x1 :
c fänger noch einmal dopplerverschoben ankommt
Nun ist t D 0 und x2  x1 D l . Daraus mit der Frequenz
0 0 0 0

folgt s
1Cˇ 1Cˇ
v 0 fE D fPKW D fS :
t D 2 l D 8;889 s : 1ˇ 1ˇ
c
Die beiden Diagramme zeigen die Darstel- Da ˇ  1, gilt
lung im Minkowski-Raum. 2
c) Die Tür befinde sich im Punkt R. Da die hin- fE  fS .1 C ˇ/  fS .1 C 2ˇ/
tere Tür nach tP D 1;111 s öffnet, muss sich R D fS .1 C 1;85  107 / D 9;00000167 GHz :
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 877

Da diese Frequenz nicht mit der nötigen Genau- Ü 10-6: Die kinetische Energie ist nach (10.16)
igkeit messbar ist, werden die beiden Schwingun-
gen überlagert. Die resultierende Schwebung hat Ekin D .m  m0 /c 2 :
nach (5.121) die Schwebungsfrequenz Dann ist die Masse
Ekin
fSchweb D fE  fS D fS  2ˇ D 1;668 kHz : mD  m0 D 5;35  1026 kg
c2
Ü 10-5: Wenn die Leistung P D 500 MW er- D 58:700  m0 :
zeugt wird, ist die Energie, die im Laufe eines Dieser Massenzuwachs erfordert nach (10.10)
Jahres produziert wird
m.v/ 1
Dr
E D P  t D 1;578  1016 J : m0  v 2
1
c
Nach (10.17) entspricht dies einer Massenabnah-
die Geschwindigkeit
me von
r  m 2
0
E v Dc 1 :
m D 2 D 0;176 kg : m
c
Da m0 =m  1, kann die Wurzel entwickelt wer-
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass den:
im nachfolgenden thermischen Kraftwerk nur  
1  m0  2
30 % bis 40 % dieser Energie in elektri- v c 1
sche Energie umgewandelt werden kann (Ab- 2 m
schn. 3.3.6). D c.1  1;45  1010 /  c :
878 11 Anhang

11.2 Nobelpreisträger der Physik

Jahr Land Name des Preisträgers Grund der Auszeichnung


1901 D Röntgen, Wilhelm Conrad Entdeckung der Röntgenstrahlen
(1845 bis 1923)
1902 NL Lorentz, Hendrik Anton Beschreibung des Übergangs vom ruhenden zum gleichförmig
(1853 bis 1928) bewegten System (Lorentz-Transformation in der speziellen
NL Zeeman, Pieter Relativitätstheorie); Erklärung der Aufspaltung der Spektrallinien
(1865 bis 1943) im Magnetfeld (Zeeman-Effekt)
1903 F Becquerel, Henri Antoine Entdeckung der spontanen radioaktiven Strahlung von Uran;
(1832 bis 1908) Erforschung der Radioaktivität und Entdeckung der radioaktiven
F Curie, Pierre Elemente Polonium und Radium
(1859 bis 1906)
Curie, Marie
(1867 bis 1934)
1904 GB Rayleigh, Lord Erforschung der Dichte von Gasen und Entdeckung des Edelgases
(Strutt, John William) Argon
(1842 bis 1919)
1905 D Lenard, Philipp Durchgang von Kathodenstrahlen durch Materie und
(1862 bis 1947) Elektronentheorie
1906 GB Thomson, Joseph John Elektrische Leitung in Gasen
(1856 bis 1940)
1907 USA Michelson, Albert Abraham Spektroskopische Präzisionsmessungen (Interferometer), mit
(1852 bis 1931) denen die Unabhängigkeit der Lichtgeschwindigkeit von der
Erdbewegung nachgewiesen wurde
1908 F Lippmann, Gabriel Interferenzfarben-Fotografie
(1845 bis 1921)
1909 I Marconi, Guglielmo Drahtlose Telegrafie
(1874 bis 1937)
D Braun, Ferdinand
(1850 bis 1918)
1910 NL van der Waals, Johannes Diderick Zustandsgleichung der realen Gase
(1837 bis 1923)
1911 D Wien, Wilhelm Gesetze der Wärmestrahlung
(1864 bis 1928)
1912 S Dalén, Gustaf Acetylenakkumulator zur Beleuchtung von Leuchttürmen und
(1869 bis 1937) Bojen (Sonnenscheinventile)
1913 NL Kamerlingh-Onnes, Heike Verflüssigung von Wasserstoff und Helium, Entdeckung der
(1853 bis 1926) Supraleitung
1914 D von Laue, Max Röntgenstrahlinterferenzen in Kristallen
(1879 bis 1960)
1915 GB Bragg, William Henry Erforschung von Kristallstrukturen durch Röntgenstrahlen
(1862 bis 1942)
Bragg, William Lawrence
(1890 bis 1971)
1917 GB Barkla, Charles Glover Entdeckung der charakteristischen Röntgenstrahlen der Elemente
(1877 bis 1944)
1918 D Planck, Max Entdeckung der Energiequanten und des Wirkungsquantums
(1858 bis 1947)
1919 D Stark, Johannes Entdeckung des Doppler-Effektes an Kanalstrahlen und der Auf-
(1874 bis 1957) spaltung der Spektrallinien im elektrischen Feld
11.2 Nobelpreisträger der Physik 879

Jahr Land Name des Preisträgers Grund der Auszeichnung


1920 F Guillaume, Charles Edouard Entdeckung der Anomalien der Nickel-Stahl-Legierungen (Invar-
(1861 bis 1938) Effekt: geringe Wärmeausdehnung)
1921 D Einstein, Albert Deutung des fotoelektrischen Effektes
(1879 bis 1955)
1922 DK Bohr, Niels Quantenphysikalisches Atommodell
(1885 bis 1962)
1923 USA Millikan, Robert Andrews Messung der elektrischen Elementarladung und des Planck’schen
(1868 bis 1953) Wirkungsquantums
1924 S Siegbahn, Karl Manne Georg Röntgenspektroskopie
(1886 bis 1978)
1925 D Franck, James Quantensprünge durch Elektronenstöße
(1882 bis 1964)
Hertz, Gustav
(1887 bis 1975)
1926 F Perrin, Jean Diskontinuierliche Struktur der Materie; Entdeckung des Sedi-
(1870 bis 1942) mentationsgleichgewichtes von Kolloiden
1927 USA Compton, Arthur Holly Stoß zwischen Röntgenquant und Elektron; Sichtbarmachung
(1892 bis 1962) atomarer Teilchen in der Nebelkammer
GB Wilson, Charles Thomson
(1869 bis 1959)
1928 USA Richardson, Owen Williams Elektronenaustritt aus glühenden Körpern
(1879 bis 1959)
1929 F de Broglie, Louis Victor Wellentheorie der Materie
(1892 bis 1987)
1930 IND Raman, Chandrasekhara Venkata Streuung des Lichts an Molekülen (Molekülspektroskopie)
(1888 bis 1970)
1932 D Heisenberg, Werner Begründung der Quantenphysik
(1901 bis 1976)
1933 A Schrödinger, Erwin Wellenmechanik und Anwendung auf das Elektron
(1887 bis 1961)
GB Dirac, Paul Adrien Maurice
(1902 bis 1984)
1935 GB Chadwick, James Entdeckung des Neutrons
(1891 bis 1974)
1936 A Hess, Viktor Franz Entdeckung der Kosmischen Strahlung;
(1883 bis 1964)
USA Anderson, Carl David Entdeckung des Positrons
(1905 bis 1991)
1937 USA Davisson, Clinton Joseph Experimenteller Nachweis der Elektronenwellen (Beugung von
(1881 bis 1958) Elektronen in Kristallen)
GB Thomson, George Paget
(1892 bis 1975)
1938 I Fermi, Enrico Atomreaktionen mit Neutronen
(1901 bis 1954)
1939 USA Lawrence, Ernest Orlando Erfindung und Entwicklung des Zyklotrons zur Erzeugung künst-
(1901 bis 1958) licher radioaktiver Elemente
1943 D Stern, Otto Richtungsquantelung des Elektronenspins, Entdeckung des ma-
(1888 bis 1969) gnetischen Moments des Protons
1944 USA Rabi, Isidor Isaak Bestimmung des magnetischen Moments von Atomkernen
(1898 bis 1988)
1945 A Pauli, Wolfgang Entdeckung des Ausschlussprinzips
(1900 bis 1958)
880 11 Anhang

Jahr Land Name des Preisträgers Grund der Auszeichnung


1946 USA Bridgman, Percy Williams Erfindung eines Apparates zur Erzeugung von höchsten Drücken
(1882 bis 1961)
1947 GB Appleton, Edward Victor Ionosphärenforschung
(1892 bis 1965)
1948 GB Blackett, Patrick Maynard Stuart Weiterentwicklung der Wilson’schen Nebelkammer und die damit
(1897 bis 1974) verbundenen Entdeckungen auf den Gebieten der Kernphysik und
der kosmischen Strahlung
1949 J Yukawa, Hideki Vorhersage der Existenz eines Mesons
(1907 bis 1981)
1950 GB Powell, Cecil Frank Entdeckung des Mesons
(1903 bis 1969)
1951 GB Cockcroft, John Douglas Atomkernumwandlung durch künstlich beschleunigte Protonen
(1897 bis 1967)
IRL Walton, Ernest Thomas Sinton
(1903 bis 1995)
1952 USA Bloch, Felix Präzisionsmessung magnetischer Atomkernmomente
(1905 bis 1983)
Purcell, Edward Mills
(1912 bis 1997)
1953 NL Zernicke, Frederik Entwicklung des Phasenkontrastmikroskops
(1888 bis 1966)
1954 D Born, Max Statistische Deutung der Quantenmechanik
(1882 bis 1970)
Bothe, Walter Zählung atomarer Teilchen durch die Geigerzähler-
(1891 bis 1957) Koinzidenzmethode
1955 USA Lamb, Edward William Entdeckung der Feinstruktur des Wasserstoffspektrums; Präzisi-
(1913 bis 2008) onsbestimmung des magnetischen Moments des Elektrons
Kusch, Polykarp
(1911 bis 1993)
1956 USA Bardeen, John Entwicklung des Transistors
(1908 bis 1991)
Brattain, Walter Houser
(1902 bis 1987)
Shockley, William Bradford
(1910 bis 1989)
1957 USA Lee, Tsung Dao Untersuchung der Paritätsgesetze und die dadurch bedingten
( 1926) neuen Entdeckungen des Verhaltens von Elementarteilchen
Yang, Chen Ning
( 1922)
1958 SU Tscherenkow, Pawel Erforschung und Deutung von Lichtstrahlung beim Durchdringen
(1904 bis 1990) eines energiereichen Elektrons durch Materie (Tscherenkow-
Frank, Ilja Effekt)
(1908 bis 1990)
Tamm, Igor
(1895 bis 1971)
1959 USA Chamberlain, Owen Nachweis des Antiprotons
(1920 bis 2006)
Segrè, Emilio
(1905 bis 1989)
1960 USA Glaser, Donald Erfindung der Blasenkammer zur Beobachtung von Elementar-
(1926 bis 2013) teilchen
11.2 Nobelpreisträger der Physik 881

Jahr Land Name des Preisträgers Grund der Auszeichnung


1961 USA Hofstadter, Robert Elektronenstreuung an Atomkernen
(1915 bis 1990)
D Mössbauer, Rudolf Resonanzabsorption von Gammastrahlen (Mössbauer-Effekt)
(1929 bis 2011)
1962 SU Landau, Lew Davidowitsch Erforschung des superfluiden Heliumzustandes bei
(1908 bis 1968) Tiefsttemperaturen
1963 USA Goeppert-Mayer, Maria Schalenmodell des Atomkerns; gruppentheoretische
(1906 bis 1972) Quantenphysik
D Jensen, Hans Daniel
(1907 bis 1973)
USA Wigner, Eugene Entdeckung und Anwendung fundamentaler Symmetrieprinzipien
(1902 bis 1995) bei Atomkern und Elementarteilchen
1964 SU Basow, Nikolai Entdeckung des Maser- und Laser-Prinzips
(1922 bis 2001)
Prochorow, Alexander
(1916 bis 2002)
USA Townes, Charles
(1915 bis 2015)
1965 USA Feynman, Richard Entwicklung der Quanten-Elektrodynamik
(1918 bis 1988)
Schwinger, Julian
(1918 bis 1994)
J Tomonaga, Sin-Itiro
(1906 bis 1979)
1966 F Kastler, Alfred Untersuchungen über das „optische Pumpen“ zur Klärung des
(1902 bis 1984) energetischen Aufbaus der Atome
1967 USA Bethe, Hans Aufklärung der Energieproduktion der Sonne durch
(1906 bis 2005) Atomkernverschmelzung
1968 USA Alvarez, Louis Entdeckung von Elementarteilchen-Resonanzzuständen mit der
(1911 bis 1988) Blasenkammer-Technik
1969 USA Gell-Mann, Murray Grundlegende Theorie der Elementarteilchen (Quarks)
( 1929)
1970 S Alfvén, Hannes Beiträge zur Plasmaphysik, insbesondere der
(1908 bis 1995) Magnetohydrodynamik
F Néel, Louis Entdeckungen im Antiferromagnetismus und Ferrimagnetismus
(1904 bis 2000) für Festkörperphysik-Anwendungen
1971 H Gabor, Dennis Erfindung der Holografie
(1900 bis 1979)
1972 USA Bardeen, John Quantenmechanische Theorie der Supraleitung (BCS-Theorie)
(1908 bis 1991)
Cooper, Leon
( 1930)
Schrieffer, John
( 1931)
1973 N Giaever, Ivar Erforschung des Tunneleffektes in Halbleitern und Supraleitern
( 1929) (Josephson-Effekt)
J Esaki, Leo
( 1925)
GB Josephson, Brian
( 1940)
882 11 Anhang

Jahr Land Name des Preisträgers Grund der Auszeichnung


1974 GB Ryle, Martin Verbesserung der Radioteleskope (Apertursynthese)
(1918 bis 1984)
Hewish, Antony Entdeckung der Pulsare
( 1924)
1975 USA Bohr, Aage Niels Berechnung der Energiezustände von Atomkernen
(1922 bis 2009)
Mottelson, Benjamin
( 1926)
Rainwater, James
(1917 bis 1986)
1976 USA Richter, Burton Entdeckung neuer Elementarteilchen (Psi-Teilchen) mit der neuen
( 1931) Qualität „Charm“
Ting, Samuel
( 1936)
1977 USA Anderson, Philip Theorie der elektronischen Struktur magnetischer und ungeordne-
( 1923) ter Systeme
Mott, Nevill
(1905 bis 1996)
van Vleck, John
(1899 bis 1980)
1978 SU Kapitza, Peter Grundlegende Erfindungen und Entdeckungen auf dem Gebiet der
(1894 bis 1984) Tieftemperaturphysik; Entdeckung einer isotropen Strahlung
USA Penzias, Arno (Mikrowellen) im Weltall (Urknall-Hypothese)
( 1933)
Wilson, Robert
( 1936)
1979 USA Glashow, Sheldon Theorie der vereinheitlichten schwachen und elektromagnetischen
( 1932) Wechselwirkung zwischen Elementarteilchen; Vorhersage des
Weinberg, Steven schwachen neutralen Stroms
( 1933)
GB Salam, Abdus
(1926 bis 1996)
1980 USA Cronin, James Entdeckung der Verletzung grundlegender Symmetrieprinzipien
( 1931) beim Zerfall neutraler K-Mesonen
Fitch, Van
(1923 bis 2015)
1981 USA Bloembergen, Nicolaas Entwicklung hochpräziser Messmethoden durch
( 1920) Laserspektroskopie
Schawlow, Arthur
(1921 bis 1999)
S Siegbahn, Kai Entwicklung der hochauflösenden Elektronen-Spektroskopie
(1918 bis 2007)
1982 USA Wilson, Kenneth Beiträge zur Theorie der Phasenübergänge und kritischen
(1936 bis 2013) Phänomene
1983 USA Chandrasekhar, Subrahmanyan Theoretische Studien der physikalischen Prozesse, die für die
(1910 bis 1995) Struktur und Entwicklung von Sternen von Bedeutung sind;
Fowler, William Kettenreaktionen, die für die Bildung chemischer Elemente im
(1911 bis 1995) Weltall von Bedeutung sind
1984 I Rubbia, Carlo Entdeckung der Feldpartikel W und Z (Vermittler der schwachen
( 1934) Wechselwirkung)
NL van der Meer, Simon Stochastische Kühlung
(1925 bis 2011)
1985 D von Klitzing, Klaus Quanten-Hall-Effekt
( 1943)
11.2 Nobelpreisträger der Physik 883

Jahr Land Name des Preisträgers Grund der Auszeichnung


1986 D Ruska, Ernst Entwicklung des Elektronenmikroskops
(1906 bis 1988)
D Binnig, Gerd Konstruktion des Rastertunnelmikroskops
( 1947)
CH Rohrer, Heinrich
(1933 bis 2013)
1987 D Bednorz, Georg Supraleitung in keramischen Materialien
( 1950)
CH Müller, Karl Alexander
( 1927)
1988 USA Lederman, Leon M. Entdeckung der Verschiedenheit von Elektron-Neutrino und
( 1922) Myon-Neutrino und Begründung der Paarstruktur der Leptonen
Schwartz, Melvin (ee ; ā ; £ā£ ); erstmalige künstliche Erzeugung eines Neutrino-
(1932 bis 2006) strahls in einem Teilchenbeschleuniger (Neutrino-Kanone)
Steinberger, Jack
( 1921)
1989 USA Ramsey, Norman Resonanzmethode voneinander getrennt oszillierender Felder
(1915 bis 2011) (Cäsium-Atomuhr als Normalzeit-Standard), Wasserstoff-Maser
D Paul, Wolfgang Entwicklung der Ionenkäfig-Technik zum langzeitigen Studium
(1913 bis 1993) einzelner Elektronen und Ionen
Dehmelt, Hans
( 1922)
1990 USA Friedman, Jerome Experimentelle Bestätigung des Quarkmodells der Hadronen
( 1930) durch tief inelastische Elektron-Nukleon-Streuung
Kendall, Henry
(1926 bis 1999)
CDN Taylor, Richard
( 1929)
1991 F de Gennes, Pierre-Gilles Methode zur Beschreibung der Ordnung komplizierter Formen
(1932 bis 2007) der Materie, insbesondere von Flüssigkristallen und Polymeren
(Skalengesetze)
1992 F Charpak, Georges Entwicklung von Teilchendetektoren (Vieldraht-Proportional-
(1924 bis 2010) kammer)
1993 USA Hülse, Russell A. Entdeckung eines neuen Typs von Pulsar
( 1950)
Taylor, Joseph H. Jr.
( 1941)
1994 CDN Brockhouse, Bertramin N. Technik der Neutronenstreuung zur Untersuchung fester Körper
(1918 bis 2003) (Neutronenspektroskopie und Neutronenbeugung)
USA Shull, Clifford G.
(1915 bis 2001)
1995 USA Perl, Martin L. Experimentelle Beiträge zur Leptonenphysik (Entdeckung des
(1927 bis 2014) Tau-Leptons und des Neutrinos)
Reines, Frederick
(1918 bis 1998)
1996 USA Lee, David M. Entdeckung der Suprafluidität in Helium-3
( 1931)
Osheroff, Douglas M.
( 1945)
Richardson, Robert C.
(1937 bis 2013)
884 11 Anhang

Jahr Land Name des Preisträgers Grund der Auszeichnung


1997 USA Chu, S. Entwicklung von Methoden zur Abkühlung und zum Einfan-
( 1948) gen von Atomen mit Laserlicht
F Cohen-Tannoudji, C.
( 1933)
USA Phillips, W. D.
( 1948)
1998 USA Laughlin, Robert B. Entdeckung einer neuen Form von Quantenflüssigkeit mit
( 1950) gebrochen geladenen Anregungen
D Störmer, Horst L.
( 1949)
USA Tsui, David C.
( 1939)
1999 NL ’t Hooft, Gerardus Beiträge zur Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung
( 1946)
Veltman, Martinus J. G.
( 1931)
2000 RUS Alferov, Zhores Entwicklung von Halbleiter-Heterostrukturen für die Hoch-
( 1930) geschwindigkeitselektronik und Optoelektronik
USA Krömer, Herbert
( 1928)
USA Kilby, Jack Beiträge zur Entwicklung des integrierten Schaltkreises
(1923 bis 2005)
2001 USA Cornell, Eric A. Erzeugung der Bose-Einstein-Kondensation in verdünnten
( 1961) Gasen aus Alkaliatomen und frühe grundsätzliche Studien
D Ketterle, Wolfgang über die Eigenschaften der Kondensate
( 1957)
USA Wieman, Carl E.
( 1951)
2002 USA Davis, Raymond Nachweis kosmischer Neutrinos
(1914 bis 2006)
J Koshiba, Masatoshi
( 1926)
USA Giacconi, Riccardo Entdeckung kosmischer Röntgenquellen
( 1931)
2003 RU, USA Abrikosov, Alexei, A. Bahnbrechende Beiträge zur Theorie der Supraleiter und
( 1928) Supraflüssigkeiten
RU Ginzburg, Vitaly, L.
(1916 bis 2009)
GB, USA Leggett, Anthony, J.
( 1938)
2004 USA Gross, David J. Entdeckung der asymptotischen Freiheit in der Theorie der
( 1941) starken Wechselwirkung
Politzer, David H.
( 1949)
Wilczek, Frank
( 1951)
2005 USA Glauber, Roy J. Beitrag zur Quantentheorie der optischen Kohärenz
( 1925)
USA Hall, John L. Beiträge zur Entwicklung der Laser-basierten
( 1934) Präzisionsspektroskopie einschließlich der optischen
D Hänsch, Theodor W. Frequenzkamm-Technik
( 1941)
11.2 Nobelpreisträger der Physik 885

Jahr Land Name des Preisträgers Grund der Auszeichnung


2006 USA Mather, John C. Entdeckung der Schwarzkörperform und der Anisotropie der
( 1946) kosmischen Hintergrundstrahlung
Smoot, George F.
(1945)
2007 F Fert, Albert Entdeckung des Riesenmagnetowiderstands (Giant Magnetore-
( 1938) sistance, GMR)
D Grünberg, Peter
( 1939)
2008 USA Nambu, Yoichiro Entdeckung der gebrochenen Symmetrien in der subatoma-
(1921 bis 2015) ren Physik; Vorhersage der Existenz von mindestens drei
Quarkfamilien
J Kokayashi, Makoto
( 1944)
J Maskawa, Toshihide
( 1940)
2009 GB Kao, Charles Kuen Bahnbrechende Erfolge auf dem Gebiet der Lichtleitung auf
( 1933) Lichtleitfasern für die optische Nachrichtentechnik
USA Boyle, Willard Erfindung des CCD-Sensors
(1924 bis 2011)
Smith, George E.
( 1930)
2010 NL Geim, Andrej K. Grundlegende Experimente mit dem zweidimensionalen Mate-
( 1958) rial Graphen
GB, RU Novoselov, Konstantin S.
( 1974)
2011 USA Perlmutter, Saul Entdeckung der beschleunigten Expansion des Universums
( 1959) durch Beobachtungen entfernter Supernovae
USA Schmidt, Brian P.
( 1967)
USA Riess, Adam G.
( 1969)
2012 F Haroche, Serge Bahnbrechende experimentelle Methoden, mit denen sich
( 1944) individuelle Quantensysteme messen und manipulieren lassen
USA Wineland, David
( 1944)
2013 B François Englert Theoretische Vorhersage eines Mechanismus, welcher zu
( 1932) unserem Verständnis des Ursprungs der Masse subatomarer
GB Peter W. Higgs Teilchen beiträgt und der kürzlich bestätigt wurde durch die
( 1929) Entdeckung des vorhergesagten Elementarteilchens
2014 J Isamu Akasaki Erfindung effizienter blauer Leuchtdioden, welche die
( 1929) Entwicklung heller und energiesparender Lichtquellen
J Hiroshi Amano ermöglichen
( 1960)
USA, J Shuji Nakamura
( 1954)
2015 J Takaaki Kajita Entdeckung der Neutrino-Oszillationen, die zeigen, dass die
( 1959) Neutrinos eine Masse besitzen
CDN Arthur B. McDonald
( 1943)
886 11 Anhang

Jahr Land Name des Preisträgers Grund der Auszeichnung


2016 GB David J. Thouless Theoretische Entdeckungen topologischer Phasenübergänge und
( 1934) topologischer Phasen der Materie
GB F. Duncan M. Haldane
( 1951)
GB J. Michael Kosterlitz
( 1942)
Sachwortverzeichnis

A Aerodynamik, 117
Abbe’sche Invariante, 457 Aerostatik, 105
Abbildung, optische, 486 äußere Reibung, 37
Abbildungsfehler, 472 Aggregatzustand, vierter, 281
Abbildungsgleichung, 460 Aggregatzustände, 209
des Hohlspiegels, 447 Ähnlichkeit, geometrische und hydromechanische, 139
Newton’sche, 461 Ähnlichkeitsgesetze, 138
Abbildungsmaßstab, 447, 458 Airy’sche Beugungsscheibchen, 506
Aberration, chromatische und sphärische, 472 Akkumulator, 266
abgeschlossenes System, 46, 153 Aktionsgesetz, 33
abhängiger Zerfall, 648 Aktivität, 647
Abklingkoeffizient, 395, 396, 399 optische, 529
Ablenkung, Teilchen im elektrischen Feld, 293 radioaktive, 646
Ablenkungswinkel am Prisma, 454 zeitlicher Verlauf, 646
Ablenkwinkel, minimaler, 455 Aktivitätsgleichung, 648
Abnahme der Raketenmasse, 48 Akustik, 553
Abschattung, 471 musikalische, 572
Abschirmung, 698 physiologische, 569
absolute Luftfeuchtigkeit, 217 technische, 576
absoluter Größtfehler, 14 akustische Schmerzgrenze, 569
Messverfahren, 14 Akzeptor, 737
absoluter Nullpunkt, 161 Akzeptoren, Ionisationsenergie, 737
Absorber, Schall-, 564 Akzeptoren-Konzentration, 738
Absorberfrequenz, charakteristische, 565 Alcator, 668
Absorption, 536 allgemeine Heisenberg’sche Unschärferelation, 606
eines Photons, 536 allgemeine Zustandsgleichung idealer Gase, 162
elektromagnetischer Strahlung, 766 All-Round-Effekt, 721
von Röntgenstrahlung, 625 allseitige Kompression, 94, 95
Wechselwirkungsprozess, 681 Alpha-Strahlung, 642
Absorptionsanteil, 624 Alpha-Teilchen, Streuung, 633
Absorptionsfläche, 576 Alpha-Zerfall, 643, 644
äquivalente, Akustik, 577 amorphe Werkstoffe, 712
Absorptionsgrad, 576 Ampere, 8
Schall-, 563 Amperemeter, 250
Absorptionskoeffizient, 766 Ampere’sches Gesetz, 316
Absorptionskurve, 680 Ampere’sches magnetisches Moment, 323
Absorptionsspektroskopie, 591 Amplitude, 351, 378, 380, 403
Abstimmungsfrequenz, Masse-Feder-System, 579 Amplitudenresonanzfunktion, 402
Abweichungen, statistische, 10 Amplitudenspektrum, Fourier-Analyse, 409
systematische, 10 Analogie der Translation und Rotation, 66
Achse, freie, 77, 524 Analysator, 522
Addition von Kräften, 34 Analyse, Korrelation-, 16
Adhäsionskraft, 113 Änderung des Drehimpulses, zeitliche, 63
Adiabatengleichung, 182 Änderung einer Zustandsgröße, 155
adiabates System, 153, 182 Aneroid-Barometer, 105
Admittanz, 358 Angriffspunkt, 69

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2016 887


E. Hering, R. Martin, M. Stohrer, Physik für Ingenieure, DOI 10.1007/978-3-662-49355-7
888 Sachwortverzeichnis

Anhangskraft, 113 Aszension, kapillare, 117


anharmonischer Oszillator, 629 Äther, 776
Anion, 260 atomare Konstanten einiger Metalle, 708
anisotrope Polarisation, elektrische, 310 atomare Masseneinheit, 635
anisotropes Verhalten, 706 Atombau, 589
Anisotropie, 523 Systematik, 621
Anker, 361 Atombegriff, 590
Anlagenkennlinie, 148 Atomistik, 590
anodische Oxidation, 261 Atomkern, Ladungsverteilung, 634
Anomalie des Wassers, 161, 214 Aufbau, 632
anormale Rutherford-Streuung, 684 Größe, 632
Anpassungsfehler, 16 Atommasse, 635
Anregungsdetektor, 650, 651 relative, 635
Anregungsfunktion, 657 Atommassenkonstante, 636
Antiferromagnetismus, 336 Atommodell, Bohr’sches, 590
Anti-Schottky-Fehlordnung, 711 Atomorbital, 608
Antistokeslinie, 631 Energiediagramm, 622
Antiteilchen, 671, 674 Atomphysik, 589
Anwendung der Atomuhr, 6
der Kontinuitätsgleichung, 122 Aufbau der Elektronenhülle, 622
des Reibungsgesetzes, 133 Aufenthaltswahrscheinlichkeit, 600
Anwendung der Bernoulli-Gleichung, 122 Auflösungsvermögen, 507
Anzeigetechnik, 725 eines Gitters, 513
aperiodischer Grenzfall, 396, 397 eines Mikroskops, 512
Apertur, numerische, 452 eines Prismas, 514
Aperturwinkel, 471 optischer Instrumente, 507
Äquipartionsprinzip, 167 Auftrieb, 112
Äquipotenzialfläche, 91, 288 Auftrieb an umströmten Körpern, 143
Äquipotenziallinie, 290 dynamischer, 143
Äquivalentdosis, 687–689 Auftriebsbeiwert, 143
Äquivalentdosisleistung, 688, 698 Auftriebskraft, 112
Äquivalent-Dosisleistungskonstante, 698 Auftriebspumpen, 147
äquivalente Schallabsorptionsfiäche, 576 Auge, menschliches, 472
äquivalenter Dauerschallpegel, 571 Augenastigmatismus, 473
Aräometer, 113 Ausbreitungsgeschwindigkeit, 423
Arbeit, 9, 50 Biegewelle, 566
allgemein, 50 Wellen, 420
auf schiefer Ebene, 50 Ausdehnung, thermische, 158
bei der Drehbewegung, 63 Ausdehnungskoeffizient, Längen, 160
bei Rotation, 66 Raum, 109, 158
bei Translation, 66 Ausfließen von Flüssigkeiten aus Gefäßen, 124
Beschleunigungs-, 50 Ausflussgeschwindigkeit, 124
eines Spannungs-Dehnungs-Zyklus, 99 Ausflussgesetz, Torricellisches, 124
elektrische, 257, 283 Ausflussmassenstrom, 124
Hub-, 50, 52, 89 Ausflusszahl, 125
mechanische, 50 Ausgleichsgerade, 15
ortsabhängiger Kräfte, 50 Auslenkung, 380
Reibungs-, 51 Auslöschung bei Schwingungsüberlagerung, 406
Verformungs-, 52 Ausschaltvorgänge in Stromkreisen, 363
Volumenänderungs-, 186 Außenpolmaschine, 361
Arbeitspunkt, 340 äußere Strahlenbelastung, Schutz, 697
Archimedisches Prinzip, 112 Ausstrahlung, spezifische, 484, 490
arithmetischer Mittelwert, 12 Ausströmgesetz nach Bunsen, 126
Asdex, 668 Austauschreaktion, 657
Astigmatismus, 472 Austauschteilchen, 677
Astronomia nova, 86 Austrittsarbeit, 532
Asymmetrie-Energie, 637 Auswahlregel, 609
asymmetrische Spaltung, 659 Avogadro-Konstante, 10, 163
Asynchronmotor, 362 Feldkonstante, 10
Sachwortverzeichnis 889

magnetische Energie, 10 Beschleunigung, Zentrifugal, 42


Axiome, Newton’sche, 33 Beschleunigungsarbeit, 51
Beschleunigungsvektor, 27
B Beschleunigung-Zeit-Diagramm, 23
Babinet’sches Theorem, 515 Beschuss eines Kerns mit Alpha-Teilchen, 643
Bahndrehimpuls, 593, 606 Besetzungsinversion, 538, 764
Vektordiagramm, 608 Besetzungszahl, 536
Bahndrehimpulsquantenzahl, 606, 618, 622 Bessel-Funktion, 506
Bahnkurve, 26 Bestrahlung, 485, 490
Bahnlänge, 685 Bestrahlungsstärke, 485, 490
Bahnlinien, 118 Beta-Stabilität, 638
Bahnmagnetismus, 617, 618 Strahlung, 642
Bahnmoment, 331 Zerfall, 643, 644
Bahnscheitel, Rakete, 49 Bethe-Bloch-Gleichung, 684
Balmer-Serie, 592 Beugung, 435, 441, 495, 504
Bandgap, 737 am Doppelspalt, 436, 535
Bandmittenfrequenz, 561 am Gitter, 509
bar, 105 am Spalt, 503, 600
barn, 657 Fraunhofer’sche, 504
barometrische Höhenformel, 111, 168 Intensitätsverteilung, 506
Baryon, 671, 674 nach Fresnel, 504
Baryonenzahl, 675 von Elektronen (Davison und Germer), 597
Basisgrößen, 8 von Röntgenstrahlung, 598
Basisschaltung, 741 Beugungsbild eines Drahtes, 507
Transistor, 744 Beugungsfunktion, 511, 513
basiszentrierte Gitter, 707 Beugungsscheibchen, Airische, 506
Batterie, 263 Beweglichkeit, 731, 732
Bauelement, elektrisches, 352 bewegte Bezugssysteme, 38
im Wechselstromkreis, 353 Bewegung, Nutations-, 81
Parallelschaltung, 356 Dreh-, 61, 63
Reihenschaltung, 355 Kreis-, 29
Becquerel, 646 relative, 38
Belastungsfall, elementarer, 97, 98 Translations-, 24
Beleuchtungsstärke, 9, 490 Bewegungsgleichung des Elektrons, 609
Belichtung, 490 Bewegungsgröße der Drehbewegung, 62
Benetzung, 115, 116 Bewegungsverhalten, Feder-Masse-System, 383
Berechnung der Wärmekapazität, 171 bewertete Schallpegel, 571
von Dauermagnetsystemen, 337 Bewertungsfaktor, 571
Bernoulli-Gleichung, 121, 144 Bewertungskurve, 571
Anwendung, 122 Bezugsintensität, 578
bei Newton’scher Reibung, 135 Bezugsschalldruck, 559
für kompressible Medien, 144 Bezugssystem, 775
verallgemeinerte, 144 bewegtes, 38
berührungslose Thermometer, 159 gleichförmig rotierendes, 40
Berührungsthermometer, elektrische und mechanische, Biegesteifigkeit, 567
159 biegeweiche Grenzfläche, 563
Beschleunigeranlagen, 671 Biegewelle, 422, 567
Beschleunigung, 9, 22, 87 Biegewellen durch Spuranpassung, 567
Coriolis-, 42 Biegung, 98
Fall-, 87 Bild, reelles und virtuelles, 444
gleichmäßige, 24 Bildentstehung beim Spiegel, 444
mittlere, 22 beim Hohlspiegel, 446
momentane, 22 Bildgröße, -weite, 447
Rakete, 48 Bimetall, 717
Tangential-, 29 Bimetallmesswerk, 369
Teilchen im elektrischen Feld, 290 Bindung, Ionen-, 705
Winkel-, 29, 63 kovalente, 705
Zentripetal-, 29 metallische, 706
Beschleunigung 8 van-der-Waals’sche, 703
Winkel-, 66
890 Sachwortverzeichnis

Bindungsarten, 704 Brutrate, 663


Bindungsenergie der Van-der-Waals-Bindung, 703 Brutreaktor, 663
Bindungsenergie des Kerns, 636 Bunsen’sches Ausströmgesetz, 126
Bindungsenergie zweier Ionen, 705 Burger-Modell, 716
Binnendruck, 206
biologische Wirkung der Strahlung, 689 C
Biot-Savart’sches Gesetz, 317 Candela, 8, 489, 490
bipolarer Transistor, 741 Carnot-Prozess, Leistungszahl, 190
Blasinstrument, 434 Carnot’scher Kreisprozess, 187
Blaze-Winkel, 513 Cavendish’sche Gravitationsdreh-waage, 88
Blende, 124, 471 Celsius, Grad, 158
Blendenzahl, 480 charakteristische Strahlung, 623
Blindanteil, 352, 358 charakteristisches Schallspektrum, 573
Blindfaktor, 358 Charles’sches Gesetz, 164, 181
Blindleistung, 357 Charme, 676
Blindwiderstand, induktiver und kapazitiver, 353 Charmonium, 673
Bloch-Wand, 334 cholesterische Flüssigkristalle, 723
Bogenentladung, 276 Clausius-Clapeyron’sche Gleichung, 212
Bohr’sche Postulate, 593 Clausius-Rankine-Prozess, 192, 194
Bohr’sche Quantenbedingungen, 593 Compoundkern, 656
Bohr’scher Radius, 593, 611 Compton-Effekt, 533, 681, 686
Bohr’sches Atommodell, 590 Compton-Streuung, 597
Bohr’sches Magneton, 325, 617 Computertomografie, 624
Bolometer, 482 Cooper-Paar, 747, 748
Boltzmann-Faktor, 168 Coriolis-Beschleunigung, 42
Boltzmann-Konstante, 10, 163, 536 Kraft, 40, 43
Verteilung, 536, 740, 754 Cotton-Mouton-Effekt, 526, 528
Bose-Einstein-Statistik, 748 Coulomb-Energie, Atomkern, 637
Bottom, 676 Coulomb-Kraft, 593
Bottonium, 673 Coulombmeter, 261
Boyle-Mariotte-Gesetz, 164 Coulomb-Potenzial, 598
Bracket-Serie, 592 Wall, 656
Bragg’sche Bedingung, 516, 727 Coulomb’sches Gesetz, 240
Braun’sche Röhre, 293 Coulomb’sches magnetisches Moment, 323
Bravais-Gitter, 707 Crash-Test, 56
Brechkraft, Linse, 460 Curie-Gesetz, 332, 336
Brechung an einem Prisma, 454 Curie-Temperatur, 332, 334, 761
an Kugelflächen, 456 Curie-Weiss’sches Gesetz, 332
von Licht, 449, 523
Brechungsindex, 450 D
Brechungswinkel, 449 Dämmerungszahl, 479
Brechzahl, 450, 525 Dämpfungsfrequenz, 395
Brechzahlen einiger Stoffe, 450 Dämpfungsgrad, 395, 399, 402
von Kristallen, 525 Dämpfungskoeffizient, 395, 558, 559
breitbandige Absorber, 565 d’Alembert’sche Wellengleichung, 425, 555
Bremsstrahlung, 623, 680 d’Alembert’sches Prinzip, 40
Bremsvermögen, 673, 684 Dalton’schen Gesetz, 217
für Elektronen, 685 Dampf, Naß, 207
Brennpunkt, 445, 460 Dampf, trockener, gesättigter, 207
Brennstoff, 663 überhitzter, 207
Brennstoffzelle, 269 Dauermagnetsystem, 337
Brennweite, 460, 466 Dauermagnetwerkstoffe, 338
beim Hohlspiegel, 446 Dauerschallpegel, 571
beim Wölbspiegel, 448 Davison- und Germer-Beugung, 597
dicke Linse, 463 D-D-Reaktion, 666
Brewster’sches Gesetz, 523 De-Broglie-Beziehung, 541, 727
Brillouin-Zonen, 728, 751 De-Broglie-Wellenlänge, 599
Brinell-Verfahren, 103, 104 Debye-Scherrer-Verfahren, 518
Bruchdehnung, 102 Debye’sches Gesetz, 204, 731
Debye-Temperatur, 754
Sachwortverzeichnis 891

Defektelektron, 734 Doppelspalt, 495, 510


deformierbarer Körper, Mechanik, 92 Beugung, 436, 535
Dehnung, 93, 95, 98 Doppler-Effekt, 427, 496, 777, 787
zeitabhänige, 716 d-Orbitale, 619
Deklination, 314 Dosisaufbaufaktor, 699
Dekrement, logarithmisches, 396 Dosisgröße, 687
Depression, kapillare, 117 Dosismessung, 692
destruktive Interferenz, 431 Dosismessverfahren, 695
Desublimieren, 210 Drehbewegung, 62, 63
Detektivität, 767 von Systemen materieller Punkte, 64
Detektor, Anregungs-, 650 Dreheisenmesswerk, 369
Ionisations-, 650 Drehfrequenz, 29
Detektoren, 671 Drehimpuls, 62, 66
Deuterium-Zyklus, 665 Definition, 62
d-Funktionen, 609 Eigenfunktionen, 630
Diamagnetismus, 330, 332, 333 Gesamt-, 65
Diamantgitter, 705 innerer, 634
Dichroismus, 526 mechanischer, 128
Dichte der feuchten Luft, 218 quantenmechanischer, 601
der Kernmaterie, 634 zeitliche Änderung, 63
einer Flüssigkeit, 113 Drehimpulserhaltung, 64, 88
fester Körper, 114 Drehimpulsoperator, 602
von Gasgemischen, 205 Kommutatoren, 606
dichteste Kugelpackung, 708, 709 Drehimpulssatz von Systemen rieller Punkte, 64
dicke Linsen, 463 Drehimpulsvektor, 602
Dielektrikum, 303 Drehkristall-Spektrometer, 517
Dielektrizitätskonstante, 240 Drehmoment, 61, 66, 69
Dielektrizitätszahl, 304 der Strömung, 128
Diesel-Prozess, 192, 193 eines Kräftepaars, 69
Differenzialgleichung Gesamt-, 65
des Feder-Masse-Systems, 381 Turbine, Pumpe, 130, 131
elektromagnetischer Schwingkreis, 390 Drehmomentstoß, 63
erzwungene Schwingung, 400 Drehspulmesswerk, 369
gekoppeltes Schwingungssystem, 415 Drehstrom, 359
Struktur, Schwingungen, 384 Drehstrommotor, 362
Differenzialgleichung, allgemeine, (Schwingungen), 384 Drehwinkel, 29
differenzieller Energieverlust, 683 Drehzahl, 29
differenzieller Wirkungsquerschnitt, 632, 633 spezifische, 149
differenzielles Ionisationsvermögen, 684 Dreiecksschaltung, 359
diffuses Schallfeld, 576 Dreieck-Stern-Schaltung, 250, 359
Diffusionsspannung, 740 Drei-Niveau-System, 538
digitales elektronisches Messwerk, 370 Dreiphasenstrom, 359
Diode, 742 Driftgeschwindigkeit, 731, 732
Dioptrie, 460 dritter Hauptsatz der Thermodynamik, 153, 204
Dipolmoment, 240 drittes Kepler’sches Gesetz, Herleitung, 88
elektrisches, 310, 760 Drosselgerät, 123
magnetisches, 325, 619 Druck, 98, 105, 153
Dirac-Gleichung, 675, 677 Betriebs-, 122
direktionisierende Strahlen, 680, 683 Bezugsschall-, 559
Direktschall, 576 Binnen, 206
Dispersion, 438, 567 der feuchten Luft, 217
Dissipation, 558, 559 dynamischer, 122
dissipative Kraft, 55 Gas, 164, 165
Dissonanz, 572 geodätischer, 122
Dissoziation, 259 Gesamt, 211
Donator, 737 hydrostatischer, 110
Ionisationsenergie, 737 kritischer, 207
Doppelbrechung, 523 Norm, 162
Anwendung, 526 Oberflächen-, 115
892 Sachwortverzeichnis

Sättigungsdampf-Wasser, 211 Doppler-, 427, 787


Schallwechsel-, 559 Einweg-, 721
Schwere-, 110, 111 Ettinghausen-, 757
statischer, 122 Faraday-, 530
Stau-, 122, 123 Foto-, 530, 681
Wirk-, 123 galvonomagnetischer, 757
Druckabfall im Rohr, 133 gnetooptischer, 527
Druckänderung, Akustik, 554 Hall-, 325, 758
Druckenergie, 122 Joule-Thomson, 209
Druckerhaltung, 121 Kerr-, 526
Druckfühler, 719 Koinzidenz-, 567
Druckmessung, 108, 122 lichtelektrischer, 530, 595
Druckmittelpunktsabstand, 111 Maggi-Righi-, 758
Druckpunkt, 143 magnetischer, 758
Drucksonde, 122 magnetokalorischer, 209
Druckverlust bei Newton’scher bung, 135 Magnus-, 126
Druckwandlung, 109 Meißner-Ochsenfeld-, 746
Druckwasserreaktor, 663 Nernst-, 758
Druckwiderstandsbeiwert, 136 Paarbildungs-, 681
Druckwiderstandskraft, 135 Peltier-, 758
D-T-Reaktion, 667 piezoelektrischer, 761
Dualismus Welle Pockels-, 526
Teilchen, 534, 597 Purkinje-, 489
dünne Blättchen, Farben, 499 Quanten-Hall-, 609, 611
dünne Kugelschale, Massenträgheitsmoment, 76 Raman-Effekt, 631
dünne Linse, 459 Righi-Leduc-, 758
dünne Scheibe, Massenträgheitsmoment, 76 Saugeffekt von Strömungen, 125
dünne Schicht, Interferenzen, 498 Seebeck-, 159, 758
dünner Stab Stark-, 619
Schallgeschwindigkeit, 556 Thomson-, 757
dünner Stab, Massenträgheitsmoment, 76 Tunnel-, 614, 615
Dulong-Petit’sches Gesetz, 179, 754 Von-Klitzing-, 611, 612
dünner Ring, Massenträgheitsmoment, 76 Zeeman-, 619
dünnwandiger Hohlzylinder, Massenträgheitsmoment, 76 Zener-, 741
Durchdringungsverbundwerkstoffe, 719 Zweiweg-, 721
Durchflussgleichung, 120 Effekte, Grenzflächen-, 113
Durchflusszahl, 123 relativistische, 780
Durchflutungsgesetz, 315 thermomagnetische, 759
durchschnittliche Geschwindigkeit, 169 effektive potenzielle Energie, Wasserstoffatom, 608
Durchstrahlverfahren, 653, 654 effektiver Multiplikationsfaktor, 663
Duromer, 713, 715 Effektivwert, 351
Dynamik, 19, 32 der Wechselspannung, 351
in bewegten Bezugssystemen, 38 Schallwechseldruck, 556
klassische, 32 Wechselstrom, 351
relativistische, 782 Eichschallquelle, 559
dynamische Viskosität, 132 Eigenfrequenz, 378, 380
dynamischer Auftrieb, 143 Eigenfunktion, 601
Druck, 122 Impulsoperator, 603
dynamisches Grundgesetz der Rotation, 63 Wellenfunktion, 605
Eigenleitung, 734
E Eigenschaft von Kreisprozessen, 187
ebene Schallquelle, 558 Eigenschwingung, 434
ebene Wellen, 421 Eigenwert, 601, 605
Ebenen in Kristallgitter, 709 starrer Rotator, 630
Echelette-Gitter, 513 Eigenwertgleichung, 606
Echtzeitanalysator, 572 einfache Welle, 422
Echtzeitverfahren, 521 Einfangreaktion, 657
Effekt, All-Round-, 721 Einführung, Mechanik, 19
Compton-, 533, 681 Einheit, physikalische, 6
Cotton-Mouton-, 526
Sachwortverzeichnis 893

Einlagerung, 711 und Leiter, 295


Einlaufdüse, 124 und Materie, 295, 297
Einschaltvorgänge in Stromkreisen, 363 und Nichtleiter, 303
Einschlussparameter, 667 elektrisches Feld, 282
Einschwingvorgang, 400 Elektrisierung, 304
Einstein-Koeffizient, 536 Elektrizit, 237
Einstein-Temperatur, 754 elektroakustische Wandler, 560
Einwegeffekt, 721 elektrochemische Daten, 262
elastische Energie, 54, 99 Spannungsquelle, 262
Lagerung, 579 Spannungsreihe, 262
Streuung, 657, 681 Spannungsreihe der Metalle, 262
Verformung, 93 elektrochemischen Vorgänge, 242
elastischer Stoß, 56, 59 elektrochemisches Äquivalent, 262
Energieerhaltungssatz, 60 Elektrodynamik, 373
elastisch-viskoses Verhalten, 716 Elektrodynamik, relativistische, 786
Elastizitätsmodul, 94, 95 spezielle Relativitätstheorie, 786
Elastomer, 714, 715 stationärer Ströme, 373
elekrische Verschiebungsarbeit, 286 elektrodynamische Kraft, 786
elektrische Arbeit, 257 elektrodynamischer Wandler, 559
an Grenzflächen, 311 elektrodynamisches Messwerk, 369
anisotrope, 311 Elektroerosion, 261
Arten, 311 Elektrokinese, 271
atomistische Deutung, 311 elektrokinetische Vorgänge, 271
Berührungsthermometer, 159 Elektrolyse, 259
Doppelschicht, 262 Elektrolytischer Trog, 120
Energiedichte, 312 elektrolytisches Polieren, 261
Feldkonstante, 9, 10, 239 elektromagnetische Induktion, 344
Feldlinie, 282 Lichtstrahler, 525
Feldstärke, 9, 283, 285, 311 Schwingung, 390
Gleichungen, 257 elektromagnetischer Schwingkreis,
Influenz, 295 Differenzialgleichungen, 390
Kapazität, Kugelkondensator, 301 Elektromotor, 360, 362
Kapazitäten, Schaltung, 302 Elektromotorische Kraft, 241
Kraft, 284 Elektron, 674
Ladung, 9, 675 Bewegungsgleichung, 611
Leistung, 257 freies, 725
Leiter, 726 Hamilton-Funktion, 609
Leitfähigkeit, 243, 732 Ruhemasse, 10
Leitung, 731 Elektron feld, Flugbahn, 292
Maschinen, 360 Elektronen, Bremsvermögen, 685
Messgeräte, 367 Energieaufspaltung im Magnetfeld, 620
Plattenkondensator, 301 gebundene, 725
Polarisation, 303, 304 in Festkörpern, 725
Spannung, 9, 241 Streuung, 633
Stromdichte, 241 Wärmeleitfähigkeit, 756
Stromstärke, 6 Elektronenbeugung, 542
Verschiebungsdichte an Grenzflächen, 311 Elektroneneinfang, 645
verschiedene Geometrien, 302 Elektroneneinfangdetektor, 654
Widerstände, 244 Elektronenemission, 275
elektrische Arbeit Feldstärke, 9 Elektronengas, 706, 730
elektrische Suszeptibilität, 305 molare Wärmekapazität, 730
elektrischer Dipol, 617 zweidimensionales, 611
spezifischer, 245 Elektronengeschwindigkeit, 291
Widerstand, 9, 365 Elektronenhülle, 622
elektrischer Dipol Analogie, 343 Elektronenmikroskop, 546
elektrisches Dipolmoment, 289, 290, 292, 310, 760 Elektronenstrahl-Oszilloskop, 293, 370
Energieinhalt, 312 Elektronenvolt, 290
Feld, Beschreibung, 282 Elektronresonator, 619
Teilchen in Flüssigkeit, 294 elektrooptische Eigenschaften, Flüssigkristalle, 724
894 Sachwortverzeichnis

elektrooptischer Effekt, 528 Energieband, 725


Elektroosmose, 272, 273 Energiebandstruktur, 727
Elektrophorese, 272 Energiedichte, 423, 557
Elektrostatik, 373 bei Wellen, 422
elektrostatisches Messwerk, 369 elektrische, 312
Potenzial, 286 magnetisches Feld, 349
elementare Belastungsfälle, 97, 98 Schallwelle, 557
Elementarladung, 10, 239, 291, 294 Verlustenergiedichte, 101
Elementarteilchen, 670, 674 Energiedosis, 687
Erhaltungssätze, 675 Energieeinschlusszeit, 667
Elementarwelle, 435, 436 Energieerhaltungssatz, 54
Elemente, Periodensystem, 622 bei Rotation, 65
elliptisch polarisiertes Licht, 523 beim elastischen Stoß, 60
Eloxalverfahren, 261 Energieflussdiagramm, 189, 190
Emission, 536 Energieinhalt des elektrischen Feldes, 312
spontane, 764 Energiesatz, Mechanik, 54, 55
spontane, induzierte, 536 Energiestromdichte, 423
stimulierte, 764 Wellen, 423
thermische, 274 Energietransport bei Wellen, 422
Emissionsspektroskopie, 590 Energieübertragung, lineare, 689
Emitter, 743 Energieveränderung durch Magnetfeld, 613
Emitter-Schaltung, 744 Energieverbrauch für Ionenpaare, 685
Emitterschaltung, Transistor, 744 Energieverlust, differenzieller, 684
Empfangsraum, Schallintensität, 578 Entartung, 595
Empfindlichkeit, 768 Entfernungsgesetz, fotometrisches, 485
Diode, 768 Enthalpie, 154, 155
endoergische Reaktion, 656 freie, 204
Energetik, 653 spezifische, 218
Energie, 9, 54, 72, 350, 606, 637 Entladungslampe, 277
Bindungsenergie des Kerns, 636 Entmagnetisierungsfaktor, 335
Coulomb-Energie, Atomkern, 637 Entropie, 153, 197
Druck-, 122 eines Systems, 204
effektive potenzielle, Wasserstoffatom, 606 Epitaxie, 764
eines Phonons, 751 Erde, Magnetfeld, 314
elastische, 54, 99 Erdmasse, 88
elektrische, 312 Erdradius, 88
freie, 203 Erhaltungssatz, Drehimpuls, 64
Gesamtenergie, 54 Energie, 54, 55
Gesamtenergie, Schwingung, 389 Impuls, 47
innere, 155, 208 Erhaltungssätze bei chen, 675
kinetische starrer Körper, 72 Ericsson-Prozess, 192, 194
kinetische, Elektronen, 593 Erreger, 401
Kondensationsenergie, Atomkern, 637 Erstarren, 210
Lageenergie, 54 erste Brillouin-Zone, 751
magnetisches Dipolmoment, 619 erster Hauptsatz der Thermodynamik, 153, 204
magnetisches Feld, 349 Erwartungswert, 8, 605
mittlere thermische, 167 erzwungene Schwingungen, 379, 400
Oberflächenenergie, 114 Estrich, schwimmender, 582
Photon, 532 Ettinghausen-Effekt, 758
potenzielle, 90 Ettinghausen-Nernst-Effekt, 758
potenzielle, starrer Körper, 71 Euler’sche Formel, 352, 380
Rotationsenergie, 64, 73 Euler’sche Gleichung, Pumpe, 130, 131
Strahlungsenergie, 490 Euler’sche Turbinengleichung, 131
thermische, 167 exoergische Reaktion, 643, 656
Energie, Feld, 290 Expansion isobare, 173
Energie, Translation, 66 Expansionszahl, 123
Energieabsorptionskoeffizient, 686, 689 Experimente zur Quantentheorie, 596
Energieaufspaltung exponentielle Regression, 15
von Protonen im Magnetfeld, 620 Extremalprinzipien, 597
Sachwortverzeichnis 895

F feste Körper, Dichte, 114


Faktor, relativistischer, 778 Härte, 102
Fall, freier, 23 Struktur, 703
Fallbeschleunigung, 88 Thermodynamik, 750
Fallzeit, 25 festes Ende, Wellenreflexion, 433
Faraday-Effekt, 530 Festigkeit von Werkstoffen, 94
Faraday-Konstante, 10, 261 Festkörper, Ausdehnung, 158
Faraday’sches Gesetz, 261 Elektronen, 725
Farben dünner Blättchen, 499 makromolekularer, 713
Farbladung, Quantenzahl, 673 Festkörperlaser, 538
Farbmetrik, 491 Festkörperphysik, 703
Faserkreisel, optische, 84 feuchte Luft, Dichte, 218
Faserverbund, 717 Druck, 216
Faserverbundwerkstoffe, 720 spezifische Enthalpie, 218
Fast-Fourier-Transformation, 572 Feuchtegrad, 218
Fata Morgana, 453 Feynman-Diagramm, 676, 678
Federkonstante, 35 Figurenachse, 80
Feder-Masse-System, Differenzialgleichung, 381 Fizeau-Streifen, 501, 502
Federn, Parallelschaltung, 36 Fläche, 9
Serienschaltung, 36 Flächenfehler, 711, 712
Fehler, Anpassungs, 16 Flächenträgheitsmoment, 111
Fehlerfortpflanzung, 13 flächenzentrierte Gitter, 707
Fehlerrechnung, 8 Flatterecho, 576
Kennwerte, 12 Flüssigkeit
Fehlersumme, 12, 14 Ausdehnung, 161
Feinstrukturkonstante, Sommerfeld’sche, 10, 595 Ausfließen aus Gefäßen, 124
Feld, allgemein, 282 Dichte, 114
elektrisches, 282 strömende, 117
magnetisches, 282, 314, 321 Flüssigkeitspendel, 388
Schallfeld, diffuses, 576 Flüssigkeitsreibung, 125
Strömungsfeld, 117 Flüssigkristall, 528, 723
Feldeffektransistor, 611 Fluidität, 132
Feldelektronenmikroskop, 275 Fluss, elektrischer
Feldemission, 274 magnetischer, 9, 320
Felder, instationäre, elektromagnetische, 344 Flussdichte, kritische magnetische, 746
Felder, instationäre, Vergleich: Hydrodynamik, Wärme, elektrische, 295
Elektrizität, 119 magnetische, 320
Feldkonstante, elektrische, 10, 239 Flussquant, 746
magnetische, 10, 321 Förderhöhe
Feldlinse, 479 Pumpe, 131
Feldstärke, allgemein, 118, 311 Formgedächtnis-Legierung, 720
elektrische, 9, 284, 285 Fotoapparat, 480, 481
Gravitationsfeldstärke, 91 Fotodiode, 482, 742, 767
magnetische, 9, 314, 315 Fotoeffekt, 531, 578, 681, 766
Transportfeldstärke, 119 Fotoemission, 274
Fermat’sches Prinzip, 597 Fotoleiter, 767
Fermi-Dirac-Verteilungsfunktion, 730, 735 Fotometrie, 481
Fermi-Energie, 729 fotometrische Größen, 490
Fermi-Fläche, 733 fotometrisches, 484
Fermi-Gas, 641 Grundgesetz, 484
Fermi-Kugel, 729 Strahlungsäquivalent, 489
Fermi-Niveaus verschiedener Metalle, 729 fotopische Anpassung, 489
Fermionen, 673 Fotostrom, 768
Fermi-Temperatur, 731 Fototransistor, 770
Fermi-Verteilung, 634 Fotowiderstand, 244, 767
Fernpunkt, 473 Foucault’sches Pendel, 43
Fernrohr, 477 Fourier-Analyse, 378, 409
Ferrimagnetismus, 336 Fourier-Differenzialgleichung, konvektiver
Ferromagnetismus, 330, 332, 333, 336 Wärmeübergang
896 Sachwortverzeichnis

Wärmeleitung, 220 Gasgemische, Dichte, 205


Fourier-Koeffizienten, 411 Gaskonstante, individuelle, 162
Fourier-Reihe, 411 universelle, 10, 163
Fourier-Synthese, 406, 410, 438 Gasmoleküle, 168
Fränkelpaar, 711 Gastheorie, 166
Francisturbine, 148, 150 Gastheorie, kinetische, 164
Franck-Hertz-Versuch, 595 Gasthermometer, Prinzip, 157
Fraunhofer’sche Beugung, 504 Gasturbine, offene, 194
freie Achsen, 77 Gasverflüssigung, 208
freie Elektronen, Konzentration, 737 Gauß’sche Zahlenebene, 352
Modell, 727 Gauß’scher Satz, 298
freie Energie, 203 Gay-Lussac’sches Gesetz, 161
freie Enthalpie, 204 Gebiete, 4
freie gedämpfte Schwingung, 393 Gebiete der Physik, 5
freie harmonische Schwingung, 381 gebundene Elektronen, 725
freie Schwingungen, 379 gedämpfte elektronmagnetische Schwingung, 397
freier Fall, 23 gedämpfte Schwingungen, 396
freies Elektron im Magnetfeld, 610 gefesselter Kreisel, 83
freies Ende, Wellenreflexion, 433 Gegenstandsweite, 446
freies Teilchen, Impuls, 603 Gehörorgan, schematisch, 569
Freiheitsgrad, 21, 67, 167, 177, 216, 597 Geiger-Müller-Zählrohr, 650, 651, 654
n-atomiges Molekül, 628 gekoppeltes Schwingungssystem, 414, 415
Fremdatom, 737 geladene Teilchen im elektrischen Feld, 290
Fremdstörstelle, 710, 711 generalisierte Koordinaten, 598
Frenkel-Paar, 710 generalisierter Impuls, 598
Frequenz, 9, 380, 384 Generator, 345, 362
Drehfrequenz, 29 Generatorprinzip, 345
Frequenzbereich, Musikinstrumente, 573 genetisch verknüpfte Radionuklide, 647
Frequenzlücke, 753 genetische Schäden, 691
Fresnel, Beugung, 505 geodätischer Druck, 121
Fresnel’scher Spiegelversuch, 497 Geometrien von Schallquellen, 559
Fresnel’sches Zonensystem, 519 geometrische Ähnlichkeit, 139
Froudezahl, 141 Optik, 442
Füllhalterdosimeter, 696 Geräteeigenschaften, 371
fundamentale Wechselwirkungen, 676 Geräusch, 553, 572
Fundamentalschwingung, 415 Germer- und Davison-Beugung, 597
Funkenentladung, 276 Gesamtaktivität, 648
Fusionsreaktion, 663, 666 Gesamtdrehimpuls, 64
Gesamtdrehmoment, 65
G Gesamtdruck, 211
Galilei’sches Fernrohr, 477 Gesamtenergie, 54
Galilei-Transformation, 39 Schwingung, 389
galvanische Zelle, 263 Gesamtimpuls, 47
Galvanisieren, 260 eines Systems, 46
galvanomagnetische Effekte, 757 Gesamtschallpegel, 560
Gamma-Emission, 645 Gesamtschwächungskoeffizient, 686
Gamma-Strahlung, 642, 685 Gesamtselbstinduktivität, 349
Gamma-Zerfall, 644 Gesamtspannung des Verbundwerkstoffs, 720
Gangunterschied, 431, 498, 501 Gesamtvergrößerung, 476
Gas, ideales, 161, 164 Gesamtwirkungsgrad, 53
reales, 205 Geschwindigkeit, 9, 21, 66
Gasdruck, 164, 166 durchschnittliche, 169
Gase, Ausdehnung, 161 Energie, 9
ideale, Kompressionsmodul, 555 gleichmäßige, 24
ruhende, 105 kritische, 149
Schallgeschwindigkeit, 555 Licht, 6
Schweredruck, 111 mittlere, 21, 165
strömende, 117 mittlere, Gasmoleküle, 165
Gasentladung, selbständige, 276 Momentan-, 21, 27
unselbständige, 275
Sachwortverzeichnis 897

nach dem Stoß, 57 Gitterkonstante, 509, 708


Rakete, 48 Gitterschwingungen, 750
Strahl, 47 Gittertypen, dichteste, 709
Teilchen im elektrischen Feld, 291 Gitterwelle„ 752
Umfangsgeschwindigkeit, 31 Glan-Thompson-Prisma, 525
wahrscheinlichste, 169 Glas, metallisches, 712
Winkel, 29, 66 gleichförmig rotierende Koordinatensysteme, 41
Geschwindigkeiten, relativistische Addition, 782 Gleichgewicht, 72
Geschwindigkeitsgefälle, Akustik, 555 thermodynamisches, 210
Geschwindigkeitspotenzial, 119 zwischen fester und flüssiger Phase, 211
Geschwindigkeitsvektor, 26 Gleichgewichtsbedingungen, 210
Geschwindigkeitsverteilung, 168, 169, 211 der Statik, 70
Geschwindigkeitsziffer, 125 Gleichgewichtszustand, 155
Gesetz, Aktionsgesetz, 33, 87, 133, 485, 554 gleichmäßig beschleunigte Bewegung, 29
Biot-Savart’sches, 317 gleichmäßige Beschleunigung, 24
Boyle-Mariotte’sches, 162 Geschwindigkeit, 24
Brewster’sches, 523 Kreisbewegung, 31
Bunsen’sches Ausströmgesetz, 126 gleichsinniger Parallelismus, 82
Coulomb’sches, 240 Gleichungen, Poisson’sche, 183
Curie’sches, 332, 336 Gleichverteilungssatz, 167, 178
Curie-Weiss’sches, 332 Gleitreibungskraft, 393
Debye’sches, 204 Gleitreibungszahl, 37
Durchflutungsgesetz, 315 Gleitzahl, 144
Faraday’sches, 261 Glimmentladung, 276
Gay-Lussac’sches, 161 Glühemission, 274
Grundgesetz, Newton’sches, 33 Glühlampe, 277
Hagen-Poiseuille’sches, 134 Gluon, 675, 677
Hooke’sches, 36, 95, 96 Grad Celsius, 158
Induktionsgesetz, 344 Gradient, 119
Kepler’sches zweites, 88 gramm, 140
Lambert’sches Cosinusgesetz-, 483 Gravitation, 85, 88, 677
Malussches, 522 Gravitations- und elektrisches Vergleich, 289
Newton’sches Reibungsgesetz, 132 Gravitationsdrehwaage, Cavendish’sche, 88
Ohm’sches, 245 Gravitationsfeld, 289
radioaktives Zerfallsgesetz, 646 Gravitationsfeldstärke, 91
Rayleigh-Jeans-Gesetz, 537 Gravitationsgesetz, Newton’sches, 87
Reflexionsgesetz, 443 Gravitationskonstante, 10, 87
Rohrwiderstandsgesetz, 135 Gravitationskonstante, relativistische, 10
Stefan-Boltzmann-, 488 Gravitationskraft, 34, 88, 91, 239
Toricelli’sches Ausflussgesetz, 124 Coulomb Kraft Unterschiede, 239
Trägheitsgesetz, 33 Gravitationspotenzial, 91
Wechselwirkungsgesetz, 33 Gray-Energiedosisleistung, 687
Wiedemann-Franz’sches, 221, 757 Grenzdämpfung, 37, 404
Wien’sches Verschiebungsgesetz, 488 Grenzentfernung, fotometrische, 482
Zerfallsgesetz, 646 Grenzfall, aperiodischer, 396
Gesetze, Kepler’sche, 86 Grenzfläche, biegeweiche, 563
Kirchhoff’sche, 245 Reflexionsfaktor, 563
Gesichtsfeld, 471 Grenzflächen, elektrische
gewöhnliche Wellengleichung, 425 schallharte, -weiche, 563
g-Faktor, 619 Schallwellen, 564
Gibbs’sche Phasenregel, 215 Grenzflächen, elektrische Feldstärke,
Gibbs’sches Potenzial, 204 Verschiebungsdichte, 311
Gitter, Auflösungsvermögen, 513 Grenzflächeneffekte, 113
Gitter, Beugung, 509 Grenzfrequenz der Spuranpassung, 567
Echelette-, 513 Grenzgerade, 15
Gitter, holografisches, 513 Grenzschicht, 137
Gitterbeugung, Hauptmaxima, 510 Grenzschichtbildung, laminare und turbulente, 139
Gitterbeugungsfunktion, 510 Grenzwinkel der Totalreflexion, 451
Gitterfehler, 709, 711 Grenzwinkel, physiologischer, 474, 509
898 Sachwortverzeichnis

Größe, extensive und intensive, 156 Hauptebene, 463


molare und spezifische, 156 Hauptmaxima, Gitterbeugung, 510
physikalische, 6, 9 Hauptquantenzahl, 593, 608, 622
Größtfehler, 13 Hauptsatz, dritter, 153, 204
Grundgesetz, hydrodynamisches, 554 Hauptsatz, erster, 153, 204
fotometrisches, 484 Hauptsatz, nullter, 157
Newton’sches, 33 Hauptsatz, zweiter, 153, 195
Grundgleichung der kinetischen Hauptschnitt, 524
idealer Strömungen, 120 Hauptspannung, 97
reibungsfreier Strömungen, 120 Hauptstrahl, 471
Grundschwingung, 433 Hauptträgheitsachse, 77
Frequenz, 434 Hauptträgheitsmoment, 77
Gruppengeschwindigkeit, 426, 437, 438, 752 Hebung, kapillare, 116
Gruppenschaltung, 256 Heidinger’sche Ringe, 499
Güte, 399, 404 Heisenberg’sche, 543
Güteschalter, 539 Heisenberg’sche Unschärferelation, 605, 606, 671
Gunn-Diode, 742 Heißleiter, 243
gyromagnetisches Verhältnis, 618, 619 Hellempfindlichkeitsgrad, 489
Helligkeit, 480
H Helmholtz-Lagrange-Gleichung, 459, 486
h; x-Diagramm, 218 Helmholtz-Resonator, 565
Hadron, 671, 674, 677 heteropolare Bindung, 704
Härte fester Körper, 102 Histogramm, 8
Härteprüfverfahren, 104 Hitzdrahtmesswerk, 369
Häufigkeit, relative, 8 Hochtemperatur-Reaktor, 665
Häufigkeitsverteilung, 10, 11 Höhenformel, barometrische, 111
Haftreibung, 37 internationale, 112
Haftreibungszahlen, 37 Höppler-Kugelfallviskosimeter, 134
Hagen-Poiseuille’sches Gesetz, 133 Hörbereich, Schallfrequenz, 567
Haidinger’sche Ringe, 499 Höreindruck, 569
Halbleiter, 243, 482, 725, 734 Hörschwelle, 569
spezifischer elektrischer, 245 Hohlraumionendosis, 696
Halbleiter, Eigenschaften, 735 Hohlraumstrahler, 487
Leitfähigkeit, 734 Hohlspiegel, 446
Leitungsmechanismen, 735 Hohlzylinder, Masseträgheitsmomente, 76
Halbleiterlaser, 764, 765 Hollraumstrahlung, 595
Halbwertszeit, 646 Holografie, 518
biologische, 700 holografische Korrelation, 520
physikalische, 646, 700 holografisches Gitter, 513
Hall-Effekt, 325, 327, 729, 757 Hologramm, 519
Hall-Generator, 327 homöopolare Bindung, 705
Hall-Koeffizient, 327 Hooke’sches Gesetz, 36, 95, 96, 381
einiger Werkstoffe, 328 bei Scherung, 96
Hall-Spannung, 327, 611, 612 Hubarbeit, 51, 52, 89
Hall-Widerstand, 611–613 Huygens-Fresnel’sches Prinzip, 436, 505
Halogenlampe, 281 Huygens’sches Prinzip, 435
Hamilton-Funktion, 598, 602 Hydratisierung, 260
Hamilton-Funktion eines Elektrons, 609 von Ionen, 260
Hamilton-Operator, 597 Hydraulik, 105
kartesische Koordinaten, 606 hydraulische Presse, 109
Kugel-Koordinaten, 606 Hydrodynamik, 117
Hamilton’sches Prinzip, 597 Impulssatz, 127
Hangabtriebskraft, 35 hydrodynamische, Ähnlichkeit, 138
Harmonices mundi, 86 hydrodynamisches Grundgesetz, 554
harmonische Schwingungen, 379 Paradoxon, 126
und Kreisbewegung, Zusammenhang, 379 Hydrostatik, 105
harmonische Wellen, 422 hydrostatischer Druck, 110
harmonischer Oszillator, 610, 629 hydrostatisches Paradoxon, 110
Hartmagnet, 337 Hyperschall, 570
Hauptachse, kristallografische, 524
Sachwortverzeichnis 899

Hysterese, magnetische, 334 Interferenzfarbe, 499


Hysterese, mechanische, 100 Interferenzfunktion, 510
Hysteresekurve, 100, 334 Interferenzholografie, 520
Interferenzlinie, 499
I Interferenzmikroskop, 503
ideale Gase, allgemeine, 185 Interferometer, 432, 502
ideale Gase, allgemeine Zustandsgleichungen, 162 intermediäre Vektorbosonen, 677
Kompressionsmodul, 554 internationale Höhenformel, 112
spezielle Zustandsänderungen, 179 intrinsische Trägheitsdichte, 736
ideale Strömungen, 120 Invariante, Abbe’sche, 457
ideales Gas, 161, 164 inverser piezoelektrischer Effekt, 760
Impatt-Diode, 742 Inversionstemperatur, 208
Impedanz, 358 Ionen, Hydratisierung, 260
Impuls, 44, 66 Ionenbindung, 705
Drehimpuls, 62, 66 Ionendosis, 687
eines materiellen Punktes, 44 Ionendosisleistung, 687
eines Phonons, 751 Ionenpaare, Energieverbrauch, 685
eines Photons, 534 Ionisation, 680
eines Systems, 45 spezifische, 684
freies Teilchen, 603 Ionisationsdetektor, 650, 651
generalisierter, 598 Ionisationsvermögen, 684, 685
relativistischer, 783 ionisierende Strahlung, direkte, 680
Impulsänderung, 45 indirekte, 681, 686
zeitliche, bei Strömung, 127 Messung, 650
Impulserhaltungssatz, 47 Ionisierungsenergie, 680, 683, 684
Impulsoperator, 602 Ionisierungskoeffizient, 276
Eigenfunktion, 603 irreversibler Prozess, 195, 199
Impulssatz, 46 isentrope Zustandsänderung, 182, 185
in der Hydrodynamik, 127 Isentropenexponent, 144, 166, 177, 182
Impulsvektor, 602 Isobare, 181, 184
indifferentes Gleichgewicht, 72 isobare molare Wärmekapazität, 173
indirekt ionisierende Strahluna, 681, 685 Zustandsänderung, 181, 182, 185
indirekter Schall, 576 Isochore, 184
Induktionsgesetz, 344 isochore molare Wärmekapazität, 171
Induktionsmesswerk, 370 Zustandsänderung, 181, 185
Induktionsvorgang, 345 Isochromate, 527
induktive Zeitkonstante, 365 Isokline, 527
induktiver Blindwiderstand, 353 Isolator, 725, 755
induzierte Emission, 536 elektrischer, 725
inelastische Streuung, 657, 681 Wärme, 755
inelastischer Stoß, 58, 657 Isolierwirkungsgrad, 580
Inertialsystem, 33, 775 Isospin, 674, 676
Influenz, 184 Isotherme, 179, 184, 214
elektrische, 295, 297 isotherme Kompression, 180
Infrarotspektrum, 631 Zustandsänderung, 179, 185
Infraschall, 570 isotropes Verhalten, 706
innere Energie, 208
Kräfte, 46 J
Reibung, 37, 132 Jet, 668
Strahlenbelastung, Schutz, 699 Josephson-Effekt, 615
innerer Widerstand, 254 Joule-Prozess, 192, 194
instationäre Felder, tromagnetische, 344 Joule-Thomson-Effekt, 208
Instrumente, optische, 472
Intensität von Wellen, 423 K
Intensitätsverteilung am Spalt, 599 Käfiganker, 362
bei der Beugung, 506 Kalkspat, 525
Interferenz, 430, 441, 495, 498 Kalorimetrie, 172
destruktive und konstruktive, 431 kalorische Zustandsgrößen, 155
Interferenzen an dünnen Schichten, 498 Kältemaschine, 190
gleicher Dicke, 500 Kaltleiter, 243
900 Sachwortverzeichnis

Kanalstrahlen, 277 klassische Dynamik, 32


Kapazität, 298 Mechanik, 32
Kapazität, Kugelkondensator, 301 Physik, 3
Plattenkondensator, 301 klassische Physik, 4
Wärmekapazität, 9 Klein-Gordon-Gleichung, 678
Kapazitäts-Diode, 742 Kleinwinkel-Korngrenze, 711
kapazitive Zeitkonstante, 365 Klemmspannung, 254, 255
kapazitiver Blindwiderstand, 353 Klimatechnik, 216
Kapillaraszension, 116 Knall, 553, 572
Kapillardepression, 116 Knotenregel, 246
Kapillarität, 115 Koeffizient, Abkling-, 395, 396, 399
Kaplanturbine, 148, 150 Absorptions-, 767
Katakaustik, 446 Dämpfungs-, 395, 558
Kataphorese, 273 Einstein-Statistik, 536
Kathodenstrahl, 277 Energieabsorptions-, 686, 689
Kation, 260 Gesamtschwächungs-, 686
Kavitation, 149, 583 Hall-, 327
Kavitationsgeräusch, 583 Ionisierungs-, 276
Kegel, Mach’scher, 429 Korrelations-, 16
Kelvin, 8 Längenausdehnungs, 158
Kennwerte der Fehlerrechnung, 12 Luftdämpfungs-, 559
Kepler’sche Gesetze, 86 Luftreibungs-, 37
Kepler’sches Fernrohr, 477 Massenschwächungs-, 686
Kepler’sches Gesetz, drittes, 88 Raumausdehnungs, 158
Kepler’sches Gesetz, zweites, 88 Schwächungs-, 624
Kern, Bindungsenergie, 636 Volumenausdehnungs-, 109
Kernfusion, 636, 663 Zähigkeits-, 37
Experimente, 668 Koeffizienten, Fourier-, 411
Kernmagnetismus, 617, 618 Körper, starrer, 20, 67
Kernmagneton, 619 Körperdosis, 696
Kernmaterie, Dichte, 632 Körperschall, 579
Kernmodell, 635 Körperschalldämmung, 579
Kernphysik, 589 Koerzitivfeldstärke, 335
Kernradius, 632 Koexistenz, 214
Kernreaktion, 653, 657 Kohärenz, 432, 495
Kernreaktor, 660 Kohärenzbedingung, 496
Kernspaltung, 636, 657, 658, 660 Kohärenzeigenschaften einiger Lichtquellen, 496
Kernspin, magnetische, 618 Kohärenzlänge, 496
Kernspinresonanz, 619 Kohäsionskraft, 113
Kernspintomografie, 621 Kohlenstoff-Zyklus, 666
Kernumwandlung, 642 Koinzidenzeffekt, 567
Kerr-Effekt, 526, 528 Kolbenmaschinen, 192
Kilogramm, 8 Kolbenpumpe, 147
Kinematik, 20, 32 Kollektor, 743
starrer Körper, 67 Kollektor-Schaltung, 744
kinematische Zähigkeit, 132 Transistor, 744
Kinetik, 19 Kollektorstrom, 771
kinetische Energie, 601, 783, 785 Koma, 472
bei Rotation, 66 Kommutator, 362, 605
bei Translation, 66 Kompensationsmethode, 254
starrer Körper, 72 Kompensationsmethode nach Poggendorf, 254
Teilchen im elektrischen Feld, 291 komplexer Widerstand, 353
kinetische Gastheorie, 164 Kompressibilität, 96, 107
Grundgleichung, 166 kompressible Medien, Bernoulli-Gleichung, 144
Kippschwingung, 417 Kompression, allseitige, 94
Kippspannung, 294 isotherme, 180
Kirchhoff’sche Gesetze, 246 Kompressionsarbeit, 180
Klang, 572 Kompressionsmodul, 94, 95, 554
Klassifikation der Stoßprozesse, 57 idealer Gase, 555
Sachwortverzeichnis 901

Kondensationsenergie, Atomkern, 637 Korngrenze, 711


Kondensator, 353 Korpuskulartheorie, 441
Kraft zwischen zwei Platten, 313 Korrelation, holografische, 520
Stromkreis, 363, 365 Korrelationsanalyse, 16, 17
Kondensatoren als Baulelemente, 305 Korrelationskoeffizient, 16
Einteilung, 307 Korrespondenz-Prinzip, 601
Reihen- und Parallelschaltung, 303 kovalente Bindung, 704
Kondensieren, 210 Kovolumen, 206
Konditionierung, 216 Kräfte am starren Körper
Konduktanz, 358 im Rohrkrümmer, 128
Konkavspiegel, 445 Kraft, 9, 33, 34, 66, 313
konservative Kraft, 55 Addition, 34
Konsonanz, 572 Auf triebs-, dynamische, 143
Konstante, 593, 698 Auftriebs-, 112
atomare von Metallen, 708 Auftriebs-, Zirkulation, 143
Atommassen-konstante, 635 Brech-Linse, 460
Avogadro, 10, 163 Coriolis-, 43
Avogadro-, 10 Coulomb-, 240, 593
Boltzmann-, 10, 163, 536 dissipative, 55
Dielektrizitäts-, 239 Druckwiderstands-, 135
Faraday-, 10, 261 elastische, 35
Feder-, 35 elektrodynamische, 786
Feinstruktur-, Sommerfeld’sche, 10 elektromotorische, 241
Feld-, elektrische, 10, 239, 282 Gleitreibungs-, 393
Feld-, magnetische, 10, 314 Gravitations-, 88, 91
Gas-, 10, 161 Hangabtriebs-, 35
Gitter-, 509, 708 innere, 46
Gravitations-, 10, 88 konservative, 55
Kraft-, 66 Lager-, 581
Madelung-, 705 Linienflüchtigkeit, 68
Natur-, 10 Lorentz-, 325
Rydberg-, 592 Normal-, 35
Solar-, 485 Reibungs-, 37, 132, 134, 393
Stefan-Boltzmann-, 10 Reibungswiderstands-, 135
van-der-Waals’sche, 208 relativistische, 783
Verdet’sche, 530 resultierende, 69
Zeit-, kapazitive, 354 Rollreibungs-, 393
Zerfalls-, 646 rücktreibende, Akustik, 554
Konstante, Äquivalent-Dosisleistungs-, 697 Schein-, 40
konstruktive Interferenz, 431 Schub-, 49
Kontaktbimetalle, 718 Schwer-, 35
Kontaktpotenzial, 639 Seitendruck-, 111
Kontaktspannung, 759 Stütz-, 71
Kontamination, 679 Trägheits-, 40
Kontinuitätsgleichung, 118–120 Trägheits-, Akustik, 554
Anwendung, 121 Wirkungslinie, 69
Elektrizitätslehre, 119 Zentrifugal-, 43
Wärmelehre, 119 Zentripetal-, 35
Kontinuitätsgleichung, Hydrodynamik, 119 Zerlegung, 34
Kontraktionszahl, 125 Zusammenhangs-, 113
Konvektion, 220 Kraft Magnetfeld, 325
Konversationsfaktor, 663 Kraft zwischen zwie elektrischen Leitern, 325
Konversion, 646 Kräfte am starren Körper, 68
Konvexspiegel, 448 auf Punkte im System, 46
Koordinaten, generalisierte, 598 auf schiefer Ebene, 35
Schwerpunkt, 71 Kräfteaddition, 35
Koordinatensystem, rotierendes, 40 kräftefreier Kreisel, 80
Koordinationzahl, 708 Kräftegleichgewicht, statisches, 35
Kopplungsgrad, 416 Kräftepaar, Drehmoment, 69
902 Sachwortverzeichnis

Kräfteparallelogramm, 34 grafische, 16
Kräftezerlegung, 35 Kurzschlussläufer, 362
Kraftkonstante, 66
Kraftmessung, Methoden, 36 L
Kraftstoß, 44 labiles Gleichgewicht, 72
Kraftwirkungen auf frei bewegliche Ladungsträger, 330 Ladung, 239
im Magnetfeld, 320, 321 elektrische, 9
Kraftwirkungen auf frei Ladungsträger, 328 spezifische, 329
Kreisbewegung, 29, 31 Ladungsträgerkonzentration, 612
gleichmäßig beschleunigte, 31 Ladungstransport, 259, 275
Kreisel, 80 in Flüssigkeiten, 259
gefesselter, 83 in Gasen, 259, 275
kräftefreier, 80 stationärer, 241
Kreiselhorizont, 83 Ladungsverteilung, 634
Kreiselkompass, 83 im Atomkern, 634
Kreiselmoment, 83 Längenausdehnuneskoeffizient, 158
Kreiselpendel, 83 Längenkontraktion, 776, 780
Kreiselpumpe, 147 Längswelle, 419
Kreisfrequenz, 380, 384 Lärmschwerhörigkeit, 571
Gitterwellen, 751 Lageenergie, 54
Kreiskolbenpumpe, 147 Lagerkraft, 580
Kreisprozess, allgemein, 186 Lagerung, elastische, 579
Carnot’scher, 187, 198 Lagrange-Funktion, 598
irreversibler, 199 Lambert’sches Cosinusgesetz, 483
linksläufiger, 190 Lambert-Strahler, 483
rechtsläufiger, 187 laminare Grenzschichtbildung, 139
Kreisprozesse, 186 laminare Rohrströmung, 133
Eigenschaften, 186, 187 laminare Strömung, 132
technische, 191, 192 laminare Umströmung, 134
Kriechfall, 396, 397 Landau-Effekt, 613
Kristall, negativer und positiver, 524 Landau-Niveaus, 613
Kristallbindung, 703 Landau-Quantisierung, 593
Kristalle, Brechzahlen, 525 Laplace-Gleichung, 118, 222
Kristallgitter, Richtungen und Ebenen, 709 Laser, 537, 765
kristalline Strukturen, 706 Laserdiode, 764
kristallografische Hauptachse, 524 Laserdosis, 764
Kristallsysteme, 707 Laserkreisel, 84
Kriterium, Rayleigh’sches, 507 latente Wärme, 209
kritische Geschwindigkeit, 149 Lateralvergrößerung, 447
Isotherme, 187 Laue-Diagramm, 516
magnetische Flussdichte, 746 Laue-Gleichungen, 516
Reynoldszahl, 138 Laufradleistung, Turbine, 130
Temperatur, 206 Lautheit, 570
Temperatur, Supraleitung, 746 Lautsprecher, 559
kritischer Druck, 208 Lautstärke, 569
Punkt, 207, 208 Lawinen-Fotodiode, 770
kritisches Volumen, 207 Lawson-Diagramm, 668
Kühlmittel, 663 Leckage, 663
künstliche Spaltung, 658 Leerlaufspannung, Fotodiode, 768
Kugel, elektrisches Feld, 294 Leerstellen, 710, 711
Massenträgheitsmomente, 76 Leistung, 9, 52
Kugelflächen, Lichtbrechung, 456 bei Rotation, 66
Kugelkondensator, Kapazität, 301 Drehbewegung, 63
Kugelpackung, dichteste, 708 elektrische, 257
Kugelwelle, 422 gegen turbulente Strömung, 137
Kundt’sches Rohr, 434, 564 im Wechselstromkreis, 354
Kunststoffe, 715, 716 mittlere, 52
Kurskreisel, 80 Momentan-, 52, 64
Kurvenanpassung, 13 Nenn-, 52
Translation, 66
Sachwortverzeichnis 903

Turbine, 131 Lochblende, 506


Leistung 8 Löcher, 734
Torsions-, 64 Lösungsfunktion der Wellengleichung, 556
Leistungszahl, 190 logarithmische Regression, 16
für Carnot-Prozess, 191 logarithmisches Dekrement, 396
Leiter, elektrischer, 726 longitudinale Molekülschwingung, 557
erster Art, 726 longitudinaler Doppler-Effekt, 788
im elektrischen Feld, 295 Longitudinalwelle, 419, 553
im Magnetfeld, 322 Longitudinalwellen in Gasen, 434
zweiter Art, 726 Lorentz-Kraft, 325, 326, 748, 757
Leiterspannung, 359 Lorentz-Transformation, 776, 778
Leiterstrom, 359 Lorenz’sche Zahl, 221
Leitfähigkeit eines Halbleiters, 342, 734 Luft, feuchte, Druck, 217
Leitfähigkeit, elektrische, 242, 732 luftäquivalentes Wandmaterial, 692
elektrische und magnetische, 343 Luftdämpfungskoeffizient, 559
Leitrad, 129 Luftfeuchtigkeit, 216, 217
Leitungsband, 726 Luftreibungskoeffizient, 37
Leitungsmechanismen in Halbleitern, 735 Luftschalldämmung, 578
Leitwert, 243 Lumineszenz-Diode, 742, 762
Leptonen, 671, 674, 678 Lupe, 474
Leptonenzahl, 675 Lux, 490
Leuchtdichte, 490 Lyman-Serie, 592
Leuchtdiode, 483, 490, 762
Licht, Brechung, 449 M
elliptisch polarisiertes, 523 Mach’scher Kegel, 429
Polarisation, 441 Mach’scher Winkel, 430
zirkular polarisiertes, 522 Machzahl, 145, 430
Lichtbrechung an einem Prisma, 454 Madelung-Konstante, 705
an Kugelflächen, 456 Maggi-Righi-Effekt, 758
lichtelektrischer Effekt, 530, 595 magische Zahl, 639, 640
Lichtgeschwindigkeit, 7, 10, 787 Magnetfeld der Erde, 314
Lichtmenge, 490 Kraftwirkungen, 321
Lichtmessung, 481 und elektrischer Leiter, 321
Lichtquanten, 530 und Kraftwirkungen, 320
Lichtquantenhypothese, 441, 532 und Materie, 330
Lichtreflexion, 443 magnetische Energie
an gekrümmten Flächen, 445 Feldkonstante, 321
Lichtsekunde, 778 Feldstärke, 9, 315
Lichtstärke, 8, 491 Feldstärke, geradliniger Leiter, 316
Lichtstrahlen, 443 Feldstärke, Leiter beliebiger Geometrie, 317
Lichtstrahler, elektromagnetische, 526 Feldstärke, Ringspule, 316
Lichtstrom, 489, 490 Feldstärke, Zylinderspule, 316
Lichttechnik, 489 Flussdichte, 320
lichttechnische Größen, 489 Induktion, 9, 321
Lichtwellenleiter, 452 Leitfähigkeit, 342
lineare Energieübertragung, 689 Polarisation, 330
lineare Regression, 16 Quantenzahl des Kernspins, 618
Linienfehler, 710, 711 Salze, 208
Linienflüchtigkeit der Kraft, 68 Suszeptibilität, 330
linienförmige Schallquelle, 557 Werkstoffe, 337
linksläufiger Kreisprozess, 190 magnetische Energie Flussdichte, kritische, 746
Linse, 459 magnetischer Einschluss, 668
Brechkraft, 460 Fluss, 9, 320, 344
Brennweite, 460 Werkstoff, 337
dicke, 463 Widerstand, 342, 358
dünne, 459 magnetischer Einschluss Analogie, 343
Linsensysteme, 465 magnetisches Dipolmoment, 619
Linsentypen, 461 Feld, 314, 349
Lissajous-Figuren, 406, 412, 414 magnetisches Dipolmoment Feld, Energiedichte, 349
magnetisches Dipolmoment Moment, 323, 618
904 Sachwortverzeichnis

Magnetisierung, 330 Newton’sche, 19


Magnetismus, 314 relativistische, 19
Bahn-, 617 starrer Körper, 67
Kern-, 617 Strukturbild, 20
Spin-, 617 mechanische Arbeit, 50
magnetokalorischer Effekt, 209 Berührungsthermometer, 159
Magneton, Bohr’sches, 325 Eigenschaften, Flüssigkristalle, 723
Magneton,Bohr’sches, 617 Hysterese, 100
Magnetorotation, 530 Schwingungssysteme, 389
Magnetostatik, 373 Meißner-Ochsenfeld-Effekt, 746
Magnetostriktion, 336, 584 Memory-Legierungen, 721
Magnetschwebebahn, 338 menschliches Auge, 472
Magnus-Effekt, 126 menschliches Gehörorgan, 569
Majoritätsträger, 737 mesomerer Zustand, 645
makromolekulare Festkörper, 713 Meson, 671, 674
Makrophysik, 3 Messbereichserweiterung, 251
Malus-Gesetz, 522 Messgenauigkeit, 7
Mammutpumpe, 147 Messgerät, elektrisches, 367
Manometer, 108 Messgeräte, Einteilung, 368
Maschenregel, 247 Messunsicherheit, 12
Maschinen, elektrische, 360 Messwerk, digitales, 370
Masse, 8, 34, 66 elektrodynamisches, 369
Masse eines Körpers, 783 elektrostatisches, 369
Masse, schwere, träge, 34 Messwerte, Schwerpunkt, 15
Masse-Feder-System Metall, 720, 728, 756
Resonanzkurve, 581 Wärmekapazität, 756
Masse-Feder-System, Frequenz, 564, 579 Metalle, elektrochemische Spannungsreihe, 263
Maßeinheiten, 6 metallische Bindung, 706
Potenzen, 6 metallisches Glas, 712
Massenanziehung, 88 Meter, 8
Massenbremsvermögen, 684 Methoden der Kraftmessung, 36
Massendefekt, 636 Metrologie, 6, 614
Masseneinheit, atomare, 635 Michelson-Interferometer, 432, 502
Massenmittelpunkt, 46 Mikrofon, 559
Massenschwächungskoeffizient, 686 Mikrophysik, 3
Massenspektrograf, 329 Mikroskop, 475, 512
Massenspektrometer, 635 Miller’sche Indizes, 710
Massenstrom, 48, 120 Minkowski-Diagramm, 778
beim Ausfluss, 124 Mischkristall, 734
im Rohr, 133 Mittelungspegel, 571
Massenträgheitsmoment, 62, 66, 73, 74, 386 Mittelwert, arithmetischer, 12
Massenverteilungskurve, 660 mittlere Bahnlänge, 685
Materie im elektrischen Feld, 281 Beschleunigung, 2
im Magnetgfeld, 330 Geschwindigkeit, 21
Strahlung, Wechselwirkung, 679 Geschwindigkeit, Gasmoleküle, 165
materielles Teilchen, Drehimpuls, 62 Ionisierungsenergie, 684
Materiewellen, 541 Leistung, 52
mathematisches Pendel, 384 thermische Energie, 167
Matrixmethoden der Optik, 467 mittlerer Absorptionsgrad, 576
Matthiessen’sche Regel, 733 Moderator, 662, 663
maximale Wellenzahl„ 752 Mohr’scher Spannungskreis, 97, 100
Maxwell-Modell, 716 Mol, 8
Maxwell’sche Gleichungen, 45, 522, 776 molare Größen, 156
Maxwell’sche Verteilungskurve, 168, 211 molare Wärmekapazität, 171, 177, 198, 754
Mechanik deformierbarer fester Körper, 92 Wärmekapazität, Elektronengas, 730
Mechanik deformierbarer Körper Molekülachse bei der Rotation, 630
Einführung, 19 Molekülorbital, 627
Energiesatz, 55 Molekülschwingung, 557
klassische, 32 Molekülspektren, 627
Sachwortverzeichnis 905

Molekülspektroskopie, 724 Nichtleiter im elektrischen Feld, 303


Mollier-Diagramm, 218 nichtlineare Schwingungen, 417
Molmasse, 156, 262 nichtnewton’sche Substanzen, 133
Molvolumen, 163 Normalkomponente, 27
Moment, Dipol Normalkraft, 35
elektrisches Normalspannung, 93, 98
Drehmoment der Strömung, 128 Normalvergrößerung, 474
Moment, Dipol-, elektrisches, 241, 310 Normalverteilung, 9
Dipol-, magnetisches, 617 Normatmosphäre, 111
Dreh-, 61, 66, 69 Normdruck, 162
Dreh-, Turbine, 131 Normfarbwerte, 493
Drehmoment eines Kräftepaars, 69 Norm-Hammerwerk, 581
Gesamtdreh-, 64 normierte Wellenfunktion, 601
Kreisel-, 83 Normstimmton, 573
magnetisches, 320, 321, 323, 618 Normtemperatur, 162
Richt-, 64 Norm-Trittschallpegel, 581
statisches, 111 Normzustand, Gas, 162
Torsions-, 64 Nukleon, 635
Momentanbeschleunigung, 22 Nuklide, Daten, 637, 656
Momentangeschwindigkeit, 21, 26 Nuklidmassen, 636
Momentanleistung, 52 Nullphasenwinkel, 351, 380
Momentenbeiwert, 144 Nullpunkt, absoluter, 157, 161
Monochromator, 512 nullter Hauptsatz der Thermodynamik, 157
Mott-Streuung, 633 numerische Apertur, 452
multilineare Regression, 16 Nutation, 80
Multiple, 592 Nutationsbewegung, 81
Multiplikationsfaktor, 662, 663
musikalische Akustik, 572 O
Musikinstrumente, 573 Oberflächendruck, 115
Mutter-Tochter-System, 648 Oberflächenenergie, 114
Myon, 671, 674 Atomkern, 637
Oberflächenspannung, 114
N Oberflächensperrschichtdetektor, 651
Nachhall, 577 Oberschwingung, 434
Nachhallzeit, 577 Objektiv, 476
Nahfeldmikroskop, 549 offene Gasturbine, 194
Nahpunkt, 473 offene Strahlungsquellen, 652
Naßdampf, 207 offenes System, 153
Naturkonstanten, 7 Ohm, 242, 614
natürliche Radioaktivität, 647 Ohm’scher Widerstand, 353
Zerfallsreihen, 649 Ohm’sches Gesetz, 245, 732
Nebenquantenzahl, 595 Stromkreis, 343
Néel-Temperatur, 336 Ohr, 569
negativer Kristall, 524 Oktave, 571
nematische Flüssigkristalle, 723 Oktavfilter, 562
n-Emission, 646 Okular, 475
Nennleistung, 52 Operatoren, 602
Nernst-Effekt, 757 Operatorenalgebra, 602
Nernst-Wärmesatz, 204 Optik, allgemein, 441
Netzebene, 516 geometrische, 441, 442
Neutrino, 674 optische Abbildung, 486
Neutron, 674 optische Achse, 524
Neutroneneinfang, 659, 661 optische Aktivität, 529
Newton’sche, 461 Eigenschaften, Flüssigkristalle, 724
Newton’sche Axiome, 33 Faserkreisel, 84
Newton’sche Ringe, 501 Instrumente, 472, 474, 507
Newton’sches Aktionsgesetz Drehbewegung, 62 Wegdifferenz, 496
Newton’sches Gravitationsgesetz, 87 optisches Spektrum, 590
Newton’sches Grundgesetz, 33 Optoelektronik, 762
Newton’sches Reibungsgesetz, 132 optoelektronische elemente, 762
906 Sachwortverzeichnis

Orbital, Atom-, 609 Phase, 380, 402


Molekül-, 627 Phasengeschwindigkeit, 425, 438, 752
Ordnungszahl, 436, 622 Gitterwellen, 752
Ortsdosis, 696 Phasenraum, 598
Ortsoperator, 602 Phasenregel, Gibbsche, 217
Ortsvektor, 26, 602 Phasenresonanzfunktion, 402, 405
Oszillator, 377, 418, 603 Phasensprung, 431
anharmonischer, 629 Phasenübergang, 209
harmonischer, 629 Phasenumwandlung, 209
Otto-Prozess, 191, 192 Phasenwinkel, 380
phon, 569
P Phononen, 750
Paarbildungseffekt, 681 Phononen-Dispersion, 751
Paarungsenergie, 637, 639 Phononenweglänge, 755
Parabolspiegel, 445 Photon, 532, 677
Paradoxon, hydrodynamisches, 125 Absorption, 536
hydrostatisches, 110 Energie, 533
Paraelektrizität, 311 Impuls, 534
Parallelismus, gleichsinniger, 81 Physik, Gebiete, 5
Parallelogramm für Kräfte, 34 klassische, 4
Parallelschaltung, 36, 248, 251, 303, 355 Quanten-, 3, 441, 442, 530, 589
der Bauelemente im Wechselstromkreis, 356 Wellen-, 441
Spannungsquellen, 255 physikalische Erkenntnis, Bereiche, 3
von Federn, 36 physikalische Größen, 6, 9
Widerstände, 248 physikalischer Erkenntnisprozess, 1
Paramagnetismus, 330, 332, 333 physiologische Akustik, 569
parametrisch erregte, 418 physiologischer Grenzwinkel, 474
Parität, 676 physisches Pendel, 387
Partialdruck, 211 piezoelektrischer Effekt, 761, 762
Partikelbild, 4 Wandler, 559
Pascal, 105 piezoresistiver Wandler, 559
Paschen-Serie, 592 Pin-Fotodiode, 770
Passfehler, 502 Pion, 671, 677
Pauli-Prinzip, 622 Pitot-Rohr, 122
Pegeldifferenz, 561 Planartechnik, 744
Pegelmaße, 561 Planck’sche Strahlungsformel, 487, 537
Pegelzuschlag, 561 Planck’sches Wirkungsquantum, 3, 10, 488, 532
Peltier-Effekt, 758 Planeten des Sonnensystems, 1, 87
Peltonturbinen, 148, 150 Plasma, 667
p-Emission, 645 Plasmaeinschluss, 668, 669
Pendel, ballistisches, 59 Plasmaheizung, 670
Flüssigkeits-, 388 Plasmastabilitäten, 669
Foucault’sches, 43 Plasmastrom, 281
mathematisches, 385 Plasmaverunreinigungen, 669
physisches, 387 plastische Verformung, 100
Torsions-, 386 Plattenkondensator, Kapazität, 301
Pentagonalprisma, 455 Plattenschwinger, 565
Periodendauer, 29, 380, 420 Pneumatik, 109
der Schwebung, 407 pn-Übergang, 738
Periodensystem der Elemente, 621 Pockels-Effekt, 526, 528
periodische Felder, 350 Poggendorf, 254
Periodizität, 379, 380 Poissonasche Gleichung, 227
Permeabilitätszahl, 330 Poisson’sche Gleichung, 183
Permittivitätszahl, 303, 304 Poisson-Zahl, 95, 96
Temperatur und Frequenzabhängigkeit, 311 Polarisation, 295, 303, 310, 419, 760
Perowskit-Struktur, 760 des Lichtes, 521
Perpetuum mobile erster Art, 54, 174 elektrische, 303, 304, 310
zweiter Art, 197 magnetische, 330
Personendosis, 696 optische, 521, 753
p-Funktion, 608
Sachwortverzeichnis 907

Polarisationsfolie, 526 reversibler, 153, 196


Polarisationsprisma, 525 Prozesse, Stoß-, 54
Polarisationswinkel, 523 Prozessgrößen, 153, 155
Polarisator, 522 Prüfverfahren, Härte, 104
Polaroid-Filter, 526 p-Typ-Halbleiter, 737
Polymerwerkstoff, 714 Pulververfahren, 517
polynome Regression, 16 Pumpe, 130, 146
polytrope Zustandsänderung, 184, 185 Förderhöhe, 131, 148
Polytropenexponent, 184 Pumpe 119
p-Orbital, 608 Förderstrom, 148
poröse Schallabsorber, 564, 565 Pumpen, Bauformen, 147
Porro’sche Prismen, 478 Pumpenkennlinie, 147
positiver Kristall, 524 Punkt, kritischer, 207
Positron, 642, 674 Punktfehler, 710, 711
Positronium, 673 punktförmige Schallquelle, 558
Postulate, Bohr’sche, 593, 594, 776 Pupille, 471
Potenzen von Maßeinheiten, 6 Purkinje-Effekt, 489
Potenzial, Coulomb p,V-Diagramm, 185, 193
Geschwindigkeits-Gradient, 119
Gibb’sches, 204 Q
Gravitations-, 91 Q-switching, 539
thermodynamisches, 153, 203 Quader, Massenträgheitsmomente, 76
Potenzial, Coulomb-, 598 Qualitätsfaktor, 689, 690
elektrostatisches, 286 Quanten
Rechteck-, 603 Wellen-, 495
Woods-Saxon-, 641 Quantenausbeute, 768
Potenzialdifferenz, 242 Quantenbedingungen nach Sommerfeld, 593
Potenziale, 604 Quanten-Hall-Effekt, 242, 328, 595, 609, 611, 615
thermodynamische, 203 Quantenmechanik des Atoms, 602
Potenzialkurve bei, 627 Quantenoptik, 530
Potenzialkurve bei Molekülanregung, 627 Quantenphysik, 4
Potenzialschwelle, Tunneleffekt, 603 Quantentheorie, 589, 595
Potenzialtheorie, 118 Experimente, 596
Potenzialtopf, 603 Quantenzahl der Farbladung, 673
potenzielle Energie, 90 magnetische, 622
starrer Körper, 71 Quantenzahlen von Protonen Neutronen, 675
Wasserstoffatom, 611 Quark-Antiquark-System, 673
Potenziometer, 244 Quarkonia, 673
Potenziometerschaltung, 253 Quarkoniumzustände, 675
Poynting’scher Vektor, 424 Quarks, 674
Prandtl’sches Staurohr, 123 quasistationäre Ströme, Elektrodynamik, 373
Präzession, 81 Quelle, 118, 121, 744
Presse, hydraulische, 109 Strömungs-, 118
Primärbatterien, 264 Quellenfreiheit, 121
Primärelement, 263 Querdehnung, 95
Primärionisation, 650 Querdehnungszahl, 95, 96
primitive Gitter, 707 Querschnittsveränderung, Unter- Überschallströmung,
Prinzip von d’Alembert, 40 146
Prisma, 454 Querwelle, 419
Ablenkungswinkel, 454
Auflösungsvermögen, 514 R
Glan-Thompson-, 525 Radialanteil der Wellenfunktion, 606
Lichtbrechung, 454 Radikale, 691
Prismenspektrometer, 455 radioaktive Nuklide, Anwendung, 652
Proton, 674 Stoffe, Anwendung, 652
Ruhemasse, 10 Strahlenquellen, 654
Protonen, Energieaufspaltung im Magnetfeld, 620 Zerfallsreaktionen, 644
Protonenresonanzspektrum, 621 radioaktiver Zerfall, 642, 646
Prozess, irreversibler, 153, 171, 196 radioaktives Gleichgewicht, 648
radioaktives Zerfallsgesetz, 646
908 Sachwortverzeichnis

Radiografie, 653 Stokes’sches, 134


Radiografieverfahren, 654 Reibungskraft im Rohr, 133
Radiometrie, 481 Stokes’sche, 395
Radiotoxität, 700 Reibungskräfte, 37
Radius, Bohr’scher, 593, 606 bei Schwingungen, 393
räumliche Spannungszustände, 97 Reibungspumpen, 147
Rakete, Bahnscheitel, 49 Reibungswiderstandskraft, 135
Beschleunigung, 49 Reibungszahl, 37
Geschwindigkeit, 48 Reichweite, 684, 685
Steighöhe, 48 Reihenschaltung, 248, 255, 303, 353
Raketengleichung, 47 der Bauelemente im Wechselstromkreis, 355
Raketenmasse, Abnahme, 48 Kondensatoren, 303
Raman-Effekt, 631 Spannungsquellen, 255
Rasterelektronenmikroskop, 549 Widerstände, 248
Rasterkraftmikroskop, 547 Rekombination, 275, 762
Rastertunnelmikroskop, 547 Relativbewegung, 39
Raumakustik, 576 relative Atommasse, 635
Raumausdehnungskoeffizient, 109, 160, 161 biologische Wirksamkeit, 687
Raumladungszone, 740 Dielektrizitätszahl, 304
Raumwinkel, 9, 482 Häufigkeit, 8
raumzentrierte Gitter, 707 Tiefendosis, 691
Rayleigh-Jeans-Gesetz, 537 relativistische Addition der
Rayleigh’sches Kriterium, 507 Dymanik, 783
Rayleigh-Streuung, 632, 681 Effekte, 780
Reaktanz, 358 Geschwindigkeiten, 782
Reaktortypen, 663 Kraft, 783
reale Flüssigkeiten, Strömungen, 132 Wellengleichung, 678
reale Gase, Strömungen, 132 relativistischer Faktor, 778
Zustandsänderungen, 205 Impuls, 783
Realgasfaktor, 206 Relativität des Bezugssystems, 775
Rechteckpotenzial, 603 Relativitätsprinzip, 775
rechtsläufiger Kreisprozess, 187 Relativitätstheorie, spezielle, 775
Redoxreaktion, 260 Relaxationszeit, 558, 717, 732
Referenzwelle, 518 relaxierendes Verhalten, 716
Reflexion an gekrümmten, 445 rem, 688
Reflexion von Licht, 443, 523 Remanenz, 334
Reflexion von Wellen, freies festes Ende, 433 Resistanz, 358
Reflexionsfaktor einer, 563 Resonanz, 355, 356, 378, 402, 580
Reflexionsgesetz, Optik, 443 Resonanzabsorber, 564
Reflexionsgrad, 424 Resonanzfall, Amplitude, 403
Schall-, 563 Resonanzfrequenz, System, 579
reflexvermindernde Schichten, 499 Resonanzkreisfrequenz, 403
Regression, exponentielle, 16 Resonanzkurve, 581
lineare, 16 Resonanzspektrometer, Aufbau, 620
logarithmische, 16 Resonanzspektroskopie, 591
multilineare, 16 Resonanzüberhöhung, 402, 404
polynome, 16 Resonator, 378, 401
Regressionsgerade, 14 Restdehnung, 100
Reibung, äußere, 37 resultierende Kraft, 69
Festkörper-, 37 reversible Prozesse, 195
Flüssigkeits-, 37 Reynoldszahl, 138
innere, 37, 132 Rheologie, 716
Luft-, 37 Richardson-Gleichung, 274
Newton’sche, 132 Richtgröße, 36
turbulente, 37 Winkel-, 66
Reibungsarbeit, 51 Richtmoment, 64
reibungsfreie Strömungen, Grundgleichung, 120 Richtungen in Kristallgitter, 709
Reibungsgesetz, Anwendung, 133 richtungsabhängige elektrische, 310
Newton’sches, 132 Righi-Leduc-Effekt, 758
Sachwortverzeichnis 909

Ringe, Haidinger’sche, 499 Schallabsorber, 564


Newton’sche, 501 Schallabsorption, 553, 558, 576
Ringspule, magnetische, 317 Schall-Absorptionsgrad, 563
Rockwell-Verfahren, 103, 104 Schallausbreitung, 553
Röntgen, 686, 688 Schnelleverteilung, 556
Röntgenbeugung, 514, 667 Schallbereich, 570
Röntgenbremsstrahlung, 623 Schalldämmmaß, 566, 578
Röntgenmikroskop, 546 Schalldämmung, 553
Röntgenquanten, Streuung, 633 Körper-, 579
Röntgenröhre, Aufbau, 623 Luft-, 578
Röntgenspektrum, 623 Schalldruck, Hörschwelle, 570
Röntgenstrahlung, 623 Schalldruckpegel, 559, 561
Schwächung, 686 Schallempfindung, 569
Rohr, Druckabfall, 133 Schallfeld, diffuses, 576
Massenstrom, 133 Schallfrequenz, Hörbereich, 569
Reibungskraft, 134 Schallfrequenzspektrum, 561
Volumenstrom, 133 Schallgeschwindigkeit, 555
Rohrreibungszahl, 135, 142 einiger Stoffe, 556
Rohrströmung, laminare, 133 maximale, 752
Rohrturbine, 148, 150 schallharte Grenzflächen, 563
Rohrwiderstandsgesetz, 135 Schallintensität, 557, 558, 578
Rollreibung, 37 Schallintensitätsabfall, 558
Rollreibungskraft, 393 Schallintensitätspegel, 561
Rotation, 61, 77 Schallinterferenz, 563
Rotation und Translation, Analogie, 66 Schallkennimpedanz, 556, 563
Rotation, dynamisches, 63 Schallleistung, 557
Rotationsenergie, 64 auf die Trennwandfläche, 578
eines Teilchens, 606 diffuses Schallfeld, 576
Energieerhaltungssatz, 65 im Raumwinkel, 576
starrer Körper, 73 spezifische, 559
Rotationsleistung, 66 transmittierte, 578
Rotations-Schwingungs-Spektrum, 628 Schallleistungspegel, 561, 577
Rotations-Spannarbeit, 66 Schallmauer, 430
rotierendes Koordinatensystem, 41 Schallpegel, bewerteter, 571
Rotor, 347, 361 Schallpegel-Additionstabelle, 560
rücktreibende Kraft, Akustik, 554 Schallpegeldifferenz, 558
Rückstreuung, 685 Schallquellengeometrie, 558
Rückstreuverfahren, 653, 654 Schall-Reflexionsgrad, 563
Ruheenergie, 785 Schallschnellepegel, 561
Ruhemasse des Elektrons, 10 Schallspektren, charakteristische, 573
des Protons, 10 Schall-Transmissionsgrad, 563
ruhende Flüssigkeiten, 105 Schalltransmissionsgrad, 563
Rutherford-Streuung, 632, 633 Schallwandler, 559
Rydberg-Atome, 593 Schallwechseldruck, 556, 559
Rydberg-Konstante, 592, 593 schallweiche Grenzflächen, 563
Schallwelle, Energiedichte, 557
S Schallwellen, 554
Sabine’sche Formel, 577 an Grenzflächen, 563
Saccharimeter, 530 Schaltung von Kapazitäten, 302
Sättigungsdampfdruck von Wasser, 211 von Spannungsquellen, 255
Sagnac-Effekt, 84 von Widerständen, 248
Sammellinse, 460 Scheingröße, 352, 358
Satz von Steiner, 75 Scheinkraft, 40
Saugeffekt von Strömungen, 125 Scheinleistung, 357
Schadt-Helfrich-Zelle, 528 Scherung, 95, 96, 98
Schäden, genetische, 691 Schichtverbundwerkstoff, 717, 718
Schärfentiefe beim Fotoapparat, 481 Schiebung, 93, 98
Schalenmodell, 639 schiefe Ebene, 35, 51, 75
Schall, allgemein, 553 schiefer, zentraler Stoß, 60
indirekter, 576
910 Sachwortverzeichnis

Schlupf, Drehstromasynchronmotoren, 362 Gesamtenergie, 389


schmalbandige Absorber, 565 mechanische, 378
Schmelzdruckkurve, 214 nichtlineare, 417
Schmelzen, 210 parametrisch erregte, 418
Schmelzenthalpie, 210 Überlagerung, 406
Schmelztemperatur, 210 ungedämpfte, 378, 381
Schmerzgrenze, akustische, 569 Schwingung, gedämpfte, 397
Schneckenpumpe, 147 Strahlung, Absorption, 766
Schnelle, Schall-, 554 Wechselwirkung, 677
Schnelleamplitude, 556 Wellen, 373
Schnelleverteilung der tung, 556 Schwingungen
Schnittweitengleichung, 459, 463 elektromagnetische und mechanische, Analogie, 392
Schottky-Diode, 742 Größen, 380
Schottky-Fehlordnung, 711 mit mehreren Freiheitsgraden, 414
Schraubenversetzung, 711 Reibungskräfte, 393
Schrödinger-Gleichung, 599, 603, 678, 728 und Wellen, Zusammenhang, 377
harmonischer Oszillator, 629 Schwingungsdauer, 380, 420
Nukleonen, 639 schwingungsfähige Systeme, lagen, 377
Quanten-Hall-Effekt, 610 Schwingungssystem, gekoppeltes, 414
zeitabhängige, 602 Schwingungssysteme, 389
zeitunabhängige, 602 Schwingungsüberlagerung, Auslöschung, 406
Schubkraft, 48 parallele, 406
Schubmodul, 95, 96 senkrechte, 412
Schubspannung, 93, 97, 98, 132 Verstärkung, 406
Schutz, Strahlenbelastung, 93, 699 Seebeck-Effekt, 159, 758
schwache Wechselwirkung, 676 Sehwinkel, 474
Schwächungsfaktor, 698 Seiliger-Prozess, 191, 192
Schwächungskoeffizient, 624 Seitendruck, 110
schwarzer Körper, 487 Seitendruckkraft, 111
Schwebung, 407 Seitenkanalpumpe, 147
Schwebungsfrequenz, 407, 415 Sekundärbatterien, 271
Schwebungsgruppe, 437 Sekundärelektronenemission, 274, 275
Schwellenenergie, 656 Sekundärelement, 263
Schwellstrom, 764 Sekundärionisation, 650
Schwere, 34 Sekunde, 8
Schweredruck in Flüssigkeiten, 110 selbständige Gasentladung, 276
in Gasen, 111 Selbstinduktion, 347
Schwerkraft, 35 Seltsamkeit, 674, 675
Hubweg, 89 Senke, 121, 744
Schwerpunkt, 46, 71 Strömungs-, 118
Schwerpunkt der Messwerte, 15 senkrechter Wurf, 25
starrer Körper, 71 Senkung, kapillare, 116
Schwerpunktsatz, 46, 47 Senkwaage, 113
Schwerpunktskoordinaten, 71 Separation, 639
schwimmende Körper, Stabilität, 114 Separationsenergie, 639
schwimmender Estrich, 582 Serienschaltung von Federn, 36
schwingende Gitterbausteine, 750 s-Funktion, 606
Schwingfall, 395, 396 Sicherheit, statistische, 12
Schwingkreis Sieden, 210
Güte, 404 SI-Einheiten, 6, 7
Schwingkreis, Kenngrößen, 399 Sievert, 688
Schwingung, allgemein, 378 Skineffekt, 347
elektromagnetische, 377, 390, 397 skotopische Anpassung, 489
erzwungene, 378, 381, 400 smektische Flüssigkristalle, 722
freie, 377, 378, 381 Solarkonstante, 485
freie gedämpfte, 377, 378, 393, 396 Solarzelle, 768
fundamentale, 415 Solenoid, 316
gedämpfte, 396 somatische Strahlenschäden, 691, 692
gekoppelte, 414 Sommerfeld’sche Erweiterung, 593
Sachwortverzeichnis 911

Feinstrukturkonstante, 10, 595 der Elektrodynamik, 786


Quantenbedingungen, 593 Postulate, 776
Sonar-Prinzip, 584 spezielle Zustandsänderungen Gase, 185
sone, 570 spezielle Zustandsänderungen idealer Gase, 179
Sonnensystem, Planetendaten, 87 spezifische Ausstrahlung, 484, 490
s-Orbital, 608 Drehzahl, 149
Spalt, Beugung, 503, 600 Größen, 156
Spaltprodukt, 659 Ionisation, 679
Spaltungsquerschnitt, 659 Ladung, 329
Spaltwahrscheinlichkeit, 662 Lichtausstrahlung, 490
Spannarbeit, 66 Schallleistung, 559
Spannung, 241 Wärmekapazität, 754
Diffusions-, 740 sphärischer Spiegel, 444
elektrische, 9, 241 Spiegel, Bildentstehung, 444
Hall-, 327, 611, 612 Konvex-, 446
induzierte, 361 Spiegelversuch, Fresnel’scher, 497
Klemm, 254 Spin, 676
Klemm-, 254 Spin-Bahn-Kopplung, 641
magnetische, 361 Spinmagnetismus, 617, 618
Normal-, 93, 98 Spinmoment, magnetisches, 331
Oberflächen-, 114 Spinquantenzahl, 618
Schub-, 93, 97, 98, 132 spontane Emission, 536
Temperatur-, 740 Spontanspaltung, 638, 646
Wechsel-, Effektivwert, 351 Sprungtemperatur, 746
Spannungs-Dehnungs-Diagramm, 101 Spule, 353
Spannungsdoppelbrechung, 526 Spule Stromkreis, 365
Spannungsfaktor, 335 Spuranpassung, 567
Spannungsgradient, 119 Spurwellenlänge, 567
Spannungskreise, Mohr’sche, 100 stabiles Gleichgewicht, 72
Spannungsmesser, 251 Stabilität schwimmender Körper, 114
Spannungsquellen, Arten, 242 Stabilitätsprobleme, 114
elektrochemische, 262 Stärke, Beleuchtungs-, 9, 490
Schaltung, 255 Bestrahlungs-, 485, 490
Spannungsreihe Feld-, elektrische, 9, 284
thermoelektrische, 759 Feld-, magnetische, 9, 314
Spannungsreihe, Metalle, 262 Gravitationsfeld-, 91
Spannungsstoß, 320 Koerzitivfeld-, 335
Spannungszustände, räumliche, 97 Laut-, 569
Spannungszustand, 93 Licht-, 8, 491
dreiachsiger, 93 Strahl-, 483, 490
Speicher-Varaktoren, 742 Strom-, elektrische, 8, 240
Spektralapparat, 512 Transportfeld-, 119
spektrale Größen, 487 Standardabweichung, 12
spektrale Strahldichte, 487 des Messverfahrens, 14
Spektralfotometer, 512 Standardwasserstoffelektrode, 262
Spektrograf, 512 stante, 698
Spektrometer, 512 Stapelfehler, 711
Drehkristall, 517 starke Wechselwirkung, 677
Spektroskop, 512 Stark-Effekt, 619
Spektroskopie, Absorptions-, 590 starrer Körper, 20
Emissions-, 591 Kinematik, 67
Resonanz-, 591 kinetische Energie, 72
Spektroskopie-Verfahren, 590 Massenträgheitsmoment, 73, 74
Spektrum, 590 Mechanik, 67
des Wasserstoffatoms, 590, 592 potenzielle Energie, 71
Sperrsättigungsstrom, 740 Rotationsenergie, 72
Sperrspannung, 740 Schwerpunkt, 71
spezielle Gaskonstanten, 162 Translationsenergie, 72
spezielle Relativitätstheorie, 775 starrer Rotator, Eigenwerte, 630
912 Sachwortverzeichnis

Statik, 19 Strahler, Lambert’sche, 483


Eliminatoren, 654 schwarzer, 487
Gleichgewichtsbedingungen, 70 Strahlgeschwindigkeit, 48
stationäre Ströme, 373 Strahlpumpen, 147
Strömung, 121 Strahlstärke, 483, 490
stationärer Ladungstransport, 241 Strahlung, biologische Wirkung, 689
Wärmetransport, 220 charakteristische, 623
statischer Druck, 122 ionisierende, 650
statisches Kräftegleichgewicht, 35 Materie, Wechselwirkung, 679
Moment, 111 Strahlungsäquivalent, fotometrisches, 490
statistische Abweichungen, 10 Strahlungsdetektoren, 651
Deutung der Entropie, 200 Strahlungsenergie, 482, 490
Sicherheit, 12 Strahlungsgleichung, Planck’sche, 487, 537
statistisches Gewicht, 168 Strahlungsintensität, 624
Stator, 347, 361 Strahlungsisothermen, 537
Staudruck, 122, 123 Strahlungsleistung, 482, 490
Staurohr, Prandtl’sches, 123 durchgelassene, 767
Stefan-Boltzmann-Gesetz, 488 Strahlungsphysik, 482
Stefan-Boltzmann-Konstante, 10 strahlungsphysikalische Größen, 482
stehende Wellen, 432 Strahlungsquellen, 762
Steighöhe, 117 Strangspannung, 359
Rakete, 48 Strangstrom, 359
Steiner’scher Satz, 75, 386 Streckgrenze, 102
Stellarator, 669 Streuanteil, 624
Steradiant, 482 Streuung von Alpha-Teilchen, 633
Stern-Dreieck-Schaltung, 250, 359 von Elektronen, 633
Sternschaltung, 359 von Neutrinos an Protonen, 633
Steuerspannung, 744 von Röntgen-Quanten, 633
Stirling-Prozess, 192, 193 Strömung, Drehmoment, 128
Störstellen, 737 instationäre, 135
Störstellenleitung, 734, 737 laminare, 132, 135
Stoffmagnetismus, Arten, 333 Saugeffekt, 125
Stoffmenge, 8 turbulente, 135
Stokeslinie, 631 Widerstände, 136
Stokes’sches Reibungsgesetz, 134 Strömungen, laminare, 132
Stoß, Drehmoment, 63 realer Flüssigkeiten, 132
elastischer, 56, 59 realer Gase, 132
inelastischer, 58, 60 Strömungsdrehimpuls, 128
schiefer, zentraler, 60 mechanischer, 128
Stoßgesetze, elastische, 57 Strömungsfeld, 117
inelastische, 58 Strömungsgeräusche, 582
Stoßparameter, 632 Strömungsgeschwindigkeit an Drosselstelle, 124
Stoßprozesse, 54 Strömungsimpuls, 127
Klassifikation, 57 Strömungsmaschinen, 130, 192
Strahldichte, 483, 490 Strömungsmechanik, 117
spektrale, 487 spezielle Probleme, 143
Strahlen, direktionisierende, 683 Strömungspumpen, 147
Strahlenarten, 642 Strömungsverhältnisse
Strahlenbelastung, 679, 693 in Turbinen, 130
des Menschen, 693 Strömungsverhältnisse in, 130
Schutz, 699 Strömungswiderstand, 136
Strahlenbündel, 442 Stromdichte, 241
Strahleneinwirkung, terrestrische, 694 elektrische, 241
Strahlenquelle, radioaktive, 654 strömende Flüssigkeiten, 117
Strahlenschaden, 692, 734 strömende Gase, 117
Strahlenschutz, 678, 693 Stromkreis, Ein- und gänge, 363
Strahlenschutzmaßnahmen, 696 Stromlinien, 118
Strahlenschwächung, 686 Stromlinienform, 136
Strahlenwirkung, biologische, 689 Strommesser, 251
Sachwortverzeichnis 913

Stromresonanz, 354 kritische, Supraleitung, 746


Stromrichtung,technische, 241 thermodynamische, 189
Stromstärke, 240 Temperaturabhängigkeit der
elektrische, 8 Kapazität, Festkörper, 179
Stromverstärkungsfaktor, 744 Wasserstoff, 178
Struktur fester Körper, 703 Temperaturgradient, 119
Strukturbild Akustik, 553 Temperaturmessung, 158
der Mechanik, 20 Temperaturspannung, 739
der Thermodynamik, 154 Temperaturstrahler, 487
Festkörperphysik, 703 terrestrische Strahleneinwirkung, 692
physikalische Optik, 441 Terzfilter, 562
Strahlenschutz, 679 Tesla, 321
Strukturen, kristalline, 706 TFTR, 668
Student-t-Verteilung, 12 thermische Ausdehnung, 158
Stützkraft, 71 -, Emission, 274
Stufenversetzung, 711 Energie, 166, 167
S-Turbine, 148, 150 Zustandsgrößen, 155, 185
Sublimieren, 210, 214 thermischer
Substanzen, nichtnewton’sche, 133 Wirkungsgrad, 189, 192
Substitution, Gitterfehler, 711 Thermobimetalle, 718
Supraleiter, 243, 746 Thermodynamik, 153
Supraleitung, 746 dritter Hauptsatz, 204
Suszeptanz, 358 Einführung, 153
Suszeptibilität, elektrische, 305 erster Hauptsatz, 204
magnetische, 330 fester Körper, 750
Symmetrie-Energie, 637 Hauptsätze, 168
symmetrische Spaltung, 659 nullter Hauptsatz, 157
Synchronmotor, 362 Strukturbild, 154
Synchrotron, 329, 672 zweiter Hauptsatz, 195
Synergetik, 202 thermodynamische Temperatur, 189
System, abgeschlossenes, 46, 153 thermodynamisches Gleichgewicht, 210
adiabates, 153, 155, 182, 200 Potenzial, 203
Entropie, 204 System, 155
Gesamtimpuls, 46 thermoelektrische Spannungsreihe, 759
geschlossenes, 153, 155 thermoelektrischer und netischer Effekt, 759
Impuls, 46 thermoelektrischer und thermomagnetischer Effekt, 757
Kräfte auf Punkte, 46 Thermoelement, 482, 759
offenes, 153, 155 Thermokraft, 759
systematische Abweichungen, 10 Thermometer, 159, 160
Systeme materieller Punkte, Drehbewegung, 64 Thermoplaste, 714, 715
Systeme, thermodynamische, 154 Thermospannung, 759
Szintillationsdetektor, 654 Thermotopografie, 724
Szintillator, 652 Thomson-Effekt, 758
Thomson-Gleichung, 354
T Tiefendosis, relative, 691
Tangentialbeschleunigung, 29 Tokamak, 668
Tangentialeinheitsvektor, 27 Ton, 553, 572
technische Akustik, 576 Tonintervall, 575
Kreisprozesse, 191, 192 Tonleiter, 575
Stromrichtung, 241 Toroid, 317
Teilchen Torricelli’sches Ausflussgesetz, 124
Welle Torsion, 98
Dualismus, 534 Torsionsleistung, 63
Teilchen, Welle, 599 Torsionsmoment, 64
Teilchenmassen, 636 Torsionspendel, 386
Teilchenverbundwerkstoffe, 718 Torsionswelle, 421
Teilchenzahldichte, 639 Totalreflexion, 451
Temperatur, 8, 156, 166 Trägheitsdichte, intrinsische, 737
charakteristische, 764 Trägheitseinschluss, 668
kritische, 208
914 Sachwortverzeichnis

Trägheitsgesetz, 33 Ultraschall, 564, 570, 584


Trägheitskraft, 40 Reinigung, 584
Akustik, 554 Umkehrlinse, 478
Trägheitsmoment, Flächen- Umkehrprisma, 455
Massen-, 74 Umlaufzeit der Planeten im Sonnensystem, 89
Trägheitsmoment, Flächen- umschlossene Strahlungsquellen, 652
Haupt-, 77 Umströmen von Körpern, 135
Massen-, 62, 66, 76, 386 umströmte Körper, Auftrieb, 143
Trägheitsmoment, Flächen-, 111 Umströmung, laminare, 134
Trägheitsmomente, Massen von zylindrischen Körpern, 136
Körper, 73, 74 unabhängiger Zerfall, 648
Transformation, Galilei, 39, 775 unelastischer Stoß, 58, 59
von Wechselströmen, 359 unipolarer Transistor, 741
Transformator, 345, 360 universelle Gaskonstante, 10, 163
Transformatorprinzip, 345 Unschärferelation, 543, 605, 606
Transistor, 741 unselbstständige Gasentladung, 275
Feldeffekt-, 611 Unterschallbereich, 146
Transistoren, Grundschaltungen, 745 Unterschallströmung bei Querschnittsveränderungen,
Transistorkennlinie, 743 146
Translation, 67 unvollkommene Benetzung, 115
und Rotation, Analogie, 66 Urspannung, 262
Translationsbewegung, 24
Translationsenergie, starrer, 72 V
Translationsgitter, 708 Vakuumfotozelle, 531
Translationsleistung, 66 Vakuumlampe, 281
Translations-Spannarbeit, 66 Vakuum-Lichtgeschwindigkeit, 10, 776
Transmissionsgrad, 424 Valenzband, 726
Akustik, 563, 566 Valenzelektronen, 623
Transmissionskoeffizient, 603 Van-der-Waals-Kraft, 205
transmittierte Schallleistung, 578 van-der-Waals’sche Bindung, 703
Transportfeldstärke, 119 van-der-Waals’sche Konstanten, 208
Transrapid, 339 van-der-Waals’sche Zustandsgleichung, 205
transversaler Doppler-Effekt, 788 van-der-Waals’sches Kovolumen, 205
Transversalwelle, 419, 433 Variable, makroskopische, 153
Tripelpunkt, 157, 215 Varianz, 11
von Wasser, 157 Varistor
Trittschall, 581 Widerstände bei Strömungen, 244
trocker gesättigter Dampf, 207 Varistor Bauarten, Einteilung, 244
Tröpfchenmodell, 637 Vektor, Poynting’scher, 424
Tubuslänge, 476 Vektordiagramm des Bahndrehimpulses, 608
Tunnel-Diode, 742 Venturi-Düse, 123
Tunneleffekt, 603, 614 verallgemeinerte Bernoulli-Gleichung, 144
Tunnelmikroskop, 547, 603 Verbrennungsmotor, 191
Turbine, 130, 131, 148 Verbundwerkstoffe, 717, 720
Turbinengleichung, Euler’sche, 131 Verdampfungstemperatur, 210
Turbinenleitrad, 129 Verdeckungseffekt, Akustik, 571
turbulente Grenzschichtbildung, 139 Verdet’sche Konstante, 530
turbulente Reibung, 37 Verdrängungspumpen, 147
Verdunstung, 214
U Verflüssigung, 206
überhitzter Dampf, 207 Verformung, 92, 93
Überlagerung von parallele, 405 Verformung, elastische, 93
Überlagerung von Wellen, 430, 437 plastische, 100
Überschallbereich, 145 Verformungsarbeit, 52
Überschallströmung bei schnittsveränderungen, 146 beim unelastischen Stoß, 59
Überschussreaktivität, 663 Verformungsarten, 95
Übersetzungsverhältnis, 360 Verformungsverhalten von Kunststoffen, 716
Überlagerung von Vergrößerung, 474, 475
senkrechte, 412 Verhältnis, gyromagnetisches, 618, 619
Uhrenparadoxon, 781 Verlustenergiedichte, 101
Sachwortverzeichnis 915

Verlustfaktor, 357, 395 Energie, 9


Verlusthöhe, 135 isobare, 173
Verlustwinkel, 355, 356 isobaremolare, 171
Vermehrungsfaktor, 663 isochore molare, 173
Vernichtungsstrahlung, 643, 680 molare, 171, 753
Verschiebungsarbeit, elektrische, 286 molare, Elektronengas, 730
Verschiebungsdichte, elektrische spezifische, 153, 754
an Grenzflächen, 311 Temperaturabhängigkeit, 178, 179, 213
Verschiebungsgesetz, Wien’sches, 488 Wärmekapazitäten, Berechnung, 166
Versetzung, 710 Wärmeleitfähigkeit, 221, 755, 757
Versetzungsdichte, 710 Wärmeleitfähigkeit der Elektronen, 756
Verstärkung bei lagerung, 406 Wärmeleitung, 220
Vertaubung, 571 stationärer Fall, 220
Vertauschungsrelation, 605 Wärmepumpe, 190
Verteilung der Spaltenergie, 661 Wärmestrahlung, 220, 536
Häufigkeits-, 9 Wärmestrom, 222
Normal-, 9 Wärmestromdichte, 755
Verteilungsfunktion, 168 Wärmestrahlung, 219, 220
Vertrauensbereich, 11 Wahrscheinlichkeit, 200
Vertrauensgrenzen, 15 Aufenthalts-, 602
Verzeichnung, 472 Spalt-, 662
verzweigter Stromkreis, 246 Zerfalls-, 646
Vibrationsmesswerk, 370 Wahrscheinlichkeitsfunktion, 535
Vickers-Verfahren, 103, 104 Walze auf schiefer Ebene, 77
Vielstrahlinterferenz, 511 Wandler, biologischer, 554
Vier-Niveau-System, 538 elektroakustischer, 559
Vier-Parameter-Modell, 716 elektrostatischer, 554
vierter Aggregatzustand, 281 piezoelektrischer, 559
Vignettierung, 471 piezoresistiver, 559
Viskosimeter, 134 Wandler,biologischer
Viskosität, dynamische, 132 elektrodynamischer, 559
Voigt-Kelvin-Modell, 716 wärmetechnische Stoffwerte, 221
vollkommene Benetzung, 115 Wasser, Anomalie, 161, 214
vollkommene Benetzung momente, 76 Sättigungsdampfdruck, 213
Volt, 241, 242, 616 Tripelpunkt, 157
Voltameter, 261 Wasserstoffatom, Lösung, 607
Voltmeter, 251 optisches Spektrum, 592
Volumen, kritisches, 207 Quantenmechanik, 609
Volumenänderungsarbeit, 174, 185 Wasserstoff-Spektrum, 591, 609
isentrope, 182 Wasserstrahlpumpe, 126
Volumenausdehnungskoeffizient, 109 Wasserturbine, 148, 150
Volumenenergie, Atomkern, 124, 637 Weakonen, 678
im Rohr, 133 Weber, 320
Volumenstrommessung, 122 Wechselspannung, Effektivwert, 351
Von-Klitzing-Effekt, 611 Wechselstrom, Effektivwert, 351
Transformation, 359
W Wechselstromkreis, 350, 351, 355, 356
Wärme, 9, 169, 185 -, Leistung, 354
Begriff, 170 Bauelemente, 353
latente, 209 Wechselwirkung der Strahlung Materie, 679
Wärme Energie, 9 Wechselwirkungen, fundamentale, 676
Wärme Spannung Wechselwirkungsgesetz, 33
elektrische, 9 Wechselwirkungsprozesse von lung und Materie, 680
Wärmeäquivalent, mechanisches, 190 Weg, 66
Wärmedurchlasskoeffizient, 224 Wegdifferenz, optische, 496
Wärmedurchlasswiderstand, 224 Weglänge, mittlere freie, 732, 770
Wärmeisolatoren, 755 Weg-Zeit-Diagramm, 21
Wärmekapazität, 9, 171, 753 Weichmagnet, 337
allgemein, 153, 171 Weiss’sche Bezirke, 332
Bestimmung, 174
916 Sachwortverzeichnis

Weizsäcker-Formel, 636, 637 Widerstandstransformation, 360


Welle eines Teilchens, 599 Widerstandsverhältnis, 733
-, elektromagnetische, 373 Wiedemann-Franz’sches-Gesetz, 757
einfache, 422 Wien’sches Verschiebungsgesetz, 488
elektromagnetische, 441 Wilson-Aufnahmen, 597
Materiewellen, 541, 542 Windkanal, 137
stehende, 432 Winkel, 9, 66
Wellen, 377, 419 Dreh-, 29
Ausbreitungsgeschwindigkeit, 420 Mach’scher, 430
Energietransport, 423 Raum-, 9
harmonische, 422 Winkelbeschleunigung, 29, 63, 66
Intensität, 424 Winkelgeschwindigkeit, 29, 66
stehende, 432 der Präzession, 81
Wellenausbreitung, Grundlagen, 419 Winkelrichtgröße, 66, 386
Wellenbild, 4 Wirbelbildung, 135
Wellenfläche, 421 Wirbelstrom, 347
Wellenfront, 421 Wirkanteil, 352, 358
Wellenfunktion, 601, 602 Wirkdruck, 123
normierte, 601 Wirkleistung, 357
Radialanteil, 606 Wirksamkeit, relative biologische, 689
Wellengleichung, 676 Wirkung, 598
d’Alembert’sche, 425, 555 Wirkungsgrad, 52
Dirac’sche, 676 Gesamt-, 53
gewöhnliche, 425 thermischer, 189, 192
Lösungsfunktion, 556 Wirkungslinie der Kraft, 68
relativistische, 678 Wirkungsquantum, Planck’sches, 10, 488, 532
Schrödinger’sche, 599, 677, 728 Wirkungsquerschnitt, 632, 657, 659
Wellenlänge, 420 Wirkwiderstand, 353
Balmerserie, 589 wohltemperierte Stimmung, 575
Material-, 597 Wölbspiegel, Brennweite, 448
Wellenlängenverschiebung, Effekt, 533 Woods-Saxon-Potenzial, 641
Wellenoptik, 495 Wurf, senkrechter, 25
Wellenpaket, 437, 605 Wurfparabel, 28
Wellenreflexion, freies und Ende, 433
Wellenüberlagerung, 430, 437 Z
Wellenwiderstand, 425, 556 Zähigkeit, dynamische, 132
Wellenzahl, 422 kinematische, 132
Wellenzahlvektor, 728 Zähigkeitskoeffizient, 37
Welle-Teilchen, Dualismus, 597 Zahl, Mach’sche, 430
Weltlinie, 778 Zählrohr, 700
Weltpunkt, 778 Zahnradpumpe, 147
Wendekreisel, 84 Zeeman-Effekt, 619
Wendeprisma, 455 Zeiger, komplexer, 352, 380
Werkstoff, amorpher, 712 Zeigerdiagramm, 353
Werkstoffe, 717 Zeit, 8
magnetische, 337 induktive, 365
Wertigkeit, 262 kapazitive, 365
Wheatstone’sche Brücke, 252 zeitabhängige Dehnung, 716
Widerstand, 242 Schrödinger-Gleichung, 600
elektrischer, 9, 243, 244 Zeitdilatation, 776, 780
elektrischer und magnetischer, 343 Zeitkonstante, induktive, 365
innerer, 254 kapazitive, 365
komplexer, 353 zeitliche Impulsänderung bei Strömung, 127
magnetischer, 342 Zeitmittelholografie, 521
spezifischer, 242 Zeitnormal, 6
Widerstand gnetfeldstärke, 612 Zeitstandsverhalten, 715
Widerstände bei Strömungen, 136 zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung, 600
Schaltung, 248 Zelle, galvanische, 263
Widerstandsbeiwerte, 136, 142 Zener-Diode, 742
Zener-Effekt, 741
Sachwortverzeichnis 917

Zentrifugalbeschleunigung, 42 Zug, 98
Zentrifugalkraft, 41, 43 Zugfestigkeit, 102
Zentripetalbeschleunigung, 29 Zustandänderungen, spezielle, Gase, 185
Zentripetalkraft, 35 Zustandsänderung, isentrope, 182, 185
Zerfall, radioaktiver, 642 isobare, 181, 185
Zerfallsenergie, 636 isochore, 181, 185
Zerfallsgesetz, 646 isotherme, 179, 185
Zerfallsgleichungen, 644 polytrope, 184
Zerfallskonstante, 646 Zustandsänderungen realer Gase, 205
Zerfallskurven, 648 Zustandsdiagramm, 215
Zerfallsreaktionen, 642 Zustandsdichte, 614, 639, 640, 730, 735
Zerfallsschemen, 644 Zustandsflächen idealer Gase, 163
Zerfallswahrscheinlichkeit, 646 Zustandsgleichung, 155, 162
Zerlegung von Kräften, 34 Zustandsgröße, allgemein, 155
Zerstäuber, 125 Zustandsgrößen, kalorische, 155
zirkular polarisiertes Licht, 522 thermische, 155, 185
Zirkulation, 143 zweidimensionales Elektronengas, 611
Zonenintervalle, 573 zweiter Hauptsatz der Thermodynamik, 153, 195, 197
Zonenlinse, 519 zweiter Righi-Leduc-Effekt, 758
Zonenplatte, 519 Zyklotron, 329
Zonensystem, Fresnel’sches, 519

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