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Zentrum für

Technomathematik

Fachbereich Mathematik und Informatik

Zur mathematischen Aufgabe der


Thermoelastizität unter Berücksichtigung
von Phasenumwandlungen und
Umwandlungsplastizität

Diplomarbeit im Studiengang Technomathematik der Universität Bremen

vorgelegt von Sören Boettcher


am 13. März 2007

Spannungen
Temperatur
Verzerrungen

Phasen
Austenit, Perlit,
Martensit, Bainit

Betreuer und Erstgutachter: Dr. M. Wolff


Zweitgutachter: Prof. Dr. M. Böhm
Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1

2 Modellierung 5
2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
2.2 Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
2.3 Lagrangesche und Eulersche Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . 8
2.3.1 Lagrangesche Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.3.2 Eulersche Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.4 Elastizitätstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.4.1 Das Hookesche Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.4.2 Verzerrungs- und Spannungszustand . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2.4.3 Die Piola-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.4.4 Herleitung der allgemeinen Bewegungsgleichung . . . . . . . . . . 16
2.4.5 Die Lamé-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
2.5 Thermoelastizitätstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2.5.1 Herleitung der Wärmeleitungsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . 20
2.5.2 Berücksichtigung thermischer Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . 23
2.5.3 Einführung in das Anwendungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . 25
2.5.4 Stahl und Stahleigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
2.5.5 Phasenumwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.5.6 Umwandlungsplastizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.5.7 Formulierung der Mathematische Aufgabe . . . . . . . . . . . . . 32

3 Lineare Elastizitätstheorie 35
3.1 Existenz- und Eindeutigkeit der schwachen Lösung der stationären Aufgabe 35
3.1.1 Die Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
3.1.2 Herleitung der Operatorgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
3.1.3 Eigenschaften des Operators Au . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
3.1.4 Existenz- und Eindeutigkeitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
3.1.5 Alternativer Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
3.2 Existenz und Eindeutigkeit der schwachen Lösung der instationären Aufgabe 43
3.2.1 Das Galerkin-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
3.2.2 Die Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
3.2.3 Darstellung als Evolutionsgleichung 2. Ordnung . . . . . . . . . . 48
3.2.4 Der Existenz- und Eindeutigkeitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . 51

4 Lineare Thermoelastizitätstheorie 63
4.1 Die Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
4.2 Eigenschaften der Operatoren Au und Aθ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

i
4.3 Existenz- und Eindeutigkeitssatz für die Aufgabe der klassischen linearen
Thermoelastizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
4.3.1 Gemischte Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
4.3.2 Vereinfachte Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

5 Lineare Thermoelastizitätstheorie mit Phasenumwandlungen und Umwand-


lungsplastizität 87
5.1 Lineare Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen . . . . . . . . . . . 87
5.1.1 Die Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
5.1.2 Existenz und Eindeutigkeit des Teilproblems A . . . . . . . . . . 90
5.1.3 Existenz und Eindeutigkeit des Teilproblems B . . . . . . . . . . . 98
5.1.4 Existenz und Eindeutigkeit des Gesamtproblems . . . . . . . . . . 101
5.2 Lineare Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen und Umwandlungs-
plastizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
5.2.1 Die Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
5.2.2 Existenz und Eindeutigkeit des Teilproblems A . . . . . . . . . . 110
5.2.3 Existenz des Gesamtproblems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
5.2.4 Eindeutigkeit des Gesamtproblems . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
5.2.5 Spannungsabhängiges Umwandlungsverhalten . . . . . . . . . . . 134

6 Beispielrechnungen 137
6.1 Die Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
6.2 Darstellung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

7 Zusammenfassung und Ausblick 145

A Mathematische Hilfsmittel 149


A.1 Fixpunktsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
A.2 Gewöhnliche Differentialgleichungen im Sinne von Carathéodory . . . . . 151
A.3 Reflexivität und schwache Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
A.4 Funktionenräume - 1. Räume mit reellwertigen Funktionen . . . . . . . . 155
A.5 Wichtige Ungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
A.6 Funktionenräume - 2. Räume mit Banachraumwertigen Funktionen . . . 164
A.6.1 Einführung in die Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
A.6.2 Räume stetiger und stetig differenzierbarer Funktionen . . . . . . 165
A.6.3 Räume Bochner-integrierbarer Funktionen . . . . . . . . . . . . . 167
A.6.4 Abstrakte Lp -Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
A.6.5 Evolutionstripel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
A.6.6 Verallgemeinerte Ableitung und abstrakte Sobolevräume . . . . . 172
A.6.7 Evolutionsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

B Bezeichnungen 177
B.1 Mathematische Bezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
B.2 Physikalische Bezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

Literaturverzeichnis 185
1 Einleitung

Stahl ist in der Anwendung ein wichtiges und materialwissenschaftlich äußert interessan-
tes und kompliziertes Material.
Der Werkstoffzustand, in dem Bauteile und Werkzeuge aus Stahl hergestellt und bearbei-
tet werden, erfüllt nur selten gleichzeitig auch die Anforderungen, die sich aus dem Ver-
wendungszweck ergeben. Es ist daher notwendig, den Werkstoffzustand durch Wärmebe-
handlung so zu verändern, dass die Eigenschaften den unterschiedlichen Bedingungen in
der jeweiligen Anwendung optimal angepasst werden. Unter Wärmebehandlung versteht
man dabei, ein Werkstück ganz oder teilweise Zeit-Temperatur-Folgen zu unterwerfen,
um eine Änderung seiner Eigenschaften und/oder seines Gefüges herbeizuführen.
Da im Vorfeld einer Wärmebehandlung die Gefahren von ungünstigen Gefügen und un-
erwünschten Verzügen häufig nur durch Erfahrungswerte abgeschätzt werden, ist eine
unvorhersehbar große Abweichung zwischen den gewünschten und resultierenden Eigen-
schaften unvermeidbar.
Im Gegensatz hierzu bietet die numerische Simulation die Möglichkeit unvorteilhafte
Spannungs- und Verzugsverteilungen vorherzusagen. Somit können Ausschüsse sowie eine
kostenintensive Bearbeitung vermieden werden. Allerdings setzt die Simulation der sich
ergebenden Werkstoff- und Bauteileigenschaften nicht nur ein tiefgreifendes Verständnis,
sondern auch eine hinreichend genaue Modellierung der ablaufenden Prozesse sowie die
Kenntnis der erforderlichen Werkstoff- und Prozessparameter voraus.

Im Rahmen des SFB 570 Distortion Engineering“ an der Universität Bremen und dem

IWT Bremen werden die eigentlichen Ursachen für den bei der Wärmebehandlung und
mechanischen Bearbeitung von Stahlbauteilen auftretenden Verzug, also ungewollten De-
formationen, systematisch erforscht.
Ein wichtiger Aspekt für die Beherrschung dieser Verzugsursachen ist die mathemati-
sche Untersuchung von Prozessen hinsichtlich der Verzugsentstehung. Eine Modellierung
der verzugsrelevanten Wechselwirkungen zwischen Temperatur, mechanischem Verhalten
und Phasenumwandlungen führt selbst im Falle vereinfachter Annahmen zu einer Rand-
Anfangswert-Aufgabe für ein System nichtlinearer, gekoppelter, partieller und gewöhnli-
cher Differentialgleichungen für die zeit- und ortsabhängigen Felder der Temperatur, der
Verschiebungen und der Phasenanteile.

Eine Besonderheit des Materialverhaltens bei umwandelndem Stahl ist die Umwand-
lungsplastizität, die bereits bei vergleichsweise geringen Spannungen zu bleibenden Ver-
formungen führt. Aus diesem Grund muss das vereinfachte Modell der Thermoelasti-

zität mit Phasenumwandlungen“ durch Hinzunahme der Umwandlungsplastizität, oft
auch der klassischen Plastizität, erweitert werden. Diese Modellerweiterung stellt eine
große Herausforderung an die Modellierung selbst, sowie an die funktionalanalytische
und numerische Untersuchung der entstehenden Aufgaben dar.

1
Gekoppelte Modelle zum Materialverhalten von Stahl, die neben der Temperatur und der
Deformation auch die Phasenumwandlungen beschreiben, sind bislang im engeren ma-
thematischen und numerischen Kontext nur wenig untersucht worden. Es gab in dieser
Richtung Ergebnisse, die nur die Temperatur und die Phasenumwandlungen berücksich-
tigen. Somit entstand die Aufgabe, das komplexe physikalische Materialverhalten von
Stahl (insbesondere die Phasenumwandlungen und Umwandlungsplastizität) in allge-
meinere Modelle der Thermoelastizität einzubinden.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Untersuchung der mathematischen Aufga-
be der linearen Thermoelastizität unter Berücksichtigung von Phasenumwandlungen und
Umwandlungsplastizität. Es werden Existenz- und Eindeutigkeitsresultate sowohl für die
schwache Lösbarkeit der Gleichungen der linearen Elastizität zur Verfügung gestellt als
auch für die schwache Lösbarkeit der Gleichungen der klassischen linearen Thermoela-
stizität nachgewiesen. Den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet der Beweis eines Existenz-
und Eindeutigkeitsresultates für die schwache Lösbarkeit der mathematischen Aufgabe
der linearen Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen und Umwandlungsplastizität.

Im zweiten Kapitel wird im Rahmen der Modellierung ein Einblick in die Grundlagen der
Kontinuumsmechanik gegeben. Ferner werden aus dem Newtonschem Kraftaxiom die all-
gemeine Bewegungsgleichung für deformierbare Medien und die Wärmeleitungsgleichung
mithilfe des Energieerhaltungsprinzips hergelitten. Ausgehend von der Einführung in das
Anwendungsproblem werden die Definition sowie einige Eigenschaften von Stahl gegeben
und die Effekte der Phasenumwandlung sowie der Umwandlungsplastizität erläutert. Ab-
schließend folgt die Formulierung mathematischen Aufgabenstellung der linearen Ther-
moelastizität mit Phasenumwandlungen und Umwandlungsplastizität.
Das dritte Kapitel fasst im Wesentlichen einige wichtige Resultate der mathematischen
Elastizitätstheorie zusammen. Es werden sowohl das statische Problem als auch das dy-
namische Problem untersucht. Im Rahmen des instationären Problems wird das Galerkin-
Verfahren vorgestellt, welches sich für den Nachweis der Existenz von Lösungen instati-
onärer Aufgaben geeignet ist und in den folgenden Beweisen von Existenzresultaten seine
Anwendung findet. Ferner wird auf das Konzept der Evolutionsgleichungen eingegangen.
Im vierten Kapitel werden Existenz- und Eindeutigkeitsresultate der schwachen Lösbar-
keit der mathematischen Aufgabe der klassischen linearen Thermoelastizität bereitge-
stellt. Es werden zwei Fälle mit unterschiedlichen Randbedingungen betrachtet und
die verschiedenen Regularitätsanforderungen an die Parameter für diese beiden Fälle
erläutert.
Das fünften Kapitel bildet den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit. Hier findet sich der
Beweis des (unter gewissen Einschränkungen gültigen) Existenz- und Eindeutigkeitssat-
zes für die schwache Lösbarkeit zur mathematischen Aufgabe der linearen Thermoela-
stizität mit Phasenumwandlungen und Umwandlungsplastizität. Es werden die Idee des
Beweises ausführlich dargestellt sowie verschiedene Fälle bezüglich der Randbedingungen
und der Voraussetzungen an die Parameter betrachtet. Ferner werden die Unterschiede
zur klassischen linearen Thermoelastizität und die Schwierigkeiten, die beim Beweises
des Existenz- und Eindeutigkeitsresultates auftreten, erläutert.
Im sechsten Kapitel finden sich einige Beispielrechnungen eines gekoppelten Systems,
das aus der Wärmeleitungsgleichung und den Gleichungen für die Phasenumwandlungen
besteht und in gewisser Weise die Abkühlung einer Dilatometerprobe simuliert.
Abschließend folgen im siebtem Kapitel eine Zusammenfassung der Resultate der vor-
liegenden Arbeit und ein Ausblick auf mögliche Erweiterungen und Fortsetzungen der
Thematik.

Im Einzelnen werden in der vorliegenden Arbeit ausführlich

• die Existenz und Eindeutigkeit für die volle Aufgabe der stationären Elastizität,

• die Existenz und Eindeutigkeit für die volle Aufgabe der instationären Elastizität
mit ortsabhängigen Parametern,

• die Existenz und Eindeutigkeit für die volle Aufgabe der linearen Thermoelastizität
mit ortsabhängigen Parametern,

• die Existenz und Eindeutigkeit für die Aufgabe der linearen Thermoelastizität mit
ortsabhängigen Parametern und vereinfachten Randbedingungen,

• die Existenz und Eindeutigkeit für die volle Aufgabe der linearen Thermoelastizität
mit Phasenumwandlungen und ortsabhängigen Parametern und

• die Existenz und Eindeutigkeit für die regularisierte Aufgabe der linearen Ther-
moelastizität mit Phasenumwandlungen und Umwandlungsplastizität mit orts-
abhängigen Parametern

behandelt sowie einige Spezialfälle

• zu vereinfachten Randbedingungen,

• zu temperatur- und phasenabhängigen Parametern,

• zu Regularisierungen im Materialgesetz der Umwandlungsplastizität und in den


Kopplungstermen der Bewegungs- und Wärmeleitungsgleichung sowie

• zum spannungsabhängigen Umwandlungsverhalten

betrachtet.

Im Anhang findet sich ferner eine ausführliche und konsistente Darstellung der mathe-
matischen Grundlagen dieser Arbeit sowie die verwendeten Bezeichungen. Im Rahmen
der mathematischen Hilfsmittel werden wichtige Sätze aus der Analysis, der Funktio-
nalanalysis und der Theorie der partiellen Differentialgleichungen bereitgestellt. Ein we-
sentlicher Bestandteil dieser Zusammenfassung besteht in der Einführung in die Theorie
der abstrakten Funktionenräume.
2 Modellierung

In diesem Kapitel werden im Rahmen der Modellierung der physikalische Hintergrund


der mathematischen Aufgabenstellung behandelt. Es werden im Wesentlichen bekannte
Resultate aus der Literatur zum besseren Verständnis der vorliegenden Arbeit bereitge-
stellt.

Nach einem kurzen Einblick in die Grundsätze der Kontinuumsmechanik werden im


Kapitel Kinematik“ die Begriffe Deformation und Deformationsprozess erläutert.

Im folgenden Abschnitt werden die Unterschiede zwischen Lagrangescher und Eulerscher
Betrachtungsweise sowie das Reynoldsche Transporttheorem dargestellt.
Im Kontext der Elastizitätstheorie werden ausgehend vom Hookeschen Gesetz die Be-
griffe Verzerrung und Spannung sowie die Bedeutung der Piola-Transformation erklärt.
Mithilfe des Newtonschen Kraftgesetzes folgt die Herleitung der allgemeinen Bewegungs-
gleichung für deformierbare Medien. Die Piola-Transformation dieser Gleichung liefert
im Fall linear-elastischer Körper schließlich die Lamé-Gleichung.
Das Kapitel Thermoelastizitätstheorie“ beschreibt, wie die Gleichung der Elastizitäts-

theorie durch Hinzunahme thermischer Effekte zu modifizieren und durch die Wärmelei-
tungsgleichung zu ergänzen sind. Ferner wird ein kurzer Überblick über das Anwendungs-
problem gegeben. In diesem Zusammenhang wird auf den Werkstoff Stahl und dessen
Eigenschaften sowie die Effekte der Phasenumwandlungen und der Umwandlungsplasti-
zität eingegangen. Abschließend folgt die Formulierung der mathematischen Aufgabe,
deren Untersuchung den Kern der vorliegenden Arbeit darstellt.

Eine allgemeine Einführung in die Grundlagen der Kontinuumsmechanik findet sich in


[Alt94] und [Bet93] während für eine Einführung in die mathematische Modellierung auf
[Böh02] und [Eck05] verwiesen sei.
Ferner ist ein kurzer Überblick über die Elastizitätstheorie inklusive numerischer Aspek-
te etwa in [Bra92], in [Geb01], in [Lan89] und in [Lan97] gegeben.
Sehr umfangreich ist die Herleitung der Wärmeleitungsgleichung in [Lar05] dargestellt.
Weitere Erläuterungen zu den Grundlagen der Wärmeleitung sowie zur klasschischen
und teilweise auch zur numerischen Lösungbarkeit lassen sich in [Bae06], in [Kup76], in
[Mül72] und in [Wla72] wiederfinden.
Die Definition und einige Eigenschaften von Stahl findet man in [Lio69], in [Sch95] und
in [Hor85] - speziell zum Thema Phasenumwandlungen und Umwandlungsplastizität sei
auf [Ahr03], [Wol02a], [Wol02b] und [Wol03] verwiesen.

5
2.1 Einleitung
In der Kontinuumsmechanik studiert man Prozesse, die auf einer offenen und zusam-
menhängenden Teilmenge des Rn (einem sogenannten Gebiet) ablaufen1 .
Die Kontinuumsmechanik ist eine Erweiterung der Punktmechanik. In der Punktmecha-
nik werden physikalische Eigenschaften idealisierten Massenpunkten zugeordnet. In der
Kontinuumsmechanik wird dagegen so postuliert, dass solche Eigenschaften räumlich ver-
teilt sind und durch Dichtefunktionen beschrieben werden können. Die relevanten Größen
wie beispielsweise die Massendichte, die Temperatur oder das Geschwindigkeitsfeld sind
an jedem Punkt des Gebietes definiert. Es wird also angenommen, dass an jedem Punkt
Materie vorhanden ist. Die atomare Struktur der Materie wird dabei vernachlässigt,
beziehungsweise in einem gemittelten Sinn durch geeignete konstitutive Gesetze (Mate-
rialgesetze) berücksichtigt. Die Kontinuumsmechanik hat viele wichtige Anwendungen,
zum Beispiel

• Wärmeleitung,

• Verformungen von Festkörpern, Elastizität, Plastizität,

• Phasenübergänge,

• Kopplungen dieser Prozesse.

Sie ist daher ein wichtiges Hilfsmittel in den Natur- und Ingenieurwissenschaften.
Hier ist nicht der Raum, eine auch nur ansatzweise geschlossene Einführung in die Kon-
tinuumsmechanik zu geben, dennoch sollen im Weiteren einige Begriffe erläutert werden.

2.2 Kinematik
Mit Kinematik bezeichnet man die Beschreibung zeitlich veränderlicher Körper, ohne
Berücksichtigung der Kräfte, die diese Veränderung hervorrufen.
Ausgangspunkt der folgenden Betrachtungen ist ein dreidimensionaler materieller Körper,
welcher durch die zusammenhängende Menge B der von ihm eingenommenen Materie-
punkte gegeben ist. Zu jedem Zeitpunkt hat der Materiepunkt P räumliche Koordinaten
ξ = ξ(x, t), wobei x die materiellen Koordinaten zu einem festen Zeitpunkt t beschreibt.
Es wird vorausgesetzt, dass die Abbildung ξ = χ(x, t) ein Diffeomorphismus ist, so dass
insbesondere für jedes feste t ∈ R+ die inverse Abbildung χ−1 (·, t) mit x = χ−1 (x, t)
existiert.
In dieser Arbeit ist der Körper vor und nach der Formänderung (Deformation) von In-
teresse. Die Menge Ω0 ⊂ R3 heißt Referenzkonfiguration oder Anfangskonfiguration und
beschreibt den Körper im spannungsfreien Zustand, d.h. zum Anfangszeitpunkt t0 ∈ R+
der Verformung.

Bemerkung 2.2.1: Sei ein kartesisches Koordinatensystem fixiert. Dann lässt sich jeder
Punkt P ∈ B auf eine Koordinate ξ ∈ Ω0 abbilden, d.h. jeder Punkt des Körpers lässt
sich durch seine Position in der Referenzkonfiguration beschreiben.
1
Diese Arbeit beschäftigt sich nur mit der Untersuchung des dreidimensionalen Falls.
. .
.
Ω0 ξ s
x Ω
ξ’

s
. x’

Abbildung 2.1: Deformation eines Körpers

Definition 2.2.2: Der Abschluss eines beschränkten Gebietes Ω0 ⊂ R3 mit Lipschitz-


stetigem Rand ∂Ω0 heißt Körper in seiner Referenzkonfiguration. Im Folgenden sei der
Körper ebenso mit Ω0 bezeichnet.

Bemerkung 2.2.3: Sei Ω0 ⊂ R3 offen und beschränkt. Dann heißt Ω0 Lipschitz-Gebiet


oder von der Klasse C 0,1 , falls sich der Rand ∂Ω0 durch endlich viele offene Mengen
U1 , . . . , Um überdecken lässt, so dass ∂Ω0 ∩Uj für j = 1, . . . , m der Graph einer Lipschitz-
stetigen Funktion ist und Ω0 ∩ Uj auf jeweils einer Seite des Graphen liegt.

Wird der Körper durch äußere Kräfte deformiert, so lässt sich dies durch eine Abbil-
dung s : Ω0 → R3 beschreiben, die jedem Punkt der Referenzkonfiguration den Ort im
deformierten Zustand zuordnet.

Definition 2.2.4: Sei Ω0 ein Körper im Sinne von Definition 2.2.2. Eine Abbildung
s : Ω0 → R3 heißt Deformation des Körpers Ω0 , falls

(1) s : Ω0 → s(Ω0 ) , ξ 7→ x = s(ξ) bijektiv,


(2) s ∈ C 1 (Ω0 , R3 ),
 
3×3 ∂si
(3) ∇s : Ω0 → R besitzt eine positive Determinante, wobei ∇s := ∂xj
gilt.
i,j=1,2,3

Die Menge Ω := s(Ω0 ) beschreibt die Konfiguration des deformierten Körpers. Für einen
Teilkörper Ω′0 ⊂ Ω0 sei Ω′ := s(Ω′0 ).

Bemerkung 2.2.5: Die Abbildung s ist injektiv auf Ω0 und bildet Teilgebiete von Ω0
mit Lipschitz-Rand in Teilgebiete von Ω mit Lipschitz-Rand ab.
Weiterhin wird det(∇s) > 0 gefordet, damit Teilmengen mit positiven Volumen wieder
in solche mit positivem Volumen überführt werden.

Ein lokales Maß für die Deformation ist der Deformationsgradient Φ. Während der De-
formation eines Festkörpers wirken auf jedes Teilvolumen Kräfte, die zur Beschleunigung
dieses Teilvolumens beitragen.

Definition 2.2.6: Die Abbildung Φ := ∇s heißt Deformationsgradient.

Definition 2.2.7: Sei Ω0 ein Körper im Sinne von Definition 2.2.2. Eine Abbildung
s : Ω0 × [t0 , T ] → R3 , T ∈ R+ heißt Bewegung (oder Deformationsprozess) des Körpers
Ω0 der Ordnung k, falls
(1) ∀ t ∈ [t0 , T ] : s(·, t) : Ω0 → R3 ist eine Deformation im Sinne von Definition 2.2.4,

(2) ∀ ξ ∈ Ω0 : s(ξ, ·) : [t0 , T ] → R3 ist k-mal stetig differenzierbar.

Die Menge Ω(t) := s(Ω0 , t) beschreibt die Konfiguration des deformierten Körpers zum
Zeitpunkt t ≥ t0 . Dabei ist Ω0 := Ω(t0 ) die Konfiguration zum Zeitpunkt t = t0 . Für
Ω′0 ⊂ Ω0 , Γ′0 ⊂ Γ0 := ∂Ω seien Ω′ (t) := s(Ω′0 , t) und Γ′ (t) := s(Γ′0 , t).

2.3 Lagrangesche und Eulersche Betrachtungsweise


Die den materiellen Punkten zugeordneten Eigenschaften ändern sich im allgemeinen mit
der Bewegung dieser Punkte, d.h. mit der Zeit. Für die Beschreibung solcher Verände-
rungen kann die Lagrangesche oder die Eulersche Betrachtungsweise (auch Lagrange-
oder Euler-Darstellung) bevorzugt werden.

2.3.1 Lagrangesche Betrachtungsweise


In der Punktmechanik wird die Bewegung einzelner Massenpunkte analysiert. In der
Kontinuumsmechanik kann man ebenfalls der Bewegung eines Massenpunktes folgen,
d.h. ein Beobachter ist mit dem Teilchen verbunden und misst die Veränderungen der
jeweiligen Eigenschaften. Diese Betrachtungsweise heißt der Lagrangesche Ansatz (auch
materielle, substantielle oder referenzbezogene Betrachtungsweise).

Definition 2.3.1: Sei ξ ∈ Ω0 und s(ξ, t) = x die Position von ξ zur Zeit t ∈ [t0 , T ].
Dann wird durch v̂(ξ, t) := ∂s(ξ,t)
∂t
die Lagrangesche (materielle) Geschwindigkeit von ξ
zu Zeit t ∈ [t0 , T ] definiert.

Definition 2.3.2: Sei ξ ∈ Ω0 und s(ξ, t) = x die Position von ξ zur Zeit t ∈ [t0 , T ].
Dann ist die Lagrangsche (materielle) Beschleunigung des Teilchens ξ zur Zeit t wie folgt
definiert:
∂v̂(ξ, t) ∂ 2 s(ξ, t)
â(ξ, t) := = .
∂t ∂t2

2.3.2 Eulersche Betrachtungsweise


In mehreren Anwendungen benutzt man den Eulerschen Ansatz (auch räumliche oder lo-
kale Betrachtungsweise), in dem die Eigenschaften der Bewegung in einem festen Punkt
betrachtet werden. Ein Beobachter sitzt am Ort x und kann zum Zeitpunkt t das Pas-
sieren eines Teilchens ξ sehen. Er misst die Veränderung, die sich für den Ort dadurch
ergeben, dass zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche materielle Punkte am Ort x
sind. Die Eulersche Betrachtungsweise gibt somit Auskunft über die zeitliche Verände-
rung einer Funktion in einem fixiertem Punkt x, aber nicht über die Änderung der
Eigenschaften eines bestimmten materiellen Teilchens ξ mit der Zeit.

Definition 2.3.3: Sei t ∈ [t0 , T ] fixiert und sei x ∈ Ω(t) fixiert. Dann wird die Eulersche
(ortsfeste) Geschwindigkeit v(x, t) durch die Geschwindigkeit desjenigen Teilches ξ, das
zur Zeit t am Ort x ist, definiert.
Definition 2.3.4: Sei t ∈ [t0 , T ] fixiert und sei x ∈ Ω(t) fixiert. Dann wird die Eulersche
(ortsfeste) Beschleunigung a(x, t) durch die Beschleunigung desjenigen Teilchens ξ, das
zur Zeit t am Ort x ist, definiert.

Beide Betrachtungsweisen haben ihre Berechtigung und werden in der Kontinuums-


mechanik angewendet. Bei der Modellierung des Verhaltens von Festkörpern wird die
Lagrange-Darstellung, bei der von Flüssigkeiten die Eulersche Darstellung bevorzugt.
Bei der Untersuchung von Modellen der Festkörpermechanik ist im Allgemeinen die Re-
ferenzkonfiguration zum Zeitpunkt t0 bekannt und die Momentankonfiguration soll be-
rechnet werden. Den deformierten Zustand erhält man durch Verfolgung der materiellen
Punkte auf ihrer Bahn von der Referenz- in die Momentankonfiguration.

Definition und Satz 2.3.5 (substantielle Zeitableitung): Es gilt die folgende Bezie-
hung:
Dv(x, t) ∂v
a(x, t) = := (x, t) + v(x, t) · ∇v(x, t),
Dt ∂t
wobei x = s(ξ, t) mit ξ ∈ Ω0 , t ∈ [t0 , T ].

Beweis. Sei x = s(ξ, t) mit ξ ∈ Ω0 , t ∈ [t0 , T ]. Dann gilt nach Definition:

∂v̂(ξ, t)
â(ξ, t) =
∂t
Mithilfe der Kettenregel ergibt sich (vergleiche [Böh02]):

Dv(s(ξ, t), t)
a(x, t) =
Dt
∂v ∂v ∂s
= (s(ξ, t), t) + (s, t) (ξ, t)
∂t ∂s ∂t
∂v ∂v
= (s(ξ, t), t) + (s, t) v̂(ξ, t)
∂t ∂s
∂v
= (x, t) + v(x, t) · ∇v(x, t)
∂t

Bemerkung 2.3.6: Die substantielle (materielle) Ableitung beschreibt die Änderung


der durch die in Eulerschen Koordinaten beschriebene Geschwindigkeit v für einen festen
Materiepunkt, der sich zum Zeitpunkt t am Ort x befindet und mit Geschwindigkeit v̂
bewegt.

Satz 2.3.7 (Reynoldsches Transporttheorem): Sei s eine Bewegung im Sinne der Defi-
nition 2.2.7 und f : Ω(t) × [t0 , T ] → R eine differenzierbare Funktion. Dann gilt:
Z Z  
d ∂f
f (x, t) dx = (x, t) + div (f (x, t) v(x, t)) dx
dt ∂t
Ω′ (t) Ω′ (t)

Beweis. Sei x = s(ξ, t) mit ξ ∈ Ω0 , t ∈ [t0 , T ]. Dann folgt mithilfe der Koordinatentrans-
formation sowie unter Benutzung der Kettenregel (vergleiche [Böh02], [Eck05]):
Z Z
d d
f (x, t) dx = f (s(ξ, t), t) | det(Φ(ξ, t))| dξ
dt dt
Ω′ (t) Ω′0
Z
d 
= f (s(ξ, t), t) | det(Φ(ξ, t))| dξ
dt
Ω′0
Z 
∂f ∂f ∂s
= (s(ξ, t), t) + (s, t) (ξ, t)+
∂t ∂s ∂t
Ω′0
 
∂Φ
+f (s(ξ, t), t) tr (ξ, t) Φ(ξ, t)−1| det(Φ(ξ, t))| dξ
∂t
Z  
∂f
= (x, t) + ∇f (x, t) v(x, t) + f (x, t) div(v(x, t)) dx
∂t
Ω′ (t)
Z  
∂f
= (x, t) + div(f (x, t) v(x, t)) dx
∂t
Ω′ (t)

2.4 Elastizitätstheorie
In der Elastizitätstheorie betrachtet man den Zustand von Körpern unter der Einwirkung
von äußeren Kräften. Feste Körper werden aufgrund einer äußeren Kraftwirkung bis zu
einem gewissen Grade deformiert, d.h. sie ändern sowohl ihre Form als auch ihr Volumen2 .
Insbesondere studiert man die Verzerrungen und Spannungen, die durch Deformationen
erzeugt werden.
Man unterscheidet:

Definition 2.4.1: Eine elastische Verformung ist ein reversibler Verformungsprozess,


bei dem der Körper nach dem Abklingen der äußeren Kraft wieder in seine ursprüng-
liche Form zurückkehrt. Anders ausgedrückt, wenn die äußeren Kräfte, welche die De-
formation des Körpers verursachten, abklingen, nimmt der Körper bei genügend kleiner
Deformation seinen ursprünglichen, nichtdeformierten Zustand wieder an.

Definition 2.4.2: Eine plastische Verformung ist ein irreversibler Verformungsprozess,


bei dem nach dem Abklingen der äußeren Kraft eine Verformung des Körpers beste-
hen bleibt, d.h der Anfangs- und Endzustand des Körpers unterscheiden sich nach der
Deformation.

Im Folgenden soll die mathematische Darstellung des Zusammenhangs zwischen den


äußeren Kräften, die auf einen Körper einwirken und den dadurch hervorgerufenen
Formänderungen und Spannungen beleuchtet werden. Die Modellierung dieses Zustan-
des führt auf partielle Differentialgleichungen.
2
Diese Arbeit betrachtet nur volumenerhaltende Deformationen.
Bei einer Deformation eines materiellen Körpers werden die Punkte des Mediums um
ihre Gleichgewichtslage ausgelenkt. Diese Auslenkung kann man mit dem Verschiebungs-
feld u(ξ, t) beschreiben. Dieses Vektorfeld ordnet jedem Punkt ξ ∈ Ω0 im Medium einen
Verschiebungsvektor zur Zeit t ∈ [t0 , T ] zu.

Definition 2.4.3: Sei (ξ, t) ∈ Ω0 × [t0 , T ]. Dann wird durch

u(ξ, t) := s(ξ, t) − ξ

der Verschiebungsvektor der Bewegung s definiert.

Korollar 2.4.4: Sei (ξ, t) ∈ Ω0 × [t0 , T ]. Dann folgt:

∂ ∂
s(ξ, t) = u(ξ, t) = v̂(ξ, t) und
∂t ∂t
∂2 ∂2
s(ξ, t) = u(ξ, t) = â(ξ, t).
∂t2 ∂t2

2.4.1 Das Hookesche Gesetz


Ein deformierbarer Körper kann seine Gestalt unter dem Einfluss von Kräften ändern.
Der deformierbare Körper lässt sich beschreiben durch:

• viele diskrete Massepunkte, die durch Kräfte verbunden sind oder durch

• ein Kontinuumsmodell, nach dem der Körper den Raum lückenlos ausfüllt.

Bei einer Deformation des Körpers werden im Allgemeinen seine sämtlichen Punkte
ihre Lage ändern. Während der Deformation ändert sich die Anordnung der Moleküle
und der Körper wird aus seinem ursprünglichen Gleichgewichtszustand gebracht. Im
Ergebnis entstehen im Körper Kräfte, die versuchen, ihn in den Gleichgewichtszustand
zurückzusetzen. Diese auftretenden inneren Kräfte nennt man innere Spannungen.

Bemerkung 2.4.5: Der Kraftbegriff ist für die Beschreibung der Querschnittsfläche
ungeeignet, da

• aufgrund der Kraftwirkung in jedem einzelnen Punkt der Querschnittsfäche un-


endlich viele Kräfte wirken und

• die Belastung der Fläche von der Größe der Fläche und der aufgebrachten Kraft
abhängig ist.

Das Hookesche Gesetz beschreibt die elastische Verformung eines Körpers in Abhängig-
keit von der verformenden Kraft. Es ist prinzipiell auf alle elastischen Deformationen
anwendbar.

Satz 2.4.6 (Hookesches Gesetz): Das Hookesche Gesetz postuliert den linearen Zusam-
menhang zwischen den Spannungen σ und den in Richtung der Spannungen auftretenden
kleinen Dehnungen E, wobei der Proportionalitätsfaktor C die einzige materialspezifische
Kenngröße (Youngsches Elastizitätsmodul) ist. Es gilt:
σ = C E.

Diese Gesetzmäßigkeit lässt sich mithilfe des klassischen Federexperiments veranschau-


lichen. Es wird eine Kraft auf einen Expander ausgeübt, der an einer Seite befestigt ist.
Dadurch wird der Expander verlängert und somit verformt. Wir stellen fest, dass die
Kraftwirkung abhängig von der Auslenkung ∆l, der Länge l einer Feder des Expanders,
der Anzahl n der Federn und der Steifigkeit des Materials Ξ der Federn des Expanders
ist. Weiterhin ist zu beobachten:

• Die Kraft F ist proportional zur Auslenkung ∆l, d.h. es gilt: F ∼ ∆l für l, n und
Ξ fixiert.
1
• Die Kraft F ist antiproportional zur Länge l der Feder, d.h. es gilt: F ∼ l
für ∆l,
n und Ξ fixiert.
• Die Kraft F ist proportional zur Anzahl n der Federn, d.h. es gilt: F ∼ n für ∆l,
l und Ξ fixiert.
• Die Anzahl n der Federn ist proportional zu der Fläche A, die die Federn an den
Verbindungsenden einnehmen, d.h. es gilt: A ∼ n.
• Die Kraft F ist proportional zur materialspezifischen Konstante (Youngsches Ela-
stizitätsmodul) Ξ, d.h. es gilt: F ∼ Ξ für ∆l, l und n fixiert.

Damit folgt unter Verwendung des Proportionalitätslemmas (vergleiche [Böh02]):


1
F ∼ ∆l nΞ
l
1
=⇒ F = c0 ∆l n Ξ
l
1
=⇒ F = c0 ∆l c1 A Ξ
l
F ∆l
=⇒ = c0 c1 Ξ
A
|{z}
| {z } l
|{z}
=: C
=: σ =: E

D.h. die Längenänderung des Expanders aufgrund der äußeren Kraftwirkung ist im ela-
stischen Bereich proportional zur anliegenden Spannung.

2.4.2 Verzerrungs- und Spannungszustand


Definition 2.4.7: Spannungen sind innere Kräfte in einem Körper. Man beschreibt
die in einem Körper wirkenden Spannungen durch Zerlegen des Körpers in kleine Vo-
lumenelemente, auf die diese Kräfte wirken. Die Volumenelemente erleiden unter den
Spannungen Formänderungen. Ist ∆F die Kraft auf ein Flächenelement ∆A der Schnitt-
fläche, so beschreibt der Quotient ∆F
∆A
die mittlere Flächenbelastung für diese Element.
Den Grenzwert
∆F dF
σ := lim =
∆A→0 ∆A dA
bezeichnet man als Spannung in einem Punkt der Schnittfläche.
Genauer spricht man von Normalspannung, da die Kraftvektoren senkrecht zur Quer-
schnittsfläche stehen.

Bemerkung 2.4.8 (Spannungsprinzip von Euler-Cauchy): Als Folge äußerer Kräfte F


existiert auf jeder Fläche der Körpers (Schnittfläche zwischen Teilkörpern oder äußere
Begrenzungsfläche A) mit einem Flächennormaleneinheitsvektor ν ein Vektorfeld von
Spannungsvektoren τ (x, t, ν) = dF dA
. Fällt die Fläche mit der Oberfläche des Körpers
zusammen, sind die Spannungsvektoren τ (x, t, ν) gleich den aus den Oberflächenkräften
folgenden Spannungsvektoren.

Definition 2.4.9: Aufgrund der äußeren Zugkraft verlängert sich der Körper in Rich-
tung der wirkenden Normalkraft oder verkürzt sich aufgrund einer äußeren Druckkraft.
Diese Veränderung in der Geometrie eines Körpers unter dem Einfluss äußerer Kräfte
wird als elastische Verfomung oder Dehnung beschrieben. Wir definieren als Dehnung:
∆l
E := ,
l
wobei l die ursprüngliche Länge und ∆l die eintretende Längenänderung ist.

In allgemeiner Situation besitzt ein Körper in jedem Punkt einen unterschiedlichen


Verzerrungs- und Spannungszustand. Der Spannungszustand eines Körpers wird - eben-
so wie der Verzerrungszustand - mithilfe von Tensoren beschrieben.
Der Belastungszustand eines elastisch verformten Körpers wird durch den Spannungs-
tensor σ beschrieben. Die Elemente σij (i, j = 1, 2, 3) werden wie folgt erklärt: In einem
Punkt P des elastischen Körpers wählt man ein kleines ebenes Flächenelement, dessen
Normale in Richtung der x1 -Achse eines rechtwinklig kartesischen Koordinatensystems
zeigt. Die Kraft pro Flächeneinheit auf dieses Element, die vom Material abhängt, ist
ein Vektor mit den Koordinaten σ11 , σ12 , σ13 . Analog werden die Komponenten bzgl. der
übrigen Achsenrichtungen erklärt.
Der Verzerrungstensor E beschreibt die Formänderung eines infinitesimalen Körper-
elements infolge einer äußeren Kraftwirkung. Die Komponenten Ekk (k = 1, 2, 3) als
Längenänderung in Richtung der jeweiligen Achse xk aufzufassen und die Komponenten
Ekl (k, l = 1, 2, 3) (k 6= l) als Scherungen.
Der Elastizitätstensor C beschreibt das Materialverhalten eines Körpers bei Deforma-
tionen, die mechanische Spannungen auslösen.
Insgesamt ergibt sich:

Satz 2.4.10 (Verallgemeinertes Hookesches Gesetz): Es gilt folgender Zusammenhang


zwischen dem Spannungstensor σ, dem Verzerrungstensor E und dem Elastizitätstensor
C für anisotropes, linear-elastisches Materialverhalten (man beachte die Einsteinsche
Summenkonvention):
σij = Cijkl Ekl
mit i, j, k, l = 1, 2, 3.

Definition 2.4.11: Sei u der Verschiebungsvektor der Bewegung s. Dann wird durch
1 
(2.4.1) E := ∇u + ∇uT + ∇uT ∇u
2
der Greensche Verzerrungstensor definiert.

In der linearen Elastizitätstheorie werden in den Gleichungen nur Terme erster Ordnung
in den Verschiebungen u berücksichtigt und Terme höherer Ordnung vernachlässigt. Die-
se Linearisierung heißt geometrische Linearisierung und entspricht der Modellierung von
massiven Körpern bei geringer Belastung, d.h. kleinen Deformationen.
In der Praxis ist die Annahme kleiner Verzerrungen sehr oft sinnvoll. Bei vielen An-
wendungen der Elastizitätstheorie ist die Deformation des Festkörpers so klein, dass sie
mit bloßem Auge“ nicht zu erkennen ist - die übertragenden Kräfte sind dagegen relativ

groß. In [Hen03] ist dieser Sachverhalt auch graphisch dargestellt: Während die Verschie-
bungsvektoren u betragsmäßig groß sein können, sind die entsprechenden Verzerrungen
immer noch klein.

Wenn ein Körper kleinen Deformationen unterliegt, sind sämtliche Komponenten des
Verzerrungstensors, die die relative Längenänderung im Körper charakterisieren, kleine
Größen. Dies rechtfertigt die folgende Näherung:

Definition 2.4.12: Sei u der Verschiebungsvektor der Bewegung s. Dann wird durch

1 
(2.4.2) ε := ∇u + ∇uT
2
der linearisierte Greensche Verzerrungstensor definiert.

Bemerkung 2.4.13: Der linearisierte Greensche Verzerrungstensor ε ist symmetrisch.

2.4.3 Die Piola-Transformation


Wird ein Körper äußeren Kräften ausgesetzt, so entstehen Verzerrungen und Spannun-
gen. Der Körper deformiert sich bis zu einem Gleichgewichtszustand, in dem sich äußere
und innere Kräfte ausgleichen. Die Bedingungen für den Gleichgewichtszustand können
durch die Piola-Transformation in den Koordinaten des undeformierten Körpers aus-
gedrückt werden. Unter Ausnutzung von Materialgesetzen und unter gewissen Voraus-
setzungen lassen sich diese Bedingungen linearisieren und führen schließlich zu einer
eindeutig lösbaren Variationsformulierung für die aus den äußeren Kräften resultierende
Gleichung für die Deformation.

Die Gleichgewichtsbedingungen haben wir in den Koordinaten des deformierten Körpers


formuliert (Eulers Sichtweise), weil es uns als naheliegend erschien, den Spannungszu-
stand und die zugehörigen Kräfte in der augenblicklichen Konfiguration zu betrachten.
Da diese Koordinaten erst berechnet werden sollen, ist es zweckmäßig, die Größen auf den
Referenzzustand zu transformieren. Ferner sind die Lagrange-Koordinaten insbesondere
dann zur Beschreibung des Bewegungszustandes geeigneter, wenn die Randbedingungen
auf den Referenz- oder Anfangszustand bezogen sind. Der Anfangszustand ist ein natürli-
cher Bezugszustand, in den der elastische Körper nach jeder Belastung zurückkehrt.
Mithilfe der Piola-Transformation lassen sich die Gleichgewichtsbedingungen von den
Koordinaten des deformierten Körpers auf den Referenzzustand übertragen.
Die Piola-Transformierte des Cauchyschen Spannungstensors σ heißt erster Piola-Kirch-
hoffscher Spannungstensor. Da er im Allgemeinen nicht symmetrisch ist, wird meist der
zweite Piola-Kirchhoffsche Spannungstensor S benutzt.

Definition 2.4.14: Sei σ der Cauchysche Spannungstensor und Φ der Deformations-


gradient. Dann wird der zweite Piola-Kirchhoff-Spannungstensor definiert durch:

S := det(Φ)Φ−1 σΦ−T .

Satz 2.4.15 (Cauchyscher Spannungstensor): Der Cauchysche Spannungstensor lässt


sich auf folgende Weise darstellen:

σ(x, t) = (Id +∇u(ξ, t))S(ξ, t) für x = s(ξ, t),

wobei S - zweiter Piola-Kirchhoff-Spannungstensor, Id - Einheitstensor und u - Ver-


schiebungsvektor.

Satz 2.4.16 (Zweiter Piola-Kirchhoff-Spannungstensor): Der zweite Piola-Kirchhoff-


Spannungstensor lässt sich für isotrope Körper folgendermaßen darstellen:

S = 2µE + λ tr(E) Id +δE 2

mit E - Greenscher Verzerrungstensor und µ, λ sowie δ ortsabhängige (positive) Mate-


rialfunktionen, die für die elastischen Eigenschaften des Materials charakteristisch sind.
Ist der Körper homogen, so sind µ, λ und δ konstant.

Bemerkung 2.4.17: Diese Gleichung verallgemeinert das Hookesche Gesetz: Anstatt


die Spannung als Produkt aus Verzerrung und Youngschem Elastizitätsmodul aufzufas-
sen, ist nun allgemeiner die Spannung als Funktion der Verzerrung zu verstehen.

Bemerkung 2.4.18: Die Linearisierung des zweiten Piola-Kirchhoff-Spannungstensors


liefert den linearisierten zweiten Piola-Kirchhoff-Spannungstensor:

(2.4.3) S = 2µE + λ tr(E) Id

mit E - Greenscher Verzerrungstensor. Für den linearisierten Greenschen Verzerrungs-


tensor folgt:

(2.4.4) S = 2µε + λ tr(ε) Id

mit ε - linearisierter Greenscher Verzerrungstensor. Der linearisierte zweite Piola-Kirchhoff-


Spannungstensor S ist symmetrisch.

Satz 2.4.19 (Lamé-Koeffizienten): Es gilt folgender Zusammenhang zwischen den Lamé-


Koeffizienten µ (Schubmodul) und λ, dem Youngmodul C und der Querkontraktionszahl
oder Poissonzahl ν (Proportionalitätskonstante zwischen relativer Dickenänderung und
Dehnung):
C νC
µ := und λ := .
2(1 + ν) (1 + ν)(1 − 2ν)

Erfahrungsgemäß sind dabei λ > 0, µ > 0, C > 0 und 0 < ν < 12 .


2.4.4 Herleitung der allgemeinen Bewegungsgleichung
Die Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik basieren auf der Erhaltung von Masse,
Impuls und Energie. Die Massenerhaltung wird beschrieben durch
Z
d
ρ(x, t) dx = 0.
dt Ω′ (t)

Durch Anwendung des Reynoldschen Transporttheorems folgt:


Z  

(x, t) + div(ρ(x, t) v(x, t)) dx = 0.
Ω′ (t) dt

Diese Gleichung muss für jedes geeignete Volumen Ω′ (t) erfüllt sein, insbesondere auch
für jedes Teilvolumen eines gegebenen Volumens. Dann erhält man eine Formulierung
als Differentialgleichung

(2.4.5) ∂t ρ(x, t) + div(ρ(x, t) v(x, t)) = 0.

Die Gleichung (2.4.5) wird als Kontinuitätsgleichung bezeichnet.

In der Mechanik wird der Einfluss von Kräften axiomatisch behandelt. Hier haben ins-
besondere Euler und Cauchy wesentliche Beiträge geleistet (vergleiche [Bra92]).

Satz 2.4.20 (Axiom des statischen Gleichgewichts): Die Kräfte, die auf einen Körper im
deformierten Zustand wirken, können vollständig auf volumen- und flächenhaft verteilt
wirkende Kräfte zurückgeführt werden.

(1) Volumenkräfte sind über das Volumen des Körpers verteilte Kräfte, die unmittelbar
auf jeden Massepunkt des Körpers wirken. Allgemein gilt:
Z

F1 (Ω0 , t) = ρ(x, t)f1 (x, t) dx,
Ω′ (t)

wobei ρ - Dichte und f1 - Massenkraftdichte des Körpers.

(2) Kontaktkräfte sind Kräfte, die auf den Kontaktflächen zweier benachbarter Körper
wirksam sind. Sei Γ die Schnittfläche dieser benachbarten Körper. Dann werden
längs dieser Schnittfläche Kräfte zwischen den Körpern übertragen, d.h. es gibt
einen Kraftdichtevektor τ : Γ × [t0 , T ] × S(0, 1) → R3 mit:
Z

F2 (Ω0 , t) = τ (x, t, ν) dσ,
Γ′ (t)

für alle Γ′ ⊂ Γ, ν - äußerer Normaleneinheitsvektor an Γ′ .

Bemerkung 2.4.21: Die Kräfte sind dadurch gekennzeichnet, welche Arbeit sie unter
Deformationen leisten. Deutlich wird dies an den äußeren Kräften. Eine typische Volu-
menkraft ist die Schwerkraft, während etwa die Nutzlast einer Brücke eine Kontaktkraft
darstellt.
Definition und Satz 2.4.22 (Darstellungssatz): Es existiert ein Tensorfeld σ mit
σ(·, t) : Ω(t) → R3×3 , t ∈ [t0 , T ] fixiert, so dass:

3
X
τ (x, t, ν) = σij (x, t) νj (x) ei = σ(x, t) ν(x).
i,j=1

Der Tensor σ heißt Cauchyscher Spannungstensor.

Beweis. zur Beweisidee siehe [Böh02] bzw. [Eck05]

Satz 2.4.23 (Axiom der Koordinatenunabhängigkeit): Der Cauchysche Spannungsten-


sor σ ist unabhängig von der Wahl des Koordinatensystems.

Definition 2.4.24: Der Impuls eines Teilkörpers Ω′ (t) des betrachteten sich deformie-
renden Körpers Ω′0 zum Zeitpunkt t ∈ [t0 , T ] ist definiert durch:
Z
I(Ω′0 , t) = ρ(x, t)v(x, t) dx,
Ω′ (t)

wobei ρ - Dichte (Verhältnis von Masse zu Volumen) des betrachteten Körpers. Der
Impuls beschreibt das Stoßvermögen eines Körpers.

Satz 2.4.25 (Newtonsches Kraftgesetz): Wirkt eine Kraft F auf einen Körper Ω′ (t),
t ∈ [t0 , T ], so ist die dadurch erfolgende Impulsänderung ∂I
∂t
zur wirkenden Kraft F
∂I
proportional. Die Impulsänderung ∂t geschieht in Richtung der Kraft F , d.h. es gilt:

d
I(Ω′0 , t) = F (Ω′0 , t).
dt

Wirken gleichzeitig mehrere Kräfte Fi , i ∈ N auf den Körper Ω′ (t), t ∈ [t0 , T ], so gilt:

d X
I(Ω′0 , t) = Fi (Ω′0 , t).
dt i∈N

Bemerkung 2.4.26: Anders ausgedrückt: Die zeitliche Änderunsgeschwindigkeit des


Gesamtimpulses I bei der Deformation eines Körpers ist gleich der Summe aller auf den
Körper von außen wirkenden Oberflächen- und Volumenkräfte.
Vielfach wird das Newtonsche Kraftgesetz auch als Impulserhaltungssatz bezeichnet.

Aus dem Reynoldschem Transporttheorem und der Kontinuitätsgleichung folgt:

Dui
Satz 2.4.27 (Differentiationsformel): Sei u = (u1 , u2 , u3 )T ∈ R3 und Dt
die substanti-
elle Ableitung von ui mit i = 1, 2, 3. Dann gilt für t ∈ [t0 , T ]:
Z Z
d Dui
ρ(x, t) ui (x, t) dx = ρ(x, t) (x, t) dx.
dt Dt
Ω′ (t) Ω′ (t)
Satz 2.4.28 (Hauptsatz über die allgemeine Bewegungsgleichung): Sei ein Deformati-
onsprozess des Körpers Ω0 gegeben. Dann gilt für t ∈ [t0 , T ] und x ∈ Ω(t):
Dv
ρ(x, t) (x, t) = ρ(x, t)f1 (x, t) + div(σ(x, t)),
Dt
wobei ρ - Dichte, v - Eulersche Geschwindigkeit und f1 - Massenkraftdichte des betrach-
teten Körpers sowie σ - Cauchyscher Spannungstensor sind.

Beweis. Nach dem Newtonschen Kraftgesetz gilt:


d
I(Ω′0 , t) = F (Ω′0 , t).
dt
Mit der Annahme, dass die Kräfte, die auf den Körper im deformierten Zustand wirken,
vollständig in Volumen- und Kontaktkräfte zerlegt werden können, ist weiter:
d
I(Ω′0 , t) = F1 (Ω′0 , t) + F2 (Ω′0 , t).
dt
Mithilfe der Definition des Impulses und der Volumen- sowie der Kontaktkraft folgt:
Z Z Z
d
ρ(x, t)v(x, t) dx = ρ(x, t)f1 (x, t) dx + σ(x, t)ν(x) dx.
dt Ω′ (t) Ω′ (t) Γ′ (t)

Nach dem Divergenzsatz von Gauß folgt weiter:


Z Z
d
ρ(x, t)v(x, t) dx = ρ(x, t)f1 (x, t) + div(σ(x, t)) dx.
dt Ω′ (t) Ω′ (t)

Die Differentiationsformel liefert:


Z Z
Dv
ρ(x, t) (x, t) dx = ρ(x, t)f1 (x, t) + div(σ(x, t)) dx.
Ω′ (t) Dt Ω′ (t)

Da die Gleichung für alle Teilgebiete Ω′ (t) und für alle Zeitpunkte t ∈ [t0 , T ] gilt, folgt
schließlich:
Dv
ρ(x, t) (x, t) = ρ(x, t)f1 (x, t) + div(σ(x, t)) ∀ t ∈ [t0 , T ], f.f.a. x ∈ Ω(t)
Dt

Bemerkung 2.4.29: Die allgemeine Bewegungsgleichung gilt für alle Materialien und
insbesondere auch für verschiedene Aggregatzustände, also für Feststoffe, Flüssigkeiten
und Gase. Die Eigenschaften eines bestimmten Materials werden durch konstitutive Ge-
setze beschrieben.

2.4.5 Die Lamé-Gleichung


Die allgemeine Bewegungsgleichung für deformierbare Medien (isotrope, elastische Körper)
lautet:
d2 u
ρ(x, t) 2 (x, t) − div(σ(x, t)) = ρ(x, t)f1 (x, t) für t ∈ [t0 , T ] , x ∈ Ω(t)
| dt
{z } | {z } | {z }
Momentänderung Kontaktkräfte Volumenkräfte
Mithilfe der Piola-Transformation folgt für die allgemeine Bewegungsgleichung:

d2 u
ρ(ξ) (ξ, t) − div((Id +∇u(ξ, t))S(ξ, t)) = f (ξ, t) für t ∈ [t0 , T ] , ξ ∈ Ω0
dt2
Dabei sind

• u der Verschiebungsvektor,

• ρ die Massendichte im Referenzzustand,

• f := ρ f1 die Volumendichte der äußeren Kräfte,

• S - zweiter Piola-Kirchhoff-Spannungstensor,

• Id - Einheitstensor und

• λ, µ die Lamé-Koeffizienten.

Die linearisierte allgemeine Bewegungsgleichung lautet:

d2 u
(2.4.6) ρ(ξ) 2 (ξ, t) − div(S(ξ, t)) = f (ξ, t) in Ω0 × [t0 , T ]
dt
mit S - Spannungstensor aus Gleichung (2.4.4). Die Gleichung (2.4.6) beschreibt einen
linear-elastischen Körper und wird als Lamé-Gleichung bezeichnet.
Zu der Gleichung (2.4.6) kommen Anfangsbedingungen für u und u′ hinzu, also:

∂u
u(ξ, 0) = u0 (ξ) und (ξ, 0) = u1 (ξ) in Ω0 .
∂t
Des Weiteren müssen wir Randbedingungen für die Verschiebungen und/oder Spannun-
gen hinzufügen. Es sei vorausgesetzt:

• Ω0 ∈ C 0,1 beschränkt,

• Γ0 ⊂ ∂Ω0 abgeschlossen,

• µ, λ ∈ L∞ (Ω0 ) mit ∃ µ0 > 0 : µ0 ≤ µ(x), 0 ≤ λ(x) f.f.a. x ∈ Ω0 .

Wir bezeichnen Γ1 := ∂Ω0 \ Γ0 und betrachten die gemischten Randbedingungen:

u(ξ, t) = 0 auf Γ0 × [t0 , T ]


3
X
Sij (u)νj = bi (i = 1, 2, 3) auf Γ1 × [t0 , T ],
j=1

Weiterhin sind

• ν - äußerer Normalenvektor an Γ1 und

• b - Kraftdichte auf der Oberfläche Γ1 .


Unter der Voraussetzung konstanter Lamé-Koeffizienten gilt für (ξ, t) ∈ Ω0 × [t0 , T ]:

div(S(u)) = div(2 µ ε(u) + λ tr(ε(u)) Id)


 
1 T

= div 2 µ ∇u + ∇u + div(λ tr(ε(u)) Id)
2

= µ div(∇u) + µ div ∇uT + λ div(div(u) Id)
= µ ∆u + (µ + λ) ∇(div(u))

Für ortsabhängige Lamé-Koeffizienten gilt allgemeiner für (ξ, t) ∈ Ω0 × [t0 , T ]:

div(S(u)) = div(2 µ ε(u) + λ tr(ε(u)) Id)


= div(2 µ ε(u)) + div(λ div(u) Id)
= div(2 µ ε(u)) + ∇(λ div(u))

Im statischen (stationären, zeitinvarianten) Fall vereinfacht sich die Gleichung (2.4.6)


zu:

− div(S) = f in Ω0

Im Folgenden wird die Lagrangesche Betrachtungsweise beibehalten, allerdings seien Ω0


mit Ω und ξ mit x bezeichnet.

2.5 Thermoelastizitätstheorie
Die bisherige Annahme, dass die Bewegung eines elastischen Körpers ohne wesentliche
thermische Effekte abläuft, ist eine Idealisierung, die nur in Spezialfällen gerechtfertigt
ist. Die Gleichungen der Elastizitätstheorie sind daher durch Hinzunahme thermischer
Effekte zu modifizieren und durch die Wärmeleitungsgleichung zu ergänzen.

2.5.1 Herleitung der Wärmeleitungsgleichung


Die parabolische Wärmeleitungsgleichung

In diesem Abschnitt soll die Wärmeleitung in einem Körper Ω ⊂ R3 mit Lipschitz-


Rand Γ := ∂Ω betrachtet werden. Im Folgenden wird die Wärmeleitungsgleichung
aus der Energieerhaltung und den linearen phänomenologischen Gleichungen hergelei-
tet (vgl.[Lar05], Kapitel 1.3, Seite 8 f., [Wla72], Kapitel 1.2.2, Seite 39 ff. oder [Bae06],
Kapitel 2, Seite 117 ff.).

Bemerkung 2.5.1: Phänomenologische Gleichungen (Materialgesetze) drücken die An-


nahmen darüber aus, wie sich das Material bei einer Änderung der Zustandsvariablen
verhält.

Satz 2.5.2 (Satz von der Energieerhaltung): In einem abgeschlossenem System bleibt
bei allen physikalischen Vorgängen die Gesamtenergie konstant. Energie kann nur in ver-
schiedene Energieformen umgewandelt oder zwischen Teilsystemen ausgetauscht werden.
Wir betrachten das Wärmegleichgewicht in einer beliebigen Teilmenge Ω′ ⊂ Ω mit dem
Rand Γ′ . Das Energieerhaltungsprinzip (erster Hauptsatz der Thermodynamik, verglei-
che [Alt94]) besagt, dass die Änderungsrate der Gesamtenergie in Ω′ gleich dem Wärme-
fluss durch Γ′ plus der von einer Wärmequelle im Inneren von Ω′ produzierten Wärme-
menge ist. Sei e = e(x, t) die innere
R Energiedichte am Ort x zur Zeit t. Damit ist die

Gesamtwärmemenge in Ω gleich Ω′ e dx. Ferner ist mit dem Vektorfeld j = j(x, t) für
den Wärmestrom
R und der äußeren Einheitsnormalen ν an Γ′ der Wärmefluss durch Γ′
gleich Γ′ j · ν dσ. Außerdem folgt mit der Einführung der Energiedichte der Wärmequel-
len r = r(x, t) aus dem Energieerhaltungsprinzip:
Z Z Z
d
e dx = − j · ν dσ + r dx für t > 0.
dt Ω′ Γ′ Ω′

Das Minuszeichen ist dadurch gerechtgertigt, dass die Normale nach außen gerichtet ist
und man den hineinfließenden Wärmestrom betrachtet.
Nach Anwendung des Divergenztheorems (siehe [For99]) erhält man:
Z  
∂e
+ div(j) − r dx = 0 für t > 0.
Ω′ ∂t

Weil Ω′ ⊂ Ω beliebig ist, folgt daraus:


∂e
+ div(j) = r in Ω für t > 0.
∂t
Die innere Energiedichte e hängt von der absoluten Temperatur θ und den räumlichen
Koordinaten ab. Mit der Annahme, dass e in der Nähe einer geeignet gewählten Refe-
renztemperatur θ0 linear von θ abhängt, gilt:

e = e0 + ϑ (θ − θ0 )

Der Koeffizient ϑ = ϑ(x) wird als spezifische Wärmekapazität bezeichnet und für gewöhn-
lich in der Form ϑ = ρ0 ce ausgedrückt, wobei ρ0 die Massendichte und ce die spezifische
Wärmekapazität pro Masseneinheit ist.

Definition 2.5.3: Die spezifische Wärme (Wärmekapazität) ist die Materialeigenschaft


eines Körpers, die angibt, welche Wärmemenge nötig ist, um die Temperatur von 1g des
betreffenden Stoffes um 1K zu erhöhen. Sie kann von der Temperatur θ abhängen, wird
aber in vielen Anwendungen als konstant angenommen.

Bemerkung 2.5.4: Bei der Wärmeleitung in Festkörpern werden im Allgemeinen die


geringen Dichteänderungen aufgrund von Temperatur- und Druckänderungen vernachlässigt.
Daher ergibt sich das Stoffmodell des inkompressiblen Körpers mit konstanter Dichte ρ0 .

Satz 2.5.5 (Fouriergesetz der Wärmeleitung): Der Wärmestrom ist aufgrund der Wärme-
leitung proportional zum Temperaturgradienten und verläuft längs des stärksten Tempe-
raturabfalls, d.h. es gilt:

(2.5.1) j = −κ ∇θ.

Der Koeffizient κ = κ(x) wird als Wärmeleitfähigkeit bezeichnet und ist eine material-
abhängige Größe.
Bemerkung 2.5.6: Das Fouriersche Gesetz folgt aus der Beobachtung, dass Wärme
von Bereichen hoher Temperatur zu Bereichen niedriger Temperatur fließt.
Die Wärmeleitfähigkeit κ kann, je nach Anwendung, von der Temperatur θ, der Dichte
ρ oder dem Temperaturgradienten ∇θ abhängen. Bei isotropen Materialien ist κ ein
skalarer Faktor. Bei anisotropen Materialien, beispielsweise Faserverbundwerkstoffen, ist
κ ein Tensor, da die Wärmedurchlässigkeit in verschiedene Richtungen dann verschieden
ist.

Damit erhält man die Wärmeleitungsgleichung:

∂θ
ce ρ − div(κ∇θ) = r in Ω für t > 0.
∂t
Für κ = const. folgt als Spezialfall:

∂θ
ce ρ − κ ∆θ = r in Ω für t > 0.
∂t
Als Randbedingung ist eine Robin-Bedingung mit dem Wärmeübergangskoeffizient δ
gegeben, bei der der gesamte Wärmefluss durch den Rand proportional zur Differenz
zwischen der Temperatur θ auf der Oberfläche des Körpers und der Temperatur θΓ des
umgebenen Mediums ist:

−κ ∇θ ν = δ (θ − θΓ ) auf Γ für t > 0

Der Grenzfall δ = 0 bedeutet, dass die Grenzfläche vollständig isoliert ist, so dass wir die
Neumannsche Randbedingung ∇θ ν = 0 erhalten. Im anderen Grenzfall δ → ∞ erhält
man die Dirichletsche Randbedingung θ = θΓ , d.h. der Körper befindet sich vollständig
im thermischen Gleichgewicht mit der Umgebung.
Die Anfangsbedingung sei durch

θ(x, 0) = θ0 (x) in Ω

gegeben.

Bemerkung 2.5.7: Für die klassische Lösung der Cauchy-Aufgabe für die Wärmelei-
tungsgleichung sei auf [Wla72], Kapitel III.1.4.3, S. 181 ff. verwiesen.

Die hyperbolische Wärmeleitungsgleichung

Die grundlegende Arbeit von [Mül67] zeigt, dass die gewöhnliche Theorie der Wärmeübert-
ragung (das klassische Modell der Wärmeleitgleichung) basierend auf dem Fourier-Gesetz
(2.5.1) eine unendliche Ausbreitungsgeschwindigkeit der Temperatur prognostiziert, was
im Widerspruch zur Relativitätstheorie ( Die größte Geschwindigkeit, mit der sich ein

physikalischer Effekt ausbreiten kann, ist die Lichtgeschwindigkeit“, vergleiche [Stö00])
steht.
Der Grund für den Widerspruch liegt in der Modellierung der Wärmeleitungsgleichung
bei der Verwendung des Fouriergesetzes (2.5.1), dass den Wärmestrom proportional zum
(Orts-)Gradienten der Temperatur annimmt. In der Realität stellt sich das Fouriergesetz
erst nach einer gewissen Relaxationszeit τ > 0 ein. Diese Erweiterung führt auf folgende
Gesetzmäßigkeit:
∂j
(2.5.2) j = −κ ∇θ − τ
∂t
Mithilfe dieses Modells lässt sich das Paradoxon der Wärmeleitungsgleichung beseitigen
(vergleiche [Mül72], Seite 87 f).
Das Ableiten der Gleichung
∂θ
ρ0 ce = − div(j) + r
∂t
nach der Zeit liefert:
   
∂ ∂θ ∂j ∂r
(2.5.3) ρ0 ce = − div +
∂t ∂t ∂t ∂t
Das Einsetzen des erweiterten Fouriergesetzes (2.5.2) in die Wärmeleitungsgleichung
liefert:
 
∂θ ∂j
(2.5.4) ρ0 ce = div(κ ∇θ) + τ div +r
∂t ∂t
Das Einsetzen von Gleichung (2.5.3) in Gleichung (2.5.4) liefert eine hyperbolische Wärme-
leitungsgleichung (auch Telegraphengleichung für Temperatur genannt)
 
∂ ∂θ ∂θ ∂r
(2.5.5) ρ0 τ ce + ρ0 ce = div(κ ∇θ) + r + τ
∂t ∂t ∂t ∂t

2.5.2 Berücksichtigung thermischer Effekte


Die Thermoelastizität betrachtet die innere Energie eines Körpers als Funktion der De-
formation und der Temperatur. Deformationen und Temperaturänderungen sind stets
miteinander verbunden.
Die Erfahrung lehrt, dass sich Materialien bei Temperaturänderungen ausdehnen (Er-
wärmung) oder zusammenziehen (Abkühlung). Andererseits bewirkt auch jede Deforma-
tion eine Temperaturänderung. Somit können Temperaturänderungen sowohl eine Folge
der Deformation als auch äußerer Ursachen sein. Unter dem nichtdeformierten Körper
versteht man seinen Zustand in Abwesendheit äußerer Kräfte bei gegebener Temperatur
θ0 (Referenzzustand). Wenn der Körper eine Temperatur θ 6= θ0 annimmt, so wird er
sich wegen der Wärmeausdehnung auch bei Abwesendheit äußerer Kräfte im deformier-
ten Zustand befinden.
Experimente zeigen, dass bei gleichförmiger Erwärmung eines elastischen Körpers die
Wärmedehnung proportional zur Temperaturänderung ist. Wirkt sowohl eine Spannung
als auch eine Temperaturänderung, so folgt die Gesamtdehnung durch Überlagerung (Su-
perposition). Daher wird die Formel für den zweiten Piola-Kirchhoff-Spannungstensor bei
isotropen elastischen Körpern folgendermaßen modifiziert:
(2.5.6) S = 2 µ E + λ tr(E) Id +δ E 2 − 3 K α (θ − θ0 ) Id
Die Wärmeleitungsgleichung wird durch den Dissipationsterm θ ∂S
∂θ
: dE
dt
erweitert, der
die Umwandlung von mechanischer in thermischer Energie beschreibt.
Dabei sind:
• θ - aktuelle Temperatur,

• θ0 - Referenztemperatur (für t = 0),

• α - linearer Wärmeausdehnungskoeffizient (materialspezifischer Parameter, der die


Empfindlichkeit des Materials gegenüber Temperaturänderungen beschreibt),

• K = λ + 23 µ - Kompressionsmodul,

• E- Greenscher Verzerrungstensor.

Im Allgemeinen sind µ, λ, δ und K Funktionen der Temperatur θ. Der Koeffizient α


wird oft als konstant angenommen. Bei inhomogenen Körpern können alle diese Koeffi-
zienten vom Ort abhängen. Im Folgenden seien zunächst nur ortsabhängige Parameter
betrachtet.
Die Bilanzgleichung

d2 u
(2.5.7) ρ(x) (x, t) − div((Id +∇u(x, t))S(x, t)) = f (x, t) in Ω×]0, T ]
dt2
muss durch die Bilanzgleichung für die Energie, die Wärmeleitungsgleichung
(2.5.8)
dθ ∂S dE
ρ(x) ce (x, t) − div(κ(x)∇θ(x, t)) = θ(x, t) (x, t) : (x, t) + r(x, t) in Ω×]0, T ]
dt ∂θ dt
ergänzt werden. Hierbei sind:

• ce - spezifische Wärme (Wärmekapazität),

• κ - Wärmeleitfähigkeit,

• r - Volumendichte der äußeren Wärmequellen.

Das Einsetzen der Formel für den Spannungstensor 2.5.6 in die Gleichungen (2.5.7) und
(2.5.8) ergibt ein gekoppeltes (stark nichtlineares) Problem für die Verschiebungen u und
die Temperatur θ.

Ohne Vereinfachungen ist die Untersuchung der entstehenden Randwert-Anfangswert-


Aufgabe außerordentlich schwierig. Daher ersetzt man den Verzerrungstensor E durch
seinen linearisierten ε und linearisiert das Materialgesetz, d.h. man setzt δ = 0 und
erhält:

(2.5.9) S = 2 µ ε + λ tr(ε) Id −3 K α (θ − θ0 ) Id

Das Einsetzen der Formel für den Spannungstensor 2.5.9 in die Gleichung (2.5.7) und
das Tilgen aller Quadrate von u und θ bzw. deren Ableitungen liefert:

d2 u
(2.5.10) ρ(x) (x, t) − div(S(x, t)) = f (x, t) in Ω×]0, T ] ,
dt2
wobei

− div(S(u, θ)) = −2 div(µ ε(u)) + grad(λ div(u)) + 3 grad(K α (θ − θ0 )).


Durch das Einsetzen der Formel für den linearisierten Spannungstensor (2.5.9) in die
Gleichung (2.5.8) und mit der (für konstante Koeffizienten gültigen Identität) Formel
 
∂S dε du
θ : = −3 K α θ div
∂θ dt dt

folgt:
 
dθ du
ρ(x) ce (x, t) − div(κ(x) ∇θ(x, t)) + 3 K α θ(x, t) div (x, t) = r(x, t) in Ω×]0, T ]
dt dt

Bei der Modellierung wird das Differentialgleichungssystem mit Anfangsbedingungen zur


Zeit t = 0:
u(x, 0) = u0 (x) , u′ (x, 0) = u1 (x) , θ(x, 0) = θ0 (x) in Ω
verknüpft. Weiter kommen gemischte Randbedingungen für u:

u(x, t) = 0 auf Γ0 ×]0, T ]


3
X
Sij (u, θ) νj = 0 auf Γ1 ×]0, T ]
j=1

sowie eine Robin-Randbedingung für θ hinzu:


3
X
− κ ∂j θ νj = δ (θ − θΓ ) auf ∂Ω×]0, T ]
j=1

wobei:

• S - Spannungstensor aus (2.5.9),

• δ ≥ 0 - Wärmeübergangskoeffizient,

• θΓ - Temperatur des umgebenden Mediums.

Unter der Annahme, dass die Abweichungen der Temperatur θ von der Anfangstempe-
ratur θ0 klein bleiben, gilt die folgende Näherung: θ ≈ θ0 . Damit lässt sich die Wärme-
leitungsgleichung folgendermaßen vereinfachen:
 
dθ du
ρ(x) ce (x, t) − div(κ(x) ∇θ(x, t)) + 3 K α θ0 div (x, t) = r(x, t) in Ω×]0, T ]
dt dt

2.5.3 Einführung in das Anwendungsproblem


Wir betrachten die Abkühlung eines Stahlwerkstücks mit auftretenden Phasenumwand-
lungen sowie thermischen und mechanischen Effekten.

Im festen Zustand ist Stahl ein polykristalliner Festkörper, d.h. seine Atome sind in
einer Gitterstruktur angeordnet. Ferner ist Stahl eine Eisen-Kohlenstoff-Legierung, bei
der in das Eisengitter entweder anstelle eines Eisenatoms oder in Gitterlücken Fremda-
tome eingelagert sind - es liegt als kein Reineisenkristall, sondern als ein Mischkristall
vor (Für die Eigenschaften und den Aufbau von Metallen vergleiche man [Ant00] sowie
[Ant01]).
Der Polymorphismus des Eisengitters und die unterschiedliche Art der Legierungsbil-
dung bewirken einen unterschiedlichen Aufbau des Gefüges von Stahlwerkstoffen und
der davon abhängigen mechanischen Eigenschaften, welche Möglichkeiten zur gezielten
Wärmebehandlung eröffnen.

Die bei der Abschreckung von Stahlwerkstoffen auftretenden Phasenumwandlungen sind


mit Volumenänderungen und Wärmetönungen verbunden. Hierdurch entstehen zeit- und
temperaturabhängige Spannungsverteilungen und Formänderungen, die für das Wärme-
behandlungsergebnis von entscheidender Bedeutung sind.
In Abhängigkeit des Abschreckprozesses spielen in diesem Zusammenhang insbesonde-
re die Wechselwirkungen zwischen den örtlich und zeitlich auftretenden Temperatur-,
Spannungs-, Verformungs- und Gefügeentwicklungen eine entscheidende Rolle. Da die
am Ende einer Wärmebehandlung vorliegende Gefüge-, Spannungs- und Verzugsvertei-
lungen die Gebrauchseigenschaften eines Stahlwerkstücks bestimmen, ergibt sich auch
eine große wirtschaftliche Bedeutung. So verursacht die Bearbeitung zur Korrektur der
wärmebehandlungsbedingten Maß- und Formänderungen immer wieder erhebliche Ko-
sten. Da im Vorfeld einer Wärmebehandlung die Gefahren von ungünstigen Gefügen und
unerwünschten Verzügen häufig nur durch Erfahrungswerte abgeschätzt werden, ist eine
unvorhersehbar große Abweichung zwischen den gewünschten und resultierenden Eigen-
schaften unvermeidbar.
Im Gegensatz hierzu bietet die numerische Simulation die Möglichkeit unvorteilhafte
Spannungs- und Verzugsverteilungen vorherzusagen. Somit können Ausschüsse sowie eine
kostenintensive Bearbeitung vermieden werden. Allerdings setzt die Simulation der sich
ergebenden Werkstoff- und Bauteileigenschaften nicht nur ein tiefgreifendes Verständnis,
sondern auch eine hinreichend genaue Modellierung der ablaufenden Prozesse sowie die
Kenntnis der erforderlichen Werkstoff- und Prozessparameter voraus.

Stahl liegt im Allgemeinen als Mischung seiner Phasen vor, die sich durch ihre Mi-
krostruktur unterscheiden und unterschiedliche Materialparameter besitzen. Diese Pha-
sen werden im Modell als kontinuierlich verteilt angenommen, so dass der Stahl als eine
koexistierente Mischung seiner Phasen (= Komponenten) erscheint, wobei Diffusions-
vorgänge vernachlässigt werden.
Ferner betrachten wir keine Kohlenstoffdiffusion.
Während der Abkühlung können noch zusätzliche Kräfte auf die Probe einwirken. Jeder
Festkörper hat eine sogenannte materialabhängige Fließgrenze. Wirken Kräfte auf den
Körper, so dass die entstehenden Spannungen weit unterhalb der Fließgrenze liegen, dann
verformt sich der Körper zwar während der Belastung, aber nach der Entlastung nimmt
dieser wieder seine vorherige Form an (elastisches Verhalten). Wenn die Spannungen in
die Nähe der Fließgrenze kommen, so sind nach der Entlastung bleibende Deformationen
vorhanden (klassische Plastizität).

In unserem Fall sind die Kräfte, wie der gesamte Prozessablauf, so angelegt, dass die
entstehenden Spannungen viel kleiner als die Fließgrenze sind. Deswegen ist das Materi-
alverhalten die ganze Zeit thermoelastisch und es tritt keine klassische Plastizität auf.
Als weiteren Effekt berücksichtigen wir die Umwandlungsplastizität, welche bereits bei
Spannungen weit unterhalb der Fließgrenze entsteht. Dieser Effekt lässt sich durch klas-
sische Plastizität auf der makroskopischen Ebene der Modellierung nicht erklären.

Das beschriebende Problem ist stark miteinander gekoppelt - es kommen folgende Wech-
selwirkungen bei thermischen Prozessen vor:

• Aufgrund des Temperaturverlaufs finden Phasenumwandlungen statt.

• Die Phasenumwandlungen wirken sich durch die latenten Wärmen und die Pha-
senabhängigkeit der thermischen Größen (spezifische Wärme und Wärmeleitfähig-
keit) auf die Temperatur aus.

• Inhomogene Temperaturverteilungen innerhalb der Probe rufen Spannungen auf-


grund der Wärmeausdehnung und die Temperaturabhängigkeit der mechanischen
Größen (Elastizitätsmodul und Poissonzahl) hervor.

• Phasenumwandlungen beeinflussen das mechanische Verhalten (Verzerrungs- und


Spannungszustand) über Umwandlungsspannungen und die Phasenabhängigkeit
der mechanischen Größen sowie auch die Umwandlungsplastizität

• Desweiteren ist noch eine Rückkopplung der Spannung auf die Temperatur über
die Dissipation und die Phasenumwandlung zu beachten.

2.5.4 Stahl und Stahleigenschaften


Nach der klassischen Definition ist Stahl eine Eisen-Kohlenstoff-Legierung mit einem
Kohlenstoffgehalt von 0, 02 bis 2, 06% (Masse). Dieser Definition folgt auch die DIN
EN 10020, nach der Stähle Werkstoffe sind, deren Massenanteil an Eisen größer ist als
der jedes anderen Elements und dessen Kohlenstoffgehalt im Allgemeinen kleiner als 2
Gew.-% an Kohlenstoff ist. Unlegierter Stahl enthält neben Kohlenstoff kleine Mengen
herstellungsbedingter Begleitstoffe (< 0, 5% Si, < 0, 8% Mn, < 0, 09% P, < 0, 06% S).
Niedriglegierte Stähle enthalten bis zu 5 % Legierungselemente, hochlegierte Stähle ent-
halten mehr als 5 % Legierungselemente.
Bei höheren Anteilen von Kohlenstoff spricht man auch von Gusseisen, hier liegt der
Kohlenstoff in Form von Graphit vor.
Stähle sind die am meisten verwendeten metallischen Werkstoffe. Durch Legieren mit
Kohlenstoff und anderen Legierungselementen in Kombination mit Wärme- und ther-
momechanischer Behandlung (gleichzeitige thermische Behandlung mit plastischer Um-
formung) können seine Eigenschaften für einen breiten Anwendungsbereich angepasst
werden.
Das wichtigste Legierungselement im Stahl ist Kohlenstoff. Er liegt als Verbindung (Ze-
mentit, Fe3 C) vor. Die Bedeutung von Kohlenstoff im Stahl ergibt sich aus seinem Ein-
fluss auf die Stahleigenschaften und Phasenumwandlungen innerhalb der Wärmebehand-
lung.
Im Allgemeinen wird Stahl mit höherem Kohlenstoffanteil fester, aber auch spröder.
Durch Legieren mit Kohlenstoff entstehen in Abhängigkeit von der Konzentration und
der Umgebungstemperatur unterschiedliche allotrope Phasen: Austenit, Ferrit, Zementit
und Perlit. Durch beschleunigtes Abkühlen von Austenit, in dem Kohlenstoff gelöst ist,
können weitere Phasen wie Bainit und Martensit entstehen.
2.5.5 Phasenumwandlungen
Phasenumwandlungen im Zuge von Wärmebehandlungen sind ein wichtiges Phänomen
im Materialverhalten von Stahl. Gekoppelt mit dem thermischen und mechanischen Ver-
halten von Stahlwerkstücken sind sie die Ursache für Maß- und Formänderungen (Verzug)
und Spannungen, die aufgrund von Dichteänderungen in der differenzierten Mikrostruk-
tur des Stahls auftreten.
In der Realität wird die Phasenevolution (Kinetik der Phasenumwandlung) von den
anliegenden Spannungen beeinflusst. Einige Modellierungsansätze für das spannungs-
abhängige Umwandlungsverhalten unterstellen eine Abhängigkeit der Phasenumwand-
lung von der mittleren Hauptspannung SM und/oder der von-Mises-Vergleichsspannung
SV . Dieser Ansatz führt über die Darstellung der Spannungstensoren SM und SV zur
Abhängigkeit von den Verschiebungen u.

Damit ergeben sich die Umwandlungsgleichungen für die Phasenanteile:


dpi
= γi(SM , SV , θ, p) , i = 1, . . . , N, N ≥ 2 in Ω×]0, T ]
dt
pi (x, 0) = p0i (x) in Ω

wobei p = (p1 , . . . , pN ).

Außerdem wirkt die Phasenumwandlung durch die sogenannten latenten Wärmen auf
den Temperaturverlauf zurück. Die latenten Wärmen sind die Wärmemengen, die einem
Stoff bei einer Umwandlung zu- oder abgeführt werden, ohne dass sich die Temperatur
dabei ändert.
Wird beispielsweise eine Stahlprobe so weit abgekühlt, dass eine Phasenumwandlung
stattfindet, so wird durch das Lösen der Atome aus der Gitterstruktur der vorherigen
Phase Energie frei, die die Stahlprobe aufheizt. Die Menge dieser auftretenden Energie
heißt latente Wärme. Umgekehrt hat die Stahlprobe beim Aufheizen dann im Inneren
keine Wärmequelle, sondern eine -senke. Die Wärmeleitungsgleichung wird um einen
weiteren Term ergänzt.

Im Folgenden werden einige Zweiphasenmodelle für die Phasenumwandlung von einer


existierenden ersten Phase zu einer sich bildenden zweiten Phase vorgestellt (vergleiche
[Böh03], [Wol07b] sowie [Wol07c]). Dabei bezeichen pi (i = 1, 2) den Phasenanteil der
jeweiligen Phase und p̄2 den Gleichgewichtsanteil der sich bildenden Phase. Betrachtet
man eine vollständige Phasenumwandlung, so ist p̄2 = 1 zu setzen. Die folgenden Ma-
terialparameter sind im Allgemeinen positiv und temperaturabhängig. Der Parameter
n beschreibt die Wachstumsgeschwindigkeit der Keime der sich bildenden Phase, τ ist
die Verzögerungszeit, nach deren Ablauf sich 63.2% vom maximal möglichen p̄2 gebildet
haben. Die Parameter n und τ hängen u.a. von der Keimbildungsrate und der Wachs-
tumsgeschwindigkeit ab (vergleiche [Bur65] für Details).
Einige Modelle sind beispielsweise:

(1) Nichtautonome Johnson-Mehl-Avrami-Differentialgleichung


 1− 1q
n n−q 1
(2.5.11) p′1 (t) = −(p̄2 − p2 (t))nτ t
q q − ln(1 − p2 (t))
p̄2
 1− q1
n n−q 1
(2.5.12) p′2 (t) = (p̄2 − p2 (t))nτ t q q − ln(1 − p2 (t))
p̄2
(2.5.13) p1 (0) = p01
(2.5.14) p2 (0) = p02

mit n ≥ q > 1 und τ > 0.


Für n = 1 heißt diese Gleichung Leblond-Devaux-Differentialgleichung. Für q = n
erhält man eine autonome Gleichung, die nicht explizit von der Zeit abhängt. Der
Vorteil einer autonomen Gleichung besteht darin, dass diese invariant gegenüber
der Verschiebung des Anfangszeitpunktes ist. Die Differentialgleichung (2.5.12) mit
der Anfangsbedingung p2 (0) = 0 besitzt für n ≥ q > 1 neben der (nicht-trivialen)
Lösung
   t n 
(2.5.15) p2 (t) = p̄2 1 − exp −
τ

auch die triviale Lösung p2 (t) = 0 für alle t, was bei der Anwendung auf Phasen-
umwandlungen der Realität widerspricht. Daher wird für die Gleichung (2.5.12)
bei ihrer numerischen Lösung ein von null verschiedener kleiner positiver Anfangs-
wert (2.5.14) gewählt. Dann ist die Anfangswertaufgabe (2.5.12), (2.5.14) eindeutig
lösbar.

(2) Autonome Differentialgleichung

(2.5.16) p′1 (t) = −(e + p2 (t))r (p̄2 − p2 (t))s g


(2.5.17) p′2 (t) = (e + p1 (t))r (p̄2 − p2 (t))s g
(2.5.18) p1 (0) = 0
(2.5.19) p2 (0) = 0

mit e ≥ e0 > 0, r ≥ 0, s ≥ 1 und g ≥ 0.


Der Vorteil bei diesem Modell ist, dass die Differentialgleichung (2.5.17) auch mit
der Anfangsbedingung (2.5.19) eine eindeutige Lösung besitzt.

2.5.6 Umwandlungsplastizität
Die Umwandlungsplastizität beschreibt die plastischen Verformungen, die aufgrund von
Dichteunterschieden der einzelnen Phasen während der Phasenumwandlungen auftreten.
Sie ist durch die klassische Plastizität auf makroskopischer Ebene nicht zu erklären,
da sie bereits dann zu beobachten ist, wenn die wirkende Spannung, die aufgrund von
thermischen und/oder mechanischen Beanspruchungen wirkt, unterhalb der Fließgren-
ze liegt. Dieser Effekt wurde erstmals in den 1940er Jahren beschrieben und tritt bei
Stählen sowohl bei kontinuierlicher als auch bei isothermer Umwandlung in allen Um-
wandlungsstufen auf.
Die Ursachen der umwandlungsplastischen Dehnungen liegen in der Volumen- und Form-
änderung eines Kristalls während der Phasenumwandlung, bei der sich die weichere an
der Umwandlung beteiligeten Phase an die Umgebung der härteren Phase anpassen
muss. Dadurch entstehen in der Umgebung der Umwandlungsfront komplizierte Eigen-
spannungszustände, die oftmals auch ohne die Wirkung äußerer Spannungen lokal zu
plastischen Dehungen führen können.
Bei der ferritischen und perlitischen Umwandlung ist ausschließlich dieser sogenannte
Anpassungs- oder Greenwood-Johnson-Effekt zu unterstellen.
Bisher waren alle Deformationen rein elastisch - jetzt kommt die durch die Umwand-
lungsplastizität verursachte Deformation hinzu.
Die Umwandlungsplastizität wird gewöhnlich durch einen auf Greenwood/Johnson fußen-
den und von Franitza/Mitter/Leblond weiter entwickelten Ansatz modelliert (vergleiche
[Wol02a], [Wol02b] sowie [Wol03]). Dabei ist ein zusätzlicher Verzerrungstensor, der pro-
portional dem Spannungsdeviator ist, zu berücksichtigen. Bei nichtkonstanter Last ergibt
sich dieser Verzerrungstensor als ein Integral, das die Geschichte der wirkenden deviato-
rischen Spannungen berücksichtigt. Dabei treten ein Materialparameter und eine auch
den Typ der Umwandlung charakterisierende Funktion als zu bestimmende Größe auf.
Der linearisierte Verzerrungstensor

ε = εT E + εIN

wird in einen thermoelastischen Anteil εT E := 21 ∇uT E + ∇uTT E inklusive der iso-
tropen Volumendehnung infolge von Phasenumwandlungen und in einen durch Um-
wandlungsplastizität und
 klassische Plastizität hervorgerufenden inelastischen Anteil
εIN := 21 ∇uIN + ∇uTIN zerlegt, wobei die inelastische Deformation volumenerhaltend
sei. Im Folgenden wird nur die Umwandlungsplastizität betrachtet und daher wird der
inelastische Anteil im Weiteren mit εU P bezeichnet. Es gilt:

tr(εU P ) = 0 , εU P = ε∗U P

Das Materialgesetz für lineare Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen und Um-


wandlungsplastizität ist durch
N  
X ρ0
(2.5.20) S = 2 µ ε + λ tr(ε) Id −3 K α (θ − θ0 ) Id −K − 1 pi Id −2 µ εU P
i=1
ρi (θ0 )

gegeben.

Bemerkung 2.5.8: Diese Gleichung verallgemeinert das Hookesche Gesetz, insofern als
das man die Spannung als Funktion des thermoelastischen Anteils des linearisierten Ver-
zerrungstensors versteht. Die Umwandlungsplastizität wirkt durch den Spannungstensor
auf die Deformation ein.

Das Materialgesetz der Umwandlungsplastizität (ohne Rückspannung) ist durch


N Z t  
3X ∂Φi dpi
(2.5.21) εU P (t) = Gi (pi (s)) max (s), 0 S ∗ (s) ds
2 i=1 0 ∂pi ds

gegeben. Dabei sind

• S ∗ (s) := S − 13 tr(S) Id der Deviator des Spannungstensors,

• Gi - Greenwood-Johnson-Parameter und

• Φi - Sättigungsfunktion der i-ten Phase für i = 1, . . . , N.


Es sei Φi ∈ C 0,1 ([0, 1]) mit Φi (0) = 0, Φi (1) = 1 und Φ′ ≥ 0 fast überall. P hii beschreibt
die Abhängigkeit der umwandlungsplastischen Dehnung vom umgewandeltem Phasen-
anteil pi . Mit Φ′i sei die Ableitung von Φi , mit p′i die Zeitableitung von pi bezeichnet.
In der Literatur werden von einzelnen Autoren verschiedene Ansätze für die Sättigungs-
funktion Φi vorgeschlagen, so z.B.:
p

Φi (p) := k−1 k − pk−1 , k ≥ 2 (Sjöström)
√ 
Φi (p) := p 3 − 2 p (Abrassart)
Φi (p) := p (1 − ln(p)) (Leblond)
Φi (p) := p (Tanaka)
Φi (p) := p (2 − p) (Denis)

Für den hier betrachteten dreidimensionalen Fall folgt weiter:


1 2
σ ∗ (s) = σ − tr(σ) Id = 2 µ ε + µ tr(ε) Id −2 µ εIN = 2 µ (ε∗ − εIN )
3 3
sowie

− div(S) = −2 div(µ ε) − grad(λ div(u)) + 3 grad(K α (θ − θ0 )) +


N  
X ρ0
+ grad(K − 1 pi ) + 2 div(µ εU P ).
i=1
ρi (θ0 )

Die Integralgleichung (2.5.21) lässt sich äquivalent auch als Anfangswertaufgabe einer
gewöhnlichen Differentialgleichung schreiben.

ε′U P (t) + a(t) εU P (t) = a(t) ε∗U P (t) , t ∈]0, T ]


(2.5.22)
εU P (0) = 0

Mithilfe der Lösungsformel für lineare inhomogene gewöhnliche Differentialgleichungen


(vergleiche [Aul97] oder [Wal00]) ergibt sich dann die eindeutige Lösung der Anfangs-
wertaufgabe (2.5.22) zu
Z t    Z t 
1
εU P (t) = a(s) ε(s) − tr(ε(s)) Id exp − a(τ ) dτ ds
0 3 s

wobei
N
X
a(t) := 3 µ Gi Φ′i (pi ) max{p′i (t), 0}
i=1

ein nicht-negativer Skalar ist.


Weiterhin folgt für die mittlere Hauptspannung
1
SM := tr(S)
3
  N  
2 X ρ0
= µ + λ tr(ε) − 3 K α (θ − θ0 ) − K − 1 pi .
3 i=1
ρi (θ 0 )
Für die Vergleichsspannung nach von Mises (man beachte die Summenkonvention) folgt:
s 
3 ∗ ∗
SV := S S
2 ij ij

Es ist ferner
 Z t  Z t 
SV2 = 6µ 2
ε∗ij (t) ε∗ij (t)
−2 a(s) ε∗ij (s) ε∗ij (s)
exp − a(τ ) dτ ds+
0 s
Z tZ t  Z t Z t  
∗ ∗
+ a(s) a(σ) εij (s) εij (σ) exp − a(τ ) dτ − a(τ ) dτ ds dσ ,
0 0 s σ

wobei
  
1 1
ε∗ij (s) ε∗ij (σ) = εij (s) − tr(ε(s)) δij εij (σ) − tr(ε(σ)) δij
3 3
1
= εij (s) εij (σ) − tr(ε(s)) tr(ε(σ)).
3

2.5.7 Formulierung der Mathematische Aufgabe


Aufgrund der vorherigen Bertrachtungen erhalten wir nun folgende Gleichungen für
die Verschiebung u, die Temperatur θ und die Massenanteile der einzelnen Phasen pi ,
i = 1, . . . , N:

Bewegungsgleichung:
d2 u
ρ0 − 2 div(µ ε(u)) − grad(λ div(u)) + 3 grad(K α (θ − θ0 )) +
dt2
 X N    Z t 
ρ0
+ grad K − 1 pi + 2 µ div b(s, t) ε(u(s)) ds +
i=1
ρi (θ0 ) 0
Z t 
2
− µ div b(s, t) tr(ε(u(s))) Id ds = f in Ω×]0, T ]
3 0

wobei
 Z t 
b(s, t) := a(s) exp − a(τ )dτ .
s

Linearisierte Energiegleichung:
  N
dθ du X
ρ0 ce − div(κ ∇θ) = −3K α θ0 div + ρ0 Li γi + r in Ω×]0, T ]
dt dt i=1

Umwandlungsgleichung für die Phasenanteile:


dpi
= γi (SM , SV , θ, pi ) , i = 1, . . . , N in Ω×]0, T ]
dt
mit folgenden Rand- und Anfangsbedingungen:

u = 0 auf Γ0 ×]0, T ]
S ν = 0 auf Γ1 ×]0, T ]
−κ∇θν = δ(θ − θΓ ) auf ∂Ω×]0, T ]
∂u
u(x, 0) = u0 , (x, 0) = u1 , θ(x, 0) = θ0 in Ω
∂t
N
X
p0i = 1 , p0i ≥ 0 (i = 1, . . . , N) in Ω
i=1

Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht nun darin, die Existenz und Eindeutigkeit einer
schwachen Lösung des gekoppelten nichtlinearen partiellen Differentialgleichungssystems
der Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen und Umwandlungsplastizität nachzu-
weisen.
Im Folgenden betrachten wir im Einzelnen die Teilprobleme der Elastizität, Thermoela-
stizität, Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen sowie Thermoelastizität mit Pha-
senumwandlungen und Umwandlungsplastizität und stellen die Frage unter welchen Be-
dingungen die Existenz und Eindeutigkeit einer schwachen Lösung für die vorgestellen
Probleme möglich ist.
3 Lineare Elastizitätstheorie
Dieses Kapitel fasst im Wesentlichen die bekannten Resultate für die Existenz und die
Eindeutigkeit der schwachen Lösung der stationären sowie der instationären Aufgabe der
linearen Elastizitätstheorie zusammen.

Zur mathematischen Aufgabe der linearen Elastizitätstheorie vergleiche man beispiels-


weise [Duv76], [Lan97], [Lub99] und [Lub02].

3.1 Existenz- und Eindeutigkeit der schwachen Lösung


der stationären Aufgabe
In diesem Abschnitt wird zunächst die Lamé-Gleichung der linearen Elastizitätstheo-
rie nochmal vorgestellt (vergleiche Kapitel 2) und die Aufgabenstellung formuliert. Es
folgt die Herleitung der Operatorgleichung aus der schwachen Formulierung der Lamé-
Gleichung, bevor dann im dritten Teil einige Eigenschaften des Operators dargestellt
werden. Abschließend folgt der Beweis des Existenz- und Eindeutigkeitssatzes für die
schwache Lösbarkeit der stationären Lamé-Gleichung der linearen Elastizitätstheorie so-
wie ein alternativer Lösungsansatz.

Eine umfassende Darstellung des stationären Problems findet man in [Duv76], Kapi-
tel 3.3, Seite 109 ff.

3.1.1 Die Aufgabenstellung


Die Aufgabe ist, die Existenz und Eindeutigkeit einer schwachen Lösung der folgenden
Randwertaufgabe, bestehend aus der linearen partiellen Differentialgleichung zweiter Or-
dung

(3.1.1) − div(2 µ ε(u)) − ∇(λ div(u)) = f in Ω

und den gemischten Randbedingungen

(3.1.2) u = 0 auf Γ0 sowie


(3.1.3) S(u) ν = b auf Γ1

nachzuweisen. Dabei sind:

(3.1.4) u − Verschiebungsvektor,
(3.1.5) µ, λ − Lamé-Koeffizienten,
1 
(3.1.6) ε(u) := ∇u + ∇uT − (linearisierter) Verzerrungstensor,
2

35
(3.1.7) f − Volumendichte der äußeren Kräfte,
(3.1.8) S(u) := 2 µ ε(u) + λ tr(ε(u)) Id − (linearisierter) Spannungstensor,
(3.1.9) ν − äußerer Normalenvektor an, Γ1
(3.1.10) b − Kraftdichte auf der Oberfläche. Γ1
Weiterhin setzen wir im Folgenden voraus:
(3.1.11) Ω ⊂ R3 beschränktes C 0,1 -Gebiet,
(3.1.12) Γ0 ⊂ ∂Ω abgeschlossen mit positivem Oberflächenmaß,
(3.1.13) Γ1 := ∂Ω \ Γ0 ,
(3.1.14) µ ∈ L∞ (Ω) mit ∃ µ0 > 0 : µ0 ≤ µ(x) für fast alle x ∈ Ω,
(3.1.15) λ ∈ L∞ (Ω) mit 0 ≤ λ(x) für fast alle x ∈ Ω.

Bemerkung 3.1.1: Oftmals sind die Anforderungen an eine klassische Lösung - bei
einer Differentialgleichung zweiter Ordnung unter anderem die zweifache stetige Diffe-
renzierbarkeit im Inneren des Gebiets - unrealistisch. Zudem stammen viele Differenti-
algleichungen ursprünglich von einer integralen Beziehung (Erhaltungssatz, Variations-
prinzip) ab, so dass weit geringere Regularitätsanforderungen zu erfüllen sind. Hinzu
kommt, dass gerade bei nichtlinearen Differentialgleichungen Lösungen im klassischen
Sinne nicht zu existieren brauchen, wohl aber Lösungen in einem weiter gefassten Sinne
existieren können. Schließlich finden sich in der Praxis oft Probleme, in denen die gege-
benen Daten (Koeffizienten, rechte Seite, Rand- und Anfangsbedingungen) womöglich
unstetig sind, was im Allgemeinen ebenso eine klassische Lösung nicht zulässt. Das Ziel
ist es daher, den Lösungsbegriff abzuschwächen (vergleiche [Emm04]).

3.1.2 Herleitung der Operatorgleichung


Es seien die folgenden Räume definiert durch:
(3.1.16) V := {u ∈ [W 1,2 (Ω)]3 : u = 0 auf Γ0 }
6
(3.1.17) H := [L 5 (Ω)]3
4
(3.1.18) K := [L 3 (Γ1 )]3
Die Multiplikation der Gleichung (3.1.1) mit einer geeignet gewählten Testfunktion ϕ ∈
V und die Integration über das Gebiet Ω liefert:
Z h i Z
− 2 (µ εij (u)),j ϕi + (λ div(u)),i ϕi dx = f ϕ dx

Z h Z Ω Z
i
=⇒ − 2 µ εij (u)ϕi,j + λ div(u) div(ϕ) dx = f ϕ dx + Sij (u) νj ϕi dσ
Ω Ω Γ1
Z Z Z Z
=⇒ −2 µ ε(u) : ε(ϕ) dx + λ div(u) div(ϕ) dx = f ϕ dx + b ϕ dσ
Ω Ω Ω Γ1

Definition 3.1.2: Unter den Voraussetzungen (3.1.11) - (3.1.15) sowie f ∈ H, b ∈ K


heißt ein u ∈ V schwache Lösung der Aufgabe (3.1.1) - (3.1.3), falls gilt:
Z Z Z Z
(3.1.19) −2 µ ε(u) : ε(ϕ) dx + λ div(u) div(ϕ) dx = f ϕ dx + b ϕ dσ
Ω Ω Ω Γ1
Aufgabe 37

für alle ϕ ∈ V .

Im Folgenden seien

• eine symmetrische Bilinearform a : V × V → R via


Z Z
(3.1.20) a(u, ϕ) := −2 µ ε(u) : ε(ϕ) dx + λ div(u) div(ϕ) dx ∀ u, ϕ ∈ V,
Ω Ω

• ein lineares Funktional g : V → R durch


Z Z
(3.1.21) g(ϕ) := f ϕ dx + b ϕ dσ ∀ ϕ ∈ V,
Ω Γ1

• sowie ein linearer, symmetrischer Operator Au : V → V ∗ vermöge

(3.1.22) hAu u, ϕiV ∗ V := a(u, ϕ) ∀ u, ϕ ∈ V

definiert.

Bemerkung 3.1.3: Folgende Darstellungen sind äquivalent:


Z Z
a(u, ϕ) = 2 µ ε(u) : ε(ϕ) dx + λ div(u) div(ϕ) dx
Ω Ω
3 Z
X
= Sij (u) εij (ϕ) dx
i,j=1 Ω

3 Z
X
= Sij (u) ∂i ϕj dx
i,j=1 Ω

Gegenstand der weiteren Untersuchungen ist die folgende Variationsgleichung:

(3.1.23) Finde u ∈ V : a(u, ϕ) = g(ϕ) ∀ ϕ ∈ V.

Bemerkung 3.1.4: Sei V ein Banachraum und g : V → R eine lineare, stetige Abbil-
dung. Dann wird durch hg, uiV ∗ V := g(u) für alle u ∈ V die duale Paarung von V ∗ und
V definiert. Wir versehen V ∗ mit der natürlichen Dualnorm
 
|hg, viV ∗ V |
kgkV ∗ = sup : v ∈ V, v 6= 0 = sup {|hg, viV ∗ V | : kvkV ≤ 1} , g ∈ V ∗ .
kvkV

Weiter ist |hg, viV ∗ V | ≤ kgkV ∗ kvkV für alle v ∈ V .

Lemma 3.1.5: Es existiert eine 1-zu-1-Korrespondenz zwischen dem linearen, stetigen


Operator Au : V → V ∗ und der Bilinearform a : V × V → R (vergleiche [Emm04]).

Beweis. Für ein festgehaltenes u ∈ V ist die Abbildung v 7→ a(u, v) eine lineare be-
schränkte Abbildung von V in R und mithin Element des Dualraums V ∗ . Wir wollen sie
38 Kapitel 3. Lineare Elastizitätstheorie

mit Au u bezeichnen. Es gilt für alle v ∈ V : hAu u, viV ∗ V = a(u, v). Wir betrachten nun
die Abbildung Au : V → V ∗ , u 7→ Au u, die jedem u ∈ V das soeben definierte Element
Au u ∈ V ∗ des Dualraums zuordnet. Wir nennen Au auch den durch a definierten oder
zugehörigen Operator.
Sei Au : V → V ∗ linear und stetig. Dann gilt:

|a(u, v)| ≤ kAu ukV ∗ kvkV ≤ kAu kL(V,V ∗ ) kukV kvkV

für alle u, v ∈ V . Damit ist a : V × V → R beschränkt. Die Bilinearität folgt aufgrund


der Linearität des Operators Au und der dualen Paarung.

Umgekehrt können wir stets auch durch einen Operator Au : V → V ∗ eine Abbildung
a : V × V → R via a(u, v) = hAu u, viV ∗ V für u, v ∈ V definieren. Also existiert ein
Element in V ∗ , bezeichnet mit Au u, so dass hAu u, viV ∗ V = a(u, v) für alle v ∈ V .
Sei a : V × V → R bilinear und beschränkt. Für u ∈ V fixiert, ist die Abbildung
v 7→ a(u, v) linear und stetig auf V . Weiter folgt |hAu u, viV ∗ V | ≤ c kukV kvkV und damit
kAu ukV ∗ ≤ c kukV für alle u, v ∈ V . Daher ist Au : V → V ∗ linear und stetig.

Satz 3.1.6 (Rieszscher Darstellungssatz): Sei H ein Hilbertraum über R. Dann existiert
zu jedem Funktional f ∈ H ∗ genau ein Element u ∈ H, so dass:

∀v ∈ H : hf, viH ∗ H = (v, u)H .

Der Rieszsche Darstellungsoperator R : H ∗ → H mit R : f 7→ u ist linear, bijektiv und


isometrisch, d.h. es gilt: kRkL(H ∗ ,H) = 1.

Beweis. siehe [Alt02], Satz 4.1, Seite 147 f. oder [Mei92], Satz 11.9, Seite 81

Die Variationsgleichung (3.1.23) kann nach dem Darstellungssatz von Riesz äquivalent
formuliert werden als Operatorgleichung

(3.1.24) hAu u − g, ϕiV ∗ V = 0 ∀ϕ ∈ V

bzw. als

(3.1.25) Au u = g in V ∗

mit gesuchtem u ∈ V . Nach Anwendung des Rieszschen Darstellungsoperators R folgt

(3.1.26) RAu u = Rg in V.

3.1.3 Eigenschaften des Operators Au


Bevor die Eigenschaften des Operators Au gezeigt werden, sei zunächst folgendes Lemma
vorweg genommen:

Lemma 3.1.7: Seien f ∈ H und b ∈ K. Dann ist die Abbildung g : V → R ein lineares,
stetiges Funktional.

Beweis. (1) Die Linearität folgt unmittelbar aus der Linearität des Integrals.
Aufgabe 39

(2) Die Stetigkeit ist aufgrund der Linearität äquivalent zu der Beschränktheit. Es gilt
für alle ϕ ∈ V :
Z Z

|g(ϕ)| = f ϕ dx + b ϕ dσ
Ω Γ1
≤ kf ϕkL1(Ω) + kbϕkL1 (Γ1 )
≤ kf kLq (Ω) kϕkLp (Ω) + kbkLq̃ (Γ1 ) kϕkLp̃ (Γ1 )
mit p, q und p̃, q̃ jeweils konjugierte Exponenten
(Höldersche Ungleichung)
≤ cE kf kH kϕkV + kbkLq̃ (Γ1 ) kϕkLp̃ (Γ1 )
(Einbettungssatz)
≤ cE kf kH kϕkV + cS kbkK kϕkV
(Spursatz)

Damit folgt insgesamt:

kgkV ∗ ≤ cE kf kH + cS kbkK

mit cE , cS positive Konstanten.

Lemma 3.1.8: Seien (3.1.11) - (3.1.15) gegeben. Der gemäß (3.1.22) definierte Opera-
tor Au : V → V ∗ ist linear und symmetrisch, d.h. es gilt hAu u, viV ∗ V = hAu v, uiV ∗ V für
alle u, v ∈ V .

Beweis. (1) Die Linearität des Operators Au folgt aufgrund der Linearität des Inte-
grals, der Divergenz und der Matrix ε.

(2) Die Symmetrie des Operators Au folgt aufgrund der Symmetrie der Matrix ε und
der Kommutativität der Multiplikation.

Lemma 3.1.9: Seien (3.1.11) - (3.1.15) gegeben. Der gemäß (3.1.22) definierte Opera-
tor Au : V → V ∗ ist koerziv, d.h. es gilt:

∃ c > 0 ∀u ∈ V : hAu u, uiV ∗ V ≥ ckuk2V .

Beweis. Nach Definition der symmetrischen Bilinearform a folgt:


Z Z
a(u, u) = 2 µ ε(u) : ε(u) dx + λ div(u) div(u) dx
|Ω {z } |Ω {z }
(1) (2)

Die Betrachtung der einzelnen Terme liefert für (1):


Z Z
µ ε(u) : ε(u) dx ≥ µ0 ε(u) : ε(u) dx
Ω Ω
40 Kapitel 3. Lineare Elastizitätstheorie

3 Z
X
≥ c µ0 |∂i uj |2 dx mit c > 0 (Kornsche Ungleichung)
i,j=1 Ω

3 Z
X Z 
2 2
≥ c µ0 |∇ui| dx + |ui| dx (Normäquivalenz)
i=1 Ω Ω

sowie für (2) weiter


Z
λ(div(u))2 dx ≥ 0 (Monotonie des Integrals).

Damit folgt insgesamt:

hAu u, uiV ∗ V ≥ c µ0 kuk2V mit c = const.

Lemma 3.1.10: Der gemäß (3.1.22) definierte Operator Au : V → V ∗ ist stetig, d.h.
es gilt:
∃ c > 0 ∀ u, ϕ ∈ V : |hAu u, ϕiV ∗ V | ≤ c kukV kϕkV .

Beweis. Es gilt nach Definition der symmetrischen Bilinearform a unter Benutzung der
Hölderschen Ungleichung:
Z Z

|a(u, ϕ)| = 2 µ ε(u) : ε(ϕ) dx + λ div(u) div(ϕ) dx
Ω Ω
Z Z
≤ 2 kµkL∞(Ω) |ε(u) : ε(ϕ)| dx + kλkL∞ (Ω) | div(u) div(ϕ)| dx
Z Ω Z Ω

≤ c1 |ε(u) : ε(ϕ)| dx + c2 | div(u) div(ϕ)| dx


|Ω {z } |Ω {z }
(1) (2)

Die Betrachtung der einzelnen Terme liefert für (1):


Z 3
Z X
|ε(u) : ε(ϕ)| dx = |εij (u)εij (ϕ)| dx
Ω Ω i,j=1

Z 3
! 21 3
! 12
X X
= |εij (u)|2 |εij (ϕ)|2 dx
Ω i,j=1 i,j=1
(Höldersche Ungleichung für Summen)
Z X 3
! 12 Z 3 ! 12
X
≤ |εij (u)|2 dx |εij (ϕ)|2 dx
Ω i,j=1 Ω i,j=1

(Höldersche Ungleichung für Integrale)


Z X 3
! 12 Z 3 ! 21
1 X1
= (ui ,j +uj ,i )2 dx (ϕi ,j +ϕj ,i )2 dx
Ω i,j=1 4 Ω i,j=1 4
Aufgabe 41

Z X 3
! 21 Z X 3
! 21
1 1
≤ (ui,2j +uj ,2i ) dx (ϕi ,2j +ϕj ,2i ) dx
Ω i,j=1 2 Ω i,j=1 2
(Youngsche Ungleichung)
3 Z
! 21 3 Z
! 21
X X
= ui ,2j dx ϕi ,2j dx
i,j=1 Ω i,j=1 Ω

3 Z
! 21 3 Z
! 21
X X
≤ c3 u2i + ui ,2j dx c4 ϕ2i + ϕi ,2j dx
i,j=1 Ω i,j=1 Ω

= c3 c4 kukV kϕkV

sowie für (2):


Z Z
| div(u) div(ϕ)| dx = |ui ,i | |ϕi,i | dx
Ω Ω
Z  21 Z  21
2 2
≤ |ui,i | dx |ϕi ,i | dx
Ω Ω
(Höldersche Ungleichung)
Z  21 Z  12
2 2
≤ 3|uk ,k | dx 3|ϕk ,k | dx
Ω Ω
(Youngsche Ungleichung)
Z  12 Z  21
≤ c5 |ε(u)|2 dx |ε(ϕ)|2 dx
Ω Ω
≤ c5 kukV k ϕkV

Damit folgt insgesamt:

| hAu u, ϕiV ∗ V | ≤ (2 c1 c3 c4 + c2 c5 ) kukV k ϕkV


=⇒ kAu ukV ∗ ≤ (2 c1 c3 c4 + c2 c5 ) kukV
=⇒ kAu kL(V,V ∗ ) ≤ 2 c1 c3 c4 + c2 c5

mit ci , i = 1, . . . , 5 positive Konstanten.

3.1.4 Existenz- und Eindeutigkeitssatz


Definition 3.1.11: Sei (V, k·kV ) ein reeller Banachraum. Eine Abbildung a : V ×V → R
heißt

• bilinear, falls a in jedem Argument linear ist.

• symmetrisch, falls a(u, v) = a(v, u) für alle u, v ∈ V gilt.

• positiv, falls a(u, u) ≥ 0 für alle u ∈ V gilt.

• koerziv, falls es ein µ > 0 gibt, so dass a(u, u) ≥ µ kuk2V für alle u ∈ V gilt.
42 Kapitel 3. Lineare Elastizitätstheorie

Eine Bilinearform heißt beschränkt, falls es ein β > 0 gibt, so dass |a(u, v)| ≤ β kukV kvkV
für alle u, v ∈ V gilt.

Lemma 3.1.12 (Lax-Milgram): Sei (V, (·, ·)V , k · kV ) ein reeller Hilbertraum und sei
a : V × V → R eine beschränkte, koerziv Bilinearform. Dann besitzt das Problem

Zu gegebenem f ∈ V ∗ finde u ∈ V , so dass für alle u, v ∈ V : a(u, v) = hf, viV ∗ V


1
für jedes f ∈ V ∗ genau eine Lösung mit der Abschätzung kukV ≤ µ
kf kV ∗ .

Beweis. siehe [Emm04], Satz 3.4.6, Seite 91, [Kna00], Satz 3.1, Seite 86 oder [Alt02],
Satz 4.2, Seite 149 f.

Satz 3.1.13 (Existenz und Eindeutigkeit der schwachen Lösung der stationären Auf-
gabe): Unter den Voraussetzungen (3.1.11) - (3.1.15), (3.1.16) - (3.1.18) sowie f ∈ H
und b ∈ K besitzt die Aufgabe (3.1.1) - (3.1.3) genau eine schwache Lösung u ∈ V , d.h.
Gleichung (3.1.19) gilt für alle ϕ ∈ V .

Beweis. Nach Lemma 3.1.7 ist g ein lineares Funktional. Lemmata 3.1.8 - 3.1.10 zeigen,
dass Au ein linearer, symmetrischer, stetiger und koerziver Operator ist. Damit sind alle
Voraussetzungen des Satzes 3.1.12 erfüllt und die Anwendung des Satzes 3.1.12 liefert
die Behauptung.

3.1.5 Alternativer Lösungsansatz


Alternativ zum Satz 3.1.12 wird die Lösbarkeit der Variationsgleichung (3.1.23) mithil-
fe des Banachschen Fixpunktsatzes (siehe Satz A.1.2) untersucht (vergleiche [Lub99]).
Zugleich wird ein konstruktives Iterationsverfahren zur Lösung der Variationsgleichung
(3.1.23) gewonnen. Wir formulieren die Variationsgleichung (3.1.23) als äquivalente Fix-
punktgleichung im Hilbertraum V :

(3.1.27) Finde u ∈ V : u = T (u) := u − c(RAu u − Rg),

mit c > 0 ein Parameter.

Der Banachsche Fixpunktsatz ist anwendbar, wenn gilt:

(1) T : V → V , wobei V ein Banachraum,

(2) T ist kontraktiv auf V , d.h. ∃ q ∈ [0, 1[:

kT (u) − T (v)kV ≤ qku − vkV ∀u, v ∈ V.

Die erste Eigenschaft ist bereits per Konstruktion erfüllt. Aufgrund der Koerzivität gilt:

(RAu w, w)V = hAu w, wiV ∗ V = a(w, w) ≥ αkwk2V .

Aufgrund der Stetigkeit folgt:

kRAu wkV = kAu wkV ∗ ≤ kAu kkwkV ≤ kkwkV .


Aufgabe 43

Nach Definition ist weiter:

kT u − T vk2V = ku − c(RAu u − Rg) − (v − c(RAu v − Rg))k2V


= ku − v + cRAu v − cRAu uk2V
= ku − v} −cRAu (u
| {z − v})k2V
| {z
=: w =: w
= (w − cRAu w, w − cRAu w)V
= kwk2V − 2c(RAu w, w)V + c2 kRAu wk2V

≤ 1 − 2cα + c2 k 2 kwk2V
| {z }
=: L(c)

= L(c)ku − vk2V


Die zweite Eigenschaft ist für L(c) ∈ [0, 1[ erfüllt. Es gilt: L(0) = 1 sowie L k2
= 1.
Weiterhin ist α ≤ k, denn

αkuk2V ≤ a(u, u) (Koerzivität)


= hAu u, uiV ∗ V
= (RAu u, u)V
≤ kRAu ukV kukV (Cauchy-Schwarz-Ungleichung)
≤ kkukV (Stetigkeit)
α
Die Funktion L nimmt ihr Minimum an der Stelle c = k2
an. Es ist:
α 2α2 2 k 2 − α2
L =1− + α = ≥ 0.
k2 k2 k2
Daraus folgt: L(c) ∈ [0, 1[ für 0 < c < 2α
k2
. Damit folgt die Existenz und Eindeutigkeit der
Lösung u ∈ V der Variationsgleichung. Zugleich folgt aus dem Banachschen Fixpunkt-
satz ein konstruktives Lösungsverfahren (sukzessive Approximation): Sei u(0) ∈ V ein
beliebiger Startwert des Verfahrens. Dann löse man für n ∈ N und hinreichend kleinem
Parameter c:
u(n+1) = u(n) − cR(Au u(n) − g).
Sei ū Fixpunkt der Gleichung (3.1.27), dann gilt die folgende Konvergenzabschätzung:
1 1
kū − u(0) kV ≤ ku(1) − u(0) kV = ku(1) − u(0) kV .
1 − L(c) 2cα − c2 k 2

3.2 Existenz und Eindeutigkeit der schwachen Lösung


der instationären Aufgabe
In diesem Abschnitt wird zunächst das Galerkin-Verfahren vorgestellt, welches dem
Nachweis der Existenz von instationären Aufgabe dient. Im Weiteren wird die Auf-
gabenstellung formuliert und die Darstellung als Evolutionsgleichung zweiter Ordnung
betrachtet. Anschließend folgt der Beweis des Existenz- und Eindeutigkeitssatzes für die
schwache Lösung der instationären Aufgabe der linearen Elastizitätstheorie.
44 Kapitel 3. Lineare Elastizitätstheorie

Eine umfassende Darstellung zur Lösung von Evolutionsgleichungen mithilfe der Galerkin-
Methode findet sich in [Dau92], [Emm04], [Eva98], [Gaj74], [Wlo87], [Zei90] sowie in
[Bro03] und in [Wol04].
Insbesondere sei auf [Duv76], Kapitel 3.4, Seite 123 ff. verwiesen. Hier wird speziell auf
das instationäre Problem der linearen Elastizitätstheorie eingegangen.

Bemerkung 3.2.1: Für den Nachweis der Existenz von Lösungen instationärer Aufga-
ben gibt es insbesondere die Möglichkeit der Konstruktion von Näherungslösungen durch
eine

• Zeitdiskretisierung oder

• Galerkin-Approximation.

Die Semidiskretisierung (vergleiche zum Beispiel [Lub02]) in der Zeit führt unter Verwen-
dung des Differenzenquotienten zweiter Ordnung unmittelbar auf stationäre Probleme
oder mithilfe des Differenzenquotienten erster Ordnung auf Evolutionsgleichungen erster
Ordnung, während die Galerkin-Approximation auf ein endliches System gewöhnlicher
Differentialgleichungen führt.
Bei beiden Zugängen ist zu zeigen, dass zumindest eine Teilfolge der Folge der Nähe-
rungslösungen in einem gewissen Sinne konvergiert und der Grenzwert eine Lösung des
ursprünglichen Problems ist. Die Konvergenz einer (Teil-)Folge kann zumeist aus der
gleichmäßigen Beschränktheit der Näherungslösungen, also aus apriori-Abschätzungen,
mithilfe von Kompaktheitsargumenten gefolgert werden (vergleiche [Emm04]).

3.2.1 Das Galerkin-Verfahren


Das Galerkin-Verfahren bildet eine Brücke zwischen Analysis und Numerik, da es sowohl
für den Nachweis der Existenz von Lösungen als auch zu deren näherungsweiser Berech-
nung anwendbar ist.
Wir haben bereits gesehen, dass die schwache Formulierung von Randwertproblemen für
partielle Differentialgleichungen auf Variationsprobleme der folgenden Form führt:

Zu gegebenem f ∈ V ∗ finde ein u ∈ V , so dass für alle v ∈ V gilt

(3.2.1) a(u, v) = hf, viV ∗ V .

Dabei sei (V, k · kV ) ein reeller, unendlichdimensionaler Banachraum und a : V × V → R


eine Abbildung, die zumindest im zweiten Argument linear ist und die folgende Eigen-
schaft besitzt:
Zu jedem u ∈ V gibt es ein β = β(u) > 0, so dass für alle v ∈ V gilt: |a(u, v)| ≤ β(u)kvkV .

Bemerkung 3.2.2: Offenbar ist das Variationsproblem (3.2.1) äquivalent zur Opera-
torgleichung Au = f in V ∗ , wobei A : V → V ∗ .

Die Grundidee zur analytischen Untersuchung von (3.2.1) besteht darin, diese Aufgabe
zu diskretisieren, d.h. eine verwandte Aufgabe in einem endlichdimensionalen Teilraum
zu betrachten.
Sei nun V ein reeller, unendlichdimensionaler, separabler Banachraum und (Vm )m∈N ein
Aufgabe 45

Galerkin-Schema in V . Statt der Lösung u ∈ V von Problem (3.2.1) (linear oder nicht-
linear) werden wir Näherungslösungen um ∈ Vm , m ∈ N bestimmen, mit dem Ziel, dass
(um )m∈N für m → ∞ gegen u konvergiert.

Bemerkung 3.2.3: Im Eindimensionalen steht m oft im Zusammenhang mit einer


b−a
Schrittweite h := m+1 , wobei [a, b] ein Intervall ist, auf dem etwa die Funktion u = u(x)
gesucht ist. Zumeist wird daher mit h und nicht mit m indiziert und h → 0 betrachtet.

Ein Galerkin-Verfahren zur approximativen Lösung von (3.2.1) besteht darin, einen end-
lichdimensionalen Unterraum Vh 6= ∅ von V zu spezifizieren und eine Lösung des zu
betrachtenden endlichdimensionalen Ersatzproblems von folgender Gestalt zu bestim-
men:

Zu gegebenen f ∈ Vh∗ finde uh ∈ Vh , so dass für alle vh ∈ Vh gilt:

(3.2.2) a(uh , vh ) = hf, vh iVh∗ Vh .

Führen wir den Einbettungsoperator ph : Vh → V ein, der Vh mittels ph vh = vh in


V einbettet, so ist der zu ph duale Operator p∗h : V ∗ → Vh∗ durch hp∗h g, vh iVh∗ Vh =
hg, phvh iV ∗ V für alle g ∈ V ∗ , vh ∈ Vh definiert.

Bemerkung 3.2.4: (1) Der Operator ph ist linear und beschränkt (stetig).

(2) Der Operator p∗h ist linear und wegen

hp∗h g, vh iVh∗ Vh hg, ph vh iV ∗ V


kp∗h gkVh∗ := sup = sup ≤ kgkV ∗
vh ∈Vh \{0} kvh kVh vh ∈Vh \{0} kph vh kVh

auch beschränkt.

Wegen

a(uh , vh ) = hAuh , vh iVh∗ Vh = hAph uh , ph vh iV ∗ V = hp∗h Aph uh , vh iV ∗ V

können wir die Galerkin-Gleichungen als Operatorgleichung

p∗h Aph uh = p∗h f in V ∗

schreiben, wobei p∗h Aph : Vh → (V → V ∗ →)Vh∗ . Eine Lösung uh ∈ Vh dieses Problems


heißt Galerkin-Lösung.
Offenbar sind die diskreten Ersatzprobleme von der gleichen Struktur wie das Ausgangs-
problem (3.2.1). P
Sei {w1 , . . . , wh } eine Basis des Raums Vh . Wir machen den Lösungsansatz uh = hi=1 uhi wi .
Offenbar reicht es, die Testfunktionen v = wk (k = 1, . . . , h) zu betrachten. Dadurch er-
halten wir das (nicht-)lineare Gleichungssystem zur Bestimmung der Koeffizienten uhi
(i = 1, . . . , h) von uh in Rh :

D X
h  E
p∗h Aph uhi wi , wk = hp∗h f, wk iV ∗ V , k = 1, . . . , h
V ∗V
i=1
46 Kapitel 3. Lineare Elastizitätstheorie

das im linearen Fall in Matrix-Vektor-Form als A x = f mit


Aik := hp∗h Aph wi , wk iV ∗ V , xi := uhi , fk := hp∗h f, wk iV ∗ V , i, k = 1, . . . , h
geschrieben werden kann. Dabei wird die Matrix A als Steifigkeitsmatrix und der Vektor
f als Lastvektor bezeichnet.

Bemerkung 3.2.5: Im Folgenden verzichten wir auf die Benutzung der Einbettungs-
operatoren ph und p∗h .

Lemma 3.2.6 (Céa): Sei (V, k · kV ) ein reeller Hilbertraum und Vh ⊂ V ein abgeschlos-
sener Unterraum. Ferner sei a : V × V → R eine beschränkte, koerzive Bilinearform.
Dann gilt für den Fehler u−uh zwischen der Lösung u von Problem 3.2.1 und der Lösung
uh von Problem 3.2.2
β
ku − uh kV ≤ inf ku − vh kV .
µ vh ∈Vh
Ist q
die Bilinearform a symmetrisch, so verbessert sich die Konstante in der Abschätzung
zu βµ .

Beweis. siehe [Emm04], Satz 4.1.4, Seite 112 f.

Die Lösung des Gleichungssystems führt schließlich auf die Näherungslösung uh , da diese
eine Linearkombination der Basisfunktionen ist. Die Lösbarkeit des Gleichungssystems
folgt im Übrigen bereits aus dem Satz 3.1.12, welches die Lösbarkeit der diskreten Er-
satzaufgabe sichert.
Im linearen Fall besagt das Lemma 3.2.6, dass die Näherungslösung uh ∈ Vh die beste
Annäherung an die Lösung u ist. Da (Vh )h∈N ein Galerkin-Schema bildet, konvergiert die
Folge (uh )h∈N gegen die Lösung u der Ausgangsgleichung.
Im nichtlinearen Fall besitzt die Folge (uh )h∈N unter geeigneten Voraussetzungen an A
eine konvergente Teilfolge, die gegen ein Element u ∈ V konvergiert. Es bleibt zu zei-
gen, dass dieses u die Lösung der ursprünglichen Galerkin-Gleichungen ist. Dazu ist eine
Abschwächung des Konvergenzbegriffs in V nötig.

Definition 3.2.7: Sei V ein Banachraum.

(1) Eine Folge von endlichdimensionalen Teilräumen (Vn )n∈N mit Vn ⊂ Vn+1 für alle
n ∈ N heißt Galerkin-Schema, falls gilt:
[
V = Vn .
n∈N

(2) Eine Folge (wi )i∈N heißt Galerkin-Basis, falls stets endlich viele wi linear un-
abhängig sind und die Teilräume Vn := span{w1 , . . . , wn } ein Galerkin-Schema
bilden.

Lemma 3.2.8: In jedem separablen Banachraum existiert eine Galerkin-Basis1 und da-
mit auch ein Galerkin-Schema.
1
In einem separablen Hilbertraum existiert stets eine Orthonormalbasis.
Aufgabe 47

Beweis. (1) Sei V 6= {0} ein separabler Banachraum. Dann besitzt V eine abzählbar
dichte Teilmenge M := {wi }i∈N in V mit w1 6= 0. Wähle v1 = w1 . Ist w2 von v1
linear unabhängig, so wähle v2 = w2 , andernfalls gehe zu w3 über usw.
Es bleiben unendlich viele Elemente übrig, da anderenfalls dim(span(M)) < ∞
(damit span(M) abgeschlossen) und V = M = span(M) = span(M) wäre, was im
Widerspruch zu dim(V ) = ∞ steht.
Definiere eine Folge von endlichdimensionalen Teilräumen (Vn )n∈N mit Vn :=
span{v1 , . . . , vn }. Damit folgt Vn ⊂ Vn+1 für alle n ∈ N.

Sei v ∈ V beliebig. Da {vi }i∈N dicht in V ist, gibt es zu jedem ε > 0 ein vj ∈ M, so
S
dass kv − vj kV < ε.SDa vj ∈ Vn für ein n ≥ j (n, j ∈ N) ist, so folgt V = n∈N Vn
und damit ist auch n∈N Vn dicht in V . Somit bilden die Teilräume Vn ein Galerkin-
Schema.

(2) Sei (Vn )n∈N ein Galerkin-Schema in V . Wähle eine Basis in V1 , ergänze diese zur
Basis in V2 usw. Mithilfe dieses konstruktiven Verfahrens erhält man eine Galerkin-
Basis in V .

Definition 3.2.9: Sei H ein Hilbertraum. Für ein beliebiges Funktionensystem {wi }i=1,...,n
von Hn ⊂ H (n ∈ N) wird G := ((wi , wj )H )i,j=1,...,n ∈ Rn×n die Gramsche Matrix ge-
nannt.

Lemma 3.2.10: Eine Gramsche Matrix ist symetrisch und positiv definit semidefinit.
Sie ist positiv definit genau dann, wenn das zugehörige Funktionensystem linear un-
abhängig ist.

Beweis. Die Gramsche Matrix ist wegen der Eigenschaft des Skalarprodukts in H sym-
metrisch, denn es gilt:

Gij = (wi , wj )H = (wj , wi )H = Gji .

Wegen der linearen Unabhängigkeit der Basiselemente wj ∈ H (j = 1, . . . , n) ist die


Gramsche Matrix positiv definit.
Sei x ∈ Rn . Dann gilt:
Xn n  X 2
T
X n
x Gx = xi wi , xj wj = ≥0
xi wi

i=1 j=1 H i=1 H

P P
Damit folgt: xT Gx = 0 ⇔ ni=1 xi wi = 0. Ferner gilt ni=1 xi wi = 0 ⇔ x = 0, da die
Basiselemente wj ∈ H (j = 1, . . . , n) linear unabhängig sind. Somit ist die Gramsche
Matrix regulär, d.h. es gilt det(G) 6= 0.

3.2.2 Die Aufgabenstellung


Die Aufgabe ist, die Existenz und Eindeutigkeit einer schwachen Lösung der folgenden
Randwertaufgabe, bestehend aus dem System von linearen hyperbolischen partiellen
48 Kapitel 3. Lineare Elastizitätstheorie

Differentialgleichung zweiter Ordung

d2 u
(3.2.3) ρ (x, t) − div(2 µ(x) ε(u(x, t))) − ∇(λ(x) div(u(x, t))) = f (x, t) in Ω×]0, T [
dt2
den Anfangsbedingungen
∂u
(3.2.4) u(x, 0) = u0 (x) , (x, 0) = u1 (x) in Ω
∂t
und den gemischten Randbedingungen

(3.2.5) u(x, t) = 0 auf Γ0 × [0, T [ sowie


(3.2.6) S(u(x, t)) ν(x) = 0 auf Γ1 × [0, T [

nachzuweisen. Dabei ist ρ ∈ R+ die Dichte im Referenzzustand. Desweiteren seien (3.1.4)


- (3.1.15) gegeben.

Bemerkung 3.2.11: Eine allgemeinere Randbedingung

(3.2.7) S(u(x, t)) ν(x) = b(x) auf Γ1 × [0, T [

mit b 6= 0 anstelle von (3.2.6) ist nicht möglich. Für dieses Problem bekommt man
aufgrund des Spursatzes keine hinreichenden apriori-Abschätzungen.

3.2.3 Darstellung als Evolutionsgleichung 2. Ordnung


Bemerkung 3.2.12: Seien Ω ⊂ C 0,1 beschränkt, V ein abgeschlossener Teilraum (bezüglich
der Norm in W 1,2 (Ω)) mit W01,2 (Ω) ⊂ V ⊂ W 1,2 (Ω) und H := L2 (Ω). Dann bilden die
Räume V ⊂ H ⊂ V ∗ ein Evolutionstripel.

Es seien die folgenden Räume definiert durch:

(3.2.8) V := {u ∈ [W 1,2 (Ω)]3 : u = 0 auf Γ0 },


(3.2.9) V := L2 (0, T ; V ),
(3.2.10) V∗ := L2 (0, T ; V ∗ ),
(3.2.11) H := [L2 (Ω)]3 ,
(3.2.12) H := L2 (0, T ; H),
(3.2.13) wobei T ∈ R+ .

Bemerkung 3.2.13: (1) V ist ein reeller, separabler, reflexiver unendlich-dimensionaler


Hilbertraum mit dem Dualraum V ∗ .

(2) H ist ein reeller, separabler unendlich-dimensionaler Hilbertraum.

(3) V ist stetig und kompakt eingebettet und dicht in H.

(4) Die Räume V und H sind so gewählt, dass V ⊂ H ⊂ V ∗ ein Evolutionstripel über
R bildet. Bei der Wahl der Räume gehen die Randbedingungen sowie die Forderung
∇u ∈ H aufgrund der schwachen Formulierung ein.
Aufgabe 49

Weiterhin sei der Operator Au : V → V ∗ gemäß


Z Z
(3.2.14) hAu u, ϕiV ∗ V := 2 µ ε(u) : ε(ϕ) dx + λ div(u) div(ϕ) dx
Ω Ω

für alle u, ϕ ∈ V und das Funktional g(t) ∈ V ∗ via


Z
(3.2.15) hg(t), ϕiV ∗ V := f (t) ϕ dx

für alle ϕ ∈ V und für fast alle t ∈ [0, T ] definiert .

Definition 3.2.14: Unter den Voraussetzungen (3.1.11) - (3.1.15), (3.2.8) - (3.2.13)


sowie

(3.2.16) f ∈ H
(3.2.17) u0 ∈ V
(3.2.18) u1 ∈ H

heißt ein u ∈ V mit u ∈ L∞ (0, T ; V ) und u′ ∈ L∞ (0, T ; H) schwache Lösung der Aufgabe
(3.2.3) - (3.2.6) falls gelten:

(3.2.19)
Z TZ Z TZ
′ ′
− ρ u (t) ϕ (t) dx dt + 2 µ(x) ε(u(t)) : ε(ϕ(t)) dx dt+
0 Ω 0 Ω
Z TZ Z TZ Z
+ λ(x) div(u(t)) div(ϕ(t)) dx dt = f (x, t) ϕ(t) dx dt + ρ u1(x) ϕ(0) dx
0 Ω 0 Ω Ω

für alle ϕ ∈ V mit ϕ′ ∈ H und ϕ(T ) = 0 sowie u(0) = u0 .

Bemerkung 3.2.15 (Motivation der schwachen Formulierung): Zur Motivation der zu


entwickelnden Lösungstheorie leiten wir formal eine verallgemeinerte Problemstellung
des Anfangswert-Randwert-Problems her.
Die formale Multiplikation der Differentialgleichung (3.2.3) mit einer beliebigen (zeitun-
abhängigen) Testfunktion ϕ ∈ [C0∞ (Ω)]3 liefert:

d2 u
ρ (x, t) ϕ(x) − div(2 µ(x) ε(u(x, t))) ϕ(x) − ∇(λ(x) div(u(x, t))) ϕ(x) = f (x, t) ϕ(x)
dt2
für alle ϕ ∈ [C0∞ (Ω)]3 . Mithilfe der Beziehung

div(S(u)) = div(2 µ ε(u) + λ tr(ε(u)) Id)


= div(2 µ ε(u)) + div(λ div(u) Id)
= div(2 µ ε(u)) + ∇(λ div(u))

lässt sich die obige Gleichung wie folgt vereinfachen:

d2 u
ρ (x, t) ϕ(x) − div(S(u(x, t))) ϕ(x) = f (x, t) ϕ(x) ∀ ϕ ∈ [C0∞ (Ω)]3
dt2
50 Kapitel 3. Lineare Elastizitätstheorie

Die Integration über das räumliche Gebiet Ω liefert für alle ϕ ∈ V :


Z h Z
d2 u  i
ρ 2 (x, t) − div(S(u(x, t))) ϕ(x) dx = f (x, t) ϕ(x) dx
Ω dt Ω

Mithilfe partieller Integration über Ω (d.h. Anwendung des Integralsatzes von Gauß) im
elliptischen Hauptteil und unter Berücksichtigung der Randwerte der Testfunktion sowie
der Beziehung (man beachte die Summenkonvention)
Z Z h i Z
− div(S(u)) ϕ dx = 2 µ εij (u) ϕi,j + λ div(u) div(ϕ) dx − Sij (u) νj ϕi dσ
Ω Ω Γ1
Z Z
= 2 µ ε(u) : ε(ϕ) dx + λ div(u) div(ϕ) dx
Ω Ω

gelangt man zu der folgenden schwache Formulierung der Aufgabe (3.2.3):


Z Z
d2 u
ρ 2 (x, t) ϕ(x) dx + hAu u(x, t), ϕ(x)iV ∗ V = f (x, t) ϕ dx
Ω dt Ω

für alle ϕ ∈ [C0∞ (Ω)]R3 und für fast alle t ∈ [0, T ].R Mit der (unter gewissen Voraussetzungen
2 d2
gültigen) Identität Ω ddt2u (x, t) ϕ(x) dx = dt 2 Ω
u(x, t) ϕ(x) dx (d.h. Vertauschung von
Gebietsintegration und Zeitdifferentiation) gelangt man so zu der integralen Beziehung:
Z Z
d2
ρu(x, t) ϕ(x) dx + hAu u(x, t), ϕ(x)iV ∗ V = f (x, t) ϕ dx
dt2 Ω Ω

für alle ϕ ∈ [C0∞ (Ω)]3 und für fast alle t ∈ [0, T ].


Der Grenzübergang von C0∞ (Ω) zum Sobolevraum W 1,2 (Ω) folgt wegen Dichtheit.

Bemerkung 3.2.16 (Zusammenhang mit Evolutionsgleichungen): Die räumliche Va-


riable x ∈ Ω und die zeitliche Variable t ∈]0, T ] werden unterschiedlich behandelt. Für
fixiertes t wird x 7→ u(x, t) als Element von V aufgefasst und mit u(t) bezeichnet. Bei
variabler Zeit erhalten wir eine Funktion t 7→ u(t) mit Werten in V .
Die Lösung u : Ω × [0, T ] → R3 , (x, t) 7→ u(x, t) des Anfangswert-Randwert-Problems
(3.2.3) - (3.2.6) lässt sich als eine abstrakte Funktion u : [0, T ] → R3 , t 7→ u(t) mit
[u(t)](x) = u(x, t) auffassen, die Werte in V annimmt und Lösung des folgenden An-
fangswertproblems ist (vergleiche Kapitel A.6).
Gesucht ist u(t) ∈ V , so dass

d2
(3.2.20) (ρ u(t), ϕ)H + hAu u(t), ϕiV ∗ V = hg(t), ϕiV ∗ V ∀ϕ ∈ V
dt2
(3.2.21) u(0) = u0 ∈ V , u′ (0) = u1 ∈ H

für fast alle t ∈]0, T ] ist. Mithilfe des folgenden Zusammenhangs (die Zeitableitung ist
in einem verallgemeinerten Sinne zu verstehen)

d2
(3.2.22) (u(t), ϕ)H = hu′′(t), ϕiV ∗ V
dt2
für alle ϕ ∈ V und für fast alle t ∈ ]0, T ] folgt:

(3.2.23) hρ u′′(t), ϕiV ∗ V + hAu u(t), ϕiV ∗ V = hg(t), ϕiV ∗ V ∀ϕ ∈ V


Aufgabe 51

Somit gilt:

(3.2.24) ρ u′′ (t) + Au u(t) = g(t) in V ∗

für fast alle t ∈]0, T ] mit den Anfangsbedingungen

(3.2.25) u(0) = u0 ∈ V , u′ (0) = u1 ∈ H.

Diese Formulierung ist äquivalent zur folgenden Evolutionsgleichung zweiter Ordnung:

(3.2.26) ρ u′′ + Au = g in V ∗

mit den Anfangsbedingungen

(3.2.27) u(0) = u0 ∈ V , u′ (0) = u1 ∈ H,

wobei A die Realisierung von Au bezeichne.

Bemerkung 3.2.17 (Eigenschaften des Operators Au und des Funktionals g(t)): Sei
f ∈ H. Dann gelten:

(1) Die gemäß (3.2.15) definierte Abbildung g(t) ∈ V ∗ ist ein lineares, stetiges Funk-
tional für fast alle t ∈ [0, T ].

(2) Der gemäß (3.2.14) definierte Operator Au : V → V ∗ ist linear, symmetrisch, stetig
und koerziv.

Zum Beweise siehe Kapitel 3.1.3.

3.2.4 Der Existenz- und Eindeutigkeitssatz


Satz 3.2.18 (Existenz und Eindeutigkeit der schwachen Lösung der instationären Auf-
gabe): Unter den Voraussetzungen (3.1.11) - (3.1.15), (3.2.8) - (3.2.13) sowie (3.2.16)
- (3.2.18) besitzt die Aufgabe (3.2.3) - (3.2.6) genau eine schwache Lösung u ∈ V mit
u ∈ L∞ (0, T ; V ) und u′ ∈ L∞ (0, T ; H), d.h. es gilt (3.2.19) für alle ϕ ∈ V mit ϕ′ ∈ H
und ϕ(T ) = 0 sowie u(0) = u0 .
Außerdem gilt die Energiegleichung

(3.2.28)Z Z Z
ρ ′ 2
|u (t)| dx + µ(x) ε(u(t)) : ε(u(t)) dx + λ(x) div(u(t)) div(u(t)) dx =
2 Ω Ω
Z tZ Z ZΩ
ρ
= f (x, τ ) u′ (τ ) dx dτ + |u1 (x)|2 dx + µ(x) ε(u0(x)) : ε(u0(x)) dx+
0Z Ω 2 Ω Ω

+ λ(x) div(u0 (x)) div(u0 (x)) dx


für alle t ∈ [0, T ].

Beweis. Im Folgenden soll der Beweis des Existenz- und Eindeutigkeitssatzes mithilfe
des Galerkin-Verfahrens durchgeführt werden.
52 Kapitel 3. Lineare Elastizitätstheorie

(1) Existenz der Galerkin-Lösungen


Es seien (wj )j∈N eine Galerkin-Basis in dem separablen Banachraum V und (Vn )n∈N
mit Vn := span{w1 , . . . , wn } das zugehörige Galerkin-Schema. Weiter seien (u0n )n∈N
und (u1n )n∈N Folgen in V mit den Eigenschaften:

(3.2.29) u0n , u1n ∈ Vn für alle n ∈ N


(3.2.30) u0n → u0 in V für n → ∞
(3.2.31) u1n → u1 in H für n → ∞ (V ⊂ H dicht)

Das Galerkin-Verfahren projiziert jetzt zu jedem Zeitpunkt t die Lösung u(t) ∈ V


auf un (t) ∈ Vn , d.h. auf einen endlich-dimensionalen Teilraum Vn . Jedes Element
un ∈ L2 (0, T ; Vn) lässt sich bzgl. der Galerkin-Basis von Vn folgendermaßen dar-
stellen:
n
X
un (t) = γnj (t) wj für alle t ∈ [0, T ]
j=1

mit noch zu bestimmenden Koeffizientenfunktionen γn : [0, T ] → Rn , so dass Vn ∼


=
n
R .
Wegen u0n , u1n ∈ Vn existieren die eindeutigen Darstellungen:
n
X n
X
u0n = αnj wj und u1n = βnj wj .
j=1 j=1

Die Galerkin-Approximation der ursprünglichen Aufgabe lautet: Finde ein un ∈


L2 (0, T ; Vn ), so dass für alle v ∈ Vn fast überall in ]0, T [ gilt:

(3.2.32) (ρu′′n (t), v)Hn + hAu un (t), viVn∗ Vn = (f (t), v)Hn


(3.2.33) un (0) = u0n
(3.2.34) u′n (0) = u1n

Da Vn = span{w1 , . . . , wn } ist, genügt es, die Galerkin-Gleichung mit v = wj (j =


1, . . . , n) zu testen. Daher sind (3.2.32), (3.2.33) und (3.2.34) äquivalent zur Auf-
gabe (Einsetzen der Basisdarstellung): Gesucht sind Funktionen γni (i = 1, . . . , n),
so dass für alle j = 1, . . . , n gilt:
 Xn   X
n  
′′

(3.2.35) ρ γni (t) wi, wj + Au γni(t) wi , wj = f (t), wj Hn
i=1 Hn i=1 Vn∗ Vn

(3.2.36) γnj (0) = αnj



(3.2.37) γnj (0) = βnj

Dies ist aufgrund der Linearität äquivalent zu:


n
X n
X
′′
ρ (wi, wj )Hn γni (t) + hAu wi , wj iVn∗ Vn γni (t) = (f (t), wj )Hn
i=1 i=1
γnj (0) = αnj

γnj (0) = βnj
Aufgabe 53

für alle j = 1, . . . , n.

Insgesamt überführt das Galerkin-Verfahren die schwache Form in ein gewöhnli-


ches Differentialgleichungssystem. Damit lässt sich die obrige Gleichung schreiben
als:

(3.2.38) ρ Gn γn′′ (t) = F (t) − A γn (t) fast überall in ]0, T [

mit

(3.2.39) der Gramschen Matrix Gn := ((wi , wj )Hn )i,j=1,...,n ∈ Rn×n


(3.2.40) sowie A := (hAu wi , wj iVn∗ Vn )i,j=1,...,n ∈ Rn×n
(3.2.41) und F (t) := ((f (t), wj )Hn )j=1,...,n ∈ Rn .

Die Gramsche Matrix ist aufgrund der Eigenschaften des Skalarprodukts in H und
der linearen Unabhängigkeit der Basiselemente wj ∈ V ⊂ H symmetrisch positiv
definit und somit regulär.
Damit folgt insgesamt das System von gewöhnlichen Differentialgleichungen zweiter
Ordnung:

(3.2.42) γn′′ (t) = (ρ Gn )−1 (F (t) − Aγn (t)) fast überall in ]0, T [.

Das lineare Differentialgleichungssystem zweiter Ordnung lässt sich mithilfe der


Substitution ζn (t) := (γn (t), γn′ (t))T äquivalent in ein System erster Ordnung um-
formulieren. Es folgt:

(3.2.43) ζn′ (t) = hn (t, ζn (t)) für fast alle t ∈]0, T [


(3.2.44) ζn (0) = ζ0n

Die Funktion hn : [0, T ] × R2n → R2n ist für (t, x) ∈ [0, T ] × R2n durch

hn (t, x) := A x(t) + F(t)

mit
 
0 Id
A := ∈ R2n×2n ,
−(ρ Gn )−1 A 0
 
0
F(t) := ∈ R2n ,
(ρ Gn )−1 F (t)
 
αn
ζ0n := ∈ R2n ,
βn

gegeben, wobei Id : Rn → Rn die Identität in Rn ist.

Nun stellt sich die Frage nach einer Lösung dieses Differentialgleichungssystems.
Die Sätze von Peano und Picard-Lindelöf (vergleiche [Aul97] und [Wal00]) sind
nicht anwendbar, da die Funktion hn in Gleichung (3.2.43) nicht stetig bzw. Lipschitz-
stetig bzgl. der Zeit t ist.
Daher wird im Folgenden überprüft, ob die Voraussetzungen des Satzes von Ca-
rathéodory (siehe Satz A.2.7; vergleiche [Wal00], [Fil88], [Cod55]) für das lineare
54 Kapitel 3. Lineare Elastizitätstheorie

Differentialgleichungssystem (3.2.43), (3.2.44) erfüllt sind. Falls alle Voraussetzun-


gen erfüllt sind, liefert der Satz von Carathéodory die eindeutige Existenz einer
Lösung des linearen Differentialgleichungssystems.

Es ist zu zeigen:
(i) hn ist eine Carathéodory-Funktion, d.h.
(a) t 7→ hn (t, x) ist Lebesgue-messbar für alle x
(b) x →7 hn (t, x) ist stetig für fast alle t
(ii) |hn (t, x)| ≤ ϕ(t) + ψ(t) h(x) mit nichtnegativen Funktionen ϕ, ψ ∈ L1 (0, T )
und h ∈ C(Rn ).

(i) Lebesgue-Messbarkeit bzgl. t


Da H separabel ist, folgt nach dem Satz von Pettis aus der Bochner-Messbarkeit
von f :]0, T [→ H die Lebesgue-Messbarkeit von t 7→ hv, f (t)iH ∗ H für alle
v ∈ H ∗ . H ∗ liegt dicht in V ∗ , weil V dicht in H liegt und V reflexiv ist. So-
mit ist auch die Abbildung t 7→ F (t) Lebesgue-messbar und damit ebenfalls
t 7→ F(t) als Produkt einer Lebesgue-messbaren Funktion mit konstanten Ko-
effizienten.
Somit folgt die Lebesgue-Messbarkeit von t 7→ hn (t, ζn ) auf [0, T ] für alle
ζn ∈ R2n als Summe Lebesgue-messbarer Funktionen.
(ii) Stetigkeit bzgl. ζn
Die Stetigkeit der Abbildung ζn 7→ hn (t, ζn ) auf R2n für festes t ∈ [0, T ] folgt
im wesentlichen aus der Stetigkeit von A (da lineare Abbildungen zwischen
endlichdimensionalen normierten Vektorräumen beschränkt sind) und der Li-
nearität der inversen Gramschen Matrix G−1 n . Es sei daran erinnert, dass in
endlichdimensionalen Vektorräumen alle Normen äquivalent sind. Man beob-
achtet, dass A : R2n → R2n linear und auch beschränkt ist.
Es gilt für festes t ∈ [0, T ]:

|h(t, ζn ) − h(t, ζ̃n )| = |Aζn + F(t) − Aζ̃n − F(t)|


= |Aζn − Aζ̃n |
= |A(ζn − ζ̃n )|
= c1 |ζn − ζ̃n | mit c1 := max{1, ρ−1 c−1
G cA } ,

wobei cG bzw. cA die Konstanten aus der Beschränktheit von Gn bzw. A


bezeichnen.
Es ist anzumerken, dass die Abbildung ζn 7→ hn (t, ζn ) auf R2n für festes t ∈
[0, T ] sogar Lipschitz-stetig ist.
(iii) Majorantenbedingung
Auch die Majorantenbedingung aus dem Satz von Carathéodory ist erfüllt.
Es gilt:

|h(t, ζn )| = |A ζn + F(t)|
≤ |A| |ζn| + |F(t)|
≤ |A| |ζn| + c2 kf (t)kHn mit c2 := max {ρ−1 c−1
G kwi kHn } ,
| {z } | {z } i=1,...,n
ϕ(x) ψ(t)
Aufgabe 55

wobei cG bzw. cA die Konstanten aus der Beschränktheit von Gn bzw. A


bezeichnen.
Dabei sind
• ϕ ∈ C(R2n ; R2n ) und
• ψ ∈ L1 (]0, T [), da aufgrund von f ∈ H und den Eigenschaften des
Bochner-Integrals gilt: t 7→ kf (t)kH ∈ L2 (]0, T [) ⊂ L1 (]0, T [).

Demnach sind alle Voraussetzungen erfüllt und der Satz von Carathéodory fin-
det Anwendung, d.h. das lineare Differentialgleichungssytem (3.2.43) besitzt ge-
nau eine absolut-stetige, fast überall im klassischen Sinne differenzierbare Lösung
ζn : [0, T ] → R2n mit
Z t
ζn (t) = ζ0n + ζn′ (s) ds , ζn′ ∈ L1 (]0, T [)
0

und mithin ein un ∈ AC 1 ([0, T ]; Vn ), d.h. un ∈ AC([0, T ]; Vn) und u′n ∈ AC([0, T ]; Vn ).
Die Komponenten ζn sind im verallgemeinerten Sinne auf [0, T ] differenzierbar.
Bei nichtlinearen Aufgaben ist die Existenz zuerst auf einem Teilintervall [0, Tn ] für
alle n gesichert und es muss auf Grundlage von apriori-Abschätzungen ein Fortset-
zungsresultat (siehe A.2.8) bemüht werden (da im Allgemeinen die Existenz- und
Eindeutigkeit von Lösungen nichtlinearer gewöhnlicher Differentialgleichungen nur
lokal gesichert ist).

Bemerkung 3.2.19: Die Methode der Galerkin-Approximation lässt sich auch zur
numerischen Lösung der Anfangswert-Randwert-Aufgabe verwenden. Man wählt
den Raum Vn geeignet, eine Basis {w1 , . . . , wn } und löst dann das System von
n gewöhnlichen Differentialgleichungen für die unbekannte Funktion ζn durch ein
geeignetes numerisches Verfahren.

(2) Apriori-Abschätzungen

Die Multiplikation der Galerkin-Gleichungen (3.2.35) jeweils mit γnj (t) und die
Summation über j von 1 bis n ergibt:

(ρu′′n (t), u′n (t))H + hAu un (t), u′n (t)iV ∗ V = (f (t), u′n (t))H

A ist symmetrisch und von t unabhängig. Damit folgt für fast alle t ∈ ]0, T [ :
ρd 2 1d
ku′n (t)kH + hAu un (t), un (t)iV ∗ V = (f (t), u′n (t))H
2 dt 2 dt
Die Integration der Gleichung von 0 bis t mit 0 < t ≤ T liefert:
ρ ′ 2 1
kun (t)kH + hAu un (t), un (t)iV ∗ V =
2 2 Z t
ρ 2 1
= ku1n kH + hAu0n , u0n iV ∗ V + (f (τ ), u′n (τ ))H dτ
2 2 0

Mithilfe der Cauchy-Schwarz-Ungleichung folgt:


2
ρ ku′n (t)kH + hAu un (t), un (t)iV ∗ V ≤
56 Kapitel 3. Lineare Elastizitätstheorie

Z t
≤ ρ ku1n k2H + hAu u0n , u0n iV ∗ V + 2 kf (τ )kH ku′n (τ )kH dτ
0

Die Höldersche Ungleichung liefert:


2
ρ ku′n (t)kH + hAu un (t), un (t)iV ∗ V ≤
Z t  21 Z t  21
2 2 ′ 2
≤ ρ ku1n kH + hAu u0n , u0n iV ∗ V + 2 kf (τ )kH dτ kun (τ )kH dτ
0 0

Unter Benutzung der Youngschen Ungleichung folgt:


2
ρ ku′n (t)kH + hAu un (t), un (t)iV ∗ V ≤
(3.2.45) Z t Z t
2 2 2
≤ ρ ku1n kH + hAu u0n , u0n iV ∗ V + kf (τ )kH dτ + ku′n (τ )kH dτ
0 0

Aufgrund der Stetigkeit und Koerzivität von Au ist:


2
ρ ku′n (t)kH + λ1 kun (t)k2V ≤
Z t Z t
2 2 2 2
≤ ρ ku1n kH + λ2 ku0n kV + kf (τ )kH dτ + ku′n (τ )kH dτ
0 0

Weiter ergibt sich:


Z t Z t
2 2
(3.2.46) ρ ku′n (t)kH ≤ ρ ku1n k2H + λ2 ku0n k2V + kf (τ )k2H dτ + ku′n (τ )kH dτ
0 0

sowie
(3.2.47)
Z t Z t
2
λ1 kun (t)k2V ≤ ρ ku1n k2H + λ2 ku0n k2V + kf (τ )k2H dτ + ku′n (τ )kH dτ
0 0

Mithilfe des Lemmas von Gronwall (siehe Satz A.5.7) folgt aus Gleichung (3.2.46):
 Z t 
′ 2 t 2 2 2
(3.2.48) kun (t)kH ≤ c0 e ku1n kH + λ2 ku0n kV + kf (τ )kH dτ
0

Somit folgt aus der Gleichung (3.2.48) und aus der Beziehung ku1n kH ≤ k0 ku1 kH
sowie ku0n kV ≤ k1 ku0 kV (k0 , k1 unabhängig von n) für t = T :

(3.2.49) ku′n k2L∞ (0,T ;H) ≤ sup ku′n (t)kH ≤ c1 eT ku1 k2H + ku0 k2V + kf k2H
t∈[0,T ]

und weiter in Gleichung (3.2.47) eingesetzt:



(3.2.50) kun k2L∞ (0,T ;V ) ≤ sup kun (t)kV ≤ c1 T eT ku1 k2H + ku0 k2V + kf k2H
t∈[0,T ]

Daraus folgt:
T
(3.2.51) ku′n kL∞ (0,T ;H) ≤ c2 e 2 (ku1 kH + ku0 kV + kf kH)
1 T
(3.2.52) kun kL∞ (0,T ;V ) ≤ c2 T 2 e 2 (ku1 kH + ku0 kV + kf kH )

Dabei seien c1 und c2 passende Konstanten, die unabhängig von t und n sind.
Aufgabe 57

Bemerkung 3.2.20: Die Funktionen un gehören zu einer beschränkten Menge in


L∞ (0, T ; V ) und V. Die Funktionen u′n gehören zu einer beschränkten Menge in
L∞ (0, T ; H) und H.

Bemerkung 3.2.21: Für den Fall, dass das Oberflächenmaß von Γ0 identisch Null
ist, ist der Operator Au nicht koerziv, jedoch gibt es eine positive Zahl c, so dass
für alle u ∈ V gilt: hAu u, uiV ∗ V + kuk2H ≥ c kuk2V (siehe Satz A.5.11).
Die Addition von kun (t)k2H auf beiden Seiten der Gleichung (3.2.45) und die fol-
genden Abschätzung
 Z t 2
2 ′
kun (t)kH ≤ ku0n kH + kun (s)kH ds
0
Z t 2
≤ 2 ku0n k2H +2 ku′n (s)kH ds
0
Z t  Z t 
≤ 2 ku0n k2H +2 ku′n (s)k2H ds ds
0 0
Z t
≤ 2 ku0n k2H + 2T ku′n (s)k2H ds
0

liefert ebenfalls die Abschätzungen (3.2.46) und (3.2.47).

(3) Grenzübergang für n → ∞


Da V ein reflexiver, separabler Banachraum ist, gibt es nach dem Satz von Eberlein-
Shmulyan (Satz A.3.9) eine in V schwach konvergente Teilfolge. Diese ist weiterhin
in L∞ (0, T ; V ) beschränkt. Da L∞ (0, T ; V ∗ ) der Dualraum des separablen Banach-
raumes L1 (0, T ; V ), können wir nach dem Satz von Banach-Alaoglu (Satz A.3.7)
eine schwach*-konvergente Teilfolge auswählen. Diese ist natürlich auch Teilfolge
der ursprünglichen Folge und bleibt schwach konvergent in V. Diese Teilfolgen seien
ebenfalls mit (un )n∈N bzw. mit (u′n )n∈N bezeichnet.
Nach den obigen Abschätzungen (??) sowie (??) sind die Folgen (un )n∈N und
(u′n )n∈N in V und L∞ (0, T ; V ) bzw. in H und L∞ (0, T ; H) beschränkt. Dann gibt
es ein Element u ∈ V ∩ L∞ (0, T ; V ) und eine Teilfolge (un )n∈N bzw. w ∈ H ∩
L∞ (0, T ; H) und eine Teilfolge (u′n )n∈N , so dass für n → ∞

(3.2.53) un ⇀u in V und un ⇀ u in L∞ (0, T ; V ) bzw.

(3.2.54) u′n ⇀w in H und u′n ⇀ w in L∞ (0, T ; H).

Aufgrund der Linearität und Stetigkeit des Operators Au folgt damit:



(3.2.55) Au un ⇀Au u in V ∗ und Au un ⇀ Au u in L∞ (0, T ; V ∗ )

Der Grenzwert u ist zudem Lösung des Originalproblems.

Bemerkung 3.2.22: Es kann nur u′ schwach*-Grenzwert von (u′n )n∈N sein. An-

genommen, es gilt un ⇀ w für n → ∞ in L∞ (0, T ; V ). Sei ϕ ∈ C0∞ ([0, T ]) mit:
Z T Z T

un (t)ϕ (t) dt = − wn (t)ϕ′ (t) dt
0 0
58 Kapitel 3. Lineare Elastizitätstheorie

und n → ∞ folgt
Z T Z T

u(t)ϕ (t) dt = − w(t)ϕ(t) dt.
0 0

Damit folgt w = u′ (vergleiche [Zei90]).

Ferner gilt aufgrund der schwachen Unterhalbstetigkeit der Normen:


(3.2.56) ku′kL∞ (0,T ;H) ≤ lim inf ku′n kL∞ (0,T ;H) bzw.
n→∞
(3.2.57) kukL∞ (0,T ;V ) ≤ lim inf kun kL∞ (0,T ;V )
n→∞

und damit folgt für n → ∞:


T
(3.2.58) ku′kL∞ (0,T ;H) ≤ c2 e 2 (ku1 kH + ku0 kV + kf kH)
1 T
(3.2.59) kukL∞ (0,T ;V ) ≤ c2 T 2 e 2 (ku1 kH + ku0 kV + kf kH)
Analog folgen
(3.2.60) kukV ≤ const.
(3.2.61) ku′kH ≤ const.
Im Folgenden sei ϕ ∈ C 1 ([0, T ]) mit ϕ(T ) = 0 beliebig. Die Multiplikation der
Galerkin-Gleichung mit der Funktion ϕ und die Integration über ]0, T [ liefert für
jedes j = 1, . . . , n:
Z T Z T Z T
′′
(ρun (t), ϕ(t)wj )H dt + hAu un (t), ϕ(t)wj iV ∗ V dt = (f (t), ϕ(t)wj )H dt
0 0 0

Partielle Integration im ersten Term liefert (j = 1, . . . , n):


Z T
− (ρu′n (t), ϕ′ (t)wj )H dt − (ρu1n , ϕ(0)wj )H +
0
Z T Z T
+ hAu un (t), ϕ(t)wj iV ∗ V dt = (f (t), ϕ(t)wj )H dt
0 0

Um den schwachen Grenzübergang von (un )n∈N nach u in V zu rechtfertigen, ist es


ausreichend zu zeigen, dass alle Ausdrücke lineare, stetige Funktionale auf V sind.
Wegen der schwachen Konvergenz - man beachte die Linearität und Stetigkeit des
Operators Au - ist der Grenzübergang für n → ∞ korrekt und liefert (j ∈ N):
Z T Z T
′ ′
− (ρu (t), ϕ (t)wj )H dt − (ρu1 , ϕ(0)wj )H + hAu u(t), ϕ(t)wj iV ∗ V dt =
0 0
Z T
= (f (t), ϕ(t)wj )H dt
0

Es ist die lineare Hülle von wj (j ∈ N) dicht in V und damit die lineare Hülle von
ϕwj (j ∈ N) dicht in V (vergleiche [Nau05]). Somit sind die Funktionen v(t) :=
ϕ(t)wj (j ∈ N) zulässige Testfunktionen. Es gilt:
Z T Z T Z T
′′
hρu (t), viV ∗ V dt + hAu u(t), viV ∗ V dt = (f (t), v)H dt
0 0 0
Aufgabe 59

für alle v ∈ V und für fast alle t ∈]0, T [.

Nach dem Satz A.6.34 bleibt für die Existenz der Lösung u des Originalproblems
nur noch zu zeigen:
u(0) = u0 sowie u′ (0) = u1 .
Es gelten die beiden Formeln der partiellen Integration:
Z T Z T

(ρ un (t), ϕ(t)wj )H dt = − (ρ un (t), ϕ′ (t)wj )H dt + (ρ u0n , ϕ(0)wj )H
0 0

für j = 1, . . . , n sowie
Z T Z T

(ρ u (t), ϕ(t)wj )H dt = − (ρ u(t), ϕ′(t)wj )H dt + (ρ u(0), ϕ(0)wj )H , j ∈ N
0 0

Der schwache Grenzübergang ist für n → ∞ zulässig und damit ergibt sich:
n→∞
(ρ u0n , ϕ(0)wj )H −→ (ρ u(0), ϕ(0)wj )H ∀ j∈N
Mit dem Dichtheitsargument (Die Vereinigung der span{w1 , . . . , wn } liegt dicht in
V und V liegt dicht in H) folgt u0n ⇀ u(0) für n → ∞ in H. Wegen u0n → u0 für
n → ∞ in V folgt u(0) = u0 .
Analog gelten die beiden Formeln der partiellen Integration:
Z T Z T
h−Au un (t) + f (t), ϕ(t)wj iV ∗ V dt = (ρ u′′n (t), ϕ(t)wj )H dt
0 0
Z T
= − (ρ u′n (t), ϕ′ (t)wj )H dt + (ρ u1n , ϕ(0)wj )H
0

für j = 1, . . . , n sowie
Z T Z T
h−Au u(t) + f (t), ϕ(t)wj iV ∗ V dt = (ρ u′′ (t), ϕ(t)wj )H dt
0 0
Z T
= − (ρ u′ (t), ϕ′ (t)wj )H dt + (ρ u′ (0), ϕ(0)wj )H
0

für j ∈ N. Der schwache Grenzübergang ist für n → ∞ zulässig und damit ergibt
sich:
n→∞
(ρ u1n , ϕ(0)wj )H −→ (ρ u′ (0), ϕ(0)wj )H ∀ j∈N
Mit dem Dichtheitsargument (Die Vereinigung der span{w1 , . . . , wn } liegt dicht in
V und V liegt dicht in H) folgt u1n ⇀ u′ (0) für n → ∞ in H. Wegen u1n → u1 für
n → ∞ in V folgt u′ (0) = u1 .
Somit ist u schwache Lösung des Originalproblems mit den angegebenen Eigen-
schaften. Alle Teilfolgen von (un )n∈N konvergieren schwach in V und besitzen als
Grenzwert die eindeutig bestimmte Lösung u der Ausgangsgleichung. Damit gilt
(für die gesamte Folge):
(3.2.62) un ⇀ u für n → ∞ in V und
(3.2.63) u′n ⇀ u′ für n → ∞ in H.
60 Kapitel 3. Lineare Elastizitätstheorie

(4) Eindeutigkeit der Lösung


Seien u1 und u2 zwei unterschiedliche Lösungen des Originalproblems. Wegen der
Linearität gelten dann für u := u1 − u2 :

(3.2.64) u(0) = 0 ,u′ (0) = 0


Z T Z T
(3.2.65) hρ u′′ (t), v(t)iV ∗ V dt + hAu u(t), v(t)iV ∗ V dt = 0 ∀ v ∈ V
0 0

Das Testen der Gleichung (3.2.65) mit u′ ist nicht erlaubt, da u′ ∈ H jedoch nicht
u′ ∈ V. Daher benutzen wir folgenden Regularisierungstrick (vergleiche [Dau92],
[Zei90]):

Sei für 0 ≤ s ≤ T mit χs die charakteristische Funktion des Intervalls [0, s] be-
zeichnet, d.h. es gilt:

1 für 0 ≤ t ≤ s
χs = χ[0,s] =
0 für s < t ≤ T
Rt
Weiter definieren wir v(t) := 0 χs (τ ) u(τ ) dτ + c für fixiertes s ∈ [0, T ], wobei c so
gewählt sei, dass v(T ) = 0. Dann gelten:

• v(t) = 0 für s ≤ t ≤ T nach Definition


• v ∈ AC([0, T ], V ) wegen
n
X Xn Z bk Z ak

kv(bk ) − v(ak )kV =
χs (τ )u(τ ) dτ − χs (τ )u(τ ) dτ

k=1 k=1 0 0 V
n Z bk
X
=
χs (τ )u(τ ) dτ

k=1 ak V
n
X bkZ
≤ ku(τ )kV dτ
k=1 ak
n
X
≤ |bk − ak | kukL∞ (0,T ;V )
k=1
n
X
≤ δ kuk L∞ (0,T ;V ) , falls |bk − ak | < δ
k=1

• v ′ (t) = χs (t) u(t) für fast alle t ∈ [0, T ] nach dem Satz über Differenzierbarkeit
Bochner-integrierbarer Funktionen. Außerdem gilt v ′ ∈ V wegen u ∈ V.

Die Formel der partiellen Integration liefert:


Z T Z T
′′
hρ u (t), v(t)iV ∗ V dt = − hρ u′ (t), v ′ (t)iV ∗ V dt +
0 0
+ hρ u′ (T ), v(T )iV ∗ V − hρ u′(0), v(0)iV ∗ V
| {z } | {z }
=0, da v(T )=0 =0, da u′ (0)=0
Z T
= − hρ u′ (t), χs (t)u(t)iV ∗ V dt
0
Aufgabe 61

Z s
= − hρ u′ (t), u(t)iV ∗ V dt
0
ρ
= − ku(s)k2H ≤ 0
2
Ebenso folgt aufgrund der Symmetrie von Au :
d
hAu v(t), v(t)iV ∗ V = hAu v ′ (t), v(t)iV ∗ V + hAu v(t), v ′(t)iV ∗ V
dt
= 2 hAu v ′ (t), v(t)iV ∗ V
und somit:
Z T Z s
hAu u(t), v(t)iV ∗ V dt = hAu v ′ (t), v(t)iV ∗ V dt
0
Z0 s
1d
= hAu v(t), v(t)iV ∗ V dt
0 2 dt
1 1
= hAu v(s), v(s)iV ∗ V − hAu v(0), v(0)iV ∗ V
|2 {z } 2
=0, da v(s)=0
1 λ
= − hAu v(0), v(0)iV ∗ V ≤ − kv(0)k2V ≤ 0
2 2
Somit folgt insgesamt:
ρ λ
− ku(s)k2H − kv(0)k2V = 0
2 2
λ
=⇒ ku(s)k2H + kv(0)k2V = 0
ρ
2
=⇒ ku(s)kH = 0 für fast alle s ∈ ]0, T [
=⇒ u = 0 fast überall auf ]0, T [

Wir zeigen u′′ ∈ V ∗ . Da u ∈ V und Au : V → V ∗ beschränkt, folgt Au u ∈ V ∗ . Weiter ist


f ∈ H. Aufgrund der stetigen Einbettungen V ⊂ H ⊂ V ∗ folgt g ∈ V ∗ . Schließlich folgt
aufgrund der Gleichheit von u′′ + Au = g in V ∗ die Behauptung u′′ ∈ V ∗ .

Wir beweisen die Energiegleichung nur für einen Spezialfall. Sei u′ ∈ V. Dann folgt
aus der Evolutionsgleichung für alle t ∈ [0, T ]:
ρ u′′ + Au = g
=⇒ hρ u′′ , u′iV ∗ V + hAu, u′iV ∗ V = hg, u′iV ∗ V
ρd 2 1d
=⇒ ku′ (t)kH + hAu(t), u(t)iV ∗ V = (f (t), u′ (t))H
2 dt 2 dt
ρ ′ 2 1
=⇒ ku (t)kH + hAu(t), u(t)iV ∗ V
|2 {z } |2 {z }
kinetische Energie potentielle Energie
Z t
ρ 2 1
= ku1 kH + hAu0 , u0 iV ∗ V + (f (τ ), u′ (τ ))H dτ
2 2 0
| {z }
Gesamtenergie
62 Kapitel 3. Lineare Elastizitätstheorie

Für das allgemeingültige Resultat und die physikalische Bedeutung verweisen wir auf die
Literatur. In [Lio69], Kapitel 1.8 wird der Beweis der Energiegleichung mit Regularisie-
rungstechniken geführt.
Ein wesentlicher Bestandteil des Beweises ist die Gewinnung einer Apriori-Abschätzung
für die rechte Seite der Energiegleichung, die als aktuelle Energie eines schwingenden
Körpers interpretiert werden kann. Daher heißt diese Lösungsmethode - ebenso wie die
analoge für die Evolutionsgleichungen erster Ordnung - Energiemethode.

Bemerkung 3.2.23: Mithilfe von speziellen (Galerkin-)Basen ist es möglich, für die
Lösung der Evolutionsgleichung eine bessere Regularität bezüglich der Zeit und des Or-
tes zu bewiesen, ohne von der speziellen Gestalt der Räume V und H sowie des Operators
Au Gebrauch zu machen. Allerdings sind nur in wenigen Ausnahmefällen spezielle Ba-
sen nebst Eigenwerten mit vertretbarem Aufwand zu bestimmen (vergleiche hierzu und
zum Beweis der folgenden Aussage: [Wol04], Kapitel 7.8 Bessere Regularität - spezielle

Basen“, Seite 194 ff).

Zusätzlich zu den Voraussetzungen des Satzes 3.2.18 möge gelten:

u1 ∈ V, Au u0 ∈ H und f ∈ V
f = f1 + f2 mit f1 ∈ L2 (0, T ; V ), f2 ∈ W 1,2 (0, T ; H)

Dann gelten für die einzige Lösung u ∈ V der Aufgabe (3.2.3) - (3.2.6) neben den
Aussagen des Satzes 3.2.18 die folgenden:

u ∈ C([0, T ]; V ), u′ ∈ L∞ (0, T ; V ), u′ ∈ C([0, T ]; H), Au ∈ L∞ (0, T ; H).


4 Lineare Thermoelastizitätstheorie
Im vorigen Kapitel haben wir bereits eine Anfangswert-Randwert-Aufgabe für ein Sy-
stem elliptischer partieller Differentialgleichungen im Kontext der linearen stationären
Elastizitätstheorie mithilfe des Lemmas von Lax-Milgram gelöst. Ferner haben wir Exi-
stenz und Eindeutigkeit für ein System hyperbolischer partieller Differentialgleichung im
Zusammenhang mit der linearen instationären Elastizitätstheorie mithilfe des Galerkin-
Verfahrens nachgewiesen.
In diesem Kapitel behandeln wir eine Anfangswert-Randwert-Aufgabe für ein gekop-
peltes System von linearen partiellen Differentialgleichungen der klassischen linearen
Thermoelastizität, bestehend aus der hyperbolischen Bewegungsgleichung und der para-
bolischen Wärmeleitungsgleichung. Es sei ferner angemerkt, dass die lineare Elastizitäts-
theorie einen Spezialfall der linearen Thermoelastizitätstheorie darstellt.

Im Folgenden werden zuerst die Gleichungen der linearen Thermoelastizität vorgestellt


(vergleiche Kapitel 2) und die Aufgabenstellung formuliert, bevor einige Eigenschaften
der benötigten Operatoren zur Verfügung gestellt werden.
Der Beweis der Existenz und der Eindeutigkeit einer schwachen Lösung der Gleichungen
der klassischen linearen Thermoelastizitätstheorie bildet den Hauptteil dieses Kapitels.
Es wird dabei sowohl die volle Aufgabe als auch auf die Aufgabe mit vereinfachen Rand-
bedingungen (vergleiche [Gaw86]) untersucht.

Eine Einführung in die Thermoelastizität aus Sicht der Kontinuumsmechanik findet sich
unter anderem in [Alt94] und in [Kup76]

4.1 Die Aufgabenstellung


Die Gleichungen der klassischen linearen Thermoelastizität lauten:

d2 u
ρ 2 − 2 div(µ ε(u) − grad(λ div(u)) + 3 grad(K α (θ − θ0 )) = f in Ω×]0, T [
dt
(4.1.1)  
dθ du
ρ ce − div(κ(θ) ∇θ) + 3 K α θ0 div = r in Ω×]0, T [
dt dt

Die Aufgabe ist, die Existenz und Eindeutigkeit einer schwachen Lösung der Randwert-
Anfangswert-Aufgabe, bestehend aus dem linearen partiellen Differentialgleichungssy-
stem (4.1.1) den Anfangsbedingungen

(4.1.2) u(x, 0) = u0 (x) in Ω


(4.1.3) u′ (x, 0) = u1 (x) in Ω
(4.1.4) θ(x, 0) = θ0 (x) in Ω

63
64 Kapitel 4. Lineare Thermoelastizitätstheorie

und den Randbedigungen

(4.1.5) u(x, t) = 0 auf Γ0 ×]0, T [


3
X
(4.1.6) Sij (u, θ) νj = 0 (i = 1, 2, 3) auf Γ1 ×]0, T [
j=1
3
X
(4.1.7) − κ ∂j θ νj = δ (θ − θΓ ) auf ∂Ω×]0, T [
j=1

nachzuweisen. Dabei sind (3.1.4) - (3.1.15) sowie

(4.1.8) θ − Temperatur
(4.1.9) ρ − Dichte im Referenzzustand
(4.1.10) θ0 − Referenztemperatur zum Zeitpunkt t = 0
2
(4.1.11) K := λ + µ − Kompressionsmodul
3
(4.1.12) α − Wärmeausdehnungskoeffizient
(4.1.13) ce − spezifische Wärme
(4.1.14) κ − Wärmeleitfähigkeit
(4.1.15) r − Volumendichte der äußeren Wärmequellen
(4.1.16) S(u, θ) := 2 µ ε(u) + λ tr(ε(u)) Id +3 K α (θ − θ0 ) Id − Spannung
(4.1.17) δ − Wärmeübergangskoeffizient
(4.1.18) θΓ − Temperatur des umgebenden Mediums

gegeben. Weiterhin seien im Folgenden (3.1.11) - (3.1.13) und

(4.1.19) Vu := {u ∈ [W 1,2 (Ω)]3 : u = 0 auf Γ0 } , Hu := [L2 (Ω)]3


(4.1.20) Vu := L2 (0, T ; Vu ) , Hu := L2 (0, T ; Hu ) , Vu∗ := L2 (0, T ; Vu∗ )
4
(4.1.21) Vθ := W 1,2 (Ω) , Hθ := L2 (Ω) , Kθ := L 3 (∂Ω)
(4.1.22) Vθ := L2 (0, T ; Vθ ) , Hθ := L2 (0, T ; Hθ ) , Vθ∗ := L2 (0, T ; Vθ∗ )
(4.1.23) f ∈ Hu , r ∈ Hθ , θΓ ∈ Kθ := L2 (0, T ; Kθ )
(4.1.24) u 0 ∈ Vu , u 1 ∈ H u
(4.1.25) θ0 ∈ R+ , ρ ∈ R+ , ce ∈ R+
(4.1.26) K ∈ L∞ (Ω) mit 0 ≤ K(x) für fast alle x ∈ Ω
(4.1.27) α ∈ L∞ (Ω) mit 0 ≤ α(x) für fast alle x ∈ Ω
(4.1.28) δ ∈ L∞ (∂Ω) mit ∃ δ0 > 0 : δ0 ≤ δ(x) für fast alle x ∈ ∂Ω
(4.1.29) κ ∈ L∞ (Ω) mit ∃ κ0 > 0 : κ0 ≤ κ(x) für fast alle x ∈ Ω

sowie (3.1.14) - (3.1.15) vorausgesetzt.

Bemerkung 4.1.1: Im Allgemeinen können alle Materialparameter von der Temperatur


abhängen. Die Existenz und Eindeutigkeit für dieser Fall nachzuweisen, stellt sich jedoch
als ein äußert kompliziertes Problem dar. In diesem Fall erhält man ein nichtlineares
Problem, welches eventuell mit sogenannten Monotoniemethoden (vergleiche [Wol04] für
Details) gelöst werden könnte.
4.2. Eigenschaften der Operatoren Au und Aθ 65

Wir beschränken uns im Folgenden auf den Fall ortsabhängiger Materialparameter, die
nicht vom der Temperatur abhängen.

Definition 4.1.2: Unter den Voraussetzungen (3.1.11) - (3.1.15), (4.1.19) - (4.1.29) heißt
ein Paar (u, θ) ∈ Vu × Vθ mit u′ ∈ Vu schwache Lösung der Aufgabe (4.1.1) - (4.1.7), falls
gelten:
(4.1.30)
Z TZ Z TZ
′ ′
− ρ u (t)v (t) dx dt + 2 µ(x) ε(u(t)) : ε(v(t)) dx dt+
0 Ω 0 Ω
Z TZ Z TZ
+ λ(x) div(u(t)) div(v(t)) dx dt − 3 K(x) α(x) (θ(t) − θ0 ) div(v(t)) dx dt =
0 Ω 0 Ω
Z TZ Z
= f (x, t) v(t) dx dt + ρ u1 (x) v(0) dx
0 Ω Ω

für alle v ∈ Vu mit v ∈ Hu und v(T ) = 0 sowie u(0) = u0 ,
Z TZ Z TZ

− ρ ce θ(t)ϕ (t) dx dt + 3 K(x) α(x) θ0 div(u′ (t)) ϕ(t) dx dt+
0 Ω 0 Ω
Z TZ Z TZ
(4.1.31) + κ(x) ∇θ(t) ∇ϕ(t) dx dt + δ(x) (θ(t) − θΓ ) ϕ(t) dσ dt =
0 Ω 0 ∂Ω
Z TZ Z
= r(x, t) ϕ(t) dx dt + ρ ce θ0 ϕ(0) dx
0 Ω Ω

für alle ϕ ∈ Vθ mit ϕ ∈ Hθ und ϕ(T ) = 0.

Bemerkung 4.1.3: Die zusätzliche Bedingung u′ ∈ Vu ist notwendig, um den Diver-


genzterm in Gleichung (4.1.31) zu rechtfertigen. Im allgemeinen Fall besitzt die schwache
Lösung unter den gegebenen Voraussetzungen nicht diese Regularität.

Im Weiteren definieren wir für fast alle t ∈]0, T [:


Z Z
(4.1.32) hAu u(t), ϕiVu∗ Vu := 2 µ ε(u(t)) : ε(ϕ) dx + λ div(u(t)) div(ϕ) dx
Z Ω Ω

(4.1.33) hg(t), ϕiVu∗ Vu := f (t) ϕ dx


ZΩ Z
(4.1.34) hAθ θ(t), ϕiVθ∗ Vθ := κ(θ(t)) ∇θ(t) ∇ϕ dx + δ θ(t) ϕ dσ.
Ω ∂Ω
Z Z
(4.1.35) hk(t), ϕiVθ∗ Vθ := r(t) ϕ dx + δ θΓ (t) ϕ dσ
Ω ∂Ω

4.2 Eigenschaften der Operatoren Au und Aθ


Zur Vollständigkeit zitieren wir die beiden folgenden Lammata, deren Beweise sich im
Kapitel 3.1.3 wiederfinden lassen.

Lemma 4.2.1: Seien f ∈ Hu , b = 0. Dann ist die gemäß (4.1.33) Abbildung g(t) :
Vu → R für fast alle t ∈ [0, T ] ein lineares, stetiges Funktional.
66 Kapitel 4. Lineare Thermoelastizitätstheorie

Lemma 4.2.2: Seien (3.1.11) - (3.1.15) gegeben. Der gemäß (4.1.32) definierte Opera-
tor Au : Vu → Vu∗ ist linear, symmetrisch, koerziv und stetig.

Lemma 4.2.3: Seien r ∈ Hθ , θΓ ∈ Kθ . Dann ist die gemäß (4.1.35) definierte Abbildung
k(t) : Vθ → R für fast alle t ∈ [0, T ] ein lineares, stetiges Funktional.

Beweis. (1) Die Linearität folgt unmittelbar aus der Linearität des Integrals.

(2) Die Stetigkeit ist äquivalent zur Beschränktheit. Es gilt für fast alle t ∈]0, T [:
Z Z

|k(ϕ)| = r(t) ϕ dx +
δ θΓ (t) ϕ dσ
Ω ∂Ω
≤ kr(t) ϕkL1(Ω) + kδ θΓ (t) ϕkL1 (∂Ω)
≤ kr(t)kLq (Ω) kϕkLp (Ω) + kδkL∞ (∂Ω) k θΓ (t)kLq̃ (∂Ω) kϕkLp̃ (∂Ω)
mit p, q sowie p̃, q̃ konjugierte Exponenten (Höldersche Ungleichung)
≤ cE kr(t)kHθ kϕkVθ + kδkL∞ (∂Ω) kθΓ (t)kLq̃ (∂Ω) kϕkLp̃ (∂Ω)
(Einbettungssatz)
≤ cE kr(t)kHθ kϕkVθ + cS kθΓ kKθ kϕkVθ
(Spursatz)

Damit folgt insgesamt:

kkkVθ∗ ≤ cE kr(t)kHθ + cS kθΓ (t)kKθ

wobei cE , cS positive Konstanten.

Lemma 4.2.4: Seien (3.1.11) - (3.1.13) sowie (4.1.28) und (4.1.29) gegeben. Der gemäß
(4.1.34) definierte Operator Aθ : Vθ → Vθ∗ ist linear, symmetrisch, koerziv und stetig.

Beweis. (1) Die Linearität des Operators Aθ folgt aufgrund der Linearität des Integrals
und des Gradienten.

(2) Die Symmetrie des Operators Aθ folgt aufgrund der Kommutativität der Multipli-
kation.

(3) Nach Definition folgt:


Z Z
2
hAθ θ(t), θ(t)iVθ∗ Vθ = κ(x) |∇θ(t)| dx + δ |θ|2 dσ
ΩZ Z∂Ω
≥ κ0 |∇θ(t)|2 dx + δ0 |θ(t)|2 dσ
Ω ∂Ω
≥ c kθ(t)k2Vθ (Normäquivalenz)

(4) Nach Definition folgt:


Z Z

hAθ θ(t), ϕiV ∗ V = κ(x) ∇θ(t) ∇ϕ dx + δ θ(t) ϕ dσ
θ θ
Ω ∂Ω
linearen Thermoelastizität 67

Z Z
≤ κ(x) |∇θ(t)| |∇ϕ| dx + δ |θ(t)| |ϕ| dσ
Ω ∂Ω
≤ kκkL∞ (Ω) k∇θ(t)kHθ k∇ϕkHθ + kδkL∞ (∂Ω) kθ(t)kL2 (∂Ω) kϕkL2 (∂Ω)
(Höldersche Ungleichung)
≤ kκkL∞ (Ω) k∇θ(t)kHθ k∇ϕkHθ + cS kδkL∞ (∂Ω) kθ(t)kVθ kϕkVθ
(Spursatz)
≤ cN kκkL∞ (Ω) kθ(t)kVθ kϕkVθ + cS kδkL∞ (∂Ω) kθ(t)kVθ kϕkVθ
(Normäquivalenz)
≤ c kθ(t)kVθ kϕkVθ

wobei c := max{cN kκkL∞ (Ω) , cS kδkL∞ (∂Ω) } sowie cN , cS positive Konstanten.

4.3 Existenz- und Eindeutigkeitssatz für die Aufgabe der


klassischen linearen Thermoelastizität
Im Prinzip unterscheidet man bei allgemeinen Existenzresultaten für Evolutionsgleichun-
gen nicht zwischen Gleichungen und Systemen von Gleichungen, da kartesische Produkte
von Banachräumen (Funktionenräume) ebenfalls Banachräume sind. Insbesondere bei
der Untersuchung von Systemen von gleichartigen partiellen Differentialgleichungen ist
es bequem, dieses System als eine abstrakte Gleichung mit den Standardmethoden zu
untersuchen, besonders dann, wenn eine abstrakte Gleichung entsteht, auf die Existenz-
resultate anwendbar sind. Probleme treten meist auf, wenn die einzelnen Gleichungen
unterschiedlichen Typs sind. Derartige Systeme lassen sich simultan mit dem Galerkin-
Verfahren behandeln.

Im Folgenden soll der Beweis der Existenz einer Lösung mithilfe des simultanen Galerkin-
Verfahren durchgeführt werden, d.h. es werden beide Gleichungen simultan mit dem
Galerkin-Verfahren behandelt. Nach den nötigen apriori-Abschätzungen werden die schwa-
chen Grenzübergänge vollzogen.

4.3.1 Gemischte Randbedingungen


Im Unterschied zur instationären Aufgabe der linearen Elastizitätstheorie wird im Fol-
genden aufgrund der Kopplungsterme in der Bewegungs- und der Wärmeleitungsglei-
chung eine höhere Regularität der Lösung benötigt.
Eine Möglichkeit die nötige Regularität nachzuweisen, besteht darin, die Galerkin-Glei-
chungen nach der Zeit zu differenzieren und so zusätzliche apriori-Abschätzungen zu
gewinnen. Somit erhält man eine bessere Regularität von u und die zusätzliche Voraus-
setzung u′ ∈ Vu ist nicht nötig.
Der Nachteil dieser Methode ist allerdings, dass höhere Regularitätsforderungen an die
rechten Seiten f und r, die Funktion θΓ sowie die Anfangsbedingungen u0 und θ0 gestellt
werden müssen:

(4.3.1) f ∈ W 1,2 (0, T ; Hu ) , r ∈ W 1,2 (0, T ; Hθ ) , θΓ ∈ W 1,2 (0, T ; Kθ )


68 Kapitel 4. Lineare Thermoelastizitätstheorie

(4.3.2) u0 ∈ {u ∈ [W 2,2 (Ω)]3 : u = 0 auf Γ0 } , u1 ∈ Vu , u2 ∈ Hu , θ1 ∈ R+ ,

wobei u′′ (x, 0) = u2 (0) und θ′ (x, 0) = θ1 (0) in Ω.


Ferner müssen die Materialparameter zeit- bzw. temperaturunabhängig sein, da sonst
aufgrund von partiellen Ableitungen störende Produkte entstehen, für die keine hinrei-
chenden apriori-Abschätzungen herzuleiten sind. Zusätzlich muss die Referenztempera-
tur θ0 konstant sein. Ansonsten ist es nicht möglich, die kritischen Kopplungsterme zu
neutralisieren.
Bei entsprechenden Voraussetzungen an f , r, θΓ , u0 , u1 und θ0 lässt sich mit analogem
Trick die Regularität der Lösung bzgl. t weiter erhöhen.

Satz 4.3.1 (Existenz- und Eindeutigkeitssatz für die Aufgabe der klassischen linearen
Thermoelastizität): Unter den Voraussetzungen (3.1.11) - (3.1.15), (4.1.19) - (4.1.22),
(4.1.25) - (4.1.29) sowie (4.3.1) und (4.3.2) besitzt die Aufgabe (4.1.1) - (4.1.7) genau
eine schwache Lösung (u, θ) ∈ Vu × Vθ , d.h. es gelten: (4.1.30) für alle v ∈ Vu mit
v ′ ∈ Hu und v(T ) = 0 sowie u(0) = u0 , (4.1.31) für alle ϕ ∈ Vθ mit ϕ′ ∈ Hθ und
ϕ(T ) = 0.
Weiter gelten

u ∈ L∞ (0, T ; Vu ) , u′ ∈ L∞ (0, T ; Vu ) , u′′ ∈ L∞ (0, T ; Hu) sowie


θ′ ∈ Vθ , θ′ ∈ L∞ (0, T ; Hθ ).

Außerdem gilt die Energiegleichung

(4.3.3)Z Z Z
ρθ0 ′ 2
|u (t)| dx + θ0 µ(x) ε(u(t)) : ε(u(t)) dx + θ0 λ(x) div(u(t)) div(u(t)) dx+
2 Ω
Z Z Ω Z Ω
ρ ce
|θ(t)|2 dx + κ(x) |∇θ(t)|2 dx + δ(x) (θ(t) − θΓ (t)) θ(t) dσ+
2 Ω Ω ∂Ω
Z tZ Z
2 ′ ρ θ0
+ 3 K(x) α(x) θ0 div(u (τ )) dx dτ = |u1(x)|2 dx+
0Z Ω 2 Ω
Z
+ θ0 µ(x) ε(u0(x)) : ε(u0(x)) dx + θ0 λ(x) div(u0 (x)) div(u0 (x)) dx+
Ω Ω
Z Z tZ Z tZ
ρ ce 2 ′
+ |θ0 | dx + θ0 f (x, τ ) u (τ ) dx dτ + r(x, τ ) θ(τ ) dx dτ
2 Ω 0 Ω 0 Ω

für alle t ∈ [0, T ].

Beweis. (1) Existenz der Galerkin-Lösungen


Es seien (wuj )j∈N und (wθj )j∈N Galerkin-Basen in Vu bzw. Vθ sowie (Vum )m∈N mit
Vum := span{wu1 , . . . , wum } und (Vθn )n∈N mit Vθn := span{wθ1 , . . . , wθn } die zu-
gehörigen Galerkin-Schemata. Weiter seien (u0m )m∈N und (u1m )m∈N Folgen in Vu
mit den Eigenschaften:

(4.3.4) ∀ m ∈ N : u0m , u1m ∈ Vum


(4.3.5) u0m → u0 in Vu für m → ∞
(4.3.6) u1m → u1 in Hu für m → ∞
linearen Thermoelastizität 69

sowie (θ0n )n∈N eine Folge in Vθ mit den Eigenschaften:


(4.3.7) ∀ n ∈ N : θ0n ∈ Vθn
(4.3.8) θ0n → θ0 in Vθ für n → ∞
Wir suchen Galerkin-Lösungen um : [0, T ] → Vum und θn : [0, T ] → Vθn der Form
m
X
(4.3.9) um (t) = γumj (t) wuj bzw.
j=1
n
X
(4.3.10) θn (t) = γθnj (t) wθj
j=1

als Lösung der Galerkin-Gleichungen


(4.3.11)
(ρ u′′m (t), wuj )Hum + hAu um (t), wuj iVum
∗ V
um − (3 K α (θn (t) − θ0 ), div(wuj ))Hum =

= (f (t), wuj )Hum , j = 1, . . . , m


(4.3.12)
(ρ ce θn′ (t), wθi )Hθn + hAθ θn (t), wθi iVθn
∗ V
θn
+ (3 K αθ0 div(u′m (t)), wθi)Hθn =
= (r(t), wθi)Hθn + (δ θΓ (t), wθj )Kθn , i = 1, . . . , n
sowie den Anfangsbedingungen
(4.3.13) um (0) = u0m
(4.3.14) u′m (0) = u1m
(4.3.15) θn (0) = θ0n
Wegen der Invertierbarkeit der Gramschen Matrizen Gum := ((wui, wuj )Hum )i,j=1,...,m
und Gθn := ((wθi, wθj )Hθn )i,j=1,...,n erhalten wir nach Einsetzen der Basisdarstel-
lung (4.3.9) in (4.3.11), (4.3.13) und (4.3.14) sowie (4.3.10) in (4.3.12) und (4.3.15)
eine Anfangswertaufgabe für ein lineares System von gewöhnlichen Differentialglei-
chungen zweiter Ordnung. Aufgrund der getroffenen Voraussetzungen ist auf diese
Aufgabe der Satz von Carathéodory anwendbar (vergleiche den Beweis des Sat-
zes 3.2.18) es existiert genau eine absolut-stetige, fast überall im klassischen Sinne
differenzierbare Lösung (um , θn ) ∈ AC 1 ([0, T ]; Vum ) × AC([0, T ]; Vθn ).
(2) Apriori-Abschätzungen

Die Multiplikation der Gleichung (4.3.11) mit γumj (t) und die Summation über j
von 1 bis m ergibt:
(4.3.16)
(ρu′′m (t), u′m (t))Hu + hAu um (t), u′m (t)iVu∗ Vu − (3Kα(θn (t) − θ0 ), div(u′m (t)))Hu
= (f (t), u′m (t))Hu
Analog liefert die Multiplikation der Gleichung (4.3.12) mit γθni (t) und die Sum-
mation über i von 1 bis n:
(4.3.17)
(ρce θn′ (t), θn (t))Hθ + hAθ θn (t), θn (t)iVθ∗ Vθ + (3Kαθ0 div(u′m (t)), θn (t))Hθ
= (r(t), θn (t))Hθ + (δ θΓ (t), θn (t))Kθ
70 Kapitel 4. Lineare Thermoelastizitätstheorie

Die Multiplikation der Gleichung (4.3.16) mit θ0 und die Addition der Gleichungen
(4.3.16) und (4.3.17) liefert unter Beachtung der folgenden Beziehung
Z
− 3 K α θ0 (θn (t) − θ0 ) div(u′m (t)) dx =
(4.3.18) ZΩ Z
= − 3 K α θ0 θn (t) div(um (t)) dx + 3 K α θ02 div(u′m (t)) dx

Ω Ω

die folgende Gleichung:


Z
θ0 ρ (u′′m (t), u′m(t))Hu + θ0 hAu um (t), u′m (t)iVu∗ Vu +3 K α θ02 div(u′m (t)) dx +

+ ρ ce (θn′ (t), θn (t))Hθ + hAθ θn (t), θn (t)iVθ∗ Vθ = θ0 (f (t), u′m (t))Hu +
+ (r(t), θn (t))Hθ + (δ θΓ (t), θn (t))Kθ

Wir bemerken, dass sich aufgrund dieser Vorgehensweise die kritischen Kopplungs-
terme aus beiden Gleichungen aufheben.
Da Au symmetrisch und von t unabhängig ist, folgt:
Z
θ0 ρ d ′ 2 θ0 d
kum (t)kHu + hAu um (t), um (t)iVu∗ Vu + 3 K α θ02 div(u′m (t)) dx +
2 dt 2 dt Ω
ρ ce d
+ kθn (t)k2Hθ + hAθ θn (t), θn (t)iVθ∗ Vθ = θ0 (f (t), u′m (t))Hu +
2 dt
+ (r(t), θn (t))Hθ + (δ θΓ (t), θn (t))Kθ

für fast alle t ∈]0, T [. Die Integration der Gleichung von 0 bis t mit 0 < t ≤ T
liefert:
θ0 ρ ′ 2 θ0 ρ ce
kum (t)kHu + hAu um (t), um (t)iVu∗ Vu + kθn (t)k2Hθ +
2Z Z 2 Z 2
t t
+3 K α θ02 div(u′m (τ )) dx dτ + hAθ θn (τ ), θn (τ )iVθ∗ Vθ dτ =
0 Ω 0
θ0 ρ θ0 ρce
= ku1m k2Hu + hAu u0m , u0m iVu∗ Vu + kθ0n k2Hθ +
2 Z 2 Z t 2 Z t
t

+θ0 (f (τ ), um (τ ))Hu dτ + (r(τ ), θn (τ ))Hθ dτ + (δ θΓ (τ ), θn (τ ))Kθ dτ
0 0 0

für fast alle t ∈]0, T [.


Es gelten die folgenden Abschätzungen:

• Aufgrund der Koerzivität von Au ergibt sich:

hAu um (t), um (t)iVu∗ Vu ≥ c1 kum (t)k2Vu

• Aus der Stetigkeit von Au folgt:

hAu u0m , u0m iVu∗ Vu ≤ c2 ku0m k2Vu

• Wegen der Konvergenz ist weiter:

ku0m kVu ≤ ku0 kVu , ku1m kHu ≤ ku1 kHu , kθ0n kHθ ≤ kθ0 kHθ
linearen Thermoelastizität 71

• Die Koerzivität von Aθ liefert:


Z t Z t
hAθ θn (τ ), θn (τ )iVθ∗ Vθ dτ ≥ c3 kθn (τ )k2Vθ dτ
0 0

• Mithilfe der Hölderschen und der Youngschen Ungleichung folgt:


Z t Z Z
′ θ0 t 2 θ0 t ′ 2
θ0 (f (τ ), um (τ ))Hu dτ ≤ kf (τ )kHu dτ + kum (τ )kHu dτ
0 2 0 2 0

• Analog ergibt sich:


Z t Z Z
1 t 2 1 t
(r(τ ), θn (τ ))Hθ dτ ≤ kr(τ )kHθ dτ + kθn (τ )k2Hθ dτ
0 2 0 2 0

• Mithilfe der Hölderschen und der Youngschen Ungleichung sowie unter An-
wendung des Spursatzes folgt:
c̃25 kδk2L∞ (∂Ω) t
Z t Z Z t
2
(δ θΓ (τ ), θn (τ ))Kθ dτ ≤ kθΓ (τ )kKθ dτ + ε1 kθn (τ )k2Vθ dτ
0 4 ε1
| {z } 0 0
=: c5

Die Formel der partiellen Integration (bzgl. der Zeit) sowie Standardabschätzun-
gen liefern:
Z tZ
3 K α θ02 div(u′m (τ )) dx dτ =
Z0 Ω
= 3 K α θ02 div(um (t) − u0m ) dx

9 kKk2L∞ (Ω) kαk2L∞ (Ω) θ04
Z
≤ | meas(Ω)| +ε2 (div(um (t) − u0m ))2 dx
4 ε2 Ω
| {z }
=: c6

≤ c6 + ε2 kum (t) − u0m k2Vu


≤ c6 + ε2 kum (t)k2Vu + ε2 ku0m k2Vu

Damit folgt insgesamt:


θ0 ρ ′ 2 θ0 ρ ce
kum (t)kHu + (c1 − ε2 ) kum (t)k2Vu + kθn (t)k2Hθ +
2 Z t 2 2
θ0 ρ θ0
+ (c3 − ε1 ) kθn (τ )k2Vθ dτ ≤ ku1m k2Hu + (c2 + ε2 ) ku0m k2Vu +
0 2 2
Z t Z t
ρ ce θ0 2 1
+ kθ0n k2Hθ + ku′m (τ )kHu dτ + kθn (τ )k2Hθ dτ +
2 2 0 2 0
Z Z Z t
θ0 t 2 1 t 2
+ kf (τ )kHu dτ + kr(τ )kHθ dτ + c5 kθΓ (τ )k2Kθ dτ + c6
2 0 2 0 0

für fast alle t ∈ ]0, T [. Es folgt mithilfe der Anwendung des Gronwallschen Lemmas
die folgende Abschätzung:
2
ku′m kL∞ (0,T ;Hu ) + kum k2L∞ (0,T ;Vu ) + kθn k2L∞ (0,T ;Hθ ) + kθn k2L2 (0,T ;Vθ ) ≤ const.
72 Kapitel 4. Lineare Thermoelastizitätstheorie

Diese Abschätzung ist für den Grenzübergang nicht ausreichend, da u′m ∈ L∞ (0, T ; Vu )
(u′m ∈ L2 (0, T ; Vu)) für den Grenzübergang im Divergenzterm der Wärmeleitungs-
gleichung benötigt wird.
Daher Differenzieren wir die Galerkin-Gleichungen nach der Zeit. Das Differenzie-
ren der Galerkin-Gleichungen ist dadurch gerechtfertigt, da die eindeutige Lösung
(u′m , θn ) des gewöhnlichen linearen Differentialgleichungenssystems zweiter Ord-
nung nach dem Satz von Carathéodory absolut-stetig und somit im verallgemei-
nerten Sinne differenzierbar auf [0, T ] ist. Unter den gegebenden Voraussetzungen
ist damit die rechte Seite des Differentialgleichungssystems im verallgemeinerten
Sinne auf [0, T ] differenzierbar. Somit muss also auch die Zeitableitung der Lösung
im verallgemeinerten Sinne auf [0, T ] differenzierbar sein.

Es seien (u1m )m∈N und (u2m )m∈N Folgen in Vu mit den Eigenschaften:

(4.3.19) ∀ m ∈ N : u1m , u2m ∈ Vum


(4.3.20) u1m → u1 in Vu
(4.3.21) u2m → u2 in Hu

sowie (θ1n )n∈N eine Folge in Vθ mit den Eigenschaften:

(4.3.22) ∀ n ∈ N : θ1n ∈ Vθn


(4.3.23) θ1n → θ1 in Vθ

Jetzt differenzieren wir die Gleichung (4.3.11) nach t, multiplizieren die Gleichung
′′
mit γumj (t) und summieren über j von 1 bis m:

(4.3.24)
(ρ u′′′ ′′ ′ ′′ ′ ′′
m (t), um (t))Hu + hAu um (t), um (t)iVu∗ Vu − (3 K α θn (t), div(um (t)))Hu
= (f ′ (t), u′′m (t))Hu

Analog liefert die Differentiation der Gleichung (4.3.12) nach t, Multiplikation der

Gleichung mit γθni (t) und die Summation über i von 1 bis n:

(4.3.25)
(ρ ce θn′′ (t), θn′ (t))Hθ + hAθ θn′ (t), θn′ (t)iVθ∗ Vθ + (3 K αθ0 div(u′′m (t)), θn′ (t))Hθ
= (r ′ (t), θn′ (t))Hθ + (δ θΓ′ (t), θn′ (t))Kθ

Die Multiplikation der Gleichung (4.3.24) mit θ0 und die Addition der Gleichungen
(4.3.24) und (4.3.25) liefert unter Beachtung der folgenden Beziehung die folgende
Gleichung:

θ0 ρ (u′′′ ′′ ′ ′′ ′′ ′
m (t), um (t))Hu + θ0 hAu um (t), um (t)iVu∗ Vu + ρ ce (θn (t), θn (t))Hθ +
+ hAθ θn′ (t), θn′ (t)iVθ∗ Vθ = θ0 (f ′ (t), u′′m (t))Hu + (r ′ (t), θn′ (t))Hθ + (δ θΓ′ (t), θn′ (t))Kθ

Wir bemerken, dass sich aufgrund dieser Vorgehensweise die kritischen Kopplungs-
terme aus beiden Gleichungen komplett aufheben. Es folgt:
θ0 ρ d 2 θ0 d ρ ce d ′ 2
ku′′m (t)kHu + hAu u′m (t), u′m (t)iVu∗ Vu + kθ (t)kHθ +
2 dt 2 dt 2 dt n
linearen Thermoelastizität 73

+ hAθ θn′ (t), θn′ (t)iVθ∗ Vθ = θ0 (f ′ (t), u′′m (t))Hu + (r ′ (t), θn′ (t))Hθ + (δ θΓ′ (t), θn′ (t))Kθ

für fast alle t ∈ ]0, T [. Die Integration der Gleichung von 0 bis t mit 0 < t ≤ T
liefert:
θ0 ρ ′′ 2 θ0 ρ ce ′ 2
kum (t)kHu + hAu u′m (t), u′m (t)iVu∗ Vu + kθn (t)kHθ +
Z 2t 2 2
θ0 ρ θ0
+ hAθ θn′ (τ ), θn′ (τ )iVθ∗ Vθ dτ = ku2m k2Hu + hAu u1m , u1m iVu∗ Vu +
0 2 2
Z t Z t
ρ ce
+ kθ1n k2Hθ + +θ0 (f ′ (τ ), u′′m (τ ))Hu dτ + (r ′(τ ), θn′ (τ ))Hθ dτ +
2 0 0
Z t
+ (δ θΓ′ (τ ), θn′ (τ ))Kθ dτ
0

für fast alle t ∈ ]0, T [. Es gelten die folgenden Abschätzungen:

• Aufgrund der Koerzivität von Au ergibt sich:


2
hAu u′m (t), u′m(t)iVu∗ Vu ≥ c1 ku′m (t)kVu

• Wegen der Stetigkeit von Au gilt:

hAu u1m , u1m iVu∗ Vu ≤ c2 ku1m k2Vu

• Weiter folgt aufgrund der schwachen Konvergenz:

ku1m kVu ≤ ku1 kVu , ku2m kHu ≤ ku2 kHu , kθ1n kHθ ≤ kθ1 kHθ

• Die Koerzivität von Aθ ergibt:


Z t Z t
2
hAθ θn′ (τ ), θn′ (τ )iVθ∗ Vθ dτ ≥ c3 kθn′ (τ )kVθ dτ
0 0

• Mithilfe der Hölderschen sowie der Youngschen Ungleichung folgt:


Z t Z t Z t
′ θ0 2 θ0 2
θ0 (f (τ ), u′′m (τ ))Hu dτ ≤ kf ′
(τ )kHu dτ + ku′′m (τ )kHu dτ
0 2 0 2 0

• Analog ergibt sich:


Z t Z t Z t
′ 1 2 1 2
(r (τ ), θn′ (τ ))Hθ dτ ≤ kr ′
(τ )kHθ dτ + kθn′ (τ )kHθ dτ
0 2 0 2 0

• Die Standardabschätzungen liefern unter Verwendung des Spursatzes:

c2 kδk2L∞ (∂Ω)
Z t Z t Z t
2 2
(δ θΓ′ (τ ), θn′ (τ ))Kθ dτ ≤ kθΓ′ (τ )kKθ dτ + ε kθn′ (τ )kVθ dτ
0 | 4{zε } 0 0
=: c4
74 Kapitel 4. Lineare Thermoelastizitätstheorie

Damit folgt insgesamt:


Z t
θ0 ρ ′′ 2 θ0 ′ 2 ρ ce ′ 2 2
kum (t)kHu + c1 kum (t)kVu + kθn (t)kHθ + (c3 − ε) kθn′ (τ )kVθ dτ ≤
2 2 2 0
Z t
θ0 ρ θ0 ρ ce θ0 2
≤ ku2m k2Hu + c2 ku1m k2Vu + kθ1n k2Hθ + kf ′ (τ )kHu dτ +
2 2 2 2 0
Z t Z t Z
θ0 ′′ 2 1 ′ 2 1 t ′ 2
+ kum (τ )kHu dτ + kr (τ )kHθ dτ + kθn (τ )kHθ dτ +
2 0 2 0 2 0
Z t
2
+c4 kθΓ′ (τ )kKθ dτ
0

für fast alle t ∈ ]0, T [. Mit dem Lemma von Gronwall ergibt sich die folgende
Abschätzung:
2 2 2 2
ku′′m kL∞ (0,T ;Hu ) + ku′m kL∞ (0,T ;Vu ) + kθn′ kL∞ (0,T ;Hθ ) + kθn′ kL2 (0,T ;Vθ ) ≤ const.
Diese Abschätzungen sind für den Grenzübergang ausreichend.
(3) Grenzübergang für n → ∞
Nach dem Satz von Banach-Alaoglu liefern die obigen Abschätzungen die Existenz
einer Teilfolge von (um )m∈N sowie die Existenz einer Teilfolge von (θn )n∈N - diese
Teilfolgen seien ebenfalls mit (um )m∈N bzw. mit (θn )n∈N bezeichnet - mit

(4.3.26) um ⇀ u in L∞ (0, T ; Vu) und

(4.3.27) u′m ⇀ u′ in L∞ (0, T ; Vu) sowie

(4.3.28) θn ⇀ θ in L∞ (0, T ; Hθ ).
(Es kann nur u′ schwach*-Grenzwert von (u′m )m∈N sein - vergleiche den Beweis des
Satzes 3.2.18) Seien ϕu , ϕθ ∈ C 1 ([0, T ]) mit ϕu (T ) = 0 bzw. ϕθ (T ) = 0 beliebige
Funktionen. Die Multiplikation der Gleichung (4.3.11) mit der Funktion ϕu und
die Multiplikation der Gleichung (4.3.12) mit der Funktion ϕθ sowie die Integration
über ]0, T [ liefert für k ∈ N:
Z T Z T
′′
(ρ um (t), ϕu (t)wuk )Hu dt + hAu um (t), ϕu (t)wuk iVu∗ Vu dt +
0 0
Z T Z T
− 3 (K α (θn (t) − θ0 ), div(ϕu (t)wuk ))Hu dt = (f (t), ϕu (t)wuk )Hu dt
0 0

Z T Z T
(ρ ce θn′ (t), ϕθ (t)wθk )Hθ
hAθ θn (t), ϕθ (t)wθk iVθ∗ Vθ dt +
dt +
0 0
Z T Z T

+ 3 (K α θ0 div(um (t)), ϕθ (t)wθk )Hθ dt = (r(t), ϕθ (t)wθk )Hθ dt +
0 0
Z T
+ (δ θΓ (t), ϕθ (t)wθk )Kθ dt
0

Partielle Integration im ersten Term liefert:


Z T
− (ρ u′m (t), ϕ′u (t)wuk )Hu dt − (ρ u′m(0), ϕu (0)wuk )Hu +
0
linearen Thermoelastizität 75

Z T Z T
+ hAu um (t), ϕu (t)wuk iVu∗ Vu dt − 3 (K α (θn (t) − θ0 ), div(ϕu (t)wuk ))Hu dt =
0 0
Z T
= (f (t), ϕu (t)wuk )Hu dt , k ∈ N
0

Z T
− (ρ ce θn (t), ϕ′θ (t)wθk )Hθ dt − (ρ ce θn (0), ϕθ (0)wθk )Hθ +
0
Z T Z T
+ hAθ θn (t), ϕθ (t)wθk iVθ Vθ dt + 3
∗ (K α θ0 div(u′m (t)), ϕθ (t)wθk )Hθ dt =
0 0
Z T Z T
= (r(t), ϕθ (t)wθk )Hθ dt + (δ θΓ (t), ϕθ (t)wθk )Kθ dt , k ∈ N
0 0

Wegen der schwach*-Konvergenz - man beachte die Linearität und Stetigkeit von
Au und Aθ - ist der Grenzübergang für n, m → ∞ korrekt und liefert:
Z T
− (ρ u′ (t), ϕ′u (t)wuk )Hu dt − (ρ u1 , ϕu (0)wuk )Hu +
0
Z T Z T
+ hAu u(t), ϕu (t)wuk iVu∗ Vu dt − 3 (K α (θ(t) − θ0 ), div(ϕu (t)wuk ))Hu dt =
0 0
Z T
= (f (t), ϕu (t)wuk )Hu dt , k ∈ N
0

Z T
− (ρ ce θ(t), ϕ′θ (t)wθk )Hθ dt − (ρ ce θ(0), ϕθ (0)wθk )Hθ +
0
Z T Z T
+ hAθ θ(t), ϕθ (t)wθk iVθ Vθ dt + 3
∗ (K α θ0 div(u′ (t)), ϕθ (t)wθk )Hθ dt =
0 0
Z T Z T
= (r(t), ϕθ (t)wθk )Hθ dt + (δ θΓ (t), ϕθ (t)wθk )Kθ dt , k ∈ N
0 0

Die lineare Hülle der Funktion wuk (k ∈ N) ist dicht in Vu und die lineare Hülle der
Funktionen wθk (k ∈ N) ist dicht in Vθ . Damit ist die lineare Hülle der Funktionen
ϕu wuk (k ∈ N) dicht in Vu und die lineare Hülle der Funktionen ϕθ wθk (k ∈ N) ist
dicht in Vθ Somit sind die Funktionen v(t) := ϕu wuk (k ∈ N) und w(t) := ϕθ wθk
(k ∈ N) zulässige Testfunktionen. Es gilt:
Z T Z T
′′
hAu u(t), v(t)iVu∗ Vu dt +
(ρ u (t), v(t))Hu dt +
0 0
Z T Z T
− 3 (K α (θ(t) − θ0 ), div(v(t)))Hu dt = (f (t), v(t))Hu dt
0 0

Z T Z T

hAθ θ(t), w(t)iVθ∗ Vθ dt +
(ρ ce θ (t), w(t))Hθ dt +
0 0
Z T Z T Z T

+ 3 (K α θ0 div(u (t)), w(t))Hθ dt = (r(t), w(t))Hθ dt + (δ θΓ (t), w)Kθ dt
0 0 0
76 Kapitel 4. Lineare Thermoelastizitätstheorie

für alle v ∈ Vu , w ∈ Vθ .

Nun bleibt für die Existenz der Lösung nur noch zu zeigen: u(0) = u0 , u′ (0) = u1
und θ(0) = θ0 .
Es gelten die beiden Formeln der partiellen Integration:
Z T Z T

(um (t), ϕu (t)wuk )Hu dt = − (um (t), ϕ′u (t)wuk )Hu dt + (u0m , ϕu (0)wuk )Hu
0 0

für k = 1, . . . , m sowie
Z T Z T

(u (t), ϕu (t)wuk )Hu dt = − (u(t), ϕ′u (t)wuk )Hu dt + (u(0), ϕu(0)wuk )Hu
0 0

für k ∈ N. Der schwach*-Grenzübergang ist für m → ∞ zulässig und damit ergibt


sich:
m→∞
(u0m , ϕu (0)wuk )Hu −→ (u(0), ϕu (0)wuk )Hu ∀ k∈N

Mit dem Dichtheitsargument folgt u0m ⇀ u(0) für m → ∞ in Hu . Wegen u0m → u0


für m → ∞ in Vu folgt u(0) = u0.
Analog gelten die beiden Formeln der partiellen Integration:
Z T Z T
′′
(um (t), ϕu (t)wuk )Hu dt = − (u′m (t), ϕ′ (t)wuk )Hu dt + (u1m , ϕu (0)wuk )Hu
0 0

für k = 1, . . . , m sowie
Z T Z T
′′
(u (t), ϕu (t)wuk )Hu dt = − (u′(t), ϕ′u (t)wuk )Hu dt + (u′ (0), ϕu (0)wuk )Hu
0 0

für k ∈ N. Der schwach*-Grenzübergang ist für m → ∞ zulässig und damit ergibt


sich:
m→∞
(u1m , ϕu (0)wuk )Hu −→ (u′ (0), ϕu (0)wuk )Hu ∀ k∈N

Mit dem Dichtheitsargument folgt u1m ⇀ u′ (0) für m → ∞ in Hu . Wegen u1m → u1


für m → ∞ in Vu folgt u′ (0) = u1 .
Es gelten die beiden Formeln der partiellen Integration:
Z T Z T

(θn (t), ϕθ (t)wθk )Hθ dt = − (θn (t), ϕ′θ (t)wθk )Hθ dt + (θ0n , ϕθ (0)wθk )Hθ
0 0

für k = 1, . . . , m sowie
Z T Z T

(θ (t), ϕθ (t)wθk )Hθ dt = − (θ(t), ϕ′θ (t)wθk )Hθ dt + (θ(0), ϕθ (0)wθk )Hθ
0 0

für k ∈ N. Der schwach*-Grenzübergang ist für n → ∞ zulässig und damit ergibt


sich:
n→∞
(θ0n , ϕθ (0)wθk )Hθ −→ (θ(0), ϕθ (0)wθk )Hθ ∀ k∈N
linearen Thermoelastizität 77

Mit dem Dichtheitsargument folgt θ0n ⇀ θ(0) für n → ∞ in Hθ . Wegen θ0n → θ0


für n → ∞ in Vθ folgt θ(0) = θ0 .
Somit ist (u, θ) schwache Lösung des Originalproblems mit den angegebenen Ei-
genschaften.
Wegen der schwachen Unterhalbstetigkeit der Normen gilt zudem die Beschränkt-
heit der Lösung in den entsprechenden Räumen.

(4) Eindeutigkeit der Lösung


Seien u1 und u2 bzw. θ1 und θ2 Lösungen des Originalproblems. Wegen der Linea-
rität gelten dann für u := u1 − u2 : u(0) = 0 und u′ (0) = 0 sowie
Z T Z T
′′
hρ u (t), v(t)iVu∗ Vu dt + hAu u(t), v(t)iVu∗ Vu dt =
0 0
(4.3.29) Z TZ
=3 K α v(t) div(u′(t)) dx dt
0 Ω

für alle v ∈ Vu . Analog gelten dann für θ := θ1 − θ2 : θ(0) = 0 sowie


Z T Z T

hce ρ θ (t), w(t)iV ∗ Vθ dt + hAθ θ(t), w(t)iV ∗ Vθ dt =
θ θ
0 0
(4.3.30) Z TZ
=−3 K θ0 α θ(t) div(w(t)) dx dt
0 Ω

für alle w ∈ Vθ .
Sei für 0 ≤ s ≤ T mit χs die charakteristische Funktion des Intervalls [0, s] be-
zeichnet, d.h. es gilt:

1 für 0 ≤ t ≤ s
χs = χ[0,s] =
0 für s < t ≤ T

Die Gleichung (4.3.29) wird mit χs u′ und die Gleichung (4.3.30) wird mit χs θ
getestet. Im Gegensatz zum Eindeutigkeitsbeweis des Satzes 3.2.18 ist an dieser
Stelle das Testen mit u′ erlaubt, da die Lösung u aufgrund des Differenzierens der
Galerkin-Gleichungen eine bessere Regularität besitzt.
Die Multiplikation der Gleichung (4.3.29) mit θ0 und die Addition der Gleichungen
(4.3.29) und (4.3.30) für fixiertes s ∈ [0, T ] liefert:
Z s Z s
′′ ′
θ0 hρ u (t), u (t)iVu∗ Vu dt + θ0 hAu u(t), u′ (t)iVu∗ Vu dt +
Z0 s Z s0
+ hce ρ θ′ (t), θ(t)iV ∗ Vθ dt + hAθ θ(t), θ(t)iV ∗ Vθ dt = 0
θ θ
0 0

Partielle Integration liefert:


Z s Z s
′′ ′ θ0 ρ d ′
θ0 hρ u (t), u (t)iVu∗ Vu dt = ku (t)k2Hu dt
0 0 2 dt
θ0 ρ  ′ 
= ku (s)k2Hu − ku′(0)k2Hu ≥ 0
2 | {z }
=0
78 Kapitel 4. Lineare Thermoelastizitätstheorie

sowie
Z s Z s
′ ρ ce d
hρ ce θ (t), θiV ∗ Vθ dt = kθ(t)k2Hθ dt
0
θ
0 2 dt
ρ ce  
= kθ(s)k2Hθ − kθ(0)k2Hθ ≥ 0
2 | {z }
=0

Ebenso folgt aufgrund der Symmetrie und der Koerzivität von Au :


Z s Z s
′ θ0 d
θ0 hAu u(t), u (t)iVu∗ Vu dt = hAu u(t), u(t)iVu∗ Vu dt
0 0 2 dt
θ0  
= hAu u(s), u(s)iVu∗ Vu − hAu u(0), u(0)iVu∗ Vu
2 | {z }
=0
θ0 c1
≥ ku(s)k2Vu ≥ 0 , c1 ≥ 0
2
Die Koerzivität von Aθ liefert:
Z s Z s
hAθ θ(t), θ(t)iV ∗ Vθ dt ≥ c2 kθ(t)k2Vθ dt ≥ 0 , c2 ≥ 0
θ
0 0

Somit folgt insgesamt:


Z s
θ0 ρ ′ ρ ce θ0 c1
ku (s)k2Hu + kθ(s)k2Hθ + ku(s)k2Vu ≤ −c2 kθ(t)k2Vθ dt ≤ 0
2 2 2 0

Damit folgt:
Z s
θ0 ρ ′ ρ ce θ0 c1
ku (s)k2Hu + kθ(s)k2Hθ + ku(s)k2Vu + c2 kθ(t)k2Vθ dt ≤ 0
2 2 2 0

Z s
ρ ce 2
=⇒ kθ(s)kHθ + kθ(t)k2Vθ dt ≤ 0
2 0
=⇒ kθ(s)k2Hθ ≤ 0
=⇒ kθ(s)kVθ = 0 für fast alle s ∈ ]0, T [
=⇒ θ = 0 fast überall auf ]0, T [

Für θ = 0 folgt nun unmittelbar


θ0 ρ ′ θ0 c1
ku (s)k2Hu + ku(s)k2Vu ≤ 0
2 2
=⇒ ku(s)kVu = 0 für fast alle s ∈ ]0, T [
=⇒ u = 0 fast überall auf ]0, T [

(5) Energieungleichung
Das Testen der Evolutionsgleichungen mit u′ bzw. mit θ, die Multiplikation der
Bewegungsgleichung mit θ0 und die Addition der beiden Gleichung liefert:
θ0 ρ ′ 2 θ0 ρ ce
ku (t)kHu + hAu u(t), u(t)iVu∗ Vu + kθ(t)k2Hθ +
2 2 2
linearen Thermoelastizität 79

Z tZ Z t
+3 K α θ02 ′
div(u (τ )) dx dτ + hAθ θ(τ ), θ(τ )iVθ∗ Vθ dτ =
0 Ω 0
θ0 ρ θ0 ρce
= ku1 k2Hu + hAu u0 , u0 iVu∗ Vu + kθ0 k2Hθ +
2 Z 2 Z 2 Z
t t t

+θ0 (f (τ ), u (τ ))Hu dτ + (r(τ ), θ(τ ))Hθ dτ + (δ θΓ (τ ), θ(τ ))Kθ dτ
0 0 0

Damit folgt die Behauptung für alle t ∈ [0, T ].

4.3.2 Vereinfachte Randbedingungen


In der Arbeit von [Gaw86] wird der Beweis der Existenz, der Eindeutigkeit und zusätzli-
cher Regularität schwacher Lösungen der Anfangswert-Randwert-Aufgabe für Gleichun-
gen der r-dimensionalen linearen Thermomikroelastizität, die ein homogenes, isotropes
Medium beschreiben, erbracht. Der Beweis der Existenz und Eindeutigkeit der schwa-
chen Lösung benutzt das Galerkin-Verfahren in geeigneten Sobolevräumen und setzt
Nullrandbedingungen sowie konstante Koeffizienten voraus.
Wir wollen im Folgenden auf einfachere Randbedingungen für unsere Aufgabe eingehen.
Anstatt der gemischten Randbedingung (4.1.5), (4.1.6) betrachten wir nun die homogene
Dirichletrandbedingung
(4.3.31) u(x, t) = 0 auf ∂Ω×]0, T [.
Aus physikalischer Betrachtungsweise ist diese Randbedingung nicht sinnvoll, da sie einen
Körper beschreibt, der von allen Seiten fest eingespannt ist - rein mathematisch betrach-
tet ist dieser Fall dennoch sehr interessant.
Aufgrund der Dirichlet(null)randbedingung (4.3.31) gilt auch u′ (x, t) = 0 auf ∂Ω×]0, T [
und es folgt mithilfe partieller Integration bezüglich des Ortes:
Z Z
3 K α θ0 div(u (τ ))ϕ(τ ) dx = −3 K α θ0 u′ (τ )∇ϕ(τ ) dx

Ω Ω
sowie
Z Z

−3 K α θ0 (θ(t) − θ0 ) div(u (t)) dx = 3 grad(K α θ0 θ(t)) u′ (t) dx.
Ω Ω

Gilt ferner
(4.3.32) K, α ∈ R+ ,
so stellt man fest, dass sich somit die kritischen Kopplungsterme komplett aufheben.
Dadurch entfällt die Notwendigkeit, die Galerkin-Gleichungen zu differenzieren und eine
höhere Regularität von den rechten Seiten f und r von der Funktion θΓ sowie von den
Anfangsbedingungen u0 und θ0 zu fordern. Im Gegensatz zum Satz 4.3.1 ist u′ ∈ Hu nun
für den Grenzübergang in den Kopplungstermen ausreichend. Eine bessere Regularität
wie im Fall allgemeiner Randbedingungen zuvor wird deshalb nicht benötigt, da durch
die partielle Integration bezüglich des Ortes im Kopplungsterm der Wärmeleitungsglei-
chung, u′ nicht mehr im Divergenzterm auftritt und somit keine Schwierigkeit für den
Grenzübergang darstellt.
Aufgrund dieser Tatsache können wir die schwache Form in einer leicht veränderten Form
definieren und formulieren folgendes Existenzresultat:
80 Kapitel 4. Lineare Thermoelastizitätstheorie

Satz 4.3.2 (Existenzsatz für die Aufgabe der linearen Thermoelastizität für einfache
Randbedingungen): Unter den Voraussetzungen (3.1.11) - (3.1.15), (4.1.19) - (4.1.25),
(4.3.32), (4.1.28) - (4.1.29) besitzt die Aufgabe (4.1.1) - (4.1.4), (4.3.31), (4.1.7) min-
destens eine schwache Lösung (u, θ) ∈ Vu × Vθ mit u ∈ L∞ (0, T ; Vu), u′ ∈ L∞ (0, T ; Hu )
und θ ∈ L∞ (0, T ; Hu ), d.h. es gelten:
Z T Z Z T Z
′ ′
− ρ u (t)v (t) dx dt + 2
µ(x) ε(u(t)) : ε(v(t)) dx dt +
0 Ω 0 Ω
Z TZ Z TZ
+ λ(x) div(u(t)) div(v(t)) dxdt + 3 K α ∇θ(t) v(t) dx dt =
0 Ω 0 Ω
Z TZ Z
= f (x, t) v(t) dx dt + ρ u1(x) v(0) dx
0 Ω Ω

für alle v ∈ Vu mit v ′ ∈ Hu und v(T ) = 0 sowie u(0) = u0 .


Z T Z Z T Z

− K α θ0 u′ (t) ∇ϕ(t) dx dt +
ρ ce θ(t)ϕ (t) dx dt − 3
0 Ω 0 Ω
Z TZ Z TZ
+ κ(x) ∇θ(t) ∇ϕ(t) dx dt + δ(x) (θ(t) − θΓ ) ϕ(t) dσ dt =
0 Ω 0 ∂Ω
Z TZ Z
= r(x, t) ϕ(t) dx dt + ρ ce θ0 (x)ϕ(0) dx
0 Ω Ω

für alle ϕ ∈ Vθ mit ϕ′ ∈ Hθ und ϕ(T ) = 0.


Außerdem gilt die Energiegleichung

(4.3.33)
Z Z Z
ρ ′ 2
|u (t)| dx + µ(x) ε(u(t)) : ε(u(t)) dx + λ(x) div(u(t)) div(u(t)) dx+
2 Ω Ω Ω
Z Z Z
ρ ce 2 2
|θ(t)| dx + κ(x) |∇θ(t)| dx + δ(x) (θ(t) − θΓ (t)) θ(t) dσ =
2 Ω
Z ZΩ ∂Ω Z
ρ 2
= |u1(x)| dx + µ(x) ε(u0(x)) : ε(u0 (x)) dx + λ(x) div(u0 (x)) div(u0 (x)) dx+
2 Ω Ω
Z Z tZ Z t ZΩ
ρ ce
+ |θ0 |2 dx + f (x, τ ) u′ (τ ) dx dτ + r(x, τ ) θ(τ ) dx dτ
2 Ω 0 Ω 0 Ω

für alle t ∈ [0, T ].

Beweis. Der Beweis verläuft analog zum Beweis des Satzes 4.3.1. Wir beschränken uns
daher im Weiteren auf die wesentlichen Unterschiede.

(1) Existenz der Galerkin-Lösungen


Es seien (wuj )j∈N und (wθj )j∈N Galerkin-Basen in Vu bzw. Vθ sowie (Vum )m∈N mit
Vum := span{wu1 , . . . , wum } und (Vθn )n∈N mit Vθn := span{wθ1 , . . . , wθn } die zu-
gehörigen Galerkin-Schemata. Weiter sind (u0m )m∈N und (u1m )m∈N Folgen in Vu
mit den Eigenschaften (4.3.4) - (4.3.6) sowie (θ0n )n∈N eine Folge in Vθ mit den Ei-
genschaften: (4.3.7) und (4.3.8).
Wir suchen Galerkin-Lösungen um : [0, T ] → Vum und θn : [0, T ] → Vθn der Form
linearen Thermoelastizität 81

(4.3.9) bzw. (4.3.10) als Lösung der Galerkin-Gleichungen

(ρ u′′m (t), wuj )Hum + hAu um (t), wuj iVum


∗ V
um + (3 K α ∇θn (t), wuj )Hu =
(4.3.34)
= (f (t), wuj )Hum , j = 1, . . . , m

(4.3.35)
(ρ ce θn′ (t), wθi)Hθn + hAθ θn (t), wθi iVθn
∗ V
θn
− (3 K α θ0 u′m (t), grad(wθi ))Hθn =
= (r(t), wθi)Hθn + (δ θΓ (t), wθi )Kθn , i = 1, . . . , n
sowie den Anfangsbedingungen (4.3.13) - (4.3.15).
Nach Satz von Carathéodory existiert für die entstandene Anfangswertaufgabe
für ein lineares System von gewöhnlichen Differentialgleichungen zweiter Ordnung
genau eine absolut-stetige Lösung (um , θn ) ∈ AC 1 ([0, T ]; Vum ) × AC([0, T ]; Vθn )
(vergleiche den Beweis des Satzes 3.2.18).

(2) Apriori-Abschätzungen

Die Multiplikation der Gleichungen (4.3.34) mit γumj (t) und die Summation über
j von 1 bis m ergibt:

(ρ u′′m (t), u′m (t))Hu + hAu um (t), u′m (t)iVu∗ Vu + (3 K α ∇θn (t), u′m (t))Hu
(4.3.36)
= (f (t), u′m (t))Hu

Analog liefert die Multiplikation der Gleichungen (4.3.35) mit γθni(t) und die Sum-
mation über über i von 1 bis n:
(4.3.37)
(ρ ce θn′ (t), θn (t))Hθ + hAθ θn (t), θn (t)iVθ∗ Vθ − (3 K α θ0 u′m (t), grad(θn (t)))Hθ
= (r(t), θn (t))Hθ + (δ θΓ (t), θn (t))Kθ

Die Addition der beiden Gleichungen (4.3.36) und (4.3.37) liefert:

θ0 ρ (u′′m (t), u′m (t))Hu + θ0 hAu um (t), u′m (t)iVu∗ Vu + ρ ce (θn′ (t), θn (t))Hθ +
+ hAθ θn (t), θn (t)iVθ∗ Vθ = θ0 (f (t), u′m (t))Hu + (r(t), θn (t))Hθ + (δ θΓ (t), θn (t))Kθ

Die Operatoren Au und Aθ sind symmetrisch und von t unabhängig. Damit folgt:
θ0 ρ d 2 θ0 d ρ ce d
ku′m (t)kHu + hAu um (t), u′m(t)iVu∗ Vu + kθn (t)k2Hθ +
2 dt 2 dt 2 dt
+ hAθ θn (t), θn (t)iVθ∗ Vθ = θ0 (f (t), u′m (t))Hu + (r(t), θn (t))Hθ + (δ θΓ (t), θn (t))Kθ

für fast alle t ∈]0, T [. Die Integration der Gleichung von 0 bis t mit 0 < t ≤ T
und die bekannten Standardabschätzungen wie im Beweis des Satzes 4.3.1 liefern
insgesamt:
Z t
θ0 ρ ′ 2 θ0 c1 2 ρ ce 2
kum (t)kHu + kum (t)kVu + kθn (t)kHθ + (c3 − ε) kθn (τ )k2Vθ dτ ≤
2 2 2 0
Z t
θ0 ρ θ c
0 2 ρ c e θ 0
≤ ku1m k2Hu + ku0m k2Vu + kθ0n k2Hθ + kf (τ )k2Hu dτ +
2 2 2 2 0
Z Z t Z
1 t 2 2 θ0 t ′ 2
+ kr(τ )kHθ dτ + c4 kθΓ (τ )kKθ dτ + kum (τ )kHu dτ +
2 0 0 2 0
82 Kapitel 4. Lineare Thermoelastizitätstheorie

Z t
1
+ kθn (τ )k2Hθ dτ
2 0

für fast alle t ∈ ]0, T [. Es folgt mithilfe der Anwendung des Gronwallschen Lemmas
die folgende Abschätzung:
2
(4.3.38) ku′m kL∞ (0,T ;Hu ) + kum k2L∞ (0,T ;Vu ) + kθn k2L∞ (0,T ;Hθ ) + kθn k2L2 (0,T ;Vθ ) ≤ const.

Diese Abschätzungen sind für den Grenzübergang ausreichend.

(3) Grenzübergang für n → ∞


Nach dem Satz von Banach-Alaoglu liefern die Abschätzung (4.3.38) die Existenz
einer Teilfolge von (um )m∈N und die Existenz einer Teilfolge von (θn )n∈N (Diese
Teilfolgen seien ebenfalls mit (um )m∈N bzw. mit (θn )n∈N bezeichnet.) mit folgenden
Eigenschaften:

(4.3.39) um ⇀ u in L∞ (0, T ; Vu),

(4.3.40) u′m ⇀ u′ in L∞ (0, T ; Hu),

(4.3.41) θn ⇀ θ in L∞ (0, T ; Hθ ) sowie

(4.3.42) θn ⇀ θ in L2 (0, T ; Vθ ).

(Es kann nur u′ schwach*-Grenzwert von (u′m )m∈N sein.)


Seien ϕu , ϕθ ∈ C 1 ([0, T ]) mit ϕu (T ) = 0 bzw. ϕθ (T ) = 0 beliebige Funktionen. Die
Multiplikation der Gleichungen (4.3.34) mit der Funktion ϕu und die Multiplikation
der Gleichungen (4.3.35) mit der Funktion ϕθ sowie die Integration über ]0, T [ liefert
für k ∈ N:
Z T Z T
′′
(ρ um (t), ϕu (t)wuk )Hu dt + hAu um (t), ϕu (t)wuk iVu∗ Vu dt +
0 0
Z T Z T
+ 3 (K α ∇θn (t), ϕu (t)wuk )Hu dt = (f (t), ϕu (t)wuk )Hu dt
0 0

Z T Z T
(ρ ce θn′ (t), ϕθ (t)wθk )Hθ
hAθ θn (t), ϕθ (t)wθk iVθ∗ Vθ dt +
dt +
0 0
Z T Z T

− 3 (K α θ0 um (t), grad(ϕθ (t)wθk ))Hθ dt = (r(t), ϕθ (t)wθk )Hθ dt +
0 0
Z T
+ (δ θΓ (t), ϕθ (t)wθk )Kθ dt
0

In beiden Gleichungen wird nun analog zum Beweis des Satzes 4.3.1 bezüglich der
Zeit partiell integriert.
Wegen der schwach*-Konvergenz - man beachte die Linearität und Stetigkeit von
Au und Aθ - ist der Grenzübergang für n, m → ∞ korrekt und liefert:
Z T
− (ρ u′(t), ϕ′u (t)wuk )Hu dt − (ρ u1 , ϕu (0)wuk )Hu +
0
Z T Z T
+ hAu u(t), ϕu (t)wuk iVu∗ Vu dt + 3 (K α ∇θ(t), ϕu (t)wuk )Hu dt =
0 0
linearen Thermoelastizität 83

Z T
= (f (t), ϕu (t)wuk )Hu dt , k ∈ N
0

Z T
− (ρ ce θ(t), ϕ′θ (t)wθk )Hθ dt − (ρ ce θ(0), ϕθ (0)wθk )Hθ +
0
Z T Z T
+ hAθ θ(t), ϕθ (t)wθk iVθ∗ Vθ dt − 3 (K α θ0 u′ (t), grad(ϕθ (t)wθk ))Hθ dt =
0 0
Z T Z T
= (r(t), ϕθ (t)wθk )Hθ dt + (δ θΓ (t), ϕθ (t)wθk )Kθ dt , k ∈ N
0 0

Die lineare Hülle der Funktionen wuk (k ∈ N) ist dicht in Vu und die lineare
Hülle der Funktionen wθk (k ∈ N) ist dicht in Vθ . Damit sind die Funktionen
v(t) := ϕu (t) wuk (k ∈ N) sowie w(t) := ϕθ (t) wθk (k ∈ N) zulässige Testfunktionen.
Es gilt:
Z T Z T Z T
′′
(ρ u (t), v)Hu dt + hAu u(t), viVu∗ Vu dt + 3 (K α ∇θ(t), v)Hu dt =
0 0 0
Z T
= (f (t), v)Hu dt
0

Z T Z T

hAθ θ(t), wiVθ∗ Vθ dt +
(ρ ce θ (t), w)Hθ dt +
0 0
Z T Z T Z T

− 3 (K α θ0 u (t), grad(w))Hθ dt = (r(t), w)Hθ dt + (δ θΓ (t), w)Kθ dt
0 0 0

für alle v ∈ Vu , w ∈ Vθ .
Nun bleibt für die Existenz der Lösung nur noch zu zeigen: u(0) = u0, u′ (0) = u1
und θ(0) = θ0 . Da dieser Teil des Beweises analog zum Beweis des Satzes 4.3.1
verläuft, verzichten wir an dieser Stelle auf eine weitere Darlegung.
(4) Energieungleichung
Im Gegensatz zum Beweis des Satzes 4.3.1 ist das Testen der Evolutionsgleichung
mit u′ nicht erlaubt. Eine Möglichkeit, die Aussage nachzuweisen, besteht in der
Argumentation mit Regularisierungsresultaten. Wir verweisen auf die Literatur
(vergleiche [Lio69]).

Der Beweis der Eindeutigkeit der schwachen Lösung im Sinne des Satzes 4.3.2 ist im
Vergleich zum Beweis der Eindeutigkeit des Satzes 4.3.1 wesentlich komplizierter.

Seien u1 und u2 bzw. θ1 und θ2 zwei verschiedene Lösungen des Originalproblems. Wegen
der Linearität gelten dann für u := u1 − u2 : u(0) = 0, u′ (0) = 0 und
Z T Z T
′′
hρu (t), v(t)iVu∗ Vu dt + hAu u(t), v(t)iVu∗ Vu dt+
0 0
(4.3.43) Z TZ
+3 K α θ(t) div(v(t)) dx dt = 0
0 Ω
84 Kapitel 4. Lineare Thermoelastizitätstheorie

für alle v ∈ Vu . Analog gelten dann für θ := θ1 − θ2 : θ(0) = 0 und


Z T Z T

hce ρ θ (t), w(t)iV ∗ Vθ dt + hAθ θ(t), w(t)iV ∗ Vθ dt =
θ θ
0 0
(4.3.44) Z TZ
=3 grad(K θ0 α w(t)) u′(t) dx dt
0 Ω

für alle v ∈ Vθ .

Das Testen der Gleichung (4.3.43) mit u′ wie im Beweis des Satzes 4.3.1 ist aufgrund der
schwächeren Regularität von u nicht möglich.

Wir erinnern
Rt uns an den Eindeutigkeitsbeweis im Satz 3.2.18 und definieren ferner
v(t) := 0 χs (τ ) u(τ ) dτ + c für fixiertes s ∈ [0, T ], wobei c so gewählt sei, dass v(T ) = 0.
Die Gleichung (4.3.43) wird nun mit der soeben definierten Funktion v und die Glei-
chung (4.3.44) mit der Funktion w(t) = −χs (t) θ(t) getestet. Das Problem bei dieser
Vorgehensweise ist allerdings, dass man keine hinreichenden apriori-Abschätzungen be-
kommt, da sich die Kopplungsterme nicht aufheben (es ist in beiden Termen nur partielle
Integration bzgl. des Ortes möglich):
Z s
2 2
ku(s)kVu + hAu v(0), v(0)iV ∗ V + kθ(s)kHθ + hAθ θ(t), θ(t)iV ∗ V dt =
0
(4.3.45) Z TZ Z sZ
= ∇θ(t) v(t) dx dt + ∇θ(t) u′(t) dx dt
0 Ω 0 Ω
Rt
Ein Testen mit der Funktion v und w(t) := 0 χs (τ ) θ(τ ) dτ + c für fixiertes s ∈ [0, T ],
wobei c so gewählt sei, dass w(T ) = 0 liefert:
Z s
2
ku(s)kVu + hAu v(0), v(0)iV ∗ V + kθ(t)k2Hθ dt + hAθ w(0), w(0)iV ∗ V =
0
(4.3.46) Z TZ Z TZ
= ∇θ(t) v(t) dx dt + ∇θ(t) u(t) dx dt
0 Ω 0 Ω

Dieser Ansatz liefert ebenfalls keine hinreichenden apriori-Abschätzungen.

Entweder man fordert von der Lösung eine bessere Regularität oder man stellt höhere Re-
gularitätsforderungen an die rechten Seiten f und r, die Funktion θΓ sowie die Anfangs-
bedingungen u0 , u1 und θ0 , um so mithilfe des Differenzieren der Galerkin-Gleichungen
eine bessere Regularität der Lösung zu bekommen.

Ein ähnlicher Ansatz zum Beweis der Eindeutigkeit der schwachen Lösung für die Aufga-
be der linearen Thermoelastizität mit einfachen Randbedingungen findet sich in [Gaw86].
Unter der Voraussetzung, dass die rechten Seiten f und r, die Funktion θΓ sowie die An-
fangsbedingungen u0 , u1 und θ0 eine bessere Regularität besitzen, läßt sich folgendes
Resultat zeigen:

Satz 4.3.3 (Eindeutigkeitssatz für die Aufgabe der linearen Thermoelastizität für ein-
fache Randbedingungen): Unter den Voraussetzungen (3.1.11) - (3.1.15), (4.1.19) -
(4.1.22), (4.3.32), (4.1.28) - (4.1.29) sowie (4.3.1) und (4.3.2) ist die schwache Lösung
im Sinne des Satzes 4.3.2 eindeutig.
linearen Thermoelastizität 85

Beweis. Wir orientieren uns im Folgenden an der Beweisidee in der Arbeit von [Gaw86].
Zuerst nehmen wir folgendes Anfangswert-Randwert-Problem an:
(4.3.47)
d2 U df
ρ 2 − 2 div(µ ε(U) − grad(λ div(U)) + 3 grad(K α (T − θ0 )) = in Ω×]0, T [
dt   dt
dT dU dr
ρ ce − div(κ ∇T ) + 3 K α θ0 div = in Ω×]0, T [
dt dt dt
mit den Anfangsbedingungen
dU 2 1 1
(4.3.48) U(0) = u1 , (0) = div(µ ε(u0) + grad(λ div(u0 )) + f (0) ,
dt ρ ρ ρ
 
1 3 K α θ0 du 0 1
(4.3.49) T (0) = div(κ ∇θ0 ) − div + r(0)
ρ ce ρ ce dt ρ ce
und den Randbedigungen
(4.3.50) U(x, t) = 0 auf ∂Ω×]0, T [ ,
(4.3.51) T (x, t) = 0 auf ∂Ω×]0, T [ .
Aufgrund der Voraussetzungen (4.3.2) und den Anfangsbedingungen (4.3.48) sowie (4.3.49)
folgt
dU
(4.3.52) U(0) ∈ Vu , (0) ∈ Hu und T (0) ∈ Vθ .
dt
Nach dem Satz 4.3.2 existiert mindestens eine schwache Lösung (U, T ) ∈ Vu × Vθ der
Aufgabe (4.3.47) - (4.3.49).
Wir führen folgende Funktionen ein:
Z t Z t
(4.3.53) v(t) = u0 + U(s) ds und w(t) = θ0 + T (s) ds.
0 0

Damit folgt:
dv dw
(4.3.54) =U, = T , v(0) = u0 sowie w(0) = θ0 .
dt dt
Die Integration der Gleichungen (4.3.47) von 0 bis t (0 < t ≤ T ) zeigt unter Verwendung
der Anfangsbedingungen (4.3.48) und (4.3.49) sowie der Definition (4.3.53), dass die
Funktionen v und w der Aufgabe (4.1.1) - (4.3.49) genügen. Mithilfe von Satz 4.3.2, der
Definition (4.3.53) und den Eigenschaften (4.3.52) folgt:
dv dw
(4.3.55) v ∈ Vu , ∈ Vu , w ∈ Vθ und ∈ Vθ .
dt dt
Aufgrund der besseren Regularität befinden wir uns somit im Setting des Satzes 4.3.1.
Die apriori-Abschätzungen liefern die Eindeutigkeit analog zum Eindeutigkeitsbeweis des
Satzes 4.3.1.

Als Fazit läßt sich festhalten, dass es im Fall vereinfachter Randbedingungen unter der
Voraussetzung konstanter Koeffizienten jedoch geringeren Regularitätsforderungen als im
Fall gemischter Randbedingungen gelingt, die Existenz einer schwachen Lösung der Auf-
gabe der linearen Thermoelastizität nachzuweisen. Der Beweis der Eindeutigkeit benötigt
allerdings dieselben Regularitätsvoraussetzungen wie im allgemeinen Fall.
86 Kapitel 4. Lineare Thermoelastizitätstheorie
5 Lineare Thermoelastizitätstheorie
mit Phasenumwandlungen und
Umwandlungsplastizität
Dieses Kapitel bildet den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit. Das Ziel ist es, die Exi-
stenz und die Eindeutigkeit einer schwachen Lösung der Aufgabe der linearen Thermoela-
stizitätstheorie mit Phasenumwandlungen und Umwandlungsplastizität nachzuweisen.
Im ersten Teil dieses Kapitels wird das Modell der klassischen linearen Thermoelastizität
durch Hinzunahme der Phasenumwandlungen erweitert. Zunächst wird die Aufgabenstel-
lung für diesen Fall formuliert, gefolgt von der Darstellung der Beweisidee. Im Anschluss
folgen die Existenz- und Eindeutigkitsresultate für die entstehenden Teilprobleme der
Thermoelastizität und der Phasenumwandlungen. Das Teilproblem der Thermoelasti-
zität wird analog zum vierten Kapitel mit dem Galerkin-Verfahren behandelt, während
das Teilproblem der Phasenumwandlungen aus der Arbeit von [Hüß07] zitirt und an
einem Beispiel illustriert wird. Den Schluss dieses Abschnitts bildet der Existenz- und
Eindeutigkeitssatz für das Gesamtproblem.
Im zweiten Teil dieses Kapitels wird das Modell der Thermoelastizität mit Phasenum-
wandlungen nochmals durch die Berücksichtigung der Umwandlungsplastizität erweitert.
Nach der Vorstellung der Aufgabe folgen ebenfalls die Existenz- und die Eindeutigkeit
der Lösungen der Teilprobleme sowie der Lösung des Gesamtproblems. Insbesondere
werden die Schwierigkeiten, die aufgrund der Kopplungsterme in der Bewegungs- und
der Wärmeleitungsgleichung sowie aufgrund des Materialgesetzes der Umwandlungspla-
stizität auftreten, näher beleuchtet.

Gekoppelte Modelle zum Materialverhalten im Stahl, die neben dr Temperatur und der
Deformation auch die Phasenumwandlung beschreiben, sind im engeren mathematischen
und numerischen Kontext nur wenig untersucht worden.
Somit entstand die Aufgabe, das komplexe physikalische Materialverhalten von Stahl
unter Berücksichtigung der Phasenumwandlung und der Umwandlungsplastizität in all-
gemeinere Modelle der Thermoelastizität einzubinden.

5.1 Lineare Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen

5.1.1 Die Aufgabenstellung


Die Aufgabe besteht darin, die Existenz und die Eindeutigkeit einer schwachen Löung
des gekoppelten partiellen Differentialgleichungssystems, aus

87
88 Umwandlungsplastizität

Bewegungsgleichung:

d2 u
ρ0 − 2 div(µ ε(u)) − grad(λ div(u)) + 3 grad(K α (θ − θ0 ))+
dt2 !
(5.1.1) N  
X ρ0
+ grad K − 1 pi = f in Ω×]0, T [
i=1
ρi (θ0 )

Linearisierte Energiegleichung:
  N
dθ du X
(5.1.2) ρ0 ce − div(κ ∇θ) = −3K α θ0 div + ρ0 Li γi + r in Ω×]0, T [
dt dt i=2

Umwandlungsgleichung für die Phasenanteile:


dpi
(5.1.3) = γi (SM , SV , θ, p) (i = 1, . . . , N) in Ω×]0, T [
dt
mit folgenden Rand- und Anfangsbedingungen:

(5.1.4) u = 0 auf Γ0 ×]0, T [


(5.1.5) S ν = 0 auf Γ1 ×]0, T [
(5.1.6) −κ∇θν = δ(θ − θΓ ) auf ∂Ω×]0, T [
∂u
(5.1.7) u(x, 0) = u0 , (x, 0) = u1 , θ(x, 0) = θ0 in Ω
∂t
N
X
(5.1.8) p0i = 1 , p0i ≥ 0 (i = 1, . . . , N) in Ω
i=1

zu zeigen. Dabei sind (3.1.4) - (3.1.15), (4.1.8) - (4.1.15), (4.1.17) - (4.1.18) sowie

(5.1.9) ρ0 − Dichte im Referenzzustand,


(5.1.10)
ρi (θ0 ) − Dichte der i-ten Phase zur Referenztemperatur,
(5.1.11) Li − latente Wärme der Umwandlung von der ersten in die i-te Phase,
(5.1.12) S − Spannung mit
N  
X ρ0
S := 2 µ ε + λ tr(ε) Id +3 K (θ − θ0 ) Id +K − 1 pi Id
i=1
ρi (θ0 )
(5.1.13)SM − mittlere Hauptspannung,
(5.1.14) SV − Vergleichsspannung nach von Mises,
(5.1.15) pi − Phasenanteil der i-ten Phase,
(5.1.16) p0 − Phasenverteilung zu Beginn der Umwandlung sowie
(5.1.17) γi − die zeitliche Änderung des Phasenanteils der i-ten Phase.

Ferner seien im Folgenden:


n ∂p o
(5.1.18) Vp := p ∈ [L∞ (Ω×]0, T [)]N : ∈ [L∞ (Ω×]0, T [)]N
∂t
(5.1.19) N ∈ N
5.1. Lineare Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen 89

(5.1.20) Li ∈ L∞ (Ω×]0, T [) für i = 1, . . . , N


∂γi ∂γi
(5.1.21)
γi , , ∈ L∞ (Ω×]0, T [) für u ∈ Vu , θ ∈ Vθ , p ∈ Vp für i = 1, . . . , N
∂θ ∂p
sowie die Operatoren Au : Vu → Vu∗ und Aθ : Vθ → Vθ∗ (vergleiche Kapitel 4.3) via
Z Z
hAu u(t), ϕiVu∗ Vu := 2 µ(x) ε(u(t)) : ε(ϕ) dx + λ(x) div(u(t)) div(ϕ) dx
Z Ω Z Ω

hAθ θ(t), ψiVθ∗ Vθ := κ(x) ∇θ(t) ∇ψ dx + δ(x) θ(t) ψ dσ


Ω ∂Ω

Im Weiteren betrachten wir zunächst nur spannungsfreies Umwandlungsverhalten, d.h.


die Funktion γi in der Gleichung (5.1.3) hängt nicht von den Spannungen SM bzw. SV
und damit auch nicht von der Verschiebung u ab.

Definition 5.1.1: Unter den Voraussetzungen (3.1.11) - (3.1.15), (4.1.19) - (4.1.22),


(4.1.25) - (4.1.29), (4.3.1), (4.3.2) und (5.1.18) - (5.1.21) heißt ein Tripel (u, θ, p) ∈
Vu × Vθ × Vp mit u′ ∈ Vu schwache Lösung der Aufgabe (5.1.1) - (5.1.8), falls gelten:
Z TZ Z T
′ ′
− ρ u (t)ϕ (t) dx dt + hAu u(t), ϕ(t)iVu∗ Vu dt+
0 Ω 0
Z TZ
+3 K α (θ(t) − θ0 ) div(ϕ(t)) dx dt+
0 Ω
(5.1.22) Z TN Z 
X ρ0
+ K − 1 pi (t) div(ϕ(t)) dx dt =
0 Ω i=1
ρi (θ 0 )
Z TZ Z
= f (x, t) ϕ(t) dx dt + ρ u1 (x) ϕ(0) dx
0 Ω Ω

in Ω×]0, T [ für alle ϕ ∈ Vu mit ϕ′ ∈ Hu und ϕ(T ) = 0 sowie u(0) = u0 ,


(5.1.23)
Z TZ Z T

− ρ ce θ(t) ψ (t) dx dt + hAθ θ(t), ψ(t)iVθ∗ Vθ dt+
0 Ω 0
Z TZ Z TZ
− δ θΓ ψ(t) dσ dt = −3 K α θ0 div(u′ (t)) ψ(t) dx dt+
0 ∂Ω 0 Ω
Z T Z N
X Z T Z Z
+ ρ Li γi (t) ψ(t) dx dt + r(x, t) ψ(t) dx dt + ρ ce θ0 (x) ψ(0) dx
0 Ω i=1 0 Ω Ω

in Ω×]0, T [ für alle ψ ∈ Vθ mit ψ ′ ∈ Hθ und ψ(T ) = 0,


dpi
(5.1.24) (t) = γi (θ(t), p(t)) , i = 1, . . . , N
dt
in Ω×]0, T [.

Bemerkung 5.1.2: Die im Vorfeld behandelten Fälle der linearen Elastizität und der
klassischen linearen Thermoelastizität stellen sich als Spezialfälle der vorliegenden Auf-
gabe heraus.
90 Umwandlungsplastizität

Um die eindeutige Existenz einer schwachen Lösung (u, θ, p) ∈ Vu × Vθ × Vp im Sinne der


Definition 5.1.1 für die Aufgabe (5.1.1) - (5.1.8) nachzuweisen, wenden wir im Weiteren
die folgende Lösungsstrategie an:

Zunächst zeigen wir für fixiertes p ∈ Vp die eindeutige Existenz einer schwachen Lösung
(u, θ) ∈ Vu × Vθ der Teilaufgabe (5.1.1) - (5.1.2), (refrandbed01) - (5.1.7). Der Beweis
wird mithilfe des Galerkin-Verfahrens vollzogen und verläuft analog zum Beweis des
Existenz- und Eindeutigkeitssatzes 4.3.1. Diese Teilaufgabe bezeichnen wir im Folgen-
den als Teilproblem A.
In einem zweiten Schritt wird für gegebenes θ̄ ∈ Hθ die Existenz und die Eindeutigkeit
einer Lösung der Aufgabe (5.1.3), (5.1.8) gerechtfertigt. Diese Teilaufgabe sei als Teil-
problem B bezeichnet.
Damit ist (eindeutig) ein Operator

(5.1.25) T : (ū, θ̄) 7→ p 7→ (u, θ)

definiert. Um die Existenz einer schwachen Lösung (u, θ, p) ∈ Vu × Vθ × Vp im Sinne der


Definition 5.1.1 für das Gesamtproblem (5.1.1) - (5.1.8) nachzuweisen, ist es hinreichend
zu zeigen, dass der Operator T einen Fixpunkt besitzt. Zum Beweis dieser Eigenschaft
findet der Schaudersche Fixpunktsatz seine Anwendung. Ferner bleibt die Eindeutigkeit
zu zeigen, da der Schaudersche Satz nur eine Existenzaussage liefert.

5.1.2 Existenz und Eindeutigkeit des Teilproblems A


Satz 5.1.3 (Existenz- und Eindeutigkeitssatz für das Teilproblem A): Unter den Vor-
aussetzungen (3.1.11) - (3.1.15), (4.1.19) - (4.1.22), (4.1.25) - (4.1.29), (4.3.1), (4.3.2)
und (5.1.18) - (5.1.21) besitzt die Teilaufgabe (5.1.1) - (5.1.2), (refrandbed01) - (5.1.7)
genau eine schwache Lösung (u, θ) ∈ Vu × Vθ , d.h. es gelten (5.1.22) für alle ϕ ∈ Vu mit
ϕ′ ∈ Hu und ϕ(T ) = 0 sowie u(0) = u0 und (5.1.23) für alle ψ ∈ Vθ mit ψ ′ ∈ Hθ und
ψ(T ) = 0.
Ferner gelten:

(5.1.26) u′′ ∈ L∞ (0, T ; Hu), u′ ∈ L∞ (0, T ; Vu ), u ∈ L∞ (0, T ; Vu),

sowie

(5.1.27) θ′ ∈ L∞ (0, T ; Hθ ), θ ∈ L∞ (0, T ; Hθ ).

Der Beweis wird analog zum Beweis des Existenz- und Eindeutigkeitssatzes 4.3.1 mithilfe
des simultanen Galerkin-Verfahrens geführt.

Bemerkung 5.1.4: Für einfache Randbedingungen und zeitinvariante Parameter ist es


zwar möglich die Existenz einer schwachen Lösung unter geringeren Regularitätsforde-
rungen an die Funktionen f , r θΓ , u0 , u1 , θ0 und γ nachzuweisen (vergleiche Kapitel 4.3.2),
allerdings gelingt es mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht, die Eindeutigkeit
unter diesen Voraussetzungen zu zeigen. Diese ist jedoch ein wesentlicher Bestandteil des
Beweises und sichert die Eindeutigkeit des Fixpunktoperators. Ohne die Eindeutigkeit
des Fixpunktoperators ist der Schaudersche Fixpunktsatz nicht anwendbar und wir ge-
langen nicht zu einer Lösung des Gesamtproblems.
5.1. Lineare Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen 91

Allerdings ist es möglich unter den Voraussetzungen der Definition 5.1.1 die Existenz
und die Eindeutigkeit einer schwachen Lösung der vorgestellten Aufgabe für einfache
Randbedingungen und zeitinvariante Parameter nachzuweisen. Wir werden im Folgen-
den auf den Fall vereinfachter Randbedingungen wie im Kapitel 4.3.2 jedoch nicht näher
eingehen.

Beweis. (1) Existenz der Galerkin-Lösungen


Seien (wuj )j∈N und (wθj )j∈N Galerkin-Basen in Vu bzw. Vθ sowie (Vum )m∈N mit
Vum := span{wu1,...,wum } und (Vθm )m∈N mit Vθm := span{wθ1,...,wθm } die zugehörigen
Galerkin-Schemata. Weiter seien (u0m )m∈N und (u1m )m∈N Folgen in Vu mit den
Eigenschaften (4.3.4) - (4.3.6). Weiterhin sei (θ0n )n∈N eine Folge in Vθ mit (4.3.7)
- (4.3.8). Wir suchen Galerkin-Lösungen um : [0, T ] → Vum und θm : [0, T ] → Vθm
der Form (4.3.9) bzw. (4.3.10) als Lösung der Galerkin-Gleichungen

(5.1.28) Z
(ρ0 u′′m (t), wuj )Hum + hAu um (t), wuj iVum
∗ V
um + 3 K α (θn (t) − θ0 ) div(wuj ) dx+

ZN  
X ρ0
+ K − 1 pi div(wuj ) dx = (f, wuj )Hum , j = 1, . . . , m
Ω i=1
ρi (θ0 )

(5.1.29)
(ρ0 ce θn′ (t), wθi )Hθn + hAθ θn (t), wθiiVθn
∗ V
θn
− (δ θΓ , wθi )Kθn =
Z Z X N

=3 K α θ0 div(um (t)) wθi dx + ρ Li γi wθi dx + (r, wθi )Hθn , i = 1, . . . , n
Ω Ω i=1

sowie den Anfangsbedingungen (4.3.13) - (4.3.15). Nach dem Einsetzen der Ba-
sisdarstellungen in die Galerkin-Gleichungen sowie in die zugehörigen Anfangs-
bedingungen erhält man eine Anfangswertaufgabe für ein lineares System von
gewöhnlichen Differentialgleichungen zweiter Ordnung. Aufgrund der gegebenen
Voraussetzungen existiert nach dem Satz von Carathéodory genau eine Lösung
(um , θn ) ∈ AC 1 ([0, T ]; Vum ) × AC([0, T ]; Vθn ) (vergleiche den Beweis des Satzes
4.3.1).

(2) Apriori-Abschätzungen

Die Multiplikation der Gleichung (5.1.28) mit γumj (t) und die Summation über j
von 1 bis m ergibt:

(5.1.30) Z
(ρ0 u′′m (t), u′m (t))Vu∗ Vu + hAu um (t), u′m (t)iVu∗ Vu +3 K α (θn (t) − θ0 ) div(u′m (t)) dx+

Z N  
X ρ0
+ K − 1 pi (t) div(u′m (t)) dx = (f (t), u′m (t))Hu
Ω i=1
ρi (θ0 )

Die Multiplikation der Gleichung (5.1.29) mit γθni(t) und die Summation über i
92 Umwandlungsplastizität

von 1 bis n liefert:


Z
(ρ0 ce θn′ (t), θn (t))Vθ∗ Vθ + hAθ θn (t), θn (t)iVθ∗ Vθ − δ θΓ (t) θn (t) dσ =
∂Ω
Z Z N
(5.1.31) X
=3 K α θ0 div(u′m (t)) θn (t) dx + ρ0 Li γi (t) θn (t) dx+
Ω Ω i=1
+ (r(t) θn (t))Hθ
Multiplikation der Gleichung (5.1.30) mit θ0 und Addition der Gleichungen (5.1.30)
und (5.1.31) liefert:
θ0 (ρ0 u′′m (t), u′m (t))Vu∗ Vu + θ0 hAu um (t), u′m (t)iVu∗ Vu +
Z
+3 θ0 K α (θn (t) − θ0 ) div(u′m (t)) dx + hAθ θn (t), θn (t)iVθ∗ Vθ +

Z N  
X ρ0
+θ0 K − 1 pi (t) div(u′m (t)) dx + (ρ0 ce θn′ (t), θn (t))Vθ∗ Vθ =
Ω i=1
ρi (θ0 )
Z Z
= δ θΓ (t) θn (t) dσ + 3 K α θ0 div(u′m (t)) θn (t) dx +
∂Ω Ω
Z N
X
+θ0 (f (t), u′m(t))Hu + ρ0 Li γi (t) θn (t) dx + (r(t) θn (t))Hθ
Ω i=1

Integration von 0 bis t, t ∈]0, T ] liefert:


Z t Z t
′′ ′
θ0 hρ um (τ ), um (τ )iVu∗ Vu dτ + θ0 hAu um (τ ), u′m (τ )iVu∗ Vu dτ +
0 0
Z t Z Z t
2 ′
+3 θ0 K α div(um (τ )) dx dτ + hAθ θn (τ ), θn (τ )iVθ∗ Vθ dτ +
0 Ω 0
Z t Z N  
ρ0 X
+ θ0 K − 1 pi (τ ) div(u′m (τ )) dx dτ +
0 Ω i=1
ρ (θ
i 0 )
Z t Z tZ

+ hρ ce θn (τ ), θn (τ )iVθ Vθ dτ −
∗ δ θΓ (τ ) θn (τ ) dσ dτ =
0 0 ∂Ω
Z t Z tZ XN
= θ0 (f (τ ), u′m (τ ))Hu dτ + ρ0 Li γi (τ ) θn (τ ) dx dτ +
0 0 Ω i=1
Z t
+ (r(τ ), θn (τ ))Hθ dτ
0
Es gelten die Standardabschätzungen aus dem Beweis des Satzes 4.3.1 sowie den
folgenden zusätzlichen Abschätzungen:
(i) Mithilfe der Hölderschen- und der Youngschen Ungleichung ist:
Z tZ XN
ρ Li γi (s) θ(s) dx ds ≤
0 Ω i=2
N
! Z t
ρ T | meas(Ω)| X 1
≤ kLi k2L∞ (Ω×]0,T [) kγi k2L∞ (Ω×]0,T [) + kθn (s)k2Hθ ds
2 i=2
2 0
| {z }
=: c7
5.1. Lineare Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen 93

(ii) Aufgrund partieller Integration bzgl. der Zeit sowie der Hölderschen- und der
Youngschen Ungleichung gilt:
Z t Z N  
X ρ0
θ0 K − 1 pi (s) div(u′m (s)) dx ds
0 Ω ρ (θ
i=1 | i {z0 )
}
=:ρi0
Z t Z N
X
= θ0 K ρi0 p′i (s) div(um (s)) dx ds +
0 Ω i=1
Z N
X Z N
X
+θ0 K ρi0 pi (t) div(um (t)) dx − θ0 K ρi0 pi (0) div(um (0)) dx
Ω i=1 Ω i=1
N
kKk2L∞ (Ω) θ02 T | meas(Ω)| X
Z t
1
≤ kρi0 k2L∞ (Ω) kγi k2L∞ (Ω×]0,T [) + kum (s)k2Vu ds +
2 i=1
2 0
| {z }
=: c8
N
kKk2L∞ (Ω) θ02 X
+ kρi0 k2L∞ kpi (t)k2L2 (Ω) +ε4kum (t)k2Vu +
4 ε4 i=1
| {z }
=: c9
N
kKk2L∞ (Ω) θ02 X 1
+ kρi0 k2L∞ (Ω) kpi (0)k2L2 (Ω) + kum (0)k2Vu
2 i=1
2
| {z }
=: c10

Insgesamt folgt damit:


 
θ0 ρ0 ′ 2 θ0 c1 ρ0 ce
kum (t)kHu + − ε2 − ε4 kum (t)k2Vu + kθn (t)k2Hu +
2 2 2
Z t  
2 θ0 ρ0 ′ 2 θ0 c1 + 1
+ (c3 − ε1 ) kθn (s)kVθ ds ≤ kum (0)kVu + + ε2 ku(0)k2Vu +
0 2 2
Z t Z Z
ρ0 ce 2 2 θ0 t ′ 2 1 t
+ kθn (0)kVu + kθn (s)kHθ ds + kum (s)kHu ds + kum (s)k2Vu ds +
2 0 2 0 2 0
Z t Z t Z t 10
θ0 1 X
+ kf (s)k2Hu ds + kr(s)k2Hθ ds + c5 kθΓ (s)k2Kθ ds + ci
2 0 2 0 0 i=6

für fast alle t ∈]0, T [. Mithilfe des Gronwallschen Lemmas folgt

(5.1.32) ku′m kL∞ (0,T ;Hu ) + kum kL∞ (0,T ;Vu ) + kθn kL∞ (0,T ;Hθ ) + kθn kL2 (0,T ;Vθ ) < ∞

Diese Abschätzung ist für den Grenzübergang im Kopplungsterm der Wärmelei-


tungsgleichung nicht ausreichend, da aufgrund des Divergenzterms u′ ∈ L∞ (0, T ; Vu)
benötigt wird. Daher verwenden wir Differenzieren wir die Galerkin-Gleichungen
nach der Zeit, um eine bessere Regularität der Lösung zu erhalten. Das Vorgehen
ist im Wesentlichen analog zum Beweis des Satzes 4.3.1 .

Die Differentiation der Gleichung (5.1.28) nach t, Multiplikation der Gleichung


94 Umwandlungsplastizität

′′
mit γumj (t) und die Summation über j von 1 bis m ergibt:

(5.1.33) Z
(ρ0 u′′′ ′′
m (t), um (t))Vu∗ Vu + hAu u′m (t), u′′m (t)iVu∗ Vu +3 K α θn′ (t) div(u′′m (t)) dx+

Z N
X
+ K ρi0 p′i (t) div(u′′m (t)) dx = (f ′ (t), u′′m (t))Hu
Ω i=1

Die Differentiation der Gleichung (5.1.29) nach t, Multiplikation der Gleichung mit

γθni (t) und die Summation über i von 1 bis n liefert analog:

(5.1.34) Z
(ρ0 ce θn′′ (t), θn′ (t))Vθ∗ Vθ + hAθ θn′ (t), θn′ (t)iVθ∗ Vθ − δ θΓ′ (t) θn′ (t) dσ =
∂Ω
Z Z N
X
=3 K α θ0 div(u′′m (t)) θn′ (t) dx + ρ0 Li γi′ (t) θn′ (t) dx + (r ′ (t), θ′ (t))Hθ
Ω Ω i=1

Wir bemerken, dass sich im diesem Fall die Kopplungsterme wieder aufheben (ver-
gleiche hierzu den Beweis des Satzes 4.3.1).
Multiplikation der Gleichung (5.1.33) mit θ0 und Addition der Gleichungen (5.1.33)
und (5.1.34) liefert:

θ0 (ρ0 u′′′ ′′ ′ ′′ ′ ′
m (t), um (t))Vu∗ Vu + θ0 hAu u (t), um (t)iVu∗ Vu + hAθ θn (t), θn (t)iVθ∗ Vθ +
Z XN Z
′ ′′ ′′ ′
+θ0 K ρi0 pi (t) div(um (t)) dx + (ρ0 ce θn (t), θn (t))Vθ∗ Vθ = δ θΓ′ (t) θn′ (t) dσ +
Ω i=1 ∂Ω
Z N
X
+θ0 (f ′ (t), u′′m (t))Hu + ρ0 Li γi′ (t) θn′ (t) dx + (r ′(t), θn′ (t))Hθ
Ω i=1

Integration von 0 bis t, t ∈]0, T ] liefert:


Z t Z t
θ0 hρ0 u′′′ ′′
dτ +
m (τ ), um (τ )iVu∗ Vu θ0 hAu u′m (τ ), u′′m (τ )iVu∗ Vu dτ +
0
Z t Z t0
+ hAθ θn′ (τ ), θn′ (τ )iVθ∗ Vθ dτ + hρ0 ce θn′′ (τ ), θn′ (τ )iVθ∗ Vθ dτ +
0 0
Z t Z N
X
+ θ0 K ρi0 p′i (τ ) div(u′′m (τ )) dx dτ =
0 Ω i=1
Z t Z tZ N
X

= θ0 (f (τ ), u′′m (τ ))Hu dτ + ρ0 Li γi′ (τ ) θn′ (τ ) dx dτ +
0 0 Ω i=1
Z t Z tZ
+ (r ′ (τ ), θn′ (τ ))Hθ dτ + δ θΓ′ (τ ) θn′ (τ ) dσ dτ
0 0 ∂Ω

Die Standardabschätzungen aus dem Beweis des Satzes 4.3.1 werden seien gegeben
und wir untersuchen lediglich die folgenden zusätzlichen Abschätzungen.
5.1. Lineare Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen 95

(i) Mithilfe der Hölderschen- und der Youngschen Ungleichung folgt:


Z t N
Z X
ρ0 Li γi′ (s) θn′ (s) dx ds =
0 Ω i=2
Z t N
Z X  
∂γi ′ ∂γi
= ρ0 Li (s) θn (s) + (s) γi(s) θn′ (s) dx ds ≤
0 Ω i=2 ∂θ ∂p i
N 2 !
ρ20 T | meas(Ω)| X ∂γ
i
≤ kLi k2L∞ (Ω) kγik2L∞ (Ω×]0,T [) +
2 i=2
∂pi ∞
L (Ω×]0,T [)
| {z }
=: c8
N !Z
t
1 X
2
∂γ
i
+ + ρ0 kLi kL∞ (Ω)
kθn′ (s)k2Hθ ds
2 i=2
∂θ L∞ (Ω×]0,T [)

0
| {z }
=: c9

(ii) Die partieller Integration bzgl. der Zeit sowie die Anwendung der Hölderschen-
und der Youngschen Ungleichung liefert:
Z t Z N
X
θ0 K ρi0 p′i (s) div(u′′m (s)) dx ds
0 Ω i=1
Z t Z N  
∂γi ′
X ∂γi
= − θ0 K ρi0 (s) θn (s) + (s) γi(s) div(u′m (s)) dx ds +
0 Ω i=1
∂θ ∂p i
Z XN Z XN

+θ0 K ρi0 γi (t) div(um (t)) dx − θ0 K ρi0 γi (0) div(u′m (0)) dx
Ω i=1 Ω i=1
:= ĉ
z }| {
N
θ02 kKk2L∞ (Ω) T | meas(Ω)| X
Z t
∂γi 2
≤ kρi0 k2L∞ (Ω) kθn′ (s)k2Hθ ds +
2 i=1
∂θ ∞
L (Ω×]0,T [) 0
| {z }
=: c10
" N #Z
X ∂γi 2 t
+ ĉ kρi0 k2L∞ (Ω)
∂pi ∞ kγi k2L∞ (Ω×]0,T [) + 1 ku′m(s)k2Vu ds +
i=1 L (Ω×]0,T [) 0
| {z }
=: c11
N
kKk2L∞ (Ω) θ02 | meas(Ω)| X
+ kρi0 k2L∞ (Ω) kγi (t)k2L∞ (Ω) +ε4 ku′m (t)k2Vu +
4 ε4 i=1
| {z }
=: c12
N
kKk2L∞ (Ω) θ02 | meas(Ω)| X 1
+ kρi0 k2L∞ (Ω) kγi (0)k2L∞ (Ω) + ku′m (0)k2Vu
2 i=1
2
| {z }
=: c13

Insgesamt folgt:
 
θ0 ρ0 ′′ θ0 c1 ρ0 ce ′
kum (t)k2Hu + − ε4 ku′m (t)k2Vu + kθn (t)k2Hu +
2 2 2
96 Umwandlungsplastizität

Z t
θ0 ρ0 ′′ θ0 c2 + 1 ′
+ (c3 − ε1 ) kθn′ (s)k2Vθ ds ≤ kum(0)k2Hu + kum (0)k2Vu +
0 2 2
 Z t Z
ρ0 ce ′ 2 1 ′ 2 θ0 t ′′
+ kθn (0)kHu + + c9 + c10 kθn (s)kHθ ds + kum (s)k2Hu ds +
2 2 0 2 0
Z t Z t Z t
θ0 1
+c11 ku′m (s)k2Vu ds + kf ′ (s)k2Hu ds + kr ′ (s)k2Hθ ds +
2 2
Z 0t 0 0

+c4 kθΓ′ (s)k2Kθ ds + c8 + c12 + c13


0

für fast alle t ∈]0, T [. Mithilfe des Gronwallschen Lemmas folgt

(5.1.35) ku′′m kL∞ (0,T ;Hu ) + ku′m kL∞ (0,T ;Vu ) + kθn′ kL∞ (0,T ;Hθ ) + kθn′ kL2 (0,T ;Vθ ) < ∞

Diese Abschätzung ist für den Grenzübergang ausreichend.

(3) Grenzübergang für n → ∞


Nach dem der Satz von Banach-Alaoglu liefern die obigen Apriori-Abschätzungen
die Existenz einer Teilfolge von (um )m∈N sowie die Existenz einer Teilfolge von
(θn )n∈N - diese Teilfolgen seien ebenfalls mit (um )m∈N bzw. mit (θn )n∈N bezeichnet
- mit folgenden Eigenschaften:

(5.1.36) um ⇀ u in L∞ (0, T ; Vu )

(5.1.37) u′m ⇀ u′ in L∞ (0, T ; Vu )

(5.1.38) θn ⇀ θ in L∞ (0, T ; Hθ )

(Es kann nur u′ schwach*-Grenzwert von (u′m )m∈N sein.) Weiterhin folgt aufgrund
der schwachen Unterhalbstetigkeit der Normen:

ku′kL∞ (0,T ;Hu ) + kukL∞ (0,T ;Vu ) + kθkL∞ (0,T ;Hθ ) + kθkL2 (0,T ;Vθ ) < ∞ bzw.
(5.1.39)
ku′′kL∞ (0,T ;Hu ) + ku′kL∞ (0,T ;Vu ) + kθ′ kL∞ (0,T ;Hθ ) + kθ′ kL2 (0,T ;Vθ ) < ∞

Es ist zu zeigen: (u, θ) ist Lösung des Originalproblems.

Seien ϕu , ϕθ ∈ C 1 ([0, T ]) beliebige Funktionen mit ϕu (T ) = 0 bzw. ϕθ (T ) = 0


Die Multiplikation der Gleichungen (5.1.28) mit der Funktion ϕu bzw. Multipli-
kation der Gleichungen (5.1.29) mit der Funktion ϕθ sowie Integration über ]0, T [
liefert für k, j ∈ N:
Z T Z T
′′
(ρ0 um (t), ϕu (t)wuk )Hu dt + hAu um (t), ϕu (t)wuk iVu∗ Vu dt +
0 0
Z TZ
+3 K α (θn (t) − θ0 ) div(ϕu (t)wuk ) dx dt +
0 Ω
Z T Z N   Z T
X ρ0
+ K − 1 pi div(ϕ(t)wuk ) dx dt = (f, ϕu (t)wuk )Hu dt
0 Ω i=1
ρi (θ0 ) 0

Z T Z T
(ρ0 ce θn′ (t), ϕθ (t)wθj )Hθ dt + hAθ θn (t), ϕθ (t)wθj iVθ∗ Vθ dt =
0 0
5.1. Lineare Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen 97

Z T Z T Z
= (δ θΓ , ϕθ (t)wθj )Kθ dt + 3 K α θ0 div(u′m (t)) ϕθ (t)wθj dx dt +
0 0 Ω
Z T Z N
X Z T
+ ρ0 Li γi ϕθ (t)wθj dx dt + (r, ϕθ (t)wθj )Hθ dt
0 Ω i=1 0

Partielle Integration im jeweils ersten Term liefert:


Z T Z T
′′
(ρ0 um (t), ϕu (t)wuk )Hu dt = − (ρ0 u′m (t), ϕ′u (t)wuk )Hu dt +
0 0
−(ρ0 u′m (0), ϕu (0)wuk )Hu , k ∈ N
sowie
Z T Z T
(ρ0 ce θn′ (t), ϕθ (t)wθj )Hθ dt = − (ρ0 ce θn (t), ϕ′θ (t)wθj )Hθ dt +
0 0
−(ρ0 ce θn (0), ϕθ (0)wθj )Hθ , j ∈ N.
Wegen der schwach*-Konvergenz - man beachte die Linearität und die Stetigkeit
der Operatoren Au , Aθ , ε und div - ist der Grenzübergang für n, m → ∞ korrekt
und liefert:
Z T
− (ρ0 u′ (t), ϕ′u (t)wuk )Hu dt − (ρ0 u′ (0), ϕu (0)wuk )Hu +
0
Z T
+ hAu u(t), ϕu (t)wuk iVu∗ Vu dt +
0
Z TZ
+3 K α (θ(t) − θ0 ) div(ϕu (t)wuk ) dx dt +
0 Ω
Z T Z N   Z T
X ρ0
+ K − 1 pi (t) div(ϕ(t)wuk ) dx dt = (f, ϕu (t)wuk )Hu dt
0 Ω i=1
ρi (θ0 ) 0

und
Z T
− (ρ0 ce θ(t), ϕ′θ (t)wθj )Hθ dt +
0
Z T Z T
−(ρ0 ce θ(0), ϕθ (0)wθj )Hθ + hAθ θ(t), ϕθ (t)wθj iVθ∗ Vθ dt − (δ θΓ , ϕθ (t)wθj )Kθ dt =
0 0
Z T Z Z T Z N
X
=3 K α θ0 div(u′ (t)) ϕθ (t)wθj dx dt + ρ0 Li γi ϕθ (t)wθj dx dt +
0 Ω 0 Ω i=1
Z T
+ (r, ϕθ (t)wθj )Hθ dt
0

Die lineare Hülle der Funktionen wuk (k ∈ N) ist dicht in Vu - analog ist die lineare
Hülle der Funktionen wθk (k ∈ N) dicht in Vθ . Damit sind die Funktionen ϕu (t)wuk
und ϕθ (t)wθk (k ∈ N) zulässige Testfunktionen.

Nun bleibt für die Existenz der Lösung nur noch zu zeigen: u(0) = u0, u′ (0) = u1
und θ(0) = θ0 . Diese Tatsache folgt analog zum Beweis des Satzes 4.3.1, daher sei
an dieser Stelle darauf verzichtet.
98 Umwandlungsplastizität

(4) Eindeutigkeit der Lösung


Seien u1 , θ1 sowie u2 , θ2 zwei verschiedene Lösungen des Ausgangsproblems. Seien
u := u1 − u2 und θ := θ1 − θ2 gegeben. Dann gelten aufgrund der Linearität
u(0) = 0, u′ (0) = 0, θ(0) = 0 sowie
Z T Z T
′′
(ρ0 u (t), v(t))Vu∗ Vu dt + hAu u(t), v(t)iVu∗ Vu dt+
0 0
(5.1.40) Z TZ
+3 K α θ(t) div(v(t)) dx dt = 0
0 Ω

für alle v ∈ Vu
Z T Z T
(ρ0 ce θ(t), w(t))Vθ∗ Vθ dt + hAθ θ(t), w(t)iVθ∗ Vθ dt =
0 0
(5.1.41) Z TZ
=3 K α θ0 div(u′(t)) w(t) dx dt
0 Ω

für alle w ∈ Vθ

Damit folgt der Beweis der Eindeutigkeit analog zum Beweis des Satzes 4.3.1.

5.1.3 Existenz und Eindeutigkeit des Teilproblems B


Gegeben sei θ̄ ∈ Hθ . Wir betrachten das System von gewöhnlichen Differentialgleichun-
gen
∂pi (x, t)
(5.1.42) = γi (θ̄(x, t), p(x, t)) , t ∈]0, T [ , x ∈ Ω
∂t
(5.1.43) pi (x, 0) = pi0 (x) , x ∈ Ω
für i = 1, . . . , N.

Bemerkung 5.1.5: Das Anfangswertproblem (5.1.42), (5.1.43) lässt sich abstrakt als
gewöhnliches Differentialgleichungssystem im Banachraum L∞ (Ω) formulieren (verglei-
che [Emm04]).

Satz 5.1.6 (Globale Existenz und Eindeutigkeit): Unter den Voraussetzungen

(1) γ : R × RN → RN
(2) p0 ∈ [L∞ (Ω)]N
(3) Für alle p ∈ [L∞ (Ω×]0, T [)]N und für alle θ̄ ∈ Hθ sei γi = γi (θ̄(x, t), p(x, t)) für
i = 1, . . . , N Lebesgue-messbar auf Ω×]0, T [.
(4) Es existieren nichtnegative Funktionen h ∈ C(RN ) sowie ϕ, ψ ∈ L∞ (Ω×]0, T [) so
dass für alle p ∈ RN und für alle θ̄ ∈ Hθ gilt:
(5.1.44) |γ(θ̄(x, t), p)| ≤ ϕ(x, t) + ψ(x, t) h(p)
für fast alle (x, t) ∈ Ω×]0, T [.
5.1. Lineare Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen 99

(5) Es existiert ein L ≥ 0, so dass für alle p, q ∈ RN und für alle θ̄ ∈ Hθ gilt:

(5.1.45) |γ(θ̄(x, t), p) − γ(θ̄(x, t), q)| ≤ L kp − qkRN

für fast alle (x, t) ∈ Ω×]0, T [.

existiert genau eine Lösung p ∈ Vp des Anfangswertproblems (5.1.42), (5.1.43).

Beweis. Der Beweis lässt sich mithilfe des Banachschen Fixpunktsatzes führen (sie-
he [Hüß07] und vergleiche [Emm04] für die Verallgemeinerung des Satzes von Picard-
Lindelöf auf Banachräume).

Bemerkung 5.1.7: Seien ū ∈ Hu sowie θ̄ ∈ Hθ gegeben. Unter analogen Voraussetzun-


gen des Satzes 5.1.6 existiert genau eine Lösung p ∈ Vp des Anfangswertproblems

∂pi (x, t)
(5.1.46) = γi (ū(x, t), θ̄(x, t), p(x, t)) , t ∈]0, T [ , x ∈ Ω
∂t
(5.1.47) pi (x, 0) = pi0 (x) , x ∈ Ω

für i = 1, . . . , N (vergleiche [Hüß07]).

Lemma 5.1.8: Unter zusätzlichen Bedingungen an die Struktur der rechten Seite γ der
Gleichung (5.1.42) und an p0
N
X
(5.1.48) p0 (x) ≥ 0 und p0i (x) = 1
i=1

für alle x ∈ Ω folgt


N
X
(5.1.49) 0 ≤ p(x, t) ≤ 1 und pi (x, t) = 1
i=1

für fast alle (x, t) ∈ Ω × [0, T ].

Beweis. siehe [Hüß07]

Im Folgenden betrachten wir ein Beispiel, um die Aussagen des Satzes 5.1.6 und des
Lemmas 5.1.8 zu illustrieren.

Beispiel 5.1.9: Exemplarisch betrachten wir konkret die (spannungsfreie) Phasenum-


wandlung (vergleiche Kapitel 2) im Stahl 100Cr6, bei dem sich der Austenit in Perlit,
Bainit und Martensit (unter gewissen Bedingungen) umwandelt (vgl. [Wol07c]).
Im Folgenden seien

• p1 der Phasenanteil des Austenits,

• p2 der Phasenanteil des Perlits,

• p3 der Phasenanteil des Bainits sowie

• p4 der Phasenanteil des Martensits.


100 Umwandlungsplastizität

Weiter nehmen wir an, dass sich Perlit nur im Temperaturintervall ]θ2 , θ1 [ und Bainit
im Temperaturintervall ]θ3 , θ2 ] bildet. Oberhalb von θ3 findet keine Phasenumwandlung
statt, unterhalb von θ1 bildet sich nur Martensit.
Wir definieren zunächst die Heaviside-Funktion via

0 für s ≤ 0
(5.1.50) H(s) :=
1 für s > 0
und legen folgendes Modell für die Phasenumwandlung zugrunde (vergleiche [Wol07b]):
p′1 = − p′2 − p′3 − p′4
p′2 =H(θ1 − θ) H(θ − θ2 ) (e2 (θ) + p2 )r2 (θ) (max{p̄2 − p2 , 0})s2 (θ) g2 (θ)
(5.1.51)
p′3 =(1 − H(θ − θ2 )) H(θ − θ3 ) (e3 (θ) + p3 )r3 (θ) (max{p̄3 − p3 , 0})s3(θ) g3 (θ)
p′4 =(1 − H(θ − θ3 )) max{p̄4 − p4 , 0} µ
mit den Anfangsbedingungen
(5.1.52) p01 = 1 − 10−9 , p02 = 0 , p03 = 0 , p04 = 10−9
Die Phasenentwicklung von Austenit, Perlit und Bainit wird durch ein Differentialglei-
chungsmodell (vergleiche [Wol07c]) beschrieben, während die Phasenentwicklung des
Martensits nach Leblond-Devaux berechnet wird.
Dabei seien p̄i die Gleichgewichtsanteile der entsprechenden Phasen durch
p̄1 =1
p̄2 =H(θ1 − θ) H(θ − θ2 )
(5.1.53) p̄3 =(1 − H(θ − θ2 )) H(θ − θ3 ) − p2e

θ3 − θ 
p̄4 =((1 − H(θ − θ3 )) − p2e − p3e ) 1 − exp −
θM 0
mit
(5.1.54) 0 ≤ p̄1 , p̄2 , p̄3 , p̄4 ≤ 1 und p̄1 + p̄2 + p̄3 + p̄4 = 1.
Der Gleichgewichtanteil von Martensit wird mithilfe der Koistinen-Marburger-Gleichung
(vergleiche [Wol06b]) berechnet. Dabei sind θM 0 die Martensitstarttemperatur und p2e
sowie p3e die Phasenanteile von Perlit bzw. von Bainit nach abgeschlossener Umwand-
lung.
Die temperaturabhängigen Parameter ei , ri , si , gi (i = 2, 3) lassen mithilfe realer Daten
durch ein Optimierungsproblem bestimmen (vgl. [Wol07c]).
Es gelten für i = 2, 3:
(5.1.55) ei ∈ C(R) ∩ L∞ (R) ∃ e0 , e1 > 0 ∀ τ ∈ R : e0 ≤ e(τ ) ≤ e1 < ∞
(5.1.56) ri ∈ C(R) ∩ L∞ (R) ∃ r1 ≥ 0 ∀ τ ∈ R : 0 ≤ r(τ ) ≤ r1 < ∞
(5.1.57) si ∈ C(R) ∩ L∞ (R) ∃ s1 ≥ 1 ∀ τ ∈ R : 1 ≤ s(τ ) ≤ s1 < ∞
(5.1.58) gi ∈ C(R) ∩ L∞ (R) ∃ g1 ≥ 0 ∀ τ ∈ R : 0 ≤ g(τ ) ≤ g1 < ∞
Die regularisierte Heavisidefunktion ist definiert durch:

 0 für s≤0
(5.1.59) Hε (s) := 1 für s≥ε
 s
ε
für 0 < s<ε
5.1. Lineare Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen 101

Wir ersetzen im System (5.1.51) die Heaviside-Funktion H durch die regularisierte Heaviside-
Funktion Hε . Dann ist für einen gegebenen (stetigen) Temperaturverlauf die rechte Sei-
te des Differentialgleichungssystems (5.1.51) lokal Lipschitz-stetig nach Bauart (Sum-
men, Produkte und Maxima Lipschitz-stetiger Funktioen sind zumindest lokal Lipschitz-
stetig) und somit existiert eindeutig eine lokale Lösung auf [0, T1 ] ⊂ [0, T ] nach dem Satz
von Picard-Lindelöf (vergleiche [Aul97], [Wal00]). Ferner gilt:

(5.1.60) p′3 = (1 − H(θ − θ2 )) H(θ − θ3 ) g3 (θ) (e3 (θ) + p3 )r3 (θ) (max{p̄3 − p3 , 0})s3 (θ)
| {z } | {z }
=: G(θ,θ2 ,θ3 ) ≥ 0 ≥0

Aufgrund von p03 = 0 gilt p′3 ≥ 0 auf einem kleinen Intervall [0, T1 ] ⊂ [0, T ]. Wir
betrachten für fixiertes q3 die folgende Hilfsaufgabe

(5.1.61) p′3 = G(θ, θ2 , θ3 ) (e3 (θ) + q3 )r3 (θ) (p̄3 − p3 ) (max{p̄3 − q3 , 0})s3(θ)−1

Die lineare inhomogene Differentialgleichung (5.1.61) mit der Anfangsbedingung p03 =


0 besitzt eine globale, eindeutige Lösung. Mithilfe der Lösungsformel für inhomogene
lineare Differentialgleichungen (vergleiche [Aul97], [Wal00]) gilt für die Lösung p3 der
Hilfsaufgabe:
Z th  Z t 
p3 = exp − G(θ, θ2 , θ3 ) (e3 (θ) + q3 )r3 (θ) (max{p̄3 − q3 , 0})s3(θ)−1 ds ·
(5.1.62) 0 τ
i
r3 (θ) s3 (θ)−1
· G(θ, θ2 , θ3 ) (e3 (θ) + q3 ) p̄3 (max{p̄3 − q3 , 0}) dτ

Aufgrund der Eindeutigkeit der Lösung, gilt Gleichung (5.1.62) auch für q3 = p3 . Damit
folgt p3 ≥ 0 auf einem kleinen Intervall [0, T1 ] ⊂ [0, T ]. Mithilfe eines Fortsetzung-
sarguments folgt p3 ≥ 0 mit p′3 ≥ 0 auf dem ganzen Intervall [0, T ]. Analog folgen
p2 ≥ 0 mit p′2 ≥ 0 sowie p1 ≥ 0 mit p′1 ≤ 0 auf dem ganzen Intervall [0, T ]. Weiter gilt
p′4 ≥ 0 und mithilfe der Gleichung von Leblond-Devaux (Lösung der Leblond-Devaux-
Differentialgleichung)
 
(5.1.63) p4 = p̄4 1 − exp µ t

folgt p4 ∈ [0, 1] auf ganz [0, T ]. Aufgrund von p01 = 1 und p1 ≥ 0 mit p′1 ≤ 0 auf dem
ganzen Intervall [0, T ] gilt 0 ≤ p1 ≤ 1 auf dem ganzen Intervall [0, T ]. Weiter gilt wegen
∂  ∂p1 ∂p2 ∂p3 ∂p4
(5.1.64) p1 + p2 + p3 + p4 = + + + =0
∂t ∂t ∂t ∂t ∂t
und p01 + p02 + p03 + p04 = 1 ebenfalls p1 + p2 + p3 + p4 = 1 auf dem ganzen Intervall
[0, T ]. Damit folgt auch 0 ≤ p2 ≤ 1 sowie 0 ≤ p3 ≤ 1 auf dem ganzen Intervall [0, T ].
Somit gilt die Nichtnegativitätsbeziehung und die Bilanzgleichung aus Lemma ??.

5.1.4 Existenz und Eindeutigkeit des Gesamtproblems


Satz 5.1.10 (Existenz- und Eindeutigkeitssatz für die Aufgabe der linearen Thermoela-
stizität mit Phasenumwandlungen für spannungsfreies Umwandlungsverhalten): Unter
den Voraussetzungen (3.1.11) - (3.1.15), (4.1.19) - (4.1.22), (4.1.25) - (4.1.29), (4.3.1),
(4.3.2), (5.1.18) - (5.1.21) und der Lipschitz-Stetigkeit der Funktion γ bezüglich beider
102 Umwandlungsplastizität

Variablen, besitzt die Aufgabe (5.1.1) - (5.1.8) genau eine schwache Lösung (u, θ, p) ∈
Vu × Vθ × Vp , d.h. es gelten: Gleichung (5.1.22) in Ω×]0, T [ für alle ϕ ∈ Vu mit ϕ′ ∈ Hu
und ϕ(T ) = 0 sowie u(0) = u0 , Gleichung (5.1.23) in Ω×]0, T [ für alle ψ ∈ Vθ mit
ψ ′ ∈ Hθ und ψ(T ) = 0, Gleichung (5.1.24) in Ω×]0, T [.

Beweis. Seien V := Vu × Vθ und H := Hu × Hθ . Angenommen es sei (ū, θ̄) ∈ L2 (0, T ; H).


Wir haben bereits gezeigt:

(1) Zu gegebenem (ū, θ̄) ∈ L2 (0, T ; H) existiert eine eindeutige Lösung p = p(ū, θ̄) ∈ Vp
des Anfangswertproblems

(5.1.65) p′ (t) = γ(θ̄(t), p(t)) , t ∈ ]0, T [


(5.1.66) p(0) = p̄0 ∈ L∞ (Ω)
P
mit 0 ≤ p(x, t) ≤ 1 und N i=1 pi = 1 für fast alle (x, t) ∈ Ω × [0, T ].

(2) Zu diesem gegebenem p ∈ Vp existiert eine eindeutige Lösung

(u, θ) = (u(p(ū, θ̄)), θ(p(ū, θ̄))) ∈ L2 (0, T ; V)

mit folgenden Abschätzungen:

kukL2 (0,T ;Vu ) ≤ c1 kukL∞ (0,T ;Vu ) < ∞


kθkL2 (0,T ;Vθ ) < ∞
ku′kL2 (0,T ;Vu∗ ) ≤ c2 ku′kL2 (0,T ;Vu ) ≤ c2 c3 ku′kL∞ (0,T ;Vu ) < ∞
kθ′ kL2 (0,T ;Vθ∗ ) ≤ c4 kθ′ kL2 (0,T ;Vθ ) < ∞

wobei ci (i = 1, 2, 3, 4) positive Konstanten.

(1) Anwendung des Fixpunktprinzips


Damit ist ein Operator

(5.1.67) T : L2 (0, T ; H) → L2 (0, T ; V) ⊂ L2 (0, T ; H) mit T (ū, θ̄) =: (u, θ)

definiert. Wir wollen nun zeigen, dass dieser mindestens einen Fixpunkt (ũ, θ̃) ∈
L2 (0, T ; H) mit T (ũ, θ̃) = (ũ, θ̃) besitzt. Dazu ist hinreichend zu zeigen, dass

(5.1.68) T : BR (0) ⊂ L2 (0, T ; H) → BR (0) stetig und kompakt ist.

Wir beweisen nun der Reihe nach:

(i) Selbstabbildung

(5.1.69) ∃R>0 T : BR (0) ⊂ L2 (0, T ; H) → BR (0)

Sei (ū, θ̄) ∈ BR (0). Dann gilt für (u, θ) := T (ū, θ̄) aufgrund der Apriori-
Abschätzungen:

k(u, θ)kL2 (0,T ;V) + k(u′, θ′ )kL2 (0,T ;V∗ ) < ∞


=⇒ k(u, θ)kW 1,2 (0,T ;V,H) < ∞
=⇒ k(u, θ)kC(0,T ;H) ≤ c̃1 k(u, θ)kW 1,2(0,T ;V,H) < ∞
5.1. Lineare Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen 103

=⇒ k(u, θ)kL2(0,T ;H) ≤ c̃2 k(u, θ)kC(0,T ;H) ≤ c̃1 c̃2 k(u, θ)kW 1,2(0,T ;V,H) < ∞
=⇒ k(u, θ)kL2(0,T ;H) ≤ c̃1 c̃2 c̃3 =: R < ∞
mit c̃i (i = 1, 2, 3) positive Konstanten. T bildet sogar ganz L2 (0, T ; H) in
BR (0) ab.
(ii) Stetigkeit des Operators
Zu zeigen:
(5.1.70) T : (ū, θ̄) 7→ p 7→ (u, θ) ist stetig.
Seien ūn → ū in L2 (0, T ; Hu ) und θ̄n → θ̄ in L2 (0, T ; Hθ ). Zu zeigen ist, dass
dann auch gilt:
(5.1.71) pn → p in Vp
(5.1.72) un → u in Vu
(5.1.73) θn → θ in Vθ

Lemma 5.1.11: Sei (X, d) ein metrischer Raum. Dann gilt folgende Aussage:
xn → x in X für n → ∞ genau dann, wenn jede Teilfolge von (xn )n∈N eine
gegen x konvergente Teilfolge besitzt.

Sei (pnk )k∈N eine konvergente Teilfolge von (pn )n∈N und (θ̄nk )k∈N eine konver-
gente Teilfolge von (θ̄n )n∈N . Da (θ̄nk )k∈N in L2 (0, T ; Hθ ) gegen θ̄ konvergiert,
folgt nach dem Konvergenzsatz von Lebesgue (vergleiche [Alt02]) die Exi-
stenz einer Teilfolge (θ̄nkl )l∈N , die punktweise fast überall gegen θ̄ konvergiert.
Mithilfe der Lipschitz-Stetigkeit von γ folgt:
Z t
|pnkl (x, t) − p(x, t)| ≤ |γ(θ̄nkl (x, t), pnkl (x, t)) − γ(θ̄(x, t), p(x, t))| ds
0
Z t
≤ |γ(θ̄nkl (x, t), p(x, t)) − γ(θ̄(x, t), p(x, t))| ds +
0
Z t
+ |γ(θ̄(x, t), pnkl (x, t)) − γ(θ̄(x, t), p(x, t))| ds
0
Z t
≤ Lp |θ̄nkl (x, t) − θ̄(x, t)| ds +
0 | {z }
→0
Z t
+ Lθ̄ |pnkl (x, t) − p(x, t)| ds
0

Mithilfe des Lemmas von Gronwall folgt |pnkl (x, t) − p(x, t)| = 0 und damit
folgt pn → p in Vp .

Noch zu zeigen (in Kenntnis von pn → p in Vp ):


(5.1.74) (un , θn ) → (u, θ) in L2 (0, T ; H)
Sei ((unk , θnk ))k∈N eine konvergente Teilfolge von ((un , θn ))n∈N . Da ((ūnk , θ̄nk ))k∈N
in L2 (0, T ; H) gegen (ū, θ̄) konvergiert, folgt nach dem Konvergenzsatz von Le-
besgue die Existenz einer Teilfolge ((unkl , θnkl ))l∈N , die punktweise fast über-
all gegen (ū, θ̄) konvergiert. Betrachte diese Teilfolge ((unkl , θnkl ))l∈N . Aus den
104 Umwandlungsplastizität

folgenden Abschätzungen für die Eindeutigkeit des Gesamtproblems (apriori-


Abschätzungen, Satz von Lebesgue über die majorisierte Konvergenz für l →
∞) folgt analog mit

(5.1.75) θ̃ := θnkl − θ
(5.1.76) ũ := unkl − u
(5.1.77) p̃ := pnkl − p

die Konvergenz von ((unkl , θnkl ))l∈N in V und damit in H gegen (u, θ). Somit
folgt (un , θn ) → (u, θ) in H und damit die Stetigkeit des Operators T .
(iii) Präkompaktheit des Bildes des Operators
Es bleibt noch zu zeigen:

(5.1.78) T : BR (0) → BR (0) kompakt.

Aus T : L2 (0, T ; H) → L2 (0, T ; V) ⊂ L2 (0, T ; H) und k(u, θ)k ≤ R folgen,


dass T die abgeschlossene und nichtleere konvexe Teilmenge BR (0) in eine
Teilmenge von BR (0) abbildet, die zu L2 (0, T ; V) gehört. Wegen der kom-
pakten Einbettung W 1,2 (0, T ; V, H) ⊂ L2 (0, T ; H) aufgrund des Satzes von
Lions-Aubin (Satz A.6.30) ist diese Bildmenge in L2 (0, T ; H) präkompakt.
Somit ist die Abbildung T : BR (0) → BR (0) kompakt.
Damit ist der Schaudersche Fixpunktsatz (Satz A.1.5) auf T anwendbar und somit
besitzt die Aufgabe (5.1.1) - (5.1.8) unter den gegebenen Voraussetzungen minde-
stens eine schwache Lösung (u, θ, p) ∈ Vu × Vθ × Vp .
(2) Eindeutigkeit der Gesamtlösung
Seien (u1 , θ1 , p1 ) und (u2 , θ2 , p2 ) zwei unterschiedliche Lösungen des Originalpro-
blems. Wir definieren:

(5.1.79) ũ := u1 − u2
(5.1.80) θ̃ := θ1 − θ2
(5.1.81) p̃ := p1 − p2

Seien v und w zwei geeignet gewählte Testfunktionen. Dann folgen:


(5.1.82)
Z T Z T
′′
ρ0 hũ (t), v(t)iVu∗ Vu dt + hAu ũ(t), v(t)iVu∗ Vu dt+
0 0
Z T Z Z T Z N
X
+3 K α div(w(t)) θ̃(t) dx dt = K ρi0 p̃i (t) div(v(t)) dx dt
0 Ω 0 Ω i=1
Z T Z T

ρ0 ce hθ̃ (t), w(t)iVθ∗ Vθ dt + hAθ θ̃(t), w(t)iVθ∗ Vθ dt =
0 0
Z TZ
(5.1.83) =3 K α θ0 div(ũ′ (t))w(t) dx dt+
0 Ω
Z T N
Z X
+ ρ0 Li (γi (θ1 (t), p1 (t)) − γi (θ2 (t), p2 (t))) w(t) dx dt
0 Ω i=2
5.1. Lineare Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen 105

dp̃
(5.1.84) (t) = γ(θ1 (t), p1 (t)) − γ(θ2 (t), p2 (t))
dt
mit
(5.1.85) ũ(0) = 0 , ũ′ (0) = 0 , θ̃(0) = 0 , p̃(0) = 0
Das Testen der Gleichung (5.1.82) mit χϑ ũ′ und der Gleichung (5.1.83) mit χϑ θ̃ für
fixiertes ϑ ∈ [0, T ] sowie die Multiplikation der Gleichung (5.1.82) mit θ0 und die
Addition der beiden Gleichungen (5.1.82) und (5.1.83) liefert:
Z ϑ Z ϑ
′′ ′
ρ0 θ0 hũ (t), ũ (t)iVu∗ Vu dt + θ0 hAu ũ(t), ũ′ (t)iVu∗ Vu dt+
0 0
Z ϑ Z N
X Z ϑ

− K θ0 ρi0 p̃i (t) div(ũ (t)) dx dt + ρ0 ce hθ̃′ (t), θ̃(t)iVθ∗ Vθ dt+
0 Ω i=1 0
Z ϑ Z N
ϑZ X
+ hAθ θ̃(t), θ̃(t)iVθ∗ Vθ dt = ρ0 Li (γi (θ1 (t), p1 (t)) − γi (θ2 (t), p2 (t))) θ̃(t) dx dt
0 0 Ω i=2

Aus der Gleichung (5.1.84) folgt aufgrund der Lipschitz-Stetigkeit von γ mithilfe
des Lemmas von Gronwall:
Z t
|p1 (t) − p2 (t)| ≤ |γ(θ1 (t), p1 (t)) − γ(θ2 (t), p2 (t))| ds
0
Z t
≤ |γ(θ1 (t), p1 (t)) − γ(θ1 (t), p2 (t))| ds +
0
Z t
+ |γ(θ1 (t), p2 (t)) − γ(θ2 (t), p2 (t))| ds
0
Z t Z t
≤ Lθ̃ |p1 (t) − p2 (t)| ds + Lp̃ |θ1 (t) − θ2 (t)| ds
0 0
Z t
≤ exp(Lθ̃ ϑ) Lp̃ |θ1 (t) − θ2 (t)| ds
0

Weiter ist mithilfe der Hölderschen- und Youngschen Ungleichung sowie unter Ver-
wendung des Lemmas von Gronwall:
Z t 2
2
|p1 (t) − p2 (t)| ≤ |γ(θ1 (t), p1 (t)) − γ(θ2 (t), p2 (t))| ds
0
Z t Z t
≤ ds |γ(θ1 (t), p1 (t)) − γ(θ2 (t), p2 (t))|2 ds
0
Z t 0
≤ ϑ |γ(θ1 (t), p1 (t)) − γ(θ1 (t), p2 (t))| +
0
2
+|γ(θ1 (t), p2 (t)) − γ(θ2 (t), p2 (t))| ds
Z t Z t 
2 2 2 2
≤ 2ϑ Lθ |p1 (t) − p2 (t)| ds + Lp |θ1 (t) − θ2 (t)| ds
0 0
Z t
2 2 2
≤ exp(2 Lθ ϑ ) Lp 2 ϑ |θ1 (t) − θ2 (t)|2 ds
| {z } 0
=: Cp

Weiterhin folgen aus den apriori-Abschätzungen:


106 Umwandlungsplastizität

(i) Mithilfe partieller Integration bzgl. der Zeit ist:


Z ϑ
ρ0 θ0 ′
ρ0 θ0 hũ′′ (t), ũ′(t)iVu∗ Vu dt = kũ (ϑ)k2Hu
0 2

(ii) Mithilfe partieller Integration bzgl. der Zeit und der Koerzivität des Operators
Au folgt:
Z ϑ
c1 θ0
θ0 hAu ũ(t), ũ′(t)iVu∗ Vu dt ≥ kũ(ϑ)k2Vu
0 2

(iii) Mithilfe partieller Integration bzgl. der Zeit ergibt sich:


Z ϑ
ρ0 ce
ρ0 ce hθ̃′ (t), θ̃(t)iVθ∗ Vθ dt = kθ̃(ϑ)k2Hθ
0 2

(iv) Wegen der Koerzivität des Operators Aθ folgt:


Z ϑ Z ϑ
hAθ θ̃(t), θ̃(t)iVθ∗ Vθ dt ≥ c2 kθ̃(t)k2Vθ dt
0 0

(v) Mithilfe der Hölderschen- und der Youngschen Ungleichung sowie aufgrund
der Lipschitz-Stetigkeit der Funktion γ ist:
Z ϑ N
Z X

ρ0 Li γi (θ1 (t), p1 (t)) − γi (θ2 (t), p2 (t)) θ̃(t) dx dt
0 Ω i=2
N
X Z ϑ Z
≤ ρ0 kLi kL∞ (Ω) |γi (θ1 (t), p1 (t)) − γi(θ2 (t), p2 (t))| |θ̃(t)| dx dt
i=2 0 Ω

XN Z ϑ Z  
≤ ρ0 kLi kL∞ (Ω) Lp |θ̃(t)| + Lθ |p̃(t)| |θ̃(t)| dx dt
i=2 0 Ω
N  Z ϑ Z ϑ Z   
X Lθ
≤ ρ0 kLi kL∞ (Ω) Lp kθ̃(t)k2Hθ dt + 2 2
|θ̃(t)| + |p̃(t)| dx dt
i=2 0 2 0 Ω
N  Z ϑ Z Z 
X Lθ 2 Lθ ϑ 2
≤ ρ0 kLi kL∞ (Ω) Lp + kθ̃(t)kHθ dt + |p̃(t)| dx dt
i=2
2 0 2 0 Ω
N  Z ϑ
X Lθ Lθ ϑ Cp
≤ ρ0 kLi kL∞ (Ω) Lp + + kθ̃(t)k2Hθ dt
i=2
2 2 0
| {z }
=: c4

(vi) Mithilfe partieller Integration bzgl. der Zeit, der Hölderschen- und der Young-
schen Ungleichung sowie aufgrund der Lipschitz-Stetigkeit der Funktion γ:
Z ϑ Z N
X
K ρi0 p̃i (t) div(ũ′(t)) dx dt =
0 Ω i=1
Z ϑ Z N
X 
= − K ρi0 γi(θ1 (t), p1 (t)) − γi (θ2 (t), p2 (t)) div(ũ(t)) dx dt +
0 Ω i=1
5.1. Lineare Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen 107

Z N
X
+ K ρi0 p̃i (ϑ) div(ũ(ϑ)) dx ≤
Ω i=1
XN Z ϑ Z  
≤ kKkL∞ (Ω) |ρi0 | Lp |θ̃(t)| + Lθ |p̃(t)| div(ũ(t)) dx dt +
i=1 0 Ω

XN Z
+kKkL∞ (Ω) |ρi0 | p̃i (ϑ) div(ũ(ϑ)) dx ≤
i=1 Ω
N Z ϑ N Z ϑ
X Lp kKkL∞ (Ω) X Lp kKkL∞ (Ω)
≤ |ρi0 | kθ̃(t)k2Hθ dt + |ρi0 | kũ(t)k2Vu dt +
i=1
2 0 i=1
2 0
N Z ϑ N Z ϑ
X Lθ ϑ Cp kKkL∞ (Ω) X Lθ kKkL∞ (Ω)
|ρi0 | kθ̃(t)k2Hθ dt + |ρi0 | kũ(t)k2Vu dt +
i=1
2 0 i=1
2 0
N
X 2 Cp kKk2 ∞ Z ϑ
L (Ω)
+ |ρi0 | kθ̃(t)k2Hθ dt + ε1 kũ(ϑ)k2Vu
i=1
ε1 0
N Z ϑ
X (Lθ + Lp ) kKkL∞ (Ω)
≤ |ρi0 | kũ(t)k2Vu dt + ε1 kũ(ϑ)k2Vu +
2 0
|i=1 {z }
=: c5
N N
!Z
ϑ
X Lp Lθ ϑ Cp Cp kKkL∞ (Ω) X
+ kKkL∞ (Ω) |ρi0 | + + |ρi0 | kθ̃(t)k2Hθ dt
i=1
2 2 ε1 i=1 0
| {z }
=: c6

Damit folgt insgesamt:


c θ  Z ϑ
ρ0 θ0 ′ 1 0 ρ0 ce
kũ (ϑ)k2Hu + − ε1 kũ(ϑ)k2Vu + kθ̃(ϑ)k2Hθ + c2 kθ̃(t)k2Vθ dt ≤
2 2 2 0
Z ϑ Z ϑ
2
≤ (c4 + c6 ) kũ(t)kVu dt + c5 kθ̃(t)k2Hθ dt
0 0
Somit ist:
Z ϑ  
kθ̃(ϑ)k2Hθ + kũ(ϑ)k2Vu ≤ C kũ(t)k2Vu + kθ̃(t)k2Hθ dt
0
wobei ( )
c4 + c6 , c5
C := max ≥0
c 1 θ0
2
− ε1 , ρ02ce
entsprechend gewählt sei.
Daraus folgt mithilfe der Gronwallschen Ungleichung:
(5.1.86) kθ̃(ϑ)k2Hθ + kũ(ϑ)k2Vu = 0
für fast alle ϑ ∈ [0, T ]. Damit ist:
(5.1.87) ũ(ϑ) = 0 und
(5.1.88) θ̃(ϑ) = 0
für fast alle ϑ ∈ [0, T ] und somit folgt ebenfalls p̃ = 0 fast überall in [0, T ].
108 Umwandlungsplastizität

5.2 Lineare Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen


und Umwandlungsplastizität
5.2.1 Die Aufgabenstellung
Die Aufgabe besteht darin, die eindeutige Existenz einer schwachen Lösung des gekop-
pelten Systems aus folgenden partiellen und gewöhnlichen Differentialgleichungen nach-
zuweisen.

Bewegungsgleichung:

(5.2.1)
N
d2 u  X 
ρ0 2 − 2 div(µ ε(u)) − grad(λ div(u)) + 3 grad(K α (θ − θ0 )) + grad K ̺i pi +
dt i=1
Z t  Z t 
2
+2 µ div b(s, t) ε(s) ds − µ div b(s, t) tr(ε(s)) Id ds = f in Ω×]0, T [
0 3 0

wobei
ρ0
(5.2.2) ̺i0 := − 1 (i = 1, . . . , N)
ρi (θ0 )
 Z t 
(5.2.3) b(s, t) := a(s) exp − a(τ ) dτ
s
N
X
(5.2.4) a(s) := 3 µ Gi Φ′i (pi ) max{p′i (s), 0}
i=1

Linearisierte Energiegleichung:
  N
dθ du X
(5.2.5) ρ0 ce − div(κ ∇θ) = −3K α θ0 div + ρ0 Li γi + r in Ω×]0, T [
dt dt i=2

Umwandlungsgleichung für die Phasenanteile:


dpi
(5.2.6) = γi (θ, p) (i = 1, . . . , N) in Ω×]0, T [
dt
mit den Rand- und Anfangsbedingungen (5.1.5) - (5.1.8). Dabei sind (3.1.4) - (3.1.15),
(4.1.8) - (4.1.15), (4.1.17) - (4.1.18), (5.1.9) - (5.1.17) sowie

(5.2.7) S − Spannung mit


N  
X ρ0
S := 2 µ ε + λ tr(ε) Id +3 K (θ − θ0 ) Id +K − 1 pi Id +2 µ εU P
i=1
ρi (θ0 )
(5.2.8) εU P − inelastischer Anteil des Verzerrungstensors,
hervorgerufen durch Umwandlungsplastizität via
N Z
3X t
εU P := Gi Φ′i (pi ) max{p′i (s), 0} S ∗(s) ds
2 i=1 0
Umwandlungsplastizität 109

(5.2.9) Gi − Greenwood-Johnson-Parameter der i-ten Phase


(5.2.10) Φi − Sättigungsfunktion der i-ten Phase
1
(5.2.11) S ∗ := S − tr(S) Id - Deviator des Spannungstensors
3
Im Weiteren seien ferner:

(5.2.12) Gi ∈ L∞ (Ω) mit 0 ≤ Gi (x) für fast alle x ∈ Ω (i = 1, . . . , N)


(5.2.13) Φi ∈ C 0,1 ([0, 1]) mit Φi (0) = 0, Φi (1) = 1, Φ′i ≥ 0 fast überall und
Φ′i , Φ′′i ∈ L∞ (R)

Definition 5.2.1: Unter den Voraussetzungen (3.1.11) - (3.1.15), (4.1.19) - (4.1.22),


(4.1.25) - (4.1.29), (4.3.1), (4.3.2), (5.1.18) - (5.1.21), (5.2.12) und (5.2.13) heißt ein
Tripel (u, θ, p) ∈ Vu × Vθ × Vp mit u′ ∈ Vu schwache Lösung der Aufgabe (5.2.1) - (5.1.8),
falls gelten:
Z T Z Z T
′ ′
− ρ0 u (t) ϕ (t) dx dt + hAu u(t), ϕ(t)iVu∗ Vu dt+
0 Ω 0
Z T Z
+3 K α (θ(t) − θ0 ) div(ϕ(t)) dx dt+
0 Ω
Z T Z N
X
+ K ρi0 pi (t) div(ϕ(t)) dx dt+
0 Ω
(5.2.14) Z Z
i=1
Z t
T
+2 µ b(x, s, t) ε(u(s)) ds ε(ϕ(t)) dx dt+
0 Ω 0
Z Z Z t
2 T
− µ b(x, s, t) div(u(s)) ds div(ϕ(t)) dx dt =
3 0 Ω 0
Z TZ Z
= f (x, t) ϕ(t) dx dt + ρ0 u1 (x) ϕ(0) dx
0 Ω Ω

in Ω×]0, T [ für alle ϕ ∈ Vu mit ϕ′ ∈ Hu und ϕ(T ) = 0 sowie u(0) = u0 ,

(5.2.15)
Z TZ Z T

− ρ0 ce θ(t) ψ (t) dx dt + hAθ θ(t), ψ(t)iVθ∗ Vθ dt =
0 Ω 0
Z TZ Z TZ
= δ θΓ ψ(t) dσ dt + 3 K α θ0 div(u′ (t)) ψ(t) dx dt+
0 ∂Ω 0 Ω
Z T Z N
X Z T Z Z
+ ρ0 Li γi (t) ψ(t) dx dt + r(x, t) ψ(t) dx dt + ρ0 ce θ0 (x) ψ(0) dx
0 Ω i=1 0 Ω Ω

in Ω×]0, T [ für alle ψ ∈ Vθ mit ψ ′ ∈ Hθ und ψ(T ) = 0,

dpi
(5.2.16) (t) = γi (θ(t), p(t)) , i = 1, . . . , N
dt

in Ω×]0, T [.
110 Umwandlungsplastizität

Die Beweisidee, um die Existenz und die Eindeutigkeit einer schwachen Lösung der Auf-
gabe (5.2.1) - (5.1.8) zu zeigen, ist vollkommen analog zum Kapitel 5.1.
Im Folgenden diskutieren wir die Schwierigkeiten, die bei der Untersuchung von Teilpro-
blem A auftreten. Die Lösung von Teilproblem B verläuft analog zum Kapitel 5.1.3.

5.2.2 Existenz und Eindeutigkeit des Teilproblems A


Bei der Untersuchung der vollen Problemstellung treten einige Probleme auf, die wir
im Folgenden näher beschreiben wollen. Insbesondere erfordern die Kopplungsterme in
der Bewegungs- und der Wärmeleitungsgleichung sowie das Materialgesetz der Umwand-
lungsplastizität zusätzliche Anstregungen.
Wie wir bereits im Fall der linearen Thermoelastizität (Kapitel 4) gesehen haben, ist die
erste apriori-Abschätzung für den Grenzübergang in der Wärmeleitungsgleichung nicht
ausreichend, da aufgrund des Divergenzterms u′ mit Werten in Vu benötigt wird.

(1) Für den Fall vereinfachter Randbedingungen vergleiche man Bemerkung 5.1.4

(2) Das Differenzieren der Galerkin-Gleichungen nach der Zeit ist nicht möglich, da
die Abschätzung der Terme des Materialgesetzes der Umwandlungsplastizität ohne
Rückspannung:
Z tZ Z s 
d
2 θ0 µ b(τ, s) ε(u(τ )) dτ ε(u′′ (s)) dx ds
0 Ω ds 0

auf störende Produkte der folgenden Art führt:


Z tZ
|θ′ (s)| |ε(u(s))| |ε(u′(s))| dx ds
0 Ω

Das analoges Problem ergibt sich für den folgenden Term:


Z Z Z s 
2 θ0 t d
µ b(τ, s) div(u(τ )) dτ div(u′′ (s)) dx ds
3 0 Ω ds 0

Bemerkung 5.2.2: Für nichtkonstante Koeffizienten, d.h. für temperatur- und


phasenabhängige Parameter ist ein Differenzieren der Galerkin-Gleichungen eben-
falls nicht möglich. Insbesondere die mechanischen Parameter (µ, λ, K, α) bereiten
Probleme bei den apriori-Abschätzungen der Kopplungsterme und des Operators
Au , wenn diese von der Temperatur oder den Phasenanteilen abhängen. Beispiels-
weise führt die Abschätzung von
Z tZ
µ(θ(s), p(s)) ε(u(s)) : ε(u′′ (s)) dx ds
0 Ω

aufgrund des Auftretens von partiellen Ableitungen der Parameter auf störende
Produkte der folgenden Form:
Z tZ  
∂µ ∂µ
(s) θ′ (s) + (s) γ(s) ε(u(s)) : ε(u′ (s)) dx ds
0 Ω ∂θ ∂p
Umwandlungsplastizität 111

Für diese Konstellation lassen sich keine hinreichenden apriori-Abschätzungen her-


leiten.

Bemerkung 5.2.3: Für den Fall, dass ein Differenzieren der Galerkin-Gleichungen
nicht nötig ist, um ein Existenz- und Eindeutigkeitsresultat nachzuweisen, gibt es
die Möglichkeit, temperatur- und phasenabhängige Materialparameter zu betrach-
ten. Einerseits lassen sich diese Nichtlinearitäten im Teilproblem A direkt mithilfe
von Monotoniemethoden (vergleiche [Wol04]) untersuchen, andererseits können die
Nichtlinearitäten direkt in den Fixpunktalgorithmus mit eingebaut werden. Das
Teilproblem A bleibt dann linear, die temperatur- und phasenabhängigen Parame-
ter hängen dann lediglich von einem fest vorgegebenem θ̄ bzw. p̄ ab.

(3) Die Existenz und Eindeutigkeit einer schwachen Lösung laut Definition 5.2.1 des
vollen Problems mit allgemeinen Randbedingungen zu zeigen, ist mit den zur
Verfügung gestellten Hilfsmitteln nicht nötig. Eine Möglichkeit im Rahmen der
Energiemethoden sind Regularisierungen im Materialgesetz der Umwandlungspla-
stizität oder in den Kopplungstermen der Bewegungs- und der Wärmeleitungsglei-
chung.

(i) Eine Idee ist, im Kopplungsterm der Bewegungsgleichung die Temperatur θ


durch die im Fixpunktalgorithmus fest vorgegebene Temperatur θ̄ zu erset-
zen. In diesem Fall heben sich die Kopplungsterme zwar nicht auf, allerdings
ergeben sich hinreichende apriori-Abschätzungen. Die Rechtfertigung dieses
Vorgehens begründet sich in der Tatsache, dass die Gleichung für den Fix-
punkt und somit auch für θ = θ̄ gelten muss. Die Eindeutigkeit für u folgt un-
mittelbar, da für fixiertes θ̄ der Kopplungsterm wegfällt. Im folgenden Schritt
folgt dann auch die Eindeutigkeit für θ.
(ii) Eine andere Möglichkeit ist, das Materialgesetz der Umwandlungsplastizität
nicht zu verändern, auf das Differenzieren der Galerkin-Gleichungen zu ver-
zichten und die Kopplungsterme zu regularisieren. Wir ersetzen in der Wärme-
leitungsgleichung die Zeitableitung von u durch den Differenzenquotienten
 1

′ u(t + h) − u(t) für t ∈ [0, T − h]
(5.2.17) u (t) := h
0 für t ∈]T − h, T ]

und in der Bewegungsgleichung θ durch das Steklov-Mittel (siehe zur Vorge-


hensweise [Lad68], Seite 141 f.)
 1
Rt
θ(s) ds für t ∈]h, T ]
(5.2.18) θh (t) := h t−h
θ(0) für t ∈ [0, h]

Wir ersetzen in der Wärmeleitungsgleichung den Kopplungsterm:


Z tZ
3 K α θ0 div(u′ (s)) w(s) dx ds
(5.2.19) Z0 t ZΩ 1 
≈3 K α θ0 div u(t + h) − u(t) (1 − χ[t−h,t] ) w(s) dx ds
0 Ω h
112 Umwandlungsplastizität

In der Bewegungsgleichung erhalten wir inklusive Multiplikation mit θ0 nach


der Ersetzung des Kopplungsterms:
Z tZ

− 3 θ0 K α θ(s) − θ0 div(v(s)) dx ds
(5.2.20) Z0 t ZΩ

≈ − 3 θ0 K α θh (s) − θ0 div(u′ (s)) dx ds
0 Ω

Die Multiplikation der Gleichung (5.2.20) mit θ0 liefert:


Z tZ
−3 θ0 K α (θh (s) − θ0 ) div(u′(s)) dx ds
Z t 0Z Ω
1
= 3 θ0 K α (θ(s) − θ(s − h)) div(u(s)) dx ds +
0Z Ω h
−3 θ0 K α (θh (t) − θ0 ) div(u(t)) dx +
Z Ω

+3 θ0 K α (θh (0) − θ0 ) div(u(0)) dx



Z tZ
1
= 3 θ0 K α (θ(s) − θ(s − h)) div(u(s)) dx ds +
0Z Ω h
−3 θ0 K α (θh (t) − θ0 ) div(u(t)) dx

Z tZ
1
= 3 θ0 K α θ(s) div(u(s)) dx ds +
0 Ω h
Z t−h Z
1
−3 θ0 K α θ(s) div(u(s + h)) dx ds +
h
Z−h Ω
+3 θ02 K α div(u(t)) dx

Z Z t
−3 θ0 Kα θ(s) ds div(u(t)) dx
Ω t−h
Z tZ
1
= 3 θ0 K α θ(s) div(u(s)) dx ds +
0 h
Z tΩZ
1
−3 θ0 K α θ(s) div(u(s + h)) χ[0,t−h] dx ds +
h
Z0 t ZΩ
1
+3 θ0 K α θ(s) div(u(s)) dx ds +
t−h Ω h
Z 0Z
1
−3 θ0 K α θ(s) div(u(s + h)) dx ds +
h
Z−h Ω
+3 θ02 K α div(u(t)) dx

Z Z t
−3 θ0 Kα θ(s) ds div(u(t)) dx
Ω t−h

Nach der Addition von Gleichung (5.2.19) und (5.2.20) bleibt:


Z t Z
1
3 θ0 K α θ(s) div(u(s)) dx ds +
t−h Ω h
Umwandlungsplastizität 113

Z 0 Z
1
−3 θ0 K α θ(s) div(u(s + h)) dx ds +
h
Z−h Ω

+3 θ02 K α div(u(t)) dx

Z Z t
−3 θ0 Kα θ(s) ds div(u(t)) dx
Ω t−h
Z t Z t 
1 1 2 1 2
≤ 3 θ0 K α kθ(s)kHθ ds + ku(s)kVu ds +
2 t−h h t−h h
Z 0 Z 0 
1 1 2 1 2
+3 θ0 K α kθ(s)kHθ ds + ku(s + h)kVu ds +
2 −h h −h h
1
+9 θ04 K 2 α2 | meas(Ω)| + ε ku(t)k2Vu
εZ t 
1 1 2 2
+3 θ0 K α kθ(s)kHθ ds + ku(t)kVu ≤
2 t−h h
Die erste Möglichkeit ist die folgende Abschätzung. Aufgrund der Konver-
genzeigenschaft des Steklov-Mittels folgt wegen der Beschränktheit mithilfe
Standardabschätzungen:
1 
≤ 3 θ0 K α kθ(t)k2Hθ + ku(t)k2Vu +
2
1 
+3 θ0 K α kθ(0)k2Hθ + ku(0)k2Vu +
2
2 2 1
+9 θ0 K α | meas(Ω)| + ε ku(t)k2Vu
4
ε
1 
+3 θ0 K α kθ(t)k2Hθ + ku(t)k2Vu
2
= 3 θ0 K α kθ(t)k2Hθ + 3 θ0 K α (1 + ε)ku(t)k2Vu +
1  1
+3 θ0 K α kθ(0)k2Hθ + ku(0)k2Vu + 9 θ04 K 2 α2 | meas(Ω)|
2 ε
Diese Abschätzung hat den Vorteil, dass sie unabhängig vom Regularisierungs-
parameter h ist, allerdings wird eine Kleinheitsbedingung an 3 θ02K α benötigt.
Ohne diese Kleinheitsbedingung erhalten wir als zweite Möglichkeit nur eine
Abschätzung, die abhängig vom Regularisierungsparameter h ist:
Z t Z
1
3 θ0 K α θ(s) div(u(s)) dx ds +
t−h Ω h
Z hZ
1
−3 θ0 K α θ(s − h) div(u(s)) dx ds +
h
Z0 Ω
+3 θ02 K α div(u(t)) dx

Z Z t
−3 θ0 Kα θ(s) ds div(u(t)) dx
Ω t−h
Z t Z t 
1 2 2
≤ 3 θ0 K α kθ(s)kHθ ds + ku(s)kVu ds +
2h 0 0
Z t Z t 
1 2 2
+3 θ0 K α kθ(s)kHθ ds + ku(s)kVu ds +
2h 0 0
114 Umwandlungsplastizität

1
+9 θ04 K 2 α2
| meas(Ω)| + ε1 ku(t)k2Vu +
ε1
Z t
1
+3 θ0 K α kθ(s)k2Hθ ds + ε2 ku(t)k2Vu
ε2 h 0
Z Z
1 1  t 2 1 t
≤ 3 θ0 K α + kθ(s)kHθ ds + 3 θ0 K α ku(s)k2Vu ds +
h ε2 h 0 h 0
1
+9 θ04 K 2 α2 | meas(Ω)| + (ε1 + ε2 ) ku(t)k2Vu
ε1
Für alle hn > 0 existiert genau eine schwache Lösung (u(n) , θ(n) ) im regu-
larisierten Sinne. Die apriori-Abschätzungen sind abhängig von h, aber der
Grenzübergang ist wegen der Kopplung im Wärmeleitungsterm im Allge-
meinen nicht möglich. Falls u(n) besser ist, d.h. (u(n) )′ ∈ L2 (0, T ; Vu ), wo-
bei k(u(n) )′ kL2 (0,T ;Vu ) ≤ const. unabhängig von h. Dann existiert eine schwa-
che Lösung (u, θ) des vollständigen Problems und (u(n) , θ(n) ) → (u, θ)“ für

n → ∞.

Mit dieser Vorgehensweise lässt sich zwar die Existenz einer schwachen Lösung
nachweisen, allerdings ist die Einzigkeit aber nicht gesichert.
Um die Eindeutigkeit einer schwachen Lösung zu zeigen, ist eine bessere Re-
gularität der Lösung nötig. Der Regularisierungstrick zum Beweis der Eindeu-
tigkeit des Satzes 3.2.18 nicht anwendbar, da es nicht gelingt, die Kopplungs-
terme entsprechend zu verarbeiten. Eine Option, die Eindeutigkeit in diesem
Fall zu beweisen, ist sich analog zum Beweis des Satzes 4.3.3 auf den Fall
vereinfachter Randbedingungen zurückzuziehen.
(iii) Eine weitere Möglichkeit zur Lösung des Problems besteht in der Verwendung
einer hyperbolischen Wärmeleitungsgleichung (siehe Kapitel 2 und vergleiche
[Mül72]). Die Definition der schwachen Form dieser Wärmeleitungsgleichung
lautet dann:
(5.2.21)
Z TZ Z TZ
′ ′
− ρ0 ce Tτ θ (t) ψ (t) dt + ρ0 ce θ′ (t) ψ(t) dx dt+
0 Ω 0 Ω
Z T Z TZ
+ hAθ θ(t), ψ(t)iVθ∗ Vθ dt − δ θΓ ψ(t) dσ dt =
0 0 ∂Ω
Z T Z Z T Z N
X

=3 K α θ0 div(u (t)) ψ(t) dx dt + ρ0 Li γi (t) ψ(t) dx dt+
0 Ω 0 Ω i=1
Z T Z Z T Z Z

+ r(x, t) ψ(t) dx dt + r (x, t) ψ(t) dx dt + ρ0 ce Tτ θ1 (x) ψ ′ (0) dx
0 Ω 0 Ω Ω

in Ω×]0, T [ für alle ψ ∈ Vθ mit ψ ∈ Hθ und ψ(T ) = 0 sowie θ(0) = θ0 .
Es wird eine höhere Regularitätsforderung an die Funktion R r gestellt und man
benötigt homogene Randbedingungen, da der Randterm ∂Ω δ θΓ ψ(t) dσ sonst
nicht zu verarbeiten ist. Es gibt ferner die Möglichkeit θΓ = 0 zu fordern oder
die Randbedingung mittels
n
θ − θΓ X
(5.2.22) ϑ= , ϑ(0) = 1 , − κ ∂i ϑ νi = δ ϑ
θ0 − θΓ i=1
Umwandlungsplastizität 115

zu homogenisieren (allerdings muss dann auch in den anderen Gleichungen θ


durch ϑ ersetzt werden).

Das Testen der Bewegungsgleichung mit u′ sowie das Testen der (hyperbo-
lischen) Wärmeleitungsgleichung mit θ′ liefert:

Z t Z t
θ0 hρ0 θ0 u′′m (τ ), u′m (τ )iVu∗ Vu
dτ + θ0 hAu um (τ ), u′m (τ )iVu∗ Vu dτ +
0 0
Z t Z t

+ hAθ θn (τ ), θn (τ )iVθ∗ Vθ dτ + hρ0 ce Tτ θn′′ (τ ), θn′ (τ )iVθ∗ Vθ dτ +
0 0
Z t Z t Z N
X
+ hρ0 ce θn′ (τ ), θn′ (τ )iVθ∗ Vθ dτ + θ0 K ρi0 pi (τ ) div(u′m (τ )) dx dτ +
0 0 Ω i=1
Z T Z

+ 3 θ0 K α θ(t) − θ0 div(u′ (t)) dx dt +
0 Ω
| {z }
=: A
Z t Z Z τ 
+2 θ0 µ b(s, τ ) ε(um (s)) ds ε(u′m (τ )) dx dτ =
0 Ω 0
Z t Z Z τ 
2
= θ0 µ b(s, τ ) div(um (s)) ds div(u′m (τ )) dx dτ +
3 0 Ω 0
Z t Z tZ XN

+ θ0 (f (τ ), um (τ ))Hu dτ + ρ0 Li γi (τ ) θn′ (τ ) dx dτ +
0 0 Ω i=1
Z t Z t Z tZ
+ Tτ (r(τ ), θn′ (τ ))Hθ dτ + (r ′
(τ ), θn′ (τ ))Hθ dτ + δ θΓ (τ ) θn′ (τ ) dσ dτ +
0 0 0 ∂Ω
Z T Z
+ 3 θ0 K α θ′ (t) div(u′ (t)) dx dt
0 Ω
| {z }
=: B

Mit der hyperbolischen Wärmeleitungsgleichung erhofft man sich eine bes-


sere Regularität von θ, etwa θ′ ∈ L2 (0, T ; Hθ ) zu erhalten. Das Problem ist
der Term A in der Bewegungsgleichung und der Term B in der Wärmelei-
tungsgleichung. Die apriori-Abschätzungen sind für u′ ∈ L2 (0, T ; Vu ) nicht
ausreichend, was aber für die partielle Integration im Term B der Wärmelei-
tungsgleichung nötig wäre. Das Problem ist, dass die Herleitung von apriori-
Abschätzungen nicht möglich ist, da der Term B in der Wärmeleitungsglei-
chung die Abschätzung von ku′kVu und kθ′ kVθ erfordert.
Der Ausweg ist eine Regularisierung im Term der Wärmeleitungsgleichung
durch das Steklov-Mittel bzw. durch einen Differenzquotienten in der Bewe-
gungsgleichung und führt somit auf das ursprüngliche Problem in Punkt (i)
zurück.

(iv) Eine andere Möglichkeit besteht darin, das Materialgesetz der Umwandlungs-
plastizität zu regularisieren und die Kopplungsterme unverädert zu lassen.
Ersetzt man im Materialgesetz der Umwandlungsplastizität ohne Rückspan-
nung die Zeitableitung von p durch einen Differenzenquotienten, z.B. durch
116 Umwandlungsplastizität

den rückwärtsgenommenden Differenzenquotienten erster Ordnung


p(t) − p(t − h)
p′ (t) ≈ ∆h p(t) := , h>0
h
oder durch das Steklov-Mittel
Z t
′ 1
p (t) ≈ p′h (t) := p′ (s) ds , h > 0,
h t−h

so gilt im Materialgesetz der Umwandlungsplastizität


N
X
(5.2.23) a(s) := 3 µ Gi Φi (pi ) max{∆h pi (t), 0}.
i=1

Aufgrund der gültigen Abschätzungen

k∆h pkL∞ (Ω×]0,T [) ≤ kp′ kL∞ (Ω×]0,T [) und kp′h kL∞ (Ω×]0,T [) ≤ kp′ kL∞ (Ω×]0,T [)

ist die erste apriori-Abschätzung von h unabhäöngig, die zweite apriori-Abschät-


zung hängt allerdings vom Regularisierungsparameter h ab. gelangt Wegen
Notwendigkeit des Differenzierens der Galerkin-Gleichungen werden bessere
Regularitätsvoraussetzungen an die rechten Seiten, die Anfangsbedingungen,
die Funktionen θΓ und γ sowie die wesentliche Beschränktheit aller partiellen
Ableitungen von γ gestellt. Ferner gelte Φ′′ ∈ L∞ (Ω). Mit der Beschränkt-
heit von p′ zum Zeitpunkt t gilt auch die Beschränktheit zu allen vorherigen
Zeitpunkten und somit

k∆h p′ kL∞ (Ω×]0,T [) < ∞ und kp′′h kL∞ (Ω×]0,T [) < ∞.

Im Folgenden zeigen wir den Existenz- und Eindeutigkeitssatz für die Teilaufgabe A
mithilfe des regularisierten Materialgesetzes der Umwandlungsplastizität. Wir befinden
uns in der Situation des Kapitels 5.1.2.

Satz 5.2.4 (Existenz- und Eindeutigkeitssatz für die Teilaufgabe A des regularisierten
Problems): Unter den Voraussetzungen (3.1.11) - (3.1.15), (4.1.19) - (4.1.22), (4.1.25)
- (4.1.29), (4.3.1), (4.3.2), (5.1.18) - (5.1.21), (5.2.12) und (5.2.13) besitzt die Aufgabe
(5.2.1) - (5.2.3), (5.2.23), (5.2.5), (5.1.5) - (5.1.7) genau eine schwache Lösung (u, θ) ∈
Vu × Vθ , d.h. es gelten: Gleichung (5.2.14) mit (5.2.23) in Ω×]0, T [ für alle ϕ ∈ Vu mit
ϕ′ ∈ Hu und ϕ(T ) = 0 sowie u(0) = u0 , Gleichung (5.2.15) in Ω×]0, T [ für alle ψ ∈ Vθ
mit ψ ′ ∈ Hθ und ψ(T ) = 0.
Ferner gelten:

(5.2.24) u′′ ∈ L∞ (0, T ; Hu), u′ ∈ L∞ (0, T ; Vu ), u ∈ L∞ (0, T ; Vu),

sowie

(5.2.25) θ′ ∈ L∞ (0, T ; Hθ ), θ ∈ L∞ (0, T ; Hθ ).

Der folgende Beweis wird analog zum Beweis in Kapitel ?? mithilfe des simultanes
Galerkin-Verfahrens geführt. Wir beschränkten uns daher auf die wesentlichen Unter-
schiede.
Umwandlungsplastizität 117

Beweis. (1) Existenz der Galerkin-Lösungen


Seien (wuj )j∈N und (wθj )j∈N Galerkin-Basen in Vu bzw. Vθ sowie (Vum )m∈N mit
Vum := span{wu1,...,wum } und (Vθm )m∈N mit Vθm := span{wθ1,...,wθm } die zugehörigen
Galerkin-Schemata. Weiter seien (u0m )m∈N und (u1m )m∈N Folgen in Vu mit (4.3.4)
- (4.3.6) sowie (θ0n )n∈N eine Folge in Vθ mit (4.3.7) - (4.3.8).
Wir suchen Galerkin-Lösungen um : [0, T ] → Vum und θm : [0, T ] → Vθm der Form
(4.3.9) bzw. (4.3.10) als Lösung der Galerkin-Gleichungen

(5.2.26)
(ρ0 u′′m (t), wuj )Hum + hAu um (t), viVum
∗ V
um +
Z Z N
X
+ 3 K α(θn (t) − θ0 ) div(wuj ) dx + K ρi0 pi div(wuj ) dx+
Ω Ω i=1
Z Z t
+2 µ b(s, t) ε(um (s)) ds ε(wuj ) dx+
Ω 0
Z Z t
2
− µ b(s, t) div(um (s)) ds div(wuj ) dx = (f, wuj )Hum , j = 1, . . . , m
3 Ω 0

(ρ0 ce θn′ (t), wθi)Hθn + hAθ θn (t), wθi iVθn


∗ V
θn
=
Z
=3 K α θ0 div(u′m (t)) wθi dx + +(δ θΓ , wθi )Kθn +
(5.2.27) Ω
Z N
X
+ ρ0 Li γi wθi dx + (r, wθi )Hθn , i = 1, . . . , n
Ω i=1

sowie den Anfangsbedingungen (4.3.13) - (4.3.15). Nach dem Einsetzen der Ba-
sisdarstellung in die Galerkin-Gleichungen und die Anfangsbedingungen erhalten
wir eine Anfangswertaufgabe für ein lineares System von gewöhnlichen Differenti-
algleichungen zweiter Ordnung. Aufgrund der getroffenen Voraussetzungen ist auf
diese Aufgabe der Satz von Carathódory anwendbar und es existiert genau eine
absolut-stetige Lösung (um , θn ) ∈ AC 1 ([0, T ]; Vum ) × AC([0, T ]; Vθn ).

(2) Apriori-Abschätzungen

Die Multiplikation der Gleichung (5.2.26) mit γumj (t) und die Summation über j
von 1 bis m ergibt:

(5.2.28)
(ρ0 u′′m (t), u′m (t))Vu∗ Vu + hAu um (t), u′m (t)iVu∗ Vu +
Z Z N
X

+ 3 K α (θn (t) − θ0 ) div(um (t)) dx + K ρi0 pi (t) div(u′m (t)) dx+
Ω Ω i=1
Z Z t
+2 µ b(s, t) ε(um(s)) ds ε(u′m(t)) dx+
ZΩ Z0 t
2
− µ b(s, t) div(um (s)) ds div(u′m (t)) dx = (f (t), u′m (t))Hu
3 Ω 0

Die Multiplikation der Gleichungen (5.2.27) mit γθni (t) und die Summation über j
118 Umwandlungsplastizität

von 1 bis m bzw. über i von 1 bis n ergibt:


Z
(ρ0 ce θn′ (t), θn (t))Vθ∗ Vθ + hAθ θn (t), θn (t)iVθ∗ Vθ − δ θΓ (t) θn (t) dσ =
Z ∂Ω

(5.2.29) =3 K α θ0 div(u′m (t)) θn (t) dx+



Z N
X
+ ρ0 Li γi (t) θn (t) dx + (r(t) θn (t))Hθ
Ω i=1

Multiplikation der Gleichung (5.2.28) mit θ0 und Addition der beiden Gleichungen
sowie die Integration von 0 bis t, t ∈]0, T ] liefert:
Z t Z t
′′ ′
θ0 hρ0 um (τ ), um (τ )iVu∗ Vu dτ + θ0 hAu um (τ ), u′m (τ )iVu∗ Vu dτ +
0 0
Z tZ
−3 K α θ02 div(u′m (τ )) dx dτ +
Z t0 Ω Z t
+ hAθ θn (τ ), θn (τ )iVθ Vθ dτ +
∗ hρ0 ce θn′ (τ ), θn (τ )iVθ∗ Vθ dτ +
0 0
Z t Z N
X
+ θ0 K ρi0 pi (τ ) div(u′m (τ )) dx dτ +
0 Ω i=1
Z tZ Z τ
+2 θ0 µ b(s, τ ) ε(um (s)) ds ε(u′m(τ )) dx dτ =
Z 0Z Ω Z τ0
2 θ0 t
= µ b(s, τ ) div(um (s)) ds div(u′m (τ )) dx dτ +
3 0 Ω 0
Z tZ Z tZ N
X
+ δ θΓ (τ ) θn (τ ) dσ dτ + ρ0 Li γi (τ ) θn (τ ) dx dτ +
0 ∂Ω 0 Ω i=1
Z t Z t
+ θ0 (f (τ ), u′m (τ ))Hu dτ + (r(τ ), θn (τ ))Hθ dτ
0 0

Im Folgenden zeigen wir nur die apriori-Abschätzungen für den Term der Umwand-
lungsplastizität. Alle anderen apriori-Abschätzungen sind vollkommen analog zum
Beweis des Satzes 5.1.3.

Mithilfe partieller Integration bezüglich der Zeit folgt


Z tZ Z s
2 θ0 µ b(τ, s) ε(u(τ )) dτ ε(u′(s)) dx ds =
0
Z tΩZ 0 Z s 
d
= −2 θ0 µ b(τ, s) ε(u(τ )) dτ ε(u(s)) dx ds +
0 Ω ds 0
Z Z t
+2 θ0 µ b(τ, t) ε(u(τ )) dτ ε(u(t)) dx =
Ω 0

Unter Ausnutzung der Differentiationsregeln für Parameterintegrale sowie unter


Verwendung der Definition der Funktionen a und b ergibt sich weiter:
Z tZ
= −2 θ0 µ b(s, s) ε(u(s))2 dx ds +
0 Ω
Umwandlungsplastizität 119

Z tZ Z s
d 
−2 θ0 µ b(τ, s) ε(u(τ )) dτ ε(u(s)) dx ds +
ds
Z0 t ZΩ 0

+2 θ0 µ b(τ, t) ε(u(τ )) dτ ε(u(t)) dx =


0 Ω
Z tZ
= −2 θ0 µ a(s) ε(u(s))2 dx ds +
Z0 t ZΩ Z s  Z s 
+2 θ0 µ a(τ ) exp − a(σ) dσ a(s) ε(u(τ )) dτ ε(u(s)) dx ds +
0 Ω 0 τ
Z tZ  Z t 
+2 θ0 µ a(τ ) exp − a(σ) dσ ε(u(τ )) dτ ε(u(t)) dx =
0 Ω τ
Z tZ N
X
= −2 θ0 3 µ2 Gi Φ′i max{∆h pi (s), 0} ε(u(s))2 dx ds +
0 Ω i=1
Z tZ Z s N
X  Z s 
+2 θ0 µ 3µ Gi Φ′i max{∆h pi (τ ), 0} exp − a(σ) dσ ·
0 Ω 0 i=1 τ
N
X 
·3 µ Gi Φ′i max{∆h pi (s), 0} ε(u(τ )) dτ ε(u(s)) dx ds +
i=1
Z tZ N
X
2
+2 θ0 3µ Gi Φ′i max{∆h pi (τ ), 0} ·
0 Ω i=1
 Z t 
· exp − a(σ) dσ ε(u(τ )) dτ ε(u(t)) dx ≤
τ

Die Anwendung des Satzes von Fubini sowie die bekannten Standardabschätzungen
(Hölder- und Youngsche Ungleichung) und die Abschätzung des Differenzenquoti-
enten erster Ordnung durch die erste Ableitung liefern im Folgenden:
Z tZ N
X
≤ 2 θ0 3 µ2 Gi Φ′i |γi (s)| ε(u(s))2 dx ds +
0 Ω i=1
Z tZ Z s N
X
2
+2 θ0 µ 9µ Gi Φ′i |γi (τ )| ·
0 Ω 0 i=1
N
X
· Gi Φ′i |γi (s)| ε(u(τ )) dτ ε(u(s)) dx ds +
i=1
Z tZ N
X
2
+2 θ0 3µ Gi Φ′i |γi(τ )| ε(u(τ )) dτ ε(u(t)) dx ≤
0 Ω i=1
N
X Z tZ
≤ 6 θ0 kµk2L∞ (Ω) kGi kL∞ (Ω) kΦ′i kL∞ (R) kγikL∞ (Ω) |ε(u(s))|2 dx ds +
i=1 0 Ω
N
X
+18 θ0 kµk3L∞ (Ω) kGi k2L∞ (Ω) kΦ′i k2L∞ (R) kγi k2L∞ (Ω) ·
i=1
Z tZ Z s
· ε(u(τ )) dτ ε(u(s)) dx ds +
0 Ω 0
120 Umwandlungsplastizität

N
X
+6 θ0 kµk2L∞ (Ω) kGi kL∞ (Ω) kΦ′i kL∞ (R) kγi kL∞ (Ω) ·
i=1
Z tZ
· ε(u(τ )) dτ ε(u(t)) dx ≤
0 Ω
N
X Z t
≤ 6 θ0 kµk2L∞ (Ω) kGi kL∞ (Ω) kΦ′i kL∞ (R) kγi k L∞ (Ω) ku(s)k2Vu ds +
i=1 0
| {z }
=: c11
N Z tZ sh
X 1
+ 18 θ0 kµk3L∞ (Ω) kGi k2L∞ (Ω) kΦ′i k2L∞ (R) kγik2L∞ (Ω) ku(τ )k2Vu +
i=1
2 0 0
| {z }
=: c12
i
+ku(s)k2Vu dτ ds + ε3 ku(t)k2Vu +
 XN 2 1 Z t
2 ′
+ 6 θ0 kµkL∞ (Ω) kGi kL∞ (Ω) kΦi kL∞ (R) kγi kL∞ (Ω) ku(τ )k2Vu dτ ≤
i=1
4 ε3 0
| {z }
=: c13
Z t
≤ (c11 + c12 T + c13 ) ku(s)k2Vu ds + ε3 ku(t)k2Vu
| {z } 0
=: c14

Analog folgt mit der gleichen Argumentation für den zweiten Term der Umwand-
lungsplastizität:
Z Z Z s
2 θ0 t
µ b(τ, s) div(u(τ )) dτ div(u′ (s)) dx ds ≤
3 0 Ω 0
Z t
≤ c15 ku(s)k2Vu ds + ε4 ku(t)k2Vu
0

Insgesamt folgt damit:


 
θ0 ρ0 ′ 2 c1 θ0 ρ0 ce
kum (t)kHu + − ε4 − ε5 kum (t)k2Vu + kθn (t)k2Hu +
2 2 2
Z t
θ0 ρ0
+ (c3 − ε1 ) kθn (s)k2Vθ ds ≤ c7 + c8 + c9 + c10 + ku1m k2Vu +
0 2
Z Z
c2 θ0 + 1 2 ρ0 ce 2 θ0 t 2 1 t
+ ku0m kVu + kθ0n kVu + kf (s)kHu ds + kr(s)k2Hθ ds+
2 2 2 0 2 0
Z t Z Z t
2 θ0 t ′ 2
+c5 kθΓ (s)kKθ ds + kum (s)kHu ds + kθn (s)k2Hθ ds+
2
 0 Z t 0 0
1
+ + c14 + c15 kum (s)k2Vu ds+
2 0

Mithilfe des Gronwallschen Lemmas folgt


(5.2.30) ku′m kL∞ (0,T ;Hu ) + kum kL∞ (0,T ;Vu ) + kθn kL∞ (0,T ;Hθ ) + kθn kL2 (0,T ;Vθ ) < ∞
Diese Abschätzung ist für den Grenzübergang aufgrund des Kopplungsterms in der
Wärmeleitungsgleichung nicht ausreichend. Daher differenzieren wir die Galerkin-
Gleichungen nach der Zeit, um eine zuätzliche Regularität der Lösung zu erhalten.
Umwandlungsplastizität 121

Da das Vorgehen analog zum Beweis des Satzes 5.1.3 ist, beschränken wir uns an
dieser Stelle lediglich auf die zusätzliche apriori-Abschätzung des Terms der Um-
wandlungsplastizität.

Analog zur ersten apriori-Abschätzung folgt:

Z tZ Z
dh s i
2 θ0 µ b(τ, s) ε(u(τ )) dτ ε(u′′ (s)) dx ds =
0 ds 0
Z tΩZ Z
d2 h s i
= −2 θ0 µ 2 b(τ, s) ε(u(τ )) dτ ε(u′ (s)) dx ds +
ds
Z0 Ω h Z t 0 i
d
+2 θ0 µ b(τ, t) ε(u(τ )) dτ ε(u′(t)) dx =
dt 0
ZΩt Z Z s
dh db i
= −2 θ0 µ b(s, s) ε(u(s)) + (τ, s) ε(u(τ )) dτ ε(u′(s)) dx ds +
ds 0 ds
Z0 hΩ Z t i
db
+2 θ0 µ b(t, t) ε(u(t)) + (τ, t) ε(u(τ )) dτ ε(u′ (t)) dx =
0 dt
ZΩt Z 
db
= −2 θ0 µ (s, s) ε(u(s)) + b(s, s) ε(u′(s)) +
0 Ω ds
Z s 2 
db db
+ (s, s) ε(u(s)) + 2
(τ, s) ε(u(τ )) dτ ε(u′(s)) dx ds +
ds 0 ds
Z h Z t i
db
+2 θ0 µ b(t, t) ε(u(t)) + (τ, t) ε(u(τ )) dτ ε(u′ (t)) dx =
0 dt
ZΩt Z 
da
= −2 θ0 µ 2 (s) ε(u(s)) + a(s) ε(u′(s)) +
ds
Z0 s hΩ Z s

+ a(τ ) exp − a(σ) dσ a2 (s) +
0
Z s τ 
 da i
+a(τ ) exp − a(σ) dσ − (s) ε(u(τ )) dτ ε(u′(s)) dx ds +
τ ds
Z 
+2 θ0 µ a(t) ε(u(t)) +

Z t Z s 
 
+ a(τ ) exp − a(σ) dσ − a(s) ε(u(τ )) dτ ε(u′ (t)) dx ≤
0 τ
N
X
≤ 12 θ0 kµk2L∞ (Ω) kGi kL∞ (Ω) kΦ′′ kL∞ (R) kγi kL∞ (Ω) k∆h pi kL∞ (Ω) ·
| {z }
=: c4 |i=1 {z }
=: c1 (h)
Z tZ
· |ε(u(s))| |ε(u′(s))| dx ds +
0 Ω
N
X Z tZ

+c4 kGi kL∞ (Ω) kΦ kL∞ (R) k∆h p′i kL∞ (Ω) |ε(u(s))| |ε(u′(s))| dx ds +
0 Ω
|i=1 {z }
=: c2 (h)
122 Umwandlungsplastizität

N Z tZ
c4 X ′
+ kGi kL∞ (Ω) kΦ kL∞ (R) k∆h pi kL∞ (Ω) |ε(u′(s))|2 dx ds +
2 i=1 0 Ω
| {z }
=: c3 (h)
Z tZ Z s
+ 54 θ0kµk4L∞ (Ω) c3 |ε(u(τ ))| dτ |ε(u′(s))| dx ds +
| {z } 0 Ω 0
=: c5
Z tZ Z s
+ 18 θ0kµk3L∞ (Ω) c3 c1 |ε(u(τ ))| dτ |ε(u′(s))| dx ds +
| {z } 0 Ω 0
=: c6
Z tZ Z s
+c6 c3 c2 |ε(u(τ ))| dτ |ε(u′(s))| dx ds +
Z 0 Ω 0
c4 c3
+ |ε(u(t))| |ε(u′(t))| dx +
2 Ω
Z Z t
+c6 c3 |ε(u(τ ))| dτ |ε(u′(t))| dx ≤
Ω 0
 c23 c24
≤ ε1 + ε2 ku′ (t)k2Vu + ku(t)k2Vu +
16 ε1
Z
1 t ′
+ c1 c4 + c2 c4 + c3 c4 + c3 c5 T + c1 c3 c6 T + c2 c3 c6 T ku (τ )k2Vu dτ +
2 0
Z
c23 c26  1 t
+ c1 c4 + c2 c4 + c3 c5 T + c1 c3 c6 T + c2 c3 c6 T + ku(τ )k2Vu dτ
2 ε2 2 0

Dabei hängen c1 , c2 und c3 von h ab. Die Abschätzung des folgenden Terms
Z tZ Z
dh s i
2 θ0 µ b(τ, s) ε(u(τ )) dτ ε(u′′(s)) dx ds
0 Ω ds 0

ist vollkommen analog und somit gelangen wir mithilfe der Gronwallschen Un-
gleichung zu den folgenden apriori-Abschätzungen (vergleiche Beweis des Satzes
5.1.3):

(5.2.31) ku′′m kL∞ (0,T ;Hu ) + ku′m kL∞ (0,T ;Vu ) + kθn′ kL∞ (0,T ;Hθ ) + kθn′ kL2 (0,T ;Vθ ) < ∞

Diese apriori-Abschätzung hängt allerdings vom Regularisierungsparameter h ab,


d.h. für alle h > 0 erhalten wir die Existenz einer schwachen Lösung im regulari-
sieren Sinne.

(3) Grenzübergang für n → ∞


Nach dem Satz von Banach-Alaoglu liefern die apriori-Abschätzungen (5.2.30) und
(5.2.31) die Existenz einer Teilfolge von (um )m∈N sowie die Existenz einer Teilfolge
von (θn )n∈N - diese seien ebenfalls mit (um )m∈N bzw. mit (θn )n∈N bezeichnet - mit:

(5.2.32) um ⇀ u in L∞ (0, T ; Vu )

(5.2.33) u′m ⇀ u′ in L∞ (0, T ; Vu )

(5.2.34) θn ⇀ θ in L∞ (0, T ; Hθ )

(5.2.35) θn ⇀ θ in L2 (0, T ; Vθ )
Umwandlungsplastizität 123

(Es kann nur u′ schwach*-Grenzwert von (u′m )m∈N sein.) Weiterhin folgt aufgrund
der schwachen Unterhalbstetigkeit der Normen:

ku′ kL∞ (0,T ;Hu ) + kukL∞ (0,T ;Vu ) + kθkL∞ (0,T ;Hθ ) + kθkL2 (0,T ;Vθ ) < ∞
ku′′ kL∞ (0,T ;Hu ) + ku′ kL∞ (0,T ;Vu ) + kθ′ kL∞ (0,T ;Hθ ) + kθ′ kL2 (0,T ;Vθ ) < ∞

Es ist zu zeigen: (u, θ) ist Lösung des Originalproblems.

Seien ϕu , ϕθ ∈ C 1 ([0, T ]) beliebige Funktionen mit ϕu (T ) = 0 bzw. ϕθ (T ) = 0.


Die Multiplikation der Gleichung (5.2.26) mit ϕu und die Multiplikation der Glei-
chung (5.2.27) mit ϕθ sowie Integration über ]0, T [ liefert für k ∈ N:
Z T Z T
′′
(ρ0 um (t), ϕu (t)wuk )Hu dt + hAu um (t), ϕu (t)wuk iVu∗ Vu dt +
0 0
Z TZ
+3 K α (θn (t) − θ0 ) div(ϕu (t)wuk ) dx dt +
0 Ω
Z T Z N
X
+ K ρi0 pi (t) div(ϕ(t)wuk ) dx dt +
0 Ω i=1
Z T Z Z t
+2 µ b(s, t) ε(um(s)) ds ε(ϕu (t)wuk ) dx dt +
0 Ω 0
Z T Z Z t
2
− µ b(s, t) div(um (s)) ds div(ϕu (t)wuk ) dx dt =
3 0 Ω 0
Z T
= (f, ϕu (t)wuk )Hu dt
0

Z T Z T
(ρ0 ce θn′ (t), ϕθ (t)wθj )Hθ hAθ θn (t), ϕθ (t)wθj iVθ∗ Vθ dt =
dt +
0 0
Z T Z Z T

= 3 K α θ0 div(um (t))ϕθ (t)wθj dx dt + (r, ϕθ (t)wθj )Hθ dt +
0 Ω 0
Z T Z T Z N
X
+ (δ θΓ , ϕθ (t)wθj )Kθ dt + ρ0 Li γi ϕθ (t)wθj dx dt
0 0 Ω i=1

Partielle Integration jeweils im ersten Term liefert:


Z T Z T
′′
(ρ0 um (t), ϕu (t)wuk )Hu dt = − (ρ0 u′m (t), ϕ′u (t)wuk )Hu dt +
0 0
−(ρ0 u′m (0), ϕu (0)wuk )Hu

sowie
Z T Z T
(ρ0 ce θn′ (t), ϕθ (t)wθj )Hθ dt = − (ρ0 ce θn (t), ϕ′θ (t)wθj )Hθ dt +
0 0
−(ρ0 ce θn (0), ϕθ (0)wθj )Hθ .

Wegen der schwach*-Konvergenz - man beachte die Linearität und Stetigkeit der
Operatoren Au , Aθ , ε, div - ist der Grenzübergang für n, m → ∞ korrekt und
124 Umwandlungsplastizität

liefert:

Z T
− (ρ0 u′ (t), ϕ′u (t)wuk )Hu dt − (ρ0 u′ (0), ϕu (0)wuk )Hu +
0
Z T Z TZ
+ hAu u(t), ϕu (t)wuk iVu∗ Vu dt + 3 K α (θ(t) − θ0 ) div(ϕu (t)wuk ) dx dt +
0 0 Ω
Z T Z N
X
+ K ρi0 pi (t) div(ϕ(t)wuk ) dx dt +
0 Ω i=1
Z T Z Z t
+2 µ b(s, t) ε(u(s)) ds ε(ϕu(t)wuk ) dx dt +
0 Ω 0
Z T Z Z t
2
− µ b(s, t) div(u(s)) ds div(ϕu (t)wuk ) dx dt =
3 0 Ω 0
Z T
= (f, ϕu (t)wuk )Hu dt
0

und

Z T
− (ρ0 ce θ(t), ϕ′θ (t)wθj )Hθ dt − (ρ0 ce θ(0), ϕθ (0)wθj )Hθ +
0
Z T
+ hAθ θ(t), ϕθ (t)wθj iVθ∗ Vθ dt =
0
Z TZ
= 3 K α θ0 div(u′ (t)) ϕθ (t)wθj dx dt +
0 Ω
Z T Z N
X
+ ρ0 Li γi ϕθ (t)wθj dx dt +
0 Ω i=1
Z T Z T
+ (δ θΓ , ϕθ (t)wθj )Kθ dt + (r, ϕθ (t)wθj )Hθ dt
0 0

Die lineare Hülle der Funktionen wuk ist dicht in Vu und die lineare Hülle der Funk-
tionen wθk ist dicht in Vθ . Die Funktionen ϕu (t)wuk und ϕθ (t)wθk sind dicht in Vu
bzw. in Vθ und somit zulässige Testfunktionen.

Nun bleibt für die Existenz der Lösung nur noch zu zeigen: u(0) = u0 , u′ (0) = u1
sowie θ(0) = θ0 . Dies folgt analog zum vorigen Beweis des Satzes 5.1.3 mithilfe der
Regel der partiellen Integration, der schwach*-Konvergenz und dem Dichtheitsre-
sultat.

(4) Eindeutigkeit der Lösung


Seien u1 , θ1 sowie u2 , θ2 zwei verschiedene Lösungen des Ausgangsproblems. Seien
u := u1 − u2 und θ := θ1 − θ2 gegeben. Dann gelten aufgrund der Linearität
Umwandlungsplastizität 125

u(0) = 0, u′ (0) = 0 und


Z T Z T
′′
(ρ0 u (t), v(t))Vu∗ Vu dt + hAu u(t), v(t)iVu∗ Vu dt+
0 0
Z TZ
+3 K α θ(t) div(v(t)) dx dt+
0 Ω
(5.2.36) Z TZ Z t
+2 µ b(s, t) ε(u(s)) ds ε(v(t)) dx dt+
0 Ω 0
Z Z Z t
2 T
− µ b(s, t) div(u(s)) ds div(v(t)) dx dt = 0
3 0 Ω 0
für alle v ∈ Vu . Analog gelten θ(0) = 0 sowie
Z T Z T
(ρ0 ce θ(t), w(t))Vθ∗ Vθ dt + hAθ θ(t), w(t)iVθ∗ Vθ dt =
0 0
(5.2.37) Z TZ
=3 K α θ0 div(u′ (t)) w(t) dx dt
0 Ω
für alle w ∈ Vθ .
Das Testen der Gleichung (5.2.68) mit v(t) = χϑ u′ (t) und der Gleichung (5.2.69)
mit w(t) = χϑ θ(t) für fast alle t ∈ [0, T ] sowie die Multiplikation der Gleichung
(5.2.68) mit θ0 und Addition der beiden Gleichungen liefert:
Z ϑ Z ϑ
′′ ′
ρ0 θ0 (u (t), u (t))Vu∗ Vu dt + θ0 hAu u(t), u′(t)iVu∗ Vu dt+
0 0
Z ϑ Z ϑ
+ ρ0 ce (θ(t), θ(t))Vθ∗ Vθ dt + hAθ θ(t), θ(t)iVθ∗ Vθ dt+
0 0
(5.2.38) Z ϑZ Z t
+ 2 θ0 µ b(s, t) ε(u(s)) ds ε(u′(t)) dx dt+
0 Ω 0
Z ϑZ Z t
2
= θ0 µ b(s, t) div(u(s)) ds div(u′ (t)) dx dt+
3 0 Ω 0
Die Apriori-Abschätzungen liefern insgesamt:
 
θ0 ρ0 ′ 2 c1 θ0 ρ0 ce
ku (ϑ)kHu + − ε2 ku(ϑ)k2Vu + kθ(ϑ)k2Hu +
2 2 2
Z ϑ Z ϑ
1
+c3 kθ(s)k2Vθ ds ≤ kθ(s)k2Hθ ds+
0 2 0
Z ϑ
+ (c14 + c15 ) ku(s)k2Vu ds
0
Damit folgt:
Z ϑ  
(5.2.39) ku(ϑ)k2Vu + kθ(ϑ)k2Hu ≤ C kθ(s)k2Hθ + ku(s)k2Vu ds
0
wobei C ≥ 0 eine geeignet gewählte Konstante. Nach dem Lemma von Gronwall
folgt letztlich:
(5.2.40) ku(ϑ)k2Vu + kθ(ϑ)k2Hu = 0 fast überall auf [0, T ]
Daraus folgen u = 0 und θ = 0 fast überall auf [0, T ].
126 Umwandlungsplastizität

5.2.3 Existenz des Gesamtproblems


Satz 5.2.5 (Existenzsatz für die (regularisierte) Aufgabe der linearen Thermoelastizität
mit Phasenumwandlungen und Umwandlungsplastizität für spannungsfreies Umwand-
lungsverhalten): Unter den Voraussetzungen (3.1.11) - (3.1.15), (4.1.19) - (4.1.22),
(4.1.25) - (4.1.29), (4.3.1), (4.3.2), (5.1.18) - (5.1.21), (5.2.12) und (5.2.13) besitzt die
Aufgabe (5.2.1) - (5.2.3), (5.2.23), (5.2.5) - (5.1.7) mindestens eine schwache Lösung
(u, θ, p) ∈ Vu × Vθ × Vp , d.h. es gelten: Gleichung (5.2.14) mit (5.2.23) in Ω×]0, T [ für
alle ϕ ∈ Vu mit ϕ′ ∈ Hu und ϕ(T ) = 0 sowie u(0) = u0 , Gleichung (5.2.15) in Ω×]0, T [
für alle ψ ∈ Vθ mit ψ ′ ∈ Hθ und ψ(T ) = 0 und Gleichung 5.2.16 in Ω×]0, T [.

Beweis. Seien V := Vu × Vθ und H := Hu × Hθ . Angenommen es sei (ū, θ̄) ∈ L2 (0, T ; H).


Wir haben bereits gezeigt:
(1) Zu gegebenem (ū, θ̄) ∈ L2 (0, T ; H) existiert eine eindeutige Lösung p ∈ Vp des
Anfangswertproblems
(5.2.41) p′ (t) = γ(θ̄(t), p(t)) , t ∈]0, T [
(5.2.42) p(0) = p̄0 ∈ L∞ (Ω)
P
mit 0 ≤ p(x, t) ≤ 1 und N i=1 pi (x, t) = 1 für fast alle (x, t) ∈ Ω × [0, T ].

(2) Zu diesem gegebenem p ∈ Vp existiert eine eindeutige schwache Lösung (u, θ) ∈


L2 (0, T ; V) des Problems
(5.2.43)
N
d2 u  X 
ρ0 2 − 2 div(µ ε(u)) − grad(λ div(u)) + 3 grad(K α (θ − θ0 )) + grad K ̺i pi +
dt i=1
Z t  Z t 
2
+2 µ div b(s, t) ε(s) ds − µ div b(s, t) tr(ε(s)) Id ds = f in Ω×]0, T [
0 3 0

wobei
ρ0
(5.2.44) ̺i0 := − 1 (i = 1, . . . , N)
ρi (θ0 )
 Z t 
(5.2.45) b(s, t) := a(s) exp − a(τ ) dτ
s
N
X
(5.2.46) a(s) := 3 µ Gi Φ′i (pi ) max{∆h pi (s), 0}
i=1

  N
dθ du X
(5.2.47) ρ0 ce −div(κ ∇θ) = −3K α θ0 div +ρ0 Li γi +r in Ω×]0, T [
dt dt i=2

mit folgenden Abschätzungen:


kukL2(0,T ;Vu ) ≤ c1 kukL∞ (0,T ;Vu ) < ∞
kθkL2 (0,T ;Vθ ) < ∞
ku′ kL2 (0,T ;Vu∗ ) ≤ c2 ku′ kL2 (0,T ;Vu ) ≤ c2 c3 ku′kL∞ (0,T ;Vu ) < ∞
kθ′ kL2 (0,T ;Vθ∗ ) ≤ c4 kθ′ kL2 (0,T ;Vθ ) < ∞
wobei ci (i = 1, 2, 3, 4) positive Konstanten.
Umwandlungsplastizität 127

Anwendung des Fixpunktprinzips


Damit ist eindeutig ein Operator

T : L2 (0, T ; H) → L2 (0, T ; V) ⊂ L2 (0, T ; H) mit T (ū, θ̄) =: (u, θ)

definiert. Wir wollen nun zeigen, dass dieser mindestens einen Fixpunkt besitzt. Dazu
ist hinreichend zu zeigen, dass

(5.2.48) T : BR (0) ⊂ L2 (0, T ; H) → BR (0) stetig und kompakt ist.

Wir beweisen nun der Reihe nach:

(1) Selbstabbildung

(5.2.49) ∃R>0 T : BR (0) ⊂ L2 (0, T ; H) → BR (0)

Sei (ū, θ̄) ∈ BR (0). Dann gilt für (u, θ) := T (ū, θ̄) aufgrund der Apriori-Abschätzun-
gen:

k(u, θ)kL2(0,T ;V) + k(u′ , θ′ )kL2 (0,T ;V∗ ) < ∞


=⇒ k(u, θ)kW 1,2(0,T ;V,H) < ∞
=⇒ k(u, θ)kC(0,T ;H) ≤ c̃1 k(u, θ)kW 1,2(0,T ;V,H) < ∞
=⇒ k(u, θ)kL2(0,T ;H) ≤ c̃2 k(u, θ)kC(0,T ;H) ≤ c̃1 c̃2 k(u, θ)kW 1,2 (0,T ;V,H) < ∞
=⇒ k(u, θ)kL2(0,T ;H) ≤ c̃1 c̃2 c̃3 =: R < ∞

T bildet sogar ganz L2 (0, T ; H) in BR (0) ab.


(2) Stetigkeit des Operators
Zu zeigen:

(5.2.50) T : (ū, θ̄) 7→ p 7→ (u, θ) ist stetig.

Sei ūn → ū in L2 (0, T ; Hu ) und θ̄n → θ̄ in L2 (0, T ; Hθ ). Zu zeigen ist, dass dann
auch gilt:

(5.2.51) un → u in Vu
(5.2.52) θn → θ in Vθ
(5.2.53) pn → p in Vp

In Kapitel 5.1 haben wir bereits pn → p in Vp gezeigt. Noch zu zeigen (in Kenntnis
von pn → p in Vp ):

(5.2.54) (un , θn ) → (u, θ) in L2 (0, T ; H)

Sei ((unk , θnk ))k∈N eine konvergente Teilfolge von ((un , θn ))n∈N . Da ((ūnk , θ̄nk ))k∈N in
L2 (0, T ; H) gegen (ū, θ̄) konvergiert, folgt nach dem Konvergenzsatz von Lebesgue
die Existenz einer Teilfolge ((unkl , θnkl ))l∈N , die punktweise fast überall gegen (ū, θ̄)
konvergiert. Betrachte die Teilfolge ((unkl , θnkl ))l∈N . Aus den folgenden Abschätzun-
gen für die Eindeutigkeit des Gesamtproblems (apriori-Abschätzungen, Satz von
Lebesgue über die majorisierte Konvergenz für l → ∞) folgt analog mit

(5.2.55) θ̃ := θnkl − θ
128 Umwandlungsplastizität

(5.2.56) ũ := unkl − u
(5.2.57) p̃ := pnkl − p

die Konvergenz von ((unkl , θnkl ))l∈N in L2 (0, T ; V) und damit in L2 (0, T ; H) gegen
(u, θ). Somit folgt (un , θn ) → (u, θ) und damit die Stetigkeit des Operators T .
(3) Präkompaktheit des Bildes des Operators
Es bleibt noch zu zeigen:
(5.2.58) T : BR (0) → BR (0) kompakt.
Aus T : L2 (0, T ; H) → L2 (0, T ; V) ⊂ L2 (0, T ; H) und k(u, θ)k ≤ R folgen, dass
T die abgeschlossene und nichtleere konvexe Teilmenge BR (0) in eine Teilmenge
von BR (0) abbildet, die zu L2 (0, T ; V) gehört. Wegen der kompakten Einbettung
W 1,2 (0, T ; V, H) ⊂ L2 (0, T ; H) aufgrund des Satzes von Lions-Aubin ist diese Bild-
menge in L2 (0, T ; H) präkompakt. Somit ist die Abbildung T : BR (0) → BR (0)
kompakt.

Damit ist der Schaudersche Fixpunktsatz auf T anwendbar und somit besitzt die Auf-
gabe (5.2.1) - (5.2.3), (5.2.23), (5.2.5) - (5.1.7) unter den gegebenen Voraussetzungen
mindestens eine schwache Lösung (u, θ, p) ∈ Vu × Vθ × Vp .

5.2.4 Eindeutigkeit des Gesamtproblems


Unter den Voraussetzungen des Satzes 5.2.5 (ortsabhängige, zeitinvariante Materialpa-
rameter) verläuft der Beweis vollkommen analog zum Beweis des Satzes 5.1.3.
Wir wollen zumindest die Eindeutigkeitsaussage auf den Fall temperaturabhängiger ther-
mischer Materialparameter verallgemeinern. Daher seinen im Folgenden vorausgesetzt:
(5.2.59) Gi ∈ C 0,1 (R) ∩ L∞ (R) mit ∃ G0i , G1i ≥ 0 ∀ s ∈ R : G0i ≤ Gi (s) ≤ G1i
(5.2.60) Li ∈ C 0,1 (R) ∩ L∞ (R) mit ∃ L0i , L1i ≥ 0 ∀ s ∈ R : L0i ≤ Li (s) ≤ L1i
(5.2.61) κ ∈ C 0,1 (R) ∩ L∞ (R) mit ∃ κ0 , κ1 ≥ 0 ∀ s ∈ R : κ0 ≤ κ(s) ≤ κ1
Die Lipschitz-Konstanten der Funktionen G und L seien mit LG bzw. mit LL bezeichnet
und die Funktion γ sei bezüglich beider Variablen Lipschitz-stetig, d.h. es gelte:
(5.2.62) |γ(θ, p) − γ(θ̃, p)| ≤ Lp |θ − θ̃| ∀ p ∈ RN sowie
(5.2.63) |γ(θ, p) − γ(θ, p̃)| ≤ Lθ |p − p̃| ∀ θ ∈ R.
Ferner gelte
(5.2.64) kε(u1 )kL∞ (Ω×]0,T [) ≤ c∇ für u1 ∈ Vu ,
d.h. mindestens eine Lösung muss bessere Regularitätseigenschaften besitzen.

Satz 5.2.6 (Eindeutigkeitssatz für die (regularisierte) Aufgabe der linearen Thermo-
elastizität mit Phasenumwandlungen und Umwandlungsplastizität für spannungsfrei-
es Umwandlungsverhalten): Unter den Voraussetzungen (3.1.11) - (3.1.15), (4.1.19) -
(4.1.22), (4.1.25) - (4.1.28), (4.3.1), (4.3.2), (5.1.18) - (5.1.10), (5.1.12) - (5.1.21),
(5.2.13) und (5.2.59) - (5.2.64) ist die schwache Lösung (u, θ, p) ∈ Vu × Vθ × Vp der
Aufgabe (5.2.1) - (5.2.3), (5.2.23), (5.2.5) - (5.1.7) im Sinne des Satzes 5.2.5 eindeutig.
Umwandlungsplastizität 129

Beweis. Seien (u1, θ1 , p1 ) und (u2 , θ2 , p2 ) zwei unterschiedliche Lösungen des Original-
problems. Wir definieren:

(5.2.65) ũ := u1 − u2
(5.2.66) θ̃ := θ1 − θ2
(5.2.67) p̃ := p1 − p2

Dann folgt für alle v ∈ Vu und für alle w ∈ Vθ :

(5.2.68)
Z T Z T
′′
ρ0 hũ (t), v(t)iVu∗ Vu dt + hAu ũ(t), v(t)iVu∗ Vu dt+
0 0
Z T Z Z T Z N
X
+3 K(x) α(x) div(v(t)) θ̃(t) dx dt − K(x) ρi0 p̃i (t) div(v(t)) dx dt+
0 Ω 0 Ω i=1
Z T Z Z t 
−2 µ(x) b1 (s, t) ε(u1(s)) − b2 (s, t) ε(u2(s)) ds ε(v(t)) dx dt+
0 Ω 0
Z T Z Z t
2 
+ µ(x) b1 (s, t) div(u1 (s)) − b2 (s, t) div(u2 (s)) ds div(v(t)) dx dt = 0,
3 0 Ω 0

(5.2.69)
Z T Z T

ρ0 ce hθ̃ (t), w(t)iVθ∗ Vθ dt + hAθ (θ1 , p1 )θ1 (t) − Aθ (θ2 , p2 )θ2 (t), w(t)iVθ∗ Vθ dt =
0 0
Z TZ
=3 K(x) α(x) θ0 div(ũ′ (t)) w(t) dx dt+
0 Ω
Z T N
Z X

+ ρ0 Li (θ1 (t)) γi(θ1 (t), p1 (t)) − Li (θ2 (t)) γi (θ2 (t), p2 (t)) w(t) dx dt sowie
0 Ω i=2

dp̃
(5.2.70) (t) = γ(θ1 (t), p1 (t)) − γ(θ2 (t), p2 (t)).
dt

mit

(5.2.71) ũ(0) = 0 , ũ′ (0) = 0 , θ̃(0) = 0 und p̃(0) = 0.

Das Testen der Gleichung (5.2.68) mit χϑ ũ′ und der Gleichung (5.2.69) mit χϑ θ̃ für
fixiertes ϑ ∈ [0, T ] sowie die Multiplikation der Gleichung (5.2.68) mit θ0 und die Addition
130 Umwandlungsplastizität

der beiden Gleichungen (5.2.68), (5.2.69) liefert:


Z ϑ Z ϑ
′′ ′
ρ0 θ0 hũ (t), ũ (t)iVu∗ Vu dt + θ0 hAu ũ(t), ũ′ (t)iVu∗ Vu dt+
0 0
Z ϑ Z N
X
− K(x) θ0 ρi0 p̃i (t) div(ũ′(t)) dx dt+
0 Ω i=1
Z ϑ Z Z t

− 2 θ0 µ(x) b1 (s, t) ε(u1(s)) − b2 (s, t) ε(u2(s)) ds ε(ũ′(t)) dx dt+
0 Ω 0
Z ϑ Z Z t
2 θ0 
+ b1 (s, t) div(u1 (s)) − b2 (s, t) div(u2 (s)) ds div(ũ′ (t)) dx dt+
µ(x)
3 0 Ω 0
Z ϑ Z ϑ

+ ρ0 ce hθ̃ (t), θ̃(t)iVθ Vθ dt +
∗ hAθ (θ1 , p1 )θ1 (t) − Aθ (θ1 , p1 )θ1 (t), θ̃(t)iVθ∗ Vθ dt =
0 0
Z ϑ N
Z X
=ρ0 Li (θ1 (t) γi (θ1 (t), p1 (t)) − Li (θ2 (t)) γi(θ2 , p2 )) θ̃(t) dx dt
0 Ω i=2

Aus der Gleichung (5.2.70) folgt analog zu Kapitel 5.1


Z t
|p1 (t) − p2 (t)| ≤ exp(Lθ ϑ) Lp |θ1 (s) − θ2 (s)| ds
0

sowie
Z t
2
|p1 (t) − p2 (t)| ≤ Cp |θ1 (s) − θ2 (s)|2 ds
0

Im Weiteren gelten die folgenden Abschätzungen (vergleiche hierzu das Kapitel 5.1).

(1) Mithilfe partieller Integration bzgl. der Zeit ist:


Z ϑ
ρ0 θ0 ′
ρ0 θ0 hũ′′(t), ũ′ (t)iVu∗ Vu dt = kũ (ϑ)k2Hu
0 2

(2) Mithilfe partieller Integration bzgl. der Zeit und der Koerzivität des Operators Au
folgt:
Z ϑ
c1 θ0
θ0 hAu ũ(t), ũ′ (t)iVu∗ Vu dt ≥ kũ(ϑ)k2Vu
0 2

(3) Mithilfe partieller Integration bzgl. der Zeit ergibt sich:


Z ϑ
ρ0 ce
ρ0 ce hθ̃′ (t), θ̃(t)iVθ∗ Vθ dt = kθ̃(ϑ)k2Hθ
0 2

(4) Wegen der Koerzivität des Operators Aθ folgt:


Z ϑ Z ϑ
hAθ (θ1 , p1 )θ1 (t) − Aθ (θ2 , p2 )θ2 (t), θ̃(t)iVθ∗ Vθ dt ≥ c2 kθ̃(t)k2Vθ dt
0 0
Umwandlungsplastizität 131

(5) Mithilfe der Hölderschen- und der Youngschen Ungleichung sowie aufgrund der
Lipschitz-Stetigkeit der Funktion γi ergibt sich:
Z ϑZ X N

ρ0 Li (θ1 (t)) γ(θ1 (t), p1 (t)) − Li (θ2 (t)) γ(θ2 (t), p2 (t)) θ̃(t) dx dt ≤
0 Ω i=2
Z ϑZ X N

≤ ρ0 Li (θ1 (t)) γ(θ1 (t), p1 (t)) − γ(θ2 (t), p2 (t)) θ̃(t) dx dt +
0 Ω i=2
Z ϑZ X N

+ρ0 Li (θ1 (t)) − Li (θ2 (t)) γ(θ2 (t), p2 (t)) θ̃(t) dx dt ≤
0 Ω i=2
N
X Z ϑ Z

≤ ρ0 L1i Lp |θ̃(t)| + Lθ |p̃(t)| θ̃(t) dx dt +
i=2 0 Ω

XN Z ϑ Z
+ρ0 kγikL∞ (Ω) L |θ̃(t)|2 dx dt ≤
i=2 0 Ω
N 
X Z ϑ

≤ ρ0 L1i Lp + Lθ Lp ϑ exp(Lθ ϑ) + kγikL∞ (Ω) L kθ̃(t)k2Hθ dt
i=2 0
| {z }
=: c7

(6) Mithilfe partieller Integration bzgl. der Zeit, der Hölder- und der Youngschen Un-
gleichung sowie aufgrund der Lipschitz-Stetigkeit der Funktion γi folgt:
Z ϑZ XN
K θ0 ρi0 p̃i (t) div(ũ′ (t)) dx dt ≤
0 Ω i=1
Z ϑ Z ϑ
≤ c5 kũ(t)k2Vu dt + ε1 kũ(ϑ)k2Vu + c6 kθ̃(t)k2Hθ dt
0 0

(7) Es wird folgende Vorüberlegung benötigt:


 Z t   Z t 

|b1 (s, t) − b2 (s, t)| ≤ a1 (s) exp − a1 (τ ) dτ −a2 (s) exp − a2 (τ ) dτ
s s
| {z } | {z }
≤1 ≤1
N
X
≤ 3 kµkL∞(Ω) Gi (θ1 ) Φ′ (pi1 ) max{p′i (s), 0} +
1
i=1

−Gi (θ2 ) Φ′ (pi2 ) max{p′i2 (s), 0}
N
X


≤ 3 kµkL∞(Ω) kΦ kL∞ (R) Gi (θ1 ) γi (θ1 , p1 ) − Gi (θ2 ) γi(θ2 , p2 )
i=1
XN
≤ 3 kµkL∞(Ω) kΦ′ kL∞ (R) LG kγikL∞ (Ω) |θ̃(s)| +
i=1

+G1i |γi(θ1 , p1 ) − γi(θ2 , p2 )|
N
X
≤ 3 kµkL∞(Ω) kΦ′ kL∞ (R) LG kγikL∞ (Ω) |θ̃(s)| +
i=1
132 Umwandlungsplastizität


+G1i Lp |θ̃(s)| + Lθ |p̃i (s)|
N
X


≤ 3 kµk L∞ (Ω) kΦ k L∞ (R) LG kγi kL∞ + Lθ G1i |θ̃(s)| +
i=1
| {z }
=: c8
Z s

+ 3 kµkL∞(Ω) kΦ kL∞ (R) Lθ Lp exp(Lθ s) |θ̃(τ )| dτ
| {z } 0
=: c9

Die partielle Integration bzgl. der Zeit, die Anwendung des Satzes von Fubini sowie
die bekannten Standardabschätzungen und die Vorüberlegung führen auf:
Z ϑZ Z t
 
2 θ0 µ b1 (s, t) ε(u1(s)) − b2 (s, t) ε(u2(s)) ds ε(ũ′(t)) dx dt =
0 Ω 0
Z ϑZ Z t 
d
= − 2 θ0 µ (b1 (s, t) ε(u1(s)) − b2 (s, t) ε(u2(s))) ds ε(ũ(t)) dx dt+
0 Ω dt 0
Z Z ϑ
+ 2 θ0 µ (b1 (s, ϑ) ε(u1(s)) − b2 (s, ϑ) ε(u2 (s))) ds ε(ũ(ϑ)) dx =
Ω 0
Z ϑZ
 
= − 2 θ0 µ a1 (t) ε(u1(t)) − a2 (t) ε(u2(t)) ε(ũ(t)) dx dt+
0 Ω
Z ϑZ Z t
d 
− 2 θ0 µ b1 (s, t) ε(u1(s)) − b2 (s, t) ε(u2(s)) ds ε(ũ(t)) dx dt+
0 Ω 0 dt
Z Z ϑ
+ 2 θ0 µ (b1 (s, ϑ) ε(u1(s)) − b2 (s, ϑ) ε(u2 (s))) ds ε(ũ(ϑ)) dx =
Ω 0
Z ϑZ
 
= − 2 θ0 µ a1 (t) − a2 (t) ε(u1(t)) ε(ũ(t)) dx dt+
0 Ω
Z ϑZ
− 2 θ0 µ a2 (t) ε(ũ(t))2 dx dt+
0 Ω
Z ϑZ Z t 
db1 db2
− 2 θ0 µ (s, t) − (s, t) ε(u1 (s)) ds ε(ũ(t)) dx dt+
0 Ω 0 dt dt
Z ϑZ Z t
db2
− 2 θ0 µ (s, t) ε(ũ(s)) ds ε(ũ(t)) dx dt+
0 Ω 0 dt
Z Z ϑ

+ 2 θ0 µ b1 (s, ϑ) − b2 (s, ϑ) ε(u1(s)) ds ε(ũ(ϑ)) dx+
Ω 0
Z Z ϑ
+ 2 θ0 µ b2 (s, ϑ) ε(ũ(s)) ds ε(ũ(ϑ)) dx ≤
Ω 0
Z ϑZ Z t
 
≤2 θ0 kµkL∞ (Ω) c8 |θ̃(t)| + c9 |θ̃(τ )| dτ |ε(ũ1(t))| |ε(ũ(t))| dx dt+
0 Ω 0 | {z }
≤ c∇ u
Z ϑZ N
X
+ 3 kµkL∞ (Ω) G1i kΦ′i kL∞ (R) kγi kL∞ (Ω) |ε(ũ(t))|2 dx dt+
0 Ω i=1
| {z }
=: c10
Z ϑ Z Z t
+ |a1 (s) a1 (t) − a2 (s) a2 (t)| c∇ ds |ε(ũ(t))| dx dt+
0 Ω 0
Umwandlungsplastizität 133

Z ϑ Z Z t
+ |a2 (s) a2 (t)| |ε(ũ(s))| ds |ε(ũ(t))| dx dt+
0 Ω 0
Z Z ϑ Z t
 
+ c8 |θ̃(t)| + c9 |θ̃(τ )| dτ c∇ ds |ε(ũ(ϑ))| dx+
Ω 0 0
Z Z ϑ 
+ c10 |ε(ũ(s))| ds |ε(ũ(ϑ))| dx ≤
Ω 0
 Z Z
c∇ c8 ϑ 2 c∇ c8 ϑ
≤2 θ0 kµkL∞ (Ω) kθ̃(t)kHθ dt + kũ(t)k2Vu dt+
2 0 2 0
Z ϑ Z ϑ Z ϑ
c∇ c9 ϑ 2 c∇ c9 ϑ 2
+ kθ̃(t)kHθ dt + kũ(t)kVu dt + c10 kũ(t)k2Vu dt+
2 0 2 0 0
Z ϑZ Z t

+ c∇ c10 |a1 (s) − a2 (s)| + |a1 (t) − a2 (t)| ds |ε(ũ(t))| dx dt+
0 Ω 0
Z Z Z ϑ
c210 ϑ ϑ 2 c210 ϑ ϑ 2 c28
+ kũ(t)kVu dt + kũ(t)kVu dt + kθ̃(t)k2Hθ dt+
2 0 2 0 4 ε 2 0
2 2 Z ϑ
c ϑ
+ ε2 kũ(ϑ)k2Vu + 9 kθ̃(t)k2Hθ dt + ε3 kũ(ϑ)k2Vu +
4 ε3 0
Z 
c210 ϑ 2 2
+ kũ(t)kVu dt + ε4 kũ(ϑ)kVu ≤
4 ε4 0
 Z Z
c∇ c8 ϑ 2 c∇ c8 ϑ
≤2 θ0 kµkL∞ kθ̃(t)kHθ dt + kũ(t)k2Vu dt+
2 0 2 0
Z ϑ Z ϑ Z ϑ
c∇ c9 ϑ 2 c∇ c9 ϑ 2
+ kθ̃(t)kHθ dt + kũ(t)kVu dt + c10 kũ(t)k2Vu dt+
2 0 2 0 0
 Z ϑ Z ϑ Z
c8 2 c8 2 c9 ϑ ϑ
+ 2 c∇ c10 ϑ kθ̃(t)kHθ dt + kũ(t)kVu dt + kθ̃(t)k2Hθ dt+
2 0 2 0 2 0
Z  Z Z
c9 ϑ ϑ 2 c210 ϑ ϑ 2 c210 ϑ ϑ
+ kũ(t)kVu dt + kũ(t)kVu dt + kũ(t)k2Vu dt+
2 0 2 0 2 0
2 Z ϑ 2 2 Z ϑ
c c ϑ
+ 8 kθ̃(t)k2Hθ dt + ε2 kũ(ϑ)k2Vu + 9 kθ̃(t)k2Hθ dt + ε3 kũ(ϑ)k2Vu +
4 ε2 0 4 ε3 0
Z 
c210 ϑ 2 2
+ kũ(t)kVu dt + ε4 kũ(ϑ)kVu ≤
4 ε4 0
Z
 c (c + c ϑ)
∇ 8 9 c28 c29 ϑ2  ϑ
≤ 2 θ0 kµkL∞ + c∇ c10 ϑ (c8 + c9 ) + + kθ̃(t)k2Hθ dt+
2 4 ε2 4 ε3
| {z } 0
=: c11
 c (c + c ϑ)
∇ 8 9 c2 
+ 2 θ0 kµkL∞ + c10 + c∇ c8 c10 ϑ + c∇ c9 c10 ϑ2 + c210 + 10 ·
2 4 ε4
| {z }
=: c12
Z ϑ
· kũ(t)k2Vu dt + (ε2 + ε3 + ε4 ) kũ(ϑ)k2Vu
0 | {z }
=: ε5
134 Umwandlungsplastizität

(8) Analog folgt für den zweiten Term der Umwandlungsplastizität:


Z Z Z t
2 θ0 ϑ 
µ b1 (s, t) div(u1 (s)) − b2 (s, t) div(u2 (s)) ds div(ũ′(t)) dx dt ≤
3 0 Ω 0
Z Z
c11 ϑ 2 c12 ϑ
≤ kθ̃(t)kHθ dt + kũ(t)k2Vu dt + ε5 kũ(ϑ)k2Vu
3 0 3 0

Damit ist insgesamt:


c θ  Z ϑ
ρ0 θ0 ′ 2 1 0 2 ρ0 ce 2
kũ (ϑ)kHu + − ε1 − 2ε5 kũ(ϑ)kVu + kθ̃(ϑ)kHθ + c2 kθ̃(t)k2Vθ dt ≤
2 2 2 0
Z ϑ Z ϑ
4 c12  4 c11 
≤ c5 + kũ(t)k2Vu dt + c6 + c7 + kθ̃(t)k2Hθ dt
3 0 3 0

Damit folgt:
Z ϑ h i
kθ̃(ϑ)k2Hθ + kũ(ϑ)k2Vu ≤ C 2 2
kũ(t)kVu + kθ̃(t)kHθ dt
0

wobei
max{c5 + 4 c312 , c6 + c7 + 4 c311 }
C :=
min{ c12θ0 − ε1 − 2ε5 , ρ02ce }

geeignet gewählt sei. Daraus folgt mithilfe der Gronwallschen Ungleichung:

(5.2.72) kθ̃(ϑ)k2Hθ + kũ(ϑ)k2Vu = 0

für fast alle ϑ ∈ [0, T ]. Damit ist:

(5.2.73) ũ(ϑ) = 0 und


(5.2.74) θ̃(ϑ) = 0

für fast alle ϑ ∈ [0, T ] und somit folgt ebenfalls p̃(ϑ) = 0 fast überall in [0, T ].

5.2.5 Spannungsabhängiges Umwandlungsverhalten


Im folgenden Abschnitt wollen wir kurz auf spannungsabhängiges Umwandlungsverhal-
ten eingehen.

Im Vorfeld haben wir nur spannungsfreies Umwandlungsverhalten betrachtet, d.h. wir ha-
ben angenommen, dass die Umwandlungsgleichungen der Phasenumwandlung unabhängig
von der Spannung sind. In diesem Fall ist die Funktion γ nur von der Temperatur θ und
den Phasenanteilen p abhängig. Somit war es möglich, im Beweis der Existenz und
der Eindeutigkeit des Gesamtproblems in der Fixpunktargumentation eine Temperatur
θ̄ ∈ Hθ vorzugeben und den Phasenanteil p ∈ Vp zu berechen. Mit diesem Phasenanteil
lässt sich erneut die Temperatur θ sowie die Verschiebung u bestimmen usw.
Der Raum L2 (0, T ; H) spielt eine besondere Rolle, weil dieser kompakt in den Raum
W 1,2 (0, T ; V, H) eingebettet ist (Satz von Lions-Aubin). Damit haben wir die Kompakt-
heit des Fixpunktoperators gezeigt.
Umwandlungsplastizität 135

Betrachten wir nun spannungsunabhängiges Umwandlungsverhalten, so ist die Funktion


γ zusätzlich von der Spannung SM bzw. SV abhängig. In Kapitel 2 haben wir gesehen,
dass die Spannung S proportional zum Gradienten der Verschiebung u ist. Es gilt dem-
nach: γ = γ(∇u, θ, p).
Nun funktioniert das Fixpunktargument nicht mehr, da u ∈ Vu benötigt wird. Der Satz
von Lions-Aubin kann in dieser Situation nicht angewandt werden, um die Kompaktheit
des Fixpunktoperators zu zeigen.

Eine Möglichkeit, diese Schwierigkeit zu umgehen, besteht darin, Regularisierungsme-


thoden, in unserem Fall eine Regularisierung bezüglich des Ortes, anzuwenden.
Sei (u, θ) ∈ L2 (0, T ; H). Definiere:

u(t) für t ∈]0, T [
ũ(t) :=
0 sonst.

Sei ũ˜ := ũ ∗ ρ mit ρ ∈ C 1 (R3 ). Dann folgt für fixiertes t ∈]0, T [:


˜ = ∇(ũ(t) ∗ ρ) = ũ(t) ∗ ∇ρ.
∇ũ(t)

Nun gelte γ = γ(∇ũ, ˜ θ, p). Aufgrund der besseren (Orts-)Regularität der Funktion ũ˜
ist es nun möglich, die Fixpunktargumentation in Analogie zu den Beweisen der Sätze
5.1.10 und 5.2.5 durchzuführen. Der Satz von Lions-Aubin ist anwendbar, da ũ˜ ∈ Hu
hinreichend ist.
136 Umwandlungsplastizität
6 Beispielrechnungen
In diesem Kapitel nehmen wir das Beispiel 5.1.9 aus Kapitel 5.1.3 wieder auf und betrach-
ten exemplarisch die (spannungsfreie) Phasenumwandlung im Stahl 100Cr6, bei dem sich
der Austenit in Perlit, Bainit und Martensit (unter gewissen Bedingungen) umwandelt.
Im Folgenden simulieren wir für verschiedene Abkühlgeschwindigkeiten den Dilatometer-
versuch und stellen die Phasenanteile der einzelnen Phasen sowie den Temperaturverlauf
dar. Sämtliche Materialdaten wurden vom IWT Bremen zur Verfügung gestellt.

Bemerkung 6.0.7: Im Dilatometerversuch wird die unbelastete Stahlprobe einer be-


kannten Temperaturführung unterworfen, wobei bei der Auswertung des Versuchs von
einer homogenen Verteilung der Temperatur und der Phasen ausgegangen wird. Gemes-
sen wird dabei die Länge der Probe, die Rückschlüsse auf die vorliegenden Phasenanteile
erlaubt (vergleiche [Wol07c]).

6.1 Die Aufgabenstellung


Wir betrachten im Folgenden ein gekoppeltes System aus gewöhnlichen Differentialglei-
chungen, bestehend aus der Wärmeleitungsgleichung und den Gleichungen für die Pha-
senentwicklung, wobei von einer homogenen Verteilung der Temperatur und der Phasen
sowie einer spannungsfreien Umwandlung ausgegangen wird.

Im Weiteren sind

• p1 der Phasenanteil des Austenits,


• p2 der Phasenanteil des Perlits,
• p3 der Phasenanteil des Bainits und
• p4 der Phasenanteil des Martensits.

Ferner nehmen wir an, dass sich Perlit nur im Temperaturintervall ]θ2 , θ1 [ und Bainit sich
nur im Temperaturintervall ]θ3 , θ2 ] bildet. Oberhalb von θ1 findet keine Phasentransfor-
mation statt, während unterhalb von θ3 sich nur Martensit bildet. Es seien:
(6.1.1) θ1 = 734◦ C , θ2 = 500◦C sowie θ3 = 260◦ C gegeben.
Für die Phasenumwandlung sei folgendes Differentialgleichungsmodell
p′1 = − p′2 − p′3 − p′4
p′2 =Hε (θ1 − θ) Hε (θ − θ2 ) (e2 (θ) + p2 )r2 (θ) (max{p̄2 − p2 , 0})s2(θ) g2 (θ)
(6.1.2)
p′3 =(1 − Hε (θ − θ2 )) Hε (θ − θ3 ) (e3 (θ) + p3 )r3 (θ) (max{p̄3 − p3 , 0})s3(θ) g3 (θ)
p′4 =(1 − Hε (θ − θ3 )) max{p̄4 − p4 , 0} µ

137
138 Kapitel 6. Beispielrechnungen

mit den Anfangsbedingungen

(6.1.3) p01 = 1 − 10−9 , p02 = 0 , p03 = 0 , p04 = 10−9

zugrundegelegt. Die zugehörigen Gleichgewichtsanteile der einzelnen Phasen berechnen


sich wie folgt:

p̄1 =1
p̄2 =Hε (θ1 − θ) Hε (θ − θ2 )
(6.1.4) p̄3 =(1 − Hε (θ − θ2 )) Hε (θ − θ3 ) − p2e
 θ3 − θ 
p̄4 =((1 − Hε (θ − θ3 )) − p2e − p3e ) 1 − exp −
θM 0
Dabei bezeichen Hε die regularisierte Heaviside-Funktion und p2e sowie p3e den Phasen-
anteil von Perlit bzw. Bainit, der nach dem Ende der jeweiligen Umwandlung vorliegt.
Die temperaturabhängigen Parameter ei , ri , si , gi (i = 2, 3) lassen mithilfe realer Daten
durch ein Optimierungsproblem bestimmen und mithilfe stückweise linearer Interpolati-
on als eine Funktion von der Temperatur aus den folgenden Tabellen darstellen (verglei-
1
che hierzu [Wol07c]). Weiter sind µ = 0.168 und θM 0 = 102◦ C.

Datensatz Θ e r s g
4227 300 2.57 · 10−5 6.57 · 10−1 1.18 1.26 · 10−2
4228 350 2.54 · 10−4 6.98 · 10−1 1.00 2.27 · 10−2
4229 400 4.89 · 10−4 7.20 · 10−1 1.00 6.51 · 10−2
4234 450 3.91 · 10−3 4.79 · 10−1 1.00 1.32 · 10−1
4235 500 1.83 · 10−4 5.78 · 10−4 1.41 6.55 · 10−2

Tabelle 6.1: Materialdaten der Parameter e, r, s und g zur gegebenen Umwandlungs-


temperatur Θ für die Umwandlung von Austenit zu Bainit

Datensatz Θ e r s g
4230 550 2.51 · 10−4 0.23 1.00 2.78 · 10−2
4232 600 3.92 · 10−3 0.74 1.00 1.88 · 10−1
4233 650 3.92 · 10−3 0.80 1.00 3.01 · 10−1
4236 700 8.03 · 10−1 3.22 1.01 3.20 · 10−3

Tabelle 6.2: Materialdaten der Parameter e, r, s und g zur gegebenen Umwandlungs-


temperatur Θ für die Umwandlung von Austenit zu Perlit

Die Materialdaten für die spezifische Wärme und die latenten Wärmen lassen sich mit-
hilfe einer Polynominterpolation 3. Grades aus den folgenden Tabellen als eine Funktion
von der Temperatur darstellen.

Aufgrund von fehlenden Messdaten verwenden wir im Weiteren für die spezifische Wärme
von Perlit, Bainit und Martensit die spezifische Wärme von Ferrit. Aus demselben Grund
benutzen wir für die latenten Wärmen der Austenit-Perlit- sowie der Austenit-Bainit-
Umwandlung die latenten Wärmen der Umwandlung von Austenit zu Ferrit.
6.1. Die Aufgabenstellung 139

Θ 20 100 200 300 400 500


ce (F ) 441.68 502.79 546.43 571.71 597.95 644.47
ce (A) 461.64 489.69 519.6 544.39 564.72 581.25
Θ 600 675 775 800 900 1000
ce (F ) 730.59 832.79 1034.7 1098.91 1419.75 1857.47
ce (A) 594.64 603.02 612.51 614.64 622.57 630

Tabelle 6.3: Spezifische Wärme in J/kgC von Ferrit (F) und Austenit (A) zu bestimmten
Temperaturen Θ

Θ 0 50 100 200 300 400


L(AF ) 109.01 110 110.03 108.38 105.41 100.96
L(AM) 82.83 - 83.85 82.2 79.23 74.78
Θ 500 600 700 800 900 1000
L(AF ) 93.35 79.39 54.37 12.05 -55.32 -156.99
L(AM) 67.17 53.21 28.19 -14.13 -81.5 -183.17

Tabelle 6.4: Latente Wärme in KJ/kgC der Umwandlung von Austenit zu Ferrit (AF)
und der Umwandlung von Austenit zu Martensit (AM) zu bestimmten Tem-
peraturen Θ

Nun betrachten wir die Wärmeleitgleichung für den vorliegenden Spezialfall (vergleiche
Kapitel 2). Es gilt für alle ϕ ∈ Vθ :
Z T Z Z T Z

ρ0 ce θ ϕ dx dt + κ ∇θ ∇ϕ dx dt+
0 Ω 0 Ω
Z T Z Z T Z Z T Z 4
X
+ δ (θ − θΓ ) ϕ dσ dt = r ϕ dx dt + ρ0 Li p′i ϕ dx dt
0 Γ 0 Ω 0 Ω i=2

Mit der Annahme der homogenen Temperaturverteilung sind alle Größen unabhängig
von der Ortsvariablen x. Damit folgt:
Z T Z T Z T Z T 4
X

µ(Ω) ρ0 ce θ ϕ dt + µ(Γ) δ(θ − θΓ )ϕ dt = µ(Ω) rϕ dt + µ(Ω) ρ0 Li p′i ϕ dt
0 0 0 0 i=2

Weiter ist demnach:


Z T Z T Z T Z T 4
µ(Γ)

X
ρ0 ce θ ϕ dt + δ(θ − θΓ )ϕ dt = rϕ dt + ρ0 Li p′i ϕ dt
0 µ(Ω) 0 0 0 i=2

Schließlich gelangt man (unter Verwendung des Hauptlemmas der Variationsrechnung,


siehe A.6.26) zu der folgenden Differentialgleichung:
4
r X Li µ(Γ) δ
(6.1.5) θ′ = + p′i − (θ − θΓ )
ρ0 ce i=2 ce µ(Ω) ρ0 ce
140 Kapitel 6. Beispielrechnungen

mit der Anfangsbedingung

(6.1.6) θ(0) = θ0 .

Sei Ω ein Zylinder der Länge L mit dem Durchmesser D und Γ die Mantelfläche des
Zylinders. Dann gilt:
π 2 µ(Γ) 4
µ(Ω) = D L , µ(Γ) = πDL und damit: = .
4 µ(Ω) D

Somit vereinfacht sich die Gleichung (6.1.5) zu


4
′ r X Li 4δ
(6.1.7) θ = + p′i − (θ − θΓ )
ρ0 ce i=2 ce D ρ0 ce

wobei der Durchmesser einer Dilatometerprobe durch D = 30 mm gegeben ist und der
Wärmeübergangskoeffizient δ als einzige Unbekannte in den folgenden Testrechnungen
variiert wird. Die Dichte im Referenzzustand des Ausgangsgefüges ist durch ρ0 = 7819 mkg3
gegeben. Weiterhin nehmen wir keine externen Wärmequellen an, d.h. es gilt: r = 0.

Die Aufgabe besteht nun darin, das gekoppelte gewöhnliche Differentialgleichungssystem


(6.1.2), (6.1.5) nebst Anfangsbedingungen (6.1.3), (6.1.6) numerisch zu lösen. Die Exi-
stenz und Eindeutigkeit folgt mithilfe des Satzes von Picard-Lindelöf (vergleiche Kapitel
5.1.3).

6.2 Darstellung der Ergebnisse


Zur numerischen Lösung des gekoppelten gewöhnlichen Differentialgleichungssystem (6.1.2),
(6.1.5) nebst Anfangsbedingungen (6.1.3), (6.1.6) verwenden wir die MATLAB-Funktion
ode23, die ein explizites Runge-Kutta-Verfahren der Ordnung 2 mit automatischer Schritt-
weitensteuerung realisiert (vergleiche [Mat07]). Für eine Einführung in die numerische
Mathematik und die Theorie der Einschrittverfahren sei auf [Pla00] verwiesen.

Wir betrachten nun die Abkühlung einer Dilatometerprobe von Austenitisierungstem-


peratur θ0 = 850◦ C auf Raumtemperatur θΓ = 20◦ C mit variierenden Wärmeübergangs-
koeffizienten δ. Bei einer Temperatur von 850◦C besteht die Dilatometerprobe aus rei-
nem Austentit. Austenit ist der einzige Stahlzustand mit einheitlichem Gefüge. Bei der
Abkühlung der Probe finden verschiedene Phasenumwandlungen innerhalb des Stahls
statt. Der Austenit wandelt sich (in unserem Beispiel) je nach Temperaturverlauf in
Perlit, Bainit oder Martensit um.
Für weitere Informationen, die die Gefügeänderungen beim Abkühlvorgang beschreiben,
sei auf die Literatur ([Hor85], [Lie05]) verwiesen.

Die folgenden Grafiken zeigen die Phasenanteile der einzelnen Phasen sowie den Tem-
peraturverlauf. Aufgrund der Materialdaten für die Phasenevolution des Martensits ist
die Umwandlung nicht vollständig, d.h. es verbleibt sogenannter Restaustenit“. Eine

vollständige Umwandlung erhält man, wenn die Probe noch weiter (bis 0 K) abgekühlt
wird.
6.2. Darstellung der Ergebnisse 141

1 900
Austenit Temperaturverlauf
Perlit
0.9 800
Bainit
Martensit
0.8
700

0.7
600
Phasenanteile p(t)

0.6

Temperatur θ
500
0.5
400
0.4
300
0.3

200
0.2

0.1 100

0 0
0 50 100 150 200 0 500 1000
Zeit t Zeit t

Abbildung 6.1: Abkühlung mit einem Wärmeübergangskoeffizienten von δ = 20

1 900
Austenit Temperaturverlauf
Perlit
0.9 800
Bainit
Martensit
0.8
700

0.7
600
Phasenanteile p(t)

0.6
Temperatur θ

500
0.5
400
0.4
300
0.3

200
0.2

0.1 100

0 0
0 50 100 150 0 50 100 150
Zeit t Zeit t

Abbildung 6.2: Abkühlung mit einem Wärmeübergangskoeffizienten von δ = 200


142 Kapitel 6. Beispielrechnungen

1 900
Austenit Temperaturverlauf
Perlit
0.9 800
Bainit
Martensit
0.8
700

0.7
600
Phasenanteile p(t)

0.6

Temperatur θ
500
0.5
400
0.4
300
0.3

200
0.2

0.1 100

0 0
0 20 40 60 80 0 20 40 60 80
Zeit t Zeit t

Abbildung 6.3: Abkühlung mit einem Wärmeübergangskoeffizienten von δ = 600

Der Wärmeübergangskoeffizient bestimmt im Allgemeinen die Intensität des Wärmeüber-


gangs an der Oberfläche eines Körpers und beschreibt die Fähigkeit des Körpers, Wärme
abzuführen. Somit beeinflusst der Wärmeübergangskoeffizient direkt die Abkühlgeschwin-
digkeit der Probe. Diese Tatsache spiegelt sich in der grafischen Darstellung der Ergeb-
nisse wieder.

Die Grafiken auf der rechten Seite zeigen, dass der Temperaturverlauf einer Exponen-
tialfunktion folgt (vergleiche hierzu die Lösungsformel für lineare homogene gwöhnliche
Differentialgleichungen). Die Änderungen der Steigung im Temperaturverlauf sind auf
den Einfluss der latenten Wärmen zurückzuführen (vergleiche Kapitel 2).

Die Grafiken auf der rechten Seite zeigen den Verlauf der Phasenanteile. Oberhalb von
θ1 besteht der Stahl nur aus Austenit. Bei sehr langsamer Abkühlung verwandelt er sich
bei θ1 in Perlit. Für einen kleinen Wärmeübergangskoeffizienten (vergleiche Abbildung
6.1) verläuft die Umwandlung so langsam, dass sich im Laufe der Zeit der Austenit
vollständig in Perlit umwandelt.
Ist der Wärmeübergangskoeffizient größer und die Umwandlung verläuft schneller ab, so
bilden sich bei der Temperatur θ2 Bainit und unterhalb von θ3 Martensit.
Die Austenit-Martensit-Umwandlung vollzieht sich in einem Temperaturbereich, dessen
untere Grenze unter der Raumtemperatur liegt. Auf Raumtemperatur abgeschreckter
Stahl enthält daher einen Anteil an nicht umgewandeltem Austenit, sogenannten Restau-
stenit. In Abbildung 6.2 ist deutlich zu sehen, wie sich alle Phasen in ihren jeweiligen
Temperaturbereichen bilden.
Für einen noch größeren Wärmeübergangskoeffizienten (vergleiche Abbildung 6.3) verläuft
die Umwandlung so schnell, dass sich aufgrund dieser schnellen Abkühlung nur wenig
6.2. Darstellung der Ergebnisse 143

Perlit und Bainit bilden und hauptsächlich Martensit entsteht. Wählt man den den
Wärmeübergangskoeffizienten hinreichend groß und damit die Abkühlung sehr schnell,
so ist es möglich, dass sich nur Martensit aus dem Austenit bildet.
Für die materialwissenschaftlichen Grundlagen verweisen wir an dieser Stelle nochmals
auf die Literatur ([Hor85] sowie [Lie05]).
144 Kapitel 6. Beispielrechnungen
7 Zusammenfassung und Ausblick

Im Folgenden sollen die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit kurz zusammengefasst wer-
den. Ferner folgt ein Ausblick auf mögliche Erweiterungen und Fortsetzungen der The-
matik.

Im zweiten Kapitel wurde im Rahmen der Modellierung ein Einblick in die Grundlagen
der Kontinuumsmechanik vermittelt. Ferner wurden aus dem Newtonschem Kraftaxi-
om die allgemeine Bewegungsgleichung für deformierbare Medien und die Wärmelei-
tungsgleichung mithilfe des Energieerhaltungsprinzips hergelitten. Ausgehend von der
Einführung in das Anwendungsproblem wurden die Definition sowie einige Eigenschaf-
ten von Stahl gegeben und die Effekte der Phasenumwandlung sowie der Umwandlungs-
plastizität erläutert. Den Schwerpunkt dieses Kapitels bildete die Formulierung der ma-
thematischen Aufgabe der linearen Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen und
Umwandlungsplastizität für die ein Existenz- und Eindeutigkeitsresultat nachgewiesen
werden sollte.
Das dritte Kapitel fasst im Wesentlichen einige wichtige Resultate der mathematischen
Elastizitätstheorie zusammen. Es wurde die Existenz und die Eindeutigkeit einer schwa-
chen Lösung der Aufgabe der stationären linearen Elastizität mithilfe des Satzes von
Lax-Milgram und alternativ unter Verwendung des Banachschen Fixpunktsatzes ge-
zeigt. Ferner wurde das Galerkin-Verfahren sowie das Konzept der Evolutionsgleichungen
erläutert. Mit diesen Hilfsmitteln erfolgte im Weiteren der Beweis eines Existenz- und
Eindeutigkeitssatzes für die schwache Lösbarkeit der instationären linearen Elastizität
unter der Voraussetzung zeitinvarianter Parameter.
Im vierten Kapitel wurden Existenz- und Eindeutigkeitsresultate der schwachen Lösbar-
keit der mathematischen Aufgabe der klassischen linearen Thermoelastizität bereitge-
stellt. Aufgrund der Kopplungsterme in der Bewegungsgleichung und in der Wärme-
leitungsgleichung sind die ersten apriori-Abschätzungen für den Grenzübergang in der
Wärmeleitungsgleichung nicht ausreichend. Daher entstand im Fall der gemischten Rand-
bedingungen die Notwendigkeit, die Galerkin-Gleichungen nach der Zeit zu differenzie-
ren, um so mithilfe weiterer apriori-Abschätzungen eine höhere Regularität der Lösung
zu erhalten. Der Nachteil dieser Vorgehenweise ist allerdings, das ein Existenz- und Ein-
deutigkeitsresultat nur für zeitunabhängige Parameter und unter höheren Regularitäts-
forderungen an die rechten Seiten und die Anfangsbedingungen zur Verfügung steht. Im
Fall einfacher Randbedingungen ist es möglich die Kopplungsterme partiell bezüglich des
Ortes zu integrieren und die ersten apriori-Abschätzungen sind hinreichend um die Exi-
stenz einer Lösung unter geringeren Regularitätsforderungen an die rechten Seiten und
die Anfangsbedingungen nachzuweisen. Die Eindeutigkeit der Lösung lässt sich jedoch
nur mit denselben Voraussetzungen zum vorigen Fall zeigen.
Das fünften Kapitel bildete den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit. Im ersten Teil des
Kapitels wurde das Modell der klassischen linearen Thermoelastizität durch Hinzunahme
der Phasenumwandlungen erweitert. Die Existenz und die Eindeutigkeit der Teilaufgabe

145
146 Kapitel 7. Zusammenfassung und Ausblick

der klassischen linearen Thermoelastizität folgt analog zum vorigen Kapitel. Das Teilpro-
blem der Phasenumwandlungen wurde aus der Diplomarbeit von [Hüß07] zitiert und an
einem Beispiel illustriert. Allerdings wird nur spannungsabhängiges Umwandlungsver-
halten betrachtet, was eine zusätzliche Einschränkung an die Aufgabe darstellt. Mithilfe
einer Fixpunktargumentation auf des Basis des Satzes von Schauder es ferner gelungen,
die Existenz einer schwachen Lösung für diese Aufgabe nachzuweisen.
Der zweite Teil des Kapitel beschäftigte sich mit der vollen Aufgabe der Thermoelasti-
zität mit Phasenumwandlungen und Umwandlungsplastizität. Es hat sich dabei heraus-
stellen müssen, dass ein Existenz- und Eindeutigkeitsresultat für die volle Augabe mit
den dargelegten Methoden nicht möglich ist und einige Einschränkungen an das Modell
gemacht werden müssen. Das Problem besteht darin, die Existenz und die Eindeutig-
keit der Teilaufgabe der klassischen linearen Thermoelastizität nachzuweisen, da sich die
Behandlung des Materialgesetze der Umwandlungsplastizität zusätzlich zu den Kopp-
lungstermen als äußerst schwierig erweist. Mit einer Vereinfachung im Materialgesetz
der Umwandlungsplastizität ist es möglich, den Beweis der Existenz und der Eindeutig-
keit analog zum vorigen Kapitel zu erbringen. Ein zweiter Ansatz, die Kopplungsterme zu
regularisieren und das Materialgesetz der Umwandlungsplastizität nicht zu vereinfachen
liefert zwar die Existenz des Teilproblems, jedoch ist die Eindeutigkeit nicht gesichert.

Im sechsten Kapitel finden sich einige Beispielrechnungen eines gekoppelten Systems


aus der Wärmeleitungsgleichung und den Gleichungen für die Phasenumwandlungen. In
gewisser Weise wurde damit die Abkühlung einer Dilatometerprobe simuliert und der
Einfluss des Wärmeübergangskoeffizienten verdeutlich gemacht.

Insgesamt haben wir damit in der vorliegenden Arbeit

• die Existenz und Eindeutigkeit einer schwachen Lösung für die volle Aufgabe der
stationären Elastizität,

• die Existenz und Eindeutigkeit einer schwachen Lösung für die volle Aufgabe der
instationären Elastizität einer schwachen Lösung mit ortsabhängigen Parametern,

• die Existenz und Eindeutigkeit einer schwachen Lösung für die volle Aufgabe der
linearen Thermoelastizität mit ortsabhängigen Parametern,

• die Existenz und Eindeutigkeit einer schwachen Lösung für die Aufgabe der linearen
Thermoelastizität mit ortsabhängigen Parametern und vereinfachten Randbedin-
gungen,

• die Existenz und Eindeutigkeit einer schwachen Lösung für die volle Aufgabe der
linearen Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen und ortsabhängigen Para-
metern und

• die Existenz und Eindeutigkeit einer schwachen Lösung für die regularisierte Auf-
gabe der linearen Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen und Umwandlungs-
plastizität mit ortsabhängigen Parametern

nachgewiesen und außerdem einige zusätzliche Spezialfälle

• zu vereinfachten Randbedingungen,
147

• zu temperatur- und phasenabhängigen Parametern,

• zu Regularisierungen im Materialgesetz der Umwandlungsplastizität und in den


Kopplungstermen der Bewegungs- und Wärmeleitungsgleichung sowie

• zum spannungsabhängigen Umwandlungsverhalten

betrachtet.

In Folgenden weisen wir auf möglichen Fortführungen in der Thematik hin, um die
Existenz und Eindeutigkeit einer schwachen Lösung für die volle Aufgabe der linearen
Thermoelastizität mit Phasenumwandlungen und Umwandlungsplastizität weiter zu un-
tersuchen.

Eine bessere Regularität der Lösung lässt sich eventuell durch spezielle Basen für die Ver-
schiebung und die Temperatur (vergleiche [Wol04]) erzielen. Die mögliche Konsequenz
dieses Ansatzes könnte sein, zusätzlich spannungsabhängiges Umwandlungsverhalten zu
berücksichtigen.
Die zeitliche Semidiskretisierung (vergleiche [Emm04] oder [Kna00], Semidiskretisierung
mittels vertikaler Linienmethode) der Bewegungs- und der Wärmeleitungsgleichung so-
wie gegebenenfalls auch der Gleichungen für die Phasenumwandlungen liefert vielleicht
bessere Existenzresultate. Eventuell ist es möglich, die Parameter von der Temperatur
und den Phasenanteilen abhängen zu lassen. Für weitere Methoden zur Lösung des Pro-
blems sei auf [Dau92] und [Eva98] verwiesen.

Die Beispielrechnungen lassen sich durch Rechnungen zur Modellierung der örtlich homo-
genen Geeble-Probe mit realen Daten (Satoh-Test) erweitern. Weitere Möglichkeiten be-
stehen in 1d- und 3d-Rechnungen (z.B. auf Basis der zeitlichen Semi-Diskretisierung) mit
realen Daten, in dem Vergleich mit dem Programm SYSWELD sowie in der Untersuchung
der Existenz und Eindeutigkeit der vollen Aufgabe mit klassischer Plastizität und dessen
numerischer Betrachtung (3d-Rechnungen) mithilfe von Semi-Diskretisierung, Prediktor-
Korrektor-Verfahren etc. Die numerische Finite-Elemente-Simulation mithilfe des Pro-
gramms ALBERTA für ein vereinfachtes Modell, bestehend aus dem gekoppeltem Sytem
von Wärmeleitgleichung und Elastizitätsgleichung, findet man in der Diplomarbeit von
[Suh05].

Eine weitere Fortführung auf der Ebene der mathematischen Modellierung wäre die Ver-
bindung des vorliegenden Probelem mit Makro-Meso-Untersuchungen, insbesondere bei
der Umwandlungsplastizitä und deren Wechselwirkung mit der klassischen Plastizität.
148 Kapitel 7. Zusammenfassung und Ausblick
A Mathematische Hilfsmittel

Im Folgenden werden einige mathematische Grundlagen aus der Analysis, der Funktio-
nalanalysis sowie der Theorie der partiellen Differentialgleichungen bereitgestellt, von
denen im Text Gebrauch gemacht wird. Beweise werden nicht gegeben, stattdessen wird
auf die Literatur verwiesen.

Zunächst werden die Fixpunktsätze von Banach und Schauder behandelt, die eine wich-
tige Rolle für die Lösung von Randwert-Anfangswert-Aufgaben für nichtlineare partielle
Differentialgleichungen darstellen.
Im Abschnitt über gewöhnliche Differentialgleichungen im Sinne von Carathéodory wer-
den Existenz- und Eindeutigkeitsresultate zu Anfangswertaufgaben für gewöhnliche Dif-
ferentialgleichungen, bei denen die rechte Seite bezüglich der unabhängigen Variablen
nicht stetig ist, zur Verfügung gestellt.
Das Kapitel Reflexivität und schwache Konvergenz“ stellt unter anderem die wichtigen

Sätze von Banach-Alaoglu und Eberlein-Shmulyan bereit.
Einen kurzen Überblick über Lp -Räume und Sobolevräume liefert das nachfolgende Ka-
pitel (vergleiche hierzu [Ada03]). Neben der Definition der Räume seien Anmerkungen
zu parameterabhängigen Integralen, Mittelungsfunktionen, Zeitdifferenz, Steklov-Mittel
und den Sobolevschen Einbettungssätzen gegeben.
Im darauf folgenden Abschnitt werden wichtige Ungleichungen (Young, Hölder, Gron-
wall, Korn) zusammengestellt, die ein unabdingbares Werkzeug beim Beweis vieler Aus-
sagen sind.
Abschließend folgt die Betrachtung von Funktionen mit Werten in Banachräumen. Nach
einer kurzen Einführung in die Problematik (vergleiche [Emm04] und [Kna00]) werden
die Räume stetiger und stetig differenzierbarer Funktionen mit Werten in Banachräumen
sowie die Räume Bochner-integrierbarer Funktionen (vergleiche [Emm04], [Gaj74] sowie
[Wlo87]) eingeführt. Es folgen Definition und Eigenschaften der abstrakten Lp -Räume
sowie der verallgemeinerten Ableitung und der abstrakten Sobolevräume. Im Rahmen ei-
ner schwachen Lösungstheorie auf der Grundlage von Hilbertraum-Methoden wird ferner
das Evolutionstripel erläutert und auf das Konzept der Evolutionsgleichungen eingegan-
gen.

Einen recht vollständigen Überblick über die verschiedenen Zugänge und Methoden bei
der Behandlung von partiellen Differentialgleichungen geben [Eva98], [Lub02], [Rou05],
[Ren96], [Wol04] und [Zei90]. Eine sehr umfangreiche Darstellung der Theorie findet sich
in [Dau92] sowie in den weitern Bänden der Reihe. Ferner ist ein guter Überblick über
verschiedene funktionalanalytische Konzepte in [Sho97] gegeben.

149
150 Kapitel A. Mathematische Hilfsmittel

A.1 Fixpunktsätze
Der Fixpunktsatz von Banach

Definition A.1.1: Sei (X, d) ein metrischer Raum. Eine Funktion T : X → X heißt
q-kontraktiv auf X, falls ein q ∈ R mit 0 ≤ q < 1 (:= Kontraktionskonstante) existiert,
so dass für alle x, y ∈ X gilt:

d(T (x), T (y)) ≤ q d(x, y).

Ein x̄ ∈ X heißt Fixpunkt der Abbildung T , falls T (x̄) = x̄ gilt.

Satz A.1.2 (Banachscher Fixpunktsatz): Es seien (X, d) ein vollständiger metrischer


Raum und T : X → X eine q-kontraktive Abbildung. Dann besitzt die Abbildung T genau
einen Fixpunkt x̄ ∈ X. Falls x0 ∈ X ein beliebiger Startpunkt ist, so konvergiert die Folge
(xn )n∈N der sukzessiven Approximationen mit xn+1 := T (xn ), n ∈ N0 , gegen x̄ und es
gelten die Fehlerabschätzungen:
qn
d(xn , x̄) ≤ d(x0 , x1 ) (apriori-Abschätzung) sowie
1−q
q
d(xn , x̄) ≤ d(xn , xn−1 ) (aposteriori-Abschätzung) und
1−q
1
d(x0 , x̄) ≤ d(x0 , x1 ).
1−q

Beweis. siehe [Wol04], Kapitel 1.1, Satz 2, Seite 6 oder [Zei90], Kapitel 1.1, Theorem
1.A., Seite 17

Der Fixpunktsatz von Schauder

Definition A.1.3: (1) Eine Menge M ⊂ X eines metrischen Raumes (X, d) heißt
kompakt, falls jede Folge von Elementen aus M eine konvergente Teilfolge besitzt,
deren Grenzwert in M liegt. Eine Menge M ⊂ X heißt präkompakt, falls M kom-
pakt ist.

(2) Es seien X, Y Banachräume. Ein Operator T : M ⊂ X → Y heißt kompakt, falls


B ⊂ M, B beschränkt =⇒ T (B) ⊂ Y kompakt.

Satz A.1.4 (Schauderscher Fixpunktsatz - 1. Fassung): Seien X ein normierter Raum,


M ⊂ X konvex und C ⊂ M kompakt und nichtleer. Dann besitzt jede stetige Abbildung
T : M → C mindestens einen Fixpunkt.

Beweis. siehe [Wol04], Kapitel 2.4, Satz 5, Seite 39

Satz A.1.5 (Schauderscher Fixpunktsatz - 2. Fassung): Sei T eine stetige Selbstabbil-


dung einer nichtleeren konvexen Teilmenge M eines normierten Raumes. T besitzt auf
M mindestens einen Fixpunkt, falls eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

(1) M ist kompakt oder


A.2. Gewöhnliche Differentialgleichungen im Sinne von Carathéodory 151

(2) M ist abgeschlossen und T (M) ist präkompakt.

Beweis. siehe [Zei90], Kapitel 2.6, Korollar 2.13, Seite 57

A.2 Gewöhnliche Differentialgleichungen im Sinne von


Carathéodory
Definition A.2.1: Sei X ein Banachraum. Eine Funktion u : [a, b] → X heißt absolut-
stetig, falls es zu jedem ε > 0 ein δ = δ(ε) > 0 derart gibt, so dass für jedes endliche
System paarweise
P disjunkter Teilintervalle [ak , bk ] ⊂ [a, b] (k = 1, . . . , n) mit der Ge-
samtlänge nk=1 (bk − ak ) < δ gilt:
n
X
ku(bk ) − u(ak )kX < ε.
k=1

Die Menge der auf [0, T ] absolut-stetigen Funktionen mit Werten in X wird mit AC([0, T ]; X)
bezeichnet. Für ein offenes Intervall ]a, b[ bedeutet u ∈ AC(]a, b[; X), dass u ∈ AC([α, β]; X)
für alle [α, β] ⊂]a, b[.

Bemerkung A.2.2: (1) Jede Lipschitz-stetige Funktion ist absolut-stetig.

(2) Jede absolut-stetige Funktion ist stetig.

Lemma A.2.3: Sei −∞ < a < b < ∞. Dann gelten folgende Aussagen:

(1) Falls u ∈ AC([a, b]), so gelten:

(i) Für fast alle x ∈]a, b[ existiert

′ 1 
u (x) := lim u(x + t) − u(x)
t→0 t

(ii) u′ ∈ L1 (]a, b[)


(iii) Für alle x1 , x2 ∈ [a, b] gilt die Formel von Leibniz-Newton (Hauptsatz der
Differential- und Integralrechnung für das Lebegue-Integral):
Z x1
u(x1 ) − u(x2 ) = u′ (t) dt
x2

Ist f ∈ L1 (]a, b[), so gelten für die Stammfunktion F mit


Z t
F (t) := f (s) ds , t ∈ [a, b]
a

die folgenden Eigenschaften

(i) F ∈ AC([a, b])


(ii) F ′ (t) = f (t) für fast alle t ∈]a, b[
152 Kapitel A. Mathematische Hilfsmittel

(2) AC([a, b]) ∼


= W 1,1 (]a, b[), in dem Sinne, dass die Äquivalenzklasse jeder Funktion
aus AC([a, b]) zu W 1,1 (]a, b[) gehört und das jede Äquivalenzklasse aus W 1,1 (]a, b[)
einen absolut-stetigen Vertreter besitzt. Dabei ist die fast überall auf ]a, b[ existie-
rende klassische Ableitung u′ auch schwache Ableitung von u auf ]a, b[.

Die Beweise des Lemmas lassen sich in den Büchern von [Kol70], Kapitel 31 und [Nat75],
Kapitel 5 wiederfinden.

Definition A.2.4: Sei G ⊂ Rm+n eine nichtleere Lebesgue-messbare Menge. Eine Funk-
tion f : G → Rn heißt Carathéodory-Funktion, falls

(1) die Abbildung t 7→ f (t, v) für alle v ∈ Rn auf Rm Lebesgue-messbar ist.

(2) die Abbildung v 7→ f (t, v) für fast alle t ∈ Rm auf Rn stetig ist.

Definition A.2.5: (1) Seien G ⊂ R1+n ein Gebiet, (t0 , x0 ) ∈ G und f : G → Rn


eine Carathéodory-Funktion. Eine Funktion u ∈ AC(]a, b[; Rn ) heißt Lösung der
Aufgabe

(A.2.1) x′ (t) = f (t, x(t)) , x(t0 ) = x0 ,

falls

• u(t0 ) = x0 für t0 ∈]a, b[


• (t, u(t)) ∈ G für alle t ∈]a, b[
• u′ (t) = f (t, u(t)) für fast alle t ∈]a, b[

(2) Eine Lösung u ∈ AC(]a, b[; Rn ) gemäß (1) heißt einzig, falls jede andere Lösung
der Aufgabe (A.2.1) auf dem Intervall [a, b] mit u zusammenfällt.

Lemma A.2.6: Es seien a > 0, t0 ∈ R, x0 ∈ Rn , sowie f : [t0 − a, t0 + a] × Rn → Rn


eine Carathéodory-Funktion mit der Wachstumsbedingung

(A.2.2) f.f.a. t ∈ [t0 − a, t0 + a] ∀x ∈ Rn : kf (t, x)k∞ ≤ ϕ(t) + ψ(t)h(x) ,

wobei für die nicht-negativen Funktionen ϕ, ψ, h gilt: ϕ, ψ ∈ L1 (]t0 − a, t0 + a[) sowie


h ∈ C(Rn ). Sei u ∈ C([t0 − a, t0 + a], Rn ). Dann sind folgende Aussagen äquivalent:

(1) Die Funktion u gehört zu AC([t0 −a, t0 +a]; Rn ) und ist Lösung der Aufgabe (A.2.1).

(2) Die Funktion u ist Lösung der Integralgleichung


Z t
u(t) = x0 + f (s, u(s)) ds , t ∈ [t0 − a, t0 + a].
t0

Beweis. siehe [Wol04], Kapitel 3.1, Lemma 9, Seite 49 f.

Satz A.2.7 (Carathéodory): Es seien a > 0, t0 ∈ R, x0 ∈ Rn , sowie f : [t0 − a, t0 +


a] × Rn → Rn eine Carathéodory-Funktion mit der Wachstumsbedingung (A.2.2). Dann
existieren ein 0 < α ≤ a und mindestens eine Lösung u ∈ AC([t0 − α, t0 + α]; Rn ) der
A.3. Reflexivität und schwache Konvergenz 153

Anfangswertaufgabe (A.2.1).
Gilt zusätzlich die Lipschitz-Bedingung

f.f.a. t ∈ [t0 − α, t0 + α] ∀x1 , x2 ∈ Rn : kf (t, x1 ) − f (t, x2 )k∞ ≤ L(t) kx1 − x2 k∞

mit L ∈ L1 (]t0 − α, t0 + α[), so ist die behauptete Lösung einzig.

Beweis. siehe [Wol04], Satz 4, Seite 53 f.

Satz A.2.8: Es seien a > 0, t0 ∈ R, x0 ∈ Rn , sowie f : G → Rn (G ∈ Rn+1 ein Gebiet,


(t0 , x0 ) ∈ G) eine Carathéodory-Funktion und für jede Menge [t0 − a, t0 + a] × Rn ⊂ G
gelte die Wachstumsbedingung (A.2.2). Weiter enthalte G die Menge [t0 , t1 ] × Rn mit
t1 > t0 . Für jede Lösung u ∈ AC([t0 , τ ]; Rn ) mit t0 < τ < t1 der Anfangswertaufgabe
(A.2.1) gelte die apriori-Abschätzung

∃ δ ∈ C([t0 , t1 ]; R) : ku(t) − x0 k∞ ≤ δ(τ ) auf [t0 , τ ].

Dann lässt sich jede Lösung u ∈ AC([t0 −α, t0 + α]; Rn ) der Anfangswertaufgabe (A.2.1).
auf [t0 , t1 ] fortsetzen.
Enthalte G die Menge [t0 , ∞[×Rn und gilt für jede Lösung u ∈ AC([t0 , τ ]; Rn ) mit t0 <
τ < ∞ der Anfangswertaufgabe (A.2.1) gelte die apriori-Abschätzung

∃ δ ∈ C([t0 , ∞[; R) : ku(t) − x0 k∞ ≤ δ(τ ) auf [t0 , τ ],

so lässt sie sich auf [t0 , ∞[ fortsetzen.

A.3 Reflexivität und schwache Konvergenz


Definition A.3.1: Ein metrischer Raum (T, d) heißt separabel, wenn er eine abzählbar
dichte Teilmenge besitzt. Dabei heißt D ⊂ T dicht in T , wenn D = T gilt, d.h. eine
Menge D ist genau dann dicht in T , wenn jede nichtleere offene Menge einen Punkt von
D enthält. Anders ausgedrückt: Jeder Punkt von T ist Limes einer Folge aus D, d.h.
∀ ε > 0 ∀ x ∈ D ∃ m ∈ D : d(x, m) < ε.

Beispiel A.3.2: Die rationalen Zahlen dicht in der Menge der reellen Zahlen.

Definition A.3.3: Sei X ein normierter Raum, X ∗ sein Dualraum und X ∗∗ := (X ∗ )∗


dessen Dualraum. Man nennt X ∗∗ den Bidualraum von X. Ein Banachraum X heißt
reflexiv, wenn die lineare Isometrie i : X → X ∗∗ , (i(x))(x∗ ) = x∗ (x) surjektiv ist.

Bemerkung A.3.4: (1) Im Allgemeinen gilt X ⊂ X ∗∗ . Ist X reflexiv, so lassen sich


X und X ∗∗ miteinander identifizieren.

(2) Sei X reflexiv. Dann ist jeder abgeschlossenen Untervektorraum von X reflexiv.

(3) Sei T : X → Y ein Isomorphismus. Dann ist X reflexiv genau dann, wenn Y
reflexiv ist.

(4) X ist reflexiv genau dann, wenn X ∗ reflexiv ist.


154 Kapitel A. Mathematische Hilfsmittel

(5) Sei X ∗ separabel. Dann ist X separabel.

Definition A.3.5: (1) Eine Folge (xn )n∈N im Banachraum V heißt schwach konver-
gent gegen ein x ∈ V , in Zeichen xn ⇀ x, falls gilt:

∀ x∗ ∈ V ∗ : hx∗ , xn iV ∗ V → hx∗ , xiV ∗ V für n → ∞.

(2) Eine Folge (x∗n )n∈N in dem dualen Raum V ∗ von V heißt schwach* konvergent

gegen ein x∗ ∈ V ∗ , in Zeichen xn ⇀ x, falls gilt:

∀ x ∈ V : hx∗n , xiV ∗ V → hx∗ , xiV ∗ V für n → ∞.

(3) Eine Menge M ⊂ V (M ⊂ V ∗ ) heißt schwach (schwach*) folgenkompakt, falls jede


Folge in M eine schwach (schwach*) konvergente Teilfolge besitzt, deren schwach
(schwach*) Grenzwert wieder in M liegt.

Bemerkung A.3.6: (1) Der schwache (schwach*) Grenzwert einer Folge ist eindeutig
bestimmt.

(2) Starke Konvergenz (Normkonvergenz) impliziert schwache (schwach*) Konvergenz.

(3) Schwache Konvergenz bedeutet komponentenweise Konvergenz.

(4) In endlichdimensionalen Räumen stimmen starke und schwache Konvergenz übe-


rein.

(5) Aus x∗n ⇀ x∗ in V ∗ für n → ∞ folgt kx∗ kV ∗ ≤ lim inf n→∞ kx∗n kV ∗ .

(6) Aus xn ⇀ x in V für n → ∞ folgt kxkV ≤ lim inf n→∞ kxn kV .

(7) Schwach (schwach*) konvergente Folgen sind beschränkt.



(8) Es gelte xn → x in V und x∗n ⇀ x∗ in V ∗ für n → ∞. Dann folgt hx∗n , xn iV ∗ V →
hx∗ , xiV ∗ V für n → ∞. Dasselbe folgt, wenn xn ⇀ x in V und x∗n → x∗ in V ∗ für
n → ∞.

(9) Sei X reflexiv. Dann stimmen schwach* und schwache Folgenkonvergenz in X ∗


überein.

Satz A.3.7 (Banach-Alaoglu): Sei X ein separabler Banachraum. Dann ist jede ab-
geschlossene Kugel BR (0) ⊂ X ∗ in seinem dualen Raum X ∗ schwach*-folgenkompakt.
Mit anderen Worten: Zu jeder beschränkten Folge (x∗k )k∈N in X ∗ gibt es eine schwach*-
konvergente Teilfolge.

Beweis. siehe [Alt02], Satz 6.5, Seite 215 oder [Kol70], Theorem 3, Seite 198

Bemerkung A.3.8: Sei X ein separabler Banachraum. Nach Aussage des Satzes von
Banach-Alaoglu besitzt jede beschränkte Teilmenge M ⊂ X ∗ eine schwach*-konvergente
Teilfolge, deren schwach*-Grenzwert wieder in M liegt.
A.4. Funktionenräume - 1. Räume mit reellwertigen Funktionen 155

Satz A.3.9 (Eberlein-Shmulyan): Sei X ein reflexiver Banachraum. Dann ist jede ab-
geschlossene Kugel BR (0) ⊂ X in X schwach-folgenkompakt. Mit anderen Worten: Zu
jeder beschränkten Folge (xk )k∈N in X gibt es eine schwach konvergente Teilfolge. Wenn
jede schwach konvergente Teilfolge von (xk )k∈N den selben Grenzwert x hat, dann kon-
vergiert (xn )n∈N schwach gegen x für n → ∞.

Beweis. siehe [Alt02], Satz 6.9, Seite 219 oder [Wer05], Theorem III.3.7, Seite 107

Satz A.3.10: Seien X und Y Banachräume über R. Wenn A : X → Y linear und stetig
ist, dann ist A schwach folgenstetig, d.h.
n→∞ n→∞
un ⇀ u =⇒ Aun ⇀ Au.

Beweis. siehe [Zei90], Proposition 21.27, Seite 261 f.

A.4 Funktionenräume - 1. Räume mit reellwertigen


Funktionen
Lp -Räume

Eine kurze Darstellung des Lebesgue’schen Maßes und Integrals findet man in [Alt02] und
in [Gaj74] während eine grundlegende Einführung in die Theorie messbarer Funktionen
und das Lebesgue-Integral in [Kol70] sowie in [Nat75] bereitgestellt wird. Im Weiteren
beschränken wir uns auf Lp -Räume bezüglich des Lebesgue-Maßes im Rn , für Verallge-
meinerungen sei auf [Alt02] und [Els96] verwiesen.
Im Folgenden sei Ω eine Lebesgue-messbare Menge, bei relevanten Anwendungen meist
ein Gebiet.

Definition A.4.1: (1) Sei p ∈ [1, ∞[. Dann bezeichnet Lp (Ω) die Menge der Äquiva-
lenzklassen Lebesgue-messbarer Funktionen von Ω nach R (bzgl. der Äquivalenz-
relation f ∼ g ⇔ f − g = 0 fast überall), die jeweils einen Repräsentanten haben,
dessen p-te Potenz vom Betrag Lebesgue-integrierbar ist. Für [f ] ∈ Lp (Ω) und
R 1
f ∈ [f ] sei k[f ]kLp (Ω) := Ω |f (x)|p dx p .

(2) L∞ (Ω) bezeichnet die Menge der Äquivalenzklassen Lebesgue-messbarer Funktio-


nen von Ω nach R (bzgl. der Äquivalenzrelation f ∼ g ⇔ f − g = 0 fast überall),
die jeweils einen beschränkten Repräsentanten haben. Für [f ] ∈ L∞ (Ω) und f ∈ [f ]
sei k[f ]kL∞ := ess supx∈Ω |f (x)| := inf A⊂Ω,meas(A)=0 supx∈Ω\A |f (x)|.

(3) Sei Ω ⊂ Rn offen und p ∈ [1, ∞]. Dann bezeichnet Lploc (Ω) die Menge der Äquiva-
lenzklassen [f ] Lebesgue-messbarer Funktionen auf Ω, für die gilt: [f ] ∈ Lp (Ω′ ) für
jede kompakte Teilmenge Ω′ ⊂ Ω.

Im Folgenden sprechen wir oft vereinfachend davon, dass eine Funktion zu Lp (Ω) gehört,
was dann bedeuten soll, dass ihre Äquivalenzklasse zu Lp (Ω) gehört.

Satz A.4.2: Sei 1 ≤ p ≤ ∞. Dann gelten:


156 Kapitel A. Mathematische Hilfsmittel

(1) Die Räume (Lp (Ω), k · kLp (Ω) ) sind Banachräume.

(2) Für 1 < p < ∞ sind die Räume Lp (Ω) reflexiv.

(3) Für 1 ≤ p < ∞ sind die Räume Lp (Ω) separabel.

(4) RL2 (Ω) ist ein Hilbertraum, dessen Norm durch das Skalarprodukt (f, g)L2 (Ω) :=

f (x) g(x) dx erzeugt wird.

(5) Seien Ω offen und (fn )n∈N eine Folge in Lp (Ω) mit 1 ≤ p ≤ ∞, mit fn → f in
Lp (Ω). Dann existiert eine Teilfolge (fnk )k∈N und ein h ∈ Lp (Ω) mit fnk (x) → f (x)
fast überall in Ω sowie |fnk (x)| ≤ h(x) für fast alle x ∈ Ω. Für p = ∞ gelten die
Aussagen für die ganze Folge.

Beweis. siehe Alt, Lemma 1.18, Seite 52 f.

Parameterabhängige Integrale

Satz A.4.3 (Fubini): Seien Ix ⊂ Rp , Iy ⊂ Rq Intervalle und I := Ix × Iy ⊂ Rp × Rq das


Produktintervall. Sei f : I → R Lebesgue-integrierbar auf I. Dann gilt:

(1) Für fast alle x ∈ Ix ist die Funktion {y 7→ f (x, y)} Lebesgue-integrierbar auf Iy .
R
(2) Die Funktion {x 7→ Iy f (x, y) dy} ist fast überall Lebesgue-integrierbar auf Ix .

(3) Es ist !
Z Z Z
f (x, y) d(x, y) = f (x, y) dy dx.
I Ix Iy

Die Rollen von x und y dürfen dabei vertauscht werden.

Einen Beweise findet man zum Beispiel in [Kol70], Kapitel 35, Seite 352 ff.

Satz A.4.4 (Stetigkeit von Parameterintegralen): Seien B ⊂ Rn Lebesgue-messbar,


A ⊂ Rm beliebig und f : A × B → R. Die Funktion {y 7→ f (x, y)} sei für jedes feste
x ∈ A Lebesgue-integrierbar auf B. Für fast alle festen y ∈ B sei {x 7→ f (x, y)} stetig
auf A. Schließlich gebe es eine in B Lebesgue-integrierbare Funktion g : B → R mit
|f (x, y)| ≤ g(y) für alle x ∈ A, y ∈ B. Dann ist das Parameterintegral
Z
F (x) := f (x, y) dy
B

stetig auf A.

Satz A.4.5 (Differenzierbarkeit von Parameterintegralen): Seien B ⊂ Rn Lebesgue-


messbar und A ⊂ R offen. Sei f : A × B → R für jedes feste x ∈ A Lebesgue-integrierbar
auf B und für fast alle y ∈ B auf A nach dem Parameter x partiell differenzierbar.
Schließlich gebe es eine in B Lebesgue-integrierbare Funktion g : B → R mit | ∂f
∂x
(x, y)| ≤
g(y) für alle x ∈ A und fast alle y ∈ B. Dann gilt:
A.4. Funktionenräume - 1. Räume mit reellwertigen Funktionen 157

∂f
(1) ∂x
ist für jedes feste x ∈ A Lebesgue-integrierbar auf B,
(x, y)
R
(2) das Parameterintegral F (x) := B f (x, y) dy ist differenzierbar und

(3) die Ableitung erhält man wieder durch Differenzieren unter dem Integral.

Entsprechende Aussagen gelten für höhere Ableitungen.

Beweis. siehe [Sho97], Kapitel III.3, Lemma 3.1, S. 118 ff.

Satz A.4.6 (Leibniz-Regel): Seien I := [a, b] und J := [c, d] kompakte Intervalle in R,


g, h : I → J differenzierbar, f : I × J → R stetig und nach der ersten Variablen partiell
differenzierbar mit stetiger partieller Ableitung ∂f
∂x
: I × J → R. Sei F : I → R definiert
durch Z h(x)
F (x) := f (x, y) dy.
g(x)

Dann gilt:
Z h(x)
′ ′ ′ ∂f
F (x) = h (x)f (x, h(x)) − g (x)f (x, g(x)) + (x, y) dy.
g(x) ∂x

Mittelungsfunktionen, Zeitdifferenz und Steklov-Mittel

Definition A.4.7: Sei ε > 0 beliebig. Sei ρ eine Funktion mit

(1) ρ ∈ C0∞ (Rn ) mit supp(ρ) ⊂ (B1 (0))


R
(2) Rn ρ(x) dx = 1

(3) ρ(x) ≥ 0 ∀ x ∈ Rn

Dann heißt die Funktion ρε mit ρε = ε1n ρ( xε ) Mittelungskern mit dem Radius ε.
Sei die auf dem Gebiet Ω gegebene Funktion u ∈ L1 (Ω) außerhalb von Ω mit Null zur
Funktion ū fortgesetzt. Die Faltung uε = ρε ∗ ū,
Z
(ρε ∗ ū)(x) := ρε (x − ξ) ū(ξ) dξ für x ∈ Rn
Rn

heißt Mittelungsfunktion oder auch Regularisierung von u.

Für den Mittelungskern ρε gelten die gleichen Eigenschaften wie für die Funktion ρ. Die
Mittelungsfunktion uε ist auf ganz Rn erklärt.

Satz A.4.8: Sei Ω eine offene Menge. Dann gelten folgende Eigenschaften für Mitte-
lungsfunktionen:

(1) uε ∈ C ∞ (Rn ) für u ∈ L1loc (Rn )

(2) uε ∈ C0∞ (Rn ), wenn u ∈ L1loc (Rn ) kompakten Träger in Ω und ε < dist(supp(u), ∂Ω)

(3) Für u ∈ Lp (Ω), 1 ≤ p < ∞ gelten:


158 Kapitel A. Mathematische Hilfsmittel

• uε ∈ Lp (Ω),
• kuε kLp (Ω) ≤ kukLp (Ω) ,
• limε→0 kuε − ukLp (Ω) = 0,
• limε→0 uε (x) = u(x) f.f.a. x ∈ Ω.

Beweis. siehe [Ada03], Seite 36 f., [Wol04], Seite 61 f. oder [Emm04], Seite 62 f. und
vergleiche [Nau05], Kapitel 2, Seite 10 f.

Definition A.4.9: Sei f ∈ Lp (Ω×]0, T [) (0 < T < ∞) (1 ≤ p < ∞) (Ω beschränktes


Gebiet). Wir setzen f auf Ω × R durch 0 fort und bezeichnen diese Fortsetzung ebenfalls
mit f . Die Zeitdifferenz von f ist dann definiert vermöge der Vorschrift

(A.4.1) (∆h f )(x, t) := f (x, t + h) − f (x, t)

für fast alle (x, t) ∈ Ω×]0, T [, für alle h > 0.

Es gilt nun die folgende bekannte Differenzenabschätzung ([Gil77], Seite 161 f.): Sei f ∈
Lp (Ω×]0, T [) mit ∂f
∂t
∈ Lp (Ω×]0, T [). Sei t1 ∈]0, T [. Dann gilt für beliebige 0 < h < T −t1 :
Z t1 Z Z T Z p
p p
∂f
|∆h f | dx dt ≤ h dx dt
Ω ∂t

0 Ω 0

Definition A.4.10: Sei f ∈ Lp (Ω×]0, T [) (0 < T < ∞) (1 ≤ p < ∞) (Ω beschränktes


Gebiet). Wir setzen f auf Ω × R durch 0 fort und bezeichnen diese Fortsetzung ebenfalls
mit f . Das Steklov-Mittel von f ist dann definiert vermöge der Vorschrift
Z t+h
1
fh (x, t) := f (x, s) ds
h t

für fast alle (x, t) ∈ Ω×]0, T [, für alle h > 0.

Man verifiziert nun die folgenden aus der Literatur bekannten Eigenschaften ([Kol70],
Lemma 2.4.7, Seite 85 f. und [Nau05], Ausarbeitung, Kapitel 2, Satz 2.9, Seite 13):

(1) Für beliebige 0 ≤ t0 < t1 < T gilt:


Z t1 Z Z T Z
p
|fh (x, s)| dx ds ≤ |fh (x, s)|p dx ds
t0 Ω t0 Ω

für alle 0 < h < T − t1 und fh → f in Lp (Ω×]0, T [) für h → 0.


∂fh
(2) Für jedes h > 0 besitzt die Funktion fh eine schwache Ableitung ∂t
∈ Lp (Ω×]0, T [).
Ferner haben wir
∂fh 1 
(x, t) = f (x, t + h) − f (x, t)
∂t h
für fast alle (x, t) ∈ Ω×]0, T [, für alle h > 0.
A.4. Funktionenräume - 1. Räume mit reellwertigen Funktionen 159

(3) Ist außerdem Dα f ∈ Lp (Ω×]0, T [) (α = 1, . . . , n), so gilt:


(Dα fh )(x, t) = (Dα f )h (x, t)
für fast alle (x, t) ∈ Ω×]0, T [, für alle h > 0.

Lemma A.4.11 (Lebesgue-Punkt): Sei f : [0, T ] → R Lebesgue-integrierbar, so gilt für


fast alle t ∈ [0, T ]:
Z
1 t+h
lim |f (τ ) − f (t)| dτ = 0
h→0 h
h>0 t

Beweis. siehe [Els96], Korollar 4.17, Seite 303 f. oder [Nat75], Satz 5, Seite 284 f.

Für eine Verallgemeinerung sei auf [Nau05] verwiesen.

Sobolevräume

Definition A.4.12: Sei Ω ⊂ Rn ein Gebiet. Die Funktion u ∈ Lploc (Ω) (p ∈ [1, ∞])
besitzt eine verallgemeinerte (oder schwache Ableitung) vα ∈ Lqloc (Ω) (q ∈ [1, ∞]) der
Ordnung α ∈ Nn0 , wenn
Z Z
|α|
α
u(x) ∂ ϕ(x) dx = (−1) vα (x) ϕ(x) dx ∀ ϕ ∈ C0∞ (Ω).
Ω Ω

Wir schreiben dann ∂ u = vα . Dabei bezeichnet C0∞ (Ω) die Menge aller beliebig oft
α

differenzierbaren Funktionen mit kompaktem Träger supp(ϕ) = {x ∈ Ω : ϕ(x) 6= 0} in


Ω. Da Ω offen ist, bedeutet dies im Wesentlichen, dass ϕ nahe des Randes von Ω gleich
null ist. Wenn u stetig differenzierbar ist, dann ist die schwache Ableitung gleich der
klassischen Ableitung, wie man leicht durch partielle Integration sieht. In diesem Sinne
ist die schwache Ableitung eine Verallgemeinerung des klassischen Ableitungsbegriffs.

Definition A.4.13: Sei Ω ⊂ Rn ein Gebiet, k ∈ N und p ∈ [1, ∞]. Der Sobolevraum
W k,p(Ω) der Ordnung k und der Summierbarkeit p ist definiert durch W k,p (Ω) := {u ∈
Lp (Ω) | Die schwachen Ableitungen ∂ α u existieren und liegen in Lp (Ω) für alle Multiin-
dizes α mit 0 ≤ |α| ≤ k }. Ferner ist für u ∈ W k,p(Ω) durch
X
kukW k,p (Ω) := k∂ α ukLp (Ω) für p < ∞
0≤|α|≤k

kukW k,∞ (Ω) := max k∂ α ukL∞ (Ω) für p = ∞


0≤|α|≤k

eine Norm auf W k,p (Ω) definiert. Weiter ist


W0k,p(Ω) := C0∞ (Ω).

Satz A.4.14 (Vollständigkeit von W k,p (Ω)): Sei Ω ⊂ Rn ein Gebiet, k ∈ N und p ∈
[1, ∞]. Der Sobolevraum W k,p (Ω) ist ein Banachraum. Der Raum ist separabel für p ∈
[1, ∞[ und reflexiv für p ∈]1, ∞[. Insbesondere ist W 1,2 (Ω) ein Hilbertraum mit dem
Skalarprodukt
X
(u, v)W 1,2 (Ω) = (∂ α u, ∂ α v)L2 (Ω) .
0≤|α|≤k
160 Kapitel A. Mathematische Hilfsmittel

Beweis. siehe [Ada03], Theorem 3.3, Seite 60 f. sowie [Ada03], Theorem 3.6, Seite 61
f.

Bemerkung A.4.15: Sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes C 0,1 -Gebiet mit Γ0 ⊂ ∂Ω abge-


schlossen und positivem Oberflächenmaß, k ∈ N und p ∈ [1, ∞]. Dann ist der Teilraum
V := {u ∈ W 1,p (Ω) | γu = 0 auf Γ0 } von W 1,p (Ω) abgeschlossen und damit selbst ein
Banachraum.

Satz A.4.16: Sei Ω ein beschränktes Gebiet in Rn , n ≥ 1. Dann sind die beiden folgen-
den Normen
Z  Xn  ! 21 Z X n
! 21
kuk1,2 := u2 + (Di u)2 dx und kuk1,2,0 := (Di u)2 dx
Ω i=1 Ω i=1

in W01,2 (Ω) äquivalent.

Beweis. siehe [Zei90], Proposition 21.14, Seite 238 f.

Satz A.4.17: Sei Ω ⊂ Rn , n ≥ 1 ein beschränktes C 0,1 -Gebiet. Dann sind die beiden
folgenden Normen

n
Z X Z ! 21
kuk1,2 und kuk∗∗
1,2 := (Di u)2 dx + u2 dx
Ω i=1 ∂Ω

auf W 1,2 (Ω) äquivalent.

Beweis. siehe [Zei90], Theorem 21.A., Seite 238 f.

Satz A.4.18 (Einbettungssatz in Sobolevräumen): Sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt


mit Lipschitz-Rand. Weiter seien m1 ≥ 0, m2 ≥ 0 ganze Zahlen, sowie 1 ≤ p1 < ∞ und
1 ≤ p1 < ∞. Dann gilt:
n n
(1) Ist m1 − p1
≥ m2 − p2
, sowie m1 ≥ m2 , so existiert die Einbettung

Id : W m1 ,p1 (Ω) → W m2 ,p2 (Ω)

und ist stetig. Dabei ist W 0,p (Ω) = Lp (Ω). Für u ∈ H m1 ,p1 (Ω) gilt also mit einer
Konstanten C = C(n, Ω, m1 , m2 , p1 , p2 ) abhängt, eine Abschätzung

kukW m2 ,p2 (Ω) ≤ C kukW m1 ,p1 (Ω) .

n n
(2) Ist m1 − p1
> m2 − p2
, sowie m1 > m2 , so existiert die Einbettung

Id : W m1 ,p1 (Ω) → W m2 ,p2 (Ω)

und ist stetig und kompakt.

(3) Für beliebige offene, beschränkte Mengen Ω ⊂ Rn gelten die Aussagen in (1) und
(2) für die Räume W0mi ,pi (Ω) statt W mi ,pi (Ω), wobei W00,p (Ω) = Lp (Ω).
A.4. Funktionenräume - 1. Räume mit reellwertigen Funktionen 161

Beweis. siehe [Alt02], Satz 8.9., Seite 312 f.

Satz A.4.19 (Einbettungssatz von Sobolevräumen in Hölderräumen): Sei Ω ⊂ Rn offen


und beschränkt mit Lipschitz-Rand. Weiter seien m ≥ 1 eine ganze Zahl und 1 ≤ p < ∞,
sowie k ≥ 0 eine ganze Zahl und 0 ≤ α ≤ 1 . Dann gilt:
n
(1) Ist m − p
= k + α, sowie 0 < α < 1, so existiert die Einbettung

Id : W m,p (Ω) → C k,α(Ω)

und ist stetig. Genauer: Zu u ∈ W m,p (Ω) gibt es genau eine stetige Funktion, welche
fast überall mit u übereinstimmt (die wieder mit u bezeichnet wird), so dass mit
einer Konstanten C = C(n, Ω, m1 , m2 , p1 , p2 ) abhängt, gilt:

kukC k,α(Ω) ≤ C kukW m,p(Ω) .

n
(2) Ist m − p
> k + α, so existiert die Einbettung

Id : W m,p (Ω) → C k,α(Ω)

und ist stetig und kompakt. Dabei ist C k,0(Ω̄) := C k (Ω) für k > 0.
(3) Für beliebige offene, beschränkte Mengen Ω ⊂ Rn gelten die Aussagen in (1) und
(2) für die Räume W0m,p (Ω) statt W m,p (Ω).

Beweis. siehe [Alt02], Satz 8.13., Seite 317 f.

Satz A.4.20 (Einbettung von W 1,p (Ω) in Lq (∂Ω)): Sei Ω ⊂ Rn beschränkt und be-
schränkt mit Lipschitz-Rand.

(1) Sei 1 ≤ p < n, 1 ≤ p ≤ p∗∗ := p(n−1)


n−p
. Dann existiert ein eindeutig bestimmter
1,p
linearer stetiger Operator γ : W (Ω) → Lq (∂Ω) mit γu = u|∂Ω für alle u ∈
C ∞ (Ω).
(2) Sei p > n. Für alle 1 ≤ p < ∞ existiert ein eindeutig bestimmter linearer stetiger
Operator γ : W 1,p (Ω) → Lp (∂Ω) mit γu = u|∂Ω für alle u ∈ C ∞ (Ω).

Beweis. siehe [Ada03], Theorem 5.36, Seite 164 f. und vergleiche. [Alt02], Lemma A.6.7,
Seite 251

Satz A.4.21 (Formel für die partielle Integration): Sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt
mit Lipschitz-stetigem Rand ∂Ω. Sei ν = ν(x) die äußere Einheits-Normale an ∂Ω. Dann
1
gilt für alle u ∈ W 1,p (Ω), v ∈ W 1, p (Ω) (1 < p < ∞):
Z Z Z
u(x) ∂j v(x) dx = γu(x) γv(x) νj (x) dσ − ∂j u(x) v(x) dx
Ω ∂Ω Ω

für alle j = 1, . . . , n.

Beweis. siehe [For99], Satz 2, Seite 23 f.


162 Kapitel A. Mathematische Hilfsmittel

A.5 Wichtige Ungleichungen


Elementare Ungleichungen

Satz A.5.1 (Youngsche Ungleichung - 1. Fassung): Seien a, b ∈ R+ 0 sowie p, q ∈]1, ∞[


1 1
zueinander konjugierte Exponenten mit p + q = 1. Dann gilt die Youngsche Ungleichung:

1 p 1 q
ab ≤ a + b.
p q

Für beliebiges ε ∈ R+ gilt ferner:


1 q
ab ≤ εap + Cε bq , Cε = (εp)− p .
q

Beweis. siehe [Emm04], Satz A.1.4, Seite 270

Durch Induktion folgt allgemeiner:

Satz A.5.2P(Youngsche Ungleichung - 2. Fassung): Seien u1 , . . . , un ≥ 0 sowie p1 , . . . , pn ∈


]1, ∞[ mit ni=1 p−1
i = 1. Dann gibt es für jedes ε > 0 eine positive Konstante Cε , so
dass:
n
Y n
X
ui ≤ Cε up11 +ε upi i .
i=1 i=2

Satz A.5.3: Sei p ∈ [1, ∞[. Dann gilt für alle a, b ∈ R+


0

|a + b|p ≤ 2p−1 (ap + bp )

Beweis. siehe [Emm04], Satz A.1.5, Seite 270

Satz A.5.4 (Cauchy-Schwarzsche Ungleichung): Sei H ein Prähilbertraum. Dann gilt


für alle u, v ∈ H

|(u, v)H | ≤ kukH kvkH

Beweis. siehe [Emm04], Satz A.1.6, Seite 271

Satz A.5.5 (Friedrichssche Ungleichung): Seien 1 ≤ p < ∞ und Ω ⊂ Rn eine offe-


ne nichtleere Menge, die in einer Richtung beschränkt ist, d.h. Ω liegt zwischen zwei
parallelen Hyperebenen. Dann gilt die Friedrichssche Ungleichung:
Z Z X n p
p
∂u
|u(x)| dx ≤ c0 ∂xi (x) dx

Ω i=1

für alle u ∈ W01,p (Ω) (c0 hängt von Ω und von p, aber nicht von u ab).

Beweis. zur Beweisidee siehe [Wol04], Satz 12, Seite 72 f.


A.5. Wichtige Ungleichungen 163

Satz A.5.6 (Höldersche Ungleichung): Sei Ω eine nichtleere messbare Menge in Rn mit
n ≥ 1. Dann folgt mit f ∈ Lp (Ω) und g ∈ Lq (Ω), wobei p, q ∈]1, ∞[ mit 1p + 1q = 1
Z

(A.5.1) f (x) g(x) dx ≤ kf gkL1(Ω) ≤ kf kLp (Ω) kgkLq (Ω) .

Für f ∈ L1 (Ω) und g ∈ L∞ (Ω) gilt (A.5.1) mit p = 1 und q = ∞.

Beweis. siehe [Zei90], Proposition 18.13, Seite 35 f.

Satz A.5.7 (Gronwall): Sei u eine beschränkte und messbare Funktion auf [0, T ], 0 <
T < ∞, sowie α ∈ R+ und h ∈ L1 (]0, T [) mit h(t) ≥ 0 fast überall. Dann folgt aus
Z t
u(t) ≤ α + h(s)u(s) ds in [0, T ]
0

für alle t ∈ [0, T ]: Z 


t
u(t) ≤ α exp h(s) ds .
0

Falls u(t) ≥ 0 auf [0, T ] und α = 0 gilt, so folgt u(t) = 0 auf [0, T ].

Beweis. siehe [Sho97], Lemma 4.2, Seite 179 f. oder [Emm04], Lemma 7.3.1, Seite 180 f.
für eine Verallgemeinerung.

Die Kornschen Ungleichungen

In diesem Abschnitt sollen die Kornschen Ungleichungen vorgestellt werden, die für eini-
ge relevante Beweisteile benötigt werden. Verschiedentlich finden sich in [Bra92], [Duv76]
und [Lan97] folgende Versionen der Kornschen Ungleichung.

Satz A.5.8 (1. Kornsche Ungleichung): Sei Ω ⊂ R3 ein beschränktes Gebiet mit glattem
Rand ∂Ω. Es gilt für alle u ∈ [W01,2 (Ω)]3 :
Z Z
1
ε(u(x)) : ε(u(x)) dx ≥ (∇u(x))2 dx ,
Ω 2 Ω

wobei ε(u) := 21 ∇u + ∇uT .

Beweis. Es genügt, die Behauptung für glatte Vektorfelder u ∈ [C0∞ (Ω)]3 zu beweisen,
da C0∞ (Ω) dicht in W01,2 (Ω) liegt.
Für u ∈ [C0∞ (Ω)]3 gilt mithilfe partieller Integration und der Symmetrie der zweiten
Ableitungen für 1 ≤ i, j ≤ 3:
Z Z
uj ,i ui ,j dx = (div(u))2 dx ≥ 0
Ω Ω| {z }
≥0

Aufgrund der Vorüberlegung und der Definition von ε folgt schließlich die Behauptung
(vergleiche [Lan97]).
164 Kapitel A. Mathematische Hilfsmittel

Bemerkung A.5.9: (1) Mithilfe des Youngschen Ungleichung anstelle der Vorüber-
legung erhält man:
Z Z
ε(u) : ε(u) dx ≤ (∇u)2 dx
Ω Ω

(2) Die Behauptung lässt sich in sofern verallgemeinern, als dass sie ebenfalls für alle
1,2
u ∈ [Wu·ν=0 (Ω)]3 gilt.

Satz A.5.10 (2. Kornsche Ungleichung): Sei Ω ∈ C 0,1 beschränkt, Γ0 ⊂ ∂Ω abgeschlos-


sen, Γ0 besitze positives Oberflächenmaß und V := {u ∈ [W 1,2 (Ω)]n : u = 0 auf Γ0 }.
Dann gibt es eine positive Zahl c = c(Ω, Γ0 , n), so dass gilt:
Z n Z
X
ε(u) : ε(u) dx ≥ c |∂i uj |2 dx
Ω i,j=1 Ω

für alle u ∈ V .

Beweis. Die Idee des Beweises besteht darin, auf V eine äquivalente Norm
s 2
Z
kukε := ε(u) : ε(u) dx

einzuführen. Es ist zunächst zu zeigen, dass k · kε eine Norm auf V definiert und das der
Raum V vollständig bzgl. dieser Norm ist. Im Weiteren betrachtet man die Banachräume
X := (V, k · k[W 1,2 (Ω)]3 ) und Y := (V, k · kε ) und zeigt die Beschränktheit der Abbildung
Id : X → Y . Mithilfe des Satzes inversen Operator (siehe [Alt02], Satz 5.8, Seite 207)
folgt dann unmittelbar die Behauptung.
Ferner finden sich Beweise in [Bra92] und[Lan97].

Satz A.5.11 (3. Kornsche Ungleichung): Sei Ω ∈ C 0,1 beschränkt, Γ = ∂Ω abgeschlossen


und V := {u ∈ [W 1,2 (Ω)]n }. Dann gibt es eine positive Zahl c = c(Ω, n), so dass gilt:
Z
ε(u) : ε(u) dx + kuk2L2(Ω) ≥ ckuk2V

für alle u ∈ V .

Beweis. siehe [Duv76], Theorem 3.1, Seiten 110-115 oder [Nit81], Seiten 237-248

A.6 Funktionenräume - 2. Räume mit


Banachraumwertigen Funktionen
A.6.1 Einführung in die Problemstellung
Bei vielen Prozessen unterscheiden sich räumliches und zeitliches Verhalten. Insbesondere
die Zeit nimmt eine besondere Position ein. Soll die zeitliche Entwicklung, die Evolution,
A.6. Funktionenräume - 2. Räume mit Banachraumwertigen Funktionen165

beschrieben werden, so macht es Sinn, sogenannte abstrakte Funktionen einzuführen.


Unter einer abstrakten Funktion versteht man dabei eine Funktion ũ = ũ(t) : [0, T ] → X
(T > 0), die für jeden Zeitpunkt t ∈ [0, T ] Element des linearen Raumes X ist.
Der Bildraum X kann auch selbst wieder aus Funktionen in x bestehen. Für jedes
t ∈ [0, T ] ist ũ(t) dann noch eine Funktion in x. Über [ũ(t)](x) := u(x, t) wird der
Zusammenhang zu den reellwertigen Funktionen u = u(x, t) : Ω × [0, T ] → R (Ω be-
schränktes Lipschitz-Gebiet) hergestellt. Will man die Funktion u charakterisieren, so
wird man auf Funktionenräume zurückgreifen, die über Ω × [0, T ] erklärt sind. Dagegen
wird man ũ : [0, T ] → X bzgl. t charakterisieren.
Geht die abstrakte Funktion aus einer reellwertigen Funktion hervor, so wird man künf-
tig in der Beziehung zwischen beiden nicht mehr unterscheiden, so dass u(t) = u(·, t).
Die Lösung u = u(x, t) des Anfangswertproblems

ut (x, t) − Au(x, t) = f (x, t) , (x, t) ∈ Ω×]0, T ]


u(x, 0) = u0 (x) , x ∈ Ω
u(x, t) = 0 , (x, t) ∈ ∂Ω × [0, T ]

mit f : Ω × [0, T ] → R und u0 : Ω → R kann man als abstrakte Funktion u = u(t) mit
[u(t)](x) := u(x, t) auffassen, die Werte in X annimmt und Lösung des Anfangswertpro-
blems
u′ (t) − Au(t) = f (t) , t ∈]0, T ]
(A.6.1)
u(0) = u0

ist. Typische Fragestellungen sind nun Existenz und Eigenschaften von Lösungen des
Problems (A.6.1).

A.6.2 Räume stetiger und stetig differenzierbarer Funktionen


Sei (X, k · kX ) ein Banachraum, (X ∗ , k · kX ∗ ) sein Dualraum, 0 < T < ∞. Wir bezeichnen
mit C([0, T ]; X) den linearen Raum aller auf [0, T ] stetigen Funktionen mit Werten in
X. Dabei heißt eine Funktion u : [0, T ] → X stetig in einem Punkt t0 ∈ [0, T ], wenn gilt

lim ku(t) − u(t0 )kX = 0,


t→t0
t∈[0,T ]

u : [0, T ] → X heißt stetig, falls u stetig in jedem Punkt t ∈ [0, T ] ist.

Bemerkung A.6.1: Falls u : [0, T ] → X stetig, dann ist auch die reellwertige Funktion
[0, T ] ∋ t 7→ ku(t)kX stetig, da wegen der Dreiecksungleichung

|ku(t)kX − ku(s)kX | ≤ ku(t) − u(s)kX

für alle t, s ∈ [0, T ] gilt.

Da reellwertige stetige Funktionen auf einem kompakten Intervall stets beschränkt sind
und Maximum und Minimum annehmen, folgt, dass

sup ku(t)kX = max ku(t)kX < ∞.


t∈[0,T ] t∈[0,T ]
166 Kapitel A. Mathematische Hilfsmittel

Stetige Funktionen u : [0, T ] → X sind also stets beschränkt. Des Weiteren definiert
kf kC([0,T ];X) := max kf (t)kX
t∈[0,T ]

eine Norm auf C([0, T ]; X). Ausgestattet mit dieser Norm ist C([0, T ]; X) ein Banach-
raum.

Bemerkung A.6.2: Es gilt C([0, T ]; R) = C([0, T ]) sowie C([0, T ]; C([a, b])) = C([a, b]×
[0, T ]).

Satz A.6.3 (Weierstrass’scher Approximationssatz): Die Menge aller Polynome


n
X
p : [0, T ] → X , t 7→ ak tk
k=1

mit den Koeffizienten a1 , . . . , an ∈ X, n ∈ N, ist dicht in C(0, T ; X).

Beweis. siehe [Gaj74], Satz 1.3, Seite 123 f.

Mithilfe des Approximationssatzes folgt unmittelbar:

Korollar A.6.4: Falls X separabel ist, dann ist auch C(0, T ; X) separabel.

Definition A.6.5: Eine Funktion u : [0, T ] → X heißt (klassisch oder stark) differen-
zierbar in t0 ∈ [0, T ], falls es ein x ∈ X so gibt, dass

u(t0 + h) − u(t0 )
lim − x = 0.
h→0
t0 +h∈[0,T ]
h
X

In diesem Fall heißt u′ (t0 ) := x (klassische oder starke) Ableitung von u in t0 .


Die Funktion u heißt (klassisch oder stark) differenzierbar auf [0, T ], falls u (klassisch
oder stark) differenzierbar in jedem Punkt t ∈ [0, T ] ist.

Bemerkung A.6.6: Ist die Funktion u : [0, T ] → X differenzierbar in t0 ∈ [0, T ], so ist


sie ebenfalls stetig in t0 , denn

u(t0 + h) − u(t0 )
ku(t0 + h) − u(t0 )kX = h
h
X

u(t0 + h) − u(t0 ) ′

≤ h − u (t0 ) + h ku′ (t0 )k
X
h
X
→ 0 für h → 0

Man kann nun rekursiv die Räume C k ([0, T ]; X) für k ∈ N als linearen Raum der diffe-
renzierbaren Funktionen u : [0, T ] → X, für die u′ ∈ C k−1 ([0, T ]; X) definieren. Hierbei
bezeichnet C 0 ([0, T ]; X) = C([0, T ]; X). Ausgestattet mit der Norm
k
X (i)
kukC k ([0,T ];X) := u (t)
C([0,T ];X)
i=1

ist C k ([0, T ]; X) ein Banachraum (zum Beweis siehe [Gaj74], Satz 1.1, Seite 121 f.). Falls
X separabel ist, dann ist auch C k ([0, T ]; X) wieder separabel.
A.6. Funktionenräume - 2. Räume mit Banachraumwertigen Funktionen167

A.6.3 Räume Bochner-integrierbarer Funktionen


Definition A.6.7: Sei X ein Banachraum, T > 0.

(1) Eine Funktion u : [0, T ] → X heißt einfach, wenn es höchstens endlich viele,
paarweise disjunkte, Lebesgue-messbare Mengen Ei ⊂ [0, T ] (i = 1, . . . , m), m ∈ N
von endlichem Lebesgue-Maß µ(Ei ) gibt, so dass u auf jeder dieser Mengen einen
konstanten Wert ui ∈ X annimmt und sonst verschwindet, d.h. es gilt:
m 
X ui auf ES
i
(A.6.2) u(s) = χEi (s) ui = für s ∈ [0, T ].
0 auf [0, T ] \ ni=1 Ei
i=1

(A.6.2) heißt Normaldarstellung.

(2) Falls es möglich ist, für eine einfache Funktion statt Ei Intervalle zu wählen, so
heißt diese Funktion Treppenfunktion.

(3) Unter dem Bochner-Integral einer einfachen Funktion u wird


Z T m
X
u(t) dt := µ(Ei ) ui ∈ X
0 i=1

verstanden. Hierbei bezeichnet µ das Lebesgue-Maß auf [0, T ]. Falls Ei ein Intervall
ist, dann ist µ(Ei ) somit genau die Intervalllänge von Ei .

(4) Eine Funktion u : [0, T ] → X heißt (stark) Bochner-messbar, falls es eine Folge
(un )n∈N , un : [0, T ] → X einfacher Funktionen gibt, so dass un (t) → u(t) für fast
alle t ∈ [0, T ].

(5) Sei u : [0, T ] → X Bochner-messbar und sei (un )n∈N , un : [0, T ] → X eine Folge
einfacher Funktionen, die punktweise fast überall auf [0, T ] gegen u in X konver-
giert. Dann heißt u Bochner-integrierbar, falls es zu jedem ε > 0 ein N(ε) gibt, so
dass für alle m, n ≥ N(ε) gilt:
Z T
kum (t) − un (t)kX dt < ε.
0

In diesem Fall ist das Bochner-Integral von u über [0, T ] definiert als
Z T Z T
u(t) dt := lim un (t) dt.
0 n→∞ 0

Das Bochner-Integral von u über eine beliebige Lebesgue-messbare Menge B ⊂


[0, T ] wird sodann als
Z Z T
u(t) dt := lim un (t) χB (t) dt ∈ X
B n→∞ 0

definiert, wobei χB die charakteristische Funktion der Menge B bezeichne.

Bemerkung A.6.8: (1) Das Bochner-Integral ist wohldefiniert.


168 Kapitel A. Mathematische Hilfsmittel

(2) Die Linearität des Bochner-Integrals folgt unmittelbar aus der Definition.
(3) Das Bochner-Integral ist die Ausdehnung des Lebegue’schen Intergalbegriffs auf
funktionenwertige Abbildungen, d.h. im Fall X = R fallen die Begriffe des Bochner-
Integrals und des Lebegue-Integrals zusammen.

Lemma A.6.9: Sei X ein Banachraum. Die Funktion u : [0, T ] → X sei Bochner-
messbar. Dann ist die Abbildung ku(·)kX : [0, T ] → R Lebesgue-messbar.

Beweis. siehe [Emm04], Lemma 7.1.10, Seite 154

Definition A.6.10: Sei X ein Banachraum, T > 0. Eine Funktion u : [0, T ] → X heißt
schwach Bochner-messbar, falls die Funktion t ∈ [0, T ] 7→ hf, u(t)iX ∗ X für jedes f ∈ X ∗
Lebesgue-messbar ist.

Satz A.6.11 (Dunford-Pettis): Sei X ein separabeler Banachraum. Eine Funktion u :


[0, T ] → X ist dann (stark) Bochner-messbar genau dann, wenn sie schwach Bochner-
messbar ist.

Beweis. siehe [Yos80], Theorem 1, Seite 131 f.

Korollar A.6.12: Sei X ein separabler Banachraum, T > 0. Falls (un )n∈N eine Folge
(stark) Bochner-messbarer Funktionen un : [0, T ] → X und un (t) ⇀ u(t) in X für fast
alle t ∈ [0, T ], dann ist die Grenzfunktion u : [0, T ] → X (stark) Bochner-messbar.

Beweis. siehe [Emm04], Korollar 7.1.13, Seite 154 f.

Satz A.6.13 (Bochner): Sei X ein Banachraum. Eine Funktion u : [0, T ] → X ist
Bochner-messbar und die Abbildung ku(t)kX : [0, T ] → R ist Lebesgue-integrierbar genau
dann, wenn sie Bochner-integrierbar ist.

Beweis. siehe [Emm04], Satz 7.1.15, Seite 156 f.

Korollar A.6.14: Sei X ein Banachraum und die Funktion u : [0, T ] → X sei Bochner-
integrierbar. Dann gilt:
(1)
Z T
Z T


u(t) dt
≤ ku(t)kX dt
0 X 0

(2) Wenn A : X → Y ein linearer beschränkter Operator, Y ein weiterer Banachraum,


dann ist auch die Funktion
Au : [0, T ] → Y
t 7→ A(u(t))
Bochner-integrierbar und
Z T  Z T
A u(t) dt = Au(t) dt.
0 0
A.6. Funktionenräume - 2. Räume mit Banachraumwertigen Funktionen169

Beweis. siehe [Emm04], Satz 7.1.15, Seite 156 f.

Bemerkung A.6.15: Sei X ein Banachraum und die Funktionen u : [0, T ] → X,


v : [0, T ] → X ∗ seien Bochner-integrierbar.

(1) Insbesondere ist für alle f ∈ X ∗ die Funktion t ∈ [0, T ] → hf, u(t)iX ∗ X Lebesgue-
integrierbar und
 Z T  Z T
f, u(t) dt = hf, u(t)iX ∗ X dt für alle f ∈ X ∗
0 X∗X 0

(2) Analog ist für alle g ∈ X die Funktion t ∈ [0, T ] → hv(t), giX ∗ X Lebesgue-
integrierbar und
Z T  Z T
v(t) dt, g = hv(t), giX ∗ X dt für alle g ∈ X
0 X∗X 0

Vergleiche hierzu [Zei90], Proposition 23.9, Seite 412 f.

A.6.4 Abstrakte Lp -Räume


Definition A.6.16: Sei X ein Banachraum, T > 0.

(1) Für p ∈ [1, ∞[ bezeichne Lp (0, T ; X) den linearen Raum von Äquivalenzklassen
RT
Bochner-integrierbarer Funktionen u : [0, T ] → X mit 0 ku(t)kpX dt < ∞.

(2) Mit L∞ (0, T ; X) sei der lineare Raum aller Äquivalenzklassen von wesentlich be-
schränkten Bochner-messbaren Funktionen bezeichnet, also jene Bochner-messbaren
Funktionen, für die es ein M ∈]0, ∞[ gibt, so dass für fast alle t ∈ [0, T ] gilt
ku(t)kX ≤ M. Das Infimum aller dieser Schranken M heißt wesentliches Supre-
mum ess supt∈]0,T [ ku(t)kX .

(3) Schließlich bezeichne L1loc (0, T ; X) den Raum der auf jeder kompakten Teilmenge
B ⊂]0, T [ Bochner-integrierbaren Funktionen.

Die wichtigsten Eigenschaften dieser Räume sind im folgenden Satz zusammengefasst,


dessen Beweis sich etwa in [Emm04], Kapitel 7.1., Seite 164 f. und den dort zitierten
Quellen findet.

Satz A.6.17: Sei X ein Banachraum, T > 0.

(1) (Riesz-Fischer) Mit


  1
 R T kv(t)kp dt p für p ∈ [1, ∞[
0 X
kvkLp (0,T ;X) :=

ess supt∈]0,T [ kv(t)kX für p = ∞

ist Lp (0, T ; X) (p ∈ [1, ∞]) ein Banachraum.


170 Kapitel A. Mathematische Hilfsmittel

(2) Für jedes 1 ≤ p < ∞ gilt: L∞ (0, T ; X) ⊂ Lp (0, T ; X) stetig.

(3) Für jedes 1 ≤ p < ∞ liegt die Menge der einfachen Funktionen dicht in Lp (0, T ; X).

(4) Für jedes 1 ≤ p < ∞ liegt der Raum C([0, T ]; X) dicht und ist stetig eingebettet in
Lp (0, T ; X). Ferner gilt die stetige Einbettung C([0, T ]; X) ֒→ L∞ (0, T ; X).

(5) Für jedes 1 ≤ p < ∞ ist Lp (0, T ; X) separabel, sofern X separabel ist.

(6) (Höldersche Ungleichung) Sei u ∈ Lp (0, T ; X) und f ∈ Lq (0, T ; X ∗) mit 1p + 1q = 1


(p, q ∈ [1, ∞]), so liegt die Funktion t 7→ hf (t), u(t)iX ∗ X in L1 (]0, T [) und es gilt
die Höldersche Ungleichung
Z T


hf (t), u(t)iX ∗ X dt ≤ kf kLq (0,T ;X ∗ ) kukLp (0,T ;X) .
0

(7) Für jedes 1 < p < ∞ ist Lp (0, T ; X) reflexiv, sofern X reflexiv ist.

(8) (Phillips) Ist X reflexiv


 oder X ∗ separabel und gilt 1 < p < ∞, so kann (Lp (0, T ; X))∗
mit Lq (0, T ; X ∗) p1 + 1q = 1 identifiziert werden, d.h. jedes f ∈ (Lp (0, T ; X))∗ be-
sitzt die Darstellung
Z T
hf, ui(Lp (0,T ;X))∗ ×Lp (0,T ;X) = ¯ u(t)iX ∗ X dt
hf(t),
0

für ein f¯ ∈ Lq (0, T ; X ∗) . Die Abbildung f 7→ f¯ ist linear und isometrisch.

(9) Ferner gilt (L1 (0, T ; X))∗ ∼


= L∞ (0, T ; X ∗), wenn X reflexiv oder X ∗ separabel ist.

(10) Ist X = H ein Hilbertraum mit Skalarprodukt (·, ·)H und p = 2, so ist auch
L2 (0, T ; H) ein Hilbertraum, und zwar mit dem Skalarprodukt
Z T
(u, v)L2(0,T ;H) := (u(t), v(t))H dt für u, v ∈ L2 (0, T ; H).
0

(11) Sei neben X auch Y ein Banachraum. Aus X ֒→ Y stetig folgt Lp (0, T ; X) ֒→
Lq (0, T ; Y ) stetig, sofern 1 ≤ q ≤ p ≤ ∞.

(12) Sei 1 ≤ p < ∞ und Ω ⊂ Rn eine offene Menge. Dann gilt der Isomorphismus
Lp (0, T ; Lp (Ω)) ∼
= Lp (Ω×]0, T [). Ferner gilt die stetige Einbettung L∞ (]0, T [; L∞ (Ω)) ⊂
L∞ (Ω×]0, T [).

Satz A.6.18: Sei X ein Banachraum, sei X0 dicht in X, sei M dicht in Lp (0, T ; R)
(1 ≤ p < ∞, 0 < T < ∞). Dann ist span{ϕ(t) x|ϕ ∈ M, x ∈ X0 } dicht in Lp (0, T ; X).

Beweis. siehe [Nau05], Kapitel 2, Seite 7 f.

Beispiel A.6.19: Sei 1 ≤ p, q < ∞, X := Lp (Ω). Dann ist span{ϕ(t) f (x)|ϕ ∈ C0∞ ([0, T ]) , f ∈
C0∞ (Ω)} dicht in Lp (0, T ; X).
A.6. Funktionenräume - 2. Räume mit Banachraumwertigen Funktionen171

Lemma A.6.20: Aus der Bochner-Messbarkeit der abstrakten Funktion ũ = ũ(t) :


[0, T ] → Lp (Ω), 1 ≤ p ≤ ∞ folgt die Lebesgue-Messbarkeit der reellwertigen Funkti-
on u = u(x, t) := [ũ(t)](x) über Ω×]0, T [.

Beweis. siehe [Emm04], Lemma 7.1.25, Seite 165 f.

A.6.5 Evolutionstripel
Definition A.6.21: Sei V ein reeller, separabler, reflexiver Banachraum mit dem Dual-
raum V ∗ , H ein reeller, separabler Hilbertraum und sei V stetig eingebettet und liege
dicht in H. Dann bilden die Räume V , H und V ∗ einen Gelfand-Dreier (Evolutionstripel).

Bemerkung A.6.22: Die Definition des Evolutionstripels erfährt ihre Rechtfertigung


durch folgende Beobachtungen (vergleiche [Emm04], Bemerkung 8.1.8, Seite 205 ff.):

• Sei f ein lineares, stetiges Funktional über H (f ∈ H ∗ ). Da V ⊂ H, ist f auch


linear über V . Außerdem gibt es eine positive Konstante c, so dass mithilfe der
Cauchy-Schwarz-Ungleichung und aufgrund der stetigen Einbettung

|f (v)| := | hf, viH ∗ H | = |(f, v)H | ≤ kf kH ∗ kvkH ≤ α kf kH ∗ kvkV ≤ c α kvkV

für alle v ∈ V gilt. Dies zeigt, dass f zugleich beschränkt über V ist. Wir können
daher H ∗ als Teilmenge von V ∗ ansehen. Die Einbettung von H ∗ in V ∗ ist stetig,
denn es gilt:
| hf, viV ∗ V | | hf, viH ∗ H | | hf, viH ∗ H |
kf kV ∗ = sup ≤ sup ≤α sup = α kf kH ∗ .
v∈V \{0} kvkV v∈H\{0} kvkV v∈H\{0} kvkH

• Nach dem Darstellungssatz von Riesz (Satz 3.1.6) können wir H und H ∗ mit-
einander identifizieren und es gibt zu jedem f ∈ H ∗ genau ein uf ∈ H mit
kf kH ∗ = kuf kH . Zwischen f und uf wird im Folgenden nicht mehr unterschie-
den.

• Betrachten wir das Skalarprodukt (·, ·)H als Abbildung auf H × V , so ist die duale
Paarung h·, ·iV ∗ V als Abbildung auf V ∗ × V eine stetige Fortsetzung. Insbesondere
gilt für alle f ∈ H ∼ = H ∗ und v ∈ V ⊂ H gemäß dem Darstellungssatz von Riesz:
hf, viV ∗ V = (f, v)H . Es folgt für alle f ∈ H ∼
= H ∗ → V ∗:

| hf, viV ∗ V | |(f, v)H | kf kH kvkH


kf kV ∗ = sup ≤ sup ≤ sup ≤ α kf kH .
v∈V \{0} kvkV v∈V \{0} kvkV v∈V \{0} kvkV

• Wegen der Reflexivität von V können wir jedes Element aus V auch als lineares
stetiges Funktional über V ∗ auffassen und umgekehrt, d.h wir können V und V ∗∗
miteinander identifizieren . In diesem Sinne ist das duale Produkt zwischen V ∗ und
V (bzw. V ∗∗ und V ∗ ) symmetrisch, so dass wir zwischen hf, viV ∗ V und hv, f iV ∗∗ V ∗
nicht zu unterscheiden brauchen.

• Liegt V dicht in H und ist V reflexiv, so liegt auch H ∗ dicht in V ∗ . Denn sei
v ∈ V und gelte hf, viV ∗ V = (f, v)H = 0 für alle f ∈ H ∼
= H ∗ , dann folgt v = 0.
172 Kapitel A. Mathematische Hilfsmittel

Wegen der Reflexivität von V ist daher jedes lineare, stetige Funktional, welches
für alle f ∈ H ∗ verschwindet, das Nullfunktional. Aus dem Satz von Hahn-Banach
(siehe [Wer05], Korallar III.1.9, Seite 99) folgt, dass dies nur möglich ist, wenn der
Abschluss von H ∗ bezüglich k · kV ∗ mit V ∗ übereinstimmt.

Wir gelangen zu V ֒→ H ∼ = H ∗ ֒→ V ∗ jeweils stetig und dicht. Gelegentlich sind bei ei-
nem Evolutionstripel die Einbettungen sogar kompakt. So gilt insbesondere: W01,2 (Ω) ֒→
L2 (Ω) ֒→ W −1,2 (Ω) jeweils kompakt und dicht.

A.6.6 Verallgemeinerte Ableitung und abstrakte Sobolevräume


Definition A.6.23: Sei X ⊂ Y ⊂ X ∗ ein Evolutionstripel. Ein u ∈ L1loc (0, T ; X) besitzt
auf ]0, T [ die schwache (oder verallgemeinerte) n-te Ableitung v ∈ L1loc (0, T ; X ∗), kurz
v = u(n) , n ∈ N, falls
Z T Z T
(n)
u(t) ϕ (t) dt = (−1) n
v(t) ϕ(t) dt für alle ϕ ∈ C0∞ ([0, T ]).
0 0

Satz A.6.24: Seien X ⊂ Y ⊂ X ∗ ein Evolutionstripel, u ∈ L1loc (0, T ; X) und v ∈


L1loc (0, T ; X ∗). Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent:

(1) v ist die schwache n-te Ableitung von u gemäß Definition A.6.23.

(2) Für alle x ∈ X, für alle ϕ ∈ C0∞ ([0, T ]) gilt:


Z T Z T
(n) n
ϕ (t)(u(t), x)Y dt = (−1) ϕ(t)hv(t), xiX ∗ X dt.
0 0

(3) Für alle x ∈ X gilt:


dn
(u(t), x)Y = hv(t), xiX ∗ X
dtn
fast überall in ]0, T [ im bisherigen schwachen Sinn.

Bemerkung A.6.25: Die Eindeutigkeit der verallgemeinerten Ableitung folgt aus dem
folgenden Fundamentallemma der Variationsrechnung (vergleiche hierzu [Zei90], Propo-
sition 23.18, Seite 419 ff.).

Satz A.6.26: Sei u ∈ L1loc (0, T ; X) und gelte für alle ϕ ∈ C0∞ (]0, T [)
Z T
u(t) ϕ(t) dt = 0.
0

Dann folgt u(t) = 0 für fast alle t ∈ [0, T ].

Beweis. siehe [Emm04], Satz 8.1.3, Seite 200 f.

Satz A.6.27: Seien u, v ∈ L1 (0, T ; X). Dann sind folgende Aussagen äquivalent:

(1) v ist verallgemeinerte Ableitung von u.


A.6. Funktionenräume - 2. Räume mit Banachraumwertigen Funktionen173

(2) Es gibt ein u0 ∈ X, so dass


Z T
u(t) = u0 + v(s) ds f.f.a. t ∈]0, T [.
0

(3) Für alle f ∈ X ∗ ist die reellwertige Funktion t 7→ hf, v(t)iX ∗ X verallgemeinerte
Ableitung von t 7→ hf, u(t)iX ∗ X :

d
hf, u(t)iX ∗ X = hf, v(t)iX ∗ X ∀ f ∈ X ∗ .
dt

Beweis. siehe [Emm04], Satz 8.1.5, Seite 202 ff.

Definition A.6.28: Seien V ⊂ H ⊂ V ∗ ein Evolutionstripel, 0 < T < ∞, 1 < p < ∞


sowie 1p + 1q = 1. Dann sind:

(1) W 1,p (0, T ; V, H) := {u ∈ Lp (0, T ; V ) | u′ ∈ Lq (0, T ; V ∗ )}

(2) kukW 1,p (0,T ;V,H) := kukLp (0,T ;V ) + ku′kLq (0,T ;V ∗ )

Satz A.6.29: Seien V ⊂ H ⊂ V ∗ ein Evolutionstripel, 0 < T < ∞, 1 < p < ∞ sowie
1
p
+ 1q = 1.

(1) Versehen mit der Norm kukW 1,p (0,T ;V,H) wird W 1,p (0, T ; V, H) zu einem reflexiven
Banachraum.

(2) Die Einbettung W 1,p (0, T ; V, H) ⊂ C([0, T ]; H) ist stetig, d.h. es gibt ein c > 0,
so dass kukC([0,T ];H) ≤ c kukW 1,p(0,T ;V,H) für u ∈ W 1,p (0, T ; V, H). Ferner ist u ∈
W 1,p (0, T ; V, H) fast überall gleich einer Funktion aus C([0, T ]; H).

(3) Der Raum C 1 ([0, T ]; V ) liegt dicht in W 1,p (0, T ; V, H).

(4) Der Raum C ∞ ([0, T ]; V ) liegt dicht in W 1,p (0, T ; V, H).

(5) Für alle u, v ∈ W 1,p (0, T ; V, H) und für fast alle t, s ∈ [0, T ] gilt die Formel der
partiellen Integration:
Z t  ′ 
(u(t), v(t))H − (u(s), v(s))H = hu (τ ), v(τ )iV ∗ V + hv ′ (τ ), u(τ )iV ∗ V dτ.
s

(6) Es gilt die Beziehung:

d
ku(t)k2H = 2hu′ (t), u(t)iV ∗ V für fast alle t ∈]0, T [.
dt

(7) Die Funktion t 7→ (u(t), v(t))H ist absolut-stetig auf [0, T ] für u, v ∈ W 1,p (0, T ; V, H).

Beweis. siehe [Emm04], Kapitel 8, Seite 200 ff., [Gaj74], Kapitel 4.1.5, Seite 141 ff. und
vergleiche [Zei90], Kapitel 23
174 Kapitel A. Mathematische Hilfsmittel

Satz A.6.30 (Lions/Aubin): Seien B0 , B und B1 Banachräume mit den Einbettungen


B0 ⊂ B ⊂ B1 mit B0 ⊂ B kompakt und B ⊂ B1 stetig. Weiter seien 1 < p, q < ∞,
0 < T < ∞, B0 und B reflexiv. Dann ist der Banachraum
W := {u ∈ Lq (0, T ; B0 ) : u′ ∈ Lp (0, T ; B1)}
kompakt in Lq (0, T ; B) eingebettet.

Beweis. siehe [Sho97], Satz 1.3, Seite 107 f.

Lemma A.6.31: Seien B0 , B und B1 Banachräume mit den stetigen Einbettungen


B0 ⊂ B ⊂ B1 und B0 ⊂ B zudem kompakt. Dann existiert für alle δ > 0 ein Cδ , so dass:
kvkB ≤ δ kvkB0 + Cδ kvkB1 für v ∈ B0 .

Beweis. siehe [Sho97], Lemma 1.1, Seite 106 f.

A.6.7 Evolutionsgleichungen
Eine Evolutionsgleichung ist vor allem eine funktionalanalytische Formulierung zeitabhän-
giger partieller Differentialgleichungen. Sie ist keine abstrakte gewöhnliche Differential-
gleichung, da zwei Räume eine wesentliche Rolle spielen. Eine Lösung mit den allgemei-
nen Sätzen von Picard-Lindelöf oder Peano (vergleiche [Emm04], Kapitel 7) ist daher
nicht möglich.

Satz A.6.32 (Äquivalente Formulierung einer Evolutionsgleichung erster Ordnung):


Seien V ⊂ H ⊂ V ∗ ein Evolutionstripel, V separabel, 0 < T < ∞, 1 < p < ∞ sowie
1
p
+ 1q = 1. Weiter bezeichen wir die Räume V := Lp ([0, T ]; V ) und V ∗ := Lq ([0, T ]; V ∗ ).
Außerdem seien f ∈ V ∗ , u0 ∈ H sowie A : V → V ∗ . Dann sind folgende Aussagen
äquivalent:

(1) Gesucht ist u ∈ V so dass u(0) = u0 und


u′ + Au = f in V ∗ .

(2) Gesucht ist u ∈ V so dass u(0) = u0 und


d
(u(t), ϕ)H + h(Au)(t), ϕiV ∗ V = hf (t), ϕiV ∗ V
dt
für alle ϕ ∈ V und für fast alle t ∈]0, T [.
(3) Gesucht ist u ∈ V so dass u(0) = u0 und
hu′ (t), ϕ(t)iV ∗ V + h(Au)(t), ϕ(t)iV ∗ V = hf (t), ϕ(t)iV ∗ V
für alle ϕ ∈ V und für fast alle t ∈]0, T [.
(4) Gesucht ist u ∈ V so dass für alle ϕ ∈ V mit ϕ′ ∈ V ∗ und ϕ(T ) = 0:
Z T Z T Z T

− hϕ (t), u(t)iV ∗ V dt + h(Au)(t), ϕ(t)iV ∗ V dt = hf (t), ϕ(t)iV ∗ V dt+(u0 , ϕ(0))H .
0 0 0
A.6. Funktionenräume - 2. Räume mit Banachraumwertigen Funktionen175

Beweis. siehe [Wol04], Satz 1, Seite 170

Definition A.6.33: Seien V ⊂ H ⊂ V ∗ ein Evolutionstripel, V separabel sowie 0 < T <


∞. Weiter sei für fast alle t ∈]0, T [ ein Operator A(t) : V → V ∗ gegeben. Sei u :]0, T [→ V
eine fast überall definierte Funktion. Dann heißt der vermöge (Au)(t) := A(t)(u(t)) fast
überall definierte Operator A : (]0, T [→ V ) → (]0, T [→ V ∗ ) die Realisierung von A in
V.

Analog zum Beweis des Satzes A.6.32 folgt:

Satz A.6.34 (Äquivalente Formulierung einer Evolutionsgleichung zweiter Ordnung):


Sei V ⊂ H ⊂ V ∗ ein Evolutionstripel über R, A : V → V ∗ , f ∈ H, u0 ∈ V sowie u1 ∈ H.
Dann sind folgende Formulierungen äquivalent:

(1) Gesucht ist u ∈ V mit u′ ∈ H und es soll gelten

u′′ + Au = g in V ∗

mit u(0) = u0 in V sowie u′(0) = u1 in H.

(2) Gesucht ist u ∈ V mit u′ ∈ H und es soll gelten

d2
(u(t), ϕ)H + h(Au)(t), ϕiV ∗ V = hf (t), ϕiV ∗ V
dt2
für alle ϕ ∈ V und für fast alle t ∈]0, T [ sowie u(0) = u0 in V und u′ (0) = u1 in
H.

(3) Gesucht ist u ∈ V mit u′ ∈ H und es soll gelten


Z T Z T Z T
′′
hu (t), ϕ(t)iV ∗ V dt + h(Au)(t), ϕ(t)iV ∗ V dt = hf (t), ϕ(t)iV ∗ V dt
0 0 0

für alle ϕ ∈ Vsowie u(0) = u0 in V und u′ (0) = u1 in H.

(4) Gesucht ist u ∈ V mit u′ ∈ H und es soll gelten


Z T Z T Z T
′ ′
− (u (t), ϕ (t))H dt + h(Au)(t), ϕ(t)iV ∗ V dt = hf (t), ϕ(t)iV ∗ V dt+(u1 , ϕ(0))H
0 0 0

für alle ϕ ∈ V mit ϕ′ ∈ H und ϕ(T ) = 0 sowie u(0) = u0 in V .


176 Kapitel A. Mathematische Hilfsmittel
177
178 Kapitel B. Bezeichnungen

B Bezeichnungen
B.1 Mathematische Bezeichnungen
∅ leere Menge
N Menge der natürlichen Zahlen
R Menge der reellen Zahlen
R+ Menge der positiven reellen Zahlen
R+0 Menge der nichtnegativen reellen Zahlen
Rm×n Raum der reellen m × n-Matrizen
xT Transposition des Vektors x ∈ Rn
n
kxk∞ Pn |xj | Maximumnorm des Vektors x ∈ R
:= maxj=1,...,n
x·y T
:= x y = i=1 xi yi Skalarprodukt der Vektoren x, y ∈ Rn
x×y Vektorprodukt
Pn der Vektoren x, y ∈ R3
xi yi := k=1 xk yk Einsteinsche Summenkonvention der Vektoren x, y ∈ Rn
Id Einheitsmatrix bzw. identischer Operator
diag(x1 , . . . , xn ) Diagonalmatrix mit Diagonalelementen
AT Transposition der Matrix A
A−1 Inverse der Matrix A
A−T Transposition der inversen Matrix A−1
det(A) Determinante
Pn einer quadratischen Matrix A
tr(A) := Pi=1 Aii Spur einer Matrix A
A:B := ni,j=1 Aij Bij = tr(AT B) Überschiebung der Matrizen A, B ∈ Rn×n
G Abschluss einer Menge G

G Inneres einer Menge G
∂G Rand einer Menge G
span{G} lineare Hülle der Menge G
ν äußere Einheitsnormale bzgl. einer Menge G ⊂ Rn
Ω Gebiet des Rn
χG Charakteristische Funktion der Menge G
f (Ω) Bild der Menge Ω unter der Abbildung f
f −1 (Ω) Urbild der Menge Ω unter der Abbildung f
dim(X) Dimension des linearen Raumes X
L(X, Y ) Menge der linearen, stetigen Operatoren aus dem normierten Raum X
in den normierten Raum Y
L(X) := L(X, X)
X∗ := L(X, R) Dualraum des normierten Raumes X
δij (i, j ∈ N) Kronecker-Symbol, d.h. δii = 1 und δij = 0, falls i 6= j

∂j (j ∈ N) Symbol der partiellen Ableitung bzgl. der j-ten Variablen


D
Dt
totale Ableitung
f,i := ∂j f Ableitungskonvention
B.1. Mathematische Bezeichnungen 179

∇ , ∂n )T Nabla-Operator
:= (∂1 , . . . 
∂ui
grad(u) := ∇u := ∂xj
Gradient einer Abbildung u : Rn → Rn
i,j=1,...,n
∆ Laplace-Operator
P
div(u) := Pni=1 ∂i ui Divergenz eines Vektors u ∈ Rn
div(A) := ( ni=1 ∂i aki )k=1,...,n Divergenz einer Matrix A ∈ Rn×n

AC(G) Menge der in G absolut-stetigen Funktionen


C(G) Menge der in G stetigen Funktionen
C k (G) (k ∈ N) Menge der in G k-mal stetig differenzierbaren Funktionen
C0∞ (G) Menge der in G beliebig oft stetig differenzierbaren Funktionen
mit kompaktem Träger
Lp (G) (p ∈ [1, ∞[) Menge jener Lebesgue-messbaren Funktionen, deren
Betrag in der p-ten Potenz über G Lebesgue-integrierbar ist
L∞ (G) Menge messbarer, wesentlich beschränkter Funktionen
W k,p (G) (k ∈ N, p ∈ [1, ∞]) Menge der in G k-fach schwach differenzierbaren
Funktionen aus Lp (G) mit Ableitungen in Lp (G)
W0k,p (G) (k ∈ N, p ∈ [1, ∞]) Menge der Funktionen aus W k,p (G), deren Spur
auf ∂G verschwindet
k,p
Wu·ν=0 (G) (k ∈ N, p ∈ [1, ∞]) Menge der Funktionen aus W k,p (G), deren
Normalenskalarprodukt
 auf ∂G verschwindet
W −k,q (G) k ∈ N, p ∈ [1, ∞[, 1
p
+ 1
q
=1 Dualraum von W0k,p(G)

k · kX Norm in X
(·, ·)X Skalarprodukt in X
h·, ·iX ∗ X Duales Produkt bzw. Dualpaarung in X ∗ × X

AC([0, T ]; X) Menge der über [0, T ] absolut-stetigen Funktionen mit Werten im


normierten Raum X
C([0, T ]; X) Menge der über [0, T ] stetigen Funktionen mit Werten im normierten
Raum X
C k ([0, T ]; X) (k ∈ N) Menge der über [0, T ] k-mal stetig differenzierbaren
Funktionen mit Werten im normierten Raum X
Lp (0, T ; X) (p ∈ [1, ∞]) Räume Bochner-integrierbarer abstrakter Funktionen
mit Werten im Banachraum X
L1loc (0, T ; X) (p ∈ [1, ∞]) Raum der lokal Bochner-integrierbaren abstrakten
Funktionen mit Werten im Banachraum X
W 1,p (0, T ; X) (p ∈ [1, ∞]) Sobolev-Raum von Funktionen über [0, T ] mit Werten
im normierten Raum X
W 1,p (0, T ; X, Y ) (p ∈ [1, ∞]) Sobolev-Raum abstrakter Funktionen über einem
Evolutionstripel X ⊂ Y ⊂ X ∗

C k,p Menge von Gebieten, deren Rand sich lokal als eine Funktion aus
C k,p darstellen lässt
180 Kapitel B. Bezeichnungen

B.2 Physikalische Bezeichnungen

Größe Einheit Bezeichnung

S Spannungstensor
u [m] Verschiebungsvektor
F [N] äußere Kraft
f [N] Volumenkraft
g
ρ m3
Dichte
ε linearisierter Verzerrungstensor
Id Einheitstensor
S∗ Deviator des Tensors S
 g

λ, µ m2
Lamé-Koeffizienten
 g

K m2
Kompressionsmodul
 g

E m2
Elastizitätsmodul
ν Poissonzahl
θ [K] Temperatur
θ0 [K] Referenztemperatur
α linearer Wärmeausdehnungskoeffizient
 gm 
κ s3 K
Wärmeleitfähigkeit
 g

δ s3 K
Wärmeübergangskoeffizient
 m2 
ce s2 K
spezifische Wärmekapazität
 m2 
Li s2
latente Wärme der i-ten Phase
εET thermoelastischer Anteil des Verzerrungstensors
εIN inelastischer Anteil des Verzerrungstensors
εU P umwandlungsplastischer Anteil des Verzerrungstensors
Φi Sättigungsfunktion der i-ten Phase
Gi [MPa−1 ] Greenwood-Johnson-Parameter der UP
pi Phasenanteil der i-ten Phase
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