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verlaÈsst, was einen wesentlichen Unterschied zur Woh- Zur Auslegung einer fideikommissarischen Substi-
nungseigentuÈmergemeinschaft bedeutet: WaÈhrend hier tution / LoÈschung einzelner bereits vorverstorbe-
die Miteigentumsgemeinschaft und somit auch die da- nen Nacherben aus dem Grundbuch
mit zusammenhaÈngenden Pflichten gleichsam ¹ding-
lichª bis zur Aufhebung des Wohnungseigentums (vgl §§ 615 und 703 ABGB:
§§ 35 ff, insb § 35 Abs 2 WEG 2002) zwingend bestehen Die fideikommissarische Substitution erlischt, wenn
bleiben und ein Teilungsanspruch ausgeschlossen ist, keiner von den berufenen Nacherben mehr uÈbrig ist
kann sich der schlichte MiteigentuÈmer von seinen (§ 615 Abs 1 ABGB). Der entsprechende Nachweis ob-
Pflichten einseitig, allenfalls mit einem gewissen ihm liegt dem Vorerben; Unwahrscheinlichkeit genuÈgt nicht.
aufgezwaÈngten Aufschub, befreien. Das Nacherbrecht ist dann vererblich, wenn der Sub-
Erinnert sei im gegebenen Zusammenhang daran, stitut ¹terminisiert`` berufen wurde; dies ist dann zu be-
dass der Teilungsanspruch bei Nichteinigung der jahen, wenn allein der Tod des Vorerben den Substitu-
Teilhaber mit einem die Art der Teilung (Real- oder Zi- tionsfall bildet. Der Nacherbe vererbt in diesem Fall sein
vilteilung) spezifizierenden Klagebegehren geltend zu Erbrecht an seine Transmissare, wenn er vor dem Substi-
machen ist, wobei dem Urteil rechtsgestaltende Wir- tutionsfall stirbt (§ 615 Abs 2 ABGB). Ist der Nacherbe
kung im Sinne einer Aufhebung der Gemeinschaft zu- hingegen aufschiebend bedingt berufen, so faÈllt ihm die
kommt. Diese rechtsgestaltende Wirkung ist sowohl Erbschaft erst bei Bedingungseintritt an; er muss diesen
bei Realteilung als auch bei Zivilteilung erforderlichen- Zeitpunkt erleben und dabei erbfaÈhig sein (§ 703 ABGB).
falls noch durch die DurchfuÈhrung der jeweiligen Ehe auf § 615 Abs 2 oder § 703 ABGB zuruÈckgegriffen
Zwangsvollstreckung aufgeschoben. Danach ist aber je- werden darf, sind alle bei letztwilligen VerfuÈgungen zu-
denfalls die Gemeinschaft aufgeloÈst und der Teilhaber laÈssigen Auslegungsmittel auszuschoÈpfen; dazu gehoÈrt
seiner aus der Gemeinschaft stammenden Pflichten ent- auch die Ermittlung des hypothetischen Testierwillens.
bunden (vgl insb Egglmeier/Gruber/Sprohar in Schwi- Ein Antrag auf die LoÈschung der bereits vorverstorbe-
mann, ABGB3 § 830 Rz 16), soweit sich natuÈrlich nicht nen Nacherben aus dem Grundbuch, ohne dass auch die
aus der Vereinbarung oder dem Richterspruch neue Ver- LoÈschung des Substitutionsbands an sich begehrt wird,
pflichtungen ergeben. Lediglich dann, wenn im exekuti- ist zulaÈssig. Der Antragsteller hat jedoch nachzuweisen,
onsrechtlichen Zivilteilungsverfahren im Wege der Ver- dass hinsichtlich der betroffenen Nacherben der Substi-
steigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft tutionsfall nicht mehr eintreten kann. Auûerdem ist die
(§§ 351 ff EO) oder einer sonstigen gemeinschaftlichen LoÈschung einzelner Nacherben aufgrund deren Zustim-
Sache ein wirksames Anbot nicht gestellt oder nachge- mung bzw jener ihrer allfaÈlligen Transmissare moÈglich.
bracht (vgl § 352b Z 3 EO) wird, bleibt solange das Mit- OGH 22. 12. 2011, 2 Ob 58/11k (LG Wiener Neustadt 15. 2. 2011, 16 R 395/
10t; BG MoÈdling 21. 9. 2010, 1 A 439/59)
eigentum und damit auch die Rechtsgemeinschaft erhal-
ten. Der am 19. 5. 1959 verstorbene Erblasser hinterlieû ein
Was nun grundsaÈtzlich ± mit der oben angefuÈhrten am 1. 7. 1954 verfasstes Testament, in welchem er seine
Ausnahme ± schon mit AusuÈbung des Teilungsanspruchs Ehefrau Erna K. zur Universalerbin bestimmte und sei-
erreicht werden kann, sollte im Wege einer Dereliktion nen Sohn Erhard (den nunmehrigen ASt) zum Nacherben
nicht ausgeschlossen sein. Der Dereliktionsweg kann berief. Weitere detaillierte Anordnungen und ein Nach-
schlieûlich gegenuÈber dem Teilungsweg, besonders bei trag zum Testament betrafen ein GeschaÈftslokal in Wien,
gegebenem Aneignungswillen der uÈbrigen, auch der ein- das er seiner Tochter Ella bereits im Jahr 1945 uÈbertra-
fachere Weg sein. Aufrecht blieben ohnehin persoÈnliche gen hatte.
schuldrechtliche Verpflichtungen, die den dereliktions- In einem weiteren Nachtrag vom 18. 7. 1955 verfuÈgte
willigen MiteigentuÈmer unabhaÈngig von seiner Miteigen- er:
tuÈmerstellung treffen. Sofern ¹dinglichª wirkende Las- ¹Sollte Erhard als Universalerbe sterben und keinerlei
ten bestehen, die als Reallasten (so auch Hoyer, Die Dere- Nachkommen besitzen so bekommt seine Frau Erika 1/3
liktion von Liegenschaften und deren VerbuÈcherung, in von meinen geerbten u. 2/3 Ella (1/3 Ella, 1/3 Sylvia)
FS Brauneder [2008] 182) oder wie Reallasten ein positi- sollte Erhard Kinder haben so geht alles auf seine Kinder
ves Handeln des MiteigentuÈmers beinhalten, wird man uÈber.``
Dereliktion freilich nicht zulassen koÈnnen, um zu verhin- Mit Einantwortungsurkunde vom 7. 6. 1961 wurde der
dern, dass derartige Leistungspflichten nicht uÈberhaupt Witwe der Nachlass mit der BeschraÈnkung der fideikom-
wegfallen. In diesem Sinne ist SpielbuÈchler (in Rummel, missarischen Substitution zu Gunsten des ASt bzw des-
ABGB3 § 387 Rz 2) auch in Bezug auf aufzugebende Mit- sen Nachkommen bzw zu Gunsten von Erika K. (Ehefrau
eigentumsanteile in seiner Auffassung zu folgen, wonach des ASt), Ella B. (Tochter des Erblassers) sowie deren
sich der EigentuÈmer insb von GebaÈuden nicht durch Tochter Sylvia B. eingeantwortet. FuÈr die (ungeborene)
Preisgabe oÈffentlich-rechtlichen Schutzpflichten entzie- Nachkommenschaft des ASt hatte das Verlassenschafts-
hen kann. gericht einen Substitutionskurator bestellt.
Abschlieûend erweist sich ein genauer Blick auf das Die Witwe des Erblassers verstarb am 23. 7. 1977. Mit
ABGB als durchaus lohnend: Wenn § 361 ABGB vom Beschluss vom 23. 1. 1980 wurde der Substitutionsnach-
vollstaÈndigen Eigentum eines MiteigentuÈmers spricht lass dem ASt aufgrund seiner unbedingten ErbserklaÈ-
und im unmittelbar darauffolgenden § 362 ABGB eben rung mit der BeschraÈnkung der letztwillig angeordneten
dem vollstaÈndigen EigentuÈmer auch das Dereliktions- fideikommissarischen Substitution zu Gunsten seiner
recht zugestanden wird, so muss man dieses rein sprach- Nachkommen bzw der Erika K., Ella B. und Sylvia W.
lich auch dem MiteigentuÈmer zuerkennen (so auch Zeil- (geborene B.) eingeantwortet.
ler, Commentar II/2, 880 f [§ 829 Anm 2]). Die EinschraÈn- Am 13. 8. 2010 begehrte der ASt unter Vorlage der
kung ¹in der Regelª in § 362 ABGB deckt dabei Ausnah- Sterbeurkunden beim ErstG die LoÈschung des ob der
men ab, die sich aus der Verschiedenheit einer gegenuÈber Liegenschaft EZ ... sub B-LNr 1b verbuÈcherten Substitu-
der allgemeinen Gemeinschaft nach den §§ 825 ff ABGB tionbandes in Ansehung der mittlerweile verstorbenen
besonderen Gemeinschaft, wie eben zB der Wohnungsei- Erika K., Ella B. und Sylvia B.
gentuÈmergemeinschaft iSd § 826 ABGB insgesamt, oder Das ErstG (als Abhandlungsgericht) wies diesen An-
aus dem Vorhandensein bestimmter mit dem Anteil trag ab.
selbst verbundener Pflichten ergeben! Das RekG bestaÈtigte diese Entscheidung mit der Maû-
Univ.-Prof. Dr. Bernhard Eccher gabe, dass es im Spruch statt ¹abgewiesen`` richtig ¹zu-

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ruÈckgewiesen`` zu lauten habe. Es sprach ferner aus, dass so ohne Vorhandensein eines Transmissars, verstirbt und
der ordentliche Revisionsrekurs zulaÈssig sei. auch kein Ersatznacherbe vorhanden ist (KletecÏka, Er-
Das RekG stellte noch folgenden Sachverhalt fest: satz- und Nacherbschaft [1999] 333; Welser, aaO § 615
Am 30. 6. 1995 verstarb Sylvia B. (geschieden: W.). Ihr Rz 10; Kralik, Erbrecht [1983] 199; vgl auch SZ 40/21
Nachlass wurde mit Beschluss vom 15. 1. 1996 ihren Kin- [= JBl 1967, 626. Red.] und 1 Ob 546/86, wo jeweils die
dern Alexander B. und Brigitte B. je zur HaÈlfte eingeant- Zustimmung aller noch in Betracht kommenden Nacher-
wortet. Erika K. verstarb am 10. 2. 2004. Sie hinterlieû ben gefordert wird). Der Nachweis, dass kein berufener
keine Nachkommen. Ihr Nachlass wurde ihrem Ehe- Nacherbe mehr uÈbrig ist, obliegt dem Vorerben; Unwahr-
mann, dem erblasserischen Sohn (ASt), am 13. 11. 2007 scheinlichkeit genuÈgt nicht (Eccher in Schwimann,
eingeantwortet. Ella B. verstarb am 30. 11. 2005. ABGB3 § 615 Rz 3).
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulaÈssig, weil ± so- Im Nachtrag zum Testament des Erblassers werden in
weit uÈberblickbar ± hoÈchstgerichtliche Rechtsprechung erster Linie die Kinder (Nachkommen) des ASt als des-
zu der Frage fehle, ob die ZustaÈndigkeit des Verlassen- sen Nacherben genannt. Diese sind, wie das ErstG richtig
schaftsgerichts nach rechtskraÈftiger Einantwortung fuÈr erkannte, vom Antrag des ASt nicht umfasst. Dem An-
AntraÈge wie den vorliegenden noch gegeben sei. tragsvorbringen laÈsst sich auch ± abgesehen von der
Gegen diesen Beschluss des RekG richtet sich der Revi- MoÈglichkeit kuÈnftiger, etwa adoptierter Nachkommen ±
sionsrekurs des ASt mit dem Antrag, die Entscheidungen nicht entnehmen, ob der ASt Nachkommen hat, was
der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung des LoÈ- nicht schon deshalb gaÈnzlich ausgeschlossen waÈre, weil
schungsantrags abzuaÈndern. Hilfsweise wird ein Aufhe- die Ehefrau des ASt ohne Nachkommen verstarb.
bungsantrag gestellt. 4. Unter diesen UmstaÈnden fehlt es zwar an der in § 615
Der Revisionsrekurs ist zulaÈssig, weil das RekG von Abs 1 ABGB fuÈr das ErloÈschen des Substitutionsbands
der Rsp des OGH abgewichen ist. Er ist auch teilweise geforderten und vom ASt nachzuweisenden Vorausset-
berechtigt. zung, dass keiner der berufenen Nacherben mehr uÈbrig
Der ASt macht geltend, gem § 75 AuûStrG aF habe das ist. Einen umfassenden LoÈschungsantrag hat der ASt
Abhandlungsgericht des Erblassers den Nacherben vom aber ohnedies nicht gestellt. Sein Antrag beschraÈnkt sich
Eintritt des Substitutionsfalls zu verstaÈndigen und zur vielmehr auf die LoÈschung (nur) der bereits vorverstor-
Abgabe der ErbserklaÈrung aufzufordern, damit die Erb- benen Nacherben, ohne dass er auch die LoÈschung des
verhandlung gepflogen werden koÈnne. Das bedeute, dass Substitutionsbands an sich begehrt. Auch bei einem der-
das Abhandlungsgericht das Testament des Erblassers artigen Antrag, gegen dessen ZulaÈssigkeit keine Beden-
auslegen muÈsse, um feststellen zu koÈnnen, ob und welche ken bestehen (vgl 6 Ob 549/94), liegt es jedoch am ASt
Nacherben vorhanden seien. Es sei daher nicht einzuse- den Nachweis zu erbringen, dass hinsichtlich der betrof-
hen, weshalb im vorliegenden Fall die Auslegung nicht fenen Nacherben der Substitutionsfall nicht mehr eintre-
auch schon vor dem Ableben des ASt vorgenommen wer- ten kann. Letzteres trifft den Feststellungen zufolge aber
den koÈnne. Die weiteren (umfangreichen) Rechtsmittel- nur auf seine ohne Nachkommen vorverstorbene Ehefrau
ausfuÈhrungen befassen sich mit der Auslegung des Testa- zu, deren Alleinerbe der ASt selbst war. In diesem Um-
ments. fang kann der LoÈschungsantrag bewilligt werden.
Hiezu wurde erwogen: 5. Hinsichtlich der beiden anderen vorverstorbenen
1. Das RekG hat den LoÈschungsantrag ausdruÈcklich Nacherben ist dagegen von folgender Rechtslage auszu-
dahin gedeutet, dass der ASt damit das ErstG ¹unzwei- gehen:
felhaft`` als Abhandlungsgericht und nicht als Grund- Nach § 615 Abs 2 ABGB geht, sofern nicht ein anderer
buchsgericht angerufen habe, was im Revisionsrekurs Wille des Erblassers anzunehmen ist, das Recht des fidei-
unwidersprochen bleibt. Gegenstand der U È berpruÈfung kommissarischen Erben auch dann auf dessen Erben
in dritter Instanz ist demnach eine im (fortgesetzten) Ver- uÈber, wenn er den Eintritt des Substitutionsfalls nicht er-
lassenschaftsverfahren getroffene Entscheidung des Ab- lebt. Das Nacherbrecht ist demnach dann vererblich,
handlungsgerichts. Zutreffend hat das RekG weiters her- wenn der Substitut ¹terminisiert`` berufen wurde. Das
vorgehoben, dass auf dieses Verlassenschaftsverfahren ± Vorliegen dieser Voraussetzung ist nach hA dann zu beja-
abgesehen von den Bestimmungen uÈber das Rechtsmit- hen, wenn allein der Tod des Vorerben den Substitutions-
telverfahren (§ 203 Abs 7 AuûStrG) ± gem § 205 AuûStrG fall bildet. Der Nacherbe vererbt in diesem Fall sein Erb-
noch die entsprechenden Vorschriften des AuûStrG 1854 recht an seine Transmissare, wenn er vor dem Substituti-
anzuwenden sind (RIS-Justiz RS0121471). onsfall stirbt (vgl 2 Ob 212/00s; 1 Ob 185/01i; 6 Ob 89/10x
2. Nach stRsp des OGH zur hier maûgeblichen Rechts- mwN; Apathy in KBB3 § 608 Rz 4 und § 615 Rz 3; KletecÏ-
lage kommt die Entscheidung, ob eine im Grundbuch ka, aaO 333). Ist der Nacherbe hingegen aufschiebend
eingetragene fideikommissarische Substitution (mate- bedingt berufen, so faÈllt ihm die Erbschaft erst bei Be-
riellrechtlich) erloschen ist, dem Abhandlungsgericht dingungseintritt an; er muss diesen Zeitpunkt erleben
als SubstitutionsbehoÈrde zu, sofern nicht dem Prozess- und dabei erbfaÈhig sein (§ 703 ABGB; vgl 2 Ob 571/88;
weg vorbehaltene Auslegungsfragen zu klaÈren sind (vgl RIS-Justiz RS0012568; Apathy, aaO § 608 Rz 4).
1 Ob 100/67 = NZ 1968, 110; 1 Ob 546/86; 5 Ob 177/07a Die Zweifelsregel des § 615 Abs 2 ABGB oder die sie im
mwN; RIS-Justiz RS0007570). Nach Beendigung der Einzelfall etwa verdraÈngende Regel des § 703 ABGB sind
Substitution sind die Bindungen aufgehoben. Das Sub- jedoch einer konkreten Regelungsabsicht des Erblassers
stitutionsband ist im oÈffentlichen Buch zu loÈschen, wobei nachgeordnet. Es sind daher alle bei letztwilligen VerfuÈ-
die SubstitutionsbehoÈrde die erforderlichen VerfuÈgungen gungen zulaÈssigen Auslegungsmittel auszuschoÈpfen, ehe
zu treffen hat (Welser in Rummel, ABGB3 § 615 Rz 13). auf die zitierten Gesetzesregeln zuruÈckgegriffen werden
Die vom RekG in Abrede gestellte Befugnis des Abhand- darf. Zu diesen Auslegungsmitteln gehoÈrt auch die Er-
lungsgerichts, nach Rechtskraft der Einantwortung uÈber mittlung des hypothetischen Testierwillens (RIS-Justiz
einen derartigen Antrag zu entscheiden, ist demnach ent- RS0012368). In diesem Sinne hat der OGH selbst bei
gegen dessen Auffassung grundsaÈtzlich zu bejahen. einer eindeutig als Bedingung formulierten Nacherben-
3. Gem § 615 Abs 1 ABGB erlischt die fideikommissa- einsetzung nicht schematisch § 703 ABGB angewendet,
rische Substitution (ua), wenn keiner von den berufenen sondern einer Auslegung nach dem hypothetischen Erb-
Nacherben mehr uÈbrig ist. Dieser ErloÈschensgrund liegt lasserwillen mit dem Ergebnis den Vorzug gegeben, dass
etwa dann vor, wenn der letzte (in Betracht kommende) der Nacherbe den Substitutionsfall nicht erleben musste
Nacherbe vor Eintritt des Substitutionsfalls erbenlos, al- (6 Ob 1/90 = JBl 1990, 581 [Eccher]; vgl ferner 6 Ob 89/

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10x; Apathy, aaO § 615 Rz 3; Eccher, aaO § 615 Rz 4; Wel- mit traumatischer Oberschenkelamputation. Da sie als
ser, aaO § 615 Rz 7). Zeugin Jehovas eine entsprechende WillenserklaÈrung ab-
6. Im vorliegenden Fall ist die Einsetzung der nament- gegeben hatte, wurden ihr keine Blutkonserven zuge-
lich genannten Nacherben an die Kinderlosigkeit des fuÈhrt. Sie starb am folgenden Tag um 22:45 Uhr trotz ma-
Vorerben (des ASt) geknuÈpft und somit aufschiebend be- schineller Beatmung mit hochkonzentriertem Sauerstoff
dingt (vgl Apathy, aaO § 608 Rz 4; Koziol/Welser13 II 518), infolge einer ausgepraÈgten Fettembolie. Sie litt zwei Tage
weshalb entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht lang an starken Schmerzen. FuÈr das BegraÈbnis wendete
die Zweifelsregel des § 615 Abs 2 ABGB zur Anwendung der Kl insgesamt ³ 5.674,80 auf. Der Kl war mit der Ver-
gelangen koÈnnte, sondern nur jene des § 703 ABGB. Der letzten 44 Jahre verheiratet und hatte bis zu ihrem Tod
ASt erkennt aber ohnedies selbst, dass im Lichte der von stets mit ihr zusammengelebt. Durch ihren Tod fiel der
ihm zitierten E 6 Ob 1/90 auch in diesem Fall primaÈr auf Kl in ein ¹schwarzes Loch``. Nach dem Tod seiner Frau
den hypothetischen Willen des Erblassers abzustellen ist, lernte er seine nunmehrige Frau kennen, die er Anfang
um zu klaÈren, ob im Falle des Versterbens der namentlich 2008 heiratete.
genannten Nacherben noch zu Lebzeiten des (kinderlo- Die Haftung der bekl Partei fuÈr die Unfallfolgen sowie
sen) Vorerben die Substitution erloÈschen oder ± wie das das grobe (Allein-)Verschulden des Lenkers des Sattel-
ErstG meinte ± die ¹weitere Verwandtschaft`` erben soll. zugs am Unfall sind im Verfahren dritter Instanz nicht
Er raÈumt auch ein, dass es dazu einer Auslegung des mehr strittig.
Testaments bedarf, wobei er den Schwerpunkt seiner Der Kl begehrte ³ 16.572,80 sA und brachte vor, der
UÈ berlegungen jenen Anordnungen des Erblassers wid- Verletzten koÈnne kein Verstoû gegen die Schadensminde-
met, die mit dem an dessen Tochter uÈbertragenen Ge- rungspflicht wegen ihrer Weigerung, Bluttransfusionen
schaÈftslokal im Zusammenhang stehen. zuzulassen, vorgeworfen werden. Ein Mitverschulden
Diese ± zahlreiche Tatsachenbehauptungen enthalten- eines Verletzten wegen der Verweigerung einer Blut-
den ± AusfuÈhrungen eignen sich allerdings nicht zur Er- transfusion liege dann nicht vor, wenn eine solche Weige-
bringung des ihm obliegenden Nachweises, dass der Sub- rung aus Glaubens- und GewissensgruÈnden erfolge. Dies
stitutionsfall nicht mehr eintreten kann. Entspricht es sei bei der Verletzten der Fall gewesen. Es stehe keines-
doch der stRsp zu der hier noch anwendbaren Rechtsla- wegs fest, dass die Verletzte an den Unfallfolgen dann
ge, dass dem Abhandlungsgericht jedenfalls bei Vorlie- nicht verstorben waÈre, wenn sie eine Bluttransfusion zu-
gen von UmstaÈnden, die zwischen den Beteiligten strittig gelassen haÈtte.
sind oder ± wie hier ± strittig sein koÈnnten, die Auslegung Zu ersetzen seien dem Kl als Erben der Verletzten die
einer letztwilligen VerfuÈgung nicht zusteht (vgl 1 Ob 546/ Kosten fuÈr das BegraÈbnis, die mit ³ 5.772,80 angegeben
86; 7 Ob 733/86; RIS-Justiz RS0005997; RS0006007; wurden, sowie Schmerzengeld fuÈr die Verletzte in HoÈhe
RS0006017 [T1]; RS0006534; RS0007940). Das bedeutet von ³ 800,±. Weiters stehe ihm ein Trauerschmerzengeld
noch nicht zwingend, dass der ASt den Rechtsweg be- von ³ 10.000,± zu.
schreiten muss, weil die LoÈschung einzelner Nacherben Die bekl Partei wendete ein, die Verletzte habe die Wil-
auch mit deren Zustimmung bzw (hier) jener ihrer allfaÈl- lenserklaÈrung, Bluttransfusionen duÈrften nicht verab-
ligen Transmissare moÈglich sein kann. Einen diesbezuÈgli- reicht werden, auch nach entsprechenden AufklaÈrungs-
chen Nachweis hat der ASt aber nicht erbracht. gespraÈchen durch die A È rzte aufrechterhalten. Aufgrund
7. Dem Revisionsrekurs ist aus den vorstehenden Er- dieser Weigerung, eine dem Stand des Wissens und der
waÈgungen daher teilweise Folge zu geben, wobei im be- Technik der Humanmedizin entsprechende Behandlung
staÈtigenden Teil der Entscheidung die zweitinstanzliche vornehmen zu lassen, sei die beim Unfall Verletzte an
¹Maûgabe`` zu entfallen hat. dessen Folgen gestorben. HaÈtte sie eine fach- und sach-
gerechte Behandlung akzeptiert, waÈre sie nicht gestor-
ben, sondern haÈtte sie das Spital aufgrund einer erfolg-
Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit reichen Amputation verlassen koÈnnen. Der Tod sei daher
durch Verweigerung von Bluttransfusionen dem Lenker des Sattelzugs nicht adaÈquat zurechenbar.
Zum selben Ergebnis komme man auch uÈber die Rechts-
§ 1304 ABGB; Art 14 Abs 1 und 2 StGG; Art 63 Abs 2 StV figur der Schadensminderungspflicht. Ein Teil der Rsp
St. Germain; Art 9 MRK: habe zwar keine Pflicht des GeschaÈdigten angenommen,
Einer eigenberechtigten bei einem Unfall verletzten sich einer operativen Heilbehandlung zu unterziehen,
Person (hier: Zeugin Jehovas) steht es frei, jegliche medi- dies allerdings nur dann, wenn die Operation gefaÈhrlich
zinische Behandlung (hier: Bluttransfusion) zu verwei- und die Prognose unguÈnstig sei. Die Verabreichung einer
gern. Diese Weigerung ist rechtmaÈûig. § 1304 ABGB setzt Bluttransfusion koÈnne aber einer Operation nicht gleich-
kein rechtswidriges Verhalten des GeschaÈdigten voraus; gehalten werden, da es sich dabei um keinen chirurgi-
es handelt sich lediglich um eine Obliegenheitsverlet- schen Eingriff handle.
zung. Das ErstG gab dem Klagebegehren im Betrag von
Die Freiheit der (Gewissens-)Entscheidung bedeutet ³ 16.274,80 sA statt und wies unbekaÈmpft das Mehrbe-
nicht, dass derjenige, der eine fuÈr ihn objektiv unguÈnsti- gehren von ³ 298,± sA ab.
ge, gegen die Obliegenheit zur Schadensminderung ver- Das BerG bestaÈtigte den Zuspruch von ³ 600,± sA
stoûende Gewissensentscheidung trifft, die aus der ob- (Schmerzengeld fuÈr die Schmerzen der GetoÈteten) als
jektiven UnguÈnstigkeit der Entscheidung folgenden Teilurteil. Im U È brigen, somit hinsichtlich ³ 15.674,80
Nachteile nicht zu tragen hat. sA, hob es das Urteil des ErstG auf und verwies die
Der Verschuldensgrad des SchaÈdigers ist kein Kriteri- Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfah-
um dafuÈr, ob dem Verletzten die Verletzung der Scha- rensergaÈnzung an das ErstG zuruÈck. Das BerG lieû hin-
densminderungsobliegenheit anspruchsmindernd oder sichtlich der Aufhebung den Rekurs an den OGH zu, da
-vernichtend zugerechnet wird. die Frage, ob die Verweigerung von medizinisch indizier-
OGH 22. 6. 2011, 2 Ob 219/10k (OLG Wien 27. 8. 2010, 14 R 111/10m; ten Maûnahmen aus religioÈsen GruÈnden im Rahmen der
LGZ Wien 30. 4. 2010, 4 Cg 208/06x) ZumutbarkeitspruÈfung relevant sei, uÈber den Einzelfall
Am 20. 6. 2005 gegen 9:05 Uhr ereignete sich in Wien hinausgehende Bedeutung habe.
ein Verkehrsunfall, bei dem die vormalige Ehefrau des Gegen den Aufhebungsbeschluss des BerG richtet sich
Kl als FuûgaÈngerin durch einen Sattelzug erfasst und der Rekurs des Kl mit dem Antrag, insoweit das Urteil
È berrolltrauma
niedergestoûen wurde. Sie erlitt ua ein U des ErstG wiederherzustellen.

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