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Cyclodextrine

Cyclodextrine (CD) sind eine Klasse von Molekülen, die zu den cyclischen
Oligosacchariden gehören. Sie stellen ringförmige Formen von Stärke dar. Sie
bestehen aus α-1,4-glycosidisch verknüpften Glucosemolekülen. Dadurch entsteht
eine toroidale Struktur mit einem zentralen Hohlraum. Cyclodextrine wurden zuerst
von Villiers und Schardinger beschrieben, blieben aber lange Zeit eine
Laborkuriosität. Sie wurden erstmals von Villiers 1891 isoliert und 1903 von
Schardinger als Oligosaccharide charakterisiert.

Inhaltsverzeichnis
Nomenklatur Allgemeine Strukturformel für
Cyclodextrine
Gewinnung und Herstellung
Eigenschaften
Verwendung
Literatur
Einzelnachweise
Weblinks

Nomenklatur
Je nach Anzahl der sie aufbauenden Glucoseeinheiten werden die Cyclodextrine
unterschiedlich benannt. Mittels eines griechischen Buchstabens als Präfix Strukturformel für α-Cyclodextrin
unterscheidet man:

α-Cyclodextrin: n = 6 Glucosemoleküle (Hohlraumdurchmesser/-höhe: 4,7..5,3/7,9 Å)


β-Cyclodextrin: n = 7 Glucosemoleküle (Hohlraumdurchmesser/-höhe: 6,0..6,5/7,9 Å)
γ-Cyclodextrin: n = 8 Glucosemoleküle (Hohlraumdurchmesser/-höhe: 7,5..8,3/7,9 Å)
δ-Cyclodextrin: n = 9 Glucosemoleküle

Über die oben erwähnten Cyclodextrine hinaus werden in der Fachliteratur Cyclodextrine mit wesentlich mehr
Glucoseeinheiten detailliert beschrieben. Diese sind allerdings aufgrund der geringen Mengen und hoher Preise nicht von
ökonomischer Bedeutung. Die weiteste technische Verbreitung haben β-Cyclodextrin und Hydroxypropyl-β-Cyclodextrin. In
der Lebensmittelindustrie werden α-Cyclodextrin und γ-Cyclodextrin eingesetzt. Da α-Cyclodextrin ein löslicher Ballaststoff
ist, kann es als solches auch im Inhaltsverzeichnis aufgeführt sein, z. B. als Alpha-Cyclodextrin (löslicher Ballaststoff).
Gewinnung und Herstellung
Cyclodextrine werden biotechnologisch durch den enzymatischen Abbau von Stärke, etwa aus Mais oder Kartoffeln,
hergestellt. Die hierfür eingesetzten Enzyme werden als Cyclodextrin-Glycosyltransferasen, kurz CGTasen bezeichnet. Diese
sind in verschiedenen Bakterien und Archaeen zu finden, wobei industriell die aus dem Bacillus macerans isolierten
CGTasen am bedeutsamsten sind. Bei der Einwirkung auf Stärke schneidet die CGTase aus der helikal gewundenen Struktur
des Kohlenhydrats einzelne Stücke heraus und verbindet diese zu einem ringförmigen Oligosaccharid – dem Cyclodextrin.
Industriell interessant ist insbesondere die sortenreine Gewinnung von Cyclodextrinen, um die verschiedenen
Hohlraumdurchmesser je nach einzuschließender Substanz auswählen zu können. Es stehen selektive Enzyme zur
Verfügung, die jeweils gezielt α-, β- und γ-Cyclodextrin produzieren. Dies ist besonders für die Lebensmittelindustrie von
Bedeutung, da nur α- und γ-Cyclodextrin unbegrenzt verzehrt werden sollten.

Eigenschaften
Allen niederen Cyclodextrinen eigen ist die hydrophobe Kavität im Innern und die polare Außenfläche. Dadurch sind die
Cyclodextrine in der Lage, sogenannte Einschlussverbindungen mit apolaren organischen Verbindungen zu bilden.

In alkalischen sowie in sauren Lösungen bis pH 2 sind Cyclodextrine sehr stabil. Sie haben keine festen Schmelzpunkte, sind
aber bis etwa 200 °C stabil. Darüber beginnen sie sich zu zersetzen. Sie gelten als ungiftig und sind weitgehend stabil
gegenüber menschlichen Verdauungsenzymen, weshalb α-Cyclodextrin auch als löslicher Ballaststoff eingesetzt werden
kann.

Verwendung
Die Fähigkeit zu Einschlussverbindungen mit apolaren organischen Verbindungen und die Wasserlöslichkeit machen
Cyclodextrine zu einem immer wichtigeren Gegenstand der pharmazeutischen Forschung, da die Komplexe mit
Pharmazeutika in der Regel besser wasserlöslich sind als die reinen Pharmazeutika und daher auch im Körper leichter
verfügbar sind. So erleichtern sie als Bestandteil von Augentropfen den Transport des meist lipophilen Medikamentes durch
die hydrophile Tränenflüssigkeit zur lipophilen Augenmembran.[1] Weiterhin ist ihre Fähigkeit, die eingeschlossene Substanz
vor umgebenden Verbindungen (zum Beispiel Sauerstoff) zu schützen sowie die eingeschlossenen Substanzen über einen
längeren Zeitraum abzugeben, von großem Interesse.

α-Cyclodextrin ist seit 2008 in der Europäischen Union als lösliche Nahrungsfaser zugelassen.[2] Im Juni 2013 hat die
Kommission der Europäischen Union α-Cyclodextrin einen nachweislich gesundheitsfördernden Effekt (Health Claim)
bescheinigt. Das EU-Gutachten bestätigt, dass α-Cyclodextrin den Blutzuckeranstieg nach stärkehaltigen Mahlzeiten
verringern kann.[3] Aufgrund seiner oberflächenaktiven Eigenschaften findet es Einsatz als emulgierende Phase in der
Lebensmittel- (Mayonnaisen) und Kosmetikindustrie (Hautcremes) sowie als Aufschlagmittel für Desserts, Süß- und
Backwaren. β-Cyclodextrin ist in der EU als Lebensmittelzusatzstoff der Nummer E 459 mit unterschiedlichen
Höchstmengenbeschränkungen für bestimmte Lebensmittel zugelassen, im Einzelnen bei der Aromatisierung von Tees oder
Instant-Getränkepulvern (mit 0,5 g/kg in der vorgesehenen Verzehrzubereitung) und Knabbererzeugnissen (mit 1 g/kg) sowie
bei tablettierten Lebensmitteln (nach Bedarf – quantum satis).[4] Gamma-Cyclodextrin wurde von der EU für die Wacker
Chemie AG als neuartige Lebensmittelzutat für Nahrungsmittel- und Getränkeanwendungen zugelassen.[5]
Darüber hinaus begegnen dem Verbraucher Cyclodextrine unter dem Handelsnamen Febreze, Bounce oder Oust. Die in
diesen Produkten befindlichen Cyclodextrinderivate binden die für unangenehme Gerüche verantwortlichen Verbindungen
und sind gleichermaßen Träger von Duftstoffen. In manchen Ländern (zum Beispiel USA, Japan) sind Cyclodextrine als
Lebensmittelzusatzstoffe zugelassen, da sie unter anderem den Geschmack und Geruch der eingeschlossenen Substanzen
aufheben oder wieder freigeben können. Das Einsatzspektrum von Cyclodextrinen umfasst heute von verschiedenen
Medikamentenzubereitungen über Pappkartons bis hin zur Medizin, Landwirtschaft und Sensorik diverse Einsatzbereiche.
Das deutsche Textilforschungsinstitut in Krefeld erforscht intensiv die Nutzung von kovalent an die Stofffasern gebundenen
Cyclodextrinen für „intelligente“ Textilien. Diese können sowohl über die Haut aufzunehmende Medikamente enthalten als
auch Schweißgeruch binden.

In der analytischen Chemie und mit besonders großem Erfolg in der Gaschromatographie werden spezielle
Cyclodextrinderivate eingesetzt, um Gemische von Enantiomeren zu trennen. Ebenso erfolgreich sind Cyclodextrinderivate
in der Kapillarelektrophorese (englisch CE) etabliert. Mit sulfatierten, geladenen Cyclodextrinen wird dadurch sogar eine
Trennung von neutralen Enantiomeren möglich, die mittels CE ansonsten nicht zugänglich wären.[6]

Modifizierte Cyclodextrine stellten sich einer Veröffentlichung im Jahr 2020 zufolge als viruzid wirksam heraus; eine
Weiterentwicklung zu Medikamenten oder Desinfektionsmitteln ist denkbar.[7][8]

Literatur
A. Villiers: Sur la transformation de la fécule en drextrine par le ferment butyrique. In: Compt. Rend. Fr. Acad.
Sci. 1891, S. 435–438.
A. Biwer, G. Antranikian, E. Heinzle: Enzymatic production of cyclodextrins. In: Appl Microbiol Biotechnol.
59, 2002, S. 609–617. PMID 12226716.

Einzelnachweise
1. Avoxa-Mediengruppe Deutscher Apotheker GmbH: Cyclodextrine: Wundertüten in Pharmazie und Alltag. (ht
tps://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-282008/cyclodextrine-wundertueten-in-pharmazie-und-allta
g/) Abgerufen am 28. Januar 2021.
2. Genehmigung des Inverkehrbringens von α-Cyclodextrin als neuartige Lebensmittelzutat (2008/413/EG).
3. Verordnung (EU) Nr. 536/2013 der Kommission vom 11. Juni 2013 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr.
432/2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel
als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von
Kindern (Text von Bedeutung für den EWR) (Anhang, 10(6), 2012, S. 2713 | 2926 |).
4. Begrenzt zugelassene Zusatzstoffe (https://web.archive.org/web/20180228095029/https://www.gesetze-im-i
nternet.de/zzulv_1998/anlage_4.html) (Memento des Originals (https://giftbot.toolforge.org/deref.fcgi?url=http
s%3A%2F%2Fwww.gesetze-im-internet.de%2Fzzulv_1998%2Fanlage_4.html) vom 28. Februar 2018 im
Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und
Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., Anlage 4 (zu § 5 Absatz 1 und § 7) der Zusatzstoff-
Zulassungsverordnung vom 29. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt I, S. 230, 231), die zuletzt durch Artikel 1
der Verordnung vom 28. März 2011 (Bundesgesetzblatt I, S. 530) geändert worden ist.
5. WACKER erhält Zulassung von gamma-Cyclodextrin als neue Lebensmittelzutat für Nahrungsmittel und
Getränke in der EU (https://www.pressebox.de/inaktiv/wacker-chemie-ag/WACKER-erhaelt-Zulassung-von-
gamma-Cyclodextrin-als-neue-Lebensmittelzutat-fuer-Nahrungsmittel-und-Getraenke-in-der-EU/boxid/5200
84). Presseinformation Wacker Chemie AG, 28. Juni 2012.
6. C. Bicchi: Cyclodextrin derivatives as chiral selectors for direct gas chromatographic separation of
enantiomers in the essential oil, aroma and flavour fields. In: Journal of Chromatography A. 843, 1999, S.
99–121; online abgerufen am 1. Januar 2013.
7. Modifizierte Zuckermoleküle vernichten Viren (https://www.derstandard.at/story/2000113923301/modifizierte
-zuckermolekuele-vernichten-viren), derstandard.at vom 30. Jänner 2020.
8. Jones ST, Cagno V, Stellacci F, Tapparel C et al.: Modified cyclodextrins as broad-spectrum antivirals (http
s://advances.sciencemag.org/content/6/5/eaax9318), in: Science Advances, Vol. 6, no. 5, eaax9318 vom 29.
Januar 2020. doi:10.1126/sciadv.aax9318 (englisch).

Weblinks
Martin Gröger, Eva Katharina Kretzer, Andreas Woyke: Cyclodextrine. (https://web.archive.org/web/2012030
3204504/http://www.science-forum.de/download/cyclodex.pdf) (Memento vom 3. März 2012 im Internet
Archive) Universität Siegen, 2001. (Ausführliche Übersicht über Cyclodextrine; PDF, 1,52 MB)
CTD, Inc, Cyclodextrin Resource (https://web.archive.org/web/20110201060939/http://www.cyclodex.com/N
aturalCyclodextrins.html) (Memento vom 1. Februar 2011 im Internet Archive) (englisch)

Abgerufen von „https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Cyclodextrine&oldid=227200322“

Diese Seite wurde zuletzt am 20. Oktober 2022 um 13:04 Uhr bearbeitet.

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