Sie sind auf Seite 1von 322

0

— 11
i . .i .i —

(Btorbano Sruno
(Befammelte 2Berke
33anb 3
J5erausgegeben oon
Cubroig ßufylenbeck

olH^IHHH^IHNH^NNNNNNNNIo
FROM TH E- LIBRARY OF

* KONR^D- BURDACH*

§VWIS

Scccc£

EX L1BRIS

Digitized by Google
Digitized by Google
(Biorbano brutto \

$om unenbltd)cn 'HU

unb beit 2Belten


(Biorbano Bruno
©efammelte 2BerKc
Sanb 3
i^erausgegeben oon
Cubtoig Äufylenbetfc

Digitized by Google
(Biorbono 'Bruno
3tDiegefpräd)e oom urtenb*
liefen M unb ben 2ßelten •
‘ ;
* *

^öerbeutf<fyt unb erläutert con


Cubroig Äuljlenbecfc *

Digitized by Google
I57S3
A *1 <*~*f
\ <\ < <-\

J, ^r

3 to e i t e Auflage
OTit Iitel 3 ei(^nung oon
(Emil 9?ub olf 2Bei fr

Digitized by Google
<

©orroort bes Überfeljets •


•*

* * ••••_• «

.7. :

2)ic roiffenfdjaftlidje Sebeutung biefer Vialoge Vrunos


— Vrunos Verhältnis 31t Äopernifeus unb [einen
Vorgängern — Vie Unenblich&eitsibee

©ie außerorbentHtfc (filmen TOenfdjtn bonqcn oon 6« 3*tt ob.


all« haben bi« gtfunben, b«r«n |i< roüröig roaren, unb otele
3Jicf)t

fanbtn fit 3 toar, konnten aber bod) nidjt ba ju gelangen, fl« ;u

nutjen.
(Einige roaren «ine* befferen 3af)rfjunb«rts ro«rt; benn nidjt immer
triumphiert ba* (Bute.
©er TOeife hat tebodj einen Borteil, ben, baß er unfterblid) ift:
iftbiefe* nidjt fein Oaijrijunbert, fo roerbtn nitlt anbtre t* fein.

Salthafar (Bracian, Sanborakct unb flunft


btr fflelthJugijeit, überfetjt oon Schopenhauer.

3 (E italienifdjen 'Dialoge „Born unenblidjen All unb ben


Welten " können neben ben 'Dialogen „Bon ber Urfadje,
bem Anfang unb bem (Einen", bie als 4 Banb ber ge* .

fammelten Werke erfdjeinenroerben, als toifjenfdjaftlic^e


fjauptfcfyrift ©iorbano Brunos bejeieffnettoerben; fieent-

uiiAeln, inbem fie gegen bas kosmologifdje Sgftem bes


’ptolemäus, Ariftoteles unb bes Wittelalters ankämpfen, mit bialek*
tifd)er Cebenbigkeit bie roid)tigften ©runbgebanken feiner Kosmologie.
Uleben ißnen beanfpr ud)t am meiften unter ben lateinifd) getriebenen
Werken bes Utolaners bas großartige 2 el)rgebid)t „de Immenso et

Innumerabilibus“ unfere ©eadftung unb Achtung, ba es bie ßier er-

kämpften (Einfidjten unter Utadjaljmung ber „Rerum Natura“ bes


Cucretius poetifd) geftaltet unb in 3al)lreid)en profaifdjen Anmerkungen
3U Serfen oon oft ßeroorragenbem bidjterifdjen Werte aud) ein für

jene 3ed nid)t unbeträchtliches aftronomifdfes unb pljtjfikalijdjes

(Biorbano Bruno Bö. HI J

jvio59S4
JBifjen offenbcrt. 3ur (Einführung in Brunos ©eltanfdjauung Der*

bienen jebo^ bicfe Dialoge ben Borgug burd) ihre


: bialefetifdje fjorm
unb ©ntroieklung. Durch ihre Polemik gegen bas bamals herrjchenbe

•'Softem u)hb ber ungeheure 3rort|<hritt, ben Brunos Denken nicht

nur in ber CBefd)ic^tc ber Phtlojophie i™ engeren Sinne, jonbern in

ber ®ej<hi«hte bes men|<hlichen 2Biffens überhaupt be3eichnet, in eine

angemeffene Beleuchtung gerückt.


Um ihren 2Bert unb ben burch fie repräfentierten «Jrortjehritt rieh»

tig toürbigen 3U können, ift es nötig, einerfeits ihren rein aftrono*

mif^en unb kosmologifchen Inhalt non bem ph«lofophif<hen Dbeeen»


geholt 3U unterfdjeiben unb anbererjeits fi<h nicht bIo% ben bamaligen

Stanb bes kosmifehen SBijjens, jonbern auch befjen Borgefchichte


3U oergegentoärtigen. äosmifch liefern bieje Dialoge jo 3iemlich jehon

basjelbe ©efamtbilb oon ber Batur unb bem Bau bes Unioerjums,
toelches bie moberne Baturroiffen jehaft oorausjetjt, unb bas eigent*

lieh ™t bejferem Bechte nach Bruno als nach fiopernikus ben Barnen
führen bürfte. Denn Äopernikus, befjen Berbienft barum herab*
3Utoürbigen ich ebenforoeit entfernt bin roie Bruno jelbjt es roar,

jteht 3ur mobem»tDifjenfehaftli^en2lnj^auung oomAosmos boeh nur


in bemfelben Berhälhtis roie Äolumbus 3ur (Entbeekung Amerikas.
Kolumbus ift bekanntlieh bei feinem noch 3iemli<h beengten roijjenfd)aft*
liehen (Be{id)tskreije nicht imftanbe geroefen, bie gan3e Iragroeite {einer
(Entbeekung 3U überfeinen, unb in bem ©lauben geftorben, ni<ht eigent*

lieh einen neuen QBeltteil ,


jonbern nur einen neuen Seeroeg nach Dn>
bien gefunben 3U haben. So hatte auch Äopernikus ben {Jijjtern*

himmel als äujjerfte Sphäre ber 2Belt im Sinne bes ptolemäijd)en


Sgftems gelten Iafjen, roährenb erft Bruno folgerichtiger unb kühner
au<h bieje Schranken nieberrijj unb als ber erfte bie Sonnennatur ber
grijfteme erkannte. Jrjiftorijd) genau ift übrigens Äopentikus ebenjo«
toenig auch nur ber erfte (Entbecker bes h e li°3 en triji±)en Planeten*

jgftems getoejen, roie Kolumbus ber erfte ©ntbeeker Amerikas. 3n

II

Digitized by Google
ffiahrheit hanbelt cs fidt) in bcibcn fjällen nur um eine befinitioe ©ie*
berentbeckung. Kopernikus fowie Bruno felbft beanfprud)en für fid)

nur bie <Ef>re ,


ein in taufenbjähriger Jinfternis erlogen getoefenes
Cid)t wieber ange3Ünbet 3U haben.
(Eine kur3e gefd)ichtliche Ski33e bes ftosmologifdjen ©iffens ift ba*

her 3ur magren ©ütbigung ber Originalität bes Kopernikus unb bes
©iorbano Bruno, fowie 3ur (Einführung in bas folgenbe ©erb un*
umgänglich, 3umal auch bas Berftänbnis bes Ietjteren felber burd) eine
3ureid)enbe Kenntnis ber Borfteltungsroeife oom Bau besUnioerjums,
bie erft Bruno hier mit bef initioem (Erfolge bekämpft hat, bebingt toirb.

fHbrijj ber (Bef d)id)tc ber kosmologifchen 2Infd)auung


bis auf Bruno
ffienn roir Don ben weitreid)enben, aber mgftijd) unklaren Un*
ermef}lid)keitspbantafieen ber altinbifchen theofophifdjen Kosmologie
unb Kosmogonie, fowie ber mehr auf bie 'Prafis ber ©eftirnbeobad)*

tung befchränkten aftronomifchen 36 itmehkunft ber (Etjalbäer unb


Sgijpter, abfehen, |o beginnen bie ernftlicben Berfud)e, ftd) ein wiffen*

fchaftliches BUb oon bem Bau unb ber ©röjje bes Unioerfums 3U
machen, er[t mit bem (Erwachen eines oom 'Prieftertum befreiten phi*

lofophifdjen unb wiffenfchaftlichen Denkens im hellenifchen Altertum.


<
Die fog. Ph*)Per, bie jonifd)en Dh*I°l°Pb en obwohl . fie bereits über

manche für ihre 3 eit nid)t unerhebliche Kenntniffe ber fdjctnbaren Be»
wegungen ber Himmelskörper Derfügten ,
— fd)on SThales foll eine

Sonnenfinfternis oorausgejagt haben — gingen in ihrer Unfdjauung


noch ®on ber Annahme einer unbeweglichen, ben ©ittelpunkt ber

übrigens auch balb enblid) ober wie bei ben Dnbern unenblich ange*
nommenen ©eit bübenben (Erbe aus, bie, wie eine Scheibe oom
Okeanos umgeben, im ©affer ober in ber ßuft fchwebe, mährenb ber
Himmel ein großes ©ewölbe fei. (Erft bei ben Dqthagoräern unb (Eleaten
unb ben neben biefen beiben Schulen relatio felbftänbig baftehenben

111

Digitized by Google
Baturphilofophen Bnajagoras unb GEmpebokles feljen wir bie erften
Berfud)e auftaucf)en, bie fdjeinbaren Bewegungen ber Himmelskörper

aus einer ©infid)t in bas wirkliche Spftem bes IBeltbaus abäuleiten.


3n>eifetIos f)at fd)on 'Ppthagoras, ober haben roenigftens oiele <Pp.

thagoräer gelehrt, baff bie (Erbe ein kugelförmiger Äörper fei, unb
mehr nod) ,
ba {3 fie fid) um fid> felbft bewege unb nid)t ben wirklichen
Btittelpunkt besBlIs hübe. Dennoch toaren bie ‘Ppthagoräer nod) toeit
entfernt oom eigentlichen fjeliojentrifdjen Spftem, obwohl bie fragmen*
tarifdjen Beriete bisher oielfad) aud) 3 U biefer 'Hnnatjme oerführt
haben. Sie fprachen allerbings in ber lat fd>on oon einem 3entralf euer,
um welches bie (Erbe, bie felbft nur ein ©eftirn fei, fid) brel)e, unb foüen
fo ben 2Ded)fel oon lag unb Bad)t erklärt haben. Hört man aber

bann weiter bei ihnen oon einer ©egenerbe, antichthon, bie fid) eben*
falls um biefes 3*ntralfeuer bret)e, unb baoon, bafj bie Sonne felber

it)r Cidjt unb U)re 2Bärme oon jenem 3entralfeuer erhalte, unb ferner,

bafe bie ‘Ppthagoräer bie ©jiftenä einer ©egenerbe nur angenommen


hätten um ber 3 ^f)n 3 at)I willen ,
ba nämlid) aufjerbem nod) 9 2BeIt*
körper (bie (Erbe, 7 BJanbelfterne unb ber ffiffternl)immel) oorljanben
feien, — fo erfd)eint bas kosmifdje Spftem ber <
f>gtf)agoräer bod) nod)
in red)t 3 weifelt)after, mpftifcijer Beleuchtung. Äopernikus wie aud)
Bruno meinen freilich, bafj bie Ppthagoräer fchon im Befitj ber rid)*

tigen (Einfid)t gewefen feien. Dennod) 3 ollen wir ihnen wiffenfchaftlich


Dielleid)t nod) bas geredjtefte Btafj ber (Ehre, roenn nur ben fog. an-
tichthon nur als bie oon Bntipoben bewohnte halbkugel beuten unb
mit 'PrantI (Briftoteles Bletaphpfik Bnm. 5) annehmen, bafj ihr 5p*
ftem im übrigen noch geo 3 entrifd) war, infofern, als fie bie Sphäre
(fjohlkugel), mit welcher fid) ihnen 3 ufolge bie (Erbe brehtc, in bie un*
mittelbarfte Bähe eines uns nicht unmittelbar, fonbern nur burch ben
Befler ber Sonne fichtbaren mpftifd)en 3cntralfeuers oerlegt haben. —
Daf} aud) Bnajagoras, ber oon bem athenienfifd)en Demagogen Bio*
peithes wegen Atheismus angeklagte Jreunb bes ^)erihles ,
ber ben

IV

Digitized by Google
Monb für einen bewohnten ©eltkörper, „größer als bie Peloponnes",
unb bie Sonne für eine glüljenbe Steinmaffe erklärte, bie bem Monbe
Jein Gießt erteile, ber aud) jogar eine annäljembe richtige Sßnung oon
ber Satur ber Meteoriten fjattc ,
bie (Erbe noch in ben Mittelpunkt

bes Unioerfums oerfeßte ,


toirb uns ausbrüdtlid) bejeugt. — piato
unb Sriftoteles ßulbigten aller ©a^rfdjeinlidjkeit nad) im wefentlicßen
bem Sgftem bes (Eubops unb Äalippus ,
als beffen Vertreter aud)
1
ber oon f)ora3 in feiner Obe 28 Sud) ,
I als wiffenfdjaftlicher fjeros

gefeierte larentiner Srd)t)tas gelten barf, meiner, nadjbem er auf


oielen Seifen bei Sggptern unb Babgloniern aftronomifdje Belehrung
gefugt fjatte, fowoßl in ^ierapolis toie in larent große Sternwarten
errichtete. (Eubops, roal)rfd)einlid) ein Schüler bes Pgtfyagoras, toar
etroa um 408 nor (Efjrifti ©eburt 3U Äg3ikos geboren. (Er unb fein

Sdjüler Äallipos oon Ät)3ikos erklärten bie fcßeinbare Bewegung ber


Himmelskörper burd) Snnahme oon Sphären, Hof)Ikugeln, bie
bie

hon3entrifd) um ben Mittelpunkt ber ©eit, in bem fid) bie unbeweg-


liche ©rbhugel befinbe ,
fid) eine innerhalb ber anberen befinbe unb
fid) oon Often nad) ©eften um eine gemeinfdjaftlidje 2ld)fe brehen.

Sie äußerfte biefer Sphären fei bie 3rijfternfpf)äre. Sa aber eigentlich


nad) biefer Annahme bie ffiefdjroinbigkeit ber Planeten Dom Monbe
bis 3um Saturn in birektem Berhältniffe 3U ben (Entfernungen Hätte
3uneljmen müffen, fo mußte man, um bas tatfäd)lid)e ffiegenteil, fowie
befonbers aud) bie Unregelmäßigkeiten ber Planetenbahnen einiger-
maßen begreiflid) 3u finbcn, auf bas 'Huskunftsmittel oerfallen, baß
je ber planet nod) einer befonberen Sphäre angehöre, bie wieberum
in ber Sd)fe einer 3toeiten Sphäre ftecke unb neben jener einheitlichen

burd) bie Srijfternfphäre beftimmten Bewegung eine rückläufige Don


©eften nad) Often Derfolge. Sie Sichtung ber leßteren würbe burd)
einen bie gan3e Breite bes lierkreifes hatbierenben Äreis beftimmt.

Sa auch biefe Hwothefe noch nicht genügte, nahm man bann noch ein
brittes Sphärenfpftem 3ur Hilfe, unb Äalippos 3ählte fcßon insgejamt

Digitized by Google
33 Sphären. Slriftoteles, beffen fpe 3 iell aftronomifd)e Schriften leiber

oerloren gegangen finb ,


— wir finb auf feine ÜHetaphgfik unb feine
SUejanbrinifdjen Äommentatoren als Jr>auptquelle angeroiefen — ,
foll

bereits 47 fconäentrifdje Sphären gejault haben. 3®rifelhaft ift ba«


gegen, ob Slriftoteles neben ben Bewegungen biefer Sphären aud)
2
fd)on eine befonbere Bdjfenbrehung ber (Erbe gelehrt habe . (Eine felb«

ftänbige 2ld)fenbrel)ung ber (Erbe innerhalb bes fie bonjentrifd) um«


gebenben Sphärengebietes, ift nachweisbar toenigftens Jd)on oon bem
3
jur 3«it bes Briftoteles lebenben Jijeraklibes 'Pontikus behauptet
toorben.
Ber Buf)m, bies fo unanfd)aulid)e unb kompilierte geo 3 entrifd)e
Spljärenfgftem als erfter fdjon im Altertum burd) bas l)eIio 3 entrifd)e
4
Sgftem erfetjt 3 U haben, gebührt bem Briftard) oon Samos . Bon
biefem, ber geboren um 250 o. (Tf)r. ,
aud) fdjon bie (Entfernung bes
Btonbes oon ber (Erbe auf 56 (Erbfyalbmcffer beftimmt t>at, toiffen

mir mit Beftimmtf)eit, baf} er gelehrt tjat, bie (Erbe toie aud) bie übri«

gen Planeten bewegen fid) in krummlinigen Bahnen um bie Sonne;


insbefonbere toirb als eine feiner Behauptungen berichtet , baf) ber

jrjalbmeffer ber (Erbbafjn fid) 3 um Umfange bes Unioerfums oerljalte,

wie ber Mittelpunkt bes Äreifes 3U feinem Umfange, rooburcf) er


augenfdjeinlid) nur bie Unenblidjkeit bes 2BeItalIs I)at anbeuten cool«

len; weshalb er oon Brchimebes getabelt roirb, toeil er einen 'Punkt

in 'Proportion 3 U einer ßinie gefetjt habe. Um bie toeitere ted)nerifd)*

geometrifdje Durchführung unb ben Beweis feiner Jrjgpothefe foll fid)

ber Babglonier Seleukus oerbient gemacht haben. (Es ift, 3 umal uns
bie Schriften biefer beiben bebeutenben Männer nicht erhalten finb,

fd)wer begreiflich, warum ftd) ihnen gegenüber bie geo 3 entrifd)e Bn*
fd)auung als herrfdjenbe hat behaupten können; oermutlich fehlte ihnen
noch etwas an ber mathematifd)en Durdjbilbung bes Äopemikus.
3ebenfalls fteljt feft, bah bas 3IIejanbrinifd)e (Belehrtentum in ber

Bftronomie nicht ihnen, fonbern mit fjippard) (160 — 125) unb 'ptole«

V!

Digitized by Google
mäus (125 o. (Cf)r.) bem kosmologifdjen Sqjtem bes ^triftotcles treu»

blieb. Die UrJadje liegt barin, baf3 bem Ari(tard) unb (einen Bad)*

folgern ein fo mächtiger pf)tlo|opl)ifd)er Batjnbredjer unb JJörberer


gemangelt l)at, roie er in Bruno mit unjerem oorliegenben 2Berke bem
äopernikus gegen ben Ariftotelismus erftanb. Denn es ift War, ba(j

ein fd)äblid)er pb)ilofopf)ifd)er (Einflujj mit (Erfolg aud) nur burd) tjeil«

James pt>tlofopl)ifd)es ‘Denken bejeitigt roerben kann. Aud) ber AJtro*


nom §erjd)el oerkennt keineswegs ben getoaltjam bie fjortfdjritte ber
AJtronomie Ijemmenben (Einfluß ber ariftotelifd)en 'PWloJopWe, welche
Jid) nid)t ba 3 u ermannen konnte ,
bie Dtedjanik bes §immels auf be*
ft
kannte irbifdje Beroegungsgefetje 3 urück 3 ufül)ren; es toar bafjer un*
bebingt erfotberlid), bafj ein Bruno bem in Äopernikus feineräeit roie*

ber erjtanbenen Ariftard) 3 U fjülfe kam unb mit oernidjtenber 'Pole*


mik in ben Ariftotelismus eine Brefcfje legte. Darin eben (ef)e id>

roif|ensgefd)id)tlid) bie epodjemad)enbe unb oornel)mjte Bebeutung


jeiner oorliegenben Dialoge.

Das §auptroerk bes jule^t genannten AlejanbriniJd)en AJtrono*


men , nad) roeld)em jeitbem bas am Steine fyaftenbe oergeblid) oom
Ariftard) roiberlegte ©eltjgftem bas 'ptolemaijdje fjeiW, ein Ce^r-
bud) unter bem urfprünglidjen litel syntaxis pstronomiae, roar bie
Quelle, roeldje bas aftronomifdje ASifJen 3 unäd)Jt bei ben Arabern
unter ber Be 3 eid)nung Almageft unb Johann burd) beren Bermittlung
bei ben Äulturoölkern bes Abenblanbes lebenbig erhielt. Aud) bie

3eitgenoJ(en bes Äopernikus unb Bruno Welten Jid) nod) roe(entlid)


an biejen Almageft, ber nebenbei mit aftronomifd)em Aberglauben
Jtark oerl)un 3 t roorbenroar. Bejonbers mafegebenb roar im 16. 3al)r*
bunbert ein Celjrbud) bes Sacrobosco, de sphaera mundi, roeldjes für
Deutfdjlanb nod) 6 3af)re nad) bem 3af)re (1543), als bas bal)n*
bred)enbe Bud) bes Äopernikus de revolutionibus orbis erfdjien, oon
BleIand)tf)on mit einer, ausbrü<felid) gegen bie Äopernikanifdje Beue*
rung gerid)teten Borrebe, bie Jogar bie Obrigkeit 3 ur tlnterbrüdiung

VII

Digitized by Google
ber „neuen, jo böjen unb gottlofen Meinung" anrief, neu heraus*

gegeben mürbe.
<
Die Meltnorftellung biefes fog. ptoIemäifd)en Sgftems ift nun fol»

genbe: Das 9111 , bie 2BeIt, mundus, I)ier gleidjbebeutenb mit Univer-
sum, im ffiegenfatj 3U Druno ,
ber bas Mort auf bie Melthörper be=
fdjränht, beftefet aus einer ätt)erifd)en unb einer fog. (Elementarregion.

Die Mitte berjelben bilbet bie (Erbe, als bas fdjroerfte „(Element",

barauf folgen nad) bem Mafeftabe iferer 3unet>menben „Geistig heit"


3unäd)ft bas „Majjer", bann bie „ßuft", bann bas „Jeu er", unb
fdfeliefelid) ,
ben Umfang bilbenb, ein fünfter, ätljerifcfeer Stoff, bie
Quintessentia, ein göttlid)es (Element,® aud) bas 2Bejen per eminen-
tiam (ovaia) genannt, aus bem bie fjimmetshörper hefteten. Die
(Erbe unb bas gan3e Unioerjum t)at Äugelform. Denn bie Äuget ift,

ba fid) bei Anfang nod) (Enbe beftimmen lägt, ber „doII«


itjr roeber

hommenfte" Äörper, feat aucf) unter allen Äörpern von gleid)em Um»
fange bas gröfete Dolumen, kann bafeer aud) bie meiften ffiefdjöpfe

faffen. Die (Erbhugel bilbet ben unbetoeglidjen Mittelpunkt im Der«


feältnis 3um äufeerften Äugelumfang, an beffen Bewegung fie teil«

nehmen mufe, 3um DU; fie ift 3roar non oerfcferoinbenb kleiner ©röfee
im Berfeältnis 3ur fjimmelshugel bod) letjtere ift barum keinesroegs
,

als unenblid) 3U benken. Da bie (Erbe unbewegtid) ift, — bie (Ejiften3

oon Dntipoben wirb beftritten — , fo können bie Menfdjen immer nur


bie £älfte ber fjimmelshugel über fid) jefeen. Cetjtere felbft aber be«

ftefet aus neun ober roie man fpäter geroöfenlicfe annafem, 3efen foliben,
aber burd)fid)tigen „kriftallenen" kon3entrifd) ,
ober, roie Bruno ein«

malfagt „groiebelartig" ineinanber gefd)alteten fjofelhugeln, Sphären.


Die äufeerfte biefer Sphären bewegt fid^ oon Often nad) Meften um bie

burd) ben ‘Polarftern unb ben (Erbmittelpunht beftimmte Ulcgfe unb


reifet burd) ifere Bewegung alte übrigen inneren 8 be3ro. 9 Sphären
mit in berfelben Bicfetung fort, fo bafe beren ©efcferoinbigheit eigent»
lieg mit iferer 3unefemenben Räfee 3um Mittelpunkte proportional ge»

VIII

Digitized by Google
fteigert wirb. Daßer orbnete man benn aud) bie bekannten Planeten
nad) ißrer mittleren fcßeinbaren ffiefcßroinbigkeit {o, baß biejenigen,
roelcße [cßneller ißren Ort unter ben Jijfternen änbern, ber (Erbe näße«
ren Sphären 3 ugewie[en würben; oon ber (Erbe ausgeljenb ließ man
alfo 3 uer|t bie Sphäre bes Btonbes, als 3 weite bie bes Dlerkur, als
britte bie ber Benus ,
als eierte bie ber Sonne ,
roelcße in biefem Sg»
[tem felbftoerftänblicß no<ß als 'Planet (BSanbelftem) gilt, als fünfte
bie bes ÜJlars, als fettste bie bes Jupiter, als fiebente bie bes Saturn
folgen. 'Der planetenlofen achten [cßrieb man eine ©efeßwinbigkeit oon
1 ©rab in 1 00 3<*ßren 3 U (fjfig. 1 S. X). Da nun aber, roie bereits oben
,

bemerkt, burd) bieje „ßomo 3 entri[cße" Bewegung ber Sphären, ab»

gefeßen oon ber gletdjförmigen Bewegung ber Jijjterne bie Ungleicß»


ßeit ber 'Planetenbewegung nid)t erklärt werben konnte, }o b>atte man
[<ßon oor 'ptolemäus (Äalippus, ©ubojus) 3U bem Busßülfsmittel
fogenannter ej^entrifeßer Greife [eine 3 uflud)t genommen.
Dieje ejßentriJdjen Äreije aber reiften nur aus, bie fog. erfte Un«
gleicßßeit im Caufe ber Planeten, nämlicß bas aud) beim Blonbe unb
bei ber Sonne 3 unä<ß[t augenfällige halb Jcßnellere, balb langfamere
Boranfdßreiten in ißren Baßnen einigermaßen 3U begrünben. ©ine

3 weite ,
weit merkmürbigere llngleicßßeit kommt aber bei ben eigent*
ließen 'Planeten oor, roelcße barin befteßt, baß ifjre recßtläufige Be»
wegung in gewi[[en 3 eiten aufßört unb [i<ß in eine rückläufige oer»

wanbeit, fo baß, wenn man jie auf einem fjimmelsglobus oe^eießnet,


Schleifen unb Scßlingen entfteßen ,
wie fie bie 3eicßnung ber Benus«
baßn (3rig. 2, S. X) oom 3. 3uli bis 2. De 3 ember 1847 oeranfeßau*
ließen mag.
7
Diefe 3 weite Ungleicßßeit ßatte [djon ptolemäus burd) bie inner*
ßalb [eines Sgftems gewiß ßöcßft [cßarffinnig 3U be 3 ei(ßnenbe Ißeorie
ber ©p^gklen 3 U erklären oerfueßt, inbem er annaßm, baß bie 'pia»
neten nießt unmittelbar in Ärei[en um bie ©rbe laufen, wie Dtonb unb
Sonne, [onbern [i(ß mit gleicßförmiger ffiefeßwinbigkeit in Äreifen be*

IX

Digitized by Google
roegen ,
beren Mittelpunkte fclbft roieber einen Äreis um einen fe{ten
ober aud) felbft toie*

berberoeglidjenMit*
telpunkt betreiben.
*Das SBefen biefer
epiäpklifdjen Setoe--

gung mögen bie JJi*

gur 3 unb 4, S. XI
unbXIIlDeranfcfyau*
liefen.

2Benn ber Äör*


per a (ftig. 3) fid) in

einem Äreifeberoegt,
beffen IRabius ca ift,

unb beffen Mittel*

tfig. 1 punkt felbft roieber

einen Äreis in ber burd) «-« angebeuteten Mutung betreibt, fo er*

gibt fid) leid)t, toie für ben Slick oon t aus, a ber IRei^e nad) bie

Digitized by Google
Punkte b, b4 b s b8
, , ,
paffierenb, eine retrograbe be 3 W. epijgklifrfje, in

fdjeinbaren Schleifen ufw. fortfdjreitenbe Bewegung 3 urü<klegt.

Der Äreis nun, in weitem fid) a in Beäie!)ung auf ben felbft wie*

ber in einem Äreife fortfdjreitenben Mittelpunkt bewegt, wirb ber

QEpiägkel, ber Äreis aber, weldjen ber Mittelpunkt c bes ©p^gkels


betreibt ,
wirb ber beferierenbe Äreis ober Deferent genannt.
3nbes liegt auf
berfjanb.bafobieje ^
Snfdjauungsweife
wenn fie jelbft bem e» f /\JvZ — 1 \

red)nerifcf)en Be»
(
'U/r J
bürfniffe genügte, \ \ \
bodj|o 3 ufagenbem
/ \
äftl)etifd)en 2Bal)r* * |^'\\\' \
l>eitsgefül)le unna* D( T* )T \
oor kommen »»V
- -

türlid)

mufjte. Unb letjte* / /

res fd)eint benn in


\ J
berXataud), nadj* \ /
bembereitsanbere
s
\. /
2lftronomen, u.a.
ber in ben na^f ol*
3rig- 3
genben Dialogen
als Unterrebner eingefüfjrte Jracaftorio bagegen polemifiert unb we»
nigftens für bie Planeten Merkur unb Benus unb berenUmbreljungum
bie Sonne für waf)rfd)einlidjer gehalten fjatte, bas Bebenken gewefen
3U fein, was benÄopernikusl)auptfäd)Iid) aufbiel)eIio3entrifd)e3bee ge»
brad)t t>at. „©erabe bie §auptfad)e", [djreibt er in ber Borrebe feines
bem papfte Paulus III. gewibmeten Merks, „nämlidj bie ©eftalt unb
fgmmetrifdje Bnorbnung berSBelt konnte man auf biefeMeife nidjt fin*
ben ober Verleiten, ©s war fo.als wenn jemanboon baunbbortjrjänbe,

Digitized by Google
Füffe, f) au pt unb anbetc ©lieber, bie 3toar richtig, aber nicht nad)
bemfelben Körper gejeic^net finb unb einanber nid)t entsprechen ,
gu«

fammenftellte, roas nicht einen Slenfchen, fonbern ein Slonftrum geben


roürbe." Demgegenüber roies er in feinem S3 erke nach, toiemel ein»
facher fich fämtliche kosmifd)=geometTifche unb »rechnerifche Aufgaben
Idfen Iaffen, roenn man annehme, nicht bie (Erbe, fonbern bie Sonne
ftehe im SRittelpunkte ber 2Belt, „als ßeuchte, Seele, Segierer ber
2DeIt roie non königlichem Hjrone bie ganäe Familie kreifenber ©e»
ftime, beren eines auch bie (Erbe fei, lenkenb."

Brunos unb Kopernihus toahtes Berbienft um bie


Kosmologie
©leicfjroohl ftiejf feine eben fo klare roie einfach fd)öne Konftruktion
bes 'pianetenfgftems nid)t nur bei ber am finnlidjen Schein klebenben

Caienroelt, fonbern mehr noch bei ben Fachgelehrten, beren (Erbfehler


ja bas im hergebrachten unb Kompilierten oerfteifte Borurteil ift,

auf einen fanatifchen SBiberfprud) ,


unb fehr bebauerlich nmr es, baß
felbft Dt) cho be Srahe, ber berühmtefte Sftronom ber bamaligen 3eit>

ihn bekämpfte. Da trat benn ffiiorbano Bruno für ihn mit feinem
Feuermut unb feiner, ben Kopernikus roeit überflügelnben roiffenfdjaft-
(
lichen Ph an ( a fie in bie Schranken. Kopernikus hatte fich auf bas Sonnen»
fgftem befd)ränkt unb jenfeits ber Sahn bes Saturn, bes entfernteften
ihrer bamals bekannten Planeten, bas ©eroölbe bes F'rfternhimmels
als ©ren3fphäre im Sinne bes ^ptolemäifchen Spftems ftehen Iaffen.

Sruno bagegen, als Denker in heroorragenbfterSebeutung, lieferte nun


ben Seroeis, baff ausnahmsroeife auch einmal bas reine Denken burdt)

Sermittelung feiner Dom Sdjönheits* unb 2Bahrheitsgefül)l geleiteten


Snalogiefchlüffe mehr 3U leiften oermag, als bas Dorf ich tige Dappen bes
(Empirikers unb blojjen Fo^gelehrten; er rijf auch bie letjte Schranke
nieber unb erkannte bie Sonnennatur ber Fifftcrne, neben benen nun
unfere Sonne nur als eine oon un3äl)ligen ©efd)roiftern ben unermeff*

Xll

Digitized by Google
Iid>cn, freien, burd) Sein kristallenes *Deckenget»ölbe begrenjten IRaum
burd)fd)CDimmt.® Jürroafjr, üielleid)t ber küfjnfte 9luck, ben menfd)*
liebes Denken bis bal)in oollbradjt f)at! 2Bie tneit er im übrigen nid)t
nur bie moberne Äosmologie, fonbern aud) bie roi||enfd)aftlid)e Äos»
mogonie, bie eigentlid)e 9taturgefd)id)te bes Rimmels, antiäipierte,
roirb bie Cektüre ber nad)folgenben 'Dialoge lehren.

Sruno toar nod) ein Düngling, als iljm bas ©erb bes fiopernikus
in bie fjänbe kam unb {eine ©eijtesfdjtoingen 3 U einem roeit f)öf)eren

XIII

Digitized by Google
:

Orluge anregte, als ihn fein eigener Eefyrer unb, abgefehen oiefleid)t
oom Briftard), non bem wir leiber nur wenig roiffcn, irgenb ein Bor«
ganger gewagt fjatte. 'Dennod) glaubt er nur, bie alte ©ahrtjeit wie«
ber entbeÄt -ju haben, unb meint, bafe ih'm Äopernihus erft wieber
ben Sinn ber pi)t^agoräifd)en Cehre eröffnet habe; „nid)ts neues un»
ter ber Sonne", war ja fein beliebtefter Denbfprud).

So preift er benn im 2ehrgebid)t de Immenso ben Äopemikus in


f olgenben Berfen

„fjier begrüben roir bid), bu mit berrlidjftem Sinn Begabter,


Deffen erhabenen ©eift ein rühmlos bunftler 3eitftrom
Stimmer bebedit, beb Stimme ber Horen bumpfes ffiemurmel
Jreubig unb frifd) burd)fd)aUt, hodjebler fiopemiltus, beffen
©ahnenbes ©Sort an ber *Pforte ber Qünglingsfeete mir podjte,
Da id) noch mit Sinn unb Berftanb ein anberes meinte,
2lls id) es jebo gefunben bat»’ unb greife mit §änben!
Siehe, ba öffnete Jid) bie lautere Quelle ber 2Baf)rt>eit,

©Sie bein Stab fie berührt, unb glätte bie Schönheit


hellauf
Stun mir ber ©Seit — benn es bat im ©Senbepunhte ber 3eiten
ffiott 3 um Diener aud) mid) bes befferen Hages erltoren, —
Unb roie, roas id) erfcbaut nun taufenb ffirünbe geheiligt,
©Sie bie SJlutter Statur bas lebenbige §er3 mir erfdjloffen,
Da nun roarb mir oergönnt, aud) beiner klaren Beregnung
SStid) 3 U erfreun, ber bu ben Sinn bes Pgthagoras roieber
©3ie bes Himäus ergriffft, bes ijegefias roie bes Sticetes!"

©enn Bruno hier bas Berbienft bes Äopernihus in ebler Begeifte*


rung feiert, fo war er fid) bod) aud) felbftoerftänblid) feines eigenen

3fortfd)rittes über Äopernihus hinaus wohl bewufjt; „Äoperniftus,"


lagt er in ben Dialogen oom Slfd)ermittmod)smahl (W. I, 126 de La-
garde 450, beutle Überfetjung, © I S. 50) „war ein bebeutenber,

forgf ältiger ,
gewtffenhafter unb reifer ©eift, ein ©ann, ber beinern
Bftronomen, ber oor ihm bagewefen, wenn nid)t gar keinem, ber nach
ihm fein wirb, an Berbienften nad)ftet)t, ein ©ann, ber, was natür«

XIV

Digitized by Google
ließe Urteilskraft betrifft, einen «ptolemäus, gippard), ©uboyus unb
alle anberen, roelcße ben Spuren biefer naeßgegangen |inb, weit hinter
ficß lägt: er ift foroeit gekonnnen, weil er oon ben fallen ©oraus*
fetjungen ber gemeinen unb Bulgaren ipßilofopßie, um nießt 3U
fagen Blinbßeit |i<ß befreit ßat; gleicßrooßl ßätte er no<ß weiter

kommen können, toenn er tneniger einfeitig matßematifeß unb meßr


naturwiffenfcßaftltd) befähigt, fid) foroeit gatte 3U oertiefen unb bis
baßin Dor3ubringen nermoeßt gatte, baß er bie unpaffenben unb fal-

fcßen *prin3ipien gätte an ben ©Jubeln erfaffen unb ausroben kön*


nen, um oollkommen alle ißm entgegenfteßenben Sdjroierigkeiten
3U befeitigen unb fid) unb anbere oon fo Dielen unnötigen ©ebenken
bei gan3 gewiffen unb feftftegenben «Dingen frei 3U machen. Ommer«
gin wirb man ben erhabenen ©eift biefes «Deutfcßen nicgt genug
loben können, wenn man bebenkt, wie er mit wenig ^Hücfeficgt auf
bie bumme ©ienge ficg bem Strom ber entgegengefeßten Utnfi<gt feft

entgegengeftemmt unb, oba^ogl bes ©üfoeugs lebenbiger ©rünbe faft


gänslid) beraubt, es bod) oerftanben gat, bie wenigen 3erftreuten unb
trümmerßaften 3-ragmente, bie ißm oon ber belferen SBiffenfeßaft bes

Altertums in bie gänbe kamen, roieber 3U reinigen, 3U fäubem, 3U


glätten unb 3ufammen3ufügen, unb toenn aud) meßr mit bloß matße*
matifdjem als naturwiffenfcßaftließem ©erftänbnis bureß feine red)*
nerifcße Ißeorie unb ©eroeisfüßrung eine fcßon mit bem Stempel ber
ßäeßerließkeit unb©erä<ßtlicßkeit gebranbmarkteSacße 3unä<ßft wenig»
ftens wieber waßrfcßeinlicß 3U macßen unb einigermaßen 3U ©ßren 3U
bringen, gat es alfo aud) biefem «Deutfdjen an 3ureicßenben ©titteln

gefeglt, um nicgt nur mit (Erfolg 3U wiberfteßen, fonbern fogar oöllig

3U fiegen unb ben Orrtum gtünblicß nieber3ukämpfen unb 3U Dernid)»

ten, fo gat et bod) feft geftanben im ©eift unb offen bekannt, baß es
ein unabweislid)er notwenbiger Schluß ift, biefe ©rbkugel bewege ficg

eßer im ©erßältnis 3um Unwerfum, als baß es möglid) fei, bie ffie»

famtßeit [0 großer unb 3agllofer ÜBeltkörper, beren oiele wir als weit

XV

Digitized by Google
A

größer unb erhabener erkennen müffen, könne 3Utoiber ber Batur unb
ifjren ©rünben, bie mit ben finnlid) aufbringlid)ften Bewegungen bas
©egenteil oerkünben ,
biefe als Mittelpunkt unb Bafis if>rer Bahnen
unb SBirkfamkeiten anerkennen. 3Ber mödjte aljo bermafjen unan«
ftänbig unb unjiemli^ fid) 3U bem oerbienftuollen Streben biefes 9Ban»
nes uertjalten, bafj er feine aujjerorbentlicfye Bebeutung ber Bergef«
fenljeit über antro ortete, ba er bod) in 2Bat>rt)eit non ben ©öttern wie
bie Btorgenröte oorausgefanbt worben ift, um bem neuen Aufgang
biefer Sonne ber alten wahren ©iffenfdjaft oorauf3uget)en, nad) Jat>r*

fjunbertelanger Badjt einer blinben, böswilligen, freien unb neibi»

fd)en Unroiffenf)eit; toer möd)te if>n baf)er blofe um bestoillen, toas er

nid)t gekannt t)at, tabeln unb 3U ber großen herbe rechnen, bie fid)

mefjr am Ofjre bes tierifdjen unb gemeinen Autoritätsglaubens leiten

unb fortfdjieben lägt, unb ni<f>t oielmeljr unter biejenigen 3äl)len (

welche oermöge glädtlidjen ©enies fid) burd) bie getreue Jührung bes
Auges ber göttlichen Bejnunft haben weifen unb ergeben laffen bür»

fen! 2Bas aber foll id) 00m Bolaner fagen? Bielleid)t ftel)t mir ber«
fetbe 3U nahe, als bafj id) in if)m mid) felber loben bürfte?"

Unb nah bem 3 itat einer Strophe aus feinem £ieblingsbid)ter


lanfillo, bie es unter 3toei Bebingungen für 3uläffig erachtet, oon
fid) felber 3U reben, nämlich toenn man eine Berleumbung unb herab«
roürbigung 3U bekämpfen fjabe ober bem Bächften baburd) nütjen
könne, fägrt er bann (S. 52 in Bol. I biefer Ausgabe) fort: „ 3 er fo

rigorös fein roill, bas Berühmen feiner felbft unter keinen Umftänben
3U geftatten, möge erft begreifen, bafj es fid) manchmal gar nicht tren«
nen lägt oon bem blofjen Barftellen unb richtigen Beleuchten feiner

eigenen AJerke. AJer roill ben Apelles tabeln, ber fein AJerk ausftellt,

unb jebem, ber es toiffen roill, fagt, bafj es feiner hänbe 2Berk ift;"

unb weift fd)Iieglich barauf hin welche Bebeutung barin
,
liege, toenn
er aud) bas oon Äopernikus noch anerkannte ©etoölbe bes 3rijftem«
himmels in feiner Bidjtigkeit unb bie Sonnennatur ber JJijfterne, bie

XVI

Digitized by Google
,

fetter wieberum nur Sonnen anberer, bem unfrigen analoger 'Planeten-


Jpfteme feien, erkannt fyabe.
Bie Bachwelt muh hierin bem ©iorbano Bruno nod) größere Be-
red) tigkeit wiberfal)ren Iaffen ,
als er für fid) fetter in Slnfprud) neh*

men wollte, Benn er war im ©egenfatj 3ur großen Blaffe bes eigent-
lichen ©elehrtenftanbes eher geneigt, feinen Borgängern im ©iffen 3U
oiel, als 3U wenig Bnteil an eigenen ©rrungenfchaften 3U3ufchr eiben;
fein eigener hombinatorif<her, aud) im ßefen, hn Bneignen fetter fchon
mieber probu3ierenber unb f<haffenber ©eift fcheint inbieihmnorliegen-
ben Bücher oft noch mehr hinein*, als aus ihnen tjerausgelefen 3U
haben; unb fo muhten wir auch feine 9lnfi<ht oon ber ©iffenfdjaft ber
'Pgthagoräer nach bem norher ©itgeteilten 3U feinen ffiunften berich-
tigen, unb ihm, ber oom Briftard) ebenfalls noch nicht gehört 3U haben
fcheint, — fonft würbe er bei feiner 9ld)tung nor ber hiftorifchen Kon-
tinuität bes ©ijfens ihn gewifj erwähnt haben ,
— bie (Et) re 3uer«

kennen, in ©ahrheit ber erfte gewefen 3U fein, ber bie Sonnennatur


ber (fiffteme ,
bie ®jiften3 ihrer unfid)tbaren Planeten, unb wie bie

folgenbe Schrift bes weiteren 3eigen wirb ,


bie Uninerfalität ber ir»

bifchen ©efetje, bie ©Ieichheit ber kosmifdjen Stoffe, bie ©ehrheit be-
wohnter ©eiten, ja fogar ben ©ntwicklungspro3e& bes ©eltalls, wie
er erft oon Kant unb Caplace bargeftellt wirb ,
noraus erkannt unb
klar unb beutlid) im fgftematifchen 3ufanrmenhang oertreten hat.
Biefe Uberfetjung bürfte jeben oorurteilslofen Cefer non ber ©ahr-
heit ber Behauptung über3eugen, burch welche mich (Eugen Bühring
in einem Briefe oom 17 September 1889
. anregte, nach ber Veraus-
gabe ber ihm bamals überfanbten Berbeutfdjung bes spaccio 3unä<hft
biefe Bialoge in Angriff 3U nehmen, „©einem oerbinblichften Banke"
fchrieb er, „kann ich nur bie Bemerkung hin3ufügen, bah es wün»
fchenswert wäre, wenn fid) jemanb fänbe, bie kosmifd)e Jrjauptfd)rift

Brunos oon ben ©eiten 3U überfehen; benn Bruno ift meiner Über»
3eugung nach ber einige moberne Bepräfentant bafür geblieben, bah

CB iorbano Bruno Sb. III


XVII
Denker für bas ÜBiffen non ber Batur ausnahmsroeife, b. h- roenn

fie hn f)öd)|ten ©tafte Denker finb, mehr Ieiften als Spejialiften."

3n bem Beroufjtfein, burd) bie Berbeutfdjungen ber bebeutenbften

Sänften Brunos mid) roeniger um bie ffötberung ber pon ihm er*

rungenen unb im roe|entlid)en Iängft 3um roifjenfd)aftlichen ©emein*


gut geworbenen 2Baf)rt)eiten, als um bie ©eredjtigkeit 3U bemühen,
bie einem ber bebeutenbften 2Renfcf>en innerhalb bes ©eleijrtenberei^s
unb ber 2Bifjensgefd)id)te nod) jat)rl)unbertelang nad) feinem Btär*

tgrertobe nerfagt ,
ja teilroeife gefliffentlid) unterfd)lagen toorben ift,

glaube id) tjier ,


benor id) non ber rein natunoiffenfdjaftlidjen Seite

bet Schrift 3U ihrer pt)iIofopt)ifd)en übergebe, nod) eine Bemerkung


über Brunos ©enialität unb Originalität nid)t oorenthalten 3U bür*
fen. ffierabe biefes Überfe^ungsunternetjmen ,
bas id) fo3ufagen als
Bedjtsanroalt eines bis in bie neuefte Qeit hinein iri untnürbigfter

ÜBeife um ben nerbienten ©rab bes Bad)ruf)ms betrogenen, ja nal)e3u


totgefd)toiegenen ©enius in Eingriff genommen habe, t)at ältere fd)roäd)*
lid)e Eingriffe gegen feine originale Bebeutung oon feiten folget er*
10
neuert, bie it>n kaum 3U kennen, gefdjroeige benn 3U nerftefyen Jd)ei*

nen. Derartige Kritiker könnten fid) nun, roenn fie it>n ftubiert Ratten,

fdjeinbar gerabe auf Bruno felbft berufen, ber roie kaum ein anberer

Sd)riftfteIIer bie größte (Ehrlichkeit tn ber 9ld)tung fremben geiftigen


Eigentums an ben lag legt; fie könnten, um ihm bie fog. Originalität
ab3uftreiten unb ihn 3U einem blofc ftark belefenen, eklektifd)*re3ep*

tioen Kopfe herabjuroürbigen, ber neben fo originellen ©eiftern, roie

Cartefius, Spino3a unb ßeibni3 nicht rangieren könne, auf bie 30hl*
reichen, bei ihm 3um Bad)toeis ber Kontinuität bes menfd)Iichen 2Bif*

fens aufgebeckten Quellen feines SBiffens darauf aber


mürbe man nicht beffer als mit einem Bekenntniffe ffioethes erroibem
können. „Das größte ©enie", fagt ©oett)e, „roitb niemals etroas

inert fein, roenn es {ich auf feine eigenen Jfjülfsmittel befd)ränkt. ffias
ift benn ©enie anbers, als bie Fähigkeit, alles, roas uns berührt, 3U

XVIII

Digitized by Google
ergreifen unb 311 Derroenben, allen Stoff, ber (id) barbietet, 3U orbnen
unb 3U beleben, hier ©armor unb bort (Er3 3U nehmen unb baraus
ein bauernbes ©onument 3U bauen? — ©as roäre id) unb roas
mürbe oon mir übrig bleiben, toenn biefe Hirt ber Aneignung bie ©e»
nialität gefäijrben (ollte? ©as habe id) getan? 3 d) habe alles, roas
id) geje^en, gehört, beobachtet habe, gefammelt unb oerroanbt; id)

habe bie ©erbe ber Batur unb ber ©enfehen in Hlnjprud) genommen.

3 ebe meiner Schriften ift mir oon taufenb oerfdjiebenen ‘Perfonen,


oon taufenb oerfdjiebenen 'Dingen 3ugefüf)rt roorben; ber ©eiehrte
unb ber Unroiffenbe, ber ©eife unb ber lor, Äinbljeit unb Hilter haben
ba3u beigetragen. ©röfjtenteils ohne es 3U ahnen, brachten fie mir
bie ©oben ihrer ffiebanben, ihrer Fähigkeiten, ihrer (Erfahrungen,

oft haben fie bas Äorn gefät, bas ich erntete, ©ein ©erb ift bie

Bereinigung oon ©efen, bie aus bem ©an3en ber Batur entnommen
finb. Dies führt ben Barnen: ©oethe."

3 n biefem Sinne (Eblebtifter bes großen Buches ber Batur unb bes
menfd)li<hen ©iffens roar auch Bruno, aber ein (Eblebtiber oon ber»

mafoen originaler ©enialität, bafj er nirgenbs bie Jrjerbunft ber oon


ihm oerbauten ©aterialien 3U üerheimlidjen fid) oerfud)t fieht, ja fo»
gar, roie roir gefehen haben, feinen Borgängern oft einen größeren
Berbienftanteil an feinem ©erbe 3011t, als ihnen 3ubommt. 3hm aber
gebührt oor allem eine HInerbennung — biejenige bes in feinen Scfjrif»

ten fid) offenbarenben unb beren (Errungenfchaften roefentlid) erft be»

bingenben h°<hfinnigen (Eharabters, feines ©utes unb feiner ©af)r*


haftigbeit. Ohne ©ut ift bas ©iffen unfruchtbar. *Das allem Beib
trotjenbe Denkmal alfo, roelches Bruno fid) in feinen ©erben errichtet
hat, oerbient nicht blofj bie §ora3ifd)e 3 nfd)rift:
„(Ero’ger fd)uf id) als CEr3, höher als ßönigsmad)t
Dpramiben fid) türmt, mir ein ffiebädjtTiismal,
“Das kein ftürsenber (Bufj, keines Orkans (Bemalt

XIX

Digitized by Google
3» erfd)üttern oermag, noch ber unenbltdje
Strom ber Qahre 3 erftört ober ber 3<i*« n 3rlud)t.
9tid)t roerb’ gan 3 id) oerge^n; über bae ©rab hinaus
Dauert meiner ein leil; fpät noch im ©nketmunb
2Däd)ft mein Dame — ",

fonbern aud) bie non Cukretius auf (Epikur gewerteten Berfe:


„Bid)t ber ©ötter Buf, nod) Büße, nod) brohenbe Donner
Schreckten ißn ab; fie regten oielmehr nur fd)ärfer bes ©eiftes
SngeftTengeten Blut, bie fRiegel nieber3 ubred)en,
Unb ber erfte 3 Ufein, bie Batur aus bem fierker 3 U löfen.

aifo hat obgefiegt bie lebenbige Äraft, unb fein ©eift brang
über bie ©ren 3 en hinaus ber Jlammemoölbung bes Äthers,
fjorfdjte mit ©eift unb Sinn bas unermeßliche TDeltall;
Don ba kam er als Sieger 3 urück unb lehrte, toas fein kann
Unb mas nicht, unb toie befd>ränkt burch bie eigenen Äräfte
3eglid)em Dinge ein 3'«lf «in enbliches Blaß ihm gefteckt fei*
Lucretius rer. nat. I v. 55 — 67
^eutjutage noch muß fein Barne toachfen, toährenb berjenige man*
eher bis baßin unbeftrittener Originalitäten ,
bie fid) einen toenn auch

jahrhunbertelangen Beklameruhm auf feine Unkoften erroorben ,


in*

bem fie feine Schriften ausnutjten unb oerfd)tDiegen, abnehmen muß.


3u leßteren gehört nicht nur ber Hebräer Spinoza ,
ber übrigens für
Brunos naturn>iffenfd)aftliehe (Einfichten nicht einmal empfänglich ®ar,
fonbern nur einige feiner philofophifchen, oft auch irrtümlichen For-
meln in bem Stile feiner angeftammten Baffeneigentümlichkeit 3U
11
einer „(Ethik“ fruktifigierte ,
fotoie ßeibnfe ,
fonbern fogar fchon,
toorauf hier rool)l 3 uerft aufmerkfam gemacht roerben bürfte, Des*
cartes, ber fog. Bater ber mobernen *pf)iIofopf>ic- (Es ift nicht ohne
Ontereffe, 3 U konftatieren ,
baß f<hon ein 3eitgenoffe bem Descartes
beffen oerfchtoiegene Anlehnung an Bruno nebft gleichseitig noch babei
heroortretenbem Diangel an toiffenfdjaftlichemDtut in bemBehenntnis
ber Brunofchen naturroiffenfchaftlid)en (Einfichten oorgerückt hat. (Es

ift bies ber feingebilbete Jefuit 'Petrus Daniel £uetius, geboren 1630

XX

Digitized by Google
ju (Eaens, {pater ®ijd)of oon Soif|ons, ber urjprünglid) ein Spüler
'Descartes, bann 3U jenem Sheptijismus, ber für ben (Blauben *piah
macht, übergetreten, {einem ßeljrer in einer 1690 erfdjienenen „Cen-
sura philosophiaeCartesianae“3Jlangel an pi)iIo{opi)i[d)em „Candor“
unb fiter arifdjer (Ehrlichkeit in folgenben Sähen Dorroirft:
Desiderasses et candorem in multis! Ita enim est: si opi-

nionum ejus cursum circumspiciamus causas, argumenta et

consequentias, saepissime eum vel receptis Christianae Fidei

dogmatis, vel temporibus, lodsaut person is vel propositis jam


a se prindpiis serviisse nec quid verissimum, sed quid sibi

tutum aut doctrinae suae aptum consentaneumque esset, fuisse

secutum apparebit Exempla de multis pauca religam: illud

im prim is quod proxime attigi. Cum ex infinitate et in-


numerabilitate mundorum multa sequi videret Christianae
pietati adversaria, egregie hoc commento nos ludificatum iri

credidit, si mundum doceret non esse infinitum, sed indefini-


tum. Cum acciperet Oalilaei sententiam de motu terrae Ro-
mae fuisse damnatum et Galilaeo tarnen ac Copemico pror-
sus in eo assentiretur totamque Physicam suam ad id ac-
comodasset, veritus ne sibi parem procellam conscisceret,

Principiorum suorum opus jam confectum et praesto para-


tum primo premere decrevit, deinde dolo agere coepit et

terrae motum annuum diumumque retinens nec quicquam


delibans de natura motus definitionem ipsam mutare et me-
ditatis ac simulatis verbis Philosophos universos circum-
venire agressus est
1*
Ergo motum dixit non esse id quod
vulgo creditur, nempe actionem, qua corpus ex uno loco in
alium migrat, sed translationem corporis ex vicinia eorum
corporum quae illud immediate contingunt et tanquam quies-
centia spectantur, in viciniam aliorum. (Princip. Cartes II,

§ 24 — 29) Quae etsi infinitis laborare vitiis pro sua sagacitate

XXI

Digitized by Google
;

intelligebat, maluit tarnen Philosophorum quam S. R. E. Car-


dinalium censuram et animadversionem experiri.

Quid est vero, lectoribus fucum facere, si hoc non est?


Quanto aequius erat et convenientius Philosopho candide
agere et motum motum appellare etc etc!! p. 214 eod: Ex-
tltit vero inter novitios Philosophos Jordanus Brunus quidam

Nolanus, quem Cartesianae doctrinae antesignanum jure di-


cas; adeo accurate omnem propemodum ejus compositionem
praesignavit in eo libro, quem de Immenso et Innumerabili-

bus inscripsit. Nam et universi infinitatem et mundorum in-

numerabilitatem tuetur et duo esse vult astrorum genera,


soles et tellures, hoc est, stellas fixas et planetas, circa singu-
los soles ingens esse spatium aethereum, in quo tellures vol-

vantur, ut circa hunc nostrum solem Terra, Saturn us Jupiter


caeterique Planetae; atque ideo quot soles sunt sive fixae
stellae, totidem mundos diversis intervallis a terra semotos,

cometas esse de genere planetarum, terram nativo igne fre-

tam esse; mundi hujus igneum elementum esse solem ipsum


ignem non alio modo in sole esse quam in astris.

Sed ne nimius sim, librum legi velim: qui fecerit, feret

operae pretium et quam pulcre ei cum Cartesio conveniat,


cognoscet.
„3n Dielen ‘Punkten lagt er aud) (Ehrlichkeit Dermiffen. Damit Der«

hält es fi<h jo: 2Benn toir ben Derlauf feiner Meinungen unb feine

Argumente unb Folgerungen beobadjten, fo coerben mir finben, bafj


er biefe burdjroeg ben anerkannten (Blaubensbogmen ber chriftlidjen

kirdje unb fogar3eitumftänben,OrtsDerpItniffen unbiperfonen unter«

roirft unb nicht ber 2Baf)rf)eit, fonbern bem, roas if)m unb feiner Dok«
trin am nütjlicfyjten 3 U fein fdjeint, nacf) 3 uftreben fdjeint. 3 d) könnte
bafür Diele Seifpiele anfüpen. 9lur eins liegt mir l)ier am näd)ften. —
Da er falj , bafj aus ber Unenblüpeit unb 3^Hofigkeit ber Dielten

XXII

Digitized by Google
oieles für bie <hriftliche Frömmigkeit Unpaffenbes gefolgert roerben
kann, glaubte er uns baburch irrefüt)ren 3U können, toenn er lehrte,
bie ©eit fei nicht unenblid), fonbern unbefd)ränkt. Rls er erfuhr, bafj

bie Cet)re bes ©alilei oon ber Beroegung ber (Erbe in Rom oerbammt
roar ,
nad)bem er bem ©alilei unb Kopernikus feine ganje 'pfjgftk

angepafct hatte, fürstete er, ein gleiches Unwetter könne über itjn

fyereinbrechen, befdjloft baijer anfangs, bas fdjon brudtfertige ©erk


feiner ^Prinjipien 3U unterbrächen, begann aber bann argliftig 3U han«
beln unb ohne Umftänbe bie Begriffsbeftimmung ber Beroegung barin
3u änbern unb <
oerfuchte allen pt)iIofopt)en mit I)eud)lerifd)en ©orten
Sanb in bie Rügen 3U toerfen. (Er fagte alfo, feine Beroegung fei nicfjt

basfelbe, roas gewöhnlich fo genannt toerbe, nämlich bie Tätigkeit,


burd) bie ein Körper feinen Ort oeränbert, fonbern bie Überführung
eines Körpers aus ber Radjbarfdjaft fold)er Körper, bie ihn unmittel«
bar berühren unb f (heinbar in Ruhe oerharren ,
in bie Rachbarfchaft

anberer (Princ. Cart. —


n, S. 24 29 ). Obtoohl fein Sd>arffinn bie
Fehlerhaftigkeit biefer Definition erkannte, wollte er bod) lieber ben
label ber “Philofophen als eine 3enfur bes hodpoürbigen Kollegiums
ber Karbinäle auf fid) 3iehen.

©enn bies nid)t f>eigt, ben ßefern Dunft 3U ma<hen, fo weih ich es
md)t. ©ieoiel fd)i<kli(her unb angemeffener wäre es geroefen, als
<

Ph«ofoph offen unb ehrlich 3U hanbeln unb Beroegung Beroegung 3U

nennen ufro. — S. 214 Unter ben neueren Ph^°f 0 P^) cn


bafelbft:
<

aber ragt ein geroiffer ffiiorbano Bruno aus Rola hcroor,


ben könnte man mit Recht einen Borläufer ber (Eartefiani»
fd)en ßehre nennen; fo genau hot biefer faft fein gan3es Sgftem
in bem Buche bas ben Üitel führt ,Bom Unenblichen unb ben 30hl*
,

lofen ©eiten“, oorgebilbet. Denn er behauptet foroot)! bie Unenblich*

keit bes 2Uls als auch bie Un3aljl ber ©eltkörper ,


unb bah cs 3®ei
Wirten oon ©eftirnen gebe, Sonnen unb (Erben, b. h- F‘fltcrnc unb
©anbelfterne ,
bie ein3elnen Sonnen umgebe ein ungeheurer $tl)er.

XXIII

Digitized by Google
raum, in bem fid) ihre (Erben um fie beroegen, rote um bie[e unfere

Sonne biefe (Erbe, Saturn, Jupiter unb bie übrigen *pianeten, unb
best)alb roeil bie Jijfterne Sonnen feiert ,
gebe es eben|ooieI in oer«
fdjiebenen 3 n>if<henräumen oon ber (Erbe getrennte ©eiten, bie £o»
meten aber gehörten 3ur ffiattung ber ‘Planeten, bie (Erbe fei aus ur*
fprünglidjem Jeuer entftanben; bas feurige (Element biefer ©eit fei

bie Sonne felbft; bas Jeuer fei nidjt in anberer ©eife in ber Sonne
als in ben Sternen. Um nid)t 3U roeitläufig 3U roerben ,
roünf^e ich,

bas Bud) möge gelefen roerben; roer es Heft, roirb es ber ©ühe roert

finben unb erkennen, roie fd)ön (Eartefius bamit übereinftimmt."


©enn ^ier ein Jefuit unb katljolifcher Bifchof bie bosmifcfyen Sd^rif-

ten Brunos nid)t nur 3U kennen gefteljt, fonbern if)r Stubium unb
iljre Bergleidjung mit Bescartes für operae pretium, ber ©ühe roert

erklärt unb anempfiehlt, „legi velim“, fo kann bod) roahrlid) für bie

beharrliche Berfdjroeigung Brunos bur<h Bescartes, Spino3a unb


ßeibni3 bie Jurcht oor Onquifition keinen (Entfdjulbigungsgrunb ab»
geben unb liegt ber Berbad)t, für „original" gelten 3U roollen, roeit
13
näher, obroohl aud) ber ©angelan ©ut nicht eben eine fchöne Busrebe

gegen ben Borrourf eines ‘Plagiates im feineren Sinne fein bürfte.

Kritik ber UnenbHchkeitsibee ©iorbano Brunos


9lad)bem bie pofitioe Schranke bes alten 9lri[totelif<h-‘Ptolemäifd)en
©eltalls,bie §of)lkugel eines alles umfchlie&enbenjijfternfirmaments

für Bruno befeitigt roar, jchroeifte bas geiftige Buge ins ©ren3enlofe.
©it ber (Erkenntnis, bah bie Jijfterne felber Sonnen feien, umgeben
oon ‘pianetenroelten, roie bie unfere, nahm ber Begriff bes ©eltalls,
ben bie anbere ßlnfidjt auf biefe (Erbe befchränkt unb beengt hatte,

eine ins Unfaf}Ii<he, Biefenhafte fid) ausbehnenbe (Erhabenheit an;


unb augenfcheinlich ift es bas (Befühl biefer (Erhabenheit geroefen,
roas ben Bolaner oeranlafct hat, feine roi[fenfd)aftlid)e (Einficht in bem

XXIV

Digitized by Google
phi!ofophifd)en Satj gipfeln 3 U laffen, bas 3111 fei nid)t blofc oon deiner
Schranke begren 3 t, Jonbem (objektio) unenblid), es gebe keinen leeren
Kaum, fonbern nur einen unenblidjen Btherraum mit (objektic) un*

3 adligen SBelten (3Beltkörpern). (Et ftür 3 t fid) hier mit mehr poetifcher
Begeiferung ,
als kritifcher Befonnenheit in bie liefe bes Unenblid)»
keitsproblems; unb biefe metapt)g[i|d)e Seite feines 3Berks ift oon
(einem pofitio toiffenfc^aftIi<f)en (Behalte rooijl getrennt 3 U galten.
Klan kann Brunos Sieg über bie 3Iri[totelifd)e fdjolaftifdje Äosmo»
Iogie rückhaltlos oollauf toürbigen unb barf gleichwohl in ber philo»

(ophifchen Äritik ber Unenblichkeitsibee eher bem 31riftoteles, als bem


Kolaner beipflichten.

Bie (Erfahrungswiffenfchaft ,
bie 3Iftronomie insbefonbere, ift in*

kompetent, ben Streit, ob bas 2BeltaII, — roohloerftanben nicht ber


Bnfchauungs* (ober ffiebanken«) Kaum, fonbern ber gefüllte 2Birk«
Iichkeitsraum ,
bie Blaterie — unenblich fei ober nicht, insbefonbere,
ob bie 3ahl ber 2BeItkörper eine (begren 3 te) beftimmte fei ober nicht,

3 u entfeheiben.

3unäcf)ft hat freilich (cheinbar jebe Schärfung unferes optifdjen

3Bahmehnrnngsoermögens burch bie Berbefferung ber Jemtohre ber

Brunofchen Unenblichkeits * unb Un 3 ählbarkeitsibee recht gegeben.

Obwohl f<hon Iplinius bas Unternehmen bes Jrjippard), bie Sterne 3 U

3 ählen, für oermeffen unb unfinnig (rem Deo improbam) erklärt

hatte, fo lieferten boch 3 U Brunos 3eit bie ohne jfjülfe oon Jemröhren
angefertigten Sterra>er3 eichniffe fcf)lief}Ii<h nur bie relatio je^t hö<hft

gering erfcheinenbe 3ln3ahl oon 1 000 bis 1 500 Sternen 2. bis 5. ffiröfce.
Blit fjülfe bes erft nach Brunos lobe erfunbenen unb fortfd)reitenb

oerbefferten lelefkops war man bis 3 U ben fiebgiger Jahren bes 19.

Jahrhunberts bef^äftigt, bie Äataloge bis 3 ur 10 . ffirö^e fort3 ufüh*

ren unb konnte b am ach ein ungefähres (Ergebnis oon 200000 JJijr»

ftemen mutmafjen. Seitbem aber hat uns bie wiffenfd)aftliche Äunft


ein neues Buge geraffen, nämlich bas „Photographie 31uge",

XXV

Digitized by Google
beffen Sehkraft id) I)icr am beften einen Rftronomen, ben bekannten

5ran3 o|en (Tonrille Jlammarton, in feiner oortrefflich popularifieren*

ben SBeife befc^reiben Iaffe:

„tiefes Rüge hat ungefähr einen ÜJteter im 'Durdjmeffer unb 15 cm


liefe. Sein ÄriftaÜin ift aus einer riefigen ©iaslinfe gebilbet, unb
feine Retjhaut aus einer feJ>r empfinblichen d)emifchen 'platte.
(Ein Riefenauge, bas in oier Sejtehungen bebeutfame Sor3 Üge cor
bem unfrigen befitjt: es fieijt fdjneHer, roeiter, langer unb hat über*
bies bie koftbare (Fähigkeit, alles, roas es fieljt, 3U fixieren, 3 U brücken,

3U bewahren.
1
Schneller: 3n / l000 Sehunbe photographiert es bie Sonne, ihre
cfrlecken, ihre 'Protuberan 3 en, ihre flammen, ihre 3reuerberge auf
einem unoergänglichen Dokument.
SBeiter: ©egen hrgenb einen 'Punkt bes fjimmels in tieffter Rad)t
gerichtet, entbeckt es in ben Rbgrünben ber Unenblid)keit Sterne,
RJelten, Schöpfungen, bie nie unb nimmer unfer Rüge mit JF)ülfe eines
lelefkops 3 U erblichen oermöchte.
ßänger: 2Bas mir nach mehreren Sekunben aufmerhfamen §in*
blichens nicht 3 U fehen oermögen, toerben mir überhaupt niemals
fehen; bas neue Rüge braucht nur lange genug hinjublkhen unb roirb

nach einer ©iertelftunbe mahrnehmen können ,


roas es früher nicht
gefehen, nad) einer Stunbe roirb es noch beutlicher fehen unb je länger
es bem Unbekannten 3 ugeroenbet bleibt, befto beffer unb klarer roirb

es basfelbe ohne Rnftrengung erblichen.


Ruf biefer Retjhautplatie hält es alles feft, roas es gefehen. Unfer
Rüge beroahrt bie Silber blofc einen flüchtigen 3Roment. Rehmen Sie
beifpielsroeife an, bah Sie einen Rlenfchen totfchlagen, in bem Rügen*
blicke ,
ba er in feinem 2ehnftul)l ruhig fi^cnb bie Rügen auf ein hell

erleuchtetes 3fenfter gerichtet hält (biefe Rnnahme hat nichts Über*


triebenes, auf einem 'Planeten, beffen Jämtliche Sürger Solbaten finb

unb einanber burchfehnittlich 1 100 per lag umbringen), bah Sie ih m


XXVI

Digitized by Google
bann bie ©ugen ausreißen (mir haben (oeben ge|agt ,
baß es fid) um
einen ,<Jeinb‘ ijanbelt) unb biejelben in eine ©Iaunlöfung taud)en.

Dieje klugen roerben bas Bilb bes fjenfters mit feinen bunklen ‘Rah-
men unb ben gellen Scheiben fefttjalten. ©ber im geroötjnlidjen ßaufe
ber Dinge beroafjrt unjer ©uge bie Silber nid)t .... es mären ihrer

übrigens gar 3U oiele. Das Siefenauge, oon bem mir fpre^en, hält
ödes feft, roas es fielet . . . man brauet nur bie Setjfjaut ausju»
medhfeln.

Diefes neue ©uge ift bas pf)otograpf)i|d)e ©uge.


Die bebeutenbften 'Hftronomen ber ©Seit Ratten fid) im ‘Parifer Ob*
feroatorium oerfammelt, um über feine fofortige ©nroenbung 3U einem
neuen unb oollftänbigen Stubium bes geftirnten Rimmels 3U ent*

fcßeiben.

©roßartige ©tufter oon ^otograpijteen bes ©tonbes, ber Sonne,


ber Sterne, ber Planeten felbft rourben bem Äongreffe oorgelegt unb
haben ge3eigt, roas man alles oon bem neuen ©erfahren erroarten
könne. ©tandje <pf)otograpt)ieen 3eigen uns bie Ärater unb Bergketten
bes ©tonbes ,
toie man fie auf eine (Entfernung oon oie^ig ©teilen
feljen mürbe.
Diefes Buge fiet>t bemnad) erftens roeiter, beffer unb ohne (Er*

mübung. ©tan photographiert h«ut3utage bie Bliße, bie man bann


auf bem £fifd)ee mit ©tuße ftubieren kann unb bie uns bie titanifd)en
Äämpfe bes elektrifchen Runkens 3eigen, roelcher, inbem er ben ßuft*
03ean burd^uckt, auf taufenbfadje Jrjinbemiffe ftößt, taufenbfachem
©iberftanb aller Srt begegnet, bie feine Sichtung oeränbern unb ihm
oft bie unregelmäßigen Beroegungen auf3roingen. ©tan photogra*
phiert ein <Pferb im ffialopp ,
bas plößlid) unbemeglid) erf<heint, man
photographiert einen Sdjnell3ug ,
einen Äanonenfdjuß unb bas über*
raf<hte ©efdjoß mirb auf feinem ffluge feftgebannt.

3aroohI, biefe künftlidje Seßhaut fief)t raf<her unb beffer. Unb kraft
einer roieber gan3 entgegengefeßten Fähigkeit oermag fie in liefen

XXVII

Digitized by Google
etnjubringen ,
wo wir niemals etwas [ef)en unb nimmer etwas |ef)en

könnten. Das ift oielleidjt ifjre oerblüffenbfte ©igenfehaft.

ßegen wir unjer Uuge 3. B. an ein ©ohr, beffen Objebtio 30 3«n*


timeter inneres ßid)t f>at; es finb bies bis je^t bie beften Dnftrumente,
bie in ben Obferoatorien prabtifd) benutjt werben. 3n biefer ßünette

oon 30 ßentimeter Dur<f)mefjer unb nierti)alb ©teter ßänge entbedten


wir bie Sterne bis 3 ur 14. ©röjje, was Jo Diel fagen will, als unge«
fäfjr 44 ©Unionen Sterne jeber ©röjje.

©rfetjen wir nun unjer Uuge burd) bie Photographie ©etjhaut.


Sofort werben bie ftrai)Ienbften Sterne auf bie glatte einwirben unb
bort il)r Bilb Der3 eid)nen. <Jünf laufenbftel einer Sebunbe werben
für einen Stern er jter ©röjje genügen ,
ein ^unbertftel Sebunbe für
Sterne 3 weiter ©röjje, brei Jjjunbertftel für folt^e britter ©röjje; ein
ßeljntel Sebunbe für ©eftirne oierter ©röjje , 3 wei 3ei)ntel für bie
fünfter Orbnung unb fünf 3ef)ntel für fo!d)e Sterne, welche 3ur jed)>

ften Orbnung gehören. So hat bas Photographie Uuge in weniger


als einer Sebunbe all bas gelegen, was wir mit unbewaffnetem Uuge
wa^rneijmen bönnen.
Uber bas ift noch gar nichts. 2Iu<h bie im Dnftrumente fid)tbaren
telefbopien Sterne reagiren auf bie ‘platte unb Der 3 eid)nen bort ü)r

Bilb. Bie ©eftirne fiebenter ffiröfce bebürfen ba 3 u einer Sebunbe, bie


ber adjten bas breifad)e ber 3«ttr bie ber neunten ad)t Sebunben, bie
ber 3 el)nten 3 wan 3 ig Sebunben ,
bie ber elften ©röjje eine halbe ©U»
nute, bie ber 3 wölften 3 wei ©Unuten, bie ber breijeljnten fünf ©tinu*

ten, ber oie^ehnten enblid) breije^n ©Unuten.


©Sir werben bemnad), wenn wir bie ‘Platte eine Biertelftunbe hin*

burd) ausgejetjt liefen, auf berfelben ben gan 3 en jFjimmelsraum, auf


welchen fie gerietet war, photographiert finben, unb alles, was biefe
©egion befitjt, alles, was wir mit Unwenbung oon unenblid)er ©tühe
hätten entbedten bönnen, W03U wir mühfamer unb langwieriger ©lef*
fungen beburft hätten, ©ine Unjahl oon Upparaten berart aufgeftellt,

XXVIII

Digitized by Google
bafj fie ben gan 3 en fjimmel umf affen mürben ,
mürbe auf einer im*

menfen Karte alles bas fixieren ,


roas bie beobadjtenbe Qlftronomie
jtubieren bann unb roas man nur nach mehreren 3 ahrhunberten hätte
erjielen können.

Doch mir finb erft ba, roo bas eigentlich ©unberbare beginnt.

©enn mir bas photographtfdje 2Iuge ftatt bes unfrigen blieben taf-

fen , fo roirb es in bas Unbekannte etnbringen. 'Die Sterne ,


bie für

uns un|id)tbar finb, merben für basfelbe fid)tbar. 3tad) 33 ©inuten


roerben bie Sterne 15. ©röfje if)r Bilb ber chemifdjen Behhaut ein*
geprägt haben. Basfelbe Onftrument, roelches bem menfd)li<hen Buge
bie ©eftirne 14. ©röfje ßeigt unb bas am gan 3 en Fimmel ungefähr
44 ©illionen Sterne oer 3 eid)nen mürbe, 3 eigt bem Photographien
Buge 134 ©illionen oon ber erftenUnter|ud)ung an, um bie 15. ©röfje
3 U erhalten. Bei ber 3 toeiten Bachforfdjung mürbe es nach
c * ner

Stunbe 20 ©muten bie ber 16. ©röfje erreichen unb bem oerblüfften
Staunen bes Beobachters einen leudjtenben Staub oon 400 ©iüionen
Sternen 3 eigen!
Niemals noch, roäljrenb ber gan 3 en ©efd)ic^te ber ©enfehheit, h a ^ e

man bie ©acht in §änben, |o tief in bie ©eiten ber Unenblichbeit 3U


bringen. Burd) bie neuen BerooHbommnungen fixiert bie 'Photographie
beutlich bas Bilb jebes Sterns ,
roelches immer feine (Entfernung fei,

unb hält es auf einem Dokument feft, bas man fpäter mit ©ufje (tu*

bieren bann, ©er roeifj, ob nid)t eines lages eine neue ©etfjobe ber

Bnalgfe bahin gelangen roirb, auf ben Bilbem bes ©errs unb ber
Benus bie Beroohner 3U entbedten? Unb feine Kraft erftredit fich bis
ins Unenbliche. Ba ift ein ©eftim 15., 16., 17. ©röfje, eine Sonne
roie bie unfrige, bie fo roeit oon uns entfernt ift, bafj fein Cidjt lau*
fenbe, oielleicht ©illionen oon 3 aljren gebraucht, um 3 U uns 3 U ge*

langen — trotj ber ungeheuren ©efchroinbigbeit oon 300000 Kilo-

metern per Sebunbe — unb biefe Sonne fteljt in folget liefe, bafj

ihr fiieht fo 3 ufagen gar nicht mehr 3U uns gelangt. Niemals hätte bas

XXIX

Digitized by Google
"

natürliche Auge bes ©enfd)en fie erblickt, niemals hätte ber menfch-
Ii«he ffieift ohne bie Onftrumente ber mobernen Optik ihr Worhanben*
(ein geahnt. Unb fiehe ba, bas fchwadje ßid)t, bas non jo roeit her*

gekommen, genügt, um eine ^emijdje glatte 3U beeinflußen, bie un«

oeränberlid) fein Silb fefthalten toirb.

3 a, ber Stern könnte 18 ., 19 ., 20 Orbnung unb barunter


. fein, jo

toinäig ,
baß ein 2Renfd)enauge ,
jelbft t»on ben mä<htigften telefkopi*
fdjen ©affen unterftüßt, ihn nid)t 3U erblicken oermöchte. Denn es
toirb ftets ©eftirne geben, bie unjerer Sehkraft entgehen — unb wirb
bennoch mit (einem kleinen ätherifchen ‘Pfeil bie ‘Platte treffen, bie

ihn erwartet unb ihn fefthält.

3 a, fein Sicht hatte eine Weife burch Millionen Don 3 ahren 3urück*
gelegt. Als es ben ©eg antrat, ejriftierte bie (Erbe, bie jetjige (Erbe

mit ihrer TOenfchheit noch nicht, ba gab es nod) kein ein3iges benken*
bes ©efen auf unferem ‘Planeten; bie ©enefis unferer ©eit war auf
bem ©ege ber (Entwicklung; oielleicht bilbeten {ich in jenen Urmeeren,
welche ben ©lobus oor bem (Emportauchen ber erften Äontinente um*
fd)loßen ,
bie erften primitioen (Eiementatorganismen im Schoße ber
ffiewäffer, langfam bie (Eoolutionen künftiger 3 ahrh un berte oorbe*
reitenb. Diefe photographifche glatte führt uns 3urück bis 3ur oer*

gangenen ©efchichte bes ©eltalls. ffiätjrenb ber Weife biefes Ci<ht*

ftrahls, ber heute bie ‘Platte berührt, hat fi<h bie gan3e ©efchichte ber
(Erbe ooll3ogen unb in biefer ©efchichte ift bie ber Wtenfchheit nichts

als eine ©eile, ein Augenblick. Unb währenb biefer 3 eit hat fich auch
bie ©efchichte jener fernen Sonne, bie fich h*ufc photographiert, eben*
falls ooll3ogen, oielleicht ift fie feit langer 3«t erlogen, oielleicht

ejiftiert fie gar nicht mehr!


So laßt uns biefes neue photographifche Auge, bas uns burch bie
Unenblichkeit trägt, gleichseitig auch 3 U ben Stabien ber ©ergangenen
(Ewigkeit 3urückkehren, — bie Unenblichkeit! Die (Ewigkeit! Die gegen*
wärtige Aftronomie oerfenkt uns in biefelbe unb ertränkt uns barein.

XXX

Digitized by Google
.Die bet föaffenbe ©eift einft aus bem <Ef)aos fd)lug,
Dur cf) bie fd)roebenbe ©Seit flieg’ id) bes ©Binbes Jlug,
©is am Stranbe
3l>rer TOogert id) lanbe,
anher roerf, roo kein $aud) meijr roetjt

Unb ber ©tarhftein ber Stopfung fte^t.

Sterne fal> id) bereits jugenblid) auferfteljn,


Xaufenbjäbrigen ©angs burdjs Jirmament 3 U geljn,
5al) pe fpielen
©ad) ben iodtenben ßieien;
Drrenb fud)te mein ©lieh untrer,
Sal) bie ©äume fd)on — fternenleer.

Slnjufeuern ben fjflug roeiter 3 um ©etd) bes TOdjts,


Steur’ id) mutiger fort, neunte ben Jlug bes ßid)ts,
©eblig trüber
fjimmel an mir oorüber,
©Beltfgfteme, fluten im ©ad),
Strubeln bem Sonnemoanbrer nad).

Siel), ben einfamen Pfab roanbelt ein Pilger mir


©afd) entgegen — „fjalt an! ©Baller, roas fudjft bu f)ier?"

„ 3 um ffieftabe
Seiner ©Belt meine Pfabe!
Segle t)in, roo kein $aud) meljr roel)t,

Unb ber ©larhftein ber Sdjöpfung fteljt!***

.Stet)! Du fegelft umfonft — oor bir Unenblidjheit!"


„„Stel)! ©u fegelft umfonft — Pilger, aud) pinter mit!
Senke nieber,
Ülblergebanh’, bein ©efieber!
Äüpne Seglerin, pijantape,
©Birf ein mutlofes ©Infcer bin.“" (Stiller)

So übertoältigenb aber aud) bie Offenbarung bes pijotograpfjifdjen


©luges , jo ergreifenb aud) ber Dom Srunofdjen unioerfeHen Effekt
infpirierte $gmnus Spülers ift, ben id) !)ier einjufdjalten nid)t unter»

XXXI

Digitized by Google
Ia||en konnte, bennodj barf ber fouoeräne Verftanb gegen biefe Über*
roältigung burd) ben (Einbrudt unb bas ffiefüt)! (Einfprud) ergeben unb
baran erinnern, bah aud) eine nod) |o grofje 3ai)I, feilte aud) für ben Wen*
|d)engeift (fubjektio) ü)re faktifdje U^äljlbarkeit feftftefjen, immer nod)
nid)t eine objektioe Unäafjl, eine Unenblid)keit konftituiert. (Es haben
fich bah er aud) keineswegs alle Aftronomen ohne weiteres bie Sehre
oom „unenblichen AH", bie im obigen 3üat ftlammarion mit mehr
poetifd)er unb rl)etori|<her (Emphafe, als wiffenfd)aftlid)er Wahrheit
oertritt, ange|d)lof|en.

Der bagegen oon ihnen oorgebrachte optifd)e (Einwanb, bie An*


nähme einer unenblid)en „ 3 a ^“ oon Sicht unb Wärme ausftrahlen*
ben Äörper, würbe 3U bem Sd)luf|e führen, bafj bas gan3e f)im*
melsgewölbe überall einen ©Ian3 unb eine Wärme aus|trai)Ien mü||e,
wie gegenwärtig bie Sonnenfdjeibe, i|t freilich fel)r wenig wert.
Schon (Eheoeauj ( 1744 ) unb Olbers ( 1823 ) haben |id) um {eine

Wiberlegung bemüht. Setjterer (in feiner Abhanblung über bie Durch*


fidjtigkeit bes Weltraums) finbet bie Wirklichkeit bes ffiegenteils unb
ihre Vereinbarkeit mit ber Unenblid)keitslel)re in ber fdjliejjlichen Ab*
forption ber Sicht» unb Wärmeftrahlen bur<h ben tütljer; er meint,

bah biefelben auf ihren langen Wegen nicht blofj burd) bie immer
weitere Ausbreitung (Dioergen3), |onbem auch burd) bie|es ben
Aaum füllenbe «Jluibum ge|d)wächt würben unb bah biefe Schwächung
Ichliehlich bis 3U oölliger (Ejtinktion ober boch bis 3U einem |o ge*
ringen ©rabe bes Claves fortfchreiten müffe , bah roeber natürliche
noch felbft bie fchärfften künftigen Sehwerk3euge etwas Don ihnen
wahrnehmen könnten. Der Aftronom Struoe (in ber (Einleitung 3U

feinen mensuris micrometricis) hat fogar Derfud)t, einen Äoefffyien*

ten für biefe (Extinktion bds Sietes bei oerfd)iebenen ©röhenklaffen

3u ermitteln; allein er felber erklärt fich oon feinen ^Rechnungen für


wenig befriebigt, ba 3U oiele willkürliche $)i)pothefen nötig finb, um
eine ©runblage bafür 3U geben. Aeuerbings hat fich baher noch ber

XXXII

Digitized by Google
bekannte Bftropl)i)fiker 3 öllner in {einet Bbljanblung „über bte (Enb*
lid,keit ber ©aterie int unenblidjen Baum" aus ©rünben ber Äalorik
gegen Olbets erklärt unb für ein enblid)es, wenn aud, nod) |o großes
2HI entfdjieben, er fdjreibt (Bbl). I, S. 309 ): „©ir finb oom Stanb*
punkte unferer gegencoärtigen phpfikalifdjen (Erkenntnis ge3wungen,
biefes (bie «frage, ob bas Unioerfum enblid) fei) mit ,ja‘ 3U beant«
©orten. Denn bie Bbforption oon ßidjt» unb ©ärmeftraljlen im ©eit«
raum mufj notwenbig in bem abforbierenben ©ebium eine ber leben«

btgen firaft ber abjorbierten Strahlenmenge entfpredjenbe Tempera«


turerhöfjung erjeugen. Da nun unter Borausfetjung einer unenblidjen
3al)l fon Ieud)tenben äörpem im unenblidjen Baume jeber in bem*

felben abgegren3te unb mit ©aterie erfüllte Baum fid, wie ein Äör«
per in einer fjülle non fefjr I)of)cr Temperatur Derijielte, {0 müjjte

jeber non uns finnlid, wahrnehmbare Teil ber ©eit f ortwäljrenb feine

Temperatur bis 3U berjenigen ber einfdjliefjenben jQÜlle erhöhen,


ffienn man biefe Be3ietjung als eine bereits fehr lange 3 «* hmburd,
©irkfame betrachtet, fo müfjte auch jeber Äörper fchon gegenwärtig
eine fehr hohe Temperatur befitjen."

3 <h habe biefe ©uta<hten ber Jachleute nur norgeführt, um 3U


3etgen , bafc auch ber befte Jachgelehrte ein fchlechter Cogiker fein
kann. Denn es liegt auf ber fjanb , bah biefe Bftronomen pro unb
contra hier mit ßufthieben fechten. Die ©efdjwinbigkeit bes ßichts (unb
ber ffiärme) ift boch eine enblidje. Sie würbe einen unenblid, weit

entfernten Stern für uns nur bann fid)tbar machen, wenn er oon
(Ewigkeit f)«r beftänbe. Sofern aber ©rünbe beftehen ,
eine (Ewigkeit

©enigftens ber ein3elnen ©eltkörper nicht an3unel)men, mögen wir


aud) bie (Ewigkeit bes Tills 3ugeben, werben wir felbftoerftänblid,

aud) nur biejenigen Objekte fehen, beren ßidjtftraljlen bereits 3 e *t


genug hatten, bis 3U uns 3U gelangen, ©s ift feltfam, wie ein 3öü*
ner hier oberflächlich mit bem unejakten Begriff einer „fehr langen"

3«it fid, aushilft. Jür bie entfernteren Bebelflecke, bie fein grofces

SMorbano Sruno 9 b. III


XXXII!

Digitized by Google
Xelefkop Jid)tbar machte, fc^ö^te J<hon $erjchel (I.) beren ßieht3eit
auf 2 Millionen 3 ahre. ©äre alfo aud) bie 3 al)l ber ©eltkörper,
tote ber Kaum, burd) melden fie Derbreitet ftnb, unenblief) grofj, fo

brauchten toir barum bod) keineswegs bas JÖimmelsgetoölbe Jonnen*


hell glä^en fet>en ober eine gleichmähige Temperatur bes$tf>erraumes
an3unet)men; benn bie ßiehtftrahlen jebes ein3elnen Sterns brausten,
ja könnten bei ihrer enblidjen ©ejchroinbigkeit keineswegs bereits
11
unenblidje ©ege 3urückgelegt haben .

©ie gejagt, tjanbelt es ficf) E)ier um ein rein philofophifches, genauer


um ein erftenntnistt)eoretijd)es unb metaphgjifches Problem, Diefes
aber ift nicht auf bie eftenjioe ©röfje betränkt, es roieberholt fic^ in

umgekehrter Kidjtung als bie Jrage nad) bem unenblidj kleinen; es


kann ferner ebenjo in qualitatio intenfioer Ziehung, roie in fjinfieht

ber Mannigfaltigkeit ber Qualitäten, als Jrage nach bem Umfange


<
bes ©eftaltungs« unb Differen3ierungsDermögens aufgeworfen wer*
ben. ‘Daraus erhellt |<hon bie ^Dichtigkeit biefer Iogifd>en Kategorie.

Da ich nun ber Meinung bin, bah Bruno <


in ber öerbinglid)ung ber*

jelben gefehlt hat unb bah ber non ihm bekämpfte Kriftoteles in

biefem funkte ber ©ahrheit näher fteht, als er, halte id) eine kur3e

hijtorijch'kritifche Orientierung über bie Scf)ickfale ber im gef«hi<ht*


liehen ©erlaufe ber ^Ph^ojophie fo oft mihbraud)ten Unenblichkeits*
ibee 3ur (Einführung in bie folgenbe tDiffen|d)aftlid)e §aupt|<hrift bes

Kolaners für angebracht.

Die UnenbU<f)heitsibee

Jaft barf man Jagen, bah ber Unenblid)keitsgebanke in feinen bei*


ben fjauptrichtvngen auf ben Kaum unb auf bie 3eit ben erjten phi*
IoJopfjiJchen Denker gemalt habe. Dah auch er ber finnlichen Kn*
fd)auung roenigftens {eine Anregung oerbankt, bafüt bürfte Jehon ber
an ber Spitje ber ©efdjichte ber roijjenfd)aftlichen Dh^afophie ftehenbe

XXXIV

Digitized by Google
Saß bes I^ales bürgen, bas ©affet fei bas leßte Seienbe unb Ur=
prin3ip alles ©eroorbenen.
Hjales lebte 3U ©ilet, am Stranbe bes ©eeres, unb meßr faft als

felbft ber Einblick bes immerhin als abgefcßloffene ©ölbung erfdjei*

nenben ßuftraums oermag bas ©eer einen gefühlsmäßigen Antrieb


3ur llnenblidj&eitsibee erroechen, roie bies Bgron in ben feßönen Ber*

fen feines ©hübe §arolb ausbrüefet:

Thou glorious mirror, where the Almighty’s form


Olasses itself in tempests; in all time,
Calm or convulsed — in breeze, in gale, or storm,
Icing the pole, or in the torrid clime
Dark-heaving; — boundless, endless and sublime —
The image of Etemity —the throne
Of the In visible; even out thy slime
The monsters of the deep are made; each zone
Obeys thee; thou goest forth, dread, fathomless, alone.
Harolds Pilgrimage IV, 183.**

Scßon ber Spüler bes Ißales, Anajimanber oon Bittet, Jeßte an


Stelle bes ©affers, fo erft für ben mit ber finnlicßen Anfcßaulich&eit ber

bamaligen Spraye ringenben ®ebanhen feines ©eifters ben philo*


fophifchen abftrafeten Ausbrudt erfinbenb, bas „Unenblicße", rä &ro-
oov, bas er als unbeftimmte, ber ®eftaltungsfähigbeit unb ©affe nach

unenbliche ©aterie erklärte.


3n oollerem ©aße foll bann 3uerft Anajagoras biefen Begriff als
ein fd)Iechth*n Seienbes unb leßtes ©rfüärungsprin3ip benußt haben,

bas nicht nur quantitatio, fonbern auch „nach ben ©egenfäßen unb
ben T)urcf)hreu3ungen biefer ®egenfäße in allen unenblicßen letten
unenblicß fei." Scßon bie Cleaten aber mären auf bie logifcßen ©iber>
fprücße eines fo gebauten Unenblicßen geftoßen, unb ißr ©eifter 3 eno
hat biefelben in feinen bekannten oier Argumenten gegen bie Reali-
16
tät ber Becoegung ein für allemal formuliert.

XXXV

Digitized by Google
Die QEleaten nahmen il)re 3 «flud)t oor biefen IDiberfprü d)en einer
pofitio gebauten Unenbtid)keit 3U einer Drt oon 3 bealismus, ber alle

Demegung unb Deränberung, ja alle Derfd)iebenl)eit für biofeen Sdjein

erklärt unb fid) in geroiffem ©rabe bereits als Dorftufe bes Aantifdjen

Äritiäismus barfteCIt. Der (Eleat TRelifjos non Samos l)at in {einer

uns nur burd) bie 2lriftotelifd)e 'Polemik gegen if>n bekannten Schrift
„Über bas Seienbe" roefentlid) mit Dückfid)t auf bie 2ßiber|prüd)e
einer pofitioen Unenblid)keitsibee bie Unoeränberlidjheit, Unberoeg«

licfekeit unb trofe ber unenblidjen ülusbeijnung bie Unkörperlicfekeit


bes Seins gelehrt, ba jeber Aörper leile Ijabe, bas llnenblicfee aber,

ba jeber leil mieber unenblid) {ein mürbe, unteilbar {ei. Dann feaben
bie ÜJiegariher ,
insbejonbere Dioborus fironos ,
bie linenblidjkeits*

ibee aud) in bem bei ben Uleuplatonikern, oor allem aud) bet ben Deu*
platonikern ber Denaiffance, 'pietfyo, mit Dorliebe oerroenbeten Sinne
einer 3 bentität bes 2BirkIid)en ,
HHöglidjen unb Dotroenbigen, aI{o in
{einer gualitatioen unb ontologi{d)en ®e3iel)ung 3ur ©runblage Don
3rel)l{d)lüffen gemacht, roeldje jebe Deränberung unb alles 2Berben 3U
biofeem Sd)ein begrabieren unb bas lebenbige Sein burd) ein ftarres
totes Sein erfefeen mollen.
©egen fie unb bie (Eleaten fjat Driftoteles feine logifd)*metapl)t)fifd)e

Aritik bes Unenblid)keitsbegriffes oornefemlid) gerietet. Dian mirb


nid)t gerabe behaupten bürfen , bafe er babei 3U enbgültiger Alarfeeit
gelangt ift, — oielleidjt ift bas ‘Problem aud) jefet nod) nid)t als ein
enbgültig erlebigtes an3u{el)en — ;
aber {ebenfalls Ijaterbenblofenega*
tioen Sinn ber Unenblidjkeitskategorie Dielfad) betont unb oor bem
feeillofen ÜJlifebraud), ber mit ifer in ber 'Pfeilofopfeie getrieben merben
kann, gemarnt. „Don bem Unenblidjen", {agt er fefer treffenb, „ift
es ebenfo fdjroer 3U behaupten, bafe es fei, als bafe es nicfet fei."

3unäd)Jt beftreitet er fobann bie 2Birklid)keit eines räumlid) unenb»
Iidjen Seins. 3n biefem mürbe jebe Teilung unb jebe ffiröfeenbered)»

nung unmöglid) fein ,


roeil jeber leil mieber unenblid) märe ,
bie De*

XXXVI

Digitized by Google
redjnung bes ©anjcn aber nicht unabhängig oon ber ber Teile gemacht
roerben bann. Mit oollem ^Redjte oermirft er fobann bie fdjon bei
Slnayagoras auftauchenbe 2Biberfpru<hsmt)ftik ber Unenblid)keits=
hategorie, roonacf) ber Mittelpunkt bes Seins überall unb in allem
alles enthalten ift; entmeber müffe man bei fortge(e^ter Teilung auf
einen foldjen Teil ftofjen, in meinem bas als oorfjerrfchenb (Befehle

allein oorhanben fei ,


ober ungeachtet ber 'Beftimmung unb Begren*
jung bleibe jebem Äörper bie Unbegren3tl}eit feiner Teile innen) oh*

nenb, unb bie ©egre^tfjeit unb Beftimmtheit tnerbe non jenen Un*
enbli^heitsmgftikern in bemfelben Moment behauptet unb geleugnet;
burch bie Einnahme qualitatio unenblicher Äörper (eine funbamentale,
aus ber qualitatioen Bnroenbung ber Unenblid)keitskategorie reful»

tierenbe Annahme bes Bnajagoras)roerbe bie Möglichkeit aufgehoben,

guantitatio kleinfte Teile 3U finben: benn in jebem kleinften Teile


mären bod) noch qualitatio Derfdjiebene Teile, alfo mürbe bod)toieberum
ber kleinfte Teil in ber Tat nicht ber kleinfte fein. — Ber Äern feiner

Behauptungen ift ber: Ms ein (Erkennbares ift bas Sein nur burch
bie Beftimmtheit ber (Erkenntnis, burd) bie Kategorie bes Begreifen
3U faffen. Ben Megarikern gegenüber macht er oor allem geltenb,
bafj ihre Bnficht „jebe Beroegung unb jebes Merben aufhebt", unb
er ahnt bereits, bafj bie Unenblidjkeitskategorie, fofern fie einen po*
fitioen Sinn haben foll, mit berjenigen bes bloßen Bermögens 3ufam*
menfällt unb betont, bafj bas Unenbliche auf keinen fjall im „Sinn*
liehen" ift.

Bie naehariftotelifche *Ph*lofophtc h at fid) leiber 3unäd)ft menig um


bie meitere Älärung ber Unenblichkeitskategorie bemüht, bie 5Reu*
platoniker ftür3ten {ich mit Borliebe in ben Bbgrunb ber Mqftik bes
feienben Unenblichen, unb bem neuplatonifchen ©runb3uge ber philo*

fophifehen Benaiffance hat es auch Bruno 3U oerbanken, bafj er (ich

oon ber Unenbtiehkeitsmgftik nicht frei 3U halten oermochte. f)ier ift

oornehmlich fein Berührungspunkt mit bem (Eujaner. Burch ben Mifj*

XXXVII

Digitized by Google

braud) ber pofitio gebauten Unenblidjkett gelangt man leicht gu allen


jenen tieffinnig blofj jd)einenben ÜBiberjprudjsbefjauptungen ,
roeldjc

bie Spekulationen biefes djriftlidjen Beuplatonikers kenngeid)nen,


bafj „ber Mittelpunkt überall fei", baft „alles in allem fei", ja bafo

fd)liepd) „bie Koingibeng bes Miberfpredjenben" bas befte (Erklä*


rungspringip fei, eine Slntigipation ber Jrjegelfdjen „'Dialetik"; im
Unenblidjen ift es freilid) möglid), „baf) bie ‘Parallelen fid) fd)neiben",

bafj „jebe Kugelflädje eine (Ebene ift unb umgekehrt", bafj bas „ffiirk*

lid)e, Mögliche unb Tlotroenbige ibentifdje Kategorien finb".


Onbem Bruno gegen bas gu fel>r begrengte unb beengte kosmolo--

gifdje Spftem bes Briftoteles ankämpfte unb bie Begrünbung bes*


felben überall mit beffen metapf)t)fifd)*logifd)er Stellung gur Un*
enblidjkeitskategorie eng oerquickt fanb, toie benn überhaupt bie

Trennung einer pofitio*pl)i)fifd)en unb einer rein metapfjgfifdjen Denk*


roeife erft neueren “Datums ift, mufjte es if)m freilid) fd)toer toerben,
bie 2Bal)rl)eit oom ürrtum gu trennen; bie (Erkenntnis ber ppfifd)en
©aljrljeit fd)ien i^m unabroeislid) mit ber 9Ibtoel)r ber, mit bem iljr

konträr entgegengejetjten kosmologifdjen Urrtum oerquidtten, meta*


ppfifd)*logifd)en Kritik eines pofitio Unenblidjen oerbunben gu fein.
9Iud) feinem Badjf olger “Descartes ift es nod) nidjt gelungen, gu einer
klareren Buffaffung bes Problems burd)gubringen, roenngleid) biefem
fdjon bie Begatioität bes Unenblidjen Berlegenf)eit bereitet gu Ijaben

fdjeint; er finbet fid) fd)liefjlid) mit ber fd)on oon feinem ©egner
f)uetius (fielje oben S. XII) getabelten bloßen 2Bortunterfd)eibung
gtoifd)en einem infinitum unb indefinitum ab. „Mir toerben", fdjreibt

er in feinen ‘Prtngtpien I c. 26, „alles, bei beffen Betrachtung man


kein (Enbe finben kann, gtoar nid)t als unenblid) (infinitum), aber
als enblos (indefinitum) anfefyen. So kann man fid) keinen Baum fo

grofj Dorftellen, bafj eine Bergröjgerung besfelben unmöglich toäre,


unb man roirb besplb bie ©röfje besfelben als eine enblofe begeid)*

nen. (Ebenfo roirb man bie ©röfje für ofjne (Enbe teilbar galten, toeil

XXXVIII

Digitized by Google
kein Aörper in |o Diele leile geteilt werben kann, bafe bieje leile nid>t
inrmer nod) weiter teilbar wären. (Ebenjo wirb man bie 3<*f)I ber

Sterne für nid)t befdjränkt an|et)en, weil fid) keine |o gro&e 3^1)1 ber-
jelben Dor|teIIen lägt ,
ba& ©ott ni<f)t nod) met)r tjätte erraffen kön-
nen. S)ie pojitioe Unenblid)keit (infinitas) fdjreibt er gleidjwot)! allein
ber ©Ortzeit 3 U, unb t)ält bie 3bee einer |o!d)en Unenbtidjkeit, obwohl
|ie unDOT|teIIbar jei, bemtod) für unabroeislid), weshalb er annimmt,
ba|j fle non ©ott felbft bem Wenden eingepflanjt jei, unb gleid)wof)l

jtets unfaßbar bleiben müjje, als eine 2If)nung bes ©öttlidjen.

©egen it)n wenbet fid) mit ber er jten nad) 5Irijtoteles beachtenswerten
Äritik bes Unenblidjen ©ajjenbi in einem Schreiben oom 16. Sluguft

1698, meditatio de princip.philosoph.(Meditat. dephilosophiaCar-


tesii appendix 16): „Dicis,cum ex te possitesseideasubstantiae,quia
substantia es, non posse tarnen idea substantiae infinitae, quia in-
finitus non es. Verum nulla est propterea in te infinitae substan-
tiae idea, nisi nomine tenus et quatenus homines comprehendere
(quod non comprehendere) infinitum dicuntur: adeo est
est revera

necesse proinde non sit, talem ideam a substantia infinita profi-


cisci. Ea nempe fieri componendo et ampliando potest, quomodo

jam dictum est. Nisi enim prisci philosophi ex comprehenso hoc


visibili spatio, hoc unico mundo, his paucis principiis ipsorum
ideas sic in se habuerunt, ut illas ampliantes ideas efformaverint
infiniti universi,infinitorum mundorum.infinitorumprincipiorum:
dicturus sis, illos non efformasse tales ideas ex vi sua mentis, sed
eas processisse in mentem ex infinito universo, infinitis mundis,
infinitis principiis? Quod defendis autem, te percipere infinitum
per veram ideam sane, : si illa essent vera, repraesentaret infinitum,
ejusmodi est, ac proinde perciperes, quod est in ipso praecipuum
et, de quo nunc agitur, videlicet infinitatem. Verum cognitio tua
semper terminatur ad finitum aliquid, solumque infinitum dicis,

quia non percipis quod est ultra tuam perceptionem: ut proinde

XXXIX

Digitized by Google
non male censearis percipere infinitum per negationem finiti. Ne-
que sufficit dicere, percipere te plus realitatis in Infinita substantia
quam in finita. Oportet enim te percipere reaiitatem infinitam.quod
tarnen non facis. Quin etiam revera non plus percipis: quoniam
finitam solum amplias ac deinde imaginaris esse amplius realitatis

in eo quodilatatum est, quam in eodem, dum est contractum. Nisi


velis quoque philosophos illos plus percepisse realitatis, quae re-

vera esset, cum plures mundos conciperent, quam dum unicum


in mente haberent Ex quo obiter adnoto, causam, cur mens no-
stra tanto magis confundatur, quanto aliquam speciem sive ideam
magis ampliat, ex eo esse videri, quod hujusmodi speciem ex suo
situ distrahit, distinctionem partium illi adimit ac ita totum atte-

nuat, ut tandem evanida fiat Ne memorem mentem perinde con-


fundi ob causam oppositam, cum nimis contrahit ideam.“
„Du behaupte jt, ben ©ebanken einer Subftanä faffen 3U können,
roeil Du eine Subftan3 |eie|t , nicht aber ben einer unenblidtjen Sub«
Jtanä, roeil Du nid)t unenblid) bift. 3n ©al)rf)eit ift in Dir keine Dor*
(tellung non Unenblidjkeit, jonbern nur bem Warnen nad) unb fofern
bie ©enfd)en bas ilnenblidje 3U faffen behaupten ,
roas in 2Baf)rl)eit
unbegreiflich ift. ©5 folgt baraus keineswegs, baß eine foldje Dbee
non einer unenblichen Subftan3 ausgehe. Denn fie kann entftef>en

burcf) 3ufammenfehung unb Dergröherung, roie ich l<h on fagte. Wus


Mefem fidjtbaren Waume, biejer einen ©eit, biefen wenigen Anfangs*
grünben habe« bie alten iphilofophen bie Obeeen eines unenblichen
Wils, 3ahIlofer ©eiten, 3ahlIofer <prin3ipien bur«h Wbftraktion gebilbet.

Du aber möef)teft behaupten, fie hätten foldje 3 beeen nicht aus eigener
©eifteskraft bilben können, fonbern fie feien ihnen aus bem unenb«
liehen ©I, aus unenblichen ©eiten, 3af)llofen *J)rin3ipien oerurfacht.
©enn Du aber behaupteft, Du erhennteft bas Unenblidje als eine
roahre 3 bee: fo mühte biefe freilich, ® enn i
cnc wirklich wären, auch
bas Unenbliehe oorftellen; es wäre bann fo, bah Du bas, roas bas

XL

Digitized by Google
©efen berf eiben ausmad)t, aud) erf agteft ,
alfo bas, toorum es fid)

Ijier Ijanbelt, bie Unenblidjbeit Dorftellen bönnteft. 9tun aber roirb


bod) 'Dein VorftellungSDermögen ftets auf ein QEnblid)es begrenjt unb
oon Unenblidjem fprid)ft Du nur, coeil Du bas nid)t roal)rnimmft,

mas jenfeits Deiner ©al)mef)mungen liegt. Daraus folgt bod), bafj


Du bas Unenblid)e nur begreifft als Verneinung bes (Enblid)en. Unb
bann tjilft es nichts 3U behaupten, Du befi^eft meljr Realität in einer

unenblid)en Subftan3, als in einer enblidjen. Denn aisbann müfjteft


Du eine unenblidje ffiirblidjbeit roaf)rnel)men ,
roas Du bod) nidjt
hannft. 3n 2Baf)rljeit nimmft Du nid)t mehr roatjr: benn Du oer«

gröfjerft nur bie enblidje ©irblid)beit unb bilbeft Dir bann ein ,
ba[j

in betn fo oergrdfjerten mef)r ©irblidjbeit fei als in bem enger oor=


geftellten. Ober meinft Du, bafc jene 'Phüofopljen, als fie [id) mehrere
©eiten Dorfteilten, in ber lat mehr Realität erfafjt l)aben, als |o*

lange fie nur an eine ©eit bauten? Die Urfadje, toarum unfer Der*
ftanb um fo met)r oerroirrt toirb, je mehr er eine (Beftalt ober 3 bee oer»

gröfjert, bürfte baran liegen, bafo er iljr bie Veftimmtfjeit ber leite

nimmt unb fie fo fel)r oerflüdjtigt, ba^ fie fd)liefjlid) fo3ufagen oer*
buftet unb nebelhaft roirb. 3 <h braune bäum 3U ermähnen, bafj ber>

felbe (Erfolg aus ber entgegengefetjten Vemüljung fid) ergibt, roenn

man eine Vorftellung immer meljr 3U oerblehtern fud)t."

©enn (Baffenbi hier an bie blofce tRegatioität ber Unenblid)beits*

bategorie unb ihre (Entftetjung burd) blofje Vbftrabtion oom (Enblid)en


unb burd) fortfdjreitenbe Sgntfyefis ber abftrabten (Elemente erinnert,

fo blieb bies non Spino3a gan3 unbeachtet. Seine gan3e <Ph^°l°Ph* e r

foroeit fie metaphgfaiert, 3aubert fo Diel mit bem Unenblichheitsroiber«

fprud), fo bafj mir uns eigentlid) nur tounbern bönnen, roarum er bloß

eine „unenbliche aus unenblid) Dielen (Elementen beftefjenbe ©eit"


annimmt. Denn roarum follte es nid)t oielmehr, um jebe Sdjranbe 3U

oemeinen, unenblid) Diele unenblid) grojje ©eiten aus unenblid) Dielen


unb unenblid) grofjen (Elementen geben? —
XLl

Digitized by Google
:

Man füllte erroarten, bafc bie Mathematik ,


toeld)e feit bet ©rfin*

bung bet Jlufionsrechnung burd) 9ten>ton ,


bie man ja aud) als 3n*
finitefimalred)nung be3 eid)net, 3 ur enbgültigen Aufklärung über bie
Iragroeite ber Unenblid)keitshategorie aud) auf bem ©ebiete ber
Sad)logik unb 2Beltf<f)ematik t>ätte fügten müffen. Aber leiber bie er*
ftaunlidjen (Erfolge biejer ©erbefferung ber Wedjnungsmet^obe fdjei*

nen gerabeju bas ffiegenteil getoirht unb bem UnDerjtanbe als neue

unb 3 njtan 3 für bie QEjiftens eines pofitioen Unenblid)en ge*


fid>erfte

gölten 3 U haben. Mit Ausnahme eines fran 3 Öfifd)en Mathematikers,

ber im 3af)re 1740 eine fran 3 öfifd)e Überfetjung bes mathematifd)en


jrjauptroerks oon Aeroton, La methode des fluxions et des suites
Infi nies par M. le Chevalier Newton (chez de Bure Paine, libraire,

Quay d’Augustines ä St. Paul) unb mit einer oortrefflidjen ©in*


leitung einführt unb barin auf bie Iogifdje Segrünbung bes 3nfinite«
17
fimalkalkuls eingeht, hat fiel) uor ©ugen Dühring unb beffen Sohn
Ulrid) meines 2Biffens kein einiger Mathematiker gefunben, ber mit
ber fallen ©erbinglid)ung besUnenbIi(hkeitsbegriffs innerhalb feiner

2Biffenfd)aft ernftli<h auf3 uräumen aud) nur oerfud)t hätte.


3n jenem Pr6face, bas übrigens aud) einen ausge 3 eid)neten Aad)*
roeis bes oon ßeibni 3 an Aeroton begangenen ‘Plagiats liefert, toirb

roenigftens ber 33erbinglid)ung bes Unenbli<hen innerhalb ber 3al)len*

lehre ernftlid) 3 uleibe gegangen. 3d) kann mir nid)t oerfagen , aus
bemfelben folgenbe Iehrreid)e Stelle über bas Unenb!id)e hier toieber*

3 ugeben
Des les premiers pas, qu'on a fait en Geometrie, on trouve
l’lnfini et des les temps les plus recules les Geometres l’ont en-
trevü, la Quadrature de la Paraboi e et le Traite ,de numero arenae*
d’Archimede prouvent que ce grand homme avait des idees de
l’infini et memes des idees telles qu’on les doit avoir; on a etu-

die ces idees, on les a maniees de differentes fa<;ons, enfin on a


trouve l’art d’y appliquer le calcul; mais le fond de la Metaphy-

XL1I

Digitized by Google
sique de l’lnfini n’a point change et ce n’est que dans ces der-
niers temps que quelques G6ometres nous ont donne sur l’lnfini

des vües differentes de celles des Anciens et si eloign£es de la na-


ture des choses, qu’on les a meconnues jusque dans les ouvrages
de ces grands hommes, et de lä sont venues toutes les oppositions,
toutes les contradictions qu’on a fait et qu’on fait encore souffrir
au calcul infinitesimal, de lä sont venues les disputes entre les
geometres sur Ia fagon de prendre ce calcul et sur les principes,
dont il derive; on a ete etonne des prodiges que ce calcul operait,
cet etonnement a ete suivi de confusion; on s’est imagine que la

connaissance de cet infini avait ete refuse a tous les siäcles et re-

servee pour le nötre; enfin on a bäti sur cela des systemes, qui
n’ont servi qu’ä embrouiller les faits et obscurir les id£es.
Avant que d’aller plus loin disons donc deux mots de la na-
ture de cet infini qui en 6claircissant les hommes semble les avoir
ebloui.
Nous avons des idees nettes de la grandeur, nous voyons que
les choses en general peuvent etre augmentees ou diminues et

l’idee d’ une chose devenue plus grande ou plus petite est une idee
qui nous est aussi presente et aussi familiere que celle de la chose
meine. Une chose quelconque nous etant donc presentee ou etant
seulement imaginee nous voyons qu’il est possible de Paugmen-
ter ou de la diminuer, rien n’arrete, rien ne detruit cette possibi-
lite; ou peut toujours concevoir la moitie de la plus petite chose
imaginable et le double de la plus grande chose; on peut meme
concevoir qu’elle peut devenir cent fois, mille fois, cent mille fois
plus petite ou plus grande.
Et cette possibilite d’augmentation ou de diminution sans
bomes en quoi consiste la veritable idee qu’on doit avoir del’in-
fini, cette idee nous vient du fini; une chose finie est une chose
qui a des termes, des bornes; une chose infinie n’est que cette

XLI11

Digitized by Google
meme chose finie, a laquelle nous ötons ces termes et ces bor-
nes; ainsi l’idee de Tinfini n’est qu’une idee de privation et n’a
point d’ object reel. Ce n’est pas ici le lieu de faire voir que
l’espace, le temps, la duree ne sont pas des Infinis reels; il nous
suffire de prouver qu’il n’y a point de nombre actuellement in-

fini ou infiniment petit ou plus grand ou plus petit qu’un Infini etc
Le nombre n’est qu’un assemblage d’unitfe de meme espece;
l’unit£ n’est point un nombre, Turnte designe une seule chose
en general; mais le premier nombre 2 marque non-seulement
deux choses, mais encore deux semblables, deux choses de meme
espece; il en est de meme de tous les autres nombres. Mais ces
nombres ne sont que des representations et n’existent jamais in-
dependants des choses, qu’ils representent; les caracteres qui les
d&ignent ne leur donnent de realite, il leur faut un sujet ou plu-
tot un assemblage des sujets ä repr&enter pour que leur existence
soit possible; j'entends leure existence intelligible, car ils n’en
peuvent avoir de reelle; or un assemblage d’unites ou de sujets
ne peut jamais etre que fini; c’est ä dire, ou pourra toujours as-
signer les parties dont il est compose, par consequent le nombre
ne peut etre infini, quelque augmentation qu’on lui donne. Mais,
dira-t-on, le demier terme de la suite naturelle 1, 2, 3, 4 etc. n’est

il pas infini? n’y a-t-il pas des demiers termes d’autres suites
encore plus infinis que le demier terme de la suite naturelle? 11

parait que les nombres doivent a la fin devenir infinis, puisqu’ils


sont toujours susceptibles d’augmentation; ä cela je reponds que
cette augmentation dont ils sont susceptibles, prouve evidemment,
qu’ils ne peuvent etre infinis; je dis de plus que dans ces suites

il n’y a point de derniers termes, que meme de supposer un der-


nier terme c’est detruiser Tessence de la suite qui consiste dans
la succesion des termes qui peuvent etres suivis d’autres termes;
et ces autres termes encore d’autres, mais qui tous sont de meme

XLIV

Digitized by Google
nature que les precedents, c’est ä dire tous finis, tous composes

d’ unites; ainsi lorsqu’on suppose qu’une suite a un demier

terme que ce dernier terme est un nombre infini, on va contre


et

la definition du nombre et contre la loi generale des suites.


La plupart des erreurs en Metaphysique viennent de la realite

que nous donnons aux idees de privation, nous connaissons le

fini, nous y voyons de propriftes reelles, nous l’en depouillons


et en le considerant apres ce depouillement, nous ne le reconnais-
sons plus, et nous croyons avoir cree un etre nouveau, tandis que
nous n'avons fait que detruire quelque partie de celui qui nous
etait anciennement connue.
„Bon ben erften Stritten an, bie man in bcr ©eometrie gemalt
bat, ftöfjt man auf bas Unenbüdje, unb feit ben älteften 3^iten tjaben

fid) bie ffleometer bamit befcf)äftigt; bie Quabratur ber ‘Parabel unb
bie Slbfjanblung über bie 3 al)l bes Sanbes non 2lrd)imebes beroeifen,
bafj biefer gro&e Wann feine 3 beeen oom Unenblid)en Ijatte unb fogar
joldje, toie man fie I)aben mufj; man t)at biefe Obeeen ftubiert, l)at fie
auf Der(d)iebene Wirten befjanbelt, enblicf) gar bie ftunft entbedit, bie
Bedjnung barauf 3U grünben; aber ber ©runb ber Wetaptjgfifc bes
Unenblidjen t>at fid) nid)t geänbert unb erft feit ben letjten 3 e ^ en
f)aben uns einige ©eometer 21 nfd)auungen oom Unenblidjen unter-
breitet, bie oon benen ber eilten oerfdjieben finb unb fid) fo fetjr oon
ber Batur ber Binge entfernen , baf) man nunmehr fogar bie Werbe
jener grofjen ÜJlänner 3U mi^beuten roagt, unb bat)er ftammen alle

©inmenbungen unb 2Biberfprüd)e ,


bie man gegen bie Dnfinitefimal«
recfynung mad)t, baf)er bie 3änbereien ber ©eometer über bie Brt biefe

Betonung auf3ufaffen unb (


bie Prin3ipien, mit benen fie ab3uleiten ift;

erft toar man erftaunt über bie Wunber, bie biefe ©edjnung oerrid)tet,

bann folgte bie Berroirrung ,


man bilbete fid) ein, biefe Kenntnis bes
Unenblidjen fei allen anberen 3af)rt)unberten oerfagt unb bem unferen
oorbefjalten getoefen; fdjliepd) bat man barauf gar Sgfteme gebaut,

XLV

Digitized by Google
bie nur 3ur Berbunhelung bcr Sache unb Umnebelung bes Berftanbes
führen Rönnen.
Beoor roir bal)er weiter geben ,
wollen mir 3roei ©orte über bie
Batur bes Unenblid>en lagen, bas bie ÜRenfctjen einerfeits |o feljr er*

leudjtet unb anberer|eits roieber geblenbet bat.

2Bir haben Ware Borftellungen non ber ©rohe, roir (eben, ba|j bie

Dinge im allgemeinen Dermebrt ober oerminbert roerben können unb


bie Dorfteilung eines gröjjer ober kleiner geworbenen Dinges ift uns
ebenfo befreunbet wie bie eines Dinges felbft. 2Rag aI|o irgenb ein

Ding uns anj<bauli<b gegeben ober nur oon uns gebaut fein, rohr

feben, bafj es mögli<b ift, es 3U oermebren ober 3U oerminbern, nichts


binbert, nichts hebt bicfe Dtöglid)Reit auf; man kann oom kleinften
benkbaren Dinge fi<b immer noch bie fjälfte unb oom größten benk»
baren immer noch bas Doppelte Dorftellen; ja man kann fid> benken,
ba& es 100, 1000, 100000 mal kleiner ober größer roerben kann-
Unb biefe Dtöglicbkeit ber Bermebrung ober Berminberung ohne
©ren3en, roorin allein bie roabre Obee bes Unenblicben beftebt, kommt
uns oom ©nblid)en; ein enblicbes Ding ift ein Ding, bas ©ren3en
bat, Sib ranken; ein unenbli<bes ift lebiglid) biefes enblicf», roenn roir
ihm bie ©ren3en unb Schranken nehmen, Bl jo ift bie Obee bes Un*
enbfichen lebiglid) eine Obee ber Berneinung, ber keine objeRtioeHBirR«
lidjkeit entfpricbt. fjier ift nicht ber Ort, bar3ulegen, bafj ber Baum,
bie 3*it, bie ©roigkeit nid)t wirkliche Unenblid)Reiten finb; es genügt
uns 3U beroeifen ,
ba& es keine roirklid) unenbliche 3abl geben kann
ober etroas unenblich kleines ober etwas ,
bas gröjjer ober kleiner
als bas Unenbliche fei ufro. Die 3 «bl ift nichts als eine Sammlung
oon ©inbeiten berfelben Brt; bie ©ins ift nod) keine 3abl, bie ©inbeit
be3eid)net nur im allgemeinen ein befonberes Ding; aber bie erfte

3abt 2 be3eichnet nicht blök 3®«» Dinge ,


fonbern auch 3toei gleich*
artige, 3roei Dinge berfelben Hirt, ©benfo oerbält es fich mit allen an«
beren 3 *#*°. Blfo alle 3 a bi en finb nur Be3iebungsroorte unb epi*

XLVI

Digitized by Google
frieren niemals unabhängig oon ben Dingen, bie fie repräfenrieren;
bie 3eitf)en, bie fie barftellen, geben ihnen keine Wirklichkeit, fie be*

bürfen eines Itägers ober einer Bereinigung oon Irägern, bamit


ihre ©yiften3 möglich werbe; td> meine ihre gebanklidje (intelligible);

benn fie können gar keine toirklic^c haken ;


nun kann aber eine An*
fammlung oon (Einheiten ober ©egenftänben immer nur beftimmt (be*

grenät) fein; b. h- man toirb immer bie leile be3ei<hnen können, aus
benen fie 3ufammengefet}t ift; folglich kann bie 3al)l niemals unenb*
lid) coerben, toeld)e Bermef)rung ihr auch 3uteil toerbe. Aber, toirb man

fagen, ift bas Ietjte ©lieb ber natürlichen Weihe 1 ,


2 3 4
, , ufro. nicht

bas „Unenblid)e"? (Es fcheint, bah bie 3 al)len am ©nbe unenblich wer*
ben müffen, ba fie ja unbegrenjter Bermehrung fähig finb! hierauf
anttoorte id) , bah gerabe biefe Bermehrung, beren fie fähig finb, am
beutlühften beroeift, bah fie niemals unenblich werben können; ich

fage oielmchr, bah es in biefen Weihen gar keine lebten ©lieber gibt,
bah f<hon bie Einnahme eines lebten ©liebes bas Wefen ber Weihe
jerftören hieb«, bas eben in Aufeinanberfolgen non Beftimmungen
befteht, benen anbere folgen können, fo bah biefen anberen urieber
anbere folgen können, bie aber alle oon berfelben Watur, toie bie

oorangehenben, b. h- alle beftimmt, alle aus 3äl)lbaren ©inheiten 3u*

fammengefebt finb. Alfo, toenn man eine Weihe mit einem (Enbgliebe
febt unb biefes (Enbglieb eine unenbliche 3ahl nennt, fünbigt man gegen
bie Definition ber 3al)l unb gegen bas allgemeine ©efeb ber Weihen.
Die meiften Orrtümer ber Bletaphgfik kommen bähet , bah man
bloh oerneinenben Dbeeen Wirklichkeit beilegt; mir kennen bas ©nb*
liehe ,
mir fet)en an ihm wirkliche ©igenfehaften wir berauben es ber ,

Iebteren unb nach biefer Beraubung kennen wir es nicht wieber unb
glauben nun ein neues Wefen gefchaffen 3U haben, obwohl wir bo<h
nichts anberes getan haben, als bah urir einen leil beffen, was uns
oon alters bekannt war, oerniehtet haben."
Wir finben hier bereits eine fehr lid)toolle logifche Aufklärung über

XLVII

Digitized by Google
bie Unenblichkeitskategorie ; ber roahre Unenblidjkeitsbegriff roirb
als blofjer Vtöglid)keitsbegriff bargeftellt, als blofcer Vegriffsrahmen

für bte Vorausfetjung einer nie 3U uollenbenben lättgkeit ;


es roirb
barauf fjingeroiefen, baf) eine unenblidje „ 301) 1 “ «in Unbegriff, b. I).

ein in ficf) felbft unroafjrer, Ijaltlofer unb unmöglicher Vegriff ift. 3u=
gleich roirb bie Quelle bes logifd)en Stiers, ber in ber Verbinglichung
ber Unenblichkeitskategorie gemacht roirb, in bem allgemeinen fjange
bes menfehlichen (Beiftcs aufgeroiefen, bie 2Birklid)keit aus Vbftrak*
tionen 3U konftruieren, 3U beten ® Übung jie jelber uns erft befähigt.

Dm ©runbe finbet ftd) biefelbe Drrationalität, bie im Unenblichen


3U liegen fcf)eint, im Verhältnis jeber Vbftraktion 3U bem konkreten,
bas ihr 3ugrunbe liegt. “Der 'Begriff ift Unenbliches ober Unbegren3=
tes im Verhältnis 3U ben Vingen, non benen roir ihn burch Vbftrak*
tion abgeleitet haben. 3n ber begrifflichen Vbftrahtion müffen roir
eben auf bie Vegren3theit unb Veftimmthcit, bie uns im Vnfchau«
liehen gegeben roirb, Ver3id)t leiften unb baburd) roirb bie Sphäre
jebes Vegriffes eine unenblidje ;
jeber Vegriff umfaßt eine unbeftimmte

3ahl oon (möglichen) Dnbroibuen. 3 n unjerem Jalle roirb aber bie


unmittelbare Verbinglid)ung ber Vbftraktion um |o oeri)ängnisDoller,
als es ficf) um eine rein negatioe Vbftraktion hanbelt, alfo 3ugleid)

ein Vegatioes als feienb gefetjt roirb. Vllerbings ift ja auch bas Ver*
neinen immer nur eine be3iehenbe Venktätigkeit, eine 'Pofition auf ber
anberen Jrjälfte ber Vbf3iffenachfe ber Venkftellung; unb es kommt nur
auf ben Stanbpunkt an, ber bas Ved)ts unb Cinks burch eine Äehrt«
roenbung oertaufchen kann, um eine Vegation als pofition erfcheinen
3U laffen; unius positio est alterius negatio, unb fo erfcfjeint benn
aud) faft jebem Vejaher ber Unenblidjkeit umgekehrt bas ©in3elnc,
bas Veftimmte, bas Äonkrete als eine Verneinung. 3 d) erinnere nur
an ben Sah bes erften Uncnblid)keitsphilofophen Vnajimanber, baß
bie ©in3elbinge roieber uergehen müffen, „ba fie Vufje unb Strafe
geben müffen um ber Ungerechtigkeit (ihres Sonberfeins) roillen nach

XLVIII

Digitized by Google
ber Orbnung ber 3«it." Bie (frage ift aber, welker Stanbpunkt für
ben Blenfd)en ber natürlichere unb fruchtbarere ift, ob berjenige, wel*
d)er bie Unenblicf)keit rechts nimmt unb non if)r aus bie SBelt 3 U

feonftruieren fud)t, ober berjenige, ber fie fo 3 ufagen links nimmt unb
als blofe negatioen ©ren 3 begriff anerkennt. Ber erftere Stanbpunkt
ift ber bes abftrakten Dbeaüsmus, welker oergiftt, bafc aud) bie

Btetaphgfik bie 2Birklid)keit nicf)t


3U machen, fonbern an 3 uerkennen
t)at, bafj fle bie innere Orbnung bes ©egebenen 3 U erforfd)en unb
nid)t bas ©egebene ab3 uleiten bat oon bem, coas eben nid)t gegeben ift.

©egeben ift uns aber immer nur ©nblid)es. — Der naioe BeaUs*
mus freilich »»0 ben Baum unb bie 3rit als 3 wei uns unmittelbar
1 b
burd) bie Bnfdjauung gegebene unenblid)e 2Birkliä)keiten anf eben .

So lefe i<b 3 . B. in bem Bortrage bes 'Profeffors ber Bed)tsphilo*

fopbie 3 U 'Palermo B. Sd)iattarella „La dottrina di O. Bruno“ ('Pa*


lermo 1888): „Bie Baturroiffenfdjaft offenbart bem ©eifte bas
Unenblicbe; benn wohin man fid) aud) wenbe, kein oerftänbig Benken*
ber kann bem Baume eine ffiren 3 e fetjen.“ Basfelbe toirb man oon
ber 3*it lagen wollen. Ber eben 3 itierte fran 3 öfif<be Blatbematiker
fcbrieb bagegen fd)on 40 3 obre oor Äants Äritik ber reinen Ber*
nunft, als ob er bereits Äants trans 3 enbentale Bftljetik im Buge hätte:
Ce n’estpas ici le lieu de faire voir quel’espace, letemps, la duree
ne sont pas des Infinis räels. 3n ber lat befreit uns nur bie ©in*
fidt)t in bie Dbealität bes Baumes unb ber 3^it oon ber f^einbaren
Botroenbigkeit einer Jeienben Unenbii^keit. 2Bas wir „ben Baum"
nennen, ift erft ein künftiges probukt, ein ©ebankenbing ober Un*
bing, gebilbet burd) Bbftraktion unb Sgnthefis. Bie leitete erfolgt
auf ber ffirunblage bes burcb erftere ©etoonnenen unb biefes befteljt

eben barin, bafj wir alle räumliche Begren 3 ung bes ©egebenen weg*
gefchafft haben. 2Bas alfo können wir erwarten, als ein Unbegren 3 *
tes, ein Unenblid)es? Ober woher jollte uns, wenn wir nad) biefer
Jf>inmegfd)affung (Bbftraktion) rein innerlich konftruierenb oerfabren,

Btorüano Bruno Bö. III


XL1X

Digitized by Google
ein (Enbe bafür kommen? 3 n ber (Erfahrung gegeben finb uns inbes
nur räumlich ausgebeljnte Dinge unb räumliche Berhältniffe 3U)ij<hen

benf eiben unb beibe jtets begre^t ober enblid). Aber oon allem biefem
©egebenen abftrahieren mir in ber ibeellen Baumoorftellung, unb fo
ift es benn natürlich, bah wir ein Unbegrenjtes unb Unenbliches er*
halten, als Befultat jebes Abftrahtionsprogejfes in Jfjinficht helfen,

oon bem abstrahiert roirb. ©ir haben alfo auch in biejem 'Probuhte

nur, toas mir Jelbft hineingelegt haben. Äant baher fchliefjt gerabe aus
ber Unenblidjheit ber Baumoorftellung auf ihre abjolute Unroirhlich*
heit, ba Unenblichheit nur als unbegrenjte Suh3effion, nicht aber
glei<häeitig gebaut roerben hönne; bieBorftellung eines unenblid) feien*

ben Raumes fchliefjt in fich ein ben ©iberfprucb einer oollenbeten Un*
enblichheit. Äant behanbelt bie uns hier interejfierenbe (frage in feinen

berühmten Antinomien ber reinen Bemunft. Danach follen fich, in

£jinfi<ht ber (Erroeiterung bes ©egebenen 3ur Totalität, in ber menfch*

liehen Bernunft 3toei ffiefetjgebungen oorfinben, oermöge beren oon


ben beiben entgegengefetjten Behauptungen ber (Enblichheit unb Un*
enblichheit fich jebe burch bie ©iberlegung bes ffiegenteils als notroen*

big betoeifen Iaffe: I. ©äre bie ©eit enblich, fagt er, fo mürbe fie fich in
einem leeren Baume befinben. ©ir hätten alfo nicht nur ein Behält-
nis bet Dinge im Baume, fonbern auch ber 2Belt 3 um leeren Baume.
Da nun aber aufjer ber ©eit nichts ejiftiert, ba bie ©eit bie Totali-

tät bes (Ejriftierenben ifi. fo wäre bies ein Behältnis „3U keinem
©egenftanbe", 3um „Bichts", toas toiberfprechenb ift, fo bah uns alfo

nichts anberes übrig bleibt, als bie ©eit bem Baume nach als unenb*
lieh 3 U fetjen.

II. ©ollen mir uns aber bie ©eit als unenblich benhen, fo ergibt

fich fofort bie Unmöglichkeit, ein unenbliches ffian3es 3uhonftruieren;

ber Unenbliche kann ja feinem Begriffe nach niemals oollenbet merben.


(Er löft bann biefe Antinomie burch feinen trans3enbentalen 3 bealis*
mus, bent3ufoIge uns bie ©eit überhaupt nicht, roie fie an unb für

Digitized by Google
fid) jelbcr ift, gegeben ift, jonbern nur roie fie uns erfd)eint ; unb meint,
mir bürften if)r roeber bas ©räbikat ber (Enblidjheit nod) ber ilnenb«

Hoheit beilegen.
Od) meine, bajj jebermann fofort empfinben mu&, bafj aud) bieje
fdjetnbare ßöfung ber Antinomie, beren Scharf |inn nod) ijeute niel*

fad) berounbert roirb, uns nur nod) in größere Verlegenheit fe^t, unb
bafj |ie uns geroif|ermaf)en büpiert. ©er ©egenfatj UnenbUd)heit ober
®nblid)keit ift ja, toie mir bereits IjerDorgeljoben, gar nid)t auf bas
IRäumlidje bejdjränkt. ©ielmef)r kommt aud) nad) ©rkenntnis ber Obe«
alität ber !Raumanfd)auung, bie mir, toenn aud) aus anberen ©rünben
als ftant, nid)t beftreiten, bie fjrage barauf 3 urü(k, obbenn bie Summe
bes ^Realen, bas mir als räumlich Ausgebefyntes roafyr nehmen, unbe«
grenjt ober begrenzt fei; unb ba miiffen mir ßotje beipflidjten, roenn
er S. 460 unb S. 204 ff. feiner 3Jletapl)i){ik bie Sd)lüffigkeit ber im
Ietjten ©runbe befonbers in bem ©erljältnis bes ©tmas 3 um ©id)ts
fd)olaftifd)en Äantifd>en Argumente fomoljl gegen bie Annahme einer
enblid)en roie einer unenblid)en 2Delt folgenbermafjen miberlegt: „®ilt
ber IRaum als eine 2Dirklid)keit, fo ift nur feine eigene Unenblidjkeit,

bie bann eben bie Unenblidjkeit eines Seienben fein mürbe, ein ©unkt
ber Schmierigkeit. ©ie 2Belt bagegen, fobalb nur il)r eigener On«
t>alt bas ©räbikat ©nblid)keit »erträgt, brauchte aud) bann ben {Raum
nid)t ausäufüllen; Dollkommen genügenb mürben mir mit fjerbart
fagen, bafj fie, burd) if)n nid>t begreif unb befd)ränkt, in febem
Augenblicke fooiel ©latj in if)m fid) nehmen mürbe, als fie für ib>re

©eroegungen bebarf ; mit ftets oeränberlidjem Umriffe mürbe fie im


ßeeren fd)roeben." „Ol)nef)in mürben mir ja gar keine ©eranlaffung

haben, oon bem leeren ©aume eine einfd)ränkenbe ffiirkung 3 U er«

märten, bie tätig bie 2BeIt begren 3 te, als roenn es felbftnerftänblid)
märe, bajj fie ohne biefen ©iberftanb fid) ins Unenblidje ausbef)nen
müfjte :
fonbem an it)rer ©ren 3 e Ijört einfach bie ÜBelt auf, meil fie

alle ift; roill man bies ein ©erfyältnis ber 2BeIt „ 3 U keinem ©egen«

LI

Digitized by Google
ftanbe" nennen, jo ijt ein joldjes Behältnis roenigjtens nichts ©e«
heimnisoolles unb Bebenkliches ; es tourbe überbies aud) non ber
unräumltcfyen SBelt ber Dinge an jid) fortfal)ren 3U gelten; aud) fie,

bie ©ejamtheit bes Seienben, mürbe jo burd) bas Bid)ts begren3t jein.

Brächte uns aljo int Jortjdjritt burd) bie (Erfahrungsroelt ber 3 «’


jammenf)ang unjerer Beobachtungen 3U ber Über3eugung, irgenbroo
Ijöre bie reale SBelt auf, jo mürben mir hierin allein bie Schmierig»

beiten gar nid)t finben, burd) bie jid) Äant 3um Umftur3 ber geroöhn*
licken Meinung treiben lägt; märe uns klar, roas bamit oon ben
Dingen gejagt ijt, bah fie im Baume jeien, jo mürbe es uns nid)t

beunruhigen, ba^ j> c nidjt überall mären.


Slnberjeits ijt nicht 3U bejtreiten, bah biejelbe ®egren3tljeit ber

SBelt im Baume aud) mit Äants ßehre oerträglid) jein mürbe, roenn
man bieje einmal angenommen unb auf bie angebeutete SBeife ergäbt
hätte, Bilbete bie SBelt ber Dinge an fich ein gejcglojjenes ©an3e,
jtänben fie alle in abftufbaren inteüigiblen Be3iel)ungen, bie jid) in

unjerer 2Injd)auung in räumliche oermanbeln möchten, jo mürbe bas


©rjcheinungsbilb biejer 2Belt abgejchlofjen jein, roenn alle jene roirk*
lieh bejtehenben Be3iel)ungen ihrer (Elemente ihren räumlichen Bus*
bruck in unjerer Buffajfung gefunben hotten. Über bies begren3te

SBeltbilb hinaus aber mürbe jid) ein unbegren3ter leerer Baum aus«
3ubehnen fcheinen; benn alle nur benkbaren, aber nid)t oerroirklichten

jjortjetjungen ober Steigerungen jener inteüigiblen Berhältnifje mür-


ben ebenjo roie bieje jelbjt, roenn aud) als leere HRöglidjkeiten in unjere
©njdjauung treten; um es kur3 3U be3eichnen: jebe 3roei konDergen*
ten ßinien a b unb c d, roeldje mir in ihren (Enbpunkten burd) (Ein*

brüdte bes Beaten bejegt fänben, mürben ihren Schnittpunkt im un*


enblichen ßeeren oerlangen, falls jie ihn innerhalb bes Bilbes ber
roirklichen 2ßelt nicht fänben. Die Begren3ung ber realen SBelt ijt

baher für beibe Bnjidjten annehmbar unb bie 2Bahl 3roijchen beiben
barum unentfehieben :
jie ijt für bie Sinnahme ber Unbegren3tt)eit ber

UI

Digitized by Google
©eit gleid) unentfdjieben, roetl keine non beiben ©nfid)ten burd) fiefj

felbft bie Schmierigkeiten aufljebt, bie man in bem Begriffe ber Un«
enblidjkeit bes Beaten finbet." ßotje, SCRatapt)i)fih S. 205 .

©enn id) felber mid) im ©egenfat) ju Bruno bennod) für bie Annahme
einer enblidjen ©eit unb einer beftimmten Bnjafjl non ©eltkörpern
entleiben 3U müffen glaube, fo habe id) bafür folgenbe ©rönbe:
Ber ffiiberjprud) ift nicf>t. Diefer Junbamentalfat) ber (Erkenntnis
mürbe burd) bie Bnnatjme einer 3af)llofen 3af)l unb einer reagierten

©eltunenblid)keit nerlet)t toerben. Oebes Denken, bas fid) in bie

Berbinglidjung bes negatinen Unenblidjkeitsbegriffes einläjjt, artet

in ©ortJpielerifd)e Berftanbesmgftif^ierung aus; felbft in ber ©tatf)e*


matik I>at es jene mobernen ©tonftrofitäten einer antieuklibifd)en
©eometrie unb ber oon ©auf) inaugurierten oier» unb metjrbimen*
fionalen Bäume erjeugt. Unb trenn felbft heroorragenbe ©tatfje*
matiker folgern ©Ipsismus eines mit leeren logifcfjen Be3iel)ungen

fid) ab^afpelnben Denkens oerfallen konnten, fo berreift mir bies


nur bie Unentbehrlichkeit einer richtigen Seinsoorftellung '* für jebe

©iffenfdjaft. Die richtige Seinsoorftellung muh eben bas ©erben


umfaffen unb Baum laffen für bie ontologifd)en Unterfchiebe bes
Botmenbigen, ©irfclidjen unb ©täglichen. ©0 biefe ontologifd>en

Äategorien in eine Obentität 3ufammenfliehen, trie bei ben ©tegari»


kern, bei pietho unb Bruno unb Jchliejjlicf) bei allen Dh^°f°Ph en .

©eiche bie ©eit als rollenbete Unenblichkeit fet)en, ba roirb nicht nur
ber ffiiberjprud) als feienb gebacht, fonbern aud) alles ©erben unb
®ef<het)en 3um bloßem Schein begrabiert, bie ßebenbigkeit bes Seins
©irb in eine ftarre Sid)felbftgleid)heit ertötet.
Die Unenblichkeit kann nur für bas ©erben, in ber Sukjeffion
neuer ßuftänbe pofitire ©ültigkeit haben, ©in ©irklid)es ©erben
aber ©ürbe bur<h bie Bnnahme einer oollenbet unenblidjen ©irkli<h=

heit aus ber ©eit eliminiert ;


ber Begriff bes ©erbens fetjt bie nicht

blofj logifdje, fonbern auch ontologifche Trennung eines oomBermögen

Ulf

Digitized by Google
unterfd)ieblid)en ©irhlidjen Doraus; er fcßließt nur bann beinen ©i«
berfprud) in fid) ein, ©enn ©ir ein reines Sein als unenblidjes unb
bel)arrlid)es Vermögen non einem 3©eiten roecßfelnben ®rabe feines
Seins, bie ©ir ©irblicßbeit nennen, unterfdjeiben. Ob©ol)I man bie

Dbealität unb Subjebtioität ber 3 «it 3unäd)ft in bemfelben Sinne 3U-


geben mag, ©ie bieObealttät unb Subjebtioität ber (abftrabten) Baum»
oorftellung, fo muß man bod) oorausfeßen, baß berfelben ein objebtioes

Äorrelat im Sein unb ©efen entfpridjt, unb bies ift bie Beränberung
auf ber ©runblage eines Beßarrlicßen. Die Beränberung aus ber QErblä«
rung bes ©eltlaufs gan3 3U oerbannen, ift unmöglid). ffielängeesfelbft
ber Baturroiffenfdjaft, alle Borgänge ber Bußenroelt auf bloße Bela*
tions', Äombinations», Beroegungsoerßältniffe unoeränberltcßer (Ele-

mente (Btome) 3uröd«3ufüt)ren, fo ©ürbe fie bod) aus bem ©efen


besjenigen Bealen nid)t 3U entfernen fein, für ©eitles biefe Bußenroelt
©egenftanb ber ©aßrneßmung ift, ©ie benn aud) o. Äirdjmann, ber
unter Betonung ber Dbealität ber 3 e *t bas ©erben unb bie Beränbe«
rung bem „Sein" abfprecßen 3U müffen glaubte, bem „©iffen" be»
fie

laffen mußte (ogl. o. äirdjmann, bie Unfterblidjbeit, Berlin 1865 ).

©lein einmal in uns 3ugelaffen, bann bie Beränberfidjheit aud)


beine fid) oon felbft oerfteßenbe Unmöglicßbeit für bie realen de-
mente fein , roelcfye Iräger ber Baturroirbungen finb. Das ©erben
ober bas objehtioe Äorrelat ber 3eit im ©egenfaß 3ur unterfcßiebs*
lofen Dauer ift ein (Erfaßrungsbegriff anfcßauli<ß gegebene Ießte
,
lat»
facße ber ©eltorbnung, bie beiner ©eiteren Verleitung unb Defini-
tion bebarf unb fäßig ift. Bur im ©erben aber bönnen ©ir ber Un*
enblicßbeit eine ©iberfprudjslofe pofitioe ©eltung 3uerbennen. Sie
©irb uns ßier 3ur Bürgfcßaft einer unbef<ßränbten fjütle neuer ©ög»
Ii<ßbeiten, bie fid) ent©itbeln, unb bie fid) {«ßranbenlos ßäufen bönnen,
©ie 3 aßknreißen. Sobalb man bagegen aus biefer fcßranhenlofen

Bbfolge einen Dnbegriff unb ein Bebeneinanber 3U machen oerfudjt,


begeßt man ben Jeßler bes Selbftroiberfprucßs unb ergibt fid) ben

LIV

Digitized by Google
(Cfjhnären jenes ©qft^ismus ,
ber aud) bie fdjranbenlofe 3«it ober
(Ewigkeit unter bem Silbe einer fid) in ben Sd)wan3beif)enben Solange
als einen bloßen Äreislauf barftellen möchte unb ben Iebenbigen QC^a»
rahter bes Seins mit ber toten abgefd)lofjenen Sgftematih eines non
(Ewigkeit f)er fertigen unb in alle (Ewigkeit unoeränberlidjen ©eit»
inf)alts oertaufd)t. Unenblidjkeit unb ©erben finb baijer burd)aus
ibentifd) mit ßeben unb tjreitjeit, mit Jreiljeit alierbings nid)t im
Sinne einer gefetjlofen 3 auberfrei!)eit, jonbern im Sinne einer ftetigen
(Entwi<klungsfreil)eit. Sgl. hierüber bes Wäljeren mein : „Dm Jrjod)lanb
ber ©ebankenwelt, ©runbjüge einer l)eroifd)>äftI)eti|d)en ©eltanjdjau»

ung", (Eugen Dieberid)sSerl. 1904 . Bas objektio gültige Äorrelat ber

Waumanfdjauung ift im ©egenfat) 3M Unbejdjränktljeit bes ©erbens


nichts anberes als jener allgemeine gefetjlidje 3ufammenl)ang ber ge*
roorbenen Singe, ber fie uns in einem breibimenfionalen 9lnfd)auungs»
raum erjc^einen läfot. Biejer 3 u|ammenl)ang, biefe Orbnung, ein Kos-
mos erfdjeint unDereinbar mit einer fd)rankenlofen JüIIe, woberStit»
telpunkt überall unb nirgenbs jein würbe, er ift benkbar nur unter ber
Borausfetjung bes non (Eugen Büfyring fog. „©efetjes ber beftimmten
Snjai)!" als mafogebenber Mgemeinregel für alles Sein unb ffie*

jd)ef)en. Unenblid) ift bemnad) nur bas ©erben, niemals bas ©e*
worbene, unenblid) nur bas Bermögen unb bie ©öglicpeit, niemals bas
©ewirkte unb Äonkretwirklidje, unenblid) nur bas Sdjaffenbe, nie*

mals bas ©efdjaffene. Dn einer pojitio unenblidjen ©eit würbe es


weber eine abfolute unb relatine Bewegung nod) überhaupt konftante

Bert)ältniffe, wie 3. S. bas $quioalent non ©arme unb Bewegung


geben können.
„Dl)ne 3®eifel beftcljt aber bie ©irhlidjheit burdjweg aus folgen
burdjaus beftimmten, obgleidj für fid) unbe3eid>enbaren Äonftanten,
bie man felbft bann nod) beftimmt nennen mufj, wenn fie unter wed)*
jelnben Bebingungen ifjre ©erte gefetjlid) änbern." „‘Uber biefe

gan3e ©eit quantitatioer Beftimmungen f)at iljre ©eltung erft inner»

LV

Digitized by Google
;

l)alb ber Mannigfaltigkeit ber Dinge unb Vorgänge, bie aus bem
Sinne bes einen roafyrljaft Realen entjpringen; burd) bas, roas
fic bebeuten unb fallen, unb burd) ben ffiert, ben biefe ifjre De*
fthnmung t)at, roirb ben ringelnen (Elementen unb jeber Äraft erft

bie ©röfje beftimmt, roeldje fie im Dergleidje 3 U anberen fjaben unb


geltenb machen merben. Das aber, toas allem 3 ugrunbe liegt, ift nic^t

ein Quantum, bas an feine (Bremen eroig gebunben toäre unb burd)
t>ielfad) aerfdjiebene Teilungen, nur immer anbers, biefelbe Summe
barjuftellen oermödjte. Ulidjts fjinbert aielmeljr, baf) nad) ben (Er*

forberniffen ber Obee, bie fid) oermitklid)en roill, bie eine ‘Periobe

bes Meltlaufs einer größeren, bie anbere einer geringeren ‘Unjatjl


roirkfamer (Elemente bebarf, unb baf) gleichzeitig jebem ©liebe ber
größeren Menge aud) eine größere Dntenfität feiner 2Bed)felroirkung
mit anberen gehört. Dann mürbe bie ©efd)id)te ber 9tatur einer

Melobie gleichen, bie nid)t mit einförmiger Stärke bes Ions fort*
fließt, fonbern iljre 9Infd)roellungen unb Scfyroebungen mürbe fie

fyaben, bie nid)t aus nichts unb aud) nid)t auseinanber, fonbern jebe
an ifjrem Orte aus ber Äonfequenj bes ffiangen entfprängen." Cotje,
Metapl)i)fik S. 407.

(Es bleibt alfo bas Vermögen, meines mir allem geftaltetenSein unb
bem Meltganjen felber äugrunbe legen, bem mir bas 'Präbikat ber
Unenblid)keit fdjließlid) bod) nid)t oerfagen 3 U bürfen glauben.
Sünbigen mir bamit nid)t bod) fd)liefjlid) felber in bem oortjer oon
uns gerügten 3ref)ler ber fjgpoftajierung bes 2lbftrakten? tRein —
benn mir l)aben bem Ulbftrakten, fofem es nur richtig abftra^iert ift
unb roiberfprudjsfrei gebadjt roerben kann, keinesmegs jebe ^Realität

abfpredjen mollen ;
bas märe oerket)rter Dominalismus. Der De*
griff bes Vermögens ift ein ©ren 3 begriff, ben heine 2Biffenfd)aft, bie

nid)t auf oerftanbesmäfjige (Erfaffung bes Seins oer 3 id)ten roill, ent*

beeren kann ; fo kann bie Ulaturroiffenfdjaft ber Dorausfetjung oon


Sräften nid)t entbehren, bie fie innerlicher unb tiefer benkt benn als

LVI

Digitized by Google
bloßen Warnen für einen ©rfd)einungskomple|. 3 eber „'Pofitioismus",
ber ftd) bei ber blojjen Wegiftratur oon ©rfdjeinungen ftefjen 3U blei=

ben rühmt, ift mir im Bereite bes Waturtoiffens unb ber (


pi)ilojopi)ie

ebenfo oerbächtig, roie im Bereite ber Wedjtstmffenfdjaft. Unaus»


roitbar beharrt if)m gegenüber ein tieferes Bedangen ber ÜJlenfdjen
auf bem unoeräufeerlidjen Wed)t, „in ber ©rfd)einungen 3U
fudjen ben rut>enben 'Pol*'. Dies ift aud) bie untilgbare 2ßai)ri)eit,
bie allem fallen ©ebraud) 3um Irotj in ber platonifd)en Dbeeenkon*
3eption liegt; bie Dbee, bas Allgemeine coill als fd)affenbes Clement

begriffen fein, bas ben oerfd)iebenen ©eftaltungen 3ugrunbe liegt.

Das unenblid)e Bermögen, gleidjbebeutenb mit einem lebenbigen,


freien ©eltgrunbe erfdjeirtt mir als ber letjte ©ren3begriff bes ©r*
kennens. ©enn id} es, einem uralten unb burdj keinen Wamens»
mifjbraud) antiquierten Brauch folgenb, mit Bruno „®ott" benenne,
fo barf id) als bas Wefultat meiner Grßrterung biefes tjinftcllen, bafj

©ott ober bas Unenblidje niemals ohne Selbftroiberfprud) als in bie

©irklid)keit ber ©eit ober Schöpfung aufgehenb, fonbern ungeachtet


aller 3mmanen3, b. h- alles ©ingehens, als 3ugleid) trans3enbent 3U
20
benken ift.

„©ir haben," fdjreibt 3utreffenb Beneke, ÜJtetaphqfik S. 573 ,

„in ber Unenblid)keit bas t>öcf)fte Abftraktum für alle göttlichen (Eigen*

fd)aften, unb infofern, könnte man fagen, hat biefe Gigenfd)aft oon
allen bie höchfte ©ahrheit in be3ug auf bie 3 bee oon ©ott, aber bie
geringfte in be3ug auf unfer Borftellen ober Denken, ©ir oermögen
bas Unenblid)e als ein ipofitioes, roahrhaft Bollenbetes in keiner

Art oor3ufteIlen, unb fo ift benn biefer Begriff nur ber allgemeinfte
Ausbruck unferer Unfähigkeit, bie 3 bee ©ottes angemeffen 3U ooll*
3iehen. 3 nbem roir hierin eben basjenige haben, rooburd) ©ott fich

über alles ©nblid)e erhebt unb oon bemfelben unterfdjeibet, fo oer*

mögen nur aus unenblid)er 3fente 3U ber roahren Ausbilbung


roir

biefes ©ebankens an3uftreben. könnten roir biefe erreichen, fo hätten

LVIf

Digitized by Google
:

mir hiermit äugleid) bas Sein ©ottes erreicht. Denn aud) für biefe

I)öd)fte Spitje mu& ja ber früher gan 3 allgemein gefunbene Satj gel-

ten, ba {3 mir nur basjenige mit bem Sein einftimmig oorguftellen im*
ftanbe finb, roas mir bei unb in biefem Borftellen toerben können."
©an 3 fremb ift unferem eigenen Sein übrigens bie Unenblid)keits»
ibee nid)t. Denn roie könnten mir fonft überhaupt aud) nur 3 ur DU*
bung iljres Begriffes unb Bamens gelangen! Unfer eigenes Vermögen
ber unbejdjränkten Sgntf)efis oon 3af)I an 3af)I unb Baum an Baum
nerbürgt uns it)re iZBefenfjeit unb 2Bal)rl)eit.

Dem, meinem es nidjt fo fdjeint, wollen mir fie freilicf) nidjt an*

3 ubemon[trieren Derjud)en. Denn mit Bedjt lägt ffioetfje in {einem

fflebidjt: „DieSBeifenunb bie ßeute" ben 'Parmenibes auf bieftrage


ber Ceute
„allein roas ift Unenblid)keit?"
ermibern
„ÜOie hannft bu bid) fo quälen!
©eb’ in btd) felbft! ffintbetjrft bu brin
Unenb!id)keit in ©eift unb Sinn,
So ift bir nicf)t 3U helfen !*

Die aber, roeld)e {ich nod) roeiter mit ber Unenblid)keitsibee quälen
mir entfdjieben Dor bem 3rel)lfd)lufle Brunos marnen, bafj
roollen, müffen

bem unenbIid)enBermögen aud) eine unenblicfye UBirklidjkeit entfpred)en


mü|fe. Denn unferer9lnfid)t nach beruht eben biellnenblid)keit besBer*
mögens gerabe auf feiner Unerfd)öpflid)keit. Bruno meinte, bemSBerte,
ber BoIlkomment)eit besfelben mürbe nodj etroas mangeln, folange bie

Unenblid)keit nid)t oollenbet fei. (Er überfielt babei, baf) er bamit


nid)t nur einen Iogifdjen SBiberfprud) begeht, fonbern bem ©efamt*
fein ben 2Bert raubt, ber gerabe in ber 3rreil>cit unb Unerfdjöpflid)*
keit feiner 9Böglid)keiten Hegt, alle ffiegenfätje löfen Jid) aisbann in
einem (Tljaos auf, unb nid)t nur 3r^^if)cit unb Botroenbigkeit, fonbern
gerabe unb krumm, böfe unb gut roerben aisbann ibentifd). Biefe
Brt oon 3bentitätspI)ilofopt)ie halten mir für bebenklid).

LVI1I

Digitized by Google
ftretttd) können wir auch unfere Überzeugung oom Unenblichen
nicht für eine oerftanbesmäßig beweisbare ausgeben. Die Ietjte

Bürgfd)aft für unfere Anfcfjauung oom ffiefamtcharakter bes Seins

ift eben nicht ber reine Berftanb, fonbern oielmehr jene eigentümliche
unb t)ö<hfte, im ©efühl wurzelnbe Tätigkeit bes ©eiftes, bie wert*

entpfinbenbe Bernunft, bie auch bas Denkbare abtoeift, fo lange es


nur benkbar ift unb nid)t burd) bie innere ffiürbe feines Inhalts $u»
gleich bie Anerkennung feiner ffiültigkeit in ber 2Belt erringt.

Diefe coertempfinbenbe Bernunft beftimmte Bruno als Conve-


nienza, zu feiner Cehre oon ben unzähligen Aßelten, toährenb fie

uns nur für bie Annahme einer beftimmten Anzahl oon SBelten unb
eines unenblid)en Bermögens ftimmt, bas fid) in ber ftetigen ©nt*

roicklung bes JBeltalls unbef<hränkt oertoirhlid)t. Jür ben Berftanb


bleibt ber Unenblichkeitsgebanke negatio unb unfruchtbar, unb info-

fern hat Sophie ©ermain in ihren Aphorismen treffenb bemerkt:


»Das Unenbliche ift bie liefe, in melier fich unfer Denken Derliert;

nun aber ift es nicht naturgemäß, fich in Abgrünbe 3 U ftürzen."



©benfo richtig aber bemerkt eine anberegeiftreiche Jranzöfin, Btabame
Stael: „Le sentiment de 1’infini tel que l’imagination et le coeur
l’eprouvent, est positif et createur.“ Dem ©efüßl ift es eben
gleichgültig, ob toir zu ©nbe kommen ober nicht, fofern toir nur eine
Steigerung gewinnen, bie uns in bebeutenbfte, für unfere Befleyion
gewiffermaßen unermeßliche jgöt)e über ben gewöhnlichen ßuftanb
erhebt, Jfir Bruno hol aber bas ffiefüßl eine ebenfo maßgebenbe
Bebeutung gehabt wie bas Denken. Bachbem er bie Schranken ber
allzu beengten fcßolaftifchen ©eltoorftellung burchbrochen hatte, war
es kein BJunber, wenn fein „unioerfeller Affekt", wie Düfjring feine
gemütootle Auffaffung bes Unioerfums bezeichnet, „fich gleichfamoom
Jener ber (fubjektio) unzähligen Sonnenfgfteme näßrenb", in ber
Behauptung ber Unenblichkeit bes UDeltalls glaubte gipfeln zu Jollen,

ohne bie barin Iiegenben logifch*metaphgfifd)en Bebenken zu beachten.

LIX

Digitized by Google
:

Bber auch toenn mir bie pofitio oollenbete Unenblicbkeit ber ©eit
md)t annefjmen können, erleiben mir heine (Einbuße in biejem Batur»
gefüfyl. Ob aud) bie Sanbkörner am ÜHeere fubjehtio ungäljlbar finb,
fo machen [ie bod) objehtio eine beftimmte ^Injaf)! aus. ffiirb ba-
burcb etwa bas Sanbkorn größer im Berbältnis 3ur ©efamtbeit ?
Uns aber oerbütgt bereits eine (Erfahrung, bie Bruno noch nid)t ju
©ebote ftanb, bafj unfere (Erbe fi<b 3ur ©efamtbeit oerbält toie ein

Iropfen 3um Ojean.

(Einfluß ber 3 runofd)en ?)^üo{op^ie auf bie beutfd)e


Dichtung
Bruno ift als *pt)iIofopf) unb Bieter ber erfte geroefen, ber bie
bem naturfeinblicfyen ©ittelalter oerloren gegangene fd)öne Batur«
begeifterung roieber entfalt bat, bie im Altertum einen (Empebokles
unb P Qrmenibes
<
befeelte. Seine bid)teri|d)e 'P^trofop^ie ober philo«
{opbifdje 'Poefie bat oielleidjt bie nad)baltigften unb roeiteften ©eilen»
kreife gejogen. Älopftock, Stiller, ©oetbe, J^ölberlin unb Bgron
haben ber affektioen Buffaffung bes Unioerfums, toeI<be Bruno in-

auguriert bat, bie besten ‘Perlen ihrer ‘Poefie 3U oerbanken. 3m


©eifte ber Brunofd)en Biologe del Infinito, toenn aud) im Sinne
einer <briftlid)eren, tbeiftifchen fflottesibee, bidjtetc Älopftock, obtoobl
er Bruno nicht kannte, feine Oben. Bus feiner „ftrüblingsfeier“
mögen baber folgenbe Berfe hier in (Ergebung ber S<biIIerf(ben unb
Bt)ronfd)en 3 *tate «piat) finben
„Bidjt in ben Ojean ber ©eiten alle

©ill xd) mi<f) ftür3en, fchroeben nidjt,


©0 bie erften (Erfchaffnen, bie 3 ubeld)öre ber Söhne bes ßid)ts,
Bnbeten, tief anbeten, unb in (Entäückung »ergehn.

Bur um ben Uropfen am (Eimer,


Um bie (Erbe nur, min id) fchroeben unb anbeten,
fjalleluja! fjaileluja! Der tropfen am (Eimer
Bann aus ber $anb bes Allmächtigen aud).

LX

Digitized by Google
! !

Da ber fjanb bes 21llmäd)tigen


Die gröfeeren (Erben entquollen,
Die Ströme bes £id)ts raubten, unb Siebengeftirne mürben,
Da entranneft bu, Iropfen, ber f>anb bes Slllmädjtigen!

Da ein Strom bes Cid)ts raufd)t\ unb un|ere Sonne mürbe,


(Ein ZBogenftur3 fld) ftürjte roie oom «Jelfen
Der QDolh' feerab unb ben Orion gürtete,
Da entranneft bu, Iropfen, ber fjanb bes 21Hm5d)tigen

DBer Jinb bie laufenbmaltaufenb, mer bie Dftjriaben alle,

2BeId)e ben Xropfen bemofenen unb beroofenten? unb mer bin id)?
jjalteluja bem Schaffen ben! ÜJlefer, mie bie (Erben, bie quollen,

SJlefer, mie bie Siebengestirne, bie aus Straften äufammenftrömten

(Boetfje aber feat in bemühter Dnlefenurtg an unferen Pfeilofopfeen,


9'
bem er nacferoeisbar oiele feiner ©ebanhenbid)tungen oerbanbt, in
mefer pantfjeiftifdjem Sinne gebietet:

Die ZDeltfeete
Verteilet eud) nad) allen ^Regionen
Don biefem feetl’gen Sdjmaus!
Segeiftert reifet eud) burd) bie näd)ften 3onen
3ns 9111 unb füllt es aus!

Sdjon fcbmebet ifer in ungemefenen Jemen


Den fel’gen (Böttertraum,
Unb leucfetet neu, gefellig, unter Sternen
3m Iid)tbefüten Daum.

Dann treibt if)r eud), gemaltige fiometen,


3ns ffieit’ unb ÜBeitre feinan.
Das £abgrintf) ber Sonnen unb Planeten
Durd)fd)neibet eure Safen.

31>r greifet rafd) nad) ungeformten (Erben


Unb mirbet fdjöpfrifd) jung,

Dafe fie belebt unb ftets belebter roerben


3m abgemeffnen Scfemung.

LXI

Digitized by Google
Unb fereifenb führt ifjr in beroegtcn ßüften
Den roanbelbaren Jlor,
Unb fd>rcibt bem Stein in allen feinen (Brüften
Die feften formen oor.
9hm alles fid) mit göttlichem (Erhüljnen
3 u Übertreffen ftrebt;
Das 2Baffer roill, bas unfruchtbare, grünen,
Unb jebes Stäubchen lebt.
Unb fo uerbröngt mit Iiebeoollem Streiten
Der feuchten Qualme 91ad)t;
Dun glühen fdjon bes Parabtefes Töeiten
3n überbunter Pracht
2Bie regt fich balb, ein holbes Sicht 3 U fchauen,
©eftaltenreiche Schar,
Unb ihr erftaunt, auf ben beglückten 2luen,
Dun als bas erfie paar;

Unb balb oerlifdjt ein unbegrenätes Streben


Dm fel’gen DJechfelblick.
Unb fo empfangt mit Dank bas fdjönfte Beben
Dom 2111 ins 2111 3 urück.

2>ie fftacfyfolger 33runos in bcr Äosmologie

ftadjbem id) im Borftetfenben eine kurje Sfti33e bes bosmologifd)en

SBiffens oor Bruno gegeben habe ,


toill ich 3um Schluß einen feur3en

literarifchen Überblick über bie bemerkensroerteften Dachfolger Brunos

in ber Dusbilbung ber mobemen Dnfdjauung oom Äosmos nachfügen,


nur um bem Cejer, ber ein befonberes Dnterefje am Shtbium ber £os*

mologie nimmt, einige 3finger3eige 3U bieten, ohne auf gelehrte BoU«


ftänbigbeit Dnfprud) 3U erheben. 0d) faffe babei nicht foroohl fpe3ia*

liftifdje Arbeiten ber erft mit (Entbedtung bes leleffeops 3eita»eilig 3ur
Äönigin bes empirifchen 2Biffens erhobenen Dftronomie, als oielmeht

LXil

Digitized by Google
nur bie allgemeineren, phüofophifd) unb kosmologifd) bebeutfamen
Sänften über ben ffiejamtbau bes Unioerfums unb bie ©ehrheit be»

roohnter ©eiten ,
foroie über bie (Entmicklungsgefd)id)te bes ffieltaüs
ins Auge.
Abgefetjen oon Kepler, ber feine „©onbnadjt" fdjrieb unb jeinen
berühmten „Aftronomifd)enIraum" träumte, unb oon (Balilei, bejjen

©artgrium für bie Brunofd)e Kosmologie allbekannt ift, finbet man


rool)I bie er jten Spuren bes roeitergeljenben ©inf luffes ber burd) Bruno

DoHäogenenBeDolution unb(Emanjipation in©ontaignes „Berjudjen"


unb bei bem in oieler Hinfid)t aud) jonft an Bruno erinnemben Did)=
terphilojophen Thomas (Eampanella, ber in feinem „Sonnenftaat"
Dielfad) ben Satj bes Bolaners roieberljolt ,
es fei eine 2f)orl)eit 3 U

behaupten, über unfern (Erbball hinaus fei nichts Dorfjanben; benn


roeber in ber fi^tbaren ©eit nod) über biefe hinaus könne es ein
Bidjts geben.
Über bas Berfjältnis bes 'Descartes 3 U Bruno f)abe ich bereits ein*

gefjenb gefprod)en. Diefer roagte bie Anfd)auungen bes Bolaners

nur in 3 agf)aftefter fjorm 3 U bekennen. (Eine originale Schöpfung bes


Descartes aber ift bie fog. ©irbeltfyeorie, eine §gpotf)efe 3 ut (Er*

klärung ber (Eigenberoegung ber ffieftirne ,


roeldje fid) eingeljenb im
III. leil feiner ‘Pri^ipien, cap. 55 — 89 bargeftellt finbet; bie Drehung

ber ©eltkörper toirb burd) bas Kreijen ber fie umgebenben Ätf)er*

füllen erklärt, burd) roeldje nad) Art eines ©irbels ober Strubels
bie feften Körper mitgerifjen mürben ,
inbem gleichzeitig f aft roie in*
<
einanbergreifenbe 3 at)nräber bie Ütt)er^ülIen felbft burd) gegenjeitige

Beibung in ihren Berührungsflächen fid) in Beroegung festen. (Es

bebarf keiner Ausführung, bah biefe eigentümliche Himmelsmechanik,


bie noch lange nom Autoritätskultus als fdjarf finnig berounbert mürbe,

nicht auf Bruno 3 urück 3 ufüf)ren ift; bie ein 3 ige Stelle im oorftehen*
ben ©erk, an bie man babei benken könnte, S. 109 oben, birgt
nach unfern Auffaffung (f. bie Bote 44) einen rationelleren ©e*

LX1II

Digitized by Google
bankenkeim. §ätte Bruno jo oiele 3al)re nad) ©alilci gelebt, roie

Bescartes, jo trütbe er oielleid)t Don ben burd) ©alüei gewonnenen


ffirunblagen einer rationellen Mechanik einen befjeren ©ebraud) ge«
mad)t haben, als ber Dielfad) bod) in bie Scfjolaftik rückfällige „Bater
ber mobernen ipi)ilofopl)ie", mit Bejug auf befjen TOirbeltljeorie
£ugghens in feinem „Kosmotheoros" jdjreibt: „Bie fiommentation
bei (Eartefius ijt gan 3 unb gar aus jo leichtfertigen ©rünben gewebt,
bah es mid) oft rounbert, toie er auf bie Beretnbarung joldjer (Erbid)«

tungen foüiel Blühe habe oertoenben können."


Bas 17. ^ahrhunbert be 3 eugt ein allmähliches Burd)fickern ber
Brunojdjen Kosmologie auf inbirekten ©egen in breitere 5d)i<hten

ber gebübeten ©eit, wobei hauptjächlich bie pojitioen ©rgebnijje ber


mit bem Jernrohr ausgerüfteten aftronomifd)en 3rorfd)ung mitgeroirht
haben. Dies (Ergebnis jpiegelt fid) roieber in einer reichen populären

ßiteratur über ben ffiegenftanb, in ber allerbings toeniger bie wifjen«

jchaftliche iphantajie bes Bolaners, als oielmehr unwifjenfd)aftliche


unb im jchlechtejten Sinne bilettantenhafte Bhantaftik überwuchert.
Bas befte unter biejen Büchern ift roohl noch bie übrigens hö<hft jelt«

jame Bbljanblung eines getoijfen 'Pierre Borei, eines fjreunbes ffiafjen»

bis, mit bem Üitel: „Beue Bbljanblung, toelche bie Mehrheit ber ©ei»
ten beroeift; bah bie Sterne bewohnte ©eiten finb unb bie (Erbe ein
Stern ift; bah bie (Erbe aufjerhalb bes Mittelpunktes ber ©eit im
britten £immel fid) befinbet, unb nor ber feftjtehenben Sonne {ich um»
breht unb anbere abfonberliche Binge.“ 3n Bomanen popularifiert
(Egrano be Bergerac, insbefonbere in feiner „®efd)id)te ber Staaten
unb Beid)e ber Sonne" bie neue ©eltanfd)auung. Bn Bescartes {ich

anfd)Iiehenb fchreibt ein Bater Merjenne eine „Beije in bie ©eit bes
Bescartes." 3®>fch en Unfinn unb Somnambulismus irrlichtert bie

„Berückte 5)immelsreife" bes Bater BthanafiusKircher, ber übrigens


nicht toie Bescartes ein Derfdjämter Anhänger, fonbem ein ffiegner
bes Bolaners ift unb bem ©ettfgftem Igcho be Brahcs fjulbigt, bas

LXIV

Digitized by Google
8

biefer, um bem Schein« unb ber Bibel ©enüge 3U Ieiften, ausgebadjt


hatte.

Den Übergang 3um 1 . 3 ahrljunbert bejeid^net bas jeinerjeit unb


in Frankreich teilroeffe jetjt nod) nie! bemunberte Sud) bes galanten
unb geiftreichen Fontenelle, bes gelehrten Sekretärs ber Skabemie
ber Htiffenfcfjaften ,
mit bem litel: „Unterhaltung über bie Stehrheit

ber Stetten." (Es mürbe ber beutfcfyen ßejertoelt in einer Überfetjuna


burdj bie Süongenperücke ©ottfdjebs nermittelt. Das Sud) ift ber
Siarquife be la Stefangfere geroibmet unb befyanbelt feinen ©egen*
ftanb in 3form eines Dialogs mit einer Dame. Stenn jetjt ber in fei*

nem eigenen fd)riftftellerifd)en ©efdjmack [ich freilich, toie mir fcheint,

nur alljufehr an bie 'Popularifierungsrhetorik Jontenelles anlehnenbe


Jlammarion in feinem Suche über „Die ÜRehrheit beroohnter ©eiten“
fdjreibt: „Cs ift bas rei3enbfte Sterk, bas je über unfern ©egenftanb
oerflff entlieht roorben ift, unb ber aufjerorbentliche Seif all, ben bie

mit anmutigen Dichtungen gefchmückte Gehre fanb, öffnete nieten bie


Sugen sum Sticke nach ber Staf)rheit", — fo kann Id) mich biefem
Urteile nach ©rlebigung feiner Cehtüre keineswegs anfchliefjen. Sur
ber gänslich übertnunbene ©efchmack bes *perücken3eitalters unb ber
5d)nörkelrenaiffance macht mir ben (Erfolg jenes Süchteins einiger*
mafjen begreiflich; h^tjutage, meine ich, müfjte fetbft eine Dame fich

burch biefe Sti[d)ung non rationaliftifcher Sdjulmeifterei unb Süf)hol3*


rafpelei gelangmeitt fühlen, unb ich unterfchreibe bie Soltairefche Se*

3enfion biefes Suches, ber ihm 3uerft bie ihm bereits oinbfeierte
„ÄIaffi3ität* abfprach; „benn bie *pi>iIofop^ie fei oor altem bie Stahr*
heit unb bie Staljrheit bürfe fi<h nicht unter falfchem 3>wat nerber*
gen; mit ©atanterie gehe man nicht an bie ©rforfd)ung ber Stetten;

mit einem Äompaffe nerfehen märe bie Iräumeret eine beffere 3füh*
rerin: ber Iräumerei ertoeitere fi«h ber f)ori3ont mit jebem Schritte,
ber ©alanterie nerbunkete fie fich pläijlich, fei et auch norher noch f°

hell." Stan finbet in ben Stelten non Fontenetle: „©ine grofje Sn*

(Btorbano Bruno Sb. 111


LXV

Digitized by Google

Häufung Donfjimmelsftoff, in welchem bic Sonne eingeklammert ift.

Bie Dlorgenröte ift etwas Unmutiges, bas uns bie Batur in ben
Kauf gibt. — Bon bem ganjen Himmelsgerät ift ber (Erbe nur ber
Btonb geblieben, welcher fefjr an it)r 3U Rängen fd)eint." .'Dies ailes

ift recht ()übfd)“, meint Voltaire, „befonbers aber für lacfyluftige

Spüler ober für grauen, welche 3 ul)ören unb bie Beverungen bes
3räd)ers betrauten." Dabei ftef)t fjontenelle an roiffenfdjaftlic^er

2Baf)rf>eit, ungeachtet er 1 70 3a!)re fpäter fdjrieb, noch hinter Bruno


3 urücb; er folgt im wefentlichen bem Descartes, beffen 2Birbeltheorie

er für ein non plus ultra ber Himmelsmechanik anfieht; aus Brunos
oorftehenben Dialogen, bie er einmal geringfd)ätjtg erwähnt, hätte er
nicht nur in ftiliftifcher, fonbern fogar in pofitio naturwiffenfchaftlid)er
Hinficht manches beffer lernen können.
3ehn 3ahre nach bem (Erfdjeinen bes Buches oon Jontenelle fchrieb

ein berufenere Kraft, ber bamals faft fieb 3 igjäl)rige grofce ‘Phpfiker
unb Dtathematiker Hupghens, am bekannteften burd) feine Bered)*

nung ber Schwungkraft unb bie im Bnfchlufj baran gemachte (Erfin*

bung ber ‘Penbeluhr, fein fchonoorhin genanntes 2Berk „Kosmotheo*


ros" ober „TOeltbefchauer". Sein Buch ift erft nach bem lobe bes
Berfaffers oon beffen Bruber herausgegeben worben ;
es be 3 ei<hnet
ben erften ffartfchritt über Bruno auf ber ©runblage pofitioer

(Erfahrungen. Hubens geht auch mit großem (Ernfte auf bie Jrage
nacf) ben ‘Planetenbewohnern ein, ohne inbes, wie Jlammarion rieh*

tig bemerkt, in biefer Bidjtung mehr als oage Bermutungen 3U


bieten.

Dm 18. 3ah r *) u nbert ftofcen wir bann auf (Thriftian QBolffs „Bll*

gemeine Kosmologie", neben beren bekannter Dürre fieh bie „Himm*


lifchen ©eheimniffe" bes theofopfjifchen Sehers Swebenborg als be*
beutenb kur 3 weiligerer, ftellenweife freilich auch wieber langweilig
ermübenber ‘Phantafiekontraft empfehlen, auf Boltaires bekannten
Boman „ÜJticr omegas", Camberts „Kosmologifd)e Briefe", um enb*

LXVI

Digitized by Google
lid) toieber einen miffenfchaftlichen Jortfdjritt ber Kosmologie betKant

unb Caplace feftftellen p können.


Kants „Allgemeine 9iaturgejd)id)te unb lijeorie bes Jrjimmels ober

Berfud) oon ber Berfaffung unb bem med|anijd)en Urfprunge bes


ganjen Aßeltgebäubes nach Betotonifchen ffirunbfätjen abgeljanbelt"

erfdjien im 3al)re 1755.


Obwohl id) roeit entfernt bin, bie oielfad) i)ert|d)enbe übertriebene
Überjdjä^ung Kants 3 U teilen, roeld)e benfelben für bie beutjefje Schul«

pljilofophie naljeäu eine Bolle fpielen lägt, wie Ariftoteles fie für bie
Sd)olaftik bes DBittelalters gefpielt hat, fo bann id) mich bod) anberer*
feite aud) nicht mit ber gar ju abfprechenben Kritik befreunben, bie
(Eugen T»üt)ring in feiner „Kritiken ©e|d)id)te ber Bled)anik" S. 338
biejem Aßerke 3 uteil roerben lägt. 3mmerl)in bietet er ben erften
ernftf)aften Berfud) einer natürlichen (Erklärung ber ©ntftehung bes

Aßeltalls; unb roennmanoon Obeeenkeimenabfieht, biejidjinbieferfjin*


fic^t Jd)on bei ben ©riechen unb bei Bruno finben, fiege S. XIX oben,

fo trägt bie fogenannte Bebenhgpothefe, b. h- bie Annahme eines

urfprünglich gasförmigen 3uftanbes ber A3elt in Berbinbung mit einem

3 ur Bilbung oerf^iebener An 3 iel)ungs* unb Ballungs 3 entren ftreben*


ben Bewegungsantriebe, ober bie fogenannte Kant»£aplacefd)e ©nt«
roichlungstheorie hoch mit Bed)t ben Barnen biefes 'Philofophen an
erfter Stelle.

Bie im roefentlichen mit Kant übereinftimmenbe Exposition du


Systeme du monde oon Caplace erfd)ien nämlich erft im Jahre 1796.
<
AHerbings 3 eichnet (ich leitete, als oon einem pt)t)fiker unb Blatt)e«

matiker oom fjad) herrühtenb, &urd) ihre pofitio«ejaktere unb feftere

Begrünbung in begreiflid)er Aßeife oor bem Kantfdjen Buche aus.


Beibe nebeneinanber 3 ®oeifelIos oöllig felbftänbige Schriften, —
Caplace bürfte kaum jemals etwas oon Kants Dbeen erfahren haben,
— betätigen in fdjöner Aßeife biefelbe ©Bagrfjeit, 3 U ber man auf
Betriebenen Aßegen, bebuktio unb inbuktiu gelangen kann. Keine

r LXVII

Digitized by Google
braucht barum bie anbere in Statten 3U fteden. ßants Arbeit roill

ebenfo mit bie oorliegenbe Brunos md)t mit empirifchem unb ejaktem
Btahftabe gemeffen roerben, toie bies oon feiten ©ührings ausfd)lieh*
Iid) gefc^ie^t. Bruno unb fiant bieten nielmehr, roie geiftooü bu ©rel
in feiner »moniftifc^en Seelenlehre“, S. 59 bemerkt, ben Beroeis, toie

bas (Benie nad) bem ©rin3ip bes kleinften äraftmahes operiert, ober

toie (Biorbano Bruno fagt, bah es nur toenig 3U hören unb 3U fehen
brauet, um oiel 3U begreifen.
3n pt)ilofopl)ifd>er fjinfid)t glaube id) bie fragliche Schrift Äants
unmittelbar neben feine „Äritik ber reinen Bemunft" ftellen 3U bürfen;
unb es ift kein geringes Berbienft Blejranbet oon fjumbolbts, fie erft

toieber ans Cid)t ge3ogen 3U haben. ©emt für bie pt)ilofopi)ifc^en


Bachfolger Äants, unter benen 3umal <Jid)te, Stelling unb J^egel
burd) naturtDiffenfdjaftliche 3 gnoran 3 fid) unrühmlich ausge3eid)net
haben, roar fie fo gut roie nidjt oorhanben ;
jene gelten fid) bekannt*
Iid) mehr an bie fd>road)en unb |d)olaftifd)en, als auf bie ftarken Sei*
ten bes „äönigs, ber benäärmem 3U tun" gab. (Eine geregte 2Bür*
bigung ber Äantfdjen Schrift lieferte Schopenhauer im II. Banbe ber
©arerga unb ©aralipomena, § 87 .

2Benn roir fomit ber £antfcf)en Schrift ®ered)tigkeit roiberfahren

Iaffen roollen, muffen roir hoch gleichzeitig baran erinnern, bah fie bie

oorfteljenben ©ialoge Brunos nicht im minbeften, auch abgefehen


oon fonftigen Bor3Ügen ber letjteren, in ben fjintergrunb 3U {teilen

braucht. So hat man es gerabe ber äantfctjen Schrift als gan3 be*
fonberen Buf)m 3ugered)net, bah in ihr bereits gefolgert roorben fei,

auch jenfeit bes Saturn feien noch 3 U unferem Sonnenfgftem gehörige


©laneten, bah er alfo bebuktio bie berühmte (Entbeckung bes Uranus
burch fjerfdjel anti3ipiert habe. ©ühring a. a. O. roeift mit Bedjt
barauf hin, bah Äant 3U biefer Folgerung burd) einen falfchen ffirunb
gelangte; er meinte nämlich (©eil I. unten S. 44 £ehrbad)fcher
,
Bus*
gäbe), bah planetarifchen (Ejjentrzitäten mit ber (Entfernung oon

LXVIII

Digitized by Google
ber Sonne mehr unb mehr june^men müßten, bamit man f<hlie£}fich

burch eine Stufenfolge ju ben großen <E^entri3 itäten ber Kometen


gelange, (Deshalb „ Diellet d)t noch bie (Entbeckung neuer ‘Planeten über
ben Saturn 3 U hoffen fei, bie ej3 entrifcher als biefer unb alfo ber

feometarifd)en (Eigenfchaft näher fein mürben." — Bruno hat, oergl.

S. 89 unten ,
bas Borfjanbenfein oon ‘Planeten jenfeit bes Saturn
jmeihunbert Qa^re früher als Kant befthumt behauptet, unter 5In*
gäbe eines, menn aud) allgemeineren, fo bo dj menigftens nic^t unrich-
tigen (Brunbes. Ob Kant bie nad)f olgenben Dialoge Brunos gekannt
ober gar benutjt hat, lägt fid) nicht nachmeifen, — mir erfdjeint es

unmahrfdheinlich. (Erft im 19. Hahrhunbert hat enblich bie Kosmo-


logie, befruchtet bur<h bie (Boethe'Camarcfe-Darroinfchen (Entmicfe*

(ungsibeen, eine DarfteUung erhalten, bie nicht nur bem roefentlidjen

Inhalt ber (Errungenfd)aft Brunos burch eine ausführliche Bnalgfe


aüer bisher bekannten kosmifchen (Erfcheinungen bie oollenbetfte

mobeme philofophifche (Bemanbung, fonbern auch ben burch Kant


unb Caplace nur erft oerfud)ten Bbfchlufj liefert, inbem fie bie roiffen»

fchaftliche Kosmologie burch eine miffenfchaftlicheKosmogonie ergänzt.

3d) meine bamit bu ‘Preis unfehlbare „(Entmichlungsgefchichte bes


Weltalls, (Entrourf einer 'Philofophie ber ^Iftronomie.“ ©efetjt ben
tfall, es gelänge, ben (Beift bes Bolaners für hmqje 3eit roieber ins
irbifche Dafein 3 U befchmören, fo müfcte ich bäum ein befferes Wittel,

ihn über ben fiegreichen 3rortf<hritt bes menfdjlichen Denkens in ber


oon ihm mit genialer (Energie eröffneten Bahn 3U oergemiffem, als
bie Mitteilung biefes Buchs.
(Ein Supplement 3 U bemfelben bilbet bie kleinere Schrift bu *Pre(s

.Bon ben ‘pianetenbemohnern", in ber unter (Ergän 3 ung Kants unb


Gaplaces burch Darmin unb Bermertung ber oon Kapp in feiner

BhUofophfc ber Xedjnik aufgemiefenen Batur ber Organprojektion


über biefes oon Bruno unb $ui)ghens nur allgemein berührte ‘Pro-
blem, bas immer noch einen Cieblingsfpietball aftronomifcher 'Phan*

LXIX

Digitized by Google
taftik bilbet, alles gejagt ift, toas einftroeilen bie ©ifjenfdjaft bar über
jagen barf unb bann.
Beben biejen Sänften mag nod) bes oorfjm ermähnten bekannten
fieiters ber Barijer Sternwarte (Eamille ftlammarions Bud) „Bie
Bteljrljeit bewohnter ffielten" genannt toerben. Bte Schrift besfel*
ben ift für bas breitere Publikum beregnet unb iijr etwas rfjetori*

fdjes pattjos mutet in ber beutjdjen Überlegung Don Dr. Breisler


oieIleid)t weniger an, als im franjöfijdjen Original.
Sowohl bu Brei wie <J-lammarion haben freilich jeitbem AJege ein*
gejd)Iagen, auf benen bie heutige mifjenjdjaftlidje Burd)jd)nittsroelt
ihnen nid)t 3U folgen wagt, inbem fie beibe oom Stubium ber jo*
genannten ©efyeimroiffenjdjaften weitere Aufklärung über bas A3elt*
unb 2Renjd)enrätfel erhoffen.
Blag man über itjre neueren Schriften urteilen, wie man toill,

auf keinen ftall toirb baburd) ber IBert ber eben erwähnten beein*
träd)tigt; insbejonbere roirb jelbft ein materialiftijcher Bofitioift bu
Btels ,,(EntroickIungsgejd)id)te" für ein Standard -work moberner
!JtaturpI)iIojopt)ie anjuetkennen haben. ÜBeldjer Abftanb liegt 3wi*
jd)en ben kinbijd>*poetijd)en kosmogonien ber Alten unb bem Sgftem
bes Ariftoteles einerfeits unb biejer monijtijdjen B^Iojopljie bes aftro*
nomijdjen 2Bifjens anbererjeits! ©leidjtooljl t>at bu Brei recht, wenn
er, obwohl er feine Borrebe mit bem pofitioiftijd) klingenben Satje

j^Iofe:

„Ber alte (Epikur jagte: Bie ©ötter wohnen in ben 3a>ijd)en s


räumen ber SBelt. — (Er f)ätte jagen jollen: in ben 3®if<hen*
M
räumen ber (Erkenntnis ber 2Belt.

i<h jage, gleid)tDot>l I>at er red)t ,


wenn er mit ber natürlichen Auf*
klärung über ben med)anifd)en Aufbau unb bie med)anij<he (Entwidt*
lung bes Alls weber bas UBelt* nod) bas ÜJtenfchenrätjel für gelöft
anjieht. Bur materialiftifche Oberflächlichkeit kann glauben, bafj es
fid) fortan nur noch um empirifd)e 3rläd)enarbeit innerhalb ber räum*

LXX

Digitized by Google
fidjen ©rfcbeinungsroelt fjanbcln könne. Sdjopenfjauer fdjlofj feine Be*
tradjtung über Äants unb Caplaces Bebularf)t)potbefe mit ber Be*
merkung: „©Ile jene ©orgänge bemalten felbft in ihrem empirifdjen
Bafein, bei aller me<banif<ben Wertigkeit unb matf)ematifd)en ©enauig»
beit ber Beftimmungen ihres (Eintretens, bod) immer einen bunklen
Äern, roie ein fdjroeres hn £)intergrunbe Iauernbes ©efjeimnis, näm=
Ii<T an ben in ihnen fid) äufeernben Baturkraften, an ber biefe tragen»
ben Urmaterie unb an ber notroenbig anfangslofen ,
alfo unbegreif*

Ii<ben (Ejiftenj biefer, — melier bunkle kern auf empirifc^em 2ßege


unmöglid) ift: Daher Ijier bie DIetapbgfik einäutreten hat, roeld)e an
unferem eigenen JBefen uns ben Äern aller Dinge (im fflillen) kennen
lehrt." ÜDenn nun bu ©rel unb «Jlammarion 3 ur (Erforfdjung unferes
eigenen ÜBefenskerns aud) foldje ©rfd)einungen gerabe für bejonbers

erheblich cradjten, roeldje, roie ber ioppnotismus, Somnambulismus,


bas ©Jahrträumen unb bie lelepatfjie oom Stanbpunkte bes bis*
herigen Baturroiffens als abnorme fid) barftellen ,
jo treten fie aud)
bamit in bie Jufjtapfen nid)t nur Äants ,
roie bu ©rel beroiejen bat,

fonbern aud) Brunos, roie ich gelegentlich in einem ©uffatje über


Brunos Bert)ältnis 3 Ut roiffenf<haftlid)en Btpftik (f.
Spa 3 iergänge
eines 2Bahrheitfud)ers S. 173 ff.) nad)roies. Das» ©erhalten ber
Burd)fd)nittsbitbung unferer 3«t aber bemgegenüber erinnert Iebig*

lid) an Burchio, roelcher (S. 27 biefer Dialoge) jagt:


„„3d) roill es nid)t glauben, aud) roenn es noch fo roahr ift!""
3mmerl)in mehren fid) bereits bie ©n 3 eid)en, bafo eine künftige

©Jelianfd)auung ,
bie „nid)t auf eine ffielehrtenkafte befd)ränkt fein

roirb, roie unfere heutige iphilofophie, fonbern in innigem 3ufammen*


bange mit unferem kulturleben fteben roirb" (bu ©rel), „bie fi<b ni<bt

emfeitig an bas f)e *3 bes ©tenfehen roenben roirb, roie bie Beligion,

aber aud) nid)t einfeitig an ben Berftanb, roie bie tEBiffenfc^aft" ,


auch
bie Borurteile einer blof) negatioen ©ufklärung überrounben haben
roirb, unb bajj bann allgemein an Stelle ber 3 ur 3 eit no<b um bie ©1*

LXXI

Digitized by Google
Ieinherr|d)aft bämpfenben fficgenfä^c bes ÜRaterialismus unb ©09*
matismus bte Überzeugung oon einem (ittlichen unb religiöjen (tnb«

ZtoeÄe bes ©a|eins unb oon einer göttlichen (immanenten) Ideologie


bes Unioerjums getreten {ein roirb, in meiner aucf) ungeachtet aller
Zeitweilig auf biefem Planeten „triumphierenben ©eftien" ffliorbano
©runos metapi)t)[i{d)er Optimismus wurzelt

LXXII

Digitized by Google
$om unenblid)en 5UI unb
ben 2BeIten

T>em

t)od)ebIen §errn non ÜRauinfftere


jugecignct

(Bebrudtt in ^Bencbtg 22
QInno MDLXXXIIII

Digitized by Google
(Einleitungs = Schreiben

an ben f)od)eb!en

Joerrn Wickel bi daftelnuooo,


23
f)errn oon Sftaumdiere,

doncre([alto unb 3oinmlte,

Orbcn5rittcr bes atlerd)ri|tlid)cn Königs,

©titglieb (eines ©efjeimen !Rats,

Kapitän non 50 ßriegsleuten


unb ©ejanbter bei

3I)rer ©tajejtät ber

Königin non

(Englanb

Digitized by Google
(E 7l£I(E id), f)od)ebler Witter, ben ^PfIugfd)coan3, gütete
id) eine fjerbe, baute id) einen ©arten, flickte id) alte

Wödte, bann mürbe niemanb mid) beargroöljnen, roenige


mürben mid) bead)ten, feiten mürbe id) getabelt roerben,

unb oidleid)t gar könnte id) allen gefallen, ©eil id) aber
bas Jelb ber Watur oermefje, beforgt bin für bie ©eibe
ber Seele, bemüljt um bie ‘Pflege bes ©eiftes unb ein ‘Däbalus 21 in ber

Ied)nife ber ©ernunft, jiefye, ba mufj id) es bulben, baf} mancher mid)

nur 3U fefyen braudjt, um mir 3U brofyen, mid) nur 3U erblicken brauet,


um fid) auf mid) 3U fluten ; mid) nur 3U erregen brauet, um midi)

3U beifjen, mid) nur 3U faffen braud)t, um mid) 3U 3errei§en, unb bas


[inb nid)t einer, nid)t roenige, es finb oiele, nal)e3U alle, ©ollt 3I)r
miffen, rooljer bas kommt, fo bann id) nur jagen: oon ber Unioerfität,
bie mir mißfällt, oom 'Pöbel, ben id) t>affe, oon ber ©enge, bie mir
nid)t imponiert, oon ber einen, bie meine ßiebe befitjt; jene mein’ id),

burd) bie id) frei bin in ber Unterwürfigkeit, 3ufrieben in ßeiben, reid)
in ber Wrmut unb lebenbig im lobe; — jene, berentroegen id) fold)e

nid)t beneibe, bie Shlaoen finb in ber 3rreif)eit, bie Qualen leiben in

ben ßüften, bie arm finb bei alt ifyrem Weidjtum unb tot mitten im
ßeben, roeil fie in i^rem Äörper bie äette Ijaben, bie fie feffelt, in il)rem

©emüt bie fjölle, bie fie einberbert, in ber Seele ben Orrtum, ber fie

branb mad)t, unb im ©eifte bie Sdjlaffudjt, bie fie erftarren mad)t;
für bie es keine $od)l)er3igkeit gibt, bie fie befreien, kein Streben,
bas fte erf)öf)en, kein ßid)t, bas fie erleud)ten, keine ©iffenfdjaft, bie

fie 3um ßeben erroeeken könnte! ©a^er kommt es, baf} id) nimmer
ben fjruf) ermübet 3urüdt3iel>e 00m fteilen ‘Pfabe, nod) oersagenb bie
Wirme finken taffe oom ©erbe, bas id) mir als Aufgabe gejtelU l)abe,
nod) t>er3roeifelnb ben Wüdten ßeige bem Jeinbe, ber mir entgegen*
tritt, nod) gebtenbet bieWugen megmenbe oom göttlidjen ffiegenftanb;

ob id) gleid) merke, baf} man mid) meiftens als einen Sopljiften t>er*

Digitized by Google
leumbet, mid) barftctlt als einen, ber mehr fdjarffinnig 3U jdjeinen, als

©ahrhaft 3U fein beftrebt fei, mid) oerbennt für einen (El)rgei3igen,


ber mehr barauf benhe, eine neue unb falfcf)e Sekte 3U ftiften, als bas
9Ute unb 2Baf)re 3U beftätigen, mid) für einen ©ogelfteller ausgibt,

ber bent Stimmer bes Wurmes nadjjage, inbem er Bebel bes Jrr*
tums um fid) Derbreite; mid) fd)ilbert als einen unruhigen ffieift, ber
bie ©ebäube guter Oehren untergrabe unb künftige ÜJlafd)inen h« s

{teile, um bas Unterfte nad) oben 3U beeren. Dod) fo getoifj id) tjoffe,

bafj heilige ©enien biejenigen Derberben mögen, bie mid) ungered)t

Raffen, fo geroife ict) bete, bafj ©ott mir alle 3«t gnäbig fei, bafj mir
t)ulbrei<f) fein mögen alle ©e^errfdjer biefer ©Seit, unb ©ünjd)e, bafj

mir bie ©eftirne bie Saat für bas fffelb unb bas JJelb für bie Saat
bereiten, auf bafj ber ©Seit eine fegensreidje unb ruf)m©ürbige Jrudjt
meiner Arbeit ertoad)fe, benen, bie bes Cidjtes beraubt finb, ben ©eift
3u erwecken unb bas Jrjer3 3U erfdjliefjen, fo gcroifjlid) roafjr ift es,

bafj id) nichts erbitte ! Unb ©enn id) fdjon irre, fo glaube id) wenig»

ftens wahrhaftig nid)t 3U irren unb bei allem Beben unb Schreiben
ftreite id) nid)t aus bloßer ßuft 3U fiegen; — benn für gottDerhafjt,
niebertTäd)tig unb jeglid>er ©l)re bar ad)te id) jeben (Erfolg unb Sieg,
bem bie ©Saljrheit nid)t inneroofjnt; fonbern aus reinfter ßiebe 3ur

©obren ©Seisfjeit unb aus ©ifer für waf)re ©rkenntnis ftrenge id) mid)

an, arbeite unb quäle mich felbft.

Das ©erben aud) bie ©eweisgrünbe klarftellen, bie fid) aus leben«
biger (Einfid)t ergeben, bie einem geregelten ©adjbenhen entflammen,
einem ©erftanbe, ber gebilbet ift burd) untrügliche 3 been, bie fiel) ab«
Ulfen non ben ©egenftänben ber Batur, {ich benen oergegenmärtigen,
bie fie fudjen, offenbar ©erben benen, bie fie befdjauen, klar bem, ber

fie begreift, gewifj bem, ber fie erfaßt!

So überreiche ich ®ud) benn meine Betrachtung über bas unenblidje


©II unb bie un3äl)ligen ©Selten.

Diefelbe hanbelt im erften Dialog:

Digitized by Google
;

1. oon ber U^unerläjfigkeit unferer Sinnesroahrnehmung; joldje ijt

kein *prin 3 ip bcr ©eroifeheit uitb kann foIcEjc nur burd) ©crglcidjung
einer 2Baf)rnehmung mit ber anbcrcn unb eines Sinnes mit bem an«
beren e^eugen. ©5 gibt oer|cf)iebene Iräger (Subjekte) ber 2BaI)rt)eit.

2. Die Seroeisfüfjrung Don ber Unenblidjkeit bes 3111s wirb be«


gönnen, unb:
a) ber erjte ©runb baljer entnommen, bajj man fid) bie TOelt bod)

nicht nad) 3lrt ber jenigen begreif benken kann ,


bie mit fjülfe

ihrer *pf)antafie eine ÜRauer um |ie fjerumäieben;


b) bat>er, bajj es unftattf)aft i[t, äugleid) 3 U behaupten, bie SBelt jei

enblid) unb ruhe in fid) jelbft, — benn letjteres kommt allein bem
Unermeßlichen 3 U,
— roirb ber 2. ©runb entnommen.
3. Dann roirb ber 3. ©runb aus ber Unmöglichkeit ber Dorjtellung
5
hergeleitet, baß bie 2Belt in keinem tRaume jei;* benn baraus
roürbe unabroeislid) folgern, baß fie kein Sein hätte, roeil ja
jebes Ding ,
jei es nun körperlich ober unkörperlich, entroeber
in körperlicher ober unkörperlicher 2Beije Jeinen Ort im *Raume
hat.

4. Das 4. 3Irgument entnimmt man ber 3 t»ingenben jjrage, roeld)e


bie ©pikuräer {teilten:

Nimirum si jam finitum constituatur


Omne quod est spatium si quis procurrat ad oras
:

Ultimus extremas, iaciatque volatile telum


utrum contortum viribus ire
Invalidis
Quo fuerit missum mavis longeque volare;
An prohibere aliquid censes obstareque posse?
Nam quod prohibeat officiatque,
sive est aliquid
Quominus quo missum est, veniat finique locet se
Sive foras fertur, non est ea finis profecto.* 4

5. ©s paßt bie Definition bes ^Raumes, bie 3lri {toteles gibt, nicht

auf ben größten unb allgemeinften tRaum, auch oermag fte nicht, bie

Digitized by Google
;

nädjfte unb ben Onfjalt unmittelbar umf^Heßenbe t^Iadjc 3U faffen; |o»

rote fonftige Slbfurbitäten, bie ben {Raum 3U einem blo| mat!)emati|^en


unb nid)t phgfifdjen ©e|en machen. 2lbgefehen baoon müj}te 3roi|chen

ber Oberflädje bes Umfangs unb bes Onljalts, ber fid) innerhalb ber*
6. beroegt,
felben notroenbigerroeije ein 3®if<h enraum gebaut roerben
können, bem es eher 3ukäme, baf) man ihn als {Raum be3eid)ne; unb
roenn roit bloh bie Oberflädje bes Raumes betrachteten ,
müßten roir

im Unenblidjen einen enblidjen {Rauminhalt fudjen.

©an kann ber {Hnnahme eines ßeeren nicht entgehen, fobalb man
eine enblidje ©eit annimmt, roenn unter Ceerem bas oerftanben roirb,

in bem nichts ift.

7. ffiie biefer {Raum, in bem bie ©eit ift, leer 3U nennen roäre, falls
fid) bie ©eit nicht in ihm befänbe, fo roürbe alfo bort, roo biefe ©eit
nicht ift, bas ßeere fein. Onnerfjalb biefer ©eit aber ift hoch ber {Raum
an unb für fid> nicht Derfd)ieben Don jenem leeren; alfo hat jener bas*

felbe Vermögen, roie biefer; alfo auch biefelbe ©irkung ;


benn kein
{Bermögen bleibt eroig ohne ©irkung. 3roIgIict) ift bie ©irklkhkeit

einig mit ihm nereint ober nielmehr ift es bie ©irklidjkeit felbft. Om
(Einigen ift kein Unterfdjieb 3roifchen bem Sein*£önnen unb bem Sein.
8. {Die un3ureidjenbe Sinnesroahmehmung roiberlegt bie Unenb*
lidjkeit nicht; benn roir fehen hoch ftets, bah ein ®ing oom anberen
begren3t roirb unb nehmen niemals roeber mit einem äujjeren noch in*
neren Sinne roaf)r, bah itgenb ein “Ding nicht non einem anberen unb
ähnlichen umfafjt roirb.
Ante oculos etenim rem res finire videtur,

Aer dissepit colleis atque aera montes,


Terra mare et contra mare terras terminat omneis;
Omne quidem vero nihil est quod finiat extra

Usque adeo passim patet ingens copia rebus,


Finibus exemptis in cunctas undique parteis. *’

3lus ben ©ahmehmungen unferes (Befichtsfinns alfo müffen roir


nielmehr auf bie Unenblidjkeit fliehen, ba kein {Ding oorkommt, bas

Digitized by Google
1

nidjt an ein anberes gre^te unb unfere Vugen nichts ©ahrnehmen,


©as burd) ji<h jelber begren 3 t toürbe.
9. Kur Jrjalsftarrigkeit kann ben unenblkhen Kaum mit 2Borten
ableugnen, roenn man bebenkt, bah ber übrige Kaum, too keine ©eit
ift, unb ben man leer nennt ober aud) fich als ein Kidjts benkt, nicht

ohne bie Möglichkeit oorjuftellen ift, er könne eine nicht kleinere ©eit
enthalten als biefe, bie er enthalt.
10 . ©enn es gut ift, bah biefe ©eit befteht, fo ift es nicht toeniger
gut, bah auch jebe ber u^ahUgen möglichen anberen ©eiten beftelje.

1 . Das ©ute biefer ©eit ift einer anberen ©eit, bie etroa ejiftieren

könnte, ebenforoenig mitteilbar, toie mein Sinn mitteilbar ift an biefen

ober jenen.
12 . (Es ift ©eber ein ©runb oorljanben, noch h at 65 Sinn, an ein
unenbliches, unteilbares, einfachftes unb innerlich oollkommenes

©efen 3 U glauben, ohne äugleich 3 U 3 ugeben, bah cs auch ein unenb«

liches körperliches unb räumlich entwickeltes gebe.

13. Diefer ©eltraum, mag er uns auch noch 1° 9 r0 & erfcheinen, ift

©eber ein leil noch ein ffian 3 es im Verhältnis 3 um Unenblichen unb


kann kein ©egenftanb unenblicher ©irkfamkeit fein; unb für letjtere

muh bas als «in Kichtfeienbes erfcheinen, toas oon unferem bej<hränh=
ten Verftanbe umfaht ©erben kann, ©ine Jrage ©irb bahin beant«
©ortet, bah rohr bie ©eit für unenblich nehmen aus ©ertfehätjung
nicht bes Kaumes, fonbem ber Katur. Denn aus bemfelben ffirunbe,
aus ©elchem biefes ©ine ift, muh auch jegliches Vnbere fein, roas über*
haupt fein kann unb beffen Vermögen nicht burch bas Sein biefer

©eit oer©irkli<ht ift; ©ie benn bie Möglichkeit bes ©Ipino nicht oer*
roirklicht ©irb burch bie ©irklidjkeit bes fjrracaftorio.
©enn überhaupt bas unenbliche Vermögen ein körperliches unb
14.

fchafft, fo muh letjteres auch not©enbig unenblich fein;


räumliches Sein
anbemfalls ©ürbe man ber Katur unb ©ürbigkeit beffen, ber f<haf*
fen kann, unb beffen, bas gefchaffen ©erben kann, nicht gerecht ©erben.

Digitized by Google
:

15. ©imrnt man bas 9111 im getoöfynlidjen Sinne (als enblid)), fo

kann es in keinem anberen Sinne oollkommen fein, als 3 ©. mein


.

ßeib burd) [eine jämtlidjen ©lieber, unb jebeßugel alles, toas 3 U il>r

gehört, begreift; toie man benn aud) [agt, bajj jeber reid) ift, bem nichts

oon all bem mangelt, toas er Ijaben mufj.


16. 9tun aber mürbe fid) ber unenblidje S^öpfer ettoas ermangeln

lafjen ohne unenblidje Sd)öpfung; aud) toäre es unbegreiflid), toarum


eine begreife QBirkung if)m genügen [ollte. ©0311 kommt, baf) if)m,

toenn bie Schöpfung unenblid) toäre ober ift, burdjaus nichts oon
allem ab3 u[pred)en ift, toas if)m 3 ukommt unb toas toahrfjaft fd)affen

heifct, toenn bie Ideologen oon einem SBirken ad extra ober oon
transeuntem ÜBirken im ©egenfatj 3 um immanenten reben. (Es ift an*
äune^men, baf) in il)m bie eine ©Sirkungstoeife ebenfo enblid) ift, toie

bie anbere.

17. (Erft toenn man bie 2Belt in unferem Sinne für unbegren 3 t
nimmt, [teilt fid) ©ul)e für unferen ffieift ein, aus bem ©egenteil aber
entfteljen un 3 äf)lige Schmierigkeiten unb Un 3uträglid)keiten. Sobann
toirb t)ier toieber an Beroeisgrunb 2 unb 3 angeknüpft.
18. 2Denn bie 2Belt kugelförmig ift ober überhaupt irgenb eine ©e*
ftalt hat, fo ift [ie begren 3 t, unb bann müfjte jenes ©ufjen, bas jen*
Jeitsbes begren 3 ten unb geformten Dnhalts liegt, beliebte man aud)
es ein 9Ud)ts 3 U nennen, bod) infofern geformt fein, als feine Äon*

kaoität ber JBeltkonoejität entfpräd)e; benn ba, too ©ein fogenanntes


9lid)ts beginnt, ift 3 um minbeften eine oon ber geroölbten 9lufjenfläd)e
biefer ©eit ununierfd)eibbare Äonkaoität bes ^Raumes.
19. ©rgän 3 ung bes 2 ©eroeisgrunbes.
.

20. Bemerkung 3 U bem 10. ©eroeisgrunbe.

Dm 30>eiten ©eil biefes©ialogs mirb, toas bis baljinoonber


paffioen ©löglidjkeit bes 9llls aus bargelegt roorben, mit nod) mef)r
©rünben oom aktioen ©ermögen bes Schöpfers aus betoiefen. ©ämlid)
1 . ©ie göttliche Schöpferkraft barf nid)t müjjig [ein, unb bas um

Digitized by Google
jo weniger, wenn man if>re BMrkung aujjerhalb ihres eigentlichen

TOejens jetjt ,
falls etwas überhaupt außerhalb bes jelben ejiftieren

bann, unb fie wäre, wenn fie nur eine enblidjc QBirkung heroorbrächte,
nid)t minber müjjig unb neibijd), als wenn fie gar nichts fd>üfe.

Der 2. ©runb ift ein praktifdjer: bie Einnahme bes ffiegenteils

würbe bem ffilauben an ffiottes ffiröfje unb ©üte Bbbrud) tun; aus
unjerer Einnahme aber folgt nichts Unftattljaftes unb mit irgenb einem
©egenftanbe ber Ideologie Unoereinbares.
3. Umkehrung bes 12. Beweifes im !. Heil. Unter jdjeibung 3 toi«
jd)en einem als ©an 3 en Unenblidjen unb bem oöllig Unenblidjen.
4. Durch bie Annahme göttlichen 7licf)tmollens als ©runb einer nur
enblidjen Schöpfung unb burch bie Annahme, ber unenbliche Schöpfer
fdjränke freiwillig feine BMrkfamkeit auf einen enblidjen ©egenftanb
ein, würbe ffiottes Allmacht nidjt weniger geläjtert werben, als burd)
Einnahme feines Bichtkönnens.
5. Beweis, bajj ffiott, wenn er keine unenbliche B3elt fcfjüfe, fie

aud) nicht fchaffen könnte, unb wenn er nicht 2Jtacf)t hätte, eine un-

enbliche TOelt 3 U fchaffen, auch ni<ht bie ©lacht hätte, feine SBelt in
(Ewigkeit 3 U erhalten, unb bah et . menn er in einer Bejieljung enblich

wäre, in allen Beziehungen enblich fc‘ n mühte; benn in ihm ift jebe

Srorrn 2Befen, unb jebes 2Befen unb jebe 3form finb in ihm ein unb
basfelbe.

6 Der 6 ©runb
. . ift eine Umkehrung bes 10. im I. leil; es wirb
auch ber ©runb angeführt, aus welchem einige Ih c<rt° 9 en bas ffiegen-

teil behaupten; Übereinftimmung gwijdjen ben wahrhaft gelehrten


Dialogen unb Dh^°l°Pf) en -

7. Der Sah, bah bas aktioe Bermögen oon feinen oerfdjiebenen Be-
tätigungen 3 U unterfcheiben fei, unb Bbweljr bes baraus entnommenen
(Einwanbs. Das unenbliche Bermögen wirb in intenfioer unb ejten«

fioer fjinfidjt tiefer erfaht als bies oon feiten ber Durchf^nittstheologen
jemals gesehen.

10

Digitized by Google
8. Beroeis, bafj bie Bewegung ber unääl)Iigen Hielten nid)t oon
einem äußeren Beroeger ausgef)t, jonbern oon ihren inneren Seelen,
unb rote bei allebem bod) (Ein unenblidjer Beroeger an3unel)men ift.

9 Beroeis, bafj bie unenblidje Beroegung


. (id) auch intenfio in jeber
enqelnen Hielt oerroirWid)t. Da3U roirb nod) bemerkt, roie ein Be«
roeglid)es 3ugleid) fid) felbft beroegen unb beroegt roerben könne, roas
man an jebetn funkte ber fireisbatjn, bie es um jein eigenes 3eatrum
betreibt, beobachten kann: ein ‘Problem, bas an anberem Ort nod)
eingefjenber gelöjt roerben foll, jobalb jid) bie ©elegenijeit bietet, bieje

Jrage ex professo 3U befjanbeln.


ftortfetjung ber Beweisführung im 3roeiten Bialog:
1. Bier ©rünbe, oon benen ber erfte barauf beruht, bafj alle At-
tribute ber ffiottheit jid) jo oerfjalten, roie jebes ein3elne für jid) be-

trautet; ber anbere, bajj unjere (Einbilbungskraft jid) nid)t roeiter er*

jtredten bürfte, als bie göttliche Tätigkeit; ber britte auf ber Ununter*
jd)ieblid)keit bes göttlichen Denkens unb göttlichen ÜBirkens, joroie

barauf, bafe man bas Unenblidje nid)t roeniger begreift als bas (Enb*
li<he; ber oierte barauf: — Hlenn bie ftofflidje Qualität, bie Qualität

bie für uns wahrnehmbar ift, ein unenblidjes Bermögen hat, — roas
foll bann oon berjenigen gelten, bie in bem gan3en Abjoluten 3ugleid)
aktioes unb pajfioes Bermögen i jt ?

2. Beweis, bajj ein körperliches Hlejen nicht als begren3t oon einem
unkörperlid)en gebacht roerben kann, jonbern nur entroeber oon einem
leeren ober oon einem gefüllten Baum, unb bafc jebenfalls außerhalb
ber SBelt noch Baum fein mufj, Baum aber fd)liefjlid) nichts anberes

ift, als Biaterie unb bafe aud) bas aktioe Bermögen felber fich oer*

roirklichen mufj. Auch ®irb Unhaltbarkeit bes Ariftotelijd)en Ar*


gumentes non ber Unoereinbarkeit ber Bimenjionen nachgeroiejen.
3 Unter jehieb 3roifd)en Hielt unb 2BeItalI; roer behauptet, bas Uni«
.

oerjum fei unenblich unb ein3ig, rnug unbebingt beibe Barnen unter*
jeheiben.

11

Digitized by Google
4 Die ffiegengrünbe, aus benen
. bie (Enblidjkeit bcs Sills gefolgert

toirb. (Elpino fül)rt famtlid)e Sätje bes Slriftoteles an, unb «Jiloteo tot*

berlegt biefelben; fie Jinb aus ber Statur teils ber einfad)en teils ber
3ufammengefetjtenÄörper entnommen. Stetigkeit ber 6 ffiegengrünbe,
bie aus bem Begriffe ber Bewegung tjergeleitet toerben ,
bie im Un>
enblid>en nicf>t ftattfinben könne, unb anberer äf)nti<^er Befyaup«
tungen, bie keinen Sinn unbffirunb Ijaben; wie bie relatioe unb bie ab«
folute Bewegung beffer 3U erklären ift; foweit Staum unb (Belegenfjeit

ba3U I)ier fid) bietet, fadjlidje (Erklärung oon Schwere unb Geistigkeit
unb SIn3ieI)ung; Stadjroeis, baf} ein unbegren3ter ftörper toeber fd)wer

nod) leicht fein kann, unb wot)er bei enblidjen Äörpem biefe Unter»
[Siebe l>errül)ren. Sobann toirb bie ^altlofigkeü ber (Eintoänbe bes
Slriftoteles na<f)gewiefen, toenn er benen, bie ein unenblid)es Sill an«
nehmen, bie Slnnafjme eines SJtittelpunktes unb Umfanges unter»
[Siebt unb behaupten toill, baf} bie (Erbe ben SJtittelpunkt bilber
Sdjliefjlid) gibt es keinen grofjen ober kleinen Satj oon allem, was
biefer 'ptjilofopl), um bie Unenblidjkeit bes Sills 3U wiberlegen, fo»

wol)l im I. Bud) über „bas jQimmelsgebäube" als aucf) im III. feiner

„<pi)t)Jik" oorbringt, womit man nid)t in offenen SBiberfprud) geraten


müfcte.

3 m britten Dialog wirb : 1 . bie alberne unb niebrige Borftellung


oon ber Spljärengeftalt unb ben oerfd)iebenen Fimmeln befeitigt unb
behauptet, baf3 es nur einen f)immel gibt, einen gemeinfd)aftltd)en
Staum, ber un3äf)lige SBelten umfajjt; weshalb wir in einem anberen
Sinne aud) nid)t leugnen, bafj es un3äl)lige Fimmel gibt. Denn wie
biefe (Erbkugel iljren befonberen fjimmel l>at, ber eben il>re Stegion
bilbet, innerhalb beren fie fid) bewegt, fo aud) jebe ber un3äl)ligen an*
<
beren. (Es wirb ber Stacfyweis geliefert, woljer bie pi)antafie oon ben
fo unb fo oielen unb fo unb fo geformten Sphären mit einer Ijoljlen

inneren unb äußeren gewölbten Äugelfdjale ftammt unb woljer bie


fonftigen Ste3epte unb SJtebikamente rühren, bie benen, bie fie Der*

12

Digitized by Google
orbnen unb mifdjen, jelbcr fo gut rote ben bebauerlidjen Seelen, bie
fie einnefjmen müf]en, Übelheit unb (Eitel erregen.

2. Seroeis, bafj bie allgemeine Bewegung joroot)l roie bie ber jo*

genannte (Eßentrifdjen joroie alle Bewegungen, bie fid) auf bas $ir*
mament bejiefyen, pure 'Phantafien finb, welche in 2Baf)rf)eit oon einer
einigen Bewegung, roeldje bie (Erbe mit if)rem 3entrum burd) bie

(Ekliptik, joroie non ben oier oerfdjiebenen Bewegungen, bie jie um ben
Schwerpunkt itjrer eigenen Stoffe befdjreibt, abl)ängen. Sarnach er*

übrigt nod), bie (Eigenberoegung jebes ein 3 elnen (Bejtirns nad) bem
Unterfd)iebe 3 U bejtimmen, ber fid) an ihm nad) Slb 3 ug ber jubjehtioen
Se 3 iel)ungen beftätigt, jofem es jid) jelber burd) bas Saumgebiet
fortberoegt. Sie letjtere Betrachtung mad)t aud) bie 3tid)tigheit aller
©egengrünbe, bie aus ber jogenannten unenblicfyen Bewegung ent*

nommen roerben unb auf Unkenntnis ber (Erbberoegung berufen, er»


fichtlid).

3. Behauptung, baf) es hein ©ejtim gibt, bas fid) nid)t ebenfo be*
roegte, roie biefes unb anbere, beren 9läf)e uns bie räumlichen Ser*
jd)iebenheiten ihrer Stellungen fidjtbar macht ; baf) aber bie Sonnen,
auf benen bas fteuer oorherrjdjt, fid) anbers beroegen als bie (Erben
(*pianeten) ober SBelthörper, auf benen bas SBaffer oorherrfd)t. Saran
roirb bie (Erklärung geknüpft, rooher bas Cid>t komme, bas bie Sterne
ausjtrahlen, oon benen bie einen burd) {ich felbft leuchten, anbere nur
burd) anbere.
4. Sluf roeld)e SBeije bie oon ber Sonne entfemteften SBelthörper
nicht minber als bie ihr nächften an ber SBärme teilnehmen, SBiber*
legung bes bem (Epihur 3 ugef<hriebenen (Einrourfs, bah eine Sonne für
bas unenbliche Sill ausreiche. Ser roahre Unterjchicb 3 roijd)en ben
Sternen, bie ein funhelnbes unb benen, bie ein ruhiges Cid)t 3 eigen.

5. Prüfung ber Slnfid)t bes ffujaners über bie Stofflichkeit unb


Seroohnbarheit ber SBelthörper unb über bie Urfadje bes Cid)ts.
6 SBenngleich
. einige SBelthörper felbft(eud)tenb unb roarm finb, fo

13

Digitized by Google
leud)tet bod) bie Sonne nicht für bie Sonne, ebenfowenig tote bie (Erbe

für bte (Erbe ; otelmefyr erhält jebes ©eftirn fein 2 id)t oon einem ihm
gegenüberftehenben, wie toir benn aud) oon fjodjHegenben punkten,
3. B. Don Bergen aus, beutlid) bas gan3e ÜJleer Ieud)ten fef)en, wät)*

renb roir auf bem Bteere felbft oon biefem reflektierten 2id)te nichts

bemerken, fonbem nur fo weit unb in fo geringer Busbefjnung, als


fid) uns bas Bilb ber Sonne ober bes ÜJlonbes gegenüber befinbet.

7. Bon ber Bid)tigkeit ber fogenannten fünften (Eff en 3- Beweis, baß


fämtlid)e ficßtbaren TOeltkörper aus betreiben (Elementen hefteten, toie
ber irbifdje; baß fie aud) keine anberen, fei es gerablinige ober kreis*
förmige Bewegungsarten fjaben: alles bies wirb in einer bem mitt*
lerenBerftänbnijfe angepaßten Begrünbungsart behanbelt, inbernfffra*
caftorio fid) bem Begriff soermögen eines Burdjio an3upaffen oerfud)t;
unb es wirb klargeftellt, baß es kein Borkommnis geben kann, wel*
d)es l)ier ftattfinbet, bas nid)t aud) bort ftattfinben könnte; wie es
benn aud) kein Bing geben kann, bas man oon l)ier aus an jenen
wahrnimmt, welches nicht non bort aus aud) an unferer Blelt wahr*
3unef)men fein müßte. fjolglid) ift jene gan3e fdjöne Stufenleiter unb
Bangorbnung in berBatur nur ein albernerlraum unbeinBmmen*
märten.
8. Selbft wenn bie (Einteilung ber demente an fid) richtig fein follte,

fo ift bod) keinenfalls eine fold)e ^Reihenfolge berfelben wal)r3unel)men,


wie man gewöhnlich oorausfetjt; unb felbft nad) Briftoteles finb bie
oier (Elemente gleichermaßen Beftanbteile unb ©lieber biefer Blelt*

kugel, wenn wir nicht etwa fagen wollen, baß bas Blaffer auf ißr
oorherrfd)t. Barum werben bie ©eftirne mit Bed)t in Blaffer* ober
3feuerwelten eingeteilt Jomof)l Don wahren Baturphilofophen wie oon
göttlich begeifterten Propheten unb Bidjtern, bie, was biefen ©egen*
ftanb betrifft, nicht fabulieren unb bilblid) fpred)en, fonbem bas <Ja*
bulieren unb 2Jh)ftifi3ieren jenen Sophiftenüberlaffen. Bis Bleltkörper
beäeichnen wir alfo alle biefe oerfd)iebenen einheitlichen Äörper, biefe

14

Digitized by Google
gewaltigen Organismen, biefe grofjen Äugeln, auf benen bas fefte (Eie*

ment an Jid) nid)t fdjroererift, alsbieanberen; auf benfelbenfinbet keine


anbere Bewegung unb Beränberung ber Ieild)en ftatt, als eine fold)e,
bie bem Äreislauf unb Stoffroechfel bes Blutes unb anberer fjreud)*

tigkeiten, ber kleinften Deildjen unb ßebensgeifter in uns unb anbeten


kleinen ffiefdjöpfen ent|prid)t. Dies följrt auf einen Bergleid) unb ben

Hnalogiefchlufe, bafj bas fefte (Element äufolge ber Hnjieljung nad)


bem 3entrum feiner Blaffe an fid) um nichts fernerer ift, als trgenb

ein anberes (Element, bas bei ber 3ufammenfe^ung ber ©efamtkörper


in Betragt kommt, bafj ber (Erbftoff an fid) roeber ferner nod) leirf)t

ift, weber auffteigt nod) fällt, unb bafj bas Jlüffige erft bie (Einheit,

Dichtigkeit unb Schwere coirkt.

9 Bad)bem
. fo bie gange Bangorbnung ber (Elemente für nichtig
erkannt ift, kommt man 3U bem Sd)Iuffe, bafj alle biefe fidjtbaren 3U*

fammengefctjten TOeltkörper ebenfo grofje ßeberoefen unb Organismen


in bem räumlichen ©efilbe finb, bas mir als ßltljer, Fimmel ober bas
ßeere be3eichnen; unb alle biefe Hielten enthalten wieberum in fid)

felber nicht weniger ffiefdjöpfe unb Betoohner als jenes; ihre Äraft

ift nicht geringer unb ihre Batur biefelbe.

10 Bad)bem fobann
. bie ÜJlanier, mit welcher in ihren Borurteilen

oerrannte unb unwiffenbe ©efellen non fchlechter fiebensart 3U bispu*


tieren pflegen, an ben lag gekommen ift.toirb auch noch bargeftetlt,roie

folche Disputationen in ben meiften fallen abfdjliejjen. Obtuohl *P«r*


fönlidjkeiten oon biefer Sorte mit ihrem hämifd)en ©rinfen, mit ihrem
überlegenen ßächeln, mit ihrer fdjeinbar befdjeibenen Bosheit auch
nicht ein ‘Pünktchen oom i 3U befeitigen ober auch mit ©rünben ir*

genb etroas 3U betoeifen nod) weniger fid) felber mittels biefer Äunft*

kniffe unb Boutinen einer höflichen Beradjtung unb ©eringfd)ätjung


irgenb etroas 3um Berftänbnis 3U bringen oermögen : fo roollen fie

hoch auf biefe ÜJlanier nicht nur ihre eigene nach allen Seiten nackt
unb blo|j baftehenbe Unroiffenheit unb Dummheit bebecken, fonbern

15

Digitized by Google
:

bic Sd)anbe baoon fogar nod) bem Bücken ihres ffiegners aufpadten;
benn fie laffen fic^, ntd)t um bic SBafyrfjett 3U fud)en unb 3U finben,
auf Disputationen ein, fonbem nur um als Sieger aus benfelben her*
oor3uget)en unb als gelehrtere unb geroanbtere Berteibiger bes ©egen*
teils 3U glän3en! Bor folgen mag fid) jebermann in ad)t nehmen, ber
nidjt gutes 3utrauen 3U feiner eigenen ©ebulb befitjt!

3m 0 ier ten Dia10 g toirb : 1 .


3unä<hft bie fdjon oerfd)iebentIith auf*
geftellte Behauptung roieberljolt, baff es mehlige Hielten gibt unb
bah jebe berfelben |i<h beroegt unb geftaltet ift. 2. (Ebenfo roie im
II. Dialog bie ©inmürfe gegen bie unenblid)e Blaffe unb Husbeljnung
bes Hlls aufgelöft toorben finb, nad)bem im I. Dialog biefe Unenblich*

beit als unenblidje HJirkung unenblid)er Äraft unb unenblichen Ber*


mögens beftimmt mar, toerben nunmehr, nacf)bem ber Sah ® on ben
un3ähligen Hielten aufgeftellt ift, bie oielen bagegen aufgefteüten
©egengrünbe bes H riftoteles in ihr Hidjts aufgelöft; 3unäd)ft toirb

bemerkt, bah bas Hiort Hielt bei Hriftoteles eine anbere Bebeutung
hat als bei Demokrit, (Epikur unb anberen. Der (Eintourf aus ber na*
türti<f)en Beroegung unb ber ge3»ungenen Beroegung unb bie ©egen*
grünbe aus ber einen unb anbern meinen, bah ber eine (Erbkörper
fi<f> mit bem anbern Bereinigen mühte. HJäljrenb biefe Meinungen
roiberlegt toerben, toerben 3ugleid)

a) ni<ht unerheblidje ffirunbfätje unb <


bie tnahren f)rin3ipien ber Ha*
turphilofophie aufgeftellt,
b) toirb bargelegt, bah, feTbft toenn bie Oberfläche ber einen (Erbe
bie ber anbern berühren mürbe, hoch bie Beile ber einen Jich nicht
3U ben Beilen ber anbern betoegen mürben, roenigftens nicht fo*
fich um
fern es heterogene unb ungleichartige Beile hanbelt, nicht
um Htome unb Urftoffe; hierbei mirb Beranlaffung genommen,
eine beffere Belehrung über bie Hatur bes ßeichten unb Schroeren
3U erteilen.
c) Hadjroeis, roarum bie groben JBeltkörper oon ber Hatur in

16

Digitized by Google
joldjen (Entfernungen oerteilt finb unb einer bem anbem niStfo
naf)e [tef)t, bafj man l)inüberfSreiten könnte; an ber ©renälinie
bes Dtfjers ober in ber 9täf)e eines jog. Ceeren mürben keine
Dielten befielen können, ba fie oon ber einen Seite bann kein
Cid)t unb Geben empfangen mürben.
d) Onroieroeit räumliche Gagenänberung bie Datur eines Äörpers
oeränbem kann unb inmiemeit nid)t; unb rooijer es kommt, bafj

ein Stein, ber fid) in gleicher (Entfernung 3roifd)en 3roei (Erbkör«

pern befänbe, entmeber bort unberoegliS oertjarren ober fid) ent*

fSeiben müfjte, ber Dn3ief)ung bes einen met)r na^ugeben, als


ber bes anbem.
e) Driftoteles irrt, menn er allen Körpern, mögen fie aud) noS fo

roeit entfernt fein, einen Antrieb ber S<^roere ober umgekehrt


eine Geistigkeit ber Jortberoegung oon einem 3um anbem 3U»
fSteibt. 9tad)meis bes allen Dingen inne roofynenben Iriebes,

PS Ster jemeilig gegenroärtigen Gage, möge biefe auS noS fo

unroürbig fein, 3U erhalten; biefer Irieb ift bie UrfaSe berDn«


3iel)ung unb Dbftofjung.
f) Die gerablinige Demegung ift meber eine natürliSe (EigenfSaft

ber (Erbe noS anberer Dieltkörper, fonbern nur folSer leile, bie

fiS äu benfelben aus irgenb melSen DaumoerfSiebenljeiten, fo«

fern fie niSt gar 3U meit entfernt finb, ^inberoegen.

g) Don ben Äometen: man entnimmt aus iljnen ein Argument ba«
für, bafj es niSt mal)r ift, alles SStoere fjabc, roie fel>r es auS
entfernt fei, basfelbe Deftreben unb biefelbe Demegung 3U feinem
©efamtort; eine folSe Dteinung kann fiS niSt aus roafjren p^g«
<
fifSen prin3ipien, fonbern nur aus ben falfSen Dorausfetjungen
bes Driftoteles ergeben, roelSer bie Äometen für bloße Dämpfe
unb Dusbünftungen bes (Erbkörpers anfief)t.

h) 3 n Deranlaffung eines anberen (Einmanbes mirb beroiefen, bafj

bie Urftoffe auf ben un3äpgen anberen Dielten burSaus oon

Biorbono Bruno Bb. III


17
berfelben Besoffenheit finb, in gleicher Meife fid) bemegen, bah
ihre 3ai)tunter[d)tebe ihre OrtsunterJdjicbc bebingen, bah jeber

leil Jemen Mittelpunkt i)at unb fid) auf ben Mittelpunkt eines
ganjen Sqftems begießt, baf) man aber für bas (Bange bes Uni«
Derfums einen gemeinfamen Mittelpunkt nid)t fud)en barf.

i) (Es toirb feftgeftellt, bah es für bie äörper unb if)te leite kein

abfolutes Oben unb Unten gibt; ausgenommen jenadjbem ber


Ort ihrer Selbfterljaltung f)ier ober bort ift.

k) (Die Belegung als foldje ift unenblid), jebes Bewegliche [trebt

ins Unenblid)e unb 3U ungültigen Sonftellationen, rooraus fid)

keinestoegs eine unenbliche Schnelligkeit ber Schwere ober ßeid)*


tigkeit 3U ergeben braucht; bie Bewegung ber lebten leite, fo*
roeit fie ihren Seins « 3uftanb 3U erhalten fud>en, kann bagegen
nicht unenblich fein, eine Bngieljungskraft ber leile in ihrem 3u*
fammenhange kann nur innerhalb ber ©efamtfphäre ber letjteren
malten.
Om fünften Bialog tritt ein neuer leilnehmer am (Befpräd) auf,
ber mit t>ortrefflid)em Berftanbe begabt, obroohl in ber gegnerifchen
Meltanfchauung aufergogen, hoch bie Fähigkeit befi^t ,
felbftänbig
über alles, was er hört unb fiel>t, 3U urteilen, 3toif<hen ber einen unb
ber anbern ßehre 3U unterfdjeiben, unb ber fich baher gern bekehren
unb berichtigen läfjt. Mas bas für welche finb, benendlriftoteles alsein
Baturrounber erfdjeint; bah gerabe foldje, bie ihn felber am fd)led)te*

ften oerftehen unb nur ein fehr enges Begriffsoermögen befitjen, fo

hoch oon ihm benken. Daher muh man ben Streit mit jenen meiben,
ba jebe barauf oertoanbte 3 *it Derloren ift, unb fich nur an gleid) oer«

anlagte Äöpfe roenben. Blbertino nun, ber neueintretenbe leilnehmer


ber Berhanblung, bringt 1 1 Argumente oor, auf benen bie gefamte,

ber ßehre oon ber Mehrheit ber Hielten entgegengefetjte 2Beltanfd)au»


ung beruht.
Das 1 . Argument wenbet ein, man könne aufjerhalb ber Melt

18

Digitized by Google
roeber Baum nod) 3«* noch Geere unb webet einfache noch 3 ufammen*
gefetjte Äörper fetjen.

Das 2. ftütjt fid) auf bie fog. (Einheit bes Bewegers.


Das 3. Ijanbelt oon bcn Örtern ber beweglichen Sörper.
Das 4. oon ber (Entfernung ber Jrjorfyonte oom ©ittelpunkt.
Das 5. oon ber Berührung mehrerer kreisförmiger ©eiten.
Das 6 oon ben breieefcigen Bäumen bie burch fotd>e Berührung
.
,

entfielen mürben.
Das 7. oon bem Unenbliehen in actu, bas nicht ejiftieren könne,
unb ber beftimmten keins oon beiben ift oerftänbiger als bas
anbere; mir können mit gleichem, ja mit größerem Betete fdjlie^en,
bafc bie 3 a*)l nic^t beftimmt, fonbern unbegrenjt fein mufo.
Das 8 tjanbelt non ber Beftimmttjeit ber natürlichen Dinge unb oon
.

ber paffioen Poten 3 ber Dinge, bie ber göttlichen ©irkfantkeit unb
<

aktioen *Poten 3 nid)t entfpricf)t. jfjier ift 3 U bebenken, bafj es bod) E>öd)fi
unpaffenb ift, an 3 unef)men, ber (Erfte unb Bllerl)öd)fte gleiche einem,

ber bie 3«tf) er aollkommen fd)lagen könnte, ber aber in (Ermangelung

einet oollkommenen 3 itE)cr nid)t oollkommen fcfjlägt, unb er fei einer,

ber fdjaffen könnte, aber nid)t fdjafft, ba alles, was er fcf)affen könnte,

nicht gefdjaffen werben kann, roas einen offenen ©iberfprud) enthält,

ben nur biejenigen nicht begreifen, bie überhaupt nichts begreifen.


Das 9. hanbelt oon bem fittlich (Buten, bas in ber (Erhaltung beruht.
Das 10. baoon, bafj, roenn eine ©eit an bie anbere gre^te, bie
Bewegung ber einen bie ber anbern hemmen roürbe.

Das 11. baoon, bafj, roenn biefe ©eit oollkommen ift, kein ©runb
oorhanbcn fei, ihr noch eine anbere ober gar mehrere anbere l)in 3 u«

3 ufügen.

Dies finb jene 3n>eifel unb (Einroänbe, 3 U beren Befeitigung allein

eine Gehre ausreicht, welche bie tiefer liegenben 3ret)ler ber gewöhn*
liehen «Phüofophie an ber ©ur 3 el blofclegt unb bas oolle ffieroicht unb
bie Bebeutung ber unfrigen aufbeckt.

19

Digitized by Google
fjier liegt 6er ©rutib, weswegen toir nid)t 3 u fürchten brauchen,
ba|g irgenb ein befonberes wahres ©ejen wirklich oernichtet werbe
ober oergehe ober fid) ins ßeere oerliere, wofelbft es fid) in nichts auf*
8
löfen könnte.* fjier liegt ber ffirunb bes allgemeinen ©edjfels im Bll,

3 ufolgebeffen es kein Übel gibt, bem man nid)t entgegen, nod) irgenb

ein ©ut, beffen man nid)t teilhaftig werben könnte, ba ja bei beftän*

biger Beränberung im unermefjlichen ffiefilbe bas gange ©efen bod)


s#
ftets als ein unb basfelbe bei)arrt. ©enn wir biefe Betrachtung
uns gu bergen nehmen, fo wirb kein unoerhofftes Sdjickfal uns in
S<hmerg ober fturcht oergagen laffen, fo barf kein ffilüch burd) Jreube
30
ober Hoffnung uns überheben.
fjier werben wir ben wahren ©eg gur wahren Sittlichkeit finben,
werben lernen, ho<hhergige Berächter aller Binge gu fein, welche kin*
bifches Benken h°d)fcf)ä^t, unb werben größer fein als jene, bie ber
blinbe ^)öbel als ©öfter oerehrt, als wahrhafte 3forfd)er ber ©efd)i<hte

ber Batur, bie in uns felber gefd) rieben fteht, unb als gehorfame Be«
folger ber göttlichen ©efeije, welche bem 3entrum unferes Jrjergens ein»
81
gemeißelt finb. ©ir werben erkennen, bah es nicf)t ein anberes ift,

oon hier gen Jrjimmel, als oom §immel nach hier gu fliegen, bah es
nicht ein anberes, oon hier nach bort emporgufteigen, als oon bort
nach hier, noch bah es ein anberes ift, herabgufteigen oom einen ober

oom anbem Ort. ©ir bitten ihren Umfang fo gut wie fie ben unfern;
fie finb für uns nicht minber ein 3entrum, als wir für fie, wir wan*
beln nicht weniger über Sternen unb finb nicht minber im jrjimmel,
als jene.

Siehe ! fo finb wir benn über allem Beib erhaben, frei oon eitler

Bngft unb törichter Sorge, bas ©ute in ber Jerne gu fuchen, was wir
fo nah unb unmittelbar befiljen.

Siehe ! fo finb wir benn ebenfo frei oon ber {Jrurcht, bah fie jemals
auf uns herabfallen könnten, wie oon ber Hoffnung, jemals auf fie

hinabguf allen; benn ein unenblicher fttherraum trägt biefe ©eltkugel

20

Digitized by Google
(otDofjI role jene, unb ebenfo frei roanbelt bie|es ffiefen feine Satin,

roie jegliches oon ben anbern bie {einige. Unb menn mit bies erft er*
kann! unb ergriffen ßaben, aß ! roieoiel meßr werben mir bann mit
Jreuben begreifen ! So toerben mir uermittelft ber ZBiffenfcEjaft bas
gewijfe fflut erreichen, bas man auf anbern SBegen oergeblicß fucßt.

Ttas ift eine *pt)iIofopf)ie, roelcße bie Sinne auftut, ben Seift befriebigt,

ben Berftanb ertoeitert, unb ben Slenfcßen 3 ur roaßren Slücfefeligfeeit

jurüdifüßrt, fotoeit er berfelben überhaupt als üftenfcß unb in fotdjer


<
ßufammenfetjung fäßig ift, eine pi)ilofopi)ie bie ißn
1
oon ber unruhigen
Sorge um Bergnügungen unb ßüfte unb oom bumpfen Sefüßl bes
Sd)mer3 es befreit, if>n bes gegenwärtigen Suten ficß erfreuen unb oon
ber 3uhunft ebenfotoenig fürsten wie hoffen Reifet, ba bie Borfeßung
ober basfffatum ober Scßitfefal, bas über ben 2Be<ßfel unferes inbioibuei*
len Baf eins oerfügt, nic^t will unb nicßt geftattet, baß toiroonbem einen
meßr roiffen, als oom anbern. Wag uns bas aucß auf ben erften ©liefe
unb beim erften Begegnen 3®eif«l unb Bertoirrung oerurfaeßen, fo
©erben mir bod), wenn mir bas Sein unb JBefen Beffen tiefer er*
©ägen, in bent mir unroanbeibar finb, finben, baß es nicßt nur für uns,
fonbem überhaupt für feeine roaßre Subftanä einen lob gibt, baß im
magren Sinne nichts oergeßt, fonbem baß jegliches, bureß ben unenb»
liefen Baum baßinroallenb, nur fein Bngeficßt änbert. Unb ba mir
aÜ 3 umaI Äinber finb (Eines beften Baters, fo bürfen mir nießts an*
beres roertfcßäßen, ßoffen unb glauben, ausgenommen biefes: baß
alles , mie es oom Suten ftammt , fo aucß gut ift unb burd) Sutes
jum Suten geführt roirb, oon feinem Beften burd) fein Beftes 3 U feinem
Beften, mooon nur bem manchmal bas Segenteil erfeßeint, ber nichts
erkennt, als bie Segenmart; mie ja aud) bem bie Sd)önf)eit eines Se*
baubes nicßt offenbar fein kann, ber nur einen feßr geringen Bett ba*
oon, etroa gar nur einen Stein, einen angefügten Bnput}, ein 3®i»
Jcßenglieb fießt, fonbem nur bemjenigen, ber bas Sanse überfießt unb
fäßig ift, Beil mit Beil 3 U oergleicßen.

21

Digitized by Google
2Bir brauchen nid)t 3U fürsten, bas, roas fid) 3U biejer ffielt 3ujam*
mengetan l)at, könne einmal burd) ben geroaltjamen ^Infturm irgenb
eines irtenben ©eiftes ober ben 3orn eines blitjenben 3eus 3er|d)met*

tert unb 3er|treut werben unb außerhalb biefes ffietoölbes ober biejer

gimmelskuppel unb wie Staub im Ceeren biejes Sternenmantels oer*


roet)en, ober auch nur, bajj bie ©atur ber Dinge {id) jo in ©i<hts auf*

Iöjen könnte, roie bem blofjen ©ugenfdjein nad) bie Cuft, bie oon einer
2BafjerbIafe umgeben mar, gerfliefet. Denn mir kennen eine SBelt, in

welcher ftets bas eine Ding bem anbern nadjrüdfet, ohne bajj es einen

lebten ©bgrunb gäbe, in bem jie untoieberljerftellbar gleid)jam ben


gänben bes ©aumeifters entfinken unb bem ©id)ts oerfallen müfjten.
©s gibt keine ©änber unb ©re^en, keine Schranken unb ©lauern,
bie uns betrögen um bie unenblidje «Julie ber Dinge unb bas Dajein
benjelben l)inter3ögen. CEtoig fruchtbar ijt bie ©rbe unb ihr 03ean,
bejtänbig ernährt bei ihnen bie Sonnenglut ihre gierigen «flammen
unb neue «feudjtigkeit roirb ben oerbampfenben ©teeren bejdjafft, ba
ftets ©rjatj geliefert roirb aus ber Unenblid)keit.
Das l)aben Demokrit unb ©pikur, welche meinen, bajj in ber Un*
enblid)keit fid) alles erneuert unb roieberljerftellt, befjer begriffen, als

ber, melier bie eroige Subftan3 baburd) erhalten roerben lägt, bajj

jtets biejelbe 3al)t berjelben 3 al)l nachrücke unb immer biejelben Stoff*
teile fid) mit benjelben austaufdjen.
©un fegt, it)r Herren ©ftrologen mit euren pl)t){ikalifd)en ©nt)än*

gern, ob ifjr mit euren Greifen, bie eure eingebilbeten neun beweglichen
Sphären be(d)reiben jollen, euch ®etftanb nicht bermafjen ein*

gekerkert gabt, bajj ihr mir nicht anbers oorkommt, als wie eben*
jooiel 'Papageien in einem Ääfig, too jie oon einer Stange 3ur anbern
hüpfen unb fid) in ihren ©ingen jdjaukeln! 2Bir oerftehen, bajj ein

jo großer gerrfd)er fi<h nid)t mit einem jo engen Sitje, einem jo eien*

ben ©hrone, einem jo kleinen Tribunale, einem jo jpärüchen gofftaate,


einem jo un3ureid)enben ©bbilbe feiner ©tajejtät begnügen kann, bas

22

Digitized by Google
.

ein ‘Phantasma gebären, ein Iraum 3erftören, eine lolöjeit roieber*

herjtellen, eine (Tt)imäre oernidjten, ein Blißgriff uns nehmen unb ein

©ebanke wieberer3eugen bann, bas mit einem f)aud)e {teigt unb fällt.

3t)m gebührt bas größte Bbbilb, ein wunberooltes Bilbnis, bie er*
tjabenfte Spur, bie unenblidje DarfteHung bes unenblid)en ‘Dargeftell*

ten, ein Sd)aufpiel, angemeffen ber Herrlichkeit unb (Erhabenheit, bie


nimmer ergriffen, erfaßt unb oerjtanben werben bann. So nur rüh*
men bie Fimmel bie Herrlichkeit (Bottes, fo nur offenbart fid) bie®röße
|eines ^Reidjs. Tlic^t auf einem, auf un3ähligen Ih ronen ftrahlt feine

Blajeftät, nid)t auf einer (Erbe, auf einer ©eit, auf 3ehnmal hunbert*
taufenben, auf mehligen.” Bidjt eitel ift baher bas Vermögen bes
©eiftes, immer Baum an Baum 3U fügen, ÜJlaffe 3ur Blaffe, (Einheit
3ur (Einheit, 3<>hl 3 ur 3ah^ mit Hülfe ber ©iffenfdjaft, bie uns oon
ben Äetten einer fo engen fjerrf<haft erlöft unb uns 3U freien Bür*
gern eines fo betrügen Beides beförbert, uns oon eingebitbeter Br*
mut befreit unb mit ben un3äf)lbaren Beid)tümern biefes unermeß-
lichen Baumes, biefes hcrrlld)ften ©efilbes, fo Dieter beroohnter ©et*

ten beglückt; fo baß weber ber täufdjenbe 5ori3ont bes irbifdjen Buges
Ph ant (J fie int
<
noch bie erbicßtete Sphäre ber ätherifcßen ffiefilbe unfern
©eift mehr einkerkert unter ber Buf fict)t eines ‘Pluto unb ber ©nabe
eines 3«us. ffiir finb enttaffen aus ber Jürforge eines fo reichen Be*
fißers unb bod) fo fpärlichen, knickerigen unb ge^igen ffiebers unb
aus ber pflege einer fo fruchtbaren unb oielfältig fchtoangeren, unb
bann bod) f
0 bürftig unb wenig gebärenben unb ftiefmüttertichen Batur

Boch manche fonftige herrliche 3rrücf)te werben fid) oon biefen 3 «>ei*
gen pflücken taffen, nod) manche köfttiche unb erfehnte (Ernte ift oon
biefen Saaten 3U erwarten. Bltein, um ben btinben Beib unferer ©eg*
ner nicht nod) mehr 3U (teigem, wollen wir bies 3unäd)ft nicht noch
weiter ausführen, fonbern es benjenigen, bie Urteilskraft befißen,

23

Digitized by Google
.

anheimftellen; ftc merben auf biefen Srunbamenten fd)on jelber im


großen unb galten bas ©ebäube unferer 'Pfyilofopfjte aufbauen kön»
nen. 2Dcnn es aber bem, ber über uns allen maltet unb ber alles lenkt,

gefällt, bas begonnene Unternehmen nid)t 3U unterbrechen, |o hoffe

i«h felbft nichts jehnli<her, als bie einjelnen leite bes Baues aus«
3ufüt)ren, — |o bah fd)liep<h bas, mas ich Qefät habe in ben Biatogen
.über bie Ur Jache, ben SInfang unb bas ©nbe* unb mas in biefen
,00m Bll unb ben un3ähtigen ÜBelten" ans ßidjt heroorbrid)t, noch
anbere Schößlinge treibe, in anberen JBerken roa<h|e unb fchtiejjlich

reife, um uns mit einer befonberen (Ernte, roo nicht 3U beglücken, fo

hoch, fomeit es möglich ift, 3ufrieben3uftetlen ,


jofern mir nach ^l ns«

raufung bes Unkrautes, ber Beffeln unb Guecken bie 2Raga3tne lern»
begieriger äöpfe mit bem beften Betreibe füllen merben, roeldjes auf

unferem ©oben heroor3ubringen ift.

Dn3mifd)en, obgleich *<h 9«oih bin, bah es überflüffig ift, mill ich

bo<h, um eine Schuftigkeit 3U erfüllen, es nicht unterlaffen, (Euch je*

manben 3U empfehlen, ben Ohr 3U Buren Jrjausmitgliebern 3&hlt nicht

als eine ‘Perfon, beren Of)r bebürfet, fonbern als eine folche, bie (Eurer

aus Dielen unb roichtigen ©rünben bebarf Ohr benkt freilich, bah 3hr
.

burch ben Unterhalt fold>er 'Perfonen, bie (Euch bienftbar finb, oor ge«
roöhnlichen ©belleuten unb Äaufleuten keinen Bor3ug haben könntet;
erftbaburd), bah 3 h r jemanben unterhaltet, ber es mert ift, oon ©u<h
begünfHgt, befdjütjt unb unterftütjt 3U merben, ermeift Ohr Buch ben
hochher3igen dürften, gelben unb ©öttern gleich, bie ben Schuh ihrer
Sfreunbe an euresgleichen übertragen haben.
Unb obgleich Ohr es nid)t nötig habt, baran erinnert 3U merben, fo

geftatte ich mir boch, (Euch baran 3U erinnern, bah ©ott unb ZBett es
©uch f<hüehli$ nicht fo hoch anrechnen merben, bah 3h* oon ben oor»
nehmften dürften biefer ffielt hoctjgefchätjt unb geliebt murbet, als

biefes, bah 3 hr felbcr einen euresgleichen geliebt, befcf)üt}t unb Der«


teibigt habt Benn Jene, bie ©uch an ©lücksgütem übertreffen, mas

24

Digitized by Google
können fic (Eud) bieten, bie Ot)r oiele non ihnen an lugenb übertrefft,
an ©erten, bie weit bauert)after ftnb, als (Eure ©emälbe unb leppidje!
©ewiffe ©o^ltaten aber, bieder anbem nerleiljt, bürften vielleicht nod)
im ©udje ber (Ewigkeit ne^eidjnet werben, fei es nun ein foldjes, bas
|ä)cm auf (Erben gelefen wirb, ober jei es jenes anbere, bas man im
88
fjtmmel glaubt! was 31>r oon anbem empfangt, legt 3«ugnis
*Denn
ab Don beren lugenb. ©ber was 3^r jelbjt anbem ©utes tut, ift ein
Bus brück unb ©ewets ber (Euren.

Dein einfam SBanbeln nad) ben fjimmelstoren,


Dabin fleh bie (Bebanken bit ergeben,
fführt 3um Unenblidjen, es hat bas Geben
Des QBiffens Äunft 3U gleicher fjöh’ erkoren.

(Ermanne bid), fo wirft bu neu geboren,


Unb beiner Seele freub’ge Schwingen ftreben
©ns 3 i<(, 3U bem bas Sdjitkfal bir gegeben
Die äraft bes ftlugs, 3U bem id) bid) befdjworen.

3 d) wiü, bu fotlft ein fePges fianb erkennen;


Dorthin bid) 3U geleiten, ift erlefen
(Ein Jührer, ben blinb nur bie Blinben nennen.

Der f)immet fd)irme bid) unb gnäbig fei'n

Dir unf’rer (Bott heit allebenb’ge IDefen!

Doch blicke nicht auf mid), bift bu nid)t mein!

2
Dem engen, bunklen fierker nun entronnen,
TOo lange mich ber Drrtum hielt gebunben,
fiafc ich bie ßette je%t, bie mich umwunben,
Da ich bie füfce Freiheit mir gewonnen.

©un atm’ ich in bes neuen Gebens Sra;


Denn, ber ben *Ppthon fchlug mit eblem ©lute
Unb ber bas ©leer gefärbt mit bejfen ©lute,
(Er hat auch mir oerJcheud)et bie ©tegära.

25

Digitized by Google
Dir roeU)’ id) all mein §«3 .
erljab’nes 2Befen!

Die kranke Seele läffeft bu genejen,


Dir tDill id) laufen, meine l)olbe Stimme!

Du rufeft, bafj bem 2lbgrunb id) entklimme,


Dir banh’ id), gbttlid) Cid)t, bu meine Sonne!
Die bu mid) ftifyreft in bas fjaus ber ÜBonne!

3
Unb roer ift’s, ber bie Sdjtoingen mir oerlie^en,
ÜRein §er 3 entflammt, ber Äetten frei, oerladjen
JJJlid) Sdjidifal t>eigt unb lob, mir los 3U machen
Des fierkers lür, aus ber Jo toen’ge fließen?

3eitalter, 3af)re, OTonbe, Stunben 3 tel)en


Borüber mir; — 3«t, beine B3affen machen
3unid)te Stal)l unb — beinern Badjen
(Eifen,

(Entronnen ift mein ©eijt 3 ur Seligkeit gebieten.

Die Sdjtoingen barf id) Jelbftgenrifj entfalten,

9tid)t fürd)t’ id) ein ffieroölbe oon Äriftall,

IBenn id) ber Stfyer blauen Duft 3 erteile.

Unb nun empor 3 U Sternenzelten eile,

lief unten laffenb biefen (Erbenball


Unb all’ bie nieb’ren Iriebe, bie l)ier malten!

26

Digitized by Google
*
«

(Erftcr Dialog

‘Perforten bes ffiejpräd)s: (Elpino. Jiloteo. Jracaftorio.


84
93urd)io.

ß^OLD: ©ie füllte es möglich jein, bafj bas ©l un<


enblid) toäre? Jiloteo: Umgebest, rote füllte es mög«
lid) fein, baf) bas 9111 enblid) roäre ?

OE Ipino: ©eint3f)r, baf) feine Unenblid)hettjid)beroeifen

läfjt? J i l ote o : ©eint 3t)r, baf) feine (Enblicfjftcit ficE) be


roeifen lägt ?

Clpino: ©as für eine ülusjdjroeifung ber 'Pljantafie!


Jiloteo: Umgebest, roeldje 93e|d)ränbtf)eit!

Jracaftorio: Ad rem, ad rem si juvat! 3f)r galtet (Eud) fdjon

lange genug mit Lebensarten auf!


®urd)io: 3a, gebt enblieg etwas oon (Euern ©rünben 3 umbeften,

Jiloteo; es roitb mir Spaf) machen, non biefer Jabel ober <pt)antafie
3 u ^ören.

Jracaftorio: Modestius, ©urd)io ! ©as roirft *Du f onft f agen müf


fen, roenn er Eid) am (Enbe bod) non ber ©agrgeit feiner Lnfidjt über«

3 eugen füllte ?
Surdjio: 3d) roill es nidgt glauben, aud) roenn es nod) fo roaljr ift!

Denn es ift für meinen ©erftanb unmöglich, biefe Unenblidjbeit 3 U


faffen unb mein ©agen bann fie nicgt oerbauen, ob id) gleicg, offen
geftanben, fd)on gan 3 gern fäge, es roäre fo, roie biefer Jiloteo be«

bauptet, roeil id) bann, follte mir einmal bas ©alfyeur paffieren, non

27

Digitized by Google
biefer ©eit {jinunter3ufaHen, 3U guter fiept bod) immer roieber irgenbroo
3u fianbe fotogen mühte.
(Elpttto: Sooiel ift gemih, lieber Jiloteo, roenn mir bie Sinne 3U
Wintern machen ober ihnen auch nur ben Bortritt laffen, ber ihnen
gebührt, ba ja bod) alle (Erkenntnis oon ihnen ben Busgang nimmt,
|o toerben mir es nid)t leitet finben, Deine Behauptung fd>Iüffiger 3U
machen, als ihr ©egenteil. Jür jept, roenns beliebt, beginnt, uns
Cure Bnficpt auseinanber3ufepen.
3 f i1 0 1 e 0 : ^freilich gibt es keinen Sinn, ber bas Unenblicpe anfcpaute,
keinen Sinn, ber uns unmittelbar 3mänge, barauf 3U fdjliefeen; benn
bas Unenblicpe kann kein ffiegenftanb ber Sinnesmahmehmung fein.

SBer baher nerlangt, basfelbe burch Bermittelung ber Sinne 3U er*


kennen, gleicht einem, ber bie Subftan3 unb SBejenheit mit feinen
Bugen flauen mill unb bie CEjiftcri3 beines Dinges nur beshalb leug*
net, meil es nicht roahmehmbar ift; er mürbe folgerecht ba3U kommen
müffen, fein eigenes Sein, feine BJefenhaftigkeit 3U oemeinen. Darum
ift bem 3 “trauen auf bas 3 «ugnis ber Sinne ein Bläh 3 U fepen; nur
bei finnlichcn ©egenftänben bürfen mir ffiemi^t barauf legen, unb
felbft hi« ift es nicht gan3 unoerbä^tig, mofem nicht ber urteilenbe
Berftanb hin3utritt. Bur bem Berftanbe kommt es 3U, über nicht
gegenmärtige unb burch 3 a, i|chenräume ber 3 eit unb bes Baumes
getrennte Dinge 3U urteilen unb Bechenfchaft 3U geben. 2Bas nun
unfere ftrage betrifft, fo genügt es mir oßllig unb haben mir ein

hinreichenbes 3eugnis in ber Sinnesmahmehmung, bah P e unfere


Bnficht nicht su miberlegen imftanbe ift unb fogar unummunben ihre
Schmäche unb Un3ulängli<hkeit eingefteht, fofern pe burch ihren be*
gren3ten ffiefidjtskreis (f)ori3ont) bas blope Scheinbilb einer ©nb*
lichkeit er3eugt unb 3uglei<h nichts beffer be3eugt, als feine grofje
Unbeftänbigkeit. Blfo menn mir aus (Erfahrung miffen, bah bie

Sinne uns fogar über bie Oberfläche biefer (Erbkugel tauften, auf
ber mir uns befinben, um mieoiel mehr müffen mir Berbacht gegen

28

Digitized by Google
jie jdjöpfen b«3ügli(^ jener ©renje, bie fie uns am Sternengeioölbe
oorjpiegeln!
(Elpino: ©03U benn, jagt mir, jollen uns bie Sinne bienlid» jein?
$i(oteo: Bloß um bas 'Denken a^uregen, um an3uklagen, an3u*
3eigen, teikoeije auch 3eugnis 3U geben, keinestoegs jebod) oollgültiges
3eugnis 3U geben, nod) toeniger gar, um 3U entjdjeiben unb ab3u*
urteilen. 'Denn niemals, mögen jie au<f) nod) jo ootlkommen jein, finb

ihre Berichte ohne faljdje Beimifd)ungen. Die 2Bai)ti)eit alfo nimmt


3roar, als non einem fdjtoachen Anfangspunkte, non ber Sinnesroaljr*
neßmung 3U einem gan3 geringen leile ihren Ausgang , ift aber nidjt
in ber Sinnestoat)rneI)mung.

©Ipino: ©0 jie benn?


ijt

ftiloteo: 3m jinnlicfyen ©egenjtanbe, roie in einem Spiegel, im Der»


jtanbe in ber ©eije ber Argumentation unb Spraye (als biskurjioes

Denken), in ber Bernunft in ber ©eije ber ffirunbjäße unb Schluß-


86
folgerungen, im ©eifte in eigener unb lebenbiger ffiejtalt.

(Elpino: ffioI)tan benn, laßt uns ©ure Betoeife fjören!

ftiloteo: Das joll gej^eßen.


©enn bie ©eit enblicß ift unb jenfeits ber ©eit nid)ts, jo frage ich

(Euch: ©0 ift bie ©eit? ©0 befinbet {ich bas All? Ariftoteles ant«
ro ortet: „ 3n {id) felber; bie innere ©ölbung ber erjten ijimmelskugel
(convexum principale) ijt ber erjte unb allgemeinfte Ort (primus
locus universalis), unb biejer als bas erjte Umfajjenbe (continens)
toirb oon nichts anberem umfaßt".
Denn Ort (Baum) 8® ift nichts anberes als bie Oberfläche unb Be»

gren3ung bur d) einen umfajjenben Äörper unb toas in keinem um»


fafjenben Äörper ijt, ijt in keinem Ort. Aber, mein guter Ariftoteles,
a>as nnllft bu bamit jagen, baß ein Baum in fid) felber fei ? ©as
toillft bu außerhalb ber ©eit annehmen? Sagft bu: bort ijt nichts, —
jo befinben fich ja fjimmel unb ©eit im Bid)ts, alfo nirgenbtoo.

3-racajtorio: Nullibi ergo erit mundus. Omne erit in nihilo.

29

Digitized by Google
tJriloteo: Die ©eit wäre ein Ding, bas nirgenbs ift. ©illft Du aber
[agen, was Du mir benn aud) in ber Dat Jagen 3U wollen fd)einft, um
ber Annahme bes fieeren unb bemAid)ts 3U entgegen, bah auherhalb
ber ©eit ein geijtiges unb göttliches ©efen fei,
87
Jo bah aljo (Bott —
ber Ort aller Dinge toäre, jo mujjt Du aufs neue in grofje ©erlegen«
f)eit geraten, toenn Du mir oerjtänblkh machen follft, roiejo benn ein
unhörperlid)es unb unräumliches ©efen ber Ort eines räumlichen
Dinges fein {oll. Denn roenn Du es als 3form unb in ber ©eije oer*
ftanben haben willft, roie bie Seele ben Äörper jujammenhält, jo be«
antroortejt Du eben nicht bie jjrage nach bem Auherhalb, nach bem,
toas {ich jenjeits bes Ms unb über basjelbe hinaus befinbe. Unb
toenn Du Dich bamit 3U entjchulbigen glaubft, bajj, too nichts jei, unb
ido bein (Etwas jei, jelbjtoerftänblich auch »eber ©aum unb Ort, noch
ein Auherhalb unb jenjeits jei, jo wirft Du mich bamit nicht 3ufrieben»

ftellen.

Das jinb ©orte unb Ausflüchte, bei benen {ich gar nichts benfcen
läjjt. Denn es ift in ©aljrheit unmöglich mit irgenb welchem Sinn,

ober irgenb welcher ‘Phantajie, aud) wenn es noch anbere Sinne unb
'Phantajieoermögen geben jollte, {ich ernjthafterweije eine Oberfläche,
eine ©egren3ung, einen ©anb oorjuftellen, außerhalb bejjen weber ein
Körper nod) leerer ©aum wäre, aud) wenn bie ffiottheit bort wäre.
88
Denn bie ©otttjeit ijt bod) nicht ba3U ba, bas ßeere aus3ufüllen,
unb folglich liegt es nicht in ihrem Begriffe, bie Äörper 3U begren3en.
Denn alles, wooon wir jagen, bah es begren3t, ift entweber eine äußere
Sform ober ein umfafjenber Äörper. ©ie bu bid) aljo auch brehen unb
winben magft, Ariftoteles, bu wirft auf jebe ©eije als ©erhleinerer
ber (Erhabenheit unb ©ürbe ber göttlichen ©atur bajtehen!
©urd)io: ©ewifj würbe man, glaube ich, jagen müfjen, bah, n>*nn
einer bie £anb über jene ©ölbung hinausjtrecfete, bieje nicht mehr im
Baum unb aljo nirgenbwo {ein unb folglich ihr Sein oerloten haben
würbe.

30

Digitized by Google
Oriloteo: 3 <f) meine aud), baß jeher gute Berftanb ben in biejerperi*
patetifd)en Behauptung liegenben IBiberfpruch einjefjen kann; 2lrifto*

teles f)at ben Ort befiniert nid)t als einen umfafjenben Äörper, nid)t
als einen beftimmten Kaum, jonbern als bie Oberfläche eines um*
38
fafjenben Äörpers, unb bann ift fein erfter roejentlidjfter unb groß*
ter Ort ein folt^er, auf ben bie Definition am toenigjten unb in ©aßr*
heit gar nicht paßt. Derjelbe ift biehonoeje 3rläd)e bes erften Rimmels,
aljo bie Orlädje eines Äörpers, unb 3ioar eines foldjen Äörpers, ber
alles umfcßließt, felber aber oon nichts umfcßloffen roirb. Um nun biefe

Äugelfläche als Baum oorjuftellen, foll man fie fich nicht als umfaßt
oon einem Äörper, fonbern lebiglicf) als umfaffenb benken. 2Benn es
aber bie <Jläd)e eines nur umfafjenben Äörpers ift, bie it>rer|eits nid)t

oerbunben ift unb mit begrenjt roirb oon einem umfaßten Äörper, fo ift

es ja ein Ort ohne eigene Ortsbeftimmtheit. Denn ber erfte äußerjte

jgimmel foll ja als Ort gelten nur burd) feine innere (konhaoe) 2Böl-
bung, roelche bie äußere (konoeje) ffiölbung bes 3roeiten umfließt,
fflas für eine nichtsfagenbe, konfufe unb fich felbft aufßebenbe De*
finition! 3U folcßer Äonfufion kommt man aber bloß besßalb, roeil

man unfinnigerroeife roill, baß außerhalb bes jrjimmels nichts fei.

CElpino: Die ‘Peripatetiker roerben eben fagen, baß ber erfte Jrjim*

mel ein einfdjließenber Äörper nur burd) bie konkaoe 3rläd)e feiner
Äugeljcßale unb nid)t burch bie konoeje fei, unb baß er burd) erftere

allein 3um Baum roerbe.

ffracaftorio: Dann gäbe es bod) eine ftläd)e eines umfaffenben


Äörpers, bie keinen Baum umfaßte!
Jiloteo: Dn Summa, um geraben OTegs ju (Enbe 3U kommen, mir
erscheint es läd)erlid), in einem Wtemäuge 3U behaupten, baß außer*
halb bes erften Jrjimmels nichts fei, unb baß biefer 5jimmet in fi<h felber

fei unb örtliche Beftimmtheit unb örtliche Beftimmung nur als ein

Nebenbei (per accidens) b. ß. burd) feine leile an fid) trage; unb mag
man nun für roefentlid) ober 3ufällig erachten, roas man roill, fo

31

Digitized by Google
meine idj hoch, bafj allemal bie eine (Eigenfdjaft nid)t ohne bie anbere
benkbar ift; benn immer i[t bod) ein 2lnberes bas Umfaflenbe (con-

tinens) unb ein 2lnberes bas Umfaßte (contentum), unb bei 2lrifto»
teles um fo mehr, als für ihn bas Umfaflenbe unkörperlich unb bas
Umfaflle ein Äörper ift, bas Umfaflenbe unbetoeglich, bas Umfaflte
aber betoeglicf), bas Umfaflenbe matfjematifd), bas Umfafjte pfjgfifcf).

Doch mag es fid) mit jener Oberfläche nerf)alten, roie es toill, — id)

toerbe ftets bie Frage roieberljolen: 2Bas ift jenfeits berfelben? 2Int*

roortet er: bas Kidjts! fo toerbe ich fagen, bafl er nur bas ßeere, 3n»
haltslofe meinen bann unb 3toar ein foldjes ßeeres, 3nl)aItiofes, bas
felber nad) aufjen keine Schranke tjat, roof)I aber nach innen begren 3 t

ift. Unb bas ift oiel fcfjroieriger 3 U benken, als 3 U benken, bas 2IH fei

unenblid) unb unbefcfjränkt. 'Denn bem leeren Kaume können mir bod)
nid)t entgegen, toenn mir aud) bas 2111 als enblid) fetjen! ßaflt uns
nun fel)en, toenn’s beliebt, roas bas für ein Kaum fein könnte, in bem
bas 9lid)ts märe! 3n biefem Kaum befinbet fid) biefes 2111, ob burd)
3ufall ober Kohoenbigkeit ober burd) einen 2lkt ber 23orfel)ung, küm*
mert uns jetjt noch nid)t. 3d) frage, ob biefer Kaum — Ort ,
40
ber
bie 2Belt umfafjt, an unb für fic^ geeigneter unb tauglicher erfd)einen

mufl, eine 2Belt 3 U enthalten, als jeber anbere im jenfeits?


gfracaftorio: Offenbar nicht! Denn too imKaume nichts ift, ba ift
auch kein Unterzieh; too kein Unter fdjieb ift, ift auch nicht hier eine
foldje unb bort eine anbere Kläglichkeit, unb oielleicht ift überhaupt
keine Kläglichkeit ba, wo gar kein Ding ift.

(Elpino: Koch weniger eine Unmöglichkeit; jebenfalls eher oon bei«

ben erftere, als Ietjtere!

Fi lote 0 3hr habt recht. So behaupte ich benn: 2Benn bas ßeere
:

unb 3nhaItlofe, bas man jenen peripatetifdjen Sä^en 3 uf olge unbebingt


annehmen mufl, keine Fähigkeit hat, etroas auf 3 unehmen, kann es
noch °iel weniger bie Fähigkeit haben, bie 2Belt ein 3 ufchränken unb
oon fid) aus 3 ufd)lieflen. Kun aber fef)en mir oon beiben Fähigkeiten

32

Digitized by Google
bie fine in ©irklid)keit, unb bie anbre können roir in ber lat nur
mit bem Buge ber Vernunft jehen. ©enn alfo in bem Baume, ber fid)

mit ber (Bröfee biejer ©eit betfet, unb ber oon ben 'piatonikern ©a*
41
terie genannt roirb, bieje ©eit ift, |o können ebenjogut in jenem
Baume unb in unjäfyligen anbern Bäumen jenjeits ber ©eit eine an*

bre unb ungültige anbre ähnliche ©eiten jein.

Jraeaftorio: ©eroihlich können mir nach ber Analogie bejfen,roas


rohr feigen unb roahrnehmen, fixerer fd)lie{jen als im ©egenfatje gu bem,

roas roir jehen unb roahrnehmen. ©eil aljo für unjer ©ejidjts* unb
©a^meljmungsDermögen bas Bll nicht begrengt erfcheint, unb minbe*
jtens nid)t an bas Ceere unb Bid)tige grengt, unb roir oon letjterem

keine Äunbe haben, jo müfjen roir oernünftigerroeije jo folgern: £iel*

ten fid) aud) alle anbern ©rünbe bas ffileid)geroid)t, jo jehen roir bod),
bah bie (Erfahrung bem ßeeren roiberjpridjt unb nicht bem ©efüllten.

©it biejer Folgerung roerben roir überall bejtehen können, roä^renb


roir bei ber gegenteiligen Behauptung taujenberlei Ginreben unb Un*
guträglidjkeiten nid)t leicht roerben entgehen können. 3rahrt fori. 3rt-

loteo!

tjriloteo: Jrjinfidjtlich bes unenblidjen Baumes aljo jteht feft, bajj er

eine ©öglid)keit gur Aufnahme oon Körpern ift. ©eiteres roijjen roir

oon ihm nicht. Buf alle ftälle roirb mir bies genügen, bah « ber (Ejri*

jteng eines unenbli<hen Blls nicht roiberftreitet, unb groar gum minbe*
ften aus bem fflrunbe, roeil, roo nichts ijt, auch nichts im ©ege jteht.

(Es erübrigt nun, gu jehen, ob es eine konoeniente Sache (eine ftatt*

hafte Bnnahme) 4 * roäre, bah ber gange Baum gefüllt fei, ober nicht.
Unb roenn roir joroohl bie ©öglidjkeit bes Seins als auch bas Ber*
mögen bes Schaffens betrachten, roerben roir es ftets nicht nur für

oemünftig, jonbern jogar für notroenbig befinben, bah es fo fei.

Bies klargujtellen ,
lege ich (Euch bie <Jrage uor: „Oft es gut, bah
bieje ©eit ejiftiert?"

(Elpino: Sehr gut!

CBiorbano Bruno Sb. III 'l'I

Digitized by Google
Sriloteo: Sollte es bann nicht auch gut fein, bah ber Baum, befjen

Husbehnung biejer ©eit entjpridjt, ben id) einmal als leer jetjen will,

unb ber als foldjer ununter fdjeibbar gleich begaffen märe bemBaume,
ben Du basBichts außerhalb ber Sonoejität bes erften Rimmels nennft,
auf bieje ©eije ausgefüllt ift?

©Ipino: ©eroij}!

tJriloteo: Dann frage icf) weiter: ©laubft Du, bah, tote in biejem

Baume fid) bieje £raftma[d)ine bef inbet, bie mir ©eit nennen, fid)

nicht auch biejelbe ebenjogut in irgenb einem anbern leile bes ganjen
leeren Baumes befinben könnte ober hätte befinben können?
QElpino: Das möchte ich 3 ugeben, ba ich eben nicht jehe, mie mir in
bem tRichts ober bem Ceeren einen Unterjchieb ämijdjen bem einen unb
anbern Heil jtatuieren [ollen.

tJrracajtorio: 3<h bin (icher, bah Du es fiehft; Du magjt es nur


nicht 3 U behaupten, weil Du merkft, roohin er Dich führen will.
®lp in o: Behaupte es nur ruhig! mich bünktberSatjnotroenbigunb
begreiflich, bah bieje ©eit in einem Baume ift, ber, wenn eben bieje

©eit nicht in ihm märe, fid) in nichts unterjcheiben mürbe oon bem,
ber außerhalb bes erften Bewegers ift!

3rracaftorio: fahret fort!


Oriloteo: ©jo, wenn biejer Baum burd) ben 3nhalt biefes ©eit*
körpers oollkommen ausgefüllt fein kann, hat ausgefüllt [ein können
unb notroenbig ausgefüllt ift, mie Du jagft, jo muh basjelbe um nichts
weniger non jebem anbern Baume gelten.

(Elpino: Das gebe ich 3 U - Bber rooju bas? Sein können, haben
können, — ^eigt bas fein, getgt bas fd>on haben?
5 iI o t e o : 3ch roerbe Dich, wofern Du fdjliehlich nur anftänbigerroeije
offen beichten millft, überjeugen, bah Du jagen muht, joroohl bah es
fein kann als auch bah es fein muh unb ift. Denn roenn es mangelhaft
märe, roenn biejer Baumteil nicht gefüllt märe, b. h- wenn bieje ©eit
nicht ejiftierte, jo märe es nicht weniger mangelhaft (wegen [einer oöl*

34

Digitized by Google
!

Iigen Ununterfdjeibbarheit), wenn ber gonge Raum nid)t gefüllt wäre,


folglich toirb bas 3111 eine unenbliche 3Iusbef)nung haben unb werben
ungäljlige ©eiten (ein

QElpino: ©as wäre ber (Brunb, bah ihrer fooiele (ein mühten unb
eine einige nid)t genügt?

(Jiloteo: (Jolgenbes: ©enn es in 2In(ef)ung bie(es ©eltraumteils


mangelhaft wäre, bah biefe©elt nicht wäre, ober ba(j biefeRaumerfül«
lung nicht ejiftierte, (o mühte (oI<hes nicht weniger mangelhaft (ein in

©tfehung jebes anbern bie(em gleichen Raumteils.

QElpino: 3d) meinte nur, es würbe mangelhaft (ein in 2ln(ehung


be(fen, was in bie(em Raumteile i(t, ba (olches an (ich (i<h eben(ogut in
jebem anbern bie(em gleichen Raume befinben könnte.
(Jiloteo: Das kommt, wenn Du es wohl bebenkft, auf eins heraus.
Denn wenn bas ffiute biefes körperlichen Seins in bie(em Raume mög-
lich i(t auch ^ jebem anbern ihm gleichen Raume, (o (teljt es in bie(em

Verhältnis hoch nur 3 U jenem ®uten unb Vollkommenen, bas in einem


genau fo großen Raume, wie biefer, unb in gar keinem Verhältniffe gu
bemjenigen, bas in ungähligen anbern, bie(em gleichen unb gleich-

artigen Räumen ©irklid)keit haben könnte. 3ft aber ein ®runb oor*

hanben, bah ein enblich ®utes werben (ollte, (o muh boch unoerhält-
nismähig mehr ®runb für bas ©erben eines unenblid) ®uten gegeben
(ein ! Denn wenn ein enblich ©utes konoenient unb oernunftgemäh
i(t, bann ift bas unenblid; ®ute mit unbebingter Rotwenbigkeit gu
41
forbern .

QElpino: ®ang gewih gibt es auch ein unenblid) ©utes, aber bie(es
ift unhörperlid).

(Jiloteo: Darin bürften wir einoerftanben (ein, forneit es (ich eben


nur um ein unenblidjes Unkörperliches hanbelt. Rber was hinbert
uns, nicht auch ein unenbli^es körperlich ®utes für höchft annehmbar
gu erachten? Ober wie läge ein ©iberfprud) barin, gu behaupten, bah
bas Unenblidje, welches eingewickelt (im Seime) im einfachften unb

35

Digitized by Google
unteilbaren Mnfange rut)t, aucf) 3ur (Entfaltung kommen muh in biejem
feinen unenbHd)en unbefdjränbten Mbbilbe, welches unjätjligc ©eiten
faffen bann, ober toarum follte es fid> nur innerhalb fo enger Schranken
entfalten? ©ir erfdjeint es bat)er tabeltjaft, nid)t einfeljen 3U wollen,

bah ein Äörper, ber uns 3toar grofj unb umfangreich erfcf)eint, an*

gefid)ts ber göttlichen ©egenwart nicht oiel mehr ift als ein 'Punkt,

ja als ein Nichts.

Elpino: ©enn aber hoch bie ffiröfje ©ottes auf keine ©eife in ber
körperlichen Musbehnung 3U fud)en ift, — id) fehe baoon ab, bah bie

©eit ihr überhaupt nichts hmöufetjen kann — , fo bürfen toir auch bie
ffiröfje feines Mbbilbes nicht in ber größeren ober geringeren Mus*
behnung feiner ©affe fuchen!
3fiIoteo: Das ift gan3 gut gefagt, berührt aber hoch nicht ben Utero
meines Mrguments. Denn ich forbere ja nicht ben unenblicf)en Saum
— unb bie Statur hat keinen unenblichen Saum — aus Hochachtung
oor ber blojjen Musbehnung ober körperlichen ©affe, fonbern toegen
ber Cyiften3toürbigkeit ber in ihm möglichen Staturen unb körper*
liehen Mrten, roeil eben bie unenbliche Erhabenheit fid) unoergIei<hIi<h

beffer in un3ähligen Onbioibuen barftellen muh, als in einer begren3*


ten Mn3af)l. Daher muh notroenbig bem un3ugänglid)en göttlichen Mn*
geficht aud) ein unenbliches Spiegelbilb entfprechen, in toeId)em (ich

un3ählige ©eiten als un3Öhlige ©lieber befinben. ©enn fid) alfo bie

Erhabenheit ©ottes körperlid)erweife in mehligen Stufen ber Soll»


kommenheit entfalten muh, f° muh es un3ählige3nbioibuen geben, unb
folche finb auch i
enc gtohen ßebetoefen, 3U benen biefe Erbe gehört,
unfre göttliche ©utter, bie uns geboren hat, erhält unb roieber in

fi<h aufnehmen roirb. 3 ur Mufnahme biefer un3ähligen ©eltkörper


ift ein unenblicher Saum erforberlich. 3 ft es alfo gut, bah biefe ©eit
hat toerben können unb geworben ift, fo ift es nicht minber gut, bah,
wie fie fein können, fo auch finb mehlige anbre ihr ähnliche ©eiten.
Elpino: 3 d) möchte glauben, bah biefe ©eit mit einer enblid) be*

36

Digitized by Google
fd)ränkten 3^1 non ©eftirnen fdjon bie Dollkommenheit aller ‘Dinge

in fid) befaßt.

3r i l o te o : Das hannft Du rooljl behaupten, aber nicht beroeifen ;


benn
bie enblid)e ©eit, bie biefen begreifen 9taum erfüllt, umfcf)Iiefet tnotjl

bie Dollkommenheit aller ber enblichen Dinge, bie in biefem IRaume


finb, nid)t aber aud) bie Dollkommenheit aud) ber unenblidjen anbern
Dinge, bie in unjäljligen anbern Räumen fein können.

3rracaftorio: ©it (Erlaubnis, lagt uns tjiermit abfchliejjen unb es


nidjt machen, roie Sopt)iften, roeld)e nur immer Jtreiten, um als 5 ieger
3u erfcf)einen unb, roäf)renb fie [tets nur auf bie (Erlangung ber ‘Palme
bebaut finb, fid) felber unb anbern im ©ege ftefjen, bie ©aljrfjeit 3U

erfaffen. 3 d) meine bod), keiner roirb fo befdjränkt unb f)alsftarrig fein

wollen, ferner nod) 3U beftreiten, bafo in TInfehung ber unenblidjen

3raffungsmöglid)keit bes ^Raumes unb in 'Unbetrad)t bes ©uten, roas


fid) inbioibuell unb 3ät)lbar auf un3äl)ligen ©eiten oerroirklid)en

könnte, bas Dorhanbenfein fold)er un3äf)ligen ©eiten nid>t toeniger

konoenient fei, als bas Dorfjanbenfein biefer einen, bie mir kennen.

Denn ber unenblidje IRaum bietet eine unenblicf)e ©öglid)keit, unb in

biefer unenblicfjen ©öglidjkeit mürbe aud) bie unenblid)e ©irklicfjkeit


ber <EpJten3 3U loben fein; man barf bod) nid)t annehmen, ber unenb*
lid)e Schöpfer roerbe hinter feinem eignen Vermögen 3urückbleiben
unb jene ©öglidjkeit roerbe für lt>n umfonft beftetjen. Sei alfo 3U«
frieben, guter ©Ipino, 3U oernehmen, ob unferm ftiloteo nid)t nod)

anbre ©rünbe in ben Sinn kommen!


©Ipino: ©ot)l! Um es 3U gefteljen, id) fege fegr gut ein, bie De*
hauptung, bafj bie ©eit, roie Ogr bas Ulli nennt, unbegren3t fei, fügrt
keinerlei Ungereimtheit mit fid), befreit uns fogar Don 3al)llofen Der«
roorrenheiten, in roeldje uns bie entgegengefetjte Behauptung oerftrickt.

Onsbefonbere erkenne id) aud) , bafj mir nun mit ben ‘Peripatetikern
nichts mehr 3U behaupten brauchen, roas nicht irgenb welche Begrün«
bung in unfrer (Erfahrung fänbe, 3. B. bah ®ir nicgt mehr nötig

37
4

Digitized by Google
haben, einerfeits bas Ceere foroohl außerhalb roie innerhalb bes HCs

3U leugnen unb anbrerfeits auf bie Jrage , cdo bas HU fei, 3U ant*
roorten, es fei in feinen eignen Heilen, um ber Hntroort aus3uroeid)en,
bafj es in gar beinern Haumorte fei, roie jene, bie mit intern nullibi,
nusquam in biefes Dilemma geraten. Denn fie kommen bamit bod)
nicht oon ber Hnnahme los, baß boch bie gefamten Heile fid) in irgenb

einem ©efamtraume befinben müffen, ober baß bas Hin roeber in ir»

genb einem Orte nod) Baume ejiftiere: eine Hnnahme, bie, roie jeber

einfehen roirb, gar keinen Sinn unb keine Bebeutung Ijat, oielmehr
offenfict)tIi<^ nichts anbres ift, als eine hartnäckige Husfludjt, um nur
nicht 3U3ugeben, baß bie Hielt unenblid), unb bafj ber Baum unenblid)

ift. 3 d) fef>e ein, baß aus beiben Hnnahmen ficf> für ben, ber fie mad)t,
eine hoppelte Berlegenheit ergibt. Hlfo behaupte id): — roenn bas
0an3e ein Äörper ift unb 3roar ein kugelförmiger unb folglich ge*

formter unb begren3ter äörper, fo muß es aud) begren3t fein inner*


halb eines unenblidjen Baumes unb roenn roir
,
meinen, baß in Ietj*

terem roeiter nichts ift, fo müffen roir aud) notroenbig 3ugeben, baß
etroas roal)rf)aft Ceeres ejiftiert, unb roenn biefes ejiftiert, fo ift kein
©runb erfidjtlid), roarum ber übrige Baum nicht ebenfo mit Hielt er*
füllt fein JoIIte roie biefer! ©ibt es aber keine Ceere, fo mufj ber gan3e
Baum gefüllt unb folglich bas Hieltall felbft unenblid) fein! 3U be*

Raupten roenigftens, bie Hielt fei irgenbroo unter ber Borausfetjung,


außerhalb berfelben fei nidjts unb ißr Ort fei in ihren eignen Heilen,

roürbe ebenfo abgefdjmackt fein, roie bie Schlußfolgerung, (Elpino fei

an einem beftimmten Orte, roeil feine Jr>anb an feinem Hrme, feinBuge


in feinem Hngeficht, fein ßopf auf feinem Bumpfe fei. Um alfo 3um

Schluffe 3U kommen unb mich nicht roie ein Sopßift auf einen offenen
ÜBibetfprud) 3U oerfteifen, unb um bie 3eit nicht mit ©efchroäß 3U ner*
bringen, fo räume id) ein, roas ich nicht mehr ableugnen kann: foroohl
baß im unenblid)en Baume un3ählige Hielten roie biefe fein können,
als auch, baß biefes HU nod) oiele anbre Körper, roie biefe, roeldje

38

Digitized by Google
«Dir Sterne nennen, umfaffen kann, auch bajj oon folgen, mögen fie

nun biefer äl>nlic^e ober unähnliche ©eiten fein, bie eine kein ge*

ringeres Bed)t auf (Ejiften3 hat, als bie anbre. Bas Sein ber einen
I>at keinen geringeren ©runb, als bas Sein ber anbern, unb bas
Sein unjäljliger keinen geringeren, als bas Sein oteler. ©enn wenig*
ftens bie 3«rprung unb bas Bichtfein biefer ©eit oon Übel «care, fo

bfirfte aud) bas Bichtfein ber un3äl)ligen anbern kein ©ut fein.

Jracaftorio: 3l) r brückt (Euc^ gut aus unb betoeift, bafj 3ü)r bie
Argumente gut begriffen habt unb kein Sophift feib, ba 3l)r 3ugebt, «ras
fid) nicht leugnen lägt. Bun möchte id) gerne oon bem Beweisgrunbe
bes Uranfangs unb ber einig wirkenben Urfadje hören ,
ob berfelben
eine berma&en unenblid)e ©irkung entfpredjen kann, unb ob in ©irk*
Gd)keit fict) eine fotctje ©irkung baraus ergeben muff.
ffrUoteo: Bas ift es, toas ich jetjt nad)3U^oten habe. Denn nad)bem
mir behauptet haben, bie Unenblidjkeit bes ©eltalls ergebe fiel) aus
ber 3fajfung skr aft unb 3RögIid)keit bes unenblichen Baumes, fowie
aus ber ©öglidjkeit unb Annehmbarkeit ber ©jiften3 un3äf)Iiger fol*

eher ©eiten, toie biefe, liegt es uns fegt noch ob, ben Beweis 3U führen
einerfeits ans bem Begriffe bes Schöpfers, welker eine folcge ©eit
hrroorgebra^t haben ober, nötiger gefügt, in ©wigkeit heroorbringen
muh, unb anbrerfeits aus ben Bebingungen unfres Berftanbes,
benen 3ufolge wir oeranlagt finb, eher 3U fdjliegen, bah ber gan3e un*
enblid)e Baum biefem, ber uns umgibt, ähnlich fei, als umgekehrt,

bah ct weber in feiner Art noch ' n feiner Analogie nod) aud) felbft in

irgenb einer ©eife ber Omagination 3U benken fei, welche letjtere fid)
44
fchGehlich hoch nicht fetber 3erftÖren kann.
Um nun ben Anfang 3U machen: — wollen können wir
ober ben-
ken, bah bie göttliche latkraft müfjig bleibe? — ©arum wollen wir
annehmen, bah bie göttliche Allmacht, bie fi«h un3äl)Iigen Bingen mit*
teilen unb fid) ins Unenblidje ergiehen kann, gei3e unb fich Nichts
befchränke? Ba 3umal hoch in §inficht auf bie Unenblichkeit jebes

39

Digitized by Google
enblidye BJejen ein 9tid)ts ijt! 2Barum wollt 3f)r, baß jenes 3entrum
ber <Bottf>eit, welches jid) in einer unermeßlichen Sphäre unenblich
ausbehnen unb, wenn id) jo jagen barf, entfalten bann, glei<hjam nei»
bijch lieber unfruchtbar in jid) oerharre ,
anjtatt ji<h fruchtbar ,
fd>ön

unb herrlich, toie ein alliebenber Bater 3 U bezeugen ? — Daß (Bott jid)

lieber nur im geringjten ffirabe ober jo gut toie gar nicht offenbare,
als bem oollen Begriffe feiner herrlichen 2Jtad)t unb fflejenheit gemäß?
QBarum foll jene unenbliche Jafjungsmöglichbeit um ihre Hoffnung,
um bie SBirRlichReit unzähliger ffielten betrogen roorben fein, hinter«

gangen fein um bie £jerrlid)Reit )> es göttlichen Bbbilbes, meines nur


in einem jd)ranRenlojen unb einem (einer eignen Seinsart entjpred)en«
ben unermeßlichen, unenblichen Spiegel oöllig roiberftrahlen Rann!
ffiarum Jollen mir lieber bies behaupten, beffen Einnahme jo oiele Un«
gereimtheiten mit {ich führt, unb ohne bie ©ejeße, ben ffilauben unb
bie Sittlichkeit zu förbern, jo oiele ©runbjäße ber Bh^ojophie aufhebt?
2Bie Rannft Du toollen, baß ©ott, fei es hinfid)tli<h ber BlöglichReit
ober ber DätigReit unb SBirRjamReit, meines alles in ihm ein unb
basfelbe ijt, befcßränRt fei unb nur als Begrenzer einer äußeren kugel*

Oberfläche anzujet)en fei, anjtatt Dielmehr joöujagen als ber unenbliche

Btlumfafjer eines grenzenlojen Seins, anjtatt als Begrenzer, jage ich,

ohne ©ren 3 e, ba ja bie UnenblicßReit ©ottes burchaus 3 U unter«


jdjeiben ijt oon ber UnenblichReit ber 2Belt? Denn er ijt bas ganze
Bll als 3ufammenfaffenber unb als ffianöheit, bas 2Belt*Bll bagegen
ijt Blies (wenn man überhaupt ba noch oon Totalität reben Rann, too
toeber 2eil noch ©renze ijt) im Sinne ber ©ntwicRlung unb nicht oöllig

unb f<hlechthin. Der ©ottesbegriff hat bie fjrunRtion ber Begrenzung,

bie 9Belt fteht 3 U ihm im Berhältnis bes Begrenzten; bie 2Belt fteht

aber zu ©ott nicht im Berhältnis bes ©üblichen zum Unenblichen,


jonbern bie 2Belt ijt unenblich unb ©ott ijt ihr Umfaffer im Sinne
ber oollRommenen ffiefamtheit unb bes oölligen Seins in allem an«
bem ,
toas z®ar für (ich als ©anzes genommen auch unenblich ijt,

40

Digitized by Googl
!

aber hoch nicht fd)Ied)tl)in unb in jeber £jinfid)t abfolut unenblid) ift,
45
rote benn festeres auch ber räumlichen Unenblidjkeit roiberftreitet.

CEIpino: Dies mÖd)t’ id) bod) gern beutlicfjer oerftef)en. Selb al|o
|o gütig, mir nod) ein roenig auseinanberäujetjen, roas 3t)r mit bem
„Unenblidjen als ©an 3heit" unb bem, roas „Dilles in allem" i|t unb
bem „fd)led)tl)in unb DöUig Unenblidjen" meint.
3riloteo: 3ch nenne bas 9111 als ©anjes unenblid), roeil es ohne

Banb ift, keine Schranke, keine Oberfläche hat; id) fage aber: bas
Bll ift nid)t abfolut unb oöllig unenblid), roeil jeber Zeil, ben roir oon
il)m erfaffen können, begrenjt unb jebe einjelne ber unjäijligen 2Bel>
ten, bie es in fid) begreift, begre^t ift. 3<b nenne ffiott in feiner ©ans*
beit unenblid) ,
roeil er jegliche ©ren 3 e oon fid) ausfd)Iiefjt unb jebes
feiner Attribute einsig unb unenblid ift, unb td) nenne ©ott abfolut
unb oöllig unenblid), roeil er überall gan 3 ift in ber gan 3 en 2Belt unb
in jebem it>rer Zeile unenblid) unb oöllig allgegenroärtig ift, — im
©egenfatj 3 ur Unenblidjkeit bes IDeltalls, roeld)es letjtere oollkommen
nur im gan 3 en ift unb nid)t in jebem feiner Zeile, roenn überall mit
Se 3 ug auf bas Unenblidje bas ein Zeil genannt roerben barf ,
roas
roir oon ihm erfaffen können.
(E l Bun oerftef)’ id)’s. 3rat)rt benn in (Eurem ©egenftanbe fort
pino :

Jiloteo: Bus all ben ©rünben alfo, aus roeld)en biefe enblid)e, in
unfrer (Erfahrung gegebene 2Belt für konoenient, gut unb notroenbig
befunben toirb , müfjen auch bie un 3 äf)ligen anbern konoenient unb
gut fein ,
benen bie 9lllmad)t aus bemfelben ffirunbe bas Sein nicht

mißgönnt unb ohne beren Bnnaljme fie entroeber als nid)t roollenb ober
als nid)t könnenb oerläftert roütbe ,
ba fie ein ßeeres übrig gelaffen

haben roürbe ober roenigftens, roenn Du bies nicht 3 ugeben roillft, einen
unenblidjen Baum ,
roeldjem fo 3 ufagen ent3 ogen roäre nicht allein bie
unenblid>e Vollkommenheit bes Seins, fonbem auch bie unenbliche

Blajeftät ber fflirkfamkeit bes Schöpfers in ben geraffenen ©efen,


roenn fie gefchaffen finb, unb ben abhängigen, roenn fie erotg finb.

41

Digitized by Google
5 lus welchem ©runbe jollen roir glauben, baß ber Schöpfer, ber ein
unenbUcfyes ©uies heroorbringen bann, nur ein enblid>es heroorge*
bracf)t habe? Unb roenn er nur ein enblidjes heroorbringt, roie können
mit ba glauben, baß er ein unenbliches heroorbringen könnte, ba in
ihm Äönnen unb ©irken ein unb basjelbe ift? Da er nämlich unoer*

änberlid) ift ,
jo finbet keinerlei ßufälligkeit in feiner lätigkeit unb
©irkfamkeit ftatt, jonbern oon bejtimmter unb geroiffer ©irkjamkeit
ift ein bejtimmter unb geroifjer (Erfolg in unceränberlic^er ©eife ab*
gängig. (Er kann nichts anbres fein, als er ijt. (Er kann nicht jo fein,

roie er nicht ift. (Er kann nichts anbres können, als roas er kann,
unb kann nichts anbres roollen, als roas er roill, unb kannnotroenbiger*
roeife nid)ts anbres tun, als roas er tut. Denn nur ben oeränberlichen
©ejen kommt es 3U, ein oon ihrer ©irkfamkeit unter(d)ieblid)es Ser*
mögen 3U haben.
ffracaftorio: ©eroiß! ©as niemals roar, nicht ijt unb niemals fein
roirb, ift aud) kein ©egenftanb ber Möglichkeit ober bes Sermögens,
unb roahrlid), roenn bas erjte jcfjaffenbe <prin3ip nic^t anbers roollen
kann als es roill, jo kann es aud) nichts anbres roirken, als roas es
roirkt; unb ich oerjtelje nid)t, roas einige bamit meinen, roenn fie oon
einem unenblidjen aktioen Sermögen reben, bem kein unenblidjes
pafjioes entjpredjen foll, ober roarum erfteres nur ein enblid^es her*
oorbringen joll, ob es gleicf) im gren3enlojen unb unermeßlichen Saume
un3äl)lige hero orbringen kann, ba ja jeine ^Tätigkeit notroenbig ift, ba
fie oon einem QBillen ausgeht, ber gan3 unabänberlid), ja ber bie Sot*
roenbigkeit felber ijt, roeshalb hier in 2Baf)rf)eit Freiheit unb Sotroen*
bigkeit, ©irken unb ©ollen, können unb Sein ein unb basfelbe finb.

ffiloteo: Ohr jtimmtmir alfo3u, unb habt bies jehr gut gejagt. 3n
ber lat hat man fich für eins oon beiben 3U entfcheiben, entroeber ba*
für, baß ber Schöpfer, roeil eine unenblid)e Wirkung oon ihm aus*
gehen kann, auch erkannt roerbe als Ur jache unb <f)rin3ip eines unenb*
liehen ©eltalls ,
ber un3ählige ©eltkörper in ji<h einfchließt
— unb
42

Digitized by Googl
baTQus mürbe fid) au d) nid)t eine einige Un3uträglid)keit ergeben,
oielmeijr finb alle folgen baraus rool)l pereinbar mit ber ©iffenfdjaft,
bem *Red)t unb ber ^Religion — ober bafür, bafj if)tn, roeil nur ein enb»
liebes ©eltall mit Sternen, ©eiten oon bestimmter 3^1 non iljm ab*

i)änge, aud) aktio nur ein begren3tes unb beftimmtes Vermögen 3U3U.
fdjreiben ift. Denn mie bie lat, jo ift ber ©ille unb |o aud) bas Ber*
mögen.
$racaftorio:Um ab3ufd)liefjen, roill id) ein paar Sdjlüffe in folgen*
ber©eife aneinanberreit)en: l.Bur menn ber |d)öpf erifdje lir Jprung et*
n>as anbres Schaffen roollte, als er fdjaffen mill, fo könnte er aud) ein
anbres fd)affen, als er fd)afft. 2. Bun aber kann er nid)ts anbres
fd>affen mollen, als roas er fdjaffen roill. 3 . ftolglid) kann er nichts

anbres fcfyaffen, als roas er fdjafft. ©er alfo behauptet, feine

Sd)öpfung fei enblid), fe%t eine nur enblidje Sd)öpfertätigkeit unb ein
nur enblid)es Sd)öpfungsoermögen ooraus.
ffieiter, roas auf basfelbe Ijerauskommt: Der Sdjöpfer kann nichts
anbres Raffen ,
als roas er fd)affen roill ;
er roill nid)ts anbres
|d)affen, als roas er fd)afft ;
folglid) kann er nid)ts anbres fdjaffen,

als roas er föafft. ©er alfo bie Unenblid)keit ber Sd)öpfung leugnet,
leugnet bas Unenblidjfein bes fdjaffenben Vermögens.
ftiloteo: ©enn biefe Schlüffe nid)t einfad) finb, fo finb fie roenigftens
4
beroeifenb. ® 3 mmerl)in roill id) einige eljrroürbige Ideologen ni<f)t

tabein, roeldje fie ni<f)t für 3uläffig erachten auf ©runb ber oorfid)tigen
(Erroägung unb QEinfidjt.baf} bem rofjemBolke unb ungebilbetenCeuten
nid)t begreiflid) 3U machen ift, roie fid) mit biefer Botroenbigkeit bie
©al)lfreit)eit unb ber ©ert bes ßebens unb bas Berbienft ber (Bered)*

tigkeit oereinigen lägt; roesfyalb fie in blinbem fjatalismus oertrauenb

ober oer3roeifeInb notroenbigerroeife iljrem oerbredjertfdjen Ireiben

glauben nadjgeben 3U müffen. 3n ber Dat Ijaben burd) biefe Folgerung


aud) fd)on manchmal 3Benfd)en, bie für roeife gelten roollten, bie (Be*

fetje, ben (Blauben unb bie ^Religion untergraben unb gan3e Bölker

43

Digitized by Google
bermaßen angeftecbt , baß biejelben in größere Barbarei unb fittlidjen

Verfall gerieten, als je 3uoor, bie guten ©erbe Dera<f)ten lernten unb
|id) bei jeber ßafterfjaftigfieit unb Berbehrtßeit mit ähnlichen Sdjlüffen
unb ‘Prämiffen beruhigten. Daher jdjeint bie Behauptung bes ©egen»
teils anbern ©eifen nicht jo oiel Ärgernis 3U geben unb ffiottes ©röße
unb Erhabenheit ni<ht jo {ehr 3U oerbleinern, als bas, toas maßr ijt,

ihnen oerberblid) für bie bürgerliche ©ejelljchaft 3U jein unb im ©iber*


jpru<h 3ur Obee bes Bechts 3U jtefjen f<heint; — nicht toeil es roahr

ijt, jonbern toeil es joroohl oon folgen, bie es in böswilliger Bbficht


oerwerten, als auch Don jolchen, bie nicht imftanbe finb, es 3U oer«
jtehen , ohne Schaben an ber Sittlid)beit 3U nehmen , f aljeh aufgefaßt
3U werben pflegt.
tJracaftorio: ^freilich! Bod) nie hat {ich ein ‘Philofoph, ber 3ugleid)

ein gelehrter unb guter Dtenjd) gewejen märe, gefunben, ber mit bem
Schein unb Bortoanbe jold)er Sähe bie Botwenbigbeit unb Unoerant*
wortlichbeit ber menfd)lichen ijanblungen hotte beroeijen unb bie 3rrei‘

heit bes ©illens bejeitigt haben wollen ;


u. a. halten auef) *piato unb
Briftoteles, obtoohl fie ber ffiottheit Unoeränberlichbeit unbBotwenbig»
beit 3ujchreiben, nichts um jo weniger fejt an ber jittlichen Freiheit
unb bem ©ahloermögen bes ©enjehen. Denn fie wifjen jene Botwen»
47
bigbeit unb bieje Freiheit {ehr wohl 3U rereinigen. So meinen benn
einige wahre Bäter unb fjirten bes Bolhs Dielleicht nur biejen Sah
unb anbre ähnliche beftreiten 3U jollen, fie wollen eben Berbrechern,
gefährlichen Bolbsoerführem unb Jeinben bes allgemeinen ©ohls
bie Unterlage ent3iehen, auf ber biefelben ihre Derbehrten Schlüffe auf«

bauen, um bie Einfältigbeit unb Unwiffenheit berer 3U mißbrauchen,


bie bas ffiahre fchwer begreifen bönnen, aber 3um Böjen {ehr geneigt

finb. Uns aber bürften folche ruhig geftatten, uns bes wahren Sahes
3U bebienen, aus bem wir ja nichts anbres folgern wollen, als bie
wahre Batur unb Erhabenheit bes Schöpfers. Jür ben ‘Pöbel {teilen

wir unfre Cehre nicht bar, jonbern nur für ©ebilbete, welche unjre

44

Digitized by Google
©ebanken unb Betrachtungen oöllig begreifen können. So erklärt es
jid), bafj einerfeits ooafjrfjaft gelehrte unb religiöfe Ifjeologen ber ffrei«

heit ber ©iffenfchaft niemals feinblid) gefinnt getoe|en finb, toie anbrer«
feits bie wahrhaften, bürgerlich un & fittlid) guten ‘pijtlofopljen ftets

bie ^Religion beförbert haben. “Die einen toie bie anbern toifjen, bah
ber ©laube unentbehrlich ift für bie ^Regierung bes rohen Volkes, ber
Vernunftbeweis aber für ben benkenben Äopf, ber fich unb anbre 3U
beherrfchen oerfteht.
QElpi no ©iefe Verwahrung bürfteft ©u genügenb beutlich gemacht
:

haben. ©enbe ©ich alfo jetjt wieber 3U unferm ffiegenftanbe 3urück!


ffiloteo: Um alfo wieber auf benSdjlufj 3urück3ukommen, fobe«
haupte ich : ®enn bas <
fd>aff enbe Prin3ip unenbliches Vermögen ift,

fo ift es aud) eine lätigkeit, oon welker ein ©eltall oon unenblicher

©rohe unb ©eiten oon unbegren3ter 3al)l abhängen.


©Ipino: (Eure Behauptung enthält grofjeÜber3eugungskraft, wenn
nicht bie ©ahrljeit; unb ba fie mir bereits Jehr wahrfcheinlich oor*
kommt, fo werbe ich fi* für wahr anerkennen, wenn 3 h r ™<h oon
einem (ehr erheblichen Bebenken befreien könnt, bur<h welches Arifto«
teles ba3u gebracht ift, bie Unenblidjkeit bes göttlichen Vermögens in
intenfioer Bidjtung 3U leugnen ,
jelbft für ben ff all, bah fie in ejten*

ftoer Bidjtung bewiefen würbe, ©er ©inwanb lautet : ©enn in ©ott


Vermögen unb ©irklidjkeit ein unb basfelbe wäre unb ,
er fich foniit

unenblich bewegen könnte, fo müf}te er fid) unenbli<h mit unenblicher


Äraft unb ©efd)winbigkeit bewegen, ©enn aber biefes wahr wäre, fo
mürbe fich & er Fimmel in einem ÜJtoment bewegen, ©enn wenn ein
kräftiger Beweger fchnell bewegt, ber kräftigfte am fchnellften, fo be«

megt ber unenblid) gefdjroinbe in einem Augenblick. Ariftoteles begehrt


alfo beshalb bie Unenblichkeit nur in bem Sinne, bah ©ott ewig unb
48
gleid)mähig bas erfte Bewegliche bewege, in jenem Verhältnis unb
ÜRafj ,
in bem basfelbe {ich augenfd>einltd> unb wirklich bewegt, ©u
fiehft alfo, bah unfre Vernunft ihm eine nur (3eitlich) ejtenfioe Unenb«

45

Digitized by Google
Hoheit, aber keine abfolute unb inten [ine 3uf<hreibt; unb baraus möchte
id) folgern: ©enn (ein unenbltc^es ©eroegungsoermögen fid)in©irk*
licf)keit auf eine enblidje, meßbare ffiefd)roinbigkeit befchränkt, fo
bürfte auch fein Vermögen, Unenblid)es unb llnjä^Iiges 3U fc^affen,
oon feinem freien ©illen befc^ränkt fein auf bas (Enblicfje, ©ebbare
unb 3 ät)lbare. (Eben bies meinen einige Ideologen, roeldje 3toar eine

ejtenfioe Unenblidjkeit einräumen, oermöge beren er im etoigen Aacf)*


einanber bie Seroegung bes Ms erhalte, aud) bie intenfioe infofem
oorausfetjen, als er un3äl)lige ©eiten fd)affen, mehlige ©eiten be*
roegen, unb jebe ein3elne berfelben fo gut toie alle sufammen in einem
Augenblick beioegen könnte, aber bennoch behaupten, bab fein freier

©ille bie Quantität ber ©eiten ebenfo befchränkt habe, roie er bie
Qualität ber Seroegung in intenfioer ©e3iehung begren3t hat. ©ie
alfo biefe Bewegung, 48 bie bod) aud) burch bas unenblidje ©ermögen
betoirkt toirb (roenigftens fpridjt nichts bagegen) fich uns als eine
enbliche 3U erkennen gibt, fo bürfte oielleidjt aud) bie An3af)l ber ©eit*

körper für begren3t unb bemeffen an3unehmen fein.

3riIoteo: ©iefes Argument befitjt allerbings größere Über3eugung5*


kraft unb Sdjeinbarkeit als jenes erfte, oon bem nun Jd)on genug ge*
rebet worben ;
benn es meint, bafe ber göttliche ©ille bie göttliche
©acht regulieren, mäßigen unb begren3en foll. Aid)tsbeftoweniger
ergeben fich aud) baraus un3äl)lige Ungereimtheiten für bie ©l)iIo*
fopf)ie, gan3 abgefeljen oon ben tt)eologifd)en ©runbfätjen ,
benen 3U*
folge mir hoch nicht 3ugeben können, bab bie göttliche ©ad)t mehr
fei, als ber göttliche ©ille unb bie göttliche ©üte, ober bah über*
haupt ber ©ottheit ein Attribut in gröberem ©afje 3ukomme, als ein
60
anberes.
©Ipino: Amt, roarum follten fie benn ein folches ©ab behaupten,
wenn fie es nicht begreiflich fänben?
Oriloteo : Aus blobem ©angel an Begriff unb 3ureid)enber Auf*
löfung bes 'Problems.

46

Digitized by Google
:

(Elpino: Grolls 3t)r benn über befonbere *Prin3tpien nerfügt, auf


©runb roeldjer 3ljr bas eine, b. h- bie 3ugleid) eftenfioe unb intenfioe

Unenblidjkeit unb Ununterfdjieblichkeit oon Vermögen unb©trklid)keit


unb bie Unenblid)keit bes 3IUs unb Un3äf)ligkeit ber ©eiten glaubt
bejahen 3U können , ohne bod) bas anbre 3U Derneinen ,
bajj in ber

£at jebes biefer ©eftime unb jebe biefer ©eltkugeln, toie es (Euch be*

Bebt fie 3U nennen, in 3eitlid)er “Dauer unb nicht momentan beroegt

wirb, |o roeift mir gefälligft nach, mit was für Begriffen unb ßöfungen
3 f)t (Eure Bleinung rechtfertigen unb bie anbem, bie bas ©egenteil für
jd)lüffig halten, roiberlegen könnt.

Jiloteo Bie ßö|ung bes fdjeinbaren ©iberfprud)S liegt 3unä<hft


barin: ©enn bas ©eltall unenblid) unb unbeweglich ift, hatmannad)
einem Beroeger bes|elben nicht 3U fragen. 3®eitens, toenn un3ählige
©eiten in ihm begriffen jinb, toie biefe (Erbe unb ihresgleichen, fotoie

bie 3entTalfeuer unb anbere Rrten ber ffieftirne genannten Äörper, fo

bewegen fi<h biefe alle oermittelft eines innerlichen f)rin3ip5, meines


61
ihre eigene Seele bilbet, wie mir an anberen Orten beroiefen haben.
Deshalb ift es aud) hier überflüffig, na<h einem äußeren Beroeger 3U
fud)en. “Drittens: Diefe ©eltkörper beroegen |i<h frei in ber ätherifdjen

Region unb finb nicht befeftigt ober angebunben an irgenb einen anbren
Äörper, nicht mehr, als biefe (Erbe, roeldje eine unter ihresgleichen ift,
unb non ber mir beroeifen können , bah pe aus innerem lebenbigen
Iriebe mit mehreren gleichzeitigen Beroegungen ihr eignes 3«ntrum
unb bie Sonne umkreift. Ruf ©runb fold)er feften Unterlagen roerben
mit roeber eine aktioe noch eine paffioe Bewegung oon intenfio unenb*

lieber Äraft na<h3uroeifen haben. Denn basBeroegliche ift ebenfo unenb*


Bch, roie bie es beroegenbe Seele, unb Ietjtere unb ber nonihr beroegte
Äörper treffen in einem enblicf)en ffiegenftanbe 3ufammen, ich meine
in jeber biefer fogenannten Sternenroelten. 3 nfofern ift es alfo nicht
bas erfte *Prin3ip, bas beroegt, fonbem an (ich ruhig unb unbeweglich
wirkt basfelbe nur, bafc mehlige ©eltkörper, grofje unb kleine ßebe*

47

Digitized by Google
wefen in ber weiten ©egion bcs 3Uls fich felbft bewegen hörnten, beten
jegliches im ©erijältnis 31t {einer eignen firaft {eine eigne Beweglich*
heit, ©ewegungsart unb anbre (Eigenfdjaften befiel.

(E I p i n 0 3h r feib gut mit ©rünben befeftigt. Irotjbem habt 3hr nod)


:

nid)t alle Sturmböche ber ©egner beseitigt. Üßäfjrenb alle bieje es für
ausgemacht unb für eine allgemein gültige 3lnnal)me erad)ten, bah ber
3IIlerhö<hfte bas fflan 3 e bewegt, fagft Du, er wirke nur, bah es fich

bewege, unb bie Bewegung finbe bestjalb ftatt im ©erhältnis 3 ur nächften


(fehunbären) Urfadje. Merbings hommt mir nun Deine Behauptung
oernünftiger oor, als bie getoötjnlidjc ÜJieinung. Allein ungeachtet

alles be|fen, was Du oon ber Seele ber ffielt unb ber göttlichen 3Be|en*

heit fagft, welche alles im allem ift, alles erfüllt unb ben enbli<hen
ÜBefen innerlicher ift, als beren eigne 3Befent)eit, ba fie bas Geben
ihres Gebens ,
bie Seele ihrer Seelen ift ;
— ungeachtet alles beffen
bünht es mir hoch ebenfo möglich, 3 U fagen, bah biefe bas 3111 bewege,
als bah fie bem 3111 bie Selbftbewegung nur oerleihe.
Der norhin angeregte 3a>eifel fdjeint alfo noch auf feinen eignen

ftüfjen 3 U ftehen.
5iloteo: 3lu<h hierüber hann ich Dich leicht beruhigen. 3<h fage: 3n
allen Dingen finb, wenn3hr fo wollt, 3 toei ahtioe ©ewegungsprinjipien

an 3 unehmen, ein enbliches entfprechenb bem ©ermögen bes enblidjen


Subjehts, unb biefes bewegt fid) in seitlicher Dauer; unb ein anbres
unenblid)es, entfprechenb bem ©ermögen ber SBeltfeele ober oielmehr
ber ©ottheit, welche bie Seele ber Seele ift, welche gan 3 in allem ift

unb fd)afft, bah Seelen finb, unb biefes bewegt fich in einem 3lugen«
bliche. Die ©rbe hat alfo 3 wei Bewegungen ,
unb fo haben auch alle
anbern Äörper, welche fich bewegen, 3 wei ©ewegungsprin 3ipien; non
biefen ift bas unenbliche jenes, welches momentan bewegt unb be*
wegt hat, fo bah feiner 3Birhung 3 ufoIge ber bewegte Äörper nid)t
minber ftillfteht, als er 3 ugleich am allergefchwinbeften bewegt wirb,

ftrigur 5 (Seite 49) mag es oeranfd)aulichen.

48

Digitized by Google
1)« Äreis b*3eid)ne bie ©rbkugcl. Biele wirb in einem Augen*
blicke bewegt, fofern fie einen Beweger oon unenblidjer ©efd)winbig*
beit hat. AJenn fie fid) nun mit ihrem Mittelpunkte A
oon A nad) E unb 3urücfe oon E nad) A bewegt unb
biefes in einem Augenblicke gefd)iel)t, fo ift berfelbe
gleid)3eitig in A unb E unb in allen ba3wifdjen lie*

genben 'Punkten, gleid)3eitig gegangen unb 3urüdt*


gekommen; unb ba biefes fid) fo oerf)ält, ftef)t er

infofem ftill. ftfjnlid) mufe es fid) mit ifjrer Be*


coegung um ben Mittelpunkt ©erhalten. Sonnen*
aufgang fei in I
,
Mittag in O, Abenb in K unb
Mitternacht in V nun bref)e fid) jeber biefer 'Punkte
:

mH unenblidjer ©ef d)toinbigheit unb jeber oon ihnen


toirb gleichseitig gegangen unb 3urückgekel)rt, folg*
li<h immer ba geblieben fein ,
wo er war. So können äörper burd)
eine unenblid)e firaft bewegt werben, unb es wirb hoch fo fein, als
ob fie nicht bewegt würben, ba Bewegung in einem Augenblicke unb
54
gar keine Bewegung ein unb basfelbe ift.

©$ bleibt bann alfo noch bas fekunbäre aktioe Bewegungsprin3ip


übrig, welches oon einer innerlichen äraft ausgeht unb folglich in
Bauer unb mit meßbarer Suk3effion ftattfinbet, unb nur
3eitlicher

biefe Bewegung ift oon ber Buhe oerfd)ieben. So alfo können wir
fagen, bah ©ott bas ©an3e bewegt, unb fo müffen wir es oerftet)en,

bah bem ©an3en, bas fid) bewegt, bie Bewegung mitteilt.


(Elpino: Bun, nad)bem “Du mir biefe Schwierigkeit fo tieffinnig unb
burchgreifenb gelöft tjaft, ergebe ich in ber Xat ©einer Anjid)t unb
hoffe, auch fernerhin noch ähnliche ßöfungen oon *Dir 3U erhalten.
Denn obwohl ich bis jetjt noch nid)t oiel baoon erprobt habe, habe ich

hoch fchon manches gelernt unb hoffe nod) mehr 3U lernen, 2Benn ich

auch deinen ©eift noch nicht gan3 begreife, fo erkenne id) hoch an ben
CichtftTahlen ,
bie oon H)m ausgehen, bah entweber eine Sonne ober

Oiortaso Bruno Sb. III


49
bod) ein nid)t unbebeutenbes Cidjt bafjinter ftedtt. Unb non fjeute ab
werbe id) , Hoffnung, ©eine 3fät)igkeiten überwinben 3 U
nid)t in ber

können, {onbem in ber 3lbjid)t, Dir (Belegenfjeit 3 U weiteren ^Hufhlä-


rungen 3 U oerfdjaffen, mid) t)ier roiebet einjtellen, wenn Du bie (Büte

tjaben willft, an ben hommenben lagen um biefelbe Stunbe wieber


Ijiertjer 3 U kommen, Jo lange als für uns nötig Jein wirb, alles 3U

tjören unb 3 U oerftetjen, bis unjer ©eijt {id) beruhigen kann.


(Jrüoteo: Das werbe i<f) gern tun.
3rraca{torio: Das wirb Jefjr freunblidj non Dir Jein; Du folljt

bie aufmerkjamjten 3 uf)örer in uns finben.


Burdjio: Unb i<§, wenn id) aud) bieffiebanken nid)t oerjte^e, werbe
bod) bie ©orte tjören, unb wenn nidjt bie ©orte, Jo bod) bie Stimmen.
Slbieu!

50

Digitized by Google
3rociter Dialog

OCOKEO: ffienn bas erfte ‘Pringip bas allereinfachfte

ift, fo müßten, toenn eins feiner Attribute enbltd) märe,


6*
aud) alle (eine übrigen Attribute enbltd) fein; ober
toollte man es in einem getoifjen innerlichen Sinne als
unenblid) unb in einem getoiffen anbern als enblid)
fetjen, fo müfjte man unbebingt eine 3ufammenfetjung
in ihm oorausfetjen. Oft es alfo Schöpfer bes ©eltalls, fo ift es fidjer-

ii<h auch ein unenblicher Schöpfer unb muff eine unenblid)e ©irkung
heroorbringen, b. h- rin unenblidjes ©I mufj oon ihm abhängig fein.

©enn ferner unfer (Einbübungsoermögen fähig ift, ins Unenbllche


fortäufchreiten unb immer noch eine Raumgröfje 3ur anbern, eine
3ahl 3ur anbern l)in3U3ufügen ,
in beftimmter Reihenfolge unb ,
toie

man fagt, in potentia, 8 * fo ift an3unehmen, ba(j fich (Bott auch toirk«

[ich eine unenbli^e Rusbehnung unb eine unenbliche 3 ah( Dorf teilt,
unb aus biefer (Einficht ergibt fich bie ©öglichkeit 3ugleid) mit ber
Statthaftigkeit unb Rngemeffenheit, ba bas aktioe Vermögen unenb«
lieh ift, auch feine ©irkung als unenblich 3U feiert ;
benn toie mir an»
bem Orts beroiefen haben, fetjt „fdjaffen können" bas „geraffen
»erben können", Rusbehnenbes bas Rusbehnbare, Raumfetjenbes
bas Raumfüllenbe ooraus.

Jemer, toenn fich in ©irklichkeit enblich ausgebehnte Körper fin«

ben, fo ftellt bie höchfte Remunft fich Körperlichkeit unb Rusbehnung


oor. ©enn fie aber biefe Rorftellung umfaßt, fo umfafjt fie folche

in unenblicher ©eife. ©enn fie bies tut, toenn alfo Stoffliches


unenblich oon ihr gebacht toirb, fo mufj ber (Battungsbegriff bes
Stoffes nottoenbig in ihr oorhanben fein, unb toenn biefer in einem
folchen (Beifte, toie ber göttliche ift, er3eugt toirb, fo ift er auch im

51

Digitized by Google
oollkommenen Sinne roirklieh unb in bem ©rabe wirklich , baf) il)m

bas Sein notroenbiger 3ukommt, als bemjenigen Sein, bas fid) un*
55
frer finnlichen Bnfehauung barftelU. Wenn Du bies rooljl überlegft,

|o roirb fid) Dir ergeben, bah, roenn ein einfachstes, unenbliches, un*
teilbares Wefen roirftüd) ift, bann auch ein ert)abenftes, unenblid) fid)

ausbeljnenbes fein mu^, n>el<h cs * n jenem ift, unb in coeldjem jenes

ift ber 2lrt, bah es alles in allem unb bah alles in ihm ift. Wenn mir
fobann an ben ftofflid)en Qualitäten fef)en, bah fold>e bas Vermögen
68
haben, fich ins Unenblidje ju oermehren, roie 3. B. bas fjeuer, bas,
roie jebermann 3ugeben roirb , fi<h ins Unenbliche ausbreiten mürbe,
roenn ihm Stoff unb Bohrung geboten roürbe, — roas für einen
©runb roill man bafür geltenb machen, bah bas Jeuer, roelches
unenblich fein kann unb folglich als unenbliches gefchaffen ift, fich

nicht auch l n Wirklichkeit als unenbliches finben laffe? 3 <h fürroahr


oerftehe nicht, roie man fich benken könnte, irgenb ein Ding könne
in paffioer Möglichkeit, in ber Materie, oorljanben fein, ohne 3U-

gleid) in aktioer Möglichkeit, folglich in Wirklichkeit, ober als Wirk*


lichkeit felbft in ber fchaffenben Batur 3U ejiftieren. Bun führt bie
Behauptung, bah Unenblid)keit nur im Bermögen unb in einer be*

ftimmten Suk3effion beftelje unb nicht in Wirklichkeit, bie anbre mit


fich, bas fcfjaffenbe Bermögen könne 3toar in 3eitlicf>er Jolge unenblich
roirken ,
aber nicht in oollenbeter , abfdjliehenber Wirklichkeit ;
benn
bas Unenbliche kann nicht oollenbet gebacht roerben. Daraus roürbe
fi<h ergeben, bah bie erfteUrfadje nicht ein einfaches, abfolutes unb ein*
Zeitliches aktioes Bermögen befitjt, fonbern ein aktioes Bermögen, roel*

(i)em eine unenbliche fuk3effioe Möglichkeit entfpridjt unb ein anbres,

bem eine oon ber Wirklichkeit nicht mehr oerfhiebene Möglichkeit


entfpricht. Wenn ferner bie Welt enblich roäre, fo roürbe, ba man fich
nicht Dorftellen kann, roie ein körperliches Wefen oon einem unkörper*
liehen begren3t unb umfafjt roerben kann, biefe Welt fich tn ber Mög-
ft:
lichkeit befinben, 3u oerfchroinben unb 3U nichte 3U roerben. Denn

52

Digitized by Google
joüiel mir feßen, finb alle Äörper auflösbar. 3 <ß behaupte bann, baß
kein ©runb rorßanben ift, ber es nerßinbert, baß bas unenblicße
ßeere, au<ß roenn es kein aktioes ©ermögen bejahe, biefe ©eit Der*

fcßlingen könnte, rote ein ©ießts. ©ueß meine id>, baß felbft ber ©aum
unb bas ßeere $ßnli(ßkeit mit ©aterie ßat, roenn nid)t ©aterie felbft

ift,roas manchmal nid)t oßne ©runb ©lato unb biejenigen 3U behaupten


feinen, bie ben Ort als einen beftimmten ©aum befinieren. 68 ©enn
nun bie ©aterie ein Streben ßat, bas nidjt oergeblicß fein barf roenn
,

fokßes Streben fid> aus ber ©atur unb fcßließlicß aus ber erften©atur
Verleitet, fo muß aueß ber Ort, ber ©aum unb bas ßeere felbft foldjes
ftB
Streben ßaben. ferner, roie feßon oben eingeräumt rourbe, oon allen,

roeldje bie (Enblicßkeit ber ©eit behaupten, nerftefjt es keiner auf


irgenb eine XDcife begreiflich 3U machen, roorin bie ©ren3e berfelben be*
fteßenf oll, unb inbem fie bas ßeere unb 3 nßaItlofe mit ©orten Derneinen,
fetjen fie es bo<ß gleichseitig bem ©ffekte unb ber ©irklidjkeit nah Qis

ein (Etwas, ©enn es ein ßeeres unb 3 nßaltlofes gibt, fo befitjt es

roenigftens bas Vermögen, etwas auf3uneßmen. 'Denn aus bemfelben


©runbe, aus roekßem man es für unmöglicß ßält, baß berfelbe ©aum,
in bem biefe ©eit ift, gleitßäeitig eine anbere ©eit enthalte, muß man
es für möglid) anerkennen, baß ein ©aum außerhalb biefer ©eit ober
jenes ©icßts, roie ©riftoteles basjenige nennt, roas er nießt ßeere
nennen möd)te. eine ©eit enthalten kann. ‘Der ©runb, aus roeld)em
jener meint, baß 3®ei ßörper ni<ht an bemfelben Orte fein können, ift

bie Unoerträglicßheit ber ‘Dimenfionen bes einen unb bes anbern


Aörpers. ©s bleibt alfo nur übrig ,
roas mit biefem ©runbe oerträg*
li<ß ift, baß ba, roo bie ‘Dimenfionen bes einen Körpers nießt finb, ein

Vermögen 3ur ©ufnaßme bes anbern befteßt, alfo baß ber ©aum in

geroiffem Sinne ©aterie ift, roenn er aber ©aterie ift, ßat er Äraft;
roenn er Äraft ßat, mit roelcßem ©eeßte bürfen wir ißm bann ©irkung
abfpreeßen?
(Elpino: Seßr gut! ©ber mit ©erlaub, geßt nun 3U anberem über

53

Digitized by Google
!

unb je^t mir auseinanber, roas3hr für einen Unterfdjieb mad)t 3roifd)en
©eit unb ©eltall
<3riloteo: Diefe Unterfd)eibung ift außerhalb ber peripatetifd)en
Schule |cl>r oerbreitet. 2Iu<h bie Stoiber unterfdjeiben 3 toifd)en ©eit
unb 3111. ©eit ift ihnen alles, roas gefüllt ift unb aus feftem Stoffe
beftet)t. 'Das 3111 aber befteht ihnen nid)t nur aus ©eit, fonbern aud)
bem Eeeren, Onljaltlofen unb bem Baume außerhalb ber ©eit, unb
barum fagen fie, bie ©eit fei enblid), bas 2111 unenblid). 2ihnlid) nennt

(Epibur bas (Banse unb ©eliall eine ©ifdjung oon Stoff unb ßeerem
unb fagt, bie Batur ber ©eit, toeldje unenblicf) fei, beftehe in biefem,

foroohl in ber 2Iufnahmefäf)igbeit bes Ceeren unb Dnfjaltlofen als

aud) in ber ©enge oon Äörpern ,


bie barin finb. ©ir aber nehmen
überall nichts ßeeres in bem Sinne an, baß foId)es einfad) nid)ts

toäre, fonbern nur in bem Sinne, baß alles, roas nicht Äörper ift, ber
finnlid) wahrnehmbaren ©iberftanb Ieiftet, aber bod) 2Iusbef)nung
f)at, ßeere genannt toerben bann; benn gemeinhin oerfteht man unter
äörperlid)beit nur bie (Eigenfdjaft bes ©iberftanbes (ber Unburd)*
bringlid)beit); baßer es aud) heißt, toie bas nid)t fjleifd) fei, roas nidjt
oerrounbbar fei, fo fei aud) bas nidjt Stoff, roas keinen ©iberftanb
leifte. 3n biefem Sinne fagen roir, gibt es ein llnenblidjes b. I). eine

unermeßliche ©herregion, in roeldjem ^atjllofe folcße Äörper finb, roie

bie (Erbe, ber ©onb unb bie Sonne, welche oon uns ©eiten genannt
toerben, bie felber sufammengefetjt finb aus Bollern unb ßeerem; benn
biefer (Beift, biefes ßuftförmige, biefer 2Itf)er befinbet fid) nid)t nur
um biefe Äürper ,
fonbern burcßbringt fie aud) JämtHd) unb ift inner«
60
Ijalb jebes Dinges. Dagegen nehmen roir ein ßeeres an in bem
Sinne, in bem roir bie ffrage beantworten roürben, roo biefer unenb«
liehe Bther unb bie unseligen ©eiten feien. Jrjierauf roürben roir ant«
roorten: 3n einem unenblicßen Baume, in einem fixeren Schoß, welcher
bas ©an 3 e umfaßt unb felber roeber in etwas anbrem ift noch oon
etwas anbrem umfaßt wirb. 2IriftoteIes aber roirft biefe beiben Be«

54

Digitized by Googl
beutungen bcs Ceeren in eine britte, bie er fid) Jelber einbilbet unb
roeber 3U nennen nod) 3U befinieren ©eift , burd)einanber unb gerät
mit fid) felber in ©iberfprud), wenn er bas Ceere beftreitet unb burd)
biejelbe Brt, 3U argumentieren, in 3Bat>rI)eit alle anbern Meinungen
über bas Ceere 3U ©iberlegen meint, bie er bennod) nid)t mehr trifft,

als einer, ber, ©enn er ben Barnen eines Dinges befeitigt t>at, bamit
bas Ding |elber befeitigt 3U haben glaubt. Denn ©as er befeitigt,

©enn er überhaupt et©as befeitigt, ift bas Ceere in einem Sinne, in


©eitlem es oielieid)t nod) non niemanben genommen ©urbe. Denn bie

©ten unb roir oerftehen unter bem Ceeren basjenige, roorin ein Äörper

fein bann unb ©as irgenb ein Ding enthalten bann unb ©orinnen bie
Btome unb bie Äörper finb; unb er allein befiniert bas Ceere als bas,
©as nidjts ift unb in bem nichts ift unb nid)ts fein bann. Dnbem er

alfo bas Ceere in einem Flamen unb einer Bebeutung nimmt, in welchem
niemanb es nerftei)t, baut er gewaltige «Jeftungen in ber Cuft unb be*
bämpft feine eigene Ceere unb nicht biejenige anbrer, bie Don Ceere
gefprodjen unb fid) biefes ©ortes bebient haben. Bidjt anbers fjanbelt

biefer Sopt)ift bei allen anbern Behauptungen, 3. B. über Bewegung,


bas Unenblidje, 3form, ben Beweis bas Seienbe;
bie ©aterie, bie ,

allemal baut er weiter auf bem ©lauben an feine eignen Definitionen


unb feine eignen in neuer Bebeutung gefaxten Begriffe; batjer jeber,
ber nid)t eignen Urteils bar ift, leicht einfehen bann, ©ie oberflächlich
biefer ©enfd) in feinet Baturanfdjauung ift unb ©ie er oerrannt ift in
feine eignen, nie sugegebenen unb un3uläffigen Unterfd)iebungen, bie
in feiner Baturphilofophie nod) niel eitler finb, als man fie fid) jemals
in ber 3Jlatf)ematib ausbenben bönnte. Unb man fet)e nur, ©ie fet)r

er fid) felbft biefer Jtidjtigbeiten bann nod) rühmt unb fid) barin ge*
fällt unb in fjinficht auf bie Baturroiffenfchaft banad) gei3t, für be*

fonbers oemünftig ober, ©ie man 3U fagen beliebt, logifd) 3u gelten,


fo bafj er biejenigen, ©eiche {ich eifriger, als er, um bie Batur, bie
81 <
©irblid)beit unb ©ahrheii bemühen, mit blafierter Dronie bie „ Ph t)*

55

Digitized by Google
liker" fällt. Um enblfä bcn ftaben unfrer Unterhaltung toieber auf*
•junehmen, wollen mir il)n, ba er ja in feinem Bud)e über bas ßeere 92
toeber birekt n<fä inbirekt etwas oorbringt, was ffä mürbigermeife
gegen unfre Anfäauungen ins 3felb führen liehe ,
ftehen laffen unb
uns bie wettere (Einlaffung mit ihm in biefer Wfätung für eine etwaige
fpätere unb müßigere ©elegenheit oerfparen. ©enn’s Dir alfo beliebt,

mein ©Ipino , fo formuliere 3unäd)ft bie ©rünbe, berentroegen unfre


©egner bie Unenblfäkeit bes Stoffes nfät äugeben toollen unb fobann
biejenigen, berentroegen fie nfät begreifen können, bah es m^ählige
©eiten gibt.

(Elpino: Das
fä tun. 3 <h toerbe bie Anffäten bes Ariftoteles
toill

ber Weihe nad) oortragen, unb Ohr mögt barauf erwibern, toas (Euch
in ben Sinn kommt.
9
„©s ift bie (Erwägung an3uftellen," fagt er, * „ob es irgenb einen
unbegrenjten Äörper gebe, toie bie meiften ber alten ‘Ph^ofophen

meinten, ober ob bies 3U ben Unmöglichkeiten gehöre, unb banach ift

3U fehen, ob es nur eine ober mehrere ©eiten gibt. Wämlfä ob bies

fo ober anbers {ich n er hält, bies macht in be3ug auf bie Betrachtung
ber Wahrheit keinen kleinen Unterfäieb ,
fonbern einen umf affenben
tn jeber Be3iet)ung; benn fo 3iemlfä ber Ausgangspunkt aller ©egen*
fätjlfäkeiten ift bies für biejenigen , toefäe eine Darlegung über bie
gefamte Watur geben, geworben, toie mir benn 3. B. fehen, bah jene,

bie unteilbare kleinfte leile fehen, ffä burch biefen erften Orrtum ben
weiteren ©eg bermahen oerbauen, bah fie infolgebeffen bie mfätigften
84
Sähe ber 2Rati)ematik oerfehlen. ©ir haben alfo eine Aufgabe oon
grober Bebeutung für oergangene, gegenwärtige unb 3ukünftige
Schwierigkeiten 3U löfen. Denn ein geringer Abweg, ben man im An*
fang macht, oergröhert ffä un3äl)Iigemal, wenn man auf ihm weiter
fortfäreitet, wie benn auch burch einen Orrweg, ben man 3U Beginn
einer ©anberung 00m (Enb3iel um fo mehr
einfälägt, bie Abirrung
3unimmt, je weiter man ffä oom Ausgangspunkt entfernt, bermahen,

56

Digitized by Googl
baß man am (Enbe 3U einem gerabegu entgegengefeßten ©nbpunkte
anlangt, als man fid) oorgeftellt f>atte. Die Urfadje baoon ift, b aß bie
‘Prinäipien 310 ar klein an Umfang, aber bas ffirößte ber*Poten3 nad)
5
finb.® Dies ift ber ffirunb, roesßalb mir biefen 3®**fel notroenbig
eTlebigen muffen."

3filoteo: Silles, roas erbafagt, ift ©ot)I 3U beßer3igen unb könnte


ebenfo gut oon ben anbern gejagt ©erben, als oon ißm; benn ©enn
er meint, baß bie anbern oon einem falfd) oerftanbenen ‘Pri^ip aus
in große Orrtümer geraten finb, fo ©erben roir im ©egenteil glauben
unb beroeifen, baß er felbft oon bem entgegengefeßten SInfangspunkt
ausgeßenb ba3U gelangt, bie gan3e Siaturanfdjauung auf ben Äopf
3U ftellen.

(Elpino: (Er f äf)rt fort :


„(Es ift alfo notroenbig 3U unterfud)en, ob
es möglid) ift, baß ein einfacher Äörper oon unenblidjer ffiröße fei.

Dies ©irb fid) 3unäd)ft als unmöglid) erroeifen an jenem erften Äörper,
ber fid> kreisförmig be©egt; Johann aud) an anbern Äörpern. SBenn
nämlid) jeber Äörper entmeber einfad) ober 3ufammengefeßt ift , fo

nimmt bod) ber 3ufammengefeßte jebenfalls an ben (Eigenfdjaften ber


68
einfachen teil, aus benen er befielt. 2Benn alfo bie einfachen ßörper
©eher nad) 3*^)1 nod) ©röße unbegren3t finb, fo ©irb bies notroenbiger»
a>eije aud) oon ben 3ufammengefeßten Äörpern nid)t gelten können."
Jilote 0 : ©r madjt große Derfpredjungen. Denn ©enn er beroeifen

©irb, baß jener Äörper, ben er ben umfaffenben unb erften nennt, ber
erfte ®egren3er, enblid) ift, fo ©irb es allerbings überflüffig fein, bas»
felbe normal 3U beroeifen be3Üglid) ber oon biefem begren3ten Äörper.
(Elpino: Slunaber beroeift er, baß ein runber fiörper nießt unenb«
lid) fein kann. „SBenn nämlid) ein runber Äörper unenblid) ©äre, fo
©ürben aud) bie Strahlen (iRabien), bie oon feinem ffflittelpunkt aus
ge3ogen ©erben, unenblid) fein, unb bie Entfernung eines foldjen f)alb«
meffers 00m anbern, roeld)e fid) in bemfelben Derßältniffe, in bem fie

|i<ß oom ßentrum entfernen, au<ß ooneinanber entfernen, müßte 3U»

57

Digitized by Google
Ietjt unenblid) werben. Denn burch bic Verlängerung biefer Babien
muh notwenbig ein immer gröberer 3 a>ifd)enraum 3wifd)en ihnen er*
wachfen unb fo wirb, wenn bie Babien unenblid) finb, aud) biejer
3 wtfd)enraum 3uletjt unenblid) werben. Bun aber ift es eine unmßg*
liehe Sad)e, bah Bewegliches eine unenblid)e (Entfernung burd)Iaufe:
unb 3ur Verwirklichung einer Preisbewegung ift es bod) erforberlid),
bah ein §albmeffer bes Beweglichen fd)lieblid) bie Baumorte bes
85
anbern ijalbmeffers u. f.
w. burdjlaufe ."
«3
riIoteo: Der Beweis t>ört fid) gut an, befagt aber gar nichts gegen
bie Behauptung feiner ©egner. Denn nod) nie bürfte fid) ein fo roher

unb ftumpffinniger Popf gefunben haben, ber bas 2BeItgan 3 e als un*
begren3t unb unenblid) grojj unb 3uglei<h als beroegtich gefegt hätte.
Unb er felbft oerleugnet hier etroas, roas er in feiner eignen
<
Ph I)f*k
88
einräumt . Denn alle, bie ein unettbliches Sein als B^nsip an*
nehmen ,
haben basfelbe ftets 3 uglei<h als unbewegliches gefegt ; unb
uns einen <phM°l°Pb en
toeber er felbft nod) ein anbrer für ihn roirb

ober auch nur einen gewöhnlichen Bienfdjen namhaft machen können,


ber eine unenblidje ffiröfje beweglich genannt hätte. Uber als richtiger
Sophift entnimmt er einen leil feiner Argumente ben Sdjluhfolgerungen
bes ©egners unb fdjiebt ihm bann fein eignes falfd)es Brinjip , bah
bas 2Bettgan3e beweglich fei .
ja bah basfelbe kugelförmig fei , unter.
Bun feht, ob fid) unter allen ©rünben, welche biefer fpärlicf)e Bettler
oor3ubringen hat, auch nur einer finbet, ber etwas gegen bie Bnfd)au*
ung berer beweift, bie ein unbewegliches, geftaltlofes räumliches Un*
enblid)e 5 behaupten, welches 3al)lIofe Bewegliche umfaßt, nämlich bie

oon ben einen ©eftirne, non anbern Sphären genannten ©eltkörper.


Brüft ein wenig an biefen unb anbern ©rünben, ob ihm bie Voraus*
Jetjungen, oon benen er ausgeht, oon irgenb jemanbem eingeräumt
worben finb!

©Ipino: Merbings beruhen alle fechs ©rünbe auf jener Voraus*


fetjung, b. h- batauf, bah ber ©egner behaupte, bas ©eltall fei unenb*

58

Digitized by Google
lief), unb biefes Uncnblidjc fei 3ugleid) bemegltd) ,
toas freilich eine

Bbfurbitäi ja ber reinfte SBiberJpruch Jein mürbe, falls mir uns


,
ni<f)t

etroa auf jene Obentität unenblidjer Beroegung unb unenblicßer fRutje

Dergleichen rootlen, bie Ohr mir gejtern bei ben ei^ehten SBeltkörpern
69
nadhgeiriefen habt.
fjriloteo : Bber jenes wollte ich in Bnfeßung bes Meltalts keines«
roegs behaupten ; biefem barf bas Attribut ber Beroegung in keiner
Be3ief)ung beigelegt roerben. Beroegung bann unb barf bem Unenb»
liehen als |old)em nid)t 3ugefchrieben coerben unb roie gejagt, hat fi<h

audh noch niemanb gefunben, ber Jich folc^es eingebilbet hätte. Bber
biejer ‘Pßtfafapß baut gleich einem, bem ber ©runb unb Boben fehlt,

nun einmal Jeine Schlöfjer in bie ßuft.

(Elpino: On ber lat, ein Brguipent, toelches irgenbroie gegen Beine


Behauptung an könnte, DermiJJe i<h bei ihm. Benn auch fünf anbreBr*
gumente, roelcße biejer Phü°f°Pf) norbringt, roanbeln genau benjelben
<

2Beg unb fchreiten auf benjelben tönernen Jüßen einher. Barum ift es
70
roohl überflüjjig, jie an3uführen.
Bad)bem er nun biefe, bie {ich auf bie Äreisberoegung besaßen,
oorgefdjüßt hat, geht er 3U Jolcßen über, bie auf ber gerablinigen Be«
roegung beruhen unb Jagt, baß es gleichermaßen unmöglich fei ,
baß
ein ©egenftanb eine unenblidje Beroegung 3U einem Mittelpunkte ober
71
non bemfelben fort nach unten ober nach °ben befiße. Bies beroeijt

er 3unäd)Jt be 3 Ügli<h ber eignen Betoegungen jolcher Äörper unb 3roar


Joroohl be3Ügtich ber äußeren Sörper, als auch ber mittleren. Beroegung
nach oben, Jagt er, unb Belegung nach unten Jinb fid) entgegengefeßt;

unb ber Ort (bas 3«0 ber einen Beroegung ift entgegengefeßt bem
Orte ( 3iel) ber anberen. Bus ber ©egenfäßlicßkeit ergibt fid), baß,
roenn ein ©egenfaß beftimmt unb begre^t ift, auch ber anbre Joroie
bas Mittlere, roas an bem einen unb anbern (Enblicßen teilnimmt,

beftimmt unb begre^t ift. Benn, roas wirklich 3um Mittelpunkte ge«

langen Joll, barf nicht oon einem beliebigen, Jonbem muß non einem

59

Digitized by Google
beftimmten funkte ausgehen unb nic^t minber jeinen beftimmten Aus-
gangspunkt tote jeinen beftimmten ©nbpunkt haben. Menn aljo ber

Mittelpunkt bejtimmt ift, jo muffen aud) bie äußeren (Enben bejtimmt


b. t). begrenjt jein, unb wenn bie äujjeren QEnben bejtimmt finb, muffen

auch bie 3wifd)en ihnen befinblicbjen Körper enblich {ein. “Denn jonjt
mürbe bie Bewegung unenblich fein.
7
Mas ferner Schwere unb Seichtigkeit betrifft, * fo mufc jeber

Körper, welcher nad) oben ftrebt, aud) baf)in gelangen können, fo bajj
er fdjliefjlid) an feinen Ort kommt ;
benn kein natürliches Streben ift

umfonft. Alfo aber kann ber Meltraum nicht unenblid) fein, unb kann
es toeber einen unenblid) entfernten Ort noch einen unbegrenjten
Körper geben. Auch was bas ©eroicht betrifft, fo gibt es toeber etwas
unenblich Seichtes noch etroas unenblich Schtoeres. Alfo gibt es keinen
unbegren3ten Körper. Denn wenn ein fernerer Körper unenblid) märe,
fo müjjte auch feine Schwere unenblich fein. 'Dem ift nicht aus3umeid)en.
Unb roollteft “Du jagen, ein unenblidjer Körper befitje unenbliche
Schwere, fo mürben baraus brei Ungereimtheiten folgen: *

1 . Die Schwere unb bie Seichtigkeit eines enblid)en unb unenblichen


Körpers würben ibentifd) fein; benn einen enblicf) fchweren Körper
kann ich, folange er oom unenblichen Körper überwogen wirb,
etwas 3ulegen, ober umgekehrt kann ich oon festerem fooiel ab-
nehmen, bis beibe basfelbe Quantum ber Schwere ober Seichtig-
keit erreicht haben.

2. Die Schwere einer enblkhen ffiröfce würbe fogar größer fein

können ,
als bie ber unenblichen ;
benn aus bemfelben ©runbe,
aus welchem fie ihm gleich werben kann, kann fie ihn fchliefjüd)

auch überwiegen, ba man, fooiel einem beliebt, oom fchweren


Körper abnehmen ober aud) 3um leichten Körper 3ulegen kann.
3 . Die Schwere ber enblid)en unb unenblichen ffiröjje würbe gleich

fein, unb ba in bemfelben Verhältnis, in bem Schwere 3U Schwere,


7
auch ffiefchwinbigkeit 3U ©efdjwinbigkeit ftef)t, * fo würbe

60

Digitized by Google
gleichermaßen folgen, baß in einem unenblidjen Äörper ©efdjroin*
bigheit unb Cangfamkeit gleich groß toären.
4 Die ©efdjroinbigkeit bes enblidjen Äörpers mürbe größer
. fein

können, als bie bes unenblidjen Äörpers.


5 Sie mürbe
. gleich fein können, ober bodj, fo roie bie Sdjroere bes
einen bie Sdjtoere bes anbern übertreffen kann, fo mürbe auch
bie ©efdjroinbigkeit bes einen bie ©efdjroinbigkeit bes anbern
übertreffen können. 2Benn es eine unenblidje Sdjroere gibt, fo
muß biefelbe fid) burd) irgenb einen beliebigen Kaum notmenbig
in kürzerer 3 eit bemegen, als bas enblid) Sdjroere, ober aber fid)

gar nidjt bemegen ;


benn bie ffiefdjminbigkeit unb Cangfamkeit
hängt ab oon ber ffiröße bes Äörpers. Da nun kein Behältnis
3toifdjen ©nblid)em unb Unenblidjem befteljt, fo roirb es am (Enbe
notmenbig, an3unef)men, baf} bas unenblidj Sdjroere fid) nicfjt be»

roegt; benn roenn es fic^ beroegte, fo mürbe es fid) nid)t fdjnell

genug bemegen, baf} fid) kein enblid) Schweres fänbe, meines


nidjt in berfelben 3«t benfelben Kaum 3urüdtlegen könnte.

5 i l ote o : ©s ift unmöglich, einen 3roeiten auf 3utreiben, ber fid) unter

bem Xitel eines ‘pijilofopfjen erlaubt f)ätte, albernere Suppofitionen 3U

erfinnen unb feinen ©egnern bümmere Behauptungen an3Ubid)ten, um


für ähnliche Salbabereien ©elegenheit 3U geroinnen, roie man fie in

biefen Beroeifen bes Kriftoteles oor fich h at -

Knlangenb 3unächft, mas er ba über bie natürlichen Örter ber

Äörper unb über Begren3theit in £ölje, liefe unb ©litte fafelt, jo

möchte ich nut roiffen ,


gegen mas für eine 'Pofition bies alles 3ielt.

Denn alle, bie einen Stoff oon unenblidjer Kusbehnung jetjen, können
in bemfelben roeber eine ©litte noch eine ©ren3e (©nbe) annehmen.
2Ber baher oon einer unbegren3ten ßeere, einem Onljaltlofen ober oon
unenblidjem Ktljer fpridjt, fchreibt biefem roeber Schroere noch Ceidjtig*
keit noch Beroegung, roeber ein Oben noch c ' nc «och ein Unten
3U. Unb roenn mir bann in einem folgen Baume 3ahllofe ftörper an*

61

Digitized by Google
neunten, roie bieje (Erbe ober irgenb eine anbre (Erbe, bieje Sonne ober
irgenb eine anbre Sonne, fo oollenben alle bieje Meltkörper ihre Um*
laufe burd) enblidje unb begren3te Baumteile unb um ihre eignen
befonberen 3entra. So können mit ©rbberoohner jagen, bie (Erbe be*

finbe jid) im Mittelpunkte, unb alle ^ilofoptjen, neuere unb alte, 3U


melier Schule immer fie gehören, mürben, ohne ihren <Prin3ipien 3U
roiberjprechen, behaupten können, bah jie ben Mittelpunkt bilbe, roie

mir benn auch in Jrjinfidjt auf ben größeren Umkreis jener ^Utljer-

region, bie uns umfaßt unb fi<h für uns als ein überall gleich roeit
entfernter f)ori3ont barjtetU, im Mittelpunkte 3U jteljen behaupten.
Bber ebenjo gut mürben auch etroaige Monbberoo^ner glauben, bah
unjre (Erbe als ifjr Monb unb oiele anbre Sterne, roel^e ben ©nb*
punkt ber Labien ihres ©ejicfjtskreijes bilben, it>r ßentrum umkreijen.
So ijt bie (Erbe im Behältnis 3um 9UI nid)t mehr unb nicht meniger
Mittelpunkt, als jeber beliebige anbre Meltkörper, unb für bie (Erbe
gibt es um nichts mehr beftimmte 'Pole im Umkreis, als jie felber für

irgenb einen anbern 'Punkt bes Ütljers unb Meltraumes einen be*
ftimmten feftfteljenben 'Pol barjtellt. Die (Erbe aljo befinbet jid) nicht

abjolut im Mittelpunkte bes Mettraumes, jonbem nur oon ihrem


Stanbpunkte aus mit ijinfid)t auf bieje unjre Umgebung.
Jener logifdje JJedjtkünftler geht aljo oon einer petitio principii

aus unb Jetjt ooraus, roas er bemeifen mill. 3 ur Borausjetjung nimmt


er, jag' ich, bas gerabe ©egenteil ber gegnerifd)en Behauptung, unter*
fdjiebt bie Annahme eines Mittelpunktes unb ©nbpunktes benen,
roeldje behaupten, bah Melt unenblich ijt, unb bie jomit notmen*
bigermeije bie ©jiften3 eines ©nbpunktes unb Mittelpunktes unb folg*
tid) auch bie Bemegung 3U einem hohen ober t)ö<h(ten ober tiefen ober
74
tiefften Ort in Slbrebe ftellen. freilich jähen fcfjon bie eilten unb
auch mir jei)en es täglich < &<*h einige Binge 3ur ©rbe herabkommen,
bahin, mo mir uns befinben, unb anbre oon ber ©rbe ober oon ber
Stelle, roo mir uns befinben, jid) entfernen. Menn mir nun oon ber Be»

62

Digitized by Google
roegung fold)er Dinge jagen, baf} jte nad) unten ober nad) oben jtreben, jo
jagen rohr bies eben nur mit Bejietjung auf unjern beftimmten Stanb»

punkt, in bem Sinne ,


ba|j, roenn irgenb ein ©egenjtanb jid) oon uns
entfernt unb fi<h bem ÜJtonbe nähert, mir 3roar jagen müffen, er fteige
nad) oben, bie etroaigen Derooijner bes Dtonbes aber, unjre „©egen-
fjäuptler", jagen mürben, er falle 3U ihnen hinunter, 9Ille Demegungen
aljo, bie im DSeltall jtattfinben, haben an unb für jid) unb mit De»
3«I)ung auf bas IBeltall jelber meber ein Oben nod) ein Unten, meber
ein hierhin nod) ein Dorthin, jonbern bieje Daumbeftimmungen ihrer
Demegung gelten nur in Dejiefjung auf bejtimmte enbliche ©eltkörper,
bie hn ©eltenraume jinb ;
— ober roenn man itjn auf bie bejonberen
fjorfyonte all ber un3äl)ligen ©eltkörper unb ffiejtime begießt, jo kann
gar ber jelbe ©egenjtanb für oerjd)iebene Dejiehungspunkte jid) gleich»

jeitig nad) oben unb nad) unten bemegen, gleichzeitig (teigen unb fallen.
(Enbiidje Körper haben aljo keine unenblidje Demegung, jonbern ftets

nur eine räumlich begre^te unb jelbjtbejtimmte innerhalb ihrer be»

jonberen Dahnen. Das Unbegrengte ober ber unenblidje Stoff aber hat
als jolcher meber eine enbliche noch «ine unenblidje Demegung, in ihm
ijt meber ein Unterfcf)ieb bes Ortes noch ber 3*ii>
Das Argument jobann, meines Driftoteles oon bem Schmeren unb
Cristen hetnimmt, müjjen mir als eine ber jd)önjten <Jrüc^te bejeich«
nen, bie ber Daum ftumpf finniger Unmijjenheit jemals getragen hat.
Denn Scf)toere, roie mir gehörigen Ortes bemeijen merben, ijt nichts

meniger, als eine unoeränberlkhe unb ihrer ©irkung nach konftante


75
©genfchaft, unb baljer gibt es keine Unter fd)iebe, roelche bie Datur
ber Örter unb ben ffirab ber Demegung oon Äörpern abjolut bejtimm*
ten. Dielmehr merben mir bemeijen, bah «in nnb ber jelbe ®egen«
ftanb jchmer ober leicht genannt merben kann, je nad)bem jein Slntrieb

unb jeine Demegung oon oerfdjiebenen ©ittelpunkten aus betrachtet

mirb, genau jo, mie ja mit Deäiehung auf oerfdjiebene Stanbpunkte


auch berjelbe ©egenjtanb hoch ober tief genannt mirb ober (ich nach

63

Digitized by Google
;

oben ober unten 3U bewegen fcßeint. Unb bies gilt für alle einzelnen

Äörper unb ©eiten; keine berjelben ift für ficß felbft fcßwer ober leicßt;

nur ifyre Teile ßeißen leidjt, toenn fie ficß uon ißnen entfernen ober ftd)
78
ausbeßnen, unb fcßwer, toenn fie ju ißnen 3urückkeßren u>ie man
benn oon ben Teilen bes (Erbkörpers unb oon irbifcßen Stoffen, toenn

folcße fid) bem umfaffenben Tltfjer näßern, Jagt, baß fie emporfteigen,
unb toenn fie toieber 3um (Erbkörper 3urüdtkeßren, baß fie fallen.

©as aber bas TBcItaH unb ben unenblicßen Stoff betrifft, too ßätte

fuß jemals einer gefunben, ßier oon Scßwere ober Geiste 3U fprecßen?
Ober toer fjätte jemals foldje ffirunbfätje aufgeftellt unb bermaßen
pßantafiert, baß man aus feinen Behauptungen bie Schlußfolgerung

ableiten könnte, bas Unenblicße fei leicht ober fcßwer? fteige aufwärts,
falle ober müfje rußen?
©ir toerben beweifen, baß keiner ber u^äßligen ©eltkörper, bie
es gibt, für fid) felbft fcßwer ober leicht ift. Diefe (Eigenfcßaft eignet
nur ben Teilen, fofern folcße 3U ißrem ®an3en unb 3um Orte ißrer (Er*

ßaltung ftreben, fie ßat alfo keinen Sinn für bas ffieltall, fonbem nur
für bie ein3elnen unb oollftänbigen ©eiten ;
toie benn 3. B. auf ber
(Erbe bie erwärmten Teile ,
welche fid) oon berfelben freimadßen unb
3ur Sonne empor3ufteigen ftreben ,
immer einige erbige unb wäffrige
Stoffe mit fid) füßren, bie bann, je meßr fie fid) nach oben ßin entfernt
ßaben, mit um fo größerem natürlichen Antrieb wieber 3U ißren Orten
3urückftreben. ferner ift es eine 3wingenbe Folgerung, baß biegroßen
©eltkörper an fid) unmöglich weber fcßwer nocß leicßt fein können, ba
bas ©eltall unenblicß ift, unb fie 3U bemfelben keine Be3ießung ber
(Entfernung ober Oläße ßaben unb weber feinem Umfange nocß feinem
©ittelpunkte naße fteßen können. Bn ißrem Orte ift baßer bie (Erbe
nicßt fcßwerer, als bie Sonne an ißrem ober ber Saturn an feinem unb
ber ‘Polarftern an bem feinigen. ©ie es ficß aber mit ben Teilen ber
(Erbe oerßält, bie oermöge ißrer Scßwere 3ur (Erbe 3urückkeßren, —
benn Scßwerkraft ift eben bas Beftreben ber Teile 3U ißrem ®an3en,

64

Digitized by Googl
bes in ber ftrembe Befinblid)en 311 {einem heimatlichen Orte
77
— , fo

oerhält es ficf) aud) mit ben leilen aller anbren ©eltkörper; wie es
benn jidjerlid) un3äf)lige anbre (Erben ober Äörper oon ähnlicher Be*
{d)affent)eit unb un3äl)lige anbre Sonnen ober 3 entralfeuer ober ©eit*
körper non ähnlicher Befchaffenljeit gibt. Qllle (treten unb bewegen fid)

oon ben Orten ihrer Umkreife 3U ihren Äraftmittelpunkten hin, wo*


raus fid) benn ergeben würbe, bah bie fdjweren Äörper ber 3aht nach
unbegren3t |inb, keineswegs aber, ba(j es eine unenblidje Schwere in

einem ©egenftanbe unb in inten|ioer Be3ieljung gäbe, nielmehr i(t fie

nur in ejtenjioer hinfid)t in un3äl)ligen ©egen[tänben oorljanben.


78
Unb bies ift es, was aus ben Sätjen aller 2llten unb aus un(ern
eignen 3U folgern ift, unb hiergegen bürfte jener Streithahn keinen

triftigen (Einwanb oor3ubringen haben. Bas alfo, was er ba oon ber


Unmöglichkeit bes unenblid) Schweren fafelt, ift fo trinket, bah man
fid) faft fchämen möchte, es überhaupt erwähnt 3U haben; [in keiner

©eife ift es überhaupt geeignet, feine eigne Baturphilofophie 3U be*


(tätigen unb eine anbre 3U wiberlegen, fonbern bies alles finb grunb*

lofe Behauptungen unb in ben ©inb gefprodjene ©orte.


(Elpino : *Die Dichtigkeit ber befprodjenen ©rünbe liegt bermafjen
3utage , bah keine Bebefloskel fie entfd)ulbigen kann. Bernehmt nun
bie ©rünbe, bie er norbringt, um allgemein 3U fchliefjen, bah es keinen
7
unbegren3ten Körper gebe, (Er fagt: * „'Da es bei Betrachtung ber
ein3elnen Binge offenbar ift, bah es keinen unbegren3ten ftörper gibt,
fo erübrigt uns noch in» allgemeinen 3U prüfen, ob bies möglich ift.

Denn oielleicht könnte einer fagen', bah I“ >


®ie bie uns umgebenbe
©eit befteht , nichts im ©ege ftehe , bah es ebenfo noch anbre gebe,
mehrere als bie eine, wenn auch nicht unbegren3t oiele. 2lber beoor
mir hierauf kommen, Iaht uns im allgemeinen über bas Unbegren3te
fprechen. Botwenbig benn alfo muh jeber Körper entweber unbegren3t
ober begren3t fein, unb falls er unbegren3t ift, fo muh ber ganse ent*

meber ungleichartig ober gleichartig fein, unb ift er ungleichartig, fo

•Horbono Bruno Bb. 111


55

Digitized by Google
"

mufe er enttoeber aus einer begreifen ©3al)l oerfd)iebener ©ten be*


fteljen ober aus unbegrenjt oielen.
Bun i|t es nid)t möglich, bajj er aus unbegrenät oielen Wirten be*
ftel)e, roofem man unfre Borausfetjung gelten lägt ,
ba& es mehr
biefer ähnlichen ©eiten gebe; — benn, jagten toir, toie biefe gimmels*
bugel um uns oorljanben ift, jo könnte es nod) anbre gimmelskugeln
geben. —
©enn nämlid) bie erften Betoeger, bie ben ÜJiittelpunbt
umjcfjliefeen, begrenjt [inb, jo müfjen aud) bie 3toeiten Beweger hegtest
jein, unb ferner, toie mir fünf ©ten oon Stoffen unterfd)eiben, oon
benen jcoei einfach jd)toer ober leitet unb 3weirelatio jd)toer ober leicht,

einer aber toeber fdjtoer noch leidjt, jonbern frei beweglich um bas
3entrum ift,
80
— jo mürbe es aud) in ben anbern ©eiten jein müjjen.

©jo ift es nidjt möglid), baf) eine anbre ©eit aus unbegren3t oielen
©ten beftelje. ©er es ift aud) nid)t möglich bafj jie aus einer be* ,

gren3ten oon Brten beftege. Denn aisbann müfjte ja notroenbig


aud) jeber ein3elne leil unbegren3t jein ,
toas unmöglich ift aus oier
ffirünben, oon benen ber erfte ift, baf) jeber biefer unbegren3ten Heile,
toie 3. B. bas ©afjer ober Jeuer, jdjtoer ober leid)t fein toürbe. Unb
baf) bies unmöglich ift, gat man ja betoiefen, als man 3eigte, baf) es
toeber eine unenblidje Sd)toere nod) ein unenblid) 2 eid)tes geben bann.

fjfiloteo: ©arauf glaub* id) ausreid)enb geantwortet 3U Ijaben.


(Elpino: Schweif) es; — er kommt bann auf feinen 3toeiten ©runb

unb jagt, wenn jebe biefer ©ten unbegren3t toäre, bann müjjte aud)
ber Baum, ben jebe einnimmt, unbegren3t fein, „daraus toürbe fol*
gen, baf) bie Bewegung einer {eben Stoffart unenblid) toäre, toas un*
möglid) ift. ©enn ein Äörper, ber Ijerabjinht, bann nid)t in eine unenb*
lid)e liefe fallen, ©as ift erfidjtlid) aus bem, was fid) bei allen Be*
toegungsarten unb Beränberungen beftätigt; toie man bei ber 3cugung
nidjt ettoas 3U er3eugen oerjud)t, toas fid) nid)t er3eugen lägt, fo toirb
aud) bei keiner räumlichen Betoegung ein 3^1 erftrebt, bas fid) nicht
erreichen lägt, unb ettoas, toas unmöglich nach ©Wien gelangen bann,
66

Digitized by Google
kann fid) aud) rtid)t nad) ftggpten l)in bewegen ; benn bie Statur übt
1
kein« ^Tätigkeit umfonft.® Unmöglich ift es alfo, bajj ein ©egenftanb
p<f) bafjtn bewegt, roofjtn er nie gelangen bann."

<f iloteo : ©ud) hierauf ift fdjon genügenb geantwortet. ©ir bef)aup*
ten, bafj es unenblid) oiele (Erben, unääfylige Sonnen unb einen unenb*
Iid)en Sti)er gibt, ober, um mit Demokrit unb (Epibur 3U reben, es gibt
ein unbegrenjtes ©olles unb ßeeres, eines in bem anbern; unb es gibt
oerfd)iebene begrenjte ©rten, bie eine umfaßt oon ber anbern unb
ringeorbnet in bie anbre, unb alle biefe oerfd)iebenen ©rten Bereinigen
pd), um ein unbegren3tes ©eltall 3U bilben. So finb aud) bie Heile

bes Unenblicf)en unenblid), infofem als aus biefen 3at)llofen unter fiel)

äl)nlid)en (Erben in ber Hat eine unenblid)e(Erbe erwäd)ft, nid)t 3war als
eine jufammen^ängenbe ©taffe, fonbern nur als logifdjer Inbegriff ber

ungt3äl)lten ein3elnen (Erben. (Ent fpredjenb t)at man fid) aud) bie anbern
Srten ber ©eltkörper 3U benken feien es nun oier ober 3wei ober

brti ober fooiel man will, — für


,

jetjt will id) fie nid)t beftimmen, —


roeld)e, ba fie Heile bes Unenblidjen finb in bem Sinne, in welkem
man bei biefem überhaupt oon Heilen {preßen kann, ber ©taffe
nad), bie fid) aus il)rer ©tenge ergeben würbe, unenblid) fein müffen.

3lun ift es nidjt nötig, bas Schwere in eine unenblid)e Hiefe finken 3U

laffen. ©ielmefjr, wie biefes Schwere 3U feinem nädjften unb waf)loer*


»anbten Äörper ftrebt, fo aud) jenes 3U bem {einigen unb ein brittes

}u feinem brüten. fjat biefe (Erbe Heile, bie 3U il)r gehören, fo l)at aud)
jene (Erbe Heile, bie 3U U)r gehören. So l)at jene Sonne if)re Heile, bie

oon % ausftrömen unb wieber 3U if)r 3urüd»kel)ren, unb auf ätjnlid)e

HBeife fammeln aud) bie anbern ©eltkörper if)re Heile wieber ein.
2Bie baljer bie Äraftfpljären unb gegenfeitigen (Entfernungen ber ©eit*

körpet enblid) finb, fo finb aud) if)re ©ewegungen enblid); unb wie nie*

manb oon ©riecfyenlanb abreift, um ins Unenblidje, fonbern um etwa


nad) Otalien ober 'Sggpten 3U gelangen , fo nimmt ein Heil ,
ber fid)

ftroa oon ber (Erbe ober Sonne l)inwegbewegt, niemals ein unenblid)es,

67

Digitized by Google
fonbern ftets nur ein enblicß entferntes 3W- 88 Ommerßin, b a bas 2Belt»
all unenbltcß ift unb alle {eine Äörper oeränberlicß finb, {o ftrömen

bem3ufoIge alle Äörper äräfte oon ficß aus unb atmen ftets toieber

anbre bafür ein, fcßicken non ißren eignen Stoffen fort unb nehmen
frembe bafür in |tcß auf. 3 cß eracßte es nicßt für ab|urb unb unbenk*
bar, oielmeßr für fet>r benkbar unb natürlich, baß jeber ©egenftanb
beftimmten ©erwanblungen unterworfen ift, unb baß aud) Stoffteile

ber (Erben bie ätßerifcßeHtegion burdjftreifen unb im unenbltcßen 5taume


halb auf biefen, halb auf einen anbern Äörper treffen ;
ebenfo gut
wie wir biefelben Stoffteile, folange fie nocf) ßinieben in unfrer 5t äße

weilen, ißre Örter, ißre Hlnorbnung unb ißre formen wecßfeln feßen.

2Benn baßer au<ß biefe (Erbe ewig unb an fi<ß unoerönberlid) fein foUte,

fo wirb fie bas bocß keineswegs oermöge Äonfiften3 ißrer eignen


Stoffteile unb Unteilbarkeiten (Hltome) fein können, fonbern lebigli(ß
burcß jben Hlustaufcß foI(ßer, bie fie ausfdjeibet, unb anbrer, bie an
beren Stelle treten, in ber HBeife, baß bei berfelben Seele unb Organi»
fation bo<ß beren Stoff ficß allmäßli<ß änbert unb erneut, wie ficß bies

ja aucß bei allen anbern Körpern beftätigt, bie fi(ß auf keine anbre
2Beife erßalten als burcß SRaßrungsmittel, bie fie aufneßmen, unb HIus»
Reibungen, bie fie Don ficß entfernen. So wirb jeber, ber einigermaßen
nacßbenkt, wiffen ,
baß man als Jüngling nicßt meßr basfelbe «Jleifcß

befißt, welcßes man als fiinb befaß, unb im Hilter nicßt meßr basfelbe,
welcßes man als Jüngling ßatte. Denn wir fteßen in einem ftetigen
Strome ber Steränberung ber es mit , ficß bringt, baß beftänbig neue
Hltome in uns einftrömen unb bie 3U anbern 3 e '* en »on uns einge*
nommenen wieber uon uns fcßeiben. So fammelt ficß um ben Samen

Hltom auf HItom, ange3ogen burcß bie Äraft bes allgemeinen ©eiftes
unb ber Seele, wie in einer HBerkftatt, in ber fie uerarbeitet werben, —
unb fo bilbet ficß unb wäcßft ber ßeib, folange ber 3 u fl“& ber Hltome

größer ift, als ißr HIbfluß, unb banacß beßarrt ber Äörper eine HBeile

in berfelben ffieftalt, folange 3 u fl u b unb Hlbfluß im ©leicßgewicßt

68

Digitized by Google
bleiben ,
unb fdjliepd) gerät er in Verfall, roenn ber Bbftuh größer
roirb, als ber 3uflufj; — »<h meine f)ier felbftoerftänblid) nid)t 3ufluh
unb SIbfluh in abfoluter ©röfje, |onbem Slbflufj im richtigen ©erhält*

nis 3um Bebarf unb md)t 3 uflufj frember unb unpaffenber Stoffe, bie
bas gefd)toäd)te 'Pri^ip nid)t mehr oerbauen ober burch Busfluh be=
©ältigen bann, meiner leitete übrigens fomot)l in bem fiebenbigen roie
in bem Bicfjtlebenbigen beftänbig i[t. Um aljo auf unfern 'Punkt 3U
kommen, fo meine id): biefes Stoffroechfels toegen fei bie Behauptung
nicht unbenhbar, oielmehr fef>r oernünftig, bah ben letjten Seilen unb
Atomen ein unenblid)er Jortfdjritt unb unenblid)e Beroegung 3ukomme,
unaufhörlicher ©echfel unb enblofe Bnberung fotoohl ihrer Orormen
88
als ihrer Örter. Unbenkbar mürbe unenblidje Beroegung eines Dinges
nur fein mit §infi<ht auf fein nächftes 3 *el räumlicher Beroegung ober
©eftaltsoeränberung. Denn hier roäre fie unmöglich ,
ba jebes Ding
nicht fobalb fid) oon einem 'Punkte fortberoegt, als es fid) auch fdjon
in einem anbcrn befinbet unb nicht fobalb einer <Eigenfd)aft entkleibet
roirb unb eine Seinsart aufgibt, als es fid) auch fdjon mit einer
anbem ©igenfdjaft bekleibet unb eine anbre Seinsart annimmt, roas
fid) notroenbig als ©runbnatur ber räumlichen Beroegung in ber eigen»

fhaftlichen Beränberung ergibt. Das geraffene unb geftaltete Sub»


jekt alfo kann fi<h nur enbtich beroegen ;
benn es nimmt leicht eine

anbre ©eftalt an, roenn es ben Ort roedjfelt. Bber bas fdjaffenbe unb
geftaltenbe 'Prin3ip beroegt fid) unenblich forooljt im räumlichen Sinne
wie nach 3a ^ ber ffieftaltungen, inbeffen bie (Elementarteilchen ber
ÜRaterie einftrömen unb f ortftrömen oon biefem 3U jenem in eine immer
anbre ßage, einen anbem Seil ober ein anbres ©efamtfgftem.

(Elpino: D<h oerftehe Dich oöllig.


3ener führt nun als britten ffirunb an, bah, roenn man ein biskretes
ober getrenntes Unenblid)es fehe.es un3ählige Dnbioibuen unb unenblich

oiele befonbere 3«ntralfeuer geben müffe, unb bah, roenn auch jebes
ein3elne berfelben nur enblich fei, nichts befto weniger bo<h bas ©e»

69

Digitized by Google
famtf euer ,
bas fid) aus allen tiefen einjelnen ergebe, unenblid) jein
84
müfete .

3riloteo: *Dies l)abe id) fdjon 3 ugegeben, unb bies einjuräumen


brauste er fid} gar nid)t jo 3 U fträuben, ba es ja nichts Ungereimtes
ift. ©enn roenn ein Körper verteilt unb in räumlich getrennte Heile 3 er»
legt roirb, oon benen ber eine 100 *Pfb., ber anbere 1000, ber britte
10 *Pfb. roiegt, jo ergibt fid) ein ffiefamtgetoidjt non 1110 'Pfb. T»ies

gilt aber für bie mehreren getrennten ffieroid)te unb nid)t als ein 3 U«

fammentjängenbes ©eroidjt. 9lun galten mir unb bie 2llten es nid)t

für unftattljaft, bab in getrennten Heilen ein unenblidjes ©eroidjt ge»


geben fei; benn ein foldjes mürbe ja nur logifd) ober rein aritl)metijd)
ober geometrifd) angenommen ,
es madjt in 2Birklid)keit unb 9tatur

aber Seine unenblid)e OTaffe, jonbern unselige enblid)e ÜJtaffen unb


©eroidjte aus. Dies 'Behaupten, fein BorfteUen unb Sein ift nid)t bas«
felbe, fonbern fel)r oerfd)ieben. *Denn hieraus folgt nic^t, bab es einen
unenblid)en Körper oon einer ©attung gebe, fonbern eine Körper«
gattung in un 3 äl)ligen enblid) beftimmten IRepräJentanten, unb barum
gibt es aud) kein unenblidjes ffierokht, fonbern nur 3 at)lloje enblidje. ©s
ift eben biefe Unenblicf)keit keine kontinuierliche, fonbern einebiskrete,
innerhalb eines unenblidjen Kontinuums, roelches ber IRaum, ber Ort
unb bie für fie alle aufnahmefähige 2lusbel)nung ift. So alfo ift es
nicht un 3 uläffig , bah es un 3 ählige biskrete Schtoeretoirkungen gebe,
bie aber nicht ein Schweres ausmachen, gleich wie un 3 äf)lige befonbere
©eroäfjer ,
roeldje nicht ein unenbliches SBaffer, ober mehlige ©rb»
teile, bie nicht einen unbegren3 ten unb 3 ufammenhängenben Kontinent
ausmachen, in ber Hirt, bafj es unbegren 3 te Körper ber Wenge nad)
gibt, bie aber nid)t phqfifd) einen unenblich groben Körper ausmachen.
Unb bas ift ein fef)r grober Unterfdjieb ,
roie man es 3 S. . an bem
<Jort 3 iel)en eines Schiffes beobachten kann ,
roelches oon 3 ehn oereinigten

Kräften ge 3 ogen roirb, aber nimmer oon 1000 mal 1000 getrennt,
b. h- oon jebem ein 3 elnen berfelben oon ber Stelle gebraut roerben könnte.

70

Digitized by Googl
(Elpino: TOit biejett unb anbern (Erklärungen l)abt3^r aud) bereits
taujenbmal auf bas geantwortet, was er als oierten ©egengrunb f)in*

fteUt, wenn er fagt, bafj es nottoenbig fei, wenn man firf) einen unenb«
lidjen Äörper benke, benfelben nad) allen Dimenfionen f)in als unenb*

lid) oo^ujtellen, fo bafj nach keiner Wichtung t)in ein Ding außerhalb
besfelben fein könne. Blfo fei es unmöglich, bafj in einem unenblidjen
Äörper mehrere ungleichartige Teile feien, beten jeber felbft unenblidj
4
wäre.*
Jiloteo: Das ift oöllig richtig, aber wiberlegt uns burd)aus nicht,

ba wir es fo oft fd)on wieberljolt haben, wie es mehrere ungleichartige


Körper in einem Unenblidjen geben könne, unb aud) erwogen haben,
wie bies möglid) ift. 3n analoger SBeife könnte beifpielstoeife bei einem

fd)lammigen Sumpfe ber eine tagen, bajj l)ier mehrere oerfdjiebene


Stoffe ein kontinuierliches 3ufammen bilben, ba überall unb in jebem
Teile Blaffer mit Blaffer unb (Erbe mit (Erbe oerbunben ift unb man
wegen ber Unmerklid)keit bes 3ufammenhanges ber kleinften erbigen

unb wäffrigen Teilchen toeber met)r non “Diskretem nod)oon3ufammen*


bängenbem, fonbem nur oon einem Äontinuum fprid)t, bas toeber
(Erbe noch ©affer, fonbem Schlamm genannt toirb ,
unb ein anbrer

hi« bennoch behaupten, bafj ja eigentlich h* eT nicht bas Blaffer


1

könnte
mit bem Blaffer unb bie (Erbe mit ber (Erbe, fonbem bas Blaffer mit
ber (Erbe unb bie (Erbe mit bem Blaffer 3 ufammenhänge ,
unb wieber
ein britter bürfte fowol)l bie Behauptung bes einen toie bie bes anbern
beftreiten unb meinen ,
ber Schlamm hänge hier mit bem Schlamme
3 ufammen. Buch bas Bll kann in biefem Sinne als Unenblidjes unb
als ein Äontinuum aufgefafjt werben ,
in welchem ber 3mifd)enäther
keine größeren Unterfchiebe wirkt, als im Schlamme bie 3 wifd)en ben
Teilchen bes Blaffers unb bes Jeften befinblid)e Cuft. (Ein Unterfd)ieb

liegt hier nur in ber Kleinheit ber Teile unbUnmerklid)keit ber 3ooifchen-

räume beim Schlamme im Verhältnis 3 ur ©röfje unb Sichtbarkeit ber


84
Teile unb 3®>fäjenräume im Bleltall; allein auch in letjterem er*

71

Digitized by Google
gän3en fid) bie gegenteiligen unb für fid) beweglichen Äörper 3ur 3“*
fammenfeßung eines ein3igen unb als folgen unbeweglichen Äonti«
nuums, ihre ©egenf äße einigen fid) in ber3ujammen jetjung bes©an3en
unb gehören 3U einem Sgftem unb finb fd)ließlid) injofern eins. Ungu«
läfjig unb unmöglich freilich roürbe es {ein , 3toei ooneinanber unter«

fdjiebliche Unenblidje 3U feßen ;


benn man barf fid) nid)t Dorftellen,

baß, roo bas eine beginnt, bas anbere anfange, jo baß beibe 3ujammen
an ©ren3en 3ufammenftießen. ferner ijt es fcßroer, einen Äörper als
enblid) nad) einer unb unenblid) nad) einer anberen 9tid)tung oor3u«
87
{teilen.

(Elpino: (Er {teilt 3toei ©eroeife baför auf, baß bas Unenblicße nicht
aus ähnlichen Heilen befteße. ©er erfte i{t, baß einem folgen eine ber

ermähnten ©eroegungsarten 3ukommen müßte. „2Benn aber biefes


ber 3?all ift, fo wirb fid) ergeben, baß es entroeber eine unbegren3te
Schwere ober eine unbegren3te ßeichtigheit gibt, ober aber eine un«

enblicße Äreisberoegung, unb baß biejes unmöglich ift, ift fd)on gegeigt

roorben."
fjriloteo: Unb aud) mir l)aben ge3eigt, roie nichtig biefe (Einroen»
bungen unb ©egenberoeife finb, unb baß bas ©ll als ©an3es fid) nidjt

beroegt unb roeber fdjroer nod) leicht ift, toeber fo, roie jeber anbre
Äörper an feinem natürlichen Orte, nod) fo, roie bie abgetrennten Heile,
roenn fie über beftimmte ffirabe hinaus oon ihren Örtern entfernt finb.

©er unenblidje ©eltftoff alfo ift roeber in ber ©löglicßkeit noch in ber

QBfrhlichfteit beroegtich unb roeber ber ÜJlöglid)keit noch ber Wirklich«

keit nach leicht; unb es fehlt gar oiel baran, baß ihm nach unfern
©runbfäßen ober benen ber anbern, gegen bie jener fo mächtige

Schaden errichtet, unenblicße Schwere ober ßeichtigkeit 3ukäme.


(Elpino: Sein 3roeiter ©egenberoeis ift beshalb gleichermaßen al«

bern; benn er legt bem, ber behaupte, baß bas ©II fi<h forooßl potentia

als aud) actu (bem ©ermögen unb ber 2Birklid)keit nach) beroege, bie

«jrtage cor, ob bas Unenbliche naturgemäß ober burch äußere ©eroalt

72

Digitized by Google
betoegt werbe. (Er beweift Johann bie Unmöglichkeit eines unenblichen

Körpers mit ©rünben, bie er oom ©Igemehtbegriffe ber Bewegung


hernimmt, nachbem er oon ber Bewegung im gemeinen Sinne aus«
88
gegangen mar. (Et behauptet alfo, bah bas Unenblidje auf bas (Enb=
liehe roeber eine ©inwirkung ausüben unb noch weniger oon ihm eine
©inwirkung erleiben kann, unb bringt bafür brei ©rünbe oor. „(Erftens
kann Unenbliches oon (EnbUchem keine (Einwirkung erleiben. Denn

jebe Bewegung unb folglich auch jebe ©inwirkung oollaiefjt [ich in ber
3eit, unb wenn bem Jo ift, Jo wirb ein Körper oon geringerer ©rö&e
auch nur eine 3U biejer oerhältnismäfje ©irkung erleiben können;
wenn aljo ein Berhältnis 3wifdjen bem enblichen Ceibenben unb bem
enblichen ©inwirkenben befteht, |o muh auch ein gleiches gelten oon
bem leibenben ©nblichen 3um einwirkenben Unenblichen. Dies 3U
prüfen, fetje man A als ein Unbegren3tes, B als ein Begren3tes, unb
ba jebe Bewegung in ber 3«ü ftattfinbet, G als bie 3 e *t, in welcher
A eine Bewegung bewirkt ober erleibet. Nehmen wir jobann einen
Äörper oon geringerer ©rö&e an, ben wir D nennen, unb biefe Cinie
wirke auf einen anbern Äörper, ben wir 3ur Beroollftänbigung ber
“Proportion als H einffihren, in berjelben 3 *it G. Dann wirb es klar
einleuchten, bah bi* kleinere ©inwirkung bes D 3U berjenigen bes
gTofeeren B [ich oerhalten muh, »i* bas ßeiben bes Begren3ten H 3U
einem begreifen leite Don A, ber als AZ 8 ® bejeid)net werbe, ©enn
wir nun bas Berhältnis bes erften ©inwirkenben 3um britten ßeiben*
ben umtaufd)en mit bem Berhältnis bes 3weiten ©inwirkenben 3um
oierten ßeibenben, Jo erhalten wir bie “Proportion D H: == B : AZ.
B würbe aljo in berjelben 3*Ü G ferne ©inwirkung oollenben auf
BegTen3tes unb Unbegren3tes, nämlich auf AZ, einen ©eil bes Un«
begren3ten unb auf A, bas Unbegren3te Jelbft. Dies ift unmöglich-
Sllfo kann ein Unbegren3tes weber eine ©irkung ausüben noch «»
leiben; benn 3wei gleiche ßeibenbe erleiben glei<hoiel in berjelben 3eit
oon bemfelben ©irkenben, unb ein kleineres ßeibenbes erleibet bie*

73

Digitized by Google
fetbe (Einwirkung non bemf eiben ©irkenben in kürgcrer 3«tt, unb ein

größeres ßeibenbes in längerer 3cii-


ferner, wenn 3wei oerfd)iebene (Einwirkenbe in gleicher 3eit wirken
unb ihre ©irkung beenben ,
|o muß 3wifd)en bem einen unb bem an«
bern ©irkenben basfelbe Behältnis [tattfinben, wie 3wifd)en bem
einen unb bem anbern Ceibenben. Sobann wirkt jebes ©irkenbe auf
bas ßeibenbe in begren3ter 3®>t, — ich meine aber bas ©irkenbe,
bas 3um 3 We feines ©irkens gelangt, nidjt jenes, bejfen Bewegung
unaufhörlich ift, wie es blofj bei ber Bewegung bes Übergangs ftatt»

finbet — ;
benn es ift unmöglich, bafc eine enbiidje lätigkeit unenb«
liehe 3«it erforbere. 511 jo ift es 3unäd)ft klar, bafj Unbegren3tes burd)
ein Begren3tes in irgenb einer 3 *it in Bewegung gefegt werbe.

O 3 «it.

A letbenbes Unenbliches. B roirkenbes unb größeres <EnbUd)es.

AZ 3!eil bes Unenblichen.

H letbenbes (Enbltches. D roirkenbes unb kleineres CEnblidjes.

3weitens wirb ebenfo bewiefen , bafj (Enbliches keine (Einwirkung


Don Unenblidhem erleiben kann. Sei bas wirkenbe Unenblidje A unb
bas leibenbe (Enblid)e B unb fetjen wir, bafj bas Unenbli^e A auf bas
(Enblid)e B in enblid)er 3 Qeit einwirke. Sobann wirke ber begren3te
äörper D auf einen leil oon B, b. h- auf BZ innerhalb berfelben

3 eit O. Ohne 3ro eifel mufj nun ein Behältnis 3wifd)en bem ßeiben«
ben BZ 3um gan3en ßeibenben B beftehen; fomit wirb auch ein Ber«
hältnis 3wif<hen bem ©irkenben D 3U einem anbern begren3ten ©ir«
kenben H bemfelben entfpredjen. Unb wenn wir nun wieber bas Ber*
hältnis bes D 3U BZ oertaufd)en mit bem Behältnis bes H 3um
gan3en B, fo wirb fid) ergeben, bafj B oon H in berfelben 3 «t bewegt

wirb ,
in welcher B oon bem unbegrensten Bgens A bewirkt wirb,
was unmöglich ift. Die Unmöglichkeit folgt aus bem fdjon früher ©e«

74

Digitized by Google
jagten, b, t). toenn Unenblidjes in begren3ter 3 «it coirkt, jo bann bieje

©irbung nid)t in 3eitlic^em Verlauf jtattfinben; benn Unenblid)es


jtel)t 3U (Enblidjem in gar beinern Behältnis. ©enn toir aljo sroei

oerjdjiebene ©irbenbe anne^men, bie auf basfelbe ßeibenbe biefelbe

©irbung ausüben, jo mujj notroenbig ifjrc (Einroirbung in oerfdjie*

benen 3«*käumen jtattfinben, unb ber 3eifraum, befjen bas eine jur
©irbung bebarf, toirb jid) 3U bem 3eitraum bes anbern oertjalten,

wie biejes ©irbenbe 3U jenem. Setjen mir aber: 3x0er ©irbenbe, oon
benen bas eine unenblid), bas anbre enblid) ijt, üben biejelbe (Ein*

»irbung auf ein unb basjelbe ßeibenbe aus, jo »erben roir eines oon
beiben behaupten müjjcn, entxoeber, bafj bie (Einroirbung bes Unenb*
lid)en jid) in einem Bugenblidt, ober bafj bie bes (Enblidjen jid) in un*

enblid>er 3*it ooll3iet)e.

Q 3 «t-

A bas nurbtnbc Unenblid)«.

H ein enblid) ©irhenbes. B enblid) ßeibenbes.

D ein tnblidjts fflirhenbes. BZ Teil bes enblid>en Eeibenben.

Drittens ijt offenbar, bafj aud) ein Unbegren3tes nid)t burd) ein
Unbegren3tes eine (Einroirbung erfahren hann. Denn, roie jd)on in

bem ©erbe über bie 'ptjgjib gejagt toorben ijt, ijt es unmöglid), bafj
bas Betoirhen unb bas (Erleiben beine ®ren3e t)abe.
M Da aljo be*

roiejen toorben ift, bafj bie (Eimoirbung eines Unenblidjen auf Unenb*
lid)es niemals 3U (Enbe bommen bann, ijt 3U folgern, bafj 3»ifd)en
beiben beine ©irbung jtattfinben bann. (Es jeien A unb B unbegren3t,
O aber bie 3«t. in toeld)er B burd) A eine (Einroirbung erfährt; ber

leil BD bes Unenblid)en l)at bann bie (Einroirbung jebenf alls in bür*

3erer 3 c ü» ols ' n G erfahren, unb biejer bür3ere 3 «itteil mag mit Z
be$tid)net »erben. Dann toirb jid) Z 3U G oertjalten, roie BD, ber

Jeil bes leibenben Unenblidjen ,


3U bem größeren leile bes Unenb*

75

Digitized by Google
liefen B, roeldjen leil roir burd) BDH bejeic^nen roollen, roeldjer non
A eine ©inroirhung in ber unenblidjen 3 eitG erleibet; nun aber roürbe
in biefem ßeitraum auef) ber gan3e unenblidje B bie (Einroirbung er«
litten haben müflen, roas unrichtig roäre; benn es ift unmöglich, ba|j
oon geoei Ceibenben bas eine unbegren3t unb bas anbre begren3t
fei, unb bafj bennod) beibe oon bemfelben TOirbenben in berjeiben 3«t
biefelbe (Einroirbung erleiben, mag Ietjterer nun begrenjt, ober roie

toir 3ulet)t annahmen, unbegren3t fein."

QEnblid)« 3*it-

BDH
O Z

A unenblicbes TOirhenbes.

Unenblicbes ßeibenbes.

3riIoteo: Blies, roas Briftoteles oorbringt, mag rid)tig fein, toenn


es richtig angebracht roirb unb auf bie Borausfetjungen pafft. Bber
roie mir fd)on betont haben, es gibt gar Seinen ipbilofophen, ber je»

mals oom Unenbli<hen gehanbelt unb mit bemfelben bie Boraus»


fetjungen Bereinigt hätte, aus benen fid) folche Unoereinbarbeiten er*
geben müßten. ©leid) cool)! roollen toir auf bas, roas er fagt, eingehen,

nicht roeü es uns entgegenfteht, fonbern nur, um ben 2Dert feiner Sätje
3U betrachten unb bie Brt feiner Sdjtuhfolgerungen 3U prüfen. 3U ‘

näd)ft nun [teilt er fid) bei feinen Unterteilungen auf eine nicht natür«

liehe ©runblage, roenn er oom Unenblid)en biefen unb jenen leil ab«
91
3ieht. Benn bas Unenblid)e bann Seine leile haben, falls man nicht
etroa gleichseitig heroorbebt, bah jeber foldjer leil felbft roieber un»

enblich fein roürbe; unb es ift ber reinfte Bliberfinn, 3U behaupten,


bah »a* Unenbliehen ein leil gröber unb ein anbrer bleiner fei, unb
ein leil ein gröberes unb ein anbrer ein geringeres Berbältnis habe.

Benn ber Unenblidjbeit bannft Bu Bich burch bas JFjunbertfad)e nicht

76

Digitized by Google
mehr nähern, als bur<b bas Breifadje, ba bie Un 3 af)l aus nid)t toeni*

ger Breiteiligkeiten als fjunbertteüigkeiten beftefjt. “Die unenblidje

Busbebnung !)at nid)t mef)r un 3 äf)lige (Ellen als unsäfjlige Weilen.


TOenn mir alfo oon Seilen ber unenblidjen Busbeljnung reben, fo
bürfen toit bo<b nid)t na<b 100 Weilen ober 1000 Parafangen" <

menen. Benn biefe können ja aud) als leite eines (Enblidjen betrautet

toerben unb finb aud) in Wahrheit nur Seile bes (Enblidjen, 3 U bem
fie ein Wafjoerbältnis haben ,
unb können nid)t als Wafjftäbe beffen
benutzt toerben, too 3 U fie gar kein Behältnis Ijaben. So bilben aud)

1000 3af)re nod) keinen Seit ber (Einigkeit; benn fie f)aben kein Ber*

pältnis 3 um ©an 3 en, fie finb nielmel)r ebenfo nur Seile irgenb eines
bejtimmten 3 eitraumes, rote felbft 10000 3 at)re ober gar 100000
Oa^rpunberte.
(Elp in 0 : So mad)t mir benn oerftänblid), roas Dl)r Seile ber unenb*
lid)en Bauer nennen roürbet.

3riloteo: 3d) mürbe fagen, bie SJerf>ältnisteile ber Bauer haben ihr
Behältnis in ber beftimmten Bauer unb in ber beftimmten 3«it, nicf)t

aber in ber unenblic^en Bauer unb 3«ttr benn in letjterer mufj ber
größte 3®ittcil beim, ber größte Berf)ältnisteil ber Bauer bem klein*

ften gleid)a>ertig erfdjeinen, ba es eben nid)t minber un 3 äl)lige 3 at)r*


bunberte gibt, als un 3 äl)lige Stunben. 3d) fage alfo, bafj in ber un*
enblid)en Bauer, b. b- in ber (Eroigkeit nid)t meljr Stunben als 3al)r*
bunberte enthalten finb. Jegliches, toas man einen Seil ber Unenb*
Hdjkeit nennt, mufj, jofern es (Dirklid) Seil ber Unenbtidjkeit ift, felbft

Unenblid)keit fein. Bas gilt foroobl für bie unenblidje Bauer, toie für
bie unenblid)e Waffe. Bus biefer ßepre könnt Df) r abnet)men ,
toas
biefer Briftoteles mit feinen Unterfd)iebungen für ein üerbäd)tiger ©e*
feil ift, roenn er bem Unenblidjen enblidje Seile 3 ufd)reibt, unb toie

grop bie ßraft ber ©rünbe einiger Sbeologen ift, roelcbe aus ber (Einig-

keit ber 3^it auf bie Ungereimtheit fdjliepen, es gebe ebenfo oiele Un*
enbli<he, beren eines immer gtöfjer als bas anbre fei, als es 3 ab [en ‘

77

Digitized by Google
|pe3ies gibt. 3In btefer ßel>re, meine id), ^abt 3t>r einen ftaben, bet
(Eud) aus un3ät)Iigen ßabgrintfjen tjerausleiten bann!

(Elpino: Onsbefonbere aud) aus jenem, bas et für unjem ©egen«


jtanbmit (einen unjä^Iigen Stritten unb mehligen Weilen einroenbet,

t»eld)e ein kleineres unb ein größeres Unenbltdjes in ber Unermehlid)«

beit bes 3Uls ausmadjen (ollen. 31 un fahret fort!

Filoteo :
3®eitens geljt Briftoteles bei (einen Folgerungen nictjt

Jadjlogifd) betoei(enb oor. Denn baraus, bah einer(eits bas Weltall


unenblid) i(t unb bah anbererfeits in ttpn, — id) (age „in il)m“ unb nid)t

„oon ihm", roeil es ein anbres ift oon leiten im Unenblid)en, ein an«

bres oon leiten bes Unenblid)en 3U reben, — unenblid) Diele leite finb,
toeldje (ämtlid) Wirkungen ausüben ober erleiben unb fotglid) unter»

einanber in Wed)(eltDirbung ftetjen, roill er (chliefjen, bah entroeber bas


Unenblid)e (elbft auf bas (Enblidje roirbe ober non bem ©nblidjen leibe,

ober aber, bah bas tlnenblid)e auf Unenblidjes toirbe, unb ba(j letj»

teres oon er(terem leibe unb oeränbert roerbe. Dielen Sdjluh aber er»

klären toir für phg(ifd) unb fadjlid) un3uhreffenb, roenn er (elbft Iogifd)

korrekt fein (ollte. Denn ob toir gleich im Berftanbe un3äl)Iige leite


3ufammenred)nen können, bie Wirkungen ausüben unb ebenfo un*
3äl)tige, bie fie erleiben, unb bie einen als ffiegenfätje ber anbern auf«
faffen mögen , fo (inb biefe leite bod) in ber Ulatur unb Wirklichkeit,
toi e mir febjen, gefdjieben unb burd) befonbere ©ren3en abgefonbert unb
nötigen uns keineswegs 3U ber Behauptung ,
bas Unenblidje (elbft

wirke unb leibe, (onbern nur, bah Im Unenblid)en un3ät)Iige enblidje


leile Wirkungen ausüben ober leiben. Wir geben alfo 3U — nicht, bah
bas Unenblid>e beweglich unb oeränberlid) ift, (onbern bah * n ih m
3ahllofe bewegliche unb oeränbertidje Dinge gibt; — nicht , bah ®nb»
lidjes oon Unenblid)em leibe, nod) bah Unenblid)es 3U ©nblidjem ober
aud) Unenblidjes 3U Unenblid)em in phgfifdjer unb natürlicher Unenb»
lid)keit bes Wirkens unb ßeibens ftelje, (onbern (oldje Unenblid)keit
bes Wirkens unb ßeibens ergibt (id) nur in rein logifdjer unb 3U*

78

Digitized by Googl
fammenrecßnenbet Be3ießung, bic ja aud) alle feßweren Äörper 3U einer
©efamtfeßroere 3ufammenfaffen kann, obwohl in Wirklichkeit alle

feßweren Äörper tueit entfernt finb, eine Schwere 3U bilben. Wenn alfo
bas Unenblicße an fid) jelbft unbeweglich, unueränberlid) unb un3er«
ftörlicß ift, fo können boeß ftattfinben unb finben aud) in ißm ftatt un*
3äßlige unb unbegren3t Diele oollkommene unb nollenbete Bewegungen
unb Beränberungen. Bern joroeit ffiefagten mag nocß t>insugefe%t werben,
baß man, felbft ruenn 3iuei nad) einer Seite hin unbegren3te Äörper
gegeben tuären, bie fid) auf ber anbern Seite gegenfeitig begren3ten
unb berührten, aud) baraus nod) nid)t bie Schlußfolgerung bes Slrifto»

teles ableiten bürfte, baß ißre gegenfeitige (Einwirkung be3ru. ißr (Er»

leiben unbegren3t fein müffe. Benn ruenn Don biefen 3tuei Körpern ber
eine auf ben anbern eintuirkte, fo toürbe er bod) nidjt mit feiner gan3en

Slusbeßnung unb ©röße eintoirken ,


ba er ja in biefer unb mit allen

feinen Beilen gar nicht mit ißm 3ufammentrifft unb ißn berührt. Seßen
mir ben 3rall, 3wei nad) entgegengefeßten Seiten unbegren3te Äörper
A unb B berühren fid) in ber ßinie ober Oberfläche F G. ©ewiß
werben fie bann nid)t mit ber gan3en Äraft aufeinanber wirken; benn
fie finb einanber nicht in allen Beilen benachbart, bie Berührung kann
nur in einem beftimmten ©ren3punkt (ober ©ren3linie, ffiren3fläche)

ftattfinben. Unb ich behaupte weiter, auch roenn ®ir unterteilen, baß
bie Berührungslinie ober «
3rläcße felbft wieber unbegren3t fei, ift

baraus nicßt 3U folgern , baß bie fid) in ißr berüßrenben Äörper ein
unbegren3tes Bun ober ßeiben oerurfaeßen ;
benn wirkfam finb fie

nicßt intenfio, fonbern ejtenJiD, ba bie berüßrenben Beile eytenfio finb.

Baßer würbe benn bas Unbegren3te mit feiner gansen Äraft in keinem
Beile wirken, fonbern nur eftenfiu, Beil an Beil.

10 1
F A M
20 2 B N
A O B
30 3 C
40 4
G D P

79

Digitized by Google
0

S03.S. mögen oon 3®ei entgegengefetjten Aörpern, bie aufeinanber

roirken können, benachbart fein A unb 1 ,


B unb 2 C unb 3 D unb
, ,

4 unb fo fort ins Unenblidje. Daburd) roirb man niemals eine intenfio
unenblidje Wirkfamkeit oerroirklid)t Jel)en, ba bie Xeile biefer beiben

Äörper einanbet über eine geroiffe unb begreife (Entfernung hinaus


nidjt beeinffuffen können unb bafyer M unb 10 N unb 20, ,
unb 30 ,

P unb 40 nid)t mel)r in ber Cage finb, aufeinanber ein3uroirken.


Danad) aljo mürbe id), felbft roenn id) 3toei unbegren3te Äörper als
ejiftierenb angenommen f)ätte, nod) keine unenblidje Wirkung 3U*
geben.
Unb id) gel)e nod) roeiter: Mud) roenn man oorausfetjte unb 3ugäbe,

bafj biefe beiben unenblidjen Äörper intenfio in Wed)felroirkung treten

unb jebet mit feiner gansen Äraft auf bie anbre eintoirken könnte,
fo mürbe baraus kein unbegren3ter (Effekt, nod) ein entfpredjenbes

Ceiben erfolgen. Denn bann mürbe aud) ber eine nid)t minber ftark in
feiner ©egenroirkung fein unb benfelben Wiberftanb leiften, roie ber
anbre, unb f olglid) mürbe gar keine Deränberung eintreten. Du fiel) ft
alfo, bafj aud), roenn man 3roei unenblidje Äörper gegeneinanber fetjt,

fid) baraus entroeber nur eine begren3te Snberung ober gar keine
ergibt.

(Elpino: Was aber fagt 3l)r über bie ©egenfät}lid)keit 3mifdjen bem
enbHd)en unb einem unenblidjen Stoffe, roie 3. ®. ber (Erbe, als einem
93
kalten Äörper unb bem jjjimmel unb feinen 3af)llofen©eftirnen? Weint
3 t)r nid)t, bafj hieraus 3U folgern fein mürbe, roas 'Mriftoteles folgert,
bafj bas ©nblid)e oom Unenblidjen oöllig abforbiert unb oernid)tet
4
roerben müfjte?®
tjriloteo: Aeinesroegs, mie man fd)on aus bem oorl)in©ejagten ent»
nehmen kann. Denn meil bie ftofflidje Äraft fid) burd) ben unenblidjen
*Raum l)in ausbeljnt unb oerteilt, fo mürbe ber unenblidje Stoff gegen
ben enblid)en ja nid)t mit unenblid)er Äraft 3ur Wirkung kommen,
fonbern nur mit fooiel Araft, als er oon begre^ten leilen unb aus ge«

80

Digitized by Google
troffen (Entfernungen gegen ben entließen ausftraßlen kann, ba er un*
möglid) überall mit allen leilen, |onbern nur mit ben nä<ßften Heilen
wirken kann, wie man im oorfteßenben Bemeife faß, wo mir A unb
B als 3roei unbegren3te Äörper annaßmen, bie bo<ß nic^t in ber Cage
finb ,
einer ben anbern 3U beeinflußen ,
ausgenommen in ben Heilen,

bie eine (Entfernung 3mifcßen 10 20 30 40 unb


, , ,
MNOP ßaben, jo

baß es heine größere unb kräftigere DSitkung ausmaeßt, wenn aud)


ber Äörper B no<ß |o feßr in bie Unenblidjkeit ßineinwäcßft unb ber
Äörper A begren3t bleibt. Du fießft alfo, baß aus 3mei einanber ent*

gegengefeßten Äräften immer nur eine enblicße ffiirkung unb enblid)


beftimmteBnberungßeroorgeßen kann, aud) toenn man eine oonbeiben
als unenblicß ,
bie anbre als enblid) ober aud) beibe 3uglei<ß als un*
enblid) oorausfeßt.

(Elpino: 3 ßr ßabt mieß feßr befriebigt; es fdjeint mir baßer eine


überflüffige Satße 3U fein, auiß no<ß feine fonftigen Bauernregeln oor*

3ufüßren, naeß benen er f(ßließen toill, baß es außerßalb ber fjimmels»


fpßäre keinen unbegren3ten Stoff gebe, toenn er 3. B. fagt: 3 eber
Äörper, ber an einem Orte (im Baume) ift, ift finnlicß toaßrneßmbar.
21 ber jenfeits bes Himmelsgewölbes ift kein Äörper toaßrneßmbar.

Blfo ift bort kein Ort (Baum). Ober aud) fo: Debet toaßrneßmbare
Äörper ift an einem Orte (im Baume). Bußerßalb ber Jfjimmelskuppel
iß kein Ort (kein Baum). Blfo ift bort au<ß kein Äörper; ja überßaupt
nießt einmal ein Bußen ;
benn bas Bußen ober Bußerßalb be3ei<ßnet
einen ilnterf<ßieb ber Örter, unb 3toar toaßrneßmbarer Örter, unb
ni<ßt, toie oielleitßt einer fagen könnte, eines'geiftigen unb intelligiblen
oon einem toaßmeßmbaren ;
toenn etwas toaßrneßmbar ift, fo ift es
enblid).
M
3riloteo: 3 <ß glaube unb beßaupte, baß fi<ß jenfeits jenes eingebil*

beten Himmelsgewölbes immer nod) eine ätßerif<ße Begion unb eine


Un3aßloon ©elthörpem in berfefben befinbet, ®eftirne, (Erben, Sonnen,
alle in abfolutem Sinne toaßrneßmbar, fotooßl für fitß felbft, toie für

<Su>r&aiu> Sniiu SS. UI gj

Digitized by Google
biejenigen, welche auf ifjnen ober in ihrer Stahe finb, obg(eid) fie für
unserer (Entfernung toegen nid)t wahrnehmbar finb. D^r könnt hieran
abfdjätjen, auf roas für Unterlagen Slriftoteles fpekuliert ;
baraus,
bah jenfeits feiner eingebilbeten umfaffenben Sphäre kein Äörper
fidjtbar ift, leitet er t)er, bah es bort aud) keinen Äörper gebe, unb
beshalb oerfteift er fid) barauf ,
an keinen weiteren Äörper glauben
3U wollen als an bie ad)te Sphäre,
, jenfeits welker bie Slftrologen

feine^eit eine weitere fjimmelsfpfjäre nicht mehr 3ulie^en. SBeil nänt«

lid) biefe bie fc^einbare Drehung ber SBelt burd) ein über allem anbe*

ren befinblidjes „er ft es Bewegliches" glaubten erklären 3U müffen,


fal)en fie fid) oon ihren Borausfetjungen aus ge3wungen, immer weiter
3U gehen unb ohne (Enbe Sphäre über Sphäre 3U fetjen, unb fo haben
fie fchliefclid) fogar eine fol<he ohne Sterne unb ohne fidjtbare Äörper
erfunben. Onfoweit alfo ift feine Behauptung felbft, wenn man oon
ben aftrologifd)en Sinnahmen unb Iräumereien ausgeht, ab3uweifen;
noch ntehr aber muh f'
e non benen oerurteilt werben, bie es beffer
oerftehen unb wiffen, bah Äörper, welche jener Slnficht nach
3um achten f)immel gehören, unter einanber unb 3ur (Erbe in nicht

geringeren (Entfernungsunterfdjieben ftehen, als bie fieben anbern,


ba ber einige angebbare (Brunb für Sinnahme ihrer gleichen (Ent*

fernung nur auf ber grunbfalfd)en Sinnahme beruht, bah (Erbe

ftülftehe, wogegen hoch bie gan3e Statur fi<h auf lehnt unb jeber ge*
funbe Berftanb, jebes geregelte “Denken unb jebe gut entwickelte 3n*
telligen3 fich fdjlie^lich empören muh- Sei es barum, wie es wolle, fo

wiberfprid)t es hoch jeber Bernunft, 3U behaupten, bas Sill finbe eben


bort feine Schranke unb ffiren3e, wo unfere Sinne nicht mehr hintaften
können. “Denn bie bejatjenbe finnlidje SBahrnehmung ift 3war ein

Brunb, 3U fdjliehen, bah es Äörper gibt, aber bie oemeinenbe, bie


eine fjrolge bloher Schwäche fein kann unb nicht eine Joldje bes Btan*
gels eines finnlid) wahrnehmbaren Objekts 3U fein braucht, oermag
nicht einmal ben geringften Berbacht 3U begrünben, bah ein Äörper

82

Digitized by Google
nicht oorhanben fei. Denn beruhte bie SBafjr^eit blog auf ber Sinnes*
roaf)rnef)mung unb ihren Vnroenbungen, fo müßten ja alle Äörper aud)
genau fo fein, tote fie uns erfd)einen, uns ebenfo nah unb unter fid)

ebenfo benachbart. Slllein unfre Urteilskraft letjrt uns, bah monier


Stern am Firmament Weiner erfdjeint unb als Stern Don nur oierter

ober fünfter ffirö&e bezeichnet toirb ,


ber in 2Birklid)keit roett größer
ift, als mancher anbre, ber bem (Butadien unfrer trügerifd)en Sinne
jufolge 3ur 3roeiten ober britten ©röfje gejault tnirb. Die Sinne finb
nicht fähig, bas Verhältnis ber größeren Entfernungen 3U beurteilen,

unb mir toiffen aus unfern Einfiefjten in bie Veroegung ber Erbe,
bafj jene V 3 elten keine fo!d)e Vquibiftan3 3U biefer haben unb bah
fie nid)t alle, roie man meint, in einer einigen „beferierenben" fiugel*

Oberfläche liegen.

Elpino: 3 t) r wollt jagen, bah fie nicht gleidjfam in einer unb ber*
felben Äuppelroölbung befeftigt finb, bah bies eine fo alberne Vor*
fteüung ift, bah man fie eigentlich nur kleinen Äinbem einreben kann,
bie bann Dielleid)t auch nod) glauben bürften, bah fie, roären fie nid)t

mit fehr gutem 3ement ober ftarken Vögeln an jener Decke feftgemacht,
nicht anbers als bie f>agelfd)lohen aus ber 2uft auf uns herunter*
faden roürben. 3 hr wollt fagen , bah jene Dielen anbern Erben unb
ffieltkörper ihre eignen Vahnen unb Entfernungen im Vtherraume
nicht minber befitjen, roie biefe Erbe, bie bur<h ihre Drehung ben Vn»

f<h«in oerurfacht, als ob fie alle fid) um fie herumberoegten, roie roenn
fie 3ufammengekettet roären. 3h r roollt fagen, bah man keinen geiftigen
Äörper auherhalb einer achten ober auch neunten Sphäre an3unet)men
brauet, fonbern bah berfelbe Vther, roie er bie Erbe, ben ÜJtonb unb
bie beibe in ihrem V^iehungskreife haltenbe Sonne umgibt, fid) ins
Unermehliche ergieht unb un3ählige anbre ffieftirne unb geroaltige

ßebetoefen umfaht; unb biefer Zither roürbe ber gemeinfame unb uni»
oerfeile Vaum fein , beffen unenbücher Sd)oh im gan3en bas unenb*
liehe Unroerfum nicht anbers in fid) trägt, als biefer uns fichtbare Vaum

83

Digitized by Google
bie großen unb 3af)Ireichen it>rt burd)[tral)lenben fitster. 3hr meint,
baß es mcßt ber Äther unb ber fogenannte beferierenbe Umkreis fei,

ber bie äreisbemegung wirke unb bie Sterne, bie (Erbe, ben Sfftonb

unb bie übrigen 'Planeten mit fid) führe, jonbern baß jene ftd) burch
eigne Äraft in ißren Bahnen bewegen, inbem jie fämtlid) ihre befon«

beren Bewegungen haben unabhängig oon biefer SBeltbemegung,


beren Anfcßein burd) bie Bewegung ber (Erbe heruorgerufen wirb, unb
unabhängig aud) oon allen anbem Belegungen, bie ben Sternen
gemeinfam 3U fein feinen, gleich als roenn fie alle an einem beweg*
liehen Äörper befeftigt mären, welcher Schein nur oon ben oerfdjie*

benen Bewegungsarten biefes (Beftims herrührt, auf bem mir uns


befinben unb beffen (Eigenbewegung für uns nicht toahrnehmbar ift.

Schließlich meint 3 h r baß


>
bie Bewegung bes Äthers felbft unb
aller in ihm befinblicf)en Heile nichts anbres fei als eine 3ufammen*
3iehung unb 2Bieberausbel)ung, roie fie für ben 3rorfd)ritt biefer feften
Äörper burch benfelben erf orberlich ift, inbem bie einen bie anbem
umkreifen unb inbem notroenbig an3unel)men ift, baß biefer geiftige

Stoff alles burdjbringt.'"’


tJiloteo: ^freilich. Unb weiter behaupte id) noch, baß biefes Unenb*
liehe unb Unermeßliche ein Iebenbiges Sein ift, bas jebod) keine be*
ftimmte (Beftalt unb keine CEmpfinbung (keinen Sinn) hat, bie (ber) fieh

auf Außenbinge be3Öge, ba es felber bie gan3e Seele in fi<h h<U unb
alles Befeelte umfaßt unb eben bas AK ift. ferner behaupte ich, baß
nichts Unftattßaftes, toie 3. B. bie Einnahme oon 3®oei Unenblichkeiten,

bar aus folgt. Benn bie 2üelt ift ein befeelter Äörper ; in bief em ift unenb*
ließe Betoegung unb in ißm finb unenblicße ©egenftänbe ber Betoegung
in ber getrennten A3 eife, toie mir es erläutert haben; benn bas ©an3e
als 3ufammenhängenbes ift unbeweglich, fowoßl ofjne Preisbewegung,
bie ja eines 3cntrums bebürfte, als auch oßne gerablinige Bewegung,
welcße oon einem Anfangspunkte 3U einem ©nb3iele gerichtet fein müßte,
ba es weber Blitte noch Anfang unb (Enbe hat. ferner möchte ich be*

84

Digitized by Google
haupten, bajj bie angebliche Bewegung bes Sanieren unb ßeichten
nicht nur für ben unbegrengten Äörper eine unftatthafte Hinnahme ift,

jonbern überhaupt für jeben gangen unb oollftänbigen Äörper, berin

fi<h felber ruht, fotoie für jeben Heil, ber an feinem natürlichen Orte
ift unb {ich feiner natürlichen ßage erfreut. Unb ich roieberhole bie
Behauptung, bafj nichts in abfoluter Bebeutung fdjroer ober leicht ift,

fonbern alles nur begiehungsroeife, b. h- in Begiehung gu bem Orte,


nach melchem bie ausgebreiteten unb gerftreuten leile fich gurücfegietjen

unb gu fammeln ftreben. Dies mag für unfre heutige Betrachtung


über bie unenbliche Blaffe bes Hills genügen. HJtorgen roerbe ich °b*

ro arten, was ihr über bie ungähligen HBelten gu oernehmen roünfcht,


bie fich *n ü)m befinben.
CBIpino: Och roerbe, obtoohl ich beinahe burd) bie bisherige Beleh*
rung mich für genügenb oorbereitet erachte, mir bas roeitere im all*

gemeinen felber gu erfchliejjen ,


bennod) toieberbommen ,
ba ich noch
anbre befonbere unb roertoolle Hlufblärungen oon (Euch gu erhalten

hoffe.
Burchio: Hlud) ich, inbem ich mich nach nnb nach ntei)r unb mehr
beftrebe, (Euch gu oerftehen, bomme mehr unb mehr bahin, roas Ohr
oortragt, für toahrfcheinlich unb oielleicht gar für toahr gu halten.

85

Digitized by Google
Dritter Dialog

3 GOKEO : (Etaäig i|t oljo bet Fimmel, ber unermefjlidje


Saum, ber unioerfelle Sd)of), ber Sliumfaffer, bie$tl)er«
region, innerhalb beten olles fid) regt unb beroegt. 3n
if)m finb jafylreidje Sterne, (Beftirne, Weltkugeln, Son*
nen unb (Erben wahrnehmbar unb müflen un*
fidjtbarlid)

3ät)lige anbre oernünftiger©eije angenommen ©erben.


Das unenblid)e unb unermejjlüfyeWUiftbasäufammenfyängenbeffianje,

bas aus biefem Saume unb ben in ihm beftnblid^en Körpern refultiert.
(Elpino: Slfo gäbe es keine Sphären non konkaoen be3©.konoejen
97
£ugelfd)alen, keine „beferierenbe Greife", fonbern alles märe ein
ffiefilbe, eine ©eite §immelflur!

jjfiloteo: So ift es!

(Elpino: 2Bas alfo bie !phantafieoorftellung oon |o unb Jo oiel Jrjim«

metsfphären er3eugte, waren bie unter[d)ieblid)en Bewegungen ber


(Beftirne; manjal) ben §immel ooller Sterne fidi) um bie (Erbe brefjen,

©äljrenb biefe Gichter felbet fid) untereinanber in keinet Weife 3U ent»


<
fernen, oielmehr {tets biefelben Diftan3oerl)äItntfje 3U bewahren fdjte«

nen, als ©enn fie fi<h um bie (Erbe breiten, ©ie ©enn ein Sab, an
bem 3al)llo{e Spiegel befejtigt ©ären, fid) um feine Sd)fe breite. Da*
her hielt man es für gan3 fo augenfdjeinlid), ©ie es freilich ben Bugen
fdjcint , bafj jenen leud)tenben Äörpern keine (E»genbe©egung 3U»
komme, oermöge beren fie fid) ©ie bie Sögel in ben ßüften felber be*

wegen könnten, fonbern bafj fie lebiglid) bewegt würben burd) Ser»
mittelung oon Äugelfdjalen ,
an benen fie befeftigt ©ären unb ihre
Bewegung felbft ©ieber bem Sntrieb irgenb welker göttlicher 3 ntelli>
gen3cn oerbanken müßten.

86

Digitized by Google
Jiloteo: Das ift fretüc^ bie gemeine 9Infid)t; ®er aber erft bie Be*
®egung biefer Stermoelt, bie mir |elber berooljnen, erkannt f)at, bie

ja au d) oljne an irgenb einem Wnge befeftigt 3U (ein, oom inneren


Bnn3ip, oon ber eignen Seele unb Batur getrieben, burd) bas räum*
Iid)e ©efilbe um bie Sonne läuft unb ftd) um ifjren eignen Mittel-
punkt bref)t, bem muf} biefe (Einbilbung fdjroinben, bem müffen fid) bie
(
‘Pforten bes Berftänbniffes öffnen für bie toafjren Prin3ipien ber na*

türlicf)en Dinge, unb mit Biefenfdjritten roirb er ben 2Beg 3ur ffialjr*

l)eit roeiterfdjreiten, 3ur 2Baf>rl)eit, bie oon ber Unbill ber 3*iten, nad)«
bem einmal im 2Be<^feI aller Dinge bem litten läge ber alten BJeifen
bie finftere Badjt blinbgläubiger Sopl)iften gefolgt mar, unter ben
Cumpen fo oieler fdjmutjiger unb faft tierifd) 3U nennenber (Einbil*
98
bungen bislang oerbecfet unb ©erborgen getoejen ift.

ift beftünbig, es bret)t fl<f> unb hreifet,


5tid)ts
IDas immer ba broben, f)ier brunten bu fdjauft;
IBas 3ur fjöfje nid)t aufftrebt, mufj finken 3ur liefe,
Sei’s naf) ober fern uns, fei’s leicht ober fd)®er.
Unb alles roof)l roanbelt gleid)mäfjigen Schrittes
3 um feibigen QEni>3ieL
(Es reifet burdjs (Ban3e, bis baf} es 3um 3**1 kommt,
So kreifet im Bleere ber ein3eine Iropfen
Bon unten nach oben, oon oben nad) unten,
Unb berfelbige TDellenfdjIag
leiit jeglid)es Sd)idifat an jeben aus.

(Elpino: ©eroif) unterliegt es keinem 3®eifel, bafj bie gan3e <pi)an*


tajtik oon ben Stementrägem, ben Bd)Jen, ben beferierenben Greifen,
oom Dienfte ber (Epi3t)keln unb genug anbern Chimären keinem an*
bem *Prin3ip 3U oerbanken ift, als bem Vorurteile, bafj biefe (Erbe,
®ie ber Sinnenfdjein betoeife, ben Mittelpunkt bes JüeltaHs bilbe,
unb bafj fie allein feftfte^e unb alles anbre um fie fid) bret)e unb kreife.
Jiloteo: ffian3 berfelbe Sinnnenfdjetn mufj für bie etroaigen Be-
wohner bes Blonbes unb ber anbem Sterne, (Erben unb Sonnen be*
fteljen, bie im Baume finb.

87

Digitized by Google
(Elpino: ffiennroiraljoDonjetjtabporausfetjen, bafc bie Bewegung
ber (Erbe biefen Schein ber täglichen ©eltumbretjung heroorruft, unb
bafj bie Berfd)iebenheiten ihrer Bewegung ben Schein all ber anbern
Bewegungen erjeugen, in melden unääi)Iige Sterne übereinftimmen,

jo toerben wir auf ber Behauptung beftehen, bafj berBtonb, alseine


Bebenerbe, fid) ebenfalls aus eigner Äraft burch ben Bther beroegt
unb mit uns um bie Sonne läuft. (Ebenfo oollenben aud) Benus, ÜJler*

kur unb bie anbern 'Planeten ihre Bahnen um benfelben Bater alles
Gebens.

3riloteo: So ift es.

(Elp in o: Bie (Eigenbewegungen berjelben finb foldje, bie man nad)


9lb 3 ug biejer allgemeinen TOeltbecoegung unb berjenigen ber fog. <Jij*

fterne, welche beibe auf bie (Erbe 3urü*3uführen finb, no«h feftftellen

hann, unb bieje (Eigenberoegungen finb nicht minber oerfd)ieben, als


bie Blaffen ber ©eltkörper, fo bafc fiefj in ber Unenblichkeit keine 3toei

Sterne finben toerben, bie in bem Blafce ihrer Betoegung genau über*
einftimmen, toenn man aud) biejenigen, bie uns abgefehen oon ber
allgemeinen Scheinbetoegung roegen ihrer grofcen (Entfernung gar
keine Beroegungsunterfdjiebe 3eigen, mit in Betragt 3«ht. Obwohl
auch jene um bas Sonnenfeuer kreifen unb fid) 3toe(fes Ieilnaf)me an
ihrer ßebenstoärme um ihre eignen 3 entra brehen, fo können wir boch
bie Unterfchiebe ihrer Sonnennähe unb Sonnenferne nicht erkennen.

Oriloteo: So ift es!

(Elpino: (Es gibt alfo 3ahllofe Sonnen, 3ahlIofe (Erben, bie gleicher*
mafcen ihre Sonne umkreifen, wie wir es an biefen fieben unfre Sonne
3unäd)ft umkreifenben Planeten fehen.

3riloteo: So ift es!

(Elpino: ©arum aber fehen wir um bie anbern £id)tkörper, bie


3hr ja auch Sonnen nennt, nicht anbre Gichter kreifen, bie als beren
(Erben gelten könnten, warum können wir keine berartige Bewegungen
wahrnehmen? ©arum 3eigen fid) alle anbern ©eltkörper mit Bus«

88

Digitized by Google
nähme ber fog. Äometen uns immer in berfelben gegenseitigen ßage
unb (Entfernung?
Jiloteo: (Einfad) beshalb, meil mir nur bie Sonnen Jehen, roeld)e

bie größeren, ja bie größten Äörper finb, nic^t aber beren (Erbbörper
ober ‘Planeten, roelche, ba ihre ©affen oiet kleiner finb, für uns un*
fid)tbar finb. ©iberfpricht es bod) nid)t ber Vernunft, bajj felbft um
biefe unfre Sonne nod) anbre ‘Planeten breifen, bie für uns, — fei

es toegen ihrer größeren (Entfernung, fei es toegen ihrer geringeren


ffiröfee ober roeil fie keine großen 2BafferfIäd)en haben, ober roeil fie

biefe Oberfläche nicht gleichseitig in Oppofition mit uns unb ber Sonne
jeigen, toelche letjtere fid) in ihnen, roie in einem briftallenen Spiegel,
uriberfpiegelt ,
— nicht fichtbar finb.
89
(Es toürbe baher toeber ein
©unber noch etroas Übernatürliches fein, toenn mir gelegentlich hörten,
bie Sonne habe (ich ein roenig oerfinftert gezeigt, ohne bafj gerabe ber
100
©onb stDifdjen fie unb uns in bie ffiefid)tslinie getreten roäre. Slufjer

ben fichtbaren bann es noch wohlige leuchtenbe ©afferbörper, b. h-

(Erben, beren größerer Oberflächenteil ©affer ift, geben, bie bie Sonne
umbreifen; ihr Umlauf mürbe nur toegen ihrer großen (Entfernung
oon uns nicht roahrgenommen roerben, roeshalb man auch wegen ber
fehr langfamen Seroegung, bie man bei benen, bie jenfeits bes Sa»
turn finb, oorausfetjen mufo, keine Unterfdjiebe ber ©eroegung unb
noch weniger gar ein ©efet} berfelben roahrnimmt,! mag man nun als

ihren ©ittelpunbt unfre (Erbe ober bie Sonne Jet)en.

(Elpino: ©ie aber Jollen fie alle, auch bie fo fehr oom ßentralfeuer
entfernten Planeten, an berfiebensroärme besfelben oernünftigerroeife
partiäipieren können?
Jiloteo: ©eil fie roeiter entfernt finb, haben fie auch einen um fo

größeren Umlauf; je größer ihr Umlaufsbreis ift, um fo langfamer


beroegen fie fich um bie Sonne; je langfamer fie Jich um bie Sonne
beroegen, um fo länger finb fie benfelben Gicht» unb ©ärmeftrahlen
berfelben mit benfelben fjlächenteilen ausgefetjt.

89

Digitized by Google
(Elpino: Df)r meint alfo, bah jene 5Beltkörper, obgleich jie jo fel>r

non ber Sonne entfernt finb, bennod) oon berfelben ausreidjenbe


5Bärme empfangen; benn, wenn fie fid) einerfeits rafdjer um if)re ei-
gene 5ld)fe brehen unb anbererfeits langfamer um bie Sonne kreifen ,’ 01
können jie nicht nur ebenfooiel 5Bärme, jonbern fogar mehr empfan-
gen, als nötig märe, weil ja 3 ufolge ber fdjnelleren 5ld)fenbrel)ung jeber
©eil ihrer konoejen (Erbflädje, ber nicht genug 5Bärme erhalten f)at,

bod) raffet an benjelben 'Punkt 3 urüdrkct)rt ,


um fid) mieber 3 U er-

holen, unb anbrerjeits 3 ufoIge ber langfameren fiberifdjen Umlaufs*

3 cit um ben 51ammenf)erb bauernber unter bem (Einfluffe besjelben


ftel)t, um kräftigere 2Bärmejtraf)len 3 U empfangen.
3riloteo: So ijt es.

(Elpino: 511 jo meint 3d)r, joroeit bie Sterne, bie jenfeits bes Saturn

für uns fi<f)tbar finb, wirklich unbeweglich finb, müffen es un 3 äf)lige


Sonnentoelten ober ßentralfeuer fein, felber für uns mefjr ober me»
niger fidjtbar, wäfjrenb jeber non ihnen roieber oon Planeten um»
kreift toirb, bie für uns unfidjtbar finb?
Oriloteo: ‘Das roirb man behaupten müffen, roeil alle (Erben in
einem mehr ober weniger analogen 53erf)ältniffe 3 U benken finb unb
alle Sonnen gleichfalls.

(Elpino: 3l)r meint alfo, bajj alle jene Jijfterne Sonnen finb?
tjrilote 0 : ©as gerabe nid)t. Denn ich ®eijj nicht, ob fie alle ober
auch ber größere leil oon ihnen unbeweglich finb ober ob nicht
einige oon ihnen fid) wieber um anbre bewegen; benn niemanb hat
bies bislang beobachtet, unb es ift auch nicht leicht 3 U beobachten, ba
man bie 'Bewegung unb ben <Jortfd)ritt eines entfernteren ©egen*
ftanbes nicht leicht bemerkt; benn felbft bei rafdjer (Eigenbewegung
fd)einen entfernte ©egenftänbe nicht leicht ihren Ort 3 U oeränbern, was
man befonbers gut an weit entfernten Schiffen auf hohem ©leere be-
obachten kann. 5lber fei bem, wie ihm wolle; ba bas 5111 unenblid) ift,

muh es mehrere Sonnen geben; benn es ift unmöglich, bah b»e 5Bärme

90

Digitized by Google
unb bas 2id)t einer einigen, toie (Epikur fid) einbilbete, roenn es roafjr
ift, roas anbre über tf>n berieten, (id) burd) bie Unenblid)keit er*
gieren könnte. Daher ift an 3 unet)men, bafj es un 3 äi)Iige Sonnen gibt,

beren oiele für uns in (Bcftalt kleiner fiörper fidjtbar finb; unb manche
mögen uns als kleine Sterne erfd)einen, bie oiel größer [inb, als an-

bre, bie uns als bie größten erfdjeinen.

(Elpino: Dilles bies mufj man minbejtens für möglich unb annehm*
bar hinnehmen.

{Jiloteo: Unb um biefe Sonnen können (Erben kreifen oon größeren


ober kleineren ©affen, als unfre.

(Elpino: ffiie toirb man aber biefe Unterfd)iebe erkennen? 2Bie,


meine id), kann man bie 3entralfeuer oon ben (Erben unterfdjeiben?
Jiloteo: Daburd), bafj bie 3entralfeuer feftfteljen unb bie (Erben

fic^ um fte betoegen; baburd) ferner, bafj bie 3entralfeuer funkeln


unb bie (Erben nid)t, oon melden 3e«hen legeres fid)tbarer ift, als
erfteres.

(Elpino: ©eint3f)r, bafj bie feurigen ffieltkörper ebenfo becool)nt

finb, toie bie roäfferigen?

tfiloteo: Um nid)ts fd)led)ter unb nichts toeniger.

(Elpino: Slber toie fotlen tierifdjc Äörper irnfffeuer leben können?


3r il o t e o JBollet bod) nicht glauben, bafj jene Äörper
: aus gan 3 glei*

i^en leilen beftehen, fo bafj es gar keine IBeltkörper, fonbem blofje

unfruchtbare unb amfte Stoffmaffen mären. Dielmet)r ift bie Einnahme


ftattljaft unb natürlich, bafj fie nicht minber ungleichartige leile haben,
oie biefe unb anbre (Erben, obgleich letjtere aus ber Jerne nur als
beleuchtete ©afferkörper unb erftere als ftraf)lenbe fjflammenkörper
erfcheinen.

(Elpino: ©laubt 3f)r, bafj bie ffirunbftoffe ber Sonne benen ber
(Erbe an fffeftigkeit unb Dichtigkeit nichts nachgeben? 3d) roeifj frei*

lieh, bafj 3l)r nicht baran ätoeifelt, bah alles aus einer Urmaterie ent*

ftanben ift.

91

Digitized by Google
!

tJüotco: Das ift getoig! Dies meinte fdjon limaeus, ^)Iato be*
<
ftätigte es, alle magren P^ilo|opf)en haben es anerkannt; bod) roenige

haben es erklärt, unb in un|rer 3 e tt t)at fid) keiner gefunben, ber es

begriffen hätte; Dielmehr bemühen fid) niele, auf taujenbfad) Derfcfjie«

bene 5Irt bas Derftänbnis 3U nerbunkeln; bahin ift es bei bem Der*
fall ber redeten ffieifteshaltung unb bem 3rc^lgrcifen in ben erften

ffirunbfätjen gekommen.
(Elpino: Dem Derftänbnis fd)eint fid) bod) ein roenig genähert 3U
10 *
haben bie „gelehrte Unroif|enl)eit" bes (Eufaners, toenn biefer,
roo er Don ben Derfjältniffen ber (Erbe fprid)t, folgenbe Dnfidjt äußert:

„ 3 hr bärft aus feiner Dunkelheit unb fd)u>ar3en 3farbe nid)t fdjlie^en,

bah ber (Erbkörper gemeiner unb unroürbiger fei, als bie anbern ©e*

ftime; benn toenn mir Deroohner ber Sonne toären, fo mürben mir
an il)m biefelbe falle finben, bie mir an jener non biefem ihr entfern*
ten Umkreife aus berounbem. ferner können ja aud) mir fd)on, toenn
mir bie Sonne genau beobachten, bemerken, bah H c in ber Dlitte oft
einen bunklen fiern hat, unb um benfelben einen 2i<f)tkreis, ber ihn
roie eine feurige £ülle umgibt unb 3toifd)en beiben roie eine roaffer*

artige 2Bolke in ähnlicher JBeife roie bie (Erbe ihre (Elemente hat."

3riloteo: Dis foroeit fpridjt er faft roie ein Seher; aber oerfchroeigt
uns nicht, roas er hin3ufet}t
©Ipino: Dach **01* roas erhin3ufügt, kann man nicht anbers als
annehmen, bah er biefe (Erbe felbft für eine Drt Sonne hält, unb an*
nimmt, bah alle Sterne auf gleiche ffleife Sonnen feien. (Er fagt: „ 2Ber

auherhalb unfres Strahlenfokus ftänbe, mürbe auch biefe (Erbe als

leud)tenben Stern erblicken, ber feinen Umkreis burd) Dermittetung


bes Jeuerftoffs beftra^lt; nicht anbers, roie uns bie Sonne ftrahlenb

erfcheint, ba mir uns im Umkreife ber Sonnenfphäre befinben, unb


roie uns ber Dtonb nicht ebenfo hell ftrahlt, ba mit ber DUtte feines

Umkreifes näher ftehen" ober roie er fid) ausbrückt, „bem 3entralen


unb roäfferigen leile bes Dtonbes näher ftehen, roeshalb letjterer,

92

Digitized by Googl
.

obgleich et eignes Cic^t hat, uns biefes bod) nicht 3eigt, unb nrir nur
basjenige Ctdjt todjrnefjmen, meines bie Sonnenftrahlen non feiner

wäfferigen Oberfläche reflektieren."


fjiloteo: 'Diefer ausgejeidjnete Wann hat manches gemußt unb er«

bannt unb toar in ber lat eins ber eigenartigen ©enies, bas je biefe

2 uft geatmet hat; roas aber bie (Erfaffung ber Wahrheit betrifft, fo er«

geht es ihm wie einem Schwimmer, ber oon ftürmifcher fjlut halb 3ur

ijöhe gehoben, halb wieber 3ur liefe geriffen toirb; er fieht kein be»
ftänbiges, helles unb klares 2id)t, er fd)wimmt nicht in ruhigem unb
klarem Wafjer, jonbern alles ift bei ihm unklar, brockenhaft unb un»
3ufammenhängenb. 'Der ©runb liegt barin, bah er fi«h oon ben fal«
<
fchen |>rin3ipien, bie er oon Äinbesbeinen an aufgejogen, hoch nicht

gan3 3U befreien oermochte, weshalb auch bie oon ihm felbft gewählte
Überfchrift feiner Bücher „gelehrte Unwiffenheit" ober „unwiffenbe

©elehrfamkeit" oortrefflid) bafür pafjt.

(Elpino: Was ift benn bas für ein iprin3ip, oon bem er fid) hier

nicht freigemacht hat unb hätte befreien follen?

3filoteo: (Er meint, bas (Element bes ffeuers fei nichts anbtes, als

eine oon ber Bewegung bes fjimmels ent3Ünbete Cuft unb bas fjeuer
fei ein feinfter Stoff, gegen alle Wirklichkeit unb Wahrheit, wie fid> uns,
wenn wir biefen ©egenftanb in befonberen Borträgen behanbeln wer»
ben, ergeben wirb; wir werben nämlich beweifen, bah notwenbiger«
weife ein feftes unb konfiftentes 3Jlaterialprin3ip fowohl bes warmen
I0S
wie bes kalten Stoffes beftehen muh unb bah bie Wherregion
weber aus fjeuerftoff befteht noch 3feuer ift, fonbern lebiglid) bur<h*
ftrahlt unb burdjwärmt wirb burch bie Bähe oon feften unb bid)ten

Äörpern, wie ber Sonne. Daher ift es, wo wir hier in rein natur«

wiffenfchaftlichem Sinne fpredjen, unnötig, uns auf mathematifche


'Phantafien ein3ulaffen. Wir fehen, bah fämtliche leile ber (Erbe nicht

Don felbft leu<htenb finb, bah aber einige ihrer leile burch anbre er«

leuchtet werben, wie ihre ©ewäffer, ihre DunfthüUen, ihre Cuft, welche

93

Digitized by Google
ßid)t unb ©arme oon ber Sonne aufnehmen unb bas eine ober an*

bre tfjrer Umgebung mitteilen. Darum i|t notroenbig anjuneijmen, baß


es ©lementarftoffe gibt, bie bie (Eigenschaft befitjen, oon felbft 3 U leud)*

ten unb oon felbft ©arme 3U [tragen; unb ein foldjer Stoff muß
konfiftent, biefjt unb feft fein; benn ein bünner unb feiner Stoff kann
roeber eine Unterlage für fließt nod) für ©arme fein, toas mir ge«
hörigen Orts betoeifen werben. (Es ift alfo fdjliefjlid) notroenbig, baß
bie beiben (Brunblagen ber beiben erften gegenfätjlidjen Qualitäten
gleichermaßen konftant finb, unb baß biejenigen leile ber Sonne, bie
ißr Cidtjt unb ißre ©ärme fpenben, fo maffio wie Reifen ober jeßr
feftes, feuriges ©ctall finb, id) fage nicht toie ein flüffiges ©etatl,
roie Blei, Bronje, ©olb, Silber, fonbern toie ©ifen, welches an fid)

3feuer ift. ©äßrenb biefes ©eftirn, bas mir bewohnen ,


an fid) kalt

unb bunkel, keinestoegs teil ßat an ßid)t unb ©ärme, foroeit es nießt

oon ber Sonne erwärmt toirb, fo ift jene an fid) toarm unb leucfjtenb

unb f)at bureßaus keinen leil an Äälte unb Dunkelheit, foroeit fie

meßt oon umfteßenben Äörpern abgeküßlt toirb unb am ©afferelement


in ber ©eife partiäipiert, toie bie ©rbe am ©lement bes fjeuers. ©ie
alfo auf biefem kalten Äörper, ber an unb für fid) kalt unb bunkel
ift, ßebetoefen ejriftieren, toeldje ber ©ärme unb bes ßicßts ber Sonne
bebürfen, fo können aueß auf jenem feurigen unb leucßtenben ©eit*
körper ©efen leben bureß bie Don ben umfteßenben kalten ißnen 3U»
kommenbe Bbküßlung; unb toie biefer ©eltkörper burd) leilnaßme
an ben ©irkungen jenes in feinen ungleichartigen leilen erwärmt
wirb, fo wirb jener burd) leünaßme am kalten ©lement in beftimmten
leilen abgehühlt.
©Ipino: ©as fagt 3ßr öber bas fließt?

ftiloteo: 3cß fage, baß bie Sonne nicht ber Sonne, bie ©rbe nicht
ber ©rbe leuchtet; kein Äörper beleuchtet fid) felbft, jebes fleueßtenbe

beleuchtet nur ben es umgebenben Baum, ©ag baßer auch bie ©rbe
oermöge ber reflektierenben Sonnenftraßlen mit ihrer Spiegelfläche

94

Digitized by Googl
oon ©affer nod) fo feljr leuchten, fo i[t ihr ©lan 3 bod) roeber für uns
nod) für irgenb roeldjc klugen, bie fid) innerhalb berjelben (Ebene mit
uns befinben, jid)tbar, fonbern nur für bie, roeldje in einem tl)r ent*

gegengejetjten Baume finb; — fo roiffen mir ja aud), bafj bie ganje


Oberfläche bes Bleeres oom ©onbe beleuchtet roirb, roas gleidjroohl

benen, bie bas ©eer befahren, nur für eine geroiffe fläche bemerk*
lieh roirb, bie bem DCRonbe gegenüberliegt; fobalb aber bie 3JiögIid)beit
gegeben roirb, fid) t)öt)er unb t)öt)er über bas ©eer 3 U erheben, roirb
man auch bie Slusbefjnung ber Ieud)tenben 3rläd)e roachfen fehen. ‘Dar*

aus ift Ieid)t 3 U fdjliehen, bah jene, bie auf leuchtenben ober aud) auf
nur erleuchteten ffieftirnen finb, bas £id)t ihres eignen Sternes nicht

trahmehmen können, fonbern nur basjenige ber gegenüberftet)enben,


unb bah * n bemfelben gemeinfamen Baume jeber befonbere Ort fein

Gicht oon einem anbern befonberen Ort (ober befonberen Örtern)


empfängt.
(Elpino: ©|o roollt 3h r behaupten, bah für bie etwaigen Sonnen*
beroohner nicht bie Sonne felbft ben lag macht, fonbern irgenb ein
anbrer umftehenber Stent?
3riloteo: freilich'. Begreift 3I)r es nicht?
(Elpino: ©er begriffe es nicht? Bielmehr begreife ich nod) manches
anbre, roas in ber Äonfequen 3 biefer (Erkenntnis liegt. (Es gibt alfo

3 toei Brten oon leud)tenben Äörpern, fjeuerroelten, — unb bies finb


bie felbftleud)tenben — ,
unb ©afferroelten, fpiegelnbe, fekunbär leud)*

tenbe.

JJiloteo: So ift es!

(Elpino: ©fo liegt bie Urfad>e bes Cichtes nicht in einem anbern
befonberen (Elemente?
Jüoteo: ©ie follte es, ba roir keine anbre Urfadje bes Cichtes
roahmehmen? ©arum füllen roir uns auf eitle fjgpothefen oerlegen,
roo uns bie (Erfahrung felbft belehrt?
(Elpino: ©ir bürfen alfo nicht benken, bie £eud)tkraft jener Äörper

95

Digitized by Google
beruhe auf einem ge©i[fen unbeftänbigen !ltcciben3, tote etroa bie fjräul*

nis bes fjo^es ,


bas Jlimmern unb Stimmern oon Struppen unb
Sdjleimjtoffen bei «Jifdjen ober bei ben 3erbred)Iic^en Skalen nacht*

Itd) glüi)enber ääfer unb Onfehten, über beren ßeucfjt&raft mir uns
104
rooijl noch ein anbermal eingehenber unterhalten ©erben!
ftiloteo: ffian3 ©ie es OEud) beliebt!
(Elpino: 3 ene aljo, bie ba meinen, bie uns umgebenben leuchtenben
IOÄ
üDeltbörper beftänben aus einer gewiflen fünften ©flen3, aus einem
geroiffen göttlichen Stoffe, oon gan3 anbrer Batur, als biefer hier,

täuf(hen fi<h ntd)t weniger, als folche, ©eld)e basjelbe oon jeber Äer3e

ober oon jebem Ieud)tenben Äriftall behaupten wollten, ben fie aus
ber 3ferne jehen!
Sriloteo: ©eroifc!

3fracaftorio : OnüBahrljeit, bas mufc jebem Sinn, jebem Ber*


ftanbe unb jebem Begriff soermögen einleuchten!
Burchio: Äeineswegs! BJenigftens bemmeinigen nicht! 3 ch burch*
fdjaue biefe Cure SBeinungen als {opt)ijtijd)e Spiegelfechtereien!

Jiloteo: Bntroorte Bu ihm, Jracajtorio! ©Ipino unb ich haben


bislang genug gerebet, wir ©ollen ©ud) 3ul)ören!
Jracaftorio: Blein lieber guter Burchio! Bimrn einmal an, Bu
ftänbeft mir hier gegenüber an Stelle bes Briftoteles unb ich roäre ber

reinfte Dbiot ober Bauer, ber eingefteht, nichts 3U ©ifjen unb nichts
oerftanben 3U haben oon allem, roas Jiloteo oerjteht unb behauptet,
nicht minber als oon allem, roas Briftoteles lehrt unb biejem bie gan3e
©eit nachbetet! 3 a, ich glaube an bie ÜBehrheit, ich fdjroöre ben 3r a h'
neneib auf bie Jama unb bie Btajeftät ber peripatetifchen Autorität,

3ufammen mit ber 3ahllojen ©enge berounbere ich bie ©öttüchheit


10fl
biefes Bämoniums ber Batur; aber eben besroegen komme ich 3“
Dir, um über bie ©ahrheit belehrt 3U ©erben unb oor ber Berfüf)*
rung bur<h biefen ba, ben Du einen Sophien nennft, bewahrt 3U ©er*
ben! Bun frage ich Bich, aus welchem ©runbe behauptet 3Ijr, bafj fo

96

Digitized by Google
einriefiger ober bod) roenigftens feljr grofjer ober aud) nur, bajj überhaupt

trgenb welcher Unterfdjieb, ben Du abfdjätjen mag[t, befteljt 3wifcf)en

biefen Stoffen f)icr, bie uns umgeben, unb jenen fjimmtifdjen Äörpern?
©urdjio: 3ene jinb göttlid), biefe ftofflid)!

Srracaftorio: 2Bie wollt DI)r mid) oerftef)en unb glauben teuren,

bafj jene göttlicher jinb?

Burd)io: ©eil jene leiblos, unoeränberlid), unjerjtörlid) unb ewig


finb, biefe aber bas ©egenteil; jene bewegen fid) in oollkommenften
Äreisbafjnen, biefe in geraben Cinien.

tffracaftorio: Dd) möchte roijjen, ob 3 l)r auf ©runb forgfältiger

(Erwägung befdjnjören könnt, baf) biefer einheitliche Äörper, oon bem


3 f)r behauptet, baf) er aus brei ober oier oerfdjiebenen dementen 3U*
jammengefetjt ift unb ben 3 t)r nid)t für eine organifierte (Einheit er*

kennt, nid)t beweglich ift, toie bie anberen beweglichen ©eftirne, ba


bod) bie Bewegung jener anberen aud) nid)t wahrnehmbar ift, toeil

mir über eine getoiffe Diftanj hinaus oon iljnen entfernt finb. ©enn
alfo aud) biefer ©eltkörper fid) bewegte, brauste bies bod) nid)t wahr*
neljmbar 3U fein; benn wie alle alten unb neueren Beobachter ber ©a*
tur bemerkt haben, unb wie uns bie (Erfahrung ber Sinne taufenb*
faltig lefjrt, können wir keine ©ewegung toaljrneljmen ohne beftimmte
©ergleid)ung unb ol)ne©e3iel)ung auf einen feftftefjenben'Punkt. Denn
angenommen, jemanb, ber ni<f)t wüjjte, baf) bas ©affet fließt, unb
ber bas Ufer nid)t fiet)t, befänbe fid) in ber ©litte bes ©affers auf
einem fahrenben Schiffe, — er würbe keine ©al)rnef)mung oon ber
©ewegung besfelben haben. Danach könnte man am (Enbe bod) 3wei*
fell)aft werben über bie ©uf)e unb ben Stillftanb unferer (Erbe; unb
id) kann banad) annetpnen , bafj id), aud) wenn id) auf ber Sonne,
auf bem©lonbe ober einem anbeTen Sterne wäre, mir einbilben könnte,

immer nod) im unbeweglichen ©ittelpunkte ber ©eit 3U ftef)cn, unb


bafj es ben ©nfdjein haben könnte, bie gan3e Umgebung brehe fid)

um mich, obgleich fid) ber 3ufammenhängenbe Äörper, auf bem ich

«tortano Bruno ®6. III


QJ

Digitized by Google
mid) befänbe, felber um fein eigenes 3entrum breljen mürbe. Du fiehft
at|o, mie roenig id) ber Unterfd)iebe 3 roifd)en 3feft{te^enbem unb Se*
roeglichem geroifj bin. ©as aber bic gerablinige Seroegung betrifft,

Don berDu fpridjft, fo feljen mir bod) fid>erli<^ biefenKörper fi(±) ebenfo«
menig in gerabliniger Wd)tung beroegen, mie bie Sterne. Die (Erbe,

roenn fie fid) beroegt, beroegt fid) auf einer Kreisbahn, mie bie (Be*
ftirne, roas fjegefias, 'piato unb alle ©eifen behaupten unb 91 riftote*

les äugeben mufj , unb alles , roas mir hier auf (Erben auf unb ab*
fteigen feljen, ift ja nid)t il)r gan3 et ffilobus, fonbern finb blofe getoiffe

leile besjelben, beren Seiner fid) über bie 3one hinaus entfernt, roeldje
bie leile unb ©lieber biefes ©lobus abfchüejjt, in roeldjem, mie in
einem Organismus ein geroiffer Kreislauf bes Stoffes ftattfinbet unb
allmählicher ©anbei unb ©rneuerung. ©enn alles biefes auf ben
Sternen ebenfo ift, fo brauet es bod) für uns nid)t roafyrnetjmbar 3 U

fein. Die Spannungen ber Dämpfe, bie 9lusbünftungen, bie ©ffebte

ber ©inbe, Kegen, Sdjnec, ©litj unb Donner, $rud)tbarSeit unb Un*
frud)tbarSeit, Überfdjroemmungen, Dürren, ©eborenmerben unb Ster*
ben, Sonnen aud), menn fie auf anberen Sternen ftattfinben, für uns
bod) unmöglich roaf)rnehmbar fein; fonbern jene finb uns nur burd)
ben beftänbigen Stimmer fid)tbar ,
ben bie Oberfläche ihrer fjreuers*
glut ober ihres ©affers ober ihrer ©olSen burd) bes Raumes ©ei»
ten ftrahlt; ebenfo mie biefer Stern jenen, bie auf ben anberen roohnen,

burd> ben ffilan 3 ,


ben bie Oberflädje unferer ©eere unb oft aud) ber
Schimmer unferer ©olSenhülle ausftrahlt, fid)tbar fein Sann; mie
aus bemfelben ©runbe auch bes ©onbes bunSle, erbige leite uns
roeniger bunSel erfcheinen unb fein 9lngefid)t fid) uns unoeränbert
3 eigt, ba es nur im Verlauf fehr grofjer 3eiträume unb oieler 3 ahr*
hunberte, mie fie erforbertid) finb, um ©eere in Kontinente unb Kon*
107
tinente in 2Reere um 3 uroanbeln, fid) änbert . Diefer ©eltSörper alfo
unb jene finb ficf)tbar nur burch bas ßid)t, bas fie ausftrahlen. Unb
bas 2id)t, roelches fid) oon biefer ©rbe 3U anberen Sternen ergießt,

98

Digitized by Googl
ift nid)t roeniger beftänbig unb unoeränberlid), als jenes ber it)r äfjn*

licken ©efthme; unb fo roie für uns jebe grabtinige Beroegung unb
Betänberung auf jenen unbemerklid) ift, ift es aud) für jene jebe an»
bere Bewegung unb Beränberung, bie auf biefem SBeltkörper ftatt*

finbet; unb toie, roenn man oon ber (Erbe aus ben Btonb, ber felbft

roieber eine Slrt (Erbe ift, beobachtet, ein3elne feiner leite mehr, an«
bere roeniger tjclt erfd)einen , fo roerben Dom Btonbe aus gefet)en bie

Derfd)iebenen Kontinente unb Bteere ber (Erbe ,


bie felbft roieber eine

Slrt Btonb ift, burd) bie Btannigfattigkeit unb Unterfd)ieblid)keit itjrer

©eftaltung unb Oberflädje erkennbar fein. Unb roie, roenn ber Btonb
fid) roeiter oon uns entfernte ,
bie 'Durdjmeffer feiner bunklen leite
fd)liehlid) oerfdjroinben, biefelben leite aber fid) Bereinigen unb 3U»
fammen3iet)en roürben in ein Bilb eines Meinen unb oöllig teuften«
ben Körpers, genau fo roürbe auch bie (Erbe, roenn fie fid) roeiter oom
Btonbe entfernte, oon bort erfdjeinen. Danach können roir annehmen,
bah unter ben un3ät)ligen Sternen ebenfoniete Btonbe, ebenfooiele

(Erbkugeln, ebenfooiele biefem ähnliche ©eltkörper finb, für bie es


ebenfo ben 2lnfd)ein hat, als ob biefe (Erbe fid) um fie beroege, roie

jene um biefe (Erbe fid) 3U bretjen unb 3U kreifen fd)einen. SBarum


atfo follen roir behaupten, bah ein roefenttidjer Unterfd)ieb 3roifdjen

biefem unb jenen Körpern beftehe, roenn roir überall nur Analogie

roahmehmen? SBarum roolten roir leugnen, bah biefe Sinologie be>

ftef)t, roenn gar kein ©runb unb gar keine SBahrnetjmung uns oer«

antaht, baran 3U 3toeifeln?


Burdjio: So hattet 3 f)r es benn für beroiefen, bah bie Stoffe jener
108
Körper oon benen auf biefem hier nicht oerfdjieben finb?

Jracaftorio: -Öch meine, es ift genügenb beroiefen benn roas ;


man
an biefem Körper oon bort aus fefjen kann, kann man an jenen auch

oon hier aus fet)en, unb umgekehrt, b. h- als ein kleiner Körper, je

nach Berhättnis ber (Entfernung in gröberem Blähe leud)tenb 3eigt


[ich biefer fo gut roie jene.

r*
QQ

Digitized by Google
Durd)io: ©o bleibt bann unfere fdjöne Orbnung, biefc fdjöne Stu«

fenleiter ber Datur, auf bet man emporfteigt Dom bidjteften unb folibe«

ften Stoff, ber (Erbe, 30m toeniger bitten, bem ©affer, 3um feinen,
bem Dampf, 3um feineren, ber reinen Cuft, 3um feinften, bem fjeuer,
3um göttlichen Stoff, bem l)immlifd)en? Dom bunklen 3um toeniger
bunklen, 3um hellen, 3um helleren, 3um hellften? Dom finfteren 3um
Iicf)tcften, oom oeränberlichen unb oergänglid)en 3U bem, ber über jebe
Deränberung unb 3 erftörung erhaben ift? Dom fchroerften 3um fdjtoe»
ren, oon biefem 3U leisten, oom leisten 3um lei«hteften, oon biefem

3U bem, ber toeber fdjtoer nod) leicht ift? Don bem, ber fi<h 3um Mit»

telpunkt hin bewegt, 3U bem, ber fid) oom Mittelpunkte hinweg betoegt,
unb oon biefem 3U bem, ber fid) um ben Mittelpunkt herum beroegt ?

3rraca|torio: 3 h r toollt toiffen, wo biefe Orbnung bleibt? ©0


bleiben bie Träume, bie ‘Phantasmen, bie (Chimären, bie Albernheiten?
Denn toas bie Deroegung betrifft, fo hat alles, toas fid) oon Datur
betoegt, eine Preisbewegung, fei es um fein eigenes, fei es um ein

anberes 3 entrum, eine Preisbewegung meine id), nicht fofern ich ben
Preis ejakt unb ftreng geometrifd) nehme, fonbern nad) ber Degel,
nad) toelcher toir bie Daturkörper phgfifd) ihre Örter toechfeln fehen.
(Berablintge Deroegung ift keinem Jrjauptkörper eigentümlich aber
natürlich, kommt Dielmehr nur an Teilen oor, bie gleid)fam Ausfon«
berungen finb, toeId)e oon ben ©eltkörpern ausftrömen ober auch 3U
ben ihnen oerroanbten Sphären unb 3 ufammenjet)ungen hinftrömen,
toie toir es beim ©affer beobachten können, bas oon ber ©arme 3ur
Dampfform oerfeinert in bie f)öl)e fteigt unb toieberum, oon ber Pälte
3ur ©afferform oerbidjtet, 3ur liefe fällt, (Beferen folgenb, bie roir
gehörigen Orts, toenn toir oon ber Deroegung im befonberen hanbeln
toerben, auseinanberfehen toollen. ©as bie (Einteilung ber Dier (Eie*

mente anlangt, bie man als (Erbe, ©affer, Cuft unb ffreuer be3eid)net,

fo möchte id) toiffen, weld>e Aatur, toelche Punft, roelche ©ahrnehmung


fie fd)afft, betoährt unb auftoeift?

100

Digitized by Google
'

'
Burd)io: Hllfo leugnet 3 l)r biefe berühmte ilnterfdjeibung ber ©le*
mente?

Jracaftorio: 3 d) leugne nid)t biellnterfdjeibung; id) überlaffe es

jebem, an ben Baturbingen 3U unter Jcfjeiben ,


roas if)m beliebt; aber
id) leugne biefe Rangfolge, biefe Hlnorbnung, b. f). bafo bie (Erbe oom
ffiaffer umgeben unb bebedtt fei, bas HBaffer oon ber ßuft, bie ßuft
oom Jeuer, bas Jeuer oom £intmel. Denn id) behaupte: eins ift bas
Umfaffenbe unb Umfangenbe all biefer HBeltkörper unb grofjen Bla«
feinen, bie mir in biefem unermefjlidjen ©efilbe 3erftreut fefjen, unb
febcr biefer Äörper, febes biefer ffieftirne, jebe biefer HBelten ift aus
bem, roas man l)ier (Erbe, fflaffer, ßuft unb Jeuer nennt, 3ufammen»
gefegt; nur bafj fie, fofernin ber Hirt iljrer 3ufammenfei3ung bas Jener
überroiegt, Sonnen tjeifjen unb eigenes fii<f)t ausftraf)len, fofern aber

bas HBaffer oorroiegt, (Erben, Btonbe ober äljnlidje ©eftirne finb, bie
oon ben Sonnen ifyr ßid)t empfangen. Hluf biefen Sternen alfo ober
©eltkugeln ,
roie rohr fie lieber nennen roollen ,
finb oerfdpebenartige

leile oon mannigfadjfter 3 u amme nfe^ung


f
nad) ßage unb ©eftalt,
Orelfen, Seen, Jlüffe, Quellen, ©leere, Sanbroüften, ©letalle, Syötj’

len, Berge, ©benen ufro. ebenfo untereinanber georbnet, roie bei ben
Vieren bie heterogenen leile mit ben oerfdjiebenen unb mannigfaltigen
Äomplerionen oon Änodjen, ©ingeroeibe, Benen, Hlrterien, Jleifd),

Hteroen , ßungen 3U Organen unb ©liebmajjen non biefer unb jener


©eftalt, bie aud) fo3ufagen if)re Berge unb läler, if>re Sd)Iud)ten,

ihre ©eroäffer, ilpre befonberen ßebensgeifter unb ifjrc HBärme befitjen,

mit gan3 äl)nlid)en Borhommniffen unb ©mpf inbungen für alle meteor 0«
logifdjen ©inflüffe, als 3. B. £atarrt)e, Hlusfd)lag, Steinbilbungen,
Sdjroinbel, Jieber, ©nt3Ünbungen unb un3af)ligen Dispofitionen unb
(Empfinbungen, bie ben Bebein, bem Begen unb Sd)nee, ben Dürren,
ben Blitjen, Donnerroettern unb ©rbbeben im großen Äörper ent*
fpred>en. B3 enn alfo bie (Erbe unb bie anberen HBeltkörper nid)t minber
Ceberoefen finb ,
als bie oon uns geroötjnlid) bafür anerkannten , fo

101

Digitized by Google
finb fic {ebenfalls CebetDefen oon toeit größerer unb oollhommener
Vernunft. ©ie toill übrigens ©rijtoteles ober toer fonft betoeifen,
bie ßuft befinbe fid) nur über ber (Erbe unb nid)t innerhalb berfelben,

toenn bod) bein Seil ber (Erbe gan3 unburd)bringlich unb gan3 ohne
‘Poren ift, toas oielleid)t fd)on bie eilten meinten, toenn fie oom Ceeren
behaupteten, bah es ebenfo alles äufjerlid) umfdjliehe, toie es innerlich
in bas ©olle hineinbringe? Ober bönnt Ohr ®u<h benben, bie (Erbe
befitje ihre ©ichtigbeit unb £ot)äfion ohne bie fleuch tigbeit, toelc^e fie

3ufammenblebt unb Bereinigt? ©ie bßnnt Ohr annehmen, bie (Erbe fei

gegen ihren ©ittelpunbt hin fernerer, ohne 3ugleid) 3U3ugeben, bah


bort au<h ihre Ieild)en bitter unb enger 3ufammenhängen, roeld)e
©id)tigbeit hoch ohne ©affer, bas allein fähig, Seile mit Seilen 3U
agglutinieren, unmöglich ift? ©er fieht benn nicht, bah überall auf ber
(Erbe bie Onfeln unb ‘Berge aus bem ©affer heroorragen unb nidjt

allein höher finb als bas ©affer, fonbem auch höher als bie bunftige
ßuft, bah ©emitter non hohen ©ergen eingefd)loffen inerben, alfo mit

3umOnnern ber (Erbe 3ählen, toenn biefe als ein nollbommen fphärifd)er
fiörper angefehen roirb ? (Es ift alfo blar, bah öas ©affer nid)t minber
bie (Eingetoeibe ber (Erbe burd)fpült, toie bas ©lut unb ähnliche ftlüffig«

beiten bie unfrigen. ©er mühte nicht, bah bie #auptanfammlungen


bes ©affers gerabc in ben tiefften Schluchten unb Höhlungen ber (Erbe
finb? Unb toenn ©u mir fagft, bas©afjer ftröme bod) über ben©eeres»
hoben unb ben Stranb, fo entgegne ich, bah bies ja beinestoegs bie

oberften Seile bes (Erbbörpers finb , bah nielmehr alles ,


roas tiefer
als bie f)öd)ften ©ergbuppen liegt, fdjon 3U ihrem Onneren gerechnet
merben muh- ©an bann fid) bie Ulatur folgen ©affers an ben feinften
Stopfen oeranfchaulidjen, roelche auf einer 3rläd)e hängen unb ftehen
bleiben; benn bie innerfte Seele, bie alles umfafjt unb in allem ift,

mirbt je nad) ber 3räf)tgbeit ber Stoffe bahin, bie Seile, foDiel fie bann,
3U einigen; bie ©nficht, bas ©affer fei nur über ber (Erbe unb bönnte
nur bort fein, ift nicht minber unnatürlich, fl ls bie, bie <Jeud)tigbeiten

102

Digitized by Googl
unb jjlüffigheiten unferes ßeibes feien nur auf feiner Oberfläche. (Br*

fdjeinen nid)t aud) bie großen ©afferfläd)en nad) ber Witte 3U f)öt)er

als an ben Santen ber ©eftabe unb als alle Orte, bie foldje Ulnfamm*
lungen oon 2Baffer umgeben? ©eroijj, roenn bie trodtenen leite fid)

oon felbft einigen könnten, mürben fie es tun, roie fie fid) benn aud)
augenfcfjeinlid) Jptjärifd) geftalten unb 3ujammenballen ,
fobalb fie es
burd) Bermittlung bes ©affers oermögen; alle Sof)äfion unb jegliche

Dichtigkeit ber leiteten alfo, bie fid) am Trockenen finbet, ift nur bem
©affer 3U oerbanken, ©enn alfo im Dnnetn ber ©rbe ©affer ift unb
es keinen Teil ber ©rbe gibt, ber unter fid) 3ufammenl)ängt unb Did)*
tigkeit t)at, ber nid)t mef)r ©affer als Trockenes enthielte, — benn
je biester etroas ift ,
um fo inniger ift es 3ufammengefügt unb um fo

meljr l)errfd)t in it)m bas ©lement oor, roeldjes allein bie Äofjäfion be-

wirkt — ,
euer toürbe ba nid)t lieber 3ugeben toollen, bafj bas ©affer
bie ©runblage ber ©rbe ift, als bafj bie ©rbe ben Untergrunb bes
XBaffers bilbe ? 1)06 jene auf biefes unb nid)t biefes auf jene begrünbet
fei? ©ir toollen baoon abfefjen, bafj bie Tiefe bes über ber ©rbober*
fläd)e befinblidjen ffiaffers roeber grof) genug fein kann nod) ift, um
überhaupt mit ber gan3en ©affe bes ©affers biefer Sphäre oerglid)en
©erben 3U bürfen; unb felbft biefes ©affer ift ja nid)t eigentlid) ober*

fjalb ber ©rbe, roie bie Oberflächlichkeit meint, fonbern im Onnern


berfelben, toas, oon ber ©aljrljeit genötigt ober oielleidjt, toeil er es

fo oon ben alten *pi)ilofopl)en l)er geroohnt toar, *11 riftoteles felber in

feinem erften ©udje über ©eteorologie einräumt, roenn er 3ugibt, bafj

bie beiben tief ften ^Regionen ber ©mofpf)äre toinbig unb unruhig finb,
getrennt unb abgefdjloffen burd) hofje ©ebirgs3Üge unb gleidjfam Teile
unb ©lieber ber ©rbe, toeld)e oon immer ruhiger, Weiterer unb klarer
Cuft umhüllt fei, too man ftets bie Sterne leudjten fef)e unb oon too aus
man bie ©efamtheit ber ©inbe, ©olken unb Ulebel in 3rlut unb ©bbe
in ber Tiefe erblicken mürbe, mie fie ben lebenbigen ©em unb ‘puls*
fd)lag biefes geroaltigen ßeberoefens bilben, biefer ©ottljeit, welche mir

103

Digitized by Google

(Erbe ßeißen; bie Dieter nannten fie (Ceres, 3 fis, ‘Projerpina ober
(Diana ,
(Kamen ,
bte gleichermaßen aucß rooßl ber ßucina broben am
£immel gegeben rourben, um bamit an3ubeuten, baß bie (Jlatur jener

oon berjenigen biejer hier brunten nicht eben oerfcßieben jei. (Du jiehjt

aljo, roie roeit jelbjt (Dein guter fjomer, toenn er einmal nicht fchläft,

baoon entfernt ift, ju behaupten, ber natürliche Siß bes (ZBafjers jei

über unb um bie (Erbe, b. ß. bort, 100 ficß roeber ÜBinbe noch (Regen

nod) dBoIlten finben. Unb toenn er biefes genauer bebaeßt hätte, jo

mürbe er aucß eingejeßen haben, baß jelbjt bie SCRitte biefes UBeltliörpers,
roofem es bie ©litte ber Scßroerkraft ift, eßer flüjjig als trodten fein
muß ;
benn bie Scßroere ber (Erbteitcßen ßängt roefentlicß baoon ab,
baß jie ftarh mit dßafjer untermifeßt jinb ; erft bas ffiajjer oerleißt

ißnen ben 3ug unb bas ©emießt naeß unten, jo baß fie bureß bie ßuft
ßer abfiniten unb bas bem IDafjer eigentümliche ©ebiet er jtreben. (EDelcßer .

regelrechte (Berftanb ,
melcße roaßre (Unfcßauung bann jicß aljo mit

biejer Scßeibung unb (Hnorbnung ber (Elemente befreunben, roie fie bie

oerblenbete unb jeßmußige ÜJtenge annimmt unb roie jie oon foteßen,

bie oßne Überlegung in ben lag ßineinreben, oiele dßortemaeßen unb


roenig benlten, geprebigt roirb? ©3 er roirb ferner behaupten mögen,
es jei meßt eine Beßre ber (JBaßrßeit, jonbern, — toenn es oorgebraeßt
roirb oon einem ÜJtanne oßne Autorität, ein ffiegenjtanb 3untßacßen,

roenn es berießtet roirb oon feiten einer gefcßäßten unb berüßmten


(Perjonlicßbeit, ein bloßes ÜJhjfterium ober eine 'Parabel, unb nur
metapßorifcß auf3uf ajjen ,
— roenn es oon einem ÜJtanne behauptet
roirb, ber meßr (Berftanb unb ©enie als Autorität befißt, ein geiftreießes

‘Paraboj on, — roenn ‘Plato naeß bem (Borgange bes limaeus, 'Pqtßa*
goras unb anberer leßrt:

„ÜBir rooßnen im bunklen Onnern ber (Erbe unb ßaben im (Ber*


gleicß 3U ben dBejen ,
roeteße über ber (Erbe roeilen, nießt oiel meßr
(Berftanb unb ©rfaßrung, als bie ftifeße im (Bergleicß 3U uns."
(Denn roie biefe in einem bießteren unb feueßteren ÜJtebium leben

104

Digitized by Google
als mir, fo leben mir in einer bunftigeren ßuft als jene, roeldje in ben
reineren ßüften unb eroig ruhigen fiteren Legionen roohnen; unb
mie ber D3ean im 'Dergleid) 3ur Cuft nur trübes IBaffer ift, fo oerhält

fid) unjere bicke ßuftfd)id)t 3U jener wahrhaft reinen. 2Bas man aus
oorftef)enbem fd)ließen joll, ift folgenbes : “Das ©teer, bie Berge, bie
Reifen unb bie Cuft, meldje oon ber ©tittelregion, mie man fie nennt,
umfd)loffen roirb, bilben nur ungleichartige Teile unb ©liebmaßen eines
unb besjelben Körpers, einer unb berfelben Blaffe, gan3 analog ben
Teilen unb ©liebmaßen ber organifierten ©efdjöpfe, bie mir allgemein
als foldje erkennen ;
feine Sphäre unb Außenfläche mirb oon ben
höchften Berggipfeln unb ber nom AJinbe bemegten Cuft be3eichnet,
fo baß bie 03eane unb Jlüffe nicht roeniger 3U feinen ©ingeroeiben ge»
hören, als 3U ben unfrigen bas fjer3, bas oielfad) für eine Quelle bes
Bluts gehalten roirb, unb bie Arterien unb Benen, bie fid) oon ißm
aus oer3roeigen.

Burdjio: Alfo roäre bie ©rbe nicht bas fdjroerfte ©lement unb
bilbete nicht bie ©litte, fo baß über itjr als 3roeitfd)roeres ©lement bas

AJaffer unb über biefem als roeniger ferneres bie Cuft rangierte?

JJracaftorio: A3 enn Bu Schroere unb ßeid)tigkeit eines Stoffes


abfd)ätjeft nach feiner größeren Süßigkeit, bie ©oren 3U burcßbringen,
um 3ur Tiefe unb 3ur ©litte 3U gelangen besro. um oon ber ©litte

f ort3uftrömen, fo muß id) behaupten, bie ßuft fei 3ugleicf) bas fchroerfte

unb bas leichtefte oon allen biefen fogenannten ©lementen. Beim roie

jeber Teil ber ©rbe, fobalb fid) Baum für ihn bietet, nach ihrem ©littet*
punkt hinabftrebt, fo ftreben aud) bie Teile ber ßuft ber ©litte 3U,

unb 3roar biefe oiel fd)leuniger, als irgenb ein Stoffliches, ba es 3ur

©igenfchaft ber ßuft gehört, überall fid) aus3ubet)nen, um jebe ßeere

3u oerhinbern unb 3U füllen. ©id)t fo fd)nell ftreben bie Teile ber ©rbe
nach, roelche Jid> geroöhnlich nur foroeit beroegen, als fie bie ßuft burd)*

bringen; bamit aber ßuft einbringe, braucht roeber ©rbe noch AJaffer

noch Seuer oorhanben 3U fein, keines biefer ©lemente übcrtrifft bie ßuft

105

Digitized by Google
an ‘Promptheit, Schnelligkeit unb Fähigkeit, bie ßücken unb ‘Poren
eines Äörpers ausjufüllen. SBo man (Erbe, bie fefter Stoff ift, ent*

fernt, roirb ftets ßuft fein, bie ihren ‘piatj einnimmt ; nicht fo tauglich

ift (Erbe, ben ‘piatj ber ßuft entnehmen, bie fi<h entfernt. 5)0 aljo

ber ßuft es befonbers eigentümlich ift, fid> 3U betoegen unb in jeben


Daum unb Ort einjubringen, ift kein Stoff leister, aber au<h keiner

fd)toerer als bie ßuft.

S3urd)io: Unb toas toillft Du oom SBaffer jagen?


3fracaftorio: Dom SBaffer hab’ ich gefprod)en, unb id) toieberhole

nur, bah es fdjtoerer ift. ols bie (Erbe, ba mir fehen, bah cs mit gröberer
(Energie herabjinkt unb einfickert ; auch ^irb alles Irochene an unb
für fi<h unb ohne Deimifdjung oon SBaffer auf bem SBaffer fchtoimmen
unb unfähig fein, einjufinken; es finkt nicht eher ein, als bis es oom
SBaffer burd)tränkt ift unb {ich 3 u einer SJtajfe unb einem fiörper mit
ihm Derbid)tet hat; baburch erft erlangt es bie Dichtigkeit unb SJtaffig*

keit, um in bas SBaffer ein 3 ujinken. Das SBaffer bagegen bebarf bes
Irodmen nicht, um 3 U finken, es häuft unb oerbichtet fid) unb oer*
hoppelt bie Strahl feiner kleinften Ieild)en, faugt bas Irockene auf
unb oereinigt es ,
toie mir baraus erfehen , bah ein ©efäh mit doII*

kommen trockener 5lfd)e mehr 2Baffer aufnimmt ,


als ein anberes ,
in

bem nichts ift. Das Irockene alfo als Irockenes bleibt oben unb
fchroimmt auf bem SBaffer.

53urd)io: (Erklärt mir bas beutlidjer!


Jracaftorio : 3d) toieberhole: SBenn fid) alle Jlüffigkeit aus ber
(Erbe entfernte, toenn fie oollkommen trocken toürbe, toürbe fi<h als
nottoenbige fjfolge ergeben, bah f*
e ein (ehr unhaltbarer Äörper toürbe,
fie toürbe Diffe bekommen ,
fid) leicht auflöfen unb in ber ßuft 3 er*
109
(treuen in 3rorm 3 al)llojer unoerbunbenet Staubteilchen . Das, toas
an unb für fid) ein Kontinuum bilbet, ift ßuft, bas, toas burd) £ol)ä*
ren 3 ein Äontinuum fchaff t, SBaffer, fei bas oon ihm 3ufammengehaltene,
toas es toolle, kohärent unb feft, balb bas eine, halb bas anbere, halb

106

Digitized by Google
3 ufammengefet}t aus bem einem unb bem anbern. QBenn nun Sdjroere
nichts anberes ift als Äoljärenj unb <
Did)tigfeeit ber Ieild)en, bie Deil*
d)en ber (Erbe aber nur burd) 3Ba[|er kohärent finb ,
ba bie leildjen

bes Blaffers fid) roie bie ber 2uft leicht oereinen unb mehr Äraft be»

fitjen, als irgenb ettoas [on(t, bas nid)t etroa eine befonbere firaft

hat, bie üeildjen anberer Stoffe 3 ufammen 3 ufd)liehen , fo ergibt fid),

bah im Derljältnis 3U anberen Stoffen, bie ja erft burd) basfelbe


Dichtigkeit unb (Betriebt erlangen ,
bas tEDaffcr in erfter ßinie fd)toer
110
ift . Diejenigen alfo jinb nid)t für bumm, fonbern für jet)r roeife 3 U

erachten ,
roeldje gefagt haben, „bie (Erbe fei auf ben Blaffern ge»
grünbet".
Burd)io: 2Bir möchten bod) behaupten, baf) im Dlittelpunktimmer
bie (Erbe an 3 unef)men ift, roas fo oiele t)öd)ft gelehrte Blänner gefolgert
haben.
tJracaftorio: Unb roas bie Dummheit beftätigt.

Burd)io: Blas fagft Du ba oon Dummheit?


5racaftorio:3d) fage, ba{j Deine Behauptung roeber oom Denken
no<h oon ber (Erfahrung beftätigt roirb.

Burthio: Sehen roir benn nicht, bah fjflut unb (Ebbe ber IReere
unb ber Strom ber ftlüffe über bie Oberfläche ber (Erbe geht ?
«Jracaftorio: Sehen roir nidjt, bah bie Quellen, bie Urfprünge ber
fjlüffe, Seen unb Bleere (ich im Onnern ber (Erbe befinben unb baß fie

ni<ht aus bem 3nnern heraustreten ,


roenn 3hr überhaupt begriffen
habt, roas id) fo oft gefagt habe ?
Burdjio: Blir fehen, bah bas Blaffer 3 uerft aus ber 2uft herab*
kommt, unb bah biefes Blaffer bie Quellen bilbet.

3rracaftorio: Blir roiffen, bah bas 2Baffer, roeldjcs aus anberen


ßuftregionen herabkommt, als biejenigen, bie roir noch 3 U ben Binnen*
teilen ber (Erbe rechnen ,
anfänglich ,
urfprünglid) unb roefentlid) aus
ber (Erbe ftammt, unb nur abgeleitetermahen ,
fekunbär unb teilroeife

hn ßuftraum ift.

107

Digitized by Google
!

Burdjio: 3d) toeife, bajj 'Du barauf beftet)ft, bic roirklid)e Ober*
flädje ber (Erbbugel roerbe ni«±)t oon bem Bteeresfpiegel, fonbern oon
ben I)öd)ften Berggipfeln unb ben bie|en gleid)ftel>enben ßuftfd)id)ten
gebilbet.

ftracaftorio: Bas bejaht unb beftätigt ja jelbft (Euer „jjürft


111
ber BJiffenfdjaft ", Briftoteles!

B u r d) i o Bief er unfer Jürft


: ift jebenf alls unoergleidjltd) berühmter
unb toürbiger, als ber (Eurige, ben kennen 3 U lernen unb 3 U fel)en man
nod) nid)t bie (El)re gehabt fjat. (Eud) mag bat)er ber (Eurige gefallen,

|o fel)r man null, mir mißfallt ber meinige nid)t.

ftracaftorio: Bud) wenn er (Eud) in junger unb Äälte oerkommen


läfjt, aud) raenn er (Eud) mit ßuft jpeift unb barfuß unb nadienb
geljen lä&t?

tjriloteo: Btit (Erlaubnis, cerrennt ®ud) nid)t in foldjes unnütjes


unb eitles ®erebe
2fracafterio: Ber 3 eif)ung! Blas meint 3f)r benn, Burd)io, 3U
allem, roas 3l)r gehört f>abt?

Burdjio: 3d) meine, es fei, tcas es roolle, am (Enbe mujj man bod)
feljen ,
tcas bie Btitte biefer Blaffe, biefes beines Sternes, biefes
beines „ßebetoefens" bilbet. Benn tnenn bort nichts als (Erbe ift, fo

ift bod) bie geroöf)nlid)e Brt, bie (Elemente an 3 uorbnen, nict)t unrichtig.

fjfracaftorio: 3d) fjabe bargelegt unb beroiefen, bafj bafelbftcer«


nünftigertoeife efyer ßuft unb Blaffer, als (Erbe an 3 unel)men ift, (Erbe

tcenigftens toirb bort ol)ne Beimifdjung non «Jeudjtigheit, bie fdjliefj*

lid) alfo ü)re ®runblage abgibt, nid)t fein können; benn mir fef)en, bafj

bie B5afferteild)en mächtiger ins (Erbige einbringen, als umgekehrt

(Erbe ins Blaffer. Blfo ift toaI>rfd)cinlid), ja notroenbig, bafj im 3nnern


ber ®rbe Blaffer ift, bafj bie (Erbe fid> in ben (Eingeioeiben eines Blaffer*
körpers befinbet.
B u r d) i 0 : Blas Ijältft Bu benn con bem Blaffer, bas über ber (Erbe
ftrömt ?

108

Digitized by Google
5r a c a ft or i o :
Jebennann bann fefjcn, bah bies nur eine wohltätige
Holge bes ©affers felber ift; nadjbem es bic (Erbe »erbittet unb burcf)

Derbinbung ihrer Icildjcn feft gemacht hat, ift biefclbc fo mit JBaffer

gefättigt, bah fie keine toeiteren Maffermaffen met)r abforbicren kann;

fonft mürben aud) biefe nod), roie uns allgemeine (Erfahrung Ict)rt, in

bie liefe bes trockenen Stoffes tjerabficbem. Ulotroenbig muh im


Mittelpunkt ber (Erbe Maffer fein ,
bamit berfelbe bie Heftigkeit unb
Äof)äfion befitjt, bie nicht bem trockenen, fonbern bem flüffigen 2lggre»
ns unb oerbinbet unb
gatjuftanb eignet. Höffigkeit eint bie leildjen

muh alfo eher bie Dichtigkeit bes trockenen (Elements bebingen ,


als

baf) umgekehrt trockene Subftangen bie Äoljäfion unb Dichtigkeit bes

Hlüffigen betoirken könnten. SBillft Du alfo ben Mittelpunkt bes (Erb»


hörpers nicht etroa für eine Mifdjung oon Irockenem unb ßrlüfftgem
halten, fo ift es toahrfcheinlicher unb ber (Erfahrung unb bem Denken
konformer anjunehmen, baf} er flüffig ift unb nicht trocken. 9lud) toenn

ber Äörper in ber Mitte bid)ter fein foll, hat nian eher ©runb anju«
nehmen , bah bas (Element bes Maffers bort überroiegt ;
benn biefes
(Element ift es allein, roas Dichtigkeit ber leile roirkt, roährenb bas
entgegengefetjte, Heuer unb SBärme, auflöft ;
— ich meine alfo . baf}

Dichtigkeit nicht bem (Elemente bes Heuers, welches oon feinem ©egen»
fat} aufgelöft wirb, eigentümlich ift, fonbern, bah Oeglidjes, je bid)ter
unb fernerer es ift, um fo mehr teil hat am (Elemente bes TOaffers.
Mir muffen alfo annehmen, bah bie bichteften Stoffe, bie mir kennen,
nicht nur mehr teil haben am Mafferelemente, fonbern fogar bemMefen
nad) 2Baffer finb ,
toas fid) an ber Sinterbarkeit ber fd)roerften unb
1 ia
bichteften Metalle geigt. Unb in ber lat finbet fid) ,
bah * n jebem
feften Stoffe, ber kohärente Deile hat, biefe Deile, unb 3 toar, je fefter

er ift, um fo mehr bie kleinften Ieild)en ber SRatur burch tJlüffigkeit

oerbunben finb , roährenb oollkommen trocken nur bas ift ,


roas oom
Hlüffigen gänglid) entleert, ftd> in Monte auflöft unb roeit 3 erftreut.

Jlüffige Teilchen haben unter fi<h ßajammenhang ohne trockene,


trockene aber haben ohne Jlüjfigkeit keinen 3ufammenhang. ©enn
alfo ber ©ittelpunkt bemjenigen (Elemente 3ukäme, bas mit größtem
Iriebe unb größter Schnelligkeit bahin ftrömt, fo mürbe er in erfter

ßinie bem luftförmigen 3ukommen, bas alles erfüllt, banaef) bem


flüffigen, in britter ßinie erft bem trockenen, ©enn man bem
ihn
fd)roerften, bichteften unb fefteften (Element 3ufprid>t ,
(o mürbe man
bort in erfter ßinie bas flüffige, bann bas luftförmige unb erft 3U
britt roieberum bas trockene (erbige) 3U fud)en haben, ©enn mir uns
aber Irockenes mit ffrlüffigem oerbunben benken, fo mürbe ber ©it*
telpunkt 3unä<hft bem (Element bes fjeften, banach bem 3flüffigen unb
an britter Stelle bem ßuftigen eignen. Sonach ®kb &> c SKitte aus
mehreren oerfdjiebenen ©rünben oerfeßiebenen dementen gehören; in
ber ©atur unb ©irklid)keit finbet {ich nirgenb ein (Element ohne bas
anbere, unb es gibt kein ©lieb bes (Erbkörpers, ich meine biefes großen
Organismus, in bem nicht alle oier ober roenigftens brei oon ihnen
oorhanben mären.
©urd)io: ©un kommt enblid) 3um Schluß!
ftracaftorio: ©as ich fdjließcn roill, ift biefes: baß bie famofege*
meine ^Reihenfolge ber demente unb ©eltkörper ein nichtiger Iraum
unb eine leere *pt)antafie ift, meber beftätigt oon ber ©atur, noch
roeisbar burch bie ©ernunft, meber möglich noch ftatthaft. ©s genügt,
3u roiffen, baß es ein unermeßliches ©efilbe, einen 3ufammenhängen»
ben ©aum gibt, ber alles in {ich h c 9t un b trägt, ber alles burchbringt.
3 n bemfelben finb 3al)lIofe biefer ©eit ähnliche ©eltkörper, oon benen
ber eine nicht mehr in ber ©itte bes Unioerfums ift, als ber anbere.
Denn als unenbHd)es 2111 ift es ohne 3 entrum unb Umfang; bas finb

©esiehungen bloß für jeben ber ein3elnen ©eltkörper, bie in ißm finb,

in ber ©eife, roie id) es 3U roieberholten ©alen erklärt habe, befon«


bers ba, roo mir 3eigten, es gebe geroiffe beftimmte ©ittelpunktc,
nämlich Sonnen, 3 en kalfeuer, um bie alle ihre 'Planeten, (Erben,
©afferroelten kreifen fo roie mir um biefe uns nachbarliche Sonne
,

110

Digitized by Google
fieben ©anbeljterne marfcßieren jeßen; gleichermaßen haben mir ge*
3eigt, baß jeber bie|er Sterne ober ffieltkörper, inbem er ji<h um Jein

eigenes Zentrum bref)t, feinen ©erooßnern ben^Infcßein einer feften JtiH»

fteßenben ©eit Derurjacßt, bie alle anberen ©ejtirne um if)r eigenes

3entrum, toie um bas 3 entrum ber ©eit im beftänbigen Umfcßroung


breßt. Jjiernacß gibt es nid)t eine einige ©eit, eine einzige (Erbe, eine

einzige Sonne, Jonbern Jooiel ©eiten, als toir leucßtenbe Junhen über
uns Jel)en, bie alle ni<ßt meßr unb nid)t roeniger in bem einen fjhnmel,
bem einen 9IH*Umfajjer Jinb, als bieje ©eit, bie mir betooßnen. Der
Jrjimmel aljo ,
bas unermeßliche ©hernieer ,
objtoar ein leil bes un»
enblicßen ©Is, ijt er bo<ß meber eine ©eit nocß ein leil oon ©eiten,
Jonbern ber Scßoß, bas ffiefäß, bas ©efilbe, in meinem bieje leben

unb toeben, untereinanber in ©ecßfelroirkung treten, ißre ©erooßner,

©enfcßen unb liere äeugen unb ernähren unb mit ißren bejtimmten
Dispofitionen unb Orbnungen ber ßößeren Jiatur bienftbar Jinb ,
bas
©igejicßt bes (Einen Seienben in un3äßligen toechJelnben Jrägern bar»

Jtellenb. So ift aljo jebe biefer ©eiten ein ©ittelpunkt, an ben ji<h

jeber ihrer leile anfcßließt ,


3U bem jeglicher oenoanbte Äörper hin*
jtrebt, toie auch äie leile biejes ©eftims oon einer geroijjen ©ntfer«
nung aus unb oon allen Seiten unb ber gan3en umfajjenben ©egion
aus jid) auf Jeinen 3 ujamment)ang be3iehen. Unb ba es kein leil*
d)en gibt ,
bas oon bem großen Äörper ausftrömt , ohne oon neuem
burd) ein 3urückjtrömenbes erfeßt 3U roerben, muß es, jofern ich mich

nicßt taufte, obtDoßl es an ji<h auflöslich ift, bod) etoig jein, injocoeit

nämlich bie ©otroenbigkeit folcher ©roigkeit ißm Don ber ©orjeßung


unb bem äußeren (Erhalter ,
nicßt freilich aus eigenem, innerem ©er«
mögen 3ukommt. Doch hierauf ©erbe id) bei anberen ffielegenheiten
näßet unb mit beftimmteren ©rünben eingeßen.
©urcßio: So mären aljo aud) bie anberen ©eiten berooßnt roie

bieje?

Jracaftorio: ©enn nicßt gerabe Jo, unb roenn nicßt beffer, Jo bod)

111

Digitized by Google
!

{ebenfalls um nid)ts roeniger unb nid)ts frf)led)ter. (Denn unmöglich


hann ein oernünftiger unb einigermaßen geroecftter Berftanb fi<ß ein«

bilben, jene mqäßligen ©eiten, bie fid) entroeber ebenfo ober nod)

prächtiger be3eugen als biefe, bie entroeber Sonnen finb, ober benen
eine Sonne nid)t roeniger fjerrlidje unb befrucßtenbe Strahlen 3ufenbet,
bie bas (Blüdh ißres eigenen Quells baburd) an ben lag legen ,
baß
fie alle umfteßenben ©eiten burd) Jeilnaßme an feiner Äraft glücftlid)

mad)en, — baß, fage id), alle biefe ©eiten oon äßnlidjen ober befferen
©erooßnem beraubt feien. “Die 3af)lIofen unb roefentlicßen ©lieber bes
©Is finb alfo unbegren3t, oon berfelben ©tfi<ßt, bemfelben ©ifeßen,
benfelben Kräften unb ©irhungen.
©urcßio: 3ßr roollt 3roifcßen ben einen unb anberen gar Seine
Unterfdjiebe 3ugeben?

Jracaftorio: 3 ßr habt mehrmals geßört, baß bie einen felbft«

leucßtenb unb an fid) roarm finb ,


roeil in ißrer 3ufammenfeßung bas
(Element bes fjeuers oorßerrfcßt, unb baß bie anberen, roelcße an fid)

halt unb bunhel finb, in beren 3 ufammen[eßung bas (Element bes

©affers oorßerrfcßt, burd) (Teilnahme an ben Strahlen jener erroärmt


roerben unb roiberftraßlen, unb baß oon biefer Berfcßiebenßeit unb
biefem ©egenfaß bie Orbnung ,
bie Symmetrie ,
bie Aomplefion ber ,

^rieben, bie (Eintracht, bie 3 ufammenfeßung, bas Ceben abßängt. So


finb bie ©eiten aus ffiegenfäßen gemifcßt unb ber eine ffiegenjaß, näm»
ließ bie (Erben unb ©afferroelten ,
lebt unb roebt burd) ben anberen,

bie Sonnen unb fteuerroelten. «Dies, meine id), roollte ber fagen, roel«
<ßer behauptete, bas ffian3e befteße burd) ben Streit bes (Einträchtigen
114
unb bie Ciebe bes Streitenben.
©urcßio: 3Jtit folcßen Behauptungen roollt 3 ßr in ber ©eit bas
Unten nad) oben heßren
3rracaftorio: ©ürbe T>ir berjenige böfe 3U ßanbeln fcßeinen, ber
bie oerheßrte ©eit roiebet in bie richtige Cage bringt?
©urcßio: ©ollt 3 ßr 3unicßte macßen bie großen ©beiten, Stubien,

112

Digitized by Googl
Bnftrengungen 5er Bbhanblungen de physico auditu, 5er Büdjer
oom ifjimmel un5 5en QBelten, an benen ficf) |o grofje äommentatoren,
‘Paraphraften f
©loffatoren, Äompenbienfdjreiber ,
Summiften, Über»
Jeher, Jragftetler,Iheorematiker bie©ef)irne beftilliert haben? worauf
ihre Sqfteme |o oiele tieffinnige Doktoren, fubtile, grofje, unwiberleg»
Iidje, engelgleidje ,
feraphifdje, c^erubifdje unb göttliche Denker ge«

grünbet haben ?
Jracaftorio: ©arum nid)t aud) felfenbred)enbe,ftein3 erklopfenbe,
horn« unb hufbewehrte ? ©arum nicf)t aud) tieffef)erifd)e, paltasartige,
olpmpifdje, firmamentgleidje, tjimmlifdje, empgreifd)e, tjoc^bonnernbe ?

Burd)io: So Jollen wir alle auf (Eure Der an tro ortung [ie 3 um alten
©ifen werfen ? Die ©eit wirb fi<h fd)ön regieren taffen, wenn bie Spe»
kulationen fo grofjer unb würbiger *pt)ilofopf>en oerädjtlid) gemacht
unb beifeite geftofjen werben bürfen!
Jracaftorio: ©s wäre freilid) eine ungerechte Sache, ben ©fein
ihr Jrjeu 3 U nehmen unb 3 U oerlangen, 5afj ihr ©efdjmadt bem unferigen
gleich werbe. Die Mannigfaltigkeit ber Berftanbeskräfte unb 3ntel»
lekte ift nicht geringer, als bie ber ßebensgeifter unb Magen.
Durch io: Meint 3l)r, bah 'Plato ein3gnorant, Qiriftoteles ein ©fei

ift, unb bah, bie ihnen nachgefolgt finb, bumme Jungen, ftupibe ©e»
feilen unb Fanatiker finb?
Jracaftorio: Bein, mein Söhnten, ich meine nidjt, bah biefe bie

Juden unb jene bie ©fei , bah biefe Bffenoäter unb jene bie Bffdjeu
finb, wie 3hr wollt, bah i<h cs behaupte; fonbem, wie ich Don Anfang
an erklärt habe, achte ich fie für Herren ber ©rbe; aber id) kann ihnen
hoch nicht glauben ohne ©rünbe, nod) ihnen Sähe 3 ugeben,beren©egen»
teil, wie 3hr begriffen haben folltet, wäret 3hr nid)t oölltg blinb unb
taub, klar unbwahr bewiefen ift.
Burd)io: Bun, wer foll benn Bid)ter fein?

Jracaftorio: Jebes geregelte Denken, jebe geweckte Urteilskraft,

jebe befonnene unb weniger oerftockte ‘Perfon, welche fich für über»

CRiortano Bruno Bö. III


] J 3

Digitized by Google
rounben erkennt unb für unfähig, blc ©rünbe jener 3U oerteibigen unb
ben unferigen 3U roiberfteljen.

Bur d) io: 2Benn id) fie nid>t 3U oerteibigen oermag, fo mag bas
am Mangel meiner Jäfjigkeit liegen; roenn 31) r aber fie burd) (Eure

Schlüffe 3U bekämpfen oerftel)t, fo roirb bas nid)t an ber ®al)ri)eit


(Eurer Cefjre, fonbern an (Euren fopljiftifdjen Sd)lid)en liegen.

Jracaftorio: Säl)e id) ein, baf} id) bie Beroeife nid)t nerftünbe, jo

mürbe id) mid) enthalten, ein Urteil ab3ugeben. 2Bäre id) fo oeranlagt
unb geftimmt toie 31)r, fo mürbe id) mid) für gelehrt 3um ©Iauben, nid)t

aber 3ur 2Biffenfd)aft galten.


Burd)io: Befäfjeft Du beffere Cebensart, fo mürbeftDu einfetjen,

baß Du ein ©fei bift ,


ein anmafjenber Sopf)ift ,
ein <Jeinb guter Bil>

bung, ein ÜJtörber ber Seele, ein ßiebfyaber oon Neuerungen, ein ©T3«
feinb ber 2Bal)rl)eit, oerbäd)tig ber Äetjerei!

Sriloteo: Bislang l)at biefer f>err menig ffieleljr Jambeit gezeigt;

jetjt roill er uns erkennen lajjen, bajj er aud) menig Befdjeibenfyeit unb
gar keine fjöflidjkeit befitjt!

©Ipino: ©r l)at aber eine fel)r kräftige Stimme unb bisputiert

he<ker brauf los ,


als ein Bruber Don ber Jrjol3pantoffelgilbe. Btein

guter Burdjio, Deine ©laubensfeftigheit ift fel>r lobensmert. Du f)aft

ja aud) oon Anfang an erklärt, baj} Du es, aud) menn es roafyr märe,
nid)t glauben mürbeft!
Bur d) io: 3 a, id) roill lieber unroifjenb erfd)einen mit fooielen oor>

nehmen unb gelehrten Autoritäten, als roiffenb mit roenigen Sopt)iften,

roofür id) biefe guten 3?reunbe Ijicr eradjten muff!

(Jracaftorio: Den Unterfd)ieb 3mifd)en NJeifen unb Sopljijten

fdjeinft Du fd)led)t 3U kennen nad) bem, roas Du ba fagft! Bornefym


unb gelehrt finb nid)t biejenigen, roeld)e nid)ts roiffen; biejenigen aber,

bie roiffen, finb keine Sopljiften!

Burdjio: 3 d) roeifj, 3 l)r oerftel)t bod), roas id) fagen roill!

©Ipino: ©s mürbe allerbings genügen, roenn roir oerftefyen könn«

114

Digitized by Google
ten, roas 3f)r jagt. Denn 3l)r jelber fdjeint grofje Dlüfye 3 U l)aben, 3 U

oerftetjen, roas 3f)r jagen toollt!

Burdjio: ©el)t bod), gel)t, 3f)r, bie Dt)r gelehrter jeib, als Briftote*
les, fort mit (Eud), bie 31)r götttidjer jeib, als ‘piato! tief finniger als
Boerroes! 2Bollt urteilsfähiger fein, als eine |o grojje Bn 3 al)l oon
‘Pflilojopljen unb Ideologen jo großer 3eitepod)en unb jo Dieter Ba=
Honen, bie ben Briftoteles kommentiert, berounbert unb bis in ben

Fimmel erhoben l)aben! Sdjert (Eud) 3 um Denker, 31)r, oon benen id)

nid)t einmal roeifj, roas 3l)r jeib, unb tool)er 3t>r ftammt, unb bie 3l)r
bie 5red)l)eit ijabt ,
gegen ben Strom jo oieler grofjer ©elefyrten an*
jujdjtoimmen!

Jracaftorio: Das bürfte nod) ber befte oon allen Betoeijen jein,

bie 3f>r oorbringt, roenn es überhaupt ein Beweis roäre!

Burdjio: JreilidjDu roürbeft gelehrter jein, als Briftoteles, roenn


Du nid)t ein Biel), ein (Erbärmlidjer ,
ein Bettler, ein (Elenber roäreft,

aufgefüttert mit fjirjebrot, t>alboert)ungerter Cump, er 3 eugt oon einem


Sdjneiber, geboren oon einem ÜBafdjtoeibe, (Enkel bes <yiichfd)uftcrs

ffecco, Söl)nd)en bes Biomus, 'Poftillon ber Strafjenljuren ,


Bruber
ßa 3 arus, ber bie $ufe ber (Ejel bejdjlägt. Unb aud) 3l)r, bie 3f)r nid)t

oiel befjer jeib, als er, — bleibt nur mit ljunbert leufeln 3 ujammen!

(Elpino: Dlit (Erlaubnis, l)od)toürbiger $err, mad)en Sie fid) bod)


nid)t ben Berbrufj, roieber3 ukommen unb uns 3 U bejudjen, warten
Sie hubf<h, ob roir jemals 3U 3l)nen kommen!
Jracajtorio: Derartigen Ceuten mit oerfdjiebenen ffirünben bie

ffialjrljeit bcroeifen 3 U toollen, bas tjeijjt jooiel, als einem (Ejel mit ben
oerfdjiebenften Brten feinjter loitettenjeifen ben ßopf toajdjen 3 U

©ollen; fyunbert SBajdjungen nütjen nid)t meljr als eine; taujenbSor*


ten Seife nid)t mel)r als eine ,
t»o getoafdjen unb nid)t gewafdjen 3U

i)aben alles eins ift.

Jilippo: 3a, jo ein Äopf wirb am (Enbe ber D3afd)ung nur nod)
jdjmutjiger erfdjeinen ,
als 3 U Beginn unb Dorier. 3« meljr 2Baf jer

115

Digitized by Google
unb «Parfüm man aufroenbet ,
um jo mehr ©eftanb roirb er ablafjen,

unb um jo mefjr roirb man bie üblen ‘Düfte 3U riechen bekommen, bie
man fonjt nicht rod); benn jeine Slusbünjtung roirb um jo ekelhafter,

je mehr jie burd) aromatifd)e (Efferen angeregt roirb, <Jür heute haben
roir uns genug unterhalten, id) freue mid) fehr über beine fjfafjungs*
hraft, (jfracaftorio, unb über bein reifes Urteil, QElpino!

Tladjbem roir nun über bas Sein, bie 3 ®h^ unb Qualität ber un»
begren3ten SBelten get)anbelt haben, roirb es gut fein, morgen 3U be*
tra<hten, ob es CEinroänbe bagegen gibt, unb roas für roel<he.

QEIpino: So fei es!

ffracaftorio: ßebt roohl!

116

Digitized by Google
Vierter Dialog

32 DKEO: Unbegren3t oiele SBelten ejiftieren aI|o,

nid)t in ber ©eife, rote man fieß einbilbet, baß biefe (Erbe

oon |o unb |o oiel Sphären umgeben jei ,


beren einige
einen, anbere 3aßlIofe Sterne gelten; oielmeßr butef)*

kreifen alle bieje großen Sternenroelten ben freien Baum,


jebe berjelben beroegt fid) non jelbft unb aus eigenem
Vermögen, jo baß jie ftets ber pafjenben Dajeinsbebingungen teüßaft
roirb; jebe berjelben ift groß genug, jelbjtänbig unb umfafjenb genug,
um aus eigenem Vermögen unb auf ißre eigene bejonbere 2lrt 3aßl»

loje unb Dortrefflidje önbioibuen 3U er3eugen unb im Ceben 3U er»

galten, f>at man erjt erkannt ,


roie ber Schein biefer ©eltberoegung
burd) bie roaßre tägliche Bewegung ber (Erbe ßeroorgerufen roirb, unb
baß fid) biejes gleichermaßen bei allen ähnlichen Sternenroelten roieber«

holen muß, jo ift kein ©runb oorßanben ,


alle Sterne für gleich roeit

entfernt 3U halten, roie ber ‘Pöbel meint, baß jie an einer achten Sphäre
angenagelt feien, unb niemanb roirb uns bie Über3eugung ausreben
können, baß in ben (Entfernungen ber Sterne 3U uns untereinanber
un3ählige Unterjdjiebe befteßen. 2Dir roerben begreifen, baß bas 5111

nid)t aus Greifen unb Sphären ,


beren eine bie anbere immer weiter
umjd)ließt, roie etroa bie Skalen bei einer 3«oicbel, aufgebaut fein

kann, jonbern baß im ätßerifcßen ©efilbe bie entroeber nad) bem roar»
1,5
men ober nach & em kalten *prin3ip oerfeßieben angelegten SBelt«

körper ausftrahlen unb fid) gegenjeitig nach oerfeßiebenen ffiraben fo

Dermifcßen unb mäßigen, baß roir eben in biefen BJecßfelroirkungen


bie näcßften ©rünbe fo oiel oerfeßiebener formen unb Wirten bes Seins
3u finben ßaben.

117

Digitized by Google
!

©Ipino: ©ohlan bcnn, mit Verlaub, roenbetCud) jetjt 3ur tZBiber-


legung bcr ©cgengrünbc unb bc|onbcr5 berjenigen bcs 2Irijtotelcs,
rncldje bie ftumpffinnige ©enge für erheblicher unb bebeutfamer halt,
als bie »ollkommenften ©eroeije! Unb um ja keinen biejer ©egenftänbe
3U unter jdjlagen, roill id) ©ud) bie Sätje biejes oben Sophiften oor»
tragen, unb Dljr mögt fie einen nad) bem anbern prüfen
3filoteo: Das jolt gefdjefjen!

©Ipino: ©ir roollen prüfen, jagt er im l. ©ucf) oom ijirnmel unb


118
ber ©eit, ob außerhalb biejer ©eit nod) eine anbere jein bann.

Oriloteo: 3U biejer Orrage ift jd)on 3U bemerken, bafj er ben ©e»


griff ber ©eit in anberem Sinne nimmt als mir. Denn roir fügen ©eit
3U ©eit toie Stern 3U Stern in biejem einen gemeinfamen ätl)erijd)en
Sdjoj}, toie biejen ©egriff sugeftanbenermafjen alle jene ffieijen gefaxt

haben, bie an un3äl)lige unb unbegren3t oiele ©eiten glaubten, ©r


aber be3eid)net mit bem ©orte ©eit fein Aggregat oon jo unb jo »er«

teilten ©lementen unb pfyantaftijdjen Sphären bis 3ur lebten Äugel*

fd)ale bes erften ©eroeglidjen, roeldje in »olfkommenjter Äugelform


alles im fdjnelljten Umjdjaiung betoegt, inbem jie jelber fid) um bas
3entrum bret)t, in bejjen ©äl)e toir uns befinben. ©s toürbe bod) tool)l
eine gar 3U alberne unb knabenhafte Unterhaltung abgeben, roollten

roir uns ‘Punkt für ‘Punkt auf eine foldje ‘Phantajie einlajfen ;
immer«
hin mag es ange3eigt jein, biejenigen {einer ©rünbe 3U prüfen, bie jid)

birekt gegen unjere ©lfdjauung roenben unb fid) nicht auf etroas be*
jdjränken, roas berjelbe ni<ht roiberftreitet.

Jracajtorio: ©ie aber, roenn man uns »orroerf en roirb, roir hätten
für unjere Disputation einen 3roeibeutigen ©egriff 3ugrunbe gelegt?
jjiloteo: Darauf roürben roir 3roeierlei antroorten: ©r jtens roürbe
ber «Jehler an bem liegen, ber bie ©eit in einer uneigentlid)cn ©e»
beutung nimmt, inbem er fid) jo ein phantafttfd)es körperliches 2111

»orftellt. 3roeitens roerben unjere 2lntroorten nicht roeniger richtig jein,

roenn man bem ©orte ©clt ben eingebilbeten Sinn ber ©egner, als

118

Digitized by Google
wenn man ißm ben magren 3ugrunbe legt, Denn tno jene bie 'Punkte

bes leßten Umkreifes Jetjen, bejjen Mittelpunkt bie (Erbe ift, bort
können mir ja aud) bie ©ren3punkte ber un3äßligen anberen Melt*
körper annef)men, bie außerßalb biejes eingebilbeten Umkreifes finb;

benn fie finb bort in SBirklicßkeit, wenngleicß nießt naeß ber eingebil-

beten Vorftellung jener, bie ber Quantität bes VUs unb ber 3<»ßl ber
Melten weber ein 'Pünktdjen nehmen noeß 3ufeßen kann.
{Jracaftorio: Das ift gut gefagt; faßt’ benn fort, (Elpino!
7
(Elp in o: „3eber Aörper," fagt er," „muß fid) entweber beroegen
ober ftillfteßen, unb feine 'Belegung ober fein Stillfteßen ift entroeber

natürlid) ober beruht auf äußerem 3 roa i g. Unb 3©ar naturgemäß


>

wirb jebes baßin, wofelbft es oßne 3roa«9 rußig bleibt, aud) bewegt,
unb woßin es fo bewegt wirb, ba bleibt es aud) rußig; wofelbft aber

leßteres bur<ß Vergewaltigung ftattfinbet, unb woßin es ge3©ungen


wirb, ba fteßt es aueß nur ge3©ungen füll; fo baß alles, was nur ge»

waltfam muß oben bewegt wirb, fitß Don fRatur muß unten bewegen
muß unb umgekeßrt. hieraus folgert er, baß es nießt meßrere Metten
geben könne. Denn wenn 3U bem ßiefigen Mittelpunkte bie (Erbe oon
bortßer bureß äußeren 3 roan 9 bewegt werben wirb, fo muß fie oon
ßier weg bortßin fitß naturgemäß bewegen, unb wenn ßier bie oon
bortßer kommenbe oßne 3t»ang rußig bleibt, fo wirb jene au<ß natur*
gemäß fi<ß ßierßer bewegen." (Er meint bamit: wenn es meßrere (Erben
gäbe, fo müßte bie Araft ber einen berjenigen ber anberen äßnlid) fein,

wie autß bie Araft bes bortigen ffreuers ber bes ßiefigen äßnlid) fein

müßte. Mibemfalls würben bie Stoffe jener Meilen benjenigen biefer


nur bem Flamen nad), nießt bem Mefen nad) äßnlid) fein unb bann
würbe aueß jenes ©an3e nur mit bloßer 9lamensgleid)ßeit Melt ge*

nannt werben. Vun ßaben aber alle Stoffe, bie oon einerlei 9Irt unb
Vatur fmb, aueß einerlei Vewegung. Denn jeber Aörper bewegt fid)

naturgemäß in irgenb einer beftimmten Vießtung. Menn bort alfo (Erbe

ift, wie ßier unb oon berfelben Mrt wie biefe, fo wirb fie aud) biefelbe

119

Digitized by Google
beftimmte Belegung ßaben, tote aud) umgeKeßrt, wo biefelben Be«
megungen oorliegen, biefelben (Elemente an3uneßmen finb. QBenn bem
fo ift, fo muß notwenbigerweife bie (Erbe jener IBelt fid) 3ur (Erbe bie»
jer f)tn bewegen unb bas (Jeu er jener 2BeIt 3um fjeuer biejer. Daraus
mürbe weiter folgen, baß bie (Erbe fid) nid)t minber naturgemäß natß
oben betoegen Könnte, roie nad) unten, unb bas <Jeuer ni<ßt minber

3ur liefe, roie 3ur fjöße. Da nun aber fo etwas unmöglidß ift, fo Kann
es nur (Eine (Erbe, nur (Einen BiittelpunKt, nur (Einen UmKreis, nur
(Eine 2Belt geben.

fjiloteo: hierauf werben wir erwibem, baß auf biefelbe 2Beife,


auf welche in biefem unioerfeHen unenbli<ßen Baume biefer unfer D3 elt*
Körper feine Baßn 3urücKlegt unb fein (Bebiet waßrt, gleid)erweife
audj alle übrigen Sterne ißre ©ebiete wahren unb ißre eigenen Baß»
nen im unenblitßen ©efilbe wanbeln. Unb wie biefe (Erbe aus ißren
eigenen ©liebem befteßt, ißre Beränberungen — Buf * unb Bbftrömen
ißrer Steile — ßat, was wir ebenfo feßon bei tieren, beren fjeueßtig»
Keiten unb teile in ftetiger Bewegung unb Bnberung finb, waßmeß»
men, — fo befteßen aud) bie anberen ©eftirne aus ißren eigenen, aber
äßnlicß angelegten ©liebem. Unb wie biefer (Erbe, wenn ißre gan3e

ÜJtafcßine fid) naturgemäß bewegt, Keine anbere als eine Kreisäßnlicße

Bewegung 3uKommt, in ber fie fieß um ißr eigenes 3 entrum breßt unb
um bie Sonne Kreift, fo au<ß Kommt jenen anberen 2BeltKörpern eine
analoge, aber ißnen eigentümlicße Preisbewegung 3U. Unb bie ein»

3elnen teilten jener, bie fidß etwa 3ufällig oon ißrem natürlidßen Orte
entfernt ßaben, fofern fie nießt für felbftänbige teile ober ©lieber 3U
aeßten finb, Keßren aus eigenem Antrieb 3U bemfelben 3urücK ,
ni<ßt

anbers, als ßier bie teile bes IrotKenen ober bes SBaffers, bie bureß
ben (Einfluß ber Sonne in JJorm oon Busbünftungen unb Dämpfen
natß ßößeren Begionen biefer BMtKörper emporge3ogen finb, fobalb

fie ißre eigene fjorm wiebererlangt ßaben, 3U ißren früßeren piäßen


3urü(KKeßren.

120

Digitized by Google
So entfernen fid) bie Seile jener nidjt meßr über eine beftimmte

(Brenje hinaus oon if)rem 3ufammenf)ang, wie btefe, was einleucßtet,

wenn rotr einfefyen, baß bie ©aterie ber Äometen gar nid)t 3U biefem
unferem (Biobus gehört. (Es oerßält fid) gerabe fo wie mit ben Seilen
eines tierifd)en Organismus; obwoßl bief eiben bei oerfdjiebenen 3 n»
bioibuen oon berfelben ©rt finb, fo werben bod) bie entfpredjenben
Seile oerfd)iebener Onbioibuen — id) meine bie roe|entlid)en unb ent«
fernten — niemals bie Neigung oerfpüren, fid) aus3utaufd)en, niemals
wirb meine §anb fid) paffenber für beinen Hrm, bein
<
ßopf für meinen
•Rumpf befinben taffen. So bann eine oollkommene Analogie 3toifd)en

allen ©elthörpern beftetjen, unb anbere (Erben können basfelbe ©er«


l)ältnis ifjrer Seile fjaben, wie biefe.

SUfo ift keineswegs 3U folgern, baß, wo biefe ©eit ift, aud) alle
anberen ©eiten fein müßten, fonbern man barf feljr wol)l fdjließen,

baß, fo wie biefe an itjrem eigenen Orte be[tef)t, aud) bie anberen it)re

eigenen ©äume einneßmen, unb wie biefe fid) nid)t 3U bem Ort ber
anberen 3U bewegen brauet, aud) jene fid) nid)t 3U bem Ort biefer 3U

bewegen brauchen; wie biefe an Stoff unb inbioibuetlen Unterfd)ieben


Don jenen, fo aud) jene oon biefer oerfdjieben finb. ©ie Jeuerftoffteil«
d)en biefer ©eit bewegen fid) 3um Jeuerftoff berfelben, nid)t minber
wie bie ff-euerftoffteildjen jener 3U ben bortigen; — fo würben aud)
bie erbigen unb wäfferigen Seile bes ©tonbes fid) nur gewaltfam 3U
ben entfpred)enben Seilen biefer (Erbe bewegen laffen. 3 ene (Erbe be«

wegt fid) fo naturgemäß in ißrer ©aßn, wanbeit ifjre Bat)n, bie bort
ift, wie biefe naturgemäß ßier in itjrer Saßn fortf freitet, unb auf
jener (Erbe be3iet)en fid) ißre Seile, id) meine if)r ©affer unb it)r Jeuer,
ebenfo wie bie entfpred)enben Seile biefer (Erbe auf biefe. Das „Unten"
unb bie Siefe biefer (Erbe ift nid)t irgenb ein ©unkt bes ©ßerraumes
außerhalb besfelben, fonbern ber ©ittelpunkt ißrer eigenen ©affe,
Sdjwere unb Spßäre, unb fo ift aud) bas „Unten" bei jenen ©eiten
nidjt irgenb ein Äörper außerhalb berfelben, fonbern ißre eigene ©itte.

121

Digitized by Google
„Oben" für biefe (Erbe ift alles, roas fid) in il)rem Umhreife ober
aujjerfyalb il)res Umhreifes befinbet, unb entfpredjenb bei jenen ;
ba«
fjer bewegen fid) bie Teile jener ebenfo natürlich 311 U)rem 3entrum
unb laffen fid> ebenfo nur geroaltfam aus it)rem Umhreife ^erausljeben,
roie bie Teile biefer (Erbe 3U i^rem Mittelpunkt bejro. aus iljrer Sphäre.
So fief)ft bu, roie bie roal)re Tlljnltdjkeit jroifdjen biefer unb anberen

TDelten 3U faffen ift.

(Elpino: Das ift gut erklärt; benn roie es unftattljaft unb unmög»
lief) ift, bajj eines biefer itbifd)en CBefd^öpfe, anftatt feine eigene in«

bioibuelle Ejiften3 auf feine eigene 5lrt unb feine eigene Umgebung
3U begrünben, fid) ba bewege unb auff)alte, roo ein anberes ift, fo ift

es aud) im t)öd)ften ffirabe unftattf)aft, bafj bie Teile bes einen ein
foldjes Streben unb aktuelle Bewegung 3U ben Teilen bes anbern
empfinben.
Jiloteo: (Es oerfteljt fid) bies jebod) nur oon ben eigentlichen
Teilen unb (Bliebem. Benn roas bie erften unteilbaren Elemente unb
Btome betrifft, fo ift an3unel)men, bafj ihnen ein geroiffer TBed)fel im
unenblid)en Baume 3uhommt, 3ufolgebeffen fie oon l)ier ausftrömen
unb bort einftrömen. Unb füllten fie baburd) aud) nad) göttlicher Bor«
fefjung in B3 irklid)keit nie bie alten körper auflöfen unb neue fflebilbe

3ufammenfe^en, fo ift if)nen bod) roenigftens bie ftäljigheit basu nicht

abjufpred)en. Bern 2Befen nah fhtb felbft bie 2Beltkörper oergäng«


118
Iid), es mag aber fein, baf) fie, fei es aus innerer ober oermöge
äußerer kraft, bod) eroig in berfelben 2Beife beftefjen, inbem fie ftets

eine ber Busftrömung gleich? (Einftrömung oon Btomen erhalten unb


fo ber «ah biefelben bleiben, roie roir felber uns gleidjennafjen
oon Tag 3U Tag, oon Stunbe 3U Stunbe in berfelben körperform
burcf) Ernährung unb Berbauung, 3 u ?'h r unb Bbfuljr in allen kör»
perteilen in berfelben körpergeftalt erhalten unb erneuern.
Elpino: Barüber roerben roir ein anbermal mehr fprehen. 3h
begreife 3ur (Benüge, baf) jebe anbere Erbe ebenfo geroaltfam empor*

122

Digitized by Google
beroegt roerben müßte, roenn fie 31t biefem Ort gelangen foll, tote biefe

(Erbe nur getDaltJam 3U einer oon jenen emporgeßoben roerben könnte.


Denn roie man oon jebem Xeile unferer (Erbe nad) ißrem Umfang ßin
ober 3um f)emifpf)ärifcf)en £ori30nt bes Stiers fortfdjreitenb nad)
oben fteigt, fo oerftet)t fid) foldjes (Emporfteigen aud) für jeglichen Heil
ber Oberfläche eines anberen ©eltkörpers nad) unferem f)in ;
bie (Erbe

ift nid)t minber für jene im Umkreife roie jene für bie (Erbe. 3 d) gebe
alfo 3U, baß baraus, baß jene (Erben oon bcrfelben Ulatur roie biefe

finb, keinesroegs folgt, baß fie fid) auf basfelbe ßentrum be3ief)en;
bas 3entrum ber einen ift fo roenig bas 3entrum ber anbem, unb ber
Umfang ber einen ift fo roenig ber Umfang ber anbern, roie meine
Seele eure Seele unb mein Körper ber eure ift, obgleid) alle fiörper*

lid)keit, Sd)roere unb Seele benfelben tarnen l>at unb 3U berfelben


Wrt gehört.
fjriloteo: ©oßl! Dod) bürft 3 ßr (Eud) nur nid)t einbilben, roenn

einmal bie leite einer anberen ©eit ben Heilen biefer naße kämen,
roürbe es unmöglid) fein, baß fie ber Hl^ießungskraft biefer ©eit
anl)eimfielen be3ro. umgekehrt ;
roenn roir aud) geroößnlid) bergleidjen
bei lieren unb fonftigen 3 nbiuibualorganismen im kleinen nid)t
anbers roaßrneßmen, als roenn bas eine 3 nbioibuum fi<±) burd) bas
anbere ernährt, unb bas eine fid) in bas anbere oerroanbelt.
(Elpino: Jreilid)! 9lber roie, roenn fid) einmal eine anbere ©eit»
kugel ber unfrigen fo fel)r näßerte, baß fid) Heile oon ißr ablöften, bie

an fid) bas Vermögen ßaben, 3U ißrem 3ufammenßang 3urü(fe«

juftreben?
fjriloteo: eingenommen, erßeblüße Heile unferer (Erbe gelangten
über ben Umkreis hinaus, ben bie reinftc unb Iauterfte 2 uft bilbet,

fo meine id), bafj fold)e leile naturgemäß oon jener f>öße 3urüd»ftreben
roerben; allein niemals roürben fie naturgemäß in eine anbere Spßäre
eintreten, noeß aud) roürben naturgemäß roefentlid)e Heile einer an*

beren Spßäre 3U biefer ßerabfteigen; fonbern fo etroas könnte nur

123

Digitized by Google
B

burd) getoaltfamefjebung gejd)el)en, ba für alle 3 eltkör per bas Buher*


l)alb il)res Umkreijes il)r „Oben" unb Ujr inneres ßentrum ihr „Unten"
bilbet, unb ber Begriff bes Mittelpunktes, nad) bem if>re Üeile natur*

gemäh ftreben, nid)t non einem Bufjenpunkt, jonbern oon intern eigenen
3 nnern beftimmt roirb. Dies haben alle biejenigen, toeld)e fid) einen

allgemeinen Banb bes Unioerfums einbilben unb töridjterroeije bas


Bll begtenäen unb bas 3entrum ber 2Belt für bas 3entrum ber (Erbe
galten, nid)t begriffen. Dagegen haben ja bie Mathematiker unferer
3 eit herausgefunben, baf} bas 3entrum ber (Erbe oom eingebilbeten

ffieltumkreis nid)t äquibiftant jein könne. Ulod) anbere (Belehrte,


roeld)e bie Betoegung ber (Erbe erkannt haben, haben aud), freilid)

roeniger mit bemühter Bed)enfd)aft nad) ©rünben it)rer ©iffenfdjaft,


als oielmeljr in einem getoiffen natürlichen (Befüt)l bie Bnfid)t aufge*

ftellt, bie (Erbe jei ebenjocoeit oom Mittelpunkt entfernt roie oon ber
Sonne, roenigftens bejüglid) bes Mittelpunkts biefes unjeren Bugen
|id)tbaren Unioerfums jei bies weit oernünftiger 3ur Bermeibung oon
Unoereinbarkeiten unb 3ur Bilbung einer angemefjenen unb richtigen
(Erklärung ber Belegungen ooraus3ufetjen als bie bejeid^neten 3rr«
tümer. So könnte man Ieid)t oon ihren eigenen ‘Prinäipien aus bie

Unrichtigkeit ber Briftotelifd)en Behauptungen über bie S<h»»ere bie*

jes Mcltkörpers unb ben Unterfchieb biejes Baumes oon anberen unb
bie $quibiftan3 ber 3ahlreid)en Metten, bie jenjeits bes Jogenannten
^Planeten jinb, aufbedken, aud) bah cs unjinniger ift, fi<h ein3ubilben,

alle jene beroegten fi<h mit rapibefter ©ejehroinbigkeit um biejen B3elt*


körper, als mit uns ansunehmen, bah biejer fid) um fid) fefbjt breht
unb baburd) ben Bnblick änbert; minbeftens bürften gemifje erhebliche

Unoereinbarkeiten, bie in jener 2Beltanfd)auung jtedien, ihren Bn*


hängern Berbachtsgrünbe liefern. Um barauf 3urü<fe3ukommen, oon
roo aus mir ausgegangen jinb, roieberf)ole ich, bah toeber ein ©an3es
noch ein eines ©an3en fid)3um Mittelpunkt eines anberen ffian3en
beroegt, jollte jelbjt ber eine Stern bem anbern jo nahe kommen, bah

124

Digitized by Google
ihre Wäume fid) berührten ober ein Umfangspunkt bes einen fid) mit
einem Umgangspunkt bes anbem berührte.
(Elpino: Die oorfid)tige Watur Ijat für bas ffiegenteil geforgt, ba
anbernfalls ber eine ©eltkörper ben gegenjätjlid) angelegten anberen
3erftören mürbe, ber kalte unb fernste mürbe burd) ben feurigen unb
trockenen oemidjtet merben, roährenb bei Verteilung in angeme||enen

(Entfernungen ber eine burd) ben anbem lebt unb gebeizt.

ferner mürben anbernfalls bie ähnlich besoffenen Äörper fid)

gegen|eitig in ber Teilnahme unb (Erlangung if)rer ßebensbebingungen


ftören, roie uns (d)on bie oft nid)t unerheblichen Vachteile beroeifen,

burd) bie mir infolge oon 3roifd)enftellungen einer anberen (Erbe, bes

ÜJtonbes, 3roi|d)en ber Sonne unb unjerer (Erbe an unfere Jrjinfällig*


11
keit erinnert merben. ® QBas jollte baraus merben, roenn ber ©tonb
ber (Erbe noch näher ftänbe unb uns bes nötigen £ebenslid)ts unb ber
Sonnenmärme noch er!>ebUc^ länger berauben könnte?
Jiloteo: Das ift fehr richtig bemerkt. g-ahrt nun mit Vrifto*

teles fort!

(Elpino: (Er fingiert fid) eine Vntmort feiner ffiegner unb läfet fie

fagen, bie entfernten Äörper mürben ftd) beshatb nicht 3U ben hie*
figen hinberoegen, roeil fie in bemfelben ffirabe, in bem fie Don bie*

fen räumlich entfernt feien, auch nerfdjiebenartiger Vatur fein mühten,


unb fertigt biefe bann bamit ab, bah « behauptet, bie größere ober
geringere (Entfernung allein könne keine Snberung ber Vatur be*
1 *0
mirhen.
5i^oteo: 'Wichtig oerftanben, ift bies roahr. Unfere ©rünbe aber
bafür, bah bie eine (Erbe fi<h nidjt mit ber anbern Bereinigen kann,
mag fie ihr nun nah ober fern fein, finb ja gan 3 anberer Vrt.
(Elpino: Das hab’ i<h begriffen; mir fdjeint aber auch bas mal)r,
roas fdjon bie Viten fagen roollten, bah bie ©irhungskraft eines Äör*
pers mit gröberer (Entfernung abnimmt, ba feine leile bann um fo

mehr Vtherroiberftanb 3U überminben haben unb mit ber ÜTlaffe bes

125

Digitized by Google
3U burd)bringenben Blebiums aud) il>re Durdjbringungs* unb 2Bir*
kungsfäl)igkeit gefd)©äcf)t ©irb.

Jiloteo: ©eroifj Iel>rt uns bei ben leilen unferer (Erbe bie Be*
obadjtung, bafj biefe, ©enn jie non geroijjen (Enbpunkten unb (Ent*

femungen aus 3U intern 3ujammenf)ang 3urückftreben, ti)re ffiejdjroin*

bigkeit in bemjelben Blafje befd)leunigen,


m in roeld)em fie jid) nähern.
Bber ©ir [preßen ja Don anberen (Erbftugeln.

(Eipino: Da aber bod) bie eine (Erbe ber anbern äljnlid) ijt, ©as
©irb gefdje^en, ©enn jie jid) 3U naljekommen? 2Berben nid)t ifjre

äußeren leile gleichermaßen oon ber einen unb ber anbern ange3ogen
©erben unb folglich jorool)l fallen als (teigen könne ?
Jiloteo: 9lus unpajjenben Borausfetjungen ergeben jid) aud) un*
pafjenbe folgen. Um baoon jebod) ab3ujet)en, jo behaupte id), baß
Heile, bie genau in einen gleichen ober oerhältnismäßigen Bbftanb
3©ijd)en 3©ei oerjd)iebenen SBeltkörpern geraten roürben, entroeber
bort oerfjarren, ober jid) fcpefjlid) für einen Ort bejtimmen müjjen,
3U bem jie jid) beroegen, mit Be3ug auf melden fie alfo fallen ©erben,
um gleichzeitig im Behältnis 3U bem anbern 3U (teigen.

(Eipino: 2Bie aber joden bie Heile eines ©ejamtkörpers fid) 3U


einem anberen fficfamthörper l)in beroegen können, felbjt ©enn beibe
ber Hirt nad) äljnlid) jtnb ? Cajfen jid) bod) augenfdjeinlid) aud) bie
Heile unb ffiliebmajjen bes einen Btenjd)en benen eines anberen nid)t

anfügen unb anpajjen!


Jiloteo: 3 m allgemeinen unb primär ijt bies richtig; anein in
ein3elnen Jaden kann bod) bas ©egenteil oorkommen. So Ijabe id)

felber gefefjen, baß man jemanbem, ber ein Stück oon (einer Ütafe oer*
loten, an Stelle besfelben Jleifd) oon einem anbern angenal)t hat, unb
id) bin über3eugt, baß man aud) bas Oßr bes einen Dlenfcßcn an ber
Stelle, roo bas Oljr eines anbern gejejjen t>at, an©ad)jen lafjen könnte.

(Eipino: Solche d)irurgijd)en Äunjtftücke bürften ©oßl nid)t oft

oorkommen!

126

Digitized by Google
ftiloteo: Jreilid) nid)t.

© Ipino: 3 d) komme auf unfern <Jall 3urüdt; id) möchte gern roiffen

ob ,
— menn ein Stein 3®. fid) mitten im ßuftraum in einem äqui*
biftanten 'Punkte 3mifd)en 3roei ©eltkörpern befänbe — berfelbe feft*
— — unb —
,

fte^en ober fid) auf meld)e ©eife entfd)eiben mürbe,


lieber auf ben einen als auf ben anbern ©eltkörper f)erab3uftür3en.
JJiloteo: 3 d) behaupte: toenn bie Stellung bes Steines 3U beiben
burdjaus bie gleiche fein follte unb beibe genau basfelbe Verhältnis
3um Steine I)aben unb oöllig genau in bemfelben Verhältnis 3U it)m
geftimmt fein füllten, fo mürbe bie (Entfdjeibung 3meifell)aft bleiben

unb bas ©leid)gemid)t ber beiberfeitigen firäfte mürbe il)n an bem»


felben 'Punkte beharren laffen, ba er fid) nidjt entfdjeiben könnte, ef)er

3um einen als 3um anbern 3U gehen unb er keinen größeren Antrieb
3um einen als 3um anbern empfinben mürbe. 142 ©ürbe aber ber eine
it)m oerroanbter unb gleichartiger fein, für ihn 3ur Selbfterljaltung ge*

eigneter, fo mürbe er fid) bal)in entfd)eiben, fid) auf bem kür3eften ©ege
3u biefem 3U begeben. *Das ausfdjlaggebenbe *Prin3ip aller Vemegung
ift nämlich nid)t bie eigene Sphäre unb ber eigene 3 ufammenl)ang,
fonbern ber Irieb ber Selbfterhaltung; fo fet)en mir felbft flammen
nach unten fi<h fd)längeln unb in bie liefe kriechen, menn fie nur auf
biefe 2Beife ben Vrennftoff erreichen können, roo fie Vahrung finben.
©Ipino: ©as fagftVu aber ba3U, bah Vriftoteles h«n3ufügt, oer*
manbte leile unb Stoffe, möchten fie auch noch f° weit ooneinanber
entfernt fein, mürben hoch allemal ihren gemeinfamen 3ufammenl)ang
unb ihresgleichen auf Juchen?

Oriloteo: ©er Jähe nicht, bajj bies roiber jebenSinn unb Verftanb
ftreitet, in Vnfet)ung bes foeben oon uns ©efagten! ©eroif}, leile,

bie aus ber Äraftfphäre ihres eigenen ©lobus einmal herausgetreten


finb, roerben 3U ähnlichen Stoffen hinftreben, follten biefe auch nicht
ihren primären unb prin3ipalen 3ufammenf)ang bilben ;
ja felbft 3U

anberen, bie ihnen ber Vrt nach nicht ähnlich finb, fofem fie fid) nur

127

Digitized by Google
burd) biejelben erhalten unb nähren können. Denn bas innerlich trei«

benbe ‘Prinäip beruht nid)t auf einer blofj räumlichen Dejieijung 3U


einem beftimmtenDrt, 3U einem beftimmten Dünkte, 3U einer bejonberen
Sphäre, jonbern auch auf einem natürlichen Antriebe, bie Dajeinsbe*
bingungen auf3ufu(hen, bie am fchnellften 3U erreichen unb am geeig*

netften finb, ben gegenwärtigen ßuftanb 3U erhalten. Denn hierauf


allein, mag biefer 3uftanb auch noch jo unebel fein, geht bas natür«
Iid)e brachten aller ffiejen ;
wie benn biejenigen ©enfdjen am meijten
am Ceben hangen unb fid) oor bem lobe fürchten, bie bas Cid)t ber
<
wahren Phü°j°pl)ie entbehren unb kein anberes Sein kennen, als bas
gegenwärtige, unb bie meinen, auf biejes Ceben könne kein anberes
folgen, bas fie etwas angehe. Denn biefe Sorte ijt noch nicht jo weit ge«
kommen, eht3ufehen, bah bas Cebensprin3ip nicht in blojjen9lk3iben3en

befteht, wie (ie aus ber 3ujammenjet}ung rejultieren, jonbern oiel*

mehr in einer unteilbaren unb unauflöslichen Subftan3, unb bah einer

folgen, jofem jie nicht oöllig in ber Verwirrung fteckt, weber ber
9Bunfd) fid) 3U erhalten noch bie 3rurd)t fich 3U oerlieren 3iemt, bah oicl*

mehr fo!d)es<Jürchten unb©ünfd)en nur für bie 3ujammenfehungen als


fold)e, b.h- in jt)mmetrijd)er, komplejionaler unb ak3ibentieller §in{id)t

gerechtfertigt ijt. Denn weber bie geijtige (Einheit, als welche wir bas
(Einenbe, noch bas Stoffliche, als welches wir bas ©eeinte be3eid)nen,
können irgenb welcher Veränberung ober irgenb welchem Ceiben unter«
worfen jein unb folglich auch nid)t fid) 3 U erhalten trachten, unb nicht

biejen Subftan3en, jonbern ben 3 ufammenfehungen kommt bie ®e«


wegung 3U. ©an wirb bies klar einjehen, wenn man erft begriffen

hat, bah Schwere unb Ceid)tigkeit keine <Eigenfd)aften ber ©eiten ober
ihrer Steile an fid) finb, bah bies keine abjoluten Unterfd)iebe, jonbern
relatioe unb be3ief)ungsmeije finb. ferner ergibt es fich i a auch aus
bem nun fd)on jo oft bewiefenen Sähe, bah bas 3111 keinen IRanb, kein
Slufjerhalb kennt, jonbern unermehlid) unb unenblich ijt, weshalb bie

felbjtänbigen Äörper in ihm fid) weber mit ®e3iel)ung auf einen ©ittel«

128

Digitized by Google
punht nod) auf einen Anfang 3U einer gerablinigen Bewegung be*
jtimmen können, ba jie non allen Seiten biefelbe Bejiefjung 3um Slufjen

haben ;
fie kennen baljer keine anbere grablinige Bewegung, als bie
ihrer eigenen Beile, in Besiegung auf keinen anberen Mittelpunkt als
benjenigen bes eigenen ffian3en. Dod) barüber roerben roir nod) nähere
Betrachtungen an befonberem Orte anftellen. Um roieber auf unferen

jetjigen Streitpunkt 3U kommen, fo behaupte ich, ßafj tiefer Bh'lafoph


<
aus feinen eigenen prin3ipien nicht beroeifen kann, bah jeber Äörper,
auch roenn er nod) fo roeit entfernt fei, bie Fähigkeit unb bas Be*
ftreben befitje, 3U feinem 3 u fanimenhang unb 3um gleichartigen Stoff

3U kommen. So meint er, bie Äometen beftänben aus irbifd)en Stof»


fen, bie in ©eftalt oon Slusbünftungen bis 3U ber ent3Ünbenben Be»
gton bes Jeuers emporgeftiegen feien, mo fie bann, unoermögenb
roieber 3ur (Erbe herabjufinken, unb fortgeriffen oon ber ©efcfjroinbig*

keit bes erften Beroeglichen, bie (Erbe umkreiften, obroohl fie nicht 3ur
128
5 ©ffen3 gehören, fonbern
. fdjroere, bidjte irbifd)e Äörper feien,

roie fi<h klar erroeife baraus , bah fie in fo langen 3>»ifd)enräumen

erfd)einen unb ber lebenbigen (Ent3Ünbung bes Oreuers einen fo langen


ffiiberftanb leiften, fo bah fie oft über einen Monat brennen, roie
194
benn in unferen lagen ihrer einer 45 läge lang Jid)tbar roar.

3tun, roenn, roie er meint, bie (Entfernung bie Schwerkraft nicht auf«
hebt, aus roeld)em ©runb fällt benn fo ein Äörper nicht 3ur (Erbe

herab ober fteht ftUl, fonbern kreift fogar um bie (Erbe? (Erroiberter,

bafe er nicht oon felbft umlaufe, fonbern mitgeriffen roerbe, fo beftehe

ich barauf, bah ebenfo jeber feiner fog. §immel unb Sterne, oon benen
et ja beftreitet, bah fie fd)roer ober leid)t feien ober aus ähnlicher Ma*
terie beftehen ,
mit fortgeriffen rotrb. 3 d) übergehe babei, bah gerabe
biefe fißrper eine gan3 eigentümliche Beroegung 3U haßen fd)einen,

bie mit ber täglichen Meltberoegung unb berjenigen ber anberen Sterne
burchaus nicht übereinfHmmt. Biefer ©runb ift nod) ber befte, um fie

aus ihren eigenen Borausfetjungen 3U roiberlegen. Benn oon ber roah*

ffliorbano Bruno Bb. III


] 29

Digitized by Google
ren 9iatur ber fiometen ro ollen roir hier nid>t teben; roir roerben bar»
über gelegentlich eine befonbere 'Betrachtung anftellen unb 3eigen,
bajj es keine in ber fog. Sphäre bes Jeuers entftanbene (Entjünbungen
finb, — bann mühten fie ja auch auf jeber Seite 3U brennen fdjeinen,

ba fie mit ihrem gan3en Umfange unb ber gan3en Oberfläche ihrer

Waffen fid) innerhalb ber, toie fie fagen, oon ber Wärme ertöten
ßuft ober ber Sphäre bes fjeuers befinben. Wir fehen aber, bah bie

(Ent3ünbung nur auf ber einen Seite oor3ugel)en fdjeint unb fliehen
baraus, bah hie fog. Kometen eine ©rt Sterne finb, toas fd>ort bie
185
©Iten fehr gut eingefehen unb behauptet haben, bah einäomet ein
©eftirn ift, toeldjes fich biefem unfrigen mit eigener ©eroegung nähert
unb bann roieber ftd) entfernt unb 3ufoIge ber Näherung anfangs 3U
roachfen fdjeint, als toenn es fich mehr unb mehr ent3Ünbete, 3ufoIge
ber Entfernung aber roieber ben ©nfdjein ber Abnahme unb allmäh»
liehen ©rlöfchens heroorruft. Ein foldjer Äomet beroegt fid) alfo nicht

um bie Erbe, hat oielmehr feine eigene ©eroegung, bie man bur<h ©b»
3ug ber täglichen burd) bie Umroäl3ung bes Erbkörpers oeranlahten
Scheinberoegung feftftellen kann, ©ud) ift es nicht möglich , bah «in

irbifcher unb fo mächtiger Äörper oon ber ätherifd)en Cuft unb einem
Stoffe, ber überall keinen Wiberftanb leiftet, mit fortgeriffen roerben
könnte, abgefehen baoon, bah feine ©eroegung bann hoch berjenigen
bes erften ©eroegers entfpred)en mühte unb nicht bie ©eroegung ber
'Planeten nachahmen könnte, roegen roeld)es letjteren Umftanbes man
ihnen halb bie Sphäre bes Werkur, halb bie bes Wonbes ,
halb bie
bes Saturn ober eines anberen Wanbelfternes beilegt, ©od) roir roer*

ben barüber an anberem Ort eingehenber hanbeln. <Jür heute mag es


genügen, genug gegen biefes Argument bes ©riftoteles oorgebracht
3u haben, bah man oon ber ©ähe ober Entfernung nicht auf eine
gröbere ober geringere Äraft berjenigen ©eroegung fcfjliehen bürfe,

bie er eigentümlich ober natürlich nennt, ©iefes roiberftreitet ber


Wahrheit, bie uns nicht geftattet, bie eigene ober natürliche ©eroegung

130

Digitized by Google
eines Dinges in einer Anlage 311 finben, bie ifym nid)t 3ukommen kann,
©enn alfo bie Heile oon einem jenfeits einer befttmmten (Entfernung
belegenen Baume ftd> niemals 3U bem ©efamtkörper hinbewegen, fo
barf man auch ni<±»t behaupten, bah ihnen eine fo!d>c Belegung eigen«
tümlid) unb natürlich fei.

(Elpino: ©er etwas nad)benkt, muh einfehen, bah alle feine

*Prin3ipien ben wahren 'Prinjipien ber Batur gerabe3u entgegengefetjt

finb. §iemäd)ft wenbet er ein: wenn allellrftoffe eine natürliche Be»


wegung hätten, müfjten aud) alle Urftoffe, bie in oerfdjiebenen ©ei*
ten »erteilt wären, fofem fie oon berfelben 9lrt feien, fich entweber 3U
einem unb bemfelben ©ittelpunkt ober 3U einem unb bemfelben Um*
fang hinbewegen.
Jiloteo: (Eben bies, bafj biefelben fich nach bemfelben befonberen

Ort hin bewegen muffen, ift es ja, was er niemals beweifen bann;
benn wenn bie Stoffe oon berfelben 3Irt finb, fo tagt fid) baraus hoch*
ftens fdjliefjen, bah H* Örter berfelben ©rt unb gleichartige ©ittel*

punkte auffudjen, nämlid) bie 3 entra ihrer Blaffen, keineswegs jeboch,


bah fie einen unb benfelben Ort ber 3 af)l nad) beanfpruchen.
(Elpino: (Eine ©öglid)keit biefer Antwort fd)eint ihm felber ge*

bämmert 3U haben ,
weshalb er mit eitler Slnftrengung 3U beweifen

Derfudjt, bah Derfdjiebenheit ber 3al)l keinen 3ureicf)enben ©runb für


Berfchiebenheiten ber Baumftellung abgebe.
Sfiloteo: ©emeinhin feljen wir hoch bas gerabe ©egenteil. 3 n*
beffen fagt uns, wie er es beweift!

(Elpino: (Er fagt, wenn bie 3 ahienunterfd)iebe ber Stoffe einen


äureidjenben ©runb für Ortsunterfd)iebe bilbcten, fo mühte notwen*
big jebes ber an 3 «hl unb Schwere oerfd)iebenen ©Iemente biefer

(Erbe innerhalb berfelben ©eit feinen befonberen ©ittelpunkt haben,

was unmöglich unb unftattljaft fei, ba ja bann bie (Erbe fooiele ©ittel»

punkte haben mühte, als fie befonbere Onbioibuen unb Heile hat.'
Jiloteo: ©as für eine bettelhafte Beweisführung! Überlegt, ob

131

Digitized by Google
3I)r baburd) aud) nur um ein 3 ota oon (Euter entgegengefetjten 2In*

fid)t abgeroanbt ober nid)t oielmefjr gerabe3U in berfelben beftärkt


toerben müfjt! ©er 3weifelt benn, bajj es keineswegs un3uläffig ift,

einerfeits einen einigen ©ittelpunkt ber ffiefamtmaffe an3unet)men,


auf ben fid) alle leile be3iel)en, burd) ben fie fid) alle einigen, ber it)nen

allen als Safts bient, unb bafj anbrerfeits bod) au cf) für jeben ber
3al)llofen leile ein befonberer ©ittelpunkt gefegt toerben bann. So
bilbet im menfcfylidjen Organismus ben gemeinfamen ©ittelpunkt bas
Jr)er3 , aufjerbem aber Ijaben alle anberen Organe niä)t tninber il)ren

befonberen ©ittelpunkt, toie bas J?jer3 ben {einigen, fo l)at bie ßunge,
bie Ceber, bas £)<mpt, ber 2lrm, bie ^anb, ber ftufj, icber Änod)en,

jebe Sber ,
jebes (Blieb unb jebes leildjen ,
bas 3U feiner 3ufammen»
Jetjung bient, feinen befonberen ©ittelpunkt, feine befonbere unb be*

ftimmte ßage, forooljl innerhalb bes (Ban3en als innerhalb bes if)m
3unäcfift übergeorbneten ®Iiebes.
(Elpino: Sebenkt, bafj man il>n fo oerftefyen bann, bafj er nidjt

fd)led)tl)in behauptet, jeber leil Ijabe benfelben ©ittelpunkt, fonbern


et bewege fid) 3U bemfelben ©ittelpunkt.

5 iloteo: Ulm (Enbe bewegt fid) alles 3U einem ©ittelpunkt: oon


einem tierifdjen Organismus oerlangen wir nidjt , bafj alle leite 3U
feinem räumlichen ©ittelpunkte fpnftreben, — bas wäre ja unmög*
lid) unb unftattf)aft, — fonbern nur baf) fie fid) Dermöge U)rer Bereini*
gung unb 3ufammenfetjung fämtlid) auf if)n besiegen ; benn bas Ceben
unb ber 3 ufammenf)ang teilbarer Stoffe befteljt in nid)ts anberem,
als in ber (Einheit ber leite, bie immer fid) auf einen 3 a>eck be3iet)en,

ber als it)r ©ittelpunkt auf3ufaffen ift. 3 m 3 ufamment)ange bes ©an=


3en be3iel)en fid) fomit bie leite auf einen einigen ©ittelpunkt, in
ber Äonftitution jebes ©liebes aber auf beffen befonberen©ittelpunkt,
wie benn bie Ceber burd) bie (Einheit i^rer Heile ebenfowofyl befteljt, wie
ber Äopf ,
bas Ol)r, bas 9luge unb fonftige Organe. Du fielet alfo,

bafj es nid)t nur ftatttjaft ,


fonbern fogar t)öd)ft natürlich ift, oiele

132

Digitized by Google
ÜJtittelpunfcte nad) tßerfjältnis Dieter leite unb felbft Dieter leiteten,

©enn es fo beliebt, an3unef)men, bie alte bas eine 3ufammenfet)en.


©od) ber ©erftanb empört fid) bagegen, fid) lange mit foldjen ‘Peban*
tereien 3U befdjäftigen ,
roie biefer 'ptjilofopt) fie oorbringt.

©tpino: ©tan muf) es fid) eben gefallen taffen, wegen ber 53 er*
ef)rung, bie il)m weit metjr aus bem ®runbe gesollt 3U ©erben pflegt,

bafj er nid)t Derftanben ©irb ,


als aus einem anbern. ©od) mit (Er*

taubnis betrautet ein roenig ,


roieniet biefer roadtere fjerr felber fid)

auf biefes 53 e©eisgrünbd)en 3ugute tut; gleid)Jam triumpf)ierenb

fd)Uefjt er mit folgenben ©Sorten ab: 2Benn bemnad) ber ©egner biefe
©eroeife unb ©runbe nietjt roiberlegen bann, fo gibt es notroenbiger*

©eife nur ©inen ©iittetpunfct unb ©inen Umfang.


Jiloteo: ffiut gefagt! 3rat>ret fort!
©Ipino: ©r beroeift fobann, bafj bie einfachen ©eroegungen enb*
tid) unb unbegrenst fein müffen; benn hierauf roar ja ber Satj be*
grünbet, bafj es nur ©ine ©Seit gebe unb baß ben einfachen ©eroegungen
ein befonberer Ort 3ufcomme. ©r fagt: So be©egt fid) alles ©e©eg*
Iid)e Don einem beftimmten ©nfangspun&t 3U einem beftimmten ©nb»
punbt, unb allemal beftef)t eine fpe3ifif<±)e ©ifferen3 3©ifd)en bem ter-
minus unde unb bem terminus ubi, ba jebe Bewegung begren3t ift,

fo 3©ijd)en Ärankljeit unb fflefunb^eit, äleintjeit, ®röf)e unb Qualität;


roas in ber fflenefung begriffen ift, ftrebt nidjt beliebig ©ot)in, fonbern
3ur ©efunbfyeit. ©esljalb gel)en aud) bie ©eroegungen bes irbifd)en
ober bes feurigen Clements nidjt ins Unenblidje, fonbern 3U beftimm*
ten ©nbpunkten; bie ©eroegung nad) oben ift eine anbere als bie nad)

unten unb beibe 9taumbe3iel)ungen hüben ben fj or^ont biefer ©e*


roegungen. So ift benn bie gerablinige ©eroegung begren3t, nid)t min*
ber aber aud) bie fereislinige; benn roenn man fie auf ben ©urcfymeffer
bes Äreifes be3iet)t, fo befcfjreibt fie eine begren3te Umbret)ung oon
1 *7
einem ©nbpun&t berfelben 3um anbern.
tfriloteo: ©af) alle Bewegung in biefem Sinne begre^t unb enb*

133

Digitized by Google
ließ ift, roirb niemanb be3roeifeln, aber fatfd) ift es, baß fie in beftimm«

ter Bicßtung entroeber nad) oben ober nad) unten geben muffe ,
roie

nur nun fdjon fo oft bargelegt haben. 3 ebes Ding bewegt Jid) ohne
Unterfcßieb bierbin ober bortbin, too immer ber befte Ort feiner Selbft»

erbaltung ift. Cegen toir bie ‘Pri^ipien bes Ariftotetes 3ugrunbe , fo

könnten, roenn unterhalb ber (Erbe no<b ein anberes Stoffetement


roäre, bie leite bes 3 rbif<f)en bort nur geroaltfam feftgebalten werben
unb mürben oon bort naturgemäß aufmärts fteigen, roie auch etroaige
leite bes Jeuerftoffs, roenn fie oberhalb ihrer eigenen Sphäre roären,
beifpietshalber bort, roo jene ben ijimmel ober bie fiuppet bes Ater*

kur fetjen, naturgemäß oon bort herabfinken müßten. 3ßr roürbet alfo

felbft bei fo oerkehrten Borausfetjungen 3ugeben müffen, baß bas


Oben unb bas Unten keine abfotute, fonbern nur relatroe Be3ießungen
finb, unb baß atle Stoffe, roo immer fie fid) befinben, ben Baum ißrer
Selbfterhaltung 3U beßalten Jud)en ober erftreben. JBenn es alfo aud)
roaßr ift, baß alte Dinge fid) oon beftimmten Anfangspunkten burd)
ein meßbares Dtitten 3U beftimmten (Enbpunkten ßinberoegen, fo folgt

baraus bod) keinesroegs, baß bas Unioerfum eine enblicße ©röße ift

ober baß ber Seift, ber jeglidje 3ufammenfetjung unb jegliches ßeben
roirkt, nid)t unenblicß in unsäßtigen befonberen Akten roirkfam fein

könnte. (Es läßt fid) bamit rooßl oereinigen, baß jebe Bewegung, fo«

fern man oon ber gegenwärtigen Bewegung unb abfolut unb f<±>lect)t«

hin oon ber Bewegung fpricßt, enblid) unb beftimmt ift unb baß es
un3ät)Iige Anetten gibt, beren jegliche unenbtid) ift unb ein begren3tes

©ebiet hat, beren jeber für fid) unb ißre Steile begren3te Bahnen 3U«

geroiefen finb.

(Elpino: Das ift gut oon (Eu<ß gefagt, unb baß baraus fid) nichts

Unftattßaftes für uns ober ©ünftiges für jenen ergeben hat, beftätigt
er felber, inbem er fid) bod) noch weiter quält mit feiner Beroeisfüß«
rung gegen bie unenblidje Bewegung. Denn, fagt er, je meßr (Erbe

unb 3feuer fid) ißrer Sphäre näßern ,


um fo fcßneller roirb ißre Be»

134

Digitized by Google
wegung; ginge alfo ifjrc Bewegung ins Unbegrenjte, |o mühte f<f)lieh*

lief} auch if)rc Schnelligkeit, Schwere ober ßeicf)tigkeit unbegrenjt


1 *8
werben.
Filoteo: JBoIjl bekomm’s!
Fracaftorio: 2Bof)l! Aber mir jdjeint noch bas Befte an biejen
Sächelchen 3U fein, bafo bie Atome, wenn fie in räumlicher Suk3effion

einer unbegren3ten Bewegung unterliegen, non 3 e't 3U 3 e 't h' er aus*


itrömen unb bort einftrömen, ftd> halb f)iermit oerbinben, halb bamit
unb balb biefe, halb jene Äonfiguration bewirken, in ber lat eine
unenbliche Fortbewegung burd> bas unenblidje All oollenben unb un*
enblidjem ÜBedjjel unterliegen. Daraus folgt aber bod) nicht, bah fie

unenbliche Schwere, ßeichtigkeit ober Schnelligkeit erreichen.


Filoteo: ßafjen wir bie Bewegung ber elementarften Teile bei»
feite unb betrachten wir nur bie Bewegung berjenigen, bie 3U beftimm»
ten Arten bes Seins 3ufammengefetjt finb, 3. B. bie Teile ber (Erbe

als Jold)er. Bon biefen wirb man in ber lat fagen müffen, bah fie

auf biefen ©eltkörpern, wo fie finb, unb in ben Hegionen, wo fie

weilen, }i<h nur oon beftimmten Anfangspunkten 3U beftimmten (Enb»


punkten bewegen. Unb baraus kann man nicht fo Jcfjliefjen : Alfo ift

bas All begren3t unb alfo gibt es nur (Eine ©eit: alfo werben Affen
ohne Schwäne geboren, alfo können bie (Eulen nachts ohne Brille
feh<n, alfo fpinnen Jlebermäufe ©olle. Ferner, wenn man oon biefen

Teilen fpricht, wirb man nicht etwa folgenbe Folgerung machen kön*
nen: bas All ift unenblid), es gibt un3ählige Hielten; alfo wirb {ich

ein Teil biefer (Erbe ins Unenbliche bewegen unb fchliepd) 3U einer
anberen (Erbe mit unenblicher ©efd)minbigkeit unb unenblidjer Schwere
gelangen. (Erftens könnte ein foldjer Stoffteil, ba ja bas All aus ent*
<
gegengefetjten Prin3ipien befteht, bie ätherifche Hegion nicht all3ulange

burcheilen, ohne fchliefjlid) oon feinem ffiegenfat} überwunben unb oon


biefem aufgefogen 3U werben, fo bah ct nicht mehr irbifther Stoff
gelten könnte, 3toeitens lehrt bie gemeine (Erfahrung, bah ein Antrieb

135

Digitized by Google
3 um 3?atl ober jur (Erhebung nid)t aus unenblidjer (Entfernung ge*
roirkt toerben kann, fonbern nur im Umkreife bes 3ufammen1)angs,

3U bem ber Xeit gehört, roie aud) bie Jluiba unb feinen Stoffe, bie

fid) innerhalb eines tierijdjen Organismus oon aufjen nad) innen,

oon innen nad) aufcen betoegen unb in allen ©liebem kreijen, fobalb [ie

ben Umkreis berfelben oerlafjen f>aben, mögen fie aud) nod) fo nal) bei
bemfelben Jein, Jofort jegüdje ?In 3 iet)ungskraft 3 U bemjelben oerlieren.

T)er Kaum biefer ©rai>itationsbe 3 iet)ungen coirb burd) einen begren 3 *

ten ^albmeffer oom 3«ntrum bis 3 um Umfang bemeffen, bei letjterem

ift bie Sd)toerhraft bie geringjte , in erjterem bie gröfjte ,


unb je nad)
bem ©rabe ber 51ät)e 3 um einen ober anberen mirb fie größer ober
129
kleiner . 3d) roill bies nebenbei burd) 'Budjftaben unb 3<*I)Ien er*

läutern. A be 3 eid)ne bas 3entrum ber Sphäre, too ein Stein nad) ge*
roöi)nlid)er ^Rebecoeife »eher Jdjroer nod) Ieid)t fein mürbe; B ben Um*
kreis, roo er gleidjermafjen toeber fdjtoer nod) Iei<±)t jein roirb, jonbern
ruf)ig oerl)arren kann. fjier 3 eigt fid) nun mieber bie Äoin 3 iben 3 bes
©rösten unb Äleinften, toie mir fie 3 um Sd)luf3 unferes Sudjes 00 m
„Einfang, ber Urfadje unb bem ©inen" beroiefen fjaben. 1, 2, 3, 4,
<
5, 6 , 7, 8 ,
9 be 3 eid)nen bie Differen 3 en ber basroifc^en liegenben
Dtäume.
B. 9. toeber fd>a>er nod) letdjt,
8 . am roenigften fd)toer, am Ieid)teften,

7. erljeblid) roeniger fcötoer, erf)eblid) leidjter,

6 . roeniger [d)roer, mehr leid)t,

5. fd)toer, leitet,

4. me^r fd)toer, roeniger Ieid)t,

3. eri)eblid) roeniger Ieidjt, erfjebtirf) fd)toerer,

2 . am roenigften leicf)t, am fdjroerften,

toeber leicht nod) fd)toer.

3l)r fet)t alfo, es fet)lt fooiel baran, baff bie ©rbe fid) notroenbig

3 ur anberen betoegen müffte ,


bajj nid)t einmal bie ©eile einer ©rbe
außerhalb ifjres Umfangs biefen ©rieb f)eben können.

136

Digitized by Google
(Elpino: 3 f)r meint alfo, bafj biejer Umfang ein begrenjter ift?

Jiloteo: SUlerbings, roas bie größte Sdjroere betrifft, bie bem


gangen (Blobus 3ukommt. jrjinfidjtlid) ber mittleren Unterfd)iebe bes
Sdjroeren unb Ceidjten jebocf) bemerke id), bafj fo Diele Derfdjiebene

©rabe angenommen roerben muffen, als es 3roifd)en ber größten unb


geringften Sdjroere oerfd)iebene ©eroid)te geben bann.
(Elpino: Jene Skala f)at man alfo in gan3 befonberem Sinne auf*
3ufaffen.

Jiloteo: 3d) meine, roer ©erftanb befitjt, roirb fie fcfyon begreifen
können, ©egen bie Don bir Dorgetragenen ffiegengrünbe bes Utrifto*

teles ift fomit genug gejagt. Cafe uns jetjt fefjen, toas er nod) CErfjeb*

lidjes ein3Utoenben l)at.

(Elpino: Danon laf) uns mit (Eurer (Erlaubnis morgen reben. “Denn
id) toerbe oon Mlbertino erroartet, ber morgen feljr gern früher kom-
men möd)te unb ber (Eud), roie id) glaube, nod) Diel fpafjigere ©rünbe
für bie entgegengefetjte 2Beltanfd)auung anfüfyren tüirb ,
ba er in ber

l)errfd)enben 'pijilofopljie fet)r beroanbert ift.

Jiloteo: ffian3 roie es ©ud) beliebt!

137

Digitized by Google
fünfter Dialog

130
3IIbcr tino (ein neuer leilnehmer bes ©efpräd)s):

(E<5 bin bod) neugierig, was für ein Phantasma, was


für ein unerhörtes Monftrum, was für ein oerfcfjrobe»
ner Wenfd) h' cr ber Welt {eine Neuigkeiten aus per*
branntem fjirne oorkramt, ober finb es gar obfolete unb
alte Sadjen, bie hi« roieber aufgetifd)t werben, abge*
hauene Wurjeln, bte in unferem 3«italter roieber Schöjj*
linge -}u treiben beginnen ?

©Ipino: 3a, es finb abgehauene Murjeln, bie oon neuem aus*


fd)lagen, alte Sad)en, bie toieberkehren ,
oerkannte Wahrheiten, bie
[ich roieber 3 ur ©eltung bringen, es ift ein neues ßid>t, bas nach langer
Nad)t am ^orfyont unferer (Erkenntnis roieber aufgeht unb Ji<h all*

mählid) ber Mittagshöhe nähert.


Nlbcrtino: Äennte id) meinen (Elpino nicht, Jo wüfjte i<h nicht,

toas id) antworten Jollte.

©Ipino Sagt, was


: (Eud) beliebt! Wenn 3l)r, wie id) glaube, fooiel
©egriffsoermögen befi^et wie id), fo werbet 3hr ihm aud) beiftimmen,
wie id). Wenn Ohr mehr befitjt, fo werbet 31)* *h m rafdjer unb lieber

beiftimmen, unb bas glaube id)! ©ennfold)e, benen bie oulgäre !Ph'l°*
fophie unb bie gemeine ffielehrfamkeit noch fdjwer erfdjeint, bie felbft

in biefer nod) Sd)üler finb unb, obgleich fie felber fid) bafür nid)t
fd)ät}en, Stümper im eigenen 3ad), — Selbfterkenntnis ift nid)t oft

uorhanben — ,
foldje laffen fid) nur fd)wer für unfere Nnfd)auung ge*
winnen; bei {oldjen triumphiert ber allgemeine ©laube unb ber Nuhm
ber Slutoren, bie fie jebesmal in Jrjänbcn haben. ©ber bie anbercn,

138

Digitized by Google
benen bie genannte ‘Pßilojopßie War ift, bie ißr 3 «I foweit erreicht
ßaben, baß jie nießt meßr ißre ganje Cebensjeit batauf 311 oerwenben
brauchen, um nur oerfteßen 3U lernen, was ein anberer gejagt ßat,

jonbern bie eigene Sehkraft ßaben unb bie klugen ifjres eigenen tä-
tigen (Beiftes gebrauten, um in jeben Scßlupfwinkel ein3ubringen

unb jie mit ben Vrgusaugen ber oieljeitigen (Einfießten non taujenb
Stanbpunkten aus na<kt 3U befeßauen, bie werben ,
je meßr jie ißr

näßerrücken , aueß halb entfeßeiben lernen 3roifcßen bem ,


was einer

glaubt unb für waßr ßält, weil er es oon weitem fießt unb ber ©e«
woßnßeit unb bem allgemeinen (Einbruck folgt, unb bem, was waßr
ift unb für gewiß erkannt werben muß, als berußenb auf ber 2Bal>r»
Ijeit unb ©ejenßeit ber Dinge. Sd)werlid), meine icß, wirb bieje ‘Pßilo-

fopßie oon benen gut geßeißen werben ,


bie nießt entweber bas ©lück
eines guten angeborenen Verftanbes ober boeß wenigftens eine mit-
telmäßige Vusbilbung in oerfeßiebenen 3i»eigen ber ffiifjenfcßaft er-

langt ßaben, jo baß jie einen Unterfcßieb 3U machen wifjen 3wifeßen


bem, was auf bem ©Iauben berußt, oon bem, was feftbegrünbet ijt auf
ber (Eüiben3 waßrer 'Prinjipien; benn mancßesDing ßat <
ein Prin3ip,

befjen näßere ©eleucßtung auf unmöglicße ober unnatürlicße Folge-

rungen füßrt.
Dabei wollen wir ber feßmußigen unb loßnbienerijeßen Äöpfe, ber
Vrotgeleßrten ,
gar nießt gebenken ,
bie jicß um bie IBaßrßeit wenig
ober gar nießt bekümmern unb jicß mit bem 3U begnügen wifjen, was
allemal als ffiifjenfcßaft in bet ©tobe fteßt, wenig freunb ber 2Biffen»
jeßaft jelbft, aber befto begieriger naeß eigenem Vußm unb Otenommee,
181
ooH Verlangens, 3U jeßeinen, nießt 3U fein. Seßr feßteeßt, meine icß,

wirb berjenige 3wijcßen oerfeßiebenen ©Meinungen unb kontrabiktori»


[eßen Säßen wäßlen können ,
ber jicß kein feftes unb rießtiges Urteil
bitten kann. Unb berjenige wirb jicß jcßwerlicß ein Urteil bilben kön-

nen, ber nießt imftanbe ift, 3wifcßen biejem unb jenem, 3wijeßen bem
einen unb bem anbern eine Vergleießung an3ujtellen. Unb eine Ver«

139

Digitized by Google
glcidjung roirb berjenige nid)t anftellen können, bet bie Unterfd)iebe

nicht erfafjt, rooburcf) fie fid) unterfdjeiben. Unmöglid) ift es, bie

Unterfd)iebe auf3 uf affen , fo lange bas Sein unb Stefen eines jeben
oerborgen ift. Dies aber kann nid)t eher eoibent roerben, als bie Ur*
fadjen unb Anfänge aufgebeefct finb, bie feine ©runblage biiben. (Erft

bann alfo, wenn 3l)r bie ©runblagen, Anfänge unb Urfadjen einer ge*
regelten Setrad) tung unter3 ogen haben roerbet, roeld)e bie TBu^eln
ber entgegengefetjten S3eltanfd)auungen biiben, roenn 31)r fie auf ber
S3agfdjale ber Sernunft abgewogen haben roerbet, roerbet 3f)t in ber
ßage fein, ohne oiel 3 ögern bem 2BaI)ren beiäuftimmen.
Slbertin o : ©egen alberne unb bumme Snfid)ten Ji<h 3 U bemühen,
ift Sac^e eines Dummen unb Slbernen, fagt ber ©eiftesfürft Srifto*
teles.

© I
p i n o Das ift fd)ön gef agt. Allein, roenn 3t)r gut aufpafet, roerbet
:

3ljr {eben, ba^ biefe SScisheit fid) an feinen eigenen Snfid)ten beroät>ren
roirb, bie fid) als bumm unb albern enthüllen roerben! Ster richtig
urteilen roill, muh fi<h Don ber ©eroohnheit bes ffilaubens frei machen,

muh 3 unäcbft Sehauptung roie ©egenbehauptung für gleicbermahen


möglich gelten laffen können unb oollftänbig jegliche Soreingenommen*
heit fahren laffen, bie ihm oom Stutterleibe an eingeimpft roorben ift,

unb ßtoar man im allgemeinen Serkehr aufnimmt,


foroohl bie, roeld)e

als auch fold)e, burd) bie man burd) Sermittlung ber Ph^°f°P^ e <

roiebergeboren roirb, inbem man oor ben Sugen ber ÜJlenge unb fold)er
ffielehrten unb Steifen ,
bie oon ber Siehr 3 at)l eines beftimmten 3«it*

alters bafür gefd)ät}t roerben, oerftirbt. 3d) meine bamit: roenn eine

Äontrooerfe 3 roifd)en biefen unb jenen ©eiehrten, oon benen bie einen

oon ber Stehrheit biefer 3eit, bie anbern oon ber Stehrtjeit jener 3«t
hochgehalten rourben, recht beurteilt roerben foll, hat nun fi<h ins ©e*
bächtnis 3 urück 3 urufen, roas Sriftoteles felber fagt, bah man gar oft,
roenn man nid)t alle Seiten eines Problems berüefefi^tigt, eine 3Jtei*

nung leichtfinnig Derroirft unb bah anbererfeits fid) ein Sorurteil burch

140

Digitized by Google
bie Dlad)t ber ©eroohnheit bermafjen in unferer Übcrjeugung ein»

ni[ten kann, ba|j uns etroas als notroenbig erfd)eint, roas unmög»
lid) ift unb umgekehrt als unmöglich ,
roas burd)aus roahr unb not*
roenbig ift. Unb roenn fo etwas fdjon bei finnlict» offen baliegenben
Dingen oorhommen kann ,
roas mujj ba erft bei folgen ‘Problemen
gefdjehen, bie an unb für fid) 3roeifeüiaft unb oon gut gelegten ‘Prin*

3ipien unb gefieberten ffirunblagen abhängig finb?


Dlbertino: Dad) ^Infidjt bes Doerroes unb oieler anberer Äom*
mentatoren kann man nichts roiffen ,
roas Ul riftoteles nidjt jd)on ge*
139
roufjt f)ätte.

CElpino: 3ener unb fein gan3er Dnhang fdjeint fo niebrigen ©eiftes

geroefen 3U fein unb fo tief in ber ftinftemis gefteckt 3U haben, ba|j


ihm ber ein3ige Driftoteles ,
auf ben er Ijinfaf) ,
um fo höher unb hei*
ler erfd)einen muffte. ©enn alfo biefer unb anbere, bie ähnliche Dufee*

rungen fallen liefen, fi«h fdjitklidjer hätten ausbrücken roollen, fo hat*


ten fie fagen müffen, Driftoteles fei ein ©ott in ihren Slugen, fie rofir»

ben bamit nicht foroohl ben Driftoteles erhöht als oielmehr ihre eigene
Unfähigkeit bekannt haben; benn ihr ffiutad)ten hat keinen anberen
ffiert als bas ©utaebten eines Riffen ,
ber feine eigenen Äinber für
bie fdjönften ©efdjöpfe ber ©eit unb feinen Dffenahn für ben größten
Wann ber ©tbe hält.
Libertin 0 : Parturiunt montes!
©Ipino: Ohr follt fehen, baff es kein Dtäuslein ift, bas fie ge*

baren!
Dlbertino: ©egen Driftoteles haben fd)on mand)e geftid)elt unb
intriguiert; aber allen ihren ‘Pfeilen finb bie Spitjen genommen, ihre

Heftungen finb gefdjleift roorben, ihre Sogen finb 3erbrod)en roorben.

©Ipino: ©lag fein! ©0 eine Dichtigkeit gegen bie anbere ärieg

führt, kann bie eine mächtiger erfdjeinen, als bie anbere; barum oer*

Iicrt fie hoch ihre eigene Dichtigkeit nicht unb kann (chltefflich bo<h oon
ber ©ahrheit enthüllt unb befiegt roerben.

141

Digitized by Google
Silber tino: 3 d) behaupte, baff es unmöglich i[t, ben Slriftoteles

beroeifenb 3U roiberlegen.

fjiloteo: Das ift eine ooreilige S3 ef)auptung.

Silber tino: Ocf) fpred)e fie nic^t aus ohne eingehenbes Stubium
alles beffen, toas Slriftoteles lefjrt. (Es fef)It fooiel, baff id) irgenb

einen Orrtum barin finbe, baff id) oieImeI)r nichts barin entbecbe, als

toas nach göttlicher SBeislfeit fd)mecbt, unb id) bann mir nid)t benben,
bah irgenb ein anberer nid)t benfelben (Einbruch erlangen mühte.
(Elpino: 'Dann beurteilt 3t)r tool)I bi« getftige Berbauungsbraft
eines anbem nach ber (Eurigen unb meint, toas (Euch unmöglich fei, fei

aud) jebem anberen unmöglich ? freilich gibt es manchen Unglüch*


feligen auf ber SBelt, ber nicht nur felber bes (Buten ermangelt, fon*
bem bem bas 3fatum auch noch eine (Erinngs unb höHifche 3rurie 3ur
Begleiterin gefeilt hat, bie ihn feine Slugen freimütig mit bem fd>mar*
3en Schleier bes Steibes »erhängen läht, bah er, toeil er feine eigene

Blöfje, feine Slrmut unb fein (Elenb ebenfo toenig erbennt, toie ben
glän3enben ^Reichtum anberer, lieber in fchmuijig ftol3er Slrmut hin*
fied)t unb unter bem Schutt einer halsftarrigen linroiffenheit begraben
bleibt, als bah er fi<h 3 U einer neuen Gehre bebef)rt unb bebennt, bis
bahin unroiffenb geroefen 3U fein.

Sllbertino: SBollt 3 l)r benn gar verbi gratia, id) folle mich 3 um
Schüler biefes ÜJtenfd)en machen? 3 ch, ein ©obtor, SRitglieb non fo
unb fooiel Slbabemien, ber ich an ben erften Slbabemien ber SBelt als
orbentlid)er 'Profeffor bie 'Philofopfjie gelehrt habe ,
follte jetjt noch
ba3u bommen ,
ben Slriftoteles 3U oerleugnen unb mich oon fo einem
in ber 'Philofophie unterrichten 3U laffen ?

(Elpino: 3 df meinesteils, ber id) bein “Dobtor, fonbern ein geroöhn»


lieber Caie bin, laffe mich gern belehren, unb gern mürbe ich nicht nur
biefen, fonbern auch jeben anberen, ben bie ®ötter ba3u beftimmt
haben, inbem fie ihn mehr begreifen liehen, als mich, 3 um ßeljrer an«
nehmen.

142

Digitized by Google
:

2llbertino : So {oll ich mich benn toieber auf bic Scbulbanfe fetjett?
(Elpino: ©ein, 3l)r follt oielmeljr enblicf) bie Äinbcr[d)ul)e aus3ief)cn
unb bic Scbulfajen oergcffen!

211 ber tino: Dcb banfee Dielmals für (Eure Jreunblidjfeeit, mich roei*

terbringen unb meine ®eiftesbilbung förbern 3U toollen burcb 2ln«

börung eines {old)en ©erbeuten, non bem jebermamt roeifj, toie |ebt

er bei allen 2lfeabemien Derba&t, bafj er ein ffiegner aller berrf^enben


ßebren ift, Don toenigen gelobt, oon niemanben anerfeannt, Don allen

oerfolgt roirb.

©Ipino: Bon allen Derfolgt, — freilid) ,


aber non roas für toel*

eben! non wenigen gelobt, — ja, aber oon ben Beften unb (Ebelften!
— ein ®egner ber berrfdjenben ßebre, aber nid)t t
roeil [ie eine ßebre
unb im ©efitje ber fjerrfebaft, [onbern roeil fie faljeb ift; bie 2lfea*

bemien ibn; benn roo ©egenfab ift, feann feeine fliehe {ein; ein

„©erbebtet", roeil bie ©tenge jeben I>agt, ber fi<b oon ibr abfonbert
unb über {ie erbebt unb eben baburd) eine 3 *clfd>ctbe für Diele roirb.
2Benn id) übrigens richtig fd)ilbern foll, {0 feann id) ®u<b nur fagen,
ba& ber ©lann, roas fpefeulatiDe Dinge betrifft, roeit toeniger barauf
Derpid)t i{t ,
3U lehren ,
als 3U fernen, bajj er roeit lieber felber ©eues
bört unb fi<b roeit mehr freuen roirb, roenn er erfährt, bafj 3 br ib n

belehren roollt, {ofern er noch auf einen (Erfolg hoffen feann, als
rnenn er erfährt, bajj 3b r oon >b m Belehrung roünfdjt. Sein gan3es
Dichten unb Iradjten gebt mehr aufs ßernen als aufs ßebren unb
er hält fi<b 3U er{terem berufener als letjterem. Doch (ieb! ba feommt
er (<bon 3u{ammen mit fjfracaftorio!

2llbertino : Schön roillfeommen, Jiloteo!


{filoteo : ffileichfalls, 3ur guten Stunbe!
2llberttno
„9tad)bem icf> lang’ nur §eu unb Stroh gefreffen,
©ei Odjfen, Schafen, ©ödten, (Efeln, ©ferben,
— 2Bün{<h td> auf eurer Scfeulbanfe hingefeffen
©tit bejfrer ©eifteshoft genährt 3U roerben!"

143

Digitized by Google
(Jracaftorio: Seib willbommen!
Albertino: Sis fyeute f)abe td) (Eure Anjid)ten nid)t einmal für
roürbig geartet, gehört, gefdjroeige benn beantwortet ju werben.
Ortloteo: (Berabe jo urteilte id) jelbjt in meinen erjten Qafyren, als
id) nod) gan3 non Ariftoteles eingenommen toar ,
bis 3U einem be*

ftimmten (Enbpunbt. Oetjt, nadjbem id) mel)r erfahren unb nadjgebadjt


habe, unb alfo ein gereifteres Urteil erlangt haben jollte, je%t aljo joll

id) übergejd)nappt fein unb ben Her jtanb oerloren Ijaben? 9tun, toenn
bies eine £ranbl)eit ift, oon ber gewöhnlich niemanb weniger etwas
merbt, als ber Äranbe jelbjt, jo bann icf) ja immer nod) 3ufrieben jein,

baf) mir jelber ein Serbacfjt auftaud)t, oon ber ©elehrjamheit 3ur Un*
wijjent)eit fortgejd)ritten 3U fein ,
unb nun I)ier einen Sr3t antreffe,
ber für befähigt gilt, mid) oon bem 2Bal)nfinn 3U burieren.
Albertino:
„9lid)ts oermag mehr bie Aaturbraft, unb bte fjetlhunft ift nur Quarfc,
bie £ranht)eit eingerourjelt, roo oergiftet fjirn unb Warb."

tJrracaftorio: Sitte, mein 5}err, füllen Sie if)m 3unäd)jt ben ‘Puls
unb betrauten Sie feinen Urin! (Erft, wenn Sie banad) glauben wer*
ben, heine Ausfid)t auf Teilung 3U ^aben, werben wir uns Dorern
Urteil gern unterorbnen.

Albertino: Sie befte Art, ben^puls 3U füllen, wirb bie jein, ein*

mal 3U jeljen ,
wie Dl>r (Eud) aus einigen Argumenten herauswidteln
bönnt, bie id) (Eud) jetjt oortragen werbe, aus benen jid) bie Unmög*
Iid)beit mehrerer ÜBelten mit Aotwenbigbeit ergibt.

3riloteo: S3 ir werben ©ud) nid)t wenig Der bunben jein, wenn 3 h*


uns biejen Seweis führt; unb jolltet 3l)r biejen (Erfolg nid)t haben,

jo werben wir bod) (Euer Sdjulbner infofern werben, als 3 hr uns


bann in unferer eigenen Über3eugung bräftigen werbet. Senn wir
finb fid)er, non (Eurer Seite bie gan3e firaft ber ©egengrünbe gewär»
tigen 3U bürfen; aud) jeib 3 hr ja ber gewöhnlichen wifjenj<haftlid)en

Cehren jo {ehr mächtig, bah 3 h r gar ben ® er ^ unb tue Sebeu*

144

Digitized by Google
hing ihrer fjunbamente im Unterfd)ieb 311 unjeren ^rinsipien beur*
teilen könnt. Jrjabt alfo bie ©üte, alle ©egengrünbe, bie (Eud) als bie
183
beften unb erl)eblid)ften erfd)einen, Dor3utragen.
Ulbert ino: “Das roerbe id). (Erftens alfo I)at Kriftoteles beroie*

jen, bafc außerhalb bie[er ©eit fic^ roeber Kaum nod) 3«>t benken
lägt; — benn man fagt, es gebe einen äufjerften (oberften, erften)
$immel unb einen Stoff, bet bie größte (Entfernung oon uns hat,
bas erfte ©eroeglidje ;
gecoöljnlid) oerfteljen mir unter f)immel ben
äufjerften Umkreis ber ©eit, roo alles unberoeglid) feft unb rul)ig ift,

edo bie beroegenben Dntelligen3en ber ein3elnen Sphären roeilen.

©enn man fobann bie ©eit in l)immlijd)en unb elementaren Stoff


einteilt, jo ift letjterer begren3t unb umfafjt, erfterer bas <Begren3enbe
unb Umfaffenbe ;
unb bie Orbnung bes Unioerfums ift bie, bajj man
00m bitkern Stoff 3U feinerem empor fteigt, bis man jenjeits ber Sphäre
bes fjeuers, in ber Sonne, ©onb unb anbere Sterne befeftigt ftnb,

3u einer fünften (Efjen3 gelangt. 9Iud) leitete kann nid)t unenblid)

fein ;
benn fonft mürbe es unmöglich fein, bas erfte ©croeglidje 3U
erreichen, aud) mürbe ja bei Annahme ber Unenblid)keit unoergang*
lidjer unb göttlid)er Stoff oom ©ergänglidjen umftfjloffen roerben,
roas unftattfjaft ift, ba bem ©öttlid)en <Jorm unb ^Tätigkeit als

©igenfdjaft 3ukommt, es alfo nicht bas begren3te, fonbern bas ©e*


gren3enbe fein mufj :
— bal)er fdjliegc id) mit K riftoteles :
— roenn
außerhalb biefer ©eit nod) ein Äörper ift, fo roirb ein foldjcr ent*

roeber einfad) ober 3ufammengefe^t fein, unb fei er nun bas eine

ober anbere, fo frage id) meiter : ift er bort an feinem natürlichen


Ort ober nur ocrmöge äußerer fficroalt? ©ir können 3eigen, bafj

bort kein einfacher Äörper ift ;


benn es ift nid)t möglid), bafj ein fpl)ä*

rifther Äörper ben Ort roed)felt ;


benn roie es unmöglid) ift, bafj et

bas 3*ntrum roechfelt, fo ift es aud) unmöglid, bafj er bie 2age mech*

feit ; fo etroas könnte nur burd) ©emalt gefthehen, bie aber roeber
aktio nod) paffio an ihm möglich ift. ©leidjermajjen unmöglich ift es,

ffiioTÖano Bruno Bö. III

Digitized by Google
bafj aufjerfyalb bes Rimmels ein einfacher beweglicher Pörper non
gerabliniger Bewegung fid) beftnbe, fei er nun fdjwer ober Ieid)t. Bon
Batur bann bort ein joldjer nid)t fein ;
benn bie Örter foldjer ein*

fad)er Pörper müßten anberswo fein, als außerhalb ber B3elt. (Er

bann bort aber aud) nid)t per accidens fein. Benn bann müßten
bort anbere Pörper oon Batur fein. 2Benn ferner betoiefen worben
ift, baf} es beine anbere einfache Pörper gibt als bicjenigen, welche
nad) brei Wirten unb Bid)tungen beweglid) finb, fo bönnen aud) aufjer*
f>alb ber ©eit beine anberen einfache Pörper fein, ffienn bem fo ift,

fo bann bort aud) bein sufammengefetjter Pörper fein; benn ein fol*

d)er beftef)t ja aus einfachen. “Der Jrjimmel ift einjig, oollbommen


unb nollenbet; etwas 3 weites il>m ähnliches bann es nid)t geben.

Bujjerl)alb besfelben bann toeber Baum, nod) Zolles, nod) ßeeres,


nod) fein. Pein Baum ;
benn wenn ein fold)er gefüllt ift, mufj
er einen Pörper enthalten, unb 3 ®ar entweber einen einfachen ober

3 ufammengefet}ten. Bber aud) wenn er leer ift, mufjbem Begriffe bes


Ceeren 3 ufoIge, ber fid) als Bufnaf)mefäl)igbeit eines Pörpers beftimmt,

ein Pörper fein bönnen ;


wir haben ja eben ge 3 eigt, bafj außerhalb
bes fjimmels bein Pörper fein bann. — Peine 3eit — I
benn 3*ü
ift Blajj ber Bewegung ;
Bewegung ift nur an Pörpern, wo bein
Pörper ift, ift beine Bewegung, alfo aud) bein Blajj ber Bewegung.
2Bir aber haben bewiefen, bafj außerhalb ber ©eit bein Pörper ift,

folglich aud), bafj bort beine Bewegung, beine 3cit ift.

2. Bus ber (Einheit bes crften Bewegers get)t mit Botwenbigheit


bie (Einheit ber ©eit Ijeroor. Bilgemein wirb 3 ugeftanben, bafj bie

Preisbewegung wahrhaft einig, einförmig, ohne Bnfang unb (Enbe


ift. ©enn fie einig ift, bann fie aud) nur bie ©irbung einer einigen

llrfadje fein. ©enn alfo ber oberfte fjimmel einer ift, mit bem alle

unteren 3 ufammenftimmen, fo mufj es notwenbig aud) nur (Einen


einigen Cenber unb Beweger geben, ber, weil immateriell, burd) 3<rf)l

unb Waterie fid) nid)t oeroielfältigen bann. ©enn ber Beweger ein*

146

Digitized by Google
3ig ift, unb oon einem Deweger aud) nur eine ^Bewegung ausgehen
hann, |o ift bas bewegliche Unioerfum einjig. ©fo bann es nid)t
mehrere ©eiten geben.
3 . CEs läfjt fid) bie (Einheit ber ©eit aus ber ©nblidjkeit ber Örter
ber beweglichen Dinge erfdjliefeen. (Es gibt brei 2lrten beweglicher

Äörper, fernere, leiste unb joldje, bie keins oon beiben finb, b. f).

(Erbe unb ©affer, 2 uft unb treuer unb ber Fimmel. So gibt es aud)

breierlei Örter für alles Bewegliche : bas Unten, bas ©itten unb
bas Oben. (Es gibt einen unteren Baum, 3U bem alle ferneren Dinge
hinftreben, in welcher ©eit fie aud) jein mögen, unb einen ) 66
1 )--

ften, 3U bem bie leisten Dinge jeber benbbaren ©eit Ijinftreben.

©}o gibt es einen Ort, in bem fid) ber irjimmel jeber benkbaren ©eit
bewegen mufj. ©enn es einen fold)en Ort gibt, jo gibt es nur eine
©eit unb nid)t mehrere.
4 . ©efetjt, es gäbe mehrere ©ittelpunkte, benen bie fd)weren, es
gäbe mehrere Umftreije, benen bie leisten Dinge 3uftrebten, unb bieje

Örter oerjdjiebener ©eiten wären nid)t ber Hirt, fonbern ber 3al)l
nad) oerjdjieben; — jo toürbe baraus folgen, bafj bie ©itte ber einen
oon bet ©itte ber anbern weiter entfernt wäre, als bie ©itte oom
Umkreis. Bber ©ittelpunkt unb ©ittelpunkt treffen in specie 3U»

jammen, wätjrenb ©ittelpunkt unb Umkreis einanber entgegengejetjt

finb. (Es würbe aljo eine größere räumliche (Entfernung 3wifd)en


jenen beftehen, bie in specie 3ufammentreffen, als 3wifdjen ©egen»
jätjen. Dies ift gegen bie Batur fold)er ffiegenfätje. Denn wenn man
jagt, bafj bie erjten ffiegenfätje am weiteften ooneinanber abftet)en,

jo be3iel)t fid) bies oornehmlid) auf bie räumliche (Entfernung, bie


3wifd)en jinnlid) wahrnehmbaren ©egenjätjen bejtehen mufj. Die
£i)potl)eje ber unenblid)en ©eit ift aljo nidjt nur falfd), fonbern un«
möglich-
5 . ©ären mehrere ber Brt na<h ähnliche ©eiten, jo müfjten fie

entweber ber ©röfje nach 9 an 3 einerlei ober wenigjtens — was in

147

Digitized by Google
biejer ®c 3 iel)ung auf eins fyerausftommt — proportional jein. 2Benn
bem jo toäre, toürben nid)t mehr als jed)S 2Belten bie unjere begren*

3 en können benn ohne gegenjeitige körperliche ©urdjbringung können


;

nicht mehr als je<hs Äugeln aneinanber gre^en, roie auch nicht mehr
als fedjs gleiche Äreije ohne gegenjeitige ©urchfdjneibungen (Jig. 6)
134
einanber berühren können.
•Daraus toürbe jid)

ergeben, bah alle bieje


jedjs Äreije einem ge*
meinjdjaftlichen Mittel*

punkte angehören roür*


ben, unb ba bie Äraft
ber erjten ©egenfätje
gleich je«« muh, n>äh*
renb nach biejer 9ln*

nähme fid> einellngleich*


heit ergibt, jo toürben
bie höheren ©lemente
mäßiger jein müjjen,
als bie unteren unb
bieje JDelten ji<h jchliehlid) bod) in eine ein 3 ige auflöjen müjjen.

6. Menn bie Äreije ber oerjehiebenen Melten jid) nur in einem


•punkte berühren, jo muh ttotroenbig 3 toijchen bem ©etoölbe ber einen
unb ber anberen Sphäre ein IRaum bleiben ;
biejer IHaum toirb bann
enttoeber burd) ettoas ausgefüllt ober nicht. 2Benn ihn etroas aus*
füllt, jo kann bies nicht bie Ttatur besjenigen ©lementes haben, bas
bemjenigen ber llmfangstoölbung am meiften entgegengefetjt unb
oon biejer am toeitejten entfernt ijt ;
benn, roie man ficht, ijt ein jol*

eher breiechigcr IRaum non brei Sogenlinien, beren jebe 3 um Umfang


einer oon brei Metten gehört, begren 3 t, fein Mittelpunkt ijt alfo am
roeiteften non ben ©eben entfernt. Slljo roirb man fid) neue ©lemente

148

Digitized by Google
!

ober eine neue ©eit aus3ubenken l)aben, um Daum 3U füllen,


biefen
ober man mufj ijier notroenbig einen leeren Daum anneijmen, ber
bod) für unmöglid) gilt.

©enn es mehrere ©eiten gibt, fo finb iljrer entroeber unbegren3t


oiele ober begren3t Diele. 3m erfteren <Jall f)aben mir eine Dollenbete
185
Unenblidjkeit, meldje für unmöglich 3U eradjten ift. Dm festeren

mufj eine beftimmte 3 af)l Dorfyanben fein. Unb bann mürben mir 3U
unterfud)en Ijaben, roarum es gerabe fo oiele unb ni<f)t mel)r unb nid)t

meniger, roarum es nidjt nod) bie eine ober anber gebe? ©enn bie

3af)I gerabe ober ungerabe, roarum meljr bas eine als bas anbere?
ober aud), roarum biefe gan3e ©aterie, bie in ben mehreren ©eiten
Derteilt ift, fid) nid)t in einer ein3igen 3ufammengeballt Ijabe ; benn
ceteris paribus ift (Einheit bod) beffer als Dielljeit

7 . Die Datur roafjrt überall ein ©ajj in allen Dingen ; roie fie

bas Dotroenbige nirgenbs mangeln lagt, fo fdjroelgt fie anbrerfeits


nid^t im Überfluß, ©enn bemnad) burd) bie ©erbe biefer ©eit alles

oerroirklid)t toerben konnte, fo ift kein (Brunb oorf)anben, bafj nod)


anbere ejiftieren.

8. ©enn es un3äl)lige ©eiten gäbe ober mel)r als eine, fo mürbe


bies bod) Ijauptfädjlid) besljalb ber 3fall fein, meil (Bott fie fdjaffen
konnte ober meil fie oon ©ottes ©Ulen ab^ängen können. Allein
roenn bies aud) möglid) ift, fo folgt baraus bod) keinenfalls, bajj es

roal)r ift. Denn 3U ber aktinen Jaljigkeit ©ottes mü^te nod) bie paf«

fbe ©öglid)keit ber Dinge l)in3ukommen. Did)t jebes aktioe Der«


mögen rid)tet fid) aud) auf ein paffioes, oielmeljr mufj aud) ein pro»
portionales ßeibenbes, eine Unterlage norljanben fein, bie ben gan3en
Dkt bes ©irkenben auf3unef)men oermag. Duf biefe 9lrt ftegt kein

Ding im Derf)ältnis 3ur erften Urfacf)e. Obroot)l alfo ©ott meljr als
eine ©eit fdjaffen könnte, fo können bod) nid)t mehrere ©eiten ge«
fd>affen merben.

9 . ffiäbe es mehrere ©eiten, fo beftänbe jebe für fid), unb es fänbe

149

Digitized by Google
feein Berkefyr 3 wifd)en if)nen ftatt. ffiott mürbe aber nid)t cooljl baran
getan t)aben, ben Bürgern ber Betriebenen 2Belten bas ffiut bes
gegenseitigen 2Iustaufd)es 3 U oerfagen.

10. Burd) bie ÜJletjrfjeit ber ÜBelten würbe ein Hemmnis in ber

2Beltbemegung entftef)en ;
benn ba bie Sphären fid) notroenbig in
einem ‘Punkte berühren müffen, fo könnte fid) bod) bie eine nid)t gegen
bie anbere bewegen, unb bie 2Belt mürbe nur ferner burd) iljre ©ötter
in ber Bewegung 3 U lenken Jein.

11. ©ine ÜJlel)rl)eit oon Dnbioibuen kann nidjt aus einer (Einheit

Ijeroorgeljen, es jei benn burd) einen joldjen Beroielfältigungsakt ber

Batur, wie er in ber Teilung ber Btaterie befteljt, unb bies i[t kein
anberer 21kt, als berjenige ber ßeugung. So Jagt benn 2lriftoteles

nebft allen ‘Peripatetikern : ©ine Btetjrljeit oon Dnbioibuen bcrjelben


©attung beruht nur auf bem 21 kte ber 3 *ugung. 21 ber biejenigen,

meldje mehrere 2Belten non berjelben Blaterie unb JJorm anne^men,


behaupten nid)t, bafc fid) bie eine in bie anbere oertoanble ober bajj
eine burd) bie anbere er 3 eugt Jei.

12 . Bas Bollkommene bulbet keinen 3u i


Q t* ®enn aljo biefe

ffielt oollkommen ift, fo kann fie als eine 21 rt bes 3 ufammenl)angen»


ben nid)t oon einer anberen 2lrt bes 3 ufammenf)angenben begreift
werben ;
benn ber unteilbare *punkt oerläuft mattjematifd) in eine
Cinie, meldjc bie erfte 2lrt bes Stetigen bilbet, bie ßinie gel)t in

bie Orlädje auf, als in bie 3 weite 2Irt ber feontinuierlidjen, bie

Srlädje orbnet fid) bem Äörper, als ber britten 2lrt bes Äon«
tinuierlidjen unter. Ber feörper get>t aber nid)t wieber in eine

21 rt bes feontinuierlidjen auf, fonbern wenn er ein leil bes 2111 s ift,

gren 3 t er an einen anberen feörper ;


wenn er aber bas 2111 felber ift,

fo ift er oollkommen unb begren 3 t fid) burd) fid) felber.

Bies finb bie 3 wölf ©egengrünbe ! feönnen Sie mir jeben berfelben
ausreidjenb beantworten, fo will i
d) gern aud) alle anberen für wiber«
legt galten unb mid) für befriebigt erklären!

150

Digitized by Google
«filoteo: Selbjtoerjtänblidj roirb bod) jemanb, bcr eine Ifjeje
oerteibigen roill, wenn er nid)t oöllig albern ift, 3Uüor bie ©egen«
grünbe geprüft haben ;
roie ja auef) ein Solbat oerbienbet fein mürbe,
ber es jid) jur Aufgabe machen wollte, einen 'Poften 311 oerteibigen,

ohne 3uoor genau bas anliegenbe lerrain unb alte Orte in Bugen»
jd)ein genommen 3U haben, oon benen aus berjelbe angegriffen n>er s
ben bann. Die ffiriinbe, roeldje Sie oorgetragen haben, jinb burd)aus
nid)t neu, jonbern jd)on oon manchen oorgebrad)t ;
|ie alle roerben

jel)r roirkjam roiberlegt roerben können, jobalb man nur einerjeits

il)r «Junbament unb anberjeits bie Batur unjeres Satjes ins Buge
fa|t. Bcibes roirb 3 f)nen fogleid) burd) meine Bntroorten klar roer«
ben, bie in wenigen ©orten bejtefjen jollen ;
ben weiteren kommen«
tar können Sie jid) bann oon ©Ipino geben Iajfen, ber 3 t)nen gern
mitteilen roirb, was er oon mir gehört hat.

Blbertino: Über3eugen Sie mid) erjt, bah letjteres mir Butjen


unb Befriebigung meines ©ifjensburftcs jcfjaffen kann ;
benn id) bin

über3eugt, baf} es mir nidjt besagen roirb, erjt Sie unb bann (Elpino
3U hören.
Jiloteo: ffür urteilsfähige unb gebilbete ©änner reid>t es aus,

ihnen blofj ben Ort ber Betrachtung 3U 3eigen, oon roo aus fie jid)

jelber ein tiefer begrünbetes Urteil bilben können, roenn jieoon einer
©egenbehauptung 3ur anberen weiter jehreiten.

©as nun 3 f)r erftes Bebenken betrifft, jo muh *<h barauf erroi«

bern, bah bieje gan3e ©ajd)inerie ins Stocken kommt, jobalb man
einmal annimmt, bah jene Unter jdjeibungen ber Sphären unb Rimmels»
kugeln auf (Einbübung beruhen, bah oielmehr bie ffieftirne fid) aus
innerem Prin3ip im unermehlidjen ©herraum um
<
if)r eigenes 3entrum
ober um einen anberen ©ittelpunkt bewegen. (Es gibt kein erjtes

Bewegliches, bas wirklich jo oiele Äörper mit jid) rijje, oielmehr Der«
urjad)t biejer eine ©lobus ben Sinnenjd)ein einer jold)en Umbrehung,
bie ©rünbe bafür roirb 3 I)nen Clpino auseinanberjetjen.

151

Digitized by Google
3llbertino : 3ch toerbe fic gern oemehmen.
tfriloteo: ©enn 3l)r fie oerftehen unb einfefjen toerbet, bah jene
5Xnfid)t unnatürlich, bie unfere aber Dernunftgemäjj ift unb oon jeber
(Erfahrung bewahrheitet wirb, jo roerbet 3l)r auch nicht roeiter be«
haupten, es gebe einen äufcerften Banb bes 3111s, unb bie Meinung,
es gebe jo ein oberjtes Bewegliches, jo einen äufjerften Fimmel unb
Umfaffer, für eine ‘Phantafie erkennen, Dielmehr begreifen, bah es
nur einen allgemeinen Schob gibt, in welchem bie ©eiten nicht an*
bers bejtehen, als bieje (Erbkugel in biefem Baume, wo jie oon biejem
©her* unb Cuftmeer umgeben ift, ohne an irgenb einem anberen
fiörper angenagelt unb befejtigt 3 U jein ober einer anberen Stütje 311

bebürfen, als bes eigenen Mittelpunkts. Unb toenn man erkennt,

bah biejes unjer ©eftirn keinerlei anbere Berhältnifje unb 3uftänbe


aufroeijt, aus benen man auf anbere (Eigenjchaften unb auf eine

anbere Batur jdjliehen könnte, jo toirb man es um nichts mehr für


ben Mittelpunkt bes 3Beltatls halten können, als jebes ein 3 elne ber
übrigen ©eftirne. So fliehen toir benn aus ber ©teichförmigkeit
ber Batur auf bie Bid)tejiften 3 ber beferierenben Äreije, auf bie
Äraft ber (Eigenbetoegung unb bie innere Selbftänbigkeit ber ©eit*
kugeln, auf bie ©Ieidjartigkeit bes allgemeinen ©eltraumes unb bie

Unoernünftigkeit einer ©eltgren 3 e unb einer bejtimmten Jigur bes 3l!Is.


3llbertino : 3n ber lat, ber Batur jdjeint mir bies nicht eben 3 U
roiberftreiten, oielmehr kommt es mir oiel konoenienter oor, aber es
bürfte fehr fdjmierig 3 U betoeijen fein unb bie 3lbwehr ber ©egen*
grünbe toirb groben Scharf jinn erforbern.
3filoteo: §at man erjt bie 5 auptfache gefaxt, jo toirb es
*
leicht,

ben gan 3 en Änäuel 3U entminen. Das ein 3 ige, toas mir 3 U bejeitigen
haben, ift bie un 3 uläffige Borausfetjung oon ber Schwere unb Un*
betoeglichkeit ber (Erbe, fotoie bie 3lnnahme bes erften Beweglichen

nebft 6 , 8 9 ober mehr Sphären,


,
in benen bie Sterne eingelaffen,

fejtgenagelt ober einge 3 apft {ein füllen.

152

Digitized by Google
Blbertino :
3-reilid), roenn Df)r mir biefe Borausfehung erft aus
bem Sinne gcfdjafft fjabt, roerben (Eure fonftigen ßeijren leidet bei mir
(Eingang finben, 3f)r roerbet gleid) 3 eitig bie fflurjeln ber einen 2Belt*
anfdjauung ausroben unb bie ber anberen pflogen.
Jiloteo: 3t)r roerbet nod) bie oulgäre 2lnfd)auung oon einem
oberften unb oornehmften BJeltkreis oerad)ten unb geftetjen, baf) es

3 um minbeften gleichermahen glaubtoürbig ift, bah bie (Erbe ein be«

roeglid)es unb fid) aus innerem ‘Pri^ip entroididtes Ceberoejen fei,

ebenfo mie auch bie übrigen ©eftirne, bie nid)t etroa burd) einen an>
beren Stoff, ber unbid)ter unb feiner als {elbft bie Cuft {ein {oll, in

Beroegung gebraut roerben. 3t)r roerbet einfef)en, bah jene Bnfd)au*


ung auf blofjer (Einbilbung beruht unb unerroeisbar ift, roäljrenb bie

un{rige jebem regelrechten Berftanbe 3 umutet. 3t)r roerbet es nicht

für roahrfdjeinlicher halten, baf) bie Sterne an honoejen unb konkaoen


&ugelfd)alen befeftigt finb unb mit biefer beroegt roerben, als bah es
im unermef)lid)en Baume keinen Unterfd)ieb 3 roifchen hoch unb tief,

red)ts unb links, oorn unb hinten gibt, bah baher Sterne um Sterne
kreijen, ohne 3rurd)t, in eine unenbliche liefe {inken ober 3 U unenb*
licf)er f)öhe {teigen 3 U mü{{en.
BIbertino: ©lehr als je erkenne id) je^t, bah in ber lat ber
kleinfte 3rrtum in ben Anfängen bie gröhte ffiefahr unb Bbroeidjung
für bas (Enbe neranlaht ; eine einige Unftatthaftigkeit in ben (Eie*

menten oemelfältigt unb oer 3 roeigt {ich allmählich ebenfo, roie aus
ber kleinften 2Bur 3 el mächtige Bäume mit 3 af)lIofen 3meigen heroor*
13 *
roachfen. Bei meiner Seele, ftiloteo, id) toetbe immer begieriger

barauf, bas, roas id) nun bereits für roal)rfd)einlid) unb burchaus
roürbig an{ef)e, ooll unb klar oon Dir beroie{en 3 U fehen.

3r ilotco : Soroeit ffielegenheit unb 3eit es mir geftattet, roerbe

ich es oerfuchen; oieles, roas(Eud) bis jetjt nicht infolge oon Unfähig*
keit, {onbem oon bloher Unacht{amkeit oerborgen geblieben ift, kann
ich bann (Eurem eigenen Bad)benken überlaffcn.

153

Digitized by Google
: !

Blbertino: 3rüt)rt mir nur in Jo*™ non Sätjen unb Sd)luh*


betten bas ©an3e oor! 3 d) toeih ja, bafj 3 l)r felbft, beoor 3 t)r 3U
©urer jetjigen ©nfid)t gelangt feib, bie ffirünbe ber ©egnerfd)aft ge-

prüft habt, unb baf| ©ud) bie herrfdjenbe *pi)üofopl)ie kein ©eheimnis
ift. fjatjrt alfo fort

Jiloteo ©s ift unnötig, 3U unterjudjen, ob außerhalb bes Rim-


mels Baum, ßeere ober 3 «* fei- ift ein allgemeiner Ort, ein un«

ermepdjer Baum, ben mir rut)ig als Ceere be3eid)nen bürfen, in


t»eld)er un3äf)lige ©eltkugeln fdjroeben toie biefe, auf ber mir leben
unb roeben. llnenblid) ift biejer Baum, ba es keinen ©runb, keine
Möglichkeit, keinen Sinn hat. ihn hegtest 3U [eben.
2lud) außerhalb bes blofj eingebilbeten konoejen Umkreifes ber

©eit ift 3 e it ;
benn aud) bort ift Seroegung unb ÜJlafe ber ©etoegung,
toeil bort ähnliche fid) beroegenbe ©eltkörper finb, toie biefe ©rbe.
Sooiel gegenüber bem, roas 3 I)r als erften ©etoeisgrunb für bie

©injigkeit ber ©eit oorgebradjt habt.

Buf ben 3roeiteit ©inrourf bemerke id), bah cs allcrbings einen


erften Beweger gibt, aber keinen folgen, oon bem man in beftimmter
^Reihenfolge fort3ät)lenb 3um 3ioeiten, britten ufro. bis 3um letjten

herabfteigen könnte, ©iefe 3ahlenreif)e ift oielmehr gar nid)t 3U be=


enben, unb, mag au<h eine 3ahl«aorbnung ber oerfd)iebenen Brten
unb ©attungen ober oerfd)iebener ffirabe innerhalb besfelbenbeftehen,

fo läßt hoch bie unenblidjc 3ahl keine ©rab* unb 3 ahlbeftimmung 3U.
©s gibt alfo un3ät)lige Beweger, b. h- Seelen un3äf)liger ©eltenfphä»
ren, innerliche formen unb Tätigkeiten, über welchen allen ©in £err,
oon bem fie fämtlicf) abhängen, ©in ©rftes, bas ben ffieiftern, Seelen,
©Ottern unb Bewegern Bewegungshraft unb ber Materie, ber Aörper-
welt, bem Belebten, ber nieberen Batur Beweglichkeit oerleif)t. Blfo
gibt es un3äf)lige Bewegliche unb Beroeger, bie fid) alle auf ©in paf«
fiocs unb aktioes ‘Pri^ipium, toie jeglidje 3 ahl auf bie ©ins 3urück»
führen laffen, toie bie ©infjeit unb bie Unenblidjkeit 3ufammenfallen,

154

Digitized by Google
wie bas l)öd)fte ÜBirbenbe, bas alles fdjaffen bann, mit bem Btög«
Hd)en, b. I). mit allem, was geraffen roerben bann, ibentifd) ift, was
mir am (Enbe unferes Buches „non ber Urfad)e, bem Anfang unb bem
(Einen" bemiefen haben. Bn 3 at)l unb Btenge alfo ift bas Bewegliche
unb Bewegenbe unbegrenät, bod) in ber (Einheit unb (Einjigbeit ift (Ein

unenblid)er unbewegter Beweger, (Ein unenblidjes unbewegliches Bll;


unb biefe unbegrcnjte 3aßi unb ffiröße trifft 3ufammen mit jener un*
enblid)en (Einheit unb (Einäigbeit in (Einem einfachen unb unteilbaren
Anfang, bem wahrhaften Seienben. (Es gibt alfo bein erftes Beweg*
liebes, bem in beftimmter ^Reihenfolge ein 3meites, brittes ufro. unb
leßtes unb auch unenblid)e nad)folgen, fonbern alle Beweglichen finb
bem erften unb allgemeinen Beweger gleichermaßen naß unb fern.

B3 ie in logifdjem Sinne alle Wirten in bemfelben Berfjältnis 3U ber«


felben ©attung, alle Dnbioibuen in bemfelben Berhältnis 3ur Brt
ftehen, fo wirb eine allgemeine unenbliche Bewegung gewirbt oon
einem unioerfellen unenblichen Beweger in einem unenblid)en Baume,
oon ber un3ät)lige Bewegliche unb Beweger, jeber enblid) an Blaffe
137
unb BJirhfambeit, abhängig finb.

Buf ben britten (Einwanb entgegne ich, baß es ätherifchcn ffie»

filbe heinen beftimmten ^>unbt gibt, 3U bem, als 3U ihrem ÜRittel«


punhte, fid) alle fdjweren Dinge hinbemegten ober als 3U ihrem Um«
fang alle leichten Dinge hinftrebten ;
im Bll ift weber Blitte noch Um*
hreis, fonbern wenn bu willft, ift in allem eine DJlitte unb bann jeber

*Punbt als ^unbt irgenb eines Umbreifes gelten in Be3iehung auf


irgenb einen anberen als Btittelpunbt. Bon unferem Stanbpunbte
aus nennen mir be3ief)ungsweife fdjwer, was fid) oom Umfang ber
(Erbfphäre 3U ihrem Btittelpunbt f)in, leicht, was fid) inentgegengefetj«
ter Bidjtung bewegt ;
unb wir werben feßen, baß nichts fdjwer ift,

was nicht aud) 3ugleid) leid)t märe ;


benn alle leile ber (Erbe wed)*
fein nadjeinanber Cage, Ort unb Btifdjungs* be3w. BJärmeoerhältnis, fo

baß im Berlauf ber 3 ahrt)unberte jebes 3entrale leildjen fd)ließlid)

155

Digitized by Google
ein Ieild)en bes Umfangs unb jebes Icildjen bes Umfangs fd)lieblid)
3entral toerben kann. ©ir toerben fehen, bab Sd)roere unb Seichtigkeit
nichts anberes ift, als ein Irieb bcr Stoff teile, ben eigenen Ort ber Selbft*

erhaltung, fei berfclbe nun im ©ittelpunkt ober Anfang, 3U erreichen;


es gibt keinen abfoluten Unterfd)ieb ber ßage, ber an fid) bie Stoff*

teile an fid) 3öge ober abftiebe, fonbern es ift ber Selbfterhaltungs*


trieb, ber jegliches ffiefen als innerliches tprin3ip beroegt unb es,
wenn nicht irgenb ein Jocmmnis entgegenfteht, bahin führt, too es
feinen ©egenfatj am beften 3U meiben unb fid) an3upaffen oermag.
So ftreben 3. B. auf bem ©onbe unb anberen biefer ©rbe ber ©attung
unb Art nad) ähnlichen ©eltkugeln bie Beile kraft ihrer Sdpnere nicht

minber nom bortigen Umkreis 3um bortigen ©ittelpunkt, unb ent*


fernen fid) in umgekehrter {Richtung Dermöge ihrer Seichtigkeit, roie

hier. Unb bies gefd)ieht nicht, coeil fie ben Umfang an fid) fliehen

ober auffudjen ;
— roenn bies ber ©runb roäre, müßten fie ja, je

mehr fie fid) ihm nähern, um fo befd)leunigter fid) betoegen unb um*
gekehrt, roooon uns bie Beobachtung bas ffiegenteil lehrt; benn toenn
fich Stoffe t»on ber ©rbe 3U roeit entfernt haben, fo beharren fie fd)toe*

benb im Cuftraum unb fteigen nicht roeiter 3ur f>öt)e, nod) auch finken

fie 3ur liefe 3urück, fo lange fie nicht etroa burch Annäherung anbe*
rer leite ober burd) bie infolge oon äälte eintretenbe Berbidjtung
gröbere Schtoere erlangen, infolge beren fie bann bie unter ihnen

befinbtidje ßuft 3erteilen unb 3U ihrem 3ufammenf)ang 3urüdikehren,


ober aber burch ©ärme aufgelöft unb oerbünnt fich in Atome 3er*

{treuen.

Albertino: Bas toirb mir für alle 3 eit einleud)ten, fobalb 3h* mir
bie Ununterfd)ieblid)keit ber Sterne oon biefer (Erbkugel klargeftetlt habt.

Oriloteo: Bas toirb ©uch ©Ipino gern in berf eiben ©eife klar
machen, in ber er es oon mir gelernt hat. Ber toirb es ©ud) aud)
beutlid) machen , baf) kein Äörper Ieidjt unb fchtoer ift im Behältnis
3um Unioerfum, fonbern bab biefe Be3iet)ung nur 3toifchen einem ©e*

156

Digitized by Google
famtfgftem unb Jeinen Teilen befteht. 5Jtur ber SelbfterijaKungstrieb
ift es ,
ber fie Jid) nad) Der|d)iebenen Örtern bewegen, fid) 3u|ammen*
3iel)en unb 3ufammenkugeln läfjt, wie ©eere unb Tropfen, ober |ie

jid) ausbetjnen läßt ,


tote es alle <Jlü|figkeiten unter ber (Einwirkung
berSonnenftrahlen unb anbererfteuer tun. 3 ebe natürliche Bewegung,
bie oon einem inneren tPrin3ip ausgeht, hat nur ben 3»»eck, nid)t paf»

|enbe unb gegenjä^lidje Umftänbe 3U meiben unb pafjenbe unb günftige


3u erftreben. Daher Derläjjt nichts {einen Ort, wenn es nicht non et»

was ©egenfätjlichem oon bemfelben oertrieben wirb; nid)ts ift an fei»

nem Orte fchwer, nichts leicht, {onbern wie bie in bie ßuft empor»
gehobene (Erbe, währenb fie 3U ihrem Orte 3urüdi|trebt, fchcoer ift unb
{ich fd)wer fühlt, |o ift auch & as tn &ie ßuft erhobene ©affer |<hroer,
an feinem eigentümlichen Ort ift es nicht fd)mer. ©enn man im ©affer
untertaud)t, fo wirb bie gan3e ©affermaffe nicht als fchtoer empfun«

ben ,
toährenb fd)on ein kleines ©efäjj ooll ©affer über ber ©rbe in
138
bie Cuft gehoben fd)toer wirb. Der Äopf ift für ben eigenen Bumpf
nid)t {djwer, aber ber Äopf eines anberen, wenn er barauf gelegt,
muh als fchtoer empfunben werben; ber ©runb liegt barin, bah er in

ietjterem fjalle nicht an feinem natürlichen Orte ift. ©enn alfo Schwere
unb ßeid)tigkeit ber Trieb 3um Ort ber Selbfterhaltung unb bie 3rlud)t
oor bem ©egenjat) ift, fo ift nichts oon Batur (abfolut) fchwer ober
leicht, unb nichts befitjt Schwere ober ßeid)tigkeit in grober (Entfer»

nung oon bem ihm eigentümlichen (Erhaltungsraum ober oom ©egen»


fätjlichen, ba es bann weber ben Butjen bes einen noch ben Schaben
bes anberen merken bann; merkt es aber bie ffiefahr oon einer Seite
unb wirb baburch oerwirrt unb unent|d)loffen, fo wirb es oom ©egen«
fatje berfelbcn überwältigt.
Blbertino: 3 f)r (teilt ©rohes inBusfidjt; aber 3 f)r führt es auch
3um gröhten Teile aus.

fjfiloteo: Um nidjt 3weimal basfelbe 3U fagen, überlaffe id) es bem


(Elpino, ©u<h bas übrige 3U erklären.

157

Digitized by Google
Vlbertino: 3 d) meine alles oerftanben 311 haben; ein ßa^ifel
weckt ben anbern, eine 2Bat)rf)eit erhellt bic anbere; fdjon fange id)

an ,
manches 3U begreifen ,
roas id) nod) nicht aussubrücken nermag
unb manches für 3tr>cifelf)aft 3U galten ,
roas id) bislang für unbe*

ftreilbar hielt. 3 d) fühle mich bafjer allmählich fef)r geneigt, ©ud) bei»

3u[timmen.
Jiloteo: ©enn 3 I)r mid) erft oöllig oerftel)t, roerbet 3 f>r mir gan3
beiftimmen. 3für jetjt bin id) 3ufrieben ,
wenn 3 t)r nur ben Starrfinn
im 3reftf)alten ber gegnerifdjen Vnfid)t aufgebt, ben 3 f)r oor Veginn
unferer Unterhaltung an ben lag legtet. (Erft allmählich unb in oer*
fd)iebenen Vnläufen roerben mir bas (Enb3iel erreichen unb alles klar»

ftellen können, ba bas ©an3e auf mehreren <Prin3ipien unb ©rünben


fich auf baut; benn toie ein 3rrtum fid) 3um anberen gefeilt, fo gefeilt

fid) auch c * nc 2Bahrf)eit 3ur anbern.


Vuf ben oierten ©intoanb ertoibern mir, bah, toenngleid) im ©eit*

all fo unenblich oiele Mittelpunkte unb 'Peripherien finb, als ein3elne

3 nbioibuen, ©loben, Sphären unb ©eltkörper, bod) bie leile eines


jeben 3 nbioibuums immer nur gegen ihren eigenen, nicht aber gegen
einen fremben Mittelpunkt graoitieren. ©enn 3hr es für unftatthaft
haltet, bah ei n Mittelpunkt, ber mit einem anberen Mittelpunkt in
ber Vrt übereinftimmt, oon bemfelben weiter entfernt fein foll, als

oom Umfang, ba hoch Umfang unb Mittelpunkt natürliche ©egenfätje

feien unb baher bie gröjjte ©ntfernung ooneinanber haben mühten,


fo ertoibere ich: 1. bie ©egenfätje müffen keineswegs bic gröhte ©nt*
fernung ooneinanber haben ,
oielmeljr nur foweit untereinanber ent*

fernt fein, bah bas eine auf bas anbere wirken be3W. oon ihm leiben
kann, wie wir benn aud) fehen, bah bie Sonne fo 3U ben fie um*
kreifenben 'Planeten geftellt ift; in ber Statur lebt unb befteht ber eine

ffiegenfatj burd) Vermittlung bes anberen; inbem er ihn umftimmt,


oeränbert unb fich affimiliert. ©rft kür3lid) haben mir uns mit ©Ipino
über bie Verteilung ber oier ©lemente unterhalten — unb babei ge*

158

Digitized by Google
funben , bafj ,
mo Irodcenes ift , auch ©ajjer, Cuft unb Jeuer, fei cs
nun offen ober latent, oorfjanben ift, unb roenn mir aud) bie ©eit«
körper einer jeits in feurige unb anbrerfeits in toäffrige, in Sonnen
unb (Erben einteilen, Jo gehen toir bod) nid)t baoon aus, bafj jeber

nur aus einem einfachen (Elemente befte^e, |onbern toir toollen bamit
jagen, baj) eins in ber 3 u fa*Tt m ® n jcÖ un g oorroiegt. (Es ift gan 3 falfd),

bafj bie ©egenjätje bie größte (Entfernung ooneinanber Ijaben müjfen;

in allen Dingen jinb jie gerabe 3 u miteinanber oerbunben; bas gan 3 e


130
©l bejtel)t eben in ihrer 3uf<wnnenjetjung unb (Einigung. Äein
leil (Erbe, ber nid)t innerlich mit ©ajjer oerbunben märe, of)ne roel*
d)es bie ©ome keine Dichtigkeit, keinen 3“Ia^Tnenl)ang f)a&en roür«
ben. ©eldjer irbijdje Stoff ift jo bidjt, bajj er nicht roahrnef)mbare
'Poren hätte? ffiären letjtere ni<ht oorhanben ,
jo mürben bie Äörper
nicht teilbar, aud) für bas 3reuer unb bie oon bemjelben ausftrah*
lenbe ©ärme, bie bod) ein empfinbbarer Stoff ijt, ber oom fjreuer

ausgeht, nicht empfänglich jein.

Die alte Unterfdjeibung ber (Elemente beruht aljo nicht auf natür«
liehen, jonbern auf logijdjen Unterjcf)ieben; unb menn aud) bie Sonne
roeit Don ber (Erbe entfernt ift, jo ijt oon ihr bod) bie Cuft, bas Irocftene
unb bas Jlüjjige um nid)ts entfernter, als oon ber (Erbe; ihr Äörper ift

aus benfelben Stoffen gemifd)t, roie bie (Erbe, menngleid) oon ben jo«

genannten 4 (Elementen bas eine auf ihr, bas anbere auf biejer oor»

roiegt. Sollte bie Ulatur bem logifdjen Bebürfniffe, ber größten (Ent«

fernung 3 roijd)en ©egenjätjen entjprechen, jo müfjte ja 3 mijd)en biejem


Deinem jjeuer , melches leid)t ift ,
unb ber ©rbe ,
bie fdjroer ift ,
Dein
©h er himmel liegen, ber meber fd)mer nod) leicht ift; ober moIlteftDu
Dich ouf bie Behauptung 3 urück 3 iehen, bajj jid) biefe Orbnung auf bie

jog. 4 (Elemente befd)ränke, jo müfjteft Du biefe 4 hoch anbers an«


orbnen. Das ©ajjer müfjte bann bie ©Ute einnehmen, ba bas treuer
ben Umkreis bilbet; benn als feucht unb kalt ift es am meijten bem
3reuer entgegengefetjt ,
müfjte aljo oom ©armen unb Irochenen am

159

Digitized by Google
weiteften entfernt fein. Dt>r jet)t alfo, wie unficher bieje peripatetifd)e

ßetjre ift, mag man fie nun an ber Ratur fetber ober an ihren eigenen
Borausjehungen prüfen.
Albet tino: *005 fetje id) beutlid) unb Mar.
tJriloteo: Anbrerfeits könnt 3I)r fetjen, bah unfere 2Beltanfd)auung
nicht gegen bie Vernunft oerftöfjt, wenn fie alles auf einen Anfang unb
auf ein (Enbäiel 3 urückfül)rt unb bie ©egenfäije fid) berühren läfjt in

ber AJeife, baf} es ein gemeinfames Subftrat für beibe gibt, eine Äoin-

3 iben 3 ,
bie uns aud) ben Sat}, bah „jegliches Ding in jeglichem ift",

als einen göttlichen ©ebanken erfdjeinen lagt, ben Ariftoteles freilich

unb anbere Sophiften nicht begreifen können.


^llbertino D<h höre ©ud) mit Bergnügen. Och weih,
: baf) jo grofje

Sachen unb fo oerfchiebene Sähe nicht auf einmal unb in einem Augen«
blicke bewiejen roerben können; aber nad)bem 31)r mir einige An-
nahmen, bie ich für notroenbig hielt, als unftatthaft nad)getoiefen

habt, finb mir auch Q ll e anberen Annahmen, bie id) aus ähnlichen
©rünben als unbeftritten anfah, jtueifelljaft geworben. ®al)er kann
ich ©uren Bortrag jegt mit Aufmerkfamkeit unb Schweigen hinnehmen.
©Ipino: 3h r »»erbet einfehen, bah es gerabe kein golbenes 3 eit*
<
alter ber Ph^°I 0 P^»e gewefen ift, bas mit Ariftoteles anbrach.
fjriloteo: 3 » ©urem fünften ©egenbeweisgrunb ift 3 U bemerken:
wenn wir uns jebe ber oielen unb un 3 äl)ligen Atelten nad) ©urem
<
P^arttafiebiIbe bäd)ten ,
in biejer 3ufanunenfetjung aus 4 ©lementen
nach ber gewöhnlich angenommenen Reihenfolge mit 8,9 ober 10
jQimmelsfphären aus einer anberen Blaterie ,
bie fie einfchliehen unb
mit rapiber ©efdjwinbigkeit umkreifen, unb nun eine fo konftruierte
ASelt neben ber anberen, bann bürfte man uns mit Recht fragen, wie
benn nun bie eine oon ber anbern begren3 t unb berührt würbe ,
unb
wir könnten barüber phanta jieren ,
in welchen Äreispunkten bie Be-
rührung ber benachbarten A3elten ftattfinbe. Auch bann würbe es un-
richtig fein, bah öie an ber Berührungsftelle befinbliche Btaterie b?i»

160

Digitized by Google
ben Hielten äugleid) angeljört; jeber leil mürbe 3U bem Mittelpunkt
gehören, ber auf ü)n einroirkt unb um ben er fid> breßt. ©enn 3toei

liere fo nebeneinanber l)ergel)en ,


baß fic fid) ftellenroeife berühren,
fo roirb es ficßerlid) niemanben einfallen, 3U fagen, baß |ie einen leil
iljrcr Äörper gemeinfam l)aben. — 2IIlein mir finb ©ott fei 'Dank!
nid)t ge3roungen (
uns eine folcße 2lusflud)t 3U erbetteln, anftatt [0

oieler ^oßthugeln , fo oieler beferierenber ©eroeglidjen, geraber unb


fdjiefer, oft lieber unb roeftlicf)er um bie 2l<hfe ber ©eit unb bie bes

lierkreifes kennen mir nur einen einigen ©aum, in bem forooßl biefer
Stern, ben mir berootjnen, als aud) alle übrigen ißre Äreife unb ©af)*
nen oollenben. Das ift bas unenblidje 2111 ,
bas bie un3äl)ligen Ster*

nenroelten ,
bas ber unermeßliche Haum ,
ber allumfaffenbe Fimmel.
2lbgetan ift bie (Einbilbung einer allgemeinen Umbreßung um biefen

(Erbmittelpunkt, beutlicß erkannt, baß es bie (Erbe felbft ift, bie in

24 Stunben fid) um ihren eigenen Mittelpunkt breßt unb baburd) ben


Schein jener ©eltberoegung heroorruft. Damit fallen jene beferierenben
Äreife , bie einen in fie einge3apften Stern mit fid) führen follen, unb
jene befonbere Bewegung, bie fie epi3gklifd) nennen, roirb oon keinem
anberen Beweger oerurfad)t, als oon ber eigenen Iriebkraft bes
Sternes, ber 3 aßrßunberttaufenbe lang, roenn nicht einig in feiner
eigenen Baßn um bas 3 «ntralfeuer kreift. 9tun fiehft bu, roie ber
fjimmel in ffiaßrßeit befdjaffen ift. Scßau aufwärts, 3U ben leuchten*
ben fjfunken, beren jeber eine ©eit roie biefe ift! Sie alle finb bureß

beftimmt abgemeffene 3®if<henräume ooneinanber getrennt, fo baß


ber eine ©egenfaß ben anberen nid)t 3erftört, fonbern ernährt; fo er*
roärmt fid) biefe kalte ffieltkugel oon 3ahres3eit 3U 3ahres3eit jeßt

mit biefer, jeßt mit jener Seite an ber Sonne unb taufeßt mit ber Bad)*
barerbe, bem Monbe, inbem halb fie, halb jener ber Sonne näher
fteßt, roeshalb benn aud) ber Monb oon limäus unb anberen 'Pgtßa*
goräem als ffiegenerbe be3eicßnet roorben ift. 2llle biefe ©eiten finb

berooßnt oon lebenben ©efen ,


fie felber finb bie bebeutenbften unb

Qiorbano Bruno Bb. Ul 161

Digitized by Google
göttlicßften ßebewejen bes 5111 s. Unb jeber oon ißnen tft nicht weniger
aus ben 4 (Elementen 3ufammengefetjt, als biefer, ben wir bewohnen,
obfdjon auf einigen bie aktine Seite, auf anberen bie paffioe cor«
ßerrfd)t , weshalb bie einen burcf) it»r treuer, bie anberen burd) bie

Spiegelfläche bes SBaffers fidjtbar finb.


Sußerßalb biefer 4 (Elemente ift eine unermeßliche ätßerifche Legion,
in ber alles ftd) bewegt, lebt unb webt. Dies ift ber Äther ,
ber feg»
liebes Ding umfaßt unb bureßbringt, ber, foweit er fid) innerhalb einer
Sphäre befinbet, gewöhnlich ßuft genannt wirb, wie 3. S. biefe Dunft-
atmofphäre 3wif<hen ben Steeren unb Sergen mit ihren bidjten 2Bol*
ben unb ftürmifdjen ffiinben. Sofern er aber rein ift unb keinen leil
ber 3 u ammcn f^^ un g mehr
f
bilbet, fonbem ben Scf)oß unb Umfang,
in bem bie ÜBeltftörper fid) bewegen unb laufen, heißt er hn eigent*
140
liehen Sinne Äther, einSJort, beffen ©ortftamm „ßaufen" bebeutet.
Unb obwohl biefer bem ÜBejen nach mit bemjenigen, ber im Onnern
ber (Erbe weht, ibentifeh ift, führt er bo<h einen anberen Samen. So
be3ei<hnen wir ja auch einen gewiffen leil ber uns umgebenben ßuft,
bie nämlich, welche 3U unferer eigenen 3ufammen(etjung beiträgt unb
fich in ben ßungen, Srterien unb anberen Höhlungen unb *poren bes
ßeibes finbet, als Stern.Um» einen kalten Äörper nerbid)tet er fich 311
Dampf, unb um bas wärmfte (Beftirn oerbünnt er fid) gleichfam 31t
einer unfichtbaren 3flamme, bie nur, wenn fie 3U einem bichten Stoffe

hin3Utritt, ber bann infolge ihrer ©lut ent3Ünbet wirb, fießtbar wirb;

fo fich keine beftimmte (Eigenfchaft, fonbem


hat ber Äther an unb für
empfängtbiefelbe non bem nädjften Äörper, bie er felbft burch feine

Bewegung 3ur SBirkfamkeit anregt. Somit habe ich bewiefen, was


ber ijimmel ift, unb meine , bah 3 ß r baburd) nicht nur wegen (Eurer
gegenwärtigen 3meifel befriebigt fein könnt, fonbern auch ein l|)rin3ip
für niele wahre Schlußfolgerungen auf naturphilofophifcßem ffiebiet

erhalten habt. Stag auch 3ur3eit noch mancher meiner Säße als un«
bewiefene Borausfeßung erfreuten, fo meine ich boeß, baß fie einem

162

Digitized by Google
gefunben ©ahrheitsgefüht minbeftens toaf)rfd)einIicfycr norkommen
bürften, als bie gegnerifdje ©tfdjauung.
Klbertino: Jahre fort, Üeofilo, cs ift ein ©enuf), "Dir 3U3U*
hören!
Jiloteo: ©ir haben bamit au d) ben fehlten ©inrourf toiberlcgt,

ber nerlangt, bafc fid) roegen ber Berührung ber nerfdjiebenen ©eiten
etroas in ben baburd) entftehenben breiedtigen 3 n) il ch ent äumen be*

finbe, toas roeber bie Katur bes tjimmlif^en nod) bie bes elementari»
|d)en Stoffes habe. Denn nrir kennen einen fjintmel, in bem bie ©ei*
ten ihre Bäume Bahnen unb 3ureidjenben ©ntfernungen haben ber
, ,

fid) überall ausbreitet, alles burdjbringt unb umfafct, in ftetigem 3 «*


fammenljang keine Ceere lägt, toenn man nid)t etroa itjn felb[t als

fieere be3eidjnen toill, ober etroa als bas Subftrat bes leeren Baumes;
benn roenn mir ben leeren Kaum als ein beftetjenbes Ding auffaffen
wollen, fo müffen toir fdjon fagen, er fei bas ätherifdje ©efilbe, bas
bie ©eltkörper enthält. Buf ben fiebenten ©inrourf antworten roir,

ba& bas unenblidje ©eltall in ©agrgeit nur ©ins unb ein unerme^
liebes Äontinuum bes reinen Btfjers ift, gefüllt mit 3al)llojen ©eiten,
bie in oerfdjiebenen leiten besfelben, roie bie unfrige in bem leile,

roo fie fid) befinbet, roeben unb leben; roir haben barüber in ben letj*

ten lagen uns eingeljenb mit ©Ipino unterhalten unb beftätigt, roas

Demokrit, ©pikur unb niete anbere fagen, roeldje bie Batur mit
offenen Bugen angeraut unb fid) für bie unerwarteten ©orte
berfelben nicht taub erroiefen haben:

Desine quapropter novitate exterritus ipsa


Expuere ex animo rationem sed magis acri :

Judicio perpende, et si tibi vera videtur,


Dede manus; aut si falsa est, aedngere contra!
Quaerit enim rationem animus, cum summa lod sit

Infinita foris, haec extra moenia mundi;


Quid sit ibi porro, quo prospicere usque velit mens,
Atque animi tractus liber quo pervolet ipse.

163

Digitized by Google
;

Principio nobis in cunctas undique partes,


Et latere ex utroque, infra superque per omne
Nulla est finis, uti docui, res ipsaque per se
Vociferatur, et elucet natura profundi . 1 * 1

©egen ben adjten QEinrourf ,


toonad) bie Utatur ftd> [ojufagcn mit
einem compendium begnügen unb auf bas Botroenbige befdjränken
fon, proteftiert mit Demeijmlidjer Stimme bie gan3e üiatur jelbft,

wenn fie uns bei 91 ad)t ben überroältigenben Hinblick bes Sternen«
Rimmels beut, too bas Hluge bie Unermefjlidjkeit felber empfinbet unb
unfern Berftanb nötigt, immerfort Kaum auf Baum, ©egenb auf
©egenb, Sternenroelt auf Sternenmelt folgen 3U Iaffen:

Nullo jam pacto verisimile esse putandum est


Undique cum vorsum Spatium vacet infinitum,
Seminaque innumero numero, summaque profunda
Multis modis volitent aeterno percita motu
Hunc unum terrarum orbem, coelumque creatum.
Quare etiam atque etiam tales fateare necesse est
Esse alios alibi congressus materiei
Qualis hic est avido complexu quem tenet aether. 1 *’

*Das neunte Argument ber ©egner, meines oljne jeben Beweis


Dorausjetjt, bajj bem unenblidjen aktioen Bermögen kein unenblidj

paffioes entfpredjen könne , bafj es keine unbegrenjte Blaterie geben


könne ,
bajj ber Sdjöpfer eine unenblidje Tätigkeit entfalten könnte,
bafj aber biefe Tätigkeit nid)t entfaltet toerben könne, ba bie Blög«
Iid>keit ba3U feljle, enthält einen offenen Selbjtroiberfprud).

Sd)ön fagt baljer ber Bieter:

Praeterea cum materies est multa parata,


Cum locus est praesto, nec res causa moratur
debent nimirum et confieri res.
Ulla, geri
Nunc et seminibus si tanta est copia, quantam
Enumerare aetas animantum non queat omnis,

164

Digitized by Google
Visque eadem et natura manet, quae semina rerum
Conjicere in loca quaeque queat, simili ratione
Atque huc sunt conjecta: necesse est confiteare,
Esse alios aliis terrarum in partibus orbes,
143
Et varias hominum genteis et saeda ferarum .

©uf ben neunten ©egengrunb antworten rohr: bafj biefer ffiefetlig»

keitsoorteil, bajj fo ein ©erkefyr 3 roifd)en ben oerjd)iebenen ©eiten


ebenforoenig notroenbig ift, rote es roünfdjensroert ift, bajj alle ©len»
fc^en ein ©tenfd), alle liere ein lier fein follen. (Es ift fogar fefyr frag»
lid), ob ber ©erket)r 3 toifd)en folgen ©ölkern biefcr ©eit, roeldje bie
©atur burd) ©leere unb ©ebirge, burd) Spradje unb Sitten oorfidjtig

gerieben Ijatte, meljr genügt als gejdjabet l)at, ba biefer Berkel)r


bie ßafter leidjter oemetfältigt, als bie lugenben. Dies beklagt jeijr

fd)ön ein tragifdjer Dieter, roenn er fingt:

Bene dissepti foedera mundi


Traxit in unum Thessala pinus
Jussitque pati verbera pontum
Partemque metus fieri nostri
Mare sepostum 144 .

3um 3 el)nten ©inrourf ift meine ©ntgegnung biefelbe, roie 3 um fünf»


ten; jebeSBelt nimmt i^ren befonberen ©aum im ©tfyergefilbe ein, bie

eine berührt fid) nid)t mit ober flögt fid) nid)t an ber anbern, fie finb

in folgen (Entfernungen oerteilt, baf) igrc ©egenfätje fid) nid)t auf*


fjeben, fonbern förbern.
©uf ben elften ©inrourf, ber behauptet, bie ©atur könne fid) nid)t

anbers als burd) einen Ulkt ber 3 eu 9 un 9 oeroielfältigen ,


antroorte
id), bafj bies keineswegs allgemein roaljr ift; aus einer ©taffe laffen

fid) burd) bie ©rbeit eines ©teifters Diele oerfd)iebene ©efäfje oon
mannigfaltigen formen gerftellen. Die ©aturkraft bebarf ber 3cu*
gung ebenforoenig 3 ur jjerftellung ber oollkommenften roie ber un»
oollkommenften Jöefen, roenn es fid) um bie 3^rftörung unb ©eu*
fdjöpfung einer ©eit fjanbelt.

165

Digitized by Google
3um 3tDöIflen unb Ickten (Einrourf cnblid) ,
roo 3l>r baraus, bajj

biefe ©eit DoIIkommen [et, ^liefet, ba|j eine anbere ©eit nicht er*

forberlid) fei, bemerke id), bah eine unenblic^e Bn3aht enblidjer ©ei*
ten 30)or nid)t 3ur Bollenbung ber Bollkommenheit einer jeben be*

fonberen erforbcrfid) ift; — benn jebe ift, roas fie fein foll, unb fid)

felbft genügenb. ©of)l aber ift fie erforberlid) 3ur Bollkommenheit


unb Bollenbung bes Willis.

Blbertino: fortan, mein lieber ftüoteo, foll mich kein Cäfter*

gefdjrei bes 'Pöbels, keine Dnbignation ber Blltagsroelt, kein Unroille


ber fjachmanbarinen unb Satrapen ,
nid)t bie 'Dummheit ber großen
©affe nod) bie 'Berblenbung ber öffentlichen ©einung, keine Ber*
Ieumbung ber fiügner unb Beiber um Beinen eblen Umgang betrügen
unb mid) oon Beinern göttlichen Unterricht entfernt halten! Jrjarre

aus, mein JJiloteo, harre aus bis ans CEnbe, Iah t>en ©ut nicht finken

unb oersage nicht, roenn auch ber Qtohe unb roürbenoolle Senat ber
platten Unroiffenheit mit meierlei Ontrigen Bich umgarnt unb Bein
göttliches Unternehmen unb Beine Arbeiten 3U oereiteln fid> alle er*

benklidje ©ühe gibt! Sei getroft, bie 3 eit roirb kommen, roo alle fehen

roerben, roas ich fehe, unb roo alle erkennen roerben, bah es ebenfo
leicht ift für jebermann, Bir bei3uftimmen unb Bich 3 U loben, roie es
für alle fdjroer fein muh, Bid) 3U meiftern! Blle, bie nid)t oon ©runb
aus oerberbt finb, roerben mit gutem ©eroiffen einegünftige ©einung
oon Bir gereimten! Benn fd)liehli<h roerben hoch jebem Dom innerlichen
Cehrmeifter bie Bugen ber Bernunft geöffnet; benn nicht oon auhen,
fonbem Don innen ,
Dom eigenen ©eifte erlangen roir bie ©üter bes
©eiftes! Unb in allen Seelen finbet fid) boch nod) ein geroiffer Äeim
ber ffiefunbheit, ein natürliches ©eroiffen, bas, auf bem hohen Iri*
bunal ber Bernunft thronenb, 3roif<hen gut unb böfe, 3roifd)en Sicht
unb (Jinftemis entfeheibet unb Bed)t fpricht; ihm roirft Bu es Der*
banken, roenn fd)liehli<h in jebermanns eigenen ffiebanken Beiner
guten Sache bie treueften unb beften Berteibiger erftehen roerben!

166

Digitized by Google
Unb folcfye ,
bic fid) nid^t entfcf)Iießen können, 'Deine Jreunbe 311 roer*

ben ,
bie faul unb träge bei ber ©erteibigung einer toüften Untoiffen*

I)€it ©erharren als anerkannte Sopßiften unb oerftockte ©egner ber


©afjrljeit, roerben im eigenen ffieroiffen einen fjenher unb ©ad)rid)ter

fpüren, 'Deinen ©ädjer ,


ber fie in ber liefe if)rer eigenen ffiebanken

um |o heftiger peinigen roirb ,


je mehr fie es fid) felber nerl)eimlid)en

möd)ten! So roirb ber bem joauptfjaar ber ©umeniben entnommene


$öllenrourm, toenn er feinen ©nfcf)tag gegen Did) oereitelt fielet, fid)

roütenb umroenben unb gegen jrjanb unb ©ufen feines eigenen bos*

haften Jührers kehren unb ihm mit feinen fpitjigen ffiift3ähnen ben
lob bereiten! Jahre fort, uns in ber (Erkenntnis beffen 3U förbern,

roas in ©Jähheit ber fjimmel, bie 'Planeten unb Sterne finb ,


toie

bie eine oon jeber anberen aus biejer unbegren3ten 3Q f)l fid) unter»

f(heibet, toie es im unenblidjen ©aum nid)t nur möglich, fonbern not*


coenbig ift, baß eine unenblidje Urfadje eine unenbli<he SBirkung habe,

lehre uns, roas toahrc Subftan3, ©taterie unb lat, roer ber Schöpfer

bes ffian3en ift, toie jegliches empfinbenbe “Ding aus benfelben (Ele-

menten unb Anfängen 3ufammengefetjt ift! Über3euge uns oon ber


ßehre bes unenblidjen JDeltalls! 3erftöre biefe eingebilbeten ffieroölbe

unb Äugelflädjen, bie fo unb fo oiel ijimmel unb (Elemente begren3en


f ollen! Cehr’ uns biefe „beferierenben" Greife unb einge3apften Jij*
fterne oerIa<hen! 3 erf<hntettre mit ben Saloen Deiner burd)fd)Iagen*
ben ffirünbe bie ftählemen ©lauem unb 2Bölbungen bes erften ©e*
toegIi<hen, an tocI<he bie ©tenge glaubt! ©efeitige ben oulgären ©lau*
ben an eine fogenannte fünfte (Effen3 ! 5 d)enk uns bie ßehre oon ber
Unioerfalität ber irbif<hen ffiefeße auf allen ©Selten unb ber ©leid)f)eit

ber kosmijd)en Stoffe! ©ernichte bie Iheorien oon bem ©Seltmittel*

punkt ber (Erbe! 3 erbrid) bie äußeren ©eroeger unb bie Schranken
biefer fog. Rimmels kugeln! Öffne uns bas lor, burd) roeldjes roir

hinausblicken können in bie unermeßliche ununterfchiebliche Sternen*


roelt! 3 C’9 uns, baß bie anberen ©Belten im ©thermeer jd)roimmen,

167

Digitized by Google
tote bie[e! (Erkläre uns, bafj bie Bewegungen aller aus inneren Seelen*
kräften Ijeroorgeljen unb le^re uns, im Cidjte fol<±>er Slnfchauungen
mit |id)erem Stritt fortfcf)reiten in ber ©iffenjehaft unb (Erkenntnis
ber tftatur!
ftiloteo: 2Bas will es nun Jagen, mein lieber ©Ipino, bafj neulich
ber Doktor Burcf)io uns burdjaus nicht 3u|timmen roollte!
(Elpino: Daran erkennt man einen geweckten Berftanb, baf) er
nur wenig 3U hören unb 3U fehen braucht, um oiel 3U überbenken unb
3U begreifen!
BIbertino: Obgleich i<h bislang ben gan3en Umfang Deiner ßeljre
nod) nicht überfehe, fo erkenne id) bod) fehon an ben Strahlen, bie fie

in bie 3renfter meines (Beijtes ergiefct, bah es nidjt ber ©lan3 einer
künftlichen JophiftiJd)en Blenblaterne ,
nidjt ber matte Schimmer bes
Dlonbes ober ber ÜBiberfchein eines anberen geringeren ©eftirns, fon*
bern ein heller Sonnenfehein ift; unb id) werbe nicht oerfehlcn, mich 3 U

weiterer Belehrung wieber ein3ufinben.

ftiloteo: Deine fjreunbfchaft wirb mir febr angenehm fein.

©Ipino: 3rür jetjt barf ich (Eud) wohl 3um Bbenbeffen bitten!

168

Digitized by Google
(Erläuterungen

1
Te maris et terrae numeroque carentis arenae
Mensorem cohibent, Archyta,
Matinum
Pulveris exigui prope litus parva
Munera, nee quiequam tibi prodest
Aerias temptasse domos animoque rotundum
Percurisse polum morituro.
* Bad) Brand, n. 57 311 SIriftoteles de coelo, nahm 21 riftoteies 3 toeierlei
2Irten 6 er Beroegung für bie (Erbe an, eine, oermöge beren fie auf einer
Saljn um ben ©ittelpunht (nidjt bie Sonne) läuft, unb eine anbere, bie
fdjon piato angenommen hatte, oon ffieften naef) Often, bei ber aber aud)
bie Sldjfenbrehung aufjer ad)t blieb.
4
Slufjerbem nodj oon (Ehpljant, *piato unb fjihetas.
4
Bgl. Böcfclj im 'PbUoIaos unb namentlid) im Blufeum ber Altertums«
joiffenfdjaft oon ©olf unb Buttmann II. 18b. p. 429, roo gezeigt toirb, baj)
Slriftardjs fjtjpotljefe roefentlidj bie hopernihanifdje toar.

ifjugo ©ernehhe, ©iorbano Brunos polemiü gegen bie ariftotelifdje Kos*


moiogie S. 15, n. 1 meint, fie fei bem Kopernihus nidjt begannt getoefen,
oielmefjr 3 uerft toieber burefj bie ein 3aljr nadj bem lobe bes Kopernihus
erfdjienene editio princeps ber ©erke bes Slrdjimebes (Bafel 1544) be*
bannt geioorben.
4
fjerfdjel, discours on natural Philosophie (18©) S. 240.
* Bach Seines, Slriftoteles, beutfdj oon (Earus p. 142, ftnb bie Bleinungen
barüber geteilt, ob Slriftoteles ben Sltfjer auch als ein (Element betradjtet
habe. Die fämtlidjen übrigen (Elemente nämlidj 3 ufolge biefer
befteljen

f<hoIaftifdjen Borftellung aus ©egenfätjen, in ber ©eife, baf) bie (Erbe kalt
unb trodten, bagegen bie ßuft 10 arm unb feudjt, bas ©affer halt unb feudjt,
bas {Jeuer toarm unb trodten ift, ©her über bas „Brin 3 ip
toährenb ber
ber ©egenfätje" erhaben ift. Bodj bagegen „©iorbano Brunos B°le*
ogl.
mik gegen bie ariftotelifdje Kosmologie" oon ©ernehhe, Bresben 1871,
S. 13, n. 1.

169

Digitized by Google
’ Bruno, de Immenso (alte Ausgabe p.283) meint unrichtig, bie Xtjeorie
ber ey 3 entri(d)en unb beferierenben Greife fei guerft 3 m3 eit bes Boerroes
erfunben ;
Averrois tempore (!) exorti sunt illi excentrici et epicydid
quorundam astronomorum suppositionibus magis
interPeripateticos ex
ad supputatoriam commoditatem adinventi quam secundum rei naturam
crediti.
8
Durchaus mit Unrecht wollen einige bem ftarbinal Dikolaus non (Eues
((Eufanus)bereits bie 2lnti 3 ipation bes hopernikanifdjen Sgftems 3 ufd)reiben.
Dläbler in feiner <Befcf)id)te ber Bftronomie, S. 1 18, aud) D3ernekke, a. a. O.
p. 10, weifen nad), bafj er lebiglid) in theologifdpmgftifcher SBeife Don einer
Unenblid)keit ber 2BeIt unb einer Bewegung aller Dinge, aud) ber (Erbe,
gefprodjen hat, ol)ne jebe klare Daturanfdjauung. Dgl. aud) über il>n fpäter
im üejt bes Dialogs Brunos 3 utreffenbes Urteil, S. 93 bes Hauptwerks.
* Sud) bie Dotation ber Sonne um if>re eigene 31d)fe hat 3 uerft Bruno
erkannt. De Immenso lib. IV. cap. 8 „Certum est Solis . machinam ita
drca proprium centrum converti, sicut et Tellurem converti nobis est
certissimum.“
10
Unter biefen gel)t ein neukantifierenber rationaliftifcf)er Ideologe, <paftor
!If)ikötter, Bremen, in feiner Brofdjüre: „©iorbano Bruno unb bas t)ier»

ardjifdje Sgftem Doms" fo weit, Bruno einen blofcen (Eklektiker ber (Eufanus

3u nennen, „ber bas mgftifdjc ‘Pijantafierofc ,


bas biefer mit ßrummftab
unb Dlitra geritten, als Jockei im weltlichen ffiewanbe roeiterreite."
11
hritifcf>e (Befd)id)te ber *pi)Uofopf)ie S.342 ff. (Dlonabo«
Bgl. Düljring,
Iogie),unb Brunnhofer, ©iorbano Brunos Gehre oom Äleinften als Quelle
ber präftabiliertcn Harmonie oon Ceibni 3 (Geipjig, Dauert & Docco 1890).
18
S3er ficf) nft^er für bie fiünfteleien unb Sophiftereien, für biefes Ber«
<
fteckcnfpiel bes Descartes intereffiert, lefe bie überfctjung ber „ prin 3 ipien
ber <pf)iIofopt>ie oon Dene Descartes" oon o.ßirdjmann (P^ilof. Bibliothek
XXVI. Seil 2), S. 34 ff.

o. fiird)mann becounbert 3 roar bie feine BSenbung, mit welcher Descartes

bie Bewegung ber (Erbe um bie Sonne aufrecht ert)ält unb bennod) 3ur
Beruhigung ber 2h c ologen fagen kann, bafj bie (Erbe ftill fteht.
3d) gefteh«, baf) biefes „Sgftem einer hoppelten Buchführung" wenig nach
meinem moralifd)en unb äfthetifchen ©efdpnadc ift unb pflichte ber Dleinung
bes Jefuiten j)“dius bei (fiehe Borwort), ber in biefem funkte weniger
„jefuitifch" als mancher PhiMophiegelehrtcr gebacht 3u haben fd)eint.
13
Brunnhofer, „©iorbano Brunos Gehre oom ßleinften als Quelle ber prä«

170

Digitized by Google
!

ftabilierten Harmonie Donßeibni3", meint (S. 13 ),nad)bem er bieDoIlftänbige


(Entnahme berjenigen ffiebanhen, benen ßeibni3 feinen pi)ilofop!)if«f)en But)m

oerbanht, aus Brunos oorliegenbet


S<f>rift unb ber lateinifd)en de Immenso

für erroiefen hält, unb gleichzeitig mitgeteilt Ijat bafc ßeibni3 3um ‘Danke ,

bafür feines Borgängers nur oeräd)tlid) in einigen Briefen ermähnt: „Der


fonft fo ebei(?) benkenbe Blann beurteilt ben großen Bolaner, 3U bem fid)
3U bekennen 3U Slnfang bes 18 3al)ri)unberts nod) gefährlich erfd)einen
.

mochte (?!), mit ffieringfdjätjung", unb glaubt, bafe bieBebenken,bieDüf)ring


übrigens wohl nicf)t nur aus biefem Bertolten gegen ben Charakter bes
ßeibni3 begrünbet, oerfchwinben
14
Bur berßuriofität falber möchte i<f) l)ier bie Schrift eines 2lftronomen(?)

Dobler (ßeip3ig 1892 Berlag oon BJ.^riebrid)) ermähnen, „Der Äometofkop


,

unb bie (Embryologie bes Bleltatls"; ber Berfaffer biefer feltfamen Schrift
oerfud)t unter fionftruhtion einer gan3 neuen Äometentheorie mit §ülfe
feiner fog. kometofkopifd)en (Experimente über bie Spiegelung gekrümmter
J}läd)en uns nid)t nur glaubhaft 3U machen, bafj Kometen blofje Spiegel«

bilber foldjer ber Begel nad) unfid)tbarer B3 eltkörper feien, beren innere
Blut aus ihren Bolen nod) ßidjtkegel entfenben könne, fonbern aud) bafj

bas Unioerfum burd) eine ungeheure fpiegelnbe ßugelfläd)e, an ber eben


jene Äometenbilber fid) er3eugen, begren3t fei, 3 bee, bie übrigens nod)
eine
burd) bie ins ©rotesk « Silberne ge!)enben Behauptungen über bie „orga«
nifd)e Batur ber D3 eltkörper unb beren „(Embryologie“ —
bie (Erbe als (Ei
in einem roeiblid)en Organismus —
übertroffen roirb unb einen Beitrag 3ur
©efd)id)te ber gelehrten Bfyd)opatl)ie bilbet.
14
überjetjung oon
„ffilorreid)er Spiegel, too im BSetterfaufen
Blidit bes 2Ulmäd)t’gen Bilb! 3“ allen 3 *tten,
Still unb bewegt, im Sturm, im Braufen,
2lm eif’gen Boh in glutburd)flammten Bleiten,
Badjtbunhel, enblos, h«hr. — (Ewigkeiten
(Erhabnes Bilb, bes Unfid)tbaren Schrein!
Des Bbgrunbs Ungeheuer felbft entgleiten

Blofe beinern Sdjleim entfprofct! Bllwärts h«rfd)t bein


ffiefetj! So roogft bu fort, hehd bobenlos, allein!
*• 1 . Die Bewegung kann nid)t beginnen, weil ber Äörper nid)t an einen
anberen Ort gelangen kann, ohne 3uoor eine unbegren3te 3 «hl oon
3wifd)enorten burdjlaufen 3U haben.

171

Digitized by Google
2. 2Id)iI(es kann bie Sdjilbkröte nidjt einbolen.

3. “Der fliegenbe ‘Pfeil ruht; benn er ift in jebetn Dloment an feinem


Orte.
4. Der halbe 3e*t“bfcf)nitt ift gleid) bem ganjen; benn ber nämliche
‘Punkt burdjläuft mit ber nämlichen ©efd)toinbigkeit einen gleichen
2Beg, bas eine Dlal in bem halben, bas anbere Btat in bem ganjen
3 eitabfd)nitte.
2 llle nier 2Benbungen laffen ficf) auf bie erfte rebujieren.
17
Deue ©runbmittel unb (Erfinbungen 3 ur Slnalgfis ufto. oon Dr. (L Dich*
ring. ßeip 3 ig 1844.
17
„Sobalb mir unfere Sinne öffnen, fcf)eint nichts uns geroiffer, als baß
ber Baum ficf) um uns als eine Wirklichkeit beljnt, in beren Jemen 3 roar
fid) bas Wirkliche ins Unabfeljbare nerlieren, aus ber es aber nie ent*
fd)Iüpfen kann; roäbrenb bal)er jebe einjelne Sinnestoabrnebmung tcidjt als
bloß fubjektiue (Erregung in uns oerbäd)tigt roirb, bat ber 3®eifel an ber
Objektioitöt bes Raumes ber gewöhnlichen Buffaffung immer eine unbe*

greiflid)e ‘Paraboyie gefcßienen." ßotje, Dtetapbgfik S. 201.


17
Dtit Bed)t bemerkt ßotje, Dtetapbgfik S. 234, im ^'nroeis auf bie

©aufe* 5 elmbolb* 3 bHnerf(ben 3 ouberräume: „3<b kann mid) burdjaus nicht

Überreben, baß niele meiner (pbilofopbifchen) Jad)genoffen, welche auf bie


neuen Übeorien beifällig eingeberi, wirklich bas fo febr leid)t nerftcben, was
mir gan 3 unoerftänblid) ift; id) fürd)te, baß aus Sd)üd)ternbeit ihres
fie

Bmtes nid)t warten unb auf biefem ffiren 3 gebiete 3 wifd)enDtatbematih unb
'Pbilofopbie bie fdjweren Bcbenhen nid)t geltenb machen, roeldje fie im tarnen
ber letjteren gegen manche matbematifcbe Spekulation ber ffiegenwart er*
beben feilten."
90
Schließlich bat bies aud) Bruno fpäter gemeint: Summa terminorum
metaphys. (Ofrörer473) : Mens super omnia Deus est. — Deus est Monas
omnium numerorum fons, simplicitas omnis magnitudinis et composi-
tionis substantia, et excellentia super omne momentum, innumerabilis,
immensum.
91
Dian ogl. über Brunos Weltanfdjauung unb ihren (Einfluß auf bie
ßiteratur unb insbefonbere auf ©oetbe: Dübring, Die ©roßen ber mobemen
fiiteratur I, S. 262—264. Dübring irrt aber, wenn er meint, 3 U einer 2ln*
näberung ©oetbes an Brunos Schriften fei es nid)t gekommen. Daß ©oetbe
wenigftens einige oon Brunos Schriften kannte, bat bereits 9Jt. (Earribre
nachgetoiefen. BgL beffen „‘Pbilofopbifcbe Weltanfdjauung berBeformations*

172

Digitized by Google
3 «it"S. 487, roo ein 2lusfprucf) ©oethes über Bruno äitiert toirb. ffioethe —
ocrglid) Brunos UBerhe mit einem „ffiolb* unb Silberbergroerh" ferner ;

Brunnhofer im ,ffioetf>e«3ai)rbud) 1886" ©iorbano Brunos ©influh auf


©oetfje, unb „©oethes Bilbhraft" (£eip 3 ig, Bauert & Bocco, 1890) S. 2.
w Der Drucfcort bürfte roohl falfd) angegeben fein. Da bie Dialoge in
Conbon getrieben finb, roerben fieaud) in £onbon gebrückt fein. Blit ber
Eingabe bes Druchortes nahmen unb Berleger es roeber im 16.,
Sd)riftfteller

notf) im 17. unb 18. 3ahri)unbert immer genau; Benebig galt im 16. 3af;r*
bunbert als beoor 3 ugter Ort für Berlagsartihel; toäre bas Buch roirklid)
in Benebig gebruckt, fo mürbe roohl aud) bie Dene 3 ianifd)e Firma bejeid)net
fein.
** Bl. be (Tbatei-neuf fjerr oon Blauoiffiere ,
1520 bei üours geboren,
roar einer ber bcbeutenbften Blänner, bie bas bamalige Frankreich befafj;

3 ug(eicb tüchtiger Staatsmann unb Solbat.


2Us 3üngling bat** er Italien bereift, mehrere 3al)te in Born oenoeiit,
bann oerfcbiebene ffiefanbtfd)aften behleibet, ficb in ben fran 3 öfifd)en Bürger*
kriegen bei 3arnac unb Biontacour ausge 3 ei<bnet nnb in hohem ©rabe ficb

bas Bertrauen bes ftönigs §einrid)III. oon Frankreich erroorben. Dm 3oh«


1575 mürbe er non biefem mit bem ©efanbtfd)aftspoften beim englifcben
fjofe betraut, ben er 3 ei)n Fahr* lang, bis 1585, bekleibet hot- Bielleidjt
bie fchmierigfte Aufgabe, bie er als ©efanbter 311 erfüllen hatte, bilbeten
Dergeblidje 3nteroentionsoerfud)e 3 ugunften ber unglücklichen Blaria Stuart
in ihrem tragifd)en Konflikt mit ber Königin (Elifabeth; er roufjte fid) ber*
felben mit folchem biplomatifchen ©efchidt anjunehmen, bah er, obmohl er
fich bie roärmfte F r eunbfd)aft ber fd)ottifd)en Königin ermarb, roie ber

3 mifchen ihm unb ihr geführte erhaltene Briefroechfel beroeift, anbererfeüs


bennoch auch bas leicht erregbare Blif) trauen ber englifchen Königin oer*
mieb. Bon feinen Iöd)tern hatten bie eine ©lifabeth, bie Königin oon (Eng.
Ianb, bie anbere Blaria, beren fd)ottifd)e ©egnerin, 3 ur ‘Patin.
©hatel*neuf roar ein roiffenfchaftlid) gebilbeter Blann unb hat aufjer einer
Bamus,
fran 35 fifchen Oberfctjung einer lateinifchen Slbljanblung bes Peter
„Traide de lacjons et coustumes des andens Oauloys“ Blemoiren hin*
terlaffen. Memoires de messire Michel de Castelnau, par Laboureur
Bruxelles 1731.
Bruno, ber im 3ahr« 1584 Paris oerliefc, fei es nun, roeil ihm bie 3 U*
nehmenben politifd)en Unruhen, ober auch 5er, roie es fcheint, überall für
ihn unoermeibliche 3»ift mit ben 3 ünftigen Bertretern ber Unioerfität ben

173

Digitized by Google
Aufenthalt bort oerleibeten, rocnn nicht blofje ©Sanberluft bas Dlotio war,
— erhielt non Sjeinrid) III., belfert perfönlicfje (Bunft er fiel) erroorben hatte,
ein (Empfel)[ungs|(f)retben an OTauoiffiere. Die ffiaftfreunbfd)aft, roeldje ber*
felbe il)m hierauf gemährte, mar aufjerorbentlid) Iiebensroürbig. Der Do*
laner fanb im §aufe bes ffiefanbten ein Afgl, ein magres 5 eim, in meldjem
fein fflenius fid) 3 ur größten ‘Probuktioität entfalten konnte. (Er felbft rühmt,
bafj OTauoiffifere ihm in ßonbon ein 3 roeites Dola, in (Englanb ein anberes
tJtalien bereitet habe, mas nie! befagt, menn man bamit feine übrigens in
ben Dialogen „bas 3Ifd)ermittrood)smaf)I" unoerl)ol)len geäußerte Antipathie
gegen Conbon felbft unb bie englifdjen Derijaltniffe oerg(eid)t. (Er nennt
Dlauoiffiere bie „ein 3 ige 3 uflud)t feiner ©Sufen" unb f>at ihm aufjer biefen
Dialogen nod) brei anbere ©Serke:
Die explicatio XXX. sigillorum, bas 2lfd)ermittrood)smal)I,
bie Dialoge oon ber Urfadje, bem Anfang unb bem (Einen
3 ugeeignet.
Obgleich ein ftrenggläubiger Aatholik, E>at OJlauoiffiere bie liberalfte lole-
ran 3 gegen Drunos pf)ilofopl)ifd)eÜber3 eugungen bemiefen, er bispenfierte
ihn aud) bereitroilligft oon bem Sefud) ber DSeffe, bie täglich im ©efanbt*
fcf)aftsf)otel gelefen roarb. Documenti (Berti) IX.
Aud) bie ßiebensroürbigfceit ber ©emaljlin Dlauoiffieres, SDaria geb.
Sodjetet, rühmt ber Dolaner mit überfd)roenglid)en ©Sorten. ©3enn aber
beshalb ber jübifefje ßiterat Jalhfon in feinem jämmerlichen, flach materia>
liftifd) philofophelnben ©Oman „ffiiorbano Bruno" (ber bem jübifd)enSo 3 ial*
bemokraten 3ohann 3ahobg geroibmet ift) ein ßiebesoerhältnis bes Dolaners
3 U ber ffiemahlin feines ffiaftfreunbes crbi<f>tet, fo oerbient bas bie fefjärffte

Dlifjbilligung unb hat keinesroegs etroaoon mir in meinem Anhang 3 ur


überfetjung bes Spaccio (©iorbano Srunos Deformation bes fjimmels,
Dauert & Docco, 1889) gut geheimen merben Jollen, roie mid) be ßagarbe
Anhang 3 U ben opere italiane S.787 in mir unbegreiflicher ©Seife
in feinem
fcfjcint. Dd) merbe barauf an fpäterer Stelle 3 urück*
mifjoerftehen 3 U roollen
kommen.
84 Druno, ber übrigens, ba Daebalus be-
©in nid)t feltener Vergleich bei

kanntlich aud) bas ßabgrinth gebaut haben foll, oielleicht auch auf oiele
fpätere *Philofop^en, (Erbauer hunftreid)er Sgfteme, in melche roohl hinein,
aus benen aber nid)t hinaus 3 U finben ift ohne einen Ariabnefaben gefunber
Äritih, paffen bürfte! Sruno oergleid)t fid) an anberer Stelle, in einem
Sonett ber heroici furori (bei be ßagarbe p. 648) felber angemeffener mit

174

Digitized by Google
Ofcarus; benn biefem gleich fdjunngt er fid) 3ur fjofee, bis bie roadjsgefügten
3ittid)e ber Vernunft in ber bdjjen ©j u t [eines furore heroico 3ergei)en
unb aud) it>n in bie OTgftik bes Unenblid)en t)>'>Qb[tiir,3en laffen.
21
3m leyte fteht „loco“, alfo eigentUd) ber Ort; loco ift aber nur eine

Kliebergabe bes gried)ifd)en tö.ios bei Kriftoteles, unb hierüber ogl. K3 eiffe,
Knmerkung 3U Kriftotetes, ‘Pbgfifc p. 456 . Kaum ift uns eine felbftänbige

allgemeine Kn[d)auungsform; Ort ein biofeer Se3iehungsbegriff, Kk3iben3


3u etroas.
lÖToc bei Kriftoteles oereint beibe Senhroeifen. Seim ßefen ber über«
fefeung ift bafeer, toenn biefe oollftommen nerftänblid) [ein [oll, 3U beachten,
bafe Kaum unb Ort bei Kriftoteles nur burd) ein IBort be3eicfenet toerben,

alfo bei bem jebesmal oon uns geroöfelten Kusbruck in jebem ein3elneh JJall
bas fein3U3ubenfcen, roas nacf) unferer pfeilofopfeifd) genaueren 2Bortfd)eibung
fehlen mufe, roeil es burd) ben anberen Kusbruck allein gebeckt roirb. Siefe
in ber Unklarheit bes ariftotelifdjen Kaumbegriffs liegenbe Schmierigkeit
ift für ben Überfefeer gar nicht 3U heben.
24
Lucretius Carus, de rerum natura, über I, v. 968 — 979 .

„Kimm, es märe ber Kaum bes Klls in (Bremen gefcfeloffen,

K3 ürbe, mer fid) am äufeerften Kanb besfelben erhöbe,


(Einen beflügelten ^Pfeil oon ba 3U roerfen, obgleich er

Siefen mit angeftrengtefter Äraft fortfchleuberte, — roürb’ er


Solchem roeiter hinaus, roohin er ihn fenbete, treiben?

Ober mürbe 3ulefet ihn etmas hinbern unb obftehn?


(Eines ober bas anbere mufet burchaus bu bekennen!
3eglid)es fperrt ben Kusgang bir unb 3mingt 3um ffieftänbnis,
Safe ein unenblicfees KU ofen’ alleSchranken [ich öffne!
3 mmer mürbe ja fonft ber 2Bed)[el bleiben, entmeber
Safe fo ein (Etmas fei, bas ben !pfeil 3U fliegen oerfeinbere,
Kidjt 3U gelangen bafein, 3U bem 3 i*L »ach bem er gefanbt mar,
Ober auch flög' er hinan, fo kam’ er oom äufeerften Kanb nicht."

(Überfefeung d. Anebel)
*’ Lucretius Carus, de rerum natura 1000 1007
!,
— .

„Sd)liefe(id) fefeen mir bocf>, n»ie eins Dom anbern begren3t roirb:

Cuft begren3t bie Serge, feinroieber bie Serge ben ßuftraum,


(Erbe begren3et bas Sleer, bas Steer umfchliefeet bie (Erbe.
Klfo befent unermefelid) fid) aus bie 3rülle bes Safeins,
Klier ©ren3en beraubt unb hin nach jeglicher Seite." (Überf. 0. Anebel)

175

Digitized by Google
88 (Boetfjc,
beiden Poefieen mand)eit 2lnhlang an Brunos ©ebanhen ( 3 U»

weilen fogar faft wörtliche Überlegungen aus [einen ©Serben) bieten, bleibet

biefen ©ebanhen in feinem pl)ilofopl)ifd)en „Bermädjtnis" (liehe „ffiott unb


S3elt") in folgenbe Serfe:

„fiein 2Befen bann 3 U nichts 3 erf allen!


Bas (Ero’ge regt fid) fort in allen,

2lm Sein erhalte bid) beglückt!

Bas Sein ift ecoig; benn ©efetje


Bewahren bie lebenb’gen Sd)ätj*i

2lus ioeId)en fid) bas 2111 gefdjmücbt."

89
©oetl)e: „Unb um 3 ufd)affen bas ffiefdjaffne,
Bamit [id)'s nid)t 3 um Starren toaffne,
©Sicht einiges lebenb’ges Üun,
Unb roas nidjt tnar, nun toill es toerben,
3u reinen Sonnen, litten (Erben,
3n beinern Jalle barf es ruljn,
(Es [oll fid) regen, fdjaffenb hanbeln,
(Erft fid) geftalten, bann oerwanbeln;
Bur [djeinbar fteljt’s ÜJlomente ftill.
Bas (Eto’ge regt fid) fort in allen;
Benn alles mufc 3 U Sidjts 3 erfallen,
2Benn es im Sein beharren will."

10
Sgl. hiermit bie 2Beisf)eit bes §ora 3 :

„Slit ruf)’gem ©leid>mut wappne bie Seele bit


2lm lag bes Unheils, aber am glüchlichen
Ben ausgelaff’nen Saufd) ber ßuft aud)
Stäfjige, Bellius, benn bu ftirbft einft.“

ober: „2Bem bie Sruft gleichmütige 3raff un 9 gürtet,

$offt im Unglücb, fürstet im ffilüch bes Sdjidtfals


2Bed)fel; fd)i<bt bod) immer ein ©ott nach wüften
fjlochen ben Bauwinb.
Bid)t, wenn heut bir’s übel ergeht, wirb’s morgen
2lud) fo fein. 3 u 3 C8tcn erwedct 2lpotlos
Saitenfpiel bein fdjwelgenbes ßieb, bod) ftets nicht
Spannt er ben Sogen.

176

Digitized by Google
©rum am lag' einbringenber Bot erfdjeine
Stark unb feft; bod) roiffe bebauten Sinn’s aud)
©«in non algu günftigem IDinb geblöktes Segel 3U treffen.“
(Überfe%ung oon ©eibel)
** ©oetlje: „Sofort nun roenbe bid) nad) innen,
©as 3«nfrum finbeft bu ba brinnen,
BJoran kein CEbler jmeifeln mag.
28 irft keine tHegel ba oermi||en;
©enn bas felbftanbige ffieroiffen
Oft Sonne beinern Sittentag."

** Stiller: „Janb bas pdjfte TOefen fdjon kein gleidjes,


Bus bem Äeld) bes gan3en QBefenreidjes
Sd)äumt iljm bie Unenblid)kcit.“
ffioeit)c: „So roeit bas Ol)r, fo meit bas Buge reicht,

©u finbeft nur Bekanntes, bas ii)m gleid)t.


Unb beines ©eiftes l)öd)fter Jeuerflug
fjat fdjon am ©leidjnis, l)at am Bilb genug;
©s 3ief)t bid) an, es reifjt bid) toeiter fort,
Unb Ido bu roanbelft, fdjmütkt fid) Iß eg unb Ort,
©u 3äf)Ift nid)t meljr, beredjneft keine 3«it,
Unb jeber Stritt ift Unermejjlid)keit."
M ©iefe 3 «I«n atmen ein I)ol)es Selbftbemu&tfein Brunos non feinem
eigenen SGerte. ©r 3eigt fid) beroufjt, bemfflrafen non Blauoiffiere burd) feine
©ebibationen ein Ebneres ffiefdjenh 3urüdi3uraf}en, als jener if)m je geroät)*
ren konnte.
„©ibft bu bem ©enius ein ©aftgefdjenh,
So lögt er bir ein ferneres 3urü(h.“ (©oett>e)

©iefer roaijre Stog ift allen magren ©enies eigen, man benke an
©oetljes Busfprud), bafj „Befd)eibenl)eit in geroiffem Sinne eine lugenb
ber Cumpe"; man oergl. Schopenhauer, ©arerga unb ©aralipomena II,

p. 496 Bruno berocift gier, bafj er flcg feinen ijoljenffiönnern gegenüber nid)t
.

erniebrigt, fonbem minbeftens als ©!eid)er mit ©leidjen mit ifjnen 3U Der*
kehren oerftanb; als Jürft bes ©eiftes fül)lt er fid) ben dürften biefer BBelt
fogar überlegen unb nimmt if)re Bergünftigungen nid)t toie ein „ßump" t)in,
fonbern in bem Beroufjtfein, fie baburdj metjr 3U ef)ren, als jene it)n eljren

konnten.

2 (ßiorbano Bruno Bb. UI


] 77

Digitized by Google
u Bruno bat bie einseinen Sollen (einer ffiefpräcbe nid)t an blo&e S<ha*
blonen unb willkürliche tarnen oerteilt, fonbern beftimmte perfönlid)fceiten
ober roenigftens Igpen im äuge. Unter bem tarnen fjiloteo, in anberen
“Dialogen, 3. 'B. della causa Teofilo pflegt er in ber Tiegel feinen eigenen
änficf)ten äusbruch 3U geben, unb leofilo ift nicht etroa fein eigener
«Jiloteo
Borname; bagegen entnehme id) aus Doc. VII ber oenetianifdjen ^nquifi»
tionsakten, bajj fein erfter ßebrer in ber ßogik ein Jra leoftlo ba Barrano,
äuguftinermöncb in Beapel, getoefen; bie Borliebe, biefen Barnen als Zrä*
ger feiner eigenen 3 been in ben Dialogen ein3ufüb«n, könnte baljer auf
pietätooller (Erinnerung ;beruben an biefen feinen erften ffieiftesfübrer auf
pbilofopbtfcbem ©ebiete, ber oermutlid) bie fcblummernben Kräfte bes äna*
ben mächtig an3uregen oerftanben bat. äucb Burdjio figuriert entroeber als
“Pebantentgpus überhaupt, ober ift gar ein oon Bruno aufs £orn genom«
mener perfönlid)er ffieiebrtendjarabtcr, welcher für oiele feiner 3*itgenoffen,
roenigftens für ben engeren Äreis in ßonbon, in welchem biefe ©efprä<be
entftanben, aus ber ärt, roie Bruno ibn fdjilbert (befonbers 3U (Enbe britten
Dialogs), geroifj nicht minber erkennbar oon ihm im „äfdjer*
roar, roie bie

mittroocbsmabl" gehenn3eid)neten Ojforber Profefforen. 2Ber aber roar ©l*


pino? 3 <b oermute, bafj aud) unter biefem Barnen irgenb ein wirklicher
tJreunb unb änbänger bes Bolaners eingeffibrt roirb. Dagegen be3roeckt
ber Barne Jracaftorio unoerkennbar eine ebrenoolle ©rinnerung an einen
unter biefem Barnen bekannten italienifcben är3t, roel<ber, 1483 geboren,
1553 3U Berona ftarb.
Diefer eminente Äopf batte ficb gleichermaßen als Pbilofopb, Dieter unb
äftronom ausge3eid)net.
Bon feinen mebi3inif<ben Schriften ift am bekannteften ein, nod) oor kur*
3em in Deutfcblanb in neuer äusgabe berausgegebenes, lateinif<hes ßebr*
gebiet über bie Sbpbilis. — «Jracaftorio roar ßeibar3t bes papftes Paul UI.
unb galt als beroorragenber Spe3ialift für bie in jener 3*it bekanntlich 3“*
erft in ©uropa auftretenbe unb mit befonberer ^Furchtbarkeit um fidj grei*
fenbeffiefchled)tskrankbeit; infolge einesoon ihm erteilten ffiutadjtens rourbe
3eitroeüig fogar bas berühmte £ircbenkon3il oon Dribent nach Bologna oer*
legt, um ben ebrroürbigen geiftlidjcn Bätern einen oon gefd)led)tlichen än*
ftecftungsftoffen freieren äufentbalt 3U gewähren. —
©in aftronomifches TBerk fjracaftorios betitelt fi<b „Homocentricorum
sive de stellis über unus“.
3 n bemfelben bekämpft Jracaftorio bie für bas ptolemaifche Sgftem fd) wer

178

Digitized by Google
entbehrliche Cef)re oon ben fogenannten (Epicghlen unb erweift [ich infofern
als ein Vorläufer besäopernihus; aud) in feinen fonftigen naturwiffenfcbaft»
Iidjen Schriften offenbart er feiner 3*«t weit oorauseilenbe (Einfichten, unb
einige fchreiben ihm fogar ben erften 2lnlauf pr (Erfinbung bes lelefftopes

3 u. Wan oergieiche Libri, histoire des sdences mathematiques en Italie II,

p. 100 :

„Un seul nom, celui de Fracastorio, domine a präsent les noms de


tous ces astronomes italiens. 11 fut celebre par la profondeur et la variete
de ses connaissances.
De Thou, qui dans son histoire en a fait un magnifique eioge, dit que
Sannazar s’avoua vaincu par les vers latins du mWecin de Verone. II
fut botaniste, philosophe et mathematiden et cultivant de sdences si
diverses il s’illustra de toutes. En compatant les £picycles il aplanit la
route au systfcme de Copemicus.
II aux causes occultes; il consid€ra
substitua l’action des atomes
tous les corps comme mutuellement et les actions electri-
s’attirant
ques, magn&iques et physiologiques comme ayant pour cause un prin-
cipe imponderable. Son libre de Sympathie et Antipathie est rempli
d’observations interessantes, les Homocentres decelent le grand astro-
nome.on lui doit peut-etre la premiere ideedeslunettesastronomiques.“
"Durch biefe aftronomifd)en unb pbt)ftftalifd)en (Einfichten, bie Bruno in ben
Werften fffracaftorios fanb, roirb es erftlärlid), toarum er mit biefem Barnen
eines gefeierten Canbsmannes feinen inteüigenteften Unterrebner fdjmüdct,
ben er 3 toar anfänglich noch im Banne ber mittelalterlichen 2ßeltanfd)au*
ung unb bes Slriftoteles befangen 3 eigt, ftd) jeboch mit &eid)tigfteit oon bem*
f eiben befreien lögt, fffracaftorio ergreift bie(Brünbe bes Bolaners mitteben»
biger (Einfid)t. 3“ tb m liefert ber oöllig bornierte unb oerftänbnislofe Sd>ul*
pebant unb fjanbwerhslebrer Burd)io bie Orolie, er gerät baher aud) fd^Iicg*

lieh mit biefem in lebhaften Streit (britter Dialog i. f.), in toelchem Burebio

fid) fo roeit o ergibt, ihn mit einer JJlut oon Sdjimpftoorten 3 U überfchütten.
“ fjter (eben toir Bruno eine (Erhenntnistheorie entwerfen, welche fo 3 u«
fagen in nuce bie oerfd)iebenften Cehrfätje fpäterer (Erftenntnistheoretifter
einfchliegt.
(Elpino wirft eine für bie oon ber Sdjolaftift nod) beberrfd)te 3«it bes ©e*
fprächs immerhin auffällige, auf ben bamaligen Unioerfitäten {ebenfalls als
ftetjerifch geltenbe Bemerftung h>n. bie nichts anberes befagt, als bas (Er«
fcenntnisprin 3 ip bes großen ßodee: nihil est in intellectu, quod non fuerit

s- 179

Digitized by Google
in sensu. Jiloteo beulet bie Äritib an, roeldje fid) 3 ur Berichtigung unb
Beroollftänbigung bes Satjes feit ßeibnij (nihil est intellectu, quod non
fuerit in sensu nisi intellectus ipse) bis auf ßant oolljogen hat. Bgl.
Äants Äritih ber reinen Vernunft (Beclam p.77): „Ohne Sinnlid) beit mürbe
uns bein (Begenftanb gegeben unb ohne Berftanb beiner gebaut roerben,
©ebanben ol)ne Dnhalt finb leer, 21nfdjauungen ohne Begriffe finb blinb."
Obroofjl aber Bruno fid) oon ben blof) bialebtifdjen ©rbenntnisgrunbfät)en
ber Sd)oIaftih 3U befreien fud)t, ift er bod) beinesroegs auf bie ffirunbfät)e
bes mobernen ipofitioismus geraten, ber als erften Junbamentalfalj ber
Wahrheit (ogl. oon Äirdjmann, Cehre oom Wiffen S. 68 ) ben Sat} aufftellt:
Bas 2Bal)rgenommene ift. fiants Mnfidjt, baf) bie (Erfahrung ben ewigen
Stoff ber (Erbenntnis bilbe ober aud) Büljrings Satj (ogl. Büljrings ßogib
unb B8 i|fenfd)aftslehre p. 73 ff.) bie Sinnesroabrnehmung fei ber ein 3 ige
Jufjpunbt ber (Erbenntnis, bedtt ftd) nidjt mit ber Brunofd>en (Erbenntnis*
tl)eorie. Jür Bruno gibt es nod) eine anbere materielle (Erbenntnisquelle
als bie ber Sinnesroahrnehmung unb eine anbere höhere Wahrheit als bie
oonßant fogenannte phänomenale Slnfdjauung; bie Sinne, meint er, geben
nur Anregung 3 um (Erbennen, ein debile principio, unb bieten nur
bie erfte
eine Wahrheit in piccola parte, eine Wahrheit, aber eine ftets nur relatioe
Wahrheit. Ba bie Sinnesroahrnehmungen innerhalb bes allgemeinen flau*
fatoerlaufs ftattfinben unb ‘probuhte 3 roeier Jabtoren, eines äufjeren unb
inneren Borgangs, finb, fo bönnen fie felbftoerftänblid) bie ^Realität nicht
ohne fubjebtioe Beimifdjung miberfpiegeln, giammai son senza pertur-
batione. §ier haben mir bie erfte Slnbeutung jener „id 6 es confuses“ bei
Bescartes, Spino 3 a, Blalebrand>e unb Ceibni 3 Bgl. Spino 3 a, de . emenda-
tione intellectus, Bescartes’ Slbhanblung über bie Biethobe, meldje felbft

bei biefen Jämtlid) aber no(h als 3 iemlid) bonfufe Begriffe erfcheinen. 21m

fchärfften h Q t roohl ben Wert ber jtnnlid)en (Erbenntnis bis je%t analgfiert
Benehe in feiner Bletaphgfib p. 97 ff.:
„ßann bas 21n*fid) ber Binge mit unferen Borfteüungen einftimmig
fein? Wir antmorten: unmittelbar allerbings nidjt; aber mittelbar finb
mir aud) hierüber 3U entfdjeiben unb mit ooller Beftimmtheit barjutun
imftanbe, bajj bie börperlichen Binge nicht fo fein bönnen, roie mir fie

uns oorftellen. Ba mir jebenfaüs einen fubjebtioen Beftanbteil hinju-


geben, fo liefjen fleh nur 3 roei Berhältniffe benben, oermöge beren un*
fere Borftellungen ben oorgeftellten ©egenftönben gleich fein hönnten:
1 . Bie oon uns hin 3 «gebrad)ten Jormen müßten mit bem Sein ber

180

Digitized by Google
‘Dinge ibentifcß fein. Mir hätten bann nur biefes 3 meimat unb braucß*
ien, um oode CEinftimmigheit 3 U erhalten, nur bie Sinne 3U halbieren
(Ißaßrneßmung a -{- b, b =
a, alfo bas Objektioe a); 2. bas oon =
uns hin 3 ugebracßte, bie Jormen könnten bemjentgen gleicf) fein, roas
oon ben Dingen nicßt auf uns roirfct, fo baß alfo oon uns eben bas
f)in 3 ugegeben mürbe, roas, obgleich es in ben Dingen ejiftierte, für

unfere (Empfinbung in benfelben 3 urückblieb. 3n biefem Jade mürbe


bas Ding in feinem 2ln*ficß fein a +
b fein, nur a mirkte auf uns,
aber inbem b oon uns als üluffaffungsform ßin 3 ugegeben mürbe, fo
hätten mir bennocß a -f- b unb alfo in unferer TDaßrneßmung ood*
ftänbig bas Sein bes Dinges, ohne baß mir mit berfelben irgenb eine
Beränberung oor 3 unehmen brauchten."
2Ulein, roie Benehe bes näheren ausführt, biefe beiben reaüftifchen 2ln*

nahmen finb gleichermaßen unbenhbar. Mir müßten benn fcßon im menfcß*


liehen Sein jenen munberlicßen Mikrokosmus oorausfeßen, in beffen 2ln*

nähme (Empebokles, um biefe yvä>on rov iuoiov xcS 6/xotcp anfeßauließ 3 U

machen, bie berühmten Berfe gebießtet:


yaifl ftsv yäß yaiav faiiönapsv, vSau ö'v Saig,
arOtQi i aX&tqa diov, ätag nvgi miß didijl.ov.

Sext. Empiricus, adv. Math. VII. 121


Moden mir uns ba 3 u nicht oerftehen, fo bleibt nur jener Dbealismus ber
(Erkenntnistheorie übrig, ben Soße, £ogih p. 484 etma baßin als feine 2ln*
fießt formuliert, baß Maßrßeit lebiglicß als eineben äußeren Borgängen
unb Dingen entfprecßenb folgerichtige Berknüpfung unb Deutung unferer
Borftedungen, nicht aber als oodkommene Übereinftimmung ber Borftel*
lung unb ihres (Begenftanbes 3 U befinieren fei.

2lber auch ber entfprießt nicßt gan 3 ber Meinung Brunos, - Bruno unter*
ßßeibet, mie mir hier im üert feßen, eine oierfaeße Maßrßeit. 2ln anberer
Stelle, mo er oon breifacher Maßrßeit fprießt, ogl. Spacdo (de Lagarde II,

p.457. 458 n. II. 157, meine Überfeßung p. 99. 100), meint er in ben beiben
erften Jaden bie fflirklicßkeit, ZBaßrßeit in objektioem Sinne. Die hier ge*
gebene (Einteilung ftedt fieß nun als Unterabteilung ber bort ad 3 gegebenen
bar. Man ogl. bamit <Eabala(de Lagardes Ausgabe II. p. 578. W. 11.270).
Mas ßoße Maßrßeit nennt, bürfte ber oon ißm an 3 roeiter unb britter
Stelle gefeßten entfpreeßen.
Bon befonberem Dntereffe bürfte es fein unb nießt menig 3 ur (Erläute*
rung biefer Stede bienen, hier 3 U konftatieren, baß Benefce, biefer immer

181

Digitized by Google
rtod) nicgt genügenb geroürbigte Selbftbenker, augenfcgeinlicg ogne jeglicge
Anregung burd) ben übrigens gerabe non ber 3 bentitätspgilofopgie aus*
gebeuteten Bruno, ebenfalls eine oiergrabige BSagrgeit Ief>rt; in feiner
ßogik p. 4 menbet er gegen bie Dbentitätspgilofopgie ein, bag „es oer*
fcgiebene ©rabe ber BSagrgeit ober bes BJiffens gibt." —
„Unfer TOiffen
mürbe aud) bann nod) 2Bagrgeit gaben, menn aud) freilieg eine fcfjr meit
oon berjenigen abftegenbe, bei meleger etroa mirklieg Sein unb Denken iben*
tifd) mären, menn mir oon ben Dingen nur einen üeil auffagten unb einen

anberen Heil niegt. Bamentlieg bie beiben 3 <*grgunberte ginbureg, melege


feit bem Anfänge ber neueren <
pi)üofopl)ie nerfloffen finb, gaben alle tiefer»
bringenben Denker mit ber größten Bnftrengung barauf gingearbeitet, biefe
oerfcgiebenen ©rabe unb Slrten ber BJagrgeit auseinanberjubilben." 3 >*
feinen oortreffliegen „pfgcgolog. Shij 3 en" II. 354 ff. beftimmt Beneke bann
nier Slrten ber SBagrgeit:
1. 2tls bas reell 2Bagre im Sinne bes geroögnlicgen ßebens, richtige finn«
Iic^e Sluffaffung foroogl ber einjelnen [inniicgen ©inbrücke als igres 3 «*
fammens unb igrer ftolge (entfprecgenb Brunos Biagrgeit „im finnlicgen
©egenftanbe", in speculo).
2 Das logifeg D3agre, beffen Borm in einer notlftänbigen unb klaren Bil*
.

bung unb Berbinbung oon Subjekt» unb Präbikatoorftellungen befielt,


ol)ne bag man meiter narfj ber Realität bes Subjektes ober naeg ber Be»

beutfamkeit bes präbikatbegriffes fragt (Brunos verita in modo di ar-


gumentazione et discorso).
3. Die roiffenfegaftliege B3agrgeit, roo aufjer ber reellen unb logifcgen
2Bagrgeit nod) erforbert roirb Slngemeffengeit ber präbikatbegriffe für bas
ffianje bes bargeftellten UBiffensgebietes, ja für bas BJiffen überhaupt ge*
mag berjenigen inneren unb äugeren ©ntroidelungsgefetje unb ©ntmick»
Iungsoergältniffe, bie bei Slbmefengeit inbioibueller Störung allgemein
notmenbig geroortreten müffen.
(Brunos verita dell’ intelletto, bei Äant, Kritik ber reinen Bernunft
(Beclam p. 264) „bie reine Bernunft". „Sille unfere ©rkenntnis gebt oon
ben Sinnen an gegt oon ba 3 um Berftanbe unb enbigt bei ber Bernunft,
,

über melcge nicgts fjögeres in uns angetroffen mirb, ben Stoff ber Slnfegau*
ung 3 U bearbeiten unb unter bie göcgfte ©ingeit bes Denkens 3 U bringen.")
4. Das metapggfifeg QBagre; biefes ift nad) kants unb ßoges infofern

ibentifcgen Slnfcgauungen bem Bienfegen niegt erreiegbar. Baeg Brunos Blei*


nung ift es roenigftens annägemb erreiegbar, unb 3 mar, infofem er mit

182

Digitized by Google
Beneke barin übereinftimmt, baß es in gewiffen Borftellungen non menfd)»
liehen Seelentätigheiten oorliegt, welche 3 ugleicf) biefe Seelentätigkeiten fei»
ber finb, alfo bas Kriterium ber BSaljrheit, bie 3bentität non Sein unb
BSiffen oollkommen enthalten. Dgl. Beneke, Dletaphgfih p. 98.
** Die Briftotelifche Definition bes Baumes finben mir am ausführlichen
entwickelt in Briftoteles’ Bht)P, Bud) IV. ßap. 1 unb 2. 3d) 3 itiere nad)
D3eißes Überfetjung p. 86 : „D3emt nun alfo keines oon biefen breien ber
Baum ift, toeber bie {Jormbeftimmung, nod) ber Stoff, nod) ber 3®ifd)en»
raum, ber ftets bleibt als oerfehieben oon bem Dinge, meines fich entfernt,

fo muß ber Baum fein bas, roas übrig bleibt oon ben oieren, bie ©ren 3 e
(Jlädje) bes umgebenben Körpers, nad) welcher er ben umgebenen berührt.
3 d) oerftefje aber unter bem umgebenen Äörper ben, welcher beweglich ift

bem Baume nad)." „(Es ift aber toie bas ffiefäß ein beweglicher Baum, Jo
ber Baum ein unbewegliches ffiefäß."
17
Die Behauptungen bes Briftoteles, bie Bruno hier unb im näd)ften
Zeile biefes Dialogs oor Bugen hat, finben fid) in Briftoteles de coelo,
lib. I c. IX befonbers § 6 8 . . 10. 11:

§ 6 „Fimmel in ber erften Bebeutung ift bie Subftan 3 bes äußerften Um*
.

fangs bes Blls ober ber natürliche Äörper an ber äußerften ©ren 3 e ber
DSeltkugel; benn getoöhnlid) oerfteht man unter bem J^immel überhaupt bie
hödjfte unb äußerfte, wo nad) unferer Bnficßt unoergänglid) alles ffiöttlidje
thront. 3" einem anberen Sinne ift Fimmel ber fiörper, welcher oon biefer
©ren 3 e ab bis 3 « Sphäre, wo ber Blonb, bie Sonne unb einige Sterne finb,
herabreicht. (Enblidh in einem britten Sinne nennen wir §immet ben gan 3 en
Äörper, ber oom äußerften Umfang umfchloffen wirb; benn feljr gewöhnlich
nennen wir §immel bie ©efamtheit berDinge ober bas 9UI."
§ 7. „3n welcher biefer breiBebeutungen man aud) ben $immel nimmt,
auf jeben fjfall ift es unmöglich, baß irgenb ein Äörper außerhalb bes §im«
mels fei."

§ 9. „Dian fiebt 3 ugleid), baß weber Baum noch 3 e »t «och Ceeres außer-
halb bes Rimmels fein hönnen."
§ 11 . Dinge bes Rimmels natürlicherweife nidjt in einem
„Bud) finb bie
Baume, bie 3«it läßt fie nicht altern unb für kein Biefen, bas jenfeits ber
äußerften Umbrehungsfphäre ift, ift eine Beränberung möglich.“
** ©s war in ber lat bie — weil er keine ßeere annahm — wohl nur als
ironißhe (Einkleibung feines Btheismus 3 U oerftehenbe Behauptung ©pihurs,
baß bie „©ötter in ben leeren 3n>ifd)enräumen bes Blls wohnen."

183

Digitized by Google
«gl. Cucret. I. 59. III. 18ff. V. 147 ff.
»• «gl. 3t. 36.
40
«gl. 3t. 25.
41
Sd)on «lato felbft (nidjt erft bie fpäteren «latoniher) ßatte einen reali*
ftifd)en, ober genauer gefproißen „bgnamifdjen" «aumbegriff; 3iaum ift bie
3Jtaterie an fid); er bejeicßnet bie 3Jtaterie als bas Siutgov, nidjt feiten aud)
als bas „ffirößte unb Äleinfte", roeldjer legtere «usbru* oon Sruno bei
«egrünbung feiner «tonabenleßre mit großer «orliebe roieber angeroanbt
toirb.

„«as, roorin alles roirb unb in bas alles fid) auf löft , ift ber 9taum: et
ift alfo jenes «ritte, toas neben ben Dbeen unb ber (Erfißeinungsroeli als
bie allgemeine (Brunblage ber legteren geforbert roirb.“ «gl. 3*tl«i ©e»
fdjidjte ber «ßilofopßie ber ©rieten II. a. S. 613. «lato, limaeus 52. A. f.

©egen biefe Sluffajfung bes platonifdjen «aumbegtiffs polemifiert oßne (Er«

folg Xeidjmüller mit feinen „Stubien", ogl. 3*H*r P- 603.


4*
fjier beginnt eine für unfer mobernes unb pofitiocres «enhen roenig
oerftänblid)e «eroeisfüfjrung aus bem, roas «runo „conveniente“ be 3 -

„inconveniente“ nennt. Dd) möchte biefes 2Bort, ba es mir bem iviexöfisvov


bes Slriftoteles 3 U entfpredjen fd>eint, nad) bem «organge o. Äircßmanns
(ogL beffen Überfegung ber Slnalgtihen bes 2Iriftoteles) burd) „ftattßaft"
be 3 „unftattßaft" überfegen; fein ooller Sinn bürfte
. fid) ef)er nocß mit bem
bedien, roas ßoge oielfad) als „ber poetifdjen ©ered)tigbeit ber pßilofopßi*

fd>en Slnfcßauung" entfpredjenb be 3 ro. nid)t entfprecßenb bc 3 eid)net. 3Jtan


ogl. o. üirdjmanns (Erläuterung 13 3 U Slriftoteles’ Slnalgtiken; ro ivdtxö/if-

vov fteßt bei Slriftoteles im ©egenfag 3 um ävayxaiov einerfeits unb AAvvatov


anbererfeits, bem apobihtifd) notroenbigen be 3 ro. unmöglichen; es ift alfo
logifd) genommen bas problematifcße, mögliche; allein, roie eben angebeutet,

es be 3 eid)net in ber 3tegel (aud) fcßon bei Slriftoteles) meßr als bies, näm*
lid) bas unferen «enkgefegen unb bem, roas meiftentcils ober naturgemäß

gefdjießt, angemeffene, aud) bas bloß unferem ffiefüßl meßr entfpredjcnbe,


ßarmonifcße, unb roirb gerabe 3 u meift ba angeroanbt, roo rotr geneigt finb,
etroas, bas uns als gut unb fd)ön erfdjeint, aud) für roaßr 3 U fegen, fei es,

baß biefer Sagung gerabesu keine logifcßen fjinberniffe entgegenfteßen, fei

es felbft unterunbewußten Irugfcßlüffen. ©in «arabeftüdt folcßer Irug«


fcßlüffe ift fjür «runos tief rour 3 elnben
ber ontologiftße ©ottesberoeis.
fjergensoptimismus, feine meßr poetifcße als rein logifeße unb ftrengpofi»
tioiftifd)e «enkerftimmung gibt nun gerabe biefe „Äonoenien 3 “ gar oft ben

184

Digitized by Google
ausfcßlag. Die latfacße nun, baß er mit einer fo geleiteten Imagination,
nie [pätere ejakte fjorfcßung ergeben f>at, ber ©ahrßeit toeit näijer ge«

kommen ift, als ber logißh pebantifcße unb „erahtere" 2lriftoteles, follte 3U
benken geben unb kann als empirifche Bereinigung besSchiUerfcßenBerfes
oerroertet roerben:

©as ißr ais Schönheit oorempfunben,


©irb einft als ©aßrheit eud) entgegengehn.

2tud) ßeibni3 hat als heimlicher Ausbeuter ber <pi)üo|op^ie Brunos ben
©eficßtspunkt ber Äonoenien3 mit großer Borliebe angeroanbt, fo baß f>er«
ber über iijn fcßreiben konnte: „Bei allen Blaterien ift man bei ßeibni3
roie in einem Blumen« unb Jruchtgarten, in meinem alles nach Äonoenien3
georbnet ift, meines *P r * n 3tP> um ber ßieblingsgebanke unferes ‘Philo*
fopfjen geroefen 3U fein fcheint" (fjerber, ©iffenfcßaft, ©reigniffe, ©harak*
tere bes »ergangenen 3ahrf)unberts). Übrigens fcßreibt felbft eine fo pofi«
tioiftijd)e Denherin roie Sophie ©ermain in if)ren „allgemeinen Betrad)*
tungen über ben Charakter ber ©iffenfdjaften unb ber fcßönen ßiteratur
in ihren oerfcßiebenen (Entroicklungsftufen" folgenbe roohl 3U bef)er3igenbe
©orte: „Cbenmaß unb ßonoenien3 ift ein Dterhmal ber ©ahrßeit."
„©enn mir aud) bie alten Orrtümer, roelcße (Einheit unb Orbnung in er*
bicßteten Be3ie!jungen fanben, gfeßlfcßlüffe, roelcße bie Selbftfucßt beftätigte
unb bie ^Religion heiligte, übertounben haben, fo urteilen mir bod> immer
nod) mit unroiberftef)lid)er ftonjequen3 bei unferen Schlußfolgerungen über
bas ©efen ber Dinge nach Per Dlöglicßkeit fie uns Dor3uftel(en unb ein
, ,

ßeßrfatj roirb behauptet unb Derneint, je nachbem mir bie ihm entfpred)enbe
©irklid)heit begreiflich finben."
** 5ier hoben mir roenn auch nicht ln ber 5orm bes 2lnfetm, fo bod) bem
eigentlichen ©efen nach ben „ontologifd)en" ©ottesberoeis, beffen gan3e
Dllufion in ber Berroechfelung eines bloß logifcßen Dräbikats mit einem
realen befteßt. ©ir finben benfelben bei Spino3a, (Ethik f. ß. 11. B. 3 in
folgenber Raffung mieberholt: „Das Bicßt«(Ejiftieren*fiönnen ift ein lln»
oermögen unb bagegen bas (Ejiftieren»Aönnen ein Bermögen. ©enn alfo
bas, mas fcßon notroenbig ejiftiert, nur enblicße ©efen finb, fo finb biefe
mächtiger, als bas unbebingt unenblicße ©efen, unb bies ift miberfinnig.
(Es efiftiert mithin überhaupt gar nichts ober es ejiftiert notroenbig noch
ein unbebingt unenblicßes ©efen."
§ergebracßterroeife roirb angenommen, biefer Beroeis fei am ricßtigften

185

Digitized by Google
oon fiant in {einer firitik ber reinen Vernunft ( 3 f)auptftüch, 4 2ibfd)nitt)
. .

analgfiertunb abgetan roorben; bennod) madjt o. ßirdjmann in {einer QEr*


läuterung 100 3U Jiants Äritih ber reinen Bemunft mit Becf)t barauf auf«
merkfam ,
baf; Äants TOiberlegung oerfehlt ift. fiant behauptet, bas Sein
(ei kein reales ’Präbikat ber Dinge unb folgert hieraus auf bie llnäuläffig«
keit ber Folgerung aus bem ^präbikat bes oollkommenften Begriffes auf
(eine QSjiften3. Dagegen tritt ber eigentliche fehler bes ontologifchen De«
roei(es recht offen gerabe hier bei Bruno 3utage; baraus, bah er kon«

oenient ift, 3U benken, bafj ein eigentliches ©utes fei, folgert be3üglich eines
unenblich guten immer nur, bah aud) be(fen Borftellung konoenient, toenn
auch oielleicht (hoch hierin liegt fchon ein logifcher Übergriff) unenblid) „kon»
oenienter" ift, niemals, bah fi« notroenbig ift.

Der fehler liegt im un3uläf(igen Übergang aus einer blofjen ©efühls«


fd)ät}ung in eine anbere TOiffensform. £ird)mann (f. 30 3U
ÜUlein, roie o.
Spino3a) bemerkt: „Selbft bie höd)fte Steigerung bes Onhalts önbert nicht
bie Batur ber ffiiffensform, in ber er oorgeftellt wirb, unb geftattet keinen

Schluh auf bas Dafein biefes Dnhalts."


44
„ne anche per imaginazione alcuna, la quäle al fine non distrugga
se medesima“.
Die Batur unferer Baumoorftellung lägt ebenforoenig roie bie ber 3 ahl*
oorftellung einen enbgültigen 2lbfchluh 3u; roie roir auf bie unenbliche Suk«
3effton bes 3ühl«ns b. h- auf bie Blöglichkeit einer immer nod) roeiteren
,

Sbbition ober Subtraktion nicht oersichten können, fo können roir auch


ben Baum nur als continuum ohne Schranke benken. Diefe Borftellung
kann ftd) nicht felber auf heben, —
roir können fie nid)t los roerben unb

Äant folgert baraus auf ihre „Bprioritöt" unb „Sbealität".


Übrigens hat es bod) für unfere Dmagination keine Schmierigkeit, uns
innerhalb biefes leeren Baums einen Dnhalt oon mehbarer ©röhe oor«
3uftellen. Daher meint benn Dühring: „Die ibeelle Unbefchränktheit ber
Baumoorftellung kann im Bealen nicht bie roiberfinnige Behauptung einer
an fid) feienben llnenblid)keit haben, fonbern oerbürgt nichts roeiter, als
bah bie roirhlid>e 2lusbef)nbarkeit ber Dinge ohne folche iginbentiffe be«

fteht, bie nicht in ihnen felbft 3U fuchen roären. Der leere Baum, oon roel«

d)em bas kosmifd)e Unioerfum umgeben gebadjt roirb, ift eine roidjtige Bor«
ftellung, unb kein reales Baturbenken roirb biefelbe in befonberen fragen
anbers als negatio su benutjen oermögen. Die ausgebehnte Bealität ift
etroas anberes, als bie blofje Baumoorftellung, unb hat ftets ©ren3en. 3 n

186

Digitized by Google
ber Baturerhenntnis feommt es auf bie ©irfeung biefer ausgebebnten Beali»
tat in ber gegenfeitigen ‘Bejieljung ihrer materiellen üeile, nic^t aber auf
jene blofje Borftellung oom Baume an, bie aud) in ben Üräumen in gleicher
©eife oorbanben ift. Das räumliche ©eltbilb wirb batjer, obroobl roh:
feine Umrijfe empirifd) nod) nid)t ju Bezeichnen oermögen, bod) im atl»

gemeinen ein fef)r beftimmtes.


Die reale Busgebebntbeit bes Materiellen, ober mit anberen ©orten bie
(Erfüllung bes Raumes bat ihre ©re^en unb mitbin au<b an fid) felbft ir*

genb eine ©eftalt" (Aurfus ber Pbtlofopbie p. 66).


44
Diefe Stelle ift oon größter (Erbeblidjheit für Brunos ©ottesibee.
Bruno toirb in ber Begel als pantbeift be3eid>net. ©enn man aber unter
Pantheismus biejenige ©ottes« unb ffieltanfdjauung oerftebt, roeldje ©ott
unb ©eit oöllig ibentifi3iert, fo beroeift unfer üejt, bafj er feein Pantbeift
roar. Brunos Iateinifd)e Schriften finb nod) roeit reichhaltiger an folgen
Stellen. (Es gibt nun freilich Brunof orfdjer bie behaupten, ber Bolaner
,

habe fid) in feinen Cateinfcbriften bem übeismus angepafjt, in feinen ita*


tienifcben ©erfeen jebod) mit ftrengerer Aonfequen3 feinen ffirunbfätjen nach*
gebenb fid) als pantbeiften befeannt. Die hierin liegenbe Slbfurbität oon
einem Pbilofopben, ber lateinifd) anbers, nämlid) „ejoterifd)" gebacbt unb
gefcbrieben habe, als in ber Bolfesfpradje, bie er 3ur Darftellung feiner
„efoterifd)en" Slnfcbauung oerroanbt hätte, muf) roenigftens in biefer Stelle
einen $afeen finben. Bruno feannte feeine hoppelte Buchführung. (Er roar,
roie ihn am feongenialften Bl. ©arribre in feiner „Pbilofopbifcben ©eit»
anfcbauung bes Beformations3eitalters" djarahterifiert bat, feiner ©efamt«
über3eugung nach Ibeift. ©enn u. a. Brunnbofer, „ffiiorbano Bruno"
S.151, unb Wartung, „©runblinien einer ©tbife bei ©iorbano Bruno" S.56,
ihm ein unftd)eres Sd)roanfeen 3toifchen Übeismus unb Pantheismus 3U»
fchretben, fo fdjeinen mir biefelben ben Unterfd)ieb 3roifcben Übeismus unb
Deismus 3U oerhennen. Diefen Unterfd)ieb feönnte man in populärer 2lus«
brudesroeife barin faffen ,
bafj ber Deismus einen Herrgott, ber Übeismus
einen SUloater als ©ott oerebre.
©ine oortrefflid)e paraphrafe 3U ber hier fraglichen Stelle Brunos geben
folgenbe Sät)e aus M. ©arrieres „Beligiöfe Beben unb Betrachtungen"
S. 29. 30: „©eil bas Bid)ts roeber fein nod) gebacht roerben feann, fo ift

bas Sein als beffen ©egenfatj nicht bas Beftimmungslofe, nicht bas Be*
roegungslofe, fonbern felbftbeftimmenbe üätigfeeit, ein eroiges ©erben aus
fid) felbft; aufjer ihm ift nichts, barum feann es auch nicht oon aufjen be*

187

Digitized by Google
ftirnmt werben.— ©3äre nun ferner (Bott nid)t ber (Eine ober bas alleinige
Sein, fo wäre er ni<f)t unenblid); benn bann toäre ein Sein aufjer ii)m, an
bem unb feine ©ren 3 e fänbe. Der aufjerweltliche ©ott, ber
er fein (Enbe
naturlofe, ift bamit ein enb!id)er, kein ©ott, fonbem ein ©ötje. Stber ©ott
ift aucf) nur ber Unenblidje, tocnn er als ber ©ine in allem gegenwärtig
unb in ftd) felber befd)Iof|en unb oollenbet ift. Denn fonft wäre er aufgelöft

in bie ©ietheit, unb wir Ratten nur eine enblofe Summe oon ©nblichheiten,
wie ber ‘Pantheismus.
Umfang unb ©littelpunht finb 2Becf)[elbegriffe in ber ‘Beftimmung bes
Areifes, keinerbann ohne ben anbern fein; bemtocf) nehmen bie meiften
©ott als ein 3*ntrum, ohne fofort bie ‘Peripherie als 3 U ihm gehörig 3 U
erkennen unb in ihr alle 'Dinge 3 U umfaffen, bennod) nehmen bie *pan«
theiften ©ott als eine ‘Peripherie, welche in fid) felber kein 3«ntrum hat,

oon bem aus ©abien gehen, wohin fie alle 3 urüdtfül)ren, oon bem bie
alle

Umfangslinie felber erft ihre ©eftalt empfängt 3enen ift ©ott eines, biefen

ift er alles, uns (ben 3ih e *ft en ) ift cr eines unb alles.

„3n allem 2Bed)fet waltet ber ©wigeine, ©ott.


Unb nur fid) fetbft entfaltet in allem Seine ©ott.
©on Sonnen unb oon Sternen erftrahlt bas fjimmels 3 elt,
©s leuchtet allbelebenb in ihrem Scheine ©ott.
©er ©rbe bunhle ©taffe fügt orbnenb fid), ba blitjt

3m funkelnben ßriftalle ber ©belfteine ©ott.


©s fpricfjt unb grünt unb ftrebet ber 2Balb gewaltig auf,
Unb raufchenb häuft unb braufenb im ©id)enhaine ©ott.
©s wogt mit oollen 2ihren ein golbnes Saatenfelb,
©ie 3rud}t ift unb ber Samen im Jurchenraine ©ott.
©ie Traube wirb geheitert, im 3fajfe gärt ber ©loft,

Uns lebt im auferftanbnen, im tjeuerweine ©ott.


©r ift bet ©uft ber ©ofe, bas Sieb ber ©adjtigall,
©ie hohe ßilie wieget im Seid), bie reine, ©ott.
©er ©tenfdjengeift erfaffet weltoffnen Sinns bas 2111,

Unb ahnt in eigner Xiefe ein Sicht, bas beine, ©ott.


Unb macht bie 2Bed>felrebe ffiebanhen offenbar,
©as 2Bort unb bas ©erftänbnis ift im ©ereine ©ott.
Unb fehlt oerwanbte Seelen mit holbem ©lick fid) an
Sie tragen als bie Siebe im 5 er 3 ensfdjreine ©ott

188

Digitized by Google
(Er ift bas (Erft* unb Cetjte, brr ßreis, ber in fid) Greift,

3n allem fieben fdjauet, geniefjt bas feine (Bott.

(Er ift fid) felbft erfaffenb ber TOefen Harmonie


Unb über allem berrfdjenb ber e»igeine ©ott.

Diefem Jf)eismus, für ben fid) aud) ^iet unb ba bie Be 3 eid>nung ^)er*
,
iönlid)keits* pantl)eismus finbet, pflegt ber (Einroanb gemacht 3 U »erben,
bafj 2Ul*‘Perfönlid)heit ein »iberfprud)sootler Begriff fei, Beroufjtfein unb
7>erf5nlid)fteit fei burd) ben ©egenfat; bes Bid)t*3d> 3 um 3d), alfo burd)
©nblidjkeit bebingt. 2Hlein ber 2lllgemeinbegriff bes Beroufjtfeins enthält
nur bie 3bentität bes Borftellenben unb Borgefteliten. Der Begriff bet
<
PerfönIid)beit fetjt heine »eitere Unterfdjeibung als biejenige 3 »ifd>en bet
©efamtbeit bes geiftigen Tßefens als 3d> im ffiegenfatj 3 U feinen eigenen

3 uftänben, bie nur feine 3uft5nbe unb nidjt fein „3d>" finb. Bid)tig ift oiel«

mehr, bafj gerabe in enblid)en 9Befen bie ^perfönlid>fieit ftets nur unooll*
kommen ausgebilbet fein kann. „(Es ift begreiflid)," fd>reibt ber fcfjarf«

finnige ^Pfrjdjologe Cotje (ogl. beffen ffirunb 3 Üge ber Beligionspl)ilofopl)ie

§ 41), „bafj cnblid)e ©eifter, bie ni<f)t bas Bbfolute felbft, fonbern nur
Dtobifikationen ober Brud)ftüdte berfelben finb 3 ugleidj aber if)r Dafein ,

nur burd) basfetbe befitjen, ftets, »enn fte auf fid) reflektieren, einen bunfc*
len Äem in intern eigenen QBefen 3 U finben glauben ,
nämlid) eben biefe
Blad)t bes Bbfoluten felbft, bie burd) fie t)inburd)»irht unb ihnen ohne ihr
eigenes 3 utun bie allgemeinen formen if>res geiftigen ©ßirkens, ihres ©mp*
finbens, Borftellens, Urteilens uf». oorfd)reibt. — So bleibt bei ihnen im
3d) et»as 3 urüdt, »as biefes fid) felbft nidjt erklären kann." —
Diefen bunklen Beft im enblid)en 3<f) meint Bruno, »enn er f)äufig fagt,
©ott fei uns innerlicher als »ir felber. 3«r ©rläuterung bes Unterfdjiebes,
ben Bruno 3»ifd)en ejtenfioer unb intenfioer Unenblid)heit, 3 »ifd)en ber
Unenblid)keit ©ottes unb ber 2Belt fetjt, bient am beften ber Sdjluf) bes
II. Dialogs in „della causa pp“ (de Lag. S. 241, 3*ile 21 ff. S. 242 3- 20). —
Bruno benutjt 3 ur Berbeutlid)ung ber intenfioen Bllgegenroart gern bas
aus Biotin Enn. VI. 4. 12 entnommene Beifpiel oon ber Stimme, „bie
gan 3 in einem gan 3 en 3 immer unb in jebem leile besfelben ift; benn man
nerftetjt fie gan 3 überall". Überfetjer ift »eit baoon entfernt, biefe ©ottes*
ibee bes Theismus für fpekulatio erweisbar 3 U adjten, glaubt aber, bafj
fie eine „honoeniente" unb „roiberfprudjsfreie" Annahme fei!
44
Die Sdjlüffe JJracaftorios finb keines»egs, »ie Bruno (Jiloteo) meint,

189

Digitized by Google
beroeifenb, fonbern eine leidet in ihr Aid)ts oufäulöfenbe Dialektik bes
Steins. Sie fetjen enttoeber ooraus, roas beroiefen roerben foll, nämlid) bie
Dbentität bes ASollens unb Könnens, ober fie leiben an einer quatemio
terminorum ,
inbem fie ben Vlittelbegriff „Können" einmal im Sinne bes
abftrafcten unenblidjen Ve3iehungsbegriffs ber Denhmöglid)heit, unb 3um
anbern Vlal roieber im Sinne ber Ausführung 5 es Alollens, bes Könnens
beffen, roas man will, nehmen. Die hier oermeintlich beroiefene Dbentität
non tUlöglidjKeit unb t£Birk(id>beit finbet fid) in ber (Befürchte ber pt)il°*

fophie uiellei<ht 3uerft behauptet uon Dioboros Kronos unb ber fog. me*
garifd)en Schule. Diefer 3ufolge iftnur bas Votroenbige wirklich unb nur
bas ABirklidje möglich- VgL Ariftoteles, Vtetaphgfik IX. c 3 : „Vtandje,
roie bie Vlegariher, behaupten, bas Vermögen finbe nur bei bem AStrh*
habe es auch kein Vermögen; fo habe
liehen ftatt; roenn etroas nicht roirke,
bas, welches nicht baue, auch kein Vermögen, 3U bauen, fonbern nur, roenn
ber Vauenbe baue u. f. ro." —
„Dnbes", fährt A. fort, „finb bie oerkehrten
folgen einer folchen Anficht leidet ein3ufehen. Dann roäre jemanb, roenn er
nicht baut, aud) kein Vaumeifter; unb bod) ift bas Vaumeifterfein blofj bas
Vermögen, 3U bauen. AJenn es nun unmöglich ift, ahne Semen unb An«
eignen eine foldje Kunft 3U befitjen, unb ebenfo, fie nicht 3U befitjen, ohne
fie einmal abgelegt 3U haben (fei es nun burct) Vergeffen ober burd) Krank«

heit, ober burd) 3 «üablauf; benn bie Kunft felbft geht nid)t 3ugrunbe, fon*
bem befieht immer), fo müfjte bod) nach jener Anfid)t ber Vaumeifter, roenn
er mit Vauen aufhört, bie Kunft nicht befi^en. Aber roenn er bann gleich
roieber baut, fo erlangt er fie roieber. — Aud) gölte bann basfelbe bei bem
Seblofen; es gäbe bann kein Kaltes unb S3 armes unb Süfjes unb über«
haupt nichts Sinnliches, roenn es roahtgenommen roürbe,— aber ber
nicht
ein3elne hätte bann nicht einmal einen Sinn für AJahntehmung, folange er
nicht roahmähme unb wirkte. A3 enn nun berjenige blinb ift, ber bas ffie»
{id)t nicht hat, obgleich er es oon Vatur haben unb 3U biefer 3 «it noch

haben füllte, fo roürben biefelben Vlenfd)en roährenb eines lages mehr*


mals blinb unb ebenfo aud) ftumm fein. A3 enn ferner bas, roo bas Ser*
mögen fehlt, nicht werben kann, fo roirb bann bas Vid)t* 5 eienbe nicht roer»
ben können, unb roer baber fagt, bajj bas in biefem Sinne Unmögliche
beftehe ober fein roerbe, roirb lügen; benn er be3eid>net es als ein Unmög«
Hd)es. Diefe Anfidjt hebt baljer jebe Seroegung unb jebes SJerben auf; bas
Stehenbe mufj bann immer ftehen unb bas Sitjenbe immer Jitjen; jenes
kann roeber fid) fetjen nod) biefes aufftefjen; benn roas kein Vermögen 3um

190

Digitized by Google
Aufftegen gat, bann unmöglich aufftegen. Oft bies alfo unmöglich, fo finb
offenbar Vermögen unb BJirblicgbeit oerfcgieben, unb jene Anfid)t, bie beibe
ibentifcg fetjt, toirft bamit kein ©eringes über ben Raufen.“
Bruno nun Jdjeint einoon ber 2Birhlid)heit oerfcgiebenes Bermögen 3 war
im (Enblicgen jujutajfen, im UnenbHd)en aber nidjt! (Es liegt bas an ber
müften 3 nbifferen 3 feiner Unenblid)beitsoorfteflung, beren rein potentielle
Batur er oerbennt. Dung ben Bltgbraud) bes Unenblicgheitsbegriffes, in*

bem berfeibe als bejagenb in ber Kategorie bes Seins, nid)t bes BJerbens
gebad)t mirb bann man ailerbings alle Unterfcgiebe in einem großen Ur*
,

brei fid) auf löfen laffen, im llnenblidjen fcgneibe fid) bann auch bie parallele
unb 3 Dar nad) beiben Seiten, im Unenblid)en ift bann jebe £ugelfläcge eben
unb jebe (Ebene brumm u. f. ro. So mirb aud) im Unenblicgen jebe bloge
Blöglicgheit 3 ur Bürblicgbeit. Borgänger in ber Übertragung biefer falfdjen
oollenbeten Unenblicgbeit auf (Bott unb Batur bat Bruno in ben Beuplato*
nibem, insbefonbere aud) in ben mittelalterlichen. So finbet fid) bei (Bcorgios
(Bemiftos (Pletgon) (man ogl. beffen No^ot s. 52) eine faft roörtlid)c Über*
einftimmung mit ein 3 elnen Sätjen unferes lejtes: „roü Atöf xai oi’S' ooorovv
&qjov ov d‘ S%ßi ifiXij; fiirov Sv rrji dwaftecot ovtt f/ovzot oüt’ Sv iaj(r]x6zoi
nmitoze ..... Eirat de xov A tos xovxov r»/v xe ovalav xai nßä£tv r* ainör xai
dUtjiozv tjxuri Sv dtaxrxotftivm. äxoa>c yän dtj fr elvat xai ovdaft&s Sr Sxiqov
avzäv avxov.
. . . . S. 100. Tov de Ala xetpvxoxa Sei ovxco; to ore ßovkto&al xe Sfta xai

dvvaodat xxl.
Bgl. Schulde, ©efd)id)te ber pgilofopgie bet Benaiffance I, S. 149. Die*
felben Sätje finben ftd) bann unter oerfcbroiegener Ausbeutung ber pgilo*
fopbie Brunos bei Spino 3 a (QEtbib I, 16. 17. 33. 35). ©nblicg finbet man
fie Dielfad) roiebergolt bei mobernen fpebulatioen pgilofopben, u. a. aud)
in Schülers Briefen über bie äftgetifcge ©Biegung bes Blen|<gengefd)led)ts,
Brief 11 . Blir fcgeint aud) biefe auf bie (Bottesibee befcbränbte Brunonifd)e
Dbcntitätslegre non Bermögen unb BJirhticgheit, mie Ariftoteles mit Bedjt
bemerbt, „betn ©eringes über ben Raufen 3 »» roerfen". Sie nimmt ber ©ot*
tesibee bie Qualität ber Bemegung unb
unb macgt ©ott unb
fiebenbigbeit
bas Unioerfum, inbem fie alles UBefen 3 um biogen Phänomen begrabiert,
3 U einem ftarren toten Sein; fie fteljt besgalb aud) im iDiberfprud) 3 U ber
übrigens non Bruno felber oertretenen tgeiftifcg*religiöfen Anfcgauungsroeife,
unb Bruno fc^eint fid) nur in poetifd) unbefangener Schwärmerei für bie Big*
fribberpofitioen Unenblid)heitsibee barüber ginroeggetäufcgt 3U haben. Die

191

Digitized by Google
bcntität oon g-reißeit unb Dotroenbigheit ift ein Donfens, roenn man un»
ler fjreißeit etroas meßr Derfteßt, als bloße Unabhängigkeit oon äußerem
3 toange. 2lriftoteles finbet in ber inneren Freiheit, b. ß. in ber Wöglidj«
heit ber Selbftbeftimmung 3U (Entgegengefeßtem, mit Decßt ben Doqug bes
oernünftigen Vermögens oor bem unoernünftigen. Dgl. Slriftoteles, Dleta*
pßgfih IX, 2, unb ba 3 u o. fiircßmann, f. 793: „Dnfofern bei 21. bas oer*
nünftige Vermögen bas Vermögen 3 U (Entgegengefeßtem ift, enthält es bie
Freiheit im ©egenfaß 3 U Dotroenbigheit ber Daturhräfte." Die gan 3 e 2ln*
Jehauung beruht überhaupt auf einer Derroecßslung bes feienben Der»
mögens im Sinne ber Daturhraft mit ber Denkmöglirf)keit. (Eine Datur«
kraft kann atlerbings nid)t in Dollhommener Untätigkeit gebaut rocrben,
ihr ift bie 2Birhung effentiell. Der ftatifche unb bgnamifehe 3uftanb ber Da«

turhraft, Duße unb Dcroegung, finb nur für bie Sinne 2lntagoniften, „trans«

3 enbental" aber ibentifd); roenn bie Spannkraft oerfcßroinbet, erfcßeint Ie«

benbige Äraft, roenn Iebenbige firaft oerloren 3U gehen fdjeint, roirb fie als
Spannkraft roiebergefunben; Spannkraft ift nidjt roeniger firaft, roenn fie

im ffileichgeroicßt ift, bie Dtaterie ift beshalb nicht roeniger ahtio, roenn fie

in fRuße ift. Daturpßilofopßifcß ha* besharb bie Dbentitätsleßre oon Der»


mögen unb Wirhung recht. 2lber übertragen auf bas (Bebiet bes ©eiftes
führt fie 3 U fehr bebenhlichen Äonfequen 3 en. Dgl. folgenbe 91. 47. ffieift ift

eben mehr als Datur.


(Es ift feßön, bies gerabe bei bem größten Daturforfdjer unferes 3aßr«
hunberts, bei 3. D. Wäger, bem ein 3 igen unb erften (Entbecher ber iSqui«
oa(en 3 Don Wärme unb Deroegung, anerkannt 3 U fehen. Dian Iefe ben
Schluß feines Dortrags „Über oeränberliche ©roßen" (Wecßanih ber Wärme
p. 366).
4?
Druno bleibt uns ben Dacßmeis, roie benn Freiheit unb Derantroort«
licßheit bes Dnbioibuums unb ber oon ißm gan 3 mit Deeßt barin gefeßte
Wert bes Gebens ocreinbart roerben könnte mit ber oorßer in ©ott gefeß»
ten 2lHoerroirhUchungsibentität unb Jreißeitnotroenbigheit feßenben Un«
enbließheit, hier, wie überhaupt, feßulbig. (Es ift aber klar: roenn bas Un*
enblicße fcßon jebe Wöglicßheit oerroirklicht hat, fo bann auch bem (Enbließen
keine Wahl 3 roifchen ber Derroirklichung mehrerer Diöglichheiten übrig
bleiben. Das enblicße Wefen kann nicht innerlich frei fein, roenn fcßon bas
Unenblicße jebe Wöglicßheit, einfcßließlicf) bes nur in ißm rour 3 elnben enb«
ließen Dnbioibuums unb feiner laten, mit innerer Dotroenbigheit entwickelt.
2lllerbings roeiß Druno bie innere Freiheit, bas liberum arbitrium

192

Digitized by Google
wohl 3U unterfdjeiben oon bem blofjen Jreifein non äußerem 3n>ange unb
erkennt keine Don ber Botwenbigheit oerfd)iebene «Jreihcit im unenblid)en
Wefen an. Slber gerabe bies ift fefjr auffällig unb muh als ungereimt er»
feinen; wiberfpridjt aud) bem Bruno fonft burd)weg beftimmenben Triebe,
(Bott als bas BUeroollhommenfte 3U benken. Wenigftens in ber allgemein
Wefen ber ©fla^e, bie ftd) ja aud) ex
menfdjlidjen Wertjchätjung fleht bas
sua natura, als oom äußeren 3roonge frei entwickelt, gerabe besmegen nie»
briger, als bas Wefen bes Btenfdjen, weil man glaubt, bah biefer wenig*
ftens in beftimmten Blähe feiner felbft bemühter Schöpfer ift, b. I). oerant»
wortlid) ift bafür, baf) er fo unb nid)t anbers ift, wä^renb er anbers hätte
fein können! 3 nnerhalb eines uncnblid)en Wefens, aus bem alle Wirklich«

heit fid) ergibt, wie bie ein3elnen Jfolgefätje aus einer matl)ematifd)en 3figur (

ift in ber Tat kein Baum für bas, was Beligion, Bloral unb Bedjt unter
Willensfreiheit, ©erbienft unb 'üerantmortliefjheit meinen. “Darum ift Spi»
no3a, ber jenen falfcfjen Unenblid)heitsbegriff oon Bruno entlehnt l>at, hon«
fequenter in feiner “Durchführung, wenn er bie inbioibuelle Willensfreiheit

im Sinne ber Wahlfreiheit leugnet, ©gl. Spino3a, (Ethik II, 2 49. (E. «frei-

lich muh bann, wie Bruno richtig gefühlt 3u hoben fch*int, aller Wert bes
2ebens fd)winben!
„“Dem Blenfd)en ift aller Wert geraubt,
Wenn er nidjt mehr an bie brei Worte
(®ott, Freiheit, Unfterblid)heit) glaubt,"

fagt fo wahr wie fd)ön Schiller. “Die Welt felbft, werbe fie aud) übrigens
nod) fo bgnamifd) ober animiftifd), pantheiftifch oorgeftellt, erftarrt aisbann
3U einem bes wahren Oebens, bas mit ber 3freU)eit ibentifch ift, ermangeln»
ben Wechanismus; alle(Ein3elwefen werben 3U ein3elnen notwenbig beftimm-
ten ober getriebenen Stiften, Schraubenunb Bäbdjen innerhalb bes fatalifti«
fchen (Befamtgetriebes unb ber Weisheit letjter Sdjluh würbe allerbings
,

mit Spino3a barin 3U fud)en fein, niemanben 3U lieben ober 3U hoffen unb
aud) ben abfd)eulid)ften ©erbred)er nicht 3U oerbammen, fonbem nur 3U
„begreifen"; unb bie oon Bruno oerabfd)euten ©olhsoerführer, 3U benen er
3weifellos auch Spino3a rechnen möd)te, hätten recht.
Wan könnte nun 3weifeln, ob Bruno es mit feiner Einnahme ber menfeh»
liehen Willensfreiheit ernft meint. 3 d) meinerfeits glaube, auf bieBotmenbig»
heit hin, ihn einer ftarhen3nkonfeguen3 3U befdjulbigen, bah er es ernft meint,
unb be3iehe mich 3 un* Beweife auf ben 2lbfd)eu, ben er an anberer Stelle

13 CBiorbano 'Bruno SO. III


] Q3

Digitized by Google
gegen ben Jatalismus, insbefonbere gegen bie oon if)m mit unaufhörlichem
Spott oerfolgte tbeologifdje Präbeftinationslebre an ben lag legt. Bgt.
Spaccio, ^Reformation bes Rimmels S. 113, 114 in meiner Überfettung. Bruno
mar allerbings nichts roeniger als ein konfequenter Sgftematiher. Umgekehrt
erhob if>n gerabe feine (Benialität bod) über basBioeaupbtlofopbijd)erfionfe*
quen 3 macf)erei ä tout prix unb oerftattete ihm mit unberoufjter Baioetät, einen
Je^ler, ben er an ber einen Stelle, fortgeriffen oom fpeftulatioen bidjterifcben

3Iffeht begangen, an anberer Stelle, oon fittlid)em Dnftinht geleitet, 3 U korri*

gieren. (Es gibt eben, roie 3. IR. Wäger burcbaus nicht irrfinnig— ein (Earl
Bogt roar’s, ber aus biefer Bemerkung auf feinen 3rrfinn folgerte— be*
merkt: nid)t nur notmenbige Äonfequen 3 en, fonbem auch notroenbige 3n*
konfequen 3 en. Überfdjmenglidjes Baturgefübl lieb ib n ben pofitioen 2111*

Wöglichheits*Wirklid)keits*Unenblichheitsbegriff aufftellen; gleid) barauf


aber f<beint er beff en Unoereinbarheit mit fittli<ben Poftulaten 3 U abnen, finbet
fid) inbes, ba 3 umal biefe Jrage nid)t 3 U feinem (Begenftanbe pafjt, mit einer

allerbings bürftigen „Bertoabrung" ab. §eut 3 utage, roo Spino 3 as ©eftirn


eben erft kulminiert bat, hält bie Web^abl ber Pbilofopben eine fol(be Ber*
roabrung für überflüffig unb leugnet fd)led)troeg bie Wablfreibeit. Dn ber lat

fallen alle,roeld)es biefes heikleProblem begreiflich machen rootlen, entmeber


ber (Ibargbbis bes allgemeinen Weihanismus unb ber ßeugnung bes all*
gemeinen ßebensroerts ober ber Shglla bes Wgfti 3 ismus anheim. lief im
Wgfti 3 ismus be 3 Ügliih biefes Problems ftedit piato, unb Bruno, ber eben*
falls 3 um platonifihen ober gar neupIatoni[d)en Wgfti 3 ismus neigte, mag
uielleidjt an beffen ßöfung bes Problems gebad)t haben, piatos 3bee oon

ber oorempirifihen Jreibeit finbet fid) in mgftifther Jorm bargeftellt im 14.


unb 15. fiap. bes lebten Bud)s ber ^Republik; bemerkensroert finb bort be*
fonbers bie Sähe: ovy ifiäe 6 dafatov iifferac, <LU’ vfuts bat^ova. atgrjoeo&t. —
ahia elofiivov, i hot ävai'uot. ©ine äbnlid)e 3 u flucf)t fudjte felbft Äant in
feiner intelligentiblen Jreibeit.
Dagegen ftebt aufbem Stanbpunkte Spino 3 as be 3 üglid) ber Willens*
freibeit felbft ber oon bem abftrakten 2lpriorismus ber oon biefem beein*
f luftten Pbilofopbie fonft fo febr entfernte, uortreffliihe Benehe. Benehes
2lusfübrung ift b»«r infofern oon Ontereffe, als fie meines Wiffens noch ben
oerftänblichften Berfud) bietet, eine fog. Dbentität oon Jreibeit unb Bot*
menbigkeit faßbar 3 U machen.
„Wir haben", fdjreibt er praktifd)e Pfgd)ologie I, p. 530 ff., „alles, roas
bas allgemeine menfd)lid)e Beroufjtfein für bie Jreibeit unb 3ure<hnung ber

194

Digitized by Google
fjanblung forbert, ohne Büdthalt gegeben unb bennod) 3 eigt fid) bie oollfte
(Einftimmigkeit mit bem ßaufalßufammenhang ober bem (Blauben an eine
adgemeine göttliche Bkltregierung. Diein QDiUe, in ber [gatten moralifd)en
Gnbioibualität, roie er burd) meine früheren Bilbungsoerf)ältniffe begrünbet
roorben ift, bilbet ein ©lieb in ber göttlichen BJeltregierung. 3n 2lngemef«
Jenbeit 3 U biejer moralifdjen Dnbioibualität roirkt bie §anblung mit Bot*
roenbigfceit, unb bie fjanblung ift eine freie, ober ber D3ille roirht frei
(unabhängig oon anberen ßaufalitäten) gerabe baburd), baf} er mit Bot«
roenbigheit roirkt, ober baf) bie moralifdje Befdjaffenheit ber fjanblung
durchgängig burd) ihn beftimmt ober ein treues Slbbilb ift oon ber morali«
fd)en Dnbioibualität bes 2Billens, Die Handlung roürbe nid)t frei fein, roenn

fie nicht mit biefer Botroenbigkeit burd) ben DJillen beftimmt märe." Jaft
roörtlid) fo fagt 'Bruno, de Immenso de Innumerabilibus c. XI. Fiorent
et

p. 243: „Necessitas et libertas sunt unum, unde non est formidandum,


quod cum agat necessitate naturae, non libere agat: sed potius immo
omnino non libere ageret, aliter agendo, quam necessitas et natura,
immo naturae necessitas requirit.“
2Benn id) mid) 3 U biefer Dbentitdtsletjre eines übrigens tjocf) 3 U fd)ät)en*
ben Denkers nicht behennen hann, fo meine id), baf) Begriffe roie 3»red)«
nung, Beue unb BerantroortIid)keit, bie roir als feienbe 3uftänbe erleben,
ja bah ber QBert bes Gebens überhaupt nichtig roäre, roenn man nicht
©ott roie im enblichen Dnbioibuum 3 uläf)t.
bie 3Bai)lfreiheit ebenforoohl in

freilich bin ich m ir babei roof)l berouf)t, bah biefe Annahme nid)t bas Be«
fultat einer tbeoretifdjen Beweisführung, fonbern fetbft nur Sache bes
freien (EntfdjlufJes ift, bem es genügen barf, bah über 3 eugenbe theoretifche
fflegengrünbe ihm nicht im BJege ftehen. Die Willensfreiheit im Sinne ber
Wahlfreiheit ift ein Poftulat ber prahtifchen Bernunft. Sie begreiflich
machen roollen h«i&* nichts anberes, als erklären roollen, roarum über»
haupt etroas ift unb gefd)iel)t unb oielmehr
unb gefd)ieht. „Die nichts ift

Jrage nach bem Blarum ift nicht überall angebracht, unb biejenige nad)
bem Warum bes Warum kann unter Umftänben fogar eine Blaske fein,
mit ber fid) hinbifd)e Ceertjeit bes ©ebankens ben 2lnfd)ein bes ©eift«
reichen geben möchte", Dühring (ßurfus ber DhiL S. 36). Bgl.
fchreibt

aud) Cotje, Dletaphgfik S. 274. Dies gilt, meine ich nun, gan 3 befonbers

aud) oon bem Warum „Warum


id) mid) oon biefem ober jenem Bio«
bes
tioe beftimmen lieh". Wir genügt es, bie oerführerifche fjgpothefe ab 3 u«
roeifen, bah ntein 3 re ih*'ts« unb Berantroortungsgefühl auf üäufdjung be*

13* 195

Digitized by Google
ruf)e,unb bafj jeber Willensakt bie notroenbige Befultante unenblid) oieler
Welt3 uftänbe fei. “Der freie Wille ift mir ein Ceijtes, ein magrer Anfang,
unb infofern bas allgegenwärtig roerbenbe Unenblidje felbft, weit es fid)
aud), wie biefes überhaupt, nur negatio begreifen läfjt. Dafc biefer freie
Wille fid) feljr rootjl Bereinigt mit bem fog. Äaufalitötsprinjip, biefes oiel»
mehr im übrigen oorausfetjt, f)at fd)on fiotje fo oortrefftid) ausgefübrt, bah
id) einfad) auf il)n oerweifen bann.
Dafj er fid) aber mit einem, oon ber falfdjen, in ber Seinskategorie ,,be«

jahenben"Unenblid)keitsoorftellung gereinigten immanenten (Bottesibee oer«


einigt, folgt eben aus ber 3mmanen3, beren Betätigung er ift. Die Wur*
3 eln ber 3nbioibualität reichen felbft ins Unenblidje unb fd)roimmen nidjt
<
auf ber Oberfläd)e bes pi)änomenalismus ,
wie itjre oon jebem Wellen«
fd)lage ber 3«t bewegten Blätter unb Blüten. Weiteres über meine Stel«
lung äum Jreifjeitsproblem fiel)e in flut)lenbecfc, fjod)lanb ber (Bebanken«
weit S. 93 — 120; ferner Äubtenbedt, ber Sdjulbbegriff (Ceipjig 1892)
S. 78—142.
48
D. h- bie äufjerfte Sphäre, an weld)er bie Jijfterne befeftigt gebaut
würben. Bgl. bie (Einleitung bes Überfetjers.
44
D. h- bie Bewegung bes 3fiffteml)immels ,
nad) welker bie Stem 3 eit
fid) bemifct.
50
Wan ogl. hiet3u Spino 3 a, (Ethik I C. 10 unb 16: „Bus ber Botwen«
bigkeit ber gättlidjen Batur muh Unenblidjes auf unenblid) oiele Weife
folgen, b.h. alles, was oon einem unenblidjen Berftanbe erfaßt werben kann."
B. „Da bie göttliche Batur unbebingt oiele Attribute bat, oon benen je«

bes eine unenblicbe Wefenbeit in ihrer Hirt ausbrfldct, fo muh aus beren
Botmenbigkeit Unenblidjes auf unenblid) oiele Weife notwenbig folgen."
1. 2. 19. „3ur Batur ber Subftan 3 gehört bie (Ewigkeit; besbalb muh
jebes Attribut bie (Ewigheit enthalten unb besbalb finb alle Attribute ewig."
2. 22. „Silles , was aus einem Attribut (Bottes folgt, foweit es in einen
foldjen 3«ftanb oerfeht ift, welcher fowohl notwenbig wie unenblid) burch
basfelbe ejiftiert, mufe ebenfalls notwenbig unb unenblid) ejiftieren";— unb
bergleichen, bei Spino 3 a burd) ihre Trockenheit unb Dürftigkeit ihre fjohl*
heit weit beffer als bei Bruno entbüllenbe metaphgfifdje Tautologien mehr.
51
3- in ben Dialogen de la causa, principio et uno, befonbers bem
II. unb III. BgL auch mein Borwort 3 U Brunos Werken I 29; 2Ifd)ermitt>
wod)smabl, S. 102ff.
M Diefe „tieffinnige" Operation mit ber innerhalb ber Seinskategorie

196

Digitized by Google
bejafjenöen Unenblichkeitsoorftellung erinnert etwas an bie (Einfegung bes

{Jaktors in eine mati)ematifd)e Bleichung. Wir fcheint es faft, bag Bruno


q
felbft biefe Argumentation nid)t oi)ne geroiffen ironifdjen $umor oerroertet.
freilich finb im Unenblid)en, toie mir bereits in Bote 14 |ai)en, Freiheit
unb Botroenbigkeit, Bewegung unb Buhe ein unb basfelbe. Aber in biefem
Bebelreid) bann es aud) intelligible unb intelligente (Efel geben, bie jugteid)
gar keinen unb bod) 2 bis 17 ober gar x oiete Schwäne haben.
“ Blan ogl. h*en u Spinoja, (Ethik I, 2. 19. Bach Äirdjmanns Über«

fetjung: „Bott ober alle Attribute (Bottes [inb emig.


B. Denn (Bott ift eine Subftanä, roeld)e notroenbig ejiftiert, b. h- 3 U beren
Batur bas Bafein notroenbig gehört, ober roas basjelbe ijt, unb beren Be«
finition ihr Bafein folgt, alfo ift er eroig.
Bann ift unter ben Attributen Bottes bas 3 U oerftehen, roas bie SBefen»
heit ber göttlichen Subftan 3 ausbrückt, b. h- n>as 3 ur Subftan 3 gehört.
Biefes felbft, fage ich, müffen bie Attribute enthalten. Aber 3 ur Batur ber
Subftan 3 gehört bie (Eroigheit; beshalb muh jebes Attribut bie (Eroigkeit
enthalten unb beshalb finb alle Attribute eroig.“
“BgLB.44.
64
Überall haben mir hier ben ontologifchen <Jehlfd)lug, ber hier in ber
(Einkleibung ber platonifdjen 3beenlehre auftritt. Bottes Benken unb bas
Sein ift bas oon uns roahrgenommene Sein, bie Binge ber Augen«
ibentifd),

roelt finb nur Schatten ber 3been, „umbrae idearum“; roenn fich alfo in
Bott bie 3bee bes Stoffes finbet, bie, roie bies fd)lieglid) in geroiffem Sinne
non jebem Begriffe gilt, unenblich ift, fo mug, folgert Bruno, auch ber Stoff
unenblid) fein. Bgl B. 43.
44
Bas Jeuer galt ber älteren Baturphilofophie
c
unb auch ben Ph )fi** ern
I

bis auf Saooifier als ein Stoff, als eines ber oier (Elemente. 2Bir roiffen,
bag es nur einen djemifcgen *Pro 3 eg barftellt. Bie Berbinglid)ung bloger
Borgänge, Beroegungen u. f. ro. 3 U Stoffen fcgeint bei allen Borgängen eine
unoermeibliche Borftufe ihrer klaren (Erkenntnis 3 U fein, fahen bod) bis oor
hut 3 «m bie meiften <Ph*)fiker auch bie (Elektri 3 ität , bie üßärme noch als
einen befonberen Stoff an. Bekannt ift bie kaum erft erlebigte ßontrooerfe
über bie Batur bes £id)ts ((Emanations« unb Unbulationstheorie). Übrigens
fcgeint Bruno, roie fich fpäter ergeben roirb, hin unb roieber eine rationel«
lere Borftellung über bie (Elemente geahnt 3U haben. —
47
Bie Unhaltbarkeit biefes Argumentes ift leicht einjufegcn. Bas roahre

197

Digitized by Google
Dlid)ts unb ebenfo ber leere Dlaum, roenn man benfelben aud) für ein DJleljr,

als einen nid)tigen Begriff galten roill, roirb i)ier eben als eine alles an«
bere Derfdjlingenbe DJlad)t gebadjt; allein bas Dlid)ts bleibt SHidjts in jeber
jjin[id)t unb bann nid)ts oemidjten; roie ein leerer Dlaum ober fetbft ein

unermefolidjes (Beftaltlofes etroas in iljm befinblidjes enblidjes ©eftaltetes


oernidjten könnte, ift gar nid)t ein 3 ufet)en. Ofreilid) roar biejer 2 rugfd)luf)
bei ben alten *pi)itofopl)en feljr geroöl)nlid) unb be 3 eid)net [o red)t itjre ur«
fad>lid)e rein bialehtifdje Benkroeife; fo finbet er fid) 3 . B. aud) bei bem
großen ffiegner Brunos, bei 21riftoteles, unb 3 roar bei biefem gerabe im ent*
gegengefetjten Sinne oerroertet. Bgl. DT. 94.
54
Bgl. Dl. 41.
** Biefe bgnamifd)e 21uffaffung bes Dlaumes [agt freilid) aud) ber natur*
roi[fen[d)aftlid)en JJorfdjung mefjr 3 U als bie Äantifdje ibealiftifdje ßeugnung
besfelben. ffieroifj ift ber Borftetlungsraum etroas anbcrs als ber Sad)*
raum; roenn erfterer nur im ©ef)irn bejtei)t, fo ift bas kein ©runb, ben letj*

teren aufjerfyalb bes ffle^irns, unb in bem bas ©el)im felber ift, 3U leugnen.
Dlaturroiffenfd)aftli$ l)at man fid) ben Sad)raum als einen Dnbegriff oon
ftraftbiftan 3 en oorsuftellen. So fdjreibt ber ffialilei unferes 3al)rl)unberts,
Dl. DJlager, in feinen Bemerkungen über bie Äraft ber unbelebten Dlatur:
„räumlidje Bifferen 3 ponberabler Objekte ift eine Äraft", unb (Eugen Bülj«
ring nennt ben objektioen Dlaum eine „ßraftmafd)ine" (Büljring, Dleue
©runbgefetje 3 U rationeller pijgfik unb (tfjemie, p. 6 ). Bennod) ober oiel*
Ieid)t gerabe besfyalb beftreitet Ietjterer bie Unenblid)keit biefes BJirhlid)*

heitsraumes. Bgl. Dl. 44.


40 Bruno
Bafj hiermit auf bem Boben bes heutigen Dlaturroiffcns ftel)t,

bebarf keiner 21usfül)rung. DJlan finbet biefelbe jijgpotfjefe in ber (Einfüf)*


rung jebes Celjrbudjs ber Pfjgfik, unb faft ift fie fd)on keine $gpoti)efe
mel)r.
61
Dlriftoteles be 3 eid)net mit bem Dlamen <pvoutol ober qwaioXöyot 3 unäd)ft
bie fog. Qonifdien pfjgfiologen ( 2 l)ales, Slnajimenes, 21 najimanber), bann
aber aud) Slnajagoras, §eraklit unb (Empcbokles, kur 3 alle oorfohratifdjen
P^ilofopljen, ausgenommen etroa bie (Eleaten unb Pgtfjagoräer, oon benen
er allerbings meiftens mit berfelben Beröd)tlid)heit fpridjt, roie f)eut 3 utage
bie Kantianer oon ben fog. „Bogmatiften".
44 Äapitel bes IV.Budjs ber 21 riftote*
Bruno meint rool)l bas 6 ., 7., 8 ., 9.

Iifdjen pijgfih, — eine befonbere Sdjrift bes Slriftoteles über „bas Ceere"
ift nid)t bekannt.

198

Digitized by Google
,

*» Die folgenben 2lnfül)rungen (Elpinos finb freie, manchmal aud) 3 iem*


Iid) ©örtliche 2Biebergaben ber 2lriftotelifd)en Argumente aus bem 5. Äap.
Sud) I ber Schrift xtgi oigavov, „Über bas §immelsgebäube".
** 2lriftoteles meint, bem Slathematiher ©erbe burd) jene Slnna^me ber
Begriff einer ins Unbegrenjte fortgefetjten Teilung unb ber unbegren 3 ten
Steigerung ber 3 a *>* ent 3 ogen. (Er nerbreitet fid> über bie Bebeutung bes
llnenblidjen (Äontinuierlidjen) ausführlich im 6 . unb 7. Rap. bes III. Bud>s
feiner ’Phhfifc-
w Diefe Bemerkung bes 2lriftoteles finbet man nielfad) bei
fef)r roaf)re

anberen DI)i[ofopi)en roieberfjolt. So fc^reibt Dialebrandje, Recherche de


la v^rite I. c. 3 (,): „Quand un voyageur a pris par malheur un chemin

pour un autre, plus il avance, plus il s’eloigne du lieu oii il veut aller.
II s’egare d’autant plus, qu'il est plus diligent et qu’il se hüte davan-
tage d’arriver au lieu qu’il souhaite.“
M 21 riftoteles negi oigavov I. 5:
avayxrj dr] näv owfta t} xoiv djxkärv tlvai f/ xütv ovvdhiov cSaxt xai xä

äjxtigov fj cuxlovv iaxai fj ovvdtxoV älXa jtt/v xai Sxt yt xextgao/uvfov x&v
cvxixöv avayxrj .tf.t tgao/iivov eivat xö ovvdtxov' dij/.ov x 6 yäg ix Ttemgaojüvarv
xai .x/.tj&ei xai fisyidet ovyxti/xtvov .-xe.'ztgavxai xai xirjütt xai fttyüti'
*’ 21 riftoteles 1. C. : „ti yäg foxtigov xd xvx3.fi> tptgo/itvov oö)U(i ,
unntjot
toovxai ai iro xov jtiaov IxßaXÄöfttvai' xä>v d’ ä.xu'ga>v xö dtdaxrjfia äxtt-
gov' ti oirv xd fuv Sjxtigov ui/ iouv ditkOcTv, cbieigov d' Svxo; dvdyxrj

äjxtigov xö didoxrjfxa tlvai, ovx äv hdiyjoixo XDtjdrjvai xi’x3.(f)'“

•* 3m III. Sud) c. 5 feiner *Phi)fih roirft 3 . S. 2lriftoteles gerabe bem


2lnaragoras oor, bafe er bas Unbegren 3 te als unbeweglich fetjt. ,,‘Ava£a-
yögai ö* axomo; )Jyti jxtgi xrjs xov antlgov fiovfji'“
#1'
Sgl. ben left oor S. 52.
50
Damit ber ßefer felber fid) geroünfdjten JJatls fofort über 3 eugen hann,
ob Sruno recht t)at ,
roenn er biefe fünf 2lrgumente bes 2lriftoteles über*
fd)Iägt, mögen fie t)ier
<
in ber PrantIfd)en Überfetjung angeführt ©erben:
„ 1 ferner, ©enn bu oon einer begren 3 ten 3 «*t eine begren 3 te h'nroeg*
.

nimmft, fo muh notroenbig auch ber Seft eine begren 3 te 3 eit fein unb einen
Anfang haben; hat aber bie 3«it 3 . S. bes ©ehens einen 2lnfang, fo hat
aud) bie Bewegung felbft einen 2lnfang, unb folglich aud) bie ©röfje, ©eld)e
gegangen ift; ebenfo aber oeri)ält fid) bies aud) bei allem übrigen; es fei

benn nun AC E (3rig.7, f. S. 200) eine unbegren 3 te Cinie unb 3 ©ar nur nach
ber einen Seite unbegren 3 t, nämlich nad) E f)tn, bie ßinie aber fei nach BB

199

Digitized by Google
betben Seiten unbegren3t; wenn benn nun ACE oom WittelpunRte C aus
einen Äreis betreibt, fo wirb eben biefe ßinie ACE
im ßreife herum«
bewegt werben, wobei fie bie ßinie BB
^ C —£ wägrenb einer begrenßten 3eit fd)nei»
B bet (benn bie ganje 3eit ja, in roet«
d)er bas fjtmmelsgebäube im fireife
3 * 9-7
bewegt würbe, ift eine begrenäte, alfo
auch jene baoon t)inweggcnommen, wätjrenb welcher jene ßinie fid) be«
wegte unb bie anbere fd>nitt); alfo mug es einen Slnfang geben, in welchem
3um erjtenmal bie ßinie ACE bie ßinie BB fegnitt; bies aberunmög- ift

lich; nicht alfo bann bas Unbegrcn3te im Greife gebregt werben, unb folg-
lich auch nicht bas Weltall, wofern es unbegren3t wäre.
2. aber auch aus folgenbem augenfällig, bag es unmöglich ift,
ferner ift

bag bas Unbegren3te bewegt werbe. (Es werbe nämlich öie ßinie A gegen
bie ßinie B oorbei bewegt, unb 3war als eine begren3te gegen eine un»
begreife oorbei. Botwenbig benn nun mug bann 3ugleich fowohl bie A
an ber B oorbei weggeitommen fein als aud) bie B an ber A oorbei hin-
weg, benn fooiel nod) bie eine in bie anbere hineinragt, ebenfooiel ragt
auch nod) bie anbere in bie eine hinein. Wenn nun beibe gegeneinanber
bewegt werben, fo Rommen fie wohl fchneller aneinanber oorbei; wenn
aber bie eine gegen eine ftillftehenbe oorbei bewegt wirb, langfamer, mäh-
renb mit ber nämlichen Schnelligkeit bas Borbeigegenbe bewegt wirb; aber
fooiel ift ja {ebenfalls augenfällig, bag es unmöglich Qn einer unbegren3ten
ßinie in begren3ter 3eit oorbeiwanbern Rann, alfo nur in unbegren3ter

3 eit bies tut; benn bies ift fegon früher in ben Büchern über bie Bewegung
(phys. ausc. IV, 7 ) ge3eigt worben. Wenn alfo nun jene 3 eit unbegren3t
ift, währenb welcher bie bewegte begre^te ßinie oorbei ginwegRömmt, fo
mug notwenbig auch biejenige unbegren3t fein, wägrenb welcher bie un»
begren3te ßinie an ber begren3ten bewegt wirb. 3Ufo ift es unmöglich, bag
bas Unbegren3te überhaupt bewegt werbe; benn wenn es aud) nur an bem
fileinften oorbei bewegt wirb, mug bies notwenbig eine unbegren3te 3«*
bauern; aber bas fjimmelsgebäube ja wanbert in ber lat in begren3ter 3«it
herum unb bregt fid) mägrenb berfelbenoollftänbig im fireife, fo bag es hierbei
an ber gan3en ßinie, wie 3.B. an ber begren3ten ßinie A B oorbei herum«
geht. 2Ufo ift es unmöglid), bag ber im Greife bewegte fiörper unbegren3t fei.
3 (ferner, fowie es bei einer ßinie, weldje eine <Bren3e hat, unmöglid)
.

ift, bag fie unbegren3t fei, fonbern, wenn je nod), fie es bann nur nad) ber

200

Digitized by Google
einen Oängenausbegnung t>in fein itann, ebenfo ift es aud) bei einer (Ebene
ba, mo fie bie (Brenje gat, untnöglid); roenn fie aber völlig abgegrenjt finb,

ift es nad) gar keiner Seite gin möglicg, fo 3.®. oon einem Dieredte ober
einem Äreife ober einer Äugel ift es unmöglüg ,
bag fte unbegrenjt feien,

foroie es aud) unmöglid) eine unbegren3te fuglange Ginie geben kann; tnenn
alfo ioeber eine Äuget nod) ein Dieredt nod) ein Äreis unbegren3t ift, es
aber ogne einen Äreis aud) keine räumliche Äreisberoegung unb ebenfo
ot)ne einen unbegren3ten aud) keine berartige unbegren3te geben kann , fo
bürfte ivot)I , toenn aud) ber fireis nid)t unbegrenjt ift, fegroerlid) ein un*
begren3ter Äörper kreisförmig bemegt toerben können.
4 . ferner roenn C (JJig. 8) ber OTit*
telpunkt ift, bie Ginie AB aber unbe*
gren3t ift unb aud) bie auf igrred)troink*
Iig ftegenbe Ginie E unbegrenjt, fotoie
aud) bie Ginie CD, roelcge bie bemegte
ift, fo toirb bie letjtere niemals oon ber
Ginie E i)intoegkommen, fonbern immer
in einer Gage fein roie C E, benn jeben*
falls fdjneibet fie jene irgenbtoo, toie

3. 23 . mo F ift; alfo kommt bie unbe*


gren3te Ginie nid)t im fireife gerum.
5 ferner, mofern bas fjimmelsge*
.

bäube unbegrenst märe, aber im Äreife


bemegt mürbe, müfjte es in begren3ter 3 e>t ein Unbegren3tes burdjroanbert
gaben: nämlid) es fei bas eine §immelsgebäube rugenb unb unbegrenst,
ein anberes aber roerbe in biefem bemegt unb fei ’gleid) groß roie jenes;

fonad) gat, menn legteres als unbegren3tes im Äreife gerumgekommen ift,

ein Unbegren3tes bas igm felbft ffileiege in begren3ter 3 *it buregmanbert;


bies aber galt uns als etroas Unmöglüges. 9Jtan hann aber aud) um*
gekegrt folgenbermagen fpredjen: roenn bie 3eit eine begren3te ift, in roel*
d)er bas fjimmelsgebäube fid) gerumbregte, fo mug notroenbig aud) bie
©röge, roelcge es babei buregroanberte, eine begren3te fein; es buregman*
bert aber eine igm felbft gleicge, alfo ift es felbft gleidjfalls begren3t —
Dag alfo nun ber im Äreife bemegt merbenbe Äörper ni<gt enblos unb
niegt unbegren3t ift, fonbern ein (Enbe gat, ift augenfällig.
71
Das gier folgenbe ^Referat (Elpinos ift ein 2lus3ug bes 6. Äapitels
im I. Dud) bes 21 riftoteles über bas fjimmelsgebäube.

201

Digitized by Google
51
(Es 3eigt fid) hier fo redjt, toas für konfufe Sorftellungen ©Iriftoteles
unb bas ganäe ißm folgenbe ©Rittelalter com ©ßefen ber Sd)roerhraft tjatlc; —
nid)t nur keine ©Ißnung non ber ißr innerooßnenben eigenen ©efeßlicßkeit,

fonbem aud) nid)t einmal eine begriffliche Scfjeibung 3roifd)en Sd)a>ere vis
centripeta unb ©eroicßt, ©Raffe quantitas materiae id est mensura ejus-
dem orta ex illius Densitate et Magnitudine eonjunctim (Newton) unb
lebenbiger Äraft quantitas motus, cujus mensura orta ex velodtate et
quantitate materiae eonjunctim (Newton). „Scßroer ift" nadj ber Se*
finition bes Slriftoteles de coelo I, 3 „roas non Statur beftimmt ift, 3um
, ,

©Mittelpunkte t)in bewegt 3U werben, leicht aber, roas oom ©Rittelpunhte


ßinroeg, bas Scßroerfte, roas unter allem nad) unten Seroegtroerbenben
aud) in ber liefe ift, bas ßeid)tefte, roas ober allem nad) oben Seroegt«
roerbenben nod) auf ber Oberfläche ift".

$eut3utage ift es fd)roer, an bem oberfläcßlicßften relatioen


fid) in biefe
Untcrfd)iebe bes „leicht" unb klebenbe, feßon nid)t mehr ©Reta«
„feßroer"

pßgfih, fonbem Slntipßgfik 3U nennenbe Senkroeife hinein3ufinben.


(Es ift immerhin an3uerkennen, bah Sruno, toie fid) bes weiteren 3eigen
roirb, fid) fd)on einigermaßen oon biefer Sriftotetik emanjipiert hat. ©Denn

cs ihm aud) heinesroegs gelungen ift, bem balb nach ißm mit ber <$«ft»
ftellung ber Jallgefeße bie folibe Safis ber *Pßi)fik legenben ©alilei oor«
3ugreifen, fo hat bod) feine in biefer Sichtung gegen Slriftoteles keines-
wegs 3U fd)arfe Polemik roenigftens bas Serbienft, negatio burd) Unter«
grabung bes entgegenftehenben fd)olaftifd)en SoIIroerkes philofophifch einer
pofitioen Saturroiffenfcßaft oorgearbeitet unb in ben Äöpfen feiner 3 eit«
genoffen für ©alilei unb Seroton freie Sahn gemacht 3U haben.
n Sie Stelle roirb nur baburch begreiflich, baß ©Jriftoteles in bem roßen
Drrtum befangen roar, ein Äfirper falle um fo fcßneller, je größer fein ffle«
roießt fei, unb ©eroicßt unb Sd)roere feien ibentifd), roährenb ja Schwere bie

allgemeine Urfacße unb ffieroießt nur bie aus biefer allgemeinen Urfacße
refultierenbe, mit ber ©Raffe bes oon ber Schwerkraft ange3ogenen Stoffes
roaeßfenbe ©Birkung ift. Sie oberflächliche ©Baßrneßmung, baß Körper oon
größerer ©Raffe be3ro. geringerem Solumen bei gleicher ©Raffe ben Cuft»
roiberftanb leicßter überroinben unb besßalb im nicht luftleeren Saume
fcßneller fallen als Körper oon geringerer ©Raffe be3ro. oon größerem So*
lumen bei gleicher ©Raffe, pflegt benfelben Drrtum ja aueß ßeutsutage aueß
bei naturroiffenfcßaftlicß Ungebilbeten 3U oeranlaffen.
Übrigens roirb bie fonftige fcßein-bialektifcße Sicßtigkeit biefer fünf ©Ir«

202

Digitized by Google
,

gumente, bi« uns bas gan 3 e fd)olaftifd)e ©eifteselenb, roeldjes fid) an bie

Jerfen bes 2lriftoteles heftete, nor bie Slugen führen, burd) biefen 9Jtangel
roahrer 9taturbeobad)lung nod) keinesroegs entfd)ulbigt, unb mir müffen
Brunos fdjarfer firitih bei aller fonftigen ^ochadjtung cor bem ßogiher
2lriftoteIes 3 uftimmen.
M Bgl. ©eft oor 9t. 61.
,s
“Die Sdpnere ift eine kontinuierlich roirkenbe, aber nid)t eine konftante
firaft, ba fie im geraben Berf)ältnifje 3 ur BJlaffe, oon ber fie ausgeht, unb
im umgekehrten quabratifd)en Berhältniffe 3 U ben (Entfernungen ftel)t.
Bruno bekunbet alfo eine oerhältnismähig moberne (Einficht in bas BSefen
ber Schmere, roenn er beftreitet, bah fie eine konftante beroegenbe firaft

fei. (Eine konftante firaft, b. h- eine fold)e, melche BKrkung äußert, ohne
abjunehmen, gibt es für bie ‘Phtliker nicht. Über bie (Erheblichkeit biefer
grunbiegenben (Einfid)t ogL man 9t. 9Jtager, 9Jted)anih ber SBärme p. 33.
^ebenfalls finb Brunos Borftellungen oon ber ffiraoitation bem mobernen
9t aturroiffen konformer als biejenigen ber meiften früheren 9taturpf)ilofophen
unb felbft oieler fpäterer, 3. B. als bie bes (Eartefius, ber ben erft oon
9iemton fo fcharf herausgeftellten Unterfchieb 3 roifchen Schmere als causa

mathematica unb causa physica (v, =m c) mieber oerroifdjt hat.


j
v = = iempiw ’
v >
= mc = quantitas materiae celeritas quadrata.
Diefe (Erläuterung ber Jallkraft burch Be 3 ugnal)me auf bie 3 entri«
petale ©efamtmaffe beutet faft fchon auf bie 2lnfd)auungsroeife 9t. Dtagers
hin, bas #erabfinken einer ßaft als eine Botumensoerminberung bes ©rb«
körpers unb bas (Erheben einer ßaft als eine 2lusbel)nung biefes Bolumens
auf3 ufaffen, alfo bie Vollkraft unb bie Bemegung nach oben unter ben (Be«
fichtspunht ber Berbid)tung unb Slusbehnung 3 U bringen, ber aisbann einen
fiaufalnejus 3 roifd)en Bemegung unb TOärme nahelegt (Berbichtung er«

3 eugt ©Bärme, unb ©Därme behnt aus). Bgl. 9t. 9Jtagers Bemerkungen
über bie firäfte ber unbelebten 9tatur, 9Jted)anik ber ©Därme p. 9.
71
“Diefe Definition ift [natürlich rein metaphpfifd) unb foll ben inneren
©runb ber ©raoitation angeben, ben Bruno in einem ©riebe ber Stoff»
atome fucf)t, bie er als für ficf) feienbe mit einem, roenn auch fehr bunhlem
(Empfinben begabte firaft 3 entren ober ©Jtonaben betrachtet.
9Jtan ogL hiermit fj. ßotje, ©runb 3 Üge ber 9taturphilofophie §25: »Die
Dntenfität ber firaft, bie z auf y ausüben foll, richtet fid) nach ber ©nt«

203

Digitized by Google
femung bes y oon z. Aun ift bie (Entfernung zy 3 unäd)ft nichts weiter als
bi« Borftellung, bie ein Beobachter fid) hübet, inbem er ben räumlichen
Ort bes y burd) Ausgehen oon bem Ort bes z ju erreichen fucht unb fid)
babei ber ffiröfje ber Beränberung bemüht wirb , bie ber 3uftanb feiner
Sinne hierbei erfährt. Allein für bie (Elemente z unb y bebeutet bieje (Ent*
femung nod) gar nichts; unb wie fehr man auch behaupten mag, fie be*
ftehe 3 u>if<hen z unb y, auch toenn niemanb fie beobachte, fo befteht fie bocf)

für z unb y nod) burd)aus nicht in ber 2lrt, baf) fie für z ein (Brunb fein
könnte, um [ich nad) ihrer ©rö&e p ober q 3 U richten. Ober einfacher ge*
fagt: toenn z fid) nach ber (Entfernung richten folt, fo mufj biefe nicht blofj

beftehen, fonbern z oon ihr etwas merhen, b. h- felber oon ihr innerlich
befonbers affi 3 iert fein, wenn ihre ffiröfje p, unb anbers, wenn fie q be»
trägt.

2Bir kommen hierburch auf eine oeränberte Auffaffungsweife bes gan 3 en


Bertjältniffes (ber räumlichen Bewegung), ffiir finb genötigt, in ben realen
(Elementen z unb y innere 3uftänbe irgenb welcher Art an 3 unel)men, welche
ben räumlichen (Entfernungen entfpredjen unb bas nächfte wirkfame ©lieb
.finb, oon bem bie ©röfjen ber bewegenben ßräfte, welche bie demente
ausüben, in jebem Augenblick entfpringen."
7* <
B. h- ber alten Aaturphilofophen, ber fog. pt)ijfiher ober Phhfiologen,
Anajagoras ufw., ogl. A. 61.
n Bas (folgenbe ift wieber ein naf)e 3 u wörtlicher Aus 3 ug aus Ariftoteles,
de coelo I, c. 7.
“ Ariftoteles meint feine oier (Elemente, Blaffer, 2uft, (Erbe unb (feuer,
unb bie fog. quinta essenza, ben Äther bes (Empgreum. Die Annahme eines
fünften dementes burd) Ariftoteles wirb oon manchen be 3 weifeli. Siehe
Cernes, Aristoteles c. 123. Die oben 3 itierte Stelle aus ber Schrift de coelo
führt ben Beweis, bafj biefer 3omfel unbegrünbet ift. Übrigens bemerkt
t)ier 3 u fehr gut prantl, n. 13 feiner überfetjung bes Ariftoteles 00 m §im*
melsgebäube (S. 326):
„Bas wahrhaft A3iberwärtige foldjer Behauptungen rebu 3 iert fleh auf
bie griechifche AationaleigentümIid)heit, mit rein boktrinären Begriffen 3 U
operieren. — Bafj im gan en Altertum (unb fügen wir hi»
3 3 u: im fcholafti*

fchen UJlittelalter) auch nicht ein einiger Alann fid) fooiel 3eit nahm, um
mit ber fchlidjteften Beobachtung bie (frage 3 U (teilen, was benn (Jeuer
unb was benn (Erbe fei, bas ift bas (Eigentümliche.*
M Aristoteles, de coelo I, c. 7 (wörtlich).

204

Digitized by Google
K Wan ogl. hiermit, roas (Eugen 'Düfjring fchreibt in „Seue ©runbgefehe
3ur rationellen Pbgfilt unb Chemie" Aap. 6, S. 14 : „Die Sdjmerkraft als
ganjes ift jebesmal oon ber Waterie abhängig, oon ber fie ausgeljt. So ift
bie Sd)roereroirhung bes ©rbhörpers für ben ganjen Saum ein bemeffenes
unb un3erftörlid)es (Etroas, roeldjes ber Waffe, alfo ber Wenge ber mate»
riellen Teile entfpridjt, bie 3um ©rbkörper oereinigt finb. Don biefer Araft«
gejamtf)eit ift aber bie oerein3elte Stellenmirkung im Saume oerfd)ieben.
Der Saum ift bie Wirhungsfphäre, unb in bie letjtere hinein ift ber ein«
beitlidje Äraftfonbs, ber überall fid) felbft gleid) bleibt, fo3ufagen fort»
geleitet unb Derbreitet. Wan könnte fogar baran benken , einfad) bie hon»
3entrifd)en Augelfd)id)ten ,
toie Schalen oon oerhältnismäfjiger Didie, als
aufeinanberfolgenbe ©efamtörter 3U betrachten, in roeldje biefelbe Araft»
menge, roie burd) Witteilung auf ein materielles Webium übergeht. 2Ils»
bann märe ber ©runb ber quabratifchen Abnahme unmittelbar klar. —
Wichtiger ift es, barauf 3urück3ukommen, bafj bie oon einer Waffe, alfo
etroa oom ausgehenbe 3falloerurfad)ung alfo bie in biefem
(Erbhörper, ,

Sinne ausgeübte ©efamthraft in alle Weiten hinein eine beftimmte ©röfje


nicht überfdjreitet. ßinear bringt fie aus nod) fo roeiter fterne bis 3ur Ober»
fläche bes (Erbhörpers nur eine gan3 beftimmte ©nb* unb Wajimalgefchroin»
bigheit htroor.
(Ein oerhältnismäftig kleiner Aörper, ber oon einem unbefdjtänkt fern

annehmbaren funkte, alfo poetifd) gerebet aus ber Unenblid)keit gegen


bie ©rbe bis 3U beren Oberfläche fiele, toürbe 3ulet)t eine fflefd)toinbigheit
oon nid)t mehr als 3irka 11000 m erreichen. Dies ift alles, toas bie Sd)toere
ober fog. 2ln3ief)ungshraft ber ©rbe in ber linearen Detätigungsform, alfo
in ber unbefdjränkten räumlichen ßinie jemals in einer noch 1° grofjen 3*it
leiften kann. Der Durdjmeffung bes Weges entfpridjt eine Summe oon
©lementararbeiten ber im Saume oeränberlid)en Sdjtoere ,
ober anbers
formuliert eine fchliefjlid) burd) bas halbe Ouabrat ber letjten ©efd)minbig»
heit bargeftellte lebenbtge Araft.

©ben biefe beftimmte Araftgröfje erftreckt fich in ben gan3en Saum, ben
mir uns übrigens als Sadjraum unb mithin als eine burd) bie Aräfte felbft

als etn Onbegriff oon Diftan3en befteh<nbe Wirklichkeit benken mögen unb
<
bei bem mir nid)t genötigt finb, in eine Phantafieunenblid)keit aus3u»
fchmeifen. Jebod) aud) bie ben Wathematihern geläufige falfd^e Dorfteilung
oon einer pofitio gegebenen Saumunenblid)fteit mürbe an (ich nicht hinbent
können, bie Degren3tl)eit ber Araft ftreng feft3uhalten."

205

Digitized by Google
e

91
Blit biefer Slusbehnung bes Stoffroed)fels auf bie TBeltkörper, bi

'Bruno in geroiffem Sinne als Biefenorganismen auffafct, f)at er eine natur»


roiffenfd)aftlid)e QBaljrheit anti 3 ipiert, um
beren exaktere Begrünbung 3 u*
erft 3. B. Blager in feinen „Beiträgen 3 ur Dgnamik bes Himmels" (Bled)a*
nik ber Blärme S.159 — 302) fid) oerbient gemacht hat. (Eine B3ärmemenge,
burd) roeldje ein Äilo BSaffer um 1 ° ert)öf)t roirb, nennt man 2Bärmeeinf)eit,
Äalorie; eine foldje, burd) roeldje eine Äubikmeile Blaffer um 1° ert>öl>t

roirb, eine ©rof)halorie. Bun berechnet fid) bie 2lusftrat)lung ber Sonne per
Blinute auf 12050 Millionen fflrofjhalorien. (Es liegt auf ber Hanb, bafj
bei biefer erftaunlidjen Busftrahlung ein Äörper, auch oon ber ffiröfce un*
ferer Sonnenkugel, nid)t nur in Bälbe fid) abkül)len, fonbern aud) an Blaffe
abnetjmen müf)te, roenn nidjt ein angemejfener 'IBiebererfat) ftattfänbe.
Blager oerfud)te nad) 3 uroeifen, bafc für fold>en BUebererfatj geforgt ift.

TBenn ber gan 3 e Blcltraum oon einem imponberablen Stoff, bem fitljer
angefüllt ift, fo mufo berfelbe ben Beroegungen ber Himmelskörper einen,
roenn aud) nod) fo geringfügigen Biiberftanb leiften unb burd) biefen B3iber*
ftanb bie planetarifchen Äörper nötigen, in immer köderen Bahnen um
bie Sonne 3 U laufen unb enblid) bleibenb mit ihr fid) 3 u oereinigen. Der

3ttt)er roirkt bal)in, bie Planeten aus ber (Ellipfe in bie Spirale 3 U brängen,
üangentialberoegung auf3 U 3 el)ren unb ber blofcen fjallkraft 3 um Siege 3U
oerljelfen.
„(Einft roirb oom raffen ftlug it)r ftraf)lenb Heer,
(Ein mübes Sd)toalbenoolh herunterftür 3 en" (ßenau)
Die (Erfahrung, u. a. beobachtete Berkür3 ung ber Bahn ber (Enhefchen
Äometen, bie Bteteore, Brud)ftücke 3 erfallener 2Beltkörper, bie Bfteroiben

beftätigen biefen Schluß. Blit einer gan 3 aufjerorbentlid)en (Enbgefd)roinbig*


keit ftür 3 en alle biefe Blaffen fdjliefjlid) in if)r gemeinfames ffirab unb er»

3 eugen baburd) neue Sonnenroärme; fie bienen 3 ur Hebung bes 3entral*


feuers. Blager fd)lägt bas Quantum ber in einer Blinute auf bie Sonne ftür 3 en«
ben Slfteroibmaffen an auf 100000 bis 200000 Billionen Äilogramm. Die
©efdjroinbigheit eines Ülfteroibs beim 3 u[ammenftof)en mit ber Sonne beträgt
445750 bis 360400 m, roas per Äilogramm einen Blärmeeffekt 24 bis —
48 Blillionen ©rab gibt unb einer Berbrennung oon 5000 mal fooiel Stein*
kohlen entfpräd)e. Bannt roäre atfo ftetiger Stoffroechfel auch fflt bie Sonne
beroiefen, eine Stoffausfuhr unb 3 ufuhr, roie Bruno fie oorausfeht. “Die Stoff*
«

3 ufuhr roürbe nach Blager für 1 qm Sonnenoberfläd)e burchfchnittlich 17 bis


34ffir. per Blinute betragen. Um eine bementfpred)enbe Stoff abnahme an 3 u*

206

Digitized by Google
nehmen, braunen mir keineswegs bas Dort ber Sonne ausftrahlenbe ßid)t

unb bie SBärme bireht als Stoff aufjufaffen {(Emanationstheoric). 21 ud)

nad) ber Dibrationstheorie, welche ßi<f)t unb 2Bärme nur für Sd>win*
gungen ponberabler, nriberftanbleiftenber Subftan 3 en anfief)t, f)aben mir
in bem Strahlen ber Sonne einen ©runb 3 U einer fortwäßrenben Dtaffen*
oerminberung. Denn bie unbulierenbe “Bewegung läßt fid) nid)t benben
oljne eine gleid) 3 eitig fortfcbreitenbe “Bewegung unb ein «^ortgebrängt»
werben ber oibrierenben OTaffenteile.
Damit ftänbe alfo für bie Sonne ein Stoffwecßfel nad) ber Analogie
unferer irbifcßen Organismen feft, unb 3. 9t. Plager glaubt ähnlich wie
Druno oben im 3>ft oon einer (Ernährung ber Sonne reben 3U bönnen;
er fagt in feinem populären Dortrag über „(Ernährung" (Dtedjanih ber
2Bärme S. 380): „(Es würbe oben gefagt, baß eine (Ernährung eigentlich
nur bei lebenben 2Befen ftattfinbet; man wenbet übrigens biefen 2lusbruch
oft genug aud) auf leblofe ©egenftänbe an. 2lud) unfere liebe Sonne muß
gefpeiftunb ernährt werben, inbem fie fonft in bürsefter JJrift il)re fleußt«
braft nerlieren würbe. Die (Ernährung ber Sonne geht aber fo 3 u: ber
Daum bes pianetenfgftems ift mit einer 2lrt oon “pianetenftaub, wie man
fid) ausbrüdren möchte ,
benötbert. Diefe hieinen Körperchen nun bewegen
fid), wie bie Diel größeren Planeten aud), bem ©raoitationsgefeße gemäß
um bie Sonne. Sold>e Piaffen, wenn fie in bie unmittelbare Päße ber (Erbe
gelangen unb in bie oberen Sd)id)ten unferer 2ltmofpl)äre eintaudjen, er*

fd)einen uns als Sternfd)nuppen unb Feuerkugeln unb fallen fogar bis*
weilen als Pleteorfteine auf ben (Erbboben fjerab. Diefe Dfteroiben, wie
man fie nennt, finb aber aud), bes Stherwiberftanbes wegen, in einer fort*
wäl)renben 2tnnäl)erung 3 ur Sonne begriffen, unb ftür 3 en fcßließlid) mit
berfelben 3 ufammen, unb baburd) wirb bie Dusftrahlung ber Sonne er*
galten. —
(Es taffen fid) bemnad) biefe hieinen Pewohner bes Sonnenfgftems, biefe
Proletarier, ben PIuthörperd)en Dergleichen ,
oon welchen jeber “Bluts*
tropfen PliHionen enthält. Die wichtige Pebeutung, welche biefe letjteren
für bas ßeben haben, oerbanhen fie lebiglid) ihrer erftauniid) großen 2ln*
3 ahl, unb fo mad)t gerabe aud) bie gan 3 e Summe ber unermeßlich »««len
Dfteroiben einen wichtigen, ja unentbehrlichen Faktor im Pubget unferes
Sonnenfgftems aus.“
2Benn fo bie Sonne, biefes $er3 ber ©Seit, Don ben Planeten ernährt
wirb, fo befteßt anbererfeits hein 3®eifel baran, baß aud) bie Planeten oon

207

Digitized by Google
ber Sonne ernährt toerben. 2luf ber (Erbe grünt kein Statt, rinnt kein
Quell, atmet kein Cufttjaud) unb pulfiert kein Blut ot)ne bie Sonnen«
[trabten.
So oollenbet fid) ber hosmifd)e Kreislauf bes Stoffes. Unb auch bann
batBruno recht, bafj er ben Bergleid) ber IGettkörper mit Organismen
bis auf bie (Entroidtlungsperiobe bes 3ugenb», Slannes« unb ©reifenalters
ausbebnt. 2ßenn bie Stoff« unb firaftjunabme ber 21usftrahlung nid)t mehr
bas ffilei<bgeu)id)t t)ätt, ein ffatt, ber allmählich bei allen ‘Planeten ein«
getreten ift, fo tritt fchlieftlid) nie bei organifd)en 3nbioibuen allmähliche
(Erftarrung ein, unb oietteid)t beuten fdjon bie Sonnenfledten auf einen
fold)en trotj ftetiger SJärmehompenfation beginnenben 21bhüf)Iungs« unb
(Erftarrungspro 3 efj felbft bei ber Sonne. Die (Erftarrung aber führt 3 um

Berfall. S3as nicht unenblid) ift, ift aud) nicht einig. S3ie nur bas QUettatl,
nicht bie einjetnen HJeltkörper unenbtid) finb, fo ift auch nur bas TOeltall,
md)t aber finb bie einjelnen SDeltkörper einig. 3 eber 2lfteroibenfd)inarm
ennnert an bie Sergänglid)keit felbft ber im Serbälinis 3 um (Eintagsleben
ihrer Beroohner freilich ewig erfcheinenben ©eftime.
** Slriftotelesde coelo 1 7 tnörtlid) „ftc ei xai btaoxaouhov
, :
iativ, oMev
rjuov ivMxon av r6 iS äxävxcov xvq Ölt etgov etvat“.
85
31 riftoteles de coelo I, 7 tnörtlid): <5<rte xai olov re .t Xeia> füv avdfioia,
txaaxov 6‘ avtätv anetoov tlvar xdvrj] yag exaorov ScT dnetoov etvat.
M Ber Unterftf)ieb 3 toifchen ber „Kontinuität" ber SBeltkörper unb ber«
jenigen 3 tnifchen ben erbigen unb toäffrigen üeiten eines Sdjlammhomplejes
ift atlerbings ein fo erheblicher, bafj bas ©teichnis auf ben erften Slidt als

nötlig oerfehlt erfd)einen mufj. (Es ift getoifj non Sntereffe, hier einmal fleh
eine anf<haulid)e Sorfteltung non ben 3>®ifihenräumen 3 toifchen ben ein 3 el»
nen 2Beltkörpern 3U machen. 3d) entlehne fie ber fid) auf §erfd)els Se«
buktionen ber Sla&ftäbe unferes Sonnenfgftems be 3 iehenben Barftellung
D. S. Slagers (Bgnamik bes Rimmels, ©efammeltc Schriften S. 195). „3 ur
Serfinnlichung ber Blaffen» unb (Entfemungsoerhältnijfe bes ‘Planeten«
fgftems" geben mir nad) ijerfd)el folgenbes Silb: 2lls Sonne ftelle man fiih

eine Kugel non 1 m Burchmeffer nor. 3n einer (Entfernung non 40 m be»


finbet fid) ber näd)fte planet, Slerkur, in ber ffiröjje eines Pfefferkornes
non 3 */, mm Picke. 78 unb 107 m non ber Sonne entfernt fid) Senus unb
(Erbe, beibe 9 mm bidt ober etioas mehr als erbfengrofj. Son ber (Erbe
nid)t niel über */
4 m entfernt ift ber Slonb ein Senfkorn non 2 '/, mm
Burchmeffer. Stars hat in einer (Entfernung non 160 m etina ben halben

208

Digitized by Google
Durcßmefjer ber (Erbe, unb bie kleineren Planeten, Befta, fjebe, 2lftraea,
3uno, Pallas, (Eeres ufm. gleiten Sanbkörnem in einer (Entfernung oon
250 unb 300 m oon ber Sonne. 3upiter unb Saturn, in (Entfernungen oon
560 unb 1000 m, gleichen Orangen oon 10 unb 9 cm Dicke. Uranus, mit
einem Durcßmeffer oon 4 cm, einer Baumnuß ähnlich, ift 2000 m, unb ber
einem Dpfel oon 6 cm Durcßmeffer Dcrgleicßbare Deptun naße boppelt fo«
oiel, ober etroa */* geograpßifcße Weile roeit, oon ber Sonne entfernt. Don

ba an l)ätte man aber nod) einen Daum oon mef)r als 2000 Weilen bis
3 um näcßften ftijfterne 3 urü<fc 3 ulegen."— Dnbejfen mag 3 ugegeben toerben,
baß fid) auch bie Kontinuität bes Schlammes burd) entfprecßenb mihro»
fhopifd) gebadjte Slnfcßauung, — bie fcßärfften Wihrofhope unferer Optik
mürben freilich nid)t genügen, — in analoge Diskontinuitäten aufgelöft ben*
ken Iäf}t; unb fcßmel 3 en bod) auch anbererfeits für unfere Dnfcßauung bie
in 3®if4)<nräumen oon Willionen Cicßtjahrbiftanjen getrennten fjijfterne

teilroeife in einem kontinuierlichen Witcßnebel 3 ufammen. Silles btes ift eben


nur burd) bie Delatioität ber Sinnesanfcßauung bebingt.
®?
Wenn man ben Unenblicßheitsbegriff nid)t roiberfinnig im Sinne bes
rußenben Seins bejaßenb nimmt, fonbern an feiner Degatioität, ober rid)«
tiger feiner „pofitioität innerhalb ber Kategorie bes Werbens" fefthält
(ogL meine (Einleitung), fo fteßt einer folchen Unenblichkeit nad) einer Dich»
tung hin bod) im Wege, unb Bruno märe ebenfo mie Slrifto*
logifd) nichts

teles im Orrtum. Dd) kann es mir mobl benken (menn aud) fetbftoerftänb»

lieh nid)t anfchaulid) oorftellen, roas ja überhaupt bei einer rein negatioen

Be3 ießung ausgefd)Io(fen ift), baß eine Cinie oon mir aus ihren Slnfang
nimmt unb fid) in ber Dichtung nad) oom unenblicß, b. ß. oßne jemals ein
(Enbe 3 u finben, fortfe^t, ohne baß fie gleichermaßen fid) aud) burd) mid)
hinburd) nad) hinten ins Unenbticße erftrechen ober gar, mie einige Unenb«
licßfceitsmijftiher meinen, gleich bem Weribian einer Kugel mid) fcßließlid)
mieber oon hinten treffen müßte. Diefe Ungeheuerlichkeit einer geraben Cinie,
bie oermittelft bes Unenblicßen mieber in fid) felbft 3 urüchhel)ren müßte, ift

freilich in unferen lagen bei einer ®attung oon anti«euhlibijd)en Watßema«


tikern aufgetaueßt, beren pßilofopßijd) ungeklärtes Denken bie bis baßin

ejaktefte aller Wiffenfcßaften in ©efaßr bringt, 3 um unßeiloollften Wgfti»

3 ismus, 3 U bemjenigen bes Berftanbes aus 3 uarten.


Wie räumlich, fo ift aud) 3 eitlicß eine nur naeß einer Dichtung, in bie 3u»
kunft oerlaufenbe Unenblicßkeit, menn man an bem rein potentiellen Sinn
biefes Begriffes feftßält, benhbar! Wag man baßer aueß bem funbamen«

UHoibano Bruno ‘Bö. III


209

Digitized by Google
taten Sein an fid) keinen Anfang 3ufd)reiben können, fo ftef)t uns bod) Io*

gifd) nichts im B3 ege, 3wftänbe besfelben, bie einen Anfang gehabt haben,
beä®. Setöligungen, Vorgänge im Sein, bie eine ©ntfteijung hotten, nur
na<h einer Bid)tung hin, in bie 3ukunft, für unbegrenjt, b. h- für eroig an*
äunehmen, ohne fid) barum 3ugleith ben Iogif<hen B3 iberfinn einer rückwärts
fortfchreitenben ober bis 3um gegenwärtigen Augenblick abgelaufenen Un*
enblidjkeit gefallen 3U Iajfen. fiants Polemik bagegen geht augenfd)einlid)
felbftaus einer fallen Unenblidjkeitsoorftellung heroor. Der mephiftophe*
Iifd)e bafj „alles, roas entfteht, roert ift, bah «s 3ugrunbe geht", ift eine
Sah,
blofje fubjektioe BBürbigung, unb bie übrigens aud) fchon oon Ariftoteles

(de coelo I, 10 ) aufgeftellte Behauptung, bah alles ©ntftanbene oergäng*


lieh fei, kann fid) nur auf eine empirif<he Snbuktion berufen. So fagt benn
aud) Ariftoteles an ber 3«tierten Stelle: „ 3 u behaupten, etroas fei entftanben,
aber bennod) immenoährenb, gehört 3U ben Unmöglichkeiten; benn man
kann bod) nur jenes roohlbegrünbet aufftellen, toooon roir fehen, bah

bei oielem ober bei allem ftattfinbe, betreffs biefer Behauptung aber trifft
gerabe bas ffiegenteil 3U, benn es 3eigt fid), baf) alles, roas entfteht, auch

oergeht." Aber bie Beroeiskraft einer foldjen Dnbuktion ift hoch keines*
roegs 3toingenb. Barum konnte aud) ein fo klarer Äopf, roie Beneke, ber
nicht geringe Berbienfte um bie ®runblegung einer roifjenfd)aftlid)en Pfg*
d)o!ogie faefitjt ,
gegenüber geroiffen pft)d)ologifchen Sonfequenjen, bie man
entroeber für bie Unentftanbenheit ober für bie Bergänglid)keit ber Bien*
fchenfeele aus jenen Sähen 3U 3iehen pflegt, mit Sed)t in feiner Sleta*
phhfik (p. 211) folgenbes einroenben: „Bid)t einmal bes fteten 3ufammen
3roifchen bem ffieroorbenfein unb bem BJieberoergehen können mir geroih
fein. Dn ber menfd)Iichen Seele finben roir auher ben finnlichen Uroermögen
alles geroorben: alle unfere ßenntniffe, Talente, (Eharaktereigenfchaften,
unfer 3 ch felbft aus einer unenblid)en Blenge oon Spuren 3ufammen*
geroachfen. Beffenungead)tet aber finben roir kein §inbernis, uns 3U benken,
bah bas in biefer 2lrt ©eroorbene unter allen fpäter bafür eintretenben
©ntroicklungsoerhältniffen unauflösbar roäre; roas unftreitig ber Jall fein
mühte, roenn bie Unfterbtid)keit für uns 2Bert haben follte.“
** Aud) Anführungen GElpinos entfpred>en 3iemlid) roört*
bie folgenben
lieh bem Xejte oon de coelo, Sap. 7 Ber einfache Sinn biefer
Ariftoteles .

logifd) etroas auseinanber ge3errten unb mit bem künftlichen Jimis mathe-

matifcher ffijaktheü überkleibeten Argumente ift ber, bah 3toifd)en Unenb*


lid)em unb ©üblichem kein Berhältnis befteht.

210

Digitized by Google
*» Die S*3ei^nung bes Heiles als AZ erklärt fid> baburdg, bag Slrifto.

teles 3ur 93 erfinnlid)ung ßinien anroenbete etma nad) 2lrt btr 3etd)nung
9fr. 4 5 ,
.

•* 2lriftoteles meint makr[d)einlid) phys. ausc. VIII, 7 , roofelbft bas (Ein«

treten bes entfpredjenben (Begenfatjes als bas 3 <«i unb (Enbe jeber Der*
änberung bf3eid)net roirb.

Wan ogl hiermit Spino3a, (Etgik I, C. 13 . „(Eine unbebingt unenblicge


Subftan3 ift unteilbar.
B. Wäre fie teilbar, fo bedielten bie Heile, in roclcfje fic geteilt mürbe,
entmeber bie 9tatur einer unbebingt unenblidjen Subftan3 ober nickt. 3m
erften «fall mürben fid) mehrere Subftan3en berfelben 92 atur ergeben, mas
roiberfinnig 3 m 3meiten JJall könnte bie unbebingt unenblicge Subftan3
ift.

aufi)ören 3U fein (meil, menn bie Heile nid)t bie 91 atur ber 5ubftan3 be«
kalten, unb bie gan3e Subftan3 in gleite Heile geteilt mürbe, fie bie 91 a.
tur ber Subftan3 oerlieren unb 3U fein aufkören), mas roiberfinnig ift."

(überf. o. üircgmann)
übrigens Ijatte Slriftoteles jfelbft fckon biefe fid) aus ber biogen 9?egati«
oität ,bes Unenblitkheitsbegriffs fergebenbe (Eigenfcgaft berfelben fekr gut
keroorgekoben in feiner ‘pggfih HI, 5 „Augenfällig aber ift es," fckreibt .

er gier, „bag es nid)t möglick ift, bag bas Unbegren3te als ein bem Aktus

nack Seienbes unb als Wefen unb Prin3ip ejiftiere; es mürbe nämlid), falls
es 3erlegbar ift, jebmeber Heil besfelben, roeldjen man nägme, mieber un»
begren3t fein; benn bas Unbegren3tfein unb bas Unbegren3te ift bas nöm»
Iidje, mofern bas Unbegren3te ein Wefen unb nlcf)t blog Präbikat eines
Subjektes ift; bemna<k ift es entmeber unteilbar ober mieber ins Unbe«
gren3te teilbar; bag aber unb bas nämlid)e oieles Unbegren3te
ein fei,

kann nickt fein (unb bod) mügte roirhiid) foroie ein Heil ber ßuft ßuft
, ift,

fo aud> ein Unbegren3tes ein Heil eines llnbegren3ten fein, menn ja es ein
Wefen unb Prin3ip fein follte);
<
— alfo ift es un3erlegbar unb unteilbar,
aber bies kann mieber nickt fein bei bemjenigen, mas aktuell ber (Berroirk*
lidjung nack ein Unbegren3tes fein folt; benn ein folckes mug notmenbig
quantitatio fein; — alfo ift bas Unbegren3te als ein blog je nad) (Bor«
fcommnis Seienbes oorganben.“ (Überf. o. prantl p. 123 )
n Parafangen, ein bem ©riecgifcgen entlegntes eigentlid) perfifcges Wort
(fjarfang), bie perfifcge Weile, geroögnlid) 30 Stabien ober */
4 beutfcge Weile
geregnet.
Der ®ebrauck bes Wortes 3eigtübrigens, bag Bruno ©ried)ifd) oerftanb unb

211

Digitized by Google
an gried)ifd)e ßehtüre geroohnt roar, basf elbe beroeifen einige birekte gried)ifd)e
3itate,bie in (einen Schriften freilich feiten oorkommen. Bfp. de Immenso et
Innumerabilibus, lib. VI, cap. 19. iploycoois — äväxXaaig — ; ben SIriftoteles

pflegt er freilid) nur nad) ben lateinifchen überfetjungen (einer 3 eit, nid)t nad)
bem Urtert 3 U girieren. Äenntnis bes ©ried)ifd)en ift bei ihm aud) roegen
(einer, nur aus ((einer 3ett nod) nicht überfegten) gried)i(d)en Quellen 3U
fd)öpfenben umfaffenben Kenntnis ber Beuplatoniker, oor allem bes ’pio«
tin, anfdjeinenb aud) berjenigen ber Benaiffance, roie 3 . B. bes ©eorgios
ffiemiftos norausgufetjen. “Das Wort 'Parafange, bas fid) oorroiegenb bei
Xenopbon finbet ,
honnte er freilid) aud) aus einer lateinifd)en Überfettung
bes SIriftoteles (köpfen, ber irgenbroo biefes feiner 3«it (3
ur 3eit ber perfi«

fd)en QEypebirion SUejanbers bes ©rohen) oiel gebrauchte SBort angeroanbt


haben mag. Bekanntlich roar bie parafange 3 U Brunos 3eit heit« übliche
<
Diftan 3 be 3 eid)nung mehr.
93
Bach bes Slriftoteles ßehre oon ben dementen unb ihrer Berteilung
beftanben ber fjimmel unb bie ffieftirne aus Jeuer. Bgl. Cicero, disput.
Tuscul. I, 17: „eam porro naturam esse quattuor omnia gignentium
corporam, ut quasi babeant inter se ac divisa momenta, terrena
partita
et humida suopte nutu et suo pondere ad paris angulos in terram et
in mare ferantur, reliquae duae partes, una ignea altera animalis, ut
illae superiores in medium locum mundi gravitate ferantur ac pondere,
sic hae rursum recris lineis in caelestem locum subvolent sive ipsa na*
tura superiora adpetente sive quod a gravioribus leviora natura repel*
lantur.“ Slriftot. 'Phbfik IV, 5. Bgl. B. 105.
M Der hierauf
geftügte Beweis bes Slriftoteles gegen bas Unbegrengte
finbet bem Budje „über bas ijimmelsgebäube", fonbern in ber
fid) nid)t in

‘Pl)t)ft& „Ber unbegren 3 te fiörper kann roeber gufammengefetjt noch


HI» 5-

einfach fein; unb 3 roar erftens gufammengefetjt roirb er nicht fein, roenn aud)
bie (Elemente ber Blenge nach unbegrengt finb; benn mehrere müffen es
notroenbig fein, unb bie ©egenfätje fid) ausgleidjen, unb nid)t barf eines
berf eiben unbcgren 3 t fein; benn roenn nur um ein Quanritarioes bie riraft
in einem fiörper hinter einem anberen gurückbleibt, roie 3 . B. roenn bas
ffreuer in begrengter Quantität, bie ßuft aber in unbegrengter oorhanben
ift, babei aber bie gleiche Quantität JJeuer an Äraft aud) nod) fooielmal —
aber nur nod) 3 äl)lbar Dielmal — über bie gleiche Quantität ßuft über*
roiegt, fo ift augenfällig, bah bcnnod) ber unbegrengte Körper ben Sieg
baoontragen unb ben begreifen oernichten muh."

212

Digitized by Google
,

Jür unfcre naturroifjenfcßaftlid) unb facßlid) gefcßulte ©enktoeife ift fotcße

ßoßle Sopßiftih gerabeju unbegreiflich geroorben; ein Bruno konnte fid)

nocß allen ©rnftes mit ihr einlaffen unb bebiente fleh einmal fogar, roie

91. 57, für feinen Stanbpunht besfelben Arguments, baburrf) ben komifeßen
Bemeis führenb baß bie fcßolaftifcße 'Pßilofopßie Sah un ^ ©egenfat) mit
,

bemfelben ©runbe oerteibigen konnte. 'Bruno [eßeint es nicht gemerkt 3 U


haben, baß er im folgenben ein früher oon ihm felber benutjtes Argument
roiberlegt.
“ BSörtlicß lautet bie Stelle bei 21 riftoteles I, 7, nad) 'Prantl S. 55: ,,©un
aber pnb ja aud) alle Körper, toelche in einem Orte finb, finnlich maßr«
nehmbar; alfo gibt es keinen unbegrenjten Körper außerhalb bes fjirn*
metsgebäubes; nun aber ja auch keinen, melier bis 3 U irgenb einer ©ren 3 e
ginge; alfo gibt es überhaupt gar keinen Körper außerhalb bes Rimmels«
gebäubes; benn einerfeits, märe er auch ein nur in ©ebanhen erfaßbarer,
fo mürbe er bod) in einem Orte fein; benn bas .außerhalb* unb , inner*
halb“ be 3 eidjnet einen Ort, unb folglich mürbe er boch roieber ein finnlich

mahmehmbarer fein; anbererfeits aber finnlich 2Bahrnehmbares gibt es


ohnebies nichts, roas nicht an einem Orte märe.“
Wir jeßeint es inbes 3 roeif eihaft 3 U fein, ob biefer logifdj unb ftiliftifch
gleichermaßen mangelhafte *Paffus roirhlid) oon 2lriftoteles herrührt unb

nicht oielmehr eine Dnterpolation ift; roefentlid) fprid)t bafür auch, baß fie

ben eigentlichen Jaben ber 2Jriftotelifd><n 2lrgumentation de coelo 1 , 7,


ber fid) gerabe hier auf bie Beroeisfüßrung aus bem Begriffe ber Beroegung
be 3 ießt, in auffälligfter 2Beife unterbricht.
©runo macht hier eine Bemerkung oon eminenter naturphilofopt)ifd)er
Iragroeite. Die Stelle beroeift, baß er ungeachtet feiner ©lonabologie nicht
eigentlich 3 U ben 2ltomiftikern 3U rechnen ift. Bekanntlich fetjt bie 2ltomiftik
eine 2ln 3 aßl oon Atomen als etmas Urfprünglicßes unb leugnet eine konti»
nuierlicße ftetig teilbare ©taterie; fie feßreibt biefen 2ltomen urfprünglicß eine

d)aotifcße blhtbe ©urdjeinanberberoegung, Scßroingungen oon transoerfaler


©ießtung nad) allen Seiten 3 U; — man mirb babei an bie oon 3. ©. ©lager
als „ßöcßft unbeßaglicß" gehenn 3 eicßnete kinetifeße 2Bärmetßeorie erinnert —
aus biefem mirren ©ureßeinanber glaubt fie bann einen fogen. 2Birbel ab«
leiten 3 U können, ber fieß fcßließlicß roeiter unb roeiter ausbreüete unb 3 ur

2Beltbilbung füßrt. So feßon ©emofcrit, ogl. liberroeg, ffiefeßießte ber ^Pßi«


lofopßie 1 ,
p. 83. ©us bem ttßaos foll alfo bureß bie ©empelei blinber
©tome fcßließlicß oon felber ber Kosmos entfteßen; roer freilich biefe Hielt«

213

Digitized by Google
entftepungstpeorie nid)t ungepeuerlid) finbet, kann aucp ipre ferneren ßon-
fequenjen, t»or allem bie Ableitung bes Denkens aus blopen Btomfcpwin»
gungen, als felbftoerftänblicp mit in ßauf nehmen.
Sber Bruno fept bie Blonaben, atome nid)t als erftes, fonbern leitet pe
burd) Berbicptung aus bem allgemeinen ßontinuum ab; fo erhält feine oft
wieberpolte Behauptung, bap bie Bionabe 3ugleicp bas gröpte unb kleinfte,
alfo fein „Unenblicpes“ felber fei, einen mepr als mgftifcpen Sinn. Sein
Blateriebegriff fetjt in lepter Dnftanj nid)t biskrete, im leeren Baume oi*
brierenbe Blaff enteücpen ,
fonbern eine kontinuierliche, ben unenblid)en
Baum opne Unterbrechung erffilienbe kontraktile eiaftifche B3 eltfubftan 3 ,

n>eld)e fid> erft burd) eine ihr immanente Berbicptungsenergie in unenb»


Iid)en, an üntenfität grabetoeife oerfepiebenen Berbicptungs3entren bif-

feren3iert.
Denken toir uns beifpielstoeife eine (Bummiptatte innerhalb beren bie ,

Blaffe pd) an oerfepiebenen Stellen gleid)3eitig kon3entriert. 3 n, *f^)*n ben


fion3entrationspunkten mup fid) aisbann ein Spannungs3uftanb geltenb
machen, ber bei gleicher Sntenptät aller ßontraktionspunkte einen Blaji»
malgrab hat; eine biefen Blajimalgrab überfchreitenbe fion3entration an
einer Stelle bebingt ein Übergewicht über bie benachbarten Berbicptungs»
3entra unb mup benfelben eine Codierung ,
Busbepnung aufnötigen. Ben»
nen mir nun bie ben allgemeinen Blayimaltoert überfepreitenbe Berbicptung
eine pofitioe, bie baburep bebingte rfidefepreitenbe Bßieberauflöfung eine
negatioe Scptoankung, fo können mir uns bie BSirkung biefer Schwankung
leicpt oeranfcpaulicpen.
Berbicptet fid) beifpielstoeife in Jig. 9 bas 3 < n trum K, fo mup eine
negatioe Schwankung bes
näcpften |
Berbicptungs3en»
trums J erfolgen, unter Ber»
rüdtung feines Blittelpunkts
anaepb. J wirb bieüberkom»
mene Schwankung wieber
oon fid) ab3uwäl3en fuepen,
5 ig. 9 unb 3war in ber Bicptung bes
geringften ffiiberftanbes , er
überträgt fie auf bas weniger biepte H. Buf biefe BJeife pflogt fid) bas Ber»
bieptungsmoment oon K auf J, H ufw. fort, unb jebes burd) ein Ber»
bieptungsmoment affigierte Berbicptungs3entrum mup feine Cage änbern,

214

Digitized by Google
b. !). es roirb oom kräftigsten 3 *ntrum, bem Ausgangspunkte bes Berbid)*
tungsäentrums ange 3 ogen. Gaffen roir baljer bie Berbid)tungsmomente aus
K nad) allen Bietungen ausftraf)Ien, Jo roerben mir uns bie gegenteilige Stel>
Iung berBerbidjtungskerne nad)
Jig. 10 oeranfd)auIid)en können.
3ebe Annäherung an ein foldjes
überroiegenbesBerbid)tungs 3 en>
trum muf) aber non ben baoon
affi 3 ierten Berbid)tungs 3 entren,
bieifjre eigene negatioeSd)roan>
kung roieber aus 3 ugleid)en be=
ftrebt finb, benu^t roerben, um
i!)rerfeits gleichfalls eine Berbid)«
tung 3 U forcieren, fo bafe fjfig. 11
uns ben Berbid)tungspro 3 efj in
größerem Blafeftabe üeranfdjau- 3rig. 10
licht.

Bergleid)t man bie Jig. 11 mit 9, fo roirb 3 ugleid) bie (Entftef)ung einer
rotierenben Bewegung fämtlid)erBerbid)tungs 3 entra um bas fjaupt3 entrum

5ig. 11

bei ber (Erinnerung ein(eud)ten, bafj ber birekten Annäherung oon a nad)
b in tTansoerfaler (linearer) Bidjtung bas burd^bie Sd>roankungen bod)

215

Digitized by Google
keineswegs unterbrochene Aontinuum wiberftrebt, alfo eine burd) un3äh»
Iige Diagonalen 3ufammengefetjte krummlinige Bewegung ber angejogenen
3entra ermadjfen mufj.
über bie roeitere Berwcrtung biefer Berbid)tungstheorie ogL man D. ©.
Bogt, „bie Äraft, eine real«moniftifd)e ©eltanfd)auung" (ßeip3ig 1878) unb
besfelben Borträge „bie ©eiftestätigkeit bes ©enfdjen unb bie medjanifcfjen
Bebingungen ber bewußten (Empfinbungsäuf}erung" (Ceip3ig 1887). (Es
mag 3U teuerer Slusbehnung bes med)anijd)en ffiefid)tspunkts bemerkt
werben, baf) aud) Bruno fdjon ben ©efidjtspunkt ber „Äontraktion" auf
bas pfgd>oIogi[<he ffiebiet überträgt (Bruno, Sigillus Sigillorum, ©frörer
569, „de multiplici contractione“).
©enben wir nun biefe $gpothefe oon einer kontinuierlichen, fid) in Ber«
bid)tungs3entren bifferen3ierenben ©aterie auf bie kosmifche (Entwicklung
an, fo ergibt fid) folgenbes: Denken wir uns eine unbeftimmt grofce kon»
tinuiertidje Dunftmaffe (kosmifchen Bebel), beffen ftatifches ffileid)getDid)t

plötjlid) burch bas Stuftreten eines Berbid)tungs3entrums geftört wirb!


Bach uorftehenbem müffen aisbann Bewegungen ber Dunftmaffe nad) oer«
fdjiebenen Sln3iehungs3entren entftehen, wäbrenb gleid)3eitig biefe Sin«
3iehungs3entra famt ber fid) umlagemben ©aterie ber B^iehung bes ge»
meinfchaftlid)en Schwerpunkts unterliegen, genau fo, wie fid) ja aud) ber
irbifche Bebel, fobalb er fid) 3ur (Erbe [enkt, 3U ein3elnen Dropfen oerbid)tet.
Da aber biefe Berbid)tungs3entra fid) nid)t im oollftänbig leeren Baume,
fonbern im Sttherraum nieberfd)Iagen, alfo eine ber birekten 3tn3iet)ung
entgegenftebenbe firaft 3U überwinben hoben, müffen fie notwenbig in eine
krummlinige Bewegung, unb fomit bas gefamte Sgftem allmählich in eine

Sld)fenbrebung übergehen.
Bid)t minber werben bie oerfd)iebenen lokalen Berbid)tungs3entra, wenn
fie aud) urfprünglid) in Derfchiebenen (Ebenen um ben allgemeinen Schwer«
punkt kreifen, allmählich eine gemeinfcf)aftlid)e Drehungsebene 3U gewin»
nen fudjen. ©enn nun fo ber Durdjmeffer ber Bebelmaffe burd) Berbich«
tung ber ©aterie fid) immer mehr Derringert, muh nad) medjanifchem ©e»
fetje fid) bie Schnelligkeit ber Botation in gleichem Berhältnis befchleunigen
unb fchliefjlid) 3ufolge ber baburd) wachfenben 3entrifugalkraft an bem
äquatorialen ffiürtel bes Bebels bas Dhänomen ber Slblöfung äußerer
Binge eintreten. Bekanntlich hat ber Bh*)f'ker Plateau biejes *Phänomen
auf finnreid)e ©eife burd) bie Drehung oon Olioenölkugetd)en in einer

©ifdjung oon ©affer unb ©eingeift experimentell barftellen gelehrt, ©an

216

Digitized by Google
ogl. äoppe, ßeßrbud) in ber Phgfik, § 14; DlüHer«pouil(et, I, 143 unb
anbere.
Vermöge ihres urfprünglid)en 3»fammenhangs mit bem 3«ntralhörper
mü||en bie|e Dinge in bejug auf bie 2Icf)fenbrehung mit bemfelben überein«
ftimmen; aber, ba aud) bie Dinge nid)t aus »öllig gleichmäßig »erteilter
Dlaterie beließen, (o können fie ficf) als folcße nicht erhalten, irgenb ein über«
toiegenbes Berbid)tungs 3 entrum innerhalb bes Dinges roirb fchließlid) bie

Serocgungsgefchroinbigkeit ber ihm »orauseilenben Blaterie »erlangfamen,


bie ber nacheifenben befd)Ieunigen unb |o ben Ding in eine ßugel, in ein
Sphäroib, auffaugen, bas bann als planet fdjließlich an Stelle bes ur«
fprünglidjen Dinges um feine Sonne fcreifen roirb.
llnfere lelefkope betätigen uns biefcn ‘Projeß, inbem fie uns gleichseitig
bie »erfchiebenen Stabien besfelben in ben i)immelsräumen aufroeifen, mir

feßen unbeftimmt geformte kosmifche Dunftmaffen, mir fetjen fo!d)e in linfen«


förmiger (Beftalt ftd) 3 ufammenge3 ogen, mir bemerken in ein 3 einen biefer

feurigen Pebelmaden kleine leudjtenbe 3entralkörper (fo im Drachen), mir


feßen hon 3 entrifche Dinge, am bekannteren finb bie bes Saturn, mir fehen
an anberen Orten pfriemenartige Dioden. Dgl. bu Prel, (Entroichlungs*
geeichte bes Bleltalls, ßap. IV: Die Berroanblung kosmifcher Debet in
Sternhaufen.
Dian ogl. bie (Einleitung bes überfetjers.
®* Bruno meint mit Decf)t, baß bie kosmifche Paturanfchauung ber alten
Phßfiher, roetcße ber 3 uerft mit Sokrates unb feinen Dachfolgern, piato
unb 3lriftoteles ,
einfeßenben Periobe ber Paturnerachtung ooraufging,
richtiger geroefen fei, als bie bes fpäteren Altertums unb Dlittelalters.
Dian braucht nur an Slriftard) oon Samos ( 3 irka 3003. ».(Ehr.) 3 u erinnern,
beßen ürabitionen »ermutlich fiopernikus feßr »iel »erbanht. 2lriftard)

lehrte, bie (Erbe bcroege fich um ihre eigene 2lcßfe unb gleich 3 eitig in einem
fchiefen Äreife um bie Sonne, bie Diftan 3 bes Dlonbes nahm er 3 u 56 (Erb»

halbmeßer an, unb äußerte fich 3 ur (Erklärung bes unoeränberten Stanbes


ber ffijfteme ungeachtet ber (Erbberoegung baßin: ber fjalbmeßer ber (Erb«
bahn »erhalte fich 3 um Umfange bes Sternenhimmels mie ber Dlittelpunht
3 ur Peripherie; er foll auch bemerkt haben, baß eine 1 mit 50 Dullen bie
Strahl ber Sanbkömer be 3 eid)ne, roelcße hi»rei<he« roirb, bas Unioerfum
3 u füllen, roonach fich ber ^albmeßer besfelben auf ungefähr 150 Dlillionen
Dleilen berechnen mürbe. Dgl. Dläbter, (Befchichte ber fjimmelskunbe I,

§ 32, 33. —3m übrigen ift es eine »on Druno oft roieberßolte Bemerkung,

217

Digitized by Google
bafe bas Jatum aud) für btt (Erkenntnis ber ©aferfeeit im ©enfd)engeift
einen periobifdjen ©ed)fel non Cid)t unb Jinfternis oerorbnet i)abe, unb
bafe im ffirunbe aud) für bie ©iffenfd)aft fein Cieblingsfprud) gelte: „(Es
gibt nidfes neues unter ber Sonne". — Sefer erhlärlid) roar biefe 3bee für
eine 3**t, bie Periobe bes ©ieberenoadjens ber ffiiffenfdjaften, bas 3«t*
alter ber (Renaiffance, meines er felbft roeiter unten 3U Beginn ber V. Dia«
löge mit ben ©orten begrübt: „Slbgefeauene ©ur3 eln fragen Bieberaus,
unb uralte (Dinge kehren toieber, oerbedtte ©aferfeeiten enthüllen ftd> es ;

ift ein neues ßid)t, bas nad) langer Bad)t am ijoriäont unferer (Erkennt«

nis roieber l)ert)orbrid)t unb fid) allmäf>Hd) bem ©eribian unferes ©elftes
nähert."
** Bruno ofente alfo, bafe es nod) roeit mel)r, als bie mit biofeem Sluge
fidfebaren fieben Planeten gebe. (Es oergingen freilid) nod) Jaferfeunberte, efee
feine geniale 3ntuition burd) bie mit guten lelefkopen arbeitenbe (Empirie
beftütigt tourbe. 3 uerft entbedtte fjerftfeel mit feinem fiebenfüfeigen Üelefkop
am 13. ©ör3 1781 ben Uranus, beffen Bafen aisbann burd) Calanbe unb
Caplace berechnet tourbe. 3n ben Jahren 1801 bis 1804 folgte bie (Ent«
bedtung bes kleinen 3 ®if<h«nplaneten jurifefeen ©ars unb Jupiter burd)
Pia 33 i, Olbers, §arbing, unb im Jafere 1846 ertoarb fed) Ceoerrier ben
unfterblidjen toiffenfcfjaftlicfeen Iriumpi) ber (Entbedtung bes Beptun burd)
blofee Betonung (aus ben Störungen ber Uranusbahn). Seitbem ift bie QEnt«

beckung kleinerer Planeten nod) nidjt für abgefdfeoffen anjunefemen.


100
Selbftoerftänblid) tourbe folcfee Berfinfterung nur burd) einen unteren
Planeten erfolgen können; an einen ber unpdjtbaren Planeten jenfeits bes
Saturn kann alfo Bruno feier nid)t gebadfe feaben, toenn man ihm nid)t
eine oöllige Unkenntnis ber Borausfefeungen einer Sonnenfinftemis unter«
fdfeeben roill; er fdjeint alfo unfidfebare kleinere ©eltkörper aud) 3 Bifd)en

(Erbe unb Sonne 3 U oermuten.


Übrigens haben nod) im 16. unb 17. Jaferfeunbert einige 2lferonomen bie
Sonnenfledte burd) 2lnnaf)me oon folgen unteren Planeten erklären tool«
len. ©an ogl. Secdfe, bie Sonne, c. 2 .

101
Bid)tig ift, toas Bruno feier über bie langfamere Umlaufs 3 eit unb bie
fdjnetlere 3ld)fenbref)ung ber Planeten im Berfeöltnis 3 U ihrer (Entfernung
oon ber Sonne bemerkt. (Es ergibt fid) bie erfeere für uns aus bem britten
äepplerfdjen ©efefe, toonad) bie Quabrate ber Umlaufsseiten fid) oerljalten,
tote bie fiuben ber grofeen Sldjfen ber Planetenbahnen. Bruno konnte biefes

©efefe nod) nidjt kennen, er fdfeofe aber maf)rfd)einlid) feine allgemeine Be«

218

Digitized by Google
hauptung Dort ben entfpredjenb längeren Umlaufsjeiten aus bem üjm jeben»
falls nid)t unbekannten allgemeinen Satj über bie U3htkelgefd)roinbigkeiten

bei kreisförmigen Belegungen: v : v' = CR :


C'
Rr
CR':C'R,b.f». bie Bin.

ketgefdjroinbigkeiten oerhalten fid) birekt roie bie linearen (Befd)roinbigkeiien,


ober umgekehrt roie bie Babien.
Die fiberifdjen Umlaufsjeiten ber uns bekannten größeren *ptaneten er»

geben folgenbe Skala:


Blerkur 87 läge 23 h. 16'
Benus 224 „ 16 „ 49*
(Erbe 365 , 6 „ 9'
Btars 686 „ 23 „
30'

Jupiter 4332 14 2'


„ „
Saturn 10759 „ 5 „ 16'
Uranus 84 Jahre 5 läge 19 5tunben
Beptun 164 „ 285 „ „10
TDoraus aber konnte Bruno auf bie ebenfalls in ber lat oorhanbene
[djliefeen? Die
größere Botationsgefdjroinbigfceit ber entfernteren Planeten
2ld)fenbrel)ung bes Saturn oollenbet fid) in 10 Stunben 29', bie bes Jupiter
in 9 Stunben 55'. Biefe Baten erfdjliefjen mir aus ber Beobad)tung ge»
roiffer auf ben Planeten befinblid)er Jledten. Bruno, ber oon folcf)en Be»

obad)tungen nod) nidjts roiffen konnte, mufj eine bebuktioe Schlußfolgerung


auf bie ailgemeinljeit biefer latfadje gemad)t haben; id) benhe, er ent»
nahm fie oon ber (Entftehung ber pianetenberoegung (fielfe
feiner Il)eorie
TL 96) in folgenber TBeife: Bie Planeten haben fid) aus ben abgelöften
Bingen äufammengejogen unb mußten, roie bas ganje Sgftem, eine Bcßfen*
breßung baburd) erroerben, baß il>re fid) gegen bas 3«itrum fenkenben
leite burd) ben TOiberftanb bes Blebiums, in bem fie fid) nieberjd)lugen>
ju krummlinigen fpiraligen Bahnen genötigt rourben; bie Schnelligkeit
biefer fdjUeßlid) bie Botation ber entftef)enben Äuget roirkenben 3<ntripetal»
kräfte müfjte aber bei benjenigen Äugeln, bie firf) aus ben oberen, alfo
größeren Bingen bilbeten, beren leite alfo aus größerer (Entfernung heran»
kamen, um fo größer fein, als bie bie [d)ließlid)e Jallgefdjroinbigkeit be»

ftimmenbe Peripherie bes Binges, bie roieberum oom Babius, b. h- »<>«

ber (Entfernung 3 ur Sonne abhängt. Bie oberen Planeten mußten alfo,

roie bie (Empirie beftätigt, eine oerhältnismäßig größere Botationsgefdjroin»


bigkeit erlangen, als bie aus kleineren Bingen entftanbenen unteren.

219

Digitized by Google
(

«fraglicher finb bie Schlüffe, bie Bruno aus biefen üatfadjen für bie kli«
matifchen Derhältniffe ber entfernteren Planeten 3 iel)t. 3®eifeItos erhalten
letztere bebeutenb roeniger Sonnentoärme, als beifpielshalber bie (Erbe,

Uranus 3 'S.
. nur Vm berjenlgen, roeldje bie (Erbe empfängt. BSenn man
inbes bie größere (Eigenroärme jener Planeten unb it)re toahrfcheinlid) be*
beutenb l)öl)ere 3ltmofpl)äre, roeld)e bie empfangenen Märmeftrahlen bejfer

3 urückbef)ält ,
in Betracht 3 iet>t, fo ift es aud) richtig , bafe fie infolge ber
größeren Botationsgefchcoinbigkeit non bem überhaupt für fie oerfügbaren
Quantum mehr Sonnentoärme einfammeln unb.feftijalten, be 3 to. toegen ber

kü^eren Bäd)te nid)t einen fo grpfjen leil baoon toieber oerausgaben.


©enauere Konjekturen über bie hlimatifdjen Berhältniffe ber Planeten
finbet man in bem Sluffatje oon Ulrid) Dühring, „Über bie. fclimatifdjen

Berhältniffe auf anberen ploneten als Merkmale ihrer Beroohnbarkcit",


im Jahrgang 1882, S. 422 —433 oon Sdjijieitjners „Dnternationale Monat«
Td>rift-.
102
Der Karbinal ober Bifdjof Btkolaus oon ffufa {(Eues bei Urier), geb.
1401, fdjrieb eine Sln 3 a^l oon S^riften fd)olaftifd)en unb mgftifchen 3n«
f)alts, unter benen biejenige de docta ignorantia bie l)auptfäd)lid)fte 2lufjer«
bem de opice theoriae, de deo abscondito, de dato patris luminum,
Diatogus de „possest“ u. a., beren litel fchon bie Slbftrufität bes Onljalts
an 3 eigen). Manche roollen no<f) tjeutgutage großen lieffinn in biefen
Schriften roittern. 2luf Bruno hoben fie, foroeit ihr metaphpfif<h*r 2 eil in
Betracht ftommt, einigen, stoeifelsohne nachteiligen (Einfluß geübt. 'Dod)
wirb biefer (Einflufj oielfad) überfchätjt, oor allem oon Clemens (©iorbano
Bruno unb Bikolaus o. Cufa. Bonn 1847), ber als Katholik ben übrigens
in feiner Bed)tgläubigheit hoch rootjl ettoas 3 toeifelhaften Karbinal bis in
bie Molken hebt; auch oon proteftantifd) * theologifcher Seite (fiehe 3 . B.
Ihibötter: ©iorbano Bruno unb bas hierard)if<he Sgftem Borns 1890,
n>elcf)er meint, bafj Bruno nur „ein Jockei fei, ber basfelbe Phantafie*
rofj reite, bas ber (Cufaner im geiftlichen ©etoanbe geritten* I. c. S. 30).
Komifd) wirkt es, wenn Dr. Ih'bötter in bem eben genannten Pamphlet
ben (Eufaner allen ©rnftes „für einen fdjarffinnigen Mathematiker" er«

Mathematik beftehen in ber


klärt (S. 28); bes (Eufaners Berbienfte für bie
anfeheinenb erften Begrünbung ber auch heut3 utage in ein 3 elnen Köpfen
fpuhenben „antieuklibifchen" ©eometrie bes Unenblichen, bie oon ftd) fd>nei«
benben Parallelen unb Dreiecken mit einer größeren Minkelfumme, als
180°, beliriert. Bgl. B. 87.

220

Digitized by Google
Diefe Unenblicgkeitsmatgematih ift freilief) eine ber roenigen Slbfurbiföten,
bie Bruno leiber aus ber (lufanifegen Dlgftik übernommen gat. — Dm
übrigen fagt BBernehke {©iorbano Brunos ^Polemik gegen bie Slriftotelipge
Kosmologie S. 10) fegr richtig: Der Sag oon ber Unenblid)fteit bes Uni*
oerfums finbet fief) beim (Eufanus allerbings aud) ausgefproegen, aber burd)*
aus in tgeologifcg*Tm)[tifchem 3u[ammengange, ber il)n kaum in Begiegung
mit ber Brunonifcgen Baturbetracgtung erfegeinen lägt. Dnroicroeit Bruno
peg ein {elbftänbiges Urteil gegenüber bem (Eufanus geroagrt gat, legrt ge*
rabe bie gier angebenbe Stelle [einer Dialoge.
(Eingelne Stellen in ben Scgriften bes (Eufanus können freilid) roie mg*
fti[<ge Cicgtblige erfegeinen; es ift aber oerfeglt, ben Karbinal als Borläufer
ber Eegre bes Kopemihus, gefegroeige benn ber bem mobernen Daturroiffen,
roie oorliegenbe Dialoge beroeifen, oiel näger, als felbft Kopernihus, ftegen*
ben Kosmologie Brunos ginftellen 30 roollen. Die gier oon Bruno girierte
de docta ignorantia II, 11. Bekanntlid) rourbe bie § 9 *
Stelle finbet gd>
potgefe, bag bie Sonne aus einem erbgaften, atfo mögli(gerroeife beroogn*
baren 3 «ntralhörper beftege, ber lebiglid) oon einer lid)t* unb roärmefpen*
benben Sltmofpgäre umgeben fei, im Bnfcglug an bie Beobacgtung ber
Sonnenfleche im 3agr 1845, aud) noeg oon 3lrago aufgepellt. 3 ur3 eit bürfte
es jeboeg keinen Agronomen ober Bftropggfiher megr geben, ber fie für 3 U*
Iäfpg gielte. DSagrfegeinlieger erklärt man bie Sonnenfleche burd) begin*
nenbe Scglachenbilbung im allmägticgen 2lbhüglungspro 3 eg bes feurig«
flüffigen Sonnenhörpers; — eine befonbere, an bie Dleteortgeorie an*
hnüpfenbe fjgpotgefe gat 3 B. Dlager (meeganifege QBärmelegre).
.

i °9
8 run0 p e gt gier auf bem Boben ber Baturpgilofopgie bes lelefius
<

(1508 — 1588). Diefer roar 3 U <Eofen 3 a im Königreich Beapet geboren,


alfo ein Canbsmann bes Bolaners. Blan ogl. über ign oor allem
B. Telesio ossia Studi Storici sul’ idea della natura nel risorgimento
italiano di Franrisco Fiorentino (Firenze 1872) 2 Bbe.;
ferner Bl. (Earriöre, pgilofopgifcge BJeltanfegauung ber Beformations 3 eit
p. 355 ff. Cegterer (agt (S. 355): „Xelefius gegt keinesroegs inbuktorifeg
3 U SBerke, fonbern er [egt Don oorngerein 3 roci tätige prin 3 ipien, TBärrne
unb Kälte, unb eine unbefrimmte paffioe Dlaterie; baraus [oll benn bas
Bejonbere erklärt roerben, aber er bleibt in Bllgemeingeiten ftegen unb
bringt niegt oor 3U ben eigentümlichen ffirünben bes ein 3 elnen. Bon ber
Blärme ip bie Sonne, oon ber Kälte bie (Erbe gebilbet —
(Es ift begreiflich, bag bie pggfihalifegen unb cgemifd)en (Einficgten Brunos,

221

Digitized by Google
roenn fie t>on folgen ‘Prinjipien ausgingen, oor benjenigen ber Sd)olaftik
keinen befonberen Borfprung erlangen konnten. §ier lag bie Sad)e coli»
ftänbig anbers als auf rein aftronomifd)em ffiebiete; mit bloßem Denken
unb <
rationeller pi>anta[ie roar I)icr niäjts 3 U erjielen, empirifdje Beobad)«
tung roar aber nict»t Sad)e unferes phantafieoollen ‘P^ilofop^en. B5id)tig
unb richtig ift tebiglid) negatio feine Bekämpfung ber fd)oIafti[d)en ßehre
oon ben (Elementen unb ihrer Bangfolge. Aber aud) roenn man Bru»
nos Begriffe oom „Blaffer", bem „(Erbtgen", „Jeurigen" ufro. im unbe«
ftimmteften Sinne etroa als blofce Qualifikation ber oerföiebenen Aggre«
gat 3 uftänbe nimmt, laffen fid) keinerlei fog. „Animationen" über bas
roahre B3efen ber Aggregat3 uftänbe be 3 to. ber d)emifd)en (Elemente bei ü>m
konftatieren. hierüber konnte erft mit ber Begrünbung ber Chemie bur<h
ßaooifier eine ben naturphilofopt)ifd)en pfjantafieen ein (Enbe madjenbe
pofitioe Aufklärung beginnen. Bgl. jebod) B. 112.
104 an ber Bruno in feinen fonftigen Schriften über biefe
(Eine Stelle,

Cid)tentroid»lungen fid) eingeljenber ausfpräd>e, ift mir nid)t bekannt, ab«

gefetjen etroa oon cap. VII. lib. VIII. de universo et immenso:

Unica nempe humor sedes est lucis amoenae,


Ut tenuis, lenis, viscosa et spiritualis,
Igniti citra sensum, splendere cadaver
Effidt interdum, vermes, muscasque volantes,
Quae in tenebris fulgent, squamas, conchasque marinas.

Seine mangelhafte <Einficf)t in bie Batur bes ßiddes konnte auch hierüber
unmöglich etroas (Erhebliches 3 utage förbem. Das Dhosphores 3 ieren faulen
5 ol3 es unb oerroefenber Stoffe beruht auf bem langfamen O;gbations«
pro 3 eh, bas Ceud)ten ber Dnfehten unb Seetiere auf (Elektrijität.
»o*
Die Quinta Essentia, bas fünfte (Element, ift nichts anberes, als ber

Äther; „quinta lila non nominata magis quam non intellecta natura“
(Cicero, Tuscul. 1, 17 ["]). Bgl. B. 93.
(Einige Stellen bes Ariftoteles, in benen er oom Sther fprid)t, laffen es

3 roeifelhaft, ob er biefen mit bem Jeuer ibentifi 3 iert ober ihn als ©ött«
Iiches, als ben Fimmel felbft allen(Elementen unterorbnet. S. 3 B. Bhofik .

IV, 5: „Die (Erbe ift in bem Blaffer, bies aber in ber £uft, biefe aber im
äther, ber Äther aber in bem fjimmelsgebäube, bas $immelsgebäube aber
nicht mehr in einem anberen."

222

Digitized by Google
Dagegen ift entf<beibenb für bie SInnabme bes Stiers als einer quinta
essentia: de coelo I, 2—4; Bleteor. I, 3, unb de gener. an. II, 3.
144
Die fdjolaftifcbe Vergötterung ber B3eisbeit bes Slriftoteles ging in
ber lat ins Ungläubige, jeber 3®«f*l <»n feine SHIroiffenbeit galt als
ein crimen laesae majestatis. Die BJerhe bes Slriftoteles, unb no<b baäu
in ihrer unhriti[<ben, aus bem Slrabifdjen überlebten Jorm, bilbeten bie
Bibel, ben papiernen ‘Papft, ber jeben Jortfcbritt ber V3if|en|d)aft hemmte.
Dian bebenhe, bafj Bantus, ein 3*itgenoffe Brunos, meiner bie Autorität
bes Briftoteles auf logifdjem ©ebiet anjufed)ten roagt, u>ie Bruno auf pt) 9 *

fifd»em ober naturpbilo|opbifcb em blofj besbalb als Opfer eines Dteucbel«


,

morbes auf bem Katbeber fiel (1572). Diefe überJdjätjung übernahm bie
europäifebe Sd^olaftift oon ben Slrabern. Der arabi(tbe Kommentator bes
Briftoteles, Boerroes, oon ben Sd)olaftibem aud) fd)le<btbin ber Kommen«
tator genannt, föreibt in feiner Borrebe 3 ur Slriftotelifc^en ’Pbgfih:
„Complevit, quia nullus eorum, qui secuti sunt eum usque ad hoc
tempus, quod est mille et quingentorum annorum, quidquam addidit,
nec invenies in ejus verbis errorem alicujus quantitatis, et talem esse
virtutem in individuo uno miraculosum et extraneum existit, et haec
cum in uno homine reperitur, dignus est esse divinus magis
dispositio,
quam humanus“, unb 1. destruct. disp. 3: „Aristotelis doctrina Summa
Veritas, quoniam ejus inteliectus fuit finis humani intellectus.“
Bod) Dtalebrancbe, recherche de la verite II, C. 2, 3 hält, es für er»
forberlid) gegen bie allgemeine Slnbetung bes
,
2lriftoteles, beren p|t)d)olo*
gifc^e 2Bur 3 el er in ber anftedienben BKrftung ber ^pf>antafle finbet, 3 U
polemifieren. 2Iugen|d)cinlid) oerroertet aud) Dlalebrancbe babei Bruno«
nifd)e ©ebanfcen unb Sätje: fo „On ne considere pas
roenn er fd)reibt:
qu' Aristote, Platon, Epicure 6taient hommes comme nous et de meme
espece que nous; et de plus qu’au temps, ott nous sommes, le monde
est plus äg6 de deux mille ans, qu’il a plus d’experience qu’il doit ,

€tre plus £clair£ et que c’est la vielleisse du monde et l’experience qui


tont decouvrir la verite.“ Diefer geiftoolle ©ebanfte, b'er ähnlich bei Bacon
oon Berulam, bei ‘Pascal unb Descartes toieberf)olt toirb, finbet fid) 3 uerft
bei Bruno, cena de ceneri (IV, I, p. 132—133). Bgl. Brunnbofer, 3reft*

f<brift 3 ur Jeier ber am 9. Juni 1889 in Born ftattfinbenben (Enthüllung


bes Brunobenftmals (mit einer Beilage: Die (E^rfurd)t oor bem 2lltertum
als fd)ulbige Sldjtung oor ber lebenbigen fflegenroart. ©ine Dbee Brunos
in ihrem TOiberf)all bei Bacon unb tpascal). (Bauert k Bocco, 1890)

223

Digitized by Google
Übrigens roirb ©runo unb mit U)m ©amus, Pascal, ©lalebranche in
begreiflicher SBeife oft ungerecht gegen Siriftoteles ,
unb ßeroes bürfte ben
Streit über bie richtige SBürbigung biefes immerhin eminenten ©olgbiftors
am beften in bem ©oileaufchen ©erfe 3ufammengefafet haben:
Certes il ne meritait
Ni cet excfcs d’honneur, ni cette indignit£!

©gl. ßeroes: Siriftoteles, ein Slbfdjnitt aus ber (Befcfpchte bcr Söiffenfchaft
((Einleitung). Dnterejjant tft es oielleicht, 3U erfahren, bafj auch ©lartin ßuther
fcf)on oor ©runo ein fehr richtiges unb gefunbes Urteil über Siriftoteles unb
feine Überfd)ät)ung niebergelegt hat in feinen „27 Stücken oon bes d)riftlid)en
Stanbes ©efferung" no. 25 : „Die Unioerfitäten bebürfen roohl auch einer
guten ,
ftarhen ©eformation. — fjier nun roäre mein ©at, baf) bie ©ücher
bes Siriftoteles: ,‘Phhft^‘r ,©letapht}fih‘, ,t>on ber Seele*, roeldje bisher
für bie beften gehalten jtnb, gan3 roürben abgetan mit allen anberen, bie
non natürlichen Dingen fid) rühmen, fo hoch nichts brin mag gelehrt roer«
ben roeber oon natürlichen noch geiftlid)en Dingen; ba3u feiner ©leinung
niemanb bisher oerftanben hat unb mit unnütjer ©rbeit, Stubieren unb
Soften fooiel ebler 3 *it unb Seelen umfonft belaben geroefen finb.
„(Es barf mir niemanb auflegen, ich re be 3U Diel ober oerroerfe, bas ich
nicht roiffe. ßieber Jreunb, id) roeife roohl, roas id) rebe! Siriftoteles iftmir
foroohl bekannt, als bir unb beinesgleichen, ich habe ihn mehr gelefen unb
gehört mit mehr Berftanb, benn St. ühomas unb Scotus, bes ich mid) ohne
fjoffnung rühmen unb, roenn es not ift, roohl beroeifen kann. Das möchte
ich gerne leiben, bafe Siriftoteles’ Bücher oon ber ßogik, ©hetorik, ©octik
behalten ober fie, in eine anbere Jornt gebracht, nütjlid) gelefen roürben,

junge ßeute 3U üben, roohl 3U reben unb 3U prebigen, aber bie kommen«
tare unb Sekten müßten abgetan unb gleid)roie (Eiceros ©hetorik ohne
Kommentare unb Sekten, fo aud) Siriftoteles' ßogik einförmig ohne fold)’
grojjen Kommente gelefen roerben. Stber jetjt lehrt man roeber reben noch
prebigen baraus, tlhb ift gan3 eine Disputation unb ©eberei baraus ge»
roorben."
(Es roirb baburd) oerftänblid) , baf} ©runo an keiner Unioerfitöt mehr
SBohlroollen oon feiten feiner Fakultät genoffen hat ,
als in SBittenberg,
roo 3U feiner 3eü ßutbers ffieift nod) möchtig roar. ©lerkroürbigerroeife hat
er felbft hier gerabe über bie oon ßuther für bie erträglichften SBerhe bes
Siriftoteles gehaltenen logifehen unb rhetorifchen Schriften gelefen.

224

Digitized by Google
,07
Wart ogl. hiermit foroie überhaupt über ‘Brunos Stellung 3 ur (Ent«
roiddungslehre u. a. Brunnhofer, ffiiorbano Brunos SBeltanfchauung unb
Berhängnis, S. 35, S. 179 unb bie bort angeführten ‘Parallelftellen, ins»
befonbere Slcrotismus (©frörer p. 88 ). „Sille ffieftirne beroegen fid> nidjt
einen Slugenblick, in toe!d)em fie fid) nicht 3 ugleid) oeränberten. ähnlich oer«

hält es fid) mit ben auf biefen Meltkörpern oorhommenben ©egenftänben.


Sin biefen ift es unmöglich, auch nur eine einige ©attung oon Beroegung

toahr 3 unehmen roeldje nicht 3 ugleich eine Beränberung barftellte.


,
Bie|e —
Beränberungen gehen aber fehr allmählich oor fid). Die Oberfläche ber ©rbe
oeränbert fich 3 U>ar ununterbrochen, fo bafj halb ein Meer ift, roo oorher
ein Jlufj roar, halb fid) Berge erheben, roo oorher läler fid) oertieft hat«
ten, balb Begengüjfe niebergehen, halb Bidtflüffiges fi<h 3 U Stein oerhärtet
balb harte Steine fich 3 U 'Pnloer auflöfen. Slber in bem allen möchte ich
nid)ts ©eroaltfames 3 ugeben, fonbern gan 3 unb gar nur einen natürlichen
Berlauf ernennen. Benn id) nenne nur basjenige geroaltfam, roas aufcer«
halb ber Schranken ber Batur ober gar gegen biefelben gedieht." Befon«
bers ftaunensroert finb babei Brunos geographifdje Slpercjüs unb fficfichts*

punkte, fo roenn er (cena de ceneri W. 1, 169) bemerkt, Frankreich erfcheine


ihm nur ewiger Berg, ber oon ber Borbfee, bem Biscagifdjen
roie ein

Bleerbufen, oon ber Bhone unb bem Mittellänbifd)en Meer auffteigenb,


feinen Mittelpunkt in ber Sluoergne ftnbc. „Sille biefe Beränberungen fehen
roir nach unb nad) oor fich gehen. Slud) finb fie beutlid)an ben Slusroafd)un«
gen ber hödjften unb oom Meere entfernten Berge 3 U beobachten, bie,

als ob fie noch gan 3 roären, bie Spuren ber ungeftümen Mögen 3 ei«
frifd)

gen. Unb man roeifj jaaus ber ©efd)ichte bes Felif Martgr oon Bola, bafe
3 u feiner 3eit, etroa oor 1000 Fahren, bas Meer bis an bie Mauern ber
Stabt lempel ftcht, ber nod) jetjt ben Barnen portus, fjafen,
reichte, roo ein

führt, oon roeld)cm jetjt bis 3 um Meere 2000 Schritte (Entfernung finb.
Sieht man nicht bas Bämlidje in ber gan 3 en ‘Prooence? 3 *i 9 *n bort nid)t

alle Steine, bie über bie Felber hin 3 erftreut liegen, eine 3«it an, in roelcfjer

fie oon ben Meeresroogen hin unb her beroegt roorben finb? fjat fich etroa
bas ßlima oon Frankreich feit ben 3eiten (Eäfars bis auf uns nur roenig

oeränbert? Bamals roar auch nid)t «in ein 3 iger Ort bes Canbes 3 ur SBein*
kultur geeignet unb jetjt oerfenbet es ebenfo beli 3 iöfe Meine, als irgenb ein
anberes fianb ber Melt." Brunnhofer bemerkt baju, „man glaubt fid) bei

biefer Stelle in bas Stubium oon Schmidts „Umfet)ung ber Meere" oertieft,
unb mad)t barauf aufmerhfam, bah Bruno in ber Sluffaffung Frankreichs

15 (Biorbano Bruno Bb. III


225

Digitized by Google
unb Britanniens als einheitlicher ©ebirgsformationen mit Pefdjel „Beue
•Probleme ber oergleid)enben©rbhunbe" übereinftimmt. Cnblid) ogl. bie oon
mir in meinen „ßid)tftraf)len aus ffi. Brunos CBerben" (S. 113ff.) mit«
geteilte „Beife burcb bie Sonnenwelt“ (de Immenso IV c 3), befonbers:
„Denn Ceres unb Beptun wed)feln binieben
3m 3*itenlauf erheblich oft bie ©renjen,
B3ie altererbte Überliefrung nad>weift!
Die ffiron 3 oeränberung, bie ein 3flf) r b un bert

Äaum merftlid) oft bem Aüftennad)bar, wirkt,


Bßirbman oon bort (sc. oom Dtonbc) aus fd)werlid) einfebn wollen!
Unb bod) gibt ftetig unb allmählich weid)enb
Bon Spaniens Stranb genau fooiel bas Bleer ab,
TOie's fortfpült oon bem fiüftenlanb bei Calpe.
•Denn burd) 3“bri)unberte oerblidjen, bat bie Sage
Born 2Banbern bes Bleiben, ber Jid) b*«r
'
Cin Siegesjeidjen aufgeriebtet, faft
Den ffilauben bei ber Bad)welt eingebüjjt!
Unb bod) bann man baraus erfefyn, bafj ETf>etis

Der Ceres 'S dier 3 U erwerben ftrebt, ,

Unb baf) bie letjre 3 um (Entgelt bafür ben ‘Pan


Buf eines hoben Berges Büchen weiben bei&t.
Der elj’bem, eine ßUppe nur, ben ‘Proteus fab,
Ben meeresgrünen, wenn er feine Bobben hütete!
Unb im Berbältnis 3 U ber Crbe Cebens 3 eit
äann eine foldje Bnberung bes Bnfebens nid)ts bebeuten!
B3as müfjtc erft gegeben, wenn oon bort,
Bom Blonbgeftabe aus fie merhbar würbe?
Sieb’ nur, 3U welchem Pünbtdjen Cnglanb februmpfte,
Cin bünnes §ärd)en warb Dtalien,
Unb faft berühren fi<b bie fiüften Bfrihas
Unb bie üoshanas, unb bie §äfen Bbrias
Sinb kaum burd) einen Silberftrid) getrennt!
B3o ift Si 3 ilien, fpricb! es war bod) fonft
Cin großes Dreieck freilich gar 3 U weit
!

Sinb wir oon jener Bleerescng’ entfernt,


BBo bie Cbarpbbis aus bem 3°nifcben
Unb Shglla aus bem Bleer bes Jjefperus

226

Digitized by Google
•Die ©ogen roecbfelfeitig fpein unb fd)lürfen!
Bun geh’ unb lehre jene ©onbberoobner,
(Es habe auf ber (Erbe fid) weit met)r
Beränbert, als fie auf ber (Egntbia Slntlit)

Bon ihrem Stanbpunkt aus fid) finbern fef)n!


So gib benn aud) bie Sorge auf, toiefo
(Es möglid) je geroefen fei, bafe unfre 2lrt
Sich umgeftaltet habe, roenn bie (Erbe bod)
Salb i)ier, halb bort ben milben fjimmelftridj
Dlit oielgefdjmüdtten mannigfalt’gen ©efen,
Balb i)ier, balb bort ein n>interlid)es ßleib
Unb einen grauen ©olkenfcbleier führte!"
>«» Die <Bletcf)förmigkeit ber bosmifdjen Stoffe in unferer 3*it burd)
ift

bie Spektralanalgfe empirifd) erroiefen. ffflr Bruno roar es eine „trans*


3enbental*pbt)fifd)*" Dbee; — es roar eine kühne unb ber empirif<ben <Jor*
fd>ung felber erft bat)nbred)enbe fpekulatioe Slntfyipation.
100
Diefe ©irkung eines allmählichen (Erftarrungspro 3 effes biefe 3folge ,

bes in ber lat aud) auf unferen Planeten ftattfinbenben Buffaugens ber
Jeudjtigheit (ber Bleere unb Sltmofpbäre) ift Dollkommen ridjtig erkannt.
Dgl. aud) buPrel, Die (Entroi<klungsgefd)id)te bes©eltalls, p. 290 ff.: „3**9*
fid) unfere (Erbe fd)on als eine ftark gerun 3 elte 3llte, fo finb bie Uneben*
feiten bes Dlonbes nod) oiel d)arakteriftifd)er; — fdjmale, tiefe Dillen, in
ber Spaltung ber Dtonboberflädje entftanben, burcb 3 ieben faft gerabe lau*
fenb unb roenig gekrümmt als bunkle ßinien mit {teilen, inneren Dänbern,
aber ohne äußere Böfd)ung, bie ©onbfd)eibe. Diefer pro 3 ejj ber
Dillenbilbung, roenn er bei fortfd)reitenber (Erftarrung immer größere pro*
Portionen annimmt, mufj aber allerbings ben fpontanen 3 *rfall «ines fol*
djen ©eltkörpers in 3*09™*"*« b*tb*ifii b r * n -"
Bad) Olbers finb bie tlfteroiben (unb Bleteore) Brucbftücke 3 erfallener
©eltkörper.
1.0
Semerkensroert ift l)'* r 3 u . bafo ber „©afferftoff* (H = 1) in ©al>r*
beit ber leid)tefte unb am feinften 3 erteilte unter allen uns bekannten Ur*
ftoffen ift; baber bie natürliche (Einheit für bie 2ltomgeroid)te, bat
er liefert

bie größte fpejififrfje ©arme unb ift nid)t nur einfad) par excellence, fon*
bern aud) bie Btafjeinbeit für bie d)emif<be Binbekraft aller anberen Stoffe.
1.1
„princeps scientiae“ roar ein üblid>er (Ehrenname bes ©nftoteles,
»gl. B. 106.

is*
227

Digitized by Google
m Die £ol)äfion bes feften 2lggregat 3 uftanbes ift in 2Bal)rl)eit an fid)

größer, als bie bes flüffigen; bagegen f)at ber flüffige Körper, beffen Geile
fid) eben ber geringeren ßof)ä|ion roegen leister Derfdjieben laffen, größere
(Elajtiäität unb oor alleni bas Seftreben, bie äugelgeftalt anjuneljmen,

roeldje äur (Erhaltung ber Glaffeneinljeit bie benkbar günftigfte Geildjen*


gruppierung bübet.
,,s
Dgl. 103. (Es ift 3 roar richtig, bafj bie d)emifd)en 2lnfid)ten Drunos im
allgemeinen benen feiner ariftotelifdjen unb fdjolaftifdjen Gegner an Un*
klariert wenig nad)geben. Gleid)rool)l bann id) nid)t unterlaffen, l)ier bar*
auf l)in 3 utDeifen, baf) aud) Diele heutige ptjgfiher bie ijgpotfyefe für nid)t un*
roaf)rfd)einlid) galten, bafj bie meiften ber heutigen „(Elemente" lebiglid)

„Polgmerien" bes „Dlafferftoffs" ftnb. Glan »gl. 91. 110 oben. Dafür fpridjt

in erfter ßinie bie auffällige aftropljgfifdje (Entbediung, baj) ber SBafferftoff

auf ber Sonne ,


alfo unter gegraben ,
beren künftige §erftellung uns
unmöglich ift, auffallenb gegenüber anberen (Elementen präponberiert.
9leuerbings l)at nun 2B. (Erookes eine Deil)e oon Unterjudjungen unb De*
obadjtungen angeftellt, bie biefe ^gpotfjefe gan 3 aufjerorbentlid) unter»
ftütjen, Dgl. (Erookes, Die Genefis ber (Elemente. Ulutorifierte beutfdje über*
fetjung. ft. Dieroeg & Sol)n, Draunfd)roeig 1888. (Erooftes meint, bas erft*
geborene (Element, bas beim 2Berbepro 3 ej3 aus bem Urftoff, ben er „‘Protgl"
nennt, Ijeroorging, fei toal)rfd)einlid) ber 2Bafferftoff ,
ber uon allen be*
bannten Körpern bie einfadjfte Struktur unb bas einfadjfte 2ltomgeroid)t
l)at. fjür einige 3*'t ift ber Dlafferftoff Dermutlid) bie einige ejiftierenbe
3form ber Dlaterie geroefen; bann aber bilbeten fid) im weiteren Derlauf
ber 2lbhüf)lung aud) bie übrigen (Elemente, unb 3 war unterfd)eiben fid) letj*

tere um fo fd)ärfer ooneinanber, je größer bie 3 toifd)cn ber Dilbung ber


ein 3 elnen (Elemente oergleidjenben 3«iträume toaren, rooburd) eben eine
oerfdjiebene ßagerung ber 2ltome ermöglid)t rourbe. 3 e mel)r bie 2lbhül)lung
3 una^m, um fo mel)r mußten aud) in ben neugebilbeten fiörpern bie 2Itome
aneinanber rücken, um fo gröfjer rourbe bal)er aud) bas 9Jlolehurlargeroid)t
ber betreffenben (Elemente. Glan bann fid) leicf)t Dorftellen, baf) bei ein 3 elnen
Gruppen non einanber aufjerorbentlid) nal)eftel)enben (Elementen (3. D.
*piatin, Osmium, Dribium, — (Eifen, Dickel, Äobalt) ftatt ber brei Der*
fd)iebenen (Elemente fid) nur ein einiges gebilbet l)aben roürbe, wenn ber
*Pro 3 c 6 ber 2lbkü!)lung fid) mef)r in bie ßänge gesogen f)atte. Die gemein*
fdjaftüdjen g-unborte geroiffer [eltener 9Jlineralien ,
wie 3. D. bes 9)ttrium
ent^altenben Gabolinits, bes Samarshits, bes (Terits ufro. — bürfen mir
228

Digitized by Google
na<f) (Erookes als „eine 2lrt oorroeltlicher Kümpelhammer" betrachten, in
ber bie (Elemente im 3uftanbe gehinberter (Entroicfelung — 3 ufammenhang«
lofe übergangene (Blieber bes anorganijd)en Barroinismus — aufgefpeid)ert
finb.

•Dürfte man alfo im Hefte für „Höaffer" frei unb franh „HBafferftoff“ fub»
mir auch h' tr eine erftaunliche „Bntijipation" Brunos!
ftituieren, fo hätten

Dmmerhin ift es bann ein intereffanter 3 «fall- freilich mufj man babei oöl«
Hg oon bem (Brunbe abfehen, ben Bruno für feine Behauptung oon bem
elementaren Primat bes „HBaffers" anführt; auch bie römifchen Quriften
ftütjten oft fehr richtige QEntfd)eibungen mit unrichtigen (Brünben!
114
jljeraklit (ogl. Übcrroeg, (Befch- b. Ph-, S. 47): noktfiog .-roi^p nävuov.
m Schon SIriftoteles glaubte ben ©egenfat) bes „ZBarmen" unb „Äalten*
als (Erhlärungsprinjipien ber Phhfik (!) oerroenben 3U bürfen. 3hm folgte
Helefius: „Materia una, et duplex natura agens, et unus calor, frigusque
unum hujus universi principia . . . quemadtnodum nobis et Aristoteli
videntur. Telesius de natura rer. lib. III. cap. 1. Bgt. B. 103.
(Es märe 3 U oiel oerlangt, menn felbft ein ©enie roie Bruno fid) oon allen

Hoheiten ber oor ihm liegenben 3<>hrtaufenbe mit einem Buch hätte be«
freien [ollen. HOie gejagt, ftedct Bruno im (Ehemifchen unb Phhfikali[d)en
noch mefentlich in ben Borurteilen bes Biittelatters.
,M 2Iufjer ber Schrift bes Slriftoteles de coelo (.-rtoi ovgavoO) eyiftiert

3 roar noch «ine Schrift de mundo, bie aber 3 roeifellos untergefchoben ift;

menn jebod) Bruno hier oom I. Buch „uom fjimmel unb ber TOelt" fprid)t,

fo meint er 3 roeifellos nur bie rechte Schrift negi ovgavoD.


m Ber folgenbe Bericht (Elpinos ift eine 3 iemlich mörtlidje Überfetjung
aus Slriftoteles de coelo I. c. 8 (ogl Brand S. 59, 61).
1,4
^ier 3 u ogl. man, abgefehen oon bem B. 108 ©efagten, bie Äußerung
bes Bftronomen Secd)i in feinem Buche „über bie Sonne* S. 608. „Unfer
Blonb, einft roie bie Sonne ein glüfjenber ©asball, roanbelt je^t als längft

erftarrter, kalter unb toter HBelthörper im Baume, nur nod) fähig, bas 2id)t
ber Sonne ab 3 ufpiegeln. 2lu<h für bie Sonne roirb biefe 3«it kommen, nad)
oielen Blillionen 3ohren vielleicht, aber unerbittlich- Bas leudjtenbe Hages«
geftim roirb erlöfchen unb oiel früher nod) alles Ceben auf ber (Erbe unb
ben übrigen Planeten 'aufhören. - BJie bem auch fei: bie roahre TOiffen-
fdjaft unb bie roahre Philofophie gibt uns ftets mehr, als fie nimmt; unb

roenn mir oon BJelten fpred)en, beren j^er3 fd)Iag einft ftillftehen roirb, fo

3 eigt fie 3 ugleich, bafj bie Kräfte, roelche ihnen allen ihre Gebens« unb (Ent»

229

Digitized by Google
!

roicklungsfähigkeit gegeben hoben, nid)t in bas Slichts 3urücfegeführt roer*


ben können. Dn bet Statur hann nichts oerloren gehen, unb aus bem lobe
mufj überall neues Ceben ertoa<i)[en."
»*» ©ie totalen5 onnenfinfterniffe [inb ja in ber lat im hohen ©rabe ge*
eignet, bie Abhängigkeit alles (Erbenlebens non ber Sonne in impofanter
SBeife bem unmittelbaren (Empfinben hlar3uftellen. Alle ffiegenftänbe neh*
men eine anbere JJärbung an unb bie gan3e Statur gemährt einen traurigen,
bunkeln unb faft brohenben Anblick; bas fdjönfte ffirün ber ßanbfchaft oer*
manbelt [ich in ©rau; in ben höheren Stegionen in berSlälje ber Sonne er*
fcheint ber §immel bleifarben, roährenb ber fjori3ont mit einem grünlichen
©elb umfäumt ift; bie Xiere roerben unruhig, bie Vögel fliegen geängftigt
umher unb bie für bie Dunkelheit empfänglichen Pflügen fchliejjen ihre
Aelche, bie Feuchtigkeit ber Cuft nimmt 3U unb in ber Siegel erhebt ftd>
oon SBeften her ein leichter VJinb, ber fog. Jinfternisroinb roelcher bur<h ,

bie fortfchreitenbe Abkühlung ber Cuft oeranlafjt mirb. Die un3ioilifierten

SJtenfchcn, (Et)inefett, lürken unb Sieger, pflegen geroaltigen ßärm 3U fd)la*


gen, meil fie ben SBeltuntergang nahe glauben.
1,0
Ariftoteles de coelo I, 8: „Die 3 nmutung aber, bafo bie Statur ber
einfachen Aörper eine anbere fei, roenn biefelben mehr ober roeniger oon ben
ihnen eigentümlichen Orten entfernt [eien, ift unbegrünbet; benn melden
Unterfdjieb macht es, ob man [agt, fie feien eine fo grofje Gänge entfernt
ober ob eine fo grofje? es müfjte nämlich nach Verhältnis einen immer
größeren Unterfchieb machen, je roeiter fie entfernt finb; aber ihre begriff*
liehe JJorm ift ja bie nämliche“ (nach Prantl's Überfetjung).
,s *
Augenfcheinlich eine unbeftimmte, aber bod) roefentlich 3utreffenbe
SSeobachtung bes [Jallgefetjes
1SS
fjier3u ogL man Dühring, Steue ffirunbgefetje 3ur rationellen Phgfik
S. 16 17 , ff.: „ 3 «r>ifch*n 3roei SBeltkörpern gibt es nicht blos einen Schmer»
punkt, fonbem auch einen SJtittelpunkt ber Schmere. Silit letjterem Aus*
brueft meine ich benjenigen Punkt ber Verbinbungslinie, in melchcm bie

Schmere gegen ben einen Aörper biejenige gegen ben anberen 3u Slull auf*
hebt. 3 n biefem Punkte ber gleichen An3iehung, roie man ihn auch nennen
könnte, mürbe irgenb ein kleiner fiörper roeber nad) ber einen noch nach
ber anberen Stidjtung getrieben roerben, fonbem in Stuhe Derbleiben. Diefe
Vorftetlung bient jeboef) nur 3« Veranfdjaulichung. Die 5 auptjad)e bleibt,
bafj ber Slullpunkt ber Schmere bie SDirhungsfphären beiber Aörper in
3mei ©ebiete teilt, fo bafj, mas ben einen Aörper umkreifen foll, auch eben

230

Digitized by Google
noch innerhalb {eines ©ebietes liegen mufj; benn anbercnfalls mürbe bie
2lnäiei)ung bes anberen Körpers fid> bie betreffcnbe Piaffe 3 um Trabanten
ober Planeten machen. Jür bas Perljältnis ber Sonne unb ber Planeten
ergibt |id) alfo bie Potroenbigkeit geroiffer 2lnorbnungen ber Blaffen ber
Trabanten. f$ür letjtere gibt es keinen Spielraum, ber nid)t innerhalb bes
Pullpunkts ber Sdjroere liegen müftte."
Perfelbe S. 23:
„Sdjroere kann erfetjt toerben burd) biejenige quergeridjtete ©efdjroin*
bigheit, burd) roeldje fie an bem umlaufenben Körper genau auf*
gemogen roirb. Piefe ©efchroinbigkeit ift (fjughens) ber ÜBurjel aus

bem umgekehrten 2Bert bes Abftanbes proportional: v

1,8
=

'Vr
mach ber Anfid)t bes Ariftoteles hatten Kometen unb Bleteorebie
roie etroa bie HBolken einen atmofphärifdjen irbifchen Urfprung unb maren
keine kosmifdjen Körper. Seine Anfid)t hat länger als 3 roei Qahrtaufenb bie
gelehrte A3elt beherrfdjt unb noch 3 U Anfang bes 19. 3ahrh«nt>erts beftritt
bie fran 3 öjijche Ahabemie ben kosmifchen Urfprung ber Bleteore. Bruno
erkannte, mie Kepler, beibe ©rfdj ein ungen als kosmifd)e an.
121
Bruno bürfte einen im Blai 1582 3 uerft Don Iijdjo entbecftten als
9lr. 31 ber üblichen Tabelle oer 3 eid)neten Äometen meinen.
144
So (chon oor Ariftoteles Äfdjtjlus unb fjippohrates oon ffh<os. fjer*

ner u. a. Seneca, ber folgenbermafjen gegen Mriftoteles argumentiert:


„ZBäre ber fiomet burd) irgenb eine oorübergehenbe Urfadje ein JJeuer,
müfjte (ich bann nicht feine ©röfje unb ©cftalt in jebem Augenblick änbern?
®r nimmt feinen piat) unter ben anberen ©eftirnen ein, er hört nicht auf

3 U fein, fonbern er oollführt feinen ßauf ; oerfchroinbet er uns, fo ift er nid)t

erlofdjen, er hat ficfj nur meiter entfernt.— Die Planeten haben aud) nicht

alle benfelben Cauf; roarum foll es nicht nodj anbere SBanbelfterne geben,
gan 3 oerfchiebenen haben?
bie einen noch Aber, fragt man mich meiter,
marum kann man benn ben Cauf ber Kometen nicht roie ben ber Planeten
beftimmen? - Per Tag roirb anbredjen, roo eine beharrliche Jorfdjung ba*
hin gelangt fein roirb."
Per Tag ift längft erfdjienen. Aaum ein Spe 3 ialgegenftanb ber TBiffen»
fdjaftsgefdjidjte ift intereffanter, als bie „Batur ber Kometen". Biemanb
follte es unterlaffen, barüber bas oor 3 ügliche Pud) oon Profeffor 3öllner
3 u lefen, bas— abgef eben oon einer noch näherer Prüfung bebürftigen ijg*
pothefe — 3 roeifellos bie oollftönbigfte unb eraktefte (Erklärung ber aftro*

231

Digitized by Google
pl)t)[iftf)cn (Erfdjeinungen ber Kometen bietet. 3öllner erklärt bcn Sdjroeif
unb feine Stellung burd) elektrifdje (abftoftenbe) Wirkung ber Sonne.
„Steljt ein Körper gleid) 3 citig unter bem (Einfluß ber ffiraoitation unb freien
(Elehtrijität eines onberen, fo präoaliert bei 3 unebmenber Waffe bie ©ra*
oitation, bei abnebmenber Waffe bie ©lektri 3 ität als beroegenbe Äraft. "Da*
ber fteben bie ßerne ber fiometen als tropfbar flüffige Waffen unter bem
ffiinflufj ber ©raoitation, bie entwickelten "Dämpfe als Aggregate febr kleb

ner Waffenteilcben unter bem (Einfufj ber freien QElektri 3 ität ber Sonne"
(3öllner, Statur ber Kometen p. 119).

(»ormel

- g -*J
xl*\

~ 3u bebauern ift nur, bafj 3SH ner in feinem Vudje unter ben Vorläufern
ber richtigeren äometentbeorie eines Vruno nicht gebenht. "Die Stelle, an
ber Vruno ©elegenbeit nimmt, feine eigene 91nficbt oon ben floateten ein»
gebenber 3 U entwickeln, finbet fid) flap. XIX bes Cebrgebicbts de Immenso
V unb forbert bie Slufmerkfamkeit aller Slftronomen unb Slftropbpfiber ber*
aus. ffir erhlärt b»er ben Scf)tr»eif bes flometen aus ber Verbampfung feiner
flüffigen Waterie burd) bie Sonnentoärme, caudam oportet esse substan-
tiam quidem vaporosam quae ad partem solidam non spectet, sed per
humorem per aerem ab illo corpore astri effluentem virtute concipien-
tis et dissolventis caloris a soli. "Die oerfebiebene Stellung bes Schweifes
fud)t er bureb optifebe Verböltniffe bes Veobadjters 3 um flometen unb 3 ur
Sonne 3 U erklären (Jig. 12):
Ä Quod si oculus et imago e ad angulum
acutum radiet super speculo b c, qualis
est angulus e d c tune a puncto d versus
punctum b fluens angulus causabit cau-
dae cujusdam apparentiam propter ima-
ginis defluentem elabentemque speciem:
et caudae,seu defluxus ejus spedes tanto
protendetur amplius quanto angulusedc
amplius angustiabitur. Rebus accen- —
59> - 12
sis proprium est, ut in primis ad suae
accensionis prinripium referentur; contra vero cometis accidit ut nutent
perpetuo ad oppositum so!is,ut non tarn «ploy-owjc; veram quam draxlaocc
propterea censeatitr.

232

Digitized by Google
3um Sd)Iuf} roeift er bie aud) heute nod) oielfacf) bisbutierte ©eforgnis
ab, bafj einäomet einmal burd) 3ufammenftofj mit ber (Erbe beren Unter-
gang beroirben könne. Sed esto: Tellurem contigerit, utdixi, non est
formidandum plus quam ne mea viscera et sanguis in alterius condan-
turinrumpendo viscera.
Aristot. de coelo I. 8 .

Aristot de coelo
I. 8 .

*** de coelo I. 8
Aristot. .

'** Diefe oon größter ©Hdjtigheit unb 9?id)tlgfeeit. ©Senigftens


(Einfid)t ift

bas ©tajimum ber ©raoitationsbraft unferer (Erbe läfjt ficf) berechnen; es


hat eine beftimmte ©röfje. ©gl. 9t. 82; ferner 9Jtat)er, ©tedjanih ber
©lärme, S. 17 ff. Die ffiefchroinbigbeit, roeldje ein gegen bie (Erbe fatlenbes
ffieroid)t erlangen bann, fjat ein 9Jtajimum; es beträgt biefelbe 11200 m
in 1 Sebunbe; mit biefer ©efdjroinbigheit roirb eine aus „unenblidjer" ©nt-
fernung t)erabfaUenbe ©taffe auf ber OberfIäd)e ber ffirbe anlangen." ©gl.
ferner 9t. 122.
2llbertino ift ebenforoenig a>ie Jracaftorio, Jiloteo unb oermutlid)
aud) Clpino ein roillhürlid) gewählter 9tame. ©s unterliegt rool)l bäum
einem 3 ®*if*Ii bafj ©runo hiermit feinen ßanbsmann unb 3 *>tgenoffen,
ben bebeutenben 3 uriften unb Dhitofapheu ©Ibertino ober ©Iberico ©en»
tilis in bas ffiefpräd) einführt. Dcrfelbe roar 1551 in ©aftel San ffienefio

bei ©ncona geboren, oon 1572 9tid)ter in 2lscoli, oerliejj, toeil er fid> ber

reformierten ©eligion 3 uroanbte, 3talien unb tourbe 1582 Drofeffor ber


3 urispruben 3 in Ojforb. ©s fdjeint, bafj er l)ier mit feinem ßanbsmann
©runo bekannt unb befreunbet rourbe, unb insbefonbere, bafj es ©runo
gelang, if>n nad) anfänglichem ©3iberfprud) gegen bie neue ©3eltanfd)auung
fchl'efjlid) bod) bafür 3 U gewinnen. Diefen ©rfolg feiert nun augenfdjeinlid)
©runo l)ier burd) ©infüfjrung feines ©amens als Unterrebnerrolle, inbem
er baburcf) 3 ugleid) t)eroorl)ebt, bafj im ffiegenfatj 3 U ©urd)io, bem ©eprä*
fentanten bes bornierten Ojforber ©elefjrtentums, ber bebeutenbfte fiopf,
ben biefe Unioerfität bamals befafj, ficf) fd)liefjlid) non ber TOaf>rl)eit fjattc

über3 eugen laffen. Denn ber bebeutenbfte unter ben bamaligen ©eiehrten
Offorbs roar ©entilis 3 roeifellos. ßfls ©erfaffer bes Sudjs de jure belli ift
er ber ©orgänger bes fjugo ©rotius unb ber eigentliche ©egrünber bes
mobernen ©ölberredjts. Sein freier ffieift freute aud) oor einer britifd)en
unb naturred)tlid)en ©etjanblung ber fo 3 ialen fjrage nid)t 3 urüdi, er fd)rieb
als ©ad)al)mer bes Dljomas 93torus Utopiae pars II. mundus alter et

233

Digitized by Google

idem, eine beutle Überlegung biefes 'Bucfjes (auf ber Unioerfitätsbiblio»

theh 3 U $alle) betitelt firf) Die heutige neue alte ©klt. Darinnen ausführ«
:

liebunb nach Blotburft er 3 ät)let toirb, toas bie alte nunmehr balb 6000 jäh*
rige ©3elt für eine neue ©Belt geboren, aus ber man gleid)|am in einem
Spiegel ihrer SJlutter unb ffiebärerin Slrt, Sitten, üßanbel unb ©ebraud)
augenf<heinlich mag (eben unb erkennen. Ceip 3 ig 1603.
(Er galt für einen oor 3 üglid)en Kenner bes 9lriftoteles unb es ge|<hah
auf feine Anregung, bah Bruno fpäter in ©Bittenberg über bas Organon
unb {amtliche logifdje Schriften bes Slriftoteles las.
Dgl. Berti, Bruno p. 212.
m 2ln anberer Stelle hat ber Bolaner ben klaffifchen Sah gefchrieben:
Sapientia atque justitia tum primum terras deserere incoepit, ubi ex
opinionibus sectae quaestum facere coeperunt.
De Immenso innumerab. I, C. II.
et
Die beften Bemerkungen über bas Brotgelehrtentum hat roohl aufcer Scho«
penbauer Schiller gemacht, unb 3 toar merktDürbigerroeife in feiner „akabe«
mifchenSlntrittsrebe": „©Bas hei&t unb su roelchem (Enbe ftubiert man Uni« \
oerfalgel^ichte?" Schillers ©Berke Bb. X, S. 201 (Beclam).
1,2
Bgl. 51. 106.
1M Die h«*r folgenben SIrgumente finb eine gebrängte 3ufammen»
3 toölf
ftellung aller ffirünbe, bie Slriftoteles, abgefefjen oon ben in ben früheren
Dialogen birekt silierten Stellen feiner Schrift de coelo, in feiner Phhfik
III, 4 6 IV, VI unb
,
in feiner OTetaphgfik oorbringt.
,s *
Slugenfcheinlid) ift biefe Befchränkung ber Berührungsroelten auf fechs
felbft nur unter ber Borausfehung , bah es fid) um kugeln oon gleichem
Babius hanbelt, richtig.
184
Dies ift m. <E. ber einige (Einroanb bes Slriftoteles gegen bieUnenb«
be 3 o>. Un 3 ahl ber ©Selten, ben Bruno nicht «oiberlegt hat.
(ichkeit,
1M Bgl. 51. 65.

Bgl. 51. 52.


m Offenbar ift biefer lehte Sah falfd). in ©Baffer eingetauchte Äör«
per hat felbftoerftänblid) bas ffieroicht ber über ihm ftehenben ©Safferfäule
3 u tragen. (Es kommt aber ber Seitenbruck unb ber Sluftrieb hin 3 u unb in*

folge bes Iehteren oerliert er, roie fchon Slrd)imebes muhte, oon feinem ei«

genen ffieroicf)te fooiel, als ein feinem Bolumen gleiches Bolumen ©Baffer
toiegt. Bruno hätte bas toiffen können, märe nicht efakte Beobachtung eine
Sache geroefen, bie ihm ebenfo fern lag, roie feinen fdjolaftifchen ©egnern.

234

Digitized by Google
Sugenfdjeinlid) Dcrroed)felt er aud) ben Druch ber Scfjroerc [elbft mit ber
(Empfinbung bes Druckes. So übt aucf) ber fiopf 3 roeifelsof)ne phyfikalifd)
einen Druck auf feinen eigenen Bumpf aus, unter normalen phyfiologifchen
©Jerhältniffen kommt berfelbe jebod) nidjt 3 ur OEmpfinbung. ©lud) bie ßuft*
fäule über uns übt einen Druck aus, unb 3 toar einen [el)r beträchtlichen.
Der Xotalbruck, ber oon allen Seiten gleichförmig oerteilt gegen ben Äör«
per roirkt, betrögt fogar 30000 —
40000 Pfunb; biejer Druck kommt
aber, ba er oon allen Seiten als Seitenbruck, ©luftrieb unb oon oben her
roirkt unb ba fid) im ßörper felbft ßuft oon gleicher Dichtigkeit mit ber

äußeren befinbet, nid)t 3 ur (Empfinbung. Dies oerkannte ebenfo roie Bruno


nod) hür 3 lid) ein Baturphilofoph (Drieberg), ber eine Schrift gegen ben
ßuftbruck fdjrieb unb fcf)on in ber Borrebe bemerkte: „Bad) bem roeifen

Batfd)lufj ber ^p^^fibbefliffcncn muffen toir armen Kreaturen uns bekannt«


lid) mit einer ßuftlaft oon 30000 pfunb herumfdjleppen unb felbft bie (El-
fter, auf ber großen 3*h e ftel>t trägt ihre 30000 Pfunbchen."
roenn fie ,

(Eine Druckempfinbung entftetjt allerbings nur, roenn bas ©leichgeroicht

geftört ift. ©ine 'Portion ©Baffer aus einem größeren Behälter heraus in
bie ßuft erhoben, roiegt ebenfooiel unb um nichts mehr, als innerhalb bes
größeren 3 ufanwienhanges; nur ftef>t es eben innerhalb bes letjteren im
©leichgeroicht 3 U feiner Umgebung, roährenb es in ber ßuft oermöge feiner
größeren Dichtigkeit biefes ©leichgeroicht 3 ur Umgebung oerliert unb alfo
ein ber (Empfinbung bes hebenben OTushels roahmehmbares Dlehrgeroicht
ergibt, fchroer ift es überall, aber nur in letjterem ftall roirb feine Sd)roere
für uns roahrnehmbar.
’** fjerühlit: r 6 drtßoov avjicpigov xai ix dtaipegovt oi v xalilorrjy ag/xoviav

xai xana xar igiv yiviodac Bgl. Aristot. Nicom. VIII B. 113.
140
Diefe (Etymologie bes ©Bortes Äther ai&r)Q finbet fid)fd)onbeiben ©Ilten,
fo bei *piato, ©ratytos unb ©l riftoteles de coelo 1 ,
4: „aldtga. xgoocovö/moav
röv &vtoxärm xdxov dxö tov OiTv dti rov dibiov Xqovoy. (Es ift kaum nötig
3u bemerken, bafj biefe (Etymologie falfch ift, aWijQ kommt afflw ,
einem
©Bortftamme, beffen ©runbbebeutung eine ©Jereinigung bes fjlammenben,
gellen unb berrafd)enBeroegungburd)blicfcen läfjt (lateintfcf) aestus, aestuo).
141
ßucretius, de rer. nat. II. 1040—1051:
.Darum roolle bu nicht oon ber Beuf>eit felber erbrechen,
©Berfen bie ©rünbe oon bir, oielmehr mit gefchärfterem Urteil
Prüfe biefelben, unb finb’ft bu fie roahr, fo reiche bie ijanb mir!
Jinb’ft bu fie aber falfch, fo gürte bagegen 3 um Äampf bich!

235

Digitized by Google
'Denn es fud)et ber benkenbe ©eift, ba unenblid) ber ©aum ift,

Slufjer ben ©lauern ber ©Seit, toas roeiter nod) möd)te bafelbft [ein,

•Das mit ben Sinnen erfa[[enb er möchte betrauten, roofyin er


©inen freieren Jlug bes ©ebanltens 3 U rid)ten oermöd)te.
(Erftlid) ift in bem 3111, toie gejagt, kein (Enbe ber ©inge,
©irgenbs, oon keiner Seite, nid)t unten nod) oben, 3 ur ©edjten
9Jid)t nod) 3 ur ßinken, [o lägt bie ©atur es felber oerlauten,
Unb bies leuchtet Ijeroor aus ben liefen unenblidjen 3Befens."
>« ßucretius II. v. 1052—1057, 1064—1066:
„Umoat)rfd)einlid) baf)cr ift’s, baf) bei unenblid)em ©aume,
©ei un 3 äl)liger 3“^l ber Stoffe, roelcfye bie liefen
3lllentl)alben burd)fd)roärmen, oon ecoiger ©egung getrieben,

©af) fid) nur eine ©3elt, nur biefer Fimmel gebilbet,


3ener unenblidje Stoff ol)n’ alle ©Sirkung geblieben,
©arnad) barf kein ©ebenken bir jegt bas Bekenntnis erfdjroeren,

©af} bie ©laterie nod) an mannen anberen Orten


ffileid)e ©erbinbungen fd>afft, toie biefe ©erbinbung ber (Erbroelt,

©Selche ber $tf)er umfaßt mit oäterlid) fdjütjenbem ©rote."

144
ßucretius v. 1067—1076:
„©3o bie ©laterie nun in ergiebiger ©Senge oorl)anben,
©Bo es an ©aum nidjt gebrid)t, kein ©ing, bas Ijinbert, im ©Beg ift,

— ©a muf} ettoas entfte^n, ba muffen bie ©Befen fid) bilben.

3ft nun bie ßal)I ber Stoffe fo grofj, bag foldje 3 U 3 ät>len

©id)t ausreidjte bas 3llter oon allen ersoffenen SBefen;


©leibt fortbauemb biefelbige äraft, biefelbc ©atur ba,
§in 3 ufd)leubem an jeglichen Ort bie Samen ber ©inge,
2luf bie nämliche 2lrt, toie fie l>ier!)er ojurben geroorfen:
— ©un fo mufjt bu bekennen, baf} anbere (Erben in anberen
©Seltenräumen es gibt, mit anberen ©lenfd)en unb lieren!"
144
Seneca, ©lebea, v. 335—338:
©ine ütjeffalifdfye Jidjte gat,
©3as ©atur gefd)ieben, oertoegen oermengt,
Unb ben 'Pontus mit freoelnbem ©uberfd>lag
3ur ©ad)e unb Sorgen unb
gerei 3 t, 3 ur<^ t
Schafft jegt uns bes ©leeres
©ntlegenfte ©reite.

236

Digitized by Google
©gl. bamit Brunos ©erfe de Immenso VII. c. 16, überfetjt in meinen
„ßidjtftrahlen aus Brunos ©Serben" S. 68 —70:
Bom rechten ©fabe ber ©ernunft irrt roeit

©er Stagirit, roenn er oermeint, bie ©Selten


©ebürften eines einenben ©erhehrs.
©Sie? hat benn etroa fdjon ©ernunft, ©aturgefety
Unb Scf)ichfal bes (Erfinbers ©lut gebilligt,
©er {Jidjtenftämme fällte, um ber Heimat
©btrünnige in fernes fianb 3 U führen?
£ech 3 U oermifchen, roas ©atur getrennt?
(Ein 5d)idtfalspeftl)aud) ^at bie ©rgonauten,
©es ffienuefers (Bier, bes üushers fjabfucfjt,
©es Spaniers ©raufambeit bir 3 ugefanbt,
©merihas einft jungfräuliche fiiifte!

O bu glücbfelig ©olh, bu reinfte 2lrt,


©ie biefes Sternes Scheitel nod) befi^t,
©en nicht mit fteilem Strahlgefdjoj} ber lag
Berührt, wicht hüllt bas ©raufen tiefer ©acht,
©em unb ©3ärme aus ber ootlen Schale
ßidjt
3uftrömen unterm ©ngelpunht bes Bären!

fjabfüd)tig toirb alsbalb ber (Europäer


©ud) noch bes ©otbens Bollroerh überfchreiten:
©er (Eingeborne, bein Barbar
©3irb ©aftfreunbfchaft bem fjrembling bieten,

Onbeflen biefer, ber aus fchon erbranbtem


„ 3 ioilifationsgebiete" bommt,
©afür ihm ungeahnte Übel bringen roirb,

©en Pefthaud) ber Derberbten ©Seit.


©ann roirb auch *ud), roofern noch rein
©aturgemäjj roar eure Sitte,

©er „Segen" ber ©erbehrsroelt blfihn,

©ie jebes ßafter jd)nell beförbert

Unb feinen Samen roeithin ausftreut,


©er roie bas Unbraut [chneller rouchert,

©Is eure gute 3ud)t unb Sitte


Sid) anbaun bann in anbren Strichen.

237

Digitized by Google
Dann mag ber (Erbe Sofyn es roagen,
Die Wegei ber 91atur 3 U öffnen
Unb bort, roo (Epnt^ta ifjren IRücfeen

Darbeut, ein neues Daterlanb fid) grünben,


Sid) neuer Arbeit unterjie^n,
Um eine beffre Welt 3 U fdjaffen!

Verlag (Eugen Dieberidjs in unb ßeip^tg

©torbano 'Bruno
ffiefammelte 2Berfte
Jj^erausgegeben non ßubroig Äufylenbedt

Sb. I. Sas 5lfd)ermittroocf)smal)I. Stit 'Porträt. Srofd).


3Jt. 4. — ,
in Halbperg. gcb. St. 5.50
Sb. II. Sie Sertreibung ber triumpl)ierenben Seftie. Srofd).
St. 7. — ,
in Halbperg. geb. St. 8.50
Sb. III. 3®i e 9 c IP r ä (b c nom unenblid)en 5111 unb ben SSelten.
Srofd). St. 6. — ,
in §albperg. geb. St. 7.50
Sb. IV. Son ber Urfacfye, bem 'Prinjip unb bent (Einen,
(erfdjeint 1905)
SSeitere Sänbe finb in Sorbereitung

ferner erfdjien im gleid)en Serlage oon bem


Herausgeber ber S3erbe ©iorbano Srunos

ßubroig fiul)lenbe<ft
3m f)Oci)Ianb ber ©ebanhenroelt
©runbäüge einer beroifd)*äftf)etifd)en S3eltanfd)auung

Srofd). St. 3. — ,
geb. St. 4.

3nf>alt: (Ein Kriterium ber 2Bal)ri)eit. 'Dafein ift ©erou&tfein. Die


D3af)rt)eit bes 3nbioibuatismus. Die Dnbioibualität als ii)r eigenes
©ef<f)öpf. Sdjopenbauer unb ber Onbioibuatismus. Das ßeben ein
Sraum. Jreibeit. Das 9Beliall unb bas Onbimbuum. ägpris ober
bie ©efd)Ierf)tsliebe im Cidjte ber Defäenbenjtfjeorie. f)od>gebanben in
Did)terroorten.

Digitized by Google
©ebru&t
bei

Oscar Branbftetter
Ccipäig

Digitized by Google
I

>

Das könnte Ihnen auch gefallen