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the pResence of ihis Book

in

thej.m. kelly liBRÄRy


hÄS Been maöe possiBle
thRouqh the qeneRosity

of

Stephen B. Roman
From the Library of Daniel Binchy
(Bvkd^iid^e Kulturgefd^id^te
(Sricd^ifcf^c Kulturgcfcf^icf^t

üon

3afoI> ^urdE^ar6t

^erausöegebcn uon 3^fob iS)crt

fünfte Uuflage

^weitet :3anb

Berlin & Stuttgavt


Vcviag üon TO. Spemann
Stutlßart.
Struc! ber ^offmannjc^en SBut^brucferei in
Dritter HbfcbTiitt

Religion und Kultus»

<¥"
Ginleitung.

jie griec^{f($e 9^eligton l;at bie ^raft in [id^, ein großer unb
unerfc^öpfl{($er ©egcnftanb ber ^orfc^ung unb 2lljnung ju fein

nnb n)a{)rf(^ein(ic^ nod^ lange ju bleiben, ©ie ift nid^t nur


bie 9iengion eine§ ber n)icf;tigften 93ölfer aller 3^^^^^/ fonbern
ber mer!raürbigfte unb fpätefte ^olijt^eigmug ber alten ©efc^id^te. 2tud^

fann fie grünblicl) nur bet)anbelt werben in il)rem 3u[ammenl;ang unb


©egenfal mit ben anbern Polytheismen ber alten 2Belt, foroie ber
©ermanen, ©lawen unb Gelten.

©erne befc^ränfen mir un§ l)ier auf eine einjige ©eite be0 ^l)änomen0:
itämlirf) auf bie ?^rage, roaS biefe 9teligion unb biefe ©ötter ben ©riechen
ber t)iftorifc^en ^üt maren. SSie fie entftanben, üon mannen Ijer fie

.getommen, barf unl l^ier nur in ^ürje bef(^äftigen, unb über bitettantifd^eS

S)afürl)alten werben unfere 2lnbeutungen nicl)t l)inau§gelangen.


©i^on bie ganje et£)nograp^ifc^e ©runblage biefer ^orfc^ung ift eine

ijö^\t ungemiffe. ®ie Silbung ber nai^^er aU l^eHenifd^ geltenben


^ationalitöt ou§ 58eftanbteilen ber ^elaSger, ^arer, %i)xx^^mx, Seleger

iifro. bleibt bie ©acfie einer Steilje oon $8ermutungen ; ungegälilte ^alir»

l)unberte, oieHei^t ^al)rtaufenbe gel)en bamit oorbei; ba^raifcljen liegen

uralte pljönijifd^e Dffupationen , unb jenfeitS üon biefem allem raiffen

tt)ir ni(^t, raa§ für eine Urbeüölferung jene fpäter gried^ifd} geworbenen
9}Mnner antrafen^). S)oB eine fold^e oon il)nen oöllig gemietet werben
wäre, ift an fi(^ nidlit notwenbig oorauc^ufe^en. SSomit wirb nun ein

fe§l)afte§ SSot! auf bie ©ingebrungeueu am el)eften ©inbrucf machen?

') SSorou^gefe^t, ba^ fie toirütd} ein* lüonad^ [ie juerft ben Q^ui unb ben Slpollon
^croanbert feien. 2)a^ bie ©ötter uon ing Sanb aufgenommen unb mit Opfern
l)rau^en gefommen, liegt raic in einem üerefirt ptten. ©ubocia SBioIar. 756. Sie
Lämmer fd^ ein elraa in einer ©age ange= allgemeine 2lnficl^t aber ift burd^auS für
.4)eutet, 5. 33. in bem ©louben ber 2ttl;ener, 2lutod^tt)onie ber ©ötter.
Einleitung.

$ßtelleid)t mit bemjenigen ©loubeu unb Kultus, ber fid) auf bic ^^ortbauer
nad^ bem ^obe begiel^t? a)Jit feinem S)ienft bc§ ©rabeg unb ber untere
irbifc^en ©emalten? 2)enn für bie lichten ©ötter be§ Seben§ roirb ja
ba§ [tegreidie 3>olf junäd^ft feiner ©rgänjung bebürfen? Steuere ^orfdier ^)

l)aben eine über @rie(^enlQnb unb i^toHen oerbreitete Urreligion be§

©rabel unb be§ ^erbe§ angenommen, meiere a(g ^au§fult allem anberen
^ult 5eitli(^ üorangegangen fei, beginnenb mit 25ere(;rung ber urfprüng»
Ii(^ im §aufe beftatteten ^oten, aU man nod; bie ©eele mit bem Seibe
gu begraben glaubte; ja eg mirb für einen üiel meiteren Umfrei§ bie

^rage aufgeftettt, ob nii^t oieüeicfit beim 3lnbIicE be§ Stoben alle 3^eIigion

überliaupt it;ren Slnfang genommen^). 2ßie bem auc^ fei, jebenfaUg mirb

eine ältefte Scoölferung ober 33oIf§geftalt üorjugSroeife mit ii;rem ©räber«


raefen einen bauernben ©inbrucf (jeroorbringen. 2tuf grie(i)ifc^em Soben
^atte bie frül)efte 33eüöl!erung mögliciierroeife aud) fd^on bie früiieften.

Dra!elftätten gefannt.

UebrigenS mangeln un§ in betreff be§ religiöfen 2lu§taufcl)e§ gmifdien

33eüölferungen früljer ^ulturperioben ju felir bie pfi)c^ologifc^en ^anb=


l)aben. 2)ie einen fönnen fid) ^öc^ft au§fd)lieBlid) oerl;alten, nur il)re
©Otter überall burc^gefe^t unb nid^t§ anbereg baneben gebulbet l)aben;

anbere aber l)ulbigten oielleic^t fel)r millig, rao fie eine feftbeftel)enbe

3Serel)rung antrafen unb fügten fid^ in gegenfeitige ©rgänjung al§> in eine

Sereidierung. ©er ^olr)tl)ei'lmug l)at feine anwerft nad^giebigen ©eiten

unb fann fic^ au§ SSorgefunbenem oeroodftänbigen; 2llte§ unb 9kueö lebt

bann nebeneinanber fort, unb eine mädjtige ^4Solfgpl)antafie fann itaSr

©an§e fo befeelen, ha^ e§ mie ein gro§e§ gleid^artige§ ©efamtbilb erfc^eint.

3u bem möglii^ermeife oon einer Urbeoölferung Uebernommenen


gel)ört aud) ber SöerraanblungSglaube. Dl)ne un§ im minbeften über baä

rein ^r)potl)etifd^e biefer 3lnnal)me ju täufc^en, f(^iden mir ^ier in

^arent^efe ein Kapitel über biefe ©rfd^einung ber Sel)anblung ber fonftigen
religiöfen 3Sorftettungen woran.

©0 Sviflel i'e (Soulangeg, la cite -) ©0 rcie laut ©d^open^auer nuc^

antique. alle ^sf)iIofop^ie, »ergl. bie SBelt alö SBiae.

u. f.
ro. md) JV, iUip. 41.
I.

Die Mctamorpbofcn.

|m VII. unb VI. ;3a§rl^unbert üor ei)riftu§ fudjte befanntlic^ ber

©eetenroanberunggglaube in bie griec^ifc^e Stnfcfiauung emp"


bringen. ®ie[e SJietempfgi^ofe würbe bann, fo fetjr fic^ ^lato

bafür beniül)te, üon ber 9Zation mit ber 3eit uöllig abgelehnt;
biefelbe oer^arrte beim (Slauben an ein bleibenbeS ^enfeit^ irgenb

raetc^er 3Irt.

2lber au§ ben älteften ^dUn bämmert un§ etroaio roefentlii^ anberel,

nämlicf) bie 9JZetamorpljofe entgegen. 33ei manciien ^Bölfern finbet fid^ bie

3)Jeinung, ba^ bie (Seelen ber 2]erftorbenen banernb in gen)i[fen Silieren

raeiten, unb im Serou^tfein ber ©riechen mu^ einft bie 58e)"^äftigung mit

fold^en 2Banbelungen ober 9)ietamorpI)ofen einen geroaltigen Umfang ge*


^aU {;aben, fonft l^ätte fie nid^t noc^ fpät eine ganje 9iei£)e üon ©ammlern
unb S)i(^tern^) begeiftern fönnen.

Sie urfprünglic^en Umriffe mögen etioa folgenbe geroefen fein: ^ie


ganjc S'^atur, ni(^t blo^ ajJenfc^en unb Spiere, fonbern aud^ ^flangen,

©eftein unb ©eraäffer finb belebt, ja bewußt gebadit, wie bie§ noc^ ^ie

imb ba bei roilben S^ölfern nai^gemiefen ift; ber SJienfc^ Ijat „feine 33rüber

im ftiLen Sufd^, in Suft unb SBaffer" fennen gelernt, unb brüber maltenb
ben!t man fi^ bie ©ötter, met^e oielleidit ni^t§ jerniditen, fa !aum
etraag f<^affen ^), rool)l aber ha^ einjelleben au§> einer gorm in bie anbere

1) 3üi^er ben ©r^altenen, 2lntoninuS (äffig unb fjat niand^e SDietomorpl^ofe erft

Siberaliä, Doib unb ber hierin fel^r reid^en felbft erfonnen.


2;ierge[c]^ic£)tc be§ Stelian finben [id^ bie ^) 3eu^ fönn fl"f SCegina eigentlid^

Sßerlorenen genannt u. a. ^lutaxä) ^aroK. feine 2)Jenfd)en fd^affen, fonbern nur SImei*

5. 22. 25, atntonin. Sib. 23, ^^d). s. v. fen in SOienfd^en (b. 1^. offenbar bie erften
SReftor u. f. ro. Doib mit feiner reid) baf)er= ober roenigften^ bie erften, roetctie ©d)iffe

ftrbmenben ©rjäl^Iung ift cjerabe in ben bauten) cerroanbeln. .'öefiob fragm. 36.
SDiotioen be§ 3Ri;t^u§ am roenigften juDer=
6 ^Jeligion unb ÄultuS.

magifd^ überleiten fönnen. 2öa§ SlZenfc^, O^^^üi^i^um gen)e[en, rairb bann


(fei e§ au§ 'Siadje ober an§> 9JZit(eib unb ©unft) ber ^üde ber 9ktur,

bem ^onftanten, bem 9Ud;tinb{öibueIIen prücfgegeben unb nun aljnt hü§>

3]oIf in Spieren, Räumen, Duetten unb abfonberlic^ gebilbeten f^elsblöden

überall alte 33ern)anbte ^).

9Sie geläufig ben ©riechen fi^on ber ©ebanfe an 9Sern)anblung


überl^aupt raar, jeigt bie ©age oon hin ©öttern felbft. @g ift fo oiel

al§ geroi§, ba§ einft in alter 3eit biefelben in ^iergeftatt üereljrt tuurben

rote in 2legr)pten, ja laut ber fpäteren ©age fottten bie üor %i)])l)on

flüc^tenben ©riec^engötter, mit einziger 2lu§nal)me be§ ^in§ unb ber


3ltljene, fi(^ fogar nad; 3legxjpten geflüd^tet unb erft bort S^iergeftalt aw
genommen l)aben'^). 9Jiau glaubte gu roiffen, Slpott fei bort ein ^abic^t

geworben, ^erme^ ein 3bi§, 2lre§ ein großer gifd^, 2lrtemi§ eine ^a|e,
©ionijfog ein ^oä, ^erafleS ein ^irfdi, ^epl^äfto§ ein ^iinb, Seto eine
©pi|mau§. S)a§ man in 2ltl)en nocb gur ßßit ber ^erferfriege bie Surg='

fc^lange im ftitten für ^^attag 2lt^ene felber Ijielt, oerrät ^erobot (VIII, 41}

ganj beutlid)^), unb älinlid) mar e§ mit ben ©djlangen in ben igeilig^^

tümern bei 2lf!lepio§ *). ^oä) üiel fpäter galt in bem berühmten §eilig^

tum am figilifi^en ©njj: bie bunfelfarbige ^aube, meld)e attjäl^rlid) au»

*) 2Bie ferne ober nal)e biefe 2ln5 *) ^aufan. II, 10, 3 erjä^It, mie 2(5^
[d^auungen mit benjenigen mancher 'Statut' flepioä auä (Spibaurog nad) ©ifpon in
Dölfer üerfc^iebener klaffen oerroanbt rcaren, ©dilangengeftalt auf einem SBagen fam,
mag i^ier unerörtert Bleiben unb eBenfo ben eine Sifponierin len!te. (SBenbort
and) ba§ umgefe§rte ^^änomen, ba^ SöÜer Befanben fid^ nad^ ^auf. II, 11, 8 im
al§ oon Beftimmten 2;ieren abftammenb 2l§fIepieion oon 2;itane mit ©d)cu oereljrte

gebac^t, ja al§ boppeüeBig Betrad)tet mers ©d^langen (man tonnte nid^t miffen, metd)e
ben: S)ie 33afairi (Brafilianifc^e Snbianer) ber ©Ott mar). 2lud^ bie nad^ ^^auf. III,
gtauBen, ba^ bie 2:rumai äugleicl) eine 23, 4 auf einem epibaurifd^en ©d^iffe mits
3lrt oon ^Jaubfifd^ feien imb nad)t§ auf gefommene ©d^Iange ift offenbar roieber
bem @runbe ber ©eraäffer fd^lafen, mäi)- 2[§f(epio§. SSergl. aud^ bie ^aufan. VI,
renb fie felBft iljre IBftammung com S^guar 20, 3 üon bem 2)ämon ©ofipoliä Berid)=
aBIeiten. 9t. §o^, ®eograpl)ifc^e dlady. tete ®efd)id^te, ber im eIifd^5ar!aMfd)en
richten, IV. ^al^rgang, 3lv. 19. Ärieg ben ®liern alö Kinb üBergeBen, uor
2) Slntonin. SiBeral. 28. ber gront in eine ©djiange ueriuanbelt
^) 2)ie Sbentität ber ©öttin unb ber roirb, meldje bie Slrfaber jur ^ylndji Be=
Schlange überhaupt eri^eüt aud) aug SlpoIIo; megt unb bann in ber @rbe Derfd^roinbct,
bor I, 9, 11, jufammengcl)alten mit III, unb bie oon bem alö ©d^Iange ben ©ala=
6, 6 Bei Slnla^ be§ IRelampug unb bc§ miöfampfern crfd^iencnen §ero§ Äi;d;reuö.
2;irefiaä. ^Paufan. I, 36, 1.
Sie 3JJetamorpl^ofen.

3lfrifa bem übrigen ©d^roarm rorangejiogen fam, offenbar al§ 2I|)l§robite


felbft ^). ®ie blo^ seitraeütgen 33crroanblungen ber ©ötter finb int 3J?t)tf)u0

ooHenbS gafiUog, wobei freiti(^ le^terer in allen färben fpielt unb pmal
bie eIementorif($e S3ebeutung be^ iQergangeS noc^ oft erraten lä^t. S)ie

©Otter treten auf in ©eftatt beftimmter 3}ienfc^en, al§ Spiere, ja alä


9SoI!e unb golbener Siegen, in^befonbere aber aU ^ögel; in merfraürbig
fcfjiHernben 3(ugbrüc!en iä^t Monier ^) fie erfc^einen unb oerfd^roinben,
man fonn faum genau fagen: wie fo td^e, ober: al§ folc^e. — 2)a^ bie
3Baf[ergott^etten im I)öc^ften ©rabe oon ben ^erroanblungen ©ebrauc^
mad^en, nämlid^ in einer gangen Steitje oon ©eftaüen, ift ber finnbilblic^e
Stusbrucf für ben ewig roec^felnben 2tnblict be§ roaUenben ober ftrömenben

SBafferS; biefe SBanbelbarfeit aber fönnen fie auc^ it;ren ©ünftlingen


mitteilen, wie ^^pofeibon feinem ©nfel ^^seriflt)meno§ % Slu^erbem fönnen
bie ©Otter aud^ bto§e ©djeingeftalten fd^affen: ^zyi§> bilbet au§ einer

SBoIfe biejenige ber §era, burd; meld}e bann ^^ion beti)rt wirb; n. 2t.

l;ätte ^era felber bie ©eftalt ^eroorgebrad^t.

3nbe§ fommen bie a}tetamorpl)ofen berjenigen SBefen, roeld^e \iä) bei

2lnläffen be§ 3lugenblid0 ftet§ oon neuem uerraanbeln fönnen, für bie
9}ietamorp^ofe, oon ber wir l;ier fprec^en, nid^t in 33etrad^t; aui^ finb
^ier au§5ufd)lie§en bie bloB jeitraeiligen 23ermonblungen , welche oon
©Ottern ju beftimmten Qwad^n über 9)lenfc^en üert;ängt werben*); wir
^aben un§ oielmel;r auf befinitioe unb totale SBefen^oerwanbtungen oon
nic^tgöttlid^en 2Befen ju befd^ränfen.

^ür bie SSerwanblungen oon QJienfd^en in anbere 3Befen wirb gu*

1) SCelian Hist. animal. IV, 2. — ber Snfel Ärumiffa (Ärionefo§?) oerfe^t


SSergr. nuc§ Var. Hist, I, 15. unb roegen ber aud^ bortI;in il^r nad):
-) 31. XIII, 62. XIX, 350. Db. I, bringenbcn ^^reier fie in ein ©c^af, fid^

321. III, 372. V, 44, 337. XXII, 236 ff. fel6er in einen SBibber unb bie cives Cru-
^) §efiob fragm. 31, bei ^infel fragm. missenses in pecora oerraanbelt. 2{(^ nun
epicor. Graec. p. 98. 2tpol(obor I, 9, 9, raieberum %tmv lamen unb auf ber S"!'^^
Stigin. fab. 10. — ®ine öI^nlidEie &ab^ nur Siere fanben unb äu fc^Iad^ten unb
Derlie^ Qzn^ ber Somia, Dergl. ©nbocia ju effen anfingen, oeriüanbelte ^ofeibon
SSiolar. 596. — 3)ie Dielen 3]enDanbtimgen biefe freier in SBöIfe unb üoHäog al^
ber Dor 3^"^ fliefienben 9iemefi§, oergf. SBibber feinen Seifd^Iaf mit ber S;f)eDp§ane.
2lt^en VIII, 10. ^Ijv Äinb roar bann ber golbfeüige Sßibber,
*) ©0 rceim 3. S. na<i) ^r)a,m fab. tüeldjer fpäter ben ']}^rijo§ nad) ÄoIdjiS
188 ^ofeibon bie frf)öne Xf)eopI)ane nad) trug.
3 SReligion unb ^ultu§.

Tiöd)ft in mel^reren %äütn ein Wlot'w jugeftanben, lüel^eg ber griec^if($en

9ieI{gion in i^rer eisten alten ©eftalt üorjügli^ eigen ift: 2)a nic^t bie

©Otter, fonbern bie ©djicEfatSmädjte über bie £eben§bouer be» SJ^enf^en

entfcfieiben, fo ift bie 5ßerroanblung oft ba§ einzige a)?ittet ber 9ia(^e ober

©trofe^), über welches bie ©ötter oerfügen. ^onfequente Slnfc^auungen

finb übrigens l^ier fo raenig ju erwarten, aU auf irgenb einem (Gebiete

biefer l^errenlofen, oon feiner 3^[)eologie ge()üteten griediifc^en 9ieligion.

^^antafien ber oerjd^iebenften ^erfunft geben bem ©tauben an bie

3Jietamorpf)ofen biefc ober jene Sflicfitung unb eine batb mciir fd^öne, balb

me^r büfterc unb fd)redücf)e 2lu0bruc!Sroeife. S)ie ertialtenen 3luf5eid^=

nungen finb großenteils auS fe^r fpäter 3eit/ unb baS Urfprüng(id)e
fann barin mannigfach mi^oerftanben fein. SfiamentUd) ermeden bei einem

fo bunflen, aljuungsbebürftigen Hergang gerabe bie prägifeften StuSfagen

e^er 3JJiBtrauen. Sf^ad^bem 3)iomebS ©efäljrten auf jener ^nfel beS

abriatifcfien 9)ieereS burci) itti)rif($e 33arbaren getötet roorben, oerfc^roanben

tuxä) 3euS' 9?atfd)lu§ itire Seiber, i^re ©eeten aber oerroanbelten fic^ in

58ögel — fo 2tntoninu§ SiberaliS (c. 37) im II. ^a^rl^unbert n. et)r.,

roätjrenb bie ed)ten (Sagen baS ©d^icffal beS bist)erigen SeibeS gu be»

fc^meigen pflegen.

^n ber 9tegel finb e§ bie ©ötter, raeld^e bie SSerraanblung beroirfen

burc^ Serül;rung mit bem ©tab^), unb bamit offenbart fid; aud) bie

3auberin ^ir!e als et)emalige ©öttin. 2lud§ untergeorbnete ©ottljeiten

üben biefe 2)kd)t gerne, felbft bie aJiufen, menn jemanb mit i^nen im
©efang wetteifern raitt^), unb bie 9'li)mpl)en, meldie bod; felber jeben

2lugenblid in Duellen unb Säume übergeben*), ^äuftg aber wirb nur


bie a}Zetamorpl)ofe olme ben Urheber erroöljnt, als ^ätte bie Statur an^i

eigenen Gräften baS inbiöibuell ©emefene roieber in eine ifirer ©attungS'


formen jurüdgenommen. — ^n einjetnen fällen wirb beutli^ ber natür=

') Slntonin. £ib. 19. — Sa^ aud) bie üerioanbelte einen Spötter in eine ©ibed^fe

SItoircn Sßerraanblungen »erfügen tonnen, burd) 33efpri^en mit SEein, ebh. 24.

fobalb jemanb in i^r 2(mt greifen lüilt, 3) ebb. 9.

ebb. 29, ba fie bie ®alintl;ia§, S)ienerin *) ebb. 22 bie Grjäf)Iung cine§ boS^
ber Sllfmene, in eine ^a^e üeriüonbeln, ^aften ."pirten, lüonad) '^sofeibou über bie

meldte jebDcl^ uon öefate au§ 2)Jitleib ali 3eit, ba er mit einer uon ben ?hjmp§eu
ein if)r gemeifjteä Xier ju ©naben ange-- a3eilager Ijielt, bie übrigen in Rappeln
nommen rcirb. üerraanbcite.
2) 2lntonin. £i6. 2. 10. — Demeter
Sie 2)?etamorpl^ofcn. 9

I{(^e ^ob obgeiuartet meift aber ba§ Seben buri^ einen plö^li(^en Eingriff

in ein anbere^ umgeftaltet.

2)ie 3JJe{)ri)eit ber äicrraanblungen erfolgen n)ol)l aU ©träfe, ja aU


'3iaä)t; anbere 'JDiale ober ift e» eine t)ot)e ©nnft ober ein 3)^itleib ber

©Otter, ja eine einjig mögliche ^Rettung. 9)it)rrt)a, bie oon itjrem 33ater

gefcEiroängert loorben, erf(ei)t oon ben ©öttern bie 33erroanblung in ein

anbereS 9Befen unb wirb ju ben: Saum biefeg 9Zamen§ ^). 9}tel)r al§>

einmal gefc^ieljt bie 9)ietamorp(jofe ou^brücflid^, um ben 9)ienfd;en oor nod;


fc£)limmerem ©c^idfal ju ben)ot)ren ^).

33i§n)ei(en oerfcfimiftert fid) ber SSerroanblung-lgtaube fid)tbar mit bem


cigentümHdjen ^anbämoni^mul, meli^er bei ben @ried)en in oerfd)iebenen
3eiten emportauclit , o^ne je eine anbere binbenbe Formel ju finben aU
etraa ba» bunfle SBort be§ %^aU§> nccna ttI/jq^j ^ewr dmi, (ba^ ade»
mit ©Ottern erfüllt fei). ®a^ einjelne befonber§ merfroürbige ©egenftänbe

ber S^^atur el;emalige a)Zenfc^enfeelen in fic^ fortlebenb entljalten !önnen,


wirb erft üöHig üerftänblid) burd^ ben ^intergrunb eineg allgemeinen

©laubenS an bie 33efeelung ber 9iatur überl)aupt. ©iefer Sitfammen»

l)ang mirb befonberS fprei^enb bei ben SSermanblungen in größere lanb^

fc^aftlidje Dbjefte, in ©eroäffer unb Reifen. Sa§ 9}?eer ift oon ©ottljeiten

jebeg ^iangeS üöüig erfüllt big nal)e an bie ^bentität mit benfelben, fo

rcie %h[^ unb ^-lufegott bigroeilen faum ju fcl)eiben finb; in ben Sßogen

eines beftimmten ©tranbeS aber erfennt man ba§ befonbere Seben einer
Sfitimplie, wie 5. S. ber 2lrgi)ra (unroeit oon 2legion in Sldiaia); ber oon
il)r geliebte, bann oerlaffene unb an§ ©ram geftorbene §irte ©elemnog
wirb oon 2lpl)robite in einen i^üftenflu§ biefeS 9lamen§ oermanbelt ^).

t^in jioeiter ganj na^er Mftenftu§ mar bie „unfterblic^" geworbene ©eftalt

') Saut bem nid^t ganj beutlic^cn barft bie Slinbe be§ Säumet, unb geboren
Sföorte 5)3Iutarc^§ (?ßaraE. 22) rourbe fie rourbe2lboni§. — SSergt.^auh; s.v.3)lr)rrl^a.

DevtDanbett xruft rtQÖi'Oictv '^cpQodCTKjg. 2) SKntonin. Sib. 11. 21.


£aiit 2lnt. Sib. 34 f[el)te fie /ui^ti Tiagu 3) 5paufan. VH, 23, 1 ff.
— ®a^
Lioai ut'iT^ tf vtxQotg cpco'rjt'cci, ma§ eBenfo au^erbem noc^ eine nol)e DueKe 2(rgt)ra

gut auf oöHige ^ernid^tung al§ auf SSer= l^ei^t, ba^ ©elemnog bann nod^ a(g g-(uf5

raanblung in ein anbere§ Sßefen gelten bie Slrgtira liebt, Bi§ i^m 3[pf;robite baä
fann. — (Sine fernere Sarftettung iljrer 33ergeffen berfelben oerlei^t, jeigt, ba^ ber
35erraanblung 3lpoHobor III, 14, 4. — §öd)ft 9}it)tf)uä nocf) feine 33arianten fjatte. —
merfiDürbig ift in ber Sage baä raeitere : ;
Ueber 33oIina ift ^aufaniaS !urj unb nic^t

al§ bie 3eit i^rer (3d)roangerfcf)aft um n^ar i gon3 beutlic^.


10 JteHgion unb i^ultuä.

be§ 9)iäbc^cn§ 33oUna, bie oor 2lpoII flol) imb oon ii)m uerraanbelt würbe.

2lretl;ufa forool)! qI§ ber itir nad)fti:ömenbe 2lIp(;eio§ waren oerroanbelte


9)Jenfd)enO/ ii^ie fd^on bie Seibenfi^oft be§ j^luffeg beroeift; in ber Clueöe

©pbariS bei Jlriffa erfannte man ein oerroanbelte^ Ungetüm^); @ueno§,


ber feine enlfüfirle ^odjUx oerfolgt, ftürjt firf) in ben ^-lufe %!orma§
„unb wirb nnflerblid)"; ber %in^ fiei^t feitl;er (Sueno^^). 3tn felfigcn

©ebirgen ift Ijie unb ba ber f)öc^fte ©ipfel ein e{)emaliger Tliniä), wie

§. ^. bie „2ßarte be§ 33altos" in 2lrfabien; 33atto§ {;atte bem ^ermeg,


als biefer mit ben geraubten 9tinbern %poU oorüberpg, üer[prod;en, ilju

nid)t ju oerraten unb e§ bann gIeicf)rooi)( bem §erme§ felbft, aliS biefer

üerroanbelt üorfprad), um ha§> ©efdjen! eines Mittels auSgefdjroa^t; nun


aU ^elS „wirb er nie meljr oerlaffen von ^roft unb ^i^e*)". SBegen

3)iebftat)l§ rourbe '':panbareo§ in einen ^elS üerroanbelt-'). S)aB ©eftein,

roetdjeS üollenbs obenl)in einer menfd)lid)en ©eftalt äl)nlid} falj, al§ ein

burd) 9iac^e ber ©ottfjeit cerfteinerter 3}Zenfc^ galt, roar uuüermeiblid);

fo ber iQirt ^ragaleuS, roeld^en Slpott an ber ^anb ergriff unb oerfteinerte,

wo er ftanb, weil it)m berfelbe al§ (Sd;iebSrid)ler groifdjen brei ©ott^eiten

um ben 33efi^ oon 2lmbra!ia Unrecht gegeben tjatte^). S)e§ berüf)mten

^eifpielS ber 9iiobe wollen wir nid)t weiter gebenden ^). — äßenn im
aOgemeiuen bie 3SerwanbIung in ©ewäffer eine 23eIol)nung, \a eine SSer^

göttlidjung anbeutet, fo ift bagegen bie $8erfteinerung meift eine ^ad)t,

unb eine um fo fdjredUdiere, wenn baS 33ewuBtfein babei atS fortbauernb,


\a als ewig gilt^). 2lu(^ einzelne S^'iere würben bamit Ijeimgefuc^t, wie

5. S. jener Söolf, ber nod) lange ber ©reuäftein jwifd^en SofriS unb
^^f)o!iS war; einft Ijatte er eine §erbe beS ^^peleuS gefreffen^). ^a flippen

>) ^aufan. V, 7, 2 ff.


bei bem Slitgenseugen ^ßaufaniag ; erft au-S

'O 2(ntonin. Sib. 8. ber (yerne glaubte man ein flagenbeö 2Beib

3) ^lut. ^araU. 40. ^Ipollobor I, 7, 8. in ben Sinien beö 53erge§ 5U erfennen.


') 9(ntonin. 2\b. 23. ©cl)on bei |)omer {^l XXIV, 617) fütjlt

•) ebb. 36. ?liobe, obuioI)l uerfteinert, nod) ba§ Seib,


") ebb. 4. ba§ i[)r bie ©ötter angetan.
') Heber bie uerfcfitebenen 9(nfrf)QU= ") Sa^ ta^ üerftcinerte Sßefen aU%

nngen imb bie roirflid)en Äunben uergl. irgenbroie empfinbungSfäljig galt, jeigt bie
Sßi^fd^el bei ^auU; Slealenc. s. v. JJiobe. — G3efcf)icl^te Don ber ^riefterin ^obamcia,
Sie profaifd^e erflärunin, Giibocia SJioIar. ^:|Jnu)an. IX, 34, 1.

703. — 33ei eoptptle?^ 9(ntig. 825 ff. ift ») 2lntonin. 2ib. 38.
9!iobc ein tjanjes f)ot)e^@ebiri]e unb cbcr.fo
2)ie Sületamorpl^ofen. 11

im 9JJeer gelten alg oertüonbelte ©(${ffe, unb swat in ben un0 über-
lieferten 33ei[pieten al§> Opfer be0 gemeinen ©ro(I§ einzelner ©ötter.
Sefannt ift au§> ber Dbpffee bie SSerfteinernng beg ''^s(jäafenf($iffe§; laut

einer milefifc^en ©oge oerfteinerte Slpoü ba^ ©d)iff be^ ^^ompiIo§ unb

machte iJ)n pm gif(^ biefe§ 3^Qmen§, raeit ^ompilo^ ein üon bem ©otte
oerfolgteg a}Mbc^en f)atte retten raoHen^).

Sei ber SSerroanblung oon ajJenfdöen in organifd^e 3Befen ift üormeg


ber raeit oerbreitete 2Ba!)n oon ben SBermöIfen p erroäf)nen. Sie Slrfaber
j. 33. Ijatten ben 2lberglQuben, ba^ beim Opfer (roa^rfc^einlic^ beim ^atixt^'
opfer) beg tijfäifc^en QtuS^ iebe^mat ein 3)ienf(^ — offenbar einer ber 2ln=
roefenben — in einen SSoIf oerroanbelt raerbe, rotnn er fic^ babei beg

2Renfd)enfleifc^e§ entt)ielt, nur auf jetju 3^^^^/ k)" nid)t, auf immer.
Wian nannte einen 2ltl)leten 3)amar($o§, ber fold^e jetjn ^aljre burc^=

gemacht ^). 9ioc^ unter ^laxc 3lurel t;anbelte ber le^te 2JiarcelIug üon
©ibe in feinem großen mebi^inifc^en Sel)rgebicf)t von ber Si)fantl;ropie ^).

^atte bod) ber 2BoIf and) ©öttern gur ^üUe gebient unb Seto bie ©eftalt

einer SBötfin getragen, al§ fie ben 2lpoU gebar*).


®ie übrigen 33eriüanblungen in ^iere ert)alten it)re üodftänbige Se*
beutung erft, menn man fic^ geroiffe griedjifc^e 33olf§meinungen über ha^
STierleben im attgemeinen üergegenroärtigt, raeli^e fid) freilid; niemals
beutlic^ an ben Xaq, gewagt l)aUn. ^n Sleliang Xiergefdiic^te bämmert,
raie e§ fd)eint, bie 2lnfic^t oon einer sweiten bnrd^getjenben 3}?etamorp(jofe

ober boc^ 58ern}anbtfd;aft jwifclen geroiffen Sanbtieren unb ©eetieren,

n)el(^e benfelben 9kmen unb einjelne 2te()n(id)feiten ber ©eftalt (;aben,

ja öielleic^t ^raifd^en Saubpflanjen unb ©eepftanjen ^). SefonberiS intelligente

1) 2ltf)en VII, 19. — aieliau bist, finb bie 3]ent3anb(ungen in üierfüfjige Siere
anim. XV, 23. immer al§ Seiben, Strafe ober Stacke auf-
2) ^aiifan. VI, 8, 2. VIII, 2, 1—3. jufaffen. @. unten Dbijffeuä, ber al§ ^fcrb
SBergl. bei §erobot IV, 105 beii mal)n enbet. 2lrtemi§ „ücrtiert" bie ^aHiflo (uir
ber fft)tl^i[d)en 3?eureu unb ben 3J?t)t^u§ 33ärin) megeu ©d^roängerung. @ratoft§.
Don Sgfaott in [einen cerfdjiebenen SBen? ©atafteriäm. 1. Italante unb if)r ©eliebter
bungen. raerben in Sbmen üerroanbelt {änoltovrw-
3) ©ubocia Siolar. 662. S?,i'Ui), roeil fie ben I;eiligen Sejirf be§
*) Slefian bist. anim. 26. SBenn eä 3eu§ entrceif)t I)atten.

nitfit ein bloßer 3iudfd)Iu^ aug IpoKö ^) Slelian bist. anim. XIII, 3. XIV,
Seinamen Avxriytvr,g ift, ber richtiger ben 21. XVI, 19. $ßergr. Var. bist. I, 5, rao

Sid^tgeborenen bejeid^net. S3ei ajienfcfjen au^er bem {yud)§ ein ebenfo fc^Iaueä Sees
12 3ieIigion unb Änituä.

ober gegen bie SJlenfd^en ptunlid^e ^iere werben in einer SBeife befprodjen,

TOel^e auf üerroanbelte 2)Zenfd}en f)inbeutet, auc^ lüo bieS nirgenbl gefagt

rairb ; fo ber ägijptifd^e ä^ogel 3Ifteria§, iüe(d)er bie menfdilic^e Siebe oer»

fte^t (V, 36), ber ©(efant (V, 49, VII, 44), bie igpönengattung i^oro=
fottal (VII, 22), von ben ^^sferben roenigfienS bie 9kffe ber SgfofpabeS
(XVI, 24), raeli^e bie (Sried;en liebt unb bie ^Barbaren tia^t unb fliel;t;

aud) bie ^unbe in jenem unteritQlif($en Slttienetempel (XI, 5) ^), raeld^e

fid) ä^nlid) benal;men, finb ebeufo geroi^ oerroanbelte ©riechen aU bie

9tei§er auf ben S)iomebe§infein, üon raeli^en le^tereS au§brüdü(^ geglaubt


lüirb (I, 1)'). Sie pufige Siebfd^aft uon ©d)Iangen (VI, 63, VIII, 11)
unb anberen frieren (XII, 37) mit 9J?enf($en ^) läBt menigften§ »ermuten,

ba§ man e§ aud; ^ier mit üerroanbelten SJJenfd^en ju tun i)abi, unb
ebenfo bie ungefpro(^enen S^erträge unb Opfer, rooburd) einzelne äjölfer

mit 5ßögetn in ^erfe{)r^) treten (XVII, 16, 19). Unter ben gifd;en

mar ber al^^ iE)r ^önig geltenbe (XV, 17) ©elpl^in anerfannterma^en ba§
Opfer einer 9)?etamorp{)ofe^), unb ber fec^fte l;omerifd)e ^ijmnu^, mel(j^er

bie SSermanblung ber ti)rrt)enifc!)en ©eeräuber in 2)elpl)ine erjäljlt, ift

üieüeic^t nur eine üon t)erfd)iebenen ©agen ät)nlid)en ^ntjalte^. 93on ber

tier, ber a}Jeetfucf)§, Dorfommt. SSergl. aud^ einer I;örenben unb ergi3|te fid) mit ii)v

3lnttgonu§ § 49. Ser in ©ornen niftenbe unb fd^Iief mit if)r. 3n§ bie ©d^Iange aber
SSogel «l>t,9^o? fliegt auf eine ^uq^ («i--) gro^ unb mäd)iig gebie^, iDurbe fie con
unb fangt an if)r, § 45,
ebb. ben bürgern in bie ©inöbe gejagt (ju

') 33ergl. aud} Striftot. mirab. ausc. töten roagte man fie roo^l nicE)t). Vlatuf
109. ©onftige ^arteinaf)me »on Vieren in lid) rettet fie fpäter ben üon Dtäubern an;
betreff Don (Sint^eimifd^en unb gremben. gegriffenen Süngling- $it'r mirb nid^tg

2lpoaoniu§ § 11. 12. t)on einer ÜJietamorpi^oie gefagt, idoI)I aber


") Ueber biefe Steiger l^anbelt nod^ eine fold^e faft bcutlid^ uorau^gefe^^t.

umftänblid^er Slntigonuä § 172. Sßenn *) 2lriftotele§ mirabil. 118 f. loeif} von


©ried^en fommen, laffen fie fid) uon if)nen gemeinfamer ^agb von 3Jienfd)en unb
berühren, füegen x\)mn m ben ©d^o^ unb §abid)ten auf 33euteteihing ju Kebripolig
tun freunblic^ mit i^nen. Saut 2lu§fagc in 2;[)ra!ien. ®bb. umftänblid)e ftumme
ber äJerooIjner finb cä üerinanDelte ©e* SSerljanblung 5n)ifd^en ben abriatifd)en ©ne=
fäE)rten beä Siomebeg. 9Jäf)ereg über i^r tern unb ben S)üljlcn sur Stxt ber 2luäs

Ser^alten, j. 33. gemcinfamc 3?ertei(ung faat. Siefeiben Slugfagen bei 2lntigonu§


ber Seute S^jc^eä ad. Lycophr. t)02. § 28 unb § 173;
3) ^ierju nuc^ Stelian V. H. XIII, 46. ^) 2)ie®elp^inefagen e§ felbft, Sucian
3n ^^aträ faufte ein ilnabc eine fleine deor. marinor. dial. 8, 1. — '^tjv men^
©erlange unb f;ielt fie forgfältig, unb alä fc^enätjnlid&er Saut beS ©eufjenä ©olinuS
fie I)eranrouc^§, fprad) er ju i()r inie ju c. 22, roo nod^ einige^? 2)Jerfn)ürbige.
Sie 3Jietamorpl^ofen. 13

9=tettung Slxion^, von ber Siebfc^aft eine§ ®etpt)in§ mit einem (gpl^etien

üon 3flfo§^) fprad^ baS gonge 2lltertum unb bie ^afier prägten ben auf
bem %i\<^t fi^enben 3w"S^i"9 ^"t it)i^^ 9)iün§en. (Sin uöüig men[d)lidje§
33ene{)men tritt and) fonft an ben 5iaq,: im §afen be^ tt)rafifd)en 2Iino§

ertro^en bie ®elpt)ine bie ^reilaffung eines ber irrigen, welcher üermunbet

unb gefangen mar (V, 6, oergl. XI, 12, au§ SlriftoteleS). S)i§frete

gifd^er laffen überf)aupt bog Xier entraifdien, gumol roenn bie übrigen

maffen!)aft f)erbeif($n)immen unb in ii)ren {)eftigen Seraegungen etraaS


mie fteljentlic^eS Söitten liegt-), ^a bie Selpt)ine bringen ii)re Xoten on
ben ©tronb (XII, 6), bomit bie a)ienfd)en [ie begraben, unb e0 finben

fid^ 3}?ufi!t)eref)rer, meldte bie§ mirflid) tun an§> 3Kidfid)t auf bie feit

2lrion§ 3<^iten berü{)mte ,/^f){lomufie" beg S)elpE)inö ^). 2luc^ ber ^einb

beSfelben, ber ^tft^ ^^ompi(o§, ift (mie erraäl)nt) ein üerraanbelter 9Jienf(^.

2]on ben 3:;f)unfifc^en wirb bieg groar nid)t beutlid) gefogt; roenn ober

regelmäßig gefütterte unb gefc^onte bie roilben täglid) an bie gifi^er ju

»erroten pflegten, roie bei ber ^nfel ber 2ltt)ene üor ©pibomnoS gefd^ot),

fo liegt roenigften§ I)ierin ein 23enel)men, roeldieä fonft nur unter SJlenfd^en
üorfömmf*). ^n bem ^^eid^ beim ^ofeibonstempel oon Slugeioi (in fpar=

tonifdiem ©ebiete) roogte man nic|t §u fifc^en, rceil unter ben bortigen

ein üerroonbelter aJtenfc^ fein fonnte, unb jroor all Sloubfifc^ ^alieuö^).

@ine oermutUd) jiemlic^ allgemeine 3Infc^auung ließ bie 3Jienfd)en»

feelen o^ne Unterfd^ieb in ©eftolt üon Vögeln roeiter leben, roeld^e ja

ouc^ für bie ©ötter eine l^äufige ©rfd^einunggl)ülle waren. 3fo(^ in hm


frül;eften d;riftlic^en ^atofombenmalereien bebeutet ber SSogel oft bie

^) SBoju eine ^araöelgefc^id^te au§ -) aSergl. auc^ 2lntigonu§ § 55.


rL.mifd^er Qtxi 6ei ^UniuS epist. IX, 33. 3) 2:ie @efc^id;te be§ Strion finbet fid^

Sßeitere Selp^ingefd^id^ten auä ber Stömer^ bei §t)gin fab. 194 mit fetir eigentümlictien,

seit bei ^ün. H. N. IX, 8, 2t. (SeUiug üon |)erobot abroeic^enben BüS^"- 21I§

VII, 8. — Selp^ine bringen bie Seiche Vorbereitung eineg See!riege§ ga(t e8, alä

be§ ermorbeten unb inö SReer oerfenften ©elp^ine einanber eine heftige ©d^Iad^t

§efiob om brüten %aa,t an ben ©tranb, lieferten, ©io ©äff. XL VIII, 52,

Hesiodi certamen. — Saut bem altern *) SSon SSeriüanblungen in SWufd^eln


^^iloftratug (Imag. 1, 19) brad^teSioni^foS eriDäfmt atelian (XIV, 28) bie beg ein»

in ben 2:grrt)enern, inbem er fie üenoan; jigen So^neg be§ ?Jereu§, 9Jeritog, an
bette, jugleid^ eine SBanbelung »om Söfen roeId)em2tpf)robiten)egenunerraiberter Siebe

in§ ©Ute Ijerüor, fo ba^ in ber g^olge ein biefe diadfZ übte.

2)e(pt)in ben i"cf)Iummernben ^alämon trug, ^) ^paufan. III, 21, 5.


ein anberer ben Strien rettete.
14 Jleligion imb ÄuUu§.

©eele ^). 2)ie[er 33orjug ber SSöget oor allen übrigen S^iergottungen Ijing

offenbar an ber 3)ieinung, ba^ fie üüger feien aU anbere SCiere unb ba^
fie miteinonber fprerfjen fönnten. 3ln einjelne asöget fnüpften fii^ aber
eine Slnsoljl ^lyt^tn, unb §icar roirb bann ber oerwanbelte 3)ienfc^ in
allen @j:emp(aren ber betreff enben ©attung roeüerlebenb gebadjt, a[§>

ftammlen biefe oon t^m ob: ^:profne lebt in allen ©c^roalben, ^f)iIomela

in allen ^Zadjtigatten fort. ®ie SSerioanblung gilt aU eine jum &iüd


ober guni Unglüd, an§ ©nabe ober aus dtad)^ gefc^efiene, je nad}bem ber
betreffenbe Ssogel bei ben 9Jtenf(^en in ©unften ift, je nadibem er für
fröfjlii^ gilt ober nid)t. ^k unb ha mifc^t fic^ ber ©d^erj ein: 2lIeftn)on
war ein üon 2lreg im §aufe beg ^ep^äftoS aufgefteUter 2ßäd)ter, welcher
rcarnen follte, wenn biefer Mme; all er e§ einft oerfd;lief unb ^ep^äftol
feine @emal)Iin bei bem ^riegSgott überrafd^te, oerroanbelte biefer ben
2lIe!tri)on §ur ©träfe in einen ^aljn, unb feittjer ftimmt berfelbe immer
feinen ©efang an ju ber ©tunbe oor ©onnenaufgang, ba ^ep^äftog [;eim»

3ufel;ren pflegte '^).


3mmer(;in gab eg noc^ fpät geroiffenljafte Seute, meldte
ha§ gleifd^ folc^er ^ögel, bie oon ocrroanbelten 9Jienfci^en abftammten,
tuie §. ^, baS bei ^^'erlljutjueS (ber ä)feleagri§) nidjt genoffen ^), fomie
mon and) geraiffe STiere, bie all beftimmten ©Ottern Ijeilig ober al§> Qv
gö^Iidjfeit {adigyaia) berfelbeu galten, meber gu fangen noc^ ju effen

pflegte, n)ol)l aber biefelben, wenn fie tot gefunben lourben, förmlich be=
ftottete mie e§ bie 2legi)pter mit mand)en 2:;ieren madjten*).
@0 ift nidit gu oenounbern, ba^ au($ bie ^ermanblung befonberl
tugenbljafter 2:iere in 9)tenfd)en menigftenl benfbar mar. ^ie ©tördje
galten al§ el^rfurc^tlootte Pfleger iljrer ©Item unb al§> i)öd)\t liebeooa
gegen iljre Sangen, unb be§l)alb fommen fie, roenn fie felber alt geworben,
auf bie ^nfeln bei DceanI unb werben bort gu 3)ienfd^en ^).

Sie SauBe ^at l^ierbet »on altera lüanbelte gefangliebenbe ü}Zenfd^en fein, ein
i^er einen bemerfen^roerten 3Jor3ug. Q. 58. &ianf)t, beffen bie bortigen 33ar!en[d^Iepper
am 2ltf)og, roo bie flotte beä aEerjeg ©c^if[= freilief) fpotteten, Sudan de electro c. 4. 5.
bmd) gelitten, erfd)ienen nad[)f)er roei^e Sau- Sie 3]ern)anblung ber fd^önen in ben ©n^
ben. 2telian V. H. I, 15. btjmion uerliebten 3JJi;ia burc^ il^re 9Jeben=
^) ©ubocia SSioIar. 42 aii§ Sibanioö, 5ul;lerin ©elene (S'ucian muscae encomium
Sucian somnium c. 3. c. 10) ift niol)l ein ©d)erä fpäten Ur»
") aielian bist. anim. IV, 42. fprungeg.
•) 2lelian bist. anim. XIII, 26. — '')
9lelion I. c. III, 23 aug 2l(eEanber
2)ie ©d)n)äne beg gribanoä follten t)er= beut 3)?i)nbier. — Sajj bie ©tördje cigent=
:

2)ic 3Jietamorpf)o[en. 15

%viä) bie in ^flanjen oerraanbelten 3)ienfd}en leben eigentlich in allen

33äumen ober ^Blumen ber betreffenben 2lrt rceiter, nur finb 9)Zotiü unb
Hergang ber 3)Zetomorpl)ofe l)ier bisweilen fel^r wanbelbar. 2Sou ben
3Sarianten be§ 9}iptt)ue ber ^apljne ift be[onber§ auffattenb bie folgenbe

bie oon Slpotl üerfolgte unb bereits ergriffene i^ungfrau flel;t ju iljrer

9}iutter, ber ®äa, fie aufäunetjmen, unb e§ öffnet fid) ein ©rbfpalt, in

raelc^em fie oerfc^rainbet, bann lä^t &äa, um StpoH ju tröften, eine

Sorbeerpflanje emporf priesen '). ^m 9}h;tl)u§ oon 91arfiffo§ ift e§, noct)»

bem ber Jüngling ertrunlen, ebenfall» bie ©rbgöttin, welche bie Slume
raad^fen lä^t, bie beffen 3fiainen trägt. Qu beiben j^ätten tritt an bie

(Stelle ber ^bentität beS oerf^raunbenen 9}ienfcl)en mit bem ©eroödife

el)er ein (Srfa^ jenes burc^ biefeS, inbem fiel) baS ©efül)l geltenb maä)t,
ba§ eine ^ßerroanblung auS 3}ienfdj in ^flanje fdjon feine 9Bol)ltat unb
üoüenbS feine 3>erflärung mel)r fei; baljer fie nur nod^ als ©träfe unb
9iac§e beutlid^ feftge^alten wirb; fo §. 33. gegen bie meffapifdien Wirten,
bie ju Säumen mürben bei bem Heiligtum berfelben epimelifd^en (gerben*

befc^ü|enben) 9Zt)mpl)en, mit meieren fie um bie 2Bette getankt Ijatteu"),

inbem fie biefelben für fterblid^e 3Beiber t;ielten. 2luS jenen 33äumeu um
ha^ 9tpmpf)enl)eiligtum tönte eS nod) in ber 9iömer§eit nad;t§ Ijeroor

mie ein 3Beinen. Sie Saumnpmpt)en fetbft, mie fie ber l^omerifc^e §pmnuS
ouf 3lpl)robite {^. 258 ff.) barfteHt, gel)ören freiließ einer ^öorftellung an,

meli^e gum ä^ermanblungSglauben einen uölligen ©egenfa| bilbet, inbem


gleichseitig mit ber ©eburt jeber berfelben eine %\ä)U ober ©i(^e eriüädjft,

meiere alfo neben unb au^er il)r ej:iftiert, unb bereu 2lbborren baS ^äd)tn
ift, ba^ bem groar fe^r langen, aber nid)t emigen Seben ber 3h;mpl)e

butc^ bie 2Jtoira ein ^i^l Ö^fefel f^i- 2Bo fid) ^^^^w biefe Slnfdjauung
mit ber 9)ietamorpl)ofe fombiniert, mie 5. S. in bem 9}ii;tl)uS ber 2)ri)ope ^),

gefcfiie^t eS fo, ba§ bie Sipmpljen bie Jungfrau auS 2ßol)lroollen „entfüljren"

lid^ SJienfc^en finb, üergl. bie ©agen bd -) aintomn. Sib. 31. — greilid^ aud)

Stebrcd^t : beg ©eruafiuS oon 2;it6urg otia 9?t)mp^en fetbft fonnten burd^ eine ©ott«
imperialia, ©, 157, rao nocf) anberer, älju- f)eit in Säume üerrconbelt werben, roenn
lieber 2lberglaube berid^tet roirb. — Sabriog aud^ nur für ben 2lugenb(id. Sßergl. bie

fab. 13 fagt ber ©tord) üon fid^: mriruii' oben (©. 8, 2(nm. 4) erroäl^nte ©rää^Iung
nt'/.noy6g tvaißiaTcnoy I^mwv tov t\u6i' oou ben burd^ ^ofeibon in Rappeln oer-
TL&rivdi TictTkQU y.(d yoari'Aivu). roanbelten ^Jpmpl^en om Dt[jrr)§.

1) ®ubocia SBioIar. 259, 593. 3) ebb. 32.


16 Sleligion unb ^ultul.

unb im SBalbc uerbergen, je^t al§ eine ber S^^igen, ftatt i^rer ober (ober

aU il)ren Seben^baum?) eine Rappel qu§ ber (grbe uiad^fen unb eine

Duelle bobei entfpringen laffen. Unb in äljnlid^er 3Bei]e marf)en fie oul

3Jiitleib bie üer^roeifehibe 33i)bli§, roäljrenb fie biefelbe in ©c^Iaf oerfenfen,

ju iljrer ©eno[fin, jur göttlidjen ^amabrijabe ^). ®aB fie ober and) eigentüdje

SSeriüttnblungen ausüben fönnen, würbe bereite gefagt, wie benn jroei

a}täbc§en, n)eld;e jene @ntfü{)rung ber S)rr)ope ben Seuten be§ Orte§ ge»

melbet Ratten, oon i^nen in giften üerroonbelt würben. — Dieben biefem

allem jebod) finbet fic^ noc^ eine a)leinung, roonad) bie 33oumm;mpl)e

nid)t oon iJ)rem 33anne getrennt, fonbern in bemfelben lebe.

i^m ©c^o ernannte bie alte SBelt irgenb ein üerfd^rounbeneä unb in

einen bloßen ^att üerraanbelteS SBefen, nad) ber gen)ö()nlid)en SOieinung

eine 9^ijmpJ)e als ©eliebte beS lärmenben ^^san, (aut einer 'i^arionte aber

ben ilnaben ^\)la§> '). S)ie 3it)mpl)en, bie itjn entfüt)rt, fürd)teten, ^eraüeS
möd)te if)n bei it)nen finben unb oerroanbelten i^n in ba§ (Sd)o; nun tönt

bem ^x)ial rufenben gelben iebeSmal ein §tjla! jurüd; nod) in fpöten

Reiten, wenn bort am Sa^e 2lSfanio§ bie llmrooljner opferten, rief ber

^riefter iijn breimal, unb breimal antwortete ber SBiberljatl.

Sind) SSermanblungen oon SJienfd^ ju 9}Jenfc^ l)at ber alte ©eelen^-

roanberungSglaube I)ie unb ba gelten laffen. 2tuf oieleS glelien einer

SJiutter l)in, gur 23ermeibung brol)enben UnglüdeS, uerroanbelte Seto ein

9)Jäb(^en in einen Jüngling ^).

2tuSbrüdlid) oon ber 3Jtetamorpl)ofe gefd)ieben^), ift bie ©ubflitution,

moburd) bie (SJottl)eit einen aJJenfd^en au§ ©efa^ren rettet; ftatt ^p^igenienS

erfc^eint eine ^inbin, ftatt ber Helena ein ©(^einbilb, foroie einft 3^"^
bem ^Eioit ftott ber igera eine SBolfe überlief. Um ber 3[sorftelIung ben

Hergang ^u erleidjtern, roirb 5. ^. beim Opfer ^P^J^Ö^^i^^'^ erjätjlt, bie

ac^äifc^en ätnfü^rer t)ätten babei iljre 2lugen abgeroenbet^).

3)ag ©ottroerben eines 3)ienfd^en tritt biSraeilen bei feinem natür»

1) ®6b. 30. — 3ebc 2lutnar)me unter ^) 2lntonin. Sib. 17. — ©eö JirefiaS
bie 9?9mpl)en roirb alg eine 2lrt üon ©eligs nidEit äu gebenfen.
feit gegolten l^aben. *) 'Jlbgefel^en oon jenen oben erioäl^ns

2) ebb. 26. — 2)a§ Jolgenbe ift bie ten, mel)rbeutigen 33erroanblungen in ^sflans

einfac^fte Sluefage, roomit ju Dergleichen 5en, roo bereite bie Subftitution mit I^ins

bie S^arftellungen bei 2:^eofrit (XI] I) unb einfpielt.

aiporionius Jt^obiuä I, 120G, (J.


f.
1239 ff.
•') 2lntonin. i'ib. 27.
2)ie 3)ietamovp^ojen. 17

Ii($en ober geioallfamen aber freiroiüigen SCobe ein; iltefijtta, von ber
fonft nichts 2luBergeroö[)nüc^e§ überliefert \\i, roirb beim 2lu§tragen auf
ber 33a{)re jur Xaube, unb ifjre ßanb^Ieute roerben hnx6) ein Drafel
angeTOiefen, fie alg 2tp{)robite p oereiiren -). S)ie junge Slfpoli^ au?^ bem
tf)efialifrf;en SOJelite t)at fic^ einem Xprannen burc^ ©elbfimorb entjogen;
inbem man fie aber {;errlidj beftatten roill, finbet fid^ ftatt ber Seidic ein

Xoanon ober :QoIjbilb oor neben einem (bereite üoriianbenen) ber StrtemiS,
unb jenes erf)ält nun feine $öere()rung unter bem Flamen SlfpaliS 2lmeiIeto§

^efaerge^). äöat)rfcf)einlic^ gilt fie fortan roie eine 6(^mefter ber 3lrtemi§.

:^ebenb oerfc^roanb 33ritomartiS, inbem fie auf 3{egina oor iljrem §ubring*
lid^en ©c^iffmann in einen ^ain entroid); feit()er rourbe fie göttli(^ oeret)rt

a[§> 2tpt)ae, bie Unfii^tbare ^). Saut anbern fprang fie in§ aJJeer, unb
beibe Sagen mögen iuo{)I urfprünglid^ ©innbilber be§ untergel;enben

3)ionbeg geroefen fein. (Sine beutlid)e ^eförberung eine!§ a}ienfcf)en jum


©otte ift bie be§ ^ifc^erS C^IaufoS oon 2lnt{)ebon, nac^bem er oon einem

geroiffen ^raut gegeffen, jum roeisfagenben 2)ämon be§ 3Jieere§^). 3iud^

^no unb a)JeIiferteg gefjören i)kx^ix, bie, narfibem fie in§ 9)leer gefprungen,

SU ben @ottt)eiten 2<intott)ta unb ^^alämon geworben finb unb ben ©ee»
fal;rern im ©türme tielfen, unb ebenfo ber gum ©otte geworbene
3tmpI)iarao£. 2Bir {;aben eg I;ier mit einer früljen Strt oon @uJ)emeri§'
mu§ 5U tun.

Sie SSerfe^ung unter bie (Beftirne be» ^ijfternljimmelS bürfte I)ier

übergangen roerben, ba fie erft in einer oeriiältniSmä^ig fpäten ^tit oor»

fommt, bie beS rein mpt^ifc^en 2lU!obrucEe0 fc^on nicf)t mef)r fäE)ig mar,

baf)cr benn aud) gerabe bie eigentlicf)e SSerroanblung in ba§ betreffenbe


©ternbilb groeifelfiaft ift ober oöHig ausbleibt. Sßenn bie ©ötter, um
5- S. ben ©ieg be§ ^erafle» über ben nemeifc^en Söroen gu feiern, bie

©eftalt eine§ Söroen an ben .^immel malen ^), ober roenn fie ben 'äätU\>io^

Slntonin. 2ib. 1. — §ier ift ratc^tig: ^) ©0 brüdten fic^ bie ©päteftcn au§,

5PauIt) 9iea(enc. 2lrt. 2lcontiu§, mit ben 3. 33. ®ubocia, SSiolar. 602. 740, nad^bem
Unterfucl}ungen Don Suttmann. bie^rü^ew überhaupt nic^t gefagt l^atten,

2) ebb. 13. mie bie betreffenben Spiere unb gelben


3) @bb. 40. nnä (Jirmament gelangt feien. — Sei Sudan
*) ^aufan. IX, 22, 6. — 2ltl)en. VII, (de saltatione c. 44) |ei§t eg aud^ merf«
47 f., eine merfraürbige ©teile für bie 3SieI= roürbig unbeftimmt üon Äaffiopeio, 2lnbro*
geftaltigfeit ber ©agen über eine einjelne meba unb Äep^euä: oil? xai lioTgoig iy-

^igur. xccTt^i^ty r, Tujf {xtrci. xuvTa niaric.


3. »urctfiatbt, ©riec^ifd^e fiulturgefc^ic^te II.
18 Üieligiott unb ^ultug.

aU ©c^tangcn!)alter (Opf){ud)o§) om §immel „roeifien" (ui'n'Qomur), fo

ift bamit !aum me!)r al§ eine @{)renbe5eugung gemeint. Ueber Orion
nnb feine ganje ©ruppe oerraeifen wir auf bie trefftid)e ©arftellung in

^sreEerS 9)?ptI)ologie; ber ©rob niirfüd^er ©egenroart biefer mr)t^oIogifd}en

SSefen nm ^immel bleibt eben boi^ ber fd)iüan!enben 2lljnung übertaffen.

©ine SDZetamorp^ofe finbet fid) aber in ber ©age ber 2lonen int böotifc^en

Drc^omenoic , unb biefe^) fc^eint üolfgtümlid^ überliefert gu fein. 3"^^^

Jungfrauen liatten fi(^ bei einer ^eft ouf ©pruc^ eine§ Orafelg l)in frei'

lüiHig mit iljren ^aarnabeln erfto(^en; ^^erfepljone unb 2tibe§ liefen au§
SJlitleib il)re Seichen oerfdiroinben unb bafür jroei ©terne — unb graar

Kometen — au§ ber @rbe auffteigen.

SDie ©öttlid)!eit ber gri3^ern §immel§!örper, ©onne unb 9)ionb,

üerftel^t fid^ üon felbft unb l^at mit ben a)^etamorpl;ofen nic^tl gemein;
and) 9)Zorgenftern unb 2lbenbftern finb nic^t SSerro anbiungen ber Sio^furen,

fonbern oiefleidit itjre urfprünglidiften ©eftalten-).

2lntonin. St6. 25. ^) ai5eitere§ ju ben 3}Jetamorpl^ofcn


fiel^e 9?acfitrag 1.
II.

Die Griechen und ihre (oötter.

jnbere ^oIi;tf)ei§men finb in ben großen geiftigen ^rifen bcr be»

treffenben ä>ölfer einer ©ijftematifierung, einer tf)eoIogif(f)en

$Berein[od}ung anljeimgefaffen. (Sin ftar!e§, äufammenl)ängenbe§


^srieftertum , raie e§ bie ©riechen in feiner ^eriobe il;re0 '^a-

feinl befa^en (foroenig ot§ ein gemein[ame» ©toat^roefen) , ^at fi(^ er=

tjoben unb bie 9ieligion mel^r ober weniger ber 9tef(erion unb ©pcfulation
Untertan gemacfjt. 3Bo eine foId)e ^roft 9}ieifter lüirb, maä)t fie ber
9)Jijtf)enbi(bung ein ©nbe unb fteEt an bie <B\n^t ber SJeügion ein ©ötter»

paar mit einem jätirlid^ neu ergeugten unb [rüE) geftorbenen ©ötterfotin
ober eine Sl^rimurti ober groei äßeltprinsipien mit bämonifi^em ©efotge
u. f. ra.; ha^ übrige rebujiert fid; auf Sofalgötter, 9iebenbämonen unb
aJiärdiengeftoIten. ®er griecbifc^e ^oIi)tt;eigmu§ f)at fid) biefer <St)fte=

matifierung erroeljrt unb feine alte, aüer 9ief(ej;ion oorange^enbe ©eftalt


betjauptet ; ber 2;^eogonie blieb e^ unbenommen, in bie gemattige SSieltjeit

be§ @ötterleben§ einen 3iM'^iii^nentjang ju bringen, aber auc^ fie mar


nid)t ba§ 2öer! oon 3:{)eologen, fonbern oon oolfstümlic^en ©ängern unb
änberte nichts am SBefen ber ©ötter. ®ie religiöfe ©pefulation ber

Orpt)ifer unb be§ ^^ijttjagoraS fam oiel ju fpät, unb fie fonnten bem
•§omer nnb bem ^efiob nur einen ot)nmä($tigen ^ajg roibmen. ®ie
ipl;i(ofop()en ber golgegeit aber, fo oiele^ fie aud) über ©ötter unb @ott»

t)eit üorbrac^ten — biso gum aJionotljei^muS unb anberfeitg bi§ jur oöüigen

Seugnung ber ©ötter — l;aben auc^ nic^t ©inen fteinen ©Ott ober §ero^
oon feiner ©teile im ^solf^fultug entfernen fönnen.

3nnäc^ft roirb allgemein zugegeben, ba^ bie gried)ifc^en 3tnf($auungen


ju bem großen ©runbfapital be^ ©Iauben.§ ber arifd^en ^i>öHer geljören.

SBeit über oiele Sauber ^inau§ ^at man in bem ©ötterroefen ber 'iSeha^
.m(^t nur alte 25ermanbte oon @rie(^engüttern erfannt, fonbern fogar eine
20 iReligton unb ÄuItuS.

2ln§a{)( von Df^amenganf längen oerfolgen fünnen; ntc^t ju gebenfen einer

großen a}ienge üon ©ngen unb inr)tf)ifrf)en 3Inf(^auungen , roelcfie bie

©ried^en mit anbern 2lriern teilen, ^m ©runbe läge alfo bie j^orfd^ung

über ben Urfprung ber ©ried^engötter um eine grofee ©tufe ^ö§er xüä>
roärtl. ^mmerljin betreiben wir un§, in biefen beftrittenen ?^ragen feine
eigene 2lnfidjt gu Ijaben.

Slllein in ben alten «Stämmen, au§ melclien bie ^eüenen Ijerüorge»

gangen [inb, lebte nod^ eine foldie 33ilbfraft, bafe auf bem Söoben ©riec^en-
lonbS unb bc§ oorbern unb füblid^en ^teinaftenS bie gange ©eftaltenroelt

ber ©Otter unb göttlirf)en Slräfte neu umgefc^affen ober gefd^affen raerben
fonnte. Unb nun fnüpfen fidl) on ben Drafelfi^ üon ©obona groeierlei

2lnfi(^ten, meldte fd;einbar ein 2lnrec^t auf l^o^eS 3llter unb Urfprung»
lid^feit liaben.

S){c eine, t)on ^erobot (II, 52 ff.) tjertretene gel)t bal)in, ba^ bie

al§ SSorfal^ren ber ©rieclien geltenben ^ela»ger bie ©ötter üerel)rt l)ätten,

o^ne bereu 9iamen ju fennen, roelcfie iljuen erft fpäter au§ 2tegr)pten

jugefommen feien.

5DieS wäre unrichtig fd^on wegen berjenigen namentlid^ befannten


©ötterroefen ber 33eba§, meldte mit gried^ifi^en oerroanbt finb, ja bereu

S'tamen mit griecf)if(^en jufammenflingen foHen. ©obann mu§te man


©injelnamen ber ©ötterroefen liaben, fobalb eine Slngal^l oon folcEien

unterf(i)ieben unb oerelirt mürbe ; aud^ raenn bie ^elaSger fie nid^t einmal
mit 9kmen laut angerufen Ratten, mußten fie bocl; unter fid^ von benfelben
fpred^en unb fie einzeln beutlid^ bejeidjuen fönnen. 'änö) möge mon er=

roägen, mie unglaublid^ fru^tbar bie ©riechen fd^on naä) ben frül;eften

üorl)anbenen 3eugniffen im (grfd;affen oon beftimmtcn (Sinjelgeftolten unb


bereu 9lamen geroefen finb. Sie Uebertragung äg^ptifd^er 9lamen enblic^

ift ein ^rrtum, ben niemanb oerfid^t.

Sie gmeite Sel)re üon ©obona, mie fie unl au§ bem ©efang ber
^sriefterinnen, ber fogen. ^eleiaben^), entgegentönt, fd)eibet ba§ ©öttlid;e

unb bie SBelt in §roei groBe 3)Md^te:


„3eu§ mar, Qtn§ ift, ^^ui rcirb fein, o geraaltiger Qzni bu!
®e bringt grüdjte i)ixoox, brum preifet al§ lUutter bie @rbe!"

') ^aufan. X, 12, 5. Sanac^ fjätten 1


fungen. 9]erg(. bie 2ßorte beä ^!^ere!i)be§-

fie biefe tn>j juerft oon allen rceitern ge= 1


oon ©yrog bei 2)iog. £aert. I, 11, 6.
!Die ©ried^en unb i^rc ©öttcr. 21

2llfo üermutlic^ ein 3ßitg^nbe§ unb ein ©mpfangenbe^ ; nocf) ^Naufaniaä

!annte (I, 24, 3) ein 33ilbn)erf: @äa, hin 3eu§ um biegen f(et)enb. ^n
erweiterter Sluffaffung mag 3eu§ ben 2(ett)er, bie großen unb fteinen

^immelSlidjter unb oüeg 9)^eteorifc^e umfaßt ^aben^), &äa, bie ^errin

ber unterirbifc^en J^räfte unb ber in ben ©räbern noc^ lebenb gebac^ten
9}?enfc^en, auii) ber DraM geworben fein. 2Sal;r[c^ einlief eine jener in

fel)r alter 3eit mit gewaltiger 9}W§e gewonnenen 2lbftraf tionen , weli^e

boc^ ni($t ein ganj Urfprünglidjeä ftnb. ©olc^c fönnen bann naije unb

ferne grofeen (Sinbrud auf ba§ $BoIf macf)en"), o£)ne bod) beffen fonftigen

©tauben au§ ben Slngeln gu iieben. ©iefer aber wirb bei ben ©riedien

(foweit wir über£)aupt mit unfern Sltjuungen reichen) bod^ et)er ein

^sotijttieiSmuS gewefen fein; 9laturreligionen, wie e^3 bie arifc^en im ©runbe


finb, werben wotjl am eljeften begonnen t;aben mit 6onne unb 3Jtonb,
mit Sßetterbämonen fcfiredlic^er unb günftiger 3trt, mit @ott()eiten be§

Äriegeg unb ber ©ntbinbung, mit ber $ßeref)rung oon Duellen unb glüffen,
unb wo man an einem ©tranbe lebte, mit ben ©eftalten ber SJZeere^flut.

3)iefe alle mögen oorljanben gewefen fein uor unb neben jener Söeltteitung

jwifd^en ^tu§' unb @äa.


^mmer{)in ^at bie neuere gorfc^ung^) wenigften§ an jene» 2Öort

be§ ^erobot wieber anpfnüpfen gefuc^t: „3eu§ war für jene 3eit nidit

;bIo^ ber oberfte ©Ott, fonbern er war auc^ ber einzige, bem biefer 9lame

gufommt. S)enn bie namenlofen ©ötter, üon weldjen ^erobot berichtet,


wa§ fonnten fie anber§ fein al§ eine ©c^ar panbämonifd^er SSorftettungen
gweiten ©rabe§? Unb al§> fie bann 9Jamen er{)ielten, ha waren e§

§erme§, ^ofeibon unb bie 3)io§!uren, :Qera, ^eftia unb X^emil, bie

e^ariten unb 9iereiben — elementare ©eftalten unb ©attung^wefen."

Slttein namenlofe t)öi)ere einjelmä^te finb wof)l, wie gefagt, überhaupt

^) ®er 6efonber§ auggefc^iebene öim^ 3) 3Ki(c^§öfer, bie Stnfänge ber Äunft

mel^golt Urano§, ben man in bem SSaruna in ©riec^enlanb, ©. 113 f.


— S« i'e'"=

ber 3]eben roieberjuerfennen glaubt, mag felben SOßerf ja^lreic^e 2lbbilbungen ber

f)ier au^er j^rage bleiben. älteften, au§ Sknfd^ unb Sier fonber=

-) SDJan bearf)te inbeä bie ungemeine bar gemifd^ten göttlid^en unb bämonifc^en

©elten^eit be§ ^ultuS ber ®äa in ber aOßefen auf gefdönittenen Steinen, roeld^e

l^iftorifc^en 3eit ; f)ätte fie iemalä jene all« rcaf)rfd)einlic^ al§ Saliämane getragen

gemeine ©eltung Befeffen, fo roürbe bieä rourben.

-anberg nad^geroirft l^aben.


22 9ieIigion unb ^ultuS.

für feine 3^it anjunefimen , unb felbft, raenn btefe ©inselmädjte , raeldje

fpäter §erme§, ^^sofeibon u. f. in. gemorben fein follen, feine 9kmen


gehabt Ijätten, raer roill beroeifen, bafe fie nic^t bereits i^re ^ulte ber

3Serei)rung ober ber 2(ngft genoffen? b. f). wer fann itjnen ha§ ^^sräbifat

ber ©öttlic^feit ftreitig machen unb überljoupt „©reibe" unterfd)eiben?

Tlit Unred)t aber finb Ijier in ber ncimlidien 9iei()e aud) (£i)ariten unb
9?ereiben mitgenunnt, benn biefe, fanit unjä^ligen anbern Söefen meift
elementarifc^er 33ebeutung, lebten in ber gried)ifd)en raie in anbern
^Religionen al§> gan^e Kategorien, unb auf biefe Kofleftiüioefen pflegt man
auä) n)of)l ben 3camen „©ämonen" gu befd^ränfen. S)iefe l^aben bann
allerbingS entraeber nie ober erft beträc^tlid) fpäter, unb nic^t burd) ben

©tauben, fonbern burc^ ^^oefie unb Kunft 3Iamen, b. l;. ;3n'^it)ibualität

erf)alten, bi§ gute^t bie 58afennialer fogar ben einselnen ©atijrn ©igen*
nanten beifdjrieben.

^ö($ft raafjrfdjeinlid) lebten unb beftanben in jenen Urgeiten ber nod^


nii^t oöQig auSgeglid^enen gried)ifd)en 9ktionalität fel)r oerfc^iebene ©e*
ftalten oon ©ötterglauben unb ©ötterbienft je nad) ©egenben unb 33e=

üölferunggfc^ic^ten nebeneinanber, ein '^orbeljalt, roeldien man nie wirb


au§ ben 2tugen laffen bürfen. Unb nun roirb gugugeben fein, ba§ ^tn^
in alter ^ät roirflic^ ein ^rimat anberer 2lrt befeffen fiabe al§ fpäter.

@§ ift möglid^, ha'^ biefer ©taube in ©obona guerft eine 3trt oon abftrafter

tt)eologifd^er Raffung annatjm unb jenes Silb eines SBeltgötterpaareS

t)eroorbrad)te, roät)renb oiedeic^t anberSroo anbere 33erf)errlic^ungen ©eltung


erlangten, ^n einer „reinem Urreligion" aber, momit man bte ätteften

©riechen l^at beel;ren rooHen, reid^t jene roefentlic^ f)öl)ere ©teHung beS
3euS nod; bei meitem nic^t Ijin. hieben allen fonftigen Ungeioi^ljeiten

rairb man überbieS burd) eine fonfurrierenbe ©eftalt beftänbig irre ge=

mad)t. S)erienige ßeuS nämlic^, beffen ©eburt unb ^ugenb (feit ber

§öl)le ouf i^reta unb il)ren 2Bunbern) ergäl)lt unb an mel;rern Orten
lofalifiert mürbe, ift offenbar oon §aufe aus ein gang anbereS 2Befen als
ber Fimmels» unb 3letl)ergott. 9ioif) fpätern bämmerte etroaS l)ieüon,

unb eS Ijie^, ber ^m^^ oon Rxüa fei nur ber ©rofeonfel beS äöelt»

l)errfd)erS 3^"^ geroefen \)

®ie ättefte gufammenpngenbe Ueberlieferung griedjifc^er 9kligiofität,

2)iobor III, 61.


2)ie ©ried^en unb tf)re ©ötter. 23

lüelcfje luir über£)aupt befi^en, ift roid)tig für 36U§ foiüol;l al§> für ben

©lauben an bämonifdje ^odeftiüraefen. 2lud), tt)a§ roir f)ier erfat)reu,

braucht !eine§roeg§ eine allgemeine Stnftc^t geroefen jn fein; ficf)er ift nur,

bQ§ in alter 3^^^ böottfd)e Sanbleute fo glaubten, unb ba^ ^efiob in


feinen „SBerfen unb Sagen" ber ©ohnetfd; biefer Seljre ift.

3n)ar finb bei ifim f(f)on gro^e anbere ©ötter oortianbeu; ber Söein

ift (33. 912) ba§ ©efc^enf be§ freubenüotten S)iont)foy, unb ber ©orf*
f(^mieb t)e{^t (429) ber i^nec^t ber 2Itt)ene; ^^ofeibon fann bie ©(^iffe

üerberben (665), auä) ift oon ber ©efamtljeit ber ©ötter bie 3lebe, „weldje

ben DItjmp tnne t)aben." 3l[Iein 3^«^ ift "^er gro§e aflgemeine ©ott, ber

^ü^rer beg ^ai)x^§, befonber^ ber 9iegen)penber, ber ^err be§ 9)ienfd)en=

lebend unb aller feiner Sdjidfale unb SJiüljen ^) , luenn auc^ bapifi^en

bie Unfterblidjen, bie ©lüdfeligen, bie ©roigen inSgefaiut al§ Seben»»

^errfc^er genannt werben. Sieben 3^1^^ if* ^o"" ^'^ ®i^^^/ »^iß eljemalige

@äa, bereits §ur 3)emeter geworben, ilinen beiben gilt ba§ (Sebet um
©ebeilien ber ©aatfrud;t ^) ; Demeter, bie ©djönbefrängte, füllt bem
^-leiBigen bie ©d)eune. (Sott be§ 9ied)te» auf ©rben ift 3eug nid)t oou
fic^ au§, fonbern er bebarf ba^u (256 ff.) feiner Sodjter 3)ife, roeld^e,

wenn irgenbroo gefreoelt wirb, fic^ erft neben tl)n fe^t unb flogt ^). ;3^ben=

falls ift bie 2luffid)t, raeldie 3eu§ unb bie übrigen Unfterblic^en üben, in

ben „SBerfen unb S^agen" eine oiel größere unb bie ©djeu oor berfelben
bei weitem ernfter als bei ben fpätern (Sried)en.

2lu^erbem aber atmet ba» (Sebid)t noc^ einen befonbern „^:polt;bämoniS»


muS", einen (SJlauben an bie Stllgegenroart gafillofer übermenfd)li^er SBefen,

mögen fie and) im SerouBtfein nid)t oöEig auSgefdiieben fein oon ben
ünfterblid)en ober (S)lüd|eligen. Sag finb u. a. bie brei^igtaufenb

SBäcbter ber ftcrblii^en 3}2enfc^en (250), mit meldien ^efiob befonberS

^) S)aä ^roömium, mit feiner ganj unb ^era a(§ 2Cettergöttern , sumal Dei

6e[onbern öerrfc^aft beä S^^^ "ber ba§ 2)ürre.

3JJenfcl^ente5en , muf( oieUeidit a[§ S^tat 3) aiucf) fpäter, raenn Q^n§ einer IJe=

eines fpätern ©ängerä au^er Setracfjt ftimmten ftttlid)en (Sigenfc^aft Bebarf, mu^
fileiBen. biefelbe fic^ in feine S^äl^e Begeben, ©o
-) 3?. 464, roo 3«"^ merfroürbigers bie ©nabe, Ji&wg, ©opt^ofl. Deb. ßol.

roeife al§ nnterirbifd)er (^--^-oVtoc) ange= 1267, bie ®ibfraft, "üoxoc, ebb. 1765.

rufen roirb. — Sin bie ©teile ber Semeter eine ©eitengeftalt ber Site ift be!anntlid^
mocf)te fpäter aucf) $era treten. 33ei ^aufan. 2:^emi§, ©ema^Un ober Wienerin beö 3eu§.
II, 25, 9 ein argiüifd^er 5^u(t Don 3^"^ *) Sefanntlid^ eine ibeale Qa^l
24 3teIigion unb ^u(tu§.

bcn ungereimten 9tid^tern bange mac^t; in Suft gebüßt [erretten fie über
bal Sanb ba()in unb beobaditen foraof)! bog Siechte al^5 bal Unred)te;
uietteic^t finb e^ biefelben, welcfie oorljer (122) genannt werben al§ bie

©eftorbenen be§ golbenen ^eitatter», „geraeitite, auf ber @rbe oerfetirenbe


Dämonen, eble, ba§ liebet abroef)renbe .§üter ber fterblic^en aJJenfc^en";
an^ ha§> übrige lautet wie bei jenen, nur bafe fie bann noi^ mit einer

frennbli^en SBenbung Steii^tumfpenber Ijei^en, ein 5lönig§rec^t, n)elc^e§

fie fci^on (bei Sebjeiten) gef)abt. Sluc^ fonft überatt aber letirt ber SDic^ter

bie (Sd^eu uor unfic^tbar anraefenben QJläd^ten; auf 9Seg unb ©teg, an
glu^ unb Duelle, bei jebem S^un benft er an it)re ©egenraart (722, 734,
740, 754 f.); üor aMn aber (728) „bie DMc^te getjören ben ©eligen".
S)er fpätere griec^ifd^e S)ämonenglaube l^at groar üielerlei reid^e ©e»
ftaltungen J)erüorgetrieben, aber üon einer foli^en beftänbigen 3Iuffid)t

unfic^tbarer SBefen, raeldie bi§ Ijeute in ben 9ieügionen anberer 3taffen


eine fo gro^e dioUe fpielen, ift bei ben ©ried^en faum meljr eine ©pur
üor{)anben^). @ine 3]ermutung mag £)ier nod) ^la| finben: menn in ber

golge ber ^antljei^mu? bei ben ©riechen tro| ber 2tnläufe meiirerer

^s(;itofopt)en gar nie gu Gräften tjat !ommen !önnen, fo l;ing bieg üie[=

Ieid;t mit an ber einfügen ^errfi^aft jcneg ^o(t)bämoni§mu», melc^er ber


auSfcfitie^enbe ©egenfa| baöon ift. ©§ fonnte nid)t atteS öon ©ott fein,
benn alles mar üoU üou ©öttern, unb bie Söett mar nic|t bereu 2tu§-

brucf, fonbern bereu ä5}^ot)nfi^. 2t(§ fid) bann bie einjelfulte enge mit

bem jeroeiligen ©taatSroefen ber einjelnen ^oli§ oerfloi^ten, mar ot)ne£)in

für ben ^ant^ei^muS jebe 2lu§fic^t üerloren. ©erabe bie t)ie unb ba
üor!ommenbeu ^santtjeen ober Stempel aller ©ötter ^ahtn mit ^antljeiS»
mu§ am menigften ju fc^affen: fie entftanben, unb jraar einzeln fc^on

frü^e"'^), menn man etroa bei ©id^erung einer ©tabt ober £onbfd)aft
feinen ©ott üergeffen ober übergeljen roottte unb fie bod) nid^t aüe !annte,

ober auc^ bem 3"^ölfgötterfreife 5U ©l^ren.

^ür bie weitere ©efd)id)te be§ ^^n^ ¥^^ ""^" einige 2tnbeutungen.

©0 oft fic^ bei ben ©riechen W 9?efle£ion erljebt, feljut man fid^ nad)

^) 58on biefen 3f?e[ten rcirb raeiterfiin Zeitangabe baö von Drncä II, 25, 5, ent:
bie 3icbe fein. [d)ieben fpät ba§ uon 2)?effcne IV, 32, 1.

^) ©0 bog bei ®erontl^rä, raeld)e§ 3lucf) blofje 2lltäre, bie aUax ©öttern ge=
5paufania§ (III, 22, 6) att nennt; oljne l)oren, Ifommen »or: VIII, 37, 7.
Sie ©ried^en unb if)re ©ötter. 25

einer ©intjett be§ göttlichen 3Öefenl, n)el(^e§ babei oft nur al§ ©ottlieit,

meift aber gerabeju aU 3eu§ benannt toirb. @§ war gar ntrf)t fd)n)er,

einen 3Jionoti)ei§mu§ ju poftulieren, rooljl aber it)n geltenb gu machen.

3lu§ Sririfern unb STragifern Ijat man fd)on öfter ^) erljabene SSorte ju^

f ammengeftellt , raetc^e eine uerflärte Sluffaffung be§ Qtn^ aU 2BeItt)errn

atmen. Sie „(Bc^n^fleljenben" be§ Stefc^ijlol fc^einen ganj eigentlid) §um

^sreife beg ©eroaltigen gebid)tet^), be§ ^önig§ ber Könige, be§ ©eligften

ber ©eligen, bem ber halfen ber 2Bage (ber ©ntfdieib aUer ©i^idfale)

ge{)ört, beffen 2^ot fo fc^neU ift raie ein äßort, beffen 9Sei^l)eit§pfabe bic^t

üerraac^fen, fdiattig, unfii^tbar laufen, bi§ er bie Uebermütigen üon l)ot)en

2^ürmen lierunterftürjt, \a ber aucl) in ber Unterroelt als „anberer 3^"^"

richtet unb Ijerrfd^t. ^mmerljin ift fd)on l)ier baran p erinnern, ba^

2lefd)t)lo§ unb feine 3ttl)ener fid) ein anbere§ 9}Zal, im ^romet^euS, aud)

einen gang anbern 3^^^^ gefallen liefen, meld^er ben übrigen ^anbelnben

all böfe, nur aber all fet)r mächtig erfdieint, fo ba^, raer ju ^rometljeul

fpric^t, bieg im ©inne einer fingen ^^ügfamfeit tut. ^eine 2lulgleid)ung

in ber baju gel)örenben, cerlorenen 5::ragöbie oom „gelöften ^^sronie*

tljeul" fann biefen furi^tbaren ©inbrud raieber üerroifd)t unb in eine

befonbere SSerljerrlic^ung bei '^tu^ umgeroanbelt Ijaben^).

3lu(^ bei ben ^l;ilofopl)en, üon Xenopl)anel unb ©mpeboflel an,

bringt bal Verlangen nad) einer fittli^en aHmäi^tigen ©ottlieit, nad) einer

eint)eitli(^en unb roeltbilbenbcn ^raft monotljeiftifi^e ©rflärungen Ijeroor*),

mit ober ol)ne ^Rennung bei ^^u^, mel)r ober weniger oerbunben mit

^autelen loegen ber ^olflreligion, unb faft oline fold)e bei ber ftoifd^en

©d)ule unb iljrem 3Belt»3eul.


©obann Ijat man in ber fo geroalttätigen ^olil oft taut nac^ bem
9ied)t gefd)rien unb bann bem 3^^^ '^^^ ^ort biefel 9ied}tel bie aUer*

Ijödiften @l)ren gegeben^). Ueber^aupt ift er im geroöljnlidien 2^hm ber

^) Sergl. 5RägeIä5acf), BeHer u. a. — 3) 2Bie D. aKüßer glaubte, ©riec^.

©in roid^tigeä 3e«gni§ i[t f)ier befonberä £it.=®efc^. II, 96 f.

bie gro^e ®(egie be§ ©olon. Serg!, An- *) (Sine Ueberfid^t be§ ^joetifd^en unb
thol. lyr., p. 15, oergl. S8. 17 mit 3eu§ pl^ilofopl^ifd^en aJlonott)ei§mu§ bei Lactant.
ff.

al§ §ort alles 3flecf)teg. de falsa religione I, 5.

2) Slefcf). Suppl. 85. 153. 232. 526. ^) Si§ enblid^ bei ^ßlutard^ (ad princip.

592 822, ncbft bem großen (S^orgefang inerudit. 4) Qtni bie S)ife nid()t blof; jur
ff.

624 ff.
Seifi|erin I;at, fonbern felber Site, S^emiä
unb ba§ ooHfommenfte ©efe^ ift.
26 3teltgion unb Äu(tu§.

aUgcttieine Supplemcntorgott unb äöünfdjgott, wofür u. a. 2:ljeognil be=

te^renb tft.

3m SSoIfÄglauben jebo^ roor 3^1^^ ^^^ ^^^ 3^it faum me^r ber

ioimmelSgott, eljer nur no(^ ber Söettergott, raelc^er regnet, bonnert, bli^t

imb Ijogelt^). Seim 33li|en ruft man: o großer 3lett)er! o 3^"^'"")

©elbft bei einem von ber ©toa angeroef)ten S)id)ter wie SlratoS finb alle

bie großen ^sräbifate, womit 3^"§ am Eingang ber ^f)änomcna unb ber
©iofemeia oerf)errlidjt wirb, im ©runbe oerträglicfj mit einem bloßen

3letf)ergott unb ©eftirngott. ^n ber erfteren DuaUtöt gehört aud), bafs

()ol)e Serggipfel, ai§, bem 3(et^er am näd)ften, 3ßii^«I^ä^6 trugen^), unb


e§ ift benterfenSioert, ba^ bie c^riftlid}en 3^^ftörer fi(^ am fpäteften an
biefe wagten ^).
S)a5 griec^ifd)e 33eit)uBtfein aber war in^raifc^en längft in bie ftärfftc

2l&l)ängigfeit oon ben ©ängern geraten, meld)e ba§ SBefen ber ©ötterraett
in mächtigen ©ebilben bargefteüt (jatten. 3n ^efiob^ 2^{)eogonie lebt

3eu§ mitten in einer Ijöc^ft unruljigen ©enoffenfc^aft oon SBefen, bie mit

if)m burc§ itjre i^erfunft gleid^en ^Jiange» finb, al§, nod) nidit ganj fieserer

Ufurpator, unb biegegen Ijat in ber O^olge ber griec^ifdie ©eift mot;! nod),

wie wir fafjen, [teüenweife fid^ auflehnen, aber nid)t meljr bem 3eu§ eine

bauernbe 3lIIein()o()eit fc^affen fönnen. 93on §omer ooHenbS l^aben fid)

3eu§ unb bie übrigen ©ötter gar nic|t me{)r ertjolt, woju ber ac^te ©e*
fang ber ^i\a§> allein f(^on genügen würbe '").
^eu§> bleibt nun woljl ber

Slönig unb Spater einei§ §ofe§, be§ Dh;mp, aber nidit mel;r. 3Bot)I werben
\i)vx t)ie unb ha, wenn eine ^oli§ fclEion eine gro^e 2ln§oJ)l t)on 3:;empeln

©0 in bem ©efpräd^ jtoifd^en ^zn§


^) §i)pato§ ober ber j^tn^ ^olieuS (I, 24, 4.
unb ©nnpmeb, Sudan deor. dial. 4, 2. 26, 6) ber ältefte @olt be§ 33urgfelfen§
Sef)r fprec^enb befonberä 2lri[topl^. Nub. geroefen fein.
368 ff. 2luc^ fc^neü bie ®ottI)eü, ricfttr *) 2Beitere^ über bie §öf)enfulte f.

yuQ Tuy üaoy. ^nuf an. VIII, 53, 4. Dlac^trag 2.


•')
Sopfjofl. Deb. ädI. 1470. ^) 2tnfserbein enüäge mon bie (Sm^
^) Unb ein auäfd)Ue^lirf)e§ 2(nred)t pörung§oerfurf}e, lueldje noc| immer gegen
auf bie §öl)en ^at and) Qcn§ nidjt. .s)om. ,3eu§ uorfommen unb bie S5erred)nung ber
Hymn. in Apoll. 22. 144 £)ei^t eä üon 3)2arf)t äroifd)en i^m unb feinen Srübern.

SlpoUon Tiuaui, öi ay.omui toi (c&oy y.id SI. XIII, 335 ff. G31 ff. XV, 117. 123
TiQoJortg (ixQov v\prfA(uv onkwv. — ^n 2lttifa unb befonberS 185 ff,
2luc^ gab e§ einen
l^otten an|5er -^tw^ awA) 2lt[)ene unb 2(po[Ion 2)h;t{)u§, lüonad) bie Sriiber älter maren
.'öö(jenaltäre. ^^Hxufan. I, 32, 2. 2(nberjeit^3 alä 3^"^ Gallim. Hymu. in Jov, öS.
fönnte fogar auf ber 2lfropoUö ber 3en§
Sie ©riedjen itnb il)re ©ötter. 27

(jat, nad)träglid) nod) .Heiligtümer, bi^iueilen riefig gro^e, errichtet wie


in aittjen, ajtegara, ©elinunt, 3tgrigent, itorintl;, Sparta ; aber fc^on ber
9f?ame berfel&en: „Dlijmpieion", beutet nur auf ben tönig unb nirfjt mefjr

auf ben Sllleingott ^).

Sobann (jatten offenbar fdjon in fel)r früfier 3ßit gange Sanbf^aften


anbete ^aupt' unb Sdju^götter al§> ^tn§^), unb biefe ^ei^en bann in

jenen ©egenben gro^. „3lti)en unb ba§ gonge attifdje Sanb," fagt
^aufaniag (I, 26, 7) „finb ber 2ltt)ene l;eilig; fo üielen ©öttern aii<i) in

ben Semen 3Seret)rung n)iberfäl;rt, üereljren fie gleidjmoljl audj bie Sltljene;"

ba§ ®rfte, ma§> man oom SJieere I)er fat), raar it)r 2:^empel am SSorgebirge
üon ©Union. Unb bie§ in einem ©au, mo boc^ bie meiften J)ol)en ^erg»

gipfel 3tltäre be§ ^tu§> trugen. Unb im attifc^en ®an ber ilepf)alier l)in=

roieberum t)ie§en bie S)io§furcn „gro^". S]om ''^^eIoponne§ glaubte man


feit alters l)er, er gel)öre gänglid^ bem ^sofeibon^), alä fein urfprünglic^er

SBolinfi^. S)ie ©ifelioten Ijatten oon iljren ä^orfaljren gehört, e§ fei üon
unoorbenllic^er 3^^^ ^j^r unter ben (ginmotinern überliefert, bajg bie ^nfel
ber Demeter unb ber i^ore l)eilig fei; aUerbingS gab e§ bei ©ic^tern einen
3lU!cgleid), bal)in lautenb, ha'^ bei ber ^odigeit be:§ ^^luton unb ber ^er»
fepljone ©üelien oon S^u§> ber le^tern al§> Srautgefdjen! fei gegeben
morben ^). 2tllein auc^ bie§ wirb raieberum aufgewogen hnxä) übermäd)tigc

Sofalfulte wie ben ber ^^>alifen^), unb bie ©egenb um §imera mar ber
Sttljene l)eilig, unb bie ^n\d Drtijgia oor ©rirafuS war oon ben ©öttern
ber 2lrtemi§ gef^enft worben^). Sin ber trojanifd^en unb äolifi^en Rüfk
erwälint ©trabo lauter SlpoEtempel unb l;ier wirb SlpoHon „gro^" ge^

wefen fein; in St)fien war er ber eigentlii^e 9ktionalgott. 3lllerbing§

') Unb am ®nbe raav nod^ eljer ber fein Sßert ber ©efe^geßung (fragm. 31,
^euä von Düjmpia alg ber be§ Dhjmp Sergf, p. 20) nic|t an 9ül)ene, fonbern an
gemeint. 3eu'3 rid^tet.
^) Slpoltobor III, 14, 1 gibt l^ierüber ^) 2)ioborXV,49. — 2ßeiterer®ötter:=
bie fpäter I)errfcf)enbe 2lnfidjt: ^nr ^^xt r^aber biefer 2lrt bei ^ßaufan. II, 1, 1 unb 6;
be§ ^efrop§ 6efd^(offcn bie Öötter, bt^ II, 4, 7. — 2(uf JBefet)! be^ 3eu§ fügten
ftimmte 5ßoIei§ in 33ej'd^Iag ju ne(;men. fidE) SCtl^ene unb ^ofeibon fogar in ben

golgt bann ber ©treit jiüifclen ^ßofeibon gemeinfamen 33efi^ oon 2;rö5en, II, 30, 6.

unb 2lt^ene um aittifa. — ©ine furse 2lns ") Siobor. V, 2.

beutung ^inbar DI. VII, 55. — ©er 2lu§= ") ®bb. XI, 88. 89. Ser Äult ber
brucf für bag örtlid^e Statten einer §aupt- 3)lütter IV, 79. 80.
goltfieit ift „umraanbeln", ('/ucpißcciviiv. — «) ebb. V, 3.

S§ ift Diel, bafe Solon bie gürfiitte für


28 Dieligion unb ^uttu§.

5n)if^ent)ineiu in Marien tierrf^en bann bie ^euatempel, unb auö) bie

6eiben SunbeStempel aller ^arer raaren bem 3eu§ geraeiljt^), lüäljrenb

§. 33. ber Sunbe^tcmpel ber Monier, ba§ ^anionion von a)h)EaIe, bem
f)eIifonif(f)en ^sofeibon gef)örte, unb brei ©täbte oon Slc^aia einen gemein^

famen 3:empel ber „breilofigen 3lrtemi§" be[a§en^). — ^n Strfobien unb


9}ieffenien f^eint ber mächtige 5!ult ber „grof3en Göttinnen" alle§ anbere,

felbft 3eul unb ^ofeibon in ©chatten gefteül ju Ijaben. 5)aB in einjelnen


Crtf haften ein Sofalfult eine ganje fonftige 9Migion übertönen !onn,
ift au(^ in anbern ^tiUn unb Säubern üorgefomnten ^). „Oro^ ift bie

2lrtemi§ ber ©pljefier." — ©iefer 9iuf galt n)enigften§ einer ©ottljeit,

it)eld)e ,,gan5 Slfien unb ber @rb!rei§" üereiirtc^, aber „gro^" Ijießen

aud^ in fleinen ©täbtc^en einzelne ©ötter, in einem ©inne, mobei im


©runbe jebe anbere Slnbac^t nid^tg mel)r bebeutete ^).

S)ie§ atle§ märe uumöglid) eingetreten, mmn 3ew§ in irgenb einer

3eit ber grie^ifc^en (Sefc^ii^te mirflid^ buri^gängig al§> ber alleinige ©ott
raärc oeretirt roorben. Unb fo l)at if)m au^ ber monottjeiftifdie 2luff($n)ung
einzelner S)ic^ter unb ^^iIo[opt;en nid)t me^r emporget)oIfen. 3ur 3eit
ber 9iömerljerr[($a[t h^^a^ er feinen obligaten Jlult aU 9teid)§'-^upiter

unb mürbe dwa auä) in feierlicher Seftamation oon einem Sion e(jrpfo=
ftomo§ "^j, einem 2lriftibe§ 9?^etor al§ SBeltgott gepriefen. 2Benn mir aber
bem Sudan ^) glauben motten, mar bamal0 36"^ sufrieben, wenn au^er
bem oli)mpif(^en j^efte it)m norf) fouft jemanb in ber 3TOifdjeu3eit opfern
niod)te.

2Benn ber ^oIijtbei§mu§ eine folcfie ^raft unb ^üHc jeigt mie bei
ben ©riechen, fo ift bie ftärfftc 2öa!)rfc^einad^feit bafür üorI;anben, ba^
er ba§ Urfprünglidje geroefen. 9}Jan mirb bie größte 3}?üf)e t;aben, fid^

einen entgegengefe^ten Hergang fonfret oorftellig ju machen, unb unge-


meffener 3eiten mürbe e§ bebürfen, bi§ neben einem frütjern StÜeingott

') ©trabo XIV, p. 659. 660. *) Acta apostolor. 19, 27. Sle^nlidlj
-) ^au[an. VII, 19, 1. — Sag SeU fpäter ^au[an. IV, 31, 6.
fpiel eineg 2lbtaufd)eg sroifd^en ©Ottern: ^) Sßenn eine ©ottl^eit irgenbroo jum
^pofeibon taufc^tc üon ber Seto 5!atuuria aontii) ober jur acortiQa getDorben, ge=
gegen Seloö ein, üon StpoCon STänaron nügte fie im ©runbe für aUe^.
gegen ^ijt^o. Strabo VIII, ].. 874, uergl. «) Orat. XII unb XXXVI.
au^ 5ßaufan. II, 33, 2. ') De Timon
sacrificiis c. 11. — c. 4.
^) 33ei)>iere ^aufan. I, 31, 1. 2. VIII,
21, 2.
2)ie ©riechen unb if)re ©ötter, 29

unb gro^e 2tu§bilbung fo üieler anberer ©ötter möglich


3eu§ bie reidie

erfdjiene.
nichts fc^rifta(^ ©eoffenbarte^, ni^t§ irgenb
®ie ©tiedien befoBen
oon auBen Stuferlegteg über \i)xt ©ötter, unb ebenforoenig eine auferlegte

Se^re über bie ^Religion. Siefe beiben ^auptftücfe ber ^^eologie fe()Iten

Slucf) bie ©ötter felbft offenbarten eine folrfie nicbt; bagfelbe


ooaftänbig.

©elp^i, roelc^eg fo ^afilreid^e Sefd)eibe über $ßere()rung einzelner ©ottl)eiten

gab, ^at niemals eine religiöfe Söaljrljeit oon


aügemeiner 33ebeutung au§'
3eit, fein gragenber
gefprodjen, auc^ fe^t, menigftenä in ber rein griec^ifc^en

üoraug, ber ©ott auf bergleic^en einge{)en würbe. 3Senn er geftattete,


bafe

©prüc^e gebradjte SebenSerfaljrung ber fieben 2Beifen mit


baB bie in
bie§
golbenen Sudiftaben in feinem STempel angebracht mürbe, fo gefd)al)

überi)aupt aUeS, roa§ bie Station bemegte, nac^


in einer 3eit, ba fid)

2)elpl)i brängte; ba^ aber in fpäteren, refleftierenben ^afirtjunberten Ijie

religiöfer 2trt mögen an bie Crafelftäbten ge=


unb ba j^ragen attgemein
riditet morben fein, ift nid)t unbenfbar.

®er gried;ifd)e ©laube ift reine ©djöpfung ber 9btion al§ fold^er,

unb in sroeierlei ©inn oietgeftaWg mie biefe: bur^ ben enormen @eftalten=

©age über bie nämlichen


reid)tum an [i^ unb burd^ bie 33erfc^iebent)eit ber
@r ^^olpttieiimu^ oon üornf)erein, moneben
©eftalten unb Hergänge. ift

jur ©inljeit be§ göttUc^en Söefen^ faum in Se-


jene einjelnen 3Serfuc^e

trad)tfommen.
mel)r unb
®ie fremben Zutaten werben oon ber neuern gorfc^ung
bereu ©runb=
me§r befdiränft, abgcfet)en natürlich oon jenen ©otttjeiten,
©rieben mit anbern arifd^en ä>ölfern gemeinfam traben fönnten.
form bie

®ie „aüein grembe", meldte al§ foId)e in ©riei^enlanb (gingang gefunben'),


Slftarte^^Ip^robite, roeld)e rool}!
ift bie pt)önicif^e ober über{)aupt femitifdie

fdion über gried^ifdien 9}ieerbufen ii)re Heiligtümer befaB,


aU ba§ ä^olf

33ermuta(^ t;atte fie au^ ifiren


noc^ in fe^r urtümlidiem Suftonbe lebte.

Slbonai fd^on mit fid).

2Bä§renb nun bie ©ötter faft au§fd)IieBHd) national unb ©(^öpfungen

be§ gried)ifd)en 3?oIfe§ finb, gelten fie boc^ naioer Sßeife für Ferren ber

ber giEierung ber ^teligion oon


ganjen SBelt, inbem man in ber 3eit
eigenen 2Bo^nfitie fannte. 3)ie
biefer 2Be(t nod) nid)t oiel mel)r al§ bie

^) 5DUIdf)f)öfer, bie Stnfänge ber i^unft in ©ried^enlanb, ©. 87.


30 3leligion unb Äultug.

©Otter bnben in bem weit entfernt gebQd)ten Dfeano§, [ie fcf)man[eu bei

ben 2letl;iopen, unb 2tpoIIün fäljrt periobijc^ 5U ben ^ijperboreern, raäijrenb

^roteul in 2legi)pten t;auft. 93cit ber 3^^^ kxnU man bann bic ©ötter
weiterer 3^ationen fennen, unb jraifc^en ben äggptifdjen unb ben griedjifc^en

Tüurbe balb naä) 33erraanbtfd^aft gefuc^t, tüäljrenb [ic^ anberfeitS auä) in

bie fo fdjraac^ gef)ütete griec^ifdie 3teIigion ^rembe^ unb namentlich ^alb=


frembeS ^ie unb ba einbräugte, nänilid} Ijalbgried^ifi^e ©eitengeftalten ber

©otttieiten, roie 33enbi§, bie tt)rafi[d)e ©eftalt ber 3lrtemi§, ^otv)tto bie

p[jrt)gif^e, ©abagio^ al§ Heinofiatifc^er $8erroanbter be§ ©ionpfoS u. f. m.,

welche au§ ben Kulten ber ©tlaoen unb 9}fetö!en aml) in ben £ult ber

®ried)en tjineingerieten, menigften» in ben großem ©tobten, ©ar nid)t

gu entfdjutbigen mar ba§ Einbringen ber pljrpgif($en ©öttermutter (Slpbete),

welche Ui ben ©riedien fi^on reid}lic^ erfe^t geroe[en märe bur(^ ©äa,
^Demeter unb 9?^ea. Ser erfte, melc^er nad) 2(tti!a fam unb bie 2Beiber

bie 3öei()en ber ©öttermutter leljrte, rourbe graar getötet unb in bie

„©d)Iud)t", ha§> Saratljron, geworfen, aber infolge einer ^eft matinte

ba§ Drafel, ben Getöteten ju oerföl)nen ^), unb roaljrfdieinlic^ fd)on unter

hm ^eififtratiben erljob fid) ber Tempel biefer ©öttin, ba§ 2)tetroon.

©ie fu^te fid) freilii^ al§> Demeter äu geben unb aud) ©uripibeS ging
auf biefe ^^iftion ein, bie 2ltf)ener aber mußten fid) fagen laffen: fo wie

fie in anbern Singen 'i)a§> frembe liebten, fo aui^ in betreff ber ©ötter^);

übertiaupt fanb man, biejenigen ©taaten, weldie am (eid)teften ba§ Bürger*

red)t an grembe gäben, liefen aud) am Ieid)teften frembe ©ötter ju.

9]id)t jebermaun war fo entfc^loffen wie bie Saunier ^j, weldie einft mit

üoUftänbigem 2tufgebot aussogen unb bi§ an bie Sanbe^grenje mit ©peeren

f udjtelten in ber Suf t, in ber 9}ieinung, bamit bie fremben ©ötter aufzutreiben ^).
Ser gorm nad) bel)ielt fic^ wol)l ber ©taat bie Verfügung über frembe <i^ulte

üor, alleiu bie ^xa^i§> war eine ungleid)e. SBeuu uoEeubS eine i^aupt^

flage gegen ©ofrateS auf ©infüljrung neuer ©ötter lautete, womit fein

uufd)ulbige» 2)aimonion gemeint war'"), fo weif} mau ja, baf? ber h^a^

') ©. ^ermann, ®otte§bienft(icf)e Tempel ber Sf«^ ('" 2:it^ovea) nnb beffen
(J.

2(Itert. § 10, 10. — ^inbar loar ein eifriger feljr abl"onberlicI)en itult '|.Hnifan. X, 32, 9.

3^iencr ber C^jöttermiitter. •') Unb bic'5 in einer ,Seit, ba -^U^ilo^

=) ©trabo X, p. 722. fopf)en überl)aupt gerne i^re terminos ju


") .^?erob. I, 172. göttlid)en liefen crflärtcn.

••) Ue&er ben raicl)tig[ten griecf)i)d)en


:

Sie (Sried)en unb i£)re ©ötter. 31

gegen iijn üon einer ganj anbern Seite ftamnüe. S)ie fpätere allgemeine

©öttermifc^ung feit S)iabod}en nnb Stömern mag ()ier einftwetlen nur


ern)äi)nt werben.
3Bie bie gro^e nationale ®d;öpfung ber griedjifc^en 9ieligion im
einzelnen juftanbe !am, barüber rairb e^3 ftetö nur ^Vermutungen geben,

unb biefe merbeu nod) lange miteinanber ftreiten. 2lud) bie £unbe ber

je^igen 9flaturoöl!er unb ^albfulturoölfer unb il)xer ©ötterroelt U\)xt un§>

nid^t oiel über ben Hergang bei biefem gan^ einzig begabten ©riedienoolf,
uielc^eg biefer feiner ^eroorbringung bie l)ingebenbfte 2;eilnal)me roibmete

üiele ^al)rl)unberte Ijinburd). 3Sa§ rair aljnen bürfen, ift ein Soppelpro^efs

SBä^renb einjelne ©tämme gemiffe ©ötter unb ©ötterpaare befonber§ uer-

e^rt unb ftc^ naä)\)zx gegenfeitig oeröoHftänbigt Ijaben mögen, fann fid^

bie§ üon ber anbern Seite auSgeglidien baben, inbem urfprüngliv^ üer-

fd)iebene ©eftalten in ®ine ©öttergeftalt gufammenfloffen, auf tüelc^e [idj

bie üerfdiiebenen 9Jiijtl)en Ijäuften. ©enug, baB 2llle§ national mar, unb

ba§ bie ©ötter, melc^eg and) tl)re ^er!unft fein mo^te, für autod)tljon
galten, ©riedien raurben, wie ha§> $öol! felbft. ^Ijr 9}hjtl)u§ ift an ^aljU
lofen ©teilen lofalifiert, ja üon melireren raoUte man bie Ijeilige ®eburt»=
ftätte fennen, fogar an üerfdiiebenen Orten. Siefe 9teligion i)t, loie ge=

fagt, nicbt burd) eine 5lraft oon au^en bem S^olfe üorgefdjrieben ober
al» Ijeilige ©o^ung auferlegt, fonbern fie ift ein ^^robuft ber Ijöc^ften

33ilb!raft be§felben.

;3l)re 2lu§bilbung ift nid)t gefc^elien burd^ ^riefter. 2Bof)l gab e^

fold^e üon frülje an big in bie fpäteften griediifdien Seiten, aber e§ gab
niemaU einen ^riefterftanb unb oollenbs fein ^rieftertum, unb erft mit
einem folcl)en beginnt auc^ eine Xl)eologie, ein geiftlii^eiS ©efamtunffen,
ein I)eilige§ 9ted)t unb eine fd;riftlidje 2luf5eidjnung üon Offenbarungen.
®ie griecbifdie Dteligion mürbe uon 2lnfang bi§ gu ©nbe anber§ lauten,

menn ein ^rieftertum ©influ^ barauf gel)abt f)ätte. Sie urtümlid^ften,


biSmeilen fra^enljaft fd)redlic|en 3tuffaffungen ber ^'erfönlic^feit unb be§
3)it)tl)u§ ber ©ötter würben feftgeljalten roorben fein unb mit benfelben
bie Sangig!eit, nidjt au^ ^^oliti! unb §errfd)fud)t ber ^^sriefter, fonbern,
weit foldie fid) an bie 2luffaffung frülier 33orgänger in ber Siegel ge»
bunben glauben; bie ganje epifc^e ^oefie wöre unmöglid) geworben. 2luf
einem weitem ©tabium würbe, wie oben bemerkt, ein allgemeine^ ^sriefter-
:

32 SReligion uni) J^ultug.

tum in irgenb einer c\xo'^en ^IrifiS bie Ütelicjion üeränbert, umgebeutet,

oereinfac|t, beftimmten 5lonfequen§en Untertan gema(^t f)aben, unb cor


allem mürbe hk mit jeber ^fjeologie unüerträglicfie ^bee beio ©d^idfal^
i)ahen meicfien muffen. S)ie[e einzige mächtige 3ln[c^auung üon ber dloU

roenbigfeit, üermöge meld)er aüe^ gefd)iel)t, unb metc^er ouc^ bie ©ötter
Untertan finb, befa^en bie ©rieben burc^ eigenes Siac^benfen unb ur*
fprünglicfie 2lnlage unb liefen fi(^ biefelbe niemals nefimen. S)en 5lultu§

mürben ^riefter für baS gan^e 3]olE gleich gemacE)t, unb er mürbe nid)t

bie taufenbfallige freie 33lüte gebilbet Ijaben, bie unS auS ber Ueberlieferung
fo rounberbar unb oft fo narfotifd) entgegenbuftet. 2luc^ mürben mächtige
^riefter, menn fid) bie ilulte auf bange Sßeife on^äuften, felber an Ort
unb ©teile 3?at gemußt liaben; 2ltl)en 5. 33. ptte nid^t nötig gehabt, ben

2öeil)efünftler ©pimenibeS auS ^reta fommen §u laffen ^), unb ber belpl)ifc^e

3lpoU märe nidit für unjäljtige iluttuSfragen oon allen ©eiten Ijer bie

grofee ^nftanj geroorben. (gnblid; mürbe Ijöc^ft mal)rfd)einli(^ eine Stnjaljl

beftimmter Heiligtümer einen feften 33or§ug genoffen i)ahtn, f(^on roeil

fid) bei foldjen ein ljöljerftel)enbe§ ^erfonal gefammelt Ijätte. ®aS Um*
gefeierte aber gefdjol;: roeil einzelne Tempel als Crafel ober als SJlpfterieU'

f)eiligtümer befonbere SBid)tigfeit erlangt liatten, fammelte fid) um bie»

felben mit ber ß^it eine immer nod) fel)r mäßige ^ai)[ oon priefterlid;en

'^'erfonen ^), allerbingS umgeben oon §at)lreid)en untergeorbneten Opfer»

geljilfen.

@S fe^tt im gried)if(^en 9JJt)tl)uS, jumal in ber Sl^ljeogonie, nic^t an


3ügen, meldte 9tefultatc beS ©enfenS unb bemüht aUegorifc^er 2lrt finb,

unb bei meldten man oon ^l)eologie reben fann, oHein eS ift nic^t ^Ijeologie

üon ^rieftern, roie fid) geigen roirb.

2)ie ganje gried)ifd)e Sieligion mit alt il;ren ©eftalten unb 3}hjtl)en

mac^t üielmel)r ben ©inbrud, ba^ fie laienhaft forool)l entftanben als

überliefert fei. SDtan untcrfdieibet mel;r ober meniger beutlii^ groei ©tufen
SDem ^ßolfsberou^tfein gef)ören bie frül)ern Silber, ba jene ©eftalten unb
3)ir)tl)en noc^ i^rer Dkturbebeutung^) (^lüffe, ©ebirge, 3JJeere, ^immelS«

') ^lutarc^, ©olon 12. l^errfc^enbe au§f^Iie^Iic^e Verleitung ber


^) Jür Selp^i bie betannte ^ampU ©Otter au3 ben 3lnbUcfen unb 3]orgängen
au^fage: ^lutarcf) Quaest. Graec. c. 9. ber 9{atur nic^t finben fann. 2lug bem
") 25er «erfaffer gefterjt, ba^ er fic^ äußern ^L'eben beö 3)Jenfc^cn (Äämpfe,
in bie [anfangs ber 80er 2lcif)re] allgemein ©eud)eu u. f.
ro.) unb namentlich aui feinem
2)ie ©ried^en unb iljre ©ötter. 33

lichter, ©eroittcr, Siegen, 2Bolfen, ©türme, 3Segetation, ^erbfeuer u. [. ra.)

näJ)er rcaren, \a i^r nod^ genau enlfpradjen — unb bie fpätere ©tufe,

i>a au§ btefem allem eine perfönlic|e unb epif(^ bewegte SBelt gemorben
unb ber urfprünglic^e ©inn oeränbert ift.

^enen erften 3uftanb fönnen wir un§ nur noc^ a^nung^meife oergegeu'
roärtigen. S)ie ©riechen fütjlten fid^ umgeben oon einer ^al)l gewaltiger

elementarer aJiäd^te, raeli^e jum ^eil fd^on eine beftimmte, meift furcht»

bare, au§> men)(^lic^en unb tierifc^en Seilen gemifc^te ^erfönlidjfeit ge=

TOonnen f)atten, auc^ bereits burc^ i^r 2;un einen Slnfang oon 3)it)t^u§

bejahen, unb biefer mo^te teils bem allgemeinen ©tammgut ari[c^en^)

©loubenS, teils ber urfprünglid^en griec^ifc^en 33olfSpt)anta[ie angel;ören

unb bann öxüiä) fel)r eigen unb oerfd^ieben louten. 3Ba2. für 33ilber
geraälirten fc^on bie 3Sorgänge in ber Suft, roo bie 9caturmäd^te in fd^recl=

li(^em ^ampf aneinanber geraten: bie ©eroitterroolfen beS ©übenS als

geflügelte Ungeljeuer, ber 33li| als entfe^lid^er Sätnon fie fpaltenb unb
aus il)nen l^eroorbringenb ! — ©oneben l;errfd)ten geroiß auc^ gaben=
fpenbenbe ©ottl)eiten, unb baS g^euer, jumat baS beS ^erbeS, wirb 23er=
el)rung genoffen Ijüben oon 2lnfang an. ®ie C^eftalten beS 9)ieereS,

meldte fpäter eine fo reidie unb f(^öne @efamtl;eit bilben, raerben fd)on
in biefer alten 33olfSanfd)auung allmäl;lic^, unb anfangs root^l fdjred'ljaft

genug, l;eroorgetreten fein; üie(leid)t l)atte bie Station früher binnenlänbifd)


gelebt, unb baS 3}teer roar ii)x bann ein neuer, Ijöclft mädjtiger 2lnblid

geroefen. ®er Kultus mirb, mie noc^ oiel fpäter, im ganzen ber beS
^auSoaterS am ^erb, beS Wirten auf bem gelbe, beS ©djifferS am @e*
ftabe, beS 2lnfül)rerS an ber ©pi^e feiner ©c^aren geroefen fein, daneben
aber gab eS oermutti(^ fd)on manche lieilige ©tätten, meiere teils jenen

göttlid)en unb bämonifd}en SBefen, teils aber ber unterirbifc^en SBelt gel;ört

f)aben fönnen, roie oieüeidit bie urfprünglic^en Drofel famt unb fonberS.
2Son ber SSeränberung, meldte Ijierouf eintrat, liatte ^erobot (II, 53)
folgenbe 3(nf(^auung : „§omer unb .<Qefiob, meiere id) nur für oierljunbert

innern Seben mötfiten [id) boc^ aucf) nod) fonbern ein alter f)t)perBoIifcl^er ©d^erj über
anbere Sämonen evlioben i)aben. Sßenu ben ^erbenreic^tum ber Urjeit.
aud^ 2lugeia§ ein ©onnenfo{)n mav, fo ift ^) (Sage man DieHeid)t e^er: allge=

bocf) tootil ber 3Jiift in feineu ©täflen nic[)t mein menfc^Iic^en.


als ein „bunfeinbeä Ungeraitter" ju beuten,
3. Surcffjarbt, (Srled^ifd^e fiultiirgeftf;i*le II.
34 3ieIigion unb Äultu§.

3al^re älter aU meine 3^^^ I;alte, finb e§, weldje beu ^eHenen i()re

2::^eogonie gefrf) äffen unb ben ©öttern i^re Beinamen unb ©Ijren unb
^äd^er perteilt, auc^ i(;re ©eftalten befdjrieben Iiaben." 61 ftört un§ in
alten Bitten nic^t, toenn ntäc^ttge Hergänge, auä) folc^e, bie ficf) auf
i^atjrl^unberte oerteilten, an einen ober graei Slamen geljängt werben, —
genug, ba§ I)ier Sänger namt)aft gemacht finb a(§ Urheber einer großen

SSeränberung in ber 9ieIigion. ©eiüi^ finb ^omer unb §efiob bei weitem

nidit bie früijcften, fonbern fd)on fe^r au^gebilbete (Stimmen be» (Spo^
gemefen, aber richtig betont ift bie nunmefirige ^errfi^aft ber ^^^oefte über
atte (Sötterauffaffung.

Sie Stniage jur ©ötterbic^tung war gen)i§ fd^on längft üorf)anben,

benn bie Seele fui^te fid) oon früi)e an über bie Sangigfeit cor bem
Uebernatürticfjen gu erljeben, inbem fie ben SInrufungen eine t)öl)ere ©e*
ftalt unb 2Bei(;e gab, unb fo wirb man bei ben Heiligtümern 3lnfänge
oon Hpmnengefang uermuten bürfen ^). ^m 3Solf aber werben jene Sieber

fc^on öoiijanben gemefen fein, bie e§ noc^ fpäter fang pr ^^eier beftimmter
2lugenblide be§ SebenS überl)aupt unb ber ^alire^seiten inSbefonbere: ber

£ino!cgefang unb feine S3arianten, loomit überall in ber ©eftalt eine§

frül)geftorbenen ^önigSfoljueS u. f. ro. bie Ijingegaugene Slüte be§ ^aljre^

beflagt mürbe; bie ermutigenben ^äane, bie ^-rüljling^lieber, bie ^ymenäen,


bie 2::otenflage u. f. ra. 9toc^ in ber gefd)ic§tlirf}en ^eit waren uralte
9iefte biefer 2lrt üorijanben, unb §erobot (IV, 35) erwäljut fowoljl ben

^tjmnug, ben bie aöeiber auf S)elo§ beim 3llmofenfammetn fingen, all
auc^ „bie übrigen alten ^ijmnen, wet(^e auf ber :3nfel gefungen werben",

lauter Schöpfungen be§ mi)tljifc^en !4)id)ter§ Clen aibi Splien.

igrgenbwann ift bann ber 2Belttag be§ erlöfenben epifclien ©efangeS


üngebrod)en, oielleic^t plö^lii^ burd) eine unerwartete Hebung. i^oc^=

begabte 9}Zenfd)en, im 5ßoÜbefi^ ber bi^ljerigen ä>oll"!opljantafie unb religiöfen

^rabition, würben fic^ be§ 93ermögen§ bewußt, bie§ atte§ in einen großem
3ufammenl)ang gu bringen unb im Sinne be§ 5ßolfe§ baran weiter §u
biegten. Sie waren e§, weldie cor allem bie ©ötter 3U menfdjcnäl)nlid)en

unb babei bod) oöHig wunberbaren SBefen umbilbeten unb fie uon bem
fra^enl)aften 2tu§fe§en, bal sul)örenbe 93olt aber oon ber Snngigfcit be»

') 2)ie l^r)pDtf)etifc^e 58erteilung ber jelncn mi)tf)ifc^en Sichtet- matj auf ftd;
|

^pmnen je nncf; ben Ööttern auf bie ein- ;


5cruf)en.
Sie ®riecf)en unb i^re ©ölter. 35

freiten^); U;nen guerft geftaltete fid} ba» 5Muftreten ber ©ötter foioo^l in
i^rem kfonbern Seben aU unter ben SJJenfd^en ju einer 9SeIt ber erftaun-

licflften 33ilber, unb in biefe SBelt würben bie biloljerigen ©agen oon
ilämpfen unb SBanberungen ber Diation üon felbft miti)ineingejogen unb
.gum ^elbemnijtljug üer!(ärt — alles gernä^ bem innerften ©innen unb
©etinen be§ 3}oIfe§, aber nur ha§> 2Berf feiner (jöd)ften unb feinften

i^räfte. @§ gemußt, eine einzige cjöttlic^e ©eftalt, raie 5. 53. <Qe(io§, in

ber rei(^en Ueberlieferung oon feinem rounberbaren ^afein unb ©rfc^einen


ju oerfolgen, um überall ben ©änger gu a^nen, loeld^er allein biefe 2Be(t

oon fd)öner Silblid)feit l;at an§> bem S^olficglauben ^erauS entraideln

fönnen. 3SielIei(^t erljob fic^ ba§ @po§ an me{)rern Orten faft gugleid^;

ba§ übrige tat bann jene bem ^ellenifdien Seben eigene 2lrt be§ SBett*

fampfeS, ber SIgon, toeld^er auf allen ©ebietcn fpäter ficE) al§> eine ber

ftärfften Mää)tt erroeifen foHte. Sie 33coöIferungen aber, meldte ben


Slöben §ut)örten, maren geroi^ fdjon übermiegenb ftäbtifc^e unb geifttg ge-

raedte, unb bie 2lneignung be§ ©efungenen eine eifrigere al» auf bem Sanbe.
S)iefe ©änger finb e§ aud) n)ol;I geroefen, loeldie als SBanbernbe bie

^inljeit be§ ^eüenifc^en ©c^auenS unb 5)enfen§ geförbert, ja gefcöaffen

Ijaben, benn bie 9iation h^^tanh an§> oielen fleinen ©tämmen unb ©taaten,
beren bisljeriger geiftiger SluStaufc^ nur gering geroefen fein !ann. Unb
nur bie ©änger fud)ten baS a]olf oon Ort §u Ort ouf; benn ^erum«
reifenbe onberer 3lrt finb bamal§ fdimer benfbar.
©ie waren ni($t gugleid^ 9Sei§fager unb .^eilfunbige ober gar ^riefter,

wie man fi^on geglaubt ^at'-). ^omer fc^eibet bie ©täube gang aibi-

brüdlic^, inbem er at§ Seute, bie man ju fic^ befdieibet, ben 2öei§fager,
ben airgt, ben 33aumann unb ben ©änger befonber^ auf§äl)lt^). @rft
bie Drpljifer feit bem VI. ^a^rljunbert J)aben itjren gelben, ber urfprüng»

lic^ nur ein mytljifdjeS 33ilb be» ©efangejc war, mit jenen 2(nl)ängfeln uon

^) g^ül^rte meCeic^t ber Sßeci üon bem I


übrigen 3ögHni;e be§ Gl^eiron, ber „ein
©d^rcdlic^en in ba§ Sc[)öne biäraeilen burd) Se^rer ber 2)Iufif, ber ©ered^ttgfett unb ber
baä 5?omifd[)e f)inburcf)? Sie jaf)Ireid)en |)eit!unbe" geroefen fein foCte, ^lutard^,
!omifc^en 3üge be§ GJötterleben^ 6ei .pomer de musica, 40.
tonnten tiefte biefer 3(rt [ein. ©päter fonnte 3) Dbijff. XVII, 383, ein 5Ber§, al«
iann eine abfid^tUd^e ©IJtterBurleife f)ieran roäre er jur ausbrücflid^en SBarnung auäs
anlnüpfen. gefprocöen.
') 2)ie§ bei Slnta^ beg 2lc^ia unb ber
36 ^ieligion unb ^uUug.

2öei{)en, 9?einitiun(^en, Teilungen, Slbroenbungen beg ©ötter^ornS u. [. to.

belaben, freitid) aber bomit attgemeinen ©lauben gefunben, fo bafe 5. 33,

2lriftopJ)ane§ ^) raie felbftocrftänbnc^ bem Orp^eu§ unb and) bem 3Jtufäo§

Söeiljeftiftungcn, Teilungen unb 9Bei§fagungen juteilen fonnte. ©tatt

beffen finb bie Sänger roof)rfcf)einlid) bie erften großen ©ntbecfer unb
aJJeifter ber griec^ifd^en ©prad^e unb ganj geroi^ bie ©d)öpfer ber epifd)en
9}Zunbart geroefen, welche bei ©ried^en aEer 9}hmbarten üerftäublid) raurbe.

3§ten ©til freiließ unb bie äußere ^orm, ben §ejameter, (ernen mir erft.

QU§ bem reifften Seifpiel, aul ^orner fennen. ^§re mäd)tige 2Iufgabe
a[§> ©änger füllte loal^rlic^ ein Seben au§>, unb fie f)ätten nic^t nodt)

nebenbei 9)Zanti!, ^ranfenfieilung -) ober ooüenbS ein priefterlidieg 2lmt


auf fid) nefjnien fönnen.

Unb für iJiren ©efong, fo oiel ©ötterioelt unb ©ötterglouben ber*

felbe Qud) entt)ä(t, beburften fie feiner priefterlid)en 35ermittlung. @&


finb bie ©enien be§ ©efange^, bie äJJufen, oon welchen ber ^irtenfnabe-
^efiob feine SeftaQung unb 9Beil)e unmittelbar erf)ält^), unb feine @r»
gä£)Iung Ijierüber leudjtet oon urtümlid;er ^Jiaioetät. ^on unb ®id;tung
^aben i)ier fei)r oiel l)öl)ere Patrone, al§> irgenb ein ^riefter §ätte fein

fönnen, nämlid) ©ötter felbft, SlpoEon unb ^erme§ unb jene 3}iufen; auf
bem Chjmp ift ©ang unb ^lang beftänbig gu §aufe. Slu^er biefen

©Ottern roerben für ben 2töben aud) feine irbifd^en 'Vorgänger ju 3Sunber=
geftalten mit eigenen, meift tragifd)en 9Jii)tI)en.

2Senn mir aber für fein 3SerI)ältni§ 3U ben 3iil)örenben ben rid^tigen

©efic^t^puuft geroinnen foHen, muffen mir non gor allem abftra()ieren,

ma§> \m§> je^t umgibt. yii(^t§> ift für un§ frember aU ein 3>oIf, ba§
nic^t nad) Xage^neuigfeiten fragt, foubern bringenb unb eifrig nad) um=
ftänblid)em 33erid)t oerlangt über bie oon it;m felbft gefd;affenen, aber

unfertig ober fc^red^aft gebliebenen ©ötter unb ^eroeu, roeld)e ibm je^t

in foldjer ©d)ünf)eit unb SebenSfüHe entgegengebracht roerben. (£^^ ift fein

eigenes SBefen, nur in ert)öl)tem 2lu§brud, unb ba§u ba§ 33ilb be§ äöelt-
ganjcn: Olymp, @rbe unb Unterroelt im mäd)tigen 3ufammen(;ang. (Sin

') SKriftopf). Ran. 1030 f. |


^) 22—35.
:g>efiob. 2:f)eo3. 5)ie ^a^ —
'0 aöoI)( mod)tcn ()ingerii)ene ,3uf)ön-'r !
vcllclfcicje »om Sijber Äorio^, ber von bcii
etroa einem Sänger ii6evl)aupt alleg §öcf)[te i
aJIui'cn am ©ce lorrcbia bie 33Jufif lernte
unb alfo aud^ biefe ^ä^igfeiten jutrauen. !
3lk. S)amagc. fragm. 17 fiei S)inborf.
Sie ©riechen unb i^re ©ötter. 37

bringenbcreg 33ebürfni§ ift bie ^oefie auf ©rben nie raicber gcroefen; benn
nur bie ©änger raiffen StuSfunft über biev alle§ unb oeroottftänbigen biefe

Stu^funft üon ®ef^tecf)t ju ©efi^Ied^t.

Si)re oöttige ^errfd^aft über bie ^^antafie ber Sf^ation bilbet ein

®anje§ mit i^rem eigenen naioen ©tauben an i^re (Srjäiitungen, raeli^e

bod^ im ©runbe i§r eigene^ SBer! finb unb untereinanber ftar! abroeid^en

fönnen. ®a§ jutiörenbe 3Sol! glaubte geroi^ iebe»mal, roa§ ei§ ()örte, unb
fe£)nte ft(^ nad^ mei)rerem. ^n biefem großen ^bealbilbe feinet eigenen,
bauernben ©ein0 geno^ el geroiffermafeen lauter ©roigungen, raöl)renb rair

l^eute oon lauter ^^itungen umgeben finb.

dl\ä)t bei allen 3Sölfern, welche epifc^en ©efang gefiabt Ijaben, finl^

©änger unb ^örer fo uöHig in i^rem Stoffe aufgegangen. 23ei ben


©ermanen mar bie Ueberlieferung oon ben ©Ottern bie ©adie einer

laienhaften ^^oefie raie bei ben ©riei^en, allein e§ raaltete ein n)i(^tiger
Unterfd)ieb ob: „^n ber germanifcfien ©ötterfage lä^t fid^ ber bic^tenbe

©eift, ber fie gefd^affen i)at, niemalio ganj gefangen neiimen oon bem
2BaJ)ne il;rer 2öir!Ii(^!eit. äßie lounberfam er aui^ träume, beftänbig
mad) im ^intergrunbe bleibt fein Serou^tfein, ba^ bie§ aUeg feine

©d^öpfung fei, bie er nic^t i)anb greif lid) ju net)men i)ahe, fonbern a[§>

bilblidien 2lu0bru(f für 9iaturoer^äItniffe unb fittlid^e ©ebote; ba^ er bei

aüer ^^iefe, allem @rnft mit feinen ©öttern unb gelben bennocf) ein freiet

unb Weiteres ©piel treibe^)." ^n ben ©riechen bagegen frfieint lange


3eit ein fefter SBille gelebt ju ^abm, jeben möglichen urfprüngtid^en ©inn
il)rcr 3JJt)t^en ju oergeffen unb aUel burd^au§ epifd^ ju f äffen, bat)er fie

benn auc^ eine oiel größere epifi^e ©(^öniieit erreid^t tiaben; e^ feljlt

abgefelien oon ber ^f)eogonie — jebe 2lt;nung, aU ob ber SJtpt^u^ nur
eine ^ülle, ein frimbolifdier Slulbrud für etroa^ fenfeitS baoon Siegenbe»
fein fönnte; ©eftalt unb 53ebeutung fd^einen fid^ oollfommen p becfen,

inbem eine ^ot)e ^unft fie in 6in§ gefd^molgen. ^eber 33erfud^ einer

fpefulatioen Umgeftaltung ber 9teIigion, ja jebe 3Zeigung ju einer ah^

ftraften 2luffoffung be§ ©öttlid^en mu^te bann lange ^a^r^unberte ^in»


burd^ ol)nmäd)tig bleiben gegenüber ber f(^önen Silblid£)feit.

SBenn man nun hm 2Bert einer 9teligion au§fcf)lie§lid^ fcflö^t nac^

i^rem großem ober geringern ^^ermögen, bie ©runbtage für bie ©ittlid^»

') Sö. Sorbon, ©pifc^e »riefe, ©. 263.


38 afleligion itnb Äultu§.

feit gu bilben, fo ftef)en l^ierin felbft bie fcfiönflen '^^oIi)t{;ei§men jurürf^

unb fo and) ber griediifdie. ©eine ©ötter, aud; all fie frei geworben
üon ber frühem büfter bämonif($en ©eftalt, bleiben bod^ ifirem Urfprung
nad) ^^aturfräfte ^), unb ha i(;rer oiele finb, fierrfc^t nur ein fe^r bebingtel

^ßertrauen auf bie Tlaä^t ber einzelnen ©ottl^eit, — benn bie allgemeine
äöeltgetoolt, ha§ ©diidfal, liegt au^er^alb oon i(;nen — unb oollenbs
nur ein ^öc^ft ung(eid)e§ 3]ertrauen auf i^re ©üte. 3)er enbIo§ reidie

©ötterbienft barf l;ieran nid^t irre mad^en. Unfere anfäng(icf)e ^yrage:


roal bie ©riechen an itjren ©öttern Ijatten? — rüdt ber ^eantioortung
fcf)on etroal nä^er: unaulfpred^Iic^ 3]iele§, inbem biefelben au§ ber 2ln»

fc^auung be§ gefamten 33ol!e§ Ijeroorgegangen unb bann üon ben ^öc^ften
geiftigen Straften bcSfelben menfdjlii^ auSgebilbet unb jum oerflärten
©piegel ber Station geftaltet roorben maren, — aber nur \e^x ntä^ige^v
fobalb e§ fid^ um moralifd^e SSorbilbli^feit unb um S^roft l^anbelte.

^olmogonie unb 2^l)eogonie ber ©riecfien benft man fi(^ gerne erft

entftanben, nac^bem bie gri)^ten ©otter i{;re reife ©eftalt f^on errei^t
I;atten. 3)er Urfprung möchte jebod) ein älterer fein.

^olmogonien, meiere je nad) ben 9teIigionen jugleic^ 3:l)eogonien fein

fönnen, roaren bei mehreren, \a oielleic^t bei allen alten 3Sölfern uor»

lianben^), all 9iefultat eines tiefen Sebürfniffel ber 9JZenf d^ennatur , fid^

über ben Urfprung ber S)inge eine ©efamtrei^enfdjaft gu geben, ©ie


finb nirgenb» erfonnen oon einfamen SSeifen unb ©enfern, fonbern ein
^^eil be§ 3Solf§glauben§, aber in ber Ueberlieferung, luie fie uorliegt, nur
meljr ober roeniger urfprüngli^ unb e^t. S)ie pljönijifd^e 3. ^., an bereu
möglichen (Sinflu^ auf bie griedjifd^e fc^on öfter gebad)t roorben ift, be=

fi|en roir nur beträ^tlid) gefölfd^t^).

Ol)ne nun eine parallele biefer ^olmogonien mit ber griec^ifd^en

roagen ju bürfcn, beliaupten roir boc^, bafe bei ben ©ried^en ba§ foSmo*

gonifcbe unb tl;eogonifd)e 33ebürfni§ unb 3Sermögen ganj befonberS gro^

') Unfern Sorbe^alt hierüber f. oben I ^) Üergl. bie ©Ejerpte au^ bem foge=
S. 32 2lnm. 3, nannten Sanc^uniat^on bei ^l^ilon von
-) ©ie finben fic^ [c^on bei Diatiir- Sr)blo§ unb au^ biedern bei ®ufeb. (?inige§
oölfern. Ueber bie ©c^öpfung§mt)t^en ber i[t beutlic^ erft Bon ben ©riechen I)erüber=
roten Jtafje cergl. 3. &. ajiüüer, ©efc^icbtc genommen, anbercS ruft fcfion ber (Sxwä--

ber ameritanifc^en Urreligionen, an uielen 1 gung, ha^ ber ©Ejerptor iß^ilon 3eitgenoffe
©teilen. I
ber erften Önoftifer geroefen ift.
^i^ ©ried^en unb tl^re ®ötter. 39

gcroefen fein muB ^). 2luBer bem ©ebidEite, roeldieS bem ^^efiob gugefi^rteben

TOirb, finb un0 nämlic^ (oon ^nfeln ^er, roo ftrf) fot(^e Ueberlieferungen

e^er erhielten) noc^ mel^rere lofale 3::!)eogonien unb 2lnfö§e gu foldjen

überliefert, unb nod^ oiet mei)rere mögen t)orI)anben geroefen unb unter*
gegangen fein; ja e§ ift benfbar, ba§ ^efiob§ allgemeinere ©eltung burd)

bereu 33or£)anbenfein einigermaßen erfcfiroert unb oerfpätet rourbe.

^reta befaß eine ooUftänbige 3:^t)eogonie^); Ijier raaren faft aUe ©ötter

geboren, fc^on bie Titanen famt 3^u§ unb feinem gangen @efcf)Iecf)t; üon

{)ier au§ oerteiiten fic^ bie ©ötter über bie gan§e übrige Söelt; t)a(b

göttliche ©efc^Iec^ter unb Srfiöpfer ber 5lultur folgten auf fie: 5Dic

ibäifc^en S)aftijren unb naä) iljuen bie ^ureten; bie ^nfel war reic^ an
örtli(^en Erinnerungen an bie§ alle§, unb and) f)ier mußte man nod) bie

©teUe, rao 3^u§ ^^^ ©iganten befiegt ^atte; enblic^ fd}(oß fid) eine be=

fonbere ^eroenraelt an, beginnenb mit 9Jlino§. Unb roie bie (SJötter, fo

foHten auc^ Opfer unb 2Bei()en oon S^reta au§ gu ben anbern 9}2enfc^en
gelangt fein; biefetben 33egeljungen, meiere man in ©teufi^ unb ©amott)rafe
mpftifd) DoHgie^e, mürben, fo tjieß e§, in ^noffo§ oon altera Ijer öffent'

iid) allen mitgeteilt. — 2lud^ S^it^oboy befaß eine Urfage, weli^e felbft in

ber unooUftänbigen Ueberlieferung ^) naljeju eine ^^tieogonie vertritt ober

bo(^ bie allgemein griediifd^e entbehrlich mad)te. ®ie urfprünglic^en

iQerrn ber ^^fel finb jene rätfelliaften bämonifdjen Xelc^inen, SBetter*


götter, meiere fic^ üerroanbeln !önnen; il)nen, ben ©öl)nen ber Sl)alaffa^

I)at einft 9i§ea ba§ 5linb ^ofeibon jur Siettung anoertraut; baneben
werben fie ©rfinber ber Jlultur unb ^ünftler in aJJetall, Ijüten aber neibifc^

il)r können. 2)ann folgt eine ^errfc^aft be§ ^ofeibon alg (Semafile^

einer ©diraefter berfelben, bann bie furchtbaren ©öl)ne an§> biefer (g^e,

meiere oon il;rem Spater muffen unter ber ®rbe oerborgen werben*) al§>

„Dämonen gegen 3Jtorgen ^in". 3luf einem S^eil ber ^nfel l^aufen auc^

©iganten. SSor ber allgemeinen ^lut oertaffen bie ^elc|inen ba0 Sanb;

') ©c^on ©ötler felbft treiben ja 1 fügen Duellen, raeictie bem ©tobor cor-
Si^eogonie, roie j. 35. ber Heine §ermeä, lagen: V, 80.

§om. Hymn. Merc. 427 ff.


^) ©iobor V, 55 ff.
— (Sine SSoriante

'')
Siobor V, 64 ff.
— Saut 2)iog. bei ©trabo XIV, p. 654.

Saert, I, 10, 5 gab e§ eine jufammen= *) ©ine beutlid^e parallele jum jeit^

faffenbe Sid^tung f)ierüber, roelc^e man roeiligcn ©d^icffal ber ^efatond^eiren unb
bem ©pimenibe^ jufd^rieb. — 2)ie fon« ber 3:itanen in ber grofien ^fjeogonie.
40 ^Religion unb ^ultu§.

na^ bcrfelben, avL§> Siebe ju ber ^ofeibon^toc^ter 9i^obo^v trocfnet §elio§

bie ^nfel roieber. ©eine ©ö^ne finb bie fortan t)errf(^enben §eliaben

,,unb bie übrigen 2luto(^ti)onen" unb if)m als neuem ©tamniüater bleibt

9tt)obo§ l;infort geroeil^t. — ©amo§ war laut ©upljorion ^) in ber älteften

3eit unberool^nt, ba erfc^ieuen getoattig gro^e frfirecflic^e 2::iere, bie 3^eaben


ober S'ieiben, oon bereu bloßem ©efi^rei bie @rbe barft, unb mit biefer
©rbreoolution fann eine ganje £o§mogonie begonnen tjaben, meldte nic^t
mel)r oorljanben ift.

Gegenüber oon örtlichem ^nfetglauben aller 2trt unb oon oicHeic^t

Saljireicien, nod) ni^t gelungenen allgemeinen 33erfuc^en mar e§ nun für


bie gange Station oon pc^fter 33ebeutung, ba§ ein tt)eogonifd^c§ Söerf

entftanb, TOeId;e§ bei allen ©riechen buri^jubringen üermod)te. ©§ ift

baSjenige, melc^eg mit fraglichem ^ec^t ben 9lomen be§ ^efiob fül)rt,

inbem man e§ löngft nic^t mei)r für eine ©c^öpfung beSjenigen i)alteu

roiH, melc^er „Sßerfe unb 3:age" bid)tete. 3)ie ©rl^oltung erfd^eint al§
eine ungleiche; umftänblid) au^gefüfirte Silber, mie 5. 33. ber ^rei§ ber
^efate (oergl. 411—452), bie ©age oon ^anbora (571—612), ber

Sritanenfampf (617-725), 3}Jac^t unb ©turj be?^ 3:i)pljoeu§ (820—868)


fönnten einft no(^ mehrere oorlianben geraefen unb einer Slbfürgung unter»

legen fein. 2öir motten un§ aber J)üten, nocf) meiter gu ge^cn in 33er»
mutungen bei einem ©enfmal, beffen Betrachtung o^ne^in in bem Sefer
fpäterer 3^^^^" ßi»e 3Be(t oon fragen, Deutungen unb fijftemotifcijen

Honftruftionen gu roecfen pfiegt, fogar bei jeber Sefung eine anbere 2BeIt.
^ie mächtige 5^raft unb ©d^önljeit be§ alten ©ängerä, fobalb er in
©djroung gerät, feine ^erfönlic^feit, fein oermutlic^el 3eita(ter unb bie

für un» fo fc^roierige SSorftedung oon einer lange nur münblicl)en lieber»

lieferung, bie§ atteS mu^ ^ier gurüdtreten neben ber ^rage über bie

23olfgtümli(^teit biefer Xl)eogonie.

Sßor attem offenbart ba§ ^oit, roeld^em biefer ©id^ter gu entfpred^en

berufen mar, geroiffe befonbere gätjigfeiten: eine ©prad^e, bie fic^ in iljrem

eigenen i)ieid)tum ergö^te unb gumal im ^eroorbringen oon Dkmen uner=


fättlid) mar, — t;eimlid) untrennbar oerbunben mit einer geftaltenfd)affeuben

Sei 9(e[ian Hist. anim. XVII, 28. Sn ber ^liaö enftel^en bie ©ötler cinfad)
Ueber Äog (rid^tiger Äeo§) bie Sage bei au§ bem DfeanoS, ber nod^ »iel fpäter
:^erafrib. ^^ont. 3föf)ere« 'ipreUer I. 307. „ba^ Sab ber ®ötter" I^ci^t.
2)ic ©ried^en itnb if)rc ©öttcr. 41

^tiantafie, beren ©ebilbe mit bent bebeutung»üoIIen 9Zamen jugleii^ ent'

ftanben; au^erbem bereite bie ^raft, eigentUd^e 2tbftra!to aU ^erfönltd)'


feiten ju fcfiauen ^) unb mitten unter ben ©öttern auftreten gn laffen.

©0 entftebt ein gewaltig grojseg ^erfonal, ba§ einen gang anbern @in»

bru(f mad)t ai§) j. S. bie ©manationen unb Sleonen ber ©noftifer, roeldie

t)inter 33ürf)ern erfonnen fein fönnen. — ©a^felbe 23olf fiatte oieHeic^t

fc^on feit alten ^ätm jroifc^en feinen übermenf($licl)en Söefen ^^erroanbt'

fd)aften gealjnt, 5laufale§ unb 2tbgeleitete§ unterf($ieben, ©egenfä^e gefannt


unb Slbftamniungen unb Slämpfe barauS gemadl)t. 9fticf)t erft ^efiob l)atte

„für bie erzeugten ©ötter Später aufgeftellt", mie ^lutarc^ meinte ''^). 2111=

mäl)lid) Ratten ftd) biefe 2tnfrf)auungen oertieft, unb e§ roar ftellenroeife

fd}on eine laienliafte 2^l)eologie, ein 2tnfang üon 3bi>en über 9tang unb
j^olge ber 3Beltfräfte barauS geworben, nur fonnte bie§ aUeS je nai^

(Sauen unb ©tämmen fe§r oerfcl)ieben lauten. 2)ie ©rö^e §efiob§ lag

nun barin, baß er ba§ 3Sor^errfd)enbe unb Seben§fäl;ige erfannte unb in

einem lebenbigen ©trom ber ^oefie sufammenfafete. „^ie 3Sorftellungen


üon ben ©öttern, il)rem 3iange unb iljren SSerraanbtfi^aften, melclie fi(^

in ben oerfrfiiebenen Sanbfc^aften ©riedlienlanbio oiel mannigfaltiger au^^

gebilbet liatten al§ in irgenb einem anbern Sanbc ber alten SBelt, be=
famen an ber S^^eogonie einen ^rüfftein il)rer 3lllgemeingültigfeit ; maiS

fitf) oon 2)hjtl)en bamit nict)t in Uebereinftimmung bringen lie§, fanf in

bie ®unfel£)eit einer blo^ lofalen Ueberlieferung §urüc!^)." ^ier guerft

üieüeid^t liatte bie 2löbenpoefie, lange nadibem fie ba0 @po§ gefd^affen,
fic^ be§ ©ötterroefenl in einem großen ,3ufammenl)ange angenommen, unb

^efiob (ober mer e» geroefen) mürbe im Ijödiften ©inne ein Se^rer feinet

5ßolfe§ unb blieb bennoc^ ©ic^ter. 3iid)t umfonft beginnt feine ^l;eogonie
mit jenem rounberbaren Sobgefang auf bie 3Jiufen, in meli^em er ergälilt,

roie fie i£)n ju feinem 3Imte meiliten.

@r lebt bereits in ber 3lnfd)auung eines fefir auSgebilbeten ©ötter*

mefenS unb ©ötterftaateS, mie berfelbe fd)on bei §omer üortjanben ift.

3euS unb fein ©ef(^led)t l)aben bie 3Öelt inne, unb oon biefer 5Catfad)e

®g rcirb un§ ganj befonberg fd^roer, -) de placitis philoss. I, 6.

ba§ 2l6[tra^ieven alä ein populäre^ Sßer- 3) D. aKütter, ®efc^. b. grierf). Sit.

mötjeit anjucrfenncn; xmx benfert an Uteras I, 153.


rij(^gebilbete2eute,roeId)efoetroag ersonnen
unb bem Ssolfe plaufibet gemacht ptten.
42 ^ieligion unb luItuS.

an§> toirb aüeS rüdraärt^ Siegenbe htUuä)kt, al§> 3>orgefcf){d)te. ®ie


©ijnaftien be§ llranoö imb ^rono§ finb m($t etroa ©ötter, roeld^e in

altern ^^ikn roirflicf) üeref)rt morben mären, fonbern 33orau§[e^nngen


einer tljeologifd) unb aud) fc^on politifc^ berührten ^^^antafie, roeli^er ber

3lnblid üon ^errfd^erroec^fetn nichts Ungerootinte» war, unb ^^u§' oerrät

(öergl. 390) oöEig bie 2lrt eine§ irbifcf)en UfurpatorS : benjenigen, welche

i^n im i^ampfe gegen bie Titanen unterflü^en werben, üerfpridit er, fie

nie it)rer ©J)ren gu berauben, ja, raer oon ^rono§ nicE)t beförbert roorben,

ber jode e^ je^t merben.

®en möglichen fpefulatioen ^nl^alt biefer ganjen Djtenbarung wirb,


raie gefagt, jeber Sefer ber neuern ^üt auf feine Söeife jn ermitteln

fuclien. 3)tan(^e§ aber ift für jebermann flar. ®ie ©ötter finb ni(^t oon
©uiigfeit ^er; nieit entfernt, bie SBelt gefc^affen su l)aben, finb fie felber

au!? bem ©c^o§ ber bunften 9iaturmäcf)te entftanben ^) ; au§ ber ^oSmogonie
gel)t bie 2^l)eogonie ^erüor; ba§ ©lementare geugt ben ©Ott, g. 33. (33. 233)
^ontoS ben 9]ereu§. Sind) bie 9}ienfd)en finb liier nid)t üon ben @t)ttern
gefd)affen, fonbern im 'Verlauf ber ^id^tung (33. 535) auf einmal fonft

oorljanben. Unb nic^t gu i^rem ©lüde, benn and) ^ier rebet beutlid)

jener ^efftmifmuS, ber ben gangen griei^ifc^en Tli)tl)n§> burc^jieljt. ®a§


Unglüd unb ba§ 33öfe im 9)ienf(^enleben beginnt mit bem großen greoel
in ber ©ötterroelt, ber ©ntmannung be§ Urano§ burd) .^rono§; nun erft

gebiert bie 3laä)t u. a. jene 2lengftiger be§ a)?enfd)engefd)lec^te§ : ben

SdiidfalStob, ben 3)ämon be§ gemaltfamen Xobe§ (iRer), ben ©pott, ben

Jammer, bie brei ©d^idfalSgöttinnen, bie 33ergeltung, ben 33etrug, ba§


uerberblic^e Sllter, ben ^aber, enblic^ bie @ri§, meiere bann bie 9)iutter

einer groeiten ©eneration von lauter ©ram unb ^reuel wirb, ^n ber

©rgätilung üon ^rometl)eu§ (33. 535) fommt e§ überbieS an ben ^ag,


bafe bie aJtenfd^en ein bijfe§ ©eiuiffen t)aben, raeil fie bie ©ötter bei ben

3;ieropfern betrügen, unb boB 3^«^ be§l)alb „ben elenben fterblidjen

9)tenfc^en" bal geuer üorentl)alten nioHte. SBaS au§ ben a)ienfc^en fonft

nod) wirb, jumal nac^ bem ^obe, ift nic^t ©ac^e einer ^l)eogonie; im
^l^artarog be§ ^efiob fommen nur über» unb au^ermenfd^lidie 2Befen oor.

Tili atuSnaljme be§ legten Xeile§, in metc^em B^u^ ""^ f^i" ©efd)led)t

') .^pierüber benllic^ 3?. 111.


Sie ®nec|en unb iljrc ©ötter. 43

unongefoc^ten ^errft^en^) unb fic^ au^ fd}on mit ©terMi($en oermifd^en,

lautet bal ©ebid^t oorfierrfcfienb furchtbar, uub kämpfe rate bie gegen

bie ^^itanen unb gegen %i)p^ot]i§' i)at bie "^^soefie aller Seiten raenige mefjr

ge[rf)ilbert ; auc^ au^erbem f^err^c^t ein großer 9ieic^tum an 6(i)re(Jen»=

gebilben jeder Strt, an bäniouifd^en unb tierifc^en Ungetümen, meldte etraa

nod^ an jene Figuren auf ben ätteften gefd^nittenen Steinen erinnern,


©rofeartig mijfteriö^, raie überaß in ber älteften ©id^tung, erfc^eint unferm

je^igen Serou^tfein inSbefonbere alleS, raa§ gur fogenannten mi)tt;ifd;en

@eograpl;ie gel)ört; eine S^teil^e oon fcf)roanfenben, {)ie unb ba ftd^ aul=

fd^tie^enben Silbern, raet(^e nacf)5Ugeid)nen (raie g. 33. bie Herausgeber


be§ ©ante mit beffen brei Söelten be§ 3en[eit§ gu tun pflegen) üödig un=
möglid^ fein raürbe. 2)ie SCartarograp^ie be§ ^efiob beginnt {)S. 726 ff.)

bamit, ba^ „ober{)alb" oon bem furcbtbaren 9iaum bie SBurgeln ber ©rbe
unb beg a}ieere§ raad^fen ; bann Ijeifet e§ raieber (33. 736 unb 807) offen»

bar öon biefem S^taum felbft: {)ier feien bie „Duetten unb ©nben" ber
©rbe, beS Sl^artaruS, be§ SJteereS unb be§ ^immelS „ber 9iei^e nac^",

fd)ouerIid^, bumpfig, fo bafs felbft ben ©Ottern barob graufe; nii^tl al§>

ein großer ©(^lunb, rao ©türm gegen ©türm brauft. „3>or biefem attem"

fte^t Sltlal, mit ^aupt unb .«gänben ben Fimmel tragenb, ba raß fic^ ^ag
unb DfJai^t bei il)rer Begegnung gu grüben pflegen ; bann ift bie 9?ebe oon
ber 2Bol)nung oon ©d^laf unb 2:^ob, oom l)attenben §aufe beS ^ahi§i unb
ber ^erfepl)one, oom ^alafte ber ©tijg, einem mächtigen gelfenbau ringS

mit filbernen ©äulen, hi§: an ben Fimmel, enblic^ oon ben marmornen
^^forten unb ber gelieimniöooflen eljernen ©c^roette, ber unerft^ütterlidjen,

mit raeitl)ingreifenben 3Burgeln gefügten, au§ fi^ felbft entftanbenen.

2ltte§ 9iäumlicl)e, raeld^eS rair unl nur feft oorjuftetten oermögen, fdieint

l)ier roanbelbar unb atte Drientation traumhaft; raa§ foU e§ §. 33. bebeuten,

ba§ (33. 814) bie Titanen „jenfeitS be§ bunflen ei)ao§" raol)nen? 2tud;

ber Cfeanog, rao er in biefer 2)id^tung auftaud^t, entgiel)t fid^ jeber nö^ern
33orftettung; benn roa§ finb g. S. (^. 816) beffen „©runboeften", wo
bie l)unbertarmigen 9tiefen-) liaufen? — Unb nad) attem biefem ift %ax'

*) SBenn aud^ nid^t ganj unbebrofjt, ©orgonen, „jenfeitS com Dfeanoä, bid^t

Dergl. Sß. 897. bei ber 9kc^t, wo bie ^etlfingenben §e[pe=


2) a^ergl. ouc^ 33. 274 ben ©i^ ber riben xvoi)mn."
44 Steligion unb ÄuItuS.

taro§ TOieber eine ^erfönti^feit unb jeugt mit bei* &äa ben entfe^Uc^en

(üulfanifi^en) STripl^oeug.

S)iefe ganje 5^l;cogonie famt i{;rer Itnterroelt mu§ ben Urüberjeugungen

be§ @rie(i)enooIfe§ entfproc^en I;aben ; bei ber großen SJiel^rjaf)! ber ©tämme
tüirb ein ganjev urfprünglid)er, nur üieUeid^t noc^ nic^t fo reicfier ^^oli)'

t^ei^mu^ famt 2lnfängen oon ©eneologie angunel^men fein, unb 3^11^ ^f^

i^nen auä) in ber altern 3^^^ !ein QU§fd)IieBIi^er ©Ott geraefen, beüor

er ber {)omerif(^e unb l)efiobeif($e ©ötterfönig rourbe, ber noc^ um feine

^errfd)a[t mit anbern ©eroalten fämpfen mu^. 3IIIe§, roa§ i^m, in ber

Slnrcbe eines 9ftiefen (33. 646), juerfannt roirb, ift größerer ©eift unb
35erftanb (nqajridfg^ vot]fui).

33on einem Untergang ber ©ötter unb ber SBelt weil bie 5rt)eogonie
nid)t§, benn bie griec^ifcf)en ©ötter finb eroig unb leben nidjt in ber

^orau§fid)t eineS legten Kampfes roie bie germanifcfien. Sefanntlirf) ift

erft bie ©toa auf bie 2tnfc§auung pon einem — fogar periobifc^en —
SBeltbranb unb einer borauffolgenben SBieberbringung aUer ®inge ge=

fommen, jeboc^ oon einer ganj neuen 2luffaffung beS göttlichen SBefenS au§.

einiges in ber 2lnorbnung unb 2lu§roat)I be§ ©toffe§ oerrät fid^ met)r

ober roeniger beutlid) al§ fubjeftio. ®ie Diereiben (33. 243 ff.) unb bie

Ofeaniben (33. 349) waren rool)! in ber Uranfd^auung eines unb baSfelbe:
^efiob jä^It beibe Dieitjen auf. Sie STitanen finb aw Sebeutung äuBerft
ungleid) unb mögen oom ©it^ter „au§ feljr oerfd)iebenen 2lnfängen unb
lofalen i^ulten entleljut" ^) roorben fein, ebenfo ift rooi)l ^a^ ©efd)le^t

beS ^t)or!r)§ unb ber ^eto (33. 270 ff.) großenteils erft oom ^id^ter in

biefe 3lffiliation gefammelt roorben.

33on mandien ©eftalten beS ^efiob ift fpäter roenig ober uidjt met)r

bie 9tebe ; entroeber genügte feine ®rroäbnung auf immer, ober baS 35olf

et)rte jroar baS ©ebid^t, ließ aber Xeile oon beffen ^nbalt ftittfc^roeigenb

fallen.

StIS im VI. 3a{)r^unbert bie Drpt)ifer eine neue 9teligion aufju*

bringen fud^ten, beburften fie and) einer neuen S^oSmogonie, unb groar

einer 3BeItfd)üpfung auS bem 3lid)tS, entna!)men aber baneben auS iQefiob,

') ^^reKer, ©ried). m\)i{)o\. L ©. 38. titanen feine gefaHeneu Gugel, fonbern
Unter a\U\\ Umftänben finb jeboc^ bie ii>errcunbcnc ^onfnrrenten.
:

2)ie ©riechen unb if)re ©ötter. 45

fo oiel it)nen biente ^). 3ugleid) begannen bie 2Better!lärungen ber ^fiilo»

fopöen, anfangt o^m Sßiberftanb ju finben, bis im V. ^a^rfiunbert


2lnoEagora§ fic^ bamit ba§ größte 3tufiel)en unb bie ^Berbannung aus

3It^en jujog. ©uripibeg griff oon biefen ©ebanfen ba§ Ungefäi)rlic^e

Quf^) unb mufete fid) barob oon 2lri[topt)Qnes oerl;öIjnen laffen^), welcher

feinerfeits in ben 33ögeln (35. 685 ff.) eine befonbere ©pottfoSmogonie

cntroirft, eine Jlarifatur ber orpfiifc^en unb if)rer Sel;re oom äßeltei; f)ier

gebiert nic^t bie 3eit, fonbern bie ^a^t ba§ @i, unb nic^t ber unerflärte

orpl^ifdje ^f)one§, fonbern @rog fcJ)lüpft barouS Ijeroor. Ueberijaupt

raurben ^oSniogonie unb ^^eogonie äf)nli(^ roie ber ^abe§ ju einem fel^r

frei beJianbelten 9)iebium foroo!)! ber bid)terifd^en al§ ber pt)ilofopf)ierenben

^t)antafie, unb be§, berü^mteften 33eifpiel§ mufe t)ier no^ gebadet werben

e§ ift ^slotonS ©aftma^l.

®a§ a^olf aber wirb mol^t geafint tiaben, ba^ ber ec^te unb ni^t ber
uttdigemac^te 3}h)t{)u§ fein urfprünglidieS 2Ber! fei, unb raenn nod) §u
^tatonS 3eit 9i^apfoben neben bem ^omer ^) and) ben §efiob oortrugen,

fo i)örte e§ geroi^ anbäc^tig p, „unb befonberS bie otten Seute fanben,

biefe S)ic^ter feien noc^ immer ha^ ©d^önfte, toa§ man Ijören fönne."

SBcnn man ba§ 5ßerljalten ber SSölfer gu i^rer ©öttermelt nöi^er

prüft, fo finben fic^ grofee Unterfcbiebe nic^t nur gmifd)en 9}tonot£)eiften

unb ^^otptfieiften, fonbern fc^on innerl)a(b beS ^solt)tI)ei§mu§, je nacfibem

er burc^ ^rieftertum unb fieilige SSorfdjriften unb Urfunben beljerrf(^t ober

oöüig bem ^ol!, bem populären 2lberg(auben unb ben ©ängern über*

laffen geblieben ift. ^ieljer gel)ört, roie fdion gefagt, bie fo oiel ai§> oöUig

ungei)ütete 9teligion ber ©riedien.

2Bir ^aben e§ {;ier nicbt mit i^ren ©öttern im einzelnen su tun,

fonbern nur mit ben allgemeinen SSegieiiungen, roeld)e fi($ bilben jroifdien

ben ©Ottern unb ber 9fiation, roeld)e fte gefc|affen unb beftänbig umge»

1) ©. bie SufammenfteCung Bei TlnU I raorjlfcile ÄoSmogonie beg ®mpeboHe§,


lad) fragm. philoss. Graecc. I, p. 170 üom roeld)er aUe§ auö ben ©egenfä^en Don ^a^
VIII. unb Siebe {xöroi unb (fdorrji) t)erüor:
2l6fd)nilt an.

2) Sef. in ben Fragmenten ber ajlela= gerben lä^t unb bann einfad^ aufääf)lt, f..

nippe unb be§ ß^njfippoS unb einigen beffen fragm. 35. 128 bei muUfi).
incertis. *) ^lato de legg. II, p. 658.
=5) airiftopl}., TJaesmoph. 13 ff.
— ®ie
46 Stelitjion unb ÄuftuS.

fd)affen t)at. 2Bie emfig aud) anbete ^solptl^ei^men geioefen fein mögen,
eine fo geroaltig uielartige 3)Jaf[e mi)tf)ifd)en (Stoffel wie ber griei^ifi^e

t)at au^er bem inbifc^en n)of)t feiner nieljr ju 3^age geförbert. 9Znr eine

kftönbige, burc^ feine 3lbn)eid)ung in ben Sluyfagen irre ju ntad^enbe 23e-

fc^äftignng von 3SoIf nnb ©ängern mit ©öttern unb Heroen — loenigftenS
in ber frühem unb Ijiefür bouernb entfdieibenben 3^it — f)Qt bieg ooII=

bringen fönnen. 2(uf 3^empelf)ijmnu§, @po§ unb 2::f)eogonien mochten bann


£i;rifer, 3)ramotifer, a)?ijtf)ograpf)en, ^Intiquore, ^Ijilofop^en unb jugleid^

tuK mäditig au^gebeljute bilbenbe 5lunft folgen.

@§ mädjft empor mie ein bii^ter Urmalb unb fpottet aüer ©in*
leilungen, mie fie fpäter oerfu($t roorben ftnb. 9Jcan glaubte 5. 33. etroaS

Uraltes unb 9Beife§ §u fagen^), wenn man unterfdiieb groifc^en eroigen,

ungejeugten ©öttern (5. 33. 2tpoIIon), erjeugten, meldte erft burc^ a^er^
manblung ju ©öttern geworben, enb(i($ 9Befen roie §eraf(e§ unb ®ioni)fo§,
meldie oermöge itjrer STugenb ba§ ©terblidje unb Seibenlfä^ige abgelegt
ptten. 5)er fpäte S^raumbeuter 2lrtemibor^) fonbert bie ©ötter in ohjmpifd)=

tttljerifc^e, liimmlifdje, irbif($e, SBaffergötter, c^t^onifdie ©ötter unb „voa§


fonft für meiere oorljanben finb", unb fc^eibet mieber innerlialb biefer
Kategorien folc^e, bie ben ©innen unb fold)e, bie nur bem ©ebanfen fid)

offenbaren {rdG&fjiovg^ ro>jjcvg). 5ffieit anberS also fold^e ©eleljrtenorbeit


lautet ber mirflid; feljr alte SSerfuc^ einer Ijödiften S^rinität oon S^u^^f
3ltl^ene unb 2lpoEou, roeldie öfter bei §omer jufammeugenannt werben,
aber ju einem abgefonberten l)ö^ften ilultug, wie etrao Jupiter, ^uno
unb aJiineroa in diom^), bradjte e§ bie 3ufammenfteaung nid)t.

2Ba§ man ©lauben nennt mar bei ben ©riei^en notroenbig oon gan§
anberer 2(rt aU bei ben S^ötfern mit S^eologie unb l)ciligen Urfunben,
rao eine mörtli($e 3?erpflid}tung ^errfd}t, haS^ ©öttlidje fo unb nidjt anberg
oufjufaffen. 33ei ben (Bxkdjm mar e§ uiel meljr ein ©d)auen; ha§ :^a=
fein ber ©ölter ftanb feft, aber iljr gan§e§ %m ujib Seben mar ein über»
anS' freies ^:probuft be§ f^auenben ©eifte§, unb lueil berfelbe in jener
ibealen ai'eit oöEig Ijeimifc^ mar, fonnte er nidjt irre gelien, and) inbem
er unbefangen meiter bicbtete. iskhm mir and) frbon uorläufig gu, baf3

\) ^lutarrf), Sßdop. 16. 2;nnitäteii befanntlicf) and) bei Wevmauen


-) Dneirofrit. II, 34. unb ©lauen.
») ^^JreUer, 3lötn. 5lh)t[)oI., ©. 58. —
3)ie ©riechen unb iifVi ©ötter. 47

e§ fid^ leben Ue§ mit ©öttern, welche bem ©(^icffal ntd^t roeniger untere

lau tuaren imb nidit fittli^er ju fein begehrten al§> bie a)ienf(f)en, unb
biefe nid^t jum Unge^orfam reisten burtf; jene ^eiligfeit, roeld^e bem ©Ott
ber monotf)eiftif(^en 9teIigionen angetjört.

3a^IIofe Slbroeic^ungen nid)t bloß in ben äußern S^atfadien ber ©e*


f(f)icf)te ber ©ölter, fonbern au6) in ben 2)Zotiüen i^reg ^anbelnS unb in

il)rem Gfiarafter brachten nid^t bie minbefte Störung mit '\id). Tlod)kn
Stempel unb Tempel, ©tabtfage unb iStabtfage, ©änger unb Sänger noc^
no(j^ fo 93er[c^iebene§ berichten — man fie{)t nic^t, ha'^ t§ barob i^aber
gegeben Ijätte, unb aucf) f)ier fc^eint jener „olte ©pruc^" gegolten ju
f)aben: ^ene§ mag beine 2IJeinung fein unb biefe^^ bie meinige'). 2l(Ie!c

iüof)( erwogen barf man ficb ot;nel;in oiel eber über ben Ijotjen ©rab oon
Uebereinftimmung munbern, meldie bie 3lnfcf)auung oon ben ©Ottern tro^

iljrer fo fel;r üerfdjiebenen Urfprünge erreicfit Ijat, unb gum Ijöc^ften 9?uljm
gereicht e§ ben ©riechen, ba^ bieg meift eine Uebereinftimmung im Sinne
ber Sd)ön(jeit mar.

S)ie Seutung ber grierf)ifd^en 3)ii)t^en buri^ bie neuere SÖiffenf($aft,

Ijauptfäcllic^ feit ßreuger unb ben ^^rolegomena Ctfrieb gjiüüerg mac^t


ein eigene! ©ebiet au§, in meldte! einzubringen mir ni^t berufen finb.

Scfiroierig bleibt fie bei einem SSolfe, melc^ey bie Urbebeutungen ber
©eftalten offenbar ^at uergeffen mollen, beffen Sijmbolif alfo eine naio

unberouBte geraorben ober oon jetjer geraefen ift, unb ha^i bie taufenbjät^rige

SBirfung eine§ unenbli^ opferluftigen ilultu^ unb einer grengentog reid^en


bilbenben Hunft über bieg aUeg l)at ergel)en laffen.

S)ie ^öljern äBefen maren anfang» (roenn bie Ijerrfc^enbe 2lnna(jme

richtig ift) 9iaturgegenftänbe unb 9taturfräfte, unb biefer 2irt finb bereite
biejenigen, meld)e bie griediifc^e 9ieligion mit ber alt=arifd^en gemein Ijat.

3)urd^ eine 5Ret^e oon ©ntraidlungen ertjalten fie tierifc^=menf(^Iic^e unb


enblid^ menfd^lic^e &zfiait unb ^erföntic^feit. 9tun bilben fid^ groei 9ieil;en:

9Jaturgott^eiten, meldje, tro| iljrer ä^ermenfc^Iic^ung im a^olfgbemußtfein


noc^ irgenbroie an i^r (Clement gebunben finb : ©äa, §eIiog, Selene, @og

^) 2'o/ uh' TcciiTd d'oy.ovyT taroj, t'uot Dom @nbe ber Stlfmene: ö'uicfOQa öt y.ai
di itidi. Sei a[tf)enäug IX, 4 an§ ©itenog. TU koiTicc ojg ro noXv äkh'jkoig Xiyoiaiy
5ßaufan. IX, 16, 4 Bei 31nla^ ber Sagen
48 aieligion unb ÄultuS.

unb aüe 9BQffergott|eilen ^) — unb folcfie, bie üon il;rem urfprünglidien

©temcnt oöllig abgelöft auftreten, qI§ freie ^erfönlic^feiten. 6ie finb

meift wit Sebeutungen unb Se§ie^ungen beloben, bereu üppiges dtanhxu


mer! ben eigentlichen Urfprung üöllig überfpinnen !ann, TOÖljrenb berfelbe
in lofalen unb get)eiinen Kulten borf) noc^ irgenbraie beraubt bleiben

mochte.

3lufeer ber olImäl)licE)en @ntroicflung biefer 2)inge barf man oieüeic^t

auc6 an eingelue plö^lic^e Hebungen im i^nnern ber Sieligion benfeu; bie

^ermenfd)li(^uug einer ©ott^eit fann in einem beftimmten ©au unb


Slugenblict einen großen 6cf)ritt getan Ijaben, unb fogleid) mirfte bann
bie %nx(i)t, ein mäclitig gemorbeneS rad^füd)tige§ 2Befen gu oernacliläffigen,

mk eine ^ropaganba weiter, unb Heiligtümer unb Slltäre be§ anber§

geworbenen ©otteS erhoben fid) in ber 3flä^e unb balb anä) in ber ^erne.

©leid) barauf mod)te eine gmeite, britte ©ott^eit mie im Sßetteifer biefelbe

neue ^öfie erreichen, ^e^t gemaunen bereu Tlijiljen — fie mögen frül)er

gelautet l)oben wie fie moflen — oermenfdjlic^te ©eftalt: fie rebeteu oon

ben ©Item ber betreffenben ©ottl)eit, oon fc^roerer ©iferfudjt, n)eld)e fc^on

bie ©eburt ju oerljinbern fud)te, oon Slämpfen unb geiubfc^aften gegen


aubere Wlää)k unb dou l)ilfeleiftenben ©ottl)eiten. 3lber bie 3lugbrudl»

roeife ge^t ouf ^faben, ba mir \i)x faum noc^ folgen fönneu; e§ finb

oft bie ber ^beenaffogiation, ober, um baS gu einfeitige unb prägife SBort

ju üermeiben, be§ 33ilberjufammen!lingen§, unb l)ier foU bann unfere fpätc

2ll)nung raetteiferu mit einer .3^^^ ii»^ einer aJienfd)l)eit, metd)e in biefen

2)ingen lebte unb mebte fc^on lange, beoor ha§> @po§ bie§ alleS in feine

mäd)tige 9iotation aufgenommen l)atte. SIZorgeurot unb ^agb ftimmen

§ufammen, unb (So§ raubt ben ^eptialoS; bie SBanberuugen ber SJionb'
göttin, 5. 33. ber Helena, finb @ntfül)rungen; bie ^i>ielljeit oon Steinen
gemat;nt an ein 5ßol!, jebeS fanfte 2Beljen an l)ö(;ere 33efeelung ; oon ben
SBolfen be§ ^immelS finb jmar bie großen unb geraaltigen gerabesu

bämonifd)e 3)iäd)te, bie ©diafmölfc^en bagegen roerbeu 3U gerben von

^) 2)cr fjluf! ®famanbro^5 taucht oug |


entfiU)rte Xod)t?t 3legina, fommt md) Äo*
feinen SOßirbeln empor: einem aKanne gfeid^, 1
rintf) unb erfährt oon ©ifijp^od ben ®nts
^I. XXI, 213. — Sie Stnrufuni] aCer 1 fiUjrer; 3eu§ aber trifft il}n mit bem
Kategorien ton ötenientargöttern im ajünnbe ©onnerftraf)! unb fenbet il)n jurücf in


j

be§ %i.romet[)eus, l'(efrf). Prom. 88 ff.


i
bag it)m eigene ©oioäffer. i!lpoUobor 111,

2)er J-Iufigott 2lfopo§ fuc^t feine »on ,3cuö '

12, 6.
Sie ©ried^ett unb if)re ©ötter. 49

^üf)en, Sämmern unb 3^^S^"/ toelc^e ©Ottern gef)ören im (Sinne einer

,3eit, ha gerben ber ^auptreidjtum niaren ;


äunfd^en bem ©tier iinb bent

§Iu§ ober Strom maltet eine a^erbinbung, melcf^e ni(^t blo^ burd; 23roufen

unb Stoben ju erklären fein mirb; bie SReere^roogen ^o[eibon§, raie fic

baljinlaufen unb jugleid) tragen fönnen, merben gu 3ioffen '), unb bic

©riechen Ijaben bonn beibeä überall „sufammengebadjt" ; bie jmifc^en Reifen

unb flippen branbenben SöeHen aber riefen bem 33ilbe fpringenber B^^S^^r

unb eine gange 3lnäal;l pofeibonifdier Oertlidifeiten tragen bann SUamen,


meiere oon a?'j, Biege, flammen -). 3tuc^ bie ben einjelnen ©öttern lieiligen

^iere, meiere fpäter gerne in ben 3:^empeln berfelben gelialten mürben,


mögen gum ^eil burc^ foldie, für un§ fe^t !aum met;r erreichbare Silber»

oerbinbungen in beren -IMlje gelangt fein, §um STeil freilid) burd) ©igen»

fdiaften, meiere einen unmittelbaren Sejug §um SBefen ber betreffenben

©ottlieit Ijatten, unb beibeg mödjte auc^ oon ben lieiligen ^flanjen gelten.
DZatürlic^ mirb bieg alle§ burd^ erjäljlenbe 3)iijtben in bie ©efd)id)te ber

@ottl)eiten üerflod)ten, roobei ber urfprünglid)e ©inn oerftänblic^ ober and)

erft recbt unoerftänblid) mirb.

@g oereinigt fic^ eben feljr oiele?^, um \m§> biefelben ©ölter, meiere


bei htn 2)ic^tern fo lebenbig in ben 33orbergrunb treten, roieber in bunfle

gerne ju rüden, fobalb e§ fic^ um ben eigentlichen ©runb il)re§ 2Befen§


l)onbelt, cor attem bie 9Jienge oon 33ebeutungen unb .Se§iel)ungen, roomit

fie belaben mürben. S)ie ©lementargottljeiten fpredjen flar unb beutli(^

au§, roa§ fie finb, oon ben übrigen großen ©Ottern bagegen ^aben mit

ber 3eit einige eine folc^e S^ielfeitigfeit erlangt, ba^ 3^«^/ SlpoUon, ^Itliene,

.§erme§, iebeg für fic^, fd)on faft alle§ barftellt unb überroadjt, roa§i bem
©rbenmenfdjen angelegen ift.

3unäd)ft fommt l)ier fd^on bie uralte ©oppelfeitigfeit ber ©ötter ol§
'©(^ü^er unb jugleic^ alg 3e^ftöter in Setrai^t. Siefe milbe unb biefe
furchtbare Seite ^) Ijaben fie fc^on al§ 3Jaturgötter, aber inbem fic^ in

^) Umgefe{)rt Bei ben 9?eitern : l'onda SBietjnng auc^ an §örner evinnern, opferte
de' cavalli (ajJanjoni). Sie Stoffe Dom ©e= man bem ^ofeibon aud^ ©tiere. ©ubocia
fpann beg ^ßofeibon finb ^t. XIII, 23 nocf) SSioIar. c. 769.
feine §ippofampen, raie in ber fpätern ^) ^aufan. X, 37, 4: dv&Qoinoig rov
i?unft, fonbern Stoffe mit öufen. Saiixoyog oinoiwg i'ni iQyio nafii xcd
2) greller, Öriec^. 3R9trjDl. I, 353. — d/Jtü'w y.ccl r« /fi'pw yijuoi'Toc,
SEöeil aber bie einjelnen Siogen in il^rer

3. S3urc{r)arbt, ®rtec§ifc^e fiulturgefd;id;te IT


;

50 ^Religion unb Äultug.

ber ^olge nacf) beiben 5Rid)tungcn Büge atter 2lrt anfc^Ue^en, wirb i§r

SBefcn immer oielbeutiger. Stpotton ift bcr reine Sidjtgott, aber gugleii^

ber furchtbare ©enber von ©eueren unb fdinettem Xohz; er üorjügli^

tötet unglüda^e i^ugenb, raie bie tinber ber 5«iobe unb ber 3pf)imebeia ^)

2lrtemig ift ©d)ü^erin ber friere '), aber gugleic^ ^ägerin; ^:pofeibon ift

SBefeftiger ber @rbe, aber juglei^ ©rberf^ütterer. ©obann fonnte eine

unb biefelbe @ottt)eit bei na!)e oerroanbten ober meit üoneinanber ent»

f ernten, bei I^oc^entroidelten ober gurücfgebliebenen ©tämmen eine ftorf

üerfc^iebene 2lu§bilbung erfaljren I)aben; auc^ lofale i^ulte mit if)ren

Tl\)t^tn fc^afften fid) 9?aum unb begeiirten nomenttid; bie @eburt§ftätten

von ©Ottern in ifirer ©egenb su befi^en. „2tuc^ mit bem beften SBitten

ift ea unmöglich, atte bie aufsujäEilen, rceldie oertangen, ba& 3eu§ bei

iljuen geboren unb erjogen morben fei^)." ©old^e Jlulte aber maren eine

mä(^tige, forgfältig fortgepflanzte tägliche STatfac^e. 3liä)t ju gebenfen ber

@inroir!ungen oon J^alboerroaubten ©öttern ber Sk^baroölfer t)er, raeld^e

le^tern ja anä) i^rerfeitä ber grie^ifd}en 2luffaffung werben nachgegeben


l^aben; bie 5lönige oon Sijbien glaubten offenbar im belpl)ifd)cn 2lpolIon

il;ren ©anbon miebersuerfennen *).

3^eben allen SBegie^ungen jum 3)lenfd)enleben wirft bann begreifli^er*


meife bie alte ^laturbebeutung noc^ immer nac^; berfelbe Stpollon, beffen

Söilb auf ®elo§ in ber 9tedjten ben Sogen, auf ber Sinfen bie Gljariten
mit 2i)xa, %iöU unb ©pring t)ielt^), Ijatte gu STöc^lern Dino, ©permo
unb eiaio — 3Bein, ^orn unb Del. ^m gonjen aber ift er bocf) ein

fpred^enbel Seifpiel baoon, wie gro^e alte S^laturbebeutungen faft oöttig

üerloren gel)en fonnten burc^ haS^ Uebergeroi(^t ber ni(^t'elementarifd^en

23eftanbteile einer ©öttcrgeftalt.

2)aB er unb feine ©c^roefter 2lrtemi§ urfprünglic^ ©onne unb 2)Jonb

maren, wirb faum md)x besmeifelt, ottein an il)re ©teile ift ein ^elio^ unb
eine ©elene geraten; oud) ber Sater biefe§ <ßelio§, ^gperion, foroie fein

©ol;n ^^aetl)on, finb im ©runbe ebenfalls ©onnengötter, unb felbft bie

') ^aufan. IX, 22, 5. ber ®Iou6e an bie @eburt beö 3^"^ ^t"!

") Sßenigftenö 6e[timmter etnjelner Äreta unb beö 2lpoUon auf 2)elo§ fic^

^QkuuccTu, ^lut. de fluviis 21, 4. feftfe^en !onnte.


'

3) «paufan. IV, 33, 2. ööc^ft n)a^r= ') Sßergl. 33anb I, ©. 325.


fd^einlic^ l^aben nur bie Sänger barüber ^) ?p(ut. de musica 14.
entfc^ieben, ba^ j. "iS. ein [tart üoriualten;
;

Sie ©ricd^en unb il^re ®ötter, 5X

©onnenroffe (eineg §ei^t ebenfalls ^^sf)aett;on , ha§ anbere gampon) finb

©uplifate be§ ©ottcl felbft. ^n anbern ^tuffaffungcn aber fdiroinbet and)


biefe sroeite ^^serfonififation unb bie ©onne rairb auf ftd^ felber bef(^ränft,

^uf ba0 ©olbgefä^ {xqvgovv Senac), roeld^C'o bie ehemaligen Sonnengötter


pr %ai)vt über ben OfeanoS befteigen unb bann roieber weitergeben
2lponon lei^t e§ einmal an §erafle§ unb befommt e§ nac^fier von biefem
^uxM. 3lIIein bieg alle§ waren ^alboerftanbene 2lltertümer geworben
neben 2lpolIon§ aJZac^t im 9}Jenf(f)enIeben, ju beffen 33el)err[(^ung er allein

genügt l)aben mürbe. 33efa^ er boc^ fd)on bie brei großen ^atronate ber

3Jiufif, 2Bei§fagung unb Teilung beg SeibeS unb ber ©eele, unb in erfterer
<£igenf(^aft §og er auc^ bie 9}iufcn an ftc^, roeli^e früt;er ju i^rem Später
3eu§ gef)ört trotten; bie ©änger aber oerf (arten ilju auf ha§> i)öd)fk,

fc^on meil er einer ber i^^^^S^^^ geworben war. ©ine weitere, faum über»
f,et)bare ^^-ülle oon aJta(^täuBerungen f^lie^t fidi an. a}Jit ber ^di freili^

^ing feine ^eilungSfraft oöEig auf 5lgfIepio§ über, welcher bann fein ©ot)n
i^ie^ unb mit feinem ©efolge (^t)gieia, ^anafeia, ^afo, ^elegpt)oro§ ober
©uamerion) eine ber mäd;tigften ©teilen in ber 2tnba(^t ber fpätern
<@rie(^en einnal)m, bi§ in ber ^aifer^eit bie SlSflepieia gerabeju bie be*

fuc^teften Heiligtümer würben.


Sßie üöHig ift auc§ bei 2lt!)ene bie reic^ auggeftattete ^Raturgottfieit

über ber §errfd)aft im 9)ienf(^enleben oergeffen werben! ©ie war eine

^©ottl;eit be§ ^eüen 2teti)er§ wie beg ©türmet unb be^ 33li^e§; fie war
ber SDtonb unb bie ©öttin ber ©aaten unb ^flanjungen, jumal be§ Del»
Jbaume^^. 2lber nur au§ if)ren ^eften ^at man §. S3. bie ©aotgöttin er»

raten muffen, inbem u. a. bie SBafd^ung if)reg großen ©ewanbeg, be§


^epIo§, an ben ^Ipnterien, auf bie Sefrud)tung be§ ©aatenteppid^ö
bejogen wirb. 2)er Uebergang in i^re fpötere Sebeutung erfolgte wie

überaß in biefer mptJiifc^en 2Belt ; SSorftedungen aller 2lrt l)ängen fid^ an»
einanber, quellen auSeinanber lieröor unb leben bann fogleic^ in reifer

3Serbilblic^ung weiter. 2lu§ ber lanjenfd^wingenben Sli^göttin wirb bie

.jQerrin be§ Krieges unb be§ ©iege§, an^ ber ©onnerwotfe bie 2legi0,

ün§> ber 9)lonbgöttin — nad^ einer meljrmalS oorfommenben ©i;mbolif —


bie @ntbinbung§göttin unb bamit bie ©döü^erin be§ ©ebei^enS ber ^inber
{xovQojo6(pog); oon biefer ©igenfdjoft ober auc^ oom ©d;u^ ber ©aaten
-aug gefd^ie^t ber gro^e ©c^ritt gum ©d^u^ be§ ^taaU^, unb nun l^ei^t
52 SteHgion unb 5lu(tu§.

fte ^oIia§, ^^'oIiuc^o§; üon ber 33ereitung oon 2Be(;r unb SBaffen au§
wirb fie bnnn ^errin einer gangen Slnjalj! oon STätigfeiten unb ©rfinbungen,
anzufangen mit ber 2Be6erei unb funftooßen SBirferet ber fronen, ober
auc^ ber ©(^iffbau geljört itjr, oom erften ©d^iffe an, roetc^e^ auf ben

fluten ging, ber 2lrgo. 21I§ Leiterin unb raoljltätige ^ee be§ Urbilbeg
oHer tüd^tigen ^ellenen, be§ Dbi)[feu§, erreid)te fie einen Örab oon all»

befannter ^erfönlii^feit loie gar fein anbereö göttUd;e0 2Befen. ©nblid^'

gewann fie, roie alle ©ötter, eine aUertjöc^fte 2luffaffung erft burc^ bie

bilbenbe ^unft.

Stuf biefe unb ätinlic^e Sßeife geraten immer md)x Seben§fpi)ären in


ben Sereid^ unb ©c^u^ einer unb berfelben @ottE)eit, fei e§ mel;r burd).

eine 2lrt oon ^onfequenj ober burdi eine leife Silberoerfnüpfung. Unb
biefe ©eftaltungen , roeldie un§ l;ie unb ba fo sufäHig unb fubjeftio er*

f (feinen, fanben bann bod) eine


gro^e, oft gan^ allgemeine ^Verbreitung,,

unb man mu^ fie al§> naturridjtig empfunben l;aben.

3Jiit 33ebeutungen oon fd^einbar weit auSeinanber gei)enbem ^nl^alt


ift bann befonbers^ ^erme§ überl;äuft ^), unb fi^on bei 3(riftopt)ane§ wirb
barüber gefd^erjt; ber ©Ott f)at feine 3)ienfte in einer Slnja^l oon ©igen»
fd)aften angeboten, worauf ber fede Marion meint: wie gut ift eg boc^,

oiele 33enennungen gu führen ^)! ®ie fpätere 3eit f"'^te au§ fo oielem

gerne einen §auptc^ara!ter ju ermitteln, auf weldien man ein %aä) (rf/v/;)

unb ein befonbere§ ^atronat grünben !onnte; Ijanbelte e§ fid) babei um


fünfte unb (^äljigfeiten, fo glaubte man, ba^ bie betreffenbe @ott(;eit bie*

felben ben 3JZenfd;en beigebradit ober oertiet)en i)aht^). 2lIIein fortwäljrenb

regiert einftweilen jeber ©ott in ba§ %aä) beg anbern hinein, bis in ber
3eit ber innern Sluflöfung hz§> §eibentum§ bem S^abel^gott 9}lomo» bie

©ebulb barüber au§gel;t. ^^h^x, {)ei§t e§ in feinem Ssorfd^Iag eine^^-

©ötterbefdiluffesS *), foHte bei feinem gac^e bleiben, 2ltl)ene nid)t meljr

l)eilen, 2l§flepiog nic^t mel)r wei^fagen unb 2lpolIon fic^ enblid) entfd)eiben,

ob er 2}Zanti§ ober ^itl;aröbe ober 2tr§t fein woUe. 2lud) gab e§ bei

fdieinbar fel)r auSfdilie^lid^en 3tttributen merfwürbige 3(u§nal)men; ^era.

') ^reQer fuc^t bie meiften berfelben deor. dial. 24 f(agt $erme§ felbft iilier feine

DieIIeid)t ju immittelbar auä ber Urbebcu^ Dielen 3lemter.


tungbeß.s^crmeö aUi ^Xegengotteä abjulcitcn. ') Siban. 2U-tcmi'5, p. 231.
'')
Slriftop^. ^^lut. 11G4. — Sei ^ucian, ') Sucian, deor. concil. 1.5.
2)ie ©ried^en unb i^re ©ötter. 53

welche baö ©^epatronat in oorsugiroeifem ©inne befi^t, Reibet \iä) jäfirlid^

einmal jur Su^Sf^^iii ^) / roäijrenb bie jungfräulid^e 2ltl;ene in ßlia einen

^nllug al§> 2ltf)ene aJJutter geniest').

33ei biefer ©ötterbereicEierung mu^ man fid^ immer gegenwärtig


ll)alten, ha^ ber 3]organg ein religiöfer unb poetifc^er jugleid^ geroefen ift.

©d)on bie urfprünglic^e ©eftalt ber ©ötter unb it)rer 9}h;t£)en mar ja im
SSolfe bal Ergebnis von beibem, unb bann ift fie oon ben ©ängern
meitergebilbet roorben bis §ur größten ^ütte unb ©d;ön|eit. ^ie unb ha
fd^eint bann bie poeti[c^e ^t;antafie eine göttliche ©eftalt oödig in i£)ren

Serei($ gießen ju rooHen. Slpljrobite, mit meitl^errfc^enbem alten Rvdt


oon ^apl)o0 bi§ jum ftgilifdien @rt)iv mit §at)treic^en befonbern 33ebeutungen
unb einer mic^tlgen ©tellung in ber früljeften ^t^eogonie unb in oielen

alten SJhjt^en, roirb fpäter eine ^^^igur ber fpielenben ^l)antafie, feitbem

il)r ä^er^ltniS gu @ro§ fic^ entroicfelt, meld;er meift, bo(^ nic^t immer,

alfo il)r ©oljn gilt, tiefer fommt fc^on bei i^efiob in jroeierlei ©inn
vox ^), §unäd)ft unter ben atterfrülieften Urmäd;ten, al§ ©ol)n be§ (£l)ao§,

als „ber lebenbige ©eift, ba§ ^^^rinjip atter j^ortpflanjung unb ©ntroid»

lung", raie neuere §u erflären pflegen ^), — unb bann raieber mit §imero§
(hzm ©elinen) al§ blojßeS ©efolge ber 3lpl)robite. @r erroäclft §u einer

groar immer fel)r jugenblidjen, aber furi^tbaren S^^olgeftalt im e^ten


Slnafreon, bei ©opl^ofles^); im ^ippolt)to§ be§ ©uripibeS !ommt e§ bann
5nm 93erfuc^e einer S]erre(^nung graifc^en iljm unb 2lpl)robite, mobei bod^
ber aJJutter hk ^errf^aft bleibt; il)r gel^ört boS ©efc^o^, unb ©roS
uerfenbet e§ nur**), unb nadibem ber ßl)or^) bie 9}Zad)t be§ @rog über
9ktur unb 9)Jenfd^enleben gefc^ilbert, fd}lie§t er boc^, ju 2lpl)robite ge»

roanbt: iMide fiöra xoaivvtig, über bieg alles bift bu allein ^errin.

33alb ^erna(^ aber melbete fid; ber ©d^erj, fc^on in einigen platonifd^en

5ßaufan. II, 38, 2. '")


©opf). 2tnt. 779. "EQiog üvCxuxt
2) ^aufan. V, 3, 3.

3) 2:^eog. 120. 201. — 35ie 2lnti= ^) §ippoIi)t. 533. SGBeitereSeroeifeber

quitäten be§ @ro§ uinftänblid^ bei ^aufan. gurc^tbarfeit ber mniitx 554. 562.
IX, 27, 1 f.
') ®bb. 1253, 2)ie DorrourföDorie 3>er*
•*) Saut einer 2lnftcl^t au§ bem fpäten raunberung, bafi ©roö feinen Äult genieße
Altertum fogar alö ber ganje Äo§tno§, al^ bei feiner gewaltigen 3Kaci^t, fd^on im frühem
berfelbe nod^ fd^ön, lieblid^ unb jung raar. ©efang 537. ^ierju bie befannten ^paral;
(Subocia 3Sio(ar. c. 354. lelen. 5piato, Sympos. p. 171 a. 189, c.
54 SReligion unb Äultug.

Epigrammen ^) , wo 3lp^robite ben älJufen bro^t, ba§ — offenbar je^t


ftarf oerjüngte — 33üblein gegen fie §u berooffnen, bann beim ^omifer
2triftopl;on, laut rael(^em bie (Götter bem unrul)igen ©törefrieb bie glüget

abgef(^nitten unb i^n auf bie ©rbe Ijinab gefc^eucf)t ^ahin. ®g bilbet

fi(^ eine ganje 9teit)e fd^alfliafter ©jenen au§, jroifc^en einem tro^igen
ilnäblein unb einer nadjgiebigen unb oft ratlofen 3}Zutter, bei ben 33ufoti!ern

(Sion unb 2)io§djo§) foroo!)I oB im a(ej:anbrinifd;en @po§^). 33ielleic^t

üon ber bilbenben ilunft ^er gefeilt fic^ eine ©i^ar anberer fleiner ©roten
t^inp^) — bod^ gibt eg ja and) eine 2Siet[)eit oon 2lpf)robiten ^), raie in
ber ägijptifrfien 9ieIigion oon ^atf)oren unb in ber römifdien oon äsenerei.
^m ^feubO'Slnafreon mirb bann bie 2lrt biefe§ fleinen mutroittigen ®ro§
roettcr ouSgefponnen. S)er frühere @ro§, mit roeli^em ber erfite 2lna!reoii

no(^ ben j^^auftfampf t)atte roagen muffen^), mar tängft oergeffen.

Sieben ben großen, fultugreic^en ©ottfieiten mod^ten bämonifc^e Statur»

raefen ebenfalls eine 9)?enge oon 33e5iel^ungen in fi(^ oereinigen. Ueber


ben ©laufoS 5. S. befi^en mir no(^ eine 3ufatnmenfteIIung aller 9]arianten:

au0 bem 2lltertum*'). SBo^l ift er oorsugSmeife lofatifiert in bem böotif d^en

Mftenort 2tnt[;ebon, rao man i^n al§ geroanbten ^-if^er unb S^audjer
gefannt i)atte, bis er einft oon bem ©ötterfraut (baä oor ^^^ten ^ronoS
auSgeföet) ju effen befam; t)ierauf i)ahe er fid^, I)ie§ eS, burd^ Söiüen

beS Qtu^ in einem ©türme inS SDJeer geftürjt unb feitbem fid^ als meis»

fagenber 3Jieerbämon geoffenbart. 3lber nid)t nur bie böotifc^e ^üfte,

fonbern alle i^üften meit unb breit bis nad) ©ijilien roaren feines SZamenS
öoll unb lielien it;m eine ganje ^Injal)! oerfd^iebener 3lbftammungen ;
je

nad^ ber SBenbung ber ©age rourbe er ibentifd^ mit bem ©eegott aJJeliferteS

ober beffen SiebI)ober, foroie er anberfeitS ber ©eliebte beS loeisfagenben

3JteergreifeS ^JlereuS (;ei§t, unb oon biefem, mie oon ^roteuS, ift er oiel^

leicht nur eine Umgeftaltung inS ^ugenbli^e ^). Unb nun taud)t er aud^

^) Scrgf. Antliol. lyr., p. 112. ^) ©trabo IX, p. 438: /} &to? yf-.Q

2) aipoaon. $Rf)ob. III, 93 ff., bef. 129. ov Uta. 23ergl. ®ubocia äiiolar. c. 355.
^) 2)orf) fennt fie fd^on SimonibeS 5) Fragm. 63 bei Sicrgf.
fragm. 23 bei '^cvqI, Anth. lyr., p. 441. «) ait^en. VIII, 47. 48. (iu^emeriftifcfje

Sei ^^iloftratoö imagg. I, 6 roerben fie 2)eutung bei ^alöpl;at. 28; üergl. aitd^

für lauter Äinber non 3it)mpl)eii amc\ei ^^aufan. IX, 22, 6.

geben. ') Wü(i)l)ö\ix, 2tnfänge ber Äunft,.

S. 84 unb 'J(nm.
Sie ©ried^en unb i^re ©5tter. 55

im großen 3)^t)tt;ii§ auf: er liebt 2triabne auf Tia^o^i uub rairb bafür
von ©ioupfog mit hieben gefeffelt; an ber Sletnafüfte erfd^eint er in ber
^öi)k ber ®ft)tta unb raitt fie burcf) ©efc^enfe geroinnen; bei ben 2lrgo»
nauten fä^rt er entroeber aU ©teuermann mit unb üerfinft nun erft in§
2)?eer, ober er begleitet bie ^afirenben von 3lnfang an al§> roei^fagenber
®ämon, nur bem ^a\on fic^tbar; ouf Selo» rool^nt er bei ben 9iereiben
unb fagt bie 3ii^WTift/ wenn man i^n fragt; ja 3lpoIIon fott oon i(;m

bie 3Jlantif gelernt tiaben. 2)ag (Sd;ifferöoIf aber glaubte iljn noc^ fpät

p l)ören unb 3U felien unb rebete oon feinen Siebfc^aften, u. a. mit ber

fi^önen S^odjter eineg Xüud)tx§> üon ©fione.

^Jieben biefem immerljin nur untergeorbneten SJJeecbämon erfc^eint

jebod} ber gro^e ©Ott ber ganzen SBafferroelt, ^ofeibon, nodi in oiel

fraglicfjerer 2Beife metjrbeutig. ^ier fann nämlic^ ba^ ') blo^e Siif^^^tTnen*

flingeu ber 33ilber oon äßogen unb 9to§, roe(d)e beibe „galoppieren unb
gugleid) tragen", gang unmöglich genügen, um ben geroaltigen ^errf($er
ber ?5^tuten, man bie @rbe
auf roeli^en ruf)enb backte, gugleii^ jum ^ofeibon
^ippioS p mad)en, unb man wirb fic^ oieEeic^t in ba0 Unergrünbtidie
beg S)oppelfinneg fügen muffen. 3ii^öd)ft ift ^ofeibon feine rein griec^ifdje

©ottljeit, fo roie bie Xljalaffa noc^ an anbere Ufer branbet, al» an bie

liellenifdien, u. a. aud) an bie oon Libyen, uub feine büftere ©eftalt fann
3üge l)aben, welche anä bem griec^ifc^en ©c^auen unb Sllinen allein nid)t

mel)r §u erflären finb. ©inft f)atte f(^on di^ta ben bie 5linber oerjelirenben

®emal)l i^ronoS getäufc^t, inbem fie il)m ftatt be^ Slinbeg ^ofeibon ein

füllen §ur ©peife barbot ^), in ber ^olge aber ift ^^ofeibon §eitroeife bag

3to^ felber unb befpringt in biefer ©eftolt eine ©tute, roeldje ©emeter
ift unb bann ba§ ß'^uberpferb Slrion gebiert^), ber übrigen oon bem
©Ott gefdioffenen ober erjeugten, au§ ber ßrbe ober bem %ü§> gefc^lagenen
S^ioffe nic^t gu gebenfen. ©arnit rourbe er ber ©d)u^f)err beio ganzen
roffenäl;renben SSolfe^, pmal ber ©bcln unb ilirer a^iennf ämpf e ;
jugleid)

aber rourben 9ioffe für il)n „mit B^g^^n gefdimüdt" in bie glut oer»

') 3lo(i) von ^reCer, ©riec^. 3)h)t^Dl. Demeter tourbe ®e[poina geboren, bie ge«
I, 367 geltenb gemad^te. I)eimnigDoKe ^lalbfci^roefter unb ^arallefe
-) ^aufan. VIII, 8, 2. ber ilore, ^bh. VIII, 42, 2; \f)v ^aupU
^) ^aufan. Vin, 25, 4 f.
— 2lu§ f)eiligtum VIII, 37, 1 ff.

einer anbern SßerBinbung beig 5pofeibon mit


56 SReHgion unb Äultu§.

fenft^), unb bic§ TOoren offenbar foftbare Dpfer ber 3tngft unb ^uri^t,

bei welchen e§ ntd)t§ gu fdjmaufen a,ah, benn ^ferbe lourben überhaupt


nic^t gegeben unb konnten oottenb§ nic^t §u üolf^tümlic^en ^efatomben
bienen. S)a§ bem großen 9Jieere§gott Heiligtümer an allen Ufern, be»
fonberg ouf ben 3Sorgebirgen erridjtet raaren, ba§ er ber befonbere «Sc^ü^er
ganjer ^üftenbeöölferungen unb i(;rer 33ünbni[fe raerben !onnte, ertlärt

fid^ üon felbft, auc^ ba^ bie com älieere eingebrungenen, ju .§errfrf)ern

geworbenen Giraten ^o[eibon§föf)ne i)ei§en. ©djon fdiroieriger ift 3U

beuten, raie er aud) ber @ott oon ^lüffen unb Duellen (xotjroZxog ufro.)

werben !onnte, benn biefe ()atten baneben erioeiglic^ oon jel^er il)re befonbern

göttlid^en SBefen gel^abt, unb üöUenbg unflar wirb er un§ ai§> ber ^err

elne§ gangen üeinen 5lontinente^, be§ il)m {al§> Sßoljnfi^, diojz^oior) ge^

loeifjten ^etoponne§, wo bi» in» innerfte 2lrfabien t)inein fein 2)ienft

blüljte, ineijr aU ber irgenb einer anbern ©ottljeit-). ©eine gange ©iu'
reil;ung in ba§ ©e[d)Ied^t be§ i^rono», feine 3)rittel^t)errfc§aft über bie

Söeit unb bie praditooHe Stu^malung feiner fubmarinen SBo^nung, feinet


(5jefpanne§ unb ©efo(ge§ gebort looljl erft bem @po§ an. ^m gangen

bleibt ber unoerföl^nlic^e ^einb be§ Dbi)ffeu§ boc^ ein riefiger Unbolb;
er Ijatte (mit 2lu§na^me etraa be§ gifd)fange§) nichts gu geben, unb man
mußte frol) fein, raenn er fdionte; oon ii)\n famen oUe ©türme unb
©d)iffbrüd)e, unb baju bie ©rbbeben in bem fo oft unb ftarf baoon
l)eimgefud)ten @rie(^enlanb, hmn ber ©rbbefeftiger mar gugleid) ber (£-rb=

erfd)ütterer, unb too ^elSgebirge auSeinanber gegangen fdiienen, mie gu

hzn ©eiten be§ Xale^ be» ^seneiog, ba erfannte man ba§ aSerf be»

^^ofeibon ^).

gegenüber biefer 23ielbebeutung oon göttlidjen unb bämonifdjen

3Befen mit i^ren fc^ranfenloS Übergreifenben S^ätigfeiten Ijaben bann


fpätere @ried)en auf uralte 2Binfe gu ad)ten geglaubt, inbem fie gemiffe

(S)ütter für urfprünglid) ibentifd) erflörten, unb bie neuere 3tnf(^auung ift

it)uen babei Ijie unb ha entgegengefommen. ^rometljeu§ unb ^epljäfto» *)

finb einmal in ber §auptf ad)e ein§ unb baäfelbe geraefen; au^er 2(pollon

1) ^aufau. viir, 7, 2. Sßergl. SHa§ *) J^omer |)i;mn. XIX, uergl. ^U-cUer,

XXI, 132. Gr. mi)il)oL I, 62. ^a üieüeic^t finb ^ro=


=>) 2)tobor XV, 49. metl;cu^ unb 2I§flcpiog (oergl. ^kufan. X,
>) ^erobot VII, 129. 4, 3) urfprünglid^ cinä.
S)ie ®ricrf)en imb t^re ©ötter. 57

unb ^eltOio gelten u. q. an^ ^er[eu§ unb in gemiffem ©inne ^erafleg


als eljemalige ©onnengötter; gule^t aber oerrät un§> nocf) ^slutarc^ ^) eine

urfprüngli(^e .^bentität beS 2lpoIIon unb be§ S)iont)fog, mit raelc^em er

ja, nad^ ben ^atjregjeiten , in ber ^errfc^aft über 2)elp^i abraec^felte.

2lnber§n)o ^) freilief) roirb fogar Sm§> mit ®iont)[o§ für ein§ unb baSfelbe
erflärt. — ®ann möge noc^ eine ©teile bei ^^lutarc^ ern)äf)nt werben °),

lout raeld^er Slpodon unb 2tre§, foroie ßeto unb ^ero, 3trtemi§ unb

@ileitt)r)ia ibentifc^ geroefen mären. 21I§ urfprüngli(^e 2}lonbgöttinnen

Ijaben fid) aufeer 2lrtemii5 unb ©elene and) eine Slnsatjl oon mijtl;ifd)en

grauen erroiefen: Helena, 5lir!e, 2)iebea, 2tuge, ^afipljae, 2Ita(ante,

^pbigeneia u. a. 9iur burd^ Uebergänge oon ber alten @äa oerfcfiieben

finb ^eftia, 3::i)emi», dt^ta, Demeter, unb aue^ ^^sanbora ift im ©runbe
bie 3}?utter ßrbc. Unb mal fott man oollenbS ben!en oon jenem 3ßi^0'

pofeibon, meld^er laut 2ltljenäu§ in Marien ein Heiligtum l^atte*)?

Sei fo ftarfem ©djraanfen ber 2Infc|auung, beim 9Jiangel on jeber

feften £ef)re, bei ber ilonfurrenj t)erfcl)iebener ©ötter um mid)tige ^atronate

ift e§ fein SBunber, ba§ bei ernften Stnliegen ber l)ellenifc^e 3}Zenfd) fii*^

ber ^ilfe einer beftimmten @ottl)eit gu oerfidjern fndjte burd^ einen beut»

iidjm 33einamen, ben er gu feiner Slnrufung liinjufügte. Tempel unb


2l(täre, meldte ben ©Ottern unter folc^en 33einamen geroeil)t mürben, maren
bann Söfungen bejüglid^er ©elübbe ober ein allgemeiner StuSbrud be»

SanfeiS. Sie§ ift aHerbingS nur eine oon ben oerfdjiebenen Duellen biefer
tiruX^osig (33einamen) ^) unb mir muffen l)ier auc^ ber übrigen in einigen

Seifpielen gebenfen.

2)ie allgemein eljrenben ftabilen 33einamen, welche bie ©ötter bei ben

2)i(^tern fül)ren, fommen Ijier nid)t in Setrac^t, unb Sudan®) mag für

manche ^-öde reclit l;aben, menn er fagt, bie 2tu§roal)l fade banad; au§>,

loie e§ gerabe für ba§ 9)Jetrum paffe. 2lnbere belogen fidi auf eine Dert»
Ud)feit, gunäc^ft auf bie, rao fid) ber Sl^empel ober 3lltar eines ©otteS be=>

^) De Ei apud Delphos, c. 9. SiCrgl. ^) Saut ®iog. Saert. II, 5, 27 gab


^PreEer I, 440. — 2lud) 2fiacrob Saturn. cg oon einem ©ofrateS au§ Äo§ eine

I, 18 gibt nod^ einige mevltoürbige 2Bin!e. ©d^rift, iTiiy.?.,]atii d^toir. ©in fpäteö furgeä
') atriftib. mjdov or. IV bei ©inbor. iserjeic^niS biefer 2lrt bei SBeftennann,
I, p. 49. Mythographi, p. 355.
^) De Daedalis apud Plataeas. •') Timon 1.

*) Sßergl. greller, ©r. Tlr)t^. I, 361.


58 Steligion imb Äultug.

fanb, „nn ben SBaffern", „am 3Sorgebirge", „auf ber 2lgora", „in ben
©arten" u. f. m., guni Unterschiebe üon anbern Heiligtümern berfelben

@otti)eit in ber nämlidjen Stobt, raie benn 5. S. ©parta nid^t weniger


a[§> fecf)l 2trtemi§tempel t;atte; in bem berüljmten 9)Jarmorbrud)e bei

Slaryftog auf ©nböo ftanb ein Stempel be§ 2lpoIIon 9Jtarmarinog '). ©0=
bann gibt e§ lofale 33einamen, raeli^e an eine 5!nltn§übertragung {ucpiSQvaic)
üon anber»roo^er erinnern, etwa mie bei ben Sorettofirrfien in ber ganzen
fatl;oIif(jE)en SBelt. ©0 oerel^rte man an metjreren Orten eine 2)emeter

oon @leufi§, in @(i§ eine 2ltl)ene ^pbonia (au§ ^reta übertragen), in


3)iHIet, %zo§, u. f. m. einen l;eIifonifd)en ^ofeibon, welcher feinen 9tamen
üon ^eÜfe am 33ufen oon ilorintl) t)atte ; in Söotien ftanb ein SIpotton»

tempel, ha§: S)elion, beffen 3)ienft oon ®elo§ l;er übertragen roar^); un-
meit ^oroneia in 33öotien erinnerte ber Stempel ber 2ltbene ^tonia an
bie früljere ^eimat be;c nnnmet)r Ijier Ijerrfdienben ^olfe§, unb ein ^lufe-

nanie war mit oon bort l;erübergenommen loorben^).

Slnfeerbem fonnte ber Seiname ficf) audj auf eine befonbere ©eftalt

be§ 5lultbi(beg be^ieljen: Sie 2lrtemig Drti)ia t)ie& fo oon it)rem pfeiler^

artigen 3{u§feJ)en; S)ionijfo§ Ijie^ in ^röjen 9)telanaigi§, roeit baä 33ilb

mit einem fdiioar^en 3iß9^^f^tt befteibet mar, ein 2l§!(epio§ Stgnitag mar
00m ©tüffe be§ Silbe§ {ayrog, vitex) fo benannt. 2tu(^ ber blo^e 9Iame

beg ©tifter^ fommt al§ Seiname oor*). 3lnbere 9J?aIe wirb mit ber

') etxabo X, p. 446. — @5b. p. 343. benannt roaren ; am ^auptfefte be§ ©otteS
346 im fiibineftlic^en^ßeloponneö ber Tempel nnirben fie f)inau§getragen nad) bem Jiempel
be§ '^sofeibon Samiog, oon einer eE)emaligen beg Sionrifoä 2Ii[x)mneteg (Sorftef;erä,
nat)t gelegenen Stabt Samo§ fo benannt. Äampfrid^terö. ©in äfintic^er Hergang in

2Inbere Seifpiele oon örtlid^en Seinamen ©ifpon, ^aufan. II, 7, 5). J^el^rten babei
j. 33. ^aufan. III, 22, 2. VI, 21, 4. VI, bie üerfd)iebenen 2tuffafjungen be§ ©otteö
22, 5 ; beibe leitete nac^ Dorbeiftrömenben auf einen 2lugenblic! in bie ^^entität jiu
bluffen. rüd ? ober wav eg nur ein Sefud^ ber ^uU
-) ©trabo IX, p. 403, nergl. p. 435. bigung, roie droa im 3}UtteIalter mit "Sit-

dlod) ipät, nacf) bem mitdribatifd^en Kriege, liquien gefd^a^? 25em neu gefunbenen
ber 2IpolIon6pibcIio§ im ©ebiet oon Sparta, Raupte 3o^;an"eä i'cd ^äuferg in Slnge^
^anfan. III, 23, 2. riacum um 1020 ftatteten bie grij^ten 9te-
^) ©trabo IX, p. 411. ©in ä^n[id)e§ Iiquienf(f)reinc üon gans 9(quitanien ifjren

33ei)piel bie .s>era ^|U)anjgaia IX, p. 426. SBefud^ ab. ^Nergl. 2lbf)cmar III, 56 bei
3u ^aträ (^aufan. VII, 21, 2) in einem ^er^, scriptt. IV.
l^eiligen 33ejirf [tanbcn btei Sionpfosbilber, *) 2Ig!tepio!§ ^cmainetoe, ^aufau.
rcelc^e nacf) anbern ©tobten oon 3(ct)aia VI, 21, 4.
Sie ©riechen unb il^re ©ötter. 59

©piflefig bic (Erinnerung an einen befonberen Tix)il)u§> feftgeljalten ; ein

Tempel ber 3tp^robite 9hjmpf)a war oon S{)efeu§ geftiftet, al§ er um


^elena freite; 2ltf)ene Stpaturia l)ie§ fo üon einem täufc^enben ^raum,
raelcEien fie ber 2letf;ra gefanbt J)atte; ber 3::empel ber nieberfpät)euben

2tpI)robite über bem ©tabion uon STröjen bejeii^nete bie ©teile, oon rao
au§> ^sf)äbra ben Hebungen be§ ^ippoIr)to§ jugefeiien. ^n ^Beinamen roic

Slpodon ®eIpi)inio^, SlpoHon St)feio§, ^alla§ 2;ritogeneia liegen uralte

Slnfc^QUungen, bei meieren bie 2lnba(^t ber ©riecEien felber ber eigentlii^en
33ebeutung nid^t md)v [ic^er mar, auc^ gab e§ übertiaupt mand^e ©piflefi^^
über bereu ©inn man fpäter [tritt unb einjelne ett)motogif(^e SSerfudje,

raie j. S. über ben Siont)[o§ ^[ila^- ^) fielen anwerft ungenügenb ou§.


SSiele S3einamen iebod) finb fe^r ernft gemeint geroefen; 3::empel unb
Elitäre, meldte biefelben trugen, follten bie ©ottljeit in eine befonber§ nalje

Sejieliung §u bem 33olf einer gangen ©tabt, \a eineg ©tomme§, ju einer

Korporation, einer ^amilie bringen, fie für eine beftimmte i^ilfe haftbar
erflären, unb manche fotc^e Stiftungen mögen bei fel)r bringenben 2tn=

läffen erfolgt fein. a3cit bem S)ienfte be0 Slpollon ^atroo§ [teilte [id^ ber

gange ionifc^e ©tamm unter ben befonberen ©i^u^ be§ großen ©otteS
unb 2l§nl)errn; 2lpollon 2lrc^egete§ fonnte ber ©(^u^l)err bei ©rünbung
einer ©tabt geroefen fein; 2ltl)ene ot§ ^olia^, all ^romad^oS fc^irmte

tt)r 2ltt)en anberl als ol)ne biefe 2lnrufungen; \a e§ gab ^Tempel unb
Kulte üon göttlichen „@rl)altern" unb „ßrljalterinnen" {aanTjQic^ ocnewai),

balb mit, balb oljue 9?ennung olijmpifc^er ©ötter, unb roir bürfen au'

nelimen, ba^ l)ier bie [tärf[te Slnbad^t be§ betreffenben DrteS lebenbig roar.

2llS oHgemeiner ^ilflgott l)atte befonberS Stpollon feine Kulte unter ben
2lnrufungen Slfefiol, 2tleji!afo§, unb all Reifer bei ©eud^en: 2lpollon

©pifuriol. ^ür bal ©c^lad)tenglüdf raurbe er oerelirt all 33oebromioio

unb in ©parta feine ©c^roefter all Slrtemil ^egemadie. ^n Xi)ehtn fianb

ein /Tempel bei Sioni)fol fiijfial all 33efreierl oon ©efangenen, roie im
9Jiittelalter ©t. Seon^arb. ^m täglid^en ©afein roirb junä^ft ©eburt
unb aiufgieljung 'öt§> Kinbel einer 2lrtemil Sod^eia, einer Slpljrobite Kuro^
tropljol fefir eifrige Opfer eingebracht l^aben; für ©enefung unb ©efunb*
l)eit überl)aupt rourbe au§er ber §t)gieia aud^ nod) 2ltl)ene ^ijgieia an^

gerufen, ^m ©tt)mpt)alol ftanben brei alte Heiligtümer ber ©d^ü^eriu

') 5ßaufan. IV, 19, 6.


60 Sieligion unb ÄuUu§.

bei loeiblic^en Sebeng beifammen, ber §era nll Jungfrau, ali %xan unb
aU Sßitrae. Slud) für bic raeitern ^errirfituiujen bei tägltdjen STunl, fo-
balb man fid^ ernftUd) um ©rfiutj unb «gilfe umfalj, Qah el ein fidjerel

g-ac^patronat ber einjelnen ©ötter nur nodj, raenn man ifirem Dcamen
eine ©piflefil beifügte, unb nun üerefjrte ber ^jirt einen 3tpoQon 9iomiol,

ber ;[yäger eine 3lrtemil Slgrotera, ber ©eefaljrer eine 3lp()robite ©uploia

u. f. m. ^oüenbl aber mußten bei 2lnliegen fittlidier 3lrt bie ©ötter gleid)=

fam 3U it;rer ^^fii^t aufgerufen raerben burd^ 33einamen, unb biefer 2lrt

maren 3unäc^ft eine ^\^al)l wn jluiten bei ,3eul, all ßibljüter (^orüol),

Sdjulbreiniger (J^attjarfiol), Süljuenber (aiieitic^iol) u. f. m. 2l|)l;robite

mürbe ^) u. o. üereljrt all Senberin ber 3ieigung (®pi|'tropl;ia), 2It(jene

all ©d)ü|erin ber 9iatfd)läge unb (Sntfd;Iüf)e (a)Jed;anitil), mancher fonftiger

33eifpie(e ni($t ju geben!en. %üv bie Ieibenfd)aft(id^en ©tofegebete ber


SBettfämpfe im i^ippobrom oon OIpmpia gab cl, an ber ©teüe, wo bie

Stoffe (olgelaffen mürben, 3(ltäre he§' 3eul, ber §era, bei 3lrel, ber
2ltl;ene, fämtlid) mit bem 33einamen §ippiol ober ^ippia. ©laubte man
einer ©ottEieit bie 2lbroenbung einel 9iaturfd)abenl gu oerbanfen ober üon

ibr erf)offen 5U fönnen ^), fo mürbe biel in einem Beinamen aulgebrüdt,


unb ©ötterbienfle biefer 9Irt mögen oft fei)r eifrig begangen morben fein.

^Nofeibon (jatte in ^^röjen ein Heiligtum all ^()ptalmiol ^), bamit ha^i in

bic ^lur Ijineinfpri^enbe a)ceermaffer (^^'Ä,a^) ben ^^flanjen nid)t md)x uer»
berblid) merbe. ^n anbern gäOen fianbelte el fid^ um bie $8erti(gung
fd)äblidjen Ungegieferl; fo gab el einen ^eraflel unb einen ^IpoHon ber
^3cufdj reden, einen ^eraflel ber ©einrebenroürmer, einen äliüdenjeul, einen
2Ipoaon ber ablaufe ^). 2Iu§er biefen feftftet)enben, meift an beftimmte
Heiligtümer gefnüpften Seinamen finben fid) enblid) fold)e, mit meieren
eine @ottl)eit — rao el aud) fei — um einer befonberen 2lngelegen§eit
mitten angerufen rairb, in einem befonberen 2lugenblid. ®er j^-ifd^er,

meld^em nur an feinem gange gelegen ift, ruft: ^]]ofeibon gifc^er •') ! unb
ät;nlic^el rairb täglid) in taufenb pHen gerufen morben fein. SBeit bal

') 2l5gefef)en dou ben brei berüi^mten *) ©mint[;eu§, bei raelc^em bie 3}ian§
itulten ber 9(pf)robite Urania, ^sanbemoe; bocf) ef)er ein ©nmbol bor ^k[t luar; M^j
unb jrpoftrop^ia in Jfjcben, 'i^aufan. IX, Senjpelbilb [teilte ben Öott bar, mit bem
Iti, 2. Ju^c barauf tretenb.
2) ©trabo Xril, p. 61:3. ^) Uüatid'ur ilyQtv. — Sucian, Pis-
=>) ^>an)an. II, 32, 7. cafor 47.
Sie ©ried^en unb il)re ©ötter. 61

33e5eirf)ncnbfte aber finb jene 2lnrufungen an ^m§, roel^e ^crobot (I, 44)
bem ilröfo^ naä) bent ung(ücf(tc^en Tobe feine§ <Bo^m§^ in ben 3J^unb

legt: ^m§> Sieiniger! (raeil i^röfo» felber üorI)er ben Hbrefto^, raelcfier

bann feinen <Boi)n tötete, üon frül)erer 33(utf(^ulb gereinigt Ijatte) — ^tu§>

be§ §erbe§ ! 3^"^ ^^^ ©enoffenfc^aft ! (roeit ber fünftige 9}törber am §erb
anfgenommen nnb bem ©o^n aU ^agbgenoffe beigegeben morben mar),
^ier ift febe ber brei ^noofationen ein befonberer SSorrourf an ^^n^,
meldier benfelben fo loenig entfproc^en t)at. — @nblid) befrembet e§ bei

einem 3Solfe mie bie @riecf;en niif)t, loenn etroa ber Stifter eines heilig»

tum§ feiner @otti)eit einen 53einamen im ©inne be§ perfönlic^en ß^r»

gei^eS gibt. T^t^emifiofleio ärgerte bie 9)ienge, inbem er einen 2:^empel ber

2lrtemi§ erbaute, bie er ,,2lriftobule", üom beften 9iat, subenannte, finte=^

mal er ber eigenen ^oli§ fon)o()l al» ben Seltenen ben beften dlat er^

teilt ^ab^').

^ie unb ba fam e§ cor, ba^ im Saufe ber 3^^^ ^^^^^ ^^i^^^ lc^nQ^

nur ben Seinamen gebraucEit f)atte, ber ^auptname in 5Berge§ geriet, ^n


^(atää mar man ungeroife barüber^), ob bie @ufleia, meiere bort einen

Tempel {)atte, bie 3lrtemi§ ©ufteia getyefen fei; bei ber Slfabemie üon
2lt^en^) mar ein Ijeiliger Söejirf ber 2lrtemi§ mit ben ^otsbilbern ber

2Irifte unb i^aEifte, unb ^^aufaniaS bebarf eigener SSermutung unb einer

©rinnerung au§> ©appl)o, um in beibem blo^e Seinamen ber 2lrtenii§

felbft gu erfennen.

hieben ad biefem unenbli($ Sielen, in meldjeS bie 5lraft üon ©Ottern

unb ©ämonen örtlid) unb fad)lid) auSeinanber geljt, i)o.h^n bonn mefent»
lic^ bie ®id)ter ben leudjtenben äRittelpunft, ben Olijmp^, gefd^affen.

®ie großen ehemaligen ©lementargeroalten, roeldje fid) t;ier üerfammeln,

bilben ja nii^t ihm ein 9Zaturfijftem, fonbern in il)rer Sermenf^li^ung


eine ^oli§, unb iljre eliemalige 3Zaturbebeutung oerrät fid; nur nod) in

ben jeitraeiligen @mpörungSüerfud}en gegen ^^n^ unb in beffen @egen»

') ^(ut. ar^emift. 22. Dhjtnpg, bem [cligen Seben ber ©ötter

2) ?ßlut. 2lriftib. 20. entfprec^enb, ift befannt(id) ba§ beftänbige

2) «ßaufan. I, 29, 2. — D5 bie ®u= fc^öne Söetter unb Ijette £id)t; auc^ ift er

rt)nome oon ^r^igalia eine 2Wemi§ gewefen feiner @rfd)ütterung unterraorfen, nacpaXtg

ober mrf)t, YIII, 41, 4. tdog y.ci äac.KtvTov.


*) S)te fonftante ©igenfc^aft be§
62 9ieligion unb Äultuä.

rael)r^). 9)tan !ann ba§ fonftitutioneUe Silb biefeS ©taatel mit feinem
engern ©ötterrat unb mit ber meitern ^erfammlung, ju welcher aud)
f^^luBgötter unb 9h)mpt)en gelaben merben, l)ier üöflig auf fi(^ berufien

taffen, mit 3lu§na^me einer raiditigen 3tebeIIenrebe be§ ^ofeibon^), auf

meiere mir fpäter werben jurüdraeifen muffen: „2ötr finb unfer brei

trüber, bie 9tf)eia bem ^rono§ gebar, 3^"^/ ^^^) "^^ 2libe§, ber J^önig

ber Unterirbifd^en. 2ltte§ mürbe in brei Steile geteilt unb jeber empfing

feine Sßürbe. 9)iid) traf'l, aU mir loften", — benn fie lofen mie fpäter

bie ^erafliben um ben ^eloponneS — „ftet§ ba§ graue 2}Jeer ju be^

roo^nen, bem 2l"ibe§ fiel bie buftige ginfterni§ ju, 3^^^ befam ben meiten
^immet im 2let^er unb in ben SBoüen, bie ©rbe aber unb ber meite

Dlt)mpo§ finb allen gemeinfam, unb 3^"^ fo^/ fo ft«^'^ ^^ f^i/ "ur gut»
roittig in feinem ®ritteit bleiben; mit 2Borten mog er etroa feinen ©ölinen
unb 2;öct)tern broljen". Tlit ber @rbe geljört aber aud) bie ^errf^aft
über ba§ 2)Zenfd)enleben allen ©Ottern gufammen, unb, mie fid) geigen

mirb, in roii^tigften 53e3iel)ungen nid^t einmal il)nen, fonbern bem ©c^idfal.


Ser Dli)mp, im ©runbe fd)on ein üerl)ältni§mä§ig fpäter ©ebilbe,

umfaßt \thoä) ba§ ©ötterroefen bei raeitem nid)t ganj, aud) abgefetjen üon

ben Unterroelt^göttern. 9'^id)t nur ift 2)ioni)fo§ nal)eju ein ©Ott unb eine

Sfleligion für fic^, fonbern eliemalige ©enoffinnen ber größten ©ötter, mie
^efate, 2)ione, 9^emefi§ u. a. finb in ein üerl)ältni§mä^ige§ ©unfel ge-

funfen ^), uieQeidjt roeil bie ©änger, roeld)e fo fel)r über bie ©eltung ber
©ötter perfügten, it)rer nic^t mel)r (ober, mie bei 9iemefi§ nur nod) in
einem abftraften Sinne) ju gebenfen pflegten, ©obann gibt e§ eine mu
fel)nlid)e 3aljl göttlid)er SBefen oon meift abjeftioifi^en 9iamen unb oöllig

ungeroiffer ^erfönlid)feit, aber l)öd^ftem ^ilnfel)en am Drte i^rer $8eret)rung,


ma§ mel)rmalg baburc^ au§gebrüdt wirb, ba^ fie bort bie Ijöt^ften @ib«

götter finb. ©inige biefer 9iamen !önnen pon jenen ©piflefeiio gemefen
fein, bereu ^auptname nur pergeffen raorben mar, unb fd^on ba§ 2lltertum

') 31. I, 397. Vlir, ISu.f.ra., rcoju 2) 31. XV, 185 ff.

bie Deutungen 5Jeuerer. — Siefelbe 2ltl;ene, ") 2)ocl^ ^atte 5. 23. .'pe!ate auf Siegina
ireld)e mit §era unb ben übrigen jur noc^ fpät ('^Jsaufan. II, 30, 2) ben i!or=
geffelung beg 3^»^ Derfdjrooren gercefen, rang oor allen ©ottl^eiten unb 2Beil)en

lüei^ bei 2lefcl^plo§ (Cum. 827) um bie feit uralter Qüt,


6cf)(üffel beö Öemad^esi, roo ber Sonner=
.[tral)l liegt.
;

Sie ©rtecfien unb if;rc ®ötter. 63

})at fid^ bie <Sa($e Ijie unb ha fo erflärt; im ganjen jeboi^ fül)ren bie

betreffenben eingaben be§ ©trabo, ©tobor, ^^oufaniog u. a. auf eine

anbete ©pur, nämlid) auf abftc^tlidjeS @ei)eiml)alten oon ©ötternamen ^),

fo frembartig un<§ bie§ üorfommen mag. @§ ift ein früfiefter 3uftanb


ber ^oli§ benfbar, ha fidö eine ftabtfc^ü^enbe @otlt)eit erbob, roeli^e man
ben ©inroirfungen üon brausen, t)on geinbe^feite §u entjietjen glaubte,
inbem man einen al§ ben wahren geltenben 9iamen oon 2tnfang an »er*

barg unb einen ©rfieinnamen malten lie^. @ine 33el)örbe unb ber jemeilige
^riefter be§ ^empelg merben ba^ @el;eimnig trabitioneU befeffen ^aben,

raie biel bei mand^en geheimen 3eremonien notorifc^ ber gaU gemefen ift ^),

roälirenb bol SSolf fic^ el)rfürc^tig in ba§ 9iicl;troiffen fügte. Sei ber
SBenigfeit ber Söiffenben aber fonnte bie ^unbe einmal au^fterben, aH«
mäl)lic^ ober plö^lic^ bei mörberif^en ©tabtfrifen ober bei ©eueren, unb
nun blieb nur nocl) jener abjeftioifclie 9tame übrig, llmfonft fragen mir
nun: mer mar eigentlich ber ©ofipoli^^) oon Dhjmpia unb (Sli§, ber

©piboteä oon 3}Zantinea, bie ©ucijuome oon ^l)igalia, bie „Steinen" oon
^allantion, ber 2)iegifto§ im pl;ofifc^en 33ulil, bie „fönigli^en Knaben"
in 2Imp^iffa, bie ^^sartljenoS ju Subafto» in i^arien, ber 2lbrano5 in ber

gleichnamigen fi^ilifc^en ©tabt? u. a. m. 2)ie in 2lrfabien öerel)rte

©efpoina wirb je^t al§ ^erfep^one gebeutet, unerflärt aber bleibt tooI;1*)

bie ^eilgöttin ^cmittiea, bereu 2::empel 5U £aftabo§ in Marien ooüer 2Beil)^

gefd^enfe unb ol)ne 2Bä(i)ter unb ©diu^mauern mar unb borf) felbft oon
Werfern unb ©eeräubern oerfc^ont rourbe. 23elcl)e§ herumraten in folc^en

pllen bi^raeilen eintrat, leiert bann etma ^lutarc^'') bei 3lnla^ ber^afipliae,

meldlie im lafonifd^en S;i)alamiai einen micl)tigen alten 5lult unb ein 'Xiaum'

^) ®urip. fragm. Phaeth.: rd aiy^vr' @ra6 unb opferte babei, roorauf jeber nad)
ovöuuTcc Twv &iwv, frcüid^ nur 5ei 21nlaf! einer anbern ©eite oon bannen ging.
ber Sbentität beä §elio§ unb be§ 3lpoaon 3) 5ßaufan. VI, 20, 2 f. mit einer ^öc^ft
gemeint ift oieüeic^t bie 2l5Ieitung biefeg fonberbaren Urfprungöfage. — Vin, 36, 3
le^tern SfJamenä oon änolXvui. folgert ^aufaniaö ganj roillfürlic^, bafe mit
-) '^xi 2:^£)eben fiattcn nur bie jeroeiHgen bem 'Ayu&Sg i9foV, rceld^er in 2lrfabien
§ipparc^en Äenntni^ com ®ra5e ber ©irfe, feinen Sempel ^atte, ^^u^ gemeint fein
5?Iut. de genio Socratis 5. Sa baä 2(mt muffe, roeil bie ©ötter ©eber be§ ®uten
nur ein einjäl^rigeg roar, fo raar für eine feien, 3^"^ ^"^^"^ "^^"^ l^öc^fte ®ott.
2lnäaf)( Don 3J?itn)iffern geforgt; ber 216- *) %xo^ Siobor V, 62 f.
tretenbe jeigte bem neuen tei IRad^t ba§ 5) 5ßrut. 2tgi§ 9. — Äfeom. 7.
64 Stetigion unb ^ultuS.

orafel &e[aB ^). — S)a^5 S)a[etn oon unbefannten ©ottern gab übrigen^
ber offisteöe ©laube p, inbem n)oI;l jener alte ^ohjbämoniSmuS, n)etd;er

überall unfic^tbare 2[ße[en oorau^gefe^t (jatte, norf) nic^t oöllig erlofdjen

roar. @ine ber ^unftionen, burc^ lueld^e im ^at^re 596 ü. Qi)x. (BpU
menibe^ bie ©ütinung üon 2ltl;en, unb jraar 5unäd;ft bie Stillung ber

^eft beroirfte, TOirb folgenberma^en ^) gefi^ilbert: ,ßx nai)m fc^roarge unb


raei^e ©c^afe unb führte fte nad^ bem 2treopag ; oon ba liefe er [ie loufen,

rootiin fie wollten, unb befaf)! ben ^Begleitern ba, rao jebe§ ^Tier fid) nieber»

legen roürbe, bem betreffenben ©otte (rw nqoGi^xovii, 9f(7i) ju opfern, unb
bamit l)örte ba§ Uebel auf. 2öe§l)alb man benn nod^ l)eute in ben Semen
2lltäre oline 9iamen finbet, ein Slnbenfen ber bamaligen ©ü^ne." 9Bo
fi(^ alfo ein Xier unter beftimmten Umftänben nieberlegt ^), !ann irgenb
ein ©Ott beredjtigt ober raoljuliaft fein, ben man nid)t fennt. ©inen jener
3lltäre aber fann noc^ ber Slpoftel ^aulu§ angetroffen l)aben, mit ber

i^nfd^rift: ®inem unbefannten ©otte*). Unjälilige 9}cale im grie(^if(^en

Seben, loenn irgenb eine nid)t erflärlid)e SBirfung fic^ fühlbar mac^t, beult
man an ein i^ilov, etmaS ©öttlic^eg. 2)ie 2lltöre „unbelaunter ©ötter"
im '^;piräu!§ ^) fönnen oon ©eefal)rern gelobt morben fein, meiere im ©türm
gu befannten ©Ottern fein 5ßertrauen meljr Ijatten.

9iur fel)r ober^äd)li(^ fann liier nod) ber großen ©d^ar bämonifdier

3Befen gebac^t werben, meldte man früljer al§ Halbgötter gu begeic^nen

pflegte. 9k(^ Urfprung unb D'iatur finb fie l;öd)ft oerfc^ieben; fie bleiben

gum 2;eil namenlofe ^luralien ober ©attunggroefen, gum S^eil erreichen

fie eine burdjgebilbete ^erfönlid^leit; oiele befdiäftigen ben 9Jtenfc^en nur


al§ 93?ärü[)engebilbe, mäljrenb anbere einen ooUftänbigen i^ultu!§ genießen.
3m TOirflid)en £eben ift man ilinen faum je al§ fid)tbaren 95>efen begegnet;

"^lioefie unb bilbenbe ilunft l)aben fie gerne in bie i)täl)e berjenigen großen

©Otter gebrad)t, meldten fie gerabe in il)rem Söefen am nödiften ftanben;

menn man fie aber inSgefamt al§ Wiener ober ©efolg§götter berfelben

') 2)ic 'A-norQonaioi Otoi^ „tDCld^en 2) ©iog. Saert. I, 10, 3.


man erracift, lüaä bie @nec|en ixxx 2lb= ^) SJergt. bie SX\x\) beS .^abmoä, 2lpor-
rcetibung uon liebeln für üblid) I)aHen", lobor Iir, 4, 1.

unb jumr überall, (jatten beim 2UI;ene; 1) Acta apostol. XVII, 23.

tcmpel üon Süijon einen fcfteu 5lult unb ") ^aufan. I, 1, 4.

oieireid^t aurf) Statuen, 'ipaufan IT, 11. 2.


S)ic ©ried^en unb i^re ©ötter. 65

{d^soi nQonoloi) auffaßte ^), fo toar biefer 33egriff oiel ju eng unb pa^te

auf ntttud^c unb roid^ttge baoon gar ni(^t. ®ie großen ©ötter in if)rem

leichten ®a[ein {oala t;wovzfg) bebürfen bei ^omer nur TOeniger SDiener»

fc^aft. — §ebe, @ant)mebe§, i^riö genügen — unb laffen beni Drmuäb


unb 2II;riman bie ©t)re jener enormen ©änionengeleüe. 2luf bem Dlijmp
ge{)t e^ {)ö(^ft einfa(^ §u. Seto felber nimmt i£)rem f;errli(^en (Sof)n ben

58ogen oon ben ©cfiultern unb t)ängt i[;n an ben golbenen ^Jiagel be§

^feilerl, mo fein 3Sater 3«ul fi^t^). 3^^ 2lu§fa£)rt bringt ^ebc bie

S^iäber t)erbei, unb §era fpannt bie 9ioffe an; bie ©ötter fa£)ren felber
unb brauchen feinet 2Bagenlenfer§ ; bei ber 9tüdfaf)rt fd^irren bie ^oren
bie ^loffe ah, binben fie aw ambrofif(f)e llrippcn unb Iet;nen bie äßagen
an bie leucfitenben Söänbe; ja bem anfommenben '^tVi§> löft ^ofeibon bie

3fioffe unb ^ebt ben SBogen auf ba§ ©efteHe unb fpannt eine ^ecfe ba»

rüber; bie §oren aber öffnen unb fd^Iie^en bie SBolfenpforte ^). (Sine

@ottf)eit tritt aud^ bei üjrer mäcbtigften ©pipljanie unbegleitet auf, unb
mx fef)en un§ babei oergebenS um nac^ ben i^r fonft üon ber 9)iijtJ;oIogie

zugeteilten ©efolg^göttern, t^öc^ften^ bie SBaffermefen aufgenommen, meiere


al§ ©eleit be§ ^ofeibon, ber Sfieti^ ufra. mit erfi^einen, unb bie SBefen,

raelc^e ben 2)ioni)fo§ umgeben.


2lu§ jener alten "^ixi be§ ^^olpbämoni^mu^ *) leben pnäc^ft weiter

üiele in a)?el)rjai)I, in fefter ^o^i, aucf) roo^t in unbegrenzter '^(i^l gc«

backte ©attung^roefen , D^aturgeifter , ©lementargeifter , wenn man "tiaS»

SBort nidit gu ben)uf3t nehmen roiH. 2ßir lernen fie freilii^ am näc^ften

!ennen au^ i^rer reifen S^unftform, l;auptfä(^li(^ im ©efolge be§ ®ionr)fo§,


ber bod^ jünger ift aB fie, allein bie je^ige j^orfct)ung fül;rt un§ aHmäl)«
lic^ in eine Sßelt oon ©ämonen ^urüd, ba j. 33. ©atprn unb ©ilene fid^

no(^ ni(^t Don ben ilentauren abgelöft l)aben, ba bie ©turmraolfen fiif)

alg ^arppien unb baneben al§ (Srinrnjen geftalten ufra. @inige§ baoon

ift nur eingetnen ©egenben eigen: 3:^elcl)inen unb ibäifclie ©aftplen getreu

UeBer bie fpätere UeBerfüEung beg I 3tmteineg@rjte]^er§, einer 2Imme,rpoqpft/f,


Dfgmpg mit biefen 2ßefen bie fomifd^e Tgo(po?, ba§ folctien 9Befen beigelegt wirb.
Älage be§ 2Jlomo§, Sudan, deor. concil. ^) §om. Hymn. Apoll. 7.

2 ff., oergl. 40. ©afi bie ngöno'Aoi eigent- 3) 31. V., 722 ff.
749. Vni, 382.
lid^ ebenfalls ®ötter feien, fagt ©trabo X, 393. 438.
p. 471. — ©in l^äufiger 2lugbrurö für bie *) aJtilc^^öfer, bie 2lnfänge ber Äunft
SeigefeHung ju größeren ©ottl^eiten ift ba§ lt.
f.
tu., ©. 77 ff.
88 unb Stnm.
3. Surcf^arbt, (Sried^ifc^e Jlulturgefti^id^te II.
5

66 9icligion unb Ku(tu§.

nac^ 9l£)obo§ unb ^reta in bie bortigen ^oSmogonien, anbereS bagegen


!ann überall auftauchen. 2öie bie ©ötter, fo werben aud) biefe 2Be)en,

in ber 2Irt unferer S^MXQt, ©rbmänndien, ©Iben ufro., eine milbe unb
^ilfrei(i)e unb eine unfieimlic^e, ja frfiretftici^e ©eite gehabt Ijaben, unb im
tögtic^en Seben für($tete man fie etroa al§> unfic^tbare ^obolbe unb fannte

bann fogar if)re ©inselnamen ^). 3lu§ bem angeblidjen i)omeri[(^en ©e^

bi(^te üon ber ^^öpfermerfftatt lernen mir fünf Sßefen !ennen, raetd^e ben
^ongebilben gefä^rlid) raerben, unb oier baoon finb meJ)r ober tücniger

beutungSfä^ig : ber ^txhxe^tx, ber ^olterer, ber, meld^er nid)t p löfc^en

geftattet, menn t§> brennt ^), unb ber, welcher bie no(^ ungebrannten Xon--
f oc^en jerftört (? Omobamog). ^n ber Siegel aber werben mir un§> barein

fügen muffen, ©runb unb Urfprung folc^er Diaturgeifter nic^t mel^r er*

mittein su fönnen, meit fie in ben un§ erreicfibaren 3Ja(^ricf)ten fd)on ju

fet)r mit bem injraifcEien mächtig auSgebilbeten ©ötterroefen oerftoffen finb.


2)ie ^ureten 5. S. fönnen urfprünglic^ etroaS ganj anberel geroefen fein
als bie Pfleger be§ ^zu§> unb 33egteiter ber 3fil)ea=ilt)bete , unb bereite

©trabo geftel;t ^) bie gro§e t^eologifctie Unfic^eriieit über biefe SBefen, wie
über ^orgbanten, S)a!ti)len, ^elc^inen unb i^abeiren offen §u, unb babei
oerbanÜ man if)m noc^ bie einjige umftänblid^e unb jufammen^ängenbe

2lu§fage. Salb f)errf(^t mefir ber SBaffentanj unb ber feftlii^e Särm,
balb mefir bie ©rfinbungSgabe unb a)?etatlarbeit, oerbunben mit Qm^x%'
geftalt, balb bie ^^uberroirfung auf ba§ SRenfrfienleben, aiiä) huxä) ^ränfe.

dloä) jur ^dt be§ ^lutard^ mar e§ 3. 33. ein ©to^gebet in ber 9]ot, bie

Sf^omen aller ibäifdien S)a!tt)len Ijerjufagen *) , meldie man beSljalb auc^

beizeiten auSmenbig lernte. S)ie ^abeiren auf £emno§ finb ebenfalls

2)ämonen ber ^euereffe mit Jammer, 2lmbo§ unb B^^S^"/ "i^^ ^^'^ ^^rb
fie (mit Söelder) §u trennen l^aben oon ben mä($tigcn unb gel)eimni§üoIIen

(SJott^eiten beSfelben ^JlamenS, mel^e il)ren ^auptfi^ auf ©amotl;rafe

^) SSon ben beutfcf;en ©IBen lennt flärcn roitt. — 33ei ^aufan. I, 42, 1 fönn=
man roenigftcng eine 2lnjal^l ^Ramen, ju= ten bie //tot llQodQoutic, roelc^en Stlfa«

mal biejenigen ber §äupter, inbem bei tl^ooä opferte, al§ er ben 33au ber SlfropoIiS
beren Xobe bie übrigen burd^ 3u>^"f J^"^ Don 2}iegara begann, aI8 5loboIbc gu beuten
Xrauer aufgeboten rourben. 33ergl. ben fein, raeldjc man üorraeg begütigen mu&te.
^öd^ft merircürbigen Slbfc^nitt bei (Sepp, 8) ©trabo X, p. 466 ff., bef. 471.
2lltbat)rifd)er Sagenfd^a^, ©. 595 ff. Jßergl. ^I)erefi;beg bei ©ubocia SJiolar. 255.
^) Dber roic man "Jaßirog fonft er •*) ^lut. de profect. in virt. c. 15.
2)ie ©ried^en unb tl)re ©ötter. 67

Ratten. 3)iejemgcn SBefen, roel^c in her ^olgc bo§ ©eleit beg 5Dtont)fo§

bilben, f (feinen fi(^, roie gefagt, erft in ber ^olgc au§ einer Urform
ouggefd)ieben ju {)aben; nun erft würben bie ©ati;rn^) unb bie Kentauren
§u Serg» unb 2Balbgeiftern, bie ©ilene gu Duettbämonen; met)r unb mefir

n^alttn fie eigene 9}Zi)t^en unb fogar ©igennamen, fo felbft unter ben

/Kentauren ©urijtion, ^{)o(o§, 3^effo§ unb ber rul;müoIIe ©^eiron"). 2lu^er

i^nen J)at fic^ aber nod^ eine au§ 9}icnfc^ unb ^ier gemifc^te ©eftalt
fogar al§ mäi^tige ©ottfieit beljauptet, roeldie nur in ber bilbenben ^unft
p einem ber Segleiter be§ 25ionpfo0 rcirb unb üiel älter fein mag aU
biefer : ^on. SBoljrfc^einlid^ liefen fi^ bie griec^ifi^en iQirtenbeoölferungen

biefen ©Ott raeber nehmen noc^ oerfd^önern, benn fie glaubten noc^ fpät

^n feine ©egenroart ^). ^ie roeiblic^en ^^^lu^s unb DueUgeifter unb SBalb»
geifter, bie 9]t)mpl)en*), geliebt oon Sterblichen unb Unfterblic^en, Pflege»
rinnen junger ©ötter, muffen rair faft oöttig ber ^oefie unb ber ^unft
überlaffen; biefe ^aben un§ eine ^ülle ber lieblid^ften 2lnfd^auungen über»

liefert bi§ auf jenen ©efang^) oom Seben ber 2öalbnr)mpl)en, ujeld^el an

haS' t)on Rollen j^i^ten unb ®i(^en gefnüpft ift unb mit beren 2lbfterben

ebenfalls erlifc^t^). Slber au^ au§ biefen fcöönen ©eftalten fc^aut etroa

ha^ furchtbare Slntli^ ber elementaren 9iatur ^eroor, inbem biefe ben

3J?enfd^en, ber il)r genat)t, frühen ^obe§ fterben lä^t, oerroanbelt ober

entfül)rt, b. l). ha§> ^nbioibuum raieber in il)r mäd)tige§ ©an§e§ jurütf»

nimmt. (Sin ganj befonberl reicfieä ©piel tiatte bie griecliifclje ^^antafie

geroi^ fc^on feit ber frü^eften 3eit mit ben SÖ^eerroefen unb a)Zeerrounbern
getrieben, meiere bem ^ofeibon al§ ©eleit üielleid^t erft anl)eimfielen,

alg er entfdiieben einer ber brei SBeltljerrn geworben mar. Sie 5ri)eogonie

^) lieber beren roal^reg SBefen ftd^ 5) §oin. Hymn. Ven. 258 ff.

$aufania§ umfonft Bei fo oielen Seuten ®) 2lucl^ ben ©irenen roar oom ©d^idE*

erhmbigte. «poufan. I, 23, 6. fal beftimmt, nur fo lange ju leben, ali


-) Stuf Safenbilbern finb auc^ ben niemanb if)rem ©efange raiberftel^en fonnte.

©otprn etroa ©tgennamen beigefcfirieben, — 21I§ Dbr)ffeu§ an tf)nen oorbeifu^r, ftürjten

<gine 3lnäa{)I oon Äentaurennamen S)iobor fie fic^ in bie 2:iefc, ^^gin fab. 141. —
IV, 12. — 3]ier (gigennamen oon 3lr)xmp'^zn S)a^ bie ©irenen jur ^eva gel^ören wie
hex Slnta^ einer §eilquellc: ^auf an. I V, 22, 4. bie SRufen ju geug, erbeut au§ ^aufan.
3) S^'ergl. Sanb I, ©. 48 unb 52. IX, 34, 2. — 3luf ©terblic^feit ber ©ilene

*) 2lufjä{)Iungen oon jum Seit beben« fd^Iie^t berfelbe VI, 24, 6 aug bem SJor*

tunggooHen (Sigennamen oon SJ^mpl^en ^anbenfein Don ©ilenigräbern.


iSaufan. VIII, 31, 2. 38, 3. 47, 2.
;

68 Sieligion unb ÄultuS.

ift f){er uncrmüblid) in ©rteilung von ©igennamen, auä) wenn fte btcfcti

©eftalten fonft noä) feine ^nbioibualität be§ 2luftreten§ oerleifien tann,

unb e§ ift ein anmutiger poetifcE)'pl;iIoIogifc^er Uebermut ber ©ried^en,


ba^ uns QÜe ?iereiben unb Dfeoniben mit meift fc^önen unb finnoollen
'tarnen genannt werben. 2llt unb n)i(^tig finb bie ^erfonififationen ber

2Binbe, welche oft einen ernft^aften i!ultu§ genoffen ^).

Sticht me^r aug jenem bunfeln ©runbe bei 5Dämonentum§, fonbern


au§ ber ©mpfinbung unb teilroeife ou§ ber S'ieftejion finb bie @ottl;eiten

oon geiftiger unb feelifi^er 33ebeutung l)eroorgegangen. ©ie orbnen fi(^

»on f eiber ben großen ©öttern gu, aber frei unb sroangloi unb öfter

ni($t nur einem eingelnen. 2tuf ber ©renje be§ (Elementaren ftelien nod^
bie ^oren, bereu oerfdiieben angegebene (ginjelnamen teils ^lüte unb
grud^t, teils fittlic^e ©igenfc^aften (©efe^lid^feit, S^ied^t unb j^^rieben) be=

beuten, alfo ben ^alirelfegen unb jugleit^ bie Drbnung auf ©rben; il)reS

©ienfteS auf bem Dlpmp ift fc^on gebacl)t morben. Ebenfalls uralt unb
bod^ fc^on ©c^öpfung einer geiftig ljod^ftel;enben S^otion finb bie ß^ariten^)^

bie ©enien beS SieijeS unb ber 2lnmut, welche aud^ ba§ S)afein ber
mäc^tigften ©ötter erft üerflären muffen unb bal)er ni(^t nur ilirem RSater

3eu§, ber 3lpl^robite unb bem ®ioni)foS, fonbern aud^ ber ^era unb bem
3lpolIon als ©ott ber 3:^öne jur Seite finb, ja ber 2ltl)ene unb bem
^ermeS. Offenbar berühren fie fid) mit ben 3JJufen ^), ben 2::öd^tern bes-

tens unb ber 3Jinemofxjne (Erinnerung), ben ©öttinnen beS ©efangeS im


feierlid^ften ©inne, ©eftalten, um raeldie alle übrigen 9lationen ben &ti\i
ber ©riedien benetben bürfen. ©ie fönnen nur entftanben fein pgleid^
mit einer mächtigen Hebung beS ©efangeS felbft.

1) 2lelian, Var. bist. XII, 6. — §ero= ©trabo rebet freilid^ fogleic^ roeiter oon
botg beutlid^er SEibcrrcille gegen fold^en bem ®efül)l bem befanntea
6f)ari§ in

Äult beg elementaren VII, 178. 189. 191. ©oppelfinn beä ©ebenben unb beö ßmp«
-) 2Iu§füf)rücf) I)anbelt Don ber Qaf)l fangenben.
berfelben an t)er[d)iebenen Drten unb bei ^) lieber ^a))l unb Benennungen ber
t)erfcf)iebenen Siebtem ^^aufan. IX, 35. 3)?ufen unb bie SJebenperfonen il)reö ilrei[eg

Saut ©trabo (IX, p. 414) I)ätte ein alter ^aufan. IX, 29 unb Siobor IV, 5 unb 7
Äonig Don Drcf)omeno§, ber ©rünber beg laut biefem erl^eben fie ben DJcnfc^en rntc:

bortigen ^eiligtumä ber (S^ariten, bamit f'x r/7f 7J«i(ftic<g nyn&oig. 2)ie frül^eftc

3leid)tum unb 2)Jacf)t gemeint, unb DieUeid)t uoUftänbige 2lufjäl)lung bei ^efiob, S^eog.
roar bieg ber ältefte, naioe ©runbbegriff. 76 ff.
SSergl. auc^ (intbocia SJiolar. 655.
S)ic ©riechen unb il)re ©ötter. 69

33ei ben übrigen ©efolgf^aftggottfieiten finbet fic^ töot)l ein eigent=

li^e§ 2)iencn in bem ©inne, ba§ 5. S. bie ©öttin ber ©ntbinbung pr


Wienerin ober ^o^ter ber großen ©^egöttin ^era roirb ^), unb ba^ bann
<xu§> einer @iIeitE)r)ia bi^roeiten mei)rere raerben, inbem bie oollftänbige

*Perfönlid^feit beim dienen roieber einem ^lurat, einer ©attung, ^pla^


mad^t. 2lnbere biefer Söefen bagegen finb, roie fd^on i^re Stamen befagen,

ben großen (Sott^eüen jugefettt al§ @igenf(^aften unb ^räbifate, al0

Sßirfungen, al0 weitere ^Bejie^ungen berfelben ^), mit ^ilfe einer ©prad^e
unb einer $8oI!§pf)antafie, roetrfie ni(^t nur be§ 2lbftra^ieren§ , fonbern
anä) ber rairflic^en 2ln[c^auung abftra!ter ©eftalten fd)on fru(;e in Ijo^em

©robe mächtig mar. 2)er 33egriff eine§ 3)iener§, ^ropoloio, wirb im


allgemeinen giemlic^ oer|Tü(^tigt geroefen fein unb fic^ faum genau t^eoIogif(^

fixieren (äffen; mir werben un^ an ben einen mächtigen Siditer^) roenben
muffen, um inne ju toerben, meieret er(;abene ©inn bo(^ audj in jenem

^iamen liegen fonnte. ©leftra, jum ©rabe t^re§ ^ßaterl geroenbet, be»

ftagt it)n, bafe er nic^t tiabe oor ^lion im Kampfe fallen können : „Sann
roürbeft bu glänjen in ber Unterwelt, ein ^^reunb unter ben anbern
tapfer gefallenen y^reunben, ein ert;abener ^önig, ein ^ropolojo ber Ijo^en

llnterirbifd^en, meldte bort gewaltig finb."


2)ie ©c^idfal^göttinnen (2Roiren) enblid), wel(^e man balb ju ^tnä,

balb 3u 2(polIon l)at gefeHen wollen, geliören ju feiner ©ott^eit unb ftel;en

über ollen.

2tu^er biefem allem ^at bie ©ötterwelt ber ©ried^en noc^ eine

befonbere ©rgänjung erfahren burd^ bie Sei^ilfe jenes foeben erwälinten

SSermögenS ber Slbftraftion. ®§ mu^ ^ier oöllig au^er 33etrad^t bleiben,


wie ©pra(^e unb SSorftellung ber ©riei^en überliaupt eine 2Belt oon
abftraften Söefen fd^ufen, unb oollenbg, wie ^oefic unb bilbenbe ^unft
mond^en berfelben eine er^öljte ^erfönlic^feit oerlielien; nur berjenigen
mu§ in ^ürje gebacl)t werben, welche 9iang unb 5^ultuS oon ©ottlieiten
«rreic^ten. Db anbere alte 58ölfer ein ä^nlid^eS SSermögen ber Slbftraftion

') 2ln unb für fic^ mag eine ©ijtttn 2lgfIepto§. ©inigeä gel^ört rao^l erft ber

ber ®e5urt§f)ilfe im ganjen ^ßolpt^eiömu^, Bilbenben Äunft an: iKmperoä al§ ©efäl^rte
nid^t blo^ im griecl^i[cf)en, ein uralteg, oöHig be§ S)iont)fo§, ^i)ot^oä alg SDiener beä
unabl^ängigcg 3)afein gel^abt §a6en. alten 2ßeingotte§ Dineui.
^) ©0 5. 33. 3ifo unb ^anafeia bem 3) Slefc^i;!. S^oep^. 352.
70 Steligion unb ÄuItuS.

unb bann ein ebenfoId)e§ 33cbürfn{ö nad^ $ßergöttli(^ung eine§ Slttgemeinen

an ben Xa^ gelegt i)ahml


33ei ben ©riechen beburfte e§ tiieju weiter mä)t§, aU ba§ einent
fold^en Söefen eine bauernbe SJJod^t zugetraut tunrbe. ^efiob fogt bieg
bentlic^ ^) bei 2lnla§ ber ^(jeme, ber unter ben SJienfc^en I;erumget)enben

Sflebe: „fie erf)ält fid^ lange unb roirb jur ©ott^eit." ^mmer^in mag
biefeS unb nod) man(^e§ anbete SBeifpiel nur ber ^oefie angehören,
n)äl)renb eine ^n^a^l von abftraften SBefen roirftid^e Stitäre tjatten, auf
wellten öffentlid^ geopfert rourbe, raenigftenS in einzelnen ©täbten. S)ie

olrimpifd^en unb übrigen ©ötter !)atten vcioi){ i^re g^ai^patronote, jugleid^

aber eine gro^e 3]ie[beutigfeit, unb nun glaubte man in beftimmten Sagen
unb SlugenblicEen be§ Seben§ etroag ©öttlic^eS all befonber^ mäi^tig ober

tätig ju erfennen unb raupte e§ boc^ auf feine fonft bekannte ©ottl;eit

fieser 5U beuten; bie ©ötterroelt bei all il;rer 2lu§be£)nung mar gerabe
an bem fünfte unooUftänbig, mo man ifirer am ©rnftlic^ften beburft
f)ätte. ©in Stbftraftum gemäljrt bie erfe{)nte 2lu§funft; e§> bebeutete nur,

roa§> fein 9lame befagte, bieg aber fii^er unb flar; e§ eri)ielt einen S^uttug

beg ©anfeg, mit Sßunfd^ na<^ fortbauernber ©emogenl^eit, ober einen

^ultug ber ^urcf)t, mit Söunf^ fernem Unbe^edigtlaffeng. Defter finb


c§ i{)rer jroei, meil man ficE) nic^t getraut, mit @inem SBorte ben ganzen.

35egriff ju erfc^öpfen unb fieser get)en mid.


Deffentlii^en 5lultug ^aben — namentlich in 2lt^en — bie @ott=
Reiten beg 9iec^tg genoffen: ^t)emi§, Süe, ©unomia; bie ber ©itte unb
2)Jilbe: 2libog, @(eo§; bie beg griebeng: ©irene; bann bie ©ott^eit ber

33erebung, ^eit^o, in boppeltem ©inn, forool;! mag bie SSolfgoerfammlung,


olg mag bag ^rioatleben betraf-). 3^ac^ bem greoel gegen bie ^artei

beg ^plon errid^teten bie 2lt{)ener 3lltäre ber „©eroatttat" unb beg
„3JiangeIg an 6^eu". ^n ^orint^ Qah eg ein unbetretbareg Heiligtum
beg „^xoariQtä" unb ber „©eraalt", unb noc^ ein fpätmajebonifc^er ^orfar
pflegte, rao er onlegte, Slltäre ber „©ottlofigfeit" unb „9hid^Iofigfeit" ju
errichten. Defter befal)! ein Dra!e( einen folcfien ^ult bei beftimmtcm.
2lnla|, in Forint!; ben beg ©raueng (//**>«), in ©parta ben ber „^^urc^t".

>) Opp. et dies 761. 1


bctcr Äult ber ^cit^o noc^ jur 3eit beg
*) 3" 'Bifx)on ein mptJjifc^ begrün^ | ^aufania«, 11, 7, 7,
3)ic ©ried^en unb if;re ©ötter. 7J

be§ „^obe§", bei „Sac^cn^" ^). ^n Dtgmpia, ber ©tötte ber fieftigften
©emütgfpannungeu, ^otte ber „günftige 9}Joment" (Kuiq/jc) feinen biliar

am eingang be§ ©tobiong. S^imoleon, nac^ feinem ©iege über bie

figilifclen ^Tgrannen, baute einen STempel ber äiutomatia, unb in feinem


eigenen 33en)uBtfein mocf)te ber ©inn biefer ©eftalt fc^roanfen smifcfjen
,,3ufaII" unb „innerm eintrieb".

3)aB nun aber aud) bie 9iömer abftraften SBefen einen förmli^en
©ienft famt 2:empeln geraibmet {)aben, fönnte felbft für unfere 33etrac^»
tung ber griec^ifc^en Sfteligion in 33e§ief)ung auf ha§> 2llter ber le^tern

belef)renb fein, ^ft öieEeic^t bie gäf)igfeit, Slbftrafta gu bilben unb su


oere^ren, bereits in uralter 3^^t ^^^ «oc^ ungefd)iebenen Station ber
®xäto'^taiiUx eigen gemefen? 33on ben in 9iom oorfommenben 33eis

fpielen ^) gehören mehrere in eine relatiö frü^e ßeit, für roelcfie menigftenS
t)on bemjenigen ©inftu^ ber gereiften griec^ifc^en i^ultur, weither fpäter

fo oieleS erflärt, noc^ nii^t bie 9tebe fein fann, unb gerabe biefc 33eifpiele

finb von anwerft ernfter 2Irt. 2)er Xempel von „%nxd)i unb ©rblaffen"
(Pavor et Pallor) ift von ^önig ^uHuS §oftiIiu§ in äu^erfter ^rieg§=

gefat)r gelobt roorben, ber ber „33elIona" in fiei^er (StruSferfc^Iac^t von


einem ^onful, ber ber „i^onforbio" bei ^efc^mic^tigung firmerer innerer
Söirren oon 6amillu§, in ber golge ber üon §ono§ unb 3Sirtu§ in furd^t»

barem ^sunierfampf oon bem großen 9}i. 3)tarceIIu§ 3). 2)a^ Ijernac^

foldie Stiftungen für abftrafte SBefen gerobe bem profaifd^en ©inne ber
Sftömer etroaS (eicfit, unb ha^ ifjrer giemtic^ üiele mürben, geroi^ bei nur
mäßiger 2lnba(^t, foH nic^t geleugnet merben. 2)od) l)at nocf) SSefpafian

einen ber aflerglängenbften 2^empel üon ?ftom bem ^olbeften biefer 2öefen,

ber ^ai*, geroeif)t, in einem 2lugenblid, ba gerci^ bie ganje römifi^e SBelt

ben ©inn ber 2Beii)ung mit empfanb, nämlic^ nad) bem furchtbaren

9fiei(^§friege, raeldier auf 9iero§ ^ob gefolgt mar.

3^ad) biefen ©attungen ^öt;er maüenber SBefen ift nun nod) ber
fdiraer p beutenben ©eftalt beö Sämon§ in befonberm ©inne §u ge*

benfen. ©ine oöHig unbeauffic^tigte S^teligion, eine unenblii^e greil)eit im


©prad^gebraud^ unb ein fel)r eigenmäct)tige§ 3"9^^if^" ^^^ ^^itofopl)ie

') ^lut. i^Ieotn. 9. i 3) Sßoöei hk 5ßriefter Sd^roierigfeiten

-) ^reüer, 3iöm. 2K9t{)oI., 2l6fd§mtt X, tx\)obcn raetjen 3roei{)eit »ou ©öttern in

Äop. 4. '

©inern Tempel. ^lut. dMxaU. 28.


72 Sieligion unb ^ulht§.

finb I)ier sufammengetroffen , um bie 33etra(^tung be§ ©egenftanbeg auf

ha§> äu^erfte §u erfc^roeren. 33e[eittgen loir puäc^ft ben le|tgeuaunten


^unft: bie pI)itofop^if(^e , jumal platonifcEie ©cfiöpfung einer Kategorie

»on ©ämonen al§ beftitnmter 9?angflaffe neben ©öttern unb ^eroen ift

niemols 3SoIf§gIaube geworben; auf biefe ©ämonen ol§ i^laffe fd^ieben

bann in ber ^olgc gute £eute, wie 5. ^. bie 9Jiitrebner in ^lutard)§

©d^rift „üon ber 3lbnal)me ber Dra!el" ^) aEe§, rooS ber 9)h;ti)u§ von
ben ©Ottern SöfeS melbet. — 2)er ©pradjgebrauc^ aber I;atte fd)on

jTOeierlei alte '^räjebentien feit ^omer unb ^efiob : ©ärnon bebeutete jeben

©Ott, ieboi^ and) jene gro^e 9)Zenge geiftiger ilräfte, raetd^e ha^ 9JieufcE)en»
leben überroaditen, unb biefer alte ^olt)bämoni!§mu§ !onnte in feiner

3erftü(felung bie oerfc^iebenften ©eftalten annet)men bi§ gum forgenooHen


^ult eineg einzelnen, abjeftioifi^ benannten 3Sefen§. 2Il§ bie ©partaner
ben .3otit be§ „S^ii^ '^^^ ©d)U|f(ef)enben" loegen ber Xötung be§ ^aufaniaS
oon fic^ abioenben roottten, ftifteten fie^) ben S)ienft eine§ „Sämon
©piboteS", n)e(d)en mon al0 ben „Sefänftigenben" erüärt. ®ie 33ebeu«
tung oon Sämon al§> ©Ott aber nat)m eine ganj befonberc SBenbung:
wenn man nämlid^ ftatt einei§ beftimmten ©otte§ bie obern dMä)k über=

l^aupt otine Unterfc^ieb nennen raoüte, f)ie^ e§ roo^I: „bie ©ötter" ober

„bie ©ottl^eit" (oi &soC^ 6 i^tög, zo &iTor), oor§ug§n)eife aber „ber S)ämon"
(0 dai/^tow). Unb nun barf el nic^t befremben, ba^ bie§ befonberS leii^t

in benienigen fällen gefc^al), ba man glaubte, ber ©ott^eit Ungünftige§,

namentlich eine Setörung be§ 3)?enfd)en jum 33öfen, fogar in fatanifdier

2Beife zutrauen gu bürfen^); e§ voax oieüeid^t weniger bebenflid), al§

wenn man einen beftimmten einzelnen ©ott nannte, ^n ber büftern

2lu§fage be§ 3:l)eogni§ (9^. 401) ift ber „^ärnon", weld^er ben ©bei«
ftrebenben in ^^i^rtum unb 9Sergel)en treibt, niemanb anber^ at§ bie ©ott»

^eit felbft. daneben jeboc^ oerbla^t in ber Sieberoeife be§ täglid^en

gebend ber 3)ämon auc^ ju einer blofsen ^e^eic^nung be§ ©c^idfaliS, be§
aSert)ängniffe§ , befonberc im fdilimmen ©inne, ja be§ einfadjen Biif'itt^/

äl^nlic^ mie im geroöl;nlid)en ©efpräc^ ber 9iömer bie $8ebeutung oon


genius, genii fic^ bi§ ouf ba§ 2leu^erfte oerflüd^tigt liat^).

') ^auptqueüe für bie @d)ulmeimtn9en 3) 2luguial^l Don Seifpielen bei D^äi^ctgs

in betreff ber Sämoneti überl^aupt. ba^, 9lacl)l;omerifd)e 2;{)eoIo9ie, S. 55 ff.

=) ^aufan. III, 17, 8. *) ^reßcr, 3löm. m\)ii)ol, ©. 69 ff.


35ie ©riechen unb i£)re ©ötter. 73

2lu§erbem aber lernt man ha^ Söort „®ämon" in fef)r befonbern


Sebeutungen fennen, mögen anc^ biefelben nirgenbs tl;eologi[d) ober
pfrjc^ologifc^ genau beftlmmt unb abgegrenzt fein. 3unö^ft fann auS
bem aufgefammelten 2:un be§ 3)ien[cf)en ober feinet gangen ^au[e§ fi(^
ein 2Se[en erf)eben, meldje^ ^erfönlic^feit unb objeftioe maä)t gewinnt,
unb ein foIc|e§ ift in ben ©ebonfen ber @ried)en ber furchtbare SDämon
2lIaftor. Ueber bie[en innerhalb eineg ©efc^le^te^ fic^ fteigernben, bie
SJZenfcfien unfrei mac^enben erbfreoel unb ben baran§ängenben Jammer
rebet oottfornmen beutlic^ ^hjtämneftra im Slgamemnon be§ 2lefcf)t)lo§

(bef. 1475, 1500 ff.), ^m ©runbe gehören §ie^er aucE) fc^on bie ©rinnpen,
infofern fie ebenfattg ^erfonififationen oergangener Xakn finb. ©obann
rairb aud^ bal blo^e böfe ©c^icffal eine§ 3JJenfcf)en, fein unabroenbbarer
Untergang fi^ ju einem ©efpenft oerbic^ten !önnen, roie §. S. ber be=
!annte 3)ämon, roeti^er bem Srutu^ erfc^ien, — olme aüe^ ^ebenfen
neE)men mir nämlid^ l;ier au^er ben @ried)en auc^ gried^ifi^ gebilbete
9fiömer §u Beugen. 2tuc^ J^ranffieit fann ein 2)ämon t)eiBen, raelc^cr

„über einem 2}?enfci)en liegt", unb gmar fc^on bei §omer^); ganj befonber^
aber wirb ©eifte^fronftieit biefen Flamen erhalten. S)er fopl^oEleifd^e
2lia§ fprid)t oon feinem 3Bol)nfinn al^ oon feinem 2)ämon unb glaubt,
boB biefcr if)m feine irren Sieben eingebe ^). 3)er 3}ienf(^ ber l)errfc^enben
a^einung, aU melier ber tragifcfie ß^or fo oft fprid^t, mag fid) aud^
raofil eine fc^red^afte SBeiSfagung burd^ plö^Iidien UeberfaU eine§ ©ämon§
erflären; fo ruft er bei 2lef($i)log ^) ber meisfagenben ^affonbra ju:
„roetd^er roud^tig auf bic^ ftürjenbe S)ämon gibt bir ein, ben Jammer
beineS (beoorftc^enben) 2;obe§ ju fingen?" (Sine fpäte, roatjrf^einlic^
com Orient t)erge!ommene Slnfd^auung ift bann bie oon eigentlid^en

Sefeffenen *) , in meldte ein 2)ämon oon au^en eingebrungen ift, ber fic^

aud^ rao{)l mieber auftreiben Iä§t.

33ei bem berühmten ^aimonion be§ So!rate§ fann man ungeroi^


bleiben, ob el aU ein oon ou^en fommenbeS ober i§m innerootinenbe^
aufjufaffen fei; e§ mar eine ©timme, töeld)e nur roarnte unb nid^t ^inau§=»

ging über ein „inbioibuelleS 33orgefüf)I oon ber 9iü^li^feit ober ©i^äblic^»

Db9ff. V, 396. *) &caf4oyiCöiJiyoi, ^lutarc^ de fluviis


2) ©op^. 2tia§ 242, 534. 16, 2.
3) 2lefc^t)r. 2lgam. 1174.
74 ^Religion unb ÄuItuS.

feit geroiffer ^onblungen" {^^Utx). (Sutfc^ieben au§erl^alb be§ 9}ienf(^en

liegt bann baSjenigc S)ämonentum, rceld)e§ SDiotima oerfünbet ^) : e§ oer»

fie^t bie SJiitteilung jroifc^en ©öttern unb aJienfc^en unb bringt biefen bie
33orf(^nften ber erftern, rcetd^e im ©inne ber Sprerfienben nur gut unb
fittlic^ geroefen fein fönnen. 2lIIein biefeS finb Unica au§ bem iRreife

eineg I)öd^ft eigentümliii)en ^t)ilofop^en, ujelcfie üon bem griei^ifd^en 3Sotf»=

glauben, um ben e§ fic^ l^ier t)anbelt, oietteii^t fetir roeit abführen. Siefer

mochte sunäd)ft nocf) ^ie unb ba unmittelbare tiefte üom ©lauben ber

„2öerfe unb S^age" ^) in ficf) lebenbig erl;a(ten, unb nod^ ^lutard^ rebel^)

öon ©ämonen, n)elrf;e in großer 2ln3at)I fic^ fjerumbemegeu {nfQmoleir)


aU Seftrafer ber aJJiffetäter, befonberS be§ Uebermute§. 2lnberfeit§ aber

raupte auc^ berfelbe ^lutarrf) ^) oon einem uralten ©lauben, monarf) burd^
böfe unb neibifdje 2)ämonen trefflicfie ^DJenfc^en er[rf)üttert unb in if)rer

^ugenb irre gemacht mürben. (Sr meint aud) bie Slbfic^t biefer fc^limmen
9Be[en angeben gu fönnen, meirfie baf)in gef)e, ba^ jene S^^reffUrfien nad^

if)rem ^obe nid^t um i^rer ^abellofigfeit mitten ein be[fere§ 2o§ finben
möd^ten al§ ba§ ber ©ämonen fetbft; f)ier jebod^ rebet ^lutard) nad^

irgenb einer 9Jieinung feiner ©pätjeit.

^ie ©ämon, ^ero§ unb ©efpenft ineinanber überget;en fönnen, ift

bei 2lnlaB ber ^eroen ju erörtern, ^n ^abrianifcfier ^dt^) mirb oon


S)ämonen er5ät;It, roeUf)e ben Sßanberer (gemi§ unfic[;tbar) auf ber ©tra^e
begleiten unb fogar füfiren. SBie roeit fold^e SBefen mieber l;ie unb ba
mit ben oben erroäljten S^Zaturgeiftern jufammenflie^en mocliten, entjieljt

fic^ unferer ^unbe.

2BicE)tiger al§ bie§ otteS roärcn für un§ genaue 3luf5eicf)nungen über

ben perfönli(^en 3)ämon beg einzelnen 9Jtenfd;en, aber auc^ l)ier befinben
mir uns in einer 9iegion, roo atte 33ilber fd^roan!en unb atte ©rflärungen
beftreitbar unb ber 2U)nung überlaffen finb. 9iirf)t einmal bie Hauptfrage
lä^t fic^ unbebingt entfdieiben, ob ber ®ämon oom geiftigen unb feelifd^en

SBefen beS (gin§e(nen getrennt ju beulen fei, unb ein fe^r nam^aftCiS,

ober fpäteg Seifpiel wirb für bie ^bentität oon beibem fprec^en. ©id)er

pato, Si)mpof., p. 202e. Sefannt aJienfd)en beg erfteu, golbenen SüeU-


ift bie fpätere gco^e ©rtDeiterung biefeä ttUerö.
SJämonenglaubeuö bei ben ^leuplatoniteru. *) ?ßlut. de defcctu oracul. 13.
'')
33efonberö $8. 122 bie alä fd)ü^enbe *) ^lut. 2)ion 2.
SBefen über bem ©rbenleben roaltenben *) Slelion Histor. anim. X, 32.
Sie ©riechen unb if;re ©ötter. 75

ift nur fo üiel, ba§ e§ ficf) ^ier nid)t um ein perfönlidieS ^oftutat {)anbelt

wie beim ©aimonion be§ ©o!rate§, fonbern um einen rceit oerbreiteten

©nec^englauben, welcher un§ freiließ nur in Splittern überliefert ift.

Sout bemfelben märe ber eingelne 3)Jenfc^ fein Seben t)inbur($ begleitet

oon einem für it;n unfi^tbaren ®ämon, melciier jebod) für anbere fid)tbar
werben fann. 33eim ßwßi^'Jn^Pfe jmifd^en 9J?elant^o§ unb lani^o^^) ift

bie jugenblic^e ©eftalt ((fä6jn,a dyereiov), roeldie neben bem einen ©treiter

erfc^eint, ober nur com onbern erblicft mirb, o^m ^rüti\d als ber 3!)ämon
be§ erften aufguf offen. Sßenn etroa and) uertautet, ber älienfd^ fei oon
einem guten unb einem böfen S)ämon begleitet, fo mifc^t fid^ l)ter eine

etl)if(|*pl;ilofopl)if(^e 9)ieinung ein; ber e^te ©tauben roei^ nur oon einem.

2lnberfeit§ mag auä) jene fc^öne 33ariante nur p^ilofopljifi^en unb ^mar

pptliagoreifd^en UrfprungiS fein, lout roelclier graei eble 9)ienfd)en, Sel)rer

unb ©c£)üler, benfelben ®ämon l)Qtten^).

„S)e§ Qiu§ großer ©inn lenft ben Sämon merter HJJänner" — fo

fpri(^t ^inbar^), mit roelcE)em mir beginnen muffen. 3)ie neuere 2lu^=

legung ober belel;rt un§, l)ier fei n)ol;l ein inbioibueHer ©eniu§ be0
einselnen 3}ienf(^en gemeint, ber jebo(^ jugleid^ beffen perfönli(^e§ ©d^i(f<

fal bebeute. 5^larer lautet hti ©op^ofleS*) bal feierlid^e Sßort be§

^liefeug, ba er aU S^^9>^^ für bie SSertjei^ung be§ Debipu§ (au^er bem


aHprenben ©ibgott) feinen eigenen Sömon nennt, offenbar einen ^öliern

Segleiter feinet ©afein^. 2lui^ bei ©uripibeS^), roenn fic^ ^^efeu§ bei

feinem ßuge gegen %^^h^n bie ^eilnal)me bei 2lbrafto§ unb feinet trüben
2ßefen§ unb ©diidfals oerbittet unb nur mit feinem eigenen ®ämon ju

gelbe 3iel)en mill, ift ber le^tere all l)0^er ©ct)U^geift ju oerftelien. '^üx

ba§ allgemeine ©efü^l aber mar e§ gang natürlid^, boB ber ®ämon immer
beutlic^er jum 2lgatl)obämon , ja jum eigentlichen ©ct;u^engel rourbe, in

•) lonon, Narrat. 39. — ®er SDämon 2ef)re bie ©eele bei einer neuen ©eburt
eineg SSerftorbenen etfc^eint bem 3!ater aud^ einen neuen S)ämon.
beöfelben 5ßlut. consol. ad Apollon. 14, ^) 5pinb. ^r)tl). V, am ®nbe, rcoju
unb jtoar DöHig in berfelfien ©eftalt, 'Bretter, ©riec^. mt)tf). I, 336, Slnm.
bei ber Sefd^roörung in einem ^fr)ci^o= *) Sopf). Deb. J?ol. 1766.
manteion. '') (Surip, Suppl. 593. $ier oicITeic^t

^) ^lut. de genio Socr. 16: (ber raäre autf) am e^eften be§ 'liQog dccCuwr
©C^Üler) XQV^'^ ravX(S Saifxovi tiqo? tov }u gebenfen, rceld^em Ximoleon fein eigene^
ßior. ©onft erl^ält laut ber pritl^agoreifd^en |)auä in ©i)rafu§ m\f)ti. ^ßlut. 2:imoI. 36.
76 5leIigton unb ^ultu^.

fet)r cbicr Stuffoffung bei 3)Zenanber^): „^ebem ftc^t üon ©eburt an jur
©eile ein S)ämon a[§> guter SJfijftagoge feinet SebenS." Sßä^renb aber
Ijier ha§> beffere ©elbft, bal ©eraiffen, lüie gu einer begleitenben ^erfön»

lid^feit ju erroac^fen fdjeint, lebt aurf) eine mel^r neutrale 2tn)(^auung

fort, laut welcher ber 2)ämon beg Öro^en gro^, ber bei§ gum Untergang
93eftinimten gering unb gagiiaft ift. S)er gewaltige S)ämon, raeldier ben
ßäfar roäl)renb feineiS SebenS begleitet ^at, offenbart fi(^ fpäter aB 33lut=

räd;er an allen feinen 9JJörbern ^) ; in ber ^olge rät ein SBaljrfager bent

2lntoniu§^), fid) fo loeit üi§> möglich üon Dctaoian entfernt ju lialten,

benn fein ©ömon fürrfite ben S)änion be§ le^tern unb fei nur rooblgemut,
loenn er für fic^, b. l). oom S)ämon be§ .Octaoian ferne fei, raäljrenb er

in beffen 9?äl;e niebriger unb geringer raerbe. Sinei) wenn ber 2Bal)r=

fager ein Stegijpter geraefen fein foUte, fann ^ier gan^ tooI^I eine griecf)ifd}e,

etroaic abfonberlidie 9J?einung fic^ au^fprec^en.

^n ber fpätern Stömerseit ift 9)Jarc Slurel berjenige ©terblii^e, uon


beffen 3Sere§rung be§ Sämon mix bie genauefte i^unbe ^aben*). 2öol)l

ift l)ier ber 3)ämon nid)t§ anbereiS al% ha§> innere (vovg xal Uyoq) eine§
jeben, aber e§ ift il)m oon 3^"» gegeben al§ ein Sruc^teil {änüßnaafja)

üon it)m felbft, bamit e§ ben 9J?enfd)en fül)re unb leite; ein immer auf»

gerichtetes ©ötterbilb, ba§ man bei gnäbiger Stimmung erl;alten foU,

bent ber 9)?enfd) in ^rieben unb ©inflang bleuen, bai3 er rein unb un=
beleibigt bemal;ren unb nic^t ftören foll burc^ ba§ ^^reiben ber ^liantafie»
gebilbe; alle§ Söollen, alle Seibenfdjaft be§ 3Jienfd)en mu^ biefem fid)

unterwerfen unb alle§ ©d^idfal aufgenommen werben al§ oon ba§er


fommenb, oon mannen ber SDämon felbft gekommen ift, biefer aber ift,

maS nad) bem Xobe beS 9JJenfd^en weiterleben wirb.

S)er neuplatonifdje 3eitgenoffe beS !ai|erlid)en ©toiferS, SlpulejuS,


trennt^) bie§ SBefen in groei 33ebeutungen; 2)ämon liei^e aüerbingS ber
animus bei einjelnen SJtenfdien, anberfeits jeboc^ eine oiel l)öl^ere ©attung,

meiere niemals; ben ©diranfen einer irbifdien ^erfönlidjfeit unterlegen,

raol)l aber bem einjelneu 9Jienfd)en all unfid)tbarer 3^"9^ ""^ S'^\\\tx im

>) 3itat bei SMmmian. 2)?arceUin XXI, 17. III, 3. 4. 6. 12. 16. V, 10. 27.
U, 4. VIII, 45. Xn, 3. — Ueber biefc ©tcaen
') ^(ut. 6äf. 69. f.
^Rac^trai] 3.

3) 5ßlut. 2Int. 33. •') 3" feiner ©c^rift de deo Socratis.


*) Waxz 2lurel. tt? hcvin,' IT, 13.
Sic ©rtcd^en unb i^rc ©ötter. 77

Seben beigegeben fei, roal bann auf bie glängenbfte SBeife ouSgefd^mücft
TOitb. @in foI(^e§ Sßefen ^aht ©o!rate§ in feinem ©aimonion n)ir!U(^
erfannt, von raeld^em nun Qu§fü(;rli(^ bie 9?ebe ift. 2luBerbem fonftatiert

inbeS Slpuleju^ ouc^ nod^ ha§> ©afein anberer S)ämonen ober wenigfteng

ben ©lauben an folc^e: abgefc^iebene 9)ienfc£)en fliegen fo, unb oon biefen

feien bie im Seben gut gemefenen na(^!)er ©diu^genien if)re§ §aufe§, bie
böfe geroefenen ©efpenfter. @nblic^ fennt er and) jene als Dämonen
bejeid^neten mittlem götttid^en Mää)U, meiere ben 93erfe^r ^mifd^en ©öttern

unb a)Jenf(^en üermitteln unb mit jenen bie Unfterblid^feit, mit biefen bie
Seibenf(^aften gemein ^aben, SBefen oon f)alber Seiblid^feit, i)alber ©c^roere,

in bcr £uft molinenb unb fic^ beroegenb, aus biefen aber l;ätten bie ^oeten

bie bekannten ©ötter gebilbet.


@S bauerte bann nic^t me£)r lange bis bie Sefd^mörung üon Dämonen
unb anbern au^ermenfc^lic^en SBefen in ber neuplatonif<$en «Sd^ule felbft

eine gar nid)t fettene Uebung mürbe.

3Bie bie 3Jlt)t£)en entftanben, mie auS ben ©öttergeftalten — jugleii^

mit biefen ober erft in ber ^olge — ©öttergefd^ic^ten tieroorgingen, Iö§t

fic^ t)ö(^ftenS ^ie unb ba ai)mn. Um einigermaßen fieser §u ge{)en,

müßten mir ben Urfprung ber einzelnen ©eftalten felber beffer fennen,

ferner müßten mir jener traumartigen Jlombinationen fällig fein, mie baS
Ijiefür uuü ergleic^lid^ begabte ©ried^enool! in feiner ^^S^"^- ^<^B ^t^
Ueberlieferung mefentlicf) burd) bie ©änger gefc^at;, uerrät \iä) fd^on ba=»

bur(^, baß fte fid; mefentlid^ im ©inne beS ©d^önen ooHgog, raeldieS

allein baS» 5ßoIf ergreifen !onnte. @S fe^lt matirlid) nid^t an furchtbaren


unb t;erben ßügen, aber eine 2luSnaJ)me bilbet bod; §. 33. bie nod^ Ijeute

fo oerfc^ieben gebeutete ©eburt ber 2lt£)ene auS bem Raupte beS ^tn§.
SBo eigentli(^ Ijäßlic^e 9}ii)t§en roeiterleben, empfinbet man fie als etroaS

Uraltes ober fennt fie als etroaS g^rembeS, mie 5. S. bie ©ef($idl)te beS

2ltteS unb ber 2tgbiftiS ^). 2öie oiele roüfte alte 9)ii)tl)en mögen allgemai^

totgefi^toiegen ober l)öd)fitenS in mtjfiifc^en i^ulten beibelialten morben


fein? @S oerfteljt fi(^ ober oon felbft, baß alles ©rgäljlen, ©c^ilbern unb
fabulieren, je epifd^ fdfiöner unb menfc^lii^er eS lautete, um fo oiel weiter

»on ber urfprünglii^en ©eftalt einer ©ottl)eit, eineS 9)Zi)tl)uS abfeitS lenfte.

') ^aufan. VII, 17, 5.


78 3ieIigion unb ßuUuS.

^{e§ gilt löotil be[onber§ uon benjenigen ^lijt^in, roeldje in ben großem,

allgemein £)ellenifc^en 39^^"^ hineingerieten unb weit unb breit oerftänb*


lid^ fein mußten, roä^renb ba§ Sofale, rael(^e§ fid^ baneben maffenroeife
behauptete, e^er bie fierben, alten, unau§gegli^enen 3üge beibel^ielt, wie
man befonberS au§ ^aufania§ beutlic^ inne merben fann. ^n ber ^^olge
f^at bann bie bilbenbe £unft oollenb^ aUeg getan, um un§ in betreff ber

urfprünglic^en 33ebeutungen irre p füJ)ren; fie erroeift un0 jroor bcn ge=

wältigen ©ienft, eine üorljerrfc^enb geworbene 2luffaffung einer ©ott^eit

(ober einige wenige) mit einer I)öc^ften :3bealität fi(^tbarli(^ erfüllt ju

f)abcn; benn wie wäre e§ ol)ne fie? wenn unfere 3tnfd^auung bloB auf
©ebanfenbilber au§ §omer befc^ränft bliebe? 2lllein fie belebt boc^ nur
einen ober wenige %i)pm einer ©ott^eit, wirb nur ©iner 33ebeutung oott»

fommen gereift, unb biefe wirb oiel eljer eine fe^r abgeleitete als eine

urfprünglii^e geroefen fein, ä^on biefer J^unftform aber ift unfere 3Iuf'

faffung belierrfc^t, wenn wir bie ©ötter in il)ren 3)hjt^en ein^erfd;reiten

unb ^anbeln felien.

6§ ift fi^on etwas gewonnen, wenn wir un§ 9?e($enfc^aft geben


über bie natürlid^en ©d^ranfen, weldie unferer 9}|i)tl;enbeutung gebogen
finb. 2)aB wir eS ni(^t mit einem Ijerrenlofcn ^in= unb ^erwogen ju-
fälliger ^Eiantaficn ju tun Ijaben, ba^ ber alte TlijtijU^ etwaS fagen
will, l^at oon felier eingeleucf)tet; unfere Unfäliigfeit beginnt an bem fünfte,
ha wir un§ ba§> gleidjseitige ©ntfte^en unb 3ufammenteben oon Sac^e
unb 33ilb, ba§ uralte i^neinanber oon beiben oorftcHen foHen. 3lIIe unfere

SluSbrüde wie: 6inn, Sebeutung u. f. w. oerfagen babei ben ©ienft wie


abgenü^te SBerfjeuge. Unb je präjifer wir oerfaljren woüen, befto gewiffer

ge^en wir in bie ^rre.


2lftrale 2)it)tl)en 5. 33. mögen, roa§i man nennt, burd^fid^tig fein, unb

wenn ^r)atmti)o§> gelittet wirb bur(^ ben SiSfoS beS 2Ipotton, fo fprid^t

ft(^ ber übertragene Siaturproje^, nämlid^ ber Untergang ber ?^rül;lingS=>

Vegetation burc^ bie ©onnenfd^eibe beS gtüljenben ^odifommerS, Ijinläng»

lief) beutlid^ auS. 2)ie Srjeugung oon @efcE)led)tern unb ^^ölfern burd^

gluBgötter fymbolifiert bie belebenbe unb näl)renbe 5!raft beS fliefeenben

SßafferS, ber (Strom ift baS ältefte unb üor5üglid)fte lebenbe SBefen feiner

^alfd^aft. ^n §epl)äfto§ wirb baS ^euer 00m ©lement (fei e§ auf htm
^erb ober in 5öulfanen) uerflärt bis jur ^eroorbringung ber Ijödiften
S5ie ©ried^cn unb il^re ©öttcr. 79

^unftgebilbe. 53ci ben £id)tgottI)eiten werben bie ©trot^len ju Pfeilen


unb bie ^inber ber Seto ju ^obeSgottfietten, 2Irtemi§ aud^ pr igägerin.

^on ift fef)r beutlic^ ber 3iegeni)irte felbft, ber Pfeifer unb ^änjer u. f. ra.

^^htn btefen einleu^tenben @r!lärungen aber toallt ein gro^eg aJieer oon
ftreitigen ^Vermutungen, fobalb bie QntJ)ropomorpl)iftifd)e ©rjöEiIung oon
ben ©Ottern, welche einen SebenSlauf mit ©eburt, 3^itgungen, Stampfen

u. f. ro. barfteüt, auf elementarifi^e, meteorifd)e, teHurifd^e ^otfac^en, unb


bereu !aufate§ 33er^alten ju einanber mit einiger ©id^ertieit jurü(Jgefü£)rt

werben foll. Unb ©in beutli(^er 3ug im Seben einer ©ott^eit erläutert

hoä) nur ©ine $8ebeutung berfelben unb oieHeic^t gerabe nic^t bie ur=

fprünglic^e, fonbern eine gufättige, unb biefelbe ©eftalt !ann oor^errfd^enb


etraag ganj anbereg geroefen fein. Uralte, unbeutfam geworbene ©eftalten

!önnen mit ber 3eit ^^^^ aufgebrungene Sebeutung befommen i)aben, fo

roie itma grembroörter in einer anbern ©prad^e eine t)eimif(^e ©tpmologie.


2)ie ©riei^en aber, in ifirer Mftigften ^^it moHten iJiren 9)?t)tl;ul

gar nidit beuten, fonbern f(^ü^en, oerlierrlii^en, oerme^ren; noc^ im


meitern 5ßerlouf ber Sal)rt;unberte mögen in biefer unb jener ©tabt, um
biefen unb jenen 2^empel l^erum immer neue 2}ir)t§en entftanben fein, §ur
©rgänjung unb Erläuterung be§ 3Sorl;anbenen, unb man mirb fie bolb
mit bemfelben @ifer oerteibigt t)a6en wie bie öltern; fic fielen wie aUeg
Uebrige fpäter ben Lüftern unb ?^rembenfü§rern aniieim, aber fie ftnb

nid^t oon fol(i)en erfunben.

@g fam bie ^eriobe, ba bie ^^ilofop^en, als ?^einbe unb Konkurrenten


be^ aJli;t^u§, felber eigene neue 9)Zr)tt)en erfanben. ^lato, befouDer^ im
©gmpofion, gob gleid^fam ba0 3ei<^6n baju, unb Spätere folgten i|m
mit nur §u großem @ifer unb fd^ufen Ijolprige 9Jh)t^en, wie 5. 33. ^lutarc^
unb 2)io 6^ri)foftomo§, ber bie gel;abte älZü^e oerrät^), burd) feinen

SluSbrud „einen Tlv)ti)n§> aufarbeiten", /^iv&ov ixnovdv. S)er ^ntjott ift

natürlid^ überall ein Iel)rl)after, eine 3eit aber, bie biefeg roagt, roirb un»

oermeiblic^ auc^ oerfud^en, bie e^ten alten a)?i)t^en Ie^rf)aft su beuten.

@§ oerbreitet fid^ jene Slnftc^t, bereu Sfiieberfc^Iag fic^ in ben 2Borten beg

fpäten ^aufanial au^brüdt: bie alten ©ried^en Ratten in i§ren 3Ji9t^en

irgenb eine 2ßeig^eit niebergelegt ^).

Sio G^r^f. orat. V (ed. Teubn. ^ aoxpiay rCyct, ^au[an. VIII, 8, 2,


vol. I, 90). eine in ii^rem ganjen S"[ön""e"f)ang mevh
roürbtge ©teric.
80 Sfleligion unb ^uUug.

^un boten fic^ gtüei Söege bor : bte aUegortf^e unb bie rationaliftif c^c
©rflärung. ©ic erftere fa^t bie ©ötter al§ Slbftrafta, q[§ elententorifc^c

ober ett)ifci^e Gräfte ^); ber @ott unb fein 2Jti)t£)u§ werben ju einer bc*

raupten, abfic^tlid^ gefud^ten ^ülle eine§ @ebanfen§, roeld^er präe^iftent

raäre, olfo bouernb l;inter bem Silbe fielen bliebe unb e§ bal)er aud) ai§>

poftejiftent glei(^fam überleben roürbe. ®ie Unmöglic^feit bie[e§ Hergangs


leud^tet ein, fobolb man fid^ benfelben fonfret oorfteHen roill: „eine f leine

aJJinorilät überlegener ©eifter ptte muffen eine nur il^r gugönglic^e ©r»

fenntni? in eine für ha§> 3Serftänbnig ber unmünbigen SJienge öu^erlid^

faßbare ^orm gebracEit, unb biefe 9)ienge l)ätte muffen bie ©d^ale für
bcn ^ern genommen unb barin eine Sefriebigung il)re§ ©lauben^bebürf»
niffeS gefunben !)aben" (^^rieblänber). ©o wichtig bie 3llIegorie in li»

terarifc^en 3citaltern, fo unentbel)rli(^ fie fi^on ber antuen unb ber gangen
feitlierigen Slunft geworben ift, fo geroi^ ift fie jur Deutung bei Urfprüng"
lid^en nidit ju brauchen. ©leid;n)ol)l l^at biefe a}letl)obe oielen 2lnl)ang

gefunben, befonberl unter ben 9^i)mern '^), unb fcl)on im Slltertum ift ^omer
allegorifc^ moralifcC) erklärt roorben; man legte il)m anfangt einen oer»
meintlic^ tiefern, etl)if(i)en ober pl)r)fifalifd)en ©inn unter, um il;n gegen
ben 33orrourf ber unmoralifdien ©ijttergefc^idjten in ©d)u^ ju nel)men^).
@S tönt un§> merfmürbig mobern, menn ^rono§ befiniert aU
mirb ber

Sauf unb bie (Sntroidlung oon 9iaum unb 3^it ober ^ermeS aU ha§>

53emegung§pringip be§ SBeltganjen (? mundi velocior sensus bei 3lmmianu§

3)iarcellinu§). 2lber aui^ ^erfeug ift raenigftenl bie fd^nelle ^immell»


bcroegung, unb ^erafleS ooHenbg foE ber „Sogoe" im SBeltganjen fein,

laut nield)e§ „bie 9Jatur feft unb fräftig ift". 3ltl)ene gilt bei Strtemibor

^) 3" "^ie n^eit föE)on bie ©pefutation 3) 3]ergl. 93äE)r, bei ^aufr» 3flear.^®nc.

ber Crpf)iter auf biefe 2öege geraten roar, III, ©. 1441 ff.
— airioft ift fdjon balb nac^

laffen tuir auf ftd^ berul^en. SßiQfür unb feinem 2:obe mit aUegorifd^en Deutungen
Unf(^5nf)eit ifjrer atlegorifdjen Figuren "ni> {)erauiggegeben roorben, für £efer, rcelc^e

.'Öergänge roaren bag bire!te ©egenteil beä teils aUegorifcf) cjebilbet unb geftnnt roaren,

griecf)ifrf) nolfötümlid) entftanbenen 2)Ji)t^u§. teils einen moralifd) erbaulid^en SOorroanb


^) (S-icero de nat. deor. a. in. D. II, angenehm fanben — für ^omer »ergl. ben
25—27. — lieber ben pf)i)fifalifc()en Sinn 3{nonijmuS de Ulixis erroribus bei 3Befter=
in ben 3)Jt)t^en al§ pröejriftent f. 5ef. Strabo mann jNIytliogr., p. 329.

X, p. 474. — Sßergl. ferner bie Schrift beg


Sornutuö über bie ?Jatur ber (Götter.
Sie ©ried^en unb \i)vt ©ötter. 81

(V, 18) Q(g ber SSerftanb, (pQ6v^<ng^). ©anj fpät finb bann folc^c (Bv
flärungen, roeli^e bie ©ötter nad^ ifirer 33ebeutung al§> Planeten ober gar
aU 2)?etoüe bet^anbeln, wenn g. 33. §epljäfto§ ben 2lre§ unb bie 2lpt)robite

feffelt, weil nur j^euer ba§> (Sifen unb ba§ ©rj graingen !ann.

®ie rationoliftifd^e ©rflärung^roeife will in ben göttUctjen SBefen unb


if)ren a)^ptf)en e!)ema(ige aJtenfd^en^) unb bereu S:;un erfennen unb bel^nt
biefe 5DtetJ)obe raeiter ouf ben §eroenmptI;u§ auö ; auc^ ha§> Ungef;euerl{d^e
wirb in bie geroötinlic^e a}Zenfc^en' unb 2^ierroe(t übertragen; bie großen,
ftarren alten Tlotm finb erfe|t burc^ Woxal ober roenigftenS burc^ graedE»

niä^igeg, aud^ felbftfüd)tige§ ^anbeln.

©c^on ^efatäoS l^atte etroa ben breiföpfigen J^erberoS ermäßigt ju


einer giftigen ©erlange, raeld^e „§unb be^ §abeg" ge^ei^en unb am SSor^-

gebirge S^änarou gefiauft l;abe ^) ; unb ^erobot ift fo aufgeflärt, bie bobo=
näifc^e ^aube für eine ^riefterin §u f)alten (III, 55. 57) unb Broeifet
borüber gu äußern, ba^ ^era!Ie§ in 2legt)pten ai§> ©ingelner ©c^aren von
^aufenben gernic^tet i)abt (II, 45). derjenige aber, welcher ber ra=

tionaIiftif(^en l'el^re burcf) ein untftänblid^eS unb oieloerbreiteteg S3ucf)*)

2tnfef)en üerfd^affte, war ein ©c^riftftetler ber Q^^t halb naö) 2tlei-anber,

©u^emerol, beffen S'iame nun auf immer an biefer ^tenbeng |aftet. 6r


gehörte gu jenen 3fleifelügnern, meiere bamal§ ben ©riedien ben neuent*
becEten Orient ejpligierten, unb feine @rgä{)lung beginnt mit feinem Sluf»

entljolt auf einer ^abelinfel, ^andfiaia, meit brausen im 2)Zeere oon ^nbien.
S)ort bei einem frommen, bie ©ötter präd^tig oeretjrenben $ßo(! er=

fiebt fid^ auf fteiler ^ö^e ber Tempel be§ 3^"^ ^rip|)i)Iaiog, unter ^tu§>

^) 2lug bt)3antimfcl^er 3eit ftawittt ber |


§ilfe ber ©trimorogte, erlaubt [id^ aber
furje unb lel^rreic^e StnontintuS: 'JUrjyo- aud^ l^ie unb ba ben ©eitenioeg be§ ©u^
ßi'«ioVou«rw^5-fwj/6ei2Befterm.Mythogr., t)emerigmug. — 2ltl;ene in il^rem 3Ser!el^r

p. 327, über bie breifac^e Sebeutung ber mit Dbi;fjeug gilt bei Stpulejui gerabeju
(Sötter: bie pragmati[c^e (b. t). t)iftort[ci^e al§ beffen prudentia, De deo Socratis,
ober eutiemeriftifd^e), bie p[r)c^i[d^e (b. I). et^i- p. 245, ed. Bipont.
fclie) unb bie elementari[cf)e famt Qug^abe 2) ®tobor III, 64: „aitte be!retieren

einer nod) mel^rfac^en (TiUofaxüHc:) $8e= gerne für gro^e empfangene SBo^Itaten
beutung für 3eu§, nämlid^ alg 5ßlanet, alä bie Unfterblid^feit ju."

©onnc, alg ganjer §immel u. f.


ro., fogar =') ^:^saufan. III, 25, 4.
al§ ©d)ictfal§fügung. — gulgentiug in [einen S)te Sruc^ftücfe bei muüad), fragm.
Mythologiae (Stnfang be§ VI. Sar^rJ^un* philos. Graec. vol. II.
bert§) allegorifiert fo üiel al§ ntögHd^ mit
3. aSurdtiarbt, ©riec^iyrfje ilulturge|d^tdpte II
:

82 3ieIigion unb Äu(tu§.

eigener 3^egierung errid^tet, al§ er no(^ lebte unb über bie ganje SBelt

l^errfdjte; barin ftef)t ein golbener Pfeiler, an welchem mit pani^äifd^en


33ucf)ftaben bie '3:^aten be§ Urano§, £rono§ unb 3eu§ „fummarifi^" oer=>

jeicfinet finb; ba Io§ @uf)emero§: perft fei UranoiS ^önig geroefen, ein

gütiger, raol^ltätiger, fternfunbiger 9}2ann u. f. ra. — roorauf man gerne

auf oIIe§ Sßeitere oerjii^ten mürbe ^), menn ber 2lutor nid^t eine fo be«

beutenbe ©pur Ijinterlaffen tjätte. ©ute Seute roollten nur l;ie unb ba bie

I)erben 9)h)tljen milbern {lo fjv&coSeg naqafjv&ovixsvoi) ^) ober ben „franfen"

3Jii)t^u§ in bie ^ur nehmen (ro loZ fxv&ov voaovv tx&fQunfvovT fg)^),

anbere bagegen folgten bem ©u^emeroS in oollem ®rnft. (SnniuS über»

fe^te \f)n in§ Sateinifc^e, tion roicf)tigern fpätern Stutoren ift S)iobor oon

©ijilien entfc^ieben @ul;emerift ^) ; ©trabo oiel weniger ;


^aufania^ fto^»

meife graifd^en ben bui^ftöblic^en 3}hjtt)englauben Ijinein; ^lutard^, je nad;*

bem er eine Duelle oor fic^ l)at. ©obann gibt ^aläpl)ato§ in feiner

©(^rift „über bie unglaublichen ®inge" au§fd)lieBlid) eul)emeriftifd^e 9}h)tl)en=

beutungen, ein unerträgliclier 3totionalift, raeld^er bei ben mi)tl)ifd;en ^er^


gangen immer mit bereu Unroa^rfd)einli(^feit beginnt °). S)en Slirc^eu'

oätern, raeldie fid) ftarf auf biefe falfd^e gät)rte einliefen (obwohl fie ba=>

neben infonfequentermeife bie alten ©ötter auä) für böfe ©ämonen hielten)

folgten bie ^ij^antiner unb l)ier gemä^ren u. a. no^ ^jetjeS (in feinem

5lommentar §um Sv)!opl)ron) unb ©ubofia eine reiche 9kd)lefe.

Sie Seigre l)atte unleugbar eine geraiffe ©tü^e an ber S^atfad^e, baB

bie ec^te alte ©age einzelne oergötterte, !ultfäl;ig geroorbene a)knfdl)en

kannte*'). ,^era!le§, fo geroi^ aud^ fein urfprünglid^eg SBefen ba§ eines

*) 2)a^ (Sul^emerog ftc^ befonberö mit *) Siecht 93cjeid^nenbe§ finbet fid^

©eburten, Heimat unb 33egrä6mäorten ber auc^ in ber lürsern Sammlung utgi
©Otter ju tun mad^te, oergl. 2lrnob. adv. (cnCarcof, bei SBefterm. , Mythogr.,
gentes VIII. — 33ermutlid} bireft au§ p. 313. 321.
(gul)cmero§ bei ©ubocia 3]iolar. c. 414 f.
'^) ^aufan. I, 34, 2 nennt aufjer Xro^
3euä ftirbt 1205iä§rig, nad^bem er bem p^onioä unb 2lmpf)iaraoä ben ^roteftlaoS.
$ermeg bie $err[d}aft über ben SBeften 2lu^erbem aber tnagte eä ^ie unb ba eine
übergeben; eä folgt bann nät^eres überfein ^olig, einen SSerftorbenen nid^t bIo| jum
Örab auf Äreta. $)erog, fonbern jum ©ott 5u erflären unb
^) ^lut. mulior. virtt. c. 9. il^m htn betreffenben ©ienft ju ir>eil)en,

^) (Subocia 3SioIar. c. 52. raie bie 2:t)afier mit 3:t)eagencä taten,


») 33crgl. bie beutlicr)e Grllärung in ebb. VI, 11, 3.

ben gragnienten beß VI. :Öuci^eg, bie GJötter

feien 2Jienfcl^en geiBcfen.


S)tc ©riechen unb t[)re ©ötter. 83

&otU§> wav, galt hoä) in her überraiegeitben 3lnf(^auung al§> ein a)?en[c^,

ber feine 3Sergöttlt($ung erft auf feinem ©d) eitert) auf en unb bonn burc^
ben Empfang auf bem D(i;mp gefunben ^). ^n 2lIabanbo§ würbe ein

^tei(^nanTiger ehemaliger 3)Jenf(^ nid)t blo^ alio ^ero§, fonbern al§> @ott
üerefirt; ebenfo ein X^\k§> auf ^ienebog; 2lmp!)iarao§ ^atte in feinem
Orafeltempel bei Oropog, 2;ropi)onio§ in bem feinigen ju Sebabea offen-
funbig göttlidien 9tang — nur leugneten bieg fpäter bie römif^en 3ott=
päd^ter, als fie biefen beiben Heiligtümern bie fonftige ©teuerfreilieit ber

Tempel üerfagten; fie meinten: raer je ein a}Zenf(^ geroefen, !önne nic^t
gu ben Unfterblidien gered)net roerben^).
3ebe§ einzelne 3ftcfultat beg @ul)emeri§mug aber ift mit Unfrud)t»
barfeit unb Säd^erli^feit gefi^lagen. Sei ber rationaliftifc^en ©rflärung
„l)ört ba§ Söunber auf Sßunber ju fein, o^ne bo($ ^ur ^iftorifc^en %aU
fad^e ju werben" (3o^9(i)- llnb nun mu^ man bie tröftlidie ©id^erljeit

be0 aufgeflärten ^l)ilifterg, ber t§> ganj unfel)lbar getroffen i)aUn roitt,

an Seifpielen !ennen lernen. 2)a§ SSormort be§ ^aläp^ato§ gibt pnäc^ft


bie ©runblage be§ eu^emeriftif($en Urteils : „^on ben aJienfd^en glauben

bie @inen SlöeS, ma§> ergälilt roirb, roeil e§ iljnen an ©infidit unb SBiffen
fel)lt; bie ©c^arf finnigen aber unb ^^fiffigen glauben oon nichts berglei(^en,
ba^ e§ gefd)el)en fei. Wdx aber fdieint aUeS gefd)el)en gu fein, raaS er=

3äl)lt rairb, benn e§ mären niä)t 3lamm allein entftanben unb feine ©r*

§äf)lung baju, fonbern guerft raaren bie ©reigniffe (i'^/ß) ba, unb bann
!am ber 33eri(^t über biefelben^). 9Ba§ aber al§> bamaliS oorgefommen
unb gefc^el)en gemelbet wirb unb je|t nidit meljr oorfommt unb gefd)iel)t,

ha§> ift nidit malir^ fonft mürbe e§ auc^ feitt;er gefi^e^en fein unb je^t

unb fürberl)in gefd^elien . . . 2lllerbing§ traben S)id}ter unb ßogograplien


mand)e§ ©ef^eliene in0 Itnglaublidje unb 2Bunberbare oerfe^rt ... 3"^
aber erfenne, ba§ bie 5Dinge groar nid^t fo fönnen gefd)el)en fein mie fie

erjä^lt TOorben; mären fie jebo(^ überl)aupt nid)t gefd)el)en, fo mürben


fie ni(^t erjäl;lt merben." §ören mir nun, roaS bei biefer 3JJet^obe

l)erau§fommt.

^) Siobor IV, 24 finbct fid^ fretUd^ -) (Sicero de nat. deor. III, 19.
t)ie 2lu§fagc, ba^ ^erafle§ fc^on auf feiner ^) Defter fc^Iie^t bie einzelne ©rjäl^s
galjvt burd^ ©ijilien an einem beftimmten lung mit ben 2Borten: ©efc^ei^en ift eg fo,

Söunber gemerü f)a5e, er fei bereite etroaS ber 3)lt)tl^uä aber lourbe f)inäucrfonnen.
imfterblid^, b. f). @ott geroorben.
;

84 3leIigion unb ^ultu§.

2Im e!)eftcn möchte ©ingang finben, ba^ SSo^Itäter unb j^örberer bcr
9)Jenf(^f)eit ^) ju ©öttern feien erhoben rcorben, unb man pflegte au^er
§erafle§ auc5^ bie ©io^furen unb 2l§fIepio§ — freiließ oline^in fc|on

@ötterföl)ne — auSbrüifltrf) al§ foldfie ju nennen. Dlun würben aber


outf) bto^e ©rfinber^) berfelben ®f)re TOürbtg erachtet. 2leolu§, Eiei^t el,

fei pm ©Ott ber Sßinbe geworben, roeil er etnft bie ©egel unb bie

2Betterpropi)ejeiung erfunben. SBöljrenb man naä) ©u^emerol bie großem


©Otter weniger ntefir mit menfdjIicEien Deutungen bef)elligte, entfc^äbtgte

man fic^ an aßen übrigen mt)tl)if(^en SBefen unb ^ergangen. 9)?ebufo

würbe eine libpfc^e ?5^ürftin, gegen welche ^erfeu§ mit au^erlefenen

^eloponnefiern aulgerüdEt fei. 3)ie ©iganten auf ^saUene finfen l^erab

gu einem bloßen wilben Sarbarenoolf. 2lmmon ift nid^t mel^r ^tu§>,

fonbern eigentlich ein §irt ; ber 9iiefe ^itgoS ein gewalttätiger Drt^^err

ber tl^ebanif^e Duedbradje wor ©rafon, ^önig oon ^§eben; ber ©radie

^ptJ)on ein ruc^Iofer Xempelräuber, wel(^er 3)ra!on l)ie^. 2)ie ©pfiing

löft fi($ auf in eine ©c^ar oon ©eeräubern, welchen DebipuS mit einem
^eer begegnete; 2lnbere erflären fie auc^ für eine une^elic^e ^od)ter be0

Saiog ! 2)ie breigeftaltige ßljimaira wirb ju einer in fteiler ^öl)e woJ^nen*

ben^) hjfifc^en ^äuptling§tod)ter, bereu Srüber £eon unb ©rafon SllleS

töten, wag über bie ©renje fommt. ©h;IIa unb 6^arr)bbi§ finb ©d^iffc
tprr{)emf($er (Seeräuber, fo wie ber ^egafo^ jum ©d)iffe be§ ^iroten
58etteropi)onte§ wirb, ©er 2Bibber, weld^er ^t)rifo§ unb ^eHe trug, war
ein woljlmeinenber Wann, ber beibe auf fein ©(i)iff nal^m, ober aud) ber

©rjiefier be§ ^§rifO§. S)ie ^arpi)ien woren bie ruc^Iofen Xöd^ter be§
^f)ineu§, weldje ben blinben 3Sater miBt)anbeIten. ®ie ^iege 2lmalt^ea
war ein gewinnfü(^tigeö altc§ ^anbel^weib, ba§ feinen @rlö§ in einem
^orn aufbewahrte.
a)Jt)tf)if(^eg wirb tec^nifc^ ober aU ^kxaxt gebeutet: bie Ueberf^wem»
mung oon Sofien erfolgte nid)t burc^ bie 3Serwünfc^ungen be^ 33e(IeropIjonte§,

fonbern inbem er ben S^tanb ber ©üne burc^ftad^ ; bie ?^(ügel, mit welchen

©äbalog ben igfaroS oerfat), finb ©c^ifffegel, weld^e in jenen 3^ttcn ttma^

1) ^lin. H. N. II, 5. Deus est mor- ^) S)ic§ u. a. alö Seigre beö Stoifer^
tali iuvare mortalem, etliaec ad aeternam ^crfäoö, Siccro de nat. deor. I, 15.

eloriam via. ') aBeil 6f)imaira Qk^t bebeutet, unb


bie Biesen gerne on fteilen 2lbl^ängcn raeiben.
;

Sie ©riechen unb if)re ©ötter. 85

9ieue§ unb Ungciüo^nte^ roaren; her ©ttcr ber Europa war ein ©d^iff,

on beffen 35orberteiI ein ©tier al§ 3ierbe prangte, unb ä^nlic^ fei oiel^

leicht ber SBibber beg ^§rtj;o§ gemeint geraefen ; bie lernäifc^e ^ribra wax
eine üon ^erofleg eingenommene ?^eftung. Ungetüme werben ju 9ktur=
gegenftänben, fo jene (S^imaira gu einem gellgebirge, oon welchem bie

©onnenftrafilen berart gurücfpraEten, ba^ fie ha§> ganje Sanb ou^trodneten


ber Slbler beg ^romet^eu» fott ein §tu§ 2leto§ geraefen fein, ber bog
33efte üom ßanbbefi^ be§ ^romet^eug — fpmbotifiert burc^ beffen ^Beber
— roegfraB- ^m ©inne roeifer ©elc^rfamfeit mirb bel)auptet: ber Sefuc^
be§ ^era!Ie§ bei 2ltla§ bebeute fein ©tubium ber 2lflronomie^); ^^pefteS

fei nic^t raegen ber befannten ©(^anbtat be§ 2ltreu§ auö 2}lt)fenä geroidien,

fonbern au§ 9ieib, raeil 2ltreu§ juerft eine ©onnenfinfternig gefunben,


b. ^. njo^I berechnet l^abe^); @nbi)mion§ i^iebfc^oft mit ©elene bebeute
nur ben frü^eften 33eoba(^ter beg 3)Zonbc§; ha§i golbene 3Slie§ enblit^

wax eine auf ^äute gef^riebenc 2lnroeifung, auf c^emifc^e SBeife {diä
•/vfisiag) ©olb §u mad)en. SBunber werben erflärt auö ^teberoeifen,

mel^e man bud;ftäblic^ genommen ^aU: bie 3}iannfc[)aft be§ ^abmoi


IjüU gefc^ienen „au§ ber ®rbe §u mac^fen", bat)er bie angebli(^e ©nt*

fte^ung au§> ben Eingeworfenen ©rad^engä^nen ; ^erfeu§ f}aU feine geinbe

fo überrafc^t, ba^ fie „raie oerfteinert" ftanben, ba| aber 2t!täon oon
feinen ^unben oerjet^rt morben, bebeute nur, ha^ er al§ leibenfd^aftli^er

^äger alle feine übrigen 2tngelegenl;eiten oerfäumte unb in üöHige 2lrmut


geriet^). 2)ie ©lenbigfeit folc^er Deutungen barf un§ nid^t abgalten,

noc^ einiges bicfer 2lrt fcnnen ju lernen, ^iid^t ^ofeibon unb 2lpoIIon
fiaben bem Saomebon bie ^Hauern oon ^lion gebaut, fonbern Saomebon
l}at (roie etroa ein gried)if(^er STijrann) bie ©c^ä^e i^rer beiben auf ber
SlfropoIiS befinblidien Tempel beim 33au ber a}?auern aufgebraucht,
^roteul unb bie ©mpufa mit i^ren 33ern)anblungen finb eigentlich

^antomimentänjer geroefen, meiere fic^ täufc^enb in ade Stotten oenoanbeln


fönnen*). S)ie ^unft 9)?ebea§, ©reife ju oerjüngen, ge§t auf ein ^aar*

1) Sieg bei Slelian, fragm. 188. — ruinierte fic^ burd^ einen aHju J^crrlid^en
<Sc^on Uranog al§ 2lftronom f.
oben. ©tau 31 off e, roorauf feine Sefannten ju
^) §9gin, fab. 258. fogen pflegten: biefe nährten fic^ oon
^) ^aläp^at. c. 3. SßicIIeic^t ba§ lel^r* 2JJenfc§enf[eifd^.

reid)fte Seifpiel feiner 3)Janier. — 2)iomeb *) Sudan de saltat. c. 19.


86 SJeligion unb Äultu§.

färbemtttel. 3)a§ ©eroanb mit bem Slute be§ SfJeffoS, it)elc|e§ SDeionira

bem ^erafleg fenbet, bebeutet bie warmen Kleiber, raomit fie ben ©emai)!
rerjärtelte unb fampfuntauglid^ mad^te. 2ßenn 2Imp!)ton§ ^it{)ar[piel btc

©teine bewegt, ba^ fte fic^ gur aJlauer oon 5r£)eben guf ammenf ügen , fö

ift bieg foIgenbenna§en ju erflären: ba bie Seute bamalS nocf) !ein ©elb
Ratten, mu^te, mer bie 9Jhtfif genießen mottte, bafür an ber aJJauer bauen

Reifen. S^m ©(^luB nod) ein 3ug au§ 33itruo (II, 8), me^r in ber

3lrt eine§ ©pa§e§, in betreff ber angeblicf) oerroeii^Iic^enben Duette

©alma!i§ bei ^alifarnaB: burd) ein J)errlic^el, bei ber Duette erriditeteä

2öirt§{)aug feien bie rollen tarier feine§roeg§ oerroeid^lidit , fonbern nur

in i^ren ©itten milber gemorben.

9)it)tl;en, ßegenben, fogenannter 3lberglaube entfielen in ben 3?eIigionen^


menn bie $öoIf§pi)ontafie mit benfelben eine lebenbige, ja feurige a^er^

binbung eingebt. Oh bieg ein ©lement ber ©d^roäc^e ober e^er ber

©tärfe für eine 9teligion ift, unb ob e§ überl^aupt immer ju üerf)inbern

märe, f)aben mir ^ier nicfit §u erörtern. @§ l;at aber 9ieIigionen gegeben,

innerhalb melrfier fid^ gu oerfc^iebenen ^tiUn eine ^ortei erljob, bie mit
bem a}h)tf)u§ ©treit onfing, unb bieg fonnte ju großen 2^rennungen führen.

®er griec^ifd^en 9teIigion ^at biefer ©treit menig gefctiabet; ba§ Reibens

tum ift au§ otten möglichen ©rünben untergegangen, aber nid^t burc^ ben
@u{)emerigmu§ , meld^er auf bag SSoI! gar nid^t mirfte. 9lo($ in ber

^aifergeit, im III. 3a^r{)unbert, !lagen biefetben .^iri^enfi^riftftetter, meiere

oom ©u^emerigmug ©ebraud) mad)en, nac^brüdlic^ über bag 2BeiterIeben

ber alten Tlr)t^en. 2)enn bie 2lmme fc^on brad)te fie bem i^inbe bei

unb meinte babei oft oor 9flüt;rung, raenn fie etroa oon 2lriabne er§äl;lte,

unb roie %i)z'\tn§> fie oerlie^^).

i^nbem mir gu bem SBefen ber griec^ifd^en ©ötter, ju ber ©rö^e


unb ben ©d^ranfen il)rer ©öttlid^feit -) übergeben, mag in Mrge be§

©^aupla^eg %zMd)t werben, ouf welchem ber 3}h)tl;u§ ©ötter unb


3Jienfc^en fid^ bewegen lä^t. @§ tjanbelt fid; t)ier nid)t um bie mi)tf)ifd^e

©eograpf)ie in il)rem ootten Umfang unb i^ren meift fo ftreitigen ©ebilben.

') ^^iloftrat. b. ')'{.


imag. I, 15. lid) finb. S" i»er SluSroa^l beg ©toffeg
^) 33on f)ier an folgen mit ber Seitung aitä ben Quellen gcljen luir unfcre eigenen

3flägeläbac^§, beffen „[jomenfd^e" unb „nady- Sßcge.

j^omerifc^c 2;f)eoIogie" Big i^ute unentbet)r=


Sie ©ried^en unb il^rc ©ötter. 87

fonbern nur um bie eigentümliche Söeiije ber mi;tl)if(^en 9tatur, tüie fie

un§ aus ber griec|if(^en SDiditung entgegen tönt unb leuchtet. ®§ ift

eine SBett ber ©ötter unb ber jugenbli^en aJIenfc^ljeit; nur flüd^tig an:"

gebeutet, aber in SBorten uon gei)eimni§üoIIer ©liiönljeit; nur l^ie unb b^i

mit näfierer Sc^ilberung eingetner 2tnblic!e, bann aber eine SBonne beg
©ängerS unb beS fpäteften ^örerS.

®ie geweifte dladjt — ber gemeinte ^ag — ber Siegen be§ 3eu§
— bie fieilige ®o§, bie frü^tagenbe, beren SBoImung unb Sangpla^ auf

ber fernen ^nfel 2lea liegen — bie in ben OfeanoS finfenbe ©onne,
roeldie (;inter fic^ Ijer bie bunfle 9ca($t über bie näfirenbe (Srbe jiel^t ') —
lauter 5llänge, meldte aud) in ii)rer SBieber^oIung bocf) immer üon neuem
bezaubern. Unb mie ein Heiner 9)?armorbrud)ftü(f öon ebler Run\t fcf)on

ba§ oolle ©efü^I ber ©c|önl;eit erregen !ann, fo jenes berülimte Fragment
t)on ©tefid)oroS ^) über bie galjrt beS ©onnengotteS: „^elioS ber ^yperionibe

Irot in ben golbenen Sedier (bie ©onnenfc^eibe) , bamit er über ben


DfeanoS l;inüberge(ange gu ben ^Liefen ber ^eiligen finftern Slai^t, ju feiner

aJ^utter unb ©emaf)lin unb ju ben lieben Jlinbern; er aber fd^ritt in ben

lorbeerfd^attigen ijain, ber ©ol)n beS 3^u§/' Ober jene wenigen 2Borte,
in meli^en <Bopl)otk§i^) unfere ©ebanfen nac^ bem SBunberlanbe ber

Hyperboreer meift: „über bal gange 3}Zeer gegen bie ©üben ber SBelt, ju
ben Quellen ber dlaä)t, wo fid^ ber ^immet auSeinanberfaltet, nadi bem
uralten ©arten beS ^l)ö6uS."

3)er DfeanoS, auS raeli^em bie ©ötter emporfteigen, ift ilir 33ab.

SBenn aber göttlid^e SSefen auf ©rben rool^nen unb oerfe^ren, bann ^öreu
mir oorsugSraeife oon fi^attigen ©ebirgen, liaHenben ©ngtälern, blumigen
2luen unb roieberum oon ber bunfeln göttlichen Stacht*). S)er Slufent^alt

ber Sac($en bei ©uripibeS ift eine oon Quellen burc^riefelte 9Biefe groifd^en

^elSroänben, oon ^^^id^ten befc^attet •'^).


33ei ^omer finb bie ^ölile ber

^alt)pfo, bie ©arten be§ SllfinooS, bie 3hjmpl)engrotte unb ber fc^öne

1) Sf. Vni, 483. ©intgeg bei greller, ^) ©op]^. fragm. inoert. 103.
©rie^. 2«9tIjoI. I, 295. — Sie ^errlic^e *) ^om. Hymn. Merc. 95 ff.

©c^ilberung be§ i^ellleud^tenben DIt)mpg *) (gurip. Saccf). 1048 ff.


— ©ogar
ol^ne Sturm, Stegen unb Sd^nee. Db^ff. noc^ Bei Siobor III, 68 ff. leuchtet ba§
VI, 41—46. tritonifd^e 3lv)\a in SßunberfarBen.
°) Sergf, Anthol. lyr. p. 391.
38 Sieligion unb Äultug.

Duell auf :3tl)afa0 unoerge^Uc^e Silber. 2)?it t)'6ä))kx ":prac^t[ü(Ie ift

bann in einem Gljorüebe be» Boplptk^i'-) ber f)ei({ge ^ain uon ÄoIono§
Qu»geftattet, luo nurf) !I)iom)io§, 2lpl)robite unb bie 9)hifeu luanbeln, unb
l^ier ganj befonber» fpridjt nuc^ bato anbäd^tige ©ntjücEen ber ^eüenen
über bie ^flansenroelt [ic^ au^. ^n ftiderm ^anhtx, bei ©uripibeio ^),

liegt jene SSiefe oor un§, „bie unberüf)rte, von feiner ^erbe beroeibete,
Don feinem ©ifen oerfe^te, nur von 23ienen überf(ogene, oon fieiliger

©(^eu gefdEiü^te, mit flie^enben 33äc^Iein befeuchtete;" bort Ijat ^ippoIi)to^

ben ilronj gefammelt, lueldjen er ber 2trtemig auf^ S^an'pt legt. 2Benn
aber je eine einzelne ^^unberpflQn3e üerflärt loorben ift, fo mar e» jener

Jiarfiffog ^), bie fd^önfte oon ben 33lüten, lueli^e @aia fieroortrieb, bamit
^serfepljoue betört roerbe: „ein SBunber ju fef)en für ©öfter unb 9)ienfd^en,

üon ber Slöuräel auf l)unbert Häupter treibenb; oon bem fü^en S)uft
lachte ber ganje roeite ^immel oben unb bie ganje (Srbe unb bie faljigc

3)leereliooge." 2lu§ bem $Heic^ ber 33äume entnimmt §omer in ber

bilberreidien ^iia§> eine Sieil^e feiner mädlitigften i^ergleic^ungen: oon ben


jroei loetterfeften ©id^en, oom 2Balbbranb, oom ©türm im 2öalbe, oom
Ijodjangefd^tüoHenen 33ergftrom, ber ganse ©idien* unb gid^temoälber mit
fic^ rei^t^).

(£» ift roalir, ba^ liebeooll au§gefüf)rte ©djilberungen fic^ faft immer
auf bie 9Ml)e, ja auf ba» eng ©ingefc^loffene, auf SBalbtäler, ©rotten
ufro. bejieljen, unb nodj ou^ fpäter ^ät ift bie Sd;ilberung oon 2:empc
bei 3lelian^) ein fel)r aulgefü^rteö 33ilb biefer 2trt; bagegen fe^lt, fo

oiele Slfropolen auä) \)od) über il;re ©tobte emporragten, jebe ©d^ilberung
be§ Sölideg an§i ber ^öl)e in bie Xiefe unb Söeite. ©olon, auf ber

aifropoliij oon 2ltl)en, fiel)t nur bie Sädjer ber ©tabt ringsum unb ge»

benft be§ oielen ßlenbs, roelc^efS barunter fi^t. 2)od) einmol bei .'gomer ')

glän5t ein gans großer Slnblicf auf: menn 3^^^ "O"^ l)ot)en ©ipfel beä
geroattigen ©ebirge?- bie biegten ffisolfen meggetrieben ^at.

') Dbgfj. V. 63. VII, 117. XIII, |


") iUelian, Var. bist. III, 1. — Sc=
105. XVII, 204. I
lannt ift bei ^^Uato ^^Uji^br., p. 230, b. c.

') eopf). Deb. Äol. 669 ff.


bie Platane mit fflebüfclj, Cuellc unb
3) Gurip. .fiippol. 72 ff. ©ötterfiiiuren.
*) ^om. Hyiiiii. Cer. 8 ff. :si. XVI, 2i)7.

") 31. XI, 155. 4!»2. XII, 132. XVI,


7H4. XX, 400.
3)ie ©riechen unb \l)xe ©otter. 89

^ell [inb alle bte SBarten ber Scrg' unb bie jacfigen ®ipfer,

X&kv aud}, aber am §imme( jerteilt enbloä m ber 2letf)er.

Slttein nod^ ftet)t oieHeic^t biefc fd^önc (Srbc ni^t feft; unter biefen

mä(j^tigen ©ebirgeu liegen i)ie unb ba, no(^ lebenb gebactit, gebänbtgte

©iganten unb Ungetüme, ein nur bebingt üernicf)tenbe§ Unfterblic^eg.

^i;p|on tobt nod; unter bem 2letna, wetdien ^tVL§> auf \i)n geworfen;
unter bem 9iift)ron, einem 23rud)ftü(i ber ^nfel Äo§, liegt ber ©igant

^oli)bote§, unb auf bem SBege oon Seme naä) 6(eu§ fannte man ben
^el!§, toelc^en §erafle§ auf ha§> einzige unfterblic^e iQaupt ber §pbra ge»
löäljt l)atte^).

®a§ 2öefen ber grie^ifd^en ©ötter foH l)ier rein all gefcl)ic^tltc^e§

^^^änomen betrad)tet roerben; eg l)at eine 9Jation gegeben, roelclie biefe

unb feine onbern l)öl;ern 2Befen l;at l;aben muffen unb raoüen.
2ltter 33ermutung nac^ crfd^ienen biefelben oon 2lnfang an al§ über»
roiegenb furrf)tbar, a\§> roilber, bämonifdier SSiUe, fei e§ ba^ fie roogenbe

9iaturmäcl)te waren ober i^erren be§ 2)ienfcl)enleben§. 3iod) öomer unb


bie 3^t)eogonie oerraten un^ einen frül)ern 3uftonb, ba biefe 3JJäd)te unter

fid^ auf ha§i ©c^redlid^fte fämpften, unb aucf) nac^^er märe ol)ne ben beftän»

bigen ©d^reden oor ber 58erfenlung in ben ^artaroi [xaiaxaQiaQw&tjvat)

bo§ ^erfonal nidjt in Drbnung ju lialten geroefen. ®ie 9)?enfc^en fd^einen

fid) gefreut ju l;aben, roenn ber ©turj eines folc^en 3)ämon§ beriditet

rcurbe, ober roenn man menigftenS ^eimlic^ raupte, ha'^ ein ©Ott burdö

einen oon i^m erzeugten ©tärfern fönne geftürjt werben. 2)a§ liattc

fd^on ber entmannte UranoS unb feine @äa bem ^ronoS geroeisfagt,

welcher be§l)alb feine Kinber oerje^rte; fpäter brofite %\ti\?> bem .^mv>,

bafe fie it)m einen fotd)en ®ol;n gebären werbe, unb mit einem ä^nlic^en

©e^eimniS ^atte ^romet^eug ben 3«"^ "^ '^^^ ©ewalt; @äa l^ot bann
gegen ben ufurpatorifdien (Snfel ^tVL^ noc^ weitere rebellifc^e Gräfte oor»
rätig, wie bie ©iganten unb ben ^ijpl^on. S)a jebod) ^tu^ in ber

j^olge i^err blieb, fo beginnt baiS :öid)t unb bie ©(^önljeit mit i^m, mit
feiner ©efd^ic^tc oon ber 2Biege an, jumal in ber 2luffaffung ber Sage
oon Ärcto.

') aipoHob. a. m. D.
90 Sieligion unb ÄultuS.

@S folgte ber üöütge 2lnt^ropoTnorpl;i§mu§ ber ©ötter, unb ben

©pätern erfd){en berfelbe felbfloerftänblt(^ unb raurbe bei aücn 33ölfern


t)orau§ge[e^t. „®enn oon 9iatur/' fagt (Eicero ^), „fennen wir alle, oon
atten 9Zationen, feine onbere ©eftalt ber (Sötter n(g bte menf dilidie ; TOel(^e

anbere ^orm berfelben ift je (Sinem im SBac^en ober im Schlafen oor»


gefommen? unb roetd^e ©eftatt fann fc^öner fein qI§ bie menfd^IicEie?"

^n ber Xat fennt bie reif geworbene f)ellenif($e 2lnfc^auung an iljren

©Ottern ,,TOeber Unformen no(^ Ueberformen, feinen einäugigen Dbin,


feinen eintjänbigen %i)x", ber oielgliebrigen inbifd^en ©ötter §u gefdiroeigen.

©obalb eS bem — au^erorbentli^ freien — 9)?i)tt;u§ bient, finb bie

©Otter nidit einmal größer geftaltet al§ bie SJJenfdien; fie fi|en mit biefen,

befonberS gerne mit ben ^^öafen, p Xifdie; fie fommen ju ben §od^=

geiten be§ ^obmo§ unb be§ "^peleuS, unb Sltljene fötjrt mit 2)iomebe§ auf
©inem 2ßagen. 2lud^ mo fie, in beftimmte a)Zenfc^en oerroanbelt, auf«
treten, fönnen beSlialb bie anroefenben gelben red^t n)ol)l a^nen, bafe e§

eine ©ott^eit fei^); gelben felber aber felien fogar ben ©Ottern gleich,

mie 2lgamemnon ^).


2)ie 9iat)rung ber ©ötter^) ift 2lmbrofia (Unfterblii^feit) unb 9ieftar;

fc^on frül)e aber leben fie auä) oon ben Opfern, bereu @ntbel)rung il)nen

bereits fc^merglid^ mar, al§ Demeter über bie @rbe junger unb ©terben
oerliängte^), unb biefe 2tnf(^auung fann gerabe bie ältefte geroefen fein.

^l)r 2Befen ift en)ige ^rifd}e (^?/7?«o0/ (^^^ ^^i benjenigen ©ottljeiten,

meldte nid)t als jung gebadet werben, ©ie leben unb lianbeln „leid)t"®)

unb e§ ift nur il)re ©d)ulb, menn fie fidl) burc^ eigene olpmpifdie ^änbel
unb bie bamit §ufommen^ängenbe ^arteinal^me im 9}ienfc^enleben ber
^eroenjeit il)r S)afein erfc^meren ").

^l)r 2Kol)nen ift röumlid^ benfbar; guseiten weilen fie bei ben fernen

2letl)iopen pm Dpferfd)mau§ , ober in ben oon ben 3}2enfcl)en errid^teten

Heiligtümern, offenbar um ben Opfern näl)er su fein, ©rft fpät roar eine

^) De natura deor. I, 18. ©ac^e fomifc^ ocrroertet in ben SSögeln


») St. XIII, 68. be§ 2lriftopfjaneg.
3) 31. II, 478. ^) ®a^ (>t:(x fo Diel al§ dnöyiog fei,

*) Unb aud) bev unfterblid^en 3iDffe, 3ltf)en. XII, ö.

SI. V, ®nbe. 2lm[iro[if(^ finb aud) alle ') ^ierju befonberö SI.V. S)ag ©btter^
©emanber, (Skräte u. f. ra. ber ©btter. Blut Sd^or 339, bie 2luf5ä^Iung ber ©öttcv-
*) ^omer, Hymn. Cer. 312. 35ie oerrounbungen 381 ff.
S)ie ©ried^en unb il^re ©ötter. Q\

Siebe möglich, toeld^e an ein berüljmteg SBort ©alomog bei ber ^entpel^
mU)t^) erinnert: „SBeldjeg ^au§, üon 33anreuten errid;tet, würbe bie
göttliche ©eftalt mit feinen SSänben unb Wlamm mnfoffen')?" — unb
erft aU eine ©fulptur oor^anben war, fonn ber SSoIfgglaube im ^ultbilb
felber bie ©ott^eit erfannt ^nben. 3)eutlirf) ift {)ierüber nie J)erQU§gerebet
raorben, aber 5. .S. bie M^Iung ber ©tatue be§ ^rieglgotteS in beffen
Tempel su ©parto^), ift oJme einen foli^en ©tauben nic^t gu erftären.
— ©onft mo^nen bie ©ötter im ^immel, im Slettjer ober auf bem Olymp,
roo i^nen ^epI)äfto§ t)errlic^e Käufer gebout ^at, nebft jener raunberfamen
SBerfftatt für feinen eigenen @ebrau($ *). 2So immer aber ©ötter roeilen,
ba üerflärl fic^ bie Umgebung, mie etwa ber ©argaroS, ber i)ö(^fte ©tpfel
beg ^ba^), ol§ 3eu§ bort ber ^era beirootjute: unter i^nen erzeugte bie
erbe frifc^eg ©rün, Soto§, ^xoto§, ^t)atmti)o§, bi^t unb raeic^, roelc^eg
fic cmporfc^roeaenb trug; um fie al§ ^üEe bie golbene SBolfe, „unb e§
tauete nieber mit ©tansbuft". — 2)ie ©eegötter t;aben eine fubmarine
Heimat, wobei ber fpätere Sefer fic^ umfonft ©orge mad^t über bo§ STtem»
Ijolen unter unb in bem SBaffer; biefer 3rrt ift bie i)errli(^e Söoljnung
beg ^ofeibon ju Slegä, bie golbene, unoergänglic^e "), unb ebenfo bie meite
©rotte jroif^en STeneboa unb ^mbrol, mo er nac^Iier bie in ^legä ein»

gefpannten Stoffe einfteflt. mä) ber „mölbenben ©rotte" ber X^it\§^ unb
iljrer ©enoffinnen ') gelangt bie ©ötterbotin 3ri0, inbem fie einem 5«e^»
bleigeroid^t ä^ntic^ in bie 2:iefen be§ a)kereg fät)rt. ^riS fennt aber oud^
bie SBofmung ber Sßinbe unb graar aU feftel ^an§ mit fteinerner
©corneae ') ; bort finb fie bei 3epI)t)ro§ §um ©elage cerfammelt unb möditen
umfonft bie reigenbe 33otin beroegen, \iä) ju i^nen ju fe^en. 3luf ©rben
aber moren ben ©Ottern Iierrlid^e ^aine unb SBälber entroeber gerabeju
gemeint ober mürben il;rer ©egenroart roürbig gefialten; 33erg unb SBalb
brölinen oon ^ofeibonä Schritten.

') I. SucI ber Äönige VIII, 27. 31- XXIV, 77 ff.


— Sei bem fpäten
-) ©urip. fragm. incert. 107. aielian (Hist. anim. IX, 35) finDet fid^

^) ^aufan. III, 15. 5. bie 5raj,e: 2)ag menfrf)Iid;e 3Iuge foü im


') S(. XVIII, 369 ff. aKeer 300 5?lafter tief fe^en; ob roeiter
') 31. XIV, 341 ff. @in fpätereS unten no^ ^ifc^e fc^rcimmen? ober ob bort
«ßrad^tftüd baS Sogcr beS 3euä an ber ©i)tter unb Dämonen be§ a)?eereg ben
Äüftc ber ^efperiben, ©urip. |)ippor. 789 ff. JJaum inne l^aben? ober gar ber §err
«) SI. XIII, 21, Dergl. 32. 2J}and)eä aller geuc^te?
bann bei ben römifd^en I;id^tern. «) Sr. XXIII, 198 ff.
92 Dtetigion unb Äurtug.

S)ie Seroegung ber ©ötter muB oon gewaltiger ©(^neüigfeit, \a xa\^


wie ber ©ebanfe ^) fein, weil fie nad) ber älteften 2lnfc|auung nic^t burc^

bto^en SBiüen unb ajJac^tgebot in ber g^^ne wirfen, fonbern fid^ perfön*
\id) an Ort unb ©teile oerfügen muffen, ^n oier ©ä^en fc^roingt fi($

^ofeibon uon ©amot(;rafe bi§ nac^ feinem ätegä im ^eloponneS^); ha§>

©d^reiten, Sd)iyeben, ©a^erfaufen ber ©ijtter ge^t in ftetS roec^felnbem

©c^immer^) an nnferm 2luge öorbei; boc^ nie al§ eigentliches ^^liegen,

benn auä) bem ^ermeS üerleif)en feine ?^lügelfd)ul)e nic^t bie§, fonbern
nur hü§> fd^neUfte dahingleiten über Sanb unb Slteer"*). ^ören fönnen
hk ©Otter natürli(^ f(^on avL§> roeitefter j^^erne, unb ber Slnrufenbe mu^
fid) barauf oerlaffen fönnen^). 2lud^ eine befonbere ©prac^e wirb iiinen

zugetraut, unb bie ©riedjen glaubten einiget baDon §u roiffen: baS ßauber*
fraut, raeld)e§ ^ermeS bem Dbpffeu§ auf ber ^nfet ber i^irfe gab, ^ie§

in ber @ötterfprad;e SJioIp, ber S^ad^taar (Jlpminbis) Ijie^ bei ber ©öttern

©^olfiS*^), unb noi^ fpät mußten eine 2(n5al;( oon :3nfeln unb ©tobten,
wie fie mit i!)rem frühem, göttlid^en 9kmen geljei^en tjatten.

5Ct;eoretifd) finb bie ©ötter aHroiffenb unb oud) für bie 3uifunft roiffen

fie ha^) ©efd^id oorauS o£)ne e§ abroenben ju fönnen. ^n Xat unb 3öa{)r=

i)eit aber miffen fie bisoroeilen nichts oon Singen, meiere fie fe^r natie an=

gelten unb f)alten einanber ftar! jum beften'). ^roteuS, welcher bem
3)ieneIao§ atteS in ber ^^erne @efc^et)ene erjäl^lt unb MnftigeS fünbet,
ift unmittelbar oortjer oon feiner Sod)ter @ibot(;ea betrogen unb oerraten
töorben^). §era Ijat ein ^inb gefäugt unb nid)t getouBt, ba^ e§ ber

oer^a^te üeine §eraf(e§ mar, unb ba^ er bamit unfterblid) rourbe. 2lud^

bie pc^fte igbealität, infofern fie bod^ nur ba§ 3)Zenfd^lic^e unb Seiblid^e

') 31. XV, 80. 5) 31. XVI, 515 ba§ ©cbet beä
2) SI. XIII, 20. — Sei feiner 2ßagen- @lau!oä.
fa^rt ü5er bie gluten inirb niif)t einmal : •')
Dbtiff. X, 305. 31. XIV, 291. —
bie 2l(^fe na^. ©ine Unterfud^ung über bie ©ötterfprad^e:
^) SScrgl. u. a. baö {^ragment 9 an% 9Mgelgbac^, £)om. 2l)eologie, S. 202 ff.

ben ^artf)enien beg ^^^'"^ar. ^) ©0 ^t\x§ bie §era mit ber ocrs
*) 31. XXIV, 341. 2)ic geflügelten l)üaten ^>uppe, ^aufan. IX, 3, 1. 2)ie

2Befen ber antiten Munft finb, oon ber ©teHe jeigt and), baf; eö 3}Jenfd6en gibt,
3liU abgefe^en, teil^ ©emütöjuftänbe, teilö luelc^e !lüger finb alö bie ©ötter, unb beren
etl)ifcl^e (Sigenfc^aften unb gehören nid)t SRat für biefe raünfc^enöiüert fein fann.
l)ierl)er. ©0 I)ier Jlitl^äron, Äonig oon ^latää.
^) Dbpff. IV, 388.
2)ie ©ried^en unb il^re ©öttcr. 93

jur ©runblage net;nieu tarn, Ijat ©^ranfen foraol)! im SBiffen at§ im


©rfennen ; nun ftnb nief)rere ber üorneljmften ©ötter oi;ne^in pcrfonifisicrte

triebe, wie 5. 53. ber „unftnnige" 3tre§ unb — in {f)rer i)eaenifc^en

3lu§b{lbung — auä) Stpljrobüe; anbere finb $8ermenfd)I{c^ungen üon 9^atur=


geroalten — too^er fottte ba eine l)öl;ere 2Bei§{)eit fomnien? — $8on 210:=

maä)t beö einzelnen fann im ^5oIr)tI)ei§mu§ üon oornfieretn !einc Stiebe

fein; biefelbe ift aufgel;obcn burd^ bie ^onfurren^ ber (Sötter unter fid^,

unb überbieg ftel)t über aflen ha§ ©i^idfal, üon beffen ©prüdien [ie auf
alle 2Beife abE)ängig finb. 3lber fogar biejenige Waä^t, n)eld)e eine @ott=

l^eit TOenigften§ in i^rem Greife befi^en follte, ift eine bebingte, unb bie

©Otter finb lange nid^t blo^ auf bie unoern)eigerIi(^en S^ienfte, fonbcxn
öfter auf ben guten SßiHen untergeorbneter bämonifc|er SBefen angeroiefen.
@rft üon ben brei ^ijftopen 2lrgeg, ©teropeg unb 33ronte§ muffen 3eu§
ben 33Ii^ftrat)l, ^luton ben unfid^tbar mac|enben §elm, ^ofeibon ben
©reijad erf)alten; nur burd^ lange unb i)öc^ft bebenflid^e S^erl^anblungen

mit bem ©c^Iafgott erreicht §era ba§, ma§ fie mit 3eu§ oor^at ^). SBenn
etroo eingeraenbet werben follte, ba^ folc^e l;omerifc|e (Sd)erse nid)t hm
ganzen ©tauben ber ©riechen enttjielten ober barfteHten, fo rairb einft=

weilen §u entgegnen fein, baB bie ^^antafie bei 3SoIfe§ oon biefem unb
2leI)nUd^em oöflig gefangen mar unb tro^ atter 3tuf!Iärer blieb. 2Bie oft
im Tlv)Ü)u§> finb bie ©ötter fogar oon a}Jenfc^en abt)ängig, mel^e fie fic^,

wie balb gu ermähnen, in i^ren Streitigfeiten als 3üc^ter gefallen laffen,

ouc^ moi)I auf 2Beg unb ©teg um 2lu§funft fragen muffen, mie ^erme§
ben Wirten 33attoS, Demeter bie arfabifdien g^Iieneaten. 21I§ le^tere iJ)r

ben Ort oerrieten, roo ^luton mit i^rer S^oc^ter unter bie ©rbe gefatiren
mar, rerfprac^ fie ifmen unter anberm £ot)n aucb ben, bo^ nie in einem
Kriege met)r al§ f)unbert ron itinen fallen fodten^).

SDie ©ötter fönnen nun burd^ eine mogtfcf)e ^raft, bie i^nen inne=
roof)nt, üieleS ooHbringen, fic^ gro^, fdiredlic^, l^ilfreic^, anmutig er*

raeifen, unb auc^ rool;I über Seben unb STob oon einzelnen 3Jtenfc^en oer*
fügen; benn ber ©djidfalSglaube ift, wie ffd) geigen mirb, oott oon ben

') Sr. XIV, 6ef. 267 ff. gSefentltc^e fann; fo i^ier ber ®üttel ber 2lpI)robite,
SlJac^tübungen ber ©ötter f)ängen oft an anberötoo ber ©reifu^ be§ 21polIon u. f. ro^
fold^en magifd^en ©tücteii, bie man eins -) Äonon 15.
anber Ieif)en unb unter Umftänben rauben
:

94 ^teligion unb ÄuItuS.

naioften SnJonfequenjen. SDer rechte 3auberer unb ^t)pnotifer ift öor


allen ^erme§, welcher mit feinem ©tobe ben SRenfc^en ein[d)(äfert unb
ttufmecEt unb anä) ben S^toffen unb SJZoultieren „ebeln 9)hit" {fji'rog ^v)

einflößt. ®§ I)anbelt fid^ nic^t fomo^l um eine allgemeine .^errfdiaft

ober gar eine ßenfung ber '^flaivix, womit man ja bie t)omerifd)en ©ötter

unmöglid^ bemü{)en bürfte^), fonbern um eine 9ieil)e oon Eingriffen:


SSergögerung be^ ©onnenaufgangcg, plö^Iicfie 9kc^t, plö^lic^e^ ©eroölfe,

©inl^üllung oon ©djüfelingen in ein ©unfel, S3en)aljrung oon Seichen,


©mporfprie^en beftimmter ^flanjen, .^eroorbringung oon ©d)einbilbern,
(eVÖMia)^) beftimmter a}Zenf(^en, Senfung ber träume unb ba§ ©c^önfte

bie 33erflärung beoorjugter 3)ienfd)en in iüic()tigen 2Iugenbtiden. 2öa§


enblic^ bie SSerfügung ber ©ötter über bie ä^erroanblungen bebeutet, ift

früi)er erörtert morben; fie felber oermanbeln fic^ nac^ ©efallen in be=

liebige SBefen, aud) in beftimmte 9}ienfd;en ^).

©benfomenig loie oon einer burd)gei)enben ^errfc^aft über bie Statur

fann bei bicfen ©öttern oon einer allgemeinen 2Beltregierung bie 9iebe

fein, TOOju fie ja Ferren beS ©d;idfal§ fein müßten. Sie orbnen ^mar
g. S. ben trofanifd^en ^rieg an*), unb balb ba, balb bort ift oon einem
9^atfc^luB be^ 3^^^ ^^^ ?fiz'i)z, aber man beobad^te, mag bei ^omer für
finblic^e 93arianten Ijierüber oorfommen. ©o §. 23., ha'^ ,3^"^^) ^ß"
Untergang oon ^Uon nur oorau§ roeife, meil e§ ber Siatfc^lu^ ber 3lti)ene

ift, unb loeil er einft ber 3:;t)eti§ — mit bem feierlidjen 3uminten feinet

^aupte§ — oerfprod)en ^at, ba^ 3ld)ill ein ©täbteoerioüfter merben fotte;

n roei^ jeboc^ aui^, ba| fein eigener ©of)n ©arpebon oorf)er burd^

^atroflog fallen mu§, unb !ann e§ nid)t änbern; raenn aber ein ©djlod^t»
geme^el an(;ebt, bann nimmt er freubig (xiöti yaiwv) feinen ^^la^ bei

©eite, um bequem §uäufel)en *^). S)ie ganje ^arteino^me ber ©ötter oor

1) ®rft Bei .'peraflit (fragm. 96) I;et^t ") ®ie 2?erroanblung einer P'5üttl^eit

€ä: bie ^fJatur fei üon allen ©öttern ein» in eine anbere, ber 2lt§enc in Ät;pri§, bod^

gerid^tet unb bat)er baiiernb, roäl)renb, luaä er[t Bei ®uripibe§. St^ef. 634, 642 ff.

bie aJJenfcf)en — red)t ober unred^t — ") Sie SBortc beä ^riamog 3(. III,

eingefüfjrt, bem beftänbigen SOöed^fel unter: 164.


liege. — Sagegen Striftoteleg : t] yiio cpvaig ^) 31. XV, 67 ff. Sie ganae Siebe beä
3eu3 gcf)i5rt jum Sel)rreid)ften.

^) 2luJ5er .<pomer baö cfüaju« bei ©urip. «) ^r. XI, 82.


33accf). 630.
Sic ©rted^en unb tf)re ©btter. 95

i^lton ift sufäffigc, !aum nä^et motbierte Seibenfc^aft ^) ; bafür lautet

freilid) atte§ epifc^ fc|ön, unb roir werben ni(f)t betjelligt mit jener tenben*

tiöfen Seflamation unb fatt aUiSgefonnenen ©öttermafc^inerie, roeldje fpätern

DIadifolgern bi§ über ©{liu§ ^t^^^icuS (jinau§ eigen ift. 2)em ^orner ge^

nügt ber fc^öne unb furi^tbare ©ebanfe: bie Oötter {)aben ben 9}knjd)en
SSerberben beftimmt (pgefponnen), bamit boöfelbe ^um ©efange werbe für

!ünftige ©efc^lec^ter^). S)ie <Sd)i(ffaIe be§ einzelnen werben balb me^r


t)on ben ©öttern, halh me^r üon ber Tloixa entfc^ieben, ha§> ^obe§»
f($i(ffal faft auSfc^lie^lic^ uon ber le^tern. ^Dagegen t)errfc^t üötlig bie

2Inf($auung, bofe bie 2lntriebe ju wichtigen ^anblungen — ob guten ober

böfen — bem 3}Jenfd;en oon ben ©öttern eingegeben werben, unb auc^
bie bauernbe Stniage, ber Seruf, wirb etwa al§> göttUi^e &aht be^eicfinet.

^ii) liebte, fagt DbijffeuS^), ©c^iffe, 9^uber, 5lampf, ©peer unb ^feil,

was anbere oerabfi^euen ; mir aber war lieb, ma^ ein ©ott mir in bie

©eele gab.
9Ba§ Ratten iebo($ bie ©ötter überliaupt für ein ^tä)t pr §errf(i)aft

über bie 9)tenfc^en? Sag altertümliche 2Bort über haS^ 3Serl)ältnig b eiber:

©Otter unb 9}Jenfd)en finb beSfelben „UrfprungeS", finbet fic^ in ^efiobg

SBerfen unb Xag^en^), aber freilid^ gleid} barauf „fc^affen" bie (Sötter

bag erfte ber bekannten fünf ®efc|led)tcr unb bann ha§> folgenbe, wäl)renb

ba§ britte unb oierte nid)t mel)r oon i^nen überl)aupt, fonbern üon ^^n^
gefc^affen wirb, unb com fünften ^efiob offenbar nid)t gerne fagen mag,
wo e§ ^er ift^). Slnber^wo fenbet @äa ben erften 3Jienfc^en au^ i^rem

3t. XX, 24 ff. treibt 3eu§ bie au§ Serbinbungen oon ©öttern unb ©terb=
©Otter in bie 3JJenfd^enfcf)(ac^t {)inein, ino Iid;en entftanben unb in ©ried^enlanb fel^r

jeber „nact) feinem Sinne" Partei nel)men ^äufig raar.


möge, nur bamit nid^t 2tcf)iC[euä bie ablauern ^) Sie 2lufeinanberfDlge unb ß^arat*
^Uonä gegen baö Sert)ängni§ ä" \^^^ ^^'' teriftif ber ©efd^ted^ter in biefem f)öd^ft

ftürme. abfonberlid^en Se^rftüd I)at ber neuern


*) Db^ff. VIII, 580. atufeer ber 9}ac^= g^orfd^ung oon jel^er bie größte 3JIüt)e ge*

roelt i)at freiließ laut obiger ©teae (3t. XI, madE)t; aud^ I)at man fc^on burd^ 2lenbe=

82) auc^ 3^"^ fei"£ greube am Untergang rung unb SSerfe^ung be§ Sektes ju tjelfen

ber £)elben. gefud^t. ®ä ift üictteic^t eine fe^r eigen*


=')
Db^ff. XIV, 227. tümlic|e ©pejialmeinung, raic eö tjiete geben
*) Opp. et dies 108: öfiöd^svytyttctßi mod[)te; ba§ 2luffallenbe ift, 'i>a^ e§ im
S-toi &yr}Toi r' civ&QUinou — SJid^t JU §efiobifd^en Sejt SKufnol^me unb Serbleiben
rcben Don bem gemifc^ten Slut, roelc^eg fanb.
:;;

96 SfJeligion unb Äultu§.

©c^oB empor, bamit ein ©efc^lec^t üon ©terbli($en oor^anben fei ^). Ober
man benft, bie erften 3Jtenfc§en feien qu§ Reifen unb ©ic^en f)eroorge='

gangen^), ober au§> jenen Steinen, welche ©eufalion unb ^ijrrtia nac^

ber großen ?^lut Ijinter fic^ roarfen^). @rft eine fpätere ©eftalt ift ^ro=
met^eul a(g SJienfd^enbilbner; üon bem £e{)m, melden er gebrauchte,

lögen nod^ bei ^anopeuS in ^£)ofig ju ^aufania^ 3^^* ©tücf e gutage *)


ob er felber ober 2lti)ene ben aJienf^en belebte, roar ftreitig. Unb nun
wirb in ber 2;E)eogonie ^) roie über ein aEbefanntel 6reigni§ ba§ für un§

fo überaus rätfel^afte 3Bort i)ingeroorfen : „bamalS als in 9)?e!one (bem


fpätern ©ift)on) ©ötter unb fterblirfie 9)Zenfc^en fid) auSeinonberfe^ten,

fid^ oerglic^en . .
." @§ lautet graar, al§> ob biefer mcrfraürbige ^ongre^
nur ein 3tb!ommen über bie Opferanteile pm Qrotd getjabt J;ötte, aber
e§ Bunte nod^ ein aJiet)rere§ üerl)anbelt morben fein, roo ein ^^sromett)eu§

aU SBortfü^rer für bie 9}ienfd)en auftrat. 2lu(^ liefen fid) ja @otti;eiten

öfter in i^ren eigenen 2lngelegen!)eiten 9)?enfd)en al§ 9ii^ter gefallen;

3lea!o§ fdili^tete ben ©öttern i^re ©treitigfeiten ^) ;


groifd^en ^ofeibon
unb 3lt{)ene entfd^ieben ben ©treit über ba§ attifdie Sanb nac^ ben einen
TOoljl bie groölf ©ötter, üor roeld)en ^efropS nur al§> ^in%z aufgetreten
märe, nac^ anbern aber ^efropS unb ^ranooö felbft, ober anä) ©rec^ttjeuS

fpäter pläbieren 2Ipotton unb bie ©rinnpen gegeneinanber oor bem atljenifd^en

3lreopag, worauf erft 2ltljene ben loSfpred^enben ©tein ju DrefteS ©unften


in bie Urne legt. 33i§meilen räd)t fic^ bie unterlegene ®ottl)eit am S^iid^ter

^ofeibon lä^t bie Duellen oon 3lrgo§ oertrodnen^), raeit ber bortige

^önig ^na^oSi huxä) fein 3^ugni§ entfd^ieben l)atte, ba^ ba§> £anb ber

') ^aufon. VIII, 1, 2. *) ^aufan. X, 4, 3.


^) ®tne SBejie^ung I)ierauf Dbt;ffee ') §eftob. 2:i;eog. 535.
XIX, 163. ß) ^inbar Sft^m. VII, 23 (50). —
^) hierüber am augfüf)rltd£)ften Slpol« ©in ©Ott, ber eine Sötung begangen,
lobor I, 7, 2. — 2)ie Dielen gäHe üon mufi fid) fogar burcb einen 9}ienfci^en rei=
2iuto(^tl)onie fe^en im ©runbc bie ®nt= nigen ober fü()nen laffen, fo SlpoQon nad)
ftel^ung be§ 3Jlenfcf)engefd^led^tä an uielen ber 2:ötung be§ ^i;tt)on burd^ Äarmanor,
Drten oorauS. (Sine 2[ufjäl)Iung fold^er ^auf. X, 7, 2.

Drte in bem g^ragment bei Sergf, Anthol. ^aufan. 11, 15, 5, cergl. 22, 5.
lyr., p. 546 — 2luf 2leginn fd^afft ^eni ®ie Duellen «on 3lrgoö mögen nertrorfnet

bie 2JJen[cl^en erft nad) ber fpätern Siuffaf^ fein, weil baö Saab fd^on in fe()r alten

fimg (^auf. II, 29, 2) ; laut ber edjten ©age 3eiten auögel^oljt rcorben mar.
oernianbelt er bort 5lmeifen in 3}ienfd)en.
2)ie ©rierfien unb i^re ©ötter. 97

2lt{)enc ge{)öre, unb an bie ^ol^^n üon ^arig 3flid)tcr[pru(^ ift nic^t nötig

5U erinnern^).
aiu^er biefen eingelnen ric^terlii^en ©ntfd^eibcn aber l^aben in bicfer

Sfteligion o^ne ^rieftertum unb ^eilige llrfunben bie aJienfc^en übex{)oupt

ba§ Urteil über ben (Sljarafter ber ©ötter in iljren Rauben unb groar ^u

allen ^ditn, nmiirfrfjeinüc^ üom uralten Slngftfult an bur(^ bie ^ai)x='

t)unberte be§ epifc^en ©efange^, ber J^ragöbie unb ber ^ljilofopJ)ie. Unb
biefe ^reiljeit rairb auf ba§ unbefangenfte ge^anbt)abt. '^lit Opfern
unb Sitten fuc^t man §raar von ben ©öttern aUeS möglicEie SBünfdjbare

gu erreichen, aber bie 3}?einung über fie luirb I)ieoon ftidjt beeinflußt.

S3i0 auf bie ©toa, roeld^e eine raeltfcfiaffenbe ®ottt)eit annafim, glaubten

bie ©riechen vox aEem ni(^t, baß man oon ben (Söttern ha§^ 2)afein
Ijabe'-^), unb oodenbg nii^t, baß man il)nen für bic§ öom griec^ifc^en —
^effimi^muS giemlid) gering tarierte — Safein irgenb roeldien San!
fc^ulbig fei. 2Iu(^ ber ©lüdlic^e ift e§ nic^t foioo^l be^ljalb, raeil iljn

bie ©Otter lieben, fonbern biefe lieben ben ©lüdlid^en unb finb bem Uu'
glüdlic^en gram. Sitte greilieit im ©(^ilbern ber ©ötter unb im ©rjä^len
von il)nen Ijatte biefe SSorbebingung. Unb nun oerliet) il)nen ber epifd^e

@efang jene fo oöttig unbebenflic^e S3ilbli(^!eit; leugnen roottte man fie

nie, unb an ^ultu§ unb an 2lnbad)t gu iljnen ließ mon eö nid)t fehlen,

aber man mar oöttig außer Sorge barüber, baß fie e§ für ungut auf»
neljmen mürben, roenn man ha^» ©rftaunlidifte üon il)nen ergälilte.

^^olr)tl)eiftifd}e ©ötter fönnen möglidierroeife ba^^jenige l)aben, ma§


man ^eiligfeit nennt, menn fie al§> rul)ige ©(^u^götter be§ irbifd)en unb
fittli^en SafeinS aufgefaßt werben; bie gried^ifdien ©ötter I;aben biefe

©igenfdjaft nie befeffen ^), aud^ nidjt, alg il)nen ^l)ilofopl;en biefelbe auf»

erlegen mottten. ©§ ift in neuerer ^dt gleidifam al§ ©ntfc^ulbigung


geltenb gemacht raorben, baß urfprüngli«^ formlofe 3^aturbebeutungen nur

^) Sei 2lntonin. Siberal. 4: ber §irt eingefallen, bei 2tnla^ einer fingierten

Äragaleu§ al§ (Sc^ieböric^ter äroifdjen brei 3Jlorb!lage. SSergl. bie merfinürbige ©teile,

©ott^eiten über ben Sefi^ »ort 3(m&rafia aintip^on, Tetral. III a, 1 unb 7.

entf (Reibet für §erafleä unb loirb bafür ^) SBenn man nid^t etroa ben Äultuä
Don 2lpoIIon Dcrfteinert. ber abftraften SBefen bafür gelten machen
-) ©in oereinäclteg Sftaifonnement biefer roiE. 2l6er biefe 2lnbad;t rcar eine fel^c

2lrt ift jeboc^ fcf)on früfjer einmal einem laltc.

33erfaffer oon 3Dluftern geri^tüc^er Sieben


3. S3urcf!)arbt, (Sriec^ifc^ Äulturgc[d^i(^te II
98 Steligion unb 5luUu§.

eben burrf) 2Ri)tljU§ unb @po§ in menfc^Iic^e, bt^njetlen fi^redlid^e unb


fomifdie Hergänge gefletbet roorben feien; man i)abt übrigen^ an ben
£ieb[d)aften be» Sm§, ber 2lpt)robite u. f. w. nic^t met;r 3Infto§ genommen,
als §eule g. 33. an ben 33er6inbungen be§ ©auerftoffeS, weld^en man ja

beS^alb auc^ nid^t für ein Iieberlid)e§ 3Sefen tialte (9)Zenarb). @§ fönnte

bann aber bie (Gegenfrage aufgeftellt merben: roarum bann öorgugSraeife


bei ben ©riei^en jene 9laturbebeutungen in fo(($e ©efd^id^ten umfd^lagen
mußten? unb meldte 9kturbebeutung benn g. 33. ben 9Jteineiben be§ 3^"^
gugrunbe liege? — 9Bir mürben inbeS 2In!Iage unb ^efdjönigung gleid;

übet angebradit finben, raenn ni(^t, lange cor uns, tiefer benfenbe ©riechen

uerfdiiebener 3^^ten, mie fid) geigen wirb, bie Un|eiligfeit ber ©ötter fo

laut be!lagt unb bereu ©inftu^ auf bie ©ittlic^feit mit fo büftern färben

gefdiilbert £)ätten.

lieber ben aübefannten (£l)ara!ter ^) biefer merfmürbigen SBefen mögen


^ier nur roenige Einbeulungen folgen, ^öc^ft mal)rfc^einlid; liatten bie

3löben allen mijglic^en ©runb, im Seben ber ©ötter baSjenige l)croor3U=

lieben ober neu ju erfinben, raaS ben ^örern ba§ größte SSergnügen mad)te.
®ie 33olfSanf(^auung l)atte bie ©ötter urfprünglic^ gefdiaffen ;
je^t be!am
ber 33olfSgefd)mad ©influB auf ben 3}h)tl)uS berfelben. ^f)x S^un bur(^=

giei^t fic^ mit menfi^lidier Seibenfd)aft unb fomifd^en ©genen, unb ©emo^»
hoto§> mit feinem Oefang oon 2lreS unb 2lpl)robite ^) mag gerabe baS
allergrößte ©ntgüden erregt ^oben. ^en ®rnft unb ba§ ©c^redlic^e mochte
bie 3^l)eogonie pflegen, in roeldier e§ mat)rlidj ni(^tS gu lachen gibt; ernft

unb tragift^ ift burd)gängig aud) ber §eroenmi)tl)uS , bie l^omerifd^en

©Otter bagegen mad^en einen fomifc^en @ffe!t, auc| mo fie ©(^redlid)eS

tun unb bulben, unb menn üou ber ^era erjälilt mürbe ^), mie fie mit
aimboßen an ben ^^üßen in 2letl)er unb Sßolfen l)ing, fo mirb baS 3Solf
ni(^t an eine mt)ftifd;e ^ebeutung biefeS Herganges geba(^t, fonbern ge»
iaä)t liaben. Mn 2Bunber, wenn fidi bann eine gemiffe ä?ertrauli(^feit

3unfd)en ©öttern unb aJienfdien einftefft, mie 5. 33. 2ltl)ene unb Dbi)ffeu§ *),

unb roenn aud) ber ©änger felbft üon biefem ©efü^l ergriffen mirb; in

') ©enügenbeö ergibt fid^ j. 58. fd)on *) .'pie^er gel^ört aud) bie ©agc üon
au§ 31. VIII unb XIV. ©if^plp§ in allen il)ren Sßariationen. @r
2) Db^ff. VIII, 2«6. l^ätt bie ©Otter jum beften unb ift fcl^Iauer

=^) 31. XV, 18 ff. al§ fie.


2)ie ©rted^en unb il^rc ®ötter. 99

htm (noc^ fe^r alten) ^i)mnu§ auf §erme§ hüd)t bte lautefte greube l)iX'

üor über bie früfie 9^id^t§nu^igfeit be§ finblid^en @otte§. S)aneben aber
benfen 93ol! unb Sänger, bie ©ötter lebten ,Mxä)t", unb bte 2Jienf(^en

(jätten e§ fi^lec^t, unb 6e[onber§ 3^it§ ift e§, ber e§ ben le^tern fauer

mai^t. 3)afür ift bann ^omer nirgenbä munterer aU bei feinen ^tnä-
gefd^ic^ten, angufangen üon ber erftaunlidien 3Ser(ogenJ)eit be§ ä^aterS ber
Götter unb 3Jienfd)en. ^n ber 3^t)eogonie ^) mirb e§ mit Süge unb
2JJeineib auf bem Dli)mp nod^ ernft genommen unb ber betreffenbe ®ott

^art beftraft; in ben 2öer!en unb 3:;agen^) geJ)en roenigftenä unter ben

9)ienf(^en je om fünften beä 9}ionat§ bie ®rinnt)en I)erum unb rädien ben

©ibgott, „melctien @ri§ gebar aU ^eimfud^ung für SJieineibige", — im


@po§ bagegen finb bie Singe fo meit gebieiien, bo§ ©otttjeiten raie ^era ^)

um geringer ©ac^en mitten ben furd^tbaren @ib hti ber ©tijf fd)roören

anüffen, um nur irgenb ©lauben ju finben. 2Ba§ immer urfprüngli(^


ben einzelnen ©öttergeftalten jugrunbe gelegen Jjaben mag, — ber Dhjmp
mirb sum ©piegel ber roiberfprud^^uotten SRenfc^ennatur , unb ju ber
Sßergötterung üon ®igenf(^aften gefettt fic^ bie ber Seibenf(^aften. ^erme§
ift, neben attem, roa§ er fonft fein mog, ber '^ith im oorjug^roeifen
©inne unb mirb noä) *) om ®nbe ber ^iia§> üon ben ©öttern mie felbft*

oerftänblic^ befigniert, bie Seiche ^eftor§ ju ftel)len. 2lreg ift ber raitbe

mütenbe ^ampf al§> fold^er unb roet^felt blinbling^ bie Partei. Slpljrobite

ift einfach ber S^rieb unb ^elena i^r unfreiroittigeS Opfer unb raat)rli^

ein oiel eblereS Söefen al^ bie ©öttin, forool;! in ber ^liag al§> in ber

Dbriffee; bie 33erbinbung mit "^^^ariS ift nur ein Unljeil [artj), raeIcE)e§ bie

(Söttin ii)r gefanbt ^at. SSiele äRate aud^ im übrigen 3}?i;tt)ul fommt
SSerberben „bur(^ ben ^oxn ber Slp^robite", meil femanb nic^t i)at freuet

l^afte Siebe üben motten, worauf il)m bann eine üöttig oerbrec^erifdEie auf'

erlegt mirb, unb 9}h)rrf)a fid^ in il)ren 3]ater oerlteben mu^.

') §efiob, S^eog. 784 ff.


395 f. üon §erme§; n. 21. roar er beffen
2) §eftob. opp. et d. 801 ff.
©o^n. — 2lm geftc beg §erme§ Sl^ari=
3) 31. XIV, 270. Sßergl. XV, 36. boteg auf ©amo§ burftc ftefjlen unb rauben,
*) 31. XXIV, 24. 109. ®§ ^ilft nic^tg, töer ba raoKte, ^lut. Quaest. Graec. 55.
ha^ man un§ fagt, xkiipcu bebeute unter SJermutlid^ l^atte man einft um ber ©id^er«
Umftänöen aud^ blo^eä (Sriiften. Slutolpfoä, f)eit loiEen bie ©igenfc^aft beö ®otte§ auf
wddjtx äße aJlenfd^en übertraf an ©iebgfunft ©inen %aci, befdjränfen raorien, an luelc^em
iinb aJteineib, f)atte bieg laut Db^ff. XIX. fid^ bann jeber in ad^t nehmen !onnte.
100 3ieligion unb Äultu§.

2)er 2ßat)nfinn, weldjer oon ben ©öttern über aJZenfd^en t)erl;ängt

wirb ^), ift in bcr Siegel eine ^ia^^ an benfelben, ein ^o^ rate ber ber
<Qera gegen ^erofleS, Qud^ eine ©träfe für oerfäunite ^erelirung unb für

jebe 3JJi^ac^tung be§ @öttlid)en, benn ber 5ßeräd)ter ift fc^on ai§> fold^er

raQ(;nfinnig; mandjniQl bagegen t)onbeIt e§ fid) um eine 2lrt oon 2(n*


ftedung: ein ©ott be§ geroaltigen ©in^erftürmen^ rei^t bie 9}lenfd^en in

befinnung^Iofem Xoumel mit. ®er 2ln{)ang foraol^l ai§ bie Opfer be§
®iont)fo§ finb im 2ßaf)nfinn, unb bie le^tern gefien barin unter.

®ioni)fo§ i)at eine anbere 2lrt oon ^erfönlid^feit ai§> bie übrigen
©Otter, namentliif) fc^eint er oon einem ganj anbern @efd)led§t gu fein

ol§ bie übrigen 3eu§fö^ne, raie §erme§ unb 2IpoIIon, mit raetd^em Ie|tern

if)n noc^ ©pätere ^) für urfprünglic^ ibentifc^ f)ielten. Umriffe unb Jlolorit
finb Quberg al§ hti ben Olympiern, in bereu 3)Jr)tl;ug er kum irgenbroie

oerftodjten erfdjeint, obwohl fie boc^ urfprünglid) Gräfte ber 9ktur, jum
^eit fogar ber (^rbfrud)tbQrfeit gu fein fd^einen roie er. 2lIIerbing§ ift

il^m inSbefonbere ber äßeinftod eigen ^), unb ^ultuS unb ^tfk, bie fic|

l^ierouf belogen, mögen fc^on früt)er ungleich oolf§tümIi($er unb anberS

geortet geroefen fein al§ bie aller übrigen ©ötter. 2lIIein mit Söeinraonne
unb S^aufc^ ift feine Sebeutung noc^ lange nid)t erfdjöpft; er füljrt noc^

ganj anbere 2Iufregungen mit fi($ unb entfpri($t babei einem großen,
bunfeln ©ebiet be§ antifen Seben§, ja ber 9}knfdjennatur übertiaupt,

über ioeId)e§ bie Stiten nie beutlid) tjerau^gerebet (jaben. Unter ben Ur»
typen ber ®ötteroeret)rung finben mir neben bem getoöljulic^en 33itt«,

T)ant' unb ©ü^nopfer, neben ber rituellen 2lnrufung, ber Sefdimöruug


u. f. TO. aud) ben Kultus einer leibenben, fterbenben unb roieberbelebten

33efeffen{)eit,ber3uftanbbe§fV.9^foc, |
fragm. Licymn. 4. — 3" ber |)errfc^aft
TDurbe, raenn man ben näd^ften ©runb nod^ über 2)elp{)i roed^feln beibe nac^ ben^afireg^
nic^t fannte, bem ^Jßan, ber .'öefate, ben jeiten ab.
Äorgbanten, ber Sergmutter, aud^ ber er« ^) 33on onbern f^rüdölen finb u. a.

jürnten 2)ifti;nna jugefd^rteben. ©urip. bie (^eige unb ber Slpfel feine ©efc^enfe,
öippol. 140 ff. Sonft ift baä 3>er^ängen 3lt[)en. III, 14. 21. ©ine meitere Sogif
oon SBnfjnfinn befonberg Sarf)e ber ,spero. fd^rieb if)m aud^ bie ©rfinbung beö 33iereg
©d)ilberimgen »om ©intritt beö SBaljn^ ju, 2)iobor IV, 2. — S)ioni)fD!§ beburfte
ftnng; Dbi)ff. XX, 345. (gurtp. Herc. einer befonbern 2lufnaf)me unter bie [;imm=
für. 931. lifd^en, b. l). oIi)mpifrf)en Wötler, roorüber
') ^lutard} De Ei apud Delph. 9. eg einen eigenen Üfijtbuö gab.
33eibe raerben sufammen angerufen. (£"urip.
;

S)tc ©riecfien unb tf)re ©ötter. 101

•©ottljeit, welcher mit otogen unb ^vlM begangen rairb ^) unb babei bie

ganje 33eüöl!erung aufregen unb mit fid^ reiben fann. Man mag bie§

auffaffen aU ein ©innbilb ber ^^^i^^^üegetation, meiere — je nad) bem


^lima oon ber fengenben §i^e be§ ©ommer§ ober üon ber 2Binter!älte

baljingerafft rairb — um bann neu aufzuleben; bo(^ fönnte auä) bie 21ns

fd)auung oon einer Su^e be§ @otte§ für einen begangenen ©ünbenfatt^)

mit ^ineinfpielen. SBa^rfc^einlid^ oon diamitifc^er ©eite l;er brang nun


bie§ äßefen in ha§> gried§ifcf)e Seben ein, unb ^ier ift e§ nun ®ionpfo§,
lüeli^er leibet, ftirbt unb mieber auflebt ^) unb bie $ßöl!er gur S^eilnal^me

•an biefem Erlebten {nä&?j) mit fi^ sroingt. 2ll§ ein ©eftorbener wirb
er gu einem ber unterirbifc^en ^errn, unb feine mpftifc^e SSere^rung ge^

wiunt nad) biefer ©eite l)in nod^ eine befonbere ©eftalt, toooou l;ier

nid^t meiter gu reben ift; el mufe genügen, fein ^un auf @rben in ben
entfd^eibenbften 3ügen feftjuftellen.

3n ber 9Jia§!e be§ ^ellenifi^en @otte§ ber @rbfrud)tbarfeit gebärbet

fic^ nämlic^ ein balbfrembe^ SSefen. ©ine ber ^erfonififationen be§ (roie

lüir glauben d)amitif(^en) leibenben ©otte§ Ijatte im oorbern i^leinofien,

bei htm ^^l)ri)giern, au^erbem auc^ bei ben %^tatmn^) ein befonber§

tüilbeS, raufc^enbeg S::reiben angenommen unb in roieber^olten ©tö^en


•auf ^clIo§ fid^ bem griec^ifc^en 5Dionpfo§ gleid)fam fubftituiert. ©t)mbolif(^

brüdt fic^ bie§ barin au§, ba^ ber — laut bem einljeimifc^en 9}Z9tl)u§ —
in ^^eben oon ©emele^) geborene, oon ^n\§> in feiner §üfte reif ge*

') Ser äg^ptifdie Dftriä ift nid^t me^r rint^ gebadete man ber Tia^tjunra be§
alö eine von nielen ©eftalten biefer 2Irt ^alämon, in JJemea berer be§ Hbmg8=
itnb bxauä)t burd^au^ nid^t bie Urform be§ Ünbeg 9rrc^emoro§, ^aufan. VIII, 48, 2
Siongfoä geraefen ju fein, raie fo Die(e in 2'egea beflagte man ben ©fep^roä unb

fpätere ©ried^en gloublen. feierte bie für biefcn oon 2(rtemi§ genoms
^) ©0 ©epp, altbat)rifd^er ©agenfd^a^. mene SRad^e bramatifd^, ^auf. VIII, 53.
^) 2)afe aud^ bei ßtn§ im Sult üon *) ^ompnn. Sfiela II, 2: Montes
^reta etroag ä^nlid^eö oorau^jufe^en ift, (Thracia) interiorattollit Haemon et Rho-
oergl. ^reCer, ®r. 2Kr)t^. I, 87 ff.
— ^on dopen et Orbelon, sacris Liberi patris et
ben übrigen ©eftalten biefer 2trt l^at e§ coetu Maenadum, Orpheo primum ini-

in ©ried^enlanb nur nod^ 2tboni8 5U einem tiante, celebratos. — 9iac^ einer anbern

allgemeinen Äultuä gebradit; bei 2i;bern ©age bagegen ift Drpf)eu§ Sere^rer beä
unb ^I)r9gern Sltl^S. Slu^erbem eine 2ln= §eliDg=2lpoIIon unb 2)iont)foä fenbet bie

5at)l Don ^arallelgeftalten in blo^ lofalen 3Jlänaben ju beffen 3ernic^tung auä.


Kulten ober nur in ©agen. Heber 2ino8 ^) Slnbere ©ebnrtgorte bei Siobor
.^auptaugfage «paufan. IX, 29, 3. 3n Äo* III, 66.
102 Steligion unb ÄuItuS.

tragcnc ©ott je^t qI§ ein grember, von brausen geraattforn ^inbringenber

gcfi^ilbert rairb. ^e^t ift er ©of)n ober Begleiter ber pf)ri;gifcf)en (Sötter*

mutter, roeldie ftc^ ja ebenfalls in ©rtec^enlanb eingebrängt t)atte. ,,3^r

gefällt ^) ber Särm ber ©diellen unb ber ^anbpaufen unb ber ©diall ber
flöten unb ha§> Reuten ber Söölfe unb ber glanjblicfenben Söroen unb
^aüenbe ©ebirge unb roalbige ©c^lu^ten" — unb mit einem ä^nlid^en
milben ^eere §te()t nun auc^ biefer ©ionpfoS einljer, unb wie bie ©öttin,

fo üer^ängt auc^ er SBo^nfinn. S^errücft mirb nid)t nur, mer bie 5)iener

ber ©öttermutter beleibigt, fonbern auc^, mer bie 33egeljung iljrer 9)2t)fteriea

ju ©efic^te 6e!ommt ober (unberufen) in iiir Heiligtum eintritt % SDionpfoS

aber mirb aud^ einmal felber roal^nfinnig, freiließ laut bem gried^ifd^en

3)hjt§u§ burdf) 33erfügung ber §era, unb §ieljt bann über Sanb unb.

9}teer, um fein Seiben lo» §u werben ^). ©iefer ^st)i)fiognomie be§ ©otte§

entfprec^en bann bie fogenannten trieterif(^en 2Beil)en, roelcfie für unS


merfroürbig finb weniger wegen be§ fraglichen religiöfen ^nl)alte§, al^

weil fie in ber ©eele ber ©ried^en unb ©riecfiinnen jenen ©türm erregen-

fonnten, oon weld^em noc^ weiter bie 9tebe fein wirb.

Unb nun !ann ber ©c^warm {xwfwg, &ta6oq) be§ SSeingotteS,

welcfiem fiel) ba§ 33olf einer ganzen ©tabt anfc^lie^t, in ber wonne^
oollften ©timmung fein, bie gefte beSfelben fönnen bie rei^fte ©eftaltung
annel)men, bie S)arftellung feinet 2)?t)tlju§ fann ber Slnla^ werben ju
5^omöbie unb 2'ragöbie, bie ju il)m geprenben SBefen unb ©ijmbole
fönnen bie bilbenbe unb bie au§fd)müc!enbe 5lunft im weiteften Umfange
burcl)bringen — baljinter ftel)t ein unl)eimlic^er ©eift, weld)er nid^t nur

im 9Jii)t§u§ feine oerblenbeten 9)iänaben ju aüen ©reuein treibt ^), fonbern


aud^ in l)iftorifd)er 3eit l)ie unb ba 3)ienf c^enopfer oerlangt ^) unb SBa^n»
finn unb töblidie ilranf^eiten fenbet, wenn man iljm nidit geljulbigt \)qX %
Hymn. XIV. Put.Stiemift. 13. gSaufan IX, 8, 1,
'

') .t)om. ^)

2) «prut. De fluviis 12, 1-13, 1 unb 3. |


«) ^aufan. VII, 19, 3. — «ßlut. ParalL
3) ®bb. 24, 1. — «ergl. 3lpoUobor
'

19. — @ubocia ^iUoIar. 272. — 2Benn bei

©opljolleg ber 6f)or ber ©reife üon %i>tUn


'

ni, 5, 1, reo in ^l^rtjgien 5»)ea ^\)Mt


if)n „reinigt" unb i^n bie 2ßei^en le^rt. 1
(5!lntig. 1 102 ff.)
ben ®ott alS einen 3kttcr
*) aiuc^ jur (Srmorbung bcg Drpl;eus ;
anruft, raelc^er mit fü^nenbent Scftritt er=

aug 3ieib auf beffen StpoUsbienft unb jioar j


frfieinen möge, fo ift ju erinnern, bafe

Iaut3Iefd)r)Iog, Pergl.^feubo=eratoft().cata- j
©ionpfoö ber befonbere ed^u^gott feinet
sterism. c. 24 bei SBefterm. Mythogr. I
©eburtäftabt ift.
S)ic ©riechen unb i^re ©ötter. 103

Tlan erjäljlte ficf}, tuie einft in ilaipbon ber Xoh im 2öa{)nfinn ba0 gonje
3Sol! l;in§uraffen begonnen ^ah^, weil bie Siebe eine^ S)iont)[o5priefter§

nid^t erl;ört raorben raar ^).

3Son aßen anbern ©öttern nnterfc^eibet [ic^ biefer nur fialbgriei^ifc^e

®iont)fo§ nidjt bloB barin, ba^ er aU ein ilommenber, a(g ein grember
auftritt ^}, fonbern ba§ er in fanatifd^er 3Bei)e ^ulbigung unb 33efenntni^
oertangt; er allein oerrät 33eforgni§ unb 2ßut, wenn il)m nic|t überaß
gebient roirb. Sie gried)ifc^e 9ieIigion oertangte fonft ba§ SefenntniS
nic^t, weil fie nic^t burc^ ^ieaftion gegen eine oorliergegangene emporge»
fommen war, gegen bie fie f)ätte ^ront macfien muffen; fie oerftanb fic^

oon felbft. S)ie übrigen ©ijtter gürnen, menn ein Opfer oerfäumt raorben
ift, biefer aber begefirt fofort uöttigen entf;ufiaftifc^en 2(nf(i)[uB. ©§ ift

rec^t raot)t benfbar, bafe fic^ nadj fleinafiatifi^er 3Seife auf grie($if($em
33oben roilbe (S(f)roärme {xw^oi) bilbeten, roeli^e rairflidj SJJorb ühizw.

gegen foIcf)e, bie nidit mit()alten raollten. ^wx 9Jii)tt)ug leiben alle, bie

biefem ©otte trogen, bie entfe^Ud^ften ©trafen ^) : St)!urgo§ in 9?aferei

tötet feinen ©otju mit bem 33eit, inbem er itju für einen Siebenjraeig

f)ält, unb fein 3Solf, bie ©bonen, laffen i§n oon ^ferben tot treten;

^^entt)eu§ fommt in grauenooHer 2öeife burc^ feine rafenbe 3)tutter um;


Sabbafog oon XJieben erleibet txn ä^nlid;e§ (Sd^icEfal; bie grauen oon
2lrgo§, rao ®iont;fo§ feine S^eretjrung gefunben, raerben rafenb unb oer=>

jeEiren in ben (Sebirgen il)re eigenen ^inber; aucf) bie brei 3Jcimjaben

faßen in einen mörberifc^en Söa^nfinn. 9Bir toerben nun §raar baf)in

aufgeflärt, ba§ Spfurgo^, ^^enttJeu§ u. f. ra. nur ©t)mboIe be§ 3Binter§


feien ; allein aud) benienigen, raeli^e bem @ott fofort gef)ulbigt ^aben, bem
attifcfien i^'fanog unb feiner Xocfiter ©rigone, ge^t e§ am ©nbe fc^Iec^t, al§

mü^te bie furd^tbare ©eite beg ©ionrifo^ immer raieber oorfc^Iagen.


„21I§ aber," fagt 2lpoUobor, „bie aJienfdien belehrt raaren unb ben

') %av.\axi. VII, 21, 1. — IX, 8, 1 gü^rer beä SBegeä gebient ^atte, ^aufan.
ein angebUd^ belpf;i[c^er 33efci)eib an bie III, 13, 5.
©tabt ^otniai, jdljrlic^ einen j^naben }u ^) S)ie§ nannte man bann rovg cidc-

opfern, roeil in einem gefttumutt ein ^rie; y.ovg y.cd datßtic TuJr ih'&QuJniopxoXaZiiy,

fter be§ 2)iont)fo§ umge6racf)t roorben raar. roie SJiobor (IV, 2) fagt, ganj all ob bieä
}

^) ©efir bejeic^nenb ift, ba^ in Sparta i fonft bie 2(rt ber griecftifc^en ©ötter ge=
ein (ungenannter) |)ero§ rerel^rt njurbe, \
roefen roäre.
roeld^er bem ba'öerfommenben S)iont)fo§ alö '
104 3teligion unb Äu[tu§.

®ionr)fo§ al§ ©Ott ehrten, ba führte er bie 9)hitter au§ bem §abe§ em=
por^), benannte fie 2::[)9one unb ftieg mit iljr in ben ^immel." ®ic[e

©mporfü^rung ber ©emele TOtrb t){elletc!)t ein ^auptinl)att ht§> l)eiligen

SDramoS bei ben bionijfifdjen feiern geroefen fein.

2luc^ fonft gehören biefem @otte bie prai^tüollften ©diilberungcn,

unb @uripibe§ in feinen ,,33acd^en" erfd^eint feuriger aU in irgenb einer

onbern "Sragöbie. ^n ber literarifc^en ^t\t fanb bann ©ionijfoS eine be^»

fonbere ejregetifc^e, ja nocf) fpät eine poetifc^e 33el)anblung, wk fonft gar

feine ©ott^eit; e§ gab eine !J)ioni)fia§ be§ ©rammatifer^ Df^eoptolemoS üon

^sarion ^), unb üon mel;reren 3iutoren S)ionpfiaca unb ^affarica, unb noc^
im V. 3a£)rl)unbert n. Gljr. bid)tete ber Slegppter 3'lonno§ fein umfang*
reid)e§ ®po§ biefeS ^nljalt^.

mi)Ü)n§, 5lultu§ unb ^erfon be§ ©otteS finb bei ©ionpfoS auf ge-
l)eimni§oolle 2Beife @in§. ©ein feftlic^er ©^roorm ift bie lebenbig ge»

bliebene ©arfteHung feines erobernben ©inbringenS, unb mit unb in bem


©d;n)arm fd^eint ber ©ott felber eint;er§uäiet)en. @§ fann ni^t befremben,
baJB man an feine ©egenraart (^^arufie) auf eine anbere 2ßeife geglaubt
l;at als bei anbern ©öttern^).

©er ^omerifc^e Qm§> beflagt fi(^ einmal*) barüber, ba| bie 9}ienf(^en

meinten, ba§ Unglüd fomme oon ben ©öttern, raäljrenb fie boc^ felber

bur^ il)re greoel fi(^ baS £eib sujögen, unb fogar gegen bie 2lbfid)t be§

©d;i(ffats {hniQfxooov). ®er S^atbeftanb im ©poä aber ift, baB bie ©öttcr

über bie 3)ienfc§en neben üielem ©uten alles möglid^c Unl)eil fommen
laffen, felbft bei geringen ©elegenljeiten ^), au^erbem aber auc^ fel)r oft

gum Söfen anreihen. S)aS 33e{fpiel, meines il;r oli)mpifd)eS Seben, ju*

mal il)re ^einbfdiaften unter einanber, ben 3w^örern ber 2löben gaben,

mag ganj au^er 9ted^nung bleiben, inbem ja niemanb üon ben 9)Jenf^en
nuSbrüd(i($ oerlangte, ba|3 fie fid; l^ierin nac^ ben ©öttern ju rid)ten

ptten; eS ^anbelt fid) um baS, roaS fie — laut ber ©age — felbft fel)r

beoorjugten 9Jknfd)en raiaentlic^ eingeben, einige oon il^nen finb nun.

') Sergl. a\x6) S)iobor IV, 25 •^) Sie burd^ feine .'oefatomben abju*
•')
ait^en. in, 23. juenbcnbe 3Jac^[ud)t ber 3lt{;ene, Dbi;ff. III,

8) S3erg(. 33anb I, S. 48. 143 ff.

'] Dbpff. I, 3l>.


2)te ©riechen unb i^re ©ötter. 105

raie oben gejagt, getabeju ^erfonififattonen üon ßeiben[(^aften ; anbete


erregen §aber unb 3»öift^) roie §. 33. 2ttf)ene unb 3eu§ §n)ifc|en ben
Sltriben u. f. to. Seicht unb unbebenfltc^ erlaubt fic^ ba§ @po§ 9)ioti=

oterungen biefer 3lrt; tieffinniger oerfä()rt e§, raenn eine ©otttjeit ben
ftrafbaren unb ber ^Beftrafung naijtn 9)Zenf^en noä) böfer mac^t. Slt^ene

Witt nocf) entfd^iebener aU Dbt)ffeu§ ba§ SSerberben ber freier unb treibt

biefelben in ben testen ©tunben burc^ 33etörung sunt äufeerften ^ot)n,

bamit ber ©c^merj l;ierob auf^ tieffte in bie ©eele be§ gelben bringe.
gragt man na^ ben 33en)eggrünben , au§ roeld^en bie ©ötter fo

£)anbeln, fo tritt einer ganj befonber§ beutlid) in ben $i5orbergrunb : S)er

©ötterneib war ein ftarf unb ollgemein oerbreiteter ©taube, raeli^er ben

ganzen a)h)tf)u§ bur($bringt unb in ber Ijiftorifc^en ^dt neben aller

Sfteligiofität ftc^ auf ba§ lautefte Salju mac^t. ©in f)od^begabte§ $ßoIf,

ba fid) ber (Sinjelne §um ©lue! berei^tigt glauben modjte, roäljrenb i§m
bod^ faft atteg gegen ben Sßillen ging, erflörte fid; bie SBelt, roie fie raor,

nid^t bur^ ben bto§en ^\i^a\i, fonbern burc^ ben S^^eib ber @ott£)eit, unb
bie§ ift eine ber oielen 23efonberl;eiten be§ grie($ifc^en ^effimi§mu§.
2)aB ba§ ©c^idfal auf @rben eine Prüfung fein möchte in bejug auf

irgenb ein anbere^ ©afein, bämmert rao^l bem ^^t)tt)agora§ unb anbern
frommen, fonnte aber niemals ein irgenb oerbreiteter ©laube werben, fo

lange bie allgemeine 2tnfid)t oon tzn ©Ottern blieb, roie fie raar.

Sm Mvjt^u^ beruiien f($on bie ^einbfeligfeiten ber ©ötter unter fi^

gum nidit geringen 2;eile auf bem 9ieib, unb aud) bie ©iferfud^t ber
©öttinnen ift nichts anbere^^). ^ari§ auf bem ^ba ift gemiB eine ber

älteften @r§äi)lungen ber Stöben; ber ^a§ gegen biejenigen ©öttinnen,


meiere (Sterbliche liebten unb it;re ©öfine unfterblid) gmad^en rooHten,

eo§, Demeter, ilaIt)pfo^), ift magrer 9Zeib. ©egen bie aJienfc^en aber
finb bie ©ötter fd^on überhaupt Ijart; bie furc^tbarfte ©träfe für 93e*

leibigungcn unb fc^on für Dpferoerfäumniffe oerfte^t fic^ oon felbft unb
t)ot oft ben ß^arafter einer gemeinen dtai^^; fie Idolen bie ätteften SBe*

Dbijff. Iir, 136 ff. ; 161 ff.


— atuc^ ^tva al§ ©emal^Iin. SBcrgl. ben ^übfd^en
alle unfelige Siebfc^aft gilt alä üon &öU mr)t\)u% bei ^aufan. IX, 3, 1.
tern eingegeben. ^) Dbt)ff. V, 118.
^) 93ereci^tigt ift fie bagegen bei ber
106 3teUgion unb ^ultu§.

(etbigungen nod)^); eine ©ütinung ift etwa möglich, aber on faum erfüll^

bare 33ebingungen gebunben; weit tu ben meiften %äüin aber tionbeln

fie ou§ Dleib^). ^ebe^ ©rbenglüd, jebe gro^e ©igenfrfiaft ift gleic^fam

ein Eingriff in ha^ ©lüd^prioilegium unb in bie 3SoIIfomment)eit ber

©Otter, wobei beut betreffeuben 9}ieufd)eu meift fi^ulb gegeben wirb, er

^be ben ©öttern „%xo^" bieten raolleu ober fid^ loenigften^ uupaffeub
geriUjmt.

3u jenen ©ötterprioilegien geprt oor allem bie 6(f)öu^eit; ^affiopeia

{)atte fid) oermeffen, barin mit ben 9iereiben gu raetteifern; l^ierüber ber

^ugrimm aller 9)leergötter unb bie ©eubung einer Ueberfdjroemmung


unb eines ©eeungeE)euer§. ^on -J^iobe mei^ ber 2}Ji;tt)u§ f^led)terbing0

feine fcEiroerere (Sd)ulb ju melben, aU ha^ fie fic^ im ©toI§ auf il^re

^inber (ober auf bereu gro§e ^al)i) ber Seto gletd)geftellt ^ah^, ber 9)?utter
be§ 2IpoIIon unb ber 3trtemi§; ba fanfen bie 9iiobiben burd) bie ©efdioffe

biefer beibeu^) unb blieben bann neun 3:;age in i{)rem Slute liegen, weil

niemanb fie begrub, benn ^tu^ tiatte bie älienfd^en ju «Steinen gemacbt;

erft am getonten 2;age begruben bie ©ötter bie Seichen; bie a)lutter aber

üerga^ ©peife unb Xxant unb raarb gu Stein. S)a fi|t ba§ ©ebilbe
nod), om ©ipijloS unweit aJiagnefia. 2tud^ tjier mirb rool)l ein Statur»

mt)tl^u§ gugrunbe liegen, aber raarum t)at berfelbe gerabe bei ben ©riedien

in eine fo entfe^lii^e ©efc^id^te umfd^lagen muffen? unb taxui man leugnen,

baB er in biefer ©eftalt auf ba§> gried^ifdie Semufetfein wirb roeiterge»

mirft l;aben?

2lnbere Wak ift e§ irgenb eine £uuft ober ^raft, roorin ein SJtenf^

l^abe mit ben ©öttern loetteifern, il;nen trogen wollen, worauf entweber
ber Xoh ober eine anbere furchtbare ©träfe folgt, ©aliin gel)ören ju»

näc^ft tünftlermi)tl)en wie bie üon 9Jfarfija§, Siuo§, 2:i)atm)ri§ u. f. w. in


il)ren oerfdjiebenen 9teboftionen ; bann ber tobbringenbe 9teib be§ 2lpotton

auf @urt)to§, ber 2Irtemi§ auf Slftäon, weldje ebenfo gute Sogenfd;ü^en

ober Säger fein wollten wie ba§ göttlid^e @eid}wifterpaar^). Sie 3Jiantif

«ßaufan. VIII, 53, 1. ©o 2lpoU


[
") S)af( ber ^agbneib ba§ alte unb
unb 2trtemtö bie Seleibigung ber Seto. ecfite SKotio im 2)h;tt)ug non 3lrtemig unb
- ) (Sine ©ammlung Don 33eifpie[cn f.
'

2lftäon ift, erhellt au$ (Surip. Saccf;. 339. —


bei 32äge(Qbaci^, tjomerifd^e 3:i)eolDijie, ®. 33. j
3Jian beadite auc^, mie cngf)eräig bie ®üt=
3) 21. XXIV, 609 ff. I
tcr mit ben Sßunbergaben umgel^en, wo--
;

3)ie ©riechen unb i^re ©ötter. 107

loirb imax oon ©Ottern üerlie^en, aber anä) beneibet, unb bie &ah^
roirb erfauft burc^ ©rblinbnng ober, wie bei ^affanbra, baburc^, ha^
bie äöei^fagung feinen (Glauben finbet. 2tu(^ ha§ j^liegen unb ©d^raeben
ift Eingriff in ein ©ötterüorrec^t unb rairb bei ^laxo§> mit bem Untergang
bega^lt; bei Se!Ieropt)on ift ba§ @mporfc^iueben auf bem ^egafo§, bei

^t;oett)on ba^ SSefteigen be§ (Sonnenroagen^ roenigften^ in ber SSoIf^an»

fc^auung raotit bie ^aupturfac^e i^reS ©tur§e§ geroefcn.


9Jtit biefem ©ötterneib auf ha§> 9JJenfd)entalent roäre e§ eigentlid^

genug, unb neben foli^en ^üa^zn finbet man ben Untergang ber beiben

2lia^ gan^ begreiflief). Ser Sl^elamonier t)atte nur „of)ne bie ©ötter gro&

fein motten", ber ßofrier aber, auso bem SJJeer an eine SUi^pipt geraorfen,

prat)Ite norf; Ijocfimütig, „auc^ roiber Söitten ber ©ötter entrinnen ju

fönnen" ^), raorauf ^^ofeibon bie 5llippe jerfpaltete, unb 2tia§ in ben 31b»

grunb fanf. @§ mu^te freilid) für bie ©ötter gan^ befonber^ üerle^enb

fein, roenn aJienfc^en fie an i^re SJiad^tloftgfeit über Seben unb 2:^ob erinnerten

fie tun bann ein 3Ieu^erfte§ unb er§roingen bie S^ötung,


i^n att biefen Ratten ^at ber bulbenbe unb untergel^enbe lf)eroif($e

9JJenfd) bie ©r)mpatl)ie auf feiner 6eite; nur bei einer beftimmten (Gattung
oon (Sreigniffen I;aben bie ©ötter red^t, nämUc^ menn bie al§ oon i^nen
gefegt gettenbe pl)9fifc^e SBelt oerle^t morben ift. <Bo erfc^einen gro^e

Unterneljmungen , burd) meiere bie ©eftalt ganzer Sanbfd)aften oeränbert

rairb, bur($get)enb al§ freoeltiaft ^). 2tu§ ^albinfeln ^nfeln ^u ma^en


unb umgefetjrt bradite Unfegen; bem großen SUeyanber mißlang oon äff

feinen UnterneJ)mungen nur bie ®urc^boi)rung beS 3Jiimal bei ©mprna,


unb ben ^nibiern oerbot ^t)t|)ia ben S)urd^fti(^ it)rer Sanbenge; mal
XerjeS an ber 2ltIjo§^aIbinfeI mirflic^ oottbrai^te, mar atfo fc^on %xivd
an fi(^, unb e§ fann nidit befremben, menn ber ©(Ratten be§ Sareioä
in ben „^erfern" bereits bie Ueberbrüdung be§ ^effeSponteS al§> ein

mit fte auf 2tuc\enbltcfe auögel^olfcn ^aben. Dlpmp empfangen i^n bie uralten Grippen
2(p^robite erl^ält ben ©ürtel jurütf, nad^= beä ^euä". ^^inbar, CI. Xni, 131.
bem i{)n öelena gebraucf)t f)at, ebenfo 2tu- ') Dbpff. IV, 502.
lotfiea il^re 33inbe Don Db^ffeuö ; aud^ bie ^) T(l ^f^iia ßic(ac<a,9c(i, ^aufan. 11,
ganje 3(uäftattung be§ ^erfeu§ ge{)t roteber 1, 5. — SJorbilblid^ l^iefür im 3JJijtI)u§ bie

an bie betreffenben ©otter jurütf; nac| riefigen Stloiben Dto^ unb ®p^ialte§, loelcfie

bem ©nbc beä SeIIeropI)on fc^roebt ber bie ©ebirge Dffa unb ^elion aufeinanber
lebtg geroorbenc ^egafoS empor, unb „im türmten, um ben C[i;mp ju erftürmen.
!

108 3le(tgton unö Äultu§.

Unternehmen gegen ben SBitten ber ©ötter unb al§ ^auptgrunb i^rel
3orne§ anfief)t ^). ®in aUgemeinereä ©efü^l, raelc^eS l^icr jugrunbe liegt,

^ot ©op^o!le§ auSgefproc^en: „@§ ift gut, wenn ber ©terblic^e nii^t über

ba^ I)inau§ töitt, raaS 2}Zen[d)en gemä^ ift^)."

9iid}t mit ben ©öttern übertjaupt, nur mit ßeug i)ai e§ bann bie

^romet!)eu§fage ju tun. 3^"^ ift fcfjon im allgemeinen ber, meldier e§

ben 3)?en[(^en „[auer mad^t", I)ier aber mill er i£)nen ha^i ^euer oorent»

l^olten, an meld^em ade Kultur t)ängt, unb ba§ fie nur burd^ 9iaub be»

fommen !i)nnen; bei 3tefd^ijlo§ bat er fie fogar äernic^ten motten, unb

^romett;eu§ tjat fie gerettet unb il;nen ba§ geuer unb atte ©efittung

gegeben, mofür er mit ben äu^erften Dualen hn^^n mufe. 2öol;l gab e§
baneben einen £ultu^ be» ^epl)äftoS aU ©penber» be§ ^euerS unb atter

baoon abl)ängenben SebenSförberung^); aber roer roirb üerfennen, ba^

bie maljre unb beutlicl)e ajieinung ber (Sriecfien im ^rometl;eu§ au^gebrüdt


liegt? Unb biefer ift ja ni^t bal einzige Opfer ber ^>l)itantt)ropie

2l§!lepio§ ift 5. 33. bei 2lpoQobor ein maljrer gmeiter ^romet^cu§: fobalb
er Seute am Sterben ^inbert unb 2^ote aufroedt, wirb 3^1^^ eiferfüd)tig

auf fol(^e§ SJienfc^enmoljl unb tötet il)n mit einem 33li^ftra^t.

©omic e§ fid^ überl)aupt um bie üort)errfrf)enbe, fetbftöerftänbliifie

9Jieinung ber ©riechen l)anbett, werben mir burc^aul nid^t im S^J^if^^

gelaffen: fc^on ba§ einfad^fte ruhige ^auSgtücf ift ben ©öttern unleiblid^.

^enelopeg SBort an ben miebergefunbenen Dbgffeu^*) fagt genug:

„ S)ie ©roigen gaben unä ®(enb,


SBeld^e ju gro^ e§ gead)tet, bafi rcir beifammen in (gintrad^t

Unä ber ^ugenb erfreut unb fanft annat^ten bem Sllter."

') 2tefc^. «ßcrf. 749 ff. ©od; f^atte ^) ik'rgl. u. a. baä ^roömium §om.
2)areio§ fel6er einft ben Sogporo^ über= Hymn. XIX. ^n 2trgog rourbe ^ß^oroncug
brücft. — Slero mu^te fpäter hin 2)urc^- alö j^euerbringer vexel)xi, ^aufan. II, 19, 5.

ftid^ beg 3ftf)mo§ aufgeben. TOd^t gänjlidje 3ei^"'f^*""S ^^^ SlJenfc^en,

fonbern nur (Erleichterung ber ßrbe »on


Tioig t(r«. ©opf). fragm. Colch. 2lef)nlid^ ber aHjugro^en 2}lenfd^enlaft foH bie 2lbs
Gpid^arm. S. 260 (bei muüaä)). §ie^er fid^t beö 3*^"^ geiüefen fein, alä er ben
loäre aud^ ju red^nen, bafj ha^ jiemlid) Ärieg uon S^roja entflammte, laut bem
pufige 2lboptieren etiua nig f^i^eüel be= Sid^ter ber Äi)prien, fragm. 1.

jetc^net rairb, rceil man fic^ in bie 5linber= *) Dbtjff. XXIII, 210.
lofigfcit alä in ein göttlic^eä 3]er[)ängni^

5U fc^icfen l^abe. ©urip. fragin. Melanipp 9.


2)ie ©ried^en unb il^re ©ötter. 10»

®en Tiioralifd;en STiefftanb her griecfiifc^en ©ötter aber mag mon fonfta=

tieren ba, roo fie f(^on neibifc^ werben, wenn SJienfdjen \id) untereinanber

@ute§ gönnen. SRidjt ganj unmittelbar, aber beutlicf) genug jagt bie§

bie 9iebe beg ^eufroS im 3lia§ be§ ©opl)oHeg (33. 1026 ffv bef. 1036)

bei 2lnla^ ber 2Bed)felge[d)enfe be§ ^eftor unb be§ 2lia§. ©in fpred}enbe§

Seifpiel uiäre^) au^ bie SSerfteinerung be§ ^t)äafenfd)iffe§ burd) ^ofeibon,.

Damit in^fünftige bie 9)Jenf(^enrettung unterbleibe; boc^ fann man l)ier

geltenb madien, ba§ bie ^sljäafen bem 9Jteergott eine für bered)tigt geltenbe

dia<i)t an DbyffeuS geftört l^atten.

3n ber l)iftorifd)en ßeit') ift man bann fo fing, nii^t meljr beftimmte

©ötter anguf lagen; bie ©ottlieit — fo fiei^t e§ je^t bei ^erobot —


ift neibifc^. ©r l)at förmlid) @ile, gleidj am Anfang feinet SBerfeS biefe

feine Ueberjeugung ^) gu entmideln in bem berüljmten ©efpräd) groifdjen

©olon unb £röfol; na^bem üon STetto^, oon 5lleobi0 unb Siton bie

9tebe geraefen, unb ^röfoS feine eigene ©lüdlid^preifung erwartet l)at

(I, 32), erhält er ben 33efc^eib: ba§ ©öttlic^e ift neibifd^ unb reigbar

(laQaxwSeg), uub faft baSfelbe 2Bort finbet fic^ (III, 40) im 33riefe beö

2lmafi§ an ^olt)frate§. ^n ber 9iebe be§ Slrtaban gegen bie ilriegS»

obfic^t beg 3cerj:e§ (VII, 10) wirb ber SReib ber ©ott|eit gans befonberä

genau präjifiert: ilire S8li|e treffen bo§ ^eroorragenbe, bie l)öc|ften 33auten

unb ^äume; in gro^e ^eerfd)aren !ann bie ©ottl)eit au§ 9^eib einen

©c|reden fenben, ber bag fdimä^lic^fte ^erberben bringt, ^n bem met)«

mutigen ©efpräd^e mit SeerjeS ju 2lbijbo§ (VIT, 46) fd^lie^t SIrtaban

üoUenbg beben!lic^: raäl^renb ber STob bei bem eienb be§ SebenS nod>
bie münfi^enlraertefte Sufluc^t für ben 3)tenfd)en ift, ermeift fid) bie @ott=

{)eit, meldie il;m bod) ben füfeen SebenStag gu !often gegeben, barin neibifc^.

— S)ie 93orou§fe^ung üom ©ötterneib blieb bann n)ol;l eine ftel;enbe

1) Dbpff. XIII, 149 ff.


— (Sin äi)\u 2) |)ieäu SBeifpiele bei 5«ägel§5ad6,.

lid^eö @tüd be§ ^ofeibon: Sen gered)ten, 3lad)l)om. S^iol. ©. 50 ff.

menfd)enfreunbUcl^en §ieraj: üerroanbelt er ä) Sefannt ift bann feine einmalige

aütn Sögein cerl^a^ten §abic^t, Snfonfequenj IH, 109, roo, bei STnla^ ber
in ben bei
©etreibe geflügelten (Sd)rangen in 3lrabien, eine
raeil berfelbe bie Seufrer mit
al§ biefe roegen nerfäumter gütige ä!orfel)ung in ber 9^atur angenommen
unterftü^t f)at,

Dpfer oon i^m burd^ 3JJi^aiad)§ u. f.


ro. roirb, üieaeicf)t unter bem (ginflu^ eine§-

l)eimgefuci^t roitrben, ^Intonin. 2iberal. 3. orientalifc^en a3ericf)terftatterg.


110 3tengion unb ÄuUuä.

3)letnung, unb no(^ ^saufaniaä fdiliefet auf benfelben^) fpegiell qu§ ber

S3linb^ett unb 2lrmut ^orner^ unb au§ ber j5^tu(i)t unb bem geroaltfomen
S^obe be§ ®emoft{;ene§. ®er befd)eibenerc 2tu§bru(J bei üorfid)tigern

2tutoren lautete bann auf 9ieib be§ ©c^icffal^, ber %yd)t'^); einftroeilen

aber fiatte ©pifur raenigftenS feinen 2ln^ängern für ©ötter geforgt, welche
t)om ©rbenleben gar feine i^unbe nefimen, unb bereu (Seligfeit unb ^fieib'

tofigfeit fi^ becfeu.

S)ie ©efdiic^te üom 9tinge be§ ^olgfrateS fjanbett oon einem SSer^

fu($, ben ©ötterneib absufaufen. 2luc§ bei großen ©efdienfen an Tempel

!ann man, felbft wenn anbere 9}ZotiDe genannt werben, boc^ an ät)nlid^e§

benfen. ^röfo§ münfc^te üom ©otte ju S)elpl)i raot;I gunädift eine fiebere

^unbe ber 3ufunft, allein er fud)te bod; beffeu ^u(b über{)aupt §ugen)innen^),
unb bie 3)taffen^aftigfeit feiner 2lnattjeme beutet auf ©orge oor bem DIeib.

Unb ein äl)nlid;e§ @efül;l mag 5. 33. bie Seute von ©ip^noS bewogen
fiabcn, üom ©rtrag iljrer reichen ©olb^ unb ©ilbergruben einen rcgel=
mäßigen 3el;utcn nad) ©elp^i ju roeifen^). SBenn Slnfc^auungen biefer

2lrt nic^t fd^on au fid) gegenüber uou ©Ottern, rote bie griediifc^en, felbft'

üerftänblic^ geroefen roären, fo l)ätte f($on §erobot§ — mittelbare roie

unmittelbare — Sßirfung auf bie ©ebilbeten ber fpätern Generationen,

auc^ ber S^ömer, nic^t roenig ba§u beigetragen, fie am Seben ju erhalten,
^ollfommeu menfd^lid^ war, ba^ baneben bie ©riedjen nic^t merlen rooßten,

wie fetir fie iljrerfeit^ bie ©ötter beneibeten, biefe „nie alteruben". S)er

@rie(^e Ijielt fi^ fd)on für unglüdlid^, roenn er nid^t me^r jung roar, unb
»ottenbg roenn er alt rourbe, anberer ©egeufä^e jum ©ötterglüd gar nid;t

gu gebenfen.

33ei einer 3iation, roeld^e il)ren ©lauben fo oöEig felbftänbig au^*

^eBilbet |atte roie bie ©riechen, roäre e§ ni^tS Unerroarteteä , roenn fie

bann auc^ in raf(^e SBanblungen beSfelben geroiHigt l)ätte. SlHein bie

alte 9ieligion, roie ber Slultu§ unb ba§ @po§ fie feftgeftellt, bel)auptetc

fi(^ im roeiteften ©inne; 2Befen, 3)iad)tumfang unb 9)loralität ber ©ötter

') ^aufan. II, 33. 3. beftmft tüiirben, oergt. ^sau[an. X, 11. 2.

-) ^ßlutard^, consol. ad Apollon. 6. Uebrigcnä i[t fd)on ein einmaliger 3et)nte,


^) Tof Uioi' llä<jy.tTf) ^erobot I, 50. }. ö. üon ber Seutc eineg ©iegeä, eine be«
^) 2Bie fie bie (^abt [pater imterlicjieu beutenbc ®abt.
atnb bafür burd) Ueberflutung bev Sergtnertc
Sie ©ried^en imb if)re ©ötter. 111

getoä^rteu im 33oI!ggIau6en ba^felbe 93itb wie früher, [ogar al§ baneben


eine ^f)ilo[opl;ie unb eine ©opEiifti! erraad^fen waren, beren ©otteSkgriffe
oft fe^r weit bttöon Qbroic|en. 2luc^ eine in einzelnen Greifen ftar! oer*
tretene 3^ebenreIigion, bie ber fogenonnten OrpI)ifer feit bem IV. :3a^r»
^unbert, i)at auf ha§> 3SoIf gar nic^t gewirft unb beinatie nur in ber
^oefie einzelne ©puren {;interlaffen.

2)ie ^oefte, unb ^raar bie ber groBen 3eit^), lä^t un§ nun ein
mer!n)ürbige§ ^anu^fiaupt fefien. 2Benn fie fromm unb erbautic^ geftimmt
ift, lenktet un^ eine ibeale ©eftalt ber ©ötterroelt aul i^r entgegen. S)ie
©Otter werben junä^ft mächtiger unb regieren mef)r; ha^ ©c^icEfal be§
einzelnen loirb aU beftänbig oon i^nen abljängig gebaut; in welchem
©inne befonber§ ba^ 2lnfe§en be§ 3eui fteigt, rourbe fc^on früEier
(©. 24 f.) erörtert. Slergerlid^e a}h;tJ)en, impiae fabulae, roie ßicero
fagt, werben ^ie unb ba geleugnet ober umgebeutet'-); pnbar glaubt
nid^t mcf)r, ba^ Demeter oon ber ©c^ulter be§ ^etopg gegeffen ^ahi;
bei tJ)m l)at 3eu§ bie Titanen aü§ bem STartarog befreit, wo fie bei
^omer nod^ fa^en. ©obaun wirb in folgen frömmern ©timmungeu
me^r aU früt;er bie ©ered;tigfeit ber (Sötter, namentlich bie ftrafenbe,
betont, unb bei ber ©age oon Dreftel pflegen Steuere fogar oon ber
„@nabe" ju fprec^cn'), wet^e bie ©trenge be§ ©trafgefe|e§ gebrochen
'i)ahe. 3Iu§ ber anfänglii^en ©ewalt^errfc^aft beS 3eu§ fei eine fittlid^e
Söeltorbnung geworben *).

9Iber junäc^ft brauchte Drefteg, ber unter ©ingebung ber ©ötter ge»

ung auf bog, n)a§


3Bir Befd^ränfen ba§ ©efd^led^t ber ©ötter Beurteilen, Viv-
j)on ber Scena auä oerfünbet rcurbe unb Ijeber ber dya,9d unb 9iic^turfjeber ber yaxä,
bem 9>oIfg6erouptfein entroeber vöUxq an- Iierrfc^enb unb regiereni über aUe Singe
gemeffen ober boc^ oerftänblici^ roar. — nic^t roie bie Siebter un§ mit it)ren
-) SfoJrateg möchte fogar fd&on bie törid)ten 3}Jeinungen irrefü^renb burd^ i§re
(Sö^ne Don ©öttern biSfuIpieren; Sufirig eigenen ©rbid^tungen gefangen roerben, in=
§ 41. bem fie jroar ben Drt, mo bie ©otter rool^nen,
^) einmal in ben aßorten be^ '^ohy- aufg t)öcf;fte oertierrlicfjen ... bie ©ötter
neifeö, Deb. Äol. 1268, fann man fie gelten felbft aber doQ oon Unrubc unb SögroiCig;
laffen, tnbem ^l&wg faum anber§ n)ieber= feit unb Qoxn unb anbern Seibenfcbaften
jugeben ift al§ burd^ „@nabe". fc^ilbern, bie nicf)t einmal oernünftigen
*) ©tarf fprid^t ^(utarcf), 5perifl. 39 SUen jdfjen jufommen." — 2(ber ba§ tfätten bie
feinen Sulgäroptimi^muä gegenü&er ber Siebter alfeS nid^t gefonnt, roenn iljnen nid^t
Sluffaffung be§ ©pog au§: „ . . mit mix ber 33oIfggIaube entgegengefommcn rcäre.
112 Sieligion unb Iullu§.

I)anbe(t ^ot^), buri^auS niä)t begnabtgt gu roerben, unb roa§> für x^n

gefcf)iel)t, ift ^sftic^t unb ©rf)ulbigfeit. Unb nun laffen btefelben S)icE)ter

bie nämlichen ©ötter unb anbete aJJoIe mit beni fd^Iimmften Sf^eib ben

3)ienfd)en in§ 33erberben ftürjen unb il)n jum 33öfen anftiften, unb wenn
man bieS nur al§> „Sftefte" ber altern 2lnf(^auung gelten Iä§t, fo finb eg

raenigftenä fef)r maffiöe S^iefte geroefen. Sie a)Jt)t^en, roeld^e man 6e*

t)anbette, ma(i)ten fc^on oft jebe weitere ©ötteroerflärung ganj unmöglich.

Sei 2(efc^r)Io§ möge man guerft, wenn man !ann, ben tjod^üerüärten

3eu§ ber „©c^u^fletienben" mit bem furct)tbar get)äffig gefrfiilberten 3«"^


be§ „'';prometi)eu§" reimen; \a nur innerf)alb be§ einen „3lgamemnon"
gelten bie 2lnfi(^ten über bie ©ötter rounberlid^ l)in unb ^er. Bit^rft

(33. 49, 135) finb biefelben freunblidie (Sd)ü§er gegen bie 3:;iere unb
üben ouc^ im Xkxxeiä) ©trafgererf)tigfeit ; bann folgt (33. 160) ein auf
©djrauben ftet)enber ^sreiegefong auf 3^"^/ n)eld)er aüerbingg bie ©terb»

Iid)en pr 33efinnung meife unb bem ßeiben bie Söeleljrung (bem nd&og
ba§ fjütfog) ^injufüge; bod) ift er in ber ^errfc^aft erft ber 2)ritte, nad^

Uranog unb ^rono§, unb iljm Dorfid)tig ein ©iege^lieb ansuftimmen, ift

im ©runbe nur ba§ J^lügfte, maä einer tun tonn; biefe 2Irt oon Mug^eit
aber finben mir fd)on bei ben SlJittianbelnben im „frontet ljeu§". SBeiter

iiei^t e§, ba^ in ber Senfung ber SöibermiHigen gur 33ernunft eine ge»

miffe ©unft ber ©ötter liege, ber „geroaltfam" tl;ronenben, unb gu biefen

gehört zhm cor allen 3^"^- 3" ^^"^"^ roeitern (£l)orlieb 08. 355 ff.)

mirb mit bunfeln SBorten (bereu Sefung unb (Srflärung ftreitig bleibt)

raenig anbereg gefagt, ol§ bafe Uebermut unb ©eroalttat mit Uul)eil

enbigen; fpäter aber, in bem 3Bec^felgefang 3mifd)en bem 6l;or unb


£h)tämneftra, in Sßorten, auS' nield)en bod) iöol)l ber S)id)ter fpridit, in

©egenmart ber Seidjen 2Igamemnon§ unb 5!affanbra§, ift ($ß. 1485 ff.)

alles ©efd)el)ene ba§ SBerf be§ 3eu§, beö 3lllurfä($er§ unb atttooHbringerg:
„Senn roa§ gefdjieljt ben ©terblid)en oljue iljn? unb roa§ oon att biefem

ift m<i)t ©ötteroerfügung ^) ?"

') Stuc^ Sllfmäon tötet feine 3Kutter a3efef)Ieg an Dreft unb meinen (1266),
®rip^v)le auf ein Drafel 2lpollon§ t)iu, 2lpoE rccrbe uor ©eric^t bie <Bad)t roo^l

aipottobor III, 7. 5. Sil ber (gleftra beä fclber auf fid^ nel)mcn nuiffen.

Guripibeg 1245 f.
mifjbiUigen bie SioS« ") ^n ben ©umenibcn ucrgr. über ,3eug

turen ben 3(polI au§brürtlic^ luegcn feineS i


bcf. ä<. 616, 640 ff.
2)ic ©ried^cn unb il^re ®ötter.
U3
®cm (Sopf)o!le§ rairb ein ©ottelgtaube nac^gerüfimt, fo rein olg
bieg auf bem 33oben be§ ^so(i;t{)ei§mu§ möglich fei (SeQer); bie ©ötter
feien mitfomt iJirer 33ierf)eit boc^ immer 9iepräfentanten be§ Oöttlid^en.
2I6er im 2lta§ rü^mt fic^ Sltljene (58. 59), fie l^abc ben 3Kann in SBa^n»
finn§franf£)eit ^ineingefto^en, unb laut jener 3fiebe bei ^eufrol (oergr.
1026, f. oben ©. 109) ftiften bie ©ötter SSerberben, roenn aWenfc^en
einanber @ute§ gönnen. 2lud^ ber ©i^lu^ ber STrai^inierinnen lautet
i)ö($ft bebenflid^ für bie ©ötter überhaupt. DebipuS folgt, raie bie§ ber
rauf)e aKr)t£)U§ gor nic|t anber§ geftattete, buc^ftöblic^ ben Drafeln unb
gerät in bie S^iefe be§ ^a^merl^).
3)er lefirreid^fte biefer ^id^ter ift in geraiffem ©inne ©uripibeS, in»
bem fein aj^obegeift un^3 fo 33iele§ unb 33erfc^iebeneg oerrät, roaS in ber

^onoerfation oon 2ltt;en über ©ötter unb Sßelt röfonniert rourbe, 3ie»
raten, raelrfie er am tragifc^en Tli)t^n§> anbringt, roo e§ pa§t ober nidit

pafet. ©d^einbar im ©inne einer aulglei^enben, oerföJinenben 2öelt«


regierung tritt befanntlic^ ()äufig am (gnbe feiner ©tücfe ber deus ex
machina {3eog dnd ^tjxavtjg) auf: irgeub eine ©ottEieit mu§te ba§ in
Jammer unb Seibenfc^aft au0 ben ^ugen gegangene ^eroenleben mieber
in Drbnung bringen. mH bem Sroft ift eg freiließ oft nirfit roeit ^er;
im (Srunbe fott fid) nur niemanb getrauen weiter ju flagen; in ben
Sacd^en 5. 33. J)inter(ä^t ber @ott ben ^abmo§ in einem fotcf;en Unglüd,
ba^ c§ menig aufträgt, roenn bemfelben noc^ roeitere ^errf^aft in fernen
Sanben unb ein (Snbe im Sanbe ber Seligen in 2lu§fi(^t gefteüt roirb.
Ser ^:proIog am 2lnfang ber ©tü(fe, raie ber deus ex machina am ©übe,
finb öfter nur geroaUfame ajotigen barüber, roie ba§ S)rama mit bem
fonftigen 9JJ9tt)u§ 5ufammenl)änge ^).

^m ganzen übrigen ©rama roäre bann jebe^mat p unterfc^eiben,


ob bie betreffenbe 2lu§fage oon einem leibenfdiaftlic^en, oerirrten, böfen
6f)ara!ter au§ge!)t ober oon einem gebiüigten, aul roeldjem in ber 9tegel
ber ®icf)ter felbft fpräcfie. Soc^ ift biefer Unterfcfjieb tatfäi^ürf) nic^t fo

groB, aU er oben t)in p fein fd;eint, unb ©uripibeö fönnte gar rool)I gewußt
^) 2iaeg, toag er getan ^ai, ift laut 1 deus ex m.atpoaon am ®nbcbeg„Drefteg".
Deb. Äor. 965 ben ©öttern gerabe [0 recf^t Sef^r oBerfliicfilic^ bieStoäfuren am ©nbe
geroefen, aug altem £»af! gegen fein fi»aug ber „§elena". — ©ef)r poetifc^ %^i\i am
«ergl. aud) 997 ff. (Scfilufi ber „ainbromac^e".
-) ein befonberg ro^e§ Seifpiel be§
3. Surd^arbt, ©riec^lfc^e Äuüurgef(^id;te II. 8
114 Dieligion unb Äultu^.

t)aben, bn§ an^ Sßorte be§ greöeB in üielen 3u^örern iljt e^o, ja

i^ren ftiüen SBeifall fanben^). @r fann junädift erbQuli(^ unb fublim


reben, TOtc in jenem oben angefüt)rten Fragment: lüetc^eg §au§, oon
33au[euten errid^tet, würbe mit feinen 9)kuern bie ©ottljeit umfaffen^)?

Ober e§ mirb einem aUEierrfc^enben 3eu§ geopfert, ber jugleic^ ^abeS ift,

unb SU i^m um Offenbarung barüber gebetet, roeld)e§ bie SBurjel be§

Uebet§ fei, unb burcfi meiere ©aben on meiere (einzelne) ©ott^eit 9iuf)e

t)or bem Unglücf ju erreicfien märe. 3Som Eingang be§ 9)lenfc!)en, beffen

irbifc^e i^erfunft oon ©äa, bie ät^erifcfie oon 3^"^ ftammt, fieifet el ein=

mal, roa§ oon ber (Srbe gefommen, ba§ finfe roieber in bie ©rbe, toqS

aber oom 2(etl;er, ba§ fteige in ben §immel {(jvQ(xri.og nölog)^). igm
Sinne be§ anaj:agoreifd)en „@eifte§" [voZg) beutet man ein prä(i)tige§

Fragment au§ bem uerlorenen ^eiritI)oo§, in roelc^em ber Uranfänglid^e

angerufen wirb, ber in ätiierifcfiem SBirbel bie ganje 9ktur umfaßt, um*
freift oon ßi(^t unb weiterhin oon bunfler 9^a($t, eraig umtanjt oom
äaljllofen $8oIf ber ©eftirne. @ine feljr leichtfertige 2lufforberung bagegen,

an bie aJtac^t be§ ©öttlicfien, toaS biefe§ and) fei, §u glauben, t)at ber

3)id)ter no(^ am ©übe feiner Saufba^n *) bamit motioiert, e§ fofte ja

nic^t oiet {xovy)a yäq Sanäva). 2lnbere aJiale oernimmt man bann, ba^
bie @ottl)eit fic^ im ©rbenleben nur ber ^auptfai^en (/for uyai) annet^me

unb bie Bagatellen (r« fuixfjd) bem S^^^^ übertaffe^). 33i§n)eilen gibt

ber ®id)ter feine ^^erfonen bem ©trome ber 3:age§pl)i(ofopl^ie babin, unb

eine (oerlorene) ^ragöbie l^ie^ banad^ „9)ielanippe, bie SBeife", roeil bie

^auptperfon ftar! p{)iIofopf)ierte. 2)en ^:prei§ ber Slunbe be§ 2Beltatt§

oerfünbet ein Fragment, ioel^e§ h^n SBiffenben beglüdt nennt, loeil er

htn nie alternben 5lo§mo§ ber unfterblidien 9Zatur unb ba§ 3Sie ber
Singe (tt^, oufj, onojg) \d)am, nic^t gerii^tet auf Unf)eil gegen ben WU
bürger, auf Unrecht, unsugänglii^ für jebeS ©treben jum Böfen.

^) 33ei ^lutard}, de placitis philoss. I 3) 5Rocf) üirjer @pid^arm. 3?. 264 7«


tüirb bem S)irf)ter felbft eine freDelf)afte fj,ty tig y(^t', 7iyti\u (<i'w.

©nmbmeinung äiifletraut, ineld^e er nur *) Saccö. 879 ff.; ber (S^or fpric^t.

au§ 3>orfid^t einem ä>erIorenen, raie 3. 33.


•'')
Fragm. ap. Plut. rei p. ger. praec.

©ifr)pf)oä, in h^n 3Jtunb let^e. 15. ®ine analoge 3(nfic^t iceiter auäge*
^) Sieg unb bie näcI)fttDl(i,enben Qitate fiU)rt: Sudan, ^:pi}arf. VI, 611, üergl. V,
uug g^ragmenten, TOe(d)e um bicfe§ il)re§ 340.
^n^altS iDiUen bei fpätern Sdjriftftellern

gerettet finb.
Sie ®riecf)ett unb i^re ©ötter. H5
®aB (^reoler auf ber 33üJ)ne ot^eiftifd^ reben, roäre an fid^ ganj
in ber Drbnung; ber eurtpibeifc^e <Bi\i)pi)o§> oertritt bereite (äf)nlid^ rote

bamali^ im Seben i^ritiaS) bie Slnfic^t, ba^ bie @ottf)eit b(o§ um ber
3roecEmö§tgfeit roiüen üon 2Betfen erbic^tet fei, bamit bie I)eimüd)en, oom
(S)efe| nidit erreiditen ä>er6re(f)er ein Söefen über fid) glaubten, roeld^eS
2lIIei f)öre unb fel;e ^). SBem ba0 berüchtigte SSort (im „33eIIeropJ)onte§")

in ben 2Runb gelegt mar: e§ gebe feine ©ötter, famt einer ^irabe über
ha§> ©lud ber Söfen, ift nii^t befannt. Oreft fagt roenigftenS ^) : „roir

finb Jlnec^te ber @i3tter, roa§> biefe ©ötter immer fein mögen."
©injelne S)ramen biefeg fo roanbelbaren 2;^eologen finb ganj oorjugg*

tüeife bem 3Sert)a[ten ber ©ötter unb bem Urteil über ba^felbe geroibmet.

^cr „^ippolptoS" ift ein 5lampf greiften 5Ipl;robite unb 3Irtemi0, beiben
itic^t §ur @J)re. 2ßie fott man e§ nennen, wenn (3>. 47, oergl. 722)
2lp^robite lieber au^ ^£)äbra, bie i£)r bod) oerf aüen ift (33. 28), roiH
unterge£)en fef)en, üI§> ba§ fie auf bie dtad)^ an ^ippoli)to§, bem ©etreuen
ber 2lrtemi§ üerjii^tete? unb roenn Slrtemi^ am ©c^luffe ben (Sterbenben
bamit ttöften luill, ba^ aud) ber ©eliebte ber 3lpt)robite (2{boni§) balb

burc^ i^r ©efc^o^ fatten roerbe? SSir erfahren jroar, ba§ eigentlid) feine
©ottljeit ber anbern im ©rbenleben guroiber (janbeln follte, unb ba^ bieg

«ine ©a^ung^) für bie ©ötter fei (Jö. 1324); aßein 2lrtemi§, roie man
fief)t, gebenft fic^ bod^ no(^ auf ba§ bitterfte gu rädjen — unb roie e§

bamit bei ^omer geljalten rourbe, ift §ier nidjt nötig in Erinnerung ju
bringen. 9Ba§ 2lpt)robite il)rem iSefen nac^ im einzelnen ^nbiüibuum,
unb roa§ fie pgleid^ im SBeltgangen ift unb roirft, erfäf)rt mon (^^\ 445 ff.)

aug ben hieben ber 3lmme, au^erbem aber an^ einem berüfimten gragment *),
roel(^e§ felbft bie unbefeelte organifd)e 9tatur in bie d)la<^t be§ großen
2;riebe§ gibt.

3Son fef)r geringer 2td^tung gegen bie ©ötter jeugt burc^roeg ouc^
ber „rafenbe ^erafleS", unb ha bie (Si;mpatf)ie be» ®id)ter§ für biefen
Sf^etter ber a)tenfd)en unb ber Hellenen eine ganj unüer^oi)(ene ift, fo ift

e§ folgeridjtig aud) feine 2lntipatt;ie gegen bie bemfelben feinblid^en @ott=

Ijeiten. 3lmp()itrijon barf bem ^^u§ (ä>. 347) fagen, er fei ein unge*

^) Ueber biefe immer von neuem auf- ^) 2Boäu Cüib, aJZetam. ni, 236. XIV,
taud^enbe 2lnftd^t Cicero, de nat. deor, 1, 42. r83 jitiert rcirb.
'')
Dreft. 416 ff. ^) ®urip. fragm. incert. 4.
116 3f?eIigton unb Äultu§.

fd^idfter unb ungered^ter ©Ott, roenn er bie (Semigen, nätnlid^ bie j^^amtltc
bei ^erafleS, nid^t retten fönne; tmnier{){n werben bie ^tnber bielmal
nod^ vor St)fo§ roirflid) gerettet, aber nun wirb ^erafle§ felber TOat)n=»

finnig gemad^t, bamit er fie töte. §era in ifirem ^ngrimm lä^t burd^

^ril (wellte fonft nur objeftiüe ©ötterbotin, bieSmal ober oom ^oxm
il;rer ^errin ongeftecft ift) bie 9taferei, Spffa, aufbieten; biefe aber oer»

mag üon i^rem (SJ)arafter ju abftra{)ieren unb ntac^t junäd^ft bie ftärfften

SSorfteHungen §ur 9iettung be§ ebeln gelben; ^ril erroibert jebod^ bitter:
„^era entbietet bic^ nic^t jum 33efonnenreben" {ao-xpQovHv), worauf St)ffa

ben ^eliol jum 3^itgen anruft, ba^ fie roiber SSillen in it)re 9ioIIe ein»

trete, wie benn aud^ auf fd^recftid^e SBeife gefc[)iel^t; benn '^tu^ f)ot bte§

nur fo lange ^zi §era !)intange{)alten, bis bie §raölf Strbeiten oollenbet waren!
^n feiner raeJimütigen fpätern 9tebe (33. 1279 ff.) fagt §era!Ie§: §era ^at
nun ii)r '^ki erreicht unb ben erften SJiann oon §ella§ oon feiner Ijo{)en

©tufe geftürjt; wer mag nun noc[) eine folc^e ©öttin oeref)ren, mel^e
au§ ©iferfud^t fd^ulblofe 2Bol;ltöter ber Station in§ 33erberben bringt? —
SBorouf ^J)efeu§ im nömlic^en S^one fortfäfirt, mie bie ©ötter ben @£)e=»

bruc^ treiben, 3?äter in ^effeln legen ufm. „unb bennod^ mo^nen fie auf
bem Olrimp unb galten i^re 33erge{;en au§^)." §era!Ie§ roiH nun bie§
nidE)t a\iz^ glauben, e§ feien eben unfelige 5Dicf)terIügen , benn ©ötter,
wenn fie bie§ rairfUd^ feien, I)ätten e§ ja nic^t ni)tig, einanber ju jüc^tigen,

3U untermerfen unb bergl. 3lIIein Ijiemit f)at ber 3)irf}ter nur fid^ unb
feiner 3it§örerfcf)aft eine ftraflofe ^mpietät gegönnt.
§ie unb ba fteUt er fid^ um einen ©rab frömmer; an groei ©teilen
ber „^roabe§" (93. 988, 1032) roirb für ben bui)Ierifcf)en ^rieb ni^t
2lpIjrobite, fonbern ba§ eigene ©elüfte angeflagt; aber in „^ippoltjtoS"

^at fi(^ bie ©öttin felber fo bebenflic^ au§gefprodf)en, ba§ an \{)x ni^t§
mef)r p beffern ift. Unb §roifc{)enl)inein tönt l^ie unb ba — unb nicE)t

bloB au§ bem 3Jiunbe einer finberIo§ gemorbenen SJiutter — bie oer»

jmeiftungSüoUe ^(age, baB bie ©ötter fd^abenfrolje Suft am Untergang


ber 3[Renfd^en l)ätten. ßnbtid^ roirb im ^on (33. 1048 im 9)iunbe be§
G§ore§) bie ^efate al§ eine eigentlidie 'JJiorbgöttin angerufen, bamit fie

bei einer 3Sergiftung mit(;elfe.

') 2Benn rjfxnQXrixÖTtg ju Tefen ift.


S)ic ©ried^en unb i^re ®ötter. 117

ßinmal fc^eint ©uripibeS ganj fanatif(^ begeiftert jur ä^erljerrlid^ung


eines ©otteS, nämlic^ beS S)ionr)fo0 in ben „Sacc^en". ®a§ f^eu^lidie

©nbe be§ ^entljeug, nad^bem er jum beften gel;atten unb oerrüdt gemad)t
TOorben ift, tut ber ^beatität be§ @ottc§ nic^t ben minbeften ©intrag,
unb baSfelbe gilt oon bem ganzen präd^tigen unb fdiredlic^en Seben unb
S^reiben feiner Segleiterinnen, ©öttlic^feit unb 9ied)t auf Sieretirung

werben ^ier atteS (SrnfteS unb in glü^enben ^önen für ein Söefen in

ainfprud) genommen, roeld^eg ben 2lugen eines anbern S^italterS einige


rca^r^aft |)öllifd)e 3üge oerrät.

9BaS in ber St^ragöbie bie ©ötter nod^ immer in einer gemiffen ^öi)c

bei guri^tbaren ober be§ @rt)Qbenen l^ielt, mar mef entließ ber ernfte,

tragif(^e ^nljalt be§ §eroenmt)tt)Ug, in raelcfien fie oerftoi^ten finb. 2Bo


biefer Umftanb megfiel, in ber Slomöbie, mußten bie (Sötter be§ I)eitern

unb felbft auSgeloffenen 2löbengefange§ baS ^^Ih beJiaupten — unb nun


war bei biefem no(^ in ber ^{)antafie ber ^örer ben ©öttern eine mög»
lic^e ibeale ©eftalt oorbeljalten geblieben, n)äl)renb i§r fgenifc^el 2luftreten

in ber Jlomöbie bie 2lnfc^auung oon ilinen notroenbig erniebrigte. 2lu0

bionijfifc^em ^ultu§ war forooljl S^ragöbie aU ^omöbie erroac^fen, unb


wenn man fi^ benfelben oorftellt mit feinen Stufjügen unb all bem luftigen

unb bittern ©pott unb iQo^n, ber fid^ baran l;ing, fo ift e§ erlaubt,

barüber §u erftaunen, ba^ bie ^^ragöbie etroaS fo ®rl)abene0 unb ^-eier*

lid^e0 raerben fonnte. 2Ba0 bagegen bie ^omöbie ben übermenf(^licl)en

2Befen pmutete, mar balb mel)r ^arobie, b. l). Uebertragung überlieferter


mt)t^ifd)er ©ötterafte in eine irbifdie ^orm unb Umgebung, balb meljr

S^raoeftie ober 2luftreten unb ^anbeln oon ©öttern mitten im 33er!el)r

beg griectiifdien Sebenl. S)a bie ^omöbie ft^on frül)e ha^ ^^eater mit
ber Xragöbie gemeinfam Ijatte unb fein bloßer feftlic^er Bpa'^ auf ben

©äffen ber ©täbte unb SDörfer melir mar, mu^te fie bie 2lnfprü(^e einer

großem Jlunftgattung auf fic^ nehmen roie ienc. ©d^on bei ©picfiarmog

(tätig in ©ijrafuS feit ettoa 482 o. (E§r.) fd^eint bie @ötterburle§fe oöHig

au^gebilbet geroefen ju fein, oielleid^t fo, ta^ fie oon ber fpätern, fogen.

mittlem ^omöbie wenig oerfc^ieben war, nur finb un§ oon feinen mi)tl)0»

logifi^en ©tücfen bloB eine 2ln5al)l oon Xitdn überliefert; aud^ bie er»

l^altenen galilreirfien Fragmente geben fein Silb oom ©ang ber gabeln
118 Steligion unb ^ultuS.

unb (äffen raefentlid) nur bie (gf,Iuft bcr @ötter, jumal bei ^eraflel,

erraten, ä^on ber ölten ottifc^en ^omöbie bagegen unb oon ifirer 2lrt

bie ©Otter p be^anbeln, tft un§ in 2tr{ftopl)ane§ ein fe(;r ooUftänbigel


Silb erf)a[ten^).
3unäc^ft trauten bie bamaligen 2Itf)ener, mitten in ber ©rfd^ütterung

unb Umgeftattung be§ gangen 3uftanbe§, ben ©öttern offenbar balfelbe


(;arte gell ju, roelc^e§ fie felber befi^en mußten. 3)af)er raurben bie

^omifer nid^t mit 2lfebiepro5effen (;eimgefu(^t ^), n)ie Staatsmänner, ^t)i(o»

foppen u. 0.; e§ genügte, wenn man bie ©ötter nur nic^t leugnete ober
roenigftenl bie ©ötterleugnung einem läc^erlic^ gemachten (Ef)arofter in
ben SJiunb legte, roie in ben „SBo^ä^en" bem ©o!rate§. ^m gangen ift

eS nun ein oergebli^eiS Semüljen, bei 2triftop^anel roie bei @uripibe§,

bem 3)i(j^ter eine fonfequente 3lnfi(^t oon ben (Söttern nad^iüeifen ju


motten. 2lt§ ©pötter gegen bie S)emofratie jeigt er fid) aud) al§> g^einb

ber ©opljiftif unb i^rer 2tufftärung, unb in ben ©efängen ber ß^öre —
roie barod auä) bereu ^^erfonen au§fe()en mochten — liebt er gelegentlich

Quc^ bie präi^tig feierli^en klänge be§ ©ötterfultuS, unb bann lautet er

\)'ö<i)ft anböc^tig. SBieberum wirb man erinnert an bie Ijo^en feftUdjen

^rägebentien unb 33ebingungen bc§ gangen attifd)en 3)rama§, roeldieS

ou(^ als ^omöbie ni(^t nur einen ibealen ©til innel)alten muB, fonbern
auc^ §roif(^en atte ^offen l)inein nad) ibealem ©toffe bürftet. ©aneben
jebod^ roerben bie ©ötter auf ba§ 9iefpe!tlofefte unb roie mit einer l)öl)nifc^en

3Sertraulid)feit gefd;ilbert unb, roo fie felber auftreten, beljanbelt. ®er


3)ieb §erme§ lö^t fic^ im „^rieben" (SS. 425) einfad^ beftedien. ®ioni)fo§

in ben „gröfc^en" roirb gu einer ganj unglaublidien ^arifatur. „®er


©Ott l)Oc^l;eiliger geier roirb an feinem eigenen %^\k gu feinen eigenen
@l)ren als ein SluSbuub von ©emeinljeit, :^ieberlid)feit unb ^reulofigfeit
l)ingeftettt, ein roa^reS konterfei ber fittenlofen, burd^ nic^tSroürbige

©op()iftif in ©runb unb 33oben »erberbten ^ugenb 3ltl)enS." (DiägelSbac^.)

@S l)ilft nid^tS, roenn man fagt, er fei nur eine ^erfonififation beS

SScrgI.9?ägelöbac^, 3f?acf)^om. 3:^eoI. „2ßaä bei anbern Seilten fogar ju fagen


©. 467 ff. für fd^mäl^Iic^ gilt, l^drt \i)x oon ben Äo»
*) ßinc Derein^cltc 3JJeimmg, ba^ bieg möbienbidötern i^si^r um '^ai)v an;" auö
gefc^et)en m5d)te, finbet ftc^ bei Spfiaö bem 3"f'i"^'"f"f)'>"9 erfjcllt, bafj eä fid>

(bei 2ltf)en XII, 76) bei 2lnla^ begÄinefia§: um Üerfpottung ber ©btter Ijanbett.
Sie ©riecfien unb il^re ©ötter. 119

fd^Ied)ten X^eatergefrfimacf e§ , benn er funfttoniert al§ (Sott roeüer, unb


2lnftop^ane§ tüäre teii^ genug geroefen, um für jenen ^ut)alt eine anbere
9JZa0!e gu fc^affen. @etad)t l^at mon über manche @öttermr)tE)en feit

§omer, aber t;ier ift SDiongfog ab fic^tlic^ mit eigentlicher <Bd)ma^ belaben,

man ftet)t im ©runbe nid^t marum. diejenige SSerflärung, roeld^e faft

gleicijeitig ®uripibe0 if)m in ben 33acd^en angebcil;en liefe, rairJt groar auf
ung ebenfalls raibrig, roenn aud^ in anberer 3Beife, allein ber @ott fott

tt)enigften§ oer^errlic^t unb nic^t in 'om ^ot gebogen roerben. ^omifc^


oon oiel größerer SBirfung ift bann bie Peripetie in ben „SSögeln"

(ä). 1520 ff.), wo bie ber Opfer beraubten ©ötter gu einer ©efanbtfrfiaft
an 2BoIfenfucfu(f§^eim unb beffen ©ebieter ^eiftt)etairo§ genötigt finb,

raätirenb if)nen ^romettieuS bei bem le^tern f(^on burc^ 58errat poor^
gefommen ift. S)ie 3lrt, wie ficf) biefe ©efanbtfd^aft — ^ofeibon, §erafle§

unb ein ^Eribatter^Öott gebärbet — (mobei ber le^tere ben StuSfd^Iag

gibt, ba bie beiben anbern uneinS finb), bie S^er^anblung über bie ©rb^
au§fi(^ten beim ^obe be§ ^^n§ unb fo oieleS anbere finb ^ü^t oon
einer foli^en ^eiterfeit, ba^ bo§ 2aä)tn bei ben 3uf(i)auern ben unenb=
lid^en ©fanbol mag übertönt l^aben. ^fieoretifd^ am fd^limmften fjat

2lriftop£)ane§ jebocb — erft gegen ßnbe feinet £eben§ — ben ©öttern


mitgefpielt im „^Iuto§". SBenn ^erme§ aU Jiungrig, al§ ^eljlgott,

SetrugSfc^ü^er unb ©inbred^er (lotxo^QvxsI) bet)anbelt roirb, fo mag bie§

alle§ nod) ai§> leiblich fd^erjljaft ^ingel^en; ha§> SBebenflidifte liegt in ber

33orau§fe^ung bei gangen StücfeS, bafe man bie ©ötter biSljer rein nur
um be§ irbifd^en 33efi^e§ miüen, meldten je^t ber fet)enb geworbene ©ott

be§ 9teict)tum§ Derleit)t, oere^rt l)ahe, unb bafe e§ nun mit i^rer 3}kc[}t

unb allen Opfern corbei fei, benn (fagt ber ©ftaoe Marion): „^t)r J)abt

f($led)t für un§ geforgt," b. f). al§> ©ötter eure ©ac^e biStier fd^Iedit

gemad)tO- 2In biefem gaben f)at bann fpäter Sucion emfig weiter»
gefponnen.
^n ber fogen. mittlem 5lomöbie, wet(^e feit bem IV. ;^a{)rt)unbert,

ebenfalls in 2Itt)en, bie alte ablöfte, na§m bie ©ötterpoffe, ben feJir ^a^U
reidjen überlieferten ^Titeln nad) gu urteilen, neben ber ©tänbefomif bie

breitefte ©teile ein. Dl)ne bie 3Jiad;t eines Slriftop^aneS getianb^abt, ift

^) ©inen tucitern %vtvtl i)at ber Sid^ter 3eugpriefter cingefül^rt, mit rcelc^em beut»
!aum Der£)üKt; 33. 1172 rcirb oorfid^tig ein lid^ Stu^ felber gemeint t[t.
j^20 Sleligion unb ^uftu§.

fie freiltd^ ein fe^r peifeltjofteg ©enre, unb mit her eroigen ®§luft be§
^erafleS u. bergt, fönnte man bie 3iif'^o"e^ ^^t ber B^it gelangroeilt

l^oben, ja fogar mit ben oielen ©rjeugungSgefd^i^ten üon ©öttern^).

Ser „2Imp£)itruo" beg ^lautug, ha§> einzige, nur in römifc^er Bearbeitung

erl^altene Bind biefer 3lrt, ift offenbar nac^ einem befonberS guten

Original gef^affen, unb man roirb immer mit ^ßergnügen lefen, roie

9)Zerfur ben ©ofiag üermöge ber ©ötterattraiffen^eit an feiner eigenen

^erfönlii^feit irre mac£)t unb il)m burc^ 9Jlitroiffen be§ ©efieimften beroeift,

er fei ©ofiaS. ®er 9teft, befonberS bie unoerfd^ulbete S3efd)ämung ber

Sllcumena, ift freiließ fe^r frerf)^). Uebrigeng roar bie mittlere ^omöbie
bereits nid)t met)r in bem ©inne eine öffentliche geftfeier, roie bie alte

unb roie bie 2::ragöbie geroefen roar, unb auc^ roenn i^re ^robu!te auf

uns gefommen roären, fo roürben ilire 2lu§fagen über bie ©ötter nid^t

mel;r baSfelbe @eroid)t I)aben.

^njroifrfien aber ^atU mit Spfanber bie aJtenfc|enüergötterung an»

gefangen, eines ber nac^benfUc^ften Symptome ber großen ^^^^i'üttung,

roelc^e mit bem peloponnefif^en Slriege über bie Station gefommen roar.
3JJit 2IIei-anber unb feinen erften ®iabod)en geroann fie bann eine roeitere

2lu§be()nung nid^t nur im Orient unb in Slegppten, fonbern §eitroeife aud)

in ^eHaS. 3)em S)emetrioS ^oUorfeteS ift, roa^rfi^einlic^ bei feinem

groeiten 21ufent^alt gu 2ltl)en, im Saläre 304 jenes geft(ieb') öffentlid)

gefungen roorben, in welchem ber ^ultuS biefeS neuen S)ionr)foS unb bie

©(eii^gültigfeit gegen bie übrigen ©ötter ungefd^eut burc^einanber geljen:

„©ru^ bir, (Sof)n beS geroaltigen ^ofeibon unb ber 2Ip^robite! benn bie

übrigen ©ötter finb entroeber roeit fort, ober ^aben feine Dfiren, ober

finb gar nic^t oort)anben, ober fümmern fid; feinen 2)eut um unS; bid^

aber fef)en roir, nic^t oon ^olj ober ©tein, fonbern roirflid; unb bringen
bir $ßeret)rung! ..." ©eutlid) flingt Ijier eine Seijre (gpifurS mit, roir

üerjid)ten aber auf bie Erörterung ber oerfc^iebenen ©otteSbegriffe bei

ben ^t)iIofopI)en, um unS bloB an baS ju tialten, roaS atS 3)ieinung im


täglicfien ^eben geäußert roerben mod)te.

^) ©ubocia S3ioIar. 984, aug^efpd^iog. baö Urbilb be§ „2lmpl^itruo" e^er l^ier ju

-) "üiidj bie fogcn. .ötlarotragöbie ber fuc^en roäre.


unteritalifc^en ®necf)en[täbtc roar @ötter= 3) Scrg!, Anthol. lyr. p. 538.
unb §eroenpoffc, unb eö ift möglich , baf?
S)ic ©riechen unb i^re ©ötter. 121

©d^on §tüei 3)?enfc^enalter früher gibt ^(ato ') eine 3lrt ©tatiftif be§

Unglauben!! feiner ^eit in brei J^ategorien oon Seuten: ©ol(^en, raeld;e

glouben, eS gebe überl;aupt feine ©ötter, — bann: e§ gebe jroar folc^e,

fie flimmerten fid^ aber nic{)t§ um bie menf(^lid)en ®inge, — enblid^:

e§ gebe folcfie unb fie flimmerten fic^ um biefe Singe, feien aber leicht

ju befted^en burd^ Opfer unb 2Inrufungen. ©er erftgenannten feien ftetS

mancfie ober wenigere oorljanben; bod^ fiabe feiner, ber biefer 3lnfic^t in

ber :3ugenb angefiangen, fie bi§ in§ 2Ilter feftge^alten. 9}leinungen ber

jraeiten unb brüten 2trt bef)aupteten fic^, menn aud^ ni(^t bei oielen,

bod^ bei einigen. Man rairb f)ierau3 bie ©tärfe ober ©c^mäc^e be§ alten
©laubeng nod^ nic^t beutlic^ erraten fönnen; ein oiel merfroürbigereS

retigion§gefc^i(^tIid^e§ 3^aftum jener B^^ten ift ^lato felber, unb graar

nid^t ai§> ^l)ilofopl^, fonbern al§> Utopift. Sie oon il)m fo l^eftig an»

gefeinbeten ©opl)iften meinten, wie ÄritiaS, bie S^eligionen feien (grfin»

bungen fluger Seute^); mag ift t§> aber fo oiel anbereS mit berjenigen
9ieligion, meldte ^lato felber fc^on im 33ud^e oom „©taat" für bie

eoentueHen Bürger biefe^ merfroürbigen ©emeinraefen^ au§ ^olitif unb


3n)edlmäBigfeit surecf)t mad;t? oljue bie geringfte ©arontie, ba§ er felber

baran glaubte? S^iur bie oöllige UnfcE)ulb, mit ber er fi^reibt, rechtfertigt

i^n, inbem ja fein SBerf feine ©ef)eimfc^rift fein fottte. 2ll0 ©rünber
eine§ ^i^ealftaateg ift er notmenbig Dptimift unb mu^ einen guten ©ott

poftulieren, ber nii^t Url)eber bei UebeB^) fein fann. Unb nun gebenft

er feine Utopen oollftänbig abpfperren gegen ha^ gro^e 9iäfonnement,


meldlieg bamalS nic^t nur im 3)iunbe ber S)id)ter lebte (de re p. III, 5),

fonbern auf allen ©äffen f)erumlief: oom ©lud ber 33öfen, oom 9iu|en

ber unentbedt gebliebenen Ungered;tigfeit u. f. m.; „bie 33öfen feien im


©egenteil unglüdlic^, aber i^re 3üc^tigung erfolge ju i^rem heften."

Md^t nur auf §omer unb ^efiob, fonbern aud^ auf 2lefc^i;lu§ werben
Ijeftigc 2lngriffe gemad^l (II, 18 {unb 21), raeil fie g^einbfc^aften unb

1) ^ßfato, de legg. X, p. 888. f)anpi, umfaßt xaxd forao^I ba§ Ungtücf


^) Siefe öfter oon neuem auftaucfienbe alä ba§ Söfe; über bie iebeömalige Seu=
SCnfid^t üon ©icero befiniert, de nat. deor. tung lüirb — iöd niöglid^ — nad^ bem 3"=
I, 42. fammenl)ang enlfcbieben, Slnalog Derl^äft
^) §ier, raic bei ben ©ried^en übers e^ fid& mit äyad-ü.
122 3^eligion unb ^ultuS.

93erbre(^en, Sügen unb Xüdtn ber ©ötter gemelbet ^). (Sr üerlangt einen

in biefer Slbfid^t faftrierten §omer (II, 17; III, 1 ixßlrjiicv — iialiiipaifAfv

— Siayqmpm^tv) uub und ben ©öttem nic^t einmal meiir ba§ Sad^en

gönnen (III^ 3), weil mon überljaupt nicftt lacfiluftig fein fott. @r
proteftiert fcf)on gegen bie SSerroanbtungen ber ©ötter, inbem gur gött=

liefen 3SoIIfommen^eit bie Unoeränbertic^feit gef)öre. 2tuc^ roenn bie 33et*

brechen ber ©ötter voa^x fein follten (II, 17), fo bürfte man fie boc^

nie ber ^i^Ö^^^^ erjäljlen unb im ©taate ^^latoS überfiaupt nid)t. 2)a§

Komplement ^u biefem allem ift nun ba§ ^^«f^^tg, üon roeli^em er fo

gerne rebet roie 9}iol;ammeb ''^).


Um tapfere 2Ränner p bilben, tauge

nic^t ba§ trübe (Ijomerifc^e) allgemeine ©diattenleben mit ©tijj, 6ocr)tu§

unb bergleidien 3lnfcl)auungen, meiere ber 3::obe0üeracE)tung nur fdiäbtic^

fein fönnten (III, 1, 2); ftatt beffen oerfünbet er (roenn aud^ burcl) ben

9Jiunb anberer, g. 33. X, 12 ff.) 2^otengerid)t , §öQe, ^^egefeuer unb


Fimmel, aucfi Seelenroanberung für bie 33öfen unb für bie ©Uten; unb
für feinen 3"^öng§ftaat mögen iljm biefe £et;ren gur SSottenbung ber

Unterroürfigfeit unentbeljrlic^ gefcl;ienen l)aben. ®0 ift fc^on erftaunlid^

genug, ba^ ^lato alle§ ®rnfte§ bie 3]ermir!licE)ung feinet ©taatS» ober

©efeEfc^aftgibea(§ für möglich gelialten Ijat ; uor unfern 3lugen oerfertigt


er aber auc^ nod) bie liieju paffenbe 9ieligion. 9Zic^t ba^ nidit jeber

onbere I;errfc^begierige ©rieclie bergleidien ebenfalls unb nod) oiel meljr

getan liaben mürbe, fobalb eine rairflic^e 2lu§fic^t auf ©rünbung uon
§errfcE)aften oorl)anben mar; nur faljen eben bie anbern ein, 'Qa'^ ba§
rairllidie ©riecl)enlanb be§ IV. ^al^ljunberts o. (£l)r. für einen fünftlic^en
©taat unb ©lauben nid^t §u Ijaben fein möd^te, unb "tiCi^ il)re 2lu§beutung
be§ 3iift^^^^^/ "^i^ ^^ war, fie ficlierer näl)re.

grägt man, roaä jur ßeit be§ freien ©riec^enlanbS im ^sol! an ben
©Ottern befonberS auSgefe^t mürbe, fo fd)eint bie§, roie fc^on bemerft,

bag ©lud ber Söfen unb ba§ Unglüd ber ©uten geroefen ju fein,

roenigftenö ift bei ben ©iditern, melclie am elieften baS oUgemeine ©efü^l
vertreten unb oielen oerftänblid^ fein motten, l)ieüon oft unb nad^brüdlid)

') 2Iuf ?piato berief ftd} bann tu ber 1 legg. X, p. 904, ©orgiog p. 523, lüo auc^

(5=orge (Eaügula, als er ben ^omer über= (Sioigfeit ber .s>öD(en[trafen Dorlommt, bann
]

t)aupt Dertilgen luoUte. ©ueton, tSalig. 34. befonberö ben ^I)äbon.


j

2) De re p. III, 1 unb 2. l^ergl. de I


Sie ©riechen unb if;re ©ötter. 123

bie 9iebe. Unb bie§ bebeutet um fo oiel tnel^r, ha bie SSorau^fe^ung


einer aagemeinen Sßeltregierung ber ©ötter pgleic^ e^er im SBac^fen mar.
f^rü^er ftraften (ober rärfiten etgentlid)) einjelne ©ott^etten befummle gegen
fie ober iljre Heiligtümer u. f. xo. begangene 33eleibigungen; je^t wirb öon
ben ©Ottern ober oon ber ©ottJieit ober oon 3eu§ al§ attgemeinem
©upptementargott überhaupt tin eingriff in0 2«enfd^enleben erraartet,
QU($ raenn fie ni^t perfönlic^ beteiligt finb. Söobei oorläufig ba£)in«
geftettt fein mag, roie roeit bie ©ötter im eingelnen ^aU, befonberg raenn
eg fid^ um Seben unb ^ob ^anbelt, gegen ha^^ ©c^idfal auffommen fönnen.
2lber mit ber 3una^me ber SBeltregierung mäc^ft burc^ouS nid^t bie
göttltd^e ©erec^tigfeit. ®ie naioe alte Seigre, raie fie noc| ^efiob in ben
,,2Berfen unb ^ogen" (33. 223 ff.) geprebigt IjatU, oom ©otte^Io^n auf
©rben, oom 2Bot;Ierge^en ber ©erecfjten mag roenig ©tauben me^r ge=
funben Jiaben^). 2:£;eognig (jur Beit ber ^erferfriege), ber freili^ gegen
fein eigene! ©efcf)i^ oiet ju ftagen l)at unb oom SSalten ber ©ötter
überhaupt nic^t erbaut ift, fragt metirmal! (33. 373, 731, 743 ben
ff.)
3eu§ an megen beg ©lücfe! unb ber ©traflofigfeit ber ^reoler unb bittet
bann, raenn bie ©träfe fomme, möge fie roenigften§ nic^t erft bie ^inber
\taii ber fd^ulbigen eitern treffen '). Sei ben ^ragifern ift bann bie 2ruf=
fommlung beg ^luä)t§> eine! ganjen ^aufeg ouf ein eingigeS, me^r m-
gtücflic^e! al§ freolerifd^eS ^aupt ein! ber mäc^tigften 9)btioe; bie ©ötter
aber finb in i^rer Se^nblung ber 2)Zenfd^en, wie oben gezeigt morben,
äuBerft ungleit^, unb bie Siebter laffen fie bieg entgelten, ^n jenem
(21.) Fragment be§ euripibeifc^en Seüeroplionteg, rao jemanb bie ©ötter
leugnet, rairb fofort bamit e^-empliert, ha^ ein Tyrann mit 2«orb, a>er:=

mögen^raub, aJJeineib unb ^lünberung oon ©tobten glücflii^er lebe alg


bie frommen, unb baB f leine, bie ©ötter e^renbe ©täbte oon großem
unb gottlofern burc^ ftärfere SBaffenmad^t überwältigt ju werben pflegten.
SlnberSrao rairb hti Slnlafe be§ ©lüclcS ber Söfen gefragt, ob ©c^itffal
ober ©ott^eit bie mit regiere? ja, ob c§ überl)aupt ©ötter gebe? —
?Iato gibt tf)r ben legten ©to^, „3^ic^tg ift Don feiten ber ©ottl^eit ien
de re p. II, 6. Xod) prieS noc^ ©uriptbeS ©terblid^en beftimmt jugefd^ieben, auc^ nic^t
am ©c^Iuffe beg ^on bog fc^Iie^üc^e Jßof)I* 2ßeg unb SBeife, raomit man ben ©ottern
ergef)en ber ©uten unb Ueßelbefinben ber gefaüen fann." ®icfe ©ötter aber ^aben
33ö[en. bei Sfjeognig in l^ol^em ©rabe bie SRenfd^cni
^) 2luf!erbembefonbergrotc]^ltgS>.381: fc^idfale in il^ren §änben.
124 Sieligion unb ÄuUuä.

2Bot)l f)ei§t e!o bann roieber bei bemfelben (Suripibe^ ^), roer ha meine,

33öfc§ tun gu !önnen, oljne boB e§ bie ©ötter merfen, ber irre fid) unb
werbe einmal ob folc^em 3)ieinen erroifcfit werben, aber nur: „wenn S)ife
(jerabe 3^^^ 1)^^." ©o unb äl^nlic^ wec^fetn SSerl^errlicfiung unb ^ritif

ber @öttergered)tigfeit burd) ba§ ganje Stltertum. Tle\)xmaU mag fid)

eine ^^eobicee aufgerafft l;aben^), unb ben 2Biberf)alI fiieuon oernetjmen

wir uielleic^t noc^ in ber merfwürbigen ©c^rift be0 ^lutarc^ „$ßon ber

fpäten ©träfe ber ©ottlieit" ^). ßunädift ertönen bie allgemeinen unb
fc^on alten klagen: ba^ bie 9)iül)len ber ©ötter tangfam maljlen; einem

S^erle^ten, ber meift fd)on tot, ja beffen ?iad)fommenf($aft untergegangen

fei, Ijelfe bie göttli^e Seftrofung be^ @egncr§ nic^t§ mei)r. Slllein biefem
gegenüber wirb ein grö&erer prooibentieller 3i^fömmen(;ang ber 2)inge

biefer SBelt geltenb gemacht. ©§ gebe grojse DIaturen, weldje juerft übel

©eroalt üben, bann aber rettenbe 2:^aten ooHbringen ; aui^ Söfe würben
gef(^ont, weil fie cor i^rer 33eftrafung noc^ 9]ü^lid)e§ tun muffen. 3)ionpfio§
i)ai weiter geiierrfc^t, bamit in ©i§ilien überl;aupt noc^ Hellenen fid) gegen
bie ^arttjager beljaupteten, — ^erionber, bamit e§ IjeHenifc^e i^olonien

im abriatift^en 9}ieer gebe, — ^affanber, bomit 2^^eben wieber auferftel)e,

u. f. w. gerner geljen manche Söfe, ftatt frül; unb plö^lii^ umsufommen,


fpäter an langfamer ©träfe unter, wobei auc^ ilirer ©orgen unb ©eeten*
quälen ju gebenfen fei. 3Hit anbern SBorten: e§ fann gro^e 2lufgaben
geben ober bod) foldie, beren folgen für ben jebeSmal ©pred;enben unb

feine 3^it fegenSreid) geworben finb, unb weld^e bod^ fein ©uter auf fic^

nel)men barf. Slu^erbem aber näl)ert man fic^ mit ^lutard^ einer 3^^*,
ba auc^ ba§ ^eibentum \iä) immer ftär!er unb forgennoQer mit einer

3Sergeltung im ^enfeitg befd)äftigte, weldie nic^t mefjr auf wenige gro^e


fromme unb gro^e '^erbrec^er befc^ränlt, fonbern eine allgemeine wäre.
^aufaniaS •*) gegenüber ber SSerberbniS, weldie fic| über ben ganjen ©rb^
frei^ üerbreite, erwartet bie göttlid)e SSergeltung erft nac^ bem '3:^obe,

aber offenbar al§ felbftüerftänblii^ unb allgemein.

') ^f)nED§ fragm. 8. beg ©eneca De j^rovidentia, im ©inne


-) ©0 [d^on in ber (ilegic be8 ©olon eines big in§ faum mcl)r möglicfje uer-
$ß. 17. 29. 75, Sergf, AutUol. lyr. p. 15 ff. tretenen ©toijigmug.
^) De sera numinis vindicta nad) bem *) Xsau\m. VII], 2, 2.

Tateinifcljen Sottet. 6obann bie fleine ©d)rift


Sie ©ricd^en unb il^re ®ötter. 125

SBenn ü6rtgcn§ oon ben ©öttern bie {)öd^ftc ©erec^tigfeit oerlangt

unb bereit 2lu§bteiben getabelt rcurbe, jo Ijätte man i^nen auä) bie 2ltt»

madjt gufd^reiben muffen. 2Bie bebingt nun biefelbe mar, ift fd)on mel^r»
maU angebeutet morben; allein bie ©ried^en t)atten ou^erbem (offenbar
üon ber frütjeften ^tit an) eine gro^e ©runbübergeugung, meldie ba§
Sßalten ber ©ötter bi§ auf ein fef)r 9Benige§ einfc^ränfen !onntc: ben
©lauben an ba§ 3Ser^ängni!§, bie 9)?oira^).

S)ie mä(^tige 5ßorQU§fe|ung oom ©i^icffal, welche in ii)rem weiten

Umfang bie gange grage ber menfdiHdjen 2ßillen§freil;eit mit fii^ fü^rt,

befi^t bei ben ©ried^en eine alte populäre ©eftalt, unb t)oIIenb§ fo, Töie

ha§> ®pog biefelbe ausgeprägt, l)aben fte fii^ i§r nie met)r oöUig ent»

gießen fönnen ober motten. 2tuf bie größten ^nfonfequenjen aber muffen

mir ^ier oon aöem 2lnfang an gefaxt fein: bie ©ötter mareu üort)anben
unb liefen fid^ üietteidit erbitten, baS ©d^icffal bagegen mar unerbittlich.

9Bie aber, wenn bie ©ötter f eiber bem ©c^idfat untermorfen roaren?
Sitter ^oltjt^eiSmuS i)ot fcf)on t)on ^aufe au§ lei^t einen gataliSmuS
gur ©eite. ©eine ©ingelgötter, mie reid) auc^ ba§ Silb i^rer Tlaä)t
auSgeftattet fei, fönnen boc^ i§re SBaltung nic^t über ha§ ©ange ber
©rbenbinge ausbreiten, unb e§ werben graifi^en il)ren 3}Zad)tfppren gro^e
Süden bleiben für eine attgemeinere ©emalt, möge fie 3Serl)ängniS ober
3ufatt liei^en. ©ang befonberS aber gilt bie§ öon ben ©Ottern ^omerS,
beren 2:;un ja immer nur gelegentlich cor fid^ gel^t; biefe nur i^rem ©lud
unb il)ren Seibenf^aften lebenben SBefen fonnte man unmöglich für ein*
ge^enbe SBeltregierung in Slnfprud^ nelimen, unb menn eine fpätere 2ln=

fd^auung il)nen eine etroaS attgemeinere ^errfc^aft gufd^rieb, fo blieb ba«


neben bie alte 3)ieinung in ooHer ^raft.
2luc^ bie fc^önfte ^bealität ber ©ötter beS @po§ ift unb bleibt un»
trennbar oerfnüpft mit it;rer 9)?enfc|licl)!eit, unb biefe mit einer menfd^lic^en
33efd^ränft^eit. ^t^x eingigeS großes ^ouptprioileg ift im ©runbe iljr

9üd)taltern unb il)r 9fiicf)tfterben. ^l)re (Sinfid)t unb il;r 9Sitte reichen

SJiefer ganje ©egenftanb ift um- rceidjenbe mitjuteilen fein. %üv bie oer«

ftänblid) unb meifterl;aft 6ef)anbe(t oon fc^iebenen aiuSbrücfe unb il)rc jum SCeil

JfägeBßac^, in ber „^omerifd^en" unb in fctircanfenbe Sebeutung ift uiJUig auf 9?ägelö=
ber „3tac]^I^Dmerifc|)en2;£)eoIogic"; boci) rairb bad^ 5u öerraeifen.
i^ier in Äürje noc^ einiget 9ieue unb 2(6=
126 SReligion unb Äultu§.

nid^t t)in, um bte 2BeIt — fei e§ in 'Btüd^ ober in 2Birfung§!reife oer«

teilt — tt)atjr(;aft gu leiten, ©ie fönnen in ber Siegel tun, raa§ fie ge=

lüftet, unb erfreuen fic^ §aI)Ilofer Eingriffe in bie 9ktur unb ba§ 9)ienfd^en=

leben; man möge fie aber alle sufammen fonfret uorftetten mit iliren

2Befen§gegenfä^en unb perfönlii^en ^einbfc^aften, unb man wirb il;nen nur


eine fet)r jroeifel^afte ©efamtmac^t gutrauen. 3)a§ Stecht ber SBeltregierung

ma^en fie firf) aUerbingg an; nac^ jener ^fieorie ^ofeibon§^) get)örten

i!)m bie ©emäffer, bem 2libe§ bie Untermelt, bem 3^1^^ ^^^ 2IetI)er, bie

@rbe aber unb ber Dlympog finb Slllen, nämli(^ atten ©öttern überljaupt

gemeinfam, unb bamit aud^ ha§> aUfeitige unb bunte ^ineinregieren in ba»

Seben ber ©terblid^en.


33on berfelben ant^ropomorpfjiftif($en 21u§bilbung ift e§ bann nur
eine raeitere ^onfequeng, ba^ bie ©ötter felber üom ©d^idfal abljängen

unb it)m in if)ren eigenen 2tngelegenl;eiten nic^t entrinnen fönnen. SDie

grage, mel(j^e mir l)iebei gerne beantwortet fäiien, ge^t nur auf ba§ Sllter

biefer 9JZeinung: ift biefelbe eine urfprünglidje? ober erft eine fpäte mit

Serou^tfein gezogene Folgerung, a(§ bie ©ötter ben 9JJenf($en bereit» fo

ä^nlid) fal;en, ba^ fie aud^ bereu ©d^i(ifaI§üorau§fe|ungen fd^ienen teilen

gu muffen? 2Iu§ ber ^fieogonie, unb jmar gemi^ fc^on lange oor ^efiob,

TOU^te man überbieg, ba^ ganje Generationen oon ©öttern Ijatten ge«

ftürjt merben fönnen, unb ha'^ anä) bem ^m§^ no(^ jeitmeife furc^tbore

Gefahren broljten.

S)er 2lu§brud für biefe 2lbf)ängigfeit ber ©ötter oon einem äöillen,

ber au^er itjuen liegt unb nac^ melc^em fie it)r 3Serl;aIten einzurichten

Ijaben, ift furj biefer: e§ fei i^nen biefe^ unb biefe§ beftimmt, aucb ge»

meiefagt geroefen, oon wem, erfährt man in ber Siegel nic^t: ba§ Sil)icf='

fal bleibt Ijier anom;m. Sag beutlidjfte 33eifpiel ift bie 23ebro[)ung, unter

melcfier 3eu§ lebt: au§ einem beftimmten @t)ebünbnig (mit 9Jteti§, mit

'3:;^eti§) mürbe er einen ©tärfern erzeugen unb oon biefem geftürjt merben.

<Sobann fönnen bie ©ötter ju il)rem bittern Seibwefen iljre ©üuftlinge

nid)t Dor bem Xobealo^ retten^); ^en§> mufi feinen ©otju ©arpebon unter»
gcljen feljen unb 2lpt)robite ben geliebten S)apt)ni§^). Unrettbar geworbene

>) 31. XV, 185 ff.


*) 3^"^ ireisfagt £arpct>on§ 2:Db. ^l.

-) hierüber fe^r beftimmt Sltfjene als XV, 67. lieber 25apOniö Sf^eofrit 1, 139.

gjJentor, Dbpff. III, 236.


SDie ©ried^en itnb if)re ©ötter. 127

©(^ü^Itnge, rate 3. 33. §eftor ^), raerben fd^maiiiüoll aufgegeben, unb 2ltt)ene

barf bann noc^ ben Untergang ber ^rtamtben mit §ilfe nieberträditiger

^äufifiung beförbern. Sann i)at fid^ noc^ in üöUig liiftorifrfier 3^^^

^r)tt)ia gegenüber ben SSorroürfen be§ geftürjten ^röfoiS ba^in auSgefprod^en:


bem oorbeftimmten ^erf)ängni§ gu entgel)en fei felbft für einen @ott un*
möglid^, unb für ^röfo§ 'i)ah^ SlpoHon bei ben ©(iiicffalsfd^roeftern rcenigften^
ba§ 9)Jöglid)fte getan, um beffen ©tur§ ju üergögern^).
lieber bie 2)Joira be§ 9)? enfc^en lebend finb bei 2InlaB ber ^ra=
göbie von 9^euern feljr ()0^e SBorte gema(^t raorben: bicfelbe fei eine

fittlicfie a)Za^t, roelcEie bie 2Biberfprü(|e unb @egenfä|c in ben menfc^lid)en

©ingen mit er!)abener ©erei^tigfeit au§glei(^e, j^reii)eit unb Diotroenbig'

!eit oerföf)ne unb bem anfpruc£)§üoIIen (Sinjelraitten gegenüber ba§ aU'

gemeine @efe| geltenb macfie^). SSon biefem allem Ijaben bie ©riei^en
nicE)t§ gemußt. S)aB fic^ auf ber tragifc^en ©gene ba§ ©d)i(ffal mit bem
^un be§ 9}2enfcE)en üerflid^t, üerftet;t fic^ öon felbft, aber fittlid) gepriefen

ober üer!lärt i)at man bie§ ©(^idfal niemaliS. @§ ift nid;tg anbereg al§

eine t)on allem beraubten SBiden unabljängige ^fJotroenbigfeit ber Singe,


möge fie aU üereingelte S^atfai^e ober aU ein 3fiepg oom 33eginn ber

SBelt an aufgefaßt fein, je nac^bem ^olt ober weiter SDenfenbe baoon


reben. ®iefe Tloixa ift feine ^erfön(i(^feit, xüol)l aber ift fie eine ah>

fohlte Tlad)t, unb ^m^ ift feine — menn er nid)t burc^ einen fpätern

monot^eiftifdien 2luffi^roung baju umgebilbet wirb.

Sie ©Otter finb nun für bie 9)ienfc^en moljt ©eber ber ©aben, bie

man f)iefür §u erbitten f)offt, aüein fie finb nii^t 3tbiüenber be§ ©c^icffalg *).

^reitidj oor ber furchtbaren erfannten 2öaf)rl;eit flüd)ten meidje ©emüter


immer raieber gu ben Slltären unb jule^t fogar gu ben Sef djroörern ; man
Ijofft bei beftimmtem Stnla^ bie einzelne gad)gottf)eit ober irgenb ein

göttliches Söefen fo gu ftimmen, ba§ fogar bem ©(^idfal (Sinfialt getan

roerbe. 2Ittein bie» finb nur feljr erflärlidie ^nfonfequensen. — ®aß

1) 31. XXir, 167 ff.


^) Sieä atleä trefflid^ äuvücfgeraiefen
-) §erobot I, 91. — ©anj ebenfo Don 9Mge(§5ad), 9tad)f)om. S^fieof. ©. 481.
beutlid^ bie SBorte be§ ^rometl^euS über *) S)er fpäter üorfommenbe Hult oon
Seug, 2tefcf)i)I. ^;prom. 524. — S5eröl. ben {ftol dnoTQonatoi voax ein geheimer unb
©prucf) be§ ^ittafoä: ch'dyxa d'oi'di 3toi fporabifd^er unb Snc^c Don Sefdjraörern.
/.ui^ofTai, ©tog. Saei't. I, 4, 4. Sa§ ©injelne f^ierüber ift oöEig im Sunfel
geblieben.
128 Sf^eligion unb Äultug.

naä) einem fcfion alten ©prarfjgebraud^ ba§ <B<S)\ä\al felber oft ©ärnon
l;ei§t, üerleif)t il)m tatföc^Iic^ nod^ feine ^erfönlicf)feit unb feine ©öttlicf)feit.

®§ ift ju oermuten, ba§ urfprünglid^ mit ber Tloixa nur bog ©e»
burtlfrf)i(ffal unb ba§ 2:'obeg[d)i(ffal be§ einjelnen 9)ienf^en gemeint mar,

Ie|tere§ fogar nur in begug auf 3cit unb ©tunbe^); bann erft möchte
j^injugefonimen [ein Urfoc^e unb 2Irt bei %oht§, unb erft bei weiterer

©ntroidflung bei ^enfenl bal ganje ©c^idfal bei ©injelnen oon ber @e«
burt an, ja auc^ fein ^anbeln, bil enblicf) ber ganje Sauf ber SSelt über='

fiaupt all öom ©rfiidfal gegeben betracEitet mürbe, freiließ nur fo meit,

all jebelmol bie ^onfequens reid^te. ^n ber 35olflanfrf)auung ift ber

menfrfilic^e Söille balb meiir frei, balb mef)r gebunben, raobei au§er bem
©i^idfal aud) ©inroirfungen unb (Singebungen oon ©öttern unb SDämonen
ooraulgefe^t werben, ^nht^ t)aben bie ©riedjen ficfi nie einen 2lugen»

blicf befonnen, jeben für fein 2::un oerontmortlirf) §u machen unb banac^

§u beJ)anbeIn. S)er flaffifd^e 2lulbru(J ^iefür ift bie befannte 2lnefbote ^)

üom biebifc^en ©flaoen, meldjer geltenb machen wollte, if)m fei oom
©dlidfal beftimmt geroefen gu ftetjlen, unb jum 33ef(^eibe erl)ielt: ja, aber

auc^ ©erläge ju befommen! — 'i^a§^ ©trafre(^t mag fiel) umroanbeln in


ein ©traffatum. ®ie S^ragöbie fpric^t balfelbe auf il;re SBeife aul:
^(gtämneftra, oom ©of)n mit bem 2^obe bebro^t, fagt über it)ren ©atten»
morb: bie 9JJoira Ijat el fo oerfiängt! — aber Dreftel antroortet: bie

SJJoira bereitete auc^ biefe beine ^Tötung^)! — ®o(^ miffen bie 2)idjter,

ba^ fic^ oud^ etwa ber oerbrec^erifc^e SSiüe für bal ©(^idfal aulgibt*).

3n einer großen 9ieif)e oon ©diattierungen §eigt fid) nun bie ^err=

fd^aft ber SJJoiro über bal ©rbenleben teill rein, teill burd^. ©ötter'

SBoneben bie Ki^) baä befonbere ben SDIoiren bie eigentUd^e ©eburtögöttin
2obe§fc^tc!faI, bie ^^obegart beäeidjnet. (S"ileit^i;ia unb bann notf) ber Siatfc^Iujj

2)a^ unjä^Iige a:^PH" tnbeni'üften fcEiroefien beö ^^u§ fonturrieren. ©ileit^t)ia über=
unb auf bie 3)?enfc^ert lauern, ift eine fpäte l^aupt ald ibentifd) mit bem Sc^idfal (^epro«
poetifcf)e{5iftion. StpoUon. 9{t)ob. Strgonaut. mene), älter alä Ärono^, aud^ al<3 Diutter
IV, 1663. — 33ei 3Jiimnennoö ftef)en jroei be§ @rog, bei ben ältcften ö^mnenbicbtern
bunfte ileren neben bem 5DJenfc^en, bie be§ laut ^ßaufan. VIII, 21, 2 unb IX, 27. 2.

2l(terä unb bie bes Xobeg. «ergf, Anthol. •')


II. a. bei 3^iog. Sacrt. VII, 23, im
lyr. p. 9, im 2. Jragment. — %üx baä 3JJunbe beö ©toiferä ßenon.
Öeburtäfdiidfal in ben .^»änben ber 3)Joiren '')
3(efd)i;l. Gljoepl;. 908.
ber bejeid)nenbe 2)li)t[)U5 oon ben 2Be^en *) (gurip. ^J3Jebea 1164.
ber 3llfmcne ('Jlntonin i'ibcral. 29), roo mit
3)ie ©riechen unb i^re ©ötler. 129

einmifd^ungen bebingt. Sie allgemeinere $öorau§fe|ung ift ba^^ erftere. ^n


ber 3Irgonautenta{)rt (bei 2tpoüobor) ift aUeä ©iu^elne oorbeftimnit (XQ^oh),

fo 5. ^., baB entroeber ^arpt)ien ober ^oreaben untergeben muffen, bafe


bie ©pmplegabenfelfen ftiüe flehen, fobalb ba§ erfte ©d^iff glüdlid) ^in»
burdigefatjren u. f. ra. Seu 3}cauern beS früljern ^lion mar beftimmt,
bereinft im geuer unterjugetjen, menn ein ©terbli(^er boran mitbaue,
roe^balb benn bie göttlichen 33auleute '^sofeibon unb 2lpolIon fic§ ben
SteafoS beigefeHen '). Sturf) Orafel, roo fie bei fotc^en 2(nläffen üorfommen,
fünben eigentlich ben SöiHen be§ ©djictfalf^ nicfjt ben ber ©ötter, unb
roenn Stpotlon „be§ ^tn§> untrüglii^en 9iatfcbluB" ausfpric^t, fo ift bie§,

TOenigftenS für bie ^dt be^ Spo§, nic^t oiel mei)r ate eine roertlofe 9tebenl=»

art, inbem bie bamalige mirfli^e .^itftofigfeit be§ 3^"^ üor bem ©d)ic!fat
oiel 5u gut befannt ift. Stud^ roirb merfroürbigermeife im tiomerif^en
^i;mnu§ auf 2lpolIon sraeimal (SS. 252 unb 292) nur ber 9iatfc^IuB ge=

nannt unb ^m^ rceggelaffen. — )Son ben oc^idfal^befi^eiben be§ Orafel^


üon ®etpt)i finb bie meiften fonbitionell, unb jmar in fo bunfler Söeife,
ha^ xi)x ©inn erft narf) ber ßrfüQung flar roirb, nac^bem ber ©eroarnte
ba§ 33erberb(idje bennod) getan I)at^); mog e§ nun auc§ ein ©ott fein,

roelc^er fpric^t, fo glei($en folc^e ©prüdje bod^ e^er einem bloßen ©djidfal.
Ser fonfetiuenten 2lnfi(^t infolge fönnen bie ©ötter nid)t töten, nur
rerroanbeln, unb bie§ fann eine ©träfe ober S^ac^e^), aber auc^ eine

©unft unb ^tettung fein, ^n einer unoergleidjlic^ merfroürbigen ©age


(u. 0. bei StpoHobor) ift ^^u§: gerabe ftarf genug, um bem ©djidfale,
TOeldieg fid) roegen jroeier 3:iere oöttig oerfafiren f)at, au§ ber ißerlegen^eit
jul;elfen; bem tbebanifcfien guc^§ roar üorf)er beftimmt, baß ilju niemanb
fangen fönne, bem §unbe be§ 2lt()ener§ 5leptja(o§ aber, baß er alle§

fange, roa§ er oerfolge, unb a(§ ber ^gunb ben gu($§ «erfolgte, oerroanbelte

3feu§ beibe in ©tein*). ?^erner fönnen bie ©ötler hm ©ntfciieib geben

^inbar DI. VIII, 40. roorauf er jene in 58ögel oerroanbelt. äln^


2) ©0 3. 33. ^erobot IV, 161 tonin. Stb. 19.
^) Seu§ iDitt ä. 33. Dier Siebe, roetöie *) 2)a§ ©nbe beö 2tmpf)iaraDg ift offen*
in feiner 6eOurt5f)ö^(e auf Äreta ben öonig bar fo äu oerftefien, bafe aud) Q^u§ ba^felbc
ber fieiligen 33ienen ftat)Ien, mit bem 33ti^= nid)t Deräogern, raoI)t aber hie @rbe fpalten
ftraf)! serfc^mettern; aber bie 3}?oiren unb fann, in melc^er 2(mp^iarao'3 famt 33}agen
2'l^emig niedren eg i^m, roeil e§ nic^t er* unb Senfer oerfdjtoinbet ; f|ier unten rcaltet

laubt (offior) fei, bo^ bort jemanb fterbe. er bann al§ »erflärter £ielb unb ^ropl^et.
3. Surd^acbt, ©riec^ifc^e fiulturfleft^ic^te II. 9
:

130 3leligion imb ÄiiltuS.

Ijelfeii, roemi uom ©djirffal beftimmt i\t, baB dou 3iueien ®ine^ fterbe:

2lpo^on üerl;anbelt mit ben 9Jioiren, bannt bcr bem %ohz oerfadene
2(bmetoic jemanb ftatt feiner [teilen bürfe, unb bie ©cmaljtin weiljt ficf)

für iljn beni ^obe, -roobei einbebungen wirb, ha^ nnn 2Ibmeto§ noc^

ebenfo lange 311 leben l^abe, ol^ fein bi§l;er{ge§ 2thtn gebanert Ijat^).

S)en reinfien StuSbrud ber ed)ten Slnfid^t geroät)rt bann bie ©rjätilung
von ber 2Bage be§ 3^^^^ i^^^ ad)ten ©efang ber ^liaS^), too gegenüber
vom 3:^reiben ber (Sötter bag ©c^icffal überljaupt entf(f)ieben aU ©ebieter

l^ingeftellt lüirb; ber einzige 23orteiI be§ Q^u?> ift, ba^ er eg mit feiner

SBage erfunben !ann; in tf)re Sd)alen legt er groei Sobe^Iofe, fiet)t

gu, meldte finft — e§ ift bie ber 3{(^äer — unb muB bann biefem @nt=
fdieib u. a. hnvä) ein befonbereS Söunber (eine ©djmefelftamme gegen ben

äßagen ©iomebs unb 9Zeftor^) 9kd)ad)tung oerfdjaffen. ©obann üermögen


bie ©Otter ba», raa§ — otjue itjr 3"tun — oerf)ängt unb beftimmt, moi)t
aber i^nen befannt ift, ben 3Jienf(^en üorou§ ju oerfünben {rrQofftjpaufir)
hixxä) 33orjeidjen aller 3lrt^), roobei bie ©terblidien, gerabe roie bei ber

Oro!elbefragung, nid)t troffen, bas «Sdjidfal ju beftimmen*), fonbern nur


e§ §u erfatjren roünfdien, roenn aud) nid^t ol)ne ben gel;eimen ober unbcs

mußten 23orbe^alt, fid) irgenbroie barauf einzurichten.

©in Unifum au§> üerl;ältni§mäBig fpäter 3^^^* 11^^^ ^0($ oielleic^t

einer uralten ©runbanfid^t entfpred)enb, ift bie Stufic^t, roeldje ^erobot


(VIII, 13) au^fpridjt bei Slnlafe be^3 ä>erlufte§ ber perfifd)eu ^^lotte an
ber Siü\k oon (Suböa: üon ©eite ber @ottt)eit fei alle§ gefd^eljen, bamit
bie perfifd^e ©treitmac^t ber l)ellenifcl)en gleid^ roürbe unb il)r uid)t ftar!

überlegen roäre. Sie ftille 3]orau§fet^ung ift, ha'ii bann in einer fold^en

^age entroeber ba§ reine ©djidfat ober bie größere Xapferfeit ben 3lu»'

f^lag geben roerbe.

9lun oerfügen aber fc^on im 9)ii)t^ug unb im ®po5 bie ©ötter oft

fo, baJ3 bamit tatfäc^lic^ — roenigfteng mittelbar — 2;obe§fd;idfale ent*

fc^ieben roerben. 3'^^^^/ rvtnn fie bie 5lämpfe ber ^üa§> mit ä>erluft beö
ebelften 33lute§ ^in unb l)er wogen laffen, fönnte man geltenb mad;en,

>) Hypotliesis I ju (Surtp. 2llf. ^) 2)ieg fe()r beutltd^ bei ^aufan. IV,
j

-') 3(. VJII, 69 ff., üergl. XXII, 209. 13, 1.

Sag 92icbcrftnfen ber einen ©d^ale be^ ") SJergl. baä troftlofc 2Bort ber^9t^ia
beutet bei ben ©ried^en ba8 Unterliegen an 2lriftobemog, ^^^aufan. IV, 26, 4.

fg ift bie SÜditung juin .'öabeg ^in. |


Sie ©ried^en unb ii)re ©ötter. 131

ha^ jeben fein Xob bocf) nur treffe, infofern bie 2)Joira iljm of)net){n biefe

©tunbe lieftimmt I;atte. älHein mit n)eld)er fdjwanfenben ©^icffal^Ieitung

überl^aupt, auä) obgefeljen uom (Sterben, t)at bie 3^0^ oorlieb genommen!
2Igamemnon entfc^ulbigte fid) einmal (XIX, 87) megen feiner einfügen
Seleibigung gegen 2ld)itt mit ben SBorten : „nic^t id) mar ©c^ulb baran,
fonbern ^z\[§ unb bie 3)?oira unb bie in ber Suft roonbeinbe @rinnt)§:

biefe legten bamals ©inne§fd}äbigung auf midi" — mobei ber ^örer bann
bie 9Bal;l I;at. ©obann fenben bie ©ötter gonj unbefangen ©eudien,
©rbbeben unb mörberifc^e Ungetüme, unb Qz\i§> tötet nad; 33elieben mit

feinem 23(i^ftra^l ©injelne unb ganje ©d^aren, oI)ne bafe be§ ©c^idfal§
im minbeften gebac^t roirb bei bem allgemeinen (Sterben. 2lpoIIon unb
3trtemi§ finb gerabeju tobfenbenbe ©ötter unb i^re ©efd^offe nid)t nur
ben ^inbern ber 9tiobe furchtbar, gerner begegnet man ber naioen
33orau§fe^ung, baB ba§ 9tettung§fc^i(f fal eine^ großen ^ero§ jmar refpeftiert
werben muffe, feine ©enoffen jeboc^ ber 9iac^e einer gornigen (Sott^eit
mof)l ju opfern feien. S)er ^V)Uop betet ^) ju feinem SSater ^^ofeibon:
,„la^ ben Dbt)ffeu§ nid)t ^eimfommen! wenn i^m aber befc^ieben i\t,

greunbe, ^au§> unb ^eimat mieber §u fetten, fo möge er fpät unb un=
>glüdli(^ mieberfefiren, nad)bem er alle feine @efä(;rten oerloren!" — Unb
and) gegen einen gerooltigen gelben fetbft, mie gegen 3lia§ ben Sofrer,
er^mingt eine gornige ©ott^eit bie S^ötung. UeberJiaupt lebt bal ®po§
be§ ©laubeng, ha^ etwa einmal burdj eine geroaltige Seibenfc^aft ber SHoira

guroibergetianbelt werben !önne; bie§ ift ba§ fogenannte vniQ^oQov (ber


(Schritt über ba§ aier§ängni§ binaul), oermöge beffen j. 58. Slc^ill bie

a}iauern oon ^lion, wie 3^"^ fürditet ^), oor ber oom (Sd^idfal beftimmten

3eit gerftören möi^te.

Sie ©eftalt, in welcher ba§ ©^idfal ben ©riei^en erfc^ien, t;at be*

lräd)tlid)e äßanbelungen buri^gemai^t. ®ie SHoirc, ha§> fipao/niior unb


nsnqwfxivov mar, wie gefagt, unperfönlid) gebadet. StIIein ebenfo att

itnb urfprüngli^ fann eine anbere, fpäter allgemein gettenbe 2lnfd)auung


geroefen fein: fc^on bei ^omer^) ift im ^lural oon aJioiren bie 9tebe,

lüomit unoermeiblic^ auci^ ^^erfönlid^feiten gemeint finb; in ber S;l;eogonie

^) Dbpff. IX, 530. 35. 554 forgt -) 31. XX, 30; cergl. XXI, 517.
Db^ffeug, ^ia"^ 3eug barauf finne, alle feine ^) 31. XXIV, 49.
•iSd^iffe unb g^reunbe 511 oerberben.
132 SRetigion unb ^ultu§.

ober finbet ftd^ bie ©reijat)! ber 9)?oiren ^) mit ben befonnteu 9tamen
£(ot{)o, 2aä)e\i§>, unb 2ltropo§ : bie ben Seben^faben ©pinnenbe, bic £o§=
oerteilcnbe unb bie Unbeugfanie; fie finb e§:

„TDcId^e ben 3Kenfc^en


Set ber ©eburt fc^on jeglid^cS ©lud äuteilen unb Unglücf,
«Sie, bie jeglid^ SSergel^en ber ©ötter unb ©terbli^en aljnbenb
9Jiemal§ rufjn im fd^rerflic^en ©rirnm, Bi§ fdE)H)ere 33ergeltung

©ie nad) ®ebü§r an iebem geübt, rcer immer gefünbigt." —


ein ©trafrec^t, welc^eg it^nen boc^ nur an biefer ©teile jugefc^rieben wirb
(al§ wären fie SSerwanbte ber @rini)en) unb bonn im 33en)ufetfein ber

©riechen mieber erlofd^en fein mufe ^). 3ln mijtl^ifc^en 2lu§malungen iJ)re»

2Befen§^), fogar bi§ in» Jlomifd^e, ^at e§ fonft ni($t gefehlt; 2lpolIon ^at

fie trunfen gemacht, um itmcn ben 2tbmeto§ ju entreißen'*). 23erel)rung

unb Opfer fonnten biefen 2öefen nichts anljaben, weil fie bie Unerbittlich'

feit felber finb ; boc^ fommt infonfequenterweife eine 2Inrufung an 5llott)o

unb Sadjefii por, fie möi^ten ber ^eimatftabt be§ 33ittenben dltä)t unb
j^rieben fenben^).

9ieben bem ©tauben an bie 9)Joiren ert)ob fic^ bann, wa()rfc^einlic^


in einer fc^on ftarf refteftierenben 3eit, bie 3JJeinung, ba§ bod^ bie menfd)'

liefen @ef(i)i(fe in ben ^önben ber ©ötter, jumal be§ 3^1^^ feien, unb
biefe 3unat)me ber göttlid^en 3BeItregierung ijat bereits bei anberm Sin»

lafe erwäljut werben muffen, ©anj al§ ob au§ ber 2lbbition fo befdjränfter

unb perfeinbeter Gräfte, wie bie ber ©ötter waren, eine t)öf)ere ©efomt=
fraft Ijerüorge^en mü^te, fprad) man bann gerne pon ber @ottf)e{t über=

I;aupt {jo i)fToi)''); aud) uerfnüpfte man wo^l in ber töglidien 9?ebeweife

bie ältere unb bie jüngere 2lnfd)auung ju einem „göttlichen ©diidfal"

^) .t>efiob. 2:()eog. 217 al§ 2;öd^tcr ber 1 in ben Derfcf)iebenften 2lu§prägungen burci)

??acf)t, 904 alä 2;öcf)ter Don Qm^ unb mel^rere SSöIfer.


S^emig. ') Srefc^i)!. e-um. 715 f.
Sie fonftigen
'-')
35oc^ finb fie nod) bei 2lefd)r)r. 3üge i^reö SQßefenä bei ^rcHer, ©ried).
^rom. 524 alg Senferinnen beö ©cfiidfal^ 33h;tf)oI. I, 329 ff.
— Saju i^re S)arftel=

neben ben @rinv)cn genannt, unb ^en§ ift lungen in ber bilbenben i^unft.

ibnen Untertan. •') iüergf, Anthol. lyr. p. 553.


^) 2)ie befanntefte '^parallele finb bie ") §eif5t eö aber, luie fo l^äufig, <>

brei 9iornen beä germanifc^en G5Iauben§, duiiHof. fo bleibt el im einjelncn {^atte frag=

aufierbem aber gel^t bie ©agc non brei lid^, ob ©ottI)eit ober ©d)idfal ju oerfteben
übermenfd)lid)cn ober I;ei(igen Sd)ir)cftcrn fei, unb Ucberfct5cr uerfaljrcn nad) 33elicben.
2)ie ©ried^en unb il^re ©ötter. 133

(.^ftor /umoa^ &sia fioiQci), einem „§afarb von oben." ^erobot, iüel(^er

einmal felbft bic ©ötter bem ©diidfal unterroorfen erftärt, fpridjt borf)

bei anbern 2lnläffen in biefem ©inne ^). Sal^rfcfieinlic^ aber be{)ielt man
fid) im ©tillen ben üoHen ©c()ic!fat§glauben oor unb roünfd^te nur bie

nod) immer fel)r gefürditeten ©ötter bur(^ bie[e äu^erlic^e ^ulbigung


freunblid) ju ftimmen.

a>or allem rairb je^t '^z]x§> l)äufig pm ^errn be§ ©^idfal§, jum
§errn über Seben unb ^^ob. ;^n einer forintl;i[d)en ©age tritt ber Sob,

^{)anato§, aliS fein Wiener auf; 3^"^/ i'on ©ift)pJ)o§ wegen einer ©nt»
fü^rung üerraten, fc^idt ben Sf)onato§ über i()n, freiüd) bieSmat not^

nid)t mit ®rfoIg; ©ifi)p(;o§ feffelt ben 3^ob mit'ftarfen Söanben, fo bafe

über biefe ^t\{ niemanb fterben fann, bi§ jule^t 3lre§ ben %o'ti befreit

unb if)m ben ©ift;pf)o§ übergibt. 2Iber in ber Untermelt berüdt nun
©ifi)pf)0§ mit liftigen Sieben aud) ^tuton unb ^erfep!)one, fo ba^ fie il^n

mieber entlaffen; erft nac^bem er f)od)beiat)rt natürlichen STobe^ geftorben,

leibet er bann im ^abe§ bie bekannte ©träfe.

Sluc^ menn 3^"^ o^^^ fo^ft ^i" ^oi^, „2Infü{)rer ber aJJoiren"

(,uoiQaysTtjc) J)eiBt, fo ift bamit nod^ nid)t unbebingt gefagt, ha^ er ba§
©c^idfal beftimme. 33ei ^aufaniag, ber fo oft au0 fet)r alten Duellen

fc^öpft, meife 3eu§ nur, ma§> bie 9)?oiren bem 9)ienfd)en bringen unb roa§>

nii^t^), unb wenn in S)elpl)i neben jraei 9Jioiren bie ©tatuen be§ 3^"^
unb be§ 2tpolIon ftanben, beibe mit bem ^itel „2tnfül)rer ber 9Jioiren" ^),

fo ift roenigfteng oon Slpotton geroi^, ba^ er bie ©d)idfale nur raei^, aber

nii^t fenbet. ®a| fi^ aber bie 3JJoiren üon 3^u^5 ^^ ^^^ i" ^^^ ^^^^'

bif(^en §öf)le trauernbe S)emeter fenben laffen^), um fie ju bereben,

3orn unb S^rauer oon fic^ gu tun, lag im aSorteil ber 9Jioiren felbft,

, infofern mäiirenb ber 3it^üdge5ogenl)eit ber ^rud)tgöttin immer me^r

') Sei ®uripibeä, §elena 1659 er= nur bem 3eu8 gel^ord^c, unb bo^ er bie

ftärenbie 2)toöfuren,inbem fiebicSd^roefter Soren (b. f). raol^t l^ier: ben 2Bed)feI im
retten, fie l^ätteti bieg fd^on früfier getan, Seben) beftimme — aber nun folgt bod^:

feien aber bamalä nod^ nid^t ftarf genug iV ro ökoy, fo raie eg eben fein muffe.
geroefen gegenüber üom SSerl^ängniö unb 8) ebb. X, 24, 4.
uon ben ©öttern jugleid^. *) ebb. VIII, 42, 2. — Sei (guripibeg
^) ^au[an. V, 15, 4. (Sin anbermal (Helena 1B39) fenbet ifjr 3eug faberroeife

freilid^ (I, 40, 3) fagt er ganj trodcn, e§ bie Sf)ariten unb bie 3}lufen ju.

fei jebennann !unbig, ba^ ba§ ©cf)idEfaI


134 3leIigion unb Äullu§.

9JJen[(^en ^unger§ geftorben, alfo anber§ al§ huxä) itjr eigentlich üor=
beftimmteg ©d^idfal gugrunbe gegangen TOoren. :3«^merl^in Ijotte fcfion

i)k unb ba bie Dbpffee fid) ber neueren ©enfroeife genäljert, inbem bie

ft)mboIifd)e ^ätigfeit ber ^lotl^o fonberborerTOeife auf bie ©ötter über«


trogen wirb, roeld;e nun beni 3)Jenf(^en fein ©c^icffal jufpinnen (tjunw,

©eitenfiguren ber SJioira au§ ber fpätern 3eit finb Slbrafteia (bie

Unentrinnbare) ^) unb ^i;c^e ; bie erftere ift fic^ttic^ fi;noni)m mit 2ltropog,
gilt bann ober ouc^ al§ ibentifc^ mit ber 9lemefi§, im ©inne einer »er*
fittlic^ten SSergettung. ©ine üiel roidjtigere @efd)ic^te t)at Xi)d)^ geljobt.

j^Iüc^tig aU Dfeonibe mit onbern ermähnt bei ^omer, bann uon ^inbor
für eine ber brei SO^oiren unb graor für bie märf;tigfte gegolten '^), raurbe
fie einerfeit^ bo§ fd^ü^enbe i)öfjere SBefen einer ©tobt unb fonfurrierte mit
ben früljern ©(^u^gottf;eiten berfelben; onberfeits gebie^ fie su einer oII»

gemeinen ©ottljeit, roeldfje in ber fpätern gried^ifd^en unb in ber römifd^en


3eit all f^'ortuno einen g(än§enben ^ultuS genoB, mie nur irgenb ein
göttliches 9Befen=^); bomoB fonnte ^aufonioS"^) fie bejeii^nen aU bie mädj=
tigfte unb gemoltigfte unter ben ©öttern in ben 2lngetegenl)eiten ber 3JZenfc^en.

©ie ift ba§ ©d)idfol in feiner blinben äöonbelborfeit, roeld)e§ man burd}
Dpfer unb Sitten einigermaßen p beftimmen l;offt, noi^bem bie 2}^oiro,

meldte feinen Kultus genoß, für unerbittlid) gegolten Ijotte^). ®a§ Silb
ber ^ijc^e im 3:;empel p S^^eben trug auf ben 3lrmen ben fleinen ^lutoS,
ein naiüe§ Se!enntni§, mie fetjr bie „©öttin ©Ijonce" bie 9Jcutter ober
SMbrmutter beg 3ieic^tum§ fei; boc^ fonb eS ^oufonioS ebenfo finnig
(accföi), baß in 2ltJ)en Sirene iljn auf ben 9Irmen l;ielt, @in 5ßerloß
mar auf S^pdje nidit; 3)iobor, meldjer oud) bei 2lnIoß oon Söngft'

') l b. aiugleger ju 2le[c^i)I. «ßrom. 972. Urania geroefen. — ©ie friiljefte 2tnrufung
-')
2aut ^oufan. VII, 26, 3. biefer aKgemeinen Xtjd^e, ob aucf) jugunften
^) „©ie aaein rufen 2iae an," ^lin. einer beftiminten ©tabt, ^inbar Dl. XII,
H. N. II, 5. Man erinnere fid^ audj an 2lnfang. — Sßie fie jum fpätern ©riecben?
bie pufige Sicberoeife tv^^ij äyic'),'. — tum pafite, I;at 3Jägeläbaci^ treffenb nad)=
Seim 2;rop()onio§ in Sebabea gab e§ ein getriefen. SRadi^om. 2:f)eol. <B. 156.
•Heiligtum be§ guten Sämon unb ber gün= ^) gür bag frühere S?erl)alten beiber

fügen S^c^e. «paufan. IX, 39, 4. JU einanber »gl. <Bopl)oU. ^Ijäbra, fragm.
') iau\an. IV, 30, 3. Saut greller 11: ov y((Q Tion Afoigac: i] Tv^ij ßini^tnci,
uiäve |ic a[iatifrf)en llrfprungg unb rcie b. l). für ben ^obe^tag be§ fflJenfd^en f)at

3^emeftg eine ©eiteugeftalt ber 3lpIjrobite fid) 'Xx)A)i nad^ ber 3}Joira ju rid[;ten.
Sie @rted)en itnb if)re ©ötter. 135

oergangeiiem bie ®enfioei[e be§ ougufteifc^en 3^itn(ter§ fpiegelt, fagt »on


it)r bei ©elegenf^eit eines früljern ©reigniffeS : fie freue ficf) oon 9?alur
über bie ©(^i(![at§fä(Ie ber Witn]djtn unb fütjre in ber SBoljlfa^rt fc^neHen

2ßed)fel hierbei ^).

(ginft ^atte ©orgiaS^) etroaS fe£)r 5l(uge» p fagen geglaubt, inbem


er ein äöort burd) ein anbereS, nämlicf) ba§ ©^idfal burc^ bie 9iatur,

SJfoira burdj ^(jijfiS er[e^te; le^tere fei e§, roeld^e jebem ©terbüdien am
Sage feiner ©eburt auc^ feinen Xoh beftimme, raomit ba§ Sterben über»
fiaupt ober aud) ein beftinnnter S^obeC-tag gemeint fein fann. Sieber nod^

bie ilonfufionen, luelc^e anbere ©riedien üerfd)iebener Qdttn um bie ^^ragc

be§ ©d)idfal§ geljäuft i)aben! n)ie t§> 5. ^. bei ^lutarc^^) £)ei§t: „mir
treten nid)t in baS Seben um ©efe^e aufsuftetten, fonbern um §u gef)ord)en
bem, raaS üerorbnet ift üon ben ha§> ©anje lenfenben ©öttern unb burc^
bie ©a^ungen beS ©c^idfals unb ber 3Sorfe£)ung/' luobei man bann
wieber bie 2öa()( frei ^at. 33eim S^raumbeuter 2lrtemibor^) finbet fic^

foigenbe 3tuf3ä!)lung : „Sie 9ktur be§ Söeltganjen, unb ba§ ä>erljängni§,

unb bie 3Sorfet)ung, unb ma§> fonft nod) für 2luSbrüde mit biefen gUid)=
raertig finb ..." Sei Sudan enblicb ift ber ^o§n über bie mangel»
|ofte S^errec^nung juiifdien ben otjumädjtigen ©Ottern unb bem ©d^idfal
ba§ ^aupttljema be§ Sialoge^^ : „ber überroiefene ^mS^" °). ^ier rairb

mit ajioiren unb SSerfjängniS ©pott getrieben mie mit ben ©Ottern, eg

foll audj fein dü)t üon tjöljerer Senfung be§ :3rbif(^en, von ©inftdit me§r
gebulbet werben, unb ber unau§gefprod)ene 33orbe§alt ift ber beS blinbeften

3ufaII§. Unb in einem STotengefpräd) (30, 2. 3) nimmt Sucian auc^ ba§

33<jfe al§ 00m <B<i)id\ai eingegeben in ©d)uö: Tlmo§> lö^t einen fd)red=

liefen 9täuber, ber fid) mit ber SJioira auSrebet, in§ ©djattenreidi fc^lüpfen,
nac^bem er if;n erft Ijat in hzn ^^-euerftrom werfen moden. 2)em geift=

reidien Wann von ©amofata genügt ber rotjefte j^^ataliSmu», unb er fügt

fi(^ in bie fittUdie Unfreiheit.

®ie grie^ifc^e ^t)iIofop()ie i)at in biefer ^^rage wenig geteiftet. 9n§

fic fi(^ erf)ob, traf fie biefelbe, man möd)k fagen burd^ einen p{)ilofopl)i'

Siobor XIII, 21. — 3a^no[e =') Consol. ad Apollon. 18.


Stellen bei anbern 2lutoren; eine befon* 1
*i Dneirofrit. II, 39.

berg nadibiüdlidje ^:]]auian. VIII, 3B, 1. '

^) aief^ntic^eQ aud) im Jupiter tra-

^) Sorg. Palamedis apol. 1. >


goedus u. a. a. D.
136 JlcHgton unb ÄuUu^.

fd^en 2B{IIen»a!t ber S^otion, längft üorentfd;ieben an unb fonnte [id) f^on
ber feftftefjenben 2lu§brü(Jc (eifjaQfjev?; u. f. to.) nid)t entlebigen. ©elbft bic
Se()rc ber ©toa, roetc^e fid^ am metften mit biefen ©ingen obgab, ift un»
f(ar unb uiiberfprud;§oo(I^). 3>oIIenb§ rairb man bei ben ©riedien eine
tiefere 33etrac^tung oon 2ÖiIIen§freii;eit unb Siotmenbigfeit umfonft fuc|en,

unb felbft, ma§> 2lriftoteIe§ in ber großem ®tl)if barüber üorbringt, ift

l;ö^ft ungenügenb. ©inigen ®rfa^ bot freilief) bie fefte griec^ifd^e Ueber=

Beugung von ber Unoeränb er Ud) feit be§ (Ef)arafter§ ^). S)ie ^f)ilofopf)en

aber tjaben auf hm ^opu(ärfatali§mu§, fo weit er in ben (^ried)en


lebenbig mor, fo öiel al§ gar feinen ©inftuB ausgeübt^).

^ie Hauptfrage, meldte fid^ unabraei0ti(^ aufbrängt, wirb fein: mie


e^^ gefommen, ba^ ©ötter oon fo graeifelfiafter 3Jtad}t unb isottfommeni)eit
fid) bei einem ju jeglid^em 9kifonnement aufgelegten 33oIfe, mie ha§> grie^

d^ifi^e, fo lange unb fo mächtig ^aben betiaupten fönnen.

'isortäuftg barf man antioorten : bie groBe ^raft biefer 9teligion lag
offenbar in ber Dktur unb 3}iaffenl)aftigfeit iljreS 5lultu§, meldjer eine

objeftioe Madjt im Seben unb eine ©itte mar; berfelbe liatte überbieS
allmäl)lic^ faft alle SebenSfreube in feinen ©ienft genommen, jugleid^ aber
mar er in feinen oorneljmften 35errid;tungen eine ©ac^e ber unerbittlii^en
^oli^S geworben *) unb fd^on bamit gegen Steuerungen gefeit, ©obann
burfte aud;, roer gar nic^t§ glaubte, htn SBa^n be§ ä>olfe§ fürd;ten.

^) ©d^roegter, ©efd^. ber gried^. ^^Uo- finbet fid^ fd)on ganj beuttid) bie 2tnn)ei=
fopf)ie, II. Sluflage, ©. 282 ff.
— Siog. fung äu bem, roa§ man ba^ „(Sebet um
Saert. VII, 149. - 2t. ®eaiu§ VI, 2 ben ©eift" nennt. — ®a§ 3}litt(ere aber,
(an§ (S^rpfipp). — (Sicero , de divinat. xoa% man bamal§ nod^ ben mäc^tigften
passim, 5cf. II, 6 ff
— 2tud) de fato, (Söttern jutraute, roar: ((fdQüJnwf tv^ä?
2) Ueber btefe bie flafft)d)e ©teüe (cytiv tig TtXog xai önoi« tor/.tv dnoSov-
2;^eogm§, 429 ff. fKc noytjQotg. 5ßaufan. VIII, 37, 8.
^) ®§ fott inbeä mtf)t uergeffen joerben, *) ©ie fonnte il^n geroä[;ren ober iior=

bafi in ipätern .Seiten, IjauptfädjUd^ oon enthalten; roer j. 33. roegen 2;ötung in 2tn=
bem ibealen ©otteSbegriff ber ©toa ou§ flage roar, ^attt feinen Seil mef)r an ben
bei ein3elnen 2lugcrroä()Üen fic^ eine reine „Heiligtümern, 2lgonen uub Opfern ber
3(nbac|t ju ben ©öttern bilben fonnte, ©tabt, roeld}e ba§ ©röfite, 9(eltefte unb
rcelcfte über bie gen)öl)nlid)en Sitten um ®{)rroürbigftefinb,roaäbie2lienfc^enl)aben,"
©rbengüter unb äufjere Sd)icffale ergaben 2tntipf)on orat VI (de choreuta), c. 4,

roar. i8ei Tlaxc 2turel (tig iavrni', IX, 40)


Sie ©ried^en unb i^rc ©ötter. 137

raelc^eg iegli(^e§ Sanbe^unglücf auf üernacf)Iäffigten ©ötterbienft luxüä^w

fü!)ren pflet3te. ®en feften Unterbau üou attem bilbete aber ber ^aug*
!ultu§, bie urfprüngli($e ©runblage unb eroig neue Duette be§ öffentlidien,

unb biefer lebte h\§> in bie fpätefte 3eit mit einer au^erorbentlit-^en Slraft

unb %üüt roeiter. ©nblic^ roürben bie @riecf)en mit einer le^renben 9ie»

ligion fd)on frü^e ©treit angefangen l;aben, bie it)rige aber roar lauter

SDienft, Iel)rte ni^tg unb roar be§t)alb auc^ nirf)t gu roiberlegen. SiocJ)

in ber 3eit i^reS Unterganges fagt e§ ^) ein ßl)rift : deorum cultus non
habet sapientiam, quia nihil ibi discitur, quod proficiat ad mores
excolendos vitamque formandam; nee habet inquisitionem aliquam
veritatis, sed tantummodo ritum coleudi, qiii ministerio corporis

constat. ©0 fonnte anä) eine ftürmifcf) bemofratifc^e ^oliS mit iljrer

9?eligion nid)t in ^on\litt fommen, unb ootteubS ftritten fid) beibe nid)t

um ben ©d)ulunterric^t.
2Benn nun bie grofee ©rfc^einung md) it;ren einjelnen ©eiten be*

trautet roerben foü, fo möd)te am ei)eften mit jenem ©runbgefü^l anju»

I)eben fein, roonac^ atte 2lnbac^t ein 33efi^ Serer roar, roeld)e fie ftifteten

unb übten ^). ©iefe 9ieligion beftei)t im ©runbe an§> lauter einjelnen

Kulten, roeldie iiire 23efi|er l)aben; roa§ aber ai§ (Sigentum aufgefaßt

roirb, pftegt man anber§ ju fd^ä^en unb gu oerteibigen al§ etroa blofec

„einridjtungen", roeld^e mit ber 3eit als Saft gelten unb beliebige 2Ser»

änberung unb 2Ibf(^affung unterliegen fönnen. 2Bie gerne I;ätte man ben

©efe^en unb 33erfaffungSartife(n (rö/joi) ein ebenfüIdieS ©efüi)l su ©c^u^

unb Unterlage oerfd)affen mögen! allein biefe fielen einer fc^ranfenlofen

Dieucrung anl;eim. 3}cit ben ©Ottern roar e§ anberS. SJJan befaß fie

unb il;ren ^ult roie ein auSfc^lieBlidieS 9te(^t, auä) aüe CrtSmi;tf)en roaren

ein 9ieic^tum. für bie betreffenbe ©tabt ober ©egenb, unb gegenüber oon

biefem ©efüfil roaren alle Slufflärer unb ©ötterleugner einfad) Iäd;erlic^.

es üerftanb fid^ §. 33. feineSroegS oon felbft, ba^ — abgefet)en oon großen
Drafelftäbten unb ^eftorten — ber ©riedie in einer anbern ©riec^enftabt

an einem ©otteSbienft tei(nel)men, ja aud) nur ben betreffenben ^Tempel

betreten burfte. ^-olgeriditigerroeife fanb man eS bann aud^ oödig in

») Sactant. Insiit. IV, 3. 1 r^umjen mit, i^r Äultu§ unb il)c ©tammeg-
2) Sc^on alte ©tämme auf i^ren leben bilbcn ®in ©anjeS.

SBanbenmgen führen i^re Ijeiligen öege^ '


138 9ieIigiDn unb ^ultii§.

ber Orbnung, ba^ auSraärttge ^eDölferung§fc{}id}ten, bie man in ben

©toat^oerbanb aufgenommen, mie j. S. bie @epl)i)räer in 2lllifa ^), ifjren

eigenen ^ult griec^ifd)er ©ötter bel;ielten, unb ebenfo, bafs bie ©flauen
il^ren fremben ©öttern iJ)re 2lnbacbt erroiefen, meldte ja aud^ beren ©igen^

tum fein mod^ten. 9ioI) gebliebene, in Übeln '^n\ gefommene ©plitter


olter ©rie(^enftömme, ju meldjen man [ic^ fonft nid)t me^r gerne befannte,
leben bod) weiter, roenn il;nen ein alter ©ötterbienft am ^erjen liegt; bie

SDri)oper im meffenifdien 3lfine'^) roaren ftolj barauf, Sryoper gu fein,

weit fie nod) i{)ren üom ^arna§ mitgebrachten 2IpoIIsfult famt 2ßeil}en

unb SSanberfagen befa^en. 2luc^ bie Opfer, g^efte unb 9Bei!)en ber grauen
mürben oljne B^^^^f^^ aufgefaßt ai§ etroa§, ba§ iljnen eigen ge!)öre. '^oU^

enb§ aber mar ber gange ^auSfuIt ein t)eiliger 33cfi^ ber ^aniiüe, an
meldiem tei[nel)men gu bürfen ber ©aftfreunb ober ber ©diüfeling al§> ebleg

©efc^en! empfanb ; unb Ijier gab e§ bann nod) ein gang @el)eime§, meli^e^,
mie ein forglid) jurüdgefialteneS ©rbfleinob, ber Später nur bem älteften

©of)n, bie 3}hitter ber S^oc^ter mitteilte, unb biSmeilen erft in ber ©tunbe
be§ 3:;obe§^). Unb alle§ bieg mar ni^t burd) ^fepl)i§men ober geiftlidje

©pnoben guftanbe gefommen, fonbern uralte, lebenbig roeitergemac^fene

Ueberjeugung unb Sitte unb al§ foldie oöllig felbftoerftänblid).

2)iefe 9teligion geljörte cor allem nicbt ben ^rieftern, unb e» mar
eine ^aupturfac^e il)rer ^raft unb Sauer, baB e§ feinen ^riefterftanb unb
fein ^rieftertum gab, inbem ber ©rieche unb bie ©riec^in oon uralten
3eiten Ijtx felber l)ödjft eifrige Dpferer raaren. 9Bo man ben §omer
irgenb auffdjlägt, opfern bie gelben felbft unb Ijaben babei alle erbenf=

lid^e Hebung. 2Bie bejeic^nenb ift e§ fobann, ba§ in ber fieroifdjen 3eit

bie Sf^einigung oon begangenem ^otfd^lag nid^t burd) ^^riefter, aud) nidjt

einmal burd) bie Selber, üon meldten fonft bie j^ürften beraten mürben,
oud^ nic^t bei Heiligtümern unb Drafeln, fonbern burd; einen i^ßlben unb

^önig gefd^ieljt, beffen ©aftlic^feit ber 3:;äter angerufen l;at. ^m ^aufe


felbft ^atte üielIeicC)t ber gried)ifcl)e ©ötterbienft überl)aupt feinen 3lnfang
genommen, geübt am ^erb, oom ^aupt ber ^amilie, mit t)öd)fter 3tegels
mä^igfeit, baljer man benn in ber ?volge, wenn 3tltäre unb Tempel ber

') .öerobot. V, 57. 61. Smmedjiu i


^) '^au^an. IV, 34, 6.

Italien biei'ctben Multe örgerlidier 2trt ge= 1


^) isaler. 3}?aE. JI, 1. Externa.
l)abt, ii)elcf)c fie nun abtun mußten. I
Sie ®ried)en unb i^re ©ötter. 139

allgemeinen ©ottfjeiten enlftanben, um (Sin§e(pr{efter nic^t »erlegen mar;

„^rieftertum raar «Sadie jebeg 3}knne!c," ^) benn jeber ©riecfie roor oon

iQQufe au§ geroöt)nt, Heiligtümer §u oerroalten ober oerroalten ju feigen.

£eid)t unb einfad) erflärt fic| fogar bie ®ntftet)ung erblid^er ^srieftertümer

an einjelnen 3:'empeln, unb biefetben [inb ja nid^t al§> 9^efte einer alten

^riefterlafte aufsufaffen ^) ; ba§ ^ßorbilb, ber i^auäfult, mar oon felber

erblii^, unb nun traf ber gried)ifd)e ©laube an ©rblidjfeit oon gäliigfeiten
etroa gufammen mit ber ^atfad)e, bafe biefe ober jene ^amilie in ifirem

^auSfnlt befonberg fällig, eifrig unb glüdlic^ mar. ®ine folc^e fonntc

einer ganjen ®inroof)nerfd}aft eine 33o^ltat erroeifen, inbem fie — atl=

mäl)lid) ober auf einmal — geftattete, bafe an il)rem ©ottesbienft ^eber=


mann teilnahm. SBenn aber bie ©tabt einem folgen ^aufe auc^ einen
oon ii)x felbft neu geftifteten ©ienft einer großem @ottl)eit auf alle Seiten

übertrug, fo mar bie§ im ©runbe nid)t fdiioieriger al§ eine iäl)rlid)e ober

fonft periobifdje ober ber Seben^seit entfpredjenbe ©inselernennung.

@§ wirb ber je^igen Beit nic^t ganj leicht, ftc^ ^^riefter oorsufteüen,

meldje mit ©rbauung einer „©emeinbe", mit ^rebigen, Se^ren unb

^ugenbunterridit nic^t^ §u tun l)aben, fonbern nur Cpferer finb. 2In

einjelnen Heiligtümern Ijatte e§ foldie TOot)l feit uralter 3^^^ gegeben^),

wenn ber überlieferte 9ütuä eine befonbere Uebung oerlangte, oljue B^^if^^

aud) an Orafelftätten, aber f)äufiger mürben fie maljrfdieinli^ erft, al§

bie ^oli§, teilg fc^on bei il)rer ©rünbung, teil§ attmä^lic^ eine 3(ngal)l

oon 2::empeln ftiftete. ®ie 9iegelmäBig!eit be§ ®ienfte§ erforberte einen

befonberS bamit betrauten SJienfc^en; man battc ^:priefter, meil man bcn

Kultus befa^ unb nidit umgefel;rt; geeignet aber mar im ©runbe jeber

baju, meldjer fd^on in feinem H^ufe rid;tig ju opfern unb ju beten loujste.

,2ßol)l melbete ber Tl\)i^u§> oon ber befonbern Setfraft eines ^egnabeten,

raie aieafoS''), unb fpäter bilbeten fid) bie 2ltf)ener ein, ^^p^tliia l)abe ein=

mal bei einer Kalamität ha§> atljenifdje 33olf in corpore beauftragt, @e*
bete unb ©elübbe für alle Helenen unb 33arbaren emporjufenben, allein

') Sfoft^" ^^ Nicoclem § 6: Uow- I «) Dbt)ff. IX, 197, ber StpoOgpriefter


avfrjy nctftug avd'Qug th'cn. 3Jlaron im tf)rafifc6en ^gmaro^.
^) Sluc^ burc^ bie gefälligen 3}tt)t^en, ^) 3(poIIobor ITI, 12, 6; pergl. a\i6)

rcelc|e bie (gnt[tef)img an bie Urseit an- «paufan. 11, 29, 7.

äufnüpfen pflegen, braucht maiT fic^ nidjt

täufc^en ju lafjen.
140 Steligion unb Äitltu§.

im gonjen genügte ha§^ richtig üoHgogene 9Htual, unb her ^riefter ge{)örte

au^er feinen Iserriditungen bem gen)öi)nli(^en bürgerlichen 2^Un an. (gr

tiatte etroa einen @l)renpla^ im Stl;eater unb in ber 33olfiloer)ommlung,


geno§ aber buri^au^ feinen roeitern 9tefpe!t al§> ben, meldten bie 'l^or»

bebingung feiner ©teile, nämlic^ bie Unbefrfiolten^eit unb feine perfönlid)e

2Bürbe mit fid) brod^te^). 3'iur in ©i^ilien fcfieint ein etraag ftärferer

3(!§ent auf bem 2lmte gelegen ju I)aben^).

Sei ber Seftellung ber ^rieftertümer fam, mo m<i)t bie @rbti($feit

©ebrauc^ mar, befonber^ bie ä>oIf!lraal;I cor; eine ^onfequenj ber äu^erften
2)emofratie mar e§ bereite, wenn and) 35erlofung eintrat, unb in ben

3eiten be§ $ßerfalli§ mirb fogar S^erfauf unb §roar im 9Bege ber 93er»

fteigerung beflagt^). S)ie§ gefdiab ni(^t, roeil bie ^rieftertümer irgenb»

mic geroinnbringenb geworben mären, fonbern ber munigipale (S^rgeij,

meldiem anbere äöege üerfdiloffen maren, I)atte fic^ barauf geworfen; auc^
eine anbere fpäte Unfitte, bie ^Bereinigung metirerer ^srieftertümer in ©iner

.§anb, ^atte bie nämlidje Duette. 5[)tand)e ^rieftertümer mürben oon


2tlter§ l;er — je nac^ bem Sraud) eine§ ^empel§ — nur auf 3^^^ oer»
Iie()en, biSroeilen an junge 5lnaben ober aJiäbdien*), ober mit beftimmten
;l^erpflic^tungen, roie ®t)e(ofigfeit u. bergl. 93ei Slulten ber Slngft mirb

eic auc§ mit bem "^^riefiertum ängftlidjer genommen morben fein^).

^n ber ed)t gried;ifd)en 3ßit war man nur ^riefter @ine^ beftimmten

') ^l^lötig roar e§ atlerbingS, baft ber *) Sted^t auffallenb ift, bafi ber Tempel
"^riefter eine normale ^erfönltd^feit itnb be§ ^ofeibon auf Salauria jur ^^priefterin

beö Dittualä üöllig fidler [ei, beun an ben ein jungeö, nodE) unüermät)lte'g SRcibd^en

geringften HJJangel in biegen Singen fonnte f)atte, ^saufan. II, 33, 3 — unb ber ber
eine fct)Umme iüorbebeutung gcfnüpft raer- 2ltf)ene Äranoia unroeit (Slateia einen
ben, raie fie ficf) bei ben öried^en fo leidet Änaben, ebb. X, 34, 4.

einfteUte. ^) 3)iefer 2lrt waren ido^I bie ^ßrieftevs


-) ^erobot VII, 153 bie @rjäl;lung tümer bei ^aufan. VH, 25, 8 — Vin,
Don 2;elineg. — ©päter legte §ieron ein 5, 8 — VIII, 13, 1 — IX, 27, 5. —
(3eroid)t barauf, ^riefter ber 3)emeter unb Saft bie ^riefter ber ^eiltempel einer be^
Äore in ©prahtä unb beg 3eu§ in '•Mitne fonbern Duolififation bebiirften, oerfteljt

ju fein. Sergl. bie Sluiälegcr ju ^inbar fid) Don felbft. Scr be§ Siomjfoä beim
DI. VI, gegen ©übe. pt)ofifct)en 2lmpljiflea (^aufan. X, 33, 5)

^) 2)iom;ö. Sjalxi. II, 21 in einer beuts biente alö 7j (ji',it«t'Tt<; be'S ©otteö unb
lief) auf bie bamaligen ©ried^en geljenben iueiäfagte,„n)eun if)n ber &ott begeifterte".

Slnfpielung.
SDie @nec()en unb i^re ©ötter.
141

Tempels, ©iner &oni)dt'), unb jeber STempel ^atte nur @inen ^riefter,
eine ^riefterin, jum großen Unterfd^ieb von jenen ^rieftcrfc^aren ber
ägyptif^en unb orientalifc^en Heiligtümer, gär bie ^:8erroaltung be§
Srenipelg unb feinet ^efi^e§ unb für ^eforgung ber "^-efte roaren Seamte,
unb für bie äuBerlicfien 3)ienfte bie genügenben ©eljilfen, Opferbiener,
Mfter u. f. ro. angefteOt. 3Sq§ e§ aber bei ben ©riedjen nie gab, roaren

^riefter fd)Iec^tl;in , bereu ©afein bem S^olfe üöCig uuüerftänbli^ ge»


roefen wäre.

^eber ^riefter {)atte nur mit feinem Tempel 5U tun unb roar für
ba§ ©anje ber S^ieligion roeber oerantroortlic^ norf) ju irgenb einem ^anbeln
bcfäljigt. ^n einer gen)i§ fc^on tempelreidjcn ©tabt, roie Sitten am ©d^tuB
be^ VII. 3a^rt;unbert§ , roar man benn auc^ mit ädern geiftüdjen ^roft
am @nbe, aU ber an £plon§ 2tni)ängern begangene ajbrbfreoel nid)t nur

fc^roere SBirren, fonbern auc^ atte ©c^reden be§ Slberglauben^ geroedt


l^atte, unb gefpenftifc|e ©eftalten herumgingen; bie Dpferfc^auer (,u«.Tfic)
mußten nur au^55ufagen, t§> roalteten noc^ glüd)e-), meiere ber ^Reinigungen

bebürften; oon ben eigentlichen ^rieftern ift gar nid^t bie 9Rebe. Dfiuu

berief man (roie eg ^eißt, auf einen 2Binf oon S)elpt)i) au§ ^reta ben
3Beit)emeifter (gpimenibe^, roelc^er burc^ 2tnorbnung neuer ^ulte unb $öer=

einfac^ung anberer, sumol ber bigt^er fel;r maßlofen ^'otenftagen, foroie


burc^ Dieinigung^jeremonien oerfc^iebener 2lrt, bie ©tabt beru£)igte unb
einträd^tig machte. ©pimenibeS ober roar fein ^sriefter irgenb roeld)e§
©otte^, fonbern felber ein tjalbgöttüc^eg 2Befen unb galt aU ©olin einer
Slpmplie, olg (üiedeidit le^ter) Kuret, alg oon ben ©öttern geliebt.

Oberprlefter lernte §erobot (II, 37) in 3Iegppten fennen; in ©riechen«


lanb fam juerft '^^lato auf hen ©ebanfen, inbem er einen folc^en «o/if^ft-c
poftulierte aU ^^räfibenten bei aul lauter ^^rieftern be§ ^Ipotton unb
Helio!§ beftel)enben OberfontroHfottegiuml, roontit er feine Utopie (im
Suc^e „oon ben ©efe^en") beglüden rooüte 3). gßo in ber roirflidjen
^oli§ fc^einbar etroal ber Slrt oorfommt, l)anbelt e§ fid; nur um einen

^JJad^einanber lonnte man ^viefter bingg ju gleic^jeitigcm ^rieftertum an


ober ^riefterin »erfc^iebener Sempel unb me{)r al§ ®inem Sempel.
©ottfjetten fein, lüie jene grau in ber ^) ''"1' ,uinauoi, ^lut. Solon, 12.
'"yi
©rabi'dirift bei .U'aüimac^og, ßpigr. 42. — ^) 5ßrato, de legg. XII, p. 947, a.
^n ber fpütern 3eit fam e§ bann aOer^

142 Jteligion unb Kultu§.

obcrften Staatsbeamten, tueld^er, wie frül;er ber Slönig, bie feierlichen

allgemeinen Opfer für ba§ 3>oIf üollsieljt^) nnb nid)t um einen oberften

©eiftUcfien.

Sie ^riefter finb Ijier gar nic^ty a(§ Bürger einer <Stabt, TOeId;e

bamit betraut finb, jeber an feinem 2:;entpel bie Dpfergoben in ©mpfang


§u nel;men unb bie 33itten ber Slnbäc^tigen, unter Umftänben ber ganzen
33eüöl!erung, ben ©öttern nad; riditigem D^itual gu übermalten, ©ie finb

weit entfernt, einen KleruS iljrer ©tabt gu bilben unb braui^en unter*
einanber nid)t im minbeften 5ufammenäui)ängen. ©eljr feiten finb bie ^äUe,

ha fie in corpore auftreten, fo 5. 33. wenn ^riefter unb ^riefterinnen


einer ©tabt entboten werben, um befonberS fräftige politifc^e 3]crflud)ungen
auljurufen -). @ine mutige ^riefterin t)at fid) beffen einmal geweigert.
®a alle einmal geftiftete 2lnbad;t ein S3efi^ ber ©tiftenben ift, niod)te e§

bie ^^oli§ ober irgenb eine ^Bereinigung ober ein einzelner fein, unb ba
alle öffentli(^e Dotation unb prioate Sefc^enfung bem ^ultuS unb feiner
SluSftattung , nid)t aber ben ^^rieftern gilt, fo ift für le^tere burd;au»
!ein Slnla^ gu forporatiuer ^Bereinigung oorl;anben, unb ju einer ^riefter*

fc^aft finben fid; nirgenbg auc^ nur bie 3Infä^e. SBenn fid; irgenbrao

eine foldje l)ätte bilben fönnen, fo märe e§ 5. 33. in Olympia geroefen;

ftatt beffen ift l)ier ^) einfad) ben ©liern ber lauf enbe ^ult überlaffen, unb
ba medifeln unter angefelienen bürgern unb 33eamten (mtldjt felber nur

^al)re§beamte finb) allmonatlich bie SBerpfliditungen ; ber ganje dUft ift

mel)r ober weniger feierlichem ^üftertum bis auf ben „§oläf!laoen", ber
gegen beftimmte STajen baS ^olj ju ben Opfern lieferte, unb ben ))laä)'^

fommen beS ^ifc^erS auS ©retria, welcher ha§> im 9)teer untergegangene

©cbulterblatt be§ ^elopS wiebergefunben tjatte; biefelben waren je^t aU


SBädjter ber 9teliquien beftettt*).

SSoUenbS aber wäre bie @ntftel;ung eine» gefamtgried^ifdien JlleruS,

einer ^ierarc^ie unbenfbar gewefen, fd^on wegen ber Statur ber ^oliS.

*) Sie opuntifd^en So!rer Ratten [ogar bie ©jpebition nad^ Sijilien ^lut. 3tif. 13.

^roei folc^e Dpferbeamte, für bie fhuc uiib 2lucl^ n)oI;l beim 3al^re§feft einer ®tabt=

für bie (}'aiuöi'ir(. "iphit. Quaest. Graec. 6. gott[)eit sogen aud^ bie ^riefter ber übrigen
'') ^lut. Stifib. 22. SOergl. 23aub I, Sempel in ber ^rojeffion mit. 'i^aufau. II,

<S. 257. — 33ei grofjen politifd^en Ärii'en 35, 4.


^lut. ^^jelop. 12. — Sei grofseu Kalamitäten ") ^aufan. V, 13, 2. — V, 15, 6.
<Sopf)of(. Oed.rex 18, — ?3etm ^roteft gegen *) «panfan. V. 13, 2. 3.
Sie ©riechen unb t^re ©öttev.
j^g

^an muB fic^ immer gegenwärtig i)alkn, baB le^tere fdjün für fid; an
ii)re Bürger 2lnforberungen ftettte, raie fie etwa eine feljr fanatifc^e 9teIigion
i^ren ©laubigen gumutet, unb ha^ bie
ftärfften @e[ü(jle über(;aupt nid^t
für bie ©ötter, fonbern für ha§ öffentliche SBefen in 2lnfprud)
genommen
würben. 9Zun entljielt bie ^:polic5 au§erbem burc^ iljre 2;empel unb ^ulte
ben gröfeern STeil beffen, ma§ man fonft 5lird)e nennt, in fic^ unb ^otte
bamit ein eiferfiuf)tige§ 33efi|rec^t auf bie 9ieligion iljrer Bürger. Sei
ber aibfc^liemuig üon ^oli§ gegen ^olig mürbe bal)er jeber 3ufammen^
^ang üon ^rieftern mit ^:prieftern anberer ©täbte tatfädjtid) ai§, §odj»
üerrat gegolten ober boc^ ben ftärfften 33erbod^t öiefer
3lrt erregt l)aben.
®ie Religion, meiere in anbern ©egenben ber Sßeltgefc^ic^te, im 5latljoli='
giÄmug, im ^§iam 33ölfer ber meiteften gerne miteinanber irgenbroie oer-
binbet, l)ielt bie ©riechen im ©egenteil getrennt, nic^t nur roeil jebe ©tabt
i!)re befonbern ^iten famt geften unb im 3ufammenljang bamit il)ren
befonbern Menber l;otte, fonbern weil bie örtliche Slnbo^t auf ba^
ftärffte in ben 2)ienft be^ (Btaak^^, b. ^. eines in ber Siegel mit aüen
?iac§barn oerfeinbeten SBefenS geraten mar. Sitte 9ieligion ift l)ier in
erfter «inie auf ©c^u^ unb 3tettung be§ betreffenben ©emeinraefenS oer»
pftid^tet. 2iaerbing§ loar fie bie beS ganzen @riec|enoolfeS unb
beffen
gemeinfame ^eroorbringung, unb hie großen nationalen %e\te mit iljren
SBettfpielen unb bie großen Drafelftätten t;ielten bie§ ^erou^tfein aufredet.
2lber fo mie bie g^oliS ben ©ebanfen beS ©efamtoolfeS roeit überragte,
fo genoffen auc^ bie ©ötter roeit bie größte unb exnMt^ ä^erel)rung als
©(^üfeer beS einzelnen ©taateS. 33on ber jeroeiligen großen DrtSgottl;eit
oerftanb fic^ bie§ oon felbft; über ^aüoS
2Itl;en l)ielt Sltliene bie^änbe^,
unb fc^on bie i^inber lernten fingen „^aU§, gewaltige ©täbtegerftörerin" '')

aud^ würben in bie ©d)lac^ten ©ötterbilber (b. §. bie ©ötter felbft) famt
einem tragbaren §erb mitgenommen'). 2Iber aüer ©ötterbienft einer
^oliS überhaupt galt junädift il;rer 3?ettung unb ©id)erl;eit, unb bie
©ötter waren oor attem 9iotl;elfer, babei jeboc^ eiferfüc^tige 2Befen. ^a
man fic^ baS nämliche Silb oon ben ©öttern anberer ©tobte machte,
freute man fid^ öfter nid&t, bei 3erftörung berfelben auc^ bie ^Tempel
unb bie Söilber ber nämli^en ©ötter ju sernid^ten, bie man balieim oer*

©olon, fragin. 4. ^) Ueber ben Äultu^ im 5?negc ftel^e


') 2triftop^. Nub. 967. {yufteIbe6ouIangeg,laciteantique,S.191ff.
;

144 Sieligion unb Äultu§.

el;rte ^), inbem üorau§gefe^t würbe, bo^ man bic fräftigfte ^ilfc ber ©eguer
mit jerftöre. ^n foldjen ^^äflen rourbe angenommen, bie ©ötter l;ätten

bie feinbU(^e ©tabt oor ber ©innaljme oerlaffen, unb fie I^tegu ju oer*
mögen, mar eines ber Mttel ber 5lrieg§fül)rung. 2)lan lenfte fie gu biefem

3roe(fe beizeiten burclj Opfer ju fic^ Ijerüber, roie ©olon mit ben «geroeu

üon ©alamil tat"), ober man raubte ou§ einer belagerten ©tabt I^eimlid)

tf)re Silber, ma§ offenbar ber ©tun be§ 2)hjtf)u§ oom Staube bei troja*
nifcfien ^sallabiumS ift^), ober man rief fie auc^ offen um (Erlaubnis jur

©innal^me an*), ©o §n)eifell;aft e§ mit ber luirflic^en §ilfe ber ©ötter,

mit bcm @rt;ören ber ^tUti au§faE), fo oolfstümlirf) mar unb blieb ber

©loube an ein engel 33eri)ältni§ jrotfdjen einer ©tabt unb i^ren ©öttern.
©Dttlofigfeit in SÖorten mar rao^lfeil, unb rud^tofe ©päfse liefen geTOif3

auf allen ©äffen Ijerum, aber einen roirt'lic^en Singriff auf ©ötter unb
^ultu§ bei Orte§ übten nur ^empelräuber.
Sei ad biefem gel)en bie ^riefter nur all 9Berfgeuge mit. ©ie finb,

jeber für fic^ genommen, in l)ol)em ©rabe entbelirlic^, unb ber eingelne

Bürger fonnte fogar fel)r fromm fein, ol)ne einen ^^sriefter gu fennen ober

einen Tempel §u betreten, ober an einer a}Jr)fterientt)etl;e teiläuneljmen ^^)

il)m mo(^tc fein ^auSfult unb bie ^eilno^me an foldien öffentlidlien Opfern
genügen, welche oon ©taat^ibeamten oollsogen mürben. 9teben bem 3lu§=

lauf be§ JlultuI in Opferfd^mauS unb 3lgonenfc^au oerfc^minben bie ^riefter

oollenbs.

©eiber Sefi^er oon Sanb unb Seuten im ©inne ber ^errfdjaft ift

ein Kultus bei ben ©riedien nie geworben mit 3tu§nal;me be§ fleinen

^empelftaateS üon S)elpl)i, welchem bamit eine ^eilige 9ceutralität gefid^ert

') 2refd)r)r. 3[gam. 509. 527. 3tnmer= (3;§ufi;b. II, 74) mit bem ©c^Iu^: „ffiiaigct

^in fonnte eö geraten fein, bie befiegte ein (avyyi^oliwi'tg i'ait), ba^ für ba^
©egenb einer neuen ©ott^eit ju fc^cnfen. llnred^t geftraft roerben bie, luclc^e cö suerft

2lefd)i)r. (Sumen. 3ii8 ff. geübt, unb bajj (Genugtuung empfangen


-) ^lut. ©olon. 9. bie, lüeld^e bie Strafe mit 3lecl^t au^füt^ren."
») SBeri^l. auc^ ben bei .t^erobot (V. 83) •') Dbroof)! eg I)iemit fpäter anbeiä
erjä^Iten 9iaub ber beiben ©tntucn üon lüurbe, raenigftenö für bie 3ltl)eucr in bcjug
(Spibanro^ burc^ bie 5(egtneten. auf bie (SIcufinien. S^omonaj; (ju i'ucian^
*) öiertjer gef)brt bie f)eud)Ierifcl)e 3eit) mufste non 2lngebern leiben, rceil

2tnrufung beä Äbnigä 2lr(^ibamoß an bie „er allein" fid) bort nid)t mcibcn lief;,

©Otter unb .Heroen be§ betagcrtcn ^latää yucian 2^cmon. 11.


Sie ©ried^en unb i^re (Sötter. 145

TOerben foHte ^). 2Bo^l f;atte fid) einft in ber mijtf)i[d)en >^^\t 9J?elampu§

für fic^ unb feinen 33ruber üon ben Slrgiuern graei SDritteile be§ £anbe§

augbebungen ai§ Sofin für bie Teilung if)rer rofenb geworbenen ?^rauen^),
odein er befam ba§ ©ebiet nid^t al§ ^ricfter, fonbern all ^eiljauberer,

unb bie betreffenbe Sijnaftie erlofci) fc^on in ben näd;ften ©enerationen

roieber. SBenn bann Stempel raie ber ber §era ßatinia am @o[f oon
^arent ober ber be§ (Sonnengottes im iHyrifcTjen 3IpoIIonia^) bebeutenbe

©triebe oon (Srunb unb 33oben befa^en, fo waren bie§ nur übergroße
2)otationen für ba§ Unterbringen mächtiger gerben Ijeiliger 2::iere. ©otc^e
^egir!e {;atten if)re mr)tl)ifc^en Urbilber in ben „loalbfdjattigen Sergen,

wo bie unfterblic^en Siinber ber feiigen ©ötter iljr @el)öfte §aben unb
ouf ben unberüljrten föftlic^en SBiefen roeiben"").
Sie einft oorl)anbene 9)Zeinung oon einem mächtigen ^rieftertum ber

gried)if(^en Urjeit bebarf l;eute feiner 9Biberlegung meljr. ©in foldiel

niü^te bod) im 3)h)tl)U)§ unb im @po§ feine ©puren l)intertaffen traben,

bie epifc^en gelben unb Könige aber merben nid;t oon ^rieftern, fonbern
oon ©el)ern beraten, n)el(^e tiroa bie Dpfergeic^en beuten, foraie ben 3Söge(s
flug unb anbere SSorgeid^en, aber mit feinem S^empelbienft gu tun l^aben.
©aSjenige prieftcrlii^e ^erfonal aber, meldieS bamall rairflic^ in einiger

Slnjaljl üoiijanben gemefen fein muB, nämlic^ ha§ ber frülier in giemlic^er

SJienge oorl;anbenen Drofelftätten, tritt nirgenb§ au§ bem ©unfel l)eroor

unb fann in feinem gaUe eine ©efamtl}eit gebilbet liaben. 3" einem
mächtigen ^srieftertum mürbe aud) eine — roenigftenS urfprünglid; einmal

oorljanbene — ftaatlic^e (Sinlieit beS $ßolfe§ gel)ören, unb biefe ift unoer*
träglii^ fc^on mit ber geograpl)ifd)en ©eftaltung @ried)enlanb§. ©ro^e
^rieftermac^t mit 3lIIeinbefi| be§ lieiligen unb profanen SBiffenS unb 2lb=>

fc^IuB ber 5!afte entfpric^t nur großem ^^eic^en; bort modite fie malten.

^) S)ie S^empell^erffd^aften beg öfttid^en abroed^fefnbe Dornef;me Sürger gelautet.

^leinafieng finb feine grieciitfci^en @dE)i5p; Ser Siempef ber großen 2)Jütter in Sijifien
fungen. 6efa^ noc^ jur römifctjeu ^eit 3000 Slinber
-) öerobot IX, 34. ^auf. II, 18, 4. unb Diel Sanb, Siobor IV, 80, Sag gans
^) Uebcr ba§ fiöd^ft Täftige unb gefäl^r= öefonbere SBol^fgebei^sn ber Sterben ber
Hd^e Sa^re^priefterliim, n)e(d)eg fid^ f)ier 2lrtemig im pf)o!i[cl)en ö^ampolig ^^aufan.
an bie [) eilige .§ erbe fnüpfte, Dergl.um[tänb= IX, 85, 4.

lid^ §erobot IX, 93 unb ilonon 30. Sie *) §om. Hymn. Merc. 70.
gerben beä ^elioä rourben burc^ jä^rlidö
3. 53urct^arbt, ©rie^iicfie Äulturgejc^idjte II. 10
3ieügion unb Slultus.
J46

üerbünbet mit ben ©(^recEen ber SZotur unb be§ 9)?enfcf)entcben§ unb mit

früt;er ^erfteinerung atte§ (Si)mbolifd)en.

^n ©ried)eulanb bagegen l;ttt e§, wie gefagt, niemals ^rieftet fc^Ie^t'

]^in unb alfo and) feinen ^riefterftonb unb fein ^:prieftertum gegeben;

bälget benn aud; feine affgültige Xf)eologie, fein geiftlid)e§ ©efnmtraiffen

unb feine t)eiligen ©(^riften im ©inne be§ Oriente. !3)ie ganje ^Religion

rerrät ein (aienl;afte§ ©ntftefien unb ^^eroniuad^jen.

S)em ^u(tu§ liegt bie affgemeine 2l6fid)t gugrunbe, bie ©ötter fidj

geneigt gu erf)alten, inbem man fie minbefteng fürd^tete; i^re ältefte @e»
ftatt mar jeljr fd)redf)aft geroefen, unb nod^ ba§ 3öort eine§ 9iömer§:

Primus in orbe deos fecit timor (bei ^setroniu;?) behält feine Söaljrljeit;

au§ berfelben ©pätjeit, bo bie ©d)önl;eit ber gött(ic|en ©eftalten unb


2Jli;tf)en bie 9)ienfc^en nid;t mef)r rec^t ergriff unb tröftete, ftammt auc^
eine wichtige ©cfirift be§ ^lutarc^^), au§ meldjer erl)eüt, wie bie 'J-urc^t

ba§ Meinige mar, ba§ gule^t bei üielen übrig blieb. Sie ^f)iIofopt)ie

^tte injmifdien pofitio in 33erflärung be§ ©otte^begriffex^, negatio in

2ltt)ei§mu§ unb epifureifd^er Äe^re von ©ötteruntätigfeit fid) ergangen,

unb beim SSolfe mar e0, o(§ ob fie nie bageroefen märe. 2Bol;l erl)offt

man in ber ganjen griediifc^en S^it oon ben ©öttern auc^ ©uteö unb

bält fie für ©eber ber ©aben: bie 33effern betrad^ten fie aud) i)k unb ba
aU ©d)u^t)errn be§ ©ittlid}en; e§ mar immer eine 91eligion, aber eine

fd)road)e, fo gro^ aud^ if)re materieffe ©tärfe mar. ©luig roirb ber ©egen»

fa^ Staunen erregen smifc^en ber fo geringen et()ifd)en 9JJeinung oon hm


©Ottern, ber fo geringen Hoffnung auf iljre fiebere i^ilfe, htn fo jioeifet»

t;aften 2lnfid)ten über it)re Madjt — gumal in ©ad^en oon Seben unb
Xoh — unb anberfeit§ bem fo geraaltig au§gebel;nten ©öttcrbienft. S)er-

felbc mar feinem äöefen nac^ eine in§ ©c^öne unb in§ '^räd)tige oerebelte

^uri^t oor SBefen, an bereu 2)afein, ja an bereu ©egenroart beim Opfer


man bod) glaubte, unb bie man begütigen mufsle. i)ieue§ entftanb fort»

mä^renb, raog aber einmal eingefüljrt mar, raoffte man nid)t mel)r ah--

fdiaffen, fd^on raeil man e§, roie oben gefagt, alg einen 33efi^ anfofi.

Unb mo ber ©ifer ber SlJänner nic^t mel;r mürbe au§9ereid)t baben, ba

') de superstitione, 7itQi dti<nd«iuoi'iag.


SSie ©cied^en unb i^re ©ötter. 147

trat her Söille ber j^^rauen ein, roeldie ^ier eine <Sitte,o minbeftenS eine

©erooljnljeit gu fc^ü|en fiatten. „©ie [inb e§, n)elcf)e bie 9}Mnner antreiben
§u ftet§ neuem ^ienft ber ©ötter, p ^eften unb 2tnrufungen; ein für

ftd) lebenber 3Jtann wirb feiten fo gefinnt erfunben werben ^)," ^iemit
TOtrb einer ber größten @inf(üffe geoffenbart, lueldje bie fonft fo fet)r

prücfgebrängte ©rierfjin geübt Ijat; biefe grauen Ijaben eine 9}Jenge oon
eigenen llulteu aller 2(rt unb begeben gro^e meljrtägige %<i\U mit befonbcrn

9}Zijfterien, raie 5. 33. bie atf)enifd)en S:^l)efmop()orien, a\i§> eigenen Gräften

abf)alten fönnen; auc^ ftnb fie bei 3luf§ügen in gebrängter 9Jiaffe erfdiienen.

„9Benn jemanb" (i;eiBt e§ bei 2lriftopt)ane§ am 2Infang ber £i;fiftrate),

^,bie 2Beiber befc^iebe nac^ bem S3ac(^eion ober bem ^^anStjeiligtum ober

bem Tempel ber 2lpt)robite ^olia§ ober bem ber ©enetyHi^, bann möre
üor ^anbpaufen nid^t burcfijufommen."

S)Q§ regelmäjsige Opfer ber ©riechen mag mo^l für ben ©ebrauc^
nnferer 33etra(i)tung, roenn mir bie Umftänbe genau erfahren, in 'BiiU,

S)anf* unb ©üljuopfer u. f. m. gefd)ieben werben, fein eigentlicher Ur»


fprung unb (Sinn aber liegt in Briten, in roeli^e feine Sl^nung mel;r
f)inaufreid)t. Sd^on ha^ 2ßort evx>i umfaßt jegHi^e^ (3^h^t, bann ben
SBunfc^ unb ba§ 33ittopfer, nad^ Umftänben aber auc^ ba§ ©elübbe, b. i).

ha§> SSerfprec^en eine§ roeitern Opfers ober einel 2lnatt)em§; le^tereS ift

im ©runbe bie bleibenbe ©eftalt eine§ Opfert, meldte bie ©ott^eit bauernb

an ben Dpfernben erinnern foü. 2öa§ waren aber jene fleinen ^ier*
figuren ^) aug (grj ober au§ ^on, meldte man maffenl;aft an Dpferftätten
p finben pflegt? ©aben oon 3termern, meldte fein 2:ieropfer oermoc^ten
unb bem guten SBiUen burc^ ein ©pmbol genügten? ober 3lnatl)cme bei
©anfel? ober nur ©innbilber oorläufiger Dpfergelübbe? UeberaH in ber

58ergangenl)eit trifft man auf 2)inge, meldte nur bell)alb unerflärt bleiben,
weit fie ftd) §u i§rer ^eit oöHig oon felbft oerftanben unb roie attel

2llltäglid;e ju feiner 3Iuf5eic^nung 31nla^ gaben.

Sei ^omer werben bie meiften Opfer gar nid^t motioiert; \k voU'
jief)en fid), weil fie burd) alte rituale Hebung geboten finb, unb biefe

") ©trabo VII, p. 297. be§ Slnatl^ctnö mag (;ier einftrceilen au^er
-) eg finb meift 3?tnber unb 33ögel, a3ctracf)tung bleiben.
miä) ^ferbe. — S)ie gonje gro^e grage
148 Steliston unb luUijg.

fann bo^3 urfprüngltc^e ©efüt;l unb bie ^unbe bauon roeit überlebt t)aben^).

®a§ SlQtäglictie be!§ 33ittopferil gibt ^efiob. @r befie(;(t-) bem ^au^üater


bie regelmäßigen Opfer an bie ©ötter, „bamit biefe für bic^ ein gnäbige§
©emüt ^aben mögen, auf baß bu ba^ Sanbftüd anberer fanfeft unb nid^t
biefe baic beinige ^)." 33iel geopfert rourbe fc^on be^i^alb, meil fo mand^eö

3:;un unb @ntfrf)ließen im Seben oon günftigen Dpferjeid^en abljängig mar,

roä^renb gugleid) ba§ gen)öl;nUd)fte beginnen menigftenS mit einer ©penbe


3Beine§ an bie ©ötter ani)ob. 33ei jebem ©ijiupofion, wenn juerft un=
gemifrf)ter 3Bein gegeben würbe, fpradien olle: SDem guten 2)ämon! unb
nad) ber '^laljl^txt, menn bag S^rinfen be§ gemifd)ten begann, tönte e§:

3eu^ bem ©rljatter*).

SSon ber älteften 3eit unb üon ben einfadjften Opfern, ben ©rftlingen
beg ©etreibe» an bi§ auf ben fpäten ^oi)n etne0 Sudan mad)t fid) be»

ftänbig bie SSorau§fe|ung oernelimbar, baß bie ©ötter ber Opfer bebürften,

\a baß fie baoon lebten unb jebenfatt^, ha^ fie einen ©enuß baoon
ptten^). 9iun t)atte bei ben 33ranbopfern bie griec^ifc^e a)Jenfd)t)eit ein

nicbt ganj gutes ©emiffen. „Opfern" {&veiv, ifQfvsn) bebeutet oor allem
im ^auSgotteSbienft foüiel als in§ ^au§ fd^Iac^ten**), roobei bie ©ötter

mit ben ungenießbaren teilen be§ ^iereS abgefuuben mürben, unb eS


gab l^ierüber einen fprei^enben 3)iyti;u§ oon jenem Opfer in 3Jiefone

(bem fpätern ©ihjon), mobei fid) ^tn^ non ^romet^euS abfid^tlii-i^ burd^

bie roertlofen, aber mit glängenbem gett bebedten ^nod)en betrügen lößt,

um einen bleibenben ^lagegrunb gegen bie Opfernben §u ijahtn'^). ^^ortan

!onn ba§ Opfer fogar ein bloßer 33orroanb fein, wie fi^on bei ben (^e=
noffen be§ Obt)ffeuS, meli^e nad; ben Sünbern be§ ^elioS l;ungert, unb
6urT)lod)o§ fann fie beruljigen mit feinem 2ßorte: mir opfern bie Spiere

') ©päter fonnte etroa ein entfe^Iid)er ') 2)iobor IV, 3.


Tlen\iij, Toeldier gar nid)t§ mel)r glaubte, ^) Sie J^arifatur J^ieüon Bei Sucioti

bie ®eit)öl)nung an bag Dpfer nic^t log (ober rcer fonft) de sarcificiis.
werben. SKejanber üon ^f)erä roeif)te unb ") ©teilen au§ 3}lenanber bei 2itl)cn.

f)e!rän5te bie Sanje, loomit er feinen Dfieim IV, 27, VIII, 67, ^aufau. VII, 23, 7.
ermorbet, opferte il)r nlö einem Wott unb ') .tiefiüb. !Jf)Cog. 535 ff. —
Sie ©iittcr*
nannte fie Xi^cfion. ^hit. ^elop. 29. ucrfamm(ung in iWefone obne biefe Dpfcr=

^) 4)efiob, opp. et dies 335. gcfc{)id)tc itaUtntadj. fragm. 50 bei ibergF,

") ©in eblereg Dpfergelübbe ba§ beä Anthol. lyr. p. 148.


9Jeftor,Dbt)ff.lII,380.3)tt§barnuffoIgenbe,
befonberg genau gef(l)ilberte Dpfer 430 ff.
Sie ©ricci^cn unb t{;re ©öiter. 149

hm ©Ottern^)! ^n ber l^iftorifdien 3eit ftnb bann bie großen öffentlichen


S^ieropfer (in 2Itl;en bi§ jnr breifac{)en §e!atombe) ©peifnngen be§ 2So{!el^),

unb bie 2(ermern niödjten überljaupt nur bann %Ui)d) ju effen befommen
kben. @§ oerftet;! fidi, ha^ man mit ber 3eit fold)e Stnläffe l;äufiger
malten mu^te unb bafür 2lltei)rraürbige§ in SSerge^ fommen lie^. ^m
IV. 3af)rt)unbert f lagt bann 3to!rate§ ^) : in ben guten alten 3eiten ^aht
man nic^t (loie je^t) balb aufser Drbnung breiljunbert 9tinber geopfert

unb babei bie alten uaterftäbtifd^en Opfer oerna($Iäffigt , — balb neue


^^'fk mit SSolfioberoirtungen pompl)aft begangen unb babei bie lieiligften

3eremonien burdl) 9)iinbeftforbernbe begelien laffen — überhaupt bie

f^römmigfeit niclit im 2lufroanb gefucl;t, fonbern im 9?id)tüeränbern be^

3lltüberlieferten. Sttljen aber l)atte fc^on im V. 3a^rl)unbert boppett fo

üiele %t\k geljabt al§ irgenb eine anbere ©riet-^enftabt *). 3Son ^arent
fogt im IV. ^at)rl)unbert Sl)eopomp^): bie ©tabt opfert 9tinber faft jeben
SJionat unb übt ©peifung üon ©taat§ roegen; au^erbem finben fid^ bie

meiften Seute beftänbig bei 3"ffl^'^e^fwnften unb ©elagen.


^ier benahmen fid) nun offenbar ganje ^eüijlfernngen ni(^t öiel

onberö al§ jene @eföl;rten be§ Dbpffeug; glüdlic^erroeife raurbe t§ mit


ben meiften Opfern bo(^ anberS gelialten, unb man glaubte eine ernfte

^sflidjt gu erfüllen.

3Sor attem mürbe eg mit bem 9iitug fel;r genau genommen, unb in
jeber Söegie^ung, foraoljl wa§> bie gormein aU wa§> Opfergegenftanb, 3^^^
unb Ort betraf*^); maltete \a hoä) beim §au§fultu§, roeldier bie @runb=
läge oon aüem mar unb blieb, ber ^etligfte (gifer. 2tbgefel)en üon ben

') Dbpff. XII, 34:-3. *) 3£enop^. de re p. Ath. III, 2 unb 8.


^) hierüber bie entfdieibenbe 2lu§fage ^) Sei Sitten. IV, 61. —
®ie a«ilefter
für 3ll^en: 3£enopl^. de re p. Athen. II, 9. — tranJen am 2:^argelienfefte üiefen un=
a^ergl. ^au[an. VII, 23, 7. IX, 40, 6 bie gemifc^ten SBein unb gaben au§, rcaö fie

läglid)e Sebienung be§ ©septevä üon ®f)äro= SBertooIleS l)atten. ^artf)enio§, uarrat. 9.
neia mit gleifc^ unb Äud^en, raofür fic^ ^) §ier nur beiläufig eine 2lnbeutung
geroi^ ein SSerjel^rer fanb. 33ergl. bo§ toegen beg im ^nncrn beg 2;empelg auf
^aljre^opfer ber 450 ©tiere an ben bem 3laud}altar DoUjogenen Dpferö : ^a^
@Ieuti:)ei'ien be§ „üDn ben 2;9rannen be-- Heiligtum fjei^t gerne buftig (tvaJörjg) unb
freiten" ©ijilienä, ausbrüdlid) th r;;V tcSi' man barf auf einen großen unb »ietartigen
nokirdSy 4i;w/tK»'befreticrt. 2)ioborXI,72. Slufraanb im 3iäud)eriDert' fd^lie^en. 3foc^

3) S[ofr. Areopag. 29. ®en 2Retöfen bie Ueberfc^riften ber fo fpäten orpI;i|c^en
inägefamt gab man laut Snf(f)'^iften ba§ Itpmnen ftnb fjiefür uon SSelang.
gleifd^ uon bvei 3fiinbern 3um beften.
150 SReligion unb Äultu§.

^a^regfeften mit bramatifd)en ^ecjel^ungen unb oon ben gei)eimen 2Beit;en

blieb 5unäd;ft für ben regefiiiä^igen ^empelbienft ein iRitual übrig, je

na(^ bem 33rauc^e"be§ einzelnen Heiligtums, unb "^^riefter ober ^riefterin

t)atten fi(^ baSfelbe genau onjueignen ^). S)a§ QBörtlic^e baüon ift un§
nii^t überliefert, raenn aber in ben fogen. orppfc^en ^timnen nocf) eine

alte ©runblage unb i)k unb ba ein alter 53eftanbteit weiterlebt, unb
roenn ber fiebente ^omerifclie ^rimnuS (auf 2lre§) mit l)iet)er gebogen werben

barf*), fo roaren e§ 9teiljen üou 3lnrufungen, teils oon abjeftioifdjer 3lrt,

teils Erinnerungen an ben betreffenben 9Jti;tl)uS, meiere an bie ©ott^eit

gericf)tet mürben; an bieS fd^lo§ fic^ bann bie befonbere SBitte an. SDie

feierliche ©enauigfeit beS ganzen OpferafteS entfpradl), mie gefagt, weniger


ber Hoffnung auf ©eroäljrung ber Sitten, als ber ©orge oor bem Un»
roiüen ber (Sötter bei läffigem ober oöüig eingefteütem Sienft, unb irgenb=
mie glaubte man boc^ an il)re ©egenroart. 5Da{;er baS ..imfrjixelv"- ber

übrigen 2lnroefenben, roelclieS forooljl baS anbäcfitige ©dimeigen als baS

3luSfprec^en oon blo§ ©uteS bebcutenben SBorten in fic^ begreift; auf


tm läfterlid^eS ober unglüdlic^eS 9Bort Ijin, welches jemanb l)ören liefe,

begann man lieber baS Cpfer oon neuem ^). 3Sar ja bod^ fdjon im
täglichen ©efpräc^ bie SSermeibung eines bebenflidien SöorteS nic^t blo^

ein ©efe^ beS 2InftanbeS; oielmelir fürd)tete man baSfelbe als 3]orbe*

beutung eines fd)limmen ©reigniffeS, ja als Straft, rceld^e ein fold;eS

Ijerbeijöge.

©ieS el)rfurd)tSöolIe ©d)raeigen mufe freiließ bie ©riedien oon alters


l)er giemlic^ fc^ioer angefommen fein, benn mie eine 9ieaftion ober ©diab»
IoSl)altung folgte menigftenS auf bie gröfeern ^^^eftopfer (unb nic^t blofe

bie beS S)ionijfoS) bie lofe 3ftebe unb ©egenrebe {Toj&affinog), auSgebilbet

ju ©pöttereien ganger ß^öre, bisweilen „oon bem SBagen l)erunter", wenn

^) 2lut <BamoÜ)xak lebte im 3iitual nigungen (xaO^aQuoi), irield}e bei jeber

noc^ üiele:? nom alten 2)ialeft big fpät Äultuäl^anblung, roenn aud^ nur burd^ bn§
roeiter. Siobor V, 47. flüdjtige Spmbol beiS SOßei^rcafferä, uoltsogen
-) 3)ic f)ej;ametvifc^e g^orm ^ütte man rourben, Ijängen äufammen nid}t nur mit
fid^ natürlich lüeäjubenten. einer adgemeinern Hebung im .^aufe unb
^) 6el)r fdjön lüirb bei ®uripibe§ brausen, fonbern mit einem großen allen
(3on 1190; bie :){ettung beg ^on Dor 3>er= SiUjuungöglauben. S)er Siüxit megen fei

giftung motiüicit burd) (iTueuerung ber l)ier oerraiefen auf ben 3lrt. lustratio, bei
©penbe, nad)bem ooifier ein ©tlaoe ein ^ault), SHealeucpflopcibie.
läftertic^es 2Bort au^geftofjen. — 2)ie 3Jei-
Sie ©ried^en unb i^rc ©ölter. 151

ficf) ber geftirfjiüaini nid^t gu gu§ beiüegte, geübt üon a}iännern unb
SSeibern gegeneinanber ober uon SBeibern gegen SBeiber ^) unter ber

3)ireftion von aJcännern, nid)t ju gebeufen ber 2BiIbl)eit ber 9ia(^tfefte


(jTavrvxiösg). %[§> entfernte 3lna(ogie mag eriuäljnt werben, luie ]iä) bic

Pfarrer nnfere^ 2JiitteIalter§ nad) ben gaften unb ber J^arrooc^e auf ber

^an^zl ba^ fogenannte Dftcrgeläcfiter gönnten. *Qie unb ba gab t§> auä)
eine 35eöölferung, raeld^e beim beften 2Bitten fidj §um Dpferernft unföl^ig

louBte; bie ^tirynt^ier g. 33. mußten fic^ bie§ nebft einer begüglid^en 2tnef=»

böte nadifagen laffen^).

2lber eine nod; gan^ anbere Störung al§ burd) SBorte fonnte über

haä Opfer fominen burd) bie Slnroefentjeit von unreinen, üerbred)erifd)en


älienfdien, unb nur gu Ieid)t riet mon auf biefelbe, raenn etnm ba§ Opfer
mißlang, b. ^. raenn bie ©c^au be§ gefc^lac^teten OpfertiereS fd)limme
3eii^en an ben %aq, brachte, ^n einer atlifdjen @erid)t§rebe ^) mac^t fid)

bie 33olf!omeinung über bie ©egeniuart böfer iDtenfc^en fe^r coUftänbig


t)örbor: luer mit fold)en §ur ©ee fabre, müfje gelegentlid^ mit if)nen unter=>

get)en, roie fromm er audj fei, ober man ftelje raenigftens um iljrer ©e^-

feUfdiaft roillen bie größten ©efal)ren an§>; am 2lltar gefd)et)e i§> üiele

äliole, ha^ offenbar burc^ il)re ^inberung bag Opfer nid)t ooUpgen roerben
fönne; bagegen rüt)mt ber ©predjenbe uon fid), mit iijm fei immer gut
3ur (See faijren geroefen, unb roo er irgenb Opfern beigewoljut, fei e§

ftetg oortrefflic^ gegangen. Sludj bei geringer eigener S^eligiofität fonnte

ber ©riedie Sangigfeit empfinben (ober üorgeben) bei ber ©egenroart be»

benfiicber (ober il;m äufättig üer(}a§ter) 3)ienfdjen übert)aupt, abgefeljen

oon allem Opfer, unb mer ooflenbs al§ Seugner ber ©ötter unb 3Seräd)ter

ber 9)Jr)fterien galt, mod)te einen folc^en 3Serruf bitter gu jpüren befommen.

3'?id)t jeber tiatte bie ©eifteägegenroart fid) §u uerteibigen raie 1)iagorax\


ber in einem (Seefturm bie er§ürnten SJJitreifenben auf anbere ©d)iffe

') öerobot V. 83. — SBergl. aucf) tete, entfcf)ulbi9te man ficf) etraa mit einer
i^onon 49 ttnb ^aufan. Vif, 27, 4. — mi;t^ifd)en (Srinnerung : auc^ bie Irauernbe
©ine um[tänbUcf)e Sßarmmg tjegen bies Demeter Ijabe 5ei einer fd;iüeren 3ote iadwi
2lIIe§ au§ ber ^^it/ ba ficf) baä ©päts muffen. S)iobor V, 4.
I)eibentum l^ie unb ba ju moralifieren an; -) 2lt^en. VI, 79.
jc^idEte bei 3(riftib. 3^f;etor, orat. XL (ed. *) 2lntip[)on orat. V (de caede Hero-
©inborf J, 751 ff.) mgi toi: ,«>J tfnr dis) 82.
y.io/uu)d'th\ — Sßenn e§ gar ju roüft Iou=
152 Slcligion unb Äultuö.

!)inrr)ie§, tüelcf)en e§ md)t beffer ging al§ bem irrigen. 2)iefc ganje negotbe
©eite be§ ©lauben^, bie üolf^tümlic^e j^urc^t cor bem 3orn ber ©ötter

gegen bie ©ottlofen, an raeldjer aud) äffe Slfebieprö^effe Ijingen, war bi§

in bie fpäteften 3^^^^" ^ii^e ber ftärfften ©djut3mauern ber antifen 9te(igion

unb cuK ber Ur[ad)en, weldie fteffeniüeife noc^ bie (E^riftenoerfotgungen

unoermeiblid) machten.

3)a^ bem Opfer im affgemeinen irgenb eine 3wang§mad)t auf bie

©Otter zugetraut raorben fei, ift für bie rein gried)ifd)e 3ß^t unmögUdi
anpneljmen; bie taufenbmalige 9iid;ter()örung ber SBünfd^e mu^te l;ierüber
jebermann in§ Elare fe^en, auc^ märe öie ^urd)t öor einer dta^t ber
(S)ötter für foldje 3untutungen beim )SolU moljl üiel ju groB gemefen.
©od) gibt e§ t)ier Uebergänge, meldte gu beachten [inb. 3iti^öc^fi wogte
man etroa§ mel;r aU fonft bei ©lementargöttern, unb jener Shdt ber

3Binbe gu 2;itane ^), mn meldiem ^aufania§ berid)tet, mar ein mirflidjer

©öttergmang, unb an bie ©teüe be§ 9iitual§ tritt bie 33efd)mörung


{tTrrpö^), mobei man noc^ glaubte, bie ^-ormel ftamme uon ber großen
3auberin ^Dfebea. Stu^erbem aber mirb fid) aud) bei ben großen ©Ottern

an bereu 9}ienfdjli(^feit bie 2lnf(^auung oon einer ftärfern 33eftimmbarfeit


gefnüpft iiaben, unb in bro^enben, wichtigen 2Iugenblideu modjten 2tnrufung

unb ©elübbe einen 2lu§brud annel)men, ber oon ber 2lbfid)t eine§ 3wo"9^^
nid)t me^r fe^r ferne mar. 3)a§ ©tieropfer ber fieben gelben oor %i)thzn '^),

mobei [ie, bie .<oänbe getränft mit bem 33Iute beiS Opfertiere§, bie 5vrieg!o»

götter rufen unb ba§ ©elübbe auSfpred^en, Untergang ju bringen ober


5U erbulben, fe^t minbeflen§ üorau§, ba§ biefe furdjtbaren ©ötter fie

l)ören muffen, mit 9Biffen ober nic|t. ^eue feltenen t)od)feier(id)en Offen»
barungen oon ©etjeimniffen, meiere burd) ein ©tieropfer oor bem „^^n^i

bc§ ©ei}öfte§" jemanbem aböerlangt roerben^), finb moljl nur ein 3wottg
auf 3Jienfd)eu, fe^eu aber bod^ fd)on eine magifd^e ^raft eineS beftimmten
^iitual'c woraus. 23ei 2lnläffen foldier 9lrt fann fid) eine ©ijmbolif ent^
mideln, meldier ju folgen mir aufser ftaube finb. ^n ©ijrafusS fonnte

ein fogenannter „grof3er (Sib" im unterirbifd)en •Qeiligtum ber S)emeter

') «paufan. IJ, 12, 1. 2)erfeI6e «ßau^ -) iU^d)X)l. Septem. 42 ff.

fantag fannte Seute, idcIc^c bcn £)agel =>) .sSerobot VI, 67— H9.'ilSI)iIoftr. Imag,
burc^ Cpfer unb iüei'djnjöruncjen abinanbten. II, 23. ©iibocia »iolar. 40. 251). 414,
II, '6i, 8 f., iDO nud) ein Scl)u^«opfer gegen a. 7f)9.

ben ©übroinb.
Sic Oried^cn imb il)rc ©ötter. 153

unb ber ^ore abgelegt merben'), tüobci ber ©d)raörenbe ha§> 'ipurpur-

geiüanb ber Demeter anlegte unb i^re ^^aiJel in bie ^anb naf)m! 2(u^er'

orbentlirfjen 9}ien[cf)en^), ©ütjnprieftern (^att)arten), raie (Spimenibe§,


traute man eine älcadjt §u, lüeld^e man fiii) a(g eine ftärfere SBirfung
auf bie üon itinen angerufenen ©ötter oerbilblid^t traben rairb, nur yer=
fdjmimmen foI($e ^erfönlidifeiten mit aU iljrem 3::un in§ ^abelt)afte ^).

S)a§ geroö^nUc^e 33olf t;at iebenfalls üon (^ötterjmang nickte gerou^t,

roä^renb it)m fonft fo mancherlei ^anWi, namentlid) in oergroeif elter Siebe ^),

fef)r geläufig mar. ©ötterjmang ift nur in ä>erbinbung ju benfen mit


einem befonbern, frf)roierigen, auc^ furchtbaren Stitual, unb ber geroötinlii^e

©riedje mar fii^ beiüu^t, ba^ er ein folc^e§ nic^t befaß; ber geraötinlid^e

^riefter aber mirb fic^ uor fo itmü§ gefdieut traben.

3ni ftiClen jebod) fd)lid) ein fotd)er ©taube fd^on jur rein gried)ifc^en

3eit aüerbing§ Ijerum unb einmal, fogar auf ber tragifclien ©jene, tönt
e^ laut burcb^), ba^ mon bur^ beftimmte Opfer felbft ben Stpollon in
®elpt)i nötigen tonnte, feine eigene ©dimad; ju bezeugen, bod) fei auf
folc^em ©eroinn fein ©egen. ®^i voax gut, ba^ im gangen §omer nur
ein ©Ott mie ^roteu§ bem B^^^^^S unterlegen mar, unb bieS nur in ber
anmutigen 6r3ät)lung be§ 2)tenelao§ *'). Unfere 33erounberung für ben
epifcl)en ©efang foraolil ai§> für beffen 3u^Jörer mürbe überl;aupt nod^
fteigen, roenn mir ermeffen fönnten, raie oiel ©relley, ©d)rcdlid)e§, SBüfteS,
ba§ nod) in ben 2lnfc^auungen oorljanben gemefen fein muB, üermieben
unb aulgefd)loffen rourbe, unb biefeg fülle ©inüerftänbni» groifc^en bem

1) ^lut. Sion 56. betten, « ^t6<; tv roiöSoiai" (33. 36) —


^) 3lo(i)mal§ ift I)ier auf bie C5e5et§= nur gefd^ief)t bieg nicfit notroenbig luegeu
!raft beg 2leafoä (»ergl. ©. 139) l^insuraeifen, ber SBefdjraörung. 3tnrufung uon ©bttern
roeli^e auf belpljifc^e SJal^nung I}in uon ben bei 3fl"berübungen ift norf) fein S'^^'i^S
Stäblen ©ried^enlanbS in 2lnfpruc^ ge» gegen biefelben, fo roenig alä irgenb eine
nommen rourbe roegen aUgemeiner S)üire, anbere SCnrufung.
aüerbingg infriU^er mijtljifc^er Seit- ^aufan. ') ßurip. ^on 372 ff.
2)agegen Seugs
II, 29, 6. nung jebe§ ©ötterjraanges Sopf)otI. Oed.
^) affielclien ©inn fann es gelE)a5t fjaben, rex 280.
ba^ man beim 2;obe beö ©pimenibeg beffen "•)
Dbriff. IV, 399 ff.
— S^er italifc^e

Sei6 tätoroiert fanb {yoüiiimat y.caü- ©laube oer^ätt fic^ jur ©ötterbefd^roörung
aiixToi'Y} 33ergl. Sffieftermann biogr. j). 72. anber§ al^ ber gried^ifd^e. — 25er ©otter*

*) 5i'"i"er^itx fommt c§ in ber ^[jar= jraang ber tf)effatifc^en .'oejen bei Sucan VI,
mafeutria be§ Xtjeofrit (Sb. II) fo loeit, 440 ift blofie Sjenerie, cergl. bef. 492 ff.

bn^ 3(rtemi5=§efate fic^ näl;ert : „3)ie .5>unbe


154 Sieligion unb ÄuItuS.

Stöben unb bem lnuf($enben SSolf !ann 5um ©belften ber gnngcn §e(Ien{fc(jen

^rüljäeit ije!)ört Ijaben. 2öa§ bei ^orner ben ©Ottern nadjgefagt luirb,

bal lefen roir. 2lIIein luir n)iffen nid)t, wa§> eg ben ©änger !oftete, bomlt
ii)mn bie f(^recflirf)fte ©dimac^, bie Slbljängigfeit com menfd)lic§en 33e=

f(f)it)örung§3roang, erfpart blieb.

3ur 3ßit i^er 3ßi^i"ütlung ©r{ed)enlanb§ lernt mnn bann, u. a. au§


^lato^), aUerbing^ S3e)c^tuörer fennen, raeldie ftd) jebod) nid)t an bte

oh;mpif($en, fonbern an getjeime ©ötter (ivaiot &soi u. f. w.) roenben


nnb offenbar ntc^t bem "^Bolt, fonbern geängftigten 33orne()men, aud^ raol)(

©tabtbefjörben tljre ®tenfte raibnien; btefer 3(rt lüaren befonberS bie oöütg

uerborbenen unter ben fogenannten Drpt)eote(eften, 5larifaturen ber friU;ern


großen ©üt;npriefter. 31I§ man auc^ in betreff ber ^^iijfterien fo meit
war, ba^ angftuolle ©eljeimroei^en für fräftiger galten ai§> felbft bie

©[eufinien, aU ber 3lberg(aube be§ Oriente in ben griedjifc^en einjumünben

begann, wirb bie 33efd)niörung ge()eimer ©ötter nie mef)r ganj aufgeijört
fiaben, bod} bleiben im eigentUdjen @ried)enlanb ©puren biefer 3lrl feiten,

unb ha§ 3SoIf roar ber <Baä)t bauernb fremb.


©rft in ber ^aifergeit rourbe bie fogenannte ^[jeurgie mäd)tig, lueld^e

fidj prinzipiell be§ Umganges aiiä) mit ben großen ©öttern rüljmte unb
fie tjerbeirufen §u fönnen glaubte. 3lm ©ingang biefer (Spoc^e, §ur ^e'ü
^abrian§, wirb oor un§ ha§> STraumbud^ be§ Slrtemibor aufgefd)lagen,
meld)e§ un§ fo oiele Söünfdie unb 3}feinuugen bamaliger 9}tenfd)en offen*

bart. S)er SBerfaffer^) gibt u. a. §u, ba^ uon ben ©öttern burc^ SBeif)'

raud) unb SluSfpre^en geljeimer SfJamen S^räume aU Offenbarungen für


3{ngelegenl)eiten beg 2lugenblidy erlangt mevben fönnten, allein er roarnt
oor folc^en Zeremonien unb roeift auf bIo^e§ ©ebet Ijin: „®§> märe ja

lädierlic^, roenn redjte Seute, oon benen man etma§ mit S'^^^^^^S ober
©eroalt begetjrt, nid)ty geroäljren, ben freunblid} 33itteuben bagegen ge^

fäUig finb, ©ötler aber 3ioang§begel)ren erliören müßten. 9tad)bem bir

aber ba§ ©d)auen [Ichh, nämlid; bie 3:;raumroal)rnel)mung nidit ber


©Otter, fonbern ber Söfung jener 3lngelegenl;eiten) geroäljrt roorben, bonn

opfere unb banfe unb ladie berer, bie ben ©Ottern ©efe^e üOi-fd)reiben

rootlen."

*) ^fato, de re p. II, 7 bie $aupt= -) Cneirofrit. IV, 2, p. 205.


aii§fage; — bann de legg. X, p. 909 1).
|

I
®ie ®riccf)en unb iljve ©öttev. 155

3Ber will enblid) genau fotien, mo fd^on uor alters bie gel)eime ober

f)aih jugeftanbene Slbfid^t be§ ©ötterstuangeS anfing ober aufijörte bei

befonberS foftbaren ober fc^recflidjen Opfern? ®a§ SSerfenfen ebler 9ioffc

in bie %M, mod}te e» ba§ ^Jker ober ein ^-lu^^) fein, fönnte f)ief)er ge»

l;ören, cor allem aber ba§ 9Jienfc^enopfer, roeldjeS ben Wa)Ü)]X§> mit feinen
©d^reden erfüllt '^), befanntlic^ aber aud) in ber t)iftorifd)en 3eit biSmeilen

Dorfommt "). ®§ ift eine 2(rt oon S^aufd) (do ut des), lueldier ber ©Ott*

^eit üorgefdjlagen mirb unb fie gemifferma^en binben foll. ®er Unter=
gang, roeldier üon ifirer ©eite eine $ßiel^eit, \a einer gon§en 33eoö(ferung

broljt, mirb auf ein einziges §anpt abgeleitet; ber 3oi^" ^^er ©otttjeit,

roelci^er fid^ burd^ fd^raereä allgemeine^ Unglüd irgenb roetc^er Slrt !unb«

gegeben Ijat, fott iljr gleii^fam abgefauft werben, inbem ©in !oftbare§
Seben geopfert wirb; bei ©tabtgrünbungen glaubt man auf biefe SBeife

fd;on oorläufig ben ©ötterneib abjuroenben. älnbere Rötungen mögen


geftorbenen 9}tenfd)en ju (gieren gefc^elien: am ®d)eiterl;aufen be§ ^atroflol*)

merben §mölf gefangene troifd)e Jünglinge gefd}lad)tet, offenbar, bamit fie

bemfelben im ^^^^f^it^ i^^^^ ©eleite bienen, uic^t ju gebenfen be§ frei*

löiHigen 2!Htfterben§ ron ©attinnen '")


unb gangen ©efolgfdjaften bei anbern

alten 58ö(!ern. — S)a§ zd)k a}ienf(^enopfer aber ift ha§ einer beftimmten
©ottlieit bargebrad)te, unb bei ber furdjtbaren ^serfönlid}feit ber älteftcn

(Sötter fönnte e§ siemlic^ pufig gemefen fein. Um fo jammerooüer,


raenn e§ etwa umfonft gefd)et)en mar! 2)em 2lriftobemo§ fagte iiernai^

ber ©el)er, er l)üU feine 'Xocbter getötet, nic^t geopfert^). §ier ift ber

ganje Hergang, wie ilju ^saufaniaS beridjtet, milb altertümlid) über bie

1) ^r. XXI, 130. ®g gab namentlirf) 21. 22 bei Slnla^ ber Umgebung cinei

fold^e ^ofeibonöopfer. foId[)en burd^ ^ßelopibog oor ber ©d)lac^t


-) Heber ben S^n§ Sapl^pftioS oergl. Don Seuftra.
.«ßreirer, ©riecf). ü)h)t^oI. II, 209. *) 31. XXI, 27. XXIII, 137.

^) ®in 33eifpic( baoon, roic ein alte§, ^) Ueber bie nrfprünglid^e 3}Jotioierung
gefe^Iic^eg2JJen[c^enDpf er fpäternac^,'Gräften beg Opfert ber ^ol^jena lüirb man vef
umgangen rourbe, ^erobot VII, 197. — ©o» fc^iebener SJeimmg fein fönnen; ©uripibeö

bann ^aufan. III, 16, 6 bie §auptau§fage in ber ^etah^ gibt bie fpäter f)err|rf)enbe

über bie 2lrtemi§ Drtl^ia, rco bie blutige Srnfidit. 3Kit ben ©tptljentönigen pflegte
©ei^elung an ber ©teile beä urfprüng= man aBeinfd)en!en, i?öd)e unb 53eifcf)[äfe;

Hd)en 9Jienfcl^enopfer§ biä in bie Jliaifers rinnen ju begraben. Sio Gfirgfoft. orat.
fic^

jeit bef)auptete. — 3"f fi'""'^"^)ängenbe 2(ib3; XIII, 1.

füge über bie 23ien[d)enopfer ^lut. ^elop. •>)


^^jaufan. IV, 9, 4; ucrgl. IV, 13, 2.
156 3leIigton unb 5tultu§.

gjia^en; leiber l^ot ober bte t)ellemfd)e ^oli§ fpäter in ber gebilbetften

3eit {t)re Toid)tigften Bürger oft in großer 3q(}I, nur in ganj anberer

9)ianier aufgeopfert, woneben bie 2^ötung aller 3)iänner bei (Eroberung

anberer ©riedjenftäbte in ben ^auf geljt. ©c^einl)eiligenüeife oerroie§ ber

fpätere ©riedje bie 93(enfd)enopfer freiließ an ben taurif(^en, !oI($ifd)en

unb ägvptifdjen ©tronb, al^o eine Hebung oon 33arbaren.


2ßenn bann aber in diom bei ©ntfeffelung aller Seibenfd)aften gegen

©nbe ber 9^epubH! ba§ SWenfdjenopfer in greu(i(^fter ©eftalt lieber auf*

tritt, roenn über ben ©ingeraeiben gefd)Iad)teler llnaben ©elübbe geleiftet

werben unb bergl., roie bei ßatilina unb ä^atiniu§ ^), fo ge()t bie§ I)offent=

lic^ bie griedjifctie 9^eIigion nid)t§ mef)r an unb aud) ben angeblid^en

^i)tljagoreiymu§ beio ^atiniu^ nic^t, S)ie römifdjen ©labiatorenfäinpfe

aber, gegen raeldie ©riedienlanb einen bauernben 2lbfd)eu beljielt, waren


aul ©trurien gefommen, juerft aU Seid^enfeier oorne^mer ä^erftorbener.
®a^ fie !;ierauf, in^3 9Jlaffen^afte au§gebilbet, ha§> größte 33oIfgöergnügen

werben fonnten, bleibt al§ ewige (Sd)mad) auf 9tom liegen.

^^on ben Dertlic^feiten unb ©ebäuben be§ ilultu§ foll Ijier nur ba§
2lC[gemeine berüljrt werben, ©ine 9teIigion wie bie griec^ifc^e fonnte oon

ben frül^eften ^t^iten an i^re 2lnbad)t an jebe beoor^ugte ©teile fnüpfen,


wo man fic^ irgenb einer @ottl)eit notier fü()lte; unb wo einmal auf

Sergpljen, bei mäd)tigen Säumen unb Dueüen, in ©rotten geopfert

worben war, niodjte fid) Ieid}t eine bauernbe Dpferftätte bilben unb all»

mät)lic^ reidiern ©djmud gewinnen. )^a§> Urfprünglii^e unb Unentbeljrlic^c

ift ber Slltar (ßcof^-og); benn Opfer I)at e§ jcberjeit gegeben unb nod) fpät,

üor oottftänbigen ^Tempeln mochte ber oft gewaltig gro^e Sranbopferaltar


im ©runbe aU bie §auptfad)e gelten. 2tud} auf [teilen 33erggipfeln fanben

fid) 2tltäre be§ 3eu^5 unb anberer ©ötter; f)ie unb ba fdjeint aud) eine

gelsftirn pm (gewife riefigen) XI;ron^) auicgemeitjelt gewefen ju fein,

ober man l)iett bie 9kturgeftalt ber flippe für einen S^^ron — welc!^cr

©otttjeit? bas fonnte in et)rfürd)tigeni 2)un!et bleiben. 3In äBafferbeden,

weld^e für unergrünbtii-^ tief galten, niod}ten fid) feit uralter :]ät ©agen
unb Sßeiljen tnüpfen^).

>) Sicero, in Vatin. 6. •^) ebb. II, 36, 5.

-) 33ergl. bie merfroürbige aiugfage bei

«ßaufan. I, 35, 6.
2)ie ©ried^en unb il)re ©ötter. 157

®er eigenllid;c Xeiupel a[§ vaog, 2Bof)nunc5 be§ @otte§, ift nicfit not*

TOenbig ba§ ^^rül^efte geraefen; alte Heiligtümer I)ei^en oorjugSroeife (u. a.

bei Strabo) Dra!elftätten, fxaviüa, in welchen oietteicfit bie ©ottfieit auf an=

bete 2Bei]'e anroefenb gebadet raurbe al§ in einem Silbe; auc^ ber Sau toirb

fid) ber iebe^matigen Drtvbebingung, roeldjeso 3. S. eine ©rbfpalte fein fonntc,

angefdjioffen unb roefentlid^ bcn 6t)ara!ter einer fidjern (Sinfaffung getragen


\^ab^^\. 3Bo aber ein ^ultbiib im Tempel moljute, glaubte man in bem-
fetben irgenbroie bie C^ott^eit gegenroärtig, raenn aud) ein flarer 2lu§fprud)

I)ierüber nid)t p erwarten ift. 211» bie ^unft jroar (ängft menfd)lid)e unb
göttlid)e ©ebilbe in 9}Zenge gef (Raffen Ijatte, aber noc^ nid)t imftanbe mar,

aud; nur annät)ernb ein ^ultbilb Ijeruoräubringen, ba^ ber bereits üorfian*

benen ©d)ön^eit ber ©ötteranfdjauung entfprodien t)ätte, oertrat etroa

ein ©teinblod, eine ^tjramibe, ein ^^feiler ^) bie ©ottljeit, unb man würbe
fel)r Unred)t tun, menn man biefe einfad)en ©ebilbe für blofee 'J^^^i'^)^ l;ielte.

2ll:c aber eine üoüenbete Slunft bie ©ötter fd)uf, unb ba§ 33olf unb am
beften ber ^ünftler felbft bie irbifd^e (Sntfteljung be§ Silben fannte, mar e»

thi\{ bod) bie ©ottt)eit unb ba;! (gc^üanieren über biefen Sßiberfpruc^ modite

man in ber fpätern '^t\i ben Spöttern unb ben ilirdienüätern überlaffen^).
gür ben UrtppuS be§ eigentü(^en Stempels glauben mir ben ^^eri*

pteroS Ijalten p muffen: bie üerljältniiomäfeig f leine, lang geftredte ^zM


mit ^a^^\{ ringsum, urfprünglic^ uöHig t)on ^olj ausgeführt m einer .geit,

ba ^ettaS nod) ein malbreidieS Sanb unb bie 5lunft be» ©teinme^en nod^
feiten fein modjte. ®urd; irgenb eine uns unbelannte religiöfe ^ebung
mirb biefe ©eftalt für aüe ©riei^en gur normalen geworben fein; nad)l)er
in (Stein umgebeutet, raurbe fie bie 3)Jutter aller Dtebenformen nacb ber
Seite ber 58ereinfad)ung rote ber Sereidierung. ©eftiftet raurbe etwa eine
2Rel)rgal)l oon Tempeln äugleid), \)ti ber ©rünbung einer Stabt; anbere
famen mit ber '^txi liinju, auf ©elübbe ber @efat)r, auf ^Kalamitäten, auf
Orafelbefdjeibe ^in; irgenb eine 'isoQftänbigfeit in betreff ber ^oX)i, fo

ba^ man 5. S. 3:'empel für alle ohjmpifdjen ©ötter erridjtet Ijätte, raurbe

nid)t erftrebt, unb bie größten Stäbte l)aben biefelbe fd)raerlic^ aufjuraeifen

^aufan. II, 9, 6. — 3)er am^üä- 2) 3itate ber betr. 2lrt bei (S. Jy.
Öer=
ifc^c SlpoH atä breifeig ßUen f}of)er eöevner mann, ©ottesbienftr. Slltert. § 18, 19. —
Pfeiler mit Äopf unb @i-tremitäten, tVb. i
Sergl. bie roürbige (fr5är)lung t)on Stilpon
III, 19, 2. I S){og. Saert. II, 12, 5.
158 3tcIigiou unb i?ultu§.

(jeliQbt ^), töä(;renb fie red)t moi)l meistere Stempel einer unb berfelben @olt=
f)ett nur mit uerfc^iebenen 33einamen, befi^en mochten, wie benn §. ^.
©porta fec|§ 2lrtemi§tempel !)atte. 'Jöenn man fpäter oller ©ötter ge=
benfen unb feinen übergeljen raoHte, mürben ^ant^een erbaut; immerl;in

fannte ^aujania^ auc^ folc^e, bie man für „alt" t)ielt '0-

S^ocfi einmal mu^ Ijier ber fdjon frütjer (©. 58) ern)ät)nten 5lultu§=

Übertragungen (dcpiSQifffig) gebadjt werben, oon meieren e§ 33eifpiele f(i)on

au§ fel)r frülier 3^^^ 9«^. 2)er Urfprung berfelben ift leicht §u erraten:
bie grie($i[d)en ^ijlfer fül;rten bereits auf ben SBanberungen ©ötter mit.
@in sroeiteg ©tabium ift feneS, ba eine trgenbmo aulmärtf? angefiebelte
33et)öl!erung oon ber oerlaffenen, anä) rao^l in anbere ^änbe gefallenen

Heimat ba§ l)auptfädjlic^fte ©ötterbilb, „mo nic^t, menigftenS bie ^ultug^


Übertragung" oerlangt. ©trabo, ber bei Slnla^ be§ adjäifi^en ^elüe^)

unb feinet ^ofeibonSbieufteS biefe Sßorte brandet, l)at leiber oerfäumt, un§
ju melben, roeldjeS bie 3^temonien biefer Uebertragung maren, inbem fid)

bie 6ac^e für il)n nod) oon felbft oerftanb; e§ fann fid) um aJlitteilung

oon 2^empelritualien, oon ben am Stempel Ijaftenben ©eljeimroeiljen, oon


lieiligen ©ebräudjen oerfc^iebener 3lrt geljanbelt Ijaben*); geioi^ ift nur,

ha^ ha§> ilultuSbilb bem ber anbern ©tabt mögli(^ft genau nadigebilbet
rourbe. 2tuc^ mirb man annel)men bürfen, ba^ ber Hergang in ber Siegel
<iuf SBeifung eines OrafelS l)in erfolgte, loeld^eS ber ©tabt einen anbcrS=

TOO als befonberS fräftig erfannten ©ötterbienft anbefal)l. 2BaS für ^l;an-
lafien babei über bie Seoölferungen fommen fonnten, le^rt ein gioar fpäteS,

<iber fpredjenbeS ^eifpiel auS ber ©iaboc^enjeit"). ^ier mirb unter bem
©eleufiben Slntiod^oS II ben ©öttern eines Stempels auf 39?^^" jugetraut,
ha^ fie felber bie Ueberfiebelung nad) bem großen 2lntioc§ien begeliren

unb ben 2lpolt oon ®elpl)i ju einem Sefd;eib in biefem ©inne beftimmen,
meld^er bann, auf bie oon 2lntioci^ien auS gefc^et)ene Befragung l;in,

mirflic^ erfolgt, ^m ^Tempel auf 39pern erfd^einen nun Seute beS 3ln=

3n 2ltr;en fehlte j. 33. ein |)era= ©rrocii^nungcn Don «'g)i(yQvaii,g IX. p. 403
tempel big auf |)abrian, raclc^er aud^ fonft unb 404. 2tu§er ©trabo nud^ 2)iobDr XV,
einiget nad)l)oItc, einen 2:empel be§ 3eug 49, ebenfaßö ungenügenb.
^anfjellenioS unb ein ^antfjeon. ^aufan. *) 2lu^ oon ber (?5eftalt ber 2:empel
T, 18, 9. felbft? aSergt. ^aufan. IV, 34, 6.

2) ©. oben. (3. 24, 2tnm. 2. '') l'iban. 'Ayriox^xog, ed. 3ieigle I,


'») ©trabo VIII, \k Ö85. — 2Inbere p. ß06 ff.
2)ie ©riechen uub i^re ©ötter. 159

üod]o§, tüetdien jeboc^ bie offene Söegnaljiiie ber 33ilber üi§> untunlich üor=

fommt; fie erflärten, nur genaue Siadjbitbungen berfelben fertigen ju

raoUen, unb barauf meißeln fie %a% unb dla^t, raälirenb bie ^riefter

fcfilafeu. ©ie [teilen bie 5lopien ^in unb falzten mit htn Originalen üor

ben 2tugen ber nidjtiS at)nenben 39P^^ß^* ^on bannen: „^reilid^ tarn bag

nid)t blofs oon ben gäljigfeiten biefer Silbner, fonbern bie öötter Ijatten
ben SBiUen ber 2lu'cfal)rt unb legten in bie ^änbe jener eine ^raft be§

nieljr al§ fonft 9JiögIic^en." Wü anbern SBorten: bei fold^en 9iac^bit=

bungen von ©öttern wirb in ber ©tabt, welche fie empfing, geraöl;ntic^

bel)auptet raorben fein, ba§, vcia§> man befommen, jei eigentlich ba§ Original).
S)ie bisweilen je^r grofee ^ai)l ber Heiligtümer in einer ©tabt wie
§. 33. ©parta lä^t fd)lie^en, ba^ roeit bie meiften berfelben ^riüotftiftungen

geroefen ; aud) barf man fid; oiele baoon at§ flein unb mä^ig auicgeftattet

üorftetlen. S)ie ©tiftung mar uerljältniSmäBig leidjt, ba t§> fic^ nur um


einen Siaum für ba§ 33ilb mit einem 2Iltar baoor im j^^reien ^anbelle,

ol)ne ^riefter unb rool)l beinal^e ol)ne Dotation, etwa mit befi^eibenen

^eften ber betreffenben ®ottl;eit gu geroiffen ^^i^en be§ ^a^re§. ferner


raor bie 2Bal)l ber ©ottl)eit eine freie, üon feiner geiftlid^en SSelji^rbe ein*

gegebene; ^onon nad^ feinem ©eefiege bei .^nibojo ftiftete im ^iräuS einen
2:;empel ber 3lpl)robite, meil bie ilnibier befonber§ biefe ©öttin oerel)rten ^),

b. l). man mäljlte etroa bie ©c^u^gottl)eit berjenigen ©egenb, wo man


©lud unb erfolg gel;abt ^atte. 3lm 2lltar be§ @ro§ beim Eingang in
bie 2lfabemie oon 2ltl)en rülimte fid; infc^riftlic^ ber ©tifter (EtjarmoS, er

juerft üon allen 3ltl;enern l;abe biefem ©otte einen 2lltar gefegt; ben 3lltar

be§ 2lntero» (be§ 9tac^ebömon§ unglüdlic^ Siebenber) bagegen l;atten

mitten in ber ©tabt bie 9}ktöfen^) (SinfaBen) fe^en bürfen, unb fortan

oere^rten fie ben 2lntero§, b. Ij. biefer i^ult galt al§ unangefochtene^
(Eigentum il)re§ ©tanbeio.

Sefanntlic^ fanb ^aufania» eine 3Jienge Xempel in baulofem 3"*


ftanbe oor, namentlid) oline ^ad), unb nic^t feiten erful)r er, ba^ ein
33li^ftral)l ba» ©ebäube ent§ünbet l;atte, ober ba§ 2)ac^ mar oor 2llter

*) 'JDic ©efc^id^te, rodele bei 2)iobor, 1 jifc^e 3ieUgion unb fann §ter übergangen
fragm. 1, XXXIII Don ben ©täbten |
merbeii.
3Raxatf)oS unb 2lrobo§ unbeutUc^ er= I
-) ^^aufau. I, 1, 3.

5äl^lt t[t, bcjtefjt ftrf) rco()I auf pljöni« I


^) ebb. I, 30, 1.
160 9?eIicjiDn unb lultuö.

eingebrod^en. ,^ie unb ha ftanben aud) nod) ^I^rümmer oon Tempeln,


Tüelc^e burd) boS ^eer be» Xcrje§ oerbrannt morben waren unb feüt)er

abfiditlid) in btefem 3iiftQ'^^^ belaffen würben; bod) mögen e§ wenige


gewefen fein ^). SBaiirfdieinlid) imterljielt unb reftaurierte eine ^o(i§ bic
üon i^r fetbft geflifteten Heiligtümer, fo lange fie felber beftanb unb e§
trgenbroie nermoc^te. 5Iud) Itorporationen unb (Stifterfamilien werben e§

möglic^ft fo ge^tten ^aben; waren biefelben aber erlofd^en, g. 33. im


^rieg ober in bürgerlichen Unrn()en untergegangen, oljue 9ied)t§nad)foIger
ju Ijinterlaffen, fo fa^ bie ^oli§ rul)ig ju, wenn bie üon itinen geftifteten

5^empel unb Kapellen aflmäl}lid) einftürgten ober oom 93li^ eingeäfdjert

würben, unb war wol;l ol)ne ©orgen wegen Unwillen^ ber betreff enben

©Otter. ©i!t)on 5. 33. bulbete einen gang traurigen 33au5uftonb in biefer

33e5ie()ung, obwotjt bie ©tabt noc^ bei Straften war. 3"^^"^i^^)ii^ ift «w^"^ ^^^

©egenteil bei ^^paufania^ nic^t feiten: untergegangene ©täbte mit nod) oor^

I)anbenen .Heiligtümern, weldje offenbar burd) bie 3Jad}barfd)aft in banlidjem

SBefen erhalten unb mit einigem 5lultu§ oerfelien waren. 3lm @nbe genügte
e§, wenn oor einer Sempelruine no(^ ber 33ranbopferaltar aufred)t ftanb.

Sie 3lu«ftattung ber 5:'empel war in jeber 23e3iel)ung feljr oerfd)ieben

unb reid)te l)ie unb ha bi§ ju fe^r reidier Dotation an ©runbbefi^ ^),

dienten unb ^ebienung. ^n fel)r alter Seit fanbten 33eoölferungen fogar

„©rftlinge", b. t). a)ienfd)enquoten al§ ©efd)en! an gro^e Heiligtümer, wie

j. SB. (laut 2triftoteleg) bie Ureter nad) S)elpbi^)- ©ine nic^t feltene 3trt

oon Sc^enfung waren u. a. einmalige fowoljl ol§ fortlaufenbe 3^tj"ten

üon gewiffen einnal)men unb ©ewinnften, al§ föelübbe oon ^olei§ fowoljl
ols üon reichen unb anbädjtigen ^aufleuten^). ^n ben feften dienten

fonnte jebe 2lrt oon 3hi|barfeiten geljören unb wäre e§ audi bie an einen

2;empel gefcbenfte gifd)ereipad)t in beftimmten ©ewäffern gewefen.

Oft war ber 33au umgeben üon einem geweil)ten Sejirf (nfQi'ßoloc),
weld)er mäditige, burd) fräftige 3^erwünfd;ungen gefd)üiUe') SBäume,

Hatten, 9lebenbauten für ^riefter unb S^empelff laoen , aud) für <Bd)ui^''

1) ?ßaufan. X, 35, 2. *) ©in Seifpiel ber le^tern Slrt SlaÜi-

2) Ueber bie gerben f.


oben ©. 145. mad^. epigr. 41.
3) Shirf) bie Magneten aü§ ber ^enfc^en= ^) (iQ(ti( la^vincic, roie ber .'pain uon
beute bec^ itviegeg gegen S'iou, Äonon, 2)ap{)ne. Siban. 2Intio(^. ed. Jteiöfe I,

narrat. 29. p. 303.


Sie ©ried^en imb i^re @ötter. 161

ftef)enbe ^) ent{;{elt. ^a§ Slfijlrc^t für le^tere unb bte 2Ifi)lpf(irf)t be§ 3::empel§
tourbe fad)Itc^ unb örtlich in ungleid^er 2lu§bei;nung üerftanben ^), fo ba^ e§
für ba§ blojse innere be§ Heiligtums ober aud) für ben Sraubopferaltar ^)

ober für ben ganzen ^^eribolo^ ober fogar, al§> burrf) wollene ©c|nüre
mitteilbnr, für aße galt, bie \iä) baran t)ielten *). S)ie oerfolgenbe SJJarfit

üon brausen !onnte huxä) SluSliungerung ^) ben ^Tob be§ ^Iücf)tling§ ober

feine enblicEie Uebergabe erzielen; einen eigentlichen @inbru($ f diente man


aud^, als fonft bie ^oliS jebe anbcre 'Bä-j^u abgelegt f)atte. häufig mi§»
brauchten geroöEjnlidie SSerbredjer, auc^ böfe ©c^ulbner baS Slfgl; nac^bem
StntoniuS ba§ 2Ift)(re(^t beS epl)efifdjen 2trtemifion§ gar §u raeit, bis an

bie Stnfänge ber Stabt auSgebeljut l)atte, mu^te SluguftuS bieS roieber

aufl)eben, weil bie 3Serbred)er in ber ©tabt SO^eifter §u werben brot)ten^).

2luBer ben materiell oft fef)r f oftbaren ©ötterbilbern unb Söeit)*

gef^enfen betierbergte mandier Stempel au^ anoertraute ©eiber, meiere

gegen geroiffe 33ebingungen auSgeliet)en würben unb I)ier unb ba felbft

gu S3anfgefc^äften Stnla^ geben !onnten; ferner roor bie l^eiUge ©tätte

ein 2lrdjiü für i3ffentli($e unb prioate Urfunben. 9^un mirfte §roar für
©id)ert)eit gegen Staub eine ftar!e ©uperftition; bem STempelräuber folgten

bie fd^werften göttlidien (Strafen, ober man bid)tete il^m foldie roenigftenS

an'), unb in menfdili^en ©trafen erreichte man baS Sleu^erfte. ®oS


§aupt einer 33aube, bie fic^ einft an ben 2lnatl)emen oon Olijmpia unb
an einem 2lrtemiStempel oergriffen, würbe ein ooIIeS ^ai)x liinburd^ ge'

foltert unb über jeben einzelnen 9)iitgenoffen mxi)öxt unb ftorb barauf^).

SlUein in bem rudilofen IV. ^ol;rl)unbert wagte ein S;t)rann wie ber ältere

^iom}fioS, auBer jebem Eingriff in ben Sefi^ ber a}?enf(^en, aud) bie

Beraubung oon 2:^empeln nal)e unb ferne, unb ber „lieilige £rieg", in

1) '^au\an. X, 32, 8. — Ueber bie ^) ^erobot III, 48. — 2fuf(erbem ba§


oixtTai Tov Juk in DIrjmpia V, 13, 2. ©nbe be§ Spartaners ^aufaniaS. — Äöntg
*) SDafe bie Bürger be§ betreffenbeu ^teiftonaj im 2lfi;I bc§ arfabifc^en Stjleionö

Drte^ über bie ©eiuci^rung 511 oerfügen nnb äJuar in einem Seil beg 2:empel§

fjatten, fdjeint ^eroorjuge^en a\i§ ^aufan. felbft, an^ '^nvd^t, bie Satebämonier möd)ten
ni, 5, 6, bei 3(nla|5 beö 3:empe(§ uon 2:egea. if)n niegl^olen, roenn er brausen ineilte.

^) Sitrip. öeraflib. passim. Seim %l)uir)'t>. V, IG.


Heiligtum ber §ebe ju ^^^Hu§ fd^eint nocf) «) ©trabo XIV, p. 641.

ber umgebenbc $ain üon 39preffen jum ) 2lelian fragm. 52. 53. 75.
2lf9l get)ört ju ^aben. ^aufan. 11, 13, 3. ^) 5ßlut. Quaest. Graec. 47.
') ^:piut. ©olon 12.
3. ^äurtf^orbt, (Sriec^ifc^e Äultwrgefc^ic^tc II.
^^
162 3flcHgion unb ilu£tu§.

lueld^em bte pt)o!i[(i)en IXfurpatoren uon Selpt^i bie S(^ä^e 2lpoIIon§ an

il)re ©ölbner ausgaben, geiuöfjnte bte Sßelt nn eine ©ebanfenoerbinbung


uon (Sötbnertn'in unb S^empelraub überhaupt ^). SSir bürfen unS mol)l

barüber raunbern, ba^ ^aufania^ no^ unter ben 2(ntontnen fo uieleS

uon foftbarem ©toff in ben Tempeln oorgefunben i)at nad) aüem, wa§>

über ©riec^enlanb ergangen mar.


3lnBer ben Sl'empeln mit regelmäßigem ^ultu§ gab e§ mit ber 3eit

noä) eine unglaublirfie 9}ienge oon Heiligtümern (i^oa) h\§ m§< fleinere

unb !(einfte, jum ^eil zufällige, perfönlidie Stiftungen, iüeld)e etma auf

^raumgefic^tc l)in erfolgt raaren, in ben ©tobten wie auf bem Sanbe bei

ben dauern unb Wirten, ©ie waren ber öffent(id)en ^ietät anoertraut,

wie ^eute noc^ bie ^elbfapeUen; ^ie unb ba befaf? ein fold^e^ Heiligtum

eine ©tiftung jum Unterlialt unb §u regelmäßigen Dpfern, mie ba§ ber
2Irtemi§ ouf bem Sanbgute be§ Xenop^on ju ©fiUu§^), fonft maren fie

noi)l ber 2lnbac^t ber Umraol^nenben unb ^orübergeljenben überlaffen bei

einem 33olfe, ba iebermann ein Opferer mar. 9^on ber 2llpl)eio§münbung

in @(i§ fagt ©trabo^): bie ganje ©egenb ift üoII oon 2lrtemif{en,

3lpI)robifien unb ^figniptiäen , in Rainen, mo ber reic^ bemäfferte Soben


louter 33Iumen treibt; an ben SBegen finb oiele ^ermäen unb am 9)tecreg=

ftranb ^ofeibien^). SBie in einfamen 2:;älern bie befdieibenen Heiligtümer

beg ^[xtt\wolU§> ou§fatjen, lel)rt un§ nodi biefe unb jene SBanbmaterei

oon ^ompeji. "iDoä 2lllereinfa(^fte waren funftto§ gefc^ni^te ^ignren be§

^an, wie fie oon ben H^i^t^n überaß aufgeftellt werben mod;ten^). 3lber

auc^ fonft auf Sßeg unb ©teg fonnte ©otte^bienft geübt werben, unb
wäre e§ auc^ nur ber ©tein gewefen, ben man einem ^Qxnu§'^<S>Uu\l)an\tn

l^tngufügte, ober ber Slod, weld^en man mit Del falbte, ober bie a)?a§!en

unb Figurinen unb bunten Sauber, weld;e man an 93äumen aufljing. ^n

') S)er böfe ©cbanfc, Slempelfd^ä^e ^) Senop^. Anab, V, 3, luo aud^ bai
ini)c^ten im Ärieg aufgenü^t werben, unb gemütlidje ©inroei^ungöfeft befc^ rieben luirb.
roa^ man nic^t felber tue, möd^te ein ») ©trabo VIII, p. 343.
anberer ütn, mac^t fid^ fd^on früf)c f)ör= '')
3" Stallen uergl. bie Heiligtümer
bar; ^erobot V, 36. — Sereitö üor bem um bie Duelle beig ßlitumnug. ^lin. epist.
peloponnefifd^cn Ärieg roirb an eine Äriegg; VIII, 8.

anleite in 3)elpf)i unb Dlpipia gebockt. •') ^aufan. I, 36, 2.


X^ufi;b. r, J'Jl. 14)5.
SDie ©riechen unb i^re @ötter. 163

©tobten tuie 3ttl;eu fanben fic^ an unjäfiligen ^augeingönoen Hernien'


pfeUer^) unb Heine ^efatenifd^en.

5ßon ber unerme^lidien '^üik unb 3Sie(arttg!eit ber ©otteSDienfte wirb


man ficf) tro^ ber genaueften ©injelforfc^ung unb ber barauf gebauten
„^eortologie" bod) immer nur mit a)Mt)e einen angemeffenen 33egriff

machen, ^n bem ©rieben lag offenbar feit uralter 3eit eine gan^ be>

fonbere ^raft, <R;ulte ju f (Raffen, beren ^anblungen unb ©ijmbole bem


58olf al§ eoibent rid)tig erfc^ienen. ®ie§ aUe§ wuä)§> mit ber 3eit bid)t

tiebeneinanber empor. Si^roeilen flammen aüe Elitäre einer gangen ©tabt

äugleid^, roie bei jenem Opfer roegen ber Sfiac^ricfit oom Untergange
SlionS^X weld^eg bei 2tefcf)t)log burc^ Sllijtämneftra befolgten mirb:
„®enn e§ raud^en bie §erbe ber ©ötter ber ©tabt,

35er SBeroo^ner ber §ö^n,


2Bie beä ^ahe^, be§ 3Jlar!t§ unb Dtt^mpog jugleid^

Slüfämtlid) oon flammenben ©aben!


Salb ^ier, balb bort ju bem öimmel l)inan

©teigt lobernbe @(ut,

Salfamifc^ getränft mit beä t)eiligen Delö


©üfiiocl^enbem, [anftem, bcraufd^enbem 2)uft,
2Jlit bem ^ud^en beä |)errfc^erpalafteä."

grägt man gunäcfift nad) bem gewöhnlichen 3)ienfte ber einzelnen

Tempel, fo fcfieint ein folc^er ftattgefunben ju ijabm, fobalb jemanb !am,


um bem ^riefter ein 2lnliegen an bie betreffenbe ©otttjeit p melben unb
pgleid) eine Q^ab^ für haS» Opfer gu überbringen; mag fonft ber ^riefter

rein oon fid) au§ etwa tägli^ oottgog, ift nic^t begannt. 2)er euripibeif($e

^on, meldier (35. 82 ff.) fic^ fo eifrig um feinen Stempel bemüht, ift fein

^^riefter, fonbern S^empelbiener unb ©d^a|t)üter, unb fein Heiligtum ift

.nid^t eines toie oiele anbere, fonbern ba§ oon S)elpt;i. Söenben mir un§
jebod) SU ben ^^eften, fo §eigt e§ fic^, bafe größere ©täbe mit folc^en auf
ba§i reid)Ii(^fte oerfefien raaren, unb bofe oor allem 2ltl)en einen ^^eft-

falenber befa^, raeli^er neben bem römifd^en — roie i()n Ooib in feinen

gafti befungen l^at — in betreff ber 9JZaffe fc^roerlid) §urü(fftanb.

^) Sßte man bie[c etroa im 3joriiber= 1


'^)
2lefc^ril. aigam. 88 ff. öier nad) ber
gef)en fonfultierte, Striftopl). Nub. 1479; ]
Ueberfe^ung oon 3Kindn)i^.
man legte 'ba^ Df)r an bie §erme unb
.^ord^te, „raa§ fie fagte".
164 ^Religion unb Äultug.

3unQc^ft t)atten bie meiften 3:'empel, oorjügtic^ bie ber befonbern


©d)u^gottl)eiten einer ^oli§, it;re großem ^aljx^^^t^k^} ober fonftigen

periobifd^en geiern, unb an biefe fnüpftcn [ic^, rao man e^ trgenb Der*

mochte, nid^t nur gro^e 3Iufsüge unb 33erairtungen, fonbern anä) mufifcfie

unb ggmnafüfd^e £ompf[piele, beren ^aufania§ felbft in üeinern ©tobten


nod^ eine gange ainjaf)! am Seben gefunben ^at. S)iefe maren bog
©pätefte, mie fie oielleidit ba§ Sleltefte geroefen raaren; erft eine genouere

3]erglei(|ung mit ben ©itten anberer 3Sölfer hi§> in bie Urjeiten wirb
flar mad^en fönnen, n)e((^en ^^^oIl)tl;eigmen fie roefentlid^ eigen finb unb
in raelc^em ©rabe unb ©inne ber 2Iu§bilbung. 33ei btn ©riechen brad)te
fie offenbar jebe größere unb feierlichere ^Bereinigung oon felbft ^eroor^
nid^t nur bie bei großem Opfern, fonbern aud) bei oornel;men 33eftattungen,

wie bie be^ ^atroflo^ unb bie hz§> 2tpljibama§ ju 6t)alfi§; bamalS l^at

^efiob nac^ feiner eigenen 2lu§fage^) ben S)ic^terprei§ gewonnen, jenen

S)reifu§, ben er bann ben l^elifonifdien SJJufen meitjte. ®a§ leibliche unb
geiftige ©id^meffen fteUt fid) im 2thtn ber ©ried;en ein, fobalb ifirer oiele

bei grö^erm 2tnla^ beifammen finb. i^n ber golge roieberl^olt fid^ biefer

Söettfampf in immer großem ^^ert;ältniffen, er wirb gum feftlic^en 2Betl=

eifer oon ©tabt ju ©tabt, unb bag S^orbilb ber injn)ifc|en emporge»
fommenen großen 5RationaIfefte rairft mieber auf bie einjelnen Orte gurüdf.
©c^on bie SSorbereitungen auf ba^ S^empelfeft mochten bie 33eoötfe='
rungen in 2(tem l)alUn, nid)t nur bie 9}iönner, meldte fid^ für bie Jlampf=
fpiele §u üben Ratten, fonbern aud; bie (^^rauen: ©partanerinnen mirften

alliät;r(id) bem 2lpoIIon oon 2lmr)flä ein foftbareg ©eroanb; fec^jefin

©Herinnen, jebe au§ einem ber fec^gel^n ©auen be^ Sanbeg, voti\)kn alle
üier ^afire ber ^era einen Wiantd, unb berü(;mt ift ber mit ^iftorien
geroirfte ^eploS ber 2ltl)enc, melier an ben ^anatljenäen auf einem al0
©c^iff geftalteten Söagen bat)ergefa{)ren raurbe.
Uralte j^efte waren fobann geroife biejenigen, meldte fic^ auf bie

^alireg^seiten belogen, namentlich auf 2tu§faat, Kornernte unb SBeinernte,

Sinb
'

*) bicfc fd^einbar fo felbft= ©iebeu gegen 3:i)ebcn f)alten in 3ienica


oerftänblidjcn ioQiai xaui iro? ©rinne; '

beim 2;obe eincö bortigcn Monig^finbei*


rungen an bie Stiftung gerccfen roie unfere fofort benjenigen SBcUfampf, au^i mcldieni

ftirc^ioei^en? [
bann bie nenicifc^en Spiele entftanben.
^) .f)e[iob. opp. et. dies 648 ff.
— 2)ie i
SDie ®neci^en unb t^re ©ötter. 165

&i§toeilen auf ganjc SBoc^en ouC^gebel^nt; aud^ auf beut Sanbe, wo fie fo

eifrig 6egangcu tourben al§> in ben ©tobten, gingen fie geroö^nlic^ in

(Spiele au§. SBeiter famen ©ül)nfefte, f)auptfä(f)lic^ ber (f)tt)onif(^en ©Ott»

Jieiten, mit ^otenopfern, wie benn ha§> Slltertum mit fotc^en unb anbern Sfiei«

nigunggjeremonien feljr freigebig geroefen ift. ©obann mürben mi)tt)ifd^e,

l)iftorif(^e, politifdie Erinnerungen, namentlich roid^tige ©iege mit ^ai)Xi§>'

feften begangen, raie 5. 33. bie mächtigen Opfer üon ^ijampolil gum 2ln=>

ben!en an eine tjelbenmütige 3Serteibigung ber ?^rauen oon ^l)ot\§> ^).

SRand^eS entftanb im Saufe ber ßeit oon felbft, anbereS rourbe üon Dra!eln
»erorbnet, unb ber ®ott oon ©elp^i ^at oft unb oiel über bie SSereljrung

feiner a}iitgötter oerfügt. Uebertragungen oon Kulten au§ ber j^erne,

@ntlef)nungen oon anbet^roo l)eil§fräftig befunbenen ©ötterbienften (atpc-


ÖQvffeig)'^) werben au§er bem 33au eines 3:^empel§ unb ber 9Za(^al;mung
be0 bortigen ©ötterbilbeS nidit nur ba§ 9titual, fonbern ouc^ mol^t bie
gefte be§ 33orbilbe§ mit umfaßt l^oben. Singer biefen allgemeinen 33e=

get)ungen feierten aber aud^ no($ bie einzelnen 33eftanbteile ber ^oli§ i^xt

©ötter unb ^eroen mit befonbern geften: bie ®emen, bie ^t)t)len, bie

^^ratrien, bie @efd^Ie(f)t§oerbänbe (/«>'//), übert)aupt Korporationen jeber

2lrt, fo bafe man fic^ rounbern mag, wie für bie feftlic^e SSergnüglic^feit

be§ ^rioatlebenS nod^ Wittd unb Stimmung übrig geblieben. 2lnbrer«

feitS ging über bie ^oIi§ ^inau§ ba§, maS noc^ l)ie unb ba gan§e 33olfS»
ftämme unb ©egenben iliren ©(^u^gottl)eiten an feiern erraiefen.

2ln ben feften mürbe fe^r ftrenge gehalten, unb bie Safebämonier
erlaubten fi(^ befanntlic^ nid^t einmal im 92otfatt beren 33erlegung, fon*

bem pflegten el)er einen ^elbjug be§l)alb ju oerfc^ieben ; i^re ^i)afintl)ien

menigfteng geprten jum S)afein wie ba§ Sltemliolen. Unb maS bei ben

©deinen einmal geftiftet mar, ba§ rourbe nid^t roieber abgefdjofft, bis e§

«troa mitfamt ber betreffenben ©tabt unterging.


Um bie richtige 2lnfidl)t oon biefem ganjen Sßcfen unb feiner grünb*

liefen ä>ol!gtümlid^feit p geroinnen, muB man oorläufig roieberum in Se-


trad^t sielien, roie fel)r alles ^un überl)aupt mit religiöfen Segel)ungen
burdliflodfiten roar. ^^ieben bem ^auSfult l)atte fd^on bie ©efeHigfeit beS

©pmpofionS i^ren ^äan, roobei jeber mitfang, benn nid^t nur aUeS eigent»

») ^lut. mul. virt. p. 244b. |


^) fie^c ©. 58, 158 f.
166 ^)ieIigion unb 5^uUu§.

lid^ j^-eftUc^e toar religiös motioiert, fonbern aucf) im ^rioatleben gab e^


eine rein profane ^renbe gar nic^t. ^eh^ öffeutiiclje ä>er[amnilung aber liob

an mit einem Opfer ober loenigftenä mit einer ©ebet^formel; in Der

attjenifdjen 33oIf^5üerfamm(ung fprac^ beim 33eginne ber i^erolb fomotjl bie

Slnrufungen an bie ©ötter al§ bie 3Serroünfd)ungen [äQa/:) gegen 33öfe,


33efte(i)lid)e unb anbere ^einbe be§ (Staate^, unb man lernt biefelben

menigftenS an§ einer giemlid) genauen ^^sarobie bei StriftopljaneiS ') fennen.

Stuf ^elbjügen tjatte ber ilultu» feine ganj beftimmten ^-ormen, unb Xeno-

p£)on, raeldjer felber opferliebenb {(fiXodintjc) roax, gebeult berfelben in

aßen feinen |iiftorifd)en ©djriften bis gur ©rmübung^j; bie Slgoue, welche

bie Krieger ber 2tnabafi^o met;rmal§ feiern, finb uon felber eine 2trt G)Otteg='

bienft. Später Ijat bann 2llej-anber geioattige gelbgottCisDienfte abgeljalten

unb enblic^ — nur mit feiner 3?obelgarbe {ayt^/ja) unb feinen „©enoffen"
— auf bem 33erge 9)Zero§ bei Ti\)\a jenen biont)fifd)en ^oumel gefeiert^).

3ur See, menn eine ©d^ladjt beoorftanb, fpradjen auf beiben flotten bie

Offiziere ber Sauberer {xelevaiai) bie &^UU, unb bie 3}taffe fang einen
afiefrain baju^). Unb fo mar nun auc^ bei ben Ijeimifdjen geften int

^rieben alles lauter felbftoerftänblidje Hebung unb (Sitte.

SDiefer Kultus aber raar oor allem furgroeilig, raie eS fdion ber

3}lt)t^u§ mar. 2)a§ 3]ol! unb befonberS bie ^ugenb maren Ijier ooran,
unb oon ^inblieit an unb anä) bei ben Slermften war ber (>)ötterbienft

bal ©(^önfte, roaS eS gab. ©efong, 9Jiufif unb Xan^, fo raeit bie ^unbc
baoon reidite, entl)ielten ungefd^ieben bie irbifdie Stimmung unb bie geier

göttlidier ober mi)tl)ifd)er ©eftaltcn. ^m --IserjeidjuiS ber älteften 23olfS=

gefänge^) finbet fic^ eine Slngalil foldjer gum ^Nreife ber C^ötter. Sann
erl)ob }Ui) bie feierlid)e ©eftalt be§ ^ijmnuS, beS ^äan, beS SitliprambuS,
unb aud) alle ^od^jeitSgefänge unb Soteuflagen rcerben einen religiöfen

©el^alt nidjt oerleugnet Ijaben, benn irgenb eine allgemeinere 33egeljung

o^ne foId)en ift überl;aupt l)ier nid)t benfbar. ®er ßljor (xoqö^) als

') 2tnftopf). J^efmop^. 295 f., 332 f.


^) Slrrian V, 2, 5. —
I)ie gro^e ^om=

-) Saä öefaintjeremonieU ber Safe; munion oon Drient unb Cccibcnt iiac^
bämonier im J^Iöe, A'eiiop^. de rc p. Lac. ber 5>eriöf)nungöy5cue üon Dpie: e&eitba
XIII, 2 ff.
— SBenn bie Cpferjeidjen cor VJI, 12, 8.

ber Qö)la(ijt n\d)t gut rcaren, erf)ob etwa *) 3)iobor XX, 50.

ber 5elbf)err ein le^teg ©ebet be^ ^ammcrä, •') mi)en. XTV, 9 ff.

^htt. Hriftib. 18.


S)ie ©ried^eu unb i^re ©ötter. 167

^anj, unb üoii Öeiang begleitet, war f($on frü(;e fo auegebilbet, tuie e§

fid) nur burd) bie regelmäJBige a^el•binbung mit bem ©ötterbienft erfläit;

fdjon ^omer aber gibt einjehien Stäbten ben Beinamen: mit raeiteni,

mit fd)önem 5:^an5pla^ {evQvx<jQog, xuXUxoqoq). ^n ^^" jßeroegungen

üieler S^änje lebte trabitioneU eine ^antomimif, raeldje 'JJiijtf^en barfteEen

fottte: ben SBaffentanj bev ^ureten aly ^:pf{eger be§ 3eu§, ben Stu^gang

ber geretteten Slinber au^ bem :l^abi)rint() u. bergl., unb '^iato nimmt')
übertjaupt an, bie SJac^a^muug eineg Hergänge;? fei bec ©ntftetjungicgrunb

ieg(id)en ^^an^eg geroefen. ®ie tragifc!)en ß^öre ber Sihjonier gu C£1;ren

be§ 2tbrafto§ ^), beffen „Seiben" fie feierten, roaren Srangc^öre, roeldje mi=

mifc^ barftedten, maS ber ©efang flagenb ergö^lte, unb äf)nlic^ mar e§

rool;l überall. C^anjc 33eüöl!erungen maren, offenbar uon ^i'Ö^i^^ fl"^

auf Gljorgefänge unb ßt;ortänäe eingeübt; ben gemaltigen populären 2;rieb

beiber no^ in fpäter ^di leljrt un§ eine umftänblidje 2lu§fage be§ ^^O'

ix)bio§>^) fennen, unb §roar für ha§> bomalige Slrfabien, wo neben bem

feljr 33erüollfommneteu auc^ bag Urtümlidje feine Stelle bel)auptet ijaUn

muB. ®a§ gange ©riet^enool! überljaupt mar oon S^genb auf mufifalifc^

unb tauäliebenb unb auc^ gegenüber oon aßen 'l^irtuofen ein geborene^

^^olf üon J^ennern. Unb uon oll biefem S:un unb ilönnen mar ber
©ötterbienft raeit ber i^auptan^alt, ober baäfelbe ^atte fic^ menigften§

nur in ber engen ^I^erbinbung mit biefem entroidelt. 9}fit einer felbftüer=

ftänblidien :Beid)tigfeit mu^te jeber bei ben geften einjufteljen, mo unb mie
man it)n braucfite, unb aud) baS^ ^auptopfer felbft ^ätU \a mandier ooll='

sielten fönnen. ^-ür alle§ ©pmbolifc^e ^atte man ©mpfänglic^feit, unb


mo man e§ nidjt felber uerftaub, wirb man e§ bod) bem anbern gegönnt
unb feinen 2lnftoB baran genommen l)aben.

S)en älnfang jebee geftejS machte ber Slufgug, bie ^^srojeffion, nofjijir]^).

©ie finbet fid; irgenbmie bei allen alten SSölfern, aud) bei benjenigen ber

gelben 9iaffe, unb e» beburfte für bie Gkiedjen geroi^ nid)t ber ^unbe
üon 2legi)pten unb 2lffur, roeldje fo maffentjafte 3lbbilbungen iljrer Opfer

1) ^lato de legg. VII, 816, a. i


relatiü fpät unb in reicher unb abgeleiteter

^) ^erobot V, 67. gorm entftauben.

3) ^oli;6. TV, 20, 21. — SBa§ icir 1


*) S^)« einfad^ften Gtemente, ^nu)\in.
an aufgeäeid^netcn 6f}Dren b^i ^inbar, bei \
II, 35, 3.

2:ragtfern unb i?omifern befi^en, ift oHeö ,


16S ^Religion imb ^uftu§.

unb ^rogeffionen ^interlaffen ^aben. S^^iöd^ft waren getoi^ fo alt ai§>

bie ':poI{§ bie feftlic^en Umjüge mit ©ötterbilbern, Heiligtümern unb Opfer»
tieren um bie ?^elbmarf ober um bie 3}iauern einer (Stabt p beftimmten
Ijeiligen ßeiten. 2)er regelmäßige 2tnIaB, bamit fic^ ein 3ug bilbe, ift

fobann ba§ herbeiführen ber Dpfertiere, bag Herbeibringen üon (äaben


unb 2BeiI)ge[d)enfen ju einem Heiligtum; ober oon einem STempel gel^t

ein 3ug auio, um an einer anbern ©teile eine l;ei[ige Hanblung, ein Opfer
3U ooHbringen unb bann narf) bem Tempel gurüdsuf e^ren ; ober eine ©ott»
f)eit befucfit eine anbere, wobei it;r fiölgerne^ 5lultbiib mitgetragen loirb

u. f. m. Hter am e^eften mirb, roenn ba§ iMlb ju fdiroer unb ju groß


mar, ein ©lement in bie ^rojeffion mit aufgenommen roorben fein, meIrfieS
fpäter §u einer H^uptfac^e werben fonnte: ber SBagen. 5)erfelbe trug
bann auc| anbere große ©i;mboIe, wie j. 33. bie ber betreffenben ©ott^eit
Ijeiligen ^flansen, fo für SlpoIIon einen Lorbeerbaum; enblirfi tt)ronten
ober [tauben auc^ mo^l ^riefter ober g?riefterin in ber STrac^t i^rer ©ott=

l)eit auf bem Sßagen, unb metjr unb mel)r wirb berfelbe pm ^mtd ber
beffern ©ic^tborfeit angeroanbt unb enblic^ jum ©c^auftücE geworben fein.

9n ber üerf($iebenften SBeife erweiterte fic| ber 3ug burc^ bie ©eJiilfen
be§ ^ultu§, bie auSerlefenen 2)iener unb Wienerinnen, h^n ßtior, beffen
©efang bie ©otttjeit oer|errlid)te, bie ^it^ax^ unb glötenfpieler, bie S^räger
IjeiHger ©eräte unb ©ijmbole in prächtigen 33el)ältern ober ^törben. ©in
foldber 3iig, welcher bie weißen Opferrinber burd) bie mit ©d^attentüc^crn

überbedte H^uptgaffe eine§ ©täbtdien^S unter ^lötenftang unb ^ubelruf


naci^ bem Houpttempet geleitete, fonnte fd)on ein ganj beneiben^werter
2tnblid fein ').

Snjwifd)en aber I;atte Siom;fo§ bie grieci^ifd)e 9ktion ju einer Slrt

oon atufjügen begeiftert, welche ha^ ganje ^rojeffion^wefen in eine 2trt

oon 3JiitIeibenfd}aft 50g. «Sein ©c^warm (;f&)//oc, &iuGoq) oereinigte alle

Sd;önl;eit unb allen 2}hitwi(Ien; al§ ©eleit oon ©atprn unb aJMnaben,
ja jule^t (xU Xriumpl)5ug beä ©ieger^^ oon ^nbieu gebad)t, na^m er oon
felber bie bunteftc ^JJaicfierung an unb würbe ein ©tüd ilarncüal. @^
ift (jödift wa{)rfd)einUd), baß bie au^gelaffenen '^'offen, womit in ber ?yolge
ba§ ^eftwefen avLÖ:} ber übrigen ©ötter bel)aftet war, ficb oom bionpfifd^en

') SUergl.baä nac^ gnec^ifc^cm5RitugDoUbracl^tc5cft uon Jalei'ü/ -uib, Amorcs III, 13.
35{e ©ried^en unb ii)vt ©öttev. 169

X^ia\o^ au§ oerbreitet t)attcn; racnn bann fol^e ©djroärme oon Ort 511

Ort auf SBagen fuljreu, tönte üon biefen im ©f)orge]ang ^erab, ma§>

Spott unb ^oljn ben Seuten eingaben. Unb wenn 9}Jänner unb Söeiber

einonber babei f(|anbbar oer^öljuten , raupte man in ber Siegel irgenb

einen S^organg au§ uralter 3}ir)t^enäeit bafür geltenb su madien; 9}Jebea

unb i{)rc grauen, ;3afon unb feine ©enoffen follten e§ bereits fo getrieben

^aben^). 2luc^ bie 9la(^tfefte mit i^rer gansen grei(;eit gehörten oor*

raiegenb bem Sioni;fo§ ober feiner ©eoatterin, ber ©öttermutter'^). ©in


äußerer ©oum be§ ^omifc^en unb S8uiie§!en fefete fic^ an bie größten

Zeremonien an.
2Ba§ aber bie ^rojeffion im ganzen bo(^ oben §ielt, mu^ ber aSille

ber ^^oli§ geroefen fein, ba§ gro^e j^eft ber ©tabtgott^eit, in mel(^er bie

^olil fic^ eigentlich felber oerelirte, mit größter g-eierlii^feit gu begei)en.

2)ie§ Sa^reSfeft ber ^auptgott^eit, ein 3ug nad) beren 2;empe( auf ber

3l!ropoIi§, mar nad) ber Slieinung ber 33ürger einer ©tabt faft fo alt alg

bie ©tabt felber, mie fc|on ha§> Seifpiel oon 2ltl)en seigt^). ®a§ man
liie unb ba neben einem mäßigem attjä§rli(^en geft bie ganj gro^e geier

etma nur olle oier 3al)re abhielt, gefc^al) raa^rfc^einlic^ wegen ber ^ampf>
fpiele, meiere fid^ baran gel)ängt l)atten, unb biefe beburften einer längern

3eit ber 'i^orbereitung, weit fie mit ben großen 9iationalfeften in eine tat=

fä^lid)e Slonfurrenj geraten roaren. 2)ie großen ^anatlienäen oon Sitten


raaren mit Söettfämpfen oerbunben, beren 3ftut)m fic^ bis gu ben ©truSfern

oerbreitete, fo ba& in l)alb Italien bemalte 33afen oerfertigt mürben, als


9kc|al)mungen ber Delfrüge, welche in Sitten als greife bienten, mit ber
2lufjd)rift: SSettpreiS oon 2lttjen.

2lm oicrten Sage biefeS geroaltigen gefteS fanb nun bie berül^mte

^rojeffion ftatt, beren urfprünglidier 2lnla& oielleidit ber mar, ba^ ber

©tabtgöttin auf ber 2lfropoliS ein neuer 3Jiantel bargebrac^t werben


mu§te; je|t mürbe berfelbe auSgefpannt, unb, ooüfommen fidjtbar, auf

einem 2Bagen gefafiren, meld}er bie ©eftalt eines ©d)iffeS Ijatte ; ber 3wg ober

mar eine 3Sorfül)rung beS beften lebenbigen 33efi^eS ber ©tabt, jum S:'eil

gemiB 3luSerlefene : eS raaren ^Heiter; SSeroaffnete mit ©c^ilb unb ©peer;

bie ©teger ber foeben ooUenbeten SBettfämpfe; fd^öne Jungfrauen als

Äonon, narrat. 49. 1


^) (gratofti;. Äatafterilm. 13.
2) §erobot, IV, 76.
170 9JeIigion imb ilu(tu§.

©ienerinnen ber ©öttüt, welche bie üerfd^iebenen gum ^ullug gel;örenben

S3el)älter iinb Wefä^e trugen; etirtuürbige ©reife ^) mit Celjraeigen; be-

franste Jünglinge, 5um S'eil roieber aU Präger von Cpfergeraten; j^(öten==

unb ^itljarfpieler. 3turf) bie Cpfertiere raerben üon ben au^geraätiltefien

nnb prächtig gefd^müdt geiuefen fein, l^on biefer SluSroa^I |at bann
^sl;ibia§ noc^ eine überaus freie 3tu§n)at;l getroffen für feinen partl)eno'

nifc^en %xk§. ®in äf)nü($er ebler ©inn fann anci) in ben großen geft=

§ügen anberer ©täbte gewaltet I^aben, unb uielleid)t auf biefe^ 33orbilb

!)tn, benn bie ^^anatt)enäen jogen einen Sefud) au§ ber gangen griec^ifcl)en

SBelt {)erbei. 2}kn uerlie^ fid^ überall bei ben Wrterfjen auf ben 3lnblid

ber 9'iaffe, lueldje mit ber pljijfifrfjen Sd)ön()eit ben 2luebrud be§ ©eiftel

üerbanb, auf bie 2(nmnt üon ©ang unb Seroegung bei einem ^erfonal,
roe(d)e!§ uon feiner fdiroeren 3(rbeit raupte, auf bie ebte 33efrän5ung be§
^auptesc, auf meldie hk neuere '^BeÜ fo faft öoQftänbig uergic^tet bat.
^efdjreibungen von geftsügen finb fetjr wenige erhalten, roie bie§

oon adem für bie ß^itgenoffen (Selbftuerftänblidien unb Stübefannten gilt,

unb oon ber fe(;r genau gefd^ilöerten forintljifi^en .^fiiSproseffion bei SlpuIejuS

moc^en roir feinen @ebrauc|, fcbon weil e^ fii^ t;ier um einen grembfu(tu§

in fpäter ^aifergeit I)anbelt. 2IIIein auf ben oöüig ejsentrifdien ^^eftsug

be§ ^stolemäug '"^st)i(abelpl)u§ (abgeljalten in 5Uej;anbria um bie a)titte be§


III. 3al)tl)unbert§ v. (Sl;r.) mu^ Ijier Ijingemiefeu werben, infofern bie
Sefc^reibung beSfelben im V. 33uc|e be§ 2ttt;enäu0 ba§ aügemeine '^^pro^

SeffionSraefen burc^ einige ^ü%i illuftrieren Ijilft^). hiermit finb feinet'

roeg§ jene unenb(id) foftbaren SBagen mit myttjifdjen ©eftalten unb gangen
Gruppen unb ©jenen gemeint; oud) nidjt bie fütjuen 3tlIegorien, meldje
in griedjifd)en 'progeffionen fonft faum werben in a)Ja§fen mitgegangen
fein, wie j. 33. ber a)iorgenftern , bü§ ^al)x, bie uierjäijrige ^^eriobe

u. bergl. ;
— fonbeiu bie in beträd)tlid)er, ja foloffaler $l5ergrö^erung teilg

mitgetragenen, teil§ mitgefa[;renen Symbole. §ier bürfen wir nermuten,


baf3 üud) onberiSwo, aufeer jenem 3)iilfaljren gongcr 23äume (3)enbropljorie),

3lel)nlid)e§, nur nidjt mit foldjem '^^omp unb in foldjer ^Injaljl, wirb oor*
gefül)rt werben fein; riefige oergolbete Stxäni^ au§ ai>einlaub unb li-feu.

') ®ö finb biejenigen, über iucld)e V, 22— 24 bie ^:pompa bcä 2lntiori)o§ IV
2triftopf)aneö (Vesp. .544) fpottet. ti'pipl)niie^>.

-) 2(t^en. V, 25 ff.
— 3iuJ5erbem uergl.
Sie ©riedjen unb i^re ©ötler. 171

bie Slelterbütte, ber 3^tefenf c^taud^ , ber Sri^prfo^ftnb uon 140 ^uB, bie

Sanje oon 90 %u^ §öi)e, ein f)au§f)of)er 3)reifuB, ein ^ermeSftab, ein

SSa^ftraljl be§ 3eu§ unb nod^ ein mi;ftifd)er Rian^ oon 120 %n^ Umfang.

@g finb, rate man fielet, teil^ SIttribute unb ©eräte oon ©öttern, teil0

(Sinnbilber il)re§ 3Befen§.

Sie ©c^ilberung ber griec^ifd)en ^empelopfer felbft mit ii)rem ner»

fc^iebenen ^eremonieüO glauben wir l)icr beifeite laffen ju bürfen.

Sie ^auptfttdje mar ieber^eit ba§ 33ranbopfer auf bem großen 3IItar oor

bem ^Tempel, nottsogen je nac^ bem örtUd^en 9iitug ; bie (fet)r weiten unb

fioljen) Pforten be§ Heiligtums [tauben offen, unb bie ©otttjeit fonnte

bie it)r brausen bargebrad)te ©obe fc^auen. Sei großen geflen ging ba§

oft fel)r mächtige ^Tieropfer ouS in umfangreidje '^öolfsfpeifungen unb

fonftigeS 3[öot)lleben; bei ber großen fi3iliid)en Semeterfeier glaubte man


ba§ golbene Beitalter finnbilblid; na^sualjmen '). S)er tjöc^fte ©(^mud
eine§ reichen Opfert aber mar überatt ber ßljor, com ©infadjen unb oöHig

3Solfgtümlid)en big ju funftooHer ©ii^tung unb WMohk unb gu einem

SSortrag, für beffen möglidjfte 58olIfommenl)eit fd)on burd) ba§ raettroeife

3luftreten mel)rerer ©l)öre geforgt rourbe. 2lud) bie 3>erbinbung mit ben

Heiligtümern ber gerne gefi^al) ni^t nur burd) ©enbung feierlid)er Soten

(3:i;eoren) mit ben Opfergaben; oft mürbe itinen nod) ein ganjer, mit

größtem 2tufraanb au^geftatteter unb eingeübter ßl)or mitgegeben, ©in

folc^er eijor, 35 Slnaben famt ei)orlel)rer unb g-lötenfpieler, wie er all=

iö^rli(^ oon 9}kffana nad) 9il)egion gefenbet mürbe, ift einft in ber Tim'
enge ertrunfen. (Sin 3iel ber Slnbai^t oon nalje unb ferne mar befonber§
®elo§, unb and) bie 2ltl)ener fanbten il)re (Sljöre unb Opfer l)in^); bie

^nfel mar unb blieb bi§ auf bie 9iömer ein großer g-eftort unb bomit

aud^ ein ^arft*); oon ben „umliegenben ^nfeln, genannt 5lt)flaben" tier

famen nod) immer bie Opfer unb 3:i)eoren unb ^ungfrauendjöre; wie fid;

^) S)a§ DoIIftänbige ^erfonal eine§ tunooLxov Ti nQ(1)\u('e taTu: Sefanntlicf)

öffentUd^en DpferS bei 2ln(a^ ber aUmonat- voav Seloä in ber fpätern 3eit flucl} "^^i^

Iid)en S8ege{)un9en ber ©lier in Dlijinpia: größte ©flaoenmarlt. — üiac^ ber 3]ers

«ßaufau. V, 15, (5. roüftung im mil^ribatifc^en Kriege blieb


2) ©iobor V, 4. nod^ immer ba§ Heiligtum, fonft mar bie
^) 3:f)ufi)b. IJI, 104. 5p(ut. 3Jifia§ 3. ^nfel öbe.
•) ütraboX, p. 486 rj re nayrjyvQic:
172 SReligion unb Äulti^3.

aber an folcfien SBei^eftötten ba^ untere Dpferperfonal gute ^Tage ju

malten raupte, erfahren rair nic^t bloB bei ©elplji, fonbern auä) gerabe

bei Slnla^ ber „(BkohijUn" oon ®elo§. StUein bie§ alles roar nur ein

9iad)flang au§ ber üergongenen 3^^* ^ß^' gi^o^en allgemeinen 2BalIfal)rt

nacE) bem ni(i)t immer leidjt gu erreic^enben Heiligtum, al§ bie ^onier
mit j^rauen unb ^inbern §um j^eft iE)re§ großen ®otte§ StpoUon über ba§
9)teer futjren; au§> bem ()omerifd)en ^pmnuS-) tönt e» nod), wie fii^ bort

bie ©d^au be§ 33oIf§ftamme§ in feiner (Sdiön^eit mit l^errlidien 2öettfpielen

üerbunben Blatte. 3ln foId;e SBaQfa^rten erinnerten auc^ nod^ im ^ain


be§ mäditigen ^ofeibontempelS »on S^^enol bie großen 33eroirtung§räume
{iaiiaioQt,a) für bie 3)?enge, raeldie einft gum '^t'iit be§ (Sottet Ijier ju»

fammenftrömte.
®0($ mir fefiren ju ben ?^eften ber t)eimifd)en Tempel gurüd, um
nod) befonbere @igentümIid;Eeiten berfelben naml;aft ju mad;en. ©o muB
eö oft üorgefommen, menn aud; nid)t Siegel gemefen fein, bajs babei ber

^riefter ober bie ^riefterin in ber S^radit ber @ott{;eit felbft auftrat unb
bann of)ne B^^iM f*^oit in ber ^ro§effion fo mitging ober mitfutjr. S)ie

^riefterin ber 2(rtemi§ ßapljria in ^aträ fam am ßnbe beS S^g«^ auf
einem äöagen, oon ^irfd^en gebogen ^); ^eififtratoS fonnte feinem ufur*

patorifdien @in§ug in Sittjen ba§ 2lnfel)en eine§ geftsugeS geben, inbem


er bie fc^öne ivranjnerfäuferin ^l)i;e in ooHer Sl^radit ber 2ltl;ene auf
feinem 3Bagen mitfahren lie§^), unb "i^a^ 33olf l)ielt fie bekanntlich für

bie ©öttin felbft. ?iod) im III. 3al)rl)unbert o. (S^r. glaubten ätolifd^e


(3(^aren, welche am ^^efttag ber 3ltl)ene in 'ha§> ac^äifd^e '^ellene einbrangen

unb bie 2ttl;enepriefterin behelmt unb gel)arnifd)t unter ber ^^forte be§

3::empelS erblidten, bie ©öttin felber ju fe^en unb mid;en gurüd^). i^n

2lntimad)ia auf ^o§> trat ber ^eralleSpriefter beim ^auptfefte in meiblid^er

^rad}t auf, meil l)ier einft ber bebroljte ^erafle§ fid^ Ijatte al§ äBeib

oerfappen muffen*'), '^m ^^empel ber ^ilaeira unb ^^^öbe gu Sparta

2ltf)en. IV, 73. 74. ") ^^oufan. VII, 18. 5. Sßoju au§
2) .^om. Hymn. Apoll. 146 ff.
— 2lug 2t6i;en bie aBageiifal)rt einer 2Ul)cne,§erobot

bicfer fritljen '^txi aud) ba§ Seifpiel einer IV, 180.


borifd)en, aii^ bem fernen 3}lefienien fle=
*) .^erobot I, 60.
lommenengeftgefanbtfd^aftmit einentS^or, ^) ^olpän. VIII, 59. SSergl. 53anb I,

beffen ^rofobion Don (Sumelo'g gebid^tet ©. 52.


roar. ^aufan. IV, 4, 1. i
«) «ßlut. Quaest. Gi-aec. 58.
;

25ie ®ried)en uub il)te ©ötter. 173

bie[e ®ottt)eiten felbft'), roobei


^ie^en bie ^:ßrieftennnen Seufippiben rate

Qtt iljrem 2luftreten in beren Xxaä)t nlcf)t ju äioeifetn fein wirb, ^n


Orefti)afion, ermähnt ^:paufania§ einen STempel ber
3lrfabien, nnroeit -)

(i^'Qeta), unb f)ier werben wir umfonft fragen, raie bie


2trtemi§ ^^priefterin
Wienerin in @in§ mögen oerfdjmolsen ijaUn. 2tm
@ottf)eit unb i^re fic^

^ermeäfefte 5U ^lanagra mu^te ber fctiönfte ber ®pl;eben mit einem Sßibber

aU ^erme§ ^riopt)orol, bie ©tabtmauer ring§ um»


auf ben ©c^ultern,
öermutUd) galt er al§ ^al^reäpriefter be§ ®otte§. S)agegen
fc^reiten');
ba^ ber ®ioni;fo§, roeli^er inmitten feines
mirb man annet)men bürfen,

feftUc^en ©djiüormS ein^erjog, nidjt üon feinem ^riefter bargefteüt mürbe

in einem fe^r bekannten %aät mar e§ ein ©flaue, melc^er bann be§{)alb

üon feinem ^errn — bem berüt)mten 9^ifia§ — freigelaffen rourbe*);

welcher eines
aucf) erfc^ien ber ©ott babei biSroeiten in einem 3uftanb,

^riefterS unroürbig geroefen märe. „@S ift ni(i)t fc^ön, wenn man ben

3)iont)fo§ angetrunfen bilbet unb malt ober üoüenbS auf einem Söagen

mitten buri^ bie Slgora fül)rt!^)"


^oä) bebeutenber als biefe 9)k§!ierung ift baS l;eilige ®rama, welches

unb ba, au^er^alb beS Tempels, cor attem aSolf


bei ^aljreSfeften l)ie

aufgeführt mürbe, ©in uralter 3ug oerfi^iebener ^Religionen fc^eint ba^in

ba& ein mid)tigeS Ereignis auS bem 9)l9tf)uS ber S:empel=


gegangen ju fein,

gottt)eit SU lieiligen Seiten fi^tbar bargeftettt roerbe,


mo^te eS öffentlich

ober als ©ef)eimbienft gefc^cljen. ^erobot fal) in 2legr)pten ''X im f)eiligen

Umfang beS XempelS ber Slt^ene gu ©aiS, baS rei^gef^mücfte SBaffer»

beden, in roelc^em bei nä(^tlid)er SBeile bie 2luffül)rungen ber ©d)idfale

(uä&rj) eines ©otteS ') - „maS bie 2legi)pter 9}ti)fterien nennen" ftattfanb,

beffen ©rab l)inter bem STempel gelegen mar, unb beffen 9kmen er nii^t

fann er nic^t
nennen burfte. ®a er ^ier offenbar fel)r genau berid^tet ift,

eine gried)ifc^e ©itte angebidjtet Ijahtn; oiel etier


etma ben 3Iegi}ptern
mirb, maS er bort fal) unb erfuhr, etroaS burc^ ben ganjen 5^ultuS beS

3flillanbeS ^Verbreitetes gemefen fein. 2lber anä) bei ben ©riedien fonnte

oon au^en äl;nli(^eS üon felbft entftel;en, als eine bem


ol)ne ©inroirfung

^aufan. III, 16, 1. 5) 2ltt)en. X, 33.


|)erobot II, 170. 171.
2) 5ßQufan. VIII, 44, 2. «)

3) ebb. IX, 22, 1. ') ©ie^e ©. 101.


^) ^hit. 5Rif. 3.
174 Sieligion unb 5vultu§.

^oh)tl;ei§mu!5 oietleicl^t natürliche ?5^orm ber Ijöcfiftcn 5l]cret)rung, al§> ftär!fte

33eäeugung ber 3::eilnai)me für bie ©rlebniffe einer ©ottl)eit. ^ei (B^^mn
fold^er %xi, jnin ^'reifc be§ S)ioni)fo§ 5. 33., fonnte bann ber 2©eg junt

2t;eater ficij plö^Iic^ unb unmittelbar öffnen. Slber nodj etroaS anbereg

mar möglid), ba§ nämlid) ba§ SSolf ben bargeftelllen 3}h;tl)U§ für einen

€l)emall an Ort unb Stelle gefd)el)enen nai)m, iljn lofalifierte. ©inb


etwa 3. ^. bie an fo üerfd)iebenen Orten angenommenen ©eburtioftätten

ber nämlidjen ©ötter l)ie unb ba uon folc^em Urfprung^)? 2lu(^ im


9JJittelalter mag Ijie unb ba ber ^aloarienberg für bie tief in Slnbac^t

fnienbe SJknge fic^ mit bem roirflii^en ©olgattia uermifdjt l)aben.

®ie SarfteHung fdieint eine mimifc^e, roortlofe geroefen gu fein, unb


was ^lutard^ unb 'jpaufaniaS uon Steften biefer 31rt nod^ am Seben
fanben, mar jum S^eil faum meljr uerftänblid), menn es? fic^ um uralte,

fonft menig melir befannte 3}hjt§en Ijanbelte -). 2ln ben Slnttjefterien gu

9ltl;en rourbe bie §rau bejo graeiten 2lrd^on, roeldje ben S^itel Königin

führte, bem 2)ioni)fo§ al§ 53raut uerlobt^); auf ©amo§ mürbe an bem
großen ©taat^feft ber §eräen unb ebenfo bei Slnoffo§ auf ^reta beim
3at;re§feft einel 3:;empel^3^) bie @^e be§ Q^n§: unb ber ^era bargeftellt.

2lm 2lpoCl§feft gu Xegea mu^te bie Slrtemi^priefterin in ber ^rad^t il;rer

©öttin einen mptbiji^en ^reoler namens Seimon »erfolgen^); am 9}h)fterien=

feft ber ©emeter ju "^IjeneoS legte ber ^riefter eine fonft unter 33erfd)lu^

geljaltene 9}ta§!e ber ©öttin uor unb fd)lug mit einem <Biabt nad) ben
„Unterirbifd)en" ") , offenbar jur 3Serfinnlic^ung einer lofalen ©age, benn
bie ©öttin mar einft in biefer ©tabt eingefe^rt. 6§ fonnte bei folc^en

3eremonien, je nad) bem 9Jh;tl)ug, lebenSgefäljvlid) jugeljen: bei einem


3al)reSfeft ber Demeter (Eljtljoiiia §u <germione mußten im 2:empel felbft

rier alte 2Beiber oier milbgemad^ten ^ül)en nad^einanber mit ©idieln ben

^aU burc^f djueiben ^) ; im böotifd)en Or($omenoi§ burfte am ^e\k ber

>) SBergl. »anb I, ©. 344. I *) ^au[an. VIII, 53, 1. SIBaö an ben


2) D. ÜRüIIer, ®e[c^tc^te ber ©ried;. geften ber 3"" Seufot[)ea, rote c§ fc^eint
Siteratur II, 26 f. burd)gängtg aufgeführt rourbe, erfaljren roir

ä) Uebex folc^e 3:^cogamien unb 2lnas inbireft bei 2{nlaf5 ber römifc^en 3)later

faippterieu »ergl. greller, PJriecfi. lljijtrjol. a«atuta. ^^rut. (Samia. 5.


— famt ber in ©ijilie» baran getuüpfteu «) ^aufan. VIII, 16. 1.

„öiuabfüljrung ber Äore". ') '^an\ai\. II, 35, 4.


') 2)iobor IV, 72.
Sie ©ried^en unb i^re ©btter. 175

SIgrionien ber SiomjfoSpriefter eine fogen. 9Jitni)abe, bie er mit bem


©d^iüert uerfülgen mu^te, töten, nnb bie§ fam gu ^hitardjg 3^it lüirflic^

üor, l)atte aber büftere folgen '). ®a§ Umftänblicljfte von fo(d)en 2(uf=

fü()rnngen üon 9J(i)t^en erfätirt man in betreff oon ®elpt)i, Ijauptfädjlicf)

roieberum burd; ^tutard) '). 2lIIe adit ^at)re mürbe bargefteUt, mie 2tpolt

ben SDrad^en ^^tjttjon tötete unb bann naä) S^'empe roid), um 9ieinigung

üon biefer 33Iutfdjnlb ju finben; ein ebler belpljifc^er Slnabe uertrat ben

©Ott, mu^te roirflic^ nad) Xzm\)t fliegen unb bort ad)t ^a\>xi in ®ienft'

barfeit bleiben, um bann beim näd^flen ^efte feierlid) al§ bereinigter

nad) ©elp^i jurüdgefüEirt gu werben, ©ine jraeite 36i^emonie, bie ^eroi§,

„beren ©inn ben 3:;^x)iaben befannt roor", fc^ien beutlid) bie ®mporfül)rung
ber ©emele (nämlic^ in ben Dlpmp) barjuftellen. S)ie britte mar ba§
%i\t ber fogen. ßt)arila; ein „J^önig" fdjtug mit feinem <Bä)ni) naä) einer

^uppe biefeö 3Zamen§, roeil einft ein alter Jlönig oon ®elp!)i bei ^unger^»
not ein betteinbeg a}Jäbc^en pm ©elbftmorb burc^ @rf)ängen getrieben

l^atte; bie Slnfü^rerin ber S^tjtiiaben trug {)ierauf bie ^uppe an einen

2lbljang, mo fie mit einem ©trid um ben ^al§> an berfelben ©teüe be=
graben würbe, an welcher man einft bie (Ei)ariIo beftattet Jiatte. Diac^

fold^en TOunberlidien unb !ned)tifdjen SBieber^olungen eine§ gefd^eljen ©e^

glaubten ift e§ mol;ltuenb, einer großem ©i)mboIif ju begegnen: in 9tljobo0

mürbe bem ©onnengott ju 6t)reu jälirlic^ ein 5ßiergefpanu in§ '^itx


oerfenft, offenbar ein ^ilb be§ ooUbraditen unb Ijiemit al;;' abgelaufen be»
§ei(^neten ©onneniaf)re§.
3tn biefe öffentli^en 2)arftettungen öon 9)Jt)tl)en wirb roieber ju
erinnern fein bei 2lnla§ ber 9)ii)fterien, roeldje §um nid^t geringen S^eil

Segel;ungen ber nämlichen 2lrt, nur gel)eime ober gel)eim geworbene,


maren.

2luBer bem öffentlidjen ©otterbienft gab e» oiele gel)eime ober bod^


ber 3tIIgemein§eit big ju irgenb einem ©rabe entzogene Segefiungen, über
bcren Hergang unb 53ebeutung man fid) fc^raerlic^ je ganj wirb einigen

!önnen. Q^^^nfoH^ aber finb biefelben fo üerfd)iebener ^atnx geroefen.

') ^lut. Quaest. Graec. 38. 1 ^) gßb. 12. ferner de defectu oracc.
14. 21,
176 3?eIi9ion unb Äultug.

bQ§ ber übliche allgemeine 3came 2Beif)en, 9)li)fterten nid)t§ mef)r jur @r=

Üärung beitragen fann.


SSorroeg finb §ier au§5uf($eiben bie trieterif($en, b. (). in jebe§ ^raette

^a^x faHenben feiern be§ 3)ionr)füi§, raeld^e üorläufig fc^on (®. 102)
ern)ä(;nt roorben finb. ©in S^iätfel anf alle ^ziUn, bei beffen Slnblicf e§

cinftiüeilen gerabe noc^ erlaubt fein mag, auf einen möglichen SBeg gur
S)eutung binjuTOeifen.
@§ roirb babei au^gugeljen fein üon einer ptjijfiologifcfien %at\ad)e,

meiere in jat)Ireic^en (ginjelbeifpielen oon ber mi)t{)ifd}en big tief in bie

I)iftorif(^e 3ßit oorliegt: non bem geitmeiligen epibemifdfien 9iafen {fiaCvsc&ai)

weiblicher 33eüöl!erungen in ©riec^enlanb. 9kc^bem ^ötjttaufenbe ber

^änbigung über ba§ a}ienfd)engefd)Iec^t ergangen finb, fönnen mir nid^t


üerlangen, foldie 3uftänbe gu oerfte^en, merben aber aud) nid)t leugnen,

ba^ fie bageroefen fein muffen. 2Baf)nfinn mirb im 3lltertum über einzelne

ober oiele »errängt üon üerfdiiebenen @ottt)eiten, nur ift berfelbe meift

eine furchtbare ©trofe, I)ier bagegen bie t)ijd)fte 2Bonne; man raft „einem
©otte". ©in l^eftiger, anfangt raoljl noc^ mit ber ©cf)redlid)feit ber

©ölter gufammenljängenber ^ultu§ !ann nun bie Urfad)e fein, meldte ben

3tu§bruc^ t)erüorbringt ;
jebenfadg aber wirb man nid)t an gefliffentlid^e

Stiftung in beftimmter '^txX benfen fönnen, wo el fid; fo fidjtbar um


^at!)oIogifc^e§ t)anbelt. 2)ag 2tnftedenbe einel aU gotte^bienftlid) geltenben
S^aumelS liegt auf ber ^anb unb melbet ficf) in aßen urtümlichen $Re=>

ligionen; nocb bie ©t. 3Seit0' unb ©t. i^otjanni^tänje unfere§ 9}iitte(alter§

finb oieüeicbt 9tad)flänge alter l;eibmfdier ©ötterfefte geroefen. 33ei ben

©riechen mußte e^ nun cor aQem ber gemaltfame, üon ^(einafien l)er

üerftärfte ©d)roarm be§ S)ioni)Co§ fein, roeldier ba§ roeibUdie 2Befen in

2lufregung brad^te; ber 93?ittelpunft be§ gangen Treibens aber mar jene

geier be§ leibenben ©otte§ (©. 101 f.), in nie[d)em bie nom ©ommer
üerfengte ober oom 2öinter getötete unb bann oon neuem auflebenbe

^sftansenroelt oerfinnbilblicbt geroefen fein mag. S)a ertjob fid) bann neben
unb au§ bem adgemeinen unb öffentlidien Allagen unb Rubeln ber oieHeid^t

rc(^t furchtbare S^luf efftotifc^er grauen: 3ur ©ammlung!


33on irgenbluie regelrecf)t erteilten 2Beit)en fann ^ier nid^t bie 9tcbe

geroefen fein, ber ^roje^ ift oon elementarer 9ktur; e§ fdieint genügt

ju ijnben, 'qq!^ man alle ^luei '^a{)xt an bie ©pipl)anie be§ ©otte^^ unter
S)ie ©riechen unb it)re ©ötter. 177

ben 93lenf(^en glaubte i).


Sa t)aben TOeibIi($e 33eüölferungen, üon beren
gciftigem B^ft'^'^'^ ^^^ ^"^ feinen Segriff marfien fönnen, aUt§, n3a§ fie

umgab, oergeffeu ober in if)re ^I;autafie umgefefet. @§ ift nic^t befannt,

wie gro|3 unter ben grauen einer ©egenb bie Duote ber ©mpfänglidjen
unb iDJitgeriffenen roar ^), welche fic^ plö|Iicf) al§> 'i;(;i)iaben ober ^tafenbe
(äliänaben), in SJiagebonien unb X^raüen als ^(obonen unb SJtimaÜonen
jufammentalen; uielleidit raar il^nen auf einmal, al§ riefe fie jemanb'"^).

Unb nun midien fie auf mef)rere ^Tage in bie ©ebirge, unb ^roar mitten
im SBinter, opferten, taugten, tobten, l)antierten mit Seetangen unb
fdiroärmten — be§ '^aä)t§> mit gefc^mungenen j^^adeln — ju (Sf)ren be§
uunmeljr ai§> „3Qgreu!§" benannten S)ioni)fo§. ©ie glaubten einen ©tier
§u jerrei^en, beffen gleifd) fie rolj genoffen Ijaben foHen, unb e§ bleibt

ungeroife, ob bieg eine milbe ^DarfteHung oom „Seiben" beso @otte§ felbft

TOar; nad) anbern Sagen rourbe S)ioni;fo§ oon ben ©iganten ober auä)
Don ben STitanen gerriffen^). ®ann fuc^ten bie aJZänaben ben @ott roieber,

aber umfonft; fein SBieberaufteben erfolgte erft, inbem er ai§ ein S?inb

in ber ©etreibefc^rainge, al§> 2)ionr)fog Sifnitejo aufgefunben unb geroedt


mürbe. 3Son ben SJJännern raaren bie 2JJänaben über biefe ^dt getrennt,

unb jene moi^ten roä^renb beffen i^ren befonbern Särm machen, mie er

in einem prad)toott tofenben ^^ragment au§> ben „ßbonen" be§ 2lefc^t)lo!l

gefc^ilbert rairb^).

^) Siobor IV, 3, rao aud^ ein Unters unb fprongen unauf^altfam l^inauS Dor bie
fd^ieb in ber 'XeHnai)\m ber 3un?frauen Stabt. ein Dra!el, um Stbfjilfe befragt,
unb ber grauen fonftatiert rairb; nur roieä jenen ©täbten eine beftimmte ainjaf}!

leitete l^ielten ficf) für baö 9{ac^bilb ber Don grül^Unggpäanen an. 2)a^ bie 2luf=
urfprüngtidfien 3)Jänaben, n)äf)renb ben regung biontififd^er 2lrt geroefen, fagt bie
2)läbd)en ber '^uhd unb ba§ %^r)v\o§- SHueHe jebod^ nicbt.

fcfiroingen genügte. ^) 2)iobor HI, 62. V, 75. — ®ie


-) 2)a§ SBort rouor al. föjut/nof in Serftücfelung beg getöteten Dfiriä ift gans
obiger ©teile ift nid^t aU^u fc^arf ju nefimen. anber§ motioiert unb brandet mit biefer
'')
®iefe 5Ruance raäre 3U entneEimen ni(i)t gufammenjutjcingen.
au§ einer I)öc^[t merfmürbigen 2lu§fage ^) 3" beutfcf)er Ueberfe|ung bei ^ault;,
bei 2lpoI(onio§ § 40 (Paradoxographi, ed. JRealenc. n, p. 1067. —
3lätfelt)aft bie
^eKcr), raelrfie fid^ ettua auf bie ,3eit um ©riüä^nung eineö „großen, für 3Beit)en
400 ü. S^r. unb 3ioar auf baä untcritalifcf)e trefftid) angelegten ©ebäubes" ju :öibetbra
Sofroi unb 3H)egion bejiel^t: öi^roeilen, in 3}(a3ebonien, roo ftd) ju beftimmten
roenn bie 2Beiber fa^en unb fpeiften, I)ord^ten Reiten majebonifdöe unb t()ralifd^c 3)iänner

fie auf einmal auf uk xnXovnög nvog, nerfammelten. Äonon, narrat. 4.5.

3. »urdfiarbt, ®rled;tfd^e fiulturgefc^ic^te. II. 12


178 ^Religion imb Äultu§.

^a()ii)unberte ^inburc^ na^m ha§> grie($ifd}e ^o(f einen penobif(^en


Hergang rate biefen, raeldien bie moberne ©efettfc^aft nie bulben würbe,
aU fel6ftt)erftänbli(| an. 9Jkn rannte, roaiS auf ben 33ergen raeit unb
breit, namentlich ouf bem ^it^äron, bem Satigeto;? unb bem ©ipfel be§
^arna^ vorging, unb liefe ^§> aU etiuaS ^ei(ige§ geiuäljren; 2)elpt)i famt
feinem ©ebirge^) gehörte \a jur Söinteräjeit überl^aupt bem 3^ion^fo§
unb nic^t htm 9lpoIIon, unb oben über ben SBolfen raften bie SBeiber

„beiben ©ijttern" '^).


^n ber mi)tf)if(f)en 3eit einmal i)atte ber i^eilfünftter

3}?elampu§ ju Ijelfen geroufet burcf) einen ©egenfdjroarm üon Jünglingen,

trel($er mit Samt unb Xan^ bie rafenben arginifd^en 9)iäbd;en unb 2Beiber
uon bannen f(^eud)te ^) ; fonft blieb bie <Baä)t ouf fiel) berul)en. Unb bie§

gan^e SBefen, ftatt gu beliebiger 3eit lo^jubred^en, l^ielt feine graeijä^rigen

Termine ein, loaljrfrfieinlic^, meil e§ be§ großen trieterifctien ^eftes in ben

©täbten beburfte, um ben ^rauenfd^roarm §um ^eiligen 9Bal)nfinn unb


§um 2lu§5ug ju bringen.

Tlit ber 3^^^ mürben il)rer gcmife roeniger, unb unter ben J^aifern

fdieint nur nocl) ber ^^arnafe regelmäf3ig von folc^en ©d^aren befudit
morben gu fein. %nx bie attifctien 3:;i)i)iaben gab e§ bamalio nocl; unter'

roegS jroifd^cn 3ltl)en unb 2)elp^i 2::an5ftationen, mo fie öorläufig i§rc

l^eiligen Steigen übten*), hi§i fie, angelangt, mit ^elpljierinnen oereinigt


il^re grofee ^eier ooUgietjen fonnten. ^n ^lutard}!? ^dt mu§te man bis»
meilen ben auf ber ^ötje in Sturm unb ©(^nee uerlorenen 2ri)viaben
üon Selpl)i au§ Seute ju §ilfe fc^iden^). 3lber @ljrfurd)t genoffen fie

raol)l noc^ immer, unb i^r ©tanb war ein ©tanb ber ©nabe. grellere-

2lnfic^t: „bie geiftig unb fittli($ jurüdgefel^ten ?5^rauen feien fold)er ©nt*

artung be§ religiöfen @efül)l§ am leid}teften blofegefteüt geroefen" mag


unferer je^igen ^enfroeife entfpredien, ift aber ber griednfd)en 9tnfd)auung

oöllig fremb. Söenn e§ im allgemeinen ein ©lud unb eine ©Ijre für
bie ©riedjinnen mar, bafe fie bi§ in bie ©pätjeit eine güHe befonberer

unabljängiger ©otteSbienfte bel)aupteten, fo mirb man biefe milben feiern

nid)t al^ eine ©ntnrtung, fonbern al^ eine nod) ungebäubigte Urgeftalt

") ©opf)of[. 2(ntig. 1126. fid^ bie SBeiber ben biom;[ifd;en Sßeiljen

-) 5ßaufan. X, 32, ö. gerabe iiidjt gefügt l^atten.

8) SlpoHobor II, 2, 2. 2)aä mofw ber ") «pttufan. X, 4, 2.

3iaferet mar ftreitig ; laut .C:^e[tob : tueit ') ißlut. de prinio frigido 18.
SDte ©ried^en unb il)i:e ©ötter. 179

be§ reUgiö[en ©mpfinbenS mitneljmen muffen. 3"^ 3^^t beS t;eiügen

Krieges, im IV. ^u'^i^^ui^'^ei't, aU ®e(p()t in ben ^änben ber pl)o!i[d)en

<S5eroaIt{)aber unb iE)rer ©ölbner mar ^), tarn einft eine <Bä)ax oon STfjtiiaben

bur(^ ba§ nal)e Slmptiiffa unb (ogerte fid) gum (Schlafen auf ber 2lgora.

3)amit i£)nen nun uon ben (Sölbnern feine Ungebühr gefc^e!)e, famen
alle ©inroofiner unb umftanben fie ring§ in roeitem Slreife; ben ©r^
wad^enben hxadjit man pflege unb ^JJal^rung unb gab itjuen nad^iier fic^ereS
(Seleit.

2(u§ ber ()o^en ^unft aber (üiellei($t u. a. au§ 2Bieberl)o(ungen eine'o

6erü{)mten ©ebilbeg bei ©fopal) (ernen mir bie a}^änabe !ennen, leidet

fd)reitenb auf bem 93orberbaIIen, al§> roöre fie beim ©eljen in bie Suft ge^

^oben; bann freubig tanjenb, aud) erfc^öpft I)infinfenb; anbere 3)?ale ift

e§ bie fic^ in efftatifdien Xaumel erf(^öpft gurüdmerfenbe, eine ber Ijeftigften

33eit)egungen innerhalb be§ ©c^önen. ©dion oon ben ©iebeln be§ Xemoell
oon S)elpf)i get)örte nur ber eine bem 2lpoIIon unb hzn ©einigen, ber an*
bere entl)ielt ®ionr)fo§ unb bie 2;^t)iaben. ^n ber ^oefie ift un§ ba§ er*

ftaunlidje ®ramo be§ ©uripibel, bie 33ocd)en, erhalten, unb ^ier fc^ouen

mir, mie loonneootl fid) in ber ^Ijantafie ber 9J?änaben felbft ba^ (griebte

fpiegelte, modjte aud^ ber mijtljifd^e Hergang, roeldjer l;ier ben 2lnla^ bot,
an fi^ noc^ fo entfe^lic^ geroefen fein, ^iftorifd) beraeift ba§ Stüd, ba^
bie 3eitgenoffen be§ ®id)ter§ ba§ bacdiifdie 3ftafen nod) für etroaS oöüig

^ere(^tigte§ unb ©elbftoerftänblic^el Ijielten, benn um einer blo§ äft^etifc^en

ober antiquarifdien Sittigung entgegen gu fommen, märe bie gewaltig


feurige 2)id)tung nid)t entftanben. ®iefe SSerfierrlic^ung einer für un§
elementar erfd)einenben 9taferei burc^ ein ganjeS ©tüd t)inburcE), unter
met)rfad)er 2lbmeic^ung oom fonftigen ©ebraud) ber S^ragöbie, oerrät eine
allgemeine ©enfroeife.

®§ ift für bie 33etrad^tung roefentlid^, biefe gan§e ®rfd)einung getrennt


ju t)alten oon allem, roa§> fonft oon bioni)fifd)em 2;reiben berii^tet wirb:

oon ben feiern ber mit ®ioni)fo§ 3ufamment)öngenben ©öttermutter


(Slijbele), roeldie fd^on oöllig griec^if(^er 3trt raaren, oon bem balb ju

erröät)nenben 2)ionijfo§bienft ber Drpl;ifer, unb enblid; oon benjenigen


3Beit)en, meiere in einzelnen beftimmten 2^empeln bei ©ottel begangen
lourben. S)er trieterifd^e S^aumel unterfc^ieb fid^ oon ben smei le^tern

^Iltt. de mul. virtut. 13.


180 ^Religion uub Äultu§.

Gattungen fc^on, inbent er feine befonbere, üorauSgel^enbe äöeilje üorau§=

fe^te unb an feine eingelue Oertlidjfeit gebunben mar.


©benbie^ gilt aud^ oon einem anbern, oiel gemäßigtem Sltagefult

ber grauen, ben 3^f)efmopf)orien §u @f;ren ber 2)emeter. Sind; biefe

raaren über weite ©egenben oon ^ella§ nnb ^seloponneg, über ;3onien
nnb ©ijilien oerbreitet, bod^ ift einiget 91äl;ere nur non ber 33egef)ung
in Slttifa befannt unb anc^ f)ier bie ^auptfac^e nid^t. ^^on ben fünf
^agen be§ gefte§, bie jum ^eil mit etroa§' lärmenben 2BaEfaf)rten in ber
Umgegenb oon Sttljen f)ingingen, mar ber üierte ber büftere, ber be§
§aften§^), unb man roirb faum äweifeln bürfen, baB berfelbe bem 3}iit=»

mai^en ber „ßeiben" ber großen j^rud^tgöttin geroibmet mar. ^erobot


(II, 171) läßt biefen S)ienft aug 2legt)pten ftammen, burd) bie Xöä)tiv

be§ ®anao;3, unb fommt barouf ju fprec^en bei 2lnlaß ägijptifd^er SJhjfterien,

oon meldten nod^ weiter bie 9iebe fein mirb. ©o unroaljrfdjeinlid) bieg bleibt,

fo roirb man bod^ bie allgemeine a}iöglid£)feit einer Sinroirfung oon außen

nid^t oöHig obIet)nen fönnen. 2lufregungen ber grauen mod^ten roie burd^ 2ln»

ftedfung fid^ oonSanb gu ßanb oerbreiten, unb roenn fie irgenbroo in bie ©renken

be§ ©rie^enlebenS eingebrodien roaren, tat bie 9kdjat)mung ba§ übrige.

ä^on ben 2lbonien ber (Griechinnen ift eg fogar oödig geroiß, baß fie

nur ein SBeüenfc^lag einer großen j^^eier bc§ ganzen oorbern Oriente unb
befonberl ^fiönisienS geroefen finb. 2lboni§ mar eine ber oerbreitetften

©eftatten jenes „teibenben ©otteS" unb roof)I oon Slnfang an ber Segleiter
ber 2lftarte, roeldfie jur gried;ifd)en 2lp(;robite geroorben mar. ^n ber
griei^ifc^en StuSprägung feine§ 3Jh;t{)u§ bebeutet ber tobbringenbe @ber
bie @(utt)i^e be§ ©ommerS, roeldje alleS (^rün unb atte Slüten tjiuroeg^

rafft ^); bie 3tboni§gärtIein, b. 1^. ©efäße mit fd^neU Ijeroortreibenbcn


^ffanjen (roie j. 33. bei nn?: bie 5lreffe) fönnen bie ^infäEigfeit biefer

33egetation ober anä) ba§ rafd^e 3Bieberemporfd;ießen oerfinnbilblidit l)aben.

2lm erften ^oge beflagten bie g-rauen ba0 „3Serfc^roinben" be§ @otte§;
ha mögen ^) in ber gangen ©tabt jene 33ilbdjen (ndcnla), oon ber 2ln=

') 33ergl. 2ße[termann Bio^r. p. 302 3^eier in 2llei:anbrieu S:[)eülrit. XV. —


im britteu [iCoi beä SemofU;eneä. Ueber bie pl)ri)gtfcl;c iSeiteugcftalt biefeS
^) Saut einer 3)cutung bei 2lmmion. aJlptliuä, mit aitt^S uub i?i;be[e, S)iobor
3KarceU. XIX, 1, 11 bocf) crft bie fruges III, 58, 59. 3»" 2lrgoi§ gab ti ein be«
adultae. fonbereS ©ebäube, mo bie (vrauen beit
^) ^lut. «Rif. 13. — ©ie prac^tDotte 2lboniS betiaucvtcn. '^saufan. IT, 20, 5.
S5ie ©ried^en unb i^re ®ötter. 181

beutung eine§ Orabeä umgeben, aufgefteUt geroefen fein, roobet firf) btc

grauen au^ bie Sruft [erlügen; ber sroeite Xa% roor ber bei „SBiebers

auffinbenl". 3lbont§ muB ftc^ 3it)i[c|en ben beiben Göttinnen, bte feiner
6eget;ren, teilen ') unb bringt bie eine ^älftc be§ ^aiirel hti 3lpl;robite,

bic anbere bei ^erfepl^one ju. 3tl§ er, beiläufig gefagt, ba§ erfte Mai
in bie Unterwelt tarn, rourbe er gefragt, n)o0 haS» §errlid)fte fei, ba§ er
auf ©rben gurüdgelaffen, unb antwortete al'o red)ter ^irtenfnabe: ©onne,
ajJonb, a«eIonen unb 2lepfeP).
$i>on biefen ©eitenbilbern ber S^rieterien M)ren mir nocfimall jur
^ouptgeftolt aUeS 2Bei[;eroefen§, §u ^iom)fo§ jurücE.

Tlan rairb bem 2l(tertum, raenn el ben ©ott ber Sflaturfreube

-feierte^), nocf) manche! all religiöfe Segetjung gugeftefien, roal in anbern


ßeiten nidit meijr all religiöl unb faum mel^r all erlaubt gegolten l)at.

©0 weit bie 2)inge öffentlich oor fic^ gingen, au(^ bei h^n SZac^tfeiern,
wirb intmerl;in nod^ ein geroiffel 9)la§ innegeljalten raorben fein; oer^

bäc^tig aber waren offenbor fc^on bem Slltertum bie ©e^eimoereine, bie
fid) in biefer ungeljüteten 3^eligion an ben S)ienft biefel ©ottel anfnüpften.
Ob bie bacd^ifc^en Jlonoentüel (&iaaoi), TOet(^e fic^ 5. 33. für 2lt^en fd^on
pr ^dt hi§' peloponnefifclien ^riegel nad^meifen laffen, eine roirflic^ ernft=

^afte 2Beil)e entl)ielten ober niä)t oiel mel)r bebenflid)en ©enüffen, auc^
wol)l SSerabrebungen unb 3Serf(^n)örungen bienten, ift nic^t näljer aul'

jnmitteln. diejenigen, meiere auf ben 3^amen he§ ©abajiol lauteten*),


einer afiatifd^en ©eitengeftalt bei 3)ionr)fol, begingen bie (Srgeugung unb
l^erljerrlic^ung i^rel ©ottel l)eimlid^ unb bei 3iac:^t §ur SSermeibung h^S'

2Iergerniffel. ©olc^e im Sunfel fc^leic^enbe ©ienfte moditen oft bie ©e»


ftalt roec^feln, bil bie oerrufenen italifdien ^ac(^analien baraul mürben,
gegen meldte (186 0. (Sl)r.) ber römifi^e ©enat mit aller ©trenge ein=

f (freiten mu§te.
^m ©runbe ptte bie römifd^e Sf^egierung eine ©od^e wie biefe fd^on

längft merfen foHen, benn wa^ in ben legten ^al)ren nur oon S^erbred^en

^) SBorüber Sudan fpottet, deor. dial. Siedlerin ^ra^illa, Sergf, Anthol. lyr.,

11, 1. — ©c^on bei 33ion I, 97 roirb ber p. 478.


Sammer ber 3tp()robitebamtt5urü(Jgen)ie[en: *) 2Bie l^eiter unb reid^Ud^ e§ in 3Itl^en
I;öre auf ju flagen, bu mn^t ja ein anbereä bei ben 3)tonr)[ien juging, üergt. 2(t^cn.

Sa^r roieber loeinen. XI, 13.


'^)
2)ie§ in jierlid^er Variante bei ber ') 5)iobür IV, 4.
182 ^Religion uiib Äultug.

üorgefommen wax, ftammte au§ bicfcm SBinfel; biefe 3a(;re ober raoren

bie ber grofscn ©lege über Slarttjago iinb bic 5lönige ^f)ilipp unb 2lntio(^og

geraefen mit if;rer Söanbelung bc§ ganjen römifc^eu §or{§önte§. SBäljrenb

be[fen i)atte fid) in einen anfangt (jarmtofen 5^ult unter bem (Sd)u^ con
@et;eimf eiern ein 3Serbrec^erflub einniften !önnen, roeldjer ou^er ber

lüilbeften SBolIuft, 33etrug aller 3lrt, falfc^eS 3^»9"^§, gälfc^ung oon


2:;eftamenten unb 9J?orb übte unb jeben nnficfiern ©enoffen unter ben
furc^tbarften SroI;ungen feft(;ie(t ober bei|eite fdiaffte. SBon ben XeiU
ne^mern, weld^e man ermittelte (e§ f ollen meE)r al§> 7000 geraefen feinV

mürben nun nieljr al§> bie ^älfte Eingerichtet unb bie Sacd^analien in ber
ganzen ^albinfel oerboten. !i>on biefem abfd)euroürbigen 33eifpiel einer

^älfc^ung be§ Sieligiöfen feiiren mir raieber nadi ©ried^enlanb unb in eine

frühere 3eit jurüd.

2Bat)re ©ef)eimroeif)en erteilte jebenfalls bie im VI. ^aljrl;unbert

V. ß^r. in 0)ried)en(anb oufgefommene orpiiifdie 9ieIigion. ©iefelbe i)at

fd)einbar eine oornetjme ^erroanbtfd^aft laut bem fo rätfelljoften SBorte


bei ^erobot (II, 81): „man fagt: orpl)if(^e unb bacd;ifd)e $H>eil)en, e§

finb aber ägijptifc^e unb pijttjagoreifd^e" — unb mit ben beiben le^tern

Sfleligionen ^atte bie orptjifdje menigftenS bie £el;re üon ber ©eelen»
manberung gemein, meiere bamals, o^ne 3^^if^^ tiuf einen orientalifd)en

Slntrieb ^in, in oerfc^iebenen ©trömungen burd) bie griei^ifdje 2Belt ging.

2lllein bie orpl)ifd)e 9teligion begann gleich mit einem galfum, inbem fie

fid^ geroaltfam^) an ben größten mv)tl)ifd)en ©änger anlieftete, unb fo

üiel l)at fie rairflid^ erreid^t, ba§ bei ben ©riedien fpäter Drpt)eu§ all
Uroater alter SBeiljen unb 9)h)fterien überl)aupt gatt^). ©aju fam aber

nod) eine ganje bem Drpl)eu§ äi^Ö^f'^^^-'iß^^ii^ Literatur ^), beginnenb mit
Slrbeiten bee befannten ^älfd)er§ Dnomafritol, melc^er üielleid)t ber

^aupterfinber ber ganzen Sel)re mar.


^mmerljin ein tjöc^ft merfroürbiger SSerfudj, in bie au§> lauter CUitters
geftalten unb ©ötterbienften jufammengefommene griec^ifd^e 3lnbad)t ein*

jubringen mit einer lel)renben i){eligion, einem ©ijftem. 9tatürli(^ mufste

') SßoDon man fic^ 5. iü. überjeugen ^) .^ierauf loirb bei ©uripib. ^ippoU
fann bei 2)iobor III, 65. 952 ff. Don Xl)efeug angefpielt: rioUioy
^aufan. IX, 30, 3: Sffiei^en, 3ieini=

gungeii Don f)eiI(ofen 2:aten, Äranfen^eis


Iinuien imb iHbiuenbungcn »on ©ötterjorn.
2)ie ©riechen imb if)re ©ötter. 183

basfelbe jum (Schein and) ben ä^olf^glauben teihneife in fic^ QufneJ)men


unb ]hi) aU beffen roal)re Deutung gebärben. 2)ie Hebung be;? orpfiifc^en

ilultuS fann feine ©c^roierigfeit gemacf)t Ijaben, ba jeber ©rie^e Cpferer


[ein fonnte; ha§> Ungeroofjnte unb raaJirtiaft ©i^roere begann baniit, ba|

eine jufamnieni)ängenbe Seljre oorgetragen, unb nid^t bloB Slnbäc^tige;.

fonbern 3ii^örer unb fogar fleißige Sefer bafür gewonnen werben mu&ten.
Unter ©röffnung fel;r großer 3lu§fi(^ten fonnte inbeiS aud) biefeg gelingen,
nur fe£)(te offenbar oon 2lnfang an bie mächtige, ergreifenbe ^erfönli(^=

feit. 33ei bem 3ßitgeno|fen ^^ijt^agoraS war bie SJietempfijdjofe großartig,

al§> offenließe £ef)re aufgetreten, in 33erbiubung mit ei^tem a§fetifcßem 2thzn


unb einer au§gebet)nten roiffenfd)aftli(^en Sefrfiäftigung; bei ben Orpl^üern
bagegen finbet fie firf) oermif(i)t mit einer meßr fd)einbar al§> roirflii^

tieffinnigen ^oSmogonie (nergl. ©. 44), mit fonberbaren 3e'^^"io^ißtt ^^^^

mit einem maljrfcßeinlid) uon Stnfang an fi-ßrainbetfjaften, auf 2tu»beutung


gerid)teten 33etrieb. 3)er „Drpf)eoteIeft" raanbte fid) nämlicß oorsug^meife
an folcße ©emüter, n)eld)e raegen beiS ©diicffate nacß bem 3:;obe fcßroer

beunrul;igt maren '), unb Ijier fonnte aud) oon 33uBe unb beren praftif(^er

©eftalt, nämlicß uon irgenb einer 2(^fefe bie Siebe fein, raäljrenb fonft

ha§> unbuM^rtige unb peffimiftifd^e ©riecßenoolf ber SJieinung mar, man


^abe t§> auf ber Sßelt of)nef)in fcßledit genug. ®er ilultu^j aber wav
mefentlidß ber be§ Sionijfo^ in einer befonbern 2Iuffaffung, ai§> eine§
^auptgotte^ ber Unterroelt, uon welchem man je^t Säuterung ber ©eelen
unb enbUd)e Sefeligung Ijoffen fottte.

.§ier ift nun in ilürje be» f)ellenifcßen ^enfeit^ ju gebenfen, fdßon

weil ba§felbe in 33e3iel;ung fteßt ju einigen ber weiterhin §u betracßtenben

2Jit)fterien ^). S)er Verstorbene bebarf eigener ©ötter; bie obern, oIi)mpifd)en

©Otter roenben fidß nämlicß fcßon oon bem ©terbenben unb oollenbs oon
ber Seilte ob, „aud; roenn ber ä>erftorbene i^nen fel;r wert gewefen^'),"
unb bieS nicßt etwa au§ bloßer ^erjlofigfeit, unb weif fie überf)aupt nid^t

weinen*), fonbern weit e§ if)nen „nicßt giemt" beim 3:obe oon (Sterblichen

^) 33ieEeic^t bie 5croei§fräftig[te Slue-^ 1 Dergl. ^lut. ad Apollonium c. 27. 9htr


[agie t)iefür 5|3Iato, de re publ. p. 364, e, i
rciffen roir nic^t, inie tief ein folc^er ©laube
^) Seiläufig mag ^ier erroäfint raerbcn, ':

ging.
bo^, roer freunbltc^ oon ben Serftorbenen |
^) Slelian, fragni. 11.
reben rcoUte, fie al§ ,uf;>ff/()/o/,ij;cf«t^oyic, |
») ßurip. .^ippol. 139-4. 1435.
ßtkTioytc. y.niiTTofki ju begeid^ncn pflegte, I
184 Sieligion unb £ultu§.

gugegen ju fein, ober loeil fie „fein Sted^t" auf bie S^oten tiaben, roel(^e§
einjig ben „©Ottern unten" gufte^t^); oollenbs f)anbelt ein SJJenfrf) lyie

Rxton fel)r übel, inbem er ben le^tern bie Seiche be§ ^oIi)neife§ oorent»
l()ält. ^m täglii^en Seben brüdte fid^ biefe Ueber§eugung barin aii§>, ha'^

3. S. i^ranfe, raeldje bem 2^obe nat)e raaren, fd;on uidit mel)r in bie

3(§!(epio§tempeI jugelaffen raurben.

(Sine eigentUd^e 2tutorität in betreff ber ^ortbauer naä) bem ^Tobc

gab e§ bei ben ©ried^en nic^t; ber elfte ©efang ber Obijffee mit bem
befannten ©c^attenbaf ein ") unter ber Dbl)ut ber ^erfeplpne mod)te noc^
lange über Unsäl^Uge feine <gerrfd^aft ausüben^), unb au^erbem mar Qt'

mi^ auc^ noc^ bie 9)Jeinung in 5lraft uom fortleben be§ 2:^oten in feinem

(SJrabe. 2IIIein bie gried^ifd)e ^(jantafie, nod) ba5U, fd^eint e§, berührt
üon ben ^enfeit^bilbern ber ä^ölfer ringsum, auc^ moljl üon benjenigen
2legi)pten§, geriet baneben ouf neue nujt^ifdje a^orftellungen , mtidjt mir

freilid) roeniger fennen aU erraten muffen; au(^ miffen mir nid)t, mo unb
§u welcher 3eit ber ^ultu§ ber untern ober „d)t[)onif^en" @ottl;eiten §U'

erft feine SSoHenbung ert)ie(t*). ^mmer^in mag fd)on frülje fitf) §roifdjen

groei fingen irgenb eine ä^erbinbung ober Parallelität eingefteßt l)aben:

§roifd)en bem ©amenforn ober ber ^^f[an§enrour3el unter ber ®rbe, mo


fid^ ba§ oegetabilifdie ^thm erneuert — unb bem beftatteten 99lenfcf)en

unb feinem SSeiterleben ober 2Bieberaufleben. ©iefem ©oppetfinn oon


®rbfrud)tbarfeit unb ©eelenbemabrung entfpredjeu bann jene @ottl;eiten,

meiere jum Xeil mol)l auc^ oh)mpifd)e§ S)afein Ijaben, ,,unten" aber be»

fonbere 3üge annel;men: 2)emeter, bie 9}hitter ©rbe — il)re ^oc^ter 5lore

ober ^erfepl)one, bi^^er nur eine furchtbare ^errin ber BdjaüQn, je^t auf-

gefaßt aU in il)rer ^ugenbblüte geraubt oon 2libe§, bem Unfid)tbaren


ober ^luton (bem reidjen ^rüd;tegott) — ;
gu biefer mo^l urfprünglid)en

') (SopI)o!I. 3(ntig. 1070 ff. ,


!ominen ber unterirbifd^c Qeni> unb '^er=

-) 2Bie 9roJ5 felbftnad) biefcm Safein 1


fep^one fcf)on '^l IX, 456 uor, unb biefe

bie oe^nfud)t bcS noä) Uiibeftatteten roar, (Juuftion ber Unterii-bifd;en alä odiulb^
j

fagt ber Schatten be^ '^uitroflog, ^I. 1 radier föuute ^en Einfang gcbtibet l;a&en.
XXIII, 65.
j
Ueörigenö ift nod) ein Untcrfd)ieb jiuifdjen
') 3lo6) bei I^eogniö 705 ff. ift ba§j ber blofeen Shmbc uon unterirbifd)en (^)c=
j

felbe offenbar Dorauägefe^t. 1 raalten unb einem .HultU'S bevfcUicn.


'j 3(lö Sollftrecfer eiueS "iiaterftud^cg '
Sie ®necf)en unb il)re ©öttcr. 185

(SJruppe gefeilt ftdj ') bann burc^ eine unfern Slljnungen entzogene gufion:

®ionr)fo§, raelrfier burd^ fein periobifdEiel Seiben {nä&fj) unb (Sterben ein

©eitenbilb jur Jlore rairb, — unb enbtic^ §erme§, bcr t)ielleid)t erft uon
feinem allgemeinen 33otenamt aul gum 3]ermitt(er ber beiben Sßetten ge=

roorben, aber aud) fc^on urfprünglict) ein unterirbifdjer ©ott ber grud)t»

bar!eit gemefen fein fann. 3)en nunmeljrigen 2lbfd}lu|3 be§ aJii}tt;u§ bilbet

ber oon 3ßu§ oerfügte ©ü^nüertrag : 5]3erfept)one fteigt fortan mit jebem
^rü^ting empor jur 3}iutter, mit jebem ^erbft l^inab jum ©atten, ober
fie entroeidit mit bem eroig neuen @ntfü[jrer, unb bamit war auc^ für bie

^auptf^enen be§ tieiligen SDramal geforgt, roeld)e§ bei ben großem ^^eiern

biefer ©ott^eiten üorEam.

3Bie roeit man fid) nun mit biefen SBefen gu bef(^äfttgen l)abi, ftanb

bem einzelnen @ried)en offenbar oödig frei; ollgemein rourbe am ©terbe=


bette erroei§Ii(^ nur bc§ ^erme§ al§ ©eleiterS ber ©eele gebac^t. äöo
Stempel ber (^tljonifd^en @ötter roaren, ba fanb fic^ gen)i§ auc^ ein ^riefter,

roeldjer bie 9titualien ooHäog^). Mel ^ing an ber großem ober geringern
Hoffnung ober ^urd)t, meiere ber eingelne mit bem ©ebanfen an ba§
i^enfeitg oerbanb, auc^ root)l an ber ^ietät für oerftorbene '^erroanbte.
@g !am üor, baB bie „untern" ©ötter ben einsetnen huK^ träume §um
@infinben in it;rem Heiligtum maljnten ^). SBie aber bie „iieitigen unter»

irbifc^en ©eroalten" angerufen rourben, baiS rou^te biiSroeiten auc^ bie

©ic^tung ^), unb einmal rou^te fie au($, roie jene il)rerfeit§ ben gum S^obe

*) 2)0^ eö eine S^xt gaö, ba S)iom)[o§ füiirung ber ilore unb bag ©mporfteigen
noc^ nid)t baju gehörte, läfet [icf) fc^Ue^eit ber ©emele au§ ber Unterroett.
au^ benjenigen 9iacf)5ilbungen ber eleufi= -) Sm Si^entpef ber 2(rtemi§ Soteira
ni]d)en SBei^en, ba nod^ nidjt von it)m, ju 2;röjen, roo bie Slltäre ber „unterirbifd^
nur Don Demeter unb ^ore bie Siebe ift, lEierrfc^enben ©ötter" fid^ befanben, mar auc^
iiioöon raeitereö unten. — (Sin foldjer ur* ein alter ©ingang in bie llnterroeft; aucb
alter, noc^ unDoUftänbiger ct)tf)onii'd^er ijier l^atte Sionyfoö bie ©emele au§ bem
ivult roar raol)! berjenige beä Äh;meno§ ^a'be^ emporgefül)rt unb öeratles ben Äer=
unb ber ^ovc (^^(uton unb ^erfep^one) beroö t)eraufgebrac^t. 'i|]aufan. II, 31, 2. —
auf bem Vorgebirge ^ron bei .t)ermione, ^abeS für fiel) allein befa^ nirgenb^ einen

^aufan. II, 35, 3—5. S5a§ ummauerte 2:empel, aufgenommen in @Iiä, tbt). VI,
Heiligtum entl^ielt u. a. einen acr)eruitfd)en 25, 3.
©ee unb einen ©rbfpalt, burd) lüelc^en 3) ^aufan. X, 32, 9.

iperaÜeS ben i^erberoa ()eraufgebracl^t [)atte. ') Slefd^ijl. ^erf. 631 im Sfjcrgefang
Siefe 3:at rourbe für mef)rere Oertlid^Ieitcn bei ber Sefcfiroörung beS 5)areiü§.
in 3lnfpruc^ genommen, foroie bie dnU
18(3 3ieligion unb 5lultu§.

bereiten 9}ienfrf)en rufen !önnen. ©egen ©nbe be§ „DebipuS in SloIonoS" ^),

naä) ber loel^mütigen gürbitte be§ 6{)ore§ an bie dürften ber Schatten'

roelt um frfimerälofe, fanfte 2Iufna(jme be§ ®u(ber§, folgt ber Seric^t bes

^oten oon beffen ©nbe: an ber „eisernen ©djraelle" £)at Debipu§ gerul;t

gttjifd^en feinen raeinenben S^^öc^tern; „ba ertönte plö^lid) bie 6tinime


@ine§, ber if)n mit 9iamen rief, fo ba^ allen cor ©ntfe^en boS ^aar fi($

emporfträubte; unb nun erfc^allten oiele ©ötterftimmen unb üielfad): o bu!


bu! Debipu§! raarum gezögert? längft frf)on mirb beiner geljarrt!" —
©nblicl offenbart (Sopt;ofIe§ in ber älntigone bie ©ebanfen einer bem
S^obe geroeil)ten Jungfrau, melcbe roeife, ba^ fie nunmet)r eine längere

3cit ben „Untern" gefallen mu§, ai§> bi^^er biefer 2Belt, unb i^rer Öunft

aud) fc^on fidler ift, jener ©ötter, neben metd)en auc^ 2)ife tljront, unb

meiere ben genauen Hergang il)re^^ i^ammer^ roiffen, Umfonft ^öljut 5lreon

feinen ©olju: „bu benfft immer nur an fie!" — ^ämon ermibert: „and)

an bi^ unb an mid^ unb an bie ©ötter ber Unterroelt !" Slntigone aber

f)at je^t natje uor fic^ ha§> äßieberfe^en mit benjenigen, roeldie ^erfeptiaffa

fc^on aufgenommen ^at, mit 'isater, Mntkx unb 33ruber, unb fie weife,

bafe e§ für biefe ein geliebte^ ^Lsieberfeljen fein rairb. 9iä{)er aU in bicfen

beiben 2:ragi)bien be§ ^ol^en ®id)ter§ lernt man bie „Untern" nirgenbS

fenucn^). S)oc^ ift aud) eine ber ebelften reifen grauengeftalten ber

griei^ifcfien ^laftif, bie Demeter oon 5lniDo§^), an§ einem Heiligtum ber
c^t^onifdjen (^)0ttl)eiten Jjeroorgegangen.

d^aä) bem ^obe üor gnäbige (^Jötter treten ju fönnen, mar nun, je

nad) bem ©tauben unb je nad) bem ©rabe oon g^urt^t unb ©orge, eine

©et)nfuc^t üieler ober weniger, unb sroar fditiefjen fid) biefe 2(nfd}auungen

unb ber ©eelenraanbernngfSglaube nic^t au», inbem bie ©ötter ebenfogut

eine neue irbifdie ©eburt ber einzelnen ©eele oerfügen al» bereu cnbUdjc»
©c^irffal fofort beftimmen fönuen. SlQein ber ©ebanfe an 3Jtetempfi)c^ofe

ift ben ©riechen im gansen antipatljifd) gemefen unb geblieben, trot^

') <Bopi)on. Deb. Äo(. 1623 ff. übcrlaffeti bleiben, ma?-' er aug bem 33erid)t

^) 3m 2tttcrtnm geraä^rte üielleid;! f)terüber bei'ipaufaniaä (IX, 39) mad[)enuüU.

ba§ Xropljonioei^eilifltum ju Vebabca bem •') Villi bvitifd)cn :}Jtiifcum. — <>-iir

(Gläubigen unter rieten Öefabren unh i

fonftige iCunftroerfe, beionberv untcvitalifdje

Sefc^rcerben einen unmittelbaren ©inblitf 3>aienbilber uergl. 33auniciftcr, renfmaler,

in bie UnterioeU':' Werne aber möge jcbcm ! 5(rt. Untermelt.


®ie ©ried^eu unb tf)re ©ötter. 187

^:pi)ti)agora§, 'jpinbar, ©mpeboflejo unb ^lato. Sei iljreiii fo ftarf betonten

^effimi§mu§ raar e5 ein fd)(ed)ter 2;roft, firf) — angeblid; üon alten


©efiern unb 2öeit)efti[tern — jagen gu laffen, man fei auf bie SBelt ge«

fommen jur ©träfe für ha§> in einem frü(;ern Seben begangene Söfe^);
roa§ aber bie S^funft nad) beni 3::obe betraf, fo mu^te ba§ weit vox^
TOiegenbe öefül^l einen befinitioen ©c|idfal§entfd)eib — roeld^er e§ auc^

war — allem weitern „Slrei^lauf ber ^engung" oorsiel^en. @§ beburfte

f^on einer fiiblimen ^t^it, um bur(^ ftrenge £eben§füi)rung ben Ueber»

gang in ein beoorjugteS neueg SBefen oorjubereiten.

S)ie Drp^ifer, gu meldten wir un§ t)ier roieber ju wenben l^aUn,


übten unb oerorbneten nun 2l§fefe — wie weit iebe§mal mit innerem
©ruft, mag unentfc^ieben bleiben. 3)ie 2(§fefe raar wieberum etwa§ Un=
gried)ifc^e§ wie bie 3}ietempfijd)ofe, unb wo fid; glei^wol;[ bei ben ©ried}en

haS» eine finbet, wirb aud) ba§ anbere in ber 9iät)e fein. Sie 2Beit;e,

weli^e wie eine 2tufnal;me in einen Drben erfolgt fein mag, wirb geljeime

^riüatweil)e gewefen fein, wie benn ber ganje orpl}ifd)e ^ultu§, fdieint

^§>, ni($t in 2:iempeln ooEgogen würbe unb nid)t uerbunben war mit 2luf'

fül;rungen eines 3}h;tl)ug (ÖQo^/j.sra)', fein d)tl)onifc^er ®ioni)fo§ ift eine

gan§ anbere ©eftalt als ber braufenbe unb tofenbe ©ott ber ftäbtifd^en

gefte. ajiit biefer 3[S!efe unb 2Beil;e l)ing nun wenigftenS ftellenweife

eine eigene orpl)ifd;e Senlart unb ©itte gufammen. 3J?and)e Ijielten, wie

oben gefagt, mit, au§> peinigenber ©orge wegen beS ^^nfeits, IjauptfödjHd)

wol)l um böfer begangener ^aten willen; bei anbern bagegen, freiließ

wo^l nur bei einer fleinen Slngalil, fd^eint fid^ ba§ oöHig ungriec^ifdje
©efüljl einer allgemein menfd)lid)en ©ünbl)aftigfeit auSgebilbet gu l;aben,

gegen weldje ber einzelne burc| grijmmigfeit unb ©ittenftrenge anMmpfen


!önne. ^on ber fittlii^ geringen SBefc^offen^eit ber meiften 9Jienfc|en,

eingeln genommen, war man längft überzeugt, unb Sias unb ^ittafoS
Ijatten ©prüc^e biefeS ^"^alteS l)interlaffen ; aber erft bei ben Drpl)ifern

lianbelt eS ftcb um fünb^fteS 3Befen ber a}Jenfd)l;eit als foldjer. Unb


fowie bie 2lnfid)ten oom Unljeil fic^ unterf (Rieben, fo aud) bie oon hm
aJZitteln ber 3Jeinigung. 2)ie altüblic^e 5^atl}arfiS feit ber ^eroenjeit l)atte

fid) nid)t belogen auf ein allgemeines Sewu^tfein beS Söfen in ber

') ©icero, fragm. philos. Drclli IV, 2, p. 485.


X88 Sieligion «nb ÄuUu§.

ajienfdjennatur, foubern auf irgenb eine, uieHeirfit oljnc grofse fubjeftioe

93erfd)ulbung begangene äußere %at, TOeld)e objeftiu aU mit einem %[üd)

belaben galt, rate 5. 33. jebe Rötung, nnb bnrdj beftimmte 3ei'en^onien
ge[ül)nt werben fonnte; bie ernftere orpl^ifi^e Seljre nnb 2Bei[)e bagegen

verlangte mirflid) eine 3lrt oon innerer SBanbelung ober ©inneSänberung,

üerbunben mit frommer ^altnng int Seben. 5K>ie nned;t and) bie mijt^ifdie

Segrünbnng bie[e§ gansen ^nn§ nnb wie graeifettjaft and; bie ^erfönlid^»

feit einzelner Drpl)en§niei£)emeifter (Orpljeoteleften) oon 2lnfang an fein

mod)te, fo mnß eS bod) ed)te (grfc^einnngen felbft im atl)enifd)en Seben


gegeben i)ah^n. ^loä) ©nripibe^ tjat für bie 33üt;ne ber fpottliebenben

©tabt an^^ biefer 3]orau§fet^ung bie ;3^e«tgeftalt feinet ^ippoIi;to§ fi^affen

fönnen, ol)ne bamit au§getad)t jn merben. 3)er reine Si'"9^"^g ift ^^^'

Iü§, abfoint enttjaltfam unb eifriger Wiener nnb C^knoffe ber jnngfräulici^en

2(rtemi§, eine gemeil)te, Ijeilige ^erfönlidjfeit; er glaubt fid) loafc^en gu

muffen, nad;bem er bie freuein Sieben oon ^^s§äbra§ 2lmme gel;ört l;at;

babei ift er ä^egetarianer raie bie orptjifd) ©efinnten überijanpt, meldje

nUeS Seben fdjonten nnb and) bie S^ieropfer oermieben. 9(nf bie S-sor-

unirfe nnb ä5erbäd)tignngen feinet l^aterS: „unter ert)abenen Sieben merbe

(Sd)änbU(^el getrieben," — antwortet er ruijig unb mitSöürbe: er miffe

bie ©Otter gu el)ren nnb mit ^-rennben um§ugetjen, TOetd;e oon ftrenger

©itte feien raie er; gegen Seute feinet Umgange^o übe er feinen ^obn^);
hü^ allgemeine tjeüenifdje l'ebenS^iel : Sieg in 2Bettfämpfen nnb greunbes'
Umgang mit ben 3:^refflid)cn fei and) ba§ feinige. @nblid) legt er mieber^'

Ijolentlid^ ein ftar!e§ ®ennd)t auf bal ©ibtjalten, raoraue jn fi^lie^en ift,

ba^ bieg ein Siennjeidjen ber ftrengern Crptjifer mar.


(Sine genau abgefcbtoffene orpt)i|d)e 2)i§jiplin ift fdjon be^tjalb nid)t

mef)r au^äumitteln, meil bie ©eflc e>3 niemanb metjren fonnte, beliebige

©eljeimgeremonien, loeldje man äii'eil^en nannte, ebenfalls an ben Siamen

beö Orpl^eug ju fnüpfen, nid)t me()r unb nid)t minber roittfürlid), al§ fte

i()rerfeit§ tat. ©0 gab fid) j. ^. ber '•^santt)ei§mu§ al^o orpbifdi, loenn

er fid^ in bal gried)ifcbe 33eunif3tfein einjubrängen üerfud)te, aber auc^ jeber


mit ®e(}eimni§ umgebene, fid) priefterlid) gebärbcnbe ©d)n)inbe( bejog fid^

gerne auf Drpt)eu§. 2)od) fd)cint iid) ein Stamm ernftljafter Orpi)ifer

') 2Bag fonft bie 2lrt beä bamaligen I


rC au Xiyti?; uiib an ba§ 'Attixo>> ßkinoi
2(tf)encrö roav: man erinnere fiel) an ba^ '

be§ ariftopf)anifii)cn '^[jeibippibe?.


2)ie ©rierfjeu unb ifire ©ötter. 189

behauptet 311 l)aben, n)eld)er ficf) in ber ^olge mit ben fpätern ^Mjtljago-^

rüerit üerfrfjtiiols, bis enblicf) aCe biefe 3Ud)tungen in ben 3^eupIatonil*

mu§ einmünbeten.

S)er ©taot, anc^ ber attifd)e, welcher fonft mit aifebieprosefien fo

rafc^ bei ber ^anb mar, liefe ©e{)eimbienfte aüer unb aud) biefer 3lrt

geroätiren, fobalb fxe nid)t al§> neue 9Seref)rung frember ©ötter eingeflagt

werben fonnten ober ben l^erbad^t üon i'erbrec^en wie ^(jarmafeia auf

ftc^ liegen Ijatten, ein begriff, melc{)er Sauber unb ©iflmifc^erei ^ufamnien

umfafet. 2lucij beftanb ber ©taat, b. i). bie t)errfd;enbe (Srf)id)t oon ^oli-

tifern, mit ber ßeit felber gu fefir au§ Seuten, raetd)e e§ erraünfi^t fanben,

„3U opfern unb babei m^ 33elieben Unredjt p tun" ') — benn, ^iefe e§,

©elübben unb ©ef($enfen feien ©ötter \a


mit Opfern, befänftigenben
„tierumsubringen", fo ba& fie bie Uugeredjten ftrafloS liefeen; roenn aber

mit Strafen unb ^abe§ gebrotjt werbe, fo oermödjten ja @et)eimroeit)en

uub löfenbe ©ötter {ivawi deoi) fo oieleS! — Unb fo beljaupteten fid)

(abgefetjen dou ben anerfannten ©e^eimbienften mancher ^Tempel, oon

loeldien l^ernad} bie 9iebe fein foü) neben ben Drptjeoteleften


and) SBinfel*

meii)en oerfc{)iebener 2U-t. ^i)x ^auptoorjug mod)te barin befteiien, baf3

fie einer perfönüdien 2lngft unb ©orge entfprac^en, unb imax in bem
2lugenblid, ba man it;rer beburfte, ja oietteidit, roenn e§ fein mufete,

ol)ne anbere 9}Utroiffer al§ ben 2ßeil}epriefter. ^m IV. ^al)ri)unbert

wagten fidj in 2ltl)en SSereine foId)er @eroeit)ten in förmlichem ^lufjug auf

bie ©trafee, wie e§ ba§ ^ntereffe ber 9ieflame erbeifi^en mochte.


Sie an--

fd)auli(^fte©c^ilberung foldien Treibens flammt smar nid)tau0 unparteiifd)em

gjcunbe; e§ ift Semoft^eneS '), welcher feinen ©egner 2lefd)ine§ nacb i^räften

reräd^tlic^ madien mitt burd) ©jenen au§ beffen früljerem Seben, ba er bei

einem, wie e0 fcbeint, pl)ri)gifd) gefärbten @el)eim!ult ©ienfte getan, attcin

bie einzelnen Büge be§ Silbe§ muffen a\\^ bem Seben gegriffen fein.

„2110 bu gum aJionne erroadifen mareft, lafeft bu ber a«utter, wenn

fie 2Beil)en oottsog, bie ^ormelbüd)er oor unb l)alfeft il)r ha§ übrige ©eröte

beforgen, inbem bu ben ju 2öeil)enben ^irfdifeüe umbanbeft unb au§ bem

a3cifd)frug ju trinfen gabeft ; bu reinigleft fie unb roif^teft fie ah mit fieJim

>) J&ixtjTtoy xctl »vTtoy! ^lato de -) Semoft^. de corona 259 (al. 3i3.

re p. II, 8, p. 365 e. 2luf biefe unb onbere 314).


2tugfagen ift unten jurücfjufommen.
190 ^Religion unb tultu§.

imb mit ^tete, bann IjieBeft bu fie Quf|'te!)en unb fpred^en: ha§, lieble niieb

icf), ba§ ^efferc fonb icE) ^). 5Dabei pflegteft bu bid) gu rühmen, bQ§ nod;

nie ©tner [o (U^öu) geljeult f)abe, unb ba§ glaube auc^ ic^, benn man
mu§ nid)t meinen, ba§ ber, meldier je^^t fo laut rebet, nidit einft aud)

Ijerrlidj Ijahc f^eulen fönnen. 33ei S'age aber füljrteft bu bie faubern Sdjroärme
ber mit ^eni^el unb äöei^pappet Setränjten burd) bie OJaffen, inbem bu

bie ©erlangen brüdteft unb über beinen ^opf emportjobeft; babei riefeft

bu: ©uoi ©aboi! unb tansteft baju: §i)e§ 3ltte§! 2ltte§ iQve^! mäljrenb
bie alten SBeiber bir juriefen: 3lnftimmer! 2lnfü()rer! Gfeuträger! Joannen*
träger! u. berg(. m. ^nm 2oi)H aber erl)ielteft bu in äöein getaud^te 33roden
unb gemunbene 33ret3eln unb Studien!"
Seüölferungen, welche an riefige bioni;fifd^e ©djmärme unb Dbd^tfefte

geroöfint waren, modjten fold) einen Stuftritt auf ber ©äffe überfeinen, bie

(*')ried)en mürben nid)t neroöS, roenn irgenb etroac^ bag an eine 9teligion

erinnerte, öffentlid) in 5loftüm auftrat. 2lberma(§ ein Ijatbe» ^at;rl)uubert

fpäter finben mir bei ^§eop!)raft ^) aU einen in 2It^en fenntlid;en ^i^ijpuS

jenen „Stbergläubigen" famt benjenigen (Gattungen oon Seuten, meldje

Don if)m lebten: bem -i>orseid)enbeuter, beut "J^raumbeuter , bem ©el^er,

bem 3>ogelfd;auer, enblid) bem Drptjeotelefteu , oon meldjem er fid) att*

monatlich famt ^amilie meiljeu lä^t. i^ier finb mir fd)on in ber 9lä()e

ber geiüöi)nlid)en Suftralioneu angelangt, meldte in propliijlaftifc^er SBeife

tagtäglid) oon Giriedjen unb 9^ömern üorgeuommen mürben, um gegen


irgenb etroa§ 9)ti^Iid)e!o, unb märe e§ aud) nur ein böfer 23Iid, gefeit 5U

fein; ber äßeit)efünftler roirb bie Seute mit feiner Se(;re bemüljt, fonbern

gegen ein 33illigeg feine ^^^^"lonien üoHgogeu Ijaben.

33i§f)er ift von efftatifd)en ober a§fetifd)en Wbtterbienften unb 'Jl'eifien

bie Diebe geroefen, roeld)e an feinen einjelneu Ort gebunbeu, fonbern einer
freien 3lu§breitung fäljig maren. Wit (Samotljrafe •^) betreten mir ein

beftimmte§ Heiligtum, beffen 2Beif)en altberü^mt, freiließ aber in it;rem

3Sefen fo bunfel unb fragtief) finb, mie bie bortigen C^)ötter, bie S^abeiren.

9iid)t, ba^ e§ über biefc "^Jhjfterien an 9)ii)tlien unb ©agen gefeblt l)ätte,

meiere fid) ja überad maffentjaft um aüe (jeiligen Stätten ©riedjenlanbs

') (Sin and) fonft bcfanntcr ©pruc^


'

=') 2)ioboi- V. 47— 49; «ergt. IV, 43.


bei oerfc^iebeucti 2)h;[terien. 1
48. 49. — StpoHon. 3i[}ob. I, 915.
-) 3;t)eop(;r. tS[)avnfi. 1(5.
®tc ©neci;en unb i^re @5tter. 191

fptimen, aber man erfutjr nic^tg©icE)ere§ oon ©öttern unb 2BeiJ)cn^). ®er
^auptgerainn, ben man baoon ju tiaben glaubte, mar ©td^erl^cit in ©ee^
[türmen unb anbern ©efa^ren, unb von geretteten Seefahrern fanb fid)

im Heiligtum eine ^tnqt oon ©güotog"), feit ben golbenen ©dialen,


meld)e einft oon ben banfbaren 3lrgonauten tjierljer geroeit)t morben maren.
@§ mar ganj angemeffen, ba| man ^ürftenfinber nadi ber ^nfel führte,
bamit fie fünftig gegen ©efaiiren jur ©ee gefeit fein möchten; Ijier ^aben
^ilitipp unb Olympia^ in früher ^ugenb iljre erfte 33efanntfrf)aft gemacht ^).

9iad^I;er Ijaben ©iaboi^en Ijier Ijerrlidje 23auten erridilet, auf bemfelben


tjoc^ragenben j^elfeneilanb, mo oor alter§ fd^on ^abmol bie 2öeit)en emp^
fangen ^aben foEte oor jener berüt)mten ^oi^geit *) mit ^armonia, raeldier

bie großen ©ötter beiroo^nten ; unb auä) ^afon, bie 3)io§furen, ^erafieg

unb Crpijeul foüten tjier bie 2ßeif)en begeijrt unb erf)alten Ijaben. S)a§
9iitual, meiere» gegen ©diiffbrud; fid^erte, fann ein befonber§ feierlid)e§

unb ergreifenbeS geroefen fein, benn e§ t;ie§, boB bie @ingeroeit)ten fid^

Ijernac^ frömmer, gerechter unb in allen Segietiungen beffer al§> naä) ii)rer

bi^ljerigen 3Beife ermiefen^).

9Benn auf ©amotljrafe bie 2Bett)en noc^ einen fe^r befonbern ^wzd
Ratten, fo gilt bie§ nic^t mel)r oon ben 3}it)fterien ga^lreidjer anberer grie^
djifc^er 3:;empel, üielmel)r finb biefe freiem um i^rer f eiber miüen ba.
3^ur mu^ man fid^ in jeber 33e3iel;ung Ijüten, ba§ berüljmtefte 33eifpiel,

bie eleufinifc^en 3BeiI;en, aU normal anguneljmen. S)enn biefe finb eine


Schöpfung be§ in jeber 33eäiel)ung ejrjeptioneHen 2ttl)en, melclie^ feine

gan§e ^liantafie 3al;rl)unberte l;inburc^ bamit oerfnüpft |atte unb bie ber
übrigen ©riechen mitriß. Unb menn in ®leufi§ ein feligeso ^enfeits üer=

bilblid;t mürbe, unb bie geier ben djtljouifc^en ©Ottern galt, fo mar bie§
rool)l ebenfoßg fo bei mel;rern anbern 9}iijfterieu, namentlid^ bei ben Tiaä)--

al)mungen ber eleufinifdjen, aber burc^auS nid;t bei allen, benn mand^e
gingen in ben Stempeln anberer ©ötter oor fid)*^), mo ber ©ebanfe an§

^) Mri^tvög if ZufjLo&Qcixri /uvaTixov *) SBelc^e nad^ ©iobor nid^t in Sieben,


|

Xöyov nsgl Kcißiigioy kiyo/uti'ov, ©trabo fonbcru auf ©amotljrafe [tattfanb.


|

X, p. 472. ^m Dpferritual ocrnafim man, ^) SioDor V, 50. 3)ic[c 3Borte be=


löie gefagt, noc^ ben alten -Staleft ber '

jiefien [td^ offenbar auf bie famotl^rafifd^en,


Snfel. ^
uid)t auf bie Dhjfterien überl)aupt.
-) Cicero de nat. deor. lU, 37. '^) eine 2(ufää^lung bei S. gr. §er=
'') ^lut. Sllej. 2. mann, gotteöbienftl. SUtert. § 32, 6.
192 a'ieligion unb Äultu§.

^enfeilS au^er 33etrac|t fiel. 3tuc§ barf man biejenigen 9)Jr)fterien, oon
itieldjen nun ju {)anbeln ift, nic^t mit tiefern (^^hankn oon ©ünbe unb

©rlöfung oerfnüpfen, benn ber ©ried)e ift, mie oben gefagt, üon jeljer

unbuBfertig geroefen, unb luenn !)ie unb ba ein Sc^ulbberouBtfein bei

S)id)tern ober im Seben §um ^orfd)ein fommt, fo ift e§ gurc^t oor ben

äuBern folgen be§ ^Begangenen, ober oor bem j^Iuc^, meldier auf einer

beftimmten ©attung oon S^at ruf)t, abgefe^en oon i()rer ©c^ulbbar!eit.

^ie oorläufige Steinigung ber 2JZr)ften mar oieUeicfit nii^t oiel meljr, aU
mag oor jeber mi($tigen 5lultt)anblung ju gefc^etjen pflegte, unb mo einen
ober smei 2:^age gefaftet ober Silage ^) geübt rairb, fo ift bieg etroa eine

Trauer um ben leibenben ©ott unb noc^ lange feine 2l§fefe, meldte ja

im ernftlic^en ©inne erft ba anföngt, mo man ba§ ganje Seben barauf

einritztet. Seim orp^ifd^en ©ienft fanb fic^, mie mir fa()en, ^troa§> ber

2lrt, fonft aber mar ber ©riedie jum 2l§feten oerborben, unb quö(erifd)e

^afteiung fommt erft in ber ^aifergeit auf griec^ifdjem 33oben oor^).

2lud) 100 bei ben 2öeil)en ©lud im 3^nfeit§ in 3lu§fi(Zt gefteüt rourbe,

mirb man mot)l tun, ^iä) bie erbaulid)e ©timmung nidit gar su ernft

oorjufteüen.

2ßetc^e§ bie Hergänge maren, mirb man nun rooI;l im einzelnen nie

meljr ermitteln fönnen, >ber einiget mittelbare Sidit mirb bod) auf bie

©ac^e f allen, je nad)bem man bie ^rage fteüt^). ©ie mag bal)in lauten:

meldier 2lrt im ganjen fönnen, gemä^ ben überlieferten Umftänben jene

©eljeimniffe geroefen fein? unb n)eld)e§ ift ii)x ma^rfd)einli(Zer Urfprung?


2)a§ fo neugierige unb neibifd;e ©riedienoolf l)at fii^ befanntlid^ big

pr c^riftlid^en 3eit niemals unter irgenb ein 33 anner gefammelt, um bag

2lbi)ton eines 9}ii)fterientempelS ju erftürmen^); baneben benfe man fii^

bie ^age eineS ©e^eimbienfteS in unferer 3eit, um ju miffen, mag bieg

l^eifeen roiU. 1\ox allem alfo mögen jene ^-Isorgänge oon einer ©attung

') Srgenb ein 3Jioment üon 2:raucr meldte fc^on l^at an bie 9JJnftericn anfnüpfen
ober ^lage fam in biefen 3)l9ftenen regele rooHen, täte am beften, bie ^änbe baoon
mä^ig oor. au laffen.
2) SBoDon unten bei %nla^ oon ^lu« *) Sei bem SCngriff auf ®(eufi§ im
tarc^ de superstitione. IL Sar)rf). n. 6£)r., luelcfien 3lri[tibe§ ^i^etor

^) ®. ^r. öermann a. a. D. entl^ält eine beflagt, [)at man ntit uollem ©runb bercitg

Dortreff Iicf)e Sichtung beffen, rcaö man m'nh auf Sf;riften geraten. Siebe unten.
lid) lüifJen f ann. — Sie neuere ^i'eimaurerei,
S5te ©ried^en unb il^re ©ötter. 193

geroefen fein, welche nic^t p


^q^ unb ©ier reiste; fie fönnen fc^on feinen

irgenb beträdjt(irf)en materiellen ©enuB mit fi^ gefüf)rt l;aben, roäfjrenb

ber öffentlicfje 5\nlt fo rei(^(ic^ in 33o(!§fpei[ungen unb ©pietjcfiau qu§'


münbete. 33eneibeneroert für ben brausen ©teljenben !onnte bann etroa

ber fc^öne %nhM ber Vorgänge fein, unb im l)öd)ften ©rabe erfe{)nt

tuar, V3a§> man in ßleufig faf), ollein biel fot) ja jule^t jeber 2ltf)ener

nnb jeber ^rembe, ber einen atl}enifc^en ©aftfreunb Ijatte. 2ßie fcfiraer

ober Iei(^t z§> anberSuio mar, ju hzn SBei^en gugelaffen ju werben, roiffen

rair im einzelnen ni(^t, man roirb aber für ben tabelfreien DrlSbürger
e§er eine leidite 3ui'^ff""g annefimen bürfen, roeit aucE) ber j^rembe fo

Ijäufig bie 2öeif)en mitmarfite — unb er £)at immer gef(^n3iegen , üon


§erobot U§> auf ^aufaniag. Unter ben 3^i^ßwonien ber 2(ufna{)me fam
— man mei^ nic^t, bei meieren 9}hjfterien — ber fogenannte 2::t)roni§mo§
üor, wobei bie ©inroeiiienben ben neuen ©enoffen auf einen %t}von füE)rten

unb if)n im Greife umtauften, oietteii^t meil er in biefem 21ugenbli(f bie

©ottljeit felbft oorfteaen foUte^).

ferner ift t)ier abermalio gu erinnern an jenes griec^ifd^e @runb='

gefü()(, monad^ alle 2lnbarf)t ein ^efi| berer mar, meiere fie ftifteten unb
übten, mo(^te e§ eine ^oliS, eine Korporation ober roer fonft ^) fein, ©o
lange e§ noc^ irgenb ein 5Ke(fit gab, geljörte aud) ein @et)eimbienft ben-

jenigen, bie i£)n ooHsogen; e§ lä^t fi(^ aber glauben, ba^ felbft bie nid^t

eingen)eil)ten 33ürger barauf ftol§ fein fonnten, roenn ^§> in il)rer ©tabt
redit angefeliene 2Beil)en gab, ja roenn e§ 2Seil)en überliaupt gab; ba»
33orurteil jugunften berfelben fdjeint ein allgemeines geroefen ju fein.

Seac^te man fobann, ba§ biefe 3)inge offenbar oon felbft unb an
üielen Orten entftanben ober freiroiüig oon anberSroo Ijer (roie fic^ geigen

roirb, öfter uon (gleufiS) übertragen roorben ftnb; nid^t ein SSerein oer=

abrebeter ^riefter l)at fie ber ?Jation auferlegt, unb auc^ haS^ (S5el)eim=

l^alten ift ni(^t oon einem priuilegierten ©taube eiferfüditig erjroungen


TOorben, fonbern Baö)^ einer lieiligen '^nxdi^t unb (Bd)zu unb allgemein

2)io S^rt)fo[t. I, 222. de dei co- Sfiöraeil^en bei 2lpuleju§ ftnb i)xet abfielt«
gnitione. — @ef)örten ztvoa l^ierju at§ lic^ übergangen.
SRttuaUen bie ©efänge, raeldöe unter bem ^) ©etbft ein jt).taTi,(}ioi' ober 3Bei£)e-
3tamen .9po»'tff</ot'erroä^nt rcerben? 35ergl. ^QU§ für eine einjige {Jamilte wirb erroö^nt.
SOßeftermann , Biogr. p. 78. 102. — 2)ie
3. Surcf^orbt, 0riecf)ifi^e flulturgefe^ic^te II. 13
194 Sieligion unb luÜuS.

gebittigt gcroefen. 2öag rcar e§ nun, bQ§ fo fpontan überall gu ©eiieint'


bicnften geftaltet werben fonnte ? Unb rool)er fam ba§ 2le{)nlic^c in biefen

33egeJ)ungen, n)elrf)e§ bie ©nlfte^ung oon genieinfamen Gegriffen unb 9Zamen


(rfAfrß/, oQyia, /j.vßirjQtu) möglidj niad)te?

aJian rairb faunt irre geE)en, wenn man anfnüpft an bte ^at)re§fefte

unb anbern großem ^^-eiern ber öffentlichen ^ulte, beren IJiittelpunft au^er

bem Opfer ein l;eilige§ 3)rama roar, raeldieg ben SKptl^uS ber betreffenben

©ott^eit mimifd^ barftellte. 3ft nun ein ^eil l)ieüon gleii^ oon 2lnfang

aw. l)eimlirf) gefeiert n3orben ? ober erft mit ber '^txi ^) in§ ©eljeimni^ ge»

treten? unb bann au§ raelc^em ©runbe? äTtit großem Siecht ift barauf
aufmerffam gemad)t roorben, 't^a^ bie betreffenben 9}h)tl)en in einer uralten

(S)eftalt mögen üorgefü^rt morben fein, au§ ber ^t\{, ba ba§ @po§ nod)
itid^t über ©ötter unb ^eroen feine ©c^önl)eit oerbreitet Ijotte, unb ba^
"ba^) 9taul)e unb SBunberli^e — forao^l in ber ©eftalt a\% im 93h)t^u§

ber ®ottl)eit — fic^ m§> innere be§ Heiligtums gurüdgejogen ^aben lann,

roeil e§ nict)t mel)r ganj oerftönblic^ mar. 3)a§ einmal @ingefüt)rte ah'

gufcliaffen, tief jeboc^ gegen bie griec^ifc^e 2lrt; man beljielt e§ bei für

eine befc^ränfte, burc^ befonbere @inweil;ung abgegrenzte ^ß^^ i^on 2tn*

wefenben, für meldte biefe 2;eilnal)me fogar el)er eine "jpfliclt al§ ein 33er*

gnügen geroefen fein fann. S)iefe 3^1)1 fonnte bei ber ^leinl;eit be§

Innern ^) ber meiften 2;empel feine fel)r gro^e fein. ©lüdlid)ern)eife Ijat

bie beutfc|e (Sprad)e für Hergang unb ©timmung ^ier nod) ba§ gemeinfame
SBort „SBeilje" ; üon befonberS Ijeftiger 3lufregung (mie bei ben bionijfifd^en
©(^roärmen) ober oon ftummer 33etäubung wirb menigftenl nid)t§ gemelbet,
unb jebe ©rflärung burd) ^ppnofe u. f. ro. mirb man oöUig au» bem
©piele laffen muffen.
3b(j^ ein anberer Umftanb mod)te jur ©el^eimfeier füljren: 2)a§

l^eiligc 2)rama fcbeint öfter bie ©rjeugungen, ©eburten unb 3Sermäl;luugen


öOtt ©Ottern bargeftellt gu liaben, Singe, meiere etma§ UnfdjidlidieS unb

^) 2)af! man in ber %o\a,z ben Urfprung (längft betannte) 33ermutung nur eine ber
ber ©e^eimroei^en in uralte .»Reiten »erlegte, möglidien ©rflärungöiueifen fein.

oerftanb fid^ bei allein, roai (S{)rfurcf)t in -) 2ln einigen luenigen Drtcn gab eö
atnfpruc^ nal)m, oon felbft. 2)Jancl)e löeil)en in ber Xat aucl^ größere, befonbere 3ücilöC'
mod^ten lüirtlic^ auö einer fel)r frütjcn gebäubc {utyaoa, oixt'jucaa), nial)r)d^ein=

3cit ftanimen; aucf) foU bie f)ier entiuidclte lid) lueil ber Tempel nid^t genügte.
;

Xk ©ried^en imb il)re ©ötter. 195

für bie 3)ienge ^omifcf;e§ erft erljietten, feit ha§> @po0 bie ©ötter ju ood»
fommenen 3)Zenfcf)engefta(ten Ijatte werben laffen. @g wäre begreiflich,

baB man nunmeEir biefe SSorgönge, aud^ roenn fie in einer feiir primitiüen

unb nur anbeutenben ^orm fic£)t6ar gemad^t würben, ben 2lugen ber 9)tenge
entpg, nnb biefe i§> fic^ gefallen lie^. ^n fpäter 3ßil/ «^ ben Sflänbern

ber griecl)ifc^en Kultur, mochte e§ einen ^öbet geben, ber oon fo etraa^

l)atte reben Ijören unb nocf) folc^en 3tnbli(Jen lüftern geworben war, wie

jene ^apl)lagonen oon 2lbonoteid)o§ „in 58auernfcbul)en unb nac^ ^nob'


lauc^ buftenb"; biefen fül;rte ber berüd^tigte ©ouner 3llej:anber ^) eine

breitägige SBeilje oor, wie fie firf) bergleic^en einbilben mod^ten, unb ben
©(^lu| maä)tt fein eigener ^onfubituS al§> (gnbt)mion mit einer ©elene.

^Run ober Ijatte fd)on längft bie ^oniöbie be§ @picf)armo§ unb bie fo*

genannte mittlere attifd)e ^omöbie, fo weit fie ©ötterpoffe war, göttlidlie

Siebfd^aften in ffurriler 2lrt auf bie gro^e offene ©jene gebrad^t, unb
baneben mod)te, wa§ bei ben ©e^eimweilien oorging, befc^eiben unb faft

ärmlid^ erfdieinen : Hergänge in jenem engen Innern ber Tempel, begleitet

üon „I^eiligen SBorten", jum 2:;eil auc^ nur oon frimbolifd^en ©ebärben,
gu bereu 33erftänbni§ man fd)on l;ellenifd^en ©eift Ijaben mu^te, ba§ ©anje
gewi§ nur oon mäßigem Sieij be§ 2lnblicle§. Sei biefem ©ebaufenbilb
wirb man fid^ oöUig frei machen muffen oon ber 3Sorau§fe|ung berjenigen
„^llufion", weld^e l)eutc oerlangt wirb, wenn irgenb ein bramatifd^er
^^organg bem ^ublifum glaubljoft gemad)t werben foH, oollenb^ aber oon
bem 2lufwanb an optifd^en Mnften atter 3lrt, weld^en bie Ijeutigen 2lug=

ftattungSftüde unb geerien um fo gebieterifdjer oerlangen, je geiftegleerer

fie an fid^ finb^). ©ogar bei ben 2öeit;en oon ßleufis werben wir bieg
§u erwägen Ijaben.

Sie wörtlid)e ajtitteilung an bie Tli)\kn ift nirgenb§ überliefert,

^ie unb ba muB fie oon einigem Umfang gewefen fein, inbem man für
nötig fanb, fie fc^riftlid^ aufjubewaliren. ^m ©emetertempel p ^l)eneo§ ^)

lag bie betreffenbe ©d^rift jwifc^en gwei großen Steinplatten oerfdiloffen

bei ben großem SJiijfterien be§ ^empel^ würben biefelben geöffnet, bie

Sudan. 3tIeE. 37. 38. 2)er ganje ba§ bei ben ®ef)eimbienften aud^ Opfer
Serid^t Don biefer Äarifatur aller griec^U üorfommen fonnten; ein etrna^ abenteuerlich
frfien Sieligion ift ü6erl;aupt nid^t oI)ne erjä^Iteg bei ^aufan. IX, 8, 1.

3\>ert für bie Äenntniö beö (gd^ten. ^) ^aufan. VIII, 15, 1 yQu/j/uarcc
-) e« Dcrftel^t fid) uiol)! von felbft.
196 ^Religion mt> Äultug.

©d^rift ben (Singeroeiljten üorgelefen unb beS 9ln(^t§ raieber eingefdjioj'fen,

3Bal)rfd)eiiiIic^ tjlaubte man, nur fo bie gang genaue 33eobad)tung be§


diitual§ üon ©teufte gu fiebern, beffen S^iacfia^niung ha^ uon ^s^eneo^
roor. 33e{ ber 9Jeugrünbung von SJJeffene unter ©paminonbag war bie

fofortige ^erfteHung ber uralten, einft oon eieuft§ entnommenen äBeitjen


ber großen (Göttinnen eine ber aüerraidjtigften 3(ngelegeuljeiten, unb nun
„fanb" man bie einft uon 3lriftomene§ üerborgene gufammengerottte ^xmx'
platte, welche ba§ 9iitual entf)ielt; ber :3n^att lourbe bann in Sucher

umgef errieten ^).

2lm ängftli($ften fc^eint man üerfafiren §u fein mit geraiffen fr)mboHf($en

©egenftänben, meldte in körben unb fogenannten cistae aufberoaf)rt

mürben. ®ic ©efdjic^te oon 9)hltiabe§ unb ber S^empelbienerin ber

d)tt)onif(^en ©ötter auf ^aro§ -) geigt, ba^ foldjen (ung oöHig unbefannten
Singen eine magifc^e ^raft gugetraut werben fonnte. ^mmerljin rourben
bei öffentlidjen ^rogeffionen foldje cistae, jxüliä) oerfc^loffen, mitgetragen.

S)ie SSeiEien oon ©leufi^, oon meldten nun gu Ijanbeln ift, finb oft

(unb bereitic im 3l(tertum) oiel gu fel;r ai§> 9iorm für alle ©etjeimbienfte

angenommen morben, mäi)renb fie fid^ oon ben SRijfterien anberer ^eilig»
tümer fd)on gang äufeerlic^ auf ha§: ftärffte unterfd)ieben a[§> aJiaffen:»

meii)en. ©obann l;aben bie 3Imbitionen be§ gangen oorgeitlid^en unb


^iftorifdien Sitten, bie ^sljontafien be§ gangen gried)ifd)en S^olfe^ eine

Ueberlieferung oon ©£)rfurd)t unb ©ntgüden ^interlaffen, meldje nodj t^eute

forttönt, mobei un§ ber wa^xe Hergang unb ^nljalt uorentljalten geblieben
ift, mäfirenb fid) SergeSlaften oon Stntiquitäten barüber aufgetürmt traben ^^).
@§ ift gu beflagen, ba^ oon ben galjllofen (Sljriften, bie noc^ aU Reiben
biefe 9Beil)en mitgema(^t iiaben muffen, feiner ba§ au§ ©cbam unb S^er*

ad)tung gemifdjte @efü()l l)at überwinben mögen, raeld^eS einer genauen


2tufgeid)nung be^ @efd^et)enen entgegenftanb.

©leufig mar ber Ort, mo Demeter nad) langem ©uc^en huxci) alle

Sanbe bie ^ore C^^erfepljone) gefunben Ijatte; it)nen beibcn allein galt ur^»

g5aufan. IV, 26. 27. 1 ^) Sie 2lt^ener Ijatten einft fc^on bie

") ^erobot VI, 134. 135. 2Bie gel^eim 2lnfül^rer beö Qu%t$ ber (Sieben gegen
mit fo(d)en 2)ingen getan rcurbe, uergl. 2;i;e5en in „il;rcnt @Ieu[i-5" bcftattet. 2i)[ia^-

^aufan. I, 27, 4 über bie Obliegenheiten or. II, § 10.


ber Äanepl^oren. j
Sie ©ricd^en imb it;re ©ötter. 197

fprüngltd) ber ©ei)eimbienft, weli^en Demeter felbft bie ©ebieter üon


@lcuf{§ geleiert fiaben fottte, unb welcher von früt)e an auf ha§ ©cEiicffal nac^

bem ^obe mufi bejogen lüorben fein, ^m {)omerifd;en <Qi)mnu§ auf bie

©öttin lauteu bie boran {'^. 476 ff.) gefuüpften 3Serf)eif5Uugen nod^ be»

f(^eiben: „&iüdüä), wer üon beu @rbmeufcf)en biefeS gefc^aut i)at{ono)7i£v);

im buu!eln ©c^attenreidie ift bo§ ©efc^ic! ber @euieif)ten unb ber Un*
geroeiljten uii^t baSfelbe. " — ®a§ 2IIter ber SBeiljen fonnte man natürlii^

faum t)oä) unb mi)tl)ifd) genug anfe^en; fi^er ift nur, ba^ roenigftenS
ba^ Heiligtum mit wichtigem ^nlt fc^on oor ber borifctien 9Banberung
beftanb, inbem bie neleibifc^en ^errfd^er oon @pf)efo§ bereits bie erblidie

^sriefterfdiaft ber eleufinifc^en Demeter mit fic^ über 2)?eer bringen fonnten^).

@g gab @ott()eiten, meldte fol^e Uebertragungen i^rer £ulte unb ^Jhjfterien

fur(^tbar ftraften, mie §. S. bie ^abeiren üon Streben ^) ; @leufi§ bagegen

mar offenbar nid)t eiferfüd^tig, unb eine 2In§at)I t)on Tempeln ber ©emeter

unb ber ^ore Ratten ©et)eimbienfte, meiere ben eleufinifi^en §ugeftanbcner=


ma^en nac^geal^mt waren ^).

9lur üon 9]id)tat§enern fonnte bie§ ai§> bege{)ren§raert betrachtet unb


bann in it^ren Heimatorten eingeführt morben fein, unb ^ierauS barf

man fd^Iie^en, ba^ in @Ieufi§ anä) fotc^e fd^on frütie maren gugelaffen

morben. 2luf eine alte ß^it biefer Uebertragungen beutet nämli^ ber
Umftanb, ba§ babei ^ioni)fo§ no(^ nid)t mitgenannt mirb. ^i^genbroann

aber trat au($ biefer in @Ieufi§ ju ber ©ruppe Semeter^i^ore als Bräutigam
ber te^tern l^inju*), unb smar ^ier unter bem 9^amen ^ö^c^oS (^all),

meld)er sugleic^ ben ©efang beS grofsen j^^eft^ugeS bebeutet.

1) ©trabo XIV, p. 633. *) SSergl. ©c^öH, 2lnm. jn §erobot


2) ^aufan. IX, 25, 5 ff.
VIII, 65 mit roeitern 2lugbeutungen biefeä

3) ^oufan. VI, 1, 4; IV, 14, 1 ; IV, eteufinifc^en SionpfoS. Saut Dionnog (bei

15, 4 bie |)auptau§[agen in betreff üon ©ubocia 273) tuäre er ber oon 3^"^ ^^'

Sinbanin — S)ann II, 14, 1 über ^eleai jeugte Sof)n ber 5!ore. Saut 2triftibe§

— VIII, 14, 8 über ^I^eneog, üergl. VIII, 3?f)etor or. IV, (ed. ©inborf I, p. 50): 33ei=
15, — 2)ann IX, 2 über
1, 4, «ßlatää, fi^er ber eleufinifd^en ©öttinnen, roaltenb

TOD fid) raenigftenö ein Stempel ber ©emeter j


über bie ©rbfrud^t unb bie S^a^rung ber
©leufinia befanb; — cergl. ^lut. Slriftib. SRcnfd^en. — 3n Italien finb Sereä, Siber
11 über ben fef)r alten 3:empel berfelben unb Sibera gcrcif; fc^on eine fet)r alte

©öttin unb ber Äore in $i;ftä. — ®ine ^ufammenftellung.


fpäte Uebertragung in 33Jega(opoli§ ^aufan.
VIII, 31, 4.
198 3{eligion itnb i^ultuö.

ä)Ht ben ^at)r£)unberten luurbe aug biefen 2Beif)en ein geioaltigeS

periobifi^eg ©reigntS, über beften Sleu^erlii^feiten rair \ti)x oielfeittg untere

richtet finb : über bie bnju geijörenben 33Quten fc^on in 2lt^en felbft, bann
an ber fettigen ©tra^e unb enblid^ über boS mädjtige Stnaftoron ober
9Jtegaron in ®leufi§, ben SBunberbau be§ ^ftinoS, raeldier fo oiele 2)ienfcf)en

faffen fonnte al§> ein XljtaUx ^) ;


fobann über bie priefterlic^en 3]erri(^tungen

unb beren @rb(id)!eit in atfienifc^en Familien, über ba§ ä^^^ß^^onietl be§


3ugeg unb ber ^Vorbereitungen, über bie Verteilung ber ?5un!tionen

auf bie t)er[rf)iebenen 5:^age u. f. lo. ^tht (SinäeU;eit f)at f)ier ii)re 3Jlotioierung,

il^re ftü^enben ©eitenmi)tl;en. ^m 33erlauf ber 3^it t)atten ficE) bie §efte

in ein größeres mehrtägige! unb ein fleinereS, bie 2Bei{)en aber in gwei

üorbereitenbe unb einen oottenbeten ©rab gefdjieben, raotnit eine Steigerung


be§ SSerlangenS bewirft TOorben fein foH. Eleusis servat, quod ostendat
revisentibus, ^ei^t CiS bei ©eneca^). 33ei ben ©riedien oerbreitete fic^

bie Ueberjeugung, ba^ biefer ©etjeimbienft f)0(^ über att benienigen fte^e,

raeldie onber^iuo begangen würben; mit einonber roaren geroac^fen bie

präditige unb feierliche 2tu§ftattung unb bie 9)ieinung ber ©riedien oon
einem tröfllidien, beglüdenben S^^^^a^t: ha§> 2Bieberemporfteigen ber 5^ore,

rooljrfd) einlief an^ ba§> SBieberaufleben beS ^afc^oS raaren ©innbilber


eine! feiigen ^enfeitS für bie aJJenfd^en geworben. 2öa0 Sitten unb 3lttifa

fonft in ber ^eüenenwelt oorftetite, mochte fd^on feit ^eififtrato! für bie

übrigen ein ©egenftanb oon ©orge unb geinbfeligfeit fein, unb feine

^anbelf§mad)t würbe gewife mit 9ieib angefe^en, bie (gleuftnien bagegen


waren eine ganj gro^e geiftige (Sinwirfung 2lttifag auf ®efamtl;ella§, unb

bie§ wuf3te man an Ort unb ©teße unb pflegte biefeS ©efüljl. ©djon
cor ben ^erferfriegen fonnte jeber ^eHene eingemeil)t werben, ber einen

at^enifdjen aßeitjepaten (2}hjftagogen) f)atte, unb fpäter fogar Seute öon


allen 33ölfern, gentes orarum nltimae, wie ßicero fagt^); wer bann
benno(j^ als Ungeweil)ter fi(^ einbrängen wollte, fonnte allerbingS be§

^obe§ fein, unb um 200 o. 6l)r. richteten bie 3ltl)ener einige 2lfarnanen

f)in, welche ungeweil;t ben (Sleufinien beigewohnt l)atten. ©obann mu^

') ©trobo IX, p. 395. moft^eneö (in Neaeram) labt St;fia§ feine
2j Quaest. nat. VII, 31. ©elicbtc nad^ 3ltl;en unter 3>erfprecl^en ber
•) ßicero, de nat. deor. 1, 42. — 3(ud^ bie (Siniüei^ung.
grauen roaren jugelaffen itnb bei De«
Sie ©ried^en unb i()re ©ötter. 199

and) ber aj]i)fte be^ gen)öf)nHd;en @rabe§ nic^t nur einige Sarftettungen
be§ 9}ii)t£)ug, fonbern ben großen ^aupteffeft — ba§ „£i(f)t" oon eieufig^ —
3U genießen befommen (jaben, inbem fonft feine fo allgemeine SSegeifterung

gef)etr[c^t Ijätte ; ber ^orjug be§ t)ö^ften Orabet, besjenigen ber ©popten,

beftanb oieüeic^t nur barin, ba^ biefen ältere, geljeiniere Srimbole üor*-

gezeigt würben, ferner roar an ben 2Beil)en ein gro^e§, gtängenbe^ ^^ft,
fogar mit Söettfämpfen, für jebermann Ijerangeraac^fen, ungerechnet roa§
mitlief gum 3iif<i)«"ß" ^^^'^ Sit«^ SJiarfte. äBenn man erwägt, ba^ frf)on

ber ganje SOiptliug üon 2;riptolemog, oon ber @etreibefrud)t unb ber
frül)eften ©efittung, fid^ auf @leufi^ unb fein ©efilbe, ba§ frül)efte ^oru'
felb ber 2öelt, begielit, fo rairb faum mel)r ju fagen fein, mo in 9Bort

unb 3ßi^^woi^iß ^^6 eigentlicl)en @leufinien begannen.

2)ie üorgängigen 3fteinigungen, melcfje bei atten SJhjfterien ©ebrauc^


maren, mögen l)ier, bei bem großen 3ii^5-'oi^Sr S^^S befonberö fummarifd^
vorgenommen morben fein; e§ l)ie^: an5 SJleer, tl)r 9)it)ften; aiude ^varai! —
unb eine 33ene^ung mit ©eemaffer rairb moljl genügt §aben, wie oor ben
!leinen ©leufinien eine 2Bafc|ung am ^liffoS^); überl;aupt rairb man fi(^

l)üten muffen, eine allju ernfte ©rbaulidjfeit oorau§äufe|en. Söomit bann


bie 2ßei§e felbft anljob, ift un§ nöllig oerfdiroiegen geblieben; man er»

fäl^rt nur etroa oon einer 2lrt üon ©aframent, nämtic^ oom ©enieBen
eineg 9Jlifcl)tranfe§, auc^ oom hineinlegen ^eiliger ©egenftänbe au§ einem

^orb in eine ßabe u. bergl. Unter allen Umftänben aber rairb ba§
SBort be§ 2(riftotele§ ^) über bie 2ßeil)en im allgemeinen auc^ für bie

eleufinifc^en feine ©eltung l)aben: bie ®eroeil;ten l)aben nidit ztma^ gu

lernen, fonbern etraa§ §u erleben (ov pa&uv n Jftr, ullu na&ilv). 2lu(^

rairb al§ ©erainn nii^t @rfenntni§ gerühmt, fonbern glücflid^e Stimmung


unb :^öfung oon bem ©ram raegen beS früljer (Erlittenen; bann aber
gang befonberS bie beffere Hoffnung be§ ©eraeil)ten raegen eine§ glüdlidiern
£eben§au§gange0, ba man nid^t raerbe in ginfterni^ unb ©dilamm gu
liegen !ommen, rael(^e ben Ungeroei^ten erraarten *). 9Beit über ba§ l)ier

©efagte ^inau§ reichen auc^ bie oft zitierten 2Borte au§ ^inbar, ©opljofle^
unb 3fofrateg nid^t; laut einer bem ^lato fälfc^lict) jugefd^riebenen.

*) Sföouon unten. *) Slriftibeg 3if)etor or. XIX, (ed


2) 5poIt)än. V, 17. S^iuborf p. 121).
3) ^n einem ^Wai bei ©t)nefio§.
200 ^Religion iinb ÄultuS.

aber noc^ alten ©(^rift^) l)abm bann im jenfeitg unter ben Seligen
überhaupt bie ©eraeiljten ben 3>orfi^, unb fie begel;eu and) bort roieber

il)re l;eiUgen Sräucbe. 2tber, rael(^e§ biefe geroefen, erfährt man aud^
Ijier nid)t.

33ei bem gewaltigen 3itf^^om märe auc^ ber lürjefte fated^etif(^e

Unterridjt an Ort unb ©teile ein 3)ing ber Unmöglic|!eit geroefen, unb
über feierliclie rituale 9iufe^) fann ba§ 3}iünblid)e nii^t liinau^gegangen
fein. Dljneljin mären bie oorneljinen ©upatriben, meiere bie ^auptfunftionen
inne |atten, fonft aber ha§> Seben in ©taat unb Ärieg unb Sioffetummetn

mitmaditen, fcljroerlic^ gu erbaulidien ^rebigten geeignet geraefen. 2Bört'

licf)e§, nicnn cC^ bie ^aupt[ac£)e mar, ptte man auSge[($roa^t ober boä)
au§[d)ma|eu tonnen, bie ®leufinien fonnte man nur au^tanjen, b. l).

2ll!ibiabe§ unb anbere unbänbige ©pötter einer jur 9iud)lüfig!eit neigenben

3eit^) madjten ben ^ieropl)anten, ben ^adelträger, ben ^eiligen i^erolb


nad), in hen uralt überlieferten 2:;anäfd)ritten, bei bereu 3Inbtid Seute

il;re§gleic^en oietteidjt längft nur burc^ ben ©c^reden moren com Sachen
abgehalten morben. ^mmerl)in mar ©diroeigen über alles, @et;örte§ roie

@efel)ene§, geboten: „bie ^^otnien (2)emeter unb ^ore) pflegen l;ier erl)abene

äßeil)en für bie ©terblid)en, über bereu QnuQt ber golbene ©d)lüffel ber
mitfeiernben ©umolpiben fd)reitet" *).

9Belc|e einjetnen 'üJbmente be» eleufinif(^en 9}Ji)tl;u§ bann al§ l)eilige§

^rama bargeftellt mürben, tjat man fc^on ju erraten üerfud)t: bie ©nt»
füljrung ber Slore, ba» ^erumirren ber 2)emeter, bie ^od)5eit be§ ^^luton

unb ber ^ore, bie 9iüd!el)r ber ^Demeter auf ben Dlpmp ^) u. f.
m. Dl)ne

ßmeifel trat aud) ®ionyfo§=^afc^o§ auf unb ber d)tljonifd)e ^erme^\


meieren ber 9}ti)fterienl)erolb barjuftellen Ijatte.

2luf3erbem ift bie 9iebe oom „'öor^eigen" (Seixivrai) oon heilig»


lümern; aEein fd)on, roa§ bie§ 95erbum l;ier bebeutet, ift nii^t ganj fieser.

2tEioc^o§, p. 371 d. *) aSorte be§ 6f)oreg, ©opl}ofI. Deb.


^) iUetteid[)t roaren won bie[cr 3(vt bie ^o\. 1050.
2Jii;[terienn)oite, ioclrf)e bei ^lutard), Quaest. '")
3.UeIleid)t aud^, „lüie Äorc lüiebcr
Graec. 39 übevUefert finb: lig 'AfitXovg auf bie Dberraelt mit raei^cn Stoffen ge«
^wQuv\ ober t'i^ti? iig 'AQtaavTog i'i^ogl fttl)ren fam" — itiaS ja in (SIeufi'3 feUift

") ^lut. 2llfib. 19. — ainbofib. de gefrf)e()en fein foUte, oeigl. Subocia SJiolar.

myst. 12. 16. 17. 2lud) ber 2)itl)i)rambiter c. 266.


Slriftagorag tankte bie (Sleufinieii auö.
©ubocia Siolar. 910.
Sie ©ciec^eu unb i^re ©ölter. 201

üielleid^t ein bto^e§ 3"^^ff^"/ ^eretnlaffeu ; bie ^eiUgtümer toaren cigent*

lic^e 33ilber ober Silbroerie (dyäXfj,aTa), au^erbem aber üielleid^t aud)

Ijeilige ©efä^e unb ©eräte, ober S^leliquien oon ber göttlichen ©tiftuug

Ijer. 3)er ^auptmoment jebod^, auf lüetdjen ba§ ^Jlnaftoron funftreid) ein:=

gerichtet geraefen fein mu§, raar ein plö^lii^er Uebergang au§ bem ©unfel
in ein mäc6tige§ „Sic^t" {rb iv "EXevffirv (pwg), loelc^eS bei ben ©riechen

fpri($iuörtli(^ lourbe. S)ie einzige umftänblic^e 2lu§fage bei ^tutarc^ ^)

niü&ten mir mit ben 2lugen eine§ ©ried^en lefen fönnen, bamit fie un§
2luff(ärung fiatt neuer 3iätfel höU.

,/3Infang§ mü(;fe(ige» Umherirren unb ^rrelaufen unb ängftlid)e§,

enblofel ®et;en burd) biegte ^infterniS ; l^ierauf unmittelbar oor bem ©nt»
fc^eib (lilog) bie ©c^red'niffe fämtlid^, ©c^auber, 3itl^^"/ Slngftfc^roei^

unb ©rftarrung. (Snbli(^ ge^t ein rannber^errlid^eS Sid)t auf, ober man
fommt in reine ©egenben unb 2tuen, rao e§ ©efang unb 2:^an3 mxh er»

l)abene Singe p f)ören unb {;eiligc ©rfc^einungen §u fc^auen gibt, ^ier

wanbett ber enblid; gang ©eroei^te frei unb lebig, begebt bie ?^eier be«

fräujt unb ift mit l^eiligen unb reinen 9}?ännern §ufammen, raobei er fielet,

mie ber ungemeibte ^öbel in tiefem (5(^mu^ unb 2)unft fid^ vertritt unb
brängt unb an§ Unglauben an bie jenfeitigen ©üter ber S^obeSfurc^t
uer^aftet bleibt."

3]or allem muB man ^ier ujieberum oon berjenigen ^Clufion abfeben
fönnen, bie haS^ l)eutige 2luge bei jebcm üinftlid) l)eroorgebrad)ten Slnblid

uerlangt, benn iene SSifion fann mit optifdien 3]orfebrungen ^u ftanbe

gebracht roorben fein, roeldie mir ^roar reic^ unb fd)ön, aber gar nid)t

mel)r täufd^enb finben mürben, ©obann mad^en mir un^ fc^roer eine

richtige SSorfteHung baoon, mie lei^t e§ bem ©rjäljler fiel, ba§, too§ er

niirflid) fal), in einem fijmbolifi^en ©inn §u feljen unb ju berid)ten. @in


weitet, unteres, bun!le» (Srbgefc^o^, burd) 3)kuern in labt)rintbifd;e ©äuge
uerteilt, bann ein Uebergang ober Slufftieg, jmo man bie Slränje roirb

erljalten l)aben, enblic^ in ooller, böi^ft gefteigerter Se(eud)tung ber ge=

wältige obere 3iaum, roeld^er — bieSmal unb anfällig auf ^^tutard^ ober

feinen 33ericbterftatter — mie eine Sanbfc^aft roirfte; e§ mar bay ^^nfeit»

in 3!5erbilblid;ung ; bie Ijeiligen äIMnner, mit roelcben man pfammenfam.


^) De anima, fragm. Plutarchi ed. fe^ung l^ier nadj 9iägclg6ac^, 3?ac^^om.

Sciibn. vol. VII, p. 23. — 2)ie Ue5er= 2:^601. ©. 400.


;

202 3?eIigion unb Kultu§.

raaren einfad^ onbere ©eroeit^te. Sabei mat noc^ irgenbroie ein 33(1(1 ab»

roärtg gegönnt, in jene i^rrgänge be§ 6rbge[c^offe§ ; biejenigen aber, roeldie

fic^ I)ier nod^ in bem namlid^en ©unfel ()erumftief3en, bal man felber oor
furjem burdigemadjt, werben in ber ©c^ilberung pat(;etif(i)er 2ßeife a\§>

ber 2ßci()e unfäf)ig unb unnnirbig empfnnben. ©ie raerben aber balb au(^
an bie dldljt gefommen fein, benn e§ ift faum benfbar, bafe SCaufenbe,

welche nic^t§ üi§> ba§ 3)unfel gefoftet, fid^ gebulbig roieber l^ätten ^eim=»

fd^i(Jen unb etraa auf ba§ närf)fte ^eft oerroeifen laffen. 2öa§ aber ba§
^eruniftoBen betrifft, fo gibt e§ bei bemfelben ^slutard) ^) eine giöeite ^luso^

fage, wonach man fi(^ anfangt fogar mit Särm unb ©efc^rei ^erumftieB

bann erft, roenn ha§> „^eilige aufgefü!)rt unb gezeigt" mürbe, trat furd)t=>

fameS 6d)raeigen ein; oon bemfelben 2lnblid be§ ^eiligen l^eifet e§ bann
meiter: „ba man in ba§ innere tritt unb ba§ gro^e Sidit [ieljt, wie menn
©ötterräume geöffnet werben . .
/' Unb mit biefen unpräjifen, o(;ne(jin

nur gelegentlid^ al§> ©leid^niS gebrauchten 2lngaben mirb man fic^ be»

gnügen muffen.
©eroiB (;aben ernfte ©emüter biefe Hergänge, wie fic^ biefelben auci^

!on!ret geftaltet Jiaben modjten, rein empfnnben unb ben burd^ ©ymbole
empfangenen 2:^roft für ba§ ^enfeits §u fdiü^en unb ju beroal^ren gemußt.
®inmal I)at mitten in milber bürgerlicher 3^w^ßtrac^t bie ©rinnerung an
@leufi§ beruljigenb geroirft: nac^ bem erften treffen 5tl)rafijbul§ gegen

bie brei^ig ^^ijrannen fonnte ber 9)ii;fterienl)erolb bie fd)öne SSerföljnung«'

mal;nung auSfprec^en unb babei auf bie großen 2Beil;en al§ auf ein Sanb
be§ atl)enifd)en 33olfe§ Ijinmeifen ^). ^ür ben Patrioten mar bie eleufinifd^e

geier ein großer, unerfc^ütterlid;er 9iul)m oon Slttifa, unb für 3Itl)en oB
6tabt bi§ in bie fpätefte 9iömeräeit ein älnla^ gemaltigen ^remben»
§uftrom§ ^). S)a aber alle 2Belt eingemeiljt mar, mu^ ba§> ©anje bod) §u
einem bloßen felir prädjtigen ©ötterbienft geroorben fein, roeld^er bann in

^) De profectibus in virtute c. 10, ©lanje gepriefen roirb, loä^renb fein 2)oppeU


faft [ic^er nur auf bie eleufinifc^en 5lßeil)eti ganger 2)ion9fo8 eine fo ceräc^tlid^e 9ioHe

ju beäie[)en. — S" betreff beä 3!)Jt)ftenrf)orcg fpielt.

ber ariftopI)anifcben „5röfd)e" ift ju be- ^) XenopJ). Hist, Graec. II, 4, 20 —


ad^ten, ba^ man ftc^ nic^t bei geftrocil^en, roenn nid^t biefe 3iebe famt bem 2luftretcn
fonbern im roirfüd^en Senfeit^ befinbet, beä 3)Jantig vor ber ec^lad^t 11, 4, 18
ju beffen iUlbe inbeä etnjelne ^yüqe ani bIoJ5e !rid)tuug ift.

ben (Sleufinien ciitnomnien finb. 'i)ievf= =•) ^|U;iloftrat. vitii Apollon. 1\^, 17.

roürbig, inie 3fi^^o^ ()'cr mit äufjerftem


©ie ©riedjen mib tfire ©ötter. 20^

ber ^auptfac^e fd}on bie llonfurrcnj mit Sefc^wörern ni(^t md)x befte£)eu

fonnte, beim an folrfie luanbte fi(^ bereite im IV. ^nljrfjunbert o. G()r.,

loer rairflic^ toegeu be§ ^^nf^^tö in ©orgen roor. ©iefelben Seute aber,
welche bamalg im 3lnaftoron sufammenfamen, fannten unb Iia^ten fi(^

im bürgerltrf)en 2ih^n je nai^ Umftänben, benn ancf) bie ©c^eufäler oon


2ltljen, ber 9i(;etor unb ber ©t)!opl;ant, werben SJhjften geroefen fein, ja

gerabe erft rerf)t auc^ ber ©ötterbefclmörer. 2ßal man bei Slnla^ biefer

SBeiljen für böfe 33e!anntfcf)aften aiiftefen fonnte, leljrt bie ©efc^idite be§

S)ion, beffen ajipfterienpate nacf){)er in ©ijrofug fein SJiörber rourbe ^).

^ei bem ^u^t oon 3ltt)en nac| @(euft§ Ijerrfi^ten biefelben Spöttereien

roie bei anbern biomjfifrfien 2tufgügen, unb roa^ für 'betteln mitfu(;ren,
erfieljt man fd^on au§ 2lriftop(;anea^). 9to^ere QJ^enfc^en bitbeten fic^ auf
bie empfangenen 2Beit;en ba§ UngeEprigfte ein, p()nten über bag ©lenb
ber 9Hcf)teingen)eif)ten unb trugen prafjlerifc^ ba§ ^imation, baS fie bei

ber 2BeiI)e angef)abt, bi§ e§ gugrunbe ging^). a>on ber anbern ©eite
mod^te ein ®iogene§ barüber fpotten, ba§ bie geringften ^nbioibuen —
weil fte 3lt£)ener feien — al§> ©cmeiljte fünftig auf ben ^nfeln ber ©eligen

mo^nen foHten, roä^renb ein 2tgefi(ao§, ein ®paminonbo§ bem eroigen

©dllamm (ßoQßoQog) oerfallen roären.

©0 üiel fonnte gur 3Ser!)errli(^ung oon @Ieufi§ immer gefagt werben,


"oa^ alle ^^^einbe, meiere je in 2lttifa eingefallen, ba§ Heiligtum nic^t ju

oerle|en geroagt l;atten*), roeber bie roanbernben Sorer nod) bie ^erfer

beg XerjeS, roeld;e fonft fo oiele Tempel oerbrannten, roeber 33üotier noc^

ßafebämonier ; aud) ^Ijilipp unb 2llefanber, tiei^t e§, Ijätten f)ier etroag

§öf)ere§ erfannt, al§> fie felbft roaren. ®er erfte Unglüd^tag roar ber,

roeldien ber 9iebner 3lriftibe§ bejammert, ba j^euer eingelegt rourbe, l;öd)ft

roal)rf(^einHd) oon 6l;riften, roeldie einen Stugenblid aJceifter bei Zeitig»


tum§ geroefen fein muffen: „3Son roa§ für 3)tenfc^en rourben ba bie I)eiligen

gadeln gelöfc^t, bie 9)tr)fterien fc^änblic^ auSgetangt, bog a>erborgene ent=

1) «ßlato, Epist. VII, p. 333, e. ©g 2) airiftopl). ^slutog 1018.


fam Don ber Dielen S3ertraulid)!eit, raelcfie 3) @5b. 842 ff.

man fic^ mit ^tyCCtif. uvtly unb tnonTtv- *) S)ie§ Doräüglid^ ^eroorge^oben bei
tiu jujie^en fonnte. — 3Ba§ man nid^t 2lriftib. ^l)etor. orat. XIX (ed. Sinborf
»iel fpäter in ©leufiS felbft an einem eit= I, p. 418 ff.). Sie Siebe lüirb oerfc^ieben

mDlpibifcf)en |)ieropt)anten erlebte, oergl. batiert, entroeber fcfion cor 189 n. 6l)r.

!l)emoftf). in Neaeram, 1384. ober erft 218 unter 9}facrimt§.


204 Sflerigion nub ^ultug.

blö^t! (B§> luaren ^eiiibe ber unterirbifd^en raie"ber ü6erirbl[d^en (53ötter!''


— 2)er 33au muB jeboct) mit feiner ganjcn 3luc^ftattung erneuert luorben

fein, unb bie 2Bei()en rourben je^t rool)t in @leufty um fo eifriger gefu(f)t,

|e meljr fie anberSnio aHmä^üd) erlofd^en fein mögen. 2lt§ ba§ ßljrifteu'

tum, beffen a}lr)fterium (ängft eine ganj beraubte Slonfurrenj ber l)eibnifc^en

geroefen mar, ©taat^religion mürbe, blieb @(eufi§ nod) lange biejenige

©teile, rao fid} ha^i f)e(Ienifd;e ^eibentum »orjug^roeife lebenbig fütjlte unb
fid) geroiffermaBen gäfilte. S)ie legten ©c^idfale beS Heiligtums unb ber
Söeitjen finb bunfel; über 2llari(^§ gried)ifd)en j^-elb^ug (395 auf 396)
t)inau§ finb bie ©puren nid^t gu oerfotgen, menn er gleid^ nid^t in ber

2Beife aU 3erftörer nac^geroiefen werben fann, roie man angenommen l^at ^).

Sie grietf)ifd;e :}teligion §og offenbar eine ungemeine ©tär!e unb


©auerfraft an§> iljrem ^ultul. 3Bie bie gel)einten feiern üei*e[)rt uu
üöllig unangefod)ten blieben, rourbe foeben bargefteHt; au^erbem ober
Ijatte bie ©ötteroeretjrung aCe SebenSfreube in ben Sienft iljrer ^efle

genommen: aUeiS, mag bei jebem 2:;empel teils aUjälirlid;, teils in großem
3eitabftänben oor fic^ ging, unb ma§> fid) baran anfdjlo^ in ©eftalt oon
mufifd)en, gijnxnaftifc^en un\) [)ippifd)en 3Bett!ämpf eu , oon ^-adelläufen

unb prac^tüollen 2lufjügen, foroie oon gemaltigen 23olfSfpeifungen. @nb»


Ii(^ mar ja aud} baS ganje '©rama uom 33oben auf eine gotteSbienftlidie

33eranftaltung menigftenS geroefen.

3JJan mürbe nun Unred^t tun, ben ©ötterbienft nur noc^ als 3ior'

manb oon biefem attem ju betrachten ; biefe Singe roud}fen oon felber an
il)m empor, bis fie hann allerbingS bie ^auptfad^e [unb ber 2lnla§ ju
ftetS neuen ©rfinbungen mürben. Sie oolfstümlid) entftanbene Sieligion

beljauptet fic^ als eine üolfStümlid)e burc^ biefe 3lrt oon ilultuS unb
i)atU nie ben ^afe unb ben 2lbfall ber großen 3)ienge ju befürd)ten.

Siefe, aud) roenn fie oerroilberte bis gum periobifd^en 3)lorb ber Sefi^enben,

Ijielt bennod^ feft an einem ©lauben, ber il)r fo oiele 3Inläffe beS (SenuffeS

unb einer jum ^eil fet)r roilben ^reube bot unb fo übcrunegenb auf
allgemeine Unfoften, menigftenS auf Unfoften auberer oor fid) ging.

') .^ierüber GJrei^orouiu^ in ben ©it» 1


2Biffcnf(^. 1886, ^eft I.

jung^beric^ten ber DiJüncfiner Stfttbemie ber I


Sie ®ned)en unb if;re ©ötter. 205

gretlid) fc^on im 2l(tertum empfanb man redjt root;I, bo^ biefe S)tnge

tf)re sroeite Seite (jatten. .^n Sparta, wo man felir auf genaue Seobod^»
tung ber j^efte f)ielt, rourben [ie bod) mit mäßigem 2lufn)anb unb — fo

lange ber Spartiatenftaat fid) aufrecht betjauptete, — geroiB gleichmäßig

unb of)ne 9ieuerungen begangen. Stjfurg, fagt ^stutard;'), rid)tete bie

Opfer abfii^tlic^ einfai^ ein, bamit man fie immer qu§ ben bereit

üorliegenben 2)iitte{n üoII§ieI)en fönne. Unb mk fo oft bei 2lnIaB üon


Sparta ber ©ebanfe an dlom maä) mirb, fo fann man fid) auc^ i)ier

bemfelben nic^t entjieljen. ©in ri)mifc^ gefinnter Spätgried)e "), ber fd)on

an manchen gried^ifdien 9}iijtljen fdjroeren Slnftoß nimmt, fiebt ben ©egen^

fa^ graifdien griec^ifc^em unb römifdieui geftleben l;eroor, offenbar nidit

pgunften bes erftern:

„Sei ben SiiJmern gibt e§ fein %i\t im fdiroarjen ©eraanb, mit


S^rauer, wobei SBeiber jammern unb fi(^ auf bie Sruft fc^Iagen wegen
3Serfd)winben§ oon ©Ottern, wie e§ bei ben ^eQenen gefd^ieljt wegen be§
3ftaubeg ber ^erfepdone unb ber Seiben bei ©ionijfofS u. bergl. 93Zan

fiei)t bei ben 9iömern — obwoljl bie Sitten fc^on üerborben finb — fein

fd)wärmerifdöeg S^reiben, fein Slonjbantengetümmel, feine S3etteIpro5effionen,


!ein bacc^ifc^eS Stoben, feine unerlaubten SBeif)en, feine Dkditfefte üon
SJtännern mit 2Beibern in Tempeln, nod) irgenb einen Spuf äf)nlid)er

2lrt, fonbern aüe§, wa§ in bepg auf bie ©ötter ooüsogen ober gefprodien
wirb, getjt bebäd)tig oor fic^, wie fonft weber bei ^eHenen noc^ bei

^Barbaren."

SBie ^ier bie SSerwilberung beS geftwefenS, fo wirb anber^wo beffen

3lufwanb beftagt unb ba§ Sewu^tfein gettenb gemadit, baß eg nic^t immer
fo gewefen. 2Bie oolfstümlid) t)eiter fei e§ oor 3eiten ^) bei ben ^ionpfien

angegangen! 33oran trug man eine 2lmp^ora SSein, ein 9tebengewinbe,


bann 30g einer einen So(f baf)er, ein anberer folgte mit einem Korb oott

feigen, unb ben Sdiluß madite ba§ Spmbol ber grud)tbarfeit. Der

^()aflo§; — fe^t wirb bie§ überfeinen unb ift außer Sraudj; bafür
golbene ©efäße, md(i)t man herumträgt unb foftbare ©ewänber unb

*) ^lut. Apophthegm.regum, prooem. erft in bejitg auf bie römifd^e ^ixt, in


*0 S)ion9§. öalif. II, 19. rceld^er 5ß(utarcf) lebte.

^) 5piut. de cupidit. 8, gerci^ nic^t


206 ^ieHgion unb ilultug.

fa^renbe ©efpanne unb 3)ia§fen; roaS her 33efi^ 9iotroenbige§ unb 9iü^»
Ii(^e§ leiftete, ift je^t oecfrfiüttet burc^ boS Unnü^e unb Ucberftüffige.

Um in ben einzelnen ^oIei§ ben ^unft ju ermitteln, ha bie 2lbfic^t

auf @enu^ ba§ entfc^iebene Uebergemid^t über ben ^u(tu§ befam, müBte
man iebe»mal erfunben fönnen, mann unb in n)eld)en Uebergängen bie

1poli§ ben Stempeln bie Oberleitung ber großem %zftt abgenommen unb
irgenb meieren poIitifcEien Organen übertragen Ijat. ^l>on ba an mürbe
man in ber Siegel finben, ha^ cor allem für ba§ SSolf^uergnügen geforgt
rourbe. lieber bie ^bee be§ gried^ifd^en ©taate§ unb über ba§, raol er

fi^ biefer ^bee gemä^ gegenüber feinen bürgern erlauben fonnte, ift

f)ier nii^t ber Ort gu rechten; e§ mochte il)m frei fielen, roirflidje ober

angebliche (Steuerüberf($üffe für ba§ 33ergnügen ber 3}ienge aufsumenben;

fd)on bebenflidier mar, menn er ttma bie i^affen ober ä>ermögen§beftänbe

ber Tempel oereinigte, unb in 3ttl;en ^) gab e§ (roa^rf(^einli^ f^on unter


^erifleS) au^er ben „SSerroaltern ber ©tabtgöttiu" auc^ gemeinfame
„SSerroatter ber übrigen ©ötter", oline ^meifel jum 3roe(f einer unbe*

bingten Verfügung über ba§ ©ötterfeftroefen. Slu^erbem aber raaren


betröd)tlirf)e Steile biefe^ 2öefen§ bie <Ba^i einer !unftreid)en Sranb»
fd^a^ung ber Sefi^enben gemorben, gang roie anbere politifc^e a^erpflic^»
tungen, bie man il;nen auferlegte. Sie Sl;oregie, meiere mit reinen
©taatslaften, roie 3. 33. bie S^rierarci^ie, üößig in einer 9iei^e gel;t, roar
eine üoUftänbige Uebernal)me be^S Gljoreic für ein (Sd;aufpiel ober eine§

Igrifdjen ßljoreö für einen feierlid)en ©ötterbienft famt bem ganjen basu
gel)örenben ^erfonal, unb baju mürben bie ßtiljlenben üon iljrer ^Ijijle

burc^ 2Bal)l befigniert unb l;atten bie betreffenben ßljöre in einer beftimmten

Dieiljenfolge ju leiften. Sa^ babei nodj äöetteifer uerlangt unb ©iege§»


Prämien unb 33elobungen erteilt mürben, lautete tatfäd)lid; für uiele fd)on
roie ^o^n, menn fie fic^ babei ruinieren muBten. @§ ift roal;r, ba^ auc^
ba§ ganse Srama, bie gro^e Slüte be§ 3)ionijfo^bienfte^, mit ott feiner
^errlidjfeit ol)ne biefen S3etrieb nid)t juftanbe gefommen roäre: ber 3Md)ter
befam burd) ben Slrc^on einen auf bie genannte 2Beife bejaljlten (Sljor

angeroiefen unb l)atte biefem bie STänge unb (Sjefönge einsuüben unb ein--

üben äu laffen. 3luc^ fonft aber galt e^, für eine ganje 3ieit)e anberer

•) aSergl. ©c^öll, 2Itr;eni)c^e geftfom^ 1


üon 2«imc^en, 1887, §eft I.

miffionen, ©i^ung§6erid)te ber 3(fabenne I


S)ie ©riechen unb if)re ©ötter. 207

^cftc e^öre oon 9}iännern unb 5lnaben, 2:;änsern unb ^lötenfpielern p


[teilen, unb jeber Seiftet einer ßtjoregie muBte feine ©c^ar onn)erben,
begal;Ien , ernäi)ren unb foftümieren ^) ; üor allem aber I)atte er fic^ nac^

einem ßfjorbic^tet unb ßl;orIet)rer umsufeljen. ©eroi^ Eam noc§ in fpäterer

3eit üiel (Sd)öne0 unb ©eiftootte^ oor 2tuge unb O^x beg 3Solfe§; aber,

lüie frütier gefagt, ber S^'^^Ö ^"B biefen S)ingen boc^ etroa§ oon ber
2Beit;e genommen tjaben. %nä) foftfpieügen ^eftgefanbtfd^aften nad) fernen
Heiligtümern fonnte ber für rooljlljabenb ©eltenbe fid) nii^t entjie^en.

IXnb loer roitt nod) entfd^eiben, mie meit ein £)eilige§ j^eft ba§ SSeftimmenbe
ober nur ber oberf(äd)(i(^e 2lnla§ mar bei fo mancher anbern auferlegten
Saft, wie SBettfpiele, @t)mnafiar^ien , ßompabardjien u. f. lo.? 2lm
at^enifd^en ^epljäftogfeft unb am ^romett)eu§feft 3. 23. roottte man au^er
ben muftfc^en Slgonen oor allem g^adelläufer fetten, unb ju bereu 2lug»
rüftung, b. l). 23ejal;lung, rourben bie ©ijmnafiardien einfad; burd^ SBa^I

beftimmt. ^n bemfelben gunb oon ^nfdjriften, loo biefe ^unbe oorfommt,


werben mir freilid) audi fd^on bele(;rt, ba§ hk geftorbncr ber großen

^eppfto^projeffion bie ä^oümadjt t)atten, ©törer berfelben {ur th äxoa^fi)


bis ju fünfzig ©radjmen unb Sluicfc^IuB oon ber ?5^eier gu beftrafen unb

no(| fdiärfer bei gröberm Unfug. 2ltl)en mochte eben fc^on Seute ent'
f)alten, meldte „über gar atte§ ^inau§" maren.

2lm (Snbe fonnte man au(^ an (£t)ören ju oiel befommen, gumal


menn 5. 33. in ber 9)iuftf ba§ ©entimentale überl^onb nal;m unb etroa

gar für befonber» religiös galt, ^tato^) flagt in betreff ber großem
©taatSopfer: 2)a trete nid^t @in ßlior auf, fonbern eine aiJenge oon
(Sflören, auc^ fteHten fie fid; nic^t ferne oon ben Slltören, fonbern nalie

baran auf, i^r ©efang aber fei eine maljre ^la§pl)emie, inbem fie mit
SBorten, 9^l)t)tl)men unb roeljmütigen Harmonien bie ©eelen ber ^örer in
2tnfpruc^ nät;men; ja, roer bie opfernbe ©tabt am meiften gum 9Beinen
bringe, ber trage 'i^tn 2ßettprei§ baoon. Sergleid^en mödjte I)öc^ften§ für

UnglüdStage taugen ; ba mödjten zixoa oon brausen gemietete ©ängerd)öre

*) Heber biefe 3Serf)äItnifje oergl. bie Saften jumuten liejj, finbet fid^ in ber
iRebe be§ 2lntipI)on de choreuta. — @inä XXI. Siebe beö Spfiag.
ber gröfiten unb le^rrei^ften SJerjeid^niffe 2) De legg. VII, p. 800, c.

beffen, roaS ein einjelner fic^ oon fold^en


208 9ie(igion unb Äultug.

fid) einfteöen, wie jene Gemieteten, tueldie bie Seic^engüge mit !arifcl)er

2)ieIobie ju begleiten pflegten.

®a§ üer{)ältni§mäBige S)unfel, melc^e§ feit ber ©iaboc^enseit über

ber innern @efc^irf)te ber ©täbte von ©riecEienlanb, namentUd) aiiä)

2lt{)en§, lagert, mad^t e§ iinmöglid) ju fagen, roie oieleä üon bem großen
^eftbetrieb fid) bamal^ bel;auptete, unb töic lange j. 33. ba§ ©pftem ber
attjenifc^en ß^oregien üoüftänbig aufrecht blieb. ®oc^ fd^eint, menn e§

bie Sage nur irgenb erlaubte, ba» mögliche gefc^e^en §u fein, unb in

ber ruJ)igern römifc^en ©pod^e gel)örte e^ erroei^Iid^ §ur ©uergefie ober

SJhtnifijeng ber reichern 33ürger t)ellenifd)er ©täbte, burd) ©penben an


gefte unb burc^ Uebernatjme oon ©ijmnafiard^ien unb Sampabari^ien
u. f. vo. fi(^ im ©inne ber ©riechen beliebt unb oerbient ju madien.

SDafe ^aufaniag nod) an oielen Orten menigftenS ^^^^^^^f^ft^ ^^^t SIgonen

am Seben fanb, raurbe fc^on bemerft. ^e nad) ben ^eüölferungen


mibmeten bie 9teid)en ben geften iljre eifrige perfönlid^e ^eilnaljme. 2ln

ber 2Seft' unb S^iorbfüfte üon Slleinafien gab e§ nod^ su Sudans ^dV)
bei bacdjifc^en geften grofee S^an§auffüt;rungen ; ber ganje üornelime ©taub
gab ftc^ mit bem größten ©ifer baju l^er, ai§> S^^itanen, Slorpbanten, ©ati;rn

unb Ritten maSfiert ju langen, unb ha§> 5Bolf fa§ ben gangen ^^ag unb

falj gu; aüe§ anbere mar über biefe ßcit oergeffen.

Sßenn aber anä) ber öffentlidie ©otteSbienft mit feinen geften, Sßeil^en
unb Stgonen bei üerringertem SBoljtftanb abgenommen f)ätk, fo blieb boc^

ber ^auSfult in ootter ^raft, unb bei ben Sanbleuten wax biefer ol)nel)in

ber üorf)errfd)enbe unb gemi^ oft ber eingige, wenn !ein eigentlidier

2::empel in ber 9tä!)e lag. ^ein ßw'cif^I/ ^^^ bie im griec^ifdjen ^aufe
üeretjrten ©ötter ber ^amilie, be§ Sefi^eS, be§ ©efc^äfteS, ber Siebe meit
ftärfere ©efül^Ie unb weit t)äufiger in 33eroegung festen al§ ber gange

öffentlidje Stempelbienft, unb rao bie ^errin gerabe nid)t gufa^, übte bie
rerliebte 9}tagb iE)re 2Inbad)t gur 2Ipl;robite „mit Opfern, 23eten, j^-leljen

unb fragen bei ^ag unb ^ad}t unb günbete and) iljr Sii^tdjen an^)".

3?or oQem war fd)on ber §erb eine ©ottljeit, unb über bem gangen

©e^öfte waltete ber 3eu§ ^erfeioS. ©eopfert nntrbe im ^aufe gu ©tabt

Sudan de saltat. 79.


|
-) Sabdog, fab. 10.
S)ie ©riecfjen unb ifjre ©ötter. 209

imb Sanb täg(id} be^ -D^orgenS unb beg SlbenbS, unb bei jeber SRaljIjeit

ertönte ber %^äan; ber befonbern ®elegen(;eiten, roie ^od^jeit, @p{)ebte,

^eimfe^r oon 3ieifen u. f. m. nic^t §u gebenfen. %üv ben Sonbrnann


luaren ferner gegebene %i\k olle biejenigen, loelcfje fic^ auf bie 3al;reg=>
Seiten belogen, unb 2)enieter unb Sioni)fo§ ftanben an ber ©pi^e feiner

Seruf^^götter; bagu nod) bie befonbern ©efc^ledjtg- unb gamiliengötter.


Slu^erbeiu aber famen im l^ertauf ber Generationen gen)i§ auc^ nocf) bie

tönernen unb eisernen 33ilbd}en mancher ©ötter be§ allgemeinen J^uItuS

in ba)3 §au§ be§ ©riechen, je nad^ ben ®r(ebniffen, ha man iljrer ^ilfe
genoffen, ober auf S^raumgefidite ^in, unb auc^ au^erJialb be§ ^aufeg ftiftete

bie 2lnbad)t be§ einzelnen ungeljemmt fleine .«Qeiligtümer auf j^elb unb g^lur.

®er *gau§üater opferte unb mar beftiffen, ha§ 9teifig an bem Slltar

funftgered)t gu orbnen ') ; bie Slngetjörigen aber burften ii)m hahd Reifen,

unb man mirb nic^t ot)ne Xdlna^mz — an unerwarteter ©teile, nämlic^


in einer attjenifdien ß)erid)t§rebe — eine ©c^ilberung baoon anljören"^),

TOie eifrig fd}on bie ^inber mitmad^ten: „Unfer ©roguater, Ijei^t ^§>^

opferte nie otjne ung; modjte ha§> Opfer gro^ ober ftein fein, immer
maren mir babei, na!)men teil baran. 3" '^^^ ©ionpfien nat)m er un§
jebeSmal mit fid) auf§ Sanb; neben iljm fi^enb f(^auten mir (bei ben

9luf5ügen, ©pielen u. f. m.) §u; mit einem aSorte mir feierten aüe "^^fk
mit ii)m, unb aud) wenn er bem ^m§ ber ^c^h^ {xi^aiog) opferte, ein

Opfer, TOel(^e§ er feijr tjod) I)ielt, unb rooäu er roeber ©flaoen nod) ^reie
au^er feinen näd^ften Sierroanbten gutie^, fonbern aUejc felbft beforgte,

nahmen mir auc^ E;ieran teil unb taten mit il)m beim Opfer ^anbreidjung,
legten e§ mit iljm auf ben 2lltar unb oerriditeten aUeS übrige mit iljm
gemeinfdjaftlid; ; unb er M^\^ für un§ um @efunbl;eit unb 3Bol;lftanb,

mie e§ it)m bamals olö ©ro^ooter §ufam."


®§ gab alfo im ^aufe aud^ getieimere Opfer, üon roeli^en u. a. bie

(Süaoen au§gefd}I offen maren; menn aber biefe letztem innerlid) burcb

irgenb etma^ an ^au§ unb ^^amilie be§ i^errn gebunben maren, fo ge»

fdjaf) bieio burc^ bie Opfer unb gefte be§ igaufeg, an meldien man fie

— abgefeijen oon jenen Stu!ona(;men — immer teilneljuien liefs unb


laffen mu&te^).

'j 3lriftop^. Pax 1026. i ^) Sergt. 33anb I, S. 165.


'-)
3iäug, orat. VIII, § 15. |

3. S3urcf]^orbt, ®x\tä)\\i)i Äultuigefc^it^te II. 14


210 SJeligio» uiib Äu(tu§.

3lud^ mit bem §au§fult fonntc man e^J, roenn etwa bie grauen gu

je^r ba§ Sßort füfirten, übertreiben; roie jene 3Borte eine§ @l)emanne§

bei 5IRenanber') uerraten: „Un§ ä^erljeiratete plagen bie ©ötter am


meiften, immer foll man irgenb ein geft begeljen; mir traben fünfmal an

einem 2^age geopfert, fieben ^Wienerinnen im Greife fi^lugen bie Raufen,

bie übrigen fd)rien bagu {wXöXv^ov)."

Unter allen Umftänben aber waren ber ^erb unb bie ringsum an'
gebrachten C3ötterbilber naiieju bie einzige 3iift"<^i ^^^^ ©emüte§, roenn
baSfelbe innerlid) einmal ber fnrd^tbaren ^olig entrinnen mottle, ^ier

fonnte fie md)t eingreifen, begeljrte e§ aud^ nid^t, raenn fie einen Steft

t)on 33ernunft behielt. @iner aber, al^ er ba§ SBilb einer ibealen ^oli§

entroarf, roie fie nac^ feinem (^kfi^macl fein fottte, ^og aud) l)ier bie le^te

itonfeciuen§ : ^^lato in feinem 33ud} uon ben ©efe^en ^). ^n feinem 2Biber=

mitten gegen jebe 9ieligion, bie nid)t ber ^ult feiner ^oli§ märe, benunjiert

er ben ^riöatgötterbienft al§ §auptanl)att be§ 3lberglauben§ unb oerlangt


ein @efe^: DZiemanb fott im eigenen §aufe Heiligtümer befi^en! „'iBenn

einer opfern roitt, fo gel)e er gu ben öffentlid)en (Stätten) unb ^änbigc

feine Dpfer ben ^rieftern unb ^riefterinnen ein; ha möge er mit il;nen

beten, unb wer fonft nod) mit il)m beten roitt. Uebert^aupt foUen heilig»

tümer unb ©ötterbilber ni(^t leid)tl)in errid)tet roerben, benn um bie§

richtig 5U üottbringen, ift üiel -Serftanb erforberlid). ^3 ift eine ©eroolin»

lieit atter 9Beiber unb aud) fold^er, meiere ^Jiot, ©efaljr unb aJiangel leiben

ober auä) einem plötUidien ©lüd^fatt begegnen, (ben ©ötteru) ju roeiljen,

TOa§ fie gerabe unter ben Rauben Ijaben, unb Dpfer, 33ilb unb Sau gu
geloben ben ©öttern, ©ämonen unb ©ötterföljnen. Unb au§ (Sc^reden

bei 0efid)ten im 2öad}en unb im 3:;raum unb in ber Erinnerung an oiele

getiabte (Srfc^einungen unb aU Heilmittel für bie§ atte§ errid)tet man


3tltäre unb Heiligtümer unb füttt atte H^ufer, atte Dörfer bamit an . . .

Um biefcr atter mitten ift gemä^ obigem 'l^erbot (be^ ^>rioatfultu^j) ju

»erfatiren, auf^erbem aber au^ um ber 9tud)lofen mitten, bamit fie nid)t,

inbem fie bie§ (ben ^^^rioatlult) an fid) reißen, Heiliölii"^^^'" i"^^ 3lltäre

im eigenen ^au]^ erridjten unb l^eimlid^ bie ©ötter fic^ gnäbig ju mad^en

') aKcnanb. bei Stvabo VII, p. 297. ©Ottern, Snmoncn unb .t^crocn allenfalls

) De legg. X, p. 909 d. ff.


2Ba§ er gönnen roürbe, (jat "^Uato an einer anbcrn
feinen Utopen an öffentlid^em Dienft von Stette IV, p. 717 a aufgejät)lt.
:

2)ic (55riecf)en unb i^re ©ötter. 211

meinen mit Opfern unb ©ebeten; bamit würben fie nur i§re 9)U[fetQten

in§ ©nblofe fteigern unb bie 2l{)nbung ber ©ötter ntd^t nur auf fic§,

fonbern auä) auf biejenigen Ijerabgie^en, meiere ftc^ an fie wenben, aui^
wenn biefe e§ beffer meinen, big gute^t bie gan5e ©tabt um ber 3ftud)*

lofen mitten in 9}iitleibenf(.taft fäme."

S)iefe (entere ^nfinuation, roie überl)aupt bie ganje poftulierte

SteligionSpoIisei gegen 2lu§gang be§ geljnten Sud^eg jene^ 2öerfe§, ift

natür(id; o£)ne atte Siia^adjinng geblieben, roenn aber ©riedfienlanb tiefer

unb tiefer fanf, fo fam bie§ el}er oon affem anbern aU oon bösartigen
iprioatopfern I;er. S3eim ^^auSgötterbienft mürbe natürlid^ manct)e§ noio

egoiftif(^e ©ebet ^) geftüftert, im ganzen mag er aber nod^ immer eine ber

unfd)ulbigften unb tröftlicbften ©eiten be§ {)ettenifrf)en Seben§ geblieben

-fein, greilic^ um über ^(ato billig ju urteilen, mu^ man erraägen, mie
ben ^l)ilofopl)en gumute fein mochte gegenüber com ganzen 33olf!§glauben
unb feiner Wadjt. ©ie fonnten biefe Sage nic^t änbern, nur fonftatieren,
iinb e§ genügt ^lato jelbft anguljören ^)

„Tlan glaubt an bie 9}it)t^en, meiere man oon ber 9)luttermild^ an,

t)on 2lmmen unb aJiüttern, mit ©c^erj unb ©ruft ergälilen Ijört mie ein
3auberlieb {olov iv tnoiöuig); bann gibt e§ h^^ Opfern unb ©ebeten ju
'f)ören unb §u feigen, voa§^ bie ^inber am meiften lieben, menn mit l)öc^ftem

©ifer bie ©Itern für fie unb für fic^ felber ba§ Opfer barbringen unb
bie ©Otter mit ©ebet unb ^lel;en aU fe^r mal)rl)aft oorijanben anreben;

ja fie mögen nur um fic^ fe^en bei Hellenen unb .53arbaren: in ©lud
unb Unglüd, menn ©onne unb 3}Zonb auf' ober untergelien, überatt bie

oottfte 2lnbad)t, S^ieberfnien, ^^iieberfinfen."

Unb au^er ber ©ötteroereljrung im §aufe mar au($ bte 2lnba(^t


be§ eiuäelnen in gelb unb SSalb, an ben ©trömen unb Ouetten unb am
9J?'eere§ufer, meldte fid^ ja bem gefd;i(^tlic^en Urteil oon ^omer abroörtS
üöQig entjietit, geroi^ oft inniger aU biejenige in ben 2::empeln. @§ waren
wol)l &dnk um ©c^u^ unb ©ebei^en, angftootte SInrufungen, aber aud^
ba§ SBort unb ber ©efang ber weiljeoollen ©timmung, welche bie 9läl)e

einer ©ottljeit empfonb. 2Ba§ für ein wunberbareS 25erl)ältniö ber


Jünglinge einer ©egenb^) jur ©ott^eit il)re§ ©tromeS, weldjem fie baS
*) SQ3ie baäjenige bei Slriftop^. 2;f)ef; =») 3. 8. in ^l)igalia, ^aufan. VIII, 41,
mopi). 276. 3 ; üergl. VIII, 20, 2.
2) De legg. X, p. 887, d.
212 3{eIigion imb SMt\x§.

bi§ 5inn 33eginn be§ (Spl)ebenalter§ gefc^ontc lange ^aax §u opfern


pflegten ?

Unb menn haz- ^ntereffe ber ^unft t){er neben bem ber ^ieltgion

f)ert)orge{)oben lüerben bürfte, fo wäre ber I)errüdjen gr{ed;if(^en allein*

fünft in Xon unb ©1-5 gu gebenfen, roeldje — l)ö(^ft waJirfc^einHd) bod)

oon ber 33efd)Qffnng ber ^auvgötter nueigegangen — eine 2Belt von


fd)()nen ©ebilben l;eriiorgebrQd)t t)at. ^nm ^au§befi| be§ ^leidien ntoditen
aud) jene fil^enben ©ilene mit ^anJpfeifen ober flöten ^) gel^ören, mddje
man aufftappen fonnte; ba§ innere entljielt bann ein „mnnberbareS"
golbeneg (^ötterbilbd)en. Sind) bie D pf er gerate , Sdjalen, ^iaudigefäfie

u. f. w. fönnen oft ein wertet alte§ (Srbe be§ ^aufeg geraefen fein.

3Senn man nun bie (^)efamtftärfe be§ 5^ultu§, ba§, roorauf fein SBert

für ^raft unb ®auer ber 9ietigion beruhte, in bem ©inbrud erfennt,

roe(d)en er noc^ immer mad)te, fo roerben gerabe einige fpätere 3tu^fagen

aus ber beffern römifd)en ."i^aifergeit befonberg ©eroid^t ^aben. ©omalg


bätten ja, nad; einer meitoerbreiteten 5lnfid)t, 2lufEIärung unb ^t)itofopbie
ben alten ©tauben innertid) fd)on oöHig aufgelöft getrabt. ®§ finb aber

groei literarifd^ unb ptjilofop^if^ gebilbete aJiänner, meli-^e bei gufälligem

2tnla6, au§ oöHig aufrichtigem S)range, für ba§ SBeglüdenbe im ©ötter^


bienft B^^P'^ ablegen: ©trabo unb ^slutard).

„@ried)en unb Sarbaren/' fagt ber erftere^), „traben ba'§ gemein,

ba^ fie il)re Dpferbanblungen mit feftUdier ©rbolung (avsaig) begel)en.

2)iefe nämlic^ befreit ben ©inn oon bem menfd)lid^en ^[^reiben unb menbet
ha§> eigentlid) (^ieiftige [idv oninq vom) jum ©öttlidien. ^er 6ntt)ufia!Cimu§
l)ot eine göttlidje (Eingebung in ficf) unb näl)ert fid^ auc^ ber 2lt)nung.

®ie mi)ftifd)e 33ergung ber Heiligtümer feiert ba§ (^öttlidje, inbem fie bie

9flatur nad)at)mt, bie ficb ja ebenfalls unferer 2Bal)rnel)mung ent§iel;t.

©benfo fnüpft un§ an ba§ C^5öttlic^e bie 9)?ufif — mit ^anj, 9tl;ptt)mu§
unb 9}telo§ — oermöge be§ ^ßergnügenS unb ber J^unftfd)önl)eit. Unb
aud) ba§ wirb mit 9ted)t gefagt, ba^ bie 9}tenf(^en bann am meiften bie

('•Götter nadjoljmen, wenn fie 2Bol)ltun üben; nod) beffer aber l^iejse eS:

menn fie glüdfelig finb, unb biefer 3(ri ift bie j^reube unb baS ^^cftfeiern.

') ^tato, ©ympofion p. 215, a. 216. -) ©ti-abo X, p. 467.


(1. e.
2)ie ©ried^en unb i^vc ©ötter. 213

unb ba§ ^Ijilofopljieren unb bie Sefc^äftigung mit ber 3}lufif^) . . .

®enn allcS, ma§> ben ©eift in bie ^ö^e richtet, ift ben ©Ottern nafje."

^lutard) ftettt einmal^) überl;aupt feft, ha^, ma§> bie 9)tenfd)en am


mciften lieben, ©ötterfefte feien unb ©elage bei ^eitigtümern unb ©in»

n)eil)ungen, DrgiaSmen, 3turufung unb tiefe 2lnbetung (jtfjoaxwf/aitg) bcr

©Otter. 2lnber§rao^) fpric{)t er offenbar felber burc^ ben 9}Zunb eines

3Jiitrebner§ in einem feiner 2)ialoge:

„grgö^enber ift fein 3lufent|)alt a(§ ber in ben Heiligtümern, feine

3eit als bie ber ©ötterfefte; nid)t§, loaS man fonft fel)en ober l)ören

!ann, erfreut fo mie baS, maS mir üon ©ötterfac^en Ijören ober felber
üoUjieljen, mit ^ubel, Xan^, Opfern ober 3Beil)en. 2)a, roo bie ©eele

bie ©ottljeit befonber» natie glaubt, ba am el;eften löft fie fi($ oon ^Trauer,
gurc^t unb ©ram unb überläfjt fic^ uöHig ber greube bi§ gu ^runfen»

l)eit, <Bpa^ unb ©elä($ter. Sei Opfern unb aiufjügen werben üon grö^»
Xid^feit unb ilBonne ber ©reis unb bie ©reifin, bie 9}iü^lfflaoin, ber

2lrme, ber ^auSfflaoe unb ber 2l(ferfned)t er£)oben, unb Opfermaf)le finb

raonniger als ^i)nigSmal;le."

Offenbar l)ing jebocl) ber oollftänbige 33etrieb biefeS geliebten Kultus

a)on einem geroiffen ©rabe beS 9Bol)lergel)enS ah unb bamit auä) einiger«

mafeen bie Slraft beS ©laubenS felber. ^n genufefüc^tigen ©tobten, roenn

fie oerarmten unb il)re ?^cftluft einfd^rönften ober einbüßten, mu^te au^
bie 9teligion gu ©cliaben fommen; eS mar an il)r nicljt meljr oiel, fobatb

Sal)reSfefte oon ©Ottern unb ^croen armfelig begangen mürben, 2lgone


unb 2Beif)en roegftarben, mit einem SBort: baS 33ünbniS greif d^en SebenS»

freube unb 3lnbac^t aufl;örte. 9lun Ijatte fd^on bie B^^ftörung fo oieler

griec^ifdien Orte unb baS ©c^roinben ber 33eoölferung in ben ß^iten nacf)

2llei-anber bis auf bie Unterroerfung unter 9tom unjäliligen ©ötterbienften


ben Untergang gebrad^t; bod^ ert)olte fid^ ©riei^enlanb mieber etroaS unb

geno^ raenigftenS 9iul)e, als ©trabo unb ^plutard) frfjrieben; unter ^abrian

fam große faiferlidie ©unft unb Dotation für und)tige Heiligtümer Ijingu.

2luc^ fiel)t man auS ^aufaniaS, baB l;äufig, roo bie ©tabt untergegangen
mar, etroa nod) ein ^^empel famt ^ienft ftd^ bel)auptet ^atte, unb ba^

^) 3)te§ in bejug auf bie ipv)ti)a' I


-) De superstit. c. 9.

goreifd^e unb p(atonifrf)e 3ufcimmen[teßung ^) Non posse suaviter vivi etc. c. 21.

üon Tlii\\i unb ^f)ilofop^ie. |


214 3ieItgion unb Äultug.

in ben nod; beftei)euben ^tobten gur ^dt ber 2Intonme 2lgone unb gefte
nacf) Gräften aufredet gefjniten rourben. 2lllerbing§ ift e§ bie nämliche

3eit, in lüeld^er Sucian feine @ötter felber fdjon ©orgen aller Slrt unb
Sangeraeile empfinben läfet, allein fein ©pott eilt bem rairflic^en 3"ft^"^
TOeit oorau§. @rft in bem (SIenb be§ III. 3at)i^i)unbert§, ba fc^on mandie
2)iuni§ipa(oerfaffungen eingingen^), wirb auc§ ba§ SBegfterben be§ %^'iU

lirf^en in n)eiterm Umfang anguneljmen fein, unb genau um fo oicl rüftiger

moifite ba§ ©Ijriftentum üorbringen. (Sinen ftarfen SBiberftanb fanb e?>

aber bomalS unb fpäter auf bem .Öanbe, roo ber 5lultu§ einfad) geblieben

mar unb babei noc^ bie üolle 5lraft einer alten ©itte beljauptete. Unb
aud^ in ben ©täbten be§ eigentlidjen ©riec^enlanb mürbe fic^ o()ne bie

S)a5roifd)enfunft ber diriftlic^en Haifer unb bei raeltlid)en 3trme§ hk alte

9ieIigion nod) lange gehalten Ijaben; menn man i{)r einen 9ieft oon ilultuä
geftattet i)ätte, mürbe fie üerfu(^t Ijaben, neue ©djöBIinge gu treiben,

^lid^t umfonft fagte man lange 3eit „Hellenen" für „Reiben".

2lbgefet;en uom 5lultu§ al§> materieEe ©tü|e ber gried^ifc^en 9ieligion


mag I)ier aud) ber allgemeinen Gräfte gebadit werben, burc^ meldie fid>

biefelbe aud^ no(^ in ber fpätern 3ßit bei)auptete.

3^re 9J?änge[ unb Uebelftänbe mürben §mar oon üielen erfannt^

namentlid) ifire Untauglidifeit a(§ ©tü^e ber a)ioraI. S)ie £(age über bie

unfittUdien 9J?r)t^en beginnt fd^on mit ^i)t§agora§, unb gu änbern mar e§


nic^t, baf3 geroiffe ©ötter perfönüc^ geworbene menfd^Iidie Seibenfdiaften

maren. S)er 2)Zenfd), um feiner irbif^en ©diroäc^e mitten, burfte üietteid)t

fid^ entfc^ulbigen, menn er noc^ etmaS fd)led)ter mar aU bie betreffenbe

@ott[;eit; ,,Uebermut" aber fei e§, menn er gar beffer fein motte ai§> bie

©Otter — fo fagt eine ©uripibeifc^e 5tmme ^) bei 2inlaB üon Siebfdiaften


unb (Sntfü{)rungen ber DIi)mpier. 9^un i^t ganj gemife bie a}foraIität un^
gätjliger öriei^en atter 3eiten in ber 5tat eine beffere geroefen aU bie iljrer

©Otter, unb ein t)ol;e§ ungefd^riebenel ©ittengefe^ mar unb blieb in atten

') 2)er breijäf)rige 2;errori§mug beä fonbern aitd^ f oftbare 3lnatf)enie'unb ®üttcr=
Äaiferg 3JiaEimiiiug Zl)xa^ (335—238) trar bilber il^rer Si^einpel, ben M'ult iljrer ,s>erDcit
eine Qext roeitgef)eiiber ^Hinberungfür uiete uub iUierIjaupt allco, tuaö ju 3)iün3e ju
otäbte (.^erobian VII, 3). ©ic nedoren machen mar.
nic^t nur bie Selber für öffentliche 2>er; -) (Surip. .'pippolyt. 476.
teilungen, ©peifitiigen, 2;()eater unb (Vefte,
S)ie ©ried^en unb i^rc ©ötter. '
215

reinem ©emütern lebenbig. ^uä) voax e§ ja jebem unbenommen geblieben,


bie 65ötter ju ibealifieren, unb üielfa^ mürben [ie aU gütig, geredjt unb
f;ei(ig in 2Infpru(^ genommen. @lei(^mol)I bleibt groi[c{)en biefer @ötter=>

mett unb ber griedjifd)en a)Zenfc£)enroelt eine 35erre($nung übrig, nicbt

üöllig gugunften ber erftern.

3n einer Qtit, ha ha^i politifd^e Seben ber ^eHenen fi^on längft in

Slut unb ^t^'ii^^^i-' untergegangen mar, unb ba aIImäf)Ud) für S)enfenbe


ein 3ufammeni)ang oon ©ci^ulb unb ©c^icffal bämmern modjte, Ijat jener

fd)on oben ermätjnte römifcf) gefinnte ©riedje, S)iont)§ oon ^alüarna^


(II, 18 big 20) feine %n]id)t über bie ©tellung be§ griecbifi^en ©ötter»
glaubend §ur ©ittli(^feit auSgefproc^en. @r mad^t feine au^brüdlidie 2ln?
menbung auf ba§ ©c^idfal feiner Station, aber in feiner parallele mit
3^om fann man fie moljt gmifdjen ben ^nUn tefen.

„Sfiomulu?," f)ei§t i§>, „fü()rte gefte unb ©ienfte aller 2lrt für bie

(SJötter ein, aber bie überlieferten äfhjtljen, in roeldjen Säfterungen unb


2ln!lagen gegen fie entl;alten finb, ^ielt er für ruc^lo§, unnü^ unb fc^änb«

lid) unb oerroarf fie ade, roeil fie fc|on guter SJtenfdjen unb oollenbg ber
©Otter unmürbig feien: er leitete ba§ 33olf an, ba§ 53efte üon ben Göttern
§u fagen unb gu benfen unb il)nen fein Streben anjuljeften, roelc^eS i^rer

feiigen 9Iatur nic^t raert märe. ®enn bei ben 9iömern roirb nid)t0 ge=

melbet oon einem burd) feine ©öl;ne entmannten Uranog . . . unb nid)tg

oon Jlriegen, SSermunbung, geffelung unb Jlnec^t^bienft ber ©ötter; l)ier

gibt ey aud) feine ^rauerfefte megen oerfi^ronnbener Geölter . . . Süemanb


foll meinen, id) mü^te nid)t, ba^ oon ben ljetlenifd)en 9Kt)tl)en einige ben

3)lenf(^en nü^lic^ finb, inbem fie teilg bie Gräfte ber 9latur allegorifc^

au^brüden, teils §um S^roft bei ben Unfällen ber SJienfd^en entftanbcn

finb, teils ber ©eele SSerroirrungen, gurd^t unb ungefunbe aJieinungen


beneljmen, teils um irgenb eines anbern 3]orteilS raillen. Slber id) oerljalte

mic^ oorfid)tig babei . . ., inbem i^ erroöge, ba^ ber (Seminn aus ben
Jiellenifdjen aJhjttjen gering ift unb nidjt uielen l;elfen fann, fonbern nur
benjenigen, melc|e baS äßeSljalb ergrünbet l;aben, unb foldier ©rfennenben
finb roenige; ber grofee unb pl)ilofopl)ielofe ^aufe pflegt bie ©agen oon
ben ©Ottern nad) ber fd^limmen ©eite ju neljinen, unb bann gefd)iel)t oon
3TOeien ©inS: entmeber er »erachtet bie ©ötter, weil fie fid) in fo

üielem 2)?t§gefd)id ^erumberoegen, ober er erlaubt fid) fogar baS ©djänb'


216 Sieligion unb ^ultu§.

lirfjfte unb @e[e|iüibrigfte, raeit er fieljt, ba§ eg aucfi ben ©öttern bei»
gelegt roirb/'

(Sine 2IuÄ[age, roefd^e nb5un)ei[en unmögli($ bleibt, fo grunbprofaif(^

ber 2tu§bru(f (nuten mag ^).

atdein e§ fte^t ben SSölfern unb ben einjelnen nicl)t fo frei, eine

Steligion um ernannter aJiöngel miüen abjuftreifen, fonft Ijätten bie ©riechen

fd)on bei iijxtn ^(jiIofop()en eine gro§e SluSroal)! dou ueränberten ober
„gereinigten" @otte§begriffen üorrätig gefunben unb barunter roäljlen

tonnen oon ^i)tf)agora!§ in§ auf (äpitur unb bie <Stoa^). Sinfidjtigen

3}tenfd;en aber, auc^ roenn fie nid)t ^t)ilofopl)en raaren, leuchtete ein, bafe

bie 9ieIigion — nämlid^ bie, roeli^e man l)at! — ein @anje§ fein möd^te,

roeirfieg, tuenn einmal uerloren, nid^t mieber jn erfetjen märe, unb gmar

als Stü^e aller ®inge. 2)ie§ ift g. ^. bie §ugrunbe liegenbe aEgemeine
a>orau§fe|ung in (Sicero;? 33üc^ern „oon ber Statur ber ©ötter", in meieren

fo oicle gried)ifc^e Sel)rmeinungen über biefelben aufberoaljrt [inb ^). 2)iefe

große unb allgemeine 33ebeutung mar auc^ ber fo mangelljaften grie(^ifc^en

unb griect)ifcl)=römifrfjen 3?eligion eigen, unb le^tere mar in ber ^at für

ba-o allgemeine !3)afein unentbeljrlic^ unb baS einzig 9Jiöglict)e, bi§ ba»
ßl)riftentunx tjerangemacljfen mar.

©inftroeilen aber betitelten gcroiB aud^ fe§r tluge unb gebilbete Seute

bie einmal geltenbe 2lnfcl)auung oon ber mirflid^en ^Nerfönlid)feit ber einzelnen
©Otter bei; ^nbrunft rourbe ja nidjt uerlangt'); biefe fdjönen SBefen ju

leugnen liatte ber ©riedie unb ber gried^ifd) gebilbete Diönter^) gar feine

Urfac^e unb babei modele er fie noc^ immer fürchten, jumal ba iljm bieS

©efüljl fdjon oon ^inbljeit an beigebrai^t roorben mar. ^onfequenteS


Siefleftieren, meld)e§ überliaupt nidit bie <Bad)^ ber großen äJZelirjaljl ber

2Öeltleute ift, überlief er ben '•|.U)ilofopl)en ; unenblid) einfadier mar e§ für

') 2(n§ fpäterer ^z\t gef)ört ^icr^er ireilen bei .<lnIIimacf)og in ben .ö^mnen
^i)iIoftrat. vita Apollon. IV, 14. auf, um bann balb luieber in 0e(et)rfamfeit
-) 33i8 jum I)öcf)[ten 2lugbruct': l^uioy umjufc^tagen.
cKiSiov agiarov (3lri[toteIeö). •') Man fe()e fiel) u. a. bie uermutlic^c

') 58efonbev§ beutlic^ J, 2, wo er, im (Mötternnfc[)aunng beö |>ora5 barauf [)in

eigenen 9Jamen ipiecf;enb, um nöüigen an, tnenn er fid^ fd^on (Od. I, 34) par-

Unglanben aurf) ben üoHigeu Untergang cus dcorum cultor et infrequens nennt.

ber societas gencris humani enuartet. 3raei recöt beleljrcnbc 3(uöfagen an§ ucr=
') Gine iinedite ^snbrunft flaclert bi^= fc^iebencn ßciten f.
9Jacf)trag 4.
©ie ©necken unb ifjre @ötter. 217

{t)n, öffentlich mit bem gonjen 3SoI!e unb bai)eim mit ^amilie unb ©flaöen
bie ©Otter ju eljren. Unb l^iebei braudite er blo§ gu üben, raa^ unoor»

ben!Ii(^ alte ©itte mar; benn ber ilultu§ ^atte mit feinen formen ba§
gange Seben o!)ne^in burdjbrungen ^).

gerner mar ja biefe gange Sieligion nic^t eine fijftematifd^e ©oftrin

unb nii^t eine ©ad^e priefterüt^er Slutorität, meldje gum SBiberfprucEi auf*

geforbert £)ätte, fonbern ei)er eine S^^emperament^^form beg griecf}ifc^en

33olfeS unb mürbe a(§ eigene ©d^öpfung unb al§ ^efi^ beSfelben empfunben.
©ie manbte fic^ nic^t an ben ©ebanfen, raomit man ben 3Jtenfc^en ben
3ugang fo fetjr erfd^roert; fte fteüte feine innern Zumutungen an ben
a)Jenfd)en, öollenbl nid)t auf innere Umfetjr unb Sl^fefe; il;re (Sötter

mürben nic^t unbequem burd) *geilig!eit unb ftörten aud) ben Soderften

nid)t in feinem (Sgoi^mu^; e§ Iie§ fid^ mit ifinen leben unb fogar in

gemiffen 33eäiel)ungen rec^t müft leben. Unb enblic^ mar ber gange ivultuS

mit bem ©enu^ fo uerfloc^ten, ba^ niemanb fagen fonnte, rao bie ©renge
liege, ©a^er l)at t§> im Slltertum groar oiete Ungläubige, aber nie einen

Unglauben be§ Siolfe^, aud^ nidlit ber [täbtifdien 33euölferung§maffen


gegeben nod) geben tonnen^). ®§ ift bie ®l)re unb bie ©efalir l)öt)er

fteljenber ^Heligionen, ba^ fie 3Sertreterlnnen ber ftrengern ©ittlid)!eit,

ja ber ^eiligfeit finb; für bie griedjifc^e mar haS: ©egenteil groar eine

innere ©cfiroäd^e, aber nad) au^en eine Urfadie ber ©tärfe unb ber

^errfdjaft.

Unb abgefel)en oon ber gurdjt yor ben ©öttern mu^ l)ier noc^mal^
auf bie gurd)t uor bem ^enfeit^ Ijingeroiefen roerben al§> auf einen

bauernben unb ftarfen 2Inl)alt aud) biefer 9teligion bei SJ^enf^en ber uer*

fd;iebenften Seben^ftettungen.

') SSon bem Serfialtett ber 53lenfd)en [


58eftrafungbe§(SottIofen nevlangte, fonbern
gecien bie ©ötter fjei^t e§ nod^ jur Qtxt roeil ta^ SSolf mit ber ^Religion aud) feinen
be§ SlpulejuG (de deo Socratis, fialb nac^ I
Äultuö bebrol^t glauben fonnte. — ®§
bem 2(ufang) plurimi . . . venerantur, om- roar niemals nötig, bie S5orf(^rift beS
nes . . . metuunt, pauci . . . diffitentur. ©öttergtaubenS 5um § 1 einer Stabtoer=
-) Dtor^maI§ mu^ f^icr ber 2lfebie ober faffung ju mad)en, roie laut ber giftion
©otttofigfeit gebadjt luerben: ber j)iuf ber= SioborS (XII, 20) ^aleufoS getan I)aben
felbeu brachte jur gried)tfd}eu 3eit immer foEte. 3ln ©lauben fef)[tc e§ im 33oI!e nie.
©efal^r, nid)t nur roeil ber ßorn ber (Sötter
218 3ie[ifliou unb Äultug.

Ser §abeg l^otte fid), inie oben (©. 183 ff.) bargetan raurbe, feit

ber f)omerifcfien ßßit beträdfitlic^ erroeitert; neben bein inbifferenten ©(fiatteu'

rei^ TOar ein Ort ber fi-^mer§lid;en ^ßergeltnng, ja, (für alle großen 3?er'

brec^er, nid^t meljr bloB für ©ifi)pl)o§, ^rantaloS nnb ^^ion) ein Ort
ber eigentlichen Dual entftanben, eine ei^te ^ötle mit ftrafenben S)ämonen,
b. l;. ^Teufeln, weldie ijm nnb in (Strurien jum erfteninale in bie ©et)*

raeite ber abenblänbifc^en 33ölfer rüden; benn biSljer, fdjeint e§, i)attz

man gefährliche !^ämonen nur auf unb über ber ßrbe gefannt. 3)cöglic^,

ba§ au§> einer foufufen i^unbe üom ägyptidjen ;3fiiffit^ einiget l)erüber==

genommen mar, fonft maren bie ©riedien üollfommen fäljig unb in ber

Sage, üon felbft auf biefe 2lnfc^auungen 5U geraten, unb ha§>, maS oor
3eiten jenen roenigen ^reolern aufgefpart geiuefen, allmäljlid) audi oielen

anbern ju gönnen, ^n ber entiuidelten ^oli§ erraud^fen alle 9Irten von


©eroalt unb 33o!?§eit unb blieben entroeber legal ftrafloc^ ober boc^ tat»

fäc^lii^ ungeftraft, roenn man gur lierrfc^enben ^artei gel)örte; bie olijmpifd)en

©Otter aber liefen ben fingen biefer ßrbe fo giemlief) il)ren Sauf, roenn

man fie nid)t einjeln unb unmittelbar beleibigte; nur bie Unterroelt roar

noc^ oerfügbar, unb l)ier fonnte bie '^^l)antafie frei roalten. 2luc^ tjier

ift biefelbe eine unpriefterlid)e, üolf0tümlid)e, tf)eologifcl) auf feine 3Seife

notier motioierte. ^i)xz frül)eften 5lunben finb auc^ nid)t in SBorten,

fonbern in 9lad)rid)ten oon 33talereien auf un§ gefommen. 3ll§ ha^ a.sclf

üon £nibo§ in ©elptii eine i^aUe mit älsanbgemätben ftiftete, get)örte woljl

ein Unterroelt§gi)!lu§ mit einjelnen ^öUenftrafen fc^on jum üblid^en 33orrat

ber bamaligen 9)klerei\), unb bie 9Jialer, roie j. 33. l;ier ber grofee

^^oh^gnot oon 2l)afo§, roareu reci^t eigeutlid) bie 3.\>iffenben; ben i\nibiern

aber modjte e§ aud^ red)t fein, roenn ber 'öo^ljeit auf ©rben etroa^? bange
gcmadjt rourbe. aJian fal) einen 33atermörber, ber l)ier auf ben (S'rmorbeten

traf unb uon il;m erroürgt rourbe ; einen S^empeträuber, roeld^em ein roeib*

lid)er Sämon einen ^ranf eingab, fo baß feine ^uq^ fidi fd)euf3lid^ ent*

fleÜten; enblid) einen roirflid)eu, mit 'Jiamen bcfauuteu Xeufel, ben

6uri)nomü!o, uon roeldjem e» l)ie§, ba^ er htn Xoteu haS^ S'leifi^ abfrcffe

') Uebcr biefen ganjen GJegenftanb von ^oIi)gnot auffälliger SBeife Uebci-:

DCrgl. bei Saumeiftev, 3>enfm. b. flaff. gangene betont irivb.

3Utcrt. bell 3lrt. „UnteitDCÜ", roo audE) baö


Sie ©riechen unb il^re Öötter. 219

unb itinen adeln bie ilnodjen laffe^). — ^n bem Sitten be§ IV. ^al)X'

f)unbert§ „pflegten" bann bie aJialer bie ©ottlofen im ^abe§ barsuftellen


in Segleit wenigften^ oon fc^redUc^en aüegorifdjen ©eftalten, üon ^tuc^,
Säfterung, Dieib, 3lufni^r unb §aber^). (Sd)riftlidje 3lu§funft über hk
Unterwelt finbet üä) bann oon ''^lato bi§> Sucian reic^lid), oom S:^one ber

^rofjung h\§> §ur ^offe ; nur fönnen bie[e 9teifebcric^te u. f. w. über ben
^abe§ perfönlii^e ^Ijantafien fein, raäl^renb bie 9}lalereien einen allgenteinen

©(auben beroeifen. 'Roä) ber ed^te ©ofrate;?, n)e((^en roir in ber angeblid)

platonifc^en 2lpoIogie glauben fpred)en ju Ijören, t)atte bie 3Jiöglid)feit

frei gelaffen, bafe ber Xoh ein bloßer ©c^Iaf, ober ba^ er ber Uebergang
in ein anbere^ Seben fei; oom platonifc^en So!rate» an fommt haä
3enfeit§ l)äufig gur ©prad^e ^), unb einmal f(^ilbert ^slato and) bie roilben

^öllenlned^te, loeUte al§ „feuerglülienbe 3"c^tiger unb Vollerer" bie

©ottlofen peinigen'^), äßi^tiger al§ biefe feine eigenen j^iltionen finb

jeboc^ feine Slu^fagen über ben S^atbeftanb be§ ^enfeitSglauben^ bei feinen

3eitgenoffen.

2lu§ bem 9}?unbe oerfd^iebener ^nterlohitoren bei ^lato erfäljrt man


nun u. a. folgenbeS'^):

„^n ber ^f^äl^e be§ XohzSi fommt gurtet über bie fieute roegen folc^er

S)inge, um bie fie fic^ frülier nic^t befümmert; in betreff ber Sagen über
ben ^abe§ unb beffen SSergeltungen, bie fie bigl;er oerladiten, finb fie

je^t Dott 2tngft, biefelben mi^c^ten roa^r fein; ba fragt fiel) benn ein foldjer:

wem l)aht iä) 33öfe§ angetan? unb roer üiele§ begangen Ijat, fäljrt au§
bem (Schlafe auf. — g^urd)tfame 93öfe fallen bann ben 33efd)mörern an^

^eim, weld^e fie bereben, ba^ e§ 9ieinigungen oon 9)tiffetaten gebe für

fiebenbe unb für 3:;ote, meldie fie SBei^eu nennen; biefe foüen un§ oon
ben jenfeitigen Uebeln befreien, loäljrenb auf bie SZidjtgeroei^ten ©i^redli(^eg

') dagegen 6e[tel)t ber Stadtteil berer, nid^t auf ©leufig bejogen ju raerben, raie
welche fic^ nid^t in bie 3)li)fterien l^abett ein= bei 5ßaufania£i gefd^ie^t.
toeifien laffen, nur barin, bo^ fie £)ier mit ^) Semoft^. adv. Aristogit. I, p. 786.
ben übrigen (meift mi)tf)ifc£) befannten) 3) Sßeld^eg Senfeit§ 5ßIato für feine
©d^attenroaiibelnunbSBafjerinäerbrod^enen Utopen glaubt arrangieren ju fotten, nergl.

©efäfeen tragen. Tlit ben 3)hj[terien fonnten ©. 122.


im ©inne be§ ^ol^gnot etica bie feiner *) Qitat bei ^lutarrf) de vitando aere
|)eimat Sfiafoä gemeint fein ober bie al. 4.

aJirifterien überhaupt, unb fie braucbten ') ^(ato, de re p. I, 5. II, 6. 7. 8.


220 ^Religion unb ÄuUu§,

i)arre ..." Uub in her 9tebe jene§ oerborbenen jungen 2lt(;ener§, ber bie

(Götter mit ©oben unb Söeitjgefc^enfen herumbringen roill unb fic^ bei

Cpfern uub ^ö[e^5tun ber ©traflofigfeit fieser glaubt, fjeifet e§ weiter,

oieHeid^t abficf)tUd) buufel: „@egen unfere uub unferer 9iac^fommeu ^e=


ftrofung im §abe§ üermögen Sßeitjen ^) unb befreienbe ©ötter hoä) oiele^,

wie bie größten ©täbte unb bie ©ötterfötjue, nämlid; 5)ic^ter unb ^ro=

pljeten beljaupteu." ^n einem p[eubopIatonifrf]en, aber nod; alten ©ialog -)

fagt i^leiniag: „?Olein 3]ater fürdjtet fid; feljr uor bem 2:obe, obroo^t er

früljer bie, meldte baoor fd)auberten, oerfpottete unb fanft oerl)öl)nte."

2lu§ ben folgeuben ,3^i^^^ feljlen un§ fd)rifttidje ©enfmäler ber='

jenigen 2trt, raeld)e folc^e Stimmungen erörterte, unb bod) fönnen unb
muffen biefe le^tern fortgebauert Ijaben. Gin ^aljrljunbert nad) ^lato
Müljte ©pifur, welcher nid)t bie föötter, woljl aber bereu @inmifd)ung

in bie Singe biefer äöelt unb and) aüe ©direden be§ ^abe§ leugnete,

inbem nac^ bem Xoht be§ ^eibeS aud) bie ©eele §u fein aufpre. SieS
mürbe, wie alle pl)itofopl)ifd)en 3lnfid)ten, l)ier p übergelien fein, wenn
nic^t bie Sjolf^meinuug märe gegen bie ©pifureer bearbeitet morben, wie
man au§ ^otilreic^en 2lnbeutungen fielet, unb jmar üorjugSroeife wegen
ber :ßeugnung be§ ^enfeitio. (g§ mag tin ben ©öttern wol)lgefäEige§

SBerf geworben fein, epifureifdje Schriften ju jeruidjten, unb üon ben


SBerfen be§ 3}ieifter§ felbft ift beinalje nidjt§ auf nn?^ gefommen, aber
er f)atte unb bel)ielt audj begeifterte 3(nl)änger, welche il)n laut aU
Stetter uor ber §ötlenfurd)t priefen unb biefe weiter nad) allen 5h*äfteu

befämpften:
Et metus ille foras praeceps Acheruntis agendus,
Funditus humanam qui vitam turbat ab imo,
Omnia suffundens mortis nigrore, neque ullam
Esse voluptatem liquidam puramque relinquit^).

') Unter „9BeiI)en" fiub ^ier raol)! '') ^lato, 3lj;ioc^o§, p. 364, b. —
überall get)eiine unb nic^t bie isitufinien lieber bie "|scinigung ber 33öfen im .'pabcä

oerftanben. \^ene. befreienben Wötter, 'hol ebb. 372, a.


•') «ucret. III, 37, uergl. 91. %\\ä)

für rceldie eä üieHeid^t feine ßiuäclaamen (Säfar in feiner 3lebc bei ©alluft (Satil. 51
gab, rcaren bod) lüenigftenä iljreni ^Tafein fagt üoin Xobc: ultra neque curae neque
nad) öffentlich bcfannt, unb ^aufania^^ gaudio locum esse. — Gatoö ©rmiberung
ern)äl)nt jioeimal Üultugftättcn bcrfelben 1 ebb. r)2

]T, 11, 2. X, 38, 4. 1


®ie ©ried^en unb if)re ©öttev. 221

3!)te SBorte be» römifdjen ®i(^ter§ beroeifen jebocf) aüermtnbeftenS,

bafe bie Sei)re @pifur§ oiele unb ftarfe ©efüljle gu beftreiten oorfanb,

offenbar auc^ nodj bei ben griec^ifcf) gebilbeten 9iömeru. (Sine ganj aH«
gemeine 33eroei!Sfraft in biefen fingen würben bann 2lu§fagen roie bie

obigen au^ ^^lalo Ijaben, roeldje beobadjtete 5tatbeftänbe feftftellen; fold)e

aber fei)len in ber Siteratur biefer roid^tigen fpätljeHenifdi'röniifdien 3i^ifd)en»

§eit fo üiel alf3 gänglid). ®enn, wag nur in rI)etorifd)er ober poetifdjer

SlufinaÜung ober 53ere($mmg über bie 33erge(tung in ber Unterroelt ge-

fagt wirb, genügt nic^t, um bie roirflidie ^errfc^aft einer Uebergeugung

barjutun. Dhenianb rairb (Eicero fc^on be^Ijalb al§ einen ernften ^abeS^

gläubigen nehmen, loeil feine erfte 9iebe gegen ßatiliua mit bem ©ebet
an Jupiter fd)lie§t, er möge bie fdjredlidic Siotte aeternis suppliciis

vivos mortuosqiie güc^tigeu ^). %üx bie 2)id)ter, auc^ für SSirgil, ift bie

Unterroelt ooHenbS nid)t oiel me(;r al» ein ^rac^tftüd ber epifdien SRafd)inerie

unb etroa ein 3lnta^ gu 9Sei§fagungen unb gefüf)looEen 33e3iel)ungen, unb


e§ Io§nt nod) ber a)tüf)e, bei ©itiug ^talicu^ in ber graeiten ^älfte feinet

XIII. ©efangeS nad)§ufet;en, wie fid; 33irgil ergöngen unb überbieten liefe.

S)ie ftoifd^e ©enfroeife, raeldje in ber legten ^tit ber ^Jvepublif unb im
erften ^aljrl^unbert ber Tloxiax^k bie ber meiften au^geseidjueten ^ömer
mar, fud^t if)r ^beal auf @rben ju üerroirtlidjen, o^ne einen ^lid auf eine
onbere SBelt, oon ber fie im ©runbe nid)t oiel meljr roiffen roitt at§ (Spifur.

Ueberblidt man aber in berfelben ^ät bie ungeljeure 2lu§bef)nung

be§ ©lauben^ an ^robigien, foroie ben ©ifer, raomit faft aüe ©efdiidjt»
fd^reiber unb 2)id)ter^) baoon ©ebraud) machen, gibt man fi(^ ferner

3tec^enfd)aft oon ber 2ßuc^t ber ganzen ©uperftition im roeiteften ©inne,


meldie auf ^olf unb 33ornel)men lag, fo brängt fic^ ber ©cfilufe auf, bafe

auc^ für baS ©afein nad) bem Xobe ©ebanfen unb ©timmung reic^lid)

üorijanben gemefen fein muffen^). Siefer ©taube ift ja eine uon ben*

2)erfel6e ßicero gibt anber^rao j


nad^ bem 3;obe. — Slufgettärte ^solemif
(in Catil. IV, 4) ju, bafi „bie Sllten" gegen bie SSolf^meinungen oom §obeä I,

jenfeitige Strafen für bie Shid^Iofen alä 5. 6. 21.


öorf)anben erad^tet tjätten, constituta esse ^) 9iur ein Seifpiel Sucan I, 525 ff.

voluerunt, roeil fie einfallen, ba^ ol)ne 2) 2)en ©lauben an bie 9?ät)e ber
fold)e ber 2:ob gar nid^tg j^-urc^tbareg ©dEiatten unb bie bantalg gar nid&t feltene

l^ätte. — '^m 1. Suc^ ber Xu^culanen eine ^ragiä ber Sefd^aiörung folc^er fann man
2tu§Iefe an% ^^ilofopl^en über ben Suftfinb l^ier bei Seite faffen.
222 Steligion unb Äultii§.

jenigen Straften, melrfie immer uon neuem nn bie ^^forte pocfjen, nament»
li(^ in Seiten unb fogennnnten Silbung§fp!)ären, meiere fid^ auf immer
barüber Ijinmeg mäljuten. 2)a§ aber bie Superftition um ba§ ©nbe
beiS I. ^aljrljunbertS n. Sl)r. otineljiu im 2öadj|en mar, uerrät unS mieberum
jene fd^on oben genannte raidjtige ©rfirift be§ ^slutard) „uom Slber»

glauben" ^). 2l(§ optimiftifdjer 9}tonolt)eift fud)t ber ä>erfaffer einen pljeru

©lanbpunft einjunelimen foraol)! gegenüber bem 9ltt)ei'omu» aU ber „noc^

fd)äblid}ern" Superftition , unb nun menbet er fid) fortroäbrenb gegen

beibe. 9Bir erfaljren, ba^ bo§ ©efüljl Unääl;liger in betreff ber ein*

£)eimifd)en mie ber fremben ©ötter je^t nur nod) ba§ einer tiefen, jammer*

DoQen j^urd)t mar, unb au^er biefen fc^einen aud) namenlofe ©ämonen
erft red)t §u ilräften gefommen ju fein.

„'li>er bie ©ötter (Ijeißt z§ ha) nur noc^ fiird;tet, ber fürd)tet alle§:

(Srbe, aJZeer, Suft, Stimmen, 3:^räume . . . 9tuc^ im ©d)laf, ber fonft

aud) ben ©flauen feinet §errn wergeffen lä^t, ift eine fo(d)e ©eele Der*

folgt uon 33i(bern nnb ©rfdieinungen unb ^^'einigungen ... ®a fäUt

man htn Sefdnuörern nnb ©oeten unb 3^"t)cruieibern in bie *Qänbe;

man taud)t in§ 3)Zeer ober in ben (Srbfd)lamm, mirft fid} Quf§ 3tngefid)t
unb ruft bie ©ötter mit törid)ten 9kmen, mit frembfprac^igen Formeln . . .

2Ser bann einmal bie angeftammten, erl)altenben, gnäbigen ©ötter, uon


n)eld)en mir alle» möglidje SSoljlergelien erbitten, nur noif) fürdjtet, ber

mirb überljaupt feinen @ott mdjx finben, ben er nidit fürdjte . . . ^er
2lbergläubige be^nt biefe§ ©efüljl an^ über ben ^ob au§ unb ift üoü
©orgen oor Seiben, meldte nnfterblic^ fein mödjten; tiefe "Pforten be»

^üht$ geljen auf, e§ gätjuen ^cuerftröme nnb Slbgrünbe ber ©tyr . . .

©d)redlic^e C>3eftalten unb Stimmen laffen fid) uerne^men, 3iid)ter unb


3ü(^tiger . . . ^tht§, Ungemad^, ba» einem folc^en juftöBt, ift für il;n

ein ©d)lag ber @ottt;eit, bie iljn \^adt ... 3)a fe^t er fid^ brausen in
Sumpen ^in ober malst fid^ nadt im Sdjlamm unb fagt laut l^erau'o,

n)a§ er oon oünbe ober 9tadj läffigfeit begangen, unb märe e§ nur, baf?

er biefe§ ober jene§ gegeffen ober getrunfen ober einen 'ißeg betreten, ben

bie ©ottljeit iljm nidit geftattet I)ätte . . . ^m ^^^f^^" '^'^^ f^fet ^^ ^^''

l)eim, umgeben uon Opfern unb 3aubermitteln, unb alte 2Beiber fommen

') De superstitionc, :in>i &ti<Jiö'((ifxoyic<s^ Bernardakis I, 403 ff.


Sie ©riechen unb i^re ©ötter. 2^3

unb pngen an U;n wie an einen 9^oget, roaS i§nen nur (üon Slmuletten)
einfäüt ... ®r fürchtet Slrtemi^, 2lpoIIon, .§era, 2lpl)robite . . . freiließ

aber gang be[onber!§ bie [ijrifdje ©öttin, lue^e beu, ber ©arbetten ge'

geffen, mit ©efd^raüren unb 2lb§el)rung ber Seber oerfolgt."


©inige ^^J^Ji^S^f^'^te narf) ^(utard) fdjvieb Sudan, jener oottenbete

2ltf)eift, beffen Sdiidfal e§ aber l)at [ein muffen, für bie fteigenbe §oc^=
füit ber ©uperftition un§ maffenl;aft bie raiiiitigften ^atfad^en ju über»

liefern. 2)ie ©ötter werben in feinen Sdiilöerungen §um fomifdjen Dbjeft;

fie finb oott Sorge, Sangemeile unb ^^^urcfit wegen 2lbfall^ unb 3Serac^tung
ber SJienfc^en, unb roeil Slmbrofia unb Dieftar im greife aufgef(f)lagen

l)a6en unb am 2lu»ge{)en finb^) — nur ba§ jur Qdt be^felben Sudan
riefige ';Jempe(bauten fic^ erijoben, wie §. 33. bie oon §eIiopoIi§, unb bafe

er felber ber ftärffte QzuQ,t ift für bie a}taffe be^ 5lultu§ fowo^l al^

feiner ^aftarbform, ber ©oetie im weiteften Umfang be» SBorteil. ©anj


gewi^ l^atte auc^ Sudan feinen ^rei^ üon Sewunberern, wenn er nidjt

nur bie ©ötter oerljöljnte, fonbern aUeg 3llte unb ©ro§e überljaupt, anä)
bie alten S^^^^^/ ben dluljm unb bie ©c^önljeit; aüein jener ^rei^ war
lange nic^t bie ganje römifd)=gried^ifd)e 9Selt. ©benfo oerljält e§ fid) mit

feinem ;3^nfeit§: wenn e» je einen antifen ©djriftfteEer gegeben l)at, für


weldjen mit bem ^obe aüe!? ein ßnbe t)atte, fo ift bieg Sudan gewefen,

unb ber ^abe§, weldjen er mit fo oieler 33ortiebe bel^anbelt, ift nid)t§

aliS bie ©jenerie für feinen ©pott. ^n biefer oben bunfeln 3Se[t, wo
e§ ftatt ber t)omerifd)en ©djatten lauter lebenbige ©felette gibt, wie in

unfern 3::otentän§en, t)ört man faum einen mit^^xn Son al§> ha§> fd)allenbe

©eläd)ter einei§ SJfenippoS unb anberer obiöfer ©ubjefte, womit bie neuen
StnEömmlinge gefränft werben; e§ finb Ijötjuifi^e S^eufel, wetdje \id) be§

Jammers i{)rer 3}JitffeIette freuen; nur ift ja bie;! aUeS nidjt ernft gemeint,

fonbern eine 3teii)e oon Rieben gegen bie 3)Zäc^tigen, ©enieBenben unb
33erü()mten ber ©rbenwelt. 3Bie würbe man aber irre gelten, wenn man
bie wirflidje ^^sl)antafie ber meiften bamaligen ^DJenfdien naä) Sucian be=
urteilen wollte! ©iefelbe wor oon ganj anbern 33ilbern ber jenfeitigen

3öelt I)eimgefud)t , unb ben balierigen ©orgen fud^te fic je^t burd^ neue

Sßeil)en gu begegnen, welche and) mit 2l§fefe, wenigfteng mit fe^r läftigen

') Sucian, deor. concil. 14.


224 3fieIigton unb Äultu§.

3eremon{en üerbunben luaren. ^er alte Olymp genügte nit^t meljr;

^rembg Otter üerfrfjiebener ^erfunft waren fcf)on in bie fpätere griec^ifdje

unb bann in bie röniifi^e 9ie(igion cingebrungen, roaljrfdieiniid^ gum 3:^eil,

rocil fie für t)ilfreid)er unb fräftiger galten al% bie einljeimifdjen; an fie

(fingen fid) je^t feit beut II. ;3^^)i^i)^ittbert n. ßi)r. ©eljeimbienfte neuer

2lrt, ineldje bie loadjfenbe Sangigfeit üor bem ^^nfeit^ berufjigen foüten,

ba e§ jene alten 9Jti)fterien äl^nlidjen ^nl)a(t§ offenbar nid)t mel)r üer*

mod;ten. Stuf biefer Strome begegnet man bem ßt)riftentum.

33eibe Üieligionen l)atten in it)rem bamaligen 33eftanbe bal i^cnfeits

3um ^auptanljalt, jebe in ilirem ©inne, ba§ (Eijriftentuni aber bot ein

roeit mäd)tigere§ unb er(;abenere§ 33ilb einer ©loigfeit bar, §u weither

atte?^ 3^^^^^^^ ^^^ 'Vorbereitung fein foQte. ©ein 9Inerbieten ging an


jebermanu unb ntad)te ade 33efd)roörer unb Sßeiljefünftler überfUiffig.

9lun blieb noc^ ber 3Serteibigung§fampf ber biiofjerigen (Götter gegen ben
neuen großen unb ©inen ©ott. ®a ermie^ e§ fic^ benn, bafe jene, bie

ein()eimifdien raie bie fremben, fid) aufgelebt tjatten, aber aud) je^t nod)

würben fie fidj raoljl länger geroebrt baben, raenn it)r ivultu^ nod) ge=

blül)t fiätte, roenn nii^t, mie oben bemerft, ba§ alte Sünbni§ jioifdjen

©ötterbienft unb Sebensfreube ftar! gelodert geroefen unb nad^ljer geroalt^

fam unmöglich gemad)t morben wäre.

©ebenfen wir §um (Sd^luffe aud) no($ be§ SSerljältniffe» ber bilbenben

^unft 3ur Steligion; i)at bocb bie Stunbe ber entfcl)iebenen ©rfranhmg
beiber im II. ^aljrljunbert faft ju gleidjer ^dt gefdjiagen. 2lllerbingy

mirb mebr nnfere 3ll)nung aU ivgenb ein fc^riftlid)e§ S^'ugitiS barübcr

entfdiciben, roa§> bie 5tunft, mäl;renb ber fed)* ,3a^rl)unberte il;rer l;üd)ften

Sluöbilbung, für bie 9{eligion wert gemefen mar.


©ie mar einft nic^t ba§ grül)efte; lange oor i{)rer 33lüte mar baS
@po§ offenbar fd)ün ganj erfüllt gemefen oon ber ©d)önl)eit ber Clpmpier.

3[ud) ift bie Äunft überl)aupt nidjt eine ©runbfraft ber :)i'eligionen; tuv^

Heiligtum, in roeld^em fie l)eran ju road)fen pflegt, mufs fd)on oor \i)X

oorljanben fein, unb meljr al§ einmal in ber G3efd)id)te Ijat fie ibre oolle

^ölje erft in ^txUn errcid}t, ba bie l'Keligion in ben obern 6d)id)ten be^

^^olfee bereite im roanfen mar. ':)hin aber fann fie allerbingci eine Stütze

ber ^ieligion merben, unb ber oli)mpifd)e ^tn^' beio "ipljibia!? erljöl;te nod)
2)ie ©riecfien xmb ii)xt ©ötter. 225

einmal bie Slnbacfit ber ©riedjen'). Ueber^aupt finb bie griei^ifi^en

©Otter ifjren ^ünftlern ben allergrößten 2)anf fc^ulbig, benn bie[e gaben

i^nen nic^t nur eine im ©runbe unoerbiente ^bealität an firfi, fonbern


auc^ eine foldje, über weld^e fic^ ein Uebereinfommen unter oieten ^ünftlern

unb ein üöUigeS @inftimmen ber 3iation ergeben !onnte. ®iefe Dotation
muß bann iiiren großen 9Jieiftern im ftitten zugetraut t)a6en, baß biefelben

ba!o SSermögen t)ätten, ©ötter nict)t bloß überfiaupt gu fc^auen, fonbern

ftet§ üon neuem unb in SSanbelungen gn fc^ouen. Unb im IV. ^al)r=

t)unbert, aU ©fopaä unb ^rajiteleS bie ©ottenuelt be§ ^|ibia§ unb


^olt)!let in ber rounberüottften SBeife umgefc^affen tjatten, trat eine ^raft

§utage, über meld}e fc^on bie griedjifc^en B^itgenoffen trotten erftaunen


bürfen: biefe SJieifter trotten fid) fönnen innerlich unberührt ertjalten nic^t

nur t)on ben potitifd;en unb fosialen Kataftrop^en , uon meieren fie um=
geben waren, fonbern fogar üon ad bem gerfe^enben ©erebe, roeldjeS

bamalg bie Suft erfüllte; bie 2)id;tung aber l)atk bieg nidit oermodit.

S)ie ^unftgefc^ic^te i)at fid) bann unnötige ©orgen barüber gemadjt, ob


ni(^t feit ^^raj:iteleg ha§> 9Zeufc|auen üon ©Ottern aufget)ört i)aht: mir
raiffen je^t, baß noc^ um ben 2lnfang be§ II. 3aijrf)unbert§ ü. ßtjr. ein

©eroaltiger lebte, beffen 9kmen mir nic^t fennen, berjenige, roeld^er ben

2l(tar üon ^ergamon fc^uf. Unb biefer muß aud; noc^ bie &ab^ geJiabt

t;aben, i^unftgenoffen gu finben unb §u bilben, meldte i{)m ba^ Söerf in

©inem Qn%t auSfül^ren t)alfen.

Stritt man noc^ etmaS meiter jurüd, um ba!§ gefamte ^^änomen


ber ibealen griecbifc^en ^unft mit ©inem 33Iid p überfeben, fo roirb
ba^felbe gunäd;ft beroeifen, baß bie 9teIigion, beren ©ebilbe Ijier oer|err(ic^t

finb, nod) einen anbern 2lnt;alt t)atte, aU bie bloße ^^urdit, fo roie ja

unfere gotifdjen 3)ome nic^t au§ reiner ^öllenfurc^t entftanben finb.

©obann ift nid)t gu bejmeifeln, baß bie ^Ration biefe I)o{)e ^unft aU einen
S3efi^ betrachtet Ijaben mirb roie it)ren ^ultu§, baß ferner bie ^unU oon
ber geroaltigen Ueberlegenl;eit ber gried)ifc^en G)ötterbilber über hk aller

$ßölfer ringsum roeit verbreitet gemefen fein muß, unb baß oud) t)ier ha§
iQOc^gefüI;! be§ Hellenen gegenüber aßen ^Barbaren unb ^albborbaren
feine reid)Iid)e 3iat)rung fanb. ^nnertjalb ber 9iation felber aber muß
^) Quintil. instit. XII, 10 cujus pul-
: religioni videtur; adeo majestas operis
critudo adjecisse aliquid etiam receptae deum aequavit.
3. SBurcr^arbt, ©riec^ifc^e Äu[turgef(J)i(^te II.
15
226 3leagion unb Äultuä.

ein SerauBtfein baoou gelebt tiaben, ba^ jene ©runbfraft aller griecfiifd^en

Singe, ber SBettftreit («/&»•) üon ©tabt unb ©tabt, Tempel unb Xempel,
3)Zeifter unb 9JJeifter and) bie ©ötterbilbung auf feine ©djroingen genonu

men unb fo t)od) emporgetragen Ijatte, also auf ©rben überljoupt benfbar
war. Unb ai§> bie 9ieufrf)öpfung üon ©öttertijpen rairflic^ ftiöe gu ftet;en

begann, ftaxh beS^alb bie £unft boc^ nid^t ah, fonbern beJ)auptete fic^

burd^ lebenbige Sßieber^olung be^ SSorjüglidEien.

S)ie§ f(^öne ©ötteroolf ftanb in 2:^empeln, in tieiligen SSe^irfen, auf


ben ©äffen unb ^tä^en ber ©tobte unb aud) brausen im freien bi§ in
btc 2BaIbe§einfam!eit. 2]on ilirer @mpfinbung biefem allem gegenüber
()aben bie ©ried^en feine SSorte gemacht, unb inmieroeit auc^ ba§ feier=

lic^fte ^ultbilb eine§ 2:empel§ bie ©ottljeit felbft fei (üergl. ©. 157), i)at

etroa einmal ein 3weif(er, aber nie ba§ ä?ol! felbft erörtert. 21I§ bann
bie £unft fanf, mürbe bieg nod^ lange nic^t fül)tbar, meil bie (5^üIIe be§
bi^^er ©efd^affenen nod; baneben ftanb.

2lucl) bem Tli)ti)n§>, bem bewegten Seben ber ©ötter unb ^eroen
l)atten ^laftif unb 93?alerei ein ©afein uerlieljen, meldlieg über alle ge»

meine irbifdje ©laubl)aftig!eit m<i\t t;inau§ ging unb in feiner ^i^ealität

für aUe ^a^r^unberte ber gried)ifd)en Kultur gleidimä^ig oerftänblid; mar.


©0 roeit nun bie 9ieligion unb ^unft fid) ftü^ten, fo auc^ 9)h)tl)u§ unb
J^unft, ein 5]erl)ältni§, roeldieS man auc^ Ijier fd)roer genau fd)ä^en fann,
aber noc^ ni^t gering fdjä^en barf. 2)em 9}h)tl)u§ mit (Srflärungen 3U»

fe|en fonnte jeber ©opl)ift; bal 5ßolf aber mirb roenigften§ geal)nt l)aben,

bafe biefe Silberroelt feine eigene ©efc^iclite im großem ©inn entljalte.

Unb gerabe biefe fo oöUig gried;ifc^e ©d)öpfung ift bann mit unenblidjem
(gifer uon ^töli^i"« unb i)iömern, oon ben le^tern aud) in ber '^^oefie,

^erübergenommen raorben; — wie lebenSfräftig mufe fie in ber ^eimat


geroefen fein!

3fiod^ in einer meitern Sesiel^ung blieben 9ieligion unb .^unft bei

ben ©riedjen lange oerbünbet. S)ag ill'eil;gef(^enf an ein .S^eiligtum, ein

alter Sraud) bei mondjen 3leligionen, mod)te e!§ bie banfbare :Ööfung
eineig ©elübbeio fein ober bie m§> 3)auernbe unb ©roige umgefetjte ©eftalt

eineg Opfers, uield)e ben Dpfernbcn im ©ebäd^tni^ ber ©ottbeit erl)alten

foüte, l)atte fid) bei ben (^5ried)en oom materiellen ÄVrte befreit; an bie

©teile ber ©olbfd)ät3e gatlifd)er Xempel, ber ©olbbarren be^^ i^yberfönig'S


Sie ©riechen unb il;re ©ötter. 227

war t)ter meJ)r unb mel;r ha§ ^unftroer! getreten. Unb nun üergegen»
raärttge man fic^ neben ber !ünftleri[(^en bie religiöfe SBirfung jener

unerme^Itd^en SJJenge ber Slnatljeme, oon ber bef(^eibenen ©pototafel in


«tnem f leinen Stempel, einer ^eroenfopelle big ju ben oft gewaltigen
©ruppen, myt^ologifc^en, attegorifc^en, l)iftorif(i) politifd^en i^itfialtS, raeld^e

ben l;eiligen 33e§irf oon Olrimpia unb bie Si^erraffen oon 2)e(p!)i füllten.

2lug biefen SBei^gefdienfen fprac^ oor aEem nic^t meljr bie älngft, roeld^e

bie ©ott^eit bur(^ ©toffioert gerainnen raitt, benn E)ieoon f)atte eine l^ol)e

^unft bie ©emüter loSgebrorfien. SBenn etraoS ben ©inbrucf trübte, fo


raar e§, ba§ man^eS biefer SBerfe einen ©ieg oon ©riechen über ©riechen
oereraigte, ba§ übrige aber raar eine enblofe 9teit;e oon ß^UQ'iiffßi^ ^^^

^römmigf eit , ber ftäbtifc^en ^raft unb eines 5^unftoermögen§ oon ^a^t'
]^unberten sugleic^. 2lber auä) ha§> einf ai^fte SSotiorelief !onnte an bie
Sf^älie großer SJieifter ntat)nen unb geugte pgleic^ oon ber ^ietät berer,

joelc^e üor^er gelebt Jiatten. (Gegenüber großen religiöfen ©türmen rairb

auc^ biefe 9Belt oon ©d^öpfungen ol)nmäc^tig fein, aber fo lange eine
alte 9ietigion überliaupt noc^ lebt, werben folc^e Söeiligefcbenfe für bie

alten ©ötter ein ©efü^t ber fd^ä^barften Slrt lebenbig erhalten: bie

9iüt)rung, roeli^e man für bie ©tiftenben empfinbet, roirb aucb ben ©öttern
^ugute !ommen.
III.

Der gricchifcbc I^crocnkultue»

)o lüeit gried)ifc^e§ Seben fici) über ©täbte imb SQnbfd)Qften auS»


breitete, fat; man überall aiifeer ben Tempeln auä) ^eroengräber,.
roeldje einen regelmäßigen, alljä()rlid}en, nirf)t feiten mit ?^urrf}t

uerfnüpften, oon pbantaftifd)em 2lberglauben begleiteten Sienft

genoffen, bisweilen aud) aufeerorbentlid)e 6üt)nungen oerlangten. @§


fonnten bloBe ©rabmäler uon einer ber geraöljnlid^en ^-ormen fein, aber

aud^ eigentlidie ©ebäube C^Qfpu) mit fQulengefd)müdtem Dberban, um^

geben oon Pflanzungen, alten S3äumen unb fogar einer ^aUe ring^3 um
ba§ ©an^e ^). ^i^roeilen ftanben fie in STempelliöfen ober auf ber 2lgora,

ober fie befanben fic^ in ber 9)iitte be§ (StabtE;aufe§, beg ^rptoneion ober

^uleuterion^). Slnbere fal) man auf bem Sanbe, oft roeit oon ben ©täbten
entfernt, bi§ in einfame Sßalbtäler. Sie raenigen erl;altenen tiefte, ba§

fogen. ^arpago^benfmal oon Xantl;oö (im britifdjen 9}iufeum) unb ba§


Heiligtum auf bem ^ügel über 9)Jt)lafa in S^arien geben eine ungefälire

33orftelIung^). ^n mandien 2:;ragöbien fa^ man bie J^l^ijmele ber Orc^eftra

5um ^eroengrab umgeftaltet, unb bieg oljue Bw'fif«^ i" ^i"^^ K^i^ fd}önen

2Beife. 2lfi)lred)t unb Drafel fdjloffen fid) nid)t feiten an biefe (^)rabmäler

an. 58on ben aUerroic^tigften^eroengräbern aber waren manche nic^t fid^tbar;

in einer ^rtjpta unter bem (Sred)tl)eion lagen bie ©ebeine be§ ^efropS unb
be§ 6red)tl)eu§, unb oft rourbe bie Stätte überhaupt gel)eim get)alten.

gür bie Hunbe oom 3lnblid ber ^eroen felbft forgte bie bilbenbe

') SBerflI.2f)uti)b. TT, 17,roobte$croa, I


-) hierüber bef. ^^aufan. I, 43, 3.

lüie bie Xempel, ben in bie ©tabt ©c* ^) 2)Qg .'öarptjienbenfmal uon Xant^oS-
flüchteten ein Dbbad) gercä^ren. ©ine blo^e (ebenfalls im 93rit. iliufeum) unb baö ®vab
|

'JJ^auer um ben t)eiUgen Siejir! (liuiyog) i


beä Sljeron bei ©irijenti nrnren luoljl blofie

roirb bei ben meiften Dorau!8jufe<3en fein. ipnDatgräber.


— Sinjelne Öräber non öeroen rcarcn
ganj einfach, etroa ein blojjer ©teinblocf,
^laufan. IX, 5, 7; nergl. IX, 18, 2.
25er gried^ifd^e |)eroenfuItu§. 229

tuTtft, teil^ in ©inselbarftellungen, teilg in jenen oft fe(;r au^gebe^nten


anatfiematif^en ©ruppen, beren einjelne (^eftalten ^aufonia» aufjuäätjlen

pflegt^), ntd^t ju reben üon ben oieten fonftigen SSilbiuerfen , in raelc^en

^eroen oorfommen fonnten^). ^n ber Tlakxti follen fie burc^ eine

Stnreola ausgezeichnet geraefen fein.

9BeI($e wunberfome SBanbetungen ber Segriff ^ero§ burd)marf)te,

iinb roie eine unb biefelbe ©ottung üon S^i^ßmonien uräeitlic^en, nur ber
^oefie ange^örenben SBefen unb für Jioc^oerbient geltenben Seuten ber

fpäteften ^tit beS uerfonimenen ©riec^entumS borgebrac^t werben fonnte,


wirb weiterhin ju erörtern fein, ^ür biefe 33erel;rung gab e§ ein eigene^
9titual ^), oerfdjieben non bem be§ ©ötterbienfteS (raelc^er cor oHem ha§>

33ranbopfer üorauS tjatte)*). Sieg diitual mar Jierüorgegangen au!§ bem


geroö^nlic^en ©rabbienft unb offenbar nur eine feierlii^ere ©eftalt beS
le^tern. ©(^on bie Spanien lauteten anberS: ©tatt Heiligtum (if^ör) §teB

e§ Neroon ober cf^xog (©infriebung), ftatt ber Slltäre (ßw/itoi) fjatte man
niebrige, ja oertiefte §erbe (icxägai), ftatt opfern (d^veiv) fagte man mit
einem befonbern 3lu§bru(f ivay^l^iiv^). ®er ©ienft gefd)af) in ber 3lbenb«

bämmerung, anä) bei 9k(^t. 3JZan grub eine ©rube an ber SBeftfeite

beS ©rabmalS unb fprad§ bie Formeln gegen SBeften geroanbt^); bie

Opfer, meiere man in bie ©rube go^, waren SBein, dMid), TOof)(rie(^enbe

Salben unb 3:;ierblut, te^tere» oI)ne S'^^if^^/ ^^t^ ^^^^ ^^" 3Serftorbenen
burc^ beffen ©enu^ mieber belebt bai^te, mie bie ©chatten im elften

©efang ber Obpffee^); bie Dpferflammen , oon meieren bie 9iebe ift^).

statt oHer übrigen <Bt^ü^n ^aufan. aber büraeilen unterfd^ieben raurbe, oergl.
X, 10. ^aufan. II, 10, 1 bei ainta^ be§ §erafle§^
^) S)ie brei oergolbeten ©tatuen auf l^eiligtumS in ©ifpon. Seförberung eineä
bem römifc^en ^rac^ttor in ^aträ ftellten öeroä jum ©ottburd^Drafelfprud^: ^aufan.
bie Drtg^eroen al§ Knaben bar, oieHeic^t III, 15, 5.
in einer römifd^en Umbeutung? ^aufan. «) ©in ©tue! alten 9«tual§ bei STtl^en.

VII. 20, 3. IX, 78.


^) ^aufan. IV, 3, 6, rd vofj,i^6{j.tpa ^) ^n mtjt^ifd^er ^t\i famen aud^

2)Zenfd}enopfer Dor: 9ieoptoIemog opfert am


^) ^aufan. II, 10, 1. ®rabe feinet 35aterä bie ^olij^ena, raoüon
^) 2tug ^öfTid^feit rourbe bieg SDort bie prctrf)tige Sc^ilberung ©uripib. öefabe
aud^ uon geroöl^nlid^en Jotenopfern ge= 520 ff.
'^n^ für bie Heroen einer Stabt
braud^t, fo mefjrmatg bei 3fäo§. Qn un= auf Kreta rourbe auf Sefef)! eine§ Crofetg
genauer 3?ebe roirb anberfeitä auc^ com eine Jungfrau geopfert, ^art^enio'» c. 35.
<§eroenopfer oft &vtiv gefagt. 2Bie fd^arf ») ^aufan. IX, 18, 3.
230 Steligion unb ÄuItuS.

fticgen ntc^t auf oon einem ^ierbranbopfer, fonbern it)of)l nur oon 2Bei(}=

xanä). 3n ber pI)o!if^en St^ronis ^) geno§ ein ^ero§, über beffen raal)ren
dlarmn man [tritt, unter ber 33e3ei^nung SlrrfiegeteS fognr einen täglidfien
^ult; bie ^^I)ofier goffen ha§> Slut burd) eine Deffnung in ba§ örab.
3lm ^arpijienbenfmal oon Xantf)og ift eine Oeffnung ju folc^em ^m^ä^
nod^ fid^tbar; am örabe bei ^i^afint^ol, roetd^eS [id^ ju 2lmr)!lä in ber

altarä^nlid^en SafiS bei riefigen SlpoHon bcfanb, mar linfS eine el)erne

^ür angebrad^t. ©ine weitere 2lnbad^t mar ba§ SSefränjen ber §eroen=
gröber, aud^ ba§ Einlegen abgefd^nittener Sodfen; roid)tigern ^eroen aber

mürben oft fetir grofee 2luf§üge gel^alten unb prärf)tige ^ampffpiele

friegerifd^er mie mufifc^er 2lrt geftiftet, mie einft in ber alten ^nt allen

üorneljmen ^oten, beut (jomerifc^en ''^atrofloS mie bem 2lmpt)ibama§ oon


6i)alfi§^). S)iefer 2trt maren bie „glän§enben Opfer" ber Sletolier ju

e^ren bei ©efd^Iedfitl bei Dineul, alfo STribeul unb Siomebel, oon
roelcfien ^inbar^) fingt; ber 'i^'i^Uv mu^te aber fogor perfönlic^ mit
^eroen umguge^en : bei feiner 2ßoI)nung in 5:{)eben I;atte er einen „^aä)'
bar unb ^üter feiner ^aU" am §erol 2lIfmäon, meli^er i^m oor einer
9ieife nad^ ®elpi)i erfd)ienen mar (roenn aud^ raoljt nur im 2::raume) unb
i^m eine SBeilfagung gegönnt t)atte; „iä) fd^roinge 33Iumengeroinbe an

x^n unb ne|e i^n mit ©efang*)."


S)en möd^tigften ©ruft bei t)eroifd^en ©rabelbienftel oerrät unl aber nur

bie 2;ragöbie. ^n ben „©^oepljoren" bei 2lefd)i)lol ift oon Slnfang an ber im
©rabe lebenb, ermutigenb, f(^ü|enb gebadete 2lgamemnon eine mitlianbelnbe

^raft, o^ne mel^e bie ganje 9iac|e nid)t pftanbe fönte; er mirb oom 6I)or

(33.450) angefleht, herauf anl Sid)t ju fommen, unb Creftel (33.480) ruft bie
erbe an, il;n emporjufenben'')- ^n ben ,/:perfern" gefc^iet)t biel mit 2)areiol

roirfUc^, unb 2lef rfiplol mögt mit bem perfifd)en^elbenfönig, mal er mit einem

') ?ßaufan. X, 4, 7. 2)af; man bann rufenen bie 9lebc, allein bie ©jene gel^t nid^t

ba§ gleifc^ an Dvt unb ©teile t)erjel)rte, am ®rate cor fic^, unb ebenbieä gilt von
raar gegen jeben fon[tigcn ©rabrituö. ben 2lnrufungen im „DrcfteS", 58. 1225 ff.

-) ^efiob. opp, et dies 652. — 3n ber „^efabe" aber SB. 107 roirb

") ^inbar, 3ftf)m. JV, 24 ff.


erjäf)lt, raie Slcf)iU in golbenen SBaffen vox
*) ^inbar, ^gtf). 8, 56 ff. 2)aö Neroon bem gaujen griediifc^en $)eer über feinem

entt)ielt üieHeic^t ein Crafel. I


©rabe erfc^eint, um bie Rötung ber "l^oli);

'•) 33ei ©uripibes in ber „(SIeftra" ift Jena ju »erlangen. 33ergl. auc^ ©opb'-'>fl.

jroat üon Stgamemnou alö einem im Örabc eicftra 453.


^örcnben unb mel)rfacl) um ."öilfe Singe-
2>er gned^ifd^ $erocnfuItu§. 231

grieif;ifc^en §ero^ auf ber ©jene fi^roerlic^ roürbe gewagt l;aben: ha§>

ooflftänbige unb großartige 33{lb einer Xotenbef(^töörung.

S)em 2tiQ§, ©ol;n beg Oileusc, raurbe in feiner Heimat 2oh\§> ad*
jätirlic^ ein reid) mit Opfern belabeneS (Sd}iff brennenb ing 9Jieer I)inau§=

gelaffen^). ^Durd) ben ©reijac! be§ erzürnten ^ofeibon war einft bie

flippe, auf n)el(f)e er fid) gerettet, jerfdimettert unb famt bem gelben in

bie ^lut geworfen roorben, unb nun fanbte man auf gut ©lud ein Opfer
au^, roeli^eg i^n auffudien foUte.

®en Urfprung aüer biefer Uebungen barf man in ben früt)eften

3eiten fuc^en, ba bie S^oten be§ ^aufe^ '^)


näd^ft bem geuer be§ ^erbe§

al§ göttliche SBefen galten. SBag ^ieoon fid) meiter bi§ in bie fpäteftc

^iftorifd^e 3ßit rettete, mar nod} immer eine 2lrt oon religiöfem ^ienft,
ber an ba§ @rab gebunben mar, unb jmar im 3ufammenl)ang mit einem
befonbern ©lauben in betreff ber ©eele. ^n ber uon feiner Ief)renben

Slutorität geleiteten griec^ifc^en ^Jieligion beljauptete fic^ neben ber t)omerifd^en


©c^attenroelt unb ben baoon abgeleiteten C^kbanfenbilbern eine öltere Sin»

f^auung, monac^ ber beftattete S::ote — gleic^oiel ob feine Seidie begraben


ober oerbrannt roorben — nod^ mit irgenb einem %dl feinet geiftigen

2Befen§ im ©rabe roeiterlebte. ®r fonnte (jören, roaä man ifim jurief

ober guftüfterte, unb für bie ©etränfe, bie man il)m in fein ©rab goB,

für bie ©peifen, bie man in beffen 9Zä^e ^infteHte ober begrub, rourbe

tf)m noc^ ein ©enuß zugetraut, ja ein S3ebürfni!§. ®r fonnte, anä:) roenn

feine ©ee(e roeit entfernt gebad)t rourbe, jum ©enuß ber Opfer t;erbei=

fommen. S)ie weitem ©diattierungen biefeg ©laubenS, wonad) bie ©eelen


bei ben ©räbern weilten^) ober biefelben befud)ten ober im ©efolge ber
^efate ^erumfd)webten, mögen ^ier aufeer Setrac^t bleiben.

3cun f;at ba§ 2Bort §ero§ neben feinem befannten, fel;r auSgeic^nenben

©inn im täglidien 2ehm aud^ nod) einen befd)eibenern, al^ C£-l)renbe5eid)=

') ®ubocta Siolar. 30. cula consulunt; precatique quae volunt,


^) 3"crft im §aufe fclbft, bann in ubi tumulis incubuere, pro responsis
beffen ?iäf)e beftattet. — 33on einem fc^roer ferunt somnia. SSieHeic^t löar e§ in uralter
5U beftimmenben S>oIf in 2lfn!a, roelc{)eg 3eit bei btn ©riechen nic^t üie( anberö.
in einer Sinie mit Sroglobpten unb ®ara= 9iDc^ auf bem @rabe beö Sofrateö roerben
monten genannt roirb, f)ei^t e§ bei ^om= rcir ben Äi)rfa§ fdjlafenb finben, unb
pon. 5DIela I. 8: Augilae Manes tantum ©ofrateg erfc^eint i^m im Sraume.
deos putant, per eos dejerant, eos ut ora- =>) ^^Inton, ^^äbon, p. 81, a. 108, b.
:

232 Sfleligion unb ^ultug.

nung für jcben irgenbraie ange[el;encn 33erftortiencn, etroa toie t)cute „ber

©elige", unb btefer ©ebraud^ be§ SBorteg fonn ber alte unb urfprüng'
lirf)e geroefen fein. ®er ältere unb oorneljme^ote aber, auc^ wenn man luenig

niel)r oon tf)m nnifete, unb loenn 3. 33. fein ©efc^led^t, ba§ iE)m früi)er

bie 2;otenel)rcn erroieS, ou§geftorben fein mod)te, tuar fc^on bur(^ fein

grö^ereg ©rabmat;! über bie gen)öl)nli(^en ^oten erijaben; unb nun !)atte

bie ältere 53eöölferung üon ©riec^enlanb eine SDJaffe nuffallenber ©rab»


mäler Ijinter (äffen, befonberS @rb(jüge(, eingefaf^t üou fteinernen 9tunb«
mauern. @» fonnte nic^t au^Sbleiben, ba^ bie 3]o(f^^meinung ben auf

biefe 2Beife Seftatteten eine l)öt;ere 3Sürbe beilegte.

^ragt man aber, mie fid^ jener auSjeic^nenbe, poetifc^e ©tnn be§
9kmen§ ^eroS l^abe bilben unb e§ ju einer allgemeinen 2lnerfennung

bringen fönnen, fo rairb foum ein 3^^^f^^ barüber l)errfd^en, bn§ ber

3Inic^auung§frei§, in meldten ber epifd^e ©efang ha§> ©riec^euüolf bineiU'

führte, ba§ SBefentlic^e babei getan t)at^). Dtan lernte ein ©efd^led^t

fennen, ha§> jroar bem 6d)icffal tragifc^ Untertan, aber üou ibealer ^err*

lid^feit geroefen, anberS „al§> mt je^t bie ©terbüc^en finb". ©ogar bi§

pr ivonftruftion einer 9^eil)e oon @efd)led}tern urmenfd)lic£)er 3lrt brodlite

e§> ^efiob in feinen „2Berfen unb S^agen" (33. 106 ff.), unb fein uierte^

©efcEiled^t finb eben bie Heroen be§ @po§; nai$ il)rem Untergang vox
5Ll)eben unb i^^toJ^ beginnt ba^S fünfte, eiferne, unter melc^em leben ju

muffen ber S)id)ter fo ergreifenb beflagt. Slnbere liefen ba§ ^eroenseit*


alter nod) bi§ jur borifdien 2Sanberung roäl^ren, aber bie legten perfönlic^
berüljmten ^eroen blieben boc^ biejenigen, meldje nac^ ber ©inno^me üou
3lion ein unglüdlid^e^ ßnbe unteruieg§ ober ju §aufe, ober, mie ©iomeb
unb 2(enea§, ^errfdiaft in raeiter ^erne gefunben l^atten.

©inige .^eroen beS trojanifi^en ilriegeS liegen nod) in ben ^>ünen=

gräbern oor ^lion, n)cld;e bereite bie 3Serel;rung beio ganjen 9ntertum§

genoffen l;aben. Sie 9leu'3Iier felbft opferten noi^ ju ©trabog B^tt")


') 'ißaufan. braud)t j. S. alg ^dtbe- 1
„für ben ^^arnafog luie für anberc
ftimmung für einen ;-)CtlgenDffen beö 6eral= f g e n. ,^"> c r e n nennt man al§ '-Bater \o--

leä ben ^Jtuöbrud äyr/Q Tuiy xcdovutyiüy n)o[)l ben ^^ofeibon al^ ben Tl)eopompo5."
TjQWüjy, ober um bie 3eit beö 3^9^^ '^^^ ©eine älhttter inar bie 9h;mpl;e iUeobora.
©ieben gegen 3;i)e6en ju bejeidjnen: tni ••*)
©trabo XIII, p. 596. SBo man
Twy x(ekov/uiyMy )j()w'tij*'. 33ei ber (Srjeugung im übrigen ©riec^cnlanb bie ©ebeinc eineS
be§ .öerog luirb ijftcr ein göttlid)cr unb ein oor ,,"\Iion Wefallencn liefafi, eijiiI)Hc man
menfc^lic^er Slater angegeben. '-^Unif. X,<i, 1 uon einer Uebertragung. ^aufan. IX, 39, 2.
2)er cjned^ifci^e §eroenIu[tuö. 233

an bcn ©räbern berfelben iQelben, raelc^c bocf) bie alte ©tabt uöttig jer*

ftört fiatten. 2)a§ tnerfraürbtgfte ©rab jeboc^ lüäre ba§ be§ ^rotefilaog
geracfen^), be§ erften Hellenen, roelc^er bei ber Sanbung üor Xxo\a au§
bem (Schiffe fprang, aber and) be§ erften, weld^er getötet rourbe. (Sr lag

beftattet bei @Iaiu§ auf bem tt)rafifd)en ß!)erfonneic, unb am ©rabe biefe)§

@rftling§ be§ großen Kampfes mag fid^ üietteidit, a[§> ba§ @po§ bie $ßölfer

511 begeiftern anfing, eine ganj befonbere 2lnba(^t entjünbet fiaben. O^ne»
{;in gab el eine ©age, meiere iljn ber Oberwelt gleii^fam näi)er rürfte aU
anbere ^eroen: e§ ^ie§, bafe er nac^ feinem Sobe norf) einmal für furge
©tunben auf ber Oberroelt erfcliienen fei; feine ©attin Saobameia liatte

bieg t)on bcn ©öttern erfleljt -), unb auf bereu ©ebot ^ermeg il)n jurüc!'

gefül)rt, unb al§ er roieber ju beu ©(Ratten surüiJfeljren mu^te, ftarb

Saobameia mit if)m. S^x 3^^^ ber ^erferfriege -^j mar feine ©rabftätte

offenbar eine umftänblidje 2lnloge mit einem innern Heiligtum {advzov)


unb einem umfaffenbeu S3e§ir!e {jefievoc); reii^e 2öeil)gefc^enfe, golbene

unb filberne ©egalen, ©rj, ©etoänber liatten fi($ an biefem ©rabe ge^^

fammelt, o^ne 3^^^f^t ^^^ Söfung oon ©elübben nac^ ®rl)örung von
33itten. ©päter gab ber §ero§ aud^ Dra!eP) unb l)eilte ^ranfl)eiten,

unb bie Ulmen um ben 33au jeigten im SSac^fen unb SBellen il)rer 3n^ft9ß

ein ge§eimni!§üolle§ 3Serl)alten, je uac^bem fic l)Oc^ genug gebieten waren,


um über ben ^eÜeSpont Ijinüber ;3^ion ju erbliclen. Sine mertroürbige

©c^rift be§ fpäten älltertum^, bie ^eroüa be§ ^l)iloftrato», lä^t Ijier

unb in ber Umgegenb ben ^rotefilaog mit anbern erlauchten ^eroen


ber trojanifd^en 3ßit ^^n ge§eimni§DolIe§ ©eifterleben führen, unb au(^
oor ^lion felber ge^en biefe ©chatten um unb erf($einen ben Sanbleuten

unb Wirten ^).

^ßaufan. I, 34, 2 gilt er alg @ott, ^) ^l^re friegerifc^en unb agonalen


aber III, 4, 5 bod^ nicf)t a(§ über anbern Hebungen unb it)re ^agb nehmen fic^ beffer
§eroen ftefienb. au^ all baö Äegelfct)ieben, roomit in ber
^) Saut ©uripib. (fragm. Protesil.) norbifd^en ©age cerjauberte 3titter (au^er*
tiatte er fetbft eä bei ben „untern ©öttern bem aud^ ®nget foroof)! all 33crbammte)
erbeten". fid^ abgeben muffen. — l?on einem JBeiter=
3) ^erobot IX, 116. leben beä 3if)efoei in feinem .peroon im
*) S^ergl. ba^3 Drafel be§ Dbijffeu^ in ti^rafifc^en ©ebirgc 3ifjobope ersät^It ^^ito^
bem ätolifd^en ®au ber ©urptanen 3lriftot. ftrato§ II, 8 Bcitäufig.
fragm. noXiTsicc I&axrjaiior.
234 3ieIigton imb ÄuItuS.

3Son einem foldien Seifammenleben oerflärter ^eroen t)atte aber fd^on

bie ältefte ^oefie geroufet; in §efiob§ „Söerfen unb tragen" (33. 166 ff.)

I^ei^t e§ oon itjnen unb ii)rem Slufent^alt auf ben ^nfeln ber ©eligen:

„S^nen üerliel) bonn Scben unb 2Bot)n[i| fern Don ben 33Jen[(|en

3eug ber Äronibe, unb loeifet [ie ^in an bie @nben ber @rbe,
g^ern Don ber ©rcigen ©i^; al§ i^önig bel^errfd)et fte ßronoS.
2)iefe bcrcol^nen bafelbft, baS ©ernüt von Sorgen entlüftet,

3la^ be§ Dfeanoä SBirbeln, ben tiefen, ber ©eligen Snfeln,


©lüdlicl $eroengefcf)lec^t ; e§ befrf)enlt fie mit Jrüc^len roie §omg
Sireimal reifenb im '^al)X ba§ nafjrungfpenbenbe ©rbreid^."

Unb n)oi)l eben bieg üerflärte ©afein ift gefc^ilbert in bem gel)eimni§»

üoU prächtigen 33ru(^ftüd eine§ pinbarifc^en STrauergefange^ ') : „Sei un0


oben ift e0 Dkc^t, i^nen aber Ieurf)tet in ber Unterroelt bie ^errlic^feit

ber ©onne; oor it)rer ©tabt liegt purpurrofig bie ^lur; ©diatten gibt

ber 2ßeit;rau(^baum, unb fc^mer laften bie golbenen grüc^te. ©ie aber
ergoßen fic^ ju 3fto§ unb mit 9^ingfampf, anbere mit Sßürfeln ober mit

©aitenfpiel, unb mo§ nur SBonne I)ei§t, ift t)ier üöüig aufgeblüht. Unb
®uft oerbreitet fi(^ über bem lieblidien ©efilbe, ba fie mit ber fernf)in

leuc^tenben Dpferflamme oielerlei 9iaud)roerf mifd;en ouf ben ätitären ber

©Otter."
2lud) eine beftimmtere DertlidEifeit mürbe al§> SBol^nfi^ menigftenS

einiger feiigen ^eroen namhaft gemad)t, feit ber ^ontu§ fic^ mit griec^ifd;en

Kolonien gefüllt Ijatte; bie nic^t mel;r auf§ufinbenbe, in ber 9lä^e ber

3ftro§münbungen liegenbe ^nfel Seufe, oon sroanjig ©tabien Umfang,


bic^t beroalbet, roll gatimer unb milber 2:iere, mit einem Heiligtum

unb einem ©tanbbilb be§ Slc^iUeu^; biefer aber lebte gugleid) noc^ bort,

üermäl)lt mit ^eleno, im Umgang mit ben beiben 2liag, mit ^atro!lo!§

unb 5lntilod^o§ ').

Sielleic^t roefentlid) oon ber ^roia=©age au§gel)enb bel^nte fic^ bann


im griei^ifc^en Semu^tfein ha§> Silb bcg ^eroentumS aufroärtS au§, in

bie früt)ern (Senerationen hinein. 3)Zpll)ifd)e ©eftalten oon üerfd)iebeuer


©d)ic^l unb ^erfunft, loenn unb raeil fie epifc^ mürben, orbneten fic^ in

bie ^eroen ein: ©ebilbe ber altern ©age oon %l)dmi, oon Slrgog, oon

') ^inbar, &Qr,foi, fragm. 1 (58öcf()). al§ Seufe geltcnben S"fcl f-


bzi Slrrian,

2) Sergl. u. a. ^aufan. III, 19, 11. ^^eripluö c. 21.


— I)ie 8d)ilberung einer jur 3eit £»abrian§
Xtt gried^ifc^e §erocnIuItu§. 235

^xzta, t)om ©tantme ber 2Rtni)er, oon i^olpbon, ferner ©tammeStjelben


roie bcr i^onier Si)efeu§; enblic^ auä) götlUrfie ©eftaltett, beren S^^rabition

ein üöHig epifd^er iieben^Iauf geworben mar ^), roie bte eljemaligen ©onnen»
götter §era!Ie§ ^) unb ^erfeuä ; bie S)io§!uren unb iJ)re erlaud)te ©diraefter

^eleno, beren raanbetbare^ 2lnttt^ bi^roeilen 3üge ber i^ögerin Slrtemig,


ber ©elene unb ber Slpfirobite oerrät, bis fie am 6nbe roieber ganj
bcutlid) gur ©öttin wirb. — SSon einer aJJenge biefer epifc^en ^eroen,

beren 9^ut)m ganj ©riec^enlanb burt^ ha§> @po§ fannte, würben no(^ bie

©räber geroiefen, ober bi^^er namenlofe ©räber einer uralten 3ßit würben
ilinen gugeetgnet.

2lu§er biefen ber gangen 9iatton befonnten ©eftalten Ratten bie

meiften ©täbte nocE) au§ il)rer bunfeln ?^rü^geit ooller ©eroalt unb ©e»
fal)ren bie (Erinnerung an örtliche ^eroen. Oft freili(^ roaren nur noc^
beren 9^amen übrig; bie ßof almi)tf)en , roeld^e if)ren 9iul)m uerfünbet

liatten, roaren untergegangen, ober ©e[amtl)ella§ erfuhr nichts baoon,


roetl bie epifc^en ©änger unb fpäter bie attifc^en S^ragifer fie unberührt
gelaffen. S)al)er in allen ©tobten jene ^eroa, oft mit eingefaßtem lieiligem

SSejirf {refifvog), oon ou§roärt§ gang unbefannten Sofalljeroen; au6) an


Ort unb ©teile wußte man meift wenig ober nii^tS oon il)uen, rief fie

aber oor ben ©c^lad^ten gerne gur ^ilfe an. SDie ^latäer l)atten fieben

fol(^e „SInfülirer", wcli^e oor ber berühmten bortigen ©c^lac^t angerufen


würben^). ®er J^uttu^, weld^en man folc^en ©räbern erwieS, würbe
fel)r ernft genommen, unb wenn e^ fid^ babei um präd^tige a^er^err»

Itd^ung burcE) ^ampffpiele ^anbeltc, wirfte oljne B^Jetfel jener SBetteifer

oon ©tabt gegen ©tabt mit, ber in ©rieclienlanb fo ©roßeg ju üoll=

bringen oermo^te.
2l(§ einmal ber ^t)pu§ eines fultwürbigen ^gerol feftftanb, offenbarte

fid^ bo§ Sewußtfein, baß biefer ^ol)e 9iang nic^t ein gefiiiloffener, fonbern
nocE) immer ju erringen fei. ©d)on ba§ ©eblüt, weld}e§ in ben 3Ibern

gried^ifc^er ©beln floß, mocEite baju antreiben: waren jene alten ^eroen
5um ^eit ©ötterföl)ne gewefen, fo rühmten fiel) noc^ je^t Unjäljlige gött*

^) Sic 3Begc unb Söeifen, burd^ treidle feineä Sebenä f)ie unb ha, unb bann bei

®ötter ju §erocn oerblaffen, mögen l^ier feinem S^obe eine SSergötterung, b. i). ein
unerörtert bleiben. 2Biebereintreten \n§ ©öttlid^e angenommen.
2) ®ocf)iDirb6ei.t»era!(cgfc^onn)äf)renb ») '^lut. Striftib. 11.
236 Sleligion unb Äultu§.

lieber 3lbftammung, lüenn aiiä) in entferntem ©(iebe. (Gefallene 2lnfü{)rer

oon ©täbtefe^ben mögen fc^on frül)e fo Diel ot^ (;eroifd)e @t)ren genoffen

Ijaben. ©obann gab feit bem VIII. Qaljrljunbert bie 3Iu«fenbung oon
5lolonien einen befonberg reid^en Slnlaf? jur Äreierung oon ^eroen. 33ereitS

nämlic^ oere^rte faft jebe ©ried^enftobt i^ren mirflic^en ober mpttiifd^en

©rünber at§ ^eroS^/ unb biefe et)re liefen fi^ nun an^ bie 2lnfül)rer

foloniater 2lu§fenbungen nidit nehmen, ja biefelbe mu§ mit ber S^xt aU


ein dl^ä)t betrad^tet roorben fein, meli^eg bi§ in ganj fpäte ^aiji^^unberte

Ijinein feftgelialten lourbe. 3luf ber 2tgora einer ^eHenenftabt am ^ontu§


ober am S'Zil, in ©ijilien ober am 9iorbufer be§ roeftlidjen ajlittelmeere§

rcirb ba§ Neroon be§ ©rünberS {xiicit^g^ oixiGifjg) feiten gefel)It Ijaben.

^n einzelnen fällen !onnte ber ^eroenrang fogar erjroungen werben;

^ieron oon ©i)ra!u§ ooUjog gemaltfam eine 9ieugrünbung be§ fcEion be=

fteljenben £atana, um bort al§ ^erol oereljrt ju werben'^. 3n ©parta


galten bie Könige, meldte man hti Sebjeiten in \i)x^x Tlaä)t fo fet)r eiu'

fd^ränÜe, nad) itjrem Xobe al§ ^eroen^), unb sroar nid^t ft^on, roeil fie

^erafliben waren, fonft Ijätten auc^ il)rc 33erroanbten berfelben ©Ijre teil*

Ijaftig fein muffen. 2luf einigen ^n^tin bagegen mürben (laut ©rabfcfiriften)

bie ©pröBlinge ber regierenben ©efd^lec^ter überliaupt al§ <Qeroen gefeiert*).

9Jiand)maI rourbe bei Kalamitäten burd^ Orafel bie SSerefirung eine§ ^ero§

befolgten, meli^er aU von altera ^er in ber betreffenben ©tabt oor»

Ijttnben, aber oergeffen unb Ijierüber erjürnt galt. 58on ®elplji finb eine

2ln5al;l fold^er 33efd^eibe ergangen. — ^m Kriege fonnte bie (Srl;ebung

gum ^ero§ oietteid)t fofort unb oon felbft eintreten, wenn ein ©efaüener,

fogar oon ber feinblicben 2Rannfd)aft, einen au^erorbentlidjen (Sinbrud

gemacht l)atte. 5)er Krotoniate ^IjitippoS, ein olt)mpifd;er ©ieger unb

ber fd)önfte ber bamaligen Hellenen, fiel ouf bem Slbenteurerjuge bei

*) ^n tDeldöcm ©tabium beg griec^v namf)aft ju mad^en, loar eine alte unb
fc^cn Seiüu^t[eing finb bie Staimnt)errn neue l)elleni)ci^e 2lrt.

ober 3(nfü{)rer ber griec^ifd^eu Stämme ju 2) ©iobor XI, 49. — Sdion .pieronö
„eponpmen" §eroen geiüorben? unb raann oerftorbener Sruber (Selon lourbe l)eroifci^

bie Sd)u^patrone oon Äörpevfcl)aften loie oerc^rt, biefer aber auS freiem 2BiQen beö
j. 33. bie ber attifcl)en ^^ylcnV ja oon 33ol!eg, ebb. 38.

/fünften unb ©eioerben, luie j. 23. 2:aIt()i)[noö ") Xenopl). de re p. Laced. XV, 9.

ber .'öeroä aller .'pcrolbe luurbe? - 'Jlf)n= ') ©. "}). .'permann, ©otteSbienftlid^e

^errn unb Stifter für atleö unb iefllict)e)S '


filtert. § 16, 26.
S)er 9ned}ifdE)e §eroenfuItuö. 237

(Spartaner^ ®orieu§ im 5!ampfe gegen fisitif(^e ^fiönigier unb ©geftaner;


leitete aber beftatteten i^n um feiner ©(^öni)eit millen in einem Neroon

unb brachten U)m Opfer gur ©ü^ne ^). 21I§ auf bem 3uge be§ XerjeS ju
2tfant^o§ ber 3lc^ämenibe 2trtac^aie§ an einer 5lranfl)eit ftarb, ein 9tiefe mit

riefiger ©timme, unb ba§ ^erferf)eer ii)m ben ©rabl^üget errid)tete, gebot bod)

ein Drafel ben grie($if($en 2lfantl)iern, iljm all einem ^ero§ gu opfern ^).

^m a^erlaufe ber 3^tt enblid^ rourbe — el ift fc^roer p fagen,

mann unb mo gum erftenmal — bie ©rflärung einel jeitgenöffigen aJZenfcben


gum fultroürbigen ^ero§ bie ©arf)e eines $8oIf§befc^luffe§ ^), eines ^fepl)i§ma,

b. i). einer ©timmung, unb oon bereu ®auer unb oom Söeiter^errfdien

ber befretierenben ^artei mirb aud^ bie Sauer ber ^erel)rung abgegangen

I)aben. 2)ie ©rirafufier ftifteten gegen ^n'oz beS Y. ^at)rl)unberts i^rem

©efe^eSrebaftor ©iofleS uon ©taatS wegen ein Heiligtum*), aber balb

barauf gerftörte ber ältere 2)iom)fio§ baSfelbe, feinen Sefeftigungen gu

Siebe, offenbar oline bie minbefte ©orge oor ber 9ta(^e eines fo neuen

§eroS. 2lm eljeften raerben ben im ©iege (ober rcenigftenS roä^renb eines

Krieges) umgefommenen gelbljerrn bie l)eroif($en @l)ren öffentlich guerfannt

roorben fein. ®en fterbenb in bie ©tabt 2lmp^ipoliS getragenen 33rafibaS°)


beftattete gunäc^ft feine fpartanifcl)e 9}Zannfc^aft, bann umbauten bie 33ürger

baS ©rab unb feierten ilm fortan als einen ^eroS mit ilampffpielen unb
jäljrlidien Opfern, \a fie gerftörten ben ©ebä^tniSbau i^reS bist)er geltenben

©tabtl)eroS unb Sf^eugrünberS , beS 2ttl)enerS ^agnon, unb gernic^teten

lebe Erinnerung an beffen ©rünberf c^aft ;


fortan mar 33ranbaS i^r ©tabt'

^eroS. ^oä) im lomifdien Kriege (322 o. ß^r.) begruben bie 2lt^ener

il)ren infolge eines ©teinfi^uffeS geftorbenen ^elbl^errn Seoft^eneS „auf

l)eroif(^e SBeife raegen feines S^lulimeS im Kriege" ^) . (SS ift merfroürbig.

1) ^erobot V, 47. 5rad)ten feine 9Jlitbürger Don tog a\l\äi)V'

2) ^erobot VII, 117. Itc£)e 2:otenüpfer an feinem ©ebuttötage.


3) 3" ^e" frü^eften Seifpielen, rcenn Sffieftermann, Siogr. p. 450.

aud^ ol^ne au§brüdlic|c (Srraä{)nung eineä ") %i)üti)t>. V, 11. — e§ roar 422
^fepl)i§ma, gel)ören bie löblid^en fijili[d)en D. St)r.

2;t)rannen ®eIon üon ©i)rafuä linb X^eron «) Stobor XVIII, 13. — 2Iuf Äa=
Don Slgngenl, 2)iobor XI, 38. 53. lauria geno^ ein 2:oter beäfelben Sa^reg,
*) ©iobor XIII, 35. — SSergl. 5ei S)emoftf)eneg, ganj beutlid^ j^eroifdje (S^ren-^

^aufan. VIII, 9, 5 bie jraeimalige Um= man erfährt feboc^ nid^t, feit welcher ^eit.

nennung eineä ^eroon^ be^ 5|]obare§ in ^aufan. II, 33, 3.

3Jlantinea. —
3)em großen |)tppofrateä
238 3ieltgiDn unb 5?u(tu§.

baB ber tote ^imolcon unter gerai^ allgemeiner unb tiefer 3ftü§rung be§

fprafufifc^en 3>o(fe§ graar feierlidie aBettfämpfe, foraol)! mufifrfie al§

gijmnifdje, unb einen offenbar fetjr prächtigen ©rabbau, aber nid)t htn

dlana, einev ^^ero§ erbielt, inbeni bieg fonft in bem bei ^(utarc^ ^) auf=

beroaljrten ©taat^befc^luB gefagt fein würbe. — Sagegen erhielt anbert=

Ijalb 3al;r()unberte fpäter in aj^effene ber ältere 2litt)iba§, ein ftegreic^er

9Infül)rer gegen bie 3}ta3ebonier, eigentlirfjen ^eroenfult ^). Unb ba mit


ber 3eit ber 3^on in foId)en Singen ju fteigen pflegt, meil man für ba§

Ueblid)e aUgemad) abgeftumpft roorben ift, fo barf man fic^ nic|t munbern,

ta^ bie ^odiuerbienten 2lnfü^rer be§ ac^äifc^en Sunbe§, 2lrato§ unb ^Nl)i(0'

pömen, nad^ ilirem Sobe fo oiel al» gu ©öttern erflärt mürben, in einer

3eit, ba fc^on Sebenbe unter ben Siabod^en fid) ©ötter nennen liefen ^).

(Sine weitere ©ntroertung be^ bloßen ^eroentitelä moi^te barin liegen, bafe

er ^erftorbenen erteilt mürbe, roenn bie ^oli§ mit 23erfc^menbung fonftiger

ei)ren, roie ^ränje, ^roebrien, ©tatuen u. f. m. am ©nbe mar unb ein

au§ergeroöl)nlid)eg San!gefül)l für ftäbtifd)e ßuergefie an ben Sag ju

legen l)atte. 2ll§ in Sarfo§ ber l)od)beial;rte ©toifer 2ltl)enoboro§ ftarb,

raeld)er '•^räjeptor be§ 3tuguftu§ gemefen mar unb feiner 3]aterftabt eine

©teuererleid^terung Ijatte oerfd)affen fönnen, ftiftete ber Semo0 i^m eine

aüjäljrlicle geier a{§> einem §ero§*).


©anje Äriegerfc^aren, meiere im ^ampf gefallen, fonnten fd}on in

früher 3eit tieroifd^en Slultu^ erl;alten. Sie ^sliigalier l;atten ben ftärfften

@runb, am gemeinfamen ©rabe jener Dreftljafier, roeld)e ftc^ miffentlid)

>) «piut. Ximol. 39. — 2)aä Ximoleon- Stobor, fragm. 1. XXIX, tao&tovg rificig,

leion auf ber Slgora non ©grafuä tDurbc jä^rlid^e ©tieropfer, §i;mnen u. f. xo. — '^m
fpäter mit .öallen umbaut, unb ^aläftren m)ii)u§ roar j. 33. 2llfefti# burc^ i^ren

rourben ^ineingebaut, tüomit eö ein &^mnat Dpfertob unmittelbar jur ©öttin gercorben,
fton nnirbe; ein itutvog voax eg offenbar @urip. 2nf. 999. 2lmpf)iaraüö aber, ber

nie geinefen. nad) feinem 3]erfd)iuinben in ber ©rbe alg


=) ^aufan. IV, 32, 2, reo man fief)t, ®ott galt, loar eö uielteic^t uon jeljer ge=

'ba.li bie ©f)re mi^oerftänbUcf) auf einen rcefen.

Diel fpätercn ^Jac^tommen biefeß SJamens *) Sucian, Macrobii 21. — ßin offi«

übergegangen mar. jiellcö Sßerjeid&niö ber ^eroen gab e8


•'0
^;jlut. 2h-at. 53. älratoö befam in natürlid) nid)t, unb ob bie Sdjrift eine§

©itpon feinen eigenen Dpferer, rcobci nid)t geroiffen 2)iofleö 7itQi i^Qwwr überbaupt
tyityi^iiy, foubern iftJit»' gefagt lüirb; aud) ein S5erjeid;niö luar ober cntljielt, ift nid^t

l^ie^ er nic^t blo^ Skugrünber ber ©tabt, betannt.

fonbern aujrrjQ. ^tjilopömen crl)ielt laut


3)er gried^ifd^e $erocn!uItug. 239

für fie unb ti)r §eil in ben ^ob gegeben, jötirlic^c ^etoenopfer bargu«

bringen^). Unb eine freüeli)aft gemorbete ©c^ar, n)ie bie ^^ofäer im


itali[($en 2lgi)lla, !onnte burd^ Kalamitäten einen 6pru(^ ber ^t)tf)ia, fie

ai§> Heroen jn feiern, üeranlaffen ^). ®en (ginrooljnern oon ^(atää lag
no(^ pr Koiferseit^) ein grofeel jä^rlidieg ^eroenopfer ob für bie in ber
berühmten ©c^lac^t be§ ^a^xi§> 479 ©efattenen, unb aud^ bie ^Dtara»

t^onier üere^rten (au^er ben in ber ©d)Ia(^t bei 9Jiaratljon aufgetretenen

mijt^ifc^en gelben) bie an Ort unb ©teile beftatteten Gefallenen aü§>'

brüdlic^ al§ ^eroen*). S^atürlid^ kannten bann fpätere ©rabbenfmöler


!eine ©rengen me^r in 33etrac^t ber ©Iren, meli^e fie für alle in irgenb
einem Kriege Umgefommenen in 2lnfpruc| nat)men. ^erifle§ fagte roenig»

fteng öon ben beim ^uq gegen ©amo§ Gefallenen ^), fie feien unfterblid^

geworben roie bie ©ötter, unb 2!)emoftf)ene§, ober mer fonft feine ©rab*
rebe »erfaßt f)at, ruft (§ 34): „2öie foHtcn mir ni(^t alle ®ie für gtü(fa

feiig fiatten, roel(^e man billig al§ Seifiger ber ©ötter ber Unterwelt
unb als beSfelbcn ?Range§ betrachtet mit ben frül)ern igelben auf ben
i^nfeln ber ©eligen?"

2)ie bi§I)er aufgejäljiten Gattungen oon ^eroen umfaßten lauter

menfd^Iid^e ober für menfc^lic^ geltenbe ^erfönlic^feiten au§ Tlr)t1)u^ unb


Gef(^i(J)te. dagegen finb mir bei einer 2ln3al)l oon raunbertidien alle'

gorifc^en SBefen in SSerlegenljeit ju fagen, mie fie jum Flamen oon


^eroen gelangt finb ; fie gehören el)er an ben äußern 9knb ber 2)ämonen=
raelt, aU ©c^u^genien oon offen unb S^rinfen. ©o in Tlunv)ä)ia ber

3lfratopote§ (STrinfer ungemifc^ten SBeineS) ^) unb in ©parta bie oon ben


Köchen be§ 3itföiJt"i^"fp6ifßi^^ oerelirten Keraon unb 2Ratton (Söeinmifc^er
unb ©erftenbrotbed) ^), fomie in Söotien gu ©foIo§ ber 2)Jegalarto§ unb
ber 9JlcgoIoma50§ (Grobbrot unb GroPuc^en); aud^ ber in ^roa§ at§

§ero§ geltenbe 2)aite§ mirb in biefe dizi^^ gu ftellen fein. 9)lan barf

fie fic^ als Iialbfomifc^e ^ra^en oorftetten, über bereu ^eroentum eine

üoIfStümli($e Saune entfdiieben 't)at

') ^aufan. VIII, 39, 2-41, 1 *) ^aufan. I, 32, 8.


-) §erobot I, 167. ^) ^lut. ^er. 8.
3) ^Mut. 3(n[tib. 21. 25te umftänblic^e «) 2tt^en. II, 9. mma ein^erafle^?
Sefd^reibung bient wenig jur Äenntniö beg ®bh. IV, 74.
^eroenopferä überhaupt, ba bie^erentonien
offenbar fel)r ejjeptioneH [tnb.
240 Sflcligion unb Äultuä.

(ginen bogmatifdjen @ntfd;eib barüber, roo§ ein §ero§ fei, mar über»

Jiaupt niemanb in ber 2age ju geben ^), raol^l aber glaubte bie ^tiilofopEjie

üon ifiren 3lnfängen an ficfi in biefer Sadje äußern ju muffen. 2f)ale§

l^atte gefagt: 3l(Ie§ fei üoII mn ©Ottern; ^eroflit letjrte: 2t[Ie§ fei uoller

@ötter unb ©ämonen, unb babei lag offenbar jener alte ^oIr)bämoni§mu§
jugrunbe, roeld^er fid^ in ^efiobl „Sßerfen unb 2^agen" ausgefproc^en

^atte. 2)er erfte aber, welcher ben ^eroen eine beutlic^ere ©teile im
Sf^ange ber SBefen anroie§, mar uieüeic^t met)r 9ieligion§ftifter al§ ^:pl)ilofopt):

^i;tt;agora§ ^). ^ier tieifet e§ einmal: bie ©ötter feien t)öE)er ju cf)ren

als bie 2)ämonen, unb bie ^eroen ^öl^er al§ bie 9)ienfc^en. Unb anber^TOo:

bie gnnge Suft fei ooll oon ©eelen, unb biefe feien für Dämonen unb
^eroen ju Ijalten; oon il)nen fämen ben aJienfc^en unb aud^ ben Spieren
S^räume unb ^Borbebeutungen oon JlranEl)eit unb ©efunbl^eit; auf fte be*

jijgen fid^ bie Steinigungen unb 3lbroenb3eremonien unb aüe SJiantif.

^mmerl^in fd^eint oon ^pt^agoraS an bie fpäter übli(^e ©tufenreilie oon


©Ottern, ©ämonen, ^eroen, SJienfc^en unb oernunftlofen SBefen ^) bei ben

^l)ilofopl)en eine allgemeinere ©eltung erlangt §u Ijaben. — ^n '^^^

platonifcöen 3lpologie be§ ©ofrateS (28, c) beiden bie ^eroen gum erften=

mal Halbgötter {^^c^ioi), unb graar beutlid) „fo oiele im Kriege gegen
2:'roja umgefommen finb'^ — Sie ©toa mar ber aJieinung, bie Heroen
feien bie abgef diiebenen ©eelen, aber nur ber SBadern *). ©päter intereffierten

fid^ bie 9ieuplatoni!er, raie für alle au^ermeltlidjen SBefen (meldten fie fid)

burc^ i^re ^l)eurgie §u nät)ern fudjten), fo aud) für bie .§eroen. 3tuf

ben 3SolfSglauben jeboc^, roeld^er l)ierin ein fel)r mäd^tiger 3lberglaube mar,

^otte bie ganje ^Ijilofopl^ie nid)t ben minbeften ©influ§ ausgeübt, nur bafs

bie 2J2einung oerfc^iebener ^sl)ilofopl)en ^) sufällig mit ber oieler anbern

ßeute juf ammentraf : bie ^eroen feien bie oon ben :Öeibern gefdjiebenen

©eelen überljaupt, unb bie ber ©uten feien gut, bie ber 33öfen böfe.

5)ag 3Solf aber nannte bie ^eroen gerne mit einem eljrfurdjtSoolIen
S^iamen, ber freilid^ auc^ bie ©ötter umfaßte : bie 50iäd;tigern, bie ^öbcrn,
xQiCiTovag.

') 3)cn öo^n Sudan? I)ierüber finbet ^) ©o aufgejäljlt bei ^^lutardi. De Ei


man Dial. mort. 3, 2. apud Delpli. 13.
-) 2)iog. l'aert.VIIT, 1, 19 (23). ^iiergr. ,
•>) 2)iog. Snert. VU, 1, 78 (151).
auc^ 19 (32). •'}
^lut. de placitis pliil. I, 8.
®er gried^ifcfje §eroenfuItuS. 241

^rägt man nun nad) bem, roa§> bie ^eroen für bie ©riechen waren,

fo löürben fic^ für bie üerfc^iebeneu ß^itßtt rooljl beträd)tlid)c Unterfc^iebe

ergeben, unb wäre eg auc^ nur bie früt)er fo gro^e unb fpäter fo oöttig

erlof^ene ^Beteiligung ber Dra!el am ^eroenfult, inbem ja überljaupt beren

33efragung in ber ?^o(ge burc^ eine SJJenge anberer ^ufunftlerforfctiungen


in ben tiefften ©djatten geraten mar. 2lIIein im S^olfe bauerte bie 33e^

f(^äftigung mit ben ^eroen fort, unb nod) unter ben 3lntoninen fanb
^aufania» ben betreffenben ©tauben raenigftenS fo weit lebenbig, ba^ mau
^efdjeib raupte unb wegen ber ^eroen fid) oft in ©orgen befanb. (B§ roirb

nun mit ber me^r feierlii^en unb offisieüen ©eite ber ©ac^e gu beginnen
unb bann ju ber populären übergugetien fein.

^n ganj ©ried^enlanb liatten, roie gefagt, f($on bie frü()ern 33e=

oölferungen — roer fie aui^ geroefen fein mögen — eine aJlenge oon
©rabmälern, gum ^eil gewaltige Hünengräber, i)interlaffen, unb ^§ mirb
unmöglid) fein gu beftimmen, mann unb roie guerft bie ^oifgptjantafie
mit benfelben großartige ober furchtbare SSorftettungen oerfnüpfte. aiußer»
bem roar ha§ 33egräbni!§n)efen ber altern ©ried^en felbft lange 3eit äu§erft

feierlii^ unb pomptjaft, roenigfien^ bei ben Seidjen ber SJZäc^tigen ^). 3teben

ber allgemeinen 2I($tung oor ben ©räbern, roie fie aßen gefitteten 3]ölfern

eigen ift, tritt nun ein au§ SSerel^rung unb gurdit gemifc^teS ©efül;! auf,
unb ba§ ^eroengrab fann eine wichtige ©ad^e im täglidjen 2thtn roerben.
(Sin neues, eingebrungeneg ^errfdjeroolf z\)xt §. 33. and) bk Ijeroifd^en

S::oten beS unterworfenen 3Sol!e§: al§> bei ber borifdjen Sßanberung bie

Sletolier be§ DeijIoS ®li§ überwogen, beE)ieIten neben ben ätolifdjen ^eroen

aud) bie oorgefunbenen elifdien iljren RuitVL§ ^), unb ba man ba§ Sanb
mit ben Unterworfenen burd) ein 2lbfommen teilte, wirb man faum anberic

gefonnt baben. ©et)r frülje fd^eint bann ber ©laube entftanben ju fein,

baß fid) bei Kriegen bie gelben au§ i^ren ©räbern erljeben müßten, um
tt)ren 9^ac^!ommen unb ifirem SSoIfe beigufteijen, unb ijieran mögen fid^

bie weitern 3SorfteIIungen gefnüpft f)aben. Sie Sofrer 5. 33. glaubten an

^) Isercjl. bie gro^e 35ip9lon=S3a[e. — begrub CEpIoä nad^ SBeifung eine§ DrafeB
3n actljen mäßigte erft ©pimenibeg bie im 2;or oon @Ii§, inbem berfelbe rceber
roilbe, bunte 3;rauer ber SCeiber, ^lut. in nocf) aufierfialb ber ©tabt ruijen fottte;
©olon 12. man opferte ifim al§ §ero§, oergt. V, 4, 2.
'0 ^aufan. V, 4, 1, nergl. V, 15, 7. Tlan fann fragen, ob DEpIoS bog Drafel
©einen frül) cerftorbeneu So^u Slitoloä richtig erriet ober beffen Serbot umging.
3. Söurtf^arbt, ©riec^ifc^e Äulturgefc^ic^te. II. 16
242 iReligion utib Äultus.

bic älntoefen^eit it)re§ §ero§ 2lia§, ©o^n bei DÜeul, in it)ren ©d)(acf)ten;

iljre untcritalifd)e Volonte, bal SSoIf ber epigepljijrifdien Softer, im Äampf


gegen bie i^rotoniaten , i)atte benfelben un[id)tbar mit ficf), nnb ber

frotoniatifd^e 3lnfü^rer ^atte gehört, roo im ä>orbertretfen 3lia» [tel)e unb


bol;in feinen 2Ingriff gerid)tet, mürbe ober, offenbar uon bem .»gerol ^),

in bie 33ruft oerraunbet. ©eine Teilung burc^ Slial felbft, ben er auf

jener i^^f^l S^i^^^ auffu(^en mu^te, bilbet ben ©djtuB biefer merfroürbigften

aller ^eroenfabeln ^). Sei 9}Jarat[)on fämpfte auf feiten ber 2(tt)ener

ein ^ero§, raeld^er mit einem -pflüge fetjr oiele 33arbaren erfc^lug, unb
gu beffen ^ßereljrung unter bem 9^amen ^flüger (©c^etloiol) ein Orafel»

fprud^ bie ©ieger anfielt ^); auc^ ber Ortl^erol 3Jiarat^on unb 2;§efeu§
fdieinen aU SJ^itfämpfer gefeiert roorben ju fein. Sei ber Serteibigung
oon S)elp^i gegen boiS ^eer bei Xerjel maren bie riefigen ©eftalten ber

bortigen igeroen ^^t)(afol unb Hutonool in bie ^^erfer l;ineingeftürmt *).

S3et ©alamig breiteten ^eroen uon 3legina ^er^) bie Slrme über bie

l^eHenifc^en frieren, unb man glaubte, el feien bie 3leafiben, meldie üor

ber ©c^lac^t waren um §itfe angerufen morben. 3tuf ber at^enifd^en

glotte t)atte fidj mä(;renb ber ©(^(ac^t eine ©dilange erjeigt, unb ein

©ötterfpruc^ offenbarte, biel fei ber falaminifdje ^Qerol ^gc^reul % Sor


ber ©c^Iad;t non ^tatää rourbe fieben i^eroen («{j/^y^srat?, ©rünbcrn)
biefer ©tabt geopfert, metdie mit 9?amen aufge^ätilt merben^j, unb jroar
gefd)a^ e§ auf Sefd)eib oon 2)elpl;i, roo man biefe 9tamen geraupt 5U
^aben f(^eint; offenbar rourbe it;r 2)iit!ämpfen in ber ©dilac^t roenigftenl

erhofft, ^m peloponneftfd^en ilriege mag manche! ber 2lrt üorgefommen


fein, roal 2:£)ufi)bibel bef(^roiegen tjat, bei ßeuftra aber erfd)ien ber alte
^obfeinb oon ©parta, ber ^ero§ oon aJceffenien, 2triftomenel -), ben
X^ebanern jur ^ilfe all fünftigen Befreiern feiner ^eimat; unb noc^ all

') TQiu&fig vno rov rpcia/xccTog, ^0' I d^er bie im ©ntiuifd^en begriffene fonntr)ifd^c
non 18 5^o**ß S""^ Umfe()r in bie Sd^Iadjt beiuog.
2) ^aufan. III, 19, 11. Sie ©efc^ic^te ^erobot VTII, 94. — Sieüeic^t ift er alö

fpielt um 600 d. 6^r. Öeifterfdjiff gebucht. — 93ergl. aucf» Vin,


') ^oufan. I, 32, 4. «ergl. I, 15, 3. 109 bie 2ßorte beg SCl^eniiftofleg an bic
. ") ^erobot VTII, 31 f. glotteamannfcijaft.
*) ^lut. 2l)cmi[t. 15. — ,3u ben ") ^aufau. I, 36. 1.

Söunbern ber Sc^lacfit üon Salamis gel)brt ') ^hit. ütriftib. 7.

auc^ ber geI;cimniöüoUe ©c^nc(I)cgler, iüel= ») 'ipoufan. IV, 32, 4.


2)er gried^ifc^e §eroenfuItit§. 243

bie ©aHier unter 33rennu§ ®elpl;i angriffen, geigten fic^ in ootter Söaffen'

rüftung bie ^eroen §i)peroc^o§, StmabofoS (ober £aobofo§), ^i)rr§o§ (ber


<Bo1)n 2I(^itIg) unb roieber ber f^on genannte ^^r)Iafo§ ^). ^n einer uni'

fangrei(^en ©ruppe oon iläntpfern §u 9to§ unb ju ^u^/ raetd^e fd^on im


V. ^afir^unbert bie S^arentiner nad) 2)elp^i raeiJjten ^) wegen eineS ©iege§
über bie ^eufetier, raar auc^ foraof)l ber urseitlidie ©rünber üon S^arent,

2'ara§, oI§ ber !)iftorif(^e, ^I)a[ant{;o!o, mit bargefteHt, unb jroar auf ber

Seiche etne§ gefallenen ?^einbe§ ftetjenb.

3IuBer biefen beiben oere^rte bie ©tabt aud^ noc^ burd^ periobifi^e

^eroenopfer 3Itriben unb ^i)beiben, 2leafiben, Saertiaben unb Stgamem*

noniben^), unb überbiel befa§ fie einen 2lc[}ittgtempel. 2tnber§roo in ®ro§»


^riec^enlanb l^atte man noc^ üiele ©agen üon ber 2lnn)efeni)eit troifd^er

gelben felbft, be§ ^(jiloftet unb 3:^Iepolemo§ unb namentlidf; be§ ^iomeb,

meldte naä) bem llriege oon Xxoia tjietjer gelangt mären, aud) mieg man
in untcritalifi^en Tempeln ^teüquien ^) üor, roie bie ©efd^offe be§ §erafle§,

ba§i SBerfgeug bei @peio§, roeldier ba§ trojanifi^c 9ioB gefertigt, bie SBaffen
be§ ©iomeb unb feiner ©efä^rten, unb ein ef)erne§ ^allbanb, meld^el er

«iner ^irfcf)fuf) umgelegt, ^n S^arent bagegen Ijanbelt e§ fid^ um frei

avL§ bem 9)iutter[anbe na^ ;3taHen übertragene ^eroenfulte, oieUeic^t meit

unter ben fpartanifd^en unb anbern (Sinroanberern 3l6fömmlinge jener

crlaud^ten ^clbenfamilien fid^ befanben. ^n ben ©c^lad^ten aber mögen,


nad) bem 2lnatJ)em ju urteilen, nur Xaxa§i unb ^^olantol al§> ©d)ü|er
€rfd)ienen fein.

(B§> mar geroi^ nid^t bIo§ roünfd^bar, fonbern ber ©totj einer ©tabt'
beoölferung, in ben (Sd^Iad^ten foldje 3l^nen mitfämpfenb p roiffen, un=
fiditbar ober fid^tbar, unb immer jum ©d^reden ber ^^einbe. §ier, mie

bei aller roeitern 2]ere^rung ber ^eroen, !ommt noc^ mit in 33etradit, ba^

man — tro^ aüer Opfer — ber eigentlidien ©ötter ju roenig fii^er mar.

«Ißaufan. X, 23, 3. — 31. 2t. er* 3) airiftot. Mirabil. 106 Big 110. —
fc^ienen fogar bie brci ®ottf)eiten 3lpDKon, 2lu^erbem bei ©trabo ba§ 2:otenopfer ber
airtemig unb 2ltl)ene. ^uftin.XXIV, 8. — (pt)Ii[ci^en) 3}tetapontier für bie 9Jeleiben.
S)a§ 2öunber mörf)tc freilief) bemjenigen VI, 1, 15, p. 264.
6eim Eingriff be§ XerEe^ nadigebilbet fein. •*) a?ergr. Suftin. XX, 1, 2. 3)a8u
^) ^paufan. X, 13, 3. Son ber ®r« 1 bie au§ 2;roja nad^ Italien gefommenen
fc^einung ber 3)io§furen in ©c^tad^ten ift , '^alla§5ilber.

J^ier abjufe^en, rceil fie alg ©ötter fommen. '


244 9leIigion unb Äultug.

foraol;! in betreff il)re§ 2[Bol)IiüoIIen§ aU it;rer 2)ia(i)t; üom ^erosi qI§

©tobtpatron war im entfrfieibenben 2tugenbli(! üielleic^t me^r §u tjoffen '),

freiließ aud) ju fürchten, luemi man it)n ocr!annt, uergeffen ober gor be=

(eibigt l^atte. Unb nun treten bie Drafet, t)or attem ®elpl;i, wenn fie bei

Sanbelunglüd beraten werben, f)äufig ein mit 2lnweifung ^ur ©üt)nung


erzürnter ober bocf) oernac^Iöffigter i>roen. S)ie 9)^äuner oon Selpt)t
mögen manc^e^ au§ ben (Erinnerungen ber 6täbte gewußt, baiS meifte aber

oon ben 2lnfragenben felbft erfat)ren unb hanaä) ii)xt S3efd)eibe eingerichtet

Öaben; ma§> fie in ben meiften ^öQen of)ne B^^^if^^ erreidjten, war eine

:iiiosfpannung ber geängftigten ©emüter burcf) einen neuen ©rabbienft,


wöl^renb oießeidjt bie betreffenbe ilalamität otjneE)in oorüberging.

@in weiteres ©tabium war bann bie — faft ol^ne 3lu§na{)me auf
Ora!eI Ijin — erfolgte Uebertragung oon anberSwo liegenben ^eroen*
gebeinen, in ber Siegel aU ©ewäi)r oon Sieg unb 2Bot)lerget)en. 3IIte

^eroen fonnten einer Stobt feilten ober unwirffam geworben fein, unb
fie erwarb ni^t ot)ne Wä^t)^ unb ©efat)r einen neuen. Unb gwar ^anbelt

e§ fid) meift um befannte, au^ ruf^mooHe 9}iäuner ber mijtljifd^en unb


nod^ ber I)iftorifc^en ^^it, aud) um berüljmte f)eroifd)e grauen, wäl)renb

bie fc^on oort^anbenen ^eroengräber an 3^amen gefnüpft fein mod)ten,

oon bereu 3^t)aberu man fo oiel ai§> nichts mel;r wu^te -). Slüe 3)iittel,

aud^ finnreid)er ©iebftaljl, werben aufgewanbt, um in Sefi^ biefer ober

jener ^eroenleidie ju gelangen. Defter fanb man riefige ^nodjen oor^),


etwa oon urweltüdjen 5^ieren, unb beredinete fogar barau§ ba§ i^eibe^oma^
be0 ^ero§; ba§ man aber bie ©eele be^felben mitjugewinnen glaubte,

fagt un§ ein berül)mte§ SBort ^sinbarS*): ®er in iloli^iS geftorbenc

') 3n ber Äaiferäeit trat I)ie unb ha 11. 12. 14—19. ^Jlnbere malt l)ielt man
ber öeroenfult fogar in ben Jöorbercjrunb foIcf)e g^unbe für .tnod^en uon (Siganten
jum 9?ac^teil beö ©ötterfulteg, roenn man «ßaufan. VIII, 32, 4. — Söon ber pa=
bem l'ucian (deor. concil. V2) glauben foU. läontologifdien ©ammlung beS 2luguftu§
^) ©ogar bie Benennung fonnte un^ i
bagegeii fagt ©ucton (Dttan. 72): im-
firf)er geiuorben fein; bie .t)eroenaItäre, mauium belluarum ferarumque nierabra
irield;e ^aufaniag (X, 33, 3) ju li^arabra praegrandia, quae dicuntur Gigautum
in ^f)ofi§ faf), galten nac^ ben einen ossa et arma (sie) heroum. Ueber ben
ben S)iosfuren, nac^ anbern cinE)eimifd[)en einen 3if)" i'eS lalpbonifdicn^bcrö, roelrlien

.'öeroen. ,
ÜUig. nad) ^Hom gebrad)t Ijutte, ocrgl. ']>aufan.
•') 2)ie (gebauten bee ^^aufaniaö über VIII, 46, 2.

biefe atiefigteit: I, 35, 3 f.


— 111, 22, 7. ') ^^iinbar ^ptl). IV, 284 (160).
— VI, 5, 1. aSergl. ^fjlegon, Mirabilia,
S)er gried^ifcfie öeroenfuttuä. 245

^§ri£o§ »erlangt uon ^elia§ 3utü(Jfüf)rung feiner „Seele", toomit boc^

materiell bie Uebertragung ber ©ebeine gemeint fein mu§. 3Iu(^ fonft

wirb öfter oorauSgefe^t, ber betreffenbe §ero§ oerlonge bie Granulation.

®en Slnla^ gibt aud) t;ier etma eine öffentliche i^alamität ^), aber befonberS

gerne ein politifc^eS ©elüfte; roenigfteng pflegt bie ©egenb, meiere fic^

il;ren ^ero§ l)at rauben laffen, balb barauf bem Eingriff unb felbft ber

Eroberung oon feiten ber 9ieliquienräuber au§gefe|t ju werben. 3^^^^^^

madjte uießeid^t ben 2lnfang bie berühmte ©rroerbung be§ in 3::egea be»

ftatteten Drefte^ burc^ bie Safebämonier'-); gang befonber^ lel^rreid) aber

(um 600 t). 6l)r.) ift, roaS ber ©emaltlierrfc^er üon ©ifpon, 5lleiftt;ene§,

fogar gegen ben SBitten oon ®elpl)i p oerüben wagte ^). 2lbrafto§, ber

bisherige ^aupt^ero? ber ©tabt, beffen Neroon auf ber 3lgora ftanb,

roar il^m alg Slrgiuer mißfällig geroorben, unb er n)ünf(^te, ba^ berfelbe
,,t)on felbft fort ginge"; er lie^ fic^ au§ S^ljeben einen bortigen ^ero§,

9)telanippo§, abtreten, ber bei ßebjeiten ber größte geinb h^§> 2lbrafto§ ge=

toefen mar, unb baute il)m (nämlic^ feinen ©ebeinen) einen geroeil)ten

Sftaum im ^rritaneion an ber fic^erften, b. l). moljl bem 5]ol!§mibern)ilIen

am el)eften entzogenen ©tätte; bie Opfer, raeldie bi§l;er bem 2lbrafto§ ge^-

brai^t roorben, erl)ielt je^t 9}lelanippo§; bie tragifc^en ßl)öre aber, roomit

man bi§l)er bie ©d^idfale be§ 3lbrafto§ gefeiert, erfe^te i^leiftl)ene§ burd^

(E^öre für ®ioni)fog. ^n einem fpätern ^iftorifc^en iHomau*), roeldier

inbeS roid)tige ed)te ^ü^t be§ griecbifd;en Seben§ entljält, lä^t ^önig
2lgefilaog im böotifc^en ^aliartol ba^ ©rab ber 2ltfmene öffnen, aüein

bie ©ebetne, toeldie nac^ ©parta gebradit raerben foHten, fanben fid) nic^t

oor, unb über bie ©egenb !am Unfruc^tbarfeit unb Ueberf^roemmuug,


tüorauf ber fpartanifd^e i^ommanbant ber ^abmeia ba^ ©rab roieber

gufdiüttete unb Granfopfer bracbte.

Gine Uebertragung Bei einer ^eftis Vlir, 54, 3. 2Inbere 58eifpie(c ^aufan.
[euj auf einen Dra!e(fpruc^ ^in war bie ber IV, 32, 3. — VI, 20, — VII, 4. 1, 8.

©ebeine be§ öcfiob : au§ bem tofrifc^en - Vin, 9, 2.— VIII, 36, — 5. IX.
3temea, n. a. aü^ ??aupa!tog polten i^n bie 18, — IX,
4. 29, 3 (Soppelübertragung
Drcöomenier unb Begruben il^n ouf i^rer ber ©ebeine be§ SinoS). — IX, 80, 5
2lgora, o^ne ^"^ß^fel ölä ,S3ero§. ^roftu§ (©efc^ic^te Don ben ©ebeinen beä Drpl^eu§).
bei 3ße[termann 33iogr. p. 49, ^aufan. IX, — IX, 38, 8 (bie ©ebeine be§ ,5«efiob).

38, 3. 3) öerobot V, 67.


'^) ^erobot I, 6(3. 68. — ^aufan. *) ^(utard^, De genio Socratis, 5.
246 ateligion unb ÄultuS.

@inc ®ci]enroel)r gegen folgen ?fianh geroeil^ter unb hilfreicher Ueber»

refte fonnte nur barin gefunben werben, ha'^ man roid^tigc ©räber geljeim

i)ielt. 2öie man fo(d)en ©eljeimniffen beftimmte SJiitiuiffer fit^erte, oerrät

un^ bie eben genannte Quelle. Wan beforgt, ber ilommanbant merbe
in ^f)eben ha§> ©rab ber S)irfe auffuc^en, beffen ©tede niemanb fennt

all bie geroefenen 3ieiteranfü(;rer ;


jeber abtretenbe ^ipparc^ pflegte bem
antretenben nac^tg ^eimlicl) ba§ @rab ju jeigen, roobei fie geroiffe Opfer
ol;ne ^^euer brad^ten, bereu ©puren fie bann üerroifc^ten; hierauf trennten
fie fid) unb gingen im 2)unfel jeber feinet SBegel. ^m Slugenblid, ba
ber 9?oman fpielt, finb faft aüe et)emaligen 9teiteranfüf)rer all glüi^tlinge

abroefenb, unb ber ©partaner wirb nidjtl erfaljren. — ^n 5^orintl) l;ielt

man bie ©räber bei S^eleul unb bei ©ifripl^ol geheim ^), in 2:'rö3en bal

bei ^ippohjtol '^)


; ai§: ilimon bie 3tefte bei S:§ef eul von ber ^nfel ©h)rol
nac^ 2lt§en ju ^olen Ijatte, fonnte er bereu ©tätte nur mit Wü^i er=

mittein ^). 33ei ©opl)oflel rotrb ooraulgefe^t *), ba^ bol ©rab bei Debipul
jeroeilen burd^ ben ^önig oon 2tt^en nur bem älteften ©oline werbe ge»
offenbart — unb, bürfen mir ^insufe^en: mit bem ©rlöfc^en bei i^önig=
luml werbe oergeffen werben.

®inc 3Sariante ber Uebertragung oon ©ebeinen ift baS^ Qtxftxiimi


ber 2lf(^e einel 5^oten über ein ganjel ©ebiet ; fo berjenigen bei ^^eoptolemol
über ben ©au oon 2lmbraEia ^) unb ber bei ©olon über bie ^nfel ©alamil *').

S)ie 2Bol;ltat war bann eine atto erbreitete unb burd) feinen 9taub me^r ju ftören.

®aB ^eroengebeine aud) etwa über ber ©rbe aufbewal;rt unb unter
Umftänben oorgejeigt würben, gel)t baraul Ijeroor, ba^ ^aifer ^abrian
in ^lion foldje gu füffen befam. @l üJnnte anä) gefdjeljen fein, ba^ fie

in 5lriege unb ©c^lad^ten mitgenommen würben, ©djon ^Troja ^atte erft

eingenommen werben fönnen, all bie 2lc^äer bal ©djulterblatt bei 2:t)efeul

erljalten Ratten, welc^el fpäter in Olympia gezeigt würbe ^). 9lulfagen


bei ^erobot®) über Steafiben unb 2^r)nbariben (S)iolfuren), weld^e man

') ^au[an. If, 2, 2. ») .'öerobotV, 75. 80. 81. VIII, G4.


=') %\au^an. II, 32, 1. 83. 84. ©ie Unfterblid^feit ber Tioöfiiren
•')
iliit. Äimon 8. tDürbe nic^t Ijiiibcvn, ba^ man jugleid; il)re

') Bopi). Deb. Äol. 1531. Ueberrefte befefjen f)ätte. T^od) bei .pomer
') ^tigin, fab. 123. [tnb fie tuirflic^ ©ol^ne beg 3;i;nbareog
") ^iog. Sacrt I, 2. 15. unb nidit bcS 3^"^-
') ^aufan. V, 13, 3.
®er grted^ifd^c ^eroenfultug. 247

auf ba§ 5Jiitnet)men unb fogor 2lu§(ei^en oon 33{lbern berfelben gu


bejieiien pflegt, finb üielleii^t el;er ouf Sfteliquiarien ju beuten, tüie man
folc^e im 9)iilte(alter nt^t feiten in ben ^ampf mittrug. 3111 feit beut
§aber smifc^en ben fpartanifd)en Königen ©emaratog unb ^^leomeneg
nur noc^ je ber eine ^önig in ben ^rieg sog, raurbe pglei^ feftgefe^t,

and) oon ben ^^ynbariben muffe fiinfort einer p §aufe bleiben. „3)enn
früljer maren aud^ biefe beiben mit i^nen gegangen, al§ Singeruf ene,
inixlrjToi,." @l ift faum onguue^men, 'i^o.'^ üon bloßen 33i(bern fo oiet

2(uf£)e6en§ gemod^t unb if)nen eine magif^e Jlroft im Kampfe zugetraut


TOorben roäre.

"Üthtw allem aber, maS man oon einem §ero§ in ^rieg unb ^rieben
^offt, melbet fid^ — unb §raar fd^on im 3}?i)tt;u§ — auc^, maS oon
feinem Untoillen {oqy^) §u fürd;ten ift. 9kd^ ber 6innal)me oon ^lion
liegen bie 3ld^äer an ber ttjratifd^en M\it oor 2lnfer^) unb fönnen nid)t

weiter, loeil 2(d^iE über feinem ©rabe erfc^ienen ift unb bie Opferung
ber ^ohji'ena oerlangt. ©inem burd) geinbe bebrängten fretifdien ©tabt-

Ijäuptling loirb burd^ ein Crafel befolgten, ben Ort^^eroen eine :3ungfrau

ju opfern, unb "t^a^) Sog, roetd^eS befragt rairb, trifft (nad) 2lrt be§
33hjtt)Ui§) feine Xoc^ter^). 9}ioI)nungen ber ^eroen mirb man fogar nid^t
immer abgewartet f)aben; hi\ raiditigerm S3eginnen mürben pm oorau^
Heroen beSjenigen Ort§, auf melden fid^ bie Unternetjmung begog, I^eim^

li^ geioonnen. ©olon erljiett^) oor feinem 2lngriff ouf ©alamig einen

belpl;ifc^en Sefdieib, bortige ^eroen, „%n^xtx be§ Sanbe§", gu oer«

föEinen; er futjr bei nä(^tlic^er 3Bei(e J)in unb opferte bem ^erip^emo§
unb bem ^pc^reuS.
(Sin unoergänglic^e§ 5)enfmal be§ ©efü{)I§!reifeg, ber fid) an 'i:)a§:

©rab eineg aJZenfdien ber t)eroifc^en '^^\t fnüpfen fonnte, ift ber „Debipu§
in ^olonog" beg ©op^ofle^. Sie 3::l)ebaner, meldten ber rac^füd^tigc

2)ulber entraic^en ift, t)aben it)n nic^t in il^rer ©tobt, fonbern nur an
ber ©renje iljre§ ©ebietel begraben motten, unb nun fotten fie feine '^t'iit

überi)aupt nic^t t)aben, oielme^r it)r SSerberben babei finben, ba§ er auf
attifc^em Soben beftattet merben rairb. „3)ieine falte ocrborgene Seid)e

fott einft i|r roarmeg Slut trinfen." Stttifa aber fott ilju nid)t al» einen

') (guripib. §ef. 36. ») ^lut. ©olon 9.

^) 55art^enioä, narrat. 35.


248 ^Heügiün unb ßultu§.

„nu^lofen 33eroo!^ner" in \iä) beljerbergen; roiffentlic^ unb raidentlic^ foll

burc^ fein Sterben in ^oIono§ aüe^ @(üc! auf eroig an ha^ attifc^e

£anb geljeftet werben^). 2luf ba§ gro^artigfte oerbinbet ftc^ mit bicfem
©rabc ein ©ingang in bic Unterroelt, beten ©tiinmen man noc^ 3U üer»
net)men glaubt.
2)ie eifrigfte 3lnrufung, bie feftefte Ueberjeugung ber ©egenroart,
roomil man je gu ^eroen gebetet, mag bann uorgeEommen fein bei ber
üon fo üielen SBunbern begleiteten 9teugrünbung von 9Jieffene, unter ber
Leitung be§ ©paminonbaS, nad^bem er ©parta gu Soben gekämpft i)atk^).
dlaii) Opfern an bie t(jebanifd;en, argioifc^en unb meffenifi^en großen
(Sc^u^gott()eiten „riefen fie gemeinfcf)aft(irf) ju i^ren ^eroen, fie möchten
al§ 'Dtitberooljner jurücffonimeu, bie a)ieffene, 2^od;ter be^ 3:;riopaö, bann
ben ©uri)to§ unb ben 2lp^areu§ unb beren <Bö^m, unb con ben §era!Iiben
ben UreSpijonte^ unb ben Slepijtog; am meiften aber riefen aUe ben
Slriftomene» an" — ben rul^niüoffen gelben be§ jroeiten meffenifc^en
Krieges üor brei 3ö^)rt}unberten. ^n ben mi)ti)ifc^en (Erinnerungen be§
von aEer 2Be(t @nben (;eimgefel)rten unb l;ergefteüten S^oIfeS gefeilte fic^

bie größte (jiftorifd^e.

3tuf ba§ bisljer ©efagte f)in tritt nun and) bie Sebeulung ber boppelt
üorl;anbenen ^eroengräber in ha§i roat)re 2ici)t Sie 3::obe§ftätte eineg

S^txoS-, von tt)eld)em man ^eit ober Unl)eil erroarten fonnte, war uietleidit

fd)on im a)h}tE)u§ an jroei oerfc^iebenen ©teilen lofalifiert, unb an beiben


Orten jeigte man alte ©räber; ober man roar an ber einen ©tätte §roar
ber Sad^e nid)t geroi§, rooHte aber bem §ero§ nid}t§ fdjulbig bleiben.

3n ^ijeben fanb fidj ein Neroon be« ;3otoo§, obgleid; man roiffen fonnte,

ba^ er auf ©arbinien geftorben mar'). 3lu§erbem roirfte bie noc^ lebenbige

©itte ber Slenotapijien ober Seergräber mit ein, roeli^e*) fortroä()renb

foldien ^oten gefegt rourben, bie in weiter ^nm, im Kriege, jur ©ee
geftorben, nnh beren i3eic^en nidjt 5U befommen geroefen waren, ^n (£'li5

I;atte auf ein Orafel Ijin 2Id)iUeu^ ein Kenotaptjion {xevov fiv^fia) ev

') Heber ha§ roirfürfie (^kab be§ Debt= •') Sie umren von anbern r^5räbcrn

puö iiiib bann noct) ein bcfonbcreö .sjeroon: ju unterfc^eiben burd) eine befonbere ^'-Jn-

^aufan. I, 28, 7. — I, 30, 4. tat, baö ixQiov. 33evgl. DJJarcellin, vita


-) ^au^an. TV, 27, 4. Thucyd.
^) ^aufan. ]X, 23, 1.
S)er gnccl^tftf)C ^erocnfultuä. 249

Italien ^) , an raelc^eg fid^ ein öeftiger ^rauerfult ber grauen fnüpfte.

33ei ^^eben jeigte man ba§ @rab be§ 5:;eire[ia§ -) unb gab bod; ju, ba^
e§ leer unb ba§ ber gro^e 2Baljrfager bei ^aliartog geftorben fei. 3)er

^erolb be^ ®po§, 2;alt^i)bioi3, tjatte feine ©räber in ©parta unb im


ac^äifc^en 2legion, unb beibe Stäbte brai^ten ii)m ^otenopfer^). Unb
nod^ fpät in ber l^iftorifd^en 3^^^ ergingen Dra!elfprüd^e biefe§ ^nf)alt§.

Ser gro^e ^imon, obrool;l anerfannterma^en in ber i^imoneia ju 3ttf)en

beftattet, iiatte bo(^ auc^ ein ©rab gu ^ittion, mo er geftorben mar; bei

Hungersnot (jatte bie ©ottfieit befofilen, i!)n t)ier aU einen i^öljern {xQsiiTova)

gu t)eret)ren^) — unb für einen SfJic^t'Öott mar no(^ immer ba§ @rab=
matil bie näc^ftliegenbe gorm t)iefür.

Sei ^aufaniaS (I, 41 ff.) fäüt bie Sefdireibung üon 3}tegara auf
fc^on burcf) ©rroäljunng fet)r jaljtreic^er @räber au§ ber mi)t{)if(^en 3^^^

überliaupt, au(^ folc^er, meiere regelmäßigen 5lultu§ genoffen; namentlid^

aber baburd^, baß eine Slnjaljl baüon raie üon ben SJJegarern, man möchte

fagen, ufurpiert erf(^einen. ^aw fal; ein Neroon be§ attifd^en ^önig§
^anbion, melc^er bocJ) notorifc^ anberSmo, unb ^roar in ber 9iäf)e beftattet

mar, ferner ba§ ®enfmal ber Slma^onenfönigin ^ippol^te, meldje \\a6:^ itjrer

9iieberlage burd) 3:;t)efeu§ fic^ „(x\\^ ^erjeleib" follte nac^ 9Jiegara ge=>

flüchtet Ijaben. 9Benn man bann ba§ ©rab ber ^no Seufotliea, meldie

in ber 9^ä§e ber ©tabt oon einem %tl§) in§ 9}Jeer gefprungen mar, ben
SJZegarern roirb laffen muffen, fo befrembet boc^ roieber ba§ Neroon ber
3p^igenia unb ba§ Heiligtum be§ 2tbrafto§, meldie beibe in SJiegara ge^

ftorben fein follten, roä()renb bod) ba§ ©rab be§ (entern in ©if^on einen
fo naml;aften ^u(tu§ genoß, unb ooHenbS 3pf)igenia§ 2lu§gang eljer überall

fjin aU nac^ ajJegara weift. 2Bo ©rünbe unb Umftänbe für folc^e £of alifierungen
üorgebrad^t merben, finb e§ nadiläffige ©rbic^tungen ; 2lbrafto§ foIItc auf

ber ^eimfefir üom t^ebanifd^en Ä^riege au§ Kummer roegen beS 2^obe§ feines

©oI)ne§ gerabc in QJ^egara geftorben fein ; ein Heiligtum ber 2lrtemiS mürbe
als Stiftung 2lgamemnonS ausgegeben, bei ©elegenljeit feines Sefuc^eS in

') ^aufan. VI, 23, 2. — ©olc^e Der= -) «ßaufan. IX, 18, 3. — Sn 2trgo§
einselte Stc^iHgfuIte gab e? I^ie unb ba; fa^ man ein Äenotap§ ber cor ^lion unb
einen fe^r eifrigen auf ber deinen ^nfel auf bem Jiüdfroeg Ibngefommenen, ebb. II,
2tftt)paläa eriDäI)nt Cicero, De uat. deor. 20, 4.
in, 18. =*) ^aufan. VII, 23, 7.

*) ^{x\t ^imon 19.


250 Skligion unb Äultug.

aJiegara, ha er ben (jier n)ol;nI)nften ^alcfiaS Ijaht jur 'xtilna^rm am


3ug gegen 3^ion beroegen muffen. 2öie tarn ferner bog megartfc^e 2)orf

©rineia jum ©rabe einer ltabmo§tod)ter? 2tn(^ f)ier fagte man, Slutonoe
fei au§ C^ram über ba§ ©d^idfnl il)re§ ^anfe§ oon ^(jeben {)ie^er über'

gefiebelt. 5K>ir oergid^ten auf ^ijpot^efen, raelcfie mir nirf;t näl)er be»

grünben fönnten^).

5tatfäcf)Iidö nal;m ber ^eroenbienft neben adem ©ötterbienft im


grie(^ifc|en Seben noc^ fpät eine roiditigere ©teile ein, al0 e§ auf ben

erften 2lnblicE fc|eint; man möge nur bie ^aljreSf eiern in 33etrac^t gießen,

TOel(^e ^aufania» im eigentUcfien, erinnerung§reirf)en ^etlaS überaß am


Seben fanb. ^^^t ganzen mirb man fd^lie^en bürfen, ba^, wo bie (Srabe§»

e^ren für geraöljnlic^e SJerftorbene ftreng beobachtet mürben, bieg aud^

mit bem ^eroenbienft ber %aU geroefen fein möge, benn ba§ jugrunbe
liegenbe ©efütjl mar üon ^aufe au§ ba^felbe; baju tarn aber noc^ für

bie ^eroen ein populärer ©laube. 3'iic^t nur im 5lriege, fonbern in

jeber 3iot unb @efal)r fc^einen ^eroen — mir erfat)ren nur nid)t immer,
meiere — um ©d^u^ angerufen raorben ^u fein, oieüeidjt nidit oiel

weniger aU ©ötter; ^§> gab ^eroenljeiligtümer, meiere ganj oott maren


üon @Eooto=©emälben^), unb ba mu^ bo§ in bem Sau lebenb gebad)te

SBefen al^ feljr l^ilfreic^ gegolten unb bie ^s[)antafie in bot)em ©rabe
befc^äftigt !)aben.

fragte man freilief) nac^ ben ^eroen überl)oupt, ot)ne einen einzelnen

ju nennen, fo meinte bal SSolf, biefelben bräditen il^r S)afein ^in mit

3ecl)en auf ben ^nfetn ber ©eligen, fo mie man e§ in ©ruftmalereien

unb auf ©efäBen ^äufig abgebilbet falj, unb — würbe liinäugefügt —


wie man e§ gerne mitmad)en mürbe ^). ©c^on bei 2lriftopl;anel fprid)t

jemanb^) eine rec^t §uüerfid)tlid^e Hoffnung biefer 3lit au^: „2Bir mürben

ja nic^t fo befranst unb gefalbt auf bie Sa^re gelegt werben, wenn wir

nid)t brunten fogleid) an§ Xrinfen fämen; be§l)alb beiden ja bie Xoten

©elige (fjaxaQioi); man fagt: ber ©elige ift gefc^ieben, er ift entfc^lummert,

ber ®lüdlid)e! (Sr Ijat je^t feinen 2lerger mel)r! Unb wir opfern ibnen

*) SBcitere SBcIege jum Sofalifieren ") '/•> (xaxÜQwv vtlaoig nlvtivjitTti

Don fieroen an Drten, bie bem .'pcroö fremb rwr »jpwwj'. Sudan, Jup. confut. 7.

finb, f.
3Jad)trag 5. ') 5raiV"e"t auS ben Tay^fiarai,
•-')
3ai)en. VIII. 44. bei etobäuö ed. 53?eincfc IV, ]'. 116.
2)er gried^ifd^e §eroen!uUu§. 251

ouf l)eroifd^e 3lrt {haYtG^aßiv) tuie ©öltern unb raeitjen ifinen ^ranf*

fpenben unb bitten fie, un§ ©ute§ tieraufjufdjitfen." ©o roic ^ter bie o^f

iröf)nltc^en 2::oten ben ^eroen ungefähr gleid^gefteüt werben, fo qucE) in

ber fe^r alten ©itte, ba§ raa§ beim offen com 2:ifc^e fiel, nic^t aufju«

tieben — nac^ ber einen 2lu§fage: inbent man e§ ben werten ^erftorbenen

überlief ^), — nad) einem ^^ragmcnt be§ 2lriftop^neg -) : inbem e§ ben

Heroen gepre. 9}Jan mirb babei an jene uralten Briten erinnert, ba bie

2^oten im ^aufe begraben mürben.


2Ba§ bann bie einjelnen, mit 9kmen befannten ^eroen betrifft, fo

mürben mol)l in einer neuerunggfüditigen ©tabt mie Sttfien 5. 33. felbft

mit einem ©c^u^patron ber @eri($t§l)öfe wenig Umftänbe gemalt ^), unb
roenn S^obeSftrafe auf jeber SSerle^ung ber Säume im 58egir! eine§ Neroon
ftanb, fogar auf bem 2tb^auen eines ©(Joffes ^), fo wirb man l)ierin

roeniger bie gro^e religiöfe ©cfieu (SeiaiSaifiov^a) ber 2ltl)ener §u erfennen

^aben, als bie einfalle Ueberjeugung, ba^ bei ber großen ^olsormut ol^ne
bra!onif(^e ©trafen bie Pflanzungen in ^ürje mären auSgefiolst roorben;

auc^ mar ha§: attifd^e ©efe^ mit S^obeSftrafen äu^erft freigebig, menigftenS
mit ber 2(nbrol)ung oon fold^en. 2luf bem ßanbe mar ber 9iefpeft größer:

^i^ fog. „Jungfrauen", nämlic^ bie riefigen 39preffen, meiere ba§ einfalle
iQeroon beS 2llfmäon bei ^fopl)iS umftanben, wagte niemanb ju fällen ^).

3n aufgeregten ^ntm aber war and) jenes nämliche atl)enif(^e SSol! be;

fanntlid) für alle 2lrten oon 2lberglauben empfänglid) unb wirb fi(^ oor
bem Unwillen feiner ^eroen gefürd^tct l;aben wie ein anbereS. Unb no^
immer würben \a neue ^eroen freiert, wie 3. 33. jene ^riegSanfüljrer, unb
auä) ©opl)ofleS ift hnxä) ©taatSbefi^luB gum ^eroS unter bem 5Ramen
©cjion, ber 2lufne^menbe, erl)oben worben, weil er ben SlSflepioS in

feinem ^aufe empfangen Ijatte''). S^ermutlic^ war bie 2lufforberung l)ieju

1) 2lt£)en. X, 30. Dclbäumen jur ©rbe fiel, mitnetjmen.


^) 2)iog. Saert. VIII, 1, 19. — 2Iud) 5ßouf. n, 28, 3.
5ßi)tI)agora§ Derbot bergleid)en aufjuJieben. 5) 5ßaufan.VIII,24,4. — S)er®ronat.
") Slriftop^. Vesp. 394 ff.
— 3ur 3eit bäum mit ben blütfaftigen fyrüd^ten auf
ber alten Äomöbie gab eä ©tüde mit bem bem ®rabe be§ aJJenoifeuö }u X£)eben: IX,
SEitel „bie §eroen" »on (S^ionibeä unb 25, 1.
von ^rate§. ") ®er 2:raumterfef)r be§ ©optplleä
') 2lelian. V. H. V, 17. — Seim mit §erafle§, Sicero de divin. I, 25. '^nd)

Neroon ber ^^rnettio in ©piboiirog burfte f)atte er einft fd^äblirfie Sßinbe geftiUt.

man nici^t einmal ba§, luas con ben bovtigcn fsf)Uo\tt. Vita Apollon. VII, 8 § 7.
252 3ieligiün imb j?ultu§.

von Seuteii au§ bem 3?olfe, etiua uoii bcn 9kd}barn, ausgegangen, benn

ben bamaltgen S)emagogen fä^e fie nid)t ätjnlirf). ^n mandjer grte(^ifd)en

©tabt unb brausen in ber Umgebung mag fic^ an ein alte§ ©rab eine

Sirt üolfstümlidje i^anonifatton gefnüpft liaben, unb menn in ben Sendeten


üon einem Orafelbefeljl bie 3iebe ift, fo roirb ein fold)er nic^t iebeSmat
lüirflid) ergangen, fonbern oft nur fpäter Dorau§gefe^t morben fein. Unb
aud), menn ein Drafel gefragt mürbe, mirb e§ nidjt immer ®elpf)i ge*

mefen fein, roie bie ert)altenen 2luf5eid)nungen angeben, fonbern eine ber

nädiften, in ber olten 3^^^ f^ saljlreic^en j^^rageftättcu. Seim 2lnbenEen

an böfe ^änbel au§ mi)tt)ifd)er ^dt fd^uf raol;! fd)on bie ^urd)t bie

^eroen: biejenigen tl)effalifd)en ©djaren '), roeli^e einft ben Dto§ unb
@pl;ialtel jur Sefitina!)me oon dla^o§> begleitet, bie bortigen 5:;t)rafer über*

roättigt unb einanber bann gegenfeitig im milben Kampfe getötet Ijatten,

mürben fpäter oon ben ©ingebornen al§ ^eroen oerefirt. 2Bie freunblid)

bagegen baS ©rabmal be§ Siebespaares 9il)abine unb Seontid)o§ bei

©amoS am SBege pm großen ^eratempel ! ^ier erfäljrt man ni(^tS oon


einer auSbrüdlidjen @rf)ebung ber beiben ju ^eroen, roo^I aber, ba^ bie
SiebeSfranfen {)inpilgerten unb ©elübbe barbrac^ten ^). 2Iu§ SlrgoS trieb

man bie ©c^afe §um ^eiligen 33e§irf be§ Slgenor^), „raeil berfelbe ent=

raeber ein trefflicher ©djafsüd^ter ober ein befonberS £)erbenrei(^er ilijnig

gcroefen". Unmeit oon DropoS ftanb ba§ ©robmal be§ 9iarfiffoS (uidit

beS befannten) an§> ©retria, unb biefer galt rairflid) als i^eroS unb I)ie^

ber „©d^roeigfame", unb bie 33orübergel;enben pflegten il)xt ©efprädje ein»

aufteilen ^). ©in anbermal finb eS unfd)ulbig ©rmorbete, meldte ^eroen»

Opfer erljalten ^), roie Ijie unb ba im SJiittelalter ben ^eiligennimbuS ; auf
eine eingetretene fdiroere Kalamität l;in Ijatte man auS 2)elpl;i biefe

Si^eifung befommen. 33or ber ©d)lad)t üon :!i^euftra brad)te ©paminonbaS


bem bort begrabenen ©febafoS unb beffcn beiben ^Töc^tern Opfer ber-

felben 2lrt famt ©elübben"); bie Xöd)Ux, oon ©partanern genot^ü^tigt,


Ratten fic^ erljängt, unb aud^ ber ^isater, als er fein ^Kedit faub, l;atte

') Siobor. V, 51. ') ©trabo IX, p. 404. — ^ergl.


2) ^aufan. VIJ, 5, 6. ^Ufiprjron III Ep. 58.
") "-:|.Uut. Quaest. Graec. 50. — Sßerc^l. •'')
%\au\an. VIII, 23, 5.
baö ®in)egnen ber 2;teve bei Äivdjoii beö ") ^aufaii IX, 13, 3. ti'r,yi!:i n xal
f)etl. 2lntoniu«i an beffen Sö^reefeftc.
2)er gded^ifc^e §eroen!ultu§. 253

firfj getötet; bamit nun 311 afler fonftigen SSergeltung an ©parta auä)
biejenige für biefen ^-reüel fomme, naljiii ©paminonbag bie J^anonifation

Quf fi^^). 2tu§ oerroirrten Erinnerungen an furchtbare altt ^eftgeiten

fonnte bag ©rab etne§ tjalb fabelhaften alten 2tr§te§ ^eroif^en ^ultu§
erljalten, üergeffen werben unb fpäter abermal^^ SSereljrung genießen, wie
haS' beg „Ijeilenben grembling§", be§ ©fijtlien 2:oj;ari§, in Sttljen, wdd)i§>
nod) gu Suciang ^^^t^) beftänbig befrän§t unb üon ^-ieberfranfen be*

fu(i)t TOurbe. ^m a)tittelalter galt Ijie unb ba bie üon einem ^eiligen^^

grab mitgenommene @rbe, ja ber ©taub al§ Ijeilfräftig. ^ux 3eit be^

^aufaniaS^) mu^te man in ^Ijeben ba§ ©rab be§ 3^t^o^3 unb be§
2lmpljion, einen ©rbaufmurf, von roljen Steinen umgeben, in bem
unferm Slpril entfpredjenben Womt ernftlic^ l)üten, meil bie pljofifd^en

^itljoreer — nac^ einem ©prm^e be§ 33afi§ — ©rbe baoon §u rauben


fucf)ten, um fie bem in Sitljorea befinblii^en ©rabmol ber 2lntiope an^

gufügen, roa§> i^nen j^rud^tbarfeit, ben 3^l;ebanern aber Unfruc^tbarfeit


bringen foüte.
Unter fonft unerprten Umftänben !onnte felbft ein ©flaoe pm
^ero§ erl)oben werben, unb graar auf bem fflaoenreidjen (Sl)io§, etroa

um 300 0. ©Ijr.^). 2)er fel;r fähige 3tnfüljrer eine§ ©flaüenaufftanbe^,


S)rimafo§, ber bie ©tabt gu einem oernünftigen 2lb!ommen genötigt ^atte,.

welches fie bann brad;, um einen "^^preiS auf feinen ^opf gu fe^en, lie^

fii^, ba er gealtert mar, oon feinem Siebling töten, bamit biefer hmä)
äiorraeifung feines ^aupteS ben ^'reis erl)alte. 2ll§ l)ierauf bie ©llaoen
mieber J^oub unb ©eraalttat übten, erinnerten fi^ bie ßljier an bie

Silligfeit unb 9}{ä^igung be§ ©etöteten, erri^teten il)m auf bem fianbe
brausen ein Neroon unb benannten il)n al§ „rooljlgefinnten ^erol".
©ort brad)ten il;m bann freiließ aud^ bie au§geroi($enen ©flaoen bie

2Bag er ftc^ bamalö fogar in ben 1


*) 2li§cn. VI, 88—90. Sergl. bei
Stempeln Don 3:;i^e5en für 5lünfte erlaubte, Äonon narrat. 20 bie ©age uom ge=
um glücflic^e Sorbebeutungen ju fd)affen, I
fangenen Siinber^irlen auf ber Sf)alfibi!e,

Dcrgl. ^|^oh;än, ©tratag. III, 3, 8 unb 12. |


rceld)er fic^ burc^ Serrat nü^Iid^ madjt unb
— 2)iDbor XV, 52 f. |
gleid^rooE)! getötet loirb; barauf folgt ©ötter*
^) Sudan., Scytha. — ©d^on im '

jorn (b. 1^. iDof)l eine ^eft) unb auf eilt

Seben beö SRebner§ 2lefc^ineä (2Beftermann, Drafel Tjin bie ©rrid^tung eine^ prächtigen
Biogr. p. 265) roirb ro roi; '/arpoü jJoüJoj/ ©rabmalä für ben 3linberfjirten, roelcfiem
erraäf^ut. man feitf;er aB einem $ero^ opfert.
3) ^Paufan. IX, 17, 3.
254 3le(tgior. uiib Äultug.

©rftliut^e üon bem, ma§> ik ju rauben pfleiitcn; bafür er[c|ien 2)rimafo»


titancE)em '^ürt]er im ^raum, um iljm foldje Ueberfätte oorauS anjus
fi'mbii^en, unb bie, meldten er erfd^ien, bracljten il;m bann ibrer[eit§ Opfer

an feinem Neroon. §ier ift aüe^ beseic^nenb, baö merfroürbigfte aber


wäre, bie 2tnfd)auungen unb @rinäpni]en ber Girier ju fennen in bem
Slugenblid, ba fie i^ren ©inn änberten unb ben ^ultUio be^ gefürd[;teten
"Xoten befd;loffen.

Saut ber 2]olf^meinung erfd^ienen bie ^eroen übertjaupt mancf)en


Seuten imStraum^); fie Ijatten aber nod^ anbere 9}iittel, \iä) üerneljmlidj

5U machen: man ijörte an ii)ren ©räbern bi^raeilen befremblid^eio ©etön.


33on einem ©efamtgrab ber at§eni)d)en (Gefallenen melbet noc^ ^aufania^
ha§i aHnädjtlidje ^;]jferbet]eroiet;er unb ben 5lampf(ärm"); mer e^ abfic^tlid)

Ijoren moHe, bem befomme e^ nid}t gut, mer aber nur jufällig baju fomme,
ben treffe ber UnroiÜe (ÖQyt^) ber S)ämonen nic^t. 9^un gelten fonft,
roie oben bemerft mürbe, tl;eoretifd) bie SDämonen al§ eine oon ben ^eroen
uerfdjiebene, £)öt;er ftetjenbe ©attung uon 9Befen, allein ba§ SBort S)ämon
Ijatte ju feinen fo üerfd;iebenen 33ebeutungen beim ^^olt auc^ bie eine»

©efpenfteio angenommen, unb infofern ber i^eroS §um ©efpenfte


rairb, Ijei^t er je^t l)ie unb ba in biefer ^errenloic gebliebenen Steligion
auc^ ®ämon, mofür noc^ weitere 93elege folgen werben. S)a§ ber uni'
mauerte gemeil)te Sejirf (rf>6roc), in meldjem mandjee i^eroengrab ftanb,
oft für üöllig unbetretbar galt, wirb feinen ©runb nid)t blo^ in ber

(Sorge oor ber ^erle^ung be§ ®rabe§ geliabt l;aben; man rooHte roaljr'

fd)einlid^ ben ^ero^ fd)on nid^t im ©d^lummer ftören unb mar überl^aupt
frot), wenn fid) ha§> &zi])en\t nidjt regte. S)te wunberlid^ften "ipbantafien
oerbanben fid) mit ben 33eforgniffen oor biefen SBefen. (i'in ^ero'o regt

fid^ 3. 33. furdjtbar, mtnn 2lmt§gcnoffen berjenigen 'i>erridjtung, bie iljm

bei Sebäeiten eigen geroefen, beleibigt ober getötet werben. ®er 3oJ^n

be§ ^erolb:§ ber 3ltriben, Xaltl)i;bio§, über bie ^^^otung ber perfif d)en

^erolbe gur 3^it ^^^ 2)areio§ war laut ^erobots offenbar febr crnfter

^) 3)ie Derfcf)iebeiien Sebeutungen fol« 1


9loffecieune[)ev unb -lUifauneiifdiaU ol)ne '^c-
c^er 3;räuiite bel)anbelt 2{rtemibor n. m. D. !
nef^img auf .iHTocugriiber: "plutard) rarull.
— .^erafleß erid)etut nad) feinem Jobe
'

7 unb 20. — 2^a§ (i-icpoltev in :)ioIiiiuicn=

einer ganjen 23eDölferung alö öefpeiifi, fc^reinen üon .'öciligen rcar im Hiittclalter
(paauaTi cpaftig, Monon iiarrat. 3. iiid^t feiten, uieiin bem lietrcffenben Crt
|

-) ^Inbere Seifpicle uon gefpcnftifrficn! eine


'

(^iefal)r brol;tc.
2)er gried^ifd^e §eroen!u(tu§. 255

Ueberjeugung ^j nur burc^ ben Untergang be» 3)iilttabc§ unb jroei ©ene»
rationen fpäter üon sroei nad) ^erfien beftimmten lafebämontfc^en ©efanbten

ju füfinen. 2(nberfeit§ rid^tetc \id) etroa ber ^o^ eines ^^xo§> gegen bie

ganje i^ollegenfc^aft eines jolcfien, ber il)n beleibigt Ijatte: auf 9t()oboS burfte

bem Neroon be§ Ofribion fein ^erolb nai)en, weil einft ein folc^er babei
bel;ilflic^ geme[en mar, a[§> bem Dfribion bie 33raut entfül;rt ranrbe ^).

3u biefcr geinbfrf;aft nac^ i^ategorien geijört auc^ ber ©rott eines §eroS

wegen tüeiblicfien SSerrateS : ju S^anagra war, in mi)tl;i[cE)er 3^^t/ ©unoftoS


burc^ 3lnftiften eines 2ßeibeS nmgefommen ; feinem üon einem iieiligen

§ain umgebenen Neroon burfte nun fein Sßeib natien, unb bei ©rbbeben,
SDürre unb anbern SBunberseicfien raurbe öngftlicf) nadjtjeforfc^i, ob bieS

nic^t bennoc^ gefd;e!)en fei. 91ocf) p ^lutari^S 3^it oerliefe ber ^eroS

in foIc|en fällen fein @rab^), unb Seute fatjen if)n auf bem 2öege jur

^üfte, mie jum Sabe roanbeln.

3lbgefef)en üon aüen ^eroengräbern fonnte eS aber üorfommen, ba^


Steile einer ^eroenteidje no(^ gar ni(^t beftattet waren, unb bann mar su
erwarten, bafe ein foli^er §eroS — unglüdtic^ wie ber (Slpenor ber

Dbi)ffee*) — fid^ beftänbig fid)tbar erzeigte. Sie ©egenb beS böotifc^en


OrdiomenoS ^) würbe fortwäljrenb mit ©d)aben ^eimgefud)t burd) baS ©e*
fpenft beS Slftäon, welches auf einem ^^elS f)aufte. 2luf 2lnfrage in 2)elpJ)i

erhielt man ben 53efc^eib: wenn man nod) einen 9ieft oon Slftäon (über

ber @rbe) finbe, benfelben ju begraben, ein e!)erneS 2lbbilb beS ©efpenfteS

§u fertigen unb baSfelbe an bem ^elS mit etiernen Rauben gu befeftigen.

SieS aQeS mu^ gefc^e^en fein; ^aufaniaS, ber baS ©ebilbe nodj fatj,

fügt i)inju: unb nod) jäfirlic^ bringt man bem 2lftäon l;eroifc^e Opfer.
^n ber oolfstümlid^en 3lnfd)auung war cieHeic^t ber ^eroS löngft

ein gefäf)rlid)er ^obolb, wätjrenb man \f)n offiäieU nod) oon ber feierUd)en

©eite naf)m. ^^^ür bie SBanbelung in ben 2lnfi(^ten ift eine %ah^l in ber
(Sammlung beS SabrioS ^) i)öä)\i leljrreic^. Sluf einem SSauerngut liegt

') ^erobot VII, 134. 137. — ^aw^ ^) ^htt. Quaest. graec. 40.
fan. III, 12, 6. $ßergl. ouc^ I, 36, 3 bie *) Db. XI, 71. SSergl. bie Älage be§
Rötung einc§ at^enifd^en §erolb§ burd^ noc^ unbeftatteten ^ßatroHog ^l XXIII,
bie 3JZcgarer unb bie ^otö^" baoon. 65.
-) ^hit. Quaest Graec. 27, Dergl. 28. ^) ^aufan. IX, 38, 4.

— Sßarunt auf 2;enebo§ fein j^Iötenfpieler ^) SabrioS, ©t^aoge I, fab. 63.


in ben ^eiligen Sejirf be§ 2:enne§ ein=
treten burfte, cergt. Siobor V, 83.
256 Sieligion unb Äultuä.

ein ^eroengrab; ber Sanbmann bringt Opfer, ^xän^t unb SBeinfpenben


unb htUt jum ^ero§ um reidilid^eä @ute§; ha erfc^eint if)m berfelbe im
^raum unb fpridit: nic^tg ©ute§ geroäl)rt bir ein ^ero§; um folcbeS

mu\]t bu bie ©ötter bitten; wir finb ©penber aüeS Uebelg, ha§ bie

3)ien[c^en oerfolgt; nnflft bu Ueble§, bann bitte; and) wenn bu nur um


©in Uebteg bitteft, geroäfire id; bir oiele! — Unter ben ©prirfiroörtern

unb 9teberoei[en ber 2llej:anbriner finbet fid) ba§ folgenbe auf ge^eidinet : um
gu fagen: id) bin feiner oon benjenigen, roeld^e ben beuten nichts ©ute§

gönnen, fagte man: id) bin feiner oon ben ^eroen, benn, fügt ber 2luf'

§eic§ner l^ingu, bie ^eroen finb et)er bereit ju fd^aben al§> ju uü^en.

@an§ bebenfiic^ loar e£% roenn ber ^erog al§ ^^'^ii&ws' ber ^^^rau be§

@ef)öfte§ einen Sefud) machte, ^erobot, lueli^er bie ©efd^idite -) oorbringt,

gilt befanntU(^ bofür, ba^ feine ^eljanblung fpartonifdier 2)inge nid)t

oöüig frei fei oon 33o»^eiten, bie man fid) in ^t1)tn (unb oiedeic^t auc^

f)eimli(^ unter unsufriebenen ©partanern) er§äf)Ite, aber inner()alb be§ ba»

maügen ®efidjt§freife§ liegt bie ©rjä^Iung unocrmeiblid). ^önig ^ema»


rato2i oon ©parta Ijat feine 9Jiutter burd) ein feierU(^e§ ©tieropfer am
2lltar beg „^^vi§> be§ ©et)öfte§" jum ^eben gejuningeu unb oon if)r bie

2luicfunft erhalten, er fei, raenn nid^t oom 5lönig 2lrifton, bann oon bem
igeroS Slftrobafo^ erzeugt, beffen Neroon im 3]orl;of be§ ^önig^ljaufe«

ftanb; ber, welcher su if)r gefommen in ber betreffeuben dladjt, l)aht fie

befränjt, bie dränge aber feien oon jenem i^eroon genommen gerocfen.

®ie ^eroen erdigen fic^ ferner nid)t blofe aU bösartig übert;aupt,

fonbern fpesielt al§> prügelfüd)tig-^), unb bei Skd^t nod) mef;r al^i bei

^Tage, unb menn man, l^ie^ e§, fie gerne a\i§> großen ©efäfeen trinfenb
obbilbe, fo gefd)el;e bieg, um jene ©igenfc^aft e^er auf ibre ^runfenljeit

als auf itjren Gljarofter (rgönog) §uriidfüi)ren ju bürfen. SÖer näd)t=^

lid^erroeile mi§()anbelt roorben mar, mod^te etma et;er einen ^ero§ al§

einen 33efannlen auflagen.

) ^lutard^ , de proverbüs etc. 32. i SdioHon ju S[ri[topI)ane!S (Av. 1490) dva-


') .|)erobot VI, 69. 3)ie flanje betr. ö^yriTui xui ^(a'Atjini rote: (/nmXnCotKTi
^(artie oon c. Gl. an mac^t ben (Jinbrud yiyt'DVTui, \xiii{)a\h iiuiii beim audi fdmncii
einer [tarf nooeUiftifcf) gefärbten 2)ar[tellung. beim ^Norübenjcljcn an .v>erociuiräbcvn iUicr=

') /aAtnovg xui 77ÄiJxr«f, auö 6^0« l^aupt unb nidjt blo^ au jenem oben er«

mäleon bei 2(tl)en. XI, 4. — Vaut bem ; mäljuten bc^^ liiarfiffo«:


Ser gried^ifd^c §eroenfuItu§. 257

2Bq§ ooHenbS uon SeibenfcfiQft unb 9Ibergtau6en im griecfiifc^en @e=


mute fc^Iummerte, boS tarn pm 3lu§bru^ an ben großen Slampffpielen,
6ei ben 2Beü!ämpfern felbft mie bei ben 3u[(^fluern. ^m ^ippobrom oon
Cüjmpia ^) ht'jünh fii^ eine 2lrt üon 9hinbaltar, genannt ber ^ferbefd^en*
mac^er, 3:^arajippo§, unb barin [ollte ein malitiöfe§ SBefen l;aufen, roeld^es

man cor ber ^at)rt bur^ Opfer §u begütigen fucfite. ®ie metften glaubten,
ein ^ero§ liege barin begraben, etma 2lIfat{)oo§, melrfjer einft, mie anbere
freier ber ^ippobameia, im ^ippobrom Unglüc! geljabt Ijabe unb nun
ouf bie 2ßettfaf)renben neibifd; unb ein übelmoflenber ®ämon fei.

©nblic^ umfaßt bie berüf)mte ©pufgefd;ic^te, roelcfie um ben Slnfang


be§ Y. ^a§rl)unbert§ o. 6t)r. im unteritalifc^en S'emefa i^ren 2tu:§gang

fanb'''), alles, wa§ 93oIf§roaf)n unb religiöfe Slonfufion in betreff eine^

fogenannten §ero§ gufammenbringen fonnten. SDaS betreffenbe SBefen,


raelc^e§ abroed^felnb §ero§ unb 2)ämon tiei^t, foll ein @efäl)rte beg i)ier

angefelirten Dbt)ffeu§, namens ^oliteS geraefen unb non ben ©ingeborenen


gefteinigt morben fein, weil er im 2:^runfe ein a}Mb($en genot§üc^tigt ^atte.

@r tötete l;ierauf Seute üon S^^emefa, jung unb alt, fo ba^ bie (SinraoJmer

bereits auf 2(b§ug nad^ einer anbern ©egenb gebadit t)aben follen; nad^
anbern ^erid^ten {)ätte er aber and) pd^ft löfttge S::ribute eingebogen, unb

babei roirb man an eine ©auncrbanbe benfen bürfen, meiere fic| bei bem
©rabe eingeniftet !)atte. ©nblid^ mie§ ^t)tt;ia bie 2:^emefier on, ben ^ero§

gu üerföt)nen, i£)m einen I)eiligen SSejir! famt Tempel ju meinen — offen»

bar ba§ Neroon sroifrfien milben Oelbäumen, melc^eS nocb ©trabo falj,

— unb i§m jätirlid) bie fd)önfte Jungfrau oon S^emefa ju geben, ber
^orm nad) otjue ^n^^^f^I ^^^ 3af)reSpriefterin biefer faubern ©ottfieit.

©ie taten fo, morauf ber ©c^reden auft)örte, mä(;renb n. 21. and) nod^

jene Sl^ribute fortgebauert ptlen^). 3mmert)in mar man auf einen $ßer=

^aufon. VI, 20, 8. — 2(u^er 211^ ^) ©rl^ielt jener etraa erft je^t 't>zn

lotl^Doä riet man nod) ouf üier anbere; ?Jamen ^DHte§ = 33Zitbürger? 3BDbeiman
^aufaniaä fetbfl bad)te an einen ^ofeibon fid) immcrf)in auf ben rcirüic^en ©enoffen
$ippio§. Stnd^ 5ei ben i[t{)nii[c^en ©pielen ber Dbtjffeusfafirt biefeö Slameng (Db. X,
gab e§ einen SaroEippoS, bagegen loufite 224 ff.) berufen fonnte. — Sie Seute oon
man im ^ippobrom von i^irrJia, mo bie ^f)urioi erflärten ben 9Jorbn)inb ju il^rent
3tennen ber pi)tl)ifcl^en©piele geljalten n3«r= noXiTt}? unb botierten ifjn bemgemä^ mit
ben, nid^t^ ber Slrtüoräuseigen. X, 37, 4. einem Saufe unb einem Sanblog, meil er
2) ^aufan. VI, 6, 3. — ©trabo VI, eine feinbüdEie glotte 5erftreut l^atte. Slelian

p. 255. — Slelian. V, H. VIII, 18. V, H. XII, 61.


3. SSurcf^arbt, ®rie(^if(i^e Äulturgefc^td^te ll. 17
258 Sieliflion unb RuUnä.

tragSfu^ mit bem gefä^rlid)en Heiligtum gelangt unb erroieS bemfelben


regetmä^ige 2Inbad}t. ©Ine folc^e 3fi^ßwonie mar eben im ©ange, aU
her berül;mte ^auftfämpfer Gutt)r)mo§, ein episepljijrifdjer Sofrer, üon
feinen gried)ifd)en ©iegen naä) Italien §urüdfel)rte ; er »erlangte, in ba§
.Heiligtum hinein gelaffen §u werben unb ba§ SJMbdien §n fetien; er emp=
fanb a}UtIeib, bonn Siebe; fie fdjroor if)ni bie @tje, roenn er fie retten

lüürbe, unb nun erwartete er bewaffnet ben „^ämon" unb befiegte ilju

int ^ampf; bamit war ber „.^ero§" au§ bem Orte oertrieben unb oer=

fdiraanb, inbem er in§ 9)ieer oerfanf. 2Beniger romantif^ lautet ber

3lu§gang bei 3telian: ©utljijmog l^atte jenen ni(^t bloB befiegt, fonbern
gejmungen, nod) mel^r lierau^jugeben, al§ er geraubt l)atte ; e§ märe alfo

mit bem 5^obolb nod) parlomentiert roorben, unb raoljin er geriet, melbet

3lelian ni(^t. 3tu(^ ©trabo fagt nur: ©utljymog smang il)n, bte ©iu'

gebornen oom ^Tribut §u löfen.


^n befonberm ©inne merfmürbig ift bann, roa§ ^aufania§ weiteres
beifügt: ®utl)i)mo§, bereine l^errlic^e ^odjgeit gel)alten, erreidjte ein l)ol)e§

Sllter unb „oerlieB bann ha§> 9}ienfc^enleben auf eine anbere SBeife al§

bur(^ ben ^ob ')". §ier wirb ber ©ieger über ba§ ©efpenft f eiber jum
übermenfi^lid^en 3Befen. 33erü^mte SBettf ämpf er , jur Qdt ber pd^ften

33egeifterung für ba§ agonole S^^reiben, galten freili(^ oljueljin also uon
(^3öttern erzeugt unb alfo fd)on al§ ^eroen, auc^ wenn man beren fterb'

tic^e SSäter mit 91amen fannte, unb ^aufaniaS Ijat nid)t nur uorljer uon
@ut|r)mo§ berichtet, er Ijabe als ©ot)n eines ?5^lu^gotte§ gegolten, fonbern

er melbet auc^ üon bem großen 9liöal beSfelben, XljeageneS uon TbafoS,
er fei r»on §era!le§ er§eugt gewefen-). @S ift möglid), baf3 (S;utl)i;mo!o

felber bergleic^en üou fid; geglaubt unb um fo oicl füljuer bem ©efpenft
(ober was eS war) oon ^Temefa getrost 'i)at.

3luf biefeS l;in wirb nun auc^ bie unerljörte ©efdjid)te erflärlid),

roeldie unfer ©ewäljrSmann ^) oon bem berül)mten :)iing' unb gauftfämpfer

') 5?ürjer l^eifit es oon bem gleich ^>au)an. VI, 11, 2. — @iue Oben»
ju eriDät)nenben Xl^eagene^ä (f7iijX&ty t^ tität üon .<perog unb {^-lu^ lä^t Strabo IX,
uy&Qojnojy, ''|5aufan. VI, 11, 2, unb and) p. 428 a[)ncn: „UnuKit ber J[)ermopi)Ien
i)'\tv ift fein gcroöf)nlicf)er Xoh gemeint. — miuibet [üblicl) in ben 3lfopo'5 ber ^^boinij;,

Ueber ®utf)i;mo§ jicmlicf) rätfel[)aft 'ißlin. gleirfmamig mit bem .öcroö, bcffcn @rab
H. N. VII, 48. ©g löurbe if)m fc()on Ciei in ber 9^ät)e gejeigt inirb."

Sebjeiten geopfert. i
•') ^^pcntfan. VI, 9, 3.
S)er gnec^ifd^e öei-oenfuItii§. 259

0eomebe§ »on 2tfti)patäa ergäl^It. 2)erfeI6e ^atte (496 o. ©^r.) in DIrimpia

feinen ©egner im gauftfampf getötet unb war barob feinet ©iege» üer^»

luftig erflört raorben. 2lu§ ©(^merj unb 2;rauer — roof)Ibemerft, nic^t

megen ber %at, fonbern wegen biefer ©rflärung ber ^ampfricf)ter — fiel

er in 2öoI)nfinn; nacfi 3lftt)ptt(äa surücf gefeiert, ri^ er in ber ©c^ule, nio

fi(^ etwa fei^jig i^naben befanben, ben 'ipfeiler um, welcher baS ©ad) trug,

fo ba^ fie alle oerfdjüttet mürben; üon ben @inmot)nern mit Steinen »er*

folgt, ftot; er in ben 2tt^enetempel, frod) in eine i^ifte unb gog bereu
®edet über fic^; bie ©inmobner founten fie nic^t öffnen, gerfdjiugen fie

enblid) unb fanben fie leer; auf 2lnfrage in ®elpf)i, roa§ mit ^leomebeS
üorgegangen fei? — tarn in ^roei ^epmetern ber 33efd)eib: ^leomebeS
fei ber le^te ber ^eroen unb al§> ein Unfterbli($er mit Opfern gu et)ren,

mie bann ^infort gefd)a^. 9Som ^^atbeftanb mag man ^ier naä) belieben

benfen; in ber 2lnfd)auung fpielen burc^einanber : ber (ängft erworbene


agonale 9tut)m be§ Sanb§mann§ famt ber barauf bereits begrünbeten

^Reputation eine§ übernatürlidien 2öefen§; anberfeitS bie @efäl)rlid)feit

ber ^eroen, über meld)e bie ©inmoljner ber ^nfel unb bieSmal auä) ba§

Drafel oon Selp^i @ineg ©iuneS geroefen fein muffen ^). 5lleomebe§ mochte

als .^eroS erfdieinen, fc^on raeil er entfe^lic^ geiuefen. 3lnbere ©efpenfter

flögen ©rauen ein burd^ i^x @rf (feinen, biefeS burc^ fein S3erf($roinben.

®a nun eine oöEige 3:^rennung uon ^eroen unb ©efpenftern unmög=


lid^ ift, mag in i^ürje noc^ üon ben te^tern bie 9tebe fein. 3(n folc^en

ift in ^eHaS fein SJiangel geroefen, unb e§ gehört ju ben 2Baf)nüorfteIIungen

über bie ©lüdfeligfeit ber alten ©riechen, ba^ fid) bei if)nen nid^tS ber»

gleidien fjätte erzeigen fönnen. S)a§ meifte ift oon äfmlid^er 3trt roie bei

anbern 33ölfern, einiges aber eigentümlich. 3w^öd)ft roirb eS nidit md)x


befremben bürfen, roenn jroifc^en ©eelen a^erftorbener unb ©ämonen bie

Unterfc^eibung fc^roanft unb unfid^er wirb, ganj älmlic^ roie bei ben Heroen '^)-

^) Sßergl. Siognetog, ben Ureter, weis SiognetoS a(^ einen öeroö." ^tolem.
c^er in Dh;mpia feinen ©egner im 3^auft= §epr)äft. V.
fampf getötet £)atte; bie ©lier nevroeigerten -) Sßir übergef)en ba§ Srfd^einen Se^
i£)m md)t nur ben ®iege§tran5, fonbern benber an einem anbern Trt , al§ roo fie

trieben i^n fort, roeil ber Unterlegene fic^ luirüic^ befinben, mie bie§ üon '^r)tf)a*

§crafleg get)eifien ^atte roie ber gro^e goraS, Don bcm Dtiuger 2;auroft^eneä
.öeroi. „5)ie Ureter aber e^ren nun ben (^aufan. VI, 9, 1) u. a. berid^tet roirb.
260 3?e[igton itnb Äultu§.

$ßor allem maven iinb Mickn bie ©röber im()eimli(^ , roeil irgenb
ein 9?eft be§ beraubten, geiftigeu Seben§ be§ S]erftorbenen mit ber Seid^e

üerbunben geglaubt würbe ^). 2öären e§ nur bie ©räber oon 2lngeljörigen
be§ 93efurf)er^^ geroefen, fo J)ätte bie ^sietät ifin berut;igen fonnen, allein
e§ banbeüe fic^ um gange ©räberftrafeen unb 3tefropoIen. ^n ©parta,
mo bie ©räber in ber (Stabt felbft lagen, galt e^ a(§ eine ganj befon=
bere 3rnleitnng gum a}hit für bie Knaben, ba^ man fie an ba§ ®d)m
3roifc{)en ben ©rabftätten geroöljnte. Gine ganj roibrige ^Isorfteüung be=
gann bog 33ilb ber ^efate'), einer e{)emal§ fetir oornetjmen ©öttin, ju
uerunftalten: man i)klt fic mit ber 3eit für bie ^errtn ber an ben ©räbern
(;aftenben ©eelen unb fud}te fie burd^ angftooüe Opfer 3U beftimmen, biefe
üom (grfcfieinen abjubalten; eg f)ie§, baß fie nac^t^, üon ©eelen begleitet,

unter ^unbegebeQ, in entfe^lidjer ®QMt um hk ©räber fcl)n)ärme. Sei


ben Staliern ^atU ba§> erfrfjeinen uon ©chatten in gröfserer 3In5ot)l nod)

eine oiel weitere Sebcutung : es mar ominös unb ging großen ßreigniffen
ooran, wie bie ^:8erfd)roörung ßatilinaS (3)io SaffiuS XXXVII, 25) unb
ber STob ßäfarg maren. (SBirgil, öeorg. I, 477. Doib, mtam. XV,
797). <Bd)on gur ^eit §annibal§ erfcbienen in S^lom an üielen ©tetten
©eftalten in ber 3:'oga (uienn togatorum ftatt togarum gu lefen ift) unb
üerfdjmanben üor ben Singen ber näljer ^ingutretenben. ©päter, gegen
ben großen 2lufftanb ber italifdien 33ölter Ijin (um 90 0. Gljr.) fal; man
äu ^äfulä jmifrfjen ben ©räbern eine gewaltige SJcenge von blaffen i^euten
in ^rauergeroanb bei 5:^age fc^arenroeife Ijerumraanbeln ^).

3Senn bie Sel)re oon ber ©eelenroanberung einen größeren ©influB auf
ben gried)ifd)en 'IsolfSglanben geljabt l;ätte, fo märe l;ier and) umftänb»
lieber ber leibüafanten ©eelen gu gebenfen unb iljre^ ä^erl)alten§ in ber

3mifd)en§eit, bi§ ^erme§ fie in neue Selber leitet; mir laffen bieg jeboc^

auf fid^ berut)en.

häufig erfd^ienen 3Serftorbene ben Sebenben im Traume, meift um


irgenb eineg 3lnliegen§ miQen, wie bei aHm ä^ölfern, unb nid)t immer
wirb jroifd)en Xrciumcu unb äl'atirncljmung im l)alben ober ganjen ^^inidieu

') .^»ierübcr noc^ in fpäter .'^eit fe^v Siealencpflop. IV, ©. 1389 (2lrt. magia)
bele^renb Siucian, de luctu, !t. U». in reicf)er Sluöiuaf)!.
2) a)ie ©teilen f.
i.'. ÖJeorgii in ^aulr)i •') 3"I- Dbfequenö, Prodigia.
Ser griec^ifd^e §eroenfuItuä. 261

genau unterf (Rieben roorben fein ^). ©entließ aber, unb bilroeilen in fef)r

jd)re(ii)after ©eftalt, traten fo(d)e auf, raeld^e „üor ber beftimmten ^tW
auf geraaltfame 2Seife iljren ^ob gefunben-); fie erfd)ienen an ber ©teile,

roo il;r £ei($nam begraben lag. S)ie plautinifcfje ^omöbie 3}iofteIIaria,

TOaljrfd^einlid) S^iac^bilbung oon 3}ienanber§ „'^^a§>ma", beroeift (2l!t II,

©jene 2), ba^ ba§ ©pufen eine§ üor langen ^aljren in einem befiinimten
<Qaufe (Srmorbeten ein auf ber attifc^en ©jene oöllig oerftänblic^eS 9}iotiü

xoax: ba§ ^aul geliört nun bem ©efpenft; ber Unglüdlidie l;at öorjeitig

au§ bem Seben muffen, al§> fein ©aftfreunb if)n um feinet ©elbel roiüen
ermorbete unb in bem ©ebäube oerfdjarrte; ber DrfuS nämlic^ roeift

fol(^e üor ber B^it Umgefommene jurüd. 2)er jüngere ^liniu§ erjäljlt

mit üoüem ©lauben eine luirflic^ in 2ltf)en oorgefommene @rfd;einung


biefer 2lrt^), jroifi^en jmei römifc^en ©pufgefdjiditen. ©tatt ber ©ifdiei^

nung beio ©inen ift aud^ im ^^lural üon fTöcoXa ober cpäßfjaia (@efpenfter=

erfi^einungen) bie 9iebe, fo in ber ©efc^idjte be§ Samon oon ß^äroneia^),

welcher auf 2tnorbnung ber ©tabtbel)örben in bem ©albraum eine§ bor=

tigen ©pmnafion^ ermorbet morben mar; al§ fic^ ©efpenfter erzeigten

unb ©eufjen geljört würbe, lie^ man bie 3:üren oermauern, aber noc^

jur 3ßtt, ba '-^Uutard) lebte, üagten bie ^lac^barn über ©rfc^einungen unb

©timmen. ^armlofer unb bei uiel geringerm Slnla^ erfi^einen etma 33er'
ftorbene, bie nod^ einen SBunfd) ju äußern I)aben. 3^"^^ ^^^^^ ^^ £1igen»

freunb be§ Sudan (Jlap. 27) überliefert, aber ein nieblidieil ^ilb grie»

c^ifdjen Seben§ ift bie @efd)id)te be§ ©u!rate§, welcher feine geliebte üer=

ftorbene ©attin mit il)rem ganjen ^^u^ unb ©dimud bem ©c^eiterljaufen
übergeben Ijatte: am fiebenten Sl^ag barauf, al^ er einfam fa^ unb ^"latoä
^pbon {tisqI ^)vxtjq) üor fid^ l)atte, fam fie Ijerein, fe^te fid) neben i^n

^) 3- 33. roenn ^inbar einer 3Ser; 32, 9. — 2)ie q)tta/Liarc<, bie naä) ^(utarc^,

rcanbten einen ganjen §gmnu§ fingt, unb ©olon, 12 in Sltl^en erfcf)ienen, tnaren of)ne

äroar al€ ^raumBilb. ^aufan. IX, 23, 2. 3iDeifeI Scfiatten ber ermorbeten 2ln[;änger
-) 2)a§ Umgeben (nsgiyoaTtti) tarn be§ Är)(on.
nad) ber SOJeinung Dieler nur fo(rf)en ju, ^) ^lin. VII, ep. 27, ad Suram. —
nidit aber ben xard fxovgav ©eftorbenen, ®in Seifpiel au^: Forint!), bod^ uon be=

5ucian, ^Ijitopfeub. 29. — Sie iXSuiXa fonberer 2lrt ber ©rfdjeinung, bei Sudan,
ber nod^ lebenben greter al§ 3Sorgefic|t «Pf)iIopfeub. 30.

beö ©e^erg Si^eoHi^menoS , Dbijfj. XX, *) ^htt. ilimon, 1. ®ine ber in-

355. — Unbefinierbar bie tii^ioXa im tereffanten ©pifoben au§ ber früfjern 3eit
3fi§{)eili9tum oon ^üfjorea, ^^aufan. X, ber rbmifcf)en ^errfd^aft über ©ried^enlanb.
262 Sieligiou unb Äultu§.

unb f tagte, eine ii)rer golbenen ©anbalen fei nic^t mit oerbrannt werben;

biefelbe war in ber ^Tot unter einen haften gefallen unb bei ber Seidieu'

feier nid)t §u finben geroefen. ^"^^"i f^^ ö^^^^ rebete , befite ha^)

meliteifd)e §ünbrf)en, unb fie oerfd^roanb; bie ©anbale jebüd; fanb fid;

fpäter unt> würbe nac^ljer ebenfalls oerbrannt. ^ier ift and) ber Qx^^äly-

lung ') p gebenden, lueldie bie ©runblage gu ©oet£)eS 33raut üon Slorintt;

geworben ift, aber ei)er in 2(mp^ipoIi§ fpielt. SDen 2lnla^ bilbet otjne

3weifel ein wirflid) geglaubte^ (Sreigni§, bie Slufgeidjnung jebocö ift bie

eines SBunberfammlerS auS biabod)ifd)er ober bereits römifdjer 3ßit, welcher

einen 33rief fingiert, beu ein ^öl;erer nia^ebonifdier ä3eaniter gefd^rieben

l^abe. 2lm Slnfang uerftümmelt , überlaben mit unnü^en ©inseltatfadien,

gum S^eil offenfunbig übel fingiert, Ijat ber Seridit im Innern unfere§
großen ©idjterS eine geroottigc Söanblung burd)mad)en muffen, bis baS

^Tijema fo geftaltet mar, wie eS iljm biente. S3ebeutfam ift unb bleibt,

ba§ bie tote ^Ujilinnion leiblii^ erfdieinen muB, weil fie leiblid) genießen

raill ^). ^firen 9tamen J)at @oett)e befanntlid) in ben „2BiU)eIm äReifter"

tierübergenommen für eine feiner gierlidiften weiblichen ©d)öpfungen. —


S)ie beiben folgenben ©efd)id)ten in berfelben Dueüe'O oom 2letoIard)en
^jioh^fritoS unb oon gwei gefpenftifc^ auftretenben ^^oten nad; ber Stjer*

moprilennieberlage beS 3lntiod)oS (191 o. Gt)r.) finb als Hergänge ganj


rol^ unb woljl nur ju bem 3we(!e erfonnen, SBeiSfagungen baran ju Inüpfen.
Sie gefüffentli($e ^otenbefc^wörung, eine nic^t gar ju feltene grie»

(^if(^e ^ragiS, woju baS ^ntereffe fowol)l als ber J^ummer unb bie ©el^n»
fudit^) bie ^interlaffenen bewegen fonnte, wäre l^ier fdion ju erwäl;nen,

infofern fie bie g^olge oon oorljergegangenen ©rfdieinungen ber 2:^oten war,
2)er ©ieger oon ^^latää, ^^aufaniaS, ift Ijier. ein boppelteS 33eifpiel: baS

oon iljm erbold)te 3}iäbd)en auS ^pjanlion quält il)n burd; (i-rfd)cinungen

unb wirb enbtid) gebannt unb ftebt 9iebe (f. unten), er felbft aber, nad^

feinem Untergang, mac^t bann bie ©tätte beSfelben, ben Tempel ber

Slt^ene 6l)alfioifoS in ©parta, als ©efpenft unfid)er unb beljelligt {iiaQu^f)

') 33ci ^f)lei]on von XxaUe^ in ben fid^ nad)l)er aw'-' .Hummer vn' d&v/jt'itCf
Mirabilia. S3ergl. Paradoxographi, cd. D. ba§ Sebcn
ÄeUer, S. 57. Gbb. Pracfat. ©. LVII. ') ^Ijlegon a. a. 0.
-) Gine Dampi;rartige £amic rote bei *) Sucian, Xemonnf, 25.
®oct()e i[t fie nirfit ; ber (SJaflfreunb nimmt
Ser gnedjifd^e §eroenfultug. 26o-

bie 33efud)er, M§ burcfi baniifräftige Seute aug ;3t(^^i6it ^^"^ 2:(jeffoUen

SBanbel gefc^offen wirb ^). 93ielleic^t erfolgten fogar bie meiften Xokri'
befc^toörungen auf ©rfd^einungen, wenigfteng auf S^raumerfdj einungen t)in;

ber 2^ote mufete beiüogen lüerben, mit feinen Söünfc^en ober 2luff(^lüffen

beutlic^er 9iebe §u fte()en. 2ln bas ^ilb einer ber Stiebe unb 3)iitteilung

fälligen ©c^attenraelt überljaupt roar bie ^(jontafie ber ©riechen fdjon

burdf) ben XI. ©efang ber Dbijffee gewöhnt ; ba^ a&er auc^ bie 2lnrufung
ber ^eroen im (SJrabe bereite einer Sefc^roorung nai)e fömmt, ift oben
angebeutet morben; ber einjelne 2:;ote in feinem (Srabe ratrb als macfienb

ober als ermeclbar angefeljen. S3ei iQomer bogegen raor eS baS attge»

meine ,,§auS beS ^^ahzS»", rao fi($ oom ©reboS ^) l)er bie Xoten in 6d^aren
einfanben.

gür bie ^otenbefdjraörung in ber t)iftorifd)en 3^^^ 9«& ^^ ^^ann be=


ftimmte Certtid)feiten (9teh;omanteia, '^sfyc^omanteia, ^fijdjopompeia) unb
ein ^erfonal üon fogenannten ^fijc^agogen, maljrfdjeinlidj nid)t einmal
in üöttigem @el)eimniS. ©ine fo oiel als unbeauffic^tigte 9ieligion, roie

bie gried^ifdie, fonnte neben fo oielen raufdienben ^eftlidjfeiten unb oer'

eierten a)h)fterien rei^t raoljl aud) ein S^iitual mie baS ber 91e!romantie
bulben^). 9Benn ^lato biefelbe nur als ein Söerbredjen oötlig rudilofer

2Jtenfd)en gelten lä^t^), üielleid)t meil er S^ielromanten ober ^^^ft)(^agogen

(roie er fie nennt) zufällig nur als 33etrüger fannte, fo liatte bie <Baä)t

hod) aud) il^re trijftlic^e, befänftigenbe ©eite, unb mit§ul)alten mar ja nies

manb gejmungen, unb wenige mögen boju reic^ genug geroefen fein. ®a0
^eroorrufen oon 'B^atUn fommt auc^ au^erlialb ©riedjenlanbS bei oer»

f($iebenen ^ßölfern unb S^iaffen unb nii^t bloB bei ber §eje oon ßnbor
oor, auf raeldie ^önig ©aul fic^ angemiefen fal;, nac^bem er felber bie

„Xotenbefc^TOörer unb fingen 9J?änner" auS bem Sanbe gefdiafft Ijatte.

Man lefe mit einigem ^ladjbenfen baS 28. i^apitel beS erften 33u($eS

^) ^ßlutarc^, de sera niim, v. 17. — X, p. 909 b. Xa^ bie roirf tieften 33etvüger
S5cr)"elbe fragm. ed. 2;eu6n. VII, p. 99. bie äßortc beä (jerDorgerufenen Sc^atteng

®iefe |)inn)egJ)anner ftnb rateber eine be; buvdj i5auc§rebnerei ^eröovgebrad)t Ijoben
fonbere (Sattung ©joräiften. mögen a(ä iyyaarQC{j,vd^oL, ift benfbar. Sie
2) Dbpff. XI, 36. ©teUc 2triftopl^. Vesp. 1019, rao ber ®affen=
^) Fortassis enim talia tunc licebant. prop()et ©unjfleg 'iias, aucf) fann, fprätf^e

S. Augustin de civ. Dei YU, 35. e^er bagegen.


*) ©eine ftarfen Sluäbrücfe de legg.
264 ^Religion unb j?ultu§.

(Samuel ^), unb man rairb nidjt mel)r burd)au§ ber 93ceinung ^latol fein,

füubern jugeben, ba^ bie ^fyc^agogen oöllig überzeugte 9}tenfc^en roenig»

ften§ fein f o nnt e n. S)iefe Singe finb oHerminbeftenS fo ernft ju neljmcn

aU ba§, roa» unfere 36it Ijat erleben muffen, ba^ nämlicf) mitten in unfern

©roBftäbten §roifc^en Sörfenfurfen, politifrfien ©enfationsotelegrammen unb

f^enittcton^^nooellen ber Spiritismus t)at unjät^Iigen beuten über ben i^opf

n)ad)fen fönnen.

SSon ben betreffenben OertUcPeiten mar biefe ober jene o^neljin be=

fanut als ßingang in bie Unterwelt, 5. 33. ^^änaron^), ^eraftea ^ontica^)

unb baS Heiligtum am ^-luB ätc^eron im iianbe ber S^tjefproter *) ;


in ber

gt^älie beS uralten (Eumä ^t man bie 2öal)l gmifdien ber ^saluS 2lcf)erufia

unb bem 2acu§ 3lüernuS, roenn man baS berüljmte 9(efi)omanteion er^

mittein mill. 33ei anbern Eingängen be§ §abeS, fogenannten ^vlutonien


unb (Stjaronien, erfäljrt man uieüeirfjt sufädig nid)t§ von 5tütenbefd)roörung,
unb einige baoon raaren fpäter 5U t)armlofen ^uranftalten geworben ^).

SDaS ällefte genau ober fdjeiubar genau überlieferte Seifpiel: ^erianber,


ber feine 33olen an baS tljefprotifdje 3^efi)omanteion fd)idt, um ben Schatten
feiner ©emalilin 9}ieliffa befragen ju laffen, ift unter aM\ Umftnnben
le^rreic^, meil eS bie allgemeinen '^orauSfe^ungen beleuchtet, roeld)e um

bie SBenbe oom VII. §um VI. ^al)rl)unbert gel)errfd)t Ijaben muffen.

^n biefem ©inne ift bie (grjä^lung^) im l)öd)ften ©rabe edjt; maS bie

TOüfte ^:pt)antafie unb ber tiefe 3:t)rannenl)aB ber ^orintljer fid) über eine

üieUeic^t mirflid) oorgefommene ^otenbefragung il;reS ^errfdjerS Ijaben

einbilben fönnen, entljält fie ooUftänbig; erfonnen rairb freilid; fein, baf3

^erianber bie (Gattin ermorbet unb bann il)ren Seid;nam befc^lafen l)abe

(roenn aud) ber le^tere ^wg i'^ ^i" bamalS mirflid) uorljanbeneS ©eiteu'

gebiet beS SlberglaubenS Ijiueinleuc^ten fönntc). Unb erftauiilid) ift bann

') 3)aä übrige bei 5Bincr, bibl. MaU ^) ©trabo XIII, p. 629 ff.
- XIV,
TOürtevbuc^ u. b. 2lrt. Xotenbefc^roorer. p. 636. 649 f.
— über §ierapoIi§ am
-) ^aufan. III, 25, 4. Obern a)läanber, 3:i)9mbrio, 2(cl^arafa. —
•')
Sioboi- XIV. 31. ^ompon. DJcla 2luf!erbem blofje (iriuafjnungen uoii 6()a=

I, 19. 2)af5 biefe beiben Dcrt(icl)feitcn, unb roiiien bei '^(nligonü'5 ij 123 (J^cUer, J'ara-

jinar |)ö^[cn, einanbcr ä^nlic^ mareii, f.


(loxop:rai)hi): ber JUmbroö in '|.'l)n)gicn;

2«ela II, H. bie 6rubc auf bem S3crge i'atmo-j.

') ^oufaii. IX, 30, 3; f)ier \ai) fd)üu '•)


^erobot V, 92. i^eviil. III, öü.

Drp§eu§ ben 3cf)attcn bev Gurijbife.


S)er c3rieci^ifd}e §eroen!uItu§. 205

bie in i^m oorauSgefe^te §ärte: ftatt bie ©attin §u uerföl)nen ober ftatt

frof) gu fein, wenn il)r ©chatten it;n nicljt auffuc^te, läfet er fie befragen
wegen einer offenbar geringen <Bad)t, roeldje loafirfdieinlid) mit ©elb luäre
ab§utnn geroefen, unb bie» gefd^ietit bur(^ 33oten, weld^en bann a)Zeliffa

bie greuli(^ften S)inge fo oiel al§> bentli(^ offenbart, Ijernad^ aber wirb
ganj unbefangen burcf; eine guieite Sotfd^aft bie ©d^ln^antiuort be§ ©c^at«

ten0 einget)o(t.

9tocb in früt)ere ^ät, in bie erfte ^älfte be§ VII. ;^af)rl)unbert§,

fäÜt bie ©üt)nung ber „©eele" be§ berüijmten 3ömbenbid)ter§ 2{rd}i(od)o§,


nnb E;ier ift üon befonberer 2Bic^tigfeit, ba^ ba§ Crafel oon ©elplji ben=
jenigen, burd) welchen 2trc^ilod)o§ im offenen ^^elbftreit umgefommen,
5!alIonba§, genannt Slora^-, auSbrüdlid; ba§u anroeift^); biefe ©ü(;nung
ift nämlic^ ot)ne ©rfc^einung be§ <Bä)aüen§ nidji benfbar. ^ijtijia Ijatte

al§ Ort nid)t etroa ha§> @rab genannt, mo oieHeidjt blo^e Opfer genügt
I)ätten luie bei ^eroen, fonbern S^änaron, unb Ijier war, roie f(^on gefagt,

nidjt nur ein Eingang in bie Unterwelt, fonbern ein ^fgc^opompeion,


unb fd)on ber alte !relifd)e ©rüuber ber bortigen ©tabt, Xetti^*, I)atte

baSfelbe angetroffen. ®ie 2:otenbefd}wörung Ijat alfo unter Umftänben

in 2)elpl)i a\§> oöllig ertaubt gegolten, ^n ber Stömerjeit'-) mod)te man


bann nad) 33elieben lonftatieren , ba^ au§> ber ^ö^le oon S^änaron fein

weiterer 2Seg abwärts füt)re, wo eine unterirbifd)e SBo^nung oon ©öttern


unb ein ©ammlungSort ber ©eelen fein fönute.

$8on bem 9iitual erfahren wir natürlid) fo oiel ai§> nid)i§, inbem
fd^on bie 33eri(^terftatter barüber gewi^ meift im S)unfel blieben. 2Bac^enb
unb befonnen mögen einige ben ©d^atten erwartet !)aben, anbere üielleict)t

in ©fftafe ober in Betäubung, wieber anbere in einem auf beftimmte

Opfer erfolgten Xraum, fo ba^ ber ganje Hergang bem be» ^Tempel-

fd)IafeS glid; ; biefer aber pflegte burc^ ba§ ^erfonal be§ Heiligtums irgenb»
wie oiettei(^t burd) magnetifc^e Seljanblung Ijerbeigefüljrt ju werben. 2luS

unbeftimmter 3ßit ift eine ©diilberung biefer 2lrt oorlianben, wel(^e 5U=

fällig bie umftänblid^fte Stadiric^t oon 3:otenbefragungen überljaupt ift^).

3m gried)ifd)en ^^erino, an ber 3Beft!üfte oon S3ruttium, ftarb bem reichen

(ShjfioS fein l)offnung§oolIer ©oljn @utl)ynoo§ plö^lid) unb ol;ne fennt»

^) ^tutard^, de sera num. vind. 17. ') ^:paufan. III, 25, 4.

2lelian. fraorm. 80. ^) '^^lutard) consol. ad. Apollon. 14.


266 3leIigion unb iiuItuC^.

Hc^eUrfadje; aii§ ©orge, e§ möd)te ©ift ober 3auber im ©piete geroefen


fein, begab fic^ ®li)fio§ in ein ^^fr)c{)omanteion, bracbte bie „gebräuc|Iic^en"

Opfer unb legte fic^ gum ©c^taf. ®a fal) er folgenbe» @efid}t: if)m er*

fd^ien fein eigener 2Sater, roeld^en er bringcnb hat, iljiu ben Urljeber be§

S^obes feinet ©oljne» anjugeben. ®er 33ater ontiuortete : „®elt)alb fomme


xä)\ 3^imm aber uon bem ba an, raa§ er bir bringt. 2)a rairft bu aUeä
erfaf)ren!" — unb babei beutete er auf einen iljm folgenben Jüngling,

welcher bem ©ol^ne glirf), aud) im 2l(ter. ©Ix)fio§ fragte biefen, mer er

fei, unb berfelbe antwortete: „ic^ bin ber S^ämon beineg ©oljueg," unb
gab il)m ein ©c^reibtäfelcl)en, auf melc^em gu tefen mar: ®u fragteft,

Sörii^ter? Einfältiger ©inn ber SJienfiten! eutbi)noo§ ift tot nad^

^ügung be§ ©cf)ictfal§ {ixoiqiSCoj ^aväioi), benn ha^ er meiter khU, märe
nicbt gut gemefen, meber für il)n nod; für bie ©Item')!

(£-infad)er mar bie 5:otenbefraguug burd) ©d)(af auf ober bei bem
betreffenben ©rabe. Slijrfas üon ©Ijiog, ber ben ©o!rate§ in Sltfien be»

fucfien TOoIIte, traf i^n nidjt me^r lebenb unb fd^lief bonn an beffen ©rabe;
ba erfdjien i!)m ©ofrateS im S^raum unb rebete mit il)m, 5vijrfa§ aber,

„nad)bem er bieg ©ine üon bem ^sljilofopljeu genoffen", fuf)r mieber oon
bannen'). ®ie ^ptljagoreer bagegen, bereu greuubfc^aft§pf(ic^ten über

ben 2^ob l)tnau§ reichten, übten biSroeilen am ©rabe be§ ©enoffen nii^t

bloB ^raufopfer (unb fogar 33ranbopfer), fonbern auc^ eigentlid)e $8e*

fd^möruug, bi§ iljuen irgeubmie geantwortet mürbe. ^ie§ ift bie SSorauS-

fe^ung in bem — fo miüfürlid) betitelten — plutardjif^en 9toman oom


2)aimonion be§ ©o!rate§ {^ap. 6 bi§ 16); bie oerftorbenen 3}iitglieber

be§ 33unbe§ fönnen fidj junädift gu erfenneu geben bi§ in meite ^-erue

burc^ träume unb eigentlidje ©rfdjeinuugcn {ipaß^ai«. tvuQyTj), mobei fie

befonbere l)eilige ::i3egel)uugen aix it)rem ©rabe ober aud) Uebertragung


ber öebeiue oerlangen, unb jmar erfennt ber Xräumeube an beftimmten
3eid)en, ob bie (Srfd)einung {iXdwhn) bie eines a>erftorbeuen ober bie

eines uod) iiebenben fei. '3tuu ift auf fold)e 9}cal)uuugen l)in Xljeauor

') S3ei ßicero (Tuscul. quaest. I, 48) (eben ieneg Snf)alteö) in tabellis gegeben
f)eiJ5t eö nur, (S"h;ftD§ fei in ein (unge* raorben, man erfaljrt nicljt, von luem.
nanntet) ^fi;d)omantcion gcfonunen, um -) ©uiba^ bei ^IScftcrnuuin, I'-iogr.,

bie Urfacf)e beg 2::obe§ feineä ©o()neä ju p. 443. _ Jöergr. ©. 231, 3lnm. L'.

erfragen, unb bort feien i()ni brei T>crfe


©er griecfiifci^e §eroenfultu§. 267

von ilrotoii nad^ 2:^f)eben gereift unb f)at bafelbft abenbiS am ©rabe be§

£pf{§ bie 2:;ran!üpfer ooUgogen unb bte ©eele be§ Si)ftl gerufen, baniit

fic fünbe, raoS ooHgogen werben nuiffe. ,,9tacf) ©intritt ber 9cacC)t fatj icf}

jraar nic^tä, glaubte aber eine ©timme gu t)ören: ba§ 9iut)enbe möge
nid^t bemegt merben! ber Selb fei üon ben ^reunben fromm beftattet

raorben, bie ©eele aber fei fdjon auSgefc^ieben unb entlaffen §u einer

neuen ©eburt, roo fie and) einen neuen ®ämon §um 33egleiter ert)alten

l^abe." 2;i)eanor wirb be§ anbern STageS im ©efpräd) mit @paminonba§,


bem ©c^üIer be§ Sx)fi§, berid)tet, mie biefer ben £t)fi§ begraben (;abe unb
mei^ nun, ba^ ber ©d;iUer oom Seljrer felbft bi;§ in bie geljeimften Singe
{anÖQQrjia) J)inein unterrii^tet morben ift.

©an§ anberö fonnten fid) bie ^efc^raörungen oerlaufen, raenn roI;e

ober geroaltfame 9}lenfd)en ficb barauf einliefen, i^n ben ^önig ilIeomene§
oon ©parta (@nbe be§ VI. ^af)rt)unbert§) teilten fid) befanntlid; @rau*
famfeit unb 3lbergtauben, bi§ er in 3Baljnfinn enbete. '^n ber 3^^^^)'

beoor er ^önig mar, liatte er einen ©enoffen feiner 9)Jad)enfdjaften aw


2lr^onibe§, meld)em er fd)rour, er merbe al§ £önig „affeg mit beffen

^opf tun". 2)ann tötete er benfelben unb beroatirte ben abgefdjuittenen

^opf in ^onig; bei febem a>orf)aben beugte er fid; bann gegen bag ©e»
fä| unb fprat^ au§, ma§ er gu tun gefonnen fei; bamit meinte er, feinen

@ib §u beobachten. S)ie!§ !ann fid) alle§ mörtlid) fo üerl)alten Ijaben,

üieHeic^t aber ftedt in ber ©age bie Slnfic^t, oon einer jebeSmaligen 33e=

fdiroörung be§ ©rmorbeten, welcher 2Iu§funft geben mu^te. Jlleomene§


mar avi§: bem einen fpartanifd)en 5lönig§l)aufe ber ©urijftlieniben ; balb

nadi it)m roerben oon einem ©prö^ling be^ anbern, jenem mäd)tigen, oer»
milberten ^aufaniaö, jene fd}on oben berülirten büftern ©efdjidjten au^

bemfelben @ebiet er§äl)lt. @r \)aiit bie fdjöne ^leonife oon SBijjantion

jmar mit ©emalt entfüljrt, aber nid)t mit SBillen, fonbern in näd^tlidjer
SSermirrung getötet^). 2)ennod) oerfolgte il)n i{)r ©d)atten in feinen

STräumen mit bro^enben äBorten unb gerrüttete ba§ SSemufstfein beso oon
©ntbedung bebro^ten politifc^en ^IserräterS oollenbs. Umfonft üW er

allerlei 9ieinigung»äeremonien unb fudjte a{§> ©c^u|flet)enber )it\\ „^tVi§>

') S)a§ ^olgenbe auö Slelian V. H. 2) ^lut. i?imon 6. — Ser). de sera


XII, 8 fann fid) uuinöijUd) auf einen an= num. vind. 10. — ^aufan. III, 17, 7.
bern Äleomeneg öesiel^en.
268 Steligion unb SiUtiiä.

ber 3iU^»'-^t" (3^11^ ^t)9EiO!o) auf; enblid) im Siehjomanteion von ^eraflea

am ^ontu»0 lie^ er bie Hleonife mit ©ütjuen unb Xraiifopfern U-


fc^raören, nn'i) fie erfrf)ien unb fatjte: fein iieiben werbe balb ein (Snbe

Ttefimen, menn er einmal in ©parta fei, mit biefem @nbe aber mar fein
Untergang gemeint, ^ermutlid) auf feiner lefeten Steife ba(;in befuc^te

er aud) nod) bie ^fijdjagogen im artabifd;en '^^Ijigalia, bod) erfäljrt man


nid)t mel;r, rüa§> it)m biefe gemährten ^). 5l)on il^m felbft, wie er nad;

feinem 2:;obe fpufte, ift bereits ©rroaljuung gefd)et)en.


@§ wirb onsuneljmen fein, ba^ bei meitem bie meiften ^äUe ber
'3:^otenbefragung geljeim blieben, unb ha^ mir oon fold)en g-ällen nur ju*

fäüig erfaljren, raenn eS etroa eine berüljmte ^erfönlic^feit betraf. Unb


fo fann eS aud^ beträd)tlid) mel)r 9teh;omanteia gegeben Ijaben al^^ bie,

meldte erroäl)nt werben. ®er 3:^raum liatte bei ben ©riedjen ein ganj

anbere» ©eroidit aliS bei un§, unb geroi^ feljr tiöufig famen S^raumerfdiei'
nungen äserftorbener üor, meldie etmaiS münf($ten, ober oon meli^en man
etroaS 5U luünfd^en Ijatte; fobalb man fic^ nun ha§> überaus ©c^redl)afte
raegbenft, uield;eg unfere fe^ige ^Ijantafie mit foldjen 33orgängen oerbinbet,
unb bafür bie 9Jiöglid^feit einer ^ietät§pfli($t eintreten lä^t, fo mar bie

S3efd)roörung nid)t etmaS fo 2luBerorbentli(^e§. ^m ©eräufc^ oon 2ttl)en

oernimmt man aüerbingS !aum einen ^on biefer 3lrt, bod; mirb bei 2lri=

ftop^ane§3) auf ba» Sefd)n)ören übertiaupt angefpielt al§ auf eine Hebung,
rceldje ben 3ufc^auern befonnt unb uerftänblic^ fein mufete. 9Sie feiten

bann aber aud; ^alj^lj^i^i^erte l;inburd) bie ©puren fein mögen, in ber

römifd)en ^ät taud)t bie ^raj:i§ roieber fel)r beutlid; empor unb nidit

blofe bei geroiffen ^aifern, fonbern aud) im ''^srioatleben , fo baB man


rorauSfe^en barf, ba^ ik nie oöllig aufgeljört Ijatte. 9hir mar fie beweglicher

geworben unb nid)t met)r an beftimmte ^Heiligtümer gebunben, aud) mögen


fid) iljrer bie oerfdjiebeuften Äeule bemädjtigt Ijaben ftatt ber alten '^^^'"1)'^'

gogen oon ä3eruf'*).

') 68 voat eine „ad)erufi)'c^e öbfife" 1 einer Äomi3bie eine 9lnfpiehnui auf ben
ad Manes pervius). j
©diniu'änber ,s)arpalo^, uicldier [eine «et«
-) 9Jad) 2;änaron lam er nic^t ju ftorbene .\:ctäre '^syt^ionite bcfd)iuören liefj.

[olc^en Qmdin, fonbern loeil fic^ ein '•MU 2ltl)en. XIII, 68.
njiffer in baS bortige 2tfi)l begeben I)atte. ') ,'pier möge jum ®cl)Iuffe noc^ eine
*) 3n ber bunfeln ©teile, Aves fe()v alte 2;otenbcfcf)uuirnng, lüenn eö eine

1553 ff.
— Gin 3if)r^u"bert fpciter in i foIc()C (-(cuicion ift, auc* beni uon oittl
2)er gried^ifcfje §eroenfuItu§. 269

S)ie @rf (Meinungen auBermenfd^lic^er 2Sefen würben bie üor»

Uegenbe, oon ben ^eroen aih? gegangene 33etrad)tung mä)t me{;r berüiiren,
TOenn e§ in biefen fingen bei ben ©riedjen eine fefte ©renje gäbe. 3I(Iein

biefe (Sc()re(fgebi(be [inb, je nacf) ben StuSfagen, bei Sebjeiten beftimmte

Snbioibnen geroefen. Dieben ben Samien al§ ©attnng, ai§> fd^önen ge=

fpenftifd}en 3Beibern, welche J^inber unb Jünglinge an fid) loden unb


iljnen nad^ 9Beife ber 3Sampt)rn ha^$ 33hit auffangen ^), mirb eine Sanüa
genannt al§ 2:'o(^ter be§ 33eIo§ unb ber £ibi)e, weldie Slinber raubte unb

umbrachte au§ ©roll, raeit ^era btc übrigen getötet, bie fie üon ^m^
Ijatte. 9iid)t eine ©attnng, nur ein entfe^lic^eg, überall gefürd^teteS (Sinjet-

raefen raar bie ©mpufa, welche eine grauenootte ©eftalt nad) ber anbern.

annetjmen !onnte^) unb al^ ©enbbotin ber ^efate, anä) rootjt al§ iben*

tifd^ mit ii)r betrad)tet luurbe^). Unb roäljrenb fic^ bie ©rraac^fenen

offenbar ni(^t roenig oor folc^en ©ebilben fürchteten, maditen fie törid)ter-

raeife nod) ben ^inbern bange mit einem ©efpenft, raelc^eS nie erfc^ien,

mit ber SDJormo.


2Iu^er biefen unb anbern für befannt geltenben ^(jijfiognomien taudien

bann im Seben be§ ©injetnen (Srfc^einungen au§ bem S)unfel empor, meift
in beftimmter Sejiet)ung auf Sage unb Slugenblid, roeldje man unter bem
nod^ fo üiele§ anbere begeii^nenben 9Zamen oon Dämonen fennen lernt.

mitgeteilten ßios 'OfxrJQov erroätint raerben, Don Sßiefeln ben ©d^Iafenben 9iafen unb
rooDon bi§[)cr nur ein 2Ut§3ug in einer Clären abfreffen, finb nicf)tg Seffereö. ®ie
3}iabriber §anbfrf)rift befannt raar: |)omer Samia „ober (Stjbarie" al§ i^öt)(enungetüm

felber tarn an ba§ ©rab beä Std^ilt (offen= unroeit 5?riffa f.


2lntonin. Siberal. 8.
bar bogjenige oon S^on) unb flefjte barum, -) airiftop^. Ranae 290.
ben §erDg [o fetjen §u bürfen, lüie er in ä) (gmpufen unb Sannen finb burc^-
bie @d)(ac^t fcfiritt in feinen legten (con einanber geroorfen in ber ©pufgefcf)ic{)te
§epf)ä[tog gefertigten) SBaffen; 2lc^iU lüurbe bei ^f)i(oftr. Vita ApoUon. IV, 25, welche
fid^tbar, ^oiner aber erblinbetc com ©lanje ju ben intereffant erfonnenen gehört. —
ber Sßaffen, raorauf 2;t)eti§ unb bie 3}Jufen Stnbere gefpenftifdie 2Befen f.
©eorgii in
aug SDJitleib if)m bie ®abe ber 3)id)tung ^auli)g Steatenc. s. v. magia S8b. IV,
Berlief;en (üergl. Si§ung§bericf)te ber Sltab. ©. 1391. — 2)ag 33ilb ber Samten alä
b. SBiffenfd). ju SlUinc^en, 1888, foiüie ben 3>ampi)rglaube ^at in ®riec^enlanb big

fect)ften ßCog beg ^^omer bei SBeftermann, auf bie neueften Reiten raeitergelebt. (Sine
Biogr., p. 31). in merf)felnben ©eftalten erfc^einenbe (gm*
^) 9Keroe unb ^antf)ia im I. Suc^ pufa burc^ mutiges ©d^impfen üertrieben,
beä 3tpu(ejug finb raafire Samicn, unb bie ^fjiroftr. a. a. 0. II, 4.
3auberinnen oon 2ariffa, meldte in ©eftalt
270 ^Religion unb ÄultuS.

S)nB Sämou öfter gcrabesu für ©efpeuft gefagt wirb, ift bereit» erunifint

roorben, menn aml) baneben bie 2tu§brü(fe (püGjuuTa, tl'SoAa uorf)errfd)eu.

^ebenfaÜÄ werben toir f)ier foIcEie 3)ämoneu nit§5ufd)Iie^en Ijaben, raeld^e

a.{% Sämonen be§ 3lntrieb§ unb aV% beftönbige ^Begleiter be^^ einjetnen

9}ienfd;en gebac^t roerben, biefem aber nie 5U ©efid^te fommen ^).

^§> gab X'eugner, raeldje meinten, feinem isernünftigen begegne jemals

bie ©rfc^einung eine§ 3)ämon§ -), nur .^inber, SBeiber unb fonfufe, fränf=

Iid)e ©d)n)äd)linge fd)Ieppten fid^ mit fo(d)en leeren a^ieinungen, mät)renb

fte nur eben in fid) felbft al§ böfen ®ämon ben 2lberg(auben trügen. 33on
fo(($er j^reitjeit ift bann ein großer 2Ibftanb bifc auf jenen ©ufrate§ in
SucianS „Sügenfreunb", roeldjer (^ap. 17) bamit pratjlt, ba^ ifjm 3)ä>
monen feljr Ijäufig bei ^^age unb bei 9iad)t begegnen: er fd)eue fie nidit

meljr, feitbem er oon einem 3traber einen {a\\^ bem ©ifen üon ^inrid)»

lungefreuäen oerfertigten) 3ting ertjalten f)obe unb bie Sannformel {ino^'t])

tüiffe"). Sucian fd}reibt allerbingS in einer 3^it/ ba aud) ber 33efd)n)örer,

rceldjer ll^ämonen l; er beirief, bereits eine wichtige ^^erfon gemorben


Ttiar; Sef(^roörer gefätjrlic^er geljeimer ©ötter Ijotte e§ aber üou jef)er

unb aud) §u ^(ato§ ^t\i gegeben. Unb roenn man im täg(id)en ^timx

bei plö|lid}en, gumal fd^Iimmen 3Sorfommenf)eiten immer geglaubt batte,

eS fei etwas ^ämonifd^eS — unauSgefd)ieben oom ©öttlidien {&il(n) —


in ber 9tä!)e, fo tjing am ©übe ber Unterfdjieb smifdjen (Sid;tbarmerben

unb Unfid^tbarb leiben an einem 9Benigen.


Um bie größere ober geringere 2Sud^t beS ©laubenS an erfc^einenbe
S^ämonen rid)tig 3U fi^ä^en, wirb man auSjumitteln Ijabeu, wie J)od)

I;inauf, bis ju lueldien geiftig unb fittlic^ bebeutenben ^nbioibuen berfelbe


fid) erftredte. 2)er gro^e 3^emofrit, roenn bie il^m beigelegten 3leuf5e=

rungen'*) ec^t finb, glaubte an ©efpenfter {iTöwlu), meldte fidjtbar unb


t)örbar ben 2)Jenfdjen fic^ nät)ern, bie 3ufunft fünben unb roobltätig ober
fdiäbüd^ fein fönnen; man möge barum beten, baf? nur gute erfdjeinen;

®ine .'öauptqucHe über bie 2)ämonen bei fid^ jur älbmeljr uon ©efpenftern. ®u=
im allgemeinen bleibt ^(utarc^ de defectu bocia 9.^iol. 343, niol)l er[t nuö einer 3cit,
oracf. 13 }]., freilief) bereite abhängig üon ba ber ©Innbe cn bie magifcl)e Mraft ge=
einer gemiffen ©tjftematifiernng. Ügl. 3tpii; miffer ©tcine ju einem Softem au^gebilbet
lejuä de deoSocrati8ir,235ff.(ed.Bipont.) mar. Sag 2)enfmal Ijieröonftnb bie Ai&ixä
-) ^^lut. Dion 2. be« fog. Orpljenö (IV. 3al)rl). n. (!l;r.).

*) ©onft trug man gern einen '^afpi^ ') 4^ei 93(nUttcf), fragm. 3. pbys.
®er griec^tfcl^e §eroenhtItu§. 271

il)rer dlatnx naä) feien fie oon langem ® afein, boc^ nicfit unüercjänglid).

^ür ha§i nun pnäd)ft golgenbe, bie berüljmten 58ifionen be§ ®ion üon
(Bx)xatvi§> unb be§ 33rutu§, ift mit ^(utard) ^) jujugeben, ba^ beibe baüon

fogleic^ iljren Seuten eqäfilten, b. l). üon ber 3Sal)rI)eit ber ©efpenfter

fubjeftiü oödig überzeugt raaren. 33eibe§ finb 3In!imbigungen be§ balbigen

Unterganges ; bie (Srfc^einung ift ba§> perfönlidje böfe ©diidfal, fo mu


fid) baSfelbe in ber ^|antafie eine§ ©riedien unb eine§ griec^ifd) gebilbeten

&iömer§ fpiegeln mochte.


SDion in feiner ängftlid^en 9)iorantät ift oerbüftert, roeil er ben

©c^urfen ^era!Ieibe§ enblid) Ijat töten laffen; gugleid) aber ift er fc^on

umgarnt üon ber 3]erf(^n)örung be§ ^aHippo?^. (äine§ StbenbS, gegen

Dämmerung, fa^ er einfam, tief in ©ebanfen in ber ^orfialle feinet

^aufe§; auf ein ©eräufd) üon ber anbern Seite f)er manbte er fi^ um
unb erblidte ein möd^tigeS 2Seib, in Xxa^t unb 2lnblid mit eine ®rinmj§

ber tragifdien ©jene, roeldie mit einem Sefen ha§> ^au§ fegte. 3:^ief er»

fd)üttert rief er feine ^reunbe, fagte iljnen, vcia§> er gefeljen, unb bat fie,

bie 9lac^t bei if)m ju bleiben; ba§ ©efpenft fe^rte inbeS nic^t mieber.

9lac^ loenigen 2:;agen fprong fein (mißratener) ©ol^n wegen einer geringen
Urfadje uom '^ad) tjerab unb blieb tot, unb furj barauf ging ®ion felber

burd^ bie 3]erfd^roörer auf bie jammerDoüfte Söeife unter. S)er 5)ämon
be!3 äierberbenS nimmt Ijier mol)l eine ©eftalt an, raeldje eigentlich bie

einer 9tad)egottl)eit roegen einer begangenen %at ift, allein mir bürfen
fagen, nur pfäEig al» ©rinnerung an ein §ule^t (Sef(|el)ene§ in einer

ganjen ^ette uon löblichen ^latfadjen unb Umftänben.


33rutu§ ^), im S3egriff mit feinem ^eere bei 2l6i)bo§ nad) bem euro=
päifd^en Ufer Ijinüberjugelien äum ©ntfd)eibung§fampf, road)t gebonfenooll

in tiefer '^aä)t in feinem 3^1^ bei fd^on bunfel brennenbem £id)t; er l)ört

jemanbem eintreten, fc^aut nad) bem Eingang, unb üor il)m ftel)t fc^roeigenb

eine fd)redlid)e, frembe ©eftalt üon ungemöljulidjem 2Buc^§. 33rutUö raagt

p fragen: „2Ber bift bu, ©ott ober 9Jienfd), unb wü§> roiEft bu, ba|
bu gu mir fömmft?" ®ie @rfc§einung antraortet: „^ä) bin bein böfer

S)ämon; bei ^Ijilippi rairft bu midj mieberfelien." — „^ä) merbe," er*

Dbige ©tette in feinem Sion 2, l


-'-,
^(„j^ <Q^^^^_ qq^ 48, gäfar 69.
bann 55. 56. I
272 5leligion unb Äurtug.

tüiberte 33rutu§. Won wirb l)m unter Somon, rote oben unter ber

@rinni)C\ nur ha§> ju einer ©eftalt oerbidjtete UntergangSfd^idffal ju cer»

ftefien Ijah^n, nid^t einen ber unfic^tbaren Seben^begleiter, an uietci)e mancEic

©riechen geglaubt I)aben. 311^5 bie ©eftalt üerfc^raanb, rief 33rutu§ fo=

gleirf) feine ©flanen, mouiit bie geglaubte äl^irftid^feit be» ^ergange§


beroiefen ift; weniger fidler überliefert unb too^I erft von ^lutarcb au§
feiner fonftigen SlenntniS pf)iIofop{)ifdier ©tjfteme fiinjugebidjtet ift ba§
folgenbe ©efpräd) mit ßaffiu§, iueld;er aU ©püureer bem ^-reunbe bie
9}tögHd)feit üon (^efpenftern überljaupt auSreben raitl^). ^n ber j^otge
freilid^ wirb au^ (Eaffiu§ mitgeriffen üon ber 9}Joffe üon ^robigien, raeldie

biefen gongen berül;mten ^rieg begleiten, i^or bem legten @ntfd)eibung§=

fampf, im ^tjilippi, erfdjien bann ba§ ©efpenft mieber unb üerfd)roanb


biefimal (autfoS. ^m Seben (Eäfar» äußert ^lulard), baSfelbe fei ein

Seroeig geroefen, ba^ (Safari ©rmorbung ben ©Ottern md)t gefallen l^abe,

aüein beslialb braudjt e§ nod) nid)t in ber 2lnfd)auung be§ 33rutu§ felbft

ein oon ben ©Ottern gefenbete§ geiuefen ju fein. ©troa§ 33efonbere§ ift,

baB baSfelbe bei ber erften 33egegnung ben Ort bei entfdjeibenben J^ampfeS
geraeilfagt J)atte, meldjen 33rutu§ bamal§ nod) unmöglich ai)nm fonnte;
er er£)ielt fein ©teEbidiein.

Siey roaren 58ifionen aulermäl^Iter 9}?enfcben, meiere bebeutenber

^{)antafiebilbungen fätjig waren; int 3]oIfe werben bie @rfd)einungen S^er»


ftorbener ba§ gro^e Uebergewid)t getrabt l)ahm, fobalb eine büftere, forglid^c

(Stimmung benfelben im SBa^en ober im S^raum bie Pforte öffnete. S)o(^

fennt aucb ba§ 3]olf bie @rf(^einung eigentlidier S)ämonen. ^n nod^ l)alb

nn)tl)ifd)er ^txt war ju 2lrgo§, al§ «Strafe uon 3lpoIIo gefanbt, bie //o/r^

(^iac^egeift) erfc^ienen, nic^t bIo§ eine ©eudie, wetdje bie ^inber wegraffte,

fonbern ein wirflidier ^ämon, ein inbioibuellel ©efpenft, wetdieS benn

aud) üon £oroibo§ erlegt würbe-). ^Dagegen fd)eint ba§ Jui^a (gurd)t),
wel(^e§ bie ^orint^ier mä) einer Seuche berfelben 3lrt laut einem Crafel=

fprud) all weiblidje ©rauengeftalt erriditeten •''),


nur eine fi)mbolifd}e ^igur
gewefen ju fein. Um fo merfwürbiger ift bann bie ©rfdieinung einel
S)ämon§ oor grofsen 3]olf§maffen ; biefelbe wirb -^war nur in bem Tenbenj'

') Slud^ einem anbern, glei^namiiien dcduüjr. llal. HKaj. I, 7.

(5äfarmbrber, SnffinS ^^armenfi^^ cr[d)ien -) ^smifan. I, 43, 7.


xaxo- ')
furj Dor feinem blutigen (Snbe ber «paufan. II, 3, 6.
S)er gnecl^i[cf)e ^eroenfultug. 273

romon be§ ^I)iIoftratoö üom Seben be§ SlpottontoS üon Xr)ana (IV, 10)

berichtet, ober auf eine SBeife, roelc^e üon ben fonftigen ©rfinbungen
biefeS 33u(^e§ beutltrf) abfliegt.

3m %i)taUx ju (gpI)efo§ faf) man, ofine 3ToeifeI au0 3Jlarntor, ba§


mäc^ticje ©ebilbe eines 3}toIoffetl;unbeS, oietteidit als 2lnatJ)em infolge

einer ©euc^e, benn ber gefürt^tete ©iriuS mit feiner (SIutf)i^e fü^rt

5lranfl^eiten mit fic^, unb feine ©eftalt !onnte mot)! ai§> ©innbilb oon
folgen unb jugleid^ aU Slbroenbegefd^enf {anojQÖnaiov) geftiftet morben
fein^). 2ln biefen üermutlid^en S^iatbeftanb fnüpft nun bie (5r§ät)lung

an. SDie ©tabt, üon ber ^eft t)eimgefuc^t , labt ben Söunbermann
2lpottonio§ bringenb ein §u erfdieinen; er fömmt unb ruft bo§ SSoIf in^

3:;i)eater. ^ier finbet fi^ ein alter §äBli(f;er Settier in Äumpen, mit
eingefunfenen 2lugen. — ,,Umringt ilju! S)ie;l ift ein ^^einb ber ©ötter!"

ruft 2lpoßonio§. — „9iet)mt ©teine, fo oiel i(;r fönnt, unb raerft itjn!"

2lnfang§ sögern bie ept;efier, inbem ber 2lltc fte^t unb um Erbarmen
ruft, allein 2lpolIonio§ mal)nt mit SJJa^tgebot, nid)t abjulaffen, unb bei

ben erften ©teinmürfen blidt ber 2llte auf, unb feine Stugen fprülien

geuer; ba merfen bie Seute, '^a'i^ e§ ein 3)ämon ift unb werfen nun
berart, ba^ fic^ ein ^ügel üon ©teinen über ilju ^äuft. SZadi einer 3mifd)en'

geit befal)! SlpoUonioS bie ©teine roegguräumen, bamit man inne roerbe,

n)el($e§ „2:^ier" man getötet )^Qh^. ®§ gefdjal), unb ftatt eines 33ianneio

fanb fid; ein ^unb üom Slnfeljen eine§ 3)Zotofferl)unbeg, aber gro^ roie ber

mäd;tigfte Sörae, ben ©c|aum ber 2Sut üor bem ^iac^en. @§ ift n)ol)l

benfbar, ba^ ^liiloftratoS eine an ber betreffenben 2:iergeftalt ^aftenbe

©age im a}iunbe be§ 3Solfe§ oon ©p^efoS al§ fpontane ©rfinbung oorfanb
unb fie auf feinen gelben 2tpolIonio§ bejog, aud) menn fie urfprünglic^

einem anbern gegolten liatte-). 2Bie oiele Silbroerfe in a\itxi IjeHenifdien

Säubern mögen gu berartigen ^l)antafien 2lnla^ gegeben Ijaben ! ©päter,

in ilonftantinopel, l)ing fid^ an bie bortl)in §ufammengefd)leppten ©tatuen


eine 3Jienge oon älberglauben.

35aneben ftanb nod^ ein öcrafleä, 1 gerne übergangen, ba fie meift nic^t mef)r
roal^rfci^einlic^ alg d'At^iy.uxoi, rein gried^ifcfien Urfprungö finb. So fd^on

-) 2lnbere jum 3'eil fef)r maffine bä= bie civd-oionoi <^ucnvQoi, roeld^e unter ben
j

monifd)e ®rfcf)einungen in ber Äaiferjeit i


Srfcfieinungen oor (Säfars Sob angefüf)rt

(j. SB. Dio Cass. LXXIX, 17) raerben l)ier i


rcerben. ^lut. %v.\. Gäf. 63.
3. Surtfl^arbt, ®rle(^ifc^e flulturgefc^ic^te II. 18
:
;

274 3teIigion unb Äultitg.

StucE) gange Srfiaren bämonifc^er Söefen, bereit abenblänbifdiel (SJegen-

ftü(f ettoa ba§ löilbe ^eer in feinen Oielen SSariationen fein mag, niacfien

fid) im 2lltertum biSraeilen fi(^tbar ober bocf) f)örbar. 2tm 2age ber
©d)lac^t üon ©alami§ ^), ouf bem ber i^nfel gegenüber liegenben tt)riafifd)en

©efilbe erJ)ob fic^ oon @leufi§ l^er ein ©tanbmirbel, ,,TOie oon brei§ig=-

tanfenb 3)ienfd)en", unb ein (Bä)aa raurbe ^örbar, in meldjem ber fogen.

mgftifd^e Sö'^'ijol, bo§ ^rogeffionSlieb ber 2lt^ener beim 3uge ber all»

iä{)rli(^en (SIeufinien, fid) ernennen lie^. 3ttti!a ift in jenem 3tugenbli(f


üon feinen 33eniol;nern geräumt, unb ber 3ug nad) @Ieufi§, meld^er thtn
an jenem S^age gefdieljen foUte, ift unmöglich; ein ©eifterjug tritt für
bie^mat an feine ©teile ; brei^igtaufenb ober ift bie bem ^erobot geläufige

30^1 ber attifc^en Sürger"). ®a§ ber ©age gugrunbe liegenbe ©efiU;!

fann gunäc^ft fein: ba§ bie @ott!)eiten oon @Ieufi§, ober aud): ba^ bie

2ttl;ener auf ba§ £)eJ)re ?^eft unter gar feinen Umftänben oergiditen können;

9Zeucre aber finb in poetifdjer 3Iuffaffung be§ ©reigniffeS weiter gegangen

„e§ finb bie ©eelen eingemeititer 3lt(;ener, gu ^eroen gemorbene ©eifter,

meiere i^re ^errin, bie eleuftnifdie ©öttin, auSfenbet" (©diöH) — ma»


auf fic^ beruf)en mag. jDa§ 9)?erfroürbigfte jebod) ift, ba§ ber eine ber
beiben 3lugen5eugen be§ Herganges, ber 3ltJ)ener ®ifaio§, über bie @r=
fd^einung mie felbftoerftänblid) 33efc^eib meife, unb feinem ©enoffen, bem
fpartanifd^en 5lönig SemaratoS, gang unbefangen erüärt: ha§> ©etön fei

ein gottgefanbteS unb bebeute eine §ilfe für bie 3ltl;ener unb iljre ä^er-

bünbeten; laffe el fi(^ auf bem ^eloponne§, alfo auf einem geftlanbe
nieber, fo merbe 2£eri*e§ unb fein §eer auf feftem .53oben ©(^aben leiben

menbe e§ fid) über bie ©c^iffe bei ©alami§, fo merbe ber S^önig feine

flotte oerlieren. ^n ber Xat raurbe au§ ©taubroirbel unb <B^all eine

SSoIfe, meiere emporftieg, unb bann bei ©alamiS fic^ auf ta§ Sager ber
2lt§ener nieberfenfte. ®ie§ ift oießeid;t bie frütiefte ^unbe ^) oon einem in

ber ^olge ftarf oerbreiteten Glauben an in ber Suft erfdjeinenbe ©eifter»

^eere, meiere entmeber beiben auf (Srben fämpfcnben Parteien ober nur

') .^crobot Viri, 65. fünff)mibert bei SoIImonb mit ®tpg bes

2) ®6b. V, 97. ftrid^en, jum Sdjreden il^rer tljej'falifd^en


') 3I01S) ber fagcnfjaften 3ßit getjört geinbc, tpeirfie ö^fio'repoV ti ju feigen

ba§ ©tratagem ber ^f)ofier, alö fiel) tl)ver glaubten. ,t>erobotVIII, 27,^aufan. X. 1, 5.
3)cr gried^ifd^e 6eroenfuItu§. 275

ber 3um ©tcgc beftimniten entfprec^en '). 9Io(^ in ben Kriegen ©onftantinS
fomiuen fot(^e I)immlif(^e Segionen regelmäßig oor, fobann in 3af)lreid^en

Slu^fagen unfereg SJJittelalter^, ja in ^unben ber neuern unb neueften ^^\t,


je nad^bem in furd)t6aren 3lugenbliden SBoIfenbilber bie ^t)antafie aufregten.

33ei biefem allem fianbelt e§ fic^ um 9tef(ei:e au§ bem 9)Jenf(f)en(eben,

unb au(j^ bie ©eifterfd^aren Sonftantin^ finb, menigften^ fo, wie fie G^riften

unb Reiben fic^tbar erfc^ienen fein fotten, ba§ 3lbbilb irbifc^er ©c^aren.

2lnber§ tönt e§, menn ein ©ott mit ©efolge einen §errf($er üerläßt, ber
§u einem böfen ©d)i(ffal beftimmt ift. 2Jl§ Cftaman -) gegen 2lleranbrien

im aingug mar, um bie a)Zitte ber 3iac^t, ba bie ganje ©tabt ben Sltem
ant)ielt au§ ^urd^t unb @rroortung be§ ^ommenben, ^örte man plö^Ii^

ben J)armonif(^en 3"f^^^^i^'^f'J"S ^'^'^^^^ S^onmerfseuge unb i^ubelruf

unb ^angfi^ritt roie oon ©atiirn, aU jöge ein (ärmenber bac(^ifc^er 3ug
J)inau§; eso raufd)te mitten burd) bie ©tabt gegen baSjenige %ox (;in,

wo bie geinbe natjten, bort rourbe e§ am lauteften unb oerftummte bann.


SBer nac^bac^te, fagte fid^, 2(ntoniu§ merbe roo£)I t)on bemjenigen ©otte
r»erlaffen, meldiem er fii^ ftet§ am meiften oergtid^en unb in ber SebenS^

roeife genähert ijatk: ber biontjfifc^e ©dimarm i)atU fid) gefpenftifd^

refleftiert, unfiditbar, aber taut genügt). ^ie!)er gehört aud^ bie —


geroiB nid^t ifraeütifi^e, oielleid^t römif(^e, noc^ etier f)elleniftifd)c — 3Sor*

ftellung, roeli^e fic^ f)unbert ^al)xt fpäter an einen gel;eimni§ooIIen SSorgang


im S^^empel üon i^ci^i^f^tem fnüpfte *), furj üor @innaf)me ber ©tabt burc^

^) 2tug fefjr Dielen, namentlich) rös '-)


«piut. aiuton. 75.

mifcfien Seifpielen, u. a. 3>irgil, ©eorg. I, ^) 3lm Xage ber ©d^lad^t bei '^f)av^

474, mit ber 55ariante, ba^ man gmar faloS erl^ob fidE) in ^ergamon au^ bem
nid^tg fielet, aber in ben Süften SBaffen« 2)ioni)fogtempel ein £ärm oon ^^auten unb
lärm l)i3rt (^robigien ber Qzxi Don 6äfar§ 3t)mbeln, welcher burd» bie ganje ©tabt
©rmorbung). Sßeitereg 5ßlin. H. N. II, ging. ®io Gaff. XLI, 61. Saut. Sul. Db=
58: — 5ßalcr. Tla^. I, 6. — ^m 3KitteI- fequeng er^ob ftc^ bamalä aud^ in Stntioc^ien

alter lommcn bie gefpenftifd^en öeerfd^aren ©efd^rei unb SBaffenlärm, ha^ man jraei-

auc^ roDl)l au§ bem Srbboben unb Der= mal auf bie ©tabtmauern eilte, um nad}«

fd^roinben roieber in benfelben. SUatt^. jufelien. — @inft in frül;erer Qtit auf


<Pariä. ad a. 1236. — Uebrigeng fd^on bei (Sepljalenia „turba in coelo cantare visa"
^ul. Dbfequen§ Mmpfen bie ©eifter^eere (berfelbe).

am i^olturnug ju ®uUa§ ^^^t^" ^^"1 ^^^^ ') Xacit |)ift. V, 13.


@rbe, unb man finbet f)ernad^ bie ©puren
t)on a)Jenfd^en unb Stoffen unb jertreteneö
^ra§ unb ©ebüfc^.
276 ^ieUgiott unb Äultu§.

2:itu0: 2)er ^au leuchtete oou feurigen 3BoI!en, bie ^sforten gingen
plö^tidf) auf; eine meljr oI§ menfdilid^e ©timme erfc^aUte: „2)ie ©ötter

5iel;en {)inau§!" — unb bobei üernQf)m man ,,gen)altige Scroegung ber


^inau^fdjreitenben".

33on bem blofj hörbaren war eben mand)e§ nic^t eigentlii^ gefpenftifd),

fonbern bie ©timme einel au^ermenfc^lic^en äBefenS, befonberS einer

roarnenben @ottf)eit. 2tu§ Säumen, ?^Iüffen, Dueüen glaubte man l^ie

unb ha beutU(^e SSorte p üerneljmen, unb üon bem 3:^on, n)eld;er biS^

meilen bie OI)ren treffe, meinte roenigftenS ^i)tt)agora§, z§> fei eine (Stimme
ber „^öl;ern" ^), ma§ man freilii^ auf ©ötter mie auf ^Dämonen, ^eroen
unb felbft einfach auf ^erftorbene besiegen fann. 2)ie StuSbrüde l)iefür

(oGGa, (p^M^ xlriÖMv) finb fömtUc^ üon fc^roebenber Sebeutung unb be^

jeic^nen aucf) nur ein fdjnell ^erumgei)enbe§ ©erüi^t ober ein oon 9}Jenfdjen

o§nc Slbftdit gefprod)ene§, aber ominös auf§ufaffenbe§ SBort u. f. m. ^n


ber fo ge^eimniSüoH er§äl;Iten ©efc^ic^te oon ber ©(^Iad)t oon 9)hjfale,

bei bereu 33eginn man fdion ben am nämtic^en ^ag in weiter gerne

erfod)tenen ©ieg oon ^latää erfuljr, lä^t unS ^erobot^) im ©unfein


barüber, meiere 2(rt oon Offenbarung eigentlid) ftattfanb; eine fpäte

rationaliftifi^e ©rüärung ^) get)t ba(;in, ba§ ber gelbljerr Seotijd^ibeS eine


©epefc^e erfonnen Ijabe. 'üthtw ber gemaltigen aJienge fonftiger ^^robigten

freilid) üerfd)iüinben bei ben ©riechen biefe oon unbefanntem 3}cunbe burc^

bie ßuft tönenben SBorte, raäl;renb bei ben 9iömern fel;r laute ©ötter»

ftimmen biefer 3lrt nii^t §u feiten oorfommen ; megen ber oor bem gallifd)en

UeberfaE gef(^el;erten 2Barnung erl)ielt fogar ber „9{ebefprec^enbe", 2liu6


ßocutiuS, einen eigenen Stempel*). 2lly ber jum Unglüd beftimmte ^onful
9Jiancinu§ fid) im ^erfuIeSljafen naci^ ©panien einfdjiffte, l)örte man
unöerfel)en§ ba§ 2Bort: „bleibe 9)Jancinu§!" Unter ben ^robigien be§
Julius ObfequenS, ber bie§ melbet, werben au^ ©timmen in oerfd)Ioffenen

Stempeln erroälint.

*) ^lovij TtiSy xQsiTTo'ywt/ Slelian V, ItQov). — Sie 3itf"iiftöerforfd^ung burd)


H. IV, 17. — iüergl. Gicero, de divin. 1, 45. xAijcToVf ? beim 2(Itar beö ^IpoHon 3ponbio!g
^) lierobot IX, 100 f. in ^bebcn unb im .Sllcbonentcmpel bei
'')
^olt)än. I, .33. ©mijrna (^^Hiufan. IX, 11) goljört nmbrs
') ^(utarrf) überfe^t (de fort. Roman. fd^cinlid) nirf)t Ijieljer, raeil [te eine irgenbraic

5) frei, aber gut (f ilutjg


xai xXtjdi'n'ujy (seil. proDojiertc fdjeint gcmcfen i\\ fein.
2)er griec|ifc^e §eroenfu(tu0. 277

©inmat f)ttt ein ©i^u^geift ber Siliere be§ Söalbei fic^ unft($t6ar oer»

nei)men (offen. 2lu§ alten masebonifcfjen ©agen raupte man, ba^ einft

ein ^i)nig§fot;n ^) auf ()i^iger ^^agb naä) Stotroilb in einer <Bä)luä)t eine

©timme ^örte: „S^afte bie ^irfd)e unb ^i^^^ nid^t an!" @r faf) ringS
um, bemerfte nid)tg unb wiä) üon bannen, in ber gurc^t, bie ©timme
möd)te „von einer ljö£)ern Urfai^e f)er" laut geworben fein.

2öa[)r()aft fc^auerlic^ barf man fic^ bie SSirfung be§ ©eläc^ter^ un»
fi(f)tbarer SBefen oorftellen. 3ll§ 9JHtl;ribate§ in ^leinafien einen ©umeniben»
i)am in 33ranb fe^te, t)örte man ein unge(;eure§ ©eläc^ter „sine autore",

loorauf bie ©e^er boc^ ein 9)?enf(^enopfer an bie beteibigten ©öttinnen


tjerlongten; nun aber brang noc^ aug ber ^al^rounbe be§ gemorbeten

2Jiäb(^eng ein Sad^en Ijeroor, melc^eg „ba§ Opfer ftörte" -). Unb üI§

(Saligula ben oltimpifd^en Q^u§: be§ ^l;ibia§ rooUte nac^ 'Siom fc^Ieppen

laffen, um bemfelben bort feinen eigenen S3ilbni§fopf aufjufe^en, tönte ber


Stempel üon ©eläd^ter, fobalb jemanb üon ben beauftragten Seuten ha§
SBer! nur anrü()ren rooEte^).

') Slelian Hist. anim. X, 48. — 3Bie bringenben Sd^reden oerfe^t roirb (^^aufan.
roeit bie ftc^ an!nüpfenbe ©efd^ic^tc üon X, 32, 9), mögen §ier roenigfteng er«

ber f)ilfretd^en ©erlange baju gehört, roirb roä^nt roerben.


nic^t beutlic|. — Sie ilöcuXcc, burc^ roelc^c 2) ^ul. DBfequenS.
ein Uneingeraei^ter roä^renb be§ ©eJ^eim^ 3) Sio Saff. LIX, 28.

opferö im p§ofi[c^en Sfig^eiligtum in tob=


Vierter Hblcbnitt

Die Grkundung der Zukunft


Die Grhundung der Zuhunft.

^^^^^^0 toäre eine Dlotion, 100 eine 33ürger[(i)aft, toelc^e fi(^ nid)t ht'

ftittimen lie^e, burc^ 33oran§fagungen, bie oon ®ingeroeibe[c^auern,


2lu§beutern üon 9}?i^gebnrten unb Sli|ftral)len, 2luguren, ©tern»

beutern, £o[en, 2:^räumen unb SBaljrfagern au!§gei)en?"


©0 ruft ©icero ^), unb im Dkmen be§ Slltertumg mit uollem 9?ed)t.

®ie unerme^Iid^e SJienge oon S^orgeic^en unb 2Bei§fogungen jeber Strt,

Don roeldien bie alten ©rfiriftfteUer bei jebem 2lnlaf3 unb meift im üoHen
^on be§ ©laubenS berii^ten, finb oon jelier allen Sefern aufgefallen. 5Die

Jlunbe oon biefen 3)ingen erfdjeint fc^on auf ben erften 33li(f al§ unent=

belirlii^ für bie (Scfenntni^ ber griecl)ifd)en unb römifc^en 9teligion, unb
bie Söetrac^tung ^) fiat fie gerne jufammengefa^t unter bem ©efamtnamen
„Offenbarungen". 9.Bir glauben inbeg einen 2:^itel oorgiel)en gu muffen,
melcl;er geftattet, ben ©egenftanb aud) abgelöft oon ber S^eligion ju be=»

tradjten, toeil er mit berfelben nur teilroeife jufammenljängt.


5)ie äit'^uttft buri^ atterlei %un gu beroirfen unb t^erbeijufüljren I)at

man in allen ßeiten unb bei aKen SSölfern geroünfd)t unb oerfuc^t. 2lu^er'
bem loill unfere je^ige 3ßit ^^^ Bi^^^^ft womöglicf) oorau'o beredjuen, fo

fe^r aud; Ungebulb unb leibenfc^aftlic^eg SBünfdjen fie bobei ftören mögen.

Ob biejenige Duotc 9Bal)ne§, oon n)eld;er fie babei gefül)rt wirb, mefent^

U(^ geringer ift alio in ben ^äUn be§ fogenannten SlberglaubenS, wirb
fdiroer §u fagen fein. 'i^a§' 3tltertum bagegen, mie bie meiften ^eiben-

tümer überljaupt, glaubte haä ilünftige auf rounberbare SBeife erfal;ren


§u fönnen^). 3Bo ba^ neuere 2Beltalter auf benfelben ^faben ging, mar

^) De divinatione I, 6. — Sie 2ite= öoffnung unb gurd^t . .®er öoffenbe


.

ratur borüber I, 3. roie ber (^ürd^tenbe finb bem 3Sor{)ererfunben


-) 3. S. 5ei gjägelgbac^. Herfallen; baöon finb alle Drafet ijro^ ge*
^) Sucian, Hist. Alexandri, c. 8 „Sic
: löorben."
Bcibctt Sijranneu be§ 3Jienfc]^enIeben§ finb
282 S)ie ©rfunbumj ber Sufunft.

biey entroeber ein 9teft be-S feltifd^sgermanifdien ^eibentuniÄ, ober eine

©inroirfung be§ ontifen Stberglaubeii!?, luie t)te unb ha 3111- ^nt ber dii'

nolffance. Söenn nic^t bie ^ixä)^ be» 3JiitteIaÜer§ mit allen i\räften bie[e

2)inge befämpft (jälte, fo roürbe nod) fe()r üieleiS bauon üorijanben fein.

9lun aber bürfen wir im gangen mof)I fagen: e» fei einer ber ftärfften

Unterfi^iebe, roeldje jmifc^en un§ unb ber alten 9BeIt obwalten, bafe biefe

bic B^ä^u^ft rounberbar §u er!unben I)offte ober glaubte unb rair nid^t.

3ln ber 2:'atfacl)e be§ ^^ii^^^^^ '^^^ 2lljnung groeifelte bamal§ niemanb,
unb fobatb roir bie ©rierfien be^ljalb jur 9tebe ftellen moQten, fo mürben
fie un§> antroorten: menn il)r unfere 9lugen Ijättet, fo mürbet il)r feljen,

baB fiel) unl bie 3^^f""ft '^^^^'^ 'i>or§eid)cn aller 3lrt aufbrängt. S^äglici^

aber liefe man fid) biefelben and) gefallen, nur um bei ben gemöljulidjften
^anblungen fid) ha§> 9iad)ben!en unb ben @ntfd)lufe jn erfparen. 3>on

biefer ganjen ©enfmeife ift bie unfrige burd) eine tiefe ^tuft gefdiieben.

^ört man blofe auf bal @po§, fo flammt aüerbing^, mag bie iQeroen

2Bunberbare§ erfaljren, oon ben ©öttern, melt^e fid^ \a felber — oer'

manbelt ober in ootter göttlid;er @rfc^cinung — mitten unter il)nen be-

wegen ; aud) bie 3>or,^eid)en unb 3ll)nnngen, meld)e fid; einfteüen, finb

l)ier oon ben ©öttern gefenbet, unb ^omer !ennt feine 3iif«tt§ora!el. S)ie

^olgejeit fobonn, al§ fie fic^ fi;ftematifd) auf 3?orjeid)cn unb 2Bei§fagung
ju befinnen anfing, l^at oft einen 3"ff^'""^^^f)^"^l ^^^l "^^^^ ©öttlidicn,

eine S^^eopneuftie angenommen unb in saljlreidjen SBenbungen mel)r ober


weniger beutlid^ baoon gerebet. dldmi unb über ben ©öttern aber ftanb

ba§ ©d^idfaP), beffen §errfd)aft eine ber allerölteften Ueberjeugungen


be§ ©riedjenoolfeg gemefen fein mu|. 2Benn e§ aud; Ijäufig bie föötter

finb, nield)e ben a)ienfd)en bie Sw'fu'ifl irgenbmie miffen laffen, fo ift alfo

nod; gar nid)t gefagt, bafe fie über biefelbe oerfügen. ^"fonfequentcr

Sßeife Ijat man freilid^ immer ju ben ©Ottern gebetet, fogar um Söol^l'
ergeljen aller 3lrt unb um 9tettung auS G')efal)ren, überbanpt um ©enbung
günftiger gdiidfate. 5^cr ec^t gried)if($en ©runbanfidit aber, meldte fii^

immer roieber laut madite, entfprad) ein ©laube, mcldjer l)öd)ftenv einen

guten äßiUen ber ©ötter, bag künftige ju melben, uorauSfe^te unb bao»

felbe aud) ol)ne ik auf mand)erlei ^Beife erfunben fonnte. ^ie ä>or5eid)en

tonnen oon ©öttern gefanbt fein, unb bae belreffenbe (ireignio iiürb bie

'; iüenil. ben Stbfcftnilt über bie iifoiva S. l'iSff.


Sie ©rfunbung ber Bulunft. 283

unb ha, rate gefegt, fognr aU ©ötterroille betro(^tet loerben — ebenfo


gut aber fann ba§ 3etd;eit nur ber götterlofen ^Jotwenbigfett entfpredien.

Sei btn Drafeln ratrb e§ fic^ beutlid^ geigen, ba^ man nic^t geroi^ roar,

ob man ben SBiÜen be§ betreffenben ©ottel ober ben be§ ©c^iiifals er^-

fuljr. S)ie 3ufunft, mag fie ali einselneS (Sreignig ober al§> größerer
3ufammen]^ang oon ©d^idfaien aufgefaßt werben, liegt gleidifam unter
einer leidjten ^üQe, roeldje ein fö^ige^^ ajienfdjenauge l;ie unb ba burc^=
bringen unb bie ^anb eine§ Ijöljer begabten üottenbs roegjietjen fann.

(Sine auSgebetjute 3)iantif entfprid^t rec^t tooI)1 einem ftarfen ^ataU^muS;


menn ha§> 2tltertum an ein beftimmte§ ©djidfal glaubte, fo lag ha§: ©r=

funbenrooüen beSfelben gar nid)t fo ferne; waren Ijierbei ©ötter gerne


bel;i(f(id^, fo fragte man fie, fonft aber ^atte man no(^ galjlreid^e anbere
Söege. S)er Ijeimlic^e, ja unbemuBte SJorbeljalt, baB man fid^ auf ba§
©rfunbete einridjten, b. l;. ta^i Sd)tdfal unter Umftänben umgeljen fönne,
oerfteljt fi(^ bei ©terblti^en oon itlhft. 2lud) mirb öfter ftatt eines ©r*

eigniffeS gerabeju eine 2lnroeifung jum S^un ober Saffen geoffenbart; @in§
aber ift niemals oon ber SJcauti! meber erfragt nod^ gegeben morbeu,
nämü($ 3lu§funft über irgenb eine allgemeine (religiöfe ober fittlidie)

SBaljrljeit.

©oroeit bie ©rfunbung ber 3ufunft bur(^ 3}ienfd}en gefi^iel;t, fei eS,

ha^ foldje unmittelbar roeisfagen, ober ba^ fie ben übrigen bie oorgebm^-
menen (ja Ijeroorgerufenen) 3etd)en beuten, mirb fie in ber g^olge unter

biefem Flamen 9}kntif §ufammengefa§t ^). 3)en eiugelnen aJiantiS in be»


fonberm Sinne beS 9Borte§ raerben mir balb fennen lernen; oorlöufig ift

nur feftjufteHen, ha^ bie (je^t unbejroeifelte) ®t:;mologie be§ SBorteS uon
(jai'rea&at, 2luBerfid)fein, no($ feinerlei Sejieljung auf ©ötter ober gött'
lid;e Senbung in fidj entljält^). S)ie Sllten fanben etma, bie ajJantif fei

ba§i ©egenteil be§ @ebäd)tniffe» ^), momit t)ieüeid)t ni($t-mel)r gemeint ift,

als ba^ jene fidj auf 5lünftigeS, biefeS auf ^Vergangenes bejielie. S)aS
^öcbfte oieUeidit, roaS oom mantifi^en ©eelenjuftanb auSgefagt wirb, ift,

bafe er maä) werbe in ber 9Ml)e beS S^obeS; in bem Slugenblid, ba hk


2:äufc^ungen beS ©rbenlebenS wertlos werben, fommt bie ber ©eele oon

SSün Dielen Sluigfagen über bie 1 -) SBenn nic^t ausbrücflid^ beigefügt


2KantiI nur eine ber belannteften: ':pIato I roirb i^ 'AnölXujvog /uayr,yai unb bergl.
^bäbr. p. 244 f. I
3) ?pti,tard} de defectu oracc. c. 39.
284 Sie (grhmbuug ber 3"^"«!*-

Statur eigene ©etierfraft 311 if)rem 9te(f;te. ^em ©ulber auf ^olonog be»
geugt e§ S:'|eieu§^): „^i>iele§ frf)on roeisfagteft bu, roaS o()ne Sug raar"
— unb je^t braud^t ber S3Unbe auc^ feinen ^-üfirer mefir unb roirb f eiber

bie übrigen an bie fnri^tbare (Stelle geleiten, rao feiner ba§ ®nbe rcartet.

3lber eine 'Hcaffe üon 3uf""ft ^^irb bem 3}kn)c^en au^ ot)ne mantifc^e
3SermitteIung unmittelbar funb.

2)er roic^tigfte 2lnla^, junädift oon ben ©öltern ben Stu^gang irgenb
einer <Baä)i in erfaljren ^), raaren biejenigen Sittopfer, bei n)eld}en Siliere

gefd)la^tet raurben, unb |ier raar bie 3Inn)efenl)eit eine§ 3^^<^^"^^itter§

raenigftenS eriuünfc^t, luenn aud^ nidit notroenbig. 2lIIe Opfer finb im ©runbe
ominös, biefeS ober in oorjüglid^em ©rabe, weil avL§> ber normalen Se^

fcbaffenljeit ber ©ingeroeibe, befonberS ber Seber beS 3:;iere§, einftmeilen

gef(^(offen mürbe, ba& bo§ Opfer ber (^iott^eit minbefteng genehm fei, unb
l^ieran f(f)Io^ fic^ jener geljeime ©ebanfe an ©rl^örung. 2)ie ungefprodjene

S]orau§fe^ung ift, ba^ bie ©ott£)eit je nai^ il;rem SBiUen bem Opfernben
ein innerlid^ normale^ ober onormaleS 3::ier in bie ^änbe gefpielt l^abe^).

5Borbebeutung§oott mar and) ba§ 3serba[ten be§ OpfertiereS, ja ber be=

reiti§ auf bem 2IItar brennenben ^eile beSfelben^), foroie bie 3lrt ber

flamme, an roeli^e fid) fogar ein befonberer S^eig ber SBeiSfagung (bie
©mppromantie) anfd)lo§. 9JJag nun bie italif($e Singemeibefd^au bie

gried)ifd)e an ängftüdjer Umftänblid)feit no(^ um oieleS überboten Ijaben,

fo mürbe bod) aud^ bie le^tere fel)r ernft genommen, tooüou roeiterl;in

bei Stnla§ beS SJiantiS bie Stiebe fein mirb.

©obann geroäi)ren im @po§, tuie gefagt, bie ©ötter l)ie unb bo ben
9)lenfd^en a^orjeidien auf bereu Sitten t)in. '^'riamoS erbittet fi^^) üou
3eug a[§t 3eid)en eine§ günftigen 3(u§gange§ bei feiner ?^at)rt nai^ bem

') ©op^ofl. ':^^h. Äol. 151fi. — tSicero §erbe f;oten, oV «V arpiair tiii vovi' o
de div. I, 30. — 33ei Guripibes (Sacd^. S^tos avros noitjat], bei einem SBinterfeft
29«) preift Xeirefiaä aui) ben 2)ioni)|oö unb be§ ©ioni^foö in bem arfabifdjen ilt)nätl)a.

aüi^ Sacc^ifc^e überl)aupt alö mantifc^. — 33evfll. i)Jügel!Sbac^, 3iacl^l^omer. Sljeol.

3. i). 6ei ben @ned)en fd^läijt alle (Sfftafe ©. 169. mt mzd)t werben l^ier an=
üon felbft in älJantif «m. ciefcfiloffen bie mit fo uielor Sorge 5e=

-) gär baä J-ofgenbe uinftänblid) (S. oLiac[)tcten Ütif^geburtcn bei 'JJienfclieu unb
5-. .öermann, öotteäbienftl. Slltert. § 38 im 3:ierreid^e unb anbcre fitrd^tcrregenbc

unb o9. iNorfommntffe ober ri^ajct.


") SBie }. 33. ^auf. VIII, 11), 1, wo *) Sopf^otl. Stntig. 1004 ff.

üier yjcänncr benjcnic^en Stier aui' ber **) ^liivS XXIV, 291—321.
Sie ©rfunbung ber 3iifunft.
285
Säger be§ Sld^itteug bie ©enbung beg Slblerl ; Dbt)f[eu§, kuor er fid^ im
2ßettf($ieBen mit ben greiern offenbaren wirb, erf(el)t ebenfaas oon 3eu§ ')

ein ^:ißunber [ligag) unb eine öorbebeutenbe 9iebe; bag erftere erfolgt in
©eftalt eineä ®onner§, bie le^tere im sufäüig belaufd^ten SBorte einer
a}iül;lfftaDin. S)ie großen ^immelgerfdjeinungen aller 2lrt, S)onner, 'Mi^,
©onnenfinfterniffe u. f. w. galten immer bann ai§> gottgefanbt unb t)or=

bebeutung^oott, raenn bie ©emüter gefpannt unb aufgeregt waren aber


-0;
aucl) im geroötjnlid^en Seben fcfieint ber ©ried)e nie gang gteicfigültig ba»
bei geroefen su fein, wenn er gleich raeit baoon entfernt blieb, einer um»
ftönbUdjen 33Ii^le^re anl^einiäufaüen roie bie ©trugfer. 2)ie ©rfc^einung
unb bie gtugmeife ber SSöget, §umal ber tjoc^fc^roebenben 9kuboögeI,
roel^e bei oerfd^iebenen SBöIfern al§ ßeic^en oon etroaS 5lünftigem galt,
fann oon göttUdjer ©enbung fein, roenn biel au^brüdlid; gefagt wirb,
fonft aber ift bie ©c^idfat^bebeutung t)ier t)on gu altem unb unioerfalem
Urfprung, alg baB mir fieser fagen fönnten, raie weit ein ©ötterraiae mit»
mirft^). S)ie 2Sogerfd)au bie 3ufunftlerfunbung
ift auc^ manbernber
ä^ölfer, bie fein feftef^ .^eiligtum unb feine gemeitjte Dertlidjfeit t;aben;
fie roor oietteic^t fc^on eine gät)igfeit be§ Jägers unb be§ i^irten in fef)r

frühen Reiten ber 2)Zenfc^t;eit, unb \l)v Slnfaug Hegt iebenfattg jenfeitg
atter befannten 9^eligionen. 2ßie uralt fie bei hzn ©riechen mar, geljt

fcf)on fprad)ac5 haxau^ tieroor, ha^ ,/i3ogeI" ^at pm 9iamen für atte
^ßorjeic^en überijaupt roerben tonnen „hi^ gum 9HeBen", roie 2triftopt;ane§
')
fagt, melier ja in feinen „SSögeln" bie ganje a^antif biefer STiere auf
ba§ üergnüglidjfte oerroertet. 33ei ben ^taliern ift bie 33ogeIfc^au, roie
bie ©ingeiueibefc^au, no(^ beträ($tlid) fr)ftematifc|er; aüein aud) bei ben
©riedien t;atte fie eine gro^e Stu^betjuung unb brüdte auf bie ßntfdjiüffe, fo
ha^ einmal ^eftor bie ^onbe biefeS 2lberglauben§ gerreifeen muB mit bem
lierrlic^en 2lugruf : „©in ^iogelgeid^en ift haS, rechte: bie^eimot gu erretten" ^).

Oft ift ber 33ogelflug nur ein oorläufiger SBinf, baf3 ein
©(^idfal im Slnguge
fei — roelc^eg, roirb man bann in einem Drafell;eiligtum erfahren muffen ^).

') Db9ff.XX, 98 ff. S8ergr. bie beiben ^) Wlan raei^ e§, ba^ nic^t aller 3]ogels
Slbler, Db^ff. II, 147. fing Dorbebeutenb ift, Dbt;ff. II, 181.
-) pr mächtige SJeteore unb bergl. *) Aves 720.
üergl. 5ef, ^lutarc^ Jimoleon 8, für bie ^) Sliag XII, 243.
SBirfiuig einer Sonnenfinfternig 5ßlutard^ ") ^omer Hymn, Merc. 533 ff.
^^elop. 31.
286 2)te (Srfunbung ber 3"fwttft-

3n betreff jener großem 3iaubüögel ift gu erroägen, ha^ fie üor ©r»

finbung be§ ^euergefd)offe§ !aum je gu erlegen ober fonft ju bemetftern

waren unb bamit ein ^^sriüiletiium ber @rl;abent)eit genoffen. 3lnf3erbem

aber galten bie )Sög^^l in^gefantt für fing unb if)re ©timmen für Spracfien,

burd) raeld)e fie fic^ mitteilen fönnten ^); auä:) geftattete iijnen ja it)r ©diweben
unb j^liegen, unenblid) üiele§ gu fetien unb gu raiffen. 33ei ber 3tl)nung§«

fäf)ig!eit, bie man ifinen §utraut, braudjt burdjaug nid)t an Ijöljere (Sin=

gebung gebad)t ju werben; (Sue(pibe§ unb ^eiftI)etairo§ laffen fid^ am


2lnfang ber ariftopi;anifd)en i^omöbie oon ber mitgetragenen S^o^Ie unb
ber ^räi)e, raelc^e fie thtn beim ä^ogelljänbter ge!auft, ben Sßeg raeifen,

o|)ne fie be»t)alb mit ber minbeften 9td)tung su beljanbeln.

3m 33erlauf ber 3eit ift bie 33egegnung beftimmter 5lsogetgattnngen

€ine§ ber adtägtic^ften a]or3eid)en, wobei !anm jemanb an eine göttlid)e

©enbung badete -j. 2IIIein auf foldien 33ögeln, raeldie ju ber 33egleitung

beftimmter @ottl)eiten (au^ aU bereu ®rgö|ung, udvQ^aia) geijörten, wirb

iüot)t ein 3tbglanä ber ©öttlid)!eit geruljt traben, unb bie Stäben atpoQonI

fd^ufen, wie e§ fc^eiut, für alle 9iaben überl)aupt ein IjötjereS S^orurteil^).

SDie ©nie, mo man fie irgenb fat)*), galt al§ ba§ gemeinte 2;ier ber

3lti)ene, unb 2Igatl)o!le§ bei feiner überfül)nen ^^a^rt nad) Sibpen füljrte

beimlii^ einen ©diroarm oon @ulen mit^) für ben g-all einer üölligen

1) SBergl. u. a. «pjjiioftr. Vita Apoll. am, meiften Dcrl^afjt, fogar nad) 3Jienfd)en»

IV, 3. aiud^ ift äu eriüägen, bafe bie blut gierig. — Sagegen ber 33aumt)a£fer

©biter einft felbft oft in SSogelgeftalt er= (^Cnvri) ift glüdlid) für ben, ber auf bie

fc^ienen roaren. Sagb ober jum @d)mau§ gc^t. (@r roar


2) g]erjeid)niffe oon Sögein nad^ i^ren Wienerin ber in bie genannten i>ögel oer*
guten unb fc^limmen Süorbebeutungen bei roanbclten nJenfd;en geinefen unb I)atte

aCntonin. iiiberal. §ier erfaljren mir (11), üon ben ®bttern erbeten, ^/; xaxog ogyig
raelc^e ifögel für ben ©eefafjrer, rceld^e (ivd^Quinoig yfvtaf^ai.)

für ben Ttarwi', roe(d;e ju Sanb unb ä) SlpoHon liebte 9taben, (3d)iüäne,

SBajfer glücfbebeutenb (celaioi) finb. i^bh. .'pabid)te unb 2öölfe. ^lut. de Pythiae

fcei^t Cä (19) : lo yiyog Twy oiwfuji' Xdcoi orac. 12.

xcd xoXoioi xul xigßtQoi, xai uiytaloi xai *) ©ic ift n)ot)I ju unterfd^eibcn »om
iiai.v dya&ol cpaviyrtg xai iniT tXtig Ul)u (oTQiyi), rcelc^cr ben a)ienid)en, tüic

nuQa rovg uk}.ovg hoyi^ug, '<>ri tov Jiög gefagt, nur i^rieg unb 2Uifrul)r fünbete.

iö'iou x6 aljua (©. ben jUDor er}ä()Iten 2lntonin. ^ib. 21.

^t)t^ug). Sie (TtQiyi bagegen (21) fünbet ') Siobor X X, n — i^oi ben ^libmcrn
.

^rieg unb ardaig, and) ber Sogcl 'Aayaig bagegen luar lueiügftcn'S bie (Sulcngattuug

erfc^cint in' ov&tyi dya&öi. 2)cr ®cier bubo unb beren Saut ali übclftcä iöor»

ift Don aflen iUögeln, (SiJttern unb "DJenfctien }cid)en Dcr^afU. ^faioer ai'eife liefj man
SDie erfunbung bcr Bufunft. 287

a}M(ofigfeit ber 9)tannfd)aft ; o(§ bie %kxt lolgeloffen raurben, burci) bie

'ip£)alanj: flogen unb fic^ auf ©(iiilbc unb ^elme ber ©olbaten festen,

tüurben biefe alle ooH 9}iute§, tnbem itinen bie ©öttin baiuit ben ©ieg

loeilfage. S9ei 3:^empeltteren war 'oa8 3Serf)alten ominös, raeit fie (Da(^te

man) ein 9Jtitiüt]fen von bem SBiUen ober $ßorau§raiffen ber betreffenben
©ott^eit Ijaben fonnten; loenn man beim 2(pollotempel oon 3)h)ra in

Si)!ien bie 3^ifcl)e fütterte, unb biefelben tüchtig einbiffen, raurbe auf bie

©nabe be§ ©otte!§ gefc^loffen, wenn fie bagegen ba§ ©ffen oerfdjmäljten,
auf feinen 3o^n ^)- 2luc^ raa§ fonft in irgenb einem 33e5ug §u einem
S:;empel gel)örte, menn e§ uorbebeutung^öoll raar, fonnte bie§ bod^ nur
fein burd) bie 9iäl)e ber @ottl)eit. ©o finb 5. S. mani^e Duellen bei

Heiligtümern maljre Drafel gemefen. SBer in biejenige be§ ^poUon


^^rirjeuiS im lyüfc^en llganeä l)ineinfd)aute, fonnte fel)en, „roaä er moEte",

b. §. irgenb ein !ünftige§ @reigni§, um raelc^e§ il)m befonbejo §u tun raar.

SSor bem S)emetertempel gu ^aträ flieg man eine S^^reppe nieber ju einer

Duelle, meld) e nur oon Traufen befuc^t rourbe ; fie gälten fönnen unmittel=^

bar in ba§ SBaffer fdiauen unb fid; bort lebenb ober tot feljen, mie 93iarfo,
ber ©erbe, als er auf bem ÖJebirge in ben Srunnen gmifdien ben Pannen
blidte:
„Sai) im SBafjer fpiege(n fid^ fein Slntli^,
Unb er fal^e, mann er fterBen werbe."

2lllein, offenbar jur 2)Zilberung beS @rauen§, fen!te ber ^ranfe §u ^aträ
einen ©pieget an einer ©d)nur big an ben 9ianb be§ 2Baffer§, betete,

opferte 9iau(^roer! unb fc^aute enblid) nur im ©piegel ba§ eigene 33ilb

als eines nod^ Sebenben ober SCoten^). ©ine fel)r mäi^tige ©ötternä^e,
tröftlid^ ober furd;tbar, je nac^ bem guten ober fd;lec^ten ©eroiffen, l)aftete

einft einem S3u5o, ber fid^ fogar auf bem ainbere gifc^orafel 2lt^en. Vin, 8. — 3n
i^apitol {)atte üernefjmen laffen, burd; einen Duetten bei 3;empe(n, rooman irgenb
gut bejaf)tten SSogetfänger nac!^ftellen; ba§ etiüo^, etroa bie ©enefung, ju fud)en l^atte,

rtd)tig eingefangene 2;ier rourbe bann oer= roarf man ^Künjen f)inein. ^aufan. I, 34, 3.
brannt unb bie 2lfc^e in bie über geftreut, 2lud) in Sti^lien war biefer Sraud) weit
ganj al§ ob bamit aud; SSorbebeutung unb uerbreitet. — in, 25, 5 bie Queue oon
©c^idfat au^ ber 2BeIt lüären. ^ul. Db* ^änaron, in ber man (roof)I bei beüor«

fequeng, de prodigiis. 3lo(i) ein jiüeiteä ftel^enbcr Seefahrt) Seel^äfen unb gaf^rjeuge
2Ral f)ei^t eä ^ier: bubo in Capitolio fal; (bcr Sejrt ift ^ier offenbar (üden^aft).
occisus. 2) ^ßaufan. Vll, 21, 5. 6.
2lelian, de nat. anim. XII, 1. —
288 2)ie erfunbung bcr gulunft.

an bcm Heiligtum ber ^alifen in ©ijiüen^): in einem mit fallen unb


35>o£)nnngen nmgebenen i)ei(igen 33eäirf fprubellen gmei l;ol;e Straljlen

l)eif3en ©djmefelroaffer^, jeber üon einem 33ecfen umfaßt, ein 'Jiatnrmnnber,


meldjeg ai§> eine unmittelbare göttliche ^raft, al§ ©rfc^cinung göttlid)er
3n)iEing§brüber muB gegolten ^aben. 9teinigung§eibe würben auf ^äflein

gef (^rieben unb in eineg ber 33ecfen geworfen; fan! bie ©tfirift unter, fo
mar ber @ib ein 3}Zeineib, unb e§ l;ieB, ber ©d)ulbige merbe bann oer»
bräunt ober in einem ber 33eden ertränft ; entroid;ene ©flauen, für meldte

jene 2Bol)uungen ein 2lfi}l waren, empfingen Ijier oon it;ren Ferren baö
eiblidje SSerfpredjen befferer 33el)anblung , unb biefeS foH bann nie ge»

brodien morben fein; bei ^unger^not gaben bie Raufen OraEel (fie be=

faljlen 5. S. einen ^eroenfult) unb erljielten bann bei roiebergefeljrtem

Ueberflu^ reiche Opfer, ©ine ganj ernfte 2tnfrage mar in ©isilien auä)

bie an ben Krater beg 2letna: fdjlang er bie (meift foftbaren) ©aben
Ijerunter, fo mar ba§ 3^^"^^" ^"^ gute§, mo nii^t, ein unglüdlii^eS -).

i^n Ijoljem ©rabe üorbebeutungSoolI maren h\§> fpät in bie römifdje

3eit bie 33eränberungen, meldte oor großen ©reigniffen mit ben Silbern,

(Geräten unb 3Bei§gefc|en!en in unb an ben na^en Stempeln oor fid)

gingen; ba§ 2tufgel)en ber ^^forten, ba§ ©d}rai^en ber ©ötterbilber, bie
(Spinneroeben an benfelben, ba§ 5lserfdjroinben ber in bie i^iligtümer ge*

roeiljten SBaffen u. f. ro. Offenbar liegt bie ^^oranSfe^ung jugrunbe,

baB bie ©ottljeit felbft bie SSeränberung beroirft l)abe, um ben a}cenfd^en

etroaS SBic^tigeS ansufünbigen, unb biefer ©laube roar im 3]olEe fo ftarf

oerbreitet, ba^ oerroegene Slnfüljrer in entfd)eibenben 2lugenbliden foldie

SÖunber fünftlic^ beroer!fteüigten ober erbid^teten, wie 5. S3. ßpaminonba!^

oor ber (5d)ladit bei iöenftra^'). ^n fritifd^en ©tunben fonnte übert)aupt


einer 3Kannfd)aft fd)on ha^ gange Bufättige leid)t jum 33or5eid)en roerben,

unb ber 2lnfül)rer mufete, roo möglid), nur bie nötige g-affung bel;aupten,

alle» 5ugunften be^3 .öeereS ju beuten')- Ueberljaupt ift man bei allem

Slberglauben biefer 3(rt ftünblid) in ben ^^änben ber SJiaffe unb il)re§

') «ergr. b. 2lrt. Palici »on SBi^fc^el unb 12. — Sie bamal« befragten Dvaki
in 'paultjö 3lea(cnc. unb bie ißerl)anbhing mit bemjenige» von
2) ^aufan. lU, 23, 5. «ebobea ^aufan. III, 32. 5.

")Siobor V, 52. 53. Cicero de — •*) SD3ie }. S. andi) Simoleon. 2)iobor

divin. I, H4. II, 31. 32 famt ber rntiona= 1 XVI, 79.

liftifci^en (Srtlänmg. — '^Jolvön. II, 3, 8 '


;

Sie erfunbung ber Sufunft. 289

2Bai)ne§ imb niu^ bamit rechnen. 2)q§ blo^e 9Ue^en g. 33. wax von
alters f)er ominös, uub rec^t l)üb[c^ benieBt fcfion 2:e(emarf;o§ brausen
einen aljnung^öoUen 2i>nnfd), raeldjen brinnen im ©emac^ feine 9}iutter

anS[prid;t^); al0 aber in bem I^ocfigebilbeten IV. ^atjr^unbert ^Timot^eoS


mit ber gangen attififien g-lotte angfafiren foUte^), hxaä)k ein blo^eg
9lie§en aUeS in ©tiUftanb, ber ©teuermann moüte anhalten, unb bie

3Jiatrofen raeigerten fic^ einjufteigen, bis 2:imot{)eo§ Iad;enb fagte: maS


für ein -isorjeic^en fott ba§ fein, menn üon einer folc^en 23ienge ©iner
[)at niesen muffen? unb barauf ladjten bod^ and) bie il^eute unb man
fonnte abfaljren. — 33efünber§ bebenflid) aber waren unb blieben, nic^t

b(o^ bei einem großen Ssorljaben Spieler unb ni(|t blo^ Ui Opfern, fon»
bern im täglidjen Seben eines jeben, uuüorfiditig gefprodiene SBorte,

meiere eine fc^Umme S^orbebeutung entljalten tonnten, benn gerabe auS


bem unabfid)tlid) ©efagten tönte öieHeidjt ein böfeS JlünftigeS ^eroor^):

„2luBer ben liebeln, roeldje un§ o^neljin oerfolgen, fdjaffen mir nn§> nod)
fünftlidje: mir fel)en trübe brein, raenn einer nie^t; fagt einer etmaS Un^
glüdlidjeS, fo werben mir aufgebra(^t; ^at jemanb einen Xraum, fo be=

fäUt uns ?^urd)t; fd)reit eine @ule, bann entfe^en mir uns" — fo fc^ergt

ha^ tieitere @emüt a3?enanberS ^), aber er mirb bamit feine Stttjener nic^t
l)aben änbern formen. ©S mar baS befte, roenn man biefen SDingen im
33emuBtfein einen befonbern SBinfel überlief, fo rote bie ©tabt einen Ort
l^atte, roeldjer auSbrüdlic^ un£)eimlid) unb oon fdjlimmer -Isorbebeutung
mar. „Sie ©täbte liaben," fagt ^lutard), „geroiffe öerrufene unb büftere

Pforten, buri^ roeld^e man bie gur ^inrid^tung 33eftimmten l)inauSfü§rt


unb ©dianbmenfdjen unb 33erbred;er fiinauSjagt, ^eiliges unb ©eroei^teS
aber geljt ba roeber aus noc^ ein^)."

SiSljer mar nur oon 3Sorgei($en bie 9tebe, meiere ungefragt ober nur
im 2l(Igemeinen um ein Qa ober 3iein befragt ober erbeten fid^ funbgaben

') Dbtjfj. XVII, 541 ff.


— 9Jic^t 5u i
Superftitionen beä täglid[;en Sebenö im
gebenfen be§ Älingeng im £i)v, beg gudenö XVI. Aap. ber ß^araüere beg S^eopljraft.
im 2luge u. f. ro. — 2luffaIIenb gro^c ©ammtungen Don 3Jor-
2) ^ohjän. III, 10, 2. jeicf}en ^lutarc^, 3)ion 24 (oor bem ©turj
=>) isergl. 3iac^trag 6. be§ Jüngern Sionpfioö); 2lelian V. H. XII,
') Sei Stobäuä, florileg. tom. III, 57 (Dor Sneganberä ©innal^me üon Si^eben).
p. 222. — @ine ganje 2lnja{)l Don fold^en '") ^Intaxd), de curiositate, 6.
3. Surdljarbt, ©riec^ifc^e .Rulturgeft^ic^te II. 19
290 ~'^ Grtunl>ung ber 3"fiinft.

bigraetten ftetiteu fie ein 6efttmmte*5 (er[eE;nte§ ober gefürc^tete») ©reigniS

in 2ln5[id)t, oft aber bejeirfjneten fie nur bunfel bie ^<i\t unb ben 3Iugen'
blicf qI§ irgenbraie entfdieibungSüOÜ. 9Mf)ere§ unb ©ingelne» bagegen

niufete er!unbet werben burc^ Grfragung, fei ex-, ha^ man felber bie be=

treffenbe ^unft lernte, ober ba§ man einen aöatjrfager unb 3ei>i)ßnbeuter

gu ^ilfe na^m. 33on biefem „9JiantiiS" unb feiner Stellung im 3}ti)t[)u§

unb ber ^oefie wirb weiterijin bie 5Hebe fein unb ebenfo oon feiner be»

fonbern 2lufgabe in ber gef(i)id)tlid)en ^nt; nümäfjlid) aber mar baneben


auc^ eine bem geroöljnlic^ften 9Bol)n entfprec^enbe 3)^enfcf)engattung entftanben,

roeld&e bog nalürlii^e ^ntereffe t)atte, ben 3ei(^englauben unter ben 9J^enfc^en
nad) Gräften aufredjt gu Ijalten. ®iefe 2trt oon SBiffen ift e§, roeli^e

fpäter eine fo umftänblidie literarifd^e 3luf3eid^nung gefunben Ijat^). ^a


prt man oon einer 3ufunft§ermittlung au^ gelegten ;^ofen, au^ Stäbdjen
unb «Steinen, au§ einem Sieb ober einem 33eden, au§> ben Sinien ber
^anb, avi§> ben 3^9^^ ^^^ ©efid)ter, au§ bem 3]erl)alten oon breffierten

^äljuen, an§' ber ^^euerflamme u. f. u)., moju eine 9)?engc oon gcfproi^enen
^-ormeln, gef d^riebenen SBorten, ßnoten, 3'^§^^i^/ 21niuletten unb lali^manen

gel;örten; ein enblo^ iüogenbe§ 9)ieer oon 9]orgängen, loooou eine 9)ienge

'ülmk lebten, jum 2^eil biefelben, •iueld)e auc^ 5traumbeuter, ^urpfufc^er

unb Sefc^roörer waren, ^enn an ba§ SBeiefagen fnüpfte fid) unoer^


meiblicf) bei freoeUjaften 9}?enfdjen ba§ oermeintlidie ^^eroirfen ber 3"^ii"ft
burd) böfen 3^i^^^^'/ "^i^ opcratioe 9)iagie, unb märe e§ and) niditi? ge»

mefen aU eine fräftige 5i3erroünfd)ung§forme( gegen bie (^Jefunbljcit unb


"iia^ Slderfelb eineä oer^^ten 9ia(^bar§. ©oldje l^erumjiel^enbe ober fe§=
t)afte ©oeten unb 2lgi)rten, ju meldten man auf^erbem bie biftorifd) fid)ern

tf)effalifdien 3öuberinnen redinen mag, befa^en neben il;ren opriid}en unb

3eremonien aud) noc^ täufc^enbe 33unberftüdd}en 5ur 23etörung ber 3(ugen;


il)r 33ilb mag man fid) ergänzen nad) aJkfsgabe berjenigen 3(i"tierer unb
Wauüer, roe(d)e nod) Ijeute bei ^^ötfern anberer ^iaffen tätig fiub gegen bie

Sämonen atterSlrt, meiere bac-' tägliche Seben umjiel)en. ,3"iyi*^ii^<^it einjclne

öoeten bie ©ötter in i^r Spiel mifd;ten unb \i6) ein priefterlidje^ 3lnfet)cn

gaben, erfd)eint jiemlid^ gteidigültig; midjtig für bie 33eurteilung be§

gried)ifc^en iiebenö ift nur bie allgemeine 2:^atfad)e, bafj biefeiJ fo \)o^

'j Serfll.in'^^auIijöSicalenc.bicreicf)^! |
£icbc£iinantif bec^ foiv MottabOiS cb^. II,

2lrtifel divinatio unb ma''ia. lieber bie I ©, 1305.


S5ie ©r!unbung ber Su^unft- 291

Iiegabte 33olf tägltd) unb ftünblid), axiä) beim geraöfinlic^ften beginnen


ben ©ntfc^eib oon ^Borjeidien unb beren Deutung erroortete. ^raftifd)

gab eg bamit üiel roeniger ben ©Ottern al§ bcm ^otum bie (S(;re, beffen

©timme auil bem SSer^alten jener ©täbd^en, ©teine, Seden, ^äfine u. f. m.


üernel)mbar würbe.
2tnbere aber befragten irgenbiöte bie ©ott^eit. 3]on htn eigentlii^en

Orafeln fpred^en wir fpäter; junädift mag e§ ficE) nur um bie flüchtige

2lnfrage wegen eine§ %aUt§ im täglid^en Seben Jianbeln. ^n ben ,,9Bot!en"


be^ 3lriftoptjane§ ^) neigt ©trepfiabeg ba§ D{)r an bie ^erme yor feinem
^aufe, flüftert bem ©ott feine gracje ju unb glaubt bie Stntwort gu oer»
nef)men, er möge bie»mal feinen ^roje^ erljeben. 3luf ber SIgora §u
^t)arä in 2ld)aia -) ftanb eine foldie §erme mit einem fteinernen ^erb unb
eljernen Seudjtern; man !am abenb§, günbete biefe an, opferte SBeifiraud^,
legte eine Wliuv^t l;in, fragte hm ©ott in§ Ol)x unb ging bann mit t)er=

l)a(tenen O^ren üon bannen; erft nat)m man bie


au^erijalb ber 2lgora

^änbe üon ben Dt)ren, unb ha§> man bann pfäHig


nädifte Söort, wetd)e§

§u t)ören befam, war 9ßei§fagung (/jurrfvfja). 3(et)nlic^e§ mag fpäter


auc^ in Italien üorgefommen fein; in 9?aüenna wufete man no($ im
93UtteIaIter^), ba§ einft auf ber ^ima ein 3)Jerfur geftanben tiabe,

mormorn, mit i^opf unb ?^ü^en üon ©olb, welcher „ju ben Seuten rebete,

populo loquebatur". 53ei magifc^en ^egef)ungen aUer Strt würbe übrigeuic

^erme§ in^befonbere angerufen al§ carminum vector*); ber ©ötterbote

wirb bafür in Stufprud) genommen, bie gormein tjö^ern :Ort§ ju über=

mad)en. ©onft gel)ört i^m entfd;ieben eljer bie niebere 2}Jantif, wie äCpotto

bie pt)ere^).

3ur niebern geprt u. a. bie @rmitt(ung ber 3ii'^""ft au§ ßo^fteinc^en


{y.K^oi^ x^iTj^poi) unb 3Bürfeln. 3lC[e§ So§werfen unb So!?3ief)en ift eine

aübefannte ^ra^'i» be§ täglidjen grie($ifd;en Seben«, weld)e fid; gewi§ meift
oI)ne einen ©ebanfen an bie ©ötter al§ bloßer ©ntfdieib für baS ^anbeln

1) Nubes 1478. ^) (Stelle bie 2lu§fagc |)omer, Hymn.


-) ^auian. VU, 22. 2. Merc. 533 ff.
— fotüie 3(|)oaobor III,
") Sßergl. ba§ gragment bei 33alu3. 10, 2. — SBie frü^e ift aber atpoÜD sunt
aKiäceU. IV, 119. Öerrn ber SBeiäfagung geraorben? SiieHeic^t
*) aipulejug, de Magia, ed, Bipont. boc^ erft burd^ ben Steflej einiger großen
-vol. II, p. 37. Drafel, bie fic^ in feinen Stempeln befanben.

Urfprünglid^ rceigfagteu alle ©ötter.


292 2)ie ßr!unbung t>er 3"f"»ft.

ober aU blo|e (Srfunbung be^ Sc^idfalv r)o(I§og, unb quc^ bic SBürfet

bienten gen)i§ üon \d)tx nid;t blojs bem Spielgeiüinn; auBer biefen ©teiu»

c^cn, Slftragalen, SBürfeln, ©täbd;en ii. f. ro. aber pflegte bog 2lltertuui
nocf) mit anbern ©egenftänben einen (Sntfcfieib ober ^efcfieib fierDor^nrufen,

in ber römifd^en ^dt fogar mit bem 2{uffcf)Iagen be§ ä^irgil. ©oraeit
aber jene Befragung oon Sofen unb SBürfeln in ^Tempeln oor fic^ ge§t,

ift fie rao^l in ber §orm etioaä fd;einbar ^ufäHige^^ tatfäd)Iid) jeboc^ eine

33efragung ber ©ottI)eit ober roenigften§ eine ©ac^e be» göttUd^en Sd)u^e!c.
©eroorfen, gelegt, gebeutet mürben bie £o[e (meiere l;ier ^eilige So[e,
ifQol xl^Qoi Ijei^en) auf bie oerfdjiebenfte äBeife, aud) mit ^ilfe oon @r*
Iäuterung§tafe(n ; bi^roeilen mögen fie alle non berfclben ©attung geroejen

fein, fo bo^ e§ auf it)re ^o^i unb Sprungart an!am, fonft aber mar
jebel befonber» beseidinet, auc^ moi)l mit aufgemalten Figuren ^); bie

sortes in bem berüljniten (^"Ortunatempel oon ^^Mänefte roaren oon (Sic^en=

f)olj unb trugen alte Suc^ftaben ^). ^m Tempel oon 2)elpl)i befanb fid^

„oberliatb" be^ l;eiligen S)reifuBe5 eine ©d)ale mit 2ofen, unb menn
Slpollon (b. l). bie ^ptljia) bie 3Bei§fagung au^fprad;, Ijüpften unb fprangen
jugleid) biefe ©teine^), roie in unfreiroiHigem aJiitgefül)l beg 2lugen=

h\\dt%. ^\i ein griJ^ereS unb allgemeinereg ©c^idfal biefen Organen


beio Ginselfatumg einftroeilen ein ©übe machen fönne, fd^eint fi)mbolifiert

gu fein in einem (greigniS unmittelbar oor ber (Sc^lad)t oon Seuftra: in

2)obona mar ein ©eföfe mit folc^en ;i^ofen, unb biefe;? fd)üttete bamal§
ein 'Jtffe be§ aJJolofferfönig» um unb roarf alleg burc^einanber *). SBenn
nun aber aud^ bie in Xentpeln oorl^anbenen unb befragten Sofe untv
2Bürfel eine l)ö§ere 2Beil)e l;atten aly anbere, unb menn man fogar uor»
au§fe|te, ba^ bie @ottl)eit biefelben Icnte, fo mar bamit nid}t gefagt,

bafe fie aud) bie betreffenben Sd^idfale beftimme, fonbern nur, ba^ fie

biefelben offenbare.

5)ie umfangreiche unb oiel beljanbelte ^-rage über bic Xraum=>


mei^fagung ber ©riechen fann bier nur in furjcn :;}(nbeutuugen berührt

roerben; il)r gröftteä ^ntereffe mürbe fie ol)nc^in nur geminnen, menn iw
im 3ufammenl)ang mit bem Traummefcn aller ^Isölfer befprod)en mcrbcn

») ^aufnn. VII, 25, 6. ^) ©ubocia SBioI. 265 ouci 'Jioiino';

") Cicero, de div. II, 41. M tStcero, ck' div. I, 34.


SDte Srlunbung ber Sulunft. 293

könnte, dlad) ber großen ^af)l unb bcm (Srnft ber ^eric^te bebeutung'o^'

t)otter träume oon ber tm)tE)ifc^en bi§ auf bie fpätefte ^dt 5U urteilen,

inu§ ber ^raum bei ben ©riechen ein ganj befonbere» ©enndit geljabt
t)Qben, unb bie ftarfe tfieoretifc^e S3efc^öftigung mit bemfelben mürbe bieS

noii) au^erbem beroeifen. Sitte möglicfien ©ntfc^lüffe erfolgen auf ge{)abte

2:^räume l^in, of)ne ba§ in ber Siegel gefagt mürbe, biefelben feien gott»

gefanbt geroefen. 9Bic in ber ©rfunbung ber ^i^^^nft überhaupt, fo finb

namentlich; ()ier Slltertum unb moberne Qdt oöttig üerfd)icbene 2BeIten,

inbem ja Iieute felbft im ärmften 33olfe ber 3:^raumglaubc (etma ben on

Sotterienummern aufgenommen) nal^eju erlofd^en ift. 3^1^ ^f^^g^ be§

^raumraefenS gehört, fc^eint e§, eine geroiffe 9)lu§e, meli^e in bem eiligen

Seben ber lieutigen ^tit raeber gro^ noc^ ftein gegönnt mirb, aud) l)at bie

SBiffenfc^aft ba§ ^Ijijfiologifc^e baran gu beutltd) bloßgelegt. Söem aber


nod^ oon 3cit 5U 3^it ein 9Btnl barüber ju teil mirb, baß Sraum, 2li)nung

unb j^ernfe^en einanber nic^t immer fremb finb, ber mirb oieHeid^t für

!lug finben, fein 2lufl;eben§ baoon ju machen.


Qu betreff ber ©riechen gilt oormeg auc^ Ijier ber ©a^, baß felbft

bie @ottl)eit, raenn fie oorbebeutenbe ^^räume fenbet, bie ©diidfale nur
ju raiffen unb nic^t gu beftimmen brandet, benn biefe gel)ören uietteid)t

nur bem attgemeinen «Strom ber bloßen 9Zotraenbigfeit an ^). ©oc^ gibt

€§ außer ben roeisfagenben S^räumen aud^ folc^e, bie in bie SBarnung


übergeljen unb ben 9}Jenfd)en befähigen fotten, ^ommenbe§ abäuroenben ^),

unb l^ier tritt atterbingS bie @ottl)eit mittelbar al§ fc^tdfaföbeftimmenb auf.

^ür gefenbet nämlidj gilt ber bcutungSroürbige S^raum gang im attgemeinen


unb Ijat baljer immer etroaS oon einer Ijöliern Offenbarung, nur finb e»

nii^t bloß ©Otter, fonbern aud^ 9)^ittelmefcn wie ^eroen unb ©ämonen,
meldte im ©d^laf ha^) menfd)tid;e Seroußtfein mit 33ilbern Ijeimfuc^en.

%nx bloß bämonifc^ l)ielt 2lriftotele3 bie 3::räume : „wenn ein ©ott fie fenbete,

fo fämen fie auc^ bei 2:^age, unb ben SBeifen" — nämlic^ ni(^t ben erften
beften. 9iatürlii^ blieb atte ©pehtlation ber ^^^l)ilofopljenfd^ulen über bie
f^^äljigfeit ber „im ©(^lafe frei geroorbenen Seele" o^ne atten ©inftuß
auf bie enorme tatföc^Iid^e 5:^raumpraji§.

') S)ie fcl)r be[onberc unb auffaüenbe -) aKcrfiuürbige 58eifpiele ^lutatc^


Stnfc^auung, Sop^oÜ. (gleite. 644 ff. in ber S^emift. 26. 30.
3tnrufuni3 bei- Ähjtämneftra an Stpoüon
ift t)ier nur 3U erraäf)nen.
294 ®iß ©rfunbiing ber Sufunft.

ajion allem 3tnfang on ift ber 3)it)t{)U§ reid) an ^Traumfageu unb ber

epifdie ©efang bemäd^ligte ficfi iEirer in ber ergreifenbfteu SBeife, Sei


^omer ^) fommt ber ^raum überljaiipt Don 3^^-' ; i"^ ^i)mnu§ ^) ift bann
^erme^3 ber „^-üfirer ber Träume", ber ,/Jta(i)tfpäf)er". !4^ie Träume werben
^^erfönlic^eiten unb J)aben i^ren befonbern 3lu§iTug au§ bem hörnernen
unb bem elfenbeinernen Tor^); erft fpät tritt bann ein allgemeiner Traum*
gott, 3)?orpl)eu§ auf, nac^bem eg einen Sc^Iafgott fc^on bei §omer ge*

geben*). ®er Traumbeuter fommt fd)on in ber ^lia^ (I, 63) cor in

berfelben 9teit)e mit bem SJZanti^ unb mit bem Opferer, unb er fönnte

einer ber älteften Berater ber aJJäc^tigen forooljl a[§> ber l^eute uom Boit
geroefen fein ^). ®ie tjiftorifd^e ^üt ift bann bauernb fo traumfüc^tig

roie bie mi;ti)if(^e unb l)eroifd)e, unb bi§ in ba§ fpätefte ^eibentum bleibt

bie Traumbeutung, neben fo §at)Ireid)en anbern äßeifen bie B^funft ju er»

funben, oielleid^t bie aUerljäufigfte.

3unäc^ft befei)Ien bie ©ötter bem 3)ienfd)en eine 9Jienge üon Soeben

im Traum, u. a. beftimmte tjeilige T)ienfte unb ben 33efud; il)rer Tempel^),


unb roenn 5. 33. bem ^^aufania^ fo oft ba0 ©etjeimlj alten oon 3}ir)fterien

in Träumen oorgefc^rieben wirb, fo ift rooljl bie ©rfc^einung ber be^

treffenben @ottl;eit oorauSjufe^en. Ueber(;aupt erfdieinen bie ©ötter

t)äufig ''), unb bie fpätere Traumbeuterfunft befa^ eine umftänblidie Sel)re

über bcn fet)r oerfc^iebenen SBert foldier Träume, je nad) 6tanb, Sage

unb (it)arafter be^ 6d^auenben unb bem 3]erl)olten bei3 ©otte^ ^). 9)Jerf'

roürbigermeife erfc^ienen ftatt ber ©ötter oft i^re ©tatuen, welche in ber

fpätern 93olfgpl)antafie fid) mögen bem ©ebanfenbilb uon ben ©öttcrn


fubftituiert l;aben.

SUHein ber 3Jtenfd^ wartete oft fold)e (Srfdieinungeu nid)t ah, foubern

fuc^te felber geioiffe Tempel auf, um bort gu fdjlafen unb im Traume

») Sliaä I, 63. ') 3)ag 2;roiimgefpräc^ eineö Strategen


^) §om. Hymn. Mcrcur. 13 ff.
mit bem ^tui Soter uor ber ©c^lacl)t bei
3) Dbpff. XIX, 562. XXIV, 12. ^latää, ^lut. Slriftib. 11. — 2)er berüfjmte
*) Sliag XIV, 231 ff. Sraiim^iubarö üonber ^erfepljone^aiiian.
') Saut bem a)?i)t^u§ ift baä Xvaum^ IX, 23, 2, fnmt bem ^Traum feiner i?er;
beuten bereits erlernbar, 'itpottobor III, lüanbten nad) feinem 3"obe.
12,5. *•) 3lrtemibor,Cncirofvit., 11,34—10,
I

•>) ^aufan. X, 32, 9. Iräumc ber |


IV, 69. 71. 72 ff.

»ilbner oon ©ötterftatuen VIII, 37, 2,

VI IL 42, 4. I
Sie ©rfitnbung ber ßu^imU- 295

23orfd)riften für fein ^Neriialteu gu empfangen; ber ^^empeltraum tritt in

eine ^{^ii)^ mit ben meiterl^in ju befprec^enben Orafeln. @§ fonnte fid^

babei um roid)tige politifc^e ©ntfc^eibe ^anbeln. ^m Heiligtum ber

rätfcitiaften ']safipl)ae §u 2:I)aIamiai in Sa!onien fd)liefen ju fritifcfien

Reiten @p{)oren, um Cffenbatungen §u erf)alten^), unb nod^ fpot im


IV. ^at;rE)unbert o. ©£)r. fonbte ber atljenifd^e SemoS brei 33oten noc^
Dropo^, um im bortigen 2lmp{)iarQ0§tempe( träumenb ^lu^funft p be*

fommen raegen cine§ jmeifetfiaften ^efi^eS non ^empeUanb ^). ©onft


uiirb anä) um ©ntfc^eibe für boS ^^rioatleben geträumt morben fein, unb
g. 33. Xempet oon 9J?eere^gott(}eiten mirb man wegen be§ @rfoIge§ oon

Seefoljrten aufgefudjt Ijaben. @in foI(f;er mar ba§i Heiligtum ber ^i^o
umreit jene§ nämlid)en 2:f)alamiai, offenbar eine ftar! befucf)te ©tätle,

benn ^aufania^ fanb baio ^empelbilb bergeftalt in ^xän^t einge^iüEt, ba^


er ben ®toff, an§i metc^em e§ beftanb (eg mar ©rg) nid^t erfennen fonnte ;

bie ©öttin „He^ in bejug auf bog, roa§ man p erfaf)ren roünf d^te,

2:röuTne erfdieinen" ^).

Sig i)kl)tx entJialten mir un§ gerne jeber ®rflärung unb gi)nnen
bem fo eigentümlich organifierten ©riec^enoolfe ein ©ebiet felbftänbiger

2(t)nung, meldje un§ oerfagt fein fann. SlnberS ober oerijält e§ fid^ rootil

mit bem ©d)Iaf oon Traufen in ben Tempeln ber ^eilgötter, einer pmal
fpätcrn 3^^t auperorbentlid^ Ijäufigen ^ragis. (B§ fdjeint, al0 ^ätU ber
franfe 9}?enfc^ bie großen, feiigen Dlpmpier gar nid)t mit feinen Seiben

bemüljen bürfen, unb fo fam ein befonberer J^ranfengott mäditig in bie


§ö^e, meieren man bann al§ Sol)n an ben allgemeinen ©ott be» ^eileiS,

3lpotlon, anfc^lo^, 2(sflepio§. 3^aJ8 er ju ben fpäter gefommeuen ©Ottern


gel)i)rte, uerrät fi(^ u. a. in ber übermütigen ©age ber 3ltl)ener, raonac^

fie il)m bie eleufinifdjen ii>eil)en erteilt*) unb i[;n feit^er für einen ©ott

„anerfannt" l)ätten. Sein ©efolge maren mel)rere roeibti(^e ©enien ber

^lut. 3lgi§ 9. Äreomeneg 7. l"d}Hef auf bemgeß be§ geopferten 2ßibber§,


-) i>9peribeä p. 36 ed. 33Ia^, Orat. ^ßaufan. I, 34, 3. — Sergl. 33irgil. 2ten.

pro Euxenippo I, 34, 3. — Sevgl. ^(utard; VII, 86 unb bie 3lug leger.
SIriftib. 19 unh §erobot VIII, 134 bie 2) ^;?aufan. III, 26, 1.

93efragimg biefeg §eiligtumg im S'Jamen ") UeBer bie jroeifelfiafte Sebeutung ber
bcQ 2}tarboniog. — 2)aB bie bortigen ©pibauria al§ XaQ be§ eteufinifc^cn ^efteS
^riefter einiget eyaften Dorfc^rieben, oergl. rergl. freuet bei ^auli) s. v. ©leufinia.

*pi)iIoftrat. vita Apollon. II, 37. Tflan


296 2)tc Grtunbung ber 3"-"iUt-

Teilung, barunter ^ijgieia, ba§ 2lbftra!tum ber ®e|unb()eit al-o folc^er,

auct) ein fleiner S)ämon bes @ene[en§ im Ä'ranfenfltteldjen mit ^apuje,

ber fogenannte Xdt§>pl)Oxo§' ober ©uamerion. 2luf3erbem gab e§ nod) J)ie

itnb ha fonfurrierenbe 5?ranfengötter, roelc^e bann ©olin unb ©nfel be§


Sleflepiüg Ijiefsen ^), benn wie bei 3terjten ba» ^Uiblifum bi^Mueilen bie

3Ibn)ed)glung liebt, fo wirb man auc^ gerne von einem l^eitenben ©Ott

pm anbern gegangen fein. 2luf feltfame ©reigniffe (jin beförberten bie

X^afier fogar i^ren berütjmten 5It£)(eten 2^f)eagene§ jum ©ott, unb nun
Jieilte er ^ranfljeiten, unb big in^3 33arbarenlanb gab e^5 Ijierauf ©tatuen,
raeld^e \i)n barfteHten'-). ©in eigent(id)er ©rfa^ für 3l§f(epio^3 mit gan^
großem ^u(tu§ unb S^roumtempeln raar bann ber aufo bem (;eüenifierten

9tegi)pten ftammenbe 6erapig, beffen Sienft fid^ weit im römifc^en 9teid)e


üerbreitete.

aßie e^^ nun in ben Slsflepio^tempeln äuging, märe ouv bem bekannten
Serid)t im „^(uto§" be§ 2triftopI)aneg (33. 659 ff.) umftänblid) 5U er=

fet;en, menn el bem Sidjter nid)t beliebt i)äik, eine pljantaftifdie, ftedeu'

meife ganj raufte ^arifatur ju entroerfen, melcfie ber ar^irfUc^feit nid)t näl;er

entfprod)en ju fiaben brandet aU etroa bie „5)enftjütte" beio ©ofrate-5 in

ben „2BoIfen"; and) mag ba§ 3t!c!lepieion be^i bamaligen 3lt{)en oljueliin

nid;t maf5gebenb fein für anbere unb fpätere, (S^ maren umftänblidie Sin»

lagen mit befonbern ^raumiofalen; nad) geraiffen 9ieinigungen unb anbern

3eremonien, meldje je nadj ben Orten oerfdiieben fein fonnten "), legte man
fic^ niebcr unb eriuartcte ben ^raum mit ber Offenbarung beiS ^eilmittel-3,

t)ermulli(^ aud^ be§ 3lu5gange§ ber 5lranf(;eit. 9iad)ljer mürbe ein ^rotot'oU

barüber aufgenommen unb in Stein eingegraben ober fonft aufbematirt;


oon ben i)ierau§ entftaubenen 2lrd)iüen foli bie «t^eilfunbe ber ®ried}eu großen
Weroinn gejogen Ijaben, unb .s>ippofrate'o oerbantte fein SBiffen 5um ^eil

bem !XempeI feiner 'l>aterftabt S\o§: SBenn '5|^aufania§ im Tempel oon


Gpibaurog nur nodE) fed^§ fteinetne ^J^fdjriftpfeiter mit fold)en Teilung'?'

') «paufan. II, 38, 6. III, 26, 7. — \ %tü be§ SBibbevg legen, ben fte juuov gc=
Ueber ben Seiltempel bcg 3)iont)foS im opfert, uergl. ©. 295, 3lnm. 2. — 3iJie

ptjofifc^en 3lmp^iflcia X, '63, 5. 2t9tlepio§ in feinem Tempel ju Slcgä in

2) ^aui'an. VI, 11. :J. iSilicicn fid^ ucrnel)mlic^ mad)te, nergl.

") 3" jenem Drafettempel beä 2tm; ^Ijiloftr. vitu Apollon 1, 8—10, ein Sloman,
p^iaraoä bei Dropoä, rco auc^ Äranfc aber an mand)en ©teilen miditig fiir bie

[erliefen, mußten fic^ bic[el[ien auf ba§ SenFiucifo jener fpatcrn Seit.
Sie ßrlimbung ber 3»I""tt- 297

berichten uorfanb, fo wirb bie§ feinen ©rnnb barin gehabt l;aben, ba^
man längft uom ©tein jn anberm ©toff, etwa 33leitäfel(j^en übergegangen
war, weil ber 9taum fonft nid)t genügt ptte').
S)ie erfte ?^rage ift nun bie nac^ ben ^rieftern be§ 3l§flepio§, wetc^e

anberer 2lrl geroefen fein muffen aU biejenigen ber übrigen ©ötter. ®inen
mittelbaren SSinf Ijierüber gibt un^ nun ^aufania§ bei 2lnto^ biefeg

präd)tigen Sl^flepieionö üon ©pibaurog ^). dli^t nur foüte ber @ott l^ier

geboren fein, fonbern von 'i)kx oul mar fein ©ienft übertragen raorben

naä) ^^sergamon unb üon ba nacl) (Smi)rna, ferner mieberum üon ®pibauro§

felbft nac| J^yrene unb bann üon tjier nad) Sebene auf 5lreta. 3lnn ^aben

^ultuioübertragungen (wfidQijGfig) in einer fotd)en 9ieil)e eine gonj anberc

SBebeutung, aU wenn fie oereinselt gef(^el;en; Ijier mufe ein SBiffen unb
eine §anb()abung be^felben mitgeroanbert fein; mit bloßer Uebernaljme

ibentif^er ©ötterbilber unb Diituaüen märe e§ nic^t getan geroefen. 2luc^

bie übrigen berütjmten 2l§f(epio§tempeI in SriHa, ^o§, bem cilicifd^en

Stegä u. a. a. D. mögen hnxä) eine ec^te mebiginifd^e ^rabition mit ben

genannten unb unter fi(^ jufammengeljangen t)aben. j^erner ift bemerfen§=>

mert, ha^ oft bie ^riefter an ©tede ber 5lran!en träumten^), o^ne 3"^ßif^l/

raeil biefe nic^t immer be§ 2:;raumeg fä^ig waren, unb im äu^erften gaUe
fud)ten auc^ 9iic^tpriefter ben S^raum für einen roi(^tigen ilran!en. 21I§

2llejanber in Sabijlon bem ^obe na^e mar, I)ielten in einem bortigen


^eilgotteStempel met;rere feiner 9)Jarfd)äIIe unb 23ertrauten ^raumfd)(af,
um ju erfat)ren, ob man auc^ ben Slönig bortt;in bringen foHe; ber ©ott

aber lie^ fagen: wenn er im ^Nalaft bleibe, fei bie§ beffer für il)n. 2lle='

i'anber oernaljm ben 33efc^eib no(^ unb ftarb*).

Unfere neuefte ^üt Ijat nun pr ©rflärung be§ S'cmpeltraumeS bie


erftaunlic^en ^Ijänomene ber ^ijpnofe unb ber babei möglid^en ©uggeftion
'gu ^ilfe genommen, unb unter geroiffen ^^orbeljalten ma^rfdjeinlic^ mit

dizä)t. 9Bäl)renb t§> foum ju glauben ift, ba'^ fpartanif($e (gpl)oren unb
attif^e S)emagogen für §i)pnofe empfänglid} geroefen, wirb e!§ bod} immer
unb überall empfängli(^e 331enf($en in großer Slngaljl gegeben Ijabeu ; ba§

^) Sffienigfteng Slnfvagen Äranfer um -) ^aufan. II, 26. 27.


©enefung, auf SIeitäfletn gefd^rieben, [)aben =>) etrabo XIV, p. 649.

fic^ unter je^r 5aI;Ireic|en 2lnfragen jebev ') 2lrrion VII, 26, 2.

2lrt in ben SJuinen üon 2)obona gefunben.


298 S)ie (Srfunbung ber 3ufunft.

^^^(jänomen aber 511 entbccfen inib e!§ bann nad; ©efaöen fjeröorjurufen,

mag lange oor hzn ©riecfien fdjon ben 2legi)ptern unb Crienta(en ge=

lungen fein unb ebenfo bie 3>erb{ubung ber ^ijpnofe mit irgenb einem
33erfa(;ren jur Teilung üon ivranf(;eiten. Wan fagt un§ nun : ber Tempel»

frfjlaf ber J^ranfen mar ein burd) magnetiji^e 33eljanblung erjeugter ©om-
nambuH^mug, unb ber 2aie in biefer äöiffenfdjaft roirb \id) Ijiermit p*
trieben geben muffen. Unter ben ©öttern ift fonft ^erme§ berjenige, metdier

in Sdjlaf oerfenft unb an§' bem ©d)lafe roedt, allein tjier Ijanbelt e§ fic^

um ben i^eilfdjtaf, unb man roirb 3unädjft ben ^eroenmi;tl)Uio anf)ören


muffen. Saut einer frei(id) erft fpäten 3(ufäeic|nung ^) wirb ber uor
2:^roia angelangte ^l;i(oftet nad) einem SBabe oon 3lpoüon in Bä^ia'i oer*

fenft, roorauf ber ©ol)n be§ 2l§flepio§, 9Jiad)aon, erft bie bcrüljmte 'löunbe

öffnen, mit äöein au§roafd)en unb ein ^eilenbe^ Slraut auflegen fann.

©ine weitere Spur geroäl^rt ber 9iame jenes gauberfräftigen ^ölfdienS,

ber 2;eld)inen, iu roeld^em man fd)on längft eine magnetifd)e 9J?anipu(ation


{df/.)eir, mulcere) geafjnt ()at. ©onft aber mödjte bei ben ©rflärungen
aller unb jeber antifen 3}iagie burc^ ^i)pnofe Sl^orfid)t anzuraten fein.

©erabe oon einem ber auffaHenbften unter ben un§ bekannten lji)pnotifd;en

©i'perimenten, bem ^^^eftbannen unb ©rftarrenmac^en, roirb bei ben ©riedien

fein 33eifpiet erroäljut, benn bie Söerfteinerung beim 3lnblid beS ©orgoneu'
t)aupte§ roirb man fd)roerlid) l;ie^er 3iel;en rooHen. 2)ie ©elbftoerrounbung
ber ^riefter ber großen ©öttin u. f. ro., roelc^e man geltenb gemadit hat,

erfolgte im S^aumel ber Skferei unb roar bod) ftarf oerfd)ieben oon ben
9]errounbungen , roelc^e ben erftarrten ^tjpnotifierten burd^ i^ijpnotifierer

beigebrad^t roerben. ^ßoüenbS roirb afle aufgeregte 3]er3üdung, a(Ie§/i«n'fö-'!^'/.',

aüCiS 2oben ber bionpfifdjen ©djroärmer ganj anbere CueHen geljabt (;aben

als biefe 2lrt oon Sannung. Unleugbar aber unb auffaHenb genug bleiben
bie gur oüüigen Uebung geroorbenen STempelträume ber ivraufen unb fo=

mit il)r f^ertrauen auf bie '^Uiefter, roeld)eS aud; bereu ritueÜeS unb mebi'

jinifc^eS il>erfaljren geroefen fein möge. äBir erlauben unS, biefelben nidit

für Betrüger ju Ijalteu, oevjidjten a\\<i) barauf, eine rationaliftifd)e Gr»

flärung ju geben oon iljrom unb ber ilranfen ©lauben an bie 3lnroefeU'

') 93et 2;je^cg, ad T>ycophr. 911, |


jiticrt, o[)nc jii h\C[cn, luelrficn.

rcelc^cr alg jeinc Dueüe einen 2^ioinjftoö i


®ie ©rfimbung ber 3w^"nft- 299

t)eit it)re§ ©otteg ^). 2luc^ ble ^ranffjeiten mögen für fie ni^t blo^ p§r)=

f{[(^e 33orgänge, fonbern nodi ba§ SBerf bunüer a}M(f)te geroe[en fein:

an ber ^afi§ be§ gewaltigen ©t)n)felepf)antinbilbe§ im 2l§flepieion von


©pibourog faf) man in Sietief gebilbet bie ©iege be§ 53eIIerop§onte§ über
bie GI)imaira, be§ ^serfen^ über bie 3Jiebufa. 2öoi)l maren (§>, mie ^au»
fania§ bemerft, Sl^aten uon ^eroen be§ argiüifc^en SanbeS, moju ©pi»
baurog geljörte, allein bie, n)el(^e bcn ©egenftanb öorfcfirieben , raerben

bamit too|I üor allem ben ^ampf gegen ein S)ämonif(i)e§ gemeint f)aben.
Semen fonnten manche in biefen Heiligtümern, unb 2lb!ömmlinge be§
©otte§, SlSflepiaben, i)ie^en 3a^tl)unberte f)inburc^ üiele unb gro^e Slerjte^),
aber ber priefterlid^e ©ienft fc^eint bie ©einigen feftge!)a(ten gu f)aben, unb
man lieft nicf)t üon folc^en, bie ben Tempel oerlaffen l;ätten, um \i^ gur

(Stabtpraj;i§ ju menben.
2)a§ nic^t feüen and) 2:^räume oon Heilmitteln berichtet werben o{)ne
©rraäbnung eine§ Tempels, lie^e fi(^ f(^on baburc^ erflären, ba^ üon
üorangegangenen Sempeifuren f)er fid^ eine @eroöt)nung an ben H^itoaum
im Patienten feftgefe^t ^atte, allein üom Xraum mürbe ja olineljin jebe

2lrt üon Offenbarung unb äöeifung ermartet. SBenn man einem ©d)lafen='
ben mei^fagenbe träume (vera somnia) oerfcEiaffen fonnte, inbem man
if)m Sorbeer p Raupten legte ^), fo wirb bie§ am eljeften bei Seibenben
gefc^ef)en fein, gleirf)üiel mo.
Eigentliche ©pitäler 'i)at ba§ gried)if($e 2l(tertum nic^t gekannt, motjl

aber Kurorte §um 31ufent()alte oieler, unb l)ie unb bo fd)(oB fici^ mo^I an
ein Sl^Hepieion eine 21nftalt an, bei roetcfjer man an eine bauernbe ^ßer»
forgung benfen barf. Seim Tempel be^ 9Iö!Iepio§ 2lrc^ageta§, §tüei

©tunben oom pl)ofifd)en Xitt)orea, melc^er bie 3]ere£)rung oon ganj ^t)ofi§

genoB, fanben fic^ innerljalb be§ ^eriboIoS aud^ SSo^nungen fomo^I oon

(Sd;u|f(el;enben al§ oon „Sflaoen"^) be§ (S5otte§; bie erftern {ixhai) mögen

3Be(cf)e nid)t nur bei 2lriftop^ane§ ^) g'W'^S^^^i"^ '


Mythologicon 5ei

üorauggefe^t toirb, fonbern aud^ 3. 33. in SommelinuS, Mythologie! Latini, p.


einem ber5 abergläubifd^ erjä[)Uen Äur; 183.
iDunber im J^empel oon ©pibaurof^, bei ^aufan. X, 32, 8. Sin geroö^nlic^e
2telian, de natura anim. IX, 33. SCempelfflaoen möd^te l^ier faum 511 benfcn
-) 2)ane5en in 2lrgog auc^ 'Sibtömnu fein.

linge be§ 2lmpl^iarao§, roeld^e bie ®pilepfie

fieillen. ^slutnrc^, Quaest. Graec, 23.


300 S)ie ©rlunbung ber 3«^""ft.

noä) Teilung getiofft, bie le^tern el)er Darauf ocrsic^tet unb beim ^öeilig»

tum aufgelebt l^abeu. Ob uub rate raeit bic0 ganje "^^erfonat ficb in ber

9Belt ber ^eilträume bemegte, mirb leiber md)t gemelbet.

9iebeu beu ^eilträumen bel;auptete aber audj ber propl;etifd)e ^raum


fortiüäfireub ein l)ol)e^3 2lu)e()eu, unb bie ©riecfien erjäE^lten üon foldjen,

tneld^e hm auggejeidinelften älcännern §u teil geworben. Siefe luüffen

iiä) atfü einer folcfien 3trt oon Offenbarung auf feine Söeife gefd^ämt
Ijaben. Gicero gibt ^) eine Hueraai)! nterfraürbiger unb bebeutung^noüer
3^räunte, rae((^e genn§ jn il^rer 3^it 3Iuffe(_)en erregt t)atten. @i ift aber

begreiflich, bafs haS' 2lltertum bei einer folrfjen Stimmung leicht jeben

irgenb auffadenben 2^raum auc^ für bebeutungcöoH l)idt, unb ba^ man
5ur ©rmittelung be^^ Sinnet biefer oft fo erftauntid) bunten ©ebilbe feit

friiljen ^nkn bie §ilfe eine§ 3Iui4eger^ fudjte. ^n SijiUen roanbte fic^

uorneljm unb gering 3. 33. an bie ©aleoten, in meieren maljrfd^einlid^

bie ©ereaten unroeit ^i;bla §u erfennen finb, eine nid)t einmal griec^if(^e

^anbgemeinbe; no^ jur ^aiferjeit beuteten fie 2Bunber unb ^Träume unb
galten al» bie frömmften unter ben 'Barbaren auf oi§ilien-). ^n ben
©tobten @ried)enlanb§ raurbe bie S^raumbeutung mit ber 3^^^ ^^" (^>^'

fi^äft roie ein anberer 2)krt"tfram, an fefter ©teile unb für jebermann
leicht unb augenblidlid^ p erreidien; in Sltlien faf? beim ^Qfrf)^^^" ^^^^

gän^lic^ (jeruntergefommener (Snfel be§ großen 3lriftibe?v'), -melc^er oon


einer S^raumtafel (mal)rfd)einlid) mit ^-iguren unb (Srflärungen) lebte, auy

^) ßicero de div. I, 20—27. — ®ie |


3:imoI. 8. — Ue5er ben legten S^raum be§
9(nfitf)ten gried^ifd^cr ^^ilofopfjen ebb. 29. i Stffibiabeg gibt e§ jmei ganj uerfdüebene
30. 51. — Ginen eigenen ineiSfagcnben 9(n§fagen (^s(ut. SUfib. :591, of)ne 3'i'fif^l

Jraum (iicerog f^ubet man bei 'i)ihitar^, \


beibe ersonnen. — 3(uc^ o^ne bie minbefte
6ic. 44. — ßin anbereg S^raumüerjcic^nig 2^rabition lOfirc ber Jraum erfonnen luorben,
SSüIer. SMa^. I, 7. — Ser i'cf)auerlid)e ben 'JßUitarc^, @aiuö @racc^u§ 1, nac^ (üi'ero
Sraum beig 2(nftobemo§ uon ber ^^odjter, de div. I, 56 crjäf}!!, luonad) bem 6.
iDeIrf)e if)m, bem DJörber, baö naf)e Snbc Wracd^u^, al§ er iebe^? 3Imt mieb unb ru^ig
anbeutet, '^^aufan IV, 13, 2. — Sem leben luoütc, Jibcriu'o aU Jraumgefic^t er:
Jraum beä Cspaminonba^ IV, 26, .5 ift fc^icn unb, faßte: 2Ba'3 jögcrft bu, ®aiuö?
beö^tttb nic^t ju trauen, roeil ju bem be= |
I)ier gibt eö lein (SntiüeidEjen, fonbern ha^
treffenben 2Roment (ber 92eugrünbung von gleicf)c £ebcn unb ber gleiche 2;ob ift un§
j

SRefjenej unocrmeiblirf) etmaö ber 2tvt Doruu^beftinnnt, inbcm unr uu'? im Staat
unirDe erfonnen morben fein. Unb fo uer^ 1
für ba'3 33olf bemüben.
l)alt es fid^ toofjl aud} mit ben 2'räumen -) ^aufan. V. 23, "),

ber Äorepriefterinnen uon itorintt; , ^lut. i


•')
'^Uut. i'lriftib. 27.
2)ie (gi-fmiDung ber ^ufunft. 301

ber er ben Seilten iweiäfagte; bei bemfelben Stempel aber fa^en foId)e

3)ienf(!)eu woä) ju masebonifd^er 3eit ^)- dergleichen wax für ta^i gemeine
'^olf, weldjeS fid; gerne unb gefc^roinb in irgenb eine S^eutung fügen

mochte, iinb bod; i)erfdjniäf)te el oud) ber feEjr 2ßoi)U;abenbe nic^t immer ^).
^öl)erftel)enbe rcerben über itjre 3::räume felber nadjgebac^t unb fie <itma

einer ©ottl)eit erjätjlt i)aben, roie itli)tämneftra itjren ©c^reden^traum bem


^eHoi§ unb bie taurifdie ^P^jis^^'-^^ i^^« iljrigen bem 3lett)er^). Tlit ber

3eit aber mürben fo üiele 2:räume nac^ S^^ljolt, S)eutung unb Stu^gong
aufgezeichnet, ba^ boroug eine Literatur entftanb, unb l;ier fnüpft bann
unter h^n Sintoninen 2lrtemibor {an§> bem Ipbifdjen S)albi§) an mit feinen

„fünf Südiern S^raumbeutung".


@r tjatte fid) ade jene ©d^riften, and) bie altern unb feltenen, oer^

fd)afft unb fonnte nun feine unmittelbaren 'Vorgänger mit Mtä^t tabeln,
meldie 2lltüberlieferte§ nur bruc^ftüdmeife gefannt, fdjlec^t erflärt unb
eigene ©rfinbungen liinjugefügt l)atten. 9]un begnügte er fic^ nidit bamit,

auf ba§> (Sd)te unb 2llte gurüdguge^en , fonbern er lie^ fic^ oiele ^aljre

^inbiird^ auf emfigen Umgang ein mit „jenen üielgefd)mäl)ten 2Bal)r=

fagern ber öffentlidjen ^^lä^e, wtldjz von ben Seuten be§ graüitätifdjen

3lu§fel)en§ unb ber emporge^ogenen Slugenbrauen alg 33ettler, ©oeten


unb Sumpen betrachtet werben" ; er ging i§nen nad) in ben ©tobten unb
bei ben großen ?^eften, in ^tüa§> , ^leinafien unb Italien unb auf beii

größten unb oolfreicfiften ^nfeln unb Ijörte alte unb neue 23eric^te von
träumen unb üon bereu ©rfüllung. ©in gute0 ^Biüd ä^olfilpliantafie ift

un0 in feinem 2Berfe aufbeljalten, unb menn man bie ©efamtumriffe fpät=
gried)ifc^en 9Eünfc^en§ unb ^ürditens fic^ einmal üergegenmärtigen mottle^

fo märe er nidit gu umgeljen. ©leic^ anfangt [teilte er ben Unterfc^ieb

feft 5roifd)en bem äul'unftüerl'ünbcnben Sraum (örewoc) unb bemienigen, welcher

nur j^^olge unb Spiegelung uon etroaS fi^on 33orl)anbenem ift, roie junger,
S)urft, ^nbigeftion u. f. ro. {irviznot')*); fein eigentlid;e§ ^Nerbienft aber

') 2lIfip^ron, epist. III, 59. Sn biefen |


») ©op^o!l. ®leftr. 420, üergl. 641 f.

fpäten Sriefeu ift jene ^dt rcenigftenä bie i


— ©urip. 3pl)ig. Xaux. 43. — ^n ber
fupponierte. fpätern 3eit frfieiuen bie S5orneI;men bie
j

'')
©in fo[cf)er ift offenbar gemeint in Seutungifjrer 2;räumeben2lftrologenü[iev=
bem fo reic^ auggeftatteten 58ilbe be§ laffen ju [)a6en.
„älbergtäubigcn", im 16. jTapitel ber 6l^a= *) 2lnbere 2lutoren fialten jebod^ biefen
raftcre be§ 3:i)cop[iraft. '
Unterfd^ieb auf feine Steife feft.
302 2)ie (Srfunbung ber 3ufimft.

utod^te er rcoljl erfennen im 2luffamnieln ber äufserft ütelartigen STrauiU'

fi;mboIif. S)ie raenigften träume finb ja „tl;eorematifc^", b. i). unmittel'

bore '^orgefidite eineS beuorftefienben @reigniile§; weit bie meiften muf3

man erft beuten, unb biefe f)cif3eu bie „atlegorifcfien". Cljue bie üorijer»
gegangene Sätigfeit oieler ©enerationen oon ^raumbeutern^) raäre nun
bie 3)ienge ber Ijier oorgefornmencn (SrEIärungSmeifen nic^t benfbar. ©iefe
finb oft eutftanben ober wollen luenigfteng entftanben fein an^^ ber ^e=

obac^tung wirftid^ üorgefommener S^räume unb lüirfUit barauf erfolgter


<Bä)\ä\ük; bie Seutung, loeld^e beibe§ uerbinbet, fann bann aud) für
fünftige §ä[Ie gelten, unb 3trtemibor beftrebt fidi nad) Gräften, biefelbe

ntd^t fd)ulbig ju bleiben. Qn ber 9iegel jebod^ rairb nur bem einjelnen

S^raumgebilbe irgenb eine ©rflärung gegeben, unb biefe pflegt begrünbet


ju werben burd) bie oberfläd)lid)ften ^beenaffojiationen unb ganj befonber^
burd; metapt)orifd)e Sejieljung be§ im Xraum ©efc^auten unb Erlebten.

Tiagegen finb bem Xraumbeuter aud) ganj entgegengefe|te Sefc^eibe mög»


Uli) je na^ bem roirflid)en ober nad) bem im 2raume oorau^gefe^ten
3uftanbe be» 33efragenben, unb ©lang unb ^rad^t im STraum fönnen
g. 33. ba§ größte Unglüd raeiiSfagen. ^ei aller Torl)eit aber l;at man t§>

mit einem unabljängigen unb überzeugten Tlann ju tun, ber fein Seben

auf feine <Baä)t gemanbt l)at.

Unter ber gewaltigen SJienge oon isorgeic^en aller 3trt, meiere bie

fpätere Slaifergeit be[;errfd)t i)ahtn, nimmt ber meiÄfagenbe 3:^raum — fo

fel)r fid) bie fonftigen ^^^robigien in ben SSorbcrgrunb gu brängen fucben


— nod) immer eine mäd)tige ©tette ein, unb auc^ ba§ Sljriftentuni brachte

fpäter l)ierin feine weitere 93eränberung beroor aU biejenige, weld)e fid;

auf bie traumfenbenben 2)Jäd)tc bejog. 9iero l;atte nie geträumt, bi^5 il)m

nac^ bem 3)Juttermorb jener Sdjredeuiotraum würbe, weldjen Sneton


{^ap. 46) erjälilt. S^orjüglidj SeplimiuS (SeocruS ift oon J^räumen uni'
geben unb bebingt^) unb bat ein 33orgefidit auf bem römifd)en ^yorum
burd) ein groBesä eljcrne!? '^ilbwerf oerewigen laffen.

^ier ift nun bie Stelle, beä gried^if d)en ©eljer^:^ unb 2Öal;rfager§,
be^ 2)tanti£^ im Siifii'ii'iit'ubflug 3ii gebenfcn. ©diou für bie "I^cutung

') (Sin foId;eö älteicv :i3ci)piel fimfts 1 -) 2)io (Saff. LXXII, 23. — ^-^erobian
reicher 2'rauinaueteguni3ißhitard),ilimonl8. | II, 9.
Sie ©riunbung ber 3"^unft. 503

her 5ßor§eirf)eu überfiaupt unb ber oft fo bunfeln ©prüc^e ber Dra!el war
er eine erroünfdjte ^ilfe, unb aucf) bie 2:^rQumbeutung wixh, fobalb er

fic^ in ber 9iät)e befanb, it)m oon felbft obgelegen I;aben. 33ei ben großem

Dpfern ift er, lüie oben gefagt, ber 5)euter ber S^iereingeioeibe, unb biefeS
2tmt bleibt il;m bann in ber ganzen [)iftorifd)en 3^^^. 3ioc^mal§ muß
bei biefem 2lnIaB auf bie relatioe Df)nnta(^t be§ gried;if(^en ^srieftermefeng
f)ingen)iefen luerben, raelc^e^ fid) bie Hebung ber 9)?antif i)at muffen ent*
geilen laffen ^), weil e§ an beftimnite 3:^empel gebunben roar; ber 9}?anti§

bagegen ift beiueglid^ unb fann überall auftreten; Cpferer aber ift jeber«

mann, unb fobalb ba§ Opfer 5uglei(^ ein SSorjeii^en fein foll, fann er

be§ ^antil bebürfen, ben ^riefter aber entbeljren. ©ine offizielle ©efi*
nition beffen, maS ein 2Jcanti§ fei unb ju tun 'i)ahz, gab e§ allerbing§
nie; bie ^]5erfönlic^feit unb i^r 9iuf wirb bie engern ober meitern ©renken
be§ ^un§ beftimmt l)aben. Sei ben ©ermanen ftanb ber ©el;er ungleid)
Ijötier, benu Ijier mar er gugleic^ ber ^riefter, SSei^fager unb ßauberer-);
ooüenbio aber ift bei ben ©ried^en nid)t bie 9tebe oon jener mächtigen
©eftalt be§ ^^srop§eten, meiere bei htn Hebräern bem 5lönig unb bem
^^riefter gegenübertritt, benn anä) bie am Ijödiften oerflärten (Sel)er be§

IjeHenifc^en 3}h)tl)u:3 reichen nidjt oon ferne an biefen, aber unentbeljrlid»

ift ber 3)?anti0 boc^ geblieben unb eine ber gnguren, o^ne meld)e ba§
Silb biefe» 5lsolf§leben§ unooEftänbig märe.
®ie 3ufunft, roeld;e er entljüHt, fann aud) ^ier mieber eine oon
@i)ttern geiooUte unb oerorbnete ober nur ein blinbejS ©djidfal fein, unb
er erfennt fie buri^auS nidjt immer, ©erfelbe ^efiob, roeld^er oon 2lfar^
nanen bie 3)Zantif gelernt^) unb, ^ei^t e», fogar mantifc^e S)id)tungen

^) 2Bie fe[t wav bagegen bei ben mächtigen ©tanb con ^'^u'^^i^ßi^n ^^'
3fömern bie 3}tantif in ba§ ©onje be^ äunefimen, reie fie noc^ fjeute bei SiöHern
^rieftertumä eingefügt! — Ueber ba§ ä>er= anberer 3Jaffen uorf)anben finb, unb rcie

fjältni$ DOn udpTtic, &voay.6oi unb itgtig fie ba§ Sltärc^en nod) überall fennt. 3IIIein

6. 5. Hermann, ©otteSbienftr. Slltert. § 33, berfelbc fe{)(t roenigftenä im 3}J9t[)U5 doH*


10—12. ftänbig, obraol^l biefer fo mand}e mit 3aitber
-) ©imrodf, öanbbuc^ ber beittfc^en üertraute ©eftatten enthält. S)ie einjige
2«i)t()orogie § 137. 139. — 2)er alte 3J?i;tl;ug 3auberin ats fold^e, Sir!e, raoljnt fern von
ift üoE ^tii'ber unb fpätev aud) bie ^^^rajig ben SHenjc^en auf einer ;5nfel unb ift gött;

beg täglid^en irebenio. (Sä läge nat)e für liefen ©ebiüteö.


bie Urjeit, ba bie ©ötter nod^ fcfiredlicfie 3) ^paufan. IX, 31, 4.

Samonen geroefen fein fönnen, einen


304 ®ic ©rfimbung ber ßu^iinft.

gef($affen f)abcn foll, fagt boc^: „fein fterblic^er 2)?enld) ift ein ©e^er,
boB er ben ©inn beg ägi^Ijaltenben ^tu§ niü^te^)." Sogar bic 33e=

gabung unb ©enbung be§ mi)tt)iic^en 3}ianti§ roirb fel;r üerfrfiieben auf»

gefaxt, aU faum von ©ijttern uerlieljen, öfter aber uon iljnen beneibet

unb beftraft, äumal bur(^ ©rblinbung; ^l)ineu§ ift blinb geiuorben, roeil

er ben 3J?enfd)en bie 3ufunft roeisfagte^). SCBot;I mag fic^ bann auc^ bie

9)ieinung fo gemenbet t)aben, ba^ auSermäfjIten 33linben, roie ber (Sefang,

fo aud; bie 9Jiantif ^ugetrant rourbe a(§ ein inneres unb IjöIjereiS Sd^auen
ftatt beg üerlorenen äußern ^). 2)od) mirb man fid^ oor einer attp poe*
tifci^en 2luffaffung I)üten lernen, menn man ba§ SSerljältniS be§ 3)ianti^

ber Urjeit 5U ben Silieren ertuägt. 9Die{jrere ^iere gelten nämlid; aU U>
fonberio atjnnngSfäljig, 3. S. bie S3ienen, 2lmeifen, älJäufe u. f. m., ben S^ögeln

(freiließ aud; ben ^olsroürmern) traut man ol)nel;in eine (Sprad)e ju, unb
nun mad)t ber 9)h;t§u0 bie Siere ju £et)rern be§ (Set;er§. 2)em 2}ielampu§
leden <Sd)Iangen im ©dilafe bie Ctjren an^^; er eriüai^t unb oerfte!)t auf
einmal bie (2prad)e ber über itjm füegenben 33ögel unb meiöfagt barau»
ben 9JJenf(^en ba§ 3wfii*^f^^Ö^*)- 3Itl)ene, nad)bcm fie ben !Ieirefiai§ erft

au§ dia^i geblenbet, reinigte i§m bie Dl;ren, unb and) er oerftanb bann
bie Sieben ber 3SögeI; bie ©öttin, raeit entfernt, i^m felber ein SBiffen

ber 3iif"^^ft öU geben, roeift ilju an kliere. 3(u(^ bie ©rblidjfeit be§

mantifdjen 33ermögen§, meldjeS bis fpät oon 2JieIampobiben , ^a^ii^^^^/

^eüiaben, Sllijtiaben geltenb gemacht mürbe, ftefjt bod) tiefer als eine

t)ol)e inbioibueüe 23egabung unb pa§t im ©runbe ju einer me^r nur ele=

mentaren 5lraft.

Tod) bleibt menigftenS bie ©teHung beS 3}iantiS im ben großen


5)i(^tern ') eine Ijöljere als in ber 2solfSfage. .sanier gönnt feinem ^Ijeo'

flpmenoS beim legten C^ietage ber freier ^) ein ooUftänbigeS unb fcbr

') Hesiodi fragm. 114, al. (i2. 1


••) 2lpoUobor I, 9. 11.
2) 2lpoüobor I, 9, 21. — Ueber bie "•) «en^I. 5ei ^reCer, ®riedi. Hh)tf)ol.,
33(enbiing beä 2;eire[iaö baS SoUftdnbigfte \
ben 2lbi"d)nitt über bie .'öeroen ber 3ßci^=
ebb. III, H, G unb 7. fagefimft.
^) SÖIinbe 2Ranteiö nocf) in ber biflo; «) Dbi;fj. XX, 345. Untftänblici) unb
rifc^en 3eit: ^nufan. IV, 10-12 (Dp[;io* lel^rreid^ bie 2lbftannnung beö Jljeon.

neuö, ber a)?effeiüer) ;


— 5>erobot IX, 93 iDbvff. XV, 222. — Ser H^antiö ber Äv<
(Guenio^, ber 2Ipoüoniate), beibe Örjäf)- flopcn Cbpff. IX, 509.
lungeii mit fel)r cigentünilidicn ^üflcn.
3)ie ©rhmbung ber 3"f"nft- 305

furcfjtbareg 3^orgefid)t i^re§ bolbigen Unterganges ; bie ^ragöbie oollenbs


eri;ebt ben tt;ebanifd}en ©reis S^eirefiaS ju einer if)rer feierlic^ften ©e»
itaittn ^). 9Zad)bem if)m öon ben ©eroaüt^abern fd^roereS 9}iiBtrauen unb
bitterer ^ot;n, fogar inegen ©elbgier, ju tei( geworben, beljält er nid)t

nnr tatfädilid) immer D^ec^t, fonbern <Sopf)ofleS ftattet ii)n mit einer

i)of)en '?Olaä)t ber bnnfel roeisfagenben Stiebe auS unb läjät ii)n ben ^olju
äurüdgeben'-^). 3" »^önig DebipuS" bilbet bie 9)Zantif, foroo{)l bie beS

©ef)er0 a(S bie ber Orafel, bie attoerbinbenbe ^auptfraft beS ©tücfeS,

unb ebenfo in bem non 3lnfang an fo aiinungSüoQen „Stgamemnon" beS


2Iefc§i)IoS. ^ier roirb [ie raieberum in eigentümlid) granbiofer Söeife

perfönlid) in ber ©eftalt ber i^affanbra, raeti^e ni(^t nur burd^ bie 3Jtauern

bcS ^alafteS ^inburd) fielet, ma§> eben je^t gefd)ief)t, fonbern auc^ baS
$ßergangene feit bem tl)t)efteifd)en ©aftrnat)! unb aud) ba§ künftige roei^,

nömlid) bie 3SergeItung, roetdie beS 2(egiftt) unb ber Mijtämneftra l;arrt;

mit biefem legten Si^roft fdireitet bie ©e^erin bem ^alaft unb il;rem

eigenen Untergang ju: „genug be§ SebenS — doyehoj ßiogl" — 2)aS

@efd;id beS a}ianti§ im 9)tr)tl;uS unb in ber ^oefie ift über{)aupt, ba^
man i^m nid)t glaubt, ba^ er nic^t überjeugen (nfii^eu) !ann, big ba§'

Unt)ei( offen {)ereinbrid}t. Slaffanbra, Ijiefe e§, l;atte oon 2IpoIIon bie

2BeiSfagung gelernt, fic^ i£)m aber nic^t ergeben motten, worauf ber ©ott
ii)ren SBorten öa§ ©laubliaftmac^en benahm, ©anj befonberS bitter lautet

bann bie Sage oon 3tmpI)iarao§ , meldier Selber unb guglei*^ einer ber

^eerfüt;rer dou i'Irgo» ift; er raei^ ben unfeligen 2lu§gang beS 3"9^^
gegen '^^zhtn oorauS, attein burc^ ein oorgängigeS i^erfprec^en an feine
©emaljlin @ripf)r)te ift fein SBort in i^ren^änben; fie aber ift burd^ baS

berül;mte ^alsbanb oon ben Slntreibern pm Kriege beftodien, unb nun


bleibt bem ä^er^meifetuben nichts übrig, als feine ©öl)ne jur fünftigen

9iadie an ber furd^tbaren ^Diutter aufpforbern. ©ein großartiges @nbe,
ba er auf ber gluckt fomt 2Bagen, 9ioffen unb Senfer in einer burd)

3euS' 33Ii^ftral^l geöffneten ©rbfpafte üerfd)roanb, um nun fortan bort

^) 2!er alte ©el^ertl^ron be§ 3;etrefia§, bcg Xeirefta§ „unerfd^üttert", lüic Äirfe
|

roo ftd) aße roei^fagenben aSögel fantmein, (Dbr)ff.X,493)fagt,unb^erfep{)one^ati^m


|

(SDpl)o!I. Slntig. 999. «ßent^eu^ befiet)It ,


aüein oerIiel)en, »erftänbig ju fein; benn
beffen 3er[törung, ®urip. Sacd), 347. bie übrigen fc^roirren nur al§ ©d^atten.
-) 9bcf) in ber llnterroelt ift ber ®cift |

3. »urd^arbt, (Sriec^tic^e flulturgefc^i^te II. 20


306 2)ie ©rfunbung ber 3iif""ft-

ali „Uufterb(tc{)er'' bie B^funft ju üinbeii, beutet auf tin^n göttlichen

Uvfprung feiner ^erfon {)in. ^^ortan fann feine Gripljple md)x feine

2Beigfagungen tjinbern, bie üon Hellenen unb Barbaren eifrig gefudjt

werben.
So nimmt benn bie !^id)tung immer bie ^^artei beg (Seljer^s erft

bei @urtptbec\ roenn it)n feine 2lufflärung unru()ig mad)t, barf etwa (unter

beutlid^er Seipf[id)tung be§ S)id)ter§) ein 33ote unb ber CEf)or gegen nlle

5[>cantif im Seben polemifieren ^), inbem ^serftanb unb wetfer ©ntfdjiufe

bie beften äBaf)rfager feien; wenn bie SJkntif etroaS taugte, fo Ijätte

Äald^ag ztma§ fagen muffen, aU feine C^knoffen „um einer SBoIfc -) miden"
umfonten. Slllein ba§ 3lnben!en an bie mi)ti)ifc^en (Sedier mar mit ber*

gleichen nic^t 5U oerbunfeln; ^aldjag Ijatte nod^ gu Strabo^o ^dt^) auf


einer 5elfenl;öl)e im unterita(ifd}en 2)aunien fein Heiligtum, mo it)m ahi

einem ^ero» geopfert unb Xempelfd}lQf gefudjt nnirbe.


.^n bie ^iftorifdie ^üt tritt ber 9)ianti§ öfterso ein aU mirflidjer

güljrer ber manbernben 33Ölfer, weldjem fic^ aud) ber SSoIf^fönig gu

fügen Ijat, ©c^on bei ber §eimfef)r oon ^roja begegnet man bem 5loIdja§,

bem ä(mpt;ilod)o§ unb 9J?opfo§ alio ^-üt^rern ganzer ©diaren ^), bie borifdje

SEanberung aber ooEjieljt fid) burd}nieg unter ber Seitung fotc^er ©eljer.

S3on ber 33efe^ung be§ nnnmetjrigen S3i)otieng burd^ ©diaren oon Diorben
l^er l)eiBt e§: „^eripolto^, ber Tlanix§>, füEirte au'5 ^2t)effalien ben ilonig

Opl;elta§ unb beffen ä>ölfer nad) ^öotien"^). Di)\u bie mitumnbernbe


2Öei§fagung unb B^^c^^'^^cutung Ijätten biefe ©tämme, bereu Sd}idfal

tonge ^tit (jinburd) üon hm geroaltfamften ßntfc^eiben abijing, fid) felir

nnglüdUcb befunbcn. ^n ber fotgenben 3^^^ ^^^' bleibenben Staaten*


bilbung, über lueldje mir nur fo fpärlid) unterrid)tet finb, niirb fid) bann
ber offigieÜe 9)tanti!5 aUnüüjUdj auf bie Deutung ber B^^^^^" ^'^^ ^^^

öffentlid)en Cpfern, befonberl im 5lriege befd)ränft bnben, mä^renb im


58olfe üiele geringe SBa^rfager aüer 2lrt ein ©emcrbe an§ ber ®ei?fagung
machten unb babei benfelben Xitel führten. 3» ^^" meffenifdjen 5lriegen,

'j Guripib. öelcna 742. 756. bei Strato. — 2)er SDkntitS ber luanbernbeii
-) 'JiäiiiUcf) lim ber nur al§ Scfjcinbilb 2)orcr, ilarucö, ivärc laut Äonon, narrat.
in 2xo']a tjorl^anbenen ^elena luiUen. 26, fogar ülpoUon felber aK- ifdaucc ge«
^) Strabo VI, p. 284. luefen.

^) ä>erii(. bie betret'fenben 2lugfagen •') <piut. Äimou 1.


3)ie erfimbuug ber ,3ufun[t. 307

welche in ben Erinnerungen be§ unterliegenben 3Solfe§ nod) geraifferma^en


5um {)eroifd)en 3ßitöiter geljören, ift ber SJiantiio eine wichtige ©eftalt;

berjenige be§ 3]oI!§Qn[üI)rer§ 3triftomene§ fdjaut 5. 33. nod; ©ötter, wo


btefer fie nic^t erblidt; umfonft raarnt er ben 3lriftomene§, im ©iegeStanniel
-an bem milben Birnbaum oorbeisuftürnien, auf weldjem er bie 5Diogfuren

fi^en fie^t^); e§ ift berfelbe Xl)^otk§>, welcher bann glangüoll im legten


iRampfe fättt^). 2tud} in ©parta, beffen Slönigen alle öffentlid)en Opfer
Dorbeljalten maren, I)inberte bie anfangs fo Ijäufige 33efragung beS Draifelic

:Don S)elpi)i nidit ba^ man be§ 9)Janti§ beftänbig beburfte, unb ha^ ber^

felbe im Kriege ben i^önigen unb Slnfüljrern uollenbs nid)t üon ber ©eite
fam. 9)iit SeonibaS Ijarrte ruI^mooE au§ fein ©eljer, ben er umfonft
i)atte megfdjiden moHen^); für benfelben ^erferfrieg aber I;atten bie

Spartaner einen 9)?anti§ 3:;ifameno§ gewonnen, raelc^er bann nid)t nur


bei ^statää, fonbern im SSerlauf oon gmei ^aljrjenten noc^ bei oier weitem
©iegen mit iljuen war^). ®er gange 33eri(^t bei ^erobot tautet anwerft
merfwürbig: XifamenoS Ijat fic^ auf einen unrid)tig oerftanbenen belp{)ifd)en
<Spru(^ t)in gum 2IgonaIfämpfer auSgebilbet, bie Safebämonier ober „wiffen"

(/jadöiTfc), baB jener ©prud) fid) nid)t auf Söettfämpfe, fonbern auf
©d^Iadjten begietit, unb bieten nun bem ^ifamenoS !)o!)en £oE)n, ba^ er
.„mit" ifiren S^önigen Slnfiit)rer in ii)ren ilriegen werbe. @r wirb inne,

wie oiel iiinen an it)m gelegen ift, unb fteigert h^n ^rei§, inbem er — ein

geborener ©teer — unerprterweife ha§> fpartanifd^e ^ßoübürgerre^t ein»

bingen will; fie bredjen barauf gunäc^ft bie 3Serl)anblung ah, unter ber
wad)fenben ©orge xütQm beS perfifc^en 2tngriff§ aber geben fie naä) unb

muffen je^t auä) nod) ben Sruber be§ ©eljer§ al§ Sürger in ben Slauf

neljmen. 2Ber aber al§ 2}iantiS ber ©egner ben ©partanern fatal war,
beffen fonnte, wenn fie ilju befamen, brutale ©inferferung unb ©rmorbung
warten, wie e§ 3. 33. bem Sl^eÜiaben ^egefiftratoS ergingt). 2öie fiaxfoa'
mal§ bie allgemeine 93orau!cfe^ung für ben äBert ber ©eljer d§> Opfer»

') ^aufan. IV, 16, 2. *) §erobot IX, 33. 35. «ßaufan. III,
-) Siefe (Seftalt beg aJJantiö, n3eld)er n, 6.

ben 2:0b fudjt, möd)te bann tijpii'cl) ge» ^) .s^robotIX, 37. ^nx baö g^olgenbe
lüorbcn fein, unb ber 2)?antiä beg 2;{)rafi)5 ncrgl. V, 44unb IX, 34. ^tt 2(rijo§ bef;auptete
bxü (bei .lenopf). gellen. II, 4, 18) ift ntan, bie (Spartaner I)ätten auc^ ben großen
xtio\)l ein gebid^teteg 3farf)bilb biefer 2lrt. ;
Selber ©pimenibeS untgebrac^t, ^:j5aufan. I,

3) $erobot VII, 221. 228. 1 21, 4.


308 2)ie (Jrfunbung ber Sufunft.

3eid)enbeuter im Kriege mar, eiljeHt fcfion barauc, baii aud) 'LOiorboiiio^

um (;oI)en Soljtt einen fieHeuifcfien 93iantiö maxh, mie er bcnn aucf) alle

noml^aften gried)if(^en Orafel befragte. @§ ift ein ®reigni§, roenu ein

©et)er au§ ben ©ienften eines BtaaU§> in bie einee anbern übergefjt ; mit
ftarfer 5Befolbung werben folc^e 9)iänner gewonnen unb bann feftgeljolten.

Gin eigene!§ förabmal barg in Safebämon bie (Se()er au§ bem (Stamme
ber i^amiben, roeldje bie 5!önige in bie Kriege begleitet t)atten ; im plaftifd^en

2)en!ma[ aber raurbe ber 3)ianti§ entroeber mit bem ^eerfüf)rer jugleic^

üerf)errlid)t ') ober auc^ burc^ ©injelbarftellung ^).

3e nad; Umftänben rourbe ein fo(d)er Wiann bi^roeilen jum friegerifdien

9iatgeber unb (Srfinber öon ©tratagemen ^). Xa§: (roenigftenS attifd^e)

©efe^ fott l^ierüber eine auöbrüdlic^e SSornung entlialten ^aben: „ber


33ianti0 fott nid)t über ben StnfiUjrer älieifter fein, fonbern biefer über
jenen*)" — aUerminbeftenS mufete oermieben werben, ba^ ber 9)ianti§

fid) über ben 3lnfü^rer fiinmeg mit ber 9)iannf(^aft in ^Berbinbung fe^te.

2lu^er ben Opfergeidien beutete ber ©eljer im §eer natürlid) aud^ 33or=

jeid^en jeber anbern 2lrt, wie §. 33. ben Siogelflug, hin ©onner, bie

©flipfen, 3iaturmunber unb träume, unb roie roeit feine 33efugniffe geJ)en

fonnten, mar gemi^ unbeftimmt. Sem ^t)emiftofle§ i)at auf feinem

2lbmiraISfd)iff üor ber ©d)tad)t uon ©alamis fein 9)tanti§ ein a)ienfdöen==

Opfer befehlen !önnen^). Spätere 5lrieg§anfül;rer mußten etma iljreu

Seber bamit ju übertönen, ha^ bal betreffenbe $lsorjeid)en ben (^einbeu

gelte unb nid)t ber eigenen ©djar, ober fie mec^felten bie ©egenb, orbneten

bie 2)knnf^aft neu unb befal;(en bann neue Opfer®). 33ei ben ?lrginufen
(406 0. 6l)r.) liatten beibe ^sarteien gegen bie SBornung i^rcr ©el)er ge=

fämpft ')
; ber atl)enifd)e ©tratege jeneg TageS, Tf)rafi)IIo§, fjatte überbie§

einen Xraum gehabt, meldier iljm unb feinen 3lmt!ogenoffen ben ©ieg unb

') ?aufan. I, 27, 6. — X, 1, 4. boc^ iiirö^er motiüiert: cinÄönigöfo^n »on


«j ebb. TU, 2, 5. — VI. 2. 2. — 2^I)e5cn erfticfit [id^ felber nor bem Xoxe
X, 9, 4. ber bebroöten ä'aterftabt, ireil Jetreftaö
=>) .t»erobot VIT!, 27. — (Sbb. VI, 83. ben ©icg Ijicooii abhängig erflärt ^atlc.

SerSUantiöÄIearc^oe alsJHatgeber ber auö= 3(pDUobor 111, 6. 7. 2Bie '^5clopiba§ eine


geiDtefenen argiütfdien ©flauen in 2;in)nt(). folt^c 3"'""tung umging, 'ij.'lnt. ^elop.
*) ^:piato 2ad). p. 199 a. 21. 22.

j

*) ^lut. I^eniift. 13, aug ^^aniag. i


") ^ol^än. II, 3, 4. - III, 9, 9.
^^n ber nit}tf)ifc^en i^dt wirb bergleidjen ") Tiobor III, 97.
Sie (Srfunbung ber 3"^unft- 309

ben noc^^erigen Untergang (burc^ ben berüchtigten ^roje^) bebeutete, mk


if)m ber 9Jianti§ fofort offenbarte. 33efannt ift fobann Xenop^onx^ ©e*
l^orfam gegen bie DpferroeiSfagung ')/ unb feinen Schriften üerbanft man
aud) bie rei(f)lic^fte ^unbe über bie ©läubigfeit be^ oon iljm fo fe^r be--

wunberten bantaligen ©porta^).


33ei fef)r frf)(immen Opferreichen fam üiel barauf an, ba^ ber 9)ianti)l

öU(^ bie äu§erften Hilfsquellen feinet 3lmte» !annte, roie benn balfelbe
überliaupt eine bebeutenbe ^^rabition üorauSfe^t. ^m erften ^a^xt beS
ilönigtum§ bei 3lgefi(ao§ (397 ü. (El)x.), all bie für ba§ ganje ®afein

©partaS J)0(^gefätjrli(i)e SSerfc^roörung be§ ^inabon bem 2tu§bru(f) na^e ^)

lüar, fagte bei einem ber orbnungSgemä^en ©taatlopfer ber 2Ronti§ gum
£önig: bie ©ötter geigten eine überauiS fcf)re(f(icf)e 9iad)ftettung an; e§

rourbe von neuem geopfert, unb er fanb bie ^^i*^^" ^ocf) frfilimmer.

33eim britten Opfer fprai^ er: fo fommt el mir je^t t)or, aU TOären

töir mitten oon geinben umringt! 2)arauf opferten fie „benjenigen

Göttern, weldje ha^ 33öfe abmenben !önnen, unb ben rettenben ©öttern",
unb bei biefen üielleic^t namenlofen 3Inrufungen ergaben fid; etiuaS beffere

,3eid)en. ^n nii^t oiel fpäterer B^it ift ^^nn ®ion bei all feinem Xun,

lumal bei feiner ^af)rt gur Befreiung oon ©i;ra!u§, ftar! oon 2)lantif

umgeben unb bebingt ^) ;


fein midjtigfter (Seljer aber, SOiiltaS, raar jugteicf)

^(atonüer.
2(Iej:onber ber ©ro^e, ein gläubiger ©rieche, roenn e§ je einen ge»

geben l)at, befa^ auf feinen SH^^ (^^ 3lriftanbro§ einen raürbigen unb
getreuen aJiantil, welcher „be»l)alb, roeil Sltejanber lieber etroaS anbereS

geprt ^ätte, boc^ nic^t anberS rebete, all wie bie ©ottljeit fprai^"^).

ßg raar nichts illeine», ber (Selber be» leibenfd^aftlic^en ^önig§ 5U fein,

1) S)te ©teUen bei ?fäge(§6ac^, 9Jac^=


|
=*) Xenop^. ^eüen. HI, 3. 4. — Sergl.
i^öm. S;^eoI. @. 176. ba§ Stngftopfcr be§ ^saufanias Dor ^latäa,
^) 2)er fpartanifdje Jeli^^uflu^* <ie re ^lut. Slriftib. 17. 18.
p. Laced. XIII, 2. ^n ben ^ettenica ein *) ']J[ut.Sion, passim., 6e). c. 22.
red)teg $8eifpiel ba§ S]ecf;alten beg £önig§ l
'"•)
Slrrian IV, 4. 3, bei Stnlafe beg
2lgefipoliä im Ärieg, IV, 7. — Unb fdjon 1
Uebergangeg über ben Sa^arteä. Slppian,
auä 2;^u!t)b. V, 55 fief)t man, ba^ bie ,
raetd^er in feiner ^^saraüele be§ (Eäfar unb
©partaner etroa ben (Sinfatt in ein frembeä adejanber (bell, civil. II, 152) (entern al»
5anb unterließen, roenn bie Siabaterien, befonbern S>eräcfiter ber 3}tantif I)infteIIl,

bie ©renäüberfc^reitunggopfer, nic^t glücflic^ gilt ^ier »iel rocniger ahj Slrrian.

auffielen.
310 )ie ©vfunbung ber 3i<fu"ft-

anä) lüirb er in ben legten ^afjren raenig me()r ertoäfint ober mir in

ber ©c^ar ber 9}iantet§ ftillfcljroeigenb rnitbegriffen ; alg aber ber 9.0mg,

tot roar unb raäljreub h^§ erfteii milben ^abers? um bie 33efe()l§t)aber=

fci^aften bie Seiche oerlaffen lag, ba trat 3lriftanbro§ Ijeroor unb iuei§=

fagte^) in ()ol;er ©fftafe bemjenigen Sanbe, meiere» fie befi^en nnirbe,

eroigeg ©lue! unb g-rieben. ©o nur luurbe [ie begeljren^roert unb für
ein I;errlic^e§ ©rab gerettet: ^tolemäog, ber ©ofin be§ Sogo^v brad)te

fie beifeite.

©0 lange e§ ein griecf)ifd)e§ unb bann ein röniifc^e^ ^eibentunt gab,

blieben bie roid)tigern Opfer oorbebeutungioüoll ^), unb biejenigen im Kriege


oerlangten unbebingt ben 3eic^enbenter, fc^on weil bie <Qeere baran gemöfint

fein moc!)ten; Slleranber Ijatte fogar bi^raeilen bie bei ber ©ingeroeibef^an
befonberg günftig oorgefunbenen Dpfertiere burd) bie 9ieit)en tragen laffen^).
Sieben allem, ma§ fonft noc^ ^^orjeidjen unb 2Bei§fagung l;ie§, beiiauptet

biefe ©djau be§ 5lrieg0opfer§ iljren a(ten ©til unb ifjren SJianti-o. SBcr
aul einem anbern ©lauben unb iöilbung^freife ftammte, ber mochte fie

unbegreiflid) finben : al^ einft ilonig 2lntiod)o§ III. fidi burd^ ein Dpfer=

ergebniS oon einem ^rieg§unterne{)men abljalten Iie§, ftanb ^annibal*)

baneben unb meinte: ,,bu tuft, ma§> ein ©tüd ^leifd) fagt, nid;t aber,

roa§ ein oernünftiger 9}tenfd) fagt." 9Benn man jebodj im gangen er=

mögt, lüie bei bringenben (Sntfdjiüffen biiSroeilen „oernünftige 2}ienfd;en"


and) einem ^annibal oon allen ©eiten brein reben, fo mö($te ba^, roag
ber 9}knti§ au§ ber 5Cier(eber folgerte, nid)t immer ben fd;limmften dlat

entljalten l)ahm.

^ier ift aud) nod) ber üorl;errfd)enben ^^crfunft ber ©eljer ju ge=

benfen. 3triftanbrD§ mar auS bem li)fifd)en (ober farifdien) ^ehneffo;?,

roel^eg al§ eine Heimat üorsüglic^er ©eljer immer gegolten t;at'''). 33et

roeit ben meiften 9)iantei§ ber l;albmi)tbifd)en unb Ijiftorifdien ^dt aber
fäÜt e§ auf, ha^ e§ lauter ©riedjen uon ber 'ii'eftfüfte bey Vanbe§ gemcfcn

') 2(eHan V. H. XII, (i4. — Vaiit Giu nnd) 5l[ien jit teil unirbe, ficbc ^vaufan. \,

bocia 18G {)interlie^ 3(ri[taitbro§5eI)n öikdcr 16, 1.

„über 3}Janttf", niomit inellcic()t bie litcva= =>) X'Ohm- IV, 3. 14.

rifcl)e5i):ierungbcs Wegcnftanbeö überljoupt ') SL>cIclicr bod) für feine '^verfon mit ber
möchte begonnen fjaben. (Singeraeibefc^nu oertrant gewcfen fein foß.
'^)
(Sin bicfce Dpfcrannibcr, tai> bcm '-IsCvgl. 3)io iSttff. fragm. libror. prior. 47.
Scieufog uoi bem Slu^jug mit 2Uci-anbcr •') tiecro de divin. I, 41.
3:ie erhmbitng ber Siifunft. 311

[inb. (Sin alter "Dtolofferfönig imb fein <Boi)n waren treffüdje ©el^er^);

(Büxo§> tarn uon 3)obona nad) ©leufi§^); J^arno§, roeld)er [c^on bie in

Safonien einbringenben Sorer beriet, mar ein 2(farnane unb ebenfo fpäter
ber von ^eififtrato» befteüte Slmpljilijtos unb 9}iegi[tia§, jener (Seljer be§

SeonibaS^); auc^ foHte ja bereits §efiob üon 2lfarnanen bie 'Dianti!

gelernt traben; fonft finben fid) bei ben borifdjen Eroberern namentlich
Setjer vom ^an'it ber ^amiben, unb biefe^) waren ©leer wie bie 3:!elliaben

unb bie ^lijtiaben unb uiele anbere; berjenige (3el;er aber, raelc^en bie

gried)ifc^en 3iiäiiö^^' ^^ 9Jtarbonio§-^eere mit fi(^ i)aikn, mar ein

;2euf abier ^). @y ift faum anjuneljmen, ba§ bieS allel nur sufäHig fid)

fo nerljalten Ijabe.

3m '^^riüatleben mar ber &ibxauä) ber 3)Jantif Sac^e beS einzelnen

na^ 33elieben. i^odjfteljenbe 2Itljener roie 5iimon^') waren il)r gugetan


unb 9Ii!ia§ l)iett ficb feinen 9)Zanti§ ©tilbibeS im §aufe weniger für bie

©taatSfad^en aU für feine ^riüatangetegenljeiten, befonberS feine ©ilber=


gruben')- Sei* 9}iann fott mä^igenb auf ilju eingerairft unb ilim ben

allgugro^en Slbergfauben eljer gu beneljmen gefudjt Ijaben. ^n fel^r ge=

fpannten Slugenbliden taud)ten SSatjrfager tjon ollen «Seiten auf, unb


beim Gntfdjeib über bie C£'pebition nac^ Sizilien liefe 3ll!ibiabei3 alles,

and) ben ^roteft ber '^sriefter, überfd;reien burdj bie oon il)m aufge=

ftetlten 9}JanteiS, meldje fid) auf angebliche uralte 6prüdje beriefen. Slllein

auc^ in geroöl^nlidjen ^dUn gab e§ menigften» in üolfreicben ©tobten


jene 3JZenge ^^roplJeten aller ©attungen, meldte e§ nid;t übel nahmen,
menn man fie ajJanteiS nannte, babei aber jeber 3lrt von 2Ba§n um
©elb bienten. 2lrtemibor^) gäljlt biefe 2tnl)ängfel ber SSeisfagung um»
ftänblid; unb groar a{§: Betrüger auf; toir laffen inbe» bie IHfte roeg, um
nur biejenigen gu nennen, beren 33efd)eibe er nod) gelten läfet, obgleich)

aud) bei iljnen nod^ mand^e ä^erroalirung einzulegen wäre: Cpferer, 2Sogel=

') 9(ntoninu§ Si6era(. 14. |


«) «piut. mmon. 18.
•) ^au^an. 1, 36, 3. -) put.9]i!.5ei.4. 13.23.3)ierfn)ürbig,
^) 4*erobüt I, 62. — VII, 221. — ba§manbama(§glaubte,bie5Jianteigfönntcn
?ßaufan. III, 13, 2. i
nur anbern bie 3»^""!* roeiSfagen, tDüjjteu

') ^ieju Dor allem ^inbar Dhjmp. VI,


|
a6er if;re eigene n\<^t. So ber {jiftorifdje

unb bie 2Iug[eger. !


Sofrateg bei l'enopl). conviv. IV, 5.

^) öerobot ]X, 38. I


'^)
Dneirofrit. II, G9.
312 S)te Srlunbung ber 3u!unft.

fd)auer, (2tcrnbe)(f;auer '), 'Deuter uon SBunberseicfien (7 60«/«), 3:;rQumbeuter

uub (Singeiüeibe6efd)auer. „5Bie e^3 firf) mit 31ftrologen unb ^oroffopftedern

uerpit, raoüen nur erft unterfud^en." ^m^S' '^oit, raelc£)e§ täglid; auf
ben öffentlidjeu ^slä^en ju fiubeu wax, mu^ biSroeileu inforoeit ©efdjnfte

gemodit traben, ba§ fic^ eine 33efteueruug 5U lotjnen fd)ieu, uub bie

33ij3autier ^) l)obeu etuft uou „Xa[d)enfpieleru, 93iQutei§ unb Quadfalbern"


ben T'rittet iijxei @iuual;meu, nl[o eiue ©rroerb^fteuer uou 33 ^srojeut
erljobeu ober ju ertjebeu getrad)tet; beuu bie 53etreibung mödite i()re

praftifc^eu Sdjroierigfeiteu getjabt Ijabeu.

2ltt)eu (jielt uod^ uuter beu Slaifern eiueu bejolbeteu 9)?QUti:5 von
Stabt roegen ^) uub jiüar uicbt jur Dpferfc^ou, für welche auberweitig ge=

forgt feiu mod)te, fonberu aU SBeic^fager. Man tarn auf biefe ^'eife

moljtfeiler burd; a{§> etwa mit 33otfd)afteu uac^ 5)e(p(ji, beffeu Orafel ba=

maU oou Stäbten faum meljr befragt mürbe; für fleiue abergtäubige

^ßerftimmuugeu ber @iurooi)uerfd)aft genügte ber offisieHe 9)knn.


^J^er 3(u§fd)IuB ber SBeiber üou bor 93iautif tu ber Ijiftorifdien 3^^^

(äf5t fidj etwa barau^o erftäreu, ba^ biefelbe eiue <Bad)^ uic^t bloB ber

©timmuug, fouberu be§ Serueu^ uub äöiffeu^ mar, unb ba^ befonber^
bie Dpferfc^au ui^t motjl bie 2Iufgabe uou j^-raueu uub a}?äbc^eu fein

fonute. 3lu6 bem 23ii)tfju§ fannte mau ilaffaubra uub 3)tanto, bie S^odjter

htS- XeirefiaS, unb mo nod) eine Stiftung au^5 uu)tt)ifd)er ß^it meiter-

lebte, begegnet mau nod) immer propbctifd)en g-rauen: im Heiligtum oon


®elpf)i erfdjadte bie 2SeiÄfagung au§ bem i^Junbe ber '^xjüfia feit

^piiemonoe, raeldje bort bie erfte "priefterin iiires $8ater^ ^Ipoüon geroefen

mar, uub in S)obona, fomeit bie Kuube fid) uerfotgen lä^t, uermittelteu

nod) immer bie brei greifen grauen (^eleiaben) bie Offenbarung. -l>on

ben (Sibyllen jebod; (oergl. unten) taud)t !aum t)ie uub ba eine in t)iftorifd)

beutüc^er Umgebung auf, roie jene 3Itt)euaiy oou Gn)tt)rä, rceldie bem
grüben 3([eranber ^^efd;eib gab über feine göttlid)e 9Uiftammuug '1; bie

:Siotima bee platonifc^en ©i)mpofion^5 aber ift uiot)t nur ein ©ebilbe ber
^()antafie. SSlan bcfa^ l)öd)ft mal)rfd)einlid), mie bei 3lu(afe be§ Xempel»

fd)lafe§ bemerft muvbc, beu Somnambulismus, aber ec' fel)lt bie meitS*

') 2)icfe f)ier offenbar al>> uii)d)ulbii^c


•'')
2ucian ;3^cluomn: 37.

|

Gattung Don ben 3([troIoflcn untcrfc^iebcii. 1

'J
3trabo XIV, p. 645. XVII,
=) Striftot. Dcfon. II, 4. |
p 814.
Sie (grhtnbung ber 3«^unft- 313

fagenbe ©omnambule ; man (jotte bie2tlte mit Slmuletten unb a)hrturcn,


QUi^ bie 3ciuberm fogar ber gefät)rn(^en 2trt, uon Xi)totxit§> Sß^axmahntxia
bi§ 3ur ©anibia be§ ^oraj, nber nic^t bie ^roptietin.

2ln bie allgemeine aJiöglid^feit einer über ben SJienfc^en fommenben


mantif^en Stimmung glaubte mon noc^ fpät, unb au^er ben eigentlirf)en

(Sef)ern erreid^ten auc^ onbere auf 3tugenbli(fe bie Slraft gur 2Bei§fagung.

9tO($ immer raurbe behauptet, ba^ ^ie unb ba bie ©eele fid^ üom Seib

Seitroeife trennen unb bann einer f)ö!)ern ©ntftammung genießen fönne;


anbere mürben aufgeregt burd) ben 5llang gemiffer (menf(^Ii(^er) Stimmen
unb pl;rt)gifd)en ©efangeS, anbere burd) §aine unb 2Bälber, «Ströme unb
SJteere, unb faE)en bann üiele§ Mnftige oorau§. Unb geroiffe ©rbbämpfe
befäl;igten nod) immer ben Sinn, Drafel au^^^^ufpredjen ^).

3Son allen ©rmittluugSroeifen ber 3u^unft fteljt am tiefften bie

3(ftrotogie, meldte ben ©ried^en erft fpät burd) ben Orient ift aufge»
brungen raorben, ber fie fd}on in ganger friftematifdfier ^ülle befa^, beoor

bie ©riechen eine 3l{}nung baoon t)atten. ^n ber %at unterfd^eibet fie fid^

üon aller fonftigen ^ioination hmä) bie falte furchtbare S^oüftänbigfeit,

womit f)ier ein üöüig burd)gefü{)rter g-atali§mu§ auftritt. Sie 9)lantif

I)offt gerne iu'cgel^eim nod^ etroaS oon ben ©öttern, bie Sternbeutung nic^t

metjr-), benn audf), menn Planeten unb ^^^ijfterne göttlid^e SBefen mären,

fo bliebe bod) ba§ üon i^nen au^getjenbe Sd)i(ffal ein abfoIute§ ;


§u biefem

aber gcijört t)ier and-) ber (5t)ara!ter unb bie 9)loralität be§ ©ingelnen,

meldte gegenüber ben ©eftirnen unfrei finb.

Dljne 3weifel finb e§ bie Sleg^pter geroefen, metdEie §uerft bie 2lb!)ängig=>
feit forool;! be§ :i^eben§ laufet ali§ be§ 2öefen§ ber einjelnen 9}Zeuf(^en üon

ben ©eftirnen behaupteten. „2ludi ba§/' fagt-^erobot ^), „^aben bie 3legi;pter

erfunben, raeld}e§ @otte§ jeber ä)?onat, jeber ^ag ift, unb n)eld)e» Sdjid»
fal, (Snbe unb (Eljarafter ber an einem beftimmten 5tage ©eborene traben
roirb." S)ie feitljerige ^^^orfd^ung ^at bargetan *j, ha'^ eS fid) nid^t nur

') Gicero, de divin. I, 50. |


rtpftr«, fijierten bo§ barauf ©rfoJgte fcfirifts

') ©ueton, Xxbzx. 69 : Circa deos lid^ unb folgerten, ba^ bei bemfelben ilJors

ac; religiones (Tiberius) neglegentior, jeid)en inöfünftig auä) ber 2lu§gang ber«
cj nippe addictus matliematicae per- felbe fein mi'ifje.
suasionisque plenus, cuncta fato agi. •) 'jßl, 2)unfer, ®efc^. bes SUtertumä,
3) |)erobot II, 82, — 2l5ge[ef)en f)ie- III. 3(ufr. 33b. I, @. 178 unb bie bortigen

von beübad^teten fie auc^ 3Bunber3cic^en, 1


SüaU.
314 Sie Gvfunbiing ber 3»f"nf^-

um beu Tai], fonbern um bie Stunbe (janbelte, unb baß biefelOe naä)

ber iUiuftedation, bem ©taube ber ©eftivue, beurteilt mürbe, fobauu ba^

bie tetueru uicl)t blofj um ba§ i^oroffop ber (Geburt, fouberu um bie gute

ober fd)limme otuube für jebe§ ^Sortjabeii befragt ju merbeu pflegten.

^ie jroeite grojie ^eimat ber 3lftrologie war befanutlid; 33abi)Iou^), uub
einer ber 9lamen be§ bortigen ^NoIfeS, ßl^albäer, (;at fieruac^ bei ©rierf}en

unb 9tömern ben ©ternbeuter al§ folcfieu bejeidjneu fönnen.

gür ben ©rierfjeu mareu eiuftroeilen bie ©lerne nod) lauge ni(^tl

anbereS aU eine 2lu§l)ilfe für bie ßeitredjuung, 3iid^tung§seid)en bei ber

©eefat)rt unb f(^öne @rf (Meinungen, an bereu gur ©eftalt geworbene @rup=
pierung fic^ fiie unb ha ein SJhjtljU» Ijing. „gür bie ©terbüdjeu füljreu

fie, bie leud)teubeu Ferren, älUnter uub ©onuuer Ijerauf-)." 3tid}t oon
©eftiruen, nur uon Tagemal)l, b. l). oom CSiuflufj beftimmter Tage auf
Unterneiimungen unb (Srlebniffe rebet ^^efiob^), unb ^mar fiub e§ gemiffe

2l?onat§tage , meiere bafür günftig ober ungünftig fiub, wie beim 2Iber=
la^mäuud)en unferer alten i\alenber. Sout ^erobot a. a. C. möreu bei

ben ©ried^en §uerft gemiffe Siebter auf ba^^ ägijptifd)e ^oroffop einge=

gangen; boc^ t;at man biefelbeu bi^^jer uidjt au^mitteln fönnen uub nur

oermutung^raeife bie Orpljüer genannt; inbe§ mag unter ben oerfdjiebeuen

©puren ägijptifd)en (SinfluffeS bei ben ©riedjen feit bem VII. ^^^(irf^iiit^ert

(u. a. in ben ^orftelluugen oom ^enfeitÄ) aud) biefe 3lu§fage ibre ©teile

bet)aupten. T)ie frül)efte beutlidje ©d)idfat§er!unbung a\[§> ben ©terneu

wirb bann bie bey „3lftronomen" 9Jieton in Sltl^en geroefcn fein, meldjer

ben 2lu^^gang ber fisitifdien ©i-pebition mei§fagte uub fidj ber Teilnatjme

baran entäog-'). Söenn bann lange ^di faum niefjr oon foldjen

Singen bie Siebe ift, fo muB man erwägen, baB bie 33efd)äftiguug mit

htn ©eftirnen eine fd)wierigc 2Siffenfdjaft war, weldje uou alier übrigen

Tlanüt leid)t oerbnufelt werben fonnte. 3lriftüteley , weldjer (in feinem

SBeltgebtiube oon fouseutrifdjen ©pljären) ben ©lernen bec^ ^-irfternljimmel'S

') Sie Stellen ftel;e bei Äraiiie in j


iimi'tänbe '-|.Uut. 3Ufib. 17. 9iifta§ 13. —
^aultjs 3(ealenct)fl. s. v. MaÜRMnatici. Saiijdion im V. vinhiljuntiert etiun (Sljalbaer
|

-) 2lc)(^i)(. 2lgam. 5. in (^5ricd)cnlanb reiften, ift niöglitfi; laut

3) .^lefiob opp. et d.7(i3 ff. Sie ©lerne 21. ©eUiuei XV, 20 I;ätten foldjc bem 58iUer
j

ennäljnt er üorljcr bei Slnlafj ber ^^ai^reg^


'

bcä Gnripibeg geuieigfaflt, fein ©of)a luerbc


'

weiten. bcrcinft in 3L'cttfänuifcn ftcgrciit fein.

') 3(eliün V. lI.:vIIJ,l'2. 3)ie5«cDcn=


Sie ©rfimbung ber 3ufunft. 315

ein uttüergängüdjeS luib feligeS 2tbm sufc^reibt unb anä) bie 53etoeger

ber [leben ^(anetenfpljären für ewige SBefen i)ö(t, TOei^ bo(^ ni^tS von
einem ©influB ber ©eftirne auf ha^j 9)cen[(^enfi^i(Jfal.

3lIIein feit ^Ilejanber mürben 2{egi;pter nnb ß^albäer Untertanen


griecfiifd^er ^errfc^er, unb bei ber beginnenben 2)iifcf)ung orientalifdjer unb
gried^ifd^er Kultur unb Dieligion mu^te ouc^ bie (Sternbeutung bem 2lbenb=
(anb üertrauter raerben. Ser gro^e ^önig felbft Ijatte fic^ in ber aJJantif

nod) oöllig an bie griedjtfd^e '^sra^-is gel)a(ten, unb felbft biejenigen Seute

feiner Umgebung, meld)e über feine unb i^eptjäftion» SebeUilbauer bo§


©d)idfal befragten, üofljogen bieS bur*^ bie ©ingemeibe uon Opfertieren
unb noc^ nic^t mit i^ilfe ber ©eftirne. ^lS> ßljatbäer 't>tn ^önig oor
feiner legten 9Mfe nadj ^abpton ummten, inbem bie§ fein %oh fein

werbe, f)örte er nid)t auf fie unb traute ifjuen fogar eine etenbe 2lbfid}t
be§ ©igennu^el gu -). SlHein fdjon bie nädiften ©rben feiner ^t^iä)^ wm-
ben nachgiebig. §atte man öffentlid), vox einer SIrmee, wo SJtajebonier unb
©riedjen ben 2^on angaben, 33orbebeutungen geltenb gu machen, fo berief
man fii^ auf folc^e l;ettenifd)er 3(rt, unb ©eteufo» t)at einft, beoor er ben
mädjtigen 2Intigono§ angriff, uor ber ^^ront einen ^efd)eib be§ mdefifdjen
SlpoIIon unb einen S^raum ergä^It ^). 2luf 2lntigono§ aber, ber fonft bi^^er

bie 2Sei§fagung au§ ben ©ternen neradjtete, fjatte e§ tiefen Sinbrud ge=

mac^t, aU Gljalbäer i()m fagten, wenn er ben Seleufo» entrinnen (äffe,

werbe er einft im 5?ampfe gegen itju ba§ Seben oerlieren, unb nun t)atle

er bemfelben, freiließ umfonft, nac^fe^en laffen'^). „Senn bei ben (S^^aU

bäern," fügte ©iobor I^inju, „ift gro^e ©rfaljrung unb genauefte «Stern*
beoc^tung feit nielen 'Diyriaben von ^al;ren." ^ei^^^f^^^ f^fet f^^ "^i^

Stftrologie fortan audj in ber griedjifd) rebenben äßelt feft, nur wirb fie

im gangen eine ©ad^e ber dürften unb ber S^ei^en unb an t;ot)e 33efol=

bungen gefnüpft geblieben fein, '^hid) tarn e§ üor, bnfe ein (Ef)albäer,

wenn er im Slriege brauchbar fein foüte, gugleicb griedjifd)er a)knti»


lüurbc, mic 5. S. ein gemiffer SubinoS im .Hauptquartier 2Itta(o§ I. üon
^ergamon, vox bem großen ©iege über bie ©alater, unb eS Iot)nt ber

9)Jütje, nat^gulefen '^),


wie ber Slönig mit einem Cpferbetrug ben ?Jianti5

Strrian VII, 8, 1. ') Siobor XIX, 55.


2) 2lrrian VII, 16. 17. ') 5po(i;än. IV, 20.
^) Siobor XIX, 90.
316 S)ie ©rfunbung ber Sufunft.

unb hnxä) bte[en ha§^ §eer auf bie ölücflic^fte 2öeife 511111 beften l;ält.

Sieben ber Slftrologie errang aUerbinge bie iinffenfdjaftlid^e 3tftronomie in

ber alei-anbrinifdjen Seit bie liefannten grof3en Grfolge, unb e§ fd)eint,

ha^ fie babei nic^t nötig l;atte, bem ©ternmalju §u(bigungen 5U erroeifen.

Ser berüi)nite eubo£og ^atte bie djalbäifc^e Sei)re üeriöorfen, unb bei

feinem poetifc^en ^Bearbeiter 2(rato§ ift meber in bem aftronomifd^en nod^


in bem ineteoroIogifd;en ©ebic^t üon einem ©iiiflufi ber ©lerne auf ©d}id*

fal unb 2öefen be§ 3JJenfdjen auc^ nur mit einem Söorle bie 9{ebe').

SlHein e§ bauerte nid)t rmijx lange, bi^^ bie ^unft ber „gjcatljematici" fic^

großer e^rgeijiger 9tömer bemäditigte ; ba§ ^oroffop, bie ^^latioität, fo»

wol)l bie eigene al§> bie tjon folc^en, meldje jemanbem im äBege roaren,

offenbarte nid)t nur, raeldjem ©d)idfal, fonbern aud^, raeld)em Gf;arafter

ber (S'injelne unmiberruftic^ uerfaEen fei^), unb gemöl;nte ben ©tern-


gtäubigen an 2lb(öfung oon allen fittüdjen 33ebenfen. (Sinige Imperatoren
l;aben fid) burdj bk ivonfequenjen biefe§ Sßai)ng ben furc^tbarften 9tuf

jugejogen. ^n bie d)riftlid)e 2BeIt ^at fid) mand)er (jeibnifdie 3lberglaube


l^ineingefd)(i(^en, aber 3^^Ji^^i»i^ei^te Ijinburd) niemals bie 2lftrologie, unb

e§ mar ein bebenl'lidjeS Se^^-'i)^'^ fw^' '^^^ 9ieligion gemiffer ä)iäd}tigen,

al» im XIII. ^al;rl)unbert nom ^Üam i)^x ber ©ternmaljn mieber ein^
bringen burfte.

33eüi:)r nun üon ber Drafeln bie 9iebe fein fann, miiö nod) einer

©attung oon äßeisfagung gebadit werben, meldte in il)rer üöHigen SBoben-


lofigfeit jeigt, ha^ bie gried)ifc^e 93egier nad) @ntl)üllung ber 3iif""ft

autt mit bem 3»ueifell)Qfteften uorlieb nal;m : Sie (>l)reSmen ober ©prüdie
{X6yi,a) ber 6^re§mologen. Sobalb biefelben in iljrer üoüftänbigen g-orm
unb nid)t in gemölinlidie 9tebe aufgelöft mitgeteilt merben, finb e§ faft

immer ^erameter, unb il)r Stil uäl)ert fic^ möglid)ft bem ber belpl)ifd)en

33efc^eibe.

Leiber finb nun bie ©ried)en, fobalb \k nur f(^reiben foutiten, ein

*) 3tüor ^ätte atratoiä laut ben i?luss= liberifdjer ^cit ift baö fvü[;efte licbeutcnbcrc
,

fagenbetaßeftermann, Biogr. p.55u»b«l, poetifc^e 3eugniä bicfer Scnfiut. il^crgl.

auc^ eine 2(l'troIogie öefc^ricben ; aUein biC'3


^

manxl I, 4 ff. 113. — Umfonft )cf)on bei


SBort lüirb bamalä aud^ im Sinne oon '

Cicero ber nuiftänblidjc i'inchu)ciS bor i)iid}=

2tftronomie gebraucl)t. tigfcit ber Ülftvologie, d.- diviii. 42-47.


-) Xai ©ebic^t beö IJJtaniliue auo
Sic ©rfunbung ber 3ufunft. 317

$ßol! oon gälfc^ern geraefen. ®er erfte 33rief, beffen noi^ ber (roenn

anä) erft nacf)I)omeri[c^e) 3}h)tlju§ ©iTOäfjnung tut, raar jener oor ^lion

auf 33etrie6 ber größten ad)äi[(^en gelben gefdimiebete , angebliii) üon


^!pr{nmo§ fomiuenbe, tüomit ^alamebeg in§ $Iserberben geflürgt würbe.
SJJit ber 3ett ober, aU fo mandie bun!et unb prädjtig lautenbe be(pt)ijd)e

3Serfe aübefanut luurben, mod)te mnnd^er finben, etraag ber 9Irt oermöge
er anä), unb fo entftanben gan§e SJtoffen fcfiriftlici^er 3ufii^^ft^fP^ü^^'

TOeld^e ntan gerne uralten nti)tl}ifc^en ©eljern ^ufcfiricb: bem ^ati§>, 9}tu='

fäo§, 2aio§, (BntlooS, 2i)to§> u. f. m., ober ben fogenannten ©ibtjtten, alfo

louter beuten, bie niemanb meljr perfönltc^ gefeiten t;atte, unb bie man
nicfit ntef)r fragen fonnte. Heber bie ©ibgllen, biefe naä) ^dt unb ^er«
fünft fo fraglidjen ©ebilbe, empfing man erft ganj fpät Sefc^eib, al§> t^

längft 9]ad^rici^ten oon ^afv}, 9)Zufäo§ u. f.


ro. gab; ^eraflit unt^te nur
erft oon (Siner, raeldje „ernft, ungefc^minft unb ungeniert für taufenb
^alire^j auf 2lntrieb be§ @otte§ mei^fagte". 3lud) ^lato jitiert nur
eine2),^erobot aber tro^ oielfac^er ©elegenljeit fprii^t nie booon. SJ^an jeigte
etwa einen j^e(§, üon raeldiem l;erab bie ©ibijlle gefproc^en, unb in ©elptji

beim 35u(euterion ben (Stein, mo bie frü^efte, com ^elifon gefommene


©ibrille au^geruljt I;atte. SC^ie it)rer fpöter mel;rere, enblid) in feften

3a^ten unb mit Eigennamen unb iö^imat aufgejätilt mürben, fann I)ier

aU befannt öorauSgefe^t raerben; am @nbe ftritt man fid) eifrig um bie

^erfunft einjelner, mie g. 33. ber ^eropf)iIa^). ®a§ allgemeine 33ilb ift

ba§ einer (Sel)erin in ge!)eimni§r)olIer ©infamfeit, meiere fid; ben 2)ienfd)en


nur auf 3lugenbtide notiert unb nac^ bem mei^fagenben ©efang mieber
üerfc^roinbet; ein oöQig literarifc^ geworbenes 3ßitalter ober backte fid^

bann bie ©ibijlle al§> ©diriftftellerin : bie aU Söeifigefd^enf ber Epigonen


nad^ 3)e(p^i gefanbte ©aptjue, eine 5^oc^ter be§ ^eirefiaS, „fd^rieb bort:
ollerlei Ef)re§men non oerfdjiebener Sefc^affentjeit*)."
2Ba§ man aber ©c^riftlic^eS mirflid) unter bem 9Iamen jener alten

©el^er unb ©e()erinnen befa^, mar alle§ erfonnen, ebenfo gut mie 3. 33,

^) Dber tüie man /iXiwf tTwii:;tx- \


^) ^aufan. X, 12, 4, eine ^aitpt-
ptlKu Tfi (fwyfj überfe^en roiH. ^eraüit. ouSfage. !Daä gro^e unb fonfnfe §aupts
fragm. 10. üerjeidjniö ber Sibyllen bei Sniba§, oergL
') ^(ato, ^r)äbr. p. 244, b. — SrjeageS 2ßeftermann, ßiogr. p. 83.
p. 124 d. eine jrcar pfeuboplatonifd^e, ober *) ©iobor IV. C6.
faft gleid^äeitige ©c^rift.
318 S)ie (grfunbung ber 3ufunft.

bie gnuje orpljifdjc Siterotur, welite feit bem VI. ^a^iljunbert entftanben
mar, iinb meiere iiod; bitrrf) bie fpütgrierfjifrfje @elef)rianifeit (u. a. bei

(SuibQ§) Ijat fönnen auf bie luatjren ^l'erfaffer üerteilt werben, nacf^bem
atteg „Crp()eu§" geljetfsen ()attc. G)ernc mödjte mau beu 9tauieu „g-ä(frfiung"
bei biefeu 5)iugen uermeibeu uub e5 alä eine Ijarmlofe, beu alten Golfern
geläufige ©itte gelteub macfien, ba^ (Sdjriften, meldje man in einem be=

ftimmten ©eifte abfaßte, einem rul^mooHen alten 9?epräfentanten bie[e§

@eifte§ beigelegt mürben. 5)ie§ mag in 9teligion§fd)riften fic^ l)ie unb


ba fo üerljaltcn, bereu 33eftimmung e^S ift, bie Silber uon ©efinnungen
iinb ©efüljlen weiter 3U tragen, allein bei ben Gbrex^men (;ing ber ganse

ST^ert unb bie 3Sir!ung bauon ah, baB \i^ bud)ftäblidj ol§ ©(^öpfungen
ber mi)tl)ifd)eu ©eljer galten, unb ba fie bieic nid^t luaren unb bennodi
beftimmte ©reigniffe meiscfagten, fo wirb man einfad) uon 33etrug 3U
fprec^en Ijaben.

3]on biefem 2'atbeftanb müf3te nun, fo bün!t nn§, eine fo finge

9cation mie bie ©ried}eu etraa!§ gemerft Ijaben, unb fobalb e§ fid^ um
eigene Üinftige Sc^idfale Ijanbelt, mirb bod) bei allen Golfern jeber irgenb=

mie fdjarffiditig. Stdeiu mir Ijaben e« eben mit einem ^olfe gn tun,

beffen ©laube an Slkutif maljrljaft unbegrenst, unb beffen Sefdjäftigung


mit ber Bi^^^^^ft im grofsen uub f leinen, mit ben ©c^idfalen ber (Eins einen

mie ber ©taateu eine täglidje uub ftünblidie mar. -Iceben allen anberu
(Srhinbignugc^arten lie^ man fic^ nun audj biefe G^reSmen gefallen; ber
^serbadjt uub felbft ber eutljüQte 33etrng biuberten ja nidjt, bafj neben bem
Unechten aud) Gd^teS unb Uraltegi fein tonnte. Sobann Ijatten eS bie

(£l)reiSmenfd)miebe nodj 5U red)ter ^äi bajn gebradjt, ba§ iljre 'i'erfe bei

3Jläd^tigen al§ mertootter Öeljeimbefi^ aufbemaljrt mürben, unb uon ba


an forgte fdjon ber 9Jeib bafür, baf? (Sdjidfallfprüdje aU eine begeljren'3=

roerte <Ba6)i erfd)ienen,

Ter Unterfdjieb 5roifd)en foldien (Sf)re§men unb Crafelfprüdjen liegt

auf ber .s^anb. !Der (SljreÄmoc ift ba§ oor älteres, ungefragt, im 3.>orrat

(iiemeiöfagte unb aufbemabrt (^)ebliebene, ba5 Drafel bay auf 3tufiagc in


einem beftimmteu 5eitlid)eu ^itugeublicf ©eoffenbaite. 2)ie 3d)micrigleit

ber T'eutung bejieljt fidj beim Gljre^moy auf ben 3lnfang: ba^ 'l>or'

bebingcnbe, uon meldjem ber beftimmte 3lU''?gang abbängt, ift meift bnnfel

gefagt unb ein ju erratenbev ^Kätfel, uuibronb bei bor 'Crat'elbcfragnng


Sie ßrfunbung ber 3"^""f'- 319

umgefeljrt ber 31nla^ unb bie %xag,^ felbfiüerftänblid) flar, ber 33efrf)etb

bagegen bunfel ju fein pflegt, ©in äljulid^er Unterfdjteb roaltet siüifdjen

bem (El^re^moio unb ben ©ntfd^eiben be§ SlZanttS: e§ üerfteljt fid) jroar

Don felbft, ba^ jene ©prudjiüeigfager ber Urzeit im fd)tüQn!enben (Sprac§=


gebraud) ber (Spätem oft 9)iantei§ IjeiBen, fonft aber raupte man, „ba^
ber 9)Zanti§ nic^t ©prudjroeisfager mar, fonbern S^räunie, ;i>ogelf(ug unb
S^iereingeraeibe beutete')/' b. I). er entfprad), rate ba§ Crafel, ben 2]or«
geid^en unb bem O^ragebebürfniS eines beftimmten 2lugenblide§, roä^renb

ber (S{)re§mo§ gerabe bie 5Borereigniffe, an meldien bie beftimmte ©rfüttung

I)ing, bunfel unb unfid^er anbeutete, fo ba§ man in ber Siegel erft au§
bem 2lu§gang merfte, mie e§ eigentlid; gemeint geroefen mar. ^abei ift

nidit gu leugnen, ba^ auc^ 5Delpl)t bisweilen feine SBeiefagungen an eine

bunfel au§gefprod)ene, erft ju erratenbe SSorbebingung gelnüpft l}at. (Snblid)

ftimmen ßt)re§mo§ uttb Drafel bisweilen barin gufammen, 'i)a^ beibe ftatt

einer Offenbarung and) blo^e 33orfc^riften gum "ganbeln erteilen.

©eilt man nun j. 33. oon bem 33ilbe beS bewegten V. ^aljr^unbertS
unb be§ bamaligen Sltlien auS, fo erfd)eint ba§ 3Sol! im 3Sollbefi| einer
2)ienge oon ©d)idfolSfprüd)en ^). ©djon bie ^erferfriege waren geweiS»
fagt worben oon 33a!i§, aJJufäoS, ©uflooS u. a., unb ^erobot füljrt eine

Slnjal^l biefer 6l)reSmen wörtlich ^) an unb befennt fic^ einmal faft un=
bebingt als gläubig, nur möd)te gerabe ber fd)öne ßl)reSmoS, wel(^en er

bort (VIII, 77) mitteilt, wol)l erft nac^ Salamis erfonnen fein, ^ür
bie bamaligen S)emagogen war eS eine wichtige Sadje, bie f(^on in ben
Rauben ber 2)kffe befinblidien ©prü(^e fidj bienftbar §u madien, unb
^^^emiftofleS fott ftc^ ben Stuf erworben l)aben, „bie ©ötterftimmen in ben
6l)reSmen allein gu oerftelien*)." Seim 2luSbru(^ beS peloponnefifc^en

Krieges „fangen" ßlireSmologen oieleS fowoljt in ben beteiligten ©tobten


als auswärts, waS jeber nac^ feinem ©inne eifrig aufnal)m; ba Ijörte

man (unb nid)t irrig), ber ^rieg werbe breimal neun ^al)re bauern; bei

ber großen '^seft entfannen fic^ fc^on alte £eute beS ©pruc^eS: i^ommen
wirb borifdjer Rxkg, unb mit il)m . . . (folgte entweber junger ober

') ^aufan. I, 34, 3. 3) §erobot VIII, 20. 77. 96. IX, 43.
-) g=ür ba§ golgcnbe 5ßau[an. X, 4. Slelian V. H. XII, 43. S)a^ ev
3. — 2:f)iift)b. II, 8. 21. 54. V, 26. 103 aud^ bie Drafel oerftanb, üergl. §erobot
VIII, 1. VII, 143.
320 ^^^ (Srfunbung ber ^ufunft.

©euc^e, je nac^ ber Slugfpradje be§ 9Borteö). 5)ie unglücfücfjen SJielier

bagegen, nl§ man fie (416 ü. (SI)r.) 311 uerberben gefonnen max, f)öt)nte

man nod^ mit einer SBarnung gegen aüfallfige 3uücr[id)t auf SOiantif unb

©e^erfprürfje „unb maä fonft norf) berg(eid)en bie 3)ienfd)eu burcf) erregte

Hoffnungen in§ 'I^erberben füljrt." ^m folgenben ^a^vi, aU c§ fic^ um


bie figilifd^e ©jpebition Ijanbelte, t)at bann 3ltt)en biefen ^olju U^aljU,

inbem e§ fid) bi§ jum Sal^nfinn burc^ ^iBeic^fagungen unb Stberglauben


aller 3trt aufregen lie^ unb in biefer ©timmung feinen CS-utfd)(uB faßte;

bie^mal brad)te 3l(!ibiabe§ burd) feine 2)iantei^% b. l). uon il;m oljne

ßroeifel bega^Ite ajjenfdien, jene „uralten ©prüd^e" oor, monac^ 2ltt;en

{)ol)en 9inl)m t)on ©ijilienS roegen geroinnen foflte; freilid) ai§> bie ©ac^e

cntfe^lid^ ausging, „jürnte man bann fold)en Seuten fetjr." 3e()n ^a^re

fpäter, al§ bie 2lt()ener bei 2lego§ '^^^otamoi — roie fie natürlid) meinten,

burd^ SSerrat — unterlagen, tröfteten fie fic^ bamit, ba^ Untergang unb

ä>errat bereite in h^n Gt)re§men ber ©ibylle unb be§ a}iufäo^ geroeiS^

fagt geroefen-)- ß^ wirb nun nac^äuroeifen fein, ba^ ber ©ebraud)

biefer 2lrt üon 3Bei§fagung nic^t immer fo eine ©ad^e jebermanneg ge»

roefen mar.
3unäd)ft finb jene „ß^^reSmologen" yöEig abufiüe ^erfonen. 2llte

Sc^idfalSfprü^e get)ören üon oornl)erein nic^t in bie $ßorrat§taf($e be§

erften beften ober eine§ Tlanti§ ber öffentlidien ^lä|e, fonbern in Tempel

ober in bie 33urgen ber 3Jtäd}tigen; roenigfteuic werben fie urfprünglid)

nid)t für bie 3JJaffe gefc^miebet roorben fein, fonbern für l)ol^e 33erroertung

bei folgen, welche bejalilen !onnten. ©d)on ba§ ^önig^^auS ber %i'
meniben oon 2lrgo§ (bi§ um 750 u. ßl^r.) Ijatte feine ©prüc^e uorrätig

gehabt, welche nur ber Eönig fannte unb erft im (Sterben feinem Tiady-

folger mitteilte^). 33ielleii-^t roaren bann Ti)rannenl)äufer für folc^e fix--

bid)tungen ganj üorjüglid^e Slunben geworben, unb jebenfaHs würben e5


bie '':]:seififtraliben. (5in Xeil ober ba§ ©anje ibie» (Sl)re^Mnennorrate§

roar (508 o. (Sl)r.) im .'Heiligtum ber att)enifd;en 3lfropoliÄ, roo fie ben=

felben bei il)rer isertreibung §urücfgelaffen, bcm König 5lleomcne:S in bie

^änbe gefallen, ber biefe ©fripturen nac^ ©parta hxad-)U, unb l)ier glaubte

man barauö ju Icfen, baß nodi oiel ÜHsiberroärtigeÄ von bcn ::)(tbenern ^u

') ^hit. gfJifiaä 13. ») ?}ifoI. 2)amac;c. fragm. 31 (3)in=

') ^^ auf an. X, 9, 5 f. borf I, p. 24).


SDie ßrfunbung ber 3u!unft. 321

erleben fein raerbe^). 3(uy einer roeitern 3iad)rid)t^) erfätjrt wnn gunäd)ft,

bQ§ e§ üorsügUd) ©prüd)e be§ SJJufäoS raaren, roelrfje ^ippardjo», ber

©o^n nnb 9iad)foIger be§ ^eififlrato^, befaB; in beren 2)eutung aber


ijatk fid; ber ©tabtl)err)'c^er offenbar nid^t üu§ eigener ^raft gurec^t gn

finben geraupt, fo ba^ er baju eine§ CrbnerS (StadtTfjg) bebnrfte. 2Bo


üoQenb» biefer ^^nnftionär auftaui^t, barf man auf jebe 2lrt üon 33etrug
gefaxt fein ; int üorliegenben ^-atl n3ar e» berfelbe DnomafritoS von 2lti)en,

roel(j^em man noc^ anbere ©rbic^tungen (namentlid) eine^ %t\U§> ber fo'

genannten orpljifdjen Literatur) §ufdjreibt, unb §ipparc^o§ felber I)atte

biefen bi^ljcrigen ä>ertrauten au» 2ttf)en weggejagt, ai^ er burd) ben


CDit()tjrambenbid)ter Safo§ über einer (^älfdjung th^n jener (Elireemen be§

9)Zufäo§ ertappt roorben mar. ^n ifjrem gtüc^ttinggleben fö!)nten fid)

bann bie ^eififtratiben mit i()m an§> unb nal)men if)n mit nad) ©ufa,
als e§ fid) barum Ijanbette, ben ©ro^fönig gum ilrieg gegen §ella» ju
beftimmen. 2Bie er auc^ Ijier ba§ ^Betrügen nid)t laffen fonnte, ergäljlt

^erobot metter auf ergö^Iidje 2Seife.

3n ba§ VI. ^ai)rljunbert fällt aud^ fd)on ber berühmte 2ln!auf ber

fibijdinifdjen 33üd)er in 9?om, fei e§ burd) ben altern ober burd) ben
Jüngern SarquiniuS. ^^on ben SSarianten, mit roeti^en biefe @efd)id;te

berichtet roirb, ift biejenige •^) ^eroorjufieben, roonac^ ba§ betreffenbe äßeib

nid^t felber eine ©ibijUe, fonbern nur eine grembe mar. ^n jener 3eit

mochte fid) oon ©riedjenlanb au§> ein allgemeiner ^egeljr na^ ßtjreiSmen
oerbreitet Ijahen, fo ba^ audj ber 5li)nig oon dlom baoon ipiU; ha aber
'Qa§' profaifc^e Jiömeroolf bergleic^en fc^rcerlid) Ijätte felber erfinnen fönnen

unb auä) ben gätfc^ungStrieb nid)t in fid) Ijatte, nal;m man mit einem
2lnfauf in gried)ifd)er ©prac^e oorlieb. ©§ ift noc^ bie g^rage, ob biefe
©ibt)ttinen befonber§ für 9iom gefd)miebet morben^) unb nic^t einfach
au§ einem unteritalifc^en ^Tempel geftoljlen maren. 2llS nac^ ber i^önigS^
ftu(^t ber patrigifd)e ^opuluS ben ©taat p Rauben naljm, muffen bie=

felben fofort qI§ eine TOid)tige ©rbfdjaft gegolten l;aben, ja al§> ein 33efi^,

1) ^crobot V, 90. ^al^reä 84 o. ©^r. fic^ nic^t nac^ lauter


') eob. vn, 6. griec^ifc^en ©egenben geroanbt |a6en, um
3) 2)ion9f. |)al. I, 4. mm (Sprüche ju fammeln, b. I). irgenb
*) atßenn nämlid^itjrSnfialtfic^triefent; ettöüg :?(el)nlicl^e§ juftanbe ju bringen, rcie
ixd) auf 3lom be5ogen {)ätte, fo roürbe mau bie untergegangenen.

bei i^rem Untergaug burd) ben 33ranb beö


3. Surdljarbt, (Sriecljifd)« ÄuUurgeic^ic^te II. 21
322 ®iß ©rlunbung ber 3"fi»nft.

um luetdieu mau uieUeid^t bie ^arquiuier (äucjft beueibet §atte. Uub


uuu ging :)ioni praftifd) oeruüuftig uiit biefem fouberbareu Sd^al^ um;
es ließ fi<i) feineu „Drbner" über ben 5lopf n)arf;fen, fonbern befteUte

erft jroei, bann §el)u uub eublid) fünfgetju regelredite 33eamte ad hoc
uub bet)ielt bem Senat aüein bie (Sntfdjeibuug barüber uor, ob uub manu
bie ©ibt)llenbüd)er follteu befragt werben; aud) burften jene 33eamten

feinen fibyttinifd^en 6prud) eigenmächtig bem 33oIfe mitteilen, ^njroifi^en

gingen bie CSriedienftaaten tro^ iijrer GtjreöUieu a(Imät)Iic^ unter, 9iom


aber geroanu unb bei)ielt bie äBeltl;errid)aft unter periobifdjer 23efragung

jener 33üd^er, fo finnlo^ fie lauten modjteu; marum ()ätte t& nic^t babei

bel)arren foEen?

äBir fal)en bereit!, roie gan§ anberS bie Dinge in Sltijen \\6) geftaltet

tjatten. (S4idfal§üer[e aller Slrt, üieüeidjt jum ^eil auc^ noc^ aus bem
peififtratibifd)eu ©e^eimbefilj, roaren unter W i^eute gefommen, uub ber
(Staat mar üöEig auJBer ftanbe, bereu ©ebraud^ ju überroad^en unb an

eine beftimmte 33el;örbe gu binben, ja bie 3^emo!ratie mod)te fic^ ein

33erbienft barau§ madjen, ba§ je^t jeber braue Sinroobuer erfahren founte,

ma! 33afi§ unb 9)Jufäo§ einft foHten gefungeu {)abm. 3ttl)en U\a^
aQerbingg eine ©egenfraft, meiere 9tom nie {)ätte aufbringen fönnen:
ben ^ol^n feiner ^omifer, unb beffen a)2öglid)feit beroeift, bafe aud) bem
attifc^en ^ublifum ftedenroeife bie 2lugen aufgegangen mareu über ben
ganjen 6d)minbel. (£! \]i ein ^auptuergnügen be§ Slriftopljane», ben
befaunten feierlid)en ©til ber (StjreSmen nad)5umac^en unb ben uerädjt'

U(^ften ^ubiüibuen aujutieften, feinem ^ierofleS ^) unb feinem äubriugüdien


Settelpropt)eten bei ber ©rünbung ber ä>ögelftabt -); bie i^rone alles

:öäd)erlid)eu aber gebüt)rt ben befaunten ©jenen in ben „Siittern" ^). ®er
^apl)lagonier (illeon) befi^t GljresSmen, roeli^e iljui fein iDiitfflaue ftiet;It,

fobalb er eingefc^lafen ift; biefelbeu wei^fagen 5lleon§ ©turj uub bie

9iei^e feiner 9iad)foIger unb roerben in '^sroben mitgeteilt ; im 'i^erlauf beä

Stüde! fommen ber ^^apblagonier unb fein ^onfurrent, ber 'Ii>urftl)äubler,

mit gewaltigen Stößen uon 6c^idfaläfprüd)en uor 'tim 2)emoi^: — „id)

l^abe noc^ eine ganjc Äifte ooll" — „„i^ aber ein ganse» Cbergefc^ofe

unb jraei klammern""; — „bie meinigen finb oon 33afi§"! — »M^nnb

>) Pax 1044 ff.


3) Equites 109 ff.,
107 ff , 9.n7 ff.

2) Avea 9f)0. 973.


Sie ©rhmbung ber Suhtnft. 323

bie meinigen von beffen älterm 33ruber @lani§""! — ein 9iaine,

roeld^er Ijier frifc^n3eg erfunben wirb, worauf fie im ftücfioeifen SSortrag


il)re 3Bare raettetfern.

9k(^ fotdjen ©refutionen, joHte man ben!en, wäre e§ in 3ltf)en mit

ben (Sf)re§men ju ©nbe geroefen. 3((Iein §u gleicher ^ät l)at bie ^ragöbie
boc^ patljetifrf) unb feterlid) baoon reben fönnen. — ,,@§ gibt, ja e§

gibt noc^ fd^roarsbefd^riebene Pergamente, überüott üon galiltofen ©prüdien


3(poIIon§" — tönte e§ üon ©eiten be§ @uripibe§ ^). derjenige allgemeine
SBiUe, welcher bie 3ufunft§erhinbung trug, fam fortroät)renb a\i^ ben
©el)erfprü(^en gu ftatten. 3" ^^^^ S3etrügereien St)[anber§ '^)
gehörte u. a.,

ha^ ein breffierte§ SBunberfinb nadj Selp^i fommen unb bort aufbewahrte

©e^erfprüd^e f)erau§üerlangen unb lefen foHte; au§ biefen würbe ^crDor=


get;en, ha'^ e0 für ©parta beffer fei, wenn bie ilönige aus- ben beften

93ürgern genommen würben, b. i). wenn ber 9Zid)t§era!Iibe Syfanber ^önig

würbe. Sie gan^e ©efc^ic^te oon biefem ©ötterfinb auf 3Iftien — inbem
„üiele unb angefel)ene geute" für bie „(Sx^ki)un%" beSfelben forgen
Ijalfen — gel;t aQerbing» in einem anbern 9Jfebium oor fic^ ai§> in bem»

jenigen oon 2ltben; in ©parta war bie Suft bider, unb man oere£)rte

bamalS (um 400 üor (Ei)r.) ebenbort einen (Etirefcmologen 2)iopeitl)e§, „einen

9}iann üott alter 2Bei§fagungen , einfic^tig unb erfahren, wie man


glaubte, in aüzn göttlichen Singen" — unb für einen foli^en wäre hod)
in 2ttl)en fein 23oben metir gewefen.

Sie in Selplji liegenben ©etierfprüc^e enblid) (äffen fdilie^en, ba§


fid) in Stempeln überfiaupt bergleic^en anfammelte, oermutlid) fc^enfweife,

etwa üon Seuten, welche ber ^rioatbefi| üon ßl)re§men beunrul)igt Ijatte.

^n ber golge§eit ift immer l)ie unb ba neben allen anbern $ßor§ei(^en
üon foldien ©prüd^en bie Siebe, weld^e üon ben ©riechen ernft genommen
werben. £r)fopl)ron§ 5^affanbra (au§ ber 3eit be§ polemäog ^^ilabelpl)o§)
Witt wol)l nur eine Sid^tung fein, beweift aber (bur(^ ben für un§ faum
begreifli(^en (Srfolg beg Sßerfes) bod^ einen oerbreiteten ©efd^mad für
ba§ bunfel ^ropl)etifc^e. 3lu§ h^m 3lnfang be§ IL 3al)rl;unbertg o. 6l)r.

muffen bann bie SBei^fagungen ftammen, weld)e in ben 2)firabilien be§

^l;legon erl)alten finb. Siefeiben werben nid^t mel)r bem Safil, :2ino»

ober ajlufäog §ugefd)rieben, fonbern abfurben gefpenftifdien ^nbioibuen

1) (gurip. ^:pieiftf;eneg, fragm. 8. |


-')
?ßlut. Spf. 25. 26.
324 ®ie ©rfunbung ber 3wf»"ft-

a\\§> jener 3^^^ i" '^^'n 9)iunb gelegt, mit naiver 33e3iel)ung auf bie kämpfe
ber 2letoIier unb auf bie 3luöficl)ten be§ £önig§ 2lntiod)o§ in bem fdE)on

^alh oerlorenen i^ampfe gegen 9iom, bi§ jule^t ein n)al;nfinnig geraorbener
9?ömer ^^opIioS Cpubliuio) ba§ 2Bort abroeififelnb in ^srofa unb in

^ej:ametern ergreift, um feiner ©tabt ben Untergang ju roeisjfagen.

2öorauf mitlen im §eere ein roter äßolf erfd}eint unb iEin üor aller

2lugen fri§t, au^Sgenommen ben ^opf, biefer aber propt)ejeit bann weiter.

©0 abgefrfjmacf't bie ßinfteibung ift, fo wenig barf man bod) beämeifeln,

ha^ füld)e ©prüd)e bamal§ erfonnen unb geltenb gemai^t mürben, um


bie ©timmung gegen dlom ju erbittern. 9iun mag man erraten, mie
üieleg von biefer ©attung raätjrenb ber roeitern ilriege 9?om§ in §ella§

unb in hin Siabodienlänbern noc^ fann p ^age geförbert roorben fein,

^n biefen an äSei^fagung uon jet;er fo fruchtbaren ©egenben fonnte ber

(Etiresmo» batc ©efä§ raerben für bie ©ebanten be§ 3:'oren mie be^o

SSeifen, be§ ©auner^ mie be§ fromm unb Ijeimatlic^ ©efinnten, be§

j^einbeic ber 9iömer mie beSfenigen, ber i!)nen eine beftimmte ^anblung§=
roeife einzugeben raünfc^te. 3ll!S 2(uguftu§ bo§ Oberpontififat übernaljm^),

befd)toB er biefem Slnbrang ein (Snbe gu marf)en; wai^ bamal§ beim


'^ublifum oon griect)ifcf)en unb Iateinifd)en 9Beigfagebüd)ern im 5lur§ mar,
adeS anonpm ober oon „ungeeigneten" 9lutoren, lie^ er oon allzn ©eiten
£)er fammeln, über groeitaufenb ©tüd, unb oerbrennen; blofi bie ©ibpüinen
behielt er bei, unb and) biefe nur in einer 3lu§roaf)l; fie famen in ben
prädjtigen Xempel be§ 3lpo(Io '^satatinuS, unb jroar in jmei uergolbete

33et;älter unterljalb ber ^afiiS bes? Xempelbilbe^. 2lllein bie '^>Ijantafie

ber Dftoölfer feinet 9fieid)e^, bie nun einmal fruchtbar mar au ©d)idfal§=
fprüd)en, mirb ber ,<Qerr ber SBett nid)t baben bänbigen fönnen. '^tod)

^Uutard) ^) f(agt über ba!§ ©efinbet, roelc^e^ bei ben Xempeln ber grofien
3Jiutter unb bei§ ©erapi§ lungere unb entroeber frifdjmeg, ober nad^bem

fie i)aUn ßofe jieEien laffen, au§ gemiffen ©diriftftüden ben ©flauen unb
ben SBeibern (Sf)re^men oortrage unb bieio ^sublihim mit bem iljetrum
unb ben tjod^tönenbcn 2(u§brüdeu (jinreifse, fo baf? babei hk ganje '^'ocfie

in lllitfd)ulb unb 2)iitleibcnfd)aft gerate. 2luf5erbem mag jenem 3hilobafc

gar oieleS entzogen morben fein, uamentlicb bie moljl (ängft oorbanbenen

fingierten ©ibpUineit, unb gerabe an biefen murbc unter ben .Üaifcvu

') ©ueton, Dctnu. 31. |


^) ^Maxd), de l'ytli. ovncc. 25.
SDic ©rfunbiing ber 3u!imft. 325

üoit bell oerfdjiebenften ©eilen, jule^t and) oon ^uben unb 6t)riften,

mcitergebidjtet bi^ ba» umfangreid;e 2)epol'{tum beifammen war, töelc^eä

man je|t bie ^[eubofibpQinen nennt. 33on ben ecEjten glaubte man im
XIII. 3aljrJ)unbert, biefelben lägen im Sateran üerroatjrt, unb mu^te
©tücfe barauS ju jitieren^).
9)iit ©Ottern unb Sieügion Ijatten im ©runbe bie 6f)re§men roeniger
in '^erbinbung geftonben aU atte anbere 9)kntif. SBenn man in ber ^olge
33a!i§, Sino§, hk SibpIIinen u. f. m. mit 3?«^ unb ^IpoHon jufammeu»
6rad)te, fo mar hk§> nur eine Sogi! ber ©pätmi;ti) otogen.

SSom SBefen ber grierfiifc^en Drafel ift fc^on be^fialb nid)t Ieid)t

p fpredien, roeil ba§ bei weitem befanntefte berfelben, 2)elpi)i, eine in

jeber 33e§iet)ung ganj abnorme 2lu§bilbung erreicht Ijat. 33ei fe^r oielen

9iad)ric^ten über bie betpt)if(^e 2öei§fagung fann man im B^^^if^^ bleiben,

Toie raeit bamit für bie Drafel überljaupt gu ej:emplieren fei. 31^^^"^

ober mar S)e[pt)i in feiner Slüteseit ein t)öd)ft eigentümlid)e§ SebenSorgan

ber grie(^ifd)en 9iation gemorben, b. t). e§ mirfte fo fe£)r auf biefelbe

unb empfing üon it;r folc^e 'Jtüdiuirfungen, ha^ beibe ba§ (Sine ofine bag
2tnbere faum gu benfen finb. 2)em 33etradjtenben fdjeint e§ balb metjr,

ba^ geiftige Duellen üom ^arnap nieberftrömen auf ganj ^eHae ^inab,
balb mel)r, ha^ 3Bellenfd)läge be§ gried)ifd)en ©eifte^ oon 5lüften unb
S^älern emporbringen biio an ha§> ^elägebirge mit bem boppelten §aupt.
9Hc^t nur ^aben bie ^-ragen ber ©riedien au^^ biefem Örafel erft mit ber
3eit gemad^t, voa§ e» jum Unterfdjieb üon ben anbetn Orateln rourbe,
fonbern alie^, raa^ bie 9iation fonft nod) auf ba§ ftärffte bewegte, Ijat

fie um biefeS Heiligtum uerfammelt: iljre üBettfämpfe, il)r 2)enfen,

iljre ^oefie unb i^re l)olie i^unft in ©eftalt oon 2Beil)gefc^enfen, raie

fie anberäroo faum roieber fo beifammen waren ^). Unb bieg alle§

au^ freiem 2(ntriebe, inbem bie allgemeine ^^Ijantafie oon felbfi in biefen

©d^roung geraten mar: fie poftulierte il)r ®elpl)i unb erbielt e§ roirflid^.

3^eben biefer riefigen ®rf(^einung mu^ nun bennod) ermittelt werben,


toaö Drafel überhaupt waren. 5i>or allem wirb gu oerjidjtcn fein auf

') ^uillarb^Sre^olIeg, in bev SSorrebe ou^Sgelöfd^t unb reine§ {^-euer gef;olt oon
jum Chronicon Placentinum p. XXXVI. 2)elpf)t, „bem gemeinfamen ijt^rb". "piut.

-) yiadi bem 'ißerferfriecje rairb überall Slriftib. 20.


bivl von ben Sarbaren uerunreiniiite Jeuer
326 Sie ©rfunbung ber 3uf"ttft«

ba§ f)errfd)enbe ©ebanfenbilb, luonad) biej'elben lauter ^ünftige^ geroei§=

fagt l^ätten, benn ^ufunft unb aSeigfagungen raaren nur eine üon ibren
2teu^erungen unb raeber bie [)äufigfte nod) bie luicfitigftc nod) aud) moi)i

bie urfprünglidie.

^ebeutung^DoHerraeife wirb &äa all urfprünglirfie ^errin bei OxaM§r


oon ©elp^i genannt, fie ift aud; fonft hk Urpropl^etin unb weilfagt
fd)on bem ^^ronol unb bem S^u^- SSielteii^t Ijatte ja bie griec^tfc^e

3telig{on einft (je nac^ ©egenben) eine ^nt, ha fid^ für fie in jroei

SBellen ober SJiädjte fdjieb, wa§> bem 3letl)er eigen mar, roie bie ^immell=
lichter unb alle! 3}Zeteorifc^e, unb wa§> bie @rbe oon Gräften barg, unb
bamalg !ann e§ f(^on Drafel gegeben f)aben, unb fie geprten ber (Srbe

an. (Sin^elne ©tätten »errieten eine ganj befonbere 9uii)e unb ^irfung
einer auBermenfc^lid}en 5^raft: fc^öne unb inäd)tige Cuellen, i^olilen unb
geroiffe ©rbfpalten. 2)er eigentümlidie ^auä) unb ®uft'), meldten etroa

bie na^en Wirten ^ier p fpüren glaubten, brachte fie bilroeilen au^er
fid^, unb eine ber altertümlic^ften 9iadjrid)ten, meldie auf uuic gefommeu
finb, möchte bie uon ber ^öt;le ber fp^ragitifdien 9h)mpl}en am £itl;äron -)

fein. „2)arin mar einft ein 3}canteiou, unb üiele (Eingeborene mürben
Daoon befeffen, unb man nannte foId)e oon ben 9tt)mpl)en ergriffen",

^ier ift nod^ nic^t oon einer 33efragung bie 9?ebe; ein getjeimnilooüer

^aud; bei (Siementarifd^en, ber Diatur ergreift einftireilen ben 3iat;enbeiu


S)a^ bie Offenbarung urfprünglic^ aul ber (S'rbe emporfomme, ift nod^

in ber ©age bei 2ImpE)iaraol miber SBiEen oerfinnbilbüdjt : bal Drafel


entftetjt an ber ©teüe, mo bie oon ^^n5^ 23li^ftra^l gefpaltene Grbe beu
©e^er famt SBagenlenfer unb 9?offen oerfdjiungen ober „geborgen" I)at,

er muB unterirbifd; roerben, um tjinfort ^JBeilfagungen gu fpenben ').

2l[(e fonftige ^JJantif ift oom Ort unabljängig unb begleitet ben
2Jienfc^en, bal Crafel bagegen ift ein Ort, melier fic^ all mantifd) ju

erfennen gibt, ein Heiligtum, roeldiel feine ©teüe felber gemäljlt I;at.

') nytvjunra, ärfioi, ttva&vfxiäßtic, ein ©ntfc^eib abgciuonnen, je nnd^ bem


^lutard^, de defectu oracul. 46. fie fid) gegen ben ^ineingeiuocfenen Sßeil)*

"; ^lut. 2lri[tib. 11. — 2tuc^ bie.'oirten raud) uerl^ielten. 2)io (£aff. XLI, 45,
»on Äelp^i finb anfänglich von ben ©rb^ ") ^IpoQobor III, 6, 8. — %nx ^bai

bmnpfenbegciftcrt, ivi^Ku. luorbcn ^aufan. untcrirbifd^e Crafel beö Sropl^onioö bei

X, 5, 3. —
2)cn auö ber Grbc fdjiagenbeu Sebabea ift gänjlid) auf bie bcfanntc
flammen beim iQt;rifc^en '^Ipollüuia luurbc Sd}i(berung bei ^'aufania»5 ju öcrroeifen.
Sie d-rfunbung ber ^ufunft. 327

<g§ Tüirb bann gefolgt fein bie ©infriebung ober Ueberbauung, um ben

Ort 3U )id)txn, unb if)m and) öufeerlicf) eine mei^eoofle ©eftalt ju oer»

Ieif)en. ?^eriier mirb 311 ben begetftert 3(uf5erftdjgebrQc^ten ein 2lu§beuter

beffen, ma§ fie tun unb äußern, fid) ijinsufinben, unb wie ber dianm ein

Tempel, fo mag biefer ein ^riefter biefe§ 2:^empel§ geroorben fein ;


ja e§

(iefee fid) fragen, ob bei ben ©riechen, ba [ie felber Dpferer moren, über*
t)aupt je ^sriefter entftanben mären, menn nic^t bie Crafelbeutung fie

nertangt i)ätte^)? S)ie ©tätte roirb nun ein „©nabenort", meld)er Don
nalje unb ferne bie £)offnung§reid^en raie bie forgenooHen (Sterblid)en an
fic^ 3iel)t unb iijuen für roic^tige ?3^ragen offer 2trt Sefdjeib ju oerfpredjen

fc^eint. Unb menn raabre SBadfa^rten gu geroiffen 3:^empeln entfte!)en,

fo bliebe wieberum bie %xaa,Q, ob bie Opfer unb 2!?ettfämpfe, ber 2)?arft
unb ber geftjubel bieg oon 3(nfang an ^eroorgebrac^t I;aben mürben, unb
ob nidjt ber erfte ©runb jur 2BaIIfaf;rt ein Orafet mar. 9Jian barf

nic^t oergeffen, ba§ ba§ geroaltige Cl^mpia aU Orafelftätte be§ 3^^'


begonnen ^at: „al§ ba^ 3}Zanteion einging, behauptete fid) bann bennodö
ber dlü^m be§ .§eiligtum3, unb e§ gemann ©ebeitjen burdi ba§ '^<i)t unb
ben 3(gon^)". 2luc^ bie 3tmpi)iftponien mären rool)( faum entftanben blofe

um eineg Tempels miflen, unb märe er nod; fo reid) unb präd)tig unb
fein ^empelbienft nod^ fo f eierli(^ gemefen ; oielmeljr finb biefe jum 3^eit

uralten i^ereine griediifc^er Stämme unb (Staaten am eljeften gu üerftel)en

al§ ©djutibünbniffe, roeli-^e bie 3iigönglic^feit unb Dteutralität mic^tiger

Drafelftätten fid^erten; ber ^silger foUte nii^t beraubt, bie feierliche (Staats«

gefanbtfdiaft nic^t gel;inbert roerben. i^ebenfall» maren 3)elpl)i, Dndjefto^


unb S)eIo!?, vcitiä)^ ben ©c^u^ il)rer 2lmpl)iftijonien genoffen, jugleic^ ht-

rühmte alte Drafelftätten, unb aud^ bie Tempel beio SlpoÜon ju 9lrgo§
unb be§ ^ofeibon 3U Äalauria merben mol)l il;re (Sdiu^oereine urfprüug^
•Ud) Drafeln üerbanft liaben. Sünbniffe ber Urgeit ftiften nic^t erft il)r

6)efamtl)eiligtum (roie in ber j^olge 3. S. bie Monier in ^leinafien taten),

fonbern fie entfteljen roegen be^felben unb für ba^felbe, aber oermutlid^

^) Somit foH nidjt ojeteugnet fein, ba^ altera eine Crafelftätte ber &äa gcirefen
in ber Jo'S^/ &ßi einem um[tänblic|er ge= roar, ^aufan. V, 14, 8. 2ruc^ bie tft^*

roorbenen Ritual bie "ipriefter fd^on um ber mifcfien Spiele fcf;tofjen ficf) an ben Sienft
Dpfer uiillcn roünfc^bar itmrben. be§ „in ber (Srbc (geborgenen" ^alämon an,
-) 8trabo VIIT, p. 353. — üüt^erbem j
unb f)ier barf man ebeni'o eine rcidjtige
mu^te man, ba^ bag 0aion ebenba cor |
alt^ Drafelftätte üorau^feUen.
328 2^ie Grfunbung ber 3ufunft.

nur an§> einem fel;r inärf)tigen ©runbe. 2öelc^cr aber fönnte bieg et;er

geroefen fein, a(§ ba^ ber 6ott \iä) nid^t blofe mit Opfern feiern lieB,

fonbern 33ef(^eibe gab, uncfjtigere unb Ijö^er üerel^rte ai^ alle übrigen
Drafel in ber ©egenb?
9Zun ftammen unfere 9(uf5eicf)nungen erft au^S S'^iUn, ba eine be»

fi-^ränfte ^a^l berüljniter Crafel bie Stufmerffamfeit faft adein auf fid)

sogen ^). 3n ^^^ Si^ü^ö^'t Ijat e§ i()rer feljr üiel meljrere gegeben, unb
fc^on 93öotien allein mar bamit fo reicijüd) nerfelien, ba^ e» ba» „r>iel=

ftimmige" bie^^). dlod) bei ©trabo ift e§ beinatje Sprac^gebraudi, ftatt

'Stempel überhaupt 9}lanteion gU fagen, a(§ märe einft beibeg ba^felbe go=^

roefen. S^nf? mit ber ©ntoölferung ©ried}entanbl feit ber 3^iabo(^en3eit

bie meiften noc^ uorf)anbenen Orafei roegftarben, erflärt fic^ oon felbft;

aber and) fd)on uiel früljer, tu ber fogen. 33Iüte3eit, roirb ha§: ©ingel^en

biefer unb jener ^rageflätte crroöf)nt. '^a§ no(^ bi§ 3U ben ^erferfriegen
f)oc^angefe()ene Drafel be§ 3tpotton beim böotif(|en S:egi)ra mar !urj üor

^e(opiba§ eingegangen^), ba§jenige be'S Xeirefia§ in Drd)omeno§ erlofd)

bei einer großen ^eft*), unb aud) in betreff anberer, M ber 3eitpunft

nid^t näfier angegeben roirb, läf^t fid; annefimen, baß ba§ ©rlöfdjen nicbt
erft megen ber fpätern 9)lenf(^enarmut ®ried)enlanb§ erfolgte. S)a§ §aupt*
orafel für ^TEieben, ba§ nur fünfjet)n Stabien entfernte ^toon, erlofd) feit

ber Eroberung buri^ ^Ue^-anber ^).

S)a§ äuBerlic^e @cfe^, roeld;em Orafel mie SSoHfaljrten unterliegen


fönnen, ift nämlid^ ba§ ber .^onfurrenj ^) ; aud; üon unfern ©nabenorton

be§ fpätern 9}?ittelalter§ finb me()rere erroei^lid) fe^r rafd) emporgefommen


unb ebenfo rafd) mieber in 2lbgang geraten, menn anbere aufbiübten.

Sa niemanb ein beftimmleS Orafel befudjteu mu^te, faun alInuil)Ud)

ober plöt'lid) ein tatfäd)lic^e§ ^rioilegium, ein t)0^er 9tul)nt für einzelne

biefer ©tätten eingetreten fein, unb bie ^l)antafie tat ba§ übrige. Xit

') SSergl. öag merfiuürbige 33erjeic^nig *) ^lutarc^, de def. or. 44.


einer 2lnjn£)( berfelben .perobot VIII, 134. '-) ^aiD'au. IX, 23, 3.
135. ") ©ijmbolifiert in ben ^Sagen üoni
*) //oAi'V/yoji'of bei^^tutard), dedefectu (Streit beä 2lnipf)i(od)oä nnb a)lopfoi^,

orac. 5. Stvabo XIV, ]i. 075. G76, foiuie bcä


8) ^tut. ^IJelop. 1(). Miibei-e äkt)piele aJJopfoö unb Mald)aö, Jlonon ti.

frül)en ßingeljenö ^au[an. VIII, '61, 9


(ein ^an^orafet), ^lut. Slriftib. 11 (bag

fc^on genannte am i^it^ciron).


®ie ®rlunbung ber ^ufunft. 329

©ott^eit be§ DrafetfS unb ii)xt Ijöljern Organe, bie ^rop^eten, '^^sromontet^,
ober wie [ie Ijie^en, mögen Ijiebei nur getan Ijaben, toa§ iljnen jufam;
wenn fic^ aber bereite eine Drtfc^aft, ein @efd)äft um ba§ Heiligtum
angefe^t ^atte, fo fonnte fid) bei hm bortigen Krämern unb Svüftern eine

9Jtalice gegen ben nädjften i^onfurrenten bitben. 3lu» einer folcfien

Duelle fd;eint ber 3)h)t[;ua gu ftammen, roelc^er in beut Ijomerifdjen

^t)mnu§ auf 3IpoIIon erl^alten ift ^). ^er ©olt — fo IjieB e§> raoljl

in ®elp{)i bei beuten jener 2lrt — ptte fönnen feine (Statte aud;

anber»mo fudjen; er oerljanbelt mit ber DueUgöttin J^etpljufa (bei

^aliartoS); biefe aber, nad)bem er bereite j^unbamente {&i^ilia) gelegt

t)atte, oerleibet if)m \>m Ort raegen be§ SärmS üon 3Bagen unb Stoffen,

b. Ij. rool)l wegen eines großen 3tgon§, ber bereits beim Oueütempet
entftanben mar; fie will, ba^ djr felber aller 9iuJ)m auf ©rben gu teil

werbe; 2lpolIon jebod) räd)t \\6) in ber ^yolge, inbem er it)r bie OueHen
burc^ einen j^^elsfturj oerfperrt; baS 3^^(^^'^ feines Xriumpl;eS an Ort
unb ©teile ift bann ber Slltar, ben er fid) felber gebaut als 2lpolIon

^elpljufioS.

(Sinftweiten werben immertjin a\xd) neben ben ruljmuollften ^^rage^

ftätten nod) eine 9Jienge fleinerer ft(^ oiele i^a^rl^unberte l)inburd} be=

f)auptet {)aben, oline ba§ wir baoon l)ören; mand^e ^ragenbe gogen woljl
unter allen Umftänben f($on baS näc^fte Orafel oor, auS 3lrmut, aus
Ungebulb, auS alter ©ewölinung il)reS OrteS ober il)rer ^yamilie; oft

ging man auc^ oon einem Ora!el §um anbern unb war frolj, überljaupt

eine 2luSwal)l p Ijaben. @in befonbereS ©eitenlid^t fäüt jeboc^ auf biefe

ganje 6a($e, fobalb man fic^ baS S^erliältniS ber Orafel gur gtiedjifdjen
^^oliS unb il)ren l^ebenSbebingungen fo beutlid), als eS bei unfern ilunben
möglid) ift, oorftellt.

SluS ber Urzeit, ja oielleic^t oon einer 33eüölferung tjer, bie noc^

feine griedjifc^e war, ()atten fid; nacb unferer $8ermutung bie OraM er=

t)alten unb waren junädjft gegenüber oon feber griediifdien ©taatsbilbung


baS ^rül)ere, S^orgefunbene. fortan mögen bann bie otammeStönige,
bie ^errfc^aften ber ©beln, bie 2:^ijrannen unb enblid) bie beginnenben
Semofratien fid) gu ben Ora!eln oerfdiieben üerl;alten l)aben; in ber

§auptfad)e aber blieb fid) bie ^oliS gleid): fie tonnte biefe auswärtige

^) §omer Hymn. Apoll. 243 ff.


— 35ergl. 375.
330 ®iß ®r!unbung ber Su^wnft-

2lnbac^t') roeber feI6er entbeJiren no($ i()rcn 33ürgern verbieten. ^i)xt

gonge (Btaai§' unb ©tnbtreligion, forool)! ber ilultu§ ber i^auptfd^u^--

gottf;eit nl§ ber ber übrigen 3:'eiiipe(, mar im ©rnnbe mit nQem %io\t
am @nbe, fobalb ein S^rieg mit einer anbern '>poIig im ©ange mar, meicfie

ebenfalls itjre ©d;u^gott{)eit unb iljre fonftigen ^Tempel I)atte, nnb and)

bei ^i\t unb anbern ilatamitäten mufete man ftd; nac^ einem §eil um»
feljen fönnen, roeld)e§ au^erljalb ber 3)iauern lag unb meiftenl (roie ba§

Unl;eil felbft) einer meitern ©trede, ja bem ganjen 3]o(fe entfprac^. ß:-in

3roeite§ war, ba^ fid; im Innern biefer Stabtreügionen, bo jeber ^riefter

nur für feinen Tempel 33efc^eib mufste unb niemanb für ba§ (Sanje, bi^»

roeilen gro^e 9tatIofigfeit einfteUte beim Umfidjgreifen ber %m<i)t üor

©ötterjorn; fobann fonnte bo§ ^Jiitual irgenb einejo Kultur uerloren ge=

gangen fein, wenn etwa bie SBiffenben rafi^ megftarben, fei e§ burc^ Ärieg,

^'eft ober mörberifdje Unrutjen, unb auc^ in biefem gaU roirb eine 9lnfrage

bei einem @ott am ebeften gef)oIfen Ijaben. Unb nun geraäbrten bie Drafel,

jumal 3)elpt)i, roa§ fo unbefdireiblid) uiel mert mar: bie l^o^fpannung


ber ©emüter, meift nid)t bur($ 2öeii§fogung, fonbern buri^ ^ilnorbnung

einer neuen 2lnbad)t ober ^erftellung einer alten. ©§ genügte ja, bafe

man glaubte, ein ©ott liabe gefprod)en; einträchtige 33efd)lüffe fonnten

je^t gefaxt, bie geföl)rlid)en .S^i^^Jt überbauert werben. @rft bie ooHenbete

Semofratie, meldte aUe» in iljrer ^isolfSoerfammlung unb in ^iirje 5U ent==

fdjeiben liebte, überging nad) Gräften bie Drafel unb naljm fie nur in

2tnfprud), roeun bie noc^ altöäterifdie ©timmung be§ 33olfe§ bie§ ratfam

erfclieinen lief3. ^n foldjen Staaten treten an bie ©teile oon ^sor^eicben


unb ©ötterbefragung bie ©ier, ber ^a'^ unb bie gurd)t ber ©treber unb

ber 9)Zaffen unb ba§ allgemeine S)ur(^einanberfd)reien, unb am ©übe gibt

erft red;t irgenb ein momentaner 2lberglaube ben roenigftenä prooiforifdien

@ntfcf)eib.

Sie allgemeinen ^^Ijänomene be§ Crafelroefen^S muffen au§ einer

bunten 2]ielljeit oon SluSfagen ermittelt roerben, bie meift et)er jeben an^

bem Bw'ß^ liaben, al§ ben, bie 9{ad)roelt über bie §auptfad)e aufsuflären.

3unä(^ft ift 3u erroägen, ba^ an einer fo aufregenben Badjt, wie bie

Orafelbefragung mar, unoermeiblid) bie ^^antafie weiter fann, fowobl

') Gä mocf)te erroiinfdit fein, ein an; [


I)aben; fo c?el)örteba§ "^Uconben^ljcliancrn.
gcfef)cneä Cralcl im eigenen Gebiete 511 |
.'öcrobot VJII, 138.
3)ic ©rfimbung ber 3uhmft. 331

Bei ben ^ragenbcii a[§> bei ben Gefragten, and) muffen nur barauf gefnfst

fein, ha^ bog ©riedjenüol! feinen Orafeln ©prüdje gerabeju anbidjtete,


fobalb e§ einmal im %i\x^ be^ ©rjälileng mar. Sie Erinnerungen be§
©nobenorteg felbcr mürben gu einem mel)r ober roeniger umftänblid)en

Wa)Ü)u§, meieren bie ^i(ger merben erfaljren unb weiter erjäljlt Ijaben ').

Heber 2)elpt)i finb SergeSlaften üon Slntiquitäten Qufgefd)üttet, roeldie mit


ben Urmijtljen über baS Orafel felbft beginnen unb bann ben gangen
§eroenmi;t(ju§ unb bie ganje alte griec^ifd^e ©efd}id)te Ijier ©infeljr tjalten

laffen, um fid} roeiterl;in in 5^unben aller 2Irt über ben ^ultug be§ Drafet'
tempelg unb ber l;eiligen ©tätten ringsum, über ba§ 3^^ß"^o^^^tt ii^"^

gang befonberg über bie mufifdfien unb gi)mnifd)en Slgone, bie berütimten

^t)tf)ien, 5u oerlaufen. SBeldjer innere Hergang in ben ©emütern mar


aber einft nötig, bi^o ®elpt)i „ber 9iabel ber @rbe" l)ie^, foraie Ogijgia,

bie ^nfet ber ^alijpfo, ber „3iabel be§ 9)Jeere§"?-) unb bi§ bie beiben

2lbler be§ ^n[§, ber üon Dften unb ber von SBeften (be§ 2Bettranbe§)

l^ier jufammentraf en ? 2Bir merben t§> nie erfaiiren.

2)ie Slrt be^o 33efd)eibe§ mar bei ben einzelnen Crafeln eine feljr üer^^

fdjiebene, unb jebe^ berfelben rairb fein ^serfonal felber gebilbet ^ahtn.

2)er Unterfdjieb graifdien 3ßi^f^ora!eln unb ©pruc^orafeln ift nic^t fo

bebeutenb, a(» man benfen fottte, inbem beibe Gattungen ber 2tu§beutung
burdj irgenb roeldie ßrflärer nid)t entbehren fonnten. 2)a§ 9kufd)en ber

l;eiligen ©id)e ^), ber Sllang be^ eljernen 33eden§ u. f. m. in 2)obona, ber
tönenbe Sorbeer in 2)eIo§ unb anberfeits bie SBorte, TOeId)e ju S)elpl)i

bie ^i;t[jia au§flie§, finb unartifulierte 2ank, meld)e gleidinui^ig ber

S)eutung bebürfen. i^n Otpmpia unb im Tempel be§ Slpodon 3f"i^tüo§


ju %i)zhm mürbe au§> ben Opfern, b. i). an§> bem ^erljalten ber Opfer-

flamme unb Dpferafd^e ber Sefd;eib entnommen*), fo ba^ fic^ ^ier bie

') ^n bem merfinürbigen Tlr)il)u^ beä fügte 3(tl)ene in ben 33orberteiI ber 2lrgo,
Sibijmäon^ uon ffllilet (Äonon 33. 44, bei nnb biefeS „tönte" — aber erft laut ber

2Be[termQnn,Mythogr.) [jerrfd^t bie 5(bftc^t, gemi^ fpäten ©rfinbnng bei 2lpoIIobor I,


bag bortige Drafel burd^ eine eigentümliche 9, 16.

3lffiIialion com belpl)iirf)en abjuleiten. ') ^erobot VIII, 134. — Sßon ben=
") ^t)tin§ bilbete fid^ ein, hcn Tiatel jenigen Stempeln, in rceldjen 2ofe unb
beö ^eloponnes innerljalb feiner iliattern 2ßürfe( befragt rourben, menn man bie=

ju befit^cn. ^aufan. II. 13, 7. ;


felben rciü a(§ Drafclftätten gelten laffen,
^) Gin Stücf |)0lj Don bicfer Gid^e [ ift fdpn oben (©. 291 f.) bie 3icbe gercefen.
332 S^ie ©rhmbung ber 3»fiiiift-

Ciafel mit bem üblichen G)e)c^üfte be^S Opt«i"nia"ti§ berühren. Sie 2)eu=
tung lüitrbe in 2)obona huiä) greife (grauen (bie ^^icleiabeu) erteilt, anber§-

lüo biircf) SRänuer, einen ober me{)rere, meldte ^sriefter, ^^ropl)eten, '^'ro'

manteiÄ \) l^ei^en. 3)iQn barf fid) biefe Seute aU felber uöüig gläubig,

ja als ber ©fftafe fällig üorftellen; fie ftanben niot)l im gansen nid)t f)od)

über hin j^^ragenben, aber fie üerftonben biefelben. 9Sir emvfinben einiget

!©iberftreben , une^ biefe 2)inge gar ju genau uorfteHig ju mad)en, aU


eine „^^serbinbung 3n)ifd;en Xljeopneuftie unb refleftierenber Slu^Iegung,"

at§ „'2>eiSfagung unter 2luffid)t prieftertid)er ilollegien" (^reüer), unb


menn biel aud) bei S)elp^i gelten foHte, mirb e§ fid) auber-3mo auf uer*

fcf)iebeue 3Seifen ucrtjalten Ijaben, bei iüeld)cn un^ ilunbe unb ilsorftellung

gleidjmäßig im Stidie laffen. ^n ber (jomcrif dien ,^i\t Ijatteu in 2)üboua

bie „SeÜeu" gemeiSfagt, „mit ungeuiafd)enen ^-ü§en auf ber Grbe liegenb,"

uia^i man auf Scblafenbe beuten fann, meldjen ber 33efd)eib auf ha^) @e=>

fragte im 2:raum ju teil mirb ^) ; fie fönuen aber audi mie bie norbafia=

tifc^en S^amauen liegenb im SBadieu bie Grbe befragt l)aben, meldte ja

bie allgemeine ^errin ber Drafel ift. 3Öaren fie eine .Korporation? eine

gamilie? ein Stamm? Sei bem SiomjfoSorafel ber ©atren^) im frei

gebliebenen tljrafifdien 2Balbgebirge maren el bie gu i^nen als S^eit ge«

f)örenben „^Beffen", meiere ben gragenben S3efd)eib erteilten: bie oprüdie

felbft aber gab bie '^^eiSfagepriefterin (']^romauti») mic in 2)elp^i, unb


nid)ts roar „feiner" ''). — Ser gragenbe brachte feine Sai^e meift münb»
lid) üor, boc^ roenigftenS in Sobona fpäter nur fdiriftlid), inbem er fein

Slnliegen auf eine Sleitafel fdirieb; aud) unter ben 3lntmorten gab eo

l;ier fc^riftUdie, ebenfaÜÄ auf 93Ieitäfeld)en , unb oon beiben (Gattungen


finb in ben bortigen Diuinen meld)e gefunben roorben^). -)tod; anbere

^ragearten tommen uor: jur ^ät ber Slleuaben fanbten bie Tt;effalier,

um roegen ber ^errfdjerfolge ju fragen, i^oljuen {(rftvxiovg) mit ben

') Ueber bte[e ^ilfäperfonen 6. jjr. ©atren feien, fagt §erobot nid^t au^brüdflt*.
iöermann, ftottesbienftl. 3(110:1. § 40. *) 'i!(nber§ivo unrb ber 53e|"cl^eib einer
-') So GuftalI)io2i, laut G. gr. öer; ^romanti'5 foforl uon brei 3c»a>-'» iuicf)=

manu a. a. C. § 39, 18. 9efd)rte6en, .'öcrobot VIU, 135. — ^lu-j

^) ^erobot VII, 111. bem Dratcl oon Sebabea bringt um 100


*) So überfeftt ©c^öU TioixiXiörtQnv D. Gljr. ein gciuiffer Gitt^djibcS eine Grj«

— tuäre nic^t „vielbeutiiu'r" ba§ JUcfttiflc? tafcl mit, bereu '^wHM fiel) auf römifc^c
2tuc^ bajj bie a3ei'jeu ein „Stamm" ber Singe bcjog. :Jul. CbfequcnS.
-Tic Grfunbitng ber 3uf"nft. 333

Dramen ber möglichen ::)iad)fo(ger nad) ^elp^i: '^Ujtljia f)atte eine botjon

gu roä()(en, unb ber (Ernannte ga(t a(§ „oon bem ©ott" ernannt ^). 2lber

aurf) bn§ war ntdit uuerfjört, ha^ Sßxjtijia no(^ ungefragt einen fofortigen

Gntfdjeib gab, benn, fagte ein fi-^öner alter )Stx§>, ber ®ott, roeldiem fie

bient, cerfte^t auc^ ben (Stummen unb Ijört ben, roeWjer nid^t rebet-).

2)ian fom ju ben Crafeln entroeber ou§ unmittelbarem Slntrieb,

ober meit mau bereits ein 3^^'^)^^ empfangen t)atte, beffeu S)eutung burrf)

bie ©ottljeit genninfrfit TOurbe. ^m f)omerif(i)en ^t)mnu§ auf ^erme§


(541 ff.) ift biefer [entere ^ad wie felbftüerftänblic^ üorauSgefe^t; 2tpo(Ion

erflärt fogar, adee Ijänge baöou ah, ob einer auf gültigen ober auf eiteln
SSögelflug ^tn „fomme", b. l). bei einem feiner Crafel oorfprec^e; motle
einer ber le^tern Slrt töric^terma^en feine, bes @otte§ Offenbarung er=

funben unb mebr roiffen ali bie eroigen ©ötter, bann fei beffeu Steife

oergeblic^, „bie @efd)enfe aber net)me id) boc^". J}iefe bebenflic^e Siebe,

roe(d)e geroi^ nid)t ber oorljerrfdjenben Ueberjeugung entfpric^t, mag paf=

fteren in einer fo E)oc^ t)umoriftifcben ^id^tung, roie jener ^i)muut>, ha§:

Sriumpl;Iieb aller 3d}elmerei übertjaupt, in roelc^em 2lpolIon feines

33rüberd)en§ einigermaßen roürbig erfdieinen mu^. Sind) in einem :i>er§

beS (Sopljofle» ^) roirb ber möglid^e ßrfolg ber Befragung oon bem
^rogenben abhängig gemacht; aber Ijier: je nac^bem berfelbe roeife ober
törtd)t fei.

2^ie S3ef(^eibe roerben nun ben öauptauffd)lu§ barüber geben muffen,


wa§> bie Crafel eigentlich roaren. S)ie offenbarenbe ^raft ift bie ber ©ott'

Eieit, roeld^er ber betreff enbe ßnabenort gel^ört; §ier roenigftenÄ oerbanft
man bie ©rfunbung ber B^^^iiJUt wie febe anbere SSeifung entfd^ieben

einem götttidien SBefen, ^ie unb ba aud) einem ^ero«. STvoä dou 3ii^sifeln

unb rationaliftifd^en ßrflärungen im 2Iltertum oorfommt, ftammt nirgenbg


au§ bem 2.^o[fsglauben, fonbern ou'o p^ilofopl^ifc^en Spftemen unb ebenfo
bie lange 2Iu§einanberfe^ung in ^Nlutarc^§ ©d^rift „oon ber 3lbna[)me
ber Dra!el", roo biefelben nid)t ben ©Ottern, fonbern ben 5)ämonen al§
eigentUdien Urbebern 5ugeroiefen roerben. 2luf biefe ^been finb bann auc^
bie llirdienDäter eingegangen; fie leugneten nidjt bie Crafel, fdörieben fie

aber bem Teufel ju.

') ^lularc^, de fraterno amore 21. j ') 3ital bei ^lutarc^, de P\-th. or.
*) 5piutarc^, de garrulitate 20. 25.
334 Sie Griunbung bcr 3"f"nf^-

!J)ie Drafel finb üor allem bav Unbefo()lene mtb bvängen firf) mit

tl)ren SBefd^eiben md)t auf; man muB banfbar [ein, menn ber ©Ott nur

etroag offenbart. Söenn fie eine ^errfc()aft über ba§ Seben erreiditen, fo

^abcn fie boc^ nie eine fo(c^e ersmecft, wovon ber fpred)enbe Seraei» ge«

rabe für ®elpl;i 3U leiften ift: raäre bem Crafel an permanenter "iOi äff en^

;irari§ gelegen geroefen, fo mürbe man firf) nicf)t auf ©inen ^yragemonat

im ganzen ^a(;r, fpäter auf ©inen ^-ragetag im gangen 3}Jonat befd}räntt


()aben. 9luc^ in feinem ^Tempel ju ^^atara in Sijfien gab ber Oott nic^t

immer ^) 33efcE)eib, unb mir erfat)ren anberroeitig, bafe er bort nur im


ai>inter meilte, im ©ommer aber ouf ®e(oy. ^Hod) jur 5!aiferjeit mar
jene ':ßropt)etin im Stempel be§ Slpotlon ^eirabiote^ in SlrgoS ^) nur ade
a}?onate einmal bereit; ba opferte man bei 9iac!)t ein Samm, unb fobalb
fie beffen 33lut geno^, mürbe „fie uom @ott begeiftert". ^^erner fommen
bie ©efdjenfe unb 2tnatt)eme an bie ©otttieit unb nid)t etwa an ein be^

pfrünbeteg unb genie^enbeS ^srieftertum ;


freiließ, ma§> bei ben Opfern

mbznab fiel, mürbe roenigftenS auf ®elo§ unb in Selplji üon beut unter»
georbneten ^^erfonaI uergnüglid) oerfdimauft^), unb bei biefem 3(nIaB

roirb üon ber 9teputation ber :^elpl)ier überljaupt ein 'Jl'ort 3U fagen fein.

3ugang unb 3k(^barfd)aft be§ Heiligtums werben fdjou oon alten ßeiten

Ijer, pm ^eil nodj in fagenljafter 2Beife, als gefäljrlid; gefd)ilbert*);

gegen bie jeroeilige Seoölferung ber Slad^barftabt Eriffa unb il)re§ ©e=
filbeS, unterljalb SDelplji, l)atten bie 2lmpl)iftijonen fd)mere ©ji-efutionen

oertjängen muffen, bie leiste nod) am (Snbe be§ VII. 3«Örl)unbert§, meil

üon bort auÄ gegen '0a§> Heiligtum gefreoelt unb gegen bie ^^silger Sranb'
fd)a^ung geübt roorben mar. S)aneben aber oerlauten aud) fdimere J^lagen
gegen "^elplji felbft, roeldie man im roefentlid)en nid)t mirb abroeifcn

fönnen, aud) roenn babei einiger '^^'ilgeroerbruf? megen blofser Ueberteue*

rung n. f. ro. foUte mitgemirft Ijaben. G§ Ijiefs, feierliche ^^rageboten

(2;l)eoren) feien bort fd)on burc^ a}?örber umgelommen'"'), pilgern l)abc

') ^erobot I, 182. ^ie^en Äraftfuppentödjc.


-) ^aufan. II, 24, 1. <) Sergl. fcfion im 3}h)tI)uS bie ©eftatt

^) 2i5orüber umftänbHc^ 2(tf)enäug IV, beä Äyfnog.


72. 73. 3)ie 2)elier mußten ftd)« gefallen *) 2lelian V. H. III, 44. ©c^on im
iQfjen, baj} mon fie uttfjtcaiTovi; rov ^tov 3)J9t[)u8 bcr .'gintcrl}nlt ber 2)elpf)ier gegen
nannte, auc^ t/tod'rr«?, b. f). fo(^c, bie 9ieoptoIem. (Surip. 2[nbrom. 1085 ff.

unter bie ilurf)entifd&cfricc^cn. J^ic 3)elp{)ier


2)ie ©rfunbung ber .gu^itnf^- 335

man Ijeimlid) beim Opfern STempelfleinobien in if)re 2Bei!)rQUcI)!örbe ge^

legt, fie bann at§ S:empelräuber oer^aftet unb laut belp^ifdiem @e[e^
üerurteilt; fie würben auf ben „?^el§" gefütjrt unb 1^ inunter geftürgt ^). Sie*

felbe S^obe^art foHte aud) ber gabelbic^ter Slefop f)ier erlitten tjaben'-),

unb gmar auf einen ät)nüd)en 23ormanb {)in, morauf eine lange 9iac^e

ber ©ottljeit erfolgte^). 2l(§ üor ber figilifc^en (Sgpebition be§ ^al)xt§

415 im Stempel felbft 3iaben uon bem metallenen ^almbaum mit bem
^^aIIa§bilb bie golbenen Satteln megpflücften*), fagte man, bie§ feien

2:ü(Jen ber Selp^ier, meiere fic^ Ijiergu Ijätten oon ben ©prafufiern ge»

minnen laffen. Unb roenn auf ber attifcEien ©jene bie ©egenb um ben

^arna§^) unb cor aüem (im ;3on be§ ©uripibe^) ba§ Heiligtum felbft

auf bo§ ©län§enbfte uer^errlidit wirb, fo liegt e§ bod) nid)t aufeerljalb

be^ belptjifdien 33raudje§, ba^ man einem eingetroffenen ^eftgofte ein

a}iäb(^en 3ur näd)tli^en @efellf(^aft gibt^). 2lud) bie aJioralität üon


Selog galt faum für beffer; Selier unb 9iljenäer fdioben einanber bie

©rmorbung einer reidjen äolifc^en ^^eftgefanbtfc^aft gegenfeitig p ^). Senft


man ft(^ eine ^rageftätte mie Selp^i in '^t'üm ftarfen 33efud)e§ üon
leibenfc^aftlid)en unb fummeroollen aJJenfd^en, lueldie fid) bi^roeilen bem
Oefinbel eineS nur mangelhaft beauffid)tigten j^rembenorteg gegenüber

fa^en, fo mirb man bei biefen Silagen auf Ermittelung ber genauen XaU
beftänbe uerjic^ten. Sa§ Heiligtum felbft märe üon all biefem nod^ faum
Berührt — bi'l ^i)tl)ia felber fid) beftedien lie^.

äöir übergelien einftmeilen biefe ^äUe unb fonftatieren, ba^ bie Orafel

im großen immer a{§> roaf)rl)aftig unb all roirflidie Offenbarungen ge-


golten liaben. 3Son Selpl)t fagt ßicero'-): „9Jiöge boi^ menigftenl ba§

gelten, wa§> mir nid^t leugnen fönnen, menn mir nid)t bie ganje
©efc^id)te auf ben ^opf [teilen wollen, ba^ biefS Orafel üiele
<3a^rl)unberte entlang roalirliaftig geroefen ift." Sie allgemeine Stimmung

») 3Ielian V. H. XI, 5. ') ®unp. ^^iiniff. 226 ff.

') ^tutardt) de sera num. vindict. 12. **) (Snrip. 3on- ö54.
^) 'äuti) ha^ uaiüe ©efdfienl be§ i^röfoö ') (Sä gab l^icrüber eine 9tebe beS |)t)pe=

an bie einjelneu ®iniüoI;ner oon ©elp^i ribeS, Dcrgl. ^t^perib., ed. Slafi fragm. 73.
(jiDei ©olbftateren, §erobot I, 54) lä^t üer= ä) De divin. I, 19. — ©icerog eigene
fc^iebcne 3Sorau§fe§ungen ju. 2lnfrage in Selp^i: oTiojg uv ffdoSömrog
*) ^paufan. X, 15, 3 benit roenigftcnä ytyoiTo; — famt Slntioort ber ?ßt)tl^ia

an 3>erbrecl^er unb ®iebe. ^rut. (Sic. 5.


336 S)ie (grtuiibung ber Sufuiift.

ift in olleu ^dim huxd)an§> jugunften ber Crofel; uon allen (Seiten fiuijt

man au^S beu wenn oucf) fpäten (Srfüflungen tl;rer aSeilfagung beren

Siii^tigfeit ju Iieiueifen. Spredjenbe ^knjpiele oon biefer eifrigen 3Ibfid)t

liefert ber nic^t feltene ^att '), bn jemanbe^ (Sdjictfal an einem bcftinimten
Ort fid) Dotlgieljen fott; erfolgt bie§ aber anberSmo, fo roirb bargetan,

ba^ berfelbe 5iame einer Dertlid)feit auä) bort uorfomme. Ta^ nnb loef^»

Ifialb bie Crafel fpäter in 2lbnat)me gerieten, roirb weiter jn erörtern

fein; eine ©egnerfc^aft aber ^aUn fie im 2(ltertum nie geljabt, nnb fein

9)ienfc^ mar oerfndit, fie au^^ ßirünben ber 9ieligion ober gar ber 2Iuf=
üärnng abjnfcfiaffen. ©in ro(je§ ©ölbnerregiment mocfite im IV. ^a[)X'

finnbert bie ©cEiä^e oon Selplji für feinen ©ebraud) in ^JZünje uermanbeln,
aber einen Singriff ober gar einen 33ilberftnrm gegen bie pradjtooüe Sine»

ftattnng foldjer ©nabenorte Ijat e^ in ber Ijeibnifdien ^^^t nie gegeben.

S)ie pljilofopljifc^e Slnjroeiflnng, foiueit eine folc^e oorfam, mar e§ oottenb;?


nid^t, xoa§> i^re 2lbnal)me beroirfte.

Unferer 2lufgabe gemä^ mirb nun gnerft oon benjenigen Sefc^eiben


bie 'Jiebe fein muffen, meldie eine 3^^^^"!^ weii^fagten, obf(^on biefelbcn
meber ha§> grüljefte noc^ ooHenbs ba§ 'lsorl)errfd)enbe maren, unb bie

Slnfragen ein oiel raeitereS ©ebiet umfaßten, ^or ollem mnrbe nie um
l'enlung ber Sdiid'fale angefragt ober gebetet, inbem — nadj ber fon^

fequenten 2lnfi(^t — bie ©ötter felber ber 9)Joira Untertan unb awii —
bei ber fpäter oorauegefe^ten Steigerung ilirer ^errfd}ermad)t — faum
imftanbe ober SBiUenS gemefen mären, ben 9}ienfdjen Ijierin gefällig ju

fein. @rft bei Sncan (V, 92 ff.) ift in betreff be§ ©otteS oon ©elplji
jene Sllternatioe möglidj; sive canit fatum, seu quod jiibet ipse ca-
nendo fit fatum — ber meitem ^ypotljefen be§ 9iömer§ nid)t ju ge»

benfen. 3Inc^ „beg 3^"^ untrüglicher 9iatfd}luB", raeli^en Slpoüon in

S)elpt)i oerfünbigen foU, märe ja fdion an fid) etmal Unabänberlid)e§


gegenüber oon allen 3Bünfd)en ber ®terblid;en, aber felbft mit biefem

') ^Qiifan. VIII, 11, 6. — Üergl. bei 1 getoarnt vor '::panbo[ta unb bem ey'"f>
©uiba§ (5fficftermann, biogr., p. 364) aui {
2lc^erufioö, jie^t auö von feiner 4"'ei'"i*'

bem II. 3af)rf)unbei-t d. (II)r. ben ^aU. be§ rco beibeg oor^anben mar, unb finbet feinen
j

2)apI)ibaS, roelcf)cr ben OJolt üon 2)elpf)i


|
Untergang in Stauen bei einer anbcrn
5um heften ju ifalten glaubte unb eine \
Stabt unb einem anbcrn '^lu^ bicfe#
fdirecflidje Strafe fanb. — Sllcranbcr uon
j
9{amenei. ^\u\i\n XII, 2.

Gpirud, burcl) einen ©prucl; uon !3)obona I


Sie erfitnbung ber gufunft. 337

5iatfcf)Iu§ ift e§ eine sroeifel^afte Ba^^, unb (wie fc^on früher gefagt)
eg lüirb berfetbe im Jiomerifc^en §i)mnu§ auf SlpoUon groeimat (3S. 252
unb 292) Quontjni ermähnt mit Söeglaffung be§ 3^"^- SBa§ bie Drafel
rorauS üerfünb'geu, ift eben boct) nur äöille be§ ©d^icffnl'g, unb tooS
ben ©Ottern im beften %a\lt pgetrnut wirb, ift ba§ 33orau§roiffen biefe§
auc£) ot)ne fie oor^anbenen ©c^idfals unb bie ©eneigtfieit, ba^felbe ben
9)ienfd)en Dorau§ mitzuteilen, fei e§ burc^ S^orjeic^en ober burd^ «Sprüche

in i^ren 2^empeln. Unb jtoar tionbelt e§ fic^ meift um eine na^e ^n^
!unft unb befd)rän!te ^aufalitäten. (B§> lautet \a fel)r prächtig, menn in

ber 2lnrebe be§ 6J)eiron bei ^inbar ^) 2(poIIon gepriefen wirb al§ ber=

jenige, roelc^er aller S)inge ^ki unb ^fabe miffe unb alle§ j^rüf)ling§=

grün fenne, fo oiet bie ©rbe emporfenbe, unb allen ©anb, mel{^en in

9}iecren unb ?^Iüffen SBoge unb 2Binb bot)ertreibe, unb fc^aue ba§ llünftige,

unb oon mannen e§ !omme. ^n feurigen ©emütern, menn fie in ®elpt)i,

im 2)ibi)mäon uon Wdkt, im t£)e6anifd)en ^^menion oor ben @ott traten,

mögen fold)e @efüt)Ie red^t mo^l lebenbig geworben fein; unb bod^ ift e§

nic^t einmal fieser, ba^ bie gro§e §errfd)aft 2lpolIon§ über bie ganje
aJiantif eine befonber§ frül^e Stnfdiauung unb nid)t erft ein Steftej üon
ber ^^atfac^e geroefen, ba^ einige befonberS berülimte Ora!el fic^ in feinen

Tempeln befanben.
9hnt finb freiließ mel)rere ©d^idfaläfprüd^e ber neuern 5lriti! t)er=

böc^tig geworben al§ erft erfunben, nac^bem ba§ ©eroei^fagte gefc^etien

mar (ex eventu), ja al§> erfonnen jugleid) mit ber gongen ©age, auf
meiere fie fic^ be§iel)en-); hoä) merben manche unangefoditen bleiben, unb
baB über bie ^w^i^nft raenigftenS gefragt raurbe, mei^ man auS gu
fid^ern ^unben; auc^ finb fragen über 3wedmä^igfeit beffen, ma§ man
gu tun gefonnen ift, fd^on an fid^ ^i^'^w^ft^f^'^Ö^^^ ^)- ®tne bobonäifd)e
. 33leitaf el entplt §. 33. bie %xa%t einer ©tobt, ob ein politifd^e§ Sünbni§
mit ben 9}toloffern i^r ©i^erljeit bringen roerbe. — Sßeiter fragt e§ fid),

ob bie teils metrifc^, teils in ^rofo überlieferten 3ufunftSbef($eibe ber


frühem 3^^^ oud^ menn fie in S)elpl)i unb an anbern grogeftöttcn roirf=

1) ^inbar ^i;t^. IX, 44 (80). Don SeüöHerungen roor 3. S. tqotiov riva


-) 9tägelgbaci^, ^ad)l)ormt. Silicologie, iv&aifioyr'jGovai', ^aitfan. 1, 43, 3; jugleic^

S. 186. ein namf)afte§ öeifpiel einer fpmbolifc^ 311

^) ©ine DteHeid^t nicfit feltene g^rage beutenben aintraort (an bie 3Kegarer).
3. »urrfharbt, ©rtec^ifd^e fiulturflefc^icbte II. 22
338 2)^^ ©rfunbung ber 3"f"nft.

M) ergangen fein joüten, genau wiebergegeben ober bem aügemeinen Sofe

aller lange 3eit münblic^ gebliebeneu Ueberlieferung üerfatteu geroefeu

feien? Db nid)t 9}h;ftif uub äl>i^ ba§ il;rige (jinjugetan !)aben? 2luf'

faUenb ftub bie nieifteu baüon burc^ gefliifentlid)e SuufeU;eit, fo ba^ e§,

lüie ßucian ^) fpottet, eiue§ gTOeiten 2tpoQon beburft l;ätte, um fie §u beuten.

@in rca^reS '^in^kt in biefer Sejietiung finb g. S. bie be(pi)ifd)en 3lnt=

Worten an ©parta auf brei ?5^ragen wegen 33efi^nal;me 2lrfabien§, junäd;ft


2:egea§ '^). 2)ie erfte ift ein ©c^einoerfpred^en, basS fid) in entgegengefe^tem

©inn unb junt 3^^"^^^" ©pcii'ti'S erfüllt; bie jroeite entl)ält eine unmög=
lidi) fd^einenbe ^ebingung be§ ©rfolgeg, nämlid^ bie (Srroerbuug ber ©e*

beine be§ Drefte^, bie britte gibt gioar ben Ort biefer ©ebeine an, allein

fo, ba§ juerft bie ^unbe ron riefigen Ueberreften oor^anben fein unb
bann mit 9)iü^e unb 3iot bie Drt:cbeftimmung be§ Drafelä barauf be=

§ogen werben mufe. Sie äBirfung be^ ganzen 33eric^te§ gel)t im ©runbe
bat)in, baB S5elpl)i bie Unterwerfung jener Sanbe burd^ bie ©partaner
nic^t wünfc^te unb biefe baoon abgubringen fuc^te. Ober ift nur bie liftige

(Sntfü^rung einer §eroenleid)e ^iftorifct) unb ba^3 Drafel Ijieju erfonnen?


gür ba§ gange fo überaus rätfelt;aft erfd^einenbe ä^ertjältniö biefeS fpar=

tanifd^en ©taate§ gu ©elp^i lä^t fid^ oietteic^t eine einfarfie allgemeine @r»

f (ärung auffteUen. öaben etwa bie jeweiligen Senfer eineg in feinem Innern
33au unb feiner auswärtigen '^^^olitif fo gewaltfamen ©taat§wefen§, bie

Äönige unb bann bie (Spl)oren, ben beftänbigen iserfel)r mit 2)elpl)i in

fo auffallenber SBeife betrieben, um ju ^aufe hm übrigen ©partiaten,

auc^ ber ©erufie, mögli(^ft wenig 9ied)enfd;aft geben gu muffen? ffiie

weit bie ©prüd^e gur öffentlid;en 5lunbe famen, erfälirt man ni(^t au!o=

brüdlic^; bie 3iegierung wirb fid^ barauf eingeridjtet l)aben, jeber mög-
lid)en ©inrebe ein 'äJiyfterium entgegenhalten gu tonnen, bie belp^ifd^en

Sefc^eibe mod)ten lauten, wie fie wollten.

^^om (5nbe be§ VI. ^al)rl)unbert§, für ©parta oon .^önig MeomeneS
an, beginnen bann jene ^äCle, ba ^^i)t^ia „berebet" ^) ober fogar beftod)en

') iiucian, Juj). Trag. 28. ße; genüc^t, |


mu^ auö einem .'pafen erraten iwcrben, ITI,
an Ärbfog unb ben !öaU)i , an Salanüä j
22, 9.
unb bie Sö()ne ber Sßeibcr su erinnern. ^
'')
.'perobot I, 6() ff.

Unb rcenn ^i;tl)ia »on einer Jriere jprirfit, •') ©0 l)eifit eö fpäter bei Äönig ^ßleis

mu| man cä auc^ auf eine ©erlange beuten ftonaf, 3:^ufi)b. \\ 16: Tniam.
fönnen. '-^laufan. J .
."37, 4. Unb Slrtenii^
Sie ®rfunbung ber 3u!imft. 339

tüirb §u bcftimmien ©prüd^en; ober ein einfluBreid^er S)elpf)ier wirb be«

tüogen, einen ®ru(f auf bie Unglü(fli(^e §u üben^); unmittelbor mit


©elb foH ^ijtl;ia bearbeitet roorben fein burd^ bie 3tlfmäoniben ^). Slucf)

bie ^öd^ften älutoritäten innerhalb ber 9ieIigionen fönnen geitraeife f(^n)erer

SSerbunfelung anljeimfallen, raie ber römifd^e ©tui)l im X. unb am @nbe


be» XV. ^af)r^unbert§, roenn ha^, xoa§> nidjt S^eligion ift, fid^ in^ ^eilig»

tum brängt, um bie am Heiligtum l)ängenbe 3Jiad^t an fid^ ju reiben.

S)0(^ ift ju erroägen, bafe ha§ meifte t)ieüon, namentlid^ ber oor bie ^ptt)ia

gebrüd)te §aber ber fpartanifd;en 5lönig§^äu[er, ju jener onefbotifd^en

<5}efct}i(^te ©partag get)ört, raie man fie in 2ltt)en gurec^t gemadfit t)atte

unb aud^ bem §erobot erjäiilte; in ©elbfadjen aber hielten bie Sltiiener

überl;aupt nic^t me!)r leidet jemanb für ehrbar unb §ogen bie (SrHärung
üon @reigniffen burd^ ^ntriguen unb ©elb jeber anbern oor. (Spätere

fdjira^ten in biefem ©inne ganj unbefangen weiter, bi§ e§ enbltd) Ijie^/

fd)on Sgfurg i)abe regelmäßig bie ,/^ropt;etin" beftodien, raenn er fid) in

5DeIpl;i feine ©efe|e beftätigen ließ^). ^ebenfaßg ift roenigftenS bem


£i;fanber bie mirflid^ oerfud)te 33eftei^ung ber ^pt^ia mißlungen. S)er»

jenige 3"fiti^^^ 5De(p^i§ enblic^, mie er fid^ beim £)eiligen S^riege unb beim
S)rud ^t;ilippg oon äUajebonien bilbete, fann unmöglich me§r al§ ein
regelmäßiger betrachtet werben, ^m ©runbe aber mar eg feit anbertl)alb

3af)rl)unberten oft nii^t üiel anber§ geioefen. 2)a§ Drafel, melc^eg frül)er
l)atte sroifd^en ftreitenben ©taaten ®d)ieb§rid^ter fein !önnen, rourbe in
bie kämpfe ber ©riedien l)ineingeriff en , b\§> e§ fid^ beim 2lnfang be§
peloponnefifc^en Slricgeg gerabeju auf bie fpartanifdfie ©eite fteUte.

9)ienfd)en unb Parteien raaren jur 3)Jac^t gekommen, meldten an bem


<Sott unb feinen ©prüd)en oietteidit innerlid^ nidlit^, aber äußerlich um
fo üiel mel^r gelegen mar, unb meldte il)n um ber SBirfung roißen burd;»
au§> auf il)rer ©eite ^aben mollten. 2)ie ^olge mar, ha^ 2lpollon im
Stempel unb auf ber ^erraffe oon ®elpl;i jene SJiaffe uon 3lnatl)emen
bulben mußte, meldte größernteils ©icge oon ©riechen über ©ried^en »er^
l)errlic^ten.

SBenn nun ^lutarc^*) red)t berid)tet raöre, fo l)ätten fid) in ben

frül^ern Qdtm bie Orafel bem ®rud ber SDfäd^tigen oorjügtic^ burc^ jene

1) §erobot VI, 66. 3) «ßolpän I, 16.


2) ®bb. V, 63. *) De Pyth. oracc. 26.
340 ®^^ Grfunbung ber 3uf»nft.

©un!eU)eit i£)rer Sefc^eibe entjogen, b. f> e§ werben i^nen ganj naiv

9lücffid)ten ber gurd)t zugetraut, ^en Seuten etne§ DrnfelS liabe e§ nid}t

bicnen fönneii, 2)Mc^tige unb ^rirannen ju ergürnen; 3Ipo(Ion§ Wiener

unb ^ropljeten foUten nid)t bitrc^ Söfe ben Untergang erleiben u. f. to. ;

ba Ijabe benn ber ©ott ba§ 9Ba{)re !eine§iüeg§ aufget)oben, fonbern nur
beffen Offenbarung ,,feilroärt§ geroenbet {rtaQaxQinwvy . (£g würbe in»

be§ fcbraer faflen, einen einzigen Sefc^eib naml^aft §u machen, weld^er

notuienbig ober aud) nur mit 2Ba()rfd)etnlicbfeit auf biefe 2Beife gu erflärcn

Tüäre. 3lud) fonnte ber Sefd^eib ja oöttig uerroeigert werben, wenn beim
oorauSge^enben Opfer bog ^ier fid^ nid^t auf ganj befonbere SSeife rer»

i)ielt, unb au§ ben 3Borten ber betreffenben 9k(^ric^t^) fdieint {)eroor»

juge^en, ba^ biefer galt leidet §u Ijoben wor; bann aber „fül;rte man
bie ^i;t{)ia nid)t t)erbei".

©lüdUdierweife gibt e§ ein fei)r üoüftänbig er5ä{)lte§ Seifpiel üon


©d^idfalöfragen, Sefc^eib unb Deutung, au§ weldiem jeber £efer fid) über

biefe ganje ©ac^e biejenige 3Iuff(ärung t)er[($affen fann, bie feiner Slnlage,

58ilbung unb Stimmung gemä^ fein wirb: bie ©efd)id)te oon ben at^e»

nifdien Soten in ©elplji oor ber 6($Iad^t bei ©alamiS^).

2lud^ gewaltfame ©eutung eine§ 3"fit"ft^ö^ofel§ gum eigenen 3Sor=


teil ift ni(^t of)ne 33eifpiel. @inft Ratten 3letoIier unter 3Infü^rung be§

großen ©iomeb Srunbufium gegrünbet; fpäter (man erfäl)rt nic^t, wann)


burc^ bie 2lppuler oertrieben, tjatten fie fi(^ an Drafel gemanbt unb ben
33efd^cib erljalten : benjenigen Ort, ben fie wieber erreidien würben, foüten

fic auf ewig befi|en. ^iire ©efanbten erfdieinen nun in Srunbufium unb
oerlangen unter ^rieg§brot)ung bie 3urüdgabe ber ©tabt, werben aber
öon ben Slppulern, wetd^e biefen ©prud) uernaljmen, getötet unb innerhalb
ber a)iauern begraben: „ba§ fei nun jener ewige ^1i^ol)nft^." 2)amit blieb

ben 2lppulern bie ©tabt, unb nod; fpät wollte 3llej-anber oon @piru§
feinen ^rieg mit itinen au§ Slcfitung oor biefem Hergang, antiquitatis
fata veneratus ^).

^a§ ^auptgebiet ber Orafel war aber nidjt bie SBei^fagung, fonbern
ber Sefc^cib im weitern Umfange be§ 2Borte§. 3" ^^n weitmeiften

^äflen fagt ba§ Orafel nid)t, wa§ gefd^elien wirb, fonbern e§ orbnet

'; 'i^.Uutarc^, de defectu oracc. 46, 3) 3u[tin XII, 2.


-) ^erobot VII, 140—143.
2)te ©rtunbung ber 3"fu"ft- 341

an'); and) auf geftellte ^ufunft^fragen rairb öfter gor nic^t geantwortet,
fonbern fofort ttwa§> befoI)len. ©c^on in ber Urzeit !ann für ein mantifd)
gefinnte^ 33olf ba§ Heiligtum, roelcf)e!o eine ©rotte, eine bawpfenbe ©rb»
fpalte barg, ber gegebene 3"ffii'^ti§ort geioefen fein, wenn man ber

3Birfung be§ §äu§üc^en 33ittopfer§ an bie ©ottlieit nic^t fi^er raar unb

bem t)erum5iel)enben ober fe^l;aften ä)lanti§ ober ^raumbeuter nid)t mel^r

genug 'Vertrauen fcf)enfte; bort brausen im Serg» ober SßalbljeiUgtum

wartete berjenige a)iann, aug weld^em oielleic^t in ber ^olge ber ^sriefter

würbe. Unb jene 2lnf ragen umwo^nenber 33auern unb ^leinftäbter, auf

weld)e wir in ber (Spätjeit fogar S)elp§i unb ©obona rebu§iert finben,

waren oietteid^t auc^ fd)on bie frül;eften gewefen: bie ©rmittiung oerlorener

ober geftoljlener ©ai^en, bie Beratung be§ Traufen ober feiner 2lngel)örigen
um ©enefung^), ?^ragen über ein ©efc^äft, über 2tn!auf eines ©!laoen=^),
über @t)ef(^lie^ung unb Dkc^fommenfc^aft *), ©eefaljrt, grucfitbarfeit beS

3al)re§ u. f. w. 3wifc^enl;inein war bann jene ©r^ebung einer aingaljl

üon ^auptorafeln erfolgt, e§ fam bie 3eit, ba „mäd)tige ©tobte, i)od)»

ftrebenbe Könige unb ^STprannen" biefelben befdjidten, ba ^errfc^er über

®auer, ©efa^ren unb 2tu§gang il)re§ ganzen ^oufe§ anfragten, unb auc^
il)nen würbe nid)t immer bie Bufunft oer!ünbet, fonbern irgenb ein a^er*
Ijalten oorgefc^rieben.

Unter ben SBefc^eiben ber Drafel, uorsüglic^ be§ belp{)ifc^en, finb

gunäc^ft bie ^ultbefc^eibe oon i)of)em ^ntereffe; fie erfe^ten ber Slation

bie fonft oöEig mangelnbe fird)lic^e 2lutorität. 9üc^t etwa bie t^eologifdie

ober bogmatifd^e! Senn mit irgenb einer Set)re ober einem attgemeinen

©laubenSfa^ i)aben fic^ bie Drafel niemals abgegeben; woi)l aber wußten

fie, wie bereits bemerft, bei SanbeSunglücf $Rat barüber, welches ©otteS
ober ^eroS 3orn p fü^nen fei burd) bcftimuxte, oft fc^were Opfer ober

buri^ einen neuen S)icnft ober ^erfteüung eines alten, weli^e ©üfinungen

»on ^oten, gumal gewaltfam Umgefommenen ^), ju Dott§ie^en feien u. f. w.

') ©c^r auffaüenb bei ^aufan. VIII, narrat. c. 1. ©eraif; eine ber pufigern unb
39, 2 bie belp£)if(^e SCnraeifung an bie raid^tigern ?5ragen.

Dre[t^afierjur2lutopferungfürbie^^{)igalier, *) ^tutarc^, de sera uum. vind. 17. —


658 0. 6l)r. 3>on ben häufigen Sefd^eiben über ©ü[)nung
-) Seibeö in Sleitafeln Don ©obona. unb S3eref)rung oon §crocn ift fd^on bie
s)
«ßtutarc^, de Phyth. oracc. 26. 28. 3tebe geraefen. Sen a)Jegarern ift einft

*) §erobot IX, 33. — ^art^enio^, (^aufan. I, 44, 9) bev Umbau eine§


342 Sie 6r!unbung ber ßn^^^f*-

(Sdjon in alter 3^^^ ift eine fo nnd;tige ^ultftätte uiie bie be§ 5tropf)onio§

bei Sebabea einjig auf belptiifd^e Söeifung t)in aufgefunben raorben.

^^eoretifd) l)aU\i bie Orafet fretlirf) nie ben 9Infpruc^ gemad)t, über ben

©ottelbienft ber ^ellenen eine Oberauffic^t ju fül)ren ober in biefen

fingen eine Isoliere allgemeine 2öei§l)eit gu befi^en, allein man traute

ibnen üon allen Seiten eine foId;e ju. i^n angftüollen 2Iugenbliden trat

man oor fie unb ert)ielt bann in ber 9tegel eine 2öeifung, bereu ^olge,

roie oben gefagt, eine 33eru(;igung ber ©emüter in einer ganjen ©tabt
TOar; aber auc^ in ru(;igen ^dkn fragte man über gotteSbienftUc^e @ut*
fdieibungen oder 3lrt am fid)erften ein Orafel an um ju erfahren, oh

man bamit ber ©ottijeit erroünfc^t fei. ©d)on bie ^elagger fragten einft

in ifirem aiUn ^obona, ob fie bie oon brausen („oon ben S3arbaren")
gefommeneu ©ötternamen anmenben fofiten; ba antwortete ba§ 9}lanteion,

fie foUten bicfelben brauchen ^). Solches, unb nid)t etroa 2lnfragen unb
2lntroorten über bal SBefen ber ©ötter mar ber roat^re 3SerfeJ)r in jenen

igeiligtümern, unb mo eine ^rage unb ein ©pruc^ irgenb tt)eoIogif(^ lauten,

ift entroeber bie 9kd)rid^t erbid)tet ober fie ftammt au§ einer gang fpäten
3cit, ba Siteraten aud^ bergleicben oor bie Orafel oerfc^Ieppt ^oben mögen,
©efd^af) bod) bie§ fogar mit (jiftorifdien ?^ragen, al§ 3. S. 5^aifer ^abrian
ben ©Ott oon ®etpf)i bamit bemüf)te, i^m bie mirfüc^e §eimat unb ben
33ater be§ §omer ju offenboren ^). SBeldi ein ganj anberer ©ruft mu§
einft in ben 2lnfragen gemattet l)aben! ®ie ^erfpräer, al§ fie fi(^ nac^

^obona roaubten um ju erfahren, meldiem ber ©ötter fie opfern follten,


bamit fie unter fid) einig würben, looren oieHeic^t am '^orabenb ber ent=
fe^lii^en ^arteifämpfe be§ ^aljreä 427 angelangt unb muftten: menn
fein ©Ott t)ilft, fo beginnt ber ©ntfdieib jur (S-rmitthmg be§ ©tärfern!

©0 roie bie Crafel feine ttjeologifcl^e ober^ bogmatifc^e i^nftanj ftnb,

fo aud) feine moralifdie; fie fünben feine filtlic^en '^Batir^eiten, unb bie

fieben Sprudle, roeldie im Tempel oon ®elpl}i in golbener ©djrift ju

lefen roaren, flammten nidit oon 3lpolIon, fonbern oon ben fogenanuten
fieben SBeifen unb mögen erft in einer S^il angebrad}t roorben fein, t>a

ba§ Heiligtum überl;aupt mit allem, nm^' bie ©riedien begcifterte, in 'lver=-

ÖcroengrabcS befohlen roorben ; eg mar ein ') .t)erDbot 11, 52.

bloBer (5rbaufrourf, ein .'öünencirnb c\en3cfen -) Certamen Homeri et Hesiodi,


unb rourbe nun ju einem 53au in 'JJ!ufrf)elfnIf.
:

3)ie erfimbung ber ,3uhinft. 343

binbung gefegt rourbe. 5lud) haS' Sßiffen unb ©ntbecfen fanb ftrf; ein unb
burftc fein Söei^gefd^enf barbringen; ber grof3e .^ippofrateg ftiftcte bic

etiernc Skc^bilbung eine§ menfc!)Iic^en <Sfelette§ ^). ®ie Oxakl iiatten

ooIIenbS nicf)t bie 2lbft(^t ber fofrotifdien (Sttjü, bie 9)Zenfcf)en „beffer ju

mocfien"; erft ber rationaüftifd) gefinnte @pl;oro§^) meint, 3IpoIIon Ijabe

einft gemeinfam mit 2^^emi§ ®elpt)i gegrünbet jur ^Verbreitung milberer


©ttte (t^/nsQoif^g) unb SSernunft (ö-w^j^ort^etv); bi^^er Ijatte n)o£)I niemanb
angenommen, bo^ ber @ott irgenb einem 9}?enf(^en, bem fragenben ober
einem anbern, eine anbere ©efinnung eingeben, i(;n fittlic^ änbern würbe,
fragen oon ^reolern ober im 2luftrag oon folc^en loiefen bie Drafet
QÜerbingS ah ober beantworteten fie auf eine 2öeife, meldte bem ^^rager

ba§ äßieberfommen oerleiben fonnte^). ©erne möchten mir ben in einer

fpäten Duede*) beridjteten fcbönen ©prud) an ben 33oten oon ©ijbaris


für ec^t {)alten, a(§ bort am 2tltar ber ^era ein ^itl;aröbe oon bem
mütenben 33oIf ermorbet morben mar, unb bann beftänbig 5^^Iut na(^fIoJ6

„2B^g oon meinem ©reifu^! 2)er 9Jiorb, ber ring§ oon beinen ^änhin
Iräuft, üerf(^euc^t bic^ oon ber fteinernen (Sd)töette! bir gebe ic^ feinen 33e=

fc^eib ufm." — S)ie mä(^tigfte ©ntrüftung eines DrafelS aber, oon raeldier
wir wiffen, ift bie bei 2(polIon im Sibrimäon oon 9}iilet') über eine
2tnfrage ber ^gmäer gur 3ßit bei ßrirul: fie ^aben gewagt, ben ©ott
jweimal um 2So(Ima($t p bitten sur 3lullieferung einel ^^^lüdjtlingl an
ben ^erferfönig, unb beibe äRale Ijat 2lpotIon in feinem ^ngrimm bejafit,

hamit bie 5^i;mäer, welche fid^ ber 2lfr)lpf(idjt entgie^en wollen , um fo

fidlerer unterget)en unb nie me{)r bal Drafel mit 3lu§Iieferunglfrogen be^

fieHigen mögen. Sei ber Dkioetät bei griec^ifc^en @goilmul unb bei ber

geringen 9Jkinung oon ber ^eiligfeit ber ©ötter barf man fid) ieboi-i^

nid)t einmal wunbern über bal SSorbringen uoti wal;rl;aft unmoralifd)en


?5^ragen, fo wenig all über bie unmoralifcben ©ebete. T^od) einer ber

SRitrebner in ^lutard^l ©c^rift „oon ber 2(bnai)me ber Drafel" — feinel

1) ^oufan. X, 2, 4. ^) |)erDbot I, 159. 25a§ fpätere SSer^


*) 33ei Strabo IX, p. 422. I)alten be§ bibtjmäifd^en Drafelö jitr 3ßit
^) «crqf. öcrobot VI, 86 ha§ berüch- ber ^erferfriege rcar freilidj ber 2lrt, ba^
tigte SBeifpiel beg ©laufog. e§ anä) auf jene friUjere Steu^erung einen
*} aielian V. H. III, 43. 2)er folgenbe ©chatten juvücfroirft
Bptud) c. 44 ift offenbar nur einer oon
ben finnretd^ erfunbenen. i
344 2)ie eitunbumj ber ^ufunft.

3eic^en§ ein (Eijuifer — tiac^t (Rap. 7) barüber, ha^ Mhtn^ä)a\im uub


(Srf)äben ber «Seele, roelrf)e man oor anftänbigen unb gefegten ßenten öev'
berge, üor ber ©ottljeit breit unb beutlid) au'cgeframt roürben, e» raerbe
nid)t nur angefragt über üerborgene ©c^ä^e unb über (beüorfteljenbe)

(Srbicf)o[ten, fonbern au^ über ruc^Ioje ß^ebünbniffe ; h^n ©ott aber fü^re
man babei auf» @i§ loie einen ©opljiften; — „fein 2Bunber, roenn bie

göttliche Siorfeljung bie Orafel überall §ufamntenpadt unb fid) bamit oon
bannen maclit."

©nblidi [inb lä^erlic^e unb uöllig bornierte j^-ragen graar fidjer an


bie Orafel gerichtet raorben, aber bie paor Ueberlieferungen baüon finb

erfunben, unt irgenb einen ^Dienfdien ober eine 33eüölferung §u üer^öt;nen.

©0 foHen bie Seute oon Slftijpalöa bem StpoUon oon Selplji geflagt
'i)abm, t>a^ auf il)rer ^nfel bie ^afen fo fe^r überfianb nätmien, loorauf
^Mjt^io iljuen hm 33e)d)eib gab, ^unbe p Ijalten unb auf bie ^agb p
geljen, mas bann hm beften ©rfolg Ijotte, inbem fc^on im nädjften ^aljre
fec^staufenb ^afen gefangen mürben^). @ine fef)r törichte grage aber
ift leiber nur gu fi^er bezeugt: ©ofrateS ^at feinen ©l)ärepl;on nad)
Selp^i — §roar nic^t gefanbt, aber bod) rool)! mit 2öiUen ge^en laffen,

aüioo biefer fragte: ob e§ einen roeifern 3}Jenf^en gebe al^^ ©ofrateS?


worauf 5pijtl)ia antwortete: nein, feinen meifern'-). (gg genügt, fid) bie

3)itenen ber „a}Mnner oon 2)elpf)i" bei biefer Zumutung au^jumalen,


ferner, raie ©ofrate^^ bann ben 33efc^eib für bare aiiünje nimmt, barob tief

nac^finnt unb enblic^ bei ben 2ltl)eneru aller Btäwht l^erumgeljt, um il;nen

barsutun, ba^ fie nidjt meife feien.

3lllein neben fold^en STatfadjen gemährt un§ bie Ueberlieferung aud)


mieber ha§> 3lnmutige. ^elefiUa oon 3lrgo§, angefel;enen ^aufe^o, aber
fränflid), feubet an ein (gemift apoUinifci^eä) Orafel, um ©enefung ju
erlangen nnh erljält hin 33efd;eib: fie möge fid) bem ©ienft ber ^Jhifen

') SttOen. IX, 63. — ©ine QpotU Selpfji, Slnob. III, 1, 5. — 2)afe fpäter
antroort auf eine töndE)te Jyrage ber .«öabs bem Striftoteleö in ©etp^i irgenb lueldjc
fuc^t ebb. V, 60. (S^ren juerfannt rourben, gei^t nu»3 beffen
'^)
So bie l'ogen. platonifcfie Slpoloflic 33rief bei 3Ielian (V. H. XIV, 1) bcruor;
(21 a), loekf^e bod) ipntjrff^einfid) bie cd^te nüein bieg niuf; burdj eine bortige poIitifd)e
SJerteibigung öe^ Sofrateß uor bem ÜJerid^te Se^brbe gcfdjeljcn fein, ba i^m nac^ üUeran;
roiebergibt. — 35eii Xenop^on roieS <Bo> berg Jobe jene ®I)ren löieber entzogen
frateß in beffen eigener 2tnge(cgenf)eit nad) werben fonnten.
S)ie ©i-funbung ber 3»t«ntt- 345

lüei^en. ©ie folgte bem @ott unb übte ©ejang uub Harmonie unb gena»
iinb lourbe bie 33en)unberung ber j^taueu; in ber golge al§ ^elbin an
beren ©p{|e trieb fie bie in ber ©tabt 2lrgo!o eingefottenen ©partaner
3urü(J^).

2)oc^ roir fetjren noc^ einmal in bie frül)ere 3eit jurüdl, ju einer

ber größten nnb fegen^reid)ften SBirfnngen ber OraEel: il)ren 33e[c^eiöen

bei 2lu§fenbung oon Kolonien. %nx bie ber ^oni^t «'or raol)l einft bie

©timme 3lpolIon§ im Sibpmäon bei aJJitet, für atte ©riedjen bann üor=
äüglic^ bie be» ©otteg uon ©elp^i entfd^eibenb. ®§ war eine gro^e

3tu§nal)me unb ba^ 3^^*^^^^ ^^^^^ Ieibenfd;aftlid^ »erbitterten @emüte§,


raenn ber fpartanifc^e Eönig^fofm S)orieu» (um 520 v. ^x.) mit feinen

©enoffcn naä) Sibyen auioful;r, o^ne in Selplji gefragt gu liaben^). Sei


biefen Singen Ijebt bie SBerflorung an, welche in neuerer ^tit burd) bie

begeifterte Sarftellung bei ©urtiuio bem Crafel guteil geworben ift. ^ene
§um 2luffud)en einer neuen ^eiumt getriebenen ©diaren, wie fie fic^

befonber^ feit bem VIII. 3^ii)i^Ij"^^ert aufmachen, finben bei 2tpollon

uneigennü^igen 9iat unb äöei^fagung über i^re 9tid;tung unb i§re 3i^f'it"ft/

unb bieio ^tiiji'^^un'^erte Ijinburc^. ijieran ift ganj unmöglid) uorüber=

gufommen oljue bie Slnnaljme, ba^ bie »/Diänner oon S)elpl)i" fic^ nai^

Gräften bie irbifdje ^unbe über bie 5lüftenlanbe ber 5:;§alatta bi^ in bie
meitefte gerne üerfc^afft ^aben, beftenteil^ raoljl hnxä) banfbare geftpilger

au^ hen allmäl;tid) entftanbenen ilotonien felbft. SBer bei ^erobot (IV,
150 bis 164) aud^ nur bie reiche unb ooflftänbige ©rsäljlung über bie

©rünbuug unb ©idjerung oon ^yrene unter ber langen unb unablöffigen
9}?a^nung bei ©ottel oon 2)elpt)i oernommen Ijat, fann genau roiffen,

mag I)ierüber gu bcn!en ift. ^ene 2)elp!)ier mod^ten fic^ alio ©timmen
il}re§ ©ottel füllen, loenn bie 33oten fold)er ©djaren oor fie traten, unb
jugleic^ aliS gürforger il;rer Üiation. Unb injroifdien, unb roof)l in 58er'

binbung mit biefct ©ommlung oon ^unben ber roeiten SBcIt, mirb bann

Selpl^i oon felbft fd)on burc^ "Oaä alle§, ma§> man allmä^lid) oon il)m

erwartete unb oerlangte, p jener freien, allgemeinen Slutorität geworben


fein, beren 'ikifpiel in gar feiner anbern 53ilbung§roelt meJ)r oorgefommen

ift. 6§ mag oon bem Stielen, mal burd) (Surtiul bem 2Biffen unb bem
diät oon ®elp|i jugemiefen morben ift, biefel unb jenes abjuftreiten fein,

^lutard^, de mulierum virtt. 4. | ") §erobot V, 42 ff.


346 S)ie @v!unbung ber 3«^^"»!^.

ober bie @efomttatfa($e bleibt, unb jraar aU eine ber ebelften in ber

ganzen ©efcfiidjte Ijötiern @eben§ unb @mpfangen§.


®Q§ fpätere Slltertum, roelc^eS pr 3eit be§ ®rIüf($en'J ber Drafcl

fiel) unparteiif^e 9iecf)enfc^aft über biefe ganje (grfd^einung geben fonnte,

erfannte bie grofee ^auptric^tung berfelben in ben Sefcfieiben über ben

©öttcrbienft unb über ©rünbnng oon ©tobten (b. i). Jlolonien), TOobei

ber 3ufunftgniei§fügung gar nid;t gebodjt rairb '). 33ei ^slutarc^ ') jagt

ein SJlitrebner: „menn irfi erroäge, üon wie grofeen ©ütern bie§ (belpl)ifd)e)

Crafel für bie ^ellenen Urfai^e geworben ift, in Slriegen, bei ©tnbt»

grünbnngen, bei ©eu^en unb ^unger^niJten, bann luirb e§ mir f^mer,

9(uffinbung unb Urfprung be§[elben nid)t ber ©ottt;eit unb ber ^Isorfe^ung,

fonbern bem ^n^aü ju^ufdireiben."


3ene§ ©rlöfc^en ber nieiften OxaM unb bie ftarfe 2lbnQ£)nie and)

ber Befragung üon S)elpl)i fiatte Urfad^en oder 3Irt, junäc^ft bie oödige

(gntüölferung ©riec^entonb^ feit ben testen 3a()rt)unberten oor ©tiriftu?^.

„3Bem fäme e§ bod) gugute^), toenn in ^egpra ein Drafel wäre mie
früher, ober gu ^stoon, roo man ben 2^ag über gerabe dwa nodi einem

Wirten begegnet?" ©obanu fonnten ja auc^ in ber (Srbe jene gel)eimni§=

öollen Gräfte unb kämpfe abgenommen fiaben, fo wie ?^(üffe oerfiegen,

eturn burc^ (grbbeben "). 2n§ ^auptgrunb aber ift in betrad)ten, ha^ bie

gro^e 3eit ber Drafel, ba 5lönige unb ^oleiv um iljr ganjeS S)afein unb

©ebeif)en gu fragen tamen, längft unb unmieberbringlid) oorüber mar,


unb bafe nur nod) gang oereinselte 9lnfragen 3)Md)tiger — biefe freiließ

big an ba§ iSnht ber f)eibnifd)en 3^^^ — oovfamen, gmifdien lauter

^onfultationen ber länblic^en Umroobnerfdiaft unb anberer geringer Seute


oon nai)e unb ferne. 3ßer aber eine 3unal)me ber 5Iuff(ärung al§ ©runb
anneljmeu raoQte, mie etwa einer ber 3iyifd;enrebuer bei (Sicero: „homines
minus creduli esse coeperunt" — ber mürbe fid) ftarf irren. 3>ie

Crafel, meiere eine 9leife unb größere SlU'ogaben uorau^fe^en für jeben,

ber nic^t fojufagen an Ort unb ©teile motjute, traten jurüd neben ber

^) So bie befannte ©teile bei ©trabo, au§ dEiriftlid^cr 3eit, an ben SRonb ocrratefen,

XI, p. 419: ^ fiiy ovf iniyoitt nvrtj gen)äl)vt fie bod) ein rcicf)tigeg ©efamturteil.

Tr/g Tt Twv nöXtMv y.Ti(7t(og xcd Tr^i; röiv '-')


^littarcl), de defectu oracc. 46.
yoii'üjf ItQÜiy t7iiTiitii<JKf)c: . . . Df)ne 8) ®bb. 8. 44 u. a. a. ü.
^roeifel mit 3'lecr}t al§ ©loffcm, inelleid^t erft *) (Sicero, de divin. I, 19. II, 57.
3)ie Srfunbiing bcr 3"ifunft. 147

fonftigen moffenliaften (Srfunbung ber 3ufunft unb übrigen SDioination

mit Sei^ilfe üon ^Vermittlern jeber 2lrt. Wan t)öre nur in £ucian§
„©ötteroerfammlung" (5!ap. 12) ben S^abelgott 2)iomo§:
„3n ©ilicien orofelt 2lmpt)iIo(^o§ unb betört bie Seute um blofee

jroei Dbolen; ober oucfi bu, 3tpoIIon, bift nid)t meljr in fonberltdjem

3InfeI)en, fonbern [c^on roei^fagt jeber ©tein unb jeber 2JItar, ben man
mit Oel befcf)üttet unb mit 5lrän3en bei)ängt, unb ber fic^ eine§ ©oeten
(b. t). eineg ä)ianti§ ber oerbäditigften Slrt) erfreut, ^n Olympia l)ei(t

bie ©tatue beiS 3ltt)Ieten ^soIijbamaS, auf ^§Qfo§ bie be§ X^^ag^m^S'
bie gieberfrnnfen , unb bem .§eftor opfert man ju ^lion unb bem
^rotefi(ao§ gegenüber auf bem 6t)erfonne§. ?^reiUd), feitbem unfer (ber

©Otter) fo oiele geworben, nimmt 9)Zeineib unb 2:^empelraub nur ju,

unb man üero($tet un§ gänglic^ unb tut mo^I baran." — Unb um bie=

felbe 3cit mar oielleic^t bie alte j^rageftätte be§ ^roptjonio^ beim böotifc^en
Sebabea erft neu fo montiert morben, roie ^aufaniag (IX, 39) fie oorfanb,
als er in ben unterirbifc^en 9iäuuien bie 3"fii^ft (j^« fjeXlovTo) erfuhr ^).

') 3)ag berühmte Drafel in Sibpen, rceld^eä fic^ erft fettiger fc^eint bacon jurüds
ba§ 2lmmomum, ift l^ier begf)al5 au^er gebogen ju l^aben. — 33efannt ift bie ganj

33etrad)t geblieben, roeil ber unbeftreitbare befonbere 2lmmon§anbacl^t ber Safebämo=


2;atbeftanb — bie fe^r früf)e Sefratjung nier, ju beren (Steigerung fie no(^ von
eineä afrifanifd^enDrafelä burd) ©ried^en — Spfanber angeroiefen rourben, ^aufan. III,
nur in eine SJeil^e üon ^'^^agen unb I)i;poj 18, 2. Serfelbe lüoate fogar ben ®ott
l^etifd^en Slntraorten l^inaugfü^rt. ^n einer int Xraum gefeiten unb beffen 3lat im
jcnfettg von aller [id^ern 2lufäcict)nung ge- Äriege genoffen l)aben. 2lucl^ bie ßlier,

legenen 3ßi*' ^" ober eine ©eefa^rt in loelc^e boc^ i^ren oliimpifd^en Qsuä fo naf)e

fold^e 3=erne jebenfaHö nod^ etrcaä fel)r ®e= Ratten, befragten feit ben älteften ^eits"
fürcl)tete§ max, gerainnt bie j^unbe »on ba§ Slmmonium, unb man fal^ bort bie
bicfer 2Beil)e[tätte eine rätfel^afte iDJad^t Don il^nen gen)eil)ten 2lltäre, beren 3"'
über grierf)ifd^e SJeoölferungen; bie 5al)rt fcfiriften Slnfrage, Sefc^eib unb bie 9Jamen
roirb offenbar l^äufig geroagt, unb 2lntmonä= ber gragenben oereioigten. ^^aufan. V,
bienft Derbreitet fiel) bann im ^eloponneä 14, 7. — 2)er Sefuct» Sllcfanberg beö
unb über benfelben l)inaug. ©afi injiüifc^en ©rofeen bleibt tro| aller 3tad^ricl^ten in

feit ^[ammetid^ 2legijpt£n fic^ ben ©riechen bem öauptmotiü ein ©e^eimniö; fidler ift

öffnete unb ba^ grted^ifc^e ^:|>flanj[täbte im nur, ba| iljm enorm niel baran gelegen
Süftenlanb roeftlic^ com 3'Jil entftanben unb loar, fonft mürbe er nid^t in bie libi^fc^e
ben S)ienft beg 5lmmon annaf)men, finb Sßüfte gegangen fein in einer Qdt, ta an
nur fehtnbäre ^örberniffe biefeä $ergangeö. feiner um SBod^en oerlängerten 3lbn)efcnbeit
— 9?ac^ l)errfc^enber 2lnna^me lag bie t)a^ ®cf)idfal 3lfienio l;ängen lonnte.
Dafe mit bem 2lmmonium frül^er am 3)ieere,
fünfter Hbicbtiltt.

Zur
©efamtbilanz des griecbifcben Cebens*
Zur Gcfamtbilanz des gricchifcbcn Ccbcns.

^ur mit oielen 33e)c^ränfungen unb ^orbeliatten wirb fic^ aucf) bei

einem urfunbenreid^en 3.^oIfe bie rairflic^ l;errfc^enbe, burc^fc^nitt*

lic^e 2lnfi(^t be§ Seben^ feftfteUen laffen. ^m ftrengern ©inn


mürben ^ieju nur biejenigen 2lu§fagen tauglii^ fein, meiere erraeiS»

lief) einem großen Greife, ja ber ©efamtljeit be§ betreffenben 5ßoIfe!c ent-

fpracf)en unb jugleic^ oerftönbtii^ raaren, üor allem bie öffentliche ©ic^tung,
bei ben ©ried^en alfo junädift ber epifd)e ©efang ber 3löben unb boö attifdje

5)rama. S^lun finb bei ber 2lulbreitung be§ griec^ifrfien ©eiftel naä) allen

Söeiten, ^ölien unb ^^iefen eine gemaltige %Mi oon ©onbermeinungen ent=

ftanben, melcJie rool)l roefentüd) gried^ifc^ unb oft fet)r Ijotje 3eugniffe üom
geiftigen 33ermögen ber Station finb, aber feine§raeg§ bem ©anjen berfelben

entfprec^en unb fdjon unter fici^ bie ftärtften Söiberfprüdje bilben fönnen.

«Sie matten fid) abfid)tli(^, aud^ aU eigentlidje jufammenl;ängenbe Seljre

geitenb, mät)renb bie 3]otf§meinung et)er beiläufig unb oljue SBitten ju

3:'age tritt. Sie „2tnfic^t be§ SebenS" aber ift an fii^ ein fe(;r roeiter

begriff, roeld)er fic^ gleid^rool)! o^ne ©c^aben nid)t oerengern lä^t. ©eine
eine ©renje roirb fein bie 9}teinung com SBerte ber (Sötter (nämlic^ oon

il)rer 2)ia(^t unb it)rem SBillen) unb oomv ^enfeitS; bann roirb bie ganje

©ittlic^feit gur Betrachtung !ommen, b. t). ber gange 5lampf be§ einjelnen

gegen ©elbftfuc^t unb £eibenf(^aften, foroeit it)n bie Station a{§> rid^tig

empfinbct; roeiterl}in roirb ba5 2Bünfc^en unb bie 3?eil)enfo(ge feiner

©ebilbe su unterfuc^en fein, bie fogenannte „Sofation" ber ©üter be»


aJtenfc^enlebenS ; ben ©c^hi^ aber bilbet bie 2)Zeinung ber Station oon
htm SBerte eineS fo oielfad^ bebingten Seben§ überfjaupt. Sieben fefir

oorjüglic^en 3)arfteflungen biefer ganjen ^ette oon ^l;änomenen, roorunter

SMgeUbac^g „3tad)t)omerifc^c STljeoIogie" (1857) noc| immer einen fielen


Stang bel)auptet, befd^eiben roir un§ gerne, einige Stad^träge unb Stanbgtoffen
ju liefern unb nur ba§ ©nbe mit einiger 2luc^fül)rlid)feit gu beljanbeln.
; =

352 3"t ©efamtlnlonj be§ griediifcten i.'ebeu§.

5ßon ben ©ölteru unb oon bem, roa§ fie ben ©ricrfien troren, ift

f(^on bie 3iebe geroefen. ^ie Stetigion mar trot^ aller 2lnftrengungen ber

^^ilofoplien ein ^^soIgtl^eiSmuS geblieben nnb {)atte e§ bleiben muffen fci)on

QU§ ©orge oor bem ^oxn ber ©inselgötter, wenn beren ©ienft oernad^»
läffigt mürbe; ferner |atte fid^ ba§ Stärffte, roa§ e§ gab, bie '^solig, mit

bem größten ßrnft biefe§ 5tatbeftanbe§ angenommen, unb ber ^ultu0 ^atte

fic^ mit oder üoIf^3tümlicben Seben^freube oerbünbet. @ine bilbenbe S^unft

ot)ne ©leid^en fd)ien biefe ©ötterroelt unb ben baran l)ängenben 9)Zr)tbu§

auf eroige 3eiten gcfidiert gu t)aben. SlHein ben ©öttcrn fehlte bie ^eilig=

feit, b. 1^. haS', mag fie gu 2]orbiIbern ber menfc^licfien ©ittlid)feit l)ätte

mad^en muffen, unb bie guri^t oor i()nen mar im ganjen feine ©Ijrfurc^t.

3lucb mar bie ganje Steligion ol}ne aüeg letjrenbe ©lement unb oJ)ne

^sriefterftanb. ä>on ber ©orge cor bem ^enfeitS gingen bunfle, oft fet;r

l^eftige ©töfee au§, aber ungleid) unb mel)r auf geängftigte ^nbioibuen

al§ auf ha§ ä>oIf.


3um @rfa^ foU bann freiüd) bie ^oli§ ba§ (gin§ unb 2(lle§ geroefen

fein als 6rjiet)erin ber ©rierfjen gur ©ittlic^feit. 3)ieienige ©igenfc^aft,

roel($e fie im eingelnen 33ürger §u entroidetn f)at, iE)r i^orrelat, t)eißt

^refflid^feit {agsiv) ^)- 3ßenn unter ben 9)?otiüen beS §anbeln§ bei ben

©riedjen ber rein menfdjlid^e Sejug auf 9Bo^( unb 2Bebe ber anbern
faum irgenbroie betont roirb, foHen roir annet^men, baß bie ^f{i($terfüllung

innerI}olb ber ^oIi§ bieg gange ©ebiet totfäc^lid^ mit erlebigt Ijahc. 9tun

finb aber gunädjft nid)t alle 9)?enfd)en ^Bürger in bem babei üorauS»

gefegten ©inne; SBeiber, Äinber unb üoHenbS 9Jtetöl"en unb ©flauen finb

e§ nicbt unb follten boc^ au($ if)re ©iltlic^feit baben. 2lu{3erbem aber

l)at bie ^^oliS üon ben ^tiUn an, ba fie jene 3lnfprüc^e erljob, neben

oieler unb grofeer Eingebung an baS allgemeine boc^ in 2Birfli(^feit

fold)e 3uftänbe entmidelt, baß 3lngriffe unb ©egenroe^r unter ben 'bürgern

felbft bie l)eftigften Seibenfdiaften Ijerüorricfen unb (Sntfc^ulbigungen bafür

erfanben. ©d)on htvi frül)efte l)iftorifd)e 2.Mlb üon ©taat unb Siedet,

roic fie in ber alten 3cit mirflid) roaren, nämlid) ber in ^efiob^ „SBerfen

®ß gibt feine {)öf)ete 3;refflid){eit ov XTUTcii TtXtioTtQai'. 6 lAoXoyov jutvöv

alö bie, roelc^e fic^ in 23e5ief)ung auf ben iOTL. SOßie bie§ naiver ju »erfte^en, le^rt
©taot offenbart; fo meint eö ^lutarc^, fein 3"fi^- ®iß meiften betrachten aI8 ein
comparatio AriBtid. cum Catone, c. 3 niri)t unnnct)tiiie§ %a&) (itdnior) biefcr 2:reff

ort fjitv dt, T»]g no'/,iJLy.7,g ay&Qwnoi a'ptr^? l\d)h\t bie Dcfonomif.
:

3ur ©efamtbilans be§ gried)i[d^en Se&eng. 353

unb ^agen" gefdjilberte 3wft'^"^/ ^ft ^^'^^ ^Belt üoII Unbiü, unb ber
2)icf)ter erroedt ©lauben, fo perfönli(^ oud] fein älccent lautet. 3^'
gleicf) ift er, ma§ fein ^riefter fein fonnte, ber eljrrourbige früf)efte (Sitten^

(el)rer feiner Station, unb e§ TOöre iljr ^ei( geroefen, roenn fie i^m mel^r
gef)or(^t I)ätte.

3)ie @tt)if ber ^^ilofop^en ift bann aÜerbingS ein TOtc^tigeS ®enEma(
be§ grie(f)ifrf}en ©eifteg nl§ fold^en, aud) i)Qt fie U§ §u einem geroiffen

©rabe ein ©lement ber allgemeinen SSilbung roerben unb in ba§ 2^age§=
gefprädi einbringen fijnnen; allein auf ta^^ $ßoIf unb auf ba» 33eri)altcn
im Seben (jat fie offenbar rcenig eingeroirft. ©inen ^auptau§gang§punft
oerbanft übrigens bie pljilofoptiifc^e @t£)if einem fc^on oor i|r üor^anbenen

mirflid^ oolfstümlii^en ^beal: ber SJJäfeigung ober ©op§rofr)ne. Siefe


tönt bann burc^ bie gange @tl)i! ^inburc^ al§> beftänbige 2liaf)nung auf

ein 9JiittIere§ (/Jitrov) 5n)if(^en jroei (Silremen, urfprünglic^ aber ift fie

ber natürlid^e Meberfi^tag, mie er fic§ au§ ber 33etrad)tung oon ©Ottern,
^eltlouf unb ©d)idfal§glauben bei ben befonnenern ©rie(^en bilben

mufete. ^n jeber Station fammelt fid) ein geroiffeS Kapital Don lieber^

jeugungen ät^nUc^er 2lrt an, beffen SSerroaller biejenigen finb, roetdie im


Sauf be§ Seben§ etroo? erfaE)ren t)aben. 33ei ben ©ried^en ift bie ©optjrofijue

ber negatioe ^o(, ber 3ügeC fo rok bie ^alofagatJ)ie ber pofitiue ^o(
unb ber ©porn ifjt; roie roeit fie im Seben mirflid) ge^errfc^t ^at, barüber
mü§te eine fiebere Slngal)! bentlii^ überlieferter gäHe in parallele mit nid^I*

gried)if^en 33ölfern entfc^eiben; aU eruieiSlic^e unb l;ol;e ^raft wirb mau


fie am e^eften in ber griec^ifi^en ^unft unb ^soefie lebenbig finben. ©ie
irirb bann roieberum aufgegöiilt unter ben platonifd)en ilarbinaltugenben^),

loeld^e nur befanntUc^ fe^r mangelhaft aus ©igenfc^aften ber ©ittlic^feit,

be§ i^ntetlefteS unb be§ ^temperamentec^ coorbiniert finb^). 2ll§ eine

loefentlid) ben Hellenen eigene ^ugenb wirb bie aJtä^igung in allen Singen,

^) ©ercd^tigfeit, 3)Jäf(i9ung, Sßetöfjeit |


CSpiutard^, de virtute mor. 2) unb Slriftou

imb Xapferfeit. ^auptfteUe: 5plato, de »oix Sl)io§, foroie auc^ Mönig Slgefilaoö
j

legibus I, p. f)30 b. ff., rao aitfeerbem ouc^ 1 (^lutard^, apophthegm. regum s. v.

üßer bie ©tufenreifie biefer S;ugenben Der; i


Agesil.). — Sie 2lbie!tiDa ju ben uier
ftanbelt roirb , foiuie über biejenige ber I 3;ugenben gibt 5. 33. ^lutarc^, Semofti^. 1
toefentlictien (SrbengÜter. ay&Qu dixcaov xal avidfjxrj xai vovv
-) 5Jic^t erft ©cf)openf)auer f)at Äriti! |
l^oyT« xai utya'Aoijjv/oy.
baran geübt, fonbern fd)on aJJenebemoS '

3. »urcfharbt, ©riec^ifc^e ^uüurgeyc&idile II. 23


354 3"r ©efamtbilanj be§ gried^tfci^en SebenS.

be[onber§ im ^inblicf auf bie 2Be(^)e(fätte be§ ©c^idfolg gerütjmt im ©e^

fpräd)e be§ ©olon mit 5lröfo§, freiUd) noc^ ni(f)t in ber 9?eba!tion be^

^erobot, fonbern erft in berjenigcn be§ ^lutard^ ^).

S)o§ Sob foldier (Sigenfd^aften in Segie^ung auf eine beftimmte ^f^ation

^at jeboc^ feine §met ©eiten. ßi^^öc^ft madji t§> bem betreffenben SSolf

immer eine geroiffe (£'ljre, bafe e» fold^e ^beale roenigften^ aU bie feinigen

proflamiert ^at; bei näl;erm 3iifel)en aber ^ot baSfelbe meljr nur eine

2lrt oon 23en)uBtfein getjabt, ba^ e§ fo unb fo ptte empfinben unb l;anbeln

f ollen, inbem e§ e^er ben ©efcfimacE für ba§ ©ute aU bie ^raft baju

befafe. ©obonn oeranla^t un§> ber ^oc^mut unb (Sigenrul)m ber ©ried)en

inSbefonbere, in jebem %ad. nälier aufäumeifen unb namentUd) ben 2lt^enern

nic^t alleg ai§ bare aJiüuäe ab§unel)men, womit [ie fic^ gerül^mt ^aben.

©^ ift immer fd^on nid)t^ Äleine^, ba§ erleud)tete ©riedien menigftenl

bie ©timme befS ©eroiffeuio, ha§> „ungefd^riebene ©efe^", als 3^egel be»

^anbelng aufgefteüt ^aben'^).

greilirf) alle (St^if ber p^ilofopl;ifd)en, literarifd^en unb r£)etorifd)en

3eit tritt für bie Sfia^roelt, b. 1^. für ba§ @efü|l ber feitt)erigen ^i^ölfer

be§ 2lbenblanbeö in ben ©d^atten neben ber ebeln unb — tro| ader

^eibenfdiaft unb ©eroalttat — fo reinen ^omerifdien ^^elt. ^ier maltet

eine noc^ nid)t burc^ 9ieflej:ion jerfe^te @mpfinbung, eine no^ nidjt

jerfdiroalte Sitte, eine ©üte unb ein 3t^^tSßfiii)I/ moneben ba§ au^ge»
bilbcte (Sried)entum mit att feiner geiftigen ^Verfeinerung feelifd^ rol^ unb
abgeftumpft erfd^eint. 2Sag biefe fpätere ^tit nod) oom Seffern feftl)ielt,

oerbanfte fie im. @runbe bem SBeiterleben §omer§ unb feiner 3lu§btlbung

ber mgt^ifdien ©eftalten. Di^ne i\)n mürben aud) 2lefc^tjloö unb ©opl)ofle!3

bie iQol^eit i^rer oorsüglic^ften ©l^araftere nid^t mel)r erreid^t ^aben. 2)ie

fittengefctiid^tlid^e Sebeutung ber ^ragöbie märe inbe^ nid^t l)ier, fonbern


in einem anbern 3ufammenl)ang gu erörtern. 2Bag l)ier roeiter folgt, finb

nur fragmentarifdie Betrachtungen über einzelne Ijerrfd^enbe 3üge be§


griec^ifc^en 6^ara!ter§, roie fie fid) au^bilbcten neben einer ^ieligion unb

unter ber ^errfc^aft einer ^olis, mie beibe roirflid^ maren.

1) gSergl. §erobot I, 32 mit ^lut. p. 412), meinten: rn SCxmor xai aia^^Qoy


Soton. 27. ov q)vati ih'ui cckXn vofiM. — 2le{)nlic^

•-)
3(n[tot. 3ll)et. I, 16, 8. — Rhetor. ?ßr)rrl^on, ber ©fcptifer (ebb. p. 438): «rycTi»'

ad Alexanflnim 1, 4. 2Bociegen freilid^ cpvati nia^^Qov i] x«Ao»', dXX l&n xni


anberc, luic 3(rc^elaos( (Sffieftcrmanu, Biogr., VOfXtiX,
3uc ©efamtMIanj bc'? gried^ifd^en 2e5en§. 355

gut bie ganje „^E)iIantJ)ropie" ber ©riechen 5. 33. oerroeifen tüir auf

bie SarfteUung bei 9MgeI§bad^. 33ei ben einzelnen Slu^fagcn a6er toäre
jebe^mat näl)er gu crgrünben, roie öieleS oon jener aufopfernben S^ätigfeit

unb greigebigfeit burc^ ben ©ebrauc^, ja gerabep al^ 6f)oregie üor»

gef(^neben unb tatfät^Iic^ unfrei raar, unb ob man nidjt oottenbö biS^

roeilen bag fabelhafte £ob einer angeblii^en „guten alten ^dt" mx


fic^ ^at ').

$8ei jeher 9iegung na(^ au^en aber, oon ^^oti§ gegen ^^oti§, trat

bann jenes graufame i^riegSrec^t ein, oon raetd^em bie ©ried^en bo(^ fo

^ut raupten, ba§ e§ roirflid^ ein graufame;! unb im ©runbe törid}teS wax.
©traaS nät)er mag t)ier bei ber Dtad^e gu oerroeilen fein, infofern

biefelbe bei ben ©riechen befonbere 3üge offenbart. 2ln unb für fid^ ift

bie eigenmäd^tige SSergeltung oon (Erlittenem ben 9)Jenfd)en überliaupt

«igen, ja fd^on l)öl)ern ^iergattungen, unb bei ben ©riedien finb olineljin

fd^on bie ©ötter über alle 9}iaBen racl)füc^tig. Unter ben l)omerifc^en

9)ienfc^en ^at ba§ (Srbitten unb @rflel)en bcS 3ürnenben nod^ 9iaum-);

fpäter rairb ^troa bem großen SllfäoS ha§^ 2öort gugefc^rieben, 3Scrjeil)ung

fei beffer al0 9iac^e^). ®onft aber mad^t fid^ ha§: weite gried)if(^e ©e*
roiffen, roie man e§ fennen lernt, fobalb e§ fidl) um ^errfd^aft, lieber»
legenlieit, ©enu§ t)anbelt, auc^ in ber dla^t f(^onung§lo!l geltenb unb
lä^t bem fiegrei(^en ©goiSmuS oöHig bie 3^9^^ fc^ie^en. ©in befonbere^
Urteil fönnen aderbingS biejenigen gälle oerlangen, ba ber ^a§ ganjer
^Parteien ju 2;at unb SSergeltung ben 3lntrieb gegeben ^at, unb ba ber
einselne fid^ unb feine ^anblungSroeife burd^ eine SSieljal;! gebittigt unb
gebedt finbet. ^Derjenige geinb 3. ^., oon loelc^em ^lieogniä*) meint,
man bürfe i^n erft bef dlimeid^eln , um il)n bann, roenn man il)n in ber

©eroalt i)at, oöEig ju oerberben, ift ol)nc 3^^^^^^ ^^^ ^^^^^ oon ber
mcgarif^en ©egenpartei gu oerftel)en, unter bereu 2)rud unb 9iaub man

») ©0 5. 33. 3[ofrat. 3lreopag. §31 ff.,


^) Zvyyy(ä/jt} Tiucogia? XQiiaawy,
p Dergleichen mit ^feubO'-Xenopf). de re p. freilid^ erft öei S)iog. Saert, I, 4, 3. —
Athen., passim. ^ittatoö, alä er ben 3JJörber feineä ©o^ne^
") 31. IX, 496 ff.
— dagegen ein frei lie^, fiattC gefagt: avyyyw^ut] lUtTayoia;
Seifpiel »on unerbittlich oerroeigerter Sßers XQtCaawi'.
ieit)ung eine§ So^neg gegen ben 3Jater im *) J^eognig 363. — 33ergl. auc^ 341 ff.

ÜJJ^t^uö oon Senneö unb 5lijfnüg. .Konon.


<. 28.
350 3ur ©efamtbilanj beg griec^ifd^en Sebeng.

leben mu§te. ®ie[er 3lrt finb and) folrfie diad)iatk ber äfJäd^tigen, bei

raeldjen fie meinen fonnen, nid^t nur für ifjre ^erfon, fonbern iniSinne
i^rel gauäen ^au\^^^ unb 2lmteg ju I)anbeln unb irgenb einen Söiberflanb
auf immer ju brechen. 9?ur mufe and) bo ein geraiffeg 9Jiaf3 inneget^alten

werben, weil man fonft beu 3ieib ber ©ötter erregt, meldte bod) im Se=

ii^Q einel ^ßorrei^teS auf gang gro^e dtadj^ gebadet finb. Sie gürftin
^fieretime non ^yrene, nad) i§rer entfe|lid)eu 33Iuttat an ben 33arfäern,

mürbe bei lebenbigem Seibe oon ben SBürmern tierjel;rt, „benn aU^^n

maffiüe dtad)^ ') jieljt ben 9Jienfd)en bie ©iferfudjt ber ©ötter gu." ®a=
gegen fdieint i^robot, ber biefe§ ergä^lt, bie au§gefud)te dladje be§ ^er--

motimo^ üon ^ebafo§ an bemjenigen, ber ilju in ber ^ugenb entmonnt


unb üerfauft ^atte, oöEig ju bißigen, obfc^on biefelbe nur mit ^ilfe ber
ärgften 33erfteIIung möglich geworben roar^). Ueberf)aupt feljlt e§ nid)t

an Slu^fagen, roeldje bag unbebingte Siecht jur 9kdje feftfteHen. SaS*


felbe wirb gar nxd)t feiten üor ©erid)t al^ üorl;anben zugegeben, unb
man barf ben geinb £)er§t)aft unb öffentlich l)affen. @in ©terbenber über»
binbet fel)r nadibrüdlid) ben ©einigen bie dlad)^ an feinem S^enunjianten
§ur 3^^t ber brei^ig Xprannen^).

^n ber ^ragi)bie ift bie '^ad)i burdiroeg al§ ein bered^tigter ©runb
be§ ^anbeln§ anerfonnt unb fc^abet ouc^ ben becorgugten ßljarafteren
feine§roeg§, fo ba^ ju fc^liefeen ifi, Siebter unb ßi^fc^auer feien l)ierüber
üöllig eine§ ©inne§ geraefen. 2lllerbing§ fül)rte fd;on ber Wv)Ü)n§>, auf

raelctien man bauen mu^te, bie 9fiad;e maffenliaft mit fitf); allein ber 2^on,

in welchem bie 2)id)ter biefelbe einführen, geigt hod) i)fter eine ganj per»

fönlic^e '^Billigung. S)er einzige beutlic^e ä^orbelialt, meld^er einer fel^r

beoorgugten ^^erfönlid)feit in ben Tlnnh gelegt wirb, ift ber, ba^ roenigftenß
ein 2Sater fid) nid)t am ©olju rüd}en foU'*), unb fo Oebipui nid^t nn
^oli)nei!e§. a3tan prüfe aber ha^ ganje 3Serl)alten biefe» oom ®id)ter
mit |öcE)fter ©t)mpatt)ie oorgefü^rten „Oebipuio in i^olonoiS"; fein ^in»
gang entfprid^t genau bem eine§ mittelalterlii^en ^eiligen, beffen @rab

^) 2x)[\ai, orat. XIII, 4 unb befonberg^


IV, 202. 205. ein äf)n(ic5eg Urteil bei 42 (adversus Ag'oratum).
2ln[ai3 ber 2(niigone ^aufan. IX, 17, 4: ') ©ü 2tntiiione in il^ren SiJorten an
ul x'iTitQßoXai Tüiv riuwQiiijy. ben aSater, ©opl). Deb. Äol. 1189 ff.

') .^terobot VIII, 105, 106.


Qnt ©efamtbilanj bei gried^ifc^en Sebenä. 357

ja ebenfalls bcreinft jum ©egen für Ort unb Sanbfd^aft tuerben rairb,

unb nun möge ein fold^er c^riftUdjer S)ulber, mie er fid^ in ber betreffen^

ben Segenbe äußert, uerglid^en werben mit bem blinben i^önig oon ^l;eben.
ßd)on eine oößig profane ^ii'i^tung ber neuern 3eit mürbe if)n nid)t fo

otjne jeben 31^9 wehmütiger '^erföfjnlidjfeit oon Rinnen fc^eiben laffen.

@uripibe§ oollenbs rebet mit ber unbebingten ^tac^fu^t metirerer

feiner ^auptgeftalten feinen .g^fii)^"^^" offenbar ganj nad^ bem ^erjen.


3mar ^efabe, meiere nad^ ibrem 2:obe (laut bem a)Zi)t(;n§) in einen §unb
oerraanbelt morben, ift im Srama roegen iljrer fcbredlicfien diad}? an ^olp'
meftor f(^einbar preisgegeben, allein üjre I)eftigften SBorte tönen bocb, um
in ben 2(t{)enern einen ftiUen SBiberflang gu finben. 3luf 2Igamemnon§
'Jrage (33.754): „2Ba§ oerlangft bu oon mir? etwa greiljeit? bie mürbe
bir leidfit geroäbrt" — ermibert fie „92ein! 2Benn ic^ mid) an (Schürfen
(xaxoTg) räd^eu fann, roill icfi mein gangeS Seben ©flaoin bleiben." —
@inem ©Ijor mie bem ber 33ac(^en (93. 868 ff.,
889 ff.) roirb man nicbtS

2lnbere§ aU unbebingte Seibenfc[)aft gutrauen, unb fo and) beim 9^ac^e-

gefü!)I; ollein @uripibe?^ mad)t e§ un§ anberSmo, bei '^Ma^ oon ibealen,

b. \). oom 3)id)ter begünftigten Sfiarafteren fo leidjt, auf bie J)errf(^enbe

©enfraeife ju fommen, ba§ aße weitem Seifpiele überftüfftg finb. (Sr

l)at in feinem Orefteg (3>. 1100 ff., 1132, 1163 ff.) offenbar feine 3llj-

nung baoon, ha^ er bem mertwürbigen 2^rio Oreft, "»^vylabeS unb ©leftra
einen ßf)ara!terf(eden antjängen fönnte, inbem biefelben, aüerbingS oom
2;obe bebrol^t, fid) nod; an 9)JeneIao§ räd)en woHen burd) (Srmorbung ber
S)ekna (gegen welcEic fie feine anbere Silage IjaUn aU bie aller ©ried^en),

geftl)altung unb Sebroljung ber ^ermione als ^^fanb unb Sranbftiftung


im SlönigSpalaft oon 2lrgo§. ^errlid) wäre eS freilid), meint Oreft, wenn
S^iettung fäme unb wir jwar töten fönnten, aber felber am Seben blieben
{s<Tavov6i fit; davov6u')\ — $ffiobei uodj l)eröor§ul)eben ift, \)a^ alle bret

unmittelbar oorfier fid^ uniereinanber Ijöc^ft gefül)looE geäußert l;aben.

2luf foldie Offenbarungen Ijin Ijört bann auc^ bei ber Setrad^tung beS
wtrflid)en gried)ifd)en Seben? jebc 5ßerwunberung auf, wenn fowoljl ©in"
gelne als ganje 'Parteien ^Isergeltung üben. S)a& ^l)ofion im Werfer,

beoor er ben (Schierling trinft, feinem ©olin aufträgt, feines oon ben
2ltl)enern erlittenen Unred)ts nicbt eingeben! ju bleiben ')/ fa»n S'^'ar bie

aielian V.H. XII, 49. Sergl. Sanb I, 89. 2rnm. 3.


;

358 3ur Oefamtbilanj bc§ gried^ifd^en Se6en§.

Stimme eineg eblern &tmük§>, aber au^ eine blo^e SBarnung ou§ Ätug^
^eit fein, i^n enge Sejiefiung p ber entfprec^enbeu ^ugenb, nämlidb jur

3)anfbarfcit finbet fid^ rcenigftenS bie 9tacl}e gefegt in einer merfroürbigen

Schrift be§ IV. ^Qt)rl)unbert§ ^) : ,,2Bie e§ gererfit ift, fid; 5U rächen an


benjenigen, bie un§ Uebleg gugefügt ^aben; ebenfo jiemt e§ fic^, ben SBol^l»
tätern lieber ©uteg gu ern)eifen." Ungeräd^ter i^Qwi"^^^ «ber ift nur
bann el^rroürbig, roenn er ben SJienft^en oon ©Ottern gugefügt rcorben;
Diiobe ift bie mater dolorosa be^ 9)?i)tJ)U^.

S)ie ^fiilofopl^ie, aud^ roenn fie fic^ über bie 3^acf)e nid^t au^brütflicf^

auSfprad)^), roirb immert)in inforoeit bagegen geroirft {)aben, al§ fie bie

3lbraenbung oon ber Seibenfc^aft überljaupt üorfc^rieb, wie in^befonbere

bie 6toa tat. S)iefe proflamierte au^erbem \iatt ber SSiell;eit mörberifc^

üerfeinbeter ©injelftaaten eine gro^e frieblid^e SöeltgefeEfc^aft, unb im


^^rioatleben l^ot fie roenigfteng in einzelnen itirer fpäteften Sc!enner fic^

bi§ na^e an bie ^einbeSliebe emporgeroagt ^). 3^ur gerieten mand^e Stoifer

hod) fei)r an§> ber gaffung, fobolb oon ©pifur unb feiner ©rf)ule bie

9tebe mar.

@ine onbere grofee 2teu^erung be§ menfc^li(^en ®goi§mu§, ba§ 9?edf)t

jur Unroal^r^eit, f)at, fo wie bie ©ried^cn t§> l)anb{)abten, it)nen fdion.

bei ben Sf^ömern bie 9ieben§art oon einer Graeca fides jugejogen. @§
märe oottfommen eitel, bie Duote be§ bei allen SSölfern geübten Sagend
unb ^äufcfienl mit berjenigen bei ben alten ©riechen ftatiftifc^ oergleid^en

ju motten, unb bo^ roirb mon im ^inblidf auf bie nun folgenben tat'

fäd^lic^en eingaben ni(^t um^in fönnen, bie ©riechen ai§> fcfimerer belaftet

') ©icl^e Rhetor. ad Alexandrum I, [o geftimmt roerbcft, loie bie[e (gegen bie
14, 5 (bem 2lnftote[e§ sugefd^ricben, roa^rs übrigen 3Jlenfd^en) finb. — VII, 22: bie,

fc^einlic^ Sßerf be§ 3lnajimenc8 oon Samp- raeld^e unö DoHenbö unroiffentUc^ ober
fafoß). roiber SBißen gefd^abet I)a5en, foUcn luir
-) Sei ';}iIato, de re publ. I, p. 335 d, lieben. — VII, 26: bei allen, bie fic^

foQ ber Oute unb ©ercd^te überf)aupt nie= gegen unä üerfeljlcn, foQen roir errcägen,
manben frfinbigen (ßkänTfiy); bic§ in einer rcag fie überl)aupt für gut ober böfe a11en f)

jiemlic^ umftänblic^en 2lu8einanberfe^ung bann roerben roir un§ meber inunbern noc^
im HJunbc beö Sotrateg. erjürnen, fonbcrn jene bemitleiben. ^m
=>) marc. Srurel, tig iavroy VI, 1: übrigen babcn roir luie bie 33elcibiger bocfy
bie befte ülrt ber ^Hac^e ift, eg nic^t ju nur eine lurje öpanne Sebenöjeit uor un8,
machen roic ber Seleibiger. — VII, 15: (I)ic§ in niedrem Sorianten.)
fiel;e ju, bafe bu gegen Uninen[cf)fid[)e nic^t
3ur ©efamtbilanj be§ griediifci^en SeDenö. 359

ju betradjten. 2tu Se^re itnb SBornung f)ätte e§ auc^ ^kx ni(^t gefcl)lt;

^9li)agora§ fogte: bie Söal^r^eit rebcn unb raol^Itätig fein {u^Seveiv xal

eveQyeTHv) feien bie fcfjönften ©efc^enfe ber ©ötter, bie aud) i^rem eigenen

S^un am nöc^ften fämen.

©erne unb ot)ne allen 3Sorbe{)aIt wirb pnäd^ft einem pf)antafiereid)en


unb noc^ jugenblidien SSolfe jugegeben werben, baB e§ im @rgäf)len n)irf=

lic^ ©ef(^e{)ene§ unb blo§ @eträumte§ fo roenig unterfdieiben fann, aU


bie§ ein begabtes £inb oermag. ©inem @r3ät)Ier oon gar ju lebhafter

@inbilbung§!raft fiel etroa jemanb in§ Sßort: „unb bann erroad)e iä)",

aU ptte jener im Traume gefproc^en ^). ^ie 2Bai)rl)eit§mängel in ber

grie(^if(^en @ef(^i^t§fd)reibung ^) merben burd^ bie oft oöUig einfeiligc

SDarftellung ber @efc^i(^te bei mand)en Steuern rei^Ii(^ aufgeroogen, unb


bo§ SSoranfteHen eineS erlou(^ten alten 91amenS in einer eh^n erft »er^

faxten ©c|rift mar unfc^ulbiger, at§ bergleid^en je^t fein mürbe. 3lnber^

öerplt e§ fi(^ aber mit ßüge unb 2ßaf)rt)eit im großen unb fleinen SSer*
h\)x bc§ £eben§.

©^einbar geno^ bie 2ßa{)r^eit einen mächtigen ©c^u| bur(^ ha^


oiele unb feierliche ©c^roören, unb oiedeic^t !ein anbereS 3SoIf J)at fo

reiche „©ibeSantiquitäten" aufguroeifen roie bie ^ettenen ^). 2)er ®ott @ib

C'Oqxoq) ^at i)ier feinen eigenen aJit)tf)u§; x^m, bem ©o^n ber @ri§, ge»

i)ört je ber fünfte ^ag eines aJlonatS; an biefem gel;en bie ©rint^en um
unb rächen bie falfd^en ©dimüre"). SlUein nun gibt eS fd^on ju benfen,

ba^ in roid^tigen %äH^n bie 3^i^^nionie in ber auffattenbften SSeife ge*

fteigert rourbe, gang als ob bem geroötmlic^en ©ibe gar nid^t mt^x ge*

traut roorben märe, ^n ©i;rofuS gab eS einen fogenannten „großen @ib"


im Heiligtum ber ^t)efmop^oren^); in ©parta unb maEirfd^einUd^ auc^

anberSroo !onnte burc^ ein beftimmteS Opfer am 2tltar beS 3^uS ^erfeioS

') 2lnftop^. Ranae. 51. äroeiten Seben be§ Stiuf^bibeä (SBeftermaun,


^) ©pätern Siteratoren barf man nid^t Biogr., p, 201) aud^ gegen biefen.
Ieic|tJ)in glauben, roenn fie Bei bcn bes 3) 33ergl. (S.g. §ermonn, ©otte^bienftl.
rüf)mten alten |)iftorifern über gefHfjent: 2lllertümer § 22, fomie § 9, 6, § 21, 9.
Uc^e Unn)a{)v[)eiten Iflagen unb biefelben *) §efiob, opp. et dies 801. 2Bie ber

fogar auf gemeine Tloiivt 5urüdfüf)ren. 2}ieineib in ber wirtlichen 2ßelt tro^bem
— SSergl. j. 33. bei a«atceain,Vita Thucyd., graffiert, oergl. 193.

Sefd^ulbtgxtngen biefer 2trt gegen $erobot, ") SDag SRitual bei "^M. 2)ion 5G.
2;imäog, ^l^iliftog unb Xenoplion, unb im
360 Qux @e|amtt)t(aixj beä ^ried^ifc^en £eben§.

{3eu§ bei? @e(;öfte§) ein Jomilienglieb gejrouiitjen iDerben, öolle 9öQi)ri)eit

3u befeunen ^j, tuer in ber ^rijpta be» 2lbr)ton ju £orint^, rao ^alämoii

ge^eimnie^üod geborgen max, einen 9)leineib fd;iüur, nin^te tüenigftenö

lyifl'en-), ha^ er ber (Strafe nid)t entgelten merbc; ben SÖettfämpfern


in Dhjmpia lüurbe ba^ @en)ii)en gefdiärft burd) einen ®ib im 33nIenleriou
uor einem 3ßii^&itbe mit 2)onnerfeiIen in beiben ^änben, „üon allen

3eu§bi[bern bag am meiften jnr ©rfc^ütterung ber S^iuc^lofen gefc^affene",

unb an ber SafiiS auf einer eljernen S^afel la§> man überbieg ©iftidien,
meldje ©ntfe^en über ben 'Dteineibigen bringen follten^). SBenn auf beiu

Sonbe bie Sauern gegen bie „einfältigen" bortigen ©ötter bereite ah>
geprtet raaren, füljrle ber, meldjer uon Renten feines 2)orfc§ einen fiebern
(gib ijahtn wollte, biefelben in bie Staht, bo bie ©ötter inneri;a(b ber

9Jiauern nodi „roaijrtiaftig" feien unb aüeS beauffid)tigen*). ^reilic^ in

ber ^liaS luar ^tnS' felber ber roaljre 'üieifter be§ SJJeineib» geraefen, unb
©Otter m\^ ©öttinuen t)atten (raie früher bemerft) fd)on bei mäßigen 3(n-
läffen ben furchtbaren (Sib bei öer ©tyj fc^raören muffen^), um nur irgenb
©fauben gu finben; §omer aber toirfte unter ben @ried)en roeiter. Sei
irgenb einem gegebenen 2Bort in einem gefabrooHen Stugenblicf fdjwört
nton, im gatte beS 9Keineib§ fomt Äinbern untergeben ju wollen, nnh
Spfiag §a§lt für einen fotdjen @ib bem ^eifon ein 3:;alent unö mu^ i^m
I)ernac^ noc^ mef)r geben, obrool^l er meife, „ba§ berfelbe meöer ©ötter
nodj 2Renfd)en achtet*')". (g§ gibt fcbon nid)t leid}t einen fiebern Gib ol)ne
l;eilige ©ötter unb üoüenbg feinen im a}tunbe be» 5l>errud)ten.
Unb nun ift e§ nidit einmal nötig, auf bae Urteil anberer 9cationeii

unb 3eiten gu warten, um bie gried)ifd)e ßibprai'ia fennen §u lernen. 3}ian

glaubte j. S., jur ©rjieiiung ber jungen ^^ierfer get)öre e§, baf5 fie Daju
üugeljülten mürben, bie SÖatirljeit ^u fagen, unb §u bem Silbe, nieldjei?

man fiii) oon bem altern Ät)ro§ mad)le, fojinte ganj moljl ber Sefd)eib

.t)erobot VI, 68 f.
") i.'i)fia§, orat. XII (adv. Eratosth.
-) 5)iaufan. II, 1, 4. § 10). — SBoS bereitö im Gpog bem eoentuell
") Raufen. V, 24, 2. Sociar 33äter, ®ibbrüclöic<en fnmt Slinbern unb ©attiu
aSriiber unb Ue6unc(äle[;rer ber Söettfämpfer anfleiöün|ctit roorDcn mar, |. Z^l. III, 297 ff.,

mußten über einem fleopfcrten Gbcr einen unb bieg (-^ctc^ict)! [ici ben '-isorbereituniien

befonbern @ib leiften. }u einem ijoUeögeridjtliclieu ^^mcifampf


*) aSabrtog, fab. 2. (jraifd^en ^ariö unb 'üienelaoö) , melcber
•')
31. XIV, 270 ff. bann friüoler SBeife unterbleibt.
:

3itr Öeiamtbilanj be§ grisc()i)"d}en £e6en§. 861

paffen, iyelcr;en er einem griec^ifd^en 33olen erteilte : „id) fürdite mic^ nic^t

üor Seuten, loelc^e inmitten iljrer ©tabt einen ^la^ ^oben, roo fie ju*

fammen !ommen, um einanber mit falfdjen @iben ju betrügen." Ser»


jenige aber, me(d;er bie§ erjäljlt, ift ^erobot^). ^n ber golge mar ber

@tb bei üielen nur nod) ein lOtittel, um ^mtdt ju erreid^en, unb bal;er

an fi(^ eine gleid)gültige <Ba6:)z, jumal im poütifd^en S^erfeljr. Söenn


5^J)eogni§ (il 399) mal;nt, „bie männerüerberbenben ßibe §u meiben",
fo ift bamit rooljl nur ber ^rei!§ gemeint, in meldiem man lebt, nad^ ber
üorangeljcnben 9}ial)nung, „mit ben ^reunben eliren^aft ju üerfe^ren."
StIiS ein§ ber 3^i"i)eii uöUiger fittlic^er 3^ii^üttung, roie fie fic^ im -l^er^

lauf be§ peloponnefifc^en ilriege^ über ©ried^enlanb ausbreitete, uerjeidjuet

2:t)ufi)bibe§ (III, 82) and-) bie Sßertlofigfeit ber '^erföljnungSfc^roüre

„Siefeiben mürben nur geljalten, fo tauge e§ unoermeiblic| unb jmed^


mä^ig mar/' Sijfauber aber fagte um biefe ß^it: „i^inber betrügt man
mit Söürfeln, a}Mnner mit @iben."
Um beS ©rfoIgeS unb @eliugcn§, ber ^errfi^aft unb be§ ©enuffey
miQen ift eben bem ©ried^en jugeftanbenermeife oieleiS erlaubt ober —
menn e§ burc^ anbere gefc^ietjt, begreiflidj, wa§> anbere 35ölfer roenigfien^

öffentUd^ oerurteiten, fei e§ um nodj mirffamer ober um nac^roirfenber

9ieligionen raiUen, unb aud^ moi)! fraft urfprünglic^er 3lnlagc. Söeun


l>nite noc^ uor ©erii^t fa[fd)e ©ibe in 9)Jenge gefdjrooren werben, fo ge=^

fc^ieljt (§> bod) mit böfem (Semiffen, unb e!§ ftel)t feine öffentliche 3)teinung

baneben, meldje bie Bad)^ befd)önigte. Sei ben Öricdjen barf g. S. fdjon

bie Sl^ragöbie and) ifjren begünftigten (£I)ara!teren 3::äufd)ungen geftatten,

mie fie e§ t)eute nirgenbs met)r bürfte, unb bem ©uripibeS ^at fogar
2lriftopt)ane§ e§ uorgeljalten, ta^ er h^i einem 9}teineib biftinguiert jroifdien

ber 3ii"9f/ loelc^e ft^roort, unb bem $ß3illen, meldier proteftiert ^). ^n
ber aJiebea freilid) ftagt ber ©t;or (33. 439) fei)r patf)etifc^: entfdjmunben
fei bc§ @ibe§ 2Bert, unb in bem großen ^ella§ roeile bie ©djom nid^t

met)r; fie fei in ben 2Iett)er entfd^mebt. 6§ mirb raeiterljin oon fold^en

baoongeftogenen S^ugenben bie ^Rebe fein.

©en 9tömern, menn fie oon ber SÖortbrüc^igfeit ber ©riechen fprac^en.

') |)crobot I, 153. — tSine 23anaiitc ") 2lri)'topl^.,Ran.l01 f.,n)a^r)c^einlic^


I)ierDon, bem Slnacfiarfig in ben 5Diunb ge« mit ^ejie^ung auf ©urip. ^ippolpt. 611.
legt, bei Siog. £aert. I, 8, o.
362 3^^ ®efamt6ilan5 bc§ griedöifd^en £e6en§.

ging in ber legten 3eit ber Siepublif fc^on ein ftarfcr ^^(;anfai§mu§ na<i),

itnb benno(^ rairb, wag 5. ^. ßicero in einer ©criditSrebe fagt^), nid)t

au?- ber Söelt gu bringen fein: „5Deni ©efc^led)! ber Hellenen ganj im
ollgemeineu loffe id) it)re ©diriftraelt, if)re oielfeitige ^unft, bie 3ie^Kcf)feit

unb j^üHe i^rer Siebe, unb anä), ma§> fie fid^ etroa fonft no^ beilegen,

mU i^ i^nen nic^t abftreiten, ober — bie ©eroiffen^aftigfeit nnb 2BQf)r=

()Qftigfeit in S^ug^nangfagen i)at biefe S^otion nie bei fic^ au^gebilbet,

nnb bie 33ebeutung biefer gangen ©ac^e fennen fie nid^t (testimoniorum
religionem et fidem niinquam ista natio coluit totiusque hujusce rei
quae sit vis, quae auctoritas, quod pondus, Ignorant) . . . ©in
gried)ifd;er 3^"9^/ ^^^^ ^^ oortritt mit bem Sßillen 5U fc^äbigen, benft

nid)t an bie 2öorte be§ ©ibe§, fonbern nur an ba§ ©c^äbigen. ^IBiber'

legt, pgebedt ju werben, ift für i^n bie ©d)anbe, bagegen ruftet er fid^,

alle» übrige ift il)m gleichgültig. . . Solchen ift ber ®ib ein ©dierj,
bo§ 3^wS"i^ ^^" ©piel ; ma§> i^r (Stömer) oon if)nen galtet, fommt i^ntn
ganj bunfel üor; Sob, Selofjmmg, ©unft unb nad^tieriger ©lüdrounfc^
l;ängt atleg am unoerfc^ämten Sügen." ©d)limm genug, ba§ fdion t)unbert
^al)xt üor^er ein feljr einfiditiger ©riedie^) üon ber atigemeinen 2lmt§»
untreue feiner bamaligen SanbSleute folgenbeg ()atte f^reiben fönnen : „bie

öffenttidien 3SermaItung§beamten, and) menn ii)nen nur ein Talent an»


oertraut ift, bemafiren feine 3:;reue, felbft menn je{)n ©egenfd^reiber, je^n
(Sieget unb groansig 3^"9^" baneben ftet)en, raäl^renb bie Dfiömer al§

^riegganfüljrer unb ©cfanbte in betreff ber größten ©ummen treu bleiben

wegen i^reS ©ibea. 33ei ben anbern (ben ©ried^en) ift e§ feiten, einen
2Rann gu finben, ber ficb ber ©taatSgelber enthält, bei ben ^Römern ift

ba§ ©egenteil feiten." ^olpb fnüpft ben üon il)m beftagten ^Tatbeftanb
QU bog ©c^roinben be§ @Iauben§ an ©ötter unb Hnterroelt unb rebet
überl)aupt üon 3eiten ber fd^werften 3SerfommenI)eit, atlein ba§ „93erun=
treuen be§ Deffentlid)en" raor fc^on fe^r tauge üorber eingeriffen, unb in

3Itt)en Ijatte einft fdion S:t)emiftofIeg nidjt nur für feine politifdie Sanf^
bat)n enorm oiet ©etb gebraud;t, fonbern and) beffen üiel oorgefpart.
©eine öfter geäußerte 23angigfeit oor ber 9lebnerbüt)ne fam geroi§ nidjt

blo^ bat)er, ba^ er bie 3ltt)ener überJiaupt al§> roanbetbar !anntc^).

') Pro Flacco, bef. IV (9. 10). V ") ^oh)b. VI, 56.
(11. 12). =>) Sßcrgl. 23anb I, 6. 246.
Qxxx ©efamtbilanj beg gried^ifd^en 2e6en§.
353

SSenn roir fc^Iie^ltc^ in betreff ber Graeca fides auf eine Qnette
mie bie ©trotagemc beg ^oUjän !)inroeifen, fo roirb man oieaeic^t fc^on
bie fpöte entfte^ung bei 33uc^eg^) gegen beffen 2Bert geltenb morfien.
3mein man tefe hm 3lntor, meld^er ja ein alter ©olbot oon nuijebonifdjem
©ebliit rcar, ooEftänbig burd), unb man wirb eine au§ alten nnb fpätern
Cluetten gefammelte, jiemlid^ reiche ©ef(^i($te ber IjeHenifc^en Unbebenf=
licPeit fennen lernen, unb jroar bei weitem ni^t bloB in betreff ber
^rieg§liften. ©er Söeltlauf mag \a roo^l immer ein ölinlidjer geroefen
fein, namentlich im Kriege, auc| fott nic^t behauptet werben, ha^ ^>oh)än
affel au§brüdli(| biEige, mag er erjäljlt; attein ber ©efamteinbrud ift

boc^ ber einer gänjUd^en ©lei^gültigfeit ber ©riedien in ben


3JZitteln be§

erfolget gegen jebe 2lrt von ©egnern^).

©0 oft bei ben ©riechen bie oorJ^errfd^enben Seroeggrünbe be§ menf($»


lid^en ^anbelnS aufgejälilt werben, fel)lt nie bie @§rliebe [tim). 5:i)ufr)bibe§ ^)
nennt fie in erfter Sinie neben ^urc^t unb Sinken, ^fofratel lä^i fie auf
©enuB unb ©eminn folgen*).
©ie tjatte im griec^ifd^cn 2ihm ^orbebingungen auf iljrer ©eite,
roctd^e i^r in anbern ßeiten unb bei anbern 93ölfern nic^t immer juftatten
gefommen finb. Bunäc^fi ^atte man in bem öffentli^en treiben einer
^oli§ ©elegenlieit unb 9}JuBe, bie einzelnen fennen §u lernen unb
felber
gcfannt ju werben; fobann ^errfc^te im 33etonen ber eigenen
^erfon fo^
woljl ol§ im Sefpred^en ber ßebcnSoer^öltniffe berer, mit weli^en man
rcbcte, eine Offenheit, welche bamalg mit ber beften Sebenlart oereinbar
f($cinen mochte. 2)ie Unterlialtung bei ©ofrateg mit bem alten Äep^olol,
am Slnfong ber Sudler ^slato§ oom ©taat, mag 5. 33. l)ieüon eine 2ri)nung
geben, ober auc^ a;enopl;on0 „@aftmal)l" nebft anbern 2)enf malern be§
bamaligen ^öl)ern gefettigen ^erfel)re0. gerner \)atU ber wettweife, agonale
betrieb oon 2iaem unb ^eglic^em, oom öffentlichen 2luftreten bei ben

') Sei 3tnla| beg ^ugcg bcö 2. 3]erug s) c^„


^g^ 5iebe ber at^enifc^en @e=
;

gegen bie ^ort^er 162 n. g^r. fanbten ju Sparta I, 76, 2.


') «ergl. 5ef. I,- 23, 2 — I, 39, 4 ') 3[ofr. TKQi dyTidöa. ^ 217. —
T, 42, — 45, unb 4 (2t;fanber) —
1 I, 1 ütuöroal)! von 2Iuöfngen Bei 9?ägelö6ac^. —
II, 6 - 19 - III, 2 - III,
II, 40 - 9, i-^auptauäfage ^lato (£t;mpof. p. 208 c
IV, 2 (^^ilipp üon 2}Jajebonien) — R',
ff.

in ber Diebe ber 2)iotima.


6, 1 — VI, 19 unb 20 — VU, 23, 2 w. u. f.
364 3ur ©efamtbilanä be§ gried^ifd^en 2e5en§.

©plelen an bi§ gu jeber 2lrt üon Seiftung unb ©eltenbmad)ung, ben

3)ienfrf}en jene fo§iaIe ©c^eu benommen, weldje Ijente in ber Siegel faum
melir einen anbern Söettbemerb geftattet al§ ben im fogenannten ©efc^äfte,

im übrigen aber ben (Singelnen auf 'öa§> negatioe @f)rgefül;l jurüdroeift.

5^iefe^ fuc^t vor ndem nirf)t5 Ungünftigeg auf fid) fommen gu laffen unb
2I(^tung 3U ermerben, ha?» 3luffei)en aber su uermeiben; aud; löiQ berjenigc,

welcher barüber l;inau§get)t, ber Ijeutige 6lreber, nid)t 9iuf)m, fonbern


©teilen unb ©elb, unb anä} feine 9tef(ame bient oor allem biefer 2lbfid)t.

3)er SöiÜe be§ begabten ©riechen bngegen ift feit ^omer: ,,immer
ber ®rfte gu fein unb uorsuleud^ten ben 2lnbern/' unb ebenfo frül^e ertönt

aud) ber 3Bunfd) be§ 9ia(^ruf)m§, welcher Ijeutigen Xa%z§^ and) bie am
ljöd)ften (Ste£)enben roaf)rfd)einlid) nur menig befdiäftigt. Sie ^oIi§ Ijätte

nun feljr geroünfd)t, biefe „^liilotimie" be^ (Sinselnen uöUig in i^ren ©ienft

5U bringen, allein biefelbe fanb ii)re Seitenwege nebenan?. Dline olle

©d}eu trat ber 2lu§ge§ei(^nete üor feine 3^^^^"offen, mit möglic^fter

äußerer 9JJad)t unb oft mit bem gebiegenften ©elbftlob ; ber ©nergte aber

faf)en bie @ried)en oiele? nac^, menn fie nid^t sufäUtg in ^erfon baoon
gu leiben l^atten ober in ©chatten gerieten. SlUe biefe S)inge mären in

einem umftänblidjen SufoTumen^ang gu befpred^en, tjier bagegen motten


mir nur ber attgemeinen ©egnerf^aft gebenden, meiere ber SluSgejei^nete
auf feinem 2öege antreffen fonnte.
„9ieib ift Trauer über bie 3Sortei(e eine§ anbern, ©cfiabenfreube ift

ä>ergnügen an ben Skc^teilen, meldte er erleibet y — mit biefer Definition

Don ©ad)en, meldie fo alt finb al;! bie 9)ienfd)l)eit, mag aud; ber attge=

meine ©runb jener ©egnerfdjaft richtig bejeidjnet fein. 2lber ber lieutige

9{eib, meldier fid) ol)net)in nie ju fid) felbfl benennen barf, fonbern alle

möglid)en ^Jias^fen oor ba§ @efid)t nel)men mu^, operiert meift Ijinter bem
Siüden be§ Opfert, mäljrenb ber 9Jeib ber ©riei^en, fobolb er fonnte, in
offenem 2lngriff unb ^oi)n auSbrad).
©rünblid^ oerftanben fid^ bie ©ried)en fd)on uon attem 2lnfang an

auf ba§ xfQTOfiuv^ ba§ ^erjeleib, meld)e§ in 3Borten angetan mirb. ö'S

ift insbefonbere ber §ot)n über mißlungenem 2Boüen unb Tun ; man fie^t

bei iQomer, roie ber ©ieger fpottet, unb mie eiS ben ^öefiegten fd^merjt;

') Sei ^lutarc^, de curiositate, 6. — Memorab. III, 9, 8.


etroas anberä ©ofrateö, üergl. Xenopf).
3ur ©efamtbilanj be§ gried^ifc^en Sebeng. 365

man Ijöxt bie fatte, äiifammengefparte Sitterfeit be§ jur §ö(i)ften dlad)t

bered}ttgten Dbi;[feu^ gegen ben geblenbeten ^pflopen ') , unb man lernt

ben giftigen ,§änbelfti[ter S^^IjerfiteS fennen. ^n ber na(^{)omerif(^en 3eit

trtrb bann bnrc^ 2lrcf)i(oi^o§ unb feinen ^ambu^ bie Säfterung (XoidoQia)

eine ^unftgattung , unb man mar überzeugt, ba^ fic^ bie Opfer be§

2lr(^i(ocf)o§ roie bie be§ ^ipponaj ba§ Seben genommen Ratten, ^^^ür ben
3Serfu(^ ber 9tecf)tfcrtigung beiber ift ^ier auf bie neuern Siterarljiftorifer
gu üermeifen, im 2lltertum fanben fie wenig 9]acf)ftd)t bei aller Serounbe'
rung für bie ^roft i[)re§ 3lu§bru(!ey. §of)nbid)ter finben fic^ in allen

reicf)Iid) ertjaltenen Literaturen unb in ber neuern 3^i* fcf)on bei ben
^roüenjalen, aber ein Sluffeljen unb eine ©eilung raie jene beiben fie

getjabt, mar borf; nur bei ben ©ried)en mögltc^. ©pottoerfe unter bie

Leute gu bringen mar auä) fpäter eine SJfanier ber diaä)<t unb be§ ^affe§.
biegen ^erifleS am SInfang be§ peloponnefifdjen 5lriege§ „fangen 3SieIe

Lieber unb ©pottreime ''^)", unb bie älteften ©pottepigramme {Gxwmixä)


ber Slnt^ologie fönnen nod) ebenforoeit l)inaufreid)en. 2ln ber ©teile ber

noc^ mangelnben treffe mattete ber münblid)e 5ßerfe()r ber 2Igora unb
aud) rooI;I be§ @elage§ unb für bie, meiere burc^au^ unbefannt bleiben
moßten, ba§ 2tnfd)reiben ber ©d)mä()ung an irgenb einem öffentlidien

©ebäube^). 3lud) bie ^arifatur, an eine SJJauer gejeid^net, tat it)ren

©ienft, unb raa§ bie plaftifdje 5larifatur betrifft, fo l)at \a ade grie(^ifdje

^orträtfunft nalje^u bamit angefangen, a(§ um bie 2>Zitte be§ VI. '^a\)X>

I)unbert§ bie 93ilbt)auer ^upaIo§ unb 3Iti)eni§ ben 2)ic^ter ^ipponaj; mit

foldien j^-iguren fjeimfud^ten , worauf benn freilid^ feine ^tac^ejamben fie

follen in ben ^ob getrieben tjaben. Um biefelbe 3^it marnte nod) ber
weife ^teobutog oon Linbo!? *), nic^t 3U lachen über bie, roeldie oerfpottet

werben, benn bie§ ftifte tiefe ^einbfi^aft.

9Jtit ber ©rwä^nung be§ ^erifleS t)aben wir aber bereite ha^i be»

rüfimtc V. ^aljrljunbert berül)rt, viitl^t^) uamentHd) ben 3It(jenern bie

oolle ©ntwidtung oon ©ut unb 23öfe, bie oolle ©emofratie unb jubem
bie alte Äomöbie bringen foUte. 3Ba§ nun q.\\<^ bie übrigen ©ried^en

') Dbijfj. IX, 473. 501, 522. %au\an. X, 38, 1. 2 bei 2ru(a^ ber 030^
-) ^lut. %zx\U. 33. — Heber bag Un= lifcficn Sofrer.

glücf, einer SeDöIfenino; mit läc^erlid^ ') Sucinn, dial. meretr. X, 4.

gebeutetem Flamen an3uge^ören, oergl. *) 5)iog. Saert. I, 6, 4.


366 S^^ ©ejamtbilana beä gried^ifc^en Sc6en^.

bamal^ an fü^neni 2luftreten einselner 23ienfi.ten unb an frechem 3lnfämpfen


i^rer ©egner mögen geleiftct (;aben — nur für 2ltt;en liegen bie Slften

in einiger $öoIIftänbigfeit oor.

3unäd;ft raoren bie roirflic^en ©efaljren, in roelif)en ber Sürgcr lebte,

luemt er \id) irgenbroie auä) nur bemerkbar maä)k, fo gro§, ha^ bie

Blofee fojiate (Smpfinblic^feit baneben geroi^ jurücftrat. Sie ©yfoptjanten


unb 3i£)etoren, bie fkt§^ brot)enben ©taatSanflagen, befonber« raegen ä^er^

untreuung unb wegen ungenügenber Seiftungen, foroie bie immer gefä^r=

lic^e Stnflage auf 2lfebie übten jufammen einen bauernben ^erroriSmu-o.


Sie allgemeine ^olge ^ieöon mu^ eine gemiffe innere 2lbt)ärtung geroefen

fein, auc^ tjatte ja nic^t jebe 2lnflage @rfo(g, unb wer einer ber ftärfern

ßliquen angeE)örte, fonnte ni($t blofe gur Slbme^r, fonbern aud; jur ©egen*

flage fdjreiten; nur mu^te bei bcm emigen $8erfammlung|alten unb ©e»
ridjtljalten {ix;</.f;GiäCfiy xal öixd^nv) eben boi^ immer etroa§ gei)en, raa§

bie 2tufmerf|ümfeit unb bie Seibenfc^aften im ßuge erljielt.

9lun t)at fic^ aber oucf) bie alte £omöbie, roeli^e neben biefem (Staot§»
lüefen emporroud)!, bei meitem nic^t mit ben gefettigen unb prioaten Un»
oüttfommenljeiten mandjer 2ltl;ener begnügt, fonbern Ijäufig ben ©taat
unb feine ßeute §u it;rem ^auptgegenftanb erforen, unb ba^ bie^o fo ge=

fdje^en burfte, raie e§ gefdiaf), mirb ein 2lnla§ be^ ©rftaunen^ bleiben

tro^ a\lm ©rflärungen. 3)io(^te aud) bie ^omöbie urfprünglic^ ein ^eft=

ütt 5u (S§ren be^ SionyfoiS fein, roel($er „felber gerne lachte ^)", unb
mochten auc^ atte bionijfifdjen ^eierlic^feiten immer be§ 'Bpa^iS' unb
^ol)ne§ ein reid^lic^eS S^eil mit 'iiä) gefüljrt Ijoben, — biefer ©runb allein

fann t§> boc^ nic|t geroefen fein, raeli^er ber *Romöbie ein üotteg ^abr'
J^unbert l)inbur^ geftattete, il)ren 3)Jutn)illen an ben Einrichtungen unb
S3ef)örben ber ^oli§ gu ühzn, mie fie tat. ©dio« attein bie „l'Befpen"

ht§> 3lriftop^ane!o l)äufen auf ba« $ßollcgerid)t ber 2ltt;ener eine eiuige

©c^mac^: anberSroo roirb aud^ bem dlai, b. i). bem jeroeiligen ^^rl)tanen,

iic 33eftec^lic^feit, ja bal ^örnertragen in^ ©efic^t geworfen; in ben


„klittern" tritt ber 3)emo^ al^ l)öd)ft bornierte^ ^Äefen in ^'erfon auf,

bi§ man in ber j^olgeCil 1121, 1141) belehrt roirb ober werben foll, ba^
•er fid) nur fo gefteHt ^abi. ^mmer^in roirb bei folc^cn Eingriffen hin

') Sucian, Piscator 25.


3iir ©efamtbilattj be§ gried^ifdjen 2eben§. 367

©iitäelncr genannt unb ebenforoenig bei ben ScEiimpfroorten, welche ]id)

ganj 2ttE)en muB jurufen toffen. 2öq§ fott man aber benfen oon jenen

3Jia[fenopfern von namentlid) bezeichneten ^'^^iüibuen, raelc^e berfelbe

3lriftop|aneg üolljieljt, oon bem nn§ üerfid^ert roirb^j, feine Haltung fei

nod) eine anftänbige {ßf^vöxsQor) geraefen neben ben bittern unb fc^änb^'

liefen Säfterungen einel i^ratinoil unb ßupoli^ (beren i^omöbien niii)t bi§

auf un» gelangt finb). @r t)at \a über^iaupt feine 5lunftgattung nidjt

angefangen, fonbern nur ben ©til berfelben bi§ gur völligen (Sic^ertieit

auSgebilbet, unb an ifim üiet mef)r alio an ben ^ambenbii^tern ^at ber
fpätere ^oi)n in S)icE)tung unb ^rofa gejel^rt, unb noc^ '>iuz\axi ift con
ariftop^anif(^en Sßenbungen burd^brungen.
Ijm Stilgemeinen wirb ber Siebter fein 3^^^/ i^"^» xiQiofislv ober

3ufügen üon ^erjeleib erreidjt Ijoben, awö:) roenn Stiele abgehärtet unb
gerabe bie ©(^limmften fd)on oöHig au^gefc^ämt waren ^). ©ele^rte alte

©(^oliaften {)aben bafür geforgt, bafe an^ bie gange feitlierige SSelt üiele§

oon bem betreff enben ^oJin oerfteiien fann. S)ie mit 9kmen, ja fogar

etroa burd) il)re 2Ra§fe 3tngegriffenen loaren (ober foHen geroefen fein):

S^iäuber am Staatsgut, ^^eiglinge, 2öud)erer, 2)iebe, Sieferanten ^), Spfo»


pljanten u. f. ro/); gegen 6nbe ber „j^röfd^e" gibt ^luton bem auf bie

Dberioelt jurüdfe^renben 2lefd)i)lo§ 6tride mit für einige mit 9lamen


genannte Seute, roorunter ein ^'ragifer, foroie für V\t „^soriften" im
allgemeinen; biefe aber fd^einen oom Staat ht]itM geroefen ju fein gur
2tuSmittelung neuer @innal)men. SSeltbefannt ift ferner, loie 2lriftopl)ane^

feine bii^terifc^en Kollegen bebanbelt, unb l)eute mü§tc 5. 33. fc^on bie
?^amilie be§ (SuripibeS mit allen 2)Htteln Silage einlegen, roenn fie no(^ auf
einige 2l(^tung 2lnfpruc^ machen wollte. 2Ba§ gegen bie 2)ic^ter oon feiten ber

^unft einguroenben roöre, roirb ^ier 'immer mit ben pcrfönlic^ften ^njurien
burc^einanberge^od^ten; man lefe nur, roa§ bem 3tgat§on an galilreic^en

©tetten ber „3^^efmopl)orienfeier" gefagt roirb. Sie ^^er^ö^nung oon


leiblich ^Jiißgebilbeten mag bei ben bamaligen ©riedien mit in ben 5lauf

3«" erften §iog beä ärtftop^. bei D. S{)r. gegrünbeten 2:f)urioi erlaubte ben
SBeftermann. Biogr. p. 155. Äomöbienfpott bereit'? nur gegen (S^ebrec^er
") @o ber befanntc |)9per5oIog, ^lut. unb Intriganten {noXvrjoäyfioi'ag) ; erftcrc
amb. 13. gab man roobi preig, um ber locfer ges
3) Equites 128 ff. fügten Kolonie eine gefe^Iid^ el^elid^e Sürger»
*) 2)a3 @efc§ beS im 2>a^re 442 fdiaft ju fidiern.
368 3"^ ©cfamtöilans bcS griec^i)d)en Seben§.

gelten, inbem ein fold^er l)öd)ft uia!)r[($einUd) nur be^eEigt lourbe, roenii

er fic^ in ber Deff entließ feit bemerfUc^ mad^te, boc^ and) bann roar e0

ni(^t ebelmütig ge^nnbelt. ^n ben „3>ögeln" nilein wirb etwa ein Ijalbe§

^unbert lebenber 3ltf)ener genannt, wobei ber Stifter nod) abficfjtlic^ bie

oicien 3Ingef(agten be§ bamal^ fdiiüebenben ^ermofopibenprojeffeS über=

ging, ©ange 6{)orge[änge, j. ^. in ben „3ld)arnern" (33. 836 bi§ 859)

bienen gu gar mä)t§^ anberm al§ jnm ©ift gegen eine 2ln§aJ)l üon ^er^
[ön(icf)feiten. 2Ran mag geltenb machen, bie 5^omöbie l^abe auf biefe 3Xrt

bie mangeinbe ^oligei ober gar bie ©eredjtigfeit oertreten, wobei fie

freilief) eine grofee unb fdjwere Verantwortung würbe feJ)r Ieid)tf)in auf
fic^ genommen 'tiahtn; man wirb aud^ wof)l jagen, ba§ fie in ber Siegel

gegen bie Demagogie gekämpft, unb ba§ 2lriftopl)ane§ mit feiner großen

©jefution gegen 0eon fi(^ beffen tatfäcf)Iicf}e 9iad)e gugejogen ijaU. 9iur

reidjt bie§ nic^t bin für biefenige fttt(id)e SSerflärung, welche itim in

neuerer ^dt f)ie unb ba guleil geworben ift; im gangen wor er gebedt,

infofern ber S)emo§ auä) feine eigenen ^üf)rer unb biejenigen Seute au§

bem „ormen unb gemeinen SSoIf", welche fic^ etwa§ 3}?e^rere§ aU bie

9J?enge bünften^), nid)t ungerne uerfpottet fat); bie meiften 3Serfpotteten

aber waren boc^ „Sieic^e ober alten ©eblüteg ober @inffu^rei(|e". 2lufeer=

bem filterte ficb i^lriftop^aneS eine unfehlbare ^^opularitöt burd) feine

beftänbige 9)Zaf)nung jum ^riebenmai^en, unb jwar and) in folc^en Seiten

be§ peloponnefifdien i^riegeg, ba ber triebe o^ne bie fläglidjften Se=


bingungen ni(^t gu fiaben wor; feine „fii)fiftrate" j. 93. fättt in ba§
^ai)x 411, ba bie ©partaner mit ^eere§ma($t auf attif(^em 33oben in

S)efeleia fefefiaft waren, ^n Samadiof^ oer^ö^nte er einen ber tüditigften


unb uneigennü^igften f^elbl)auptleute.

©nblid) E)at fid) bie 5!omöbie auc^ jene 3lnflagc ©ingelner auf Slfebie,

eine ber gefäf)r(i(^ften, bie e§ gob, nid)t woHen entgegen laffen. 3ll§

3Xriftop()ane§ in ben „SBolfen" ben ©ofrate§ in ber weltbefannten, gwor


red)t fomifdjen, aber blinb wiüfürlid)en 2Öetfe auf bie ©gene brad^te, foH

eg jwar biefer fetbft nad^ ber gewöl)nlid)en ©age ladtienb mit angefeljen
^aben ^), ber 5)i(^ter aber muB fid) in ber (5ite(feit wegen feiner witügcn

') ^fcubo^Xcixop^on, de rc p. Athen. 1


fachen 2Ielian V, H, TI, 13. a)Jan barf
II, 18. fragen, iPtc e8 2lnftop()aneö überl)aupt
*) Sßogegcn boc^ bie befannten 3lu§5 l^ätte anfangen f offen, um ben Sofraleö
S"»^ ©efamtbilanj be§ grie(f)i[cf)en Öebenä. 369

©rfinbuiig Döllig barüber oerbtenbet ^aben, ba^ er in ber urteile*

lofen a)tenge eines jener ä^orurteile erregte, roeldje nie me^r oöüig ein»

fc^lafen, unb in meieren bann nad)road)fenbe ©efd}Ied)ter ergogen werben.

iBoljl üergingen bi§ jum ^roje^ unb ^ur ^inrid)tung beS SofrateS nod)

24 ^a^re, aflein o^ne bie SBolfen löäre ©runb unb Soben ^iefür ent-
lueber gar nic^t ober boc^ nic^t in genügenbem ©rabe ooriianben geroefen ^).

S)ie fogenannte „mittlere 5?omöbie" ijat fic^ Ijierauf §roor feine

perfönlidien 9}Ja§!en mel;r, n)of)l aber nod) bie maffenfiafte ©enungiation

(ginjelner ertaubt, rate man au§ ben ^^ragmenten bei 2lt^enäu§ fie^t. S^^t
mußten u. a. bie ^(jiIofopl)en oerfdiiebener ©d)ulen mit 9iamen i)ert)alten,

ober bie befannten ©ourmanbS ober alle, welche bei ber ^arpaloggefc^idjte

foHten ©elb genommen i)aben u. f. ro. S)ie erbarmungSmürbige S)ürftig>

feit, in raeldie biefeS ©eure oerfiel, ertjeüt 5. S. barauS, ba^ ein burd;
feine magere ^^igur befannter ^f)ilippibe§ bei nic^t raeniger al§ breien

biefer fpötern ^omifer oorfommt, unb ha'^ z§> ]id) fogar ber 9Jiü^e Io£)nte,

auf feine 3led)nung ein 3>erbum {(filmnidovaUui) ju bilben^).


®ie§ ganje treiben ber ©gena fam, raie oben gefagt, immerijin
raeniger in Setrad^t al§ bie beftänbige poUtifc^e unb gerid^tlic^e ©efatir,

unter rael^er ber Bürger lebte; aud^ fonnte ja ber öffentliche unb bis^

raeilen genial ftilifierte ^oljn für erl)abene ©emüter ein 2lnla§ ber

Säuterung fein. 9iur müßten rair, um genau gu urteilen, ermitteln fönnen,

über raie oiele oorjügtidje aJienfc^en fi(^ ber ftiHe (gntfd;lu§ beS ©diraeigenS

unb 33ergid)ten§ oerbreitete. 2)ie gunel)menbe Slbraenbung oom (Staat,

oerbunben mit bem @ntfd)luB gur Slrmut, ift in jener ^txi mit Rauben su

greifen ; xoa§) mag aber außerbem an Stimmung, b. l;. a\\ ber ä>orbebingung

ber ^ö^ern ©efelligfeit unb ber ^oefie gernic^tet raorben fein!

3ule^t finb bie alte unb bie mittlere Slomöbie bod^ nur bie feltenen,

offijietlen 2leu^erungen einer ^ol;nlraft geraefen, raeldie au^erbem gang


3lt^en ba!§ ganje '^oX)i l)inburcE) bel)errrfd^te, fd^on raeil ftatt ber be=

rutiigenben 5lraft ber regelmäßigen 3lrbeit eine beftänbige 33efd^äftigung

nod) abfic^tltc^er unb f)eiIIofer in ben ') 3Borüber beutlic^ ^lato, Stpolog.
Öerud) ber 2tfebie ju bringen, aI8 er Nub. 18. 19.
226. 247. 367 ff. 397 ff.
423. 830 unb 2) att^en. XII, 77.
im ganjen ©c^Iuft beä 6tütfe§ getan f)at.

3. Surcf^arbt, (Sriec^ifc^e Äutturaeft^ie^te II. 24


370 3ur ©efamtbilanj be§ gried^ifcfien SebenS.

mit bem Oeffentlidien, b. l). mit ben Hnbecn eingeriffen max. ©In fanfterer
ober berberer ^o^n frfieint ben ganzen S^erfeör bel;errfd)t jn ^aben 0.
S^iimmt man bann nod; bie 9tebner be§ IV. ^a!)rl)unbert§, fo fie^t

fic^ ber Sefer umgeben üon ben roilbeften perfönli^en 2lngriffen; ba=

neben aber bürfte im ©runbe nod) größeres ©taunen erregen, ma§> auä)
l)ier bie 23ei)örben unb ha§i oerfammede $8ol! \iä) bieten liefen, oljne

aufzubrennen, fobalb fein ©ingelner genannt war. 2)a0 foüegiale gell

mar ba§ bicifte, Ijier wie bei ben 3"f<^'^uern ber ^omöbie. ®ie Klienten
bc§ Stjfiag !lagen über ungenannte '^itht an ©taat^gelbern , raeldie

offenbar ba fi^en, aber vooi)l miffen, bo^ nidit^ gefdieljen mirb; ben

©i)fop{)anten rairb e§ oiele dJlaU, unb geroi^ ai§> Slnraefenben, in§ ©eftd)t

gejagt, mal unb roie oerrudit fie feien; fie fdieinen e§ nid)t auf fid) be»

gogen gu I)aben.
^ene 2lb^ärtung gegen ©pott unb 2lngriff trotte jebod) no^ über*

bieg t^re ©renken unb mor oft nur ein ©d^ein neben tiefem @ram unb
^a^: „©ofrate§, in ber ^omöbie oerfpottet, ladete baju; ^oliagro»
^enfte fi^"')!

Sllepg, einer ber 9)Zeifter ber mittlem ^omöbie, legt einem feiner

6l;araftere folgenbe ^lage^) in ben 9)iunb: „®a§ oiele S3eifammenfein


unb bie üielen unb täglid)en ©i^mpofien pflegen ben ©pott ju ent»

mideln, biefer aber fc^merjt oiel met)r, al§ er erfreut; mit einer Uebel»

rebe fängt e§ an, unb fofort gibt e§> auä) eine ©rroiberung gu l)ören;

ba» näd)fte Uebrige ift ©d;mäl;ung, bann ^^^rügelei unb 2:'runfn)ut".

2le§nlicöe SBarnungen oerlauten aud^ anberärao *). äioHenb^ nic^t blo§ im


Umgang, fonbern in ben 3"JßcEen be§ Seben0 oerlad^t gu raerben, l^at bie

3)?enfd;en oon jel^er auf ba§ 2leu^erfte bringen fönnen. (Suripibe:^ lä^t

feine älJebea iljre fd)redlid)ften 2lbfi(^ten unb ^aten begrünben buri^ ba'§

9]er^inbernmüffen, 33erleibenmüffen h^§> ©elöc^terg ^). ^ßieHeidjt t;at aber

bi^meiten ba§ blo^e Säd^eln, bie ^i^onie an ungeeigneter ©teQe nod) mel^r

empört als baS offene Sachen, roeil fie bie Ueberlegenl)eit als bereits ent*

') 3)Jann)ar f'yytkaaTi^g rwy 6 fiiXovy- burc^ SOßorte mel)r 5U fränfen alä buvd^
rwv, ©urip. .'öippolgt. 998. Späten, xaXinwriQoi^ yttQ vßQif rj ßXnßtjy
-) aielian V. H. V, 8. rptQovai.
3) 3ltt)en. X, 17. ') (gurip. 2)Jebea 797. 1049. 1355.
*) 5ßlut. limolcon 32: bie Seutc finb 1362.
3iir ©efamtbilanj beä gried^ifc^en Sebenä. 371

fi^iebene STatfcK^e oorroegnimmt. ©o!ratc§, wenn er bei allerlei l'euten

lierumging, toirb e§ fid^ o^ne S^^if^^ ^^^^ fci^ß trom[cf)e 9teben)eife 511=

^ejogen l)aben, ba^ il)m Ijie unb ba mit ^auftf (plagen, ?5^u^tritten unb
^luSraufen be§ ^aare§ geantroortet rourbe, wa§ er ja ebenfalls mit ©dierj

foU aufgenommen Ijaben^); bie meiften jebocl) oerlacfiten unb üerac^teten


i{)n i£)rerfeit§.

3n ©egenmart 3lnberer gebemütigt ju werben, 'i)at ftet§ unb überall


für befonberS bitter gegolten, unb ^i)tf)agora§ gab nie mefir auc^ nur
einen 3wfptud) oor anbern, feit einer feiner <Bä)ükx, meldten er auf biefe

9Beife etrooS tiart jur 9tebe gefteQt, ficf) geteuft l)atte^). ©o!rate§ ba=
gegen ocrrät feine ttöftlid^e Unbebenfli(^feit in biefer 33e3iel)ung nocf) oor

feinen S^iic^tern: „3Sarum fo mancl)e tängft immer l;aben um micf) fein

looüen? fie l^ören thtn gerne ju, wenn anbere, bie fid) loeife bünfen, e§

aber nid)t finb, oon mir ausgefragt werben, benn bie§ ift fet)r oergnüglic^ y.
2ttlerbing§, nur nic^t für ha§> ©(^ladjtopfer.
^n ber ^olge, al§ bie Unempfinblidifeit, befonberg bei (Eynifern unb

©toifern, eine anerfannte ^^l)ilofopl)entugenb geworben, fonnte man fid)

barauf einüben, unb bie betreff enben 2tnef boten oon Jlleantlie?, 2lrfefilao§

u. a. mad)en beSl^alb feinen großen ©inbrud. ®er ßpnifer ^rateg


manbte Ijierauf bie eigentümlidifte ©d)ule ber 3lbl)ärtung: er bef(^impfte

.^uren unb lie^ e§ auf bereu ©rroiberungen anfommeu'*). 33effer mar


eg, roenn ber ®efd)mäl;te burd^ eine überlegene Slntmort, jumal burd)
«inen 2öi^, bie 3lnroefenben auf feine «Seite gog, unb @inige§ üon ben
Slntmorten be§ ^Diogene^ ift oon biefer 3lrt. ©onft aber fc^einen bie

^l)ilofopl)en, wenn il)r (Se!tenl)a^ fie gegeneinanber aufbrachte, ibre

^mpaffibilität nur ju oft eingebüßt ju Ijaben, unb bann genügt (raenigften^

in ben 6d)riften) ba§ Säd)erlid)mad)eu nic^t mel)r, fonbern man fu(^t

«inanber burc^ 3lad)xthi §u ruinieren. 2lud^ bie attifd^en 9tebner traftieren

einanber famt 2lnl)ang unb greunben auf ha§> perfönlidjfte bi§ auf bie

iQerfunft, für meldte boc^ feiner etroa§ fonnte, unb gerne mag l;ier atle§

iginjelne au§ biefem ©ebiete übergangen werben ^). ©egen taä ®rl;eben

') 3)iog. Sacrt. 11, 5. 6. =5) ^^tato 3(po(. p. 33 c.

-) ^lutarc^, de adulatore 32, n)o biefe •*) 3^iog. Saert. VI, 5. 7.

@eite ber gefeUfc^aftlic^en ©mpfinblid^feit *) 33iä jur 3Ser[tümmerung mit töb=


mit roeitern 33eifpielen belegt rairb. Herein Sluggang roäre eS einft, offenbar
372 3iu- ©efamtbilaiiä be§ gried^ifd^en Sebcns

Don ^itjurienprojeffen l;errfc^te beim Si^ftfu^^ öQer atljenifdjeu ^uftij

ein begreiflicher SBiberroiHe , unb SijfioS legt einem feiner Klienten

folgenben 2lu^fprn(^ in ben 3Ö?unb: „©elbft roenn mir ber ©egner einen
a3?orb nacligefagt J)ätte, fo mürbe idj bie§ für eine ^leinigfeit ^) geacEitet

Ijaben, benn ici^ Qcf)te bafür, ba^ e^ illiberal unb eine ©ac^e proge^a
füd^tiger ;öeute fei, um münblid^er Söeleibigungen raiHen üor ©erid)t ju
gel)en."

S)al ^erl)Qlten ber ©ried^en bei tatföc^lidien SDüB^anblungeu -) Iä§t

fd^lie^en, ba^ biefelben mit größerer (Seelenrulje geal)nbet mürben aU J)eute,

unb ba^ größere Seibeiofraft unb ^Brutalität eines anbern i)infort nod^
nid)t über Söert unb (Stellung be§ ^eimgefud)etn entfd)ieben ^). ©roig be»
geic^nenb unb in l)eutiger 3^^^ unbenfbar finb jene 2Borte on benjenigen,
roeld)er ben ©tod aufhob : „Schlage mi(^, aber E)öre mid^ an", gleidioiel
ob fie ^l)emiftofle§ *) ober ein anberer gu @un)biabes ober §u Slbeimanto^

gefproi^en Ijat. 2Ba§ fid^ ©ofrateS gefallen lieB unb mit roelc^em ©leid^;
mut, rourbe fdjon ermäl)nt, unb oon SiogeneS erjöl)lte man 2le^nlid)ey.

@3 !ommen jebod) gätte oor, ba ber ©egenfa^ gu oller je^igen ^anblungS»


meife nod; oiel beutlic^er ift. 2ll§ ^leon infolge ber 2luffül;rung ber

„Siitter" ben 2lriftoplj aneS (man fagt burd) bie 5:'^eaterpoliäei) l)atte burd;'

prügeln laffen, I)ielt biefer gmei ^aljre fpäter feinem ^ublifum in einer

^arabafe ber „9Befpen" (33. 1284 ff.) oor, mie tabell)aft e§ bomalS feinet

Seibens gefpottet unb woi)l gar nod^ auf einen ©pa§ beS ©emi^l)anbelten
gemartet Ijabe. (gntroeber mu^ nun ber Strang, oor einem foldien ^ublifum
bennoc^ roieber unb immer raieber aufsutreten, in ber Xat übergrofs ge='

roefen fein, ober bie 2ltljener empfanben überhaupt fo, ba^ fie bem ilomifer
einmal eine 3üc^tigung gönnen unb ii)n bennod) babei in feiner unb il)rer

2lrt äftimieren fonnten^).

toegen gerichtlicher hieben, gefommen, raenn tige aiuöeinanberfe^ung be§ 33Jitfonio§ finbet
bem 2lefc^ine8 ju glauben ift. Adv. Timar- fic^ bei ©tobäog, Üorileg. ed. 3)leinefe, Vol.
chum 168 (al. 172). I, p. 303 — 305 in ber ©aimnlung Tiegi
') 'Pctvkni' y.al oi'&tfoc (e^coi'. S^ftaÖ, Hi'tiiy.((y.i((<. 9?ur ift eben 2)?ufonioß erft

orat. X, adv. Thoomnest. § 2. 2ßo5U bie ein ©toifer «om 'Einfang ber ilaifcrjeit.
(Sinleititng g^o^bergerg, 2luggeiD. Sieben ^) 'if>[\\i. 2t)cmift. 11.
bcs ^i;i. ©. 350. •') Db Slltibiabeg ben Äoinifer (fupoli^
') (5c^opcnt;auer, ^arerga 58anb I, l^at ing SReer tauchen laffen auö 'Siai)t^

©. 399. mag ba^jingcftcllt bleiben.


^) Xxe Don Schopenhauer jitierte wid^s
3ur ©efamtbilanä be§ gned^ifd^en £e6etu3, 373

33ei förperlid)en 2}Zi§^anbIungen ftonb natürlich gebeut bie gerirf)ind}c


5^Iage offen, hit'ie aber fonnte man ft(^ burc^ ein Uebereinfommen abfoufen

laffen. 3)emoftl)ene§ Ijat bie§ sraehnal getan, al§ tljn 9)Zeibia§ im S^^eater

in'o @efid)t gef^lagen, unb al§> itjn 3)emomeIe§ oerrounbet J)atte. lieber

bie 9}(oratität biefeS 2lbfommen§ ift J)ier gänslic^ auf bie neuern 33iograpl)en

be§ ^tebnerg su üerraeifen; ber tjämifi^e ©egner 2lefd)ine§ freiließ I)alte

fic^ bie ©elegenijeit nic^t entgelten laffen, ju fagen, ^emoft()ene§ nmcbe


fii^ eine Diente au§ feinem 5?opf '). 33ei aU foldjen Singen ift immer
auf ha§> 9}iebium ju oerroeifen, in roeld^em fie cor fic^ ge^en, auf biefe
oöllig ef)rIofe ^oli§, meiere 3a{)r!)unberte t)inburd) Organe roie 5. 33. bie

<5r)fopI)anten benü^te; leJirreic^ ift auc^, i^r pjufe^en bei 2lnla^ ii)rer

2ttimieerflärungen, meiere fie mit ben Eiöc^ften, feierlic^ften ^lüdien oer=

brämt unb bann etroa mieber au§ ^^^^i^n^äBigfeitSgrünben ftiHe ftedt-),

wobei fie if)r ^at^oS einfad) mieber l;erunterfd)tucft. ^n einer foId}en

Umgebung mu§te auä) über Steolinjurien jmifc^en bürgern anberS geurteilt

werben al§ in neuern ^^^ten.

Sieben bie[er eigentümlidien SSerfjärtung (unb faft a[§> eine Siditfeite

berfelben) Übt bann eine geroiffe ^olerang, ein 2lnljörenfönnen oon ©egnern,
n)el(^e§ tieutigen f)errfc^enben Parteien üiel fc^merer fällt. @§ ift in bem
lauten Särm 2ltl)eng unb anberer bemo!ratif($er ©täbte, neben bem rauften

a^orbrängen ber ©treber, no($ immer eine geroiffe Dbjeftioität be§ Urteils,

eine S3erounberung be§ ^^egabten oocljanben, roeli^e auä) fol(^en ha§>

3luftreten möglich mad)t, bie ba§ 9ted)t unb bie ^raft ber roa^ren 2(u§»
jeic^nung in fic^ fül)len, unb oon biefen unb felbft oon (Geringem l)ot

man fic^ (Srftaunlic^e^^ gefallen laifen. Mm ^erfammlung Ijielte rooljl

Ijeute eine 33olfi?rebe gebulbig au§, roie felbft nur bie be§ illeon^); roa»

anbere 3iebner unb roa§ bie ^omifer oorbrac^ten, mürbe l)eute als

„^e^erei" jum ©c^roeigen oerurteilt fein ober unmittelbar ber tatfäc^lidien

dta(i)t oerfaUen, unb jebenfallS roürbe bie ^e^örbe fic^ gegroungen fe^en,
2leuBerungen biefer 2lrt um be» lieben j^riebenS unb ber poligeilid^en

Diulje roiUen ju oerbieten ober p beftrafen. ^n Sitten bagegen fc^eint

^) Demosth. vita quarta bei 2Befter- 2) !Dkn üergl. j. S. ben gatt be§
inann, Biog:r. p. 305 f.
— 35on 2)leibia§ ©emabeS.
foll ©emoft^eneö 3000 Srac^men ange- =>) S{)uf9b. III, 37 ff.

nommen [)a[ien, ebb. p. 311 anö ©uiba§.


3"r ©efamtbilanä be§ griec^ifd^en Sebeng.
374

roenic;^ften^ im V. unb IV. ^a()rl)unbert fein 9Ubner oon ber Sül^ne


t)eruntergeriffeu ober mit ©teiuraürfen , S3errounbungen u. bergl. jum
3(btreten gesmungen morben gu fein, roenn el aud§ an ^:priDatrad)en

nid^t ganj feljlte. S)er 5)emo§, menn man i^n nirf)t in feinem 2eben§>

prinjip angriff (ror öTjixov xaialvnv), ließ über bie einzelnen 33ertreter

feiner a)iad)t ergeben, rca» ba raottte; biefelben maren nidjt unuerle^Iic^,

nic^t mit bem ^rinjip in (Sine gemeinsame Unantaftbarfeit gufammen»


geroicfett, unb raenn fie preisgegeben mürben, fo fanben fid; anbere axt

itirer 6tette.

9lad)rid)ten, fdieinbar au§ älterer ßeit, au§ ben grof3grie(^ifd)en

©täbten ^talien§, at§ bort bie berül)mten ©efe^geber B^IeufoS unb


ef)aronba§ raalteten, mürben einen Si^ft'!"'^ fd^ilbern, ba man nod^ nii^t

fo abgetiörtet unb au^gefc^ämt gemefen märe ^), unb ba fid) bie 3Jknfd^en

Ratten lenfen laffen burc^ jenen eintrieb, meieren man 2libo§ (ßl)rgefüt)I,

3d)am, ©ütc, 3)i§frction) nannte. Sa erfahren mir, hal^ überroiefene

©i;fop£)anten, mit 2:amari§fen befränjt, l;erumgel;en mußten, fo bafe

mehrere berfelben fid) au» Sdjam ba§ Seben nal^men; ba^ foli^e, bie

im Kampfe gefIot;en ober ber 9Saffenpf(id)t überl;aupt entmic^en raaren,

nictit raie anberäroo mit bem ^^obe beftraft mürben, fonbern brei ^age
lang in meiblid)er %xad)i auf öffentli(^em ^la^e fi^en fodten; ba^ ben
grauen jur Segleitung nur ©ine Wienerin geftattet mar „aufgenommen,
menn fie betrunfen feien", ba§ fie nad^tS nic^t auS ber ©tabt burften,

„ausgenommen pr Un5ud)t", unb geftidte Kleiber foUten feine tragen,

„ausgenommen bie Hetären". @S ift jebod; nic^t fdjroer, in biefem

gangen 33eri(^t eine fpäte ^-iftion, oieIIei(^t erft auS bem 3lnfang ber
^aiferjeit ju erfennen; in ber roirflidien gried)if(^en ^oliS ^at eS nie
eine ^t\i gegeben, ba mon bie aJienfc^en mit ©ymbolif unb Ironie ^ätte

bänbigen fönnen. ^mmerljin tonnte eine fold^e Seftüre noc^ fpät it)re

5-rüd;te bringen: in ber franjöfifd^en 9ieoolution meinte 3. 33. ©t. ^uft,

ber feine politifd)en Opfer fo unbebenfUd; ouf baS Sc^affot bradite,

bei geroö{)nlid)en 9)?Örbern genüge eS, racnn fie in fc^niarjen ©d;leiern

berumge^en müf5ten; allein er ift bamit nid)t über einen bIof5en '^'rinat»

rounfd) l;inauSge(angt.

') 2)iobor XII, 12. 16. 17. 20. 21.


3ur GJefamtbilans beä griec^ifd^en 2e6enS. 375

^cne STugenb 2libo§ roirb, roo fic^ ©riechen überfiaupt oernetimen

laffen, beftänbig unb bei jebem Slnla^ gepriefen unb in befonberm ©inne
ber ;3"9^"^ anempfoljlen, roeld^e von \o oielen 33ei[pielen beg ©egen=
lei[§ umgeben roar. (S§ gibt eben bei entn)ic!elten 33ölfern groeierlei

@tf)if : bie roirflic^e, raeldje bie beffern tolfä^lic^en ^ü%^ be§ 33oI!§leben§

entl)ä(t, unb bie ber ^oftulate, meift von ben ^{)i(ofopl;en oertretene.

2tu(^ bie leitete fann i^re nationale Sebeutung i)ahtn, aber nur, infofern
fie nn§> fogt, an welchen ©teilen bie Aktion tt)enigften§ püe ein böfe§

©eroiffen {)aben foüen. Saut ©emofrit^) fottte fid) bie Slibog bei ber

^ugenb an§ ber grammatifc^en, mufifc^en unb agonalen 33ilbung oon


felber entrcideln. (B§> max aber gut, ha^ fie lange üori^er bei ^omer in

©eftalt be^ ebelften 3öttgefiU)I§ fc^on oortjanben geraefen roar, unb bie

©ried)en fonnten fid^ barüber oöttig im illaren l;alten, ba^ ifire

3l^nen, bie 3itt)örer be§ ©änger§, ein feelifc^el 23erftänbni^ für ba§ ^einfte

unb 33efte im menfc^lic^en iser!ef)r gehabt ^ahm mußten. 2luf oorjüglic^e

SJienfc^cn rairfte bie§ gan^ geroi§ nad^ ; bie übrigen gingen im ©trom be§
SebenS mit, wie fic^ bieg l)auptfäcf)li($ unter" bem ©influB ber ^^oIi§ ge=

bilbet ^atte.

©ine allgemeine Silanj für bie ©riei^en im engern moroIif($en


©inne auffteflen §u raoHen, üon ben @efid)t§punften irgenb eines anbern
Golfes, einer anbern Kultur aus, märe ein au§fi(^t§lofeS Unternel^men.
3)en 9?ömern, raenn fie auf "Roften ber ©ried^en aJioral trieben, I)ätten bie
le^tern etroa erroibern fönnen, fie brandeten feine ©labiatorenfämpfe, bamit
ii)nen ha§> (gffen fdjmede, ober bamit bie 3Solf§maffen für bie 2.öat)len ge^
TOonnen mürben, unb eine aJJenge ©egenredjuungen biefer ©attung mürbe man
überaE groifdien 33oH unb 33ol! aufftellen fönnen, aud^ in Setreff g. 23.

be§ ©enufelebeng, ber ^anblungSroeife innerhalb ber ^amilie, ber ©flaoen*

marter, ber Suft an oölliger 3ernid)tung uon geinben forooljt al§ Diioalen
jeber 2trt u. f. m. 31I§ 9teft bliebe jebod^ immer nod) übrig, roaä bie

©riei^en felber cinonber gum 2:;abel aulgefagt t;aben ; iljneu mar ja, jum
Unterfd)ieb oon ber ganzen übrigen alten SBelt, bal oölferoergleid^enbe
2luge üerliei;en, an^ ift oben üon fold^en Urteilen fd^on ©ebraud^ gemad^t
morben. ^erobot gibt I;ie unb ba feinen SanbSleuten Sefttonen, mie mir

') ÜJluHac^, fragm. philoss. I, p. 355. Xum. 235.


376 3"5-" öefamtbiUxuä be§ gried^ifd^eu Seöettg.

foiien, unb ba§ ©efpräcf) ^luifcfien ^i^^^§> unb 2ld)ämeneS (VII, 236 ff.)

tft eigens gebicfitet, um ber grtec^ijc^en 'Spoli« beii tiefen, böSroidigen

9ieib unter ifjren bürgern unb beffen praftifdje Betätigung 5U ©emütc


^u füt)i-en, roobei nur „bie roenigen ^ugenbt)aften" aufgenommen raerben.

Tlan roeiB bann, määjzn Sc^roung biefer 5Reib bei ber meitern (Sntmicf»

hing ber 'ipoliS anjune^men imftanbe mar, unb bei biefem 9Iula6 möge
ein nnffenfdjaftlicfier 2Bun[d) aus^gefprodjen werben. 3lu§ bem uereinten

33emüE;en eines 3Utertum§Eenner§ unb eines erfaljrenen Jlriminaüften foüte

«in ab[d^(ief3enbeS Urteil Ijeroorge^en fönnen über bie c^üanöfen gäUe in

ben atf)enifd)en ©erii^tSreben, im quantitatiüen unb qualitatioen 93erg(eid;


mit ben uor Ijeutigen @erid)ten oorfommenben fallen äljulidjer 2lrt. ©»
würbe fic^ bann weifen, ob in irgenb einer anbern ©egenb ber aSelt»

gefd)id)te baS Seuflifd^e, bo§ 33ergnü9en am S^erberben oon 2lnbern fic'^

fo Ijat öffentlich Iflut machen bürfen, mie bei ben ©ried)en tjauptfäc^lid}
burd) 3lufmunterung jur (3i)fopi)antie gefc^alj, unb roie man e§ auS' ben
€rl;altenen 3ieben oon 3IntipI)on bi§ auf Semoftt)ene§ unb ^i)peribe» ur-
funblic^ fennen lernt, j^reilid), mo fid) mieber einmal @erid)te finben

foUten, meldje fid^ bie bort gefd)ilberte 2Irt üon 2lnflägern gefallen liefen,

tüürbe eS\ fürd)ten mir, aui^ mieber ötjnlidie ^^rojeffe geben.

-Die roeitern SebenSEonfequeuäen ber ^]ioliS, meld;e einft ben 33ürger

fo {)0(^ emporgetrieben l)otte unb iljm fpäter ein fo smeifel^afteS 3Bo{)I=

ergel)en bereitete, gepren ni(^t in biefen 3ufammenljang, unb bamit aud)


nid)t ba§ fpätere flöglidie 3uf«^itmenf(^mel5en ber 9lation in il)rer ^eimat,
n)äl)renb ber gried}ifd)e ©eift fid) im Orient fo und)tige neue SafeinS^
ftätten erroarb. 3ln ©inem ober möge man nidit ^roeifeln : ba^ bei bicfem
^^olfc 2lnlage, SBiüe unb ©d)idfale ein untrennbares ©anjeS bilben, baf3

baS Unglüd nidit ein sufäüigeS mar, unb ha^ ha§> SBelfen unb ^in»
fdinnnben eine i^olge beSjenigen politifc^en unb fosialen SebenS gemefen
ift, n)el(^e§ man gefütjrt l;atte. 2Bie unenblid) uieleS ©rofee unb Sdjöne,
'OaS' nur ben ©riedien erreid)bar mar, babei im (5nt|'tet)en oerliinbert ober
als fd^on Grreid;teS roieber jerftört unirbe, mag eljer gar nid)t ermogcn
nicvben.

^ört man aber luieber einen ©ried;en an, ctma einen i)ienid)cn uon

mittlerer ^JJioralität ^) , ber bie Äraft l;at, fid^ auf fid) felbft ju befinnen,

') 2;^eo(]niS 529. Sr felber [)atlc über 3>errat burc^ 5^6""^^ ju flageii, i'cii]!. 575.
Qnx ©efamtbKanj be§ gried^ifdjen 2eben§. 377

Toie rae^mütig fympotifi-^ tautet ba§ Siftid)on, in tueli^em er fein eigenes

aSefen gufannnenfa^t : „id) l)aU raenigftenS nie einen werten unb treuen
(SJenoffen üerraten, unb in meiner ©eete lebt niditl ^ned)tifrf)e§."

3u ber Set)re ber (SJriei^en yom t)ö(^ften @ut unb oon ber

9tet{)enfoIge ober Sofotton ber ©üter werben t)ier nur einige ®r=
gängungen geboten, ©entließ benterfen wir brei ©tufen. be§ Seiüu§tfein§:

bie be§ ^omer unb ^efiob, bie in ben 36ugniffen ber mäi^tigen ^tit ber

9Jntion, enblid^ bie burc^ 9teftei-ion geuionnene ber ^tjitofopljen. ®0(f)

wirb man im täglid)en Seben ber fpätern 3^^*^ '^^^ ^o§ 2leltefte roieber

üorflingen f)ören, foweit bie alten 5Did)ter unb bie Slnfc^auungen be§

9?tt)tt)u§ ben ^orijont nod) beljerrfc^en. SBenn mir biefe ©inge überfiaupt
fennen, fo oerbanfen mir bie§ bem Umftanbe, ba^ bie ©riechen offen gu
münfc^en wagten, bafe ni(^t äßettflugtjeit unb Siefignation alleS SSerlangen

in§ innere be§ 9Jienfd)en gurüdbrängten.

Sei weitem bie fid)erfte Duette würben i)ier bie &thtk an bie ©ötter

fein, wenn fie un§ beutlidier überliefert wären, unb S'iägelSbad^ Ijat ba^

oon fowoI)t in ber „^omerifc^en" al§ in ber „S^iadifiomerifc^en ^fjeotogie"

wenigftenS ben erreici)baren ©ebraud) gemad^t. 93on urtümlicher (Sd)ön==


t)eit ftnb bei ^omer 3. S. bie SBorte, wel(^e 9Zeftor^) ber oerfd^winbeu'

ben Slt^ene nad)ruft: „©ei mir ()olb, ^errfd^erin, unb gewät)re mir ebeln
9tu{)m, mir unb ben ©öt)nen unb ber jüi^tigen ©attin." 3)iefer ebte

9tul^m (xliog icd-Uv) ift unb bleibt im ©runbe ber ^auplwunfd^ be§
wahren ^ettenen, unb gerabe biefe SBorte, weldie ©emaljlin unb i^inber

mit umfaffen, jeigen, ba^ e§ fid) babei nic^t blo^ um ©ieg im 5lriege

ober im 2Bettfampf, fonbern um ein ganjeS oere^rteS ®afein tjanbelt.


2lnbere t)od^ wünfdibare ©üter werben al§> folc^e bei §omer beiläufig

»erraten; man empfängt 3. 33. bie „(BaU be§ ©d)Iafe§"^), benn er ift

wirüid) eine &ahi, bie ba ausbleiben !önnte. $8on einem anbern 3^^^
ber Sßünfc^e, bem fi^merjlofen ^ob im i)o{)en 2llter o()ne 5lranff)eit er*

faf)ren wir, ba§ auf ber gabelinfel ©ijria 2tpolIon unb 2lrtemiS mit
it)ren filbernen ©efdjoffen fommen unb bie greifen SJJenfc^en fterben

laffen ^). ^n nac§t)omerif(^er, immer nod) früher 3^it, gibt ber ^pmnue

Dbpff. III, 380. 8) Dbt)ff. XV, 407. — «crgl. ben


2) Sliaö IX, 713 u. a. a. D. mun^ö) Der ^enelope, Dbijff. XVIII, 202.
378 3ur ©efamtbilanj bc§ griec^ifd^en 2eben§.

auf 3tp[;robite (^>In. 103) bereits eine :^)iei()enfolge yon ©ütern in ben

SSovten be§ Inc^ifel, roelcfjer ber ai§> ©öttin erfnnnten ©eliebten einen

^öl;enaltar gelobt unb ju lijt betet um 9hil;m üor ben übrigen 3:;roern,

um einen blüf)enben ®pro[[en unb um langet Seben bi§ an bie (nämlic^

äuBerfte) ©(^lueüe be§ StIterS in gütte unb &[nd. 9lu§ ^efiobS „SBerfen

unb ^agen" würbe i)ie()er gehören ba§ wonnige Seben ber rec^tliebenben
©tobt (93. 226 ff.), beffen ©c^ilberung im ©rnnbe au§> lauter fe{)nfürf)tigen

SSünfrfien befteljt. äl>a§ übrigens bie 3iei()enfo(ge ber 2luf5ä()Iung bei ben

Siebtem betrifft, fo mufe biefelbe nic^t immer eine Sfiangfolge geroefen

fein, infofern nuc^ baio 9Ser§maB feinen ©infhtfi ausüben fonnte.


2lu§ ber Ijiftorifcfien 3^'^ aber gibt e§ junöcfift eine ed)te 9?angfolge

in ber großen ©legie be§ ©olon^): DIboS, 9tuf bei ben 3)?enft^en, 53e=
Iiebtt)eit unb ä>erei)rung bei ^reunben, enblid) furditbar unb gefürchtet §u
fein bei ben j^einben. 9Bü§ten mir aber nur CIbo§ mit einem äöorte
gu überfe^en, jenen au§ bem frütjen Slltertnm t;erübergenommenen, oon
einem mi)t()ifc^en ©lange leurfitenben StuSbrud alleS ®ebeif)en§! 35om
bloBen 9ieic^tum wirb ber ClboS nod^ fpäter beutlic^ auSgefcfiieben : „9Ber
bei SSofjlergefjen unb ^efi^ im §aufe nichts ßbleS erftrebt, ben nenne
i&j nirf)t einen Mann beS DlboS, fonbern el)er nur einen mobllebenben
Sd)ci|ef)üter^)."

^lürger al§ ©olon gäf)(t ^inbar om ©d)luB be§ erften pi)tt)ifd^en

©efangeS bie ^auptgüter be§ SebenS auf: fic^ glüdlid) befinben fei ha§,

erfte 2ßünfd^bare, ebler 9hif baS jroeite; mer beibeS erreidie unb ert)alte,

befi^e ben tjerrlic^ften ^ranj^).


2IUe biefe Definitionen be§ 3Bünfc^baren fel3en im ©runbe, raenn
and) unauSgefproc^en, ben fittUc^en äBert be§ 9)ienfd)en, ben 3tbel feines

SöefenS oorauS, unb nun finben fid) an(^ auSbrüd(id)e ^ii>ünfd)e biefer
3trt, freiließ auf bie unbefangenfte SSeifc mit materiellen ©ütern ^ufammen»
geftettt. Saut ^t)eogniS {)8. 255, oergt. 147) ift baS <9errlid)fte gered)t

') Fragm. 13 bei Sergf, Anthol. lyr. olßLdc: itnb bem blDfjen fr'rr//,'c, ber nur
p. 15. — Sine mef)r materielle Definition eine äu|5er(ic^ glüdUc^c (5I)ance gehabt I)at.

Bon D[boä fragm. 23 p. 19: oXßiog ift, -) Surip. 3lntiope, fragm. 32.
rocr liebe ®i)()ne, ^Uoffe, ^acib^imbc unb 3) Sle^nlic^ 3ftl;m. IV (V), 13 (16)
auöroärtg einen ©nftfreunb bat. — Sl^ergf. 41 Tig tv 7i(c(7/(üi' '/j'iyoy iafhXui' rexoit].
bei ^erobot I, 32 ben Unterfdiieb 5unfcben
3ur ©e[amtbilan5 be§ gried^ifcfien 2e5en§. 3-79'

3U fein '), ba§ Sefte bie @e[unbf)eit, ba§ SSergnüglic^fte : gu erreichen, lüag

man liebt — nnb bobei bleibt e^ ungewiß, ob Ijier uon eigentlicher Siebe

ober nur übertjaupt oon ^^ünf(^en bie 9tebe ift, raeli^e in ©rfüflung

gelten follen. ^ß^^^oi^^ l^^att^ faft gleidjtautenb biefen Sßunfd) in ben

^ropijläen be§ SatoonS oon S)elp^i an bie 3)?auer gefcfirieben^); bie

gange 2luf§ät)lung finbet ficf) bann, faft wie au§ 2:t)eogni§ entlef)nt, bei

©opt;ofIe§ TOieber^). ^m Stflgemeinen aber irünf^t fic^ ber ©rieche fitt=

Ii($e ©igenfd^aften ni(^t, fonbern er gloubt fie bereits ju befi^en, unb


üollenbg bie ©ötter um eine „©efinnung" §u bitten, roar bei ber fonft

üorauSgefe^ten äRoralität biefer ©ötter unratfam. §öc^ften§ ben fpätern


©toifern fonnte bie§ in ben ©inn fommen unter bem (Sinftu^ if)re§ üöüig.

oeränberten ©otte§begriffe§ ; roir ^aben e§ iebo(^ ^ier mit ben üom


5i^emperament ber ©riecfien au§gei)enben SBünfcben ju tun, nid)t mit ben

üon ber 9ief[erion eingegebenen a}toralfä^en. Unb mieberum etroaS anbereS

aU ha§> 2BünfcE)en unb Sitten ift iia§> allgemeine greifen ber ^ugenb
feit ©ofrateS, al^ berjenigen gentralen i^raft, oon meldjer alle anbern
guten ©igenfc^aften — an beren 3luf5äf)lungen fein SJJangel ift — 2leu^e'

rungen finb, unb ot§ SSorbebingung ber ©lüdfeligfeif*).

®ie t)öl;ere GJeltung bei ben 3Sotf§genoffen ober bei ben a}ienfd)en
übert)aupt, in it)rer Steigerung uom 2Infet)en gur @f)re unb gum 9iuf)m,

felbft bei ber 9kc^melt, wirb im SSerlauf ber Q^it bei ben äBünfc^en
meniger betont unb fällt enblid) in ben 3luf5ä[jtungen berfelben meg, fo
gro§ au^ im 2thtn bie oor^anbene 9?uE)mfuc^t mar unb blieb ^). 2)afür
treten @efunbl;eit unb 9ieic^tum in bie erfte Sinie, unb ber ©Ott üon

S)elpl)i l)at einft nur gmifd^en beiben bie 2Bol)l gelaffen. SBir meinen bie

merfraürbige ©rünbungSfage oon ©yraful unb Proton: 3lrc^ia§ jieJit ben


9iei(f)tum oor unb grünbet bo§ fpäter fo gro^e ©i;rafu§; Tli)§>UUo^ mälilt
für fid^ unb feine Üinftige ©tabt „ba§ ©efunbfein", unb Proton mirb
bann bie ^eimat ber trefflirfiften 2ltl)leten unb überl)aupt eines mächtigen

') SSergl. bie fcfiöne ©teile über bie Slriftoteleg. — Eth. Eudem. H, 1: tir) ö
©ered^ttgleit bei ®d^open{)auer, bie SBelt ccf ri tvSaifxovia ^wrjg Tt'Atiug irtQytict
alg SBiae u. f. m. II, 694. y.ar' aQtTrji' TtXtiai'.

2) 2triftot. Eth. Eud. I, 1 unb Eth, ^) S3on einem p^ern ©tanbpunft au§
Nicom. I, 8. rcurbe natürlid) ouc^ bie ®ntbef)rlicf)feit

^) <Bopl)Oti. fragm. Creusa. beg 3{uf)meä Derfocf)ten. %hü. 2(gi§ 2.

*) hierüber bie beiben ®tf)ifen be§


380 S^^ ®e)amtbi(an3 beg gviec^ifd^eii 2eben§.

©c^Iogcio oou Seilten. ,^111 gerabeu ©egenfa^e Ijieju üerfpredjen bie

„^l^öge^' ber ^omöbie (JS. 729) ben 3Jlenf(^en — fobalb biefe fte al%

©Otter t)erel;reu rooHen — beibe SSorjüge in einem ©tüd, nnb ba§ t)ie=

für eigens gebilbete „9teid)tum§gefunbi)eit", nh>vi}vyifia, ift einer ber

fcf)önften üon ben jal^lreic^en Söortbaftarben be§ 3lriftopf)ane§ ; roaS bie

$!ögel fonft nod) für 5linb nnb £inbe§finb in 2lu§fic^t [teilen: ^rieben,

banernbe i^ugenb, ©eläc^ter, ^änje, %^\it, nnb boB felbft bie ^üijncr

3}iild^ geben follen, mac^t natürlich feine ernfttiafte Steilje an§. 3.^orl)er

('i>. 604 ff.) l)at frerfierroeife ^eift()etairov fogar gefunben ; reid) fein fönne

fc^on an fid) für ein großes ©tüd uon ©efnnbljeit gelten, unb roer in

fd)(ed)ten @efd)äften fte^e, befinbc ftd^ ol^neljin nid)t roof)l.

6onft roufsten bie ©riedien red)t gut, ba^ bie ©efunb^eit bie gro^e
3?ürbebingung aUeS übrigen ©lüdeS fei, unb 'i^a^ fdiöne Sfolion be§

9U'ip(;ron ^) gibt fjieoon ein noc^ früfjeS 36"P^^- ^^^^ "^'^)^ '^i^^ fpäterer

3eit ftanunt baSjenige be§ ©imonibev^): „(Sefunbfein ift bol befte für

ben ©terblic^en, "tia^» groeite ift eine eble ^erfönli(^feit {(pvav xalar
yfri'aOui), ba§ britte fd)u(blo§ erworbener $Keid}tum, ba§ üierte, mit trauten
©enoffen bie ^iiQ^nb gusubringen." @in .'Romifer be§ IV. 3ßt)i^f)unbert§

üeB mit 33e5iet)ung auf biefe berütjmten SBorte be!§ (Sänger^ Don Keo§
jmar bie ©efunbljeit an erfter ©teile gelten, beftritt aber bie Sofation ber

ebeln '^^erfönlic^feit oor bem 3teic^tum, inbem ein ebler 3)ienfd), meldier
ionnger l)abe, ein fatales Sßefen fei^). 9Iu<^ ^l)ilemon*) wünfdit jnerft
©efunbljeit, bann 2Öol)lbefinben im aügemeinen, brittenS gröl;lid)feit, enb»

lic^ niemanbem ®elb fd)ulbtg p bleiben.

S)ie gried)if(j^e (glegie gel)t oft in ben ^reiS beftimmter ©üter beS
SebenS über, namentlid) fold)er, meld)e ber ©änger erfeljut ober nermitst;

bei ben ©i;mpofien ergab fid) biefeS 2;i)ema geroife oon felbft, unb and),

TOo ber llmfd)lag ber Plegie inS ©nomifd^e ober inS ©pigramm ober
aud^ fd)on in bie poetifc^e ©piftel erfolgt, flingt jener ^nl^alt l;äufig fort.
2'l)eogniS enthält 33eifpiele oon biefen fämttidjen ©attungen, mie fie unter
medjfelnben ©timmungen ju ^Borte fommen. „Tlsenigen 3Jienfd)en" (l;eif3t

es einmal 33. 933 feljr jc^ön) ift fräftigeS 'Jfegen (dofii,) unb eble '•^Nerfön=

') SBcrgf, Anthol. lyr. p. 490. (cia^Qov &tj(Hoi', aui *i)lnai:anbriba5 bei
-) (gbb. p. 527. Sitten. XV, 50.
') 'ffibrtlic^: xickög dt :itiiwf ianv '')
33ci Jucian, do l!ii)su in salutamlo, c. 6.
3ur ©efamtbilanj beg gne(^ifcf)en £e&en§. 581

lic^feit (xdUoc) jugleic^ eitjen; gUidfelig, toer beibeS uereint, äffe eieren

iljti, ^nuQt unb 9I(te tna^en ^(a^ üor ii)m; ein ©reis, ragt er bod)

^erüor unter ben 93ürgern, unangefod^ten im Umgang raie im öffentüdjen


Seben."
3^er 9tei(^tum gef)örte einft, roie loir faJien, 311 ben natu tierbei"

geroüufi^ten 33orbebingungen be§ ©lücEes'); baneben aber wirb mit ber


3eit beflagt, ba^ er ju fel)r ba§ @in§ unb 2lÜe§ werbe unb in ber Siegel
ni($t in ben red)ten ^änben fei. SefonberS ^f)eogni§ ift ooff üon klagen
über bie 2lrmut unb hk in if)rem ©efotge gef)enbe unoerbiente Df)nmad)t,

mäljrenb ber 9fieid)tum ('Is. 699) ben i^orjug üerleiije uor 2Bei^^Ijeit, ^lug^
t;eit, geiüinnenber Siebe unb ©c^nellfü§igfeit ^). ©uripibeS füljrt äl)nlid)e

©ebanfen weiter : menn ein 9lei($er etraa§ fage, gelte e§ für roeife, roätjrenb

man gu lachen pflege, wenn ein 2lrmer fid) trefflid) äußert ; au^ rermät)te

man ^inber lieber an einen f($le($ten Sieidien al§ an einen guten 3trmen ^).

dUä)t blo^ bie „XreffUdjfeit" nämlic^, fonbern aud) bie eble 2lb!unft

mürben affmä()lid) üon ben meiften nur noc^ in SBorten t)od) ert)oben, in

ber ^at aber ben ©enüffen unb ber 9}fad)t, meiere ber Sieic^tum erzeugt,

nad)gefe^t. Unb bod; warteten be§ Sieid^en bamal§ geinbe unb ©efaliren,
welche if)m feinen Scfi^ fe()r oerbittern unb fdjmälern fonnten, unb babei
würbe üon djm üerlangt, ba^ er fi(^ al§ Steic^er offenfunbig geige. Sei
(SuripibeS wirb bem reid)en £naufer, ber fid) felber nid^tS gönnt, guge^

traut*), ba^ er aud) ben beften greunben ^einbfdiaft erroeifen, ja bie

Tempel ber ©ötter berauben würbe. @in ^a()rl)unbert fpäter »erlangt


3llei-i§°), ber ©lüdlid)e foüe glängenb leben unb bie &ahi ber ©ottl)eit

fid^tbar werben laffen, benn barin erfenne bie le^tere feinen 3)anf; wer
fic^ aber oerftede unb nur in mittlerer Sage gu fein bel)aupte, ben nel)me
bie ©ottl^eit für unbanfbar unb fein S^un für illiberal unb raube il)m
auc§ wol)l ba§ 3SerIiel)ene wieber ^). ©inftweiten mu^ jeboc^ beutlid)

barauf l)ingewiefen werben, welche gro^e Duote aUiSgeseid^neter 9)iänner


be§ mittlem unb fpätern freien ©riec^enlanbg fic^ ber freiwilligen 3lrmut

^) ©ein fc^önfteg Sob in ber grofien 5) Sei atr^en. II, 12.


eiegie ©olonö, 35. 7 ff.
^) S)icfer Xc^t mit ber Unftd^er^eit
2) 33efonberg narf}brüdlic^ 33. 173. unb ^infälltgteit be§ 9teicf)tum§ ift fc^on

181, roo ©terben beffer ift alS arm fein. älter. aSergl. ©olon, fragm. 15. X^eogni^
^) ©uripib. Sanae, f ragm. 12, nergt. 15. S8, 317 (fe^r ä^nüd) lautenb).
*) Sanae, fragm. 7.
582 3"'^ (Sefamtbilaiij be§ gried^ifd^en £eben§.

liefüffen Ijoben, aücrbingg jum 2:;eil, roeil itinen nur ein ©rroerb, roetdjer

für unebel galt, offen geftanben I;ätte unb auä), weil jene ©efafjren be»

9ieicf)tum^ in i(;ren 2lugen ben ©enu^ be^felben überroogen.

(SnbUcf) niirb nud) ber l;eitere ©enuB i^^on^^ ifginollj) offen gu ben

©ütern be§ SebenS geredinet — in roeliteni ©inn unb Umfang, Ijängt

uon bem ©predjenben nb, unb ©olon gel)t befanntlid) in feinen 3u9^fiänb='

niffen siemlic^ raeit. Sei 31nlaf3 ber ^rotefte gegen ben ^effinii§mu§

wirb Ijieoon meiter ju l;anbeln fein ; oor ber ^anb mag eine ^inroeifung

auf '^a^ XII. 33u^ be§ 2ltl)enäu§ genügen, unter beffen ^\Mm fid)

glänjenbe SBorte be§ ©imonibeS unb be§ ^inbar jum greife bei ©enuffel

finben. 33on ^inbarS 3fiiüal 33acd)t)libe§ finb nur arme Srudiftüde auf
un§ gefommen, aber eines berfelben^) \\\\)xi in eine Ijöfjere 2lnfdjauung

t)inein: „9hir (Sine Sebingung, nur ®inen 2öeg bei ©lüdeS gibt e§ für

ben Sterblid;en, nämli(^ ba^ er leibenfdiaftylofen Sinnes fein 2)afein

burd}Iebe; raer aber nac^ taufenb Singen trachtet, beffen ^erg mirb 2::ag

unb Diadit munb fein um beffentroillen, roaS erft fommen foll, unb fein

3J?üt;en bennoi^ üergeblid^/'

SBir {)aht\i bistier bie ^^sl;i(ofopl;en unb if)re etljifd^e Stefteilon, n)eld)e

überaE S^ugenb unb STugenben otS baS 2ßünfc|bare preift, übergongen,

bodj ift iijrer inforoeit gu gebenfen, als fie anberSroo über baS oolfstüm»

lidje 2Bünf($en fid^ geäußert (jaben ober irgenbraie barauf eingegangen finb.

^ier intereffiert unS oor aüen ^p(ato mit jmei großen 3teiI)enfolgen. 2)ie

eine^) jät^lt bie ©üter beS SJienfdjenlebenS auf; nad)bem üon ben ^ugenben
begonnen roorben: ©efunbljeit, ©d^önljeit, ^raft §um Sauf unb allen

SeibeSberoegungen, bann ber 9teid;tum, aber nii^t ber bünbe, fonbern ber

mit 'I5erftanb {ifQovtjßig) oerbunbene; ein 9}Jitrebner fügt {linju: fdjarfe

(Sinne, befonberS ©efidjt unb ®e()ör, bann eine gebietenbe ©teHung, um


tun 3U fönnen, roaS man toiH, unb, nac^bem man bieS olleS in S^oöenbung

befeffen, ba^ man „unflerbUc^ merbe fo balb als möglid;"; bod) feien

bieS atteS nur ©üter für gerechte unb I)eilige 3)(enf^en. ®ie anbere
9ieil)e^) enthält eine l'o!ation nid)t ber ©üter, fonbern beS 9BerteS

') 33er(if, Anthol. lyr., p. 482, fragm. 1 ") ^^ftbntg, p. 248 d ff., bei 2lnIaJ5

19 [®nbe ber ad^tjiger ^al^re gefdjvieben]. 1


ber »alnnten ©eelen, toelc^c in ein ncueS
*) De legibus I, p. 631 ])
ff. LI, ©rbenleben eintreten foHen.
p. G61 a ff. i
3ur ©efamlbilanj be§ griecfiifcijen Sebenö. 383

ber 9)?en[i^en in neun (Stufen; allein biefelbe entfprid^t nic^t ber

Ijerrfd)enben Stnfd^auung ber @riecf)en, fonbern berjenigen ^^slatoio unb ift

für biefe aüerbingS öon l^oi)er 33ebeutung. ©obann Ijaben bie ^^(jilofopl^en

l)ie unb ba an bem oolf^tümüc^en 3öünf(^en ^ütit geübt: Sinti ftf)ene!§

gab gu, ha^ ber ©enu^ C^^ovi!j) ein @ut fei, aber nur ber, roeldjer feine

9ieue !)inter fi(f) laffe^); 9)tenebemo§, al§ er t)ören niu^te, ba§ l)öd)]k

@ut fei @rfüEung beffen, ma§> einer begefire, fagte: gröjser fei, nur ju
bege(;ren, roa§ einem gejieme^). 33ei 2lriftoteIe!§ finbet ficf) bie fc^öne

llnterfd)eibung jroifdien bem äußern &iüd (eiiv/ia) unb bem innern


(fvdaifioriu), n)eld)e§ üom ©diidfal {iv/r^) unabhängig ift^). — ^n ber

golge i)at einft ber gute ^lutard) in einer leidjt gu tiabenben ©ebanfen»

üerbinbung*) ba^ bebingte unb Ijinfäüige aller ©rbengüter fierüorge^oben,


um 33ilbung unb ©rgieliung al§> bie norgüglic^ften Hilfsmittel jur ©r»

reid)ung con S^ugenb unb ©lüdfeligfeit preifen ju lönnen. ®ble ©eburt

fei etroaS ©c^öneS, aber ein ä>erbienft ber ä^orfatjren; ber 9ieid)tum ge-

eiert, aber ©a(^e be§ ©d^idfals unb t)ö(^ft manbelbar, aüen bösartigen
geinbfdiaften ausgefegt, auc^ oft im Sefi^ beS allerfdilec^teften; ber dlul)m

erljaben, aber nic^t unerf djütterUd; : bie ©diönlieit beneibet, aber oon
furjer S)auer; bie ©efunbl)eit fi.i)äl3bor, aber unbeftänbig; bie SeibeSfraft

feljr roertöoll, aber burc^ 2llter unb *>lranfl)eit gerftörbar, unb gegenüber ber=

jenigen oon ©tieren, @lepl)anten unb Söroen roolle fie roenig befagen, iüäl)renb

üon aüem, raaS in unS ift, bie SBilbung allein unfterblic^ unb göttlid^ fei.

2luS nid)t oiel fpäterer 3^it, bei Sucian, flammt bann baS merl»
TOÜrbige S)o!ument pl)antaftif($en Surd^einanberroünfd^enS , raeld)e!c unter

bem Sattel „baS ©^iff" befannt ift^). .®er ©efc^eitefte unter ben 93Jit'

rebnern, S^imolaoS, roünfd^t fic^ jene 3'iu&fi^i"inSß / bereu raic^tigfter il)m


eroige ^raft, ©efunbl;eit unb Unuerronubbarfeit geroäliren roürbe; bie

übrigen müßten ilju unfi(^tbar, riefenftarf, flugfähig u. f. ra. unb gan^


befonberS allbeliebt mad^en, unb bieS aUeS mit einbebungener, ftetS er*

neuter ä^erjüngung bis ju taufenb ^a^ren. 3lu(^ SluSfagen biefer 2lrt


aus fernen ober oergangenen SilbungSiuelten barf bie ^^ulturgefd)id;te

nid^t oerad)ten, inforoeit fie eine seitlidie unb nationale garbe liaben.

1) art^en. xn, 6. *) ^ßlutavd), de liberor. educ. 8.


) Siog. Saert. II, 18. 12. ^) Sucion, navigium, bef. Aap. 41 ff.

*) 2li-i[tot. ^olit. VII, 1.


384 S"'^ ©efamtbilanä beg grtedjifc^en 2e5enS.

hieben allen ©rbengütern aber unb it)rer SBünfd) barfeit unb graglidj^

feit ftanb fd)on längft ber ©ebanfe, tüelc^er ein %a^it §iet)en raoHte: ob

ba§ Seben um feiner felber roiQen überljaupt loünfdjbar fei? ©inftroeiten

mag fonftatiert werben, ba^ 2lriftoteIe!§ bie grage bejatit I;at^).

p^igfeit unb 9ceigung über ben 2Bert be§ ©afeinS ju feften, allgemein

fierrfd^enben 2lnfi(^ten ju gelangen, finb bei ben einzelnen 33ölfern üf)ne

^meifel oon jetier in fe^r üerfc^iebenem ©rabe üoriianben geiuefen. Stuc^

fönnen biefelben in latentem 3iifta"^^ befielen o^ne eine literarifi^e

Steu^erung §u finben, ober eine mächtige 9teligion f)at bie ganje grage

üorroeg entfd)ieben.

^n betreff ber alten ©riedjen glaubte man feit ber großen @rt;ebung

be§ beutfd^en §umani§mu§ im oorigen ^^^^^unbert im klaren gu fein:

im 2Biberfc^ein il)re§ friegerifc^en ^elbentumö unb 33ügertum§, il)rer ^unft

unb ^oefie, i^re§ fc^önen Sanbeä unb ^lima0 fd^ö^te man fie glüdlid},

unb ©d^illerg ©ebic^t „bie ©ötter ©riec^enlanbs" fa^te ben ganzen üorauS»

gefegten Suftanb in ein 33ilb §ufammen, beffen 3auber nod) tieute feine

^raft nid)t oerloren t)at. 2l(Ierminbeften§ glaubte man, bie 2ltl)ener be§

perifleifc^en 3eitalter§ ptten ^alir ou0 ^a^r ein im (Sntgüden leben muffen,

©ine ber attergrö^ten gälf(^ungen be§ gefc^id^tlic^en Urteile, meld)e jemals


üorgefommen, unb um fo unmiberftel)lid)er, je unfc^ulbiger unb überzeugter
fie auftrat. SJian überl)örte ben fd)reienben ^roteft ber ganjen über»

lieferten ©c^riftroelt, meiere üom aj?t;tl)u§ on bag 3)?cnf(^enleben überhaupt


beflagt unb üerfc^ä^t, unb in betreff beS befonbern SebenS ber gried)ifc^en

9fiation oerblenbete man fidj, inbem man baSfelbe nur von ben an»

fprec^enben Seiten nal)m unb bie Setrad)tung gerne mit ber ©d)ladit

oon 6l)äroneia abfdjlo^. ©anj al§> mären bie folgenben jroei ;3a(jrl)unberte,

meiere ba§ 23oIf, unb roeit überroiegenb burcib fein eigene^ S^un, bi§ nalje

an bie materielle 3fi^nid)tung füljrten, nic^t bie prtfe^ung be§ 3]orl;ers

gegangenen geroefen.
*Oier ift nun bloB oon ber allgemeinen gried)ifd)en äBertfd^ä^ung

beä 3)?enfd)enbafeinS ju l;anbcln, wobei auf jebe parallele mit ber Senf*

') 2lriftot. Si^et. I, 6.


Qüv ©efamtbilanj be§ griec^ifc^en Se6en§. 385

roeife anberer 33ölfer gerne oerstd^tet wirb, aucf) auf bie mit beni ur»

grünbli(^en ^eifimi^muS be§ perfifd^en £öniggbud)e§ , in beffen ©age


felbft bie gelben unb 3:;ugenb^aften in i^rer jpätern 3^^t regelmäßig
bem 33öfen verfallen. 53ei htn ©ried^en, raelc^e gerne an Unüeränberlic|=
feit be§ 6i)arafter§ glaubten, rairb ber 9J?enfc^ im ganzen nicfit böfer,

ai§> er fc^on ift, unglüdlicf) aber ift er ol)nel)in, mit ober ot;ne 3wtwJi

ber ©Otter.

2öa0 biefe ©ötter bem ©riecEien maren, wie fie, üon fel)r fur^tbaren
©eftalten au§ beginnenb, rcol)l ©eber ber ©aben würben, aber nur eine

fel)r bebingte ^errfc^aft über SBelt unb SJienfc^enleben führten unb mit
bem Bd)id\ai teilen mußten, f)aben mir oben barpfteUen oerfuclit. Sind)

finb ja bie ©ötter felbft nid^t immer glüdflic^, unb märe e§ auä) nur
megen itirel 9]eibe§ ; mit biefem aber pflegen fie auc^ bie l)ert)orragenben

9Jienfd)en lieimjufudjen, junäi^ft bie Heroen beS 'Mv)ti)'a§>, mit meieren


^ier gu beginnen ift.

S)aß gelben über il;ren ©roßtaten untergeben, erjäl)lt bie ©age


oerfc^iebener 25öl!er, unb bie Surgunben am ^ofe ^önig @^el§ finb ein

unoergeßlic^eS Seifpiel. 2lud^ ber §errfcl)er, raeld^er bie freier feiner

%o^Ux gmingt, mit il)m auf ben Xoh gu fämpfen {yaf^ßooxiovog), fommt
bei mel)rern ^ßölfern oor, unb fo no(^ anbereg mel)r. SBaS aber bie

gried^ifc^e Slnfc^auung ou^geic^net, ift, baß ^ier beutlidier unb reii^er

al§> fonft irgenbroo oon einem gangen großen, genau befannten ©efd^led^t
gefungen rourbe, meli^eS nid^t auSgeftorben , fonbern meift gemaltfam
untergegangen fei, unb ju biefem ©efi^lei^t füllte fic^ bie fpätere SBelt,

fd^on bie ber ©änger (olot vvv ß^oxoCdaiv) in einem el)rfürd)tigen ©egenfa^.
©0 mar laut ben ©ebanfen ber ©riei^en im ^rieg oon ^^io^i "ii^ ßuf
ber ^eim!c^r unb nad) berfelben ber größte %t\{ ber legten großen ©e^'

neration oon gelben umgefommen ^), aber büftere ©d^idfale Ratten auc^
bie altern ^eroen fc^on oon jelier »erfolgt, im %]x\i unb im Seiben. ^Ijr

gan§er 3)?t)tl)u§ ift oon Slnfang an l)ieoon erfüllt, unb roo ba§ ©po§
3Jiotioe unb ^ieflejionen augfpricl)t, gef^iel)t e§ im ©inne be§ entfc^iebenen

^^effimi§mu§. 2luf einem folc^en 33oben mochte in ber g^olge bie S^ragöbie

jene funftreid^en ©ebäube oon f^reoel, gluc^ unb Jammer in eine gefteigerte

^öfie treiben.

^) ^efiob, opp. et dies. 160.


3. Söurct^arbt, (Sriec^if^e fiulturgefc^ic^tc II. 25
386 3ur ©efamtbilanj be§ gded^ifd^en Seben?.

3roar roerbeii wir be(el;rt, bo^ oielen biefer ©agen blojse dlatnx'

:pl^änomene ju ©runbe lägen, befonberS oon aftraler unb meteorifd^er

2Irt. SBaljufinn unb Unglüd be§ 33e{Ieropt)on bebeuten bie fc^einbaren

(Störungen ber Sonnen^ unb 9}Jonbbaf)n, ?ßl)äbra unb ^ippolijtox^ bie

'^iüt be§ 9)Zeerec-i, in welcher ber 93forgenftern untergei)t u. f. in. 2lIIetn

auc^ roenn man biefe unb ade ä()nlic^en ^Deutungen gugeben niüfete, lüürbc

e§ erft red;t auffattenb unb für bie ©riechen bejeidCinenb, ha^ fie barauS
jene furdjtbaren menfd^Iic^en ©efd^id^ten entroicfelt t)aben. Unb loer \)k^

fie benn üoßenbS au§ ber 9laii)tiga(I mit i[;ren ^logetönen unb avL§: bem
5ßer!)alten breier anberer 3SögeI jenen greulicfien 9JJi)t()u§ von "^fiitomele,

^rofne, 2:;ereu§ unb i^t^g bilben? Ser SBiUe jum Süftern mu^ roaljX'

lid) fet;r ftarf geroefen fein, unb menn man jene erfinbungSreic^e 33er=

grimmigung ber ^eroenmijt^en bei ben brei S^ragifern [)inpnimmt, fo

ergibt el fi(i), ba^ biefer SBifle §ugleic^ mit ber fteigenben tieHenifd^en

33i(bung im 2Ba^fen mar. 9Bo§ un§ ^ier befd^äftigt, ift nid^t ©felettierung

ber ©agen bi^^ auf iijre älteften ©lemente, fonbern gerabe il)re tenbenjiöfe

©rmeiterung.
(Bä)on bie äüeften ^eroegungen im ^ßolfe, oon roeldjen noc^ eine

Erinnerung bämmerte, werben perfönlid^ gemacf)t burc^ gelben, roelcj^e

^otfc^lag üben unb in eine frembe ©egenb roanbern, wo ein Ijeroifdjer

gürft fie aufnimmt, entfüljut, befc^enft unb etroa gar ju (Srben mac^t^).
2ln jebem gürftenljofe weilen fold^e g^Iüditlinge al§ ftel;enbe Figuren.
2lnberfeit§ fnüpft fid^ an bie Xat eine 33lutrodje, meldie 5. S. bei 3>er»

löbniffen burc^ bie »erlebte ^amitie bem 33räutigam aU ^fHd)t einbe^

bungen wirb. Slllein wie gering ift bie§ ju ad;ten neben ber fonftigen
perfönlidien ''^ad)t ber ^eibenfdiaft bi§ in ben au§gefud)teften ©reuet, bie

tt)9efteifd)en a)tat)l5eiten ^inab^). 2lu|3er ber 2But ber 5ßergeltung gef)t

aud^ ber 9leib im 9)h)tt)u§ ben ^eroen wie ben ©öttern nad). .^erafleg

beim 6turm auf ^iion sielet fein ©t^mert gegen ben ©enoffen ^elamon,
bIof3 meil biefer perft in bie Stabt gebrungen; ber frütjefte mijttjifdie

ilünftter, 2)äba(ü^, ift ein entfe^licfier (St^arafter, unb bei i(;m finbet fid)

baS' ältefte 33eifpiet ber bei allen 23öltern oerbreiteten ©age von bem

*) SUergl. §efiob, bei ^aiifan. IX, fteHungbeöganjenatribifd^englud^geflec^teö


36, 4. feit ^elopg erft bei .tipgin, fab. 84—88.
-) 2)ie t)ieUeid)t um[tdnblid]fte 3)ar= 98. 117. 119. 120—123.
3ur @e[amt6ilan3 beö gricc^ifc^en 8e5en§. 387

3)?eifter, welcher au§ 9Zeib auf ba§ latent ben ©efetten ermorbet ^) ; auc^

bag rätfeltiafte ilunftüolf ber ^nfeln, bte 'Xtldjimn, gilt al§ neibiftt unb

Bösartig. Unb rote oft fonft fütirt ber 9JJr)tl)U§ allen Jammer baljer

über ben 9ie{bifc^en forooI;l ol§ feine Opfer! 2)enn ha§> 33öfe roäcfift I)ter

oft au(^ im ^nnern be§ 9}tenfc^en üon frü{)e an, unb ^wißi^Ö^'^^^'i^ber

wie ^rötoS unb Slfrifio^ u. f. ro. I)abern fd^on im 9)iutterleib, um bann


al§> ©rroad^fene um bie ^errfd^aft ju fämpfen. ®ie „©porten" finb faum
eben au§ ben auSgefäeten 3öl)uen be§ Srad^en oon 3:;^e6en erroac^fen,

ba genügt ein ©teinrourf be§ ^abmo§, bamit fie übereinanber Ijerfaüen


unb ficf) 3erni(^ten bi§ auf fünf, roeli^e bann, al§> ©straft ber ^raft ber

ganzen ®ct)ar, bie ©tammcäter ber bortigen 33eüölferung roerben. Slucf)

eine gan§e 9iei§e mijtfiifdjer grauen finb roa^rl^aft furchtbare ©ebilbe,

fei e§, ba^ if)re ©ier auf ^aU unb ©d^mucf ber gangen Umgebung 3Ser-

berben bringt (@rip^i)le), ober bafe fie bei oerfagter Siebe auf ha§> ©nt-

fe|lid)fte finnen, unb in ©pljyra, bem nu;tt)if($en i^orintt), liegt feit aj?ebea§

3eiten für il)ren ©ebrauc^ ©ift bereit, ©in ©pätrömer, ber fogenannte
§i)ginu§, i)at au§ gried)ifd^en a)hjtl)ograpljen ein umfangreiche^ 5ßer3eic^ni§

entroeber §ufammengefte(It ober gerabeju überfe^t^), roelc^e^ aufjä^lt: bie

iBäter, roelc^e il)re ^öcl)ter, bie 3Kütter, meldte il)re ©öl^ne getötet, bie

©attenmorbe, ©elbftmorbe, ajJorbe oon 3Serroanbten jeben @rabe§ u. f. ro.

nebft brei ^eifpielen oon fold^en, meieren iljre eigenen J^inber al§ ©peife

üorgefe^t rourben.

2lllein im (SJro^en f)at ta§ Unt)eil, roeld^e§ oom ©c^idfal unb oon
ben ©Ottern oer^ängt roirb, bei roeitem bo§ Uebergeroidjt, unb gerabe
bie entfc^eibenben ©eftalten unb (Sefc^idjten, welche bem 9}h)tl)u§ feinen
©Ijarafter geben, ge{)ören in biefeS ©ebiet. 33ei öomer ift ber Unter»
^ang „oieler" ad)äifd)er gelben ber SBille be§ ^niS^ forool;l at^ be§
(£c^idfal§, unb 2I(^ilIeug ruft e§ bem 3eu§ mit beutlic^en Söorten 3u^);

üorljer l)at 3eu§ bie Rötung be§ ^atrofto§ burd) §e!tor üer^ögert, bamit

ber erftere nod) red)t oiele S^roer töte; 2lpolIon tut liierauf gegen ^:patroflo§

alleg, roa§ man gegen jemanb tun fann, ol)ne il)n bireft gu ermorben,
unb tro| §e!tor§ ©peerrourf ftöfmt bann ber ©terbenbe: mic^ töten bie

') aipoaobor III, 15, 8. 33ergl. ba§ 3) ^lia§ XIX, 274. —


gür ba§
>©d^idfal be§ ^^alamebeö. gotgenbe üergl. XVI, 646. 788 ff. 848.
2) §9gin, fab. 238—248.
388 3ur ©efamtbilanj beg griec^ifd^en Sebeng.

'SRoixa unb her <Bo^n ber Seto! ®em narfi^omerifcfien Tli)t^u§> (erroei§=

lid) in ben (Sriprien) genügt fogar bal SBegfterben be§ ^eroengefd^le(^t§

nid^t me^r: e§ finb ber 3Jlenfc^en überhaupt ju üiele auf ber Söelt; ba

erf($eint beim bie ©rbgöttin oor Q^u§, um i^n gu bitten, er möge fie

erleichtern üon ber gar p großen, laftenben 9)ien[d)enmaffe ; ber ©ott

oeranla^t junäc^ft ben t^ebanifc^en Älrieg, meli^er fc^on üiele hinraffte,

unb t;ierauf ben troifdjen, moburd^ bie @rbe enbticE) au^gibig entlaftet

njorben fein foü. — Sei ©uripibel ^) betont Slpollon in^befonbere, bie

©Otter trotten ^elena unb ben ^rieg um fie gefanbt: „ba^ bie ©rbe fie

entlafteten be!o Uebermut^ jaiiUofer 3Jtengen Sterblicher ". 2lct)itteu§ aber

war gefd^affen, um ba§ 3JMnneröol! burd^ feine ^raft gu gernicliten, unb


fein ©peer — eine ©fd^e üom ^elion — mar einft t)on 6l)eiron feinem

33ater ^eleuS gefc^enft raorben, bamit fie ,,^eroen jum 23erberben ge=

reiche ^)". ©päter tl)ronen bann bie beiben gerftörenben 2)M(^te al§ oer»

!lärte§ ©ötterpaar auf ber ;3"fß^ ^^^^^ "^^ erzeugen bort ba^ geflügelte

^inb ©up^orion^).
^on biefem allgemeinen, felbftüerftänbtid^ peffimiftif^en ^intergrunbe

^eben fid) bann bie ruljmooUften Söefen be^ 3}l\)tl)U^ mit gang befonberS
büftern (Scl)ic!falen ah. „©ie gelangten nid^t nad^ mül)elofem, gefalir»

lofem Seben in l)o^e§ 2tlter", fagt ©imonibeg *), oHein bieg märe ol)nel)in

nid^t bie Slufgabe üon §eroen geroefen, unb bie ©age berict;tet üon
mancliem nod^ gang anbere ©(^redlen.
2)ie bei weitem mid^tigfte biefer ©eftalten bleibt ^^rometl;eu§. @§
beburfte nicl)t ber erhabenen äf($r)leifcf)en ©i^tung; fclion mag allen ©ried^en

geläufig mar: mag ^rometl)eug ben 3)ienfc^en gefdjenft unb gegönnt unb-
mag er bafür gelitten ^atte — genügte, um in ber 5:;iefe ber ©emüter
eine ©timme rebeüifc^er ^lage gegen ©ötter unb ©d^idfal maiS) gu Italien.

Slucl) jroifd)en bie glängenbften Opfer unb g^efte l;inein mufe ja immer ha^^
Silb beg föefeffelten auf bem ©ebirge ^ie unb ba in ben ©ebanfen ber
©ried^en aufgetaucht fein, unb bann raupte man, mie man mit ben ©Ottern
eigentli(^ baran mar. ®iefe l)aben in allen Sßanbelungen ber ©age minbefteng

') ©urip. Dre[t 1639 ff.


^) Fragm. 36 bei öergf, Anthol. lyr.^

*j Stiaä XVI, 143. p. 443.


•')
^tol. !ötvW- IV. — S5ic SBartante:

93ei 'HdfiU auf Seufe Sp()igenia aÜ ©ötlin.


aintonin. iiiberal. 27.
Qux ©efamtbitanj be§ griecfiifci^en £e5en§. 389

btn 2}ien[(j^en ha§> geuer, bte SSorbebingung aller Sitbung unb allen @e'

bei^en§, md)t gönnen rooHen; ob ber, welcher e§ iljnen bennoi^ brachte,

ein urfprünglic^er geuergott, ob er ein STitan, ob er gegenüber ber 3^^'

nii^tunglabfic^t be§ 3eu§ ber 9tetter, ja fogar ber (5d)öpfer be§ gjienfc^en'

gefd^Iec^teS geroefen, barüber nxodjten bie oerfrfiiebenften 3)Jeinungen im


©angc fein, jene ©runbanfdiauung blieb.

3(uc^ bei ^erafleS ift bie (o!^net)in fo fragli^e) Urbebeutung fcineg

SBefeng nid)t ba§ ©ntfi^eibenbc, ooHenbS aber ^at bie ©rflärung oon
iQeraS geinbfc^aft burd) mcteorifc^e SSorgänge, roeld^e man ja bem gangen
9]erljalten swif^en ^^vl§> unb ^era ju ©runbe legt, im SerauBtfein ber
©riei^en ber ^iftorifc^en Qdt feine ©tätte getrabt. %üx fie ift ber ge»

maltige ^elb groar immer met)r (unb bei ben fpötern am meiften) sunt

Ueberroinber unb 2öot)ltäter ber ganjen 3Belt ^) geraorben, allein, mag in

ber tägli^en 2lnfc^auung bei raeitem oorl^errfi^te, mar ba§ Silb eine§

unraürbig ©ienenben unb S)ulbenben. 2ttle0, roa§ oom Ii;bif(^en ©anbon,


oom ptiönigifc^en 9JJelfartt) t)er in bie G5eftalt aufgenommen fein mag,
bilbete ber ©rieche in felbftoerftänbtic^em ^effimi§mu§ ju Seiben um.
©er Sienft bei @uri)ftt)eu§, ju 93ottbringung ber swölf Slrbeiten (mag
bamit bie SBanberung ber ©onne burc^ ben S^ierfreie rerfinnbilblic^t

fein ober nic^t), ift nic^t eine göttlidie läuternbe Prüfung, obgleich oon
ber ^t)t{)ia befoi)Ien, fonbern eine raaiire Xüdt bei ©d^idfalS, unb bei

fpätern, 5. S. bei SlpoHobor, barf ber elenbe S)ienftt)err einzelne ber Slrbeiten

refufieren, rceil ^erafleS fie mit ©enoffen ober um ßoI)n aulgefü^rt ijah^^).

Smifc^en {)inein fenbet §era bem ^eraflel ben SBal^nfinn, in meldiem er

feine ^inber ermorbet; burd) feinen ^feil fommcn auä) bie treffUc^ften

Kentauren um, meldten er rooi)l roiE ; enblic^ auf bem ©(Weiterlaufen am


Oeta muB er bemjenigen feinen 33ogen oermac^en, roeld^er iE)m ben
©lenft erroeift, ba§ geuer anjusünben. ®iefe ©eftalt ftanb oor ben

®ried)en in ben oerfdiiebenften 33e(eud)tungen, raobei an^ bie fomifd^e

rei(Wlid) oertreten mar, inbem bie gefdieiten Seute fi(W natürlich einbilbetcn,

ba'^ ein fo gebulbiger ^etb befc^rönften ©innel geroefen. S)ieg war ber

SDan! be§ 2öi^eg.

') ®r ift ber gcinb ulier aSöfen, nid^t burc^ 2ln[trengung, fonbern burd^ eine
fxiaonopriQog. fluge (Srfinbung ((rocfia) vo\ibraä)t f)abe,

^) 2tuc^ 3(ugeia§ loljut ben ^erafleö ^aufan. V, 1, 7.

nicl^t aug, lueil biefer feine bekannte Slrbeit


3"r ©efamlbilanj beg griec^ifd)en £eben§.
390

3)a§ ben gelben ein übergro^eg 3)Za§ oon ©efa^ren sugeroiefen

wirb, baB man fie argliftig, aber unifonft gu uerberben furfjt, fommt im
a}Zr)tf)U§ unb 3)Zärc^en üerfrf)iebener 'Mikx üor, unb ^erfeuS, mit magifd^er
©egenroe!)r reid)ti(^ au^geftattet, überroinbet alle§, unb bo§ Ie|te, roa§

man üon il)m erfäljrt, ift feine fpätere ^errf^aft im ^etoponne;?.

33eQerop(jon bagegen, ein ©onnenI)etb Töie er, ein Ueberroinber fdiredlic^er

Ungetüme unb ganger SSölfer, wirb irren ©inne^ unb atten ©öttern oer=

§aBt; er roia auf feinem glügelro^ „übermütig" jur 2Bot)nung be§ 3eu§
emporbringen, roirb aber abgeraorfen unb enbet elenb jerfdimettert, äfinlirf)

raic ^pf)aetljon. a}lag nun auc^ fiier ber aöat;nfinn, mie man il)n erflärt,

©törungen ber 6onnenbaf)n oerfinnbiIbIid)en roie bei ^erof(e§, fo bürfen

mir bod) mieberum fragen, roarum gerabe bei ben ©riedien barau§ folcfie

(5c^reden§gefd)i($ten geworben finb?

gerner ift bem gried)if(i)en 3)li)t^u§ oorroiegeub unb in auffaUenbem

9)iaBc eigen, ha^ ba§ ^errlirfifte jung ftirbt. (gl roirb fid^ roeiter geigen,

ma§ ben ©ricd^en ber t)iftorifc^en 3eit ^H^nh unb Sllter bebeuteten, unb
Toie man bie (5^rüt)oerftorbenen gang offenbar beneibete; baSfelbe ©efüljl

barf üoEenbl im 9)h;tl;u§ al§ l;errf(^enb gelten, unb roir bebürfen g. 33.

bei ^ippolgtol, bei 2lnbrogeo§ nid)t ber Slulbeutung burc| ben 9)?orgen-

ftern, meld^er in ber glut untertaud;t ober oor ber ©onne oerbta^t; lebten:

boc^ überaß in ber '^pljantafie unb in ben lllagegefängen be§ SSoIfeS aud)

jene frü^ unb jälj bai)ingeftorbenen göttlichen SSefen mie SinoS,

^\)atmti)o§i , ^ijla^i, 33ormoi, SlinijraS, Slboni» u. a. Sßenn bann ba§


furge iQelbenleben bei Sld^iHeul {/Jirvrd^dSiog, navawQioc) urfprünglid)
einem Sßalbftrom, ber nai^ furgem Sauf in§ 3)ieer ftürgt, entfprec^en foll,

fo ift roenigftenl aüel gefdjeljen, um un§ bieg oergeffen gu laffen. 3)cit

einer i)inrei^enben ©r)mpatf)ie I;at ber ©efang ber 2löben bal ^errlidjfte

in ein Qünglinglleben gufammengebrängt unb oon 3lnfang an ben roet)»

mutigen S3egug auf baS frütie ©nbe tjineingerooben. 3ld)illeu§ ift fo

lounbcrbar, roeil er frül) fterben wirb, unb er ftirbt früt), meil er fo

rounberbar ift. Ob er urfprünglid; eine 9Jaturgottl;eit gemefen, bleibe


bal;ingeftettt ; feine 3Sergöttlid)ung; nac^bem \\)\[ ber ^feil be§ ^ari§ ge»

troffen, feine ^Bereinigung mit Helena auf ber ^w'id £eu!e ift rool^l un=
abbängig bienon erfolgt, meil bie Station gu oiel oon il)rem 23eften auf

il)n geroanbt Ijatte. (So oiele minber erlaudjte Tote genoffen ja beroifd)eu
3ur ©efamtbilanä be§ gricd^ifc^en Sefieng. 391

^ult; bem ©oJ)n ber S^fietiS errichteten bie ©riechen an Dielen ©teüen
bie 2l(i)iC[eio,

3?eben ber ©eftait be^ 5rü£)geflorbenen erf)ebt fic^ bie be§ mächtigen
S)ulber§, raelc^er aEe§ überlebt, ber ©riedje be§ a)Zanne§aIter§, Dbi)[feu§.

e§ ift ber ©age unb ©ic^tung anberer 3Sölfer nid^t fc^roer gefallen, ouf
tt)re gelben eine sufällig georbnete 9iei^e meE)r ober weniger gefäfirlii^er

2lbenteuer gu Raufen, unb fie am ©nbe lebenb unb gtücflid) barauS ^eröor»

gef)en gu laffen, bie Obijffee aber meint e§ anberS. ^omer übergebt gu»
näc^ft ben gangen frül;ern Obpffeu^ ber unbebenüidjen 2lrg(ift unb (^^maiU
tat unb l)ebt an mit ber berütimten 9tüdtef)r uon ^(ion. ®ie ©efätirten
gel)en nad) unb nac^ alle unter, unb nid)t immer buri^ 3"tat eigener
(Sd)ulb; bo§ Unl;eil bei bcn Säftrijgonen i)at fein (Sinjelner ueranlafet,

aud^ bie Opfer ber <Bc\)üa finb fd^utbIo§, unb gegenüber von ^sohjptiem

finb bie @efäf)rten fogar flüger al§> ber p^rer: in if)nen aUen aber ift

bay ©c^idfal ber roeitmeiften sterblichen oerfinnlic^t. Dbi)[feu§ felber

fteigt üom Slönig unb ^eerfütjrer hiS: gum oötlig einfamen ©diiffbrüd^igen
^erab, ba§u wirb ha§ ^erjeleib um bie ©einigen burd^ ben Sefud) in
ber Unterraelt unb ben langen Slufeuttjalt bei ^algpfo auf bat? ^öd)fte
gefteigert, bi§ fic^ am ®nbe bie ©ötter be§ fo ^errlic| unb gemaltig ge»

bliebenen i)Jenfc^en boä) roieber annel;men muffen, aber auc^ nur biefe§

einzigen. 9kd) bem Untergang ber freier ift bem gelben groar noc^ bie

^>oIIäiel)ung einiger ^flic^ten, bann aber ein ru^igeg Sllter unb ba§ SÖalten
über glüdüc^en Seöölferungen in 2lu6ftc^t gefteHt, aber nur in ber

Obpffee^); anbere (Sagen bagegen betaben it)n unb bie Seinigen, fogar
in unfi^öner SBeife, mit bunten fpätern (Sriebniffen ^).

S)ie ^rrfaf)rten unb kämpfe be§ ObijffeuS finb aber nur ber be*
rütjmtefte 2;eil ber Mdfe^rfagen {vo6toi). ®ie gried)ifc^e ^s^antafie f)at

• alleg getan, um bie ©itelfeit be» großen, fiegreic^en J^rieg§äuge§, unb mon
barf n)of)l fagen: bie ©itelfeit afleS beffen, mag in ber SBelt für grofe
gilt, burc^ hk büftern Sd)icEf ale ber meiften ^eimfel)renben ju üerbeut»
li(^en. 2lia§ ber ^elamonier enbet noc^ oor ^roja burc^ bcn berüt;mten

Selbftmorb, 2lia§ ber Soljn beg Dileu^, auf einer 5llippe burc^ ^ofeibon§

^) Dbriff. XI, 121 in ben SBorten be§ gonie, Epicor. fragm. — ^ßlutard^, Quaest.
— §r)gin, fab. 127. —
[

SeirefioS. ! Graec. 14. 5ßar=


2) Sergl. ik Slugjüge au§, ber 3:ere= t{)eniog 3. — ^tol. ^ep^äftion 4.
3"r ©eiamtbilanj be§ griccf)ifci)en £eben§.
392

Sreijacf; anbete geljen unter, raeil S^laupItoS, ber ä>ater be§ tüd'ifd} ge--

morbeten ^V^alamebe«, burd) ^eueräetc^en ttire ©d)iffe gegen bie gelgroänbe

von Guböa lodt, unb taut ber fpätern Sage roar e§ biefer nömli^e

9iauplio§, ber unter ben ©attinnen ber abroefenben ^eroen @l)ebruc^ ge=

t)atte, cor attem bei ilh)tämneftra. 2lud) S)iomeb, nac^ 2lrgo§


ftiftet

jurüdgef e^rt finbet feine 2ligialeia al§ Sudlerin eines ©ot)ne§ be§
,

(Htt)cneIo§. Wdt ©rmorbung bebro^t, rettet er fid) auf ben 2lttar ber

^era unb flüditet nad^ Italien; Ijm, al§ ©ottljeit be§ abriatifd)en unb
tarentinif(^en SJieere^^ beginnt er bann gleic^fam ein jraeiteS Seben. ©onft

ift ber I)errfd)enbe Hergang bei allen jugenblid^ ©ebad^ten ein geraaltfame»

(Snbe, -mie j. 33. bei 9teoptoIem in ®elpf)i; ©iner, roie 5«eftor, muB oon
3(mt§ raegen alt werben, bamit er bie Säten be0 frül)ern @ef(^lec^t§ bem
Jüngern erjäfile. 3m ganzen aber ftintmen bie ©agen oon ber 9tüd=

!e^r ben ^örer fo, ba^ er bie üor ^(ion ©efatteneu für bie ©lüdlic^ern

l^atten foü.

^m 2)h)t§u§ übertiaupt teilen fi(^ fe^r überraiegenb ©d)idfal unb

^ötterneib in bie ©c^icEfale ber ^eroen, unb ba§ ©c^idfal gibt fid} faum
eben bie ^lüi)z, bie le^tern bei it)rer etwaigen 3]erfc^ulbung ju f äffen;

Sunäc^ft müfete e§ fic^, beiläufig gefagt, um eine ©c^ulb gegen 9JJenfc^en


Ijanbeln, meiere ba§ ©eroiffen aller Sitten unb 3Sölfer nad)fül)len fann,

unb nid^t blo^ barum, ba^ ein Opfer an eine @ottl)eit ucrfäumt roorben

ift unb bergl. ; aber auc^ ber in feinem fonftigen ^Iserljalten roirflic^

©c^ulbige finbet fein oft furd)tbare§ ©übe !aum an biefer ©teile. 3öa§
am ©djidfal oor allem ^erüorge^oben wirb, ift nid)t bie ©erc^tigfeit,

fonbern bie Unoermeiblic^feit, unb l;ier bienen bem ©riechen bie Drafel

aU eine unoergleidjlidie Duelle oon ^Jiotioen. ®a§ blofs ftüdmeife ©r*

fa(}ren ber 3utunft beförbert ben Untergang be§ ^ragenben; OebipuS,


in S)elpl^i oor 33ntermorb unb 33lutfd^anbe gewarnt, meibet l;ierauf

Äorintl^ unb feine bortigen oermeintlidjen eitern, um bann erft red^t in§

lieffte ^ßerberben ju ge^en. ^er mptl)ifd)e Hienid) richtet fein ganjeS

Soeben forgenooU auf einen empfangenen buufelu ©ötterfprud; ein —


umfonft; bie aufgefegten ©cliidfalSfinber (wie Debipu«, ^sari'S u. a.)

werben gerettet, unb burd) fie gefd^iel)t ^ernac^, wa§ gefd)el)en mufj; ift

aber baS jum 23atermorb beftimmte ^inb nid)t ausgefegt worben, unb

l)aben 33ater unb 8obn einanbcr be§ Drafclc^ wegen nur fonft nac^
3ur ©efamtbilans beä grief^ifd^en Se5en§. 393

Gräften gemieben, fo raei^ ba§ ©c^itJfal ben 33atermorb bennocfi l)erbei'

jufüfiren, roie in bent empörenben %aü be§ 5latreu§ unb 2lltt)ämene§^).


®tne anbere 2Benbung nimmt bo§ geraei^fagte UnglüiJ in ber ©age
üom 3^9 ^ßi^ ©ieben gegen ^Ijekn. (Siner ber 3lnfüf)rer, gugleid) ein

mä($tiger ©el)er, Slmp^iaraoS, raeijg, bo^ bie ©ac§e gegen ben 2Bitten be-3

3en§ geljt, nnb alle miffen e§ burcE) i£)n, nnb bie Sobe^aljnung unb eine
9ieii)e ber fc^Iimmften 3ßi<^ßi^") begleiten fie auf bem ganjen 3^9^/ ^o^^

roetc^em einzig 2lbrafto§ (leimMjrt, ein f(^roermütig 3:;rQuernber auf SebenS»

^eit. Untermegg, aU @ä\k be§ ^önig§ üon 9lemea, ba eben beffen ^inb

burc^ einen ©c^IangenbiB geftorben, begruben bie ©ieben ba§felbe, unb


2lmpt)iarao§ fagte : bie§ geige iljuen if;r eigene^ @nbe an, unb fie nannten
ben Knaben 3Irc^emoro§, b. [;. ben ^ü^rer jum Si^obe. Sefil^t rool^l bie

^elbenfage irgenb eine§ anbern 33oI!e» einen 3^9 ^^^ biefen? — <Bit)x

oiel großartiger tönt bie 2ll)nung ^eftorl: (Sinft rairb !ommen ber Xag,,

ba bie ^eilige ^Iio§ (;infin!t^), benn er füf)rt nicfit einen Slbenteurergug,

fonbern er ift ber mäc^tigfte $i>erteibiger feiner Heimat unb bleibt e§ auc^,

inbem er biefelbe oerloren raeiß.

S)iefe §eimat aber mor bi^3f)er eine ©tätte be§ {)errli(^ften &iüdt§>

geniefen, bamit i^r Untergang um fo oiel beutli(^er unb fierber bie ^in^
fättigfeit be§ ^rbifc^en üor bem ©djidfal an ben 3^ag bringe. 9Ba§ nur
t)on ©lanj unb ©öttergunft einem ^errfc^er{;aufe guteil werben fonnte,
ba§ £)atten biefe 1)arbaniben in gülle genoffen, ^\ü)m unb 3ieic^tum unb
roofiliger @enu§ walteten, bi§ bie Stc^öer ficli auf macliten , — mie aber
bann bie meiften biefer ©ieger enbeten, barauf rourbe bereite Ijingeroiefen.

Sroer unb Slc^äer, beibe jufammen, entl)ü(lten in il)ren (Sefc^iden bie

malire griec^ifi^e 3lnf(^auung oom Sßerte ber ©rbenbinge, bie ©ötter


aber mit il^rer fd^raanfenben unb groieträc^tigen @inmif($ung finb l^ier im
©roßen nur bie @et)ilfen eine§ geroattigen ©efamtroillenS; bie beüorjugten

©efc^Iec^ter foüten überl)oupt aufljören. 2lu(f) auf ber ©eite ber Sli^äer
liatten bie fc^Hmmen 2(tjnungen nid^t gefel)It: Dbr)ffeu§ l;atte fid) oll ^or
geftellt, um ficö bem Kriege gu entjie^en, unb ^^eti§ l)atte ibren ©ol)n

unter ben SKäbdien üon ©fgrol »erborgen — alle§ umfonft.

1) 2)ioborV,59unb2lpoaobor,III,2. I ^) 3lia§ VI, 447.


2) ©op^. Oeb. Äol. 1399 bie 9iebe be§

5poIr)neifc§.
594 3ur ©efamtbilanj be§ griedfiifd^en Sebenä.

2Bo()I ift ber SlJenfd) ooii ben 9Jioireit §um S)ulbeu innerlicf) 011^^=

geftattet') unb foll htn fc^recflid^ften ©d;mer3 p bänbigen lüiffen, bofüt

ift i^m ober anä) in üoüem aJia^e „uon ben ©öttern §ugefponnen, im
;jQmmer ju leben". iBifoweilen föEt z§> and) biefen ©Ottern f eiber ein,

roie töri^t i^re '»parteinaljme in ben .^änbeln biefer etenben <Sterbüc|en

fei"), raeldje wie ba§ Saub an ben 33äumen roac^fen unb bann wieber

entfeelt bai)infd)roinben. 9iid)t§ @Ienbere§ auf (Srben at? ber 9}Jenfd)!


— meint ^m§> — von ädern wa§> ha atmet unb freuest ^). (Sr fpric^t

biefe 9Sorte ju ben ob "^patroflog %oh roeinenben unfterbli(i)eu 9toi')en

bei 2(d)itteu§, inbem er fie beflagt, bn^ fie, bie nie niternben, bem fterb»

lid^en ^e(eu§ gefc^enft morben; ber ©Ott unb biefe Spiere oerftel;en fi(^

Sufammen unb fönnen miteinanber über ba§ a}Jenf(^engefc^id oerfel^ren*).

9)?an fennt bie beiben «Sdiidfallfäffer an ber ©d^roetle bei 3^ii^^)j

bloB aul bem guten '^a^ befommt niemanb; bie Proportion ift bie, ba^
üiele nur aul bem f(^limmen bekommen, ^sinbar fixiert biel^) fpäter

genauer: auf ©in ©utel teilen bie ©ötter ben ©terblidjen §roei Uebel ju.

Seoor man jemanbem irgenbmie ©utel unb ©lud oerfpridit, rairb belt;alb

gegen bal allgemeine (Srbenfd^idfal meillic^ ein 3]orbe£)att eingelegt.

3tlfinüol raeiB, ba^ feine ''^Ijäafen auf iljren 2Bunberfdjiffen ben j^remb»
ling nur fidier bil in feine Heimat geleiten fönnen: „oon ba an') roirb
er bulben, mal fein Sool ii)m beftimmt unb bie unerbittlichen ©c^roeftern,

all ilju bie 3)hitter gebar, in ben roerbenben j^^aben gefponnen."


SBenn aber bie ©ötter fid; auf bem Clijmp einen guten 3:ag madjen

motten, bann mu^ jur ^itl;ar ber ©efang ber 3}iufen ertönen oon ben
9Jienf(^en, unb mie fie in il;rem Siotbulben bal;inleben planlol unb fiilf«

lol unb gegen ^ob unb Sllter fein Heilmittel miffen ®). Söie oft unb wie
furditbar aber ber 9{eib berfelben ©ötter ben tiefften Jammer über bie
Sterblichen gebracht ijat, unb mie it;nen fc^on bal einfad)fte l^üullic^e

©lud unb bal 2Bol)lraolIen unter ben 3)?enfd)en unleibli^ fein fonnte,

foll I)ier nic^t roieberliolt raerben. 3)lan mufe fid^ nur immer mieber uer^

») 2öortbeg3tpoUDn,SIiaöXXIV,49. *) Sliag XXIV, 527.


^) aipoUon ju ^ofeibon, ^liag XXI, «) ^inbar. W^. III, 81.
4G2. ")
Cbx)ff. VII, 196.
^) Sliaö XVII, 446. ^) .'öonier, Hymn. Apoll. 186 ff.

*) 2)ie Stoffe fönnen nämlic^ auc^


fprccljeii, Sliaä XIX, 404 ff.
3ur ©efomtbilanä be§ grted^ifd^en SebenS. 395

gegenroärtigen, ma^ i^nen §TOifc|en alle 33er§errli(f)ungen |inetn zugetraut

rourbe. ^^^^ineu^, ber ^ertf($er am ©tngong be^ ^sontuS ^at einen freuet

begangen, unb Q^n§> lä^t {t)m bie SBa^l jroifi^en S^ob unb ©rblinbung;
er mä^lt le^tere, unb nun ergrimmt ^eIio§, meil ^f)ineu§ auf feinen

Slnbüd üergicf)tet ^at unb fenbet il)m bie ^arpijien. ^ofeibon oerfpri(^t ^)

bem 2;^efeu§ bie @eroäi)rung breier 9Sünfd)e, unb biefer üerlangt unb
erf)ält: bie Befreiung feinet ©enoffen ^eiritljooS au§ bem i^abe§, bie
glüdli^e ^tüdfeljr au^3 bem £abi)rint(j, unb — grauenooüer äßeife ben
Untergang feinet (Soljne§ ^ippohjtoS, ber bei i^m »erleumbet worben roor.
2Benn bie ''^(^antafic an foli^en 2lnfcf)auungen mciterfpinnt, gerät fie

gerne auf ba!o Silb eineS golbenen ^ätaittx§>, ha t§> ben SJZenfdjen beffer
gegangen ai§> je^t. (Sie fragt babei uicf)t, ob e§ nidjt bamaliS fd)on

graufame ©ötter gegeben, fie raitt nur flüd}ten um jeben ^rei§. SlUe

^ölUx Jiaben ©d;ilberungen biefer 2lrt, bi§ jum niebrigften ©c^Iaraffeu'

leben abraärtg ^). Um fo fd)Iimmer ift bann ber roirflii^e Buftonb , in

welchem ba» ^nbiöibuum leben muß; aber fo oöHig peffimiftifd^ unb mit
fo oöttiger SSergroeiftung megen ©egenroart unb 3ii^""ft/ ^^ie fi($ baS
grie^if^e 33en3U§tfein in ber ©rjäljlung oon ben fünf 3)Zenfd)enaltern bei
^efiob^) au§fprid)t, wirb fic^ root)l !aum eine anbere 9iation geäujsert

f)aben. ©obann beginnt f($on bei §omer jene^ greifen entfernter unb
babei gered)ter unb glüdlic^er SSöIfer, raeli^e^ ein ^auptftüd ber mr)tl}ifd)en

©eograpljie aulmac^te unb fid) fpäter auc^ in ber roirfli^en gu beljaupten

fudjte*); bie 9iänber ber SBelt muffen roo^I "oa^, 2Boljterge^en beljerbergen,

beffen bie WtU oöllig oertuftig gegangen; — „bort, mo bu nid^t bift,

ift ha§ ©lud."


9lod) eine !leine 33eobac6tung fügt fic^ J)ier üon felbft an. 3)a ba§

Seben ift, mie e§ ift, barf bei ben ©riedien, unb fd)on im @po§, oom
beoorftef)enben 2^ob alter Seute offen gefproc^en merben, unb ba§ berühmte

©emebe ber ^enelope ift bag Seic^entuc^ für it)ren ©c^miegeroateri^aerteS^).

9Bie unbefangen fpäter in ganj IjeHer l;iftorifd)er ^nt ^inbar bem j^ürften

©uripib. ^ippot. 45. ®riec^enpf)antafien über bie ^tiperboreer


2) ©0 bei 2ltf)en. VI, 94—96 au§. ben genügen. 93ergt. 93anb I, 6. 333 f.

Äomifertt. s)
Dbriff. 11, 97. Cb e§ nid^t in ber
3) Opp. et dies 106 ff., Bef. 173 ff. frül^eften ©eftalt ber ©age il^r angebliches
*) 2ll§ Seifpiel mögen fc^on bie Sroutgeicanb für eine neue (S^e roar?
396 3"^^ ©efamtbilanj be§ gried^ifd^en ScbenS.

2;(jeron oon 3lgrigent non feinem bnlb §u erroartenben ^obe etroa§ üor=
fingen Iä§t ^), ift befannt. SBeiter^in, um bte§ ^ier öorroeg ju erroäl^nen,

l)aben 5. 93. bie aitl^ener bem nod^ lebenben ©toüer 3^^"^/ ^^^^^ ^^ fo

lange al§ a^orbilb ber S^ugenb unter iljuen geroeilt, au§er einem golbenen

^ranj aud^ no($ ein ©rabmal auf ©taat^Eoften befretiert ^). Unb nun
überlege man, burd) roelrf^e ^onfurrenj oermeinter ^öftidjfeit etroaS ber
3lrt in ber neuern 2Belt untunlich unb unfagbar geworben ift. 3ii^öc^ft

muB Iel3tere i^ren 3itftanb überhaupt löblich unb beffen Sauer roünfd)en§='

roert finben, fobann foH roat)rf(^einlic| — benn ben ©runb roirb man
hoä) nid^t offen betonen bürfen — fupponiert werben, bie SBelt möchte

burd§ ben ^ob jemanbeS einen gar gu großen 33erluft erleiben. S)ie

@rie(^en bagegen roaren l^ierin naio, fo roie fie e§ im SBünfd^en roaren.

ßnblid) aber Ijat ha§> Unljeil im 9ra)t§u§ ber ©riecben nod^ einen

i)'6d)\t eigentümüdjen ibealen ^wtä. 2)ie ©ötter, fagt 2lI!inoo§^), tiaben

ben Untergang ^iion§> unb ber Sanaer oerfügt unb 33erberben befc^ieben
ben 2Jienf(^en, bamit baSfelbe fei ein ©efang für künftige. Sie
nämliche (gmpfinbung, nur in ein anberel 9laturreic^ übertragen, lebt in
htn '^^orten hz§> ^ermeS*) an bie ©d^ilbfrijte, inbem er fie tötet: Sei
Sebgeiten fiaft hu ein mü!)fame§ SBanbeln, wenn bu aber tot bift, mödjteft

bu rootjl fel)r fd^ön tönen! Seutfd) loutet ber ©prud):

2Ba§ unfterblic^ im ©cfang foll leben,


a}Ju^ im Seben untergefm.

3lIIerbing§ oon il;ren eigenen myttiifc^en SSorbilbern, ben ©ängern


ber Urjeit raupten bie 2löben, ba§ biefe ebenfalls mit Seben unb SBo^l:-

fa^rt bejai)lt \)aüm. Drp^eu^ mar üon ben aJMnaben jerriffen, 3^()ami;ri§

oon ben im 2Bettftreit fiegreic^en 9)tufen geblenbet unb feinel @efange§


beraubt roorben.

SSon biefer i8orgefd^id;te be§ griec^ifc^en '^^effimi§mu«J, roie fie fic^

im ^]Jir)tf)uS unb in beffen ©timme, bem 6po§, au^fpric^t, roenben mir


\m^ ju ben ©ebanfen ber ©riedien ber Ijiftorifdjen ^nt 2tuf alle

') <{Jinbar, Dlpmp. II. legt J^öd^ft abfurb baSfelbc 2Bort bet leibens
*) 2)iog. 2atxt. VII, 11. ben ^ttait in ben aJlnnb. 3;roob. 1243.
•')
Cbpff. VIII, 578. — ©uripibcä *) t'omcr, Hymn. Morcur. 37.
3ur ©efamtbilanj beio griecf}ifc^en Seßeng. 397

parallelen mit bem nä{;ern unb fernen Orient unb mit 3(egi)pten wirb
audi t)ier gerne oerjid&tet nnb ooIIenb§ anf bie ^rage, ob eine geiftige

Serüt)rung biefer SSölfer mit ben ©ried^en fid; benfen laffe; fobann
^onbelt e§ fic^ liier nic^t um aEgemeine Erörterungen, fonbern nur
um 3"f«i"i«^^^fißC("i^9 üon ^Qt[ac|en unb 2lu§fagen. 3ßie roeit ber
aJienfd^ rairflid) ftimmfä^ig fei über fein unb feiner 3}Zitmenfc^en, §u=

nä(^ft feiner 33oIfg genoffen ©lud unb Unglücf, barüber foU l;ier nirf)t

entfdiieben roerben; bie geraöi)nlic|e Slnfi^auung mirb babei bel;arren,

ha^, roa§ einer für @lüd unb Unglüif pit, e§ auc^ roivfli;^ für i^n
fei, unb in biefem ©inne rairb man muffen bie ©ried^en gu 2Borte
fommen laffen^).

Tlan ^at e§ öor allem ju tun mit einem SSolfe, rael(|e§ in l;öc^ftem

©rabe feine Seiben empfinben unb berfetben beraubt roerben mufete. ^m


üottfommenften ©egenfa^ ju ber aprioriftifd^en S^tefignation großer afiatifc^er
3]ölfergruppen unb gu allem befcfiaulirfiem Duieti^muS bietet ber ©riedje
bem ©diidfal lauter oerrounbbare «Seiten bar, unb baSfelbc fann ilju

täglid) unb ftünblic^ nic^t nur leiblic|, fonbern auc| feelifc^ oerle^en.

SSölfer leben in il)ren 2lnfängen unb oft nod^ big in siemlid) l)0^e 5^ulturen

l^incin raffemä^ig; ber ©rieche aber mar frül^er ein inbioibueHer aJienfc^

geworben alg bie Uebrigen unb trug nun Ijieoon ben 9iul)m unb ba§
Unheil in unoermeiblic^er 2Jiifc^ung. ©djon im (Spo§ entfenben bie 3Säter

bei Sld^itteug unb bc§ ©laufoS il)re ©öljue in ben Slampf oor 2^roja
mit bem 3)ial)nfpruc^ : „immer ber erfte gu fein unb oorpftreben ben
anbern", unb nun roartet ber ^eroen nid^t bloB ber £ampf gegen bie
i^einbe, fonbern aud) bie ©iferfud^t ber ©enoffen unb sroifc^en ben 2tn=
fü^rern bereite töbtic^e geinbfd^aft. (B§> folgte ba§ 3eitalter, ba bie

SBettfämpfe, in ber ipeimat wie an ben großen geftorten, bie gange

^) ©anje ©ammlungen über bie bt- . ergel^enS, Sob itnb 2'abel beä 2llter§, über
treffenben fragen im giorilegium beä ben Xo'b, 2ob unb Säbel beä Sobeg, 33er=
3ol^anneS @tobäo§. ^n ber Sluggabe Don gleicf) Don Seben unb Zo'b, enblic^ ein
2Reinefe enthält ber JH. 33anb ©. 221 ba§ Xroftfapitef, naQrjyogixci — SJgl. ^lutarc^
^aupüapitct moi tov ßtov, ü6erba§£eben, consolatio ad ApoUonium, passim — unb
beffen Äürje, ©eringfügigfeit unb @orgen= Don ben Sonfolationen beS ©encco be«
füüe. 3m IV. Sanbe bie aibfd^nitte : über fonberä bie an 3!JJarcia.

ba§ Unglücf, über Unfid)erl§eit beg 2Bof)l=


398 3"r ®efamt5ilan5 beg grtec^ifc|en £e5en§.

^eHenenraelt in SBeroegung festen unb mit bem diul)m ber (Sieger erfüllten,

löäfirenb bie fef)r oiel ja^Ireic^ern 3u^^i'dfftei)enben geroi^ eine unenblic^


oiel größere ©umme be§ ^^ii^^«^^^ empfonben, al§ hiz ©umme be§ @Iü(Je§
jener mar. aöo^t barf man fragen: l;ing nirfjt ba§ §o(^gefü()I biefer

gigonolfteger, ganj äfinlid^ roie ba§ ber üon irgenb einem (Srfolg gefrönten
©riechen aller Bitten, p fet)r oom Urteil anberer ah'^ unb lebte nirf)t

ba« ganje 33ot! üderljaupt etiüa§ gu üiel in ben Singen anberer? ^eben«
faa§ aber befanb man fic^ bemgemöB. Unb nun fam bie ©ntmidlung
ber üorftrebenben ©injelfräfte in ber ^oli^, unb graar in ber bemofratifd)
gemorbenen, unb l^ier mürbe mon mol)I tun, bem rairflicf;en perifteifc^en
3lt^en, nid)t bem übereinfömmlic^ ocrf (arten in« 2lngefi(^t §u fd)auen,
mobei man 5. S. mit ben [pätern @rlebniffen be§ ^erifleg felbft ben
SroecfmäBigen 3tnfang madjen fönnte. 3Son ba an mar ba§ öffentliche

SBefen, fo raeit mir e§ bei ben ©ef(^icl)tf($reibern unb 9^ebnern be§


Y. unb IV. 3al)rl)unbert§ »erfolgen fönnen, in ben befannten Rauben,
ha§ 2dKn in ber ^soli« aber ba§ fo^ufagen eingig geftattete, ©päljerei
unb töblid;e 2lnflage dma§ atttäglidjeS ; foHte man nun an bie uuermefe»
lirfie 3ol)l berer, meldte litten, be0l)alb ni^t benfen bürfen, roeil fie ^aben
fc^roeigen muffen? mölirenb bie l)anbgreiflic^ften STatfac^en un§ bie 2lugen
öffnen fönnten, cor attem bie ^lud^t fo oieler j^äl)igen üor bem ©taat,
inbem fie fic^ ber offenfunbigen 3lrmut unb ber ^-omilienlofigMt roeil)ten.

©riedjen aber, b. l;. gur perfönli^en 2tu§5eid)nung oeranlagt, maren fie

äße, unb jum ^Teil 2)ienfc^en oon unenbli^ feiner unb uoüfornmener
Crganifation, meiere roolirlid^ uid)t leicht auf 2Sirfen unb Motten oer--

jiditeten. Unb biefe ^soli«, in roelc^er unb wegen welcher man fo oiele«
leiben mu^te, bieg ein§ unb alle§ mar oon jeljer, menn fie oon au^en
überrounben raurbe, nic^t blo^ bem 9taub unb ber Demütigung, fonbern
nac^ griec^ifd^em ^rieggred^t ber 3erftörung, ber ^Tötung ber 3)Mnner,
bem i^erfauf ber SCseiber unb Jlinber ausgefegt, unb oon unääljUgen @riec^en=
ftäbten finb fpäter mirflid) nur 9tuinen oorljanben gemefen. aBeldie ©umme
uon Jammer unb 2But mu§ bie§ au^gemadjt Ijabeu! gegenüber oom
intenfioften fieben lauter oöttige Vernichtung! 2)ie3 möge man gegen^
fid)

nnirtig \)aikn 2lnlaB aü


bei jener ^^arteifämpfe unb 3errüttungen, um
berentmiüen bie 9iation materieQ 5U einem ©d^attcn mürbe, bi^i fie ben
ytömern in bie 2lrme fiel.
3ur ©efamtbilanj be§ gried)ifd^en Sebeti'?. 399

2l(Ierbin3§, roa§ SSeglüiiung biird) ben ©eift geinäfjren fann^), ba§


f)aben f)ier oiele au§erraä§lte 9)tenf(j^en in {)ol)er ^unft unb ©iditung, in
5Denfen unb gorfd^en genoffen unb burct) ben Slbglan^ {§re§ 2Befen§ and)

ben übrigen oermittelt, foraeit biefe be§ 33erftänbniffe§ fä£)ig roaren. ®iefe
S^röfte finb bei ben @ried)en geiüifferma^en immer optimiftifd) geroefen,

b. £). e§ i)at fic^ für Mnftler, ©id^ter unb Genfer immer ber Wil)t
geIo!)nt, biefer SBelt, wie fie aud^ fein mod)te, mit mäditigen Schöpfungen

gegenüberjutreten. 2öie büfter fie perfönlic^ üom (Srbenleben gebadet

I)aben mögen, ifire ©nergie oergiditet niemals barauf, freie unb gro^e
33ilber von bem, wa§> in ifmen lebt, anS Sic^t t^erüorjufdiQffen. Unb
bisweilen ertjebt fic^ ber ©ebanfe unb fc^roebt f)od^ unb beglüdenb über
Slttifa unb gans ©riei^enlanb, raenn ba§ SBeltganje fein Dbjeft mirb.
2lnajagora» fprad^ e§ au§: ba§ ©eborenroerben fei bem ^flid^tgeboren*

werben oorgU5iet)en, um ber 33etrad)tung be§ ^immelS unb be§ 2BeIt=

gangen mitten, ©inen intetteftuellen Optimismus äljulic^en ^nl^altS

proklamierte oud^ ©iogeneS ^) : für h^n 2:^refflid)en fei jeber S^og ein j^^eft*

tag, ber ganje ^oSmoS ein Heiligtum, in iüel(^e§ mir bei ber ©eburt

eintreten, mit ©onne, 9}conb, ©eftirnen, ©trömen frifd^en SBafferS

unb ben oon ber ©rbe genährten ©emäc^fen unb Spieren; bie ©inmeiljung

§u biefen 9}^i;fterien fei unfer Seben, unb bieS fotte be§l)alb ein mot)t=

gemutet unb freubigeS fein, bie meiften aber ma(^ten bemfelben ©(^anbe,
burd^ beftänbigeS Silagen, ©rieSgram unb ©orgen. §ier ift nur au^er
2l($t gelaffen, ba^ bie 9BeIt nid)t bIo§ auS ©inbrüden ber 9ktur befteljt,

fonbern and) aus benfenigen beS 2)tenfd)enIebenS, meldieS jeben umgibt


unb fid^ oIS bie oortjerrfd^enbe Ouette ber ©orgen auSraeift. ©d)on lange
oor Diogenes ^atte 2Iefop bieS betont, menn einige merfmürbige 33erfe

niirflid) oon if)m finb^): „2öie foH einer bir entroeidien, o Seben, o^ne ju

fterben? taufenbfac^ ift bein Seib, unb nid^t leid)t, baoor §u ftieljen nod)
es 3U ertragen; monnig ift, maS an bir oon S'iatur fdf)ön ift, @rbe, 9}Zeer,

©eftirne, bie Kreisläufe oon 9}ionb unb ©onne, otteS übrige ober ift

lauter ^urd)t unb ©c^merjen, unb menn einem ein ©lüdsfatt miberfäl)rt.

') (Sine beiläufige ^poleiuif gegen ben bie graglid^feit ber ^u^unft fonbern aud^
SBerjic^t auf feelifcfien Sefi^ ^lutard^ mit ber oielen @rf"unbung berfelBen ju;
©olon 7, al§ eigenes 3iaifonnement be§ fammenl^ängen.
^lutarc^. ®in foId)er JBeräid^t mocfite ^) ^lutard^, de tranquill, animi 20.
übrigen^ nicdt nur mit bem ©ebonfen an 3) Sergf, Antliol. lyr., p. 24.
S)^^ ©efamtbifanj
be§ gried^ifd^en Sebenä.
400

fo folgt immer roieber eine 9iemefi§ barouf". @0 wäre and) fonberbar

gemefen, raenn bie Sd^önfteit ber 9latur bie ©riecfien nic^t entjücEt l)ätte,

aber bie gurc|tbarfeit be§ 2)Jeiifc^enteben§ i)at iljnen meljr ju empfinben

iinb 311 benfen gegeben.

a>on ben fonftigen 2Inft(^ten ber ^^itofop(;en fann im golgenben

nur inforoeit I)ie unb ha bie 9?ebe fein, qI§ il)re Sßorte nid^t oon iE^rem

befonbern ©pftem abl)ängen, fonbern beutlid) einer ©eite be§ 33oIf§'

berouBfein§ entfprecf)en. Wlan gelangt nid^t leidet gu rid^tigen ©urc^fc^nittg»

urteilen über griecf)if(i)e§ (Smpfinben, raenn mon bo§ 2)enfen ber ^t)iIofopl)en

5uni BJia^ftab nimmt, beffen 2öert für un§ an einer ganj anbern ©teUe

liegt unb ^ier nur gu einem flüd)tigen Ueberblic! 3lnla^ gibt. ©o!rate§

mar auSbrücEIic^ Dptimift unb fein ©laube an gute, fdiaffenbe unb er»

^altenbe ©ötter ein !aum oer^üEter 2}Jonotf)ei»mu§ ^). ^:pIato, foroeit er

pptljagoreifc^ empfinbet, ift ^seffimift; in feinen Utopien bagegen ift er

notraenbig optimiftifc^ 5U oerftel^en; au^erbem mag man 5. S. im ^I;äbon


nadjiefen, roie fid) ha§: 3lngenel)me (^di) unb ba§ 33etrübenbe {Ivk?;q(ji')

gegenfeitig bebingen. 39ei 3triftipp§ ^ebonif fann man fragen, ob biefe

Set)re üom ©enuB be§ 3)iomente§ nic^t am ef)eften aus einer oöEigen 9Ser=

jmeiflung an ber ^oli§ gu erflären ift, wobei fic^ roirflid^ etraoö bafür

fagen lieB, bafe man fic^ 33ergangeni)eit unb Bufunft au§ bem ©inne
f(^Iage''). ^egefial ber ßprenaifer, üon beffen 3ul}örern mand)e, ^ei^t

c§, fid) ba§ Seben natimen, fdieint bann ba§ äufeerfte erreicht gu ^aben,

wa§> üon übler 3fla^rebe gegen ba§ 3)Zenfd^enleben geleiftet morben. 3)ie

Setjre ber (Seniler fann fi(^ al§ Optimismus wie all ^effimiSmuS äußern,
bie ©toa aber ift tro^ iljrer Sel)re üon ber „beften 2Belt" nnb beren
3roedmäfeigfeit bod^ im tiefern ©runbe peffimiftifd^. S3eim ©pifureiSmuS

fommt es barauf an, ob man bie entfdliiebene j^ludit cor ber Serü^rung

mit ber ©efeUfd^aft (lä&i ßio'xrag) für ^effimiSmnS nehmen mitt ober

nic^t. galten mir unS nun on bie Ueberlieferungen auS bem 3SolfS»

berou^tfein.

2)en Hoffnungen, meldte oon iel)er baS Seben aller 9)?enfd^en unb

aud) baS ber ©ried^en begleitet l)aben, wirb, fobalb baS 3(ad)benfen baS

>) Xenop^. aJlemoinb. I, 4, 9 ff.,


IV, 2) atelian V. H. XIV, 6.

3, 1 ff.
3"r ©efamtbilanä be§ gried^ifc^en Sefieng. 401

SBort ^at, aU$ betörenben 9Sefen nidjt öiel @ute§ narfigefagt. ®orfj l^at

ber äfcfiijleifc^e ^stometljeug, inbem er biefelben, unb giüar ai§ blinbe, in

bie 9)ienfc^en Iiineinpflanste, tüenigftenS bem beftänbtgen ^ineinftarren in


ben beoorftefienben Xoh ein @nbe gema(^t^),
3)ie ganje (Srfi^einung be§ griec^ifc^en ^efftntiSmng tx^ält nnn t^re

DolIe 9)cer!raürbigfeit bnr(^ ben ent[rf)iebenen Dptimiämu^ be§ griei^ifi^en


Temperaments, meld^eS com tiefften ©runbe au§ ein fd^affenbeS, plaftifdieS,

ber 2Belt äugeroanbteS ift nnb au^erbem — an ber Oberfläche — bie

93erroertung unb ben @enu& be§ StugenblidS fel;r §u fc^ä^en roei§. §ier
mag üöllig au^er 33etra(i)t bleiben bie öffentliche i^urjraeil unb 2lu§gelaffen='

l)eit bei j^eften u. bergl., beren auc^ ein trübe geftimmteS SSolf auf furje

3eiten fäl)ig fein fann; ben ©riechen ift e§ nie eingefallen, ha§> fieben

überhaupt, ober gar um folc^er ^inge willen, ju preifen, ober oollenbs


ben ©Ottern bafür als für ein ©efc^en! gu banfen. 2Sa§ i§nen fonft
ba0 ©afein an glüdlidien Stimmungen, an beglüdter ßeibenfc^aft geroäl)rte,

tä^t fid) etroa alinen, aber niemals abfd)ä^en. 2lm el)eften noc^ mirb
haSi ©t)mpofion, unb maS baran l^ing, eine 2lbn)el)r beS ^efftmiSmuS
geroefen fein, unb auS folc^en SSereinigungen flammen bie balb melir
poetifd^ fi^önen, balb mel)r frioolen 3lufrufe gur ^reube^), meldte gu
uns Ijerübertönen. ZJj^il^) lebe! b. l;. raffe bic^ auf gur ?^röl)lic§feit!

momit etroa ein SBort über bie Mrje ber :3ii9enb unb bie ^infäüigfeit

bcS ©lüdeS oerbunben roirb. 2)ie rol)ere 2tufforberung jum @enu^,


ede! bibe! lüde! oerlegte man etroa in erfonnene ©rabfdiriften orien»
talifd^er ^errfc^er roie D^inoS unb ©arbanapal; bod) lä^t fid) aud) rool)l
bei einem attifcbeu ^omüer^) ein roaljreS greifen ber Uebertäubung
pren. 9JJit ber ^dt gab eS einen ganzen ©til ber §eiter!eit unb
Sa(^!unft, unb in einer ©arfteHung ber griec^ifc^en ©efeUigfeit roäre
beSfelben umftänblic^ §u gebenden; ein 5lomifer ber 3eit beS ©ofrateS,

^^l)iliftion, mif(^te in feiner ^^oefie baS „uielbejammernSroerte 2)?enfc|en«


leben mit ©eläi^ter", unb er felber foll an unmäßigem 2aä)zn geftorben

') 2lefc^r)I. ^rom. 248 ff.


— ©o üiel ic^ 2) 3ugleic^ bie Suc^ftaben 7 big 10
gefunben i)abz, rebet nur Sl^eognil, 1 143 ff., be§ gried^ifd^en aitpl^abeteS. SSergl. betx
einem Kultur ber |)offnung ernftUd^ ba§ ©d^erj bei Sncian, ©pigramm 17.
SBort, — Hoffnungen, roelcfie bie Staaten ^) 2ttf)en. XI, 9 an^ ben „2'arentinern"
in§ UnglücE führen, ©uripib., Suppl. 479. be§ 3IIerig.
-) Sßevgl. u. a. S^eogniä 761 ff.,
983 ff.
3. SBurd^orbt, ®necf)tfc^e Jlulturgefc^ic^te II. 26
402 3">^ ®efamtbilan5 be§ grierfiifd^en £e6eni.

fein^). aSeldje fcfiioa^e ©eroäfir jebodj bercjleii^en für eine lualjdjaft

tröftlic^e Seben;3anfc^auung au§marf)t, braud^t nirfit roetter erörtert gu


werben ; tmmerJ)in ^aben bie ©riedjen nidjt nötig ge£)abt, bei ben ©elogen

tüie bie 2Iegijpter ein 3JhimienmobeII oon ©aft jn (>}a\i (jernmtragen ju

iaifen aU 2lufforbernng 3um ^^rinfen nnb pr ^^rö^Iic^feit -), nnb bie^ tarn

üuä) in 2tegijpten nur bei ben 9ieid)en nor, benn ber gemeine 9}fann

fonnte bort feljr auggetaffen fein of)ne eine 3lufninnterung biefer 2lrt.

Singer ber gröljlic^feit roirb auä) anenipfoljlen, „d^^tj" gu leben, b. t).

wie e§ fommt, auf ha§> ©erotemoljl l)in^), lüobei man fid) auf Hoffnung
unb j^^urc^t nid)t einlief5e. @§ ift möglid), bafe bie relatiü ©lüdUc^en
unrflid) fo gelebt l;aben.

^n weit überraiegenbeni 2}Ja§e aber tritt nn§ in ^oefie unb ^^rofa


ber ®ried)en ber ^effinii^rnuiS al§> eine üolfictümlidje 3::atfac|e entgegen,

unb sroar gar ni^t al§ 3^efultat ber 9iefIejion, unb oottenbg o^ne aüe
bie oielfeitige Segrünbung, raeld^e er in unferm i^ßt^rtjunbert erfatjren

^at, oielme^r rairb er oon ©timniungSioegen inSgemein rec^t furj unb


bnrfc^ in bie 2Selt Ijinou^gerufen. 9Sie oiele fid) für it;re ^^verfon au§
ivlugljeit aU aufrieben ober loenigften» all gleichgültig gebärbeten, ift

unmöglid) ju roiffen, man fonnte fid^ aber entfdjnbigen, inbem man in


ben allgemeinen ^lagec^or einftimmte. 2Ba§ mir ba l)üren, ift eine burd)=

ge^enbe -i^erfdiätuing be§ 2ehzn§>; ber 2Renfd) ift jum Unglüd geboren,

9iid)tfein ober ^rüljfterben haä '&^^k. „Seiben muffen mir, ber 2ßeife

ift ber, meld^er ba§ gefenbete ©d)idfal am ebelften trägt*)." S)aB eine
mäd)tige Duote be§ Unglüdl oom ©enxüte bei 9)Zenfd^en felber, oon
feiner unnü^en, forgenooHen, quätenben 33efd)äftigung mit ber i\)n üielleid)t

umgebenben @efal)r, befonberl mit ber 3ii^""ft aulgel^t, roirb woiji etroa

mit einem SBort {/Ji'ot/uyat, (foovri'dfg) angebeutet; auc^ mitten in (Sr*

martung bei ©enuffel fürd)tete man etroal, ha§ snnfdjen Sippe unb
©d^ale f){neingeraten möd)te^); aber bie ©ac^e ift oietteidit nirgenbl

*) ©uiba§ bei SBeftermann, Biogr., I Suppl. 195 ff., bem 2;^efeug in ben 5DJunb,

I). 172. läfit benfefben aber 549 ff. raieber ganj


*) ^erobot II, 78. anberä rcbcn.
^) ©opl)of I. Ocd. rex, 965 ff. bie 2Borte ^) llnkku ^utTa^v 7it).n xikiyO'; xai
ber Sofafte. )(tiXtoc: flxQov. — 2)er tt»al^rfd)cinlic^ f)elle5

*) ßuripib. 2leol., fragm. 20. (Sine niftifdie a)?i;tl)nä uon ber Tura bei §t)gin,
längere optinnftifcl)c Xirabe legt Gnripibeö, fah. 120.
:

3ur ©efamtbilanj be§ griec^ifd^en SeBetro. 403

mit pfijc^ologifrfier 93olIftänbig!eit aulgefüljrt ^). ai>ir muffen un§ lie=

gnügen mit einer 3Inbeutiing, rote fie bie ©age geroäljrt, unb nirgenbfo

ift bie allgemeine unbeftimmte ©orge üor Unglü(i unb ber oergeblic^e

2Bunf($, ba^felbe ben bunfeln 3}M(^ten burcfi ein fc^merjlic^e^ Opfer


abäufaufen, f^öner borgeftellt al^ in ber ©rjäljlung üom 9iinge be§

^olpfrateg ^). ^n einer frühem ©eftalt ber ©rjä^lung war ber D^ing
oielleidjt ein S^aUäman geroefen; wa§> ber ©rieche al§ £iebfte§ opfert, ift

ein t;errli(^e§ il:unftn)erf.

®er ©Otter wirb bei 2lnla§ be§ ^efftmiilmuS menig gebadit, ba fie

Söelt unb ajJenfdien nic^t gefi^affen f)aben^), unb beim aj?enfc§enfd)i(ffal

bie aik ^auptanfidjt oon ber ijerrf^aft be§ „3Ser(;ängniffee", ber 9)ioira,

§u il)rem 3ied}te fommt. 2ludi bie fonft fo £)äufige ^(age üom befonbern

Unglüd ber ©uten unb ©lud ber Söfen fann fi^ ^ier nur be^utfam
äußern, ba am^ le^tere bem allgemeinen ©d)icffal uerfallen fein muffen,
„^mmer^in fommt unter ben 53efd)roerben auc^ bie oor^), bafe fc^on ber

2Inbli(! be§ ©lüdeS ber 23öfen einem ha§: geben oerleiben bürfe.

33ei biefem 2(n(aB mirb au(^ mol)[ päugeben fein, ba§ bie fd)Ied;te

9)teinung beg Hellenen oon ber großen a}cet)räai)I feiner SJiitmenfd^en unb
fogar feiner Sanb^Ieute in^befonbere ein ©tüd feinet ^effimi^muS au§=
gema($t 'i)aU, menigftenS fli^t fie fic^ mit biefem fc^on früt)e burd)einanber.

Safs ha§> ©efc^Ied;t, roelc^e§ auf ba§ ibeal gebac^te nujttiifc^e fotgt, ein
geringeres fein merbe"), fagt fc^on 2lt§ene (in ber ©eftalt be§ 9)?entor):

„menige ©öl^ne finb bem SSater gleid;, bie meiften finb geringer unb
fetten einer beffer als ber 3}ater." ^\i ber ©(^ilberung ber red)tliebenben

unb glüdli^en (Stabt in ben „Söerfen unb STagen" beS ^efiob ()S. 234)
ift e§ fc^on ha§> 9JJöglid)e, roenn bie i^inber nid}t fdile^ter geraten als bie

Altern; baS allgemeine 33ilb ber nad)l)eroifd)en 3}Zenfd)t)eit aber, roie eS

.in berfelben ©iditung entworfen ift, als Seljre oon ben fünf SJienft^en'-

©inigeg betont erft Stpulejuä, de 2) ^erobot III, 40.


deo Socr. Opera, ed. Bipont. II, p. 226 3) Sie ©cfiöpfung ber üier erften

25ie a)ienfc^en rootinen auf ber Grbe . . . , ajJenfc^engefc^lec^ter burc§ bie ©ötter imb
levibus et anxiis mentibus, brutis et ob- 3eu§ bleibt eine grofse unb fc^roer beutfame
•noxiis corporibus . . . pervicaci audacia, 2lu§na{)me.
.pertinaci spe, cassolabore, fortuna caduca *) ßuripib. SJeHerop^. fragm. 7.
.. . .volucri tempore, tarda sapientia, cita ') Dbpff. II, 275.
xaorte, querula vita . .
:

404 3ur ©efamtMIanj beö gried^ifc^en ÄebenS,

gefd^lec^tern, füt^rt befanntltc^ au§> bem ruijigften golbenen ©lud abroärt^

M§ in bQ§ tieffte 9lacf)tbunfel be§ ^erberbenS (3Sergl. bc[. 33. 173-200).


3n ber golgcseit tönt c§ bann üon ben üerfcfiiebenften ©eiten, aucf) oon
ben fieben 2öetfen i)er: bie nteiften a3ienf($en taugen ni($t§ (oi nlncicji.

uvi^Qwnoi xaxCovc), unb 33ia§, ber baS 9Sort ebenfalls pm SBal^Ifpruc^

f)atte, gog barauS bie Folgerung: auc^ wen man gerne ))abt, ben möge
man gerne t;aben alg einen fünftig ju ^affenben^). 9Ber t)ic( nad)[pürt,

fagt ©opl)ofle§ ^), fommt immer auf bie ©c^Iec^ttgfeit ber SOtenfc^en. 3^
f)ö£)erm, pati)eti[cf)em SluSbrud lautet bie ivlage feierlicher: öon biefer
ober jener S^ugenb wirb gefagt, fie l)abe bie ©rbe öerlaffen, fei ben

a}hnfc^en entfc^irounben, entfd^mebt, §u ben ©öttern l;inaufgegangen. (Sd)on

^efiob flogt bie§ in betreff oon ©c^am unb ©d^eu^); 3^^eogni§ (33. 1137,
üergl. 647) oon ^reue, ^Jiäfeigung unb ben ßljariten; ©uriptbe;? üon ber
©c^am*); enbli^ in ber S)iabod)en3eit 2lrato§ öon ber Slfträa, einer

Umgeftaltung ber ©ife ^). S)er alejanbrinifc^e ®ict)ter üerfe^te bie ©öttin

in ben ^ier!reig, too fie fortan bie ©teile ber „^nngfrau" einnimmt, unb
an feine ^iftion \)ai bann bie römifd^e ^soefie angefnüpft. Ooib befdjliefet

feine ©cl)ilberung be§ furchtbaren legten Söeltalter^ mit ben berül)mten

a3erf en
Victa jacet pietas, et Virgo caede madentes
Ultima coelestuin terras Astraea reliquit®).

©rtönte bergteic^eu in ebler- Sichtung, etwa in einem ßljorgefang ber

SCragöbie, fo l)örten t§> bie Seute oljne B^^^^if^^ ""^ erbaulid^er SBetjmut

an, fügten fic^ aber in foldie betrübte 5^atfad)en al§ in etroa^o Un»
abänberli($e§ , wobei jcber barüber trauern moclite, ba§ bie anbern fo

fc^lec^t feien. Söollte femanb biefe @rfenntni§ jur aßgemeinen 9Jienfd)en=

feinbfc^aft erweitern unb fic^ bamit öffenttid) aB Original benennen, roie

(eben jur ^zxi ber großen ^ragüer) ^imon in 2ltl)en tat ^), fo mar bie§

^) 4>i'kilv wf /LiiarjaofTccg ©iog. Saert. '^) a}tetam. I, 149. 3>trgilö erneute

I, 5, 6. Hoffnung: Jam redit et Virgo etc. ®fl.

*) Qxtai bei ^[utard^ de fratemo IV. — Sel)r frfiroar} bann roieber 3KaniIiu&

amore 8. 5itr 3ett beä ^iber, 3lftron. II, 592 ff.

^) y/tf)w? xctl Xifiiaig opp. et dies ') 3:imon allein „faf) ein", ba^ man
196 ff. nid^t anberö glücfliö) fein fi3nne, alö inbeni
*) aJlebca 439 (d&tQiu J" üvinTu. man bie übrigen 5Jtenfdf)en fUel^e. ^aufan.
'•) ^^änom. 96—136. I, 30, 4.
3ur ©efamtöilanä be§ gnedjifd^en 2e6en§. 405

jeine ©ac^e; nur mu§te er barauf gefaxt fein, bo^ bie 2lne!bote oüe^,
nni» mon fonft üon 9}?enf(^en^affern ersäljtte ober fi(^ einbilbete, auf i{)n

übertrogen werbe.

S)iefe 3Se(t beS Söfen aber raar eine burtiiaug unbuBfertige, unb
rcenn e§ an ha§i Slenbern gegangen lüäre, Ijätten f(^on bie ©ötter bei fi(^

ben 2lnfang mad^en muffen. 9Bie wenig bie 3l§fefe unb Söeltöerneinung,

b. {). ber ec^te religiöfe ^effimi§mu§ I)ier einbrang, wie üorübergeljenb

bie 3Birfung ber ^yttjagoreer unb ber Drpfiifer raar, ift befannt; wie

toeit aber hk ©orge oor ©trafen im ^enfeitS ©in§elne mirflic^ moraIif(^

befferte, ent^ietit fic^ unferm Urteil. ^mmeri)in möge man ba§ SSort be§
®emo!ritO erwägen: „aUe 9Jienf($en, im ©efüljl be§ in i^rem ©afein

maltenben UebelbefinbenS, fc|mad)ten it)re SebenSgeit über in SSerroirrung

unb ^urc^t, inbem fie ficf) noc^ falfc^e ©inbilbungen mad;en wegen beffen,

xDa§> nac^ bem ^obe folgt." — ©er 39ni§mu§ aber war burd^aug feine

21§!efe berfenigen Slrt, welche ben 9)tenfc^en oon ber Söelt ablöfen will;

fein ^ki war nur, ben ©injelnen — mitten in ber 2Be(t — oon bereu
^errfrfiaft über feinen SBillen unabhängig ju macEien.

©ie Jllage über ba§ (SIenb ber SJZenfc^en, wie fie fic^ aufbringlicf)

unb überatt bei ben ©riechen l^ören läfet, ift oline einige 2Biebert)oIungen

triebt wol^l 5ur ©arftettung §u bringen; ein unb berfelbe @eban!e wirb
balb einfad^er, balb reid^er, mit aEerlei 33e3iel)ungen unb $8orftettungen
gemifd^t, auSgefprod^en. SO^an mag beginnen mit ber aBaE)rneI)mung oon
ber 9cegatioität be^ @tücfe§ unb ber ^ofitioität bei ©c^mergeS, wetcbe
fi(^ f(^on im IV. ^a^rl;unbert giemlic^ beutUc^ eingeftellt^) ^at: „®a§
©rfreuenbe, oberflä(^lic^ wie el ift, l;at ^lügel unb immer einige ^vl'

mifd)ung oon Seiben, ber ©d^merj bagegen fommt ungemifc^t unb ganj
unb oI§ ein bauernber." Ober e§ wirb oom ©lücE gerabeju abgefeiien:

„Dtine Jammer," fagt ©opf)o!le§^), „ift niemanb; wer beffen am wenigften

f)at, ift ber ©lüdlic^e." SBelt unb Seben gelten nic^t nur für gering
(fvielijg), fonbern für fi^limm unb böfe.
®ie ältefte eigentlid^e 23egrünbung biefeS @efüJ)l§ ift wo^I, bem
griecf)ifct)en ©inne gemäfe, biefenige, weld^e ficf) auf ba§ 3lrbeitenmüffen,

>) Sei ©tobäug, ed.3neine!e,Vol.III, 2) 3n bem pfeuboplatonifc^en 2)ialog


232. 2lEio(^og, p. 366 a.

^) ©opf)o!l., Mvaoi, fragm. 2.


406 S^^ ©eforntbilanj beg griec^ifc^en 2e6en§.

auf bie 2}?ü(je im Seden begief)!, benn biefe ift t)ier bereite ein Setben.

©d^on bei ^omer ^) f)at 3^"^ auf ^i^ 3)ienfd;en bei ber ©eburt bie Sliü^e

(;ro)fr)') qI0 ein fc^roereS Uebel (yaxoTt^ia ßaonav) gelegt. 2Igamemnon


fonftatiert bie§ bei 3ln(a§ ber Unbequem(icf)feit , roetc^e il)m unb bem
9}?eneIao^ baraug erroäcEift, ba^ fie 311 einem nädjtlidjen 2luf gebot iljre

Seute eingeht aufrufen muffen. Sei ^efiob in ben „SBerfen unb 2:ogen" ->

ftnb e§ bann bie ©ötter über!)aupt, welche ben SKenfd^en bie 9ial)rung

{Siog) tjerborgen Ijaben, „fonft fönnteft bu mit @inem ^age 3lrbeit für
ein '^a\)X genug erraerben unb SJiu^e t)aben; bu l;ingeft bein ©teuerruber
über bem Slauc^fong auf, unb mit ber 33emüt)ung üon S^iinb unb 9JJauI»

lier roäre e§ am @nbe". 2lber 3^"^ oerbarg bie 9k{)rung au§ ©rimm,
weil ^romet()eu§ it)n betrogen; a(» nämlid; ba§ j^euer ben 3}ienf(j^en (bie

e» fc^on geljabt) entzogen morben roar, brachte biefer e§ it)nen i)eimlid}

im f)oljlen $Rof)r gurüd, worauf ^tVi§> gur 33erge(tung ein Uebel fenbet

für aüe fommenben @efd;led;ter, unb graar ein foldieg, bal jeber anfangt
für ein ®(üd I)ä(t. (g» folgt bie ©d^öpfung ber ^sanbora, b. l). be§

2Seibe§ überl)aupt, meld)e§ ber 9)2ann fortan erl)alten mu^, „ein SBelje

für ben 23etriebfamen, ©rroerbfamen", benn bisljer liatten bie 2)tenf dien
gelebt „ol)ne Uebel, .^ranfljeit unb f($merälic^e 9}tüf)e". ^n ber 3^ation

ir)ud)§ l)ierauf ber §a^ gegen alle§ „Sanaufifd)e", gegen alle 33emü^ung
be§ SrroerbenS in gleichem 9)k^e mit bem bennod; üorljanbenen 3^^o"9^
baju. (Sflauen gur älrbeit anl)alten fonnte nur, nier imftanbe war ©flauen
gu faufen; jebe abljängige ©teUung aber, and) roenn biefelbe mit ©eminn
unb @enu^ oerbunben fein fonnte, erbitterte ben freien (Sriedien, unb
baS ^^reiben ber ^olig iai ba§ übrige, um bie falfi^e ©teHung ber eljr*

liefen Arbeit ftünblic^ fühlbar ju madien.

^ie unb ba finben ft(^ nun umftänblid^e Slufjäl; hingen oon ©injel'
plagen, 3. 33. im S)iftid)on be§ ^^ofeibippo§ ^) unb in jenem fd}on ange=
füfirten platonifdien S)ialog 3lfioc^o§, wo ©ofrate^ biefelben als in einer
3^ebe beS "iprobifoS üorgefommen miebererjälilt'*). S)ie§ ift eine red)t

betel)renbe ©d^ilberung beS roefentlid) atl)enifd)en l'ebenS üon feineit

') 3Iiag X, 70. I


') 3lEiod)., p. 366 6iä 368. — SBergl.
2) 33. 42 ff.
— Söergl. Jl^eogonie au^erbem ^a^ J'^agment bc!o %t\ti bei
569 ff. 591. ©to6äu§, vol. p. 234.
») ©tobnug, vol. III, p. 231.
3ur ©efamtbtfans be§ gried^ifd^en Se&en§. 407

©d^attenfeiten, unb gtoar oon ber SBiege an, aber (une 3. S. ba§ Unglüc!
be§ ©eefat)rer§, be§ Sanbmann^ u. f. m.) an befonbere 23e[d)äftigungen

gefnüpft, wdä)t firf; anä) oermeiben liefen unb nid^t nottuenbig beut att^

gemeinen äücnfc^enfc^idfal anl;ängcn; mit bem le^tern ober !)aben el bie


entf(^eibenben lu^fagen gu tun.
Qu ber STtitte aUe^ oolfstümticl ©riec^if($en, noä) unberüfirt oon ber
pf)ilofop^i[c^en 9tefIei-ion unb oon aller dl^doxif, aber gereift buri^

23eübaditung ber 93ien|d;^eit aud^ in fernen Säubern, \ki)t ^erobot al§i

großer ^auptgeuge über ben Unroert beg £eben§ jum 3Ser{)ör. SBelc^er

©efdjid)tfd)reiber eines neuern 3So(fe0 TOürbe irgenb hzn %xKh empfinben,

fid) über biefe ©ac^e auSjufpredien, felbft menn fid) bie Stniäffe bieten?

raäf)renb i^erobot biefelben auffuc^t unb fogar gerne erfinnt. ©(^on bei

2(nla§ feinet ©laubenS on ben 9]eib ber ©ötter märe Ijieoon p reben
geroefen. ^ox aflem Ui)xt er bie 2Banbe(barfeit be§ @Iüde0, ben E)err»

fd)enben „J^reiStauf ber ©rbenbinge" (mie £röfo§ gu 5lpro§ im SJJaffageteu'

lanbe fagt), welcher in feinem Umfd)roung fc^on nidjt bulbet, ba§ beftänbig

biefelben 9}ienfd)en glüdlid^ feien. ®a§ berül)mte ©efpräd^ beS ilröfoS

mit ©olon (I, 30 ff.) ift jmar nid)t oöllig uon ^erobot gebidjlet; fd^on

früher Ijatten ©riechen einen Spber!önig in betreff ber SJieinung 00m


©rbenglüd bramatifiert, unb in bem fpäten 58nleriu§ 9)iai'imu§ (VII, 1)
befi^en mir l)ieoon oljne 3"^^^^^^ ^^'^^^^ altern ^erid)t. §ier ift e§ nii^t

^röfoS, fonbern ©pgeg, welcher bie j^^rage fteUt, ob ein anberer SJienfd)
glüdlidier fei aU er, unb er [teilt fte nic^t an einen griec^ifdjen SSeifen,

fonbern an ben pyt^ifdjen 2lpoIlon; biefer nennt bann nidjt mel)rere,

fonbern nur ©inen, unb jroar einen armen unb jufriebenen Slrfaber, ben
alten 3lglao§ au§ ^sfopl)i§. ^ödift aulgiebig mar bann fpäter ba§ (Sd)id=

fal be§ ^röfoS, unb fdjon an feinen ©lang unb bann an feinen ©turj
merben bie ©riechen iljre 9iäfonnement§ reid)lid) ge!nüpft Ijabzn unb groar
in ©eftalt oon ©efpräc^en. Sei ^erobot ift nun aUeS beac^tenSmert; in

<Solon§ ©rjäl)Iung oon 2::ello§ befteljt ha§> größte £ebeu§glüd in ben gmet

fünften, bafe berfelbe im ^ompf für bie Heimat §at fallen fönnen, unb
ba^ oon feiner ^amilie niemanb oor iijm roeggeftorben ift; bei 2lnla^ ber

Srüber oon 2lrgo!o erfät;rt man bereits, ein frül)er Xoh „fei für ben

yjienfdjen baS S3efte" ; meitertjin erörtet ©olon, ba^ überljaupt oon @lüd
gu reben nur bann mögli(^ märe, roenn man bei bem beftänbigen Söec^fet,
408 3""^ ©efamtbilans be§ griec^ifc^en ^i'ebenS.

ha üon h^n 26 250 Xageu eiiie^ normaten fiebsigiä^rigen 9}^enfd)enleben§

feiner bem anbern tu ben ©rtebniffen üöHig gleicht, 3lu»gang unb ©nbe

r)oxau§> raupte; ber 9)ienfd) aber ift lauter 3ufatt {^ur tail äv^obmog
Gv/u.cpoQ/;); benn uielen l)at bie G)Ott{)eit ben Olbo» nur gejeigt, um fte

bann von ©runb au§ ju gernid^ten. — 3SteI tiefer no($ greift ha§> ©e^

fpräc^ be§ Xerj:e§ mit Slrtaban (VII, 45 ff.). ®er ^önig, beim 3tnbac!

feiner ^eere unb ^^lotten gu 3lbi)bo§, weint über bie ivürje be§ 9Jtenfc£)en=

lebend unb erplt oon bem weifen Dt)eim bie 3lntn)ort: „^m Sauf unfere»
2thtn§: gibt ^§> nod; f dilimmereS ; in biefem furjen ©afein ift Mner fo

glüdlid), baB e§ il;m nid;t oft unb üiel nal)e getreten märe, lieber fterben

qI§ weiter leben su motten; ba§ ßeben, fo furj eg ift, fd^eint burc^ bie

üielen Seiben unb ^ranfl)eiten bennoc^ lang, unb fo ift ber 2ob bei biefer

5[ltül)feligfeit bie münfdjenSroertefte 3«ffuc^t für ben 9Jtenfd)en." ®a§


weitere ©efpräd) ift militarifdie Beratung, bann folgt aber nod; im a}iunbe
be§ Xer^-e^S (Rap. 50) eine allgemeine ©egenrebe ber ©nergie: wer gar

2lttel überlege, ber Ijanble überhaupt nic^t mel)r; befferSltteS wagen unb
bie ^älfte ber Unglüdgfätte erbulben, aU 2ltte§ oorau^fürditen unb nidjtä

erleiben. — ©in anbermal, unb gwar etwa§ rätfell;aft mitten in einem

93eric^t über ä^er^anblungen gwifdjen 2lrgo§ unb ^^erfien (VII, 152),


meint ^erobot: ©a§ weiB id), wenn atte 3)Zenfd)en bie einem jeben eigen»
tümlic^en Uebel auf einen Raufen gufammentrügen, um mit ben 3Jiit=

menfd^en ju taufdjen, fo würben fie, bei näberer (Sinfid)t in ba§, rnaSi

bie anbern brüdt, gerne jeber wieber nad; ^aufe tragen, ma§> er mit»

gebrad)t Ijat. 33ei 5ßaleriu§ aj^aiimu^ (VII, 2) wirb ba^^felbe Sffiort fd)on

bem Solon gugefdjrieben, oon weld)em fid) ebenbort anä) bie fc^öne @age
finbet, wie er einen Üagenben greunb auf bie Slfropoli» füljrte unb auf
bie ©ädjer üon ganj 3ltljen beutete mit ben 2öorten: „©enfe, welcher
^ommer fd)on längft unb t)eut unb lünftig l)ier überatt gewoljut Ijot,

wo^nt unb wolinen wirb, unb flage nic^t mel)r über bein eigene^ Seib!"

3(uBerbem ober ift un§ ©olon§ ^effimiömug unmittelbar in einem feiner

Siftidien ^) überliefert: „^än einziger ©terblid)er iftglürflid); auf fo oiele


bie ©onne nieberfdiaut, finb alle unglüdlid) {nortj^oi')." Unb ©olon war
einer ber „2Beifen" ®ried)enlanb§.

') SBergf, Antliol. lyr. ]>. 18, fragm. 14.


Qux ©efamtbilaiij be^3 griec^ifd^en Sebeng. 409

©olc^e attgemeine Uebelreben öom Unraert be§ Seben» finbeii ii<5)

bann au§ oerfd^iebenen ^eikn jur 2lu^n)al)P). ®er Sopl;{ft 2(ntipt)on

üerbittet ftc^, ha^ uom ^eben al§ üon ettuaS ©rofeeni unb ©rl^abenem
Söorte gemarf^t würben; adeS fei flein, fcf)iüac|, furgroät^renb unb bafür
mit großem 3^^"^^^ gemifdjt. ^on 2triftotele§, ber boc^ ha^ Seben an

fid) aU wünfcfien^iuert erflärt Ijatte, befi^t man bie [(bäuerlichen SBorte:

„3B«i^ ^fi ^er 9Kenfc^? ©in rec^teg SJ^erfjeicben ber ©djiüädie, eine 33eute

be§ 2lugenblide» , ein ©pieljeug be§ SiifoÜ!«, ein Silb be§ Umfd)lagen!3

(ber ©djidj'ale), balb meljr beni 9ieib, balb mel;r Ungtüdicfällen antjeim=

gegeben; ber dUft tft ®d)(eim unb ©ade ((pXi'y/ja xal /oÄ/7^)," 2)ie

Spiere finb glüdüc^er unb im @runbe flüger al§ bie 9)tenfd)en; ber fo

tjart geplagte @[el §. 33. fügt menigften» fid) felber fein Uebel ju — fo

9}Zenanber, unb gan^ ä[)nli(^ ^^itemon: bie Spiere tragen nur, mag bie

9iatur it)nen auferlegt unb brauchen meber ©ntfc^eibe nod) ©ntfc^lüffe,

mäl)renb mir 9Jfenfd)en in unferm unleiblic^en 2^h^n ©efe^e erfunben


f)aben unb ben 2}ieinungen ©flaoenbienft leiften, unb ben SSorfaljren unb
ben Skc^fornmen; um ungtüdlid) ju fein, erfinben mir beftänbig neuen
Stnla^. — Serfelbe ^id^ter anber!§mo: ©türm gibt e§ nic^t allein gur

©ee, fonbern auc^ roenn man in einer ©tra^enl)alle manbelt, unb felbft

bafieim im ^aufe; ®eefat)rer befommen naö) bem ©türm einen rettenben


SBinb ober treffen einen ^afen; idi) aber leibe ©türm nii^t nur ©inen
^ag, fonbern baig :^eben entlang, unb ber ©c^merj Ijat beftänbig ba§

Uebergeroic^t. — ©djon alt mar bie Seljre uom 9ieib ber ©ötter gegen

ha§> menfd)lid)e S^alent, unb aud) fpäter melbet fid) (bei ©obate§) bie

illage über baso befonbere Unglüd unb fdilimme ßnbe ber ^ö^erbegabten,

aud) über bie eigentümlid)e ^üde bei ©d)idfal§, roirflid^en unb großen

SBorteilen gro^e ©^äben beijugeben, ber ©c^lufe aber lautet: „ein einziger

fdjmerjlofer ^ag ift fd)on ein großer ©eroinn, benn mal finb mir über^
l;aupt unb au§ welchem ^tn%z gemad;t? 33efinne bid^ bod) auf bal,
ma» Seben ift, benfe, moraul bu entftanben unb mer bu wieberum
merben mirft."

3Serg(. u. a. bie 3itate bei Stobäue^, '

jA^hmg ber Ucbel be§ 2)lenfcf)enle6en€.


vol. III, p. 221 ff.
— ©c^on Don 2llfi= ;
CSicero, Tuscul. quaest. I, 48.
bmna^, ©d^üler be§ ©orgiaä, gab e§ ein ^) 93ei ©toBäug, aJlein. III, ©. 231.
j

„$ob be§ Sobeö", beftcbenb in einer 2Iuf= I


3ur ©efamtbilanj bc§ gried)ifci^en SeBenö.
410

Selber ift un§ jene ganje ©attung »on ®{cf)tungen, raeld^e her ^oten*

flage gen)ei(;t waren {^()^roi.), U§ auf wenige 33rucf)ftü(fe oerloren ge=

gangen ; au^ einem fc^önen gragment be§ ©imonibe§ ^) aber erfe{;en mir,

bafe barin bie 5^(age über ba^ Seben nic^t fehlte, beften Mrje bei fo

üieter 33efümmerni§ bejammert wirb. 33iefe bei Seftattungen gefangenen

Gljöre waren nur ber le^te, fünftlerifc^ fef)r gereinigte 3]arf)flang ber

auBerorbentliii) lauten unb felbft wilben SCotenflage ber frütiern ©riecfien;

i)at nun etwa fd)on in biefer, neben bem greife be§ ^erftorbenen unb

ber Trauer um itjn, ber ^ommer über ha§> SDafein mitgeflungen?

9Bir muffen nocf) etwa» weiter fammeln, um bie 3(u§lefe oon 6d)e(t'
Worten über haS' Seben ju üerooUftänbigen. Saut ^^Ninbar ift ja baSfelbe

nur „ber 5^raum eines Schattens" ^); „trügerifd) t)ängt über beu aJienf dien

bie 3eit unb roQt mit fic^ ba^in be§ SebenS ^yluf'^). Saut ©op^o!le§*)
ift ber älJenfd) übertjaupt nur ein §aud) unb ein Srfjatten. ^n feinem

„2lia5" (33. 125) empfinbet DbyffeuS ba§ fdiredlidie ©d)icffal be§ gelben,
womit 2ltf)ene prat)lerifc^ bie ©öttermad^t ^at beweifen woUen, weljmütig,
also wäre e§ fein eigene^: „benn icf) feJ)e, wir alle, fo oiele wir leben,

finb nichts anbcreS at§ ©c^einbilber unb leidste ©cfiatten/' 2lüeiu

Sop{)ofle§, ber greuub be§ ^erobot, t)at in einem berüt)mten (it)orgefang

ber ©reife oon Colones '^)


ber ^(age über ba§ Seben nod) einen gonj

anbern Umfang üerliet)en:

„dUd)t geboren ju fein, o 33ienfc^,

3ft ha^ pi^fte, bag größte aBort;


2:Dcf), rcofern bu bo§ Sid^t erblidft,
9W)t' at§ Se[te§, bnt)in ju ger)n

aEieber, uon roannen bu famft, im glugfd^rüt!


Senn betratft bu ber Suse"^ 3'^'^/

S)a§ Xor^eiten uingaufeln, t)auft

S^ort nid^t jeg(tdie§ Ungemacf),


Stürmt nid)t jeglidjer Jammer brin?
9JJorb, ^aber, iöhituergie^en, Kampf,
.•pafe unb 5Reib ; unb enblid) luartet

'j Sergf, Anthul. lyr. yy. 445, fragm. 2) ^inbar, ^^tl). VIII, 95.
39. — 2)ie Sleftc ber .7(n>ot ^inbarg ent« s)
Sft^m. VII, 13.
Oalten nichts ber 2Irt, fonbern 23ilber be§ M 2tiag l'ücrenf. fragm.
feiig I)eroi)d)en S)afeinä unb ®eban!en ber '') Deö. Äol. 1211. Ueberfe^ung uou
3}Jctcmpfi)c^ofe.
3ur ©efanttbilans be§ grted;ifc]^en Se6en§. 411

©d^madf)5e(aben, mürrifcf), einfam,


Äranf unb fc^raad^ bag 2I(ter unfer,

Sag ber Uebel


Hebel aW umlagern!

3unä($ft roürbe man irren, wenn man glaubte, ©opf)ofle§ §uerft

^ah^ ba§ 9Ud)tgeborenfein für üorjüglii^er erflört üI§ ba§ ©eborenfein.

3)Jef)rere S^ragöbien be§ ©uripibeS, in roeirfien baSfelbe SGBort (ju-y (fvvai)

fic^ finbet^), fönnen möglic^ermeife älter fein aU ber „Debipu§ in

Colones", ja in unbeftimmbarer B^it I)ot man fcf)on bem §omer auf bie

^rage, maS für bie 9}ienfc^en ba§ Sefte möre, bie 3Introort^) in ben

SRunb gelegt: „oor aQem ni(^t geboren merben ober fo balb a(§ mögü(^

bie ^^forten be§ ^abe§ bur(^fc^reiten." ^n jenem rätfell;aften 9)h)ti)u§

üon einem ©efpräcfie 3roifd)en Wäha^ unb bem oon ii;m eingefangenen

©ilen, meld^eS au0 einer untergegangenen (Schrift be§ 2lriftoteIe!§ in

^lutarc^g S^roftfc^rift an Slpottonioö (^ap. 27) (jerübergenommen ift,

fragt ber p^rpgifc^e Rön\% ben Halbgott, raa§ baS ^efte unb älUer»

TOünfd^en^roertefte für ben 9Jlenfc^en fei; nad) langem ©d^roeigen unb auf

üiele§ ©rängen f)in erfolgt bie Stntroort: „^infättiger ©prö^üng ber 9Hüt)fat

unb be§ Unglüdeg, roarum mi(^ sroingen ha§> gu fagen, n)a§ nid)t gu

miffen eud^ beffer märe? benn ba§ Seben ift am e^eften frei oon S^rauer,
raenn jeber fein Unheil nid^t fennt; für bie 9}lenfd)en überljaupt aber ift

oor allem ba§ Sefte, nid)t geboren p werben, bann folgt fofort unb al§>

SfJädiftmöglic^eS (jum ©lüde) fo balb nad) ber ©eburt, alä e§ nur ge='

fd)et;en fann, gu fterben." ^^Uutarc^ fügt nod) üon fid^ avi§: ^inju: „bem»
felben Kapitel fönnte jemanb nod^ Ungä£)Iige§ {/j.vQia inl [xvqCoic) biefer

Slrt tjingufügen, e§ ift aber nic^t nötig t)ierüber umftänblidE) ju fein."

33ei anbern 3SöIfern ift ba§ SSerroünfcbe^ beö Xage§ ber ©eburt ein nur
fe^r feltencS JBort be§ äu^erften ^ammer§.
S)aB 9ü(^tfein beffer a{§> ©ein unb ba§ ©terbenfönnen übert)aupt
eine ©nabe ber ©ötter fei unb oon i|)nen a\§> ^o^e 33eIoI)nung für ebleg
^un erteilt werbe, finbet fid^ mit einer Slnja^l oon ©rjätilungen belegt,
meldte ju einem maleren ©emeingut be§ griec^ifd^en ^effimiämu^ würben,
es finb jene ©ef^ic^ten üon JlleobiS unb 33iton, ben ©öl;nen ber

®uriptb., fragm. incert 100. 101. i -) Homeri et Hesiodi certamen c. 6.

102. SeKeropr). fragm. 20. ;


412 3"!^ @efamt6ilan5 beä gned^ifd^en £eßen§.

argiDifd^en ^erapricfterin, oon S^ropljonio^ unb 2tgamebel, ben ©rbauern


be§ ^empel^ uon S)e(pl)i u. f. w. Unb noc^ roudjfen fold^e ©reigniffe
nad^: Dpfergefanbte, raelc^e yon ^I;eben §um Hbi;[d;en 2Immomum ful;ren ^),

wußten bort für ben großen ^tnbar ba^jenige erbitten, ,,raa§ im 9)lenfcl)en-

fd^icffal für einen (oon ben ©öttern) ©eliebten ha^» 33efte fei", unb im
nämlid^en ^al)Vi fiaxh er, aÖerbingS al§ ^odibeja^rter @rei§, raä^renb
fonft eigentlich ein früt;er Xoh ha§> @rn)ünfd;te war. ©iefer gilt aU
©lud, entmcber raeil ba§ Seben im allgemeinen üoller Uebel ift, ober —
nac| einer anbern, oft gngeftanbenen ©Wattierung be§ ©efüljlg — meit
man e0 biicljer erträglich ober gut gehabt l;at unb roeiterl^in nur ©töruug
unb Unglüd fürd)tet. ®§ finb, roie mir fel;en raerben, Seute freiwillig

geftorben bloB megen 3^y*?ifßl^ ii^e^ ^t;ve meitern ©cbidfale, unb roenn
irgenb ein 3"9 bemeift, ba^ bei ben ©riechen ha^i Seben ber ©üter
^^üd;ftef> burd;au§ nid^t war, fo ift eg biefer. ©§ oerfte^t fici) baneben
Don felbft, ba^ auc^ ben ©ried^en bie Siebe gum Seben ron 9latur an--

geboren war, unb baB bie meiften 3Jlenfc^en üor bem 2^obe fi^ fürdjteten
wie bei anbern 33öl!ern, aber biefer j^urc^l würbe offen gefpottet, unb
ba§ entgegengefe^te ©efüljl brac^ fid) beftänbig 53al)n. lieber ben oer»
meintlid^en, permanenten ^ubel be§ perifteifd)en 3^ilallei'^ ä- 33. würbe
man nic^t oline 3^u|en pnäc^ft ^eriflca felber in feiner ©rabrebe-)
anljören; laut feinen SBorten ift bie bauernbe Stimmung eine ernfte

unb trübe ().vTrfjQ6v), unb biefe mu§ burd) täglichen ©enuB oon 5lampf=
fpielen, Opfern unb anmutigen l)äu§lid)en Einrichtungen t)erfd)eucl)t

(ixnXijaafir) werben, ^unbert i^a^re fpäter tröftet ^i;peribe§^) TliU


bürger unb 2lnge^örige ber Opfer beg lamif djen JlriegeS mit ben SBorten:
„Sterben unb 9iid;tgeborenwerben mögen gleichwertig fein, unfere ©e=
fallenen aber finb nun frei oon Slranf Reiten, Kummer unb all ben
anbern Hebeln, welche auf ba§ 9Jienfd)enleben baljerftürmen." ^eute
bürftc gewi^ fein StaatSrebner in ber Sage be§ ^pperibe^ folc^e 2ln»

fc^auungen au^fprecfien.
dM^n berartigen 3lu^fprüd^en, welche man etwa bloB einmaligen
ober fubjeftioen Stimmungen auf bie 9ted}nung fefjen fönnte, befi^en wir

') SBergl. ^inbarg ßiog bei 2ße[ter= 2) 3:^ufi)b. II, 38.


mann, Biogr., p. 93. 9J. 3t. rourbe in 3)elpl)i 3) .spvperib., ed. 23Ia|, p. 67.
gefragt.
3''tr ©efamtbilans be§ gvterf)ifcl§cn Selien'5.
4^5

jebocC)nod) bie Siebter, unb roenn ble ^Tragifer burd) ben 9)hjt(ju§ an

ba§ 3SorI;err[c^en beg ^effimi§niu§ gebunben fdjeinen fönnen, fo oerraten


btc eiegüer biefe «Sinnesart iebenfatts von freien ©tüden. XijeogniS ift

offenbar von ber)e(6en ganj burd^brungen ; auc^ bei if)m (93. 425) ift ha§>
??icf)tgeboren[ein {^ 9^rcu) rceit ba§ 33efte, unb bann folgt aU nädjfteg,
bo§ man fo ba(b al$ mögU^ flerbe; raeiterljin (93. 1013) üerne£)men loir
ba§ ©eligpreifen beSjenigen, lueldjer loenigftenS oor ben fc^raerften Prüfungen
fterben fann, gumal oor ber Untreue ber ^reunbe. 9^ic^t ba§ 93Zenfdjen-
leben aU foIdjeS, roo^I aber ha^i gried)if($e ßeben feiner 3eit befc^utbigt
er bann in jenem merfroürbigen ©tüd ©legie (93. 1137), welches mit
ber fd)on oben ermäljuten ^(age beginnt über ha§> ©ntfc^roeben ber
2:reue,
ber aJiöBiguug unb ber ß^ariten; fein @ib mel^r,
fieserer feine ©dieu
oor ben ©öttern; au^geftorben ift ba§ ©efc^Iei^t ber frommen; man
fennt fein 9^ec^t mel;r; unb bennoc|, fo tauge einer lebe unb ba§ Stdjt
ber ©onne fc^ane, foüe er fromm fein gegen bie ©ötter — unb hieran
fc^Iie^t fid^ jeneg fonft gang ungried^ifc^e Sob ber Hoffnung an, roeld^er
man nebft aöen ©öttern Opfer barbringen fotte, il)r aber suerft unb
Sule^t.

©ine ganj befonbere ©teile in ben .klagen über ba§ ©rbenleben


nimmt ba§ 2llter ein. 3raar l)ahm manche berüt)mte ©riechen ein l)olje§
unb babei felir fräftigeS 3llter erreicht, unb in jenem @efprä(^ be§
©ofrateS mit ^ep^atog ju Einfang oon ^lam „<Btaat" barf ^cp^alog
behaupten für gefittete unb gut geflimmte ©reife ^ah^ ba§ 2llter nur
roenig Sef^roerbe mit fid). 2lu§ biefer unb einigen anbern 2tu§fagen
l^at ©tobäog ') fogar eine fleine (Sammlung oon @prüd)en jum Sob be§
3llter§ sufammengebrac^t, nur ^h^n oorroiegenb au§ ©ramatifern, bei
meldien, je nad^ ber fprec^enben ^erfon, unoermeiblic^ ^ie unb ha Söürbe
unb SBert beg StlterS geltenb gemai^t werben mußten, ^n aUm nnah'
Ijängigen Stimmungen aber löfet fic^ ol)ne jeben mdijalt ber lanUfk
Jammer über ba§ 2llter oernel)men unb bringt aucb im S^rama oft unb
oiel burd). ^iebei ift jroeierlei n)ol;l p unterj^eiben: ber Sc^reden oor
bem Sllter an fic^, roegen feiner Seiben unb ber offenbar geringen 3ldötung
baoor bei ben fpätern ©riechen, — unb bie auBerorbentlic^ ljol)e Sc^ägung
ber ^ugenbg eit. ©in mä^tiger ©eift toie Sop^oflel mochte in jenem
') Ed. ajJeinefe vol. IV, p. 68. 86.
414 S"!'" ©eiiiiittbilans be§ griec^ifd^en i.'e6en'5.

berühmten Gt)orge[ang (im Debipug §u ^olonog) aud) ber ^ugenb il;r

xeid)(i(^e§ SKa^ t)on gefäljrlici^er ^ortjeit unb fcljrecflid^en (grlebniffen ju»

roeifen — tüeit bie meiften Sidjtungen üerf(ären bie 3"9enb unb tönen
babei wie 2lu§rufe uon 3)lännern reifern 3nter§, roeld)e auf ein üer^

gangeneg ©lud 5urüc![d}auen. 3)ie ^"S^»'^/ barauf geljt e§> i}\mn§, ift

bal einzige iöa(;re Lebensalter be§ @ried)en unb alleS übrige nur bie

groeifeltjaftefte 3uSQ^ß-
33ei feiner ^f^ation ift auc^ fo um bie ©renjen biefer foftbaren ^ugenb
^emarftet lüorben, um biefelben möglid^ft weit l;inau§5ufd)ieben; nac^bem

man naTg (i^nabe), ^eiqüxiov (junger 2)lenfd)), vsaviaxog (Jüngling) ge=

mefen, entfdjlo^ man fi($ enblid^ avijQ (3)Jann) ju tiei^en, bann folgt

nqiaßvTTjQ (älterer 3Jiann) unb enblid) yiqwv (©reiS)^). ^ür ur)JQ, ben
^knn, gab eS aEerbing§ noc^ einen uerbinblidiern 3Iu§brud, 0^-,««^^),

ben 9Jienfd}en im fräftigften ßebenSalter, unb 2lriftotele§ -) bel)nt baSfelbe

in teiblicfier Sejiel^ung auf bie ^al)re uom 30. bi§ 35. au§, in pfpc^ifc^er

fogar hx§> pm 49. ©teilen mir bei biefem Stnlafe auc^ feft, 't>a'^ fd)on jur
^txt beS peloponnefifc^en 5lriege§ ergrauenbe £^eute ilir §aar gu färben

für gut fanbeii ^), unb ha^ fpäter SlgatljofleS, ali5 er fafjl raurbe, be§l)alb

einen 9JJt)rtenfran§ trug*).

gür ben 2llleinit)ert ber ^ugenb {)at befonberS bie ©tegie oon 2lnfang
an, feit 9)cimnermo§ ^), Partei genommen, ^voax, rcenn man e§ oljue

ilrantl)eit unb oljne fd)mere ©orgen liaben fönnte, möd;te ber ^^^oet üon
Äolopljon mol)l etwa ba§ fec^jigfie ^a\^x erreidien, aber mit ber ^ugenb
finb eben bod; aud^ iljre ootten ^reuben baljin, unb biefe ^ugenb reidit

nur „eine ©He roeit", fie bauert fo lange al§ ein ^raum, unb gleid)

nadjljer märe Sterben 'i)a§> ht'ik] benn, maS ba folgt, ift @rfd;ütterung
be§^au§roefen§, 2lrmut, 3lu§bleiben oon 9iad)fommen, Ülranfljeit — genug:
lein 3)Zenf^, bem 3eu§ nid)t oiele Uebel fenbet. ©emonibeS oon 3lmorgo§^)
fc^ilbert guerft bie Hoffnung ber ^WQ^^^^/ meld)e meint, morgen ober
überg ^at)r mü^te ba§ ©lud fommen, auf einmal aber fei bann ein

frühes 2llter ba, ober ber ^ob a\[ Jlranftjeiten, im ilrieg, jur ©ee ober
burc^ eigene S:)a\(Q. 33ei Xl;eogni§ (33. 1007, 1017, 1069, 1131) ge^cn

') ^tutarc^ de Ei apud Delphos 18. *) (Sbb. XI, 4.

-j 2(ri)tot. ai^etor. II, 14. *) SJerg!, Authol. lyr., p.


') Slelian \. H. YII, 20. ö) ebb. p. 193.
!

3iir ®efamt6iran5 beg gned^ifd}en £e6en§.


415

bie (;eriiid)e ^ugenbblüte unb ber 2lbe( be§ Strebend sufammen ; tt;n er=
fd^üttert ber %nhM biefer Sieblid^feit unb ©djönl;eit, toetl ^k (dnger baueru
fottte unb bocf) wk ein STraum üorübergeljt ; wk törid^t finb bie aJtenfd)eu,
n)eld;e ©eftorbeue bemeineu unb nid^t ütel et)er bal ©c^roinben ber ^ugenb
2Bo bie ©legie aufljört, nimmt bie Stragöbie ba§ ST^ema auf; Tätern
unb 'Mitkxn üon jung ©eftorbenen wirb ju ©emüte gefüfirt mag
biefe
nod) tjätten erleben !önnen „^öre auf ju iammern,
^).
fiel; ring§ um bic^
ad ba§ UngÜicf unb re^ne ju beinern Xxo% mie uiele Sterbliche in
Letten fc^mai^ten, raie uiele, if)rer ^nber beraubt, in§ l;o^e 2riter hinein
(eben muffen, roie mandje nad) mäd)tigem 2öo[)Ierge^en unb ^errfdjaft
3U nichts gemorben finb; ba§ finb bie 2)inge, auf tueldje bu fjinfdjauen
muBt!" — ©päter faßt Sudan ^) in ber ironifdien 9iebe eine§ üerftorbenen
©o^neg an feinen 3Sater atteg sufammen, wa§ \iä) nur an fold^e ©ebanfen
anfnüpfen lieB, unb ber ©(^(u& ift feiner in Ijoljem @rabe mürbig. „Söngft
l)ätk iä)/' fpridit bie i^eidje, „über ha§, mag il)r tut unb fogt, laut auf*
la^en mögen; mic^ binbert nur ba§ Sud; unb bie Söotte, loomit iljr mir
bie ilinnlabe umrounben l)aUl"
f^aft atte biefe aiu^fagen mifd)en nun mit bem ^rei§ ,ber ^ugenb
anä) ben ©riet^enjammer über ba§ bitter, unb ^atilreic^e roeitere i^iagen
lieBen fid^ nod; l;inäufügen ^). 3Bem Si^terroorte ni^t bünbig genug
erfd;einen fottten, ber möge bie ^orrible ^araöele üon ^ugenb unb 2llter
bei 3rriftotele§^) nadjiefen; ^ier ^anbelt el fi^ nid)t blofe um ba§ öer--
fd)iebene ©d;idfal ber beiben Seben^geiten, fonbern um bie menfc^ticbe
Dualitöt ber jungen unb ber ©reife, unb erftere finb t)orl;errfd;enb gut=
artig, n)äl;renb bie le^tern mit ben fd^märjeften garben gefc^ilbert merben;
freilid; fie finb \a t;offnungÄ(o§ megen ber üielen @rfa[;rung, unb roa§> ha
ift, ba§ ift überroiegenb fd)Iec^t, unb wa§, gefd^iefit, läuft in§ fc^Ummere
aus. 3Son alten Seuten fprac^ man auc^ fonft o(;ne befonbern 9iefpeft
al§ üon Jlronoffen, ^apetoffen, 2:itt;onoffen
% aber fo l;erb roie I;ier werben
fie !aum irgenbroo be^anbelt. «Bei (5opt)o!Ieg fieifet e§ etwa uom 2llter:

^) ®uripib. 2)iftr)§, fragm. 1. 2te^nltc^ *) 2triftot. 9?^etor. II, 12. 13.


5E^cfeu§, fragm. 5, ') ®uboc. SSioIar. 920. «ergl. SÄriftop^.
^) Suctan, de luctu 15—19. Nub. 998.
^) (Surip., Suppl. 1 108 ber Sd^Iuf; ber
Sirabe be§ Spljig, roelc^e auc^ fonft ein
^ouptjeugniä beä ^effimiSmug ift.
3ur ©efamtbifnnä be§ griecfjifcl^en Sebencn
416

„^er ^iserftanb ift erlofdjen, hü§^ S^un unnü|, unb babei leere (Sorgen^)."

33ei (Suripibe^? fagt ein @rei§ felber: „mir 2IIten fiub nid}t§ anbereS aU
eine Sc^or, ein ©diein unb ge^en Ijeruni roie 9cad;bilber üon ^^räumen,
9serftanb aber ift nid)t mef)r in un^, fo einfic^tig roir un§ bünfen^)."
Unb jdion oiel früljer in einem l)omerifd)en ^t)mnu§^) meint 2tpi)robite:

„anä) bie ©ötter tjaffen ba§ 3llter."

^n jenem oben angefidjtten G3e[präc^ mit Sofratef^ er§ät)(t ber greife

Slepl;alog, roaS feine ©efeüfd^aft von SÜterjcgenoffen für J^tagen üorjubringen


pflege: fie bejammern raefentlid) bie nunmet)rige Unfä^igfeit gu ben ©e»

nüffen ber i^ugenb, Siebfdiaften, ©elagen u. f. m., unb meinen, ba§ fei

überljQupt Seben geroefen unb il)r je^ige§ feines mel;r; einige flagen

nuc^ über üeräd)tlidje 33ei)anblung üon feiten ber itirigen. S^ep^alog

bagegen t)ält e§ für „{^rieben unb ?^reit)eit", ba& ba§ 2tlter jener

ftürmifc^en £eibenfd)aften Io§ unb lebig fei, unb aud) (Sop^ofleS, mit
meldjem er t)ierüber gefproc^en, i)ahz fid) glüdli(^ gcfd)ä^t, einem „railben

unb roütenben öebieter entraidjen ju fein". Stber quc^ ben ©reifen

fonnte noc^ bie SebenSliebe nad^getien, unb ber ^od^bejatirte ©pic^armoS'^),

menn er mit feinen alten Ferren in ber „£e§d)e" sufammenfo^ unb


t)ören muf3te, bafe h^m einen nod) fünf 3a^re, bem anbern nod^ brei

ober oier „genügen" mürben, erlaubte fid^, iljnen ju fagen, ba^ jeber
©treit biefer 3trt S^orljeit fei: „mir alle miteinanber finb oon ©c^idfal§
TOegen im 9liebergang, unb e§ märe 3eit für un§, balbigft ab§ufat)ren,

beuor roir nod^ ein§ ber ©retfenübel erteiben muffen." SJian rounberte

fid), menn fe^r alte Seute über^upt am Seben bleiben mochten, unb
ber ^unbertjätjrige ©orgiaS Ijat einft auf eine unbefc^eibene SBemerfung

biefer 3Irt antroorten muffen, fein Sllter gebe il;m einftroeilen nid^tS ju

flagen %
33ei einer ^a^ierung be§ SebenS, roie bie bi§l)er nadigeroiefene, fonnte

el nid)t ausbleiben, baß fogar ein logifdier ©d)lufe gegen baS Mnberjeugen
f)ie unb ba jum 2lu§brud fam. 3luf3er bem allgemein menfc^lid^en ©efü^l

üom SBerte ber ^amilic gab eS bei ben ©riechen befonbere ©rünbe ju
©unften berfelben: e§ roar baS 3.>erlangen, Siadjfommen ju l)interlaffen

') Sopl)ofI., Scyriae fragm. 4. *) aCelian V. H. II, 34. @r ftorb


*) Guripib. Sleolog, fra^n. 18, ncun5io(iäf)rig.

^) ^omcr, llymii. in Ven. 245. ) ^aUx. ma^. VIII, 13, 2.


3ur ®efamtbilan5 beä gried)ifd)en Seben^. 417

gu 3]oH5ief)Uttg ber S^otene^ren, ferner ba§ §au§ utc^t üerwaift, nic^t ol^ne

58erteibiger gu l^interloffen. S)er euripibeifdie Orefteg (23. 662 ff.) bittet

ben 3)iene(Q0§ um 2^hin unb 9tettung, nicEit für fic§, fonbern im 3iameu

be§ toten 3lgamemnon, bcffen §au§ fonft oertuaift bliebe. Unb al§ einmal

DoIIenbg bie ^olil aU ^auptgtoed' be^ gried)ifd)en SebenS galt, mar unb
blieb fie nur möglid; burd^ ©rgeugung üon 33ürgern. Slber %^ak§> erflärte,

er bleibe unoereljelic^t, meil iljm Slinber gu lieb feien ^), unb S)emofrit
rät au§ üerfcl)iebenen ©rünben bie ©Ije ab, unb nid)t nur im (Sinne ber
Unobl;ängig!eit be<g ^Ijilofoplien; er empfieljlt bafür bie Slboption, meil

man ba au§roäl)len fönne^).


§ierl)er gel)ört aud), ma§> mir über bie SluSfe^ung unb 2:^iJtung ber

^inber erfahren ^). 2ll§ ©adje ber bei ben @ried;en unb noc^ mef)r bei
ben 9iömern fo roeit au§gebel)nten üäterli(^en ©emalt märe biefelbe über

3leugeborene üertjängt morben mefentli(^ au§ ^onöenieng be§ 33ater§,

meldier nid)t ju oiele 5linber ernäliren roollte *). 3Sorläufig barf au(^ be§
3)lt)tt)u§ unb ber fo gal)lreid)en au§gefe|ten unb bennoc^ geretteten ^(i)id'-

falsfinber gebadet raerben, infofern no(^ fpäter l)ie unb ha ein ^inb megen
brol)enber ^^orjeic^en ober SBeigfagungen mag au^gefe^t ober getötet

morben fein, allein e§ ift eine gro^e 2Bal;rfc^einlid}!eit üorl^anben, ba^


fd)on bie alloerbreitete peffimiftif(^e 2lnfi(^t be§ Seben§ ben ©ntfd^lu^ ber

2lu§fe^ung ober Xötung alterminbeftenS felir erleid)tert ^aU, b. l;. ba^


ein 9}iitleib babei mitroirfte. @» mar eine ^onfequenj berfelben lieber»

§eugung, meli^e au^ ben ©elbftmorb fo feljr beförberte.

%nx bie ^äufigfeit ber 2(u§fe^ung auc^ bei ben roo^l§abenben ©täuben
fpric^t unroiberleglii^ ba§ 3[öieberer!ennen (drayvMQKrig) eines aufgefegten
£inbe§ al§ ^auptmotio ber ©rfinbung in ber neuern ^omöbie. ^n bem
nad) SHenanber gearbeiteten §eautontimorumeno§ be§ 2::erenj (23. 626 ff.)

rüden einanber Mann unb ^rau fpäter einen foli^en Hergang fe^r beut^

lid) uor: jener liat bie ©eburt, menn eS ein 9}Zäbd)en fei, töten motten,

biefe jum 3lu§fe^en meggegeben, bem ^ublüum aber mu^ bergleic^en

^) Jid (piXorty.viat', Siog. Soert. 1, 1, ^) SSergl. 6. '^. ^errmann, ^ßnootalters


4. 33ergr. 5piut. ©olon 6. tümer § 11.
-) 2)ZuIIadE), fragm. philos. Graec. I, *) Ueber ben Sraud^ ber |)efiobeifdöen

p. 351 ff.
— ®egen bie 2lboption fprid}t Sanbleute (Sßerfe unb 2:age 3]. 376) mag
eine ^erfon bei ©uripibeä. 2)telanippe, fid) jeber Sefer feine eigenen ©ebanfen
fras:m. 9. mad^en.
g. »urd^orbt, (Sriec^ifd^e fiutturgefc^icfite II. 27
418 3"'^ ©efamtbiranj beg griecl^ifrfien 2eBen§.

Dööitj geläufig geroefeu fein, ^oä^ fpät im ^irtenroman bee Songu§


figuriert ba§ 3)Zotiü a{§> ein ganj nerftänblic^eS.

©efe^gebungen, luetcfie bie« 3:;rei6en oerboten ober einfdjrnnften ober

bicy roenigftenS oerfurfiten, werben offenbar al§ 2lu»nQljnien erroätjut. ©o


burfte man in 5^1)eben^), roie früi)er erroätjut, fein ^inb au^feljen ober

„in bie (i'inöbe loerfen"; ber 3lrme fonnte ba§ D^eugeborne oor bie ^e=^

börben bringen, welche e§ einem foli^en überliefen, ber oud) nur ein
ioenige§ bafür be5at)lte"); biefer erjog e§ bann aU ©flauen unb mit bem
8fIaoenbienft galt öie 2Iufäiel)ung al§ oergütet; rcaS aber gefdjalj, menn
fein 2Ingebot oorf)anben mar, wirb nic^t gemelbet. ^n ©pbefo§ foHte

man menigfteng nur bei fd;roerer Hungersnot S^inber ausfegen bürfen^).

Unb nun Ijöre man, roaS SionpS uon ^alifarna^ (II, 15) — gleidjoiel

ob rid)tig ober nid)t — oom älteften 9iom melbet, inbem er offenbar

l^icr raie fonft öfter feinen ©ried^en eine Seigre geben miü: „9iomulu§
machte feine ©tabt oolfreic^ u. a. burc^ ha§ ©ebot, aEe männlichen ©e=

burten aufjugielien unb oon ben ^öditern bie erftgeborenen , überljaupt

aber fein itinb oor bem britten ^aljre gu töten, aufgenommen menn eS
oerftümmelt ober eine 3)ti^geburt mar; unb auc^ bann foöte man e§ nur
ausfegen, nadibem mon e§ fünf '^aä)ham gejeigt unb bereu Seiftimmung
erlialten t)atte."

2lud) bie alten 2lraber oor 3}iol)ammeb Ijatten bie meiften 3}Jäbd)en

getötet, unb bei ben l)äufigen Hungersnöten, meldie ha§> 9^omabentum


bebroljen, mirfte oielleic^t aud) auf baS 33eniu^tfein mit, ba^ eS bie

2)iäbc^en inSfünftige befonberl f(^ltmm i)ahtn mürben. 3)iiBgebilbete

^inber aber mürben mof)l bei ben meiften alten 33ölfern bem fofortigen

Xobe geroeiljt. 53ei ben ©riedjen jebod) mag fortmäljrenb jebem ivinbe,

mit 3luSnal)me ber ©rftgeborenen, biefe @efal)r gebroljt ^aben, unb raenn
baoon :3öl)i^^unberte l^inburi^ wenig ober nid)t bie 9iebc ift^), fo ^at man
5U erroägen, roie geringen 3tnlaB f amtliche erl^altene ©c^riftfteüer 5. 33.

ber fielleniftifc^en Seiten Ijatten, auf biefen ©egenftanb ju fommen. 2lu§

>) 2lclian V. H. II, 7. — 35ergl. *) 2Jergl. jebod^ bie 2litgfagen beö


aanb I, S. 79. ^o(t)b (fragm. I. XXXVII, 4) über ba§
*) eg i[t nic^t ber 3«inbeftbietenbe Slnraadjfeu non gomilienfoftgfeit unb
gemeint. iiinbcriofigfeit ju feiner ^ß'*-
') 5ßlutarc^ n'c:'lliyiod'oy vtioui i^uara,

§ 28.
3ur ßJefamtbilanj bei gried^ifd^en Se6en§. 419

ber frütiern ^oiferseit ift bann auf einmal bei ^(utari^^) eine 9la(^ri(^t

ooriianben, raeld^e auc^ auf bie ganje 3Sergangen[)eit ein grelle^ Sid)t

wirft: „®ie 2lrmen ^ki)zn bie £inber ni(^t auf au§ 33eforgniCv biefelben

möchten ein elenbereS Seben fül;ren aU billig ift, gefneditet, oi)ne ©rjieljung,

oijne alle ^eilnal)nie am ©c^önen; benn bie 2lrmut l)atten fie für ba§
äu^erfte aller Uebel unb bringen e» nicbt über fid), ben Jlinbern biefe
große unb fc^redlid^e ^ranflieit mitjugeben." ^DJan fann nun fragen, in

welcher 2lugbel^nung biefl gu nehmen fei; geroi§ finb ni($t blofe bie 2Irmen
t)on (£f)äroneia ober oon Söotien gemeint, eljer bie üon @rie($entanb
überl^aupt, unb oieUeid^t erftredte fid^ biefe Hebung fogar über roeite

Sanbe be§ bamaligen römifc^en 9ieic^e§. 3fleben ber 3:^atfac|e aber fpridit

Ijier no(^ einmal fo beutlid; al» mögli(^ bie ©enfraeife be^ ^effimi§mu§,

lüenn aud^ nur be^jenigen einer beftimmten klaffe.


i^nnerljalb ber einmal üorljanbenen j^^amilie aber wartet ber i^ammer
ber 5Crennung, bie S'obeSfätle ^). S)te 3lmme im §ippolt)to§ be§ (guripibe§

(33. 253 ff.) meint, bie ^er^ältniffe 3roif($en 9)?enfd)en füllten überljaupt

immer nur loder unb lofe fein, bamit nic^t eineg ben üollen ©c^merj
um gmeie ju tragen 'i)abi, unb wenn fie bie» aud^ nur im Sinne ilirer

2In£)änglii$!eit an ''^liäbra fagt, fo ift boi$ bamit geroi^ ein @efül)l bejeid^net,

tt)eld)e§ auc§ innerlialb ber SBlutSoerroanbtfc^aft fcl)mer3li($ empfunben


rourbe. 33ei biefem 2(nla^ l)ören mir nod), mie bie 5!önigin felbft

{33. 377) in Setrad^t ber ©rbenbinge fül)lt: il)r gibt in „langen 9Mc^ten"
nid^t me^r ha§> Ob, nur no(^ ha§> SBarum beS allgemeinen Unglüde^ gu

benfen, unb fie finbet e§ sunt ^eil in ben SRenfc^en felbft.

33ebeutenbe 9)Mnner aber, roenn il)nen il)re Söl)ne üorroeg ftarben,


unb fogar geroaltfamen ^obe§, fagten nur: i^c^ raupte, baB i(^ einen

©terblii^en gezeugt ^atte. 2öir erfal)ren bie» üon Slna^-agoraS, ^erifle§,


.Xenoplion, ®emoftf)ene§, ^önig 2lntigono^ u. a. oöEig gleicE)lautenb, unb
menn bie 2lu§fage auc^ nur anefbotifc^ oon (Sinem auf bie 3lnbern über*
tragen märe, fo beroiefe fie bod) eine oerbreitete, bamall attgemein öer»

ftänblic^e 6innelroeife. ©eroölinlid^ mirb bie§ burd^ bie blofee ©eelen»

ftärfe erklärt, ottein man l;at t§: au^erbem mit benfenben SJJenfd^en ju

^) De amore prolis. o. — Sßergl. bie 1 -) SSon ben alten 5perfern erfaf)ren


»erarmten römifc^cn Sürger fcfjon jur 3eit "Jir, bafi [te il^re Äinber nid^t cor bem
iev ®raccf)en, ^lut. Sib. &xacä). 8. |
fiebenten '^al)xe- [ef)en rcoHten.
420 3">^ ©efamtbilnnj be§ griecfiifcl^en SeBenS.

tun, roeldje beu Uniuert bei Seben§ fo ftarf empfanben, ba^ fie i!)reu

©öiinen boS ©lud bei 91tdjtfein§ gönnten. Sie befonberl in ber früljern

3eit fefir lauten unb !)eftigen Sl^otenflagen beroeifen nic^t einen ^^itimer

um ben ^oten feinetroegen, fonbern ben ©d)mer5 unb 33er[ufl ber Ueber»

lebenbeu. ©emonibe» üon Slmorgol^) fagt: „loenn wir !lug raären,

lüürben roir an einen ä.>erftorbenen ni(^t lönger all einen 3::ag ben!en."

3tuf ber i^nfel Sleol^), oon raeli^er balb raeiterel gu melben fein roirb,

trauerten bie aJJänner überfiaupt nid)t, roeber burd) ^aarfdieren nod) bur«^

befonberel ©eroonb; nur eine 3)iUtter, luenn iljr ein junger ©olju ftarb,

trauerte ein ^a^x.

^m ^inblid auf bie möglid^en 2Bed;feIfäIIe bei Sebenl tarn ber

§eitige Xoh geroi^ manchen aJienfd^en leidster an, all bei ben neuern.

ä>ölfern; man burfte fic^ i^n roünfc^en, beüor man irgenbwie ^aU unb
©efunbl^eit oerliere ^), unb oiele mögen in foId)en ©timmungen bal 2tUn
freiroiüig oerlaffen I;aben. 33ei einem l)ot;en ©lüdlfaH aber fogleic^ fterben

gu fönnen, mar ein Ijerrlidiel ßol, raeil ber fofortige 9ieib — ber ber

©Otter ober ber 3Jcenfd)en — bamit abgef($nitten mar, 2lll ^soh)!rite,

bie ^elbin oon 9krol*), nac^ ber glüdlic^en S^erteibigung ber i^eimat

gegen bie 3JiiIefier, unter bem Xox ftef)enb, mit bem äu^erften ^ubet
begrübt mürbe, fonnte fie bie @rö§e ber ^reube nic^t ertragen unb fan!
tot jufammen; naä) einer anbern 2lulfage märe fie gerabe^u erftidt unter
ben 33änbern unb drängen, bie man i§r guroarf; fie mürbe an Ort unb
©teUe begraben, biefe ©teüe aber fiei^t „©rab ht^) 9teibel", benn bie

9)töglid)feit belfelben ift jugteic^ mit ^^olr)frite begraben.


3Ibgefe^en oon il;rem eigenen ^effimilmul glaubten bie ©riedien
aud) nod) ilunbe p Ijaben oon bemjenigen mel)rerer Sarbarenoölfer. 2Bir
oerfagen unl gerne bie näljere ^inmeifung auf orientalifdie Stationen unb
bal bort fpefulotio begrünbete Seiben ber SBelt, menn etwa bie ©ottl)eit

einen f^all getan l)at, inbem fie biefe SBelt erzeugte. Slul bem fernen
Diorben unb SSeften, oon Kimbern, ileltiberern u. f. m. fannte man
raenigftenl eine ©diladitenfreube, bie bem naljen ^obe entgegenjaud^ste,
raäl)renb ber i^Q^in^er bem ©terben auf bem Ä^ranlenbette oorbetjalten

') Sergf, Anthol. lyr., p. 194. ^) ^ßlutard^, de mulierum virtt. 17. —


^) Sei öeraflib. ^ont. irrtiimlicl^ : Äoä. S^ergl. ^ßartJienioä c. 9. — SIßir erllärea
^) ©uripib. ^^ifoftet frapni. 4. nic^t ganj ruie 'i^Iutarc^.
:

Qmc ©efamtbilanä be§ gried^ifd^en 2eben§. 421

blieb, lieber nä()ere Üsölfer aber mag man ^erobot (V, 4,5) onfjören:

bie t!)ra!i[cbeu 2^raufen beroeinen bie Sf^eugeborenen unb begraben itjre

^Toten unter ^ubel al§ 33efreite unb ©lürfltc^e; bei ben 2;l;rafern ober»

t)alb ^refton rairb nac^ bem S^obe eine§ 9)?anne§ bie geliebtefte feiner

grauen auSgemittelt unb bur^ einen ifirer S^eriuanbten unter ©elig»

preifungen auf bem ©rabe getötet^). Man bemerfe moljl, e§ ^anbelte

fic^ nic^t um ein S^tec^t be» oerftorbenen ©atten, fonft Ijätte ein S^er*

raanbter üon biefer ©eite bie S^ötung üollsie^en muffen, fonbern um eine

^egtüdung ber ©attin. äion einigen ganj wilben S^ölfern am ^aufafuS -)

glaubte man ju roiffen, fte f)ätten oöHig bie ©enfroeife jener 3]erfe au§
bem ^reSpIjonte^ be§ @uripibe§: ber ©eborene werbe beraeint wegen ber

Uebel, in bie er eintritt, ber 3::ote unb uon ben Seiben ®rlöfte aber raerbe

unter freubigem 6)Iü(JIi($preifen aug bem ^aufc getragen.

@§ mag ungewiß bleiben, ob bie ©ried^en laut ober im ©titten bie


9^ömer §u ben 33arbaren rechneten. Sie le^tern felber fc^roeigen lange

über 9Bert unb llnmert be» Sebenl, unb fobalb fie ju räfonnieren anfangen,
finb fie fc^on ^albe ©riec()en. S)er gefc^raubte ^roteft, meieren ©alluft

(am 2lnfang feinel ^ugurtJia) gegen bie J^Iagen be§ a}lenfc^engef(^Ie(^t§


erläßt, bemeift aEerminbeftenS, ba^ biefe klagen über <B<^mää)^ unb S^urj»

lebigfeit be§ te^tern unb §errfd)aft be§ ©c^i(ffal^5 fe^r allgemein raaren ^).

S)ie grie(^if(^e gabel fe^te felbft bei Spieren einmal eine ottgemeine
^erf(^ä^ung be§ 2eben§ oorau^*); ben §afen fättt e§ aufS ^er§, ba§ fte

fo fc^roai^ unb mutlos unb nur jum j^lie^en gut feien, unb fie motten
fid) atte in einem ©eroäffer ertränfen; ba fpringen üor il)nen eine

a)lenge g^röfd^e pnein, unb nun fennen fie no(^ ©c^roädiere unb bleiben

am Seben.

5Dem ^obe aber loljnte e§ fid^ ber 2)iü^e näljer in§ 2lngefic^t ju

feljen, menn eine gan§e geiftootte 9ktion üom Seben fo übel backte. SBir

2ßettere 2lnga5en ü6er bie 3:^rafer roert unb ©d)merä beg Safeinä u. a. ^^lin.
6ei «ßompon. ÜJicIa II, 2. H. X. VII. 41. 44 (baä ©lürf beg <BnUa).
2) ©trabo XI, p. 520. 46 (ba§ ©lud' beig 2luguftuä). 51 bie ^aupt^
^) (Sicero, Tuscul. quaest. I, 39: ftellen. 54 mortes repentinae, hoc est
„SBenn ein fleiner Änabc ftirbt, trägt man summa vitae felicitas. 57 Slid^tigfeit ber
eä gefaxt; ben Sob eineg S55iegenfinbe§ {yortbauer nac^ bem S^obe.
befragt man nid^t einmal." — Uebev Un= ^) 33abrio§, fab. 25.
422 3ur ©efamtbilanä be§ gried^i[d^en S'ebeng.

nä{)ern un§ ber 33etrad;tung be§ (5eI6ftmorbe§ bei ben (Bried^en, roerben

jebo^ über biejen oft befianbelten ©egenftanb nur haS^ Siotraenbige, ouc^

einiget weniger Seoc^tete beibringen.

^ebenfally fom babet ftar! in Setrac^t ber ©ebanfe an ha§, roo^


nad) bem 2^obe folge. 2Sie oerfc^ieben unb fd^iuanfenb nun bie Slnfic^ten

oom ^enfeitg roaren, tft anberSiuo erörtert worbcn; ber ©inselne loar

oöHig frei, baoon jn Ijalten, ma§> er TOOÜte; er fonnte ein frommer unb

eifriger Cpferer fein, ol)ne j. ^. ben I)omerifd)en ©lauben an ein traurig

inbifferente§ allgemeine^ ©c^attenbafein gu überfi^reiten. 'Isiele aber

glaubten an ßotin unb ©träfe, unb einige j^reoler lebten in ticffter Gängig»
feit. (Sinige 2leu^erungen, meiere bie gro^e 33erfd)iebenl)eit ber 3[Reinungen
beleud)ten, bürfen Ijier nic^t übergangen werben.
Semofrit mar über alle S3ebenfen l;inau§ unb rechnete bie ^^urdjt

oor bem ^enfeits, „bieg erfonnene 3)ii)t^engebilbe", ba§ fid) bie 9Jienfd)en

auferlegen, einfad^ mit §um fonftigen ©rbenelenb ^). Ob er ba§ cöHige


9Zi(^t» erwartete, roiffen mir nic^t, oiele aber waren ol)ne B^^eifel biefer

9)ieinung. §ören wir eine ©rabfd^rift, in weld^er''^) ber 3]erftorbene

rebet: „Unoerfdjulbet würbe iä) uon ben ©Item erzeugt, unb je^t gelje

id) Unglüdlic^er gum §abe0 . . . ^c^ war nt(^t§ unb würbe geboren
unb wieberum werbe ic^ nichts wie juoor. Sfiic^tg unb garnic^tl tft ba§
2}Zenfd)engefc^lecl)t. greunb, lafe mir noc^ ben Sedier blinfen unb biete

mir ben ^tran! jur ©tiEung be§ Sö"^"'^^^/ i^- !)• S^^B^ ben 9Bein auf
mein ©rab!"
3fiun wirb aber wieberum auf ©uripibel p Jiören fein, aU auf ba§
®c^o fo oieler SJleinungen unb Sieben, welche um il)n lierum im ©djwange
waren. 9Jieljrmal§ unb offenbar fel)r pat^etifd^ l)at er haS^ Sßort gewagt:
„wer wei^ ob ha§> (irbifc^e) Seben nic^t eigentlid; ein ©terben unb ba§
©terben ein Seben ifl^)?" — wofür er in ben „gröfd^en" bei 2triftopliane§
jweimal oerplmt wirb, ^ft aber für bie 3ltl)ener biefer oon ber ©cena
aus ertönenbe ©prui-^ irgenbwie oerftänblid) gewefen, fo mu^ e§ uiele

unter il)nen gegeben Ijaben, weldje nid;t nur auf allen äBert biefer ge=

') ©tobäog, ed. SWeinefe vol. III, '*) 3itißrt fc§on bei ^^Iato ®org., p.
p. 232. 492 e. — SBergl. bie 5i"i9"'C"te bc5 i^mi-
-) Unter ben ÖraOfc^riften ber 3ln= pibe§ s. V. ^olyibog unb 'iJ.Ujrij-oö.

lljologie 9k. 339.


3ur ©efamtBilans be§ grietf)i[cf)en Sebenl. 423

priefenen attjentfc^en ©riftens oöüig oer3id)teten, fonbern andj mit Beffern

Hoffnungen auf eine anbere SBelt Ijinblidten. Slu^erbem ieboc^ oerneljmen


wir im „^ippolijtog" {^. 159 ff.) eine Siebe ber SImme, welche bereite
an Hamlete berühmten ajionolog erinnert; nac^beni in ber fonft gerooI)nten

2Beife oom allgemeinen ©rbenjammer bie 9iebe geroefen, I)ei§t eg weiter:


TOo§ möglic^erroeife erfe(;nter fein fönnte ali hk§ Seben, werbe un§ oer*
borgen bur^ eine ring§ umgebenbe ^infterni^ mit iE)ren äöolfen; wir
ptten nur eine unglüdlic^e Siebe gum 2)ie§feit§, weil biefel auf ber @rbe
ftraljle, roäfjrenb ha§> anbere Seben unbekannt unb bie S)inge unter ber
©rbe uneriüiefen feien, mir aber oon ^Ijantafiegebilben geirrt würben^).
a}iocfjten nun bie Hoffnungen auf ha§, «eben nad) bem ^tobe groB,
groeifel^aft ober nid}tig fein, jebenfaag fe^It e§ on atten Stu^fagen
barüber, ob man burc| ba§ eigenmächtige ©ntrinnen au§ bem Seben fic^

gu fc^aben fürd^tete. Ober erroarteten hoä) feljr uiele ba^ 9iid)t§? unb
bemeift ^tma bie gro§e ^öufigfeit ber ©elbftmorbe, ba^ fic^ bie§ fo üer=
^ielt? Unter aUm Umftänben beweift biefelbe bie geringe 3]erbreitung
beS pijtt;agoreifc^en unb orpljifc^en ©eelenwanberunggglaubenS gerabe
unter ben bemerfen^werten unb berühmten 9}fenfd^en, benn mit ber
9)tetempfijcf)ofe oertrug fic^ ber ©elftmorb abfolut ni(^t. „^a§ aber",
fagt 9iägeBbac^ ^), „ber ©elbftmorb in ber 3]o(f^meinung al§> eine ©ünbe
gegen bie ©ötter betraditet worben wäre, bafür oermag icf) Uxm
3eugniffe ansufüljren." ^fJatürlit^; man t)atte \a ha§> Seben nid)t oon
ben ©Ottern.
®ie 3lufäätjlung ber fjauptfäc^Iic^ften Seweggrünbe fowotjl bei "bin

©elbftmorben be§ 3}Ji)tt)U§ al§ bei ben gef(^icf)tli($en finbet fic^ bei bem»
felben üorgüglic^en gorf^er, unb über ba§ SßerJialten ber ^oli§ mag
e. g. Hermann^) beraten werben. ^a§> plumpe ^attjo^ ber ^oli§ ift

bagfelbe wie bei i!)ren ^apitalftrafen überljaupt; nad^bem fie UngälUgen


unb Dielen oon ben ^^\kn ba§ Seben unerträgtic^ gemad)t Ijat, wäljrenb
bie 3lu!owanberung fo oiel aly unmöglich ift, oer^ängt fie über ©elbft='
mörber 3ttimie, $ßerfagung be§ 58egräbniffe§, 3lbtrennung ber redeten ^anb
oon ber Seid}e u. bergl. m. Sie ergürnt fic^ in foldjen %älizn auf bie*
felbe aJianier, alg wenn 3. S. jemanb fein 'i^ermogen burd}bringt, anftatt

*) Mv3oig ö" ft'AAwf (ftooutaiht, — 1 -) ^\a<i)l)0\\\. Sfjeotogte, ©. 394.


2>'erg(. aucf) ^f)önir, fragm. 9.
j
3) ^riDataltevtümer § Cl, 25 f.
424 S^^ ©efamtbilanj be§ griecfiifd^en SelJenS.

e§ firf) üou {I)r abbringen ju laffen, ftücfmeüe ober burd) RonfiSfatton.

3mmerf)in ober l;ot t§> 5n)ei ^oIei§ gegeben, welche ber einmal tatfä(^licf)

rorfjanbenen Hebung be§ freiroittigen TobeS eine gefe^Iicfie Satjn jn

fd^affen fuditen.

Unmittelbar cor bem attifc^en $ßorgebirge liegt bie ^nfel .^eo§ ^) mit
t{)rcr bamaligen ^anptftabt ^uli^, unb bie 3lt()ener ptten e§ Ieicf)t gehabt,

un§ über baS» bortige $ßerfat)ren genauere 91ad)ri(^t ju !)interlaf)en. ©tatt


beffen ift in ben erhaltenen 33erii^ten offenbar bie ©ac^e balb jo balb
onberg ausgemalt, raobei nur ba§ ©ine fonftant bleibt, ha^ alte Seute

(man fagt, bie ©ed^jigjä^rigen) freiraittig unb mel^rere jufammen gn fterben

pflegten, unb ha^ l)ierüber eine Drbnung waltete. Segrünbet mirb bie

Hebung u. a. burc^ bie geringe 9la^rung, meldte bie !^n'\d Ijeruorbrai^te,

ober burd) eine einmalige 9tot: einft nämlic^ non ben 9Ül)enern belagert,

l£)ätten bie ©inrooliner befc^loffen, bie älteften Seute foHten fid; ba§ 2^h^n
nel)men, rooraug bann, wie e§ f(^eint, jene Hebung entftanben märe, aber
tmmerljin al§ eine freie, meiere oom ©efe^ nur fanl'tioniert mar. ^n ber

"Hat wirb ber gemeinfame (Sntfi^luB aud^ al§ ein freier begeid^net, meli^en

alte Seute gu faffen pflegten, menn fie fülilten, ba§ fie gu einem ber ^eimat
nü^lid^en ^un nid^t me^r tauglid^ unb bem J^inbifdimerben nal)C feien.

2)er .*Qergang felber, ba man gemeinfam ben ©dliierling ober ben 9}Jol)n=

faft tranf, mürbe onmutigermeife ju einer 2lrt oon ^eft, unb aße rcaren
befränjt -). 2)a§ Seben auf ber ^n^l galt al§ ftttenftreng, unb bie Seute
blieben gefunb unb mürben beim natürlid)en Sauf ber Singe fel;r alt;

ftatt nun noc^ i^ranlljeit ober anbere leiblid^e UnglüdSfälle abgumarten,


roerben eine Slnjaljl oon 2llten einen gemeinfamen 2;Dbe§tag abgerebet

liabcn. S)a§ bie 5:;rauer um ^ote auf 5leo§ menig bebeutete, rourbe fcl)on

oben erraälmt.
9Jic^t eine§ jener gemeinfamen '^t'iU, fonbern ben freiroiHigen ^ob
einer einjelnen ©reifin auf £eo§ fd)ilbert aU 3lugenjeuge a^aleriui

a)?arimu^3, welcher al§ 9?eifebegleiter be§ ©ei:tu§ %'ompeiug, Urenfel§ be§

groHen ^'ompeju^, gur ^ät be§ ^iberiu^ in ©riedjenlanb meilte. ©ein


') ©tcaboX,p.486. — öeraüib.^pont. 2) 31[ef)nlicf)e!§ glaubte man uoii ben
(bei Stnlafi non i?o§, raaä jeboc^, raie früf)er §t)perbLireern (''^^ompon. 2)leIaIII, 5, offcn=
bemerlt, für Äeog cerf einrieben ift).
— bar au§ alter Duelle), ©iefelben fpvangen
2tclian V. H. III, 37. — «ßhitarc^, de mu- befränjt x>on einem ^-ti^ in§ 2)ieer.
lieruin virtt 12. — iüalev. ^lar. II, 1.
;

3ur ©efamtbilanj be-3 gned)ti'c^eu 2e6en§. 425

berief)! ift für bte ganje ^^rage üom 8elbftmorb bei ben öriecfien be*
beutenb. ®ine angefe^ene Bürgerin, über nemtsigjä^rig, i)Qt öffentliche

9ie(^enf($aft über iEir $8or^aben, ben ©c^ierling 311 net)Tnen, abgelegt unb

wünfd^t nun, ba^ i§r 2:^ob burc^ bie 2tnroefen^eit bei§ ©e^-tuS ^sompej[U^5

beeljrt (clarior) werben möchte; er fomnit unb fudit fie burd) eine fcfiöne

2lnrebe von ifirem S^orljaben abjubringen, umfonft. 2luf if)reni ^eute

befonber^ §ierlicf)en dtuljthetk, auf htn ©llbogen geftü^t, banft fie i{)m

5unäc^ft bafür, ba§ e§ i£)m ni(^t ju üiel gemefen fei, fie gum ^Weiterleben

5U ermaljnen foroofjl, aU nun ouc^ ifjr ©terben mit angufel^en; e§ fei

if)r immer gut gegangen, unb nun möge fie nic^t erft au^ bloßer

fiebenSgier nod) UngIü(J erfaljren; i^re beiben S^öc^ter unb mefirere

ßnfel ermahnt fie §ur ©intrad^t unb oerteitt benfelben il)r Srbe, bie

^au§§eiligtümer aber unb ibren ©d^mud gibt fie an bie ältere SToc^ter;

bann ergreift fie mit ber 9ted)ten mutig ben 33ed)er, jpenbet baraul
bem ^ermeg, ruft itju an: er möge fie fanften @ange§ an einen guten

Ort ber Unterroelt bringen, unb trinft in gierigen 3"Ö^" ^^^^ ^obe§tranf
bann melbet fie, mie atlmäf)li(^ i§re ©lieber erftarren, unb inbem ber Sob
gegen haSf ^erj oorfc^reitet , oerlangt fie von ben 2:;öd^tern, ibr bie 2lugen

§u§ubrüden. 2Iuc^ bie Diömer fommt bei biefem ßnbe haS» Söeinen an.

S)erfelbe i^aleriu^ 3}laEimug enthält nun aud^ bie ^auptfunbe oom


SSerljalten ber ©tabt SRaffalia ju ben freinnüigen Rötungen. @§ fdieint,

ba§ Ijier no($ unter ben 9?ömern bie alte 5lraft be§ pl)ofäifd)en öeifteS

nic^t oöQig erlofc^en mar, unb nun oermoc^te man e§, ben ©elbftmorD
beutlidier ju biiägiplinieren al§ auf J^eog. ^n bem ernft geftimmten 9}iaffalia

gab e» f(^on bei ben Sobe^fätten raeber Trauer noc^ laute Silage; ein

Opfer im §aufe unb ein ©aftmal^l ber 3tngel^örigen waren alle§, benn
ha§^ Seben rourbe überljaupt nic^t überfc^ä^t. Senjenigen aber, meiere

bagfelbe ju oerlaffen münfi^ten, rourbe bie^ nid^t leic^tljin geftattet, unb


fie mußten bem 9iat ber ©ec^§t)unbert bie ©rünbe angeben, bann aber
oerabrei(^te tl)nen bie ©tabt felber ben fc^nell tötenben ©djierling. 311*

©runb galt foroo^l Unglüd aU auc^ üöHig bel)arrlid)e» ©lud, beffen

möglidiem llnbeftanbe man fic^ entjietien rooUte. C^ne B^^^if^I U^^i^ ba=

neben ungefragterma^en eigeumäditige Rötungen in 33ienge oorgefommen,


aüein l)ier mar roenigfteuc ein öffentlid^ erflärter 9BitIe oorl)anben, an
meldten man fid^ anfc^ließen fonnte.
3"r ©efamtbilanj be§ griecf)ifcf)en 2e6en§.
426

®aB bie roafjre ©röfse barin liegen tonne, felbft bie f^redlicfiften

Sagen anSjuIjalten {iX^rcu), mar auc^ ben ©riei^en oon jefier flar. 3u
ben niäcfjtigften "ii^orten be^ ObtjffeuS geijört [ein 2lu§ruf: bulb' au^ biefeg,

^ers, fdjon ©cf)Iimntere§ l)a)'t bu erbulbet! — unb als bie ©efäfirten

roäljrenb feinet ©rf)Iafe§ entfe^IicT^er SBeife bie ©^läudie be§ 3leolo§ ge»

öffnet, tjat er nod^ bie Straft, bei fid^ ju erroägen, ob er fid) in§ 9}ieer

oerfenfen ober weiter (eben wolle: „unb iä) bulbete unb tjarrte an^y-,
er Ijüdt fi($ in fein ©eroanb unb legt fi^ auf ben ^oben be§ ©c()iffe§.

Unb bod) Ijat §erafte§, ber größte atter, welche gebulbet, feinen Seiben

auf bem ^oIjftoB be§ Dtta ein ©nbe gentad)t — benn fo fa^te nun
einmal ber ®ried)e ben 9)hjtlju§ auf, auc^ wenn berfelbe urfprünglic^

ba§ 6nbe be» ©onnenjaljreS follte bebeutet !^aben.

Söeld) ein Slbftanb aber uon einem foldien Sobe gu ben leichten

2lnläffen, mzlä)t fpätern ©riedien gum 33erlaffen be§ SebenS genügten!

33ei bem ol)nel)in allüerbreiteten ^seffimi§mu§ brauchte e§ nur eine befonberS


trübe seitroeilige ©timmung ober eine zufällige 2lufregung ber ^^antafie,

unb ber @ntfd)lu§ mar ha. 2öenn Seute gleidifam im 33orrat ftarben,

au» ©orge, ba§ il)nen ein bi§l)erige§ 9Bof)lerget)en untreu werben mödite,

fo werben fie feit langen ^zxUn ben ©ebanfen in allen müßigen ©tunben

großgezogen l^aben; fonft aber gab e§ 2lnläffe be§ 2lugenblide§ genug,

unb wäre e§ auc^ nur ein ^SermögenSoerluft gewefen, welcher ben bi^:»

l)erigen 2lufwanb unmöglich madjte. ajJan ergälilte uon brei burd) £up§
oerarmten t)ornel)men ältl)enern, weldie einanber gegenfeitig ben ©c^ierling

5utran!en^) unb au§ bem 2<ihen fc^ieben „wie an§> einem ©ijmpofion."
©ans auber§ biejenigen, welche beim 5:;obe geliebter SBefen fid^ baio

Seben nal^men, unb an§> ^lato§ ^^^ljäbon^) erfal)ren wir, baß bieg

l)äufig unb in ber froljen 2lugfid)t auf ba§ Sßieberfetien im ^abeg ge^
fd)al). j^reilic^ fonnte gerabe bie Seftüre beg ^^äbon unbefonnene Sefer

ebenfomeit bringen; ein gewiffer 5lleombroto§ in 2Imbrafia tötete fid) burd;

einen ©prung oon ber aJlauer, weil er au§ bem Sudie nur fo üiel entnaljm,

baf5 e§ für bie ©eele übert)aupt beffer fei, uom Seibe ju fc^eibenO-

>) Dbpff. X, 50. — 2luc^ fonft fragt ') ^s(;äbon, p. 68 a.

er nad) Seuten, bie etroa§ „erbulbet" I)aben, *) (Siibocia iUolar. 589. — Sato faS
Cbi;ii. XIX, :i44. — .ßiemlid) mäcfitig boö im ^t;äbon, beoor er fiel) tötete. ®io Gaff.
TÜ.uic/ bei I^eogniö 1029. XLIII, 11.
-) 2lclian V. H. IV, 23.
3ui- ®e[amt6tIon3 be'5 griecfiifd^en 2e6en§. 427

9Benn in neuern 3eiteit biSroeilen bie Selbftmorbe ficf) an eingelnen


Orten wie burd; 3Infte(Jung oerbreiten, fo borf bie§ in ©riec^enftäbten

DoHenbö nic^t befreniben. ©ine ]oIc|e ©pibemie hm einft über bie 9}?äbc^en
mn a}Iilet'), man glaubte, burc^ franfe ^efrfjaffenijeit ber Suft; fie

[eljuten fic^ auf einmal nad) bem 2:obe, unb oiele erbroffelten fid) fieim*

lid^; umfonft waren 3öorte unb tränen ber ©Itern unb 9JJat)nungen
ber 33efreunbeten ; fie üereitelten jebe 3luffi^t ber SBä^ter, bi§ auf ben

Jöorfc^lag eine§ fingen 9}?anne§ ein öffentlidjer Sefc^tufs erging: bie ©r»
broffelten müßten nadt über bie 2lgora getragen werben, unb barauf
i)öxU bie ©od)e al^balb auf.

Sei biefem 2lntaB ift and) ber (eufabifc^e %zU ju ermäfinen, von
metc^em unglüdücb Siebenbe in§ aJJeer ju fpringen pflegten -)• ^n welcher
©egenb ber [teilen :3nfel 2mtaä (ie|t ©anta SJfaura) ber ©prungfelS
unb mie i)o^ bie ©teile über bem Söaffer mar, mirb nid^t gemelbet; bie
einen ertranfen, anbere, meiere am Seben blieben, foUen fi^ bann üon
ber Siebfc^aft geljetlt befunben ^aben, fo ba§ ber ©prung mie eine j^rage

an bag ©djidfal erfdjeint. ®inem geroiffen aJZafeS oon 33utI)rotog foll

ba§ (gjperiment nid)t weniger al§ oiermal gelungen fein. S)ie ©inroo^ner
ber ©tabt Seufa^, me(d;en biefe ©ac^Iage unerraünfc^t fein mo^te,
ftürjten bann aßjät^rlic^ an einem %^\k be§ 3ipoIIon einen bereit ge=

Jialtenen ^serbrec^er §inab, ben man aber mit lebenbigen a^ögeln beJiangen
tiaben fott, bamit ber ©turj weniger I;eftig fei, wä^renb unten eine

2tn3af)l 9ia(^en gu feiner 3ftettung warteten, worauf man ilju au^ ber
©egenb fortfd^affte.

Unter ben ernften ©rünben eine§ freiwilligen 3::obe§^) würbe im


2lltertum, aud^ im römifd^en, allgemein unb wol)l ol)ne aMi SBiberfprud)
angegeben jebe unl)eilbare ^ranf^eit. ®a§ ^inau^sie^en eines fold^en
SebenS burc^ ärstlic^e ^unft würbe offen getabelt, unb el ift ber SJtü^e
wert, hierüber ^lato ^) im StuSjug anjul)ören: „^ränflidie Seute foüen

^ßlutard^, de mul. virtt. 11. einer ganj anbern Stnfd^auiing ber Singe
2) öauptfteaen ©trabo X, p. 452 unb au unb roerben al§ rcirf(id)e unb gro^e
iptolem. $ep()äft. VII (bei 2Beftermann, Dpfer gefeiert. 2tuc() finb c§ faft immer
Mythogr.). Jünglinge ober 2)Jäbd;en, meldjen ba§
3) 2)ie im 3}?t;t^u§ fo ja^rreic^en pllc Sebeu nod^ non 3Bert fein fonnte.
be§ freitüifUgen Sterbend für bog §eil ber ») De re publ. III, p. 407 d.
§eimat auf einen ©ötterfprud^ l^in geljören
428 3"^^ ©cfamtBilanj be§ gviediifd^en Seßen§.

überiiaupt nidjt leben unb iebenfaUS feine ^inber jeugen; 3tf!lepio§ l)at

bic ^eilfunft gele£)rt für bte, meieren gegen eine einmalige ^ran!f)eit ju

Ijelfen ift, ba§ ober unternabm er nidjt, innerlid) gons üerfranfte Seiber

burd) bel;ut[ame§ 2lb[d)öpfen unb SlufgieBen bei einem langen unb jämmer^

liifien Seben ju erl;alten, morauf beren Slinber aller 9Bal)rfd)einlic^feit nad)

raicber äl)nli($e erzeugen ; einen folcfien, glaubte er, foHe man ni(^t ärjtlid)

pflegen, ba er weber fid) felbft nod) bem ©taat etnia§ nü^e fei . . . unb
wäre er reid;er aU Tl\ha§>." ©in äljnlic^eg 9iäfonnement bei ©uripibeö ^j

fdjlie^t mit ber offenen ^iitt^iitung: (Sold}e, menn fie ber SBett nidjt^^

meljr nü^ten, follten fic^ burdi hzn 2^ob entfernen unb ben füngern au§

bem 2Bege gelten ^)!

%üx üoüfommen bered^tigt galt aud^ ba§ (Scheiben au» ber SSelt
megen Ijoljen 3nter§, pmal roenn ^ranfljeit ober ^ßerftanbsfc^roäc^e im
9Xn5ug mar. S3ei 2lnla^ ber ^Nl)ilofopl)entobe wirb Ijieoon am paffenbften

§u lianbeln fein.

^yerner mürbe ba§ @efül)l aller 33ötfer e§ gut Ijei^en muffen ober

bod; nic^t tabeln bürfen, baf3 im Kriege überrounbene ©riei^en, bie nidit

auf ber ^refd}e liatten fatten fönnen, ficb bei 3^^^^"/ fogor maffenmeife
ba§ 2thm nal)men, nai^bem fie oorljer nod) il)re äBeiber unb Slinber
getütet. 33ei einem Slrieg§red;t, wie ha§ ber oielbemunberten l)ellenifd)en

^^olei§ mar: Xötung ber übermunbenen 9)Jänner unb ^erfauf oon 3Seibern
unb J^inbern in bie ©flooerei — mar bie§ eine oöUig angemeffene
^anblungSroeife, meiere aud) bie allgemeine Slnerfennung unb felbft 33e=

munberung geno§. „Sing nur fage ic| bir: gib bic^ nid)t lebenb unb
freiroillig in £ned)tf(^aft, fo lange e» bir nod) offen fteljt, frei gu fterben''

fo ©uripibeg^), unb ba^ ©flaoerei ol)ne!^in fc^limmer fei al§ ber %oh,
fagen bie 2llten einftimmig. SBenn bem ©ieger 3llle§ erlaubt ift, fo

ift für ben 33efiegten ber ©elbftmorb ein unentbel)rlid)e§ 9ted)t, unb man
barf ben sufätligen ^nljabern einer entfet^lidien Uebermadit nic^t ben
©efallen tun, auf ba§ letzte 3Jiittel ber 9iettung oor il)nen einen fittlid)en

5öerruf §u legen.

') S^tmt Bei ^(utard^, Consol. ad -) S)a^ man ron ©rbfinbeten ben frei-

Apollon. 15. — 2Uie römifc^er geit hc- lüiEigen Xoh enoartete, »ergl. ©uripib.
jonberg fprcc^enb bie ©teilen bei ^lin. 5ß[;ömE, fragm. 9.
epist. I, 12 unb 22. ") ©nripib. 2lrdieIao§ fragm. 28,
3ur ©efamtbilans be^ griec^ifd^en 2e5en§. 429

@§ Qüh ein erlauchte!? unb no(i) i)alh im)t()if($e§ -Isorbilb für ein

SSerl^alten in her äuBerften @efa§r, roeldieg unter bem 9iamen „pljoüfdje

SSersraeiflung" oübefannt roar^. .^m ^ampf S^Ö^tt bie einft in§ iiiianb

gebrungenen S^Ijeffaüer oereinigten bie '^^l)o!ier, beüor fie ade §ur 6rf)(acf)t

aussogen, if)re Söeiber unb Slinber famt iljrer beften ^abe an einer ©teile

unb liefen aud^ bie SBeiber it)re (SinroiHigung geben ju bem, raol nun
befc^Iofjen würbe: ^olsmaffen würben ringsum aufgefc{)ic^tet unb brei^ig
fiebere Söä^ter befteßt, raeldie bei ber Sotfc^aft oon einer 9UeberIage

alles töten unb üerbrennen foHten; e» !am bann nid)t baju, benn bie
^^oüer fiegten, unb ein niäd)tige§ @ebä(^tni§feft, welches regelmäßig ber
2trtemi§ gu ©Ijren in §i)ampolig gefeiert mürbe, l;ie(t bie ©rinnerung
aufregt. 2lber onbere mußten nun aud), moju man in äl;nli(^er Sage

bereit fein foHte, 2llS bei ber ^erteibigung ber legten ©ifelerftabt 2:;rinafia

gegen bie ©i)ra!ufier bie Kämpfer gefallen maren, töteten ftd^ bie alten

Seute, um nic^t bcn Jammer ber Uebergabe p erleben; bie ©ieger

fc^leppten ben 9ieft be§ ^^ol!e§ in ©flaüerei, jerftörten bie ©tabt unb
fanbten \)a§ Sefie oon ber 33eute nad) S)elpl)i^). Hergänge älinlii^er

2Irt finb üöttig normal, unb auc^ anbere 33öl!er be§ Sllt^rtumS, raenn

il)rer „©tabt" ha§> le^te ©c^idfal nal)te, Ijanbelten fo. 58on einem ber

©rben 2llej:anber§, ^erbüfaS, Ijatte ba§ l)albbarbarif($e 3faura^) baS


äußerfte gu erroarten, weil man nodj bei Sebjeiten be§ großen Königs

einen ©atrapen beSfelben getötet 'i)atk; nai^bem nun burd) baiS mafebonifdie

^eer fc^on bie meiften 33erteibiger gefallen waren, erfolgte bei näc^tlid^er

2Beile eine einmütige a}kßregel: 2Beiber, ^inber unb ölte Seute fd)loß

man in bie Käufer ein, günbete alle§ an unb warf bann noc^ allen nu§»
baren ^efi^ in bie j^lammen; hierauf würbe §um ©taunen ber ^einbe
nod) wütenb auf ber Srefd^e weiterge!ämpft, bi§ ^erbiffaS abjog, unb
nun fprangen bie legten, fiegreid) gebliebenen SSerteibiger in bie nod^
lobernben Käufer unb „begruben ft($ mit ben ^l^rigen." 5Der berül;mte

Untergang ber ©aguntiner (218 o. Sl)r.)/ als ^annibal in il)re ©tabt


einbrang, erfolgte in äl)nlic§er ©eftalt; bie 3lbfömmlinge oon ^dij-ntiio^

^) ^tutard^, de naul. virtt. 2. — ^au= 2) Siobor Xir, 29.


fan. X, 1, 3. — 2)iefc anoyoiu ift e§, 3) ei)b. XVIII, 22.
Toeld^e lüir narf) ber ©cfilad^t Don Slegog
5ßotamoi bei ben 2ltE)enern »ermiffen.
430 2^^ @efamt5ilau3 be§ griec^ifd^en 2e6enö.

entjogen ftc^ bem ^unier biird) ben ^ylammentob. 33alb barauf (200 ü. GE)r.)

gab in ber serrütteten ^cUenenroelt ha^ ^ellefpontifi^e 2lbijbo^ nod) einmal


ein Seifpiel vom äu^erften, it)a§ eine griecf)i[d)e G)emeinbe üermod^te,

gegenüber ^Ijiüpp bem ^ü^Oent üon 3}kfebonien ^). ®er umftänblic^e,

fcfiauerlicbe ^ertc^t enbigt bamit, ba§ bie i^üter ber 2Beiber unb ^inber,
ftatt biefelben, nad^beni faft afle SSerteibiger tot ober fcfimer oerraunbet

luaren, nmgubringen, bei ^^^Ijilipp um ^rieben bitten (äffen; aber raä^renb

biefer bie ©tabt befe^t, l;olen bie dlz^k ber 2lbi)bener ba§ 3]erfäumte
nac^, inbem fie \iä) unb bie äöeiber unb ilinber erftedien, in bie ^-lammen
merfen, erwürgen, in bie ^ift^i'tten ftürjen unb bann oon ben S)äd)ern
t)erab gu 2;obe fpringen; e:c f)ätte iljnen wie 2]errat an ben für bie

^eimat 6)efaIIenen gefdbienen, meiterjuleben; oI)ne 9iaft, familienroeife

flürsten fie fic^ in hzn Xoh; ber ilönig aber, al:c er barob ©c^recfen
empfanb, mußte fid) fagen, ba^ er allein an ödem fd;ulb fei, mei( er

gu 3infang ber 33elogerung ba§ Slnerbieten ber 93ürger „abgugieljen,

jeber bloB mit bem ^leib, n)eldje§ er am Seibe trage" abgeroiefen unb
unbebingte Unterwerfung oerlangt t)atte üon einer ©tabt, meldte i!)n

nidjtl anging.

©in§e(nen t)od)flet)enben ^amitien üon ?5^ürften ober Stjrannen fonnte

ber gemeinfame 3:;ob gur 3fiotn)enbigfeit merben, roenn fie fid) überwältigt

faijen, inbem namentlid^ ben 9Jtitgliebern oon S^ijrannenljäufern eine marter»

DolIe Grmorbung beoorftanb. Unb aud) gegenüber oon gelinbern ©iegern

mod)te etroa ein gange» ^^^ürftenliaug nid)t weiter leben, gürft 9tifofIe§
uon ^apt)o§-) Ijatte fid) gegenüber oon ^tolemäo^ Sagi, welcher bereits
Dber^err oon ßppern mar, I)eimlic^ mit 2lntigono§ eingelaffen, worauf
§wei 2?ertraute oon ^toIemäoS au§gefanbt würben, um itju ju töten,

©iefelben liefen \iä) oom ägijptifc^en i^ommanbanten ber Qnfel SJcann»


fc^aft geben, umftellten bie Surg be§ 9ii!o!Ie§ unb melbeten iljm, er möge
au§ bent Seben fc^eiben. ^Jlaä) einem furgen 33erfu(^ ber Üied^tfertigung
tötete er fid^, worauf feine @ema(;Iin i()re noc^ unoermätilten S^ödjter

tötete unb aud) i^re 6d^wägerinnen, bie ©d^weftern beS 9üfof(e§, berebete.

') ^ol9b.XVI,29— 34.£iüiu§XXXI, auf bie frül^erc äf)nUd)e %at ber Xant^icr
17. — SSon fpätern Sreigniffen get)ört im Kampfe gegen bie ^erfer §ingeroicfen
l)ief)er ber Untergang ber ,\'antl)ier beim rairb.

aingrin beg a3rutug, Sio (Eaff. XLVII, -) SJiobor XX, 21. ^ol^än. VIII.
M unb befonberä ^lut. 33rut. 31, rao aud)
3ur ©efamtbilans be§ gvied)ifd}en SebenS. 431

fid) ebenfalls 511 töten, obgleid; ^tolemäoS aM\ grauen be§ iQQufeS

©i(^er^ett üer[prod)en l;atte. Unb ai§> bie 33urg ooll plö^lidjen 9)Jorbe§

unb ;^ommer0 war, fdiloffen bie trüber be^ dürften bie '^^^forten, günbeten

boä ©ebäube an unb töteten fid) felbft. §eute l^ätten fid) mit 3tugna!)me

be§ 9]i!o!Ie§ alle penfionieren laffen.

©päter [jat einft (nac^ 78 0. ßljr.) ein pamp()r)lifd)er pratenl^äupt-

ling, ^znihtoSi, aU ©eroiIiu§ 3fauricu§ mit römifc^er 9)Zannfd}aft ilju

5U überwältigen im 33egritfe rcar, in feiner raeitfdjauenben Surg an ber

gelsfüfte be§ S^aurug fid) mit feinem ganzen ^aufe üerbrannt ^). 3tnber§

enbete (64 0. (Sl)r.) a3üt£)ribate5 — wenn man biefen nod) jur l)ettenifd^en

2BeIt sollten mill — aU it)m fein ©of)n ^ljarna!e§ fein Ie|te§ ^eer ah
Irünnig gema(^t, im ^olaft gu ^antüapäou'^); er oergiftete guerft feine

Sßeiber unb bie übrigen ©öiine (man erfährt nid)t, ob mit bereu SBitten)

unb trau! bann ben 9ieft an^; aU bieg nic^t mirfte, I)at if)m entroeber

ein getreuer Spelte ouf feine 33itten ben Xoh gegeben, ober er ift oon einer
einbringenben ©d^ar be^ ^^orna!e§ ermorbet roorben.

9^id)t um eine gamilie, fonbern um eine gum ^obe bereite ^of«


gefellfd^aft {)anbelte e§ fidi (31 ü. (S()r.) im ^alaft oon ^le^-anbrien in

ber Umgebung be^ 3(ntoniu§ unb ber i^Ieopatra ^). ^l)x ^lub (ßvvoSog)

fiatte biöfier ber „oom unerreid)baren SBaubel" {dfj.tfu,t^T6ßioc) ge^ei^en;

nad^ ber 'StüdU^x oon 2lftium trat an beffen ©teile berjenige ber „©e^
meinfamfterbenben" (ßvmjTo&arov/ufroi). Sie 5^önigin für ibre ^^erfon

fammelte alle möglichen GJifte unb oerfuc^te fie an S^erbrec^ern, unb gtoar
auf ben ©rab ber ©c^mergtofigfeit l)in; ba erroieg fic^ alf§ ba§ ^wtd'
mä§igfte ber Slatternbi^, benn bie anbern fc^neHen ©ifte raaren mit ©d^merg
oerbunben, unb bie fd^merslofern mirften gu langfam. 2Bie genau bann
bie einjelnen 3>erein§mitglieber bei ben erftaunlic^en legten i^ergängen il)rer

^flic^t nad)famen, roei^ man nid)t; fidler finb mit i^leopatra nur einige
treue Wienerinnen geftorben.

SaB fonft griec|ifc^e grauen, um nid)t in bie ©eroatt ro^er unb


unerbittlicher geinbe gu fallen, fid^ haS^ Seben ju net)men l)ätten, mar
oon jel)er eine allgemeine Uebergeugung, unb noc| d)riftlid)e Slirc^en»

fd^riftfteüer liaben befanntlic^ benjenigen ©elbftmorb in ©^u^ genommen.

1) ©trabo XIV, p. 671. 3) 5piut. 2lnt. 71. 2luämalung t)or5e=


') 3^io Gaff. XXXVII, 13. l^alten!
;

432 3"!^ ©efamtBilanj be§ gned^ifci^en SeBenS.

raeldier uor ber ©d^änbung kioa^rte. 3){e ^obeSart, rce(cf)e man üor=

30g, war biejenige bur^ (Srbroffelung ober burd) eigentlicfieg 2(uf§ängen;


Königin Ciympiaä legte ttjrer iStieftocfjter ©un)btfe ©djierltng, Sc^toert
unb ©trief oor, unb ®uri;bife roäl)(te ben {e|tern^); umfonft Ijatte bei

@uripibe§-) ^elena bal 3lufljängen a[g unebel unb felbft für ©flauen
unfc^i(fli($, haS' @rftec|en (atpayag) al§ üorneljm unb fcfiön bejei^net. ©0
fdjeint, ba^ in ben gamilien ber 9}M(f)tigen bie ^Xödjter f)ierüber beizeiten

eine beutlic^e 23elel;rung empfingen, am eljeften burc^ bie 9Jhttter. ^m


in. i^atirfjunbert 0. Ql)x., beim ©turj eines Tyrannen oon @Ii§^),

f)ängte fic^ beffcn ©ematjlin; für iJire beiben S^öc^ter mar fo oiet erroirft

roorben, ha^ fie fidi, oljne ©c^mai^ ju leiben, ebenfalls felbft töten burften

bie ältere lö\k iljren ©ürtel, fdjlang fid) benfelben um ben ^al§, fü^te
bie jüngere unb forberte fie auf §uäufel)en unb e§ bann genau ebenfo §u
ma($en; al§ nun aber bie jüngere barum flehte, perft fterben 5U bürfen,
lel)rte hk ©d^roefter fie bie ©(^linge um ben ^al§ legen, unb aU fie

inne mürbe, ha^ bie jüngere tot mar, liüßte fie biefelbe ein unb bat bann
für fid) nur noc^ um bie gejiemenbe 33eftattung. 3tu(^ bie anmefenben
„Xprannenfetnbe" meinten alle beim Xoht ber beiben 9}?äbd)en.
3lu§ einer raeit anbern fieben§fpl)öre mirb etwa um biefelbe 3eit bie

bereits ©. 253 angefüljrte ©efdiic^te oon ©rimafoS, bem 3(nfüljrer eines

lange bauernben Slufftanbe» ber ©flaoen oon (£§ioS, beriditet, welcher,

ba er alt geworben war, unb ba auf feinen J^opf ein ljol)er ^reiS ftanb,
oon feinem ©eliebten »erlangte, ha^ biefer i^m ben 5lopf abfc^neibe unb
baS ©elb bamit oerbiene, toie benn aud) gefc^al).

©c^on bie ©ried)en l;aben umftänblid) barüber oerl)anbelt, an welchem


^unft in großen, gumal politifi^en ©efaljren baS 9ted)t, ja bie ^flid)t

gum freiwilligen ^obe beginne. ®S fann geigljeit {önUa) fein am Seben


3U bleiben, unb ebenfo: ju fterben.

2Bo irgenb „©c^madi" erlebt werben !önnte, im weiteften ©inne beS


SßorteS, ba nimmt natürlid) fd)on baS ^^atljoS für ben ©elbftmorb Partei.

^x[ ber „Helena" beS (guripibeS erflärt 2}ienelaoS gweimal (5Ö. 830, 981)
unb mit l)ol)en SSorten, weld)e gewi^ in ben C^kmütern ber 3"§örer

aielian V. H. XIII, 36. ^) ?p(ut. de mul. virtt. 15. 5J)ic 901156


^) ©uriptb. §e(ena 297. Grjäfilung i[t ^öd)ft Bejeid^nenb für biefe
Reiten.
3«r ©efamtßUans be§ griec^ifc^en Sebcng.
433
TOieberflangen, roie unb auf roel^e SBeife er eöentuett perft bie ©attin
unb bonn ftc^ felbft auf bem ©rabntal be§ g^roteuS umbringen raürbe;
e0 fommt bann aüerbingg nidjt fo roeit, ber Siebter i)at fic| nur ben
2lnlaB 3ur D^ül^rung unb 2lurre9ung nic^t rootten entgef)en (äffen, aber
Seben^Hebe {cßoloti»vxia) ift nun einmal ein S^orrourf, gegen roeli^en ber
©rieche fic^ unb ber Sragifer feine r;eroif($en ^:perfonen gu oerroafiren
pflegt. „3Ber im Unglüc! (tV ^^a^olffo) nocfi am «eben ^ängt, ift entroeber
feige ober ftumpfen ©inne§/' (lei^t e§ bei eopfiofle^ '). ^n^gemein rairb ben
Sienenben unb ©flaoen bie Siebe pm «eben ai§ m niebriger 3ug gu»
getraut 2), ber fie üon ben freien unterfc§eibe. Slgatl^ofleg ftiat in 2lfrifa
einen rauben Sageraufruljr, inbem er ben
©olbaten, feinen „^ameraben",
mit ©elbftmorb brol^t^'): nic§t feine 2(rt,
e^3 fei au§ geigfieit unb «eben/»
Hebe fic§ etroa^ Unge^örige^3 gefaüen ju (äffen - unb fofort füfirt er fie
äum ©iege, roä()renb bie £ort()ager fc^on (jofften, fie mürben ju i()nen
über(aufen.

3fiun fommen aber eigent(icf)e 2)iftinftionen über bo§ dieä)t be§ ©elbft=
morbea cor unb raenigfteng einma( im 9}Zunbe eineg beriUjmten (Btaat^-^
^aupteg. 2)er (efete ^önig meomeneä oon Bpavta, a(§ er unb feine
ganje grie^if^e Partei bem
bei (B^üafia ä^öif^en ^nhe unb bem
Slntigono^ 3)ofon unter(egen mar (222 0. ^x.), fagte^ 3U einem @e»
fährten, ber i^n jum Sterben aufforberte, W ©e(bfttötung fei bered^tigt,
ni^t raenn fie eine g(u^t, fonbern nur, wenn fie eine (poiitifc^e) ^anb=
lung fei; man (ebe unb fterbe md)t b(oB für fic^ fe(bft; raenn einmal
feine Hoffnung mel;r für ha§> SSaterlanb oor()anben fei, bann möge man
(eicEit fterben. Offenbar raoate er fid^ für einen mög(id^en Umfc^lag ber
öffent(i^en Singe aufbewahren, inbem er fofort nac^ STegijpten fu^r; in
2l(ejanbrien erfotgte bann nac^ einiger 3eit, o(g unter ^:pto(emäo§ ^^ilopator
lebe Hoffnung gef^rounben raar, ba§ roe(tberü(;mte @nbe be^ 5^(eomene§
unb feines ganjen ©efolgeS burd) eigene ^anb, auf offenem ^(a|e; ha>
mit raar oottjogen, raa§ er noc^ ha^dm oerfproc^en ^atU: (ebenb ober
fterbenb gu tun, raa§ ©parta suträg(icf) fei; \i^ fie(en niä)t in ber ^aft
„raie gemäftete Opfertiere" ; ber SBunfc^ be§ „raürbigen ^-obeS" (ev^arax^aao)
raar erfüttt. ©in eigentümtid^er ®ti( beg(eitete bie %at bis anS ®nbe;
Fragmenta incerta 36. 3) j^^^bor XX,
1

34.
^) ©0 5. S. bem SBcic^ter, STntigone 439. |
^) ^m. ^mn. 31 . SJergl. 29 unb 37.
3. Öutd^orbt, ©riec^ifc^e Jlulturgefc^ic^te 11. 90
434 3"r 0efamt5i(an5 be§ grietfiifd^en Se6en^.

auf 33efe(;[ be§ ^[eomeneg mu^tc fein ©eliebter, ^anteuS, bei allen ^erum-

getjen unb mit bem 2)o(c^e nad)^e(fen, mo einer no(^ lebte; ai§> er aud^

feinem Äönig, ber noi^ mit bem 2tngefic^t gudte, biefen legten 2)ienft er»

lüiefen, umfdjlang er benfelben unb gab bann ficf) felbft ben töblid;en ©tid).

©in falbes 3af)rf)unbert fpäter blieb ber oon ben S^tömern über»
rounbene ^önig Werfen! üon SJiajebonien am Seben, ging im S^riump{)e
mit unb lebte in römifc^er ^aft au§>. 33ei feinem fonftigen abfdieulic^en
C()arafter roirb ejS untuntid) bleiben, iijm roie bem 5lIeomene§ eine patrio»

tifc^e 3(bfid)t beim SBeiterleben gugutrauen, unb auc^ bie 2)UtroeIt Ijat i£)n

ber gemeinen SebenSliebe bef($ulbigt. ©(^on ber ©ieger 2lemiliu§ ^aulu§^)


roarf i{)m biefelbe fpottenb cor, ai§> ^serfeu§ barum bitten moHte, nii^t

im S^riumpl; aufgeführt 3U werben. — 33ei Stnla^ biefeS ^serfeu»friege§

teilt un§ anwerben! ^o(ijbios^) feine 2lnfic^t über ben Sered)tigung§grab


be§ freiroilligen Xo'OtS» mit, foroeit berfelbe politifc^ tätige 9)Jenfc^en betraf.

(Sin ^eil oon ©piruS Ijatte mit ^erfeu§ gel^alten auf eintreiben breier

SJtänner, meiere bann, al^ ba§ üolle Ungtüd l)ereinbrac^ , fic^ roürbig
(yfrmiwg) beu Xoh gaben; biefe muffe ntan loben, meit fie fid^ nic^t

megroarfen unb nid)t oerfannten, ba^ fie in eine iljre» frül)ern Seben§

nid)t raürbige Sage geraten loaren. 5)agegen taten biejenigen, meldte in


2l(^aia, ^Ijeffalien u. f. ra. fic^ nic^t nad^mei;§bar fompromittiert Ijatten,
moljl baran, bie Unterfuc^ung über fi($ ergel;en §u laffen unb jebe ^off=>

nung §u t)erfud)en, benn e§ fei ein ebenfo großer ^eroei;? unroürbiger


5Den!art (ayfwfiag), menn man fi(^, ol)ne ©diuIbberauBtfein, cor ber 3eit
an§> bloßer ^urc^t cor politifd)en ©egnern ober Sßittfür oon äliäd^tigen
ha§> Seben ne^me, al§ roenn mon ber SebenSliebe über ha§^ ©d^idfat
l^inaug nad^gebe. i^inroieberum nimmt e§ ^oli;bio§ ben beiben ^aupt»
anpngern be§ ^erfeuS auf 9tt;obo§ fel)r übel, ha^ fie, obmoljl oöllig
Übermiefen unb eine 3Serlegenl)eit für i^re ^eimat, nic^t ben 3)iut Ijatten,

fid) au§ ber 2Belt {ixuoScör) §u mad^en, fonbern au§ Sebenäliebe zauberten,
öud) beim ^erluft aller 2lu§fid^ten ; bamit Ijätten fie bei ben 9]ad^fommen
jeben 9teft oon SHitleib unb 9kd)fid^t oerfd^erst.

2Bieber jroei ^alirjelinte fpäter (146 o. 6l)r.)/ nad) ber allgemeinen

9lieberlage ber ©riedien burd^ bie römifc^en ^Truppen im legten a^äifd^en

') ^(ut. Slemir. 34. | ^) ^olgb. XXX, 7. 8.


3ur ©efamtSilanj be§ griecf)i[cl^en Sebeivo. 435

•5lriege^), brachten 3]er3roeiflung unb SSalmfinn ja^Kofe Selbftmorbe ^eruor;

überaß fprangen Seute in bie ,3tfteriteu ober oon ^^elfen l;erunter, [o bajs

e» anä) bie ©ieger erbarmen Eonnte, meldten ben meiften baöon gar nid;t§
n)ürben juleibe getan I;aben.

Ueber ben oft befpro(^enen freiroiüigen %oh im ben ^(;ilofopI)en

bürfen rair t)ier !urj fein. Sie 33eric^te finb olineljin nic^t immer
Snoerläffig, inbem ja ber Slugenjeugen in ber Siegel nur wenige waren
itnb folc^e, bie oietteicfit nid)t gerne ha§ GJenaue melbeten; einiget, roie

5. 33. bie üerf(^iebenen ©agen üom Xobe be§ ^eraflit, fieljt offenbar nad)
<grbid)tung aul.

3Ber ber (Seelenn)anberung§le{)re anljing, burfte fein 2^htn nidjt

eigenwillig befd)lie^en, unb fd)on beSbalb ift ber ©prung be» ®mpebofIe§
in ben Krater be§ 3letna ein SJiärd^en. Saut ber pt)tl)agoreif^en Seljre -)

finb bie ©eelen in bie Seiber gebannt jur Strafe; ber ©elbftmorb mad}t

nid^t frei üom „J^rei» ber SsuSii^S"; wer nid)t im Seibe au^(;ält, big

bie @ottl)cit il;n erlöft, oerfällt nod^ meljrerem unb größerem i^ammer,
baf)er bei ben ©laubigen ba§ gebulbige 2lbmarten be§ SobeS im 2tlter.

©onft aber geljört bie ^efugni§ bev freiwilligen 2:^obe!§ ju att ber übrigen

greiJieit im Seben ber ^bilofopljen, unb mit ber ^dt wirb fie fogar
förmlich in iiire ©ijfteme aufgenommen. ®er tatfäd)lid;e ©elbftmorb be§
©ofrate;?, burdi 'i>erfd)mäf;ung ber ^ylud^t unb abfid)tlic^e ©rbitterung
ber dliä)Ux, wirb bei Xenop^on^) auf ba§ beutltd)fte betont. Ser faft

l)unbertiäl;rige Semofrit fa^te ben 33orfa^, ^ungerg ju fterben, ba aber


gerabe ba§ gro^e SBeiberfeft ber 2i)efmopljorien beoorftanb, baten ii)n bie

grauen im ^aufe um einen 2luffc^ub, unb er i)ielt fic| noc^ einige ^^age
mit etwas §onig am Seben. 2)ie ^sljilofopt)en uolläogen hin Sd^ritt
überl)aupt faft nur bei fel)r i)ol;em, ber »gilflofigfeit naljem 2Uter ober in
unl;eilbarer ^ran!i)eit. 2lriftotele§ war ©egner be§ oelbftmorbeS unb ift

nad) Überwiegenben ^eugniffen in (SlialfiS natür[id;en Xoht^ geftorben,


obwoi;t feine Slnfid^t oom Seben unb inSbefonbere bie oom 3llter, wie
oben erwäljnt, eine feljr büftere gewefen war. ®a§ a>erl)a[ten ber Synifer

lernt man nur burc^ 3lnefboten fennen, welche jwar be5eic^nenb lauten,

1) «ßol^b. XL, 3. 3) xenop^. Apol. Socr., 6ef. § 9, 14,


2) Söergl. (gujit^eog Bei Sitten. IV, 45.
I

I 23. — 5ßIato Äriton, p. 45—46 a.


436 3ur ©efamtbilanä be§ griecfiifd^en Se5en§.

aber mä)t notiuenbig wai)x finb. 2)em fronten 2lntiftl)enc§ bringt ©iogene^
einen 2)oIc|, unb bafe jener [ic^ gleid^rool;! nic^t erfticEit, n)irb i^m bann
al§ „Seben^Iiebe" au^^gelegt ^). (Sinmal aber ranrbe 3)iogene§ felber !ran!,

unb jemanb fom unb riet itjm §um freiraiHigen S^obe, Mam jebocf) fölgenbe

3lntroort: „für folc^e, raeld^e rai[fen, wie man im 2thtn ^onbeln unb raa§

man fprei^en foll, giemt e^ fi(| am Seben gu bleiben, bu freilirf) fönnteft

perfeft fterben." — 2)o^ ift 2)iogene§ narfi^er neungigjäljrig burd) 2ln*

Jialten be§ 2ltem§ geftorben^).

33on ^ege[ia§ bem (£i)renai!er unb feiner £e!)re be» tiefften ^effimi^^

mu§, meiere manche feiner ßit^örer in ben ©elbftmorb getrieben ^aben

foH, ift fd^on bie 9iebe geroefen. S)ag ^auptaflenftücf, ein ©efpräc^ eineS

fi(^ 5U ^^obe ^ungernben {dnoxaQUQMi) mit feinen greunben, meiere i^n

am Seben er£)alten raoHen, ift nic^t auf unfere 3«it gefommen. 9JZenebemo§,

ber ©tifter ber ©diule oon ©retria, tötete fic^ oierunbfiebsigiälirig am


^ofe be§ 2lntigono§ ©onataS burd^ fiebentägigeS ^ungern, meil if)m ber

^önig bie Befreiung (ober ©emofratifierung) feiner ^aterftabt ni^t ge^


mä^rt i)atte^).

Sie £et)re be§ ®pi!ur mar, ba^ man bei unerträglichen ©(^mer^en
ha§> 2zhzn oerlaffen bürfe mie ein 3^l)eater; er felbft ift 3roeiunbfiebäig=

jäljrig nad^ sroeimöi^entlidier, aU unlieilbar er!annter 5!ranfl)eit in eine

SSanne ^ei^en SBafferS geftiegen unb, ungemifcl)ten SBein fc^lürfenb, ge--

ftorben; feine legten Sleu^erungen waren lauter greube über bie im ßeben
genoffenen pl)ilofopl)ifcl)en ©efpräc^e unb 35itten an bie greunbe, feiner

Seiiren eingeben! gu fein. — 3)ie ©toa geftattete ben ©elbftmorb in


weitem Umfang unb bei Seiben aüer 3lrt, unb bann eigentlich ai§> ^^^flic^t.

©cl)on ber ©tifter ber ©d^ule, 3enon, aU er fid; in l;ol)en ^atjren rounb

gefallen, erbroffelte fidjO; ^leantl)e§ ftarb ac^tjigjä^rig ben freiroittigen

^ungertob, unb nod) eine 9^eil)e t)on ©toifern ober ftoifd) ©cfinnten bi§

tief in bie ^aifer§eit enbigten \i)x Seben freimiHig ^). 2)tarc 2lurel ^ielt

') S)iog. Saert. VI, 1, 18. 19. ^) Saut ©uibflg, bei 2ße[termann,
^) Sßogegen bie 2lugfage 2lelian V. H. Biogr., p. 421, ftarb er ^uiigerS, inbem er
Vm, 14 surücfftef)en mujs. — a^etrolleg tfiglic^ weniger ©peife ju fid^ nat)m.

erfticfte ftc^ in f)o^en ^aliren. 2)iog. Saert. '•")


©eneca legt e§, de i)rovidentia
VI, 95. cap. 6, feinen Sefern ganj befonberg nal^e.
=») 5)iog. Saert. II, 18, 17.
;

3ur ®e[amt6ilan5 be§ gried^ifc^en SebenS. 437

tien Sob überliaupt für erfef)nen§roert, unb gtuar im ^inbüii auf bie

3)^enf(^en, üon Tt)el(^en er umgeben mor, unb roeldie er mit (Sanftmut

beljanbelte^); für ben ©clbftmorb betjält er fi^ nur im allgemeinen ein

le^tea dttä)t mx: „Man barf ba§ Seben üerlaffen, roenn bie Seute un§

-ni(^t gcftotten fo raeiter 5U leben, al§> ftänbe ber Xoh ot)nef)in no'^e beoor

raenn 'Mauä) (im @ema(^e) ift, gelje id) I)inaug; roenn aber ni^t§ ber

2lrt mic^ I)inau§treibt, bleibe ic^ freiroiHig^)."

9Son namljaften ©elefjrten ifl eratoftt)ene§ (195 0. (S^r.) ac^tsig»

jährig ben freiroilligen ^ungertob geftorben roegen bro{)enber ©rblinbung;


2lriftar(^ ftarb sroeiunbfiebäigjäfirig auf 39P^^i^ be§felben Xoht^i roegen

3ßaffer[u(^t^). ^olemon oon Saobüea am 2v}to^, 9i(;etor unb ©op^ift ju


©mi)rna im 11. Qa^r^unbert n. ©^r., legte fic§ bei fernerer ©ic^t fec^§=

unbfünf3igiöt;rig in fein ©rab unb ftarb auf bie nämlid^e SSeife; ben
jammernben 33erroanbten fagte er: gebt mir einen anbern Seib, unb id;

jüiH roeiter beflamieren*)!

3)er fpätefte namtiafte ^^itofopljenfelbftmorb (168 n. (E^x.) roar ber

be§ Sw^^''^^ ^eregrinuS Proteus, roeld^er fi(^ ju Dtpmpia roäl;renb be§

gefiel auf einem ©d^eiterljaufen uerbrannte. ®er on allen übrigen 3telen

irre geworbene ^eUenifc^e 9fluf)mfinn fe|t tjier fein eigene^ @nbe mit aller

möglidien üorangel;enben 9teflame feierlid^ in ©jene al§> J)era!(eifd)e ©elbft»

«pottieofe ^). Slüerbingg in einem ^aljrtjunbert , roel^eS of)nef)in üoU


flogen über bie oEgemeine 9iud)lofigfeit roar^) unb (bei Sudan) ben ^o^n
über bie ganje SBelt, über ©ötter unb a}lenfc^en gu I;ören be!am. (Sl

mar £)oi)e 3eit, baB neben biefer ©efettfdjaft eine onbere i)eranrou^§,

roeld^e eine ebenfo gro^e ©terberoittigfeit in taufenb 3Raxtv)xkn an ben


^ag legte, aber gugleic^ ein neue§ l)ol)e§ 3iel bei Sebenl oor fid) l)atte.

Eig iavr6y, IX, 3. 33ergt. X, 8. *) eOb. p. 349.


'')
ebb. V, 29. 5) 35ergL ^ßaufan. VI, 8, 3 bie be§
^) (Suibog bei 2Beftermann, Biogr., 2ltf)leten 2:tmant^cö.

p. 361. «) «ergl. it. a. «ßaufan. VIII, 2, 2.


JVachträge^

1) 3" ^ßit 9)?etamorp^ofen ©. 5—18. Qnx SSerraanblung itr


©eil) äff er (S. 9 f.) ift noc^ptragen ba^ na^ §t)9in (fab. 7) ber
,

^^irfequed auf bem ^itljäron an§> bem Stute ber getöteten 3)irfe entftanben

ift. — ^aä) älpottobor ferner (III, 12, 6) trifft 3eu§ einen glu^gott,
ber aU 9Jtenf(^ eine ^yamilie gegrünbet f)at unb i^n wegen einer üerfül;rten

Xod)kx oerfolgt, mit bem 33(i|ftral)l unb fenbet i§n in feine eigenen
j^Iuten imüä, b. l). er mad;t il)n nneber §um glu^. ^oljer fütirt biefer

glu^ (2(fopu§, aber roeldjer?) noc^ bi§ f)eute iloi)len. — ^loä) mrf)t

SJJetamorpfiofe ift e§, menn ein fc^on oorl^anbener gluB einen neuen
DIomen erljält, nämlic^ hm eineg menfc^lic^en SBefenS, bag fid^ aug 93er9

groeiflung, namentlid) raegen ung(ü(i(id}er ober t)erbrec§erifd)er Siebe,

t)ineingeftür§t Ijat. ^ieüon finbet fic^ bei ^^(utard) de fliiviis eine SJtenge

oon 33eifpielen. Defter erfolgt bie Madje bei bem nömlidien gluB §n)eimal

p oerf(^iebenen 3^^^^^/ raomit bie ^bee ber 9)ietamorpt;ofe im ©runbe


au^gef^Ioffen ift. 9}Je§rmal§ entfielet ber neue 9iame „auf 2lnorbnung
ber ©Otter". — 3flur eine momentane 3}ietamorpI;ofe ift bie in ber

näm(id)en ©c^rift (24, 1) erää!)(te ä^ermanblung be§ S)ioni;fo0 in ben


^luB Tigris, eine ed^te bagegen (10, 1) bie @ntftel)ung ber ©atprn unb
be§ ?^Iuffe§ 9J?arfr)a§ oul bem ftrömenben 33Iute be§ oon 2lpoIIo ge*

fd^unbenen 3)Zarfi)a§. — einmal (18, 3) mirb erjäl^lt, loie ein menfd;«


geroefener ^^luB hmä) ©ötterradie au^getrodnet rairb: 3nad)0§ Ijatte ben
3eu§ roegen @ntfü!)rung ber ^o gefd^olten unb mürbe bafür burd^ ben

S8li|ftra§l be§ 3eu§ troden. 3Jian fragt fi^, ob er oielleid^t fd^on burd^

ben 3o^tt be§ 3^^^ jum ^^^»ffß geworben fei.

3u <B. 10 f. 3Iuc^ bie 9}ietamorptjofe in 33erge fommt bei ^lutarc^


de fluviis met)rfac^ oor. 9iod) ift e§ feine foldie, fonbern eine blo^e
Umncnnung, wenn ber Serg ^armanorion ben ^Jamen ^molog burd^
einen ©o^n beg Si)berfönig6 ^moloS eri)ä(t, ber bort burd) (SJöttersorn
umgekommen ift (7, 5). — Sc^on etmaS meljr öer a}ietamorp£)ofe genä()ert
9tad)träge.
439

finb bie ^äHe, ba bie Umnennung „auf 2tnorbnung ber ©ötter" ge[c^iel;t;

fo beim 23erge 3}h;enon in 3letoI{en (8, 3) unb beim (Sipplog (9, 4). —
(Sine Toir^ic^e 33erroanblung in einen geig ift eg, wenn (22, 4) er§ät)It
wirb, 5^aIt)bon, ber bie 2Irtemi§ im 33abe erblicft §atte, fei §um ^tU
geworben (r^r ^0Q(f,r]V rov Gco/uajog /ueiißcdfv elg niiQav). 9iur rü(ft

bie Slugfage roieber burc^ ben 3ufQ^, ber bigJier ©ijron gefjeiBene 33erg

fei burd^ ©ötterroiHen nac^ \l)m J^ahjbon genannt raorben, in biefelbe


Unbeftimmt^eit roie bei obigen ©teilen, ©agegen J)at ^lutarrf) boc^ ouc^
33eifpiele oon SSerro anbiungen in gange Serge unb nid^t nur in einzelne
gelgbilbungen. S^ac^e ober ©träfe ift eg gunädjft, wenn bie beleibigten
©Otter (11, 3) bie ©efcfiroifter 9f{[)obope unb ^ämug, bie in einanber oer»
liebt finb unb fic| 3eu§ unb ^era nennen, in bie glei^namigen 33erge
oerroanbeln. STeilg ©nabe, teils ©träfe ift bie 3Sern)anbIung in folgenber
©age (2, 3): ^etifon unb Mtljäron finb ungleiche trüber, ^elifon mitb
unb gegen bie ©Itern ehrerbietig, 5litl;äron geroaltfam unb be§ 2BiIIen§,
bog gange @rbe an fic^ gu reiben; er morbet ben SSater, ftürgt ben
33ruber tücüfd^ oon ber ^ö§e, faßt aber fetber nac^; burc^ SBitten ber
©Otter roerben fie in bie gleichnamigen 33erge oerraanbelt; bafier am
ilit^äron bie ©cl)rec!en§mijtljen, mäl;renb ber ^elifon ber ©i| ber a}Zufen
ift. — Qm alleinigen ©inn ber ©nabe oermanbelt ©elene (25, 4) einen
au§fcl)lie§lic{)en 33erel)rer, ber fi^ bamit ben ^a^ ber übrigen ©ötter unb
einen furcfitbaren Untergang sugegogen, in ben 33erg Silaion. — 2)ag
I)ö(^fte ©tjmbol be§ ©djredeng ift bie SSerfteinerung burd^ ben Slnblicf
beg ©orgonenljaupteg. ^serfeug oerfteinert jeben in ber ©tellung, bie er

gerabe inne l^at (2lpoIIobor II, 4,2 hnoiov txaöioc, ervxs Gxnf^oi. ixon). —
Zeigte mon feine Opfer, raie ^ep^eug, ^rötog, Slgenor u. f. xo., oießeic^t
(x\§> oerfteinerte j^el§bilbung oor, mie bieg geroi^ mit Sotg grau alg
©aigfäule gefd^atj ? (SSergl. aud; ^tjgin, fab. 64.) — 2Sag 9tiobe betrifft,

fo ift no(^ nac^gutragen, ba^ fie in aipoüoborg ©arfteHung (III, 5, 6)


bie '^erfteinerung felbft alg ©nabe raünfc^t {Jvl sveafiivr] rtjv fjoQip/jv

fig Xiitor jjuxißali).

3u ©. 11 ff. 5ßerroanblung in Spiere unb ^flangen. 2öäl)renb


na(^ 3IpotIobor (II, 1, 3) 3eug bie ^o, offenbar um fie ju retten, in

eine ilu^ oerroanbelt, erfc^eint bie ^ßerroanblung Slftäong in einen ^irfc^

(3lpoaob. III, 4, 4, ^ijgin, fab. 180, 181) alg beutlic^e perfönlidie


^ad)tt'i%z.
440

^ia<i)^, bie noc^ baburc^ gefteigert ift, ba^ bie ^itnbe ber beteibigten

3Irtemi§ ben Unglüdlid^en serrei^en muffen. 3)iefe tft auä) ber ©ruub
ber 33erraanblung ber ^ägerin 2frge in eine §inbin, rooburd) ^eIto§ ein

oermeffenel SBort beftraft (.^ygin. fab. 205). 9kc^e ber 2lp^robite unb

bei 3eul ift e§ aud), roenn 2Italante unb if)r ©eliebter SRilanion ober

^ippomenel in ein Söroenpaar üenüanbelt werben (Slpottob. III, 9, 2,

§i)gin, fab. 185).

®er UrüjpuS ber ©elpljingef (^i($ten (©. 12 [.) ift offenbar

bie ©age üon ^a(ämon=9)teli!ertel, ber nac^ bem ©prung in§ 9)teer bei

9Jiegara, auf einem S)elp£)in fdjlummernb, bei Slorintl; ba^erfommt. Sie


^auptauSfage über if)n ^at ber fpäte ^§itoftrato§ (imag. I, 19; II, 16).

©I rairb babei nic^t gefagt, ba^ gerabe biefer S!)elptjin ein oermanbelter

9)Zenfdj fei, rao(;l aber !)at ^:pf)iIoftratol bei biefem 2lnla^ ^uerft bie §u

S)elpf)inen geworbenen (Seeräuber aU gebeffert unb menfdienfreunblic^

geworben überljaupt bargefteHt, b. i). ben Ijomerifc^en §t)mnu§ mit ber


^alämonfage fombiniert. — 2ln bie 3JJöglid)feit fol($er gafta wie bie

Siettung 2lrion§ burc^ hzn Selpljin unb an i§re 9Bieberl;olung glaubte

ba§: fpätere Stltertum. ^liniul (H. N. IX, 8—10) gibt eine um*
ftänbli($e ©ammlung üon @efc^i($ten äroif($en Selpljinen unb 3Jienfd^en,

unb ^aufanial erjä^It (III, 25, 5) al§ Slugengeuge: „^c^ felbft i)abt

in ^orofelene (einer ^nfel graifi^en Selbol unb bem geftlanb) ben ©elpin
gefel)en, weldjer einem Slnaben bie Jlettung oerbanfte, ber il)n, all if)m bie

gif(^er mit Rieben gugefeljt, l;eilte; er ^örte nun ouf bei Knaben Dftuf

unb trug i^n, menn berfelbe ouf iJ)m reiten moHte."

i^n 33Öget (®. 13 f.) werben bie ben SJieleager betrauernben


2Beiber (3tpoIIob. I, 8, 3) unb ber ^roer 2lifa!ol, ber feine ©emaljHn
burd; ben Xoh oerloren Ijot (ebb. III, 12, 5), — man fragt fic^, ob
freiwillig ober bur^ einen felbftoerftänblidjen Hergang — bei bIof3er

Trauer üerwanbelt {dnoQvtMd-ijyai). 33on ^rofne unb ^l;iIometa Ijei^t

el (III, 14, 8), baB fie bie ©ötter barum gebeten Ijätten, wäfirenb oom
Gpopl blofj bie Satfadje erjätilt wirb. — ^t\)^ unb 3l(fijone finb nad)

^i)gin (fab. 65) burdi bal 9Jiitleib ber ©ötter in ^alcijonen üerwanbelt

worben, nac^bem jener in einem (Sd^iffbrud) untergegangen, biefe fid)

inl ajieer geftürst, nad^ 2lpoIIobor (I, 7, 4) aber ift bie 5ßerwanb(ung
eine Strafe, weit fie fid) all ^t\i§, unb iQera betitelt batten. — 3Iul
erbarmen enblt($ üeriuanbelt 3lt^ene bie üon i^rem Später @popeu§ ge»
notjüdjttgte TaßuMm, bie ficf) cor ©c^ant in ben 2BäIbern geborgen
l)at, in eine 9tac^teute (§i)gin, fab. 204). — 9Son ben (S. 12 erroätinten
9iei{)ern ber ^iomebe^infel roei^ Sluguftin, de civitate dei XVIII, c. 16,
nad) 'Jßaxxo gu berichten, ba^ fie mit tljren mächtigen ©c^näbetn bie
9^i(^tgried)en fogar ju STobe ^ocften. 3luguftin l)at für fie bie ©rflärung,
e^^ feien graar nic^t bie in SSögel oerroanbelten ©enoffen be§ S)iomebeg,
fonbern biefe feien entrüdt unb bie 9^ei(;er an iljre ©tette gefegt roorben
(snbtractis credo fuisse suppositas), wie bie ^inbin für 3pl;igenio,
biefeg nämtid) fönnten bie S)ämonen. ©ie ^tkn bie SSöget au§> einer
onbern ©egenb naä) ber ^nfel gebrad;t, wo fie fic^ fortgepflanzt r;ätten.
2In eine ^tüdoerroanblung oon STier in aJlenfc^ (oergl. 6. 14)
!ann man bei ber (äfopifd^en ?) gabel benfen, auf meiere ^lutarc^
(Proverb. Alexandrin. 101) anfpielt. aipljrobite üermanbelt ^ier eine
ta^e in eine grau, meiere aber bann in i^rem fafranfarbigen ßtjiton
bennod^ ben 9JJäufen nac^fpringt. ©od^ ift bie ©efd^ii^te auc^ fpmbolifi^
aU ^ilb ber Unocränberlid^feit be§ ß^arafterg bei allen äuBern SBanbehmgen

SU üerftel;en.
®ine 9}Mamorpf)ofe in bie ^sft ans e (®- 15) berid^tet ©trabo (VIII,
4, 14, p. 344). 93Hnt{)e, ein SIebenraeib be§ ^ah^ä, mirb, nac^bem J!ore
fie mit güBen getreten, in bie ^ifjjram fiiv^rj (^feffermünj) oerroanbelt.
2lu§ m\\k\\) bagegen mirb (.§i)gin, fab. 138) ^stjilpra oon 3eu§ tn eine
Sinbe oerroanbelt. ©ie ^at biefen, nai^bem fie, üon ^ronoS (in ©eftalt
eineg 9toffe§) befd^Iafen, ben S^entauren ei;eiron geboren E)at, bei bem
unerwarteten 3lnbli(f be§ ^inbe§ um irgenb eine 33erroanblung angef{el;t
(ut se in aliquam speciem mutaret).
Sie weitere 2lu§be^nung be^ $öerroanblung§glauben§ im ^^olfc
führte bann ba^in, ba^ an bie ©teüe ber ©ottljeiten ^ejen, befonber^
bie t^effalifc^en, traten unb an bie ©teUe ber bauernben ©attung§üer=
manblung wie bei ber Spfant^ropie eine oieHeic^t blo^ geitroeilige, wofür
ba§ berü^mtefte Seifpiel bie (gfelSgefc^idjte be§ Sucian unb SlpuIejuS ift.

Sei ^^tolemäug ^ep^äft. IV (9Beftermann, mythogr., p. 190) roirb hz'


richtet, in 5ti)rr^enien gebe e§ einen "AXhg nvQyoq (finb I;ier rooljl ^ijrgi
unb 2llfium oermifc^t?), fo benennt oon §oI§, einer ttirrl^enif^en ^e^-e
(ipuQfjaxig), welche S)ienertn ber ^irfe geroefen unb i{)rer ^errin entlaufen
S^ac^träge.
442

raar. 3u biefer, Ijei^t ev, fei Cbijffeug gefommen; [ie uerioanbelte {§n

burc^ ifire ^oubennittel in ein ^:|?ferb, ha§> fie bei fi($ fütterte, U§ e§ alt

lüurbc unb ftarb. ®a()er l^ei^t e§ (Dbi)ff. XI, 133) danaog Si tov i^

äUg avTO). — 2luguftin, nad)bem er (de civ. dei XVIII, 17) oon \it\i

S^erroanblungen ber 5lirfe unb mit befonberem Setail oon ben in 3Bö(fe
üerraanbelten unb bann raieber ju 9Jcenfd;en geraorbenen 2Ir!abern ge»

fproc^en \>ja\, glaubt nic!)t uöttig an folrfie ^raft ber S)ämonen (bie imnier*

[jin gefallene ©ngel finb unb, unter Umftänben wenigftenS, roag biefe,

tonnen), STiere in 3}ienfrf)en ju ueruianbeln. ®oc^ würbe \\)m in Italien

betjauptet, e§ gebe no(^ ©aftroirtinnen (stabularias mulieres), roelrfie

9}lenfc^en in ^ferbe oerroanbeln fönnten, wobei SlpuIejuS al§ ^orattele

(jerangegogen wirb. @ine niöglid)e @r!lärung fc^eint it)m, bafe man fid)

bergleic^en nur in einem fedr feften ©($laf einbilbe; er gibt eine genaue

:KeIation oon einem foId)en, melc^er al§ ^ferb geglaubt l)atte 9)lilitär=

proüiant ju tragen (l;ier folgt no(^ eine nidit fiie^er gel;örige merf*

TOürbige ©efd^idite oon SBirfen in bie ^erne, ba ein feft 2;räumenber

einem anbern förperlid) erfdjeint, unb t;ier glaubt Sluguftin, unb oießeic^t

mit 9ied)t).

3u ben „©ternbilbern" (©. 17). pr aJJenfdien, Stiere unb


S)inge ber 3}^i)tl)enraelt, xotlö^z \a fterblic^ ober rergänglid^ geraefen, raill

bie 3Serfe^ung unter bie ©ternbilber am el)eften fagen, ba^ fie unfterbli($,

ja göttlid) gemad)t roorben feien, roenn l)ier überljaupt oon einer feften

Sebeutung bie 9tebe fein fann ^). 9}Ze|rmal§ mar e§ nid)t einmal ganj

fieser, mer gemeint fei, 5. S. beim ©(^langenlialter, ber Jungfrau, bem


^-ul;rmann, bem SBaffermann u. f. m. Wdi anbern Söorten, bie ^l;antafie,

roeldie ©terne ju einem ^ilbe fammelte, rcar, luie man oermuten fotttc,

früljer oorlianben al§ bie mtjt^ologifdie ©eutung. S)er 9Iu§brud, faft

ol)ne 2lu§nal)me nur au0 Duellen fpäterer 3eit gu entnehmen, läfet überall

eine ©nabe, @l)re ober Seloljnung buri^ bie ©ötter erfennen, unb audj,

mo e§ fic^ um Xiere l)anbelt, finb e§ foldie, roeldje fid) um ©ötter vzx'


bient gemad^t. S)ie ©djlange 5. 33. ift burd) §era an ben ^Qimmel ge=

raten, auf beren (^ebot fie bie golbenen 2lepfel ber ^efperiben gelautet
l)atte, big ^erafleg fie erlegte; biefen aber (mörtlid) fein tTÖMhu)^ un»

') 3"fammenftellung tei (^feubos) '

Mythogr, Saute. 20 ftammt ber J't<«Vo(Twoc

Gratoftf)eneä Catasterismi bei SBeftcrm., j


tmv ((oiomv non ,'^ermc§ l^ei'.
3?ad)trä9e. 443

mittelbar an ba§ SternMlb ber ©i^Iange fto^enb, l)at bann 3^^^ ^n ben
^immcl ueri'e^t. ®er ©tier roar berjenige, TOelcfier bie ©uropa burc^
bie fluten getragen; bie ©fei roaren bie beg S)iomjfo^ unb ber <Bah)xn,
unb üor i£)reni ©ebrütt Ijatten einft bie ©iganten 9iei|au§ genommen.
S)en (Sdiman brachte 3ßu§ unter bie ©eftirne, al§ er in biefer ©eftalt

üon irbifd)en Siebfc^aften l)er mieber in ben 2let^er emporgefd^raebt raar,


ben Söroen ai§> ^önig ber 2^iere, ben 2tbler, weil biefer iE)m jugefatlen,

„aU bie ©ötter bie SSögel unter fid) oerteilten." 3)ie Slrgo fam burc^
2It{)ene, i^re Erbauerin, an ba§ Firmament, bamit bie ©eefai)rer SRut

faxten, unb ber 9iui)m be§ ©c^iffeg nie altern möchte (üergl. aucf) §t)gin,

fab. 14). Sag Dpferbecfen {Svi^qlov) ift ba^jenige, über melcfiem bie

©Otter fcfirooren, alg 3^u§ gegen ^ronoS aufbrac^. '^\xwx 2tnbenfen öer^

festen fie e0 an ben ^immel. ^Zacf) ^lutard^ de fluviis (3, 4) mürbe


ouf Sßunfd) 2lpo(Ion§ au(^ bie 2,X)xa be§ Drp(;eu§ an ben ^immel oer=

fe^t. — 58ieffeic^t fi^on fetjr alt ift bie Deutung ber Ursa major al§

^attifto. ^aufaniag VIII, 3, 3 erjä^lt, 3eu§ ^aht ^aCifto geliebt, unb


aU ^era bieg entbedte, fie (offenbar um fie gu retten) in eine Sarin oer=

manbelt. 2Irtemi§ aber erfd^o^ biefe 33ärin ber ^era gu ©efallen. S)arauf

fanbte 3eug ben ^ermeg, um bag i^inb ju retten, mit bem fie fdiroanger

mar. (Sie Ursa minor? ober e^er ben Slrfag, welcher bann alg ©o^n
ber ^aßiflo auftritt?) Sie ^allifto felbft aber oermanbelte er in biejenigen

©terne, meldte man ben großen 33ären nennt. (SSergt. auc| älpottobor III,

8/ 2, iQijgin, fab. 177, ^sfeubo^^efiob 2lftronomica bei Mnfel, fragm.


epic. Gr., p. 87 aug ben SlratoSfc^oIien.)

2) 3um ^öiienbienft ©. 26. Bretter, 3J?9t§oI. I, 77 befpric^t

benfelben nur bei Slnla^ beg 3^"^ unb jitiert iQerobot I, 131 über ben
3eugbienft ber ^erfer auf ben Ijöc^ften S3ergen, „inbem fie ben gangen
^reig beg ^immelg 3^1^^ nennen", womit nocb eljer 3Jiit^ra al§ Sluramajba

gemeint fein mag; laut ä^orftellung be§ 3ß«^aüefta „fe^U fid) 2)iit§ra

guerft auf bie 33ergfpi|e" (oergl. Sunder, ©efc^. b. Slltert., I. 3luf(. II,

362). Ueber ben §öt)enbienft ber Ijeibnifdien ^anaaniter f. SBiner s. v.

Söerggötter unb ^ötjen unb Elitäre.

^or allem oerftei)t fid) ba§ 33efteigen ber I;öc^ften unb fteilften

^öl)en, an meieren ©ried^enlanb feinen 9Jtange( t)at, nic^t uon felbft.

Sie frül)efte ^^^^"Qffogiotion, roeldje auf ben 33erglji3[jen ben ©i^ ber
««ad^träge.
444

mag baran geljaucjen (jaben, 'oa^ biefe ^ö!)en einft»


©Otter uerniutete,
waren. ®ie ©onne befdiien [ie mit ifiren erften
weilen unerftiegen

i^nen ftrömten Säc^e nnb Dueüen nieber, an iljnen


etral;(en; t)on

bammelten fid) bie ©emitter.

©in ^roeiteS ©tabium war, ha^ man fie erftieg unb öljne Broeifel

®§ maren mot)! füt)ne 9)knf^en, bie fid) bort


fogleic^ bort opferte.

juerft Ijinaufmagten; fie konnten nidjt raiffen, men fie oben treffen

mürben. aSom 2ltl;o§ glaubte man (^^pompon. 9)lela II, 2), er fei fo

über ber 5RegenbiIbung liege; menigften§ fanb


Ijo^, baB fein ©ipfel

man' auf ben bortigen „2lltären" bie 2lf(^e frül)erer Opfer no^ unab=

geroafdien oor.

©d}on biefer ^lural jeigt nun, "oa^ mehreren ©öttern bort geopfert

Beug auf ben ^i3f)enbienft fein 2iaeinred)t.


mürbe, unb in ber Xat I)atte

Dlymp Ijielt man geroi^ f(^on fe^r frü^ für ben


2lud^ ben tl^effalifdjen

SBo^nfi^ aller ©ötter. Sie meiften Sergaltäre aber galten t§m barum,
weil er ber SBetter^ unb 3(etl)ergott xar i^ox^jr mar. ®a§ ^auptbeifpiel

be§ 3eu§»^öf)enbienfte§ ift ber oon ^aufan. YIII, 38, 5 gefdiilberte mt


auf bem arfabifc^en ßpfaion. ^ier mar gunädift ber unsugänglid)e l)eitige

33esir! (refxfroc), mo bie Siere feinen ©chatten warfen; bann fam auf
2lltar
bem oberften ©ipfel eine @rbauffd)üttung ins ;r«i"«), nämlic^ ber

be§ 3eu? SgfaioS, oon mo au§ man ben größten ^eil be§ ^^eloponneS

Überfall; üor berfelben gegen Dften waren gwei oergolbete altertümlidic


©äulen i^^ioveg). Stuf bem Slltar aber brad^te man bejn 3eu§ £ijfaio§

ein ©ef)eimopfer (iv drroQQrjjcp) bar, über weldieS umftänblic^ p fein

5ßergl. and) ba§ ^l^ergeidmi^ ber


^:paufania0 nic|t erwünfd^t C^Si) ift.

3eulgipfel bei ^retter I, 82 ff.

^2>ieaeic^t liegt noc^ ein anberer Söinf jur ©rllärung be§ ^öljen»

oorljerrfc^enben ©onnenreligion. 3lad)


bienfteg in einer zeitweilig ftar!

eratoftl). ^atafterigm. 24 etjrte DrpljeuS ni^t ben ©ionpfog, fonbern

l)ielt ben §eliog für ben größten ber ©ötter, ben er au^ SlpoQon
nannte; er ftanb be§ 9kd;t§ auf unb erwartete gegen 9)Zorgen Ijin auf

bem Serge *:pangaion ben 2lufgang ber ©onne, iVa % t6v"HUov


Tl 1)0)1 OV

3) 3um S)ämon 9)Zarc SXureU (S. 76). Sie angefüljrten

Stellen au? ber ©c^rift fk irxviby lauten folgenbermafeen: II, wirb ber
3?ad;träge. 445

SSielforfc^er getabelt, ber in SBelt unb äliitmenfcfjen alleg ergrünben witt


unb nic^t inne roirb, bo^ eg genügt, nur bei bem Sämon feinet eigenen

Innern ju roeilen unb biefem raürbig ju bienen (tt^oc pörw to) trSoy
laviov daifiopi eivai xal lovrov yi'f^aiMg d^fQajievfiv). liefet 2)ienft

h^fkl)t barin, ha^ man i^n (ben ©ärnon) frei oom 2lffeft {na&og) be«

n)al;re unb com 9Jic^tigen {eixatoi^^g) unb oon UnjufriebenJieit roegen


beffen, wag un§ üon ©öttern ober 3JZenfc^en guftöBt. — II, 17 (batiert
aus ßarnutum): Gegenüber ber ^infäüigfeit aüe§> ^rbifcfien unb 3eit»
liefen !onn un§ allein Ijinbur^füljren (burc^ljelfen, rraQmrifiyjai) bie
^I)iIofopi)ie. 2)ie[e beftel;t borin, ba^ nton ben Sänton feinet :3nnern
unmi^fianbelt unb unüerle^t (dvvßQtGiov xal dotr^) beraalire, ben ©enüffen
unb Seiben überlegen, nichts unbebacf)t (elxfj) tuenb, unb nid^tg mit S:äufc|ung

unb a^erftellung, unabhängig üon 2iaem, roa^ 2tnbere tun ober ni^t tun,
2t(Ie§, roa§ gefc^ietjt unb guftöBt, fo oufneljmenb, al§ fomnte e§ oon bal}er,
oon loannen er felbft gefommen ift, mit rui)igem ©inn gemärtig
be§ 2:0 be§, ber nicE)t0 al§ eine 2luflö[ung ber Elemente ift, au§ meldten
jebeS lebenbe SBefen befielt. — Sßom Xohz, auä) raenn er in bal ^idM
fül;ren foHte, (jei^t e§, III, 3: SDu wirft raenigften^ aufhören, einem fo
geringen @efö§ gu bienen. 9Benn aber ha§ bi§(;er ©ienenbe weiterlebt,
fo ift eg ©eift (vovg) unb S)ämon — S)a§ anbere ift ©rbe unb Un=
reinigfeit {U&qoc, sanies). — III, 4: ®er nac^ bem ^ö^ften ftrebenbe
Tlmiä) ift ein ^riefter unb Siener ber @ötter, inbem er fid) au^ an
haSi in feinem Innern SlufgeridEitete t;ält {/QO)iJsvog xal ko hdov iögv/airoi

avTov, biefeg ^^eutrum begeid^net ben S)ömon), raelt^eS bewirft, ba^ ber
3}ienfcl) fei unberüfirt oon Süften, unuerrounbbar bur^ Seiben u. f. ro. —
III, 6. ^räbifate bei S)ämon§: zov iviÖQv^ivov eV aov dai/novog, rag re

ISlag oQfiäg vnojeiaxorog tavio), xal zag (paviaaiag i^srä^ovrog, xal


rwv al(T&/]Tix(av Trf/dfwr, u>g b ^coxQÜTtjg l'Xsyiv, iavibv dcpfilxvxörog,
xal Tolg d^foTg vjioiexaxöiog^) kavxov xal icov äv&Qwncov nQoxrjdofiivov
(ber in bir felbft aufgerid)tet ift unb bie eigenen S^riebe fic| felbft unter»
lüürfig gemadjt f)at unb bie 33orfte(Iungen prüft unb fic^ oon ben finn^
liefen 3lffeften, roie ©ofrateS fagte, loSgeriffen ^at unb fic^ ben ©öttern
untergeorbnet fiat unb für atte 3)?enfc^en 3U forgen fuc|t). — III, 12.

^) iSie Reiben vnonTKxÖTog geben ju benfen.


446 JJad^träge.

^n einer 3lnroe{fung jum glücflii^en Seben Jiei^t e§ u. a.: 9öenn bu


bellten ^ämon in reinem 33eftanbe {xaS^aqbv tarana) beroaljrft, aU mü^teft

bu gerabe je^t uon iljm fdieiben, wenn hn bicf) biefent (t-owtw ftatt jovto

gu lefen) anfd)Iie^eft. — III, 16. SSon ben brei 3:;ei(ett be§ menfd)lid^en

fl>efen§ l;aben lüir bie förperlic^en ©mpfinbungen {sw^aTog al(j&?jafig)

üiiä^ mit ben Vieren, bie S^riebe be§ ^nnern {^ivx^g oq/jüc) an^ mit
aserbred)ern gemein, aber nur ber ©ute Ijat ben i^nteüeft (rovg) §um
gütjrer, fo bo^ er, wa§> i^m irgenb guftö^t, gutroiHig aufnimmt, ben in

feiner 33ruft aufgeridjteten 2)ämon nic^t beftcdt (cpvQur), nocf) oerroirrt

burd^ ein ©ebränge üon ^fjantafiebilbern (o/Xm (pavTaciwr), fonbern gnäbig

beroaljrt, inbem er i^m fromm (xoapioig) folgt raie einem ©otte. — V, 10.

Sie ©timmung be§ 2Iu§Ieben§ bebarf nur gmeierlei, nämlic^ bie Heber'

jeugung, bo^ nichts gefd)el)en fönne, al§ raaS ber ^f^atur beg 21II§ gemä^
ift, fobann: ba^ iä) ba§ ^eä)t l;abe nirf;t§ §u tun gegen meinen ©Ott unb

5Dämon (naga lov tfiov d^eor aal dai/nom). ©euu uiemaub fauu mi(^

groingen, biefem guroibersulianbeln. — V, 27 (^auptfteHe): SHit ©Ottern

lebt, roer i£)nen beftänbig feine ©eele §eigt, aU eine foldie, meiere mit
bem 33ef(^iebenen pfrieben ift, ba§ tut, mag ber 5Dämon will, ben ^tu§>
einem jeben aU 3]orgefe|ten unb g^üljrer, aU einen 33rud)teil üon il)m

fetbft gegeben Ijat. ©iefer ift ber ^ntedeft unb bie 3]ernunft eines jeben

(ov txÜ6T(t) TTQoGiär?]}' xal rjyifxbva b Zevg tShyxfv, dnb6na6/ja iavrov.


OvTog ds iGTir b ixÜGiov vovg xal Xbyog, mens ac ratio). — VIII, 45:
D^imm mid^ unb rairf mi(^, mol;in bu miUft, raerbe iä) boc^ bafelbft meinen

^ämon gnäbig geftimmt Ijaben, b. l). aU einen, ber fic^ bamit begnügt,
ha'^ er erl;ält unb roirft, ma§ feiner Slnlage gemä^ ift (aQxov/jfrov fl i'xoi

xal iviQyoCr] xaja zb it^g rrj iöta xaiaaxsvrj'). — XII, 3: SöeUU bu


üon ber oberften ^raft alleS abfonbcrft, ma§ it)r oon ©emeinfc^aft mit
bem Seibe unb oon Bi^^iii^ft itnb 58ergangeni)eit anliängt ... unb nur ba§,
mag bu lebft, b. t). bie gegenraärtige 3eit, gu leben befliffen bift, bann
magft bu beinen 9teft oon ;^eben in 9hit)e unb SBürbe unb im g-rieben

unb ©inflang mit beinem Sämon fiinbringen (aTTQÜxjwg xal evyevaig


xal iJifwg zw auvTov öaifiovi diaßiwvai).

4) 3um gried^ifc^en ©ötterglauben ©. 216. .^^nopl^on im


'IjTJiuQxixbg (IX, 7 ff.) äußert fic^ na^ 2lufsät)lung aUer möglidjen
militärifc^en einrid)tungen folgenbermajsen : „SDieS alleS fann mot)l ge^
5iad^träge. 447

fc^el;en, TOenu bie ©ötter mit rootleu. SBunbert f{(^ icnrnnb, ha^ ]o oft

(bei mir) gefc{}rieben fteljt avy tm i}eoi nQäixnv (mit ©Ott Ijonbeln), fo

möge er too()1 raiffen, ba^ er fid) roeniger munbcrn rairb, fobalb er l)äufiger

mirb in ©efal^r gemefen fein, unb fobalb er überlegt \)(x\, ba§ im Kriege

einanber bie Parteien mit 9kcf)ftettung äufefeen, mäfirenb nur feiten bie

einen bie 9tac()ftetlung ber anbern fennen. 3SolIenb§, roer mit mem 9?at

gepflegt (fid^ militärifcf) oerabrebet), ift oljne ©ötter unmöglii^ auSfinbig

SU machen. Siefe aber roiffen alleS unb !ünben, raem fie raoEen,

aüeg an, fomolil bur^ Dpfergeic^en, al§ burd) ben 93ogelflug, al§ bur(^

fonftige Offenbarungen (f/7.««0/ «^^ ^"^<^ STräume. SBegreiflicbermeife

aber werben fie i^ren 9^at eljer benjenigen fpenben motten, roeldie nic^t

bloB bei (bringenbem) 33ebürfni§ fie befragen, roaÄ 5U tun fei, fonbern

ou(^ im 9Bol)lergel}en iljuen na(^ a^ermögen bienen {d^oamvau)." —


Söenn Ijier ber Krieger unb befonber^ ber 2lnfül)rer ebenfo raie ^äger,

©eefaljrer u. f. ra. feinen befonbern ©runb jum ©ötterbienft Ijat (ob»

mol)l e§ gerabe etwa §u Xenopl)on§ ^txi unter att)enifd)en Dffijieren

bamit am menigften gut mag beftettt gemefen fein), fo ift boc^ Ijö^ft

belet)renb, ba^ aud) ber anbäc^tige Xenopl)on ben ©Ottern feine Senfung
ber ©diidfale, fonbern nur ba§ äöiffen unb beffen ^Jtitteilung an
bie 2)ienfd)en jutraut. gromm ift auc^ ber ©djlu^ oon Xenopl)on§
KvvrjyfTuxog. $8ei feiner "»^arattele be§ ^^ger^ wit bem ©tabtpolitifer

finbet er, \ia!^ ber erftere rüftig fei unb bei ber 3^9^ ^^^ frieg§tü($tig

roerbe, roäljrenb bei le^terem ba§ ©egenteil ber ^all fei, unb fd)lie^t auf

attgemeine ©unft ber ©ötter für '^äQ,tx unb ^ferb.

®er unmittelbare unb empfunbene Sluibrud ber ;3«9^^f^ömmig!eit

ber l)abrianif($en '^txX finbet fid) in 2lrrian§ Kvvrjyiiixoc (c. 33—36).


@r forbert §ur 'Isereljrung ber 2trtemi§ 2tgrotera auf, megen ber Qualität
ber :3agbl)unbe, berichtet bann umftänbli($ unb geroi^ genau über bie

2lrtemi§opfer bei ben Gelten famt bem Sc^lu^feft, raobei bie ^agb^unbe
befranst werben, unb erörtert bann, ba^ überliaupt \x\6)\§> ol;ne bie ©ötter

Unternommene! ben 9)Zenfc^en gelinge, ^son ben ©eefaljrern genießen

ainbac^t unb 33erel)rung: ^ofeibon, 3lmpl;itrite, bie Df^ereiben; üon ben


Sanbbauern: Demeter, iljre ^oditer unb 3)iom;fo§: oon ben ©eroerbS'
leuten: Sltljene unb ^epl)äfto§; oon ben ^^ertretern ber 5lünfte unb SBiffen»

fc^aften {ol ä/LKpl uaiSfvaiv): bie 9Jhifen, 2lpotton 9Jhifagete!§, §erme§


448 Diad^träge.

unb ©ionrifoS; oon ben Siefcenben: 3Ipt;robite, ©ro§, ^eitf)o unb bie

Gljartten. ©o follen and) bie ^agbbefliffenen nic^t üergeffen ber 2lrtem{§

2(grotera, nod^ 2tpoIIon§, no(^ ^anS^, nod) ber 9it)mp^en, no(^ be» §erme§
@nobio§ unb §egemoniOi§ , noc^ aller übrigen ©ötter be§ ©ebirg§
(oQnot &eoi) — wo nicf)t, fo lüirb i(;r ^emüi)en nur ijalh gelingen,

benn bie ^unbe leiben (Schaben, bie ^ferbe l^infen unb bie Seute fommen
p gaüe. 9Bie bei iebem 2^un, foU man alfo auc^ bei ber ^agb mit
ben ©Ottern beginnen, unb wenn e§ gut gegangen ift, ©anfopfer unb
©penben barbringen unb anbäd;tige§ ©diroeigen beobachten unb dränge
rainben unb ^pmnen fingen unb Sßeiliegaben üon ber :3«gbbeute fpönben,
nii^t meniger al§> ©iegeSgaben nac^ einer geioonnenen ©d^Iai^t. —
§ier ift c^arafteriftifd^ , ba^ nid^t ©unft unb ^örberung bur^ bie

©Otter betont roirb, fonbern gurdit cor ilirer ©mpfinblidifeit , menn


man i^rer nic^t gebadet Ijat, roa§> 2lrrian bann nod^ mit ^eifpielen au0
^omer belegt.

5) 3"^ Sofalifieren oon Heroen an Orten, bie bem


^ero§ fremb waren. (©. 250 f.) 2le^nlic^ wie bei manchen ber
iQeroengräber oon 3J?egara barf man aud) fragen, raie bie ^^liafier
bagu famen, fid) ben großen 2lmpl;iarao§ anzueignen. 2l(g er, offenbar

auf einer Steife, gu ^^Iiu§ in bem ©ebäube übernachtete, raels^eS fpäter

ha§> „mantifc^e §au§" l^ieB, foll er gum erftenmat begonnen J)aben ju

roeiicfagen, nac^bem er bi§I)er nur ein Saie (lömitjc) unb fein 3)lanti^

geroefen (^aufan. II, 13, 6). — Slrgo^ Ijatte unter feinen au^erorbentlic^

jatilreic^en ©räbern unb ©enfmölern aui^ eine Slnjal;! folc^er, meldte

gar nid)t in ben argioifdien ©agen!rei^ getjorten: ein ©rab ber 2)etanira,

meldie bod) am Deta begraben liegt, ein ©rab be§ ^riamiben ^elenoio,

ber bod; in @piru§ al§ SSormunb ber ©öl)ne 3^eoptoIem§ auflebte. „@^
entgel}t aud^ ben argioifdien ©jegeten felbft nidit, ba^ fie nid)t alle§ mit
2ßai)ri)eit fagen, fie fagen e§ aber bod^, benn bei ben meiften ift e§ nidjt

leid;t, fie ju überzeugen uom ©egenteil beffen, mag fie glauben." (^aufan. II,

23, 5). 3(rgo§ eignete fic^ auc^ mit einer oberfläd^Iic^en ^iftion tm
falybonif(^en Dineu§ an, nie(d;er oon ©iomeb follte el;rfurd)t§oott auf»

genommen unb begraben morben fein; nömlic^ e§ gab einen argioifdien

Ort Oinoe, ber nun nad) OineuS benannt fein follte {II, 25, 2). Offenbar

lianbelt e§ fid; um blo^e Slneignungen, nidjt um urfprünglid;eg ibentifcf)e§


Siad^träge. 449

Ißorbmmen be§ betreffenben ^ero» an ücrfd^tebenen ©teilen. ®0 lautete

fd)ön, unb barum luoUte man e0 auc^ i)aben.

2lu(^ in Sröjen ^atte man, luie in ^orint^, eine Quelle ^ippofrene

(II, 31, 12); nämlic^ S3eIIeropl)ontc§ mit feinem ^egofol war auä) nac^

Strogen gekommen, unb sroar jur SBerbung um bie 2letf)ra, bie er bann
hux(^ ein 3Jii^gefc^i(f nicE)t bekommen fiabe. Sen DrefteS mottte atte

2Belt bei [i^ gehabt l)aben; bal^er bie Steifen, bie man i^n üor unb
•nad^ feiner ^at^arfig maä)zn lie^ (oergl. 2Si^fd^eI bei ^aulr), 9iealenc. V,
!970 f.). 2)ie ^röjenier Ratten it;n unb bal S)ran unb S)rum ber
^att)arfi0 ftarf lofalifiert c:pauf. II, 31, 11), unb bieS aus ©rünben:
i§ mar eine Stiftung barauf funbiert, unb bie 9Zac^fommen ber „9ieiniger"
fpeiften nodj §u ^aufania^ 3^^^ an geroiffen 2;agen in bem DrefteSselt

(^Ogeaiov axrjvrj). 2)ie ^röjeuier fonnten überhaupt "aaS) So!alc nic^t

genug Oerlierrlic^en {affivvvovTtg il'nfQ xal älXot nveg xa inixdioia II,

30, 6) ; unb nun foHte einft auc^ %\)t\tvS> bei i§nen Slmajoncn befiegt

l)aben (II, 32, 8). §ier aber mu^ i^nen ^aufanial bo(^ mit einer §i;potE)efe

p ^ilfe ifommen: „e§ möchten rao^l oon ben nämti($en geroefen fein,

tüeld^e in 2lttifa mit STiiefeuS unb ben Stt^enern fämpften." — 3Eie fommt
ferner (III, 12, 7) ^ippoh;toS gu einem Neroon in ©parta? ©troa boc^
als ©Ott (als el;emaliger §elioS»2tpolIon?), als meieren i^n bie Strgiüer

oerel)rten? ober bo(j^ nur burd^ fede Slneignung?


2lm Sofalifieren ber @öltermr)t§en nämlic^ an oerfd^iebenen Orten
ttel;men mir feinen 2lnftoB; ba^ %. 33. in ber 9Ml)e beS 2lpolItempel»

ibeim böotifd^en 3^egr)ra, roel(^er ber ©eburtSort beS ©otteS geroefen

fein foflte, ein Serg ben 9tamen S)eloS l;atte, unb jroei Duetten
„^^alme" unb „Delbaum" IjieBen, braudit nic^t bur»^ Ufurpation beS
a)h)tl)uS ber ^nfel S)elo» gefcfielien su fein, fonbern fann als uralte

iparaUelfage gelten.
9iid)t in Setrac|t fommt l)ier bie Sofalifierung 2lc^iffS an manchen
€rten, weit er fic^tlic^ ein göttliches 2Befen mar. Unb boc^ gefd)ie^t
ber Kultus ^ie unb ba als ber eines ^eroS. "i^Xo.^ ^auf. VI, 23, 2 mar
p feinen (S^ren im ©ymnafion uon eiis nid;t ein 2lltar (Muöc), fonbern
ein leeres ©rabmal {xhvov fir>jfia) gemöB einem Drafel, — alfo ein Drafel
»erlangt für ben Kultus eines notorifc^ anberSioo begrabenen ober oer»
flärt Sßeiterlebenben ein ^enotapl;. 2lu^ VI, 24, 1 ift com ©rab (myo?)
g. Söurcf^arbt, Ciriet^tfc^e Jlulturgefc^tc^te 11.
29
;

450 ^Jac^träge.

3trf)ill0 bie 9ftcbe — n)al)rfd)cin(id}, raeil beim £ult bie bto^en ^eroen»

eJireu (ira/f(T,a«c) feftge£)Q(ten würben.

6) 3uben oorbebeutenbenSBorten(^Iebonen)(©. 289). —


3luf ha§> unabfic^tUd) ©efagte, xA^/Jöifc, pflegte man übrigen^ überhaupt
auf5u£)orcf)en unb {()m Sebeutung beizulegen, aud; im ©inne ber Hoffnung
unb um ju einem ©ntfc^Iuffe ju fommen. ^ergl. aipulejul, de deo
Socratis, p. 241: „. . . . "^ie roir fei)en, begegnet e§ fel^r üielen, ha^
fie fid) aus aüju abergläubifc^er 33eben!lid)feit gegenüber 2lIIem nic^t burd>
ben eigenen 5lopf, fonbern burc^ Söorte 2(nberer leiten laffen. S)iefe lefen

fi^, auf ben ©ä^d^en f)erumftreid)enb, einen 3?at oon (gufättigen) Steu^erungen

onbercr Seute auf unb benfen fo§ufagen nid)t mit bem $8erftanb, fonbern

mit ben D^ren." ®iefe „i^Iebonen" genoffen benn auä) eine förmlidie

$ßerel;rung. ^oufanio^ (IX, 11, 5) erjäfilt, in X^tUn ^aht fic^ ber

aus ber Slfdie ber Dpfertiere gebilbete Slltar beS 2lpoIIon ©pobioS be*

funben, unb eine 2Bai)rfagung auf J^tebonen {)in beftef)e bafelbft, einer

foldien bebienten fic^ aber, roie ber 2lutor miffe, jumal auc^ bie 6mr)rnäer
benn aud) biefe Ratten oberhalb ber ©tabt oor ber ©tabtmauer ein

.Cjeiligtum ber ^lebonen.


jlnbaltsüberficbt.

dritter 3lBfcf)nitt.

Religion und Kultus.


(1-277).
Ginleitung ©eite 3—4
Ser ©egenftanb. — 2)ic ^ieligion ber Urbeüölferung (3).

I. Die J^Ictamorpbofcn ©eite 5 — 18


^I)re SBegrüubung in attem ©(aubcn an bie Belebung ber ha^ '^n'oiv^'bueU^

5urüdne()menben 5Ratur (5). — ©efäufiglEeit be§ ä?ent)atiblunggglauben§


übert)nupt; bie SSerroanblungen ber ®ötter (6). — Sßerraanbrung üon Slienfc^en
alg ©trafmittel ber (Sötter; ^nfonfequenj ber fcetreffenben Stnfc^auungeu (7),
— 3]erroanblitngen au§ ©unft. — S^erroanblung in gröfiere [anbfd^aftlicfie

Dbjefte al§ 2lu§bru(f be§ 5jianbämoni§mu!§ (9). — 3Bärn)öIfe unb fonftige


^ieröerraanblungen; ©rfjlangen, 2)e(pf)ine u. f.
ro. (11). — Söeiterleben uon
al§ SJögel unb umge!e[)rt (13). —
2JJen)'c^en S^erraanblung in ^ßftanjen
2)ie

(15). — ©c^o — S^enuanblung in anbere 3}Jenfd^en — ®u5ftitution — 0ott=


roerben oon Sllenfd^en (16). — 3]erfe^ung unter (17). bie (Seftirne

II. Die <3ricd)cn und ihre Götter (Seite 19—227


S^er griedjifd^e ^jjoIrit^eiSmuä nie fgflematifiert. — S)ie allgemein arifcfien

33e[tanbteile (19). — Sie pela§gi)di)e 3ie(igion laut §erobot; Qtn§ neben


lauter Sämonen; ^tui unb &äa (20). — 3)ie 2Ber!e unb Sage; —
i^r $o[i)bämoni§mu§ (23); — Unmöglid^feit beä 5ßantf)ei§mu§. — SBeitere
@efd^id[)te beg Q^u§ bei Siebtem unb ^[)itofopl^en unb im SSoIf^glouben
(24). — 2(nbere (Sötter in mancfien (Segenben al§ ^auptgötter (27). —
aJJangel fc^riftlid^er Offenbarung unb auferlegter Se!f)re. — Sie SIeligion
nationale ©djöpfung; bie grembgötter (29). — 3)ie 3?eIigion entftanbcn ol^ne

prieftcrlic^e (Siitrairfung (31). — 2)aä Saienfiafte; bie SfJaturerfd^einungen afg


— Sie (Sötterbic^tung (33). - 3)a§ (gpo«
(55ott^eiten (32). (34). — SBanbern
ber Sänger; roaren nur bieg
fie — ©enien unb (3.5). (Sötter be§ (Sefange».
— Sie 5uf)örenbe Station — Sßorläufig ber 2Bert
(36). biefer Dietigion für
bag Siolf (37).

Sie Äoämogonien unb 2;t)eogonien (38). —


Sie oon Äreta unb 3l]^obog (39). —
Sie be§ öefiob (40). —
«raft ber 2lbftraftion raacfifenbe allgemeine ©eltung
;

be§ £>efiob (41). — Ser fraglidie fpefulatioe Sn^alt (42). — Sic 9iäum=
Iid)!eiten (43). — Hein (Sötteruntergang. — ©ubjettioei bei |»efiob. —
Sie 2:^eogonie ber Drpf)iter u. f. ro. (44).
;

452 3nf)altlü6erftc^t.

3JJafienf)aftig!ett be§ 3}lr)ti)u§. — Sein freie§ Jßettenuad^fen (46). — 3)lt;tf)ens

beutung (47). ~ äiermenfd^lid&ung ber ©ötter burd^ plö^Iicfie §eBung. —


2)ie Sprad^e ber ^i'^enaffociation imb anberer St)mboIif (48). — 2)ie
©ötter al§ ©c^ü^er unb ©cburt^orte (49). — 2IpoCon —
S^v\t'6v^v•, il^re

2lrtemi§ (50). — 3ai^ene; Häufung ber Sebeutungen — ^ermeg. — Äritif (51).


be§ a}Iomo§ — UeBenouc^ern ber
(52). ^t)anta[ie; poetifcljen 2lp{)robite
tmb Srog — Sie ©roten. — ©laufog
(53), — ipofeibon (55). — (54).
®ötteribentitäten (56). — Sie Beinamen, i^re Unentbe^rlid^Ieit; il)re oer^f

l"d)iebene Sebeutung (57).


2)erDIt)mpberSic]^ter;bieSreiteiIungber§errfc]^aft(61). — ©ötteroonungeroiffer
33ebeutung; ber „undefannte @ott" (62). — Halbgötter; &iol ngönokot (64).
Hultug ber 2l5[tracta (69).
Sie Sämoncn unb ber Sämon bc§ ÜJtenfd^cn (71).
Sd)önl^eit ber @ötter im ©poS imb in ber bilbenben Äunft; ©c^ran!en ber
©ötterbeutung (77). — Qljre S^er[cf)mä{)ung bei ben ©ricd^en 5i§ auf bie
^P^ilofop^en (79). — Sie allegorifd^e Seutung (80). — Sie rationaliftifc^c
Seutung; ber (Eul^emerigmuS (81).
Sie 2Bei§e ber 3^aturumgebung be§ aKpt^uS (86).
SBefen ber ©ötter; Uebergang com gurd^tbaren jum 9[nt§ropomorpr;iämu§ (89),
— Z^i)X Seben, Sßol^nen, ©id^bercegen, ©prcd^en u. f. (90), — ©d^ranlen
ra.

i^reg SBiffeng unb i^rer 2JJad^t; i^re (Singriffe (92). — Heine 2BeItregierung
5raeifel^afte§ 9tedE)t über bie 2Renfc^en; 2)ienfd^en a(§ über
Slid^iter — fie (94).

Äein San! gegen fie für "Da^ Safein; 2)kngel an ^eiligleit ber ©ötter (97),
— S^r Sf;arafter; t^re Wtoval; perfonifijierte Seibenfc^aften (98), — Ser
aSa^nfinn unb Sionrifog (100),
Sie ©ötter al§ ©penber beg Un^eilg unb Stifter beg Söfen (104), Ser —
©ötterneib im ajj^tl^ug (105), —
Ser 9Jeib auf bag SWenfd^entalent unb auf
grofie ©rbceränberungen (106), —
Sinn ber ^rometl^eugfage, 9Jeib auf bag
SJJenfcfienglüd (108), — SReib ber „©ott^eit" bei |)erobot (109).
Sie aJJoraUtät ber ©ötter bei ben Sid^tern; Drefteg (HO). — 2lefd^r)Iog (112), —
@opf)o!Ieg, — ©uripibeg (113),
Sie flomifer, (gpic^armog. — 3lriftopI;aneg (117). — Sie mittlere ßomöbie (119).
aKenfd)enüergötterung (120). — ^lato unb fein „Staat" mit ber erfonnenen
Sleligion (121). — Sag ©lüö ber Söfen unb Unglüc! ber ©uten (122). —
3roeifet an ber SBeltregierung. — X^eobicee beg ^lutard^ (123).
Sie 3)?oira. — Unfäf)igteit ber ©ötter jur Sßeltlenfung (125). — Sie ©ötter
oom Sd)icEfaI abhängig (126). — Sie 30bira beg 2)JenfcJ)enrebeng (127). —
Sie menfd^Iitf)e 2Biüengfreif)eit (128). — Sie Crafel fünben baä Sd^idfal
(129), — ©injelne (Srfolge ber ©ötter gegen bag Srf)icffal; bag vniouoQOf
(130), — Sie brei aiJoiren, — r'^nSy Motna (132). — 3eug fd^einbar
.'öerr beg Sc^ictfalg, iinuucyiTti^ (133). — Slbrafteia. — 2i)d)e (134). —
Sc^iüanfen aUer 2tnfic^ten. — DI)nmad3t ber ^^ilofopI)ie (135).
Ser Äultug (136). — Seine Stär!e alg Sefi^ beg iiolfeg unb beg einjelnen
^aufeg (137). — 3(bn)efen[)eit eineg ^riefterftanbeg. — (E-ntftel)ung erblid^er
^ricftertümer (138). — 58ef d)ränfte 2(uf gäbe ber ^riefter (139). — Sefteüunggart
3nf)altgü6erftcf)t. 453

bcri'clben (140). — Sie bilben feinen Älerui, jumal feinen 9^ationaIf(crn§ (142).
— 2lu(^ bie (jrö^te Sebeutung ber ©ötter bie — Äeine Sempelftaaten
lofale.

(143). — Srrige Stnna^me eineg märf)tigen ^pdeftertumg in ber Urjeit (144).


Sie %nx6)t al§ ©runbfraft beä Äultu? (146).
g-raglid^eUrfprünge beä Dpferg. Seine — 2«affen^aftigfeit (147). —
2)a§ fd)red)te beim 2;ieropfer; bie ^efatomben (148).
©eroiffen S)er —
Slitug. — ©eine ©enauigfeit (149). —
©ein 2(u§gang in ©pöttereien (150),
— @efaf;r ber 9tnroefen^eit oon Söfen unb Ungläubigen (151). ^rage —
über 3roang§fraft beä Dpferä (152). — SDer ©ötterjrcang übert)aupt (153).
— Sie foftbaren Opfer. — Sag 2}Zenfc^enopfer (155).
2)er Tempel; fein Urfprung unb feine Slugftattnng (157). — ^ultu§;
35te
Übertragungen (158). — 2eic|tigfeit ber Stiftungen (159). — 2luft)ören be§
Unter^altg beim 2lu§fterben ber baju — ©d^enfungen an
SJerpflic^teten.
Tempel (160). — — Xempelraub (161). —
2lf glredjt. |)eiligtümer (162). Jlleinere
ber ©ötterbienfte. —
3J?affenf;aftigfeit gefte (163). — S)ie ber 33ielartigfeit
5e[te (164). — 2)er ÄuItuS im Seben unb im
täg(icf)en (165). — i^riege
SSerbinbung mit ©efang, unb Xan^ (166). — Sie ^rojeffionen (167). —
9JJufi!

Sie ^sanat^enäen (169). — Sie «ßompa beä ^f)itabelpf)u§ (170).


Sie Dpfer (171). — Ser ^riefter
reicfjern ber Srac^t ber in (172). — ©ottf^eit
Sa§ ijffentlid^e Ijeilige Srama (173).
Sie 3}ir)fterien (175). — 2tusfd^eibung ber trieterifcfjen 9Beit;en be§ SionrifoS
(176). — ber 2;^efmop^orien unb 2lbomen (180). — Sionpfifcf^e Kons
nentifet (181). — Sie orp^ifd^e Siebenreligion (182). — SBTänberte 2(nfic^t
Dom ^enfeitg. — SE)tr;onifc^e ©ötter (183). — Sie c^tr^onifc^en ©ötter in
ber «ßoefie (185). — ©eringe SBirfung ber a}ietempft;d[)ofe (186). — Sie
atäfefe (187). — §ippoIr)to§ a(§ Drpf)ifer. — Sluggang ber ©efte (188).
— ©el^eimbieufte ber Stngft (189). — gBeif)en unb 2Kr)fterien Befttmmter
Xempel; ©amot^rafe (190). — SJegatioe (Srmittelung beg ^nfjalteä ber
2«r)fterien (192). — SBermutlic^e ©ntfte^ung unb Qn^alt (193).
Sie 9}ivfterien üon eieufiö (196).
Scr Äultu§ unb bie i^ebenäfreube. — Sa§ ^eftroefen unb fein Uebernia^
(204). — Sag ^eftroefen in ben §änben ber ?|BoIig; Sranbfd^a^ung ber
^Bürger (206). — Sie 3Jlaffe ber (E^öre (207). — Sie fpätere (Sinfc^ränfung
beg geftbetriebes (208).
Ser öauähilt alg Siauptftü^e ber ^Religion (208). — ©eine Scbeutung für
bag ©emüt. — ^latog geinbfd^aft gegen ben ^ßricatfult (210).
Ser Sßert beg ©iitterbienfteg laut ©trabo unb ^tutarc^ (212). — ©infen bcg
Äultug jugleid^ mit bem beg 2ßol^Iergef)eng (213).
SlUgemeine Ärctfte unb 2)MngeI ber gried^ifd^en ^Religion. — ©eringc |)ilfe für
bie ©ittlid^feit (214). — Sie ma^en beg Sionyg t)on ^alifarna^ (215). —
Sie einftroeilige Unentbefjrlid^feit biefer 3^eIigion. Sie ©teEung ber ©ebilbeten
ju berfelben (216). — Sag §eibentum feine Softrin; feine mäßigen fittlid^en

atnfprüd^c, Kein Unglauben ber 2}iaffen (217).


Sie gurtfit cor bem ^enfeitg (217). —
©pätere ©efd^ic^te biefer gurd^t (220).
Sie bilbenbe Sunft alg Serbünbete ber ^Religion (224).
454 S»ijatt§übcr[id^t.

in. Der gricd^ifAc r)crocnhultus ©eite 228—277


2)ie 33orfteIIung oon ben ^eroen, roacf) gef)alten burc^ ^eroengräber unb bilbenbe
gunft (228), — S^re Sßere^rung xtnb beren DefonbereS mtual (229). — Ser
©rabeöbienft ber ^eroen in ber Sragöbie (230). — ®er Äultuä be§ Io!ri)cf)en

2lia§ (231).

Ser Urfprung bei §eroen!uItu§ in ber S^orfteCung com 9kd^leben ber Seele
im ©rabe. — Scr frül^ere befdjeibenere ©inn be§ 3ianten§ |)ero§ (231). —
^ebung feiner Sebeutung burd) baö ®po§. —
S)ie öeroen be§ trDifcf)en Krieges

(232). — J)ai 3"f'i"i"^ß"f^''^" ^^^ Heroen nad^ §e[tob itnb ^^inbar; bie

Snfef £eufe. — 2Iu§beI)nung be§ ^eroentumä in bie frühem 0ene=


rationen (234). — 2)ie örtlidjen §eroen Sjer ©täbte. — ©r^ebungen jum
.Tperog in ^iftorifdier Qzxt unb burd^ 35oIBbefc^Iüffe (235). — ^eroifiening Don
ilricgerfd^aren (238). — 3i'eife^f)'ifie §eroen (239). — ©diroanfen be§ Se^
griffel öerog bei ben ^E)iIo[opf)en (240).

2)ie Sebeutung ber §eroen für ba§ 3>ü[!; beren ©c^raanfungen unb Sauer
— 2tlte ÖJräber alg ©egenftanb ber Sßerel^rung unb g-urd)!; S^orfteKung
com Seiftanb ber §eroen in kämpfen (241). — ^^r ©tabtpatronat fieserer

al§ ba§ ber ®ötter; @mpfef)[ung iljreö ÄuItuS burc^ bie Drafel (243). —
Uebertragungen non §eroengebeinen (244). — Sa§ @cl^eimf)a(ten üon öeroen;
gräbern. — ^^'^[^'^^"iing ber 2lfd)e. — 2lufben)af)rung ber ©ebeine über
im Kriege (246).
ber @rbe unb 5D^itfü^rung g^urd)! Dor bem Unmilten —
ber §eroen; Debipu§ auf Äolonoä (247). Sie §eroen Bei ber 9^eu= —
grünbung Don 2)Jeffene. —
Sie boppelt Dor^anbenen öeroengräber (248).
S^erbreitiing be§ §eroenbienfte§. — 33orfteI(ungen Don i^rem ^iifttinb;

3lefpe!t vor ilmen; 3^eue Äanonifationen; ©flaoen alö —


^eroen (250).
3£)re 2lrt fid^ oernel^mUd) ju mad)en (254). — Ser $ero§ al§ Äobolb, 5incu;
buä u. f. n). (255). — ^politeä in 2:emefa unö 5^Ieomebeg non Slftripaläa (257).

Sie ©efpenfter; iJ)r ©pufen bei ben ©räbern (259). — ©rfd^einung üon 2]er=

ftorbenen im Xvaum — Sie Sotenbefdiroörung unb i^re Dertlid)feiten


(260).
(262). — ^erianber; eh;fio§ (264). — ©d}Iaf auf ©räbern (266).
2lrd)itod^o§;
— Äleomeneg unb ^^ßaufaniaä (267). — ber 2:Dtcnbcfragung (268).
|)äufig!eit
©rfd^einung aufjermenfc^lid^er SBefen: Samien, (gmpufa, Tlovmo (269). —
Sämonen alä ©efpenfter; bie Sämonenerfd)einungen bei Sion unb SrutuS
(270). — Sämonenerfd^einungen im SjoI! ; ber Sämon Don ®pf)efo§ (272).
— Sdiarenroeife Betätigung uon Sämonen (274). — Offenbarungen burd)
„Stimmen"; ber ©d)u^geift ber Siere (276). — Sa§ ©eläc^ter unfid^tbarer
SBefen (277).

Vierter Stbfc^nitt.
Die Brkundung der Zukunft.
(279—347).
Untcrfd^ieb ber alten unb ber tjeutigen SBelt (281). — Sie ©ötter bie Ur=
nid^t
I)eber bei ©d^idfalS, beffen (grfunbung oi;ne fie — Sie
möglid^ (282). 3)Jantif

im allgemeinen (283). — ©d^idfalSertunbung beim Dpfer. — 3(nbere 35or=


;

Sn^altSüberfic^t. 455

äeic^en. — — 33ebeutung ber «ögel beftimmter ©ötter


Sic SJogelfc^au (285).
(286). —
3:empertiere. — S^empelquelfen bieftjiltic^en^alüen (287).—
;
asor=

in
3eicf}eu an ^iempctn.
tinb — ®eiö5J)nlid)e «or be§ 2tiQn§, (288).
jeid)en täglirfjen

Siüination. —
2)a§ erfragen h^§ künftigen. ~ Umfang ber geniöt)nad)en
Sie ©oeten (289). — Saä §ortf)en auf ©ötterraorte. — ^eilige Sofe
unb

SBürfel (291).
^raumroeiSfagung — gras'ic^e Senbung ber STräume
(292). ©ötter burcf)

unb anbere Söefen (293). — Sie Sräume im — (Söttererfc^einungen


23h)t[)u§.

inträumen. — 2)er 2;empellraum (294). — Ser 3:raum um ©enefung.



Sie 3l§f(epio§tempel (295). — ^riefter unb bereu Srabition.
^i)xe - Gr=

üärung burd^ ^tipnofe (297). — 5?ranfenträume aujser^alb be§ Xempelg (299).


— Ser Sraum (300). — 2lrtemibor unb
proptietifd^e Dneirofritifa (301). feine

— Sie fpätere 3:raumpraj;i§ (302).


Ser manm; fein ^auptanfjatt bie Dpferbeutung (302). Sie mantifdien —
2;iere. —
®rö^c be§ 33lanti^ in 2}h)ll)u§ unb Sid^tung Seirefiaä, 5laffanbra ;

2lmp{)iaraD§ (304). — Ser I;iftorifd)e 93ianti§ —


Beim Dpfer unb im 5lriege
(306). — ©eine ^erfönlidjfeit (308). — 2llej;anber ber ©ro^e unb 2triftanbrog

unb 2:eImeffo§ (309). — g^ortbauernbc 2Bid)tig!eit ber Dpferbeutung. —


Ser ^Dlantiä von §er!unft meift 2ße[tgried)e (310). — Ser 3}lanti§ im

§aufe unb auf ber ©äffe (311). — aibiuefenfjeit ber roeiSfagenben Somnam^
bute unb ber ^ropI)etin (312). — 3}^antifc^e Stimmung im Seben (313).

Sie 2(ftrDlogie (313). —


^^v fpäteä einbringen bei ben ©riedjen (314).

S^re !Dtad)t in ber {)eüeni[tifd^en unb römifd)en Seit (315).
Sie e^rcSmen ber ©tiresmolDgen (316). — ant)tbifc^e Urljeber; bie @ibi)IIen.

Sie erfonnene ß^regmenliteratur (317). —
Ser Unterfd)ieb von ben Dratel^
fprüd)en unb Dom ^Kantig (318). —
Sie ©fjre^men unb baS ©d^idfal von
Srt^en (319). —
Sie ©Ijre^men unb bie aiJäd^tigen (320), 2arquiniu§ —
unb bie ©ibpllen (321). — Ser üergeblid^e £)Df)n ber ^omifer (322). —
Sie (E^regmen in ber fpätern griec^ifc^en Qeit (323).
Sie Drafet. —
Serp^i unb feine 2lugnaE)mgfteIIung (32.5). — ©äa unb ber llr=
fprung ber Dra!el. — Sie SBeigfagung an — fefter ©tette (326). 2lmpl)if:=

tyonien (327). — — Sie Äon-


meli)txt ber Drafel in ber grüfjjeit (328).

furrenj berfelben. — ju ben


äserfjältnig (329). — ^ßoleig a5er^err=

lid^ung burd^ (831). — Sie auäbeutenben ^erfonen. — Serfdiiebene


5Dtt)tf)en

2{rtenber 2(nfrage (332). — Ser ^x^mnug auf .^erme§ (333).


fiomerifd^e

Sie Dra!el ba§ UnbefD{)Iene unb — Uebler Don Selp^i unb


2lufgefuc^te. 9iuf

Umgebung (334). — ©laube ber 9ktion an ber Drafel


bie 3Ba^rf)aftig!eit

(335). — Sie SBeigfagungen üon SuJünftigem (336). — SunfeKjeit S^i^e

— Selp^i unb ber fpartanifc^e ©taat (338). — gurc^t ber 2lngeblicbe

Drafel cor ben (339). — 2tnorbnenbe Sefd)eibe (340). — Sie


3}iäc^tigen

fragen ber geringen Seute. — Sie Äultbefc^eibe unb 2Bert (341). — i£)r

Sic Drafel unb bie Moval (342). — unb 2lnfragen;


Sßerraerflic^e törid)te

bie be§ ©ofrateS (343). — Sefc^eibc jur 2lugfenbung oon


— Ä'olonien.

Sie ©rö^e Don Selp^i (345). — Sag ©rlöfc^en ber Drafel. — Seftanb
äur römifdjen 3eit (346). — Sag Slmmonium (347).
456 3nf;a(t§ü6erftcl^t.

^•ünfter SUbfc^nttt.
Zur Gcfamtbilanz des gricchifd^cn Cebcns.
(349-437).
©rcnjcn un[erer 2Bal^rne[)mttng unb 2lufga6c (351). — Sie ^oIt§ al§ Qv
jie^erin jur ©ittlic^feit (352). — S)ie @t(;if ber ^f)ilofop^en. — Sie
®opf)roft)ne (353). — Sie (Sittlid}Ieit ber {)omen[c^cn Sßelt unb i^re ^Jlad^s

trirhmg (354).
©injelne allgemeine griec^ifd^e ©Iiarafteräüge. — Sie ^()iIant^ropie (354). —
Sie 3tac^e (355).

Graeca fides (358). — Ser @ib bei ben ©ried^en (359). — 3)Jeinung ber
3{i5mer Don ber gried)i[c^en SDBa^rfjeitäliebe (361).

Sie eijrliebe (363). — 3^re ®egner[d)aft. Saä §erjereib in 2Borten (3G4). —


Sie Qambenbid^ter. Sag — at^enifc^c Seben unb [eine allgemeinen ©e«
faf)ren (365). —
Ser Soljn in ber alten Äomöbie (366). — Ser §ol^n in
ber mitüern ^omöbie (369). — Sie 3tngriffe bei ben Silcbnern. — (^rage

über ben ®rab üon 2lbl)ärtung unb bie ©mpfinbUc^feit (370). — S^er^alten
bei J^ealinjurien (372). — Sag 2tnf;örenfönnen üon ©egnern (373), — 2ln=
geblidEie Strafgefe^gebungen ber Ironie (374). — Sie Jiugenb 2libog (375).
Ser griec^ifd^e ?leib. — SBeitere ^onfequenjen be§ SebenS ber ^oU§ (376).
Se^re uon ber ^Rangfolge ber ©üter (377). — Ser „Dlbog" —
(378). ©tttlic^e

eigenfc^aften alg ©üter, — ®efunbt)eit unb 9teicf)tum (379). — Sie ©üter


laut ben i'grifern unb (glegüern (380). — Sie ©üter laut ben ^ljilofop§en
(382). — Sie SBünfc^e ber ^t;antafte (383).
Ser griecf)i[c^e ^effimie>mu§ — junädjft im 3Ri)t^n^ (384), — Ser Untergang
be§ öeroengefd^lec^teä (385). — S3ergeblid)e (grflärung ber 3Ri)ti)tn burd)
9taturDorgänge. — Sie Seibenfd^aft im 2ihtn ber |)eroen (386). — Sag
Don ben ©Ottern wer^cingte Sc^idfal (387). — Sie ©ntlaftung ber ©rbe. —
^^romet^eug, ^erafleg, Siellerop^on (388). — Sag 5rül)[terben 2ld)iaeu8 ;

(390). — — 2Inbere ©agen ber mdkijX üon ^Hon (391), —


Dbt;ffeug.
Sag nu^lofe $ßoraugn)iffen ber 3"futtft (392), — Ser ©ötterraiHe ben in
©rbenl^änbeln (394), — Sag golbene — Sie am 3tanbc
^eiia^^er. SBolfer

ber — Dffeneg Sprechen uont beoorftel)enben Xoh


SBelt. Seute (395). alter
— Sag aSerberben alg ©efang für künftige (396).
Ser ^ef[imigmug
griec^ifd^e ber in3eit (396). — Sic entrcictlung
[;iftorifd^en

unb ber Sn^ioibuen (397). — Sag Seiben burd^


Seibengfäl)igfeit ^olig bie

(398). — Sie Seglücfung burd) ben ©eift unb ber Dptimig; intelleftueUe
mug (399).
©rab beg ^effimigmug bei ben 5pi;ilo[opl)en. — Sie .s^offnungen (400). —
Sie frij^lic^e Dberfläd)c (401). — Sag ©eläd^ter. — Sag 2eben, roie cg
fommt. —
Sie allgemeine Sorge Dor ber Bui^u^ft (402). Sie SDJeinung —
Don ben 2J?itmenfc^en (403). —
Sie baüongefd)roebten Xugenben; 3l[träa
(404). — Sie Unbufsfertigfeit. — Sag Senfeitg (405).
3Jegatioität beg ©lüdEeg (405). — Sag 2(rbeitenniüffen (406). — Ser ^seffimigmug
beg ,'öerobot — Solon (407). — ^lUcrlei Uebclrebcn über bag Ü)knfd;ens
3nf)a(t§ü5er[{d}t. 457

fc^icffal (409). — Sie 2;rauerc]^öre. — (3opf)o!Ie§ imb ha§ SiidjlijeBorenfein


(410). — 2iagemeiner '^m§ be§ 9iid)tfein§ unb grüfjfterbeng (411). —
Jammer über ba§ SUter itnb 5prei§ ber S"Seni' ("llS). — Sßerjic^t auf btc
gamilie (416). — Sie ilinberaugfe^ung unb bie Äinbertötung ben 3lrmen Bei
(417). — Sciebam mortalem genuisse (419). — (Seringe S^rauer um
2;ote. — Sob beg jeitigen Sobeg. — Sag „®ra5 beg 3teibe§". — ^effimii^
mug ber Sarbaren unb ber Spiere (420).
Ser ©elbftniorb. — ©rroägung in betreff beg Se^fc^*^ (422). — Sie l)anpU
fäc^Iic^ften aRotioe (423). — Ser ©elbftmorb unter 2Iuffid)t ber ^^olig : Äeog
unb SJaffalia (424).
Sag Sulben (rX^ipat). — 2eid)tfertiger 2'ob (426). — (gpibemien. — Ser
leufabifd^e geig. — Ser freiraiaige Xoh bei unheilbarer Äran!f;eit (427)
bei i)o'i)em 2l(ter. — Ser freiwillige 2:ob bei 9?teberlagen (428). Sag —
«Sterben unterlegener 33eDöIferungen (429). — Sag Sterben Dorne^mer
g^amilien unb gürften (430). — Sie grauen (431). — ©runbfä^e über
bag gjed^t unb bie ^flic^t jum Selbftmorb. — 2rnfid)ten beg Äönigg ^(eo-
ineneg (433). — 3Inficbten beg ^oh;biog (434).
Ser Selbftmorb bei ben ^f)i(ofop^en (435).

IVaditrägc.
3u ©. 5—18: Sie 2J}etamorp^ofen (438—443). —
3u ©. 9: 3]eriDanbIung in @e^

lüciffer. 3u ©. 10 f.: 33eriDanbIung in Serge (438). —
Qu ©. 11 ff.: Serraanb=
lung in Jiere unb ^flanjen (439 ff.). —
^u ©. 12: Serpljingefd^ic^ten. Qu ©. 13: —
Serroanblung in 2^'ögel (440). —
Qu ©. 14: mtcfDerroanblung. — Qu ©. 15: 2?er*
rcanblung in ^ßftanjen. —
3u ©,16: aSeitere 2Iugbef)nung beg a^eriranblunggs
glaubeng (441). —
3u ©. 17: ©ternbitber (442). —
,3u ©. 26: fiiö^enbienft (443).
— 3u ©. 76: Ser Sämon 2«arc Sturelg (444). —
3n ©. 216: ©riec^ifc^er ©ötter*
glauben (446). —
3u ©. 250 f. Sofalifteren üon ;geroen an Orten, bie bem Serog
:

fremb roaren (448). —


3u ©. 289 Sorbebeutenbe SBorte (Ä(ebonen) (450).
:
(32^ Verlag von ^. Spetnann in Berlin und Stuttgart. ^30

Die Kunft der


Jahrhunderte
Bilder aus der Kunftgefcbicbte
von Dr. Hnton Kita
cm. Direktor des jviurcums tn Hacbcn

Mit 32 Cafcln. * * * * ©cbundcn Marh 10.50.

„Die KunTt der Jahrhunderte" ilt gedacht ?ur

Cchtürc im häuslichen Krcife und ?uni Vorlcfen beim


Unterricht. Da wo das ödort an Hbbildungen an-
knüpfen follte, ift ein Hinweis auf die gro^e im
gleid)en Verlage erfchienene Publikation „Das ffiufeum"
angebrad)t. M. X. 17 bedeutet alfo: Das flQufeum,

jchnter Band, Cafel iy. '^^^^'^^^^^^^'^


findet „Die Kunft der Jahrhunderte" den ?u er-

wartenden großen Hnklang, fo foU ein ^weiter Band


folgen, der fchildern wird, „wie die Renaiffance über
die Hlpen kam" und der bis jur Gegenwart fort-

geführt werden foll. ^^^^^^'^•s^'^^-'^^^

®u bestellen burdi alle BudjlianMuugcn. ^aüs feine foldje am plat3e befinbltd?, bitte [id? btreft

3U roenbcn an bic TcrUgsbudibandluna Ö3. Spcmann in Stuttgart.


nu5 ,,<5efd?ici?t€ bcs mcbcxcn Polfes in X)eutfd?Iattö-

von (Eccaröus.
33rofd}iert in 2 Sänbe 2}Jf. 14.—, gcbunben mt 18.—
Verlag von Wi. Spemann in Berlin und Stuttgart.

X) r tu r t.

Ser Jitel biefe? Söuc^eä l^atte lauten follen: „©efc^id^te ber in ^^eutfdjlanb nic^t tierrfd^enben
fltaffen". Slber llami bao prääife? (Sab eä ntd)t ju aJU^oerftänbniffen Einlaß? J)ie SBebenten ber getn-
fußligen gegen ben litel, ber nunmehr gewählt luurbe, finb mir feljr einleurf)lenb. Slllein ic^ baue barauf,
baß roer ftc§ bie ÜJiü^e nimmt, aud; nur flüd^tig im fotgenben ju blättern, an leiner Stelle bie @e[innung
ftnben roirb, bie fo gern unb fo gebanfenloä oom „niebern" Solle fprid^t.
Sie ®efc^id)te ber Seutfd^cn ift oft gef^rieben roorben, bo^ immer, felbft für Äarl 3li|f(5 trifft
e3 noe^ ju, uon oben §erab. SIuc^, luo ber §iftoritev nic^t o^ne Sgmpatl^ie mit feinem (taubgeborenen
Sanb^mann blieb, mu^te biefe Seife trogbem bie Slnfc^auung befeftigen, ba^ für jtultur unb Sc^idfal
einer 3iation bie ^ö^en ma^gebenb feien. £iie§ Sßuc^ i^at feine SEenben^, atä e^rlic^ ju jelgen ba«, tooS
loar. Seboc^ ber ©taube lebt in i^m, bap nur bie gefunbe Safiä eineä Solfeä i^m bie gufunft garan=
tiercn lann, baß ber Sauerjuftanb ber Kiefe d^aratteriftifc^er jugleic^ unb wichtiger ift alä bie äu=
foüige ^'6^t.
ber ^olitit unb eingriffe großer ^perfönlic^feiten finb Don mir burc^ioeg nur
2)ie 2Be(^feIfäUe
foroeit cnoä^nt luorben, alä fie jum SSerftänbniä beä 3"f'J'n'"S"''0"96ä unerläglic^ waren, b. ^. neue a5er=
ijältniffe bur^ fie unb uon biefen aud; bie fleinen Seute für lange 3eit beeinflußt rourben. SBie:
gefd)üffen
uiele jebe^mal innerhalb ber beutfc^en ©rense beraubt, enterbt unb unfrei oegetierten, in roeld^er 2)rangfal
unb SßerJneditung fie fic^ roanben, oon meieren a^orftelluiigen bewegt, oon welchen Hoffnungen aufrecht er=
galten, oon welchen gudungen jerriffen, oon weld^en SJerbefferungen gel)oben, boä i^ab id^ fc^ilbern wollen
oon ber Uroäter Zagen biä auf ^eute.
3iuar pflegt eine 2lufgabe wie bie meinige neuerbing'j gemäß bem ^rinjip ber Slrbeitäteilung
burd^ baä 3iebeneinanber oerfd)lebener ÜKonograp^ten gelöft, baä SebürfniS beg ^ublitumg nac^ überfielt;
lieber unb einbeitlic^er 5DarfteUung oon ber mobernen gorfi^ung feiten gebcdt, wenn überliaupt anertannt
ju werben. 5)oc^ gerabe hierin bem Sefer ju genügen, war mein ®t)rgeiä. (Sr wirb auc^, fo ^offe id^,
nid;t nur auo bem angefügten Siternturoerjeic^niä bie Ueberseugung fc|öpfen, baß ic^ bad SBefle unb ®e=
biegenffe, lua^ auf bie Gntwidetung^gefd^ii^te be§ niebern Sßolteä in 56eutfd)Ianb Sic^t werfen fonnte, ju
State gesogen \)ab, an ftrittigen ^^untten aber gern ju ben Quellen geftiegen bin, wie fie u. a. bie Monu-
inenta Gerraauiae jugänglic^ madien. SIU ben auägejeic^neten (Belehrten, bie burc^ i^re ard^ioalifc^en
Unterfudjungen mid) erfl in ben Stanb gefegt ^aben, meine 2lrbeit ju beginnen, brängt eä mid^, an biefer
Stelle meinen tiefgefühlten 3)an! au^äufpre^en.
3c§ fann ibn mit um fo freierem ^erjen äußern, al§ id^ nac^ il^ren firänjen nlc^t geftrebt ijaht,
bie, barüber war xä) mir oon oornljerein tlar, benen oorbeljalten bleiben muffen, bie „neueä 3Baterial"
^erbeibriugen. Slber fo lodenb eä au^ für mic^ gewefen fein würbe, etwa bie sprotololle ber Säuern»
friegsprojeffe nachzuprüfen, id; ^ätte bamit nur ben jaljllofen fc^on oor^anbenen 5£eilfc^riften eine neue
^insujufügen »ermodjt, unb auf einen Sorfo lautete mein Sluftrag nic^t. Slnbrerfeitg würbe ic^ nie ge:
wagt hoben, mid; bem Urteil auc^ nur be'j Siaientuma äu [teilen, wenn ii) nic^t wenigftenä ber einen D.uali=
fifation fieser geroefen wäre: ben fojialpolitifd)en Söölterfrü^ling SDeutfchlanbä oon 1881—91 mit a3ewußt=
fein unb juleft, wenn ouc^ an bcfc^eibener Stelle, mittämpfenb erlebt ju haben, ©e^r möglich, baß ber
Ilaffifd)e Segweifer für bie großen internationalen 3JJac§toerfd)iebunflen unb äufammeni^änge meinen ßnt»
f(^luf; oerworfen haben würbe, eine beutfd^e (Sefd^id^te oon unten herauf, fojufagen auä ber ^rofi^perfpettioe
JU liefern. Jod) mehr alä am Söoben haftenbe, politifd^ wehrlofe, ftumpfe ^erbentiere ftnb eben untre
tleinen Sieute feit ber SBanberseit nid)t gewefen, unb man tonnte manche beutfchen ^liftoriter jal^relang
mit bem größten (Sewlnn ftubtcren, ot)ne ber Sbfung be'3 9tätfelä näheräufommen: wo^er baä tiefe
Hiißtrauen unb IDiißbehagen unfereö heutigen äSolte'j rührt, obwol;t eS materiell i^m beffer
geht, alä e6 ihm jemols gegangen ift. I)aä aber Ijatte gute (Srünbe. I'enn wie bie Seele ber Jeutfchen
bas iüebürfnis nac^ einem ftarten fioiferarm burdh bie J^a^r^unberte treulidj gehegt ^at, fo erft rec^t nach
jener einft genoffenen ®
emeinf reih eit, ba jeber mannbare ®crmane gleldhbered)tlgt war in ®ing, §eer
unb $ufe. aiiemanb wirb je bie SosialbemotraHe begreifen, bem ber beutfche iöauerntrieg eine Sagatell;
fache blieb; nicmanb aber auch ben Söouernfrieg, wer mit ber langen SeibenSgefchit^te ooUer ßSeioalttat
unb ßntwürbigung, bie i^m ooraufging, unbefunnt ift.

UJlödjte mein ^feubongm baju Reifen, baß ber Söerfud^ fclbft, erftmalig in S5eutfd)lanb unters
nommen, einer unbefangenen Prüfung begegne.
Der Verfaffcr.

3u bejie^en biirc^ aU S3ucf)I)anbIungen. g-aHg feine fold^e om ^^a^c 6efinblic^, bitte


fid) biteft JU roenben an bie Vcrlagsbud^bandlung CQ. Spemann in Stuttgart.
#.
DF 11 .B78 1900 v.2 SMC
Burckhardt, Jacob,
Griechische Kulturgeschichte
Aufl.
--
5.

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