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INTERVIEW: Verteidigungsminister Pistorius: "Die Brigade Litauen soll

jederzeit einsatzbereit sein"


In den kommenden Jahren sollen 4.000 Kräfte der Bundeswehr in Litauen stationiert
werden. Dafür will Verteidigungsminister Pistorius gute Rahmenbedingungen schaffen,
sagt er im Interview mit tagesschau.de.

tagesschau.de: Sie haben den Aufbau einer deutschen Brigade in Litauen mit "rund 4.000"
Mann angekündigt. Werden wir also zum Zeitpunkt X 4.000 deutsche Soldatinnen und
Soldaten in Litauen sehen?

Boris Pistorius: Es werden rund 4.000 sein. Vielleicht werden es am Ende sogar eher mehr
als weniger sein. Denn neben den Soldatinnen und Soldaten des Heeres brauchen wir zum
Beispiel auch Logistikkräfte, IT-Spezialisten und Sanitätspersonal vor Ort.

Um die Dimension klar zu machen: Die Brigade soll nicht nur außerhalb Deutschlands
stationiert sein. Sie soll jederzeit einsatzbereit sein. Die Ostflanke im Sinne der NATO zu
schützen, bedeutet: Unsere Soldatinnen und Soldaten werden trainieren, um potentielle
Gegner abzuschrecken. Im Falle eines Angriffs werden sie NATO-Gebiet verteidigen.

Mit der Brigade Litauen marschieren wir in Absprache mit unseren Verbündeten voran,
gehen auch für uns neue Wege. Sie ist das Leuchtturm-Projekt der Zeitenwende, das nicht
nur nach außen wirkt, sondern auch in die Truppe hinein. Jede und jeder spürt: Es tut sich
was bei der Bundeswehr. Wir erleben die Zeitenwende nicht nur passiv mit, sondern wir
gestalten mit. Deutschland zeigt damit echte und sehr konkrete Führung in Europa und in
der NATO.

Kommandeur bis spätestens 2025

tagesschau.de: Wie sieht Ihr Zeitplan aus?

Pistorius: Unser Ziel wollen wir in mehreren Schritten erreichen. Bereits in der ersten
Jahreshälfte 2024 wollen wir ein Vorkommando in Litauen haben, in der zweiten Jahreshälfte
2024 einen sogenannten Aufstellungsstab. Das heißt, wir werden bis Ende nächsten Jahres
mit einer niedrigen dreistelligen Anzahl an Soldatinnen und Soldaten vor Ort sein.
Schnellstmöglich - spätestens 2025 - soll die Brigade einen Kommandeur bekommen.

Unsere Partner in Litauen werden die nötige Infrastruktur nicht von heute auf morgen
aufbauen und zur Verfügung stellen können. Auch das wird in mehreren Stufen geschehen.
Daher werden wir die Brigade in den nächsten Jahren schrittweise nach Litauen verlegen.

Wann die Brigade vollständig und voll einsatzbereit vor Ort sein wird, hängt nicht zuletzt von
den Fortschritten ab, die unsere litauischen Freunde beim Aufbau der Infrastruktur machen.
Bis Ende des Jahres werden wir gemeinsam einen Fahrplan erstellen.

"Viele positive Rückmeldungen"

tagesschau.de: Wie wird die Brigade zusammengestellt sein?

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Pistorius: Wir wollen eine Brigade vor Ort haben, die militärisch optimal aufgestellt ist. Sie
muss die NATO-Anforderungen erfüllen und sich in die NATO-Verteidigungspläne für die
Ostflanke fügen, in das sogenannte "NATO Force Model".

Dafür ist eine Kampfbrigade schwerer Kräfte des Heeres mitsamt Unterstützungskräften
geeignet. Eine Brigade, die neu zusammengestellt wird, und zwar aus verschiedenen, bereits
bestehenden Brigade-Elementen, die wir derzeit in Deutschland haben. Anders ausgedrückt:
Wir werden keine Brigade, die in Deutschland stationiert ist, eins zu eins nach Litauen
verlegen. Das hätte zu große Auswirkungen auf das Stationierungskonzept der Bundeswehr.

tagesschau.de: Kriegen wir 4.000 geeignete Freiwillige innerhalb der Bundeswehr für diese
Aufgabe zusammen? Einer Umfrage zufolge war nur jeder oder jede Fünfte bereit, sich über
Jahre an Litauen zu binden.

Pistorius: "Nur"? Falls die Zahl aus der Umfrage, die Sie zitieren, stimmen sollte, muss ich
den Interessenten sogar sagen: Habt Geduld. Nicht jeder Fünfte oder jede Fünfte wird gleich
in der Anfangsphase die Möglichkeit bekommen, für drei Jahre nach Litauen verlegt zu
werden.

In der Tat bekommen wir sehr viele positive Rückmeldungen aus der Truppe, was mich sehr
freut. Litauen hat einen exzellenten Ruf bei den Soldatinnen und Soldaten. Übrigens auch
deswegen, weil das Zusammenspiel zum Beispiel bei der von uns geführten multinational
aufgestellten "Battle Group" dort bereits hervorragend klappt. Das hilft uns. Denn das
Prinzip Freiwilligkeit wird Vorrang haben.

Standorte nahe Vilnius und Kaunas im Blick

tagesschau.de: Können Sie ausschließen, dass Deutschland für die Aufgabe nicht
Partnernationen braucht?

Pistorius: Um es deutlich zu sagen: Wir wollen Partner mit einbinden. Seit Jahren haben wir
enge Verflechtungen mit den Landstreitkräften anderer Länder. Das sind vertrauensvolle
Kooperationen, von denen alle Seiten profitieren: Wir trainieren gemeinsam, wir nutzen
Liegenschaften gemeinsam, wir beschaffen Waffensysteme gemeinsam.

Für die Brigade Litauen heißt das: Wir wollen unsere in Litauen bereits stationierte Battle
Group der "Enhanced Forward Presence" anpassen und in die Brigade Litauen integrieren.
Auf die erfolgreichen und wechselseitig hoch geschätzten Kooperationen wollen wir
keinesfalls verzichten. Aus diesem Grund sind wir derzeit insbesondere mit unseren Partnern
in den Niederlanden und in Norwegen im Gespräch über eine mögliche Beteiligung an der
Brigade Litauen.

tagesschau.de: Eine Ihrer Bedingungen war eine bestehende Infrastruktur für das deutsche
Kontingent. Was muss Ihrer Meinung vor Ort da sein? Kasernen? Mietwohnungen? Straßen?
Oder gehören zur Infrastruktur auch Schulen, Kindergärten und Supermärkte?

Pistorius: Wir sind auf einem guten Weg. Bis Ende des Jahres erstellen wir gemeinsam mit
unseren Partnern in Litauen den Fahrplan. Dann wird klar sein, welche Einrichtungen bis
wann gebaut sein werden, damit unsere Bundeswehrangehörigen in Litauen arbeiten und,

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wenn gewünscht, mit ihren Familien dort leben können. Wir haben bereits jetzt Standorte in
der Nähe der großen Städte Vilnius und Kaunas im Blick.

In der Tat geht es aber nicht nur um militärische Infrastruktur wie Kasernen und
Truppenübungsplätze, sondern auch um zivile Infrastruktur wie Kitas und Schulen, aber auch
um Freizeitmöglichkeiten. All dies muss durch unsere litauischen Partner zur Verfügung
gestellt werden. Wir wollen die Rahmenbedingungen für die Bundeswehrangehörigen
attraktiv gestalten.

Unser Eindruck ist, dass Litauen gerade viel Geld und überhaupt alle Hebel in Bewegung
setzt, damit möglichst vieles realisiert wird. Die Wahrnehmung der Bedrohung durch
Russland ist in Litauen deutlich spürbar. Wir sehen durch unsere intensivierte
Zusammenarbeit eine regelrechte Aufbruchstimmung in Litauen. Das wird sich auch auf
unsere Soldatinnen und Soldaten übertragen.

Dabei wollen wir ihre persönliche Lebenssituation berücksichtigen. Es wird diejenigen geben,
die pendeln, und andere, die sich für drei Jahre in Litauen niederlassen wollen. Beides muss
attraktiv sein. Wir sorgen dafür, dass die Rahmenbedingungen stimmen.

"Fester Bestandteil der NATO-Verteidigungspläne"

tagesschau.de: Wie wollen Sie eine vernünftige Ausrüstung der Brigade garantieren?
Glauben Sie, dass das gleichzeitig mit den Anforderungen an eine NATO-Division 2025
überhaupt zu stemmen ist?

Pistorius: Wir rüsten die gesamte Truppe mit dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro
besser aus. Im ersten Halbjahr dieses Jahres haben wir dem Parlament bereits mehr
Großvorhaben zur Billigung vorgelegt als dies im gesamten vergangenen Jahr geschehen ist.
Bis Ende des Jahres werden wir zwei Drittel des Sondervermögens vertraglich gebunden
haben. Von den Anschaffungen, die wir damit auf den Weg bringen, profitiert die Brigade
Litauen genauso wie alle anderen Einheiten der verschiedenen Teilstreitkräfte.

Die Brigade Litauen ist fester Bestandteil der NATO-Verteidigungspläne. Das heißt konkret:
Sie wird ein fester Bestandteil der Division 2025 sein, sie kommt also nicht on top dazu. Der
Unterschied zu den beiden anderen Brigaden der Division 2025 besteht darin, dass sie fest in
Litauen stationiert sein wird. Die beiden anderen Brigaden der Division 2025 bleiben in


Берлин решил создать самую оснащенную дивизию в НАТО
Генерал ФРГ Меис: Германия планирует создать самую боеспособную дивизию в НАТО.
Берлин решил к 2025 году создать самую оснащенную дивизию в НАТО среди европейских союзников. Об этом
сообщает Reuters со ссылкой на командующего армией, генерал-лейтенанта Альфонса Меиса. На данный момент
у Германии нет ни одной боеспособной дивизии, воинской части, насчитывающей более 20 тысяч военнослужащих.
Планируется, что первое из трех подразделений будет подготовлено к 2025 году, а второе — к 2027-му.
По словам генерал-лейтенанта, изначально Германия подготовит две механизированные бригады. «В любом случае
этого будет достаточно, чтобы к 2025 году предоставить наиболее оснащенную дивизию из всех европейских партнеров
НАТО. По крайней мере, это наша совместная цель с нашими голландскими партнерами», — отметил он.
Майс признал, что сформировать дивизию, оснащенную достаточным количеством боеприпасов к 2025 году — задача
амбициозная на фоне помощи Киеву. «Если мы отправим боеприпасы на Украину, у нас их не будет до тех пор, пока не
поступят новые заказы. А производственные возможности сократились за последние 30 лет», — заявил немецкий
военный, подчеркнув, что с этой проблемой сталкиваются все партнеры по НАТО. – LENTA.RU 09:58, 17 июля 2023

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Deutschland, können aber im Falle eines Angriffs auf NATO-Gebiet innerhalb bestimmter
Fristen an die Ostflanke verlegt werden.

tagesschau.de: Kann das beides problemlos aus dem Einzelplan 14, also aus dem regulären
Verteidigungshaushalt finanziert werden?

Pistorius: Wir haben uns gegenüber der NATO verpflichtet, unseren Teil zum Schutz der
Ostflanke beizutragen. Übrigens auch aus einer historischen Verantwortung heraus.
Schließlich haben andere NATO-Partner viele Jahrzehnte lang die Ostflanke geschützt, als sie
mitten durch Deutschland verlief. Daher: Ja. Die Kosten für die Division 2025 werden aus
dem Einzelplan 14 finanziert, also auch die Ausgaben für die Brigade Litauen.

Das Gespräch führte Stephan Stuchlik, ARD-Hauptstadtstudio.

Quelle: tagesschau.de., Stand: 11.10.2023 09:06 Uhr / 8553 / ©gn


https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/pistorius-bundeswehr-litauen-100.html


Einzelplan 14 – Bundeshaushaltsplan 2023  Einzelplan 14  Bundesministerium der Verteidigung / Раздел
(федерального) бюджета ® НАЦИОНАЛЬНАЯ ОБОРОНА за 2022 год ® Код раздела 02 / ©gn

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NATO-Ostflanke: Pistorius will 4000 Soldaten in Litauen stationieren
Deutschland ist nach Angaben von Verteidigungsminister Pistorius bereit, "dauerhaft eine
robuste Brigade" der Bundeswehr nach Litauen zu verlegen. Im Gespräch seien 4000
Soldaten. Sie sollen die NATO-Ostflanke sichern.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat angekündigt, zusätzliche 4000


Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten in das NATO-Partnerland Litauen zu schicken, um die
Ostflanke der NATO zu stärken. "Deutschland ist bereit, dauerhaft eine robuste Brigade in
Litauen zu stationieren", sagte Pistorius in Vilnius.

Einen genauen Zeitpunkt für die Stationierung nannte er zunächst nicht. Voraussetzung sei
eine entsprechende Infrastruktur vor Ort sowie die "Kompatibilität mit den NATO-Plänen",
betonte der Verteidigungsminister. Die Stationierung einer Brigade mit etwa 4000
Soldatinnen und Soldaten "plus Material" sei mit erheblichem Aufwand verbunden, sagte
Pistorius.

Verlegung soll schrittweise erfolgen

Er habe sich mit seinem litauischen Amtskollegen Arvydas Anusauskas darauf verständigt,
dass die Verstärkung der Brigade Schritt für Schritt "dem Aufwachsen der Infrastruktur
folgt". Pistorius hob hervor, dass die Vereinbarkeit der dauerhaften Verlegung mit den
Regional- und Operationsplänen der NATO, die noch in der Bearbeitung seien, von zentraler
Bedeutung sei.

Deutschland habe seine Position "nicht wirklich verändert", sagte Pistorius wenig später in
einer gemeinsamen Pressekonferenz mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und
Litauens Präsident Gitanas Nauseda in Vilnius. Was er habe unterstreichen wollen: "Wir sind
bereit unter zwei Voraussetzungen."

Erstens müsse für eine Entsendung der Streitkräfte durch die litauische Seite Infrastruktur
vor Ort bereitgestellt werden. "Und wir sind auch bereit, die Brigade 41 genau so schnell
aufzubauen, wie hier in Litauen die Infrastruktur für diese Truppen entsteht."

Litauen nennt Zieldatum 2026

Nötig sei zweitens die weitere Flexibilität der NATO-Ostflanke. Als Verantwortlichen nannte
der Bundesaußenminister den Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) der NATO.
"Wenn er einverstanden ist, dann werden wir so vorgehen, wie ich das beschrieben habe",
so Pistorius.

Nauseda versicherte, Litauen werde seinen Teil der Abmachung so gut und schnell wie
möglich erledigen. "Wir vereinfachen die Verfahren, um den Aufbau der Infrastruktur bis
2026 abschließen zu können", sagte er bei der Pressekonferenz. "Aber ich ärger mich
natürlich auch nicht, wenn der Verteidigungsminister schon 2025 fertig wird."

Bundeswehr leitet bereits NATO-Verband

Als Reaktion auf die russische Invasion in der Ukraine hatte die Bundesregierung im Juni
2022 zugesagt, eine Kampftruppen-Brigade für die Verteidigung Litauens im Fall eines
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Angriffs bereitzuhalten. Bisher war aber strittig, ob die Soldaten dauerhaft in Litauen
stationiert werden sollen.

Die litauische Regierung hat das vehement gefordert. Die Bundesregierung äußerte sich dazu
lange Zeit zurückhaltend. Jetzt gibt es von ihr erstmals eine klare Zusage. Die Bundeswehr ist
bereits seit 2017 mit mehreren Hundert Soldaten im litauischen Rukla präsent. Dort führt
Deutschland den NATO-Gefechtsverband Enhanced Forward Presence (EFP) mit derzeit
etwa 1600 Soldatinnen und Soldaten, davon knapp die Hälfte aus der Bundeswehr.

Hinzu kommt eine Brigade im Rahmen der Enhanced Vigilance Activity (EVA), die in
Deutschland für einen schnellen Einsatz in Litauen bereitgehalten wird. In den vergangenen
Tagen wurden neben etwa 1000 Soldatinnen und Soldaten für ein bis zum 7. Juli angesetztes
Manöver auch rund 300 Panzer und andere Fahrzeuge nach Litauen verlegt.

"Kein Platz für die kleinste Sicherheitslücke"

Pistorius war ebenso wie Stoltenberg in Vorbereitung des NATO-Gipfels im Juli nach Vilnius
gereist. Litauen grenzt an Belarus und die russische Ostsee-Exklave Kaliningrad.

Staatschef Nauseda hatte bei einem Treffen mit Stoltenberg eine stärkere NATO-Präsenz
eingefordert. "Dies ist die Frontlinie der NATO, wo es keinen Platz selbst für die kleinste
Sicherheitslücke gibt."

Lothar Lenz, ARD Berlin, tagesschau, 26.06.2023 11:54 Uhr


Quelle: tagesschau.de., Stand: 26.06.2023 15:30 Uhr / 4113 / ©gn


Die NATO Enhanced Forward Presence (eFP) (deutsch etwa: Verstärkte Vornepräsenz) ist eine Beistandsinitiative
der NATO, die am 8. und 9. Juli 2016 auf dem NATO-Gipfeltreffen in Warschau beschlossen wurde. Sie dient der
Sicherung der Ostflanke der verbündeten Staaten und der Abschreckung gegenüber Russland.
Расширенное передовое присутствие (англ. Enhanced Forward Presence, eFP) — программа НАТО по
усилению присутствия в Восточной Европе в рамках поддержки союзников в связи с аннексией Крыма
Российской Федерацией и участием России в войне с Украиной.
Программа была принята на Варшавском саммите НАТО в 2016 году. В её рамках в странах Прибалтики и
Польше были развёрнуты 4 многонациональных батальонных группы. После начала активной
фазы российско-украинского противостояния Альянс создал ещё 4 батальонных группы на своём Восточном
фланге.


Enhanced Vigilance Activity (EVA) Dazu wurden unter dem Begriff Enhanced Vigilance Activities, (dt. verstärkte
Wachsamkeits-Aktivitäten), die Fähigkeiten zur Bündnisverteidigung erhöht. NATO-Battlegroups oder NATO-
Kampfgruppen sind multinationale Kampfverbände der NATO. Die NATO Enhanced Forward Presence (eFP)
(deutsch etwa: Verstärkte Vornepräsenz) ist eine Beistandsinitiative der NATO, die am 8. und 9. Juli 2016 auf dem
NATO-Gipfeltreffen in Warschau beschlossen wurde.[1] Sie dient der Sicherung der Ostflanke der verbündeten
Staaten und der Abschreckung gegenüber Russland. NATO-Battlegroups wurden zu Ausbildungs- und
Übungszwecken in die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie nach Polen verlegt. Jeweils rund
1000 Soldaten sind dort rotierend stationiert. Als Reaktion auf den russischen Überfall auf die Ukraine 2022 haben
die NATO-Mitgliedsstaaten, bei einem außerordentlichen Gipfeltreffen am 24. März 2022 in Brüssel beschlossen,
die NATO Enhanced Vigilance Activities (eVA) (deutsch etwa: Verstärkte Wachsamkeitsaktivitäten) mit vier
weiteren NATO-Battlegroups in Bulgarien, Rumänien, Slowakei und Ungarn aufzustellen.

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MITTENDRIN: NATO-Ostflanke in Litauen – Trainieren für den Ernstfall
Ein Panzerbataillon übt für seinen Litauen-Einsatz. Wegen des russischen Angriffskriegs
könnte der jederzeit zum Kriegseinsatz im NATO-Verteidigungsfall werden. Mit diesem
Wissen bereiten sich die Soldaten vor.

Es ist kurz nach sieben Uhr am Morgen, als der erste Schuss fällt, irgendwo in der Ferne. Es
verspricht ein unangenehmer Tag zu werden - zwei Grad Celsius, Schneeregen, der Boden ist
aufgeweicht und weiß vom Schnee aus der Nacht. An dem 60 Tonnen schweren "Leopard 2"-
Kampfpanzer läuft man vorbei, ohne ihn zu bemerken. Getarnt mit Tannenzweigen steht er
einige Meter abseits vom Weg in einem kleinen Waldstück.

Im Gefechtsübungszentrum des Heeres in Gardelegen in Sachsen-Anhalt übt das


Panzerbataillon 363 aus Hardheim in Baden-Württemberg zwei Wochen lang den Ernstfall.
Der Ernstfall, das wäre ein russischer Angriff auf den NATO-Partner Litauen. Nach Litauen
wird das Bataillon im Sommer für sechs Monate verlegt, um dort die Ostflanke des Landes
und damit der NATO zu schützen.

Es ist nicht der erste Einsatz der Bundeswehr in Litauen, im Gegenteil: Kurz nach der
Annexion der Krim 2014 entschied die NATO, ihre Truppen entlang der Ostgrenze des
Verteidigungsbündnisses zu verstärken. Im Baltikum und in Polen wurden NATO-Kräfte
stationiert beziehungsweise verstärkt.

Enhanced Forward Presence (EFP) heißt der Einsatz und meint, dass es um Abschreckung
geht. Das Kommando über die litauischen EFP-Kräfte hat seit sieben Jahren die deutsche
Bundeswehr. Hinzugekommen ist dabei die gestiegene Bedrohungslage nach dem Überfall
Russlands auf die Ukraine, die auch an den Soldaten nicht spurlos vorbeigeht.

Multinationaler Einsatz zum Schutz der NATO-Staaten

Oberstleutnant Andreas Kirchner ist nicht nur der Kommandant auf diesem Kampfpanzer,
sondern auch der Kommandeur des ganzen Hardheimer Bataillons und wird später auch das
Kommando über die multinationalen Truppen in Litauen haben. Er weiß um seine
Verantwortung für 1500 Soldaten unter seinem Kommando und für unsere Sicherheit in
Deutschland.

Kirchner steht zu einhundert Prozent hinter der Mission: "Ich bin mit Leib und Seele
Panzeroffizier und dass ich jetzt nach über 20 Jahren Dienstzeit die große Ehre haben darf,
Kommandeur eines Panzerbataillons zu sein und dann auch noch der EFP-Battlegroup, und
damit die Verantwortung für die Soldaten zu haben, das ist definitiv eine große Ehre und
Verantwortung, aber vor allem die Erfüllung eines Kindheitstraums."

Im Gefechtsübungszentrum wird zum ersten Mal die ganze Truppe zusammengeführt, erklärt
Kirchner. Die teilnehmenden Soldaten kommen aus Norwegen, den Niederlanden, Belgien,
Kroatien, Luxemburg, Frankreich, Tschechien und Deutschland. Hier üben sie
Gefechtssituationen mit allen für den Einsatz vorgesehenen Fahrzeugen: vom Kampfpanzer
Leopard, über den Aufklärungspanzer Wiesel bis zu den Radpanzern Fuchs und Boxer.

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Schnell wird klar, dass auch hier die Ausstattung der Bundeswehr nicht im Soll ist. Bis Ende
2022 sollte das Bataillon über 44 "Leopard 2" verfügen können, sie haben derzeit 14. Zwölf
davon werden im Sommer nach Litauen verlegt. Wären mehr Panzer vorhanden, würden
auch dort mehr eingesetzt.

Wie es mit der restlichen Ausstattung der Soldaten aussieht, die in den Einsatz gehen?
Oberleutnant Julian K. antwortet darauf: "Da ist zumindest definitiv die Absicht da, die auf
100 Prozent zu bringen. Dass das gesamte Material, das die Leute vor Ort brauchen, auch
tatsächlich da ist."

Litauen-Einsatz braucht schwere Panzerverbände

Bisherige Auslandseinsätze der Bundeswehr waren stets anders angelegt als dieser, erklärt
Oberstleutnant Kirchner. Nach Afghanistan, Mali oder in den Kosovo seien hauptsächlich
Infanterie, also bewaffnete Fußtruppen verlegt worden. Zum ersten Mal werde im Ausland
solche massive Feuerkraft von Kampfpanzern stationiert.

"Es ist eine andere Mission, weil wir jetzt als Panzerbataillon in unserem Kernauftrag ins
Ausland gehen", sagt Kirchner. Im Balkan und in Afghanistan sei die Panzertruppe nur sehr
selten tatsächlich mit dem Kampfpanzer im Einsatz gewesen, nur mal im Kosovo ganz kurz.
"Und ansonsten haben wir querschnittliche Aufgaben wahrgenommen, die andere
Truppengattungen genauso gemacht haben. Jetzt ist der große Unterschied an der NATO-
Ostflanke, dass wir im Kerngeschäft mit dem Kampfpanzer 'Leopard 2' unsere Aufgabe
erfüllen.“

Dann gliedert sich die Panzerbesatzung in die Übung ein. Oberleutnant Julian K. führt auf
den "Feldherrenhügel", eine Anhöhe, von der aus wir Überblick über einen Teil des
Gefechtsübungszentrums Gardelegen haben. Es misst im Ganzen 230 Quadratkilometer. Hier
können verschiedene Gefechtssituationen durchgespielt und immer wieder trainiert werden.

Bundeswehr soll Angriff Russlands verzögern

Die Feindseite in rot markierten Panzern und die Verteidiger in blau versuchen, Gebiete zu
erobern. Die Roten seien ein Zug aus Gardelegen. "Die kennen hier jeden Stein", erklärt der
Oberleutnant. Das sei die besondere Herausforderung für die Verteidiger aus Hardheim. Und
so blinken auch schnell mehrere Leoparden der Verteidiger weiß. Das heißt, sie sind
getroffen.

Geschossen wird hier nicht scharf, sondern mit einem Lasersystem. Die unversehrten Panzer
ziehen sich zur nächsten Verteidigungslinie zurück, so werde das trainiert. Man könne einen
russischen Angriff auf Litauen nicht allein stoppen. Aufgabe der Enhanced Forward Presence
im Verteidigungsfall sei, einen Angriff so lange zu verzögern, bis die NATO Unterstützung
schicke.

Im Ernstfall wären die Besatzungen der beiden getroffenen Panzer jetzt in großer Gefahr.
Hier heißt es: zurück auf Start und beim nächsten Mal besser machen. Ein nächstes Mal
würde es im Kriegsfall nicht geben. Deshalb legt der Kommandeur großen Wert darauf, die
taktischen Manöver immer wieder zu üben: "Die Vorbereitungszeit ist nicht knapp

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bemessen, sondern intensiv. Man muss sehen, dass wir verschiedene Führungsebenen
haben, das hat einen logischen Aufbau und trainiert sich nicht durch Handauflegen." Sein
Prinzip bei der Ausbildung sei tiefe Vorbereitung, sagt Kirchner. "Lieber einen Schritt nach
dem anderen, als zu schnell in die Breite zu gehen und das wird dann Murks."

Die besondere Herausforderung ist zu spüren

Murks in der Vorbereitung könnte in Litauen verheerende Folgen für die Soldaten haben.
Das wissen auch deren Familien. Die Bundeswehr sorgt deshalb dafür, dass im Ausland
Stationierte regelmäßig Kontakt zu ihren Familien haben können. Für die
Daheimgebliebenen gibt es die "Bundeswehr-Familienbetreuung", erklärt der Kommandeur.
"Das beginnt mit den Aktualisierungen, wie die Lage in Litauen ist, wo man gemeinsam
zusammenkommt."

Im Sommer gebe es auch die Möglichkeit, mit den Kindern ein Sommerfest zu machen. "Und
dann ist auch schon wieder ein Wochenende vergangen, wo die Angehörigen in Litauen
sind", sagt Kirchner. "Das ist einfach, um auch mal Menschen zu treffen, die die gleiche
Problematik zu Hause gerade haben, weil der Nachbar in der Regel kein
Bundeswehrangehöriger ist.“

Dennoch seien die Gespräche vor einem solchen Einsatz intensiver als vor anderen
Einsätzen. Der Panzerfahrer Stabsgefreiter Marc S. sagt, er spreche regelmäßig sehr offen
mit seinen Eltern. Sie unterstützten ihn sehr in dem Beruf, den er gewählt habe, erzählt er:
"Die sagen, das ist richtig und wichtig, was ich tue. Definitiv. Ich habe mich dafür
entschieden, Soldat zu werden. Und dann ist das auch mein Auftrag."

Ähnlich sieht es der Richtschütze Oberfeldwebel Felix S. "Man versucht immer bestmöglich,
die Ruhe zu bewahren. Und noch ist ja nichts passiert. In nächster Zeit wird auch nichts
passieren, dass man sich Gedanken machen müsste als Angehöriger." Seine eigenen Gefühle
beschreibt er sehr abgeklärt: "Für mich ist der Einsatz wie der Übungsplatz, wir werden da
sehr gut herangeführt. Wir sind eine Freiwilligenarmee, haben dafür unterschrieben, alles
dafür einzusetzen. Im schlimmsten Fall muss man da, wo wir hingehen, wissen, dass da
jederzeit der scharfe Schuss fallen kann."

Von Peter Sonnenberg, SWR

Quelle: tagesschau.de., Stand: 15.03.2023 17:44 Uhr / 8005 / ©gn

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