Sie sind auf Seite 1von 78

Zusammenfassung der Vorlesung

Analysis 1
Stefan Müller
Universität Bonn
Wintersemester 2022-2023

Dies ist eine gekürzte Zusammenfassung und kein vollständiges Skript der
Vorlesung. Deshalb kann diese Zusammenfassung den Besuch der Vorlesung
oder ein Lehrbuch nicht ersetzen. Wie in der Vorlesung besprochen, werden
folgende Bücher empfohlen:

Fo1 Otto Forster, Analysis 1, Vieweg studium


https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-11545-6

Hi1 Stefan Hildebrandt, Analysis 1, Springer


https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-662-05694-3

Kö1 Konrad Königsberger, Analysis 1, Springer


https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-642-18490-1

Als kleiner Leitfaden für das Lesen und Schreiben mathematischer Texte
wird empfohlen

• Albrecht Beutelspacher, ’Das ist o.B.d.A. trivial!’


https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-8348-9599-8

Insbesondere enthalten diese Notizen nur ausgewählte Beweise. Die anderen


sind entweder leichte Übungsaufgaben oder in der angegebenen Literatur zu
finden.
Tippfehler und Korrekturen bitte an sm@hcm.uni-bonn.de.
Diese Zusammenfassung basiert auf den oben genannten Büchern und auf
früheren Vorlesungszusammenfassungen (S. Conti WS 2009-10 und WS
2019-20, S. Müller WS 2010-11, M. Disertori WS 2018-19) und ist nur für
Hörer der Vorlesung V1G1/MB01 Analysis 1 an der Universität Bonn, Win-
tersemester 2022-2023, bestimmt.

1 [30. November 2022]


Inhaltsverzeichnis
1 Zahlenmengen: R, N, Z, Q, C 3
1.1 Die reellen Zahlen R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.1.1 Körperaktiome, Grundrechenarten . . . . . . . . . . . 3
1.1.2 Ordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.1.3 Vollständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.2 Die natürlichen Zahlen N, vollständige Induktion . . . . . . . 6
1.3 Die ganzen Zahlen Z und die rationalen Zahlen Q . . . . . . . 16
1.4 Endliche und abzählbare Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . 17
1.5 Vollständigkeit von R: inf, sup, Intervallschachtelung . . . . . 22
1.6 Die komplexen Zahlen C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

2 Folgen und Grenzwerte 33


2.1 Konvergente Folgen reeller Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.2 Teilfolgen, Satz von Bolzano-Weierstraß . . . . . . . . . . . . 38
2.3 Bestimmt divergente Folgen, lim inf und lim sup . . . . . . . . 40
2.4 Metrische Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
2.5 Der Raum Rn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
2.6 Cauchy-Folgen, Vollständigkeit II . . . . . . . . . . . . . . . . 52
2.7 Kompaktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

3 Reihen 59
3.1 Partialsummen, Konvergenz einer Reihe . . . . . . . . . . . . 59
3.2 Reihen mit nichtnegativen Gliedern . . . . . . . . . . . . . . . 61
3.3 Absolute Konvergenz, Konvergenzkriterien . . . . . . . . . . . 64
3.4 Umordnungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
3.5 Summe über beliebige abzählbare Mengen, Doppelsummen . 69
3.6 Potenzreihen und Exponentialfunktion . . . . . . . . . . . . . 73

2 [30. November 2022]


[Vorlesung 1, 10.10. 2022]

1 Zahlenmengen: R, N, Z, Q, C
Wir benutzen die übliche Notation für Mengen (A ⊂ B, a ∈ A, A∩B, A∪B,
A \ B, A × B) und für Funktionen (f : A → B, a 7→ f (a)). Diese Konzepte
werden in der linearen Algebra besprochen.

1.1 Die reellen Zahlen R


Axiom 1.1. Es gibt eine Menge R mit folgenden Eigenschaften:

(i) R ist ein Körper (Definition 1.2);

(ii) R ist geordnet (Definition 1.5);

(iii) R ist ordnungsvollständig (Definition 1.7).

1.1.1 Körperaktiome, Grundrechenarten

Definition 1.2. Eine Menge K ist ein Körper, falls zwei Operationen + :
K × K → K und · : K × K → K (Addition und Multiplikation bzw. Summe
und Produkt genannt) und zwei Elemente 0, 1 ∈ K existieren (mit 1 6= 0),
so dass gilt:

(i) Addition und Multiplikation sind kommutativ, d.h., a + b = b + a und


a · b = b · a für alle a, b ∈ K.

(ii) Addition und Multiplikation sind assoziativ, d.h., (a+b)+c = a+(b+c)


und (a · b) · c = a · (b · c) für alle a, b, c ∈ K.

(iii) (neutrales Element) 0 + a = a und 1 · a = a für alle a ∈ K.

(iv) (inverses Element) Für alle a ∈ K gibt es ein x ∈ K mit a + x = 0;


für alle a ∈ K mit a 6= 0 gibt es ein x ∈ K mit a · x = 1.

(v) Es gilt das Distributivgesetz, d.h., a · (b + c) = (a · b) + (a · c).


Bemerkung 1.3. Die Elemente 0 und 1 sind eindeutig durch (iii) bestimmt.
Für a ∈ K ist die Lösung der Gleichung x + a = 0 eindeutig. Sie wird −a
genannt, anstatt a + (−b) schreibt man auch a − b.
Für a ∈ K, a 6= 0, ist die Lösung der Gleichung a · x = 1 eindeutig, sie wird
1/a genannt. Anstatt a · (1/b) schreibt man auch a/b oder a · b−1 oder b−1 · a
oder ab .

3 [30. November 2022]


Der Punkt wird oft weggelassen, ab = a · b. Klammern werden auch,
wo sie nicht notwendig sind, weggelassen, mit der Konvention, dass man
zuerst Produkte und danach Summen rechnen muss, “Punktrechnung vor
Strichrechnung”. Z.B. schreibt man a + b + c, ab + c, ab/c.
Für a · a schreibt man auch a2 .
Beweis: Eindeutigkeit der 0. Wir nehmen an, dass zwei Elemente 0, 00 ∈ K
existieren, so dass 0 + a = a und 00 + a = a für alle a ∈ K, und zeigen,
dass 0 = 00 . Wir betrachten die Größe 0 + 00 . Da 0 + a = a für alle a, gilt
0 + 00 = 00 . Aus (i) folgt, dass 0 + 00 = 00 + 0. Aus 00 + a = a für alle a, gilt
00 + 0 = 0. Deshalb 00 = 0 + 00 = 00 + 0 = 0.
Wir beweisen Eindeutigkeit der Lösung von a + x = 0. Sei a ∈ K fest. Seien
x, y ∈ K zwei Lösungen, d.h., zwei Elemente von K so dass a + x = 0 und
a + y = 0. Aus a + x = 0 und (iii) folgt (a + x) + y = 0 + y = y. Aus (ii) und
(i) folgt (a + x) + y = (x + a) + y = x + (a + y), und wie oben mit a + y = 0,
(iii) und (i) erhalten wir x + (a + y) = x + 0 = 0 + x = x. Deshalb x = y.
Die anderen Aussagen werden in den Hausaufgaben bewiesen.
In dieser Vorlesung werden wir die drei Körper R, Q und C betrachten,
weitere Beispiele werden in der Linearen Algebra besprochen.
Bemerkung 1.4. Aus dieser Definition kann man leicht sehen, dass fol-
gende Rechenregeln gelten:
−(−a) = a (−a) + (−b) = −(a + b) (1.1)
(−1) · a = −a (1.2)
(a−1 )−1 = a a−1 b−1 = (ab)−1 für a, b 6= 0 (1.3)
a·0=0 a(−b) = −(ab) (1.4)
(−a)(−b) = ab a(b − c) = ab − ac (1.5)
a b ad + bc a b ab
+ = · = für c, d 6= 0 (1.6)
c d cd c d cd
Aus ab = 0 folgt a = 0 oder b = 0 . (1.7)

Wir beweisen, dass a · 0 = 0 für alle a ∈ K. Aus (iii) folgt


0=0+0
und mit dem Distributivgesetz (v) folgt weiter
a · 0 = a · (0 + 0) = (a · 0) + (a · 0).
Wir würden jetzt gern auf beiden Seiten der Gleichung einmal den Term a·0
streichen. Dies gelingt mit (iv). Aus (iv) folgt nämlich, dass ein x existiert,
so dass (a · 0) + x = 0. Damit folgt mit (ii) und (iii)
0 = a · 0 + x = (a · 0) + (a · 0) + x = a · 0 + 0 = a · 0.

Beweis der übrigen Identitäten: Hausaufgabe, vgl. auch [Hi1, Kap. 1.3].

4 [30. November 2022]


1.1.2 Ordnung.

Wir wollen definieren, wann a größer als b ist, in Symbolen a > b. Außerdem
soll diese Ordnung mit den üblichen Rechenregeln verträglich sein. Dazu
führen wir eine Teilmenge der Zahlen ein, die größer als 0 sind.

Definition 1.5 (Ordnung). Ein Körper K heißt geordnet, wenn eine Teil-
menge K+ von K existiert, so dass gilt:

(i) Für jedes a ∈ K gilt genau eine der drei Bedingungen


a ∈ K+ , a = 0, −a ∈ K+ .

(ii) Aus a, b ∈ K+ folgt a + b ∈ K+ und ab ∈ K+ .

Wir sagen, dass a größer als b ist, in Symbolen a > b, falls a − b ∈ K+ .


Analog steht a < b für b − a ∈ K+ , a ≥ b für a − b ∈ K+ ∪ {0}, a ≤ b für
b − a ∈ K+ ∪ {0}.
Man nennt die Elemente von K+ positiv und die Elemente von K+ ∪ {0}
nichtnegativ.

Die Schreibweise a < b < c bedeutet a < b und b < c; a ≤ b ≤ c bedeutet


a ≤ b und b ≤ c.
Es ist leicht zu sehen dass
a>0 genau dann wenn a − 0 = a ∈ K+
(1.8)
a≥0 genau dann wenn a − 0 = a ∈ K+ ∪ {0}.

Bemerkung 1.6. Es gilt

a · a > 0 für alle a 6= 0 (1.9)


1>0 (1.10)
ab > 0 genau dann, wenn (b > 0 und a > 0) oder (b < 0 und a < 0)
(1.11)
a > 0 genau dann, wenn 1/a > 0 (1.12)
Aus a > 0 und b ≥ 0 folgt a + b > 0 (1.13)
Aus a < b und b < c folgt a < c (1.14)
Aus a ≤ b und b ≤ c folgt a ≤ c (1.15)
Aus a < b und c ≤ d folgt a + c < b + d (1.16)
Aus a ≤ b und c ≤ d folgt a + c ≤ b + d (1.17)
Aus a < b und c > 0 folgt ac < bc (1.18)

Beweis von (1.9). Sei a 6= 0. Aus Definition 1.5 (i) folgt, dass genau eine
der zwei Bedingungen a ∈ K+ , −a ∈ K+ gilt. Wenn a ∈ K+ , dann folgt

5 [30. November 2022]


a · a ∈ K+ aus (ii), dann a · a > 0. Wenn −a ∈ K+ dann (−a) · (−a) > 0 aus
(ii). Aus (1.5) folgt a · a = (−a) · (−a).
Beweis von (1.10). Es folgt aus Def. 1.2, dass 1 6= 0. Aus (1.9) mit a = 1
folgt, dass 1 · 1 > 0. Aber 1 · 1 = 1 aus Def. 1.2 (iii).
Beweis der anderen Aussagen. Übung.
Man kann jetzt 2 := 1 + 1 definieren, und analog 3 := 2 + 1, 4 := 3 + 1, . . . .
Es ist auch leicht zu sehen, dass 0 < 1 < 2 < 3 < 4 . . . , insbesondere, dass
alle diese Zahlen unterschiedlich sind.

1.1.3 Vollständigkeit

Definition 1.7 (Vollständigkeit). Sei K ein geordneter Körper. K heißt


ordnungsvollständig, wenn folgendes gilt:
Wenn A, B ⊂ K nichtleer sind und die Eigenschaft haben, dass a ≤ b für
alle a ∈ A und b ∈ B, dann gibt es ein x ∈ K so, dass a ≤ x ≤ b für alle
a ∈ A und b ∈ B gilt.

Wir werden später (Sekt. 1.5) die Konsequenzen dieser Eigenschaft genauer
besprechen, und im Kapitel 2 eine allgemeinere Definition von Vollständig-
keit geben, die auch auf nichtgeordnete (aber metrisierte) Mengen anwend-
bar ist.
[Vorlesung 1, 10.10. 2022]
[Vorlesung 2, 12.10. 2022]

1.2 Die natürlichen Zahlen N, vollständige Induktion


Definition 1.8. Eine Teilmenge M eines Körpers K wird induktiv genannt,
wenn

(i) 0 ∈ M ;
(ii) für alle a ∈ M gilt a + 1 ∈ M .

Beispiel. R ist eine induktive Teilmenge von R.


Beweis. Die Aussage ist richtig, wenn sowohl (i) als auch (ii) richtig sind.
0 ∈ R, also ist (i) richtig. Da R ein Körper ist und 1 ∈ R, gilt für alle a ∈ R
auch a + 1 ∈ R. Dann ist auch (ii) richtig.

Beispiel. R≥ := {a ∈ R| a ≥ 0} ist eine induktive Teilmenge von R.


Beweis. 0 ∈ R, also ist (i) richtig. Sei jetzt a ∈ R≥ , d.h. a ≥ 0. Aus (1.10)
wissen wir 1 > 0. Aus (1.17) folgt dann a + 1 ≥ 0 + 0 = 0. Dann ist auch
(ii) richtig.

6 [30. November 2022]


Definition 1.9 (Natürliche Zahlen). Sei Mind die Menge, deren Elemente
die induktiven Teilmengen von R sind,

Mind := {X ⊂ R| X induktive Teilmenge von R}.

Die Menge der natürlichen Zahlen N ist der Durchschnitt aller induktiven
Teilmengen von R : \
N := X. (1.19)
X∈Mind

Weiterhin definieren wir N∗ := N \ {0}.

Aus Formel (1.19) folgt, dass n ∈ N genau dann, wenn n ∈ X für alle
X ∈ Mind .

Bemerkung 1.10. Die Menge Mind ist nichtleer, Mind 6= ∅, weil R ∈


Mind . Deshalb kann man den Durschnitt in (1.19) definieren.
Außerdem gilt N ⊂ X für jede X ∈ Mind .

Lemma 1.11. N ist eine induktive Menge.

Beweis. Sei X ein beliebiges Element in Mind . Dann ist X eine induktive
Teilmenge, und insbesondere 0 ∈ X. Da dies für jedes X inMind gilt, folgt
aus (1.19), dass 0 ∈ N.
Sei jetzt n ∈ N . Sei X ein beliebiges Element in Mind . Aus der Definition
von N folgt, dass n ∈ X. Da X induktiv ist und n ∈ X folgt, dass auch
n + 1 ∈ X. Da X beliebig ist, gilt n + 1 ∈ X für alle X ∈ Mind , d.h.
n + 1 ∈ N.

Man kann deshalb die Definition von N auch so formulieren: “N ist die kleins-
te induktive Teilmenge von R”. Dabei wird die Bedeutung von “kleinste”
durch die obige Konstruktion geklärt wird. Wir haben insbesondere gezeigt,
dass N ∈ Mind .

Lemma 1.12. Für alle n ∈ N gilt n ≥ 0.

Beweis. Folgt aus R≥ = {a ∈ R| a ≥ 0} ∈ Mind .

Satz 1.13 (Beweisprinzip der vollständigen Induktion). Zu jeder natürli-


chen Zahl n sei eine Aussage A(n) gegeben, so dass gilt

(i) A(0) ist richtig;

(ii) Für alle n ∈ N, für die A(n) richtig ist, ist auch A(n + 1) richtig.
[man schreibt auch “A(n) richtig ⇒ A(n + 1) richtig”]

Dann ist A(n) für alle n ∈ N richtig.

7 [30. November 2022]


Beweis. Sei
M := {n ∈ N : A(n) ist richtig} . (1.20)
Die Menge M ist in N enthalten, und ist eine induktive Teilmenge von R.
Aus M ⊂ N ⊂ M folgt M = N.

Notation: Man nennt (i) den Induktionsanfang (IA) oder die Induktions-
verankerung und (ii) den Induktionsschritt (IS). In (ii) heißt die Aussage
“A(n) ist richtig” Induktionshypothese (IH).

Lemma 1.14. Es gilt:

(i) Falls n, m ∈ N, dann n + m ∈ N und n · m ∈ N.

(ii) Für n ∈ N gilt entweder n = 0 oder n − 1 ∈ N.

(iii) Für n ∈ N gibt es kein m ∈ N mit n < m < n + 1.

(iv) Falls n, m ∈ N und m ≤ n, dann n − m ∈ N.

Beweis. (i): Sei m ∈ N.Wir betrachten für n ∈ N die Aussage

A(n) : m + n ∈ N, (1.21)

und werden A(n) mit vollständiger Induktion beweisen.


Induktionsanfang: Für n = 0 gilt m + 0 = m ∈ N, deshalb ist A(0) richtig.
Induktionsschritt: Sei A(n) richtig. Es gilt m + (n + 1) = (m + n) + 1. Aus
A(n) folgt, dass m + n ∈ N. Da N induktiv ist, folgt, dass (m + n) + 1 ∈ N.
Daraus folgt die erste Behauptung.
Um den zweiten Teil zu beweisen, betrachten wir die Aussage

A0 (n) : m · n ∈ N. (1.22)

Induktionsanfang: Für n = 0 gilt m · 0 = 0 ∈ N, deshalb ist A0 (0) richtig.


Induktionsschritt: Sei A0 (n) richtig. Es gilt m(n + 1) = mn + m; da mn
und m in N sind, folgt aus dem bereits bewiesenen ersten Teil von (i), dass
m(n + 1) ∈ N. Das beendet den Beweis von (i).
(ii): Beweis durch Induktion. Für n = 0 ist die Aussage richtig. Für alle
n ∈ N ist die Aussage A(n + 1) ebenfalls richtig, weil (n + 1) − 1 = n ∈ N.
(iii): Wir beweisen durch Induktion die Aussage

A(k): es gibt kein m ∈ N mit k − 1 < m < k (1.23)

für alle k ∈ N. Mit k = n + 1 folgt die Behauptung (da N induktiv ist, folgt
aus n ∈ N dass k ∈ N).
Für k = 0 folgt die Aussage aus Lemma 1.12. Die Aussage sei für k richtig.
Falls A(k + 1) falsch wäre, gäbe es m ∈ N mit k < m < k + 1. Nach (ii)

8 [30. November 2022]


gilt m = 0 oder m − 1 ∈ N. Der erste Fall kann nicht eintreten (sonst wäre
k < 0). Sei also m − 1 ∈ N. Dann folgt k − 1 < m − 1 < k, mit m − 1 ∈ N .
Das widerspricht der Induktionsannahme. Deshalb gibt es kein solches m,
und der Beweis von (1.23) ist beendet.
(iv): Hausaufgabe.

Bemerkung. Im Beweis von (iii) wurde gezeigt, dass falls A(n + 1) falsch
ist, dann muss auch A(n) falsch sein. Falls A(n) wahr ist (wie im In-
duktionsbeweis angenommen), dann folgt, dass A(n + 1) ebenfalls wahr
sein muss. Dieses Beweisverfahren wird Widerspruchsbeweis genannt (vgl.
Präsenzübung).
Lemma 1.15. Für jedes n ∈ N gilt genau eine der zwei Bedingungen

n
(i) ∈N d.h., es gibt ein m ∈ N so dass n = 2m
2
n−1
(ii) ∈N d.h., es gibt ein m ∈ N so dass n = 2m + 1.
2
Wenn (i) gilt, heißt n gerade Zahl. Wenn (ii) gilt, heißt n ungerade Zahl.

Beweis. Übung.

Mit Lemma 1.14(iv) kann die Aussage von Satz 1.13 verallgemeinert werden.
Bemerkung 1.16. Sei N0 ∈ N. Um die Aussage A(n) für alle n ∈ N,
n ≥ N0 zu beweisen, reicht es statt (i)

(i’) A(N0 ) ist richtig

zu zeigen.

Beweis. Für h ∈ N sei A∗ (h) := A(N0 + h). Aus (i’) folgt, dass A∗ (0) richtig
ist, und aus (ii) dass A∗ (h) ⇒ A∗ (h + 1). Dann zeigt Satz 1.13, dass A∗ (h)
für alle h ∈ N wahr ist. Für n ∈ N, n ≥ N0 , ist n − N0 ∈ N. Deshalb ist
A(n) = A∗ (n − N0 ) auch wahr.

Bemerkung. Wir werden später (Satz 1.28) zeigen, dass man statt (ii)
den schwächeren Schluss

(ii’) Für jedes n, für welches A(0), . . . , A(n) richtig sind (d.h., A(k) ist
richtig für alle k ∈ N, k ≤ n), ist auch A(n + 1) richtig

benutzen kann.
Die Methode der vollständigen Induktion wird auch für Definitionen benutzt
(Konstruktion durch vollständige Induktion oder rekursive Definition):

9 [30. November 2022]


Definition 1.17. Sei x ∈ R, n ∈ N. Dann ist xn durch

(i) x0 := 1;

(ii) xn+1 := xn · x

definiert. Insbesondere gilt 00 = 1.

Das folgende Argument zeigt, dass durch diese rekursive Definition die re-
elle Zahl xk für alle k ∈ N eindeutig definiert ist. Sei M := {k ∈ N :
xk ist eindeutig definiert}. Für k = 0 gilt nach Definition 1.17 (i) x0 = 0.
Definition 1.17 (ii) kommt hier nicht zum Zug, da n + 1 > 0 für alle n ∈ N.
Also gilt 0 ∈ M .
Sei nun k ∈ M . Dann ist k + 1 > 0. Für die Definiton von xk+1 kommt als
nur Definition 1.17 (ii) in Betracht. Da k ∈ M ist xk eindeutig definiert.
Daher ist xk+1 durch Definition 1.17 (ii) eindeutig definiert.
Daraus folgt, dass M eine induktive Menge ist. Nach Definition von N folgt
daher, dass N ⊂ M . Nach Definition ist auch M ⊂ N. Daher gilt M = N.
Das gleiche Argument gilt für alle rekursiven Definition später im Text.
[Vorlesung 2, 12.10. 2022]
[Vorlesung 3, 17.10. 2022]

Lemma 1.18 (Bernoullische Ungleichung). Sei n ∈ N, a ∈ R, a > −1.


Dann gilt:
(1 + a)n ≥ 1 + na . (1.24)

Beweis. Wir beweisen die Aussage mit vollständiger Induktion. Sei A(n) die
Aussage (1.24).
Induktionsanfang: für n = 0 gilt 1 = 1.
Induktionsschritt: diie Aussage sei für n wahr. Dann gilt (mit (1.18))

(1 + a)n+1 = (1 + a)n (1 + a) ≥ (1 + na)(1 + a) (1.25)


2
= 1 + (n + 1)a + na ≥ 1 + (n + 1)a . (1.26)

Definition 1.19 (Rekursive Definition von Summe und Produkt). Sei für
alle i ∈ N eine reelle Zahl ai gegeben. Dann ist für alle n ∈ N die Summe
P n
i=0 ai rekursiv definiert durch

(i) für n = 0 gilt 0i=0 ai := a0 ;


P

(ii) für n ∈ N gilt n+1


P Pn
i=0 ai := an+1 + ( i=0 ai ).

Für m ∈ N und n ∈ N mit n ≥ m definiert man rekursiv

10 [30. November 2022]


Pm
(i) für n = m gilt i=m ai
:= am ;

(ii) für n ∈ N mit n ≥ m gilt n+1


P Pn
i=m ai := an+1 + ( i=m ai ).

Ausserdem setzt man


n
X
ai = 0, falls n < m.
i=m

Qn
Analog definiert man das Produkt i=m ai rekursiv durch
Qm
(i) für n = m gilt i=m ai
:= am ;

(ii) für n ∈ N mit n ≥ m gilt n+1


Q Qn
i=m ai := an+1 · ( i=0 ai ).

(iii) für n < m gilt ni=m ai := 0.


Q

Falls n ≥ m so schreibt man manchmal für nj=m ai auch am +am+1 +. . .+an


P
oder am + . . . + an und benutzt eine analoge Notation für Produkte. In den
degenerierten Fällen n < m muss man diese Notation aber sorgfältig im
Sinne der obigen Definition interpretieren.

Bemerkung 1.20. Für x, y ∈ R, n ∈ N, ai ∈ R, es gilt:


n
Y
n
x = x (1.27)
i=1
n
X
1=n+1 (1.28)
i=0
n
X n(n + 1)
i= (1.29)
2
i=0
n
X n
X n
X n
X
(x + y) ai = ((x + y)ai ) = (xai ) + (yai ) (1.30)
i=m i=m i=m i=m
Xn n−m
X
ai = aj+m falls n ≥ m (1.31)
i=m j=0

(1.32)
n
X n+k
X
ai = ai−k (1.33)
i=m i=m+k

Beweis. Beweis von (1.28): Wir benutzen


P vollständige Induktion. Sei ai = 1
für alle i, und sei A(n) die Aussage ni=0 1 = n + 1.
IA: 0i=0 ai = a0 = 1 = 0 + 1. Dann ist A(0) richtig.
P

11 [30. November 2022]


IH: Sei A(n) richtig für ein gegebenes n ∈ N.
IH
IS: n+1
P Pn
i=0 ai = ( i=0 ai ) + an+1 = (n + 1) + an+1 = (n + 1) + 1. Dann ist
auch A(n + 1) richtig.
Beweis von (1.29): Wir benutzen vollständige Induktion. Sei ai = i für alle
i, und sei A(n) die Aussage ni=0 i = n(n+1)
P
2 .
P0 0(0+1)
IA: i=0 ai = a0 = 0 = 2 . Dann ist A(0) richtig.
IH: Sei A(n) richtig für ein gegebenes n ∈ N.
IH n(n+1)
IS: n+1 + an+1 = n(n+1)
P Pn
i=0 ai = ( i=0 ai ) + an+1 = 2 2 + (n + 1) =
n (n+1)((n+1)+1)
( 2 + 1)(n + 1) = 2 . Dann ist auch A(n + 1) richtig.
Beweis der anderen Aussagen: Übung.

Lemma 1.21. Sei x ∈ R, x 6= 1, n ∈ N. Dann gilt


n
X 1 − xn+1
xi = . (1.34)
1−x
i=0

Beweis. Wir wenden vollständige Induktion an. Sei A(n) die Aussage (1.34).
Induktionsanfang: Für n = 0 erhalten wir x0 = (1 − x)/(1 − x), was wahr
ist. Deshalb gilt A(0).
Induktionsschritt: Falls A(n) richtig ist, dann zeigt die Rechnung
n+1 n
X X 1 − xn+1 1 − xn+2
xi = xn+1 + xi = xn+1 + = , (1.35)
1−x 1−x
i=0 i=0

dass A(n + 1) richtig ist.

Alternativer Beweis. Wir rechnen


n
X n
X n
X
(1 − x) xi = xi − xi+1 (1.36)
i=0 i=0 i=0
Xn n+1
X
= xi − xi = 1 − xn+1 . (1.37)
i=0 i=1

Definition 1.22. Sei n ∈ N. Dann ist n! (n Fakultät) durch


n
Y
n! := i (1.38)
i=1

definiert.

12 [30. November 2022]


Bemerkung. Aus der Definition des Produkts folgt, dass 0! = 1. Es ist
leicht zu sehen, dass die folgende rekursive Definition on n Fakultät zu der
oben gegebenen Definition äquivalent ist:

(i) 0! = 1;

(ii) (n + 1)! = n! · (n + 1), n ∈ N.

  1.23. Seien k, n ∈ N, mit k ≤ n. Dann wird der Binomialkoef-


Definition
n
fizient (in Worten: n über k“) durch
k ”
 
n n!
:= (1.39)
k k!(n − k)!
 
n
definiert. Für k > n setzt man := 0.
k

Bemerkung. Man kann leicht sehen, dass


  Yk
n n−i+1
= (1.40)
k i
i=1

n

gilt. Der Binomialkoeffizient k tritt bei vielen kombinatorischen Problemen
n

auf. So ist k die Zahl der k-elementigen Teilmengen einer n-elementigen
Menge (der kurze Beweis wurde in der Vorlesung besprochen).

Lemma 1.24. Seien n, k ∈ N, n, k ≥ 1. Es gilt


     
n n−1 n−1
= + . (1.41)
k k k−1
 
n
Insbesondere ist ∈ N für alle n, k.
k

Hinweis: für k = 0 oder n = 0 ist die rechte Seite nicht definiert.

Beweis. Die Aussage (1.41) wird in der Hausaufgabe bewiesen. Daraus  kann

n
man leicht mit Induktion die Aussage B(n) beweisen, die besagt, dass ∈
k
N für alle k.

Satz 1.25 (Binomischer Lehrsatz). Seien x ∈ R, n ∈ N. Dann gilt:


n  
n
X
k n−k n
(x + y) = x y . (1.42)
k
k=0

13 [30. November 2022]


Beweis mit vollständiger Induktion. Für n = 0 erhalten wir 1 = 1. Die Aus-
sage sei für n richtig. Dann gilt:
n  
X n
(x + y)n+1 = (x + y) xk y n−k (1.43)
k
k=0
n   X n  
X n
k+1 n−k k n−k+1 n
= x y + x y (1.44)
k k
k=0 k=0
n+1   X n  
X
k n−(k−1) n k n−k+1 n
= x y + x y (1.45)
k−1 k
k=1 k=0
n+1
X
= xk y n+1−k ck , (1.46)
k=0

n n
 
wobei c0 = 0 = 1, cn+1 = n = 1 und
   
n n
ck = + (1.47)
k−1 k

für 1 ≤ k < n gilt. Mit Lemma 1.24 ist der Beweis beendet.

Definition 1.26. Sei A ⊂ R. Eine Zahl a ∈ A ist ein Minimum von A,


falls
a ≤ b für alle b ∈ A , (1.48)
man schreibt a = min A. Das Maximum max A wird analog definiert.

Bemerkung. Nicht alle Mengen besitzen ein Minimum (Beispiele: R, R+ ).


Falls ein Minimum existiert, ist es eindeutig, weil aus a ≤ a0 und a0 ≤ a folgt
a = a0 . Analoges gilt für das Maximum.

Bemerkung. Die Schreibweise “a = min A” bedeutet, dass (i) A eine


Teilmenge von R ist, die ein Minimum besitzt, und (ii) das Minimum gleich
a ist.

Satz 1.27. Sei M ⊂ N nichtleer. Dann besitzt M ein Minimum, d.h., es


gibt m ∈ M so, dass m ≤ a für alle a ∈ M .

Beweis. Idee: falls M kein Minimum besitzt gibt es zu jedem k ∈ M ein


Element k 0 ∈ M mit k 0 < k. Da es keine natürliche Zahl m gibt mit k − 1 <
m < k, folgt, dass k 0 ≤ k − 1. Wiederholt man dieses Argument k + 1 mal,
so findet man ein m ∈ M mit m ≤ −1. Dies widerspricht der Annahme
M ⊂ N.

14 [30. November 2022]


Man kann diese Idee wie folgt mithilfe vollständiger Induktion in einen Be-
weis verwandeln. Da M nicht leer ist gibt ein a ∈ M . Die Menge M besitze
keine Minimum. Wir betrachten die Ausssage

A(n) : es gibt b ∈ M mit b ≤ a − n.

Wir beweisen mit vollständiger Induktion, dass A(n) für alle n ∈ N wahr
ist.
IA: A(0) ist wahr, da a ∈ M .
IS: Sei A(n) wahr. Dann gibt es b ∈ M mit b ≤ a − n. Da b kein Minimum
von M ist, gibt es b0 ∈ M mit b0 < b. Da es keine natürliche Zahl m mit
der Eigenschaft b − 1 < m < b gibt (siehe Lemma 1.14 1.14), folgt dass
b0 ≤ b − 1 = a − n − 1 = a − (n + 1). Also ist A(n + 1).
Betrachte nun A(n) mit n = a + 1. Daraus folgt, dass es ein b ∈ M gibt
mit b ≤ −1. Dies widerspricht der Annahme M ⊂ N. Daher muss M ein
Minimum besitzen.

Alternativer Beweis. Sei M ⊂ N eine Menge, die kein Minimum besitzt.


Dann gilt 0 ∈/ M . Falls nämlich 0 ein Element von M wäre, so wäre 0 eine
Minimum, da für jede natürliche Zahl n gilt n ≥ 0. Falls 0 ∈/ M , so folgt
1∈/ M , da jede natürliche Zahl n ∈ N \ {0}, die Bedingung n ≥ 1 erfüllt.
Aus dieser Idee kann man wie folgt ein Beweis durch vollständige Induktion
entwickeln.
Es reicht zu zeigen, dass M = ∅. Sei A(n) die Aussage “n < b für alle
b ∈ M ”. Insbesondere impliziert A(n), dass n 6∈ M . Deshalb reicht es, A(n)
mit Induktion zu beweisen.
Falls A(0) falsch wäre, dann gäbe es b ∈ M mit b ≤ 0. Dann wäre b = 0 ∈ M .
Aber da M ⊂ N, erfüllen alle a ∈ M die Bedingung a ≥ 0, und 0 wäre ein
Minimum. Deshalb ist A(0) richtig.
Sei A(n) richtig. Falls A(n+1) falsch wäre, dann gäbe es b ∈ M mit b ≤ n+1.
Da M kein Minimum besitzt, gäbe es auch a ∈ M mit a < b, und deshalb mit
a < n + 1. Aus A(n) und a ∈ M folgt n < a. Aber es gibt keine natürliche
Zahl a mit n < a < n + 1 (Lemma 1.14(iii)). Deshalb ist auch A(n + 1)
richtig.
Es folgt, dass alle A(n) richtig sind, und für alle n ∈ N die Aussage n 6∈ M
gilt, d.h., N ∩ M = ∅. Mit M ⊂ N folgt M = ∅.

Der entscheidende Idee in beiden Beweisen ist, dass aus b, b0 ∈ N und b0 < b
die Aussage b0 ≤ b − 1 folgt, siehe Lemma 1.14 (iii).
[Vorlesung 3, 17.10. 2022]
[Vorlesung 4, 19.10. 2022]

15 [30. November 2022]


Satz 1.28 (Beweisprinzip der vollständigen Induktion, II). Sei N0 ∈ N, und
sei zu jeder natürlichen Zahl n mit n ≥ N0 eine Aussage A(n) gegeben, so
dass gilt:

(i) A(N0 ) ist wahr;

(ii) Für jedes n ≥ N0 , für welches A(N0 ), . . . , A(n) wahr sind (d.h., A(k)
ist wahr für alle k ∈ N, N0 ≤ k ≤ n), ist auch A(n + 1) wahr

Dann ist A(n) für alle n ∈ N, n ≥ N0 , wahr.

Beweis. Sei M := {n ∈ N : n ≥ N0 , A(n) ist nicht wahr}. Falls M leer


ist, ist der Beweis beendet. Sonst sei m := min M . Aus m ∈ M folgt, dass
m ≥ N0 . Aus (i) folgt, dass m nicht gleich N0 sein kann und deshalb dass
m > N0 . Die Zahl n = m − 1 ∈ N hätte dann folgende Eigenschaften:
n ≥ N0 ; A(k) ist wahr für alle k ∈ N mit N0 ≤ k ≤ n; A(n + 1) ist falsch.
Das widerspricht aber (ii), deshalb ist M = ∅.

Bemerkung. Die Idee dieses Beweises ist in vielen Situationen nützlich,


sowohl in N, als auch in R. Man sucht den Wert m, bei dem zum ersten

Mal“ etwas schiefgeht. Man muss bei solchen Argumenten nur sicherstellen,
dass die Aussage zum ersten Mal“ wohldefiniert ist. Deswegen mussten wir

zunächst Satz 1.27 beweisen.

1.3 Die ganzen Zahlen Z und die rationalen Zahlen Q


Definition 1.29. Die Menge der ganzen Zahlen Z ist durch

Z := N ∪ {x ∈ R : −x ∈ N} definiert.

Lemma 1.30. Falls a, b ∈ Z, dann gilt a + b, a − b, a · b ∈ Z. Es gibt keine


a, b ∈ Z mit a < b < a + 1.

Beweis. Hausaufgabe (vgl. Lemma 1.14).

Definition 1.31. Die Menge der rationalen Zahlen Q ist durch


p
Q := { : p ∈ Z, q ∈ N∗ } definiert.
q
p
Der Ausdruck q ist eine Abkürzung für pq −1 = q −1 p, vgl. Bemerkung 1.3.
Lemma 1.32. Q ist ein Körper.

Beweis. Zu zeigen:

(i) Falls x, y ∈ Q, dann x + y ∈ Q und x · y ∈ Q;

16 [30. November 2022]


(ii) falls x ∈ Q, dann −x ∈ Q;
(iii) falls x ∈ Q; dann x−1 ∈ Q.

(i) folgt aus den Regeln für Bruchrechnung, siehe (1.6);


(ii) − pq = −p
q , siehe (1.6);
 −1
(iii) aus (1.6) folgt pq = pq .

Satz 1.33. Es gibt kein x ∈ Q mit der Eigenschaft x2 = 2.

Wir werden später sehen, dass es ein x ∈ R gibt mit x2 = 2. Damit ist
insbesondere Q 6= R.

Beweis. Falls es ein x ∈ Q mit x2 = 2 gäbe, dann gäbe es ein q ∈ N∗ mit


p := xq ∈ Z und p2 = 2q 2 . Sei
A := {q ∈ N∗ : es gibt p ∈ Z mit p2 = 2q 2 } . (1.49)
Es reicht zu zeigen, dass A leer ist. Falls nicht, dann besitzt A ein Minimum.
Sei q := min A, und sei p ∈ Z so, dass p2 = 2q 2 . Da (−p)2 = p2 können wir
annehmen, dass p > 0, also p ∈ N.
Aus der Gleichung p2 = 2q 2 folgt, dass p2 gerade ist. Daraus folgt, dass p
gerade ist (siehe Übungsblatt 1). Daher gibt es ein m ∈ N mit p = 2m.
Damit folgt (2m)2 = 2q 2 und somit q 2 = 2m2 . Also ist m ∈ A. Außerdem
gilt m < q (falls m ≥ q so ist m2 ≥ q 2 und 2m2 > q 2 ). Das widerspricht der
Minimalität von q. Daher muss A leer sein.

1.4 Endliche und abzählbare Mengen


Definition 1.34. Seien A, B zwei Mengen, f : A → B eine Abbildung.

(i) f ist surjektiv, wenn es für alle b ∈ B mindestens ein a ∈ A gibt, so


dass f (a) = b gilt;
(ii) f ist injektiv, wenn es für alle b ∈ B höchstens ein a ∈ A gibt, so dass
f (a) = b gilt;
(iii) f ist bijektiv, wenn es für alle b ∈ B genau ein a ∈ A gibt, so dass
f (a) = b gilt.
(iv) Für A0 ⊂ A wir definieren f (A0 ) := {f (a)| a ∈ A0 } ⊂ B.
(v) Für B 0 ⊂ B wir definieren f −1 (B 0 ) := {a| f (a) ∈ B 0 } ⊂ A.

Bemerkung. Folgende drei Bedingungen sind äquivalent: (i) f ist bijektiv;


(ii) f ist sowohl surjektiv als auch injektiv; (iii) f besitzt eine bijektive
Umkehrfunktion.

17 [30. November 2022]


Bemerkung. Die Abbildung f : N → N∗ , f (n) = n + 1 ist bijektiv. Die
Umkehrfunktion ist g : N∗ → N, g(n) = n − 1. Falls f bijektiv ist, und
b ∈ B, dann besteht f −1 ({b}) aus genau einem Element von A. Man kann
dann auch f −1 für die Umkehrabbildung schreiben.

Definition 1.35. Für n ∈ N sei Kn := {i ∈ N : i < n}.

(i) Eine Menge X ist endlich, wenn X = ∅ oder ein n ∈ N und eine
bijektive Abbildung f : Kn → X existieren. In diesem Fall setzt man
#X := n; #∅ := 0.

(ii) Falls X nicht endlich ist, dann wird X unendlich genannt, und man
setzt #X := ∞.

(iii) Eine Menge X ist abzählbar, wenn eine bijektive Abbildung f : N → X


existiert.

(iv) Eine Menge X ist überabzählbar, wenn sie weder endlich noch abzähl-
bar ist.

Man schreibt oft |X| statt #X.

Bemerkung. Die Größe #X ist wohldefiniert, weil aus der Existenz zweier
bijektiver Abbildungen f : Kn → X und g : Km → X folgt, dass n = m.
Ferner kann man für kein X und kein n ∈ N zwei bijektive Abbildungen
f : Kn → X und g : N → X finden. Beweis: Hausaufgabe.
Beispiel. Sei 2N := {2n : n ∈ N}. Diese Menge ist abzählbar.
Beweis. Sei f : N → 2N durch f (n) := 2n definiert. Die Funktion f ist
bijektiv (Übung).

Satz 1.36. (i) Z ist abzählbar.

(ii) Q ist abzählbar.

(iii) Falls A und B abzählbar sind, dann ist A × B abzählbar.

Wir werden später (Satz 1.51) zeigen, dass R nicht abzählbar ist.
Bevor wir Satz 1.36 zu beweisen führen wir zwei weitere Aussagen ein.

Lemma 1.37. Sei A eine unendliche Menge.

(i) Falls eine surjektive Abbildung f : N → A existiert, dann ist A abzähl-


bar.

(ii) Falls eine injektive Abbildung h : A → N existiert, dann ist A abzähl-


bar.

18 [30. November 2022]


Beweis. (i). Wir definieren rekursiv eine Abbildung g : N → A, so dass g
injektiv ist und g(Kn ) ⊃ f (Kn ). Daraus folgt, dass g(N) ⊃ f (N). Somit ist
g auch surjektiv und daher bijektiv.
Informell geht man so vor. Man setzt g(0) = f (0). Falls f (1) 6= f (0), so
setzt man g(1) = f (1). Falls f (1) = f (0), so betrachtet man die kleinste
Zahl m1 , so dass f (m1 ) 6= f (0). Eine solche Zahl existiert, da A = f (N)
unendlich ist und somit f (N) nicht nur das Element f (0) enthält und da
jede nichtleere Teilmenge von N ein kleinstes Element hat. Dann setzt man
g(1) = f (m1 ). Falls f (1) 6= f (0), so ist m1 = 1 und die Definition stimmt
mit der vorherigen überein. Außdem gilt g({0, 1}) ⊃ f ({0, 1}).
Um g(2) zu definieren, betrachtet man die kleinste Zahl m2 , so dass f (m2 ) ∈
/
{g(0), g(1)}. Dann setzt man g(2) = g(m2 ). Dann gilt g({0, 1, 2}) = {f (i) :
0 ≤ i ≤ m2 }) ⊃ f ({0, 1, 2}).
Für einen vollständigen Beweis zeigen wir die folgende Aussage mit
vollständiger Induktion. Es gibt eine Abbildung g : N → A, so dass die
Aussage

A(n) : g ist injektiv auf Kn und g(Kn ) ⊃ f (Kn )

für alle n ∈ N∗ wahr ist.


IA: Für n = 1 ist K1 = {0} und wir setzen g(0) := f (0). Dann ist A(1)
wahr.
IS: Sei A(n) wahr. Wir betrachten die Menge

Bn := A \ g(Kn ) = A \ {g(i) : i ∈ N, i < n} (1.50)


Da A unendlich ist und g(Kn ) endlich ist, ist Bn nichtleer. Sei Mn =
f −1 (Bn ) ⊂ N. Da f surjektiv ist und Bn nichtleer ist, ist Mn nichtleer.
Sei mn das kleinste Element von Mn . Wir setzen

g(n) = f (mn ).

Dann gilt g(n) ∈ / g(Kn ). Da Kn+1 = Kn ∪ {n} und g auf Kn injektiv ist,
folgt, dass g auf Kn+1 injektiv ist.
Es bleibt zu zeigen, dass g(Kn+1 ) ⊃ f (Kn+1 ). Aus der Definition von mn
folgt, dass mn ≥ mn−1 + 1. Also gilt mn ≥ n. Falls mn = n, so folgt mit
A(n)

f (Kn+1 ) = f (Kn ) ∪ {f (n)} = f (Kn ) ∪ {g(n)} ⊂ g(Kn ) ∪ {g(n)} = g(Kn+1 ).

Falls mn > n, so folgt aus der Definition von mn , dass f (n) ∈ g(Kn ). Dann
gilt, wiederum mit A(n),

f (Kn+1 ) = f (Kn ) ∪ {f (n)} ⊂ g(Kn ) ⊂ g(Kn+1 ).

19 [30. November 2022]


Daher ist A(n + 1) wahr und der Beweis von (i) ist beendet.
[Vorlesung 4, 19.10. 2022]
[Vorlesung 5, 24.10. 2022]

(ii). Sei h wie angegeben. Sei a0 ∈ A (A ist unendlich und deshalb nicht
leer). Wir definieren f : N → A durch
(
a falls ein a ∈ A existiert, so dass h(a) = n
f (n) := (1.51)
a0 sonst.

Aus der Injektivität von h folgt, dass f wohldefiniert ist. Für alle a ∈ A gilt
f (h(a)) = a. Also ist f surjektiv. Die Aussage folgt dann aus (i).

Alternativer Beweis von (i). Schritt 1: Es gibt eine unendliche Menge M ⊂


N und eine bijektive Abbildung h : M → A.
Zum Beweis konstruieren wir eine bijektive Abbildung g : A → M . Für
a ∈ A sei
Ma := f −1 ({a}) = {m ∈ N : f (m) = a} ⊂ N
Die Menge Ma ist nichtleer, da f surjektiv ist. Daher besitzt Ma ein Mini-
mum. Wir definieren
g(a) := min Ma .
Dann gilt f (g(a)) = a. Daher folgt aus g(a) = g(a0 ), dass a = a0 und somit
ist g injektiv. Sei M = g(A). Dann ist g : A → M bijektiv. Außerdem ist M
unendlich, da A unendlich und g bijektiv ist. Setze h := g −1 .

Schritt 2: Sei M ⊂ N eine unendliche Menge. Dann gibt es eine bijektive


Abbildung H : N → M .
Definiere H rekursiv durch

H(0) := min M ;
H(n + 1) := min Mn mit Mn := M \ {H(i) : i ∈ N, i ≤ n}.

Man beachte, dass Mn nichtleer ist, da M unendlich ist. Daher existiert das
Minimum in der Definition von H(n + 1).
Wir behaupten, dass

(i) H ist injektiv auf {i ∈ N : i ≤ n};

(ii) H(n + 1) ≥ H(n) + 1;

(iii) H(n) ≥ n

(iv) H ist surjektiv

20 [30. November 2022]


Beweis:
(i) folgt mit vollständiger Induktion.
(ii) Es gilt Mn+1 ⊂ Mn , also H(n + 1) ≥ H(n). Da H(n + 1) 6= H(n), folgt
(ii).
(iii) folgt aus (ii).
(iv) Sei m ∈ M \h(N). Dann gilt m ∈ Mn für alle n ∈ N und somit H(n) ≤ m
für alle n ∈ N. Das widerspricht (iii) für n = m + 1.

Aus Schritt 1 und 2 folgt mit M = g(N), dass h ◦ H : N → A bijektiv ist.

Lemma 1.38. Es gibt eine bijektive Abbildung f : N × N → N.

Beweis. Beweisidee: eine abzählbare Vereinigung von endlichen, nichtleeren


Mengen ist abzählbar. Man kann N × N als eine abzählbare Vereinigung von
endlichen Mengen schreiben, indem man die Nebendiagonalen Dk = {(x, y) :
x + y = k} betrachtet.
Umsetzung der Idee:
Wir definieren f : N × N → N durch
1
f (x, y) := (x + y)(x + y + 1) + y . (1.52)
2
n(n+1)
Aus 2 ∈ N für alle n ∈ N folgt dass f (x, y) ∈ N.
Um zu zeigen, dass f injektiv ist, betrachten wir zwei Paare (x, y), (x0 , y 0 ) ∈
N mit f (x, y) = f (x0 , y 0 ).
Falls x0 + y 0 > x + y, dann gilt x0 + y 0 ≥ x + y + 1, und deshalb
1
f (x0 , y 0 ) ≥ (x + y + 1)(x + y + 2) + y 0 (1.53)
2
1
= (x + y + 1)(x + y) + (x + y + 1) + y 0 (1.54)
2
= f (x, y) + x + 1 + y 0 . (1.55)

Aus f (x, y) = f (x0 , y 0 ) folgt dann 0 ≥ x + 1 + y 0 , ein Widerspruch. Analog


wird der Fall x + y > x0 + y 0 ausgeschlossen.
Deshalb gilt x + y = x0 + y 0 . Aus 0 = f (x, y) − f (x0 , y 0 ) = y − y 0 folgt dann
y = y 0 , und somit x = x0 . Dies beweist, dass f injektiv ist. Die Aussage folgt
dann aus Lemma 1.37(ii).

Bemerkung 1.39. Die Abbildung, die in (1.52) definiert wurde, ist bijektiv.

Beweis. Dieser Beweis wurde in der Vorlesung nicht besprochen.


Wir beweisen induktiv die Aussage A(n): es gibt (x, y) ∈ N × N so dass
f (x, y) = n.
A(0) ist wahr, weil f (0, 0) = 0. Falls A(n) wahr ist, dann gibt es (x, y) mit
f (x, y) = n. Wir unterscheiden zwei Fälle: Falls x > 0, dann x − 1 ∈ N und

21 [30. November 2022]


f (x − 1, y + 1) = f (x, y) + 1 = n + 1, deshalb ist A(n + 1) wahr. Sonst gilt
x = 0, und eine leichte Rechnung zeigt:

f (y + 1, 0) = f (0, y) + 1 = n + 1 . (1.56)

Deshalb ist A(n + 1) auch im zweiten Fall wahr und der Beweis ist beendet.

Alternativer Beweis von Lemma 1.38. Wenn man schon weiss, dass die
Primzahlzerlegung eindeutig ist kann man auch wie folgt argumentieren.
Definiere f : N × N → N durch

f (n, m) = 2n 3m .

Wegen der Eindeutigkeit der Primzahlzerlegung ist f injektiv. Nach Lem-


ma 1.37 ist N × N abzählbar.

Beweis von Satz 1.36. (iii) folgt unmittelbar aus Lemma 1.38.
(i): Sei g : N × N → Z durch g(n, m) := n − m definiert, f : N → N × N
bijektiv (Lemma 1.38). Aus der Definition von Z folgt, dass g surjektiv ist.
Deshalb ist g̃ := g ◦ f : N → Z surjektiv. Aus Lemma 1.37(i) folgt die
Aussage.
(ii): Sei h : Z × N∗ → Q durch h(p, q) := p/q definiert. Die Abbildung h ist
surjektiv. Die Aussage folgt aus (i), (iii), und Lemma 1.37.

Lemma 1.40. Sei X ⊂ R endlich, nichtleer. Dann besitzt X Maximum und


Minimum.

Beweis. Wir beweisen durch Induktion die Aussage A(n): jede Menge X ⊂
R mit #X = n besitzt ein Minimum, für alle n ∈ N∗ .
Falls X nur ein Element hat, dann ist A(1) wahr. Wir nehmen jetzt an,
dass A(n) wahr ist und #X = n + 1. Sei x ∈ X, X 0 := X \ {x}. Dann gilt
#X 0 = n, und deshalb gibt es ein y = min X 0 . Ist y < x, dann ist y auch ein
Minimum von X, sonst ist x ein Minimum von X. Deshalb gilt A(n+1).

1.5 Vollständigkeit von R: inf, sup, Intervallschachtelung


Definition 1.41. Eine Menge A ⊂ R ist nach oben beschränkt, wenn ein
p ∈ R existiert, so dass gilt:

a ≤ p für alle a ∈ A ; (1.57)

die Zahl p wird dann obere Schranke für A genannt. Analog ist A nach unten
beschränkt wenn ein q ∈ R existiert, so dass q ≤ a für alle a ∈ A; die Zahl
q wird dann untere Schranke für A genannt. Die Menge A wird beschränkt
genannt, wenn sie sowohl nach oben als auch nach unten beschränkt ist.

22 [30. November 2022]


Bemerkung. Eine obere/untere Schranke, falls sie existiert, ist nicht ein-
deutig.

Bemerkung. Falls A ein Minimum besitzt, dann ist A nach unten be-
schränkt (und min A eine untere Schranke). Es gibt Mengen die nach unten
beschränkt sind und trotzdem kein Minimum besitzen, wie zum Beispiel
R+ = {x ∈ R : x > 0}.

Satz 1.42 (Archimedes). N ist nicht nach oben beschränkt, d.h., für alle
a ∈ R gibt es ein n ∈ N, so dass a < n gilt.

Beweis. Sei
B := {a ∈ R : n ≤ a für alle n ∈ N} . (1.58)
Es reicht zu zeigen, dass B = ∅. Falls B 6= ∅, folgt aus der Vollständigkeit
von R (und der Tatsache dass N 6= ∅), dass es ein x ∈ R gibt, so dass gilt:

n≤x≤b für alle n ∈ N, b ∈ B . (1.59)

Aus x − 1 < x folgt, dass x − 1 6∈ B. Aus der Definition von B folgt, dass
es ein n ∈ N gibt, mit x − 1 < n. Deshalb gilt x < n + 1. Da n + 1 ∈ N,
widerspricht dies (1.59).

Satz 1.43. Sei A ⊂ R nichtleer, nach oben beschränkt. Dann besitzt die
Menge

B := {p ∈ R : p ist eine obere Schranke für A} (1.60)


= {p ∈ R : a ≤ p für alle a ∈ A} (1.61)

ein Minimum. Analog, wenn A nichtleer und nach unten beschränkt ist,
besitzt die Menge {q ∈ R : a ≥ q für alle a ∈ A} ein Maximum.

Beweis. Aus der Vollständigkeit von R folgt, dass es ein x ∈ R gibt, so dass
gilt:
a ≤ x für alle a ∈ A (1.62)
und
x ≤ p für alle p ∈ B . (1.63)
Aus (1.62) folgt, dass x ∈ B. Aus (1.63) folgt, dass x = min B.

Bemerkung. Die Existenz dieses Minimums ist zur Vollständigkeit von


R äquivalent, und wird manchmal auch – statt Definition 1.7 – als Axiom
genommen (z.B. in [Hi1]).

23 [30. November 2022]


Definition 1.44. Das Supremum von A wird wie folgt definiert: Falls A ⊂ R
nichtleer und nach oben beschränkt ist, dann gilt:

sup A := min{p ∈ R : a ≤ p für alle a ∈ A} . (1.64)

Falls A nichtleer aber nicht nach oben beschränkt ist, definieren wir sup A :=
∞. Außerdem setzen wir sup ∅ := −∞. Analog gilt für A nichtleer und nach
unten beschränkt:

inf A := max{p ∈ R : a ≥ p für alle a ∈ A}. (1.65)

Falls A nicht nach unten beschränkt ist, definieren wird inf A := −∞. Au-
ßerdem setzen wir inf ∅ := ∞.

Lemma 1.45. Sei A ⊂ R, s ∈ R. Dann ist s = sup A genau dann, wenn

(i) für alle a ∈ A gilt a ≤ s;

(ii) es für alle b < s ein a ∈ A gibt, so dass b < a.

Insbesondere folgt aus (i) und (ii), dass A nichtleer und nach oben beschränkt
ist. Analoges gilt für das Infimum.

Beweis. Hausaufgabe.

Definition 1.46 (Intervalle). Für a, b ∈ R werden folgende Mengen defi-


niert:

[a, b] := {x ∈ R : a ≤ x und x ≤ b} , (1.66)


(a, b] := {x ∈ R : a < x und x ≤ b} , (1.67)
[a, b) := {x ∈ R : a ≤ x und x < b} , (1.68)
(a, b) := {x ∈ R : a < x und x < b} . (1.69)

Ferner setzen wir

(−∞, b] := {x ∈ R : x ≤ b} , (1.70)
(−∞, b) := {x ∈ R : x < b} , (1.71)
[a, ∞) := {x ∈ R : a ≤ x} , (1.72)
(a, ∞) := {x ∈ R : a < x} , (1.73)
(−∞, ∞) := R . (1.74)

Das Intervall [a, b] heißt kompaktes Intervall; (a, b), (−∞, b), (a, ∞) und
(−∞, ∞) nennt man offene Intervalle.

24 [30. November 2022]


Wir werden später die Begriffe ’kompakt’ und ’offen’ für beliebige Teilmen-
gen von R (oder allgemeiner Teilmengen eines metrischen oder topologischen
Raumes) definieren. Für die Standardmetrik auf R ist dann [a, b] eine kom-
pakte Menge und die Mengen (a, b), (−∞, b), (a, ∞) und (−∞, ∞) sind
offen.
Aus der Definition folgt unmittelbar, dass [a, b] = ∅ für a > b, und [a, b) =
(a, b] = (a, b) = ∅ für a ≥ b.
Definition 1.47. Eine Intervallschachtelung ist eine Folge (In )n∈N von In-
tervalle, so dass gilt:

(i) In ist nichtleerer und kompakt, d.h. In = [an , bn ] mit an ≤ bn ;


(ii) In+1 ⊂ In für alle n ∈ N;
(iii) für alle ε > 0 existiert ein n ∈ N so dass bn − an < ε.
Satz 1.48 (Intervallschachtelungsprinzip). Zu jeder Intervallschachtelung
gibt es genau eine reelle Zahl, die allen Intervallen angehört.
T
Anders gesagt, enthält der Durchschnitt n∈N In genau einen Punkt.
[Vorlesung 5, 24.10. 2022]
[Vorlesung 6, 26.10. 2022]

Beweis. Eindeutigkeit: Falls die Zahl nicht eindeutig ist, dann gibt es x, y ∈
R mit x < y und x, y ∈ In für alle n ∈ N. Sei ε = y − x. Aus (ii) folgt, dass
es ein n gibt, für das gilt bn − an < ε. Aber aus y, x ∈ In folgt

an ≤ x < y ≤ bn , (1.75)

was y − x < ε impliziert und somit ein Widerspruch ist.


Existenz: Aus In+1 ⊂ In folgt Ik ⊂ In für alle k ≥ n (Induktion!). Da ak ∈ Ik
und bk ∈ Ik gilt
ak ≤ bn für all k ≥ n,
an ≤ bk für all k ≥ n.
Vertauscht man in der ersten Aussage k und n so ergibt sich schließlich

an ≤ bk für alle n, k ∈ N . (1.76)

Wir betrachten die zwei Mengen A := {an : n ∈ N} und B := {bk : k ∈ N}.


Wegen der Vollständigkeit von R gibt es ein x ∈ R, so dass an ≤ x ≤ bk für
alle k, n ∈ N gilt. Für k = n folgt, dass x ∈ In , für alle n ∈ N.

Bemerkung. Es reicht, dass die Intervalle In für alle n ∈ N, n ≥ N0 ,


definiert sind.

25 [30. November 2022]


Bemerkung. Die Eigenschaft von Satz 1.48, zusammen mit dem Archi-
medischen Satz 1.42 ist wieder zur Ordnungsvollständigkeit äquivalent.

Bemerkung. Die offenen Intervalle In := (0, 1/n), I0 := (0, 1), bilden


keine Intervallschachtelung, und ∩n∈N In = ∅.

Satz 1.49. Seien x ∈ [0, ∞) und k ∈ N∗ . Dann gibt es ein eindeutiges


y ∈ [0, ∞), so dass y k = x gilt.

Definition 1.50. Für y wie in Satz 1.49 schreibt man y = k x oder y =

x1/k ; für k = 2 auch nur x.

Beweis. Eindeutigkeit: Wir beweisen zuerst, dass

ak < bk für alle a, b ∈ R, k ∈ N∗ mit 0 ≤ a < b . (1.77)

Beweis von (1.77): Für k = 1 ist die Aussage wahr. Falls die Aussage für k
gilt, dann gilt ak+1 = a · ak ≤ a · bk < b · bk = bk+1 (weil aus a < b und c > 0
die Ungleichung ac < bc folgt). Daher ist (1.77) bewiesen.
Beweis der Eindeutigkeit von y: Falls man zwei Lösungen y < y 0 hätte, dann
wäre y k < (y 0 )k , entgegen der Annahme y k = (y 0 )k = x.
Existenz, Schritt 1: Wir konstruieren induktiv eine Intervallschachtelung
In := [an , bn ] mit der Eigenschaft, dass

b0 − a0
bn − an = und akn ≤ x ≤ bkn für alle n ∈ N . (1.78)
2n

Die folgende Konstruktionsmethode wird manchmal Bisektionsverfahren ge-


nannt. Sei a0 := 0, b0 := 1 + x. Aus Lemma 1.18 und der Rechnung
(1 + x)k ≥ kx ≥ x folgt, dass (1.78) für n = 0 gilt.
Ist In = [an , bn ] mit der Eigenschaft (1.78) gegeben, so konstruieren wir In+1
wie folgt. Sei cn := (bn + an )/2. Falls ckn ≤ x, dann setzen wir In+1 := [cn , bn ]
(d.h., an+1 := cn , bn+1 := bn ), sonst In+1 := [an , cn ] (d.h., an+1 := an ,
bn+1 := cn ). In beiden Fällen kann man leicht überprüfen, dass In+1 die
Eigenschaft (1.78) erfüllt. Aus der Konstruktion folgt, dass In+1 ⊂ In .
Um zu zeigen, dass (In )n∈N eine Intervallschachtelung ist, bleibt zu zeigen,
dass für alle ε > 0 ein n ∈ N existiert, so dass (1 + x)/2n < ε. Letztere
Bedingung ist zu 2n > (1 + x)/ε äquivalent. Da 2n = (1 + 1)n ≥ 1 + n
(Lemma 1.18), reicht es ein n ∈ N zu wählen, so dass n > (1 + x)/ε gilt. Ein
solches n existiert nach Satz 1.42.

Existenz, Schritt 2: Sei y der Schnittpunkt aller Intervalle In . Dann gilt


y k = x.

26 [30. November 2022]


Wir zeigen zunächst, dass die Intervalle Jn := [akn , bkn ] auch eine Intervall-
schachtelung bilden. In der Tat gilt Jn+1 ⊂ Jn , weil aus an ≤ an+1 und
bn+1 ≤ bn folgt, dass akn ≤ akn+1 und bkn+1 ≤ bkn . Weiterhin folgt aus Lemma
1.21 (mit w := an /bn ∈ (0, 1)), dass
"  k #
k k k an
bn − an = bn 1 −
bn
 k−1  
an X an i

k
= bn 1 −
bn bn
i=0
 
an
≤ bk−10 bn 1 − k
bn
k−1 b0 − a0
≤ kbk−1 0 (bn − an ) = kb0 (1.79)
(1.78) 2n

Daher gibt es für jedes ε > 0 ein n ∈ N so dass bkn − akn < ε. Deshalb bilden
die Intervalle Jn eine Intervallschachtelung und

es gibt nur ein z ∈ R, für das akn ≤ z ≤ bkn für alle n gilt. (1.80)

Aus an ≤ y ≤ bn folgt akn ≤ y k ≤ bkn für alle n; aus (1.78) folgt akn ≤ x ≤ bkn
für alle n. Mit (1.80) folgt schließlich y k = x.

Bemerkung. Aus (1.77) folgt leicht, dass

a1/k < b1/k für alle a, b ∈ R, k ∈ N∗ mit 0 ≤ a < b . (1.81)

Satz 1.51. Es gibt eine injektive aber keine surjektive Abbildung f : N → R,


d.h., R ist überabzählbar.

Beweis. Die Identität ist eine injektive Abbildung.


Sei f : N → R gegeben. Wir wollen zeigen, dass f nicht surjektiv ist. Dafür
konstruieren wir induktiv eine Intervallschachtelung In = [an , bn ] mit der
Eigenschaft
1
f (n) 6∈ In und bn − an = n (1.82)
3
für alle n ∈ N. Sei I0 := [a0 , b0 ] := [f (0) + 1, f (0) + 2]. Sei In ein Intervall mit
der Eigenschaft (1.82) gegeben. Wir teilen In in die drei Intervalle [an , cn ],
[cn , dn ], [dn , bn ] auf, wobei
2 1 1 2
cn := an + bn , dn := an + bn . (1.83)
3 3 3 3
Falls f (n + 1) ≤ cn , dann setzen wir In+1 := [dn , bn ]; sonst setzen wir
In+1 := [an , cn ]. In beiden Fällen erfüllt In+1 die Eigenschaft (1.82). Wie

27 [30. November 2022]


im Beweis von Satz 1.49 kann man zeigen, dass für alle ε > 0 ein n ∈ N
existiert, so dass 1/3n < ε. Deshalb bildet In eine Intervallschachtelung, und
es gibt ein x ∈ R mit x ∈ In für alle n. Dies impliziert x 6= f (n) für alle
n.

Lemma 1.52. Sei A ⊂ Z nicht leer, nach oben beschänkt. Dann besitzt A
ein Maximum.
Sei A ⊂ Z nicht leer, nach unten beschänkt. Dann besitzt A ein Minimum.
Sei x ∈ R. Dann hat {z ∈ Z : z ≤ x} ein Maximum und {z ∈ Z : z ≥ x} ein
Minimum.

Beweis. Sei m := sup A. Da A 6= ∅ und A nach oben beschänkt ist, gilt


m ∈ R. Nach Lemma 1.45 (mit ε = 1) gibt es ein a ∈ A mit a > m − 1.
Falls a ein Maximum von A sind wir fertig. Ansonsten gibt es ein b ∈ A mit
b > a. Da A ⊂ Z, gilt b ≥ a + 1 > m. Dies widerspricht der Eigenschaft
m = sup A.
Die zweite Aussage wird analog bewiesen (oder man wendet die erste Aus-
sage an der Menge −A).
Die dritte folgt aus den ersten beiden (mit Archimedes kann man leicht
zeigen, dass die Mengen nicht leer sind).

Definition 1.53. Sei x ∈ R. Dann definieren wir

bxc := max{z ∈ Z : z ≤ x} (1.84)

und
dxe := min{z ∈ Z : z ≥ x} . (1.85)

Bemerkung. Aus der Definition folgt unmittelbar, dass

x − 1 < bxc ≤ x (1.86)

und
x ≤ dxe < x + 1 (1.87)
für alle x ∈ R.
Beispiel. b 17 5
6 c = b2 + 6 c = 2.

Satz 1.54. Für alle ε > 0 und x ∈ R gibt es ein q ∈ Q und ein p ∈ R \ Q,
so dass x − ε < q < x + ε und x − ε < p < x + ε gelten.

Kurzform: “Q und R \ Q sind in R dicht”. Die allgemeine Definition von


“dicht” wird später eingeführt.

Beweis. Hausaufgabe (Übungsblatt 3).

28 [30. November 2022]


Definition 1.55. Der Absolutbetrag (oder Betrag) | · | einer reellen Zahl
wird durch (
x falls x ≥ 0
|x| := (1.88)
−x sonst
definiert.

Bemerkung. Äquivalente Definitionen sind |x| = max{x, −x} und |x| =



x2 .

Lemma 1.56. Es gilt:

(i) |x| ≥ 0 für alle x ∈ R;

(ii) |x| = 0 genau dann, wenn x = 0;

(iii) |x + y| ≤ |x| + |y| für alle x, y ∈ R (Dreiecksungleichung);

(iv) |x − y| ≥ |x| − |y| für alle x, y ∈ R;

(v) |xy| = |x| |y|.

Beweis. Hausaufgabe.

[Vorlesung 6, 26.10. 2022]


[Vorlesung 7, 31.10. 2022]

1.6 Die komplexen Zahlen C


Definition 1.57. Die Menge der komplexen Zahlen C ist die Menge der
Paare (x, y), x, y ∈ R (d.h., C = R×R) mit den folgenden zwei Operationen:

(a, b) + (c, d) := (a + c, b + d) (1.89)

und
(a, b) · (c, d) := (ac − bd, ad + bc) . (1.90)
Ferner gilt i := (0, 1).

Satz 1.58. C ist ein Körper mit (0, 0) als Nullelement und (1, 0) als Eins-
element.

Beweis. Die Eigenschaften der Summe sowie das Distributivgesetz und das
Kommutativgesetz des Produktes sind leicht nachzuprüfen. Assoziativgesetz
des Produktes: Hausaufgabe.

29 [30. November 2022]


Wir zeigen, dass für (a, b) 6= (0, 0) die Gleichung (a, b) · x = (1, 0) die Lösung
 
a −b
x= , (1.91)
a2 + b2 a2 + b2

hat:
 
a −b −b a
(a, b)x = a− 2 b, a+ 2 b (1.92)
a2 + b2 a + b2 a2 + b2 a + b2
 2
a + b2 ab − ba

= , = (1, 0) . (1.93)
a2 + b2 a2 + b2

Dann folgt, dass die Gleichung (a, b) · y = (c, d) die Lösung (c, d) · x hat.

Da (a, 0) + (b, 0) = (a + b, 0) und (a, 0) · (b, 0) = (ab, 0), kann man x ∈ R


mit (x, 0) ∈ C identifizieren. Das Symbol “·” wird auch oft weggelassen.
Man schreibt deshalb a + ib statt (a, b). Aus Satz 1.58 folgt insbesondere,
dass die Rechenregeln (1.1-1.7) auch für Zahlen in C gelten. C ist aber nicht
im Sinne von Definition 1.5 geordnet. Beweis: Sei C+ wie in Definition 1.5.
Dann 1 ∈ C+ . Aus i2 = (−i)2 = −1 6∈ C+ folgt, dass sowohl i ∈ C+ als
auch −i ∈ C+ unmöglich sind. Deshalb existiert keine solche Menge C+ . Die
Abkürzung “x > 0” wird deshalb für “x ∈ R und x > 0” oder “x ∈ (0, ∞)”
oft benutzt.

Beispiel. Für z, w ∈ C, ist z 2 = w2 genau dann, wenn z = w oder z = −w.

Beispiel. Die Gleichung


√ z 3 = 1 hat genau
√ drei Lösungen z ∈ C, und zwar
z1 = 1, z2 = − 2 + i 2 , z3 = − 21 + i 23 . Um diese zu bestimmen, rechnet
1 3

man z 3 − 1 = (z − 1)(z 2 + z + 1) und


√ !2
1 2 3 1 2
   
2 3
z +z+1= z+ + = z+ + i (1.94)
2 4 2 2

(oder mit (p, q)-Formel).

Definition 1.59. Für z = (a, b) ∈ C ist Re z := a der Realteil von z,


Im z := b der Imaginärteil, und z̄ := a − ib die konjugiert komplexe Zahl.

Bemerkung. Man schreibt “z ∈ R” für “Im z = 0”.

30 [30. November 2022]


Man kann leicht überprüfen, dass folgende Rechenregeln gelten:
1
Re z = (z + z) (1.95)
2
1
Im z = (z − z) (1.96)
2i
z+w =z+w (1.97)
z·w =z·w (1.98)
z=z (1.99)
z = z genau dann, wenn z ∈ R (1.100)
z = w genau dann, wenn Re z = Re w und Im z = Im w (1.101)
z · z = (Re z)2 + (Im z)2 ∈ [0, ∞) (1.102)

Definition 1.60. Für z ∈ C ist |z| := z · z.

Bemerkung. Aus (1.102) folgt, dass z · z ∈ [0, ∞), deshalb ist die Wurzel
wohldefiniert. Falls z ∈ R, dann stimmt diese Definition mit der alten (Def.
1.55) überein.

Lemma 1.61. Für z, w ∈ C, gilt:

(i) |z| ∈ [0, ∞) für alle z ∈ C; |z| = 0 genau dann, wenn z = 0.

(ii) | Re z| ≤ |z|, | Im z| ≤ |z|; |z| = |z|.

(iii) |z + w| ≤ |z| + |w| (Dreiecksungleichung);

(iv) |z − w| ≥ |z| − |w| (Dreiecksungleichung, zweite Form);

(v) |z · w| = |z| |w|;

Beweis. Die Aussagen (i) und (ii) folgen unmittelbar aus den Definitionen.
Um (iii) zu beweisen, reicht es zu zeigen, dass

|z + w|2 ≤ (|z| + |w|)2 (1.103)

gilt (wg. (1.81)). Dafür rechnen wir

|z + w|2 = (z + w)(z + w) = |z|2 + |w|2 + zw + wz (1.104)


2 2
= |z| + |w| + 2 Re(zw) (1.105)
2 2
≤ |z| + |w| + 2|zw| (1.106)
2 2 2
= |z| + |w| + 2|z| |w| = (|z| + |w|) . (1.107)

Somit ist (iii) bewiesen.

31 [30. November 2022]


Wir beweisen jetzt (iv). Aus (iii) folgt, dass

|z| = |(z − w) + w| ≤ |z − w| + |w| (1.108)

deshalb |z − w| ≥ |z| − |w|. Analog folgt aus

|w| = |(w − z) + z| ≤ |w − z| + |z| = |z − w| + |z| (1.109)

dass |z − w| ≥ |w| − |z|. Diese beide Aussagen gemeinsam beweisen (iv).


(v) folgt analog aus |zw|2 = (zw)(zw) = (zz)(ww) = |z|2 |w|2 .

Bemerkung. Im Beweis von (iv) haben wir folgendes benutzt: für x, y ∈ R


gilt
|x| ≤ y genau dann, wenn x ≤ y und −x ≤ y. (1.110)

Bemerkung. Im Internet sind viele tools vorhanden, die die Ope-


rationen in C visualisieren. Wir verweisen hier exemplarisch auf
das von Frau Lager bereitgestelltes geogebra-applet, verfügbar unter
https://www.geogebra.org/m/j44bxv3f .
[Vorlesung 7, 31.10. 2022]
[Vorlesung 8, 2.11. 2022]

32 [30. November 2022]


2 Folgen und Grenzwerte
2.1 Konvergente Folgen reeller Zahlen
Eine Folge reeller Zahlen ist eine Abbildung a : N → R oder, allgemeiner,
a : N≥n0 → R, wobei N≥n0 := {n ∈ N : n ≥ n0 } für ein n0 ∈ N (wobei N≥0 =
N). Man schreibt statt a : N → R auch (an )n∈N . Wir werden später Folgen
von komplexer Zahlen, Vektoren, Funktionen, oder allgemeiner Elementen
eines metrischen Raumes X betrachten.
Definition 2.1. Sei a : N≥n0 → R eine Folge reeller Zahlen, wobei N≥n0 :=
{n ∈ N : n ≥ n0 } für ein n0 ∈ N, und a∗ ∈ R. Die Folge a heißt gegen a∗
konvergent (in Zeichen: lim an = a∗ , oder kürzer an → a∗ ) wenn folgendes
n→∞
gilt:
Zu jedem ε > 0 gibt es ein Nε ∈ N, so dass gilt:
|an − a∗ | < ε für alle n ∈ N≥n0 mit n ≥ Nε . (2.1)
Die Folge a heißt konvergent, wenn es ein a∗ ∈ R gibt, so dass a gegen
a∗ konvergiert. Eine nichtkonvergente Folge heißt divergent. Eine Folge, die
gegen 0 konvergiert, wird auch Nullfolge genannt.

1
Beispiel. Die Folge an := 2−n ist eine Nullfolge, lim = 0.
n→∞ 2n
(
0 falls n gerade,
Beispiel. Die Folge bn := ist divergent.
1 sonst
Konvergenz beschreibt das Verhalten der Folge für n sehr groß. Deshalb ist
es irrelevant, wenn man endlich viele Werte modifiziert oder weglässt. Der
Wert von n0 ist ebenfalls unwichtig.
Lemma 2.2. Sei a : N≥n0 → R eine Folge, a∗ ∈ R. Die Folge (an )n∈N≥n0
ist genau dann gegen a∗ konvergent, wenn folgendes gilt:
für alle ε > 0 ist die Menge {n ∈ N≥n0 : |an − a∗ | ≥ ε} endlich. (2.2)

Beweis. Der kurze Beweis wurde in der Vorlesung besprochen.

Lemma 2.3. Sei a : N≥n0 → R, a∗ ∈ R.

(i) Wir definieren die Folge b : N≥m0 → R, für m0 ≥ n0 , durch bn := an .


Dann gilt lim an = a∗ genau dann, wenn lim bn = a∗ .
n→∞ n→∞

(ii) Wir definieren die Folge c : N → R durch


(
an falls n ≥ n0
cn := (2.3)
1 sonst.

33 [30. November 2022]


Dann gilt lim an = a∗ genau dann, wenn lim cn = a∗ .
n→∞ n→∞

Beweis. Der kurze Beweis wurde in der Vorlesung besprochen.

Lemma 2.4. Falls a : N≥n0 → R gegen a∗ konvergiert, und a auch gegen


ã∗ konvergiert, dann gilt a∗ = ã∗ .

Beweis. Falls nicht, dann ist ε := |ã∗ − a∗ |/2 > 0. Sei Nε so, dass |an − a∗ | <
ε für alle n ≥ Nε . Sei Ñε so, dass |an − ã∗ | < ε für alle n ≥ Ñε . Sei
n = max{Nε , Ñε }. Dann erhält man:
1 1 1
|ã∗ − a∗ | ≤ |ã∗ − an | + |ã∗ − ãn | < ε + ε = ε = |ã∗ − a∗ | , (2.4)
2 2 2
und somit einen Widerspruch.

Lemma 2.5. Falls die Folge a : N≥n0 → R gegen a∗ konvergiert, und die
Folge b : N≥m0 → R gegen b∗ konvergiert, dann konvergiert a + b gegen
a∗ + b∗ , und a − b gegen a∗ − b∗ .

Notation: Für a, b : N → R ist die Folge a+b : N → R durch (a+b)n := an +bn


definiert. Für a : N≥n0 → R, b : N≥m0 → R ist dann a + b : N≥max{n0 ,m0 } →
R.

Beweis. (i): Sei ε > 0 gegeben. Da an → a∗ , existiert ein Nε0 , so dass gilt:
1
|an − a∗ | < ε für alle n ∈ N mit n ≥ Nε0 . (2.5)
2
Da bn → b∗ , existiert ein Nε00 , so dass gilt:
1
|bn − b∗ | < ε für alle n ∈ N mit n ≥ Nε00 . (2.6)
2
Sei Nε := max{Nε0 , Nε00 }. Dann gilt

|(an +bn )−(a∗ +b∗ )| ≤ |an −a∗ |+|bn −b∗ | < ε für alle n ∈ N mit n ≥ Nε .
(2.7)
Deshalb gilt lim (an + bn ) = a∗ + b∗ .
n→∞

Beispiel. Sei x ∈ R und a : N → R durch an := x definiert. Dann gilt


limn→∞ an = x. Beweis: Es reicht Nε := 0 zu nehmen, unabhängig von ε.

34 [30. November 2022]


Beispiel. Sei a : N≥1 → R durch an := 1/n definiert. Dann ist an eine
Nullfolge. Beweis: Sei ε > 0. Sei Nε := b1/εc + 1. Für n ≥ Nε gilt nε > 1
und deshalb |an − 0| = 1/n < ε.

Definition 2.6. Eine Folge a : N≥n0 → R wird nach oben beschränkt ge-
nannt, wenn die Menge a(N≥n0 ) ⊂ R nach oben beschränkt ist. Analog wer-
den “nach unten beschränkt” und “beschränkt” definiert.

Notation: a(N≥n0 ) := {an : n ∈ N≥n0 }.

Lemma 2.7. Sei a : N≥n0 → R eine konvergente Folge. Dann ist a be-
schränkt.

Beweis. Sei a∗ := limn→∞ an . Aus der Definition folgt, dass es ein N1 ≥


n0 gibt, so dass |an − a∗ | ≤ 1 für alle n ≥ N1 . Sei M := max{|a∗ | +
1, |an0 |, . . . , |aN1 |}. Dann gilt |an | ≤ M für alle n ∈ N≥n0 .

Lemma 2.8. Falls a : N≥n0 → R gegen a∗ konvergiert, und b : N≥n0 → R


gegen b∗ konvergiert, dann konvergiert ab gegen a∗ b∗ .

Aus Lemma 2.5 und Lemma 2.8 folgt insbesondere, dass, falls limn→∞ an =
a∗ und limn→∞ bn = b∗ , und λ, µ ∈ R, dann limn→∞ (λan +µbn ) = λa∗ +µb∗ .

Beweis. Wir rechnen

|an bn −a∗ b∗ | = |an bn −an b∗ +an b∗ −a∗ b∗ | ≤ |an | |bn −b∗ |+|b∗ | |an −a∗ | . (2.8)

Sei ε > 0 beliebig. Wir wählen Nε0 so, dass gilt:


1
|an − a∗ | < ε für alle n ∈ N mit n ≥ Nε0 . (2.9)
2(1 + |b∗ |)

Dann wählen wir M ∈ R so, dass |an | ≤ M für alle N gilt (das existiert
wegen Lemma 2.7), und Nε00 ∈ N so, dass gilt:
1
|bn − b∗ | < ε für alle n ∈ N mit n ≥ Nε00 . (2.10)
2(1 + M )

Dann gilt, für Nε := max{Nε0 , Nε00 },


1 1
|an bn − a∗ b∗ | < M ε + |b∗ | ε≤ε (2.11)
2(1 + M ) 2(1 + |b∗ |)

für alle n ∈ N mit n ≥ Nε .

Lemma 2.9. Sei a : N≥n0 → R gegen a∗ konvergent und b : N≥m0 → R


gegen b∗ konvergent. Falls b∗ 6= 0, dann existiert ein p0 ∈ N, so dass bn 6= 0
für alle n ∈ N≥p0 und limn→∞ an /bn = a∗ /b∗ gilt.

35 [30. November 2022]


Beweis. Es reicht den Fall an = 1 zu beweisen und Lemma 2.8 auf die Folgen
a und 1/b anzuwenden.
Aus der Definition von limn→∞ bn = b∗ mit ε = |b∗ |/2 folgt, dass es ein
p0 ∈ N gibt, so dass gilt:
1
|bn | ≥ |b∗ | − |bn − b∗ | > |b∗ | für alle n ≥ p0 . (2.12)
2
Dann gilt auch für alle n ≥ p0 ,

1 1 |bn − b∗ | 2
− ∗ = ∗
≤ ∗ 2 |bn − b∗ | . (2.13)
bn b |bn | |b | |b |

Da limn→∞ bn = b∗ , gibt es für jedes ε > 0 ein Nε ∈ N, so dass |bn − b∗ | <


|b∗ |2 ε/2 für alle n ≥ Nε gilt. Daraus folgt

1 1
− ∗ ≤ε für alle n ≥ max{p0 , Nε } . (2.14)
bn b

Lemma 2.10. Seien a, b Folgen mit an ≤ bn für alle n. Falls limn→∞ an =


a∗ und limn→∞ bn = b∗ , dann a∗ ≤ b∗ .

Beweis. Es reicht zu zeigen, dass aus b∗ < a∗ die Existenz eines n ∈ N mit
bn < an folgt. Sei ε := (a∗ − b∗ )/2. Sei Nε0 so, dass |an − a∗ | < ε, und sei Nε00
so, dass |bn − b∗ | < ε. Dann gilt, mit n := max{Nε0 , Nε00 },

bn < b∗ + ε = a∗ − ε < an . (2.15)

[Vorlesung 8, 2.11. 2022]


[Vorlesung 9, 7.11. 2022]

Lemma 2.11 (Quetschlemma). Sei a, b, c Folgen mit an ≤ bn ≤ cn für alle


n. Falls a und c konvergent sind und limn→∞ an = limn→∞ cn = a∗ , dann
ist b konvergent und limn→∞ bn = a∗ .

Beweis. Sei ε > 0 gegeben. Dann existiert ein Nε , so dass |an − a∗ | < ε und
|cn − a∗ | < ε für alle n ≥ Nε . Es folgt, dass für alle n ≥ Nε gilt:

a∗ − ε < an < bn < cn < a∗ + ε (2.16)

und somit |bn − a∗ | < ε.

Definition 2.12. Sei X ⊂ R nichtleer. Eine Abbildung f : X → R heißt

36 [30. November 2022]


(i) monoton wachsend, falls f (x) ≤ f (y) für alle x, y ∈ X mit x ≤ y;

(ii) streng monoton wachsend, falls f (x) < f (y) für alle x, y ∈ X mit
x < y;

(iii) monoton fallend, falls f (x) ≥ f (y) für alle x, y ∈ X mit x ≤ y;

(iv) streng monoton fallend, falls f (x) > f (y) für alle x, y ∈ X mit x < y;

(v) monoton, wenn f entweder monoton wachsend oder monoton fallend


ist;

(vi) streng monoton, wenn f entweder streng monoton wachsend oder


streng monoton fallend ist.

Bemerkung. Man sagt auch “nichtfallend” statt “wachsend”, und “nicht-


wachsend” statt “fallend”. In einigen Büchern wird “monoton” durch
“schwach monoton” ersetzt, und “streng monoton” durch “monoton” (vgl.
[Hi1], Bem. 4 in Kap. 2.3, Seite 143).

Bemerkung. Eine Folge a : N → R ist genau dann streng monoton wach-


send, wenn
an < an+1 für alle n ∈ N ; (2.17)
und genau dann monoton wachsend, wenn

an ≤ an+1 für alle n ∈ N . (2.18)

(Beweis, z.B. mit Induktion: Hausaufgabe).

Satz 2.13. Eine monotone Folge ist genau dann konvergent, wenn sie be-
schränkt ist. Falls a : N → R monoton wachsend ist, dann limn→∞ an =
sup a(N). Falls a : N → R monoton fallend ist, dann limn→∞ an = inf a(N).

Beweis. Jede konvergente Folge ist beschränkt (Lemma 2.7). Es reicht des-
halb zu zeigen, dass jede monotone und beschränkte Folge konvergiert. Sei
(an )n∈N monoton wachsend und beschränkt, und sei s = sup a(N). Da s eine
obere Schranke für a(N) ist, gilt an ≤ s für alle n. Sei ε > 0. Da s − ε < s
keine obere Schranke ist, gibt es Nε ∈ N, so dass s − ε < aNε gilt (vgl.
auch Lemma 1.45). Aus der Monotonie folgt dann s − ε < aNε ≤ an für alle
n ≥ Nε , und deshalb

s − ε < an ≤ s für alle n ≥ Nε . (2.19)

Es folgt, dass limn→∞ an = s. Für monoton fallende Folgen wird analog mit
inf argumentiert.

37 [30. November 2022]


Bemerkung. Falls die Intervalle In = [an , bn ], n ∈ N, eine Intervallschach-
telung bilden, dann gilt: (i) Die Folge a ist monoton wachsend und be-
schränkt; (ii) Die Folge b ist monoton fallend und beschränkt; (iii) Die Folge
b − a ist eine Nullfolge; (iv) beide Folgen konvergieren, und der Grenzwert
ist genau der Punkt x, der in allen Intervallen In liegt.

Beispiel. Der Beweis von Satz 1.49 kann jetzt umformuliert werden. Man
hat Folgen a, b : N → R konstruiert, die (1.78) erfüllen. Aus In+1 ⊂ In
folgt an ≤ an+1 ≤ bn+1 ≤ b0 für alle n. Daraus folgt, dass a monoton
wachsend und beschränkt ist, und deshalb konvergent. Sei a∗ := limn→∞ an .
Aus limn→∞ (bn − an ) = 0 und Lemma 2.5 folgt, dass bn auch gegen a∗
konvergiert. Aus Lemma 2.8 folgt, dass akn und bkn gegen ak∗ konvergieren
(Induktionsbeweis: Hausaufgabe). Mit akn ≤ x ≤ bkn und Lemma 2.11 folgt,
dass die konstante Folge x ebenfalls gegen ak∗ konvergiert. Deshalb ist ak∗ = x.

2.2 Teilfolgen, Satz von Bolzano-Weierstraß


Definition 2.14. Sei a : N → R eine Folge. Eine Folge b : N → R heißt
Teilfolge von a, wenn es eine streng monoton wachsende Abbildung ϕ : N →
N gibt, so dass b = a ◦ ϕ.

Man schreibt bk = aϕ(k) .

Bemerkung. Falls n : N → N streng monoton wachsend ist, dann gilt


nk ≥ k für alle k ∈ N; insbesondere ist die Folge n nach oben nicht be-
schränkt.

Beispiel. Die Folge an := (−1)n ist divergent, aber die zwei Teilfolgen
k 7→ a2k und k 7→ a2k+1 sind beide konvergent, mit

lim a2k = 1 und lim a2k+1 = −1 . (2.20)


k→∞ k→∞

Lemma 2.15. Falls an → a∗ , dann konvergiert auch jede Teilfolge von a


gegen a∗ .

Beweis. Hausaufgabe.

Bemerkung. Sei a : N → R eine Folge, b := a ◦ ϕ eine Teilfolge von a,


und c := b ◦ ψ eine Teilfolge von b. Dann ist c eine Teilfolge von a. Beweis:
c = a◦(ϕ◦ψ), k 7→ c(k) = a(ϕ(ψ(k)), und ϕ◦ψ : N → N ist streng wachsend.

Satz 2.16. Jede Folge reeller Zahlen besitzt eine monotone Teilfolge.

38 [30. November 2022]


Beweis. Sei x : N → R gegeben. Wir betrachten die Menge der “Spitzen”

S := {n ∈ N : an > am für alle m > n} . (2.21)

Wir unterscheiden drei Fälle.


1. Fall: S = ∅.
Man definiert
ϕ(0) := 0 (2.22)
und induktiv

ϕ(k + 1) := min Mk mit Mk := {m ∈ N : m > ϕ(k), am ≥ aϕ(k) } .


(2.23)
Die Menge auf der rechten Seite ist nichtleer. Sonst wäre ϕ(k) ∈ S. Daher
besitzt Mk eein Minimum (Satz 1.27). Nach Konstruktion gilt ϕ(k + 1) >
ϕ(k) und aϕ(k+1) ≥ aϕ(k) . Daher ist a ◦ ϕ eine monoton wachsende Teilfolge.
2. Fall: die Menge S ist endlich und nichtleer.
Man definiert
ϕ(0) := max S + 1 (2.24)
and ϕ(k + 1) wie im ersten Fall. Dann folgt mit Induktion ϕ(k) ≥ ϕ(0)
und Mk 6= ∅ (sonst wäre ϕ(k) ∈ S und dies widerspricht der Definition von
ϕ(0)). Dann folgt die Aussage wie im ersten Fall.
3. Fall: die Menge S ist unendlich.
Dann setzen wir
ϕ(0) := min S (2.25)
und induktiv
ϕ(k + 1) := min{n ∈ S : n > ϕ(k)} . (2.26)
Damit gilt ϕ(k+1) > ϕ(k), und aus ϕ(k) ∈ S folgt, dass aϕ(k+1) < aϕ(k) .

Satz 2.17 (Bolzano-Weierstraß). Sei x : N → R beschränkt. Dann besitzt x


eine konvergente Teilfolge.

Beweis. Aus Satz 2.16 folgt, dass x eine monotone Teilfolge besitzt. Da x
beschränkt ist, ist die Teilfolge auch beschränkt, und deshalb konvergent
(Satz 2.13).

Bemerkung. Man kann den Satz auch durch Konstruktion einer pas-
senden Intervallschachtelung beweisen, vgl., zum Beispiel, [Kö1] oder
www.youtube.com/watch?v=eM3S74kchoM.

Lemma 2.18. Sei A ⊂ R nicht leer, beschränkt.

(i) Es gibt eine monoton wachsende Folge a : N → A die gegen sup A


konvergiert.

39 [30. November 2022]


(ii) Falls s ∈ R eine obere Schranke ist, und eine Folge a : N → A existiert,
die gegen s konvergiert, dann gilt s = sup A.

Beweis. Hausaufgabe.

2.3 Bestimmt divergente Folgen, lim inf und lim sup


Definition 2.19. Die Folge a : N → R heißt gegen ∞ bestimmt divergent
(limn→∞ an = ∞), wenn es zu jedem k ∈ R ein Nk ∈ N gibt, so dass

an > k für alle n ∈ N, n ≥ Nk (2.27)

gilt. Die Folge a : N → R heißt gegen −∞ bestimmt divergent (limn→∞ an =


−∞), wenn es zu jedem k ∈ R ein Nk ∈ N gibt, so dass

an < k für alle n ∈ N, n ≥ Nk (2.28)

gilt.

Lemma 2.20. (i) Sei a : N → R so, dass limn→∞ an = ∞. Dann gilt


limn→∞ a1n = 0 und limn→∞ (−an ) = −∞.

(ii) Sei a : N → R so, dass limn→∞ an = 0 und an 6= 0 für alle n. Dann


gilt limn→∞ |a1n | = ∞.

(iii) Sei a : N → R so, dass limn→∞ an = ∞, und b : N → R beschränkt.


Dann gilt limn→∞ (an + bn ) = ∞

(iv) Sei a : N → R so, dass limn→∞ an = ∞, und b : N → R so dass


bn ≥ an für alle n. Dann gilt limn→∞ bn = ∞.

Bemerkung. Bei (ii) und (iv) reicht es natürlich, wenn die Bedingungen
an 6= 0 und an ≤ bn für alle n ≥ n0 erfüllt sind.

Beweis. Hausaufgabe.

Lemma 2.21. Jede unbeschränkte monotone Folge ist bestimmt divergent.

Beweis. Hausaufgabe.

Bemerkung. Daraus folgt, dass limn→∞ xn ∈ R ∪ {−∞, ∞} für jede mo-


notone Folge x : N → R existiert.

40 [30. November 2022]


Definition 2.22. Sei x : N → R eine Folge. Falls xn nach unten beschränkt
ist, dann definiert man

lim inf xn = lim inf{xk : k ≥ n} , (2.29)


n→∞ n→∞

sonst lim inf n→∞ xn = −∞.


Falls xn nach oben beschränkt ist, definiert man

lim sup xn = lim sup{xk : k ≥ n} , (2.30)


n→∞ n→∞

sonst lim supn→∞ xn = ∞.

Bemerkung. Falls xn nach unten beschränkt ist, dann ist n 7→ inf{xk :


k ≥ n} eine monoton wachsende Folge reeller Zahlen, und daher entweder
konvergent oder bestimmt gegen ∞ divergent. Deshalb existiert der Limes
inferior lim inf n→∞ xn ∈ R ∪ {−∞, ∞} für jede Folge x : N → R. Die
analogen Aussagen gelten für lim sup.

Bemerkung. Falls xn nach unten unbeschränkt ist, dann ist inf{xk : k ≥


n} = −∞ für alle n.
[Vorlesung 9, 7.11. 2022]
[Vorlesung 10, 9.11. 2022]

Lemma 2.23. Sei x : N → R eine Folge.

(i) Falls y eine Teilfolge von x ist, so gilt

lim inf yn ≥ lim inf xn , lim sup yn ≤ lim sup xn .


n→∞ n→∞ n→∞ n→∞

Diese Ungleichung ist so zu verstehen, dass −∞ ≤ a ≤ ∞ für alle


a ∈ R ∪ {−∞, ∞}.

(ii) Falls y : N → R eine konvergente Teilfolge von x ist, dann gilt

lim inf xn ≤ lim yk ≤ lim sup xn . (2.31)


n→∞ k→∞ n→∞

(iii) Es gibt zwei Teilfolgen a und b von x mit der Eigenschaft, dass

lim ak = lim inf xn (2.32)


k→∞ n→∞

und
lim bk = lim sup xn . (2.33)
k→∞ n→∞

41 [30. November 2022]


Beweis. (i) und (ii): Übungsaufgabe.
(iii): Wir betrachten zunächst den Fall, dass x nach unten beschränkt ist.
Sei, wie oben,
Ik = inf{xn : n ≥ k}
Wir setzen ϕ(0) := 0. Für k ∈ N gilt nach Definition von I

Iϕ(k)+1 = inf{xn : n ≥ ϕ(k) + 1}.

Nach Definition des Infimums ist die Menge


1
Mk := {n ∈ N : n ≥ ϕ(k) + 1, xn < Iϕ(k)+1 + }
k+1

nicht leer1 . Wir definieren

ϕ(k + 1) := min Mk .

1
Daraus folgt, Iϕ(k)+1 ≤ xϕ(k+1) ≤ Iϕ(k)+1 + k+1 . Mit dem Quetschlemma
(Lemma 2.11) und Lemma 2.15 folgt, dass limk→∞ xϕ(k) = limk→∞ Iϕ(k)+1 =
limk→∞ Ik = lim inf n→∞ xn .
Der Fall, dass x nach unten unbeschränkt ist, kann analog behandelt werden.
In diesem Fall setzt man

ϕ(k + 1) := min{n ∈ N : n > ϕ(k), xn < −k} . (2.34)

Die Konstruktion der Teilfolge b ist analog.

Satz 2.24. Eine Folge reeller Zahlen x : N → R ist genau dann konvergent,
wenn
lim inf xn = lim sup xn ∈ R , (2.35)
n→∞ n→∞

und genau dann bestimmt divergent, wenn

lim inf xn = lim sup xn ∈ {−∞, ∞} . (2.36)


n→∞ n→∞

Beweis. Wir betrachten nur den Fall, dass x beschränkt ist.


Sei x∗ := lim inf xn = lim sup xn ∈ R. Sei
n→∞ n→∞

Ik := inf{xn : n ≥ k}, Sk := sup{xn : n ≥ k}.

Aus Ik ≤ xk ≤ Sk folgt mit dem Quetschlemma (Lemma 2.11), dass


lim xk = x∗ .
k→∞
1 1
Wenn Mk leer wäre, so wäre xn ≥ Iϕ(k)+1 + k+1 für alle n > ϕ(k). Dann gilt inf{xn :
1
n > ϕ(k)} ≥ Iϕ(k)+1 + k+1 . Dies ist ein Widerspruch zur Definition von Iϕ(k)+1

42 [30. November 2022]


Sei umgekehrt x eine konvergente Folge, und x∗ := lim xn . Dann konver-
n→∞
giert jede Teilfolge von x auch gegen x∗ (Lemma 2.15). Aus Lemma 2.23
folgt, dass x eine Teilfolge besitzt, die gegen lim inf xn konvergiert; dann
n→∞
muss lim inf xn = x∗ sein. Analog folgt, dass lim sup xn = x∗ .
n→∞ n→∞
Der Fall, dass x unbeschränkt ist, kann analog behandelt werden.

2.4 Metrische Räume


Definition 2.25. Sei X eine nichtleere Menge und d : X × X → [0, ∞).
Das Paar (X, d) ist ein metrischer Raum, und d eine Metrik auf X, wenn
folgendes gilt:

(i) d(x, y) = d(y, x) für alle x, y ∈ X;

(ii) d(x, y) = 0 genau dann, wenn x = y;

(iii) d(x, y) ≤ d(x, z) + d(z, y) für alle x, y, z ∈ X.

Lemma 2.26. Die Funktion d(x, y) := |x − y| ist eine Metrik auf R und auf
C.

Beweis. Die erste Aussage folgt aus der Definition und Lemma 1.56, die
zweite aus Lemma 1.61.

Wenn nicht weiter spezifiziert, benutzt man auf R und C diese beiden Me-
triken.

Bemerkung. Sei X eine Menge. Die Funktion δ : X × X → [0, ∞),


(
0 falls x = y
δ(x, y) := (2.37)
1 sonst

ist eine Metrik.

Definition 2.27. Sei (X, d) ein metrischer Raum, und a : N → X. Die


Folge a konvergiert gegen a∗ ∈ X, wenn für alle ε > 0 ein Nε ∈ N existiert,
so dass gilt:

d(an , a∗ ) < ε für alle n ∈ N, n ≥ Nε . (2.38)

Man schreibt limn→∞ an = a∗ .

Aus der Definition folgt sofort, dass

lim an = a∗ in X genau dann wenn lim d(an , a∗ ) = 0. (2.39)


n→∞ n→∞

43 [30. November 2022]


Im Fall X = R ist diese Definition identisch zur alten. Für X = C sieht man
leicht, dass genau dann zn gegen z ∗ konvergiert, wenn Re zn gegen Re z ∗ und
Im zn gegen Im z ∗ konvergiert.

Lemma 2.28. Sei (X, d) ein metrischer Raum, a : N → X. Falls a gegen


a∗ konvergiert, und a gegen ã∗ konvergiert, dann gilt a∗ = ã∗ .

Beweis. Analog zum Beweis von Lemma 2.4: Falls d(a∗ , ã∗ ) > 0, betrachten
wir ε := 21 d(a∗ , ã∗ ), ein n so, dass d(an , a∗ ) < ε und d(an , ã∗ ) < ε, und
erhalten durch die Dreiecksungleichung einen Widerspruch.

Bemerkung. Das Konvergenzkonzept hängt von der Metrik ab. Zum Bei-
spiel ist die durch an := 2−n definierte Folge in (R, d) konvergent, aber in
(R, δ) divergent.

Definition 2.29. Sei (X, d) ein metrischer Raum. Für x ∈ X und ε ∈


(0, ∞) ist die ε-Kugel mit Mittelpunkt x als die Menge

Bε (x) := {y ∈ X : d(x, y) < ε}

definiert.

Bemerkung. Eine Folge a : N → X ist genau dann gegen a∗ ∈ X konver-


gent, wenn gilt:

für alle ε > 0 ist die Menge {n ∈ N : an 6∈ Bε (a∗ )} endlich. (2.40)

Beispiel. Die Abbildung d1 : C × C → [0, ∞), d1 (z, w) := | Re(z − w)| +


| Im(z − w)|, ist eine Metrik. Die Menge B1/2 (i) ist ein Quadrat mit Eck-
punkte i/2, i + 1/2, 3i/2, i − 1/2.

Definition 2.30. Sei (X, d) ein metrischer Raum, A ⊂ X.

(i) A ist offen, wenn für alle x ∈ A ein ε > 0 existiert, so dass Bε (x) ⊂ A.

(ii) A ist abgeschlossen, wenn X \ A offen ist.

Insbesondere sind ∅ und X sowohl offen als auch abgeschlossen.

Bemerkung. In R sind die Intervalle (a, b) ⊂ R sind offen, die Intervalle


[a, b] sind abgeschlossen. Ferner gilt (a, b) = B( a+b b−a
2 , 2 ) und B(x, r) =
(x − r, x + r).

Lemma 2.31. Sei (X, d) ein metrischer Raum, z ∈ X, r > 0. Dann ist die
Menge Br (z) offen.

44 [30. November 2022]


Beweis. Beweis: Für x ∈ Br (z) setzt man ε := r − d(x, z). Aus x ∈ Br (z)
folgt, dass ε > 0. Aus der Dreiecksungleichung folgt , dass für alle y ∈ Bε (x)
gilt
d(y, z) ≤ d(y, x) + d(x, z) < ε + d(x, z) = r , (2.41)
und somit, dass Bε (x) ⊂ Br (z).

Bemerkung. Aus Lemma 2.31 und der Bemerkung nach Definition 2.29
folgt eine weitere äquivalente Charakterisierung von Konvergenz. Eine Folge
a : N → X konvergiert genau dann gegen a∗ wenn folgendes gilt

für jede offene Menge U mit a∗ ∈ U ist {n ∈ N : an ∈


/ U } endlich. (2.42)

Beweis: (2.42) =⇒ (2.40): klar, weil alle Bε (a∗ ) offen sind und a∗ enthalten.
(2.40) =⇒ (2.42): sei U offen und a∗ ∈ U . Dann gibt es ε > 0 mit Bε (a∗ ) ⊂ U .
Also gilt {n ∈ N : an ∈/ U } ⊂ {n ∈ N : an ∈/ Bε (a∗ )} und die Menge auf der
rechten Seite ist wegen (2.40) endlich.

Wir sagen, dass eine Menge A ⊂ X folgenabgeschlossen ist, wenn sie folgende
Eigenschaft hat: falls a : N → X eine konvergente Folge ist, und an ∈ A für
alle n, dann limn→∞ an ∈ A.

Satz 2.32. Sei (X, d) ein metrischer Raum. Eine Menge A ⊂ X ist genau
dann abgeschlossen, wenn sie folgenabgeschlossen ist.

Beweis. (i): Sei A abgeschlossen, sei a : N → X eine konvergente Folge mit


an ∈ A für alle n und sei a∗ = limn→∞ an . Falls a∗ ∈/ A, so gilt a∗ ∈ X \ A.
Da A abgeschlossen ist, ist X \ A offen. Also gibt es ein ε > 0, so dass
Bε (a∗ ) ⊂ X \ A. Daher gibt es ein Nε , so dass an ∈ Bε (a∗ ) ⊂ X \ A für alle
n ≥ Nε . Dies widerspricht der Annahme an ∈ A für alle n ∈ N.
(ii): Sei A folgenabgeschlossen, aber nicht abgeschlossen. Dann ist X \ A
nicht offen. Daher gibt es ein x ∈ X \ A, so dass keine der Kugeln Bε (x),
mit ε > 0, in X \ A enthalten ist. Also gilt, für alle ε > 0, Bε (x) ∩ A 6= ∅.
Wir wenden dies mit ε = 2−n an. Also gibt es Folge a : N → X mit an ∈
A ∩ B2−n (x). Daher gilt d(an , x) < 2−n . Da n 7→ 2−n eine Nullfolge ist,
konvergiert die Folge a gegen x. Da A folgenabgeschlossen ist, gilt x ∈ A.
Dies widerspricht der Annahme x ∈ X \ A.

[Vorlesung 10, 9.11. 2022]


[Vorlesung 11, 14.11. 2022]

Lemma 2.33. Sei (X, d) ein metrischer Raum. Dann gilt:

(i) Der Durchschnitt endlich vieler offener Mengen ist offen;

45 [30. November 2022]


(ii) Die Vereinigung beliebig vieler offener Mengen ist offen;

(iii) Die Vereinigung endlich vieler abgeschlossener Mengen ist abgeschlos-


sen;

(iv) Der Durchschnitt beliebig vieler abgeschlossener Mengen ist abgeschlos-


sen.

Beweis. (i): Seien O1 , . . . , On offen, und


n
\
O := Oi = {x ∈ X : x ∈ Oi für alle i} . (2.43)
i=1

Sei x ∈ O. Für jedes i ∈ {1, . . . , n} gilt x ∈ Oi , und da Oi offen ist folgt,


dass es εi > 0 gibt, so dass Bεi (x) ⊂ Oi . Sei ε := min{εi : i = 1, . . . , n}.
Dann gilt ε > 0 und Bε (x) ⊂ Bεi (x) ⊂ Oi für alle i, deshalb Bε (x) ⊂ O und
O ist offen.
(ii): Seien Oα , für α ∈ A, offene Mengen, und
[
O := Oα = {x ∈ X : es gibt α ∈ A so dass x ∈ Oα } . (2.44)
α∈A

Sei x ∈ O. Dann gibt es α ∈ A, so dass x ∈ Oα . Da Oα offen ist gibt es ein


ε > 0, so dass Bε (x) ⊂ Oα . Aus der Definition von O folgt, dass Bε (x) ⊂ O.
(iii) und (iv) werden durch Komplementbildung bewiesen. Es gilt
n n
! !
[ \ \ [
X\ Ai = (X \ Ai ) und X \ Aα = (X \ Aα ).
i=1 i=1 α∈A α∈A

Bemerkung. Die Eigenschaften (i) und (ii) motivieren das Konzept des
topologischen Raumes. Sei X eine Menge. Sei 2X die Potenzmenge von X,
also die Menge aller Teilmengen von X. Eine Menge T ⊂ 2X heißt Topologie
auf X, falls sie folgende Eigenschaften hat.

(i) ∅ ∈ T , X ∈T;

(ii) ein endlicher Durchschnitt von Mengen in T ist in T ;

(iii) eine beliebige Vereinigung von Mengen in T ist in T .

Falls T ⊂ 2X eine Topologie ist, so heisst das Paar (X, T ) topologischer


Raum.
Sei (X, d) ein metrischer Raum und sei Td die Menge der offenen Teilmengen.
Nach Lemma 2.33 ist Td eine Topologie auf X.

46 [30. November 2022]


In einem topologischen Raum kann man Konvergenz wie folgt definieren.
Eine Folge a : N → X konvergiert gegen a∗ falls gilt,

für alle U ∈ T mit a∗ ∈ U ist die Menge {n : an ∈


/ U } endlich. (2.45)

Falls (X, d) ein metrischer Raum mit der Topologie Td ist, so stimmt die-
se Definition aufgrund der Bemerkung nach Lemma 2.31 mit der üblichen
Definition der Konvergenz überein.
In allgemeinen ist der Grenzwert eine Folge in einem topologischen Raum
nicht eindeutig. Sei zum Beispiel X eine beliebige nicht leere Menge und
T = {∅, X} die triviale Topologie. Dann konvergiert jede Folge a gegen
jedes Element a∗ ∈ X.

Definition 2.34. Sei (X, d) ein metrischer Raum, A ⊂ X. Dann definieren


wir

(i) A◦ := {x ∈ A : es gibt ε > 0 so, dass Bε (x) ⊂ A};

(ii) A := {x ∈ X : für alle ε > 0 gilt B(x, ε) ∩ A 6= ∅}

(iii) ∂A := {x ∈ X : für alle ε > 0 gilt Bε (x) \ A 6= ∅ und Bε (x) ∩ A 6= ∅}.

Man nennt A◦ ist die Menge der inneren Punkten von A, A den Abschluß
von A und ∂A den Rand von A (oder: die Menge der Randpunkte). Die
Elemente von X \ A werden äußere Punkte genannt.

Man sieht leicht, dass

A = {x ∈ X : es gibt eine Folge y : N → X so, dass


yn ∈ A für alle n und lim yn = x}, (2.46)
n→∞

aus A ⊂ B folgt A◦ ⊂ B ◦ und A ⊂ B (2.47)


und
X \ A = (X \ A)◦ . (2.48)
Beweis von (2.48) : x ∈ X \ A ⇐⇒ ∃ε > 0 B(x, ε) ∩ A = 0
⇐⇒ ∃ε > 0 B(x, ε) ⊂ X \ A ⇐⇒ x ∈ (X \ A)◦ .

Lemma 2.35. Sei (X, d) ein metrischer Raum, A ⊂ X. Dann gilt:

(i) A ist genau dann offen, wenn A = A◦ ;

(ii) A ist genau dann abgeschlossen, wenn A = A;

(iii) A◦ = {O ⊂ X : O ist offen, und O ⊂ A};


S

T
(iv) A = {M ⊂ X : M ist abgeschlossen, und A ⊂ M };

47 [30. November 2022]


(v) A◦ ⊂ A ⊂ A; A = ∂A ∪ A◦ ; ∂A ∩ A◦ = ∅.

(vi) X = A◦ ∪ ∂A ∪ (X \ A) und diese drei Mengen sind paarweise disjunkt.

Aus (iii) und (iv) folgt mit Lemma 2.33: A◦ ist die größte offene Teilmenge
von A und A ist die kleinste abgeschlossene Menge, die A enthält. Manch-
mal wird auch die rechte Seite von (iii) bzw. (iv) als Definition A◦ bzw. A
benutzt.

Beweis. Hausaufgabe.

Definition 2.36. Sei (X, d) ein metrischer Raum, A ⊂ X. Eine Menge M


ist in A dicht, wenn es für alle x ∈ A und alle ε > 0 ein y ∈ M gibt, so dass
d(x, y) < ε.

Lemma 2.37. M ist genau dann in A dicht, wenn A ⊂ M .

Beweis. Hausaufgabe.

Bemerkung. Insbesondere ist Q in R dicht (Satz 1.54).

Definition 2.38. Sei (X, d) ein metrischer Raum. Eine Menge M ⊂ X ist
beschränkt, wenn x ∈ X und r > 0 existieren, so dass M ⊂ B(x, r).
Eine Folge y : N → X heißt beschränkt, wenn die Menge y(N) beschränkt
ist.

Eine äquivalente Definition ist: M ist beschränkt, wenn ein x ∈ X existiert,


so dass
{d(x, y) : y ∈ M } (2.49)
eine beschränkte Teilmenge von R ist. Für X = R ist diese Definition zur
alten (Def. 1.41) äquivalent.
Eine Folge y ist nach Definition beschränkt, wenn es ein x̄ ∈ X und eine
r > 0 gibt so, dass d(x̄, yn ) < r für alle n ∈ N.

Bemerkung. Falls M beschränkt ist und z ∈ X, dann gibt es ein R > 0,


so dass M ⊂ BR (z). Beweis: Seien x, r wie in Def. 2.38, und R := r + d(x, z).
Aus der Dreiecksungleichung folgt, dass M ⊂ BR (z).

2.5 Der Raum Rn


Definition 2.39. Sei A eine Menge, n ∈ N∗ . Dann wird An durch A1 := A,
An+1 := An × A definiert. Man schreibt a = (a1 , a2 , . . . , an ) ∈ An .

48 [30. November 2022]


Bemerkung. Die Menge A0 wird nicht definiert, so dass die Schreibeise
An implizit die Bedingung n 6= 0 enthält (z.B. ist “sei x ∈ Rn ” eine Kurzform
für “sei n ∈ N∗ und x ∈ Rn ”).
Definition 2.40. Für x, y ∈ Rn setzt man
v
u n n
uX X
|x| := t x2i , hx, yi := x i yi . (2.50)
i=1 i=1

Für λ, µ ∈ R und x, y ∈ Rn wird λx + µy ∈ Rn durch


(λx + µy)i = λxi + µyi i = 1, . . . , n (2.51)
definiert; der Vektor 0 hat Komponenten 0i = 0, i = 1, . . . , n.
Man schreibt auch x · y statt hx, yi.

Bemerkung. Man identifiziert R1 mit R und R2 mit C; in beiden Fällen


ist die neue Definition von |x| zur alten äquivalent.

Bemerkung. Es ist klar, dass |x| ∈ [0, ∞) für alle x ∈ Rn gilt und dass
x = 0 aus |x| = 0 folgt.

Bemerkung. Für x, y ∈ R2 haben wir zwei unterschiedliche Produkte de-


finiert: das Skalarprodukt hx, yi = x1 y1 + x2 y2 ∈ R und das komplexwertige
Produkt der zwei komplexen Zahlen, x · y = (x1 y1 − x2 y2 , x1 y2 + x2 y1 ) ∈ C.
Lemma 2.41. Für x, y ∈ Rn und λ, µ ∈ R gilt
|λx| = |λ| |x|, hλx, µyi = λµhx, yi (Homogenität), (2.52)
hx, yi ≤ |x| |y| (Cauchy-Schwarz Ungleichung), (2.53)
und
|x + y| ≤ |x| + |y| (Dreiecksungleichung). (2.54)

Beweis. (i) Die Identität (2.52) folgt direkt aus der Definition von |x| und
hx, yi.
(ii) Zum Beweis von (2.53) zeigen wir zunächst die schwächere Abschätzung
hx, yi ≤ 12 (|x|2 + |y|2 ) und nutzen dann Homogenität aus, um (2.53) zu
erhalten. Die schwächere Abschätzung erinnert an die Ungleichung 2ab ≤
a2 + b2 für a, b ∈ R, die aus der binomischen Formel für (a − b)2 folgt.
Dadurch motiviert berechnen wir
n
X n
X
|x − y|2 = (xi − yi )2 = x2i − 2xi yi + yi2 = |x|2 − 2hx, yi + |y|2
i=1 i=1
(2.55)

49 [30. November 2022]


Da |x − y|2 ≥ 0, folgt dass
1
hx, yi ≤ (|x|2 + |y|2 ).
2
Falls |x| = |y|, so gilt |x|2 + |y|2 = 2|x|2 = 2|x||y| und die Aussage ist
bewiesen.
Um den allgemeinen Fall aus diesen Spezialfall zurückzuführen, nutzen wir
die Homogenität der Norm und des Skalarprodukts aus.
Wir bemerken wir zunächst, dass die Ungleichung für x = 0 or y = 0 erfüllt
x y
ist. Sei also x 6= 0 und y 6= 0. Wir setzen x̃ = |x| und ỹ = |y| . Aus (2.52)
folgt, dass |x̃| = |ỹ| = 1. Wiederum mit (2.52) und dem, was wir schon
gezeigt haben, folgt
1 1
hx, yi = hx̃, ỹi ≤ 1.
|x| |y|
Multiplikation mit |x||y| liefert die Behauptung.
(iii) Standardbeweis der Dreiecksungleichung mit Cauchy-Schwarz und bino-
mischer Formel
Wir ersetzen in (2.55) y durch −y und erhalten

|x + y|2 = |x|2 + 2hx, yi + |y|2 ≤ |x|2 + 2|x| |y| + |y|2 = (|x| + |y|)2 . (2.56)

Die dritte Aussage folgt wie oben mit (1.81).


Alternativer Beweis mit Cauchy-Schwarz und ’Dualität’
Falls x + y = 0 ist nicht zu zeigen. Falls x + y 6= 0 gibt es ein v ∈ Rn mit
x+y
|v| = 1 und |x + y| = hx + y, vi, nämlich v = |x+y| . Damit folgt

|x + y| = hx + y, vi = hx, vi + hy, vi ≤ |x| + |y|.

Dabei haben wir im letzten Schritt die Cauchy-Schwarz Ungleichung und


|v| = 1 benutzt.
Der Punkt in diesem Beweis ist, dass man die nichtlineare Abbildung z 7→ |z|
durch die lineare Abbildung z 7→ hz, vi ersetzt.

[Vorlesung 11, 14.11. 2022]


[Vorlesung 12, 16.11. 2022]

Lemma 2.42. Die Funktion d : Rn × Rn → [0, ∞), d(x, y) := |x − y| ist


eine Metrik auf Rn .

Bemerkung. Wenn nicht weiter spezifiziert, wird diese Metrik für Rn be-
nutzt.

50 [30. November 2022]


Beweis. (i) d(x, y) = d(y, x), da | − z| = |z|
(ii) d(x, x) = |0| = 0, Pn
Falls d(x, y) = 0, so ist |x − y| = 0, also 2
i=1 (xi − yi ) = 0. Da alle
Summanden nicht negativ sind, folgt xi = yi , also x = y.
(iii)

d(x, y) = |x − y| = |(x − z) + (z − y)| ≤ |x − z| + |z − y| = d(x, z) + d(z, y).

Lemma 2.43. Sei x ∈ Rn , r > 0. Dann gilt

Br (x) = {y ∈ Rn : |x − y| ≤ r}, (2.57)

∂Br (x) = {y ∈ Rn : |x − y| = r}, (2.58)


und Br (x) = (Br (x))◦ .

Beweis. Hausaufgabe.

Satz 2.44. Eine Folge x : N → Rn konvergiert gegen x∗ ∈ Rn genau dann,


wenn für jeden i = 1, . . . , n die Folge der i-ten Komponenten xi : N → R,
xi (k) = (x(k))i , gegen x∗i konvergiert.

Beweis. Für a ∈ Rn und i ∈ {1, . . . , n} gilt


n
X
2
|ai | ≤ |a| und |a| ≤ |ai |2 (2.59)
i=1

Aus der ersten Ungleichung folgt, dass |x(k)i − x∗i | ≤ d(x(k), x∗ (k)). Falls x
gegen x∗ konvergiert, so folgt dass xi gegen x∗i konvergiert.
Falls für alle i die Folgen xi gegen x∗i konvergieren, so folgt aus der zweiten
Ungleichung das x gegen x∗ konvergiert.

Satz 2.45. Jede beschränkte Folge in Rn besitzt eine konvergente Teilfolge.

Beweis. Wir betrachten eine beschränkte Folge x : N → Rn . Wir werden für


j = 1, 2, . . . , n folgende Aussage A(j) beweisen: es gibt eine Teilfolge x ◦ m
(d.h., m : N → N streng wachsend) und x∗1 , . . . , x∗j ∈ R mit der Eigenschaft,
dass
lim xi (m(k)) = x∗i i = 1, 2, . . . , j . (2.60)
k→∞

Da x1 eine beschränkte Folge ist, folgt A(1) direkt aus Satz 2.17. Sei A(j)
richtig, j < n, und m : N → N wie oben. Die Folge xj+1 ◦ m ist beschränkt,

51 [30. November 2022]


und deshalb (Satz 2.17) gibt es p : N → N streng wachsend und x∗j+1 , so
dass
lim xj+1 (m(p(k))) = x∗j+1 . (2.61)
k→∞

Da xi ◦ m ◦ p eine Teilfolge von xi ◦ m ist, gilt (2.60) auch entlang der neuen
Teilfolge (Lemma 2.15). Somit ist A(j + 1) bewiesen.
Die Aussage folgt dann aus A(n) und Satz 2.44.

Lemma 2.46. Falls a, b : N → Rn und λ, µ : N → R konvergente Folgen


sind, dann gilt:
     
(i) lim (λk ak + µk bk ) = lim λk lim ak + lim µk lim bk ;
k→∞ k→∞ k→∞ k→∞ k→∞

(ii) lim hak , bk i = h lim ak , lim bk i.


k→∞ k→∞ k→∞

Beweis. Folgt aus Satz 2.44 und Lemma 2.4.

2.6 Cauchy-Folgen, Vollständigkeit II


Definition 2.47. Sei (X, d) ein metrischer Raum, und a : N → X. Die
Folge a heißt Cauchy-Folge, wenn
für alle ε > 0 ein Nε ∈ N existiert, so dass

d(an , am ) < ε für alle n, m ∈ N, n, m ≥ Nε . (2.62)



Beispiel: die Folge n 7→ an = n ist keine Cauchy-Folge. Es gilt zwar
limn→∞ an+1 − an = 0, aber die Definition der Cauchy-Folge verlangt, an
und am für beliebige hinreichend große n und m zu vergleichen. Es gilt zum
√ √ √
Beispiel |a4n − an | = 2 n − n = n und die rechte Seite wird nicht klein
für große n.
Lemma 2.48. Jede konvergente Folge ist eine Cauchy-Folge.

Beweis. Sei an eine Folge die gegen a∗ konvergiert. Sei ε > 0 gegeben. Dann
gibt es Nε ∈ N so, dass d(an , a∗ ) < ε/2 für alle n ≥ Nε . Dann gilt, für alle
n, m ≥ Nε ,
ε ε
d(an , am ) ≤ d(an , a∗ ) + d(a∗ , am ) < + = ε. (2.63)
2 2

Definition 2.49. Ein metrischer Raum (X, d) heißt vollständig, wenn jede
Cauchy-Folge konvergiert.
Lemma 2.50. Jede Cauchy-Folge, die eine konvergente Teilfolge besitzt, ist
selbst konvergent.

52 [30. November 2022]


Beweis. Sei a : N → X, mit X ein metrischer Raum, n : N → N streng
monoton, a∗ := limk→∞ ank .
Zu jedem ε > 0 gibt es ein kε so, dass d(ank , a∗ ) < 21 ε für k ≥ kε , und ein
nε so, dass d(an , am ) < 12 ε für alle n, m ≥ nε .
Sei mε := max{nε , kε }. Für alle h ≥ mε gilt nh ≥ h ≥ mε , und somit
1 1
d(ah , a∗ ) ≤ d(ah , anh ) + d(anh , a∗ ) < ε + ε = ε . (2.64)
2 2

Lemma 2.51. Jede Cauchy-Folge ist beschränkt.

Beweis. Sei a : N → X eine Cauchy-Folge. Zu ε = 1 gibt es ein N1 so, dass

d(aN1 , am ) < 1 für alle m ≥ N1 (2.65)

gilt. Sei x := aN1 , r := max{1, 2d(aN1 , a0 ), . . . , 2d(aN1 , aN1 −1 )}. Dann gilt

ai ∈ B(x, r) für alle i ∈ N. (2.66)

(vgl. Beweis von Lemma 2.7).

Satz 2.52. Rn ist vollständig.

Beweis. Sei a : N → Rn eine Cauchy-Folge. Dann ist a beschränkt (Lemma


2.51). Deshalb besitzt a eine konvergente Teilfolge (Satz 2.45). Es folgt, dass
a konvergiert (Lemma 2.50).


Bemerkung. Q ist nicht vollständig. Beweis: es gilt 2 ∈ R \√Q. Da Q
dicht in R ist gibt es eine Folge a : N → Q mit limn→∞ an = 2. Nach
Lemma 2.48 ist a eine Cauchy-Folge in R also eine Cauchy-Folge in Q. Die
Folge a hat aber keinen Grenzwert in Q, da der Grenzwert in R eindeutig
ist.

2.7 Kompaktheit
Definition 2.53. Sei (X, d) ein metrischer Raum, K ⊂ X.

(i) K ist folgenkompakt, wenn für jede Folge x : N → K eine Teilfolge


(xnk )k∈N und ein x∗ ∈ K existieren, so dass gilt:

lim xnk = x∗ . (2.67)


k→∞

53 [30. November 2022]


(ii) K ist überdeckungskompakt, wenn jede offene Überdeckung von K eine
endliche Teilüberdeckung hat. Das bedeutet, dass folgendes gilt: Falls
{Oi }i∈I eine Familie offener Mengen ist, und
[
K⊂ Oi , (2.68)
i∈I

dann gibt es eine endliche Teilmenge J ⊂ I, so dass gilt:


[
K⊂ Oi . (2.69)
i∈J

Beispiel. [0, 1] ⊂ R ist folgenkompakt. Beweis: Jede Folge x : N → [0, 1]


ist beschränkt, und besitzt deshalb eine konvergente Teilfolge (Satz 2.17).
Aus Lemma 2.10 folgt, dass lim xmk ∈ [0, 1].

Beispiel. (0, 1) ⊂ R ist nicht folgenkompakt. Beweis: jede Teilfolge der


Folge n 7→ 1/(n + 1) konvergiert gegen 0, der Grenzwert 0 liegt aber nicht
in der Menge (0, 1).

Beispiel. (0, 1) ⊂ R ist nicht überdeckungskompakt. Beweis: Sei Ox :=


(x, x + 1), für x ∈ (0, 1/2). Dann (0, 1) ⊂ ∪x∈(0,1/2) Ox . Sei J ⊂ (0, 1/2)
endlich und (0, 1) ⊂ ∪x∈J Ox . Dann ist J nicht leer. Daher existiert y :=
min J. Dann ist y 6∈ Ox für alle x ∈ J, deshalb gilt nicht (0, 1) ⊂ ∪x∈J Ox .
Widerspruch.
Satz 2.54. Sei (X, d) ein metrischer Raum, A ⊂ X überdeckungskompakt.
Dann ist A folgenkompakt.

Beweis. Sei a : N → A eine Folge. Wir zeigen zuerst, dass ein Punkt a∗ ∈ A
existieren muss, so dass

für alle ε > 0 die Menge {n ∈ N : an ∈ Bε (a∗ )} unendlich ist. (2.70)

Falls nicht, dann gäbe es für alle x ∈ A ein εx > 0 [


so, dass {n ∈ N : an ∈

Bε (a )} endlich ist. Aber Bεx (x) ist offen, und A ⊂ Bεx (x); deshalb gibt
x∈A
es eine endliche Teilmenge D = {x1 , . . . , xM } ⊂ A so, dass gilt:
[
A⊂ Bεx (x) . (2.71)
x∈D

Dann folgt, dass


M
[
N = {n ∈ N : an ∈ A} ⊂ {n ∈ N : an ∈ Bεxi (xi )} (2.72)
i=1

54 [30. November 2022]


endlich ist, ein Widerspruch.
Deshalb gibt es ein a∗ ∈ A mit der Eigenschaft (2.70). Sei ϕ(0) := 0, und

ϕ(k + 1) := min{n ∈ N : an ∈ B2−(k+1) (a∗ ), n > ϕ(k)} . (2.73)

Wegen (2.70) ist die Menge auf der rechten Seite unendliche Teilmengen von
N, also nicht leer. Daher existiert das Minimum. Dann ist (aϕ(k) )k∈N eine
Teilfolge von a, die gegen a∗ konvergiert.

[Vorlesung 12, 16.11. 2022]


[Vorlesung 13, 21.11. 2022]

Satz 2.55. Sei (X, d) ein metrischer Raum, A ⊂ X folgenkompakt. Dann


ist A überdeckungskompakt.
S
Beweis. Sei A folgenkompakt, und A ⊂ α∈I Oα , mit allen Oα offen.
S Wir konstruieren Punkte xk ∈ A
Vorbetrachtungen Die Idee ist wie folgt:
und Uk = Oαk , so dass xk+1 ∈ A \ ki=0 Ui . Falls die Konstruktion nach
endlich vielen Schritten abbricht, d.h. falls A = ki=0 Oαi für ein k, so sind
S
wir fertig. Falls nicht, erhalten wir eine Folge x : N → A und versuchen
einen Widerspruch zur Folgenkompaktheit von A zu zeigen.
Diese Idee kann leider nicht immer funktionieren. Beispiel: sei A = [−2, 2] ⊂
R und sei die Überdeckung (Oα )α∈I durch alle Intervalle der Form (x −
ε, x + ε) mit x ∈ A und 0 < ε ≤ 1 gegeben. Sei xi = 1 − 2−i und Ui = (xi −
2−(i+2) , xi + 2−(i+2)
S ). Dann sind die Intervalle Ui disjunkt und insbesondere
gitl xk+1 ∈ A \ ki=0 Ui , wir erhalten aber keinen Widerspruch.
Das Problem in dem Beispiel ist, dass die Intervalle Ui zu klein gewählt sind.
Um das zu vermeiden, könnte man versuchen, jeweils die Menge Uk+1 als die
’größte’ Menge zu wählen, die xk+1 enthält (diese Vorgehen nennt man der
Informatik oder der algorithmischen Mathematik ’greedy algorithm’ - man
nimmt sich jedesmal so viel, wie man kriegen, ohne an die nächsten Schritte
zu denken).
Zwei Mengen U und V lassen sich aber nicht immer vergleichen, es kann
sein, dass weder U ⊂ V noch V ⊂ U gilt. Daher ist nicht klar, was die
größte Menge sein soll. Stattdessen kann man versuchen, diejenige Menge
zu wählen, welche die grösstmögliche Kugel Br (xk+1 ) enthält. Auch das
geht nicht wirklich, weil nicht jede Teilmenge von R ein Maximum hat, aber
mithilfe des Supremums kann man eine genügend große Menge finden. Diese
Strategie funktioniert, siehe ’alternativer Beweis’ unten.
Man kann das Argument etwas abkürzen, indem man den Beweis in zwei
Schritte zerlegt. Man zeigt zunächst, dass ein ε > 0 existiert, so dass für je-
des x ∈ A eine Menge Oα existiert mit B(x, ε) ⊂ Oα . Der Punkt ist, dass ε

55 [30. November 2022]


unabhängig von x gewählt werden kann. Das Problem der ’zu kleinen’ Men-
gen Ui wird auf diese Weise ausgeschlossen. Im zweiten Beweisschritt kann
man dann, wie oben skizziert, eine Folge finden, die zu einem Widerspruch
führt.

Wir beginnen jetzt mit dem eigentlichen Beweis. Wir können annehmen,
dass A 6= ∅, da ∅ trivialerweise überdeckungskompakt ist. Wir argumentieren
mit Widerspruch und nehmen an A sei nicht überdeckungskompakt. Dann
gibt es eine Überdeckung (Oα )α∈I von A, für die keine endliche Teilüberde-
ckung existiert.
Teil 1. Wir zeigen zuerst, dass ein ε > 0 existiert mit folgender Eigenschaft:

zu jedem x ∈ A existiert ein α ∈ I, so dass Bε (x) ⊂ Oα . (2.74)

Falls nicht, gäbe es zu jedem εn = 2−n ein xn ∈ A so, dass Bεn (xn ) \ Oα 6= ∅
für alle α ∈ I. Da die Menge A folgenkompakt ist, muss x eine konvergente
Teilfolge (xnk )k∈N haben. Sei x∗ = lim xnk . Da x∗ ∈ A gibt es ein α∗ ∈ I
k→∞
mit x∗ ∈ Oα∗ . Da Oα∗ offen ist, gibt es ε∗ > 0 so, dass Bε∗ (x∗ ) ⊂ Oα∗ . Da
d(xnk , x∗ ) und 2−nk Nullfolgen sind, gibt es ein k ∈ N so, dass gilt:

d(xnk , x∗ ) + 2−nk < ε∗ . (2.75)

Dann ist Bεnk (xnk ) ⊂ Oα∗ , ein Widerspruch. Deshalb gibt es ein ε > 0 mit
der Eigenschaft (2.74).
Teil 2. Wir definieren jetzt eine Folge y : N → A und eine Folge (Ak )k∈N
von Teilmengen von A: Sei ε wie in (2.74), A0 = A, y0 ∈ A beliebig, und
α0 ∈ I so, dass Bε (y0 ) ⊂ Oα0 . Wenn Ak und yk definiert sind, setzen wir
Ak+1 = Ak \Oαk . Es gilt Ak+1 6= ∅, denn sonst wäre (Oαi )0≤i≤k eine endliche
Teilüberdeckung von A. Daher existiert yk+1 ∈ Ak+1 und αk+1 so, dass
Bε (yk+1 ) ⊂ Oαk+1 . Da A folgenkompakt ist, besitzt die Folge y : N → A
eine konvergente Teilfolge. Dies kann aber nicht sein, weil für alle h > k gilt
d(yk , yh ) ≥ ε (Beweis: yh ∈ Ah ⊂ Ak+1 ⊂ A \ Oαk ⊂ A \ Bε (yk )).

Alternativer Beweis. Dieser Beweis wurde nicht in der Vorlesung bespro-


chen.
Wir argumentieren wiederum Widerspruch und nehmen an, A sei nicht über-
deckungskompakt. Dann gibt es eine Überdeckung (Oα )α∈I von A, für die
keine endliche Teilüberdeckung existiert. In diesem Beweis folgen wir der
oben beschriebenen Strategie, für jedes xk eine ’möglichst große’ Menge Oα
zu finden, die xk enthält.
Für einen Punkt x ∈ A definieren wir

R(x) := sup{r ∈ (0, ∞) : es gibt α ∈ I mit B(x, r) ⊂ Oα }.

56 [30. November 2022]


Dann gilt R(x) > 0, da es eine offene Menge Oα gibt mit x ∈ Oα . Wir wollen
r(x) so definieren, dass r(x) ∈ (0, ∞) und r(x) < R(x). Eine Möglichkeit ist
(
min( R(x)
2 , 1) if R(x) < ∞,
r(x) :=
1 if r(x) = ∞.

Wir konstruieren mit vollständiger Induktion xk ∈ A und Uk = Oαk , so


dass, für alle k ∈ N,
k
[
xk+1 ∈/ Ui , (2.76)
i=0
Br(xk ) (xk ) ⊂ Uk . (2.77)
IA: Um (2.77) für k = 0 zu erfüllen, wählen wir ein beliebiges x0 ∈ A. Da
r(x0 ) < R(x0 ), folgt aus der Definition des Supremums, dass α0 ∈ I gibt, so
dass Br(x0 ) (x0 ) ⊂ Oα0 . Setze U0 = Oα0 . Dann gilt (2.77) für k = 0.
IS: Seien xi und Ui für 0 ≤ i ≤ k gegeben, so dass (2.77) gilt. Dann gilt
A \ ki=0 Uk 6= ∅ (sonst wäre (Oαi )0≤i≤k eine endliche Teilüberdeckung). Da
S
r(xk+1 ) < R(xk+1 ) folgt aus der Definition des Supremums, dass es αk+1 ∈ I
gibt, so dass Br(xk+1 ) (xk+1 ) ⊂ Oαk+1 . Setze Uk+1 = Oαk+1 . Dann gilt (2.77)
für k + 1.
Setze nun zur Abkürzung rk = r(xk ) und Rk = R(xk ). Aus (2.76) und (2.77)
folgt, dass
d(xk , xi ) ≥ ri für alle i < k. (2.78)
Wir konstruieren jetzt einen Widerspruch zur Folgenkompaktheit. Nach Vor-
aussetzung enthält die Folge x : N → A eine konvergente Teilfolge y = x ◦ ϕ.
und es gilt y ∗ = limj→∞ xϕ(j) ∈ A. Aus (2.78) mit i = ϕ(j) und k = ϕ(j 0 )
und der Dreicksungleichung folgt
rϕ(j) ≤ d(xϕ(j) , xϕ(j 0 ) ) ≤ d(xϕ(j) , y ∗ ) + d(xϕ(j 0 ) , y ∗ ) für alle j 0 > j.
Betrachtet man zunächst den Limes j 0 → ∞ und dann den Limes j → ∞,
so folgt
lim rϕ(j) = 0.
j→∞

Nach Definition von r(x) folgt aus r(x) < 21 , dass R(x) = 2r(x). Damit gilt
lim Rϕ(j) = 0. (2.79)
j→∞

Andererseits ist y ∗ ∈ A und somit gibt es ein α∗ und ein r∗ > 0, so dass
Br∗ (y ∗ ) ⊂ Oα∗ Es gibt ein J ∈ N, so dass für allle j ≥ J die Abschätzung
d(xϕ(j) , y ∗ ) < r∗ /2 gilt und somit
Br∗ /2 (xϕ(j) ) ⊂ Br∗ (y ∗ ) ⊂ Oα∗ .
Daraus folgt Rϕ(j) ≥ r∗ /2 für alle j ≥ J. Dies widerspricht (2.79).

57 [30. November 2022]


Bemerkung. Man sagt deshalb nur “kompakt” statt “folgenkompakt”
oder “überdeckungskompakt”.

Satz 2.56. Sei (X, d) ein metrischer Raum. Jede folgenkompakte Menge
A ⊂ X ist abgeschlossen und beschränkt.

Beweis. Sei A kompakt. Um zu zeigen, dass A abgeschlossen ist betrachten


wir eine (in X) konvergente Folge x : N → A. Sei x∗ := lim xn . Da A
n→∞
kompakt ist, besitzt xn eine Teilfolge die gegen ein y ∗ ∈ A konvergiert. Aus
der Eindeutigkeit des Limes folgt x∗ = y ∗ ∈ A, deshalb ist A abgeschlossen.
Falls A unbeschränkt ist, dann gibt es eine Folge x : N → A so, dass gilt:

d(x0 , xk ) ≥ k für alle k ∈ N . (2.80)

Dann ist jede Teilfolge von x unbeschränkt. Daher besitzt die Folge x besitzt
keine konvergente Teilfolge und somit ist A nicht folgenkompakt.
Alternativer Beweis: Sei x∗ ∈ X gegeben. Die Familie Br (x∗ ), r > 0, ist eine
offene Überdeckung von X und deshalb von A. Da A überdeckungskompakt
S
ist, gibt es eine endliche Teilmenge E ⊂ (0, ∞) so, dass A ⊂ r∈E Br (x∗ ).
Sei R := max E (R = 1 falls E = ∅). Dann A ⊂ BR (x∗ ).

Satz 2.57. Eine Menge A ⊂ Rn ist genau dann folgenkompakt, wenn sie
beschränkt und abgeschlossen ist.

Beweis. Sei A ⊂ Rn beschränkt und abgeschlossen, x : N → A. Dann besitzt


x eine konvergente Teilfolge. Da A abgeschlossen ist, muss der Grenzwert in
A liegen. Deshalb ist A kompakt. Die andere Richtung wurde in Satz 2.56
bewiesen.

58 [30. November 2022]


3 Reihen
3.1 Partialsummen, Konvergenz einer Reihe
P∞
Definition 3.1. Sei a : N → C eine Folge. Die Reihe n=0 an heißt kon-
vergent, wenn die Folge der Partialsummen s : N → C,
n
X
sn := aj , (3.1)
j=0

konvergiert. Man setzt



X
aj := lim sn . (3.2)
n→∞
j=0

Die Reihe heißt divergent, wenn die Folge s divergent ist. Analoges gilt für
a : N → Rn .
Falls a : N → R, dann heißt die Reihe bestimmtP∞divergent, wenn s bestimmt
divergent ist; man setzt auch in diesem Fall j=0 aj := limn→∞ sn .
Für a : N≥n0 , n0 ∈ N, werden sn = nj=n0 aj und ∞
P P
j=n0 aj analog definiert.

Lemma 3.2. Falls die Reihe ∞


P
n=0 an konvergiert, dann ist a eine Nullfolge.

Beweis. Sei s die Folge der Partialsummen, die nach Annahme konvergiert.
Aus
lim sn = lim sn−1 (3.3)
n→∞ n→∞

und sn = an + sn−1 folgt, dass

lim an = lim (sn − sn−1 ) = 0 . (3.4)


n→∞ n→∞

Alternativer Beweis: Da sn konvergiert, ist sn eine Cauchyfolge. Für ε > 0


gibt es Nε , so dass für n, m ≥ Nε gilt |sn − sm | < ε. Mit m = n + 1 folgt,
|an+1 | < ε.

Lemma 3.3. Seien a, b : N → C,Pso dass ∞


P P∞
n=0 an und n=0 bn konvergie-

ren, λ, µ ∈ C. Dann konvergiert n=0 (λan + µbn ), und

X ∞
X ∞
X
(λan + µbn ) = λ an + µ bn . (3.5)
n=0 n=0 n=0

Beweis. Es reicht, die entsprechende Aussage für die Folgen der Partialsum-
men zu formulieren und Lemma 2.46 anzuwenden.

59 [30. November 2022]


Lemma 3.4 (Geometrische Reihe). Sei q ∈ C. Die Reihe

X
qn (3.6)
n=0

ist genau dann konvergent, wenn |q| < 1.



X 1
Für |q| < 1 gilt zusätzlich qn = .
1−q
n=0
Für q ∈ [1, ∞) ist ∞ n = ∞.
P
n=0 q

Beweis. Falls |q| ≥ 1 dann ist |q n | = |q|n ≥ 1 und deshalb ist n 7→ q n keine
Nullfolge, und die Reihe divergiert wegen Lemma 3.2.
Für |q| < 1 rechnen wir mit Lemma 1.21

1 1 − q n+1 1 q n+1
sn − = − =− , (3.7)
1−q 1−q 1−q 1−q
und deshalb
1 |q|
sn − = |q|n . (3.8)
1−q |1 − q|
1
Für |q| < 1 gilt lim |q|n = 0, und deshalb lim sn = .
n→∞ n→∞ 1−q
Beweis dass lim |q|n = 0: Für q = 0 ist die Aussage wahr. Für q 6= 0: Aus
n→∞
|q| < 1 folgt 1/|q| > 1, deshalb gilt, mit δ := 1/|q| − 1 > 0 und Bernoulli
(Lemma 1.18),  n
1 1
= = (1 + δ)n ≥ 1 + nδ. (3.9)
|q|n |q|
Daraus folgt (direkt aus der Definition oder mit Lemma 2.20) dass
1
lim = ∞, und daraus, mit Lemma 2.20, dass lim |q|n = 0.
n→∞ |q|n n→∞
i
Falls q ∈ [1, ∞) dann gilt q ≥ 1 und sn ≥ n, deshalb divergiert die Folge
der Partialsummen bestimmt gegen ∞.

[Vorlesung 13, 21.11. 2022]


[Vorlesung 14, 23.11. 2022]

P∞
Lemma 3.5. Sei n0 ∈ N, a : P
N → X, (X = R, C). Die Reihe j=0 aj ist
genau dann konvergent, wenn ∞j=n0 aj konvergent ist.
In diesem Fall gilt
   
X∞ ∞
X 0 −1
nX
 aj  = x +  aj  , mit x := aj .
j=0 j=n0 j=0

60 [30. November 2022]


Beweis. Betrachte die Partialsummen
n
X n
X
sn := aj , s̃n = aj für n ≥ n0 .
j=0 j=n0

Dann gilt für n ≥ n0


0 −1
nX
sn = s̃n + x , x= aj . (3.10)
j=0

Daraus folgen beide Aussagen.

Beispiel. Sei z ∈ C, |z| < 1. Die Reihe ∞ j


P
P∞ j=0 z ist konvergent, also ist auch
die Reihe j=n0 z j konvergent für alle n0 ∈ N und es gilt

∞ ∞ 0 −1
nX
X
j
X
j 1 1 − z n0 z n0
z = z − zj = − = . (3.11)
1−z 1−z 1−z
j=n0 j=0 j=0

3.2 Reihen mit nichtnegativen Gliedern


P
Lemma 3.6. Sei a : N → [0, ∞). Dann ist die Reihe n∈N an entweder
konvergent oder gegen ∞ bestimmt divergent.

Beweis. Es gilt sn+1 = n+1


P Pn
j=0 aj = an+1 + j=0 aj = an+1 + sn ≥ sn , weil
aj ≥ 0 für alle j ∈ N. Daher ist s monoton wachsend. Der Beweis folgt jetzt
aus Satz 2.13 und Lemma 2.21.

Satz 3.7 (Majorantenkriterium). Seien a, b : N → [0, ∞) mit an ≤ bn für


alle n gegeben.
P∞ P∞
(i) P
Falls j=0Pbj konvergiert, dann konvergiert auch j=0 aj , und
∞ ∞
j=0 aj ≤ j=0 bj .

(ii) Falls j=0 aj divergiert, dann divergiert auch ∞


P∞ P
j=0 bj .

Beweis. Folgt aus Lemma 2.10.



X 1
Lemma 3.8. Die harmonische Reihe divergiert, d.h., = ∞.
n
n=1

Beweis. Wir benutzen den folgenden Kompressionstrick. Sei a : N∗ → [0, ∞)


eine Folge und sei b : N → [0, ∞) durch
2n+1
X−1
bn := aj
j=2n

61 [30. November 2022]


P∞
gegeben.
P∞ Dann konvergiert die Reihe n=1 an genau dann wenn die Reihe
b
n=0 n konvergiert.
Beweis: die Partialsummen der beiden Reihen sind durch
n
X n
X 2k+1
X−1
sn = an und tn = bk = aj = s2n+1 −1
j=1 k=0 j=1

gegeben. Da n 7→ sn monoton wachsend ist, konvergiert s genau dann, wenn


die Teilfolge t konvergiert.

Für die harmonische Reihe ist an = n1 . Da n 7→ an monoton fallend ist, gilt

2n+1
X−1 1 1 1
bn = ≥ 2n n+1 ≥ .
j 2 2
j=2n
P∞
Nach dem Majorantenkriterium ist n=0 bn divergent, also ist die harmo-
nische Reihe divergent.

Lemma 3.9. Es gilt:

(i) Die Reihe ∞


P 1 P∞ 1
n=2 n(n−1) konvergiert und n=2 n(n−1) = 1.
P∞ 1 P∞ 1
(ii) Die Reihe n=1 n2 konvergiert und n=1 n2 ∈ [1, 2].
P∞ 1 P∞ 1
(iii) Die Reihe n=0 n! konvergiert und n=0 n! ∈ [2, 3].

Beweis. (i): Wir rechnen

p p  
X 1 X 1 1
sp := = − (3.12)
n(n − 1) n−1 n
n=2 n=2
p−1 p
X 1 X1
= − (3.13)
n n
n=1 n=2
1
=1 − . (3.14)
p
Deshalb konvergiert sp gegen 1, und die erste Aussage ist bewiesen.
1 1
Die Identität n(n−1) = n−1 − n1 ist ein Spezialfall der Partialbruchzerlegung2
 
1 1 1 1
(x−a)(x−b) = a−b x−a − x−b .

2
Allgemeiner kann man zeigen, dass für a1 , . . . an mit ai 6= aj für i 6= j für alle x ∈
/
{a1 , . . . , an } gilt:
n
1 X cj 1
Qn = mit cj = Q .
i=1 (x − ai ) j=1
x − aj i6=j (aj − ai )

62 [30. November 2022]


(ii): Für n ≥ 2 gilt
1 1
≤ , (3.15)
n2 n(n − 1)
deshalb konvergiert die Reihe (Majorantenkriterium!). Ferner,
∞ ∞ ∞
X 1 X 1 X 1
2
= 1 + 2
≤ 1 + = 2. (3.16)
n n n(n − 1)
n=1 n=2 n=2

(iii): Für n ≥ 2 gilt n! = n(n − 1)(n − 2)! ≥ n(n − 1), deshalb


∞ ∞ ∞
X 1 X 1 X 1
=1+1+ ≤2+ = 3. (3.17)
n! n! n(n − 1)
n=0 n=2 n=2

Satz 3.10. Sei a : N → [0, ∞), und ϕ : N → N bijektiv. Dann ist



X ∞
X
ai = aϕ(j) . (3.18)
i=0 j=0

Ausführlicher lautet dies Aussage des Satzes wiePfolgt. Falls die Reihe

die Reihe ∞
P
i=0 ai konvergiert, so konvergiert
Pauch j=0 aϕ(j) und die Sum-

men sind gleich. Falls die ReiheP∞ i=0 ai bestimmt gegen ∞ divergiert, so
gilt das gleiche
P∞ für die Reihe j=0 aϕ(j) . Man beachte, dass nach Lemma 3.6
die Reihe i=0 ai entweder konvergiert oder bestimmt gegen ∞ divergiert.
Diese allgemeine Partialbruchzerlegung und der folgende Beweis wurden in der Vorlesung
nicht besprochen.
Beweis: eine notwendige und P hinreichende
Q Bedingung für die Identität auf der linken Seite
n
ist, dass für alle x gilt 1 = j=1 cj i6=j (x − ai ). Die rechte Seite ist ein Polynom der
Pn Pn−1 k
Ordnung n − 1 und lässt sich schreiben als j=1 k=0 cj Akj x , wobei die Koeffizien-
ten
Pn Akj nur von a1 , . . . , an abhängen.
Pn Die gewünschte Identität gilt genau dann, wenn
j=1 Akj cj = 1 für k = 0 und j=1 Akj cj = 0 für 1 ≤ k ≤ n − 1. Dies ist ein lineares
Gleichungssystem von n Gleichungen (k = 0, . . . , n − 1) in n Unbekannten c1 , . . . , cn . Das
zugehörige homogene Gleichungssystem
n
X
Akj cj = 0 für alle k ∈ {0, . . . , n − 1}
j=1

Pcj 1
ist genau dann erfüllt, wenn j x−aj = 0 für alle x ∈
/ {a1 , . . . , an }. Setzt man x = ak + m ,
1
multipliziert die Gleichung mit m und betrachtet den Limes m → ∞ so folgt ck = 0.
Daher hat das homogene Gleichungssystem nur die triviale Lösung c1 = . . . = cn =
0. In der Linearen Algebra haben sie gelernt, dass daraus folgt, dass das inhomogene
Gleichungssystem für jede rechte Seite eine eindeutige Lösung hat. Also existieren die
1
gewünschte cj . Die konkrete Formel fürPcj kann man herleiten, indem man x = aj + m
1 n cj 1
betrachtet, die Gleichung Qn (x−ai ) = j=1 x−aj mit m multipliziert und den Grenzwert
i=1
für m → ∞ betrachtet.

63 [30. November 2022]


P∞ P∞
Bemerkung. Man nennt j=0 aϕ(j) eine Umordnung der Reihe i=0 ai .

Beweis. Wir nehmen an, dass ∞


P
i=0 ai < ∞, und betrachten für beide Rei-
hen die Folge der Partialsummen,
n
X n
X
sn := ai und tn := aϕ(j) . (3.19)
i=0 j=0

Sei n ∈ N, und m := max{ϕ(j) : j ∈ N, j ≤ n}. Dann gilt



X
tn ≤ sm ≤ ai . (3.20)
i=0
P∞
Deshalb ist i=0 ai eine obere Schranke für die monoton wachsende Folge t
und

X ∞
X
aϕ(j) = lim tn ≤ ai . (3.21)
n→∞
j=0 i=0

Damit hat man gezeigt, dass KonvergenzP der zweiten Reihe


P∞ konvergenz der

ersten impliziert, sowie die Ungleichung j=0 aϕ(j) ≤ i=0 ai . Die andere
Ungleichung folgt analog. Daraus folgt dass, wenn eine der beide Reihen
konvergiert, die andere ebenfalls konvergiert und die Summen gleich sind.
Daraus folgt auch, dass, wenn eine Reihe divergiert, die andere Reihe eben-
falls divergieren muss.

3.3 Absolute Konvergenz, Konvergenzkriterien


P∞
Definition 3.11. Sei a : N → C. Die
P∞ Reihe n=0 an heißt absolut konver-
gent, wenn die Reihe der Beträge n=0 |an | konvergiert.

Satz 3.12. Jede absolut konvergente Reihe ist konvergent. Ferner gilt

X ∞
X
| an | ≤ |an |.
n=0 n=0
P∞
Beweis. Sei a : N → C so, dass n=0 |an | < ∞. Wir betrachten die zwei Fol-
gen b, c : N → R, die durch bn := max{Re an , 0} und cn := max{− Re an , 0}
definiert
P∞ sind. Aus 0 ≤ bn ≤ |an | und P Lemma 3.7 folgt, dass die Reihe

n=0 nb konvergiert. Analog konvergiert n=0 cn , und mit Lemma 3.3 folgt,
dass
X∞ X∞
Re an = (bn − cn ) (3.22)
n=0 n=0
P∞
konvergiert. Analog zeigt man, dass n=0 Im
P an konvergiert, und mit an =
Re an + i Im an und Lemma 3.3 folgt, dass ∞
n=0 an konvergiert.

64 [30. November 2022]


Um die zweite Aussage
P zu beweisen, zeigen wir zuerst induktiv, dass die
Partialsummen sN := N n=0 an die Eigenschaft

N
X
|sN | ≤ |an | (3.23)
n=0

erfüllen. Für sn = a0 ist die Aussage wahr, und |sN +1 | = |sN +PaN +1 | ≤
|sN | + |aN +1 | beweist den Induktionsschritt. Daraus folgt sN ≤ N n=0 |an |
PN
und −sN ≤ n=0 |an |. Mit Lemma 2.10 folgt dann die Aussage.

Satz 3.13 (Quotientenkriterium). Sei a : N → C, n0 ∈ N und q ∈P(0, 1)


so dass |an+1 | ≤ q|an | für alle n ≥ n0 . Dann konvergiert die Reihe n an
absolut.

Beweis. Man zeige zunächst (mit VI), dass

|an | ≤ |an0 |q n−n0 (3.24)

für alle n ∈ N mit n ≥ n0 gilt und wendet das Majorantenkriterium an.

Beispiel. Die Reihe ∞ 1


P
n=0 n! konvergiert. Beweis: Sei q = 1/2. Für n ≥ 1
gilt n!/(n + 1)! = 1/(n + 1) ≤ 1/2 = q.

Satz 3.14 (Wurzelkriterium). Sei a : N → C gegeben. Ferner, sei L =


lim sup |an |1/n . Dann gilt:
n→∞
P
(i) Falls L < 1, dann konvergiert die Reihe n an absolut;
P
(ii) Falls L > 1 oder L = ∞, dann divergiert die Reihe n an .

Beweis. (i): Sei q ∈ (L, 1) (z.B. q = (L + 1)/2). Dann gibt es ein nq ∈ N


so, dass |an |1/n ≤ q für alle n ≥ nq , d.h., |an | ≤ q n . Deshalb konvergiert die
Reihe absolut.
(ii): Es gibt unendlich viele n mit der Eigenschaft |an | ≥ 1 (sonst wäre
L ≤ 1). Deshalb divergiert die Reihe.

Bemerkung. Falls L = 1 kann alles passieren. Beispiele: an := 1, bn :=


1/n2 .
[Vorlesung 14, 23.11. 2022]
[Vorlesung 15, 28.11. 2022]

65 [30. November 2022]


Satz 3.15 (Konvergenzkriterium von Leibniz).P Sei a : N → R eine monoton
fallende Nullfolge. Dann konvergiert die Reihe ∞ n
n=0 (−1) an , und die Folge
der Partialsummen erfüllt

X
s2k+1 ≤ (−1)n an ≤ s2k (3.25)
n=0

und

X
sk − (−1)n an ≤ ak+1 (3.26)
n=0

für alle k ∈ N.

Beweis. Aus sk+2 − sk = (−1)k+2 (ak+2 − ak+1 ) folgt, dass k 7→ s2k monoton
fallend ist und k 7→ s2k+1 monoton wachsend ist. Aus s2k+1 = s2k − a2k+1
folgt, dass s2k+1 ≤ s2k . Deshalb ist [s2k+1 , s2k ] eine Intervallschachtelung,
und die Teilfolgen k 7→ s2k und k 7→ s2k+1 konvergieren gegen den glei-
chen
P∞ Grenzwert s∗ . Also konvergiert die Folge s gegen s∗ und somit gilt
n ∗
n=0 (−1) an = s Da [s2k+1 , s2k ] eine Intervallschachtelung ist gilt


X
s2k+1 ≤ (−1)n an ≤ s2j für all k, j ∈ N.
n=0

Mit j = k und und s2k+1 = s2k −a2k+1 folgt (3.26) für gerade k. Mit j = k+1
und s2k+2 = s2k+1 + a2k+2 folgt (3.26) für ungerade k.

P∞ (−1)n
Beispiel. Die alternierende harmonische Reihe n=1 n ist konvergent,
aber nicht absolut konvergent.

3.4 Umordnungssatz
Satz 3.16. (i) Sei a : N → C,P ∞
P
n=0 an absolut konvergent, ϕ : N → N

bijektiv. Dann konvergiert n=0 aϕ(n) und

X ∞
X
an = aϕ(n) . (3.27)
n=0 n=0

(ii) Sei a : N → R, ∞
P
n=0 an konvergent, aber nicht absolut konvergent,
x ∈ R. Dann gibt es eine bijektive Abbildung ϕ : N → N, so dass gilt

X
aϕ(n) = x . (3.28)
n=0

66 [30. November 2022]


Bemerkung. Man kann P analog zeigen, dass man ϕ so wählen kann, dass
die umgeordnete Reihe ∞
n=0 aϕ(n) nicht konvergiert, oder auch so, dass sie
bestimmt divergiert.

Beweis. (i): Wir betrachten die Folgen x+ , x− , y + , y − , die durch

x+
n := (Re an )+ = max{Re an , 0} , x−
n := (Re an )− = max{− Re an , 0},
(3.29)
sowie

yn+ := (Im an )+ = max{Im an , 0} , yn− := (Im an )− = max{− Im an , 0}


(3.30)
definiert sind. Aus 0 ≤ (Re an )P
+ ≤ | Re an | ≤ |an | und dem Majoranten-
kriterium (Satz 3.7) folgt, dass n x+ n konvergiert, und aus Satz 3.10 folgt,
dass
X∞ X∞
x+
ϕ(j) = x+
i . (3.31)
j=0 i=0

Das gleiche gilt für die anderen drei Reihen. Die Aussage folgt dann mit
a = (x+ − x− ) + i(y + − y − ) und Lemma 3.3.
(ii): Vorüberlegungen. Als Beispiel betrachten wir die alternierende harmo-
nisch Reihe 1 − 21 + 13 + 41 ± . . . = a1 + a2 + a3 + a4 + . . . und skizzieren, wie
sich diese zu einer Reihe umordnen lässt die bestimmt gegen ∞ divergiert.

a1 , a2 , (a3 , a5 , . . . a11 ) , a4 , (a13 , a15 , . . . , a111 ) , a6 , (a113 , . . . a1111 ) , a8 , . . .


| {z } | {z } | {z }
5 Summanden Summe≥ 41 50 Summanden Summe≥ 14 500 Summanden Summe≥ 14

Wenn man die Terme mit den geschweiften Klammern zusammen fasst sieht
man, das die Partialsummen der umgeordneten Reihe für genügend großes
Argument durch
1 1 1 1 1 1 1
≥1− + − + − + − ...±
2 4 4 4 6 |4 {z 8}
≥ 18

von unten abgeschätzt sind. Daraus folgt leicht, dass die umgeordnete Reihe
bestimmt gegen ∞ divergiert.
Der entscheidende Punkt ist, dass gilt, dass gilt n=0 a+
P
n = ∞ (wobei wieder
a+
n = max(a n , 0). Daher kann man immer erreichen, dass die Summen der
verbleibenden Terme mit an > 0 beliebig groß werden, egal wieviele Terme
man schon benutzt hat.

Wir beginnen jetzt mit dem eigentlichen Beweis. Dieser Beweis wurde in
der Vorlesung nicht besprochen.

67 [30. November 2022]


P∞ P∞
Sei a : N → R gegeben, so dass n=0 an konvergiert, aber n=0 |an | = ∞,
x ∈ R.
Wir zeigen zuerst, dass

X ∞
X
a+
j = a−
j = ∞, (3.32)
j=0 j=0

wobei a+ := max{aj , 0} und a−


:= max{−aj , 0}. Beweis von (3.32): Falls
P∞ +j j
dann würde auch ∞ −
P
a
j=0 j konvergieren würde, j=0 aj konvergieren (weil
− + + − P∞
aj = aj − aj ). Aus |aj | = aj + aj würde dann folgen, dass |aj |
P∞ j=0 −
konvergiert, entgegen der Annahme. Analog sieht man, da ss j=0 aj = ∞
nicht konvergiert.
Wir definieren
N + := {n ∈ N : an > 0}, N − := {n ∈ N : an ≤ 0}.
Dann gilt N = N + ∪ N − und N + ∩N − = ∅. Wegen (3.32) sind N + und N −
unendlich. Wir definieren ϕ : N → N durch
( Pk
min{N + \ ϕ(N ∩ [0, k])} falls j=0 aϕ(j) < x
ϕ(k + 1) := k (3.33)
min{N − \ ϕ(N ∩ [0, k])} falls
P
j=0 aϕ(j) ≥ x.

Nach Definition der Summe gilt −1


P
j=0 aϕ(j) = 0. Außerdem ist [0, −1] = ∅.
Damit ist auch ϕ(0) definiert (nämlich ϕ(0) = min N + , falls x > 0 und
ϕ(0) = min N − , falls x ≤ 0).
Da N + und N − unendlich sind, sind für alle k beide Mengen auf der rechten
Seite von (3.33) nichtleer, somit ist ϕ wohldefiniert Es folgt sofort aus der
Definition, dass ϕ injektiv ist, da ϕ(k + 1) ∈
/ ϕ(N ∩ [0, k]).
Es bleibt zu zeigen, dass ϕ surjektiv ist, und dass die Folge der Partialsum-
men der umgeordneten Reihe
k
X
Tk := aϕ(j) (3.34)
j=0

gegen x konvergiert.
Um Surjektivität zu zeigen, reicht es zu zeigen, dass die Mengen {k ∈ N :
Tk < x} und I{k ∈ N : Tk ≥ x} unendlich sind3 . Falls ein m existieren
3
Sei I + := {k ∈ N : Tk < x} und I− := I{k ∈ N : Tk ≥ x}. Wir zeigen, dass
ϕ(I ) = N + falls I + unendlich ist. Die informelle Idee ist, dass die Abbildung ϕ nach
+

Definition die Elemente von N + der Reihe nach“ abgreift und daher kein Element von

N + überspringt“.

Rigoros argumentiert man wie folgt. Sei K ∈ N + \ ϕ(I + ). Dann gilt insbesondere K ∈
N \ ϕ(N ∩ [0, k]) für alle k ∈ N. Nach Definition von ϕ folgt, dass ϕ(I + ) ∈ {0, 1, . . . , K}.
+

Da ϕ injektiv ist, muss I + endlich sein. Dies ist ein Widerspruch, also gibt es kein solches
K und es gilt ϕ(I + ) = N + . Analog zeigt man, dass ϕ(I − ) = N − falls I − unendlich ist.

68 [30. November 2022]


würde, so dass Tk < x für alle k ≥ m, wäre
ϕ(k + 1) = min{N + \ ϕ(N ∩ [0, k])} (3.35)
für alle k ≥ m. Insbesondere wäre, für h > m,
h ϕ(h)
X X
Th − Tm = aϕ(k) = a+
j . (3.36)
k=m+1 j=ϕ(m+1)

Da ϕ injektiv ist, ist es auch unbeschränkt. Da ∞ +


P
j=ϕ(m) aj = ∞, folgt, dass
ein h ∈ N existiert, so dass Th > x, ein Widerspruch. Deshalb ist {k : Tk ≥ x}
unbeschränkt (und daher unendlich). Analoges gilt für {k : Tk < x}. Das
zeigt dass ϕ surjektiv ist.
Es folgt insbesondere, dass die Menge der oberen Wendepunkte“

A+ := {k ∈ N : Tk−1 < x ≤ Tk } (3.37)
unendlich ist, sowie analog die Menge der unteren Wendepunkte“A− :=

{k ∈ N : Tk−1 ≥ x > Tk }.
Es bleibt zu zeigen, dass Tk → x. Sei ε > 0. Sei Nε ∈ N so, dass |an | < ε
für n ≥ Nε . Sei Kε ∈ N so, dass ϕ(k) ≥ Nε für alle k ≥ Kε (z.B., Kε :=
1 + max{j ∈ N : ϕ(j) ≤ Nε }, die Menge ist endlich, weil ϕ bijektiv ist). Da
A+ unbeschränkt ist, gibt es k+ ∈ A+ , k+ ≥ Kε . Dann gilt,
Tk ≤ x + ε für alle k ≥ k+ . (3.38)
Das wird per Induktion bewiesen. Bei k = k+ folgt die Aussage aus Tk−1 < x,
Tk = Tk−1 + aϕ(k) , sowie |aϕ(k) | < ε. Falls (3.38) für k gilt, dann ist entweder
Tk+1 ≤ Tk ≤ x + ε oder Tk < x und Tk+1 = Tk + aϕ(k+1) ≤ x + ε, in beiden
Fällen gilt (3.38) für k + 1. Analog wird gezeigt, dass Tk ≥ x − ε für alle
k ≥ k− , mit k− ∈ A− so, dass k− ≥ Kε . Es folgt, dass
|Tk − x| ≤ ε für alle k ≥ max{k− , k+ } , (3.39)
und deshalb limk→∞ Tk = x.

3.5 Summe über beliebige abzählbare Mengen, Doppelsum-


men
Sei E eine endliche oder abzählbare Menge und a : E → C. Wir wollen
P
x∈E a(x) definieren. Falls E endlich (und nicht leer) ist, ist die Definition
klar. Es gibt eine Bijektion ϕ : {0, 1, . . . , |E| − 1} → E und wir setzen
|E|−1
X X X
a := a(x) := bn mit b = a ◦ ϕ.
E x∈E n=0

69 [30. November 2022]


Da die Addition kommutativ ist, hängt die Summe auf der rechte Seite nicht
davonPab, welche Bijektion ϕ wir wählen. Der Vollständigkeit halber setzt
man ∅ a := 0. Man sieht leicht (z.B. mit VI über |E 00 |), dass gilt
X X X
a= a+ a falls E 0 , E 00 endlich und E 0 ∩ E 00 = ∅. (3.40)
E 0 ∪E 00 E0 E 00

Wenn E abzählbar ist, so gibt es eine Bijektion ϕ : N → E und es liegt nahe,


die Summe über E wie folgt zu definieren

X ∞
X
a(x) = bn mit b = a ◦ ϕ.
x∈E n=0

Sei ψ : N → E eine andere Bijektion und c = a◦ψ. Dann ist c = b◦η P∞mit η =
−1
ψ ◦ψ und η : N → N is bijektiv. Mit anderen Worten, die Reihe n=0 cn ist
eine Umordnung der Reihe ∞
P
n=0 bn . Da es im allgemeinen keine
P ’natürliche’
Wahl einer Bijektion von N nach E gibt, kann die Summe x∈E a(x) nur
sinnvoll definiert werden, wenn sie invariant unter Umordnung ist. Dies ist
gerade dann der Fall, wenn die Reihe b absolut konvergiert. In diesem Fall
konvergiert auch c absolut (nach dem Umordnungssatz für nichtnegative
Reihen). Dies führt auf die folgende Definition.
P
Definition 3.17. Sei E abzählbar, a : E → C. Die Summe x∈E a(x)
konvergiert
P∞ absolut wenn, es eine PBijektion ϕ : N → E gibt, so dass
n=0 |(a ◦ ϕ)n | konvergiert. Falls x∈E a(x) absolut konvergiert, definie-
ren wir
X X X∞
a := a(x) := bn mit b = a ◦ ϕ. (3.41)
E x∈E n=0

Aus der obigen Diskussion und dem Umordnungssatz folgt, dass die Eigen-
schaft absolut zu konvergieren und der Wert der Summe nicht von der Wahl
der Bijektion ϕ abhängen.

Ein wichtiges Beispiel für eine abzählbare Menge ist E = N × N. In diesem


Fall kann man die Summe über E durch die Iteration zweier Summen über
N ausdrücken.

Lemma 3.18. Sei a : N × N → C.


P
(i) P
Sei x∈N×N a(x) absolut konvergent. Dann ist für jedes m die Summe

n=0 a(n, m) absolut konvergent. Sei


X
bm := a(n, m).
n=0

70 [30. November 2022]


P∞
Dann ist m=0 bm absolut konvergent und es gilt

X ∞ X
X ∞
a(n, m) = a(n, m) (3.42)
(n,m)∈N×N m=0 n=0

jedes m die Summe ∞


P
(ii) Sie umgekehrtPfür n=0 a(n, m) absolut konver-
gent und sei P∞
m=0 m b absolut konvergent, wobei bm wie oben definiert
ist. Dann ist x∈N×N a(x) absolut konvergent und es gilt (3.42).
P∞ P∞
(iii) Falls a(n, m)
P= fn gm und n=0 fn und m=0 gm absolut konvergent
sind, so ist x∈N×N a(x) absolut konvergent und es gilt

X ∞
X ∞
X
a(n, m) = fn gm (3.43)
(n,m)∈N×N n=0 m=0

P
Bemerkung. Die analoge Aussage gilt für A×B a, wenn A und B abzähl-
bare Mengen sind. Mit dieser Aussage P und vollständiger Induktion beweist
man leicht die analoge Aussage für x∈Nk a(x). Insbesondere gilt folgendes:
(i)
falls für i = 1, . . . , k die Reihen ∞
P
n=0 fn : N → R absolut konvergieren und
Qk (i) P
falls a(n1 , . . . , nk ) = i=1 fni , dann ist Nk a absolut konvergent und

X Y ∞
k X
a(n1 , . . . nk ) = fn(i)
i
, (3.44)
(n1 ,...,nk )∈Nk i=1 ni =0

d.h. unter den angegebenen Voraussetzungen kann man unendliche Summe


mit Produkten genauso vertauschen wie endliche Summen.

Bemerkung. Eine interessante Anwendung der Formel (3.44) ist die fol-
gende Aussage (s. Übungsaufgabe 8.4), die eine wichtige Rolle beim Beweis
des Primzahlsatzes spielt. Sei P ⊂ N≥2 die Menge der Primzahlen und sei
p : N∗ → P eine strenge monoton wachsende Bijektion. Sei s ∈ N, s ≥ 2.
Dann gilt
∞ k
X 1 Y 1
= lim . (3.45)
n=1
n s k→∞
i=1
1 − p−s
i

Für die rechte Seite schreibt man auch kompakt p∈P 1−p1 −s und die linke
Q
Seite ist nach Definition gerade der Werte der Riemannschen ζ Funktion bei
s. Wir werden in Kürze ns auch für beliebige Werte s ∈ C definieren. Dann
gilt die Identität (3.45) für alle s ∈ C mit Re s > 1.

71 [30. November 2022]


Beweis.
P∞ Behauptung
P∞ (iii) folgt aus (ii), da nach Lemma 3.3 gilt
f g
n=0 n m = gm n=0 fn .

Beweis von (i) und (ii):


Schritt 1: Die Aussage gilt für Folgen a : N × N → [0, ∞).
Hausaufgabe.
Hinweise: Schauen Sie sich den Beweis von Satz 3.10 an. Sie dürfen ohne
Beweis benutzen, dass

X M X
X N
a(n, m) = a(n, m)
(n,m)∈RN,M m=0 n=0

wobei
RN,M := {(n, m) ∈ N × N : n ≤ N, m ≤ M }
(diese Identität folgt leicht mit vollständiger Induktion über M und (3.40)).
Da a ≥ 0, sind alle auftretenden Reihen konvergent oder bestimmt gegen ∞
divergent. Betrachten Sie

X ∞ X
X ∞
S := a, S0 = a(n, m)
N×N m=0 n=0

(mit der Konvention, dass S 0 = ∞ falls ∞


P
n=0 a(n, m) = ∞ für ein m ∈ N).
Zeigen Sie, dass es für alle N, M ∈ N ein K gibt mit ϕ−1 (RN,M ) ⊂ {n ∈ N :
n ≤ K} und, dass es für alle K ∈ N, M, N ∈ N gibt mit ϕ({n ∈ N : n ≤
K}) ⊂ RN,M .

Schritt 2: Die Aussage gilt für a : N × N → C.


Dies folgt aus Schritt 1 analog zu dem Argument im Beweis von Satz 3.12
oder im Beweis von Satz 3.16 (i): Anwendung von Schritt 1 auf |a| liefert
die Aussagen zu absoluter Konvergenz. Anwendung auf die vier Abbildungen
max(Re a, 0), max(− Re a, 0), max(Im a, 0) und max(− Im a, 0) liefert (3.42),
da

a = max(Re a, 0) − max(− Re a, 0) + i (max(Im a, 0) − max(− Im a, 0)) .

[Vorlesung 15, 28.11. 2022]


[Vorlesung 16, 29.11. 2022]

72 [30. November 2022]


3.6 Potenzreihen und Exponentialfunktion
Definition 3.19. Eine Potenzreihe ist eine Reihe der Form

X
an z n (3.46)
n=0

wobei a : N → C und z ∈ C.

Sei D := {z ∈ C : die Reihe ∞ n


P
n=0 an z konvergiert}. Dann definiert die
Potenzreihe eine Funktion f : D → C.

C, z, w ∈ C mit |z| < |w|. Falls ∞ n


P
Lemma 3.20. Seien a : N →P n=0 an w
∞ n
konvergiert, dann konvergiert n=0 an z absolut.
P∞ n
Beweis. Aus der Konvergenz der Reihe n=0 an w folgt, dass
limn→∞ an w = 0. Deshalb existiert ein M ∈ R, so dass |an wn | ≤ M für
n

alle n (Lemma 3.2 und Lemma 2.7). Aus


z n z n
|an z n | ≤ |an wn |
≤M (3.47)
w w
und dem Majorantekriterium folgt, dass ∞ n
P
n=0 an z absolut konvergiert.

P∞ n konvergiert, dann konvergiert auch


Bemerkung. Falls n=0 an z
P∞ n
n=0 an z und es gilt


X ∞
X
an z n = an z n (3.48)
n=0 n=0
Pn Pn
Dies folgt sofort aus der Identität j=0 an zj = j=0 an z
n für die entspre-
chenden Partialsummen.

Definition
P∞3.21. Sei a : N → C gegeben. Der Konvergenzradius der Po-
tenzreihe n=0 an z n ist durch

X
R := sup{|z| : z ∈ C, an z n konvergiert} (3.49)
n=0

definiert.

P∞ n
Bemerkung. R ∈ [0, ∞], da die Reihe n=0 an 0 = a0 immer konver-
giert.

Satz 3.22. Sei a : N → C und R der Konvergenzradius der Potenzreihe


P ∞ n
n=0 an z . Dann gilt:

73 [30. November 2022]


(i) Falls R = ∞, dann konvergiert die Potenzreihe absolut für alle z ∈ C;

(ii) Falls R = 0, dann divergiert die Potenzreihe für alle z ∈ C, z 6= 0;

(iii) Falls 0 < R < ∞, konvergiert die Potenzreihe absolut für z ∈ BR (0),
und divergiert für alle z ∈ C mit |z| > R.

Bemerkung. Im dritten Fall bleibt das Verhalten für |z| = R unbestimmt.

P(i): Sei zn ∈ C. Dann gibt es ein w ∈ C, so dass |w| > |z| und die
Beweis.
Reihe ∞ n=0 an w konvergiert. Die Aussage folgt aus Lemma 3.20.
(ii): Folgt direkt aus der Definition.
(iii): Sei z ∈ C mit |z| < R. Dann ist |z| keine obere Schranke für die
P∞ in n(3.49), deshalb gibt es ein w ∈ C, so dass |z| < |w| ≤ R und
Menge
n=0 an w konvergiert. Die Aussage folgt dann P∞aus Lemma 3.20. Da R
n
eine obere Schranke für die Menge {|z| : z ∈ C, n=0 an z konvergiert} ist,
folgt, dass die Reihe für kein z ∈ C mit |z| > R konvergieren kann.

Bemerkung. Insbesondere folgt aus Lemma 3.20, dass



X
R = sup{x ∈ [0, ∞) : an xn konvergiert} . (3.50)
n=0

Lemma 3.23. Sei a : N → C, und L := lim sup |an |1/n . Dann gilt R = 1/L
n→∞
(mit der Konvention R = 0, falls L = ∞ und R = ∞, falls L = 0).

Beweis. Sei L ∈ [0, ∞), x ∈ [0, ∞). Dann gilt:

lim sup |an xn |1/n = x lim sup |an |1/n = xL . (3.51)


n→∞ n→∞

Aus dem Wurzekriterium (Satz 3.14) folgt, dass die Reihe n an xn konver-
P
giert, wenn xL < 1, und divergiert, wenn xL > 1 . Das beweist die Aussage
für L ∈ [0, ∞). Falls L = ∞, dann ist analog lim supn→∞ |an xn |1/n gleich 0
für x = 0, und ∞ sonst. Deshalb ist in diesem Fall R = 0.

Beispiel. Betrachte die Reihe 1 − x2 + x4 − x6 ± . . . Dann ist a0 = a4 =


a8 = . . . = 1, a2 = a6 = a10 = . . . − 1 and a1 = a3 = . . . = 0. Damit ist
L = 1, also R = 1. Für |x| < 1 gilt

2 4 6
X 1
1 − x + x − x ± ... = (−x2 )k = .
1 + x2
k=0

74 [30. November 2022]


1
Die Abbildung x 7→ 1+x 2 ist für x ∈ R völlig harmlos (wir werden später
sehen, dass sie zum Beispiel beliebig oft differenzierbar ist). Warum der Kon-
vergenzradius nur R = 1 ist, versteht man erst, wenn man die Funktion auf
C betrachtet. Dann ist sie für x = i und x = −i nicht definiert. Es ist häufig
so, dass man das Verhalten von Funktionen auf R wesentlich besser versteht,
wenn man sie auf C fortsetzt. Mehr dazu können sie in der Einführung in

die komplexe Analysis“ lernen.
zn
Lemma 3.24. Die Potenzreihe ∞
P
n=0 n! konvergiert für alle z ∈ C, und hat
insbesondere den Konvergenzradius ∞.

Beweis. Sei z ∈ C. Aus


z n+1 /(n + 1)! |z| 1
n
= ≤ für alle n ≥ 2|z| (3.52)
z /n! n+1 2
P∞ zn
folgt mit dem Quotientenkriterium (Satz 3.13), dass die Reihe n=0 n! kon-
vergiert, und deshalb R = ∞.

Definition 3.25. Die Funktion exp : C → C ist durch



X zn
exp(z) := (3.53)
n!
n=0

definiert. Man setzt e := exp(1).

Lemma 3.26. Sei w : N → C eine konvergente Folge, w∗ := limn→∞ wn .


Dann gilt:  w n n
lim 1 + = exp(w∗ ) . (3.54)
n→∞ n
Beweis. Wir bemerken zuerst, dass für alle n, k ∈ N, mit k ≤ n gilt
k−1
Y n−i
n!
= ≤1 (3.55)
nk (n − k)! n
i=0

gilt sowie
n!
lim = 1. (3.56)
n→∞ nk (n − k)!
Sei ε ∈ (0, 1) beliebig. Nach Lemma 3.24 konvergiert die Reihe
P∞ (|w∗ |+1)k
k=0 k! . Nach Voraussetzung konvergiert die Folge w gegen w∗ . Also
gibt es ein Nε ∈ N, so dass gilt:

X (|w∗ | + 1)k ε ε
≤ und |wn − w∗ | ≤ für n ≥ Nε . (3.57)
k! 3 3
k=Nε

75 [30. November 2022]


Wir rechnen, für n > Nε ,
n ∞
wnk n w∗k
  X
 w n n X
an := 1 + − exp(w∗ ) = − (3.58)
n nk k k!
k=0 k=0
Nε  k n ∞
w∗k wnk n w∗k
  
X wn n! X X
= − + − .
nk k!(n − k)! k! nk k k!
k=0 k=Nε +1 k=Nε +1
(3.59)

Mit der Dreiecksungleichung folgt

Nε  k n ∞
wk wnk w∗k
  
X w n! X n X
|an | ≤ n
− ∗ + + .
nk k!(n − k)! k! nk k k!
k=0 k=Nε +1 k=Nε +1
(3.60)

Aus w∗ = lim wn und (3.56) folgt, dass


n→∞

Nε  k
wk

X w n!
lim n
− ∗ = 0. (3.61)
n→∞ nk k!(n − k)! k!
k=0

Aus (3.55) und (3.57) folgt, dass

n n n
wnk |wn |k (|w∗ | + 1)k
 
X n X X ε
≤ ≤ ≤ (3.62)
nk k k! k! 3
k=Nε +1 k=Nε +1 k=Nε +1

P∞ w∗k ε
für alle n ≥ Nε , und analog | k=Nε +1 k! | ≤ 3 .
Damit folgt lim supn→∞ |an | ≤ 23 ε. Da ε
> 0 beliebig war, gilt
lim supn→∞ |an | = 0 (weil aus 0 ≤ x ≤ ε für alle ε folgt x = 0). Mit
lim inf |an | ≥ 0 folgt, dass an → 0.

Alternativer Beweis ohne lim sup: Es ein Nε0 ∈ N, so dass


Nε  k
wk

X w n! 1
n
− ∗ ≤ ε für alle n ≥ Nε0 (3.63)
nk k!(n − k)! k! 3
k=0

gilt.
Aus (3.55) und (3.57) folgt, dass

n n n
wnk |wn |k (|w∗ | + 1)k
 
X n X X ε
≤ ≤ ≤ (3.64)
nk k k! k! 3
k=Nε +1 k=Nε +1 k=Nε +1

76 [30. November 2022]


für alle n ≥ Nε , und analog für den letzten Term. Es folgt, dass für alle
n ≥ max{Nε , Nε0 }
 w n n 1 1 1
1+ − exp(w∗ ) < ε + ε + ε = ε (3.65)
n 3 3 3
und somit ist der Beweis beendet.

Lemma 3.27. (i) Für alle z, w ∈ C gilt exp(z + w) = exp(z) exp(w).

(ii) Für alle z ∈ C gilt exp(−z) = 1/ exp(z) (und insbesondere exp(z) 6=


0).

(iii) Für alle x ∈ R gilt exp(x) ≥ 1 + x und exp(x) > 0.

(iv) Für n ∈ N und z ∈ C gilt exp(nx) = (exp(z))n ; insbesondere exp(n) =


en .
1
(v) Für n ∈ N∗ und x ∈ R gilt exp( nx ) = [exp(x)] n , insbesondere exp n1 =
1
en ;

(vi) Für alle z ∈ C gilt exp(z) = exp(z).

(vii) Für alle ϕ ∈ R gilt | exp(iϕ)| = 1.

Beweis. (i): Wir rechnen, mit drei Anwendungen von Lemma 3.26 (mit den
konstanten Folgen z und w sowie mit der konvergenten Folge z+w+zw/n →
z + w)
h  z n i h  w n i
exp(z) exp(w) = lim 1 + lim 1 + (3.66)
n→∞ n   n→∞  i n
h z n w n
= lim 1+ 1+ (3.67)
n→∞ n n 
w + z + wz/n n

= lim 1 + = exp(w + z) . (3.68)
n→∞ n

(ii): Aus (i) folgt, dass exp(z) exp(−z) = exp(z − z) = 1.


(iii): Für x > −1 gilt (1 + x/n)n ≥ 1 + x (Bernoulli Ungleichung, Lemma
1.18). Mit Lemma 3.26 folgt, dass exp(x) ≥ 1 + x. Deshalb ist exp(x) > 0
für x ≥ 0, und mit (ii) folgt, dass exp(x) = 1/ exp(−x) > 0 für x < 0 gilt.
Insbesondere gilt exp(x) ≥ 0 ≥ 1 + x für x ≤ −1.
(iv): Aus (i) folgt, dass exp(nx + x) = exp(nx) exp(x) gilt; die Aussage wird
dann per Induktion bewiesen.
(v): Aus (iv) folgt, dass (exp(1/n))n = exp(n/n) = e gilt; aus (iii) folgt, dass
exp(1/n) ∈ (0, ∞), und damit die Aussage mit Satz 1.49.
1
(vi): Dies folgt aus (3.48), da für die Exponentialreihe gilt an = n! ∈ R.

77 [30. November 2022]


(vii): Mit (vi), ϕ ∈ R und (ii) folgt | exp(iϕ)|2 = exp(iϕ) exp(iϕ) =
exp(iϕ) exp(−iϕ) = 1 und damit die Behauptung.

[Vorlesung 16, 29.11. 2022]


[Vorlesung 17, 5.12. 2022]

78 [30. November 2022]

Das könnte Ihnen auch gefallen