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Universität Leipzig

Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie


Institut für Philosophie

Die Form allgemeiner Gesetzgebung als hinreichende Bedingung der


Willensfreiheit in den Paragraphen 4 – 6 der Kritik der praktischen Vernunft

Jon Goiri-Dittrich
Studiengang: Philosophie (Master)
Matrikelnummer: 3772949
E-Mail: pf58rifo@studserv.uni-leipzig.de; jongoirid@gmail.com

Essay
Name des Seminars: Kritik der praktischen Vernunft
Dozent: Dr. Ansgar Lyssy
Modul: Praktische Philosophie
Wintersemester 2023/24
9. Fachsemester

Zeichenumfang: 16476
Inhaltsverzeichnis
Die Form allgemeiner Gesetzgebung als hinreichende Bedingung der Willensfreiheit in den
Paragraphen 4 – 6 der Kritik der praktischen Vernunft .................................................................... 1

Literaturverzeichnis ..................................................................................................................... 7

Eigenständigkeitserklärung ......................................................................................................... 8
Die Form allgemeiner Gesetzgebung als hinreichende Bedingung der Willensfreiheit in
den Paragraphen 4 – 6 der Kritik der praktischen Vernunft

Kant ging es in der Kritik der praktischen Vernunft darum, zu beweisen, dass reine praktische Vernunft
allein ausreicht, um unseren Willen unabhängig von aller Erfahrung und Empirie hinreichend a
priori zu bestimmen. Reine praktische Vernunft gibt es jedoch nur, wenn vorausgesetzt wird, dass
jenseits von Maximen auch praktische Gesetze existieren, die den Willen, allen Einfluss der Materie
ausschließend, nur durch die „bloße Form einer allgemeinen Gesetzgebung“1 bestimmen können.2
Nun geht es Kant im fünften Paragraphen der KpV um „die Beschaffenheit desjenigen Willens“3,
welches allein durch die eben genannte Form bestimmt wäre.4 Die Frage, der im Folgenden
nachgegangen werden soll, ist, warum ein Wille, der durch die „bloße gesetzgebende Form der
Maximen allein“5 hinreichend bestimmt ist, ein „freier Wille“6 ist. Um zu einer Antwort auf die
Fragestellung zu kommen, werde ich im Folgenden prinzipiell die Paragraphen 4 bis 6 der KpV
untersuchen.
Kant beginnt die Analytik der reinen praktischen Vernunft mit der Unterscheidung zwischen
Maximen und praktischen Gesetzen.7 Er zielt darauf ab, zu zeigen, dass nicht nur Maximen,
sondern auch praktische Gesetze unseren Willen bestimmen können. Kant formuliert jedoch
zunächst ein hypothetisches Urteil: Unter der Annahme, dass „reine Vernunft einen praktisch, d.
i. zur Willensbestimmung hinreichenden Grund in sich enthalten könne, so gibt es praktische
Gesetze; wo aber nicht, so werden alle praktische Grundsätze bloße Maximen sein.“8 Man kann es
auch umdrehen und sagen: Nur unter der Voraussetzung, dass Maximen unter bestimmten
Bedingungen auch praktische Gesetze sein können, kann man auch von der Realität einer reinen
praktischen Vernunft ausgehen, die den Willen a priori hinreichend bestimmt. Maximen als
„materiale praktische Prinzipien“9 haben laut Kant folgenden Mangel: der Wille, der einer Maxime
folgt, ist in seinem Handeln von der Materie des begehrten Objekts – vom Gefühl der Lust oder
Unlust, welches dieses in ihm erregt – abhängig und damit empirisch bedingt.10 Maximen gründen
sich letzlich auf das Prinzip der Selbstliebe und sind mit privatem Interesse behaftet.11 Sie gelten

1 Kant: Kritik der praktischen Vernunft, AA 5, §4, S. 27.


2 Vgl. ebd., S. 27–28.
3 Ebd., §5, S. 28.
4 Vgl. ebd., S. 28–29.
5 Ebd., S. 28.
6 Ebd., S. 29.
7 Vgl. ebd., §1, S. 19.
8 Ebd.
9 Ebd., §3, S. 22.
10 Vgl. ebd., §§ 2–3, S. 21–26.
11 Vgl. ebd, §3, S. 22–26.

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deshalb nur für einzelne Subjekte.12 Dagegen setzen praktische Gesetze keine Materie und kein
Objekt als Bestimmungsgrund des Willens voraus.13 Diese Unabhängigkeit von allem Empirischen
macht ihre Unbedingtheit und Allgemeingültigkeit aus.14 Gesetze sind objektiv und gelten für alle
vernünftigen Wesen.15 Doch die Wirklichkeit solcher Gesetze will Kant allererst zeigen.
In Paragraph 4 erklärt Kant wie aus einer Maxime ein praktisches Gesetz destilliert wird. Man
muss zunächst von der Maxime alle Unreinheit entfernen.16 Dies bedeutet für Kant: „alle Materie,
d. i. jeden Gegenstand des Willens (als Bestimmungsgrund)“17 absondern bis davon „nichts [weiter]
übrig [bleibt] als die bloße Form einer allgemeinen Gesetzgebung.“18 Diese „bloße Form“ allein
macht sich dann jedes vernünftige Wesen „zum praktischen Gesetze“19 und bestimmt damit rein
seinen Willen.20 Kant bietet uns hier ein Prüfungsverfahren an, welches sich auf jede Maxime
anwenden lässt. Hat man Erfolg, weil man eine Maxime prüft, deren Form derjenigen einer
allgemeinen Gesetzgebung entspricht, dann resultiert aus ihr ein praktisches Gesetz. Es kann
jedoch auch geschehen, dass sich eine Maxime zur allgemeinen Gesetzgebung als untauglich
erweist.
Kant veranschaulicht in der Anmerkung das Verfahren anhand des Depositum-Beispiels. Die
Maxime, welche geprüft werden soll, heißt: „Vergrößere dein Vermögen durch alle sichere
Mittel“.21 Man wendet sie zunächst einmal auf einen besonderen Fall an: „Jetzt ist ein Depositum22
in meinen Händen, dessen Eigentümer verstorben ist und keine Handschrift darüber
zurückgelassen hat.“23 Die Maxime, welche daraus resultiert, würde dann, in gesetzliche Form
gebracht, heißen: „Jedermann darf ein Depositum ableugnen, dessen Niederlegung ihm niemand

12 Vgl. ebd., §§ 1–3, S. 19–26.


13 Vgl. ebd., §4, S. 27.
14 Vgl. ebd., §1, S. 19–21.
15 Vgl. ebd., S. 19.
16 Ich erlaube mir an dieser Stelle ein bisschen Amüsement.
17 Kant: KpV, AA 5, §4, S. 27.
18 Ebd.
19 Ebd.
20 Vgl. ebd.

Wie Klemme richtig erklärt, gehen wir „[i]n unserem Handeln […] immer von material gehaltvollen Maximen aus“.
(H. F. Klemme: Einleitung, in: I. Kant: Kritik der praktischen Vernunft, hrsg. von Horst D. Brandt und Heiner F.
Klemme, Hamburg 2003, S. IX–LXIII, S. XXIII.) D. h. nicht nur Form, sondern auch Materie ist in jeder Maxime
enthalten, auch in denen, die gleichzeitig als allgemeines Gesetz gelten können. Nur ist zur Prüfung der Maximen, ob
sie für eine allgemeine Gesetzgebung taugen, notwendig, dass man ihre Materie von ihrer Form trennt. Denn nur die
Form derselben entscheidet darüber, ob man sie zum allgemeinen Gesetz machen kann oder nicht (vgl. ebd.).
21 Vgl. Kant: KpV, AA 5, §4, S. 27. Dies ist meine eigene Formulierung der Maxime, so wie sie ein Subjekt an seinen

eigenen Willen richten würde.


22 Otfried Höffe erklärt dass ein „Depositum“ „[s]eit dem Römischen Recht […] eine [fremde] bewegliche Sache

[bedeutet], die zur unentgeltlichen Aufbewahrung gegeben ist“ und dass „[d]er zugrundeliegende Rechtsakt [auf dem
Kant hier verweist (Anm. d. Verf.)] …‚pactum depositi‘ [heißt]“ also ein „Verwahrungsvertrag“ ist (O. Höffe: Die
Form der Maximen als Bestimmungsgrund (§§ 4–6: 27–30), in: Otfried Höffe (Hrsg.): I. Kant: Kritik der praktischen
Vernunft, Berlin 2011 (= Klassiker auslegen), S. 55–70, S. 61).
23 Kant: KpV, AA 5, §4, S. 27.

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beweisen kann.“24 Nun fragt man sich, ob diese vorläufig als Gesetz formulierte Maxime der Form
allgemeiner Gesetzgebung entspricht oder nicht. Man sieht in diesem Fall gleich ein, dass man zur
Befolgung und Durchsetzung der Maxime genötigt sei, sich des Betruges (Verleugnung des
Depositums) zu bedienen und dass die Verallgemeinerung dieses Betruges zur Folge hätte, dass es
„gar kein Depositum gäbe“25.26 Der Verwahrungsvertrag verpflichtet zur Rückgabe des
Depositums und würde man sich die fremde Sache aneignen, so würde diese aufhören fremdes
Eigentum zu sein.27 Fremdes Eigentum oder Eigentum überhaupt wäre auf diese Weise
vernichtet.28 Die Vernunft sieht hier ein, dass es einen Widerspruch zwischen der Form der Maxime
als einzelne und ihrer Form als verallgemeinertes Gesetz gibt, die ihre Einheitlichkeit gefährdet.
Anders ausgedrückt: Die praktische Vernunft oder der Wille, der diese Maxime befolgt, ist auf der
Ebene der Allgemeinheit mit sich selbst unstimmig, weil es einen Widerspruch zwischen seiner
besonderen und seiner allgemeinen Art zu wollen erkennt. Verallgemeinert man probeweise diese
Maxime, so findet sich heraus, dass sich die ihr zugrundeliegende Neigung der Habsucht „in der
Form eines allgemeinen Gesetzes […] selbst aufreiben [muss]“29 und zwar deshalb, weil die
verallgemeinerte Habsucht diese Maxime selbst und ihre Absicht vernichten würde.30 Die Maxime
lässt sich nicht konsistent verallgemeinern. Das Ergebnis der Prüfung ist in diesem Fall also negativ
ausgefallen: Die Form dieser Maxime ist eine bloß einzelne oder besondere, weil sie eine
Handlungsweise (eine Art zu wollen) vorschreibt, die empirisch bedingt und damit bloß subjektiv
und zufällig ist. Damit kann sie sich unmöglich mit der allgemein gesetzgebenden Form, welche
praktische Gesetze ausmacht, decken.
Es kann aber auch geschehen, dass sich eine Maxime wegen ihrer gesetzgebenden Form als für
eine allgemeine Gesetzgebung tauglich erweist. Nun stellt sich die Frage, wie eine solche allgemeine
Gesetzgebung aussieht. Wir wissen bereits, dass sie nur unter Ausscheidung aller Materie und aller
Gegenstände, die den Willen heteronom31 bestimmen, gegeben sein kann. Kant sagt uns im
nächsten Paragraphen, dass sie eine Form ist, die nicht sinnlich gegeben ist und „lediglich von der
Vernunft vorgestellt werden kann“.32 Paragraphen 7 und 8 vorausgreifend lässt sich sagen, dass die
allgemeine Gesetzgebung eine Form ist, durch die sich reine praktische Vernunft bzw. der reine

24 Vgl ebd. Dies ist ebenfalls meine, nicht Kants Formulierung.


25 Ebd.
26 Vgl. Höffe: Die Form der Maximen als Bestimmungsgrund, S. 62–63.
27 Vgl. ebd., S. 63.
28 Vgl. ebd.
29 Kant: KpV, AA 5, §4 Anm., S. 28.
30 Vgl. ebd.
31 Der Begriff der Heteronomie wird erst von Kant im achten Paragraphen zum ersten Mal eingeführt, kann aber an

dieser Stelle schon verwendet werden.


32 Kant: KpV, AA 5, §5, S. 28.

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Wille selbst unmittelbar das Gesetz gibt und in seinem Handeln autonom33, objektiv und allgemein
bestimmt.34 Der Wille jedes vernünftigen Wesens ist nämlich stets als ein „allgemein[] gesetzgebende[r]
Wille[]“35 vorzustellen. Die Unterwerfung jedes vernünftigen Wesens unter das Gesetz bedeutet für
es, seinen Willen einem Gesetz zu unterwerfen, wovon „er selbst sich als Urheber betrachten
kann“.36
Nachdem das Verfahren der Prüfung von Maximen und der Ermittlung praktischer Gesetze
und der Begriff der Form allgemeiner Gesetzgebung hinreichend dargelegt worden sind, gehe ich
jetzt dazu über, „die Beschaffenheit desjenigen Willens“37 zu untersuchen, welcher sich durch „die
bloße gesetzgebende Form der Maximen allein“38 hinreichend bestimmt. Sie sei schon im
Vorhinein genannt: Jene Beschaffenheit ist die Freiheit.39
Aufgabe I hat die Form eines hypothetischen Urteils. Kant sagt nicht gleich, dass wir einen
freien Willen haben, sondern, dass, wenn unser Wille sich durch die „bloße gesetzgebende Form
der Maximen allein“ hinreichend (selbst)bestimmt, unser Wille dann als frei vorgestellt werden
muss.40 Freiheit ist demzufolge nichts was unmittelbar gegeben wäre, sondern erst als durch das
Gesetz vermittelt vorgestellt wird.
Kant gibt uns zunächst den negativen Begriff von Freiheit41: In der Unabhängigkeit unserer
Vernunft vom Kausalgesetz der Natur, von sinnlichen Gegebenheiten, erfahren wir Freiheit
anfangs nur im negativen Sinne.42 Negative Freiheit resultiert aus der Loslösung von der kausalen
Kette der Naturerscheinungen und ist für Kant gleichbedeutend mit transzendentaler Freiheit,43
welche in der KrV als „absolute Spontaneität“44, d. i. als Unabhängigkeit vom Naturgesetz und als
die Fähigkeit eine Kausalkette oder eine „Reihe von Erscheinungen, die nach Naturgesetzen läuft,
von selbst anzufangen“45 gedeutet wurde.46 Eine „Reihe von Erscheinungen [Hervorhebung des
Verfassers] von selbst anzufangen“ bedeutet in der Welt spontan zu handeln und dort eine Wirkung
hervorzubringen.47 In der KrV kam Kant zu dem Ergebnis, dass transzendentale Freiheit, obgleich

33 Der Begriff der Heteronomie erscheint ebenfalls erst im achten Paragraphen.


34 Vgl. Kant: KpV, AA 5, §7, S. 30–33; vgl. Kant: GMS, AA 4, S. 431.
35 Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, AA 4, S. 431.
36 Ebd.
37 Kant: KpV, AA 5, §5, S. 28.
38 Ebd.
39 Vgl. ebd., S. 29.
40 Vgl. ebd., S. 28–29.
41 Vgl. ebd., §8, S. 33.
42 Vgl. ebd., §5, S. 28–29.
43 Vgl. ebd., §5, S. 29.
44 Kant: Kritik der reinen Vernunft A 446/B 474.
45 Ebd.
46 Die Fähigkeit eine Kausalkette von selbst anzufangen kann auch als die transzendentale Freiheit im positiven Sinne

verstanden werden.
47 Vgl. Kant: KrV A 448 / B 476.

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sie von der spekulativen Vernunft nicht bewiesen werden kann, „als nicht unmöglich zu denken“48
ist. Er bewies also ihre Möglichkeit. In der KpV gelingt es ihm durch die Aufstellung eines
hypothetischen Urteils indirekt ihre Realität zu zeigen. Hierzu ist aber auch wirkliche praktische
Willensfreiheit im positiven Sinne49 notwendig, denn die Realität transzendentaler Freiheit wird
indirekt durch die positive Freiheit des Willens bewiesen. (Die Beweisordnung unterscheidet sich
jedoch vom Begründungsverhältnis: Praktische Freiheit gründet sich auf die transzendentale
Freiheit.50) Positive Freiheit besteht in der Selbstbestimmung des Willens durch die reine praktische
Vernunft, d. i. in der Autonomie des Willens.51 Im Unterschied zur Willkür, welche bei ihrer freien
Wahlmöglichkeit stets äußere Bestimmungsgründe wie etwa pathologische Neigungen
voraussetzt,52 impliziert die Freiheit des Willens auch die Kontrolle über den Bestimmungsgrund
selbst, welcher der Willkür fehlt. Bestimmungsgrund des freien Willens ist dann allein die
gesetzgebende Form der Maximen, welche die reine Form des Wollens selbst ist. Dies entspricht
genau der Einsicht von Aufgabe II (Paragraph 6), welche die Umkehrung von Aufgabe I bildet.53
Sie besagt wieder in der Form eines hypothetischen Urteils: Setzt man voraus, dass der Wille frei
ist, dann ist ein solcher Wille „unabhängig von der Materie des Gesetzes“54 und damit allein durch
die gesetzgebende Form der Maximen bestimmt.55 In der Anmerkung zeigt Kant die
Komplementarität von Aufgabe I und II.56 „Freiheit und unbedingtes57 praktisches Gesetz weisen
also wechselweise auf einander zurück.“58 Das Verhältnis zwischen der Freiheit und dem
Moralgesetz ist aber folgendes: „die Freiheit [ist] die ratio essendi [Seinsgrund] des moralischen
Gesetzes, das moralische Gesetz aber die ratio cognoscendi [Erkenntnisgrund] der Freiheit.“59 Dies
bedeutet: Wir können uns unserer Freiheit nicht unmittelbar bewusst werden, sondern erst durch
die Unterwerfung unter Maximen, welche dem moralischen Gesetz60 entsprechen. Andererseits
muss es Freiheit geben, da sonst das moralische Gesetz in uns „gar nicht anzutreffen sein“61 würde.
In Kants Galgenbeispiel urteilt derjenige, dem die Todesstrafe droht, dass er, trotz seiner „Liebe

48 Kant: KpV, AA 5, Vorrede, S. 3.


49 Vgl. Ebd., §8, S. 33.
50 Vgl. Kant: KrV A 533 / B 561 und A 534 / B 562.
51 Vgl. Kant: KpV, AA 5, §8, S. 33.
52 Vgl. ebd., S. 21, 22, 33.
53 Vgl. Höffe: Die Form der Maximen als Bestimmungsgrund, S. 67.
54 Vgl. Kant: KpV, §6, S. 29.
55 Vgl. ebd.
56 Vgl. Höffe: Die Form der Maximen als Bestimmungsgrund, S. 68.
57 „Unbedingt“ bedeutet hier „nicht empirisch bedingt“, also spontan, frei. Die „Unbedingtheit“ praktischer Gesetze

impliziert ihre Allgemeingültigkeit.


58 Kant: KpV, §6 Anm., S. 29.
59 Ebd., Vorrede, S. 4.
60 „Moralisches Gesetz“ bedeutet dasselbe wie „unbedingtes praktisches Gesetz“.
61 Kant: KpV, Vorrede, S. 4.

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zum Leben“62, der Versuchung „ein falsches Zeugnis wider einen ehrlichen Mann“63 abzulegen,
widerstehen könnte.64 Hierin zeigt sich, dass er sich erst darüber bewusst ist, dass er etwas kann,
weil dem das Bewusstsein vorausgeht, dass er dieses soll.65Auf diese Weise „erkennt [er] in sich die
Freiheit, die ihm sonst ohne das moralische Gesetz unbekannt geblieben wäre.“66
Eine Antwort auf die ursprüngliche Fragestellung lässt sich so formulieren: Um die Freiheit des
Willens sicherzustellen, geht Kant in zwei Schritten vor. Erstens: Ist Bestimmung des Willens unter
Ausschließung aller materiellen Bestimmungsgründe durch die bloße gesetzgebende Form der
Maximen allein und a priori möglich, dann gibt es einen reinen Willen. Zweitens: Gibt es einen reinen
Willen, dann auch einen freien Willen. Die Bedingung, die im ersten hypothetischen Urteil
ausgesprochen ist, erfüllen unbedingte praktische Gesetze, die objektiv und allgemein gelten. Ihnen
zeichnet die „Form allgemeiner Gesetzgebung“ aus. Letztere ist nichts anderes als die Form des
reinen Willens selbst, d. i. die reine Art und Weise zu wollen, welche die Autonomie des Willens
zum Vorschein kommen lässt. Diese Autonomie impliziert, dass der Wille sich unabhängig von
äußeren Bestimmungsgründen hinreichend selbstbestimmen kann und zwar indem es sich das
Gesetz selbst gibt, dem es sich gleichzeitig unterwirft. Da die Realität reiner praktischer Vernunft
gegeben ist, hindert uns nichts weiter daran, die Freiheit des Willens zu behaupten. Unser Wille ist
transzendental frei, d. h. er ist unabhängig vom Naturgesetz und kann in der Welt spontan handeln.
Transzendentale Freiheit ist Bedingung praktischer Freiheit. Erstere lässt sich aber nur mittelbar
durch die Unterwerfung unter das Moralgesetz erkennen.

62 Ebd., §6 Anm., S. 30.


63 Ebd.
64 Vgl. ebd.
65 Vgl. ebd.
66 Ebd.

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Literaturverzeichnis

Primärliteratur:
I. Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, hrsg. von Bernd Kraft und Dieter Schönecker,
Hamburg 2016.

I. Kant: Kritik der praktischen Vernunft, hrsg. von Horst D. Brandt und Heiner F. Klemme, Hamburg
2003.

I. Kant: Kritik der reinen Vernunft, hrsg. von Jens Timmermann, Hamburg 1998.

Sekundärliteratur:
Höffe, O.: Die Form der Maximen als Bestimmungsgrund (§§ 4–6: 27–30), in: Otfried Höffe
(Hrsg.): I. Kant: Kritik der praktischen Vernunft, Berlin 2011 (= Klassiker auslegen), S. 55–70.

Klemme, H. F.: Einleitung, in: I. Kant: Kritik der praktischen Vernunft, hrsg. von Horst D. Brandt
und Heiner F. Klemme, Hamburg 2003, S. IX–LXIII.

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Eigenständigkeitserklärung

Hiermit bestätige ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die
angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Die Stellen der Arbeit, die dem Wortlaut oder dem Sinn
nach anderen Werken (dazu zählen auch Internetquellen) entnommen sind, wurden unter Angabe
der Quelle kenntlich gemacht.

Unterschrift:

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