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Versklavte
Menschen
Der trans-
atlantische
Dreieckshandel
3. Ethnologie und Verflechtungsgeschichte
Verflechtungsgeschichte
Eric Wolf fordert, die Geschichte indigener
Gesellschaften als in den Kolonialismus
eingebunden zu analysieren.
Grundidee : Wenn die globale koloniale Ökonomie Wolf
die Kolonien und Europa verbindet, dann versteht (1923-1999)
man nur, was vorgeht, wenn man auf die
Verflechtungen schaut.
Indigene Kultur und europäisch-koloniale Kultur
sind nicht einfach Gegensätze, sondern stehen
dialektisch zueinander im Verhältnis (beeinflussen
sich gegenseitig).
Dennoch: starke rassifizierten Machthierarchien.
1982
Verflechtungsgeschichte Zucker
des Zuckers
Sidney Mintz untersucht die Herausbildung der britischen
Arbeiterklasse aus der Perspektive des Zuckers, der von versklavten
Menschen in der Karibik angebaut wird.
Ab dem 18. Jahrhundert: Zucker wird ein Massenprodukt und ist kein
Luxusprodukt für den Adel mehr.
Neue Essgewohnheiten der Arbeiterklasse: Süßer Tee (auch ein
Kolonialprodukt) und gezuckerte Marmeladen zum Frühstück (hoher
Zuckeranteil, um arbeiten zu können, aber auch billig).
Bis heute: Hoher Zuckerkonsum wird mit niedrigem sozialem Status Mintz
assoziiert (Bsp.: Praktiken der bürgerlichen Kindererziehung). (1922-2015)
Perspektive auf den Zucker verweist auf Zusammenhänge zwischen
kapitalistischer Ausbeutung in den Kolonien (Plantagenwirtschaft) und
in Europa (industrielle Wirtschaft).
1985
Verflechtungsgeschichte des Erdöls
Der Politikwissenschaftler Timothy Mitchell beschreibt,
wie die Ausbeutung von Öl die politischen Systeme in
Europa und den USA verändert.
Kohlezeitalter: Die Abhängigkeit von Kohle als
Energieträger ermöglicht die Etablierung der
Massendemokratie: Arbeiter*innen können streiken und
die Energieversorgung und die Industrie lahmlegen.
Erdölzeitalter: In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts wird
Öl wichtigster und billigerer Energieträger. Die
Gewerkschaften in Europa verlieren an Macht. Westliche
Länder werden ‚abhängig‘ von Ländern des Mittleren
Ostens. Die Idee des unbegrenzten ökonomischen
Wachstums entsteht.
Die demokratischen Institutionen des Kohlezeitalters
scheinen nicht in der Lage zu sein, die Krisen
(insbesondere Klimakrise) des Erdölzeitalters zu lösen. Mitchell
2011
4. Extraktive koloniale Ökonomien und das
kapitalistische Weltsystem
Kolonialismus und Unterentwicklung
Der Historiker Walter Rodney wehrt sich gegen die
„Bilanzthese“ des Kolonialismus: Es gab schlechte Seiten
(Sklaverei, Ausbeutung), aber auch gute Seiten
(ökonomische Entwicklung).
Stattdessen: Der Kolonialismus hat die Modernisierung
Afrikas aktiv verhindert. Die Kolonien sollen nicht
industrialisiert werden, sondern als Rohstofflieferanten Rodney
dienen. Die Kolonien bleiben dauerhaft abhängig. (1942-1980)
à Dependenztheorie.
Alle „Entwicklungsmaßnahmen“ (z.B. Straßen) dienen nur
zur effektiveren Ausbeutung (Extraktivismus).
Beispiel: Schulunterricht auf Englisch mit britischer
Geschichte für wenige dient zur Hervorbringung einer
lokalen Elite zur Verwaltung der Kolonien.
Unterentwicklung ist das Ergebnis eines gewollten
politischen Projekts. Das setzt sich auch nach der
Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien fort. 1972
Weltsystemtheorie Peripherie
1974
Die ‚Herstellung‘ der Dritten Welt
Arturo Escobar argumentiert, dass die
Entwicklungspolitiken in Europa und den USA die
Unterentwicklung der ehemaligen Kolonien
weiterführen. Die ‚Dritte Welt‘ wird nach wie vor
politisch und ökonomisch hergestellt.
Beispiel: Privatisierung der Landwirtschaft in
Kolumbien hat Hungerkrisen verschärft. Indigene
Menschen und Bäuer*innen werden zu ‚Objekten‘, Escobar
die von Entwicklungsexperten untersucht werden. (*1951)
Dabei bleibt die Rolle des kapitalistischen
Weltsystems außer Betracht.
à Klassiker der anthropology of development
1994
5. Kolonialismus, Kapitalismus und Wissen
Orientalismus
Der Literaturwissenschaftler Edward Said untersucht
künstlerische und literarische Darstellungen des ‚Orients‘.
Grundidee: Europäer*innen projizieren eigene Fantasien auf
das ‚Andere‘ von Europa (Exotisierung ).
Es gibt einen ‚kolonialen Blick‘ auf das Andere Europas (à
Ethnozentrismus). Said
Nicht-Europäische Menschen werden entweder als (1935-2003)
unterentwickelt abgewertet oder romantisch überhöht (bon
savage), werden aber zu einem ‘Objekt‘ des westlichen
Blicks.
Die westlichen Wissenschaften (Literaturwissenschaften,
Geschichte, Ethnologie) tragen zu diesem Orientalismus bei.
Der ‚koloniale Blick‘ ist eine wichtige Voraussetzung für den
praktischen Kolonialismus.
1979
Haitianische Revolution
Der Historiker Michel-Rolph Trouillot fragt, warum die
haitianische Revolution in der westlichen
Geschichtsschreibung marginalisiert wird.
1791: Aufstand versklavter Menschen in der
französischen Kolonie Saint-Domingue.
1804: Haiti wird der erste unabhängige Staat in
Lateinamerika und der erste mit einem schwarzen
Staatspräsidenten. Trouillot
Haitianische Revolution wichtigster Faktor für den (1949-2012)
Zusammenbruch des transatlantischen
Sklavenhandels.
Aber: In westlicher Geschichtsschreibung wird nur die
Rolle der französischen und britischen Europäer*innen
und aufklärerischen Ideen hervorgehoben.
These: Der koloniale Blick färbt die
Geschichtswissenschaften.
1995
Warenfetischismus in Südamerika
Im Zuge des Kolonialismus werden auch lokale Wissensordnungen
kolonisiert.
Michael Taussig untersucht Vorstellungen über den Teufel bei Taussig
Minenarbeitern kleinbäuerlicher Herkunft im ländlichen (*1940)
Südamerika. Bei der Landwirtschaft spielt der Teufel keine große
Rolle, wohl aber im Kontext in der Mine.
Idee einer vom Teufel verwandelten Münze, die in der Hostentasche
vervielfacht. à Alternative Artikulation der Idee, das Kapital ‚von
selbst‘ wächst.
Marx‘ Konzept des Warenfetischismus: Eine der wichtigsten
falschen Ideologien des Kapitalismus ist, dass Waren erscheinen
nicht mehr als Verkörperung von Arbeitskraft, sondern als Einheiten,
die selbst Wert in sich tragen.
Grundidee: Durch den Teufel symbolisieren die Minenarbeiter das
Böse, dass dadurch in ihr Leben tritt, dass Sie die Kontrolle über die
Produktionsmittel verlieren und stattdessen von ihnen in Form der 1980
Lohnarbeit kontrolliert werden.
Koloniale Sprachpolitiken und Mission
Michael Hanks beschreibt, wie katholische Missionare in der
Kolonialzeit die Bibel in die lokale Sprache übersetzen, um die die
Yukatekischen Maya zum Christentum bekehren wollten
Es entsteht eine neue translanguage: das kolonialzeitliche Maya in
lateinischer Schrift.
Diese neue sprachliche Wissensordnung repliziert sich selbst durch
neue Rituale: Bibelrezitationen, Gebete, Katechismus, Beichte,
Predigt etc.
Aber: Die Folge der Selbstreplikation der neuen Mayasprache ist
auch, dass sie sich zunehmend der Kontrolle der spanischen
Kolonialherren entzieht. Maya-Widerstandsbewegungen nutzen Hanks
das “neue Maya“ als Medium und Ressource für antikolonialem (*1952)
Kampf (Flugblätter, Zeitungen etc.)
2010
Ethnologie dekolonisieren!
Die Ethnologie hat bei der Herstellung kolonialer
Wissensordnungen eine wichtige Rolle gespielt. Okot p‘Bitek
weist nach, wie der ethnozentrische ‚koloniale‘ Blick, die
Perspektive auf afrikanische Religionen färbt.
Hellenistische Körper-Geist-Dichotomie: Die Idee, dass der
materielle Körper und die immaterielle Seele zwei
verschiedene Dinge sind. Idee, die in indigenen
Afrikanischen Vorstellung nicht unbedingt geteilt wird. p‘Bitek
Aber: Ermöglicht Missionar*innen mehr Flexibilität zur (1931-1982)
Interpretation afrikanischer Religionen als kompatibel mit
dem Christentum.
Beispiel: jok als Acholi-Wort für „Gott“, obwohl es sich
eigentlich um sehr viele verschiedene Wesen handelt.
Interpretation als ein Gott in verschiedenen
Erscheinungsformen.
1979
Ethnologie und Kolonialismus
Die Ethnologie ist mit dem Kolonialismus in
vielerlei Hinsicht verbunden: Ausbildung von
kolonialen Akteur*innen (Sprachen, Kultur und
Gesellschaft), Herstellung von (westlichem)
Asad
Wissen über die Kolonien. (*1932)
Aber in der Ethnologie hat es auch immer am
Kolonialismus gegeben. Das ist die Folge der
grundlegenden Ansätze: Kritik des
Ethnozentrismus, Kulturrelativismus,
Verflechtungsgeschichte etc.
1973
Die Universität dekolonisieren?
Diskussion um die Dekolonisierung der Universität und anderer Institutionen (z.B. auch
des ethnologischen Museums). Dabei stellen sich viele Fragen, z.B.:
Wer spricht über wen und mit welcher Autorität?
Welchen Lernkanon soll es geben?
Wie kann man mit Menschen außerhalb der Universität zusammenarbeiten (z.B. in
indigenen Gemeinschaften)?
Welche Rolle spielen global ökonomische Ungleichheiten und Rassismus in diesen
Institutionen?
Wie sind ökonomische Ausbeutung und rassistische Diskriminierung verbunden?
Wer kommt an die Universität und ans Museum und warum (Klasse, Rassismus,
Geschlecht etc.)?
…