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174 KIm MonatsblAugenheilkd 1998; 213

Eine neue Lesetafel* zur gleichzeitigen Bestimmung von


Lesevisus und Lesegeschwindigkeit
Wolfgang Radner', Ulrike Willinger2, Wilfried Obermayer', Claudia Mudrich', Michaela Velika v-Pare!',
Brigitte Eisenwort3
'Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie, Wien, Wahringergurtel 18—20, A-1090 Wien, Austria (Vorstand: 0. Univ-Prof. Dr.
Heinrich Freyler)
2Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten Wien, Klinische Abteilung für Phoniatrie — Logopadie, Wahringergurtel 18—20,
A-1090 Wien, Austria (Vorstand: 0. Univ-Prof. Dr. Klaus Ehrenberger)
3lnstitut für Medizinische Psychologie, Universität Wien, Severingasse 9, A-1090 Wien, Austria (Vorstand: 0. Univ-Prof. Dr. Gernot Sonneck)

Zusammenfassung A new German Reading Chart* for the simultaneous eva-


luation of reading acuity and reading speed
Hintergrund Da die ublichen Testverfahren zur Visusbe-
stimmung nur wenig Auskunft die Eirischrankungen Background Reading acuity as well as reading speed are
Sehbehinderter im Ailtag geben können, und die derzeit ver- good predictors of everyday visual function. As visual acuity
fugbaren deutschsprachigen Leseproben nicht für die Prü- tests are poor predictors of the real-world function, perfor-
fung der Lesegeschwindigkeit vorgesehen sind, entwickelten mance-based tests, e.g. reading speed measurements, can be
wir in interdisziplinarer Zusammenarbeit eine Lesetafel zur used for the determination of visual function. Thus, a Ger-
definierten und reproduzierbaren Bestimmung von Lesege- man reading chart was developed in order to evaluate reading
schwiridigkeit und Lesevisus. acuity as well as reading speed.

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Methode Die BuchstabengroBen der Lesetafel sind log- Methods Print size is defined as the height of a lower case
arithmisch abgestuft (Faktor: 1,25) und werden in LogRAD x and progresses logarithmically from one phrase to another
(Reading Acuity Determination) angegeben. Die Testsätze (factor: 1.25). Reading acuity is determined in LogRAD
(Relativsatze) wurden bezuglich lexikalischem Niveau, syn- (Reading Acuity Determination). 32 short German phrases
taktischer Komplexität sowie Satz- und Wortlänge moglichst were created, comparable concerning grammatical difficulty
vergleichbar gestaltet und nach genauen Richtlinien ersteilt. as well as in number (n= 14), length and position of words.
Aus 32 Sätzen wurden basierend auf einer Homogenitäts- The reading speed parameters measured with a stop-watch
prufung an 160 Personen (Alter: 0 = 21 a 3,8a) statistisch 24 in 160 persons (aged: 0 =21a 3.8a) were calculated in words
Sätze selektiert und daraus 3 Prototypen der Lesetafel er- per minute (wlmin). Out of the 32 phrases the 24 most simi-
steilt. Mit einem neuen Prinzip kann, bezogen auf den Lese- lar ones were selected statistically and used for the reading
abstand, em definierter Score für den Lesevisus errechnet charts (Radner Reading Charts). With these reading charts
werden, der auch das Ausmall von Lesefehiern berücksich- a reading acuity score (L0gRAD-score) can be calculated
tigt. Im gleichen Untersuchungsgang ist eine Bestimmung der considering reading errors in words of different length. Read-
Lesegeschwindigkeit in Worter pro Minute (wlmin) moglich. ing speed can be determined at the same time. Reading acuity
Mit zwei der drei Lesetafeln wurden in einer ersten Testreihe (LogRAD-Score) was measured in 32 normal eyes of 16 stu-
an 32 Augen der Lesevisus (L0gRAD-Score) ermittelt und dents and compared to the angular visual acuity (L0gMAR).
dieser mit der angularen Sehscharfe (LogMAR) verglichen.
Results The mean reading speed of the test persons was
Ergebnisse Die durchschnittliche Lesegeschwindigkeit 211.8 34.1 w/min. 24 phrases fulfilled the test item criteria
der 160 Testpersonen betrug 211,8± 34,1 wlmin. 24 Sätze er- for the reading chart: mean 0.25 x SD. The reliability ana-
füllten das Testitemkriterium für die Lesetafel: ,,Durch- lyses yielded an overall Cronbach's alpha coefficient of 0.98!
schnitt 0,25 x SD". Die Reliabilitätsprufung ergab einen The mean visual acuity measured in 32 eyes was
Gesamt-Cronbach-Alpha-Koeffizienten von 0,98! Die —0.115 0.097 LogMAR and the mean reading acuity score
anguläre Sehschärfe der 32 Augen betrug durchschnitt- was +0.026±0,091 LogRAD. The mean difference was
lich —0,115±0,097 LogMAR und der Lesevisus +0.104±0.066 and the correlation between LogMAR and
+ 0,026 0,091 LogRAD (r = 0,59). Der durchschnittliche LogRAD was good (r=0.59).
Unterschied war + 0,104 0,066. Conclusions With these reading charts it is for the first time
Schlu8folgerungen Mit diesen Lesetafein kann im Deut- possible to simultaneously determine reading acuity as well
schen erstmals gleichzeitig em definierter Wert für den Lese- as reading speed in German. The high reliability of the 24
visus und die Lesegeschwindigkeit bestimmt werden. Die phrases and the high correlation between LogMAR and
nach genauen Richtlinien ersteliten und durch eine 1-lomo- LogRAD leads us to expect a good reproducibility of the
genitätsprOfung an 160 Personen ausgewahlten Sätze ge- reading acuity evaluations. For the "Radner Reading Charts"
währleisten em wissenschaftlich wünschenswertes Hochst- we have shown that print size is the main reason for changes
maB an Vergleichbarkeit. Es konnte für die ,,Radner Lese- of reading speed.
tafein" nachgewiesen werden, daB die Zeichengrol3e die Key words visual acuity — reading acuity chart — reading
Ursache für Veranderungen der Lesegeschwindigkeit ist. acuity — reading speed
Die hohe Korrelation mit dem Fernvisus bei Augengesunden
läJ3t eine gute Reproduzierbarkeit der Ergebnisse erwarten.
Schlüsselwörter Lesetafel — Visus — Lesegeschwindigkeit —
Lesevisus.

*® 1997 ,,Radner Lesetafel"


Klin Monatsbl Augenheilkd 1998; 213: 174-481 Manuskript erstmalig eingereicht am 30. 07. 1997
1998 F. Enke Verlag Stuttgart. in der vorliegenden Form angenommen am 12. 07. 1998
Bestimmung 'on Lesevisus und Lesegeschwindigkeit Kim Monatsbl Augenheiikd 1998; 213 175

Die Lesefahigkeit 1st in der heutigen Informationsge- chigen Leseproben (Jager, Birkhäuser, Aulhorn, Ro-
sellschaft eine der bedeutendsten an das Sehen gekop- denstock, Keeler, Zeiss,...) haben,jede für sich, spezifi-
pelten Fahigkeiten des Menschen, deren Verlust zu ei- sche Vor- und Nachteile. Aber mit keiner dieser Lese-
ner erheblichen Verminderung der Lebensqualitat führt. proben kann em Lesevisus ermittelt werden, der auch
Bei manchen Patienten kann in diesem Fall versucht das AusmaB von Lesefehiern berucksichtigt, und keine
werden, die Lebensqualitat mit vergroBernden Sehhil- dieser Leseproben ist für die Bestimmung der Lesege-
fen zu verbessern (3,11,12). Legge eta!. (7) konnten bei schwindigkeit vorgesehen.
Patienten, die im Gebrauch ihrer vergroL3ernden Seh-
hilfen schon geUbt waren, zeigen, daB die erreichbaren Daher wurde in interdisziplinarer Zusammenarbeit zwi-
maxima!en Lesegeschwindigkeiten nicht mit den an- schen der Augenheilkunde, der Linguistik und der Psy-
gularen Sehschärfen korrelierten. Dies bedeutet, daB em chologie — eine deutschsprachige Lesetafel zur definier-
schlechter Visus für Optotypen nicht unbedingt mit ei- ten und reproduzierbaren Prufung von Lesefahigkeit
ner geringen Lesegeschwindigkeit einhergeht und urn- und Lesegeschwindigkeit entwickelt. Ziel wares eine Le-
gekehrt. Demnach scheinen die Testverfahren setafel aus kurzen Testsatzen herzustellen, die sich be-
zur Visusbestimmung nur wenig Auskunft Uber funk- züglich syntaktischer Struktur sowie Satz- und Wort-
tionelle Einschrankungen der Sehleistung im Alltag zu lange gleichen und deren lexikalisches Niveau mittels
geben, weshaib sich in den USA, bei der klinischen Un- statistischer Auswahlverfahren durch Tests an einer Per-
tersuchung Sehbehinderter, em Trend in Richtung funk- sonengruppe (n =160) definiert und geeicht worden ist.
tionsorientierter Prüfmethoden abzeichnet (1 perfor-
mance based tests). An der University of Minnesota

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wurden verschiedene Testverfahren zur Bestimmung Meihodik. Einheiten und Grundlagen der L.esetafeln
des Lesevisus und der Lesegeschwindigkeit bei Sehbe-
hinderten entwickelt und getestet (1, 2, 8, 9). Jedoch Die Lesetafel (Abb. 1)
können englischsprachige Lesetests im deutschen Die ZeicherigroBen der Lesetafein (Abb. 1) sind logarithmisch
Sprachraum nicht verwendet werden. Die deutschspra- abgestuft (Faktor 1,25) und als LogRAD (Reading Acuity

Abb. 1 Die drei ,, Radner Lesetafein"


A) Vorderansicht: Zeichengrolle, Zei-
enabstand und Zeilenbreite der Test-
sätze sind Iogaritbmisch abgestuft. Die
L0gRAD-Werte für Prüfdistanzen von
40cm und 25cm kännen links von den
Testsätzen abgelesen werden und die
entsprechenden Snellenwerte rechts
davon. Zusätzlich ist, um die Vergrolle-
rung, die zum Lesen von Normal-
schriftgroSen benOtigt wird, rasch ab-
schätzen zu können, der VergroSe-
rungsbedarf und die Höhe, der dafUr
aufzuwendenden Dioptrien am rechten
Rand der Lesetafeln angefLhrt.
B) Ruckseite einer Lesetafel mit Zei-
chengrolten für Visusanforderungen
unter 0,08 )Originalgrolle der Leseta-
fein: DIN A4)
176 Kim Monatsbi Augenheilkd 1998:213 W Radner u. Mitarb.

Tab. 1 Haufigkeiten von em-, zwei-, drei- bzw. mehrsilbigen War- aus 5 Wortern; die dritte aus 4, wobei jede einzelne Zeile in-
tern in Texten verschiedener Schwierigkeitsgrade. In anspruchsvol- kiusive Leerzeichen 27 bis 29 Anschihge hat. Dies entspricht
leren Texten (Prof. Dr. E. Ringel: Die Osterreichische Seele; Zei- der mittieren Anschiagsanzahl einer Zeitungsspaltenzeile.
tungstext) ist der Anteil mehrsilbiger Wdrter (>3 Silben) höher als
Dieses MaB wurde wegen seiner Gebräuchiichkeit gewahlt.
in Texten eines Kinderbuches (8—9 Jahre) oder rn Lesebuch der
3. Schulstufe. In den Testsätzen stimmt die Verteilung em-, zwei-, drei-
Zudem ist der häufigste Wunsch sehbehinderter Patienten
bzw. mehrsilbiger Wörter trotz der geringen Wortanzahl gut mit Tex- wieder Zeitung lesen zu konnen (12). Weiters wurden keine
ten des gleichen Schwierigkeitsgrades Uberein (Kinderbuch 8—9 Umlaute verwendet.
Jahre, Lesebuch 3. Schulstufe)

Texttyp: Test Kinder Lese Prof. Zeitung Anzahl, Lange der Wörter und Wortstellung
sätze buch buch Ringel
1. Zeile (7—8 Silben) Das erste Wort hat nur 3 Buchstaben
gezahlte Wörter: 14 325 317 236 348 und soil Sehbehinderten den Satzeinstieg erleichtern (dies
1-s:Ibig: 50% 57% 53% 47% 50%
gilt auch für die zweite Zeile). An zweiter oder dritter Stelie
2-sIbig: 36% 28% 33% 32% 29%
14% 15% 14% 21% 21%
steht em Nomen (vorzugsweise 2 Silben). In dieser Zeile müs-
3-silbig:
sen mindestens zwei zweisilbige Wörter vorkommen (jedoch

Tab. 2 Umrechnungstabelle zur erleichterten Umrechnung der gemessenen Zeit in Wörter pro Minute

sek. w/min sek. w/min sek w/miri sek. w/min sek. w/min sek. w/min

3,0 279 4,0 210 6,0 140 8,0 105 10,0 84 18,0 47

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3,1 270 4,2 200 6,2 135 8,2 102 10,5 80 19,0 44
3,2 263 4,4 191 6,4 131 8,4 100 11,0 76 20,0 42
3,3 255 4,6 182 6,6 127 8,6 98 11,5 73 21,0 40
3,4 247 4,8 175 6,8 124 8,8 95 12,0 70 22,0 38
3,5 240 5,0 168 7,0 120 9,0 93 13,0 65 23,0 37
3,6 233 5,2 162 7,2 117 9,2 91 14,0 60 25,0 34
3,7 227 5,4 156 7,4 113 9,4 89 15,0 56 27,0 31
3,8 221 5,6 150 7,6 111 9,6 88 16,0 53 29,0 29
3,9 215 5,8 145 7,8 108 9,8 85 17,0 49 30,0 28

Determination) definiert. Die LogRAD-Werte fur 40 cm und nicht mehr als drei), von denen aber nur eines em Nomen sein
25 cm können links neben den Sbtzen abgeiesen werden. Die darf.
logarithmische Abstufung macht eine einfache Anpassung der
Ergebnisse an jede beliebige Prüfdistanz moglich. Man muB le- 2. Zeiie (7—8 Smiben) Auch diese Zeiie beginnt mit einem
digiich dem erhobenen LogRAD-Wert einen distanzabhangi- Wort, das aus drei Buchstaben besteht. Das Hauptcharakteri-
gen Korrekturwert hinzurechnen, der auf dem Beiblatt zur stikum der zweiten Zeiie ist em Hauptwort mit 10 Buchstaben
Lesetafel (Tabelle 3) abgelesen werden kann. und drei Siiben. Damit soil dem hohen Anteil zusammenge-
setzter Hauptwörter in der deutschen Sprache Rechnung ge-
tragen werden. Nach diesem Hauptwort beginnt stets der Ne-
Aufbau der Testsätze (Abb. 2) bensatz. Die drei Worter nach dem Beistrich sind kurz und em-
silbig. Wörter mit 3 Buchstaben wurden bevorzugt. Es wurden
Die Testsbtze wurden bezUgiich lexikaiischem Niveau, syn- jedoch auch Worter, die zwischen 2 bis 5 Buchstaben aufwei-
taktischer Struktur sowie Satz- und Wortlange moglichst ver- sen. verwendet.
gleichbar gestaltet und nach foigenden Richtiinien ersteilt:
Die Testsätze sind Reiativsdtze. Das Niveau der Testsätze 3. Zeile (7—9Siiben) In dieser Zeile findet sich das dreisilbige
wurde dem der 3. Schuistufe angepaBt (Inhalt und Wortwahi Verb des Satzes vor dem em zweisiibiges Hauptwort (4—7
der Sätze wurden dem derzeit in Osterreich gultigen Lesebuch Buchstaben) steht. Auf den Punkt am Satzende wurde aus
der 3. Schuistufe entnommen). Es wurde darauf geachtet, daB Symmetriegrunden verzichtet.
die Verteiiung em-, zwei-, drei- bzw. mehrsiibiger Wörterjener
von Texten dieses Schwierigkeitsgrades entspricht (Tabelle 1).
Prüfung der Homogenitat
Jeder Satz besteht aus 3 Zeilen, 14 Wörtern, 22 bis 24 Siiben
und 82 bis 84 Anschiagen. Die erste und zweite Zeile bestehen 32 Satze wurden nach den oben beschriebenen Richtlinien er-
steilt und bezuglich Lesedauer und Schwierigkeitsgrad in ei-
ner ersten Testserie an 80 Studenten (Alter: 0=23,6±2,8
Vor der Einfahrt stand lange Jahre) und 80 Lehriingen (Schiosser und Glaser; Alter:
0=18,4±2,5 Jahre) vergiichen. Der Visus war cum correc-
der Kleinwagen, der auch uns tionern (cc) stets besser als 1,0 (Snellen) und es bestanden bei
keinem Probanden Erkrankungen die selbst oder durch die
gute Dienste geleistet hatte notwendige Medikation das Untersuchungsergebnis hätten
beeinflussen können. Die,,Schriftgrofie war 12 Punkt und die
Abb. 2 Beispiel eines Testsatzes, der nach den rn Text beschrie- Beleuchtung betrug 90—100 cd/rn2. Mit einer Stoppuhr wurde
benen Richtlinien ersteilt wurde die Lesedauer für jeden Satz gemessen und gleichzeitig die
Bestimmung von Lesevisus und Lesegeschwindigkeit Kim Monatsbi Augenheilkd 1998; 213 177

Tab. 3 L0gRAD-Korrekturwerte in Abhangigkeit von der veränder- uhr gemessen. Die Sätze werden einzeln angeboten. Der Pa-
ten PrUfdistanz (Normdistanz 40 cm) tient wird aufgefordert den Satz aufzudecken mid diesen so
rasch und fehlerfrei wie mOglich zu lesen. Die gestoppte Zeit
Prüf- LogRAD Prüf- L0gRAD Prüf- LogRAD wird auf dem entsprechenden Auswertungsblatt (Abb. 3) em-
distanz Korrektur distanz Korrektur distanz Korrektur
getragen. Die Lesegeschwindigkeit in Wörter/Minute kann
50cm —0,1 32cm +0,1 16cm +0,4 entweder errechnet oder leichter auf der beiliegenden Urn-
45cm —0,05 28cm +0,15 13cm +0,5 rechnungstabelle (Tabelle 2) abgelesen werden.
40cm +0,00 25cm +0,2 10cm +0,6
36cm +0,05 20cm +0,3 8cm +0,7 Lesegeschwindigkeit:
14 840
x 60 = Worter/Minute (w/min) =
Sekunden sec
Fehleranzahl ermittelt. Vor diesen Messungen haben die 3 Un-
tersucher ihre Vorgangsweise an freiwilligen Testpersonen
synchronisiert, indem der erfahrenste Untersucher (der Autor) Normierung der Zeichengrö8en
das Procedere vorgab und die beiden anderen solange mit-
stoppten, bis deren Ergebnisse standig mit denen des Autors Als MaB für die Berechnung der ZeichengroBen diente (so-
zusagen in Analogie zum Snellenprinzip) 1/5 der Hohe eines
Gemein ,,x". Schrifttyp ist die serifenlose und gebrauchliche
Schrift ,,Arial". Für die Erstellung der Lesetafein wurde em
Bestimmung von Fehlerzahl und LogRAD-Score für den Le- Computer der Marke Compaq Armada 4160T (Textverarbei-
sevisus (Abb. 3) tungsprogramm: Word 7.0) und em HP LaserJet 4 verwendet.

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Alle Satze beginnen 35mm vorn linken Rand (Blocksatz). Die
Aus dem LogRAD-Wert des zuletzt gelesenen Satzes und der Berechnung der Zeichengrof3en erfolgte für 25 cm und 40 cm.
Summe der Silben aller in diesem Satz falsch gelesenen Wor- Der Kontrast der Lesetafel betragt 85%. Die Untersu-
ter kann einfach und rasch em definierter LogRAD-Score er- chungen sollen mit einer Leuchtdichte von 90—100 cd/rn2
rechnet werden, der Lesefehier berucksichtigt. durchgeführt werden.
Zuerst wird der LogRAD-Wert bestimmt indem die zu testen-
de Person bis zur kleinsten lesbaren ZeichengroBe liest (der VergroBerungsbedarf
LogRAD-Wert kann links neben dem Satz abgelesen werden).
Gleichzeitig werden auf dem Auswertungsblatt (Abb. 3) die Um bei der Behandlung von Sehbehinderten den VergroBe-
falsch gelesenen Worter (z. B. durch Streichung) markiert. Die rungsbedarf, der zum Lesen von NormalschriftgroBen not-
Silben der falsch gelesenen Worter (letzter gelesener Satz) wendig ist, rasch abschätzen zu konnen, wird dieser fur die ver-
werden zusammengezählt. schiedenen ZeichengroBen zusammen mit der I-löhe, der dafür
aufzuwendenden Dioptrien am rechten Rand der Lesetafein
Da jeder Satz 22 bis 24 Silben enthält wurde für die weiteren angeführt (Abb. 1).
Berechnungen von der Vereinfachung ausgegangen, daB jede
Silbe 1/20 der Satzlänge entspricht. Der Gröf3enunterschied
zwischen 2 Testsätzen der Lesetafel betragt eine logarithmi-
sche Einheit von 0,1. Diese Einheit laBt sich ebenfalls in 20 Ergebnisse
Teile zuje 0,005 unterteilen. Da jeder Silbe die Wertigkeit von
1/20 der Satzlänge zugeordnet wurde, entspricht eine Silbe 1/20 Die durchschnittliche Lesegeschwindigkeit wurde an
einer logarithmischen Einheit von 0,1 also 0,005. 160 Probanden mit 32 nach den beschriebenen Richt-
linien ersteliten Testsätzen erhoben. Die durchschnitt-
Die Fehlerzahl ist das Produkt aus der Summe der Silben al- liche Lesegeschwindigkeit war 211,8 w/rnin und die
ler falsch gelesenen Wörter des zuletzt gelesenen Satzes und Standardabweichung betrug 34,1 w/min. Urn bezUglich
der mathematischen Wertigkeit einer Silbe von 0,005. der Lesegeschwindigkeit moglichst homogene Testsätze
zu erhalten, wurden nur jene Sätze, die das Kriterium
Der LogRAD-Score errechnet sich durch Addition von (Testitemkriterium für die Lesetafel) ,,Durchschnitt
Fehlerzahl und LogRAD-Wert. 0,25 x SD" erfUllten in die weiteren Analysen einge-
schiossen. Urn die Vergleichbarkeit dieser 24 Testitems
Diese Methode zur Berechnung des LogRAD-Scores ge-
wahrleistet, daB sich Fehier beim Lesen langer (mehrsilbiger)
nachzuweisen wurden eine ReliabilitatsprUfung durch-
Wörter starker auf den Score auswirken als Lesefehier bei kur- gefUhrt und die Trennschärfen berechnet. Die Reliabi-
zen Wortern. litatsprufung ergab em Cronbach's Alpha von 0,98! Die
Trennschärfen der 24 ausgewahiten Sätze bewegten sich
LogRAD-Score = Summe der Silben falsch gelesener Wör- zwischen 0,75 und 0,87.
ter x 0,005 (= Fehlerzahl) + erreichtem LogRAD-Wert =
LogRAD-Score = Fehlerzahl + LogRAD-Wert.
Gegenüberstellung von Lesevisus und Fernvisus
Bestimmung der Lesegeschwindigkeit (LogRAD vs. L0gMAR)

Die Lesegeschwindigkeit wird gleichzeitig mit dem Lesevisus Mit den 24 Testsätzen, die das Testitemkriterium erfüll-
bestimmt. Die Lesedauer für einen Satz wird mit einer Stopp- ten, wurden 3 Prototypen der Lesetafel hergestelit. Mit
ii —
178 Kim Monatsbl Augenheilkd 1998; 213 W Radner u. Mitarb.

RADNER LESETAFEL - AUSWERTUNGSBLATT:

LESETAFEL I Zeit

Vor der Einfahrt stand lange


der Kleinwagen, der auch uns
gute Dienste geleistet hatte ,— L
,p,

At
Pat.Zi:
I
DVR:000
-
ikund e

, 3 4 /1 ) C 6
Mit Peter gingen sie wieder
ins Gartenhaus, vor dem nun 1? ,b1 Datum:
eine Rutsche aufgestellt war
,/ c P,; ? 4'- 4q
Auf dem Klavier stand immer
em Blumentopf, den ich nie
mit Nelken bepflarizen durfte

Der Vater blickte sofort auf


den Hemdkragen, den ich mir
,
A75C

13b1
73
40cm I 25cm
o I 2cm
3 ) I 3. •

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beim Kochen verdorben hatte
Visus (Sn):
Vor alten Leuten spielte ich
5' 00:
nur Votksmusik, bei der man '73 & —
'3-10 96-
alle Lieder mitsingen konnte
)ç pc4 -2,p.J/7,3
Mit Onkel Klaus ka9ft sie OS:
1c Kinderbuch, das wir dann 13 Z
den Kielnen vorl9n mJtn /
,
Die Blumen wuchsen dicht vor
dem Burggraben, in dem einst -13 &
kiares Wasser geflossen war Diagnose:
Von Thomas kauften sie sich
die Taschenuhr, mit der dann
atle Zeiten gemessen wurden
7jme7 fep

Vor dieser Scheune stand einst


em Bauernhaus, in dem dein
lieber Onkel mithelfen mute
<OM't-L .. O
4 'jj j o
÷q941 ,Aiie7
Die Katze zerbrach dann noch
las Wassergias, das von dir
:um Trinken verwendet wurde L0gRAD-Score:

Die Kinder liefen nun singerid


ins Wohnzimmer, in dem sich
deren Mutter erholen woilte

Mit Stephan fanden wir dann


q'i' 1:

36'
2:

L09RAD + der Sdben faIsd gelesener Wrter x 0,005

den Wasserfall, der nach derr


starken Regen entstanden wai qb go q
W.Radner 1998
Abb. 3
Bestimmung von Lesevisus und Lesegeschwindigkeit Kim Monatsbi Augenheilkd 1998; 213 179

zwei dieser Lesetafein (eine für das rechte und eine für Rechtes Auge
das linke Auge) wurde — nach Bestimmung der besten
Korrektur — an 32 Augen von 16 augengesunden Pro- C CPF 511
E Distanz 25 cm
banden (Studenten; Alter: 0 = 24,4 2,3 Jahre) der 150
Lesevisus bestimmt (LogRAD; 40 cm). Anschlie- C
—.— ohne
Filter
0)
Bend wurde zum Vergleich die angulare Sehschärfe ' 100
—.— mit Filter
(L0gMAR; 4 m) mit den ,,Visual Acuity Charts" nach -CCC Distanz 10 cm
(CPF 5111
Ferris et al. (6) ermittelt. Die angulare Sehschärfe betrug a 50
C
durchschnittlich —0,115±0,097 LogMAR und der Le- a)
-J
sevisus 0,026 0,091 LogRAD. Der Unterschied war U
1,7 1,6 1,5 1,4 1,3 1,2 1,1 1,0 0,9 0,8 0,7 0,64 0,5
durchschnittlich 0,104 0,066 logarithmische Einheiten. LogRAD - Score
LogMAR und LogRAD korrelierten mit r=0,59
recht gut. Die durchschnittliche, maximale Lesege- Abb. 4 Graphische Darstellung der in Abb. 3 erhobenen Werte für
die Lesegeschwindigkeit in Abhangigkeit vom Lesevisus. Die Linie
schwindigkeit (Tabelle 4) war 233±38 w/min (Lese- mit den schwarzen Punkten gibt die Daten ohne Kantenfilter wieder,
dauer: 3,6 0,7 see) und entsprach dem Leistungsver- und die mit den Vierecken jene, die mit dern Kantenfilter (CPF 511)
mogen der Studenten. Ab LogRAD 0,4 sankt die Lese- bestirnmt wurden
geschwindigkeit bis zu einer durchschnittlichen
Lesegeschwindigkeit von 91 27,9 w/min der zuletzt ge-
lesenen Sätze (kleinste noch lesbare Zeichengrofie).
Die Streuung schwankte zwischen 15,8% und 32,1% traiskotom (0 = 4°) em, das sich perimetrisch verifizieren läBt.

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der durchschnittlichen Lesegeschwindigkeit und nahm Die maximale Lesegeschwindigkeit war 72 w/min (11,72 sec);
mit kleiner werdenden ZeichengroBen zu (Tabelle 4). erreichter LogRAD: 0,5 (fehlerfrei) bei einer Lesedistanz von
LogRAD 0,0 konnte von 5 Augen nicht mehr gelesen 10 ens (Nahzusatz: + 4,0 dpt; erbrachte Eigenakkomodation:
werden, LogRAD —0,1 von 12 Augen nicht und +6,0 dpt). Wegen der auf 10 cm verkurzten Lesedistanz
LogRAD — 0,2 war für 28 Augen nicht mehr lesbar. Zu- mUssen zu diesem Ausgangswert von 0,5 LogRAD noch
sammen mit der nachgewiesen hohen Vergleichbarkeit 0,4 Log-Einheiten (Tab. 3), also 0,4 addiert werden. Somit er-
gibt sich em LogRAD von 0,9.
der Testsätze sprechen diese Daten dafür, daI3 als Ursa-
che für die Verlangsamung der Lesegeschwindigkeit nur
LogRAD-Score (Vergleiche Abb. 3):
die abnehmende ZeichengroBe in Frage kommen kann. erreichter LogRAD 0,5
Lesedistanz: 10 cm
Zusätzlich zur Bestimmung des LogRAD-Scores wurde LogRAD-Korrektur für 10 cm + 0,4
der Lesevisus mit Jagertafeln ermittelt (Leseabstand 0,5+0,4=0,9
40 cm).AIIe Augen erreichten Jager 1. Dies zeigt, daB mit Ergebnis: LogRAD: 0,9
den ,,Radner Lesetafein" Unterschiede im Lesevisus
aufgedeckt werden können, die mit Jagertafel gar nicht Die Patientin wird dann in einem ersten Rehabilitationsschritt
erfaBt werden, obwohl diese Unterschiede mit der an- mit einem Kantenfilter der Fa. Corning ,,CPF 511" ausgestat-
tet. Dieses Filtergias laBt nur Licht mit einer Wellenlange
gularen Sehschärfe im Zusammenhang stehen. 511 nm durch und filtert Licht geringerer Wellenlangen her-
aus (also besonders den kurzwelligen Streulichtanteil). So wird
die Blendung bei weiterhin hohem Kontrast verringert.
Failbeispiel zur Demonstration (Abb. 3,4)
Unter denselben Untersuchungsbedingungen wie bei der Er-
Dieses Falibeispiel demonstriert die Anwendung der Leseta- stuntersuchung steigt der Fernvisus (CPF 511: —2,25 sph) auf
fein anhand des rechten Auge einer 33jahrigen Patienten, die 0,5 LogMAR (Snellen: 0,3) an. Der Patientin ist es nun mög-
beidseits an einer erblichen Muster-Dystrophie des Pigment- lich eine Lesedistanz von 25 cm einzuhalten. Ihre maximale
epithels leidet (die Befunde des linken Auges entsprechen Lesegeschwindigkeit steigt auf 174 w/min an (Abb. 3, 4) und
weitgehend dem des rechten). der erreichte Lesevisus verbessert sich auf 0,6 LogRAD.
Allerdings wurden 4 Wörter mit insgesamt 8 Silben falsch
Der Fernvisus betragt cc (—2,25 sph) 1.0 LogMAR (0,1 Snel- gelesen. 8 x 0,005 ergibt eine Fehlerzahl von 0,04. Dem
len). Am Amsier-Grid zeichnet die Patientin rechts em Zen- LogRAD-Wert von 0,6 hinzugerechnet ergibt dies einen
LogRAD-Score für den Lesevisus von 0,64 (Abb. 3, 4). Dies
zeigt, daB es der Patientin durch den Kantenfilter moglich ist
bei normalem Leseabstand Normalschriftgrol3en mit ihrer
Abb. 3 Auswertungsblatt der im Falibeispiel beschriebenen Pa- maximalen Lesegeschwindigkeit zu lesen.
tientin: Am 23. 10. 1996 wurden die Lesefahigkeit ohne Kantenfilter
(Spalte: 1) und am 21 3. 1997 mit Kantenfilter (CPF 511; Spalte: 2) LogRAD-Score (Abb. 3):
erhoben. Mit dern Kantenfilter verbesserte sich sowoh) der Lesevisus
erreichter LogRAD 0,6
als auch die Lesegeschwindigkeit (der scheinbar bessere Lesevisus Lesedistanz: 25 cm
bei der Erstuntersuchung muS wegen der geringeren Untersu-
Anzahl falscher Silben: 8
chungsdistanz urn 0,4 Log-Einheiten nach oben auf 0,9 L0gRAD kor-
rigiert werden). Durch eine einfache Rechnung (Silbenan- Fehlerzahl: 8 x 0,005 =0,04
zahlxO,005+ LogRAD) kbnnen Lesefehier rn LogRAD-Score berück- LogRAD-Score: 0,6 + 0,04 = 0,64
sichtigt werder Ergebnis: LogRAD-Score: 0,64
180 KIm MonatsblAugenheilkd 1998; 213 W Radner u. Mitarb.

Diskussion stimmten Werte em genaues MaB für die Lesege-


schwindigkeit.
Mackensen (10) wies darauf hin, daB die Lesege-
schwindigkeit eine wertvolle Zusatzinformation bei der Der Begriff L0gMAR bedeutet ,,Minimum Angle of
Beurteilung der Sehleistung ist. So fand Stangler-Zu- Resolution" (6). Bei der Bestimmung des Lesevisus
schrott (13) bei Makulopathiepatienten, die Normal- spielt die angulare Sehschärfe zwar eine Rolle, wird
schriftgroBen lasen, eine signifikante Verlangsamung aber genau genommen nicht gepruft. Daher solite die
der Lesegeschwindigkeit nach 1—2 Minuten Lesedauer, Bezeichnung LogMAR der Bestimmung der angularen
die beim Lesen von GroBdruck nicht nachgewiesen wer- Sehschärfe mit Einzeloptotypen vorbehalten bleiben,
den konnte. Die Bestimmung der Lesegeschwindigkeit urn Begriffsverwirrungen vorzubeugen. Wir haben da-
kann auch bei derAmblyopiebehandlung zur Dokumen- her für die Beschreibung des mit der neuen Lesetafel er-
tation des Heilungsverlaufes genützt werden (4, 14). hobenen Lesevisus einen neuen Terminus — nämlich
LogRAD ,,Reading Acuity Determination" — einge-
Für die Bestimmung der Lesegeschwindigkeit müssen führt.
definierte Texte verwendet werden. Wird mit unter-
schiedlichen Texten getestet, müssen diese vergleichbar Tm Deutschen (und das findet bei den Lesetafein Be-
sein. Die Vergleichbarkeit kann entweder durch eine rücksichtigung) werden im Gegensatz zum Englischen
gleiche Anzahl von Anschlagen oder durch eine Test- zusammengehorende Wörter in der Regel als lange, zu-
serie an einer Personengruppe definiert werden. Für sammengesetzte Einzelwörtern verwendet wie z. B.:
unsere Lesetafel entschieden wir (auch urn den Beson- Katzenauge vs. Cat's eye. (Dies wurde bei unseren Test-

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derheiten der deutschen Sprache leichter gerecht wer- sätzen mit dem zusammengesetzten, dreisilbigen Haupt-
den zu können) die Testsätze nach genauen Richtlinien wort berucksichtigt). Auch das Verb des Satzes ist drei-
zu erstellen und an einer Personengruppe zu eichen. In silbig. Somit verfugt die Lesetafel nicht nur Test-
den USA wurde von Mansfield et al. em englischer sätze, die bzgl. Satzlange, Satzbau, Wortlangen,
Lesetest entwickelt (MNRead Acuity Chart; 9), der Schwierigkeit und Niveau genau definiert sind, sondern
ebenfalls aus kurzen Sätzen aufgebaut und logarith- es wurden auch Besonderheiten der deutschen Sprache
misch abgestuft ist. Die dort verwendeten Sätze haben berucksichtigt (5). So wurde auch berücksichtigt, daB
zwar eine gleiche Anschlaganzahl (60), aber unter- sich beim Lesen von Texten em falsch gelesenes langes
schiedlich viele und verschieden lange Wörter (10—14). Wort sinnentstellender auswirkt als beispielsweise em
Zudem wurde die Vergleichbarkeit dieser Sätze nicht falsch gelesener Artikel. Um dies im Ergebnis starker zu
gepruft. Tm Gegensatz dazu wurden die für die vorlie- gewichten flieBt in die Berechnung des LogRAD-Scores
genden Lesetafein verwendeten Testsätze nicht nur nach (Lesevisus) die Silbenanzahl der falsch gelesenen Wör-
strengen Richtlinien ersteilt, sondern auch deren Ho- ter em. Tm Gegensatz dazu liegt der Errechnung eines
mogenitat (durch Prufung an vorerst 160 Personen) mit LogMAR-Scores für den Lesevisus, der mit der MN-
Trennschärfen zwischen 0,75 und 0,87 und einem extrem Read Acuity Chart (9) bestimmt wird, die Annahme zu-
hohen Gesamt-Cronbach-Alpha-Koeffizienten von 0,98 grunde, daB 60 Anschlage (inklusive Leerzeichen) Un-
nachgewiesen. Somit ist die Vergleichbarkeit der so ge- gefahr der Lange von 10 Standardwörtern entspricht
schaffenenTestitems (Testsätze) gegeben und genau de- (bei 10—l4Wortern pro Satz entsprache dies weniger als
finiert. 5 Buchstaben pro Wort!).

Ahn et al. (2) bestimmten mit dem MNRead-Test (em Für moderne wissenschaftliche Studien ist eine Visus-
Computersystem, das zur Bestimmung der Lesege- bestimmung in L0gMAR (6) unumganglich. Seh-
schwindigkeit kurze Satze verwendet) die Lesege- leistungen, die in einem logarithmischen System
schwindigkeit bei 40 Sehbehinderten. Diese Daten wur- (LogMAR, L0gRAD) definiert wurden, konnen stati-
den unter anderem mit den Lesegeschwindigkeiten ver- stisch nicht mit anderen mathematischen Darstellungs-
glichen, die diese Patienten mit ihren vergroBernden formen verglichen werden (z. B.: Snellen, Jager, ...). Mit
Sehhilfen beim Lesen eines gedruckten Textes erreich- der ,,Radner Lesetafel" ist es nun erstmals moglich
ten (150 Wörter). Es zeigte sich, daB die Ergebnisse bei- den Lesevisus (LogRAD-Score) mit dem Fernvisus
der Methoden abhangig von der Grunderkrankung zwi- (L0gMAR) statistisch zu vergleichen und dabei stren-
schen r = 0,69 und r = 0,85 korrelierten. Dies weist dar- gen wissenschaftlichen Anforderungen gerecht zu wer-
auf hin, daB mit kurzen Sätzen realistische Werte für die den. Weiters ermoglichen die ,,Radner Lesetafeln" eine
Lesegeschwindigkeit erreicht werden können. Wir exakte Dokumentation von therapiebedingten Veran-
konnten dies für unsere Lesetafeln in einer eigenen Stu- derungen der Lesefahigkeit einzelner Patienten sowie
die an 160 augengesunden Probanden nachweisen und den statistischen Vergleich von Krankheitsverläufen
zeigen, daB die Lesegeschwindigkeiten, die mit unseren verschiedener Patientengruppen. Dies war in dieser
statistisch selektierten Testsätzen erhoben wurden, Form bisher mit keiner Leseprobe moglich. Bei der im
extrem gut mit langen Texten (261 Wörter) Failbeispiel vorgesteilten Patientin konnte beispiels-
einstimmten (r = 0,89!; Publikation in Vorbereitung). weise die Verbesserung des Lesefahigkeit nach Verord-
Demnach sind die mit den ,,Radner Lesetafein" be- nung einer Kantenfilterbrille definiert festgehalten wer-
Bestimmung von Lesevisus und Lesegeschwindigkeit Kim Monatsbl Augenheilkd 1998; 213 181

Tab. 4 Durchschnittliche Lesegeschwindigkeiten (ø-w/min) und Standardabweichungen (SD-w/min) in Abhangigkeit von den Zeichengrallen
(L0gRAD + 0,9 bis — 0,2). Die Standardabweichung (SD-N/mm) stegt rn Verhältnis zum Durchschnitt (ø-w/min) mit kleiner werdenden Zei-
chengrallen an

LogRAD 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0 —0,1 —0,2

221 227 227 233 227 204 210 200 165 135 78 112
SD—w/min: 35 37 37 38 37 37 41 42 43 40 23 36
% SD von 0: 15,8% 16,3% 16,3% 16,3% 16,3% 18,1% 19,5% 21% 26% 29,6% 29,5% 32,1%
n=32 n=32 n=32 n=32 n=32 n=32 n=32 n=32 n=32 n=27 n=20 n=4

den, obwohl der Lesevisus bei unterschiedlichen Lese- Nach ersten klinischen Anwendungen laBt sich sagen,
distanzen gepruft wurde. daB sowohi die Durchfuhrung als auch die Auswertung
des Tests nicht langer dauert als jene bei den bekann-
Em Vergleich zwischen der angularen Sehscharfe und ten Leseproben. Die sehr einfache Berechnung des
dem Lesevisus ergab, daB LogMAR und L0gRAD mit LogRAD -Scores und der Lesegeschwindigkeit kann im
r 0,59 korrelieren. Somit besteht bei Augengesunden Kopf durchgefUhrt oder den Umrechnungstabellen ent-
em Zusammenhang zwischen der angularen Sehschärfe nommen werden. Die vorliegende Lesetafel ist zur de-
und dem Lesevisus. Weiters nahm die durchschnittliche finierten Bestimmung von Lesevisus und Lesege-
Lesegeschwindigkeit mit kleiner werdenden Zeichen- schwindigkeit geeignet und hierbei sogar äuBerst prak-
groBen ab (Tabelle 4). In Anbetracht der nachgewiesen tikabel.

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hohen Vergleichbarkeit der Testsätze kommt bei den
,,Radner Lesetafein" nur die abnehmende Zeichen-
groBe als Ursache für Veranderungen der Lesege-
schwindigkeit in Frage.

8
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