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Antonia Berger - Allgemeine Relativitätstheorie (Bachelorarbeit)
Antonia Berger - Allgemeine Relativitätstheorie (Bachelorarbeit)
Bachelorarbeit
Allgemeine Relativitätstheorie
mit einer Weiterbildung für Lehrkräfte
Abgabe: 22.09.2016
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 1
I Theorie 3
2 Vorrelativistische Physik 5
2.1 Newton’sche Mechanik und Gravitationstheorie . . . . . . . . . . . 5
2.2 Galilei’sches Relativitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
3 Spezielle Relativitätstheorie 11
3.1 Annahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
3.2 Lorentz-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
3.3 Minkowski-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
3.4 Längenkontraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
4 Riemann-Raum 25
4.1 Metrik im Riemann-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
4.2 Krümmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
4.3 Geodätengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
4.4 Paralleltransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
5 Allgemeine Relativitätstheorie 47
5.1 Äquivalenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
5.2 Lokales Inertialsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
5.3 Energie-Impuls-Tensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
5.4 Bianchi-Identität und Einstein-Tensor . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
5.5 Einstein’sche Feldgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
A Anhang 91
A.1 Metrischer Tensor in Kugelkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . 91
A.2 Herleitung des Ricci-Tensors in der Schwarzschild-Metrik . . . . . . 92
A.3 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
B Literaturverzeichnis 99
II Präsentation 103
„Dem Zauber dieser Theorie wird sich kaum
jemand entziehen können, der sie wirklich
erfaßt hat“ (Einstein 1915, S. 779).
1 Einleitung
1
1 EINLEITUNG
werden die mathematischen Grundlagen geschaffen. Nachdem wir die Ideen und
Gedankenexperimente Einsteins nachvollzogen haben, werden wir diese Kenntnisse
anwenden, um die Gravitation als eine Krümmung der Raumzeit in die bestehen-
de Theorie einzubetten. Als Höhepunkt der Arbeit werden sich die Einstein’schen
Feldgleichungen ergeben. Um die daraus folgenden Konsequenzen zu diskutieren,
erarbeiten wir zunächst eine konkrete Lösung dieser Gleichungen für den Spezial-
fall eines kugelsymmetrischen, statischen Gravitationsfeldes. Das erlaubt uns die
Diskussion der drei klassischen Tests: Rotverschiebung, Lichtablenkung und Pe-
riheldrehung des Merkurs. Auf weitere, dynamische Effekte werden wir nur einen
knappen Ausblick geben können, da dies den Umfang der Arbeit überschreiten
würde.
Zum Zwecke einer Übersicht wurde noch ein Glossar angehängt. Dieses verzichtet
bewusst auf Formeln und beschränkt sich stattdessen auf die Angabe der ent-
sprechenden Gleichungsnummer. Knappe Formulierungen sollen noch einmal die
wesentlichen Aspekte herausstellen. Die Verweise auf andere Begriffe sollen au-
ßerdem einen inneren Zusammenhang herstellen und einen Beitrag zur besseren
Vernetzung leisten.
Im zweiten Teil schließen sich Folien für eine Präsentation an, welche dem An-
spruch einer Weiterbildung für Lehrkräfte gerecht werden soll. Die mathematischen
Elemente sind dort auf das Notwendigste beschränkt und nur die wichtigsten For-
meln festgehalten. Zusätzlich kann die Präsentation für den Leser natürlich auch
als Übersicht im Vorhinein oder Zusammenfassung im Nachhinein gesehen werden.
Auch wenn bei der mündlichen Darstellung Informationen ergänzt werden können,
soll die Präsentation auch für sich allein stehend schlüssig sein.
Wir werden im Folgenden die Abkürzungen SRT und ART für die Spezielle und
die Allgemeine Relativitätstheorie gebrauchen.
2
Teil I
Theorie
2 Vorrelativistische Physik
Auf dem Weg zur Allgemeinen Relativitätstheorie ist es unerlässlich, einen Blick
auf die physikalischen Theorien zu werfen, die zur Zeit Einsteins allgemein akzep-
tiert waren und die er in entscheidendem Maße revolutionierte. Grundlage hierfür
bildet die Mechanik und Gravitationstheorie nach Isaac Newton. Im Jahr 1687 ver-
öffentlichte Newton sein Hauptwerk, die „Philosophiae naturalis principia mathe-
matica“. In diesem führte er die Forschungen Galileo Galileis zur Beschleunigung
und Johannes Keplers zu den Planetenbewegungen zu einer einheitlichen Gravita-
tionstheorie zusammen und formulierte mit den drei Grundgesetzen der Bewegung,
bekannt als die drei Newton’schen Axiome, die Grundlage der klassischen Mecha-
nik. Bei der Darstellung seiner Theorie folgen wir Kapitel 1 aus Fließbach (1995).
2
d ~r
F~ = m 2 . (2.1)
dt
Die Bewegung von N Massenpunkten, die sich gegenseitig durch Gravitation an-
ziehen, wird beschrieben durch
XN
d2~ri mi mj (~ri − ~rj )
mi = − G , (2.2)
dt2 j=1,j6=i
|~
r i −~
r j|
3
1
Fließbach (1995) folgend, nehmen wir an dieser Stelle bereits die Gleichheit von träger und
schwerer Masse an. Zu einer genaueren Diskussion gelangen wir in Abschnitt 5.1 dieser Arbeit.
5
2 VORRELATIVISTISCHE PHYSIK
Da es sich bei dem Gravitationsfeld nach der Theorie Newtons um ein konservatives
Kraftfeld handelt, gibt es ein skalares Gravitationspotenzial2 Φ, sodass sich die
Bewegungsgleichung folgendermaßen schreiben lässt:
d2~r
m ~ r)
= − m ∇Φ(~ (Newton’sche Bewegungsgleichung) . (2.3)
dt2
Für das Potenzial, welches sich aus Vergleich mit (2.2) ergibt, wollen wir nun eine
Verallgemeinerung finden. Dazu gehen wir über zu einem Integral, welches die
Beiträge infinitesimaler Massen dm = ρ(~r 0 ) d3 r0 aufsummiert,
X mj
Φ(~r) = − G
j
|~r − ~rj |
Z
ρ(~r 0 ) 3 0
= −G dr . (2.4)
|~r − ~r 0 |
= 4π G ρ(~r) . (2.5)
1
∆ = − 4π δ(~r − ~r 0 ) . (2.6)
~r − ~r 0
Es ergibt sich nämlich für ~r 0 = ~r ein unendlicher Wert, der aber wohldefiniert ist
in dem Sinne, dass das Volumenintegral nach Anwendung des Satzes von Gauß
−4π ergibt.
2
Entgegen der ansonsten in der Mechanik verwendeten Definition eines Potenzials V aus F~ =
~ ist die Masse m hier aus dem Potenzial herausgezogen (vgl. Fließbach 2015, S. 21).
−∇V
6
2.2 Galilei’sches Relativitätsprinzip
Die Feldgleichung, die durch das Gravitationspotenzial erfüllt wird, formuliert sich
damit zu folgender Poisson-Gleichung:
An dieser Stelle sei auf die Analogie der Gleichungen (2.3) und (2.7) zu Bewegungs-
und Feldgleichung der Elektrostatik hingewiesen3 ,
d2~r ~ e (~r) ,
m = − q ∇Φ
dt2
∆Φe (~r) = − 4π ρe (~r) . (2.8)
Trägheitsgesetz: Jeder Körper verharrt in seinem Zustand der Ruhe oder der
gleichförmig geradlinigen Bewegung, wenn er nicht durch einwirkende Kräfte
gezwungen wird, seinen Bewegungszustand zu ändern.
3
Siehe dazu auch Kapitel 6 aus Fließbach (2012).
4
Genau genommen ist an dieser Stelle die schwere Masse m auf der rechten Seite von (2.3)
gemeint (vgl. Abschnitt 5.1).
7
2 VORRELATIVISTISCHE PHYSIK
d2~r
=0. (2.9)
dt2
Ein Bezugssystem BS, in dem das Trägheitsgesetz gilt, nennen wir Inertialsystem
IS. Kein IS ist beispielsweise ein rotierendes BS. Dort treten zusätzliche Trägheits-
kräfte, sogenannte Scheinkräfte, auf. Dazu gehören beispielsweise die Zentrifugal-
und Corioliskraft. IS sind diejenigen BS, die gegenüber dem Fixsternhimmel ru-
hen oder sich relativ dazu mit konstanter Geschwindigkeit bewegen (vgl. Fließbach
2015, S. 9).
Berühmt ist die Argumentation Galileo Galileis, dass anhand von Bewegungsab-
läufen nicht zwischen einem ruhenden und einem sich mit gleichförmiger Geschwin-
digkeit bewegenden Schiff unterschieden werden könne. Damit widersprach er den
Einwänden der Vertreter des ptolemäischen Weltbildes, die Erde könne sich nicht
in Bewegung befinden (vgl. Galilei 1891, S. 198). Tatsächlich ist nur die Relativge-
schwindigkeit zu einem anderen IS bestimmbar, nicht jedoch die Absolutgeschwin-
digkeit. Damit ist kein IS vor den anderen ausgezeichnet. Galileis Überlegungen
lassen sich wie folgt zusammenfassen:
~x 0 = D ~x − ~v t + w
~ mit D ∈ O(3); ~v , w
~ ∈ R3 ,
t0 = λ t − b mit λ ∈ {±1}; b ∈ R . (2.10)
Wir müssen nun jedoch zeigen, dass auch K 0 das Kriterium eines IS erfüllt, wenn
dies für K der Fall ist.
8
2.2 Galilei’sches Relativitätsprinzip
Sei dazu K ein IS. Wir betrachten ein sich darin kräftefrei bewegendes Teilchen
der Masse m. Dann ist auch K 0 ein IS, denn
d2~x 0 d2
m = m (D ~x − ~v t + w)
~
dt02 (λ dt)2
d2~x d~v d2 w ~
=m D 2 − + 2
dt dt dt
2
d ~x
= mD 2
dt
=0. (2.11)
Hierbei ging im vorletzten Schritt ein, dass ~v und w ~ konstant sind und im letzten
Schritt schließlich, dass K nach Voraussetzung ein IS ist. Die Gruppe dieser Trans-
formationen heißt Galilei-Transformationen. Das Newton’sche Trägheitsgesetz ist
unter Galilei-Transformationen kovariant, d. h. es hat in zwei KS, die durch eine
solche Transformation auseinander hervorgehen, dieselbe Form. Falls keine Zeit-
umkehr vorliegt, also λ = +1, gilt die Kovarianz auch für die Bewegungsgleichung
(2.1) mit einer wirkenden Kraft F~ .5 Dies ist nicht zu verwechseln mit der Invarianz,
welche nicht zwingend vorliegt. Im Allgemeinen sind F~ (~r, ~r˙, t) und F~ 0 (~r 0 , ~r˙ 0 , t0 ) ver-
schiedene Funktionen ihrer Argumente (vgl. Fließbach 2015, S. 33).
Wir halten noch fest, dass durch die Galilei-Transformation der Abstand zwi-
schen zwei Punkten des Raumes erhalten bleibt. Das heißt insbesondere das Qua-
drat des Abstandes zwischen zwei infinitesimal entfernten Punkten P (x, y, z) und
Q(x + dx, y + dy, z + dz), berechnet nach der euklidischen Norm
−→
|P Q|2 = dx2 + dy 2 + dz 2 = δij dxi dxj , (2.12)
ist eine invariante Größe unter Galilei-Transformationen. Wir nennen diese Größe
das Wegelement ds2 . Darauf werden wir an geeigneter Stelle zurückkommen.
5 d2 ~
r
Die Bewegungsgleichung ist dagegen im Allgemeinen nur kovariant unter Zeitumkehr, falls dt02 =
F~ (~r) (vgl. Scheck 2007, S. 25).
9
3 Spezielle Relativitätstheorie
Dieses Kapitel ist zu sehen im Sinne einer Wiederholung der Grundlagen der SRT,
die für den weiteren Aufbau der Arbeit als notwendig erscheinen. Außerdem werden
formale Begriffe und Konzepte erarbeitet, die die Basis für eine spätere Verallge-
meinerung darstellen. Für eine umfassende Diskussion der SRT sei verwiesen auf
(Scheck 2007, Kap. 4), (Fließbach 2015, Kap. 9), (Ruder und Ruder 1993) und
(Beyvers und Krusch 2007).
3.1 Annahmen
Im Jahr 1864 gelang es James Clerk Maxwell alle Phänomene des Elektromagnetis-
mus, die im Laufe des 19. Jahrhundert nach und nach entdeckt wurden, mit seinen
berühmten Gleichungen zu beschreiben. Diese enthalten eine zentrale Konstante,
die Vakuumlichtgeschwindigkeit c. Zu dieser Zeit war noch die Ansicht vorherr-
schend, Licht brauche, genau wie mechanische Wellen, ein Medium, in dem es sich
fortpflanzt. Dieser sogenannte Äther fülle den ganzen Raum aus und stelle eine
Art ruhendes Bezugssystem dar, welches als absolut angesehen werden könne. Die
Transformation der Lichtgeschwindigkeit für verschiedene, relativ zu diesem Äther
gleichförmig bewegte BS, erfolge mit der Galilei-Transformation. Betrachten wir
die spezielle Galilei-Transformation zwischen zwei BS K und K 0 , die zum Zeit-
punkt t = 0 deckungsgleich und synchronisiert seien. K 0 bewege sich relativ zu K
in negative x-Richtung mit der konstanten Geschwindigkeit v > 0,
x0 = x + v t , y0 = y , z0 = z , t0 = t . (3.1)
Angenommen, K wäre das Ruhesystem des Äthers, dann würde für einen zum
Zeitpunkt t = 0 im Ursprung erzeugten Lichtblitz gelten x(t) = c t. In K 0 dagegen
würde man feststellen
Diese These wurde mit dem Experiment von Michelson und Morley (1887) end-
gültig widerlegt. Die Lichtgeschwindigkeit ist in allen IS, unabhängig von der Be-
wegungsrichtung, dieselbe.
11
3 SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE
6
Eine streng analytische Herleitung der Kovarianz der Maxwell-Gleichungen unter Lorentz-
Transformationen findet sich in Kapitel 2.2.4 aus Scheck (2010).
7
Einstein schrieb über Lorentz: „Ich bewundere diesen Mann wie keinen anderen, ich möchte
sagen, ich liebe ihn“ (Pais 1986, S. 168).
12
3.2 Lorentz-Transformation
3.2 Lorentz-Transformation
Die folgende Darstellung ist orientiert an Kapitel 34 aus Fließbach (2015). Gesucht
ist nun also eine Transformation zwischen zwei IS, die die Galilei-Transformation
ersetzt und die Konstanz der Vakuum-Lichtgeschwindigkeit impliziert. Wir be-
trachten dazu zwei IS K und K 0 . Zum Zeitpunkt t werde in K ein Lichtblitz am Ort
(x, y, z) erzeugt. Wird dieser zum Zeitpunkt t+∆t am Ort (x+∆x, y+∆y, z + ∆z)
registriert, so muss nach dem pythagoräischen Lehrsatz gelten:
Für die Koordinaten in K 0 gilt wegen der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit genau
derselbe Zusammenhang. Übergang zu infinitesimalen Raum- und Zeitabständen
führt auf die Bedingung
in allen IS. Diese Größe ersetzt unser Wegelement aus (2.12) und soll unter der
gesuchten Transformation invariant sein:
Solch eine unter einer Lorentz-Transformation invariante Größe nennen wir Lorentz-
Skalar. An dieser Stelle führen wir eine neue Schreibweise ein: (xα ) = (x0 , x1 , x2 , x3 ) =
(c t, (xi )) = (c t, x, y, z).8 Es handelt sich hierbei um einen sogenannten „Welt-
punkt“.
Außerdem definieren wir den metrischen Tensor9 des Minkowski-Raumes, ηαβ , des-
sen Komponenten durch die folgende Matrix gegeben sind10 :
1 0 0 0
0 −1 0 0
{ηαβ } =
0 0 −1 0 . (3.6)
0 0 0 −1
8
Wir sprechen bei einem solchen Objekt auch von Vektor, obwohl es sich streng genommen um
dessen Koeffizienten in der gegebenen Basis handelt.
9
Die Bezeichnung werden wir in Abschnitt 3.3 noch rechtfertigen.
10
Hier gibt es verschiedene Konventionen. Multiplikation von (3.4) mit (−1) führt auf umgekehrte
Vorzeichen. Wir orientieren uns an Fließbach (1995).
13
3 SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE
Er ersetzt in (2.12) den metrischen Tensor δij der euklidischen Metrik. Diese For-
malisierungen ermöglichen nun eine kompaktere Schreibweise des Wegelements aus
(3.5),
ds2 = ηαβ dxα dxβ . (3.7)
An dieser Stelle machen wir erstmals Gebrauch von der Einstein’schen Summen-
konvention (vgl. Einstein 1916, S. 781). Das heißt, sofern nicht explizit anders
gefordert, wird über oben und unten je einmal auftretende Indizes summiert.
Bei lateinischen Buchstaben laufe die Summe von 1 bis 3 und bei griechischen
Buchstaben von 0 bis 3. Ausgeschrieben steht in (3.7) also nichts anderes als
P3
ds2 = ηαβ dxα dxβ . Diese Indizes werden, im Gegensatz zu den freien Indizes,
α,β=0
auch stumme Indizes genannt und können beliebig umbenannt werden. Die frei-
en Indizes müssen auf je zwei Seiten einer Gleichung in Buchstaben und Position
übereinstimmen, das sogenannte Indexbild muss korrekt sein. Ist eine Gleichung
für xα notiert, so ist gemeint, sie gilt für alle Komponenten 0 ≤ α ≤ 3.
Wir fordern Homogenität und Isotropie von Raum und Zeit, das heißt, dass die
Transformation überall dieselbe ist und keine Richtung gegenüber den anderen
ausgezeichnet ist. Darum machen wir einen linearen Ansatz für die gesuchte Trans-
formation,
x0α = Λα β xβ + bα , (3.8)
ΛT ηΛ = η . (3.9)
Die Transformationen aus (3.8), die diese Bedingung erfüllen, bilden die 10-para-
metrige Poincaré-Gruppe. Dazu gehören insbesondere räumliche Drehungen und
die Paritätstransformation sowie Verschiebungen. Analog zur Galilei-Gruppe ge-
hören auch Zeitumkehr und -verschiebung dazu. Die Lorentz-Gruppe bildet eine
Untergruppe für b = 0 .
14
3.2 Lorentz-Transformation
Der wichtige Unterschied zur Galilei-Gruppe liegt in der Transformation für die Re-
lativbewegung zwischen zwei IS. Wir geben also die spezielle Lorentz-Transforma-
tion an für den Fall, dass sich die Koordinatenachsen von K und K 0 zum Zeitpunkt
t = 0 decken und auch die Zeit t0 = 0 synchronisiert ist. Die Relativbewegung von
K 0 erfolge in positive x-Richtung, sodass wir annehmen können y = y 0 und z = z 0 .
Die Transformationsmatrix ist in diesem Fall gegeben durch11
γ −γβ 0 0
−γβ γ 0 0 1 v
{Λ β } =
α
0
mit γ := p und β := . (3.10)
0 1 0 1 − β2 c
0 0 0 1
Für die inverse Transformation schreiben wir {Λα β } := {Λα β }−1 . Dabei bezeichne
der jeweils obere Index die Zeile und der untere die Spalte. Damit gilt
Λγ β Λγ α = Λα γ Λβ γ = δβα . (3.11)
11
Eine detaillierte Herleitung findet sich in (Fließbach 2015, S. 295).
12
In der Literatur sind für die inverse Matrix auch die Schreibweisen {Λ−1 }α
β in Scheck (2007)
oder Λ̃α
β in Fließbach (1995) gebräuchlich.
15
3 SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE
„Henceforth space by itself, and time by itself, are doomed to fade away
in mere shadows, and only a kind of union of the two will preserve an
independent reality.“
3.3 Minkowski-Raum
Newtons Interpretation von Zeit und Raum kann dargestellt werden als R × R3 .
Diese grundlegende Struktur spiegelt sich auch in den Galilei-Transformationen
aus (2.10) wider. Indem Einstein eine gegenseitige Abhängigkeit zuließ und die-
se auch physikalisch interpretierte, führte er beide zu einem vierdimensionalen
Raum-Zeit-Kontinuum, dem Minkowski-Raum, zusammen. Diese strukturelle Ent-
wicklung zeigt sich schon im Ansatz (3.8). Der vierdimensionale Vektorraum ist
ausgestattet mit einer charakteristischen Metrik, das heißt einer Vorschrift, verall-
gemeinerte Abstände in diesem Raum zu bestimmen. Wir haben die Minkowski-
Metrik in Abschnitt 3.2 bereits kennengelernt.
Minkowski-Metrik
16
3.3 Minkowski-Raum
zu der Bilinearform gehörende darstellende Matrix hat bezüglich dieser Basis die
Form {ηαβ } = {h~eα , ~eβ i}. Denn seien xα ~eα , y β ~eβ ∈ R4 beliebige Vektoren, dann
gilt wegen der Bilinearität
Anstelle von h~eα , ~eβ i wird auch die gleichbedeutende Schreibweise ~eα ·~eβ verwendet
und wir bezeichnen die Bilinearform als indefinites Skalarprodukt.
Aus (3.6) kennen wir die Einträge der Matrix
1 0 0 0
0 −1 0 0
{ηαβ } =
0 0 −1 0 (3.14)
0 0 0 −1
in kartesischen Koordinaten. Die Einträge sind abhängig von den gewählten Basis-
vektoren. In Kugelkoordinaten mit Koordinatendifferentialen dt, dr, dθ, dϕ ergibt
sich14 :
1 0 0 0
0 −1 0 0
{ηαβ } = . (3.15)
2
0 0 −r 0
2 2
0 0 0 −r sin θ
Diese Metrik induziert für alle xα ~eα ∈ R4 eine Norm15 des Minkowski-Raumes auf
die übliche Weise,
||xα ~eα ||2 = hxα ~eα , xβ ~eβ i = xα xβ h~eα , ~eβ i = xα xβ ηαβ , (3.16)
sodass sich für den Abstand zweier infinitesimal voneinander entfernter Weltpunk-
te gerade ds2 = ||ds||2 aus (3.5) ergibt.
Da es sich nicht um eine Norm im mathematischen Sinne handelt, treten der aus
der euklidischen Norm gewonnenen Intuition widersprechende Effekte auf. So kann
14
Die Herleitung befindet sich in Anhang (A.1).
15
Es handelt es sich nicht um eine Norm im mathematischen Sinne, da weder die Definitheit
noch die Subadditivität erfüllt sind.
17
3 SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE
der Abstand zwischen zwei Weltpunkten imaginär sein oder der Abstand verschie-
dener Punkte kann null werden.
Eine charakteristische Eigenschaft des Minkowski-Raumes, die für die spätere Ver-
allgemeinerung aufgegeben werden muss, ist die Koordinatenunabhängigkeit von
{ηαβ } in kartesischen Koordinaten. Das heißt, die Vorschrift, wie Abstände zwi-
schen Weltpunkten gemessen werden, ist überall dieselbe.
Objekte, die wir zum Aufstellen weiterer Rechenregeln noch benötigen werden,
sind die zu ~eα dualen Basisvektoren ~e α .16 Diese sind Elemente des Dualraumes17
und sind definiert über die Eigenschaft
Für die Komponenten eines Vektors xα ~eα bezüglich der dualen Basis schreiben wir
xα . Aus der Dualität der Basisvektoren ergibt sich die Projektion
ebenso wie
xα = h~x, ~e α i . (3.19)
Tensoren im Minkowski-Raum
Wir nennen jede Größe V α , die sich bei Koordinatentransformationen wie dxα in
(3.20) transformiert,
V 0α = Λα β V β , (3.21)
16
In der Literatur werden diese Basisvektoren auch als 1-Formen bezeichnet und mit ω dargestellt.
Für eine mathematische Einführung in die Tensorrechnung verweisen wir auf Kapitel 3 in Oloff
(2002) oder Kapitel 2.4 aus Zeidler (2013a).
17
Siehe dazu Kapitel 2.3.5 in Zeidler (2013a).
18
3.3 Minkowski-Raum
kontravariante Komponente eines Vektors. Betrachten wir nun die Vektoren selbst.
Diese Objekte sollen bei Koordinatentransformationen unverändert bleiben. Be-
züglich einer anderen Basis unterliegen die Komponenten des Vektors aber einer
Veränderung. Aus
!
V~ 0 = V 0α ~e 0α = V β ~eβ = V~ (3.22)
~e 0α = Λα β ~eβ . (3.23)
Ein kontravarianter Tensor19 T α1 ...αr der Stufe r ist eine r-fach indizierte Größe,
die sich bezüglich jedes einzelnen Index transformiert gemäß
Ein kovarianter Tensor Tα1 ...αr der Stufe r ist eine r-fach indizierte Größe, die
sich bezüglich jedes einzelnen Index transformiert gemäß
An dieser Stelle hat die Bezeichnung „kovariant“ nichts mit der „Kovarianz“ im Sin-
ne einer Forminvarianz von Gleichungen, wie wir sie beispielsweise in Abschnitt
2.2 gefordert haben, zu tun.
Tensoren nullter Stufe nennen wir auch Skalare und Tensoren erster Stufe Vekto-
ren. Insbesondere sind die Basisvektoren wegen (3.23) selbst kovariante Vektoren
und die Elemente der dualen Basis kontravariante Vektoren, damit die Dualität
unter Koordinatentransformation erhalten bleibt.
18
In Abschnitt 4.1 wird eine entsprechende Verallgemeinerung folgen.
19
3 SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE
Ein weiteres Beispiel für einen Tensor erster Stufe stellt die zu einem Viererortsvek-
tor20 (xα ) gehörige Vierergeschwindigkeit21 (uα ) eines massebehafteten Teilchens
dar:
∂xα ∂ (3.10) ∂
uα := ⇒ (uα ) = (ct, xi ) = γ (ct, xi ) = γ (c, v i ) , (3.26)
∂τ ∂τ ∂t
Diese erfüllt die Eigenschaft eines kontravarianten Tensors erster Stufe aus (3.24).
Durch die Einträge der Matrix {ηαβ } wird ein kovarianter Tensor zweiter Stufe
definiert, der metrische Tensor. An dieser Stelle soll diese Bezeichnung an Hand
der Definition eines Tensors gerechtfertigt werden. Es ist ds2 ein Lorentz-Skalar
nach Definition der Lorentz-Transformation in (3.9), d.h. für beliebige Vektoren
(aα ), (bβ ) gilt:
!
ds0 2 = ds2
(3.24) !
⇔ 0
ηαβ a0α b0β = ηαβ
0 0
Λα θ aθ Λβ ε bε = ηθε Λθ α aα Λε β bβ = ηαβ aα bβ . (3.28)
0
ηαβ = Λθ α Λε β ηθε . (3.29)
(3.11)
0
Λγ α Λδ β ηαβ = Λγ α Λδ β Λθ α Λε β ηθε 0
= δγθ δδε ηθε 0
= ηγδ . (3.30)
20
Streng genommen müssten wir stets von ko- und kontravarianten „Komponenten des Vektors“
sprechen.
21
Bei der Definition folgen wir Scheck (2010). Es gibt verschiedene Konventionen. Die Definition
in Ryder (2009) unterscheidet sich beispielsweise um den Faktor 1c .
20
3.3 Minkowski-Raum
Nach (3.25) ist ηαβ damit ein kovarianter Tensor zweiter Stufe. Insbesondere ist
(3.9)
0
ηγδ = Λγ α Λδ β ηαβ = ηγδ (3.31)
und damit ηαβ nach Definition der Lorentz-Transformation unter ebendieser invari-
ant, d. h. die Werte der Komponenten ändern sich nicht unter Lorentz-Transforma-
tion. Die Komponenten des kontravarianten metrischen Tensors seien in Analogie
zu denen des kovarianten durch
η αβ := h~e α , ~e β i (3.32)
gegeben. Für das Heben des Index eines kovarianten Basisvektors finden wir die
folgende Regel:
(3.17)
h~e α , ~e β i = η αβ = η αγ δγβ = η αγ h~eγ , ~e β i = hη αγ ~eγ , ~e β i
⇔ ~e α = η αγ ~eγ . (3.33)
Daraus ergibt sich für den Zusammenhang zwischen den Komponenten des ko-
und kontravarianten metrischen Tensors,
(3.33) (3.17)
η αγ ηγβ = η αγ h~eγ , ~eβ i = hη αγ ~eγ , ~eβ i = h~e α , ~eβ i = δβα . (3.34)
(3.18)
xα = hxβ ~eβ , ~eα i = xβ h~eβ , ~eα i = xβ ηβα , (3.35)
(3.19)
xα = hxβ ~e β , ~e α i = xβ h~e β , ~e α i = xβ η βα . (3.36)
21
3 SPEZIELLE RELATIVITÄTSTHEORIE
3.4 Längenkontraktion
Eine Konsequenz aus der SRT, die unserer Intuition widerspricht, da sie nicht Teil
der täglichen Erfahrungswelt ist, ist die Längenkontraktion. Dazu betrachten wir
zwei IS K und K 0 , wobei K 0 sich relativ zu K mit konstanter Geschwindigkeit v in
positive x-Richtung bewegt. Es sei außerdem ein in K ruhender Stab gegeben. Zum
Zeitpunkt t = 0 seien die Koordinatenachsen von K und K 0 deckungsgleich und
die Zeit synchronisiert, sodass auch t0 = 0. Wir betrachten die beiden Weltpunkte
Anfang x und Ende y des Stabes in beiden IS. Der Einfachheit halber beschränken
wir uns auf die x0 - und x1 -Komponente. Wir finden
x = (c · 0, 0) , y = (c · 0, l0 ) ,
x0 = (c · 0, 0) , y 0 = (c · t, l) , (3.37)
wobei l0 die Länge des Stabes in seinem Ruhesystem beschreibt und l die aus dem
relativ zu ihm bewegten System. Die spezielle Lorentz-Transformation aus (3.10)
liefert
! ! !
ct γ −γβ 0
= ⇔ l = γ l0 . (3.38)
l −γβ γ l0
Als Fazit halten wir fest, dass der Stab aus Sicht des relativ zu ihm bewegten IS in
Richtung der Bewegung um den Faktor γ verkürzt ist. Bei den Geschwindigkeiten
v c unserer Erfahrungswelt bemerken wir diesen Effekt nicht. In der nichtrela-
tivistischen Näherung gilt nämlich wieder γ ≈ 1, sodass der Effekt verschwindet.
Noch 1911 musste Einstein erklären:
Als experimentelle Bestätigung kann man den hohen Anteil an Myonen sehen, die
die Erdoberfläche erreichen. Sie entstehen in einer Höhe von 10 km über der Erd-
22
3.4 Längenkontraktion
oberfläche aus der Reaktion von Teilchen der kosmischen Strahlung mit Atomker-
nen der oberen Atmosphäre und nähern sich der Erdoberfläche mit einer Geschwin-
digkeit von ca. 0.998 c. Auf Grund ihrer kurzen durchschnittlichen Lebensdauer von
2.2 µs würden sie die Erdoberfläche nur mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit
erreichen. Der tatsächlich detektierte Anteil liegt weit über dem Erwartungswert.
Im Ruhesystem des Myons kann die Situation so interpretiert werden, dass sich
die Erde auf es zu bewegt. Die 10 km, die es aus unserer Sicht zurückzulegen hat,
erscheinen aus seiner Sicht verkürzt. Es erreicht die Erdoberfläche innerhalb seiner
Lebensdauer also mit größerer Wahrscheinlichkeit (vgl. Beyvers und Krusch 2007,
S. 47).
23
4 Riemann-Raum
„Aber das eine ist sicher, daß ich mich im Leben noch nicht so geplagt
habe und daß ich große Hochachtung für die Mathematik eingeflößt
bekommen habe, die ich bis jetzt in ihren subtilen Teilen in meiner
Einfalt für puren Luxus ansah!“,
schrieb Einstein im Jahr 1915 nach Vollendung seiner Arbeit an der ART (Pais
1986, S. 216). Zum Aufstellen der ART ist die Mathematik kein purer Luxus, son-
dern bildet die notwendige Grundlage zu deren Beschreibung. Darum werden auch
wir uns in diesem Kapitel zunächst dem mathematischen Objekt des Riemann-
Raumes zuwenden, die neuen Erkenntnisse jedoch stets an Beispielen konkretisie-
ren.
Der Riemann-Raum22 ist eine differenzierbare Mannigfaltigkeit, ausgestattet mit
einem metrischen Tensor gµν (x) = h~e µ , ~e ν i, der in jedem Punkt das Skalarprodukt
je zweier Basisvektoren definiert. Betrachten wir zunächst noch einmal den Begriff
der differenzierbaren Mannigfaltigkeit, die in unserem Fall die Dimension vier hat.
Diese Definition impliziert insbesondere, dass unser Raum lokal aussieht wie der
R4 . Diese Eigenschaft ist direkt vergleichbar mit unserer Erdoberfläche als zwei-
dimensionale Mannigfaltigkeit, die sich im Ganzen nicht auf eine flache Karte ab-
bilden lässt. Sobald man zwei oder mehr Karten zulässt, ist es jedoch möglich, sie
vollständig auf die Gesamtheit der Karten abzubilden. Auf jeder einzelnen Karte
ist dann nur noch ein Teil der Erdoberfläche zu sehen.23 Sollten die Karten sich
22
Da unsere Metrik nicht alle Axiome erfüllt, müssten wir eigentlich von einem pseudoriemann-
schen Raum sprechen. Diese Unterscheidung soll uns aber nicht weiter kümmern. Für eine
mathematisch umfassende Diskussion verweisen wir auf Kapitel 16 aus (Zeidler 2013b).
23
Konkrete Abbildungen sind nachzuvollziehen in (Scheck 2007, S. 273).
25
4 RIEMANN-RAUM
∂gµν (x0 )
gµν (x0 ) = ηµν , =0. (4.1)
∂xλ
24
Auch gebräuchlich sind unter anderem die Bezeichnungen Gauß’sche Koordinaten in Scheck
(2010) oder Lorentz-Koordinaten in Schutz (1985).
26
4.1 Metrik im Riemann-Raum
xν = xν (x0µ ) . (4.3)
∂x0µ ν ∂xµ 0ν
0µ
dx = ν
dx = αµ ν (x) dxν , dx = µ
0ν
dx = αν µ (x0 ) dx0ν , (4.4)
∂x ∂x
∂x0µ ∂xµ
µ
{α ν (x)} := , µ 0 µ
{αν (x )} := {α ν (x)} −1
= . (4.5)
∂xν ∂x0ν
und analog
αλ µ αλ ν = δµν . (4.7)
27
4 RIEMANN-RAUM
Ein kontravarianter Tensor T µ1 ...µr der Stufe r ist eine r-fach indizierte Größe,
die sich bezüglich jedes einzelnen Index transformiert gemäß
Ein kovarianter Tensor Tµ1 ...µr der Stufe r ist eine r-fach indizierte Größe, die
sich bezüglich jedes einzelnen Index transformiert gemäß
Auch im Riemann-Raum fordern wir wieder die Invarianz des Wegelementes und
bestimmen daraus das Transformationsverhalten des metrischen Tensors:
(4.4)
ds2 = gµν (x) dxµ dxν = gµν (x) ακ µ (x0 ) dx0κ αλ ν (x0 ) dx0λ
! 0
= gκλ (x0 ) dx0κ dx0λ = ds02
0
⇔ gκλ (x0 ) = gµν (x) ακ µ (x0 ) αλ ν (x0 ) . (4.10)
Auch hier handelt es sich bei gµν (x) also wieder um einen kovarianten Tensor zwei-
ter Stufe. Im Gegensatz zu dem metrischen Tensor des Minkowski-Raumes hängen
die Koordinatentransformationen aber über keine Bedingung mit dem metrischen
Tensor zusammen. Im Allgemeinen ist gµν (x) daher nicht invariant unter der je-
weiligen Transformation.
25
Mit dem Riemann-Raum haben wir die mathematische Struktur des Vektorraumes allerdings
verlassen. Unsere Objekte sind jetzt definiert in den beiden, an jedem Punkt angehefteten,
4-dimensionalen Vektorräumen, dem Tangentialraum, dessen Basis gebildet wird durch { ∂x∂ µ }
und dem dazu dualen Kotangentialraum mit Basis {dxµ } (vgl. Scheck 2010, Kap. 6.3).
28
4.1 Metrik im Riemann-Raum
Für die Komponenten des kontravarianten metrischen Tensors gilt analog zu (3.34)
Die Definition als rein ko- oder kontravarianter Tensor δµν oder δ µν ist jedoch nicht
sinnvoll, da dies unter Beibehaltung der Komponenten nicht mit den Regeln für
das Heben und Senken der Indizes
xµ = xν gµν , xµ = xν g µν , (4.13)
analog zu (3.36) und (3.35) vereinbar ist.26 Das Kronecker-Delta wird darum immer
nur als gemischter Tensor auftauchen.
Zum Abschluss dieses Abschnittes findet sich in Tab. 1 eine Übersicht über alle
drei mathematischen Räume, mit denen wir uns bis hierhin auseinandergesetzt
haben.
26
Eine Ausnahme bildet der euklidische Raum, wo δij selbst den metrischen Tensor darstellt.
29
4 RIEMANN-RAUM
4.2 Krümmung
Wir werden sehen, dass wir zur Hinführung auf die ART in ebendiesen Riemann-
Raum übergehen müssen. Ein koordinatenabhängiger metrischer Tensors wie der
des Riemann-Raumes erzeugt im Allgemeinen einen gekrümmten Raum.27 Doch
was ist eigentlich ein gekrümmter Raum? Einen Raum, in dem die Gesetze der
euklidischen Geometrie nicht gelten, nennen wir intrinsisch gekrümmt. Jeder hat
wohl ein intuitives Verständnis davon, was es bedeutet, wenn eine Fläche gekrümmt
ist. Dabei ist die zweidimensionale Fläche meistens eingebettet in unseren dreidi-
mensionalen Raum. Wie aber könnte eine „flache“ Ameise, die in solch einer Fläche
lebt, feststellen, ob diese gekrümmt ist?
Nehmen wir als Beispiel eine Kugeloberfläche. Angenommen die Ameise zeichnet
einen Kreis und misst dessen Radius r sowie Umfang U . Sie wird nicht den aus
der euklidischen Geometrie in der Ebene gewohnten Zusammenhang U = 2πr kon-
statieren, sondern stattdessen U < 2πr. Ähnlich verhielte es sich, würde sie ein
Dreieck zeichnen und dessen Winkel ausmessen. Die Winkelsumme auf der Sphä-
re ist stets größer als 180◦ . Dabei soll allerdings darauf aufmerksam gemacht sein,
dass die Abweichung von der euklidischen Geometrie in der Umgebung eines Punk-
tes beliebig klein wird. Das Gebiet, welches die Ameise vermisst muss hinreichend
groß sein, damit sie den Unterschied feststellen kann. Als weiteres Beispiel für eine
intrinsisch gekrümmte Fläche sei ein Hyperboloid genannt.
Ein weiteres Merkmal eines gekrümmten Raumes ist, dass das Parallelenaxiom
der euklidischen Geometrie nicht mehr gültig ist. Die Wege zweier Ameisen, die
an verschiedenen Orten loslaufen ohne je ihre Richtung zu ändern, werden sich,
sofern sie nicht auf demselben Weg laufen, früher oder später begegnen.
Wir unterscheiden die intrinsische von der extrinsischen Krümmung, wie sie bei-
spielsweise bei einem Zylindermantel vorliegt. Über einfache Größenmessung wür-
de die Ameise hier keine Krümmung bemerken. Es handelt sich ja lediglich um
eine eingerollte Ebene. Die Struktur, über die die einzelnen Punkte miteinander
verbunden sind, erfährt dadurch keine Veränderung. Die Metrik ist hier dieselbe
27
Dies gilt jedoch nicht notwendigerweise, wie wir am Beispiel des metrischen Tensors des
Minkowski-Raumes in Kugelkoordinaten in (3.15) gesehen haben.
30
4.2 Krümmung
wie in der euklidischen Ebene, es handelt sich in dieser Hinsicht immer noch um
einen flachen Raum (vgl. Göbel 2014, Kap. 3.4).
In einem Gedankenexperiment wollen wir noch ein weiteres Beispiel eines auf den
ersten Blick nicht gekrümmten Raumes betrachten, nämlich eine flache, gleich-
mäßig rotierende Scheibe. Ein über dem Mittelpunkt schwebender Beobachter,
der gegenüber dem Fixsternhimmel ruht, misst wieder Radius und Umfang. Da
der Radius an jedem Ort senkrecht zur Bewegungsrichtung steht, erfährt er keine
Veränderung. In einer hinreichend kleinen Umgebung bewegt sich dagegen jeder
Abschnitt des Randes für eine hinreichend kurze Zeit annähernd geradeaus. In
diesem Falle gelten die Regeln der SRT und nach Abschnitt 3.4 erscheint der Um-
fang, im Vergleich zu der Messung eines auf der Scheibe ruhenden Beobachters,
verkürzt. Das heißt, der über dem System schwebende Beobachter würde auch zu
dem Schluss kommen, dass 2π r > U . Das beschleunigte BS ist gekrümmt (vgl.
Beyvers und Krusch 2007, S. 126).
Dies wollen wir noch quantitativ bestätigen, indem wir den metrischen Tensor
gµν (x) auf der rotierenden Scheibe bestimmen (vgl. Fließbach 1995, S. 51).
Die Koordinatentransformation von IS K zu einem gleichförmig rotierenden BS
K 0 ist gegeben durch:
x = x0 cos(ω t0 ) − y 0 sin(ω t0 ) , z = z0 ,
y = x0 sin(ω t0 ) + y 0 cos(ωt0 ) , t = t0 . (4.14)
Die Komponenten des metrischen Tensors erhalten wir aus dem Wegelement
31
4 RIEMANN-RAUM
Wir beachten, dass wir die Koeffizienten bezüglich x0 0 = c t0 suchen und lesen ab,
ω2 2ωy 0 −2ωx0
1− c2
(x02 + y 02 ) c c
0
2ωy 0
−1 0 0
{gµν (x )} =
0
c . (4.16)
−2ωx0
c
0 −1 0
0 0 0 −1
2Φ
g00 = 1 + , (4.17)
c2
4.3 Geodätengleichung
Betrachten wir ein nicht-homogenes Gravitationsfeld wie das unserer Erde. Wenn
wir in sehr großer Entfernung zwei Gegenstände fallen lassen, sodass deren Bahn-
kurven in unserem kleinen Ausschnitt des Weltalls parallel beginnen, so bleiben
diese im Allgemeinen nicht parallel. Mit geringer werdender Entfernung zur Erde,
wird auch der Abstand zwischen den beiden Gegenständen geringer. Dies ist ein
Merkmal eines gekrümmten Raumes (vgl. Schutz 1985, S. 125).
Nach Newton bewegt sich ein Teilchen im kräftefreien Fall von einem Punkt zum
anderen stets auf einer Geraden, der kürzesten Verbindung zwischen zwei gege-
benen Punkten. Die Bahnkurve minimiert den euklidischen Abstand. Wie aber
bewegt sich ein Teilchen im gekrümmten Raum? Bedingung soll auch hier sein,
dass der verallgemeinerte Abstand zwischen je zwei Punkten minimiert wird. Da
unsere Messvorschrift für den Abstand, gegeben durch den metrischen Tensor aber
nur lokale Gültigkeit besitzt, müssen wir den Abstand zwischen je zwei infinitesimal
voneinander entfernten Punkten betrachten und über alle diese Abstände integrie-
28
Wegen des zeitlich konstanten Potenzials ist das Feld in diesem Fall statisch, auch wenn es sich
um ein rotierendes BS handelt.
32
4.3 Geodätengleichung
ren. Der zu minimierende Abstand ist jeweils gegeben durch die positive Wurzel
√
aus unserem Wegelement ds2 des Riemann-Raumes. Die sich daraus ergebende
Gleichung heißt Geodätengleichung. In ihr finden wir die Verallgemeinerung der
Newton’schen Bewegungsgleichung (2.3) für einen beliebigen Raum, dessen Metrik
durch den metrischen Tensor festgelegt ist. Bei der Herleitung orientieren wir uns
an Kapitel 4.1.2 aus Ryder (2009).
Wir betrachten die Bogenlänge29 s zwischen zwei gegebenen Punkten P und Q des
Riemann-Raumes,
ZQ ZQ q
s= ds = gµν (x) dxµ dxν . (4.18)
P P
Die Kurve sei parametrisiert mit einem Parameter λ, also xµ = xµ (λ) mit
µ
P = xµ (λ1 ) und Q = xµ (λ2 ).30 Setze ẋµ := dx
dλ
und damit
Zλ2 q
s= gµν (x)ẋµ ẋν dλ . (4.19)
λ1
Analog zum Prinzip der kleinsten Wirkung gehen wir davon aus, dass die physi-
R R
kalische Bahn δ ds = 0 ⇒ δ ds2 = 0 erfüllt. Dafür muss der Integrand
29
Bogenlänge ist an dieser Stelle ein abstrakter Begriff. Da unsere Metrik nicht positiv definit ist,
kann die Bogenlänge auch imaginär werden. Sie ist an dieser Stelle nicht mit einer anschaulichen
Kurvenlänge identifizierbar.
30
λ kann interpretiert werden als Bogenlänge s von P ausgehend oder für massebehaftete Teil-
chen als die im Ruhesystem vergangene Zeit τ . Bei Photonen, die kein Ruhesystem haben, ist
Letzteres nicht möglich.
33
4 RIEMANN-RAUM
Wir berechnen
∂L
= gµν,λ (x) ẋµ ẋν ,
∂xλ
∂L
= 2 gµλ (x) ẋµ ,
∂ ẋλ
d ∂L
= 2 gµλ,κ (x) ẋκ ẋµ + 2 gµλ (x) ẍµ . (4.22)
dλ ∂ ẋλ
1
0 = − g λρ gµν,λ ẋµ ẋν + g λρ gµλ,κ ẋκ ẋµ + g λρ gµλ ẍµ . (4.24)
2
Den zweiten Term spalten wir in zwei Hälften, wobei wir bei der zweiten eine
Umbenennung µ ↔ κ durchführen. Im dritten Term nutzen wir die Identität aus
(4.11),
1 λρ µ κ 1 λρ 1 λρ
0 = − g gµκ,λ ẋ ẋ + κ µ µ κ
g gµλ,κ ẋ ẋ + g gκλ,µ ẋ ẋ + δµρ ẍµ
2 2 2
1
= g λρ (−gµκ,λ + gµλ,κ + gκλ,µ ) ẋκ ẋµ + ẍρ . (4.25)
2
Den durch den metrischen Tensor bestimmten Faktor fassen wir unter dem Namen
Christoffel-Symbol zusammen:
1 λρ
Γρµκ := g (−gµκ,λ + gµλ,κ + gκλ,µ ) (Christoffel-Symbol) . (4.26)
2
34
4.3 Geodätengleichung
Aus der Vertauschung der beiden Summanden positiven Vorzeichens folgt direkt
die Symmetrie des Christoffel-Symbols bezüglich Vertauschung der beiden unteren
Indizes. Wir halten fest,
Göbel (2014) liefert in Kapitel 6.2 einen anderen Zugang zu den Christoffel-Symbo-
len, der auch anschaulich interpretiert werden kann: Γµκ ist ein Größe, die die
Veränderung des Basisvektors ~eµ bei Verschiebung in ~eκ Richtung angibt. Γρµκ
bezeichnet deren einzelne Komponenten,
∂~e µ
κ
= −Γµνκ~e ν . (4.30)
∂x
Dass diese Definition tatsächlich auf denselben Zusammenhang mit der Metrik
führt, zeigt folgende Rechnung:
(3.35)
~eµ = gµν ~e ν
∂
∂xκ
⇔ ~eµ,κ = gµν,κ ~e ν + gµν ~e ν ,κ
~e λ ·
⇔ ~e λ · ~eµ,κ = ~e λ · gµν,κ ~e ν + ~e λ · gµν ~e ν ,κ
(4.29),(4.30)
⇔ ~e λ · Γρµκ ~eρ = ~e λ · gµν,κ ~e ν − ~e λ · gµν Γνρκ~e ρ
(3.17)
⇔ δρλ Γρµκ = g λν gµν,κ − g λρ gµν Γνρκ
dxµ dxν
31
Für massebehaftete Teilchen ist die Randbedingung gµν dτ dτ = c2 und für masselose Teil-
µ
dxν
chen gµν dx
dλ dλ = 0 (vgl. Scheck 2010, S. 340).
35
4 RIEMANN-RAUM
Jetzt, wo wir die Ableitungen des metrischen Tensors durch die Christoffel-Symbole
ausgedrückt haben, betrachten wir die Permutationen
(4.31)
−gµσ,κ + gσκ,µ + gκµ,σ = − gλσ Γλµκ − gλµ Γλσκ + gλκ Γλσµ
+ gλσ Γλκµ + gλµ Γλκσ + gλκ Γλµσ . (4.32)
Unter Beachtung der Symmetrie des Christoffel-Symbols heben sich der erste gegen
den vierten sowie der zweite gegen den fünften Summanden auf, sodass
Multiplikation mit 1
2
g νκ führt auf
1 νκ
g (−gµσ,κ + gσκ,µ + gκµ,σ ) = g νκ gλκ Γλσµ = δλν Γλσµ = Γνσµ , (4.34)
2
Im euklidischen Raum, das heißt alle Ableitungen des metrischen Tensors δij ver-
schwinden und das Christoffel-Symbol wird null, ergibt sich aus der Geodätenglei-
chung (4.3) gerade das Trägheitsgesetz
36
4.3 Geodätengleichung
Man rechne nach, dass die Lösung zu den Anfangsbedingungen ~x(t1 ) = ~x1 und
~x(t2 ) = ~x2 gegeben ist durch
~x2 − ~x1
~x(t) = ~x1 + (t − t1 ) . (4.36)
t2 − t1
Die entspricht genau der Gleichung der Geraden, auf der die Punkte ~x1 und ~x2 lie-
gen. Es ergibt sich also tatsächlich die erwartete Geodäte, die kürzeste Verbindung,
des euklidischen Raumes.
Beispiel Sphäre
Der ko- und kontravariante Tensor ist gegeben durch die Komponenten
! !
1 0 1 0
{gij } = , {g ij } = . (4.38)
0 sin2 θ 0 1
sin2 θ
Als Geodäten ergeben sich tatsächlich gerade die Großkreise.32 Wir wollen an
dieser Stelle noch die Christoffel-Symbole angeben. Die einzige partielle Ableitung
der Komponenten unseres metrischen Tensors, die von null verschieden ist, ist
g22,1 = 2 sin θ cos θ. Deswegen sind auch alle Christoffel-Symbole null, außer
1 λ1
Γ122 = g · (−g22,λ + g2λ,2 + g2λ,2 )
2
1 1
= g 11 · (−g22,1 ) = − · 2 sin θ cos θ = − sin θ cos θ ,
2 2
1 22 1 cos θ
Γ212 = Γ221 = g · (g22,1 ) = 2 2 sin θ cos θ = . (4.39)
2 2 sin θ sin θ
32
Eine Herleitung kann in Ryder (2009) Kapitel 4.1.3 nachvollzogen werden.
37
4 RIEMANN-RAUM
Basierend auf den Christoffel-Symbolen werden wir in Abschnitt 4.4 noch eine
weitere, aussagekräftigere Größe berechnen.
4.4 Paralleltransport
Aus Abschnitt 4.2 ergibt sich unmittelbar die Frage nach einem quantitativen Maß
für die Krümmung eines beliebigen Riemann-Raumes. Das Ergebnis, ob ein Raum
gekrümmt ist oder nicht, sollte dabei unabhängig von den innerhalb des Rau-
mes gewählten Koordinaten sein. Diese Eigenschaft wird durch Tensoren erfüllt.
Aus den Transformationseigenschaften in (3.24) und (3.25) ergibt sich unmittel-
bar: Wenn in einem Koordinatensystem alle Komponenten eines Tensors null sind,
so bleibt diese Eigenschaft unter Koordinatentransformation erhalten (vgl. Ryder
2009, S. 62).
Kovariante Ableitung
Um einen Begriff der Parallelität zu entwickeln, brauchen wir zunächst eine vom
Koordinatensystem unabhängige Ableitung. Wir betrachten dazu ein Vektorfeld33
V~ (~x). Die partielle Ableitung kann dies nicht leisten, denn es ist
∂V 0µ (4.8) ∂
= (αµ λ V λ )
∂x0ν ∂x0ν
∂αµ λ µ ∂V
λ
= Vλ + α λ
∂x0ν ∂x0ν
µ λ
∂α λ µ ∂V ∂xκ
= Vλ + α λ
∂x0ν ∂xκ ∂x0ν
(4.5) ∂αµ λ µ ∂V
λ
= Vλ + α λ αν κ (4.40)
∂x0ν ∂xκ
und transformiert damit nicht wie ein Tensor zweiter Stufe. Nur bei koordinaten-
unabhängigen Transformationsmatrizen, so wie es im Minkowski-Raum noch der
Fall war, fällt der erste Summand weg und es ergibt sich gerade das Transforma-
tionsgesetz für einen gemischten Tensor zweiter Stufe.
Die nun folgende Argumentation stützt sich auf Kapitel 6.3 aus Göbel (2014).
33
Der Vektorpfeil ist im Sinne von (3.22) zu sehen.
38
4.4 Paralleltransport
Lassen wir eine Krummlinigkeit der Koordinatenachsen zu, das heißt eine Abhän-
gigkeit der Basisvektoren von den Koordinaten, so ergeben sich bei der partiellen
Ableitung zwei Terme:
∂V µ ∂(V~ · ~e µ ) µ ∂V
~ µ
~ · ∂~e .
= = ~
e · + V (4.41)
∂xν ∂xν ∂xν ∂xν
Nur der erste Summand entspricht dabei der tatsächlichen Änderung des Vektor-
feldes. Dieser ist unsere gesuchte kovariante Ableitung, die wir im Unterschied zur
partiellen mit einem Semikolon kenntlich machen. Wir lösen die Gleichung auf
nach
∂ V~ ∂V µ ~ ∂~e µ
V µ ;ν := ~e µ · ν = −V · ν , (4.42)
∂x ∂xν ∂x
und unter Verwendung der Identität aus (4.30) ergibt sich
(3.19)
V µ ;ν = V µ ,ν + V~ · Γµκν ~e κ = V µ ,ν + Γµκν V κ . (4.43)
Es bleibt nachzuweisen, dass diese neuen Objekte tatsächlich die gewünschte Trans-
formationseigenschaft eines gemischten Tensors zweiter Stufe besitzen.
0µ 0µ
(4.43) ∂V
V 0µ ;ν = − ~ 0 · ∂~e
V
∂x0ν ∂x0ν
0µ 0µ
(3.22) ∂V
V 0µ ;ν = − ~ · ∂~e
V
∂x0ν ∂x0ν
µ κ µ κ
(4.8) ∂(α κ V )
= − ~ · ∂(α κ ~e )
V
∂x0ν ∂x0ν
µ κ λ µ κ λ
∂(α κ V ) ∂x ~ · ∂(α κ ~e ) ∂x
= − V
∂x
λ ∂x0ν ∂xλ ∂x
0ν
µ κ µ κ
(4.5) ∂(α κ V ) ~ ∂(α κ ~e )
= αν λ −V ·
∂xλ ∂xλ
µ κ µ κ
κ ∂α κ µ ∂V ∂α κ ∂~
e
= αν V λ
+α κ − V~ · ~e κ
− V~ · α κ λ
µ
∂xλ ∂xλ ∂xλ ∂x
39
4 RIEMANN-RAUM
µ κ µ
(3.19) λκ ∂α κ µ ∂V κ ∂α κ ~ eκ
µ ∂~
= αν V +α κ −V −V ·α κ λ
∂xλ ∂xλ ∂xλ ∂x
κ κ
∂V ∂~e
= αν λ αµ κ λ
− V~ · αµ κ λ
∂x ∂x
κ κ
∂V ∂~
e
λ µ
= αν α κ − V~ · λ
∂xλ ∂x
(4.43)
= αν λ αµ κ V κ ;λ (4.45)
denn unter Beachtung der Symmetrie von gµν heben sich die Terme im letzten
Schritt gegenseitig auf.
Beispiel Sphäre
Zunächst müssen wir festlegen, was wir unter Parallelverschiebung eines Vektors
verstehen, nämlich dass die kovariante Ableitung des Vektors an jedem Ort gerade
null ist. Dies ist genau dann der Fall, wenn wir den Vektor so verschieben, dass
der Winkel konstant zu einer Geodäte ist. Im euklidischen Raum heißt das, der
Winkel zu einer beliebigen Geraden ist konstant und entspricht unseren Erwartun-
gen. Abb. 1 zeigt einen Ausschnitt des euklidischen Raumes. Der Startvektor wird
entlang eines Kreisbogens von P nach Q verschoben. Der Winkel zur gestrichelt
eingezeichneten Geodäte bleibt dabei konstant. Start- und Zielvektor sind iden-
tisch. Insbesondere gilt dies auch für eine Verschiebung entlang eines beliebigen
40
4.4 Paralleltransport
geschlossenen Weges, wie zum Beispiel entlang des Kreises. Dagegen zeigt Abb. 2
eine Kugeloberfläche. Geodäten sind hier die Großkreise. Wir betrachten die Par-
allelverschiebung des Startvektors von P über Q und R wieder zu P . Der Wechsel
der Geodäten, von dem die Parallelität unbeeinträchtigt bleibt, führt dazu, dass
der Zielvektor gegenüber dem Startvektor um π2 gedreht ist (vgl. Fließbach 1995,
S. 102).
Die Änderung eines Vektors bei Parallelverschiebung ist ein weiteres Kriterium für
die Krümmung eines Raumes, welches wir nun quantitativ beschreiben werden.
Riemann’scher Krümmungstensor
Beim Paralleltransport soll die tatsächliche Änderung, das heißt die kovariante
Ableitung des zu transportierenden Vektors, null sein:
(4.43)
V κ ;ν = 0 ⇔ V κ ,ν = −Γκρν V ρ . (4.47)
41
4 RIEMANN-RAUM
Wir folgen Kapitel 6.5 in Schutz (1985) und betrachten einen infinitesimalen
geschlossenen Weg ABCDA auf einer zweidimensionalen Mannigfaltigkeit mit
A(a, b), B(a + δa, b), C(a + δa, b + δb), D(a, b + δb), wie dargestellt in Abb. 3.34
Ein Vektor V~ wird vom Punkt A aus parallelverschoben. Für die Komponenten in
Punkt B gilt dann
ZB Z
1 (4.47)
κ κ
V (B) = V (AStart ) + V κ
,1 dx κ
= V (AStart ) − Γκρ1 V ρ dx1 (4.48)
A x2 =b
und analog für die anderen Wege unter Beachtung der Richtung, in der sie durch-
laufen werden,35
Z
κ κ
V (C) = V (B) − Γκρ2 V ρ dx2 ,
x1 =a+δa
Z
κ κ
V (D) = V (C) + Γκρ1 V ρ dx1 ,
x2 =b+δb
Z
κ
V (AZiel ) = V (D) + κ
Γκρ2 V ρ dx2 . (4.49)
x1 =a
34
Eine allgemeine Herleitung befindet sich in (Landau und Lifshitz 1961, S. 247) und nutzt den
Satz von Stokes. Zu Gunsten der Anschauung wählen wir hier das konkrete Beispiel.
35
Auf eine konkrete Parametrisierung der Wege wird hier der Übersichtlichkeit wegen verzichtet,
sie gehen aus Abb. 3 hervor.
42
4.4 Paralleltransport
Die Änderung δV κ ergibt sich aus der Differenz zwischen Ausgangs- und Endvektor
durch sukzessives Einsetzen,
δV κ = V κ (AZiel ) − V κ (AStart )
Z Z Z Z
κ ρ κ ρ κ ρ
= Γρ2 V dx −2 2
Γρ2 V dx + 1
Γρ1 V dx − Γκρ1 V ρ dx1
x1 =a x1 =a+δa x2 =b+δb x2 =b
Z Z Z Z
= − + Γκρ2 V ρ dx +
2
− Γκρ1 V ρ dx1 . (4.50)
x1 =a+δa x1 =a x2 =b+δb x2 =b
Bei der ersten Näherung wurde die Taylorreihe des Integranden in der jeweiligen
Komponente um a bzw. b gebildet und alle Terme der Ordnung O(δa2 ), O(δb2 )
vernachlässigt. Für die zweite Näherung wurde der Integrand als konstant ange-
nommen, was bis zur quadratischen Ordnung in kleinen Größen gerechtfertigt ist.
(4.47)
Wir ersetzen nun die partielle Ableitung von V durch V ρ ,ν = −Γρλν V λ . Damit
ist
δV κ ≈ δa δb −Γκρ2,1 + Γκρ1,2 V ρ + Γκρ2 Γρλ1 V λ − Γκρ1 Γρλ2 V λ
= δa δb −Γκλ2,1 + Γκλ1,2 + Γκρ2 Γρλ1 − Γκρ1 Γρλ2 V λ . (4.52)
Dabei entspricht das Produkt aus δa und δb gerade der vom Rundweg eingeschlos-
senen Fläche. Die spezifische Form resultiert aus der Wahl unseres Weges entlang
der Koordinaten x1 und x2 . Die Herleitung läuft analog für zwei beliebige Ko-
ordinatenrichtungen mit δa entlang xν und δb entlang xµ mit den Ersetzungen
43
4 RIEMANN-RAUM
und der vom Pfad umschlossenen Fläche ∆Aνµ = δxµ δxν . Damit ergibt sich (4.53)
zu
1
δV κ = Rκ λµν V λ ∆Aνµ . (4.55)
2
Da bei den positiven und negativen Beiträgen µ und ν jeweils gerade vertauscht
sind, finden wir die Symmetrieeigenschaft
Eine weitere Symmetrieeigenschaft, die wir benötigen werden, die sich aber nur
aus der Berechnung des kovarianten Tensors direkt ergibt, ist die Antisymmetrie
unter Vertauschung der ersten beiden Komponenten,
44
4.4 Paralleltransport
des Audruckes (4.55) ein Tensor ist, ist auch der Riemann’sche Krümmungstensor
ein solcher und die Bezeichnung daher gerechtfertigt. In ihm haben wir ein quanti-
tatives, koordinatenunabhängiges Maß für die Krümmung eines Raumes gefunden,
welches nur von dessen Metrik bestimmt wird. Eine Riemann’sche Mannigfaltigkeit
ist genau dann flach, wenn die Änderung eines Vektors bei Parallelverschiebung
entlang eines geschlossenen Weges gleich null ergibt. Das bedeutet, dass folgende
Aussagen äquivalent sind (vgl. Misner u. a. 1973, S. 283):
(i) Rκ λµν = 0 .
Beispiel Sphäre
45
4 RIEMANN-RAUM
Beispielsweise ist
46
5 Allgemeine Relativitätstheorie
Einstein strebte nach einer Erweiterung der SRT, die auch die Gravitation beschrei-
ben sollte. Newtons klassische Mechanik beruht auf der Existenz von Inertialsyste-
men. Dies sind gerade die relativ zum Fixsternhimmel gleichförmig bewegten BS.
Doch wie sähen die Gesetze der Mechanik in einem leeren Universum unter Ab-
wesenheit solcher Fixsterne aus? Um sich von dieser Abhängigkeit zu lösen, führte
Newton das Konzept des „absoluten Raumes“ ein, der unabhängig von jeder Mas-
senverteilung existieren sollte. Dieser Raum sei ausgezeichnet insofern, als dass
genau in den relativ zu ihm beschleunigten Systemen Trägheitskräfte auftreten.
Auch die SRT kann sich davon durch die Einschränkung auf IS nicht lösen. Dieses
Konzept des absoluten Raumes wurde im späten 19. Jahrhundert als unzufrie-
denstellend kritisiert durch Ernst Mach, der davon überzeugt war, dass sämtliche
Trägheitskräfte nur durch die Massenverteilung im Universum verursacht würden
(vgl. Sharan 2009, S. 6). Von dieser Idee wurde Einstein entscheidend inspiriert
und nennt sie in seiner 1918 erschienenen Arbeit „Prinzipielles zur Allgemeinen
Relativitätstheorie“ als eines von drei grundlegenden Prinzipien, denn dieser abso-
lute Raum sei bloß eine „fingierte Ursache, keine beobachtbare Tatsache“ (Einstein
1916, S. 771).
Ein weiterer Konflikt zur SRT ist, dass die Newton’sche Gravitationstheorie mit der
Feldgleichung (5.27) ein Fernwirkungsgesetz ist. Veränderungen der Massendichte
ρ an einer Stelle bewirken gleichzeitige Veränderungen des Feldes an allen anderen
Stellen. Dies ist nicht vereinbar mit der Vakuum-Lichtgeschwindigkeit als maxima-
le Geschwindigkeit der Informationsübertragung. Aber auch alleine aus der nicht-
relativistischen Struktur der Feldgleichung folgt schon, dass diese so nicht streng
gültig sein kann. Eine Abänderung analog zur Feldgleichung der Elektrodynamik
scheitert jedoch an zwei Stellen.36 Während die elektrische Ladung ein Lorentz-
Skalar ist, ist die bewegte Masse nicht invariant unter Lorentz-Transformationen,
sondern transformiert selbst wie die 0-Komponente eines Vektors37 . Außerdem
ist in dem Gravitationsfeld selbst Energie gespeichert, welche nach der Masse-
36
Die Aufstellung der kovarianten Maxwellgleichungen kann in Kapitel 18 aus Fließbach (2012)
nachvollzogen werden.
37
Gemeint ist hier der Vierer-Impuls (vgl. Scheck 2007, Kap. 4.9.2).
47
5 ALLGEMEINE RELATIVITÄTSTHEORIE
Energie-Äquivalenz38 der SRT wieder eine Quelle des Feldes darstellt. Eine solche
Rückkopplung tritt in der Elektrodynamik nicht auf (vgl. Fließbach 1995, S. 5).
Mitte des 19. Jahrhunderts stieß die klassische Gravitationstheorie auch bei der
Beschreibung der Planetenbahnen schließlich an ihre Grenzen. Urbain Le Verrier
arbeitete zu dieser Zeit altes astronomisches Material auf und stieß bei der Bahn
des Merkurs auf eine nicht zu erklärende Drehung des sonnennächsten Punktes,
des Perihels. Diese betrug ca. 43” pro Jahrhundert. Alle bekannten Störgrößen wa-
ren dabei schon berücksichtigt. Aus Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie ging
schließlich genau dieser zusätzliche Wert hervor, wie wir in Abschnitt 6.4 noch
sehen werden (vgl. Einstein 1916, S. 822).
Erneut hat Einstein mit seiner Theorie an den Grundfesten der damaligen Physik
angesetzt und diese revolutioniert:
„Wenn irgendwo im Haus eine Tür nicht richtig schließt, kann man zwei-
erlei machen. Man kann die Tür abhobeln oder Ringe in den Angeln
unterlegen, man kann aber auch das ganze Haus mit Hilfe von Hydrau-
likpressen, die auf den Fundamenten aufsitzen, so lange anheben oder
leicht kippen, bis die Tür wieder schließt“ (Epstein 1988, S. 38).
5.1 Äquivalenzprinzip
Den im Folgenden dargestellten Gedankengang nennt Einstein selbst den „glück-
lichsten Gedanken seines Lebens“ (Pais 1986, S. 175).
Einstein-Kasten
Wir betrachten einen Kasten in einem Stück leeren Weltraumes, so weit weg von
massereichen Objekten, dass wir den Kasten selbst als kräftefrei annehmen kön-
nen und er ein IS darstellt. Darin befinde sich eine mit Apparaten ausgestattete,
schwerelose Person. Dieser Kasten werde nun von außen gleichförmig über einen
in der Kastendecke eingelassenen Haken nach oben beschleunigt. Wie aber würde
die Person im Inneren des Kastens den Vorgang beschreiben? Sie konstatiert eine
nach unten gerichtete Trägheitskraft. Lässt sie einen Körper los, den sie vorher
38
Zur Vertiefung sei hier ebenfalls Kapitel 4.9.2 aus Scheck (2007) empfohlen.
48
5.1 Äquivalenzprinzip
in der Hand hatte, so wird die Beschleunigung des Kastens auf diesen nicht mehr
übertragen und er nähert sich dem Kastenboden mit einer Relativbeschleunigung.
Diese Beschleunigung wird für alle Körper dieselbe sein. Auf Grund ihrer Beob-
achtungen ist die Person berechtigt anzunehmen, sie befinde sich ruhend in einem
homogenen, statischen Gravitationsfeld (vgl. Einstein 1918c, S. 54).
Lässt man auch zeitlich veränderliche Gravitationsfelder zu, so können darauf auch
ungleichförmige, geradlinige Beschleunigungen zurückgeführt werden. Eine Person,
die einen Ruck durch einen bremsenden Eisenbahnwagen erfährt, merkt daran des-
sen ungleichförmige Bewegung, muss diese jedoch nicht auf eine tatsächliche Be-
schleunigung zurückführen. Sie ist berechtigt anzunehmen, der Wagen verharre im
Zustand der Ruhe. Der Bahndamm habe eine ursprünglich rückwärts gerichtete
Geschwindigkeit. Unter dem Einfluss eines nach vorne gerichteten, zeitlich verän-
derlichen Schwerefeldes jedoch, nähme die rückwärts gerichtete Geschwindigkeit
des Bahndammes immer mehr ab. Dieses Schwerefeld sei auch die Ursache des
gespürten Ruckes nach vorne. Achtung, der Zug selbst dient in diesem Fall nur zu
Manifestation des BS, in welches wir ein KS legen können. Tatsächlich ist diese
Aussage aber natürlich nicht an das Vorhandensein des Zuges als Materie gebun-
den. Wir können also annehmen, dass die Gravitationskraft auf unser BS selbst,
d. h. auf den Zug, nicht wirkt (vgl. Einstein 1918c, S. 58).
Analog zum speziellen Relativitätsprinzip, das sich auf die gleichförmige Bewegung
beschränkt, ermöglicht diese Sichtweise eine Übertragung auf beschleunigte Bewe-
gungen. Nach dem speziellen Relativitätsprinzip ist die Geschwindigkeit selbst re-
lativ und nur die Relativgeschwindigkeit zu einem anderen gleichförmig bewegten
System bestimmbar. Nach der vorangegangenen Argumentation am Beispiel des
Zuges als geradlinig beschleunigtes Bezugssystem ist nun die Erweiterung zulässig,
dass auch die Beschleunigung selbst relativ ist und nur die Relativbeschleunigung
zu einem anderen System absolut bestimmbar (vgl. Treder 1968, S. 33).
49
5 ALLGEMEINE RELATIVITÄTSTHEORIE
Die Gleichheit von träger und schwerer Masse ist Voraussetzung dafür, dass in
einem Gravitationsfeld alle Gegenstände dieselbe Beschleunigung erfahren. Bestä-
tigen wir dies noch einmal mit Hilfe der beiden relevanten Gleichungen, dem New-
ton’schen Bewegungsgesetz und der Gravitationskraft im homogenen Schwerefeld
auf der Erdoberfläche mit Ortsfaktor g,
F = mträge a ,
F = mschwer g , (5.1)
39
Es genügt bereits die Proportionalität von träger und schwerer Masse. Der Proportionalitätsfak-
tor wurde bei der Bestimmung der Gravitationskonstanten G aber implizit als 1 angenommen.
50
5.1 Äquivalenzprinzip
Für das homogene Gravitationsfeld auf der Erdoberfläche KS wollen wir diese
Koordinatentransformation konkret angeben (vgl. Fließbach 1995, S. 59). Die Be-
hauptung ist, dass ein frei fallendes, d.h. mit der konstanten Erdbeschleunigung ~g
nach unten beschleunigtes BS KS 0 ein IS ist. Ein solches BS kann beispielsweise
durch einen frei fallenden Fahrstuhl realisiert werden. Die Koordinatentransforma-
tion in das frei fallende BS ist gegeben durch:
1 2
~r 0 = ~r −
~g t , t0 = t . (5.3)
2
In KS gilt die Newton’sche Bewegungsgleichung (2.3) mit Gravitationskraft auf
der rechten Seite,
d2~r
m 2 = m ~g . (5.4)
dt
51
5 ALLGEMEINE RELATIVITÄTSTHEORIE
Diese Scheinkräfte zeichnen sich durch folgende chrakteristische Merkmale aus, sie
• sind universell, das heißt sie wirken auf alle Körper (z. B. im Gegensatz zur
Coulombkraft),
• sind proportional zur Masse, d.h. alle Körper erfahren dieselbe Beschleuni-
gung, und
• können durch geeignete Koordinatentransformation in ein IS eliminiert wer-
den.
Die Gravitation nach Newton weist genau diese Eigenschaften auf, wie wir in
Abschnitt 5.1 gesehen haben. Die dritte Eigenschaft dagegen gilt so nur für ein
statisches, homogenes Gravitationsfeld. Das IS entspricht dann dem frei fallenden
52
5.2 Lokales Inertialsystem
BS, das wir im letzten Abschnitt gefunden haben (vgl. Sharan 2009, S. 5).
Charakteristisches Merkmal eines Gravitationsfeldes ist, dass es im Unendlichen
verschwindet. In Nichtinertialsystemen auftretende Trägheitskräfte weisen diese
Eigenschaft nicht auf. Die Zentrifugalkraft beispielsweise wächst mit zunehmender
Entfernung vom Rotationszentrum über alle Grenzen. Ein Gravitationsfeld ist da-
mit nicht global äquivalent zu einem beschleunigten BS (vgl. Landau und Lifshitz
1961, S. 245). Einstein selbst schreibt dazu:
„Natürlich kann man ein beliebiges Schwerefeld nicht durch einen Be-
wegungszustand eines Systems ohne Gravitation ersetzen, ebensowenig,
als man durch eine Relativitätstransformation alle Punkte eines belie-
big bewegten Mediums auf Ruhe transformieren kann“ (Einstein 1911,
S. 899).
Frei fallende BS auf zwei gegenüberliegenden Seiten der Erde fallen in entgegen-
gesetzte Richtungen. Es gibt kein globales frei fallendes BS, welches immer noch
starr ist, das heißt in welchem die Abstände je zweier Punkte zeitlich konstant
sind. Eine Transformation in solch ein IS finden wir nur in Abhängigkeit von dem
Ort und in einer hinreichend kleinen Umgebung, in der das Gravitationsfeld als ho-
mogen angenommen werden kann. Die Transformation gilt damit nur lokal. Durch
Verkleinerung der Umgebung kann jedoch stets eine beliebige Genauigkeit im Rah-
men der SRT erreicht werden (vgl. Plebański und Krasiński 2006, S. 126). Dieses
IS nennen wir darum auch lokales IS (kurz LIS). Angemerkt sei noch, dass es na-
türlich unendlich viele solcher LIS in einem Punkt gibt. Sie unterscheiden sich in
ihrer relativen Geschwindigkeit. Diese Transformation kann im Rahmen der SRT
immer gemacht werden. Gemeinsam haben sie die relative Beschleunigung zur Er-
de (vgl. Schutz 1985, S. 123).
Zur Verdeutlichung betrachten wir beispielsweise noch einmal den Kasten aus Ab-
schnitt 5.1. Ist dieser sehr breit und betrachtet man zwei Teilchen an verschiede-
nen Enden, so wird man feststellen, dass sie sich einander im Gravitationsfeld auf
Grund der Radialsymmetrie annähern. In diesem Effekt zeigt sich die Krümmung
des Raumes. Wird der Kasten dagegen gleichmäßig nach oben beschleunigt, so
tun sie das nicht. Auch würde man für die Beschleunigung am oberen und unte-
ren Ende des Kastens in einem Gravitationsfeld verschiedene Werte bestimmen.
53
5 ALLGEMEINE RELATIVITÄTSTHEORIE
5.3 Energie-Impuls-Tensor
In der Allgemeinen Relativitätstheorie identifizieren wir also die Bewegungsglei-
chungen kräftefreier Teilchen mit den Geodäten der Raumzeit. Die Geodäten wer-
den festgelegt durch die Komponenten des metrischen Tensors gµν . Dieser tritt
also an die Stelle des Gravitationspotenzials der Newton’schen Bewegungsglei-
chung und bestimmt die Bahnkurve eines Teilchens. Was uns für die Beschreibung
40
Einstein selbst schreibt: „Von gewissen Beschränkungen, welche der Forderung der eindeutigen
Zuordnung und derjenigen der Stetigkeit entsprechen, wollen wir hier nicht sprechen“ (Einstein
1916, S. 776).
54
5.3 Energie-Impuls-Tensor
einer allgemeinen Gravitationstheorie noch fehlt, ist eine Feldgleichung, aus der
sich die Komponenten des metrischen Tensors ergeben. In der klassischen Gravi-
tationstheorie ist die Massendichte Quelle des Gravitationsfeldes. Am Beispiel von
Staub finden wir in diesem Abschnitt eine tensorielle Größe, durch die die Mas-
sendichte ersetzt wird. Dabei folgen wir Kapitel 5.2.2 aus Ryder (2009). Mit Staub
meinen wir nicht-wechselwirkende Partikel. Dieser bewege sich mit der relativen
Vierergeschwindigkeit uµ (x) aus (3.26) und habe in seinem Ruhesystem die Dichte
Ruhemasse
ρ0 = Eigenvolumen . Aus Sicht des System, zu dem er sich relativ bewegt, beträgt
seine Dichte dann ρ = ρ0 γ 2 . Aus diesen Größen definieren wir den Energie-Impuls
Tensor für Staub,
T µν := ρ0 uµ uν , (Energie-Impuls-Tensor) (5.6)
Wir betrachten in zwei Schritten die Divergenz T µν ,ν des gefundenen Tensors. Sei
zunächst µ = 0, dann ist
T 0ν ,ν = T 00 ,0 + T 0i ,i
∂(ρ c2 ) ∂(ρ c v i )
= +
∂x0 ∂xi
∂(c ρ) ∂(ρ v i )
= +c
∂t ∂xi
∂ρ
=c + c ∇i (ρ v i ) . (5.8)
∂t
55
5 ALLGEMEINE RELATIVITÄTSTHEORIE
T iν ,ν = T i0 ,0 + T ij ,j
∂ ∂
= 0
(ρ c v i ) + j (ρ v i v j )
∂x ∂x
∂ ∂(ρ vj ) j ∂v
i
= (ρ v i ) + v i + ρ v
∂t ∂xj ∂xj
i j i
∂v i ∂ρ i ∂(ρ v ) j ∂v
=ρ +v +v + ρv . (5.10)
∂t ∂t ∂xj ∂xj
Für den nächsten Umformungsschritt nutzen wir die bereits hergeleitete Identität
aus (5.9), die nach Umstellen einen Ausdruck für die partielle Ableitung des dritten
Summanden liefert,
∂v i
(5.9) ∂ρ ∂ρ ∂v i
T iν ,ν = ρ + vi − vi + ρ vj j
∂t ∂t ∂t ∂x
∂v i ∂v i
=ρ + ρ vj j
∂t
i ∂x
∂v
=ρ ~ i
+ ~v · (∇ v ) . (5.11)
∂t
Dieser Term reduziert sich im nichtrelativistischen Fall gerade auf den ersten Sum-
manden und entspricht dann gerade der linken Seite der Euler-Gleichung der Strö-
mungsmechanik für eine einzelne Komponente v i im kräftefreien Fall,
i
∂v
ρ ~ i
+ (~v · ∇) v = 0 . (5.12)
∂t
Wir halten fest, dass sich aus den vier nichtrelativistischen Erhaltungsgleichungen
T µν ,ν = 0 schließen lässt.41
41
In Kapitel 32 aus Fließbach (2015) werden die nichtrelativistischen Erhaltungsgleichungen her-
geleitet und einfache Anwendungen diskutiert.
56
5.4 Bianchi-Identität und Einstein-Tensor
und halten fest, dass die Divergenz des Energie-Impuls-Tensors verschwindet. Dar-
auf werden wir später noch zurückkommen.
Im nichtrelativistischen Grenzfall gilt die Näherung (Fließbach 1995, S. 46):
ρc2 0 0 0
0 0 0 0
µν
{T } ≈ . (5.14)
0 0 0 0
0 0 0 0
Wir haben nicht-wechselwirkende Materie vorausgesetzt. Der Energie-Impuls-Ten-
sor lässt sich auch allgemeiner für Flüssigkeiten, unter Beachtung des herrschenden
Druckes, oder elektromagnetische Felder definieren. Zum Verständnis dieser Arbeit
ist dies jedoch nicht notwendig. Eine Übersicht findet sich beispielsweise in Kapitel
5 aus Misner u. a. (1973).
Der Energie-Impuls-Tensor T µν ist ein symmetrischer Tensor zweiter Stufe mit ver-
schwindender Divergenz. Dieser sollte die Massendichte in der Feldgleichung erset-
zen. Auf der anderen Seite der Gleichung muss ein Tensor stehen, der sich aus dem
metrischen Tensor zusammensetzt und ein Maß für die Krümmung des Raumes
durch die Energie-Massen-Verteilung darstellt. Um zu einer direkten Proportiona-
lität zum Energie-Impuls-Tensor führen zu können, sollte auch dessen Divergenz
verschwinden. Um einen solchen Tensor zu finden, brauchen wir noch einige wei-
tere Tensoren, die mit dem Riemann’schen Krümmungstensor zusammenhängen,
sowie die wichtige Bianchi-Identität. Diese war Einstein lange unbekannt und war
letztendlich der Schlüssel zum Erfolg.
57
5 ALLGEMEINE RELATIVITÄTSTHEORIE
Aus der Kontraktion des ersten und dritten Index des Riemann’schen Krümmungs-
tensors definieren wir einen neuen Tensor zweiter Stufe, den Ricci-Tensor
R := Rν ν (Ricci-Skalar) . (5.16)
Bianchi-Identität
58
5.4 Bianchi-Identität und Einstein-Tensor
Einstein-Tensor
Möglicherweise ist der Ricci-Tensor ein geeigneter Kandidat für unseren gesuchten
Krümmungstensor. Berechnen wir also dessen Divergenz. Aus (5.20) folgt mit der
Kontraktion λ = κ :
59
5 ALLGEMEINE RELATIVITÄTSTHEORIE
= (δνρ R − 2 Rρ ν );ρ
· g λν
⇔ 0 = (g λν δνρ R − 2 g λν Rρ ν );ρ
= (g λρ R − 2 Rρλ );ρ
·(− 12 ) 1 ρλ
⇔ 0 = (Rρλ − g R);ρ . (5.24)
2
Bei der Multiplikation mit g λν im vierten Schritt nutzen wir aus, dass die kovariante
Ableitung des metrischen Tensors nach (4.46) null ist. Wir haben einen symmetri-
schen Krümmungstensor zweiter Stufe gefunden, dessen Divergenz verschwindet.
Es handelt sich um den Einstein-Tensor:
1
E ρλ := Rρλ − g ρλ R (Einstein-Tensor) . (5.25)
2
Vakuumfeldgleichungen
60
5.5 Einstein’sche Feldgleichungen
Oft findet man die Feldgleichung noch in einer anderen Form. Dazu multiplizieren
wir (5.27) mit g µν und setzen T := g µν Tµν . Unter Beachtung von g µν gµν = δµµ = 4
ergibt sich
1 µν
g µν Rµν − g gµν R = κ g µν Tµν
2
(4.13)
⇔ Rµ µ − 2R = κ T
(5.16)
⇔ R − 2 R = κT
·(−1)
⇔ R = −κT . (5.28)
Dies gilt an jedem Ort, an dem Vakuum vorliegt, was aber nicht bedeutet, dass es
nicht an einem anderen Ort eine felderzeugende Masse gibt, die den Raum krümmt.
Insbesondere impliziert der verschwindende Ricci-Tensor auch nicht, dass der Rie-
mannsche Krümmungstensor ebenfalls null ist.
Hier sein noch einmal die Analogie zur Elektrostatik aufgegriffen. Betrachten wir
beispielsweise eine Punktladung im Koordinatenursprung, dann ist die Ladungs-
dichte durch ρe (~r) = q δ(~r) gegeben. Die Poisson-Gleichung ∆Φe = −4πρe aus (2.8)
ergibt für das elektrische Potenzial bei dieser Konfiguration die Lösung Φ(~r) = |~qr| .
Auch in diesem Fall ist die Ladungsverteilung „fast“ überall null (vgl. Fließbach
2012, Kap. 6).
In Abschnitt 6.1 werden wir eine konkrete Lösung in Form der Komponenten des
metrischen Tensors der Vakuumfeldgleichung bestimmen.
Newton’scher Grenzfall
Eine weitere Forderung ist die des Übergangs in den Newton’schen Grenzfall. Aus
dieser Forderung erfolgt nun die Bestimmung des Proportionalitätsfaktors κ. Da-
61
5 ALLGEMEINE RELATIVITÄTSTHEORIE
bei folgen wir zunächst weiter den Darstellungen in Kapitel 12.6 aus Grøn und
Næss (2011).
Betrachten wir dazu ein zeitunabhängiges, schwaches Gravitationsfeld. Die Be-
wegung eines freien Teilchens erfolgt nach der Geodätengleichung (4.3). Da wir
ein massebehaftetes Teilchen betrachten, können wir für die Parametrisierung der
Kurve die Eigenzeit τ einsetzen,
d2 xµ ν
µ dx dx
λ
+ Γ νλ =0. (5.31)
dτ 2 dτ dτ
j 0
Das Teilchen sei außerdem momentan ruhend, d. h. dx
dτ
= 0 und dx
dτ
dt
= c dτ , sowie
die Zeiten in diesem Moment synchronisiert dτ = dt. Dann finden wir für die
momentane Beschleunigung in xj -Richtung
d 2 xj d2 xj (5.31) ν
j dx dx
λ 0
j dx dx
0
aj = = = −Γ νλ = −Γ00
dτ 2 dt2 dt dt dt dt
j dt dt 2 j
= −Γ00 c c = −c Γ00 . (5.32)
dt dt
Wir führen einen Tensor hµν (x) ein, der die Abweichung der Metrik von der flachen
Minkowski-Metrik darstellen soll. Es soll gelten |hµν (x)| 1, da das Gravitati-
onsfeld schwach ist. Zusätzlich machen wir die Annahme, dass hµν Diagonalgestalt
hat, also hµν (x) = 0 für µ 6= ν. Dann sind die Komponenten des metrischen Tensors
gegeben durch
1 für µ = ν
gµν = ηµν + hµν (x) , g = gµν
µν
. (5.33)
0 für µ 6= ν
Das Christoffelsymbol aus (5.32) ist dann unter Beachtung der vorausgesetzten
Zeitunabhängigkeit und Diagonalgestalt unserer Metrik
j 1 jµ ∂gµ0 ∂gµ0 ∂g00
Γ00 = g + −
2 ∂x0 ∂x0 ∂xµ
stat. 1 ∂g00
= − g jµ
2 ∂xµ
diag. 1 ∂g00
= − g jj
2 ∂xj
(5.33) 1 1 ∂(η00 + h00 )
= −
2 ηjj + hjj ∂xj
62
5.5 Einstein’sche Feldgleichungen
1 1 ∂h00
= −
2 ηjj + hjj ∂xj
1 ∂h00
≈ . (5.34)
2 ∂xj
Im letzten Schritt geht ein, dass ηjj + hjj ≈ ηjj = −1. Einsetzen in (5.32) liefert
c2 ∂h00
a =− j
. (5.35)
2 ∂xj
In Abhängigkeit vom Gravitationspotenzial Φ gilt außerdem nach (2.3),
∂Φ
aj = − . (5.36)
∂xj
Vergleich mit (5.35) liefert nach Integration, wobei wir die Integrationskonstante
gleich null setzen, den folgenden Zusammenhang:
2Φ
h00 = . (5.37)
c2
Dieser Term stellt gerade die Abweichung des metrischen Tensors gµν von ηµν in
der 00−Komponente dar. Wir blicken an dieser Stelle noch einmal zurück auf
Abschnitt 4.2. Am konkreten Beispiel des rotierenden BS haben wir den Zusam-
menhang zwischen h00 und dem Zentrifugalpotenzial in (4.17) bereits exemplarisch
feststellen können. Nun ist es uns gelungen zu zeigen, dass ebendieser Zusammen-
hang im Allgemeinen für schwache, statische Felder gilt.
Diese Identität aus (5.37) wird sich noch als zentral für unser weiteres Vorgehen
erweisen. Unser Ziel ist es nun, die 00-Komponente beider Seiten der Feldgleichung
aus (5.29) zu bestimmen. Wir folgen Kapitel 5.2.3 aus Ryder (2009) und berechnen
zunächst für die rechte Seite der Feldgleichung,
1 1
T00 − g00 T = T00 − g00 g µν Tµν
2 2
(5.14) 1
≈ T00 − g00 g 00 T00
2
(5.33) 1 1
= T00 − g00 T00
2 g00
1
= T00 − T00
2
1
= T00
2
ρc2
= , (5.38)
2
63
5 ALLGEMEINE RELATIVITÄTSTHEORIE
64
5.5 Einstein’sche Feldgleichungen
und setzen unsere Ergebnisse aus (5.38) und (5.41) für die beiden Seiten ein:
1 ~2 ρc2
∇ Φ = κ
c2 2
4
ρc
⇔ ~ 2Φ = κ
∇ . (5.43)
2
Aus dem Vergleich mit der Newton’schen Feldgleichung (2.3) lässt sich κ bestim-
men zu
8πG
κ= 4 . (5.44)
c
Betrachten wir die Einstein’schen Feldgleichungen nun noch einmal komplett:
8πG
Eµν = Tµν (Einstein’sche Feldgleichungen) . (5.45)
c4
Da die auf beiden Seiten der Gleichung stehenden Tensoren symmetrisch sind,
erhalten wir zehn Gleichungen für die einzelnen Komponenten. Wir würden also
erwarten, dass die gµν bei Vorgabe geeigneter Randbedingungen vollständig festge-
legt sind, da es genauso viele Unbekannte wie unabhängige Gleichungen gibt. Wie
in Kapitel 10.7.1 aus Rebhan (2012) erläutert ist, zeigt sich jedoch, dass sich für
die Vakuumfeldgleichungen tatsächlich nur sechs voneinander unabhängige Glei-
chungen für die zehn Komponenten des metrischen Tensors ergeben. Dahingegen
ist die Anzahl der Unbekannten bei den Materie-Feldgleichungen auf 14 erhöht.
Die zusätzlichen vier Unbekannten sind dabei die Dynamik der Materie beschrei-
bende Größen, wie die Materiedichte ρ und die drei räumlichen Komponenten
der Vierergeschwindigkeit. Diese sind enthalten in den vier Erhaltungsgleichungen
(5.13), welche sich durch Hinzunahme der Bianchi-Identität aus den Feldgleichun-
gen ergeben. In beiden Fällen, sowohl im Falle des Vakuums als auch für die
Materiefeldgleichung, erhalten wir also ein unterbestimmtes Gleichungssystem mit
vier Freiheitsgraden. Daraus ergibt sich, dass der metrische Tensor nur bis auf eine
Transformation mit vier Funktionen x0µ = x0µ (x) eindeutig festgelegt ist. Diese
Tatsache ist es gerade, die die Freiheit der Wahl eines Koordinatensystems garan-
tiert. Diese Freiheit muss durch die Kovarianz der Gleichung gegeben sein.42
42
Vergleiche dazu auch (Einstein 1918a, S. 155).
65
5 ALLGEMEINE RELATIVITÄTSTHEORIE
nichtrelativistisch relativistisch
d2~x d2 xµ ν
µ dx dx
ρ
Bewegungsgl. Newton: ~
= −∇Φ Geodäte: + Γ νρ =0
dt2 ds2 ds ds
Vakuumfeldgl. Laplace: ∇2 Φ = 0 Einstein: Rµν = 0
8πG
Materiefeldgl. Poisson: ∇2 Φ = 4πρ G Einstein: Eµν = Tµν
c4
Tabelle 2: Relativistische und nichtrelativistische Gravitationstheorie
Einstein führte auf der linken Seite zunächst noch einen Zusatzterm Λg µν ein (Ein-
stein 1918b, S. 243). Das sollte er später aber als „größten Schnitzer seines Lebens“
bezeichnen. Die kosmologische Konstante Λ hielt er für notwendig, da er von einer
statischen, homogenen Materieverteilung im Universum ausging. Diese Vorstellung
musste er verwerfen, nachdem Edwin Hubble die Fluchtgeschwindigkeiten der Ga-
laxien entdeckte (vgl. Schröder 2002, Kap. 7.4).
Den physikalischen Inhalt dieser Gleichungen brachte John Archibald Wheeler auf
den Punkt, in seinem berühmten Zitat:
„Matter tells space how to curve, and space tells matter how to move.“
(Ryder 2009, S. 146)
Als Abschluss dieses Kapitels liefert Tab. 2 eine Übersicht über nichtrelativistische
und relativistische Gravitationstheorie im direkten Vergleich.
66
6 Schwarzschild-Lösung und klassische Tests
Der Astronom Karl Schwarzschild fand 1916 die erste exakte Lösung der Feldglei-
chungen für ein Gravitationsfeld außerhalb einer kugelsymmetrischen Massenver-
teilung. Diese Lösung wurde später auch nach ihm benannt. Sie ersetzt damit 250
Jahre nach Newton dessen Bewegungsgesetz für die Planeten des Sonnensystems.
Es ergeben sich aus der Einstein’schen Theorie drei relativistische Effekte, die über
die bis dahin bekannte Gravitationstheorie hinausgingen:
• Zusätzliche 4300 , die das Perihel des Merkurs pro Jahrhundert vorrückt.
Diese drei klassischen Tests wollen wir in diesem Kapitel erarbeiten (vgl. Schröder
2002, S. 14).
6.1 Schwarzschild-Metrik
In diesem Abschnitt wollen wir die exakte Lösung Karl Schwarzschilds der Va-
kuumfeldgleichungen Rµν = 0 nachvollziehen, wobei wir uns an Kapitel 5.3 aus
Ryder (2009) orientieren. Mit Lösung meinen wir einen metrischen Tensor gµν , der
diese Gleichung erfüllt und die Krümmung der Raumzeit bestimmt. Als Ursache
für die Krümmung der Raumzeit nehmen wir dabei einen kugelsymmetrischen,
statischen Körper an, so wie unsere Sonne ihn näherungsweise darstellt. Wegen
der geforderten Symmetrie bietet sich die Bestimmung des metrischen Tensors in
Kugelkoordinaten an, sodass wir annehmen können, dass die Komponenten ledig-
lich von der räumlichen Koordinate r abhängig sind. Eine Abhängigkeit von der
Zeit ist durch die statische Voraussetzung bereits ausgeschlossen. Aus der zeitli-
chen Unabhängigkeit ergibt sich, dass die gemischten Komponenten g0i ebenfalls
verschwinden müssen, da sonst keine Invarianz des Wegelementes unter Zeitum-
kehr gälte.
67
6 SCHWARZSCHILD-LÖSUNG UND KLASSISCHE TESTS
Dieser erfüllt die geforderten Bedingungen. Später werden sich die Setzungen noch
als nützlich erweisen. In seiner kovarianten und kontravarianten Schreibweise lesen
wir den metrischen Tensor ab
e2ν(r) 0 0 0
0 −e2λ(r)
0 0
gµν = 0 2
,
0 −r 0
2 2
0 0 0 −r sin θ
e−2ν(r) 0 0 0
0 −e −2λ(r)
0 0
g =
µν
0 1
.
(6.2)
0 − r 2 0
1
0 0 0 − r2 sin 2θ
Die beiden Funktionen ν(r) und λ(r) sind noch aus den Vakuum- Feldgleichungen
(5.30) zu bestimmen. Auf den Fall r = 0 werden wir bei einer rückblickenden
Diskussion der Ergebnisse noch zurückkommen. Die Berechnung der Komponenten
des Ricci-Tensors aus dem metrischen Tensor ist recht umfangreich und kann im
Anhang A.2 nachvollzogen werden.
Das zu lösende unabhängige Gleichungssystem aus den Komponenten des Ricci-
Tensors lautet demnach:
2ν 0 (r)
I) R00 = e 2ν(r)−2λ(r) 00 0 2 0 0
ν (r) + ν (r) − ν (r)λ (r) + =0, (6.3)
r
2λ0 (r)
II) 00 0 0
R11 = −ν (r) + ν (r)λ (r) + − ν 0 (r)2 = 0 , (6.4)
r
III) R22 = (−1 − rν 0 (r) + rλ0 (r))e−2λ(r) + 1 = 0 . (6.5)
68
6.1 Schwarzschild-Metrik
Aus der Forderung des Übergangs in den metrischen Tensor des Minkowski-Raumes
in Kugelkoordinaten aus (3.15) folgt für r → ∞
69
6 SCHWARZSCHILD-LÖSUNG UND KLASSISCHE TESTS
Diese Größe nennen wir den Schwarzschild-Radius rS . Für die Sonne ergibt sich
mit MSonne = 2 × 1030 kg der Schwarzschild-Radius
2 G MSonne
rS,Sonne = ≈ 3 km . (6.14)
c2
Bei der Schwarzschild-Metrik handelt es sich um eine der wenigen, einfachen ex-
akten Lösungen der Einstein’schen Feldgleichungen.43 Für r → ∞ geht die durch
die Schwarzschild-Metrik gekrümmte Raumzeit in den Minkowski-Raum über. Das
heißt, in hinreichend großer Entfernung von felderzeugenden Massen ist die Raum-
zeit annähernd flach. Wir werden sehen, dass diese Metrik kleine Korrekturen für
die Vorhersagen zu Bewegungen im Gravitationsfeld aus der Newton’schen Theo-
rie mit sich bringt.
Die Form des Wegelementes aus (6.11) legt folgende Frage nahe: Was passiert
für r gegen rS ? Zunächst einmal sei erwähnt, dass in den meisten Fällen der
Schwarzschild-Radius rS weit innerhalb der Masse liegt, so wie es nach (6.14)
auch für die Sonne mit geometrischem Radius RSonne = 7 × 103 km der Fall ist.
Für diesen Bereich besitzen unsere Vakuumfeldgleichungen aber gar keine Gül-
tigkeit mehr. Das Problem wird real für sehr massereiche, kollabierende44 Sterne,
bei denen das Verhältnis von Masse zu Radius so groß ist, dass rS > R außer-
halb des Körpers im Vakuum liegt. Zunächst einmal handelt es sich bei der Stelle
aber zunächst nur um eine mathematische Koordinatensingularität. So weist auch
die 22-Komponente des kovarianten metrischen Tensors der Sphäre in (4.38) für
θ ∈ {0, π} gerade an Nord- und Südpol eine Singularität auf, obwohl diese Stellen
der Sphäre nicht ausgezeichnet gegenüber den anderen sind. Durch eine Trans-
formation in andere Koordinaten lässt sich diese Singularität beheben. Um eine
echte Singularität handelt es sich dagegen bei dem Punkt r = 0 (vgl. Ryder 2009,
43
Eine weitere stellt die Kerr-Metrik für rotierende, ungeladene schwarze Löcher dar, siehe dazu
beispielsweise Box 33.2 aus Misner u. a. (1973).
44
Da wir außer der Kugelsymmetrie keine Anforderungen an die Massenverteilung selbst gestellt
haben, ist der statische Ansatz auch in diesem Fall gerechtfertigt. Dafür muss der Kollaps
symmetrisch geschehen sowie Zentrum und Gesamtmasse der Verteilung erhalten bleiben. Der
Bereich, in dem die Schwarzschild-Metrik gültig ist, vergrößert sich dabei.
70
6.2 Rotverschiebung
S. 150).
Physikalisch kommt dem Schwarzschild-Radius dennoch eine besondere Bedeutung
als Ereignishorizont zu. Was geschieht denn nun tatsächlich, wenn ein Teilchen die-
sen Radius passiert? Dazu studiert man die Geodäte eines massiven, radial auf den
Ursprung zufallenden Teilchens aus dem mitbewegten BS und einem im Zentrum
der Massenverteilung ruhenden BS.45 Es ergeben sich drei erstaunliche Resultate:
• Aus Sicht eines bei r > rS ruhenden Beobachters erreicht es den Schwarzschild-
Radius erst nach unendlich langer Zeit.
• Lichtstrahlen oder auch Partikeln ist es nicht möglich, den Bereich innerhalb
des Schwarzschild-Radius nach außen hin zu verlassen.
Damit haben wir ein Modell für ein schwarzes Loch gefunden, eine kugelsymme-
trische Massenverteilung, die so dicht ist, dass deren Schwarzschild-Radius größer
ist als ihr geometrischer Radius. Ein Beobachter von außerhalb wird niemals eine
Information aus dem Bereich jenseits des Schwarzschild-Radius erhalten können.
Man kann sich dem Schwarzschild-Radius zwar von außen nähern, die lokale Dar-
stellung (6.11) verliert aber ihre Gültigkeit, wenn man r zu Werten kleiner als rS
fortsetzt. Eine Fortsetzung in diesen Bereich ist durchaus möglich, es zeigt sich
aber, dass dabei die Rollen der Radius- und der Zeitvariablen vertauscht werden,
sodass aus der statischen Lösung eine nichtstatische wird. Die Diskussion ist aller-
dings nicht trivial und es ist die bereits angesprochene Transformation in andere
Koordinaten notwendig (vgl. Scheck 2010, Kap. 6.6.3, 6.7).46
6.2 Rotverschiebung
In diesem Abschnitt folgen wir Kapitel 5.5 aus Ryder (2009). Das Wegelement
der Schwarzschild-Metrik aus (6.11) ist unabhängig von x0 = c t. Den Parameter
t nennen wir Weltzeit. Wir betrachten das Wegelement zwischen zwei Ereignissen
45
Für die entsprechenden Berechnungen sei verwiesen auf Kapitel 6.6.3 in Scheck (2010).
46
Es eignen sich die Kruskal-Szekeres-Koordinaten. Siehe dazu Maier (2015) sowie Kapitel 31.4
und 31.5 in Misner u. a. (1973).
71
6 SCHWARZSCHILD-LÖSUNG UND KLASSISCHE TESTS
Dabei ist gµν der metrische Tensor der Schwarzschild-Metrik, d. h. nach (6.11)
insbesondere rS
g00 (r) = 1 − <1. (6.16)
r
Auflösen von (6.15) nach dτ > 0 und Einsetzen von (6.16) ergibt
p
dτ (r) = g00 (r) dt < dt . (6.17)
Wir halten fest, die Zeit im Gravitationsfeld vergeht langsamer. Insbesondere ist
auch dτ (r1 ) < dτ (r2 ) für r1 < r2 . Das heißt je geringer der Abstand zur felderzeu-
genden Masse, desto langsamer vergeht die Zeit. Das Postulat von der Konstanz
der Lichtgeschwindigkeit ist damit auch nur noch im LIS gültig.47 Von außerhalb
des Gravitationsfeldes betrachtet, ist die Lichtgeschwindigkeit im Gravitationsfeld
dagegen geringer.48 Wie können wir nachweisen, dass dieser Effekt tatsächlich auf-
tritt? Wir betrachten einen physikalischen Vorgang, der eine feste Zeit49 benötigt,
zum Beispiel die Periodendauer des emittierten Lichts bei einem atomaren Über-
gang. Das Licht werde bei r2 emittiert und bei r1 > r2 gemessen.50 Es sei ∆t2 die
vergangene Weltzeitspanne zwischen zwei ausgesandten Wellenbergen im Punkt
r2 .
47
In (6.15) ist c auf der linken Seite als Lichtgeschwindigkeit im LIS zu sehen. In der
Schwarzschild-Metrik auf der rechten Seite tritt es tatsächlich auch nur als konstanter Fak-
tor auf, der nicht gleichzusetzen ist mit einer global gesehen konstanten Lichtgeschwindigkeit
(vgl. Boblest u. a. 2016, S. 249).
48
Ein direkter rechnerischer Nachweis findet sich in (Boblest u. a. 2016, S. 249).
49
Eine feste Zeit ist hier gemeint sowohl im Sinne von immer wieder dieselbe Zeit als auch in
dem Sinne, dass eine sich im Ruhesystem an demselben Ort befindliche Uhr immer dieselbe
Zeit anzeigen würde. Eben deswegen wird sich die Anregung atomarer Übergänge auch bei
Atomuhren zu Nutze gemacht.
50
Erst durch die verschiedenen Orte von Emission und Detektion ist ein Effekt messbar. Mes-
sungen an zwei verschiedenen Orten von je dort emittiertem Licht, würden keinen Unterschied
ergeben, da auch die Messgeräte der Zeitdilatation unterliegen.
72
6.2 Rotverschiebung
73
6 SCHWARZSCHILD-LÖSUNG UND KLASSISCHE TESTS
Sei nun r2 = RSonne = 7.0 × 108 m der Radius der Sonne und r1 der Abstand zur
Erdoberfläche, das heißt es entspreche näherungsweise dem Abstand Erde-Sonne,
r1 = 1.5 × 1011 m. Wegen r2 r1 approximieren wir:
∆ν rS,Sonne 3 × 103 m
=− ≈− ≈ −2.1 × 10−6 . (6.22)
ν2 2 RSonne 2 · 7.0 × 108 m
Das negative Vorzeichen kennzeichnet die Verschiebung in Richtung des roten
Spektrums, hin zu geringeren Frequenzen.
Experimentelle Bestätigung
Der Effekt ist nur sehr klein und nicht leicht zu messen. Erschwerend kommt hinzu,
dass er überlagert wird durch den auftretenden Doppler-Effekt und die Aufweitung
der Spektrallinien bei hohen Temperaturen. Tatsächlich haben Charles Fabry und
Henri Buisson eine Rotverschiebung der Spektrallinien der entsprechenden Grö-
ßenordnung bereits 1909 festgestellt, diese aber auf die Wirkung des Druckes in
der absorbierenden Schicht zurückgeführt (vgl. Einstein 1911, S. 905).
Deutlicher tritt die Verschiebung dagegen bei weißen Zwergen zutage. Deren Mas-
se ist ähnlich groß wie die der Sonne, während der Radius um einen Faktor 10
bis 100 kleiner ist. Die bei 40 Eridani B51 beobachtete Verschiebung entsprach der
vorhergesagten Größenordnung von −5.7 × 10−5 (vgl. Popper 1954).
Ein berühmtes Experiment, welches sehr präzise Messungen ermöglichte, wurde
von Robert Pound und seinem Assistenten Glen Rebka durchgeführt (vgl. Pound
und Rebka 1960). Sie wiesen den Effekt anhand von Gammaquanten im nahen
Gravitationsfeld der Erde nach. Dazu sendeten sie diese vertikal über eine Distanz
von h = 22.5 m in Richtung der Erdoberfläche. Wir passen unsere Formel aus
(6.21), Kapitel 13.4 aus Grøn und Næss (2011) folgend, an diesen speziellen Fall
an. Im Nahfeld der Erde erhalten wir mit r1 = RErde und r2 = RErde + h:
∆ν rS,Erde 1 1
= −
ν2 2 RErde RErde + h
rS,Erde h
= 2
2 RErde + RErde h
51
40 Eridani B ist ein weißer Zwerg in einem 16 Lichtjahre von der Erde entfernten Dreifach-
sternsystem. Bekannter ist sein Nachbar 40 Eridani A aus Film und Fernsehen. In Star Trek
ist er die Sonne von Spocks Heimatplaneten Vulkan.
74
6.3 Bewegungssgleichungen im Gravitationsfeld
rS,Erde h
≈ 2
2 RErde
h rS,Erde
= 2
2 RErde
22.5 m · 9 × 10−3 m
≈
2 · (6.4 × 108 m)2
≈ 2.5 × 10−15 . (6.23)
Im zweiten Schritt nutzen wir aus, dass h RErde . Der Versuch lieferte das expe-
rimentelle Ergebnis von
∆ν
= (2.57 ± 0.26) × 10−15 , (6.24)
ν2 exp
welches die Theorie bestätigte.
Wichtig ist es an dieser Stelle zu erwähnen, dass die experimentelle Bestätigung
der Rotverschiebung allein noch keine Bestätigung der Struktur der Einstein’schen
Feldgleichungen darstellt, sondern im Wesentlichen nur auf dem Äquivalenzprin-
zip beruht. Eine Herleitung ausgehend von der Quantentheorie über die Energie
E = hν eines Photons führt zu demselben Näherungsergebnis. Zu einer Bestä-
tigung der Einstein’schen Feldgleichung wird sie erst durch die Bestätigung der
exakten Vorhersage aus (6.19) ohne die gemachten Näherungen. Dort gehen die
Metrikkoeffizienten noch direkt ein (vgl. Rebhan 2012, S. 324).
75
6 SCHWARZSCHILD-LÖSUNG UND KLASSISCHE TESTS
Mit der Metrik aus (6.11) und den bereits berechneten Christoffel-Symbolen aus
(A.6) können wir die Geodätengleichungen nun konkret angeben. Dabei beachten
wir den Zusammenhang
rS
e2ν =1 −
r
d
r S
dr
⇒ 2 ν 0 e2ν = 2
r
rS rS rS −1
⇔ 0
ν = 2 e−2ν = 1 − . (6.25)
2r 2 r2 r
Daraus ergeben sich als nichtverschwindende Christoffel-Symbole
rS rS −1
Γ001 = Γ010 = −Γ111 = ν 0 (r) = 1 − ,
2 r2 r
rS −2ν 2ν(r)−2λ(r) rS rS
Γ100 = ν 0 (r) e2ν(r)−2λ(r) = e e = 1 − ,
2 r2 2 r2 r
Γ1 rS
−2λ(r)
Γ122 = 33 = −r e = −r 1 − ,
sin2 θ r
1
Γ212 = Γ221 = Γ313 = Γ331 = ,
r
2
Γ33 = − sin θ cos θ ,
Γ323 = Γ332 = cot θ . (6.26)
Damit lassen sich die Geodätengleichungen für die einzelnen Komponenten nach
(4.3) formulieren. Die Herleitung erfolgt zunächst für massebehaftete Teilchen.
In diesem Fall wählen wir die Eigenzeit τ als Parameter der Geodätengleichung.
µ
Das bedeutet ẋµ = dxdτ
. Für Licht müsste eine entsprechende Ersetzung τ → λ zu
einem allgemeinen Parameter erfolgen. Betrachten wir die einzelnen Komponenten
der Reihe nach.
Zunächst gilt für die t-Komponente
rS rS −1
0 0 µ κ 2
0 = ẍ + Γµκ ẋ ẋ = c ẗ + 2 2 1 − c ṫ ṙ . (6.27)
2r r
Multiplikation mit 1c 1 − rrS liefert
rS rS
0= 1− c ẗ + 2 ṫ ṙ
r r
d h rS i
= 1− c ṫ
dτ r
rS
⇔ 1− c ṫ =: k = konst.
r
76
6.3 Bewegungssgleichungen im Gravitationsfeld
k rS −1
⇔ 1−
ṫ = . (6.28)
c r
In der Erhaltungsgröße k steckt die Energieerhaltung.
77
6 SCHWARZSCHILD-LÖSUNG UND KLASSISCHE TESTS
Für Licht stünde auf der linken Seite der Gleichung eine null. Unter Beachtung
von θ = π2 ergibt sich also mit den Komponenten des metrischen Tensors der
Schwarzschild-Metrik aus (6.11)
rS 2 2 rS −1 2
c2 = + 1 − c ṫ − 1 − ṙ − r2 ϕ̇2
r r
c2 rS 2 2 1 rS −1 2 1
⇔ = 1 − c ṫ − 1 − ṙ 2 − r2 . (6.33)
ϕ̇2 r ϕ̇2 r ϕ̇
Ausdrücken von ϕ̇ und ṫ durch die beiden Erhaltungsgrößen aus (6.28) und (6.31)
liefert
c2 r 4 rS 2 rS −2 r4 rS −1 ṙ2
= 1 − k 1 − − 1 − − r2 . (6.34)
h2 r r h2 r ϕ̇2
Wir nutzen, dass nach der Kettenregel gilt ṙ = dr
dϕ
ϕ̇ und damit
2
c2 r 4 rS 2 rS −2 r4 rS −1 dr 1
2
= 1− k 1− 2
− 1− ϕ̇ 2
− r2
h r r h r dϕ ϕ̇
4 2
rS −1 r rS −1 dr
= k2 1 − − 1 − − r2
r h2 r dϕ
2
c2 rS k 2 1 dr 1 rS
⇔ 1 − = − − 1 −
h2 r h2 r4 dϕ r2 r
rS c2 rS
2
k2 1 dr 1
⇔ 0= 2 − 4 − 2 1− − 2 1−
h r dϕ r r h r
2
2 2 2
k 1 dr 1 rS c r
= 2− 4 − 2 1− 1+ 2 . (6.35)
h r dϕ r r h
2 h i2
Ersetze r14 dϕ
dr
durch dϕ d 1
r
:
2
k2 d 1 1 rS c2 r 2
0= 2 − − 2 1− 1+ 2 . (6.36)
h dϕ r r r h
An dieser Stelle setzen wir u(r) := 1
r
und meinen mit u0 = dϕ du
:
k2 0 2 2 c2
0 = 2 − (u ) − u (1 − rS u) 1 + 2 2
h u h
2 2
k c rS u c2
= 2 − (u0 )2 − u2 + u3 rS − 2 +
h h h2
2 2 2
k −c u rS c
⇔ (u0 )2 + u2 = 2
+ + u 3 rS . (6.37)
h h2
78
6.4 Periheldrehung
6.4 Periheldrehung
Nachdem Johannes Kepler die Gesetze der Planetenbewegung52 empirisch be-
stimmt hatte, manifestierten diese sich nach der Newton’schen Gravitationstheorie
in der Bewegungsgleichung
u00 + u − A = 0 , (6.41)
wobei u(r) = 1r ist und u0 die Ableitung nach ϕ darstellt und A analog zu vorange-
gangenem Abschnitt definiert ist.53 Diese DGL wird gelöst durch die Kegelschnitte
u0 = A [1 + ε cos(ϕ − ϕ0 )] , (6.42)
wobei ε für den Fall 0 < ε < 1 die Exzentrizität einer Ellipse beschreibt, deren
sonnennächster Punkt, das Perihel, bei ϕ = ϕ0 liegt. Ohne Beschränkung der All-
gemeinheit können wir annehmen, dass ϕ0 = 0 ist.
52
In Kapitel 1.7.2 aus Scheck (2007) sind diese sehr ausführlich erläutert.
53
Eine knappe Herleitung mit Hilfe der Euler-Lagrange-Gleichung findet sich zu Beginn des
Kapitels 9.1 in Schröder (2002).
79
6 SCHWARZSCHILD-LÖSUNG UND KLASSISCHE TESTS
Unsere in der ART gefundene DGL (6.40) unterscheidet sich nur in einem Störterm
3
A (u) = rS u 2 (6.43)
2
von der Newton’schen DGL aus (6.41). In nullter Näherung ergibt sich also ge-
rade die Newton’sche Lösung. Exakt werden wir die neue DGL aber auch nicht
lösen. Wir bedienen uns der Variationstheorie, orientiert an Kapitel 9 aus Schröder
(2002). Der zusätzliche Störterm sollte nur eine verhältnismäßig geringe Verände-
rung verursachen. Darum soll auch die Newton’sche Lösung u0 der homogenen
DGL nur geringfügig gestört werden zu u0 + u , um eine Lösung der inhomogenen
DGL darzustellen. Um anzudeuten, dass es sich um kleine Störterme handelt, sind
diese mit indiziert. Dieses ist nicht zu verwechseln mit der Exzentrizität ε der
Ellipsenbahn. Wir setzen unseren Lösungsansatz in die neue DGL ein,
Im ersten Schritt haben wir ausgenutzt, dass u0 (6.41) erfüllt. Da sowohl A als
auch u als kleine Störterme angenommen werden, vernachlässigen wir auf der
linken Seite in erster Näherung den Störterm des Argumentes:
80
6.4 Periheldrehung
Man verifiziere durch Einsetzen leicht, dass diese gelöst wird durch
3 2
u = A rS ε ϕ sin ϕ . (6.48)
2
Betrachten wir noch einmal die vollständige Lösung der inhomogenen DGL
3
u0 + u = A [1 + ε cos ϕ] + A2 rS ε ϕ sin ϕ
2
3
= A 1 + ε cos ϕ + A rS ε ϕ sin ϕ . (6.49)
2
Wir setzen
2 2
2
3 (6.39) 3 rS c (6.13) GM
∆ϕ0 := A rS ϕ = ϕ = 3 (6.50)
2 2 2 h2 ch
und können wegen ∆ϕ0 1 in (6.49) unter Verwendung der Kleinwinkelnäherun-
gen sin ∆ϕ0 ≈ ∆ϕ0 und cos ∆ϕ0 ≈ 1 schreiben:
81
6 SCHWARZSCHILD-LÖSUNG UND KLASSISCHE TESTS
vorgerückt ist. Der Parameter A der Ellipsengleichung (6.42) steht mit der Exzen-
trizität ε und der Periheldistanz rmin wie folgt in Beziehung:
1
A= (6.54)
rmin (1 + ε)
und damit ergibt sich schließlich die Periheldrehung in Parametern der Ellipse
3 π rS
∆ϕ = . (6.55)
rmin (1 + ε)
Experimentelle Bestätigung
Für den Planeten Merkur ergibt sich mit den Parametern ε = 0.206 , rmin =
4.6×1010 m und 415 Umläufen eine Periheldrehung auf Grund des durch die Sonne
erzeugten Gravitationsfeldes von
3 π · 3 × 106 m
∆ϕMerkur = 415 · ≈ 43.0300 (6.56)
4.6 × 1010 m · (1 + 0.206)
pro Erdjahrhundert. Vor Venus mit 8.600 und Erde mit 3.800 ist dies der größte Wert
unseres Sonnensystems, weshalb die Abweichung bei Merkur auch sehr früh regis-
triert worden ist. Bereits 1859 hat Urbain Le Verrier altes astronomisches Material
aufgearbeitet und eine nicht erklärbare Differenz von 42.5600 für die Periheldrehung
des Merkurs pro Jahrhundert gefunden. Bei dieser Abweichung waren bereits alle
damals bekannten Störfaktoren berücksichtigt. Man misst für das Perihel Mer-
kurs eine Drehung von ca. 560000 pro Jahrhundert. Der größte Anteil lässt sich auf
die Newton’sche Theorie zurückführen. So entfallen 502500 auf die Präzession der
Erdrotationsachse gegenüber den Fixsternen und weitere 53200 lassen sich mit der
Störung durch andere Planten erklären (vgl. Schröder 2002, Kap. 9.2).
Verbleibt ein Rest von 4300 pro Jahrhundert, der den Astronomen Kopfzerbrechen
bereitet hatte. Verschiedene Varianten der Gravitationstheorie wurden entwickelt
und ein neuer Planet vermutet, doch es gab keine befriedigende Erklärung. Erst
die Einstein’sche Theorie implizierte diesen Effekt, ohne weitere Zusatzannahmen
auskommend. Die Periheldrehung des Merkurs gilt als deren erste experimentelle
Bestätigung (vgl. Schmutzer 1996, Kap. 4.3.3).
82
6.5 Lichtablenkung
6.5 Lichtablenkung
Zur Herleitung der Bahnkurve, die durch einen Lichstrahl beschrieben wird, können
wir analog zu der der Planetenbahnen vorgehen, wobei wir uns an Kapitel 12.3
aus Göbel (2014) orientieren. Es müssen lediglich die in Abschnitt 6.3 bereits
erwähnten Anpassungen vorgenommen werden. Die Änderung der linken Seite in
(6.32) zu null bewirkt in der endgültigen DGL (6.40) das Wegfallen des Terms mit
dem Faktor c2 . Für die zu lösende DGL bleibt im Falle des Lichtsstrahls noch
u00 + u = A (6.57)
u00 + u = 0 (6.58)
83
6 SCHWARZSCHILD-LÖSUNG UND KLASSISCHE TESTS
Mit der Definition von Aε aus (6.43) ergibt sich für die partikuläre Lösung folgende
DGL:
3
u00 + u ≈ rS (u0 )2
2
2
(6.59) 3 cos ϕ
= rS . (6.63)
2 r0
Durch Einsetzen verifiziere man, dass diese DGL gelöst wird durch
rS
u = (1 + sin2 ϕ) , (6.64)
2 r02
sodass sich unter Hinzunahme von (6.59) für die Gesamtlösung u von (6.57) ergibt:
1 rS
u= cos ϕ + 2 (1 + sin2 ϕ) . (6.65)
r0 2 r0
Wir untersuchen diese Gleichung für sehr große Radien r, das heißt Abstände von
dem die Metrik erzeugenden Körper. Für r → ∞ gilt u → 0. Würde das Licht einer
geraden Bahn folgen, so würde der Wert für ϕ gegen ± π2 streben. Wir nehmen eine
Abweichung α 1 von dem Grenzwert π2 an und bilden den Grenzwert von (6.65),
1 π rS π
0= cos + α + 2 1 + sin2 +α
r0 2 2 r0 2
1 rS
= sin(α) + 2 (1 + cos2 (α)) . (6.66)
r0 2 r0
Mit den Kleinwinkelnäherungen cos α ≈ 1 und sin α ≈ α lässt sich approximieren
1 rS α rS
0= α + 2 (1 + 1) = + 2 . (6.67)
r0 2 r0 r0 r0
Zwischen tatsächlichem und scheinbarem Ursprungsort des Lichtes liegt ein Winkel
von
2 rS
2α = , (6.68)
r0
wie sich aus Abb. 4 ergibt.
Beispielhaft bestimmen wir diese Winkeldifferenz für einen Lichtstrahl, der un-
mittelbar die Oberfläche der Sonne streift, d. h. wir verwenden rmin ≈ RSonne ≈
7.0 × 108 m und deren Schwarzschild-Radius rS = 3.0 km. Dann ist
2 α ≈ 1.700 . (6.69)
84
6.5 Lichtablenkung
Experimentelle Bestätigung
Gerade die Hälfte dieses Wertes, nämlich 0.8300 , wurde von Einstein 1911 in sei-
ner Veröffentlichung „Über den Einfluß der Schwerkraft auf die Ausbreitung des
Lichtes“ vorhergesagt. Sein Artikel endet mit der eindringlichen Bitte:
„Es wäre dringend zu wünschen, dass sich Astronomen der hier aufge-
rollten Frage annehmen, auch wenn die im vorigen gegebenen Überle-
gungen ungenügend fundiert oder gar abenteuerlich erscheinen sollten“
(Einstein 1911, S. 908).
Interessant ist, dass sich aus der Newton’schen Theorie auch gerade der halbe Wert
für die Lichtablenkung ergibt. Auf diesen stieß bereits Johannes Georg von Sold-
ner im Jahr 1801 auf Basis einer mechanischen Korpuskeltheorie (vgl. Schmutzer
1996, S. 138). Er ergibt sich außerdem aus dem metrischen Tensor mit g00 = 1+ 2c2Φ
und gii = −1. Anders als bei der Schwarzschild-Lösung tritt nur in der Zeitkoor-
dinate eine Krümmung auf, während die Raumkoordinaten unangetastet bleiben.
Den korrekten Wert errechnete Einstein selbst erst, als die Feldgleichungen in ihrer
endgültigen Form feststanden (vgl. Fließbach 1995, S. 179).
Tatsächlich wurden anlässlich der Sonnenfinsternis 1919 von der Royal Astronomi-
cal Society Expeditionen nach Brasilien und Guinea unternommen. Eine Sonnen-
finsternis ist notwendig, damit die Sterne überhaupt sichtbar sind. Ihre Position
erschiene dann relativ zu den anderen Sternen um den Winkel 1.700 verschoben.
85
6 SCHWARZSCHILD-LÖSUNG UND KLASSISCHE TESTS
Arthur Stanley Eddington, Leiter der Expedition nach Guinea, schrieb vor dem
Aufbruch:
Tatsächlich trat Letzteres ein und die Ablenkung des von Fixsternen ausgesand-
ten Lichtes, welches dicht an der verdunkelten Sonnenoberfläche vorbeiging, ergab
einen Wert von 1.6100 ±0.3000 . Es war dieser experimentelle Nachweis, mit dem Ein-
stein letztendlich zur Berühmtheit wurde und auch in der Presse für Schlagzeilen
sorgte (vgl. Pais 1986, S. 308).
Moderne Messungen werden an Radiowellen durchgeführt, die beispielsweise von
Quasaren (quasi-stellar radio source) in großem Maße abgestrahlt werden. Sie nut-
zen die „Very Long Baseline Interferometry“ (VLBI), eine Methode der Radioastro-
nomie für Messungen mit höchster räumlicher Auflösung und Positionsgenauigkeit.
Mit deren Hilfe erreicht man Winkelauflösungen unter 0.00100 . Messungen aus dem
Jahr 2009 bestätigen die Theorie bis zu einer Genauigkeit von 3 × 10−4 (vgl. Will
2014, S. 41).
86
7 Fazit und Ausblick
87
7 FAZIT UND AUSBLICK
Hier soll dem Leser allerdings kurz ins Bewusstsein gerufen werden, welch ein lan-
ger Schaffensprozess bis zur endgültigen Formulierung notwendig war.54 Kurze Zeit
nach der Veröffentlichung der SRT sprach Einstein bereits von einer „tiefen Sehn-
sucht, den Grund dafür zu erkennen “ 55 , warum sich das Gravitationsgesetz nicht
in Begriffen der SRT beschreiben lässt. Bis zur Vervollständigung seiner Theo-
rie, mit der Veröffentlichung der ART, dauerte es weitere acht Jahre. Diese waren
geprägt von Irrwegen und Rückschlägen. Nicht zuletzt verdankt Einstein den end-
gültigen Erfolg auch der Hilfe anderer genialer Wissenschaftler und Mathematiker,
deren Beiträge er auch stets aufs Neue würdigte. Besonders bei der Literatur sei-
ner Originalarbeiten empfand ich tiefe Bewunderung dafür, dass er nicht davor
zurückschreckte, die Struktur von Raum und Zeit gleich zwei Mal grundlegend in
Frage zu stellen und neu zu schaffen. Und man kann wohl nur erahnen, was es für
ein Gefühl sein muss, wenn sich die eigenen Vorhersagen schließlich bestätigen und
die Theorie über das eigene Leben hinaus Gültigkeit behält.
Zuletzt im September vergangenen Jahres wurde eine weitere Prophezeiung Ein-
steins, die Gravitationswellen, bestätigt. Am 14.09.2015 um 09:50:45 Weltzeit wur-
den in den beiden Observatorien des „Laser Interferometer Gravitation Wave Ob-
servatory“ (LIGO) in den USA, genauer in Hanford und Livingston, Gravitations-
wellen direkt beobachtet (vgl. Abbott u. a. 2016). Zwei schwarze Löcher von rund
29 und 36 Sonnenmassen kreisten umeinander und fusionierten zu einem Schwar-
zen Loch von 62 Sonnenmassen, sodass drei Sonnenmassen an Energie in Form
von Gravitationswellen abgestrahlt wurden. Das Ereignis fand in einer Entfernung
von 1.3 Milliarden Lichtjahren statt. Einstein hatte die Existenz von Gravitati-
onswellen tatsächlich bereits 1918 vorausgesagt, jedoch auf Grund der winzigen
Größenordnung nicht für möglich gehalten, dass diese je detektiert werden könn-
ten. Am LIGO werden die gemessenen Signale erzeugt durch eine Längenverände-
rung im Bereich des tausendstel Durchmessers eines Protons (vgl. Einstein 1918a).
54
Als wissenschaftliche Biographie sei Pais (1986) empfohlen.
55
Siehe (Pais 1986, S. 177).
88
Damit ist Einsteins Theorie seit nun mehr als einem Jahrhundert Gegenstand aktu-
eller Forschung und konnte bislang jedem Test standhalten. Sie bietet neue Ansätze
und Möglichkeiten zur Erforschung des Universums. Die theoretische Physik steht
vor der Herausforderung, sie mit dem Standardmodell der Elementarteilchenphy-
sik zu vereinen, welches die anderen drei Wechselwirkungen neben der Gravitation
beschreibt.
89
A Anhang
ds2 = c2 dt2 − (cos2 ϕ sin2 θ dr2 + r2 cos2 ϕ cos2 θ dθ2 − r2 sin2 ϕ sin2 θ dϕ2 )
− (sin2 ϕ sin2 θ dr2 + r2 sin2 ϕ cos2 θ dθ2 + r2 cos2 ϕ sin2 θ dϕ2 )
− (cos2 θ dr2 + r2 sin2 θ dθ2 )
= c2 dt2 − (cos2 ϕ sin2 θ + sin2 ϕ sin2 θ + cos2 θ) dr2
− (r2 cos2 ϕ cos2 θ + r2 sin2 ϕ cos2 θ + r2 sin2 θ) dθ2
− (r2 sin2 ϕ sin2 θ + r2 cos2 ϕ sin2 θ) dϕ2
= c2 dt2 − dr2 − r2 dθ2 − r2 sin2 θ dϕ2 . (A.3)
Aus den Koeffizienten der Koordinatendifferentiale können wir dann die Kompo-
nenten des metrischen Tensors ablesen und erhalten gerade (3.15).
91
A ANHANG
g00 = e2 ν(r) , g11 = e2 λ(r) , g22 = −r2 , g33 = −r2 sin2 θ . (A.4)
Beginnen wir also mit den Ableitungen der Komponenten des metrischen
Tensors,
g00,1 = 2ν 0 (r)e2ν(r) , g11,1 = −2λ0 (r)e2λ(r) , g22,1 = −2r, g33,1 = −2r sin2 θ
g33,2 = −2r2 sin θ cos θ .
(A.5)
Daraus ergeben sich als von null verschiedene Christoffel-Symbole:
1 1
Γ001 = Γ010 = g 00 (−g01,0 + g00,1 + g10,0 ) = (e−2ν(r) ) 2ν 0 (r) e2ν(r) = ν 0 (r) ,
2 2
1 1 11
Γ00 = g (−g00,1 + g01,0 + g01,0 )
2
1
= (−e−2λ(r) ) −2ν 0 (r) e2ν(r) = ν 0 (r) e2ν(r)−2λ(r) ,
2
1 1
Γ11 = g 11 (−g11,1 + g11,1 + g11,1 ) = (−e−2λ(r) ) −2λ0 (r) e2λ(r) = λ0 (r) ,
1
2 2
1 11 1
Γ22 = g (−g22,1 + g21,2 + g21,2 ) = (−e−2λ(r) ) (2r) = −r e−2λ(r) ,
1
2 2
1 11 1
Γ33 = g (−g33,1 + g31,3 + g31,3 ) = (−e−2λ(r) ) 2r sin2 θ = −r sin2 θ e−2λ(r) ,
1
2 2
2 2 1 22 1 −1 1
Γ12 = Γ21 = g (−g12,2 + g12,2 + g22,1 ) = 2
(−2r) = ,
2 2 r r
2 1 22 1 −1 2
Γ33 = g (−g33,2 + g32,3 + g32,3 ) = 2r sin θ cos θ = − sin θ cos θ ,
2 2 r2
92
A.2 Herleitung des Ricci-Tensors in der Schwarzschild-Metrik
1 33 1 −1 1
Γ313 = Γ331 = g (−g13,3 + g13,3 + g33,1 ) = 2 2 −2r sin2 θ = ,
2 2 r sin θ r
1 1 −1
Γ323 = Γ332 = g 33 (−g23,3 + g23,3 + g33,2 ) = 2 −2r 2
sin θ cos θ = cot θ
2 2 r2 sin θ
(A.6)
und die Ableitungen der Christoffel-Symbole:
93
A ANHANG
Eine analoge Rechnung ergibt eine Gleichung für R33 = 0, die sich jedoch als
äquivalent zu R22 = 0 erweisen wird. Man wird zudem feststellen, dass alle anderen
Komponenten des Ricci-Tensors unabhängig von den Werten von λ(r) und ν(r)
bereits verschwinden.
94
A.3 Glossar
A.3 Glossar
Äquivalenzprinzip Aussage, die in ihrer schwachen Formulierung besagt, dass
schwere und träge Masse gleich sind. In seiner starken Version behauptet es die
lokale Äquivalenz von Trägheits- und Gravitationskräften (→ Lokales Inertialsys-
tem).
Äther-Theorie Vorstellung, der Raum müsse mit einem homogenen Medium ge-
füllt sein, in dem sich Licht mit Vakuumlichtgeschwindigkeit ausbreite. Dieser stel-
le ein absolutes Bezugssystem dar. Die Äther-Theorie wurde endgültig widerlegt
durch das → Michelson-Morley-Experiment.
95
A ANHANG
Geodätengleichung Gleichung aus (4.3), die in der ART an die Stelle der New-
ton’schen Bewegungsgleichung für ein freies Teilchen tritt. Sie ist festgelegt durch
den → Metrischen Tensor und ergibt sich aus dem extremalen Abstand zweier
Punkte. Im → Euklidischen Raum wird sie gelöst durch eine Geradengleichung.
96
A.3 Glossar
Minkowski-Raum 4-dimensionale Raumzeit, bei der die Zeit zu den drei Raum-
koordinaten hinzugefügt ist. Er ist ausgestattet mit dem → metrischen Tensor ηαβ
und einem → Wegelement, welches invariant unter → Lorentz-Transformationen
ist.
97
A ANHANG
98
B Literaturverzeichnis
Abbott, B. P. u. a. (2016). Observation of gravitational waves from a binary black
hole merger. Physical Review Letters 116, S. 061102 – 061117.
Einstein, A. (1911). Über den Einfluß der Schwerkraft auf die Ausbreitung des
Lichtes. Annalen der Physik 35, S. 485 – 495.
99
B LITERATURVERZEICHNIS
Eötvös, R. (1890). Über die Anziehung der Erde auf verschiedene Substanzen.
Mathematische und naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn 8, S. 65 – 68.
Grøn, Ø. und Næss, A. (2011). Einsteins theory: a rigorous introduction for the
mathematically untrained. Springer, New York u. a.
Michelson, A. A. und Morley, E. (1887). On the Relative Motion of the Earth and
the Luminiferous Ether. American Journal of Science 34, S. 333 – 345.
100
Pais, A. (1986). Raffiniert ist der Herrgott ...: Albert Einstein: Eine wissenschaft-
liche Biographie. Vieweg, Braunschweig u. a.
Schmutzer, E. (1996). Relativitätstheorie aktuell: Ein Beitrag zur Einheit der Phy-
sik. Teubner, Stuttgart.
101
B LITERATURVERZEICHNIS
Treder, H.-J. (1968). Relativität und Kosmos: Raum und Zeit in Physik, Astrono-
mie und Kosmologie. Akademie - Verlag u. a., Berlin u. a.
Zeidler, E., Hrsg. (2013a). Springer - Handbuch der Mathematik II. Springer Spek-
trum, Wiesbaden.
Zeidler, E., Hrsg. (2013b). Springer - Handbuch der Mathematik IV. Springer
Spektrum, Wiesbaden.
102
Teil II
Präsentation
Allgemeine Relativitätstheorie
Eine Einführung
Antonia Berger
Inhaltsverzeichnis
1 Vorrelativistische Mechanik
2 Spezielle Relativitätstheorie
3 Mathematische Grundlagen
4 Newton’sche Gravitationstheorie
5 Allgemeine Relativitätstheorie
Äquivalenzprinzip
Krümmung
Feldgleichungen und spezielle Lösung
Klassische Tests
Relativitätsprinzip
Das Bewegungsgesetz der Newton’schen Mechanik besitzt in allen
Inertialsystemen (IS) dieselbe Form.
Galilei-Transformation Geschwindigkeitsaddition
Zwei IS K und K 0 :
~x 0 = D ~x + u~ t + w
~ mit D ∈ O(3)
t0 = λ t + b mit λ ∈ {±1} Quelle: http://www.joergresag.privat.t-online.de/mybk2-
htm/chap24.htm (29.08.16)
invariant: ds 2 = dx 2 + dy 2 + dz 2
Grenzen
Das Michelson-Morley-Experiment zeigt Konstanz der Lichgeschwindigkeit
in allen IS.
Spezielle Relativitätstheorie
Postulat von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit
Die Lichtgeschwindigkeit ist in allen IS unabhängig von deren
Bewegungsrichtung konstant.
Grenzen
keine Verallgemeinerung der Gravitationstheorie
Einschränkung auf IS
A. Berger Allgemeine Relativitätstheorie 17. September 2016 4 / 20
Mathematische Grundlagen
vorrelativistisch speziell-relativistisch allgemein-relativ.
Euklidischer Raum Minkowski-Raum Riemann-Raum
~x = (x 1 , x 2 , x 3 ) ~x = (x 0 , x 1 , x 2 , x 3 ) ~x = (x 0 , x 1 , x 2 , x 3 )
= (x, y , z) = (ct, x, y , z)
Galilei-Transformationen Lorentz-Transformationen beliebige Transf.
ds 2 = dx 2 + dy 2 + dz 2 ds 2 = c
2 dt 2−dx 2−dy 2−dz 2
ds 2 = gµν dx µ dx ν
1 0 0 0
1 0 0 0 −1 0
0
gµν = 0 1 0 gµν = gµν = gµν (~x )
0 0 −1 0
0 0 1
0 0 0 −1
Einstein’sche Summenkonvention
Über gleichnamige Indizes wird summiert:
X3
gµν dx µ dx ν = gµν dx µ dx ν = g00 dx 0 dx 0 + g01 dx 0 dx 1 + ... + g33 dx 3 dx 3
µ,ν=0
Mathematische Grundlagen
Tensoren
mathematische Objekte
gekennzeichnet durch m Indizes
hat in 4-dimensionalem Raum 4m Komponenten
Komponenten sind Zahlen, auch in Form von Formeln
besondere Eigenschaft: Transformationsverhalten in jeweiligem Raum
⇒ Eine Tensorgleichung sieht in jedem Koordinatensystem gleich aus,
auch wenn sich die Komponenten der einzelnen Tensoren ändern.
Beispiel Minkowski-Raum
ds 2 ist ein Tensor mit 0 Indizes ⇒ Transformationsverhalten: ds 02 = ds 2
gµν ist ein Tensor mit 2 Indizes
in K : ds 2 = gµν dx µ dx ν
in K 0 : ds 02 = gµν
0 dx 0µ dx 0ν
Feldgleichung Bewegungsgleichung
d 2~r ~ r)
∆Φ(~r ) = 4π G ρ(~r ) m 2 = − m ∇Φ(~
dt
Grenzen
Mitte des 19.Jhd. entdeckte man eine zusätzliche Periheldrehung des
Merkurs.
Äquivalenzprinzip
Besonderheit
Im Gravitationsfeld erfahren alle
Körper dieselbe Beschleunigung
träge Masse
a= g
schwere Masse
Notwendige Voraussetzung:
Schwaches Äquivalenzprinzip
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Beschleunigung (26.08.16)
träge Masse = schwere Masse
Starkes Äquivalenzprinzip
Gravitation und Beschleunigung sind lokal äquivalent.
Achtung!
Das gilt so nur in homogenen Gravitationsfeldern!
Im Allgemeinen
variiert Betrag der Erdbeschleunigung mit Abstand
nähern sich Objekte einander wegen Radialsymmetrie an
Die Transformation gilt daher nur für
ein hinreichend kleines Volumen
ein hinreichend kleines Zeitintervall
A. Berger Allgemeine Relativitätstheorie 17. September 2016 9 / 20
Krümmung
Ein intrinsisch gekrümmter Raum ist ein Raum, in dem die Regeln der
Euklidischen Geometrie nicht gelten, wie z.B.
die Winkelsumme 180◦ in einem Dreieck
das Parallelenaxiom
der Zusammenhang U = 2πr für Umfang U und Radius r eines Kreises
Rotierende Scheibe Kugeloberfläche
Für außerhalb ruhenden Beobachter Winkelsumme ist stets größer als
ist Radius r unverändert, da 180◦
senkrecht zur Bewegungsrichtung je zwei Großkreise schneiden sich
ist Umfang U in jedem Punkt in für jeden Kreis ist U < 2πr
Bewegungsrichtung verkürzt
gilt daher U < 2πr
Extrinsische Krümmung ist nur durch Einbettung in höhere Dimensionen
erkennbar, z. B. Zylindermantel
Äquivalenzprinzip ⇒ Auch Gravitation entspricht Krümmung der Raumzeit
A. Berger Allgemeine Relativitätstheorie 17. September 2016 10 / 20
Krümmung
Frage: Wie sieht die kräftefreie Bewegung im gekrümmten Raum aus?
R 2 R
Ansatz: Minimierung der Bogenlänge ds = gµν dx µ dx ν
Lösung: Prinzip der kleinsten Wirkung
Geodätengleichung
1 λρ ∂gµκ ∂gµλ ∂gκλ
g − λ + + µ + ẍ ρ = 0
2 ∂x ∂x κ x
Krümmung
Paralleltransport
Transport eines Vektors, sodass er sich im Raum nicht ändert
dabei bleibt der Winkel zu je einer Geodäte konstant
Betrachtung eines geschlossenen Weges
π
Vektor dreht sich um 2
Vektor wird in sich selbst überführt
A. Berger Allgemeine Relativitätstheorie 17. September 2016 12 / 20
Krümmung
Einstein’sche Feldgleichungen
Einstein’sche Feldgleichungen
8πG
Eµν = Tµν
c4
ersetzt Massendichte ρ
Schwarzschild-Radius rS
2G M
rS =
c2
rS,Sonne ≈ 3 km
Kein Signal kann den Bereich r < rS verlassen.
⇒ Objekte mit Radius R < rS stellen schwarze Löcher dar.
Schwarzschild-Metrik
Kräftefreie Bewegung
entspricht Bewegung entlang einer Geodäte
Am Modell eines Rotationskörpers:
Gravitative Rotverschiebung
Emission von Photonen folgt fester Periodendauer
Messung an einem anderen Ort mit schneller vergehender Zeit ergibt
längere Periodendauer
⇒ Bei Registrierung von Licht an einem Ort schwächerer Gravitation ist
dieses rotverschoben:
∆ν rS 1 1
= −
νEmission 2 rDetektion rEmission
∆ν
für auf der Erde detektiertes Sonnenlicht: ν ≈ −10−6
berühmtes Experiment von R. Pound und G. Rebka 1960 an
Gammaquanten auf Erdoberfläche
A. Berger Allgemeine Relativitätstheorie 17. September 2016 17 / 20
Klassische Tests
Periheldrehung
Urbain Le Verrier stellte 1859 nicht erklärbare 43” pro Jahrhundert in der
Periheldrehung des Merkurs fest
verschiedene Theorien, z. B. neue Planeten, . . .
3 π rS
Periheldrehung pro Umlauf aus Schwarzschild-Metrik: ∆ϕ =
rmin (1 + ε)
für Merkur: ∆ϕ ≈ 4300 pro Jahrhundert
A. Berger Allgemeine Relativitätstheorie 17. September 2016 18 / 20
Klassische Tests
Lichtablenkung
Auch Licht unterliegt der Raumkrümmung:
rS
α=
rmin
Quellen
Zuerst gebührt mein Dank Herrn Prof. Dr. Stefan Scherer, der die Betreuung dieser
Arbeit mit großem Engagement übernommen hat. Für die unerschöpfliche Geduld
und die förderlichen Anregungen möchte ich mich herzlichst bedanken. Sein En-
thusiasmus und seine Hilfsbereitschaft haben mich sehr beeindruckt.
Auch all den anderen Dozenten, die mein Studium geprägt und mich tatkräftig
unterstützt haben, möchte ich an dieser Stelle Danke sagen.
Außerdem möchte ich meinem Vater Anton Berger danken, der stets ein offenes
Ohr für mich hat und mir mit wertvollem Rat und Tat zur Seite steht. Bedanken
möchte ich mich für die Unterstützung und den starken Rückhalt während der
gesamten Dauer meines Studiums. Meine Mutter Christine Berger ist als ehemali-
ge Lehrerin aus tiefster Überzeugung und Leidenschaft mein größtes Vorbild und
begleitet mich in meinem Herzen auf jedem meiner Wege.
Besonders für das kritische Korrekturlesen danke ich außerdem meinem Freund
Benjamin Kassel, der mich auch über die Zeit der Anfertigung dieser Arbeit immer
unterstützt. Außerdem danke ich all meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen,
die die Zeit des Studiums so unvergleichlich wertvoll machen.