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UNTERNEHMENSRECHT
RA o.Univ.Prof. Dr. Friedrich Harrer

Lösungshinweise zu Fall 5:
Das Anliegen des X ist es, den Geschäftsführer G abzuberufen. Die Abberufung des Geschäftsführers kann durch Beschluss der
Generalversammlung1 und durch gerichtliche Entscheidung2 erfolgen. Nach dem Sachverhalt ist davon auszugehen, dass die
Generalversammlung G nicht abberufen wird (die Gesellschafter reagieren auf die Vorwürfe, die X gegen G erhebt, „nicht oder
ausweichend“).
Nach § 16 Abs 2 GmbHG kann ein Gesellschafter die Abberufung des Geschäftsführers uU erzwingen. Eine Abberufung
durch das Gericht setzt jedoch voraus, dass ein wichtiger Grund vorliegt. Mithin erscheint es naheliegend, zunächst zu prüfen,
ob das Verhalten des Geschäftsführers das Tatbestandselement eines wichtigen Grundes erfüllt.
Dem Geschäftsführer obliegt es, das Unternehmen zu verwalten und zu entwickeln. 3 Auch die Errichtung weiterer
Betriebsstätten gehört zu diesem Aufgabenspektrum. Der Gedanke, dass ein Tourismusunternehmen, das bereits in mehreren
Ländern Südeuropas operiert, uU auch auf den Azoren tätig werden könnte, liegt nicht eo ipso fern.
Die Entscheidung betreffend dieses Projekt fällt jedoch nicht in den Zuständigkeitsbereich des Geschäftsführers.
Außergewöhnliche Maßnahmen hat der Geschäftsführer der Generalversammlung zur Genehmigung vorzulegen. 4 Zunächst ist
also jedenfalls die Gesellschafterebene zu befassen.
Ein korrekt agierender Geschäftsführer hätte den Gesellschaftern die Gründe auseinanderzusetzen, die für die Errichtung
einer Niederlassung auf den Azoren sprechen. Die Entscheidung der Gesellschafter determiniert die weitere Vorgehensweise.
Es steht den Gesellschaftern frei, dem Projekt nicht näher zutreten, obwohl gute Argumente für eine Realisierung sprechen. –
Jedenfalls geht es nicht an, dass ein Geschäftsführer ohne Absprache mit den Gesellschaftern erhebliche Mittel für eine
allfällige Errichtung einer Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft aufwendet.
Die Auskunft, die G X erteilt hat, ist widersprüchlich und unzureichend. G gab an, dass die Gesellschaft auf den Azoren „nicht
tätig werde“. Die Entscheidung hat aber nicht der Geschäftsführer, sondern die Generalversammlung zu treffen. G hätte X über
seine Bemühungen („Dienstreisen“ etc) betreffend die Azoren berichten müssen. Die Aussage, dass die Gesellschaft „dort nicht
tätig werde“, war unwahr. Auch Sondierungen durch den Geschäftsführer sind eine Tätigkeit der Gesellschaft.
Sollte hingegen die weitere Mitteilung des G zutreffen, dass seine Aktivitäten betreffend die Azoren „nichts mit der
Gesellschaft zu tun“ hätten, so hätte G – auch in einem strafrechtlichen Sinn – Untreue5 zu verantworten (Kostentragung der
Reiseaufwendungen durch die Gesellschaft, obwohl Zusammenhang mit dienstlichen Aufgaben nicht gegeben war).
Das Fehlverhalten des G stellt eine grobe Pflichtverletzung dar. Die Mitgesellschafter wollen die Thematik aber
offensichtlich nicht aufgreifen. In diesem Fall ist eine gerichtliche Abberufung zu erwägen.
Ein Gesellschafter, der die Abberufung eines Geschäftsführers anstrebt, hat zunächst die Mitgesellschafter einzubeziehen.
Das folgt aus den Treu- und Loyalitätsbindungen des Gesellschafters. Eine gerichtliche Auseinandersetzung über
Gesellschaftsinterna ist stets ultima ratio. Vorerst sind andere Strategien zu erwägen. Ein Gesellschafter, der gegen einen
Geschäftsführer vorgehen will, hat daher sein Anliegen in einer Generalversammlung darzutun.6

1 § 16 Abs 1 GmbHG.
2 § 16 Abs 2 GmbHG.
3 Peter F. Drucker, Was ist Management6 (2002) 40; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht I Rz 2/248 ff.
4 Reich-Rohrwig, GmbH-Recht I Rz 2/253; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG § 20 Rz 4; OGH RdW 1997, 202.
5 § 153 StGB.
6 In wbl 1990, 383 hat der OGH eine Rechtsauffassung vertreten, die gleichsam den Kontrapunkt zu dem im Text skizzierten
Verständnis darstellt. Der beklagte Gesellschafter-Geschäftsführer war mit 25 Prozent an der GmbH beteiligt, die Ehefrau und
die Tochter hielten 75 Prozent und betrieben die Abberufung. Die Abberufung sollte allerdings nicht im Rahmen einer
Generalversammlung durch Gesellschafterbeschluss, der eine einfache Mehrheit erforderte, erfolgen, sondern durch Klage und
Urteil nach § 16 Abs 2 GmbHG. – Der OGH hielt diese Vorgehensweise für zulässig (gedeckt durch den Wortlaut des § 16 Abs 2
GmbHG). Das Höchstgericht verkannte, dass die Generalversammlung jenes Forum bildet, auf dem gesellschaftsinterne
Konflikte – vornehmlich – zu regeln sind (zur Kritik an dieser Entscheidung auch Aicher, wbl 1990, 383 f). Eine streitige
Auseinandersetzung kommt erst dann in Betracht, wenn eine gesellschaftsinterne Administration scheitert. Aufgrund der
Loyalitäts- und Treubindung ist auch ein Minderheitsgesellschafter, der die Abberufung eines Geschäftsführers anstrebt,
verpflichtet, zunächst zu sondieren, ob eine gesellschaftsinterne Regelung möglich erscheint. Dieser Versuch hat im Rahmen
einer Generalversammlung zu erfolgen. Bleibt die Generalversammlung ohne (aus dem Blickwinkel des
Minderheitsgesellschafters gesehen) greifbare Ergebnisse, so kann Klage nach § 16 Abs 2 GmbHG erhoben werden. – Auch der
Blick auf § 16 Abs 2 S 3 GmbHG stützt das hier befürwortete Gesetzesverständnis. Danach können jene Gesellschafter geklagt
werden, „die nicht für die Abberufung des Geschäftsführers gestimmt haben“. Eine schlüssige Klage setzt demnach voraus, dass
der Kläger das ablehnende Stimmverhalten der übrigen Gesellschafter darlegt. Das kann er nur, wenn vor Klageerhebung eine
Generalversammlung stattgefunden hat (in casu erfolgt die Prozessführung nach § 16 Abs 2 S 3 GmbHG; s unten Fn 10).
Im Internet unter: www.uni-salzburg.at/UR/harrer-lv 1/2 tp

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In casu hält X allerdings nur 5 % der Gesellschaftsanteile. Das Einberufungsrecht nach § 37 GmbHG erfordert eine
Beteiligung von zumindest 10 %. Darüber hinaus haben „einige“ Mitgesellschafter bereits „nicht oder ausweichend reagiert“.
Das Forum, auf dem Gesellschaftsinterna zu diskutieren und gegebenenfalls zu entscheiden sind, ist jedoch die
Generalversammlung. Die Befassung „einiger“ Gesellschafter stellt nicht etwa eine Alternative dar. 7 X hat daher an den
Geschäftsführer heranzutreten und diesen – iS des § 37 Abs 1 GmbHG – aufzufordern, eine Generalversammlung einzuberufen.
Die Annahme, dass G dem Wunsch des X nicht Rechnung tragen werde, liegt nicht nahe.8 Der Geschäftsführer hat auch bei der
Einberufung einer Generalversammlung die Interessen der Gesellschaft zu wahren. Der Umstand, dass X die Einberufung nicht
(iS des § 37 GmbHG) selbst vornehmen könnte, ist rechtlich nicht relevant. 9 In der Generalversammlung wird X die Gründe, die
ihn veranlassen, die Abberufung des G zu fordern, näher dartun. Mit diesen Erwägungen und Argumenten haben sich die
anderen Gesellschafter meritorisch auseinanderzusetzen. UU ist weitere Aufklärung (etwa Befragung des Geschäftsführers) zu
veranlassen. Die Generalversammlung wird zeigen, ob allenfalls eine Abberufung durch Gesellschafterbeschluss erfolgen kann.
Sollte die Generalversammlung nicht oder ablehnend entscheiden, so kann X Klage nach § 16 GmbHG erheben. 10 Eine
ähnliche Lage ergibt sich auch dann, wenn X die Einberufung einer Generalversammlung nicht durchsetzen konnte. Die
Nichteinberufung der Generalversammlung wäre ein – weiterer – wichtiger Grund, den X in der Abberufungsklage aufgreifen
könnte.

7 Die Thematik kann auch im Zusammenhang mit sog faktischen Weisungen (oder „informellen Einflussnahmen“) Bedeutung
erlangen; s dazu Fall 12.
8 X begründet die Forderung nach Einberufung der Generalversammlung damit, dass grobe Pflichtverletzungen des
Geschäftsführers zu erörtern seien und dass die Gesellschaft über die Abberufung dieses Geschäftsführers entscheiden müsse.
Wollte sich G – als allein Betroffener – über dieses Anliegen hinwegsetzen und eine Generalversammlung nicht einberufen, so
hätte er eine neuerliche Pflichtverletzung zu verantworten. Es liegt zu Tage, dass die Vorwürfe, die X ventiliert, einer Diskussion
auf Gesellschafterebene bedürfen. Die Nichteinberufung ist mit dem Gebot, die Interessen der Gesellschaft zu wahren, nicht
vereinbar.
9 Der Geschäftsführer hat jeden Antrag eines Gesellschafters, eine Generalversammlung einzuberufen, sachlich zu prüfen. Sollten
es die Interessen der Gesellschaft erfordern, so ist die Generalversammlung namentlich auch dann einzuberufen, wenn der
antragstellende Gesellschafter oder die antragstellende Gesellschaftergruppe die 10 %-Grenze nicht erreicht.
10 G ist nicht Gesellschafter. Die Rechtsverfolgung hat nach § 16 Abs 2 S 3 GmbHG stattzufinden.

Im Internet unter: www.uni-salzburg.at/UR/harrer-lv 2/2 tp

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