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OLDENBOURG

GRUNDRISS DER
GESCHICHTE

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OLDENBOURG
GRUNDRISS DER
GESCHICHTE

HERAUSGEGEBEN
VON
JOCHEN BLEICKEN
LOTHAR GALL
HERMANN JAKOBS

BAND 12

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VOM ANCIEN
REGIME
ZUM WIENER
KONGRESS
VON
ELISABETH FEHRENBACH

5. Auflage

R. OLDENBOURG VERLAG
MÜNCHEN 2008
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im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

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unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen,
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Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht).
Satz: primustype R. Hurler GmbH, Notzingen
Druck: MB Verlagsdruck Bailas, Schrobenhausen
Bindung: Buchbinderei Kolibri, Schwabmünchen
ISBN 978-3-486-58587-2

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VORWORT DER HERAUSGEBER

Die Reihe verfolgt mehrere Ziele, unter ihnen auch solche, die von vergleichbaren
Unternehmungen in Deutschland bislang nicht angestrebt wurden. Einmal will sie
und dies teilt sie mit anderen Reihen eine gut lesbare Darstellung des historischen
-

Geschehens liefern, die, von qualifizierten Fachgelehrten geschrieben, gleichzeitig


-

eine Summe des heutigen Forschungsstandes bietet. Die Reihe umfaßt die alte,
mittlere und neuere Geschichte und behandelt durchgängig nicht nur die deutsche
Geschichte, obwohl sie sinngemäß in manchem Band im Vordergrund steht,
schließt vielmehr den europäischen und, in den späteren Bänden, den weltpoliti-
schen Vergleich immer ein. In einer Reihe von Zusatzbänden wird die Geschichte
einiger außereuropäischer Länder behandelt. Weitere Zusatzbände erweitern die
Geschichte Europas und des Nahen Ostens um Byzanz und die Islamische Welt und
die ältere Geschichte, die in der Grundreihe nur die griechisch-römische Zeit
umfaßt, um den Alten Orient und die Europäische Bronzezeit. Unsere Reihe
hebt sich von andern jedoch vor allem dadurch ab, daß sie in gesonderten
Abschnitten, die in der Regel ein Drittel des Gesamtumfangs ausmachen, den
Forschungsstand ausführlich bespricht. Die Herausgeber gingen davon aus, daß
dem nacharbeitenden Historiker, insbesondere dem Studenten und Lehrer, ein
Hilfsmittel fehlt, das ihn unmittelbar an die Forschungsprobleme heranführt.
Diesem Mangel kann in einem zusammenfassenden Werk, das sich an einen breiten
Leserkreis wendet, weder durch erläuternde Anmerkungen noch durch eine
kommentierende Bibliographie abgeholfen werden, sondern nur durch eine Dar-
stellung und Erörterung der Forschungslage. Es versteht sich, daß dabei schon um
der wünschenswerten Vertiefung willen jeweils nur die wichtigsten Probleme
-

vorgestellt werden können, weniger bedeutsame Fragen hintangestellt werden


-

müssen. Schließlich erschien es den Herausgebern sinnvoll und erforderlich, dem


Leser ein nicht zu knapp bemessenes Literaturverzeichnis an die Hand zu geben,
durch das er, von dem Forschungsteil geleitet, tiefer in die Materie eindringen kann.
Mit ihrem Ziel, sowohl Wissen zu vermitteln als auch zu selbständigen Studien
und zu eigenen Arbeiten anzuleiten, wendet sich die Reihe in erster Linie an
Studenten und Lehrer der Geschichte. Die Autoren der Bände haben sich darüber
hinaus bemüht, ihre Darstellung so zu gestalten, daß auch der Nichtfachmann,
etwa der Germanist, Jurist oder Wirtschaftswissenschaftler, sie mit Gewinn
benutzen kann.
Die Herausgeber beabsichtigen, die Reihe stets auf dem laufenden Forschungs-
stand zu halten und so die Brauchbarkeit als Arbeitsinstrument über eine längere
Zeit zu sichern. Deshalb sollen die einzelnen Bände von ihrem Autor oder einem
anderen Fachgelehrten in gewissen Abständen überarbeitet werden. Der Zeit-
punkt der Überarbeitung hängt davon ab, in welchem Ausmaß sich die allgemeine
Situation der Forschung gewandelt hat.
Jochen Bleicken Lothar Gall Hermann Jakobs

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INHALT

Vorwort IX

I. Darstellung . 1
1. Grundprobleme einer Übergangszeit. 1
2. England und die Anfänge der industriellen Revolution .... 5
3. Die politisch-soziale Revolution in Frankreich. 19
4. Die französische Revolution und Europa . 42
5. Deutschland um 1800 . 55
6. Das Ende des Heiligen Römischen Reiches. 71
7. Die napoleonisch-rheinbündischen Reformen. 82
8. Wirtschaft und Wirtschaftspolitik unter den Bedingungen
der Kontinentalsperre. 95
9. Die preußischen Reformen . 109
10. Der Wiener Kongreß zwischen Revolution und
Restauration . 126

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung. 137


1. Die Darstellung der Epochenwende . 137
2. Streitfragen über die Ursachen und Charakteristika
der englischen industriellen Revolution. 146
3. Von der sozial- und mentalitätsgeschichtlichenzur

politisch-kulturellen Deutung der französischen Revolution 162


4. Die „Revolution des Geistes", „deutsche Jakobiner",
Probleme des „kulturellen Transfers" . 187
5. Neue Wege der Säkularisationsforschung . 203
6. Die Aufwertung der napoleonischen und rheinbündischen
Reformen . 213
7. Kontroversen über die wirtschaftlichen Auswirkungen
der Kontinentalsperre.'. 228
8. Die historische Bedeutung der preußischen Reformzeit
für die deutsche Geschichte. . 235

III. Quellen und Literatur.,. 251


A. Quellen. 251
1. Quelleneditionen zur europäischen Geschichte. 251
2. Quelleneditionen zur französischen Geschichte . 252
3. Quelleneditionen zur deutschen Geschichte . 254

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VIII Inhalt

B. Literatur. 257
1. Die Anfänge der industriellen Revolution in England. 257
2. Die französische Revolution. 262
3. Das napoleonische Zeitalter (Gesamtdarstellungen und
Grundsätzliches). 270
4. Kontinentalsperre und Kontinentalsystem . 272
5. Deutschland um 1800 (Gesamtdarstellungen). 275
6. Lokal- und Regionalstudien zur deutschen Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte. 276
7. Deutschland und die französische Revolution. 279
8. Säkularisation und Mediatisierung . 285
9. Reichsauflösung und Rheinbund. 289
10. Linksrheinische und napoleonisch-rheinbündische
Reformen. 290
11. Preußische Reformen . 295
Kongreß.
12. Freiheitskriege und Wiener 298
Abkürzungsverzeichnis . 302
Anhang. 303
Abkürzungsverzeichnis der Zeitschriften. 302
Zeittafel . 303
Personenregister. 309
Sachregister . 317
Karte . 323

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VORWORT

Perspektive, Auswahl und Abgrenzung dieser Epochendarstellung der Jahre 1789


bis 1815 sollen im vorhinein kurz begründet werden. Thematisiert wird der
Übergangscharakter der Epoche im Spannungsverhältnis von Traditionalität
und Modernität. Die Darstellung konzentriert sich am Beispiel der englischen,
französischen und deutschen Geschichte auf die Ursachen, Ergebnisse und Folge-
wirkungen der westeuropäischen Doppelrevolution am Ausgang des 18. Jahr-
hunderts. Auf sehr knapp bemessenem Raum war es nicht möglich, alle euro-
päischen Länder in die Darstellung einzubeziehen. Besonders schwer fiel der
Verzicht auf eine ausführlichere Behandlung der russischen Geschichte. So
konnte das Problem der Übertragbarkeit revolutionärer Errungenschaften auf
dem Wege der Reform nur für die deutsche Geschichte erörtert werden. Die
chronologische Abgrenzung, die sich an der politischen Ereignisgeschichte und
ihren Daten orientiert, mag gleichfalls auf manche Bedenken stoßen. Unter wirt-
schafts- und sozialgeschichtlichem Aspekt und im Hinblick auf längerfristige
Strukturwandlungen erscheint der Epocheneinschnitt von 1815 eher zweifelhaft.
Andererseits bietet jedoch gerade das Zeitalter der französischen Machtexpansion
ein Beispiel für die „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen" in der direkten
Konfrontation revolutionärer und traditionaler Gesellschaften.
Das Manuskript dieses Buches wurde Ende 1979 abgeschlossen. Der zweite Teil
referiert den Forschungsstand bis zu diesem Zeitpunkt; die Bibliographie ver-
zeichnet darüber hinaus noch die Neuerscheinungen vom Frühjahr 1980. Mit
Dieter Langewiesche, dem Verfasser des folgenden Bandes „Restauration und
Revolution 1815-1849" wurde abgesprochen, daß erst seine Darstellung ausführ-
licher über den Wiener Kongreß und die Forschungskontroversen hierüber
berichten wird.
Mein besonderer Dank gilt Lothar Gall, dem Herausgeber dieser Reihe, der
durch seine hilfreiche Kritik an der Erstfassung des Manuskriptes wesentlich zu
dessen Verbesserung beigetragen hat. Dankbar erinnere ich mich auch an meine
Giessener Zeit und die zahlreichen anregenden Gespräche mit Helmut Berding,
Volker Press und Peter Ullmann über das napoleonische Zeitalter. Meinen Saar-
brücker Mitarbeitern Hans-Werner Hahn und Monika Rech möchte ich herzlich
danken für freundliche Mithilfe bei den Korrektur- und Registerarbeiten. Herr
Martin Wolff entwarf dankenswerterweise die Karte im Anhang. Nicht zuletzt
habe ich meiner Sekretärin Frau Renate Blinn zu danken für die rasche und
sorgfältige Herstellung der Reinschrift.

Saarbrücken, im Juli 1986 Elisabeth Fehrenbach

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VORWORT ZUR 4. AUFLAGE

Der Zeitabstand zur überarbeiteten Zweitauflage dieses Bandes beträgt mehr als
zehn Jahre. Besonders der stark veränderte und erweiterte Forschungsteil läßt die
Vielfalt neuer Aspekte erkennen, die inzwischen erschlossen worden sind. Kor-
rekturen und Nachträge waren auch im Darstellungsteil erforderlich, wenngleich
die Grundkonzeption des Buches beibehalten werden konnte. Ein umwälzend
neues Bild der Umbruchsepoche vom Ancien Regime zum Wiener Kongreß war

nicht zu verzeichnen.
Meinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, namentlich Frau Dr. Ingeborg
Cleve, danke ich für wertvolle Hilfen, die sie bei der Neufassung der Biblio-
graphie geleistet haben.
Saarbrücken, im Dezember 2000

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I. Darstellung
1. Grundprobleme einer Übergangszeit

Wer im Hinblick auf die europäische und deutsche Geschichte der Jahre 1789- Revolution, Reform,
1815 nach Ereignissen und Ereigniszusammenhängen fragt, wird die Auswirkun- Restauratlon
gen der französischen Revolution auf das politische Handeln und Denken, den
Ausbruch der Revolutionskriege und die Erschütterung des europäischen Staaten-
systems, das auf dem Wiener Kongreß seine Neuordnung fand, in das Zentrum der
Epochendarstellung rücken. Die französische Revolution setzte nicht nur im
eigenen Land die entscheidende Zäsur für den Bruch mit der traditionellen
politisch-sozialen Ordnung des Ancien Regime. Ihre herausragende Bedeutung
liegt vor allem darin, daß die französische Machtexpansion, die aus dem ständigen
Ineinandergreifen von innerer Revolution und auswärtigem Krieg entstand, viele
der revolutionären Errungenschaften über die Grenzen Frankreichs hinaus auf
dem europäischen Kontinent verbreitete. Die Revolutionskriege drohten das
gesamtgesellschaftliche Gefüge des europäischen Ancien Regime zu sprengen.
Durch Säkularisation, Mediatisierung und Reichsauflösung brach die deutsche
Staatenwelt zusammen. Die Niederlage Preußens 1806/07 und die territorialen
Umwälzungen erzwangen tiefgreifende politische und gesellschaftliche Refor-
men. Um den französischen Gegner mit den eigenen Waffen zu schlagen, mußten
auch die europäischen Staaten die neuen Prinzipien der politischen Freiheit und
der nationalen Einheit übernehmen. Der Zusammenstoß zwischen dem revolu-
tionären Frankreich und den Mächten des alten Europa führte zu einer völligen
Umgestaltung der politischen und territorialen Lage, die auf dem Wiener Kongreß
trotz aller Bemühungen um eine Restauration des Ancien Regime nicht wieder

rückgängig gemacht werden konnte. Die epochale Bedeutung der Wende vom 18.
zum 19. Jahrhundert liegt so in der Spannung von Revolution, Reform und

Restauration, die über 1815 hinaus in dem Konflikt zwischen den Verteidigern
der alten Ordnung und den neu entstehenden national-liberalen Bewegungen
fortdauerte. Der Übergangszeit von 1789-1815 folgte das Zeitalter der Restaura-
tion und des Vormärz.
Unter strukturgeschichtlichem Aspekt tritt der Übergangscharakter der Epo- Westeuropäische
che noch deutlicher hervor. Der Zeitabschnitt „Vom Ancien Regime zum Wiener DoPPe'revol"tlon
°
und Beginn der
Kongreß" fällt in die Epoche des säkularen Wandels, der mit der westeuropäischen Moderne
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2 /. Darstellung

Doppelrevolution am Ausgang des 18. Jahrhunderts eingeleitet und vielfach mit


dem „Beginn der Moderne" gleichgesetzt worden ist. Die industrielle Revolution
in England eröffnete das technisch-industrielle Zeitalter. Sie setzte jenen bisher
unumkehrbaren Prozeß des beschleunigten wirtschaftlichen Wachstums, des
technologischen Wandels und der sozialen Veränderungen in Gang, der bis heute
die moderne Welt prägt. Der Begriff der Moderne verknüpft sich zugleich mit den
Ergebnissen der politisch-sozialen Revolution in Frankreich, insbesondere mit
dem Abbau ererbter Privilegien und der Erklärung gleicher Bürgerrechte für alle.
Die französische Revolution brachte 1789 die Schicht des Besitz- und Bildungs-
bürgertums an die Macht und schuf 1791 den ersten demokratisch legitimierten
Nationalstaat mit einer Repräsentatiwerfassung auf der Grundlage der Volks-
souveränität und der Gewaltenteilung. Mit der Liquidierung der alten Stände-,
Grundherrschafts-, Korporationen- und Zünfteordnungen beseitigte sie die mit
dem Ancien Regime verbundenen Institutionen und Sozialverhältnisse. Sie legte
die Grundlagen für die Demokratisierung von Gesellschaften.
Periodisierungs- Zwar sind die Folgewirkungen der Doppelrevolution auf dem Kontinent 1815
Probleme nocn lange nicht erschöpft; der ökonomische Durchbruch erfolgte in Deutschland
erst ab 1850, und die politische Anpassung an die Entwicklung zur Moderne
wurde durch die Jahre der Restauration unterbrochen, ohne daß es gelang, die
Zustände des Ancien Regime wiederherzustellen. Aber andererseits verliert eine
vergleichende Strukturanalyse der „Modernisierung" in weit auseinanderliegen-
den Zeiträumen, z. B. die Erforschung der industriellen Revolution in England
und in den Nachfolgestaaten auf dem Kontinent, den Bereich des politischen
Handelns leicht aus dem Blick. Die Frage, wie das turbulente politische Gesche-
hen der Jahre von 1789-1815, wie zum einen politische Umwälzungen durch
Kriege, Machtexpansion und internationale Politik, wie zum anderen Reformen
„von oben" retardierend oder beschleunigend auf die Veränderungen der sozialen
und wirtschaftlichen Strukturen gewirkt haben, wird, wenn überhaupt, nur am
Rande thematisiert. Eine Darstellung der Übergangszeit, die nicht mehr der
relativen Stabilität des vorindustriellen und noch nicht dem raschen Wandel des
industriellen Zeitalters angehört, erscheint deshalb nach wie vor begründbar:
Epochenspezifische 1. In den deutschen Reformstaaten des frühen 19. Jahrhunderts dominierte die
Aspekte Modernisierungs/?o/zfz&. Während in England die Ursachen der industriellen
Revolution so kontrovers sie auch in der Forschung geblieben sind doch
sicher in Kräften zu suchen sind, die über den Markt wirkten, also beim Außen-
- -

handel, der demographischen Bevölkerungsexplosion, bei landwirtschaftlichen


Produktionssteigerungen und technologischen Neuerungen; während in Frank-
reich die politisch-soziale Revolution im gewaltsamen Kampf gegen die etablierte
Macht der Krone und des Adels durchgesetzt wurde, schufen in Deutschland erst
die politischen Maßnahmen der Regierungen die Bedingungen für den sozialen
Wandel. Die Rolle des Akteurs fiel der schmalen Schicht der Beamten- und
Bildungselite zu.
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/. Grundprobleme einer Übergangszeit 3

2. Das Zeitalter der französischen Revolution und der napoleonischen Herr-


schaft bietet ein sehr aufschlußreiches Beispiel für die politische Konfrontation
von revolutionärer und vorrevolutionärer Gesellschaftsordnung. Im staatenüber-

greifenden Herrschaftssystem des Empire sind die europäischen Länder in ihren


verschiedenartigen politischen und gesellschaftlichen Traditionen in engste Bezie-
hung zueinander getreten. Staaten mit unterschiedlichem Entwicklungsstand
wurden zu neuen Einheiten zusammengefügt, alte Territorien zerrissen. Viele
der politischen, rechtlichen, militärischen und gesellschaftlichen Einrichtungen
des französischen Kaiserreichs wurden auf die europäischen Staaten übertragen.
Die für die europäische Geschichte wichtigsten Kennzeichen der napoleonischen
Herrschaft sind ihre revolutionierenden und homogenisierenden Wirkungen. Die
Revolutionskriege führten gleichzeitig zum Konflikt zwischen Frankreich und
England im Kampf um die Vorherrschaft in Europa, der nicht von ungefähr mit
den Mitteln des Wirtschaftskrieges ausgefochten wurde. Im Schatten der Konti-
nentalsperre, die den Druck der überlegenen englischen Konkurrenz ausschaltete,
machten auch die Festlandsstaaten ihre ersten Erfahrungen mit der neuen maschi-
nellen und zentralisierten Produktionsweise. Trotz der negativen Folgen der
napoleonischen Wirtschaftspolitik, die auf die Hegemonialinteressen Frank-
reichs abgestellt war, überwiegen die langfristig wirksamen Impulse für die
Industrialisierung. Die deutschen Reformstaaten standen vor der Aufgabe, ihre
eigenen historischen Traditionen mit diesen revolutionären Herausforderungen
von außen in Ubereinstimmung zu bringen. Über den historischen Einzelfall

hinaus verweist so die Geschichte der napoleonischen Zeit auf die typischen
Probleme und Spannungen beim Aufeinandertreffen von Gesellschaften mit
unterschiedlichem politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Entwick-
lungsniveau.
3. Eine Strukturanalyse, die den „Beginn der Moderne" thematisiert, neigt dazu,
den Transformationsprozeß eingleisig und gleichgerichtet darzustellen: eine alte
Struktur verschwindet, eine neue tritt an ihre Stelle; die traditionale wird durch die
moderne, die feudal-ständische durch die bürgerlich-liberale, die vorindustrielle
durch die industrielle Gesellschaft abgelöst. Die Übergangsgeschichte (und nicht
nur sie!) kennt jedoch eher die Mischung traditionaler und moderner Elemente,

heterogene Gesellschaftsformen, Möglichkeiten, mit modernen Mitteln traditio-


nale Herrschaftsziele durchzusetzen. Der Verlaufsprozeß zeigt immer wieder
Schübe von Rückentwicklung, Refeudalisierung und Demodernisierung. Es gibt
Diskontinuitäten in der Kontinuität und Kontinuitäten, die den Bruch überdau-
ern. Nicht einmal die französische Revolution setzte einen absoluten Anfang. Die

Revolution, so hat es Francois Füret einmal formuliert, „ist nicht nur der
,Sprung' von einer Gesellschaft zur anderen, sie ist auch die Summe der Modali-
täten, durch die ein aufgrund einer Machtkrise plötzlich geöffnetes Gemeinwesen
all das Gesprochene freisetzt, das es in sich trägt" [248: Penser la Revolution
francaise]. Wie schon Alexis de Tocqueville gezeigt hat, führte die Revolution
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4 /. Darstellung

auf administrativem Gebiet das Zentralisierungswerk der absolutistischen Könige


weiter. Viele Neuerungen und Reformen nach 1789 sind in zahlreichen euro-
päischen Staaten durch den Aufgeklärten Absolutismus bereits vorbereitet wor-
den. In der napoleonischen Zeit wurde die Entwicklung teilweise auch wieder in
rückläufige Bahnen gelenkt. Die Wiedererrichtung von Monarchie und Adel
deutet darauf hin, daß nicht nur Europa den Anschluß an Frankreich, sondern
umgekehrt auch Frankreich den Anschluß an die aristokratische Gesellschaft
-

Europas wiederzufinden versuchte.


-

Ahnliches gilt für die wirtschaftliche Entwicklung. Die französische Revolu-


tion, die aus marxistischer Sicht den Sieg der Bourgeoisie über den Adel, des
Kapitalismus über den Feudalismus darstellt, hat dem modernen Kapitalismus
keineswegs unmittelbar zum Durchbruch verholfen. Die städtischen und bäu-
erlichen Unterschichten, die den politischen Revolutionsprozeß vorantrieben,
fühlten sich von der Wirtschaftsentwicklung eher bedroht und wandten sich
gegen das Eindringen moderner kapitalistischer Methoden; die adlig-bürgerliche
Oberschicht orientierte sich noch lange an den Grundkriterien der alten Gesell-
schaft: Landbesitz und Amterwürde. Auch die deutschen Reformstaaten ent-
schlossen sich nur zögernd zu Wirtschaftsreformen, die sich noch überwiegend
auf den agrarisch-kleingewerblichen Sektor konzentrierten. Die berühmte These
von David Landes [158: Der entfesselte Prometheus], daß nach
erfolgter indu-
strieller Revolution in England die Industrialisierung für alle europäischen Regie-
rungen ein „politischer Imperativ" gewesen sei, findet nicht von Anfang an und
überall ihre Bestätigung. Viele Reformer warnten vor den sozialen Folgen einer
wirtschaftlichen Entwicklung nach englischem Modell. Im gesellschafts- wie im
wirtschaftspolitischen Bereich gab es zahlreiche Kompromisse und Zwischen-
lösungen, die „Altes" und „Neues" miteinander zu verbinden suchten, gerade
auch in jenen Ländern, die den Impuls zur Modernisierung von außen empfingen.
An den Kontrastfällen der englischen, französischen und deutschen Entwicklung
läßt sich zeigen, wie vielschichtig sich Verlauf und Struktur des Wandels in einer
politischen Umbruchsperiode darstellten.

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England und die industrielle Revolution 5

2. England und die Anfänge der industriellen Revolution

Im Auflösungsprozeß des Ancien Regime, das eng mit der Agrar- und Hand-
werkswirtschaft verbunden war, kommt der industriellen Revolution in England
eine besondere Bedeutung zu. Sie veränderte nicht nur die wirtschaftliche Produk-
tionsweise, die in zunehmendem Maße von der maschinellen Fabrikation und von
technischen Neuerungen geprägt wurde, sondern auch die Lebensbedingungen
des Menschen, seine sozialen Bindungen und sein Verhältnis zu anderen Völkern.
Die Bestimmung der Gründe, warum gerade England die Pionierrolle in der
ökonomischen Entwicklung übernahm und zum Ausgangspunkt einer epochalen
Umwälzung werden konnte, hängt eng zusammen mit der Frage nach den Ur-
sachen und Bedingungsfaktoren der industriellen Revolution. Es scheint, daß
mehrere begünstigende Umstände zusammentrafen, die teilweise unabhängig
voneinander erwachsen sind. Die Wirtschaftshistoriker haben sich vor allem um
eine Einordnung der verschiedenen „Antriebskräfte" des Wirtschaftswachstums
bemüht, das im Unterschied zu vorindustriellen Wachstumsschüben beständig
blieb und nicht mehr durch lange Phasen des Rückgangs unterbrochen wurde. Sie
untersuchten die demographische Entwicklung, die Wandlungen in der Landwirt-
schaft, die Entfaltung des Binnen- und Außenmarktes, die neuen Techniken in der
Textil- und Eisenindustrie, die Probleme der Kapitalbildung und das Angebot an
Produktionsfaktoren, insbesondere das Angebot an Arbeitskräften.
1. Bevölkerungsvermehrung und Wirtschaftswachstum liefen zeitlich parallel Bevölkerungs-
und traten miteinander in Wechselwirkung. In keinem Land Europas wuchs die exPloslon
Bevölkerung so rasch wie in England. Im Jahrzehnt von 1751-1761 vermehrte sie
sich um etwa 7%, eine Zuwachsrate, die in den siebziger und achtziger Jahren
noch anstieg. Von 1781-1791 soll die Bevölkerung um nahezu 10%, von 1791-
1801 um 11 % und von 1811-1821 um 16 % gewachsen sein. Einerseits sorgte die
Bevölkerungsexplosion für ein ausreichendes Reservoir an billigen Arbeitskräften
und was vielleicht noch wichtiger war für mehr Konsumenten, so daß der
verstärkte Nachfragedruck zu landwirtschaftlicher und gewerblicher Produkti-
- -

onssteigerung anreizte. Andererseits konnte die expansive Wirtschaft ihrerseits


mehr Menschen ernähren und neue, wenn auch zunächst sehr harte Existenzmög-
lichkeiten anbieten. Die genauen Ursachen der Bevölkerungszunahme sind in der
Forschung umstritten. Wahrscheinlich haben jedoch medizinische Fortschritte
(einschließlich der Pockenimpfung, die erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts durchgreifend eingesetzt wurde) beim Rückgang der Sterblichkeit eine
geringere Rolle gespielt, als lange Zeit angenommen worden ist. Hinzu kam, daß
die bisher üblichen Ernährungs- und Versorgungskrisen im Zuge des Ausbaus der
Märkte und dank der Verbesserungen im Transportwesen ausblieben. In den
größeren Städten, wo bis weit ins 19. Jahrhundert gesundheitsschädigende Le-
bensverhältnisse vorherrschten, war die Sterberate höher als auf dem Lande. Hier
und überall dort, wo Industrie und Gewerbe dominierten, wurde das Bevölke-

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6 /. Darstellung

rungswachstum wohl eher durch frühe Heiraten und höhere Kinderzahlen ver-
ursacht. Das durchschnittliche Heiratsalter sank bei Männern von 28 Jahren (um
1750) auf 27 (um 1800) und 26 (um 1850), bei Frauen von 27 auf 25 und 24 Jahre; der
Anteil der unverheirateten Frauen ging von 15 auf 7,5% zurück. Auch die
Aufwärtsentwicklung der Heirats- und Geburtenziffer läßt sich mit dem Einfluß
wirtschaftlicher und sozialer Veränderungen erklären. Die gesteigerte Mobilität
(Wegfall der Heiratsverbote, Trennung von Wohn- und Arbeitsplatz, Abwan-
derung in die Stadt, Wechsel zu heimgewerblicher Tätigkeit) und die verstärkte
Nachfrage nach Arbeitskräften, einschließlich der Frauen- und Kinderarbeit,
förderten frühzeitige Familiengründungen und größere Familien.
Agrarrevolution 2. Die Wandlungen in der Landwirtschaft haben das beschleunigte Bevölke-
rungswachstum in vielfacher Hinsicht erst ermöglicht. Neue Anbaumethoden,
insbesondere die Fruchtwechselwirtschaft bzw. die Ersetzung des Brachlandver-
fahrens, und verbesserte landwirtschaftliche Geräte unterstützten die Intensivie-
rung des Ackerbaus. Die Kommerzialisierung der Landwirtschaft wurde durch
die berühmten englischen „Enclosures", die Einhegungen der noch offenen Felder
des Gemeindelandes und der unbebauten Flächen des Ödlandes, vorangetrieben.
So entstanden ertragsintensive Großgüter und Mittelbetriebe anstelle unrentabler
Kleingüter, die zumeist dem Konkurrenzdruck der reicheren Nachbarn erlagen.
Die Kleinbauern und Häusler, die ihre bisherigen Rechte verloren, etwa das
Weiden der Tiere auf Gemeindeland oder das Sammeln von Bau- und Feuerholz
in den Wäldern, mußten sich als Lohnarbeiter in den landwirtschaftlichen Groß-
betrieben, als Heimarbeiter im ländlichen Gewerbe oder durch Abwanderung in
die Städte auf neue Verdienstmöglichkeiten umstellen. Die Ausbreitung der
Enclosure-Bewegung fiel zeitlich mit den Anfängen der industriellen Revolution
zusammen. Die gesetzlichen Einhegungen
großen Stils fanden seit etwa 1760 statt
und erreichten ihren Höhepunkt in der Zeit der napoleonischen Kriege, als der
Getreidebedarf rapide anstieg.
Die Leistungen der englischen Landwirtschaft wirkten sich vorteilhaft auf
die Industrialisierung aus. Ohne die landwirtschaftlichen Produktionssteige-
rungen hätte die wachsende Bevölkerung aus Agrarimporten ernährt werden
müssen, und dadurch wäre die notwendige Einfuhr von industriellen Roh-
stoffen, z. B. von Rohbaumwolle, behindert worden. Außerdem konnte ein
Teil der Einkommen aus der Landwirtschaft zur Anschaffung von Gewerbe-
produkten verwendet werden. Ob die Landwirtschaft auch ihr Nettokapital
der im Aufschwung befindlichen Industrie bereitstellte, ist allerdings eher
zweifelhaft. Sie benötigte selber dringend Kapital für die sehr kostspieligen
Einhegungs- und Rationalisierungsmaßnahmen. Die Reinvestierung landwirt-
schaftlicher Gewinne kam mehr indirekt der Gesamtwirtschaft zugute: Die
ländlichen Verarbeitungsbetriebe wie Müllereien, Brennereien und Brauereien
wurden ausgebaut. Einige Großgrundbesitzer eröffneten auf ihren Ländereien
Kohlengruben und Eisenwerke, andere beteiligten sich am Kanal- und Hafen-
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England und die industrielle Revolution 7

bau. Bemerkenswert ist es auch, daß die Landwirtschaft erheblich mehr direkte
Steuern zahlte als Handel und Gewerbe.
Besonders der Wandel der Beschäftigungsstruktur zeigt gleichwohl die Wandel der Beschäf-
schrumpfende Bedeutung des Agrarsektors. Früher und schneller als in jedem t'gungsstruktur
anderen Land verschob sich die Beschäftigung in Richtung Gewerbe. Schon um
1750 waren nur noch die Hälfte und um 1800 lediglich 40% der (männlichen)
Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt, ein Anteil, der bis 1840 auf
unter 30 % absank.
3. Die besondere Aufmerksamkeit der Forschung galt seit je der spektakulären Binnenmarkt- und
Entwicklung des britischen Handels. In der ständig steigenden Nachfrage lag ein Außenmarkt-
erweiterung
wichtiger Anreiz zur Ausweitung und Mechanisierung der Fabriken, namentlich
der Baumwollindustrie. Binnenmarkt- und Außenmarkterweiterung trafen zu-
sammen. Der einheimische Markt blieb der bedeutendste Abnehmer für inländi-

sche Produkte. Angesichts der wachsenden Bevölkerung wurden auch die Agrar-
gebiete in die Marktverflechtung einbezogen, die bisher nur der Selbstversorgung
gedient hatten. Mit der zunehmenden Verstädterung der Bevölkerung wuchs der
Bedarf an Nahrungsmitteln und Brennstoffen. Die Verbesserungen im Verkehrs-
wesen Flüsse, Kanäle und Straßen verbilligten den Warentransport. Das
Durchschnittseinkommen vergrößerte sich, so daß mehr Geld für Konsumgüter
- -

ausgegeben werden konnte. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts verdreifachte sich die
Wohlstandsnachfrage. Die relative Verläßlichkeit des Binnenmarktes schützte
auch die Exportindustrien vor plötzlichen Schwankungen, besonders in Kriegs-
zeiten. Andererseits war die Branche, die als erste industrialisiert wurde, an den
Uberseehandel gebunden. Der nach 1750 einsetzende Exportboom wurde wesent-
lich von der Baumwolle getragen. Der Binnenmarkt absorbierte zwar den größten
Teil der Absatzzunahme; aber auffallender war die Dynamik, die sich auf dem
Außenmarkt entfaltete.
Der Außenhandel, der schon seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in
voller Ausdehnung begriffen war, stieg jahresdurchschnittlich von 1745-1775 um
2,8% und von 1779-1802 um jeweils 4,9%. Kurzfristige Rückschläge durch
Kriegseinwirkungen änderten nichts am säkularen Trend, der dem Außenhandel
die größten Zuwachsraten brachte. Der Anteil der Baumwollwaren am Export-
wert, der um 1750 noch kaum zählte und weit hinter dem der Wollwaren zurück-
lag, betrug um 1800 bereits 24 %. Die besten Märkte lagen nicht mehr in Europa,
das nach merkantilistischen Prinzipien den Import von Manufakturwaren mög-
lichst einschränkte und am Ende des 18. Jahrhunderts nur noch ein Drittel der
Ausfuhr englischer Produkte aufnahm, sondern in Übersee: in Amerika, in Afrika,
im Vorderen Orient, in Indien und China. Es gelang mit Unterstützung der
Regierung, immer neue Ressourcen und Märkte zu erschließen. Der Warenaus-
tausch begründete ein weltweites, multilaterales Handelssystem. England lieferte
inländische Produkte und indische Kattunstoffe nach Afrika, das seinerseits
Sklaven, Elfenbein und Gold verkaufte. Die Sklaven wurden nach Amerika
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exportiert; dafür erwarb man Zucker, Holz, Tabak und Rohbaumwolle. Im


Vorderen und Fernen Orient wurden das afrikanische Gold und Elfenbein gegen
Tee, Kaffee und Gewürze eingetauscht. Die Kolonialwaren wurden teils im
eigenen Land verbraucht, teils nach Kontinentaleuropa reexportiert. Aus den
europäischen Ländern bezog man Holz, Hanf, Teer, Eisen, Wein und vor allem
in Zeiten der Mißernte Getreide. -

Mit der Ausweitung des Uberseehandels eröffneten sich die Gewinnmöglich-


-

Massenproduktion
keiten eines Massenmarktes. Darauf machte zuerst der besonders rege Handel mit
indischen Baumwollstoffen aufmerksam, die an Beliebtheit die englischen Woll-
tuche immer mehr übertrafen. Für die englischen Textilproduzenten wurde diese
Konkurrenz zur Herausforderung. Die Pflanzer in den amerikanischen Südstaa-
ten und ihre Sklaven, die Plantagenbesitzer auf den Antillen oder die indischen und
chinesischen Bauern waren an teuren Luxuswaren nicht interessiert. Der Massen-
konsum mußte zu billigen Preisen befriedigt werden. So wurde die Qualität
hochwertiger Luxusgüter zugunsten der Quantität solider, billiger Standardwa-
ren aufgegeben ganz im Gegensatz zu den staatlich
geförderten und merkantili-
stisch reglementierten Manufakturen auf dem europäischen Festland, die größten-
-

teils fortfuhren, arbeitsintensive Luxusgüter herzustellen, z. B. Seidenstoffe, Bro-


kate, Gobelins, feine Porzellane usf.
Fabriksystem 4. Die industrielle Produktion für den Absatz auf Massenmärkten setzte be-
und technische
Neuerungen triebsorganisatorische
und technische Neuerungen voraus. Neben die protoindu-
striellen, im Verlagssystem koordinierten Heimgewerbe trat das Fabriksystem.
Die in ihrem eigenen Haus und ohne Aufsicht arbeitenden Dorfweber und Spinner
ließen sich nicht zu einer festen Arbeitszeit und zu größerem Fleiß zwingen.
Rohmaterialien, wie Wolle und Garn, die der Verleger auf seine Kosten aus-
teilte, wurden nicht selten unterschlagen und für den Eigenbedarf verarbeitet.
Im zentralisierten, arbeitsteiligen Fabriksystem ließen sich unter scharfer Kon-
trolle viel größere Warenmengen herstellen. Die neue Arbeitsorganisation im
Manufakturbetrieb löste jedoch nur einen Teil der Probleme. Erst die Maschini-
sierung der Baumwollindustrie brachte den entscheidenden Durchbruch. Die
Schwierigkeit lag vor allem im mangelhaften Leistungsgleichgewicht zwischen
Spinnen und Weben. Drei bis vier Spinner waren notwendig, um einen Weber zu
beschäftigen. Als sich nach der Erfindung des fliegenden Weberschiffchens der
Webvorgang beschleunigte, konnte nicht mehr genügend Garn für die Webstühle
geliefert werden. Drei bahnbrechende Erfindungen schufen Abhilfe: zuerst die
von Hargreaves 1764 erfundene und 1770
patentierte spinning-jenny, die zunächst
acht und am Ende des Jahrhunderts bereits 100-120 Spindeln tragen konnte, dann
die mit Wasserkraft angetriebene Spinnmaschine Arkwrights von 1769, die von
vornherein für die Fabrik bestimmt war, und schließlich die Kombination von
„jenny" und „water frame", Cromptons „Mule-Spinnmaschine", die noch glat-
teres und feineres Garn spann als ihre Vorläuferinnen. 1785 wurde zum ersten Mal
die von James Watt entdeckte Dampfkraft zum Antrieb einer Spinnmaschine
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England und die industrielle Revolution 9

eingesetzt. Die neue Energiequelle machte es möglich, Fabriken auch in Gegenden


anzusiedeln, in denen keine Wasserkraft verfügbar war. Das erhöhte Garnangebot
bewirkte seinerseits Verbesserungen in der Weberei. 1787 erfand Cartwright den
Maschinenwebstuhl. Mit der Einführung der Entkörnungsmaschine bei den
Baumwollernten auf den amerikanischen Plantagen fielen überdies die Rohstoff-
preise.
Vielleicht mit Ausnahme der Wattschen Dampfmaschine waren die ersten
Erfindungen noch durchweg das Werk von Autodidakten. Sie lernten und expe-
rimentierten in der Praxis, und sie verdankten ihr Wissen einer schon hochentwik-
kelten vorindustriellen Gewerbetradition. Von einer naturwissenschaftlich fun-
dierten Technik, die dann im Laufe des 19. Jahrhunderts zum Initiator weiterer
wirtschaftlicher Veränderungen wurde, kann noch kaum die Rede sein. Immerhin
gab es bereits einige Fortschritte in der Bleich- und Färbetechnik, die der chemi-
schen Ausbildung auf schottischen Medizinschulen zu verdanken waren. Da mehr
Stoffe erzeugt wurden, als Wiesen zur Bleiche vorhanden waren, wurden chemi-
sche Wirkstoffe verwendet, zuerst Schwefelsäure, dann ab 1790 Chlor.
Die neuen Produktionsverfahren setzten sich nicht sofort und überall durch. In
der Anlaufphase stieß die industrielle Revolution zunächst auf sektorale und
regionale Grenzen, die erst nach und nach überschritten wurden. Das erste Indu-
striegebiet der Geschichte entstand im Südwesten der Grafschaft Lancashire, in
einer der blühenden Gewerbelandschaften, die schon das alte England aufzu-
weisen hatte. Die „Führungsrolle" fiel der Baumwollindustrie zu, die rascher Baumwollindustrie
wuchs als alle anderen Gewerbezweige, so daß sie bis zur Jahrhundertwende
jahresdurchschnittliche Spitzenraten von 12-13% erreichte. Nach 1800 über-
holte die Baumwollindustrie die Wollindustrie an Exportbedeutung. Trotzdem
darf ihr Beitrag zur englischen Gesamtwirtschaft nicht überschätzt werden. Er war
mit 4-5% um 1802 und 7-8% um 1812 noch nicht sehr groß. Die direkten
Auswirkungen auf andere Industriezweige blieben relativ gering. Die nach Zahl
der Arbeitskräfte viel größere Baumwollweberei stand noch lange Zeit in der
Mechanisierung hinter den Baumwollspinnereien zurück. Großenteils erfolgte
die Baumwollverarbeitung nach wie vor auf der Grundlage handwerklicher
Techniken und im Rahmen der herkömmlichen Verlagsorganisation.
Außer in der Textilindustrie fand der Einsatz neuer Technologien vor allem in Eisenindustrie
der Kohle- und Eisenindustrie statt. Die Kohleförderung regte die Entwicklung
der Dampfmaschine an und ermöglichte die Verbesserung der Eisenproduktion.
Watts Dampfmaschine entstand zunächst aus der Absicht, die Pumpmaschinen
zur Entwässerung von Bergwerken zu verbessern. Das Verfahren, Eisen mit Kohle

und Koks anstatt mit Holzkohle einzuschmelzen, baute die Schwierigkeit ab, die
aus der Reduzierung des Wald- und Holzbestandes erwuchs. 1784 gelang Henry
Cort das sog. Puddelverfahren, die Uberführung von Roh- in Schmiedeeisen im
Flammofen. Dampfmaschine und Puddelprozeß trugen dazu bei, daß die Roh-
eisenproduktion sich zwischen 1788 und 1796 verdoppelte und bis 1806 vervier-
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fachte. Mehr als die Baumwollindustrie wirkte die Eisenindustrie in viele Produk-
tionsprozesse hinein. Insbesondere schuf sie die Voraussetzungen für die Maschi-
nenindustrie und für die spätere Entwicklung des Eisenbahnwesens. Ohne die
Verbilligung und Verbesserung des Eisens wäre die fortschreitende Industrialisie-
rung im 19. Jahrhundert kaum vorstellbar. Allerdings brachte erst das Eisenbahn-
zeitalter den Massenabsatz von Eisen und das steile Ansteigen der Wachstums-
raten. Die Aufwärtsentwicklung in der napoleonischen Zeit hing noch eng mit der

Kriegsnachfrage zusammen, so daß bald wieder Verzögerungen und Absatzstok-


kungen eintraten. Wie in der Textilindustrie so überlebten auch in der Eisen-
industrie weiterhin kleinbetriebliche und heimgewerbliche neben den neuen
Produktionsformen.
Neuberechnung der Um die Jahrhundertwende war die wirtschaftliche Struktur noch nicht so
Wachstumsraten
)irioclern« unfj rjer y/andel nicht so radikal, wie es der gängige Begriff der Revolu-
tion leicht glauben macht. Zählebige Kontinuitäten überdauerten den Bruch, und
aufs Ganze gesehen kam der Umwälzungsprozeß ziemlich langsam voran. Die
Kliometriker haben in jüngster Zeit für die Gesamtwirtschaft Wachstumsraten
errechnet, die weit hinter den Werten zurückbleiben, mit denen die Wachstums-
theoretiker in den 1960er Jahren den industriellen „Start", den „take-off into
sustained growth" [W. Rostow], zu belegen versuchten. Nach den unspektaku-
lären Zahlenreihen der New Economic History betrug die jahresdurchschnittliche
Wachstumsrate des Sozialprodukts pro Kopf zwischen 1780 und 1800 nur 0,3 %.
Immerhin reichten die Produktivitätsfortschritte aus, um mit der Bevölkerungs-
explosion Schritt halten zu können.
Kapitalbildung 5. Das Gründungs- und Expansionskapital für die ersten Fabriken und ihre
technische Ausrüstung wurde in der Regel über Selbstfinanzierung und Rein-
vestierung der Gewinne aufgebracht. Gelegentlich halfen Darlehen aus Freundes-
und Verwandtschaftskreisen aus. Viele Unternehmerpioniere in der Baumwoll-
industrie sammelten ihr Anfangskapital noch auf der Stufe des Handwerks. Sie
begannen als Spinner, Weber oder Maschinenbauer. Arkwright, der berühmteste
unter ihnen, der Erfinder der Wasserspinnmaschine, war von Beruf Barbier. Neben
dem Handwerkskapital spielte das Verlegerkapital eine wichtige Rolle. Tuch-
händler, die die Waren der dörflichen Heimindustrie verlegten, investierten ihre
Gewinne in Baumwollspinnereien, um dem Mangel an Baumwollgarn abzuhelfen
und den eigenen Umsatz zu steigern. So waren von 110 Baumwollspinnereien, die
von 1769 bis 1800 in den Midlands errichtet wurden, nicht
weniger als 62
Gründungen von Tuch- und Textilverlegern. Die ersten Maschinen waren noch
relativ einfach konstruiert, und ihre Anschaffung kostete nicht übermäßig viel.
Man konnte sie auch mieten und leihen. Allerdings war der Kapitalbedarf in der
Eisenindustrie größer als in der Baumwollindustrie. Insgesamt soll die Quote der
produktiven Investitionen gegen Ende des 18. Jahrhunderts nur 6-8 % des Volks-
einkommens betragen haben, was unter der Zehnprozentrate liegt, die Rostov als
unabdingbar für die Aufstiegsperiode annahm.
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England und die industrielle Revolution 11

Erst im weiteren Verlauf der Industrialisierung wurde das hochentwickelte


englische Bankwesen mit relativ niedrigen Zinssätzen für die Industriefinanzie-
rung wichtig. Vor 1820 widmeten sich die Banken in erster Linie dem Geldverkehr
im internationalen Handel und den Bedürfnissen der Staatsfinanzen. Auch das im
Außenhandel angesammelte Kapital wurde vorerst nur selten in gewerblichen
Anlagen investiert. Die Überschüsse aus Handelskapital wurden gewöhnlich noch
in Grundbesitz, Staatspapieren oder in Hypothekendarlehen angelegt. Desglei-
chen scheint das Kapital, das die Landwirtschaft in einigen Sektoren Kohleberg-
bau, Eisenindustrie, Verkehrswesen zur Verfügung stellte, nur in Ausnahme-
-

fällen bedeutend gewesen zu sein. Insgesamt gilt, daß die Bedeutung der Kapital-
-

bildung für die Frühphase der englischen Industrialisierung häufig zu hoch


eingeschätzt wurde, was nicht heißen soll, daß Finanzierungsprobleme unwichtig
waren. Längst vor Beginn der industriellen Revolution war Großbritannien ein

reiches und produktives Land, das keinen Mangel, sondern eher einen Überfluß an
Kapital, Wissen und Arbeitskraft aufzuweisen hatte.
6. In der günstigen Faktorausstattung lag eine entscheidende Voraussetzung für Weitere Angebots-
die englische Industrialisierung. Sie war auch den vorhandenen Bodenschätzen faktoren
sowie den klimatischen und geographischen Vorzügen, also den „natürlichen"
Ressourcen, zu verdanken. Schon gegen Ende des 17. Jahrhunderts begann die
Erschließung der mächtigen Steinkohlenvorkommen, produzierten die Briten
bereits fünfmal so viel Kohle wie die Festlandsstaaten zusammen. Schafwolle
war reichlich vorhanden, da im feuchten englischen Klima die Schafzucht be-
sonders gut gedieh. Die geographische Lage der Insel mit kurzen Verbindungs-
wegen zum Meer und zu den Flüssen erleichterte den Warentransport. Im Gegen-
satz zu den Kontinentalstaaten besaß England schon seit dem 16. Jahrhundert
einen relativ einheitlichen Wirtschaftsraum ohne Binnenzölle.
Zu den Produktionsfaktoren zählt nicht zuletzt das Arbeitsangebot. Es
scheint in England keine Knappheit am Arbeitsmarkt eingetreten zu sein.
Allerdings sind die Probleme bei der Rekrutierung der Fabrikarbeiterschaft
nicht allein mit dem Hinweis auf das Bevölkerungswachstum erfaßt. Obgleich
in der Fabrik zumeist höhere Löhne als in der Heimindustrie gezahlt wurden,
war es keine leichte Aufgabe, den Widerstand gegen die neue Arbeitsorganisa-
tion mit ihren harten Disziplinierungsmaßnahmen zu überwinden. Möglicher-
weise hat man auch deshalb die fügsameren Frauen und Kinder in die Fabriken
geholt. Noch in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts waren nur 20-30%
der Textilarbeiter erwachsene Männer. Die seit Karl Marx oft wiederholte
These von der „industriellen Reservearmee", die durch die gewaltsame Ent-
eignung der Bauern im Zusammenhang mit der Enclosure-Bewegung entstan-
den sei und den Kern des Proletariats gestellt hätte, ist heute kaum noch
haltbar. In der Zeit der gesetzlichen Einhegungen stieg zugleich die Nachfrage
nach landwirtschaftlichen Arbeitskräften, so daß eine massenhafte Landflucht
nicht eintrat, sondern im Gegenteil mehr Landarbeiter als zuvor gebraucht

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wurden. Fabrikarbeiter machten zunächst nur einen kleinen, wenn auch


wichtigen Teil der Lohnarbeiterschaft aus.
Human- Von besonderer Bedeutung war es, daß mit der überproportionalen Zunahme
kapitalbildung ^er jm GewerDesektor Beschäftigten schon in der vorindustriellen Zeit ein zu-
nächst noch nicht voll ausgeschöpftes Reservoir an verfügbaren Arbeitskräften
entstand, die im städtischen Handwerk oder auch in der dörflichen Heimindustrie
nützliche Kenntnisse über Produktionsprozesse und -techniken erwerben konn-
ten. Von der neueren Forschung wird dem „Ausmaß des im gewerblichen Sektor
vorhandenen Humankapitals eine Schlüsselrolle für die Industrielle Revolution"
[117: Ch. Buchheim] zugewiesen.
Vergleich zur fran-
zösischen Wirt-
Einige wirtschaftliche Aspekte, die bisher aufgeführt wurden, lassen sich
mutatis mutandis auf kontinentaleuropäische Verhältnisse übertragen, obgleich
Schartsentwicklung *

zunächst nur in England der technisch-ökonomische Durchbruch gelang. Vor


_

allem die französische Wirtschaftsentwicklung legt einen Vergleich nahe. Auch


Frankreich erlebte bis 1770 eine wirtschaftliche Blütezeit. Die landwirtschaftliche
Produktion und der Konsumbedarf der Bevölkerung stiegen an. Vermehrte
Produktion und erhöhter Konsum hingen auch hier mit dem Bevölkerungswachs-
tum auf komplexe Weise zusammen. Die Bevölkerung vermehrte sich zwar nicht
so schnell wie die englische, aber Frankreich zählte immerhin am Vorabend der

Revolution von 1789 dreimal so viel Einwohner wie England. Das französische
Außenhandelsvolumen hatte sich im 18. Jahrhundert trotz des Verlustes von
Kolonien vervierfacht. In den Hafenstädten wie Bordeaux, Nantes und Marseille
entfaltete sich die wirtschaftliche Macht des Handelsbürgertums. Frankreich
besaß beachtliche Industriezentren, z. B. die Minen von Anzin, in denen Stein-
kohle zur Eisenerzeugung gefördert wurde und die bereits 4000 Arbeiter be-
schäftigten, und die Eisenfabrik von Le Creuzot, eines der modernsten Werke
Europas. Die französische Textilindustrie in Nordfrankreich und im Süden um
Lyon expandierte, wenn auch kontinuierlich und nicht so sprunghaft wie die
englische Baumwollspinnerei. Die Kapitalisierung und Kommerzialisierung der
Landwirtschaft schwächte die feudalen Elemente der Seigneurien. Auch in Frank-
reich gab es den profitorientierten Unternehmer-Aristokraten, der seinen Grund-
besitz auf Kosten der Kleinbauern und durch Rodungen planmäßig vergrößerte.
Gleichzeitig drängte das städtische Kapital aufs Land. Die herkömmlichen Feu-
dalabgaben wurden an wirtschaftlicher Bedeutung von den kapitalisierten Grund-
renten übertroffen. Das Ancien Regime war bereits sozialen und wirtschaftlichen

Veränderungen unterworfen, längst bevor die französische Revolution es zer-


schlug. Dennoch scheiterten alle Versuche, die Herrschafts- und Gesellschafts-
ordnung dem Strukturwandel anzupassen. Obgleich Frankreich kulturell, wirt-
schaftlich und gesellschaftlich weiter fortgeschritten war als alle anderen Staaten
auf dem Kontinent, stürzte das Ancien Regime in eine schwere politisch-soziale
Krise, die schließlich die Revolution von 1789 auslöste.

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England und die industrielle Revolution 13

Die Frage drängt sich auf, warum die englische Gesellschaft fähiger war, die
Herausforderungen des Wandels anzunehmen. Wie läßt es sich erklären, daß die
Briten sich als einzelne und als Volk von der wirtschaftlich-technologischen
Entwicklung faszinieren ließen? Warum entfaltete hier der soziale Zündstoff
keine systemgefährdende Dynamik?
Zunächst einmal ist es von großer Bedeutung, daß die englische Gesellschaft Relative Offenheit
bereits in den Revolutionen des 17. Jahrhunderts ihre politischen Freiheiten der englischen
Gesellschaft
durchgesetzt und seither viel von ihrer Starrheit verloren hatte. Die Monarchie
lernte, sich anzupassen. Wirtschaft und Gesellschaft entfalteten sich freier als in
anderen europäischen Ländern unter absolutistischer und merkantilistischer
Herrschaft. Die Sicherheit für Privateigentum war größer, die soziale Mobilität
war stärker, das ständische Denken war weniger eng, der englische Fabrikant war
unternehmender als sein durch staatliche Vorschriften und Zunftzwang behin-
derter Berufskollege auf dem Festland.
Die relative Offenheit der englischen Gesellschaft beruhte nicht zuletzt auf der
eigenartigen Stellung des englischen Adels, die auf dem Kontinent kein Gegen-
stück besaß. Die gesellschaftlichen Schranken zwischen Adel und Bürgertum
blieben vergleichsweise durchlässig. Die Peers, die gemeinsam mit der Krone die
politische Macht ausübten, genossen außerhalb des Oberhauses keine sozialen
Privilegien, auch keine steuerlichen Immunitäten. Nur der erstgeborene Peers-
sohn erbte Titel und Land, die jüngeren Söhne zählten zum Bürgertum. Auch
wenn den Peerssöhnen dank einer weitverzweigten Patronage die hohen Ämter in

Regierung, Verwaltung, Armee und Hochklerus offenstanden, so wurde doch kein


Ämtermonopol beansprucht. Es galt nicht als Schande, wenn ein nachgeborener
Peerssohn in ein angesehenes Handelshaus eintrat. Ein Gesetz wie die Deroge-
ance, das dem Adligen den Verlust seiner Privilegien androhte, falls er nicht adlig
lebte und bürgerliche Geschäfte betrieb, war in einem Land, wo der internationale
Handel in hoher Geltung stand, unbekannt. Erst recht standen die Familien der
Gentry dem Bürgertum nahe. Die Zugehörigkeit zur Gentry war rechtlich nicht
fixiert. Mit Ausnahme der beiden oberen Adelsränge (Baronets und Knights)
zählte zum Niederadel, wer ein großes Landgut besaß und den adligen Lebensstil
teilte. Die Mitglieder der Gentry nahmen als Friedensrichter, Sheriffs oder Steuer-
einnehmer die öffentlichen Führungsfunktionen in Gemeinde und Grafschaft
wahr. Sie bildeten eine politische Elite, die trotz aller Exklusivität ehrgeizige
Aufsteiger aus dem Bürgertum, die Landbesitz erwarben, akzeptierte und mit
der Zeit auch absorbierte. Die jüngeren Söhne der Gentry kehrten dann oft ins
bürgerliche Berufs- und Wirtschaftsleben zurück. Gewiß sorgte diese Abstiegs-
mobilität eher für den sozialen Austausch als die seltenere Aufstiegsmobilität.
Aber im Vergleich zum Kontinent, wo der über die Nobilitierung erreichte
Aufstieg in den Adel sofort mit kastenartiger Statusabgrenzung nach unten ver-
knüpft war, bewegten sich in England die gesellschaftlichen Bindungen leichter in
beide Richtungen. Die gegenseitige Wertschätzung trug dazu bei, daß die politisch

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einflußreichen Landlords immer auch im Interesse des kommerziellen Bürger-


tums handelten. Der englische Kaufmann und Fabrikant konnte sich eine politi-
sche Abstinenz leisten, die das französische Bürgertum nicht mehr länger hinzu-
nehmen bereit war.
Innerhalb der ländlichen Gesellschaft fehlten die mannigfachen Schichtabstu-
fungen, die auf dem Kontinent üblich waren. Feudale Abhängigkeitsverhältnisse
bestanden nicht mehr. Im Gegensatz zu den kontinentalen Bauernschutzgesetzen
förderten die Enclosure-Gesetze den Aufkauf von Kleinbauernstellen. England
wurde zum Land der Pachtbauern. Schon um 1790 wurden drei Viertel des Bodens
von Pächtern bewirtschaftet. Die Eigentumsverhältnisse waren klar und über-

schaubar: Es gab nur noch Landbesitzer, Pächter und besitzlose Landarbeiter. Zur
Stadt bestanden rege Austauschbeziehungen. Schafzucht und Wollhandel förder-
ten schon früh die Marktorientierung der Landwirtschaft und ihr Interesse an
einer Ausweitung der englischen Exporte. Nicht nur die dörfliche Heimindustrie,
sondern auch die in England besonders zahlreichen Manufakturen auf dem Lande
Textilbetriebe, Kohlengruben, Eisengießereien sorgten für enge Kontakte
zwischen Dorf und Stadt. „Alles schien hier wie aus einem Guß: Grundherren,
- -

die die Anbaumethoden verbesserten, Einhegungsmaßnahmen, kommerzielle


Landwirtschaft, Dorfgeschäfte, Verlagssystem, Gruben und Gießereien und ein
lebhafter Handel mit Pfandbriefen. In ihrer Vereinigung schüttelten sie die Fesseln
örtlicher Gewohnheiten ab, assimilierten Land und Stadt und förderten die Aus-
bildung begabter Menschen stärker als in jedem anderen Land" [158: D.S.
Landes].
Flexibilität und Das neu entstehende Industriebürgertum der Städte sonderte sich seinerseits
Anpassungsfähigkeit nocn n[cnt starr von ^ übrigen Bevölkerung ab. Erfolg garantierte den sozialen
Aufstieg. Auch ein Barbier wie Arkwright oder ein Bergwerksarbeiter wie
Stephenson konnten in Spitzenpositionen vordringen. Der „Eisenkönig" Richard
Crawshay entstammte einer Kleinbauernfamilie. Viele Unternehmerpioniere
kamen vom Land oder aus dem Handwerkermilieu. Besonders auffallend im
Vergleich zum Kontinent, wo der Schuster gewöhnlich bei seinem Leisten blieb,
war der häufige Berufswechsel. Der Pfarrer Edmund Cartwright widmete sich der

Erfindertätigkeit; Watt begann als Instrumentenmacher; sein Partner Boulton


stellte als Tandler billige Schmucksachen her, bevor er die Möglichkeiten der
Dampfmaschine erkannte; John Roebuck, ein Absolvent der schottischen Medi-
zinschulen, gab seinen Arztberuf auf und nahm die Chance wahr, seine chemi-
schen Kenntnisse für die Industrie zu nutzen; der Tuchhändler Thomas Fox
wandte sich dem Abbau von Blei, Zinkerz und Kupfer zu, als sein Wollhandel
nicht mehr genügend Gewinn abwarf. Die Beispiele ließen sich unschwer ver-
mehren. Die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der englischen Gesellschaft
trugen entscheidend dazu bei, daß sich das Erfinder- und Unternehmertalent
der Briten in einer Umwelt voller wirtschaftlicher Möglichkeiten entfalten konnte.

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England und die industrielle Revolution 15

Die Verhaltensweisen der Gesellschaft sind immer auch von Wertvorstellungen Soziokulturelle
Antnebskralte
geprägt. Im Zusammenhang mit den soziokulturellen Aspekten der industriellen
Revolution ist häufig auf die Bedeutung der „naturwissenschaftlichen Revolu-
tion" des 17. Jahrhunderts und auf den Einfluß der empiristischen Aufklärungs-
philosophie verwiesen worden. Die seit Newton neu entdeckten Gesetze der
Ordnung und Bewegung im physikalischen Universum und die philosophischen
Prinzipien der Rationalität und Zweckmäßigkeit ließen sich auf wirtschaftlich-
gesellschaftliche Verhältnisse übertragen. Die technische Experimentierfreude der
Briten, das Vertrauen darauf, Engpässe in der wirtschaftlichen Produktion über-
winden zu können, und die Bereitschaft, Risiko und Profit rational abzuwägen,
waren im vorherrschenden Wertsystem angelegt. Die Entwicklung einer rationa-
len Wohlstandsethik mit den Tugenden der Arbeit, Mühe und Askese, dem Mut
ist im Anschluß an die
-

zum Wagnis und zu individueller Verantwortung


und über „Die protestantische
-

berühmten vieldiskutierten Studien Max Webers


Ethik und der Geist des Kapitalismus" immer wieder auf die Morallehren des
Calvinismus und des nonkonformistischen Protestantismus zurückgeführt wor-
den. Die Theologie Calvins und seine Prädestinationslehre lassen sich freilich
nicht auf eine Lehre von der Rechtfertigung durch den Erfolg reduzieren. Auch
gibt es viele Beispiele dafür, daß Protestanten und Calvinisten in anderen Ländern
keineswegs zu Wegbereitern der Industrialisierung wurden. Aber die besondere
Wirtschaftssituation Englands bewirkte, daß hier die protestantischen Nonkon-
formisten eine adäquate Tugendlehre entwickelten, die das Erfolgsstreben religiös
sanktionierte. Außerdem wurden sie durch ihren Außenseiterstatus als benach-
teiligte Minderheit dazu gezwungen, sich in Familienclans zusammenzuschließen,
härter zu arbeiten als ihre Konkurrenten und den Erfolg im Wirtschaftsleben zu
suchen, weil ihnen der Staatsdienst und die akademischen Berufe versperrt blie-
ben. In den Industriezentren im Norden und in den Midlands waren unverhält-
nismäßig viele Unternehmer Dissenters. Um 1800 hatten sich die Quäker im
Brauereiwesen, in der Eisenindustrie und im Bankwesen fest etabliert. Aus dem
religiösen wie sozialen Dissidententum erwuchs ihnen ein Teil ihrer Energie und
das Gefühl der Zusammengehörigkeit, das den geschäftlichen Beziehungen zugute
kam.
Das Verhältnis von Herrschafts- und Gesellschaftsordnung gestaltete sich in
England ohne jene politisch-sozialen Spannungen, die im Zeitalter der „atlanti-
schen Revolution" überall auf dem Kontinent aufbrachen. Obgleich die Führung
des Parlaments und der Regierungsgeschäfte auch weiterhin und selbst noch über
die Wahlrechtsreform von 1832 hinaus in den Händen einer landbesitzenden
aristokratischen Oligarchie lag, die nach den revolutionären Erschütterungen
des 17. Jahrhunderts im Bunde mit der Krone das politische System stabilisierte
und ihre eigene Macht perpetuierte, so war die Regierung doch mehr als jede
andere in Europa dazu bereit, die Politik den ökonomischen Interessen anzupas- För(Jern(ie Roi|e
sen. Der fördernden Rolle des englischen Staates im Industrialisierungsprozeß ist des Staates

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16 /. Darstellung

von einigen Historikern großes Gewicht beigemessen worden. Es ist zwar kein
Zufall, daß Adam Smith seine Freihandelslehre in England entwickelte, wo er das
Aufkommen einer freien Händler-Gesellschaft am konkreten Beispiel beschrei-
ben konnte. Aber erst als seine Theorie auf dem Festland rezipiert und gegen die
merkantilistischen Restriktionen absolutistischer Herrscher ins Feld geführt
wurde, entstand das mißverständliche Laissez-faire-Schlagwort, das die englische
Staatsaktivität gar nicht beachtete. „Es gehört zu dem Mythos der Industriellen
Revolution, daß sie der Passivität des Staates weit mehr verdanke als seinem
Eingreifen" [132: Ph. Deane]. Der weltweite Handel setzte nicht nur eine
expansive Wirtschaft voraus, sondern auch eine Regierung, die Krieg führte und
auf Kosten der Festlandsrivalen Kolonien erwarb. „Kein Staat entsprach den
Wünschen seiner Kaufmannsklasse besser und kein Land zeigte sich den kommer-
ziellen Konsequenzen von Kriegen aufgeschlossener" [158: D.S. Landes]. Am
Ende der napoleonischen Kriege besaß England die faktische Monopolstellung als
Kolonial- und Seemacht. Anders als beispielsweise in Holland, das große Erfolge
im kaufmännischen, jedoch nicht im industriellen Bereich zu verzeichnen hatte,
wurde die britische Wirtschaftspolitik nie ausschließlich von Handels- und
Finanzinteressen bestimmt. Im Streitfall zwischen Handel und Industrie, vor
allem in den Auseinandersetzungen über den Freihandel und den Abbau der
Handelsmonopole, konnten sich die englischen Unternehmer erfolgreich behaup-
ten. Bereits vor 1700 setzten die britischen Produzenten Importsperren, z.B. für
indische Kattunstoffe, durch. Auch das Exportverbot für Wolle schränkte den
Uberseehandel ein. 1813 verlor die Ostindische Kompanie ihre Monopolstellung
in Indien. Der Abbau der Schutzzölle verzögerte sich freilich auch aus fiskalischen
Gründen, weil der englische Staat auf seine Zolleinnahmen angewiesen blieb.
Importsperren, Exportverbote, Handelsmonopole und Schutzzölle beweisen
zur Genüge, daß England von einem Laissez-faire-Zustand weit entfernt war. Es

gab auch dirigistische Bestimmungen, die die Wirtschaftstätigkeit einengten:


Lehrlingsstatute und Zunftprivilegien in einigen Gewerbezweigen, gesetzliche
Qualitätskontrollen für Wollstoffe, Brotverordnungen, die Preise und Gewicht
des Brotes sowie die Gewinnspanne für die Bäcker festlegten, Wuchergesetze, die
den Zinssatz für Darlehen begrenzten, und andere Gesetze, welche den Einsatz
von Kapital hemmten, so das Verbot von Aktiengesellschaften (Bubble Act von

1720). Es ist jedoch bezeichnend für England, daß die staatlichen Vorschriften von
der Regierung nicht rigoros durchgesetzt und von den Briten meist einfach
umgangen wurden. Schon durch die Vielzahl der Ehrenämter in der Lokalverwal-
tung war die staatliche Bürokratie viel weniger präsent und mächtig als auf dem
Kontinent.
Die beschleunigte wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes bewirkte
keine tiefgreifende Erschütterung des Herrschafts- und Gesellschaftssystems. Für
die oberen und mittleren Schichten der Bevölkerung schien die industrielle
Revolution den unbegrenzten Fortschritt zu verheißen. Sie veränderte zwar

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England und die industrielle Revolution 17

grundlegend die Lebens- und Geschäftswelt, jedoch ohne jene Spannungen, die
sich in den schwächsten Schichten der Gesellschaft zusammenballten. Selbst wenn Soziale Frage
der Lebensstandard der Massen leicht anstieg was für die Periode der Revolu-
tionskriege kaum anzunehmen ist und auch wenn bedacht wird, daß das Land-
-

leben der vorindustriellen Zeit oft genug durch Massenelend und Hungersnot
-

gekennzeichnet war, so bleibt es doch unbestritten, daß sich für die Lohnarbeiter
die Anpassung an die neue Umwelt unter den schlimmsten Umständen vollzog.
Die Industrie brachte den Zwang zur Monotonie der Maschinenarbeit, den Rauch
und Schmutz der überfüllten Städte, gesundheitsschädigende Arbeits- und Wohn-
verhältnisse, die Zerstörung des traditionellen Familienlebens und der menschli-
chen Bindungen, die auf dem Lande noch gegolten hatten. Im Zuge der beispiel-
losen Urbanisierung lebten immer mehr Menschen in den demographisch und
ökonomisch expandierenden Städten. Zwischen 1750 und 1850 wuchs die städti-
sche Bevölkerung um das Siebenfache. Manchester, das Zentrum der Baumwoll-
industrie in Lancashire, hatte 1773 etwa 24 000 Einwohner, eine Zahl, die sich mit
atemberaubendem Tempo auf 70 000 im Jahre 1801 und 180 000 im Jahre 1830
erhöhte. Allein im Jahrzehnt von 1792 bis 1802 vermehrten sich die Baumwoll-
mühlen Manchesters von zwei auf 52. Die heimindustriellen Gewerbe, die immer
noch die meisten Arbeitsplätze anboten, gerieten im Sog der Fabrikproduktion
zunehmend unter Konkurrenzdruck. In vielen Städten brachen Sozialunruhen
aus, gegen die teilweise Militär eingesetzt wurde. Einen Höhepunkt erreichten die
Unruhen 1811/12 mit dem Maschinensturm der Ludditen (so benannt nach
Captain oder General Ludd, dem fiktiven Unterzeichner öffentlicher Protestauf-
rufe). Die Kampfmaßnahmen dieser überlokal koordinierten Protestbewegung
richteten sich teils in Abwehrreaktion gegen die industrielle Massenproduktion,
teils aber auch wie bei Streiks gegen zu niedrige Löhne und zu harte Arbeits-
- -

bedingungen.
Unter dem Einfluß der französischen Revolution erhielt zugleich der politische England und
Radikalismus Auftrieb. Die englischen „Jakobiner" konnten sich auf eine massen- die französische
Revolution
wirksame Klubbewegung stützen, die polarisierend in Wahlkämpfe eingriff und das
oligarchisch-aristokratische Herrschaftssystem des britischen Parlamentarismus
unter Druck setzte. Dennoch verursachte die brisante Vermischung von sozialem
mit politischem Konfliktstoff keine revolutionäre Erschütterung. Trotz der Rezep-
tion der „Ideen von 1789", die vor allem von Thomas Paine („The rights of man"
1791/92) vermittelt wurden, konnte sich der englische Radikalismus zugleich und
vor allem auf eine eigenständige Tradition berufen, die sich an einem egalitär-
demokratischen Idealbild des britischen Parlamentarismus orientierte. Insofern
wurde kein revolutionärer Umsturz, sondern eine demokratisch-progressive
Reform des bestehenden politischen Systems gefordert.
Ausschlaggebend war, daß es der Regierung unter William Pitt dem Jüngeren im
Verein mit den gesellschaftlichen Führungsschichten aus Aristokratie und Bürger-
tum gelang, die Radikalen mit deren eigenen Waffen zu schlagen. Im Winter

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1792/93 entstanden überall im Land loyalistisch-konservative Assoziationen, die


ihrerseits einen großen Teil der städtischen und ländlichen Bevölkerung mobili-
sieren konnten. Im Zeichen eines massiven antifranzösischen Nationalismus
wurden die „Jakobiner" in die Defensive gedrängt; und mit Hilfe der Parolen
für „Church and King" formierte sich eine populäre Gegenbewegung. Gewiß
reagierte die Regierung bis hin zum gezielten Terror mit scharfen Repressivmaß-
nahmen, die während des Krieges gegen das revolutionäre und napoleonische
Frankreich 1799 und 1800 im Verbot sämtlicher Arbeiterkoalitionen und politi-
scher Vereinigungen gipfelte. Aber es ist doch sehr bezeichnend für die englischen
Verhältnisse, daß diese Politik nicht als Reaktion, sondern unter dem mächtigen
Einfluß des Publizisten Edmund Burke als Bewahrung von Tradition in der
-

Kontinuität englischer Freiheiten im Kampf gegen die „abstrakte" Freiheitsdok-


-

trin der französischen Revolutionäre ausgegeben werden konnte. So zählt es nur


scheinbar zu den Paradoxien in der Geschichte der anhebenden Moderne, daß
ausgerechnet das Land, dem die Pionierrolle in der wirtschaftlichen Entwicklung
zufiel, als Verfechter des politischen Traditionalismus und Konservativismus an
die Spitze der europäischen Gegenrevolution trat.
In der europäischen Staatenwelt des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahr-
hunderts nahm England eine einmalige und so nicht wiederholbare Sonderstellung
ein. Unter den andersgearteten Bedingungen auf dem Kontinent war es gar nicht
möglich, das englische Beispiel sofort und überall zu kopieren. Vorerst waren die
Regierungen weder fähig noch bereit, den für den wirtschaftlichen Fortschritt
erforderlichen Preis zu zahlen, nämlich die grundlegende Veränderung der politi-
schen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Nicht England, sondern das revolutio-
näre Frankreich stellte die Weichen für die Modernisierung des europäischen
Ancien Regime.

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Politisch-soziale Revolution in Frankreich 19

3. Die politisch-soziale Revolution in Frankreich

Im Verlauf des 18. Jahrhunderts, insbesondere seit etwa 1750, erlebte auch Frank- Wirtschaftlicher und
Wanc'e'lm
reich eine Zeit des beschleunigten sozialen und wirtschaftlichen Wandels. Die
Bevölkerung wuchs von 1700-1789 von 21,5 Millionen auf 28 Millionen. Die
jgZj^'er
Landwirtschaft prosperierte bei steigenden Erträgen und einer Hausse der Agrar-
preise. Das Volumen des französischen Kolonialhandels vermehrte sich zwischen
1716 und 1787 um das Zehnfache. Erst nach 1770 schob sich in die langfristige
Periode wirtschaftlicher Aufwärtsentwicklung ein ökonomischer Zwischenzy-
klus ein. Der Stagnation folgte seit etwa 1778 eine allgemeine Rezession, so daß am
Vorabend der Revolution die Herrschafts- und Gesellschaftskrise von einer Wirt-
schaftskrise überlagert wurde. Von den langfristigen Strukturwandlungen her
gesehen, schien hingegen nichts auf eine Revolution hinzudeuten. Auch die
hierarchisierte Ständegesellschaft war längst in einen Auflösungsprozeß hinein-
gerissen, bevor die Revolution sie zum Einsturz brachte. In der jüngeren For-
schung hat sich die Ansicht durchgesetzt, daß die Revolution nicht nur einen
umwälzenden Bruch darstellt, sondern in sozialökonomischer Hinsicht eher einer
Kontinuität folgt und etwas fortführt, das bereits existierte und im Ancien Regime
schon vorgeformt war. Selbst für den „klassischen" Fall des revolutionären
Wandels gilt, daß die bürgerlich-liberale Gesellschaft gerade nicht aus einer
plötzlichen, radikalen Transformation der feudalständischen hervorging. Die
Revolution glich mehr einem Dammbruch, der eine Entwicklung freisetzte, die
bereits eingeleitet war. Der streitbare englische Historiker Alfred Cobban hat die
sozialistische Interpretation eines aufbrechenden Klassenantagonismus zwischen
veralteter Aristokratie und fortschrittlicher Bourgeoisie am Ursprung der „bür-
gerlichen" Revolution schlichtweg als „Mythos" bezeichnet [227: The social
interpretation of the French Revolution].
Die politisch-sozialen Probleme des „Ubergangs" vom Ancien Regime zur Die drei Revolutio-
nen von 1789
Revolution lassen sich nicht auf den Gegensatz zwischen Adel und Bürgertum
reduzieren. Die Revolution entstand aus sehr unterschiedlichen und oft einander
widersprechenden Zielvorstellungen der an ihr beteiligten sozialen Gruppen, die
sich weder mehr in das Grundmuster der drei Stände Klerus, Adel, Bürgertum
noch in das Klassenschema einfügen lassen. Man hat von den drei Revolutionen
- -

gesprochen, die sich 1789 als Teilprozesse mit stark gegensätzlicher Tendenz
ineinanderschoben: die Revolution der Bauern, die Revolution der städtischen
Volksbewegung und die Revolution der Abgeordneten auf den Generalständen in
Versailles [247: F. Füret, D. Richet].
Die Ursachen der Bauernrevolution hängen aufs engste zusammen mit dem Ursachen der
Bauernrevolution
Umwandlungsprozeß der ländlichen Gesellschaft im 18. Jahrhundert. Der ent-
scheidende Schlüsselvorgang auf dem Lande war die „Verbürgerlichung" der
Seigneurie. Die Grundherrschaft war kein Hindernis, sondern eher ein Wegbe-
reiter des ländlichen Kapitalismus. Zwei Grundtendenzen zeichneten sich ab: die

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Kommerzialisierung und Konzentrierung des Grundbesitzes und der wachsende


Einfluß einer unternehmerischen Landbourgeoisie. Die adligen Grundherren
entwickelten ein geradezu „bürgerliches" Erwerbsstreben und Finanzinteresse.
Das Abgabenwesen wurde durch Grundbuchkommissare rationalisiert; der
selbstbewirtschaftete Landbesitz wurde mit Hilfe seigneurialer Vorkaufsrechte,
teilweise auch durch Usurpierung der Allmende, vergrößert und an kapitalkräftige
Pächter ausgegeben. Man hat die Revision der Grundbücher und das Bemühen,
alte Rechtstitel geltend zu machen und die Abgabenrückstände der Bauern ein-
zutreiben, vielfach eine „feudale Reaktion" genannt. Es fragt sich jedoch, inwie-
weit der Begriff „Feudalität" (feodalite) auf die veränderten Verhältnisse noch
zutrifft. In manchen Gegenden fielen die eigentlichen Feudalabgaben Grund-
zinsen, Feldzehnten, Besitzwechselabgaben, Sterbfallsgelder etc. kaum noch ins
-

Gewicht. Die Einkünfte aus seigneurialen Rechten konnten zwar bis zu einem
-

Drittel des Gesamteinkommens ausmachen so in der Bourgogne und in der


Bretagne -; in den Getreidegebieten um Paris waren es jedoch nur noch wenige
-

Hundertstel. Die Einnahmen aus der Geld- und Naturalpacht sowie die Gewinne
aus der Selbstbewirtschaftung übertrafen die alten Feudalabgaben immer mehr an

Bedeutung.
Im Zeitalter der hohen Grundrenten die Pachtzinsen stiegen im 18. Jahr-
hundert trotz der Hausse der Agrarpreise real um 51 % an bot der Grundbesitz
-

auch dem reichen Stadtbürgertum eine lohnende und sichere Kapitalanlage.


-

Zwischen adligen und großbürgerlichen Grundherren entstand so eine Interes-


senkonvergenz. Die Folge war, daß die Bauern am Ende des Ancien Regime nur
noch über ein Drittel des Bodens verfügten. Der übrige Landbesitz fiel etwa zu
10% an den Klerus, zu 20% an den Adel und bereits zu 30% an das städtische
Bürgertum. Die Kehrseite dieser einseitigen Mobilisierung des Bodens war die
Zersetzung der Dorfgemeinschaft. Das wechselseitige Treueverhältnis von Schutz
und Hilfe löste sich auf; die Kluft zwischen den reichen, oft ortsfremden Pächtern
und Gutsverwaltern einerseits und der Masse der Kleinbauern andererseits ver-
breiterte sich. Bevölkerungswachstum, Preishausse und Grundbesitzkonzentra-
tion trugen dazu bei, daß sich seit 1750 das Landproletariat der Tagelöhner,
Saisonarbeiter und Umherirrenden ständig vermehrte und in manchen Gegenden
bis zu 60 % der Landbevölkerung ausmachte. So sammelte sich ein Konfliktpo-
tential an, das sich nicht erst in den Bauernaufständen von 1789, sondern schon seit
1750 in einer Welle von Auflehnungen und Unruhen entlud.
Die bäuerliche Empörung erwuchs nicht mehr allein aus der Adelsfeindschaft.
Gewiß: es war das alte Gehäuse der Seigneurie, in das sich der ländliche Kapita-
lismus einnistete. Trotz der Abschwächung der mit der Seigneurie verbundenen
feudalen Elemente blieb der schikanöse Charakter der Grundherrschaft erhalten
mit allem, was dazu gehörte: die Forderungen auf Fronarbeit, die Jagd-, Fischerei-,
-

Mühlen-, Kelterei- und Braumonopole des Adels, die seigneuriale Gerichtsbar-


keit. Hinzu kam jedoch das antibürgerliche Mißtrauen der Bauern gegen die
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Politisch-soziale Revolution in Frankreich 21

ortsfremden Städter, die ihnen als Großpächter, Pächter, Gutsverwalter und


Grundbesitzer das Land wegnahmen. Die Bauernrevolution entstand auch und
nicht zuletzt aus dem Widerstand gegen einen als zu rasch empfundenen ökono-
mischen Wandel, als „archaische Form" seiner Ablehnung [217: P. Bois]. Insofern
zählten die aufständischen Bauern nicht zum „fortschrittlichen" Bürgertum. Im
Gegenteil: Sie versuchten verzweifelt, die alten, vorkapitalistischen Verhältnisse
wiederherzustellen.
Ahnliches gilt für die Revolution der klein- und unterbürgerlichen Schichten in Ursachen der muni-
den Städten. Der Pariser „menu peuple", die kleinen Handwerker und Laden- zlPalen Revolution
besitzer, die 1792/93 den Kern der Sansculotten-Bewegung bildeten, stemmten
sich gegen den wirtschaftlichen Fortschritt, der die Reichen immer reicher und die
Armen immer ärmer werden ließ. Von 1741-1785 betrug die Steigerung der
Lebenshaltungskosten 65 %, während die Löhne kaum anstiegen. Der Brotpreis
verschlang über die Hälfte, in Zeiten der Teuerung sogar über 80 % des Familien-
einkommens. Der Widerstand äußerte sich jedoch noch ganz im Stil traditioneller
Brotunruhen und Hungerrevolten. Schon im sog. Mehlkrieg von 1775 wurden die
Lager des Pariser Mehlmarktes und die Bäckerläden geplündert. Damals tauchte
auch bereits die Forderung nach einer Festsetzung des Brotpreises auf, die später in
das Programm der Sansculotten einging. Die notleidende Bevölkerung suchte
einen Ausweg in der staatlichen Reglementierung der Wirtschaft, eine an der
Vergangenheit orientierte Vorstellung, die gegen die Interessen des Handels-
und Manufakturbürgertums verstieß.
Es gehört zu den kurzfristigen, akzidentiellen Ursachen der französischen Wirtschaftskrise der
Revolution, daß die Wirtschaftsrezession das soziale Klima Ende der achtziger achtziger Jahre
Jahre krisenhaft verschärfte. Die Freigabe der Getreideausfuhr, Mißernten und
Viehseuchen führten zu einer akuten Versorgungs- und Ernährungskrise. Der
1786 abgeschlossene liberale Handelsvertrag mit England erleichterte die Einfuhr
billiger britischer Waren und brachte die französischen Produzenten in Bedräng-
nis, so daß sie einen Teil ihrer Arbeiter entlassen mußten. In den Städten herrschten
Arbeitslosigkeit und Hungersnot; viele Bauern verloren ihren Nebenverdienst in
der Heimindustrie. Der Brotpreis kletterte manchenorts um über 100% und
erreichte in Paris am Tag der Erstürmung der Bastille, am 14. Juli 1789, den
Spitzenstand des Jahrhunderts.
Dennoch begann die Revolution nicht mit Bauernaufständen und Straßen- Bedeutung der
kämpfen. Erst im Juli 1789, nach der Revolte des Adels und nach der Revolution v°lksa"fstände
der bürgerlichen Abgeordneten in Versailles, kam es zu den Gewaltausbrüchen der
städtischen und ländlichen Volksmassen. Neben wirtschaftlichen und sozialen
Motiven gab die Furcht vor einer Adelsreaktion und vor dem Bürgerkrieg den
entscheidenden Impuls für die Aufstände. In Paris setzte der Sturm auf die Bastille
der zunächst mit der Suche nach Waffen begann, die angeblich in der Bastille
lagerten das Signal für die munizipale Revolution, die auf die Provinzstädte
-

übergriff. Auf dem Lande verbreitete sich wie ein Flächenbrand die „Grande
-

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Peur" [293: G. Leffbvre], die große Angst vor einer Aristokraten- und Auslands-
verschwörung, eine Massenpsychose, die zugleich durch Falschmeldungen über
heranziehende Räuber- und Bettlerbanden ausgelöst wurde. Im Kampf gegen die
eingebildeten Gefahren rotteten sich die Bauern zusammen und stürmten die
Schlösser und Gutshöfe der Grundherren. Im Oktober 1789 erzwang der von
den Marktweibern und Frauen angeführte Zug der Pariser nach Versailles die
Verlegung des Hofes nach Paris; der König geriet immer mehr in die Abhängigkeit
seiner Hauptstadt. In der Entscheidungssituation des Jahres 1789 haben die
Volksaufstände den revolutionären Prozeß vorangetrieben. Der Pariser „menu
peuple" und die rebellierenden Bauern verfolgten jedoch eigene Ziele und Inter-
essen, die mit denen des Besitzbürgertums nur bedingt übereinstimmten.
Der die Revolution initiierende Konflikt spielte sich 1789 an der Spitze der
sozialen Pyramide ab. Am Anfang der Revolution stand eine Krise der Herrschaft
Finanzkrise und und der Eliten. Die katastrophale Finanzsituation des französischen Staates führte
Vorrevolution
zum flacht- und Autoritätsverlust der Krone. Die Teilnahme am österreichischen

Erbfolgekrieg, am Siebenjährigen Krieg und zuletzt am Amerikanischen Unab-


hängigkeitskrieg türmte eine riesige Schuldenlast auf, zu deren Tilgung 1788 nicht
weniger als 50 % der Staatseinnahmen ausgegeben werden mußten. Das Defizit,
das der Öffentlichkeit durch die Finanzminister Necker, Calonne und Lomenie de
Brienne zuerst verhüllt, dann aber offen bekanntgegeben wurde, betrug 1786
100 Millionen, d. h. 20 % der Einnahmen, und erhöhte sich laufend durch weitere
Staatsanleihen. Eine durchgreifende Steuerreform, die ohne Beseitigung der
Steuerprivilegien von Klerus und Adel nicht möglich war, scheiterte immer
wieder am Widerstand der Parlamente, der französischen Gerichtshöfe, die
1787/88, in der sog. Vorrevolution, offen gegen die Krone rebellierten. Ludwig
XVI. gab schließlich dem Drängen des Pariser Parlaments nach und berief die
Generalstände, die seit 1614/15 nicht mehr getagt hatten. In dieser Situation brach
das antiabsolutistische Bündnis der Stände, bisher angeführt durch die Parla-
mentsaristokratie, auseinander. Die in Versailles versammelten Abgeordneten
des Dritten Standes bekämpften die politischen Vorrechte und die Privilegien
der ersten beiden Stände und nahmen für sich in Anspruch, die Nation zu
repräsentieren.
Ursachen des Dieser offenkundige Antagonismus zwischen Adel und Bürgertum war jedoch
Ständekonflikts
nur teilweise in der sich auflösenden Ständegesellschaft angelegt. Vieles deutet eher

auf eine soziale Annäherung der politischen Kontrahenten hin. Zwar unterschied
sich der Adel nach wie vor durch das Privileg vom Dritten Stand; er besaß
Steuerfreiheiten, Ämtermonopole, seigneuriale Vorrechte und zahlreiche Ehren-
titel. Die Ämterkäuflichkeit brachte es jedoch mit sich, daß auch zahlreiche
Bürgerliche zu Ämterwürden aufstiegen und mit ihnen den Adel erwarben.
Ganz anders als in England teilte das französische Bürgertum bis zu einem
gewissen Grad die Vorurteile des Adels gegen Handels- und Geschäftsberufe.
Einmal zu Reichtum gelangt, zogen es die französischen Kaufleute, Großhändler,

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Politisch-soziale Revolution in Frankreich 23

Manufakturbesitzer und Bankiers vor, Ämter zu kaufen, Landgüter zu erwerben


und adlig zu leben. Die sog. Rentenbourgeoisie, die ihr Vermögen aus Boden-
renten, Ämterpensionen und den Zinsen aus Staatsanleihen bezog, bildete den
Kern des französischen Besitzbürgertums, das mit dem Industriebürgertum des
19. Jahrhunderts noch kaum etwas gemeinsam hatte. 1787 machte das Vermögen
der proprietaires aus Land- und Hausbesitz, Ämtern und Renten 80% des
gesamten französischen Privatvermögens aus. Auch die Bankiers und Finanz-
leute waren in der Regel noch ganz im Finanzsystem des Ancien Regime, im
sog. Hofkapitalismus, verwurzelt. Sie organisierten die Staatsanleihen oder zähl-
ten zu den Steuerpächtern.
Andererseits paßte sich ein Teil der Aristokratie dem Bürgertum an. Nicht nur
die Seigneurie wurde in einen kommerzialisierten Landwirtschaftsbetrieb ver-
wandelt; einige Adlige suchten auch eine Ergänzung ihrer Einkünfte in Handel
und Industrie. Die „derogeance" wurde nicht mehr streng beachtet und ließ sich
durch bürgerliche Strohmänner umgehen. Außerdem gehörten Bergbau und
Metallgewinnung seit je zu den Bodenregalien des Adels. Gegen Ende des Ancien
Regime beteiligten sich mehrere Adlige an Industrieunternehmen, z. B. die Herren
von Wendel an den Minen von Anzin und an der Eisenfabrik von Le Creuzot. Viele

Manufakturen waren im Besitz des Hochadels: des Herzogs von Orleans, des
Grafen von Artois, des Herzogs von Rochefoucault-Liancour, des Vicomte von
Segur etc. Nach Erwerbsarten und Produktionsformen unterschied sich das adlige
nicht vom bürgerlichen Vermögen.
Auch im kulturellen Bereich verkehrten Adlige und Bürgerliche in denselben
Institutionen. In den Akademien, Salons, Lesezirkeln und Logen der Aufklä-
rungsbewegung galt nicht mehr die Herkunft, sondern die Vernunft als Aus-
weis. Von geistigem Niedergang des Adels kann keine Rede sein. Immerhin
kamen 15% (in Paris 22%) der Freimaurer und sogar 37% der Mitglieder in
den Provinzialakademien aus dem Adel. In der Praxis wurde zwar das über-
ständische Integrationsideal noch vielfach unterlaufen, etwa durch die exklusive
Mitgliederbeschränkung der Akademien oder durch die Spezialisierung der ein-
zelnen Logen eines Ortes auf bestimmte Sozial- oder Berufsgruppen. Aber ihrem
Selbstverständnis nach bildete die Aufklärungsgesellschaft eine offene, aristokra-
tisch-bürgerliche Elite.
Wie aber kam es dennoch zu dem Ständekonflikt von 1789? Es war paradoxer-
weise die relative Offenheit des Adels, die ihn hervorrief. Auch in der Oberschicht
gab es eine Gruppe von Benachteiligten, die sich gegen den sozialen Wandel
auflehnte. Der Provinz- und Landadel, der keineswegs mit denselben Reichtü-
mern gesegnet war wie der luxuriös lebende Hof- und Robenadel von Paris, hegte
ein starkes Mißtrauen gegen die geadelten Emporkömmlinge bürgerlicher Her-
kunft. Die entscheidende Frage lautete nicht: Adel oder Bürgertum, sondern:
Altadel oder Neuadel. Die Kleinadelsfamilien versteiften sich auf die eifersüch-
tige Verteidigung ihrer altaristokratischen Berufspositionen und Privilegien. 1781
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wurde das Dekret des Kriegsministers Segur erlassen, das dem Altadel die hohen
Offiziersränge in der Armee reservierte. Man hat auch in diesem Zusammenhang
von einer „reaction feodale" gesprochen. Aber in Wirklichkeit änderte sich kaum
etwas an der Rekrutierung der Eliten. Die oberen Ränge in der Armee, die

Ministerposten und die hohen Kirchenämter waren immer schon dem Altadel
vorbehalten gewesen. Andererseits verlieh der durch die finanzielle Notlage unter
Druck gesetzte Monarch auch weiterhin den Adelstitel an Neulinge, die sich in die
Ämter bei Hof, in der Verwaltung und an den Gerichtshöfen einkauften. Insge-
samt traten von 1774-1789 3389 Personen in Ämter ein, die den Adelstitel

verliehen, davon waren nicht weniger als 73 % bürgerlicher Herkunft. Der Alt-
adel hatte Grund genug, sich über das Anwachsen der sozialen Mobilität zu
beunruhigen. Die „aristokratische Reaktion" entsprach keiner tatsächlichen Ab-
schließung des Adels; sie spiegelt vielmehr eine Identitätskrise des Adels wider und
sein vergebliches Bemühen, auf der sozialen Differenzierung zu beharren. Um-
gekehrt war der Mechanismus der sozialen Mobilität für jene Bürger zu eng, die
ehrgeizig nach oben strebten und die Nobilitierung nicht erreichten. Die Monar-
chie, die mit der Adelsverleihung die Zirkulation der Eliten steuerte, geriet in die
Isolation. Sie konnte weder die Wünsche des Adels noch die des wirtschaftlich
erstarkenden Bürgertums erfüllen. Alle Versuche, zu einem Aufgeklärten Abso-
lutismus oder liberalen Reformismus vorzustoßen, wie sie zuletzt Turgot unter-
nahm, scheiterten. Mit den Worten von Francois Füret: „... der wichtigste
Schlüssel zum Verständnis der politisch-sozialen Krise des 18. Jahrhunderts (ist)
nicht eine hypothetische Verschließung des Adels, noch dessen globale Verfein-
dung gegenüber der Bourgeoisie im Namen einer imaginären ,Feudalität', sondern
im Gegenteil seine Öffnung, die für den Zusammenhalt des Standes allzu breit war,
für den Wohlstand des Jahrhunderts aber allzu eng. Die beiden großen Erbteile der
französischen Geschichte, die Ständegesellschaft und der Absolutismus, treten in
einen ausweglosen Konflikt" [248: Penser la Revolution frangaise].
Politische und Der Rivalitätskampf konkurrierender Eliten war 1789 mit der Abschaffung der
tale Fuhrungs-
schichten pr;v;iegien nicht beendet. Im Verlauf der Revolution kam es immer wieder zu
Spaltungen innerhalb der politischen Führungsschichten. Schon während der
, • , », ,

Verfassungsberatungen der Assemblee Constituante zerfiel die Patriotenpartei in


die Anhänger Mirabeaus, gemäßigte Monarchisten, die für eine Aussöhnung
zwischen Königtum und Drittem Stand eintraten, und in die Gruppe um Sieyes,
die das von Mirabeau verteidigte Vetorecht des Monarchen bekämpfte. Nach
Mirabeaus Tod (2. April 1791) rivalisierten die Wortführer einer Versöhnungs-
politik Lafayette, der Leiter der Nationalgarde, und das sog. Triumvirat:
Barnave, de Lameth und Duport unter- und gegeneinander um politischen
-

Einfluß. Im Juli 1791, nach dem gescheiterten Fluchtversuch der königlichen


-

Familie, begann die Agitation der radikalen Klubs für die Schaffung einer Repu-
blik. Tonangebend war der Cordeliersklub, die erste der in den Pariser Stadt-
vierteln gegründeten Volksgesellschaften, in der Danton als radikaler Redner und

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Politisch-soziale Revolution in Frankreich 25

Marat als populärer Journalist den „Verrat" des Königs attackierten. Im Herbst
1791 spaltete sich der Pariser Jakobinerklub: Die gemäßigte Mehrheit seiner
Mitglieder lief zu den Monarchisten über, die nach ihrem Versammlungsort,
dem Kloster der Zisterzienser, „Feuillants" genannt wurden. Trotzdem domi-
nierte in der neu gewählten Assemblee legislative, die im Oktober 1791 zusam-
mentrat, die kleine, aber aktive Gruppe der radikalen Girondisten, deren Wort-
führer aus dem Departement Gironde kamen. Im März 1792 berief der König
girondistische Minister (Roland, Claviere, Dumouriez). Die Spannungen auf dem
linken Flügel führten nach den Konventswahlen von 1792 zu den Machtkämpfen
zwischen Girondisten und den weiter links stehenden Montagnards so genannt,
weil sie auf den höchsten Bänken des Sitzungssaales, auf dem „Berg", saßen.
-

Innerhalb der Bergpartei selbst zeichneten sich die mit den Namen Danton und
Robespierre verknüpften extremen Richtungen ab. Robespierre verdankte seinen
Aufstieg der Unterstützung der Pariser Sansculotten und dem wachsenden Ein-
fluß, den der Krieg im Wechsel von Sieg und Niederlage auf die innenpolitische
Entwicklung nahm. Seine Terrorherrschaft brach 1794 zusammen, als er die
Gefolgschaft der Sansculotten verlor und gleichzeitig die Siege der Revolutions-
armee die Beendigung der Kriegsdiktatur ermöglichten.
Trotz der häufig wechselnden Regierungsmannschaften und trotz des raschen Kontinuität und
Wandels der politischen Regime von der konstitutionellen Monarchie über die Dlskontlnultat

republikanische Konventsherrschaft der Girondisten zur Diktatur der Jakobiner


-

hat sich die soziale Führungsschicht der Revolution nicht geändert, auch nicht
-

unter den Jakobinern, die aus machtpolitischem und revolutionsstrategischem


Kalkül eine offenere Haltung gegenüber der Volksbewegung einnahmen. Die
große Mehrheit der Abgeordneten, die nach der Sitzordnung im Parlament die
Ebene, „la plaine", oder der Sumpf, „le marais", genannt wurde, kam aus dem
Amts- und Rentenbürgertum. Viele waren Juristen. Sie richteten ihre politische
Haltung nach der jeweiligen innen- und außenpolitischen Mächtekonstellation. In
den Jahren der napoleonischen Herrschaft entstand schließlich die Notabeinge-
sellschaft, eine alt-neue Elite, die an den Grundkriterien der alten Gesellschaft,
Grundbesitz und Amterwürde, festhielt. „Insgesamt liegt der soziale Sinn der
Revolution darin, daß sie eine Barriere überspringen ließ, daß sie diese weiter
vorgeschoben hat, daß sie gewisse Spannungen an der Spitze der Gesellschaft
beseitigte...". Trotz dieser bedeutsamen internen Verschiebungen innerhalb der
Eliten hat jedoch die Revolution die sozialen Strukturen nicht grundlegend
verändert, „so daß Frankreich wahrscheinlich auch ohne Revolution den gesell-
schaftlichen Zustand um 1800 erreicht hätte, wenn das Königtum den Willen und
die Mittel besessen hätte, die Entwicklung, die sich schon einige Dezennien früher
angebahnt hatte, zu beschleunigen und zu legitimie'ren" [212: L. Bergeron].
Andererseits stellt sich die Frage: Worin bestand der revolutionäre Bruch?
Welche politisch-sozialen Errungenschaften machten die französische Revolu-
tion zu jenem säkularen Ereignis, mit dem die „moderne Welt" beginnt? Ein

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Überblick über die Ergebnisse der Revolution belegt auf seine Weise, daß sich
„Traditionalität" und „Modernität", Kontinuität und Bruch, nicht scharf vonein-
ander trennen lassen.
Die Revolution begann mit der Liquidation der ständischen Partikularreprä-
sentation und der Schaffung einer souveränen Nation. Im Konflikt zwischen
Absolutismus und Ständegesellschaft, der 1787/88 in der Vorrevolution, dem
Aufstand der Parlamente, gipfelte, bekämpfte die aristokratisch-bürgerliche Elite
der Aufklärungsgesellschaft noch geschlossen und einmütig den „Despotismus"
Forderungendes der Krone. Erst nach der Einberufung der Generalstände, als die öffentliche
Tiers Etat auf den Diskussion über die
Generalständen
Zusammensetzung und den Abstimmungsmodus der Stände-
rr -ii-ij/>j-T» l i
Versammlung einsetzte, wurde es offensichtlich, daß die Parlamentsanstokratie
.

nur ihre eigenen standesegoistischen Interessen verfolgte. Im September 1788


befürwortete das Parlament von Paris die Zusammensetzung der Generalstände
nach dem Muster von 1614. Die Vertreter des Dritten Standes hingegen forderten
die gemeinsame Abstimmung, nicht nach Ständen, sondern nach dem Mehrheits-
prinzip (vote par tete), und vor allem die verdoppelte Stimmenzahl für den Tiers
Etat (doublement du Tiers). Mit den Wahlvorbereitungen wuchs gleichzeitig die
politische Erregung der unter der Wirtschaftskrise schwer leidenden Bevölkerung.
Die Urwählerversammlungen, in denen die Beschwerdehefte (Cahiers de dolean-
ces) der Wähler zusammengestellt wurden, mobilisierten auch das einfache Volk
zu politischen Willenskundgebungen.
DasZiel, wie es der Abbe Sieyes als Wortführer des Tiers in seiner berühmten
Kampfschrift „Was ist der Dritte Stand?" propagierte, war zunächst noch die
politische Gleichberechtigung mit den Privilegierten. Erst als sich der Widerstand
Die staatsrechtliche von Krone und Adel versteifte, kam es am 17. Juni 1789, sechs Wochen nach der
Revolution vom
17. Juni 1789 Eröffnung der Generalstände in Versailles, zu jener revolutionären Deklaration,
die mit dem Rückgriff auf Rousseaus Lehre von der Volkssouveränität die
politische Herrschaft auf eine völlig neue Legitimationsgrundlage stellte. Sieyes
beantragte, die Versammlung solle sich zur Nationalversammlung (Assemblee
nationale) erklären; die Abgeordneten des Tiers betrachteten sich nicht länger
als Stand, sondern als die wahren Vertreter des französischen Volkes. Das war ein
revolutionärer Akt, mit dem die Abgeordneten bewußt den Bürgerkrieg riskier-
ten. Die Umwandlung der Ständeversammlung in eine Repräsentativversamm-

lung, die sich auf den Willen der Nation (volonte nationale) berief, war nicht mehr
vereinbar mit der geltenden Staatslehre, wonach dem König allein die Aufgabe
zukam, als princeps legibus absolutus für das Gemeinwohl zu sorgen und die
Einheit des Landes zu repräsentieren, während es den Ständen oblag, ihre Sonder-
interessen zu vertreten und lediglich Entscheidungshilfen zu leisten. Die Ver-
sammlung des Tiers erhob sich „eigenmächtig von einem Hilfsorgan der Krone
innerhalb der ständischen Verfassung zur selbständigen Gestalterin der Geschicke
Frankreichs Auf diese Weise gelang es der Assemblee nationale, in ein und
demselben Zug die Funktion der ständischen Partikularrepräsentation zu liqui-
...

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dieren undgleichzeitig die Funktion der nationalen Gesamtrepräsentation weit-


gehend usurpieren" [339: E. Schmitt]. Erstmals wurde auf dem Kontinent die
zu
Doktrin der modernen Nationalrepräsentation verkündet. Aber dies geschah auf
dem Wege der Umformung der längst bestehenden, traditionellen Institution der
Etats Generaux. Sieves' Konzeption war wie Rousseaus Theorie von der volonte
generale eine Antwort auf die Dominanz der Partikularinteressen im Ancien
-

Regime und eine Umkehrung des Souveränitätsanspruchs der absolutistischen


-

Monarchie.
Das erste große Reformwerk der Nationalversammlung, das auf die Bauern- „Nacht des
revolution reagierte und landesweit Begeisterung auslöste, war die Abschaffung
der Privilegien. Auf einen Schlag verschwanden alle Sonderrechte der Städte und Privilegien
"j
Provinzen, die Handelsmonopole und Zunftprivilegien, die mit der Grundherr-
schaft verbundenen Privilegien und Rechtstitel, die Feudalabgaben, die Ämter-
käuflichkeit. Die Beschlüsse fielen in der berühmten langen Nachtsitzung vom
4. August 1789, in deren Verlauf die Abgeordneten zu einem regelrechten Frei-
heitstaumel hingerissen wurden.
Bei Lichte besehen verliert dieses Reformwerk jedoch manches von seinem
revolutionären Elan. In den Augustbeschlüssen über die Abschaffung des Feudal-
systems und in den später ausgearbeiteten Feudaldekreten wurden die meisten
Feudalabgaben nicht entschädigungslos abgeschafft, sondern nur für ablösbar
erklärt. Es war vorauszusehen, daß die Bauern gar nicht in der Lage sein wür-
den, die hohen Ablösungssummen aufzubringen. Nur die Kirchenzehnten, die
den Klerus betrafen, wurden bezeichnenderweise entschädigungslos preisgege-
ben. Nachdem völlig unerwartet und zur peinlichen Überraschung der Abge-
ordneten Ende Juli die Bauernaufstände ausgebrochen waren, standen nicht nur
die seigneurialen Adelsvorrechte, sondern auch die Eigentumsinteressen der
bürgerlichen Landbesitzer auf dem Spiel. Den „heiligen Rechten des Eigen-
tums", warnte Target, der Abgeordnete von Paris, werde der verderblichste
Schaden zugefügt. Den Abgeordneten war zwar in ihrem eigenen Interesse daran
gelegen, bestimmte Feudalabgaben abzuschaffen, z. B. die Monopol- und Vor-
kaufsrechte des Adels, aber niemand dachte daran, alle Grundabgaben aufzuhe-
ben.
Dennoch waren die Augustbeschlüsse nicht nur ein „politisches Manöver" [227:
A. Cobban], um durch begrenzte Konzessionen die Bauernrebellion einzudäm-
men. Sie leiteten vielmehr eine rechtliche Revolution von großer Tragweite ein.

Seigneuriale Rechtstitel wurden nicht mehr als legitime und „wohlerworbene"


Rechte angesehen. Sie galten fortab als Verletzung des Freiheitsprinzips und
Ausdruck seigneurialer Anmaßung. Die Feudalitätskommission trennte die feu-
dal-rechtlichen von den vertraglich-privatrechtlich begründbaren Abgaben, die
nicht auf der Person, sondern auf dem Boden lasteten. Dazu zählten alle Geld- und
Naturalabgaben, die der Bauer als Gegenleistung für die Eigentumsübertragung
aufzubringen hatte. Sie waren nur gegen Entschädigung ablösbar. Mit dieser
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Aufsplitterung des „complexum feudale" veränderte sich grundlegend die Rechts-


basis der Eigentumsordnung. Eigentumsansprüche konnten nicht mehr auf der
Grundlage feudalständischer Privilegien, sondern nur noch kraft des Vertrags-
rechts geltend gemacht werden. So entstand der bürgerlich-liberale, am Grund-
besitz orientierte Eigentumsbegriff, der später in den Code Civil einging und unter
der napoleonischen Herrschaft auf andere europäische Länder übertragen wurde.
Es verdient jedoch Beachtung, daß die Augustbeschlüsse für jene Gegenden
Frankreichs, in denen die Grundrenten bereits dominierten, schon bestehende
Verhältnisse legalisierten. Die Auflösung der traditionellen Grundherrschaft war
in der sozialen Wirklichkeit seit langem vorgeprägt. Auch die Möglichkeit der
Ablösung war schon im Rahmen der physiokratischen Theorien diskutiert wor-
den.
Erklärung der Die neue Rechtsetzung konnte sich nicht auf den privatrechtlichen Bereich
Menschen- und
beschränken. Die Abschaffung der Privilegien erforderte eine verfassungsrecht-
Bürgerrechte
liche Sanktionierung. Das geschah am 26.8.1789 in der Erklärung der Menschen-
und Bürgerrechte, die bis heute zum klassischen Bestand einer liberalen Verfas-
sung zählen. Die neue Gesellschaftsordnung wurde gesetzmäßig geformt und auf
unangreifbare Rechtsnormen festgelegt, auf die natürlichen, d. h. angeborenen und
unveräußerlichen Rechte des Menschen. Die Berufung auf ein rational verstande-
nes Naturrecht brach mit dem historischen Recht
ganz im Gegensatz zu den
englischen Freiheitsrechten, die sich von der Magna Charta bis zur Bill of Rights
-

von 1689 immer als


Bestätigung altständischen Herkommens ausgegeben hatten.
Zum ersten Mal beriefen sich die Amerikaner in der Unabhängigkeitserklärung
und in den einzelstaatlichen Verfassungen auf die Theorie des Naturrechts, weil
die Loslösung von England auf der Basis des historischen Rechts nicht mehr
legitimierbar war. Allerdings bestand in Kolonialamerika eine relativ traditions-
lose Gesellschaft, in der es keine feudalständischen Privilegien gab. Der sozial-
revolutionäre Charakter der Menschenrechtserklärung kam deshalb erst in Frank-
reich voll zur Geltung. In den Menschenrechten fand die Revolution ihre dogma-
tische Begründung. Ein Vergleich mit der amerikanischen Vorlage macht das sehr
deutlich: Der erste Artikel verkündete nicht allein den Anspruch auf Freiheit und
Rechtsgleichheit, sondern fügte den Protest gegen die bestehende Rechtsungleich-
heit der Stände hinzu: „Die Menschen sind und bleiben von Geburt frei und gleich
an Rechten. Soziale Unterschiede dürfen nur im
gemeinen Nutzen begründet
sein." Im zweiten Artikel wurden die Menschenrechte als Ziel „jeder
politischen
Vereinigung" postuliert. Der dritte Artikel handelte vom Ursprung der Gewalt,
und dahinter stand deutlich die Erfahrung, daß hier die Garantie für alles Übrige
lag: „Der Ursprung jeder Souveränität liegt letztlich in der Nation." Es folgte
sofort die Absage an alle Korporationen und Individuen, die sich Gewalt anmaßen
und an Sonderinteressen festhalten. Auch die Erläuterungen, die zu den Einlei-
tungsartikeln gegeben werden, fehlten im amerikanischen Text. Die Freiheit
besteht darin, „alles zu tun, was niemand anderem schadet." Die Grenzen bei

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der Ausübung dieses Rechts „können allein durch Gesetze festgelegt werden".
Artikel 6 übernimmt direkt Rousseau: „Das Gesetz ist der Ausdruck des all-
gemeinen Willens", der „volonte generale", ein Begriff, der den Amerikanern
ganz unbekannt war und der sich nur aus dem Widerstand gegen die partikular-
ständische und absolutistische Tradition des Ancien Regime erklärt. In Amerika ist
das Gesetz einfach das Ergebnis der Beschlüsse der Volksvertreter. Alle anderen
Artikel entwickelten die Auswirkungen dieser Grundsätze: zivilrechtliche
Gleichberechtigung, Zulassung aller zu den Amtern, Steuergleichheit, Garantie
des Privateigentums, Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit, Pressefreiheit („unter
Vorbehalt der Verantwortlichkeit für den Mißbrauch dieser Freiheit in den durch
Gesetz bestimmten Fällen"), Habeas Corpus, nulla poena sine lege.
Der ..Declaration des droits de l'homme et du citoyen" waren lange und
kontroverse Debatten vorausgegangen; am Ende lagen mehrere miteinander
konkurrierende Entwürfe vor, zwischen denen sich die Abgeordneten zu ent-
scheiden hatten. Dabei gingen sie manche Kompromisse ein. So nahmen sie neben
dem Prinzip der Volkssouveränität auch den gemäßigt-liberalen Grundsatz der
Gewaltenteilung in die Rechteerklärung auf. Es blieb vorerst offen, wer konkret
die „nationale" Souveränität vertreten und ausüben sollte. Und es wurde nichts
darüber gesagt, wie die Rechtsgleichheit mit der wirtschaftlichen Ungleichheit zu
vereinbaren sei. Die Vorstellung einer solidarischen, der volonte generale ver-
pflichteten Nation ignorierte die vorhandene Gesellschaft, in der auch nach dem
Verschwinden der Stände weiterhin Einzelinteressen existierten. Dennoch lag
gerade im Doktrinarismus, im Anspruch auf universelle Gültigkeit, die normen-
setzende Kraft und Wirksamkeit der Menschenrechtserklärung weit über die
Grenzen Frankreichs hinaus. Leitbegriffe wie „liberte", „nation" und „droits de
l'homme" gingen als emotional aufgeladene Losungsworte in den Freiheitskult
von 1789/90 ein. Sie wurden in zahlreichen Bildern und Revolutionssymbolen

visualisiert.
Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte bildete die Präambel der Versuch der
konstitutionellen
Repräsentatiwerfassung vom 3. September 1791. Am 20. Juni 1789 hatten die Monarchie
Abgeordneten der Nationalversammlung den berühmten „Schwur im Ballhaus"
abgelegt, sich niemals zu trennen, bis sie Frankreich eine Verfassung gegeben
hätten. Das Verfassungswerk der Konstituante begründete den ersten demokra-
tisch-legitimierten Nationalstaat mit einer Repräsentatiwerfassung auf dem Kon-
tinent. Das schwierigste Problem der Verfassungsberatungen bestand darin, die
Exekutivgewalt des Monarchen bzw. die Trennung von Exekutive und Legislative
(nach Montesquieus Lehre von der Gewaltenteilung) mit der Volkssouveränität in
Übereinstimmung zu bringen. Zur Diskussion standen das absolute Vetorecht des
Königs und die Errichtung eines Oberhauses. In den Auseinandersetzungen
hierüber zerbrach erstmalig die Einheit der Patriotenpartei. Mounier warnte mit
Blick auf die beispielgebende englische Verfassung vor der unbeschränkten Macht
einer einzigen Kammer; Condorcet entgegnete, der einzige Weg, um die Regierung

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in der Hand zu behalten, sei ein einziges Haus, in dem die Rechte des Volkes klaren
Ausdruck fänden. Die einen, voran Mirabeau, traten für eine starke unabhängige
Exekutive und das absolute Veto des Königs ein, die anderen, voran Sieyes,
betonten, daß die Exekutive nur eine Funktion der Legislative sei. Zwar sei das
Amt des Monarchen erblich, er selbst unabsetzbar und sein Einfluß zu respektie-
ren, aber auch der König sei nur ein Mensch und sein Veto zähle als eine Stimme
unter anderen. Der Streit, in den sich bald ganz Paris hineinmischte, war politisch
von höchster Brisanz: denn was sollte geschehen, wenn der König die Verfassung

nicht akzeptieren oder ein Oberhaus zur Aristokratie zurückführen würde? Dem
amerikanischen Konvent waren solche Fragen erspart geblieben. Frankreich besaß
nun einmal eine aristokratische Vergangenheit und einen Monarchen, an dessen

Absetzung vorerst noch niemand dachte.


Die Verfassung von 1791 schlug schließlich einen Mittelweg ein. Mit der
Entscheidung für eine einzige Kammer verwirklichte sie das Prinzip der nationa-
len Einheit und der Volkssouveränität, wenngleich das Wahlrecht an die Zahlung
einer Mindeststeuer gebunden blieb; sie trennte Legislative und Exekutive nach
dem Gewaltenteilungsprinzip und fand die Vermittlung beider Prinzipien in der
Vorstellung, daß die Exekutivgewalt dem König von der Legislative delegiert sei.
Einerseits wurde der König so zum bloßen Funktionär der Nationalversammlung,
andererseits billigte ihm die Verfassung jedoch ein suspensives Veto zu. Dieser
Kompromiß in der Vetofrage, der dem König die Macht gab, eine von der gesetz-
gebenden Versammlung beschlossene Maßnahme um sechs Jahre zu verzögern,
erwies sich in einer Zeit politischer Wirren als ein verhängnisvoller Fehler. Das
Problem, die alte traditionsreiche Institution der Monarchie mit den neuen

Verfassungsprinzipien zu versöhnen, blieb ungelöst.


Verwaltungs- und Das Verfassungswerk von 1791 wurde vorbereitet durch die Verwaltungs- und
Justizreform justizreform, £)je Reorganisation der Verwaltung war um so dringlicher, als dem
Monarchen auch weiterhin der gesamte Exekutivapparat überlassen blieb. Außer-
dem drohte der Widerstand der lokalen ständischen Gewalten. Durch das Depar-
tementsgesetz vom 22. Dezember 1789 wurde Frankreich in dreiundachtzig etwa
gleich große Departements nach geographischen Gesichtspunkten, wenn auch
nicht ganz ohne Rücksicht auf historische Provinzen, eingeteilt. Sie erhielten
gleichartig gewählte Vertretungskörperschaften. Die Departements gliederten
sich in Distrikte; die unterste Einheit bildete die Gemeinde. Auch die Gerichtsor-
ganisation wurde neu geordnet. Die Rechtspflege wurde von der Verwaltung
getrennt und gewählten Friedensrichtern und Bezirkstribunalen, die Strafjustiz
gewählten Geschworenengerichten übertragen. Ein zentraler Kassationshof in
Paris sorgte für eine einheitliche Rechtsprechung. Ein Oberster Gerichtshof für
Ministervergehen und Staatsverbrechen schuf für die Volksvertreter die einzige
Möglichkeit, die vom Monarchen ernannten Minister zur Verantwortung zu
ziehen. Die Vorrichtung der Ministeranklage wurde später vielfach von den
deutschen frühkonstitutionellen Verfassungen nachgeahmt.

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Im Frankreich der ersten Revolutionsphase entstand so ein höchst widersprüch-


liches Nebeneinander alter und neuer Institutionen. Der traditionelle, allein vom
Monarchen kontrollierte Regierungsapparat stieß auf eine gewählte Verwaltung in
den Departements, Bezirken und Gemeinden. Erst in der Zeit der Jakobinerherr-
schaft wurde die Verwaltung zentralisiert: Die Konventskommissare kontrollier-
ten die Ausführung der Gesetze in den Departements. Unter Napoleon schließlich
traten von der Regierung ernannte Präfekten und Unterpräfekten an die Spitze der

Departements- und Bezirksverwaltungen. Die Selbstverwaltung der Gemeinden


wurde abgeschafft. Auch in der Justiz ließ Napoleon nur noch die Wahl der
Friedensrichter zu.
Nicht von ungefähr ist gerade am Beispiel der Verwaltungsreorganisation schon
vor mehr als hundert Jahren von Tocqueville der These der Revolutionsanhänger

widersprochen worden, daß die Revolution ein radikaler Bruch mit der Vergan-
genheit gewesen sei. In Wahrheit habe die Revolution den zentralisierten Staat des
Absolutismus vollendet und das Werk der französischen Könige weit erfolgreicher
als jene fortgeführt. Es ist auch kein Zufall, daß die Herrscher des alten Europa
rasch bereit waren, im administrativen Bereich dem französischen Beispiel zu
folgen. Bei den preußischen und rheinbündischen Reformen, erst recht bei den
russischen, stand die Verwaltungsreorganisation an der ersten Stelle des Reform-
programms. Damit wuchs jedoch die Gefahr, daß die Reformen, die im Namen der
Freiheit begonnen wurden, in Wirklichkeit nur den alten Herrschaftsinteressen
dienten, denen ein perfektioniertes Machtmittel zur Verfügung gestellt wurde.
Die Reformen der Konstituante auf wirtschaftlichem Gebiet bewirkten die Abschaffung der
Freisetzung der Interessen. Das Gesetz über die Abschaffung der Zünfte und Zunrteunal
Ii- r c Korporationen,
Korporationen vom 2. März 1791 begründete die Berufs- und Gewerbefreiheit. Loi Le Chapelier
l

Das kurz darauf folgende Gesetz „Le Chapelier" vom 14. Juni verbot gleichfalls
mit Berufung auf die Grundsätze des Wirtschaftsliberalismus nicht nur die
-

Vereinigung von Handwerksgesellen und Meistern, sondern auch die Zusammen-


-

schlüsse von Arbeitern und den Streik. Es besteht kein Zweifel, daß beide Gesetze
nicht mehr die Interessen des gesamten Tiers Etat wahrnahmen. Während die
Kaufleute und Manufakturbesitzer die Freiheit von Handel und Gewerbe be-
grüßten, die bisher durch Zunftvorschriften und staatliche Kontrollen der Märkte
vielfach eingeengt worden war, sahen sich die kleinen Handwerker ungeschützt
der Konkurrenz preisgegeben. Die Sansculottenbewegung von 1792/93 verlangte
die Wiederherstellung der Zünfte und bekämpfte die „Wucherer". Die Freiheit des
Getreidehandels begünstigte in Krisenzeiten den Preisauftrieb und führte immer
wieder zu Unruhen. Die Weber in St. Etienne, die Seidenarbeiter in Lyon, die
Maurer und Zimmerleute von Paris, die im Frühjahr 1791 für Lohnerhöhung
streikten, wurden von dem Koalitionsverbot des Gesetzes „Le Chapelier" schwer
getroffen. War somit erwiesen, daß der „Bourgeois" unter dem Vorwand der
individuellen Freiheit nur für seine eigenen Interessen eintrat? Noch schien die
Argumentation der Abgeordneten, die sich als Sprecher der Gesamtnation fühlten,
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glaubhaft und akzeptabel. Sie richtete sich noch ganz gegen die alte ständische
Privilegiengesellschaft. „Die Abschaffung aller Korporationen von Bürgern glei-
chen Standes und Berufes ist eine der wesentlichen Grundlagen der französischen
Verfassung", hieß es im ersten Artikel des Gesetzes „Le Chapelier", „es ist daher
verboten, sie de facto, unter welchem Vorwand, in welcher Form auch immer,
wiederzubegründen." (Hervorh. v. Vf.) Die Gefahren wurden aus der Sicht der
Vergangenheit und noch nicht im Hinblick auf die Zukunft beschworen.
Der Streit um die Eine der wichtigsten wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Konstituante
Kirche
funrte zum Zerwürfnis der Revolution mit der katholischen Kirche: die Säkula-
risation der Kirchengüter. Schon in der Debatte vom 4. August 1789 war zum
ersten Mal das Argument gefallen, daß die Kirchengüter „zweifellos" der Nation

gehörten. Die klassische Begründung für den Griff nach dem Kirchenvermögen
lieferte dann am 10. Oktober 1789 der Bischof von Autun, Talleyrand, der bei
dieser Gelegenheit zum ersten Mal die politische Bühne betrat: „Der Klerus ist
nicht Eigentümer wie die anderen Eigentümer, da die Güter, deren Nutznießung er
hat und über die er nicht verfügen kann, nicht im Interesse von Personen, sondern
für die Verrichtung von Funktionen gegeben worden sind." Drei Tage später stellte
Mirabeau in aller Form den Antrag, die Kirchengüter zum Nationaleigentum zu
erklären, unter der Voraussetzung, daß der Staat den Unterhalt des Klerus ge-
währleiste.
Die politischen Konsequenzen der Säkularisation waren nicht von Anfang an
voraussehbar oder gar beabsichtigt. Der unmittelbare Anlaß lag in der andauern-
den Misere der Staatsfinanzen, die durch den Verkauf der Kirchengüter saniert
werden sollten. Ende des Jahres begann man mit der Ausgabe der Assignaten,
Schatzanweisungen der Staatskasse, die durch den Ankauf der Kirchengüter
einlösbar waren. Diese Finanzoperation führte schon bald zur bedenkenlosen
Vermehrung der Assignaten als Hauptzahlungsmittel ohne Rücksicht auf die
Deckung und damit zum völligen Ruin der Finanzwirtschaft.
Andererseits eröffnete der einmal eingeschlagene Weg die Möglichkeit, das
Verhältnis von Kirche und Staat neu zu regeln. Durch die staatliche Besoldung
wurden die Priester praktisch zu Beamten des Staates. Um die Kirche vollends
der Nation einzufügen, bestimmte die Zivilkonstitution des Klerus vom 12. Juli
1790 die Wahl der Bischöfe und Priester durch weltliche Gremien, unabhängig
von der Bestätigung durch den Papst. Schließlich wurde von allen Priestern der
Eid auf die Verfassung gefordert. Diese Maßnahmen entsprachen teilweise
noch den traditionellen staatskirchenrechtlichen Vorstellungen aus der Zeit des
Absolutismus, der die Herrschaft des Staates über die Kirche erstrebte. Die
Abgeordneten glaubten, Kultus und Lehre der Kirche ungestört zu lassen, ja
sogar, die innere Reform der Kirche im Sinne der Jansenisten zu fördern. Erst
der Widerstand des Papstes und der eidverweigernden Priester führte zu einer
unvorhergesehenen Konfrontation, die schließlich den Gedanken der Trennung
von Staat und Kirche aufkommen ließ. Das Ergebnis war die Laizität des

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Staates und die Säkularisierung des bürgerlichen Lebens, die seitdem als ein
Kennzeichen der modernen Gesellschaft gilt.
Die erste Phase der Revolution von 1789-1792, die sog. Revolution de la liberte Sturz der Monarchie
[292: G. Lefebvre], endete mit dem Sturz der Monarchie am 10. August 1792. Die
Gründe hierfür sind vielfältig: Das Finanzproblem blieb ungelöst; Assignatenent-
J^^fung der

wertung, Teuerung und Lebensmittelknappheit steigerten die Unruhe im Volk; der


Verkauf der Kirchengüter bereicherte die wohlhabenden Landbesitzer, während
die wenig zahlungskräftigen Kleinbauern leer ausgingen; der Kirchenkonflikt
stürzte Frankreich in ein Schisma, das Ludwig XVI. endgültig der Sache der
Nationalversammlung entfremdete und den romtreuen Klerus (und mit ihm
einen großen Teil der Landbevölkerung!) zum Feind der Revolution werden
ließ. Eine Versöhnungspolitik im Stile Lafayettes und Barnaves wurde völlig
aussichtslos nach dem mißglückten, in Varennes entdeckten Fluchtversuch des
Königs. Der Ausbruch des Krieges im Frühjahr 1792, der mit der Gefahr der
Invasion eine allgemeine Panikstimmung hervorrief, beschleunigte die Ereignisse:
Dem Sturm auf die Tuilerien folgte die Gefangensetzung des Königs; am 21. Sep-
tember 1792, ein Tag nach der berühmten Kanonade von Valmy, die den Rückzug
der Invasionsarmee einleitete, deklarierte der aus allgemeinen gleichen Wahlen
hervorgegangene Nationalkonvent die Abschaffung der Monarchie und die Er-
richtung der Republik. Damit begann die zweite Phase der Revolution, die sog.
Revolution de Pegalite. Sie umschließt die Zeit der Konventsherrschaft der
Girondisten, deren erfolglose Kriegs- und Wirtschaftspolitik in der Frühjahrs-
krise von 1793 den Aufstieg Robespierres ermöglichte und durch die Diktatur des
Wohlfahrtsausschusses im Zeichen der Terreur abgelöst wurde. Sie endete im Juli
1794 mit dem Sturz Robespierres.
Die stärkste Triebkraft der Radikalisierung lag bei der revolutionären Volks- Die Antriebskraft
der revolutionären
bewegung. Auf dem Land rissen die Bauernunruhen, vor allem die Abgaben- und Volksbewegung
Steuerstreiks, nicht ab. Mit der Verbreitung der Freiheits- und Gleichheitsparolen
verschärfte sich vielerorts der „Krieg gegen die Schlösser", gegen den „feudalen
Despotismus" und besonders gegen die Besitzungen der „komplottverdächtigen"
Emigranten. Mit politischen Symbolhandlungen wie dem Pflanzen der Freiheits-
bäume, das an die traditionelle Maibaumsitte anknüpfte, brachten die Bauern ihre
Hoffnung auf den Anbruch einer neuen Zeit zum Ausdruck. Selbst die Wortführer
der religiös motivierten Unruhen, die seit 1790 zunahmen, und die Verteidiger der
eidverweigernden Dorfpfarrer beriefen sich auf die Grundwerte der Revolution,
auf Glaubensfreiheit, Gemeindefreiheit und Menschenrechte.
In den größeren und kleineren Städten organisierten sich die Revolutionäre in Klubs und Klubakti-
den „Brudergesellschaften" des Pariser Jakobinerklubs. Nach und nach wuchs der vitaten
Mitgliederanteil der einfachen Handwerker, Arbeiter und kleinen Ladenbesitzer.
Das ging nicht überall ohne Streit und handgreifliche Auseinandersetzung bis hin
zur Gründung von Gegenklubs ab. Die Klubaktivitäten umfaßten ein breites

Spektrum: öffentliche Klubsitzungen, gemeinsame Zeitungslektüre, die Inszenie-


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rung von Revolutionsfesten, z. B. der Julifeiern in Erinnerung an den Bastillesturm


oder der Gedenkfeiern zu Ehren von „Freiheitsmärtyrern". Zugleich übernahmen
die Klubaktivisten die Überwachung der „Verdächtigen", führten sie Kontrollen,
Verhöre und „Säuberungen" durch. Um die Jahreswende 1793/94 umfaßte das
engmaschige Netz der Jakobinerklubs und Volksgesellschaften landesweit ca.
6000 Sozietäten.
Die Pariser Die Signalwirkung ging vom Pariser Vorbild aus. 1792 organisierten sich die
Sansculotten-
Sansculotten in den „permanent" tagenden Sektionen der 48 Pariser Wahlbezirke
bewegung
und im Generalrat der aufständischen Kommune. Wer sich zur Sansculotterie
bekannte, brachte dies sinnfällig durch die Sansculottentracht zum Ausdruck: er
trug lange Hosen, die rote Jakobinermütze, Anstecker bzw. Kokarden in den
Nationalfarben und die Pike als Wahrzeichen der Volksgewalt. Seit dem sym-
bolträchtigen Bastillesturm stellten die kleinen Leute der Pariser Vorstädte die
Masse der Aufständischen an den „journees revolutionnaires". Die Sansculotten-
bewegung wurde immer mehr zu einem eigenständigen Machtfaktor, der schließ-
lich in den Rivalitäts- und Parteikämpfen zwischen Girondisten und Montagnards
den Ausschlag gab.
Girondisten, Mon- Die der Sansculottenbewegung nahestehenden Enrages, angeführt durch den
tagnards und Sans- enemaHgen Priester Jacques Roux, und die Anhänger des volkstümlichen Journa-
listen Jacques Rene Hebert, die sog. Hebertisten, attackierten die Girondisten als
Feinde der Gleichheit und des Volkes. Die Bergpartei hingegen, die immer mehr
mit dem Jakobinertum identifiziert wurde, war zu Konzessionen gegenüber den
Sansculotten bereit nicht zuletzt aus machtpolitischen Gründen, um mit Hilfe
der Volksbewegung die girondistischen Rivalen auszuschalten. Robespierre unter-
-

stützte nicht nur das allgemeine Wahlrecht, das erstmalig bei den Wahlen zum
Nationalkonvent in Geltung trat, sondern auch die Forderungen der Sansculotten
nach direkter Demokratie. Die Volkssouveränität sollte durch die Sektionen bzw.
durch die Wählerversammlungen der einzelnen Stadtviertel ausgeübt werden, die
für sich das Recht auf Bestätigung der Gesetze, auf Kontrolle und Absetzbarkeit
der Parlamentarier in Anspruch nahmen. Vor dem Nationalkonvent erschienen
die Sansculotten nicht als Petitionäre oder als Vertreter der Öffentlichkeit, sondern
als der eigentliche Souverän, dem die gesetzgebende Gewalt zustand. So ließ sich
Sansculottenauf- die Sansculottenbewegung gegen das Parlament mobilisieren. Im Volksaufstand
stand und Beginn der
der sansCulotten vom 31. Mai/2. Juni 1793, der den Beginn der Jakobinerherrschaft
Jakobinerherrschaft
markiert, erreichte ein achtzigtausend Mann starkes Aufgebot der Sektionen und
..... . .
. . _

der Nationalgarde vor dem Konvent die Auslieferung und Verhaftung von sieben-
undzwanzig girondistischen Politikern. Ebenso galt die Volksjustiz, wie sie erst-
malig 1792 während der berüchtigten Septembermorde in den Pariser Gefäng-
nissen praktiziert wurde, als eine durch die Volkssouveränität legitimierbare,
direkte Rechtsprechung des Volkes. Gemeinsam mit den Sansculotten forderten
die Jakobiner die systematische Bestrafung der inneren und äußeren Feinde der
Republik ohne Rücksicht auf individuelle Freiheitsrechte. Im Prozeß gegen den
-

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Politisch-soziale Revolution in Frankreich 35

König, der im Dezember 1792 vor dem Nationalkonvent begann, setzten sie die
Hinrichtung Ludwigs XVI. durch. Im März 1793 wurde ein Revolutionstribunal,
ein außerordentlicher Gerichtshof ohne Berufungsmöglichkeiten, errichtet. Die
als „Sichel der Gleichheit" gepriesene Guillotine blieb jetzt ständig aufgestellt; die
Organisierung des Terrors nahm ihren Anfang. Im September 1793 folgte das
Gesetz gegen „Verdächtige", das den mit Sansculotten besetzten Überwachungs-
ausschüssen die Vollmacht verlieh, Bürgerzeugnisse (certificat de civisme) auszu-
stellen. Wer als „verdächtig" galt und kein Bürgerzeugnis erhielt, mußte mit der
Inhaftierung und womöglich der Todesstrafe rechnen. Der Konvent erklärte die
Terreur zum offiziellen Prinzip der Revolutionsregierung.
Das Ideal der Sansculotten war nicht mehr nur die rechtliche, sondern auch und Jakobinischer
vor allem die wirtschaftliche Gleichheit. Die Jakobinerverfassung von 1793, die Egal'tansmus

allerdings bis zum Frieden suspendiert wurde und nie in Kraft trat, betonte
vorrangig den Gleichheitsanspruch der Menschenrechtserklärung („Diese
Rechte sind Gleichheit, Freiheit, Sicherheit, Eigentum"). Sie setzte erstmalig
soziale Grundrechte fest: das Recht der Armen auf Unterstützung, das Recht
auf Arbeit, das Recht auf Bildung. Auf dem Lande gaben die Jakobiner dem
Druck der Bauern nach und verfügten nunmehr die entschädigungslose Abschaf-
fung aller Feudalabgaben. Die nationalisierten Kirchengüter und die sequestrier-
ten Güter der Emigranten wurden zu einem Teil in Landparzellen
aufgesplittert
und somit auch für Kleinbauern erschwinglich. Die jakobinische Wirtschafts-
politik enthielt Ansätze zu einer Sozialisierung der Konsumgüter, so die Beschlag-
nahme von Getreide und die Anzeigepflicht für Getreidevorräte bei Androhung
der Todesstrafe gegen den „Wucher". Dem Existenzrecht wurde der Vorrang vor
dem Eigentumsrecht eingeräumt: „Alles, was zur Erhaltung des Lebens unerläß-
lich ist, ist gemeinsames Eigentum", hieß es in einer Rede Robespierres. Die
Sansculotten erreichten die Preisfestsetzung, zuerst für Brot (Einführung des
„Kleinen Maximums" am 4. Mai 1793), dann für alle wichtigen Lebensmittel
und Konsumgüter (Einführung des „Großen Maximums" am 29. September
1793). Der Zwangskurs der Assignaten, Besteuerungen und Zwangsanleihen
richteten sich gegen die „Händleraristokratie". Darüber hinaus forderten die
Sansculotten eine Nivellierung der Vermögen und eine Aufteilung des Eigen-
tums: „Es soll ein Maximum für Vermögen festgesetzt werden. Ein einzelner
soll nur ein Maximum besitzen dürfen." Und: „Ein Bürger soll nicht mehr als
eine Werkstatt oder einen Laden besitzen dürfen." Radikale Sozialreformen
wurden jedoch von der jakobinischen Regierung abgelehnt. Die Enrages wurden
bereits im Herbst 1793 verhaftet und hingerichtet. Jacques Roux selbst nahm sich
im Gefängnis das Leben. St. Just, der Theoretiker der Jakobiner, verteidigte zwar
das Ideal einer Kleineigentümergesellschaft „Das Glück ist ein neuer Gedanke in
Europa" -, aber die auf seinen Vorschlag vom Konvent erlassenen Ventöse-
-

Dekrete vom Frühjahr 1794, die vorsahen, das Vermögen der „Verdächtigen"
einzuziehen und an Bedürftige zu verteilen, wurden nicht realisiert.

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Die Kriegsdiktatur Die dirigistischen Eingriffe in das Wirtschaftsleben und die Konzentration der
Staatsmacht im Wohlfahrtsausschuß, dem Exekutivorgan der Jakobinerherrschaft,
waren auch und vielleicht sogar in erster Linie durch die Erfordernisse des
Krieges
bedingt. Die ersten Maßnahmen zur Zwangswirtschaft (Zwangskurs der Assigna-
ten, Zwangsverkäufe, Höchstpreis für Mehl und Getreide) und zur Reorganisation
der Regierung (Errichtung des Wohlfahrtsausschusses, Einsetzung von revolutio-
nären Uberwachungsausschüssen, Entsendung von Konventskommissaren zu
Departementsverwaltungen und Armeen) fielen in die Zeit der Frühjahrskrise
von 1793, als Frankreich durch die militärischen
Rückschläge in Belgien und im
Rheinland und durch die antirevolutionären Bauernaufstände in der Vendee von
äußeren und inneren Gefahren hart bedroht war. Hinzu kamen im Sommer 1793
die föderalistischen Revolten, die im Gefolge der Entmachtung der Pariser
Girondisten in den diesen nahestehenden Städten wie Marseille, Toulon, Caen,
Toulouse, Bordeaux, Nantes und Lyon aufflammten. Der Krieg an den Grenzen
und der Bürgerkrieg im Innern des Landes erzwangen den Einsatz ungewöhn-
licher Mittel und Methoden. Die Septemberdekrete von 1793 (Deklaration der
Terreur, Gesetz gegen Verdächtige, Festsetzung des Maximum General, Aufstel-
lung von Revolutionsarmeen zur Requirierung der Lebensmittel) standen in
unmittelbarem Zusammenhang mit der Verkündigung der levee en masse Ende
August 1793. Der von Carnot organisierte Aufbau eines Massenheeres auf der
Grundlage der Wehrpflicht für alle ledigen Männer zwischen achtzehn und fünf-
undzwanzig Jahren, so daß schließlich nahezu eine Million Mann unter Waffen
stand, warf bisher unbekannte Probleme der Ausrüstung, Verpflegung und Füh-
rung auf, die nur mit den Mitteln staatlicher Wirtschaftslenkung und mit Hilfe des
Terrors lösbar schienen. Im Dezember 1793 deklarierten die Jakobiner die Bildung
einer Revolutionsregierung, die für die Dauer des Krieges im Amt bleiben sollte:
Der Nationalkonvent übertrug dem zwölfköpfigen Wohlfahrtsausschuß die ge-
samte politische und militärische Führung. Damit war die
jakobinische Kriegs-
diktatur institutionalisiert.
Ausschaltung In der Endphase der Jakobinerherrschaft, als der Druck des Krieges nachließ,
der Faktionen,
Grande Terreur verselbständigte
sich die Ideologie des Terrors. Die zunehmende Radikalisierung
der Revolution führte im Frühjahr 1794 zu einem Kampf ihrer Anhänger unter-
einander. Auf dem linken Flügel der Bergpartei agitierten die Hebertisten für die
Verschärfung der Schreckensherrschaft, für den unbegrenzten Krieg und für die
radikale Durchsetzung der Dechristianisierung. Auf dem rechten Flügel forderten
Danton, Desmoulins und die sog. Indulgents, die „Nachsichtigen", die Einschrän-
kung des Terrors, der Zwangswirtschaft, der Kriegspolitik und der kirchenfeind-
lichen Angriffe. Robespierre konnte die Richtungskämpfe nur dadurch beenden,
daß er beide „Faktionen" liquidierte: Sowohl die Hebertisten als auch Danton und
seine Anhänger bestiegen die Guillotine. Die Regierungskonzepte, die Robe-
spierre jetzt noch ersann, die Ausweitung der Schreckensherrschaft im Zeichen
der „Grande Terreur" und der „Kult des höchsten Wesens", die Einführung einer

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Politisch-soziale Revolution in Frankreich 37

staatsbürgerlichen Religion zur Hebung der republikanischen Moral, waren kaum


dazu geeignet, das Reich der „Tugend" zu verwirklichen. Es wurde immer
deutlicher, daß der Terror auch dem Ziel diente, die selbsttätige Sansculottenbe-
wegung auszuschalten und der jakobinischen Diktatur zu unterwerfen. Unter den
fünfunddreißig- bis vierzigtausend Opfern des Terrors, die auf dem Schafott
starben, gehörten nicht weniger als 85 % dem Dritten Stand an. Den größten
Prozentsatz stellten die Angehörigen der klein- und unterbürgerlichen Schich-
ten: Handwerker und Arbeiter mit 31 %, Bauern mit 28%. Die Kommune von
Paris wurde von Linksabweichlern gesäubert, die revolutionären Gesellschaften
der Sektionen wurden aufgelöst. Die Lebensbedingungen der Lohnempfänger
verschlechterten sich. Während die strengen Kontrollen der Lebensmittelpreise
gelockert und die Strafen für Warenhortung abgeschafft wurden, veröffentlichte
die Pariser Kommune am 23. Juli 1794 das Maximum der Löhne, das sie mit
unnachsichtiger Strenge einhielt. Im Juni/Juli 1794 ließ St. Just die streikenden
Arbeiter der staatlichen Rüstungsbetriebe als „Verdächtige" verhaften. Die Dik-
tatur Robespierres verlor ihre Anhängerschaft im Volk. Als eine Verschwörung Sturz Robespierres
aus führenden Mitgliedern des Konvents und der beiden Regierungskomitees, des

Wohlfahrtsausschusses und des Sicherheitsausschusses, dem Schreckensregime ein


Ende setzte, unternahmen nur sechzehn von achtundvierzig Pariser Sektionen
einen schwachen Versuch zu seiner Verteidigung. Bei der Hinrichtung der Robes-
pierristen rührte sich keine Hand mehr zu ihrer Rettung.
Wies die Jakobinerherrschaft bereits über die Entwicklungsstufe der bürger- Bedeutung der
liehen Gesellschaft, der sie selbst noch angehörte, hinaus? Kaum ein anderes Jakobinerherrschaf'
und Umbruch der
°t
Regime verbindet wohl so unentwirrbar traditionelle, rückwärtsorientierte Züge Mentalitäten
t

mit egalitären Tendenzen, die Ernest Labrotjsse ..anticipations" genannt hat.


Einmal abgesehen von dem machtpolitisch-taktischen Kalkül Robespierres und
den Zwängen der Kriegsdiktatur spricht vieles dafür, daß die Jakobiner angesichts
der aufbrechenden sozialen Spannungen am abstrakt-doktrinären Ausgangspunkt
der Revolution, am Ideal einer solidarischen Nation jenseits aller Standes- und
Sonderinteressen unter der Fiktion des unabhängigen Einzelnen als Träger einer
nur dem Ganzen verpflichteten volonte generale, starr festzuhalten versuchten.
Daraus erklärt sich die Leidenschaft des Strafens, die Auslegung des Terrors als
„Emanation der Tugend", der mörderische Kampf Robespierres gegen alle
„Parteien", gegen die Enrages um Jacques Roux, die Hebertisten und die Indul-
gents um Danton. Die egalitäre Kleineigentümergesellschaft der Sansculotten
wäre dann nichts anderes als die konsequenteste Umkehrung der aristokratischen
Gesellschaft.
Im Hinblick auf das verpflichtende Erbe, das der Jakobinismus als Modell einer
sozialen Demokratie für den Sozialismus des 19. und 20. Jahrhunderts dargestellt
hat, gewinnt die Gleichheitsutopie zugleich eine zukunftsweisende Bedeutung.
Mit der j akobinischen Revolution, die den Weg zur direkten Demokratie eröffnete
und demjenigen die Macht zuwies, der die Rolle des wahren Volkssprechers

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überzeugend verkörperte, erreichte die massenhafte Politisierung der Gesellschaft


ihren Höhepunkt. Das Zäsurbewußtsein vom Anbruch einer neuen Zeit schlug
sich in der vielfältigen Bekenntnissymbolik nieder, die von populär aufgemachten
Medien, z. B. von illustrierten Zeitungen, Volksalmanachen, Bild- und Liedflug-
blättern, verbreitet wurde. Uber die neue Zeitrechnung des republikanischen
Kalenders drang es tief in die Alltagswelt vor. Insbesondere der definitive Bruch
mit den religiös-kirchlichen Traditionen im Verlauf der Entchristianisierungskam-
pagne veränderte die kollektiven Einstellungen und Verhaltensweisen. Die laizi-
stische Gegenreligion intensivierte die Suche nach dem irdischen Glück und den
Glauben an eine ideale Welt der Freiheit und Gleichheit. Im Bereich der Mentali-
täten und Ideologien hat die Revolution wohl den radikalsten Umbruch her-
beigeführt. Die dauerhafte Wirkung zeigt sich bis heute in der politisch-mentalen
Spaltung, die das konservative Frankreich der „Heiligtümer" von dem demokrati-
schen Frankreich des revolutionären Messianismus trennt.
Die bürgerliche Nach dem Zusammenbruch der jakobinischen Terrorherrschaft fiel die Macht
Republik an jjg Konventsmehrheit zurück. Es erwies sich jedoch als außerordentlich
schwierig, eine stabile parlamentarische Herrschaft wiederaufzurichten. Die
durch Kriege und Terror erschöpften Franzosen erhofften nichts sehnlicher als
den Frieden. Statt dessen stand das Land vor dem finanziellen Bankrott, die
Teuerung nahm ständig zu, von rechts drohte die royalistische und klerikale
Gegenrevolution, von links opponierten die restlichen Anhänger der Jakobiner,
die politischen und sozialen Spannungen hielten an, und der Krieg ging weiter. Bei
alledem erfreuten sich die Thermidorianer (diejenigen Abgeordneten, die am
9.Thermidor des Jahres II, am 27. Juli 1794, Robespierre und seine Anhänger
stürzten) kaum größerer Beliebtheit als ihre jakobinischen Vorgänger. Unter dem
Direktorium, das 1795 an die Spitze der Regierung trat, folgte ein Staatsstreich dem
anderen. Im Mai 1796 zerschlug die Regierung den letzten Sansculottenaufstand,
die „Verschwörung der Gleichen" unter Babeuf. Die Regierung konnte sich nur
noch auf die siegreiche Armee stützen, die allein noch in der Lage schien, die
Nation zu integrieren. Am Ende stand der 18. Brumaire des Jahres VIII, der
Staatsstreich des erfolgreichsten aller Generale: Napoleon Bonaparte. So ersetzte
die Armee die Rolle, die den Sansculotten beim Aufstieg der Jakobiner zugefallen
war.

Das napoleonische Die napoleonische Herrschaft war jedoch mehr als eine Militärdiktatur. Napo-
Herrschaftssystem \ton scnuf eme neue Verfassung, er zentralisierte die Verwaltung und reorgani-
sierte die Justiz, er versöhnte die politischen und sozialen Führungsschichten, er
stützte sich mit Hilfe von Plebisziten auf die
Zustimmung der Volksmassen. Man
hat sein Regime in die Tradition des Aufgeklärten Absolutismus eingeordnet
auch, weil Napoleon in vielen eroberten Ländern, zumal in Deutschland, ganz
-

bewußt an diese Tradition anknüpfen konnte. Andererseits blieb seine Herrschaft


die einer nachrevolutionären Zeit. Napoleon konnte sich nicht als Überwinder,
sondern nur als Vollender der Revolution ausgeben. So hat er in eindrucksvoller

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Politisch-soziale Revolution in Frankreich 39

Knappheit erklärt: „Ich bin die französische Revolution",und nach Erlaß der
Konsulatsverfassung verkündet: „Die Konstitution gründet auf den heiligen
Rechten des Eigentums, der Gleichheit, der Freiheit... Bürger, die Revolution
ist zu den Prinzipien zurückgekehrt, von denen sie ausgegangen ist. Sie ist
beendet." Nur weil Napoleon die sozialen Errungenschaften von 1789 respek-
tierte die bürgerlich-liberale Eigentumsordnung, die Zerstörung des Feudal-
systems, die Abschaffung der Privilegien, die Laizität des Staates konnte er sich
-

an der Macht behaupten. Selbst als


Napoleon 1804 die Erbmonarchie wieder
-

einführte, ließ er sie durch ein Plebiszit „legitimieren". Zumindest die Fassaden
der Repräsentatiwerfassung und der Volkssouveränität wurden aufrechterhalten.
Parlamentarische Institutionen gab es in Fülle: in Paris die gesetzgebende Körper-
schaft (corps legislatif), das Tribunat und einen Senat als verfassungsbewahrende
Instanz sowie Vertretungskörperschaften in den Departements, Bezirken, Kanto-
nen und Gemeinden. Die Aufteilung der
legislativen Funktionen auf verschiedene
Kammern das Tribunat beriet Gesetzesentwürfe, die gesetzgebende
Körper-
schaft stimmte ab ermöglichte die divide-et-impera-Taktik, zumal Napoleon die
-

Gesetzesinitiative einem Staatsrat vorbehielt, dem er selber vorsaß und dessen


Mitglieder von ihm ernannt wurden.
Wie gegen die Repräsentatiwerfassung so hatte Napoleon scheinbar auch gegen
das allgemeine gleiche Wahlrecht nichts einzuwenden. Jedoch beschränkte er die
Anzahl der wählbaren Kandidaten durch Notabeinlisten. Nach der Einführung
des Konsulats auf Lebenszeit (1802) mußten die Kandidaten aus dem Kreis der
sechshundert Höchstbesteuerten eines jeden Departements ausgewählt werden,
d. h. durch die Hintertür tauchte der Wahlzensus wieder auf. „Die
Prinzipien
unseres neuen Wahlrechts", erklärte der Innenminister,
Napoleons Bruder Lucien
Bonaparte, ganz offen, „... beruhen nicht mehr auf chimärischen Ideen, sondern
auf der Grundlage der bürgerlichen Vereinigung, auf dem Eigentum, das ein
konservatives Gefühl für öffentliche Ordnung inspiriert." Napoleon ernannte
alle Minister und Beamten, die Präfekten, Unterpräfekten und Maires, die Richter
an den Bezirkstribunalen, die Senats- und
Staatsratsmitglieder; er konnte über
Senatskonsuite die Verfassung ändern und seinen eigenen Machtinteressen anpas-
sen; er besaß das Recht, eigenmächtig außenpolitische Verträge abzuschließen; ihm
stand das Begnadigungsrecht zu und das Recht, Gerichtsurteile aufzuheben. Trotz
aller Verschleierungsmechanismen war Napoleons Machtstellung offenkundig;
schon 1799 übersiedelte er in die Tuilerien, in das Schloß der absolutistischen
Könige des Ancien Regime.
Die Stabilität dieses Regimes beruhte auf einem erfolgreichen gesellschaftlichen Gesellschaftliche
Versöhnungswerk. Die royalistische Reaktion wurde entscheidend geschwächt, Konsolldierung
als es Napoleon gelang, durch das 1801 mit Rom abgeschlossene Konkordat den
Beistand der Kirche zurückzugewinnen. Napoleon erhielt einen neuen Episkopat
aus von ihm vorgeschlagenen Kandidaten, die der Papst einsetzte. Der Gemein-
deklerus wurde wieder von den Bischöfen bestimmt. Ansonsten wurde nichts

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rückgängig gemacht: Der Staat besoldete auch weiterhin die Priester, die Kirchen-
güter blieben nationalisiert, die Gesetze bestimmten die Säkularisierung des
bürgerlichen Lebens (Zivilehe, Erlaubnis der Ehescheidung, Registrierung der
Taufen, Heiraten und Sterbefälle in den Zivilstandsregistern der Gemeinden).
Nachdem die Gegenrevolution ihre einflußreichste Stütze im Klerus verloren
hatte, konnte sich Napoleon den Verzicht auf die Emigrantengesetze leisten.
Zahlreichen Emigranten wurde die Rückkehr nach Frankreich freigestellt, vor-
ausgesetzt, daß sie den Eid auf die Verfassung ablegten. Mehr als ein Viertel der
Adelsgüter gelangte durch Rückkauf oder Freigabe der konfiszierten Güter
wieder in die Hände ihrer alten Besitzer, ohne daß freilich das Feudalwesen von
neuem auflebte.
Die Konzessionen an Adel und Klerus wurden ergänzt durch die
Versöhnung
des Besitzbürgertums. Neben das Konkordat und die
Amnestiegesetze trat das
bürgerliche Gesetzbuch Napoleons, das die sozialen Errungenschaften und Prin-
zipien von 1789 sicherte. Der Code Napoleon garantierte die Freiheit der Person
und des Eigentums, die Vertrags- und wirtschaftliche
Betätigungsfreiheit, die von
allen feudalen Fesseln befreite, „absolute" Verfügungsgewalt eines jeden über
seinen Besitz.
Führungsschicht der So waren die Voraussetzungen dafür geschaffen, eine verläßliche soziale Füh-
Notabeln
mngsschicht Adel und Bürgertum zu etablieren. Sozialprestige und Ämter-
aus

ehrgeiz konnten anders als vor 1789 befriedigt werden. Im Regierungsapparat, in


der Präfekturverwaltung, in den Magistraten, im Senat, im Staatsrat, in den
Wahlkollegien, im Episkopat und nicht zuletzt in der Armee standen eine Fülle
lukrativer Ämter zur Verfügung. Die Angehörigen der freien Berufe, z. B. die
Juristen und Advokaten, die 1789 so zahlreich in den Reihen der Revolutionäre zu
finden waren, konnten jetzt ungehindert Karriere machen. Ämtermonopol und
Ämterkäuflichkeit blieben abgeschafft. Ausschlaggebend waren vielmehr Talent
und Verdienst, berufliche und intellektuelle Qualifikationen. Dadurch entstand
freilich eine neueBarriere des sozialen Aufstiegs, mochte diese auch weiter ins
Bürgertum vorgeschoben sein. Das Erziehungs- und Bildungssystem als Grund-
lage für berufliche Qualifikation schloß die Minderbemittelten, die sich eine teure
Ausbildung nicht leisten konnten, von den Aufstiegschancen aus.
Im Vergleich zu England blieb das kapitalistische Erwerbs- und Profitstreben
der französischen Notabeingesellschaft noch lange Zeit fremd. Auch weiterhin
bildete der Landbesitz die Quelle des Reichtums und das Kriterium für das
Sozialprestige. Zu den Notabein zählten die hohen Beamten und die „proprie-
taires", darunter viele Manufakturbesitzer, Großkaufleute und Bankiers, die einen
Teil ihres Kapitals nach wie vor in Grundbesitz anlegten. Die
Spekulation mit
Nationalgütern förderte diese Neigung, und die Wirren der Revolutions- und
Kriegszeit hatten die Scheu vor dem Risiko eher noch verstärkt. Auch der
Eigentumsbegriff des Code Napoleon blieb ganz am Grundbesitz orientiert und
folgte der alten Maxime: mobilium vilis possessio. Die Bindung an das Grund-
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Politisch-soziale Revolution in Frankreich 41

eigentum und nicht an das Eigentum überhaupt bewahrte eine agrargesell-


-

schaftliche Komponente, die der Entfaltung einer industriellen Wirtschaftsgesell-


-

schaft entgegenwirkte. Die Entwicklung zum Agrarkapitalismus wurde durch die


bauernpolitischen Maßnahmen der Jakobiner abgestoppt. Die Parzellierung der
den Kleinbauern zum Kauf angebotenen Adels- und Kirchengüter sowie die
entschädigungslose Abschaffung aller Feudallasten, die den ehemaligen Grund-
herren die Ablösungskapitalien entzog, hatten zur Folge, daß die französische
Landwirtschaft von der „petite culture" geprägt blieb.
Napoleon tat ein übriges, um den Bruch mit der Vergangenheit deutlich zu Rearistokratisierung
machen und dennoch die Kontinuität zu bewahren. Nach der Errichtung des
Kaisertums begann die Rearistokratisierung Frankreichs, ohne daß dadurch das
Werk der Konstituante, die den alten Adel abgeschafft hatte, rückgängig gemacht
wurde. Denn die napoleonische Aristokratie war nicht mehr nach Geburt, Stand
und Privileg, sondern nach Verdienst und Funktion ausgewählt. Die verschiede-
nen Adelsklassen entsprachen der Amterhierarchie in
Verwaltung und Armee.
Nach beruflicher Herkunft rekrutierte sich dieser Verdienstadel zu 59 % (!) aus der
Armee, zu 22 % aus dem höheren Staatsdienst, zu 17 % aus anderen Notabein-
schichten, zu 1,5 % aus freien Berufen und nur zu 0,5 % aus Kreisen des Handels
und der Industrie. Der Anteil des Altadels lag sehr hoch, bei 22,5%. Die altari-
stokratische verschmolz vollends mit der neuen Elite bürgerlicher Herkunft, die
ihren Aufstieg über die zivile und vor allem militärische Dienstlaufbahn nahm. Die
materielle Ausstattung des Neuadels mit Grund und Boden wurde den eroberten
Ländern aufgebürdet, deren Domänenbestand zur Grundlage einer Landschen-
kungspolitik diente, die Napoleon in Frankreich, wo die durch die Revolution
geschaffene Besitzverteilung unantastbar blieb, nicht mehr durchführen konnte.
Auf diese Weise wurden die napoleonischen Herzöge, Grafen und Barone
außerhalb Frankreichs wieder zu feudalen Grundherren. -

So deutet manches darauf hin, daß Napoleon mit der Wiedererrichtung von
-

Monarchie und Adel das nachrevolutionäre Empire den aristokratischen Verhält-


nissen Europas anzupassen versuchte, während er gleichzeitig entschlossen schien,
die politisch-gesellschaftlichen Errungenschaften der Revolution, soweit er sie für
nützlich hielt, auf die eroberten und verbündeten Länder zu übertragen.

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4. Die französische Revolution und Europa

Bedeutung der Durch die kriegerische Expansion verbreitete die Revolution ihre Prinzipien über
Revolutionsknege jjg Grenzen Frankreichs hinaus in ganz Europa. Das europäische Ancien Regime
wurde mit einer Herrschafts- und Gesellschaftsordnung konfrontiert, die nicht
mehr auf dem ständischen Privileg, sondern auf vernunftrechtlichen Normen
beruhte. Insofern erschütterten die Revolutionskriege nicht nur das europäische
Staatensystem bzw. die internationalen, zwischenstaatlichen Beziehungen. Der
Krieg entwickelte vielmehr selbst eine revolutionierende Gewalt, die das aristo-
kratische Europa herausforderte. Krieg und Revolution traten in gegenseitige
Abhängigkeit und Wechselwirkung: Der Krieg veränderte ebenso die Revolu-
tion, die über die Grenzen des eigenen Landes hinausdrängte und zur Weltrevolu-
tion wurde, wie die Revolution den Krieg, der als Kreuzzug für die Befreiung der
Völker oder als gegenrevolutionäre Intervention der europäischen Mächte einen
ideologischen Charakter annahm. Durch die innere Beziehung von Revolution
und Krieg verschärften sich die Spannungen und Gegensätze zwischen Frankreich
und Europa, die nicht mehr mit den traditionellen Mitteln der europäischen
Gleichgewichtspolitik lösbar waren. Das Neuartige dieses Krieges im Vergleich
zu den älteren Kabinettskriegen des 17. und 18. Jahrhunderts lag gerade darin, daß
sich die Außenpolitik nicht mehr von der Innenpolitik trennen ließ.
Innenpolitische Im revolutionären Frankreich schuf der Krieg ein Ventil für die sozialen und
Funktion
des Krieges politischen Spannungen, die trotz des Ideals einer solidarischen, ständelosen und
nur dem Gemeinwohl verpflichteten Bürgergesellschaft aufgebrochen waren. Erst

der Krieg verwirklichte scheinbar die Vision Rousseaus von der volonte generale.
Der Patriotismus, der die nationalen Leidenschaften entfesselte, integrierte die
Massen in Stadt und Land weit wirksamer in den Nationalstaat, als es die elitäre
Aufklärungsphilosophie vermocht hatte. In politische und soziale Gegensätze
aufgespalten, fand sich die Nation in der patriotischen Begeisterung wieder
zusammen. Die Girondisten als Wortführer der Kriegspartei in der gesetzgeben-

den Versammlung deklarierten den Krieg ganz offen als innenpolitische Maß-
nahme: „Ein Volk, das nach zehn Jahrhunderten der Sklaverei seine Freiheit
errungen hat", erklärte Brissot am 16. Dezember 1791 im Jakobinerklub,
„braucht den Krieg: der Krieg ist notwendig, um die Freiheit zu festigen." Noch
deutlicher wird die innenpolitische Begründung des Krieges in Brissots Rede vor
der gesetzgebenden Versammlung: „Im jetzigen Zeitpunkt ist der Krieg eine
nationale Wohltat, und das einzige Unglück, das wir zu fürchten haben, ist, daß
es keinen Krieg geben wird... Das ausschließliche Interesse der Nation rät zum

Krieg." Die von der Lähmung bedrohte Revolution gewann aus dem Krieg eine
neue vorwärtstreibende Dynamik, die es gestattete, die Gemäßigten mit fortzu-
reißen, den König so oder so vor die Entscheidung zu zwingen und die Energien
des Volkes neu zu beleben. Gleichzeitig wurden aber auch die Gefahren des neuen
Nationalismus sichtbar: Die Freiheit wurde zur Freiheit jener, die in Reih und

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Französische Revolution und Europa 43

Glied der Revolutionsarmeen marschierten; die Gleichheit gipfelte in der allge-


meinen Wehrpflicht und darin, daß jeder Soldat den Marschallstab in seinem
Tornister zu tragen hoffte; der Glaube an den Sieg der Vernunft wurde von
bewaffneten Missionaren verbreitet.
Der Kriegsausbruch im April 1792 mit der Kriegserklärung Frankreichs an Kriegsschuldfrage
Osterreich stand im Zeichen einer französischen Offensive. Trotzdem läßt sich
die Kriegsschuldfrage, wie häufig in der Geschichte, nicht eindeutig beantworten.
Immer wieder haben die Revolutionsanhänger behauptet, daß es ein von der
europäischen Konterrevolution aufgezwungener Krieg zur Verteidigung der Frei-
heit gewesen sei, und auch ein konservativer Historiker wie Ranke sah im Revolu-
tionskrieg einen unvermeidbaren Prinzipienkrieg.
Vieles deutet jedoch darauf hin, daß die Monarchen in London, Wien, Berlin
und Petersburg zunächst wenig daran interessiert waren, für ihren französischen
Vetter die Kastanien aus dem Feuer zu holen. In Westeuropa schien das Mächte-
gleichgewicht nicht bedroht. England, das den Siebenjährigen Krieg 1763 so
überaus erfolgreich abgeschlossen hatte, konnte die Niederlage im Amerikani- Westeuropa nach
Amer'kani-
sehen Unabhängigkeitskrieg einigermaßen gelassen hinnehmen, zumal die nord- de.m
sehen Unabhängig-
dem ehemaligen
.

amerikanischen Staaten auf wirtschaftlichem Gebiet 1-j i-


Mutterland
....

keitskrieg
eng verbunden blieben. Die drei europäischen Verbündeten der USA Frankreich,
Holland und Spanien glaubten, daß nunmehr die Hegemonie Englands in
-

Amerika gebrochen und das Gleichgewicht wiederhergestellt sei. Die verschiede-


-

nen Aufstände und Volkserhebungen revolutionärer Art, die teilweise im Gefolge

des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges schon vor 1789 in einigen Ländern


ausbrachen in Irland, in Holland, in den österreichischen Niederlanden und im
Fürstbistum Lüttich sowie in mehreren Kantonen der Schweiz konnten von den
-

Regierungen niedergeschlagen werden. Die Sprengkraft der neuen, von den


-

Prinzipien der Aufklärung beeinflußten Forderungen der Aufständischen wurde


noch gar nicht erkannt. Selbst die Historiker entdeckten erst spät das Gemeinsame
dieser „atlantischen Revolutionen" [321: R. R. Palmer] und ihre Verwandtschaft
mit der französischen Revolution. Aber auch die ungeheuere Faszination, die die
„Ideen von 1789" auf die Gebildeten in ganz Europa ausübten, wurde von den
außerfranzösischen Regierungen kaum als ernste Gefahr für das Mächtesystem
angesehen. Die Aufmerksamkeit der europäischen Kabinette galt vielmehr dem Ostorientierung der
Osten: dem zweiten russisch-türkischen Krieg und der polnischen Frage. europäischen
i
Kabmette
Besorgniserregend war vor allem der Aufstieg Rußlands zur europäischen
r •
ni

Großmacht. Die Eroberungspolitik Katharinas II. brachte Rußland 1774 den


Zugang zum Schwarzen Meer, 1783 den Besitz der Krim und 1792 im Frieden
von Jassy, der den zweiten Türkenkrieg abschloß, das Küstenland am Schwarzen
Meer bis zum Dnjestr ein. Hinzu kam die Beute aus der ersten polnischen Teilung
von 1772. Nach Erlaß der polnischen Verfassung vom 3. Mai 1791, die noch vor

Vollendung des französischen Verfassungswerks die neue Regierungsform der


konstitutionellen Monarchie einführte, ließ die Zarin ihre Truppen in Polen

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44 /. Darstellung

einmarschieren und zwang König Stanislaus II. August Poniatowski, die von ihm
beschworene Verfassung fallen zu lassen. Die Rückwirkungen der russischen
Österreichisch- Politik auf Deutschland erschütterten das Gleichgewicht im Reich. Durch die
preußische Rivalität russischen Erfolge sah sich Joseph II. gezwungen, seinerseits eine aktive Balkan-
politik wiederaufzunehmen und im Bündnis mit der Zarin in den Türkenkrieg
einzugreifen. Preußen hingegen setzte sich für die Aufrechterhaltung der Türkei
ein, um die Macht Habsburgs in Schranken zu weisen. Überdies versuchte
Joseph IL, mit Unterstützung Rußlands das Kurfürstentum Bayern im Aus-
tausch gegen die österreichischen Niederlande zu erwerben, ein Tauschprojekt,
das 1778 den bayerischen Erbfolgekrieg ausgelöst hatte und 1784/85 erneut auf
den Widerstand Preußens stieß. Friedrich II. durchkreuzte die Annexionspläne
durch die Gründung des Fürstenbundes, dem zahlreiche weltliche und geistliche
Reichsfürsten beitraten. Vorerst gelang es nicht, das Kräfteverhältnis im Reich
zugunsten Habsburgs zu verändern. 1790 konnte Preußen in der Konvention von
Reichenbach Osterreich zum Verzicht auf alle Eroberungen aus dem Türkenkrieg
zwingen. Rußland war freilich nicht bereit, dem Druck Englands nachzugeben
und dem österreichischen Beispiel zu folgen. Die orientalische Frage blieb
ebenso wie das polnische Problem ungelöst.
-

Die Interessengegensätze und Rivalitäten, mit denen sich die Staatsmänner und
-

Diplomaten des alten Europa beschäftigten, waren rein machtpolitischer Art und
hielten sich im Rahmen eines an der absolutistischen Staatsräson orientierten
Mächtesystems. Es war nach wie vor der Leitgedanke des „sacro egoismo", von
dem 1791/92 auch die Politik gegenüber Frankreich bestimmt wurde. Die euro-
päischen Mächte waren sich im klaren darüber, daß ein Kriegsausbruch in West-
europa Polen und die Türkei den Machenschaften der Zarin aussetzen würde.
Katharina II. unterstützte denn auch am nachdrücklichsten die Interventionsfor-
Englische derungen der französischen Emigranten. England dachte vorerst nicht daran, sich
Interessenpohtik m jje innerfranzösischen Verhältnisse einzumischen. Vermutlich kam es den

macht- und wirtschaftspolitischen Interessen der Briten ganz gelegen, daß ihr
französischer Rivale im Chaos zu versinken drohte. Als der englische Premiermi-
nister William Pitt der Jüngere 1793 die Herausforderung Frankreichs, das am
1. Februar England und Holland den Krieg erklärte, annahm, lehnte er es auch
weiterhin ab, den von Burke propagierten gegenrevolutionären Kreuzzug zu
eröffnen, z. B. durch Unterstützung des Vendeeaufstandes. Er entschied sich für
den Kriegseintritt, weil Frankreich Belgien okkupierte und Maßnahmen ergriff,
die Scheidemündung dem internationalen Handel wiederaufzuschließen. Damit
war eine der zentralen „british interests" gefährdet. Auch Kaiser Leopold IL, der

1790 die Nachfolge Josephs II. antrat, hatte keineswegs die Absicht, sich auf eine
Frankreichpolitik gegenrevolutionäre Intervention einzulassen. Leopold IL, der als Großherzog von
Leopolds II. Toskana Einführung einer auf der Volkssouveränität basierenden Verfassung
geplant hatte, sympathisierte vielmehr auf weiten Strecken mit dem Reformwerk
der Konstituante und begrüßte es, daß Ludwig XVI. die Verfassung von 1791

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Französische Revolution und Europa 45

annahm. Erst nach Leopolds II. frühem Tod im März 1792 und nach Ausbruch des
Krieges wurde die Wiener Hofburg unter dem starr-konservativen Franz II. zu
einem Zentrum der gegenrevolutionären Propaganda. Der Nachfolger Friedrichs
des Großen, Friedrich Wilhelm II., der in Preußen die Ära des Aufgeklärten
Absolutismus beendete und mit rosenkreuzerischem Eifer für die Wiederher-
stellung von Religion, Sitte und Ordnung zu Felde zog, war schon eher bereit,
auf die Parolen der Emigranten zu hören. Es ging wohl auf Friedrich Wilhelm II.
zurück, daß die preußisch-österreichische Deklaration von Pillnitz vom 27. Au- Deklaration von
p'"mtz
gust 1791, zwei Monate nach dem gescheiterten Fluchtversuch Ludwigs XVI., das
gemeinsame Interesse aller europäischen Monarchen an der vollen Restauration
der legitimen königlichen Regierung in Frankreich betonte und zur Erreichung
dieses Ziels eine militärische Intervention in Aussicht stellte, allerdings und diese
Bedingung machte die Erklärung hypothetisch nur dann („alors et dans ce cas"),
-

wenn alle übrigen europäischen Mächte ebenfalls zu handeln entschlossen wären.


-

Überdies zeigte es sich rasch, daß das gegenrevolutionäre Lippenbekenntnis


keineswegs die preußischen Interessen unberücksichtigt ließ. Zwar trat Preußen,
mit dem Kaiser Leopold II. noch kurz vor seinem Tode einen Freundschafts- und
Defensiwertrag abgeschlossen hatte, zur peinlichen Überraschung der französi-
schen Revolutionäre auf Seiten Österreichs in den Krieg ein, aber nach den ersten
Mißerfolgen der Armee unter der Führung des Herzogs von Braunschweig
orientierte sich die preußische Politik erneut nach Osten, um ihren Anteil an der
zweiten polnischen Teilung vom Januar 1793 sicherzustellen. Die Vorbereitung Polenpolitik
der dritten und letzten Aufteilung Polens durch Rußland, Österreich und Preußen P"=ußens> polnische
Teilungen
im Vertrag vom 24. Oktober 1795 trug schließlich dazu bei, daß Preußen aus der
.

. .

gegenrevolutionären Front ausscherte und im Frühjahr 1795 den wenig rühmli-


chen Sonderfrieden von Basel abschloß.
Nur in einem Punkt berührten vor 1792 die revolutionären Ereignisse in
Frankreich direkt die Interessen des Reiches. Die französischen Feudaldekrete
und die neuen Kirchengesetze verletzten Gerechtsame deutscher Reichsfürsten im
Elsaß und die kirchliche Gerichtsbarkeit einiger linksrheinischer Bischöfe im
deutsch-französischen Grenzbereich. Der Kaiser und der Reichstag begnügten
sich jedoch mit papiernen Protesten. Als die Konstituante erklärte, die annektier- Annexionen im
ten Gebietsenklaven seien nicht durch Eroberungen französisch, sondern kraft der Elsa^ un<*
*r Neuinterpretation
freiwilligen Zugehörigkeit der Elsässer zum französischen Volk, begriff man
. ...

des Völkerrechts
weder in Berlin noch in Wien sofort, daß eine Revolutionierung des Völkerrechts
stattfand. Erstmalig wurde in Europa das Selbstbestimmungsrecht der Völker
proklamiert zur gleichen Zeit, als die Mächte des alten Europa sich anschick-
ten, mit der Aufteilung Polens ein ganzes Volk fremder Herrschaft zu unter-
-

werfen.
Es gibt somit nur wenige Anzeichen dafür, daß die Regierungen außerhalb
Frankreichs die Gefahren der Revolution erkannten und von Anfang an zu einer
gegenrevolutionären Aktion entschlossen waren. Erst nach der Hinrichtung
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Ludwigs XVI. kam die erste Koalition, bestehend aus England, Holland, Spanien,
Sardinien, Portugal und der Mehrheit der deutschen und italienischen Staaten,
Motive für die zustande. Die Auffassung vom unvermeidlichen Kampf zwischen dem revolutio-
Knegserklarung naren Frankreich und den Monarchen Europas findet insofern für die erste
Frankreichs i i i
Revolutionsphase keine Bestätigung. Andererseits war es für die französische

öffentliche Meinung nur schwer zu durchschauen, daß die Drohungen der Pill-
nitzer Erklärung von 1791, die sich ein Jahr später noch einmal und verschärft in
dem unglücklichen Manifest des Herzogs von Braunschweig wiederholten, nicht
viel mehr als leere Formeln darstellten. Leopold II. verfolgte offensichtlich in
völliger Verkennung der revolutionären Ideologie die Absicht, die Franzosen
einzuschüchtern und zu gemäßigterem Handeln zu bewegen. Es entging seinem
Scharfsinn, daß er damit genau das Gegenteil erreichte und gegen seinen Willen
dazu beitrug, den Krieg zu provozieren, zumal der Wortführer der Emigranten,
der Graf von Artois, ein Bruder Ludwigs XVI., die Pillnitzer Deklaration als
Ultimatum auslegte. So aber entstand ein Krieg, der, weil er nicht mehr nur von
traditionellen Machtinteressen, sondern zugleich von konkurrierenden Ideolo-
gien begleitet wurde, eine explosive Kraft entfaltete, deren Ausmaß niemand
vorausgesehen hatte.
Einfluß des Krieges In Frankreich bestimmte der Krieg fortan im Wechsel von Sieg und Niederlage
auf die revolutionä den
ren Ereignisse
Rhythmus der Revolution. Der König wurde nicht in erster Linie als Tyrann,
sondern vor allem als Verräter des Vaterlandes gestürzt und hingerichtet. Die
republikanische Konventsherrschaft der Girondisten wurde nach den Nieder-
lagen im Frühjahr 1793 durch die vom Krieg erzwungene Notdiktatur Robes-
pierres abgelöst, die zusammenbrach, als erneute Siege den Terror erübrigten.
Robespierre ging den Weg zum Schafott, den vorher der König und die Girondi-
sten beschritten hatten. Die Thermidorianer und das Direktorium konnten sich
nur an der Macht behaupten, indem sie den Krieg fortführten und ausdehnten. Sie

schufen damit jedoch zugleich die Bedingungen für ihren eigenen Sturz. Und auch
Napoleon, der als siegreicher General das Erbe der Revolution antrat, konnte nur
durch immer neue Kriege seine Herrschaft absichern: „Ein erster Konsul",
erklärte Bonaparte, „ähnelt nicht jenen Königen von Gottes Gnaden, die ihre
Staaten als ein Erbe betrachten. Er muß sich durch Handlungen hervortun und
folglich Krieg führen."
Umschlag in den Je länger der Krieg jedoch andauerte, desto mehr veränderte sich sein Charakter.
Eroberungskrieg j-)er Verteidigungskrieg verwandelte sich in einen Befreiungs- und Eroberungs-
krieg. Obgleich die Konstituante öffentlich den Eroberungskrieg verurteilt hatte,
ließen sich die Girondisten nur allzu bereitwillig von Flüchtlingen und Sympa-
thisanten aus den Nachbarländern zu einem Dekret überreden, in dem es hieß:
„Der Nationalkonvent erklärt im Namen der französischen Nation, daß er allen
Völkern, die ihre Freiheit wiedererlangen wollen, Brüderlichkeit und Hilfe
gewähren wird." Die Gefahr lag nahe, daß die Befreiungs- in die Eroberungsab-
sicht umschlug. Brissot sprach zu gleicher Zeit bereits davon, „ganz Europa in

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Brand" zu stecken. Als Savoyen und Nizza, als Belgien und die Rheinlande um
Mainz erobert wurden, stellte sich das Problem, was nun mit den besetzten
Gebieten geschehen sollte. Die Girondisten befürworteten zunächst die Schaf-
fung von unabhängigen Tochterrepubliken. Aber, so argumentierte Cambon, der
Finanzexperte der Jakobiner, wenn man alle Völker befreien will, ist es dann Sache
der Franzosen, allein die Lasten des Krieges zu tragen? Die Rheinländer und
Belgier erfuhren bald, daß die Franzosen nicht nur die Befreiung aus monar-
chischer und feudaler Knechtschaft bescherten, sondern auch drückende Steu-
ern, Kriegslasten, Truppenaushebungen und entwertete Assignaten. Savoyen und
Nizza, Belgien und die eroberten linksrheinischen Gebiete wurden annektiert,
was Danton nur notdürftig mit der Theorie der „natürlichen Grenzen" rechtfer-

tigte: Der Rhein, die Scheide, die Pyrenäen, die Alpen seien als Grenzen Frank-
reichs von der Natur vorgezeichnet. In Wirklichkeit waren es geostrategische
Grenzen, die schon die französische Hegemonialpolitik Richelieus und Lud-
wigs XIV. zu erreichen versucht hatte. Auch die Außenpolitik der Revolutionäre
geriet so in das Spannungsfeld von Tradition und Revolution.
Während der Jakobinerdiktatur, als Frankreich in der levee en masse alle Kräfte
zur Abwehr der Invasion mobilisierte, wurde ein nationaler Volkskrieg entfesselt,
der zugleich den Sinn für militärische Stärke, nationale Macht und aggressive
Ruhmsucht entwickelte. 1795 verkündeten die Thermidorianer dann ganz offen:
„Um sich für die Schäden und Unkosten des gerechtesten der Kriege zu entlohnen
sowie um neuen Kriegen mit neuen Mitteln der Verteidigung vorbeugen zu
können, kann und muß die Republik Länder, die ihr nützen können, entweder
als Eroberungen zurückbehalten oder durch Verträge erwerben, ohne die Ein-
wohner zu befragen."
Das war die Politik der Expansion durch Annexion oder Gründung von
Satellitenstaaten, die Napoleon als General der Italienarmee und in den Jahren
der Konsulatsherrschaft fortführte. Die Doppelgesichtigkeit des Krieges wird
wohl nirgends deutlicher als in den ersten Proklamationen Napoleons, die er
noch im Auftrag des Direktoriums erließ. Er appellierte nicht mehr an die
republikanischen Tugenden, sondern an den Ehrgeiz und die Beutegier seiner
Soldaten: „Ich will Euch in die fruchtbarsten Ebenen der Welt führen... Dort
werdet Ihr Ehre, Ruhm und Reichtum finden." Den „Völkern Italiens" hingegen
verkündete Napoleon, daß er komme, um ihre Ketten zu zerbrechen: „Das
französische Volk ist der Freund aller Völker. Wir führen den Krieg als großmü-
tige Feinde und nur gegen die Tyrannen, die euch unterdrücken."
Es lag im Wesen der revolutionären Expansion, daß ein Ende des Krieges nicht Krieg ohne Frieden
abzusehen war. Der Wille zum Frieden und die Bereitschaft zu diplomatischen
Verhandlungen, wie sie Danton empfahl, galt den Jakobinern ebenso wie die
Niederlage als Verrat an den revolutionären Prinzipien. Als England 1796/97
Friedensverhandlungen anbot, stürzte der Fructidor-Staatsstreich vom 4. Septem-
ber 1797 die gemäßigten, verständigungsbereiten Mitglieder des Direktoriums,

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Carnot, Barthelemy und ihre Anhänger. Die Friedensschlüsse, die unter Napoleon
zustandekamen Campo Formio (1797), Luneville (1801), Amiens (1802), Preß-
burg (1805), Tilsit (1807), Wien (1809) -, glichen eher Waffenstillständen, die nur
-

eine Atempause zur Vorbereitung immer neuer Kriege gewährten. Es war schließ-
lich kaum noch zu unterscheiden, ob die napoleonische Machtexpansion, der die
militärische Eroberung eines ganzen Kontinents anheimfiel, der Revolutionierung
Europas, der nationalen Verteidigung oder den persönlichen Ambitionen Bona-
partes diente.
Friedensverhandlun- Ein Interessenausgleich konventioneller Art wäre mehrmals möglich gewesen,
gen 1795-1797 j 797 neß das Direktorium die Friedensverhandlun gen mit England an Ceylon und
der Kapkolonie scheitern. England besaß zu diesem Zeitpunkt keinen Verbünde-
ten mehr auf dem Festland. Preußen hatte den Sonderfrieden von Basel abge-

schlossen, Osterreich war von Napoleon aus Italien vertrieben und zum Frieden
gezwungen worden, Spanien und Portugal waren zu schwach, den Krieg fortzu-
führen. Während England innen- wie außenpolitisch eine der schwersten Krisen
seiner Geschichte durchmachte, konnte Frankreich glänzende Erfolge verzeich-
nen. Belgien war annektiert, Holland in die Batavische Republik umgewandelt.

Italien mit Ausnahme des an Österreich abgetretenen östlichen Gebiets der


Republik Venedig und der Toskana stand dem Einfluß Frankreichs offen: es
-

wurde in den Jahren von 1796-1799 nach den Vorschlägen Napoleons in fünf
-

Tochterrepubliken aufgeteilt. England mußte es hinnehmen, daß die Franzosen die


Seeherrschaft im Mittelmeer errangen. In den Friedensschlüssen von Basel und
Campo Formio erkannten Preußen und Österreich insgeheim die Abtretung des
linken Rheinufers an Frankreich gegen Entschädigung der weltlichen Reichs-
fürsten aus den rechtsrheinischen Territorien der geistlichen Reichsstände an.
Der Annexion des Rheinlandes stand nichts mehr im Wege; der Rhein war zur
Grenze Frankreichs geworden. Darüber hinaus eröffneten sich zahlreiche diplo-
matische Einflußmöglichkeiten: Auf dem Rastatter Kongreß, der 1797 zusam-
mentrat, sollte durch Vermittlung Frankreichs die Entschädigungsfrage geregelt
werden; in den süddeutschen Staaten und in der Schweiz gab es Bestrebungen, sich
stärker nach Frankreich zu orientieren. Seit 1796 stand Spanien, das den florie-
renden Amerikahandel Englands zu fürchten begann, im Bündnis mit Frankreich.
England und die Bil- Erst die Ablehnung des englischen Friedensangebotes brachte die Wende. Die
dung der zweiten engUSCne Flotte besiegte die niederländischen und spanischen Seestreitkräfte;
0
Koalition
unter Nelson drang sie ins Mittelmeer ein. Während Napoleon seinen abenteuer-
.

. .

lichen Zug nach Ägypten durchführte ein militärisch wie politisch völlig
sinnloses Unternehmen -, gelang es Nelson, in der Bucht von Abukir am
-

1. August 1798 die französische Flotte zu vernichten und Napoleons Landheer


die Rückkehr nach Frankreich abzuschneiden. Eine Landung französischer Trup-
pen in England war nicht mehr zu befürchten. Der Aufstand der katholischen
irischen Bauern, die Frankreich und die USA um Hilfe gebeten hatten, konnte von
der englischen Armee niedergeschlagen werden. Pitt war nunmehr in der Lage,

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Französische Revolution und Europa 49

unter Führung Englands 1799 die zweite Koalition mit Rußland (Zar Paul L),
Osterreich, Portugal, Neapel und der Türkei (dem Ägypten gehörte!) zu bilden.
Preußen blieb neutral.
1801/02 wiederholte sich die Situation von 1797/98. Napoleon, der als Flücht- Friedensverhandlun-
ling unter Zurücklassung seiner Armee rechtzeitig nach Paris zurückgekehrt war, gen 1801/02
konnte sich der Nation trotz seines gescheiterten Ägypten-Unternehmens als
Retter Frankreichs präsentieren. Auf Bitten von Sieyes erklärte er sich bereit, den
- -

Staatsstreich vom 18. Brumaire durchzuführen. Die Siege der Franzosen vom Juni/
Dezember 1800 unter Napoleon bei Marengo und unter Moreau bei Hohenlinden
beendeten die bedrohliche Situation auf den Kriegsschauplätzen in Süddeutsch-
land und Oberitalien, die allerdings durch den schon vorher erfolgten Abzug der
russischen Truppen unter Suworow nicht mehr ganz so gefährlich war, wie es die
napoleonische Propaganda glauben machte. Ein englisch-russischer Feldzug in
den Niederlanden blieb erfolglos. Im Friedensvertrag von Luneville (9. Februar
1801), der den Frieden von Campo Formio bestätigte, erkannte Kaiser Franz IL,
auch für das Deutsche Reich, die Annexion Belgiens, die Bildung der Tochter-
republiken in Holland, Italien und der Schweiz (Helvetische Republik seit 1798)
sowie die Abtretung des linken Rheinufers an. Die Eroberungen der Revolution
waren somit gesichert. Umgeben von einem Gürtel von Satellitenstaaten besaß
Frankreich seine „natürlichen Grenzen".
Der andere festländische Gegner, das mit der Türkei verbündete Rußland,
wurde auf diplomatischem Wege von der Fortführung des Krieges abgehalten.
Die wiederaufbrechenden Interessengegensätze zwischen England und Rußland
der Zar war empört über die Verletzung der Seeneutralität und über die Eroberung
-

Maltas, das er als Großmeister des Malteserordens für Rußland beanspruchte


machten es Napoleon leicht, Paul I. für den gemeinsamen Kampf gegen England
-

zu gewinnen. Die Fronten des zweiten Koalitionskrieges kehrten sich um: Eng-

land war nahezu isoliert, Österreich besiegt, und Rußland stand auf der Seite
Frankreichs. Spanien, das immer mehr unter französischen Einfluß geriet, wurde
von Napoleon ermuntert, in Portugal einzufallen. Der Zar vereinbarte mit den

skandinavischen Mächten zur Abwehr englischer Übergriffe gegen den Handel


der Neutralen einen Bund der Seeneutralität, dem sich auch Preußen anschloß.
Preußen ließ sich überdies auf französisches und russisches Drängen dazu bewe-
gen, das in Personalunion mit England verbundene Hannover zu besetzen.
Die englischen Industriellen und Geschäftsleute drängten zum Frieden. Zwar
war es dank des Schmuggels und der Hilfe neutraler Schiffe immer noch gelungen,

Waren im französischen Machtbereich abzusetzen; auch konnten die Engländer


über die Hansestädte den deutschen Markt für sich gewinnen und durch einen
Überfall auf die dänische Flotte verhindern, daß die Liga der Neutralen wirksam
wurde. Aber immerhin waren eine Zeitlang fast alle Häfen Europas, vom Osten
der Ostsee an um ganz Europa herum bis zur Südspitze Italiens, außer in Portugal,
für englische Schiffe gesperrt. Trotz der nach wie vor bestehenden Überlegenheit

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des englischen Handels verschlechterte sich die Wirtschaftslage zusehends: Miß-


ernten zwangen zu kostspieligen Getreideeinfuhren; das Pfund verlor an Wert;
Bankrotte in Hamburg zogen die britische Wirtschaft in Mitleidenschaft; in der
Textilindustrie drohte Arbeitslosigkeit; der Brotpreis verdoppelte sich binnen
eines Jahres. Das ungelöste irische Problem und die Wirtschaftskrise führten im
Februar 1801 zum Rücktritt Pitts. Sein Nachfolger, der Whig Henry Addington,
leitete die Friedensverhandlungen mit Frankreich ein.
Bedeutung des Frie- Der Friede von Amiens (27. März 1802), der einzige, der in der langen Kriegs-
dens von Amiens
perloc\e von j 792_i 815 zwischen Frankreich und England zustandekam, zählt zu
den wichtigsten Ereignissen der napoleonischen Zeit. Immer wieder haben die
Historiker die Frage diskutiert, ob dieser Friedensschluß die Möglichkeit geboten
hätte, eine dauerhafte Friedensordnung zu schaffen. Der Friedensvertrag beruhte
auf dem Prinzip beiderseitigen Verzichts: England gab seine im zweiten Koali-
tionskrieg gemachten Eroberungen, Ägypten und Malta, heraus und respektierte
die „natürlichen Grenzen" Frankreichs; Frankreich verzichtete für die Zukunft
auf weitere Kolonialerwerbungen. „Ein bereits durchlöcherter Vertrag", schrieb
Albert Sorel [407: L'Europe et la Revolution francaise] hierzu, „dem der Frieden
zwischen den Zeilen davonlief." Die jahrhundertealte Feindschaft zwischen Eng-
land und Frankreich und die unüberbrückbaren kommerziellen Gegensätze
machten für Sorel den Bruch des Friedens von Amiens unvermeidbar:
-

„Den Frieden von Amiens aufrechtzuerhalten, hätte gehießen, den Gang der
-

Natur aufzuhalten, das Wunder Josuas zu erneuern. Alle Wege, die zum Frieden
von Amiens geführt haben, wurden in ihrer
Verlängerung zu Ausfallstraßen, auf
denen er wieder entschwand." Andererseits war jedoch England immerhin bereit,
die neue politische Stellung Frankreichs in Europa zu akzeptieren. Sie wurde
durch die territorialen Zugewinne Preußens, Österreichs und Rußlands aus den
polnischen Teilungen einigermaßen ausgeglichen. Der Preis für den Frieden
bestand darin, daß die englische See- und Kolonialherrschaft von Frankreich
und die kontinentale Machtstellung Frankreichs von England anerkannt wurde.
Von der traditionellen Politik konventionell begrenzter Kriegsziele her gesehen,
war das Kräftegleichgewicht wiederhergestellt und der Frieden
gesichert. „Es
hätte dazu lediglich der Tugend der Mäßigung bedurft", meinte Edouard
Driault [384: Napoleon et l'Europe], „eine leichte Tugend nach soviel Siegen,
aber selten bei den Siegern, unabdingbar jedoch für die Wahrung des Friedens."
Napoleonische Statt dessen wurde es zum Kennzeichen der napoleonischen Politik, daß sie
Machtexpansion und weder die herkömmlichen Regeln der Gleichgewichtspolitik noch das Selbstbe-
Ausbruch des dritten
Koalitionskrieges stimmungsrecht der Völker beachtete. Die fieberhafte Aktivität, die Napoleon in
.
n i i c •
i ti »i • •

der kurzen Friedensphase nach Luneville und Amiens entfaltete, hatte vielmehr
zur Folge, daß der Krieg mit England schon 1803 wieder ausbrach und sich 1805
nach dem Wiedereintritt Pitts in die Regierung zum dritten Koalitionskrieg -

gegen Frankreich ausweitete. Es ging nur vordergründig darum, daß England sich
-

weigerte, Malta zu räumen, und Frankreich gegen den Vertrag von Luneville
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Französische Revolution und Europa 51

verstieß, weil es seine Truppen aus Holland und der Schweiz nicht abzog. Solche
zwischenstaatlichen Konflikte traditioneller Art hätten sich regeln lassen. In
Wirklichkeit war Napoleon nach sieben siegreichen Jahren unfähig, in einen
Vergleich einzuwilligen und das Risiko eines Vertragsbruches rational abzuwä-
gen. Seine Deutschland- und Italienpolitik, die kaschierte Besetzung Hollands und
die militärischen Interventionen in der Schweiz zielten bereits über die „natür-
lichen Grenzen" hinaus. Die Tochterrepubliken wurden nun vollends zu Satelli-
tenstaaten. In Oberitalien ließ sich Napoleon 1802 zum Präsidenten der „italie-
nischen Republik" wählen. Der Schweiz diktierte er 1803 die „Mediationsakte",
eine föderalistische Verfassung, die sich zwar bewährte, aber die neue helvetische
Konföderation durch einen fünfzigjährigen Vertrag eng an den Vermittlerstaat
Frankreich band. Die Batavische Republik wurde 1801 gezwungen, eine Verfas-
sung nach dem Vorbild der französischen Konsulatsverfassung anzunehmen. Die
Neuordnung Deutschlands im Reichsdeputationshauptschluß von 1803, der
durch Säkularisation und Mediatisierung die Reichsauflösung einleitete, machte
die deutschen Mittelstaaten, die erhebliche Territorialgewinne aus dem Entschä-
digungsgeschäft einhandelten, von französischer Unterstützung abhängig.
Gleichzeitig verfolgte Napoleon auch weiterhin seine orientalischen Projekte
und Mittelmeerinteressen. Im Moniteur vom 30. Januar 1803, der einen Bericht
des Obersten Sebastiani über seine Reise nach Ägypten veröffentlichte, konnten
die Engländer lesen, daß 10 000 französische Soldaten genügen würden, Ägypten
zurückzuerobern.
Mit dem Ausbruch des dritten Koalitionskrieges rückte der Frieden in weite Trafalgar und
Austerlltz
Ferne. Der glänzende Sieg der Franzosen über das zahlenmäßig weit überlegene
Österreich-russische Heer in der Dreikaiserschlacht von Austerlitz wog aus
Napoleons Sicht die Niederlage durch den Flottensieg Nelsons bei Trafalgar
auf. Die Entscheidung von Trafalgar, die in Europa damals dank der napoleoni-
schen Pressepropaganda weit weniger Aufsehen erregte als Nelsons Sieg bei
Abukir, ermöglichte es jedoch später den Engländern, den Krieg zugunsten des
spanischen Aufstandes auf das Festland zu übertragen. Der den Österreichern
aufgezwungene Diktatfrieden von Preßburg, dem die ergebnislosen Doppelver- DiktatfriedeunclvonAuf-
handlungen mit Rußland und England folgten, war kaum dazu geeignet, Europa bau Preßbur8
des Grand
zu befrieden. Österreich verlor vollends
.
••
.
seinen
.
Einfluß
.
in Italien
!-
undi
Deutsch-
\
Empire
land. Mit dem Aufbau des Grand Empire begann eine neue Phase der napoleoni-
schen Europapolitik, die sich nicht mehr auf die Konsolidierung der „natürlichen
Grenzen" und der Satellitenstaaten beschränkte. Sie läßt sich auch nicht allein mit
der Rivalität gegenüber England erklären, da sie eher dazu beitrug, die Kontinen-
talmächte zu verfeinden statt sie im gemeinsamen Kampf gegen England zu
verbünden. Die Gründung des Empire und die Kaiserkrönung vom 2. Dezember
1804, die Königskrönung in Mailand, die Eroberung Neapels, die Umwandlung
der Satellitenstaaten in Vasallenfürstentümer, die Napoleon in seiner Familie
aufteilte, und schließlich die Deutschlandpolitik, die mit der Verleihung der
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vollen Souveränität an die drei verbündeten süddeutschen Staaten Baden, Würt-


temberg und Bayern die Rheinbundgründung von 1806 und die völlige Auflösung
des alten Reiches vorbereitete, ließen vielmehr immer deutlicher die ehrgeizige
Zielsetzung einer imperialen Politik auf dem Kontinent hervortreten.
Napoleon und Was von der Bündnispolitik Napoleons zu halten war, zeigte die Behandlung
Preußen
preußens. jn den vom preußischen Unterhändler Graf Haugwitz unterzeichneten
Verträgen von Schönbrunn (15. Dezember 1805) und Paris (15. Februar 1806) bot
Napoleon Preußen die Besitznahme Hannovers an. Wie wenig ernst dieses schein-
bare Bündniswerben gemeint war bei dem es nur darum ging, Preußen mit
England zu verfeinden und von Interventionen in Deutschland abzuhalten -,
-

bewiesen die Verhandlungen mit England, dem Napoleon die Rückgabe Hanno-
vers in Aussicht stellte. Überdies mußte Preußen erfahren, daß das neu gegründete
Vasallenfürstentum Berg für Napoleons Schwager Joachim Murat dazu bestimmt
sei, als Pufferstaat am Rhein zu dienen und die preußische Politik nach Osten
abzudrängen. Die Schaukelpolitik Friedrich Wilhelms III., der im November 1805
nach der Besetzung Hannovers durch französische Truppen einen Beistandspakt
mit dem Zaren im Vertrag von Potsdam abgeschlossen hatte, trug allerdings
ihrerseits dazu bei, das Ansehen Preußens zu kompromittieren. Die Gründung
des Rheinbundes mußte von Preußen als Brüskierung empfunden werden, zumal
Napoleon nicht mehr daran dachte, das von ihm selbst vorgeschlagene Projekt
eines norddeutschen Bundes unter preußischer Schirmherrschaft zu unterstützen.
Der Kriegsausbruch, auch wenn er weder von Napoleon noch von Friedrich
Wilhelm III. direkt beabsichtigt war, stellte das folgerichtige Ergebnis einer
aggressiven Diplomatie dar, die nicht mehr bereit war, die Gleichberechtigung
des Bündnispartners anzuerkennen.
Der vierte, preußisch-russische Koalitionskrieg endete nach der katastropha-
len Niederlage Preußens bei Jena und Auerstedt und nach dem Sieg Napoleons
-

Der Friede von Tilsit über die Russen in der Schlacht von Friedland mit dem Frieden von Tilsit. Nur
dank der Fürsprache des Zaren entging Preußen seiner völligen Vernichtung.
-

Übrig blieb jedoch lediglich ein um die Hälfte verkleinerter Reststaat, der zu
einer Macht zweiten, wenn nicht dritten Grades absank. Aus einem Teil der
altpreußischen Gebiete entstand ein neuer Napoleonidenstaat, das Königreich
Westfalen unter Jerome Bonaparte; die polnischen Provinzen wurden unter der
Krone Sachsens, das dem Rheinbund beitrat, zum Großherzogtum Warschau
zusammengefaßt. Mit dem jungen Zaren Alexander L, der sich in der Rolle des
kontinentalen Schiedsrichters gefiel und schon nach Preßburg seine Vermittlung
zu Friedensverhandlungen zwischen England und Frankreich angeboten hatte,

schloß Napoleon einen Freundschaftspakt. Die glanzvollen Pläne, die er dem


Zaren vortrug, umfaßten die ganze Welt: die Aufteilung der Türkei, ein Bündnis
mit Persien, die Eroberung Indiens, die Bekämpfung der englischen Kolonial- und
Seeherrschaft, die Beherrschung des Kontinents durch die beiden Flügelmächte.
Napoleon stand auf dem Höhepunkt seiner Macht.
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Französische Revolution und Europa 53

Dennoch blieb das von der napoleonischen Propaganda vielgepriesene „Werk


vonTilsit" brüchig. Die hochfliegenden Pläne, die Napoleon gleichzeitig und in
alle Richtungen verfolgte, fügten sich nicht zu einem Gesamtkonzept oder zu
jenem „großen Plan", den die Historiker später immer wieder zu entdecken
versuchten. Alle Anstrengungen, die Napoleon dem Wirtschaftskrieg gegen Eng-
land und dem Ausbau des Grand Empire widmete, hielten ihn nicht davon ab, auch
seine Eroberungsabsichten im Mittelmeer und im Orient durchsetzen zu wollen.
So aber war der Konflikt mit Rußland bereits in Tilsit abzusehen. Schon die
russisch-französischen Verhandlungen nach Preßburg waren an der Weigerung
Napoleons gescheitert, seine Mittelmeerinteressen aufzugeben. Als er 1806 Seba-
stiani nach Konstantinopel sandte, diente diese Mission vielmehr dem Ziel, die
Türkei zu konsolidieren, um den Russen den Zugang zum Mittelmeer zu ver-
wehren. Die Sicherung des französischen Einflusses an der italienischen Adria-
küste gegenüber der Pforte und die Annexion Istriens und Dalmatiens kündigten
an, daß Frankreich nicht mehr gewillt war, die Türkei den russischen und öster-
reichischen Interessen zu überlassen. Die orientalischen Versprechungen von
Tilsit erfüllten insofern nur den Zweck, Rußland bis zum Friedensschluß mit
England in der Allianz zu erhalten. Und auch der Zar dachte in Tilsit möglicher-
weise nur daran, Zeit zu gewinnen. Es ist kaum zu durchschauen, wer wen
überlistete.
Die Deutschland- und Europapolitik dieser Jahre steckte voller Widersprüche. Widersprüchlichkeit
Nach Tilsit begann die Ära der napoleonisch-rheinbündischen Reformen, insbe- ier napo'eomschen
i Ii r i i
Deutschland-und
sondere in den beiden „Modellstaaten" und die den
......

Berg j •

Westfalen, übrigen Europapolitik


Rheinbundstaaten zum Vorbild dienen sollten. Die Verwaltungs-, Rechts-, Wirt-
schafts- und Gesellschaftsreformen ermöglichten eine gewisse Homogenisierung
des deutschen Machtbereichs und eine Anpassung der auf den Ruinen des alten
Reiches entstandenen Rheinbundstaaten an die nachrevolutionäre Herrschafts-
und Gesellschaftsordnung Frankreichs. Andererseits benutzte Napoleon aber
auch das traditionelle Herrschaftsmittel dynastischer Beziehungen. Mit der Ein-
setzung seiner Brüder und Verwandten zu Vasallenfürsten und mit der Vergabe
von Dotations-Domänen an den imperialen Adel Frankreichs gründete er ein

feudal gegliedertes Reich der Familie. Der Rheinbund blieb in erster Linie eine
Militärallianz. Die Napoleonidenstaaten konnten ihre Vorbildfunktion nicht er-
füllen, weil sie militärisch, finanziell und wirtschaftlich von Frankreich ausge-
beutet wurden.
Aber auch die Englandpolitik, die nach Tilsit in das Zentrum der napoleonischen
Planungen trat, traf keine klare Wahl. Die in den Berliner und Mailänder Dekreten
von 1806/07 verfügte Kontinentalsperre im Wirtschaftskrieg gegen England konnte
nur funktionieren, wenn die Küstenländer von sich aus ihre Häfen den englischen

Waren versperrten und den Schmuggel unterbanden. Die Unterdrückungspolitik


Napoleons war j edoch wenig dazu geeignet, die eroberten und verbündeten Länder
gefügig zu machen. Auch wenn die Schutzzollwirkung der Kontinentalsperre
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begrüßt wurde, so war doch andererseits das Kontinentalsystem allzu offensicht-


lich darauf abgestellt, den französischen Wirtschaftsinteressen den Vorrang ein-
zuräumen. Außerdem vermischten sich die wirtschaftspolitischen mit imperialen
Ambitionen. Um den Widerstand gegen die Blockade zu brechen, annektierte
Napoleon 1810 ganz Holland und die Nordseeküste bis Lübeck. Um Portugal der
Kontinentalsperre zu unterwerfen, ließ er es durch spanische Truppen besetzen. Die
Interventionen in Spanien verführten ihn schließlich dazu, auch dieses Land in einen
Vasallenstaat umzuwandeln und seinen Bruder, Joseph Bonaparte, in Madrid zum
Volksaufstände und König einzusetzen. Napoleon provozierte damit einen Volksaufstand, der in
Zusammenbruch des
Europa wie ein Fanal wirkte und den er nicht mehr niederzuschlagen vermochte.
Empire Dem
spanischen Aufstand von 1808, der von England mit Waffen und militärischen
Beratern unterstützt wurde, folgte 1809 die Erhebung Österreichs, die sich nach
Waffenstillstand und Frieden im Volksaufstand der Tiroler Bauern fortsetzte. In
Preußen diskutierten die Militärs die Möglichkeiten eines nationalen Volkskrieges.
Der Zusammenbruch des Empire begann, als Napoleon die Anwendung der Blok-
kade auch dem Zaren aufzuzwingen versuchte und im Juni 1812 den gewagtesten
seiner Feldzüge unternahm, den Marsch der Grande Armee ins Innere Rußlands.
Als die über siebenhunderttausend Mann starke Armee Deutschland durchzog und
von der Bevölkerung verpflegt werden mußte, schrieb der König von Westfalen,

Jerome Bonaparte, warnend an seinen Bruder: „Die Gärung hat den höchsten Grad
erreicht... Die Verzweiflung der Völker, die nichts mehr zu verlieren haben, weil
man ihnen schon alles genommen hat, ist zu fürchten." Der Befreiungskrieg von

1813 wurde nicht von ungefähr von Preußen und Rußland angeführt, j enen beiden
Staaten, die als Agrarländer unter der Kontinentalsperre am meisten zu leiden
hatten.
Die spanische Erhebung von 1808 markierte den Wendepunkt in der Geschichte
des Empire. Die Losung der Revolutionsideologen „Krieg den Palästen, Friede
den Hütten", die auch noch den napoleonischen Kriegen zur Rechtfertigung
gedient hatte, wurde vollends ad absurdum geführt. In Spanien, in Österreich
und später in Preußen kämpften die französischen Soldaten nicht mehr gegen die
„Söldner der Tyrannen", sondern gegen nationale Bewegungen, die sich ihrerseits
auf die Freiheitsparolen der Revolution gegen die „Fremdherrschaft" beriefen.
Die Sprengkraft der revolutionären Impulse, die Frankreich Europa vermittelte,
wirkte sich auf andere Weise aus, als es die Girondisten 1792 vorausgesehen hatten.
Die Völker Europas wurden nicht durch die Revolutionsarmeen befreit; dennoch
wurde das Bündnis von nationaler Idee und bürgerlicher Emanzipationsbewe-
gung eingeleitet. Gleichzeitig mußten die Regierungen erkennen, daß die tradi-
tionale Herrschafts- und Gesellschaftsordnung dem Ansturm des revolutionären
Volksheeres nicht mehr gewachsen war. Die Modernisierung des Ancien Regime
wurde zu einem Mittel der Selbstbehauptung. Insofern verfehlte der Krieg nicht
seine revolutionierende Wirkung, zumal er allenthalben die Meinungen polari-
sierte und zu gradlinigen Entscheidungen zwang.

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Deutschland um 1800 55

5. Deutschland um 1800

Die Frage, warum in Deutschland die Revolution ausblieb und durch Reformen Deutschland
verhindert werden konnte, ist in der Forschung vielfach erörtert worden. Es lassen
sich mehrere Gründe anführen, die eng miteinander zusammenhängen. Erstens
*|le
franzoslsche

war in der ökonomisch relativ rückständigen und politisch


zersplitterten Viel-
staatenwelt des alten Reiches das Bürgertum zahlenmäßig schwächer vertreten
und der Adel weniger mächtig als in Frankreich. Im Gegensatz zum aufstrebenden
Handels- und Manufakturbürgertum blieb das an der alten Nahrungsökonomie
orientierte Zunftbürgertum noch ganz in die ständische Sozialordnung eingebun-
den. Der größte Teil des Bildungsbürgertums und des Adels stand im Dienst der
zahlreichen Fürstenhöfe. Eine adlig-bürgerliche Revolte wie in der französischen
Vorrevolution war nicht zu befürchten. Zweitens war das städtische Bürgertum
sehr heterogen zusammengesetzt. Es gab nicht nur die Differenzierung nach
sozialen Schichten; es gab auch sehr große regionale Unterschiede in der verfas-
sungsrechtlichen Stellung, im Verhältnis zum Adel, in der wirtschaftlichen Inter-
essenlage und der sozialen Mentalität. Das Bürgertum der oberdeutschen Reichs-
städte besaß einen anderen politisch-gesellschaftlichen Status als das Bürgertum
der Hansestädte oder der Residenzstädte. Drittens kam es in Deutschland nur zu
lokal begrenzten Handwerker- und Bauernunruhen, die sich zumeist gegen
örtliche Mißstände und nur selten gegen die Fürsten richteten. Es fehlte eine
breite bürgerliche Opposition, die bereit gewesen wäre, mit aufrührerischen
Bauern und Handwerkern zu paktieren. Viertens begründete schon der Aufge-
klärte Absolutismus, der sich in Frankreich gegen die adlig-bürgerliche Opposi-
tion nicht mehr durchzusetzen vermochte, die Tradition des Reformismus. Der
Herrscher wurde nicht als Gegner, sondern als Hüter und Inaugurator der bürger-
lichen Gesellschaft angesehen.
Besonders wichtig erscheint es, daß schon das Reformwerk Friedrichs des Reformendes
Großen in Preußen und Josephs II. in Österreich um nur die berühmtesten
... ..
Abklärten
Absolutismus
Beispiele zu nennen Vorleistungen erbrachte,
Iii-
die später unter dem Einfluß n n
-

des revolutionären und napoleonischen Frankreich mit größerem Erfolg


-

fortgesetzt werden konnten. Der Aufgeklärte Absolutismus unterscheidet


sich von der absolutistischen Monarchie der Epoche Ludwigs XIV. durch ein
verändertes, säkularisiertes Herrscherverständnis, das die alte Vorstellung vom
Gottesgnadentum aufhob. Friedrich der Große leitete den Staat im Sinne der
Staatstheorie der Aufklärung aus einem Gesellschafts- und Herrschaftsvertrag
ab, der den Regenten dazu verpflichtetet im Interesse aller Untertanen für das
allgemeine Beste zu sorgen. Als Diener seines Volkes wurde der Herrscher in
die Gesellschaft mit einbezogen. Das preußische Landrecht von 1791/94, das
Friedrich II. vorbereiten ließ, garantierte bereits die Grundrechte der bürger-
lichen Freiheit und Gleichheit. Joseph II. verkündete 1781, acht Jahre vor der
französischen Revolution, die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Er forderte
-

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56 I. Darstellung

konsequenter als Friedrich IL, aber auch mit einer Rigorosität, die letztlich
zum Scheitern verurteilt war die Abschaffung aller Adelsprivilegien und der
historischen Rechte in den Provinzen.
-

Es wurden zumindest Versuche unternommen, die Theorie in die Praxis


umzusetzen. Das neue
Leistungsprinzip im Staatsdienst galt gleicherweise für
adlige und bürgerliche Beamte. Wer ein Amt ausübte, mußte dazu befähigt sein.
Auch der Bürger konnte deshalb Aufstiegschancen wahrnehmen, während der
Dienstadel gezwungen war, sich dem meist besser gebildeten Bürgertum anzu-
passen. 1755 wurde in Preußen das Staatsexamen für Juristen und 1770 für
Verwaltungsbeamte eingeführt. Die Nachfrage des Staates nach einer durch Lei-
stungswissen geschulten Intelligenz führte überall in Deutschland zur Förderung
von Universitäten und Gelehrtenschulen. Im
preußischen Landrecht wurde die
Bildungsqualifikation noch besonders dadurch betont, daß alle Akademiker, die
einen ihrem Grad entsprechenden Beruf ausübten Beamte, Geistliche, Gym-
nasiallehrer, Arzte u. a. durch eine Reihe von Vorrechten dem Adel gleichgestellt
-

waren. Das sog. „eximierte Bürgertum" wurde aus der ständischen und lokalen
-

Rechtsordnung herausgelöst; es war nicht zum Militärdienst verpflichtet, es genoß


Steuerbefreiungen und besaß ein exemtes Forum, d. h. es war direkt den könig-
lichen Gerichten unterstellt. So entstand eine außerständische, adlig-bürgerliche
Beamten- und Bildungselite, die integrierend für die Gesamtgesellschaft wirkte.
Sie war jedoch viel enger als in Frankreich an das Ideal der Pflichterfüllung im
Staatsdienst gebunden.
Teilerfolge der Die wirtschaftliche Förderung des Bürgertums, insbesondere die staatliche
Wirtschaftspolitik Manufakturpolitik, veränderte gleichfalls das traditionelle
Ständegefüge. Der
forcierte Aufbau der Manufakturen drängte ebenso wie die Vergabe von Frei-
meisterpatenten und die Protektion außerzünftiger Gewerbe die Macht der
-

Zünfte zurück. Die Standesgrenzen verwischten sich, wenn Friedrich der Große
-

in Schlesien auch die Adligen dazu aufforderte, Manufakturen zu bauen. In


Osterreich wurde das Verbot für den Adel, Handel und Gewerbe zu betreiben,
aufgehoben. Auch die konfessionellen Schranken wurden nicht mehr länger
anerkannt. Selbst die aufgeklärt-absolutistischen Regierungen in den geistlichen
Staaten setzten sich für die Einführung der religiösen Toleranz ein, eine Reform,
die nicht zuletzt dem wirtschaftlichen Zweck diente, protestantische und calvini-
stische Kaufleute ins Land zu ziehen. Joseph II. verwies in diesem Zusammenhang
auf den Reichtum der protestantischen Länder Holland und England und sah in
der Toleranz ein Mittel, eine ähnliche Entwicklung in den katholischen Ländern
einzuleiten.
Gerade die Wirtschaftsreformen zeigen allerdings nicht nur die Möglichkeiten,
sondern auch die Grenzen des Aufgeklärten Absolutismus. Das Aufstiegsstreben
der meisten Bürger konzentrierte sich auf die Beamtenkarriere. Die Bürokratie
„als ein neuer, der geburtsständischen Gliederung enthobener Berufsstand, mit
dem sich bis zur Jahrhundertwende kein anderer bürgerlicher Stand messen

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Deutschland um 1800 57

konnte", gewann zunehmend an politischem Gewicht und sozialem Ansehen


[578: H. H. Gerth].
Hinzu kam, daß fast alle deutschen Fürsten an den veralteten Prinzipien des
Merkantilismus festhielten. Zu den wenigen Ausnahmen zählen Joseph II. und
Markgraf Karl Friedrich von Baden, die beide Anregungen der Physiokraten und
Freihändler aufnahmen. Anders als Joseph IL, der in den Wirtschaftsprozeß
möglichst wenig eingriff und den Aufbau der Manufakturen nur finanziell unter-
stützte, verlieh Friedrich der Große den neu gegründeten Fabriken Monopol-
rechte und Privilegien, die kaum dazu beitrugen, die Privatinitiative und Konkur-
renzfähigkeit der Unternehmer zu fördern. Die etatistischen und die privilegierten
Manufakturen verließen sich vielmehr auf die staatliche Hilfe. Außerdem produ-
zierten sie ohne Rücksicht auf die Marktnachfrage mit Vorliebe teure Luxusgüter,
die angeblich viel Geld einbrachten aber eben nur, wenn sie Käufer fanden. In
Preußen gab es 1785 nicht weniger als 6000 Seidenfabrikanten und 700 Porzellan-
-

und Fayencehersteller. Auf diese Weise ließ sich die Konkurrenz der preiswerten
britischen Waren nicht aus dem Felde schlagen.
Die Agrarreformen des Aufgeklärten Absolutismus endeten an den Grenzen
der Adelsherrschaften. Adlige Ubergriffe auf das Bauernland wurden anders als
in England durch den Bauernschutz bzw. das Verbot des Bauernlegens abge-
-

wehrt. Die Sicherung des bäuerlichen Besitzes lag zugleich im Eigeninteresse des
-

Staates, dem der Bauernstand die Mehrzahl der Soldaten lieferte. Die Bauern-
befreiung kam jedoch nur zögernd in Gang. In Preußen wurden bis 1806 rund
50 000 Domänenbauern, etwa ein Siebtel, durch Ablösung der Fronden und
Vererbpachtung der Höfe zu selbständigen Eigentümern gemacht. Nur vereinzelt
schlössen sich adlige Gutsherren diesen Maßnahmen an. Friedrich II. bemühte sich
vergeblich darum, die Fronden, die die ostelbischen Bauern an fünf bis sieben
Tagen in der Woche auf den Gutshöfen zu leisten hatten, zeitlich zu fixieren und zu
begrenzen. Joseph II. forderte den Widerstand des Adels heraus, als er 1781/85 die
Leibeigenschaft, d. h. die Erbuntertänigkeit mit Schollenbindung, aufhob und die
völlige Abschaffung der unbezahlten Fronarbeiten verfügte. Ebenso hartnäckig
widersetzte sich der Adel der geplanten Grundsteuerreform, die die Steuerprivi-
legien beseitigte und die Abgabenbelastung der Bauern auf ein Maximum von
30 % ihrer Einnahmen festlegte. 1789, kurz vor seinem Tode, konnte Joseph II. mit
Recht von sich behaupten, er habe bereits in seinen Ländern das zu verwirklichen
versucht, was das französische Volk „ä grands cris" verlange. Die Vorgänge in
Frankreich bewirkten allerdings auch, daß seinen Nachfolgern die Forcierung der
Reformen nicht mehr ratsam erschien. Anders als in Preußen und im rheinbündi-
schen Deutschland wurden die Reformen in der Habsburgermonarchie von
Verbesserungen im Heerwesen und der Rechtskodifikation abgesehen in der
-

napoleonischen Zeit nicht fortgeführt.


-

Das größte Hindernis für die Selbstentfaltung der Gesellschaft lag wohl im Trennung von Staat
Regierungssystem des Aufgeklärten Absolutismus begründet. Nach Friedrichs IL und Gesellscnaft
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Ansicht war der Herrschaftsvertrag unwiderruflich. Der absolutistisch regierende


Monarch war nicht dazu bereit, politische Rechte an die Gesellschaft abzutreten
und das Freiheitsideal der Aufklärer zu erfüllen. Selbst die preußischen Land-
rechtsautoren, wie Svarez und Klein, die sich weit mehr der Aufklärungsphiloso-
phie verpflichtet fühlten als Friedrich der Große, beharrten auf dem Standpunkt,
daß man die bürgerliche Freiheit genießen könne, ohne an der politischen teilzu-
haben. Es sei möglich, so meinte Ernst Ferdinand Klein, die eine, nämlich die
Freiheit vom Staat, zu besitzen, ohne die andere, nämlich den freien Staat, zu
haben. Die „bürgerliche Freiheit" beschränkte sich auf eine private Reservat-
sphäre, die der Staat respektierte. Deshalb war der Aufgeklärte Absolutismus
nur im Rahmen einer Gesellschaftsordnung möglich, die ein politisch-selbstbe-

wußtes Bürgertum nicht zuließ. Der Reformmonarchismus stieß insofern an seine


eigenen Grenzen, denn die egalisierende Gesellschaftsveränderung, die er zugun-
sten des Bürgertums einleitete, bedeutete zugleich eine Gefahr für die monar-
chische Selbstherrschaft.
Entstehung des Schon vor 1789 gab es Anzeichen dafür, daß sich das zwiespältige Bündnis
Konservatismus zwjscnen Absolutismus und Aufklärung aufzulösen begann. In Österreich stan-
den die letzten Regierungsjahre Josephs II. im Zeichen einer Wiedererstarkung des
Adels. In den österreichischen Niederlanden, in Ungarn, Böhmen und Galizien
kam es zu Revolten und Aufständen, die sich gegen die Verwaltungszentralisation
und die Beseitigung der Steuerprivilegien richteten. Weite Kreise des Klerus
unterstützten Kardinal Migazzi in seinem Widerstand gegen die josephinischen
Kirchenreformen und Klostersäkularisationen. Joseph II. mußte einen Teil seiner
Reformen widerrufen. Gleichzeitig kritisierte die aufgeklärte Intelligenz das
Reformwerk, weil es ihr nicht weit genug ging. Der Kaiser sah sich gezwungen,
die Zensur zu verschärfen, um die Öffentlichkeit vor den „Broschürenschmie-
rern" zu schützen. Bedeutsamer noch war, daß ausgerechnet Preußen, das in ganz
Europa vielbewunderte Zentrum der politischen Aufklärung, nach dem Tode
Friedrichs des Großen einen reaktionären Kurs einschlug. Mit dem Religions-
edikt vom 9. Juli 1788 begann eine Kampagne gegen den theologischen Rationa-
lismus der Aufklärung, die auf den erbitterten Widerstand der aufklärerischen
Publizisten stieß. Das Edikt bedrohte alle Prediger, die vom wahren protestanti-
schen Bekenntnis abwichen, mit Entlassung und Disziplinarstrafen. Der Verfasser
des Edikts, der Minister für Erziehung und Religion, Johann Christoph Wöllner,
gehörte wie Bischoffwerder, der Leiter für auswärtige Angelegenheiten, dem der
Aufklärung feindlich gesinnten Orden der Rosenkreuzer an, dem auch der
preußische König nahestand. Kurz zuvor war auch Bayern auf eine antiaufkläre-
rische Politik eingeschwenkt: 1785 ließ Kurfürst Karl Theodor den Illuminaten-
orden, einen am Freimaurertum orientierten Geheimbund mit radikal-aufkläre-
rischer Zielsetzung, verbieten und die Mitglieder des Ordens, dem vorwiegend
junge Akademiker, Verwaltungsbeamte und Juristen angehörten, verfolgen. 1786
erschien das vielbeachtete Pamphlet des Weimarer Regierungsbeamten August

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Deutschland um 1800 59

Anton von Göchhausen unter dem Titel „Enthüllung des Systems der Weltbürger-
Republik", das erstmalig die „Verschwörungstheorie" entwickelte und behaup-
tete, Freimaurer und Illuminaten bildeten eine weltweit organisierte Verschwö-
rung zur Vernichtung der bestehenden Religion, der Gesellschaft und der politi-
schen Autorität.
So entstand in Reaktion auf die Aufklärungsbewegung schon vor Ausbruch der
französischen Revolution eine konservative Strömung, die ihrerseits dazu beitrug,
daß sich die Kritik der Aufklärer verschärfte und in Einzelfällen radikalisierte.
Das war nicht von Anfang an so. Es gehört vielmehr zu den Besonderheiten der Die deutsche
- -

deutschen Aufklärung, daß sie ihre wichtigsten Fehden auf dem religiös-kultu- Aufklarungs-
rellen Gebiet austrug, was offensichtlich mit der Dominanz des Bildungsbürger-
tums und der relativen Schwäche des Wirtschaftsbürgertums zusammenhing.
Bedeutende Aufklärer wie Lessing, Nicolai und Mendelssohn waren alle in
erster Linie in Religionsstreitigkeiten verwickelt. Noch in den siebziger Jahren
- -

erregte bezeichnenderweise der Toleranzstreit Lessings mit dem Hamburger


Hauptpastor Goeze das meiste Aufsehen. In zunehmendem Maße verquickte
sich die Religionskritik aber auch mit politisch-gesellschaftlichen Reformvorstel-
lungen. Es kam vor, daß im Kampf gegen Orthodoxie und Obskurantismus der
religiöse in den politischen Radikalismus umschlagen konnte, auch wenn damit
noch kein klares politisches Programm verbunden war. Adam Weishaupt, der
Gründer des Illuminatenordens, wollte nicht nur eine neue Kirche, sondern
auch einen neuen Staat schaffen, der von den Illuminaten geleitet werden sollte.
Carl Friedrich Bahrdt, der Extremist unter den protestantischen Theologen,
gelangte von der Kritik am biblischen Christentum zu Forderungen einer politi-
schen und sozialen Umwälzung. Eulogius Schneider, ein ehemaliger Franziska-
nermönch, der 1791 von der Bonner Universität nach Straßburg zog, predigte als
Domherr am Straßburger Münster die Erfüllung des Christentums in der franzö-
sischen Revolution.
In der Mehrheit vertraten jedoch die deutschen Aufklärer gemäßigte Forde-
rungen: Brüderlichkeit und Duldsamkeit, Toleranz der Christen, Niederlegung
der Ständeschranken, Respektierung der Menschenrechte, Emanzipation der
Juden, Kampf gegen Vorurteile und Aberglauben. Die politischen und gesell-
schaftlichen Kontroversen über Adelsprivilegien, Leibeigenschaft und Zunft-
schranken, über die Berechtigung des Absolutismus und über die Notwendigkeit
der Reichsreform bewahrten noch häufig den Charakter akademischer Erörte-
rungen. Der lehrhaft-professionelle Zug der aufklärerischen Kritik hängt auch mit
dem Einfluß und Ansehen der deutschen Universitäten zusammen. Der bedeu-
tendste Publizist seiner Zeit, August Ludwig Schlözer, war zugleich Universitäts-
professor in Göttingen. Auch das ökonomische Denken entwickelte sich ganz im
Gegensatz zu England nicht nur im Anschluß an marktwirtschaftliche Bedürfnisse
und im engen Kontakt mit dem Wirtschaftsbürgertum, sondern vor allem akade-
misch-bürokratisch. Auf den Universitäten in Königsberg und Göttingen begann

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die Adam-Smith-Rezeption, so vor allem im Königsberger Kreis um den Kant-


schüler Christian Jakob Kraus, aus dem einige der preußischen Reformer hervor-
gingen: die beiden Schrötter, Theodor von Schön und Georg Heinrich Nicolovius.
Wenngleich die Reformdiskussion eher zurückhaltend und sehr grundsätzlich
geführt wurde, so trug sie doch zur Schärfung eines politischen Bewußtseins bei,
das den deutschen im Vergleich zu den englischen und französischen Aufklärern
keineswegs abgesprochen werden kann. „Auch in Deutschland ist bereits vor 1789
öffentlich über die Anerkennung von Menschenrechten, über Freiheit und Gleich-
heit als regulative Prinzipien, über die Legitimierung von Herrschaft und die
Zustimmungsfähigkeit von Gesetzen diskutiert, Kritik an religiöser Intoleranz
und an bäuerlicher Abhängigkeit geübt und politische Reform gefordert worden"
[R. Vierhaus, in: 635].
Die öffentliche Von den immer zahlreicher werdenden Journalisten, Publizisten und Schrift-
Meinung stellern, von der wachsenden Buchproduktion und der Fülle der Zeitschriften und
„Intelligenzblätter" her gesehen, stellte die öffentliche Meinung in Deutschland
einen beachtlichen Faktor dar. Nach zeitgenössischen Schätzungen gab es 1773
dreitausend und 1787 schon sechstausend Berufsschriftsteller. Im Jahre 1791
wurden auf dem deutschen Buchmarkt rund 3200 Titel produziert, darunter
1300 Zeitschriften. Zu den berühmtesten Journalen der neu entstehenden periodi-
schen Presse zählten Schlözers „Staatsanzeigen", das wohl meistgelesene Blatt mit
einer bezahlten Auflage von 4400 Exemplaren, Wielands „Teutscher Merkur",
Nicolais „Allgemeine Deutsche Bibliothek", die von Gedike und Biester heraus-
gegebene „Berlinische Monatsschrift", die in Jena verlegte „Allgemeine Literatur-
Zeitung", Schubarts „Deutsche Chronik", Wekhrlins „Das Graue Ungeheuer"
und seine „Hyperboreischen Briefe". Die Zeitungen organisierten sich ihre Leser-
schaft: In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden in Deutschland mehr als
fünfhundert Lesegesellschaften gegründet. Neben den Freimaurerlogen und den
patriotisch-gemeinnützigen Gesellschaften spielten die Lesezirkel eine wichtige
Rolle bei der Entstehung überständischer Gruppen, die mit wachsendem Selbst-
bewußtsein die Führung im kulturellen Leben übernahmen. Der Verein wurde
zum „Faktor der Mobilisierung im Übergang von der ständischen zur bürger-

lichen Gesellschaft" [602: Th. Nipperdey].


Exklusivität Es bleibt die Frage, ob und inwieweit der Bezug zu einem Publikum hergestellt
der deutschen werc|en
Schnttsteller
konnte, das nicht nur unterhalten und belehrt werden wollte, sondern im
stand. Hat man die Praxis wirklich erreicht? Trotz des Offenthch-
...... „

tätigen
.

Leben ••

keitsanspruchs der Aufklärung blieb der elitäre Zug der Publizistik unverkennbar.
In Deutschland, so vermerkte Nicolai kritisch, beziehe sich anders als in
Frankreich und England der „Stand der Schriftsteller... beinahe bloß auf sich
-

selber", eine Tendenz zur Exklusivität, die mit der klassischen und romantischen
-

Literatur und Philosophie eher noch zunahm. „Sie jammern immer", schrieb
Friedrich Schlegel 1799 im „Athenaeum", „die Deutschen Autoren schrieben
nur für einen so kleinen Kreis, ja oft nur für sich selbst untereinander. Das ist

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Deutschland um 1800 61

recht gut. Dadurch wird die Deutsche Literatur immer mehr Geist und Charakter
bekommen. Und unterdessen kann vielleicht ein Publikum entstehen."
Auch die Welle der Sozietätsgründungen in den siebziger und achtziger Jahren
läßt sich nur bedingt als ein Kennzeichen für die wachsende Selbständigkeit der
Gesellschaft auslegen. Zwar beeindruckt die Vielzahl der Organisationsformen:
Akademien, literarische und gelehrte Gesellschaften, Geheimbünde und Freimau-
rerlogen, Lesezirkel, Lesebibliotheken und Lesekabinette, patriotische und ge-
meinnützige, ökonomische Vereinigungen etc. Aber es fällt doch auf, daß die
Initiative vornehmlich von jener neuen Beamten- und Bildungselite ausging, die
dem Staat näherstand als der stadtbürgerlichen Gesellschaft. Unter den Mitglie-
dern dominieren höhere Verwaltungsbeamte, lokale Amtsträger, Juristen, Theo-
logen, professionelle Gelehrte und akademisch „Gebildete". Ausnahmen wie die
Hansestädte, vor allem Hamburg, wo die Kaufleute führend beteiligt waren,
bestätigen eher die Regel. In vieler Hinsicht flankierten die Aktivitäten der
Aufklärungsgesellschaften die obrigkeitlichen Reform- und Mobilisierungsmaß-
nahmen.
Der Enthusiasmus, mit dem das Bildungsbürgertum 1789 die französische Soziale Situation des
Revolution begrüßte, deutet auf eine weitverbreitete Unzufriedenheit mit den Blldungsburgertums
bestehenden Verhältnissen hin, die sich nicht allein aus der Enttäuschung über den
erlahmenden Schwung des Aufgeklärten Absolutismus erklären läßt. Der Grund
liegt wohl auch in der sozialen Situation der deutschen Intelligenz. Die Nachfrage
des Staates nach einer leistungsfähigen gebildeten Beamtenschaft, die neuen
Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs im Staatsdienst und das Ansehen der
zahlreichen deutschen Universitäten hatten zur Folge, daß es zu viele Akademi-
ker gab. Mit der Zeit reichte das Stellenangebot nicht mehr aus, um alle Berufs-
wünsche zu erfüllen. Die Zahl der kleinen Beamten, der „armen" Gelehrten, der
Hungerdichter, der Anwälte ohne Klienten, der Theologen ohne Amt, die sich
jahrelang mit Hauslehrerdiensten durchschlugen, wuchs an. Im preußischen
Bildungswesen übertraf um 1800 die Anzahl der Bewerber die Zahl der vakanten
Stellen um das doppelte. Die freien Berufe kamen vergleichsweise noch selten vor.
In Preußen studierten 1804 868 Studenten Jura, 625 Theologie und nur 164
Medizin. Die preußischen Anwälte und Notare wurden von der Regierung er-
nannt, und der so festgeschriebene Stand vermehrte sich kaum. Von 1786-1800
erfolgten 232 Ernennungen zum Justizrat. Die zahlreichen Schriftsteller trafen auf
einen Literaturmarkt, der durch ein Überangebot und durch die Schleuderkon-
kurrenz der Nachdrucke blockiert wurde. Für viele blieb der Hauslehrer- und
Hofmeisterposten die einzige Auffangstelle. Kant, Fichte, Hegel, Schleiermacher,
Jean Paul, Hölderlin sie alle beschäftigten sich eine Zeitlang als Hauslehrer. Der
spätere preußische Reformer Gottlob Johann Kunth begann seine Laufbahn als
-

Erzieher der beiden Brüder Humboldt, die später dafür sorgten, daß Kunth doch
noch in den preußischen Staatsdienst eintreten konnte, fn der Regel fühlte sich
jedoch der Hofmeister isoliert und deklassiert, zumal außerhalb der „Gelehrten-

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republik" die Ständeabgrenzung auch weiterhin üblich war. „Es kann mir durch
die Seele gehen", schrieb der Freiherr von Knigge, „wenn ich den Hofmeister in
manchen adligen Häusern demütig und stumm an der Tafel der gnädigen Herr-
schaft sitzen sehe, wo er es nicht wagt, sich in irgendein Gespräch zu mischen, sich
auf irgendeine Weise der übrigen Gesellschaft gleichzustellen, wenn sogar den ihm
untergebenen Kindern von Eltern, Freunden und Bedienten der Rang vor ihm
gegeben wird, vor ihm, der, wenn er seinen Platz ganz ausfüllt, als der wichtigste
Wohltäter der ganzen Familie angesehen werden sollte." Das Sturm-und-Drang-
Drama „Der Hofmeister" von Lenz schilderte ähnliche Szenen, und Goethes
Werther mußte es erleben, daß er, von einem Grafen zum Essen gebeten, vor die
Tür gesetzt wurde, als adlige Gäste eintrafen.
Verletzter Stolz und fehlgeschlagene Hoffnungen, in einem gesicherten und
geachteten Beruf tätig zu werden, aber auch die unerfüllten Aufstiegsträume der
vielen kleinen Beamten beförderten die auch unter den deutschen Aufklärern
vorhandene Neigung zu radikalen Protesten, denen jedoch nur selten Taten
folgten. Die aus der Ferne bewunderte Revolution wurde insofern gerade nicht
als Vorbild für eigene Handlungsmöglichkeiten verstanden. „Die intellektuelle
Ausbildung ist in Deutschland perfekt", so urteilte Mme de Stael aus zeitgenös-
sischer Perspektive über die deutschen im Vergleich zu den französischen Ver-
hältnissen, „aber es geschieht dabei alles nur theoretisch; die praktische Erziehung
ist einzig und allein mit der Verwaltung verknüpft... Und die öffentliche Erzie-
hung, so gut sie auch sein mag, kann Gelehrte bilden, aber keine Bürger."
Die „geistige Die ideelle Ausstrahlung der französischen Revolution zeigt sich besonders
Revolution
deumcn in den Reaktionen führender Repräsentanten des deutschen „Geistes-
lebens", die mit Ausnahme von Goethe, der die Ereignisse in Frankreich von
Anfang an skeptisch beurteilte den Ausbruch der Revolution begeistert feierten.
-

Dichter wie Klopstock, Wieland und Schiller und Philosophen wie Kant, Fichte
-

und Hegel um nur die berühmtesten Namen zu nennen glaubten den Anbruch
eines neuen Zeitalters zu erleben, in dem die Menschheit endlich über Unrecht,
- -

Tyrannei und Unterdrückung triumphieren werde. Die Revolution wurde als


Verwirklichung eigener Ideale, als „Ideenrevolution" begriffen. Friedrich Schle-
gel konnte Fichtes Wissenschaftslehre und Goethes „Wilhelm Meister" mit der
Bedeutung der französischen Revolution gleichsetzen; Kant sah in dem „Expe-
riment" der Franzosen eine Bestätigung für seine Lehre, daß das Naturrecht zu
einer freiheitlichen und friedlicheren Ordnung führen werde. Sein Bild von der
französischen Revolution blieb trotz Terror und Krieg eine Idealkonstruktion.
Die meisten Idealisten wandten sich denn auch anders als Kant angewidert von
- -

den Greueln der Jakobinerherrschaft ab, als sie bemerken mußten, daß die
- -

politische Realität der philosophischen Spekulation nicht mehr entsprach. Kants


Vertrauen auf die wachsende Vernunft der Menschen, das sich auch durch die
Radikalisierung der Revolution nicht erschüttern ließ, implizierte zugleich das
Verbot, die bestehende Ordnung auf dem Wege des Widerstandes zu verändern. In
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seiner Widerstandslehre wies Kant die revolutionäre Wirksamkeit seiner Philo-


sophie zurück. Aber selbst jene Anhänger von Kants Philosophie, die selber zu
Revolutionären wurden, z. B. die „Pilger der Freiheit", die wie Konrad Engelbert
Oelsner nach Paris zogen, oder Georg Forster und Anton Dorsch, die beiden
prominenten Mitglieder des Mainzer Jakobinerklubs, hielten an einer bürgerlich-
aufklärerischen Revolutionsideologie fest. „Ich bleibe dabei", hieß es in einem
Brief Forsters vom Dezember 1792, „daß Deutschland zu keiner Revolution reif
ist, und daß es schrecklich gräßlich sein wird, sie durch das halsstarrige Bestehen
auf die Fortsetzung des unglückseligsten aller Kriege unfehlbar vor der Zeit
herbeizuführen... Unser rohes, armes, ungebildetes Volk kann nur wüten, aber
nicht sich konstituieren." Georg Rebmann, der 1797/98 für die Gründung einer
cisrhenanischen Republik eintrat, erwartete die Revolution „von dem reiferen
Geiste der Deutschen", d. h. ohne die Exzesse der französischen Jakobiner. Es sei
deshalb notwendig, das Volk „aufgeklärter und moralischer" zu machen. Die
Revolution vollzog sich nach Rebmann „in den Köpfen"; sie sollte „durch bloße
Anwendung der moralischen Maximen" zum Guten gelenkt werden. Heinrich
Würzer, einer der bekanntesten norddeutschen Jakobiner, verstand unter Revolu-
tion „in dem eigentlichsten Sinne des Wortes" „eine in die Augen fallende regel-
mäßige Veränderung", eine Definition, die im Grunde nichts anderes meinte als
Reform: „Durch Aufstand und Empörung, das heißt, durch tätliche Verweigerung
des Gehorsams gegen die bestehende öffentliche Gewalt, und Widersetzung gegen
dieselbe mit den Waffen in der Hand, können Revolutionen hervorgebracht und
blutig gemacht werden; aber Aufstand und Empörung ist keine Staatsrevolution.
Diese besteht in der Aufhebung derjenigen Gesetze, nach denen der Staat bisher
regiert wurde, in der Einführung anderer Gesetze an die Stelle der ersteren, in der
Veränderung, die durch die eingeführten Gesetze in der Regierung des Staats
bewirkt wird."
Wenn dennoch die französische Revolution eine Politisierung und Polarisierung Reaktion der
der deutschen öffentlichen Meinung bewirkte, so lag das nicht zuletzt an der Konserratlve

hysterischen Reaktion der Konservativen, die überall Verschwörer am Werke


sahen. In den neunziger Jahren wurden in Preußen die Gegner des Wöllnerschen
Religionsedikts kurzerhand des Jakobinismus verdächtigt. Friedrich Wilhelm II.
setzte nunmehr die religiöse „Subversion" gleich mit „Ungehorsam und Wider-

spenstigkeit gegen Gesetze und Obrigkeit". 1794 wurde Kant von der Zensurbe-
hörde wegen seiner Schrift „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen
Vernunft" gemaßregelt. In Berlin konnte die „Berlinische Monatsschrift", das
Sprachrohr der Berliner Aufklärung, nicht mehr erscheinen; Nicolai war gezwun-
gen, seine „Allgemeine Deutsche Bibliothek" im dänischen Altona herauszubrin-
gen. Auf den Universitäten wurde die Rechtgläubigkeit der theologischen Fakul-
täten überprüft, was in Halle zu einem Aufstand der aufgebrachten Studenten
führte, der von der Fakultät toleriert wurde. Aus Furcht vor jakobinischen
Aufständen gab der Minister für Schlesien, Graf Hoym, die unsinnige Anwei-

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sung, jeden zu verhaften, der über die französische Revolution auch nur zu reden
wagte. Markgraf Karl Friedrich von Baden, der in Karlsruhe ein halbes Jahr-
hundert lang aufgeklärt-absolutistisch regiert hatte, lud 1794 alle interessierten
Fürsten auf eine Konferenz nach Wilhelmsbad ein, „um vertraulich über die
Angelegenheiten zu beraten, die den gefährlichen Geist der Revolution ermuti-
gen und verbreiten könnten, und sämtliche Regierungsmaßnahmen zu vereinen,
um demselben zu begegnen". Es kam zwar nur ein Treffen mit dem Landgrafen

von Hessen-Darmstadt zustande, aber beide Fürsten planten die Gründung einer

„Gesellschaft patriotischer Gelehrter", die eine konservative Zeitschrift und


Flugschrift herausgeben sollte. 1795 erschien erstmalig das Journal „Eudämo-
nia", das zum Sprachrohr des deutschen Konservatismus wurde. Schon 1792
war die „Wiener Zeitschrift" von Leopold Hoffmann gegründet worden, „das

erste offen konservative Journal der deutschen Geschichte" [571: K. Epstein]. In


der Habsburger Monarchie begann unter Franz IL, der 1792 die besonnene
Regierung Leopolds II. ablöste, eine regelrechte Hexenjagd auf vermeintliche
Jakobiner. 1794 kam die österreichische Polizei einer Konspiration auf die Spur,
die sich bis dahin allerdings nur durch radikale Reden und Schriften hervorgetan
hatte. Die Anführer wurden öffentlich hingerichtet oder zu langjähriger Festungs-
haft verurteilt.
Österreichisch- Die österreichisch-ungarische Jakobinerverschwörung liefert ein sehr be-
ungansche Jakobi- zeichnendes Beispiel dafür, daß ein reaktionärer Konservativismus zum Nähr-
nerverschworung
boden des Radikalismus werden kann. Der ungarische Jakobinerzirkel um
Ignaz von Martinovics und die Wiener Verschwörer um Andreas Riedel und
Franz von Hebenstreit schlössen sich ursprünglich zur Verteidigung der
leopoldinischen Reformen zusammen. Schon Leopold II. hatte geplant, durch
eine Vergrößerung des Anteils bürgerlicher und bäuerlicher Vertreter in den
Landständen Ungarns und einiger österreichischer Provinzen einen Partner
gegen die Adelsopposition zu gewinnen. Zu diesem Zweck hatte er eine
Gruppe geheimer Mitarbeiter, darunter Ignaz von Martinovics, unterstützt,
die mit Hilfe von Petitionen und Flugschriften das Projekt fördern sollten. Es
gehört zu den Auswirkungen der französischen Revolution, daß Franz II.
solche Ständeexperimente nicht mehr fortzusetzen wagte. Die franziszeische
Reaktion enttäuschte die Anhänger Leopolds und reizte sie dazu, nunmehr auf
eigene Faust und ohne kaiserliche Zustimmung zu handeln. In dem von
Martinovics verfaßten revolutionären Katechismus stand zu lesen: „Was muß
also das Volk tun, um das völlige Debakel zu umgehen? Antwort: Das, was
Frankreich getan hat, nämlich das Königtum beseitigen und eine demokrati-
sche Republik gründen." Das Eipeldauer Lied, das wahrscheinlich von
Hebenstreit verfaßt wurde, verteidigte die Hinrichtung Ludwigs XVI. und
rief die Bauern zum Aufstand gegen den Adel auf. Die Wiener Verschwörer
ein Kreis von etwa achtzig Personen planten 1794 mit Hilfe einer Volkser-
-

hebung einen regelrechten Staatsstreich. Die Reformbestrebungen erfuhren so


-

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eine radikale Zuspitzung, die mit dem Reformprogramm des Aufgeklärten


Absolutismus, auf das sich die Verschwörer gleichwohl beriefen, nicht mehr
vereinbar war.
Ahnliches läßt sich auch andernorts beobachten. In Norddeutschland, im Norddeutsche
Gebiet um Hamburg und in Schleswig-Holstein, einem Zentrum des Presse- jako'"ner
und Verlagswesens, begann unter dem Einfluß der französischen Revolution ein
Differenzierungsprozeß der politischen Öffentlichkeit, der gleichfalls eine radi-
kale Richtung, die nicht mehr nur Freiheit, sondern auch Gleichheit verlangte,
entstehen ließ. Die Aufklärungsbewegung spaltete sich in zwei feindliche Lager.
Während das Hamburger Handelsbürgertum den Girondisten nahestand, sym-
pathisierten Intellektuelle und Handwerker mit der Bergpartei Robespierres. Auf
Maueranschlägen in Altona bezeichneten die Jakobiner den Adel als „Abschaum"
der Gesellschaft und seine Mitglieder als „Hofdiebe". Wie Hebenstreit, den man
eine Art „österreichischen Babeuf" [571: K. Epstein] genannt hat, propagierte der
Flensburger Jakobiner Georg Conrad Meyer in seiner Zeitschrift „Der neue
Mensch" die gleichmäßige Verteilung der Vermögen, allerdings „soweit sie ohne
Kränkung des Eigentums anderer möglich ist". Die Hoffnung auf Reformen
wurde jedoch selbst in den Jakobinerzirkeln nicht aufgegeben. Trotz der scharfen
Despotismuskritik galt für Meyer auch weiterhin das Vorbild „Friedrichs des
Einzigen". Pläne oder Vorbereitungen dazu, die Theorie in die Praxis umzuset-
zen, gab es in Norddeutschland nicht. Die „wirksamste Waffe" [582: W. Grab]
blieb die Journalistik.
Das Zentrum jakobinischer Aktivitäten lag bezeichnenderweise und aus nahe- Süddeutsche
liegenden Gründen im französischen Macht- und Einflußbereich, im linksrheini- Iakomner
sehen Deutschland und im Süden, in Baden, Württemberg und Bayern, dem
Durchzugsgebiet französischer Truppen. In Mainz und im Linksrheinischen
wurden 1792/93 und 1797, zur Zeit der cisrhenanischen Bewegung, mit franzö-
sischer Hilfe kurzlebige Republiken gegründet. Auf der rechten Seite des Ober-
rheins wurden Verfassungspläne für eine süddeutsche Republik ausgearbeitet und
Aufstände vorbereitet, von denen das Projekt von 1797/98 zur Sprengung des
Rastatter Kongresses am weitesten entwickelt war. Die süddeutschen Jakobiner
fanden Unterstützung aus der Helvetischen Republik und aus dem Elsaß, be-
sonders aus Straßburg, einem Zentrum der französischen Revolutionspropaganda.
Mit der Mainzer Republik von 1792/93 begann der schwierige Versuch, die Die Mainzer
revolutionären Errungenschaften von 1789 auf Deutschland zu übertragen. Vor RePuWlk
dem Einfall der Revolutionsarmee war das Rheinland ein typisches Gebiet des
alten Reiches. Hier residierten vier Kurfürsten, darunter der Reichserzkanzler im
führenden Kurstaat Mainz. Die Reichskirche bewahrte ihren dominierenden
Einfluß, die Reichsritterschaft stellte die adlige Führungsschicht, vor allem in
den Domkapiteln, fn der Reichs- und Kirchenpolitik nahm Mainz eine Schlüssel-
stellung ein. Es unterstützte 1785 maßgeblich den Fürstenbund; es trat im Nun-
tiaturstreit von 1786 und in den Auseinandersetzungen um den Febronianismus

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für die Loslösung der Reichskirche von der Oberhoheit des Papstes ein. Die drei
letzten Mainzer Kurfürsten regierten aufgeklärt-absolutistisch; ihre Hauptsorge
galt der Bildungsreform. Die Mainzer Universität wurde zu einem Zentrum der
Aufklärung. Die Lage der Bauern war bei weitem nicht so drückend wie im
Nachbarland Frankreich. 1787 wurde die Leibeigenschaft aufgehoben, d.h. die
Besitzwechsel- und Sterbfallsgelder wurden ablösbar. Die meisten Bauern besaßen
ihr Land zu Erbpacht. Die steuerliche Belastung war wie in allen geistlichen
Staaten relativ milde. 14-16% der städtischen Bevölkerung waren unterstüt-
-

zungsbedürftig; in französischen Städten lag der Anteil durchschnittlich bei 30-


-

35 %. Soziale Spannungen hielten sich in Grenzen: Während des Mainzer Inter-


regnums von 1774 versuchten die adligen Domherren, das Reformwerk abzu-
stoppen; es kam zu Konflikten zwischen innerstädtischen Gruppen und vereinzelt
zu Unruhen auf dem Land. Es handelte sich jedoch um isolierte Vorfälle, die wie in

Aschaffenburg auf die Wiederherstellung älterer Privilegien zielten oder gegen


eine Überfremdung der Stadt Mainz mit auswärtiger Intelligenz, gegen die
Studenten, gerichtet waren. Am größten war der Widerstand gegen die Toleranz-
patente: Die Rüdesheimer Bauern rebellierten gegen die Einführung eines
deutschsprachigen und deshalb des Protestantismus verdächtigen Gesangbu-
ches; die Aschaffenburger Zunftbürger wehrten sich gegen den Zuzug fremder
protestantischer Kaufleute. Im Grunde machte schon der Kurfürst dieselbe Er-
fahrung wie später die Mainzer Jakobiner: es fehlte ein breit mitdiskutierendes
Publikum, ein Partner, der die Reformen mitgetragen hätte. Statt dessen überwog
das Interesse am Status quo.
1792/93 bemühte sich Custine, der Oberbefehlshaber der französischen
Rheinarmee, ziemlich vergeblich um die Unterstützung der Bevölkerung. Die
führenden Mitglieder des von ihm protegierten Jakobinerklubs entstammten
der Bildungselite: Georg Forster war seit 1788 kurfürstlicher Bibliothekar, der
Theologe Anton Dorsch, der Mathematiker Matthias Metternich, der Philo-
soph Andreas Hofmann und der Arzt Georg Wedekind waren Universitäts-
professoren. Zwar trat eine verhältnismäßig große Zahl von Handwerkern und
kleinen Kaufleuten dem Klub bei, der auf 492 Mitglieder (6% der beitritts-
berechtigten Mainzer) anwuchs ein für die damalige Zeit recht beachtlicher
Organisationsgrad. Aber als Custine die Mainzer Zünfte nach ihren Verfas-
-

sungswünschen befragte ein Appell an das Selbstbestimmungsrecht, der


bezeichnenderweise schon bald dem Programm der „Zwangsbefreiung" wich
-

-, blieb die Resonanz gering. Die Handwerkerzünfte verzichteten auf eine

eigene Stellungnahme und überließen die Initiative dem Mainzer Handelsstand.


Sein Sprecher, der angesehene Großkaufmann Daniel Dumont, überreichte
Custine die „Konstitutionsvorschläge des Handelsstands", die zuvor von 81
der 94 an der Beratung beteiligten Handelsleute gebilligt worden waren.
Dumont lehnte eine radikale Umwälzung, die „einen noch ärgern Despotis-
mus" heraufbeschwöre, ab und empfahl die Reform der Mainzer „Regie-

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rungsverfassung", die „auf ihre ursprüngliche Reinheit zurückgebracht" wer-


den sollte. Zugleich berief er sich auf „die ersten (!) Grundsätze der Fran-
zösischen Revolution" und das Vorbild der konstitutionellen Monarchie.
Nicht ganz so ergebnislos verlief eine Verfassungsabstimmung im Dezember
1792, die mit Hilfe einer Unterschriftensammlung durchgeführt wurde. Rund 400
Mainzer Zunftbürger (17 %) unterschrieben den Wunsch einer „gänzlichen Um-
änderung der Verfassung". In 29 der 40 befragten Landgemeinden in der Umge-
bung von Mainz und Worms kam eine Mehrheit für die Übernahme der „Fränki-
schen Konstitution" zustande. Offenbar war die Neigung zur direkten Aktion auf
dem Land stärker verbreitet als in den Städten, was sich etwa in der spontanen
Pflanzung von ca. 50 Freiheitsbäumen in den rheinhessischen und pfälzischen
Dörfern niederschlug. Die verstärkt auftretenden Proteste wie Abgabenverwei-
gerung und Waldfrevel sowie der häufig geäußerte Wunsch nach der Ablösung von
Beamten wurden nicht selten von politischen Gleichheitsparolen und den Lo-
sungsworten „Patriot" und „Nation" begleitet.
Trotzdem gelang es nicht, über den Kreis einer kleinen aktiven Minderheit
hinaus eine breitere Anhängerschaft zu mobilisieren. Forster, den Custine zum
Vizepräsident der provisorischen Administration berief, kam zu der Überzeu-
gung, daß das deutsche Volk zu einer Revolution noch nicht reif sei. Er trat deshalb
für die Angliederung des linken Rheinufers an Frankreich ein, um auf diese Weise
die revolutionären Errungenschaften zu bewahren. Die hektischen Bemühungen
um die Reunion gipfelten in Repressivmaßnahmen wie Eid- und Wahlzwang. Wer

sich weigerte, den vorgeschriebenen Bürgereid auf die republikanische Verfassung


abzulegen, wurde mit Ausweisung und Deportation bedroht. Ein von einer
Minderheit gewählter „Nationalkonvent der freien Deutschen diesseits des
Rheins" proklamierte im Frühjahr 1793 die Loslösung des Rheinlandes vom
Reich und den Anschluß an Frankreich. Nur der siebte Teil der rheinischen
Gemeinden hatte seine Vertreter entsandt; in Mainz beteiligten sich 372 Bürger
(8 % der Wahlberechtigten) an der Abstimmung. Die Mehrheit der Bevölkerung
verhielt sich passiv.
1797 befürworteten die Cisrhenanen, unter ihnen der junge Görres, mit Unter- Die cisrhenanische
Stützung des Revolutionsgenerals Hoche die Errichtung einer selbständigen, mit BeweSung
Frankreich verbündeten rheinischen Republik. Eine Reihe von Volksgesellschaf-
ten wurde gegründet; die cisrhenanische Agitation versprach die Ermäßigung der
Steuern, die Abschaffung der Feudallasten und den freien Verkauf von Land an
Bauern, fn Koblenz, Köln und Bonn wurde im September 1797 unter Pflanzung
von Freiheitsbäumen die neue Republik ausgerufen. Nach dem Fructidor-Staats-

streich, der in Paris die Partei der „natürlichen Grenzen" wieder ans Ruder
brachte, mußten sich dann auch die Cisrhenanen mit der Annexion des Rhein-
landes abfinden, fhre Propaganda scheint nicht viel erfolgreicher gewesen zu sein
als die der Mainzer Klubisten. Die Reunionsadressen erhielten rund 57 000 Unter-
schriften bei einer Einwohnerzahl von etwa 1,3 Millionen. Man hat von der

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„radikaldemokratischen Grundeinstellung", ja sogar von der „sozialen Demokra-


tie" als Ziel der rheinischen Jakobiner gesprochen [73: A. Kuhn]. Die Souveräni-
tätserklärung vom November 1797, eines der Schlüsseldokumente der cisrhena-
nischen Bewegung, ging jedoch ganz im Sinne der bildungspolitischen Konzep-
tion der Aufklärer davon aus, „daß nicht der große Haufe, der durch Despoten
gegen sein wahres Interesse blind gemacht, verdorben, unwissend, schwach und
durch Elend niedergebeugt ist, sondern die wenigen Männer von Aufklärung,
Kraft und Mut es sind, denen in Revolutionszeiten das Wohl der Gesellschaft
anvertraut ist, und daß der große Haufe, wenn er erst über sein Interesse besser
aufgeklärt ist, den uneigennützigen Absichten der entschlossenen Männer wird
Gerechtigkeit widerfahren lassen, die sich für das Wohl ihrer Mitbürger opferten
und sie dem Despotismus ihrer Unterdrücker entrissen".
Republikanische Wie die Cisrhenanen so setzten auch die süddeutschen Revolutionsfreunde ihre
Bestrebungen in Hoffnung auf eine Unterstützung Frankreichs. Allerdings war der Kreis der
Süddeutschland c „
Verschwörer
,
höchst ,heterogen zusammengesetzt. Er umfaßte
,
Anhänger der
helvetischen Republik, die von Basel aus ihre Tätigkeit auf Süddeutschland aus-

dehnten, Agenten, die sich der französischen Propaganda Verfügung stellten,


zur

studentische Aufstandszirkel, die untereinander in Verbindung traten, fränkische


Reichsritter, die mit dem Projekt einer Adelsrepublik die Gefahr der Mediatisie-
rung abzuwenden hofften, Verbindungsleute zur Ständeopposition in Württem-
berg und Bayern sowie zu oppositionellen Gruppen in einigen Reichsstädten.
Einig waren sich diese verschiedenen Oppositionszirkel nur in der Ablehnung des
Ancien Regime. Der Sammelbegriff „süddeutsche Jakobiner" [619: H. Scheel]
bleibt insofern problematisch. Ernst Jägerschmidt, der Anführer der Baseler
Gruppe, bezeichnete es als Ziel, „den schwäbischen und fränkischen mit einem
Teil des oberrheinischen Kreises zusammenzuziehen und einen Freistaat daraus zu
bilden". Die Aufstandsvorbereitungen gediehen 1797/98 zu dem Plan, in Zusam-
menarbeit mit dem Revolutionsgeneral der Rheinarmee Augereau den Rastatter
Kongreß zu sprengen, ein Unternehmen, das fehlschlug, als die französische Hilfe
ausblieb. In Rastatt war vielmehr deutlich zu erkennen, daß die französische
Regierung die Zusammenarbeit mit den deutschen Fürsten anstrebte. Anfang
März 1799 erschien in Basel eine über hundert Seiten starke Flugschrift, die den
Entwurf einer Verfassungsurkunde für eine deutsche Republik enthielt. Sie rich-
tete sich nach dem Vorbild der französischen Direktorialverfassung. Offenbar
rechneten die Autoren nicht damit, daß die Bevölkerung diese Verfassung unter-
stützen werde. Im Falle eines negativen Votums sollte erklärt werden, daß
diejenigen, die gegen die Verfassung gestimmt hätten, nicht zum deutschen Volk
gehörten. „Ein Volk... muß Mißtrauen in sich selbsten setzen", hieß es in der
Einleitung des Flugblatts, „es hat den Feind in seinem Schöße; es wäre zu
schwankend, wenn es die Auswahl seiner Verteidigungsmittel sich selbst über-
ließe. Die feindseligen Atome müssen von der Auswahl ausgeschlossen werden;
die nützlicheren Charaktere allein, die Menschen allein, deren Leidenschaft nur

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auf den Endzweck der freien Gesellschaft hinarbeiten, müssen ausgesucht wer-
den...".
Auch die Absolutismuskritik der ständischen Opposition ließ sich mit Revolu-
tionssympathien verquicken. Die Opposition der Landstände war im 18. Jahr-
hundert überall dort stark ausgeprägt, wo der Landesherr sich von den Landes-
interessen entfernt hatte, so in Bayern, wo der Kurfürst sich eine Zeitlang auf das
Projekt des Kaisers einließ, Bayern gegen die österreichischen Niederlande aus-
zutauschen, so in Württemberg, wo die protestantischen Interessen gegen das
katholische Herrscherhaus verteidigt wurden. In Württemberg bestand überdies
eine Sondersituation, weil hier der Adel, der durchweg der Reichsritterschaft
angehörte, nicht im Landtag saß, so daß sich die württembergischen Stände fast
ausschließlich aus Bürgern als Vertreter der Städte zusammensetzten. Ständekon-
flikte gab es das ganze 17. und 18. Jahrhundert hindurch; neu war jedoch, daß nach
1789 radikale Forderungen aufkamen, die sich allerdings höchst widerspruchsvoll
mit jenen Bestrebungen vermischten, die in Anknüpfung an das Bestehende das
alte Recht und die Ständeprivilegien bewahren wollten. Einige württembergische
Republikaner dachten an das Vorbild der französischen Generalstände, das nach-
geahmt werden sollte, um die Macht des despotischen Herzogs Karl Eugen zu
brechen.
In Bayern wurden die Pläne zur Schaffung einer süddeutschen Republik auch
von prominenten Persönlichkeiten aus Adel und Bürokratie unterstützt, die im

Gegensatz zum Kurfürsten und zu Österreich standen. Die meisten der über 60
größeren Flugschriften, die in den Jahren 1796 bis 1801, teilweise noch bis 1803, in
Bayern erschienen, vertraten jedoch Reformziele, die auch mit der konstitutio-
nellen Monarchie vereinbar waren. Nach und nach verstummte dann die Opposi-
tion, als mit der Reformregierung von Montgelas eine neue Ära in Bayern begann.
Der Wortführer der republikanischen Bestrebungen, Joseph Utzschneider, stieg
unter Montgelas zum obersten Beamten im bayerischen Finanzministerium auf.
Die Basis für die Umsturzpläne in der städtischen und ländlichen Bevölkerung
blieb auch rechts des Rheins schmal. Die innerstädtischen Konflikte, vor allem in
den Reichsstädten, und die Bauernunruhen hatten zumeist lokale Ursachen und Soziale Unruhen
konnten durch teilweise Behebung der Mißstände in der Regel rasch beigelegt
werden. Die Freiheits- und Gleichheitsparolen der französischen Revolution
lieferten ein Mittel, um die eigenen Forderungen und Ziele, die längst vor 1789
bestanden, nachdrücklicher als bisher zu vertreten. In mehreren Reichsstädten
bildeten sich Bürgerausschüsse gegen die Mißwirtschaft des Magistrats oder gegen
die Exklusivität des städtischen Patriziats, eine Form des Protests, die bereits im
Verlauf des 18. Jahrhunderts üblich geworden war. In Nürnberg, Ulm, Augsburg,
Reutlingen und Esslingen, wo die Auseinandersetzungen zwischen Rat und
Bürgerschaft seit 1789 eskalierten, genügten schließlich doch Konzessionen wie
die Anerkennung des Bürgerausschusses und seine Beteiligung am Stadtregiment,
um eine Beruhigung herbeizuführen. Zunftunruhen und Gesellenaufstände, z. B.

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70 I. Darstellung

in Nürnberg, wo die Schlosser, Schreiner und Schneider auf die Straße zogen und
die Bastillestürmer nachzuahmen versuchten, nahmen zwar neue zunftübergrei-
fende und demonstrationsartige Formen an, ohne daß jedoch zu befürchten war,
die Aufstände könnten sich wie ein Flächenbrand über die Stadtgrenzen hinaus
ausbreiten.
Ahnliches gilt für die Bauernrevolten. Einer der größten Bauernaufstände, an
dem ungefähr 10 000 Bauern beteiligt waren, fand 1790 in Kursachsen statt. Der
Anführer hatte vom Zug der Pariser nach Versailles erfahren und plante, den
Kurfürsten aus seiner Sommerresidenz Pillnitz nach Dresden zu holen. Als
jedoch eine Regierungskommission Abhilfe der Beschwerden versprach und
gleichzeitig ein Tumultmandat den Aufständischen die Todesstrafe androhte,
brach die Revolte zusammen. Die Lebensmittelpreise wurden gesenkt; die Kom-
mission empfahl, die Frondienste der Bauern und die Weiderechte der Gutsherren
zu begrenzen, Maßnahmen, die dann von den Landständen abgelehnt wurden. Die

Bauern mußten jedoch den Eindruck gewinnen, daß die Regierung es nicht bei
Drohungen und Strafen bewenden ließ, sondern gewillt war, die bäuerlichen
Interessen wahrzunehmen.
In Deutschland hatte der Reformismus offenbar mehr Chancen als der Jakobi-
nismus. Es ist insofern nicht allein außenpolitisch bedingt, daß erst die napoleo-
nische Politik, die unter neuen Vorzeichen an die Tradition des Aufgeklärten
Absolutismus anknüpfen konnte, den Anstoß dazu gab, das Ancien Regime zu
modernisieren.

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Ende des Hedigen Römischen Reiches 71

6. Das Ende des heiligen Römischen Reiches

Am Beginn des großen politisch-gesellschaftlichen Umwälzungsprozesses, der in Die territoriale


Re™lution
Deutschland unter dem Einfluß der napoleonischen Herrschaft einsetzte, stand
die sog. territoriale Revolution durch Säkularisation und Mediatisierung, „eine der
größten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen der Neuzeit"
[679: R. Morsey]. Fast alle geistlichen, reichsstädtischen und reichsritterschaft-
lichen Gebiete sowie die kleineren weltlichen Fürstentümer wurden 1803 im
Reichsdeputationshauptschluß und 1805/06 nach dem Frieden von Preßburg
den größeren weltlichen Staaten zugeteilt, die mit dem Erwerb der enklavierten
und benachbarten Territorien ihre flächenstaatliche Gebietshoheit durchsetzen
und ihren Besitz arrondieren konnten. Die zersplitterte deutsche Kleinstaatenwelt
brach zusammen. Die Zahl der reichsunmittelbaren Territorien sank von über
tausend, die Zwergherrschaften der über dreihundert Reichsritter nicht mitge-
rechnet, auf etwas über dreißig. Das alte Reich verlor mit dem Reichsadel und der
Reichskirche seine treuesten Anhänger, die bisher in Kaiser und Reich den
Garanten ihrer eigenen Existenz gesehen hatten. Gleichzeitig banden sich die
dank napoleonischer Hilfe vergrößerten Mittelstaaten immer enger an Frank-
reich. Mit der territorialen Neugestaltung begann so der Prozeß der Reichsauf-
lösung, der 1806 mit der Gründung des Rheinbundes und der Niederlegung der
Kaiserkrone durch Franz II. seinen Abschluß fand.
Der unmittelbare Anlaß der Säkularisation von 1803 ergab sich aus der franzö- Die Säkularisation
von1803
sischen Eroberung der linksrheinischen Gebiete, für deren Verlust die Fürsten
rechtsrheinisch entschädigt werden sollten, was nur durch die Auflösung der
geistlichen Staaten möglich war. Frankreich sicherte sich den maßgeblichen Ein-
fluß auf das Entschädigungsgeschäft durch Einzelverhandlungen, in denen es
versuchte, die Front der ersten Koalition aufzuspalten und die Interessenten
Preußen, Osterreich und die Mittelstaaten gegeneinander auszuspielen. Die
-

deutschen Verhandlungspartner trugen ihren Teil dazu bei, dieser Taktik zum
-

Erfolg zu verhelfen. Als erster Staat stimmte Preußen im Baseler Frieden (5. April
1795) der Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich zu. Es folgten Hessen-
Kassel, Württemberg und Baden. In der Berliner Geheimkonvention vom
5. August 1796 akzeptierte Preußen das Prinzip der kompensatorischen Säkulari-
sation. Auch Österreich verhandelte 1797 und 1800/1801 ohne Konsultierung der
Reichsstände mit den Franzosen. Ein Geheimartikel des im Oktober 1797 zu
Campo Formio ausgehandelten Friedens sah die Abtretung des Rheinlandes
gegen „angemessene Entschädigungen" vor, ein Verzicht, der nur, um preußische
Entschädigungsansprüche zu durchkreuzen, auf die Pfalz und den Mittelrhein
beschränkt wurde. Damit hatte der Kaiser selbst den Grundsatz der Reichsinte-
grität zugunsten der habsburgischen Hausinteressen aufgegeben. Der Reichsfrie-
denskongreß in Rastatt (Dezember 1797-April 1799) mußte sich nach den Be-
dingungen von Campo Formio richten. Die Durchführung wurde jedoch zu-
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72 /. Darstellung

nächst durch den Wiederausbruch des Krieges aufgeschoben. Erst nach dem
Frieden von Luneville (9. Februar 1801) konnte das Entschädigungsgeschäft
durch eine Reichsdeputation aus acht Staaten, die der Kaiser im August 1802
nach Regensburg berief, abgeschlossen werden. Längst ehe sie zusammentrat,
hatte sich Napoleon mit der anderen Garantiemacht des Reiches, Rußland (das
seit dem Frieden von Teschen 1779 an die Stelle Schwedens getreten war), über die
Verteilung der Entschädigungsmasse geeinigt. Der Deputation blieb nicht mehr
viel anderes zu tun übrig, als den russisch-französischen Entschädigungsplan, der
seinerseits auf den Absprachen mit den Einzelstaaten beruhte, im Reichsdeputa-
tionshauptschluß vom 25. Februar 1803 zu verabschieden. Der Reichstag stimmte
am 24. März zu; der Kaiser ratifizierte am 27. April, allerdings mit Ausnahme des

§ 32, der eine Vermehrung der protestantischen Virilstimmen im Reichsfürstenrat


verfügte. Durch die Neuverteilung der Kurstimmen mit Salzburg, Baden,
Württemberg und Hessen-Kassel entstanden vier neue weltliche Kurfürstentü-
-

mer anstelle der beiden geistlichen Kurfürstentümer Köln und Trier ergab sich
auch im Kurfürstenkollegium ein protestantisches Übergewicht, so daß der Ver-
-

lust der Kaiserwürde für das Haus Habsburg zu befürchten war. Mit Ausnahme
des nach Regensburg übertragenen Erzkanzlertums Mainz, des Malteserordens
und des Deutschen Ordens, die beide dank russischer und kaiserlicher Fürsprache
vorerst noch der Säkularisation entgingen, wurden alle geistlichen Territorien und

einundvierzig Reichsstädte zur Entschädigungsmasse geschlagen. Am meisten


profitierten Preußen und die Mittelstaaten. Sie gewannen weit mehr, als sie links-
rheinisch verloren hatten, Preußen etwa das Fünffache, Württemberg das Vier-
fache und Baden das Siebeneinhalbfache der Gebietsverluste. Napoleons Ziel war
es, Preußen als Gegengewicht zu Österreich aufzubauen und eine kleine Anzahl
von abhängigen Mittelstaaten zu schaffen, die stark genug waren, um wertvolle

Verbündete zu werden, aber zu schwach, um eine von Frankreich unabhängige


Politik zu betreiben. Der neue Zar Alexander L, der die Zusammenarbeit mit
Napoleon suchte, war in erster Linie um eine gute Ausstattung der mit ihm
verwandten Dynastien Württembergs, Badens und Hessen-Darmstadts bemüht,
was den französischen Wünschen durchaus entsprach.
Politische Die Säkularisation leistete in mehrfacher Hinsicht einen Beitrag zur Entstehung
Auswirkungen der moderner Staatlichkeit. In Süddeutschland beseitigte sie die Hindernisse für die
Säkularisation
Bildung und Arrondierung größerer Flächenstaaten. Die politische Notwendig-
.....

keit, die neu erworbenen Territorien mit dem Kernland zu einem einheitlichen
Staatsverband zu verschmelzen, gab den Anstoß für das Reformwerk der Rhein-
bundstaaten, insbesondere für die Verwaltungszentralisierung und die Schaffung
einheitlicher Wirtschafts- und Rechtsgebiete. Aber auch in Preußen wurden in den
Entschädigungslanden, so vor allem in Münster und Paderborn, wo 1802/03 der
Freiherr vom Stein mit der Durchführung der Säkularisation beauftragt war, die
ersten Verwaltungs- und Justizreformen erprobt. Mit der Entflechtung von Kirche
und Staat wuchsen zugleich der Regierung neue Aufgaben zu: im Bildungs- und

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Unterrichtswesen, in der Krankenpflege, in der Armenfürsorge. Die Entwicklung


zum modernen Wohlfahrtsstaat bahnte sich an. Außerdem förderte die sehr
lebhafte zeitgenössische Kontroverse über die Säkularisation das aufklärerische
Staatsdenken. Die Debatte über den Wert oder Unwert der geistlichen Staaten
hatte schon vor 1803 eingesetzt. Ein Preisausschreiben, das der Fuldaer Domka-
pitular, der Freiherr von Bibra, 1785 in dem von ihm herausgegebenen katholi-
schen „Journal von und für Deutschland" veranstaltete, forderte dazu auf, die
Gebrechen der geistlichen Staaten zu diskutieren und Mittel zur Abhilfe ihrer
Mängel vorzuschlagen. Offenbar wurde die eigentümliche Verquickung von
weltlicher und geistlicher Gewalt auch bei den Verteidigern der geistlichen
Fürstentümer nicht mehr als selbstverständlich hingenommen. Die berühmteste
-

der Einsendungen, die Antwort des Reichspublizisten Friedrich Carl Moser, trat
-

für die vollständige Abschaffung der geistlichen Staaten und die Errichtung
weltlicher, gewählter Regierungen ein, ohne allerdings einen Ausweg aus dem
Dilemma zu finden, wie das im Rahmen der bestehenden Reichsverfassung zu
verwirklichen sei. Um 1800 versuchten einige Verteidiger der Fürstbischöfe, so vor
allem im Würzburger Kreis um Johann Michael Seuffert, mit den neuen vernunft-
rechtlichen Prinzipien der Vertragslehre und der Volkssouveränität die Existenz
der geistlichen Staaten zu rechtfertigen. Die Wahl der Fürstbischöfe durch das
Domkapitel, meinte Seuffert, käme einer „repräsentativen Verfassung" gleich: Die
Domkapitel bedeuteten für die Landeseinwohner das „Palladium ihrer Freihei-
ten", und die Untertanen betrachteten das Recht, „ihren Fürsten wählen zu lassen,
als das heiligste Kleinod ihrer Verfassung". Das Reich wurde nicht mehr als ein
lehnsrechtlicher Verband, sondern als ein föderalistischer Staatenbund ausgelegt,
in dem eine Auflösung einzelner Glieder nicht möglich sei. Die Würzburger
Theorien, auch wenn sie ihren Gegenstand allzu offensichtlich verfehlten, zeigen
auf ihre Weise, wie fragwürdig die traditionelle, am historischen Reichsrecht
orientierte Argumentation geworden war und wie wenig sie noch zu überzeugen
vermochte. Der Versuch, die alte Ordnung mit „modernen" Argumenten zu
verteidigen, zählt zu den typischen Kennzeichen der Umbruchszeit um 1800.
Nicht jeder, der sich auf die Repräsentatiwerfassung und die Volkssouveränität
berief, war deshalb bereits ein Revolutionsfreund oder gar ein „Jakobiner".
Neben den politisch-rechtlichen hatte die Säkularisation weitreichende soziale Soziale Aus-
der
und ökonomische Konsequenzen. Zum einen förderte sie die Tendenz zur Ent- wlrkunSen
^
Säkularisation
feudalisierung und zur Auflösung der Ständegesellschaft. Die besonderen Bedin-
t t

gungen der geistlichen Wahlstaaten hatten bisher absolutistischen Tendenzen zur


Entmachtung des ständischen Adels enge Grenzen gesetzt. Aber auch in einigen
weltlichen Territorialstaaten veränderte sich die Ständeverfassung, weil die Land-
standschaft der Klöster entfiel. Die bayerische Landschaftsverordneten sahen in
der Vernichtung des Prälatenstandes eine Bedrohung für alle „ständischen Frei-
heiten". Im Reich wurden Bischöfe und Prälaten aus dem Reichstag ausgeschlos-
sen und so aus der Teilhabe an der Reichsregierung verdrängt. Allerdings ging hier

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die mit der Reichsstandschaft der geistlichen Staaten verbundene Stimmführung


auf die weltlichen Erwerber über. Mit 720 Domherrenstellen verlor der stiftsfähige
Adel seine bevorzugte Versorgungseinrichtung für nachgeborene Adelssöhne.
Der Verlust des Ämtereinkommens traf den Adel schwer. Im Fürstbistum Mün-
ster, dem größten der geistlichen Staaten, lag der Anteil des Einkommens aus
kirchlichen, höfischen, verwaltenden und militärischen Ämtern am Gesamtein-
kommen der stiftsfähigen Adelsfamilien im Durchschnitt bei 20 bis 35 %. Mit der
Reichskirche verschwand auch die Adelskirche. Nach 1803 standen die Kirchen-
ämter des höheren Klerus und des Episkopats auch jenen Anwärtern offen, die aus
dem Bauern- und Bürgertum kamen.
Wirtschaftliche Zum andern bewirkte die Säkularisation des Kirchenguts in den katholischen
Auswirkungen der GeD;eten eme Umbildung der Eigentumsordnung. Neben der Herrschaftssäku-
Sakulansation
larisation gestattete der Reichsdeputationshauptschluß die Vermögenssäkularisa-
. . .

tion, ein Erfolg vor allem der bayerischen Diplomatie. In den Paragraphen 35 und
42 wurden die Landesherren dazu ermächtigt, auch die landsässigen Abteien,
Klöster und Stifte aufzuheben und das Kirchengut, einschließlich der Güter der
Domkapitel, einzuziehen. Der kirchliche Grundbesitz fiel an den Staat und zwar
in beträchtlichem Umfang. In Bayern unterstanden bis 1803 mehr als die Hälfte
aller Bauern geistlichen Grundherrschaften, die mit Ausnahme der Besitzungen
des Pfarrklerus und der kirchlichen Stiftungen an den Staat übergingen, d. h. ca.
65 % der bayerischen Bauern lebten jetzt auf Staatsdomänen. Eine kurfürstliche
Verordnung vom 21. Juni 1803 stellte es ihnen frei, das grundherrliche Obereigen-
tum gegen Entschädigung abzulösen. So begann in Bayern mit der Säkularisation

zugleich die Bauernbefreiung, wenngleich vorerst die Möglichkeit der Ablösung


wegen Geldmangel noch nicht wahrgenommen werden konnte.
Verkauf der Ein Teil des Kirchengutes, das bisher nach kanonischem Recht unveräußerlich
Kirchenguter gewesen waf; wurde verkauft. Insofern förderte die Säkularisation mit der Auf-
hebung der sog. Güter zur toten Hand die Mobilisierung des Bodens. Allerdings
wurde nur wenig Land zum Verkauf angeboten, in Bayern schätzungsweise nicht
viel mehr als ein Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Die Käufer waren
in der Regel ehemalige Klostertagwerker und Landhandwerker, die Kleinstpar-
zellen erwarben.
Ganz anders war die Käuferschicht im wirtschaftlich schon weiter fortgeschrit-
tenen Rheinland zusammengesetzt, wo die Franzosen auf der Rechtsgrundlage des
Friedens von Luneville und des Konkordats vom 15. Juli 1801 die Aufhebung und
Einziehung geistlicher Güter (mit Ausnahme der Pfarrgüter) einleiteten. Im
niederrheinischen Raum und im Umkreis der Städte griffen Kaufleute und
Manufakturbesitzer im großen Stil zu. Die Textilproduzenten aus Aachen, Kre-
feld, Köln und Bonn kauften neben Ländereien vor allem Klostergebäude auf, die
dann als Fabriken dienten. In Koblenz tätigten bereits Makler ein Achtel der Käufe,
in Köln sogar etwas mehr als die Hälfte. Nur fünfzig kapitalkräftige Kölner und
Aachener Bürger erwarben knapp die Hälfte aller zum Kauf angebotenen Land-

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guter der Umgebung. In Koblenz sicherten sich die städtischen Käufer, darunter
viele Beamte und Notare, 50 % der Grundgüter und fast alle Häuser. Die nächst-
wichtige Käufergruppe kam aus der Bauernschaft. Im Koblenzer Bezirk waren etwa
die Hälfte aller Käufer Bauern, die allerdings nur ein Drittel der Güter erwarben. Im
Arrondissement Krefeld stellten die Bauern ein Drittel der Käufer. Die meisten
dieser Bauern waren Pächter, die das von ihnen schon seit langem bewirtschaftete
Gut nun käuflich erwarben. Die Käufergruppe, die in Bayern am zahlreichsten
vertreten war Handwerker, Müller, Wirte, Tagelöhner fehlte im Rheinland fast

völlig. Das lag teilweise an der unterschiedlichen Verkaufspolitik. Die Franzosen


-
-

versteigerten mehr Land, je nach Region bis zu 16% der Nutzfläche. Außerdem
wechselten in der Regel die Höfe als Ganzes ihren Besitzer, während die bayerische
Regierung die Anweisung gab, die Ländereien zu parzellieren, um entsprechend
den Kaufinteressen möglichst viele Familien mit einem Stück Land zu versorgen
und die Geldbedürfnisse der Staatskasse rascher zu befriedigen.
Der Vergleich der rheinischen mit den bayerischen Verhältnissen deutet auf eine
grundsätzliche Problematik des französischen Einflusses hin. Das Rheinland war
sozialökonomisch bereits in der Lage, sich dem französischen Vorbild anzupassen
mit allen Vor- und Nachteilen: Einerseits erhöhte sich die Bodenmobilität;
-

ehemalige Pächter wurden zu freien Eigentümern; die städtischen Kaufleute


investierten ihr Kapital in Landbesitz nicht nur um die kriegsbedingte Absatz-
krise ihrer Waren aufzufangen, sondern auch auf der Suche nach langfristigen
-

Renditeobjekten. Andererseits gingen die kleinen Leute wie in Frankreich


zumeist leer aus. Die Kluft zwischen arm und reich verbreiterte sich. In Bayern
- -

hingegen änderte sich nicht viel. Die ehemaligen Klostergrundholden wechselten


lediglich den Grundherren. In mancher Hinsicht hatte die Säkularisation eher eine
demodernisierende Wirkung. Bis 1803 spielten die Klöster als Wirtschaftsmacht
noch eine entscheidende Rolle. Sie waren die Kreditgeber auf dem Lande; sie
versorgten die Handwerker mit Aufträgen, z. B. beim Kirchenbau. Die Aufhe-
bung der Klosterökonomie bedeutete für Bayern einen „sozialen Rückschritt"
[658: R. Haderstorfer] und eine „Reagrarisierung" [695: A. Schlittmeier]. Die
ehemaligen, oft hochqualifizierten Handwerker und Kunsthandwerker der Klo-
sterhofmarken, die sich jetzt ihren Lebensunterhalt auf agrarischer Basis sichern
mußten, fielen aus der bisherigen Differenzierung gewerblicher Betätigung auf die
Stufe von Parzellenbauern zurück. In Baden, wo die Klöster in den breisgauischen
und schwarzwäldischen Regionen gleichfalls wichtige Arbeitgeber und Armen-
fürsorger gewesen waren, versuchte die Regierung, durch eine „Politik der Indu-
strieansiedlung" [498: W. Fischer] die Pauperisierung abzuwenden. Sie entschied
sich deshalb zumeist für den geschlossenen Verkauf von Land und Klostergebäu-
den an Unternehmer, um neue Arbeitsmöglichkeiten für die Bevölkerung zu
schaffen. Das wichtigste Anliegen der badischen Regierung war und blieb jedoch
die „Stärkung des Mittelstandes" und die Förderung des „Gewerbefleißes" in der
Heimindustrie.

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Historische Hinsichtlich des französischen Einflusses auf die Ereignisse von 1803 ist freilich
Tradition und
französischer
zu beachten, daß die Säkularisation auch auf deutschem Boden eine lange histori-
o r
sehe Tradition besaß. Die Vorgeschichte der Herrschaftssäkularisation reicht bis in
..... . . .... .....

Einfluß
die Reformationszeit zurück, tm westfälischen Frieden war 1648 die Säkularisa-
tion von zwei Erzbistümern und dreizehn Bistümern anerkannt worden. Friedrich
der Große plante weitere Säkularisationsprojekte. Die staatskirchenrechtlichen
Vorstellungen des Aufgeklärten Absolutismus schufen ein Klima, das der Säkula-
risation günstig war. Auch die Vermögenssäkularisation besaß ihre Vorläufer.
Joseph II. hatte in Osterreich bereits über siebenhundert „unnütze" Klöster
aufgelöst. Die aufgeklärt-absolutistisch regierenden Fürstbischöfe von Mainz
finanzierten die Bildungsreform und den Ausbau der Universität aus säkularisier-
tem Kirchengut. 1773 gestattet Papst Klemens XIV. die Aufhebung des Jesuiten-
ordens. Pius Vf. erlaubte 1798 dem bayerischen Kurfürsten, die Klöster mit
fünfzehn Millionen Gulden zu belasten, eine Summe, die etwa drei Jahresein-
nahmen des damaligen Herzogtums Bayern entsprach. Die aristokratische Reichs-
kirche wurde zwar in Deutschland mit derselben Wirkung umgestaltet, mit der in
Frankreich 1789 das revolutionäre Säkularisationsedikt die Kirche entmachtet
hatte. Gleichzeitig bestand jedoch auch in diesem Falle eine große Aufnahmebe-
reitschaft für die „Ideen von 1789". Allerdings ist es kaum denkbar, daß die
radikale Durchführung der Säkularisation, die Aufhebung aller geistlichen Für-
stentümer (mit der einzigen Ausnahme des Kurfürstentums des Reichserzkanz-
lers) und der Mehrzahl der Klöster ohne die napoleonische Herausforderung und
den Druck von außen möglich gewesen wäre.
Mediatisierung Die Politik der Mediatisierung, mit der die zweite Etappe der territorialen
Flurbereinigung begann, hing aufs engste mit den Verhältnissen im alten Reich
zusammen. Zwischen den Interessen des Reiches, der geistlichen Staaten, der

kleineren weltlichen Reichsstände, der Reichsstädte und der Reichsritterschaft


bestand eine enge Ubereinstimmung. Kaiser, Ritter, kleinere Fürsten und Grafen,
Reichsäbte und Fürstbischöfe waren natürliche Verbündete im Kampf gegen das
Souveränitätsstreben der übermächtigen Landesfürsten. Viele Reichsritter traten
als Beamte, Diplomaten und Offiziere in den Reichsdienst. In den geistlichen
Staaten besaßen sie zumeist das Vorrecht auf die Dompfründen. Sie bildeten dort
die politische Führungsschicht und verstärkten auf diese Weise die „Reichstreue"
der geistlichen Fürstentümer. Einige Ritter trugen ihre Gebiete Fürstbischöfen zu
Lehen auf, um deren Schutz zu genießen. So waren die meisten fränkischen
Reichsritter den Fürstbischöfen von Bamberg und Würzburg lehnspflichtig.
Erst die Säkularisation zerschlug diese enge soziale und politische Verknüpfung
zwischen Kaiser, Reichsadel und Reichskirche.
Das Verhältnis der zumeist protestantischen Reichsstädte zur katholischen
Majestät in Wien war allerdings gespannter, zumal die Ein- und Ubergriffe der
Reichsorgane in die städtische Selbstverwaltung seit dem 18. Jahrhundert wieder
zunahmen. Man hat mit einigem Recht von dem „negativen Reichsbewußtsein"

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[645: K. S. Bader] der Reichsstädte gesprochen, was jedoch nicht ausschließt, daß
auch sie auf den Schutz des Kaisers und seine Vermittlung bei innerstädtischen
Konflikten angewiesen blieben.
Napoleon war aus naheliegenden Gründen nicht daran interessiert, die tradi-
tionell habsburgtreue Anhängerschaft Österreichs im Reich zu unterstützen,
obgleich sich die reichtsritterschaftlichen Delegationen, die Reichsstädte, die
einen gemeinsamen Städtetag nach Ulm einberiefen, und einige gräfliche und
fürstliche Häuser, die sich in der Frankfurter Union und im Schwäbischen
Fürstenbund zusammenschlössen, um möglichst gute Beziehungen zu Frank-
reich bemühten. Sie verfielen dabei auf denselben Ausweg wie die Würzburger
Verteidiger der geistlichen Staaten und versuchten, ihre Existenz mit den Parolen
der französischen Revolution zu rechtfertigen. Die Reichsstädte beriefen sich auf
ihre „republikanische" Verfassung; die Reichsritter und die kleineren Fürsten
zitierten die Freiheit und Sicherheit des Eigentums, die von der französischen
Verfassung garantiert sei.
In Wirklichkeit waren die kleineren reichsunmittelbaren Territorien längst zu
einem Anachronismus geworden. Die reichsstädtischen Mißstände bildeten ein
beliebtes Thema der aufklärerischen Kritik, etwa in Schlözers „Staatsanzeigen"
und in Schubarts „Deutscher Chronik" oder auch in der Romanliteratur, z. B. in
Wielands „Abderiten". Der Grund hierfür lag vor allem im wirtschaftlichen
Niedergang vieler Reichsstädte. Mit Ausnahme der drei Hansestädte und der Reichsstädte
süddeutschen Handelsmetropolen gelang es ihnen kaum, sich den veränderten
wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen. Als Enklaven fielen die Reichsstädte
aus den größeren Wirtschaftsgebieten der Territorialstaaten heraus, von denen sie

nicht selten als „Ausland" behandelt und schikaniert wurden. Die wirtschaftliche
Abschnürung führte zur Stagnation und oft an den Rand des finanziellen Bank-
rotts. Wie die wirtschaftliche, so erstarrte auch die politische Verfassung der
meisten Reichsstädte. Die Stadtoligarchie bestand aus einer Handvoll von Fami-
lien, die sich gegenseitig in die Rats- und Magistratsstellen wählten. In Augsburg
zählte die Stadtverwaltung nicht weniger als sechshundert Amter, die als Pfründen
betrachtet und vom Patriziat zäh verteidigt wurden. Die in vielen Reichsstädten
ausbrechenden Bürgerunruhen liefern auf ihre Weise ein Symptom für den wirt-
schaftlichen und politischen Machtverfall der Reichsstädte. Die innerstädtischen
Konflikte lassen sich allerdings kaum in das Schema „konservativ-reaktionäre
Obrigkeit" und „progressive antifeudale Aufstandsbewegung" [619: H. Scheel]
hineinpressen. Die Forderungen nach einer Kontrolle der städtischen Finanzen
und nach „Mitobrigkeit" dienten manchenorts dem Ziel, Reformbestrebungen zu
blockieren, z. B. in Köln, wo das Zunftbürgertum die durchaus zeitgemäße
Toleranzpolitik des Rats bekämpfte und gegen Manufakturen wie Verlagswesen
opponierte. Aber auch dort, wo die Kaufleute die Bürgeropposition anführten,
dachten sie nicht an den Umsturz, sondern an die Reform der Stadtverfassung.
Allerdings neigten manche städtischen Obrigkeiten seit 1789 und erst recht seit
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1792 dazu, die Bürgerdeputationen am zunehmend konservativen Wiener Kaiser-


hof als revolutionär zu denunzieren, eine Auswirkung der französischen Revolu-
tion, die deutlich macht, „daß man die Probleme weder aus eigener Kraft noch mit
Hilfe von Kaiser und Reich mehr lösen konnte" [604: V. Press].
1802/03 waren die Reichsstädte kaum in der Lage, ihre Reichsunmittelbarkeit
zu retten. Auf dem Städtetag in Ulm hoffte man nur noch auf „billige und

anständige Bedingungen". Außer den drei Hansestädten gelang es 1803 Augs-


burg, Nürnberg und Frankfurt dank hoher Bestechungssummen an die Franzosen,
die Mediatisierung vorerst noch aufzuschieben. Es spricht jedoch für sich, daß die
Nürnberger und die Augsburger Kaufmannschaft sich schließlich nur noch
Vorteile von der Eingliederung in den bayerischen Staat versprachen.
Reichsritterschaft Das traditionelle, geschichtlich gewachsene Gebilde der Reichsritterschaft ließ
sich mit modernen staatsrechtlichen Kategorien kaum noch definieren. In drei
Kreisen und vierzehn Kantonen organisiert und korporativ verbunden, verteidig-
ten die Ritter in erster Linie ihren Besitzstand. Zwar waren die Reichsritter in ihrer

Rechtsstellung abgesehen davon, daß sie weder individuell noch kollektiv auf
dem Regensburger Reichstag vertreten waren den übrigen Landesherren gleich-
-

gestellt und mit Hoheitsrechten ausgestattet; dennoch glich die reichsritterschaft-


-

liche Herrschaft eher einer hochprivilegierten Grundherrschaft. Zu den vom


Kaiser garantierten Privilegien zählten das ius retractus, d. h. das Recht, innerhalb
von drei Jahren jedes an einen Nichtritter veräußerte Gut zum ursprünglichen
Preis zurückzukaufen, und das ius collectandi, d. h. das Recht, die Steuern, die die
Ritter ihrem jeweiligen Kanton schuldeten, einzutreiben. Dafür zahlten die Ritter
an das Reich sog. „Charitativsubsidien". Außerdem bildeten die reichsritterschaft-

lichen Territorien das bevorzugte Rekrutierungsgebiet für die habsburgische


Armee. Schon auf dem Rastatter Kongreß entstand die merkwürdige Rechtssitua-
tion, daß die Reichsritter ihre Reichsunmittelbarkeit nicht nur mit öffentlich-
rechtlichen, sondern auch mit privatrechtlichen Argumenten zu retten versuch-
ten, indem sie möglichst viele ihrer korporativen Rechte als privates Eigentum
deklarierten. 1803 erreichten sie dank kaiserlicher Unterstützung und französi-
schem Desinteresse die Aufnahme einer „salvatorischen Klausel" in den Reichs-
deputationshauptschluß, die den Weiterbestand der Reichsritterschaft garantierte.
Gerade die privatrechtliche Argumentation lieferte jedoch den Landesherren ein
Mittel, die Ritterschaft auf den Stand korporativ privilegierter Güterbesitzer
herabzudrücken, eine Möglichkeit, die Preußen bereits in den neunziger Jahren
im Konflikt mit den fränkischen Reichsrittern nach Antritt der Regierung in
Ansbach/Bayreuth ausgenutzt hatte, fn Anlehnung an das preußische Vorgehen
versuchte Bayern 1803/04, die reichsritterschaftlichen Enklaven unter Anerken-
nung der Eigentumsansprüche und der korporativen Privilegien doch noch in sein
Staatsgebiet einzugliedern. Für viele Ritter war das bayerische Angebot durchaus
vorteilhaft, denn mit dem Entzug von Hoheitsrechten entfielen zugleich die
Unkosten und Ausgaben, die vor allem für die Rechtspflege aufgebracht
- -

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werden mußten und aus Steuereinnahmen nicht immer gedeckt werden konnten.
Die bayerische Regierung wich allerdings zurück, als sich der Kaiser ein letztes
Mal zum Schutz der Reichsinteressen aufraffte und durch den Reichshofrat ein
Dekret verkünden ließ (das sog. „Konservatorium" vom 23. Januar 1804), in dem
die Wiederherstellung der Reichsritterschaft unter Androhung der Reichsexeku-
tion angeordnet wurde. Die Reichsritterschaft wurde dann das erste Opfer des
dritten Koalitionskrieges nach der Niederlage ihres kaiserlichen Schutzherrn bei
Austerlitz. Im Frieden von Preßburg (26. Dezember 1805) erreichten die süd-
deutschen Staaten Bayern, Württemberg und Baden, die im Krieg auf Seiten
Frankreichs gegen Österreich Partei ergriffen hatten, die Anerkennung ihrer
vollen Souveränität, die den Einfluß des Reiches ausschloß und die rechtliche
Handhabe zur Mediatisierung der Reichsritterschaft bot.
Anders als die Säkularisation bewirkte die Mediatisierung keine Enteignung, da Stellung der Media-
das private Eigentum der landsässig werdenden Ritter im Gegensatz zum Kirchen- tisierten nacn 1806
gut nicht angetastet wurde. Zwar verloren die Ritter durch die Säkularisation
zahlreiche einträgliche Kirchenämter und Pfründen und durch die Mediatisie-
rung die Einnahmen aus den Steuern und anderen landesherrlichen Gefällen; auch
mußten sie auf den organisatorischen Zusammenschluß verzichten. Aber ihre
wirtschaftliche Lage blieb ansonsten unverändert. Die einzelstaatlichen Deklara-
tionen über die Ritterschaft garantierten den Schutz für alle Grundherrschafts-
rechte und den „ungestörten Genuß" des Eigentums. Auch den Standesherren,
d. h. jenen kleineren Fürsten und Grafen, die anders als die Ritter die Reichsstand-
schaft besessen hatten und die gleichfalls 1806 mediatisiert wurden, garantierte die
Rheinbundakte ausdrücklich alle materiellen Besitzrechte und Feudalrevenuen.
Der ehemalige Reichsadel bewahrte auf diese Weise den Status der „privilegier-
testen Klasse", wie es später in der Deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815 hieß.
Es war klar, daß diese Bestimmungen die Egalisierungs- und Entfeudalisierungs-
bestrebungen abblockten. Auch ein Land wie Württemberg, in dem bisher gar kein
landsässiger Adel existiert hatte, wurde nun mit dem Adelsproblem konfrontiert.
Das gesellschaftliche Reformwerk der Rheinbundstaaten war so von vornherein
mit schweren Hindernissen belastet.
Mit den Bestimmungen des Friedens von Preßburg hatte Napoleon sein Ziel Rheinbundgründung
erreicht, leistungsfähige Mittelstaaten zu scha ffen, die im „Dritten Deutschland" und Reichsauflösung
ein Gegengewicht zu Preußen und Österreich bilden und zwischen Frankreich
und Österreich als Pufferstaaten dienen konnten. Nur der Einspruch Preußens
während der Schönbrunner Verhandlungen mit Haugwitz verhinderte vorerst
noch die Reichsauflösung, die dann ein halbes Jahr später eingeleitet wurde, als
die Vertreter von sechzehn süd- und südwestdeutschen Staaten am 12. Juli 1806 die
Rheinbundakte unterzeichneten und die Verpflichtung eingingen, sich vom Reich
loszusagen. Der Rheinbund war ein Offensiv- und Defensivbündnis unter dem
Protektorat des Kaisers der Franzosen. Am 1. August 1806 erklärten die Mit-
glieder des Rheinbundes ihren Austritt aus dem Reichsverband. Durch ein
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Ultimatum Napoleons gezwungen, legte Franz IL, der bereits 1804 den Titel eines
Kaisers von Osterreich angenommen hatte, am 6. August 1806 die deutsche
Kaiserkrone nieder, ein Entschluß, der seit dem 5. Juli feststand und nun nicht
mehr länger hinausgezögert werden konnte. Die fast tausendjährige Geschichte
des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war beendet.
Reichstraditionen Worin lag die politische und soziale Bedeutung der Reichsauflösung? Bezeich-
nenderweise ist in der Forschung kaum die Frage diskutiert worden, warum das
Reich 1806 unterging, sondern eher die, wie es bis 1806 zu überleben vermochte.
Die Gründe für den Zusammenbruch des alten Reiches liegen sozusagen auf der
Hand. Die schwerfällige Verfahrensweise des Regensburger Reichstages, die
Schwäche der Reichsarmee und der Reichsfinanzen, die Lähmung der Reichs-
institutionen, die Rivalität der Reichsstände untereinander, der lähmende Dualis-
mus zwischen Österreich und Preußen, das Souveränitätsstreben der Landes-

fürsten gegenüber dem Reich dies alles war der Herausforderung durch das
revolutionäre und napoleonische Frankreich nicht mehr gewachsen. Andererseits
-

wurde jedoch das Reich trotz Hegels berühmter Kritik nach wie vor nicht in
erster Linie als eine machtstaatliche, sondern als eine Rechts- und Friedensord-
- -

nung aufgefaßt. Das Reich war mehr als ein Gefüge nur staatlicher Institutionen.
Durch seinen Rechtsschutz bewahrte es jene alten Freiheiten im Sinne der ständi-
schen und korporativen „Libertät", die in den absolutistisch regierten Einzel-
staaten längst in Frage gestellt worden waren. Da, wo die Gesellschaft noch
ständisch eingebunden war, konnte das Reich immer noch konfliktregelnd ein-
greifen: bei reichsstädtischen Unruhen, bei Auseinandersetzungen zwischen
Landesherr und Ständen, bei Bauernrebellionen. Als etwa Johann Jacob Moser,
der die Rechte der württembergischen Stände gegen den despotischen Herzog
verteidigte, von Karl Eugen inhaftiert wurde, bewirkte 1764 ein Reichshofrats-
spruch seine Freilassung. Der Reichshofrat unterstützte auch die Landschaftsver-
ordnung in Bayern. In einem Klima zunehmender Konflikte hat sich der Einfluß
des Reiches im 18. Jahrhundert wahrscheinlich nicht vermindert, sondern eher
erweitert und ausgedehnt.
Aber auch für die internationalen Beziehungen und für das europäische Staaten-
system erfüllte das Reich eine wichtige Funktion. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts
gab es keine größeren territorialen Veränderungen im Reich bis auf die preußi-
sche Annexion Schlesiens, für die Friedrich der Große immerhin drei Kriege
-

führen mußte. Als Österreich Bayern erwerben wollte, galt dies als ein Verstoß
gegen die Reichsverfassung. Das Reich stabilisierte lange Zeit ein Gleichgewicht,
das zugleich als unabdingbar für das europäische Gleichgewicht angesehen wurde.
Nicht nur, weil das Reich als eine dezentralistische und pluralistische Ordnung
keine Gefahr für Frankreich darstellte, sondern auch, weil es ein Modell für eine
zukünftige europäische Konföderation abgeben konnte, meinte niemand anderer
als Jean Jacques Rousseau, dem deutschen Gemeinwesen komme kein anderes an
Weisheit gleich: „Das öffentliche Recht", schrieb er 1761, „das die Deutschen so

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gründlich studieren, ist noch wichtiger als sie glauben, denn es ist nicht bloß das
deutsche öffentliche Recht, sondern in gewissem Sinne das von ganz Europa." Die
französischen Revolutionäre revidierten freilich dieses Urteil. Die Kehrseite der
stabilisierenden Reichspolitik lag darin, daß das Reich untrennbar mit der Adels-
herrschaft und der Privilegiengesellschaft verbunden blieb, gerade weil es die alten
Freiheiten (mit denen nicht die individuelle Freiheit gemeint war, die zum
Losungswort der Revolution wurde) schützte und weil es dadurch die kleinräu-
mig verworrenen, in alten Formen erstarrten Verhältnisse bewahrte. Schon wäh-
rend des Rastatter Kongresses schrieb der Moniteur, das offizielle Presseorgan der
französischen Regierung: „Da die deutsche Reichsverfassung der Zentralpunkt
aller Adels- und Feudalvorurteile von Europa ist, so muß es das einzige Ziel der
französischen Republik sein, sie zu vernichten."

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7. Die napoleonisch-rheinbündischen Reformen

Napoleon und der Die Gründung des Rheinbundes, die an das Vorbild des Fürstenbundes gleichen
Rheinbund ]vjamens von 1658
anknüpfte, besiegelte die enge Verbindung zwischen Frankreich
und den deutschen Mittelstaaten. Durch Säkularisation und Mediatisierung und
durch die Aufteilung vorderösterreichischer Gebiete hatte Napoleon feste Län-
derblöcke geschaffen, zu deren Kern die drei süddeutschen Rheinbundstaaten
Bayern, Württemberg und Baden zählten. Der Abschluß des Bündnisses wurde
vor allem von den übrig gebliebenen Kleinstaaten unterstützt, insbesondere von

dem Kurfürsten und ehemaligen Erzbischof von Mainz, Karl Theodor von Dal-
berg, der als Fürstprimas des Rheinbundes die schon seit langem geplante Reform
der Reichsverfassung unter dem Protektorat Frankreichs durchzusetzen hoffte.
Dalberg ließ es zu, daß Napoleons Onkel, Kardinal Joseph Fesch, zu seinem
Koadjutor bestimmt wurde. In Verkennung der Realität glaubte er an die offi-
zielle Propaganda des Empire, die vorgab, Napoleon beabsichtige die Erneuerung
des abendländischen Kaisertums Karls des Großen. Außerdem schien der Rhein-
bund die gleichfalls vielfach erörterte „Trias-Idee" zu erfüllen, den Zusammen-
schluß des „Dritten Deutschland" unter Ausschluß der Großmächte. In der
Rheinbundakte war der institutionelle Ausbau der Föderation und die Umwand-
lung der losen Militärallianz in ein engeres Bündnissystem vorgesehen. In Frank-
furt sollte eine ständige Bundesversammlung unter dem Vorsitz des Fürstprimas
zusammentreten, ein Fundamentalstatut sollte erlassen und ein oberstes Bundes-
gericht geschaffen werden.
Die beiden Entwürfe zu einem Fundamentalstatut, die Dalberg in Paris vor-
legte, wurden jedoch als unbrauchbar zurückgewiesen. Die Projekte scheiterten
am Widerstand der größeren Rheinbundstaaten, voran Bayern und Württemberg,
die gerade erst mit Napoleons Unterstützung die volle Souveränität erlangt hatten
und nun fürchten mußten, daß der Protektor des Rheinbundes sich Eingriffsmög-
lichkeiten schuf, die jene des Kaisers im Alten Reich noch übertrafen. Napoleon
unternahm zwar 1807 auf einer Konferenz mit Bayern in Mailand und noch einmal
1808 auf dem Erfurter Fürstenkongreß den Versuch, seine Verbündeten umzu-
stimmen; auch ließ er seinerseits im französischen Außenministerium den Entwurf
zu einem Fundamentalstatut ausarbeiten; aber ausschlaggebend war dann doch die

Erwägung, daß die freiwillige militärische Gefolgschaft der Rheinbundstaaten


zweckdienlicher sei als eine aufgezwungene, straff organisierte Allianz.
„Modellstaaten" Dennoch deutet die Errichtung von Vasallenstaaten darauf hin, daß der Protek-
tor des Rheinbundes von vornherein beabsichtigte, seinen Einfluß auch auf die
inneren Verhältnisse der Rheinbundstaaten geltend zu machen. In den beiden neu
geschaffenen Staaten, im Großherzogtum Berg und im Königreich Westfalen,
setzte Napoleon Mitglieder seiner Familie zu Herrschern ein: Jeröme, sein

jüngerer Bruder, residierte in Kassel, Joachim Murat, sein Schwager, in Düssel-


dorf. Nach Murats Versetzung nach Neapel wurde Berg für einen minderjährigen
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Napoleonisch-rheinbündische Reformen 83

Neffen Napoleons, den Sohn König Ludwigs von Holland, von einem kaiserlichen
Kommissar verwaltet. Zum Nachfolger Dalbergs im Großherzogtum Frankfurt
wurde Napoleons Stiefsohn Eugen Beauharnais bestimmt. Den Napoleoniden-
staaten war die Aufgabe zugedacht, durch Übernahme des französischen Systems
als Modell- und Musterstaaten zu fungieren. Sie sollten jene napoleonisch-rhein-
bündischen Reformen einleiten, denen der Kaiser eine Anziehungskraft beimaß,
der sich auch die übrigen Rheinbundstaaten kaum würden entziehen können. Inaugurierung
Nach dem Scheitern der Rheinbundverfassung rückten diese Reformpläne in der Reformen
das Zentrum der Deutschlandpolitik. Auch Bayern erklärte sich 1807 auf der
Mailänder Konferenz bereit, Reformen nach französischem Vorbild durchzufüh-
ren. Die mit Montgelas ausgehandelten ..dispositions generales" verpflichteten zur
Annahme einer Konstitution, zur Rezeption des Code Napoleon und zum Ausbau
einer zentralistisch-bürokratischen Staatsverwaltung. Außerdem wurden 1807 die
Hansestädte und die Regierungen in Baden und Hessen-Darmstadt dazu aufge-
fordert, das napoleonische Zivilgesetzbuch, das die Feudalverfassung nicht mehr
kannte und den Zustand des nachrevolutionären Frankreich auf rechtliche Be-
griffe brachte, einführen zu lassen. Wie zuvor schon das landschaftlich-herrschaft-
liche Gefüge des Alten Reiches gesprengt worden war, so lag es in der Konsequenz
der napoleonischen Siege, daß nunmehr auch die feudalständische Ordnung des
Ancien Regime in Deutschland fiel.
Das Neuartige der napoleonischen Herrschafts- und Gesellschaftspolitik be-
stand darin, daß sie von der funktionalen Bedeutung der Innen- für die Außen-
politik ausging. Die Gleichförmigkeit des Verwaltungs-, Verfassungs- und Rechts-
systems sollte die verschiedenartigen Länder des Empire einander angleichen und
die politische Einheit in einem staatenübergreifenden Herrschaftssystem herstel-
len. Das Grand Empire verlangte als Gewähr seiner Stabilität, daß die in ihm
zusammengeschlossenen Staaten soweit wie möglich mit der politischen und
gesellschaftlichen Verfassung des Empire fran§ais übereinstimmten. Der Export
der „Ideen von 1789" war zugleich dazu bestimmt, moralische Eroberungen zu
machen. Anläßlich der Übersendung der von französischen Juristen ausgearbei-
teten westfälischen Konstitutionsakte schrieb Napoleon an Jeröme: „Welches
Volk wird unter die preußische Willkürherrschaft zurückkehren wollen, wenn
es einmal die Wohltaten einer weisen und liberalen Verwaltung gekostet hat? Die

Völker Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Spaniens verlangen staatsbürgerliche


Gleichheit und liberale Ideen."
Dennoch folgte die napoleonische Modernisierungspolitik wohl kaum einem Primat der französi-
doktrinären Schema. Sie stand vielmehr stets unter dem Primat der französischen schen MachtPolmk

Machtinteressen. Die Verwaltungszentralisierung, die Beseitigung der Steuerpri-


vilegien, der Ämtermonopole und Militärexemtionen, die Abschaffung des Feu-
dalsystems und die Errichtung einer freien Eigentümergesellschaft sollten die
Voraussetzungen schaffen für die rasche Mobilisierung der ökonomischen, finan-
ziellen und militärischen Ressourcen in den eroberten und verbündeten Ländern.

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Aus dervorrangig machtpolitisch motivierten Reformabsicht erklärt sich zu-


gleich die Widersprüchlichkeit der napoleonischen Herrschaft in Deutschland.
Wenn sich in der Praxis Anpassungsschwierigkeiten ergaben, war Napoleon sofort
bereit, seine „liberalen Ideen" preiszugeben. Er betrieb eine dynastische Politik,
setzte seine Verwandten zu Fürsten ein und verheiratete sie mit Mitgliedern der
alten Fürstenhäuser: Jerome mit der württembergischen Prinzessin Katharina,
Eugen Beauharnais mit einer bayerischen Wittelsbacherin, seine Adoptivtochter
Stefanie mit dem badischen Erbprinzen, sich selbst 1809 mit der Habsburgerin
Marie-Louise. Er mischte sich dort nicht ein, wo die finanziellen Verhältnisse
geordnet waren, z.B. in Württemberg. Napoleon akzeptierte, wenn es nicht
anders ging, die etablierte Sozialhierarchie und begünstigte den Adel, solange er
als Elite noch nicht ersetzbar war. Er garantierte die „feudalen und seigneurialen"
Privilegien der ehemals reichsunmittelbaren und seit 1806 mediatisierten Standes-
herren in der Rheinbundakte; er ließ zu, daß die Eigentumsgarantien des Code
Napoleon zugunsten des Güteradels ausgelegt wurden; ja er umgab sich selbst mit
Napoleonische einem neu geschaffenen französischen Militär- und Verdienstadel, der mit lehen-
Adels- und Land-
ähnlichen Majoraten aus dem Domänenbesitz der depossedierten Landesherren
schenkungspolitik
beschenkt wurde, eine neue Form „feudal" anmutender Privilegierung. Der
Majoratsadel diente auf seine Weise der Machtkonsolidierung und sozialen Ab-
sicherung der napoleonischen Herrschaft, denn seine Reichtümer waren aufs
engste verknüpft mit der Dauerhaftigkeit der Verhältnisse in den eroberten
Ländern. Am Beispiel Westfalens zeigt sich sehr deutlich, in welch eklatantem
Widerspruch diese Landschenkungspolitik zu den Modellstaatsplänen und zur
Politik der moralischen Eroberungen stand. Die Abschaffung der Feudallasten
und Monopolrechte wurde durch die Interessen der kaiserlichen Donatare durch-
kreuzt, die auf ihre Feudalrevenuen nicht verzichten wollten. Außerdem geriet das
Königreich Jeromes durch die Abtretung der Hälfte seiner Staatsdomänen an den
Rand des finanziellen Bankrotts. Die Regierung war gezwungen, die Steuer-
schraube bis zum äußersten anzuziehen. Kriegsverheerungen, Truppenaushebun-
gen und unerträgliche Steuerlasten brachten der Bevölkerung Not, Elend und
materielle Bedrückung. Das als Musterstaat geplante Westfalen wurde so zum
Land der Bauernunruhen. „Im Widerstreit der einander ausschließenden Ziel-
setzungen erwies sich das Interesse an den Schenkungen als das stärkere. Der
militäraristokratische und sozialkonservative, der hegemoniale und ausbeuteri-
sche Charakter des napoleonischen Herrschaftssystems engte die befreienden und
revolutionierenden Wirkungen der französischen Machtexpansion nicht unerheb-
lich ein" [738: H. Berding].
Reforminteressen Andererseits lag jedoch die an Frankreich orientierte Reformpolitik in mehr-
der Rheinbund-
staaten
facher Hinsicht durchaus auch im wohlverstandenen Eigeninteresse der Rhein-
bundstaaten. Der Modernisierungsimpuls kam nicht allein und ausschließlich von
außen. Zum einen standen die Rheinbundstaaten vor der politischen Notwendig-
keit, ihre neugewonnenen Territorien dem Kernland einzugliedern. Es handelte
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Napoleonisch-rheinbündische Reformen 85

sich ja um Gebiete mit höchst verschiedenartigen historischen Traditionen, Ver-


waltungs- und Rechtsgewohnheiten: weltliche Fürstentümer der kleineren
Reichsstände, reichsritterschaftliche Zwergstaaten, säkularisierte Bistümer und
Abteien, Reichsstädte, Tauscherrungenschaften und annektierte Länderteile wie
die von Osterreich abgetretenen Provinzen, die teilweise noch ständisch organi-
siert waren, z. B. der Breisgau, der an Baden, und Tirol, das an Bayern fiel. Bunt
durcheinander gewürfelt waren auch die Rechtsstatuten: gemeines deutsches und
partikulares, weltliches und geistlich-kanonisches Recht lösten einander ab, ent-
sprechend der Gemengelage der Territorien. Mit den herkömmlichen Mitteln ließ
sich die Aufgabe der Verwaltungs- und Rechtsvereinheitlichung nicht lösen. Eine
einfache Übertragung der Einrichtungen des Kernlandes auf die neuerworbenen
Landschaften war nicht ratsam, weil dies nur den Widerstand gegen die „Er-
oberer" herausgefordert und den Restaurationswünschen Vorschub geleistet
hätte. Die Übernahme des französischen Systems mit seinen allgemein verbindli-
chen, rationalen Prinzipien bot sich geradezu an. Wollte man den neuen Staaten
jene Einheit verschaffen, die sie historisch nicht besaßen, so mußte man den Weg
„organischer" Reformen, den der Freiherr vom Stein in Preußen einschlug,
verlassen. Das schonend behutsame Vorgehen, das der Geheime Rat Nikolaus
Brauer in der ersten Reformphase Badens und Hans Christoph von Gagern eine
Zeitlang in Nassau zu praktizieren versuchten, blieb erfolglos und wich der
rücksichtslos energischen Politik Reitzensteins und Marschalls. In Württemberg
unter dem Regime König Friedrichs, den sogar Napoleon respektierte, und im
Bayern der Ära Montgelas wehte von Anfang an ein schärferer revolutionärer
Wind. Die eigentliche Bindung der süddeutschen Rheinbundfürsten an Napoleon
bestand darin, „daß er sie durch seine Politik selber zu Revolutionären gemacht
hatte, die Opposition gegen ihn nur unter Verzicht auf die erreichte Machtfülle
hätten machen können. Er hatte so nicht Kreaturen geschaffen, nicht Satelliten, die
mit militärischer Gewalt zum Gehorsam gezwungen und politisch aktionsunfähig
gemacht worden waren, sondern echte Verbündete, die in wohlverstandener
Staatsraison seiner Politik anhingen" [767: L. Gall].
Zum anderen verband die Gemeinsamkeit des aufgeklärten Staatsideals, das
gerade auch von der neuen Beamtengeneration, die mit den veränderten Verhält-
nissen an die Macht kam, geteilt wurde. In der süddeutschen Staatenwelt, die im 18.
Jahrhundert unter dem Schutz von Kaiser und Reich eine Renaissance des Stände-
gedankens erlebte, so daß sich hier der vorrevolutionäre Absolutismus nicht voll
hatte durchsetzen können, war der „unhistorische", aufklärerische Reformeifer
der Beamtenschaft noch ungebrochen ganz im Gegensatz zu Preußen, wo der
traditionalistische Reformansatz Steins gerade der Überwindung der im Absolu-
-

tismus erstarrten Formen galt. Montgelas hatte schon vor seinem Regierungsan-
tritt in den Schriften der neunzigerJahre, als in Bayern noch die Mißwirtschaft des
Kurfürsten Karl Theodor herrschte, ein Reformprogramm vorgeschlagen, das
„eine starke konstitutionelle Monarchie, eine Nationalrepräsentation und die

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politische und zivile Freiheit aller Bürger" [809: E. Weis] forderte. Der Verfas-
sungsgedanke weist bereits über den Aufgeklärten Absolutismus hinaus. In der
rheinbündischen Reformära eröffnete sich die Chance, eine Synthese von Aufge-
klärtem Absolutismus und Konstitutionalismus herzustellen, die auch in der
deutschen Geschichte schon angelegt war. Napoleon „spielte die Rolle eines
Katalysators, der die Reformen in Staat und Gesellschaft möglich, notwendig
und dringend werden ließ" [810: E. Weis].
Verwaltungs- Die Verwaltungsreorganisation, die ..revolution administrative", wie sie Mont-
reorgamsation
ge|as nannte, stand nicht anders als in Preußen im Zentrum der Gesamtreform.
Sie diente dem Ziel, die ständischen, feudalen, kirchlichen, provinziellen und
- -

lokalen Sondergewalten zurückzudrängen. Die dringlichste Aufgabe für die neu


geschaffenen oder stark vergrößerten Rheinbundstaaten bestand darin, die ge-
samte Staatsorganisation nach den Prinzipien der Rationalität und Zweckmäßig-
keit auf eine feste, einheitliche Basis zu stellen.
Auf der Regierungsebene wurde die bürokratische Ministerialverfassung nach
dem Real- und Ressortsystem eingeführt. Es gab nur noch vier bis sechs Fach-
ressorts; die Teilverwaltung einer Provinz entfiel. An die Stelle des bisher üblichen
kollegialen Gremiums trat ein für sein Ressort alleinverantwortlicher Minister an
die Spitze des Ministeriums, der unbehindert durch Nebenbehörden regierte und
dessen Beamte weisungsgebunden waren. Sein Zuständigkeitsbereich umfaßte
klar umrissene Sachaufgaben, die er zentral für den Gesamtstaat wahrnahm. Die
Verwaltungsgliederung von der Ministerial- zur Gemeindeebene wurde straff
organisiert und hierarchisiert. Die Kreise, Amter und Gemeinden erhielten ihre
Anweisungen von oben und unterstanden der Kontrolle der jeweiligen Ober-
behörde. Die Kreisdirektoren, wie sie in Baden und Bayern, bzw. die Landvögte,
wie sie in Württemberg hießen, nahmen ähnliche Aufgaben wahr wie die franzö-
sisch-westfälischen Präfekten. Die alten historischen Provinzen wurden aufgelöst
und durch geographisch abgezirkelte Gebietseinheiten nach dem Muster der
französischen Departements ersetzt. Die Gemeinden verloren ihre Selbstverwal-
tung und wurden verstaatlicht. Zumindest in den Mittelbehörden wurde die Justiz
von der Verwaltung getrennt. In Berg und Westfalen verschwanden die Patrimo-

nialgerichte des Adels. In Württemberg wurde die Patrimonialgerichtsbarkeit


1809, in Baden 1813 aufgehoben; in Bayern unterstand sie fortab der staatlichen
Kontrolle.
Unterschiedliche Dies alles fand nun allerdings nicht von heute auf morgen statt. Nur Westfalen
Entwicklung in den ubernafim en bloc das französische System. Hier erfolgte innerhalb eines Jahres
Rheinbundstaaten
(1808) Schlag auf Schlag die Gebietseinteilung nach geographischen Grenzen, die
.....
i •
i i-

Einführung der Ministerialverfassung nach dem Ressort- und Direktorialprinzip,


der Aufbau der Präfektur- und Unterpräfekturbehörden, die Aufhebung der
gemeindlichen Selbstverwaltung, die Übernahme der französischen Gerichtsver-
fassung mit Friedensgerichten, Tribunalen, Appellationsgerichten und einem
Kassationshof, die Rezeption des Code Napoleon und des französischen Prozeß-
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Napoleonisch-rheinbündische Reformen 87

rechts. In allen anderen Rheinbundstaaten wurden die Reformen schrittweise und


nicht immer mit derselben Perfektion verwirklicht. Da, wo keine oder nur geringe
Gebietsveränderungen stattgefunden hatten, z. B. in Sachsen, fehlte auch die
Reformbereitschaft. Das Reformwerk beschränkte sich hauptsächlich auf die
Napoleonidenstaaten und die drei größeren süddeutschen Rheinbundstaaten
Baden, Bayern und Württemberg. Aber selbst Napoleons kaiserlicher Kommis-
sar im Großherzogtum Berg, Beugnot, befürwortete nicht zuletzt, weil er zuvor

als Minister in Westfalen die Folgen einer überstürzten Reform kennengelernt


-

hatte eine Organisation „plus simple et plus locale". Die in kürzester Frist
1809/10 durchgeführte Verwaltungsreorganisation Reitzensteins in Baden, die ein
-

von der Ministerial- bis zur Gemeindeebene rational durchgegliedertes und straff
zentralisiertes System einführte, war von den gemäßigten und eher traditionellen
Organisations- und Konstitutionsedikten Brauers vorbereitet worden. Im Groß-
herzogtum Frankfurt entschloß sich Dalberg 1810 zu einer Nachahmung des
westfälischen Modells, die jedoch viele Institutionen nur zum Schein und dem
Namen nach auf den französischen Fuß ummodelte. Der württembergische
Organisationsplan von 1806 bezog sich in erster Linie auf die Ministerialver-
fassung; es dauerte immerhin noch fünf Jahre, bis sich das Bürosystem in den
Ministerien durchsetzte. Die Mittelinstanzen erhielten nicht sofort und überall die
umfangreichen Kompetenzen und Weisungsbefugnisse der französischen Präfek-
ten; kollegiale Beratungsformen bestanden auch weiterhin; die Gebietseinteilun-
gen richteten sich nicht ausschließlich nach rechnerischen Planungen; die Tren-
nung von Justiz und Verwaltung in den Unterbehörden scheiterte an der Kosten-
frage. Widerstände gegen das „Organisationsfieber" und die „Vielregiererei"
konnten nicht ausbleiben und mußten berücksichtigt werden. Selbst ein so
konsequenter Reformer wie Montgelas blieb stets bemüht, seine Pläne mit den
Ergebnissen der Praxis abzustimmen, weil, wie er angab, „in Gegenständen der
Erfahrung ein Tag den anderen belehrte". König Friedrich, der noch im Stile
Friedrichs des Großen regierte und alle wichtigen Gesetzesentwürfe selber aus-
arbeitete, konnte sogar als „reiner Pragmatiker" [809: E. Weis] bezeichnet werden.
Man hat oft die „Abstraktheit" der napoleonisch-rheinbündischen im Vergleich zu
den preußischen Reformen hervorgehoben. Es war jedoch nicht möglich, die
Theorie immer glatt in die Praxis umzusetzen.
Das gilt nicht zuletzt auch und gerade für die verfassungspolitischen Reformen Verfassungsprojekte
und Reformprojekte. Wie in Preußen wurde nach zeitgenössischem Wortgebrauch
die Gesamtorganisation des Staates und insbesondere die Neugestaltung einer
sachgerechten und gesetzmäßigen Verwaltung mit dem Begriff „Verfassung"
umschrieben. Die Verwaltung war der Verfassung noch nicht untergeordnet,
sondern eher umgekehrt: Die Verwaltung blieb der Kern der Verfassung. Die
bayerische Konstitution von 1808 bezeichnete so in ihrer Präambel die Verein-
heitlichung und Konzentration des Staates als ihren Hauptzweck. Dennoch war es
ein erklärtes Ziel auch der rheinbündischen Reformer, die mit den bürokratischen

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Mitteln geschaffene Verwaltungseinheit zu einer Nationaleinheit weiterzuentwik-


keln. Unter dem Eindruck der französischen Revolution und im Gegensatz zum
Aufgeklärten Absolutismus teilten sie die neue Auffassung der preußischen
Reformer, daß ein Staat erst dann Festigkeit und Macht gewinnen könne, wenn
das Volk ihm innerlich verbunden und von einem gemeinsamen Nationalbewußt-
sein erfüllt sei. Die bayerische Konstitution sollte nach einem Instruktionsentwurf
von 1806 durch zweckmäßige Institutionen „zu einem Nationalinteresse" erhe-

ben, um dadurch einen „Nationalgeist zu bilden", freilich: „ohne die Staatsver-


waltung in ihren notwendigen Handlungen nach den Bedürfnissen der Zeit zu
hemmen". Der Großherzog von Baden strebte in einem Verfassungsversprechen
von 1808 danach, „das Band zwischen seiner Person und den Staatsbürgern noch

tiefer zu knüpfen".
Die meisten Verfassungspläne, auch die badischen Entwürfe von 1808/09,
verschwanden allerdings in den Akten wegen der „während der stürmischen
napoleonischen Zeiten notwendig gewesenen Diktatorsmacht", wie der württem-
bergische König 1814 bemerkte. Nur die nach Weisungen Napoleons in Paris
Die westfälische entworfene westfälische Konstitutionsakte vom 15. November 1807 und die ihr
id die bayerische
Konstitution
nachgebildete bayerische Konstitution vom 25. Mai 1808 wurden tatsächlich
.....

eingeführt. Die Bestimmungen über die eng begrenzten Kompetenzen der Volks-
. .

vertreter, die Beschränkung des Wahlrechts auf einen kleinen Kreis von Höchst-
besteuerten und das komplizierte dreistufige Wahlverfahren, bei dem an der
entscheidenden Stelle, nämlich bei der Berufung der Wahlmänner, dem Fürsten
das Ernennungsrecht zufiel, sind allerdings mit einigem Recht als „Schein-
konstitutionalismus" und „bloßes Beiwerk der bürokratischen Staatsverfassung"
- -

[476: E. R. Huber] abgetan worden. Dennoch gibt es in diesen Verfassungen einige


Elemente, die auf die spätere konstitutionelle Entwicklung in den süddeutschen
Staaten während des Vormärz bereits hinweisen. Erstmalig setzte sich die Auffas-
sung durch, daß nicht mehr allein der Monarch und seine Beamten, sondern auch
die Repräsentanten an der Integration des Gemeinwesens mitwirkten: Die
Axiome der Weisungsfreiheit und Gesamtverantwortung verdrängten die Bin-
dung an die ständische Instruktion. Der „moderne" Zug der rheinbündischen
Konstitutionen lag vor allem in der Uberwindung des alten Ständeprinzips, die viel
konsequenter verfolgt wurde als in den preußischen Projekten einer „ständischen
Repräsentatiwerfassung". Nach der Erlangung der vollen Souveränität war es das
Ziel der rheinbündischen Staatsmänner, die Ständeverfassung, wo sie noch bestand
in Bayern, in Württemberg, in diversen Provinzen -, aufzulösen. Die Konstitu-
tion lieferte ein Mittel, um der „Nation" einen Ersatz für die altgewohnte Stände-
-

verfassung anzubieten. Neuartig war, daß sich die Repräsentantenversammlung


nicht mehr ständisch zusammensetzte und der Zensus als alleiniges Kriterium für
die Wählbarkeit galt. In Westfalen bestand die Kammer aus hundert Mitgliedern;
davon waren siebzig Grundeigentümer, fünfzehn Fabrikanten und Kaufleute und
fünfzehn Gelehrte bzw. um den Staat verdiente Persönlichkeiten. Die letztere

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Napoleonisch-rheinbündische Reformen 89

Gruppe fehlte in der bayerischen Verfassung. Die Zugehörigkeit zu Adel oder


Bürgertum spielte rein rechtlich keine Rolle mehr. Mit der Bindung des Wahlrechts
an die Grundsteuer und der Schaffung einer Volksvertretung, in der die Grund-
eigentümer, gleich, ob sie adlig oder bürgerlich waren, dominierten, war die
Konstitution auf jene Eigentümergesellschaft zugeschnitten, die zugleich durch
die Sozialreform gefördert werden sollte.
Auch die konstitutionelle Sicherung der Grundrechte orientierte sich stärker als Grundrechte
in Preußen am Gleichheitsgrundsatz. Die verfassungsmäßige Verankerung der
Grundrechte die Gleichheit vor dem Gesetz, die Gleichmäßigkeit der Besteue-
gleicher Zugang aller zu den öffentlichen Ämtern, Abschaffung der Leibei-
-

rung,
genschaft, wo sie noch bestand, Freiheit der Person und des Eigentums, Gewis-
sensfreiheit, Pressefreiheit (im Rahmen gesetzlicher Grenzen), Unabhängigkeit
der Justiz und Gesetzmäßigkeit der Rechtspflege galt als eine der wichtigsten
Errungenschaften der französischen Revolution. Anders als unter dem Aufge-
-

klärten Absolutismus begnügte man sich nicht mehr mit einer als Reservatfreiheit
anerkannten bürgerlichen Freiheit im Schutz der ansonsten unbeschränkten mon-
archischen Selbstherrschaft. Die Verfassungsgarantie bedeutete vielmehr auch eine
Bindung für den Herrscher. Die rheinbündischen Reformjuristen (Anselm von
Feuerbach, Ludwig Harscher von Almendingen u. a.) interpretierten den Code
Napoleon, dessen Rezeption sie vorbereiteten, als Gesetzbuch eines konstitutio-
nellen Rechtsstaats, in dem die bürgerliche Freiheit erst durch die politische
Freiheit, die Teilnahme der Bürger an der Gesetzgebung, auch wirklich verbürgt
sei.
Wenn dennoch die Nationalrepräsentation in der Rheinbundzeit politisch
bedeutungslos blieb die westfälische Kammer wurde nur zweimal, die bayeri-
sche überhaupt nicht einberufen -, so lag das nicht nur an den Kriegsumständen.
-

Bei der oligarchischen Zusammensetzung der Kammer wurde übersehen, daß die
für die französische Notabeingesellschaft so typische soziale Schicht der pro-
prietaires und rentiers in Deutschland, wo keine antiaristokratische Revolution
stattgefunden hatte, noch kaum existierte. In den Listen der Höchstbesteuerten
rangierte der Adel weit vor dem Bürgertum, so daß die neuen Vertretungsorgane
zu seiner Domäne wurden. In Westfalen entstand bei der Einberufung des Land-

tages 1808 und 1810 die paradoxe Situation, daß die Repräsentanten die
Reformgesetze zur Beseitigung der Steuerprivilegien ablehnten und so gegen
- -

den verfassungsmäßig verankerten Gleichheitsgrundsatz eben jener Konstitution


verstießen, der sie ihr neues Amt verdankten. Im Großherzogtum Frankfurt
verlangten die Vertretungskörperschaften der Departements die Einberufung
von Landständen. In Berg sah sich Beugnot angesichts der westfälischen Entwick-

lung dazu veranlaßt, den Erlaß einer Konstitution noch hinauszuzögern. In


Bayern wurden die „Organischen Edikte" als Ausführungsverordnungen zur
Konstitution ohne Beratung mit der Kammer erlassen. Als Harscher von Almen-
dingen 1811 vom leitenden nassauischen Staatsminister Marschall den Auftrag
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erhielt, eine „repräsentative Konstitution" zu entwerfen, riet er vom Erlaß einer


Verfassung ab, denn, so lautet seine höchst aufschlußreiche Begründung, eine
Konstitution setze „das Dasein einer Klasse von Güterbesitzern und Kapitali-
sten" voraus, die über „Talent" und „Besitz" verfügten. In einem Volk, das an die
alten Landstände gewöhnt sei, finde man diese „Klasse" vorerst nur unter den
Staatsdienern. Es war das Dilemma der Reformbeamten, daß sie nach wie vor auf
eine ständisch agierende Opposition stießen. Als Ausweg blieb deshalb nur die
Gesellschaftsveränderung „von oben".
Revolutionierungs- Die sozialpolitischen Reformen und Reformprojekte trafen jedoch ihrerseits
Programm d« Code auf kaum uherwindbare Hindernisse. Mit der
Verbreitung „seines" Zivilgesetz-
buches, des Code Napoleon, der wesentliche Errungenschaften der Revolution,
wenngleich modifiziert, in das Empire übertrug, propagierte Napoleon ein gesell-
schaftspolitisches Revolutionierungsprogramm mit bürgerlich-egalitärer Aus-
richtung. Die antifeudalen Bestimmungen des Code die Zerschlagung des
Großgrundbesitzes durch die Erbteilungen mit Ausnahme der vom Kaiser gestif-
-

teten Majorate, das Verbot der Personalfronden und der


„ewigen" unablösbaren
Grundrenten, die Aufhebung des in der Grund- und Lehnsherrschaft gebundenen
bzw. geteilten Eigentums, die wirtschaftliche Betätigungs- und Vertragsfreiheit
zielten darauf ab, die grundherrschaftlichen Verhältnisse zu zerstören und eine -

liberalisierte Eigentümergesellschaft zu schaffen, die fähig sein sollte, die zum


Ausbau des Empire erforderlichen wirtschaftlichen und militärischen Aufgaben
zu erfüllen.
Hindernisse der
Agrarreform
Die Übertragung der liberalen Rechtsnormen auf die Rheinbundstaaten stieß
jefjocn auf d;e paradoxe Ausgangssituation, daß in den von keiner Revolution
berührten Gebieten die bürgerlichen Verhältnisse, die das französische Recht
voraussetzte, überhaupt erst auf dem Wege der Reform geschaffen werden muß-
ten. Einmal konnten die grundherrschaftlichen Rechte nicht einfach entschädi-

gungslos erlöschen, zumal die Eigentumsgarantien des Code ausdrücklich die


Entschädigung bei Enteignung vorsahen. Zum anderen durchkreuzte Napoleon
selber durch seine Adelspolitik die Abschaffung der feudalen Rechte und Institu-
tionen. Die Rheinbundakte sicherte im Artikel 27 die Privilegien der Standes-
herren, namentlich die niedere und mittlere Gerichtsbarkeit, die Jagd- und
Fischereirechte, die Bergwerksregalien, die Zehnten und andere Feudalreve-
nuen. Desgleichen blockierte die Politik der
Landschenkungen an den französi-
schen Majoratsadel die Auflösung der Privilegiengesellschaft und die Bauern-
befreiung. Im Königreich Westfalen, wo der größte Teil der französischen Dota-
tions-Domänen lag, mußte sich die Regierung im Berliner Vertrag vom 22. April
1808 verpflichten, die Donatare für alle Einkommensschmälerungen zu entschä-
digen, die sich aus der Reformgesetzgebung, z. B. aus der Abschaffung der sehr
einträglichen Monopolrechte (Mühlenbann, Braumonopol etc.) ergaben. 1810,
beim Anfall Hannovers, wurden die Dotations-Domänen sogar ausdrücklich
von der im übrigen Westfalen geltenden Gesetzgebung ausgenommen. Die pflich-

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tigen Bauern, die auf den kaiserlichen Domänen saßen, verstanden begreiflicher-
weise nicht, warum für sie die Reformgesetze nicht gelten sollten. Es kam zu
endlosen Streitigkeiten und Prozessen. Spitzfindigen Juristen jedoch diente das
Vorgehen Napoleons als Beweis dafür, daß das neue französische Recht offenbar
mit dem Feudalwesen vereinbar sei und „modifiziert" werden könne. Fast alle
Kommentatoren des Code Napoleon beriefen sich auf den Artikel 27 der Rhein-
bundakte und auf die kaiserlichen Majoratsdekrete.
Die Folge war eine restriktiv-konservative Auslegung der Reformgesetze. Alle
Feudallasten, auch die Fronden, die einfach als Realservitute interpretiert wurden,
mußten abgelöst werden. In Berg und Westfalen bemühte sich die Regierung
vergeblich darum, wenigstens das Abgabenchaos zu beseitigen und alle Abgaben
in eine hypothekarische, jährlich zu zahlende und zum zwanzigfachen Betrag
ablösbare Grundrente umzuwandeln. Bei der unentwirrbaren Verflechtung von
ständigen, unständigen, privatrechtlichen, herrschaftlichen und steuerähnlichen
Abgaben, die an verschiedene Grundherren, Leibherren, Gerichtsherren, Zehnt-
herren usw. gezahlt wurden, bei der engen Verbindung der Feudalrechte mit
Bannrechten und Monopolen, war es jedoch kaum möglich, eine einheitliche
Form der Grundrente zu schaffen. Ein Ablösungsdekret löste das andere ab,
ungeachtet der Tatsache, daß keines in der Praxis funktionierte. In Berg versuchte
man, über das französische Hypothekenrecht die Übertragung des Eigentums an
den Bauern durchzusetzen. Die Grundrenten mußten in die Hypothekenbücher
eingetragen werden und galten als reine Schuldverschreibungen, die den Bauern
nicht daran hinderten, über seinen Besitz bei Kauf, Verkauf oder Tausch frei zu

disponieren. Das 1808 während des Spanienfeldzuges erlassene Madrider Dekret


Napoleons über die Aufhebung der Leibeigenschaft im Großherzogtum Berg
verlieh allen ehemaligen Leibeigenen und Erbpächtern ihr Land „ä titre de
propriete pleine et entiere". Erstmalig wurde das geteilte Eigentum aufgehoben.
Das bergische Septemberdekret von 1811, „die im Großherzogtum abgeschafften
Rechte und Abgaben betreffend", verfügte, daß alle nicht privatrechtlich begründ-
baren Eigentumstitel entschädigungslos erlöschen sollten, z. B. steuerähnliche
Abgaben, gerichtsherrliche Gelder und sonstige vom Adel „usurpierte" Abgaben
öffentlich-rechtlichen Charakters. Das Gesetz kam jedoch zu spät und scheiterte
am Widerstand des Adels, der die Bestimmungen einfach mißachtete. In der

prekären außenpolitischen Situation der Rußlandfeldzug wurde vorbereitet


- -

war die Regierung nicht in der Lage, gegen die Adelsopposition einzuschreiten.

1812 annullierte sie vielmehr alle Gerichtsprozesse, die von den Bauern ange-
strengt wurden.
Das Entschädigungsproblem war kaum lösbar. Ohne staatliche Kredithilfe, die
wegen des katastrophalen Zustands der öffentlichen Finanzen unmöglich war,
konnten die Bauern die hohen Ablösungssummen gar nicht aufbringen. Die
Entschädigung durch Landabtretung, wie sie gleichzeitig in Reformpreußen
vorgenommen wurde, war bei der Streulage der Güter und den Besitzverhältnis-

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sen der westelbischen Grundherrschaft nicht durchführbar. Der adlige Grundherr,


der sein Land in der Regel nicht selbst bewirtschaftete (was ihn vom preußischen
Gutsherrn unterschied), dachte zuerst an sichere Revenuen und noch nicht an
Kapitalgewinne und Rationalisierungsmaßnahmen. Selbst auf den staatlichen
Domänen scheiterte die Ablösung nicht zuletzt daran, daß die Regierungen auf
die regelmäßigen Domäneneinkünfte angewiesen blieben, die neben den Steuern
die wichtigste Einnahmequelle bildeten. In Bayern z.B., wo der Staat seit der
Säkularisation von 1803 Grundherr für über 70% aller Bauernhöfe des Landes
war, machten sie 1808/09 ein Viertel der Staatseinnahmen aus. Eine erzwungene
Ablösung war schon aus fiskalischen Gründen ausgeschlossen.
Bei dieser Lage der Dinge hat sich die Agrarreform in den Rheinbundstaaten nur
Bauernbefreiung im höchst unvollkommen durchgesetzt. Erfolgreich war sie lediglich in den links-
Lmksrheinischen
rneinischen, von Frankreich annektierten Gebieten. Hier trafen die Franzosen
relativ günstige Verhältnisse an. Die rheinische Agrarverfassung war bereits
monetarisiert und weitgehend auf Rentenwirtschaft umgestellt. Außerdem be-
gannen die Reformen früher und noch unter den Regierungen der Revolution.
Schon 1792/93 war das Gebiet zwischen Landau, Saarbrücken, Bingen und Mainz
sowie die Grenzstadt Aachen vorübergehend besetzt worden. Als 1797, nach dem
Frieden von Campo Formio, der Regierungskommissar Franz Josef Rudier den
Auftrag erhielt, den Anschluß der linksrheinischen Gebiete an Frankreich vorzu-
bereiten, wurden die einschlägigen französischen Revolutionsdekrete aus den
Jahren 1790-93 eingeführt. Die Abgaben erloschen bis auf die Grundrenten
entschädigungslos. Zwar kam es auch im Rheinland zu Streitigkeiten, welche
- -

Abgaben zu den Grundrenten zu zählen seien, aber die Situation wurde dadurch
erleichtert, daß viele Mitglieder des Hochadels und des Klerus gemeinsam mit den
Landesherren beim Einfall der Revolutionstruppen geflohen und ins Rechtsrhei-
nische emigriert waren. Ihre Güter wurden konfisziert und fielen an den französi-
schen Staat. Die bäuerlichen Abgaben mußten fortab an den Fiskus gezahlt
werden. Da die Urkunden und Verträge hierüber zumeist im Gepäck der Emi-
granten verschwunden waren, fehlten die Rechtsmittel, um die Abgaben einzu-
treiben. Die Abgabenverweigerungen häuften sich, zumal die Revolutionspropa-
ganda immer wieder die Bauernbefreiung verkündet hatte. Um die eigenen
fiskalischen Interessen zu wahren, verfielen die Eroberer auf einen Ausweg, den
die rheinbündischen Regierungen aus naheliegenden Gründen nicht einzuschla-
gen wagten: Sie „befreiten" die Bauern von den Feudalabgaben und ihr Land vom
Obereigentum des Staates, aber sie ersetzten die bisherigen Domäneneinkünfte
durch erhöhte Steuern. Bezeichnenderweise ging der 1797 mit viel Freiheitspathos
verkündeten Proklamation Rudiers über die entschädigungslose Abschaffung der
Feudallasten eine Pariser Instruktion voraus, die sich in der Mehrzahl ihrer
Bestimmungen mit den neu einzuführenden Steuern befaßte.
Für die Bauern hat sich in der Rheinbundzeit nicht viel verändert. In Berg und
Westfalen, wo der Code Napoleon eingeführt wurde, verhinderte die Ablösungs-
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Napoleonisch-rheinbündische Reformen 93

gesetzgebung eine durchgreifende Reform der ländlichen Sozialverfassung. Die


Bauern mußten weiterzahlen, da die hohen Entschädigungsgelder unerschwing-
lich waren. Bestenfalls waren die Abgaben und Dienste jetzt fixiert, vertraglich
geregelt, zu einer jährlich zahlbaren Grundrente zusammengefaßt und ablösbar
gemacht. In Berg erhielten die Bauern das volle Besitzrecht, das jedoch von den
adligen Grundherren nicht respektiert wurde. In den linksrheinischen Gebieten
hob der verstärkte Steuerdruck die Vorteile der Abgabenfreiheit und der Eigen-
tumsverleihung zunächst wieder auf. Von den süddeutschen Rheinbundstaaten
führten nur die Großherzogtümer Baden und Frankfurt den Code Napoleon ein,
allerdings „modifiziert", d. h. mit „Zusätzen" in Baden und mit Zusatzedikten in
Frankfurt über die grundherrlichen Rechte, die nur nach gütlicher Ubereinkunft
der Parteien ablösbar waren. In Bayern, Hessen-Darmstadt, Nassau und im
Großherzogtum Würzburg geriet die Rezeption des Code Napoleon 1810 ins
Stocken, als der Druck von französischer Seite nachließ und Napoleon selbst zu
verstehen gab, daß sein Gesetzbuch auf die deutschen Verhältnisse nicht passe. In
Bayern wurden lediglich die ungemessenen Besitzwechselabgaben (Laudemien)
und die Fronden fixiert. Das bayerische Dekret über die Auflösung des Lehns-
verbandes von 1808 erklärte die bäuerlichen Zinslehen zu freiem Eigentum,
allerdings auch weiterhin gegen jährliche Zahlung eines ablösbaren Grundzin-
ses. Mit dem Edikt über die gutsherrlichen Rechte vom 28. Juli 1808 erlosch das

Einstands- bzw. Vorkaufsrecht des Grundherrn. Wie bei den Zinslehen war die
Ablösung des Obereigentums seit 1803 auf den Staatsdomänen erlaubt. Damit
erhielten immerhin drei Viertel aller bayerischen Bauern das Recht der Ablösung.
Die Bauernbefreiung begann in Württemberg erst 1817, in Baden 1820. Wie
überall in Süddeutschland, so brachte auch in Bayern erst die Revolution von
1848 die endgültige Beseitigung der Grundherrschaft.
Für den Adel hingegen war der Abbau des Privilegienwesens keineswegs Abbau der
und
wirkungslos. Abgesehen von der Ausnahmestellung der Standesherren und der Pnvlleg'en
00 "
Privatisierung der
kaiserlichen Donatare, konnte der Adel seine materiellen Besitzansprüche nur Eigentumsrechte
unter Verlust der feudalständischen Privilegien bewahren. Er verlor seine Steuer-

privilegien und Amtermonopole, den privilegierten Gerichtsstand und die Patri-


monialgerichtsbarkeit, die entweder abgeschafft oder der staatlichen Aufsicht
unterstellt wurde. Das bayerische Adelsedikt von 1818 machte die Fortführung
des Adelstitels vom Nachweis des Adels vor einer staatlichen Behörde und einer
daraufhin zu erteilenden staatlichen Konzession abhängig. Wie in Berg und
Westfalen, so mußten auch in Baden und Bayern die Stammgüter bzw. Fideikom-
misse in Anlehnung an die französische Majoratsgesetzgebung vom Staat geneh-
migt werden. Alle mit dem Grundbesitz verbundenen Rechte büßten ihren
Privilegiencharakter ein. Sie verwandelten sich in privatrechtliche, vertraglich
geregelte Eigentumstitel ganz anders als in Reformpreußen, wo die mit dem
Besitz eines Rittergutes verknüpften Privilegien, einschließlich der Steuerfrei-
-

heiten, fortbestanden und nur der Zugang zu solchen Gütern nicht mehr allein

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94 /. Darstellung

dem Adel vorbehalten blieb. Die Privatisierung grund- und lehnsrechtlicher


Beziehungen drängte auf die Rationalisierung, Vereinheitlichung und Vereinfa-
chung der Rechtsformen, und das Postulat der „Freiheit des Eigentums" erfor-
derte zumindest die Ablösungsmöglichkeit und längerfristig die Beseitigung
derartiger Besitztitel.
- -

Das napoleonisch-rheinbündische Reformwerk blieb ein Torso. Obgleich die


verfassungs- und sozialpolitischen Reformprojekte scheiterten und die Reformer-
folge Verwaltungszentralisierung, Unabhängigkeit der Justiz, Rechtsvereinheit-
lichung vor allem auf jenen Gebieten zu verzeichnen sind, in denen der Aufge-
-

klärte Absolutismus bereits vorgearbeitet hatte, so ist dennoch die größere Nähe
-

zu den Errungenschaften der französischen Revolution viel unmittelbarer


spürbar
Zukunftsweisender als in Reformpreußen. In der Rheinbundzeit zeichneten sich die Grundprobleme
Charakter der
emer umfassenden Reformpolitik ab, die erst Während des Vormärz im Zeichen
Reformen
von „Bauernbefreiung" und „Verfassungskämpfen" einer
Lösung näher gebracht
werden konnten. Es ist kein Zufall, daß die Zentren des deutschen Frühliberalis-
mus und Frühkonstitutionalismus nach 1814 in den Mittelstaaten und in den
Ländern des rheinischen Rechts lagen, auch wenn die gradlinige Weiterentwick-
lung der rheinbündischen Reformen durch die Reaktion nach 1819 unterbrochen
wurde.

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Wirtschaft und Kontinentalsperre 95

8. Wirtschaft und Wirtschaftspolitik unter den Bedingungen der


Kontinentalsperre

Die napoleonische Wirtschaftspolitik verfolgte zwei Ziele: Die Kontinentalsperre Ziele der
war dazu bestimmt, England mit den Mitteln des Wirtschaftskrieges niederzu- naPoleonlscnen
i Wirtschaftspolitik
zwingen; das Kontinentalsystem, d. h. die wirtschaftliche Organisation, die Na-

i- • •

poleon dem Festland aufzwang, um es der Kontinentalsperre zu unterwerfen, war


zugleich darauf abgestellt, die kontinentalen Märkte für Frankreich zu erobern.
Beide Zielsetzungen scheiterten, nicht zuletzt deshalb, weil Napoleon mit veral-
teten Methoden die Wirtschaftsentwicklung zu reglementieren versuchte und kein
Verständnis für die Ausweitung des Marktes durch freien Warenaustausch auf-
zubringen vermochte.
Die Politik der Blockade und Gegenblockade im französisch-englischen Han-
delskrieg war nicht neu. Schon 1793 verhängten die Briten von der See her die
Blockade über das französische Küstengebiet, während der Jakobinerkonvent die
Einfuhr englischer Waren verbot. Das Direktorium wiederholte 1796 das Import-
verbot und empfahl zwei Jahre später, die französischen Häfen auch allen neu-
tralen Schiffen zu sperren, die englische Waren führten. „Unsere Politik", so
lautete die Begründung, „muß sich darauf beschränken, den Handel Englands
und damit seine Macht zu ruinieren." Die erste Kontinentalblockade Napoleons Kontinentalsperre
1806/07
von 1806/07 bildete den dramatischen Höhepunkt dieser Entwicklung. Das

Berliner Dekret vom 21. November 1806, das nach den Siegen bei Jena und
Auerstedt erlassen wurde, verschloß die Häfen des Kontinents vorerst nur jenen
Schiffen, die „unmittelbar" aus England kamen. Nach dem Frieden von Tilsit holte
dann Napoleon zum entscheidenden Schlag aus: Die Mailänder Dekrete vom
23. November und 17. Dezember 1807 ordneten die Beschlagnahme sämtlicher
englischer Waren an, auch dann, wenn sie von Schiffen der neutralen Mächte
geführt wurden. Die Engländer verschärften ihrerseits die Gegenblockade. Die
vom 11. November bis 18. Dezember als Gegenmaßnahme verkündeten „Orders

of Council" erlaubten den Zwischenhandel nur denjenigen neutralen Schiffen, die


eine britische Lizenz gegen Zahlung einer Gebühr von einem Viertel des Waren-
werts einlösten. Der Zwischenhandel der Neutralen, der sich vor allem für die
Amerikaner und Skandinavier zu einem einträglichen Geschäft entwickelt hatte,
brach zusammen. Da die Briten bald darauf die letzten französischen und hollän-
dischen Kolonien eroberten und mit Unterstützung Portugals und des spanischen
Aufstandes auch die Kolonien in Lateinamerika auf ihre Seite brachten, waren die
Festlandsstaaten nahezu von den Märkten in Übersee abgeschnitten. England
verlor den europäischen Markt, der bisher ein Drittel seiner Exporte abgenom-
men hatte.
Die Unterbrechung der offiziellen Handelsbeziehungen wurde jedoch durch Schmuggelhandel
die englischen Schmuggelexporte einigermaßen ausgeglichen. Solange Dänemark
neutral blieb, wurde der Handel über die dänischen Häfen abgewickelt. Als

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Napoleon auch die dänischen, preußischen und russischen Ostseehäfen unter


Kontrolle nahm, diente der schwedische Hafen Göteborg als Umschlagplatz.
Außerdem lief ein eifriger Schmuggelhandel über die beiden dem Festland vorge-
lagerten Inseln, Helgoland im Norden und Malta im Süden. Im Herbst 1808
landeten in Helgoland hundertzwanzig britische Schiffe, und gegen zweihundert
englische Kaufleute ließen sich auf der Insel nieder, um von hier aus den Güter-
export mit kleinen Küstenschiffen zu organisieren. An den deutschen Küsten
bewiesen die hanseatischen Kaufleute großes Geschick im Umgehen der Zoll-
grenzen, wobei ihnen die Bestechlichkeit selbst hoher französischer Beamter und
Generale zu Hilfe kam. Von Hamburg, Bremen und Lübeck aus drangen die
eingeschleusten Waren ins Inland, wo es leichter fiel, ihre englische Herkunft zu
verheimlichen. Frankfurt wurde zum Warenlager an der Grenze Frankreichs. Die
Messestadt Leipzig entwickelte sich zu einem regelrechten englischen Binnen-
markt. Hier kaufte die Schweiz ihre Baumwollgarne ein, von Leipzig aus drangen
die englischen Waren nach Mittel- und Osteuropa. Die Geschäfte über ständige
Umwege und Umladungen waren zwar risikoreich, und die Mehrkosten schlugen
sich in steil ansteigenden Preisen nieder. Auch gerieten manche Städte und Firmen
an den Rand des Ruins, etwa Lübeck, wo 1808 eine Kreditkrise ausbrach, die den
Bankrott von 95 Firmen zur Folge hatte. Insgesamt jedoch erwiesen sich Handel
und Verkehr als außerordentlich widerstandskräftig und anpassungsfähig. Der
überseeische Handel mit dem Kontinent wich mehr aus, als daß er sich reduzieren
ließ.
Wirtschaftliche Aus- Die englische Wirtschaft war ihrerseits auf die Importe von Holz und Getreide
Wirkungen der angewiesen, J)ie Abschnürung von den kontinentalen Märkten machte sich vor
Kontinentalsperre
allem 1808 und 1810/11 bemerkbar. Mißernten trugen dazu bei, daß die Getreide-
,

preise emporschnellten. Gleichzeitig geriet England durch den Preisverfall des


Pfundes in eine Währungskrise. Überdies stockten die Exporte in die USA, die
aus Protest gegen die englische Seeüberwachung ihre Häfen für englische Waren
-

sperrten. 1812 begann der englisch-amerikanische Krieg. Die Lage wurde für
-

Großbritannien bedrohlich, aber der von Napoleon erhoffte wirtschaftliche


Zusammenbruch blieb aus.
Für den Kontinent hingegen warf die Blockade eine Reihe schier unlösbarer
Probleme auf. Die exportorientierten Wirtschaftsbranchen wurden von ihren
Märkten in England, Übersee und anderen Gebieten (etwa Südeuropa) abge-
schnitten. England war der wichtigste Abnehmer für Agrargüter. Vor 1807 bezog
England zwei Drittel seiner Holzimporte und 34 % seiner Getreidelieferungen aus
Preußen. Aber auch die französischen Bauern wurden unruhig, zumal durch
Kriegseinwirkungen auch der Absatz auf den kontinentalen Märkten erheblichen
Schwankungen unterlag. Außer Getreide ließen sich Käse, Butter, Wein und
Branntwein schwer verkaufen. Die Blockade des Überseehandels führte zur
wirtschaftlichen Gefährdung der Küstenprovinzen und Seehandelsstädte. Hafen-
städte wie Bordeaux, Nantes, Marseille, Amsterdam und Antwerpen drohten zu

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Wirtschaft und Kontinentalsperre 97

veröden. Aber auch viele Zulieferbetriebe für Kolonialwaren kamen zum Er-
liegen. Schwerstens getroffen wurde die kontinentale Leinenindustrie, die Stoffe
für die Pflanzer und ihre Sklaven in die Kolonien geliefert hatte. Der Leinenexport
aus Westfrankreich, Flandern und Holland brach zusammen; der Export des

deutschen Leinens aus Westfalen, Sachsen und Schlesien fiel auf ein Sechstel
zurück. Allerdings konnten die Verluste der Leinenindustrie durch den Auf-
schwung der Baumwollspinnereien, die vom englischen Konkurrenzdruck be-
freit wurden, ausgeglichen werden. In wenigen Jahren baute das kontinentale
Europa eine Spinnereiindustrie auf, die 1815 über anderthalb Millionen Spindeln
verfügte, von denen sich eine Million in Frankreich befanden, zweihundertfünf-
zigtausend in Sachsen und einhundertfünfzigtausend in der Schweiz. Am stärksten
nutzte Sachsen die Gunst der Stunde: hier stieg die Zahl der Mule-Spindeln von
13 000 im Jahre 1806 auf 256 000 im Jahre 1813. Indessen: England hatte 1811 fast
fünf Millionen Spindeln in Betrieb. Der Kontinent holte zwar durch den Rück-
gang der englischen Konkurrenz auf; aber auch England beschleunigte die Ent-
wicklung, so daß sich der Abstand eher vergrößerte. Außerdem brachte die
Kontinentalsperre trotz aller Vorteile für die Baumwollproduzenten eben auch
Nachteile ein: es fehlte die Rohbaumwolle, die nur über Schmuggelgeschäfte und
gegen überhöhte Preise zu beschaffen war. Die Konsumenten vermißten nicht nur
die billigen englischen Stoffe, sondern auch die kolonialen Lebens- und Genuß-
mittel: Kaffee, Zucker, Reis, Tabak, die gleichfalls knapp und teuer wurden. Die
Aushilfen, die Napoleon ersann, waren unzureichend. In der Umgebung von
Neapel und Malaga wurde ohne viel Erfolg Baumwolle angepflanzt. Ein Teil
der englischen Importe sollte durch die Rohbaumwolle aus der Türkei ersetzt
- -

werden, die jedoch auf dem Landweg und über die Donau, d. h. zu hohen Trans-
portkosten, herbeigeschafft werden mußte. Die Mengen deckten höchstens ein
Sechstel des Bedarfs. Um dem Zucker- und Kaffeemangel abzuhelfen, empfahl
Napoleon die Herstellung von Rübenzucker und Zichorie-Kaffee-Ersatz. Die
Ersatzstoffproduktion konnte jedoch nicht verhindern, daß die Kaffee- und Zuk-
kerpreise sich vervielfachten.
Neben die wirtschaftlichen traten die technischen und fiskalischen Probleme Technische und
fiskalische Probleme
der Blockadepolitik. Die Küstenkontrollen reichten nicht aus, um den Schmuggel der Blockadepolitik
zu unterbinden. Französische Beamte ließen sich bestechen; die außerfranzösi-

schen Regierungen und sogar König Ludwig von Holland, Napoleons Bruder,
duldeten und unterstützten den Schmuggel. Das Überwachungssystem funktio-
nierte nur dann einigermaßen, wenn französische Truppen eingesetzt wurden. So
wurde das Kontrollnetz an der Nordseeküste sofort durchlässig, als die Soldaten
nach Ausbruch des spanischen und österreichischen Krieges auf die Kriegsschau-
plätze abzogen. Je nach den Wechselfällen des Krieges entspannte sich die Blok-
kade oder sie zog sich zusammen. Überdies kosteten die Kriege Geld. In der
französischen Staatskasse fehlten jedoch die Zolleinnahmen, die 1808/09 von
sechzig Millionen Francs auf elfeinhalb Millionen absanken.
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Die fiskalischen Interessen, die Klagen der Textilproduzenten über die Knapp-
heit und Verteuerung der Rohbaumwolle, die Unzufriedenheit der französischen
Bauern über den reduzierten Getreide- und Weinexport und die wachsende
Feindschaft der Neutralen, insbesondere der Amerikaner, veranlaßten Napoleon
Neugestaltung 1810 zu einer Neugestaltung der Blockadepolitik. Um das Kontrollsystem gegen
der Kontinental
den Schmuggel abzudichten, wurden Holland und die nordwestdeutschen Kü-
sperre 1810
stengebiete annektiert. Um die Amerikaner zu versöhnen und die Unruhe in der
Bevölkerung einzudämmen, entschloß sich Napoleon, die Wirtschaftsbeziehun-
gen mit England unter bestimmten Bedingungen wiederaufzunehmen. Die De-
krete von St. Cloud und Trianon gestatteten den Neutralen, gegen Einlösung von
kaiserlichen Lizenzen, d. h. unter staatlicher Kontrolle, französische Waren, z. B.
Getreide und Wein, nach England zu exportieren und von dort britische Kolonial-
waren, z. B. Rohbaumwolle, Kaffee und Zucker, nach Frankreich einzuführen.
Alle Kolonialwaren unterlagen dem sog. Trianontarif, der den Wertzoll von 10 %
auf 40-50 % des Warenwerts heraufsetzte. Napoleon lenkte auf diese Weise in
seine Staatskasse, was bisher dem heimlichen Schmuggel zugekommen war. Ganz
glatt ging diese Rechnung nicht auf. Es zählt zu den Widersprüchlichkeiten der
napoleonischen Herrschaft, daß die Getreidelieferungen an England gegen das
Hauptziel der Blockade, nämlich die Isolierung der britischen Wirtschaft, ver-
stießen. Die Zollabgaben des Trianontarifs schädigten die Interessen der französi-
schen Produzenten und Konsumenten. Zwar kamen jetzt Rohstoffe und Kolonial-
waren wieder ins Land, aber sie waren nach wie vor zu teuer. Napoleon hoffte

vergeblich, daß die Engländer gezwungen sein würden, ihre Preise zu senken, um
die hohen Zollabgaben auszugleichen. Die Herren des Marktes waren jedoch viel
eher in der Lage, die Preise zu diktieren.
Gegen den Schmuggel wurden 1810 Sondergerichte eingesetzt. Zollbeamte, die
sich jetzt noch bestechen ließen, riskierten Zuchthausstrafen bis zu zehn Jahren
und in schweren Fällen die Todesstrafe. Uberall in Napoleons Machtbereich liefen
Polizeiaktionen an, die nach englischen Waren fahndeten. Berühmt-berüchtigt ist
das Exempel, das Napoleon in Frankfurt statuierte. In der Nacht vom 18. auf den
19. Oktober rückten Truppen in die Stadt ein, und am nächsten Morgen erlebten
mehr als zweihundert Frankfurter Kaufleute die Konfiszierung ihrer Waren, die
auf dem Marktplatz öffentlich verbrannt wurden. Auf die Dauer konnten solche
brutalen Methoden jedoch nur dazu beitragen, die Empörung der verbündeten
Regierungen und den Haß der Bevölkerung auf die „Fremdherrschaft" zu schüren.
Der Schmuggel ließ sich jedenfalls nicht unterdrücken. In Frankfurt, Hamburg
und Leipzig florierte nach wie vor der Schmuggelhandel; ganze Dörfer entlang der
Rheingrenze lebten vom Schmuggelgeschäft. Durch Freiburg z. B. rollten im
August 1810 täglich dreihundert bis vierhundert Wagen voll beladen mit Zucker,
Kaffee und Baumwolle. In Nürnberg, Augsburg und Regensburg wurden große
Lager mit britischen Waren angelegt. Für manche Beteiligten war das Schmuggel-
geschäft so profitabel, daß sehr große Vermögen verdient wurden. Die Rothschilds
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Wirtschaft und Kontinentalsperre 99

sind das bekannteste Beispiel. Der Kölner Bankier Abraham Schaafhausen konnte
es sich leisten, für 100000 Francs Strafgelder zu zahlen, ohne daß offenbar seine

Geschäfte darunter litten. In Preußen nutzte sogar die Regierung die Situation aus.
Sie gab die beschlagnahmten englischen Waren gegen hohe Lizenzgebühren
wieder frei und nahm auf diese Weise von 1810 bis 1812 etwa zwölf Millionen
Taler ein, mit denen das preußische Reformheer finanziert wurde.
Napoleons Bemühungen, der französischen Wirtschaft Vorteile auf Kosten der Das Kontinental-
verbündeten Staaten zu verschaffen, waren nicht durchweg erfolgreich. Sie liefen system
darauf hinaus, durch Schutzzölle und Handelsverträge die deutsche und inter-
nationale Konkurrenz auszuschalten. Eine 1809 errichtete Zollschranke von Rees
am Niederrhein bis Bremen isolierte den deutschen und holländischen Markt, der

für die Franzosen reserviert wurde. Die Zollgrenze am Rhein zerschnitt die
traditionellen Handelsbeziehungen zwischen den beiden Rheinseiten zum Nach-
teil des Großherzogtums Berg, das den französischen und holländischen Markt
verlor. Ebenso wurden die deutsch-italienischen Handelsbeziehungen unterbro-
chen. Ein 1808 abgeschlossener Handelsvertrag zwischen Frankreich und Italien
sicherte den Franzosen das Handelsmonopol. Das Nachsehen hatten die Bayern,
die ihre Exporte nach Italien einstellen mußten. Ein Handelsvertrag, den Bayern
kurz zuvor mit Italien vereinbart hatte, wurde von Napoleon zugunsten der
französischen Wirtschaft so stark verändert, daß der bayerische König es ab-
lehnte, den Vertrag zu ratifizieren. Die Italiener mußten ihren Markt den Franzo-
sen öffnen, insbesondere für Seidenwaren aus Lyon, dem Zentrum der französi-
schen Seidenindustrie, während die Erzeugnisse des eigenen Landes von den
ausländischen Märkten abgeschnitten wurden. Die italienische Seidenproduktion
ging auf weniger als die Hälfte zurück. Einige Zollmaßnahmen Napoleons
konnten nur noch als reine Schikane ausgelegt werden. So wurde der für die
süddeutschen Rheinbundstaaten lebenswichtige Transithandel durch den Tria-
nontarif, der auch den Verbündeten aufgezwungen wurde, schwer behindert.
Erst 1811 erreichte die badische Regierung die erneute Freigabe des Transits.
Bayern, das wichtigste Durchgangsland für den Zwischenhandel mit Levante-
baumwolle, mußte es hinnehmen, daß Napoleon 1809/10 an der bayerisch-öster-
reichischen Grenze im Innviertel, das im Wiener Frieden von 1809 vorübergehend
an Frankreich abgetreten wurde, eine hohe Zollmauer errichtete.
Trotzdem gewann die deutsche Wirtschaft im Schatten der Kontinentalsperre in
mancherlei Hinsicht mehr als die französische. Der Schmuggel wurde stillschwei-
gend von den Regierungen geduldet; die britischen Waren zirkulierten freier, die
Rohstoffbeschaffung war deshalb weniger schwierig, und die Preise lagen nied-
riger als in Frankreich, wo die Grenzen viel schärfer bewacht wurden. Schon
1806/07, in der Zeit der ersten Blockade, kostete das Kilogramm Baumwolle
rechtsrheinisch sechs Francs, linksrheinisch hingegen vierzehn Francs. Seit 1810,
nach Erlaß des Dekrets von Trianon, erreichte die Baumwolle in Frankreich den
sechs- bis zehnfachen Preis, den sie dem deutschen Kaufmann beim illegalen

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100 I. Darstellung

Erwerb kostete. Leipzig blieb in der Blockadezeit der wichtigste kontinentale


Handels- und Absatzmarkt. Voran Sachsen, aber auch das Großherzogtum Berg,
Böhmen und die Schweiz machten auf der Leipziger Messe ihre besten Geschäfte.
Die französischen Waren hingegen gingen nicht so gut, weil sie zu teuer waren.
Zwar setzte die Seidenindustrie von Lyon zwei Drittel ihrer Seidenstoffe in
Leipzig ab, aber die französischen Tuch- und Baumwollwaren unterlagen der
sächsischen, böhmischen und schweizerischen Konkurrenz. Wie das erste Ziel
der napoleonischen Wirtschaftspolitik, der wirtschaftliche Sieg über England, so
schlug auch das zweite fehl: die Vorherrschaft der französischen Wirtschaftsmacht
auf dem kontinentalen Markt. Nicht nur England, sondern auch Frankreich geriet
1810/11 in eine schwere Wirtschaftskrise.
Politische Die rücksichtslos egoistische Wirtschaftspolitik Napoleons untergrub den
Auswirkungen p0i;tiscnen Zusammenhalt des Grand Empire. Die französischen, holländischen
und italienischen Märkte verschlossen sich eben nicht nur den Briten, sondern
auch den Vasallen und Verbündeten. „Der kontinentale Markt war... weit davon
entfernt, geeint zu sein und strotzte in Wirklichkeit von Hindernissen für den
Handel" [427: F. Crouzet], Das Kontinentalsystem trug so dazu bei, daß sich die
süddeutschen Rheinbundstaaten, voran Bayern, aus gemeinsamen Interessen an
der Aufrechterhaltung des Transithandels wieder Osterreich annäherten. Immer
mehr Länder waren durch Annexionen bedroht: Portugal, Spanien, Toskana,
Parma, Kirchenstaat, Holland, Nordwestdeutschland und schließlich Rußland.
Zar Alexander L, der empört zusah, daß Frankreich Getreide an England lieferte,
während die russische Landwirtschaft unter dem Verlust des englischen Export-
marktes schwer zu leiden hatte, zog am 31. Dezember 1810 die Konsequenz und
öffnete seine Häfen. Napoleon sah darin eine wirtschaftliche Kriegserklärung an
Frankreich und stürzte sich in das letzte seiner politischen Abenteuer, das den
Zusammenbruch seiner Herrschaft einleitete.
Dominanz des Die Vorstellungen und Motive, die der napoleonischen Blockadepolitik zu-
merkantihstischen
und fiskalischen gmndelagen,
blieben in vielfacher Hinsicht den Traditionen des Ancien Regime
verhaftet. Das fiskalische und merkantihstische Denken überwog. Es bestimmte
...... .

Denkens
die staatlich gelenkte Außenhandelspolitik, die vor allem den Export forcierte und
den Import abdrosselte. Seine Absicht sei es, erklärte Napoleon 1810, die Ausfuhr
mit allen Mitteln zu fördern, um das Einströmen von Bargeld soweit wie möglich
zu steigern. Das lag noch ganz auf der Linie der Merkantilisten des 17.
Jahr-
hunderts. Die veränderte Situation durch den Aufstieg Englands zur führenden
Industrie- und Handelsmacht wurde negiert. Aus England kamen die Rohstoffe
und Maschinen, die Facharbeiter, die Erfahrungen und Techniken vermittelten,
das Kapital, mit dem die europäischen Banken rechneten. Dennoch glaubte
Napoleon, daß England gerade deshalb verwundbar sei, weil sein Reichtum sich
allein auf Handel und Kapitalbesitz gründete. Trotz aller Bestrebungen, die
französische Industrie aufzubauen und ihren Erzeugnissen Absatzmärkte zu
sichern, teilte Napoleon die alte Auffassung, die ein Land nur dann für Wirtschaft-
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Wirtschaft und Kontinentalsperre 101

lieh mächtig hielt, wenn es zur Selbstversorgung fähig und nicht wie England
auf Agrarimporte angewiesen war. Die traditionellen agrargesellschaftlichen Vor-
- -

stellungen, die in der französischen Notabeingesellschaft vorherrschten, prägten


auch die Wirtschaftspolitik: der Landbesitz galt immer noch als Quelle und
sicherste Grundlage des Reichtums.
Die wirtschaftliche Entwicklung unter den Bedingungen der Kontinentalsperre
hat sich zum Teil gegen diese Vorstellungen und anders als erwartet durchgesetzt.
Der Handel verlagerte sich; er lief neue Wege und Umwege, aber er ließ sich nicht
eindämmen. Als letztes Aushilfsmittel blieb der Schmuggel. Der Export der
deutschen Staaten konzentrierte sich auf den innerdeutschen Handel und auf Entwicklung des
Mittel- und Osteuropa. Die deutsch-französischen Handelsbeziehungen, die clel"sc^en
Ii-Ii i
Außenhandels
i
vor der Blockadezeit über die Hansestädte, hauptsächlich über Hamburg, abge-
iii-i r

wickelt worden waren, verschoben sich auf die Rheinbundstaaten, die 1810 nach
der offiziellen französischen Außenhandelsstatistik 98,2 % der Einfuhren aus
Frankreich aufnahmen. Von 1798-1820 war Deutschland ununterbrochen der
wichtigste Abnehmer für französische Waren, von denen 20-25 % über den
Zwischenhandel nach Rußland weiterverkauft wurden. Aber auch die deutschen
Exporte nach Frankreich erreichten trotz der Zollgrenze am Rhein eine
-

erstaunliche Höhe. Der offizielle Wert der deutschen Exporte stieg gegenüber
-

dem Revolutionsjahr 1789 (31 Mill. Francs) unter großen kriegsbedingten


Schwankungen bis 1812 auf knapp das Vierfache an (123 Mill.). Der deutsche
Anteil am französischen Gesamtimport betrug 1792 5,4 %, 1807 11 %, 1809 28 %
und noch 1813 19,7%. Ergänzt wurde dieser offizielle Handel durch die in der
Größenordnung unbekannten Schmuggelexporte britischer Waren, die auf dem
Umweg über Deutschland nach Frankreich eingeschleust wurden. Insgesamt kann
es trotz aller blockade- und kriegsbedingten Störungen um den deutschen Handel

nicht so schlecht bestellt gewesen sein, wie es die ältere Forschung angenommen
hat. Eine ausgeglichene Handelsbilanz ist durchaus denkbar. Schwer getroffen
wurde vor allem der Außenhandel Hamburgs und des Großherzogtums Berg.
Allerdings war auch hier der Rückgang des Handelsverkehrs nicht ganz so
dramatisch, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Hamburg und die
Hansestädte zählten seit Mitte der 1790er Jahre zu den Nutznießern der eng-
lischen Blockade über das französische und holländische Küstengebiet. Da neben
den französischen und amerikanischen auch die meisten englischen Exporte und
Importe über Hamburg gingen, stellte Hamburg seit 1795 noch vor Amsterdam
den größten Umschlagplatz des Kontinents dar. Die britischen Einfuhren über die
Hansestädte verdoppelten sich von 1793 bis 1794, stiegen dann leicht an und
sprangen von 1799 auf 1800 noch einmal um 100%. 1806/07 brach der offizielle
Hamburger Handelsverkehr, dessen rasch wachsender Umfang jedoch selbst
schon als eine Folge der Revolutionskriege anzusehen ist, so gut wie vollständig
zusammen. Die Hamburger Kaufleute wichen in den illegalen Handel aus, der

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über die dänische Hafenstadt Tönning an der Eider und später über das schwedi-
sche Göteborg abgewickelt wurde.
Auch das Großherzogtum Berg verdankte seinen blendenden Aufschwung zu
einem Teil dem wirtschaftlichen Niedergang Frankreichs während der Revolu-
tionswirren. Außerdem räumte ihm Frankreich bis 1806 Vorzugszölle ein, weil
Berg als „der einzige Rivale Englands" auf dem Festland galt, wie Murat, Napo-
leons Schwager, stolz nach Paris meldete. Nach einer Statistik Beugnots ging der
Export Bergs von 55 Mill. Francs 1807 auf 38 Mill, im Jahre 1810, also um etwa ein
Drittel, zurück. Das Großherzogtum litt unter der paradoxen Situation, daß es
zwar politisch aufs engste mit Frankreich verklammert war, aber wirtschaftlich als
Ausland behandelt und nicht nur von den überseeischen, sondern auch von den
französischen, holländischen und italienischen Märkten abgeschnitten wurde. Ein
Teil der bergischen Industrie wanderte deshalb in das von Frankreich annektierte
linksrheinische Gebiet ab, dem der französische Markt offenstand. Weite Kreise in
Berg wünschten den vollen Anschluß an Frankreich, der jedoch von Napoleon aus
Furcht vor der bergischen Konkurrenz abgelehnt wurde. Im Gegensatz zu den
übrigen deutschen Staaten, beispielsweise Sachsen, profitierte Berg, das unter
französischer Regierung stand und von Paris aus streng kontrolliert wurde, nur
wenig vom Schmuggelhandel. Noch im Mai 1813 befahl Napoleon in Berg die
Beschlagnahme britischer Waren. Immerhin konnte das Großherzogtum einen
Teil seiner Exporte auf den innerdeutschen Handel umleiten. Als Beugnot immer
wieder wegen der bergischen Exportmisere in Paris vorstellig wurde, wies ihn
Napoleon darauf hin, daß Berg auf den Leipziger Messen glänzende Geschäfte
gemacht habe.
Strukturverände- Anders als in Handel und Verkehr, die zwar am stärksten, aber doch nur
rungen in der
kurzfr;stig von den Blockademaßnahmen betroffen wurden, bewirkten die Han-
Produktion delssperren in der gewerblichen Produktion erhebliche Strukturveränderungen,
die auch nach 1815 fortbestanden. Es ist jedoch wiederum bezeichnend, daß die
politischen Maßnahmen nur eine Entwicklung beschleunigten, die bereits in Gang
gesetzt war. Die napoleonische Wirtschaftspolitik war dann erfolgreich, wenn sie
sich schon vorhandenen Trends anpaßte. Das gilt vor allem für den Übergang von
der Leinen- zur Baumwollindustrie. Bei der Leinenindustrie handelt es sich um
eine mit den alten Methoden des Verlagssystems und der Heimproduktion ar-
beitende Wirtschaftsbranche, deren Niedergang ohnehin besiegelt schien. Die
Zukunft gehörte der mechanisierten Baumwollindustrie, der auch auf dem Konti-
nent im Prozeß des technologischen und wirtschaftlichen Wandels eine Schlüssel-
rolle zufiel. Zwar gerieten die in einer Art Treibhausklima entstandenen neuen
Baumwollspinnereien nach 1815, als die englische Konkurrenz wieder auf dem
Markt erschien, in eine schwierige Anpassungsperiode; aber langfristig gesehen
überwiegen doch die positiven Impulse für die Einleitung der Industrialisierung,
der Wirtschaft"8 ^er Zusammenbruch der „atlantischen Wirtschaft" [424: F. Crouzet] bewirkte
eine Veränderung der Wirtschaftslandschaft. Die industriellen Zentren lagen nun
landschaft

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Wirtschaft und Kontinentalsperre 103

im Norden und Osten Frankreichs, in Belgien um Gent und Lüttich, im Links-


rheinischen um Aachen, Köln, Krefeld, Gladbach und Rheydt sowie im Elsaß. Die
Achse der kontinentalen Wirtschaft war von den Küsten weg an den Rhein
gewandert. Im Osten verlief eine zweite Wirtschaftsachse von Sachsen über
Böhmen nach Österreich.
Für die Auswirkungen der Kontinentalsperre auf die deutsche Wirtschaft war
die Gewerbeentwicklung auf den beiden Rheinseiten, im Dreieck Aachen Köln
Krefeld und im Großherzogtum Berg mit der Hauptstadt Düsseldorf, von ent-
- -

scheidender Bedeutung. Das Rheinland war bereits vor Beginn der französischen
Herrschaft eine blühende Gewerbelandschaft dank der günstigen Verkehrslage am Gewerbeentwick-
Rhein und im Schnittpunkt der Straßenverbindungen zur Nord- und Ostsee. Berg lun8im Rheinland
besaß Erz- und Kohlevorkommen und nutzte den Wasserreichtum des Wupper-
tales. Die Landwirtschaft war hier nicht mehr von vorrangiger Bedeutung; Berg
war auf Getreidelieferungen angewiesen, die bis 1806 aus dem Linksrheinischen

kamen. Die Gewerbezentren lagen in den neu entstehenden, zunftfreien Mittel-


städten wie Barmen und Elberfeld. Auch im Linksrheinischen nahmen die alten
Handels- und Gewerbestädte wie Köln und Aachen mit ihrem erstarrten Zunft-
system an der Entwicklung nicht mehr den entsprechenden Anteil. Die Aachener
Tuchhersteller z. B. mieden die Zunftherrschaft der alten Reichsstadt und zogen es
vor, in Nachbarstädte wie Burscheid, Monschau und Eupen auszuweichen. Auch
der Vorsprung der Baumwollverarbeitung zeichnete sich bereits ab. Im Gegensatz
zur Flachsspinnerei und zur Leinenweberei war die Baumwollproduktion von

Anfang an verlagsmäßig organisiert, da ja ausländische Rohstoffe verarbeitet


wurden, die von den Verlegern aus Holland und England importiert wurden.
Der Elberfelder Kaufmann und Verleger Johann Gottfried Brügelmann errichtete
1783/84 in Ratingen bei Düsseldorf die erste mechanische Baumwollspinnerei mit
1600 durch Wasserkraft angetriebenen Mule-Spindeln und mit siebzig bis achtzig
Arbeitern im Fabrikbetrieb. In der Regel war allerdings die Textilproduktion noch
nicht fabrikmäßig organisiert. Zumeist entstanden betriebliche Mischformen:
Spinnen und Weben geschah in Heimarbeit, die Veredelungsproduktion das
Färben und die Appretur fand meist schon in fabrikähnlichen Werkstätten statt.
-

Zwischen den beiden Rheinseiten entwickelte sich ein lebhafter Verkehr. Die
-

Kölner Weber schickten ihre Tuche zum Bleichen und Färben ins Wuppertal;
die bergischen Verleger beschäftigten linksrheinische Baumwollhandspinner und
Handweber, Produktionsprozesse, die in der napoleonischen Zeit zerschnitten
wurden. Nach 1806 stagnierte die Baumwollproduktion in Berg durch den
Abbruch der Handelsbeziehungen. Dafür entwickelte sich rasch die Eisenindu-
strie. Eine offizielle Statistik von 1809 zählte in Berg 27 Hochöfen für Eisen und
Stahl, 6 Hochöfen für Gußstahl, 77 Hütten für Stangeneisen, 492 Hütten für Eisen
in Stäben und Reifen, 52 Hütten für Sensen und Sicheln und 600 Werkstätten für
Eisendraht. Hergestellt wurden Waffen, Sensen, Messer, Hüttenhämmer, Nadeln,
Fingerhüte, Metallknöpfe und andere Kleineisenwaren. Das Ubergewicht der
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Kleineisenproduktion verweist auf die noch sehr bescheidenen Dimensionen


dieser Metallindustrie, die vorerst nur fünftausend Arbeiter beschäftigte gegen
fünfzigtausend in der Textilindustrie, davon zwanzigtausend in der Baumwoll-
industrie, fn England gab es damals bereits zweihundertfünfzig Hochöfen!
Die linksrheinische Gewerbeproduktion, die von allen Vorteilen profitierte, die
Napoleon der französischen Wirtschaft verschaffte, konnte eine stattliche Erfolgs-
bilanz aufweisen. Zwischen 1787 und 1811 verdreifachte sich die Kohleproduk-
tion an der Saar und im Aachener Revier. In Krefeld verdoppelte sich in der
gleichen Zeit die Zahl der Einwohner wie der Seidenmanufakturen. Die Baum-
wollproduktion wuchs in geradezu stürmischem Tempo. Nach der Gewerbesta-
tistik von 1811 waren in den 2500 Baumwollbetrieben des Roerdepartements
65 000 Arbeiter beschäftigt, d.h. 10% der Bevölkerung, ein für die damalige
Zeit ungewöhnlich hoher Prozentsatz. Die beiden alten Reichsstädte Aachen
und Köln holten jetzt rasch auf. 1798 kam die erste Wollspinnmaschine nach
Aachen, vermittelt aus Belgien, wo sich der Engländer William Cockerill nieder-
ließ und das Umland mit ausgezeichneten Maschinen versorgte. Die ersten
mechanisierten Baumwollspinnereien entstanden nicht selten in säkularisierten
Klostergebäuden, die der französische Staat billig verkaufte oder verpachtete.
Unter Napoleon erfreute sich Aachen, die alte Kaiserstadt Karls des Großen,
der besonderen Gunst der französischen Regierung. Die Anzahl der Tuchmanu-
fakturen kletterte von neun im Jahre 1800 auf einundvierzig 1807 und neunzig
1811, der Wert der Wollprodukte verdoppelte sich von 1786 bis 1811. Köln entwik-
kelte sich in der napoleonischen Zeit zur größten „deutschen" Gewerbestadt. Der
Wert der Baumwollproduktion erhöhte sich von 1800 bis 1810 um das Zwanzig-
fache, von 150 000 auf drei Mill. Francs. 1811 waren in 416 gewerblichen Betrieben
insgesamt 13 704 Arbeiter beschäftigt. Der Wert der Gewerbeproduktion lag bei
fünfzehn Mill. Francs. Freilich blieben Anpassungsschwierigkeiten an die neuen
Marktbedingungen auch in Köln nicht aus. Der Kölner Getreide- und Holzhandel
litt unter der Zollgrenze am Rhein und unter den Handelsbeschränkungen der
Blockade. Die Tabakfabrikation fiel von achttausend Zentnern 1789 auf nur noch
sechshundert Zentner 1810 zurück. Die neuen Ersatzstoffindustrien hielten nicht,
was man sich zunächst von ihnen
versprach. 1805 gründete Herstatt in Köln die
erste Zuckersiederei. 1812 gab es acht Rübenzuckerfabriken, aber schon 1813 nur
noch fünf. Wie andernorts so blieb auch in Köln die Rübenzuckerindustrie vorerst
in den Kinderschuhen stecken. Erst beim zweiten Anlauf in den 1830er Jahren
gewann sie an wirtschaftlicher Bedeutung. Für die Selbsteinschätzung und das
Selbstbewußtsein des neu entstehenden rheinischen Großbürgertums ist es den-
noch bezeichnend, daß der Kölner Bankier Abraham Schaaffhausen 1815 nach der
Ubergabe des Rheinlandes an Preußen feststellen konnte: „Da heiraten wir aber in
eine arme Familie."
Gewerbe-
J_I>ie überwiegend aerarisch-kleingewerblich strukturierte Wirtschaft Mittel-
entwicklung in °

Süddeutschland und Süddeutschlands blieb hinter der rheinischen (und sächsischen) Entwicklung

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Wirtschaft und Kontinentalsperre 105

weit zurück. Um 1820 gab es im Rheinland etwa tausend Manufakturen. Ver-


gleichszahlen sind schwierig zu ermitteln, weil die Statistiken keinen einheitlichen
Begriff der Manufaktur voraussetzen. Trotzdem läßt sich den Angaben entneh-
men, daß die relativ gut erforschte industrielle Geschichte des Rheinlandes
keineswegs als typisch auch für andere Regionen anzusehen ist. Für Kurbayern
sind im Zeitraum von 1740-1833 etwa 210 Manufakturen nachgewiesen worden,
für den fränkischen Raum (Ansbach-Bayreuth) 98 Manufakturen. Während der
Rheinbundzeit nahm in Bayern die Zahl der Manufakturgründungen zu, dennoch
blieb die großgewerbliche Entwicklung hinter dem deutschen Durchschnitt zu-
rück; im fränkischen Raum war die Entwicklung nach 1805 eher rückläufig. Die
badische Gewerbestatistik zählte 1809 146 Manufakturen mit 2656 Arbeitern,
davon 40 mit mehr als 20 Beschäftigten. An der Spitze stand noch die Nah-
rungs- und Genußmittelbranche mit 28 Betrieben, erst an zweiter Stelle folgten
die Textilbetriebe mit 14 Manufakturen. 1829 verzeichnete die Statistik 163
Fabrikbetriebe. In der Rheinbundzeit läßt sich eine plötzliche, aber nicht sehr
ausgedehnte „Gründungswelle" [498: W. Fischer] beobachten. Sie ging vor allem
auf die Bemühungen der badischen Regierung zurück, der Bevölkerung in den
ehemals geistlichen Territorien nach dem Wegfall der Klöster neue Erwerbsquel-
len zu verschaffen. So entstand in dem säkularisierten Kloster von St. Blasien die
erste mechanische Spinnerei Badens; hinzu kam eine Waffen- und Maschinen-

fabrik, die zu den am weitesten mechanisierten Gewehrfabriken Europas zählte.


Sie wirkte jedoch noch „wie ein Fremdkörper in einem agrarisch-kleingewerblich
orientierten Land" [497: W. Fischer]. Im rheinbündischen Württemberg fehlten
Neugründungen. An der Spitze aller Manufakturen stand nach wie vor die staat-
liche Tuchmanufaktur in Ludwigsburg, die ursprünglich ein „Zucht- und Arbeits-
haus" gewesen war. Die größte Baumwollspinnerei Württembergs, die alteinge-
sessene Firma Meebold/Schüle in Heidenheim, war noch verlagsmäßig organisiert
und beschäftigte 1813 tausend Verlagsweber und zweihundert Arbeiter in den
Fabrikwerkstätten für Bleiche und Färberei.
Es fällt auf, daß Firmengründer und Facharbeiter häufig aus dem Ausland nach
Süddeutschland kamen. Der Gründer der badischen Fabrik in St. Blasien, der
Mechaniker Johann Georg Bodmer, stammte aus Zürich. Auch die beiden Inhaber
der Lörracher Kattunmanufaktur, die nach Anzahl der Beschäftigten mit hundert-
fünfzig Arbeitern an der Spitze der badischen Fabriken stand, kamen aus dem
Ausland, Koechlin aus Mühlhausen im Elsaß, Merian aus der Schweiz. Während
der Blockadezeit zeigten sich einige französische Unternehmer daran interessiert,
in Württemberg Baumwollspinnereien zu eröffnen, wohl deshalb, weil hier die
Levante-Baumwolle, die auf dem Landweg durch Süddeutschland transportiert
wurde, und die eingeschmuggelten englischen Baumwollgarne leichter und billi-
ger zu beschaffen waren als jenseits der rheinischen Zollgrenze. In München
etablierten sich zwei Unternehmerpioniere aus dem Großherzogtum Berg: Jo-
hann Gottfried Brügelmann aus Düsseldorf und Tillmann Stephens aus Wesel. Es

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lag also nicht an der Ungunst der Verhältnisse, wenn in Süddeutschland eine
lebhafte Gründungstätigkeit ausblieb. Der Investitionsanreiz war gegeben, aber
es fehlten die Unternehmer, die zu Pioniertaten bereit gewesen wären. Hinzu kam,

daß sich die Regierungen in den süddeutschen Staaten nur zögernd auf eine
Industrialisierungspolitik einließen. Man scheute die risikoreichen großen Pro-
jekte. Die Förderung des „Gewerbefleißes" blieb bis weit in den Vormärz hinein
mittelständisch orientiert und auf die Heimindustrie konzentriert. Es gibt kaum
Anzeichen dafür, daß die englische Entwicklung zum Vorbild genommen wurde.
„Die Industrialisierung", so lautet das Fazit Wolfram Fischers über die badische
Wirtschaftspolitik, „ist für Baden kein Programm. Man stemmt sich nicht gegen
sie, man begrüßt sie und fördert sie auch, aber ihre ganze umwälzende Kraft für die
Sozial- und Wirtschaftsverfassung erkennt man nicht. Im Grunde wehrt man sich
doch gegen sie, denn so sehr das einzelne industrielle Werk begrüßt wird, so
mißtrauisch ist man gegen das ,Fabriksystem' als Ganzes, wie man es in England
und teilweise in Frankreich und Preußen zu erkennen glaubt. Das ,glückliche
Badnerland' sollte so bleiben, wie es war ein Land tätiger Bauern und Bürger,
kleiner Gewerbe und treuer Beamter, ein Land des mäßigen Fortschritts, der
-

behutsamen Neuerung, der klugen Selbstbescheidung." Im Jahresbericht des


württembergischen Innenministeriums von 1806/07 hieß es: „Es ist der Charak-
ter der württembergischen Fabrikatur, daß sie nicht in
großen, weitläufigen
Anstalten, wo sich Verschwendung so gern mit dem Fleiß, Armut sooft mit dem
Reichtum paart, glänzt und prangt; in einzelnen Werkstätten, aus dem genügsamen
Zirkel der Familien geht die Masse der Waren hervor." Die Industrialisierung galt
noch nicht als „politischer Imperativ" [158: D. S. Landes]. Sie wurde vorerst eher
abgewehrt.
Zoll-, Steuer- und Trotzdem haben die Wirtschaftsreformen der Rheinbundzeit unter dem un-
Gewerbereformen mittelbaren französischen Einfluß die Industrialisierung, so zögernd sie auch in
Gang gesetzt wurde, vorbereitet. Die Verlagerung der Wirtschaftslandschaft von
den Küsten ins tnland erforderte die Konzentration auf die nationalen Binnen-
märkte, den Abbau der Binnenzölle, die Schaffung größerer Wirtschaftseinheiten,
die Freigabe der Gewerbe. Die zoll-, Steuer- und finanzpolitischen Maßnahmen
wurden überdies von der bitteren Notwendigkeit diktiert, neue Einnahmequellen
zu erschließen, um dem Leistungsdruck der
Kriege und den Anforderungen
Napoleons gewachsen zu sein. Uberall in Napoleons Machtbereich begann der
Abbau der innerstaatlichen Zollschranken. Die Binnenzölle wurden durch Grenz-
zölle ersetzt. Münzen, Maße und Gewichte wurden vereinheitlicht; die Finanz-
verwaltung wurde verbessert; das Steuersystem richtete sich nach dem Grundsatz
der Steuerpflicht für alle; Landvermessungen und die Anlage von Katastern
leiteten die Reform des Grundsteuerwesens ein. In den linksrheinischen Gebieten
und in den Napoleonidenstaaten Berg und Westfalen wurde wie in Reform-
preußen die Gewerbefreiheit eingeführt. Gegen Einlösung einer Patentsteuer
-

war es jedermann erlaubt, einen Gewerbebetrieb zu eröffnen. Die Zunftschran-


-

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ken, die Gewerbemonopole bzw. die ausschließlichen Privilegien, die vor jeder
Konkurrenz schützten, verschwanden. Auf dem Land wurden die Mühlen- und
Braumonopole abgeschafft.
In den süddeutschen Rheinbundstaaten hielt man eine gemäßigte Zunftver-
fassung aufrecht, die nur von den drückendsten Fesseln des Zunftwesens befreit
wurde. An die Stelle der Exklusivprivilegien und Monopole trat hier die sog.
Gewerbekonzession, die auf Gesuch durch staatliche Behörden erteilt wurde.
Die Konzessionsvergabe wurde jedoch in der Regel liberal gehandhabt; es ge-
nügte der Nachweis, daß ein ausreichendes Vermögen und das erforderliche
Fachkönnen vorhanden waren. Die völlige Freigabe der Gewerbe erfolgte überall
in Süddeutschland erst in den 1860er Jahren. Wie bei der vorsichtig zurückhal-
tenden Industrieförderungspolitik so überwog auch bei den Gewerbereformmaß-
nahmen die mittelständische Orientierung, die nach 1815 weiterbestand und auch
von den vormärzlichen Liberalen geteilt wurde. Das staatliche Konzessionssystem
sollte den Mittelstand vor den Gefahren der freien Konkurrenz schützen und den
„Despotismus der Geldaristokratie" verhindern.
Gesamtwirtschaftlich gesehen darf das Schwergewicht bestehender Grund-
strukturen allerdings nicht unterschätzt werden. In der napoleonischen Zeit
waren in Deutschland nach den Schätzungen von F. W. Henning noch 62 %
der rund 10,5 Mill. Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig. Von den 21% Agrarwirtschaft
- -

Erwerbstätigen in den produzierenden Gewerben beschäftigten sich mehr als


die Hälfte mit der Herstellung von Textilien, und zwar nach wie vor überwiegend
in ländlichen und kleinstädtischen Heimindustrien, die ihre Rohstoffe von der
Landwirtschaft bezogen. Und auch die 17% Erwerbstätigen in Handel, Verkehr
und anderen Dienstleistungen waren wohl in erster Linie mit dem Handel und
Transport von Nahrungsmitteln, Textilrohstoffen und Textilien befaßt. Nach 1815
fielen immer noch nach den Berechnungen von M. Kurz 67 % der deutschen
Exporte unter die Rubrik landwirtschaftlicher Produkte und Rohstoffe. Deutsch-
- -

land blieb vorerst ein Agrarland, in dem Handel und Gewerbe noch eng mit der
Landwirtschaft verbunden waren. Auch in jenen Gewerberegionen, wo sich im
Zuge der Bevölkerungsexplosion und des wachsenden Arbeitskräftepotentials die
textile Massenproduktion auf dem platten Land ausbreitete und in der sog. „Proto-
Industrialisierung" verdichtete, überwog in der Regel die Abhängigkeit von der
Landwirtschaft. Die Agrarkonjunktur war und blieb in hohem Maße von den
Erntezyklen bestimmt. In einer wirtschaftlichen „Bilanz der deutschen Staaten für
1815" kommt EG. Dreyfus zu dem Ergebnis, daß in den Getreidepreisbewe-
gungen der Jahre von 1790-1815 Krieg, Okkupation und Handelssperren viel
weniger sichtbar sind als Naturkatastrophen. Einen Ausnahmefall stellt wohl die
exportorientierte, tief verschuldete preußische Landwirtschaft dar, die nach 1806
nicht nur unter einer naturbedingten Agrarkrise, sondern auch unter der Verstär-
kung des Preisverfalls, der wegen der Ausfuhrsperren einsetzte, zu leiden hatte.

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Die Sicherung der Agrarexporte und die Versorgung des ländlichen Marktes mit
billigen Gewerbeprodukten waren wichtige Ziele der preußischen Reformen, die
viel stärker als die rheinbündischen Reformen wirtschaftspolitisch akzentuiert
waren. Auch in diesem Falle gilt jedoch, daß nicht die Erfahrungen einer begin-

nenden „industriellen Revolution in Preußen", sondern die landwirtschaftlichen


Verhältnisse zum Ausgangspunkt der Reformen wurden.

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Preußische Reformen 109

9. Die preussischen Reformen

Auch die Stein-Hardenbergschen Reformen in Preußen waren eine Antwort auf Revolution „von
die französische Revolution und die napoleonische Herausforderung. Hardenberg °'>eD"
schrieb in seiner Denkschrift vom September 1807 an den König: „Die Französi-
sche Revolution, wovon die gegenwärtigen Kriege die Fortsetzung sind, gab den
Franzosen unter Blutvergießen und Stürmen einen ganz neuen Schwung. Alle
schlafenden Kräfte wurden geweckt, das Elende und Schwache, veraltete Vorur-
teile und Gebrechen wurden freilich zugleich mit manchem Guten zerstört.
Die Benachbarten und Überwundenen wurden mit dem Strome fortgerissen...
- -

Der Wahn, daß man der Revolution am sichersten durch Festhalten am Alten und
durch strenge Verfolgung der durch solche geltend gemachten Grundsätze ent-
gegenstreben könne, hat besonders dazu beigetragen, die Revolution zu befördern
und derselben eine stets wachsende Ausdehnung zu geben. Die Gewalt dieser
Grundsätze ist so groß, sie sind so allgemein anerkannt und verbreitet, daß der
Staat, der sie nicht annimmt, entweder seinem Untergange oder der erzwungenen
Annahme derselben entgegensehen muß... Also eine Revolution im guten Sinn,
gerade hinführend zu dem großen Zwecke der Veredelung der Menschheit, durch
Weisheit der Regierung und nicht durch gewaltsame Impulsion von innen oder
außen das ist unser Ziel, unser leitendes Prinzip." Die preußischen Reformer
wußten, daß es nicht mehr möglich war, ohne grundlegende Reformen von Staat
-

und Gesellschaft im napoleonischen Europa zu überleben. Selbst Friedrich Wil-


helm III. teilte nach Tilsit die Überzeugung, daß Preußen an geistigen Kräften
ersetzen müsse, was es an physischen verloren habe. Der Reformansatz, insbe-
sondere der des Freiherrn vom Stein, blieb jedoch anders als in den Rhein-
bundstaaten viel stärker an einem antiaufklärerischen und traditionalistischen
-

Staatsideal orientiert, das unter Berücksichtigung der englischen Entwicklung an


-

die ständische Absolutismuskritik anknüpfte. Die preußischen Reformer ent-


schieden sich für eine „Revolution im guten Sinn", d.h. für eine Politik der
defensiven Modernisierung, nicht mit, sondern gegen Napoleon.
Für Stein, der stark von dem Hannoveraner Freundeskreis um August Wilhelm „Organische"
Rehberg beeinflußt war, bot nicht die französische, sondern die englische „glo- Ref°rmen
rious revolution" von 1688 das Vorbild für „notwendige" Veränderungen. Die
administrativen und finanzpolitischen Reformprojekte Hardenbergs, die anders
als die mit altständischen Reminiszenzen durchsetzten Pläne Steins Anregungen
der französisch-westfälischen Gesetzgebung aufnahmen, waren wenig erfolg-
reich. Die Reorganisation von Armee und Administration war in erster Linie
eine Selbsterneuerung, die lediglich einige modernisierende Elemente dem fran-
zösischen System, dessen Effektivität unbestreitbar war, entlehnte. Am Ursprung
der preußischen Reformen stand das Bestreben, durch eine Synthese von Tradition
und Fortschritt auf dem Weg „organischer" Reformen die verkrusteten Strukturen
des absolutistischen Obrigkeitsstaates aufzubrechen und einen Staat zu schaffen,

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in dem die Bürger sich selbst um die öffentlichen Angelegenheiten kümmerten,


d. h. politisch mitwirkten. Die Politik der Selbsterneuerung diente vor allem dem
Wiederaufstieg Preußens durch „Befreiung". Auch das patriotische Befreiungs-
motiv unterscheidet das preußische vom rheinbündischen Reformwerk.
Stein und Hardenberg traten bereits im April 1806, also noch vor der Kata-
strophe von Jena und Auerstedt, als Kritiker der königlichen Kabinettsregierung
hervor. Stein, den der König einen „widerspenstigen, trotzigen, hartnäckigen und
ungehorsamen Staatsdiener" nannte, wurde zu Beginn des Jahres 1807 in Ungnade
entlassen und erst nach dem Frieden von Tilsit auf Empfehlung Napoleons
zurückgerufen. Napoleon bemerkte rasch, daß seine Wahl auf einen Mann ge-
fallen war, der zu seinen heftigsten Gegnern zählte. Als ein Brief Steins an den
Fürsten Sayn-Wittgenstein, aus dem herauszulesen war, daß Stein den Vorberei-
tungen des Fürsten zu einer nationalen Erhebung Nordwestdeutschlands gegen
die Franzosen zustimmte, von der französischen Polizei abgefangen wurde,
drängte Napoleon auf den Sturz des Ministers. Stein wurde von den Franzosen
geächtet und verfolgt, seine Güter wurden konfisziert. Er entkam auf der Flucht
nach Böhmen, später nach Rußland, wo er sich dem Zaren als außenpolitischer
Berater zur Verfügung stellte. In die Zeit seines Reformministeriums, das nur
Überblick über die etwas länger als ein Jahr, bis November 1808, dauerte, fallen die grundlegenden
Reformgesetze Qesetze Jes preußischen Reformwerks: das Organisationsgesetz über die Reform
der Staatsverwaltung, das nach Steins Sturz am 16. Dezember 1808 publiziert
wurde, das Oktoberedikt von 1807 über die Bauernbefreiung, das auf den Ent-
würfen der beiden ostpreußischen Kantianer Theodor von Schön und Friedrich
Leopold von Schrötter basierte, und die Städteordnung vom 19. November 1808,
die von Steins Mitarbeiter, dem Königsberger Polizeidirektor Johann Gottfried
Frey, ausgearbeitet wurde. Steins Staatsratsplan, der die Einführung eines kolle-
gialen Regierungsgremiums an Stelle der alten Kabinettsregierung vorsah, schei-
terte. Hardenberg, der schon von April 1807 bis zu seiner
Entlassung nach dem
Tilsiter Frieden die Stellung eines Premierministers eingenommen hatte, bevor-
zugte die hierarchisierte und bürokratische Regierungsverfassung nach französi-
schem Vorbild. Er erreichte 1810 seine Ernennung zum Staatskanzler, ein Amt, das
er bis 1822 ausübte. Nach der Zwischenregierung des Kabinetts Dohna-Altenstein

nahmen die Reformen unter der straffen Leitung Hardenbergs ihren Fortgang. Die
Verwaltungsreformen wurden im Hardenbergschen Sinne weitergeführt. Sie
waren auf engste verknüpft mit Verfassungsprojekten, die Hardenberg
jedoch
nicht durchzusetzen vermochte. Die Agrarreform fand mit den Regulierungs-
edikten von 1811 und 1816 und der Ablösungsverordnung von 1821 ihren
Abschluß. Sie wurde durch die Gewerbereform ergänzt, die mit dem Gewerbe-
steueredikt vom 2. November 1810 und dem Gewerbepolizeigesetz vom 7. Sep-
tember 1811 die vollständige Gewerbefreiheit herstellte. Das Gewerbesteueredikt
intendierte zugleich eine umfassende Steuerreform, deren Ziel es war, die vielfäl-
tigen höchst unübersichtlichen Steuerabgaben durch wenige Hauptsteuern (für
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Preußische Reformen 111

Stadt und Land gleichmäßige Verbrauchssteuern, Gewerbesteuern, Stempelsteu-


ern,Vermögenssteuern, Einkommenssteuern, Grundsteuern) zu ersetzen. An die
Stelle der 1808/12 eingeführten Einkommenssteuer, die bereits in Ansätzen die
Progression berücksichtigte, trat 1820 die Klassensteuer, die in Preußen bis 1873
die Hauptsteuer blieb. Die Einkommenssteuer scheiterte am Widerstand teils der
Oberpräsidenten (Schlesien, Pommern), teils der Stände (Kurmark). Auch die
Beseitigung der Steuerprivilegien stieß auf die heftigen Proteste des Güteradels
und mißlang. Erfolgreich war hingegen die Zollpolitik: Das Zollgesetz von 1818
stellte mit der Aufhebung der Binnenzölle die volle Wirtschaftseinheit des preußi-
schen Staates her. Für die Ausfuhr führte das Gesetz die Zollfreiheit ein, eine
Maßnahme, die vor allem den Agrarexport erleichterte. In engem Zusammenhang
mit den Wirtschafts- und Gesellschaftsreformen stand die Einleitung der Juden-
emanzipation. Nicht anders als in den Rheinbundstaaten erreichten die Juden
allerdings nicht sofort ihre völlige rechtliche Gleichstellung, obgleich Wilhelm von
Humboldt sehr entschieden für die vollständige Emanzipation eingetreten war.
Das Emanzipationsedikt vom 11. März 1812 erlaubte den Juden den Erwerb des
Gemeindebürgerrechts, die Ausübung aller Gewerbe und den Kauf von Grund-
besitz. Auch zu akademischen Berufen wurden sie zugelassen. Die Staatsämter in
Justiz und Verwaltung und die Offiziersstellen hingegen blieben ihnen verschlos-
sen.
Zu den Stein-Hardenbergschen Reformen der Staats-, Wirtschafts- und Sozial-
verfassung traten jene beiden Reformwerke, die in den Rheinbundstaaten kein
Gegenstück von gleichrangiger Bedeutung besaßen: die Militärreform Scharn-
horsts und seiner Mitarbeiter, voran Gneisenau und Boyen, und die Bildungsre-
form Humboldts. Beide Reformen waren aufs engste mit dem Befreiungsmotiv
verknüpft. Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht und die Schaffung eines
Bürgerheeres dienten unmittelbar der Vorbereitung der Freiheitskriege; die Bil-
dungsreform schuf ihrerseits die Voraussetzung für die geistige Erneuerung und
Aktivierung der Gesellschaft.
Welche Lösungen fanden die preußischen Reformer in ihrem Bemühen um
Ausgleich zwischen Modernität und Traditionsbindung, zwischen Elementen
des Alten und Neuen, zwischen Beharrung und Fortschritt? Auch in Preußen
besaßen die Verwaltungsreformen den Vorrang vor der Verfassungsplanung. Stein Staatliche
und Hardenberg dachten beide zunächst nur daran, die Vertreter der reorganisier- Administration und
Selbstverwaltung
ten Stände an der Verwaltung zu beteiligen. Die Nassauer Denkschrift Steins vom
o j im*

Juni 1807 prägte die Formel von der „Teilnahme an der Verwaltung", Hardenbergs
Rigaer Denkschrift plante die „Amalgamierung" beider Bereiche. Man hoffte auf
diese Weise, die im Absolutismus erstarrten Verwaltungsstrukturen aufzubrechen,
den „Gemeinsinn" zu beleben und die ständischen Sonderinteressen abzuschlei-
fen. Der „Charakter der Nation", so meinte Vincke, Steins Mitarbeiter, solle
„durch die Verwaltung gebildet werden". Stein betonte jedoch ausdrücklich,
daß er nicht „Repräsentanten", sondern „Deputierte" der Stände zu berufen

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gedenke: „Den Ausdruck Repräsentanten halte ich für ganz unpassend. Es sind
ständische Mitglieder der Kollegien", sie handeln daher „wirklich als Offizianten,
nicht als Volksrepräsentanten". Die Selbstverwaltung in Provinzen, Kreisen und
Städten sollte „praktische Kenntnisse" und „moralische Energien" nutzbar ma-
chen. Ihr Ziel war mit den klassischen Worten der Nassauer Denkschrift die
„Belebung des Gemeingeistes und Bürgersinns, die Benutzung der schlafenden
-
-

und falsch geleiteten Kräfte und zerstreut liegenden Kenntnisse, der Einklang
zwischen dem Geist der Nation, ihren Ansichten und Bedürfnissen und denen der
Staatsbehörden, die Wiederbelebung der Gefühle für Vaterland, Selbständigkeit
und Nationalehre". Steins Vorstellung von der politischen Mitwirkung der Bürger
ging noch von der ständischen Gliederung der Gesellschaft aus und nicht von dem
modernen Gedanken eines allgemeinen Staatsbürgertums. Deshalb hat es Stein
immer abgelehnt, den Bauern oder dem gewerbetreibenden Stadtbürgertum zu
gestatten, Männer aus anderen Ständen „Advokaten, Pamphletisten und Schrei-
ber" als Vertreter ihrer Interessen zu wählen. „Das Ideal der Gleichheit aller hatte
-

in seinen Überlegungen ebensowenig Platz wie das Repräsentativsystem, das den


-

einzelnen nicht in eine ständische, sondern in eine persönliche Verantwortung


zum Staat stellen wollte" [877: K. O. v. Aretin]. Der
Kompromiß zwischen dem
ständischen und repräsentativen Prinzip bestand vor allem darin, daß die Stände-
gliederung modifiziert und das Wahlrecht erweitert wurde. Die alte ständische
Dreigliederung in Adel, Klerus und Stadtpatriziat wich der neuen dreigliedrigen
Ständeordnung: Adel, Bürgertum und Bauerntum. Das Wahlrecht sollte allen
Eigentümern, auch den freien Bauern, zustehen. Insofern bildete die Bauernbe-
freiung die Voraussetzung der Ständeneugliederung. Außerdem galten die neuen
Axiome der Weisungsfreiheit und Gesamtverantwortung.
Die Städteordnung Steins Selbstverwaltungsideal wurde vor allem in der Städteordnung von 1808
von 1808
verwirklicht.. Das Wahlrecht war an einen verhältnismäßig niedrigen Zensus
gebunden; die Wahlen erfolgten bezirksweise ohne korporative Bindung; die
Stadtverordneten waren Repräsentanten der ganzen Gemeinde und nur ihrem
Gewissen unterworfen. Zu den Funktionen der Stadtverordnetenversammlung
gehörte die Wahl des Magistrats, einer kollegialisch organisierten Behörde, die ein
abhängiges Vollzugsorgan blieb. Die einzelnen städtischen Verwaltungsaufgaben
wurden von gewählten Kommissionen wahrgenommen. In die Kompetenz der
Selbstverwaltung fielen vor allem die Finanzen. Gerichtsbarkeit und Polizei
wurden verstaatlicht. Andererseits glich jedoch das Stadtbürgertum auch weiter-
hin einer ständischen Korporation. Es lag kaum in der Absicht Steins, im Sinne der
individualistischen Freiheit vom Staat eine „staatsfreie" kommunale Selbstver-
waltung zu schaffen. Die ständische Schichtung in Stadtbürger, Schutzverwandte
und Eximierte wurde nicht aufgehoben, sondern eher sanktioniert. Das Wahlrecht
blieb vom Besitz des Bürgerrechts abhängig, und bürgerrechtspflichtig waren nach
wie vor nur die Inhaber von Gewerbebetrieben und Grundeigentum. Der Erwerb
des Bürgerrechts wurde zwar auch den übrigen Einwohnern erleichtert, aber da er

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Preußische Reformen 113

mit hohen Kosten verbunden war, wurde diese Möglichkeit nur selten wahrge-
nommen. So standen sowohl die sozialen Unterschichten, d. h. die
steigende Zahl
von Gesellen, Handlangern, Tagelöhnern, Arbeitern, Hausdienern u. a., als auch
die Beamten und Intellektuellen außerhalb der Wählerschaft. Die Gemeinde war
noch weit entfernt von einer egalisierten Bürgergesellschaft. Erst die revidierte
Städteordnung von 1831 versuchte die Trennung von Bürgergemeinde und Ein-
wohnergemeinde zu überwinden. Sie band allerdings gleichzeitig das Wahlrecht
an einen höheren Zensus und verstärkte die Staatsaufsicht und die
Stellung des
Magistrats gegenüber der Stadtverordnetenversammlung. Trotz der sich verän-
dernden sozialen Verhältnisse lag so die Selbstverwaltung der preußischen Städte
bis weit in den Vormärz hinein in den Händen alteingesessener Handwerker und
Kaufleute. In den Großstädten lag der Anteil der wahlberechtigten Vollbürger nur
bei 6-8 % oder, den Familienanhang eingerechnet, bei einem Drittel der Haus-
halte. Unter den 102 Stadtverordneten von Berlin befanden sich 1809 ein Arzt,
zwei Bauinspektoren und drei Polizeibeamte; alle anderen waren Geschäftsleute
und Gewerbetreibende. Das Ziel, alle Bürger zu politischer Mitverantwortung zu
„erziehen", wurde nur unvollkommen erfüllt. Jedenfalls erscheint es verständlich,
daß die rheinischen Liberalen nach 1815 trotz der bürokratischen Bevormundung
die für Stadt und Land einheitliche französische Munizipalverfassung beizube-
halten wünschten, die keine ständischen Unterschiede, sondern nur gleichberech-
tigte Bürger kannte.
Oberhalb der Gemeindeebene ließ sich die widersprüchliche Konzeption einer Problematik der
ständischen Repräsentatiwerfassung kaum durchsetzen. „Die Städteordnung war stanalscnen Repra-
eine Standesreform und weil sie das nur war, hatte sie Erfolg" [841: R. Koselleck]. sentatiwertassung
..... .

Die Verfassungsprojekte Hardenbergs, die im Abwehrkampf gegen Napoleon aus


nationalen, verteidigungs- und finanzpolitischen Motiven dann doch die Bildung
einer „Nationalrepräsentation" vorsahen, blieben ständisch orientiert. Es erwies
sich jedoch als unmöglich, im Rahmen der ständisch zusammengesetzten Reprä-
sentantenversammlung einen politischen Gesamtwillen zu formen und das finan-
zielle Engagement aller Bürger herzustellen. Mit Hardenbergs Worten sollte „Ein
Nationalgeist, Ein Interesse und Ein Sinn" in der Nationalrepräsentation ver-
körpert sein. Als jedoch 1811 eine Notabeinversammlung zusammentrat, gerieten
die Repräsentanten in das Dilemma, daß sie Ständen entstammten, deren partiku-
lare Interessen sie gleichwohl als Sprecher der Nation nicht mehr vertreten
durften. Hardenberg machte die Erfahrung, daß die Majorität als altständische,
feudalaristokratische Fronde agierte. Trotzdem wiederholte Hardenberg das
Experiment. 1812 berief er eine gewählte interimistische Nationalrepräsenta-
tion, die sich aus achtzehn Vertretern des adligen Grundbesitzes, aus zwölf
(später vierzehn) Vertretern des städtischen Grundbesitzes und aus neun Vertre-
tern des „Bauernstandes" zusammensetzte. Der erneute Rekurs auf die Stände
wurde vor allem von der finanziellen Notlage des Staates diktiert. Über die Hälfte
der Kriegskontributionen, die Preußen an Napoleon zu zahlen hatte, basierte auf

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Krediten des Adels. Ausländische Anleihen waren nur zu erhalten, wenn auch die
Stände für die Schuldentilgung hafteten. Nicht von ungefähr wurde das erste
Verfassungsversprechen von 1810 in einem Finanzedikt publiziert. Die ständi-
sche Opposition war jedoch so heftig, daß ihre Wortführer, Marwitz und Fincken-
stein, sogar vorübergehend inhaftiert werden mußten. Nach Meinung Reinhart
Kosellecks wäre die Schaffung einer Nationalrepräsentation in Preußen gleich-
bedeutend gewesen mit dem Verzicht auf weitere Reformen, für die eine tragfähige
Mehrheit nicht zustandekam. Am Ende der preußischen Reformzeit stand deshalb
nur die Restauration der kreis- und provinzialständischen Verfassung, in die sich
die Städteordnung bruchlos einfügen ließ. Die Verfassungsversprechen über eine
gesamtstaatliche Nationalrepräsentation wurden erst im Revolutionsjahr 1848/49
eingelöst.
Behördenausbau Das Scheitern der Verfassungspläne hing auch mit jener Entwicklung zusam-
und inner- men jie Koselleck treffend mit dem Ausdruck „inneradministrative Konstitu-
administrative i i
Konstitutionali- tionalisierung" umschrieben hat. Wie der rheinbündische, so zielte auch der
• • i •
i-
.

sierung preußische Behördenausbau darauf ab, der „Regierungsverwaltung" eine feste

Regierungsverfassung zu geben. „Die neue Verfassung bezweckt", wie es im


Organisationsgesetz vom 16. Dezember 1808 hieß, „der Geschäftsverwaltung
größtmöglichste Einheit, Kraft und Regsamkeit zu geben." Auch die preußische
Ministerialverfassung richtete sich nach den neuen, modernen Prinzipien der
Ressorttrennung und persönlichen Verantwortung des Beamten für ein bestimm-
tes Sachgebiet. Das wirre Neben- und Gegeneinander von Provinzial- und Real-
ressorts im 1723 geschaffenen Generaldirektorium, das vielkritisierte Kabinetts-

system und die zahlreichen Nebenbehörden mit Immediatstellung verschwanden.


Andererseits verurteilte man in Preußen ziemlich einhellig das französische Büro-
system mit strenger Hierarchie bzw. Subordination, das mit dem vielkritisierten
„Rheinbundabsolutismus" identifiziert wurde. Die preußischen Reformer ent-
schieden sich für ein gemischtes System. Auch von Hardenberg wurde das
altdeutsche Kollegialsystem nicht ganz beseitigt, sondern nur bürokratisch ge-
strafft. Die Befehlshierarchie, das „bürokratische Kettensystem", wie es Hum-
boldt nannte, wurde mehrfach durchbrochen. Auf der mittleren Verwaltungs-
ebene wurde neben den Provinzialregierungen die zusätzliche Mittelinstanz der
Oberpräsidenten geschaffen, die als Sachverwalter der Provinzialinteressen auf-
traten. In den Kreisen kamen die Landräte,
obgleich sie Staatsbeamte waren, auch
weiterhin aus dem kreiseingesessenen ritterschaftlichen Adel. Mit dem Gendar-
merieedikt vom 30. Juli 1812 versuchte Hardenberg vergeblich, den feudalständi-
schen Landrat durch einen vom König ernannten Kreisdirektor des bürokrati-
schen Typs zu ersetzen. Ebenso hielten sich die lokalen Gutsherrschaftsautokra-
tien der Junker mit den dazugehörigen Rechten der Patrimonialgerichtsbarkeit
und der Polizeigewalt. Schließlich erneuerte die Städteordnung mit der kommu-
nalen Selbstverwaltung die städtische Autonomie.

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Preußische Reformen 115

Die preußischen Reformer sahen mit einigem Stolz auf ihre „Verwaltungsfrei-
heit". Der kollegialen Regierungsverfassung mit gemeinsamer Beratung und
gegenseitiger Kontrolle wurde geradezu eine konstitutionelle Funktion zuge-
schrieben. Niebuhr konnte sogar die Ansicht vertreten, „daß die Freiheit ungleich
mehr auf der Verwaltung beruhe als auf der Verfassung". Der von Hardenberg
1817 errichtete Staatsrat zog als Beratungsorgan für die Gesetzgebung auch
legislative Kompetenzen an sich, die der ursprünglichen Verfassungsplanung
nach der Nationalrepräsentation zugedacht waren: Die Repräsentantenver-
-

sammlung wurde durch eine Art Beamtenparlament ersetzt. Der Griff nach den
-

legislativen Kompetenzen spiegelt zu einem Teil das Selbstverständnis der Be-


amtenschaft wider, die zumal nach den Auseinandersetzungen mit der Adels-
fronde für sich in Anspruch nahm, die Interessen der Allgemeinheit zu vertreten.
-

Außerdem steigerte sich mit dem Hinauszögern einer Konstitution der Selbstbe-
-

hauptungswille der Bürokratie, die ihre eigenen Herrschaftspositionen vertei-


digte. Ausschlaggebend war jedoch auch, daß die administrative Integration als Administration und
notwendiges Korrelat der Repräsentatiwerfassung mißlang. Es war nur folge- RePrasentatlon
richtig, daß Hardenberg genau zu dem Zeitpunkt, als er die Einberufung der
Repräsentanten plante, daran ging, ein Staatskanzleramt zu schaffen und das
Verwaltungssystem bis in die Kreise hinunter zu bürokratisieren. Die National-
repräsentation scheiterte „nicht zuletzt deshalb, weil Hardenberg die Verwal-
tungsbehörden nicht hinreichend bürokratisieren konnte, damit den Ständen
legislative oder wenigstens konsultative Aufgaben hätten delegiert werden kön-
nen" [841: R. Koselleck]. Gerade auch vor dem Hintergrund der preußischen
Entwicklung wird es erklärbar, warum in den Rheinbundstaaten die beiden
extremsten Verfechter der Staatssouveränität Montgelas in Bayern und Reitzen-
stein in Baden zugleich Anhänger des Repräsentativgedankens waren, auch wenn
-

sie dessen Verwirklichung zunächst skeptisch beurteilten. Souveränität und Re-


-

präsentation waren Begriffe, die dem französischen Staatsdenken gemäß


zusammengehörten. Andernfalls drohte die Gefahr, die sich im Preußen der
- -

Restaurationszeit weit mehr abzeichnete als in den konstitutionellen süddeut-


schen Staaten, nämlich, daß der technisch verbesserte und modernisierte Verwal-
tungs- und Regierungsapparat nur ein perfekteres Instrument schuf, um die
traditionellen alten Herrschaftsinteressen durchzusetzen.
Der Rückstand in der Verfassungsentwicklung wurde allerdings dadurch auf- Liberale Wirt-
scnaftsPol'tik
gewogen, daß Preußen bei der Durchsetzung der Sozial- und Wirtschaftsreformen
weit erfolgreicher abschnitt als die Rheinbundstaaten. Der unmittelbare Anlaß der
Reform war hier wie dort im Druck des finanziellen Notstandes begründet.
Auch in Preußen war die wirtschaftlich freie Gesellschaft vor allem dazu be-
- -

stimmt, die hohen Kriegs-, Besatzungs- und Kontributionskosten (120 Millionen


Francs!) aufzubringen. Bauernbefreiung, Eigentumsbildung und Gewerbefreiheit
sollten durch den Ansporn der „freien Konkurrenz" den „Kredit des Grundbe-
sitzers" und den „Wert der Arbeit" steigern. Zweck des Oktoberediktes von 1807

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war es, „alles zu entfernen, was den Einzelnen bisher hinderte, den Wohlstand zu
erlangen, den er nach dem Maß seiner Kräfte zu erreichen fähig war". Die
preußischen Reformer standen dem Wirtschaftsliberalismus und Adam Smith,
dessen Lehre auf der Königsberger Universität rezipiert und mehreren Reform-
beamten, darunter Theodor von Schön, vermittelt worden war, sehr viel näher als
die rheinbündischen Reformer. Dennoch war wohl auch die preußische Wirt-
schaftspolitik kaum von Anfang an auf die Förderung der Industrialisierung
angelegt. Die Mitarbeiter Steins und Hardenbergs hatten die rückständigen Zu-
stände der ostelbischen Provinzen vor Augen, als sie ihre Reformmaßnahmen
planten: hochverschuldete Rittergüter, Überspekulation mit landwirtschaftlichen
Gütern, Verfall der Agrarpreise durch die guten Ernten von 1806 und 1807,
Behinderungen des Agrarexports durch die Ausfuhrsperren, ein innerer Markt,
der die überschüssigen Agrargüter wegen der elenden Lage der Bauern und
Handwerker nicht aufnehmen konnte. „Vom Oktoberedikt (1807) und dem
Regulierungs- und Landeskulturedikt (1811) bis zum Zollgesetz (1818) und zur
Ablösungsverordnung (1821) stand die Ankurbelung und Rationalisierung der
Landwirtschaft und anderer Erwerbsmöglichkeiten auf dem platten Lande an
erster Stelle der Bemühungen, weil hier das Fundament des
preußischen National-
wohlstands gesehen wurde. Mit Hilfe der Gewerbefreiheit wurden die wirtschaft-
lichen Möglichkeiten des platten Landes durch landwirtschaftliche Nebenbe-
triebe, durch Ausbreitung des ländlichen Handwerks, durch zusätzliche Erwerbs-
quellen für die arme Landbevölkerung vergrößert. Deshalb wurde am Prinzip der
Gewerbefreiheit auch gegen den unaufhörlichen Protest der städtischen Gewer-
betreibenden festgehalten" [870: B. Vogel]. Die Wirtschaftsreform war in erster
Linie eine Agrarreform. Auch die Freigabe der Gewerbe diente nicht vorrangig der
Gewerbeentwicklung, sondern der Aufhebung der Schranken zwischen Stadt und
Land und der Vermehrung der Nahrungsstellen für die ländliche Bevölkerung.
Das Zollgesetz von 1818 benachteiligte eher die städtischen Gewerbetreibenden,
die sich vor allem im ehemals französischen Rheinland das Schutzzollsystem
-

zurückwünschten. Es verfolgte zunächst einmal die Absicht, den Agrarexport zu


-

sichern und den ländlichen Markt mit billigen Gewerbeprodukten zu versorgen.


Bauernbefreiung: Am Beginn der Reformmaßnahmen stand das Oktoberedikt von 1807 „den
Oktoberedikt
von 1807
erlelichterten Besitz und den freien Gebrauch des Grundeigentums sowie die
....

persönlichen Verhältnisse der Land-Bewohner betreffend". Das Oktoberedikt


Iii-

hob die ständischen Berufsschranken auf, beseitigte die Erbuntertänigkeit der


Bauern und gab den Güterverkehr frei. In die Eigentumsverhältnisse griff das
Oktoberedikt noch nicht ein. Es schuf zunächst nur die persönliche Freiheit und
Freizügigkeit der Bauern durch die entschädigungslose Abschaffung der Los-
kaufs- bzw. Abzugsgelder und der Gesindezwangsdienste, laut § 12: „Mit dem
Martini-Tage Eintausend Achthundert und Zehn (1810) hört alle Gutsuntertänig-
keit in Unsern sämtlichen Staaten auf. Nach dem Martini-Tage 1810 gibt es nur
freie Leute; so wie solches auf den Domänen in allen Unsern Provinzen schon der

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Preußische Reformen 117

Fall ist..." In engem Zusammenhang damit stand die Freigabe der Berufswahl:
„Jeder Edelmann ist, ohne allen Nachteil seines Standes, befugt, bürgerliche
Gewerbe zu treiben; und jeder Bürger oder Bauer ist berechtigt, aus dem Bauer-
in den Bürger- und aus dem Bürger- in den Bauerstand zu treten." Damit war ein
freier Berufs- und Arbeitsmarkt geschaffen. Der Schuster blieb nicht mehr unter
Zwang bei seinem Leisten, der Bauernsohn konnte in die Stadt abwandern und ein
Handwerk erlernen, dem Stadtbürger war es freigestellt, ein Landgut zu erwerben,
der Adlige war nicht mehr allein auf standesgemäße Berufe angewiesen. Mit der
Freigabe des Güterverkehrs erhielt jeder Bürger die Erlaubnis, ein Rittergut zu
kaufen. Zwar waren auch zuvor schon Adelsgüter mit königlicher Genehmigung
in bürgerliche Hände übergegangen, jedoch ohne die Vorrechte und Privilegien,
die für den Adel mit dem Besitz eines Rittergutes verbunden waren (Steuerfrei-
heiten, Patrimonialgerichtsbarkeit, Polizeigewalt, Standschaft in den Kreis- und
Provinzialvertretungen). Wenn auch das Privilegienwesen anders als in den
Rheinbundstaaten bestehen blieb, so war es doch nicht mehr allein dem Adel
-

vorbehalten, in den Genuß solcher Privilegien zu gelangen. Der adlige Erbstand


-

verwandelte sich in eine Bodenaristokratie beliebig übertragbaren Grundeigen-


tums. So entstand eine mobile Wirtschaftsklasse von Gutsunternehmern.
Die Aufhebung der Erbuntertänigkeit und die Herstellung der freien Konkur-
renz auf dem Gütermarkt brachten allerdings den Bauern auch erhebliche Nach-

teile ein. Da alle Grundstücke beweglich wurden, entfiel das Verbot des Bauern-
legens, d. h. das Verbot, das Bauernland zum Gutsbesitz einzuziehen. Mit der
Schollengebundenheit verschwand zugleich der Bauernschutz, z. B. der Anspruch
auf Unterkunft und Unterhalt bei Invalidität und im Alter sowie auf Hilfeleistun-
gen des Gutsherrn, besonders bei Saat und Ernte. Der adlige Gutsherr konnte seine
Fürsorgepflicht abstoßen und bei ungehindertem Wettbewerb sein Grundeigen-
tum auf Kosten des Bauernlandes erweitern.
Die Allodifikation der gutszugehörigen Bauernstellen, die im Oktoberedikt Agrarreform
noch ausstand und erst mit den Reformgesetzen Hardenbergs (Regulierungsedikt Hardenbergs
und Landeskulturedikt, beide vom 14. September 1811) eingeleitet wurde, hat
diese negativen Folgen der Bauernbefreiung noch verschärft. Die entschädigungs-
pflichtigen Bauern mußten je nach Besitzrecht die Hälfte oder ein Drittel des
Bauernlandes abtreten, eine „Regulierung", die in der Deklaration von 1816 mit
Rücksicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betriebe auf die „spann-
fähigen" Güter eingeschränkt wurde. Die kleineren Höfe, die mit dem vom
Gutsherrn entliehenen Vieh bewirtschaftet wurden, blieben also von der Allodi-
fikation ausgeschlossen. Die Fron- und Naturaldienste der Bauern wurden in
Dienstgelder umgerechnet und zum fünfundzwanzigfachen Betrag, zahlbar in
Raten, ablösbar gemacht. Die Zwangsgesindedienste, Schutzgelder zum Aus-
wärtsdienen, Heiratserlaubnisgebühren und andere mit der Erbuntertänigkeit
verbundene Abgaben erloschen entschädigungslos. Die Ablösungsverordnung
von 1821 lehnte sich an die Gesetzgebung der Rheinbundstaaten an und regelte

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die Ablösung des grundherrschaftlichen Obereigentums und der Dienste für die
Bauern „mit besserem Besitzrecht" (Nutzeigentümer, Erbzinsleute, Erbpächter).
Sie betraf etwa vierzig Prozent der Bauern, die nicht der Gutsherrschaft, sondern
der Grundherrschaft unterstanden. In den Territorien, die auf dem Wiener Kon-
greß an Preußen zurückfielen oder neu hinzukamen, übernahm Preußen die dort
in der Rheinbundzeit eingeführte Gesetzgebung.
Die Entschädigung durch Landabtretung im Gegensatz zu dem langwierigen
Verfahren der Geldentschädigung erleichterte und beschleunigte die Eigentums-
-

verleihung. Aber sie brachte auch Rückschläge im bäuerlichen Besitzstand mit


-

sich. Die rund 12 000 Rittergüter erhielten etwa anderthalb Millionen Morgen
Entschädigungsland, dazu noch den Großteil der aufgeteilten Gemeingründe, von
denen nur 14 % den Bauern zufielen. Außerdem verloren viele Bauern ihr Land im
freien Güterverkehr. Nach Schätzungen wurden bis 1860 in den östlichen Pro-
vinzen Preußens rund vier Millionen Morgen Bauernland zu den Rittergütern
geschlagen. Durch die Gemeinheitsaufteilung und die Kultivierung des bisher
ungenutzten Ackerbodens, der 1815 ca. zwei Fünftel der Fläche ausmachte,
konnten zwar die Landverluste einigermaßen aufgewogen werden, aber doch
nur um den Preis, daß die Bauern auf die schlechteren Böden
abgedrängt wur-
den. Die preußische im Gegensatz zur rheinbündischen Agrarreform gelang, weil
sie auch und vielleicht sogar in erster Linie im Interesse des Güteradels lag. Die
wirtschaftliche Erfolgsbilanz war bemerkenswert: Die landwirtschaftliche Nutz-
fläche wuchs bis 1848 von 7,3 Millionen auf 12,46 Millionen Hektar, die landwirt-
schaftliche Produktion erhöhte sich um etwa vierzig Prozent.
Die Agrarreform hatte eine soziale Umschichtung der ostelbischen Landbe-
völkerung zur Folge. Die Vergrößerung des Gutslandes ermöglichte bis 1867 eine
Vermehrung der Rittergutsfamilien aufs Doppelte bis Dreifache. Die Zahl der
Bauernhöfe blieb durch den Landesausbau konstant. Hinzu kam eine neu entste-
hende bäuerliche Unterschicht, die vor der Reform kaum ins Gewicht gefallen
war: die auf dem Gutsland beschäftigte Landarbeiterschaft (Instleute, Gesinde,

Tagelöhner), die auf das Zweieinhalbfache anwuchs, und die Kleinbauernschaft


der Kätner, die sich um das Drei- bis Vierfache vermehrte. Die Kätner waren
nachgeborene Bauernsöhne, die früher Soldaten geworden waren. Jetzt, nach der
Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, kehrten sie nach der dreijährigen
Dienstzeit ins Dorf zurück, heirateten und erwarben ein kleines Stück Land, das
seit der verbesserten Bodenleistung und durch erhöhten Arbeitsaufwand die
Grundnahrung für die Familie gerade bieten konnte. Sonstiger Bedarf wurde
aus handwerklichem Nebenerwerb befriedigt. An die Stelle des alten Gutsver-

bandes trat so das neue Dorf der Gutsbesitzer adliger und bürgerlicher Herkunft,
der Hofbauern, die sich großenteils auf den Grenzböden ansiedelten, der Eigen-
kätner und Dorfhandwerker auf Kleinststellen, die gerade die Nahrung der
Familie sicherten, und der vom Bodenbesitz ausgeschlossenen Landarbeiter und
Gutstagelöhner. Die Hauptgewinner der Reform waren die Großgrundbesitzer -

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Preußische Reformen 119

„eine der tragischen Ironien der deutschen Verfassungsgeschichte. Es offenbart


sich hier die innere Antinomie des bürgerlichen Liberalismus, der die Freiheit des
Individuums und seines Eigentums schuf und zugleich vermöge der Eigengesetz-
lichkeit der Eigentumsfreiheit die Akkumulation der Eigentumsmacht in der
Hand weniger Einzelner auslöste" [476: E. R. Huber].
Wie die Agrarreform, so hat auch die Gewerbereform einen Raum eröffnet, in Soziale Folgen der
dem sich neue Energien entfalten konnten. Die Gewerbefreiheit schuf die Vor- Gewerbelrelnelt

aussetzung für den wirtschaftlichen Aufstieg und die spätere Industrialisierung


Preußens. Gleichzeitig verschärften sich jedoch auch im gewerblichen Bereich die
gesellschaftlichen Spannungen. Die Gewerbefreiheit wurde nach den Befreiungs-
kriegen für die elende Lage vieler Städte und Gewerbezweige verantwortlich
gemacht. Die Handwerker vermehrten sich rascher als die übrige Bevölkerung.
Ihre Zahl verdoppelte sich zwischen 1816 und 1846. In den unteren Rängen des
gewerblichen Mittelstandes bildete sich die Grenzschicht der „kleinen Meister".
Bis etwa 1830 nahm die Zahl der Meister schneller zu als die der Gesellen; es
entstanden zahllose Einmannbetriebe. Ab etwa 1840 holten die Gesellen auf. Die
Zahl der Gesellen pro hundert Meister betrug in Berlin 1776: 94; 1801: 103; 1846:
180. Die Gewerbetätigkeit nahm zwar zu, aber gleichzeitig vermehrte sich auch die
Zahl der Gesellen, die nicht mehr in Meisterstellen aufsteigen konnten. Die
Auswirkungen der Gewerbefreiheit trugen neben anderen Faktoren (chronische
Depressionen, technische Modernisierung, Bevölkerungsvermehrung, Land-
flucht) dazu bei, daß viele Gewerbetreibende, insbesondere in den vier Grund-
handwerken Schneiderei, Schuhmacherei, Tischlerei, Weberei -, immer stärker
durch die Überbesetzung ihrer Handwerke bedrängt wurden. 1840/41 beklagte
-

sich die Berliner Stadtverordnetenversammlung über die uneingeschränkte Ge-


werbefreiheit; sie gab an, daß Tausende von Familien ins Elend gestürzt und allein
in der zweiten Hälfte des Jahres 1839 fünfhundert Handwerksfallite in Berlin
registriert worden seien. Die Krise des Handwerks gehört ebenso wie die Notlage
der bäuerlichen Unterschicht zu den sozialen Voraussetzungen der Revolution
von 1848/49. „Die preußische Beamtenschaft hatte bewußt für Adam Smith gegen

Napoleon optiert, um den einen durch den anderen zu vertreiben... Sie entfesselte
eine gesellschaftliche Bewegung, die sich langsam ihrer Steuerung entzog, und die
ihr schließlich entglitt, sobald die soziale Frage zur Verfassungsfrage aufrückte"
[841: R. Koselleck].
Was 1848/49 geschah, trug auch und nicht zuletzt den Charakter eines Auf- Diskrepanz von
Standes der „Länder des rheinischen Rechts" gegen den preußischen Obrigkeits- Polltlscnel'und
wirtschaftlicher
Staat. In Preußen mündete die bürokratische Reform in ein System
. .
politischer Verfassung
. .

Reaktion. Zwischen der altständischen Opposition auf der einen und der bürger-
lichen Opposition auf der anderen Seite, die beide jedoch in auseinanderstre-
benden Richtungen die Einlösung der königlichen Verfassungsversprechen
-

verlangten, geriet die Regierung in eine Zwangslage. Die Wirtschaftsreform trug


-

so auf ihre Weise dazu bei, die Ausbildung einer repräsentativen Verfassung zu

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verhindern. Umgekehrt stand die wirtschaftliche Emanzipation in den süddeut-


schen Staaten noch aus, während sich hier der Konstitutionalismus durchsetzte.
Im Vormärz wurden die ehemaligen Rheinbundstaaten und die „Länder des
rheinischen Rechts" zu den Hochburgen des politischen Liberalismus, Preußen
hingegen zu dem Staat, in dem die unabhängige Wirtschaftsgesellschaft am
weitesten gediehen war. Die unterschiedliche Entwicklung in Reformpreußen
und in den Rheinbundstaaten unter dem Einfluß des napoleonischen Frankreich
bewirkte so das Auseinandertreten von politischer und wirtschaftlicher Verfas-
sung. Die Vorgeschichte der Revolution von 1848/49 ist auch geprägt durch den
Gegensatz zwischen einem sozialökonomisch-liberalen und politisch obrigkeits-
staatlich strukturierten Preußen und den sozialökonomisch-konservativen und
politisch konstitutionellen süddeutschen Staaten.
Bildungsreform und Die Bildungsreform und die Heeresreform prägten auf ihre Weise die preußi-
Neuhumamsmus
scne Sonderentwicklung. Der Bildungspolitik fiel in Preußen eine der wichtigsten

Aufgaben des gesamten Reformwerks zu. Alle anderen Reformen, die der Ver-
waltung und Verfassung, der Wirtschaft und des Heeres, setzten einen neuen
Bürger voraus, der bereit und fähig war, selbstverantwortlich zu handeln. Die
Erfahrung, die immer wieder mit den ständischen Sonderinteressen zusammen-
stieß, lehrte, daß die Nation zuerst einmal „gebildet" und „erzogen" werden
müsse, um den „Gemeinsinn" zu beleben und die Selbsttätigkeit der Gesellschaft
zu entfalten. Anders als die Verfassungsreform, die noch von der ständischen

Gliederung der Gesellschaft ausging, richtete sich die Bildungsreform von vorn-
herein gegen jede Standes- und Berufserziehung, wie sie bisher auf den Ritter-
akademien des Adels, in den Kadettenanstalten der Armee und den städtischen
Berufsschulen üblich gewesen war. Die Grundkonzeption Humboldts, den Stein
1808 für die Leitung der Sektion Kultus und Unterricht im preußischen Innen-
ministerium vorschlug, beruhte auf dem neuhumanistischen Ideal einer zweck-
freien „allgemeinen" Bildung. Die Erziehung sollte nicht mehr nur im Sinne der
utilitaristischen Pädagogik der Aufklärung Sachkenntnisse und „brauchbares
Wissen fürs wirkliche Leben" (Basedow) vermitteln, sondern die Selbstentfaltung
der geistigen Kräfte anregen, insbesondere durch die Beschäftigung mit dem
klassischen Altertum und seinen Sprachen. Humboldt verknüpfte die Kultur-
politik des Staates mit dem Gedanken der „allgemeinen Menschenbildung" und
der harmonischen, allseitig gebildeten Persönlichkeit: „Alle Schulen, deren sich
nicht ein einzelner Stand, sondern die ganze Nation oder der Staat für diese
annimmt, müssen eine allgemeine Menschenbildung bezwecken. Was das Bedürf-
nis des Lebens oder eines einzelnen seiner Gewerbe erheischt, muß abgesondert
und nach vollendetem allgemeinem Unterricht erworben werden. Wird beides
vermischt, so wird die Bildung unrein, und man erhält weder vollständige Men-
schen noch vollständige Bürger einzelner Klassen." Die „allgemeine" Bildung war
nicht mehr unmittelbar wie seinerzeit unter dem Aufgeklärten Absolutismus
auf den Staatszweck bezogen. Sie könne nur, schrieb Humboldt, „aus der Tiefe des
-
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Preußische Reformen 121

Geistes", d.h. aus der Freiheit wachsen. Dem Staat und gemeint war der
Reformstaat kam die Aufgabe zu, die Erziehung des Menschen allein um des
-

Menschen selbst willen zu fördern: „Denn nur die Wissenschaft, die aus dem
-

Innern stammt und ins Innere gepflanzt werden kann, bildet auch den Charakter
um, und dem Staat ist's ebenso wie der Menschheit nicht um Wissen und Reden,
sondern um Charakter und Handeln zu tun."
Dieses oberste Ziel, die Verwirklichung einer Menschheitsidee, schloß freilich Nationalerziehung
die Erwartung nicht aus, daß die zweckfreie Bildung von sich aus die Hingabe an
Staat und Nation erwecken werde. Insofern war die Bildungsreform von dem neu
entstehenden Nationalgedanken beeinflußt. Direkter und weit weniger differen-
ziert als bei Humboldt wurde die Erziehung zum Menschentum in Fichtes „Reden
an die deutsche Nation" mit der „Nationalerziehung" gleichgesetzt. „Der ver-

nunftgemäße Staat", hieß es in der sechsten Rede, „läßt sich nicht durch künstliche
Vorkehrungen aus jedem vorhandenen Stoffe aufbauen, sondern die Nation muß
zu demselben erst gebildet und herauferzogen werden. Nur diejenige Nation,

welche zuvörderst die Aufgabe der Erziehung zum vollkommenen Menschen


durch die wirkliche Ausübung gelöst haben wird, wird sodann auch jene des
vollkommenen Staates lösen." Der Staat erhält bei Fichte als „Vormund der
Unmündigen das vollkommene Recht, die letzteren zu ihrem Heil auch zu
zwingen". Die allgemeine Wehrpflicht fand so ihre Parallele im allgemeinen
Schulzwang.
Die Gesetzgebung schuf die „staatliche Einheitsschule" in der Dreigliederung Schulreform
von Elementarschule, Gymnasium und Universität anstelle des bisherigen Neben-

einander von kirchlichen, privaten, gemeindlich-städtischen, korporativen und


staatlichen Bildungsanstalten. Das Unterrichtswesen stand fortab durchgängig
unter staatlicher Aufsicht, die vor allem das Prüfungswesen vorschrieb. Die schon
seit 1717 formal geltende allgemeine Schulpflicht wurde nun streng durchgesetzt.
Die Voraussetzung hierfür lag in der ausreichenden Besoldung und vor allem in der
verbesserten Ausbildung der Lehrer in den neu eingerichteten Lehrerseminaren.
Die Anstellung der Lehrer ging unter Zurückdrängung kirchlichen Einflusses und
älterer Patronatsrechte auf gemeindliche Schulbehörden über. Die Schulinspek-
tion lag weiterhin bei den Geistlichen. Bis 1820 wurden in Preußen 17 623 Dorf-
schulen mit 18140 Lehrern und 2462 städtische Elementarschulen mit 3745
Lehrern geschaffen. Für die höhere Schulbildung entstand der neue Schultyp
des humanistischen Gymnasiums, dessen Unterrichtsgang nach festgelegten Lehr-
plänen mit der Reifeprüfung abschloß, die den Zugang zur Universität eröffnete.
Es gelang allerdings nicht, die Standes- und praxisorientierte Berufsausbildung
ganz zu unterdrücken. Die Kadettenanstalten konnten nicht beseitigt werden.
Neben das Gymnasium trat die Realschule, deren Absolventen jedoch nicht zum
Universitätsstudium zugelassen waren.
Die Universitätsreform, die einige Vorbilder auch in den Rheinbundstaaten Universitätsreform
besaß so vor allem die Reform der Universität Heidelberg durch Reitzen-
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stein-, bildete den krönenden Abschluß der Schulreform. Sie konzentrierte sich
vor allem auf die Neugründung der Universität Berlin unter dem Rektorat Fichtes.
Nach dem Grundsatz der Freiheit von Forschung und Lehre sollte hier das Ideal
der voraussetzungslosen Wissenschaft verwirklicht werden mit den klassischen
Worten Humboldts: „Nicht darauf ist zu sehen, daß dieses oder jenes gelernt
-

werde, sondern in dem Lernen muß das Gedächtnis geübt, der Verstand geschärft,
das Urteil berichtigt, das sittliche Gefühl verfeinert werden. Nur so wird die
Geschicklichkeit, die Freiheit, die Kraft erreicht werden, die nötig sind, um jeden
Beruf aus freier Neigung und um seiner selbst willen und nicht um das Leben
damit zu fristen zu ergreifen." Das Prinzip der Einheit von Forschung und Lehre
-

im akademischen Amt und zwar so, daß die Forschung als das Primäre galt, diente
-

dem Ziel, auch die Studenten durch Teilnahme an den Forschungsarbeiten des
Lehrers zu selbständigem Denken und Forschen anzuregen. Die wissenschaftliche
Befähigung wurde zum Bildungsideal der Universitäten. Gleichzeitig gab die
„civitas academica", die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden, das Vor-
bild für die erstrebte nationale Gemeinschaft ab.
Viele dieser Grundsätze haben bis in die jüngste Zeit das Bildungswesen geprägt:
das Ideal der universalen Bildung, die Entfaltung individueller Fähigkeiten statt
bloßer Wissensvermittlung, die Autonomie von Erziehung und Wissenschaft, die
Freiheit und Einheit von Forschung und Lehre. Die kritischen Einwände sind
bekannt: Wissenschaft wird selten um ihrer selbst willen betrieben, und schon
Humboldt beklagte sich über die Professoren als der „unbändigsten und am
Soziale Folgen der schwersten zu befriedigenden Menschenklasse". Das hochgesteckte philologische
Bildungsreform un(j literarische Bildungsziel und die an Bildungsnachweise gebundene Laufbahn-
reglementierung wirkten sozial abschließend gegenüber den unteren Klassen. So
wurde das Gymnasium „mehr eine die Schichtung der Gesellschaft bewahrende
und stabilisierende Institution" [833: K.-E.jEiSMANN].DieIntellektualisierungder
Bildung förderte die Einseitigkeit des bloß Theoretischen, das Spezialistentum und
die Entfremdung vom Berufsleben: „Die Verengerung von Bildung und Leben
vollzog sich in Deutschland erbarmungsloser als jemals in Frankreich oder Eng-
land, wo die Gefahr, daß den Universitätslehrern der Überblick über das Ganze
ihres Faches und überhaupt des Lebens entschwand, niemals so groß werden
konnte" [483: F. Schnabel]. Schon die preußischen Bildungsreformer machten
die Erfahrung, daß die Freiheit eben doch ihre Grenzen am staatlichen Interesse
fand. Die Freiheitskriege brachten nicht die nationale Wiedergeburt, wie sie sich
Fichte vorgestellt hatte, sondern die Festigung obrigkeitsstaatlicher Macht. Der
Krieg entfesselte nationale Emotionen und Aggressionen, die in krassem Wider-
spruch zu den humanitären Zielen der „Nationalerziehung" standen.
Zielvorstellungen In stärkerem Maße noch als die Bildungsreform liefert die Heeresreform ein
det Heeresreformer
Beispiel für die Paradoxien der geschichtlichen Entwicklung, die für die preußi-
schen Reformer nicht vorhersehbar waren. Scharnhorst und seine Mitarbeiter
waren zugleich Anhänger der Bildungsreform. Die von Scharnhorst 1810 gegrün-

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dete Kriegsakademie, deren Leitung sein Schüler Carl von Clausewitz, der Ver-
fasser der „Theorie vom Kriege", übernahm, sollte nicht mehr nur militärisch-
fachliche Kenntnisse vermitteln, sondern die Allgemeinbildung der Offiziersan-
wärter fördern. In der „Absonderung der bürgerlichen, der gebildeten Klasse vom
Militär" sah Scharnhorst die eigentliche Ursache der preußischen Niederlage von
1806. Das Heer galt zugleich als Schule der Nation. Seine Neugestaltung be-
schränkte sich deshalb nicht auf technische und organisatorische Verbesserungen.
Die wichtigste Aufgabe der Heeresreformer bestand vielmehr darin, das über-
kommene Söldnerheer, das sich bisher aus geworbenen Ausländern und zwangs-
weise rekrutierten bäuerlichen Untertanen zusammensetzte und nur durch harten
militärischen Drill und barbarische Strafen diszipliniert werden konnte, in ein
Bürgerheer nach französischem Vorbild umzuwandeln, in dem der Wehrdienst
nicht mehr als verhaßter Zwang, sondern als patriotische Verpflichtung des selbst-
verantwortlichen Staatsbürgers empfunden werden sollte. „Man muß", so forderte
Scharnhorst, „der Nation das Gefühl der Selbständigkeit einflößen." „Es scheint bei
der j etzigen Lage der Dinge darauf anzukommen, daß die Nation mit der Regierung
aufs Innigste vereinigt werde, daß die Regierung gleichsam mit der Nation ein
Bündnis schließt, welches Zutrauen und Liebe zur Verfassung erzeugt und ihr eine
unabhängige Lage wert macht. Dieser Geist kann nicht ohne einige Freiheit...
stattfinden. Wer diese Gefühle nicht genießt, kann auf siekeinen Wert legen und sich
nicht für sie aufopfern." So entwickelte Scharnhorst den Gedanken der allgemeinen Allgemeine
Wehrpflicht. Alle Bürger ohne Ausnahme sollten eine Zeitlang im stehenden Heer, Weh'-p»ict" und
...... Landwehr
der sog. Linie, dienen. Neben die Linie trat als zweite selbständige Formation die
..... •
11 i- •

Landwehr, die sich aus älteren Reservisten und ungedienten Männern bis zum
40. Lebensjahr zusammensetzte. Sie sollte, wie es Boyen formulierte, „ein Stück
bürgerlichen Lebens" in der Armee darstellen. Trotz des Widerstandes Harden-
bergs entschied sich Scharnhorst gegen das napoleonisch-rheinbündische Kon-
skriptionssystem, bei dem sich die Besitzbürger durch eine Geldabgabe vom
Wehrdienst freikaufen konnten. Eine solche Maßnahme erschien ihm unvereinbar
mit dem Ziel, das Heer in die Nation zu integrieren.
Die allgemeine Wehrpflicht konnte wegen der einengenden Bestimmungen des
Pariser Vertrages von 1808, der die preußische Heeresstärke auf 42 000 Mann
festlegte, erst 1813/14 eingeführt werden. Bis dahin bot das sog. Krümpersystem Krümpersystem
ein Aushilfsmittel: Die Soldaten wurden vor Beendigung ihrer Dienstzeit „be-
urlaubt" und durch neu einberufene Rekruten ersetzt, so daß für den Kriegsfall
eine zahlenmäßig relativ starke Reservearmee bereitstand. Außerdem wurden seit
Februar 1813 Freiwilligenverbände aufgestellt. Mit der Landsturm-Ordnung vom
21. April 1813 propagierten die Volkskriegsstrategen schließlich die nationale
Insurrektion im Volksaufstand gegen die „Fremdherrschaft".
Das Volksaufgebot, die Landwehr und die Einführung der allgemeinen Wehr-
pflicht stießen jedoch auch in den konservativen Kreisen Preußens auf erhebliche
Bedenken. „Eine Nation bewaffnen", so warnte eine anonyme Denkschrift, die im

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Polizeiministerium zirkulierte, „heißt den Widerstand und Aufruhr organisieren


und erleichtern." Nicht jeder wagte wie Gneisenau, der in Armeekreisen als
ausgemachter Jakobiner galt, den „Griff ins Zeughaus der Revolution".
Wie die allgemeine Wehrpflicht, so erschütterte das zweite Kernstück der
Abschaffung des Heeresform, die Abschaffung des Adelsmonopols für die Offiziersstellen, die
Adelsmonopols fur wicntigste feudalständische Institution des friderizianischen Preußen. Die bgesell-
Offiziersstellen °
, ...

schaftliche Erweiterung des Offiziersstandes lag in der Konsequenz der neuen


.
.

Vorstellung von der Nation, die vor allem mit den gehobenen bürgerlichen
Schichten identifiziert wurde. Die Auslese der Offiziere sollte sich fortan nach
dem bürgerlichen Bildungs- und Leistungsprinzip richten. „Einen Anspruch auf
Offiziersstellen", so hieß es in einem der ersten Berichte der Militärreorganisa-
tionskommission, „sollen von nun an in Friedenszeiten nur Kenntnisse und
Bildung gewähren, in Kriegszeiten ausgezeichnete Tapferkeit und Uberblick.
Aus der ganzen Nation können daher alle Individuen, die diese Eigenschaften
besitzen, auf die höchsten Ehrenstellen im Militär Anspruch machen. Aller bisher
stattgehabte Vorzug des Standes hört beim Militär ganz auf und jeder ohne
Rücksicht auf seine Herkunft hat gleiche Pflichten und gleiche Rechte."
Heeresreform, Die Heeresreformer waren sich im klaren darüber, daß die Durchsetzung dieser
Verfassungsreform, prmzjpien von dem Erfolg der
Verfassungsreform abhing. Die Demokratisierung
der Armee setzte die Demokratisierung von Staat und Gesellschaft voraus. Inner-
halb der preußischen Reformpartei traten deshalb die Heeresreformer mit Ent-
schiedenheit für eine Konstitution ein, die sich am bürgerlichen Verfassungsdenken
orientierte, dies auch im Hinblick auf die Rückgewinnung der Rheinbundstaaten.
„Die Notwendigkeit", schrieb Gneisenau 1814 an Arndt, „Preußen bald, sogleich
eine Konstitution zu geben, habe ich mündlich und schriftlich dargetan und dazu
angetrieben. Sogar Motive, die nur der Staatskunst angehören, gebieten dies. Es gibt
kein festeres Band, um die Einwohner der zu erwerbenden Länder an unsere älteren
zu knüpfen, als eine gute Konstitution. Überdies müssen wir damit die
Meinung in
Deutschland für uns gewinnen. So etwas erwirbt uns den Primat über die Geister.
Der dreifache Primat der Waffen, der Konstitution, der Wissenschaften ist es allein,
der uns aufrecht zwischen den mächtigsten Nachbarn erhalten kann." Die ein-
prägsame Formel vom dreifachen Primat „der Waffen, der Konstitution, der
Wissenschaften" verwies zugleich noch einmal auf den unauflöslichen inneren
Zusammenhang von Heeresreform, Verfassungsreform und Bildungsreform.
Gesellschaftlicher In der Folgezeit wurde dieses Programm nur sehr unvollkommen und partiell
Militarismus
verwirklicht. Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht begründete die militä-
rische Überlegenheit Preußens. Die Kriegserfolge von 1813, 1864, 1866 und 1870
sind ohne das Werk Scharnhorsts kaum denkbar. Aber die Steigerung der Macht
konnte auch von den Gegnern der Reform ausgenutzt werden, die den bildungs-
und verfassungspolitischen Gehalt der Heeresreform ablehnten. Die Einbezie-
hung des besitzenden und gebildeten Bürgertums in das Heer führte nicht zur
Demokratisierung der Armee, sondern eher zur Feudalisierung des Bürgertums,
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Preußische Reformen 125

das gemeinsam mit dem Adel eine neue offiziersfähige und von der übrigen
Gesellschaft abgesonderte Führungsschicht bildete. So wurde der gesellschaft-
liche Militarismus zu einem Kennzeichen der preußisch-deutschen Geschichte.
„Das, was man den .preußischen Militarismus' zu nennen pflegt, beruhte im 19.
Jahrhundert, der verfassungsgeschichtlichen Wurzel nach, nicht auf einem Sieg des
militärischen Geistes über den zivilen Geist, sondern umgekehrt: auf einem Sieg
der im zivilen Sektor erfolgreichen Restauration über die im militärischen Sektor
vollzogene Reform" [476: E. R. Huber].
Die restaurative Entwicklung zeichnete sich schon während der Freiheitskriege Freiheitskriege
ab: Der Volkskrieg verwandelte sich wieder in den Kabinettskrieg alten Stils. Für
konservative Generale wie Yorck und Blücher war der Krieg von Anfang an kein
Freiheits-, sondern ein Befreiungskampf, und die Volksbewegung, wie sie ein
Marwitz sah, konnte nichts anderes sein als eine patriotische Bewegung „für
König und Vaterland", „als ob", wie es Bismarck in seiner ersten politischen
Rede 1847 formulierte, „die Bewegung des Volkes von 1813 anderen Gründen
zugeschrieben werden müßte, und es eines anderen Motivs bedurft hätte als der
Schmach, daß Fremde in unserem Lande geboten". Es ist bis heute in der
Forschung umstritten, welche Zielvorstellungen den Freiheitskrieg bestimmten
und wer welchen Anteil am Zustandekommen der nationalen Erhebung hatte, ob
der König in den entscheidenden Märztagen 1813 gezwungen wurde, sich unter
dem „Druck der Volksmassen" an die Spitze der Volksbewegung zu stellen, wie es
die marxistisch-leninistische Geschichtsinterpretation sehen wollte, ob der König
rief und alle eilten zu den Fahnen, wie es konservative Historiker seit Heinrich von
Treitschke dargestellt haben, oder ob die konstitutionellen und gesamtdeutsch-
nationalen Vorstellungen des Bildungsbürgertums den Ausschlag gaben, wie es die
Wortführer des vormärzlichen Liberalismus angaben. Der Umstand, daß alle
politischen Richtungen sich auf das Erbe des Freiheitskrieges berufen konnten,
deutet darauf hin, daß die nationale Erhebung aus stark divergierenden Bestre-
bungen erwuchs. Nicht konkrete politische Programme und klare Zielvorstellun-
gen, sondern „ein ebenso intensives wie diffuses Freiheitsverlangen" und eine
eindeutige Feindbestimmung, die den lang aufgestauten Haß gegen den französi-
schen Eroberer freisetzte, kennzeichneten die erregte Stimmung und mobilisierten
„die Massen" [879: H. Berding]. 1813 konnte die Freiheitsparole alle im gemein-
samen Kampf vereinigen und sammeln: die Mächte der Koalition, Fürsten und

Adlige, die Reformpartei und das Bildungsbürgertum, die konservativen Generale


und die Volkskriegsstrategen, reguläre Armeen, Landwehr und Freikorps, Frei-
willige aus allen Bevölkerungsschichten und Landesteilen, Handwerker, Bauern,
Tagelöhner, Studenten, Akademiker und Kaufleute. Als jedoch Napoleon besiegt
war, kamen die ideologischen, politischen und sozialen Konflikte wieder zum
Vorschein. Der Wiener Kongreß stand vor der schwierigen Aufgabe, die neu
aufbrechenden Spannungen zwischen Revolution, Reform und Restauration zu
einem Ausgleich zu bringen.

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10. Der Wiener Kongress zwischen Revolution und Restauration

Kriegsziele der Schon die diplomatischen Absprachen, die der dritten Koalition zugrundelagen,
Alliierten SQ
jjg petersburger Konvention vom 11. April 1805 zwischen England und
Rußland, beruhten auf der Taktik der Alliierten, die Festlegung auf politische
Kriegsziele zu vermeiden. Die Verbündeten verpflichteten sich hauptsächlich, nur
durch gemeinsamen Beschluß und in Form eines Kongresses Frieden zu schließen.
Wie 1804/05, so blieb auch 1813 zunächst die Frage offen, ob Großbritannien in
der Wiederherstellung des europäischen Gleichgewichts irgend etwas anderes
sehen würde als die Rückkehr zum Status quo ante bzw. die Entmachtung
Napoleons und die Zurückdrängung Frankreichs in seine alten Grenzen. Erst in
den Besprechungen vom Januar 1814 setzte der britische Außenminister Castle-
reagh seinen Vorschlag durch, die Bourbonen mit Ludwig XVIII. nach Frankreich
zurückzuholen. Im Vertrag von Chaumont vom 4. März schlössen die Alliierten
eine auf zwanzig Jahre befristete Allianz ab, die in erster Linie militärische
Absprachen enthielt. Darüber hinaus wurde die Unabhängigkeit Spaniens, der
Schweiz, Italiens, Deutschlands und der Niederlande zugesichert. Deutschland
sollte aus einer Konföderation souveräner Staaten bestehen. Die Niederlande
sollten vergrößert werden und eine „geeignete" Grenze erhalten, was sich offen-
sichtlich auf Belgien bezog. Für Frankreich sollten die Vorkriegsgrenzen nach dem
Stand von 1792 gelten. Mit der Wiederherstellung der „alten" Grenzen Frank-
reichs und der Vergrößerung der Niederlande als „Barrierestaat" schienen die
britischen Interessen bereits erfüllt.
Russische Dagegen hatte Zar Alexander I. schon 1804/05 eine eigene Konzeption ver-
Fnedensplane treterl) fce stärker auf die soziale Befriedung des nachrevolutionären
Europa
ausgerichtet war und zugleich den russischen Einfluß, insbesondere in Polen,
sichern sollte. In Anlehnung an die Pläne seines polnischen Jugendfreundes
Adam Czartoryski, der 1804 zum russischen Außenminister aufgestiegen war,
und unter dem Einfluß des Florentiner Abbe Piattoli, der die Idee eines von
Rußland geeinten und nach dem Nationalitätenprinzip neu geordneten Europa
propagierte, schlug Alexander Pitt vor, den befreiten Völkern „eine freie und kluge
Verfassung" zu geben. Der Friede könne nur dann erreicht werden, „wenn die
innere soziale Ordnung auf vernünftiger Freiheit basiere, die die Macht des
Herrschers festigt und als gewisses Hindernis gegen die Leidenschaften zügello-
sen Ehrgeizes oder irgendwelcher unsinniger Ideen dient, die an der
Spitze der
Nation stehende Menschen häufig vom wahren Weg abbringen..." „Die nationale
und konstitutionelle Selbständigkeit der Völker durch Rußland gemeinsam mit
England garantiert", so hieß es schon in der Denkschrift Piattolis von 1803, „wird
den Frieden des gesamten Europa herbeiführen." Alexander I. unterstützte die
spanische Verfassung von 1812, die von Ludwig XVIII. erlassene Charte und die
konstitutionellen Bestrebungen in den süddeutschen Staaten. 1815 erließ er eine
konstitutionelle Verfassung für das in Personalunion mit Rußland vereinigte

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Wiener Kongreß 127

Königreich Polen. Auch Alexanders erste Projekte einer Heiligen Allianz hielten
sich im Kern noch an die Forderungen Piattolis. Die christliche Religion sollte die
Solidarität der Fürsten und Völker begründen. Erst die Umarbeitung der Vorlage
durch Metternich gab der Heiligen Allianz ihren restaurativen Gehalt. Sie betonte
mit einer deutlichen Spitze gegen das russische Vormachtstreben nur noch die
Solidarität der Monarchen und ihre Verpflichtung, die Außenpolitik auf die
- -

Prinzipien der „heiligen Religion, insbesondere die Vorschriften der Gerechtig-


keit, der christlichen Nächstenliebe und des Friedens" zu gründen. Castlereagh
nannte die Heilige Allianz eine Mischung von sublimer Mystik und Unsinn.
Metternich äußerte sich mit ähnlichem Zynismus. Von der ursprünglichen Ab-
sicht Alexanders, ein Bündnis zwischen Fürsten und Völkern zu stiften und durch
Repräsentatiwerfassungen die alte Kabinettspolitik unmöglich zu machen, war
keine Rede mehr.
Andererseits ließ sich die russische Konzeption mit derjenigen der preußischen
Reformer durchaus in Übereinstimmung bringen. Auch wenn die preußischen
Verfassungsprojekte stärker an ständischen Vorstellungen orientiert blieben, so
stand doch fest, daß eine Rückkehr zum absolutistischen Ancien Regime aus-
geschlossen blieb. Auch Traditionalisten wie Stein forderten die Beteiligung der
Völker am Staat. Aus Steins Sicht gehörte gerade die durch den Absolutismus
bewirkte Trennung von Staat und Gesellschaft zu den Ursachen der Revolution.
1812 zählte Stein zu den Beratern des Zaren, den er dazu aufforderte, den Krieg
fortzusetzen und sich an die Spitze der nationalen Befreiung Deutschlands und
Europas zu stellen. Er erhielt im Dezember 1812 die unerwartete Unter-
stützung des konservativen Generals Yorck, der ohne den Befehl des zögernden
- -

Königs die aufsehenerregende Konvention von Tauroggen mit den Russen ab- Konventionund von

schloß, in der sich das preußische Hilfscorps von 18 000 Mann von der Großen Tauroggen
r
russisch-preulMsches
Armee abspaltete und vorläufig zur Neutralität verpflichtete. Stein verkündete in Bündnis
...

Ostpreußen eigenmächtig die Bildung von Landwehr und Landsturm. Yorck


proklamierte vor den ostpreußischen Landständen den Krieg gegen die Franzo-
sen. Im Bunde mit den führenden Heeresreformern Scharnhorst, Gneisenau,

Boyen und Clausewitz und getragen von der aufflammenden nationalen Begeiste-
rung der herbeiströmenden Freiwilligen gelang es Stein Ende Februar 1813, die
Bedenken Friedrich Wilhelms III. und Hardenbergs zu zerstreuen. Rußland und
Preußen schlössen das Bündnis von Kaiisch. Am 10. März stiftete der König das
Eiserne Kreuz. Am 16. März erklärte Preußen Frankreich den Krieg. In einem
Aufruf „An mein Volk" besiegelte der König das Zusammenwirken der preußi-
schen Regierung mit der patriotischen Bewegung. Die gemeinsame russisch-
preußische Proklamation von Kaiisch vom 25. März 1813 verhieß die „Wieder-
geburt eines ehrwürdigen Reiches" und die Herstellung der deutschen Verfassung
„allein durch die deutschen Fürsten und Völker und aus dem ureigenen Geiste des
deutschen Volkes".

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Frühjahrsfeldzug Das militärische Übergewicht lag im Frühjahrsfeldzug von 1813 noch eindeutig
1813 und aur sejten Frankreichs. Napoleon siegte, wenn auch unter schweren Anstrengun-
Waffenstillstand
2. Mai bei
.

Großgörschen und Lützen und am 20. Mai bei Bautzen an der


.

gen, am

Spree. Allerdings litt die Armee unter dem Mangel an Reiterei und unter der
unzureichenden Ausbildung der im März/April überstürzt ausgehobenen neuen
Truppen, so daß Napoleon im Juni seinen Gegnern einen Waffenstillstand anbot.
Die kurze Phase des Waffenstillstands vom 2. Juni bis 10. August 1813 leitete die
Wende des Freiheitskrieges ein. In dieser Zeit schlössen sich England und Schwe-
den der Koalition gegen Napoleon an. Das für den weiteren Verlauf des
Krieges
und für die Niederlage Frankreichs in der Völkerschlacht von
Leipzig entschei-
Kriegseintritt dende Ereignis war der Kriegseintritt Österreichs am 11. August 1813. Schon im
Österreichs
Vertrag zu Reichenbach vom 17. Juni bot Österreich seine bewaffnete Vermittlung
an. Metternich wurde „praktisch
Ministerpräsident der Koalition" [901: H.A.
Kissinger]. Am 26. Juli fand die denkwürdige neunstündige Unterredung zwi-
schen Metternich und Napoleon im Palais Marcolini zu Dresden statt, in der sich
Napoleon weigerte, irgendwelche Territorien (abgesehen von einem Teil Polens an
Rußland) abzutreten. Damals fielen die berühmten Worte: „Eure Herrscher,
geboren auf dem Throne, können sich zwanzigmal schlagen lassen und doch
immer wieder in ihre Residenz zurückkehren; das kann ich nicht, ich, der Sohn
des Glücks! Meine Herrschaft überdauert den Tag nicht, an dem ich aufgehört
habe, stark und folglich gefürchtet zu sein."
Metternich zögerte lange, die österreichische Neutralität aufzugeben. Es lag
kaum im österreichischen Interesse, die französische Vorherrschaft gegen eine
russische einzutauschen und die Machtposition Preußens in Deutschland zu
verstärken. Ebensowenig konnte es sich der Vielvölkerstaat leisten, für nationale
Ideale zu kämpfen. „Abstrakte Gedanken zählen nicht viel", schrieb Metternich
im April 1813 an den Zaren, „wir nehmen die
Dinge so, wie sie sind, und wir
versuchen nach Kräften uns zu hüten, Gefangene von Illusionen über die Wirk-
lichkeit zu werden." Unter Metternichs Leitung verwandelte sich der nationale
Gleichgewichtspoli- Befreiungskrieg in einen Kabinettskrieg um das deutsche und europäische Gleich-
tik Metternichs und
Castlereaghs gewicht.
Metternich gewann Castlereaghs Unterstützung für eine Politik der
Mäßigung gegenüber Frankreich, die der Versuchung eines Straffriedens wider-
stand. Der am 30. Mai 1814 mit Ludwig XVIII. abgeschlossene erste Frieden von
Paris vermied eine Aufteilung in Sieger und Besiegte. Frankreich erhielt die
Grenzen von 1792, zuzüglich einiger eroberter Gebiete, und erreichte die Rück-
gabe seiner Kolonien und Handelsniederlassungen in Übersee. In den Ausein-
andersetzungen über die Neuordnung Deutschlands durchkreuzte Metternich die
Hoffnungen Steins auf eine Auflösung der Rheinbundstaaten. Als nacheinander
Bayern, Württemberg und die übrigen Mittelstaaten (mit Ausnahme Sachsens)
von Frankreich abfielen und in das
Lager der Alliierten überwechselten, erhielten
sie in den Verträgen von Ried, Fulda und Frankfurt Besitzstands- und Souveräni-
tätsgarantien, die eine Rückkehr zu den Zuständen des alten Reiches ausschlössen
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Wiener Kongreß 129

und die territorialen Veränderungen seit 1803 anerkannten. Es gelang Metternich,


die besonderen Erfordernisse der Donaumonarchie mit den historischen Tradi-
tionen der internationalen Ordnung und der deutschen Staatenwelt in Überein-
stimmung zu bringen. „Österreichs Überleben hing von dem Anerkennen von
Grenzen ab. Es hing ab von der Heiligkeit von Verträgen und der Legitimität...
Weil die österreichische Politik keine Kräfte aus den Neigungen der Bevölkerung
ziehen konnte, mußte sie ihre Ziele durch eine hartnäckige und geschickte
Diplomatie zu erreichen trachten. Jede einzelne Maßnahme war zweideutig, jeder
Schritt konnte so oder so ausgelegt werden. Das Ergebnis aber war eine Koalition,
deren moralische Grundlage sich als haltbar erwiesen hat, was man auch immer
von ihrem Gehalt denken mag, und deren Erfolge in der Schaffung eines Friedens

nach einem Vierteljahrhundert des Krieges lagen" [901: H. A. Kissinger].


Es ist üblich geworden, das Werk des Wiener Kongresses unter dem schon
zeitgenössischen Leitbegriff der „Restauration" zusammenzufassen. „Nicht die
Freiheit und die Lebensbedürfnisse der Völker, sondern staatliche Restauration
und Gleichgewicht der Mächte waren die Parolen der Stunde mit dem Ziel eines
festen Systems von monarchischen, inneren Umbruchstendenzen enthobenen
Staaten unter Vorrang der Größeren" [890: K. Griewank]. Allerdings konnte
die alte kontinentale Staatengesellschaft nicht vollständig wiederhergestellt wer-
den. Selbst konservative Staatstheoretiker der Restaurationszeit wie Friedrich Staatliche
Gentz und Karl Ludwig von Haller hielten eine einfache Rückkehr zum Ancien Restauratl

Regime für unmöglich. Immerhin wurden die territorialen Umwälzungen der


napoleonischen Zeit größtenteils wieder rückgängig gemacht. Frankreich verlor
im zweiten Pariser Frieden vom 20. November 1815, der nach Waterloo und dem
Epilog der Hundert Tage ungünstiger ausfiel als der erste, auch die vor 1792
-

eroberten Grenzgebiete, darunter Savoyen und Nizza, Landau und das Saargebiet
-

um Saarlouis und Saarbrücken. In Spanien und Portugal wurden die alten Dyna-
stien wiederhergestellt. Holland und das ehemals österreichische Belgien wurden
unter der Herrschaft des Oraniers, König Wilhelms L, zum Königreich der
Niederlande vereinigt. Die restaurierten Kantone der Schweiz erhielten eine
staatenbündische Verfassung. Die fünf Großmächte (später auch Portugal) garan-
tierten die „immerwährende Neutralität" der Schweiz und die „Unverletzlich-
keit" ihres Territoriums. Schweden blieb mit Norwegen, das von Dänemark schon
im Kieler Frieden vom 14. Januar 1814 abgetreten worden war, vereinigt. England
wehrte jedoch die Ansprüche des schwedischen Kronerben auf den dänischen
Reststaat ab. In Italien wurden die habsburgischen Seitenlinien in Toskana und
Modena wiedereingesetzt. Venetien und die Lombardei fielen an Österreich, das
seine Vorherrschaft in Oberitalien befestigte. In Parma regierte die Tochter des
österreichischen Kaisers, die Exkaiserin Frankreichs Marie-Louise. Das König-
reich Neapel und Sardinien-Piemont (das um Genua vergrößert wurde) erhielten
ihre alten Regierungen zurück; der Papst erreichte die Wiederherstellung des
Kirchenstaats. Italien war nur noch „ein geographischer Begriff" (Metternich).

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In Deutschland wurde das Restaurationsprinzip nicht mit derselben Konsequenz


wie in Italien durchgesetzt. Metternich lehnte die Wiederherstellung des alten
deutschen Reiches, des Kaisertums und der mediatisierten und säkularisierten
Reichsfürstentümer ab. Nur nach Kurhessen, Braunschweig, Oldenburg, Hanno-
ver, Hamburg, Bremen, Lübeck und Frankfurt kehrten die alten Regierungen
zurück.
Die konservative Staatenrestauration beschränkte sich zunächst auf die Wie-
derherstellung alter Grenzen und die Rückführung der gewaltsam vertriebenen
Verfassungsfragen Dynastien. In den Auseinandersetzungen über innen- und verfassungspolitische
auf dem
Wiener Kongreß Fragen
stand der Wiener Kongreß nicht von Anfang an im Zeichen der Restaura-
tion. 1814 herrschte vielmehr Einigkeit darüber, daß eine Revolution nur vermie-
den werden könne, wenn man den in den Freiheitskriegen erwachten Völkern in
irgendeiner Weise entgegenkam. Niemand dachte zunächst an eine Wiedererwek-
kung des Absolutismus. Alexander I. befürwortete Repräsentatiwerfassungen,
wie sie in der französischen Charte von 1814, wenn auch unter starker Betonung
des monarchischen Prinzips, und ein Jahr später in Polen verwirklicht wurden. In
Preußen wie in den süddeutschen Staaten wurde die Notwendigkeit geschriebener
Verfassungen anerkannt. Die Auslegung des Legitimitätsprinzips, wie sie Talley-
rand, der als Außenminister des bourbonischen Frankreich auf die politische
Bühne zurückkehrte, vortrug, erschien akzeptabel: Legitim sei eine Herrschaft,
die zwar das monarchische Erbrecht gegen bonapartistische Usurpationen ver-
teidige, die jedoch zugleich die öffentliche Meinung respektieren müsse. Eine
gemäßigte konstitutionelle Verfassung sei mit dem Legitimitätsprinzip durchaus
vereinbar. Auch Metternich forderte weder die Rückkehr zu vergangenen Zeiten
noch eine Reaktion. Wahrer Konservativismus, schrieb Metternich in seinem
politischen Testament, verlange eine aktive Politik und eine sorgfältig abgewo-
gene Reform: „Das Wort Freiheit hat für mich nicht den Wert eines Ausgangs-,
sondern den eines tatsächlichen Ankunftspunktes. Den Ausgangspunkt bezeich-
net das Wort ,Ordnung'. Nur auf dem
Begriff von ,Ordnung' kann jener der
,Freiheit' beruhen." „Legitimität" bedeutete Abkehr von der Revolution und
Anpassung der Kräfte des Wandels an jene der Erhaltung.
Vom Rheinbund In Deutschland blieb das Erbe der Rheinbundzeit wirksam. Die neue politische
zum Deutschen
im „Deutschen Bund", eine lockere völkerrechtliche Vereinigung
Bund Organisation
souveräner Staaten mit dem Zweck „der Erhaltung der äußeren und inneren
Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit der ein-
zelnen deutschen Staaten", war eine moderne Schöpfung. Die Bundesakte vom
8. Juni 1815 knüpfte an die staatenbündische Tradition an, welche vom Fürsten-
bund des Jahres 1785 über die verschiedenen Triaspläne zum Rheinbund von 1806
geführt hatte. Für die österreichische Regierung war der Rheinbund das Vorbild
des neu zu schaffenden Deutschen Bundes. „Dem unparteiischen Beobachter",
hieß es in einem späteren österreichischen Bericht über die Entwicklung der
deutschen Frage auf dem Wiener Kongreß, „hat es nicht entgehen können, daß

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Wiener Kongreß 131

ein mächtiges Geschick die Beibehaltung der Gestalt des Rheinbundes in seinen
Hauptteilen und Bestimmungen gebot, und die Wiedereinführung des Alten
verhinderte." In der Errichtung eines deutschen wie eines italienischen National-
staates sah Metternich nur eine Gefahr für das Gleichgewicht und den Frieden in
Europa. Das Gleichgewichtssystem beruhte auf dem Gleichgewicht der fünf
europäischen Großmächte, der sog. Pentarchie, dem Gleichgewicht der Nationen
im habsburgischen Vielvölkerstaat und dem Gleichgewicht der Einzelstaaten im
Deutschen Bund.
Die Beschränkung der deutschen Verfassungspläne auf die Bildung eines Staa- Scheitern der
tenbundes, der kein gemeinsames Staatsoberhaupt, keine einheitliche Gesetzge- pre^lscnen ^
bung, Verwaltung und Rechtsprechung, keine Wirtschafts- und Zolleinheit und
kein einheitliches Heerwesen kannte, entsprach allerdings kaum den nationalen
Erwartungen und Hoffnungen, die durch die Befreiungsideologie und die patrio-
tische Publizistik von 1813/14 geweckt worden waren. „Daß... eine deutsche
Einigung geschaffen werden müßte, das war die Meinung der in den Erlebnissen
von Fremdherrschaft und Befreiungskrieg ihrer Zusammengehörigkeit bewußt

gewordenen Kreise des Volkes, das forderten stürmisch die patriotischen Publi-
zisten der Erhebung wie Arndt und Görres und auch Staatsmänner wie Stein und
Humboldt" [468: M. Braubach]. Neuere Forschungen haben allerdings nachge-
wiesen, daß das Vorbild der alten Reichsverfassung bei der Neugestaltung
Deutschlands, die in den Quellen meist mit Ausdrücken wie „Wiedergeburt",
„Regeneration", „Reorganisation" oder „Wiederherstellung" und noch nicht mit
dem Begriff „Nationalstaat" umschrieben wird, eine viel größere Rolle gespielt
hat, als man lange Zeit angenommen hat. Selbst Görres lehnte im „Rheinischen
Merkur", in dem auch Stein eine Reihe von Artikeln erscheinen ließ, die nationale
Einheit nach französischem Muster ab. Eine solche Einheit, meinte er, führe „nur
allzu leicht zu Erstarrung, Tod und Despotismus". Das deutsche Volk wünsche
vielmehr, „daß ihm eine der vorigen (Verfassung) ähnliche neue, bessere gegeben
werde".
Hinter den preußischen Einheits- und Reichsparolen verbargen sich schon
1814/15 massive Machtinteressen. Die preußischen Staatsmänner griffen 1814
auf jene Pläne zurück, die seinerzeit die napoleonische Rheinbundpolitik durch-
kreuzt hatte. Schon nach dem Frieden von Basel 1795 und mit Entstehung der
norddeutschen Neutralität war der Gedanke aufgetaucht, Deutschland in zwei
Einflußzonen, eine nördliche unter Preußens und eine südliche unter Österreichs
Führung, aufzuteilen. Seitdem waren nun allerdings mit den Rheinbundstaaten in
sich abgerundete Länder entstanden, deren Souveränität akzeptiert werden mußte.
Die geplante Restitution einiger Einrichtungen der alten Reichsverfassung diente
vor allem dem Ziel, den „Rheinbundabsolutismus" einzudämmen und die Souve-

ränität der Mittelstaaten auszuhöhlen. Stein unterstützte deshalb in Wien eine


Zeitlang die Restaurationspläne und das Kaiserprojekt der seit 1803/06 ihrer
Reichsunmittelbarkeit entkleideten und mediatisierten Angehörigen der Reichs-

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ritterschaft und des Reichsfürstenstandes. Während die Protagonisten der natio-


nalen Bewegung wie Arndt und Jahn mit dem Reichs- zugleich den Einheits-
gedanken verfochten, neigten die Anhänger des Kaiserplans eher zu föderalisti-
schen Ansichten, die sich an der alten reichsständischen Libertät orientierten. Zum
Nationalstaat stand der alte Reichspatriotismus eher im Widerspruch, ohne daß
dies bei der allgemeinen Renaissance des Kaiser- und Reichsgedankens während
der Freiheitskriege immer klar erkannt wurde. Als das Kaiserprojekt scheiterte,
erinnerte man sich in Berlin an zwei andere Institutionen des alten Reiches. Der 41
Punkte-Vorschlag Steins und Hardenbergs, der dann in den gemeinsamen öster-
-

reichisch-preußischen Entwurf eines Bundesverbandes vom Oktober 1814, den


Die „12 Artikel" sog. 12-Punkte-Vorschlag, einging, forderte die Wiederherstellung der Reichs-
kreise und der Landstände. An Verfassungsorganen waren ein Direktorium, das
zwischen Preußen und Österreich alternieren sollte, ein aus Österreich, Preußen,
Hannover, Bayern und Württemberg bestehender Kreisoberstenrat und ein Rat
der Fürsten und Städte vorgesehen, in dem auch die Mediatisierten Sitz und
Stimme erhalten sollten. Die Kreisobersten sollten an der Spitze der fünf Reichs-
kreise stehen; im Kreisoberstenrat hatten Preußen und Österreich je drei, die
übrigen Mitglieder jedoch nur je eine Stimme. Die beiden Großmächte waren
also in der Lage, die Mittelstaaten zu majorisieren. Artikel VII über die Land-
stände, die in allen deutschen Einzelstaaten errichtet werden sollten, legte die
Betonung auf die Adelsvertretung: „In jedem zum Bund gehörenden Staat soll eine
ständische Verfassung eingeführt oder aufrecht erhalten werden. Allgemeine
Grundsätze sind dieserhalb als Minimum der Rechte der Landstände festzuset-
zen. Sie sollten bestehen aus den Familienhäuptern der mediatisierten vormaligen

Reichsstände, des sonst unmittelbaren und übrigen Adels als erblichen, und aus
erwählten Ständen. Ihre Befugnisse sollen zugleich sein, ein weiter zu bestimmen-
der Anteil an der Gesetzgebung, Verwilligung der Landesabgaben, Vertretung der
Verfassung bei dem Landesherrn und dem Bund." Ein Bundesgericht sollte
darüber wachen, daß die Regierungen die Rechte der Landstände nicht schmäler-
ten. Die Absicht lief darauf hinaus, „die Nutznießer landständischer Einrichtun-

gen, insbesondere die durch Säkularisation, Mediatisierung und bürokratischen


Absolutismus politisch entmachteten und wirtschaftlich bedrängten adlig-patri-
zischen ehemaligen Führungsschichten im Süden und Südwesten gegen ihre
Souveräne zu mobilisieren, um ohne Gewaltanwendung von außen diese gefügig
zu machen, sie in den Bund zu zwingen und ihnen im Landesinnern Gegenkräfte

entgegenzustellen" [907: W. Mager]. Diese stille Mediatisierung der ehemaligen


Rheinbundfürsten diente weniger der Schaffung eines nationaldeutschen Bundes-
staats als vielmehr dazu, die Hegemonie Preußens und Österreichs zu etablieren.
In den Beratungen des deutschen Verfassungsausschusses, der vom 16. Oktober
bis zum 16. November tagte, unterstützte Metternich die preußische Politik. Die
Teilung Deutschlands in Interessensphären entsprach bis zu einem gewissen Grad
seinen Vorstellungen vom deutschen und europäischen Gleichgewicht. Anderer-

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Wiener Kongreß 133

seits war die Gegnerschaft der Mittelstaaten vorauszusehen. Ausschlaggebend war


wohl ein pragmatischer Grund: Metternich brauchte Preußen gegen Rußland, und
er konnte sich deshalb einen Konflikt in der deutschen Frage vorerst nicht leisten.

Die Krise des Wiener Kongresses, die auch das Ende der Verfassungsberatungen
auf der Grundlage der 12 Punkte herbeiführte, entzündete sich nicht an den
Verfassungsproblemen, sondern an den territorialen Streitfragen um das pol-
nisch-sächsische Problem.
Das Königreich Sachsen und das Herzogtum Warschau, die beide seit 1807 unter Das polnisch
Napoleons treuestem Anhänger, König Friedrich August I., in Personalunion sächsische Problem
verbunden waren, gehörten zu den Besiegten des Krieges von 1813/14. Rußland,
das das Herzogtum Warschau im Krieg okkupierte, erhob in Wien Anspruch auf
ganz Polen. Preußen forderte als Kompensation die Totalannexion Sachsens.
Castlereagh schlug statt dessen eine vierte polnische Teilung vor. Es war der
Augenblick, in dem Talleyrand die Möglichkeit nutzte, die Stellung Frankreichs
im Konzert der europäischen Mächte wieder zur Geltung zu bringen. So entstand
eine defensive Allianz zwischen Frankreich, Osterreich und England. Österreich
übernahm die Rolle einer Schutzmacht Sachsens und der Mittelstaaten. Zwar fand
der Kongreß schließlich eine Kompromißlösung nur das sog. Kongreßpolen fiel
an Rußland; Preußen begnügte sich mit dem nördlichen Teil Sachsens und dem
-

Ländererwerb in Rheinland-Westfalen aber der Bruch zwischen Preußen und


Österreich war perfekt. Im Dezember 1814 ließ Metternich einen neuen Verfas-
-

sungsentwurf kursieren, den sog. Wessenbergplan, der nur noch eine rein staa-
tenbündische Lösung der deutschen Frage vorsah. Metternich schlug so die
Brücke zu den süddeutschen Königreichen. Die Nachricht von der Rückkehr
Napoleons aus Elba im März 1815 zwang zu raschem Handeln. Nach heftigen
Auseinandersetzungen, bei denen es Bayern in letzter Minute gelang, das bereits
vorgesehene Bundesgericht aus der Verfassung zu streichen, kam schließlich als
Kompromiß die Bundesakte vom 8. Juni 1815 zustande, die nur noch ein gemein- Die deutsche
sames Verfassungsorgan kannte, nämlich die Bundesversammlung in Frankfurt, Bundesakte
ein ständiger Gesandtenkongreß unter dem Vorsitz Österreichs. Sie erhielt später
den Namen „Bundestag". Der Stimmenverteilung nach war weder im Engeren
Rat, der sich aus den elf größten Staaten zusammensetzte, noch im Plenum eine
Majorisierung der anderen Staaten durch Österreich und Preußen möglich.
Aus den ursprünglichen Verfassungsplänen war nur der Artikel XIII der Verfassungs
Bundesakte übriggeblieben, dessen sibyllinische Formulierung viele Deutungen diskussion um den
Artikel XIII
zuließ: „In allen Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung stattfinden."
Herausgelöst aus dem Kontext, in dem er entstanden war, bot dieser Artikel kein
Hindernis mehr für konstitutionelle Repräsentativverfassungen nach dem Muster
der französischen Charte. Während Hannover, Sachsen-Weimar und Kurhessen
altständische Verfassungen einführten, nahm die Entwicklung in Süddeutschland
einen anderen Verlauf, den Metternich nicht vorausgesehen hatte. Nicht zuletzt
die Befürchtungen, die Frankfurter Bundesversammlung könne verbindliche

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134 I. Darstellung

Grundsätze zur Erfüllung des Verfassungsversprechens beschließen und auf diese


Weise die innere Souveränität der Einzelstaaten beschränken, gaben in Bayern,
Baden, Württemberg und Hessen-Darmstadt den Anstoß zum Erlaß von Kon-
stitutionen, die eindeutig repräsentativen Charakter besaßen und die französische
Charte zum Vorbild nahmen. Es begann der Wettlauf der Mittelstaaten unter-
einander, sich an die Spitze fortschrittlicher Verfassungsbewegungen zu stellen.
Metternich bemühte sich vergeblich darum, eine Lösung des Verfassungsproblems
in seinem Sinne durchzusetzen. 1817/18 propagierte er erfolglos in Berlin, Stutt-
gart und München das Projekt eines erweiterten Staatsrats, in den die Vertreter von
Provinzialständen aufgenommen werden sollten. „So ist der Verfassungsartikel
der Bundesakte nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, zum Ausgangspunkt ein-
heitlicher, vom Bund bestimmter landständischer Verfassungen geworden, son-
dern hat am Ende mit der Errichtung konstitutioneller Monarchien die Souveräni-
tät der Einzelstaaten begünstigt" [877: K. O. Frhr. v. Aretin].
Wende zur Restaura- Metternichs Besorgnis wuchs, als in Württemberg und Hessen-Darmstadt über
tionspolitik künftige Verfassung mit den Ständeversammlungen verhandelt wurde. Aus
seiner Sicht näherte sich dieses Verfahren bereits der Anerkennung der Volks-
souveränität. Auf dem Aachener Kongreß (29. September bis 21. November 1818),
bei einem Treffen mit Friedrich Wilhelm III. in Teplitz (1. August 1819) und
schließlich auf der Karlsbader Konferenz (6. bis 31. August 1819) bemühte sich
Metternich, die Revolutionsfurcht der Fürsten zu schüren und die konstitutionelle
Verfassungsentwicklung abzustoppen. Kurz vor der Karlsbader Konferenz er-
schien die Schrift von Gentz „Uber den Unterschied zwischen den landständi-
schen und Repräsentatiwerfassungen" mit der These, nur altständische Verfas-
sungen entsprächen dem Artikel XIII der Bundesakte. Die erregte Stimmung nach
der Ermordung Kotzebues, der stürmische Verlauf der ersten Landtagssessionen
in München und Karlsruhe, die widerstrebende Haltung des preußischen Königs
in der Verfassungsfrage und insbesondere die Enttäuschung des Zaren über seine
Erfahrungen mit den ersten beiden polnischen Landtagen kamen Metternich zu
Hilfe. Die Wende zur Restaurationspolitik trat ein. Sie war eher das Ergebnis einer
unerwarteten Entwicklung als das Resultat einer bewußten Planung auf dem
Wiener Kongreß.
Auf den Wiener Ministerialkonferenzen von 1820 und dem Kongreß von
Verona 1822 setzten sich endgültig die restaurativen Kräfte durch. Osterreich,
Preußen und Rußland kehrten zum Absolutismus zurück. Die weitere Verfas-
sungsentwicklung in den deutschen Mittelstaaten geriet vorerst ins Stocken und
erhielt erst 1830 unter dem Eindruck der französischen Julirevolution und der
belgischen Verfassung neue Impulse. Im Zeichen der Restauration wurde nun die
Heilige Allianz zum Instrument, alle Ansätze einer neuen Politik und Ordnung zu
unterdrücken. Erst jetzt erhielten die vorrevolutionären Prinzipien der Legitimi-
tät, Autorität und Stabilität ihren eindeutigen reaktionären Aspekt. Trotzdem
bewies ein Phänomen wie der süddeutsche Konstitutionalismus, daß sich das

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Wiener Kongreß 135

Rad der Geschichte nicht mehr einfach zurückdrehen ließ. In Spanien, wo


Ferdinand VII. die Verfassung von 1812 aufhob, brach schon einige Jahre später
eine Revolution aus, die auf Portugal, Italien und Griechenland übergriff. Das
Europa der Pentarchie fand nicht zu dem alten Gleichgewichtssystem des
18. Jahrhunderts zurück, das auf der klassischen Trennung von Außen- und
Innenpolitik beruht hatte. Vielmehr war es gezwungen, sich mit den divergieren-
den innenpolitischen Entwicklungen in den verschiedenen Nationen zu beschäf-
tigen. Die Außenpolitik der Großmächte verwandelte sich in eine europäische
Innenpolitik, die nur mit Mühe die restaurative Homogenität aufrechterhielt.
„Mein geheimster Gedanke ist", trug Metternich in sein Tagebuch ein, „daß das
alte Europa am Anfang seines Endes ist." Auf die Dauer konnte die Restaura-
tionspolitik das Erbe der französischen Revolution und der napoleonischen
Herrschaft nicht überwinden.

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IL Grundprobleme und Tendenzen
der Forschung

1. Die Darstellung der Epochenwende

Die epochale Bedeutung der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert ist in der
Forschung seit langem anerkannt; umstritten blieb jedoch, welcher Stellenwert
der Umbruchszeit von 1789-1815 im Gesamtverlauf der europäischen und deut-
schen Geschichte des 19. Jahrhunderts zukommt. Schon die häufig wechselnde
Epochenbezeichnung deutet darauf hin. Je nachdem, ob nationale, außenpoliti-
sche oder politisch-soziale Veränderungen ins Blickfeld gerückt werden, spricht
man vom Zeitalter der nationalen Erhebung der Völker, vom napoleonischen

Zeitalter der Vormachtstellung Frankreichs, vom Zeitalter der französischen


Revolution, vom Zeitalter der „atlantischen" Revolution bzw. „der demokrati-
schen Revolution des Westens", vom „Beginn der Moderne" oder auch im
Hinblick auf die deutsche Geschichte von der preußischen und rheinbündi-
-

schen Reformzeit.
Die ältere Geschichtsschreibung blieb auf die nationalgeschichtliche Perspek- Die französische
tive eingeengt. Die französischen Historiker neigten dazu, die Entstehung der Natlonalgescn'cr
Schreibung
innerfranzösischen Verhältnissen zu erklären und die
i i !• r
franzö-

3 c
Revolution aus den

sische Machtexpansion unter Napoleon als Teil der französischen Geschichte zu


interpretieren. Sie untersuchten vor allem die außenpolitische Zielsetzung Napo-
leons: die Verteidigung der „natürlichen Grenzen" im Rivalitätskampf mit Eng-
land [407: A. Sorel, L'Europe et la Revolution franchise], die Orientpolitik [377:
E. Bourgeois, Manuel historique de politique etrangere], die dynastische Fami-
lienpolitik des Korsen [397: F. Masson, Napoleon et sa famille], die „idee
imperiale" bzw. die Wiederherstellung des karolingischen Weltreiches [384: E.
Driault, Napoleon et l'Europe], die letztlich ziellose Eroberungspolitik, die nur
dem eigenen Ruhm nachjagte [P. Muret, Une conception nouvelle de la politique
etrangere de Napoleon Ier, in: 405: H.-O. Sieburg, Hrsg., Napoleon und Europa,
113-156]. Gemeinsam ist allen diesen Interpretationen, so umstritten sie im
einzelnen auch blieben, daß die Frankreich unterworfenen europäischen Länder
lediglich für die napoleonische Zeit in den Blick kommen. Die Kontinuität dieser
nur vorübergehend in die französische Nationalgeschichte eingetretenen
Gebiete
wird abgeblendet.
138 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Treitschke: Im Gegensatz hierzu hat die deutsche Nationalgeschichtsschreibung die Kon-


Kommuitat der t;nujtat g<er preußisch-deutschen Geschichte überbetont. So wurden die preußi-
preußisch-deutschen sehen Reformen, die sich leichter in die nationale Kontinuität einordnen ließen,
....... . .
T_ . . . .
n
Geschichte
weit intensiver erforscht als die napoleonisch-rheinbündischen, die lange mit dem
Makel der „Fremdherrschaft" behaftet waren. Die preußische Reform- und
Erhebungszeit galt als Beginn des nationalstaatlichen Jahrhunderts, das in der
Reichsgründung Bismarcks seinen krönenden Abschluß gefunden habe. Sie er-
füllte aus „borussischer" Sicht zugleich das Vermächtnis Luthers und Friedrichs
des Großen. „Das große neunzehnte Jahrhundert stieg herauf", schrieb
Treitschke 1879, „das reichste der neuen Geschichte; ihm ward beschieden, die
Ernte einzuheimsen von den Saaten des Zeitalters der Reformation, die kühnen
Ideen und Ahnungen jener gedankenschweren Epoche zu gestalten und im
Völkerleben zu verwirklichen" [488: Deutsche Geschichte, Bd. 1, 192]. In der
Zeit der „Schande und der Prüfung" war es die Erinnerung an Friedrich den
Großen, „die langnachwirkende segenspendende Macht des Genius", die die
„sittliche Kraft" zum Befreiungskampf verlieh. Das neue politische Freiheits-
denken entstand demnach nicht aus der Auseinandersetzung mit der französi-
schen Revolution, sondern aus der „Gedankenfülle der modernen deutschen
Bildung" in der Zeit der klassischen Dichtung und der idealistischen Philoso-
phie. In der Versöhnung von Kultur und Staat sah Treitschke die „historische
Größe" der Reformzeit und zugleich ein politisches Ideal, „an dessen Verwirkli-
chung die deutsche Nation bis zum heutigen Tage arbeitet". Die Betonung lag auf
den eigenständigen historischen Impulsen der idealisierten preußisch-deutschen
Nationalgeschichte, die unabhängig von den Einflüssen des revolutionären und
napoleonischen Frankreich interpretiert wurde. Nicht das revolutionierte, son-
dern das auf den friderizianischen Grundlagen freiheitlich umgestaltete Preußen
stand im Mittelpunkt der Epochendarstellung. Das Moment des Kontinuitäts-
bruches wurde aus der deutschen Geschichte gleichsam verdrängt. Die nationale
Befangenheit der deutschen wie der französischen Geschichtsschreibung führte so
dazu, daß die aus den nationalen Traditionen auf das napoleonische Herrschafts-
system einwirkenden Tendenzen und die vom napoleonischen Europa auf die
einzelnen Nationalgeschichten ausstrahlenden Wirkungen in die Betrachtung
nicht einbezogen wurden.
Neurankeaner: Erste Ansätze zur Uberwindung dieser nationalgeschichtlichen Isolierung
Hegemonie und Dracnte die politische Geschichtsschreibung von den internationalen Beziehun-
Gleichgewicht
gen. Insbesondere die neurankeanische Schule (E. Marcks, A. Wahl, W. Win-
t

delband) trug dazu bei, jenes europäische Staatensystem wiederzuentdecken, das


Ranke einst als eine die germanischen und romanischen Völker umspannende und
unauflösliche „Einheit" begriffen hatte. „Es gibt kaum eine Epoche der neueren
Geschichte", schrieb A. Wahl 1912 [413: Geschichte des europäischen Staaten-
systems, VI], „in der der Inhalt der Geschichte des europäischen Staatensystems so
geschlossen wäre wie in der der Jahre von 1792 bis 1815." Mit der Frage nach den
Darstellung der Epochenwende 139

für die Geschichte der Staatenwelt maßgebenden Prinzipien und Regeln, wie
Hegemonie und Gleichgewicht, gewann die Epochendarstellung eine paradigma-
tische Dimension. Die kriegerische Auseinandersetzung zwischen dem revolutio-
nären Frankreich und dem alten Europa sowie der englisch-französische Zwei-
kampf um die Vormachtstellung ließen sich in die Geschichte der europäischen
Hegemonialkriege von Karl V. und Philipp II. zu Ludwig XIV. einordnen. Der
Wiener Kongreß von 1814/15 als Epocheneinschnitt bedeutete die Wiederher-
stellung des europäischen Gleichgewichtssystems, das zugleich Englands „Welt-
stellung" ermöglichte. Aus der eigenen zeitgeschichtlichen Erfahrung setzten die
Neurankeaner das napoleonische Zeitalter der Vormachtstellung Frankreichs in
Parallele zur englischen Seehegemonie im imperialistischen „Weltstaatensystem".
So schließt W. Windelbands mehrfach aufgelegte Darstellung über die Politik der
Großmächte [415] mit der These, Englands Stellung in der Welt entspräche der
Napoleons in Europa. Einmal abgesehen von den politischen Implikationen dieser
Interpretation (aus der Deutschlands Auftrag, die Gleichgewichtsinteressen gegen
England zu behaupten, abgeleitet wurde), lenkte die Erforschung der internatio-
nalen Beziehungen den Blick zurück auf den die einzelnen Nationalgeschichten
übergreifenden Zusammenhang der Epoche. Sie blieb dabei allerdings ganz der
Maxime vom „Primat der Außenpolitik" verpflichtet.
Die nationale und die geistesgeschichtlich-idealistische Auffassung der preu- Meinecke:
ßisch-deutschen Geschichte, wie sie im Anschluß an Treitschke von Friedrich Ideengeschichtliche
i Interpretation
Meinecke [909: Das Zeitalter der deutschen Erhebung] bis Willy Andreas [372:
i i
i-v •

Das Zeitalter Napoleons] vorherrschte, führte nur auf Umwegen zu einer verglei-
chenden Analyse des politisch-gesellschaftlichen Wandels. Die ideengeschichtliche
Interpretation der Erhebungszeit bei Meinecke hielt am Verdikt der napoleoni-
schen „Fremdherrschaft" fest, auch und erst recht am Lobpreis Preußens als „Hort
der deutschen Freiheit und Kultur"; aber sie sah schärfer als bei Treitschke auch
die „Risse" und die „Disharmonie" im „Bündnis zwischen Staat und Geist", „schon
um aus der trivialen patriotischen Phrase und Legende herauszuführen".
Die Erforschung der Geistes- und Ideengeschichte regte zugleich dazu an, sich TVoeltsch:
mit den „Ideen von 1789" auseinanderzusetzen. In den zwanziger Deutscner Gelst
b JJahren begann
b
,. . .
,
und Westeuropa
die von Lrnst Troeltsch intensivierte Debatte über das Thema
. „Deutscher Geist
und Westeuropa". Sie stand noch ganz im Zeichen der Zivilisationskritik und
betonte auch weiterhin den geistig-kulturellen Gegensatz zwischen Frankreich
und Deutschland, aber sie bewirkte doch, daß der französische Einfluß „auf das
deutsche Geistesleben" zumindest thematisiert wurde. F. Schnabels große Ge-
samtdarstellung des 19. Jahrhunderts [483], die wie das Werk Treitschkes un-
vollendet blieb, würdigte, wenngleich mit kritischer Distanz, die geschichtliche
Bedeutung der französischen Revolution und des napoleonischen Empire für die
„Entwicklung des europäischen Geistes". Schnabel schildert „die innere Auf- Schnabel: Ausbrei-
lösung der europäischen Gemeinschaft", die mit der französischen Revolution in ^fj'""/g0nfren
ihr letztes Stadium getreten sei: „Man mag die Frage stellen, ob dies für das schaftsauffassung
140 II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Abendland im letzten Ende nicht sehr verhängnisvoll geworden ist, und in


vielfacher Weise war es dies ohne Zweifel. Aber es wurde für die Menschheit
von höchster Bedeutung, daß der in ihrer Entwicklung emporgestiegene Geist der

planmäßigen Ratio eine Epoche der höchsten Auswirkung in das Leben gefunden
hat und daß die neue Staats- und Gesellschaftsauffassung, welche aus vielfacher
Wurzel erwachsen war, durch die Gewalt eines rücksichtslos gestaltenden Willens
über Europa gebreitet wurde. Aller Glanz der Waffen und der staatlichen Macht ist
vergänglich. Dies aber ist Napoleons geschichtliche Bedeutung, daß er im Systeme
des Empire die Grundlage einer neuen und gleichartigen Gesellschaft gelegt hat"
[ebd., Bd. 1,145].
Stadelmann: Aufklä- Nach 1945 nahm die deutsche Geschichtsschreibung zunächst die Fragestellung
rung, Absolutismus, der
Revolution zwanziger
° Jahre wieder auf. 1948 erschien R. Stadelmanns vieldiskutierter
J

Beitrag zu dem Thema „Deutschland und Westeuropa" [625]. Auch er ging noch
von der Prämisse einer „eigenständigen" deutschen Entwicklung aus. Die franzö-

sische Revolution bildete lediglich den Vergleichs- und Bezugspunkt, um von hier
aus zu fragen, warum die Revolution in Deutschland ausblieb und durch

„organische" Reformen ersetzt wurde. In diesem Zusammenhang verwies Sta-


delmann zum ersten Mal auf das reformerische Potential des Aufgeklärten
Absolutismus. Seine Argumentation lief darauf hinaus, daß die nach den Maxi-
men des Aufgeklärten Absolutismus regierten Länder gerade die vor der französi-

schen Revolution fortschrittlichsten Staaten Europas gewesen seien, so daß hier


anders als in Frankreich die Revolution verhindert und eine evolutionäre Ent-
wicklung eingeleitet werden konnte.
Raumer: Die napo- Dem Problem der „Kontinuität von Aufklärung, Revolution und Empire" ist
leonische Revolution auch
in Deutschland
die nach Treitschke und Schnabel wichtigste Gesamtdarstellung der
Epoche von 1789 bis 1815 gewidmet, die aus der Feder K. v. Raumers 1965 im
Handbuch von Brandt/Meyer/Just erschien [481: Deutschland um 1800]. Hier
wird erstmalig nicht mehr nur die preußische Reformzeit, sondern auch das
napoleonisch-rheinbündische Reformwerk als bedeutender Ertrag für den „li-
beralen Geist" gewürdigt und ohne nationale Vorbehalte anerkannt. Die stärkere
Beachtung der Rheinbundstaaten lenkte den Blick auch auf die Diskontinuitäten
und Traditionsbrüche der deutschen Geschichte unter dem direkten Einfluß des
revolutionären und napoleonischen Frankreich. Für Raumer markiert die Rhein-
bundzeit eine Zäsur, die die vorrevolutionäre von der „modernen" Zeit trennt:
„Die .Revolution von oben', die Napoleon auf dem Boden des sogenannten
Dritten Deutschland von 1801-1812 auslöste, stellte nicht bloß in territorialer
Hinsicht den umfassendsten Einsturz dar, den die deutsche Geschichte vor dem
Jahr 1945 kennt. Ihre Bedeutung für die Erneuerung von Staat und Gesellschaft
war gewaltig; für das geistige Bewußtsein, aber auch die politisch-soziale Wirk-

lichkeit, kann der Einschnitt, den das erste Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts für
Deutschland gebracht hat, wenn auch bedingt mit dem des ersten Jahrzehnts der
Reformation verglichen werden" [ebd., 266].
Darstellung der Epochenwende 141

Die französische und angelsächsische Revolutionshistorie begann Mitte der


fünfziger Jahre mit dem Versuch eines komparativen Forschungsansatzes, um
die „Einheit der Epoche" wieder bewußt zu machen. 1955 trugen Robert R. Palmer/Godechot
Palmer und Jacques Godechot auf dem Internationalen Historikerkongreß in Zeitalter der „atla
tischen Revolution"
Rom ihre Konzeption von einem Zeitalter der „atlantischen Revolution" vor, die
von beiden Autoren in der Folgezeit zu einer Gesamtdarstellung der Epoche

ausgebaut wurde [258: J. Godechot, Les revolutions; 321: R. R. Palmer, The


Age of Democratic Revolution]. Palmer und Godechot gingen von der Beob-
achtung aus, daß gegen Ende des 18. Jahrhunderts nicht nur in Frankreich, sondern
in ganz Europa wie in Amerika revolutionäre politische Konflikte ausbrachen, die
zwar aus lokal begründeten Ursachen entstanden, aber doch auf allgemeine

Entwicklungsprobleme der bürgerlichen Gesellschaft zurückgingen. Die franzö-


sische Revolution erschien aus solcher Sicht nur als Teil und Höhepunkt einer
umfassenden Emanzipationsbewegung, die sich in den einzelnen Ländern in
Amerika und Frankreich, in Irland, Holland, Belgien und der Schweiz, im links-
-

rheinischen Deutschland, in Ungarn und in Polen auf verschiedene Art und


Weise und mit unterschiedlichem Erfolg manifestierte, jedoch die gleichen Ziel-
-

setzungen und die gleichen Prinzipien vertrat. Überall habe es sowohl eine
Erhebung des Adels wie dann eine des Bürgertums gegeben, und überall seien
die Erhebungen von Kriegen begleitet gewesen.
Gegen die Konzeption Palmers und Godechots sind zahlreiche kritische
Einwände vorgebracht worden bis hin zu dem Vorwurf sowjetmarxistischer
Historiker, die These von der „atlantischen" Umwälzung und der „demokrati-
-

schen Revolution des Westens" liefere nur die Rechtfertigungsideologie für das
Militärbündnis der Nato. Viele Historiker verteidigten den einzigartigen Rang
und die welthistorische Bedeutung der „großen" französischen Revolution. Es ist
bezweifelt worden, daß alle bei Palmer und Godechot aufgezählten Revolten
und Umsturzbewegungen im Kern „demokratisch" gewesen seien, und es wurde
wiederholt darauf hingewiesen, daß der Faktor des „Feudalismus" als auslösendes
Moment in Nordamerika gerade fehlte. „Der wichtigste Einwand", so resümiert
E. Schmitt [342: Einführung in die Geschichte der französischen Revolution,
53 f.] das Ergebnis der Debatte, „ist wohl der, daß die komparatistische Methode
bis heute zu wenig entwickelt ist, als daß mit ihrer Hilfe eine Analyse so tief-
greifender Veränderungsprozesse, wie es die Revolten und Revolutionen des
späten 18. Jahrhunderts waren, voll befriedigend durchgeführt werden könnte."
Die Konzeption Palmers und Godechots könne nur als Arbeitshypothese
aufgefaßt werden, „die noch auf eine gründliche Bestätigung wartet". Die meisten
Werke der Revolutionshistorie blieben auch weiterhin um Frankreich zentriert.
In der deutschen Geschichtswissenschaft wurden seit den sechziger Jahren vor Modernisierungs
allem die angelsächsischen Modernisierungstheorien befragt, um inhaltliche Kri- tneonen
terien für den „Beginn der Moderne" zu bestimmen oder präzisieren zu helfen. Die
sozialwissenschaftliche Modernisierungsdebatte entstand im Anschluß an ältere
142 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Evolutionstheorien nach dem Zweiten Weltkrieg im Hinblick auf die Probleme


der unterentwickelten Länder [nützliche Textsammlung: W. Zapf, Hrsg., Theo-
rien des sozialen Wandels, 4. Aufl., Köln 1984]. In dem Bemühen um eine
Entwicklungsanalyse der Dritten Welt griff man erneut auf ältere Kontrastbe-
griffe wie „traditionale" und „moderne" Gesellschaft zurück und verfeinerte diese
Begriffe in einem umfangreichen Katalog von deskriptiven Dichotomien (z. B.
ländlich-agrarische Gesellschaft/städtisch-industrielle Gesellschaft; agrarische
Subsistenzwirtschaft/industrielle Technologie; geringe Produktivität/hohe Pro-
duktivitätssteigerung; soziale Stabilität/soziale Mobilität; ständische Schichtung/
egalitäre, auf Berufsleistung basierende Schichtung; lokale, personale Herrschaft/
zentralisierte bürokratische Herrschaft usf.). Der Ausdruck Modernisierung
wurde dann aus seiner Beziehung zu den Entwicklungsländern gelöst und zu
einer universellen Kategorie ausgeweitet. Er trat als übergreifender Terminus für
soziale, politische und wirtschaftliche Entwicklungen verschiedenster Art an die
Stelle älterer Begriffe wie „Industrialisierung", „Demokratisierung" und „Ratio-
nalisierung", mit denen jeweils nur Teile des umfassenden Wandlungsprozesses
bezeichnet werden konnten. Es ist sowohl auf die inhaltliche Vagheit der Sammel-
bezeichnung als auch auf die assoziative Nützlichkeit des Modernisierungsbegriffs
hingewiesen worden. Das Wort „modern", so R. Bendix [Modernisierung in
internationaler Perspektive, ebd., 505], erwecke ungefähr gleiche Vorstellungen:
es erinnere nicht nur an technische Erfindungen und industrielle Produktionsstei-

gerung, sondern es löse zugleich auch Assoziationen mit der Demokratisierung


von Gesellschaften aus, insbesondere mit der
Zerschlagung überkommener Pri-
vilegien und der Erklärung gleicher Bürgerrechte für jedermann. Von hier aus
verweist Bendix auf den epochaltypischen Modernisierungsprozeß, der von der
„Doppelrevolution" des 18. Jahrhunderts, der industriellen in England und der
politisch-sozialen in Frankreich und Nordamerika, ausgegangen sei. „Moder-
nisierung", so formuliert Bendix, „ist also ein bestimmter Typ des sozialen
Wandels, der im 18. Jahrhundert eingesetzt hat. Er besteht im wirtschaftlichen
und politischen Vorangang einiger Pioniergesellschaften und den darauf folgenden
Wandlungsprozessen der Nachzügler." „Jede Nachzüglergesellschaft steht... vor
dem Problem, ihre historisch überkommene Struktur und ihre
typischen Span-
nungen (einschließlich des Impulses zur Modernisierung) mit den Einwirkungen
der von außen kommenden Ideen und Techniken in einen Zusammenhang zu
bringen... Sie muß die Anziehungskraft der entwickelten Gesellschaft mit den
Werten in Ubereinstimmung bringen, die ihren eigenen Traditionen innewohnen."
Pionier- und Nach- Die Frage nach dem Interdependenzproblem im Spannungsverhältnis von
zuglergesellschaften p;oruer_ un(j Nachzüglergesellschaften wurde von der neueren, sozial- und struk-
im 18. Jh. ........

turgeschichtlich orientierten Absolutismusforschung aufgenommen [541: K. O.


Frhr. v. Aretin, Hrsg., Der Aufgeklärte Absolutismus; 590: F. Kopitzsch,
Hrsg., Aufklärung, Absolutismus und Bürgertum in Deutschland]. Der verän-
derte methodische Ansatz führte zur Aufdeckung des Zusammenhangs zwischen
Darstellung der Epochenwende 143

der ökonomischen Entwicklung und der Ausbildung des Aufgeklärten Absolutis-


mus, der so lautet die Gegenthese zu Stadelmanns älterer Argumentation über
das Verhältnis von Aufklärung und „fortschrittlichem" Reformmonarchismus
-

nur in ökonomisch rückständigen Ländern möglich gewesen sei. Stadelmann, so


-

meint Aretin, habe Ursache und Wirkung verwechselt: „Die geradezu unerträg-
liche Tyrannei des sich in alles und jedes einmischenden Aufgeklärten Absolutis-
mus konnte sich in jenen Ländern nicht entwickeln, die ein reiches und selbst-

bewußtes Bürgertum besaßen, das wiederum die Voraussetzung zur Revolution


war... Daher konnte der Aufgeklärte Absolutismus ebensowenig die Revolution
in irgendeinem Land verhindern, wie die Revolution in einem Land ausbrechen
konnte, das das Stadium des Aufgeklärten Absolutismus durchmachte" [ebd., 39].
Ökonomisch gesehen stellt der Aufgeklärte Absolutismus nach Aretin den
Versuch dar, den wirtschaftlichen Rückstand gegenüber England, Holland und
Frankreich aufzuholen, ohne daß es gelang, den politischen Freiheitsraum zu
schaffen, den eine nach „kapitalistischen" Grundsätzen aufgebaute Industrie
und ein so organisierter Handel benötigten. Es läßt sich deshalb bezweifeln, ob
der Reformmonarchismus im Endergebnis dasselbe wollte wie die Revolution.
Mit den neuen Forschungsergebnissen stellte sich erneut das Periodisierungs-
problem. Ist die Reformära des frühen 19. Jahrhunderts, die gleichfalls unter dem
Zwang stand, das Ancien Regime zu modernisieren, der letzten Phase des büro-
kratisch-aufgeklärten Absolutismus zuzurechnen oder dem „Beginn der Mo-
derne" als einer historisch „Neuen Zeit"? Die „Sozialgeschichte der deutschen
Aufklärung" (Kopitzsch) hat diese Alternative als unangemessen zurückgewie-
sen und auf das Mischungsverhältnis von „Tradition" und „Moderne" in der

„Übergangszeit" aufmerksam gemacht; sie hat andererseits die Bedeutung der


„zweiten großen Reformwelle" nicht unterschätzt, „die im beginnenden neun-
zehnten Jahrhundert ganz Deutschland erfaßte und es grundlegender veränderte,
als dies der Aufgeklärte Absolutismus erreicht hatte" [Kopitzsch, ebd., 58].
Stärker wird die Zäsur der westeuropäischen Doppelrevolution auf der Epo- Beginn der Moderne
chenschwelle vom 18. zum 19. Jahrhundert in den „Studien zum Beginn der
modernen Welt" des Heidelberger Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte
betont. Ein von R. Koselleck 1977 herausgegebener Sammelband [592], der einen
Einblick in die Bemühungen vermittelt, die Modernisierungstheorie für die euro-
päische Sozialgeschichte fruchtbar zu machen, geht von der Prämisse aus, daß erst
die mit der französischen Revolution einsetzende Vorstellung einer „neuesten
Zeit" den entscheidenden Erfahrungswandel erbrachte. Indem die „Gleichzei-
tigkeit des Ungleichzeitigen zur Grunderfahrung aller Geschichte" wird, so führt
Koselleck [ebd., 281 f.] aus, entsteht ein „ständiger Impuls zum progressiven
Vergleich". Er gründet auf der nun auch historisch vermittelten Erfahrung, „daß
einzelne Völker oder Staaten, Erdteile, Wissenschaften, Stände oder Klassen den
anderen voraus seien, so daß schließlich seit dem achtzehnten Jahrhundert das
Postulat der Beschleunigung oder von Seiten der Zurückgebliebenen des Ein-
- -

- -
144 II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

oder Überholens formuliert werden konnte". Wie das lexikalische Unternehmen


„Geschichtliche Grundbegriffe" des Heidelberger Arbeitskreises aufzuzeigen
versucht [552], spiegelt sich diese „Erfahrung der Neuzeit" im tiefgreifenden
und sich beschleunigenden Bedeutungswandel zentraler politisch-sozialer Be-
griffe. In der „Sattelzeit" von etwa 1750 bis 1850 werden die neuartigen zukunfts-
orientierten und ideologisch verwendbaren Bewegungsbegriffe wie „Revolution",
„Emanzipation", „Republikanismus" oder „Liberalismus" zu Indikatoren und
Faktoren politisch-sozialer Veränderungen [vgl. 621: J. Schlumbohm, Freiheit].
In den begriffsgeschichtlichen Studien wird so das Problem der Modernisierung
auf seine semantischen Voraussetzungen hin analysiert.
Die auf die sozioökonomischen Folgewirkungen der Doppelrevolution fixierte
Modernisierungsforschung hat bisher in erster Linie den Modernisierungsprozeß
parallel zum Prozeß der Industrialisierung untersucht, bei dem sich trotz
unterschiedlicher soziopolitischer Konstellationen und Systeme eine gewisse
-

Gleichgerichtetheit der Strukturveränderungen aufweisen läßt. Der Zeitabschnitt


-

von 1789 bis 1815 fällt dann in eine Epoche langfristiger


Strukturwandlungen im
Übergang von der ständisch-agrarischen zur industriekapitalistischen und liberal-
Neuere Gesamtdar- demokratischen Gesellschaftsordnung. So konnte die napoleonische Ära von
Stellungen französ;schen Historikern als eine bloße „Episode" bezeichnet werden [374: L.
Bergeron, J. Lovie, A. Palluel-Guillard, L'episode napoleonien]. Neuere
länderübergreifende Gesamtdarstellungen bevorzugen die Untersuchung eines
breiteren Zeitraumes [211: L. Bergeron, F. Füret, R. Koselleck, Das Zeitalter
der europäischen Revolution 1780-1848; 370: E. Weis, Der Durchbruch des
Bürgertums 1776-1847]. Gerade die Darstellung von E. Weis läßt jedoch auch
erkennen, wie entscheidend die Modernisierungs/>o/zri& und die politisch-sozialen
Veränderungen im napoleonischen Europa den weiteren Verlauf der deutschen
und kontinentaleuropäischen Geschichte im 19. Jahrhundert geprägt und be-
stimmt haben.
In den beiden voluminösen, z. Zt. einschlägigen Darstellungen der deutschen
Geschichte des „langen" 19. Jahrhunderts kommt der „Reformzeit" in Preußen
wie in den west- und süddeutschen Rheinbundstaaten eine nach wie vor epochale
-

Bedeutung zu, auch wenn nicht mehr die konträre, sondern eher die komplemen-
-

täre Entwicklung im Vergleich zu Frankreich und Westeuropa geschildert wird.


H.-U. Wehler widmete den ersten Band seiner „Gesellschaftsgeschichte" [489]
der „defensiven Modernisierung der Reformära". Und Th. Nipperdey begann
seine „Deutsche Geschichte" [480] mit dem inzwischen berühmt gewordenen
Satz: „Am Anfang war Napoleon." Weiter heißt es: „Die Geschichte der Deut-
schen, ihr Leben und ihre Erfahrungen in den ersten eineinhalb Jahrzehnten des
19. Jahrhunderts, in denen die ersten Grundlagen eines modernen Deutschland
gelegt worden sind, steht unter seinem überwältigenden Einfluß. Die Politik war
das Schicksal, und sie war seine Politik: Krieg und Eroberung, Ausbeutung und
Unterdrückung, Imperium und Neuordnung."
Darstellung der Epochenwende 145

Die Kanonisierung „großer" Ereignisse und die systematische Analyse von „Kulturelle Wende"
Modernisierungsprozessen sind allerdings in den letzten Jahren zunehmend in
Verdacht geraten, mit zu allgemeinen Aussagen und Begriffen die konkrete
Lebenswirklichkeit der Menschen zu verfehlen oder sogar zu verfälschen. Seit
der „kulturellen Wende" verbreitete sich besonders in Frankreich die Vorliebe für
Regionalstudien und „dichte" Fallbeschreibungen. Mit der Überwindung der auf
Paris zentrierten Sichtweise sollte die Revolution aus der Perspektive exemplari-
scher Regionen und Städte der Provinz betrachtet und genauer danach gefragt
werden, wie Umbrüche, Neuerungen, Krisen und Kriege „vor Ort" erfahren
wurden [vgl. Kap. II, 3]. Aber dieser Perspektivenwandel änderte nichts am
Gegenstand der Geschichte: Die politisch-soziale Revolution blieb der zentrale
Vorgang der Epoche auch im Hinblick auf die Nachbarländer Frankreichs, die
von der ..expansion revolutionnaire" betroffen waren.
-
146 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

2. Streitfragen über die Ursachen Charakteristika


und der englischen

industriellen Revolution

In der Fülle der Literatur über die Anfänge der englischen industriellen Revolution
lassen sich vier Perioden der Forschungsgeschichte mit je eigenen Fragestellungen
Ältere Forschung ausmachen. Die „Klassiker" der älteren Forschung, namentlich Toynbee (1884),
Mantoux (1906) und Cunningham (1907), begriffen die industrielle Revolution
als den entscheidenden Wendepunkt in der Wirtschafts/>o/zrz& vom Merkantilis-
mus zum Prinzip des laissez-faire. Am detailliertesten beschrieb Mantoux die

„vorbereitenden Veränderungen": die Expansion des Handels- und Kreditwesens,


aber auch schon die Fortschritte in der Landwirtschaft. Die Kausalanalyse be-
schränkte sich noch auf die Darstellung der Kapitalakkumulation. Die Profite aus
dem florierenden Handel, vor allem aus dem Kolonialhandel, und die Gewinn-
inflation in der Landwirtschaft schufen demnach wachsende Ersparnisse zur
Finanzierung der industriellen Unternehmen und ihrer technischen Ausrüstung.
Der Veränderungsvorgang selber wurde auf die Durchsetzung der neuen Produk-
tionstechniken, die Entwicklung des Fabriksystems und die Entstehung der
Lohnarbeiterschaft zurückgeführt.
Übernahme der In der Zwischenkriegszeit verlagerte sich der Forschungsschwerpunkt. Die von
'achstumstheonen
fer neueren Wirtschaftswissenschaft im Anschluß an Keynes ausgelöste Diskus-
sion über Wachstumsmodelle und die Versuche der Nationalökonomie, das
Verhältnis zwischen dem input an Kapital, technischem Wissen und den Wachs-
tumsraten des output zu definieren, lenkten auch das historische Interesse auf die

gesamtwirtschaftlich das Wachstum bestimmenden Determinanten. Die Rolle des


Handels- und Bankkapitals bei der englischen Industriefinanzierung wurde ge-
ringer veranschlagt als in der älteren Forschung. Die Sozialgeschichte beschäftigte
sich nicht mehr allein mit der Lage der Arbeiter, sondern mit den gesamtgesell-
schaftlichen Bedingungen und Begleiterscheinungen des Wachstumsprozesses.
Die verschiedenen wirtschaftlichen und soziokulturellen Teilaspekte wurden
1948 in der Gesamtdarstellung von TS. Ashton [109: The Industrial Revolu-
tion, 21] zusammengefaßt: „Das Zusammentreffen von wachsendem Angebot an
Land, Arbeit und Kapital ermöglichte die Expansion der Industrie. Kohle und
Dampf lieferten Brennstoff und Energie für die Massenproduktion; niedrige
Zinssätze, steigende Preise und hohe Gewinnaussichten wirkten als Anreiz.
Aber hinter allen diesen nachweisbaren materiellen Faktoren steckte mehr. Der
Handel mit fernen Gegenden hatte das Weltbild des Menschen und die Wissen-
schaft sein Verständnis des Universums erweitert: die Industrielle Revolution war
auch eine geistige Revolution." Ashton, wie vor ihm schon Clapham (1926),
revidierte das Elendsbild, das seit Friedrich Engels von der Lage der englischen
Arbeiterklasse gezeichnet worden war. Die Annahme eines umfassenden wirt-
schaftlichen Wachstums korrigierte die idyllische Vorstellung vom vorindustriel-
len Landleben und führte zu der „optimistischen" Ansicht, daß die industrielle
Ursachen und Charakteristika der industriellen Revolution 147

Revolution Stagnation, Immobilität, Massenarmut und Hungerkrisen beseitigt


und den Lebensstandard auch der Massen verbessert habe. Damit wurde eine bis Beginn der Lebens-
heute andauernde Forschungskontroverse über die sozialen Folgen der indu- Standard-Debatte
striellen Revolution eröffnet: Die sogenannten „Pessimisten" aus der sozialisti-
schen Schule der englischen Sozialhistoriker [J. L. und B. Hammond, in jüngerer
Zeit vor allem E. J. Hobsbawm] bezogen auch weiterhin eine kritische Position in
der Diskussion über die Entwicklung des Industriekapitalismus und seine zerstö-
rerischen Aspekte.
In den fünfziger und sechziger Jahren verknüpfte sich das historische Interesse
mit dem aktuellen Bemühen, die Probleme der unterentwickelten Länder zu
verstehen. Die „erste" industrielle Revolution gewann eine paradigmatische
Bedeutung für die vergleichende Analyse frühindustrieller Entwicklungsmecha-
nismen. Der amerikanische Wirtschaftshistoriker W. W. Rostow entwarf als Rostows
„Alternative zur marxistischen Entwicklungstheorie" sein Konzept der „Stadien Stadienmodell
des wirtschaftlichen Wachstums" [184]. Mit der einprägsamen Metapher des
„Take-off", des vom Boden abhebenden Flugzeugs, umschrieb Rostow den
revolutionären Umbruch von der vorindustriellen Wirtschaft zum modernen,
d. h. zum anhaltenden, „sich selbst tragenden" Wirtschaftswachstum. Eine Schlüs-
selrolle im Beschleunigungsprozeß wies er den höheren Investitionsquoten („von
etwa 5% bis über 10%") und den industriellen „Leitsektoren", z.B. der
eng-
lischen Baumwollindustrie, zu. A. Gerschenkron [141: Economic backwardness Pionier-Nachzügler-
in historical perspective] und D.S. Landes [158: Der entfesselte Prometheus] Verg'elcrl
untersuchten die Vor- und Nachteile der Pionierrolle Englands und die Chancen
der wirtschaftlich rückständigen Länder auf dem Kontinent, den englischen Vor-
sprung einzuholen. Wie Rostows Take-off-Modell so ging auch der Pionier-
Nachzügler-Vergleich von einer Revolutionsvorstellung aus, die mit der noch
ungebrochenen Zuversicht der 1960er Jahre einen raschen Trendumbruch „into
sustained growth" für möglich hielt. Nur sehr vorsichtig meldeten sich erste
Kritiker zu Wort, die wie Ph. Deane und H. J. Habakkuk davor warnten, Tempo
und Ausmaß des Wachstums in der Anlaufphase der industriellen Revolution zu
überschätzen [The take-off in Britain, in: W. W. Rostow, Hrsg., The economics of
take-off into sustained growth, London 1962, 82].
Die Erforschung der Ausgangsbedingungen für die Transformation traditiona- Ursachendebatte
ler Gesellschaften erforderte zugleich eine Systematisierung der Kausalanalyse.
R. M. Harwell [144: The causes of the Industrial Revolution in England] wandte
sich bei aller Einsicht in die Schwierigkeit, die relative Bedeutung einzelner
Ursachen der industriellen Revolution festzustellen gegen die unsystematische
-

Methode der Historiker, Ursachen beliebig zu arrangieren oder die Erklärung in


-

einer „Hauptursache" zu suchen. Es sei notwendig, die strategischen Variablen der


englischen Wirtschaft und ihre funktionalen Beziehungen zu definieren. Man
gewönne schon viel mit dem Versuch, exogene und endogene Faktoren, die den
Wandel verursachten, zu unterscheiden und gegeneinander abzuwägen.
148 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Die Ausweitung der einzubeziehenden Variablen stellte eine Fülle neuer Erklä-
rungsansätze zur Verfügung, ohne daß es allerdings gelang, die jeweiligen Ur-
sachen exakt anzugeben und direkte Kausalitätsverhältnisse festzustellen. „Man
fände wohl keine zwei Historiker", vermutete D. S. Landes in seiner europäischen
Wirtschaftsgeschichte [158: Der entfesselte Prometheus, 28], „die sich über die
,Ursachen' des ökonomischen Fortschritts in Europa einigen könnten." Letztlich,
so meinte K. Borchardt [113: Probleme der ersten Phase der industriellen

Revolution, 13], sei „in einem interdependenten System das Zurechnungspro-


blem nicht lösbar". Diskutiert wurden im Rahmen der Ursachen-Debatte vor
allem folgende Streitfragen: Über welche Zeitdauer erstreckte sich die englische
industrielle Revolution und wie radikal war der Wandel tatsächlich? Kommt der
Binnenmarkt- oder der Außenmarktnachfrage, dem Agrarsektor oder dem Pro-
duktionsgüterbereich die größere strategische Bedeutung für die Beschleunigung
des wirtschaftlichen Wachstums zu? Soll die Baumwollindustrie oder die Eisen-
industrie als „Leitsektor" der Industrialisierung angesehen werden? Welche
Faktoren im Ursachengeflecht kann man als exogen, welche als endogen bezeich-
nen? Inwieweit wird der Prozeßverlauf von außerökonomischen Faktoren und
soziokulturellen Antriebskräften bestimmt?
Datierung der Die Datierung der industriellen Revolution hängt von der Wahl der Kriterien
englischen aL zur Erklärung ihrer Ursachen und Charakteristika für wichtig gehalten
industriellen 0

Revolution werden. Die ältere Forschung setzte mit Toynbee das Stichjahr 1760 an, weil sich
, , . .

in den sechziger Jahren mit den Erfindungen der technische Fortschritt anbahnte.
Allerdings waren die ersten mechanisierten Fabriken erst Vorboten einer Ent-
wicklung, die Adam Smith in seinem 1776 erschienenen Werk „The wealth of
nations" noch gar nicht zur Kenntnis nahm. Die Agrarhistoriker haben die
..agricultural revolution" immer mehr ins 17., ja ins 16. Jahrhundert zurückver-
legt [zuletzt hierzu: 178: M. Overton, Agricultural revolution]. Der vom Agrar-
sektor ausgehende Einfluß auf das gesamtwirtschaftliche Wachstum blieb jedoch
umstritten. Die neuen Anbaumethoden und Agrartechniken fanden nicht sofort
und überall Verbreitung. Da der Höhepunkt der Enclosure-Bewegung mit den
Anfängen der Strukturveränderungen im Produktionsgüterbereich zusammenfiel,
zählt die Agrarrevolution vom zeitlichen Verlauf her gesehen nicht zu den
„Voraussetzungen", sondern eher zu den Begleitumständen der industriellen
-
-

Revolution. Auch die seit Marx oft wiederholte These, daß im Gefolge der
Enclosures die von ihrem Land vertriebenen Bauern die „industrielle Reserve-
armee" gestellt hätten, gilt seit der Arbeit von J. D. Chambers [Enclosure and
labour supply in the Industrial Revolution, in: 142: D. V. Glass/D. E. C. Eversley,
Hrsg., Population in history, 308 ff.] als widerlegt.
Als die industrielle Revolution mit dem Durchbruch zum modernen Wirt-
schaftswachstum gleichgesetzt wurde, verschob sich die Datierung. W. W. Ro-
stow [184: Stadien] legte den „Take-off" auf die zwei Jahrzehnte von 1783 bis 1802
fest. Diese scharf umrissene Abgrenzung stieß allerdings schon früh auf Kritik. Sie
Ursachen und Charakteristika der industriellen Revolution 149

habe, schrieb Ph. Deane, „sehr wenig Bezug zur Wirklichkeit", denn: „In keinem
Fall erfolgreicher Industrialisierung finden wir eine einzigartige Periode von zwei
bis drei Jahrzehnten, in der die objektiven und meßbaren Kennzeichen eines ,take-
off (z. B. eine Erhöhung der Wachstumsrate des Volkseinkommens, ein starker
Anstieg der produktiven Investitionen, die Herausbildung eines führenden Wirt-
schaftszweiges mit ausreichend starken Verflechtungen nach vorne und zurück,
um die gesamtwirtschaftliche Wachstumsrate entscheidend zu beeinflussen) em-

pirisch schlüssig nachweisbar (sind)" [132: Die industrielle Revolution, 3]. Nach
ihren eigenen Berechnungen, die auf der 1962 gemeinsam mit W. A. Cole heraus-
gegebenen Pionierarbeit zur Statistik des britischen Wirtschaftswachstums [133]
beruhten, stieg die jährliche Wachstumsrate des Sozialprodukts pro Kopf zwi-
schen 1780 und 1800 „nur" auf 0,9% pro Kopf [131: The First Industrial Revolu-
tion, 222]; sie beschleunigte sich erst in den drei Jahrzehnten nach 1800 auf
bemerkenswertere 1,6% pro Kopf. Auch die niedrigen Investitionsraten vor
Beginn des „Eisenbahnzeitalters" widerlegten Rostows Annahmen. Die Durch-
bruchsphase der industriellen Revolution fiel demnach erst in die dreißiger und
vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts, aber ihre Anfänge, besonders die technischen
Entwicklungen „in einer noch nie dagewesenen und international einmaligen Serie
von Innovationen", reichten bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurück. Trotz

aller „chronologischen Meinungsverschiedenheiten", resümierte Ph. Deane,


stehe es jedoch fest, „daß die englische Wirtschaft zwischen 1740 und 1840 nicht
mehr wiederzuerkennen war." [132: Die industrielle Revolution, 4]
Die Kontroverse über die „führenden" Industriezweige hängt mit dem Defini- Leitsektoren:
tions- und Periodisierungsproblem eng zusammen. Diejenigen Historiker, die wie Baumwoll- oder
Eisenindustrie?
Ph. Deane [131: The First Industrial Revolution; 132: Die industrielle Revolu-
tion] im Baumwollboom mehr eine Art Symptom sahen und die „Führungsrolle"
der Eisenindustrie zuwiesen, weil von ihr die bedeutenderen Wirkungen auch auf
andere Industrien ausgingen, bevorzugten eine späte Datierung der industriellen
Revolution. Ph. Deane vertrat die These, daß der Übergang zu anhaltendem
Wachstum erst durch die Steigerung der Eisenproduktion möglich geworden
sei. Über die Baumwollindustrie schrieb sie: „Genau genommen war ihre bemer-
kenswerte Expansion nicht hinreichend kräftig oder für sich selbst genommen
durchdringend, um die englische industrielle Revolution zu stimulieren, obgleich
sie sicherlich ein wichtiger Teil von ihr ist" [131: The First Industrial Revolution,
99]. „Wer industrielle Revolution sagt, meint Baumwolle", so urteilte hingegen
E. J. Hobsbawm [147: Industrie und Empire, 55]: „Wenn wir an sie denken, sehen
wir, wie die zeitgenössischen ausländischen Besucher Englands, die neue Stadt
Manchester vor uns, die sich zwischen 1760 und 1830 um das Zehnfache vergrö-
ßerte (von 17 000 auf 180 000 Einwohner), in der wir ,Hunderte fünf- bis sechs-
geschossige Fabriken bemerken, jede mit einem turmhohen Schornstein daneben,
der schwarzen Kohlenrauch ausstößt', eine Stadt, die ihren Namen der liberalen
Wirtschaftsschule gab, welche die Welt beherrschte. Es kann keinen Zweifel geben,
150 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

daß dieser Eindruck richtig ist. Zwar gründet sich die britische Industrielle
Revolution keineswegs nur auf Baumwolle oder Lancashire oder gar Textilien,
und die Baumwolle verlor ihren Vorrang nach wenigen Generationen. Dennoch
war sie das Hauptelement der industriellen
Umwandlung..." Daß die industrielle
Revolution im Bewußtsein der Menschen etwas auffällig Neues, das die Kontinui-
tät zerriß, dargestellt habe in diesem Punkt stimmte Hobsbawm, der sozialisti-
sche Kritiker, mit Rostow, dem Verfasser des „antikommunistischen Manifests",
-

überein.
Größere Bedeutung Wer diese Ansicht teilt, wird dem Exportmarkt für Baumwolle, der „weit
der Binnenmarkt
oder Außenmarkt dynamischer und ausbaufähiger war" [Hobsbawm, ebd. 41], mehr Bedeutung
nau hfrage? beimessen als dem Binnenmarkt trotz der Argumente, die schon Ashton [109:
The Industrial Revolution] für die größere Stabilität der Binnenmarktnachfrage
-

angeführt hat. Auch Hobsbawm räumte allerdings ein, „daß beide Kräfte auf
unterschiedliche Weise wichtig waren". Wer andererseits die langfristigen Ur-
sachen des Wachstumsprozesses betont, wird mit R. M. Hartwell feststellen:
„Die wichtigsten Wachstumsimpulse müssen vom Binnenmarkt ausgegangen sein,
da im 18. Jahrhundert die Expansion des Marktes der industriellen Expansion
voranging" [Die Ursachen der industriellen Revolution, in: 115: R. Braun u.a.,
Hrsg., Industrielle Revolution, 50; 130: R. Davis, The Industrial Revolution and
British overseas trade; zuletzt hierzu: 134: St. L. Engerman, Hrsg., Trade and the
industrial revolution].
Langsames Die Annahme eines langen Prozesses, in dessen Verlauf alle wichtigen Faktoren
wirtschaftliches fes w/irochaftswachstums kumuliert wurden, die schließlich zusammenwirkend
Wachstum oder
radikaler Wandel? den ökonomischen und technologischen Durchbruch ermöglichten, läßt es zu-
i 1 i i

n

gleich fraglich erscheinen, ob die industrielle Revolution überhaupt eine der


großen Diskontinuitäten in der Geschichte darstellt. Natura non facit saltum
die Natur macht keine Sprünge, so lautete die Schlußfolgerung Hartwells, die er -

mit der nur scheinbar paradox klingenden Frage verknüpfte: „Benötigen wir
überhaupt eine Erklärung der Industriellen Revolution? Könnte sie nicht der
Höhepunkt einer alles andere als aufsehenerregenden Entwicklung, die Folge
einer langen Periode langsamen wirtschaftlichen Wachstums sein?" [ebd., 52].
Weniger von den Ursachen als von den Wirkungen her gesehen, blieb dagegen
für Hobsbawm die industrielle Revolution „die gründlichste
Umwälzung mensch-
licher Existenz in der Weltgeschichte, die jemals in schriftlichen Dokumenten
festgehalten wurde" [147: Industrie und Empire, 11]. Die unterschiedlichen
Interpretationen machen deutlich, daß sich Kontinuität und Diskontinuität auch
in der ökonomischen Entwicklung nicht scharf voneinander trennen lassen.
Autonomie der Ein besonders schwieriges Forschungsproblem besteht wohl nach wie vor in der
soziokulturellen
Antriebskräfte? Analyse der kausalen Beziehungen zwischen den wirtschaftlichen und soziokul-
turellen Antriebskräften der industriellen Revolution. Die älteste aller Streitfragen
lautet immer noch: „Wer entfesselte Prometheus?" Schon T. S. Ashton [109: The
Industrial Revolution] und mit noch größerem Nachdruck M.W. Flinn [137:
-
-
Ursachen und Charakteristika der industriellen Revolution 151

The origins of Industrial Revolution] haben betont, daß die industrielle Revolu-
tion mehr war als eine bloße Produktivitätssteigerung der Wirtschaft. „Die
Haupterfindungen des Vierteljahrhunderts nach 1760 waren direkte und unmittel-
bare Produkte der sozio-religiösen Wandlungen", schrieb Flinn im Anschluß an
die religionssoziologische Interpretation Max Webers [ebd., 102]. Auch D.S.
Landes [158: Der entfesselte Prometheus] legte besonderes Gewicht auf die
sozio-kulturellen Voraussetzungen der industriellen Revolution: relative Offen-
heit und gesteigerte Mobilität der englischen Gesellschaft, die Rolle des religiösen
und sozialen Dissidententums, veränderte menschliche Auffassungen und Ver-
haltensweisen, besonders eine rationale Einstellung zum Reichtum, „faustische
Ethik" etc. Aber kann man diese Faktoren als exogene, vom Prozeßverlauf
unabhängige Variablen bezeichnen? Nach Hartwell liegt die Schlußfolgerung
näher, „daß das Gewinnstreben von Möglichkeiten abhing, Gewinne zu erzielen,
und daß die Möglichkeit wiederum von den wirtschaftlichen Veränderungen im
18. Jahrhundert abhing" [Die Ursachen der industriellen Revolution, in: 115: R.
Braun u. a., Hrsg., Industrielle Revolution, 52]. Und selbst Landes' Stellung-
nahme zu der vieldiskutierten Frage, ob die neue Technologie Ursache oder
Wirkung der Wirtschaftsentwicklung gewesen sei, lautet: „Die Tatsache, daß
bereits vorher Wohlstand und Erfahrungen vorhanden waren, war ein wesent-
licher Grund dafür, daß sich die technologischen Neuerungen z. B. in der Eisen-
und der chemischen Industrie so rasch einbürgerten... Die Erfindungen waren
zum Teil deshalb möglich, weil das Wachstum und die Prosperität der Industrie sie

dringend erheischten; und diese trugen dazu bei, daß die Erfindungen sehr schnell
in weitem Umfang Verwendung fanden" [158: Der entfesselte Prometheus, 73].
Welche Ursachen auch immer untersucht wurden Erfindungen und Innovatio-
nen, die Außenhandelsnachfrage, die Kapitalakkumulation, das Bevölkerungs-
-

wachstum, das Gewinnstreben und die unternehmerische Risikobereitschaft


stets stellte sich heraus, daß sie keine autonomen Variablen, sondern Ausdruck
-

des Wachstums selbst waren.


Die Diskussion über die Erweiterung der zur Verfügung stehenden Produk- Kontroverse
Ursachen
tionsfaktoren, so vor allem die Bevölkerungszunahme, liefert ein besonders gutes UDerd'e
der Bevölkerungs-
Beispiel. Fand das Bevölkerungswachstum exogen statt? War es die Ursache oder explosion
die Folge der expansiven Wirtschaft? Die medizingeschichtliche Erklärung
Absinken der Sterberate durch verbesserte Hygiene, Pockenimpfungen, Ausblei-
-

ben externer Schocks (Kriege, Seuchen etc.) und Geburtenüberschuß als ganz
„normale" Reaktion auf die vorhergehende Periode hoher Mortalität schien
jenen Historikern recht zu geben, die im Bevölkerungswachstum ein autonomes
-

Ereignis und/oder die Hauptursache des Wirtschaftswachstums sehen wollten


[vgl. 142: D. V. Glass/D. E. C. Eversley, Hrsg., Population in history]. Anderer-
seits läßt sich jedoch der Rückgang der Hungersterblichkeit auch auf landwirt-
schaftliche Produktionssteigerungen bzw. eine verbesserte Lebensmittelversor-
gung und damit auf wirtschaftliche Fortschritte zurückführen. Nach den Ergeb-
152 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

nissen der jüngeren Forschung [202: E. A. Wrigley/R. S. Schofield, The popula-


tion history] waren für die Bevölkerungszunahme in den Städten und überall dort,
wo das Gewerbe dominierte, die Senkung des Heiratsalters und der Anstieg der
Geburtenraten ausschlaggebend. Doch auch in diesem Falle wäre zu fragen,
inwieweit wirtschaftliche und soziale Veränderungen, z. B. die Ausbreitung pro-
toindustrieller Gewerbe mit Frauen- und Kinderarbeit, hierzu die Voraussetzung
schufen.
Bilanz der In den einschlägigen Uberblicksdarstellungen der 1960er/70er Jahre wurde es
Ursachendebatte
üblich, die verschiedenen Veränderungsprozesse als demographische, agrarische,
kommerzielle oder auch energetische Revolution zu beschreiben, ohne sie in ein
einfaches Ursache-Folge-Schema zu pressen. Auch wer mit M. Hartwell stärker
die evolutionären Aspekte betonte, suchte weiter nach Antworten auf die zentrale
Frage, warum die „erste industrielle Revolution" zu diesem Zeitpunkt in diesem
Land und mit diesen Folgen ausgebrochen war.
Neuansätze Ein neuer und vorläufig letzter Abschnitt in der Forschungsgeschichte zur
britischen industriellen Revolution wurde mit den revisionistischen Arbeiten
der New Economic History zu Beginn der 1980er Jahre eingeleitet. Als mit dem
Ende des „sustained growth" der ökonomische Niedergang des Pionierlandes
immer deutlicher und damit erklärungsbedürftig wurde, veränderte sich zugleich
der Blick auf die Anfänge der Industrialisierung. Der Fortschrittsoptimismus der
ersten und zweiten Generation der quantifizierenden Wirtschaftshistoriker wich
der Skepsis. „Why was British growth so slow during the Industrial Revolution?"
überschrieb J. G. Williamson, ein Vertreter der neuen Forschungsrichtung, seine
Untersuchung [199]. Hinzu kam, daß die neuen ökonometrischen Rechenverfah-
ren unter Einsatz von Computern eine genauere Überprüfung und
Erweiterung
des Datenmaterials ermöglichten. Die Ergebnisse weckten erhebliche Zweifel an
der Existenz eines Take-off im Sinne Rostows. Nach den Neuberechnungen von
Crafts/Harley: C.K. Harley [143: British industrialization] und insbesondere von N. Crafts
Newacn«umsfatn [126: British economic growth] betrug die jährliche Wachstumsrate des Sozial-
produkts pro Kopf zwischen 1780 und 1800 nur 0,3 %, d. h. lediglich ein Drittel
der früheren Schätzungen. Außerdem unterschied sich diese Rate kaum von
derjenigen, die schon das ganze 18. Jahrhundert hindurch gegolten hatte. Und
auch in den drei Jahrzehnten nach 1800 blieb die Durchschnittsrate des Wirt-
schaftswachstums mit knapp 2 % bzw. 0,5 % pro Kopf weit hinter den von Deane
und Cole ermittelten Werten zurück.
Selbst jene Komplexe wurden nun einer Revision unterzogen, die seit Toynbee
als Kern der industriellen Revolution unbestritten waren: das Fabriksystem und
die maschinentechnischen Neuerungen. Schärfer als zuvor wurde betont und mit
Zahlen belegt, wie langsam sich der Übergang von der Handarbeit zur Maschinen-
technik vollzogen und wie beharrlich man an den alten Produktionsformen
Mokyr: „Dualis- festgehalten hatte. J. Mokyr sprach vom „Dualismus" im Gewerbe Englands
mus" im Gewerbe
[The Industrial Revolution and the New Economic History, in: 170, 5]; der junge
Ursachen und Charakteristika der industriellen Revolution 153

Industriesektor, so Crafts, sei von einem „Meer der Tradition" umgeben gewesen
[126: British economic growth, 81]. E. A. Wrigley [201: Continuity] beschrieb
den Wandel der Energietechnik als einen langfristigen und ganz ungleichmäßig
verlaufenden Prozeß, bei dem das Neue bruchlos aus dem Alten hervorging. Die Wrigley: Kominui-
Kontinuitätslinien, die Wrigley zog, reichen bis weit in die Frühneuzeit zurück. tätsthese
Wie Crafts und die übrigen Vertreter der Kontinuitätsthese ging Wrigley davon
aus, daß Britannien schon um 1700 ein sehr reiches und produktives Land mit
hoher Gewerbedichte und weit fortgeschrittener Urbanisierung gewesen war.
Einige Autoren verfolgten die Anfänge des Mechanisierungsprozesses bis zu
den Wasserrädern und Windmühlen des Mittelalters zurück [zusammenfassend
hierzu 157: J. Komlos, Ein Überblick, 465 f.].
Auf Ablehnung stieß auch die lange Zeit gültige Ansicht, die D. Landes in
seinem Meisterwerk über den technologischen Wandel vertreten hatte [158: Der
entfesselte Prometheus]. Landes erklärte die Serie der Erfindungen in den 1760er
Jahren als „notwendige" Reaktion auf wirtschaftliche Engpässe (z. B. Holzknapp-
heit, Wassermangel oder auch Mangel an Gespinst nach der Erfindung des
fliegenden Weberschiffchens). Die noch lange Zeit übliche Weiterverwendung
von Wasserkraft und Holzkohle bzw. die geringe Verbreitung der Dampfmaschi-
nen paßte jedoch ebensowenig in diesen Kausalzusammenhang wie der Umstand,
daß die technologischen Durchbrüche erst nach Jahrzehnten des andauernden
Mangels eintraten.
Die Frage, so schien es, lautete nicht mehr, „warum" und „wann", sondern Die industrielle Re-
„ob" überhaupt eine Revolution stattgefunden hatte. Die Rede vom „Mythos volution
einer britischen industriellen Revolution" [140: M. Fores] kam auf, und R. Mythos?
-

Cameron schlug vor, auf die irreführende „Fehlbenennung" zugunsten des


Begriffes Industrialisierung ganz zu verzichten [120: The Industrial Revolu-
tion, a misnomer].
Die Sozialhistoriker waren ihrerseits bemüht, die gesellschaftlichen Kontinui- Revisionistische
täten stärker herauszuarbeiten. J. Clark [124: English society], der das Revolu-
tionsparadigma und mit ihm das traditionell-liberale wie das anglomarxistische
s^cntderSozialhi
Fortschrittsdenken ablehnte, sah seinen eigenen Revisionismus bestätigt. Danach
gehörte die britische Gesellschaft des späten 18. und des frühen 19. Jahrhunderts
noch ganz zum „ancien regime". Clarks umstrittene Interpretation wirkte
anregend und provozierend auf die Forschungen zum Konservativismus [176: F.
O'Gorman, Voters, patrons and parties; 177: Ders., The long eighteenth century;
125: L. Colley, Britons; 197: M. Weinzierl, Freiheit, Eigentum und keine
Gleichheit], zur Aristokratie [191: L. und J. C. F. Stone, An open elite?; 121: D.
Cannadine, The decline and fall of the British aristocracy] und zum sogenannten
„gentlemanly capitalism" [185: WD. Rubinstein, Men of property; 129: M.J.
Daunton, „Gentlemanly capitalism"]. Die gesellschaftlichen Sonderentwicklun-
gen Englands wie der frühe Aufstieg der industriellen Bourgeoisie oder die
Offenheit des Adels, die immer auch als Zugewinn an Bürgerlichkeit ausgelegt
154 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

worden war, gerieten wie die industrielle Revolution in den Verdacht, nur ein
Mythos zu sein.
Die Rückkehr zum Die Revision der Revision ließ nicht lange auf sich warten [zusammenfassend
Revolutions- p Hudson, The Industrial Revolution]. Der erste Versuch schlug allerdings
fehl. Die von Harley und Crafts vorgelegten Daten ließen sich bis auf Fein-
korrekturen [148: J. Hoppit, Counting the Industrial Revolution; 153: R. V.
-

Jackson, Rates of industrial growth] nicht widerlegen. Die neuen Statistiken


in den voluminösen Werken zur Kapitalbildung [135: Ch. H. Feinstein/S.
-

Pollard, Hrsg., Studies in capital formation], zum Städtewachstum [200: J. G.


Williamson, Coping with city growth] und zur Bevölkerungsvermehrung [202:
E. A. Wrigley/R. S. Schofield, The population history of England] wurden
weithin akzeptiert. Zweifel an der ökonometrischen Methode, die für die Zeit
bis 1830 häufig mit unzureichenden, weil sekundär oder auch tertiär abgeleiteten
Zahlenreihen arbeitet, konnten daran nichts ändern.
Uberzeugender waren die Einwände, die gegen die makroökonomische Sicht-
weise vorgebracht wurden. Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen tendieren
dahin, spektakuläre Erfolge wie die der Baumwollindustrie in Lancashire, also
Region und indu- sektorale oder regionale Besonderheiten, gleichsam statistisch einzuebnen. „Die
stnelle Revolution
britische industrielle Revolution", so lautet daher die Kernthese von S. Pollard,
„war vor allem ein regionales Phänomen" [182: Peaceful conquest, 14]. Lancashire
wird aus dieser Perspektive zu einem Vorposten der industriellen Revolution, von
dem aus das rückständige Umland nach und nach „erobert" wurde. Zahlreiche
Regional- und Lokalstudien haben im einzelnen belegt, daß sich auch die tradi-
tionellen Wirtschaftszweige und Wirtschaftsräume unter der Oberfläche schein-
barer Kontinuität veränderten. Auch sie mußten sich auf die neuen Marktbedin-
gungen umstellen; auch sie profitierten zum Beispiel vom Ausbau des Transport-
wesens, ohne daß sich dies sofort gesamtwirtschaftlich bemerkbar machte [152: P.
Hudson, Hrsg., Regions and industries; vgl. auch die Fallstudie Hudsons über die
Wollindustrie im westlichen Yorkshire 150: The genesis of industrial capital].
Begriffsgeschichtli-
che Befunde
Begriffsgeschichtliche Befunde, die besonders von den Verteidigern des Revolu-
tionsparadigmas gern angeführt werden, belegen auf ihre Weise die Bedeutung der
Region. Auch wenn rauchende Schornsteine und Fabrikanlagen vorerst nur an
wenigen Stellen zu besichtigen waren, genügten sie, um Aufsehen zu erregen und
Faszinationskraft auszuüben. Schon in den zeitgenössischen Kommentaren des
späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts wurden die Neuerungen häufig als radikal
und in Analogie zur politischen Revolution in Frankreich als „revolutionär"
bezeichnet. Spätestens in den 1830er Jahren war der Begriff „industrielle Revolu-
tion" geläufig, zuerst in Frankreich, wo ihn der Ökonom Adolphe
Blanqui, ein
Bruder des bekannten Sozialisten, populär machte [151: P. Hudson, The Indust-
rial Revolution, 9-13; 159: D. S. Landes, The fable of the dead horse, Belege 132-
135]. Die politisch-ökonomische Doppelrevolution ist insofern keine „Erfin-
dung" rückblickender Historiker.
Ursachen und Charakteristika der industriellen Revolution 155

Entscheidend war, daß auch die Vertreter der New Economic History den Crafts/Harley: Revi-
In den neunziger Jahren slon der Revision
Begriff der industriellen Revolution „rehabilitierten".
meldeten sich Crafts und Harley erneut zu Wort [128: Dies., Output growth;
N. Crafts, The industrial revolution, in: 138: R. Floud/D. McCloskey, The
economic history, 44-59], um „Mißverständnisse" auszuräumen. Sie hielten
gegen Clark und die neokonservativen Strömungen daran fest, daß sich in
-

England zwischen 1750 und 1850 ein zwar langsam verlaufender, aber im Ergeb-
-

nis revolutionärer Prozeß der Umwälzung von Wirtschaft und Gesellschaft voll-
zogen habe. Mit dieser Auslegung, die an M. Hartwells Dammbruchthese
erinnert, sind eine Reihe von Überlegungen verbunden, die zur Zeit diskutiert
werden [Überblicksdarstellungen: 117: Ch. Buchheim, Industrielle Revolutio-
nen; 180: T. Pierenkemper, Umstrittene Revolutionen; Sammelbände: 171: J.
Mokyr, Hrsg., The British Industrial Revolution; 138: R. Floud und D. McClos-
key, Hrsg., The economic history of Britain; 175: P. O'Brien/R. Quinault, Hrsg.,
The Industrial Revolution and British society; Forschungsberichte: 151: P. Hud-
son, The Industrial Revolution; 198: U. Wengenroth, Igel und Füchse; 118: Ch.
Buchheim, Überlegungen zur Industriellen Revolution; 157: J. Komlos, Ein
Überblick].
Zu den Elementen der Diskontinuität, die wieder mehr Beachtung finden, Überwindung der
gehört der Bruch in der demographisch-ökonomischen Entwicklung. Das nied- Mahhusianischen
rige Wirtschaftswachstum erscheint in einem anderen Licht, wenn man es zu dem
sehr starken Bevölkerungswachstum in Beziehung setzt. Übervölkerungskrisen
und Hungerepidemien, die der englische Pfarrer und bedeutende Ökonom Tho-
mas Malthus um 1800 düster voraussagte, weil er annahm, daß der Nahrungs-
spielraum an seine Grenzen stoßen werde, traten nicht ein. Solche Katastrophen
entsprachen eher den Erfahrungen der Vergangenheit als den Aussichten für die
Zukunft. E. A. Wrigley und R. S. Schofield sehen mit Berufung auf das für die
vorindustrielle Zeit gültige Malthusianische Bevölkerungsgesetz den „Beginn
einer neuen Ära" darin, daß das Wirtschaftswachstum trotz der Bevölkerungsex-
plosion anhielt [202: The population history, 410]. J. Komlos formuliert es
thesenhaft: „Die Industrielle Revolution war ein Entkommen aus der Malthusia-
nischen Falle." „Mit der Überwindung der Malthusianischen Falle wurde ein
permanentes Wirtschaftswachstum möglich" [157: Ein Überblick, 490, 493].
Komlos führt zugleich einen neuen Ursachenfaktor in die Debatte ein, wenn er
zur Erklärung auf die Ernährungsgewohnheiten der Menschen und die Verände-

rungen der Ernährungssituation im Verlauf des 18. Jahrhunderts aufmerksam


macht. Die verbesserte Ernährung, die nach Komlos nicht allein landwirtschaft-
lichen Ertragssteigerungen, sondern auch der Einführung neuer Agrarprodukte
(z.B. der Kartoffel) und den Importen aus der Neuen Welt (z.B. in Form von
Zucker, Stockfisch und Mehl) zu verdanken war, wird auf die Fähigkeit der
Menschen zurückgeführt, sich ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen
[155: Nutrition]. Komlos benutzt in diesem Zusammenhang den Begriff des
156 II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

„Humankapitals", der das praktische Wissen der Menschen um die Lösung von
Krisenproblemen umschreibt.
Schlüsselrolle des In der neuen Wachstumstheorie wird die Bildung von Humankapital als der
Humankapitals entscheidende Faktor angesehen, der unter der Voraussetzung vorteilhafter Rah-
menbedingungen und in Kombination mit anderen produktiven Faktoren ein
dauerhaftes Wirtschaftswachstum ermöglicht. Dieser Erklärungsansatz lenkte
den Blick auf zwei weitere Themenkomplexe, die zur Zeit neu und anders
akzentuiert werden. Zum einen geht es um das Ausmaß der Gewerbetätigkeit
bzw. die sektorale Verteilung der Beschäftigten, die sich in England früher und
schneller als auf dem Kontinent von der Landwirtschaft hin zum Gewerbe
verschob. Zuerst haben P. Mathias [166: The first industrial nation] und N.
Crafts [126: British economic growth; Ders., The industrial revolution, in:
138: R. Floud/D. McCloskey, Hrsg., The economic history, 44-59] auf diesen
„Kernvorgang" des Strukturwandels hingewiesen. Mit der überproportionalen
Verstärkung des Gewerbesektors wurde ein riesiges und zunächst nicht voll
ausgenutztes Reservoir an befähigten Arbeitskräften bereitgestellt, d. h. in der
neuen Terminologie -: es wurde ein Uberschuß nicht nur an Sach-, sondern auch an
-

Humankapital akkumuliert. „In der Tat", so faßt es Ch. Buchheim zusammen,


„war die Industrielle Revolution in Großbritannien zuallererst eine .Industriali-
sierung' im Wortsinn, d. h. eine rasche Verschiebung der Struktur der Erwerbs-
tätigen in der britischen Wirtschaft in Richtung Gewerbe. Der Anteil der im
Gewerbe Beschäftigten an allen männlichen Erwerbstätigen erhöhte sich dort
zwischen 1760 und 1840 von 24 auf 47 Prozent." Für besonders wichtig hält
Buchheim in diesem Zusammenhang „das durch gewerbliche Produktion für
überlokale Märkte gebildete Humankapital in Form von unternehmerischem
Know-how um Produktionskoordination, Bezugsquellen, Absatzkanäle, Finan-
zierungsmöglichkeiten und kaufmännische Organisationsprinzipien sowie von
Kenntnissen der Produktionsprozesse und -techniken bei den Arbeitskräften,
letztere im städtischen Handwerk und der ländlichen Heimindustrie ähnlich"
[118: Überlegungen, 212 f.; 117: Industrielle Revolutionen].
Neubewertung der Zum anderen findet eine Rückkehr zu jener Interpretation statt, die dem
Erfindungen technologischen Wandel eine Schlüsselrolle zuwies [159: D. S. Landes, The fable
of the dead horse; 169: J. Mokyr, The lever of riches]. Anders als in der älteren
Literatur sind es allerdings nicht nur die „großen", sondern auch und vor allem die
vielen „kleinen" Erfindungen, denen das besondere Interesse gilt. Über den
erstaunlichen Erfindungsreichtum am Beginn der englischen industriellen Revo-
lution geben die in den 1760er Jahren auffallend zahlreichen Patenteintragungen
Auskunft, die R. Sullivan [192: The revolution of ideas] entdeckt hat. J. Mokyr
erklärt die weit verbreitete „Kreativität" mit der Vielzahl der Menschen, die im
Gewerbe tätig waren und besonders im städtischen Handwerk durch Lernen in
der Praxis technisches Wissen erwarben [169: The lever of riches]. Zugleich kann
man mit dem Hinweis auf die zeitraubenden
learning-by-doing-Effekte plausibel
Ursachen und Charakteristika der industriellen Revolution 157

machen, warum sich der Umgang mit den neuen Techniken nicht sofort in höheren
Wachstumsraten auszahlte.
Wie bahnbrechend die Erfindungen im einzelnen waren, hing nach Mokyr von
den Investitionsmöglichkeiten und letztlich vom „glücklichen Zufall" ab eine
Aussage, die D. Landes besonders abschätzig kommentiert hat [160: Some further
-

thoughts on accident in history]. Doch spricht manches für diesen „Zufall" in einer
Situation, die nicht durch Mangel und Engpässe, sondern durch den Überfluß an
Kapital, Arbeit und Wissen gekennzeichnet war. Die industrielle Revolution, so
hat es Ch. Buchheim zugespitzt formuliert, stellt sich insgesamt „als etwas ganz
anderes dar denn als letzte Rettung einer mit all ihren Reserven produzierenden
Gesellschaft vor der ansonsten unausweichlichen Malthusianischen Krise. Nein,
sie war vielmehr eher das zufällige Ergebnis des Experimentierens mit einem
eigentlich nicht gebrauchten Überschuß an Ressourcen. Die Industrielle Revolu-
tion hatte nicht den Charakter einer Notwendigkeit, sondern eher den eines
Spieles" [117: Industrielle Revolutionen, 62].
Unter dem Einfluß der neuen Wachstumsforschung hat sich nicht zuletzt auch Property-Rights-
die Interpretation der politischen Rahmenbedingungen und der sozialen Folgen Ansatz
der industriellen Revolution verändert. Besonders die Diskussion über den
„Property-Rights-Ansatz" des amerikanischen Ökonomen und Nobelpreisträ-
gers D. C. North hat die Frage nach der Rolle politischer Institutionen und
staatlicher Hilfestellungen beim Eintritt in die Wachstumsökonomie neu belebt
[Theorie des institutionellen Wandels. Eine neue Sicht der Wirtschaftsgeschichte,
Tübingen 1988; englisch: New York 1981]. Die lange Vorgeschichte und der
Verlauf der englischen industriellen Revolution (die auch von North nur als
eine späte Oberflächenerscheinung in den längst vorher eingeleiteten Entwick-
lungsprozessen von langer Dauer angesehen wird) liefern viele Beispiele für
institutionelle Innovationen, die private Eigentums- und Verfügungsrechte ge-
setzlich festlegten und dadurch sicherten. Hierzu zählt beispielsweise auch eine
Einrichtung wie das englische Patentsystem, das in letzter Zeit besonders gut
erforscht wurde [192: R. Sullivan, The revolution of ideas; 165: Ch. Mac
Leod, Inventing the Industrial Revolution].
Zugleich stellt sich aber auch die Frage nach den wachstumshemmenden Auswirkungendes
Faktoren im politischen Bereich. J. G. Williamson beantwortete die Titelfrage K"e8es und P°™-
scne Bedmgungsrak-
seines Aufsatzes „Wny was British growth so slow during the Industrial Revolu- ,
toren
tion?" u. a. mit dem Verweis auf die lange Kriegszeit der Jahre 1792 bis 1814, in der
der Finanzbedarf des Staates enorm angestiegen sei und gewerbliche Investitionen
gleichsam verdrängt habe. Gegen diese These erhob sich viel Widerspruch, denn
die englische Wirtschaft, so die Begründung von J. Mokyr [167: Has the Industrial
revolution been crowded out?] und N. Crafts [126: British economic growth],
war offenbar ohne Schwierigkeiten in der Lage, die erforderlichen Finanzmittel

aufzubringen. Trotzdem kann man mit P. K. O'Brien [174: The impact of the
revolutionary and Napoleonic wars] bezweifeln, ob sich politische Ereignisse von
158 II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

solchem Gewicht wie die Kriege gegen Frankreich mit Hilfe von ökonometrischen
Zahlenreihen hinwegdiskutieren lassen. Wie P. Hudsons Reader [151: The In-
dustrial revolution], der ein ausführliches Kapitel über Wirtschaft und Staat
enthält, oder auch die von P. O'Brien gemeinsam mit R. Quinault herausge-
gebene und als Textbook konzipierte Festschrift für M. Hartwell [175: The
Industrial Revolution and British society, 1993, mehrere Nachdrucke, zuletzt
1996] belegen, läuft der Trend der 1990er Jahre darauf hinaus, die politische und
die Sozialgeschichte wieder stärker in das wirtschaftshistorische Konzept der
industriellen Revolution einzubeziehen. Ein zentraler, von P. O'Brien verfaßter
Aufsatz des Textbuches behandelt die ..political preconditions for the Industrial
Revolution" [ebd., 124-155].
In sozialgeschichtlicher Hinsicht wird jene Debatte fortgesetzt, die nie ganz
aufgehört hat: die Kontroverse zwischen „Pessimisten" und „Optimisten" über
die Frage, ob sich der Lebensstandard der breiten Masse der arbeitenden Bevölke-
rung nach 1750 verschlechtert oder verbessert hat. Am Anfang dieser Debatte, die
wie kaum eine andere die Erforschung der industriellen Revolution belebte und
vorantrieb, stand die „pessimistische" Ansicht. Schon für Toynbee war die indu-
strielle Revolution eine Zeit, „so zerstörerisch und schrecklich wie nur irgendeine,
die ein Volk jemals durchlebte; zerstörerisch und schrecklich, weil man Seite an
Seite mit einer gewaltigen Wohlstandszunahme einen enorm sich ausbreitenden
Pauperismus wahrnehmen konnte. Produktion allergrößten Zuschnitts, ein Re-
sultat der freien Konkurrenz, führte zur raschen Entfremdung der Klassen von-
einander und zur Entwürdigung der Masse der Produzenten" [zit. nach: 116: Ch.
Buchheim, Industrielle Revolution und Lebensstandard, 496].
Bezeichnenderweise gehörten zu den „Optimisten" zuerst diejenigen Histori-
ker, die wie Clap ham und Hartwell die Vorstellung eines plötzlichen Umbruchs
in Frage stellten: Die Industrialisierung, so meinten sie auch und
gerade in diesem
Zusammenhang, sei langsam und nicht so radikal umwälzend, wie von den
Sozialkritikern behauptet, verlaufen. Auf beiden Seiten war man bemüht, statisti-
sche Belege zu finden. Die „Optimisten" um Hartwell versuchten, den
Anstieg
der Reallöhne zu belegen, was schon Clapham für einige Arbeitergruppen
gelungen war. Für die Zeit bis 1830 war es indes schwierig, verläßliche Lohn-
und Preisindices vorzuweisen; erst für die 1840er Jahre konnte ein eindeutiger
Lohnanstieg verzeichnet werden. Die „Pessimisten", die in den 1960er Jahren von
Hobsbawm angeführt wurden, bevorzugten Konsumdaten, z. B. auf der Basis von
Haushaltsrechnungen, die freilich nur in begrenzter Anzahl überliefert sind. Sie
kamen zu dem gegenteiligen Ergebnis, daß im Hinblick auf Ausgabenstrukturen,
Nahrungs- und Konsumgewohnheiten keine Verbesserung des Lebensstandards
erkennbar sei [Dokumentation der Debatte bis 1975 193: A. J. Taylor, Hrsg., The
standard of living, mit Beiträgen von M. Hartwell und E.J. Hobsbawm].
Außerdem prangerte Hobsbawm wie vor ihm schon Toynbee die immateriellen
Verschlechterungen an, die sich dem statistischen Zugriff entziehen: die Beein-
Ursachen und Charakteristika der industriellen Revolution 159

trächtigung der Lebensqualität der Arbeiter durch die erzwungene Anpassung an


den Schmutz der Städte und die harte Arbeitsdisziplin in den Fabriken; die
klaffende Ungleichheit zwischen dem elenden Arbeiterdasein und dem rasch
wachsenden Wohlstand der Reichen; den Zerfall der alten Bindungen, insbeson-
dere des Zusammenhalts der Familie als Produktionsgemeinschaft. Statistische
Angaben, so meinte Hobsbawm [147: Industrie und Empire, 80], „sind wichtig,
aber auch irreführend. Ob die Industrielle Revolution den meisten Briten absolut
oder relativ mehr und bessere Nahrung, Kleidung und Wohnung verschaffte, ist
selbstverständlich für jeden Historiker von Interesse. Doch er geht am Kern der
Sache vorbei, wenn er vergißt, daß sie nicht einfach ein Additions- und Subtrak-
tionsvorgang war, sondern eine fundamentale soziale Umwandlung. Sie verän-
derte das Leben der Menschen so sehr, daß es nicht wiederzuerkennen war; oder,
um genau zu sein, sie zerstörte in ihrem Anfangsstadium ihre alte Lebensweise und

überließ es dann ihnen, eine neue für sich zu entdecken, wenn sie es konnten und
wußten, wie das zu machen war. Aber sie ließ nicht erkennen, wie sie das machen
sollten."
Mit Hilfe der ökonometrischen Verfahren begann in den 1980er Jahren ein Lohn-und Konsum-
neuer Versuch, die jeweiligen Hypothesen zu testen. Die d*ten
Neuberechnung der
Reallöhne, wie sie von P. Lindert und J. Williamson vorgenommen [162:
English workers' living Standards] und von N. Crafts [126: British economic
growth] noch einmal korrigiert wurde, ergab einen Anstieg von 75 % zwischen
1780 und 1850. Lindert und Williamson hatten anfangs sogar eine Verdoppe-
lung des Reallohnwachstums errechnet, wobei der Anstieg hauptsächlich nach
1820, also nach der langen Kriegszeit, erfolgte. In jedem Fall liefen die Daten auf
eine volle Bestätigung der „Optimisten" hinaus. Doch eine Überprüfung der
Konsumdaten sprach eher für die „pessimistische" Ansicht. J. Mokyr [168: Is
there still life in the pessimist case?] untersuchte wie Hobsbawm den Konsum von
Tabak, Tee und Zucker und benutzte zu diesem Zweck Statistiken zum Import
dieser Güter; er ermittelte zunächst für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts eine
ökonometrische Relation zwischen den Einfuhrdaten und den bereits vorliegen-
den Zahlen zum Arbeitseinkommen. Indem er diese Relation auf die Einfuhren
der Jahre 1790 bis 1850 übertrug, erhielt er auch für diesen Zeitraum Angaben über
den durchschnittlichen Verdienst der Arbeiter, der, wie sich überraschenderweise
herausstellte, bis 1840 ohne Verbesserung, aber auch ohne Verschlechterung,
konstant geblieben war. Die Erklärung des Befundes war konsensfähig: Offenbar
werden von den Lohndaten vor allem die vollbeschäftigten männlichen Lohn-
bezieher erfaßt, z. B. Fabrikarbeiter, die ihre Einkommenslage vor allem nach
1820 verbessern konnten. Die Konsumdaten hingegen beziehen auch die große
-

Masse jener mit ein, die als formal Selbständige in der Heimarbeit beschäftigt
-

waren, darunter Tausende von Handwebern, die verelendeten. Immerhin läßt sich
konstatieren, daß bei den Unterschichten insgesamt das starke Bevölkerungs-
160 II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Wachstum von keiner Senkung des Lebensstandards begleitet wurde. Und schon
dies erscheint bedeutsam genug.
Lebensqualität und Weniger erfolgreich verliefen bis jetzt die Versuche, die vermutete Verschlech-
Umwelt
terung Jer „Lebensqualität" und die Umweltbeeinträchtigungen statistisch zu
messen. Verschiedene Indikatoren wurden erprobt und mit Lohndaten korre-

liert: z. B. Daten über die Migration, die Kindersterblichkeit und/oder die Lebens-
erwartung in den Industriestädten, Angaben über die Körpergröße aus den
Rekrutierungslisten der Armee als Maßstab für Unterernährung, Zahlen über
Schulbesuch und Bildungsstandard etc. [Forschungsstand bis 1997 127: N.
Crafts, Some dimensions of the „quality of life"]. Selbst die Okonometriker
geben allerdings zu, „that both the conceptual and the practical problems of
measuring the quality of life are formidable" [ebd., 618]. Trotzdem wurden auf
der Suche nach Indikatoren ganz neue Themen und Forschungsfelder erschlossen
wie z. B. Ernährung und Gesundheit [155: J. Komlos, Nutrition; 156: Ders., The
secular trend in the biological standard of living; 139: R. C. Floud/B. Harris,
Hrsg., Health, height and welfare] oder die Umweltgeschichte [200: J. G. Wil-
liamson, Coping with city growth].
Aber auch die Suche nach Lohn- und Konsumdaten führte über die Lebensstan-
dard-Debatte im engeren Sinne hinaus: sie bereicherte Themen wie „class and
gender" oder „consumerism" [Forschungsstand bis 1992 151: P. Hudson, The
industrial revolution]. Es stellte sich immer deutlicher heraus, daß es nicht „die"
Arbeiterklasse gegeben hat, sondern daß verschiedene Gruppen von Arbeitern ganz
unterschiedlich von den neuen Lohn- und Konsumverhältnissen betroffen waren.
Entsprechend vielfältig waren Reaktionen und Motive, die z. B. am Ursprung des
Maschinensturms [183: A. Randall, Before the Luddites] oder der Teuerungsun-
ruhen [197: M. Weinzierl, Freiheit, Eigentum und keine Gleichheit] standen.
Frauenarbeit Die geschlechtergeschichtliche Interpretation der Frauenarbeit wies „optimi-
stische" Ansichten wie die von Hartwell zurück, der die Anfänge der „Eman-
zipation der Frauen" bereits in die Zeit der industriellen Revolution verlegte.
Schon die klassische, in jüngerer Zeit mehrfach wiederaufgelegte Studie von I.
Pinchbeck, „Women workers and the Industrial Revolution" [181] war davon
ausgegangen, daß die Auszahlung der Löhne auf der Basis des „Familienein-
kommens" den Anteil und damit den Status der Frauen aufgewertet habe. Dage-
gen haben P. Hudson und M. Berg in ihren Beiträgen zur Heim- und Fabrikarbeit
eingewandt, daß die Frauen in der „männlichen" von der Familie getrennten
Berufswelt nicht nur eine schlecht bezahlte, sondern auch eine ganz eindeutig
nach- und untergeordnete Position einnahmen [110: M. Berg, The age of manu-
factures; 152: P. Hudson, Hrsg., Regions and industries]. Kennzeichnend für eine
Geschlechterideologie, die sich jetzt erst verfestigte, war es z. B., daß in den
Textilfabriken technisch verbesserte Spinnmaschinen wie die Mule zunächst für
männliche Arbeiter reserviert wurden. P. Hudson zählt die erzwungene Frauen-
und Kinderarbeit zu jenen Umwälzungen, die unbestreitbar für das Revolutions-
Ursachen und Charakteristika der industriellen Revolution 161

paradigma und die Diskontinuitätsthese sprechen [151: The industrial revolution].


In diesem Zusammenhang tritt sie zugleich dafür ein, den Begriff der industriellen
Revolution weit auszulegen, so daß er auch die sozialen Wandlungen in der
Landwirtschaft und im protoindustriellen Heimgewerbe umfaßt.
Die Konsumforschung hat ihrerseits untersucht, inwieweit Veränderungen im Konsumforschung
Konsumverhalten klassen- und/oder geschlechtsspezifisch bedingt waren. Den
Anstoß gab N. McKendrick mit seiner vieldiskutierten These, daß die Konsum-
gesellschaft bereits im 18. Jahrhundert entstanden sei [164: The consumer revolu-
tion]. Weitere Nachforschungen kamen allerdings zu dem Ergebnis, daß der Kreis
derer, die sich über die Deckung des Grundbedarfs hinaus einen höheren Kon-
sumstandard leisten konnten, auf die obere Mittelklasse unter Ausschluß z. B. der
Handwerker begrenzt blieb [196: L. Weatherill, Consumer behaviour]. Nach
den Berechnungen von N. Crafts [126: British economic growth] stieg die Zahl
der wohlhabenden Konsumenten von 5% der Einwohner um 1750 auf 10% zu
Beginn des 19. Jahrhunderts. Das bedeutete unter Berücksichtigung des starken
Bevölkerungswachstums immerhin eine Verdreifachung der Kopfzahl der Ver-
braucher, die gewerbliche Qualitätserzeugnisse nachfragten. Auch wenn nur
wenige Haushaltsrechnungen aus Arbeiterfamilien überliefert sind, so lassen sie
doch im Vergleich zu mittelständischen Familien mit ziemlicher Sicherheit er-
kennen, daß besserverdienende Fabrikarbeiter ihr Geld eher für zusätzliche
Nahrungsmittel denn für gewerbliche Konsumgüter ausgaben [149: S. Hor-
rell, Home demand and British industrialization]. Ob Frauen in zunehmender
Anzahl eine Schlüsselrolle bei der Nachfrage z. B. nach Textilien gespielt haben, ist
eine der Fragen, die zur Zeit diskutiert werden [111: M. Berg, Women's consump-
tion; 136: M. Finn, Women, consumption and coverture; 161: B. Lemire, Dress,
culture and commerce].
Die Erforschung kleiner Industrien und spezialisierter Werkstätten [187: C.
Sabel/J. Zeitlin, Historical alternatives to mass production; 110: M. Berg, The
age of manufactures] hat jedenfalls ergeben, daß offenbar die Lust auf modische
Dinge zunahm, die ihrerseits durch ein wachsendes Angebot an Industriewaren zu
günstigen Preisen befriedigt und zugleich gesteigert wurde. Dazu gehörten nicht
nur „geschmackvolle" Kleider und Einrichtungsgegenstände, sondern auch eine

Vielzahl von Knöpfen, Schuhschnallen, bunten Bändern, farbigen Strümpfen und


sonstigen Accessoires, die für breitere Konsumentenschichten erschwinglich
waren. Ein Vergleich mit Frankreich, wie ihn
jüngst I. Cleve angestellt hat [494:
Geschmack, Kunst und Konsum], zeigt, daß sich dort die neue Warenästhetik nach
1789 im Sinne einer „Demokratisierung des Luxus" an englischen Vorbildern
orientierte.
Die Vielfalt der Aspekte, zu denen die Erforschung der „first industrial revolu-
tion" angeregt hat, spricht dafür, daß die Faszinationskraft dieses Themas noch
lange nicht erschöpft ist.
162 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

3. Von mentalitätsgeschichtlichen zur


der sozial- und

politisch-kulturellen Deutung der Französischen Revolution

Wie kaum ein anderes Thema ist die Geschichtsschreibung über die französische
Revolution von weltanschaulich-politischen Frontstellungen geprägt. Der oft
heftige Streit hat gleichwohl die Forschung weniger behindert als vorangetrie-
Pionierrolle der ben: Revolutionshistoriker übernahmen eine Pionierrolle bei der Entdeckung
Revolutions-
neuer Themenfelder und der Erprobung
ungewohnter Methoden. Lange Zeit
dominierte der sozialgeschichtliche Zugriff, der die älteren politik-, ideen- und
personengeschichtlichen Untersuchungen ablöste, ohne sie ganz zu verdrängen.
In den 1980er Jahren verlagerte sich der Schwerpunkt auf mentalitäts- und kultur-
historische Interpretationen parallel zu einem allgemeinen Trend der Ge-
schichtswissenschaft, der wesentlich von französischen Revolutionshistorikern,
-

namentlich von M. Vovelle, inspiriert wurde. In jüngster Zeit ist viel von der
Wiederbelebung der politischen Geschichte die Rede. Doch ist damit keine ein-
fache Rückkehr zur traditionellen Ereignis- und Verlaufsgeschichte gemeint,
sondern eine Forschungssynthese, die unter dem Leitbegriff der „politischen
Kultur" eine Verbindung zwischen Sozial-, Kultur- und Politikgeschichte herzu-
stellen verspricht. Hinter den jeweiligen Neuansätzen verbirgt sich die alte Streit-
frage nach der Rolle der Revolution am Beginn der modernen Welt und danach,
wie die Menschen diesen Umbruch erfahren und seine Chancen genutzt haben.
Die konservative Die klassischen Werke der Revolutionshistorie lassen sich jeweils einer konser-
Interpretation vat;ven>
liberal-bürgerlichen, sozialistischen oder sowjetmarxistischen Interpreta-
tionsrichtung zuordnen. Die konservativen Kritiker der Revolution bilden die
älteste Schule. Ausgehend von Burkes ..Reflections on the Revolution in France"
und den schon zeitgenössischen Konspirations- und Komplotthesen, wonach die
Verschwörung der Freimaurer und Jakobiner die Revolution planmäßig herbei-
geführt habe, identifizierten sie die Revolution mit der jakobinischen Terrorherr-
schaft, von der sich die altüberkommene, „gewachsene" Ordnung des Ancien
Regime vorteilhaft abhob. Die Revolution verkörperte die „abstrakten" Prinzi-
pien willkürlicher Veränderung. Für Hippolyte Taine. dessen sechsbändige
Gesamtdarstellung von 1876-1894 erschien, waren die Jakobiner konspirative
Volksverführer; zu ihren Anhängern zählte der „niedrigste Pöbel". Wenn auch
die Verschwörungstheorie heute als widerlegt gilt, so hielt sich doch in der
konservativen Geschichtsschreibung die These, daß die Schreckensherrschaft
einer aktiven Minderheit „das eigentliche Wesen der Revolution" darstelle [253:
P. Gaxotte, Die Französische Revolution, 259].
Dieliberale Als erster entwarf 1823 Adolphe Thiers aus der Sicht des liberalen Groß-
Interpretation
bürgers ein positives Gegenbild, das die liberalen Errungenschaften der Revolu-
tion hervorhob: die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, das Reformwerk
der Konstituante, die Verfassung von 1791. Der Romantiker Jules Michelet
prägte die idealisierende Vorstellung vom „guten Volk", das seine Ketten zerbro-
Deutung der Französischen Revolution 163

chen habe. In der Zeit der Dritten Republik gelang es Alphonse Aulard, auch der
Jakobinerdiktatur positive Aspekte abzugewinnen. Er stilisierte Danton zum
umsichtigen pragmatischen Republikaner und zum nationalen Helden des be-
drohten Vaterlandes. Die Verantwortung für die Schreckensherrschaft wurde
seinem „Gegenspieler" Robespierre aufgebürdet. Schließlich überdeckte
Clemenceau die differenzierende Beurteilung der Historiker mit seiner berühm-
ten „Blockthese": „La Revolution est un bloc!" Die unteilbare Französische
Revolution wurde zum nationalen politischen Mythos.
Auf ganz andere Weise aktualisierten die sozialistischen Interpreten das Erbe Die sozialistische
der Revolution. Die Phase der Terreur wurde als Höhepunkt der französischen InterPretatlon
Revolution und als Vorstufe einer egalitären Gesellschaftsverfassung angesehen.
Ältere Ansätze aus der Zeit der Februarrevolution von 1848 aufgreifend, verfaßte
Jean Jaures 1901-1904 die erste „Histoire socialiste de la Revolution francaise".
In ihrer Nachfolge stehen die bedeutenden Gesamtdarstellungen von A. Mathiez
[309], G. Lefebvre [292] und A. Soboul [352]. Mathiez lieferte erstmalig eine
umfassende Analyse der wirtschafts- und sozialpolitischen Maßnahmen der
Jakobiner. Die „Terreur" diente aus seiner Sicht dem Ziel der revolutionären
Umgestaltung der Besitzverhältnisse. So wurden die Jakobiner bei Mathiez zu
den Vorfahren der russischen Oktoberrevolution. Lefebvre und Soboul beton-
ten ihrerseits die progressiven Züge des jakobinischen Egalitarismus; sie bestritten

allerdings die „sozialistischen" Zielsetzungen der Robespierristen, die nie daran


gedacht hätten, das Privateigentum aufzuheben. Lefebvre begründete die dirigi-
stische Wirtschaftspolitik und die Terrormaßnahmen auch und vor allem mit den
Zwängen der Kriegs- und Notdiktatur. Bei Soboul fällt der dynamische Part im
Revolutionsgeschehen den ländlichen und städtischen „Volksmassen" zu, deren
soziales und politisches Instrument die jakobinische Diktatur gewesen sei. Die
Gleichheitsrepublik blieb jedoch nach Soboul „im Bereich der Antizipationen,
des niemals erreichten, aber stets erstrebten Ikariens" [352: Die Große Französi-
sche Revolution, 573]. Nachdrücklicher noch als Soboul betonte die
sowjetmarxistische Geschichtsschreibung (V. P. Volgin, V. M. Dalin, A. R.
Narocnickij, A. R. Ioannisian, A. V. Ado, V. S. Alekseev-Popov, A. Z. Man-
fred), der auch einige französische und DDR-Historiker nahestanden (C. Ma-
zauric, W. Markov), die aktivistischen Elemente der „Volksrevolution" und das
kommunistische Gedankengut, insbesondere bei Babeuf. Der Leipziger Histori-
ker W. Markov, Herausgeber mehrerer Sammelwerke, die einen Einblick in diese
Forschungsrichtung vermitteln [304: Jakobiner und Sansculotten; 305: Robes-
pierre], ergänzte Mazaurics Babeufstudie [311: Babeuf et la conspiration pour
Pegalite] durch seine Arbeiten über Jacques Roux und die Enrages [306: Die
Freiheit des Priesters Roux; Exkurse zu Jacques Roux].
Die sozialistische und marxistische Interpretation ging davon aus, daß die
Revolution das Ergebnis eines Klassenkampfes zwischen Bourgeoisie und Feudal-
adel gewesen sei. Allerdings habe erst die Unterstützung der Bauern und der
164 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

städtischen Unterschichten die kompromißlose Liquidierung des Ancien Regime


ermöglicht. Als die revolutionäre „Klassenallianz", die von Lefebvre als „Volks-
front" bezeichnet wird, 1794 zerbrach, habe sich das Bürgertum zur alleinherr-
schenden Klasse erhoben. Der Sieg des Bürgertums bedeute zugleich den Durch-
bruch des modernen Kapitalismus. Im Rahmen der marxistisch-leninistischen
Geschichtstheorie markiert so die französische Revolution die Ablösung des
Feudalismus durch den Kapitalismus und damit eine Etappe in der kontinuierli-
chen Aufwärtsentwicklung der Gesellschaft. Lefebvre hat darüber hinaus die
Einzigartigkeit des französischen Ereignisses betont. Als Revolution de la liberte
habe die Revolution die modernen bürgerlichen Freiheiten geschaffen; als
Revolution de l'egalite habe sie eine soziale Demokratie zu verwirklichen ver-
sucht; als Revolution de l'unite habe sie den ersten nationalen Einheitsstaat
errichtet. Auch die sozialistische Interpretation trug so dazu bei, daß der französi-
schen Revolution der höchste Stellenwert im Selbstverständnis Frankreichs ver-
liehen wurde. Es ist von hier aus begreiflich, daß die von R. R. Palmer zur Debatte
gestellte These einer „atlantischen Revolution" (vgl. Kap. II, 1) bei französischen
Historikern mit Ausnahme von J. Godechot auf Ablehnung stieß.
Mit den schulebildenden Werken Lefebvres über das ländliche Frankreich [294:
-
-

Standardwerke zur
Sozial- und Wirt- Les
schaftsgeschichte paysans du Nord; 293: La grande peur] begann zugleich der Siegeszug der
sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Interpretation der Revolution und ihrer
Ursachen. Lefebvres Meisterschüler E. Labrousse untersuchte vor dem Hinter-
grund der Weltwirtschaftskrise von 1929 die Schwankungen der Preise und Löhne
am Ende des Ancien Regime und fügte so den sozialen Faktoren im
Ursachenge-
flecht der Revolution die Bedeutung der Wirtschaftskonjunktur hinzu [288: La
crise de l'economie franchise]. A. Soboul, Lefebvres Nachfolger auf dem Sor-
bonne-Lehrstuhl für Französische Revolution, den er bis zu seinem Tode im Jahre
1982 innehatte, und der Lefebvre-Schüler G. Rude übertrugen das Thema der
Volksrevolution von den ländlichen auf die städtischen Volksmassen. Rude [336:
Die Massen in der Französischen Revolution] beschrieb aus den Quellen der
Pariser Polizeipräfektur die Aufstände an den „journees revolutionnaires" und
analysierte, ausgehend vom Klassen-Schema, die soziale Zusammensetzung der
Sansculottenbewegung. Soboul erarbeitete eine umfangreiche Quellendokumen-
tation über die Pariser Sansculotterie [46] und schuf mit den „Sans-culottes
parisiens en l'an II" [351] ein Standardwerk über die Organisation, das Programm
und die Verhaltensweisen der revolutionären Pariser Volksbewegung.
Die Kritik der Die sozialistische Globaldeutung der „bürgerlichen Revolution mit Unterstüt-
„Revisiomsten
zung der Volksmassen", wie sie flexibel von Lefebvre und strenger dogmatisch
von Soboul vertreten wurde, provozierte die scharfe Kritik der
sog. revisionisti-
schen Forschungsrichtung. Als erster erklärte der streitbare englische Historiker
A. Cobban die „bürgerliche" Französische Revolution zum realitätsfernen
„Mythos" [227: The social interpretation of the French Revolution]. In Paris
eröffnete der namhafte Revolutionshistoriker F. Füret den Kampf gegen den
Deutung der Französischen Revolution 165

„revolutionären Katechismus" der neojakobinisch-sozialistischen „Vermächt-


nishistoriographie". In Auseinandersetzung mit der linken Traditionspflege legte
Füret 1965 gemeinsam mit D. Richet eine bis heute unübertroffene Gesamtdar-
stellung der Französischen Revolution vor, die ebenso wie seine Streitschrift
„Penser la Revolution francaise" auch in deutscher Ubersetzung herauskam
[247: Die Französische Revolution; 248: 1789 Vom Ereignis zum Gegenstand
der Geschichtswissenschaft]. Auf deutscher Seite boten zwei internationale For-
-

schungskolloquien, die 1975 in Göttingen [273: E. Hinrichs, E. Schmitt, R.


Vierhaus, Hrsg., vom Acien Regime zur Französischen Revolution] und 1979 in
Bamberg [343: E. Schmitt, R. Reichardt, Hrsg., Die Französische Revolution
zufälliges oder notwendiges Ereignis?] stattfanden, ein Forum der Diskussion.
-

Außerdem wurden die Forschungskontroversen in den von E. Schmitt heraus-


gegebenen Sammelpublikationen vorgestellt [340: Die Französische Revolution:
Anlässe und langfristige Ursachen; 341: Die Französische Revolution]. Über die
Fülle der demographischen und sozialgeschichtlichen Untersuchungen infor-
mierte 1977 ein ausführlicher Forschungsbericht von R. Reichardt [328: Bevöl-
kerung und Gesellschaft Frankreichs im 18. Jh.]. Am sozialgeschichtlichen Ansatz
änderte sich vorerst nichts. Nach wie vor ging es darum, die sozialen Ursachen und
Folgen der Revolution zu analysieren und die strukturellen Rahmenbedingungen
mit Blick auf längerfristige Entwicklungsprozesse genauer zu bestimmen.
Zur Debatte standen vor allem die Wandlungen in der ländlichen und städti- Streitfragen
sehen Gesellschaft sowie jene Prozesse, die sich an der Scheidegrenze von Altadel,
Neuadel und Bürgertum abspielten. Daran knüpften sich in Auseinandersetzung
mit älteren Thesen etwa folgende Fragen: War die französische Revolution en bloc
eine „bürgerliche Revolution", oder fanden 1789 drei Revolutionen statt? Welche
gemeinsamen oder gegensätzlichen Motivationen und Zielsetzungen hatten die an
der Revolution beteiligten sozialen Gruppen? Gab es am Ende des Ancien Regime
eine „reaction feodale" ? Bedeutete die Zäsur von 1789 einen radikalen Bruch in der
französischen Geschichte oder lassen sich Kontinuitäten im Übergang vom
Ancien Regime zur Revolution feststellen? War die Jakobinerdiktatur der Höhe-
punkt der französischen Revolution oder nur eine Phase, in der die „bürgerliche
Revolution" für kurze Zeit von ihrem Weg abwich? Die Aufdeckung der höchst
komplizierten Gemengelage sozialer Konflikte im Auflösungsprozeß des Ancien
Regime und die Beobachtung eines gesellschaftlichen Wandels, der längst vor 1789
einsetzte steigende Bevölkerung, steigende Preise, steigende soziale Mobilität,
steigende Anteilnahme einer kritisch-räsonnierenden Öffentlichkeit an politi-
-

schen Auseinandersetzungen ließen es zweifelhaft erscheinen, ob der Zäsur


von 1789 tatsächlich jene säkulare Bedeutung zukam, die bisher als sicher
-

ange-
nommen worden war.
Die Forschungen zur Agrargeschichte machten besonders deutlich, daß die
Auflösung der Ständegesellschaft im 18. Jahrhundert mit einer Modernisierungs-
krise verbunden war. Schon Lefebvre hatte in seinen agrargeschichtlichen Ar-
166 II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

beiten [294: Les paysans du Nord; 293: La grande peur; 291: Etudes sur la
Revolution franchise] die Autonomie der Bauernrevolution hervorgehoben und
den Konflikt in der Dorfgesellschaft auch darauf zurückgeführt, daß der Kapita-
lismus zum Teil unter der Decke der Feudalrechte in die Landwirtschaft eindrang
und das Abgabenwesen für die Bauern noch weniger erträglich machte. Mehrere
Regionalstudien von E. Le Roy Ladurie [290: Les paysans de Languedoc], R Bois
[217: Paysans de l'ouest], A. Poitrineau [324: La vie rurale en Basse Auvergne], P.
de Saint-Jacob [337: Les paysans de la Bourgogne], J. Meyer [314: La noblesse

bretonne], R. Robin [334: La societe francaise] u. a. untersuchten die Verände-


Feudale Reaktion rungen innerhalb der Seigneurie. Der Streit entzündete sich vor allem an der Frage,
oder
v"bu^|er^~
Seigneurie?
ob die Wandlungen der Agrarwirtschaft noch mit dem Begriff „Feudalität" erfaßt
und auf eine „reaction feodale" zurückgeführt werden können. A. Cobban [227:
The social interpretation of the French Revolution] legte als erster die Gegenthese
vor, daß die Triebkraft der Revolution nicht ein den gesamten Tiers Etat einigender
Klassenkampf gegen die Feudalaristokratie gewesen sei, sondern die Polarisierung
von Stadt und Land und der Widerstand der im ökonomischen Bereich eher

konservativen Bauern gegen den ländlichen Kapitalismus adliger und bürgerli-


cher Grundherren. Cobban lehnte die Bezeichnung „feudale" oder „aristokrati-
sche Reaktion" ab und sprach statt dessen von der „Verbürgerlichung der Sei-
gneurie". F. Füret [Der revolutionäre Katechismus, in: 341: E. Schmitt, Die
Französische Revolution, 46 ff., in erweiterter Fassung auch in: 248: Penser la
Revolution francaise] verwies auf die Ergebnisse der Regionalstudien, die selbst
für wirtschaftlich rückständige Gebiete belegen, daß die herkömmlichen Feudal-
abgaben längst weniger einbrachten als die Einkünfte aus der Verpachtung und der
direkten Bewirtschaftung [zusammenfassend hierzu: 269: G. van den Heuvel,
Grundprobleme der französischen Bauernschaft]. Dagegen hielt R. Robin [Der
Charakter des Staates am Ende des Ancien Regime, in: 341: E. Schmitt, Die
Französische Revolution, 207] mit Marx daran fest, daß die Pacht „eine halb-
feudale und halbkapitalistische Mischform" darstelle; und nach A. Soboul blieb
die Grundrente im „wesentlichen feudal". Füret führte diese Begriffsverwirrung
wohl zutreffend auf den „immer noch sehr weit verbreiteten Irrglauben" zurück,
„daß Revolutionen notwendigerweise aus dem Wunsch bestimmter Klassen oder
Gesellschaftsgruppen entstehen, eine in ihren Augen allzu langsame Veränderung
zu beschleunigen." Und er fuhr fort: „In einem bestimmten Sektor der Gesell-

schaft, der direkt von der Umwälzung der traditionellen Ordnung betroffen ist,
kann die Revolution auch aus dem Widerstandswillen gegen einen als zu rasch
empfundenen Wandel resultieren" [ebd., 75].
Von der Analyse des Verhältnisses Stadt-Land ausgehend, wies Ch. Tilly [359:
The Vendee] am Beispiel des Vendeeaufstandes nach, daß das antibürgerliche
Mißtrauen der Bauern gegenüber den Städtern auch im Verlauf der Revolution
nicht verschwand und sich bei einem Teil der Landbevölkerung mit der gegen-
revolutionären Chouannerie verband. Unter den deutschen Historikern lieferte
Deutung der Französischen Revolution 167

E. Weis [369: Ergebnisse eines Vergleichs der grundherrschaftlichen Strukturen


Deutschlands und Frankreichs] in einer komparativen Analyse der deutschen und
französischen Agrarverhältnisse einen Beleg dafür, daß die französischen Bauern,
die am Ende des 18. Jahrhunderts nur noch über ein Drittel des Bodens verfügten,
im Gegensatz zum westelbischen Deutschland, wo 80-90 % des Landes zu Nutz-
eigentum ausgegeben war, nicht mehr in erster Linie von den seigneurialen
Rechten, sondern von der Konzentration des Grundbesitzes und von der Geld-
verpachtung betroffen waren. Vom Ergebnis der Bauernrevolution her gesehen,
kam E. Hinrichs [272: Die Ablösung von Eigentumsrechten, 177] zu dem Schluß,
daß die Aufhebung der seigneurialen Rechte 1789 die Widerstände gegen die
Entwicklung zum Agrarkapitalismus nicht beseitigt habe: „Indem die französi-
schen Bauern vor der Revolution die immer stärker kommerzialisierten Feudal-
rechte und nach 1789 ihre finanzielle Ablösung bekämpften, bekämpften sie im
Grunde, was im Frankreich des Ancien Regime auch mit Hilfe der ,Feudalität'
- -

zum Kapitalismus drängte."


Wie in der Bauernrevolution, so hat die auch in der städtischen
Forschung Kontroverse über die
antimoderne und antibürgerliche Sansculotten
Volksbewegung stark rückwärtsgewandte,
Züge entdeckt, z. B. im Kampf gegen Freigabe
die des Handels und der Preise.
Belege sind nicht zuletzt den quellennahen Untersuchungen Sobouls zu entneh-
men [351: Les Scans-culottes parisiens]. Die Sansculotten verteidigten jene tradi-
tionelle plebejische Eigenkultur der „moralischen Ökonomie", die E. P. Thomp-
son für die Unterschichten im England des 18. Jahrhunderts beschrieben hat. Seit
den Arbeiten von Rude und Soboul wissen wir, daß das „Volk von Paris" weder
als „Pöbel" (Taine) noch als die „Nation" (Michelet), aber auch nicht als soziale
Klasse, Präproletariat oder gar als Proletariat agierte. Es überwog der „menu
peuple", die kleinen Leute aus Handwerk und Handel. Ihre noch präkapitalisti-
sche Mentalität wurde auch von Soboul und Rude nicht bestritten. Soboul
beschrieb dennoch das gesellschaftspolitische Ideal der Sansculotten und ihre
Forderung, daß die Reichen ihren Uberfluß mit den Armen teilen sollten, mit
dem Begriff „Teilungskommunismus". Auch in diesem Fall erschien der Vorwurf
nicht unberechtigt, daß die marxistische Sehweise und die entsprechende Termi-
nologie die Fakten zu sehr einkapseln. Für F. Füret und D. Richet [247: La
Revolution] hinterließen die Sansculotten keine zukunftsweisenden Spuren in der
französischen Geschichte. Ihre Vorstellungen vom wirtschaftlichen Kleinprodu-
zenten und Kleineigentümer und vom Dirigismus des Staates entstammten viel-
mehr der Welt des Ancien Regime und liefen auf Wiederherstellung der vertrauten
Verhältnisse hinaus. Beide Autoren meinten, daß sich die Aufstände der Bauern
wie der Sansculotten noch der Kategorie traditioneller Hungerrevolten zuordnen
lassen. Füret [211: Das Zeitalter der europäischen Revolution, 64 f.] erinnerte an
den jahrhundertealten „Chiliasmus der Armen", der „durch ein tiefes Verlangen
nach Vergeltung und Umkehrung des sozialen Status" genährt worden sei und
auch den Egalitarismus der Revolutionszeit geprägt habe. K. Kluxen [285:
168 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Französische Revolution und industrielle Klassengesellschaft] hat allerdings her-


vorgehoben, daß der künstliche Industrialismus der Kriegswirtschaft für kurze
Zeit eine wenn auch regional begrenzte Klassengesellschaft entstehen ließ, wobei
im Grunde die Regierung der Unternehmer war: „Die Revolution begann eben
nicht im Zeichen eines Klassenkampfes, sondern sie brachte dessen Konstellation
erst hervor. Der Versuch seiner Aufhebung durch Robespierre und St. Just verur-
sachte den Rückschlag des Pendels und mündete in den Sieg des girondistischen
Großbürgertums ein, der der Revolution nachträglich ihren bürgerlichen' Cha-
rakter verlieh" [ebd., 69].
Eine „bürgerliche" Uber kein Problem ist freilich so viel gestritten worden wie über das der
Revolution?
„bürgerlichen Revolution". Welches Bürgertum ist gemeint? A. Cobban [227:
The social interpretation of the French Revolution] und seine Schülerin E. L.
Eisenstein [Who intervened in 1788?, in: 340: E. Schmitt, Die Französische
Revolution, 254 ff.] lehnten es überhaupt ab, von einer „bürgerlichen Revolution"
zu sprechen. In Wirklichkeit, meinte Cobban, habe sich 1789 nichts anderes

abgespielt als ein politischer Machtkampf um Staatsämter. Zu den sozialen Trä-


gerschichten der Revolution habe, wenn überhaupt, das Amtsbürgertum gezählt,
jedenfalls nicht das Handels- und Manufakturbürgertum der Städte, das in der
Nationalversammlung kaum durch Abgeordnete vertreten gewesen sei. Eisen-
stein wies darauf hin, daß keiner der Sprecher des parti national seiner sozialen
Herkunft nach aus dem Bürgertum stammte: Sieves war ein Abbe, Mirabeau ein
Graf, Lafayette ein Marquis. Nach Einkommen und Vermögen läßt sich überdies
das Bürgertum des 18. Jahrhunderts nur schwer klassifizieren und vom Adel
trennen. Wie mehrere Regionalstudien belegen [245: R. Forster, The nobility
of Toulouse; 334: R. Robin, La societe francaise en 1789; 348: J. Sentou, Fortunes
et groupes sociaux ä Toulouse], lebten die meisten Großbürger noch nicht auf

kapitalistischer Grundlage, sondern wie die Adligen von Ämtern, Renten,


Pensionen und Landbesitz. G.V. Taylor [Noncapitalist wealth, in: 340: E.
- -

Schmitt, Die Französische Revolution, 288ff.] prägte den Begriff „Eigentums-


kapitalismus" (propriatory capitalism). Auch sozialistische Historiker akzeptier-
ten in dieser Hinsicht die revisionistischen Forschungsergebnisse. R. Robin [334:
La societe francaise en 1789] entschied sich für die Bezeichnung „bourgeoisie
d'ancien regime", die von vielen Historikern übernommen worden ist. M. Vo-
velle empfahl, „das differenzierte Profil einer gemischten Bourgeoisie des Über-

gangs zu zeichnen" [364: Die Französische Revolution, 70]. Es besteht heute


Konsens darüber, daß der Begriff Bourgeoisie jedenfalls nicht das Industriebürger-
tum des 19. Jahrhunderts bzw. die tendenziell kapitalistische Bourgeoisie im
marxistischen Sinne meint. Ebensowenig wird bestritten, daß Adlige ihrerseits
erfolgreich in Wirtschaftsbereiche eindrangen, die nach älterer Lehrmeinung dem
„aufsteigenden" Handels- und Manufakturbürgertum vorbehalten waren. Zahl-
reiche Belege hierfür liefert die Arbeit von G. Richard [333: La noblesse
d'affaires].
Deutung der Französischen Revolution 169

So aber entstand nicht nur ein völlig neues Bild vom Bürgertum, sondern auch
Neuinterpretation
vom Adel, das die ältere Vorstellung einer „reaction feodale" in Frage stellte. Die der Aaelsknse
Adelsgesellschaft war am Ende des Ancien Regime nicht durch Erstarrung und
Abwesenheit von Wandel charakterisiert; sie war im Gegenteil sehr raschen
Veränderungen unterworfen. Die Studien von J. Egret [239: La Pre-Revolution
francaise], F. Bluche [216: Les magistrats du Parlement de Paris], W. Doyle [233:
The Parlement of Bordeaux], V.R. Gruder [261: The Royal Provincial Inten-
dants], D.D. Bien [213: La reaction aristocratique] und G. Chaussinand-No-
garet [225: La noblesse] über den
Aufstieg Bürgerlicher in Adelsämter bestätigten
die gesteigerte soziale Mobilität und die Integration der obersten Schichten des
Tiers Etat in den Adel. Insofern gab es keine Blockierung des Bürgertums durch
die Exklusivität einer Adelskaste. Der Konflikt spielte sich eher innerhalb der
Adelsgesellschaft, zwischen Altadel und Neuadel, ab. Wie D. D. Bien anmerkte,
ging das Edikt von 1781 über die Offiziersstellen nicht gegen Bürgerliche vor,
sondern gegen jene Adligen, die nicht vier Adelsgenerationen vorweisen konnten.
Der Widerstand kam vornehmlich aus den Reihen des Provinz- und Landadels
und richtete sich gegen die führende aristokratisch-bürgerliche Elite aus Hofadel
und Roture. So läßt sich auch die Identitätskrise des Kleinadels auf eine Moder-
nisierungskrise zurückführen.
Auch im Zusammenhang mit der Sozialgeschichte der Aufklärung wurde dem Die aristokratisch-
Begriff der „bürgerlichen Revolution" der Begriff der „Elite" entgegengesetzt, der Durgerl>che „Elite
die Verwischung der Standesgrenzen in der Oberschicht andeuten soll. Auf
sozialer Ebene entstammte diese Elite allen drei Ständen, wenn auch
überwiegend
dem Dritten Stand; auf kultureller Ebene verband sie das neue Wertsystem der
Aufklärung. Die These einer überständischen Elitebildung, wie sie vor allem von
G. Chaussinand-Nogaret [225: La noblesse au XVIIP
siecle] vertreten wurde,
übersah allerdings die Widerstände der alten Gesellschaftshierarchie, die sich dem
egalitären Verschmelzungsideal und dem propagierten Selbstverständnis der
Gelehrtenrepublik entgegenstellten. D. Roche [335: Le siecle des lumieres en
province; Die „Societ.es de pensee", in: 265: Gumbrecht, Reichardt, Schleich,
Hrsg., Sozialgeschichte der Aufklärung, T. 1,77 ff.] hat am Beispiel der Akademie-
und Freimaurerbewegung nachgewiesen, daß das Offenheitspostulat in der Praxis
nicht immer eingehalten wurde. In den größeren Städten, wo mehrere
Logen
gegründet wurden, spezialisierten sie sich vielfach auf jeweils bestimmte Gesell-
schaftsgruppen; und in den Provinzialakademien bewahrten Adlige und Privile-
gierte trotz der steigenden Zahl bürgerlicher Mitglieder (30-35 %) ein deutliches
Ubergewicht. Sehr nachdrücklich werden die Beharrungstendenzen der Adels-
gesellschaft in der Monographie der Vovelle-Schülerin M. Cubells über die Aixer
Parlamentsaristokratie betont [229: La Provence des Lumieres]. Andererseits läßt
sich nicht bestreiten, daß die Aufklärungsbewegung ebenso wie der parti des
patriotes von 1789 eine gemischte Sozialstruktur aufwies. Dem entspricht der
weitgehend übereinstimmende Stellenwert aufklärerischer Reformforderungen in
170 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

einem Teil der adligen wie bürgerlichen Cahiers de doleances [R. Chartier, Die
cahiers de doleances von 1789, in: 265: Gumbrecht, Reichardt, Schleich,
Hrsg., Sozialgeschichte der Aufklärung, T. 2, 171 ff.].
Furet/Richet: Die Für F. Füret und D. Richet [247: La Revolution] hatte die „bürgerliche
drei Revolutionen
von 1789 und das
Revolution" das Ziel, durch liberale Reformen ein durch die aufgeklärte
b Elite
„Ausgleiten" der kontrolliertes Staatswesen durchzusetzen. Die „Revolution de la liberte war
,

liberalen Revolution erfie


„bürgerliche Revolution", weil mit ihren Errungenschaften die teilweise
Abschaffung der Feudalrechte, die Erklärung der Menschen- und Bürger-
-

rechte, die Zivilkonstitution des Klerus, die Zerschlagung der historischen


Provinzen, die Abschaffung der Stände, Zünfte und Privilegien, die Einführung
von Geschworenengerichten, die Verfassung von 1791 das Zeitalter der
bürgerlichen Nationalstaaten, des Konstitutionalismus und des Wirtschafts-
-

liberalismus begann. Da die bäuerlichen und städtischen Volksmassen andere


und teilweise entgegengesetzte, nämlich vergangenheitsorientierte Ziele ver-
folgten, fanden nach Füret und Richet 1789 drei Revolutionen statt: der
liberale Reformanlauf der aufgeklärten Elite in Versailles, der Kampf der
Bauern um die Befreiung von Steuer- und Seigneuriallasten, die Hunger-
revolte des Kleinbürgertums in den Städten. Die Eigendynamik der Bauern-
und der Sansculottenrevolution, der Ausbruch des Krieges und das Scheitern
der konstitutionellen Monarchie bewirkten das „Ausgleiten" (derapage) der
„liberalen" Revolution in der Phase der Konventsherrschaft bis zum Sturz
Robespierres. Die Jakobinerdiktatur stellt in dieser Interpretation nur ein
kurzes Zwischenspiel dar, das für den weiteren Geschichtsverlauf im
19. Jahrhundert folgenlos blieb. In der Zeit der „bürgerlichen" Republik ab
1795 kehrte die Revolution vielmehr zu ihrem Ausgangspunkt zurück.
Die Relativierung Die stärkere Beachtung der Auflösung traditioneller Sozialstrukturen schon in
der Zäsur von 1789
der Zeit des Ancien Regime führte zugleich zu einer Wiederentdeckung Tocque-
villes und seiner These von einer begrenzten Kontinuität, die den revolutionären
Bruch überdauerte. Nicht nur für die administrative Zentralisation, sondern auch
für andere Bereiche Verfassung, Wirtschaft, Gesellschaft, Religion und Kultur
läßt sich zeigen, daß das Ancien Regime viel stärker auf die Revolution eingewirkt
-
-

hat, als es die gemeinhin übliche Unterscheidung zwischen „alt" und „neu" (wobei
„alt" meist mit „feudal" gleichgesetzt wird) wahrnehmen will. Schon früh mach-
ten deutsche Historiker auf verfassungspolitische Kontinuitäten aufmerksam. E.
Schmitt [339: Repräsentation und Revolution] hat die Genesis der Theorie und
Praxis parlamentarischer Repräsentation aus der Herrschaftspraxis des Ancien
Regime hergeleitet. R. Reichardt [Die revolutionäre Wirkung der Reform der
Provinzialverwaltungen, in: 273: E. Hinrichs u. a., Hrsg., Vom Ancien Regime
zur Französischen Revolution, 66 ff.] wies nach, daß sich die Führungsschicht der

Revolutionäre von 1789 aus den Honoratioren der Repräsentativkörperschaften


des Ancien Regime (Klerusversammlungen, Provinzialversammlungen, Munizi-
palitäten) zusammensetzte. „Wahrscheinlich", so resümierte E. Schmitt [342:
Deutung der Französischen Revolution 171

Einführung in die Geschichte der französischen Revolution, 89], „war die ganze
Staats- und Verfassungsreform der Jahre 1789-1791, die ja auf aufklärerischem
Denken fußte, in weit größerem Maße aus den Plänen des Ancien Regime
inspiriert, als wir bis heute vermeinen."
Die sozial- und kulturgeschichtlich orientierte Aufklärungsforschung in ihren Sozio-kulturelle
verschiedenen Teildisziplinen Buchgeschichte, Alphabetisierungsforschung, Veränderungen vor
-

Erziehungsgeschichte, Frömmigkeitsforschung, Geschichte der aufklärerischen


Gesellschaften belegte ihrerseits, daß sich schon im Zeitalter der Lumieres
zahlreiche sozio-kulturelle Veränderungen abzeichneten. Viele Anzeichen, z. B.
-

die Zunahme des Buchbesitzes und die Abkehr von barocken Frömmigkeitsregeln
auch in kleinbürgerlichen Kreisen, deuten darauf hin, daß die Aufklärung eine
größere Breitenwirkung, als bis dahin angenommen, erreichte [265: H.U. Gum-
brecht, R. Reichardt, Th. Schleich, Hrsg., Sozialgeschichte der Aufklärung,
mit wichtigen Beiträgen von D. Roche, Die Societes de pensee; D. Julia, Staat,
Gesellschaft und Reform der Lehrpläne; R. Darnton, Neue Aspekte zur Ge-
schichte der Encyclopedie; J. Queniart, Alphabetisierung und Leseverhalten in
den Unterschichten; M. Vovelle, Entchristianisierung; 326: J. Queniart, Cul-
ture et societe urbaines]. Besonders aufschlußreich für die Wirkungskraft der
Spätaufklärung und den Wandel des Lesepublikums sind die Untersuchungen
von R. Darnton über die lukrativen Geschäfte, die mit Raubdrucken und
verbotenen Schriften gemacht wurden. Dies gilt auch für eine Billigausgabe der
Enzyklopädie [230: Glänzende Geschäfte]. Eine weitverbreitete Pamphletlitera-
tur „Gossenrousseaus", Skandalchroniken, Schmähschriften
gegen die Königin
und die Sittenverderbnis bei Hofe trug schon vor 1789 zur Radikalisierung der
-

öffentlichen Meinung bei [231: Literaten im Untergrund].


-

Für den wirtschaftlichen und sozialen Bereich steht es außer Zweifel, daß die Sozio-ökonomische
Revolution die Strukturen nicht grundlegend veränderte und in mancherlei Hin- Kontinuitäten
sieht „moderne" Entwicklungen, die sich vor 1789 anbahnten, eher abbremste.
Frankreich blieb das Land der Parzellenbauern. Freihändlerische Tendenzen, die
schon Turgot zu fördern versuchte, wurden durch protektionistische verdrängt.
Die Wirtschaftshistoriker S. B. Clough [Retardierende Faktoren im französi-
schen Wirtschaftswachsum, in: 341: E. Schmitt, Die Französische Revolution,
181 ff.], F. Crouzet [428: De la superiorite de 1'Angleterre] und M. Levy-Leboyer
[443: La croissance economique en France] stimmen darin überein, daß die
Revolution die Ausbildung des Industriekapitalismus stark verzögert hat. Crou-
zet spricht geradezu von einer „desindustrialisation". Desgleichen führten die
Forschungen über die napoleonische Notabeingesellschaft, insbesondere von L.
Bergeron [374: L'episode napoleonien; 212: Die französische Gesellschaft von
1750-1820; 373: Banquiers, negociants et manufacturiers parisiens] und J. Tulard
[Problemes sociaux de la France napoleonienne, in: 389: La France ä l'epoque
napoleonienne, 639 ff.; 410: Nouvelle histoire de Paris; 411: Napoleon ou le mythe
du sauveur], zu dem Ergebnis, daß sich die Zusammensetzung des Bürgertums
172 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

unter dem Kaiserreich nicht wesentlich von seiner Zusammensetzung vor 1789
unterschied: Handel, Grundbesitz und Staatsdienst.
Mit der Präzisierung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse und der
Feststellung, wie stabil sie trotz des Einschnitts von 1789 geblieben waren, wurde
es freilich immer schwieriger, die „einfache"
Frage nach der Bedeutung der
Revolution zu beantworten. Das große Epochenereignis, das in mehrere Revolu-
tionen zerfiel, drohte sich gleichsam in den Kontinuitäten der langen Zeitabläufe
aufzulösen. Aus der Unzufriedenheit mit dieser Forschungslage erwuchs der
Wende zur Memali- Protest der Mentalitäts- und Kulturhistoriker, die sich nicht zuletzt mit Blick
tats- und Kultur-
auf jje herannahenden Zweihundertjahrfeiern der Revolution zu Wort meldeten
geschiente
angeführt von M. Vovelle, der 1983 die Nachfolge Sobouls an der Pariser -

Universität antrat.
Bis dahin war die „Histoire des mentalites", die einen herausragenden Platz im
Programm der Zeitschrift Annales einnahm, primär für die frühneuzeitliche
Geschichte erforscht worden. Die Strukturalisten der Annales interpretierten
die Mentalitäten, d. h. kollektive Einstellungen, Denkweisen und Verhaltensdis-
positionen, mit F. Braudel als Phänomene von „langer Dauer". Es wurde vor-
ausgesetzt, daß sich Mentalitäten, wenn überhaupt, nur sehr langsam wandeln. Mit
den Worten von Le Roy Ladurie stellen sie als Gefangene in den „prisons de la
longue duree" ein „phantastisches Hindernis für Veränderungen" dar [290: Die
Bauern des Languedoc, 14].
Auch Vovelle hat in seinen ersten religionsgeschichtlichen Studien den schlei-
chenden Wandel barocker Frömmigkeitsformen über lange Fristen hinweg ver-
folgt. Mit den neuartigen seriellen Methoden, wie sie von den Annales-Histori-
kern bevorzugt wurden, wies er auf der Quellenbasis Tausender von Testamenten
aus den Notariatsakten der Provence den allmählichen
Rückgang derjenigen
Verfügungen nach, die wie z. B. die frommen Stiftungen der Sicherheit des See-
lenheils gedient hatten. Ziel solcher Untersuchungen war es, den im 18. Jahr-
hundert beginnenden Prozeß der Entchristlichung statistisch zu belegen und
gleichsam nachzählbar zu machen [Piete baroque et dechristianisation en Pro-
vence au XVIIP siecle, Paris 1973].
Mit der Fixierung auf Langzeitprozesse gerieten die Mentalitätshistoriker
allerdings in ein ähnliches Dilemma wie die Sozialwissenschaftler. Nicht nur die
Haupt- und Staatsaktionen der großen Politik wurden ihres Vorrangs beraubt,
sondern auch das herausragende Ereignis der Volksrevolution drohte seine Wucht
und Eigendynamik zu verlieren. Vieles schien bereits in den mentalen und
kulturellen Voraussetzungen der Revolution angelegt. Um „die Kreativität des
revolutionären Augenblickes" wiederzuentdecken, so forderte Vovelle, müsse
man die Mentalitäten aus den „Gefängnissen der langen Dauer" befreien [364: Die
Französische Revolution]. Die Tragweite der Revolution wurde von Vovelle
nicht mehr in erster Linie an den wirtschaftlichen und sozialen
Veränderungen
gemessen, sondern an den kollektiven Umbruchserfahrungen der Menschen, an
Deutung der Französischen Revolution 173

der Art, wie das Schlüsselereignis der Revolution erlebt wurde. Die von ihm zu den
Jubiläumsfeiern von 1989 herausgegebene Kongreßpublikation trägt den pro-
grammatischen Titel: „L'image de la Revolution franchise" [368]. Es geht um das
mentalitätsprägende Bild, das die Revolution von sich selbst, d. h. vom Anbruch
einer neuen Zeit und einer neuen Welt, „imaginierte". „Die Französische Revolu-
tion als Bruch des gesellschaftlichen Bewußtseins" so lautete thesenhaft und

ganz im Sinne Vovelles das Thema eines internationalen wissenschaftlichen


-

Kolloquiums, das am Vorabend des Bicentenaire von R. Koselleck und R.


Reichardt veranstaltet wurde [286].
Die neue Fragestellung eröffnete ein weites Arbeitsfeld. Das von Vovelle Vovelles For-
skizzierte Forschungsprogramm reichte von den Diskursanalysen, die am Bei- scnungsprojekt
spiel politisch-sozialer Grundbegriffe die neuen Grundwerte untersuchen, über
die Ausdrucksformen der „Kulturrevolution" in politischen Symbolen, öffentli-
chen Festen und der laizistischen Gegenreligion bis hin zu den Wandlungen des
gesellschaftlichen Alltagsverhaltens in der Familie und gegenüber dem Tod [364:
Die Französische Revolution]. Auf der Grundlage eigener Arbeiten legte Vovelle
den Schwerpunkt auf die kulturell-religiöse Dimension. In der subversiven Sym-
bolik der Entchristianisierungskampagne und der karnevalesken Umzüge des
Jahres 1793/94, aber auch in den revolutionären Festen und dem Freiheitskult
von 1789/90 fand Vovelle seine These vom „Umbruch der Mentalitäten" und
vom „Zäsurbewußtsein der Revolutionäre" bestätigt [362: Les
metamorphoses de
la fete; zuletzt hierzu 365:1793. La Revolution contre l'eglise]. Zugleich, so wies er
nach, läßt sich am Verhalten der Franzosen gegenüber den politisch-religiösen
Ereignissen der Revolutionszeit die Geographie und Soziologie der „deux France"
ablesen, eine mentale Spaltung, die sich langfristig auf die politischen Optionen des
19. und 20. Jahrhunderts auswirkte [366: M. Vovelle, La decouverte de la
politique]. „Die Revolution erscheint als Katalysator kollektiver Verhaltensmu-
ster, als eine Zeit und ein Ort, in der bzw. an dem inmitten der Aktion dauerhafte
Entscheidungen fallen" [364: Die Französische Revolution, 57].
Mit Beginn der achtziger Jahre setzte zugleich eine intensive Beschäftigung mit Politische Kulturfor-
der (zuerst in den USA entwickelten) Politischen Kulturforschung ein, die scnum3
verschiedene Spezialdisziplinen, z. B. die Mentalitäts-, Symbol- und Verhaltens-
forschung, die Wahl- und Partizipationsgeschichte, die Kommunikations- und
Mediengeschichte sowie die Werteforschung umfaßt. Bezeichnenderweise lan-
cierte F. Füret gemeinsam mit englischen und amerikanischen Kollegen seine
vierbändige Kongreßpublikation zum Jubiläum von 1989 unter dem Titel: „The
French Revolution and the creation of modern political culture" [210]. Die
Wiederentdeckung des „Politischen" ergänzte einen Forschungsansatz, der die
Rückkehr zum revolutionären Ereignis, zum „evenement structurant", anstrebte.
Inzwischen ist eine kaum noch überschaubare Zahl von Einzelstudien, Sammel- Herausragende Ar-
bänden und Kongreßakten zur Kulturgeschichte der Revolution erschienen [vgl. beiten zur Kulturre-
volution
die Forschungsberichte von E. Pelzer, 200 Jahre Französische Revolution
-
174 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Erträge der Forschung IE Die Französische Revolution als Kulturereignis, in:


NPL 36, 1991, 349-391, und R. Reichardt, Stand und Perspektiven der kultur-
historischen Revolutionsforschung. Ein Überblick, in: K. u. M. Middell, Hrsg.,
200. Jahrestag der Französischen Revolution, Leipzig 1992, 234-252]. Aus der
Detailforschung ragen einige Untersuchungen hervor, die besonders eindrucks-
voll den kulturell-mentalen Umbruch thematisieren. Hierher gehören die Studien
zur Begriffsgeschichte [331: R. Reichardt/E. Schmitt/H.-J. Lüsebrink, Hrsg.,

Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe] und zur politischen Sprache [263: J.


Guilhaumou, Sprache und Politik in der Französischen Revolution], zur
„Presserevolution" [268: C. Hesse, Publishing and cultural politics in revolutio-
nary Paris; 287: C. Labrosse/P. Retat, Hrsg., Naissance du journal
revolutionnaire; 325: J. D. Popkin, Revolutionary news], zur politischen Soziabi-
lität Q. Boutier/P. Boutry, Hrsg., Les societes politiques, 218: Atlas de la
Revolution francaise, Bd. 6, Paris 1992] und zur Symbolgeschichte [207: D.
Arasse, La Guillotine; 298: H.-J. Lüsebrink/R. Reichardt, Die „Bastille";
276: L. Hunt, Symbole der Macht, Macht der Symbole; 319: P. Nora, Hrsg.,
Les lieux de memoire].
Reichardts Revoluti- Welche Fortschritte in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren auf diesen Arbeits-
°nSneuer Art"
feiern gemacht wurden, zeigt eine 1998 von R. Reichardt vorgelegte Revolu-
tionsdarstellung „neuer Art", die erstmals die vielfältigen Aspekte der „Kultur-
revolution" bündelt und in eine leserfreundliche Gesamtdarstellung einzubringen
versucht [329: Das Blut der Freiheit]. Hauptthema seines Buches, so Reichardt
im Vorwort, sei „die politische Kultur, welche die kollektiven Verhaltensweisen,
Werte und Symbole ebenso umfaßt wie die Medien und Institutionen der Kom-
munikation, der Soziabilität und der gesellschaftlichen Meinungsbildung". Die im
Zusammenhang mit dem Bicentenaire vorangetriebene Erschließung der umfang-
reichen Bild-, Lied-, Zeitungs- und Flugblattpublizistik führt zu der zentralen
These des Buches, wonach die Revolution mit den neuen Techniken der Massen-
mobilisierung (populäre Druckgraphik, Verknüpfung von Bild- und Textelemen-
ten, Verwendung einer volksnahen Symbol- und Zeichensprache, Straßenverkauf,
Indienstnahme von Schule und Theater, Inszenierung öffentlicher Feste, Revolu-
tionskalender und neue Zeitrechnung) einen Prozeß weitreichender Politisierung
und Demokratisierung eingeleitet hat: Die Revolution steht am Ursprung der
„demokratischen Kultur" Frankreichs und Europas.
Auch methodisch erprobt Reichardt neue Erklärungs- und Darstellungsfor-
men. Seine mikrohistorischen Fallstudien zur bäuerlichen und städtischen Volks-
revolution folgen dem von C. Geertz entworfenen Postulat der „dichten Be-
schreibung" exemplarischer Ereignisse, die nach den Quellenzeugnissen für die
Zeitgenossen nicht nur in Paris, sondern auch und vor allem in der Provinz
besonders wichtig waren. Dahinter steht das poststrukturalistische Mißvergnü-
gen der Kulturhistoriker an den Kausalanalysen und Kontinuitätsthesen einer
„konstruierenden" Geschichtsschreibung, die auf der Suche nach Ursachen und
Deutung der Französischen Revolution 175

Folgen die Originalität des Ereignisses und die Lebenswirklichkeit der Menschen
zu verfehlen droht. Mit Foucault [L'archeologie du savoir, Paris
1962] bevorzugt
Reichardt die „archäologische" Analyse der revolutionären Kultur bzw. des in
Begriffen, Bildern, Symbolen und Zeichen typisierten sozialen Wissens. Im Mit-
telteil des Buches wird allerdings der Ablauf der Revolution „als politischer
Prozeß" überblicksartig und in traditioneller Manier dargestellt. Leicht fällt es
nicht, die Vielfalt der kulturhistorischen Themen in den Gesamtzusammenhang
der Revolution einzuordnen. Eine der deutschen Veröffentlichungen zum Bicen-
tenaire begnügte sich bezeichnenderweise mit der Biographie eines einzigen Tages:
der symbolträchtigen Geschichte des Bastillesturms am 14. Juli [346: W. Schulze,
Der 14. Juli 1789].
Daß die lebhaften Auseinandersetzungen um die französische Revolution nicht
zum Stillstand kamen, ist vor allem den
englischen und amerikanischen Beiträgen
zur Politischen Kulturforschung zu verdanken, die wohl auch deshalb Aufmerk-

samkeit erregten, weil sie die mächtige Unterstützung F. Furets fanden. Sein Füret: Neubewer-
gemeinsam mit M. Ozouf herausgegebenes „Kritisches Wörterbuch der Franzö- !un,g der Poli"*che
Kultur
sischen Revolution" [250] zieht nicht nur die Bilanz der revisionistischen For-
.

.
.

schungsrichtung, sondern stellt sich auch den neuen Ergebnissen der Mentalitäts-
und Kulturhistoriker. Auch nach dem „Ende der Ideologien", das auf so uner-
wartete Weise und ausgerechnet im Jubiläumsjahr 1989 mit dem Zusammenbruch
des Sowjetreiches gekommen schien, blieb die jakobinische Revolution ein zen-
trales Streit- und Reizthema.
Schon in „Penser la Revolution francaise" [248] war Füret von seiner
Interpretation eines terroristischen „Ausgleitens" (derapage) der Revolution ab-
gerückt, hatte er die Gegenthese von der Geburt einer zukunftweisenden „mo-
dernen" Kultur akzeptiert. Andererseits hielt er jedoch daran fest, daß die
revolutionäre Kultur mit der Abkehr vom liberal-parlamentarischen Repräsenta-
tionsprinzip zugunsten der direkten Demokratie zu einem „kollektiven Macht-
taumel" geführt habe. Inzwischen sind die Möglichkeiten und Grenzen der
Demokratisierung vor allem von der Symbol-, Wahl- und Werteforschung ge-
nauer untersucht worden.
Die Symbol- und Bildwelt des demokratischen Radikalismus gehört zu den Symbolgeschichte
wohl interessantesten Neuentdeckungen der Kulturhistoriker. Revolutionäre
Symbole wurden im Anschluß an Vovelle erstmals als Indikatoren des gesell-
schaftlichen Bewußtseinswandels interpretiert und die Art und Weise ihrer mas-
senhaften Verbreitung genauer erforscht. Kein anderes „Kollektivsymbol" hat
z. B. die Vorstellung vom radikalen Bruch mit der
Vergangenheit und die große
Hoffnung auf „Erneuerung" so wirksam visualisiert wie die vor 1789 dämonisierte
und nach dem 14. Juli glorifizierte Bastille, die von R. Reichardt und H.-J.
Lüsebrink als „ein Musterbeispiel für die Selbstmystifizierung der Französi-
schen Revolution" interpretiert worden ist [298: Die „Bastille", 93]. An der
Vielfalt der Symbole wird zugleich deutlich, welche Traditionselemente der
176 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Volkskultur, der christlichen Emblematik und/oder der antiken Ikonographie in


den revolutionären Freiheits- und Gleichheitskult transferiert wurden [zusam-
menfassend hierzu 329: R. Reichardt, Das Blut der Freiheit, 216-256]. In jedem
Fall gilt, daß die demokratisch-republikanische Kultur der Revolution nicht allein
durch aufklärerische Ideen und schriftlich vermittelte Wertediskurse, sondern
auch und vor allem durch symbolische Sinnstiftungen im Rahmen einer neu-
artigen politischen Öffentlichkeit „erfunden" worden ist. Die „Macht der Sym-
bole", so hat es L. Hunt [276] formuliert, leistete einen originären Beitrag zum
ersten modellhaften Experiment der modernen Demokratie.
Aber L. Hunt, die dem Kreis um Füret nahesteht, schildert auch das terrori-
stische Drohpotential einer politischen Symbolik, die in massendidaktischer Ab-
sicht „volkstümlich" sein wollte. Am Beispiel etwa des keulenbewehrten Her-
kules, der in der ikonographischen Tradition des Ancien Regime die Königsgewalt
symbolisiert hatte und mit der Übernahme in die Republik die triumphierende
Gewalt des Volkes verkörpern sollte, macht Hunt nicht nur wie Reichardt [329:
Das Blut der Freiheit, 227] auf den „aktivistischen, herausfordernden Charakter"
dieser Symbolik aufmerksam. Sie betont vielmehr auch die Ambivalenzen, „die
den Bemühungen innewohnten, das Volk für das Volk darzustellen". In einer
radikalrevolutionären Zeitungsillustration mit der Unterschrift „Das Volk, der
Königsfresser" trat bezeichnenderweise der Volks-Herkules in der Sansculotten-
tracht auf, mit der Jakobinermütze auf dem Kopf, die Hosenbeine hochgekrem-
pelt, in der Faust einen Zwerg, der über einem Kochtopf mit emporzüngelnden
Flammen gebraten wird. Als lebensechter Sansculotte, so die Interpretin, ist
Herkules nicht länger eine allegorische Figur aus der Mythenwelt der Antike; er
gleicht eher dem Riesen aus dem Märchen; er paßt zur volkstümlichen Vorstellung
von der „verkehrten Welt": In karnevalesker Umkehrung ist der
König zum
Zwerg geworden, zum hilflosen Spielzeug der Volksgewalt und des Terrors.
Gewiß, ein Koloß wie der Königsfresser vermittelte auf seine Weise die populäre
Botschaft von der Stärke und Macht des Volkes. „Aber", so fragt die Interpretin
mit typisch angelsächsischer Skepsis, „könnte sich jemand vorstellen, daß diese
Gestalt eine Verfassung schriebe? Das Bild der Kraft ist letztlich ein rohes" [276: L.
Hunt, Symbole der Macht, 137, Abbildung der Zeitungsillustration aus dem
Journal ..Revolutions de Paris" ebd., 135].
Umstritten ist, ob und inwieweit die Deutungskultur mit der Realität gleichge-
setzt werden kann. Aus kritischer Sicht kommt P. Higonnet zu dem Schluß, daß
die explizite Identifikationssymbolik, die alles, auch die private Sphäre, dem
Zugriff der Politik unterwarf, vor allem dazu gedient habe, das Scheitern der
„großen Hoffnung" auf eine durch soziale Harmonie bestimmte Gesellschaft zu
kompensieren [Zur Begrifflichkeit des Jakobinismus, in: 286: R. Koselleck/R.
Reichardt, Hrsg., Die Französische Revolution, 216-226; ähnlich 266: N.
Hampson, Vor dem Terror]. Andererseits hat P. Nora, ausgehend vom konstruk-
tivistischen Ansatz der neueren Nationsforschung, in seinem großen siebenbän-
Deutung der Französischen Revolution 177

digen Sammelwerk über die wirklichen und imaginären „Orte kollektiver Erin-
nerung" dezidiert die These vertreten, Frankreich sei „eine ganz und gar sym-
bolische Realität"; die französische Nationalgeschichte könne daher „einmal ganz
anders", nämlich als „Symbol-Geschichte" geschrieben werden [Comment ecrire
l'histoire de France?, in: 319: Les lieux de memoire, Einleitung zu Bd. 3: Les
France]. Die zahlreichen Aufsätze, die sich in Noras voluminösem Sammelwerk
auf die Revolutionszeit beziehen, beweisen einmal mehr, welche Bedeutung die
Tradition der Revolution für die politische Erinnerungskultur Frankreichs besitzt.
Im Gegensatz zur Symbolgeschichte weckt die in letzter Zeit stark intensivierte Wahlforschung
Wahlforschung eher Zweifel an den Demokratisierungs- und Mobilisierungser-
folgen der Revolution. Trotz der Einführung des demokratischen Wahlrechts, das
1792 die Zensusschranken abschaffte, blieb die liberal-parlamentarische Wahl-
demokratie im Mutterland der Revolution nur schwach ausgebildet. P. Gueniffey,
dem wir die grundlegenden Studien zu diesem Thema verdanken [262: Le nombre
et la raison; vgl. auch die Aufsätze „Wahlen" und „Wahlrecht" im „Kritischen
Wörterbuch": 250, Bd. 1,295-315 und Bd. 2, 920-935], erklärt den starken Rück-
gang der Wahlbeteiligung, die bei den Konventswahlen von 1792 im Regelfall auf
15 bis 20 % und in Paris sogar auf weniger als 10 % der Wahlberechtigten absank,
mit dem schwindenden Interesse der Bürger an den öffentlichen Angelegenheiten.
Offensichtlich blieben Jakobiner und Sansculotten in den Wahlversammlungen
weitgehend unter sich; sie ließen weder „gemäßigte" Kandidaten noch eine
Programmdiskussion zu; das komplizierte zweistufige Wahlverfahren begün-
stigte die Manipulationen und Strategien kleiner Minderheiten. Gueniffey be-
streitet, daß die Wahlen der Revolutionszeit der demokratischen Ermittlung des
Wählerwillens gedient haben; hierzu fehlten ein geregelter Wettstreit und eine
pluralistische Meinungsbildung, die beide die Grundvoraussetzungen für Wahlen
nach demokratischen Spielregeln gewesen wären. Im Gefolge der sich verschär-
fenden politischen Auseinandersetzungen habe der auf Einmütigkeit und Ein-
stimmigkeit abgestellte Wahlkampf die Wähler nicht mobilisiert, sondern im
Gegenteil abgeschreckt und jene „Verweigerungshaltung" hervorgerufen, die
ihren Niederschlag in der Stimmenthaltung fand. In der Direktoriumsperiode
habe schließlich „die Farce der Wahlen" parallel zum Niedergang der Zivilregie-
rungen den Boden für den Aufstieg der Generäle und die autoritär-plebiszitäre
Herrschaft Napoleons bereitet.
Noch ein anderes für die französische Geschichte typisches Phänomen wird von
Gueniffey auf die paradoxen Folgewirkungen des demokratischen Wahlprinzips
zurückgeführt, nämlich die Herausbildung einer sozial-homogenen und zuver-
lässigen „politischen Klasse". Gueniffey zeigt an vielen Beispielen, welche Ein-
fluß- und Aufstiegsmöglichkeiten durch die nicht weniger als 1,2 Millionen Ämter
geschaffen wurden, die nach den neuen Gesetzen durch Wahlen zu vergeben
waren. Revolutionäre Beamte bildeten gemeinsam mit den Wahlmännern zu-

gleich ein Personalreservoir, aus dem sich auch die Abgeordneten der nationalen
178 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Parlamente rekrutieren ließen. Und umgekehrt eröffnete die Wahl denjenigen


Abgeordneten, die aus der Nationalversammlung ausschieden, den Zugang zur
Beamtenkarriere. Auf diese Weise fand eine Zirkulation von Abgeordneten und
Amtsträgern statt, die die Kandidatenauslese unter sich ausmachten, was heftige
Rivalitätskämpfe und Methoden wie Einschüchterung oder Gewaltanwendung
nicht ausschloß. Im raschen Wechsel der Regime sorgte die neue politische Klasse
für ein gewisses Maß an Stabilität und Kontinuität; gegebenenfalls unterstützte sie
die Jakobiner ebenso wie später die Thermidorianer, das Direktorium und schließ-
lich Napoleon.
Nicht alle Historiker teilen die kritischen Schlußfolgerungen Gueniffeys.
Einige haben Gegenbeispiele für einzelne Regionen und Gemeinden angeführt
[z. B. 246: G. Fournier, Democratic et vie municipale, oder 237: R. Dupuy, Hrsg.,
Pouvoir local; vgl. auch 228: M. Crook, Elections]; andere halten daran fest, daß
trotz der Mängel des Wahlverfahrens und trotz der Instrumentalisierung der
Wahlen im Interesse der um die Macht kämpfenden Gruppen diejenigen, die
ihren politischen Aufstieg über Wahlen betrieben, „letztlich doch zur kollektiven
Einübung demokratischer Praktiken" beigetragen haben [329: R. Reichardt, Das
Blut der Freiheit, 189].
Der schwierige Weg F. Füret und seine Mitstreiter haben die Hindernisse auf dem Weg zur moder-
zur modernen
nen Demokratie nicht nur am Beispiel des Wahlrechts, sondern auch im um-
Demokratie
fassenderen Hinblick auf die Grundsatzdebatten über Souveränität, Verfassung
und Menschenrechte untersucht [210: The French Revolution and the creation of
modern political culture; 250: Kritisches Wörterbuch]. Dabei verlegten sie die
Anfänge des Radikalismus bereits in die Anfangsphase der Revolution, d. h. in die
Zeit der Entscheidung gegen die konstitutionelle Reformmonarchie und für die
„absolute Demokratie". Schon die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte
vom 26. August 1789, die, wie die neuere Literatur
gezeigt hat, aus heftigen
Auseinandersetzungen und ganz verschiedenartigen Entwürfen hervorging [35:
Ch. Faure, Hrsg., Les declarations des droits de l'homme; 25: A. de Baeque u. a.,
Hrsg., L'an I des droits de l'homme], kam den Radikalen weit entgegen. Sie enthielt
bereits das umstrittene Bekenntnis zum nationalen Gemeinwillen, zur „volonte
generale" im Anschluß an Rousseau. Das Postulat der „nation une et indivisible"
setzte ein kompaktes, uniformes Nationalinteresse bzw. die Verdammung sozialer
Sonderinteressen und politischer „Faktionen" voraus. In der zugespitzten For-
mulierung von K. M. Baker: Alles war entschieden, „als sich die Nationalver-
sammlung eher für die Sprache des politischen Willens als für die Sprache der
sozialen Vernunft, für Einheit statt für Verschiedenartigkeit, für bürgerliche
Tugend statt für den Handel und für absolute Souveränität statt für eine durch
die Menschenrechte eingeschränkte Regierungsform entschied mit anderen
Worten entschied sie sich auf lange Sicht für die Schreckensherrschaft" [209:
-

Inventing the French Revolution, 5; vgl. auch Ders., Verfassung, in: 250: Kriti-
sches Wörterbuch, Bd. 2, 896-919; Ders., Souveränität, ebd., 1332-1353]. Baker
Deutung der Französischen Revolution 179

geht davon aus, daß die politische Auseinandersetzung um die Verfassungsprin-


zipien tief in einem Ensemble miteinander rivalisierender Diskurse verankert war,
das sich bereits in den kontroversen Reformdebatten unter dem Ancien Regime
herausgebildet hatte. Was an Ideen, Theorien und Meinungen 1789 diskutiert
wurde, war insofern schon vorhanden nicht als ein Korpus stabiler Ansichten
in der ideengeschichtlichen Tradition der Aufklärung, sondern als ein Angebot,
-

das mannigfaltige und widersprüchliche Lesarten zuließ. Der erste, von Baker
herausgegebene Band der großen Kongreßpublikation über die Ursprünge der
modernen politischen Kultur [210] widmet sich daher dem Ancien Regime [vgl.
auch 249: F. Furet/R. Halevi, La monarchie republicaine].
Daraus erwuchs eine neue Kontroverse über „den Platz der politischen Kultur Die Übermacht der
innerhalb der Formen intellektueller Kultur" [224: R. Chartier, Die kulturellen »Erfahrungen"
Ursprünge der Französischen Revolution, 28]. Wie Baker problematisiert R.
Chartier die „Arbeit der Revolution an der Aufklärung", die „als ein vielseitiges
ideologisches Erbe" [ebd., 235] zunächst einmal vereinheitlicht werden mußte.
Aber diese „Konstruktion" geschah, wie Chartier hinzufügt, unter dem Druck
und der Übermacht von Erfahrungen im unruhigen Sommer von 1789, ohne die
sich die Radikalität der verfassungspolitischen Entscheidungen gar nicht erklären
läßt. Kollektivbiographische Untersuchungen auf der Quellenbasis von Selbst-
zeugnissen bestätigen, daß die meisten Abgeordneten der Nationalversammlung
keineswegs weltfremde, zur „Abstraktion" neigende Dogmatiker waren, sondern
juristisch geschulte „Pragmatiker" und erfahrene Männer der Praxis, die erst im
politischen Kampf zu Revolutionären wurden [357: T. Tackett, Becoming a
revolutionary; das Buch stützt sich auf das prosopographische Nachschlagewerk
295: E.H. Lemay, Hrsg., Dictionnaire des constituants; vgl. auch 241: M.P.
Fitzsimmons, The remaking of France]. Der Akzent liegt in diesen Studien nicht
auf Ideen und Theorien, sondern auf Praktiken, Wahrnehmungen und Verhaltens-
dispositionen. Im Hinblick auf die Menschenrechtserklärung von 1789 (und 1793)
hat W. Schmale gezeigt, wie stark die grundrechtlichen Vorstellungen schon des
17. und 18. Jahrhunderts von der Justizpraxis, z.B. von den zunehmenden Sei-
gneurialrechtsprozessen, beeinflußt wurden. Die weit ausholende Untersuchung
trägt den von Foucault inspirierten Titel „Archäologie der Grund- und Men-
schenrechte in der Frühen Neuzeit" [338]. In einem länderübergreifenden Ver-
gleich zwischen einer französischen und einer deutschen Region (Burgund und
Kursachsen) ermittelt Schmale auf der Basis seriell ausgewerteter Gerichtsakten
den zu bestimmten Krisenzeiten ansteigenden „Grundrechtebedarf", dessen
Existenz also keineswegs allein von präetablierten Begriffen und vorformulier-
tem Gedankengut abhängig war. Mit dem „deutsch-französischen Paradigma"
will Schmale zugleich die neuen Aufgaben einer „europäischen Geschichtsschrei-
bung" erfüllen und die Anachronismen einer national besetzten Geschichte der
Menschenrechte überwinden.
180 II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Kontroverse über die


Exzesse des Terrors
Die Erforschung speziell der jakobinischen Phase der Revolution fand im
in der Vendee
Vorfeld des Bicentenaire einen eigenen Themenschwerpunkt, der weit über den
engen Kreis der Historiker hinaus für Aufsehen sorgte: die Niederwerfung der
westfranzösischen Bauernaufstände durch republikanische Truppen und die Ex-
zesse des revolutionären Terrors in der Vendee. Aus naheliegenden Gründen war
dieses dunkle Kapitel der Schreckensherrschaft von der demokratisch-republika-
nischen und erst recht von der neojakobinisch-sozialistischen Geschichtsschrei-
bung nur beiläufig behandelt worden. Das Thema der gegenrevolutionären Volks-
aufstände wurde daher zuerst von englischen und amerikanischen Historikern,
z. B. von G. Lewis, C. Lucas, D. Sutherland und Ch. Tilly wiederentdeckt.
Eine zusammenfassende Darstellung hierzu erschien 1985 aus der Feder von D.
Sutherland [354: France].
In Frankreich begann die Kontroverse erst 1986, als der namhafte Mentalitäts-
historiker P. Chaunu den grausamen Vernichtungskrieg gegen die Vendee, dem
auch große Teile der Zivilbevölkerung zum Opfer fielen, mit einem „Völkermord"
gleichsetzte, der auf die Massenverbrechen der totalitären Regime des 20. Jahr-
hunderts vorausweise [Vorwort zu 347: R. Secher, Le genocide franco-frangais].
Chaunus Schüler R. Secher lieferte in seiner Doktorarbeit eine quellengesättigte
Darstellung der terroristischen Aktionen und besonders der berüchtigten „Co-
lonnes infernales", die mordend und vergewaltigend das Land durchzogen und
ganze Dörfer der Vendee systematisch verwüsteten. Seitdem sind weitere Studien
erschienen, die zweifelsfrei die alte Interpretation widerlegen, es habe sich dabei
um Ubergriffe einzelner Soldaten oder undisziplinierter
Truppenteile gehandelt
[vgl. hierzu den Forschungsbericht von M. Wagner, „Normalkrieg" oder
„Völkermord"?, in: Francia 23, 1995, 177-185]. Es gab in Paris Pläne, die
Vendee vollständig zu zerstören, den Widerstand „auszurotten", die Einwohner
zu deportieren und das Land mit „neuen Menschen" zu besiedeln. Der
provozie-
rende „Völkermord"-Vergleich Chaunus stieß gleichwohl auf kritische Vorbe-
halte: die neokonservative Überinterpretation diente eher der moralischen Ver-
dammung der Revolution als der historischen Erklärung des Terrors.
A. Gerard, der mehrere Bücher über die Vendee verfaßte [zuletzt 254: „Par
principe d'humanite..."], macht wie sein Lehrer F. Füret die revolutionäre
Ideologie für das „Ausrottungsprogramm (plan d'extermination)" verantwort-
lich. Mit Furets Worten: „Die gleichen Antriebskräfte sind am Werk, die der
politischen Ideologie der an der Macht befindlichen Koalition zugrunde liegen,
diesem instabilen Bündnis von Bergpartei und Sansculotten: die Gleichsetzung der
Revolte mit einem Komplott und einem Verrat, die leidenschaftliche Unterdrük-
kung, der Glaube an die unteilbare Einheit der Republik, die Ansicht, nach der eine
blutige Diktatur das unabdingbare Instrument der staatlichen Regeneration ist"
[Die Vendee, in: 250: Kritisches Wörterbuch, Bd. 1, 269-287, Zitat 284 f.]. Hin-
zuzufügen ist, daß die konkrete politische und militärische Lage 1793/94 ebenso
wie die heftigen Rivalitätskämpfe zuerst zwischen Montagnards und Girondisten
Deutung der Französischen Revolution 181

und dann zwischen Robespierristen, Hebertisten und Dantonisten erheblich dazu


beigetragen haben, das Gewaltpotential der revolutionären Ideologie freizusetzen.
Darauf haben insbesondere C-M. Martin [zuletzt 308: Contre-revolution] und
D. Sutherland [The Vendee: unique or emblematic?, in: 210: Bd. 4: K. M. Baker,
Hrsg., The Terror, 99-114] immer wieder hingewiesen. Auch ist zu beachten, daß
der Bürgerkrieg auf beiden Seiten mit äußerster Brutalität geführt wurde. Insofern
besteht zur Idealisierung der Aufständischen, die von Chaunu als die wahren
Vorkämpfer für Glaubensfreiheit und Menschenrechte gefeiert werden, kein
Anlaß.
Die angelsächsischen Arbeiten über die „populär counterrevolution" [zusam- Massenbasis der Ge-
menfassend 354: D. Sutherland, France] haben zugleich die republikanische genrevolutlon?
Legende zerstört, nach der die rebellischen Bauern zur unbelehrbaren Gefolgschaft
der Royalisten, Aristokraten und Priester gehörten. Der in Westfrankreich weit-
verbreitete, aber auch andernorts aufflackernde Widerstand, der sich in der Vendee
explosiv entlud, ging nicht von nostalgischen Anhängern des Ancien Regime aus,
sondern von Bauern (und auch Handwerkern), die sich nach anfänglicher Zustim-
mung enttäuscht von der Revolution abwandten. Adlige Offiziere, die von den
Bauern zu Hilfe gerufen wurden, traten erst an die Spitze der Katholisch-könig-
lichen Armee, nachdem der Vendee-Krieg bereits begonnen hatte.
Die Opposition der Bauern richtete sich vor allem gegen die Kirchen- und
Militärpolitik der Revolutionäre. T. Tackett hat am Beispiel des Priestereides von
1791 die politische Geographie nachgezeichnet und belegt, welche Gebiete von
der Revolution erobert werden konnten und wo die religiöse Tradition ihr ent-
gegenstand [356: Religion; vgl. auch 218: Atlas de la Revolution francaise, Bd. 9:
Religion, hrsg. von C. Langlois, T. Tackett u. M. Vovelle]. Die Auseinander-
setzungen über die religiöse Frage führten zur Entstehung der „deux France", zur
Trennung des katholischen vom laizistisch-republikanischen Frankreich. Der bis
heute wirksame Vendee-Kult demonstriert, daß die Revolution nicht nur das
republikanische Credo begründete, sondern im Falle bestimmter Regionen dem
historisch-politischen Bewußtsein traumatische Gegenerinnerungen eingeprägt
hat. P. Nora nahm die Vendee in seine Sammlung der „Erinnerungsorte" auf
[C.-M. Martin, La Vendee, region-memoire, in: 319: Les lieux de memoire. La
Republique, Bd. 1].
Zu den Institutionen, die gleichwohl eine nationalisierende Integrationskraft
ausübten, ist die durch grundlegende Reformen demokratisierte Armee zu zählen.
Der Aufstand der Vendeebauern gegen die Zwangsrekrutierungen vom Frühjahr
1793 stellte dennoch keine „unerklärliche" Ausnahme dar. Aus den einschlägigen
Untersuchungen, die A. Forrest über die Revolutionsarmee vorgelegt hat [242:
Deserteurs et insoumis; 243: Soldiers of the French Revolution] geht hervor, daß
der überschäumende patriotische Enthusiasmus vor allem jene auszeichnete, die
sich 1791/92 freiwillig meldeten. 1793 hingegen wurde es schwierig, genügend
Soldaten für die an allen Fronten bedrängte Armee auszuheben und die durch den
182 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Krieg gerissenen Lücken wieder zu schließen. Die wachsende Zahl der Deserteure
läßt erkennen, an welche Grenzen die jakobinische Massenmobilisierung stieß.
Forrest leugnet nicht den neuartigen Elan der politisch hochmotivierten Solda-
ten; doch davor, die militärischen Erfolge allein dem Patriotismus zuzu-
warnt er
schreiben. Die viel besser organisierte und professionell ausgebildete Armee, mit
der Napoleon seine Siege errang, ähnelte kaum noch den Freiwilligenbataillonen
von 1792.
Daß auch die Gegenrevolution „populär" war und mehr Anhänger fand, als
lange Zeit angenommen, paßt nicht ins übliche Bild von der demokratischen
Volksrevolution. Neben das gegenrevolutionäre Engagement und die vielfältigen
Formen der Verweigerung, zu denen auch die Desertion zu rechnen ist, trat jene
Haltung hinzu, die H. Blömeke in seiner Fallstudie über das Departement Seine-
et-Marne mit dem Begriff des „passiven Konformismus" umschrieben hat [215:
Revolutionsregierung und Volksbewegung, 468]. Eine Minderheit (klein-)
städtischer Klubaktivisten unterwarf sich dem Anpassungsdruck, der vor Ort von
den Pariser Konventsbevollmächtigten ausgeübt wurde, während die Umgebung
teilnahmslos und abweisend blieb.
Bauernopposition Trotzdem läßt gerade die Rückbesinnung auf die Volksbewegung eine Neu-
d Basisdemokratie
interpretation zu, mit der die scharfe Unterscheidung zwischen Revolution und
Gegenrevolution hinfällig wird jedenfalls aus der Sicht derer, die nach wie vor am
Zusammenhang von Volksbewegung und Basisdemokratie festhalten. Im An-
-

schluß an das ältere sowjetmarxistische Werk von A. V. Ado, das erst 1997 in
französischer und kurz darauf auch in deutscher Übersetzung herauskam [204:
Die Bauern in der Französischen Revolution], hat J. Markoff [303: The abolition
of feudalism] auf der statistischen Basis von rund 4700 Bauernunruhen der Jahre
1788 bis 1793 den hohen Prozentanteil antiseigneurialer Erhebungen (über 30%)
hervorgehoben, die noch bis zum Juni 1793, bis zur entschädigungslosen Abschaf-
fung der Feudalität, andauerten. Markoff sieht darin den Beweis für die antrei-
bende, weit über 1789 hinausreichende Kraft der Bauernrevolution und ihre
emanzipatorisch-egalitäre Zielsetzung. Die religiös motivierten Unruhen, deren
Zahl seit 1790 anstieg und die 1792/93 in die westfranzösischen Erhebungen
übergingen, werden nicht mehr eindeutig der revolutionsfeindlichen Bewegung
zugeordnet. Markoff stimmt ganz im Gegenteil einer Interpretation zu, die R.
Dupuy mit seiner vielbeachteten Regionalstudie über die Bretagne in die Debatte
über die „populär counterrevolution" eingebracht hat [235: De la revolution ä la
chouannerie; 237: Ders., Hrsg., Pouvoir local et Revolution]. Danach stand nicht
primär das religiöse Problem am Ursprung des bäuerlichen Widerstandes; viel-
mehr ging es vor allem um die Wahrung demokratischer Rechte wie insbesondere
der Gemeindeautonomie, die in zahlreichen Petitionen an den Konvent nicht etwa
aus Frömmigkeit, sondern mit den neuen revolutionären Freiheitsparolen gegen

zentralstaatlich-jakobinische Übergriffe verteidigt wurde. Auch der Rückgang der


Wahlbeteiligung wird von Dupuy mit dem politisch-kommunitären Protest
Deutung der Französischen Revolution 183

begründet, der sich gegen die Eindringlinge von außen und ihre oft brutalen
Methoden bei der Eroberung von Ämtern und Mandaten gerichtet habe. Die
Bauern, so hat es R. Reichardt zusammengefaßt, wurden „erst durch den Anti-
klerikalismus, das Elitedenken und den Zentralismus der radikalen Pariser Revo-
lutionäre... zu Gegenrevolutionären". Auch Reichardt betont, „daß die Uber-

gänge zwischen pro- und gegenrevolutionären Bewegungen fließend waren". Die


Revolution, daran hält er fest, lief „auf eine fundamentale Politisierung der breiten
Bevölkerung hinaus" [329: Das Blut der Freiheit, 109].
Die Entdeckung der revolutionären Kultur in der „France profonde" erklärt die Volksbewegungen
große Beliebtheit von Regional- und Lokalstudien, die in den letzten zehn bis »vor0rt
fünfzehn Jahren in kaum noch überschaubarer Zahl erschienen sind. Das gilt auch
für Untersuchungen über die Städte, deren Revolutionsgeschichte nicht mehr
parallel zu den Pariser Ereignissen und nur aus der Perspektive der Metropole
erforscht wird. Wie J. Guilhaumou für Marseille nachzuweisen versuchte, war
hier das Bündnis der „Jakobiner mit dem Volk" erfolgreich j edenfalls so lange, bis
sich die Pariser Machtkämpfe auch auf die Provinz auswirkten [264: Marseille
-

republicaine]. Folgt man der Argumentation Guilhaumous, so stand am Beginn


der sog. „föderalistischen" Revolte nicht eigentlich die Parteinahme für die
„gemäßigten" Girondisten, sondern der Widerstand gegen den Zentralismus der
Montagnards im Kampf um Selbstbestimmung und Gemeindefreiheit. R. Rei-
chardt beschreibt die „Kulturrevolution" auch und gerade am Fallbeispiel von

Kleinstädten, in denen die Revolutionsklubs eine besonders eifrige Tätigkeit


entfalteten. Der lokalpatriotische Unabhängigkeitsdrang hinderte die Klubs
nicht daran, nach dem Pariser Vorbild Revolutionsfeste zu organisieren, sich an
den landesweiten Trauerfeiern für die „Märtyrer der Freiheit" zu beteiligen,
„Vernunfttempel" einzuweihen, politische „Katechismen" und patriotische Flug-
blätter zu verteilen, die umliegenden Dörfer zu missionieren und große Teile der
Bevölkerung vor Ort mit der politischen Zeitdiskussion vertraut zu machen.
„Gerade in der Provinz waren die Klubs die entscheidendste treibende Kraft des
Revolutionsprozesses" [329: Das Blut der Freiheit, 111; zum „kleinstädtischen
Kommunitarismus" vgl. auch 301: T.W. Margadant, Urban rivalries]. H. Blö-
meke hat allerdings in seiner Studie über das nicht weit von Paris gelegene

Departement Seine-et-Marne zugleich den „Anpassungsdruck" am Ursprung


der Kluborganisation hervorgehoben; es folgte der rasche Verfall des Kluble-
bens, als die Eingriffe von außen nachließen [215: Revolutionsregierung und
Volksbewegung]. Nach Blömeke waren es vor allem die gemeinsam erlebten
Repressionserfahrungen unter den Thermidorianern und in der Direktoriumspe-
riode, die die kleinen, im Untergrund tätigen Jakobinerzirkel zusammenhielten.
„Die kleine Minderheit wurde zwar von ihren Mitbürgern weiterhin als .brigands
et reprouves' angesehen, aber mit ihrem unermüdlichen Kampf für revolutionäre
Ideale und Symbole unterstützten sie die Entwicklung einer republikanischen
Tradition, die die politische Kultur Frankreichs dauerhaft prägte" [ebd., 473].
184 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Revolutionäre Dank der Frauenforschung, die seit den siebziger und mehr noch seit den
Frauen
achtziger Jahren wichtige Impulse erhielt, ist es üblich geworden, auch den Anteil
der Frauen an der Volksbewegung und am Klubwesen zu würdigen. Die lange
Liste der Aktivitäten beeindruckt: Frauen protestierten nicht nur auf traditionelle
Weise wegen Brotmangel und Teuerung oder gegen den „Wucher", sondern sie
waren auch an spektakulären Aktionen wie dem Marsch der Weiber nach Ver-

sailles und an den Aufständen der „journees revolutionnaires" beteiligt; sie


verfaßten Petitionen, sammelten Hunderte von Unterschriften und entsandten
Abordnungen in die Nationalversammlung oder ins Rathaus; sie engagierten sich
in der Sansculottenbewegung, organisierten Spendensammlungen für den Krieg
und nähten Uniformen für die Soldaten; sie gründeten in Paris und in anderen
größeren Städten insgesamt etwa sechzig Frauenklubs. Olympe de Gouges, die
Verfasserin der „Erklärung der Rechte der Frau", Theroigne de Mericourt und
Etta Palm waren die ersten Frauenrechtlerinnen, die für die Gleichberechtigung
der Frau eintraten. Unabhängig davon forderte die Pariser „Gesellschaft der
Revolutionären Republikanerinnen", deren radikale Wortführerinnen Pauline
Leon und Ciaire Lacombe den Enrages nahestanden, das Recht, bewaffnet für
die Verteidigung des Vaterlandes kämpfen und zum Beweis republikanischer
Gesinnung die gleiche Kleidung wie die Männer lange Hose, Jakobinermütze,
die Kokarde in den Nationalfarben tragen zu dürfen [zusammenfassend 329: R.
-

Reichardt, Das Blut der Freiheit, 172-179; 289: J.B. Landes, Women and the
-

public sphere; 300: C. Marand-Fouquet, La femme au temps de la Revolution;


informativer Sammelband: 206: H. B. Applewhite/D. G. Levy, Hrsg., Women
and politics; nützliche Quellensammlung: 323: S. Petersen, Marktweiber und
Amazonen].
Die Auswirkungen auf das „emanzipatorische Bewußtsein" sollten dennoch
nicht überschätzt werden. Von den Pariser Marktfrauen wurden die Amazonen im
„Mützen- und Kokardenkrieg" kurzerhand verprügelt, was einiges über ihre
Außenseiterstellung aussagt; im Parlament, im Jakobinerklub, aber auch im
Cordeliersklub und im Generalrat der Kommune mußten die Antragstellerinnen
nach anfänglichen Erfolgen schon bald wüste Beschimpfungen und schließlich das
Verbot der Frauenklubs hinnehmen. Die paradoxen Folgen hat L. Hunt scharf-
sinnig analysiert: Die Expansion der politischen Öffentlichkeit, die tiefer als je
zuvor in das alltägliche Leben eindrang, bewirkte im Gegenzug die schärfere

Abgrenzung der Privatsphäre. Aufschlußreich hierfür ist das Zitat aus einem
Brief, den Madame Roland, die politisch engagierte Gattin des girondistischen
Innenministers, kurz vor ihrer Hinrichtung schrieb; sie wünschte ihrer Tochter:
„Ich hoffe, daß sie eines Tages in friedlicher Abgeschiedenheit die herzergreifen-
den Pflichten einer Hausfrau und Mutter erfüllen kann" [278: Französische
Revolution und privates Leben, 41; vgl. zum beschleunigten Prozeß der Famiiia-
risierung auch 277: Dies., The family romance].
Deutung der Französischen Revolution 185

Auch die Religion wurde zur „Privatsache", wenn die religiösen Pflichten
wegen der Verfolgung der eidverweigernden Priester nur noch zu Hause und im
Kreis der Familie erfüllt werden konnten. Wie S. Desan meint, stärkten allerdings
die Feminisierung der Religion und die „weibliche Religiosität" zugleich das
Selbstbewußtsein der Frauen [232: Reclaiming the sacred]. In ihrer Regionalstu-
die über Burgund weist Desan auch im Hinblick auf die Frauen nach, daß die
Verteidigung der Religion das Bekenntnis zur Revolution nicht ausschloß. Viel-
leicht, so resümiert hingegen L. Hunt, zogen die Frauen der Revolutionszeit den
größten Nutzen aus jenen zivilrechtlichen Neuerungen, die wie die Säkularisie-
rung der Ehe und das Recht auf Scheidung der Befreiung des Individuums von
kirchlicher und familiärer Bevormundung dienen sollten. Von der Möglichkeit,
sich scheiden zu lassen, machten Frauen jedenfalls auffallend häufiger als Männer
Gebrauch. Von 1792-1803, in der Zeit des liberalen Scheidungsrechts, wurden in
Frankreich ca. 30 000 Ehen geschieden.
Ein ganz anderes Thema, das seit der Wende von 1989 und den verstärkten Die europäische Di
mension der franzö-
Bemühungen um die europäische Einigung aktuell wurde, betrifft die „euro- sischen Revolution
päische Dimension" der französischen Revolution. Auch dieses Thema wird im
Rahmen der Jakobinismusdebatte diskutiert. Gemeint ist nicht primär der direkte
Zusammenhang von Revolutionskrieg und europäischer Geschichte [vgl. hierzu
die neuere Handbuchdarstellung 315: J. Meyer u.a., La Revolution francaise],
sondern „die Revolution als Katalysator der politischen Kulturen in Europa" [so
überschreibt R. Reichardt das Schlußkapitel seines Buches, 329: Das Blut der
Freiheit, 257-330]. Erstmals werden Versuche unternommen, die bisher nur aus
nationalgeschichtlicher Perspektive untersuchten Gruppen jakobinischer Revolu-
tionsanhänger in Frankreich, England, Irland, Deutschland, den österreichischen
Niederlanden, Holland, der Schweiz, Italien und Polen miteinander zu verglei-
chen. So stellt M. Vovelle in seiner jüngsten Veröffentlichung die „jacobins
europeens" vor [367: Les jacobins]. Auch R. Reichardt schildert, wie zielstrebig
die Jakobiner der Nachbarländer darum bemüht waren, die revolutionäre Frei-
heits- und Gleichheitsbotschaft im volksnahen Stil der französischen Klubaktivi-
sten und Publizisten zu vermitteln. Er kommt zu dem Ergebnis, daß es ganz
ähnlich wie in der französischen Provinz gelang, trotz Krieg und Zwang „eine
-

langfristig wirksame politische Kultur mit demokratischer Tendenz" zu begrün-


-

den [ebd., 289].


Die Skepsis derer, die vor Wunschvorstellungen warnen, bleibt. F. Füret gab Die Bilanz Furets
seinem letzten Buch, das zwei Jahre vor seinem Tod herauskam, den Titel: „Le
passe d'une illusion" [Paris 1995, dt. München 1996]. Es zieht die Bilanz aus dem
Untergang des Kommunismus und des revolutionären Utopismus. Noch einmal
wird an „die zwanghafte Vision der Gleichheit" erinnert und „das Schauspiel eines
egalitären Despotismus" beschworen, das Frankreich am Beginn der „modernen
politischen Kultur" der Welt geboten habe. Aber Füret resümiert auch: „Die
Französische Revolution und die Entwicklung der Demokratie im allgemeinen
186 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

führten überall in Europa zur Entstehung einer Fülle neuer Ideen. Nur wenige

politische Epochen können auf derart vielfältige intellektuelle Auseinanderset-


zungen, auf Doktrinen und Ideologien zurückblicken, die das Ziel hatten, den
liberalen, demokratischen oder sozialistischen Staat aufzubauen" [ebd., 23, 46].
Probleme des kulturellen Transfers 187

4. Die „Revolution des Geistes", „Deutsche Jakobiner", Probleme des


„kulturellen Transfers"

Die Forschungskontroversen zum Thema „Deutschland und die französische


Revolution" entzündeten sich kaum an der „politischen Geschichte" im Zeitalter
der Koalitionskriege und Napoleons. Am Ausgangspunkt der Diskussion stand
vielmehr die Frage nach der ideellen Ausstrahlung der Revolution „auf das
deutsche Geistesleben". Die älteren Monographien von G. P. Gooch [580: Ger-
many and the French Revolution] und A. Stern [626: Der Einfluß der Französi-
schen Revolution auf das deutsche Geistesleben] befaßten sich hauptsächlich mit Geistes- und ideen-
den geistigen Reaktionen der bedeutendsten Philosophen und Dichter. Der gescmchüiche Inter-
P
Mangel dieser Darstellungen liegt in der Beschränkung des Themas auf die
schmale Schicht der geistigen Elite Deutschlands. Erst das Werk von J. Droz
[566: L'Allemagne et la Revolution francaise] zog auf breiterer Quellenbasis, die
vor allem von der vorzüglichen Edition J. Hansens [76: Quellen zur Geschichte
des Rheinlandes] bereitgestellt wurde, Zeitungen und Zeitschriften in die Analyse
mit ein und versuchte, „die öffentliche Meinung" in fünf Reaktionstypen ein-
zuteilen: die liberale, die moralistische, die humanistische, die empiristische und
die pietistische Reaktion. Wirksamer als dieses Einteilungsschema war für die
weitere Forschung die Hauptthese des Buches, die an die Kritik von Hegel und
Marx anknüpfte, Deutschland habe die Revolution anderer Völker nur mit der Die These von der
abstrakten Tätigkeit des Gedankens begleitet. Der Dualismus von Intelligenz und Praxlsrerne des deut"
.. ,.
i t i i i
sehen politischen
Politik, von Geist undt Wirklichkeit, von Denken und Handeln begründet nach Denkens
. •
T-, i

Droz das unpolitische Verhalten der Deutschen und erklärt, warum es in


Deutschland nicht zu einer Revolution kam. Die klarste Formulierung dieser
später oft wiederholten These findet sich bei R. R. Palmer [321: The Age of
Democratic Revolution, Bd. 2, 430]: „Man war eifrig bemüht, den Staat rein
theoretisch zu betrachten, und es bestand keine Möglichkeit, den Gang der
Ereignisse vorauszubestimmen, Verantwortung zu übernehmen, Alternativen
und mögliche Konsequenzen abzuwägen oder Bündnisse mit Personen, deren
Ansichten von den eigenen abwichen, zu schließen. Politisches Denken wurde
idealistisch, es traf weder die widerstreitenden Interessen einzelner divergierender
Gruppen, noch das eigentliche Dilemma der Justiz, die Widersprüche der empi-
rischen Probleme und auch nicht die Unvollkommenheiten, die mit den Ergeb-
nissen aller menschlichen Bemühungen verbunden sind, sondern dieses Denken
bezog sich vielmehr auf das reine Wesen des Staates selbst, oder auf Freiheit, Recht,
Gesetz, Menschenwürde, ewigen Frieden oder die allgemeine Bewegung der
Geschichte."
Dieses Werturteil über die Praxisferne und Rückständigkeit des deutschen
politischen Denkens wurde in mehrfacher Hinsicht modifiziert und schließlich
revidiert. Schon R. Stadelmann [625: Deutschland und Westeuropa] kam von
einem anderen Wertmaßstab aus zu dem entgegengesetzten Ergebnis. Er betonte
188 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

das politische Denken der Aufklärer und hob hervor, daß die Staaten des Aufge-
klärten Absolutismus gerade die vor der französischen Revolution fortschritt-
lichsten Staaten Europas gewesen seien (vgl. Kap. II, 1). Seitdem zählt die
Verbindung von Absolutismus und Aufklärung zu den immer wieder diskutier-
ten Themen der Aufklärungsforschung.

Valjavec: Auf andere Weise führte das 1951 erschienene bahnbrechende Werk von E
Anfange der Valjavec [629: Die Entstehung der politischen Strömungen in Deutschand]
Parteiengeschichte
über die geistesgeschichthchen Interpretationen von Gooch, Stern und Droz
, . ,

hinaus. Valjavec untersuchte die Reaktion auf die französische Revolution im


Kontext der Parteiengeschichte. Die politische Aufklärung erscheint als Ursprung
des frühen Liberalismus und als Antipode des Konservativismus. Der Einfluß der
französischen Revolution lag nach Valjavec vor allem darin, daß sie die seit etwa
1770 bereits vorhandenen „politischen Strömungen" profilierte und teilweise
radikalisierte. Valjavec betonte das kritische Potential auch der deutschen Auf-
klärungsbewegung bis hin zu „radikalen Sturmzeichen" und „nicht völlig feh-
lenden revolutionären Stimmen". Im Prozeß der Politisierung der Gesellschaft,
der durch die Aufklärung eingeleitet wurde, entstand nach 1789 der Demokratis-
mus und Jakobinismus, dessen relativ eigenständige Rolle von Valjavec erstmalig

herausgestellt wurde. Freilich handelte es sich nach Valjavec erst um „tastende


Versuche, die soziale Frage in den Kreis der politischen Erörterungen einzubezie-
hen". „Die demokratischen Strömungen Deutschlands sind nicht durch jene
Stetigkeit gekennzeichnet, die der liberalen Bewegung eigen war. Im Deutschland
der 90er Jahre war der demokratische Gedanke ein politisches Strohfeuer, das
mächtig aufflammte, aber bald erlosch. Er war von der französischen Revolution
abhängig, er stand und fiel mit ihr" [ebd., 228].
Valjavecs Buch gab viele Anregungen, die lange unbeachtet blieben. Die
Ausführungen über die Gruppenbildungen auf dem Gebiet der Personalpolitik,
über die Stellung des Beamtentums, die Rolle der Publizistik, das Lesepublikum,
die Anfänge der Vereinsbildung in Lesegesellschaften und Freimaurerlogen um-
rissen ein breites Spektrum von Themen, die erst nach und nach wieder aufge-
griffen wurden.
Epstein:
Konservativismus
Nachfolge fand das Buch Valjavecs zunächst in der Konservativismus- und
forschung Jakobinismusforschung. Auch in K. Epsteins großangelegter Monographie über
„Die Ursprünge des Konservativismus in Deutschland" [571] bildet die Aufklä-
rung den „entscheidenden Wendepunkt" der „besonderen historischen Peri-
ode ...,die um 1770 beginnt". Allerdings betonte Epstein stärker als Valjavec
den Einschnitt von 1789, wenn er ausführte, daß die Kritik der deutschen
Aufklärer „auf naive Weise unpolitisch" blieb, „was durch die Tatsache belegt
wird, daß kaum je nach Mitteln der Abhilfe Ausschau gehalten wurde, die
realistischer waren als ein Gebet, daß Gott Deutschland mit besseren Fürsten
segnen möge". Die politischen Wirkungen der Aufklärung wurden von ihm sehr
gering eingeschätzt. Trotz massiver sozialer Proteste (Adelskritik, Diskussionen
Probleme des kulturellen Transfers 189

um Zunftprivilegien und Leibeigenschaft) und politischer Kritik am Absolutismus


und an den Zuständen im alten Reich (Kleinstaaterei, geistliche Staaten, Mißstände
in den Reichsstädten) waren die religiösen Auseinandersetzungen nach Epstein
das „wichtigste Schlachtfeld für die Kämpfe zwischen deutscher Aufklärung und
deutschem Konservativismus". Erst die „Herausforderung durch die französische
Revolution" beschleunigte die Entwicklung vom bloßen „Traditionalismus" zum
Konservativismus, der „zum ersten Mal die selbstbewußte Form einer abgrenz-
baren Weltanschauung annahm". Am Beispiel der „Verschwörungstheorien"
beschrieb Epstein das nach 1790 veränderte Klima einer „revolutionsfeindli-
chen Hysterie" und zunehmenden Polarisierung der politischen Fronten, das
die Ansätze des „Reformkonservativismus" zerschlug.
In ihrem weiteren Verlauf bewegte sich die Diskussion über die „Revolution des Revolutionsfeindli-
pobtlscnes
Geistes" in die entgegengesetzte Richtung. Es begann die Suche nach revolutio-
nären Tendenzen im politischen Denken, das nicht von vornherein wie noch bei
^>es
Droz als realitätsfern ausgelegt und für das angeblich unpolitische Verhalten der
-

Deutschen verantwortlich gemacht wurde. Zuerst hat J. Ritter in seiner Hegel-


-

studie [613: Hegel und die Französische Revolution] nachzuweisen versucht, daß
Hegels Verhältnis zur französischen Revolution zeitlebens positiv gewesen sei:
„Es gibt keine zweite Philosophie, die so sehr und bis in ihre innersten Antriebe
hinein Philosophie der Revolution ist wie die Hegels" [ebd., 15]. Ritter wandte
sich gegen die herkömmliche Auffassung, daß „jenes prekäre Praktischwerden der
Theorie" (J. Habermas) in der deutschen Philosophie auf Ablehnung stieß. P.
Burg [557: Kant und die französische Revolution] wies gleichfalls die ältere These
zurück, wonach die deutsche Aufklärung und die Philosophie der Kantianer
spätestens nach den Erfahrungen der französischen Jakobinerherrschaft revolu-
tionsfeindlich geworden seien. Er hob die revolutionären Ansätze der Natur-
rechtslehre Kants hervor, die allerdings in der Souveränitäts-, Gewalten- und
Widerstandslehre wieder zurückgenommen werden. Die Theorie Kants ist
„nicht wirklichkeitsfern konzipiert, sondern zu stark den konkreten geschichtli-
chen Gegebenheiten angepaßt". So wird „die Revolution zugleich in Frankreich
(unter naturrechtlichem Aspekt) begrüßt und anderweitig (unter dem Aspekt des
faktisch Gültigen) verboten" [ebd., 264 f.]. Da gerade das antirevolutionäre Theo-
rem in der Widerstandslehre Kants auf Kritik in der deutschen Aufklärung stieß,

kann nach Burg aus Kants Lehre auch nicht eine Begründung für das Ausbleiben
der Revolution in Deutschland geschlossen werden. R. Saage [617: Eigentum,
Staat und Gesellschaft bei Immanuel Kant] betonte die „besitzindividualistischen
Perspektiven" der kantianischen Rechtslehre und wandte sich damit gegen die
Marxsche Kritik, Kant habe die materiellen Interessen seiner Klasse nicht erkannt.
Besonders in der aufkommenden Jakobinismusforschung war man bestrebt, das Literarischer und
demokratische und republikanische Gedankengut auch in der deutschen Philo- philosophischer
.... Jakobinismus
sophie und politischen Theorie herauszuarbeiten. M. Buhr [556: Revolution und
. .

. .
.

Philosophie] entdeckte „Jakobinisches" in Fichtes Philosophie; B. Weissel [641:


190 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Von wem die Gewalt in den Staaten herrührt] analysierte die „dialektische

progressive Geschichtstheorie" am Beispiel der Rousseaurezeption in Deutsch-


land. Eine Quellenedition von J. Garber [72] zur „jakobinischen und liberalen
Revolutionsrezeption in Deutschland 1789-1810" erschien unter dem bezeich-
nenden Titel „Revolutionäre Vernunft". Literaturwissenschaftler widmeten sich
dem (umstrittenen) Phänomen des „literarischen" und „philosophischen Jakobi-
nismus" [vgl. die Beiträge von J. Garber, K.R. Scherpe, I. Stephan u. a., in: 554:
O. Büsch, W. Grab, Hrsg., Die demokratische Bewegung in Mitteleuropa].
Insbesondere die Forsterforschung [614: Rödel, 628: Uhlig, 642: Wuthenow]
war darum bemüht, die alte These einer praxisfernen „moralistischen Reaktion"

(Droz) zu entkräften. Bei R. R. WutheSiow [642: Vernunft und Republik]


erscheint Forster nicht länger als der spekulative Theoretiker, der sich in Paris
resigniert und schaudernd von den Greueln der Revolution abwendet, sondern als
gesellschaftskritischer Utopist: „Nicht Illusionen über eine plötzlich eingetretene
Vollkommenheit der Weltzustände haben ihn geleitet, Opportunismus schon gar
nicht, nur Einsicht, Grundsätze, der Mut, ihnen zu folgen und der Verzicht auf
persönlichen Vorteil, wobei zum Mut nun auch der Mut zum Irrtum gehört."
„Forster besitzt also keine Theorien, an denen er die Wirklichkeit mißt, sondern
lediglich Prinzipien, an denen er festhält. Was er 1793 in Paris erfährt, widerspricht
nicht einem utopischen Entwurf, sondern seinen aktuellen Hoffnungen" [ebd., 14,
24].
Kontroverse über die Zugleich versuchte die Jakobinismusforschung nicht nur dem „progressiven"
„deutschen Jakobi- rjenkerl) sondern auch dem revolutionären Handeln der deutschen Demokraten
ner
auf die Spur zu kommen. In den beiden Deutschland der sechziger und siebziger
Jahre war dieses Bestreben stark von aktuell-politischen Legitimationsbedürfnis-
sen beeinflußt, sei es, daß die Jakobiner als Avantgardisten des
Klassenkampfes den
„großen progressiven Traditionen" der DDR (H. Scheel] zugeordnet, sei es, daß
sie als „Vorkämpfer für eine deutsche Republik" und „im Interesse demokratischer
Bewußtseinsbildung" für die „freiheitlich-demokratischen" Traditionen der Bun-
desrepublik (W. Grab) in Anspruch genommen wurden. Scheel, der Verfasser des
fast achthundert Seiten starken Standardwerkes über „Süddeutsche Jakobiner"
[619], wollte „eine gründliche ideologische Erziehungsarbeit" leisten und das
„Vorurteil" widerlegen, daß der Deutsche nur zur Revolution des Geistes tauge.
Grab, der Herausgeber der fünfbändigen bundesdeutschen Jakobinerdokumenta-
tion [73], zitierte in der Einleitung zu diesem Werk die damals vielbeachtete Rede
des Bundespräsidenten G. Heinemann bei der Schaffermahlzeit in Bremen vom
13. Februar 1970: „Traditionen gehören nicht in die alleinige Erbpacht von
Reaktionären... Es ist Zeit, daß ein freiheitlich-demokratisches Deutschland
unsere Geschichte bis in die Schulbücher anders schreibt."

Trotz der kritischen Einwände gegen die ideologischen Prämissen und politi-
schen Implikationen dieser Forschungsrichtung liegt der Gewinn unbestritten in
dem neu erschlossenen Quellenmaterial. H. Scheels Pionierwerk, das 1962 erst-
Probleme des kulturellen Transfers 191

mals erschien und dem zwei große Quellenpublikationen folgten [94: Jakobinische
Flugschriften; 93: Die Mainzer Republik], schilderte die bis dahin unbekannte
weitverzweigte Tätigkeit der süddeutschen Jakobiner, gipfelnd in der Offensive
zur Sprengung des Rastatter Kongresses und in den Plänen zur Gründung einer

süddeutschen Republik.
Grabs Quellenveröffentlichungen in der Reihe „Deutsche revolutionäre De-
mokraten" [73] die von Grab selbst editierten Schriften norddeutscher Jakobi-
ner, die von H. W. Engels und G. Steiner besorgten Ausgaben von Jakobiner-
-

schauspielen und Jakobinerdichtungen, die von A. Körner erstveröffentlichten


Verhörprotokolle und Schriften der Wiener Jakobiner und die von A. Kuhn
publizierten Schriften linksrheinischer Republikaner lieferten einen beachtli-
chen Beitrag zur politischen Ideengeschichte. Problematisch und kontrovers blieb
-

jedoch der Begriff Jakobinismus, der sich schwer definieren läßt und mit dem
höchst unterschiedliche Bestrebungen bezeichnet werden.
Die älteren DDR-Arbeiten orientierten sich noch an Lenins Definition der
„Jakobiner mit dem Volk", die sich allerdings auf die französische Jakobinerherr-
schaft bezog. H. Voegt [633: Die deutsche Jakobinische Literatur] sah in Reb-
mann „den Anwalt der Massen", der das „Volk in seiner revolutionären Kraft"

erkannt habe. P. Stulz und A. Opitz [627: Volksbewegungen in Kursachsen]


schilderten die kursächsischen Bauernaufstände als Beispiel für das Bündnis
zwischen der Avantgarde der bürgerlichen Klasse und der revolutionären Volks-
bewegung. Demgegenüber hat H. Scheel hervorgehoben, daß die deutschen Scheel:
Suddeutsche
Jakobiner „objektiv" „ohne Volk" geblieben sind, denn nirgends das linksrhei-
nische Gebiet „bis zu einem gewissen Grade" ausgenommen hätten sie tatsäch-
-

lich die Massen in Bewegung gebracht: „Doch subjektiv, in ihrer Zielsetzung,


-

vertraten sie revolutionär-demokratische Grundansichten." Trotzdem hält


Scheel im ersten Teil seines Buches, der eine umfassende Analyse der Stände-
konflikte sowie der reichsstädtischen und bäuerlichen Unruhen in den süd- und
südwestdeutschen Territorien liefert, an der These vom verschärften antifeudalen
Klassenkampf fest. Bei der großen Heterogenität der Oppositionskräfte bleibt es
jedoch äußerst fraglich, ob man für alle den Begriff „Jakobinismus" verwenden
kann. Im Verlauf der Darstellung kommt Scheel selber zu dem Schluß, daß nicht
die revolutionären Verhältnisse für die radikaldemokratischen Bestrebungen den
Ausschlag gaben, sondern die jeweilige militärische Situation der französischen
Revolutionsarmeen und die wechselnden politischen Regime in Paris: „Zur
richtigen Einschätzung der Kräfteverhältnisse gehört jedoch vor allem die Ein-
sicht in die unbedingte Notwendigkeit tätiger französischer Unterstützung." Es
gelang Scheel nicht, die These Valjavecs vom „politischen Strohfeuer, das
mächtig aufflammte, aber bald erlosch", oder Epsteins Fazit von einer „logi-
schen Zuspitzung bestimmter Strömungen der Aufklärung" plausibel zu wider-
legen. „Man wird gut daran tun", schrieb A. Kuhn 1973 in einem Forschungsbe-
richt [593: Der schwierige Weg zu den deutschen demokratischen Traditionen,
192 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

„diesen Befund für die Wirklichkeit zu nehmen, und nicht an ihm so lange
436 f.],
herumzudeuteln, bis die deutschen Jakobiner unter Zuhilfenahme von Defini-
tionskriterien aus weiter fortgeschrittenen Gesellschaften so progressiv und so
revolutionär werden, wie sie es aufgrund der materiellen Verhältnisse in Deutsch-
land gar nicht sein konnten."
Grab: Kritische Einwände sind auch gegen die bundesdeutsche Jakobinismusfor-
Norddeutsche worden [573: E. Fehrenbach, Deutschland und die Franzö-
Jakobiner schung vorgebrachtVon W. Grab
sische Revolution]. stammen mehrere Arbeiten über die norddeut-
schen Jakobinerzirkel in den Zentren des Verlags- und Pressewesens, in Hamburg,
Altona, Flensburg und Kiel [581: Demokratische Strömungen in Hamburg und
Schleswig-Holstein; 582: Norddeutsche Jakobiner; 73: Leben und Werke nord-
deutscher Jakobiner]. Die jakobinische Publizistik erreichte nach Grab einen
„außerordentlich hohen Reifegrad" des politischen Denkens. Grab liefert eine
idealtypische Merkmalsbeschreibung des Jakobinismus, die scharf zwischen libe-
ralen Reformern und revolutionären Demokraten trennt: „Wichtigstes Kriterium
für die Bestimmung der jakobinischen Bewegung Deutschlands ist ihre revolutio-
när-demokratische Grundeinstellung. Die jakobinischen Publizisten verzichteten
darauf, sich weiterbin an die Fürsten mit Bitten um Reformen zu wenden; sie
sagten sich von der Ideologie einer evolutionären Umwandlung des Privilegien-
systems los und richteten ihre Appelle ans Volk mit der Aufforderung zum
gewaltsamen Umsturz." Das Ziel der deutschen Jakobiner war „die revolutionäre
Aktion, um gemeinsam mit den sozialen Unterschichten ein republikanisches
Gemeinwesen zu errichten" [73: Deutsche revolutionäre Demokraten, Bd. 1,
Einl. XXI]. In den von Grab veröffentlichten Quellendokumentationen findet
sich jedoch kaum ein Jakobiner, auf den die angegebenen Kriterien zutreffen. Die
Texte bringen immer wieder auch Anklänge an den Reformismus und das
Bildungsideal der Aufklärung mit der Zielsetzung, das unwissende Volk, den
„Pöbel" und den „großen Haufen", zu vernünftigem politischen Handeln zu
„erziehen". Über Georg Forster beispielsweise schrieb Grab selber, daß es ihm
trotz seines Übergangs ins revolutionäre Lager nicht gelungen sei, „Reste seines
liberal-idealistischen Denkens vom Primat der Erziehung abzuschütteln" und
während seiner Mainzer Tätigkeit zu der Erkenntnis vorzudringen, daß „Orien-
tierung auf die Revolution auch Orientierung auf die Bedürfnisse und Ziele der
plebejischen Massen bedeuten mußte". „Zu tief saß die Furcht vor dem Wüten des
Pöbels" [583: Eroberung oder Befreiung?, 23]. Grabs Definitionsversuch blieb
auch in den Reihen der Jakobinismusforscher umstritten, vor allem bei jenen, die
den „reinen" Jakobinismus im französischen Sinne nachzuweisen versuchten [vgl.
den Berliner Tagungsbericht über die „erste ,Generalversammlung' von Jakobi-
nismusforschern verschiedener Disziplinen": 554: O. Büsch, W. Grab, Hrsg., Die
demokratische Bewegung in Mitteleuropa].
Auf der Suche nach aktiven Anhängern der französischen Revolution, die sich
uneingeschränkt als Jakobiner bezeichnen lassen, konzentrierte sich das For-
Probleme des kulturellen Transfers 193

schungsinteresse mehr und mehr auf die österreichisch-ungarische Jakobinerver- Untersuchungen


schwörung und die rheinischen Jakobinerzirkel. Die Ergebnisse zeigen allerdings,
° J
it?- überschätzt worden u,ber dle
osterrei"

chisch-ungansche
wie sehr die tatsächliche Bedeutung der deutschen Jakobiner
.

jakobiner-
ist. Die Jakobinerverschwörung in der Habsburger Monarchie stand in einem Verschwörung
engen Kausalzusammenhang mit dem Aufgeklärten Absolutismus. Zuerst haben
E. Wangermann [637: Von Joseph II. zu den Jakobinerprozessen] und D. Silagi
[623: Jakobiner in der Habsburger Monarchie] darauf aufmerksam gemacht, daß
die Wiener Verschwörer um Andreas Riedel und Franz Hebenstreit und die
ungarischen Jakobiner Ignaz von Martinovics in Opposition zum franziszei-
um

schen System an die Reformbestrebungen Josephs II. und die Ständeexperimente


Leopolds II. anknüpften. Für Silagi stellt die ungarische Jakobinerbewegung eine
in die Illegalität gedrängte Variante des von Leopold II. verbesserten Josephinis-
mus dar. Sie war „ein mißgeleiteter Ausläufer einer leopoldinischen
Planung".
„Die Verschwörung des Martinovics und seiner Genossen war kein Vorspiel
freiheitlicher Bewegungen in Ungarn" wie es die neuere madjarische Forschung
„im Zuge einer Suche nach Ahnen für die Staatspartei" darzustellen bestrebt sei -,
-

„sondern ein Abgesang des Aufgeklärten Absolutismus in Österreich; ein Ereignis


eher des Bereiches der Wiener Kabinettspolitik als des weiteren Feldes nationaler
und sozialer Kräfte in der Monarchie." Martinovics erscheint bei Silagi trotz
seiner jakobinischen Wendung „als eine Art Testamentsvollstrecker Leopolds II."
[ebd., 8,12,175]. Wangermann [Tosefiner, Leopoldiner und Jakobiner, in: 609: H.
Reinalter, Hrsg., Jakobiner in Mitteleuropa, 231 ff.] versuchte, „allen Seiten
dieser vielseitigen Bewegung gerecht zu werden": „Sie war ein Abgesang des
Aufgeklärten Absolutismus, und doch zugleich ein Vorläufer der demokratischen
Bewegung", weil sie „ein monarchisches Reformprogramm durch direkte Oppo-
sition einer reaktionär monarchischen Regierung aufzwingen wollte." Auch der
ungarische Historiker K. Benda betonte die Radikalität des Übergangs „vom
höfischen Reformertum zum Jakobinertum"; er fügte jedoch hinzu: „Wir sollen
uns hüten, das Gewicht und die Bedeutung der demokratischen
Bestrebungen zu
überschätzen" [Die ungarischen Jakobiner, in: 609: H. Reinalter, Hrsg., Jakobi-
ner in Mitteleuropa, 284]. Die Kontinuitätslinie, die vom
Josephinismus ihren
Ausgang nahm, schließt sich, wenn es bei Benda heißt was auch für viele
linksrheinische Jakobiner gilt -, daß die überlebenden Anhänger der Verschwö-
-

rung „als ein letzter Ausklang ihrer Bewegung" später in den Dienst Napoleons
traten, der an die Traditionen des Aufgeklärten Absolutismus wiederanknüpfte.
Wie H. Reinalter [610: Aufgeklärter Absolutismus und Revolution] gezeigt
hat, gab es „frühdemokratische Bestrebungen" auch in anderen Ländern der
Habsburgermonarchie, so in Böhmen, Kärnten und Krain, in der Steiermark, in
Oberösterreich, Tirol, Welschtirol und Vorarlberg, ohne daß hier „jakobinische
Verschwörungen" nachzuweisen sind. Es bleibt die Frage, ob die Flucht in den
Verbalradikalismus aus Enttäuschung darüber, daß die Einflußnahme auf den
194 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Herrscher mißlang, als wichtiger Beitrag zur Ausbildung einer revolutionär-


demokratischen Gesellschaftstheorie interpretiert werden kann.
Ältere Arbeiten über Die rheinische Geschichte zur Zeit der Revolution gehört seit je zu den be-
den rheinischen
Themen der Forschung. Der Schwerpunkt der älteren Arbeiten von J.
Republikanismus vorzugten
Hashagen, J. hansen, M. Braubach, L. Just, H. Mathy und J. Droz lag vor
allem auf der ideengeschichtlichen und biographischen Erforschung des rheini-
schen Republikanismus. Für J. Droz [566: L'Allemagne et la Revolution franchise]
war die Mainzer Revolution eine „Revolution Kants", d.h. einer kleinen intel-

lektuellen Oberschicht, die bei der Stadt- und Landbevölkerung kaum Resonanz
fand. Die Revolutionsbegeisterung der Mainzer Klubisten entsprang primär ihrer
Verwurzelung in der Gedankenwelt der Spätaufklärung. Auch das, was einige
Jahre später Joseph Görres und die Koblenzer Cisrhenanen zu verwirklichen
versuchten, entsprach nach Droz [565: La pensee politique et morale des cis-
rhenans] „einer Verschmelzung der französischen Freiheit mit der Philosophie des
Kategorischen Imperativs".
Kontroverse über die Die demokratisch engagierte Jakobinismusforschung wandte sich mit scharfer
Mainzer Republik j^ritik gegen diese Interpretationen, die als „reaktionär" und „konservativ" abge-
von 1792/93 *

wurden. In Mainz, so die Gegenthese, wurde vielmehr „erstmals der Teufels-


.

tan

kreis, in dem sich der deutsche Idealismus bewegte, an entscheidender Stelle


theoretisch und praktisch durchbrochen" (H. Scheel); hier war „unter dem
Schutz der französischen Besetzung die Verbindung zwischen gebildeten Demo-
kraten und dem Volk... Wirklichkeit geworden" (W. Grab); und auch der
rheinische Neojakobinismus von 1797/98 „war eine breite soziale Bewegung...,
deren Hauptziel es war, den Aufbau der bürgerlichen Gesellschaft nicht schon bei
den Interessen von Besitz und Bildung enden zu lassen" (A. Kuhn).
Lokaluntersuchungen zur Mainzer Geschichte von F. G. Dreyfus [564: So-
cietes et mentalites ä Mayence] und T. C. W. Blanning [547: Reform and Revolu-
tion in Mainz] bestätigten jedoch, daß am Rhein keineswegs eine revolutionäre
Situation bestand. Blanning schilderte die Selbstgenügsamkeit der Mainzer
Gesellschaft, die in erster Linie an der Erhaltung des Status quo interessiert war
und sich gegen die fortschrittlichen Reformen der aufgeklärt-absolutistisch
regie-
renden Mainzer Kurfürsten stemmte. Vereinzelte Konflikte mit dem Domkapitel,
innerstädtische Auseinandersetzungen, die Handwerker- und Bauernunruhen in
Mainz, Aschaffenburg und Rüdesheim, die Blanning ausführlich darstellte,
besaßen nach Verlauf und Zielen nichts Revolutionäres. Die umfassende Analyse
der sozialen und ökonomischen Verhältnisse, die Dreyfus vorlegte, machte die
führende Rolle des Adels, der Beamten und des Klerus deutlich, während das
berufsständisch gegliederte Mainzer Stadtbürgertum relativ bedeutungslos blieb.
Dreyfus sprach unumwunden von dem „Mythos" des revolutionären Mainz. F.
Dumont, der Autor der zur Zeit einschlägigen Darstellung über die Mainzer
Republik [570; vgl. auch den zusammenfassenden Aufsatz in: 635: J. Voss, Hrsg.,
Deutschland und die Französische Revolution, 132 ff.] ging daher vom Begriff der
Probleme des kulturellen Transfers 195

„Revolutionierung" aus: „Das Mainzer Ancien Regime wurde nicht von innen
heraus zerstört, sondern von außen, durch die benachbarte Großmacht, die
Eroberung mit Systemveränderung verband." „Die Mainzer Republik ist deshalb
treffender als ein spezieller Fall von Revolutionierung zu bezeichnen." Im Grunde
standen die Mainzer Jakobiner vor demselben Problem wie die Mainzer Kur-
fürsten. Die Mehrheit der Bevölkerung unterstützte weder die Reformpolitik
noch teilte sie die Revolutionsbegeisterung.
Trotzdem bedeutete wohl gerade diese Situation eine besondere Herausforde-
rung für jene kleine, aber aktive Minderheit, die sich mit außergewöhnlichem Eifer
um die „Revolutionierung" bemühte. In Dumonts Buch finden sich hierzu viele

Beispiele. Besonders auf dem Gebiet der Organisation und des Klubwesens
verzeichneten sowohl die Mainzer Jakobiner als auch die cisrhenanischen Repu-
blikaner beachtliche Teilerfolge.
Der erste Band der Edition Scheels dokumentiert die innere Organisation des Untersuchungen des
Mainzer Jakobinerklubs, der immerhin fast 500 Mitglieder mit einem verhältnis- linksrheinischen
Klubwesens
mäßig hohen Anteil von Handwerkern (45%) zählte. A. Kuhn [73: Linksrhei-
nische deutsche Jakobiner] interpretierte die „patriotischen Volksgesellschaften",
die seit Herbst 1797 nach dem cisrhenanischen Zwischenspiel in nachweisbar
neunzehn Orten im Linksrheinischen gegründet wurden, als „Vorformen poli-
tischer Parteien". Seine Quellenauswahl legte besonderen Wert auf Vereinsstatute,
Satzungsentwürfe, Sitzungsprotokolle, parteiähnliche Proklamationen, Korre-
spondenzen zwischen den einzelnen konstitutionellen Zirkeln etc. Kuhns Mono-
graphie über den Kölner konstitutionellen Zirkel von 1798 [594] versuchte nach-
zuweisen, daß mit den Volksgesellschaften unter starker Beteiligung der Hand-
werker bereits der Typ der organisierten Massenpartei entstand. Allerdings bleibt
es zweifelhaft, ob sich das Kölner Beispiel verallgemeinern läßt. Kuhn selbst

räumte ein, daß von den Volksgesellschaften nur diejenigen von Köln, Bonn und
Koblenz „größere Bedeutung erreichten", „ohne aber dem Mainzer Klub von
1793 den Rang ablaufen zu können". Die Geschichte des Kölner Zirkels blieb
auch nach Kuhns Ansicht eine „Episode".
-

In den Handbüchern und Uberblicksdarstellungen der 1980er Jahre erhielten Etablierung und
-

die lange Zeit zu wenig oder gar nicht beachteten deutschen lakobiner endlich yelterentw|cklung
einen Stammplatz. Selten fehlt allerdings der Hinweis auf den
r ii i derjakobinismus-
mangelnden Rück- forschung
j-

halt in der Bevölkerung und die isolierte Position, die diese kleine Minderheit auf
dem radikalen Flügel der ganz überwiegend reformerisch orientierten deutschen
Aufklärungsbewegung einnahm. Das aktualisierende Bemühen um die demokra-
tische Traditionsbildung trat allmählich zurück, wenngleich die Gründerväter der
Jakobinismusforschung ihre Botschaft noch mehrmals wiederholten [584: W.
Grab, Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern; 620: H. Scheel, Die Mainzer
Republik, Bd. 3]. Die Entstehungs-, Verlaufs- und Wirkungsgeschichte demokra-
tischer und frühliberaler „Strömungen" blieb ein Themenbereich, der vor allem
von biographischen und stadtgeschichtlichen Studien weiter ausgeleuchtet wurde.
196 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Beispielgebend ist etwa die quellengesättigte und sorgfältig recherchierte Dop-


pelbiographie über die verschiedenartigen und doch in vieler Hinsicht komple-
mentären Lebenswege der Brüder Friedrich Christoph und Johann Friedrich
Cotta von M. Neugebauer-Wölk [601: Revolution und Constitution; vgl.
hierzu allerdings auch die Korrekturen von 603: E. Pelzer, Die Wiederkehr des
girondistischen Helden]. U. Schmidt beschrieb detailliert die Bestrebungen der
radikalen Bürgeropposition in den Reichsstädten Ulm, Reutlingen und Esslingen
[622: Südwestdeutschland im Zeichen der Französischen Revolution; vgl. hierzu
auch die abweichende Interpretation von 604: V. Press, Reichsstadt und Revolu-
tion].
Intensivierung der Die kontroverse Debatte über den Jakobinismus blieb nicht ohne Rückwirkun-
Auflilärungs- gen auj: jje
Aufklärungsforschung. Die Leistungen, Grenzen und Wirkungen der
deutschen Aufklärungsbewegung wurden nicht mehr nur unter der verengten
Fragestellung untersucht, warum in Deutschland die Revolution ausblieb. „Re-
volution ist eine der möglichen Konsequenzen der Aufklärung, Reform eine
andere" [598: H. Möller, Wie aufgeklärt war Preußen?; 479: Ders., Fürstenstaat
oder Bürgernation]. Erklärungsbedürftig, so meinte R. Vierhaus, sei nicht die
Abwendung von der Revolution, sondern die anfängliche Zustimmung. Die neue
Bildungs- und Beamtenelite neigte dazu, ihre eigenen Emanzipationserfahrungen
auf die als Triumph der Aufklärung idealisierte Revolution zu übertragen [R.
Vierhaus, „Sie und nicht wir" Deutsche Urteile über den Ausbruch der
Französischen Revolution, in: 635: J. Voss, Hrsg., Deutschland und die Französi-
-

sche Revolution, vgl. Ders., Politisches Bewußtsein in Deutschland vor 1789, in:
742: H. Berding/H.-P. Ullmann, Hrsg., Deutschland zwischen Revolution und
Restauration]. Die spezifische Bewußtseinslage der deutschen „Gebildeten" er-
klärt jedoch auch, warum die Ereignisse von 1789 angesichts der sozial-revolu-
tionären Konsequenzen von einem Teil der Aufklärer von Anfang an skeptisch
beurteilt wurden. H. Möller [597: Aufklärung in Preußen] hat dies für Nicolai
und die preußischen Aufklärer, U. Becher [543: Politische Gesellschaft] für den
Kreis der Reichspublizisten um F. C. v. Moser und A. L. v. Schlözer
nachgewiesen.
Schon das ältere und 1976 neu aufgelegte Werk von H.H. Gerth [578: Bürgerliche
Intelligenz um 1800] analysierte im Hinblick auf die „Ursprungssituation des
liberalen Denkens in Deutschland" die wichtige Rolle der verbeamteten Intelli-
genz, die ihre Reformbemühungen in enger Bindung an den Staat durchzusetzen
hoffte (was nicht mit purer Anpassung zu verwechseln ist). Gerth verwies
zugleich auf die wachsende Schicht der Intellektuellen ohne Amt und der institu-
tionell wie personell ungebundenen Literaten, die nicht selten deshalb den radi-
kalen Ideen der Aufklärung anhingen, weil sie ein Ausdruck ihrer eigenen
Unzufriedenheit waren. Exemplarisch wird dieser Zusammenhang von Lebens-
weg, Umwelt und Werk in der Rebmannbiographie von R. Kawa dargelegt [588;
vgl. auch 636: E. Wadle/G. Sauder, Hrsg., Georg Friedrich Rebmann].
Probleme des kulturellen Transfers 197

Im Rahmen der Sozialgeschichte der Aufklärung fand die Sozietätsbewegung


des 18. Jahrhunderts, die für die Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft
charakteristischer war als die isolierten Jakobinerzirkel, verstärkte Beachtung.
Einen Einblick in diese Forschungsrichtung vermitteln die Sammelbände über
Freimaurerlogen und Geheimbünde [611: H. Reinalter; 595: P. Ch. Ludz], über
patriotische und gemeinnützige Gesellschaften [632: R. Vierhaus] sowie über die
zahlreichen Lesegesellschaften [559: O. Dann]. Die sprunghafte Verbreitung der
Sozietätsbewegung mit ihren neuen Organisations- und Gesellschaftsformen wird
eindrucksvoll in den beiden Gesamtdarstellungen von U. Im Hof [587: Das
gesellige Jahrhundert] und R. van Dülmen [569: Die Gesellschaft der Aufklä-
rer] beschrieben.
Im Zuge der neueren Bürgertumsforschung, die sich der städtischen Lebenswelt Entwicklungsvor-
und dem aufblühenden Vereinswesen des 19. Jahrhunderts zuwandte, ist es auch sprung Frankreichs?
im Hinblick auf das Wirtschafts- und besonders das Handelsbürgertum der
größeren Städte fraglich geworden, ob und inwieweit von einem Entwicklungs-
vorsprung Frankreichs die Rede sein kann [502: L. Gall, Hrsg., Vom alten zum
neuen Bürgertum]. Die These vom unheilvollen „deutschen Sonderweg", die der

Suche nach einer „deutschen Revolution" und der Abwertung der Reformalter-
native zugrunde liegt, wird neuerdings selbst von jenen Historikern abge-
schwächt, die weiterhin den sturen Traditionalismus des kleinen und mittleren
Stadtbürgertums hervorheben [489: H.-U. Wehler, Deutsche Gesellschaftsge-
schichte, Bd. 1]. Schon früh warnte R. Reichardt vor einer Fehleinschätzung, die
mit der Dogmatisierung der „bürgerlichen Revolution" von 1789 ein Vergleichs-
modell zum Maßstab nahm, das von der französischen Revolutionsforschung
längst revidiert worden war. Reichardt schlug vor, „die relative Schwäche
revolutionärer Ansätze in den deutschen Territorien nicht hauptsächlich aus der
geringen Zahl von Jakobinern und dem völligen Fehlen von ,Sansculotten' zu
erklären, sondern vor allem daraus, daß beide kaum zu einem Bündnis zusam-
menfanden" [Die Französische Revolution als Maßstab des „deutschen Sonder-
weges"?, in: 635: J. Voss, Hrsg., Deutschland und die Französische Revolution,
325 f.].
Ein von H. Berding herausgegebener Aufsatzband über „Soziale Unruhen in Soziale Unruhen
Deutschland während der Französischen Revolution" [545] nahm diese Anregung >enselt* der franzosi-
sehen Grenze
auf und versuchte, an regionalgeschichtlichen Fallstudien „das schwierige Ver-
.

hältnis zwischen Jakobinern' und ,Volk' neu zu bestimmen und damit die Frage
nach den Gründen für das Scheitern demokratischer Bestrebungen in eine neue
Richtung zu lenken" [ebd., 8]. Die gängige Annahme eines schwächer als in
Frankreich ausgebildeten Konfliktpotentials wird in fast allen Studien dieses
Bandes widerlegt. Aufruhr und Unruhen sind auch in deutschen Gebieten, auf
dem Land wie in den Städten, vielfach nachzuweisen. Offenbar traten sie 1789/90
besonders häufig auf. Doch die meisten Auseinandersetzungen bildeten nur den
Kulminationspunkt von Protesten, die schon früher eingesetzt hatten und aus
198 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

traditionellen lokalen Anlässen hervorgegangen waren. Unter dem Einfluß der


französischen Revolution wurden diese Konflikte besonders in grenznahen
Gebieten verschärft und teilweise politisch aufgeladen, aber: „Ein ^evolutio-
-

näres' Protestverhalten setzte sich im größeren Ausmaß und auf Dauer nicht
durch" [H. Berding, Die Ausstrahlung der Französischen Revolution auf
Deutschland, in: 549: H. Böning, Hrsg., Französische Revolution und deutsche
Öffentlichkeit, 7]. Kenner des Alten Reiches erklären dies mit den ganz anderen
politischen Rahmenbedingungen, Traditionen und Erfahrungen, die auf andere
Lösungsmöglichkeiten hinlenkten. Dazu gehörte neben der mächtigen Tradition
der Reformpolitik vor allem die Rechtsaufsicht des Reiches bzw. der Reichsge-
richte, die für Konfliktregelungen, wenn auch auf der Basis des Status quo, sorgten
und der einzelstaatlichen Willkür Schranken setzten: „Eine Einrichtung wie die
Bastille war im Reich undenkbar" [K. O. Frhr. v. Aretin, Deutschland und die
französische Revolution, in: 542: Ders./K. Härter, Hrsg., Revolution und
konservatives Beharren, 11; 605: V. Press, Warum gab es keine deutsche Revolu-
tion?; 604: Ders., Reichsstadt und Revolution].
Reform und Mit der Abschwächung der Sonderwegsthese veränderte sich die vergleichende
Revolution
perSpektivej zumal die demokratische Massenbasis der Jakobiner auch für Frank-
reich besonders durch die Ergebnisse der neueren Wahlforschung [siehe oben
Kap. II, 3] ebenfalls Zweifeln ausgesetzt ist [vgl. den Forschungsbericht von M.
-

Wagner, Die „deutschen Jakobiner" im internationalen Vergleich, in: Francia 24,


-

1997, 211-224]. Mit Blick auf die Länder außerhalb Frankreichs glaubte K.O.
Frhr. v. Aretin feststellen zu können: „Das Fehlen einer jakobinischen Revolu-
tion ist kein deutsches, sondern ein gesamteuropäisches Phänomen" [Deutschland
und die Französische Revolution, in: 542: Revolution und konservatives Beharren,
10]. Da Anstöße zu Reformen auch von der französischen Revolution ausgingen,
stellten sich die Herausgeber eines vergleichend angelegten Aufsatzbandes die
Frage, „ob Revolution und Reform noch zu Recht als zwei konträre Wege in die
Moderne begriffen werden oder ob es nicht vielmehr an der Zeit ist, stärker über
die komplementären Beziehungen zwischen revolutionärem und reformerischem
Wandel nachzudenken" [546: H. Berding/E. Francois/H.-P. Ullmann, Hrsg.,
Deutschland und Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution, 7]. Mehr
noch als für die Revolutionsdekade gilt diese Wechselbeziehung für die napoleo-
nische Zeit. „Die eigentliche historische Wirkung der Französischen Revolution",
so hat es schon E. Weis formuliert, scheint mir nicht in den wenigen lokalen
„...

Erhebungen, Jakobinerzirkeln und Traktaten der Zeit von 1789 bis 1799 zu liegen,
sondern vielmehr in den Reformen, die in der napoleonischen Zeit unter dem
Druck oder durch die Vermittlung des imperialen Frankreich durchgeführt-

wurden" [Pfalz-Bayern, Zweibrücken und die Französische Revolution, in: 635:


-

J. Voss, Hrsg., Deutschland und die Französische Revolution, 130].


Auf ganz andere Weise haben Kenner der mentalitäts- und kulturhistorischen
Interpretation der französischen Revolution [vgl. oben Kap. II, 3] versucht, die
Probleme des kulturellen Transfers 199

einseitige Fixierung auf ideengeschichtliche Beziehungen oder die nur begrenzten


Aktivitäten der deutschen Jakobiner zu überwinden. Ausgehend vom Konzept Das Forschungskon-
des „kulturellen Transfers" [M. Espagne/M. Werner, Hrsg, Transferts. Les Transfers «Pt des kulturellen
relations interculturelles dans l'espace franco-allemand, Paris 1988], plädierte R.
i..

Reichardt dafür, die klassische Problemstellung „Deutschland und die französi-


sche Revolution" umzukehren und stattdessen das Thema „Die französische
Revolution und Deutschland" zu untersuchen [608: „Freymüthigkeit, doch kein
Sans-Cülotismus..."; thesenhafte Erörterung des Neuansatzes: Ders, Die Fran-
zösische Revolution und Deutschland, in: 542: Revolution und konservatives
Beharren, 21-28]. Wichtiger als die Rezeptionsgeschichte „revolutionärer
Ideen" erscheint ihm die Frage nach den Auswirkungen der „Kulturrevolution"
und danach, was von ihr z. B. durch die Übertragung von Texten und Bildern in
Deutschland „ankam", worüber das deutsche Publikum informiert wurde, welche
- -

Medien aktuelle Nachrichten über das revolutionäre Geschehen verbreiteten, wer


die Berichterstatter waren, kurz: ob und mit welcher sozialen Reichweite Wissen,
Begriffe und Symbole der Revolution auch in den deutschen Kulturraum vermit-
telt wurden. Den Zugang liefern quantifizierend-serielle Methoden der Textana-
lyse. Ihnen liegt die Annahme zugrunde, daß der Umschlag „kultureller Güter"
von den Geschäftsinteressen professioneller „Vermittler" (Publizisten, Überset-

zer, Verleger, Buchhändler) abhängig war. An der Vielfalt und Vielzahl von
Zeitungsreportagen, Textübersetzungen und Bildübertragungen, so glaubt man,
lasse sich zugleich das Publikumsinteresse erkennen und „messen".
Als Musterbeispiel fungierten die Arbeiten von Lüsebrink und Reichardt Das Beispiel des
über die Bastillesymbolik [298: Die Bastille]. Eine Analyse von Zeitungstexten Basti"esturms
und der Bildpublizistik ergab, daß die deutsche Öffentlichkeit zwischen Ham-
burg, Leipzig und Augsburg überraschend ausführlich und genau über den
Bastillesturm, auch über seine Vor- und Nachgeschichte, unterrichtet war.
Ebenso läßt sich die Übernahme von Revolutionssymbolen, besonders der Ge-
brauch von Kokarden, bei sozialen Unruhen nachweisen [607: R. Reichardt,
Bastillen in Deutschland?; Ders, Deutsche Volksbewegungen im Zeichen des
Pariser Bastillesturms, in: 545: Soziale Unruhen, 10-27], Trotzdem war es nur
ausnahmsweise möglich, den „Kulturtransfer" bis zu den „Endverbrauchern" der
kulturellen Güter zu verfolgen.
Die meisten bisher erschienenen Studien zur Transferforschung befassen sich Medien der Kultur-
daher mit den „Trägern und Institutionen der Kulturvermittlung" oder mit ve™"ttlung
„Informations- und Wahrnehmungsprozessen" unter besonderer Berücksichti-
gung der Printmedien [596: H.-J. Lüsebrink/R. Reichardt, Hrsg, Kulturtrans-
fer im Epochenumbruch; 572: M. Espagne/W. Greiling, Hrsg, Frankreich-
freunde; vgl. zur Mediengeschichte: W. Greiling/M. Middell, Frankreich-
Berichterstattung in Zeitungen: Kursachsen und Thüringen zur Zeit der Französi-
schen Revolution, in: 596: Kulturtransfer im Epochenumbruch, 197-237; K.
Angelike u. a. Frankophone Zeitungen an der deutschen Westgrenze als Medien
200 II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

des Kulturtransfers, ebd., 145-192; 549: H. Böning, Hrsg., Französische Revolu-


tion und deutsche Öffentlichkeit; 599: U. Möllney, Norddeutsche Presse um
1800]. Nicht alle Regionalstudien zum Pressewesen bestätigen die herausragende
Bedeutung der Revolutionsberichterstattung; so hat U. Möllney über die von ihr
untersuchten nordwestdeutschen Presseorgane festgestellt: „Von den Ereignissen
in Frankreich sind die Blätter zwar nicht unberührt geblieben, aber es ist nicht zu
beobachten, daß der revolutionäre Aufbruch das allbeherrschende Thema war"
[ebd., 13].
Die französisch- Um dem unverfälschten Einfluß der Revolution auf die Spur zu
möglichst
deutsche Uberset-
zungsbibliothek
kommerl) ar[\t das Hauptinteresse der Transferforschung den Übersetzungen
°

französischer Originaltexte. Im Rahmen eines größeren Forschungsprojekts


.., „ ,
. .

wurden die selbständig oder in Journalen veröffentlichten Übersetzungen zu


einem Quellenkorpus zusammengestellt. Anfangs zählte diese „Übersetzungs-
bibliothek", wie die Transfer-Datenbank genannt wird, etwa 1000 Texte; mitt-
lerweile sind mehr als 16 000 Schriften (allerdings nicht mehr nur politischen
Inhalts) erfaßt [H.-J. Lüsebrink/R. Nohr/R. Reichardt, Kulturtransfer im
Epochenumbruch Entwicklung und Inhalte der französisch-deutschen Über-
setzungsbibliothek 1770-1815 im Überblick, in: 596: Kulturtransfer im Epochen-
-

umbruch, 29-86]. Eine erste Auswertung, die Reichardt zu Beginn der neunziger
Jahre vornahm, kam zu dem Ergebnis: „Besonders Zeitungen und Bildpublizistik
gemeinsam vermittelten dem deutschen Publikum in den ersten Revolutionsjah-
ren praktisch unzensiert ein so authentisches und emphatisches Bild von der

Französischen Revolution, daß die gängige These von der deutschen Revolutions-
skepsis revisionsbedürftig erscheint: wenigstens von 1789 bis 1791 ist eine bemer-
kenswert breite positive Revolutionsrezeption festzuhalten, deren Wirkungen
durch den späteren konservativen Meinungsumschwung zwar verdeckt, aber
nicht völlig abgebrochen wurden" [Probleme des kulturellen Transfers, in: 549:
Französische Revolution und deutsche Öffentlichkeit, 138]. Reichardt schreibt
es einer sachlichen und differenzierten Berichterstattung zu, wenn vor allem

solche Texte übersetzt wurden, die eine gemäßigte, positiv-zustimmende Rich-


tung verfolgten, die also weder für die rigorose Ablehnung der Revolution noch
für die Sozialrevolutionäre Radikalisierung eintraten. Die deutschen Leser, so
heißt es in Reichardts programmatischem Aufsatz von 1988 [608: „Freymü-
thigkeit, doch kein Sans-Cülotismus..."], lernten eine „Revolution ohne Jakobi-
nermütze" kennen. Die Frage, inwieweit das Interesse an einer gemäßigten
Revolution eher mit der deutschen Reformtradition statt mit „Übernahmebereit-
schaft" und „Aneignung des Fremden" (im Sinne der Transfertheorie) erklärt
werden kann, wird von Reichardt nicht gestellt.
Auch paßt es nicht ganz zu Reichardts Thesen, daß sich der Schwerpunkt der
Übersetzungen von Büchern zu aktuellen Zeitungsartikeln erst 1792 verlagerte,
d. h. seit dem Kriegsausbruch, der das deutsche Publikum unmittelbar betraf. Die
Übersetzungswelle des Revolutionsjahrzehnts erreichte ihren Höhepunkt erst
Probleme des kulturellen Transfers 201

1795/96, nachdem Frankreich unter dem Direktorium zur „bürgerlichen Repu-


blik" geworden war [550: E. Botsch, La Revolution Francaise et le transfert
culturel politique; Dies, Die Bibliothek der französischen Revolution in Deutsch-
land, in: 542: Revolution und konservatives Beharren, 29-36].
In seinem jüngst erschienenen Buch mit dem thesenhaften Titel „Die Wieder- Die Rolle der deut
kehr des girondistischen Helden" hat E. Pelzer diesem Befund eine Deutung sehen Intellektuellen
im Transferprozeß
gegeben, die viel ausführlicher als Reichardts Untersuchungen auf die Zeit nach
dem Sturz Robespierres eingeht und damit eine Phase behandelt, in der sich neben
dem Kriegsthema auch der „Terrorjournalismus" frei entfalten konnte [603]. Die
Quellenbasis dieses Buches besteht aus ca. 2000 Übersetzungen politischer Schrif-
ten, von denen die wichtigsten bzw. meistübersetzten Autoren ebenso vorgestellt
werden wie die „kulturellen Mittler", die Übersetzer und Verleger, die an dem
florierenden Geschäft der Verbreitung „kultureller Güter" beteiligt waren. Ähn-
lich wie Reichardt identifiziert Pelzer die schiere Massenhaftigkeit der Quellen
mit einem breiten Publikumsinteresse an der Revolution; der Wegfall der Sprach-
barrieren habe es der bürgerlichen Mittelschicht und „partiell auch den sozialen
Unterschichten" ermöglicht, authentische Informationen aufzunehmen und sich
eigenständig mit ihnen auseinanderzusetzen: „Die dadurch erzielte Mobilisierung
politischer Öffentlichkeit kann nicht hoch genug bewertet werden..." [ebd.,
143 f.]. Die Kernthese des Buches bezieht sich allerdings auf die „deutschen
Intellektuellen", die eigentlichen Träger des Transferprozesses, die wie es ganz
in Übereinstimmung mit der älteren Literatur heißt die Ereignisse im Nachbar-
-

land „aus der Zuschauerperspektive" und ohne Bereitschaft zu eigenem revolu-


-

tionären Handeln wahrnahmen: „von einem Erkennen der Fremdheit, oder gar
einer Übernahme, fehlt jede Spur" [ebd., 143 f.]. Übersetzt wurden anfangs vor
allem aufgeklärt-liberale, der konstitutionellen Monarchie sowie dem englischen
Vorbild zuneigende Autoren und später dann primär die Girondisten, deren
Schriften 1795/96 den bei weitem größten Anteil aller Übersetzungen ausmach-
ten. Den Märtyrerkult, der um diese Opfer der „Blutmenschen" betrieben wurde,
erklärt Pelzer mit dem Rechtfertigungsdruck, der aus der Fehleinschätzung des
Revolutionsverlaufs erwachsen sei: „Die Mehrheit der Intellektuellen... nahm die
girondistischen Helden zum Vorwand, um einen uneingestandenen Irrtum, näm-
lich die anfängliche Revolutionsbegeisterung, im Nachhinein zu kaschieren" und
zugleich an den Utopien der Aufklärung festhalten zu können. Die Gründe,
warum die meist sehr rührseligen Gefängnis- und Fluchtgeschichten beim Lese-

publikum beliebt waren, liegen auf der Hand. Wer sie letztendlich las, bleibt wohl
trotzdem ungewiß.
Die Möglichkeiten und Grenzen des Revolutionstransfers werden am Beispiel Revolutionstransfer
der Bildpublizistik besonders deutlich. Den Ergebnissen von Ch. Danelzik- ^ der Bildpublizistik

Brüggemann zufolge [558: Ereignisse und Bilder] wirkte die französische Revo-
lution auch in diesem Transferbereich als Motor, der die Bildproduktion antrieb
und zugleich dieses Medium veränderte. Vor allem die von ihm wiederentdeckten
202 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Almanachillustrationen, die mit der Ansprache des Gefühls und der Hinwendung
zu politischen Gegenwartsthemen wie Revolution und Krieg einen neuen Stil
kreierten, werden von Danelzik-Brüggemann als Teil einer „sehr differenzier-
ten politischen Kultur" interpretiert. Zugleich zeigt sich aber, daß nicht die

symbolischen Sinnbilder der Revolution, sondern mit Vorliebe „Ereignisbilder"


kopiert und „eingedeutscht" oder auch neu entworfen wurden: „Die Übertragung
politischer Kunst von einem in das andere Land bewirkte in den meisten Fällen
Bedeutungsveränderungen bis hin ins Gegenteil" [Frankreich und die Bildpubli-
zistik in Deutschland, in: 596: Kulturtransfer im Epochenumbruch, 730].
Napoleon als Zäsur Neben den Untersuchungen von Pelzer und Danelzik-Brüggemann berück-
in den Zeiterfahrun
gen in Deutschland
sichtigt eine weitere, vor kurzem veröffentlichte Studie auch mentalitätsgeschicht-
liche Perspektiven. E. W. Becker stellt in seinem Buch über die Zeiterfahrungen in
Deutschland die Frage, ob die französische Revolution auch jenseits der Grenze
als Bruch und „Beginn einer neuen Zeit" wahrgenommen wurde [544: Zeit der
Revolution! Revolution der Zeit?]. Es ergibt sich, daß die Revolution keineswegs
als Zäsur im Zeitbewußtsein wirkte. Wie es den aufschlußreichen Zitaten aus
-

Briefen, Reiseberichten und vor allem aus Presseartikeln der einschlägigen deut-
schen Journale zu entnehmen ist, sahen die politisch-engagierten Zeitgenossen,
einschließlich der Demokraten, nicht den Epochenumbruch; sie hofften vielmehr,
fast ohne Ausnahme, auf die Fortsetzung der Reformen, die erst Napoleon zu
gewähren schien. Nicht die Revolution, sondern Napoleon markierte die „neue
Epochenzäsur": „Zwar stiftete die Französische Revolution als ein weltgeschicht-
liches Ereignis die ,Grundprinzipien der modernen Welt', doch wurde sie für
Deutschland zu einer realen Erfahrung erst in der Auseinandersetzung mit den
Koalitionskriegen, vor allem aber mit Napoleon und dem durch ihn bewirkten
Revolutionsexport und der Neuordnung des Reiches" [ebd., 89].
Neuerdings kann auch die Transferforschung die napoleonische Zeit nicht
länger ausblenden. Nachdem die französisch-deutsche Übersetzungsbibliothek
auf die „Sattelzeit" der Jahre 1770 bis 1815 ausgedehnt worden ist und obgleich sie
über die politischen Schriften hinaus nun auch Themenbereiche wie Literatur,
Philosophie und Naturwissenschaften aufgenommen hat, ist es Napoleon, der auf
den Transferlisten der meistübersetzten Autoren eine unübersehbare Spitzenstel-
lung einnimmt [596: Kulturtransfer im Epochenumbruch, 72 f.].
Säkularisationsforschimg 203

5. Neue Wege der Säkularisationsforschung

Eine Gesamtdarstellung der Säkularisation ist bis heute nicht geschrieben worden. Problematik einer
Die Gründe hierfür liegen einmal in der wenig ausgeglichenen Forschungslage:
Für einzelne Gebiete, so vor allem für das Rheinland und Bayern, existieren zwar
^Tsa^lariTton8
zahlreiche Lokal- und Regionaluntersuchungen, aber sie reichen bei weitem nicht
aus, ein Gesamtbild der Säkularisationsvorgänge in den deutschen Territorien zu
vermitteln. Zum anderen erschwert die Vielfalt höchst verschiedenartiger Aspekte
und noch offener Probleme die erschöpfende Behandlung des Themas. Die
Säkularisation betrifft rechtliche, kulturelle, mentale, kirchen- und verfassungs-
politische sowie wirtschafts- und sozialgeschichtliche Sachverhalte; sie ist ver-
flochten mit der Reichs- und Territorialgeschichte und dem allgemeinen politi-
schen Geschehen nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa; ihre Vorge-
schichte reicht zurück bis zu den Säkularisationen des 16. und 17. Jahrhunderts,
ihre Auswirkungen bestimmten das Verhältnis von Staat, Kirche und Gesellschaft
bis ins 20. Jahrhundert. Dem Ereignis der Säkularisation ging der Prozeß der
Säkularisierung voraus. Hinzu kommt die Problematik des historischen Urteils,
das im Anschluß an zeitgenössische Kontroversen für oder gegen die geistlichen
Staaten lange Zeit parteiisch ausfiel. Auch heute noch verteilt sich die Säkularisa-
-

tionsforschung auf verschiedene Forschungszweige und -richtungen.


-

Im engeren Sinne meint Säkularisation die politisch-rechtliche Entmachtung Rechts- und kir-
der katholischen Kirche. Die besten Überblicksdarstellungen über den Untergang cnengescnichtliche
Darstellungen
der Reichskirche im Zusammenhang mit der allgemeinen Geschichte finden sich
.

. .

nicht zufällig in Handbüchern zur Verfassungs- und Kirchengeschichte [476: E. R.


Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, 42 ff.; 688: H. Raab, Der Unter-
gang der Reichskirche, in: H. Jedin, Hrsg., Handbuch der Kirchengeschichte,
533 ff.]. Eine gute Einführung in diese Forschungsrichtung bieten die 1976 und
1978 von A. Rauscher und A. Langner veröffentlichten Beiträge der vom
Arbeitskreis „Deutscher Katholizismus im 19. und 20. Jahrhundert" durchge-
führten Symposien [689: Säkularisierung und Säkularisation vor 1800; 671: Säku-
larisation und Säkularisierung im 19. Jahrhundert]. Untersucht werden vor allem
die Rechtsprobleme des Reichsdeputationshauptschlusses, der Stellenwert der
Säkularisation im Prozeß der Säkularisierung, die Folgen der Säkularisation für
das kirchliche Leben im katholischen Deutschland und die Auswirkungen auf das
Verhältnis von Kirche und Staat.
Die alte Streitfrage nach den Rechtsgrundlagen und der Rechtmäßigkeit der
Säkularisation scheint heute gelöst zu sein. Die Verdammungsurteile, die
Treitschke und seine Schule aus nationalen Gründen gegen den „ungeheueren
Rechtsbruch" und die „Fürstenrevolution" in den süddeutschen Staaten geschleu-
dert haben, werden nicht mehr ernst genommen. Huber [476: Deutsche Verfas-
sungsgeschichte, Bd. 1, 57] bezeichnet die Aufhebung der geistlichen Fürstentü-
mer als einen Akt der „legalen Revolution", in dem sich die politische Notwen-
204 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

digkeit gegenüber der „überlieferten Rechtmäßigkeit" durchgesetzt habe. Eine


rechtsgeschichtliche Studie von K. D. Hömig [659: Der Reichsdeputationshaupt-
schluß] weist darauf hin, daß das Reichsgesetz von 1803 gegen das 1648 festge-
setzte Prinzip der gütlichen
Einigung in Religionssachen verstieß. Man umging in
Regensburg diese Schwierigkeit, indem man die geistlichen Staaten im Reichstag
zwar zum Votum aufrief, sie aber gleichzeitig für abwesend erklärte. Auch Hömig
kommt jedoch zu dem Schluß, daß diese „Verfassungswidrigkeit" an der Rechts-
wirksamkeit des Hauptschlusses nichts geändert habe.
Säkularisation und Mit der Zuordnung der Säkularisation zum Prozeß der Säkularisierung wurde
Säkularisierung jje parteüscne Argumentation der Säkularisationsgegner relativiert. Als histo-
risch-soziologische Prozeßkategorie verlor der Begriff „Säkularisierung" seinen
antikirchlichen Beiklang [675: H. Lübbe, Säkularisierung; 703: H.-W. Strätz/H.
Zabel, Säkularisation, Säkularisierung]. Auch innerhalb der Religionssoziologie
und -philosophie setzte sich die Unterscheidung von legitimer Säkularisierung im
Sinne zu respektierender Weltlichkeit der Welt einerseits und einem mehr ideo-
logisierenden, sich antireligiös verstehenden Säkularismus andererseits durch. Die
katholische und die protestantisch-konservative Fixierung auf Säkularisierung in
der Bedeutung von christlichem Glaubensverfall und Substanzverlust wurde
zurückgedrängt.
Innerkirchliche Der Verzicht auf polemische Positionen ermöglichte es, auch innerkirchliche
Sakulansierungs- Säkularisierungsvorgänge ins Blickfeld zu rücken. Hierher gehört etwa die Ent-
deckung der katholischen Aufklärung in vielen geistlichen Staaten. Zahlreiche
Studien über einzelne Fürstbistümer und Klöster im 18. Jahrhundert widerlegten
die ältere These liberal-protestantischer Historiker vom „verrotteten" Mönchtum
und dem geistigen Niedergang des stiftischen Deutschland. Andererseits wurde
deutlich, daß die aufklärerischen Bestrebungen innerhalb des Katholizismus dazu
beitrugen, die überlieferten traditionellen Rechtsvorstellungen über den Zusam-
menhang zwischen geistlicher und weltlicher Macht aufzulösen. P. Wende hat in
seiner Untersuchung über die zeitgenössische Publizistik [709: Die geistlichen
Staaten] auf die vernunftrechtliche Argumentation, die von einem Teil der Ver-
teidiger der Fürstbischöfe im Verlauf der Säkularisationsdebatte entwickelt
wurde, aufmerksam gemacht: die Anwälte der geistlichen Staaten (verlie-
„...

ßen) ihre ursprüngliche Bastion, die der Tradition, um sich in der Stellung
...

des neuen Geistes zu verschanzen" [ebd., 93]. Ein Aufsatz von B. Casper über
theologische Studienpläne des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts [in: 671: A.
Langner, Hrsg, Säkularisation und Säkularisierung] macht deutlich, daß die
Bemühungen um eine „nützliche" Theologie „einer inneren Säkularisierung von
Theologie" nahekamen.
Innerkirchliche Mit diesen Forschungsergebnissen stellte sich noch einmal das Problem der
der
^F°'sen innerkirchlichen Folgen der Säkularisation. Die lange Zeit gültige und gegen die
ältere Forschung gerichtete These von den positiven Seiten der Säkularisation im
Hinblick auf die religiöse Erneuerung und innere Festigung der katholischen
Säkularisationsforschung 205

Kirche, die sich, von der weltlichen Herrschaft entlastet, ihren seelsorgerischen
Funktionen und theologischen Aufgaben habe widmen können, wurde wieder in
Frage gestellt. Nach Langner [671: Säkularisation und Säkularisierung, 153]
führte „die Diskussion auf dem Augsburger Kolloquium des Arbeitskreises
,Deutscher Katholizismus im 19. und 20. Jahrhundert' eher zu dem Ergebnis,
daß die Säkularisation eine im 18. Jahrhundert in Ansätzen bereits sichtbare
innerkatholische Evolution zunächst aufgehalten habe, eine Evolution, die also
vielleicht auch ohne die Säkularisation und ihre negativen Folgen zu den späteren
positiven Ergebnissen geführt hätte". Auch die nach M. Braubach [468: Geb-
hardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 3,34] vielzitierte „Demokrati-
sierung" der Geistlichkeit, die schon Treitschke, wenngleich mit negativer
Bewertung („plebejischer Klerus"), betont hatte, blieb nicht unumstritten. R. v.
Oer [in: 671: A. Langner, Hrsg., Säkularisation und Säkularisierung, 28] und H.
Raab [688: Der Untergang der Reichskirche] hoben hervor, daß die Seelsorgetä-
tigkeit schon lange vor 1803 in den Händen bürgerlicher Kleriker lag. Wie für die
Gesamtgesellschaft, so trifft es wohl auch für die kirchliche Entwicklung zu, daß
der Wandel sich vorbereitete und nicht abrupt und sprunghaft einsetzte.
Einzeluntersuchungen zufolge bewirkte die Säkularisation auch keine umwäl-
zende Neuerung des staatskirchenrechtlichen Systems. Das Grundmodell der
Staatskirchenhoheit stammte bereits aus der vorrevolutionären Zeit. E. Weis
[809: Montgelas, 113 ff.] hat auf die historische Tradition des bayerischen Landes-
fürstentums für die staatskirchenrechtlichen Vorstellungen von Montgelas hinge-
wiesen und schon die Vorgänge bei den Freisinger Bischofswahlen von 1788 und
1790 als Versuche gedeutet, die offen auf eine Säkularisation als „ersten Präzedenz-
fall" hinausliefen. K. D. Hömig [659: Der Reichsdeputationshauptschluß] und
H.W. Strätz [Die Säkularisation und ihre nächsten staatskirchenrechtlichen
Folgen, in: 671: A. Langner, Hrsg., Säkularisation und Säkularisierung, 31 ff.]
kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Auch die Klostersäkularisationen hatten eine
lange Vorgeschichte [708: E. Weis, Die Säkularisation der bayerischen Klöster;
661: C.Jahn, Klosteraufhebungen]. Die schnelle Regeneration der katholischen
Kirche im Verein mit der verstärkten Bindung an das Papsttum verschafften der
Kirche allerdings bald wieder ein Eigengewicht gegenüber dem staatlichen Ho-
heitsanspruch. Auf lange Sicht war das Ergebnis der Entwicklung nach 1803 die im
Grundsatz anerkannte Selbständigkeit der katholischen und paritätshalber
auch der protestantischen Kirche. Die Entstehung des politischen Katholizismus
- -

und die Ansätze zur katholischen Parteibildung lassen sich möglicherweise darauf
zurückführen, daß aus den ehemals geistlichen Staaten Impulse zu stärkerem
politischen Engagement hervorgegangen sind. In einer sozialgeschichtlichen
Analyse über das Verhältnis des katholischen westfälischen Adels zum preußi-
schen Staat hat H. Reif [522: Westfälischer Adel 1770-1860] „die hohe identitäts-
stiftende Kraft" und die „Organisationskapazität" der katholischen Religion
hervorgehoben: „Der katholische westfälische Adel (distanzierte sich) vom Staat
206 II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

und definierte sich als von staatlichen Bindungen relativ unabhängige, traditional-
paternalistisch und kirchlich-sozialpolitisch legitimierte regionale, agrarische und
kirchliche Führungsschicht, die, gestützt auf eine über Organisationsformen der
Gesellschaft expandierendes Vereins-, Verbands- und Parteiwesen und erneuerte
katholische Kirche gewonnene Massenloyalität, in den Parlamenten sowie
-

gegenüber Hof und staatlicher Bürokratie diffus über die katholische Religion
-

integrierte antimoderne, antiliberale und antikapitalistische Sozialinteressen ver-


trat" [ebd., 458].
Materielle und Zweifellos ist die Kirche vor allem materiell und kulturell getroffen worden. Die
kulturelle Verluste
gewaltigen Vermögensverluste, die Zerstörung oder Verschleuderung wertvoller
Kunstwerke und Bibliotheksbestände, die Auflösung von achtzehn katholischen
Universitäten sowie zahlreicher Akademien und Gymnasien in Stiften, Abteien
und Klöstern haben das geistige, kulturelle und soziale Leben im katholischen
Deutschland auf lange Zeit geschwächt. In der älteren säkularisationsfeindlichen
Literatur [vgl. 693: A. M. Scheglmann, Geschichte der Säkularisation im rechts-
rheinischen Bayern] tauchte immer wieder der Vorwurf des „Wandalismus" auf,
ein Begriff, der zuerst 1794 vom französischen Bischof Henri Gregoire in der
Nationalversammlung benutzt wurde, um die sinnlose Zerstörung von kirchli-
chen Kunstwerken durch die Jakobiner zu brandmarken. Die neuere Forschung
urteilt vorsichtiger. Das katholische Bildungswesen, so meinte R. v. Oer [in: 671:
A. Langner, Hrsg, Säkularisation und Säkularisierung, 28], sei ein Forschungs-
feld, das „noch weiterer Bearbeitung harrt". H. Raabs Versuch einer Bilanz über
die Auswirkungen der Säkularisation auf Bildungswesen, Geistesleben und Kunst
im katholischen Deutschland [ebd., 63 ff.] stützt sich auf zeitgenössische Anklagen
und auf verstreut liegende monographische Studien und Miszellen über einzelne
Bistümer und Klöster (meist in Bayern). Das „Ende der stiftischen Kulturland-
schaft" läßt sich zwar konstatieren; über das tatsächliche Ausmaß der Verluste
wissen wir jedoch wenig.
Gut erforscht hingegen sind die politischen Voraussetzungen für die Säkularisa-
tion der Reichskirche. Die Vorgeschichte der dritten Koalition und die Zusam-
menhänge mit der europäischen Geschichte sind von U. Krüger-Löwenstein
Monographien über [392: Rußland, Frankreich und das Reich] detailliert untersucht worden. Mono-
einzelne Bistümer
graphische Forschungen, so vor allem M. Braubachs und H. Raabs Biographien
der letzten Kurfürsten von Köln und Trier [647: Maria Theresias jüngster Sohn
Max Franz; 687: Clemens Wenzeslaus von Sachsen und seine Zeit], G. Schwaigers
Arbeit über die bayerischen Bistümer [701: Die altbayerischen Bistümer] und M.
Lahrkamps Darstellung über Münster [670: Münster in napoleonischer Zeit]
bieten vorzügliche Fallstudien zur Vorgeschichte und Durchführung der Säkula-
risation. Über den letzten Kurerzkanzler des Reiches und späteren Fürstprimas
des Rheinbundes Karl Theodor von Dalberg liegt die politische Biographie von K.
Rob [728] vor.
Säkularisationsforschung 207

Die Vorgeschichte der Säkularisation im Zusammenhang der Reichsgeschichte Aretin: Reichsge-


Reichsadel
bildet das zentrale Thema der großen Darstellung und Dokumentation von K. O. schichte
und Reichskirche
Frhr. v. Aretin über das Ende des alten Reiches [711: Heiliges Römisches Reich
....
i

1776-1806, besonders Bd. 1, 372 ff.]. Aretin schildert den von den verschieden-
artigsten Frontstellungen geprägten Entscheidungskampf um die Reichsverfas-
sung zwischen den Territorialfürsten, die aus dem Reich drängten, dem Reichs-
adel, der seine Existenz über die Reichskirche dem Reich verdankte, und den alten
universalen Mächten, Kaiser und Papst, die beide im Sinne der partikularen Kräfte
die Säkularisation begünstigten, „die besser und zutreffender als Entmachtung des
seit dem Westfälischen Frieden aufgestiegenen Reichsadels bezeichnet werden
sollte". Das besondere Interesse Aretins gilt der Auflehnung der Reichskirche
gegen den römischen Zentralismus, eine Auseinandersetzung, die politisch vom
Episkopalismus und theologisch vom Febronianismus getragen wurde und in den
Streitigkeiten um die Rechte der Nuntiaturen ihren Höhepunkt erlebte: „Es ist das
die Parallele des Kampfes der größeren Stände gegen das Kaisertum." Sie erklärt
die Zurückhaltung Roms im Kampf gegen die Säkularisation und das erstaunliche,
gegen die Reichskirche gerichtete Bündnis, das Pius VI. mit dem territorialen
Staatskirchentum einging. Rom wurde „ein grundsätzlicher Feind des Reiches und
der Reichskirche". Im letzten Band der vor kurzem abgeschlossenen Trilogie über
das Alte Reich seit 1648 [712] akzentuiert Aretin neben der Reichskirchenpro-
blematik den österreichisch-preußischen Dualismus und das eigensüchtige Be-
streben der beiden deutschen Großmächte, auf Kosten des Reiches politisch und
territorial zu expandieren. „Im Grunde ging es 1803 um die Frage, ob der öster-
reichisch-preußische Gegensatz überwunden werden konnte. Nur dann, wenn
sich die beiden deutschen Großmächte überwanden und gemeinsam an einen
Neubau des Reiches gingen, war auch der französische Einfluß zu neutralisie-
ren". Statt dessen zerstörten Säkularisation und Mediatisierung oder „die Aus-
lieferung der Kleinen an die Großen" „ein Gemeinwesen, das noch immer die
selbstverständliche Basis des politischen Lebens in Deutschland gebildet hatte"
[ebd., 504 f, 528].
Ein besonders reiches Schrifttum ging aus der wirtschafts- und sozialgeschicht-
lichen Erforschung der Vermögenssäkularisation hervor. Im Vergleich zu Frank-
reich, wo G. Lefebvre eine erste Bilanz dieser Forschungsrichtung schon 1928
vorlegen konnte [La vente des biens nationaux, in: 291: Etudes sur la Revolution
franchise, 307 ff.], erreichte die deutsche Geschichtsschreibung erst in jüngster Zeit
einen methodischen Zugang, der quantifizierbares Material über den Besitzwech-
sel und die Umschichtung der Eigentumsordnung zutage förderte [vgl. die
Forschungsberichte 652: Ch. Dipper, Probleme einer Wirtschafts- und Sozialge-
schichte der Säkularisation, und H. Klueting, Die Folgen der Säkularisation, in:
742: H. Berding/H.-P. Ullmann, Hrsg., Deutschland zwischen Revolution und
Restauration, 184—207; speziell zu Bayern 708: E. Weis, Die Säkularisation der ^"das^61'6"
bayerischen Klöster 1802/03]. Die ältere Forschung, deren Ergebnisse R. Morsey Kirchengut
208 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

[679: Wirtschaftliche und soziale Auswirkungen der Säkularisation] 1966 in einem


grundlegenden und zu weiteren Fragen anregenden Aufsatz zusammenfaßte,
lieferte bereits einige Angaben zur Veräußerung der Kirchengüter, so die Ar-
beiten von P. Kaiser über den Aachener Bezirk [662], von G. Kliesing über
einige kurkölnische Ämter [666], von W. Klompen über den Krefelder Bezirk
[667], von F. Pauly über Trier [685] und von A. Schlittmeier über die nieder-
bayerische Abtei Niederaltaich [695]. Doch waren diese Arbeiten im Rahmen
der noch vornehmlich kirchengeschichtlichen Orientierung thematisch auf die
-

Frage nach Umfang und Bedeutung des Kirchenguts eingegrenzt. Die Käufer-
-

statistik, die heute besonders interessiert, d. h. die Untersuchung der sozialen


Zusammensetzung der Käuferkreise und die Berechnung des Umfangs der von
den verschiedenen Käufergruppen erworbenen Güter, fehlte noch ganz, oder sie
blieb unvollständig. Immerhin wurden die pauschalen Verdächtigungen der
älteren Literatur widerlegt, die Kirchengüter seien „verschleudert" worden und
fast ausschließlich in die Hände von Juden und Protestanten gefallen.
Neuere wirtschafts- Die neueren Lokal- und Regionaluntersuchungen gingen von einheitlichen
und sozialgeschicht-
hche Arbeiten über
methodischen Ansätzen und Fragestellungen
6 aus. Verkaufspolitik, Verkaufsmo-
.b
den Nationalgüter- dus, Verkaufserlös und Verkaufsobjekte, der Gesamtumfang der veräußerten
.
,

verkauf Güter und die


Beteiligung der verschiedenen Berufs- und Besitzstände am Er-
werb wurden systematisch auf der Grundlage von Inventarverzeichnissen und
Versteigerungsprotokollen erforscht. Die Ergebnisse fielen je nach Gegend und
wirtschaftlichem Entwicklungsstand der untersuchten Gebiete unterschiedlich
aus. Am meisten veränderten sich die
Eigentumsverhältnisse im Linksrheini-
schen, wo unter der französischen Herrschaft nicht nur Kirchengüter, sondern
auch die vom Staat konfiszierten Adels- und Emigrantengüter veräußert wurden.
Regionalstudien Für das Arrondissement Koblenz gelangte K. de Faria e Castro zu dem
über das Rheinland
Ergebnis, „daß die Nationalgüterversteigerungen in erster Linie dem (städti-
schen) Bürgertum nutzten" [654: Die Nationalgüter im Arrondissement Ko-
blenz, 108]. Zwar waren über die Hälfte der erfaßten Käufer Bauern bzw. ehe-
malige Pächter, aber ihr Anteil am Erwerb beschränkte sich nur auf ein Drittel. Die
große Gruppe der Tagelöhner blieb unbeteiligt. Die Angehörigen bürgerlicher
Berufe hingegen, darunter auffallend viele Beamte und Notare der ehemaligen
Residenz- bzw. der französischen Behördenstadt, erwarben mehr als die Hälfte
der Güter und praktisch sämtliche Gebäude. Ein Achtel der Verkaufsobjekte
wurde von Maklern ersteigert. Geistliche und Adlige fehlten bis auf wenige
Ausnahmen unter den Käufern. Auch das Kleinbürgertum einfache Beamte,
kleine Handwerker und Ladenbesitzer beteiligte sich kaum. Am Beispiel der
-

Kölner Verhältnisse kam R. Büttner [648: Die Säkularisation der Kölner geist-
-

lichen Institutionen] zu der Überzeugung, daß sich „im Rheinland eine neue
Wirtschaftsgesinnung durchsetzte, die zu einer schnelleren Entwicklung der
Wirtschaft im linksrheinischen Deutschland führte" [ebd., 403]. Die hauptsäch-
lichen Käufer waren Kölner und Aachener Bürger; nur fünfzig von ihnen erwar-
Säkularisationsforschung 209

ben knapp die Hälfte der versteigerten Landgüter (nach Preisen). In Köln tätigten
bereits Makler und Mehrfachkäufer, von denen die umsatzstärksten aus dem
Textilgebiet zwischen Aachen und Lüttich kamen, etwas mehr als die Hälfte der
Käufe. Die nächstwichtige Käufergruppe wurde auch in Köln von den Pächtern
gestellt. Nimmt man die Ergebnisse der früheren Arbeiten über die linksrheini-
schen Gebiete hinzu, so war im Umkreis der Städte Bonn, Aachen, Köln, Krefeld,
Kleve das Handelskapital an dem Landangebot besonders interessiert. Wie die
Pilotstudie von M. Müller [681: Säkularisation und Grundbesitz. Zur Sozialge-
schichte des Saar-Mosel-Raumes] nachgewiesen hat, kann allerdings nur eine
genaue Analyse der Zweitverkäufe auf der Basis von Notariatsakten über das
tatsächliche Ausmaß der Besitzumschichtungen Aufschluß geben. Müller kam
für den ländlich strukturierten Trierer Raum zu dem überraschenden Ergebnis,
daß über 40% der ersteigerten Kirchenimmobilien, die etwa 14% der landwirt-
schaftlichen Nutzfläche ausmachten, noch während der Franzosenzeit weiterver-
kauft wurden. Der Besitzwechsel, der zunächst nur einen relativ kleinen Perso-
nenkreis meist städtischer Käufer betraf, erfaßte in der zweiten Verkaufsrunde fast
die Hälfte der Bevölkerung und kam nun auch den Bauern zugute. Die Ausbildung
eines freien Boden- und Kapitalmarktes, an dem breitere Schichten der Bevölke-
rung partizipierten, förderte auch nach Müllers Ansicht „eine neue Wirtschafts-
gesinnung".
M. Müllers Untersuchung ging aus einem von W. Schieder geleiteten Trierer W. Schieder: Aus-
Forschungsprojekt hervor, dessen Ziel es war, mit Hilfe der Elektronischen wertungvon Mas;
senquellen mit Hilfe
ii*
Datenverarbeitung alle in Massenquellen wie Versteigerungsankündigungen und
,
Ii •

• der EDV
Kaufverträgen überlieferten Informationen über Nationalgüterveräußerungen in
den vier rheinischen Departements zu erfassen, in standardisierter Form zu
edieren und statistisch auszuwerten. Die fünfteilige, in jahrelanger Arbeit daten-
technisch aufbereitete Edition mit Angaben zu rund 17000 Nationalgütern, ein
Grundlagenwerk der rheinischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, liegt seit 1991
vor [97: W. Schieder/M. Koltes, Hrsg., Säkularisation und Mediatisierung]. Bei

der Auswertung, die sich zunächst auf das Rhein-Mosel-Departement, das klein-
ste der vier rheinischen Departements, beschränkte [694: W. Schieder/A. Kube,
Säkularisation und Mediatisierung], stellte sich heraus, daß mit einem Anteil von
16,4 % an der landwirtschaftlichen Nutzfläche weit mehr Land versteigert worden
war, als es ältere Berechnungen angegeben hatten. Nimmt man die Güter hinzu,
die außerhalb der staatlichen Auktionen auf den Markt geworfen wurden, z. B. die
meist sehr wertvollen Besitzungen, mit denen Napoleon seine Armeelieferanten
bezahlte oder den imperialen Adel dotierte, so wird der bislang beispiellose
Mobilisierungseffekt sehr deutlich, der auf die traditionelle Eigentumsordnung
„der toten Hand" ausgeübt wurde. In einer departementsübergreifenden Studie
hat G. B. Clemens, eine Schülerin W. Schieders, die Gruppe der Großkäufer und
Immobilienhändler näher untersucht und im einzelnen bestätigt, daß die eigent-
lichen Nutznießer des Nationalgüterhandels aus den führenden Kaufmanns- und
210 II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Beamtenfamilien der Städte kamen [649: Immobilienhändler und Spekulanten].


Zugleich kann Clemens zeigen, daß die Gewinne aus dem Immobilientransfer nur
selten in die risikoreichen Unternehmungen des frühindustriell-gewerblichen
Bereichs investiert, sondern allenfalls zur Gründung kleinerer Banken verwendet
wurden. Viele Güter wurden als langfristige Renditeobjekte und sichere Kapital-
anlagen erworben, die zugleich wie überall in Frankreich das Sozialprestige und
die politischen Teilnahmerechte der grundbesitzenden Notabeinelite einbrachten.
- -

Um 1800 war die Führungsschicht des rheinischen Bürgertums trotz der innova-
tiven „modernen" Geschäftspraktiken und der überregionalen, nach Holland,
Belgien und Frankreich ausgreifenden Geschäftskontakte „oft noch dem Han-
dels- und Agrarkapitalismus verhaftet" [650: G. B. Clemens, Napoleonische
Armeelieferanten und die Entstehung des rheinischen Wirtschaftsbürgertums,
176]. Insofern läßt sich die häufig gestellte Frage nach den Auswirkungen der
Besitzumschichtung auf die im nördlichen Rheinland besonders früh einsetzende
industrielle Entwicklung nicht ganz so eindeutig, wie Clemens meint, positiv
beantworten. Die protestantischen Frühunternehmer des Rur-Departements
hielten sich bei Großkäufen auffallend zurück. Wenn die rheinischen Kaufleute
und Immobilienhändler ihren Erben ein stattliches Rentenvermögen hinterließen,
so kam dieser Reichtum wohl eher indirekt der Industrialisierung zugute, weil es

sich nach den unruhigen Kriegszeiten schließlich doch lohnen sollte, auch außer-
halb der traditionellen Wirtschaftssektoren zu investieren [vgl. hierzu die Rezen-
sion R. Bochs zum Buch von Clemens in: HZ 264, 1997, 226-228].
Für die rechtsrheinischen Gebiete hingegen gilt, daß die Sozial- und Wirt-
schaftsverfassung durch die Säkularisation wenig positive Impulse erhielt. In
den meisten Fällen bewirkte die Aufhebung der Klöster und Stifte nur den
Wechsel der Grundherren, weil der Staat an die Stelle der bisherigen Eigentümer
trat und das säkularisierte Kirchengut größtenteils den Staatsdomänen zugeschla-
gen wurde. Ch. Dipper hat diesen Säkularisationsvorgang als „domänenpoliti-
schen Typ" bezeichnet [652: Probleme einer Wirtschafts- und Sozialgeschichte der
Säkularisation]. Für Bayern liegen detaillierte Untersuchungen von A. Schlitt-
meier [695: Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Säkularisation in Nieder-

bayern], R. Haderstorfer [658: Die Säkularisation der oberbayerischen Klöster


Baumburg und Seeon] und M. B. Wagner [707: Die Säkularisation der Klöster im
Gebiete der heutigen Stadt Passau] über die Kirchengutsveräußerungen von
insgesamt acht bayerischen Prälatenklöstern und drei Passauer landsässigen Klö-
stern vor; für Münster existieren die von M. Lahrkamp [670: Münster in napo-
leonischer Zeit], für das Herzogtum Westfalen die von H. Klueting [668: Die
Säkularisation im Herzogtum Westfalen] erarbeiteten Daten. Verkauft wurde nur
sehr wenig, in Bayern kaum 1 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche, in Münster
lediglich die Hälfte bis zwei Drittel der Zeitpachtgüter. Parzellenverkäufe über-
wogen. Das Kleinbürgertum war offenbar unter den Käufern viel stärker vertreten
als linksrheinisch. Die Rolle der Makler blieb unbedeutend. In einer Behörden-
Säkularisationsforschung 211

stadt wie Münster brachte die kleine Käufergruppe der Beamten ein Drittel der
Kaufsumme auf. Das Gros der Käufer waren ehemalige Pächter (ein knappes
Drittel) und Gewerbetreibende, meist Bäcker, Branntweinbrauer, Wirte und
Gärtner, die die Landparzellen vor den Toren der Stadt aufkauften, um sie für
ihren Betrieb landwirtschaftlich zu nutzen. In den bayerischen Klostergebieten
fehlte die Bauernschaft als Käufer so gut wie vollständig. Bis auf wenige größere
Betriebe, bei denen auch das städtische Kapital und vor allem der Adel mitboten,
fielen die Kleinstparzellen zumeist an die ehemaligen Klosterdiener und -tagwer-
ker, die aus schierer Existenznot Zugriffen. Schlittmeier und Haderstorfer
konstatierten eher die negativen Folgen einer Entwicklung, die auf eine „Re-
agrarisierung" hinauslief. D. Stutzer verwies auf das „außerordentlich leistungs-
fähige System der Versorgung und der sozialen Sicherung", das die Klöster in
Altbayern vor der Säkularisation boten [705: Klöster als Arbeitgeber; zusammen-
fassend der Aufsatz in: 812: E. Weis, Hrsg., Reformen, 33 ff.]. Lahrkamp wies
zwar auf den rascheren Anstoß zur Bodenmobilität hin, aber sie hob auch hervor,

daß die wirtschaftspolitische Bedeutung der Vermögenssäkularisation vor allem in


Parallelität zur gleichzeitig in die Wege geleiteten Bauernbefreiung zu sehen sei:
„Das größere Gewicht in der Umstrukturierung der Eigentumsverhältnisse an
Grund und Boden im Münsterland kommt zweifellos der Bauernbefreiung zu"
[ebd., 409]. Für das ehemals kurkölnische Herzogtum Westfalen, das 1802/03 an
Hessen-Darmstadt und 1816 an Preußen kam, stellte Klueting fest, daß sich
„erstaunlich wenig" verändert hatte. Die Klosterkolonen erhielten den Staat zum
Grundherrn; die wenigen klösterlichen Eigenbetriebe wurden domanialisiert und
in Zeitpacht ausgegeben. Verkäufe in geschlossenen Gutskomplexen fanden erst
nach dem Anfall des Landes an Preußen statt, wobei der Löwenanteil der reichsten
Adelsfamilie des Landes, den Freiherren von Fürstenberg, zufiel. Auf diese Weise
wurde die hergebrachte Besitzhierarchie nicht aufgelöst, sondern eher stabilisiert.
Als sich in jüngster Zeit der Forschungsschwerpunkt erneut verschob, bildete Glaube und Religion
ln der Saku'ansie"
nicht von ungefähr das Rheinland ein weiteres Mal die bevorzugte Untersu-
8
chungsregion. Unter mentalitätshistorischen Aspekten, wie sie nicht zuletzt von
W. Schieder aufgegriffen wurden [vgl. etwa den von ihm herausgegebenen und
eingeleiteten Sammelband: Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, Stutt-
gart 1993], stellte sich noch einmal die Frage nach dem Verhältnis von Säkularisa-
tion und Säkularisierung, ohne daß dieses Thema wie bisher in der kirchen-
geschichtlichen Diskussion auf das Problem und die Folgen der katholischen
-

Aufklärung reduziert wurde. Vielmehr interessierte in der Nachfolge M. Vo-


-

velles [siehe Kap. II, 3] vor allem die Frage nach dem Wandel von
Frömmigkeit
und Religiosität im Zusammenhang mit der politischen und gesellschaftlichen
Umbruchssituation des Revolutionszeitalters. Am Beispiel des katholischen Bür-
gertums vornehmlich der rheinischen Städte hat R. Schlögl [696: Glaube und
Religion in der Säkularisierung] auf der Quellenbasis von Testamenten und
Totenzetteln gezeigt, daß genau wie in Frankreich die Bedeutungsabnahme
- -
212 II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

barocker Frömmigkeit und religiöser Weltbilder schon weit vor 1800 einsetzte.
Die schleichende Säkularisierung, die sich unter den Schlägen der Umbruchszeit
trotz des Wiederaufstiegs des Katholizismus nach 1815 als unaufhaltsam erwies,
-

prägte eine individuelle Frömmigkeit, die sich von der bürgerlichen Alltagswelt
-

immer mehr separierte und auf den Totalitätsanspruch der Religion, wenngleich
ohne Preisgabe der formalen Kirchenbindung, verzichtete. „Der politische und
ökonomische Vorgang der Säkularisation unterbrach keine Entwicklung. Er
wirkte beschleunigend und befreiend" [ebd., 327], jedenfalls im Urbanen Rhein-
land.
Es ist noch nicht erprobt worden, ob man eine Geographie der Säkularisation
und Säkularisierung ähnlich wie für die Dechristianisierung in Frankreich nach-
zeichnen kann. Sicher ist nur, daß der große Umbruch der napoleonischen Zeit
auch in Deutschland Regionen hinterließ, die ganz unterschiedlich von ihm erfaßt
wurden, was nicht zuletzt mit den endogenen Vorbedingungen zusammenhing,
auf die der Druck von außen stieß.
Aufwertung der napoleonischen und rheinhündischen Reformen 213

6. Die Aufwertung der napoleonischen und rheinbündischen Reformen

Die Tendenz der älteren Nationalgeschichtsschreibung, den Einfluß des revolu- Die ältere National-
tionären und napoleonischen Frankreich in Mitteleuropa zugunsten genuin preu- gescnlcntsschrei-
ßischer „organischer" Reformen abzuwerten und die Auseinandersetzung mit
Napoleon fast ausschließlich unter den Kategorien „Fremdherrschaft" und
„Befreiung" zu subsumieren, ist in der neueren Forschung erst allmählich revi-
diert worden. Noch in der 9. Auflage der Handbuchdarstellung von M. Braubach
[468: Von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongreß] werden die neu
geschaffenen Napoleonidenstaaten, das Königreich Westfalen und die Großher-
zogtümer Berg und Frankfurt, als „traditionslose Schöpfungen" interpretiert und
die „in der Aufklärung wurzelnde unhistorische Denkweise der Rheinbundrefor-
mer" hervorgehoben, durch die „auch wertvolle Bestandteile des Erbes der
Vergangenheit abgetragen und bedroht wurden". Der Souveränitätswille der
rheinbündischen Staatsmänner habe sich zwar zunächst gegen Napoleon und
dessen Pläne gerichtet, dem Rheinbund eine straffere Organisation zu geben, er
sei jedoch „auch künftigen Bestrebungen, zu einem neuen Zusammenschluß eines
von der Fremdherrschaft befreiten Deutschland zu kommen, hemmend in den
Weg getreten" [ebd., 52 ff.].
Die nationalen Vorurteile, die zeitgenössische Ressentiments gegen die
„Fremdherrschaft" bewahrten, reichen zurück in die borussische Geschichts-
schreibung der Reichsgründungszeit und des Kaiserreichs. Treitschke [488:
Deutsche Geschichte, Bd. 1, 352 ff.] prägte die Formel von den „geschichtslosen
deutschen Mittelstaaten des Südens", wo abstrakte Vernunft und „naturrechtliche
Willkür" nach französischer „Schablone" herrschten. Die Apologie Preußens, das
auf dem Wege „einer gesunden deutschen Politik" die „Stunde der Befreiung" von
der „Schmach der Fremdherrschaft" vorbereitete, bestimmte das Urteil über den
„Lügengeist" der „napoleonisch-partikularistischen" Rheinbundstaaten, voran
das „Satrapenland" Bayern, dem unter „dem gewalttätigen Regiment des Halb-
franzosen Montgelas" „der sittliche Schwung des preußischen Lebens völlig
fehlte". Aus der Zeit des dritten Napoleon und der deutschen Einheitsbewegung
im Zeichen der neu erwachenden deutsch-französischen Spannung stammt L.
Häussers oft wiederholte Charakterisierung des Rheinbundes als eine „große
Napoleonische Präfektur" [472: Deutsche Geschichte, Bd. 2, 695. Vgl. 726: K. v.
Raumer, „Prefecture francaise"]. Der Begriff der Präfektur meint die macht-
politische Zwecksetzung der Militärallianz, das System der zentralistischen mili-
tärisch-politischen Diktatur, das von der Staatsspitze auf die Präfekten in der
Provinz, aber auch von der Innenverwaltung auf die Administration der erober-
ten und okkupierten Länder übertragen worden sei: „Der Bund bestand aus
Fürsten, die ihre Lage wie ihr Interesse mit Napoleon verband, deren äußere
Abhängigkeit von ihm durch die schrankenlose Gewalt im Inneren belohnt
ward, die sich zum größten Teil wohl fühlten in dieser Präfektengewalt und die
214 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

allzu rasch vergaßen, daß der soldatische Absolutismus auf keinem Boden ge-
schichtlich weniger heimisch war als in Deutschland" [Häusser, ebd., 696].
Wenn auch eine allgemeine Rheinbundforschung nur zögernd in Gang kam
Th. Bitteraufs „Geschichte des Rheinbundes" [716] beschränkte sich auf die
-

Darstellung der Gründungsgeschichte und E. Hölzle in einem HZ-Aufsatz von


1933 [723: Das Napoleonische Staatensystem, 277] feststellen konnte, daß sich an
-

der „klassischen" Geschichtslehre Treitschkes, die „unbedingte Unterwerfung


in Sachen der europäischen Politik und ebenso unbeschränkte Souveränität im
Innern" für das Charakteristikum des Rheinbundes zu halten, wenig geändert
habe, so fehlte in der Folgezeit doch nicht ganz das Bemühen um eine differen-
ziertere Beurteilung des Rheinbundes. Um die Jahrhundertwende und in den
zwanziger Jahren erschienen eine Reihe von Länderdarstellungen, die das orga-
Ältere Monogra- nisatorische Reformwerk der Rheinbundstaaten anerkannten und es in die Tradi-
phien über einzelne t;on jes Aufgeklärten Absolutismus einordneten. Die Kritik am „abstrakten
Rheinbundstaaten r 1 i
Vernunftschema"

c
«
der Rheinbundreformen wurde
i .,
abgemildert, teils
.,
mit dem
Hinweis auf den gemäßigten Charakter vieler Reformen, teils mit der Begrün-
dung, daß die „absolutistischen Reformen" zur Durchsetzung der „Staatssou-
veränität" geschichtlich notwendig gewesen seien. Die Monographien über die
Napoleonidenstaaten von Ch. Schmidt [789: Le Grand-Duche de Berg], A.
Kleinschmidt [778: Geschichte des Königreichs Westfalen], F. Thimme [802
Die inneren Zustände des Kurfürstentums Hannover] und P. Darmstaedter [748
Das Großherzogtum Frankfurt] sowie W. Andreas' Darstellung über Baden [737
Geschichte der badischen Verwaltungsorganisation] bewiesen, daß Napoleon weit
davon entfernt war, allen Rheinbundstaaten eine „schrankenlose Gewalt im
Innern" einzuräumen. Andererseits waren zumindest die beiden
mächtigsten
Rheinbundstaaten, Bayern und Württemberg, keineswegs bereit, sich „in Sachen
der europäischen Politik" bedingungslos der napoleonischen Herrschaft zu unter-
werfen. M. und L. Doeberls wichtige Beiträge zur Montgelasforschung [717:
Rheinbundverfassung und bayerische Konstitution; 752: Maximilian v. Montge-
las] schilderten die dramatischen Auseinandersetzungen um den Eintritt Bayerns
in den Rheinbund und den erfolgreichen Widerstand
Bayerns und Württembergs
gegen eine Rheinbundkonstitution.
Die positivere Einschätzung des Rheinbundes begann mit zwei unterschiedli-
chen Neuinterpretationen, die allerdings vorerst nicht allgemein akzeptiert wur-
Schnabel: Revision den. F. Schnabels große Würdigung der Rheinbundreformen im ersten Band
der bomssischen seiner 1929 erstmais
erschienenen „Deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert"
Interpretation
[483] blieb lange Zeit ohne Nachfolge. Nach Schnabel vollendete die Rhein-
bundzeit nicht allein das Staatsideal des 18. Jahrhunderts, sondern sie legte zu-
gleich die Grundlagen einer neuen bürgerlichen Gesellschaftsordnung. In den
„Ländern des rheinischen Rechts" verbreiteten sich jene von Napoleon ausge-
wählten und gesicherten Ergebnisse der französischen Revolution, die über den
Aufgeklärten Absolutismus hinauswiesen und das „bürgerliche Zeitalter" vorbe-
Aufwertung der napoleonischen und rheinhündischen Reformen 215

reiteten. Frei von nationaler Befangenheit, wenn auch in skeptischer Distanz, die
an Tocqueville erinnert, schilderte Schnabel erstmalig das indirekte Übergreifen
von Revolution: „Wenngleich das System des
Empire den machtpolitischen
Zweck Napoleons und Frankreichs nicht erfüllte und in dieser Hinsicht weiter-
lebt nur als Versuch eines kühnen und genialen Experimentators, so hat es doch die
innere Struktur Europas und Deutschlands für alle Folgezeit gewandelt und die
Völker auf jene Stufe der gesellschaftlichen und geistigen Entwicklung geführt, die
Frankreich zuerst gezimmert hatte" [ebd., 146]. Die rheinbündische Reformzeit
unter dem direkten Einfluß des napoleonischen Frankreich, die von der älteren,
auf Preußen konzentrierten Geschichtsschreibung ignoriert oder als zukunftslos
abgetan worden war, erhielt so die Bedeutung einer Weichenstellung für die
Geschichte des 19. Jahrhunderts. Aus der Sicht des süddeutschen Liberalen ent-
warf Schnabel ein Gegenbild zur kleindeutsch-preußischen Historiographie.
Auf ganz andere Weise versuchte E. Hölzle in seinem wichtigen HZ-Aufsatz Hölzle:
von 1933 [723: Das Napoleonische
Staatensystem], der Rheinbundpolitik gerecht N™b<^rtung de
zu werden. Er verknüpfte die Frage nach dem Stellenwert der rheinbündischen
t it j i i j- i napoleonischen
Rheinbundpolitik
Reformen für die deutsche Geschichte mit der Frage nach der Funktion des
Rheinbundes im napoleonischen Herrschaftssystem. Der Rheinbund erscheint
als Modell der napoleonischen Europapolitik, deren Ziel es gewesen sei, das
organisatorische Werk der Revolution über ganz Europa hin auszudehnen und
das Staatsideal des 18. Jahrhunderts gemäß dem rationalistischen Denken überall
zu verwirklichen. Diesem Ziel dienten nach Hölzle nicht nur die bis 1808

verfolgten Verfassungspläne zum Ausbau des Rheinbundes, sondern auch die


diplomatischen Insinuationen und Einwirkungen auf die inneren Reformen der
Einzelstaaten. Die Reformtätigkeit der süddeutschen Staatsmänner wird aller-
dings auch weiterhin im Rahmen des nationalen Geschichtsbildes beurteilt und
am Vorbild der preußischen Reformen gemessen. Hölzle versicherte ausdrück-

lich, daß er die „Verantwortlichkeit vor unserer nationalen Geschichte" anerken-


nen und das „zeitlich Bedingte und Begrenzte der unter dem Zeichen
Napoleons
erfolgten Umbildung der deutschen Staatenwelt" nicht leugnen wolle. Die ge-
schichtliche Bedeutung der rheinbündischen Reformen liegt nach Hölzle vor
allem darin, daß sie mit der Übernahme des französischen Verwaltungs- und
Rechtssystems zugleich an die Bestrebungen des Aufgeklärten Absolutismus
anknüpften: „Die Saat, die Napoleon ausstreute, fiel auf einen empfänglichen
Boden. Es war der Geist des 18. Jahrhunderts, die Staatsidee des Rationalismus,
die in den Führern der deutschen Staaten lebte. Die Friedrich von Württemberg,
Montgelas und Reitzenstein waren alle Jünger des aufgeklärten Absolutismus. Sie
fanden in den napoleonischen Institutionen das vollendete Ebenbild dessen, was
sie erstrebten. Aus dieser Verbundenheit heraus ist die weitgehend freiwillige
Übernahme der Einrichtungen des Grand Empire zu verstehen. Vielleicht war
es gar keine Rezeption, sondern die gleichzeitige
Entwicklung von Maximen und
Praktiken aufgrund der gleichen Anschauungen und der gleichen autokratischen
216 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Tendenz." Die solcherart „eingedeutschten" Reformen leisteten auf ihre Weise


einen Beitrag zur „Befreiung", weil sie nicht der bloßen Nachahmung des franzö-
sischen Systems, sondern „dem Zweck der staatlichen Stärkung und Festigung"
dienten. Es liegt ganz auf der Linie von Hölzles Interpretation, daß er seine
weiteren Arbeiten der württembergischen Geschichte widmete, jenem Rhein-
bundstaat, auf den die These vom Spätabsolutismus am meisten zutrifft [770:
Das alte Recht und die Revolution; 771: Württemberg im Zeitalter Napoleons].
Die Betonung der etatistisch-bürokratischen Grundzüge des Reformwerks
brachte es jedoch mit sich, daß die Rheinbundzeit eher als Abschluß des aufge-
klärt-absolutistischen Zeitalters gesehen wurde denn als Ausgangspunkt einer
neuen Epoche, die die Errungenschaften der französischen Revolution, soweit
sie Napoleon für nützlich hielt, auf Deutschland übertrug.
Rechts-, verwal- Die von Hölzle aufgeworfenen Fragen und Probleme zum Thema „Napoleon
tungs- und verlas- un£i jer Rneinbund" wurden in erster Linie von der Rechts- und Verfassungsge-
° °
sungsgeschichthche
Darstellungen schichte aufgenommen und weiterdiskutiert. F. Härtung [473: Deutsche Verfas-
. m

sungsgeschichte, 170 f., 193 ff.] lehnte die „günstigere Einschätzung der Rhein-
bundpolitik" Napoleons ab und hielt daran fest, „daß der Rheinbund als Ganzes
überhaupt keine Geschichte hat". Er teilte jedoch die etatistische Interpretation
Hölzles. Die Umbildung der inneren Staatsverwaltung im Gefolge der territo-
rialen Umwälzung bewirkte auch nach Hartungs Ansicht die Durchsetzung der
Staatssouveränität in den Rheinbundstaaten. E. R. Huber [476: Deutsche Verfas-
sungsgeschichte, Bd. 1, 75 ff.] spricht von einem „posthumen Sieg des absolutisti-
schen Prinzips", der für Süddeutschland gleichsam die Entwicklung des frideri-
zianischen Preußen einholte. In den napoleonischen Plänen zur Straffung des
Bundessystems sieht auch Huber „nur eine äußerliche Erklärung", denn es sei
„wahrscheinlicher..., daß der Kaiser fürchtete, ein wirklich funktionierender
Rheinbund werde stark genug sein, der französischen Vorherrschaft in Europa
Schwierigkeiten zu bereiten". Huber betonte die machtpolitische Bestimmung
des Rheinbundes und sah unter dem Eindruck zeitgeschichtlicher Erfahrungen
im napoleonischen Bundessystem „eines der ersten modernen europäischen Bei-
-
-

spiele dafür, wie ein imperialer Staat ohne Annexion die Souveränität in fremdem
Staatsgebiet an sich zu bringen und diesen Sachverhalt hinter völkerrechtlichen
Scheinformen zu verbergen vermag".
In der Tradition dieser Forschungsrichtung stehen auch zwei neuere Darstel-
lungen über das Verwaltungs- und Rechtssystem in Deutschland unter dem
Einfluß des napoleonischen Frankreich. F. L. Knemeyer [779: Regierungs- und
Verwaltungsreformen] betont die Modifikationen und Abweichungen vom fran-
zösischen Modell bzw. die Rücksichten auch der Rheinbundreformer auf das
„historisch Gewordene"; W. Schubert [791: Französisches Recht] geht in seiner
Darstellung der Grundzüge des französischen Rechts von der Frage aus, was der
Rezeption für wert erachtet, was abgelehnt und abgeändert wurde und wie sich die
Rechtseinflüsse auf die Reformgesetzgebung der Rheinbundstaaten und der von
Aufwertung der napoleonischen und rheinhündischen Reformen 217

Frankreich annektierten Gebiete auswirkten. Das Kontinuitätsdenken des Histo-


rismus und der nationale Aspekt wirken noch nach, wenn Knemeyer den Rhein-
bundreformern bestätigt, daß sie trotz aller berechtigten Klagen der Untertanen
über die „Vielregiererei" und das „Organisationsfieber" durchaus „historisch"
und „pragmatisch" dachten, oder wenn Schubert nachweist, daß viele Rhein-
bundjuristen „national" empfanden und nicht alle einer „unkritischen Verehrung"
des französischen Rechts erlagen.
Eine positive Resonanz fanden Hölzles Thesen zuerst in der Dalbergfor- Dalbergforschung
schung. Schon das ältere und bis heute unentbehrliche Werk von K. Frhr. v.
Beaulieu-Marconnay [714: Karl von Dalberg und seine Zeit] hatte die Verdien-
ste Dalbergs um Reformen im Geiste der katholischen
Aufklärung gewürdigt. Die
Rheinbundpolitik Dalbergs hingegen stieß in der nationalgeschichtlichen Historie
auf scharfe Ablehnung. Erst die 1952 erschienene Dissertation von W. Hertel
[722: K. Th. von Dalberg zwischen Reich und Rheinbund] führte zu einer partiel-
len Aufwertung auch der außenpolitischen Zielsetzung Dalbergs, die sich nach
Hertel aus reichspatriotischen Motiven erklären läßt: Dalberg habe sich darum
bemüht, mit Hilfe Napoleons und der Organisation des Rheinbundes das Reich in
zeitgemäßer Form zu erneuern und „vor der Vernichtung durch den nationalen
Staat zu bewahren". „Dalberg... hoffte", so hat es später K. O. Frhr. v. Aretin
[711: Heiliges Römisches Reich, Bd. 1, 500] im Anschluß an Hertels Deutung
formuliert, „auf diesem Umweg die Reichsverfassung und mit ihr die deutsche
Kirchenverfassung zu retten." H. Rössler versuchte 1957 in einer Untersuchung
mit dem bezeichnenden Titel „Napoleons Griff nach der Karlskrone" [727]
nachzuweisen, daß Napoleon tatsächlich eine Zeitlang das deutsche Kaisertum
angestrebt habe. Es gibt allerdings zahlreiche gegenteilige Äußerungen und
politische Stellungnahmen des Kaisers, die Rösslers These entgegenstehen. Zu-
letzt hat E. Weis [732: Napoleon und der Rheinbund] die Gegenbeweise noch
einmal zusammengefaßt und kritisch angemerkt, Rössler habe die realitäts-
fernen Kaiserträume Dalbergs in die napoleonischen Pläne hineinprojiziert.
-

Dagegen konnte R. Wohlfeil in seiner Dalbergstudie [735: Untersuchungen


zur Geschichte des Rheinbundes] aus Pariser Archivmaterialien den Nachweis

erbringen, daß nicht nur von Dalberg, sondern auch von französischer Seite
Entwürfe zu einer verfassungsmäßigen Ausgestaltung und zentralistischen Orga-
nisation des Rheinbundes vorlagen. Wohlfeil sieht insofern Hölzles Annahme
bestätigt, daß der Rheinbund für Napoleon weit mehr gewesen sei als eine bloße
militärische Präfektur. Über das Verhältnis Dalbergs zu Napoleon äußerte sich
Wohlfeil eher kritisch; er spricht geradezu von einem „Treue-Komplex" Dal-
bergs. Auch E. Weis [732: Napoleon und der Rheinbund, 77] betont, daß die
französischen Entwürfe einer Rheinbundkonstitution weit präziser und realisti-
scher waren als die „unklaren Elaborate Dalbergs, hinter denen persönlicher
Ehrgeiz und ein verschwommener Reichspatriotismus, aber kein konkretes poli-
tisches Programm, standen". Weis setzte zugleich einen Schlußstrich unter die
218 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Debatte über die Rheinbundkonzeption Napoleons. Er wies nach, daß Napoleon


keinen ernsthaften Versuch unternahm, die Entwürfe seiner Mitarbeiter über eine
zentralistische Rheinbundverfassung zu verwirklichen. Ausschlaggebend hierfür
waren nach Weis Überlegungen militärischer
Zweckmäßigkeit, Rücksicht auf den
Zaren und dann auf Kaiser Franz I. sowie die Ablehnung der Dalbergschen Pläne,
das alte Reich unter Ausschluß der deutschen Großmächte zu erneuern oder gar
ein einheitliches Deutschland zu schaffen: „Der Rheinbund von 1806 bis 1813 war
in der historischen Realität ein reines Militärbündnis, das bis zu seinem Ausein-
anderbrechen den Zweck erfüllte, den ihm sein Gründer und Protektor zugedacht
hatte, nämlich Napoleon Soldaten und Aufmarschgebiete zu liefern und Puffer-
staaten gegen Osterreich, Preußen und Rußland zu bilden" [ebd., 57]. Weis
fügt
allerdings mit Nachdruck hinzu, daß damit die Bedeutung des Rheinbundes für
Deutschland nicht erschöpft gewesen sei: „Unter dem Schutz dieses Bündnisses
konnten nach der Auflösung des alten Reiches Reformen durchgeführt werden,
die den teilweise anders konzipierten preußischen Reformen ebenbürtig" waren
[ebd., 80].
Raumer: Gleichran- In der neueren Forschung dominiert das Thema der rheinbündischen Refor-
gige Bedeutung der merl) jjg ;m Zusammenhang mit dem napoleonischen Revolutionsexport proble-
preufsischen und
rheinbündischen matisiert wurden. Der allmähliche Abbau der preußenzentrierten Sichtweise
t
.

Reformen begann mit der


Handbuchdarstellung von K. v. Raumer [481: Deutschland um
1800]. Auch Raumer betont die gleichrangige Bedeutung des politisch-gesell-
schaftlichen Umbruchs in Reformpreußen wie in den Rheinbundstaaten, der für
die weitere Entwicklung des 19. Jahrhunderts als „Stachel und Antrieb" die
Tradition der Reform begründete. Wenngleich der spätabsolutistisch-bürokrati-
sche Charakter des rheinbündischen Reformwerks, die „Kontinuität von Aufklä-
rung, Revolution und Empire", hervorgehoben wird, so schildert Raumer in den
einzelnen Länderabschnitten doch auch die „Auflockerung" der Sozialordnung
und die zumindest „beschränkte Bedeutung" der Verfassungsreform. Der napo-
leonische Anteil am Reformwerk wird sehr differenziert beurteilt. Raumer
verweist auf die inneren Widersprüche der napoleonischen Politik. Der Rhein-
bund sollte mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllen: er war einerseits eine
militärische Präfektur als Rekrutendepot und Glacis für Napoleons Herrschaft;
er diente andererseits dem Zweck,
Europa zu revolutionieren; er war aber auch
dazu bestimmt, den Anschluß an das geschichtliche Europa zu vermitteln. So
entstand eine „bonapartistische Erneuerungsform", „in der sich historisches Recht
und Vernunftrecht, Privilegienwesen und Rechtsgleichheit, Absolutismus und
Scheinkonstitutionalismus, zählebiges, noch immer fortschreitendes Altstände-
tum und bürgerliches Streben nach dem ersten Platz im Staat und nach
repräsen-
tativer Verfassung, aber auch politischer und wirtschaftlicher
Vormachtstellung
widerspruchsvoll verbanden" [ebd., 267].
Die nähere Bestimmung dieses Grundwiderspruchs zwischen „revolutionär"
wirkendem Reformanspruch und realistischer, sich an dem bestehenden Gesell-
Aufwertung der napoleonischen und rheinbündischen Reformen 219

schaftssystem orientierender Machtpolitik führte zum Thema der napoleonischen


Modellstaatspolitik. In seinem Aufsatz über die Napoleonidenstaaten Berg und
Westfalen stellte R. Wohlfeil [813] die Frage, „worin denn eigentlich die Ord- Wohlfeil: Napoleo-
msche Model|staaten
nungselemente des Grand Empire zu sehen sind". Vermittelten die sog. Modell-
Staaten Anregungen und Vorbilder „für eine Neugestaltung des sozialen Lebens" ?
Wohlfeil kam zu dem Schluß, daß man in der napoleonischen Rheinbundpolitik
„nirgendwo ein doktrinäres Schema finden kann". Die Inkonsequenz der in Berg
und Westfalen durchgeführten Reformen, die vorrangig auf die Verwaltungsorga-
nisation konzentriert gewesen
seien, habe den Modellcharakter dieser Staaten
„unglaubwürdig" gemacht. Napoleon, so lautet das Fazit, besaß keine Konzep-
tion für eine dauerhafte Friedensordnung in Europa. Das Scheitern der Modell-
staatspläne „war wohl nicht so sehr in Fehlern der Konstruktion, als im Wesen
ihres Schöpfers begründet". Die Rheinbundpolitik war Ausdruck eines „situa-
tionsverhafteten instinktiven Machtwillens". Allerdings bleibt bei Wohlfeil die
Frage offen, warum Napoleon die offiziell verkündete und in der westfälischen
Konstitutionsakte verankerte Politik der bürgerlichen Gleichstellung aufgab.
Mit diesem Problem beschäftigen sich zwei Bücher, die der Rheinbundfor- Berding/Fehren-
schung im Rahmen der in den siebziger Jahren aufblühenden Modernisierungs- bach: Modernlsle-
rende Auswirkungen
debatte (vgl. Kap. II, 1) neue Impulse gaben: H. Berdings Arbeit über die Land- der napoleonischen
1111

Schenkungspolitik Napoleons im Königreich Westfalen [738: Napoleonische Machtexpansion


Herrschafts- und Gesellschaftspolitik] und E. Fehrenbachs Untersuchung über
die Rezeption des Code Napoleon in den Rheinbundstaaten [762: Traditionale
Gesellschaft und revolutionäres Recht]. Dabei ging es zugleich um die Frage,
welchen Beitrag der Reformumbruch zum gesamtgesellschaftlichen Modernisie-
rungsprozeß geleistet hat. Es zeigte sich, daß die Reformpolitik des Kaisers nicht
nur die institutionelle Modernisierung, sondern auch die soziale Absicherung der

imperialen Macht beabsichtigte. Der Code Napoleon war sowohl ein propagan-
distisch wirksames Instrument für moralische Eroberungen als auch und vor allem
ein Mittel zur Herrschaftssicherung, um innerhalb des Empire eine einheitliche
Rechts- und Sozialordnung zu schaffen. Der Rezeptionsimpuls stieß jedoch
rechtsrheinisch auf den Widerstand der Nutznießer der alten Ordnung, die
anders als in Frankreich durch keine antiaristokratische Revolution erschüttert
worden war: Standesherren, Reichsritter, adlige Grundherren, deren Positionen
durch Schutzbestimmungen der Rheinbundakte und durch die Wahrnehmung
politischer und gesellschaftlicher Führungsfunktionen abgesichert waren. Außer-
dem beruhte dieser Widerstand zugleich auf objektiven Verhältnissen, nämlich auf
der geradezu chaotischen Vielfalt der feudalen Besitz- und Eigentumsrechte sowie
auf einem System kaum zu entwirrender „privat"- und „öffentlich"-rechtlicher
Beziehungen. Die traditionale Gesellschaft mit dem revolutionären Recht auf dem
Wege der Reform in Einklang zu bringen, kam der Quadratur des Zirkels gleich.
Napoleon mußte sich nolens volens den bestehenden Verhältnissen anpassen. Die
Geschichte der Rechtsrezeption liefert so zugleich ein aufschlußreiches Beispiel
220 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

für die vielschichtigen politisch-sozialen Probleme im Übergang vom ständischen


Rechtspartikularismus zum egalitären und liberalen Rechtsstaat.
H. Berding hat den Zielkonflikt der napoleonischen Herrschafts- und Gesell-
schaftspolitik am Beispiel Westfalens demonstriert. Das Reformziel, Westfalen zu
einem bürgerlichen, auf Rechtsgleichheit, d. h. Beseitigung der Adelsprivilegien,
der Leibeigenschaft und der Korporationen, beruhenden „Modellstaat" zu ma-
chen, geriet in Widerspruch zu der Grundabsicht des Kaisers, um seinen Thron
eine ihm ergebene und auch materiell an den Herrscher
gebundene militärisch-
bürokratische Elite zu scharen. Die Landschenkungspolitik, die im Zentrum der
Analyse Berdings steht, bzw. die Konstituierung einer neuen französischen
Aristokratie, der die Hälfte der westfälischen Allodialdomänen zufiel, schuf
eine neue Form der Vasallität, auch um den Preis einer teilweisen Ref
Trotz der geringen Erfolge bestätigen jedoch die
eudalisierung.
Bemühungen um verfas-
sungs- und sozialpolitische Reformen auf deutscher Seite, daß die Rhein-
bundstaaten nicht nur unter dem Gesichtspunkt der „administrativen
Integra-
tion" (E. R. Huber), sondern auch unter demjenigen der Modernisierung im
egalitären und liberalen Sinn zu sehen sind. Ein Vergleich der preußischen mit
den rheinbündischen Reformen läßt erkennen, daß die Rheinbundstaaten viel
enger an die von Napoleon gezähmten Errungenschaften der französischen
Revolution anknüpften als Reformpreußen [764: E. Fehrenbach; Verfassungs-
und sozialpolitische Reformen; 877: K. O. Frhr. v. Aretin,
Bayerns Weg zum
souveränen Staat]. Der konsequente Ausbau des
bürokratisch-obrigkeitlichen
Staates, der alle partikularen, bisher eigenberechtigten Gewalten seiner Herr-
schaft unterwarf, förderte zugleich die Befreiung des Einzelnen von den
korporativ-ständischen Bindungen und die Durchsetzung der auf dem Gleich-
heitsprinzip gegründeten Staatsbürgergesellschaft. Die Verfassungspläne, auch
sie im „Scheinkonstitutionalismus"
wenn vorerst
steckenblieben, wiesen über
den bürokratischen Absolutismus bereits hinaus. „Der süddeutsche Frühkon-
stitutionalismus bildet den Schlußstein im Gefüge des rheinbündischen Re-
formwerkes" (742: H. Berding/H.-P. Ullmann, Hrsg., Deutschland zwischen
Revolution und Restauration, 22].
Exemplarisch hat H.-P. Ullmann den Modernisierungsprozeß im Schlüsselbe-
reich des Finanzwesens untersucht [804: Staatsschulden und
Die öffentlichen Schulden in Bayern und Baden;
Reformpolitik; 805:
vgl. auch die Aufsätze in den
Sammelbänden 741, 742, 812]. Am Beispiel Bayerns und Badens analysiert Ull-
Ullmann: Der mann die Ursachen und
Durchbruch zur
Folgen der „Schuldenexplosion", die parallel zur Finanz-
>dernen offenth- verwaltungS- un(J Steuerreform die Zentralisierung& der Schuldenadministration,
°
'
me Unifizierung der
hen Finanzwirt- zersplitterten Schuldenmassen sowie die Verrechtlichung
.

schaft unfJ Kommerzialisierung des Kredits erzwang. Mit der zunehmenden Marktab-
hängigkeit der öffentlichen Schuld verstärkte sich der Druck auf den bürokrati-
schen Staat, Rechtsgarantien für die Gläubiger zu schaffen, eine Entwicklung, die
schließlich auf die Konstitutionalisierung der Finanz- und Schuldenwirtschaft in
Aufwertung der napoleonischen und rheinbündischen Reformen 221

den Verfassungen von 1818 hinauslief. Die Rheinbundzeit als „Epochenschwelle"


markiert somit „den entscheidenden Wendepunkt vom territorialstaatlichen Fi-
nanzwesen des Ancien Regime zur modernen öffentlichen Finanzwirtschaft des

frühkonstitutionellen Staates".
Das besondere Interesse der Rheinbundforschung galt und gilt der Montgelas-
Ära in Bayern, die ein höchst eindrucksvolles Beispiel für die Grenzen und
Möglichkeiten einer „Revolution von oben" bietet. Den wohl wichtigsten Beitrag
liefert die moderne, ganz aus den Quellen gearbeitete Montgelas-Biographie von Weis/Demel: Die
E. Weis [8091, von der bis jetzt allerdings nur der erste Band über die Zweibrücker Montgelas-Ära in
Jahre bis zum Beginn der Ministerzeit vorliegt. Schon der erste Band läßt jedoch
erkennen, wie stark der Einfluß der französischen Revolution auf Montgelas'
Reformprogramm gewesen ist. Die Briefe aus der Revolutionszeit und die um-
fangreichen Denkschriften darunter die große Ansbacher Reformdenkschrift
von 1796, die Weis zu Recht im Range der Nassauer Denkschrift Steins und der
-

Rigaer Denkschrift Hardenbergs gleichsetzt entwickelten verfassungs- und


gesellschaftspolitische Zielvorstellungen, die weit über das hinausreichten, was
-

Montgelas als Minister verwirklichen konnte. Er forderte die Neuregelung der


grundherrschaftlichen Verhältnisse, die Ausdehnung der Menschenrechte auf alle
Klassen der Bürger, eine Nationalversammlung, an der Bürger und Bauern nach
einem Zensuswahlrecht beteiligt werden sollten, die gesetzgebende (!) Gewalt des
Landtags, die Steuerpflicht für alle Stände, die bürgerliche und politische (!)
Freiheit der Bürger. Das bisher bekannte Montgelasbild veränderte sich grund-
legend. Hinter dem kühlen Machtpolitiker und rücksichtslosen Verfechter der
Staatssouveränität, wie ihn die ältere Forschung darstellte, wird ein „aufkläre-
rischer Idealist" sichtbar, der freilich seine weitreichenden Konzeptionen immer
mit den Ergebnissen der Erfahrung abzustimmen wußte.
W. Demel, ein Schüler von E. Weis, hat in seinem Buch über den bayerischen
„Staatsabsolutismus" [749] die Diskrepanzen zwischen dem „aufklärerischen
Idealismus" und einer „absolutistischen" Regierungspraxis herausgearbeitet, die
von außenpolitischen Voraussetzungen, sozial- und wirtschaftspolitischen Rück-
sichten und vor allem von den finanziellen Zwängen abhängig blieb. In den
Mittelpunkt der Analyse tritt „die gewaltige quantitative und qualitative Expan-
sion staatlicher Macht" in einer neuen Herrschaftsordnung, die zwar alle inner-
staatlichen Korporationen des Adels und des Bürgertums ausschaltete, aber doch
die wirtschaftliche Stellung der Betroffenen schonte. Der Adel konnte deshalb
gemeinsam mit dem privilegierten Beamtentum seine staatstragende Funktion auch
weiterhin erfüllen [vgl. zur Adelspolitik auch Demels Aufsatz in: 812: E. Weis,
Hrsg, Reformen im rheinbündischen Deutschland, 213-228; zur Entstehung des
Berufsbeamtentums vgl. 814: B. Wunder, Privilegierung und Disziplinierung].
Andererseits hebt auch Demel hervor, daß sich in Bayern die Lehre vom Staat als
Rechts- und Freiheitsschutzanstalt durchsetzte und „zur partiellen Bindung der
Staatsgewalt an eine (früh)konstitutionelle Repräsentation führen sollte".
222 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Bilanz der neueren


Rheinbund-
DieErgebnisse der neueren Rheinbundforschung gingen in die Epochen- und
forschung Handbuchdarstellungen der achtziger Jahre ein [370: E. Weis, Der Durchbruch
des Bürgertums; 465: K. O. Frhr. v. Aretin, Vom Deutschen Reich zum Deut-
.

schen Bund; 480: Th. Nipperdey, Deutsche Geschichte; 489: H.-U. Wehler,
Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1; vgl. auch die Handbücher zur bayeri-
schen, badischen und württembergischen sowie zur hessischen Geschichte 485,
484, 474]. Der Forschungsstand wurde in den von Berding/Ullmann und Weis
herausgegebenen Sammelbänden dokumentiert [742, 812]. Den aus archivalischen
Quellen gearbeiteten Monographien folgte seit Beginn der neunziger Jahre eine
von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften initiierte
Quellenedition ein-
zelstaatlicher Regierungsakten, von der bisher die Bände über Bayern, das König-
reich Westfalen und die Großherzogtümer Berg und Frankfurt vorliegen [92]. Die
Rehabilitierung der Rheinbundreformen rief allerdings auch Kritiker auf den Plan,
die davor warnten, die Rangfolge, die lange Zeit den preußischen Reformen ihren
Platz vor den rheinbündischen sicherte, einfach umzukehren und so mit entgegen-
gesetzter Bewertung die alte ideologische Polarisierung fortzusetzen [870: B.
Vogel, Allgemeine Gewerbefreiheit, 10 f.; 480: Th. Nipperdey, Deutsche Ge-
schichte, 78 f.]. Daß die Reformen im rheinbündischen Deutschland „einen eigen-
ständigen und dauerhaften Weg der Modernisierung einleiteten, der den preußi-
schen Reformen ebenbürtig war" (E. Weis), wird jedoch heute von den Fachleuten
nicht mehr bestritten.
Korrektur und Dennoch erwies sich der modernisierungsgeschichtliche Interpretationsansatz,
Erweiterung des jer jje \jm_ uncj Aufwertung des Rheinbundes angeleitet
modermsierungsge- hatte, in vieler Hinsicht
schichtlichen als ergänzungsbedürftig. Die auf die etatistisch-bürokratischen Reformen kon-
....... .

Ansatzes zentrierte
Deutung setzte ohne nähere Uberprüfung voraus, daß das gesellschaft-
liche Modernisierungspotential nur mit der Entwicklungshilfe einer starken,
aufgeklärten Beamtenschaft freizusetzen war. Dezidiert wird diese Ansicht von
H.-U. Wehler [489: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1] und P. Nolte [786:
Staatsbildung als Gesellschaftsreform] vertreten. Erst die Wiederentdeckung des
Regionalismus und der kommunalen Lebenswelt als Gegengewicht zum staat-
lichen Zentralismus trug dazu bei, die Widersprüchlichkeiten der napoleonischen
Herrschaft und der rheinbündischen Regime wieder schärfer in den Blick zu
nehmen. Bezeichnenderweise wird die mangelnde Integrationskraft der Modell-
staaten in einem kürzlich erschienenen Aufsatz von B. Severin nicht mehr nur auf
die immanenten Zielkonflikte der napoleonischen Machtexpansion, sondern auf
„die französische Herrschaftspraxis vor Ort im Zusammenspiel mit autochthonen
Einflüssen und Antriebskräften sowie regionalen Besonderheiten" zurückgeführt
[795: Modellstaatspolitik im rheinbündischen Deutschland, 181; vgl. auch 757: J.
Engelbrecht, Das Herzogtum Berg]. Jüngere Arbeiten zur rheinischen und
rheinbündischen Geschichte entwerfen ein Bild der „Franzosenzeit", das, wie es
Ch. Dipper in einem 1995 erschienenen Sammelband formuliert hat, „dem hellen
Licht, dessen sich die napoleonische Herrschaft derzeit erfreut, die unvermeidli-
Aufwertung der napoleonischen und rheinhündischen Reformen 223

chen Schattenseiten" beifügt [751: Ch. Dipper u. a, Hrsg, Napoleonische Herr- „Schattenseiten" der
schaft in Deutschland und Italien, 12]. napoleonischen
i
Herrschaft
Die negativen Begleiterscheinungen auch und gerade der von Frankreich direkt

beeinflußten Modernisierungspolitik auf dem linken Rheinufer treten deutlicher


hervor, wenn die Umsetzung in der Praxis und die Erfahrungen der Betroffenen,
der „Administres", wie sie H. Molitor [782: Vom Untertan zum Administre]
genannt hat, geschildert werden, z. B.: Korruption und Postenjägerei in der
Beamtenschaft [768: S. Graumann, Französische Verwaltung am Niederrhein];
Unzulänglichkeiten der neuen Justiz [793: R. Schulze, Hrsg, Französisches
Zivilrecht]; mangelnde Rücksichtnahme auf kirchlich-religiöse Bedürfnisse [808:
E. Wagner, Religiosität und Kirchen im Rheinland um 1800; Dies, Kirchen-
politik im napoleonischen Rheinland, in: 751: Napoleonische Herrschaft, 201-
223; C. Kasper-Holtkotte, Kulturpolitik und -Verwaltung der Juden, ebd., 224-
239; 777: Dies, Jüdischer Kultus in napoleonischer Zeit; vgl. dagegen 794: E.
Schunk, Französische Revolution und pfälzischer Protestantismus]; überstürzte
Maßnahmen in der öffentlichen Gesundheitspolitik, die der Ausbildung von
Ärzten und Hebammen eher schadeten statt bereits eingeleitete Professionalisie-
rungsprozesse voranzubringen [773: C. Hudemann-Simon, L'Etat et la sante; vgl.
auch den Beitrag Dies, Zur staatlichen Gesundheitspolitik in den Rheinlanden, in:
751: Napoleonische Herrschaft, 121-139]. Zweifellos gab es viele Sektoren, in
denen die Modernisierung mehr oder weniger erfolgreich verlief [794: C. Hude-
mann-Simon, L'Etat et les pauvres].
Ein anderes Leitthema befaßt sich mit den Reaktionen der rheinischen Reaktionen der rhei-
Bevölkerung und den Veränderungen der lokalen Lebenswelt. Die Auswer- mscnen Bevölkerung
tung von Petitionen [736: U. Andrae, Die Rheinländer, die Revolution und
der Krieg] und von Reunionsadressen [798: J. Smets, Les pays rhenans; 799:
Ders, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit?] bestätigt für die ersten Jahre der
Besatzungsherrschaft bis zur Neuordnung von 1798/1802, was schon in der
älteren Literatur von M. Springer [624: Die Franzosenherrschaft in der Pfalz]
bis T.C.W. Blanning [548: The French Revolution in Germany] in düsteren
Farben dargestellt worden ist: das Negativerlebnis von Okkupation, Krieg und
Kriegslasten war stärker als die Zustimmung zu den revolutionierenden
Auswirkungen der französischen Herrschaft. Daran konnte auch der kultu-
relle Revolutionstransfer [vgl. oben Kap. II, 4] nur wenig ändern; republika-
nische Revolutionsfeste und Revolutionssymbole wurden von dem kurzen
Zwischenspiel der Mainzer Republik einmal abgesehen im Rheinland erst
-

eingeführt, als sie in Frankreich selbst ihre Spontaneität bereits eingebüßt


-

hatten und zum „Staatskult" geworden waren [563: O. Dotzenrod, Repu-


blikanische Feste; 745: Ch. Buchholz, Französischer Staatskult]. Trotzdem
fällt das Urteil über das Verhalten der Rheinländer inzwischen viel differen-
zierter aus als in älteren Schlußfolgerungen, die lediglich ein tiefverwurzeltes
konservatives Beharren der Bevölkerung konstatierten. U. Andrae entdeckte
224 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

nicht wenige Petitionen, die sich welchen Gründen auch immer dem
aus

republikanischen Stil und Sprachgebrauch


flexibel anpaßten, z.B. bei der
- -

Anrede („Bürger Bezirksverwalter"), in der Schlußformel („Gruß und Ver-


brüderung") oder mit der neuen Datierung nach dem französischen Revolu-
tionskalender. Möglicherweise war vieles Gewohnheitssache. Im Vergleich zu
den Rheinbundstaaten fällt es jedenfalls auf, daß linksrheinisch die fast
zwanzigjährige Dauer der französischen Herrschaft (mit einer langen Vorlauf-
phase bis zur Annexion von 1798/1802) ihren Teil zur Akzeptanz der Neu-
erungen, die nach 1815 im Kampf um das „rheinische Recht" verteidigt
wurden, beitrug; „je länger das napoleonische Regime dauerte", so hat es St.
Woolf im Hinblick auf Italien beobachtet, „desto stärker stieg dessen Uber-
zeugungskraft als Folge der politischen Stabilität, und die lokalen Eliten
neigten nach und nach mehr zur Mitarbeit" [Eliten und Administration in
der napoleonischen Zeit in Italien, in: 751: Napoleonische Herrschaft, 39; 418:
Ders., Napoleon's integration of Europe]. Für das Rur-Departement hat S.
Graumann [768: Französische Verwaltung am Niederrhein] detailliert unter-
sucht, wie am Ende des langwierigen Eingliederungsprozesses, der auch 1802
noch nicht ganz abgeschlossen war, eine personalpolitische Wende eintrat:
Elitenwandel Nicht mehr die frankophilen Revolutionssympathisanten aus den Jakobiner-
und Cisrhenanenzirkeln, sondern die Meistbesteuerten aus dem besitzenden
und vermögenden Notabeinbürgertum bildeten nun wie überall in Frankreich
das Reservoir für politische und ökonomische Führungskräfte. Das schloß
einerseits personelle Kontinuitäten nicht aus. Auch anpassungswillige, gleich-
sam „eingebürgerte" Adlige und
ehemalige Beamte des Ancien Regime
gehörten zu den „neuen" Elitenvertretern. Andererseits ist auf der oft zu
wenig beachteten kommunalen Ebene ganz deutlich ein „personeller Um-
bruch" zu erkennen. J. Müller hat am Beispiel von Koblenz und Speyer den
politisch-sozialen Wandlungsprozeß „von der alten Stadt zur neuen Munizi-
palität" nachgezeichnet und im einzelnen belegt, wie fast alle Zunfthandwerker
aus den städtischen Führungspositionen
verdrängt wurden [783: Von der alten
Stadt zur neuen Munizipalität; 784: Ders., Personeller Umbruch im Rhein-
land]. Die rigorose Beseitigung von Zuzugsbeschränkungen, Zunftprivilegien
und konfessionellen Hindernissen begünstigte das aufstrebende, sozial dyna-
mische Handelsbürgertum und die noch kleine Gruppe der Frühunternehmer,
d. h. Wirtschaftsbürger, die zudem von der Öffnung des großen französischen
Marktes oder auch vom Nationalgüterverkauf profitierten. Hauptgewinner des
Systemwechsels waren jüngere, oft auch zugewanderte oder bis dahin konfes-
sionell benachteiligte Kaufleute. Neuere Studien über größere Städte wie Köln
und Aachen lassen nur noch wenig von der vermeintlichen Wirtschafts- und
Machtschwäche erkennen, die dem deutschen im Vergleich zum französischen
„Stadtbürgertum" gern nachgesagt wird. Betont wird im Gegenteil die starke
Eigenbeteiligung des neuen nachständischen, wenngleich noch vorindustriellen
Aufwertung der napoleonischen und rheinbündischen Reformen 225

Bürgertums an den Veränderungsprozessen [502: L. Gall, Hrsg, Vom alten


zum neuen Bürgertum, mit Beiträgen von G. Mettele über Köln und M.
Sobania über Aachen; 517: G. Mettele, Bürgertum in Köln].
Sehr viel schwieriger war es wohl, die Zurückhaltung der ländlichen Bevöl- Smets: Kriegs- und
Umbruchserfahrun-
kerung zu überwinden. J. Smets [798: Les pays rhenans] hat ein deutliches Nord-
Süd-Gefälle zwischen dem konservativ-ländlichen Niederrhein und den vom
revolutionären Frankreich stärker beeinflußten südlichen Gegenden des Rhein-
landes festgestellt. Er schreibt es dem Schmelztiegel der Grande Armee und den
sozial disziplinierenden Auswirkungen der Allgemeinen Wehrpflicht zu, wenn am
Ende dennoch die „heile" Dorfwelt auch der Niederrheiner aufgebrochen wurde.
Nach seinen Berechnungen, die sich an den Methoden der neueren Kriegs- und
Militärgeschichte (A. Forrest) orientieren, standen allein aus dem Rheinland bei
geringer Desertionsquote fast 80 000 Soldaten, d. h. 29,5 % der jüngeren Männer,
unter den Fahnen Napoleons, von denen 30-40 000 in ihre Heimat zurückkehrten
„eine weitere tiefgreifende Revolutionierung in der rheinischen Mentalität" [800:
J. Smets, Von der „Dorfidylle" zur preußischen Nation].
-

Vermutlich könnte die noch wenig erforschte Adelsgeschichte des Rheinlandes Rheinischer Adel
einiges zur Erklärung beitragen, warum sich im Süden Teile der ländlichen
Bevölkerung vergleichsweise bereitwilliger vom Ancien Regime lossagten. An-
ders als die landsässigen Adligen in den ehemals preußischen Provinzen am
Niederrhein verließen in den territorial stark zersplitterten südlichen Rheinlan-
den die dort besonders zahlreichen Angehörigen des „regierenden" bzw. des
reichsständischen und reichsritterschaftlichen Adels bei jedem Einfall der franzö-
sischen Truppen fluchtartig ihr Land. E. Kell hat in ihrer Arbeit über das 1803
rechtsrheinisch entschädigte Kleinfürstentum Leiningen [664] beschrieben, wel-
che Enttäuschungen dieses Verhalten bei konservativen Teilen der pfälzischen
Dorfbevölkerung auslöste [vgl. zur Adelsgeschichte der Revolutionszeit: 653:
Ch. Dipper, Der rheinische Adel; 655: E. Fehrenbach, Der Adel in Frankreich
und Deutschland]. Auch aus den Regionalstudien von J. Smets, der sich besonders
intensiv mit dem altständischen Geldern im Übergang von der preußischen zur
französischen und von der französischen zurück zur preußischen Herrschaft
befaßt hat, geht hervor, wie wichtig der Einfluß örtlicher Adelsregime gewesen
ist [798: Les pays rhenans].
Die lokale und regionale Detailforschung der neunziger Jahre hat nicht nur die
Interpretation der rheinischen Geschichte, sondern auch die Bewertung der
Rheinbundreformen modifiziert und den Blick für das Ambivalente der büro-
kratischen „Revolution von oben" geschärft. Dies gilt insbesondere für jüngere
Arbeiten zur Geschichte der hessischen Staaten, die lange Stiefkinder der auf Bürokratische Re-
torm und geseu"
Bayern, Württemberg und Baden konzentrierten Rheinbundforschung gewesen schaftliche Bewe-
"ti i 7 i
sind. Wegen kriegsbedingter Überlief erungslücken der Zentralbehörden hat A.

j i-
gung: das Beispiel der
Schulz in seinem Buch über die Reformzeit im Großherzogtum Hessen-Darm- hessischen Staaten
Stadt [792: Herrschaft durch Verwaltung] vor allem Akten der Kreisämter und
226 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Gemeinden ausgewertet. Er stieß dabei auf überraschend zahlreiche Belege für


eine weitverbreitete Abwehrhaltung, mit der die gesellschaftlichen Kräfte auf den
allgegenwärtigen und tiefer als je zuvor in lokale Autonomiebereiche vordrin-
genden „Verwaltungsstaat" reagierten. Nicht die Anhänger und schon gar nicht
die Träger, sondern die Gegner der etatistisch-bürokratischen Modernisierungs-
politik standen nach Schulz am Ursprung des Konstitutionalismus und der
frühliberalen Verfassungsbewegung. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt E. Trei-
chel in seiner bürokratiegeschichtlichen Fallstudie über den Kleinstaat Nassau

[803: Der Primat der Bürokratie]. Treichel arbeitet die große Distanz heraus, mit
der sich die Elite der höheren Beamten politisch und sozial von allen gesellschaft-
lichen Gruppen abhob. Der interventionistische Beamtenstaat war insofern alles
andere als ein Geburtshelfer des liberalen Bürgerstaats. Zugleich betont Treichel
die Torsohaftigkeit des rheinbündischen Reformwerks. Bis 1814 blieben die
nassauischen Reformen Stückwerk, und auch danach dienten sie vor allem dem
„Primat der Bürokratie". W. Jäger [775: Staatsbildung und Reformpolitik] zeigt
am nassauischen, der süddeutschen Entwicklung zugeordneten Beispiel, wie

zahlreich die Reformvorhaben waren, die weit über das Ende der Rheinbundzeit
hinaus den Auf- und Ausbau des „Monopolstaats" zum Ziel hatten: sie umfaßten
neben Regierung, Verwaltung, Militär, Recht und Verfassung auch Reformberei-
che wie Kirche, Schule, Armenpflege und Gesundheitswesen. Die reaktionären
Regierungen der sogenannten Restaurationszeit nach 1815 nutzten auf ihre Weise
die modernisierten Institutionen als Herrschaftsinstrumente. Sie dachten weder an
einen Abbau noch an den Stillstand der Reformen.
Aufgrund solcher Befunde drängte sich die Frage auf, ob nicht im Banne
modernisierungsgeschichtlicher Perspektiven die rheinbündische (und preußi-
sche) Reformzeit zu einseitig als „Erfolgsgeschichte" geschrieben worden ist. In
der gegenwärtigen Literatur dominiert die Ansicht von der Kontinuität einer
etatistischen Reformtradition, die schon vor der napoleonischen Ära begonnen
hatte [469: W. Demel, Vom aufgeklärten Reformstaat zum bürokratischen Staats-
absolutismus; 792: A. Schulz, Herrschaft durch Verwaltung] und die trotz des
Umschwungs zur Restauration auch in den 1820er Jahren nicht völlig abgebro-
chen wurde [807: H.-P. Ullmann/C. Zimmermann, Hrsg., Restaurationssystem
und Reformpolitik]. Damit wird die Zäsur von 1815/20 relativiert und die
„konservative Wende" am Anfang einer neuen Epoche differenzierter beurteilt
sei es im Sinne einer kontinuierlichen „Herrschaft durch Verwaltung" (A.
-

Schulz), sei es hinsichtlich der Fortsetzung von Reformaktivitäten „auf vielen


Feldern staatlicher Politik" (H.-P. Ullmann u. C. Zimmermann).
Die Auswertung der in letzter Zeit verstärkt beachteten Rheinbundpublizistik
hat andererseits ergeben, daß von den zeitgenössischen Publizisten aller politi-
schen Richtungen „Napoleon als neue Epochenzäsur" wahrgenommen wurde
[544: E.W. Becker, Zeit der Revolution!, Belege 89ff.]. Diskursanalysen und
mediengeschichtliche Untersuchungen entdeckten die Existenz einer politischen
Aufwertung der napoleonischen und rheinbündischen Reformen 227

„Rheinbundöffentlichkeit", die relativ unabhängig von der offiziösen Rheinbund-


ideologie und der staatlich gelenkten „Propaganda um Napoleon" entstand [796:
W. Siemann, Propaganda um Napoleon in Württemberg; vgl. dagegen: 730: G.
Schuck, Rheinbundpatriotismus und politische Öffentlichkeit; 487: M. Stolleis,
Reichspublizistik; 719: B. Fratzke-Weiss, Europäische und nationale Konzep-
tionen im Rheinbund, ebd. ein Uberblick über „Zeitschriften als Netzwerke"]. Zu
den Medien dieser neu entstehenden Öffentlichkeit zählen so bedeutende Zeit-
schriften wie Winkopps „Rheinischer Bund", Pähls „Nationalchronik der Teut-
schen" oder auch Posselts „Europäische Annalen". Zeitweise wurde Napoleon
sogar zum Hoffnungsträger einer „nationalen Strömung", die im rheinbündischen Nationale Aneig-
Deutschland an den Reichspatriotismus anknüpfen konnte, aber zugleich auch die nun8 des Rnein-
Diskontinuitäts- und Umbruchserfahrungen von 1789 und 1803/06 zu verarbeiten
hatte. In G. Schucks Buch, das den etwas umständlich klingenden, aber aus-
sagekräftigen Titel trägt: „Rheinbundpatriotismus und politische Öffentlichkeit
zwischen Aufklärung und Frühliberalismus. Kontinuitätsdenken und Diskonti-
nuitätserfahrung in den Staatsrechts- und Verfassungsdebatten der Rheinbundpu-
blizistik" [730], werden die verschiedenen Konzepte der nationalen Aneignung
des Rheinbundes ausführlich dargestellt und analysiert. Dazu gehört auch der
Frühnationalismus in der Tradition des Alten Reiches ein Thema, das seit der
Wiedervereinigung von 1989/90 wieder aktuell geworden ist [vgl. auch 718: H.
-

Duchhardt/A. Kunz, Hrsg, Reich oder Nation?; 710: H. Angermeier,


Deutschland zwischen Reichstradition und Nationalstaat; 729: G. Schmidt,
Geschichte des alten Reiches]. Die Träger der verfassungs- und nationalpoliti-
schen Debatten kamen zwar durchweg aus der Beamtenelite; viele waren Juristen
[vgl. hierzu schon 762: E. Fehrenbach, Traditionale Gesellschaft und revolutio-
näres Recht]. Es ist jedoch bezeichnend, daß sie als Publizisten auftraten, deren
meinungsbildende und politisch mobilisierende Beiträge nicht für ein Fachpubli-
kum, sondern für die „Öffentlichkeit" bestimmt waren. In der intensiver werden-
den öffentlichen Diskussion entwickelte sich eine Wechselbeziehung zwischen
staatsbezogenen Reformern und der „Opinion" der gesellschaftlichen Kräfte, von Eigenständige Re-der
denen eigenständige Reformimpulse z. B. die Forderungen nach Verfassungen f°rm'rnPulse aus
Gesellschaft heraus
Bürokratische
....

ausgingen [vgl. jetzt hierzu Fehrenbach,


-

i i ,. ,
-

E. Verfassungspolitik

und gesellschaftliche Bewegung. Zur sozialen Basis des deutschen Frühkonstitu-


tionalismus 1818/20, in: 765: Dies, Politischer Umbruch und gesellschaftliche
Bewegung, 133-144]. In der Rheinbundliteratur der siebziger und achtziger Jahre
wurden diese Zusammenhänge noch kaum beachtet. Sie eröffnen ein Forschungs-
feld, das zur Weiterarbeit anregt.
228 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

7. Kontroversen über die wirtschaftlichen Auswirkungen der


Kontinentalsperre

Das Urteil über die napoleonische Wirtschaftspolitik hat sich im Verlauf verschie-
denartiger Forschungskontroversen stark differenziert. Alternativfragen wie die
nach Erfolg oder Mißerfolg der Kontinentalsperre bzw. nach den Vor- oder
Nachteilen der Blockade- und Zollpolitik für die wirtschaftliche Entwicklung
lassen sich nicht mehr pauschal beantworten. Die jeweilige Einschätzung diffe-
riert, je nachdem, welche Wirtschaftssektoren, welche Wirtschaftsregionen, ob
kurzfristige oder längerfristige Folgen, ob die Auswirkungen der Kontinental-
sperre oder die des Kontinentalsystems gemeint sind.
Ältere Forschung Im Mittelpunkt der älteren Literatur stand die Schutzzollwirkung der Konti-
nentalsperre, die allerdings häufig durch die Brille aktueller Kontroversen zum
Schutzzoll oder Freihandel gesehen wurde. So kam es, daß manche deutschen
Historiker, die bis dahin der französischen „Fremdherrschaft" kaum etwas Posi-
tives abgewinnen konnten, gegen die Freihandelstheoretiker zu Felde zogen und
in Napoleon den Wegbereiter Friedrich Lists feierten [z. B. 438: R. Hoeniger, Die
Kontinentalsperre]. Die gegensätzlichen Meinungen über die Wirksamkeit der
Kontinentalsperre prallten scharf und unversöhnlich aufeinander. Noch das 1922
erschienene Buch des englischen Wirtschaftshistorikers E. F. Heckscher [437:
The continental system], die erste größere
Gesamtdarstellung über die Kontinen-
talsperre, stand ganz im Banne der Freihandelstheorien und ließ deshalb von
vornherein keinen Zweifel an der Ineffizienz der Blockade zu.
Dunan: blocus con- Eine sachlichere Beurteilung bahnte sich an, als M. Dunan 1942 [434:
tinemal Napoleon
undjsysteme gt 1'Allemagne] die schon
zeitgenössische Unterscheidung zwischen Kontinental-
sperre (blocus Continental) und KontinentaEystem (Systeme continental) in die
Debatte einführte. Während Handel und Gewerbe der deutschen Staaten, einmal
abgesehen vom Ausfall des Überseehandels, unter der Kontinentalsperre wenig zu
leiden hatten, was Dunan am Beispiel Bayerns nachweist die eigene Produktion
wurde angeregt und von der englischen Konkurrenz befreit -, wirkte sich das
-

Kontinentalsystem negativ aus. Dieses System, das die traditionellen Handels-


beziehungen zerriß, insbesondere durch den französisch-italienischen Handels-
vertrag und durch die Zollschranken am Rhein sowie an der bayerisch-öster-
reichischen Grenze, diente allein dem wirtschaftlichen Imperialismus Frank-
reichs und war insofern das Gegenteil einer kontinentaleuropäischen
Wirtschaftseinheit. [Vgl. zuletzt hierzu: R. Dufraisse, Französische Zollpolitik,
Kontinentalsperre und Kontinentalsystem im Deutschland der napoleonischen
Zeit, in: 742: H. Berding/H.-P. Ullmann, Hrsg., Deutschland zwischen Revolu-
tion und Restauration, 328 ff.; 436: W. Fischer, Wirtschaft und Wirtschaftspoli-
tik].
Für den englisch-französischen Wirtschaftskrieg hat das Standardwerk von F.
Crouzet [424: L'economie britannique et le blocus continental] durch eine
Kontroversen zur Kontinentalsperre 229

Analyse der Krisenanfälligkeit der englischen Wirtschaft die „Le-


detaillierte
gende" von der Unwirksamkeit der Blockade zurückgewiesen. Crouzet unter- Crouzet: Auswir-
scheidet mehrere Phasen: Zwar war das Festland niemals hermetisch abgeschlos- hunge"iu' d,ie f ng~
hsche Wirtschaft
sen, aber vom Juli 1807 bis Juli 1808, d. h. vom Tilsiter Frieden bis zum spanischen
.

Aufstand, und vom Frühjahr 1810 bis zum Desaster in Rußland funktionierte die
Kontinentalsperre. Und diese Abschließung Europas, so meint Crouzet, hatte
zumindest ernsthafte, wenn auch keine ruinösen Folgen für die wirtschaftlichen
Aktivitäten der Briten, zumal da 1808 und 1811/12 die Abriegelung der amerika-
nischen Märkte hinzukam. Crouzet hebt vor allem die Schwächung des Finanz-
und Kreditsystems hervor, die zur Entwertung des Pfundes führte. 1808 verrin-
gerte sich der englische Export um ein Viertel; die Industrieinvestitionen gingen
zurück. Das war noch keine Katastrophe, aber doch eine ernstzunehmende Krise,
die sich, begleitet von sozialen Unruhen (Ludditenaufstände), 1810/11 wieder-
holte. Ausschlaggebend für den letztendlichen Mißerfolg Napoleons waren nach
Crouzet eher die politischen und militärischen Ereignisse. Crouzet knüpft an
die These Lefebvres [394: Napoleon] an, der russische Winter von 1812 habe
England gerettet. „Mag diese Auffassung angesichts der Wirtschafts- und Flotten-
stärke Großbritanniens auch überspitzt sein," schreibt E. Weis [370: Der Durch-
bruch des Bürgertums, 270] hierzu, „so läßt sich umgekehrt sagen, daß das Jagen
nach der Fata Morgana des wirtschaftlichen Sieges über England Napoleon von
einem Abenteuer ins andere gestürzt hat: Portugal, Spanien, Toskana, Parma,
Kirchenstaat, Niederlande, Nordwestdeutschland und schließlich Rußland, das
zum Zusammenbruch des Empire entscheidend beigetragen hat."
Crouzets Arbeiten lieferten zugleich eine Korrektur der Industrialisierungs- Crouzet:
.desindustrialisa-
forschung. Die in den fünfziger Jahren vorgelegten Untersuchungen über das tion"
Wirtschaftswachstum errechneten eine jährliche Wachstumsrate von 3 % für die
französische Produktion im Zeitraum von 1796 bis 1812, was einige Wirtschafts-
historiker dazu veranlaßte, eine take-off-Phase der französischen industriellen
Revolution bereits in das Empire zu verlegen. Crouzet [426: Angleterre et
France] bestritt diese Ergebnisse, indem er nachwies, daß die französische Wirt-
schaft nur die in der Zeit der Revolutionswirren erlittenen Rückschläge wieder
aufholte. In seinem wichtigen Aufsatz [427: Kriege, Kontinentalsperre und
wirtschaftliche Veränderungen] spricht Crouzet vielmehr von einer
„desindustrialisation" und „pastoralisation" infolge des Verlustes der übersee-
ischen Märkte und des Zusammenbruchs der „atlantischen Wirtschaft". In den
Küstengebieten Frankreichs, Hollands, Spaniens und Portugals bewerkstelligten
Kriege und Kontinentalsperre eine anhaltende Rückläufigkeit der wirtschaftlichen
Entwicklung und eine Verschiebung ganzer Landstriche zum Ackerbau hin, auch
wenn diese Krise teilweise durch das Entstehen neuer Industriezweige ausgegli-

chen werden konnte: „Die Bilanz der Napoleonischen Kriege für den Kontinent
als Ganzes kann deshalb etwa so aussehen: Zusammenbruch der ,maritimen'
Industrie, Ruin der Leinenindustrie, Stagnation der primären Eisenindustrie,
230 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

bescheidenes Wachstum der Woll-, Seiden- und sekundären Metallindustrien,


relativ schneller Fortschritt der Baumwollindustrie und ein bescheidener Anstieg
der industriellen Gesamtproduktion."
Crouzet: Verlage- Die wichtigste Veränderung im Wirtschaftsgefüge geschah nach Crouzet
rung der Win- durch die Verschiebung der Handelswege von den Küsten weg ins Innere Europas
schaftsachsen °

entlang neuer „Wirtschaftsachsen" am Rhein, im sog. „goldenen Dreieck" /r.


... ._ . .

_ (Pans-
Hamburg-Mailand) und weiter östlich von Sachsen über Böhmen nach Oster-
reich. Die Folge war eine Konzentration auf die nationalen inländischen Märkte
und die Schaffung größerer Wirtschaftseinheiten durch Abbau der Binnenzölle,
die in Deutschland schließlich zur Gründung des Zollvereins führte.
Ältere Urteile über Die Auswirkungen der napoleonischen Politik auf die relativ rückständigen
die Auswirkungen
auf die deutsche
wirtschaftlichen Verhältnisse in den deutschen Staaten sind lange Zeit mit über-
...

wiegend negativen Vorzeichen versehen worden. F. Dreyfus [430: Bilan


.

Wirtschaft
economique des Allemagnes en 1815] kam noch 1965 zu dem Schluß, daß von
einzelnen Regionen (linksrheinische Gebiete, Sachsen) und Industriezweigen
(Ersatzstoffindustrien, Baumwolle) abgesehen der Einfluß der Kontinentalsperre
nur gering zu veranschlagen sei. Wie M. Barkhausen
[490: Der Aufstieg der
rheinischen Industrie], F. Schulte [529: Die Entwicklung der gewerblichen
Wirtschaft in Rheinland-Westfalen] und F. Steinbach [533: Die rheinischen
Agrarverhältnisse] betonte Dreyfus, daß der wirtschaftliche Aufschwung im
Rheinland längst vor der französischen Zeit eingesetzt habe.
Die Gegenargumente zu dieser Kontinuitätsthese wurden vor allem von H.
Kisch [441: The impact of the French Revolution on the Lower Rhine textile
districts; 440: The textile industries in Silesia and the Rhineland] und L. Bergeron
[423: Remarques sur les conditions du developpement industriel] vorgetragen.
Bergeron hält daran fest, daß die Baumwollindustrie als „Leitsektor" einer
„allerersten Phase der industriellen Revolution" anzusehen sei. Er verweist in
Unterscheidung diesem Zusammenhang auf die wichtige Unterscheidung zwischen kurzfristigen
zwischenkurzfnsti- und längerfristigen Folgen „entre les phenomenes de caractere episodique, con-
gen und langertnsti- . , ,

gen Folgen für die joncturel... et des phenomenes de longue duree". Unter dem Aspekt langfristiger
,

. .

deutsche Gewerbe-
entwicklung
Strukturwandlungen entfällt der oft vorgebrachte Einwand, beim Aufschwung
der Baumwollindustrie habe es sich lediglich um eine Scheinblüte gehandelt, die
nach der englischen Rückeroberung der europäischen Märkte rasch wieder zu-
sammengebrochen sei. Die institutionellen Innovationen und technischen Infor-
mationen überdauerten die vorübergehende Krise und verfehlten insofern nicht
ihre Wirkungen. H. Kisch trat schon früh als Kritiker jener Wachstumsforschung
auf, die sich vornehmlich mit den rein ökonomischen Mechanismen der indu-
striellen Entwicklung beschäftigt. Er betonte die mit der französischen Reformge-
setzgebung erheblich verbesserten politisch-institutionellen und sozialen Rah-
menbedingungen, die vor allem dem Rheinland zu einem wirtschaftlichen Vor-
sprung verhalfen, der ohne die „revolutionäre Herausforderung" kaum möglich
gewesen wäre, auch wenn die französischen Neuerungen günstige Voraussetzun-
Kontroversen zur Kontinentalsperre 231

gen bereits antrafen. Für die rheinische Textilindustrie habe sich jedenfalls die
napoleonische Herrschaft „in ihren langfristigen Folgen" „als wahrer Segen"
erwiesen [vgl. auch 512: H. Kisch, Textilgewerbe].
Die Zielsetzung der Wirtschaftspolitik ist allerdings von ihren womöglich Unterscheidung
Abslcnten
unbeabsichtigten Folgen zu unterscheiden. G. Lefebvre hat in seiner Napoleon- ZWjSphljn
-

biographie [394] mit Nachdruck die fiskahsch-merkantihstischen und „unöko-


-

Wirtschaftspolitik
nomischen" Motive der napoleonischen Blockade- und Zollpolitik herausgestellt.
In Zusammenhang damit steht die grundsätzliche Frage nach der Bedeutung des
Faktors „politisches Handeln" für die wirtschaftliche Entwicklung. L. Bergeron
[423: Remarques sur les conditions du developpement industriel] kommt bei-
spielsweise zu dem hypothetischen Schluß, daß die Blockade eine Entwicklung
lediglich beschleunigte Niedergang der traditionellen Leinenindustrie und des
Uberseehandels -, die sich ohnehin eingestellt hätte. Insofern habe sich die Politik
-

bereits vorhandenen Trends angepaßt.


Insbesondere für die Wirtschaftspolitik der süddeutschen Rheinbundstaaten Industrialisierungs-
gilt, daß sie eine Industrialisierung nach englischem Muster eher zu verhindern P°'ltlk?
suchten. Die grundlegenden Arbeiten von W. Fischer über Baden [497, 498] und
W. Zorn über Bayern [539, 540] machten deutlich, daß der Abbau der Manu-
faktur- und Zunftprivilegien sehr vorsichtig eingeleitet wurde. Die Gewerbeför-
derung blieb aus Sorge um das Kleingewerbe bis tief in den Vormärz hinein
mittelständisch orientiert. Wo der badische Staat Industriegründungen anregte
oder unterstützte Fischer spricht von einer „Gründungswelle" in den Jahren
1806-1812 -, geschah es mit der Berufung auf den traditionellen Grundsatz des
-

Gemeinwohls. Der badische Staat, so lautet Fischers Fazit, betrieb „keine


Industrialisierungspolitik im eigentlichen Sinne". Zu dem gleichen Ergebnis
kommt die Dissertation von F. F. Wauschkuhn über die Anfänge der württem-
bergischen Textilindustrie [536]. Die Arbeiten zum Manufaktur- und Fabriksy-
stem z.B. von J. Kermann [511: Die Manufakturen im Rheinland], O. Reuter

[524: Die Manufaktur im fränkischen Raum], R. Forberger [500: Die Manu-


-

faktur in Sachsen] und G. Slawinger [532: Die Manufaktur in Kurbayern]


laufen leicht Gefahr, die „Vorbereitungsphase" der Industrialisierung überzube-
-

tonen. Ahnliches werfen die Kritiker dem vieldiskutierten Konzept der „Proto- Proto-Industria-
industrialisierung" vor, das in Deutschland von der Göttinger Forschergruppe um 'lsleruns
P. Kriedte, H. Medick und J. Schlumbohm [514: Industrialisierung vor der
Industrialisierung] übernommen und weiterentwickelt wurde. Gemeint ist damit
der von Verlegerkaufleuten organisierte Ausbau der ländlichen Heimgewerbe im
Übergang zur Massenproduktion für überregionale und internationale Märkte.
Ob das ländliche Exportgewerbe „mehr als ein bloßer Annex der Landwirtschaft
war, sich aus der Umklammerung durch diese löste und seinen eigenen Gesetzen
folgte", blieb umstritten [515: Dies, Die Proto-Industrialisierung auf dem Prüf-
stand der historischen Zunft; zuletzt hierzu die „Zwischenbilanz" von 1992: 516:
Dies, Sozialgeschichte in der Erweiterung; Zusammenfassung der kritischen
232 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Einwände: T. Pierenkemper, Gewerbe und Industrie im 19. und 20. Jahrhundert,


München 1994,51-58]. Die zunehmende Fixierung dieser Forschungsrichtung auf
örtliche Produktions- und Sozialverhältnisse bringt es mit sich, daß die Verwer-
fungen und Innovationen der napoleonischen Zeit in den empirischen Studien nur
am Rande und mit pauschalen Hinweisen auf die Exportabhängigkeit der Proto-

industrien, insbesondere der Leinenweberei, erwähnt werden.


Geschmacksbildung Ganz andere und mehr in die Zukunft weisende Wachstumsimpulse hat I.
als Gewerbeforde- £LEVE im
Rahmen der neuerdings auch hierzulande aufkommenden Konsumfor-
rung
schung Beispiel Frankreichs und Württembergs beschrieben [494: Geschmack,
. _

am

Kunst und Konsum; vgl. zur Konsumforschung Kap. II, 1]. Nach französischem
Vorbild fand 1812 in Stuttgart eine „Ausstellung von Kunstwerken und inländi-
schen Produkten" statt, der dort wie andernorts weitere GeWerbeausstellungen
folgen sollten. Mit der Präsentation modischer, „geschmackvoller" Konsumgüter
sprachen sie die Produzenten und Konsumenten eines sich neu formierenden
Bürgertums an, das weder an den Luxuswaren der Manufakturen noch an den
Massenartikeln der Protoindustrien, sondern an der Verschönerung und „Diffe-
renzierung der häuslichen Dingwelt" interessiert war. „Geschmacksbildung als
Gewerbeförderung", so lautet die Formel, mit der die Autorin den neuen Trend
zusammenfaßt. Eine 1811 in Düsseldorf, der Hauptstadt des Großherzogtums
Die neue Ausstel- Berg, veranstaltete Industrieausstellung wurde direkt von Napoleon veranlaßt, um
lungskultur dje Leistungsfähigkeit des Textil- und Metallgewerbes dieses von ihm selbst
regierten „Modellstaates" unter Beweis zu stellen [509: K. H. Kaufhold, Messen
und Wirtschaftsausstellungen].
Die neue „Ausstellungskultur" deutet zugleich auf Veränderungen des Fern-
und Binnenhandels hin, die nicht mehr allein unter dem Aspekt der Handels-
hemmnisse durch die Kontinentalsperre untersucht werden können. Wie die
älteren Arbeiten von M. Dunan über Bayern [434: Napoleon et l'Allemagne]
und von F. L'Huillier über Baden [444: Etude sur le blocus continental] gezeigt
haben, richtete sich der Widerstand der Rheinbundstaaten vor allem gegen die
Behinderung der traditionellen Handelsbeziehungen und des für Süddeutschland
Aufschwung oder lebensnotwendigen Transithandels durch das Kontinentalsystem. Trotzdem
Niedergang des konnte die gängige Ansicht, wonach die napoleonische Wirtschaftspolitik dem
deutschen Fern- und Außenhandel schwer geschadet habe, teilweise korrigiert
und differenziert werden. Schon die in Deutschland wenig beachteten älteren
Studien von E. Tarle [459: Deutsch-französische Wirtschaftsbeziehungen zu
Napoleons Zeit; 460: L'union economique du continent europeen sous Na-
poleon] hatten auf die wachsende Bedeutung des kontinentaleuropäischen Bin-
nenhandels aufmerksam gemacht, insbesondere auf den Aufschwung der Leip-
ziger Messe. Die Leipziger Messe war zur napoleonischen Zeit „wirklich der
Zentralpunkt des kontinentalen Handels. Der Norden und der Osten Europas
verkehrten mit dem Süden und mit dem Westen eben durch Vermittlung der
Leipziger Messen". Auch der Umfang der deutschen Schmuggelexporte, nicht
Kontroversen zur Kontinentalsperre 233

zuletzt nach Frankreich, wurde lange Zeit unterschätzt. Die neueren Arbeiten von
R. Dufraisse zu diesem Thema [431—433] versuchten, auf der Quellenbasis der
Gerichtsakten das Ausmaß des Schleichhandels wenigstens annähernd festzu-
stellen. Die Fälle waren nicht selten, wo das Schmuggelgeschäft in den rheini-
schen Metropolen einem Kaufmann oder Bankier einige hunderttausend Francs
jährlich einbrachte. Am Beispiel Hamburgs, das durch die Unterbrechung seiner
weltweiten Handelsbeziehungen am meisten unter der Kontinentalsperre zu
leiden hatte, wies F. Röhlk [453: Schiffahrt und Handel zwischen Hamburg
und den Niederlanden] in einer umfangreichen statistischen Analyse nach, daß
Handel und Verkehr zwar deutlich auf die kleinsten politischen und wirtschaft-
lichen Veränderungen reagierten, jedoch nur kurzfristig behindert wurden, so daß
die Krise relativ rasch überwunden werden konnte. Eine vergleichende Studie über
den Handel der Hafenstädte Hamburg, Bordeaux und Livorno kommt zu ähnli-
chen Ergebnissen [445: S. Marzagalli, Les boulevards de la fraude]. Für den
gesamten deutschen Außenhandel unternahm M. Kutz [442: Deutschlands Au-
ßenhandel von der Französischen Revolution bis zur Gründung des Zollvereins]
den mühseligen Versuch, den Realwert der deutschen Exporte und Importe auf der
Grundlage zeitgenössischer außerdeutscher Handelsstatistiken neu zu berechnen.
Für die deutsch-französischen Handelsbeziehungen kommt Kutz zu dem „er-
staunlichen" Resultat, daß eine ausgeglichene Warenbilanz selbst unter den
Bedingungen des Kontinentalsystems durchaus denkbar erscheint. Die deutschen
Exporte nach Frankreich vor allem landwirtschaftliche Produkte und Rohstoffe
blieben trotz aller Hindernisse durch Einfuhrverbote und Zollpräferenzen
-

ausnehmend hoch und wiesen eine verhältnismäßig günstige Stellung Deutsch-


-

lands auf. Die französischen Exportüberschüsse verringern sich, wenn der Anteil
am Zwischenhandel allein der mit Rußland machte 20-25% der Importe aus
Frankreich aus abgerechnet und die deutschen Schmuggelexporte mit berück-
-

sichtigt werden. Nach den Ergebnissen von Kutz ist die These von der Stagnation
-

der gewerblichen Wirtschaft im Hinblick auf die angeblich defizitäre Handels-


bilanz nicht mehr haltbar: „Deutschlands Rolle während des Kontinentalsystems
kann gesamtwirtschaftlich gesehen nicht so schlecht gewesen sein."
In letzter Zeit wächst das Interesse an lange vernachlässigten Themen wie Binnenhandel und
Binnenhandel und Verkehrswesen. Auch in diesem Falle wird das aus der Lite- Verkenrswesen
ratur vertraute Urteil über die ökonomische
Rückständigkeit der deutschen im
Vergleich zur westeuropäischen Entwicklung zwar nicht revidiert, wohl aber
relativiert. So glaubt A. Kunz nachweisen zu können, daß der Ausbau von
Straßen und Kanälen in der napoleonischen Zeit auch rechts des Rheins große
Fortschritte gemacht und damit bessere Voraussetzungen für die überregionalen
binnenwirtschaftlichen Verflechtungen geschaffen hat [Verkehr und Binnenhan-
del in Mitteleuropa 1750-1850. Forschungsdefizite und Forschungsperspektiven,
in: 718: H. Duchhardt/A. Kunz, Hrsg, Reich oder Nation?, 181-192]. „Die
Handelsströme verliefen im Binnenland nun zunehmend netzförmig statt linear,
234 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

also nicht nur zu und von einigen wenigen großen Seehäfen und Messestädten,
sondern im Umfeld und zwischen einer Vielzahl zentraler Orte" [ebd., 189]. Für
das rechtsrheinische Rheinland und Westfalen hat W. Reininghaus am Beispiel
einzelner Handelshäuser beschrieben, welche neuen Chancen dadurch für „die
Kaufleute im Hinterland" eröffnet wurden [523: Die Stadt Iserlohn und ihre
Kaufleute; Ders., Gewerberegionen und Handel, in: 718: Reich oder Nation?,
193-218; vgl. auch 499: A. Flügel, Kaufleute und Manufakturen].
Vielfalt der Themen Es fehlen Darstellungen, in denen die verschiedenartigen Themenkomplexe wie
Protoindustrialisierung, Bürgertum und Konsum, Verkehr und Binnenhandel,
Messen und Ausstellungswesen miteinander verknüpft werden. „Die Wirtschafts-
geschichte", meint A. Kunz in seinem Forschungsbericht hierzu, „kann ihren
Beitrag zur Beurteilung der Epoche 1780-1820 leisten" [ebd., 192].
Bedeutung der preußischen Reformzeit 235

8. Die historische Bedeutung der preussischen Reformzeit für die


deutsche Geschichte

Die preußischen Reformen bilden seit je ein zentrales Thema der Geschichtswis- Ältere Forschung:
senschaft. Für die ältere Forschung00galt die Reform- und Erhebungszeit als ein P'e Ref°rmzelt lm
Prozeßder Natio-
durch den erfolgreichen Gang des 19. Jahrhunderts gerechtfertigtes Kapitel
1 r

1
nalstaatsbildung
preußisch-deutscher Nationalgeschichte. Das friderizianische und das refor-
mierte Preußen begründeten die Anwartschaft auf die kommende Führung in
Deutschland, „im Kampf", wie Treitschke schrieb, „um die Grundlagen staat-
licher Macht und freier Gesittung" [488: Deutsche Geschichte, Bd. 1, 3]. Dem
Preußen der Reform ohne Revolution kam eine Modellbedeutung für jenen
idealisierten Macht- und Nationalstaat zu, der in Bismarcks Reichsgründung
seine Vollendung gefunden habe. Die Reformzeit schien erstmalig die Synthese
von Macht und Geist, von Staatsräson und Humanität, von „Weltbürgertum und

Nationalstaat" zu verwirklichen: „In ihr", so schrieb Meinecke im Säkularjahr


1906, „kam der deutsche Geist dem deutschen Staat in echter freier Neigung
entgegen, in ihr wurden Quellen erschlossen, die weit über das unmittelbare
Ziel der Befreiung des Landes hinaus das gesamte Leben Deutschlands befruchtet
haben" [909: Das Zeitalter der deutschen Erhebung, 7].
Die Einheit des „Realgeistigen" schien zugleich die Geschichtsauffassung Rankeanische
Rankes zu bestätigen. Auf Reformpreußen trafen mehrere Maximen der Ranke- InterPretatlon
aner zu: Geschichte konnte am Beispiel der „organischen" Reformen als bewah-

rende Macht der Kontinuität und als Auswirkung geistiger Potenzen dargestellt
werden; das Wirken der preußischen Staatsmänner bewies die Polarität von
schöpferischer Einzelpersönlichkeit mit Gesamtgeist und Tendenz der Epoche.
Die biographisch-ideengeschichtliche Betrachtung der Reformzeit überwog: „So
ist die Geschichte der preußischen Reformzeit in erster Linie eine Geschichte
historischer Persönlichkeiten" [483: F. Schnabel, Deutsche Geschichte, Bd. 1,
318].
Die Vielzahl der Biographien kann hier nicht im einzelnen aufgeführt werden.
Sie galt zunächst und bezeichnenderweise den großen Soldaten der Epoche,
angefangen mit Droysens „Yorck" über Delbrücks „Gneisenau" zu Lehmanns
„Scharnhorst" und Meineckes „Boyen". Nur M. Lehmanns große Stein-Bio-
graphie von 1905 [843] war der zivilen Reform gewidmet. Mit ihr begann die für
die Historie der Reformzeit bis heute grundlegende Freiherr-vom-Stein-For- Stein-Forschung
schung.
Das kontroverse Schrifttum über die politische und geistesgeschichtliche Ein-
ordnung Steins wuchs auch deshalb so rasch an, weil man die zum nationalen
Heros avancierte Gestalt seit jeher für aktuelle politische Strömungen vereinnah-
men wollte. Das Problem stellte sich schon den Zeitgenossen, seit die Reformer in
Kreisen der Reaktion in den Verdacht gerieten, Jakobiner zu sein. Lehmanns
Biographie versuchte wissenschaftlich nachzuweisen, daß Stein von den „Ideen
236 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

von 1789" beeinflußt gewesen sei. Sie brachte Stein in Verbindung mit den Idealen
von Freiheit und Gleichheit und löste damit entschiedene Proteste aus [846: E. v.
Meier, Französische Einflüsse]. Seitdem riß die Diskussion über die Herkunft der
politischen Ideenwelt Steins nicht mehr ab. Man verwies im Gegensatz zu
Lehmann auf das praktische Vorbild des englischen „selfgovernment", auf das
-

von Montesquieu und Burke sowie durch den Hannoveraner Freundeskreis um


-

Rehberg und Brandes vermittelte englische Verfassungsideal oder fand den Kon-
trast zum französisch-revolutionären Denken in der altdeutschen Tradition. Je
nachdem wechselte die politische und geistesgeschichtliche Etikettierung. Stein
galt als liberal und konservativ, als Anhänger und Gegner der Aufklärung, als
Romantiker mit Orientierung an altdeutschen Freiheitsvorbildern, z. B. Stände-
tum und städtische Autonomie [815: E. Botzenhart, Die Staats- und Reform-
ideen des Freiherrn vom Stein], oder auch, gestützt auf seine Äußerungen nach
1815, als Verteidiger der Restauration [817: W. Gembruch, Freiherr vom Stein].
Hinzu kam die Schwierigkeit, daß die Grenzlinien der politischen Sammelbe-
griffe, denen Steins Gedankenwelt zugeordnet wurde, fließend waren. Nur ein
sehr offener Liberalismusbegriff, der alle Freiheitsbestrebungen seit dem
18. Jahrhundert einschloß, umfaßte auch die Freiheitsidee Steins, die jedenfalls
nicht individualistisch und naturrechtlich-dogmatisch begründet war. „Das
Ganze ist stärker vom Staat her gedacht als vom Individuum, mehr von den
Pflichten als von den Rechten; es ist die eigentümlich idealistische Fassung der
Freiheit als Freiheit zum Staat" [480: Th. Nipperdey, Deutsche Geschichte, 34].
Für eine differenzierte Deutung erwies sich das Arbeiten mit Begriffspaaren wie
„Liberalismus" und „Konservativismus" oder „Aufklärung" und „Romantik" als
unergiebig. „In der Tat", so lautete schließlich das Fazit der Kontroverse, „schien
die politische Gedankenwelt Steins vielfach zwischen den politischen Strömungen
seiner Zeit zu liegen" [860: D. Schwab, Die „Selbstverwaltungsidee" des Freiherrn
vom Stein, 16]. Am besten trifft noch die Bezeichnung „Reformkonservativismus"

zu, die K. Epstein vorschlug [571: Die Ursprünge des Konservativismus].


Die Suche nach Vorbildern weckte auch die Befürchtung, daß Steins Originalität
verkannt werde. F. Schnabel gab zwar zu, daß Stein viel gelesen habe: „Aber alle
diese Einflüsse sind doch nur sekundär, sie haben nur ausgelöst und bestärkt, was
eigenkräftig in Stein geworden war" [483: Deutsche Geschichte, Bd. 1, 330]. G.
Ritter [855: Stein] betonte die unableitbare Eigenart der Steinschen Ideenwelt,
auch wenn geistesgeschichtliche Einflüsse nicht geleugnet werden könnten.
Ritters Stein- Die 1931 erstmals erschienene Steinbiographie Ritters unternahm den großan-
Biographie gelegten Versuch einer Synthese der bisherigen Forschung. Stein wird „nicht so
sehr als politischer Denker, fruchtbar in neuen ,Ideen', sondern als politischer
Charakter, als Mann des Willens und der Tat" geschildert [855: Stein, 10]. Neben
staatstheoretischen Einflüssen das englische Verfassungsideal und die altdeut-
sche Tradition, die sich in einer besonderen Art der Freiheitsgesinnung geäußert
-

und an Mosers Vorstellung der altgermanischen Gemeinfreiheit erinnert habe


-
Bedeutung der preußischen Reformzeit 237

sind nach Ritter in besonderem Maße die Lebenserfahrungen des Reichsritters


wirksam geworden, auch und vor allem seine vor den Reformjahren liegende
Tätigkeit in Westfalen, wo er ein noch funktionierendes Ständewesen kennen-
lernte. Letztlich wird das Staatsethos Steins, sein „handfester Moralismus", aus
dem Kern seiner Persönlichkeit erklärt: der protestantischen Religiosität. „Wenn
er die oberste Aufgabe des Staates darin sieht, die Menschen von
egoistischer
Tätigkeit zu tätigem, gemeinnützigem Leben zu führen, so ist das letztlich nur eine
säkularisierte Neuformung der altlutherischen, patriarchalischen Staatsauffas-
sung" [ebd., 200]. Die These vom moralisch-pädagogischen Reformansatz Steins
setzte sich durch, auch wenn die Begründung allein aus Charakter und Religiosität
nicht immer geteilt wurde.
Die neuere Forschung hat manche verklärenden Züge der Stein-Interpretation Korrekturen der
abgetragen. Im Vergleich zu der „modernen" Staatsauffassung der Rheinbundre- neueren Forschung
former wirkt Steins antiaufklärerischer Reformansatz traditionalistisch [877:
K. O. Frhr. v. Aretin, Bayerns Weg zum souveränen Staat; 764: E. Fehren-
bach, Verfassungs- und sozialpolitische Reformen]. Mit besonders scharfer Kritik
setzte sich H.-U. Wehler in seiner Gesellschaftsgeschichte von der Beurteilung
einer älteren Historikergeneration ab, die diesen „zeitweilig frühliberal gefärbten,
vorwiegend jedoch altständisch romantisierend denkenden, reformkonservativen
Beamten" „maßlos überschätzt" habe [489: Deutsche Gesellschaftsgeschichte,
Bd. 1, 399]. Auch das Bild vom „Vorkämpfer nationaler Freiheit und Einheit"
[855: G. Ritter] hat sich gewandelt. „Was Stein beseelte", so hieß es in der Stein-
Biographie Ritters, „war die Idee der nationalen Einheit und Freiheit in unbe-
dingter Reinheit, losgelöst von allen partikularistischen Interessen." Wie W.
Mager [907: Das Problem der landständischen Verfassungen] gezeigt hat, waren
Steins Verfassungspläne von 1814 jedoch darauf abgestellt, die Vorherrschaft der
deutschen Großmächte zu sichern und die innere Souveränität der Rheinbund-
staaten einzuschränken. Stein habe sich nicht an nationalstaatlichen
Vorstellungen
orientiert, sondern am Vorbild der alten Reichsverfassung. In Zusammenarbeit mit
dem mediatisierten, ehemals reichsunmittelbaren Adel, dem Intimfeind der
Rheinbundfürsten, habe er das eindeutig restaurative Ziel verfolgt, die alten
Landstände und die Kreisverfassung wiederherzustellen, ein System, das der
Knebelung der deutschen Mittelstaaten dienen sollte. Mager [ebd., 345] faßt
dieses System mit den Worten zusammen: „Eindämmung des Rheinbundabsolu-
tismus und Restitution der ständischen Führungsschichten, dies war Stein und
seinen Anhängern wichtiger als ein großes Deutschland." Die seit 1989 neu belebte
Nationalismusforschung findet wieder mehr Verständnis für ein Nationalbewußt-
sein, das noch nicht modern-nationalstaatlich orientiert war, sondern „zutiefst in
der Tradition des alten Reiches" verwurzelt blieb [710: H. Angermeier, Deutsch-
land zwischen Reichstradition und Nationalstaat, 70]. Allerdings, so gibt auch H.
Angermeier zu bedenken, habe Stein „eine sehr starke Reichsspitze" angestrebt
und damit den föderativen Grundcharakter des alten Reiches verkannt.
238 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Hardenberg- Im Gegensatz zu Stein hat Hardenberg noch keinen Biographen gefunden. H.


Forschung Haussherrs, aus seinem Nachlaß von K. E. Born herausgegebene Biographie
[825] blieb Fragment; P. G. Thielens Biographie von 1967 [866] bietet in erster
Linie eine anschauliche Berichterstattung über Leben und Werk Hardenbergs,
jedoch keine grundlegende Analyse der Sachprobleme der Epoche. „Die ,Moral-
politik' eines Stein", resümierte W. Bussmann in einem Literaturbericht der GWU
von 1972, „war offensichtlich geschichtswürdiger als die Realpolitik' Harden-

bergs." Selbst Haussherr teilte die negative Beurteilung schon der Zeitgenossen,
Hardenberg sei im Vergleich zu Stein „keine Persönlichkeit von wirklicher
Größe" gewesen. Ihm stand „wohl die überlegene diplomatische Geschicklich-
keit, der Machtinstinkt, die Fähigkeit, Realitäten zu sehen und sich ihnen zu
beugen, zu Gebote", aber ihm fehlte „die Kraft des Glaubens, jene große und
gefährliche Gabe" (Teil III, 325 f.). Die Gründe für den Sympathievorsprung
Steins liegen wohl nicht nur in den vielgerügten charakterlichen Mängeln Harden-
bergs „Verschwendungssucht", „Leichtsinn", „Grundsatzlosigkeit", „Oppor-
-

tunismus", „Wurzellosigkeit", „Flachheit" etc. sondern, ganz ähnlich wie im


Falle der Rheinbundreformer, darin, daß Hardenberg zu jenen „esprits ä Systeme"
-

(wie Stein tadelte) gehörte, die den Vorwurf der Abhängigkeit von westlichen
Vorbildern nicht scheuten. So erklärt es sich, daß Hardenberg als „politischer
Opportunist" [855: G. Ritter, Stein, 378] ebenso wie als „kompromißloser"
Doktrinär [H. O. Sieburg, in: 405: Ders., Hrsg., Napoleon und Europa, 211]
geschildert werden konnte. Schon die Studien über den jungen Hardenberg und
seine Tätigkeit in Hannover und Braunschweig [866: P. G. Thielen, Hardenberg,
34 ff.; 825: H. Haussherr, Teil I, Hardenberg, 66ff.], vor allem aber in den
fränkischen Fürstentümern Ansbach und Bayreuth [823: F. Härtung, Harden-
berg und die preußische Verwaltung in Ansbach-Bayreuth] deckten die Kontinui-
tät bestimmter Grundsätze einer rationalen Staats- und Gesellschaftsordnung auf,
die auch für die Staatskanzlerzeit gültig blieben, wenngleich sie sich nicht voll
durchsetzen konnten. Am Beispiel der Gewerbepolitik Hardenbergs hat dann vor
allem B. Vogel [870: Allgemeine Gewerbefreiheit] die Reformphase ab 1810 als
„ein neues ,System"' gewürdigt, „weil erst jetzt eine Modernisierungspolitik zur
Steigerung wirtschaftlicher Effizienz und sozialer Mobilität einsetzte" [ebd.,
12 f.].
Kontinuitäts- Das verbindende Moment der Stein-Hardenbergschen Reformen liegt jenseits
problem der Stem- pr;vaten Motivation in den sachlichen Bedürfnissen und Zielen der preußi-
-

r
riardenbergschen *

Reformen sehen Reformpolitik. Hardenberg hat vieles von dem fortgesetzt, was Stein begann
-
t

und plante. Das gilt mehr oder weniger für die Agrarreform, die Durchsetzung der
Gewerbefreiheit und die Verfassungsprojekte. Dennoch ist immer wieder die
Frage nach der Kontinuität in der inneren Politik Steins und Hardenbergs gestellt
worden. Zumeist wird es für sinnvoll gehalten, die Reformen als ein Gesamtwerk
zusammenzufassen. Für einige Historiker blieb hingegen die „unleugbare Ver-
schiedenheit" der politischen Anschauungen und Intentionen ausschlaggebend.
Bedeutung der preußischen Reformzeit 239

So betonte E. Klein mit Ritter die „zukunftsweisenden Elemente" der


Steinschen Konzeption, „vor allem die Heranbildung des politisch mitverant-
- -

wortlichen Staatsbürgers, die Erziehung zu einem ethisch fundierten Staatsbe-


wußtsein". Im Gegensatz zu Stein sei es Hardenberg nicht um eine „Regenera-
tion", sondern nur um eine „Reorganisation" des Staates zu tun gewesen: „Steins
Wollen war von Anfang an auf eine echte Reform der Staatsverfassung gerichtet,
während es Hardenberg lediglich um eine effektivere Verwaltung ging" [839: Von
der Reform zur Restauration, 313 f.]. Im Zentrum der Analyse Kleins stehen die
Finanzpläne Hardenbergs, für die alle anderen Reformen nur Mittel zum Zweck
gewesen seien. Kleins Interpretation zeigt zwar deutlich, wie stark der Kanzler
noch im Aufgeklärten Absolutismus des 18. Jahrhunderts verwurzelt war, ande-
rerseits verwischt sie die gemeinsamen Schwierigkeiten, denen sich beide Staats-
männer, Stein wie Hardenberg, gegenübersahen. Außerdem lassen sich die Wirt-
schafts- und Verfassungsreformen nicht einseitig auf fiskalische Zweckmäßig-
keitserwägungen, so unbestreitbar sie am Ursprung der Reformen standen,
reduzieren. Hardenberg hat an dem Endziel einer „Konstitution" festgehalten.
Sein Konzept einer „allgemeinen Gewerbefreiheit", das schon von Haussherr
dem Wirtschaftsliberalismus zugerechnet wurde, konnte von B. Vogel „als
bürokratische Modernisierungsstrategie" interpretiert werden [870: Allgemeine
Gewerbefreiheit].
Im Zusammenhang mit dem Kontinuitätsproblem wird häufig auch das der sog. Kontroverse über die
„Vorreformen" diskutiert. Gemeint sind damit die Versuche vor 1806, die spätab- »Vorref°rrnen
solutistische Staats- und Gesellschaftsordnung evolutionär fortzubilden [828: O.
Hintze, Preußische Reformbestrebungen vor 1806; 476: E. R. Huber, Deutsche
Verfassungsgeschichte, Bd. 1, 99 ff.]. Die Anfänge der Regierungs- und Verwal-
tungsreformen, die Kodifikation des Allgemeinen Landrechts sowie erste Ansätze
zur Rationalisierung der Bodenbewirtschaftung auf staatlicher Ebene und in
Privatinitiative einzelner Rittergutsbesitzer fielen bereits in die Zeit vor dem
militärischen Zusammenbruch. Der Nachweis solcher Reformversuche als Beleg
dafür, daß nicht erst die Revolutionskriege die Initialzündung auslösten, ließ sich
besonders gut in die Vorstellung „organischer" Reformen einfügen. Es bleibt
allerdings mehr als fraglich, ob Preußen sich ohne Anstoß von außen gleichsam
aus sich selbst heraus reformiert hätte. „Reformen", so resümiert Th. Nipperdey,
„wurden auf vielen Gebieten vorbereitet,... aber es fehlte ihnen an Energie wie an
innerem Zusammenhang und an Gewicht für die Gesamtordnung" [480: Deutsche
Geschichte, 33].
Mit der Erforschung der einzelnen Reformbereiche trat das biographische Forschungen und
und ideengeschichtliche Interesse der älteren Literatur an der Reformzeit Kontroversen zur
Agrar- und
allmählich in den Hintergrund. Vor allem im Zusammenhang mit den Aus- Gewerbereform
.

Wirkungen der Agrar- und Gewerbepolitik stellte sich die Frage nach dem
Stellenwert der preußischen Reformen im Prozeß langfristiger Strukturwand-
lungen [vgl. hierzu die Beiträge der neueren Forschung in 871: B. Vogel,
240 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Hrsg., Preußische Reformen; zusammenfassend: 489: H.-U. Wehler, Deutsche


Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1].
Die Forschungskontroverse zur Agrarreform entzündete sich zunächst am
Kontinuitätsproblem der Stein-Hardenbergschen Reformen. Die Durchführung
der Agrarreform durch Hardenberg und seine Mitarbeiter, insbesondere die
Entschädigungsregelung und der Wegfall des Bauernschutzes, erschien der älte-
ren Forschung wie ein Verrat an Steins Vermächtnis. In der 1887 erstmals er-

schienenen und in der Detailanalyse bis heute unübertroffenen Darstellung von


G. F. Knapp über die Bauernbefreiung [840] überwog die Anklage gegen die
Gesetzgeber, die vor den Eigeninteressen des Adels kapituliert hätten. Die Macht
der Gutsherren habe die Bauern und kleinen Leute übervorteilt; das ungeschützte
Bauernland sei durch die Eingliederung in die Gutsbetriebe größtenteils vernichtet
worden, und die Kleinbauern seien zu besitzlosen und unselbständigen Land-
arbeitern abgesunken. Durch die Aufhebung des einst von Friedrich dem Großen
favorisierten Bauernschutzes habe die Agrarreform nichts anderes bewirkt als die
Entstehung eines Landproletariats, das Gegenteil von dem, was in der nach wie vor
bauernschützlerischen Absicht Steins gelegen hätte. Die „Schuld" an den negati-
ven Folgen schon des Oktoberedikts fällt dem „doktrinären" Mitarbeiter Steins,

dem Smithianer Theodor von Schön, zu. Spätere Untersuchungen, die dann in der
Darstellung G. Winters [875: Zur Entstehungsgeschichte des Oktoberedikts]
zusammengefaßt und weitergeführt wurden, dienten der Rehabilitierung
Schöns. Auch Schön habe den bäuerlichen Besitz keineswegs preisgeben wollen,
sondern im Gegenteil das Ziel verfolgt, zuerst einen Stand großer Pächter zu
schaffen. Alle Reformbeamten, die am Oktoberedikt mitgewirkt hätten, ob Stäge-
mann, Klewitz, Schrötter, Hardenberg oder Stein, hätten die neue staatswirt-
schaftliche Richtung der unbeschränkten Entfaltung aller individuellen Kräfte
vertreten.
Generell stellt sich die Frage, ob der Bauernschutz als Prüf- und Maßstab
überhaupt geeignet ist, den Wert der Gesetzgebung historisch zu beurteilen. Die
Hochschätzung des Bauernschutzes ist stark von einer romantischen Bewertung
der eigenen Scholle beeinflußt. Die Vorstellung eines in engen, aber gesicherten
Verhältnissen lebenden selbständigen Bauernstandes übersah, daß die Bauernwirt-
schaft der Reformzeit in einer schweren Krise steckte, die nicht erst durch das
Nachdrängen landloser Unterschichten ausgelöst wurde. G. Winter [875: Zur
Entstehungsgeschichte des Oktoberedikts] wies in diesem Sinne die Pauschalver-
urteilung Knapps zurück: „Die bäuerliche Wirtschaft befand sich nicht nur seit
langem in einer latenten Krisis, sondern sie war zum guten Teil überhaupt nicht
mehr lebensfähig. Man hatte... speziell die Verhältnisse der zerstörten Provinz
Preußen vor Augen; und gerade hier kann man das Vorgehen der Schön und
Schrötter nicht als doktrinär und staatsschädlich bezeichnen." Den Arbeiten aus
der lütge-Schule, insbesondere den beiden wichtigen Untersuchungen von D.
Saalfeld [858: Zur Frage des bäuerlichen Landverlustes] und G. Ipsen [832: Die
Bedeutung der preußischen Reformzeit 241

preußische Bauernbefreiung], ist es zu verdanken, daß die gesamtwirtschaftliche


Bedeutung der Agrarreformen statistisch überprüft wurde. Die Auswertung
zeitgenössischer Unterlagen über die Besitzverschiebung belegt ganz im Gegen-
satz zu Knapps These den Fortbestand, ja die ständige Zunahme der Bauern-
-

stellen. Umwälzende Besitzumschichtungen zugunsten der Gutsherrschaften, so


-

lautet das Ergebnis Saalfelds, fanden nicht statt. Ipsen interpretierte die Aus-
wirkungen der Agrarreform nicht als „Landverlust", sondern als „Landesausbau":
„Indem die hohen Landabgaben das Gutsland wesentlich vergrößerten, erhöhten
sie die Markterzeugung und mit dieser die Tragfähigkeit des Landes. Indem sie
gleichzeitig den Landhunger der Bauern weckten, dehnten diese den Anbau auf die
geringeren Böden aus, die bisher nicht oder kaum genutzt waren. Bis 1864 wurde
das Ackerland in Preußen insgesamt verdoppelt, im preußischen Nordosten unter
der Reform aufs 2'Macb.e vergrößert. So lohnte sich der Druck, der von der
Auseinandersetzung ausging. Noch stärker ist der Arbeitsaufwand gestiegen.
Seit 1816... hat sich der Arbeitsaufwand in der Landwirtschaft bis 1834 verdop-
pelt, bis 1852 verdreifacht, bis 1864 vervierfacht. Niemand kann leugnen: der
Erfolg der Reform zeugt für die Fruchtbarkeit der Regelungen, die getroffen
wurden" [ebd., 359 f.].
Wie die Agrarreformen, so werden auch die Gewerbereformen heute nicht mehr
in erster Linie für das Massenelend der ländlichen und städtischen Bevölkerung im
Zeitalter des Pauperismus verantwortlich gemacht. Mit Hilfe regionaler Verglei-
che kam F. W. Henning zu dem Schluß: „Insgesamt gesehen ist der Einfluß der
Gewerbefreiheit auf das Handwerk im Verhältnis zu anderen Faktoren gering
gewesen. Trotz Zunftverfassung war eine Überfüllung des Handwerks dort
eingetreten, wo der Bevölkerungsdruck besonders groß und nicht mehr von
anderen Wirtschaftssektoren aufgenommen werden konnte" [827: Die Einfüh-
rung der Gewerbefreiheit und ihre Auswirkungen, 171]. Diese Feststellung
schließt freilich nicht aus, daß die Durchsetzung der Gewerbefreiheit den Druck
auf das Handwerk noch verstärkte [grundlegend hierzu 836: K. H. Kaufhold,
Gewerbefreiheit und gewerbliche Entwicklung].
In ihrem Buch über die Modernisierungspolitik Hardenbergs hat B. Vogel den Vogel: „bürokrati-
inneren Zusammenhang zwischen der Agrar- und Gewerbereform herausgearbei- sehe Modernisie-
rungsstrategie"
tet [870: Allgemeine Gewerbefreiheit]. Die „allgemeine Gewerbefreiheit" inten-
dierte nicht nur die Aufhebung der Zünfte und des städtischen Gewerbezwangs,
sondern sollte in erster Linie der ländlichen Gewerbeansiedlung dienen, der stark
anwachsenden Bevölkerung auf dem platten Land neue Erwerbsmöglichkeiten
schaffen „eine notwendige Ergänzung zur Regulierung des gutsherrlich-bäu-
erlichen Verhältnisses" und den Rittergutsbesitzern das Recht verleihen, länd-
-

liche Industrien zu errichten oder ihr Kapital im nichtagrarischen Bereich anzu-


-

legen. Damit verband sich zugleich die Hoffnung, daß die verbesserte ländliche
Wirtschaftsstruktur den gewerblichen Binnenmarkt erweitern und die Absatz-
chancen für städtische Fabrikate erhöhen werde, eine Zielperspektive, die vor
242 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

allem von Hardenbergs Mitarbeiter Scharnweber vertreten wurde. Insofern stellte


die wirtschaftliche Modernisierung nicht nur eine Folge, sondern eine Intention
der Reformpolitik dar.
Grundlegung der Ob allerdings diese „bürokratische Modernisierungsstrategie" im Sinne einer
ndustnalisierung? „Theorie £es wirtschaftlichen Wachstums" als „Stimulans für die Industrielle
Revolution" angesehen werden kann, blieb in der Forschung umstritten. Die
preußischen Reformer hatten vornehmlich den ländlichen Wirtschaftsraum der
alten ostelbischen Provinzen vor Augen, und ihr Sofortprogramm war auf die
dortigen Agrarverhältnisse zugeschnitten. „Vieles deutet eher darauf hin, daß erst
die jetzt durchgeführten Reformen in Wechselwirkung mit dem einsetzenden
starken Bevölkerungszuwachs in Deutschland die Grundlagen legten für die
kommende Industrialisierung" [638: E. Weis, Absolute Monarchie und Reform,
210].
Besonders intensiv wurde der Wirkungszusammenhang zwischen Agrarent-
wicklung und Industrialisierung von der DDR-Geschichtsschreibung untersucht
mit Ergebnissen, die auch in Westdeutschland rezipiert wurden. Dies gilt vor
allem für die agrargeschichtlichen Studien, die H. Harnisch in den siebziger und
-

achtziger Jahren vorgelegt hat, darunter sein vielbeachtetes Buch „Kapitalistische


Kapitalistische Agrarreform und industrielle Revolution" [820]. In Auseinandersetzung mit
Agrarreform? Lenms These vom leidvollen „preußischen Weg" der
kapitalistischen Bauern-
befreiung wies Harnisch mit statistischem Material nach, daß die meisten Bau-
ern nicht zu den Opfern (wie Lenin meinte), sondern zu den Nutznießern der

Agrarreformen gehörten. Dadurch sollte zugleich bewiesen werden, daß die


wachsende bäuerliche Kaufkraft die Herausbildung des inneren Marktes för-
derte, infolgedessen die Zunahme der Textilproduktion bewirkte und damit zu
den Voraussetzungen der Industrialisierung wesentlich beitrug. Westdeutsche
Historiker schätzten allerdings das Nachfragepotential der ländlichen Gesell-
schaft sehr viel geringer ein als Harnisch [vgl. hierzu den Aufsatzband von T.
Pierenkemper, Hrsg., Landwirtschaft und industrielle Entwicklung, Stuttgart
1989; 852: Ders., Englische Agrarrevolution und preußisch-deutsche Agrarrefor-
men].
In der Geschichtswissenschaft der DDR stieß die Aufwertung der Agrar- und
Gewerbereformen auf andere Vorbehalte. Es war schwierig, die alte Vorstellung
vom reaktionären Preußentum zu revidieren und
Begriffe wie „Revolution von
oben" mit einer orthodoxen Lehrmeinung zu vereinbaren, die den bürokratischen
Staat lediglich als Instrument der herrschenden Klasse ausgab. Das Dogma lautete
weiterhin: „Auch in der Zeit der Reformgesetzgebung war der preußische Staat
seinem Klasseninhalt nach in letzter Konsequenz der Staat der Adels- und Guts-
herrenklasse" [H. Bleiber, Staat und bürgerliche Umwälzung in Preußen, in: 871:
B. Vogel, Hrsg., Preußische Reformen, 70]. Daher wurde jenem Teil des Adels
eine besondere Bedeutung beigemessen, der neuerungswillig und bereit dazu war,
sich der „bürgerlichen Umwälzung" anzupassen. K. Vetter beobachtete am
Bedeutung der preußischen Reformzeit 243

Beispiel des märkischen Adels, daß die große Mehrheit weit davon entfernt war,
die Agrargesetze prinzipiell zu bekämpfen [869: Kurmärkischer Adel und preußi-
sche Reformen]. Und H. Harnisch beschrieb die Entwicklung vom feudalen
Junker zum kapitalistisch wirtschaftenden Agrarunternehmer der 1830er/40er
Jahre [820: Kapitalistische Agrarreform]. Ein nach dem Fall der Mauer heraus-
gegebener Aufsatzband läßt im Rückblick besonders gut erkennen, welche Hin-
dernisse der „Kathederhistorie" beim Bemühen um „eine partielle Konvergenz
ost- und westdeutscher Agrargeschichtsforschung" zu überwinden waren [H.

Bleiber, Die preußischen Agrarreformen in der Geschichtsschreibung der


DDR, in: 862: B. Sösemann, Hrsg, Gemeingeist und Bürgersinn, 109-125; C.
Zimmermann, Preußische Agrarreformen in neuer Sicht. Kommentar zum Bei-
trag von H. Bleiber, ebd., 127-136, Zitat 127].
Anders als die wirtschaftlichen wurden die politischen Folgen der Reformen
zunehmend kritisch beurteilt. Zielpunkt der Betrachtung war nicht mehr wie in
der älteren Forschung die Reichsgründung von 1870/71, sondern die Revolution
von 1848/49, die mit den ungelösten
Spannungen und nichterfüllten Erwartungen
der Reformzeit in einen ursächlichen Zusammenhang gebracht wurde. Zu diesem
Thema lieferte das große, 1967 erstmals erschienene Preußenbuch R. Kosellecks
die bis heute grundlegende Interpretation [841: Preußen zwischen Reform und
Revolution].
Kosellecks Darstellung konzentriert sich auf drei ineinander verschränkte Koselleck: Preußen
historische Teilprozesse im Übergang von der gerade noch ständisch eingebunde- zwischen Reform
und Revolution
nen zu einer wirtschaftlich sich frei entfaltenden Gesellschaft: die
Stiftung des
allgemeinen Landrechts, das bereits auf den sozialen Umbruch reagierte, jedoch
noch an ständischen Relikten festhielt; die Entstehung des Verwaltungsstaates der
Reformzeit und der „Behördenausbau von 1815 bis 1825 als verfassungspolitische
Vorleistung"; die Entfesselung einer sozialen Bewegung, die sich in zunehmendem
Maße der Steuerung und Kontrolle durch die Bürokratie entzog. Im Verlauf dieser
Wandlungsprozesse das ist die zentrale These Kosellecks, mit der er die
Notwendigkeit der Revolution von 1848/49 begründet zerbrach die anfangs
-

noch weitgehend bestehende Identität von Beamtentum und eximiertem Bil-


-

dungsbürgertum. Der Anspruch, das „Allgemeininteresse" zu vertreten, der in


der Konstitutionalisierung der Bürokratie zum Ausdruck kam, konnte nach 1820
nicht mehr verwirklicht werden. In der Zerreißprobe zwischen der Adelsopposi-
tion einerseits, die ihren politischen Einfluß auf Guts- und Kreisebene konsoli-
dierte, und dem Stadtbürgertum andererseits, das mit den ökonomischen Erfolgen
zugleich ein politisches Selbstbewußtsein entwickelte, erlag der Verwaltungsstaat
gleichsam seiner eigenen Schöpfung. Die bürgerlichen Verfassungsforderungen
und die soziale Krise, die vor allem die ständisch nicht mehr eingebundenen
städtischen und ländlichen Unterschichten traf, trieben zur Revolution. Für die
Reformzeit weist Koselleck nach, daß die durch die Sozialstruktur gebotenen
Prioritätsgründe des Reformprogramms, die Abstufung der Dringlichkeit von der
244 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Verwaltungs- und Heeresreform über die Wirtschaftsreform zur Verfassungsre-


form, die Erfüllung der Verfassungsversprechen von vornherein in Frage stellten.
Angesichts des Widerstandes aus fast allen Bevölkerungsschichten gegen die in
gesellschaftliche Verhältnisse eingreifenden Maßnahmen der Regierung, ange-
sichts der reaktionären Forderungen der altständischen Fronde sowie der Zunft
und Zollschutzwünsche der Stadtbürger hätten die Reformer eine Repräsentativ-
-

verfassung nur um den Preis des Scheiterns ihrer ökonomischen und sozialen
Reformen gewähren können.
Kritische Einwände Kritische Einwände richteten sich vor allem gegen Kosellecks These von der
8e8e"l^mellung Wende der Bürokratie nach
Verwaltun§ als Ersatzparlament und gegen seine Interpretation der reaktionären
1820. So wurde der schon von E. Kehr [837: Zur
Genesis der preußischen Bürokratie] und H. Rosenberg [857: Bureaucracy,
Aristocracy and Autocracy] stärker berücksichtigte Aspekt des bürokratischen
Selbstbehauptungswillens erneut hervorgehoben. J. Kocka fragte in seiner Re-
zension (VSWG 57, 1970, 121-125), „ob das feudal-bürokratische Bündnis der
späteren Jahre nicht auch schon 1807 ff. zumindest angelegt war; und vor allem: ob
sich hinter dem von Hegel und K. für die Zeit bis 1820 anerkannten Anspruch der
Bürokratie, Vertreterin und Exekutorin der Vernunft über den Einzelinteressen zu
sein, nicht immer schon Herrschaftsinteressen der neuen Machtelite versteckten.
Ein (von K. kaum untersuchtes) Streben der Bürokratie nach Aufrechterhaltung
ihrer Herrschaft würde (neben ihrer zunehmend feudalen Bindung in einer
zunehmend interessengespaltenen Gesellschaft) zu der Erklärung beitragen,
warum die Bürokratie notwendig Hindernis eines von ihr initiierten
Emanzipa-
tionsprozesses in dem Augenblick wurde, als dieser konsequent ihre Herrschafts-
position in Frage stellte". H. Obenaus bezweifelte in seiner Besprechung (Göt-
tingische Gelehrte Anzeigen 222, 1970, 155-167), daß der Ablehnung von Ver-
fassungsforderungen durch die Bürokratie tatsächlich ein liberales Motiv
zugrunde lag, da sich gleichzeitig mit dem Scheitern der Verfassungspläne auch
in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik eine Restauration angekündigt und
keine personelle Identität zwischen den für die Ablehnung einer Konstitution und
den für die liberale Wirtschafts- und Sozialpolitik Verantwortlichen bestanden
habe. In seinem Buch über die „Anfänge des Parlamentarismus in Preußen" [851]
weist Obenaus nach, daß Hardenberg bis 1820 beharrlich das Ziel verfolgte,
„Preußen zu einem Verfassungsstaat nach Art der süddeutschen" umzuwandeln.
Jenseits der Streitfrage, von wem und warum die Verfassungsgebung verhindert
wurde, besteht jedoch kein Zweifel daran, daß die Ergebnisse der erfolgreich
durchgesetzten Wirtschafts- und Gesellschaftsreformen den Handlungsspiel-
raum der Reformbürokratie in zunehmendem Maße einengten.

Abkoppelung von Als sich in den 1970er Jahren die „historische Sozialwissenschaft" etablierte,
der demokratisch- verschärfte sich die Kritik
an den politisch-demokratischen Kosten eines Reform-
westeuropäischen
Entwicklung? werks, das als bleibendes Ergebnis die Macht der Bürokratie befestigt und die
Führungsstellung preußischen Agrarelite konsolidiert hatte. Im Anschluß an
der
Bedeutung der preußischen Reformzeit 245

angelsächsische Modernisierungstheorien wurde nach dem Einfluß gefragt, den


die preußischen Reformen auf den längerfristigen Prozeß nicht nur der Industria-
lisierung, sondern auch der Demokratisierung ausgeübt haben. Schon nach 1945
war die These vertreten worden, daß mit dem Scheitern der verfassungspolitisch-

liberalen Reformplanung die verhängnisvolle Abkoppelung der preußisch-deut-


schen von der westeuropäisch-demokratischen Entwicklung begonnen habe [861:
W. M. Simon, The failure of the Prussian reform-movement]. Sozialhistoriker wie
H.-U. Wehler und J. Kocka beriefen sich vor allem auf H. Rosenberg, der in
seinem Preußenbuch von 1958 die Entstehung jenes „Herrschaftskartells" aus
staatlicher Bürokratie und eigenmächtiger Landaristokratie geschildert hatte, das
er für die Unterdrückung der liberalen und demokratischen
Bestrebungen in
Preußen-Deutschland verantwortlich machte [857: Bureaucracy, Aristocracy
and Autocracy]. Ganz in der Tradition Rosenbergs beschrieb H. Schissler
[527: Preußische Agrargesellschaften im Wandel] in einer breit angelegten Ana-
lyse der Veränderungen, die sich zwischen dem Ende des Siebenjährigen Krieges
und der Revolution von 1848 in der preußischen Agrargesellschaft vollzogen, den
„konservativen Typ des Wandels", den Preußen repräsentierte: „Die Sicherung des
Herrschaftsanspruchs, der die Bürokratie auf die Kooperation mit der Gutsbe-
sitzerklasse verwies, sowie bestimmte Implikationen der Reformpolitik selber und
des Legalitätsprinzips, das die Handlungsmöglichkeiten der Bürokratie begrenzte,
indem es sie an ein rechtsstaatliches Verfahren band, sicherten kurz- wie langfristig
die Dominanz gutsherrlicher Interessen in den Agrarreformen. Das bleibende
politische Ergebnis des Kampfes um die Reformen war der Kompromiß zwischen
absoluter Bürokratie und der neu sich bildenden Klasse von Agrarkapitalisten, der
den Herrschaftskompromiß des 18. Jahrhunderts, den die Krone mit dem Adel
geschlossen hatte, ablöste" [ebd., 198].
Ein Konsens war über diesen Erklärungsversuch der „kritischen Geschichts-
wissenschaft" im Rahmen der Kontroverse über den preußisch-deutschen
„Sonderweg" nicht erreichbar. Die Verteidiger des Historismus und der
historischen Verstehenslehre warnten vor einer Verwischung der Grenze
zwischen den Absichten und den unbeabsichtigten Folgen des Reformwerks,
das sich nicht im Nachhinein auf eine einzige Kontinuitätslinie festlegen lasse,
sondern als Wechsel auf die Zukunft mehrere Entwicklungsmöglichkeiten
eröffnet habe. So hielt Th. Nipperdey daran fest, daß die preußische Reform
unter dem prägenden Einfluß der kantischen Philosophie eine „idealistisch-
moralische Bewegung" gewesen sei: „Und so sehr wir gegenüber vielfältigen
idealisierenden Verklärungen preußisch-deutscher Geschichte kritisch und
nüchtern geworden sind, dieses idealistisch-metapolitische Ethos bleibt ein
Kernstück der Wirklichkeit" [480: Deutsche Geschichte, 33]. Außerdem
mehrten sich die Stimmen, die im Zuge der intensivierten Rheinbundfor-
schung [vgl. Kap. II, 6] eine einseitige Fixierung auf die preußische Reformzeit
ablehnten. Noch bevor die Stein-Hardenbergschen Reformmaßnahmen länger-
246 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

fristig wirksam werden konnten, fielen 1814/15 neue, politisch wie wirtschaft-
lich weiterentwickelte Regionen an Altpreußen, die unter direktem französi-
schen Einfluß „reformiert" worden waren.
Vergleiche zwischen den preußischen und rheinbündischen Reformen [vgl.
zuletzt hierzu den komparatistisch angelegten Sammelband von 807: H.-P. Ull-
mann/C. Zimmermann, Hrsg., Restaurationssystem und Reformpolitik] haben
viel dazu beigetragen, daß heute mehr die Leistungen der „defensiven Moder-
nisierung" als die schwer abschätzbaren politisch-demokratischen Folgekosten
der bürokratischen „Revolution von oben" erörtert werden. Nach dem Resümee,
das H.-U. Wehler in seiner Gesellschaftsgeschichte vorlegt [489, Bd. 1], gab es
unter dem Druck der napoleonischen Herausforderung keine Alternative zur

Machtausweitung einer zentralstaatlichen Gewalt, die in den Rheinbundstaaten


rigoroser noch als in Preußen gesellschaftsverändernde Reformmaßnahmen gegen
den Widerstand der Mediatisierten und ehemals Privilegierten erzwang. Daß
gleichwohl die Frage nach den Grenzen obrigkeitlich verordneter Reformen
wichtig bleibt, zeigt ein lesenswerter Essay von R. Tilly mit dem Titel „Pere-
stroika ä la Prusse" [867], in dem eine Parallele zu den schwierigen Transforma-
tionsprozessen der jüngsten Geschichte gezogen wird.
Freiheitskriege und Die Renaissance des Nationalstaats nach dem Zusammenbruch des Sowjetim-
Nationalismus- hatte zur Folge, daß in den letzten Jahren ein anderes, mit der preußischen
forschung periums
Reformzeit eng verknüpftes Thema wieder verstärkt Interesse fand: die Entste-
hung des Frühnationalismus in den Freiheits- bzw. Befreiungskriegen (die Ter-
minologie schwankt je nach Standort bis heute). Schon in den 1960er Jahren hatte
die DDR-Historiographie dieses für die ältere Forschung zentrale Thema im Zuge
der Wiederentdeckung des „nationalen Erbes" und zum Gedenken an die deutsch-
russische „Waffen- und Völkerbrüderschaft" aktualisiert. Besonders betont wurde
die Erhebung der „Volksmassen", mithin der „Druck von unten", der aus marxi-
stisch-leninistischer Sicht erforderlich ist, um progressive Veränderungen voran-
zutreiben [878: Der Befreiungskrieg 1813; 896: Das Jahr 1813; 894: H. Heitzer,
Insurrectionen zwischen Weser und Elbe]. Die Resonanz auf westdeutscher Seite
blieb skeptisch [879: H. Berding, Das geschichtliche Problem der Freiheits-
kriege]. Eine konservative Gegeninterpretation stieß allerdings gleichfalls auf
Bedenken. R. Ibbeken [895: Preußen 1807-1813] wiederholte die alte royalisti-
sche Legende, wonach der König rief und alle kamen. Mit Hilfe amtlicher
Statistiken errechnete er, daß sich die meisten Freiwilligen von 1813 nicht aus
bildungsbürgerlichen, sondern aus Handwerkerkreisen rekrutierten [Handwer-
ker und Handwerksgesellen: 40,6 %; niederes Landvolk: 14,5 %; Bauern, Jäger,
Förster: 15,3%; Kaufleute und Handlungsgehilfen: 9,8%; mittlere und untere
Beamte sowie ehemalige Soldaten: 8%; Gebildete: 11,8%, darunter 7% Schüler
und Studenten]. Daraus glaubte Ibbeken ableiten zu können, daß die Freiwilli-
genbewegung „primär keine Folge einer intellektuellen Bewußtheit als vielmehr
die Folge einer Emotion und Tradition" gewesen sei [ebd., 412 ff.].
Bedeutung der preußischen Reformzeit 247

Die gegenwärtige Nationalismusforschung geht vorrangig von kultur- und


mentalitätsgeschichtlichen Fragestellungen aus [vgl. D. Langewiesche, Nation,
Nationalismus, Nationalstaat. Forschungsstand und Forschungsperspektiven, in:
NPL 40, 1995, 190-236]. Angesichts aktueller Krisenphänomene rücken beson-
ders die Probleme der nationalen und kulturellen Identität ins Zentrum der
zumeist theoretisch angeleiteten Untersuchungen [vgl. die informative Text-
sammlung: 880: H. Berding, Hrsg, Nationales Bewußtsein]. Die Freiheitskriege
liefern in diesem Zusammenhang ein konkretes historisches Beispiel für die
Konstruktion einer Nationalidentität und die Entstehung einer erstmals breitere
Bevölkerungskreise umfassenden national-patriotischen Mobilisierung. Hierzu
sind mittlerweile vielfältige Einzelaspekte untersucht worden, die allerdings
noch kein Gesamtbild ergeben. Mehrere Aufsätze befassen sich mit dem Wandel
der Einstellungen gegenüber Krieg und Kriegstod [884: J. Dülffer, Hrsg, Kriegs-
bereitschaft und Friedensordnung in Deutschland; 904: J. Kunisch, Von der
gezähmten zur entfesselten Bellona; 906: K. Latzel, „Schlachtbank" oder „Feld
der Ehre"?]. Eine frömmigkeitsgeschichtliche Studie zur national-religiösen
Überhöhung des Volkskrieges [888: G. Graf, Gottesbild und Politik, mit Quel-
lenbeispielen im Anhang] hebt die zentrale Bedeutung hervor, die den Predigten in
allen Kirchen und den massenhaft besuchten Feldgottesdiensten für die Kriegs-
mobilisierung beizumessen ist. Daß keineswegs von Beginn an eine euphorische
Aufbruchsstimmung herrschte, obgleich diese immer wieder von der borussischen
und nationalen Geschichtsschreibung hervorgehoben worden ist, dafür liefert die
quellengesättigte Untersuchung von B. v. Münchow-Pohl über die politische
Lethargie und die depressive Stimmungslage in allen, auch den bürgerlichen
Schichten der preußischen Bevölkerung überzeugende Belege [849: Zwischen
Reform und Krieg]. Wer die appellative Publizistik und die emotionalisierende
Befreiungskriegslyrik erklären und „verstehen" will, wird diese Ausgangssitua-
tion zu berücksichtigen haben. Zuletzt hat E. Weber [922: Lyrik der Befreiungs-
kriege] die auf Popularität bedachte Liedpublizistik im Stil von Arndt und Körner
eher positiv beurteilt und als Medium der „gesellschaftspolitischen Meinungs- und
Willensbildung" interpretiert: „Die national Denkenden erwiesen sich als geleh-
rige Schüler der Französischen Revolution..." [ebd., 3]. Allerdings folgt der
Literaturwissenschaftler mit solchen Zuordnungen unbesehen den inzwischen
stark umstrittenen, weil zu einseitigen Ansichten von Historikern wie O. Dann
[zuletzt: Nation und Nationalismus in Deutschland 1770-1990, München 1993]
oder auch H.-U. Wehler [zuletzt: Nationalismus und Nation in der deutschen
Geschichte, in: 880: H. Berding, Hrsg, Nationales Bewußtsein], die im Voraus-
blick auf die spätere Entwicklung davon ausgehen, „daß der frühe Nationalismus
eine liberale Emanzipations- und Oppositionsideologie (gewesen) ist" [Wehler,
ebd., 167; vgl. auch 489: Ders, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1].
Dagegen hat zuerst M. Ieismann in seinem vielbeachteten Werk „Das Vaterland Jeismann- Dle der
° D J
tionausierung
^a
der Feinde" Einspruch erhoben [897]. Jeismanns Interpretation entspricht den Feindbilder
248 //. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

neueren Nationalismustheorien, die vor allem die „Konstruktion" und „Imagi-


nation" oder auch die „Erfindung" kultureller und nationaler Identität zu erklären
versuchen. Die preußischen Publizisten der Befreiungskriege waren aus solcher
Sicht nicht nur Meinungsbildner, sondern zugleich Identitätsstifter, die mit Hilfe
von Feind- und Fremdbildern das
eigene nationale Selbstbild entwarfen. Jeismann
analysiert im einzelnen, wie am Gegenbild des nationalen Feindes ein „deutscher
Nationalcharakter" vorgestellt und mit allen Bürgertugenden ausgestattet wurde,
die den „eitlen", „frivolen" und „sittenlosen" Franzosen fehlten. Die Eigen-
schaftszuweisungen waren seit langem aus der antihöfischen und antiabsolutisti-
schen Literatur bekannt. Und vielleicht, so wäre hinzuzufügen, paßten sie nicht
ohne Realitätsgehalt zum schlechten Image, das sich die hochadligen Emigranten
-

aut der Flucht vor der französischen Revolution beim Einfall in die deutschen
-

Nachbarstaaten erworben hatten. Neu war hingegen die von Jeismann betonte
„Nationalisierung der Feindschaft", die mit der haßerfüllten Ausgrenzung und
Verteufelung des Gegners eine integrierende und mobilisierende Wirkungskraft
entfaltete. Nationale Symbole, germanisierende Mythen, Appelle an die kulturelle
Gemeinsamkeit der Sprache, Erinnerungsfeste am Jahrestag der Leipziger Völker-
schlacht und der Totenkult um die fürs Vaterland gefallenen Helden festigten das
neue Nationalbewußtsein [898: M. Jeismann/R. Westheider, Wofür stirbt der

Bürger?; 885: D. Düding, Das deutsche Nationalfest von 1814]. Die Freiheits-
kriege selbst wurden zum Mythos, und die nationalen Feindbilder erfüllten, wie
Jeismann zeigen kann, in den Kriegen von 1870/71 und 1914/18 erneut ihre
identitätsstiftende Macht.
Der konstruktivistische Interpretationsansatz hat zu mancherlei Übertreibun-
gen geführt. O. W. Johnston behauptete sogar, daß „der deutsche Nationalmy-
thos" direkt von Stein in Zusammenarbeit mit den von ihm dazu beauftragten
Literaten entworfen und zum „politischen Programm" erhoben worden sei [899:
Der deutsche Nationalmythos]. Auch Jeismann neigt dazu, unterschiedslos alle
objektiven Merkmale, die der „Kulturnation" zugesprochen worden sind, als
subjektive Wahrnehmungen und nationale Selbststilisierungen auszulegen. An-
dererseits ist die aggressive Kriegs- und Gewaltbereitschaft nicht zu leugnen, die
den Befreiungsnationalismus wesentlich geprägt hat.
Hagemann: Krieg,
Nation und
Neuerdings hat K. Hagemann aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive
Geschlechterord- Jeismanns Interpretation bestätigt und um einen wichtigen Aspekt ergänzt [892:
Nation, Krieg und Geschlechterordnung; eine Buchveröffentlichung der Autorin
zu diesem Thema ist in Kürze zu erwarten]. Hagemann
bringt vor dem Hinter-
grund der veränderten Heeresverfassung und Kriegsführung nicht nur die natio-
nalen Feindbilder, sondern auch die um 1800 aufkommenden Vorstellungen von
der Polarität der Geschlechtscharaktere in einen engen Zusammenhang mit der
gedachten Ordnung der Nation. An vielen Beispielen aus der Tagesliteratur, der
Liedpublizistik und den Predigtsammlungen verweist sie auf den kulturellen und
politischen Diskurs, der die deutsche Nation mit einem ebenso „wehrhaften" wie
Bedeutung der preußischen Reformzeit 249

„mannhaften" Volk identifizierte, während man den Gegner als „schwach" und
„weibisch" denunzierte. Die Nation wurde auf diese Weise zugleich militarisiert
und vermännlicht. Hagemann sieht in der Gleichsetzung von „national", „wehr-
haft" und „männlich" auch eine bisher zu wenig beachtete Erklärung dafür, daß
der Wirkungsraum der Frauen immer mehr auf den häuslich-familiären Kreis
eingegrenzt wurde. Allerdings soll es während der Befreiungskriege etwa drei-
hundert (!) „Patriotische Frauenvereine" gegeben haben, die sich organisierten,
um Geld und Spenden zu sammeln sowie um Kranke und Verletzte zu pflegen
[D. A. Reder, „Natur und Sitten verbieten uns, die Waffen der Zerstörung zu
führen..." Patriotische Frauen zwischen Krieg und Frieden, in: 884: J. Dülffer,
Hrsg, Kriegsbereitschaft und Friedensordnung, 170-182]. Offenbar schloß die
Vorstellung vom „schwächeren Geschlecht" das patriotische Engagement in der
Praxis nicht aus, auch wenn sich die Aktivitäten nur im vorgeschriebenen Rahmen
der „natürlichen" Geschlechterordnung entfalten konnten. Amazonen, die sich
am Befreiungskampf beteiligten, blieben wie im revolutionären Frankreich die
Ausnahme. Immerhin konnten 23 dieser „Heldinnen" namentlich identifiziert
- -

und wiederentdeckt werden.


Die Frage, ob und inwieweit der xenophobe, antifranzösische Nationalismus Forschungs-
desiderate
der Befreiungskriege auch außerhalb der preußischen Kernlande verbreitet war, ist
noch nicht hinreichend erforscht worden. Die nationalen und verfassungspoliti-
schen Neuordnungskonzepte der Rheinbundpublizisten, von denen viele auf
Napoleon als Hoffnungsträger setzten [vgl. Kap. 11,6], wurden bisher von der
auf Preußen und die Befreiungskriege fixierten Nationalismusliteratur kaum zur
Kenntnis genommen [vgl. hierzu, mit einem ersten Versuch, dies zu ändern: 905:
D. Langewiesche, Reich, Nation und Staat in der jüngeren deutschen Ge-
schichte]. Auch in dieser Hinsicht gehört eine über den Handbuchcharakter
hinausreichende Gesamtdarstellung der preußischen und rheinbündischen Re-
formzeit zu den Desideraten der Forschung.
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Deutschland und die französische Revolution 281

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Deutschland und die französische Revolution 283

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Säkularisation und Mediatisierung 285

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Frieden und Reichsdeputationshauptschluß. Untersuchungen zur wirt-
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670. M. Lahrkamp, Münster in napoleonischer Zeit 1800-1815. Administration,
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678. H. Ch. Mempel, Die Vermögenssäkularisation 1803/10. Verlauf und Folgen
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Reichsauflösung und Rheinbund 289

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10. Linksrheinische und napoleonisch-rheinbündische Reformen 291

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826. H. Heffter, Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 2. Aufl.,
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Preußische Reformen 297

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Freiheitskriege und Wiener Kongress 301

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ANHANG

Abkürzungsverzeichnis

AfS = Archiv für Sozialgeschichte


AHRF = Annales historiques de la Revolution Francaise
AKG = Archiv für Kulturgeschichte
Annales (E.S.C.) = Annales (Economies. Societes. Civilisations)
BDLG = Blätter für deutsche Landesgeschichte
EHR = Economic History Review
GG = Geschichte und Gesellschaft
GWU = Geschichte in Wissenschaft und Unterricht
HZ = Historische Zeitschrift
JbWG =
Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte
JEH =
Journal of Economic History
JMH =
Journal of Modern History
NPL = Neue politische Literatur
P&P = Past and Present
RH = Revue Historique
RHES = Revue d'histoire economique et sociale
RHMC = Revue d'histoire moderne et contemporaine
RhVjbll = Rheinische Vierteljahrsblätter
SOWI = Sozialwissenschaftliche Informationen
VSWG =
Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
ZAA = Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie
ZBLG = Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte
ZfG = Zeitschrift für Geschichtswissenschaft
ZfGO = Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins
ZHF = Zeitschrift für historische Forschung
ZRG GA = Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte,
Germanistische Abteilung
ZWLG = Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte

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Zeittafel 303

Zeittafel

1760/1780 Anfänge der englischen industriellen Revolution


1770/1771 Parlamentsreform Maupeous in Frankreich; Errichtung neuer
königlicher Gerichtshöfe
1772 Erste Teilung Polens
1774 Regierungsantritt Ludwigs XVI. in Frankreich. Wiedereinsetzung
der Parlamente. Beginn der Reformpolitik Turgots
1776 4. 7. Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Ame-
rika
1778 Frankreich tritt auf der Seite der Amerikaner in den Krieg gegen
England ein
Beginn der Wirtschaftsrezession in Frankreich
1778/1779 Bayerischer Erbfolgekrieg. Friede von Teschen
1780 Beginn der Reformen Josephs II. in der Habsburger Monarchie
1780-1783 Innere Unruhen in England und Beginn der irischen Aufstände
1781 Compte rendu Neckers, der erste öffentliche Rechenschaftsbericht
über die Finanzlage Frankreichs
1781/1782 Aufstände in Genf und in mehreren Kantonen der Schweiz
1783 3. 9. Friede von Versailles: Die 13 Vereinigten Staaten von Amerika
werden als unabhängig anerkannt
William Pitt der Jüngere wird Premierminister in England (bis 1801
und von 1804-1806)
1785 Gründung des Fürstenbundes
1786 Tod Friedrichs II. In Preußen endet die friderizianische Ära des
Aufgeklärten Absolutismus
Abschluß eines liberalen Handelsvertrages zwischen Frankreich
und England
1786/1787 Aufstände der „Patrioten" in den Vereinigten Niederlanden, Re-
bellionen in den österreichischen Niederlanden und im Fürstbi-
stum Lüttich
1787-1792 Zweiter russisch-türkischer Krieg. Bündnis Rußlands mit Oster-
reich
1787 Einberufung der ersten Notabelnversammlung in Paris zur Behe-
bung der Finanzkrise. Calonne, der Nachfolger Neckers, gibt das
volle Defizit bekannt. Entlassung Calonnes, er wird ersetzt durch
Lomenie de Brienne
16. 7. Das Parlament von Paris fordert die Einberufung der Gene-
ralstände
1787/1788 Vorrevolution in Frankreich
1789 5. 5. Eröffnung der Generalstände in Versailles
17. 6. Die Revolution der Abgeordneten in Versailles: Die Ver-
sammlung des Dritten Standes erklärt sich zur Assemblee nationale
20. 6. Schwur im Ballhaussaal

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304 Anbang

14. 7. Sturm auf die Bastille. Beginn der munizipalen Revolution


20. 7. Grande Peur und Beginn der Bauernrevolution
1789-1792 Erste Phase der französischen Revolution. Reformwerk der Kon-
stituante
1790 Regierungsantritt Kaiser Leopolds II. Beilegung der Aufstände in
Belgien und Ungarn
27. 7. Konvention von Reichenbach
In England erscheinen Burkes ..Reflections on the Revolution in
France"
1791/1794 Ausarbeitung des Allgemeinen preußischen Landrechts
1791 3. 5. Maiverfassung in Polen
20. 6. Fluchtversuch Ludwigs XVI. bis Varennes
27. 8. Pillnitzer Deklaration
20. 10. Die Girondisten eröffnen die Propaganda für den Krieg
1792 9. 1. Friede von Jassy zwischen Rußland und der Türkei
7. 2. Kaiser Leopold II. schließt mit Friedrich Wilhelm II. von
Preußen einen Freundschafts- und Defensiwertrag ab
1. 3. Tod Leopolds II. Beginn der repressiven Ära Franz II. in der
Habsburger Monarchie
20. 4. Die Assemblee legislative beschließt auf Antrag Ludwigs
XVI. die Kriegserklärung an den König von Ungarn und Böhmen
25. 7. Manifest des Herzogs von Braunschweig
10. 8. Sturm auf die Tuilerien und Sturz Ludwigs XVI.
2.-6. 9. Septembermassaker in den Pariser Gefängnissen
20. 9. Kanonade von Valmy
21.9. Erstes Zusammentreten des Konvents: Abschaffung der
Monarchie und Ausrufung der einheitlichen, unteilbaren französi-
schen Republik
1792/1793 Mainzer Republik
1792-1794 Zweite Phase der französischen Revolution. Koventsherrschaft der
Girondisten und Jakobinerdiktatur
1793 21.1. Hinrichtung Ludwigs XVI.
23. 1. Zweite Teilung Polens vereinbart (Abschluß 22. 7.)
1. 2. Kriegserklärung Frankreichs an England und Holland. Bil-
dung der ersten Koalition
6. 4. Errichtung des Wohlfahrtssauschusses
31. 5.-2. 6. Aufstand der Pariser Sansculotten. Sturz der Girondi-
sten und Beginn der Jakobinerherrschaft
23. 8. Levee en masse
5. 9. Beginn der Terreur
Sept.-Dez. Ausbau der jakobinischen Kriegsdiktatur
1794 13. 3. Verhaftung Heberts und seiner Anhänger (Hinrichtung am
24. 3.)

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Zeittafel 305

30. 3. Verhaftung Dantons und seiner Anhänger (Hinrichtung am


5.4.)
8. 6. Fest des „Höchsten Wesens"
10. 6. Beginn der „Grande Terreur"
27. 7. 9. Thermidor des Jahres II: SturzRobespierres. Beginn der
Herrschaft der Thermidorianer
März-Nov. Polnischer Aufstand unter Kosciuzko
1794/1795 Jakobinerprozesse in der Habsburger Monarchie
1795 3. 1. Dritte Teilung Polens (Abschluß der Verhandlungen 24. 10.)
5. 4. Friede von Basel: Ausscheiden Preußens aus der Koalition
16. 5. Errichtung der batavischen Republik
22. 8. Verkündigung der französischen Direktorialverfassung
1795- 1799 Direktorialregierung in Frankreich
1796/1797 Feldzüge Napoleons in Italien
1796- 1799 Gründung der Tochterrepubliken Frankreichs in Italien
1797 21.5. Verurteilung Babeufs zum Tode
4. 9. Fructidor-Staatsstreich in Paris
17. 10. Friede von Campo Formio zwischen Frankreich und Oster-
reich. Anerkennung der Rheingrenze
1797/1798 Cisrhenanische Bewegung
1797-1799 Aufstandspläne süddeutscher Jakobiner
1797-1799 Kongreß zu Rastatt
1798 9. 2. Errichtung der Helvetischen Republik
1798/1799 Napoleons Zug nach Ägypten
1. 8. 98: Sieg der englischen Flotte unter Nelson bei Abukir
1799 Bildung der zweiten Koalition unter Führung Englands mit Ruß-
land (Zar Paul I.), Österreich, Portugal, Neapel und der Türkei,
Preußen bleibt neutral
März-Aug. Niederlagen der französischen Truppen auf allen
Kriegsschauplätzen, dann Stabilisierung der Lage
8. 10. Rückkehr Napoleons aus Ägypten
9. 11. 18. Brumaire: Staatsstreich Napoleons mit Unterstützung
vonSieyes, Talleyrand, Fouche
1799- 1804 Konsularregierung Napoleons in Frankreich (ab 1802 Konsul auf
Lebenszeit)
1800- 1804 Neuordnung der französischen Verwaltung und Justiz in den
Organischen Gesetzen
1800 Napoleon siegt bei Marengo, Moreau bei Hohenlinden
1801 9. 2. Friede von Luneville zwischen Frankreich, Österreich und
dem Reich
15. 7. Napoleon beendet den Konflikt mit der Kirche durch ein
Konkordat mit dem Papst
1802 27. 3. Friede von Amiens zwischen England und Frankreich

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306 Anhang

Napoleon wird Präsident der „italienischen Republik".


Militäri-
sche Intervention Frankreichs in der Schweiz
1803 19.2. Mediationsakte und Umwandlung der Schweiz in einen
Bundesstaat
25. 2. Reichsdeputationshauptschluß zu Regensburg
Wiederausbruch des Krieges zwischen England und Frankreich
1804 Veröffentlichung des Code civil
2. 12. Gründung des Empire und Kaiserkrönung Napoleons
1804-1814(15) Napoleon L, Kaiser der Franzosen
1805 Napoleon wird König von Italien und ernennt seinen Stiefsohn
Eugen Beauharnais zum Vizekönig
Bildung der dritten Koalition gegen Frankreich unter Führung
Englands (Rückkehr Pitts in die Regierung) mit Rußland (Zar
Alexander I.), Osterreich und Schweden. Spanien und die süd-
deutschen Staaten stehen auf seilen Frankreichs
21. 10. Sieg der englischen Flotte bei Trafalgar. Nelson fällt im
Kampf
2. 12. Dreikaiserschlacht bei Austerlitz
15. 12. Der preußische Unterhändler Graf Haugwitz unterzeichnet
den Schönbrunner Vertrag mit Frankreich
Preßburg zwischen Frankreich und Österreich
26. 12. Friede von
1806 Errichtung von napoleonischen Vasallenfürstentümern: Joseph
Bonaparte wird König von Neapel, Louis Bonaparte König von
Holland, Joachim Murat (Napoleons Schwager) Großherzog von
Berg
12. 7. Gründung des Rheinbundes
6.8. Niederlegung der Kaiserkrone durch Franz II. (seit 1804
Kaiser Franz I. von Österreich). Ende des Heiligen Römischen
Reiches Deutscher Nation
1806/1807 Vierter, preußisch-russischer Koalitionskrieg gegen Frankreich
1806 14. 10. Niederlage Preußens in der Doppelschlacht bei Jena und
Auerstedt
21. 11. Das Berliner Dekret Napoleons verfügt die Kontinental-
sperre gegen England
1807 14. 6. Niederlage der Russen in der Schlacht von Friedland
7.-9. 7. Friede von Tilsit
Errichtung des Königreichs Westfalen unter Jerome Bonaparte
Einmarsch spanischer und französischer Truppen in Portugal
23. 11./17. 12. Mailänder Dekrete: Verschärfung der Kontinental-
sperre
11. 11./18. 12. „Orders of Council", Verschärfung der englischen
Gegenblockade
1807-1812 Reformen in Rußland unter Spiranskij
1807-1814 Preußische und rheinbündische Reformen

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Zeittafel 307

1807/1808: Reformministerium Stein, Oktoberedikt über die Bau-


ernbefreiung, Städteordnung, Reform der Staatsverwaltung
Ab 1810 Fortsetzung der Verwaltungs- und Agrarreformen unter
der Staatskanzlerschaft Hardenbergs, Gewerbereform, Steuerre-
form, Judenemanzipation, Heeresreform, Bildungsreform
1808: Verwaltungs-, Verfassungs- und Rechtsreformen im Kgr.
Westfalen nach französischem Vorbild
1808-1811: Verwaltungs- und Agrarreformen im Großherzogtum
Berg
1810: Beginn der Dalbergschen Reformen im Großherzogtum
Frankfurt
1807: Montgelas, der leitende Minister Bayerns, erklärt sich auf der
Mailänder Konferenz bereit, Reformen nach französischem Vor-
bild durchzuführen. 1808 Erlaß der bayerischen Konstitution, in
der Folgezeit Erlaß der Organischen Edikte
1807/1809: Erlaß der von Brauer verfaßten sieben Konstitutions-
edikte in Baden. 1809/1810 Verwaltungsreorganisation Reitzen-
steins
1806: Auflösung der Stände in Württemberg und Organisations-
plan König Friedrichs. 1806-1812 Verwaltungsreformen
1808 Joseph Bonaparte wird König in Spanien
1808-1814 Kriege Napoleons in Spanien und Portugal
1809 Erhebung Österreichs gegen Frankreich. 14.10. Friede von Wien.
Fortsetzung des Kampfes im Volksaufstand der Tiroler Bauern
Absetzung Gustav Adolfs IV. von Schweden; Nachfolger wird
Karl XIII.
1810 Der französische Marschall Jean-Bapt. Bernadotte wird von den
schwedischen Ständen zum Kronprinzen gewählt und von Karl
XIII. adoptiert
Der Kirchenstaat wird mit Frankreich vereinigt
5. 8. Dekret von Trianon. Neuorganisation der Kontinentalblok-
kade. Ausbau des Kontinentalsystems
Einverleibung Hollands und der Nordseeküste in das französische
Kaiserreich
1810/1811 Wirtschaftskrise in Frankreich und England
1812-1814 Krieg der Vereinigten Staaten von Amerika gegen England
1812 Die in Cadiz versammelten Cortes beschließen eine spanische
Verfassung
24. 6. Napoleon beginnt den Rußlandfeldzug
30.12. Konvention von Tauroggen
1813/1814 Freiheitskriege
1813 28. 2. Bündnis zwischen Rußland und Preußen zu Kaiisch
2. 5. Siege Napoleons bei Großgörschen und Lützen

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308 Anhang

Juli/Aug. Waffenstillstand. Verhandlungen unter Vermittlung


Österreichs
12. 8. Österreich tritt dem Bündnis Rußlands, Preußens, Englands
und Schwedens bei
Vertrag zu Ried. Abfall der Rheinbundstaaten (mit Ausnahme
Sachsens) von Frankreich
16.-19. 10. Völkerschlacht zu Leipzig
1814 Napoleons, Rückkehr
31. 3. Einzug der Alliierten in Paris. Sturz
der Bourbonen nach Frankreich
30. 5. Erster Friede von Paris
1814/1815 Wiener Kongreß
1815 1.3. Rückkehr Napoleons von Elba nach Frankreich
März-Juni Herrschaft der hundert Tage
8. 6. Vereinbarung der deutschen Bundesakte auf dem Wiener
Kongreß
18.6. Niederlage Napoleons bei Waterloo. Sieg Blüchers und
Wellingtons
26. 9. Stiftung der Heiligen Allianz
20. 11. Zweiter Friede von Paris

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Personenregister 309

REGISTER

Personenregister

Addington, H. 50 Bismarck (-Schönhausen), O. Graf (Fürst)


Ado, A. V. 163,182 von 125, 138, 235
Alekseev-Popov, V. S. 163 Bitterauf, Th. 214
Alexander I., Zar 52, 72, 100, 126 f., 130 Blanning, T. C. W. 194, 223
Almendingen, L. Harscher von 89 Blanqui, A. 154
Altenstein, K. Frhr. von Stein zum 110 Bleiber, H. 242 f.
Andrae, U. 223 Blömeke, H. 182 f.
Andreas, W. 139, 214 Bluche, F. 169
Angelike, K. 199 Blücher, G. L. Fürst von Wahlstatt 125
Angermeier, H. 227 Boch, R. 210
Applewhite, H. B. 184 Bodmer, J. G. 105
Arasse, D. 174 Böning, H. 198, 200
Aretin, K. O. Frhr. von 112,134,142f., 198, Bois, P. 21, 166
207,217, 220, 222, 237 Bonaparte, Jerome, König von Westfalen
Arkwright, R. 8, 10, 14 52, 54, 82-84
Arndt, E. M. 124, 131 f., 247 Bonaparte, Joseph, König von Neapel und
Artois, Ch. Ph. Comte d' 23, 46 (seit 1808) von Spanien 54
Ashton, T. S. 146, 150 Bonaparte, Louis, König von Holland 83,
Augereau, P. F. Ch. 68 97
Aulard, A. 163 Bonaparte, Lucien 39
Bonaparte, Napoleon, siehe Napoleon I.
Babeuf, F. N. 38, 65, 163 Bonaparte
Bader, K. S. 77 Borchardt, K. 148
Baeque, A. de 178 Born, K. E. 238
Bahrdt, C. F. 59 Borsch, E. 201
Baker, K. M. 178 f., 181 Botzenhart, E. 236
Barkhausen, M. 230 Boulton, M. 14
Barnave, A. P. J. M. 24, 33 Bourgeois, E. 137
Barthelemy, F. 48 Boutier, J. 174
Basedow, J. B. 120 Boutry, P. 174
Beauharnais, E. de 83 f. Boyen, H. von 111, 123, 127, 235
Beauharnais, St. de 84 Brandes, E. 236
Beaulieu-Marconnay, F. Frhr. von 217 Braubach, M. 131, 194, 205f., 213
Becher, U. 196 Braudel, F. 172
Becker, E. W. 202, 226 Brauer, J. N. F. 85, 87
Benda, K. 193 Braun, R. 150 f.
Bendix, R. 142 Brissot, J. P. 42, 46
Berding, H. 84, 125, 196-198, 207, 219f., Brügelmann, J. G. 103, 105
222, 228, 246 f. Buchheim, Ch. 155-158
Berg, M. 160 f. Buchholz, Ch. 223
Bergeron, L. 25, 144, 171, 230f. Büsch, O. 190, 192
Beugnot, J. C. Comte de 87, 89, 102 Büttner, R. 208
Bibra, Ph. A. Frhr. von 73 Buhr, M. 189
Bien, D. D. 169 Burg, P. 189
Biester, J. 60 Burke, E. 18, 44, 162, 236
Bischoffwerder, J. R. von 58 Bußmann, W. 238

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310 Register

Calonne, Ch. A. de 22 Daunton, M. J. 153


Calvin, J. 15 Davis, R. 150
Cambon, J. 47 Deane, Ph. 16, 147, 149, 152
Cameron, R. 153 Delbrück, H. 235
Cannadine, D. 153 Demel, W. 221, 226
Carnot, L. N. 36, 48 Desan, S.185
Cartwright, E. 9, 14 Desmoulins, L. S. 36
Casper, B. 204 Dipper, Ch. 207, 210, 222 f., 225
Castlereagh, R. St. Viscount, seit 1821: Doeberl, L. 214
Marquess of Londonderry 126-128, 133 Doeberl, M. 214
Chambers, J. D. 148 Dohna-Schlobitten, F. F. A. Graf von 110
Chartier, R. 170, 179 Dorsch, A. J. 63, 66
Chaunu, P. 180 f. Dotzenrod, O. 223
Chaussinand-Nogaret, G. 169 Doyle, W. 169
Clapham, J. H. 146, 158 Dreyfus, F. G. 107, 194, 230
Clark, J. C. D. 153, 155 Driault, E. 50, 137
Clausewitz, C. Ph. G. von 123, 127 Droysen, J. G. 235
Claviere, E. 25 Droz, J. 187-190, 194
Clemenceau, G. 163 Duchhardt, H. 227, 233
Clemens, G. B. 209 f. Düding, D. 248
Clemens Wenzeslaus, Herzog von Sachsen, Dülffer, J. 247, 249
Kurfürst von Trier 206 Dülmen, R. van 197
Cleve, I. 161, 232 Dufraisse, R. 228, 233
Clough, S. B. 171 Dumont, D. 66
Cobban, A. 19, 27, 164, 166, 168 Dumont, F. 194 f.
Cockerill, W. 104 Dumouriez, Ch. F. 25
Cole, W. A. 149, 152 Dunan, M. 228, 232
Colley, L. 153 Duport, A. 24
Condorcet, M. J. Marquis de 29 Dupuy, R. 178, 182
Cort, H. 9
Cotta, F. Ch. 196 Egret, J. 169
Cotta, J. F. 196 Eisenstein, E. L. 168
Crafts, N. F. R. 152-157, 159-161 Engelbrecht, J. 222
Crawshay, R. T. 14 Engels, F. 146
Crompton, S. 8 Engels, H. W. 191
Crook, M. 178 Engermann, St. L. 150
Crouzet, F. 100, 102, 171, 228-230 Epstein, K. 64 f., 188 f., 191, 236
Cubells, M. 169 Espagne, M. 199
Cunningham, W. 144 Eversley, D. E. C. 148, 151
Custine, A. Ph. Comte de 66 f.
Czartoryski, A. G. Fürst 126 Faria e Castro, K. de 208
Faure, Ch. 178
Dalberg, K. Th. Frhr. von 82 f., 87, 206, Fehrenbach, E. 192, 219f., 225, 227, 237
217f. Feinstein, Ch. H. 154
Dalin, V. M. 163 Ferdinand VII., König v. Spanien 135
Danelzik-Brüggemann, Ch. 201 f. Fesch, J. 82
Dann, O. 197, 247 Feuerbach, P. J. A. von 89
Danton, G. J. 24 f., 36 f., 47, 163 Fichte, J. G. 61 f., 121 f., 189
Darmstaedter, P. 214 Finck von Finckenstein, L. K. Graf 114
Darnton, R. 171 Finn, M. 161

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Personenregister 311

Fischer, W. 105 f., 228, 231 Gooch, G. P. 187 f.


Fitzsimmons, M. P. 179 Gouges, O. de 184
Flinn, M. W. 150 f. Grab, W. 65, 190-192, 194 f.
Floud, R. C. 155f., 160 Graf, G. 247
Flügel, A. 234 Graumann, S. 223 f.
Forberger, R. 231 Gregoire, H. 206
Fores, M. 153 Greiling, W. 199
Forrest, A. 181 f., 225 Griewank, K. 129
Forster, G. 63, 66f., 190, 192 Gruder, V. R. 169
Forster, R. 168 Gueniffey, P. 177 f.
Foucault, M. 175, 179 Guilhaumou, J. 174, 183
Fournier, G. 178 Gumbrecht, H. U. 169-171
Fox, Th. 14
Francois, E. 198 Habakkuk, H. J. 147
Franz IL, Kaiser, seit 1804 Franz I., Kaiser Habermas, J. 189
von Österreich 45, 49, 64, 71, 80, 218 Haderstorfer, R. 75, 21 Of.
Fratzke-Weiß, B. 227 Härter, K. 198
Frey, J. G. 110 Häusser, L. 213 f.
Friedrich II. (der Große), König von Hagemann, K. 248 f.
Preußen 44 f., 55-58, 65, 76, 80, 87, Halevi, R. 179
138, 240 Haller, K. L. von 129
Friedrich Wilhelm IL, König von Preußen Hammond, J. L. u. B. 147
45, 63 Hampson, N. 176
Friedrich Wilhelm III., König von Preußen Hansen, J. 187, 194
52, 109, 127, 134 Hardenberg, K. A. Graf (Fürst) von 109-
Friedrich August I., König von Sachsen 133 111, 113-117, 123, 127, 132, 221, 238-
Friedrich I., Herzog, später Kurfürst und 240, 242, 244 f.
König von Württemberg 85, 87, 215 Hargreaves, J. 8
Füret, F. 3, 19, 24, 144, 164-167, 170, 173, Harley, C. K. 152, 154 f.
175 f., 178-180, 185 Harnisch, H. 242 f.
Harris, B. 160
Gagern, H. Chr. Frhr. von 85 Härtung, F. 216, 238
Gall L. 85, 197, 225 Hartwell, R. M. 147,150-152, 155, 158, 160
Garber, J. 190 Hashagen, J. 194
Gaxotte, P. 162 Haugwitz, Ch. Graf von 52, 79
Gedike, F. 60 Haussherr, H. 238 f.
Geertz, C. 174 Hebenstreit, F. von 64 f., 193
Gembruch, W. 236 Hebert, J. R. 34
Gentz, F. 129, 134 Heckscher, E. F. 228
Gerard, A. 180 Hegel, G. F. W. 61 f., 80, 187, 189, 244
Gerschenkron, A. 147 Heinemann, G. 190
Gerth, H. H. 57, 196 Heitzer, H. 246
Glass, D. V. 148, 151 Henning, F. W. 107, 241
Gneisenau, A. W. A. Graf Neidhardt von Herstatt, J. D. 104
111, 124, 127, 235 Hertel, W. 217
Godechot, J. 141, 164 Hesse, C. 174
Göchhausen, A. A. von 59 Heuvel, G. van den 166
Görres, J. 67, 131, 194 Higonnet, P. 176
Goethe, J. W. von 62 Hinrichs, E. 165, 167, 170
Goeze, J. M. 59 Hintze, O. 239

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312 Register

Hobsbawm, E. J. 147, 149L, 158f. Kasper-Holtkotte, C. 223


Hoche, L. L. 67 Katharina II. (die Große), Zarin 43 f.
Hölderlin, F. 61 Katharina, Prinzessin von Württemberg 84
Hölzle, E. 214-217 Kaufhold, K. H. 232, 241
Hömig, K. D. 204 f. Kawa, R. 196
Hoeniger, R. 228 Kehr, E. 244
Hoffmann, L. A. 64 Kell, E. 225
Hofmann, A. J. 66 Kermann, J. 231
Hoppit, J. 154 Keynes, J. M. 146
Horrell, S. 161 Kisch, H. 230
Hoym, K. G. H. Graf von 63 Kissinger, H. A. 128 f.
Huber, E. R. 88,119,125,203,216,220,239 Klein, E. 239
Hudemann-Simon, C. 223 Klein, E. F. 58
Hudson, P. 154 f., 158, 160 Kleinschmidt, A. 214
Humboldt, A. von 61 Klemens XIV, Papst 76
Humboldt, W. von 61, 111, 114, 120-122, Klewitz, W. A. von 240
131 Kliesing, G. 208
Hunt, L. 174, 176, 184f. Klompen, W. 208
Klopstock, F. G. 62
Ibbeken, R. 246 Klueting, H. 207, 210f.
Im Hof, U. 197 Kluxen, K. 167
Ioannisian, A. R. 163 Knapp, G. F. 240 f.
Ipsen, G. 240 Knemeyer, F. L. 216 f.
Knigge, A. F. Frhr. von 62
Jackson, R. V. 154 Kocka, J. 244 f.
Jäger, W. 226 Koechlin, P. 105
Jägerschmidt, E. A. 68 Körner, A. 191
Jahn, C. 205 Körner, Th. 247
Jahn, F. L. 132 Koltes, M. 209
Jaures, J. 163 Komlos, J. 153, 155, 160
Jean Paul 61 Kopitzsch, F. 142 f.
Jedin, H. 203 Koselleck, R. 113-115,119, 143f., 173, 176,
Jeismann, K.-E. 122 243 f.
Jeismann, M. 247 f. Kotzebue, A. von 134
Johnston, O. W. 248 Kraus, Ch. J. 60
Joseph II., Kaiser 44, 55-58, 76, 193 Kriedte, P. 231
Julia, D. 171 Krüger-Löwenstein, U. 206
Just, L. 194 Kube, A. 209
Kuhn, A. 68, 191, 195
Kaiser, P. 208 Kunisch, J. 247
Kant, I. 60-63, 189, 194 Kunth, G. J. C. 61
Karl Eugen, Herzog von Württemberg 69, Kunz, A. 227, 233 f.
80 Kutz, M. 107, 233
Karl V., Kaiser 139
Karl Friedrich, Markgraf (seit 1806 Groß- Labrosse, C. 174
herzog) von Baden 57, 64 Labrousse, E. 37, 164
Karl der Große, Kaiser 82, 104 Lacombe, C. 184
Karl II. Wilhelm Ferdinand, Herzog von Lafayette, M. J. Marquis de 24, 33, 168
Braunschweig 45 f. Lahrkamp, M. 206, 210f.
Karl Theodor, Kurfürst von Bayern 58, 85 Lameth, Ch. de 24

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Personenregister 313

Landes, D. S.4, 14, 16, 106, 147f., 151, Markoff, J. 182


153 f., 156 f. Markov, W. 163
Landes, J. B. 184 Marschall von Bieberstein, K. W. Frhr. 85,
Langewiesche, D. 247, 249 89
Langlois, C. 181 Martin, C.-M. 181
Langner, A. 203-206 Martinovics, I. von 64, 193
Latzel, K. 247 Marwitz, F. A. L. von der 114, 125
Lefebvre, G. 22, 33, 163-165, 207, 229, 231 Marx, K. 11, 148, 164, 187, 189
Lehmann, M. 235 f. Marzagalli, S. 233
Lemay, E. H. 179 Masson, F. 137
Lemire, B. 161 Mathias, P. 156
Lenin, W. I. 191, 242 Mathiez, A. 163
Lenz, J. 62 Mathy, H. 194
Leon, P. 184 Maximilian Franz, Kurfürst von Köln 206
Leopold IL, Kaiser 44-46, 64, 193 Mazauric, C. 163
Le Roy Ladurie, E. 166, 172 McCloskey, D. 155
Lessing, G. E. 59 McKendrick, N. 161
Levy, D. G. 184 Medick, H. 231
Levy-Leboyer, M. 171 Meier, E. von 236
Lewis, G. 180 Meinecke, F. 139,235
L'Huillier, F. 232 Mendelssohn, M. 59
Lindert, P. H. 159 Merian, L. 105
List, F. 228 Mericourt, Th. de 184
Lomenie de Brienne, E. Ch. 22 Mettele, G. 225
Lovie, J. 144 Metternich (-Winneburg),K. W. L. Graf
Lucas, C. 180 (Fürst) von 127-135
Ludwig XIV., König von Frankreich 47, 55, Metternich, M. 66
139 Meyer, G. C. 65
Ludwig XVI., König von Frankreich 22, 33, Meyer, J. 166, 185
35, 44^16, 64 Michelet, J. 162, 167
Ludwig XVIII., König von Frankreich 126, Middell, K. u. M. 174
128 Middell, M. 199
Ludz, P. Ch. 197 Migazzi, Ch. A. Graf von 58
Lübbe, H. 204 Mirabeau, H. G. de Riqueti, Comte de 24,
Lüsebrink, H.-J. 174 f., 199 f. 30, 32, 168
Lütge, F. 240 Möller, H. 196
Luther, M. 138 Möllney, U. 200
Moser, J. 236
MacLeod, Ch. 157 Mokyr, J. 152, 155-157, 159
Mager, W. 132, 237 Molitor, H. 223
Malthus, Th. 155 Montesquieu, Ch. L. de Secondat 29, 236
Manfred, A. Z. 163 Montgelas, M. J. Graf von 69, 83, 85-87,
Mantoux, P. 146 115, 205,213-215, 221
Marand-Fouquet, C. 184 Moreau, J. V. 49
Marat, J.-P.
25 Morsey, R. 71, 207
Mareks, E. 137 Moser, F. C. von 73, 196
Margadant, T. W. 183 Moser, J. J. 80
Maria Theresia, Kaiserin 206 Mounier, J. J. 29
Marie-Louise, Kaiserin der Franzosen 84, Müller, J. 224
129 Müller, M. 209

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Münchow-Pohl, B. von 247 Popkin,J. D. 174


Murat J., Großherzog von Berg 52, 82, 102 Posselt, E. L. 227
Muret, P. 137 Press, V. 78, 196, 198

Napoleon I. Bonaparte 31, 38—41, 46-54, Queniart, J. 171


72,77, 79f., 82-93,95-100,102, 104,106, Quinault, R. 155, 158
1091., 113, 119, 125 f., 128, 133, 137,
1391., 144, 171, 177, 182, 187, 193, 202, Raab, H. 203, 205 f.
213-220, 224-229, 231 f., 238, 249 Randall, A. 160
Napoleon III. 213 Ranke, L. von 43, 138, 235
Narocnickij, A. R. 163 Raumer, K. von 140, 213, 218
Necker, J. 22 Rauscher, A. 203
Nelson, H. Viscount 48, 51 Rebmann, G. F. 63, 191, 196
Neugebauer-Wölk, M. 196 Reder, D. A. 249
Newton, I. 15 Reichardt, R. 165, 169-171, 173-176, 178,
Nicolai, Ch. F. 59 f., 63, 196 183-185, 197, 199-201
Nicolovius, G. H. 60 Reif, H. 205
Niebuhr, B. G. 115 Reinalter, H. 193, 197
Nipperdey, Th. 60, 144, 222, 236, 239, 245 Reininghaus, W. 234
Nohr, R. 200 Reitzenstein, S. K. J. Frhr. von 85, 87, 115,
Nolte, P. 222 121 f., 215
Nora, P. 174, 176 f., 181 Retat, P. 174
North, D. C. 157 Reuter, O. 231
Richard, G. 168
Obenaus, H. 244 Richelieu, A. J. du Plessis Due de 47
O'Brien, P. 155, 157 f. Richet, D. 19, 165, 167, 170
Oelsner, K. E. 63 Riedel, A. Frhr. von 64, 193
Oer, R. Freiin von 205 f. Ritter, G. 236-239
O'Gorman, F. 153 Ritter, J. 189
Opitz, A. 191 Rob, K. 206
Overton, M. 148 Robespierre, M. F. I. de 25, 33-38, 46, 65,
Ozouf, M. 175 163, 168, 170, 201
Robin, R. 166, 168
Pähl, J. G. von 227 Roche, D. 169, 171
Paine, Th. 17 Roebuck, J. 14
Palluel-Guillard, A. 144 Rödel, W. 190
Palm, E. 184 Röhlk, F. 233
Palmer, R. R. 43, 141, 164, 187 Rössler, H. 217
Paul I., Zar 49 Roland de La Piatiere, Jean-Marie 25
Pauly, F. 208 Roland de La Piatiere, Jeanne-Manon 184
Pelzer, E. 173, 196, 201 f. Rosenberg, H. 244 f.
Petersen, S. 184 Rostow, W. W. 10, 147-150, 152
Philipp IL, König von Spanien 139 Rothschild, M. A. 98
Piattoli, S.126f. Rousseau, J. J. 26 f., 29, 42, 80, 178, 190
Pierenkemper, T. 155, 232 Roux, J. 34 f., 37, 163
Pinchbeck, I. 160 Rubinstein, W. D. 153
Pitt, W. 17, 44, 48, 50, 126 Rude, G. 164, 167
Pius VI., Papst 76, 207 Rudier, F. J. 92
Poitrineau, A. 166
Pollard, S. 154 Saage, R. 189

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Personenregister 315

Saalfeld, D. 240 f. Severin, B. 222


Säbel, C. 161 Sieburg, H.-O. 137, 238
Saint-Jacob, P. de 166 Siemann, W. 227
Saint-Just, L. A. L. de 35, 37, 168 Sieyes, E. J. 24, 26f., 30, 49, 168
Sauder, G. 196 Silagi, D. 193
Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, W. L. G. Simon, W. M. 245
Reichsfürst zu 110 Slawinger, G. 231
Schaafhausen, A. 99, 104 Smets, J. 223, 225
Scharnhorst, G. J. D. von 111, 122-124, Smith, A. 16, 60, 116, 119, 148
127, 235 Sobania, M. 225
Scharnweber, Ch.-F. 242 Soboul, A. 163 f., 166 f., 172
Scheel, H. 68, 77, 190 f., 194f. Sösemann, B. 243
Scheglmann, A. M. 206 Sorel, A. 50, 137
Scherpe, K. R. 190 Springer, M. 223
Schieder, W. 209,211 Stadelmann, R. 140, 143, 187
Schiller, F. von 62 Stagemann, F. A. von 240
Schissler, H. 245 Stael-Holstein, A. L. G. Baronne de 62
Schlegel, F. 60, 62 Stanislaus II. August Poniatowski, König
Schleich, Th. 169-171 von Polen 44
Schleiermacher, F. E. D. 61 vom und zum 72, 85,
Stein, H. F. K. Frhr.
Schlittmeier, A. 75, 208, 210f. 109-112,116,120,127 f., 131 f., 221,235-
Schlögl, R. 211 240, 245, 248
Schlözer, A. L. 59f., 77, 196 Steinbach, F. 230
Schlumbohm, J. 144, 231 Steiner, G. 191
Schmale, W. 179 Stephan, I. 190
Schmidt, Ch. 214 Stephens, T. 105
Schmidt, G. 227 Stephenson, G. 14
Schmidt, U. 196 Stern, A. 187f.
Schmitt, E. 27, 141, 165 f., 168, 170 f., 174 Stolleis, M. 227
Schnabel, F. 122, 139, 214f., 235f. Stone, L. u. J. C. F. 153
Schneider, E. 59 Strätz, H.-W. 204 f.
Schön, Th. H. von 60, 110, 116, 240 Stulz, P. 191
Schofield, R. S. 152, 154 f. Stutzer, D. 211
Schrötter, F. L. Reichsfrhr. von 60, 110, 240 Sullivan, R. 156 f.
Schrötter, K. W. Reichsfrhr. von 60 Sutherland, D. 180 f.
Schubart, Ch. F. D. 60, 77 Suworow, A. Fürst 49
Schubert, W. 216 f. Svarez, K. G. 58
Schuck, G. 227
Schulte, F. 230 Tacken, T. 179, 181
Schulz, A. 225 f. Taine, H. A. 162, 167
Schulze, R. 223 Talleyrand-Perigord, Ch. M. de 32,130,133
Schulze, W. 175 Target, G. J. B. 27
Schunk, E. 223 Tarle, E. 232
Schwab, D. 236 Taylor, A. J. 158
Schwaiger, G. 206 Taylor, G. V. 168
Sebastiani, F. H. B. Comte 51, 53 Thielen, P. G. 238
Secher, R. 180 Thiers, A. 162
Segur, Ph.-H. Marquis de 23 f. Thimme, F. 214
Sentou, J. 168 Thompson, E. P. 167
Seuffert, J. M. von 73 Tilly, Ch. 166, 180

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Tilly, R. 246 Weber, M. 15, 151


Tocqueville, Ch. A. de 3, 31, 170, 215 Wedekind, G. 66
Toynbee, A. J. 146, 148, 152, 158 Wehler, H.-U. 144, 197, 222, 246 f.
Treichel, E. 226 Weinzierl, M. 153, 160
Treitschke, H. von 125, 138-140, 203, 205, Weis, E. 86 f., 144, 167, 198, 205, 207, 211,
213 f., 235 217f., 221 f., 229, 242
Troeltsch, E. 139 Weishaupt, A. 59
Tulard, J. 171 Weissei, B. 189
Turgot, A. R. J. Baron de l'Aulne 24, 171 Wekhrlin, W. L. 60
Wende, P. 204
Uhlig, L. 190 Wendel, I. de 23
Ulimann, H.-P. 196,198,207, 220,222, 226, Wengenroth, U. 155
228, 246 Werner, M. 199
Utzschneider, J. Frhr. von 69 Westheider, R. 248
Wieland, Ch. M. 60, 62, 77
Valjavec, F. 188, 191 Wilhelm L, König der Niederlande 129
Vetter, K. 242 Williamson, J. G. 152, 154, 157, 159f.
Vierhaus, R. 60, 165, 196 f. Windelband, W. 1381.
Vincke, L. Frhr. von 111 Winkopp, P. A. 227
Voegt, H. 191 Winter, G. 240
Vogel, B. 116, 222, 238 f., 241 f. Wöllner, J. Ch. 58, 63
Volgin, V. P. 163 Wohlfeil, R. 217, 219
Voss, J. 194, 196-198 Woolf, St. 224
Vovelle, M. 162, 168f., 171-173, 175, 181, Wrigley, E. A.152-155
185, 211 Würzer, H. 63
Wunder, B. 221
Wadle, E. 196 Wuthenow, R. R. 190
Wagner, E. 223
Wagner, M. 180, 198 Yorck von Wartenburg, J. D. L. 125, 127,
Wagner, M. B. 210 235
Wahl, A. 138
Wangermann, E. 193 Zabel, H. 204
Watt, J. 8 f.,
14 Zapf, W. 142
Wauschkuhn, F. F. 231 Zeitlin, J. 161
Weatherill, L. 161 Zimmermann, C. 226, 246
Weber, E. 247 Zorn, W. 231

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Sachregister 317

Sachregister

Aachen, Kongreß von, 29.9.-21.11. 1818 Banken/Bankwesen/Bankiers 11, 15,23,40,


134 99f., 104, 146, 171, 210, 233
Absolutismus 24, 26, 31 f., 58 f., 69, 85, 109, Basel, Friede von, 5.4.1795 45, 48, 71, 131
111, 114, 127, 130-132, 134, 188f., 214, Bastille/Bastillesturm 21, 34, 70, 174 f.,
216, 218, 220f., 237 198 f.
Abukir, Seeschlacht bei, 1.8.1798 48, 51 Bauern 6, 8,11 f., 14,19-22,27, 33, 35 f., 37,
Adel 2, 4, 13, 19-24, 26 f., 40f., 53, 55-59, 41, 48, 54-57, 64, 66f., 69f., 74f., 80, 84,
64 f., 68 f., 71, 73 f., 76, 79, 81, 84, 86, 89- 91-93, 96, 98, 106, 112f., 116-118, 125,
94, 112, 114, 117f., 120, 124f., 132, 141, 128, 166f., 170f., 180-183, 191, 194,
153, 164, 168f., 188, 194, 205, 207f., 211, 208f., 211, 221, 240-242, 246
220 f., 225, 237, 240, 242 f., 245 Bauernbefreiung 57, 74,90, 92-94,110,112,
Afrika 7 115-117, 211, 240-242
Agrarreformen/Agrarrevolution 6, 57, 90, Bautzen, Schlacht bei, 20.5.1813 128
92, 110, 116, 118f., 148, 238, 240-243, Bayern 44, 52, 58, 65, 68 f., 74, 76, 78-80,
245 82f., 85-89,92f., 99f., 105, 115,132-134,
Ägypten 48-51 203, 206 f., 210f., 213 f., 220-222, 225,
Amerika/USA 7,9,28,43,48,96,141 f., 173 228, 231 f.
Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg/ Beamte/Beamtenschaft/Bürokratie 2, 16,
Unabhängigkeitserklärung 22, 28 f., 43 32, 39 f., 56, 58, 61 f., 67, 69, 75 f., 85 f.,
Amiens, Friede von, 27.3.1802 48, 50 88, 90, 96-98, 106, 113-116, 119, 177 f.,
Ancien Regime lf., 5, 12, 18-20, 23, 27f., 188, 194, 196, 206, 208 f., 211, 221 f.,
39, 42, 54, 68, 70, 83, 100, 127, 129, 143, 223 f., 226 f., 237, 240, 243-246
153, 162-171, 176, 179, 181, 194, 221, Begriffe/Begriffsgeschichte 144, 154, 173-
224 f. 175, 179, 199
Arbeit/Arbeiter/Arbeitslosigkeit 5 f., 9-12, Belgien/österreichische Niederlande 36,
14 f., 17, 20 f., 31, 33, 35, 37, 50, 75, 100, 43 f., 47-49, 58, 69, 103, 126, 129, 141,
103f., 105, 107, 113, 115-118, 146, 152, 185, 210
156, 158-161,240-242 Berg, Großherzogtum 52 f., 82, 86 f., 89-93,
Assoziation/Club/Verein 17 f., 24 f., 33 f., 99, 101-103, 105f., 213f., 219, 222, 232
42, 60, 66, 182-185, 188, 195, 197, 206, Berliner Geheimkonvention vom 5.8.1796
249 71
Atlantische Revolution 15,43,137,141,164 Bevölkerungswachstum/Bevölkerungsex-
Aufgeklärter Absolutismus 4, 24 f., 38, 45, plosion 2, 5 f., 10-12, 20, 107, 119, 151,
55-58, 61, 65, 70, 76, 86, 88 f., 94, 120, 154f., 159f., 161, 242
140, 142f., 188, 193, 214f., 239 Bildung/Bildungsreform/Bildungssystem
Aufklärung/Aufklärer 15, 23, 26, 42 f., 55, 2, 35, 40, 56,61,66,72,76, 111, 120-125,
58-63, 65 f., 68, 120, 140, 142 f., 169-171, 138, 160, 192, 194, 196, 206, 232, 243
179, 188-192, 194-197, 201, 204, 211, Borussische/kleindeutsch-preußische Ge-
213, 217f., 227, 236 schichtsschreibung 213, 215, 247
Aufstände/Unruhen/Revolten 17, 20 f., Braunschweig, Herzogtum 45, 130, 238
26f., 31, 33f., 36, 38,43 f., 48, 51, 54f., 58, Bürgertum/Bourgeoisie 2, 4, 12-14, 17, 19—
63-66, 68-70, 77, 80, 84, 95, 119, 123, 25, 40, 55f., 58f., 61, 65, 74, 89, 104, 112,
141, 164, 166 f., 170, 180-182, 184, 191, 124f., 141-143, 153, 164, 168-171, 194,
194, 197 f., 229 197,208,210 f., 221,224 f., 232,234 f., 243
Austerlitz, Dreikaiserschlacht von,
2.12. 1805 51, 79 Campo Formio, Friede von, 17.10.1797
48 f., 71, 92
Baden 52, 57, 64 f., 71 f., 75, 79, 82 f., 85-88, Chaumont, Vertrag von, 4.3.1814 126
93, 105 f., 115, 134, 210, 214, 220, 225 China 7

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Cisrhenanen/cisrhenanische Republik 63, Familie/familiär 6, 15, 21, 53, 82, 106, 119,
65, 67 f., 194 f., 224 137, 159-161,173, 184f., 209, 211, 249
Code Civil/Code Napoleon 28,40,83 f., 86, Feste/Nationalfeste/Revolutionsfeste 74,
90, 92 f., 219 173 f., 183, 223, 248
Feudalismus/Feudalwesen/Feudalität/Feu-
Dänemark/dänische Flotte 49, 95 f., 129 dalsystem/Feudalabgaben/Feudallasten
DDR-Geschichtsschreibung/Historiogra- 4, 12, 20, 24, 27, 35, 39-41, 67, 83 f., 91 f.,
phie/Historiker 163, 191, 242 f., 246 141, 166f., 182
Demokratie/Demokratisierung 2, 34, 37, Finanzen/Finanzsystem/Finanzwirtschaft
68, 124, 142, 161, 164, 174-178, 182, II, 22f., 32f., 77, 80, 91, 106, 112, 114,
185, 188, 205, 245 157, 220 f., 229, 239
Deutsche Bundesakte vom 8.6.1815 79,130, Frankfurt, Großherzogtum 83, 87, 89, 93,
133 f. 213 f., 222
Deutscher Bund 130 f. Frankfurt, Vertrag von, 4.11.1813 128
Deutscher Sonderweg/Sonderwegsthese Frankreich 1-4, 12, 18-57, 62, 64, 66-68,
197 f., 245 71 f., 75, 77, 79f., 82-84, 92, 95-103, 106,
Direktorium 38, 46-48, 95, 132, 177f., 201 120, 122, 126-130, 133, 137-145, 154,
Domänen/Dotations-Domänen/Staatsdo- 158, 161-185, 189, 197f., 200f., 206,
mänen 41, 53, 57, 74, 84, 90-93,116, 210, 210-217, 219, 223-225, 229, 232 f.
220 Französische Revolution 1-4,12,17-43,46,
Drittes Deutschland/Trias-Idee 79, 82, 130, 49f., 54f., 59,61-65,67,69, 77f., 88f., 92,
140 94,109,135,137-141,145,162-185,187-
189, 192-202, 207, 214, 216, 220f., 223,
Eigentum/Eigentumsordnung 13 f., 27-29, 230, 233, 247 f.
32, 35, 39-41, 65, 74, 77-79, 84, 89-94, Französisches Recht 216 f.
112, 115-119, 153, 157, 163, 167 f., 189, Frauen 6, 11, 22, 152, 160 f., 184 f., 249
207-209, 211, 219 Freihandel/Freihändler 16, 57, 228
Elite 2, 13, 22-26, 41, 56, 61, 66, 84, 153, Freiheitskriege/Befreiungskriege46, 54,
169f., 183, 187, 196, 210, 220, 224, 227, III, 119, 122, 124, 128, 130-132, 138,
244 246-249
Empire 3, 41, 51, 53f., 82f., 90, 100, 139f., Freimaurer/Freimaurerlogen 23, 58-61,
215, 218f., 229 162, 169, 188-197
England/Großbritannien 2-18, 21 f., 28, 40, Friedland, Schlacht bei, 14.6.1807 52
43 f., 46-54, 56 f.,59, 95-98, 100-104, Fürstenbund, Deutscher 44, 65, 130
106, 122, 126, 128, 133, 137, 139, 142f., Fulda, Vertrag von, 2.11.1813 128
146-161, 171, 185
Englisch-amerikanischer Krieg 96 Geistliche Staaten/Fürstbistümer/Reichs-
Entchristianisierung/Dechristianisierung stände 44, 48, 56, 66, 71-74, 76, 105,
36, 38, 171-173, 212 189, 203-205
Erfurter Fürstenkongreß, 27.9.-14.10.1808 Geschlecht, Geschlechtergeschichte 160 f.,
82 248 f.
Ernährung/Nahrung 21, 155, 158-161 Gewaltenteilung 2, 29 f.
Europa 1.3t, 5-8,12,15, 31, 35, 41^6,48- Gewerbefreiheit/Gewerbereform 31, 106 f.,
51, 53 f., 58, 81, 97, 105, 109, 126 f., 131, 110, 115f119, 238f., 241f.
135, 138-141, 144, 148, 174, 185f., 188, Gleichgewicht und Hegemonie 3, 42—44,
203, 215f., 218f., 224, 229-232 47, 50, 80, 126, 128f., 131 f., 135, 138f.
Europäisches Staaten-/Mächtesystem 1, Griechenland 135
42^14, 80, 133, 138 Großgörschen, Schlacht bei, 2.5.1813 128
Grundherrschaft/Seigneurie 2, 12, 14, 19 f.,
Fabriksystem 8, 106, 146, 152, 231 23, 27f., 74, 78f., 90, 92f., 166

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Sachregister 319

Gutsherrschaft/gutsherrliche Verhältnisse Jena und Auerstedt, Doppelschlacht bei,


114, 118, 241 14.10.1806 52,95,110
Juden/Judenemanzipation 59, 111, 208, 223
Handel 2, 7f., 11-14,16, 22f., 27,31,41,44, Justiz/Justizreformen/Rechtsreformen
48-50, 56, 77, 95 f., 98-104,107,128,143, 30f., 34, 38, 53, 72, 86f., 89, 93, 110, 179,
146, 150f., 167, 172, 178, 228-234 187,219, 223, 226
Handwerk/Handwerker/Gewerbe 5-7, 9 f.,
12,14,16f., 21, 31,33, 37, 55f., 65f., 74f., Kaiisch, Bündnis von, 28.2.1813 127
103 f., 106-108, 110, 112f., 116-120, 125, Kapital/Kapitalismus 4-6,10-12,15 f., 19 f.,
152f., 156, 161, 167, 181, 194f., 208,211, 23, 40f., 75, 92, 100, 146f., 151, 153f.,
224, 228, 231 f., 241,246 164, 166-168, 171, 209-211, 241
Hannover, Kurfürstentum, Königreich 49, Karlsbader Konferenz, 6.-31.8.1819 134
52, 130, 132f., 214, 236, 238 Katholizismus 203-205, 211
Hansestädte 49, 55, 61, 77 f., 83, 100 Kaufleute/Kaufmannschaft 14, 16, 22,
Heeresreform/Militärreform 111,120,122- 31, 40, 56, 61, 66, 74f., 77f., 88, 96, 98f.,
124, 244 101, 103, 113, 125, 171, 209f., 224, 231,
Heilige Allianz 128, 134 233 f.
Heimindustrie/Heimgewerbe 8, 10-12, 14, Kiel, Friede von, 14.1.1814 129
21, 75, 106 f., 156, 161, 231 Kirche 18, 24, 27, 32 f., 39, 45, 58 f., 65 f.,
Hessen-Darmstadt 64, 72, 83, 93, 134, 211, 71 f., 74, 76, 79, 181, 203-208, 212, 217,
225 223, 226, 229, 247
Hessen-Kassel/Kurhessen 71 f., 130, 133 Kirchenstaat 100, 129
Historische Sozialwissenschaft 244 Klerus 13, 19f., 22, 27, 32f., 39f., 58, 74, 92,
Hohenlinden, Schlacht bei, 3.12.1800 49 112, 170, 194, 205
Holland/Niederlande/Batavische Republik Koalition/Koalitionskrieg(e) 46, 48-52, 71,
16, 43 f., 46, 48 f., 51, 54, 56, 83, 97 f., 100, 79, 125 f., 128, 187, 202, 206
103,126,129,141,143,185, 210,229,233 Kolonien/Kolonialhandel/Kolonialwaren
Humankapital 12, 156 8, 12, 16, 19, 50, 52, 95, 97f., 128, 146
Konkordat 39 f., 74
Illuminatenorden 58 f. Konservativismus 18, 58, 64, 130, 153,
Indien 7, 16, 52 188 f., 236
Industrie/Industrialisierung 3-18, 23, 41, Konstitutionalismus/Konstitutionelle
50, 75, 97, 99f., 102-104, 106f., 116, Monarchie/Konstitutionalisierung/
119, 142-144, 146-149, 151-154, 156, Frühkonstitutionalismus 25, 29, 43, 67,
161, 171, 210, 229-232, 241 f., 245 69, 85 f., 88, 94, 114, 119, 134, 170, 178,
Industrielle Revolution 2, 4-18, 108, 141- 201,218, 220, 226f., 243
161, 229 f., 242 Konsum/Konsumgesellschaft/Konsumfor-
Irland/irischer Aufstand 43, 48, 141, 185 schung 7f., 12, 35, 158-161, 232, 234
Italien/italienische Staaten 46—19, 51, 83, Kontinentalsperre/Kontinentalsystem 3,
99, 126, 129f., 135, 185, 224 53 f., 95-108, 228-234
Kontinuität/Kontinuitätsproblem 3, 10,
Jakobiner/Jakobinismus 18f., 25f., 41, 138, 140, 150, 153f., 165,
in Frankreich 25, 31, 33-38, 41 f., 47, 62f., 170, 172, 174, 178, 193, 218, 224, 226 f.,
95, 162f., 165, 170, 176-178, 183 f., 185, 230, 235, 238-240, 245
-

189, 191 f., 198, 206 Konzessionswesen 107


in England 17 f. Kritische Geschichtswissenschaft 245
-

in Mitteleuropa 63-68, 70, 73, 124, 188- Kulturelle Wende 145


-

199, 224, 235 Kulturtransfer/kultureller Revolutions-


in Europa 185 transfer/Transferforschung 199-202,
Jassy, Friede von, 9.1.1792 43
-

223

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320 Register

Landproletariat 20, 240 138, 170, 176, 178, 225, 227, 235, 237,
Landrecht, Allgemeines preußisches 55 f., 246-249
58, 239, 243 Nationalgeschichte/Nationalgeschichts-
Landwirtschaft 2, 5-7, 11 f., 14, 19, 41, 103, schreibung 138, 177, 213, 235
107, 116, 146, 156, 161, 166, 231, 241 f. Nationalgüter/Kirchengüter 32 f., 35, 40 f.,
Leibeigenschaft 57, 59, 66, 89, 189, 220 74,76, 79, 208-210, 224
Leipzig, Völkerschlacht bei, 16.-19.10.1813 Nationalrepräsentation 27, 85, 89, 113-115
128, 248 Natürliche Grenzen 47, 49-51, 67, 137
Lesezirkel/Lesegesellschaften 23, 60 f., 188, New Economic History 10, 152 f., 155
197 Norwegen 129
Liberalismus/Wirtschaftsliberalismus/libe- Notabeln/Notabelngesellschaft 25, 39—41,
rale Bewegung 1, 31, 94, 116, 119f., 125, 89, 101, 171, 210, 224
144, 170, 188, 226 f., 236, 239
Liga der Neutralen 49 Öffentlichkeit/öffentliche Meinung/
Lützen, Schlacht bei, 2.5.1813 128 Meinungsbildung 22, 34, 46, 58, 60, 63,
Luneville, Friede von, 9.2.1801 48-50, 72, 65, 130, 165, 171, 174, 176f., 184, 187,
74 198-201, 226 f., 247
Österreich/Habsburger Monarchie 43-45,
Mailänder Konferenz von 1807 82 f. 48-50, 54-58, 64, 69, 71 f., 76 f., 79 f., 85,
Mainz, Erzstift und Kurfürstentum, 100, 103, 128f., 131-134, 193, 218, 230
Republik 47, 65-67, 72, 76, 92, 191, Österreichischer Erbfolgekrieg 22
194 f., 223 Oldenburg, Großherzogtum 130
Manufakturen 8, 14, 23, 56 f., 77, 104, 231 f. Orient/Orientalische Frage 7f., 44, 51, 53,
Marengo, Schlacht bei, 14.6.1800 49 137
Marxistische (marxistisch-leninistische) In-
terpretation/Geschichtsschreibung/ Paris
Sichtweise 4, 125, 162-164, 246 1. Friede von, 30.5.1814 128
Mediatisierung 1, 51, 68, 71, 76, 78f., 82, -

2. Friede von, 20.11.1815 129


132, 207, 209 -

Vertrag von, 15.2.1806 52


Menschen- und Bürgerrechte/Grundrechte -Vertrag von, 5.11.1808 123
-

2, 28, 33, 35, 55, 59f., 89, 142, 162, 170, Patrimonialgerichtsbarkeit/Gerichtsbar-
178 f., 181,221 keit 20, 45, 86, 90, 93, 112, 114, 117
Mentalität/Mentalitäten 35 f., 55, 167, Patrioten/Patriotismus 24, 29, 42, 67, 132,
172 f., 225 169, 182, 217, 227
Mentalitätsforschung/Mentalitätsge- Periodisierungsproblem 2, 143, 149
schichte 172 f., 175 Persien 52
Merkantilismus/merkantilistisch 8, 13, 16, Petersburg, Konvention von, 11.4.1805 126
57, 100, 146, 231 Pillnitz, Deklaration von, 27.8.1791 45f.
Modellstaaten/Napoleonidenstaaten 52 f., Polen/polnische Teilungen 43-45,50,126 f.,
83f., 87, 106, 213f., 219f., 222, 232 130, 133, 141, 185
Modernisierung/Modernisierungstheorie/ Politische Kultur 162, 173-175, 179, 183,
Modernität 2-4, 18, 26, 54, 83f., 109f., 185, 202
119, 141-145, 165, 169, 219f., 221, 223, Portugal 46, 48 f., 54, 95, 100, 129, 135, 229
226, 238 f., 241 f., 245 f. Potsdam, Vertrag von, 3.11.1805 52
Monarchie 4, 13, 24, 27, 30, 33, 39, 41, 55 Preßburg, Friede von, 26.12.1805 48, 51-53,
71, 79
Nassau, Herzogtum 85, 93, 112, 226 Preußen 1, 44 f., 48-52, 54-58, 61, 63, 71 f.,
Nation/Nationalstaat/Nationalismus 2, 18, 78-80, 86, 91, 93, 96, 99, 104, 106, 108-
22, 26, 28 f., 31 f., 37 f., 42, 46, 49, 67, 80, 125, 127f., 130-134, 138f., 144, 196, 211,
88, 111-113, 120f., 123f., 126,131 f., 135, 213, 215f., 218, 220, 235-249

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Sachregister 321

Privilegien 2, 13, 16, 22-24, 27f., 32, 39, Revolution, allgemein (siehe auch: Franzö-
41 f., 56-59, 66, 69, 78, 81, 83 f., 89 f., 93, sische Revolution, Industrielle Revolu-
107, 111, 117, 142, 170, 189, 192, 218, tion, Atlantische Revolution, Revolution
220, 224, 231 von 1848/49, Westeuropäische Doppel-

Protestantismus/protestantische Länder 15, revolution) 1-4, 10, 13,15,19,25,27, 42,


56, 66, 223 45, 47, 55, 62-64, 67, 71, 81, 89f., 109,
Proto-Industrialisierung 107, 231 f., 234 124-127, 130f., 134 f., 140, 143 f., 146,
153 f., 162, 165, 170, 172, 182, 187,
Rankeaner/Neurankeaner 138 f., 235 189f., 192, 194, 196-198, 200-202, 215,
Rastatt, Kongreß von, 9.12. 1797- 218 f., 235
23.4. 1799 48, 65, 68, 71, 78, 81, 191 Revolution von 1848/49 93,114,119f., 163,
Reform/Reformismus allgemein 1—4, 17, 243
24, 31 f., 55f., 58-61, 63, 65f., 69, 70, 77, Revolution von oben 109, 140, 221, 225,
83-87, 90, 94, 109, 119, 125, 130, 140, 242, 245 f.
143, 192, 194-198, 200-202, 217f., 226, Revolutionshistorie/Revolutionsforschung
235, 239, 246 141, 162, 174, 197
Reformen Revolutionskriege/napoleonische Kriege 1,
in Frankreich 27, 30f., 44, 162, 170, 179, 3, 16f., 42f., 54, 101, 157, 185, 229, 239
-

181, 198, 230 Rheinbund/Rheinbundstaaten 52 f., 71 f.,


in Österreich 55-58, 64 f., 193 79, 82-94, 99-101, 107, 109, 114 f.,
-

in Preußen 31, 55, 85, 87, 91, 93, 108-125, 117f., 120f., 124, 128, 130f., 138, 140,
-

138, 213, 215, 218, 220, 222, 235- 246 144, 206, 213-222, 225-227, 231 f., 237,
in den Rheinbundstaaten 31, 53, 72, 79, 245 f., 249
82-94, 108, 110f., 121, 213-222, 225f., Rheinland/linksrheinische Gebiete 36,47 f.,
-

235-246 65, 67, 71, 74f., 92f., 102-106, 116, 133,


in Rußland 31 141, 187, 191, 203, 208-212, 223-225,
Regionalismus/Regionalstudien/Fallstu-
-

230 f., 234


dien 145, 154, 166, 168, 174, 182f., 185, Ried, Vertrag von, 8.10.1813 128
197, 200, 203, 206, 208, 210, 222, 225 f. Rußland 43, 49-51, 53 f., 72, 91, 100f., 110,
Reich, Heiliges Römisches 1, 44f., 49, 51- 126-128, 133L, 206, 218, 229, 233
53, 55, 59, 65, 67, 71-74, 76-83, 85,127f.,
130-132, 189, 198, 202f., 206f., 217f., Sachsen, Königreich 52, 70, 87, 97, 102 f.,
227, 237 128, 133, 191, 199, 206, 230f.
Reichenbach, Konvention von, 27.7.1790 Sachsen-Weimar, Großherzogtum 133
44 Säkularisation/Säkularisierung 1, 32 f., 40,
Reichenbach, Vertrag von, 17.6.1813 128 51, 58, 71-76, 79, 82, 92, 132, 185, 203-
Reichsdeputationshauptschluß 51, 71 f., 74, 212
78, 203-205 Sansculotten 21, 25, 31, 34f., 37f., 164, 167,
Reichsritter/Reichsritterschaft 65, 68 f., 71, 170, 176 f., 180, 184, 197
76-79, 131 f., 219, 237 Satellitenstaaten/Vasallenstaaten 47, 49, 51,
Reichsstädte 55, 68 f., 72, 76-78, 103 f., 189, 54, 82
196, 198 Sattelzeit 144, 202
Religion/Religiosität/religiöse Toleranz Schönbrunn, Vertrag von, 15.12.1805 52
37f., 45, 56,58f., 63,66, 77,127,170,173, Schweden 72, 96, 128f.
181, 185, 204-206, 211 f., 237 Schweiz/Helvetische Republik 43, 48 f., 51,
Repräsentation/Repräsentativverfassung 2, 65, 68, 96 f., 105, 126, 129, 141, 185
26 f., 29, 39, 73, 88, 112 f., 115, 127, 130, Selbstverwaltung 31, 76, 86, 111-114, 236
133f., 170, 175, 218, 221, 244 Siebenjähriger Krieg 22, 43, 245
Restauration 1 f., 45, 85, 114f., 125f., 128, Sozialgeschichte 143, 146f., 153, 158, 162,
130f., 134f., 226, 236, 244 164 f., 169, 197, 207 f., 210, 231

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322 Register

Sozialistische
Interpretation/Schule/ Verkehr/Verkehrswesen 7, 11, 96, 101-103,
Geschichtsschreibung 19, 147, 162 f., 107, 116, 233 f.
168, 180 Verlagssystem/Verlagswesen/Verleger 8-
Sozialreformen/Gesellschaftsreformen 35, 10, 14, 77, 102f., 231
53, 89, 111, 115, 220, 222, 244 Verona, Kongreß von, 20.10.-14.12.1822
Sozietaten/Gesellschaften 24, 33 f., 37, 60 f., 134
64, 67, 169 f., 174, 195, 197 Verwaltung/Verwaltungsreformen/Verwal-
Spanien 43, 46, 48f., 54, 83, 91, 100, 126, tungsstaat 13,16,24,30f., 36,38,40f., 51,
129, 135, 229 53, 58, 62, 72, 77, 83, 85-88, 94, 106,
Stände/Ständegesellschaft 2, 19, 22-24, 26, 110f., 114f., 119f., 131, 162, 170, 213-
28 f., 32, 56, 59, 62, 64, 68-70, 73, 76, 78, 216, 219f., 224-226, 238f., 243f.
80, 85, 88-90, 110-115, 117, 120, 124, Volkssouveränität 2, 26, 29 f., 34, 39, 44, 73
127, 131 f., 134, 143, 165, 169f., 191, Vormärz 1, 88, 94, 106, 113, 120, 231
193, 207f., 218, 221,236f.
Standesherren 79, 84, 90, 219 Wahlen/Wahlrecht/Wahlforschung 15, 17,
Steuern/Steuerreform 7, 13, 22 f., 29 f., 33, 26, 30-34, 39f., 67, 73, 88f., 112f., 175-
47, 55, 57 f., 67, 78 f., 83 f., 89, 92 f., 106, 178, 182, 198, 221
110f., 117, 170, 220f. Warschau, Großherzogtum 52, 133
Symbole/Symbolik/Symbolgeschichte 29, Waterloo, Schlacht bei, 18.6.1815 129
33, 38, 173-177, 183, 199, 223, 248 Wehrpflicht, allgemeine 36, 43, 110, 118,
121, 123 f., 225
Tauroggen, Konvention von, 30.12. 1812 Westeuropäische Doppelrevolution 1 f.,
127 142-144, 154
Teplitz, Punktation von, 1.8.1819 134 Westfalen, Königreich 52 f., 82, 84, 86-93,
Teschen, Friede von, 13.5.1779 72 97, 106, 213f., 219f., 222
Tilsit, Friede von, 7.-9.7.1807 48, 52f., 95, Westfälischer Friede 76, 207
109 f., 229 Wien/Schönbrunn, Friede von, 14.10.1809
Tochterrepubliken 47—49, 51 48, 99
Traditionalismus/Traditionalität 18, 26, Wiener Kongreß 1, 118, 125-135, 139
111, 189, 197 Wien, Ministerialkonferenzen von 1820 134
Trafalgar, Seeschlacht bei, 21.10.1805 51 Wirtschaftsreformen/Wirtschaftspolitik
Türkei/Türkenkriege 43 f., 49, 52 f., 97 3f., 33, 35, 53, 56, 95, 100-102, 106, 110,
115f., 119, 146-152, 155f., 163, 228,
Um Weltgeschichte 160 231 f., 239, 244
Ungarn 58, 64, 141, 193 Wirtschaftswachstum/wirtschaftliche Ent-
Unternehmer 10, 12, 14-16, 57, 75, 105f., wicklung 2, 4-18, 146-152, 155-171,
168,210, 224, 243 228 f., 231, 242
Unterschichten 4, 113, 118f., 159, 164, 167, Württemberg 52, 65, 68 f., 71 f., 79, 82, 84-
171, 192, 201,240, 243 88, 93, 105, 128, 132, 134, 214-216, 225,
232
Valmy, Kanonade von, 20.9.1792 33 Würzburg, Großherzogtum 93
Vendee 36, 44, 166, 180 f.
Verfassung/Konstitution 24, 26, 28-30, 32, Zölle/Zollpolitik11, 16, 53, 96-99, 101 f.,
35, 38-40, 43 f., 65-68, 73, 77, 83, 87-90, 104-106, 110, 116, 131, 228f., 231, 233,
94,110f., 113-115,119f., 178f., 196, 203, 244
214f., 217-219, 221, 227, 236-239, 243 Zünfte/Zunftwesen 2, 13, 16, 27, 31, 55f.,
Verfassungsreformen 87-90, 120, 124, 171, 59, 66 f., 69, 77, 103, 106 f., 170, 189, 224,
218, 226, 239, 244 231, 241, 244

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