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Haplochromis desfontainii
Erwin Schraml leicht der Grund war, dass die Fische lange Zeit
den Artnamen „desfontainesi“ in der Literatur tru-
gen. Die Beschreibung erfolgte mit knappen
Haplochromis desfontainii (LACÉPÈDE, 1802) ge- Worten: (Die) Brachse Desfontaines. (Sparus
hört mit einigen anderen (wie etwa H. bloyeti, H. Desfontainii). Dreiundzwanzig Strahlen an der
nubilus und H. wingatii) zu den in der Aquarien- Flosse des Rückens; elf Strahlen an jener des
literatur zwar hin und wieder genannten Arten, die Afters; ein schwarzer Fleck auf dem oberen Teil
aber häufig falsch bestimmt oder verwechselt wer- des hinteren Randes des Kiemendeckels.
den und eigentlich im Hobby auch gar nicht wirk- Deutlich ausführlicher waren die Angaben zum
lich präsent sind. Dabei ist gerade H. desfontainii Habitat der Fische, wie sie der Entdecker angab.
durchaus gelegentlich als Urlaubsmitbringsel in Übersetzt lautet dieser Text ungefähr so: „Bezüg-
das eine oder andere Aquarium gelangt. lich der Brachse Desfontaines, wir widmen sie,
durch die Bezeichnung die wir ihr geben, unserem
Wie man am Beschreibungsjahr sieht, sind die berühmten und hervorragenden Freund Desfon-
Fische der Wissenschaft bereits über 200 Jahre taines, unserem Kollegen vom nationalen Institut
bekannt. De Lacépède (eigentlich ein Adeliger mit und unser Kollege am Museum der Naturge-
Namen Bernard Etienne Germain de la Ville-Sur- schichte, der sie in den Thermalgewässern während
Illon, comte de La Cépède (1756–1825), ein fran- seiner interessanten Reise in die Barbarei gefunden
zösischer Naturforscher, Zoologe, Ichthyologe und hat. Der Bürger Desfontaines sah diesen Fisch in
der erste Großkanzler des Ordens der Ehrenlegion) den heißen Gewässern der zwei Brunnen der Stadt
beschrieb diese Art kurz nach dem Ende der fran- von Cafsa [=Gafsa] im Königreich von Tunis
zösischen Revolution als Sparus Desfontainii auf [=Tunesien]. Diese Gewässer ließen das Thermo-
Seite 54 seiner Naturgeschichte der Fische, auf meter von Réaumur in 30 Graden über dem Eis
Seite 160 verwandte er dann den Namen „Sparus steigen [= 37,5 °C] im Monat Januar oder nivose
desfontaines“ für die Bildunterschrift, was viel- [=Nivôse (auch Nivose) war der vierte Monat im
Seite 241:
Nachzuchtmännchen (F1)
von Haplochromis desfon-
tainii. Der Fisch zeigt nur
wenige Eiflecke in der
Afterflosse.
Kalender der französischen Republik. Der Monat Tilapia zillii) nach Paris zurückgekehrt sei und be-
erhielt seinen Namen nach dem lateinischen Wort trachtet sie als Synonym zu dieser Art, von der er
nivosus, das schneebedeckt bedeutet], der Saison, behauptet, dass sie als Labrus desfontainii be-
wo in diesem Teil Afrikas die Temperatur der schrieben worden wäre. Fortan wurde deshalb von
Atmosphäre während des Tages von zehn bis 15 vielen Autoren (Pellegrin (1904), Boulenger (1899,
Grade variiert. Diese heißen Gewässer sind rau- 1915), Regan (1921), aber auch noch von
chend, aber sie sind dem Bürger Desfontaines nicht Greenwood (1979)) die originale Kombination als
mineralisch geschienen; und wenn man sie sich Labrus desfontainii angenommen. Boulenger
abkühlen ließ, sind sie sehr durchsichtig und die (1899) fällt zwar auf, dass Gervais (1869) Sparus
einzigen, deren Gebrauch die Einwohner der Stadt desfontainii als Kombination verwendet, versieht
von Cafsa und der Umgebungen für ihr Getränk dies aber nur mit einem Fragezeichen. Außerdem
machen. Wir vermerken diese wichtige Tatsache stört es ihn nicht, dass sowohl Lacépède als auch
mit, um so der Pflege in dieser Geschichte, dass der Gervais „desfontainii“ verwenden, sondern ist der
Bürger Desfontaines dieselbe Art Brachsen in Meinung, der Artnamen müsste „desfontainesi“
Bächen kalten und brackigen Wassers gefunden lauten, was wiederum von den meisten späteren
hat, welche die Dattelpalmpflanzungen von Tozzer Autoren übernommen wurde. Die Art wurde schon
[=Tozeur] bewässern.“ früh in andere Gattungen gesteckt, in Chromis von
Günther (1862) meinte zu Unrecht, dass Des- Sauvage (1877), Tilapia von Boulenger (1899) und
fontaine mit einer Form von Sarotherodon zillii (= schließlich als Typusart von Astatotilapia von
Historische Zeichnung des
Labrus desfontainii aus
Boulenger (1899)
Seite 243:
Haplochromis desfontainii
kann eine sehr attraktive
Färbung zeigen; je nach
Lichteinfall glänzt der Fisch
metallisch blau und die
Punkte in der Rückenflosse
treten rot hervor.
Diese Färbung tritt beson-
ders bei natürlichem, seit-
lich einfallendem Sonnen-
licht auf.
Unten:
Die Männchen von Haplo-
chromis desfontainii zeigen
einen Hof um die Eiflecke.
Seite 245:
Sehr ähnlich zum Blau-
lippenmaulbrüter ist H.
burtoni aus dem Tanga-
njikasee und dem Malaga-
rasi. Diese Art weist orange
Schuppen hinter dem
Kiemendeckel auf.
(1976) Haplochromis burtoni als Haplochromis Schoenen zu beziehen (vielleicht auch weil er kei-
desfontainesi bezeichnete, weil dieser der Meinung nem „auf den Schlips treten wollte“), veröffentlicht
war, dass die meisten Ichthyologen beide Arten für Scheuermann (1977) eine Zusammenfassung aus
identisch hielten (es war nicht klar woher er diese einer Arbeit von Loiselle (1975), die dieser über
Information bezog). Meinken schaute sich darauf- ähnliche Arten aus dem Formenkreis bloyeti/burto-
hin die Zeichnungen der beiden Arten bei Boulen- ni/desfontainii gemacht hatte und allen dreien
ger (1915) an, und befand sie aufgrund ähnlicher einen validen Artstatus zubilligt. Er nennt darüber
Merkmale und nur aufgrund dieser Betrachtung(!) hinaus noch weitere damals (und bis heute) unbe-
für artgleich. Ohne sich auf diesen Artikel von schriebene Arten. Die Verwechslung burtoni/des-
Unten:
Bach bei Tozeur mit nur
wenigen Zentimetern
Wasserstand und mehreren
sich am Morgen in Kälte-
starre befindenden Haplo-
chromis desfontainii.
Bach mit nur wenigen Zentimetern Wasserstand, Nachmittag erreichte die Wassertemperatur nur 14
aus den Dattelplantagen von Tozeur. Dieser Bach, °C. Dabei wird das Gewässer eigentlich von heißen
dem ich ein gutes Stück weit stromaufwärts gefolgt Quellen gespeist. Die Stelle, von der ich die Jung-
bin, war teilweise stark vermüllt, vor allem führte fische mitnahm, war das Revier eines ziemlich
er erschreckend wenig Wasser. Dies in Verbindung großen Männchens mit außergewöhnlich vielen
mit dem Umstand, dass im Januar ein bitterkalter Eiflecken. Dieses Revier, in unmittelbarer Nähe
Wind durch die Plantagen fegte, führte zu einer eines Überganges über den Bach, bestand aus
starken Abkühlung des Gewässers. Am Morgen einem untergrabenen größeren Stein. Diesen aus
lagen an vielen Stellen tote oder sich in Kältestarre dem Wasser gehoben und schnell den (großen)
befindende Haplochromis im Wasser. Selbst am Kescher darunter durchgezogen, brachte in einem
Unten:
Sind mehrere Männchen in
einem Aquarium vorhan-
den, wird permanent impo-
niert und um die Rang-
ordnung gekämpft. In
einem ausreichend dimen-
sionierten Aquarium ver-
laufen die Kämpfe meist
harmlos.
Seite 250:
Eine attraktive aber wohl in
ihrem Bestand gefährdete
Art: Der Blaulippen-
maulbrüter Haplochromis
desfontainii.
futter, Schnecken aller Art und auch alles Grüne, ratur bei mir 27 °C, im Winter hatte ich sie auf 22
selbst Riccia und Javamoos verschwinden mit der °C abgesenkt.
Zeit. Schmidt (1982) machte Mageninhaltsanalysen
und fand unter anderem Algen und Schneckenteile, Eine Bitte an alle Nordafrika-Urlauber zum Schluss:
vor allem aber Fruchtfleich von Datteln. Da es Sollte Ihnen Haplochromis desfontainii irgendwo
diese Art, trotz ihrer relativen Kälteunempfindlich- begegnen, würde es mich freuen, eine Mitteilung
keit, gerne warm mag, beträgt die Wassertempe- über den Fundort zu erhalten.