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Gegenstand der Informationswirtschaft ist die Gestaltung und Bewältigung der vielfältigen,
in allen Bereichen des Unternehmens auftretenden Informationsflüsse, die zum großen Teil
mithilfe der automatisierten Datenverarbeitung abgewickelt werden. Informationen dienen
insbesondere der Abbildung von betrieblichen Vorgängen und der von ihnen ausgelösten
Geld- und Güterflüsse, der zum Teil gesetzlich vorgeschriebenen Dokumentation von Sach-
verhalten sowie der Fundierung von Entscheidungen. Neben der Buchführung (Abschnitt
4.1), der Bilanzierung (Abschnitt 4.2), der Kostenrechnung (Abschnitt 4.3) und dem Control-
ling (Abschnitt 4.4) als den verschiedenen Teilbereichen des Rechnungswesens zählt der in
Abschnitt 4.5 behandelte Einsatz von Informationssystemen zu den Aufgaben der Informati-
onswirtschaft.
4.1 Buchführung
Die Buchführung ist der Teil des Rechnungswesens, der die durch die betrieblichen Tätigkei-
ten ausgelösten Geld- und Güterströme zwischen dem Unternehmen und seiner Umwelt
zahlenmäßig erfasst und abbildet. Jedes Unternehmen, das die Kaufmannseigenschaft nach
§§ 1ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB) besitzt, ist nach § 238 HGB zur Buchführung ver-
pflichtet:
„Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsge-
schäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger
Buchführung ersichtlich zu machen.“
Darüber hinaus müssen sämtliche Gewerbetreibenden – auch unabhängig von der Kauf-
mannseigenschaft – aufgrund von steuerrechtlichen Bestimmungen in der Abgabenordnung
(§§ 140, 141 Abgabenordnung) ab einem bestimmten Geschäftsvolumen Bücher führen und
Aufzeichnungen über ihre Geschäfte vornehmen.
Am Anfang der Buchführung eines Geschäftsjahrs stehen die als Inventur bezeichnete Be-
standsaufnahme von Vermögen und Schulden des Unternehmens sowie die darauf aufbauen-
de Erstellung des Inventars (Abschnitt 4.1.1). Aus dem Inventar wird die Eröffnungsbilanz
abgeleitet. Diese wird in Konten aufgelöst (Abschnitt 4.1.2), auf denen die während eines
Geschäftsjahrs anfallenden Geschäftsvorfälle nach bestimmten Regeln durch Buchungsvor-
gänge (Abschnitt 4.1.3) festgehalten werden. Am Ende eines Geschäftsjahrs erfolgt der Ab-
schluss sämtlicher Konten. Neben der Abschlussbilanz wird die Gewinn- und Verlustrech-
nung (Abschnitt 4.1.4) aufgestellt, die den vom Unternehmen erwirtschafteten Erfolg aus-
weist.
A. Vermögen
I. Anlagevermögen
1. bebaute Grundstücke
2. unbebaute Grundstücke
3. Maschinen
4. Fuhrpark
5. Betriebs- und Geschäftsausstattung
II. Umlaufvermögen
1. Rohstoffe
2. Hilfsstoffe
3. Betriebsstoffe
4. Unfertige Erzeugnisse
5. Fertigerzeugnisse
6. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
7. Guthaben bei Banken
8. Kassenbestand
B. Schulden
I. Langfristige Schulden
1. Hypothekenschulden
2. Darlehensschulden
II. Kurzfristige Schulden
1. Verbindlichkeiten ggü. Kreditinstituten
2. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen
III. Sonstige Verbindlichkeiten
Aktiva Passiva
Da bei einem solventen Unternehmen üblicherweise der Wert der Vermögensgegenstände
größer ist als die Summe der Verbindlichkeiten, kann die aus dem Inventar abgeleitete Bi-
lanz zunächst noch nicht ausgeglichen sein. Um die Bilanz zum Ausgleich zu bringen, wird
daher auf der Passivseite das Eigenkapital des Unternehmens hinzugefügt, das sich rechne-
risch als Differenz aus Vermögen und Schulden ergibt. Dieser Zusammenhang ist in Abb.
4.2 dargestellt.
Bilanz
Aktiva Passiva
Eigenkapital
Vermögen
Verbindlichkeiten
Abb. 4.3 zeigt die Grundstruktur einer Handelsbilanz, wie sie in § 266 HGB für kleine Kapi-
talgesellschaften vorgeschrieben ist. Sie beschränkt sich auf die wichtigsten Bilanzpositio-
nen. Bei mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften (zur Definition der Größenklassen
vgl. Abschnitt 1.1.2) müssen die einzelnen Bilanzpositionen zum Teil noch weiter unterglie-
dert werden. Grundsätzlich gilt, dass die Aktivseite der Bilanz nach zunehmender Liquidität
und die Passivseite nach abnehmender Nähe zum Eigenkapital gegliedert ist.
Aktiva Passiva
A. Anlagevermögen A. Eigenkapital
I. Immaterielle Vermögensgegenstände I. Gezeichnetes Kapital
II. Sachanlagen II. Kapitalrücklage
III. Finanzanlagen III. Gewinnrücklagen
B. Umlaufvermögen IV. Gewinnvortrag / Verlustvortrag
I. Vorräte V. Jahresüberschuss / Jahresfehlbetrag
II. Forderungen und sonstige B. Rückstellungen
Vermögensgegenstände C. Verbindlichkeiten
III. Wertpapiere D. Rechnungsabgrenzungsposten
IV. Zahlungsmittel E. Passive latente Steuern
C. Rechnungsabgrenzungsposten
D. Aktive latente Steuern
E. Aktiver Unterschiedsbetrag aus der
Vermögensverrechnung
Neben der Handelsbilanz muss eine Steuerbilanz erstellt werden, die die Grundlage für die
Besteuerung des Unternehmens bildet. Für den handelsrechtlichen Jahresabschluss findet
dann eine Korrektur um die Sachverhalte statt, die nach Handels- und Steuerrecht unter-
schiedlich behandelt werden.
Um die laufenden Geschäftsvorfälle zu erfassen, wird die Bilanz in Konten aufgelöst. Ein
Konto ist ein zweiseitiges Rechenschema, in dem Bestands- oder Stromgrößen in sachlich
geordneter Weise aufgeführt werden. Dadurch lässt sich jederzeit der Saldo eines Kontos als
Differenz der beiden Kontenseiten ermitteln. Die linke Seite eines Kontos wird als Sollseite
und die rechte Seite als Habenseite bezeichnet.
Als Beispiel für ein Konto ist in Abb. 4.4 ein Kassenkonto angegeben, auf dem im Laufe
eines Quartals mehrere Ein- und Auszahlungen verbucht worden sind. Der aus der Bilanz
übernommene Anfangsbestand und die laufenden Einzahlungen sind auf der Sollseite des
Kassenkontos in chronologischer Reihenfolge verbucht, die Auszahlungen entsprechend auf
der Habenseite, auf der sich auch der Saldo als der Endbestand des Kontos ergibt. Zum
31.03. wird das Konto abgeschlossen, indem der Saldo gebildet wird. Der Saldo ergänzt die
betragsmäßig kleinere Kontenseite so, dass das Konto ausgeglichen ist. Da bei dem Konto in
Abb. 4.4 die Summe der Einzahlungen während des betrachteten Quartals größer ist als die
Summe der Auszahlungen, ist auch der Saldo größer als der Anfangsbestand, d.h. der Kas-
senbestand hat sich erhöht.
Kasse
Soll Haben
Anfangsbestand 5.637,28 Auszahlung 05.01. 100,00
Einzahlung 09.01. 750,00 Auszahlung 01.02. 825,75
Einzahlung 17.02. 232,55 Auszahlung 19.02. 352,89
Einzahlung 25.02. 975,00 Auszahlung 22.03. 211,40
Einzahlung 11.03. 1.441,37 Saldo 7.969,72
Einzahlung 19.03. 23,56
Einzahlung 30.03. 400,00
9.459,76 9.459,76
Das Kassenkonto zählt zu den Aktivkonten, denn der Kassenbestand wird auf der Aktivseite
der Bilanz unter den Zahlungsmitteln ausgewiesen. Bei allen Aktivkonten werden der An-
fangsbestand und die Zugänge auf der Sollseite, die Abgänge und der Endbestand auf der
Habenseite verbucht. Umgekehrt weisen die Passivkonten, die sich aus der Passivseite der
Bilanz ableiten lassen, ihren Anfangsbestand und die Zugänge im Haben und die Abgänge
sowie den Saldo im Soll aus. Ein typisches Passivkonto ist ein Darlehenskonto, auf dem der
am Periodenanfang noch ausstehende Kreditbetrag und die laufenden Tilgungen verbucht
werden. Sein Saldo gibt dann den Kreditbetrag zum Ende der Periode an.
Neben den Bestandskonten, die sich direkt aus der Bilanz ergeben und auf denen die wäh-
rend des Geschäftsjahrs erfolgenden Zu- und Abgänge bei den entsprechenden Bilanzpositi-
onen verbucht werden, werden Erfolgskonten eingerichtet, auf denen die laufenden Erträge
im Haben und die Aufwendungen im Soll verbucht werden. Ertragskonten werden vor allem
für die Erfassung von Umsatzerlösen eingerichtet, Aufwandskonten z.B. für Löhne, Ab-
schreibungen, Materialkosten, Zinsaufwendungen usw.
Am Ende eines Geschäftsjahrs werden sämtliche Konten abgeschlossen und die Salden
gegengebucht. Während die Salden der Bestandskonten direkt auf das Schlussbilanzkonto
gebucht werden, das als Grundlage für die Erstellung der Schlussbilanz dient, werden die
Salden der Erfolgskonten zunächst auf ein spezielles, als Gewinn- und Verlustrechnung
bezeichnetes Konto gebucht (vgl. Abschnitt 4.1.4). Der Saldo der Gewinn- und Verlustrech-
nung weist den Erfolg aus, den das Unternehmen im Geschäftsjahr erwirtschaftet hat. Sind
die Erträge höher als die Aufwendungen, so liegt positiver Erfolg bzw. ein Gewinn vor, im
umgekehrten Fall ein negativer Erfolg, der als Verlust bezeichnet wird. Bei Personengesell-
schaften wird der Erfolg anteilig zu den bestehenden Beteiligungsverhältnissen direkt auf
den Kapitalkonten der Gesellschafter verbucht. Ein Gewinn bedeutet eine Vermehrung des
Eigenkapitals und ein Verlust eine Eigenkapitalverminderung. Bei Kapitalgesellschaften
hingegen wird der Erfolg als Jahresüberschuss bzw. Jahresfehlbetrag in der Bilanz ausgewie-
sen (vgl. nochmals die Darstellung in Abb. 4.3).
Hinsichtlich der Anzahl und der Bezeichnung der innerhalb der Buchführung einzurichten-
den Konten gibt es keine speziellen Vorschriften. Viele Unternehmen orientieren sich beim
Aufbau ihrer Buchführung an einem Musterkontenrahmen, aus dem sie ihren eigenen Kon-
tenplan entwickeln. Die bekanntesten Kontenrahmen sind der 1986 überarbeitete Industrie-
kontenrahmen (IKR) und der bereits 1950 entwickelte Gemeinschaftskontenrahmen der
Industrie (GKR), daneben gibt es eine Vielzahl von branchenspezifischen Kontenrahmen.
Um die DV-technische Abwicklung der Buchführung zu unterstützen, sind die Kontenrah-
men dekadisch aufgebaut, indem zehn Kontenklassen hierarchisch mit bis zu vier- oder
fünfstelligen Kontennummern unterteilt werden. Die Kontenklassen im Industriekontenrah-
men lauten:
Klasse 0: Immaterielle Vermögensgegenstände und Sachanlagen
Klasse 1: Finanzanlagen
Klasse 2: Umlaufvermögen und aktive Rechnungsabgrenzung
Klasse 3: Eigenkapital und Rückstellungen
Klasse 4: Verbindlichkeiten und passive Rechnungsabgrenzung
Klasse 5: Erträge
Klasse 6: Betriebliche Aufwendungen
Klasse 7: Weitere Aufwendungen
Klasse 8: Ergebnisrechnungen
Klasse 9: Kosten- und Leistungsrechnung
Dieser Kontenrahmen ist nach dem Prinzip der Abschlussorientierung aufgebaut, d.h. er
erleichtert die Erstellung des Jahresabschlusses. Dies kommt darin zum Ausdruck, dass Ak-
tivkonten (Klassen 0, 1 und 2), Passivkonten (Klassen 3 und 4), Ertragskonten (Klasse 5) und
4.1.3 Buchungen
Durch die betriebliche Tätigkeit werden Geschäftsvorfälle ausgelöst, die aufgrund der Buch-
führungspflicht des Unternehmens zeitnah, chronologisch und ordnungsgemäß zu erfassen
sind. Grundlage jeder Buchung ist ein Beleg, aus dem die wesentlichen Daten des Geschäfts-
vorfalls – Datum, Betrag, Vorgang, Geschäftspartner usw. – hervorgehen. Zur Dokumentati-
on der Vollständigkeit und zur Verbesserung der Übersichtlichkeit werden die Belege fort-
laufend nummeriert. Neben von außen stammenden Belegen, z.B. Rechnungen, Quittungen,
Lieferscheinen, Kontoauszügen, kann es sich auch um vom Unternehmen selbst erstellte
Belege (Eigenbelege) handeln, z.B. Lohnlisten, Anlagenspiegel, Umbuchungsbelege. Die
Buchhaltung wird in der Regel elektronisch mithilfe von Standardprogrammen, z.B. von
DATEV oder SAP, durchgeführt.
Die Buchung wird als Buchungssatz formuliert, wobei zuerst das im Soll berührte Konto und
dann das im Haben berührte Konto genannt wird. So wird der Eingang eines Betrags, der
zuvor einem Kunden für eine Lieferung in Rechnung gestellt wurde, auf dem Bankkonto wie
folgt verbucht:
Bankkonto an Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
Da das Bankkonto ein Aktivkonto ist, wird der Zugang des Betrags dort im Soll verbucht.
Durch die Zahlung der Rechnung erlischt die Forderung an den Kunden, d.h. auf dem eben-
falls der Aktivseite der Bilanz zugehörigen Forderungskonto findet ein Abgang statt, der im
Haben verbucht wird.
In Abhängigkeit davon, welche Arten von Konten durch eine Buchung verändert werden,
lassen sich anhand ihrer Auswirkungen auf die Bilanz vier Grundtypen von Geschäftsvorfäl-
len unterscheiden:
1. Aktivtausch
Bei einem Aktivtausch findet eine Vermögensumschichtung zwischen zwei Aktivpositionen
statt. Der Bestand eines Aktivkontos wird um einen bestimmten Betrag erhöht und der eines
anderen entsprechend vermindert. Dadurch verändert sich die Zusammensetzung der Aktiv-
seite der Bilanz bei gleich bleibender Bilanzsumme. Ein Aktivtausch liegt z.B. bei den fol-
genden Geschäftsvorfällen vor:
Barverkauf von Waren: Es erfolgt ein Zugang bei dem Kassenkonto und ein Abgang bei
dem Warenkonto. Der zugehörige Buchungssatz lautet:
Kasse an Warenvorräte
Einreichung eines Schecks auf das Bankkonto: Es erfolgt ein Zugang bei dem Bankkonto
und ein Abgang bei der Position Schecks. Der zugehörige Buchungssatz lautet:
Bankkonto an Schecks
Abhebung vom Bankkonto: Es erfolgt ein Zugang bei dem Kassenkonto und ein Abgang
beim Bankkonto. Der zugehörige Buchungssatz lautet:
Kasse an Bankkonto
2. Passivtausch
Ein Passivtausch bedeutet eine Umstrukturierung auf der Passivseite der Bilanz, d.h. einen
Wechsel zwischen verschiedenen Finanzierungsarten, z.B. zwischen langfristiger und kurz-
fristiger Finanzierung. Einem Zugang bei einem Passivkonto steht ein gleich hoher Abgang
bei einem anderen Passivkonto gegenüber. Wie beim Aktivtausch bleibt auch hier die Bi-
lanzsumme unverändert. Beispiele für einen Passivtausch sind:
Umbuchung der Gewinnbeteiligung eines Kommanditisten: Es findet ein Zugang auf dem
Kapitalkonto des Kommanditisten und ein Abgang bei der Position Bilanzgewinn statt.
Der zugehörige Buchungssatz lautet:
Bilanzgewinn an Einlage XY
Umwandlung eines Kontokorrentkredits in ein langfristiges Darlehen: Es erfolgt ein
Zugang bei dem Konto Darlehen und ein Abgang bei dem Kontokorrentkonto. Der zuge-
hörige Buchungssatz lautet:
Kontokorrent an Darlehen
Zahlung an einen Lieferanten mittels Wechsel: Es erfolgt ein Zugang bei der Position
Wechselverbindlichkeiten und ein Abgang bei der Position Verbindlichkeiten aus Liefe-
rungen und Leistungen. Der zugehörige Buchungssatz lautet:
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen an Wechselverbindlichkeiten
3. Bilanzverlängerung
Bei einer Bilanzverlängerung findet sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite der
Bilanz ein Zugang statt. Damit steigt die Bilanzsumme auf beiden Seiten um den gleichen
Betrag, die Bilanzgleichung gilt damit weiterhin. Beispiele für eine Bilanzverlängerung sind:
Kauf einer Maschine auf Ziel: Es erfolgt ein Zugang bei der Aktivposition Maschinen
und bei der Passivposition Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen. Der zuge-
hörige Buchungssatz lautet:
Maschinen an Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen
Aufnahme eines langfristigen Bankdarlehens: Es erfolgt ein Zugang bei der Aktivposition
Bank und bei der Passivposition langfristige Darlehen. Der zugehörige Buchungssatz lau-
tet:
Bank an langfristige Darlehen
Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen: Es erfolgt ein Zugang bei der Aktivposition Kasse
und bei der Passivposition Eigenkapital. Der zugehörige Buchungssatz lautet:
Kasse an Eigenkapital
4. Bilanzverkürzung
Ein Geschäftsvorfall, der zu einer Bilanzverkürzung führt, bewirkt einen gleich hohen Ab-
gang auf der Aktiv- und der Passivseite der Bilanz und damit eine entsprechende Verminde-
rung der Bilanzsumme. Beispiele für eine Bilanzverkürzung sind:
Zahlung einer Tilgungsrate für ein langfristiges Darlehen über das Bankkonto: Es erfolgt
ein Abgang bei der Aktivposition Bank und bei der Passivposition langfristige Darlehen.
Der zugehörige Buchungssatz lautet:
langfristige Darlehen an Bank
Bareinlösung eines von einem Lieferanten bei Fälligkeit vorgelegten Wechsels: Es erfolgt
ein Abgang bei der Aktivposition Kasse und bei der Passivposition Wechselverbindlich-
keiten. Der zugehörige Buchungssatz lautet:
Wechselverbindlichkeiten an Kasse
Ausschüttung von Dividende: Es erfolgt ein Abgang bei der Aktivposition Bank und bei
der Passivposition Jahresüberschuss. Der zugehörige Buchungssatz lautet:
Jahresüberschuss an Bank
Neben diesen einfachen Buchungssätzen sind auch zusammengesetzte Buchungen möglich,
bei denen auf der Soll- und/oder Habenseite mehrere Konten angesprochen werden. Die
übliche Bezeichnung der Buchführung als „doppelte Buchführung“ rührt daher, dass die
Verbuchung jedes Geschäftsvorfalls mindestens zwei Konten berührt, davon mindestens eins
im Soll und mindestens eins im Haben. Die Summe der bei einer Buchung im Soll bzw. im
Haben verbuchten Beträge muss stets gleich hoch sein.
Löhne
Soll Haben
Januar 10.500,83 Saldo 138.258,22
Februar 9.275,14
März 10.500,83
April 10.150,37
Mai 10.500,83
Juni 10.150,37
Juli 15.226,25
August 10.500,83
September 10.150,37
Oktober 10.500,83
November 20.300,74
Dezember 10.500,83
138.258,22 138.258,22
Am Ende des Geschäftsjahrs werden sämtliche Erfolgskonten über ein spezielles Sammel-
konto, das Gewinn- und Verlustkonto, abgeschlossen, indem ihre Salden dort gegengebucht
werden. Das Gewinn- und Verlustkonto nimmt die Salden der Ertragskonten, die auf dem
jeweiligen Konto im Soll stehen, im Haben und dementsprechend die Salden der Aufwands-
konten im Soll auf. Als Beispiel für den Abschluss eines Aufwandskontos ist in Abb. 4.5 ein
Lohnkonto angegeben, auf dem während eines Geschäftsjahrs die monatlichen Lohnzahlun-
gen verbucht worden sind.
Der Buchungssatz zum Abschluss dieses Kontos auf das Gewinn- und Verlustkonto (GuV)
lautet:
GuV an Löhne
Der Saldo des Gewinn- und Verlustkontos gibt den Erfolg des Unternehmens im abgeschlos-
senen Geschäftsjahr an. Das Gewinn- und Verlustkonto wird bei Personengesellschaften
(vgl. Abschnitt 1.4.1) über die Kapitalkonten der Gesellschafter, bei Kapitalgesellschaften
(vgl. Abschnitt 1.4.2) über die Bilanzposition Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag abgerech-
net. Ein Gewinn führt zu einer Erhöhung des Eigenkapitals des Unternehmens, ein Verlust zu
seiner Reduzierung.
1. Umsatzerlöse
2. Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen
3. Bruttoergebnis vom Umsatz
4. Vertriebskosten
5. Allgemeine Verwaltungskosten
6. Sonstige betriebliche Erträge
7. Sonstige betriebliche Aufwendungen
8. Erträge aus Beteiligungen
- davon aus verbundenen Unternehmen
9. Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens
- davon aus verbundenen Unternehmen
10. Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge
- davon aus verbundenen Unternehmen
11. Abschreibungen auf Finanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens
12. Zinsen und ähnliche Aufwendungen
- davon aus verbundenen Unternehmen
13. Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit
14. Außerordentliche Erträge
15. Außerordentliche Aufwendungen
16. Außerordentliches Ergebnis
17. Steuern vom Einkommen und vom Ertrag
18. Sonstige Steuern
19. Jahresüberschuss / Jahresfehlbetrag
Zum Jahresabschluss gehört neben der Bilanz eine Gewinn- und Verlustrechnung, die die
wesentlichen Erfolgspositionen in verdichteter Form enthält. Die Gewinn- und Verlustrech-
nung wird in Staffelform angegeben. Für Kapitalgesellschaften ist ihr Aufbau in § 275 HGB
vorgeschrieben. Er orientiert sich am Umsatzkostenverfahren, d.h. zunächst werden den
erzielten Umsatzerlösen die dafür angefallenen Aufwendungen gegenübergestellt. In Abb.
4.6 sind die Positionen, die eine Gewinn- und Verlustrechnung nach dem deutschen Han-
delsgesetzbuch enthalten muss, aufgeführt.
4.2 Bilanzierung
Das externe Rechnungswesen dient der Information verschiedener Anspruchsgruppen (vgl.
Abschnitt 1.3.2) über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens. Der Jah-
resabschluss bildet den Abschluss der laufenden Buchführung. Er besteht grundsätzlich aus
der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung, bei Kapitalgesellschaften sind zusätzlich
ein Anhang, in dem bestimmte Bilanzpositionen zusätzlich erläutert werden, und ein Lagebe-
richt, in dem der Geschäftsverlauf und die Lage des Unternehmens dargestellt werden, erfor-
derlich. Für einen Konzern gilt nach § 297 HGB, dass im Konzernabschluss die Vermögens-,
Finanz- und Ertragslage der in den Abschluss einbezogenen Konzernunternehmen so darge-
stellt werden muss, als ob es sich insgesamt um ein einziges Unternehmen handeln würde.
Ein Konzernabschluss besteht aus der Konzernbilanz, der Konzern-Gewinn- und Verlust-
rechnung, dem Konzernanhang, der Kapitalflussrechnung und dem Eigenkapitalspiegel. Er
kann um eine Segmentberichterstattung erweitert werden.
In Abschnitt 4.2.1 werden zunächst die Grundsätze erläutert, nach denen die Bilanzierung
vorzunehmen ist; dabei werden neben den deutschen Vorschriften auch die im angelsächsi-
schen Sprachraum üblichen Regelungen behandelt. Abschnitt 4.2.2 geht auf die wichtigsten
Bilanzpositionen ein und erläutert die jeweiligen Ansatz- und Bewertungsmöglichkeiten.
Abschnitt 4.2.3 zeigt auf, welche Informationen über das Unternehmen mithilfe der Bilanz-
analyse aus den im Jahresabschluss veröffentlichten Daten gewonnen werden können.
4.2.1 Bilanzierungsgrundsätze
Nach § 242f. HGB ist jeder Kaufmann verpflichtet, zum Schluss eines Geschäftsjahrs inner-
halb bestimmter Fristen einen Jahresabschluss aufzustellen. Dabei greift er auf die in der
laufenden Buchführung gesammelten Daten und Informationen zurück (vgl. Abschnitt 4.1).
Der Jahresabschluss nach dem Handelsgesetzbuch hat im Wesentlichen die folgenden vier
Aufgaben:
Dokumentationsfunktion: Durch die Bündelung der Buchführungsdaten im Abschluss
werden diese übersichtlich zusammengefasst und gegen nachträgliche Veränderungen ge-
schützt.
Informationsfunktion: Der Jahresabschluss stellt Informationen über die Vermögens-,
Finanz- und Ertragslage des Unternehmens für verschiedene Adressaten, insbesondere für
die Eigen- und Fremdkapitalgeber, bereit.
Grundsätze
ordnungsmäßiger
Buchführung
Dokumentations- Rechenschafts-
prinzipien prinzipien
Belegprinzip Nominalwertprinzip
Bilanzklarheit Periodenabgrenzung
Vollständigkeit Vorsichtsprinzip
Stetigkeit Realisationsprinzip
Stichtagsprinzip Imparitätsprinzip
Going Concern Prinzip
Die Dokumentationsprinzipien gelten bereits für die laufende Buchführung. Sie werden ein-
gehalten, wenn die Buchführung und der Jahresabschluss gemäß den einschlägigen Vor-
schriften aufgestellt wurden. Dazu zählen folgende Prinzipien:
Nach dem Belegprinzip dürfen nur solche Geschäftsvorfälle in der Buchführung erfasst
und in den Jahresabschluss aufgenommen werden, für die ein externer oder interner Be-
leg vorliegt.
Das Prinzip der Bilanzklarheit bedeutet, dass die Bilanz klar und übersichtlich aufgebaut
sein muss. Dies lässt sich insbesondere erreichen, indem die in § 266 HGB vorgegebene
Gliederung eingehalten wird (vgl. auch Abb. 4.3).
Das Prinzip der Vollständigkeit und Richtigkeit verlangt, dass in der Buchführung sämt-
liche im Geschäftsjahr aufgetretenen Geschäftsvorfälle zeitnah, lückenlos und vollständig
festgehalten werden und dass der Jahresabschluss sämtliche Vermögensgegenstände,
Schulden, Erträge und Aufwendungen enthält. Es verbietet insbesondere eine Saldierung
von Vermögen und Schulden bzw. von Erträgen und Aufwendungen und verlangt eine
Einzelbewertung der Bilanzpositionen.
Das Prinzip der Stetigkeit bzw. der Bilanzverknüpfung stellt eine Beziehung zwischen
aufeinander folgenden Bilanzen her, indem die Eröffnungsbilanz eines Geschäftsjahrs mit
der Schlussbilanz des Vorjahrs identisch ist. Weiter wird durch die Forderung nach Bi-
lanzkontinuität sichergestellt, dass die Gliederung von Bilanz und Gewinn- und Verlust-
rechnung sowie die gewählten Bewertungsansätze soweit wie möglich beibehalten wer-
den.
Das Stichtagsprinzip verlangt, dass im Jahresabschluss sämtliche Tatbestände berück-
sichtigt werden, die bis zum Bilanzstichtag eingetreten sind.
Die materiellen Rechenschaftsprinzipien beziehen sich auf die Wertansätze, mit denen die
einzelnen Positionen in die Bilanz aufgenommen werden. Sie lauten wie folgt:
Das Nominalwertprinzip verlangt, dass der Jahresabschluss aufgrund tatsächlicher Zah-
lungen in Euro aufgestellt wird.
Nach dem Prinzip der Periodenabgrenzung sind Aufwendungen und Erträge unabhängig
von dem Zeitpunkt, in dem die Zahlung erfolgt, dem Geschäftsjahr zuzurechnen, in dem
sie entstanden sind.
Das Vorsichtsprinzip stellt darauf ab, dass ein Kaufmann seine Vermögenslage nicht zu
optimistisch beurteilen darf. Daher sollte bei der Bewertung von Aktiva aus mehreren
möglichen Wertansätzen stets der niedrigste gewählt werden (Niederstwertprinzip), wäh-
rend die Bewertung von Schulden im Zweifelsfall eher zu hoch als zu niedrig erfolgen
sollte. Dieser Grundsatz wird durch die beiden folgenden Prinzipien auf Erfolgsgrößen
übertragen.
Nach dem Realisationsprinzip dürfen Erträge erst dann ausgewiesen werden, wenn sie
tatsächlich entstanden sind. Das bedeutet insbesondere, dass fremdbezogene Leistungen
mit Anschaffungskosten und selbst erstellte Leistungen mit Herstellkosten bewertet wer-
den und nicht mit den Marktpreisen, die sich bei ihrem Verkauf voraussichtlich erzielen
lassen.
Das Imparitätsprinzip verlangt, dass Verluste bereits dann ausgewiesen werden, wenn sie
abzusehen sind. Dies gilt sogar für Verluste, die im Zeitraum zwischen dem Bilanzstich-
tag und der Aufstellung der Bilanz erkennbar werden. Sinkt z.B. der Preis für ein am La-
ger befindliches Produkt unter seine Herstellkosten, so muss es entsprechend niedriger
bewertet werden.
Das Going-Concern-Prinzip besagt, dass bei der Bewertung der einzelnen Bilanzpositio-
nen grundsätzlich davon auszugehen ist, dass das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit
fortführt.
Für Jahresabschlüsse amerikanischer Unternehmen gelten ähnliche Grundsätze, die General-
ly Accepted Accounting Principles (US-GAAP) und das auf ihrer Grundlage entwickelte
Rahmenkonzept des IASB (International Accounting Standards Board). Da in den USA die
Eigenfinanzierung der Unternehmen über den Kapitalmarkt eine große Rolle spielt, ist die
amerikanische Rechnungslegung stärker auf die Informationsinteressen der Investoren als
auf den Gläubigerschutz ausgerichtet. Im Gegensatz zu den GoB sind die US-GAAP und das
Rahmenkonzept nicht in Gesetzen kodifiziert, sondern haben sich als allgemeine Leitlinien
der Bilanzierung zwischen den Unternehmen, den Wirtschaftsprüfern und der Börsenaufsicht
herausgebildet.
Für amerikanische Jahresabschlüsse gelten weitaus geringere Formvorschriften als im deut-
schen Bilanzrecht, vielmehr gilt der Grundsatz „substance over form“. Die Darstellung der
Ertrags- und Finanzlage des Unternehmens orientiert sich weniger am Vorsichtsprinzip als
an einer „fair presentation“. Der Jahresabschluss besteht aus der Bilanz, der Gewinn- und
Verlustrechnung, einem Anhang, einer Kapitalflussrechnung (vgl. Tab. 3.6) und einer Dar-
stellung der Eigenkapitalentwicklung. Für deutsche und europäische Unternehmen gewinnen
die amerikanischen Rechnungslegungsstandards aufgrund der zunehmenden Internationali-
sierung der Kapitalmärkte immer mehr an Bedeutung. Weiter wird ein nach diesen Grund-
sätzen erstellter Jahresabschluss verlangt, wenn ein Unternehmen eine Börsenzulassung in
den USA beantragt.
Auf verschiedenen Ebenen wird eine Harmonisierung der unterschiedlichen nationalen
Rechnungslegungsnormen angestrebt. In der Europäischen Union wurden verschiedene EG-
Richtlinien verabschiedet, die bis 1992 in nationales Recht umzusetzen waren; in Deutsch-
land erfolgte dies bereits 1985 durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG). Das 2009 in
Kraft getretene Bilanzrechtsmodernisierungs-Gesetz (BilMoG) ist auf Grundlage verschie-
dener EU-Richtlinien entstanden und verstärkt die Tendenz zur verstärkten Ausrichtung an
den IFRS.
Noch weiter gehen die Bemühungen des 1973 in London gegründeten International
Accounting Standards Committee (IASC), heute International Accounting Standards Board
(IASB) um die Erarbeitung von weltweit geltenden, einheitlichen Rechnungslegungsnormen.
Das Komitee besteht aus ca. 150 Organisationen von Wirtschaftsprüfern aus mehr als 110
4.2.2 Bilanzpositionen
Nach dem Grundsatz der Vollständigkeit sind im Prinzip sämtliche Vermögensgegenstände,
Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten in die Bilanz aufzunehmen. Dennoch gibt es
Ausnahmen, die in Bilanzierungsgeboten, Bilanzierungsverboten und Bilanzierungswahl-
rechten zum Ausdruck kommen. Im Folgenden werden die einzelnen Bilanzpositionen der
Aktiv- und der Passivseite einer Handelsbilanz gemäß § 266 HGB (vgl. Abb. 4.3) durchge-
gangen und jeweils die bilanzierungsfähigen Tatbestände sowie die zugehörige Bewertung
herausgearbeitet.
der Rechnungsstellung wird der zugehörige Erfolg realisiert. Auch in Wechseln verbrief-
te Forderungen werden hier ausgewiesen.
Forderungen gegen verbundene Unternehmen umfassen sowohl Forderungen aus Liefe-
rungen und Leistungen als auch andere kurzfristige Forderungen, z.B. aus kurzfristigen
Darlehen.
Forderungen gegen Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht, sind
ebenfalls unabhängig von ihrer Entstehung an dieser Stelle auszuweisen.
Sonstige Vermögensgegenstände sind alle Vermögensgegenstände des Umlaufvermö-
gens, die sich keinem anderen Posten zuordnen lassen, z.B. Vorschüsse an Arbeitnehmer,
geleistete Kautionen, Ansprüche auf Steuerrückzahlung, Anzahlungen für Dienstleistun-
gen usw.
mens gegenüber seinen Gläubigern dient und dessen Höhe sich grundsätzlich nicht verän-
dert.
Verbindlichkeiten aus der Annahme gezogener Wechsel und der Ausstellung eigener
Wechsel umfassen alle Wechselschulden, bei denen das Unternehmen sich zur Zahlung
verpflichtet hat.
Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen sind analog zu den entsprechen-
den Forderungspositionen auf der Aktivseite separat auszuweisen, um finanzielle Ver-
flechtungen innerhalb eines Konzerns offen zu legen.
Entsprechendes gilt für Verbindlichkeiten gegenüber Unternehmen, mit denen ein Betei-
ligungsverhältnis besteht.
Sonstige Verbindlichkeiten sind ein Sammelposten für alle Schulden, die sich keinem der
zuvor genannten Posten zuordnen lassen, z.B. gegenüber Mitarbeitern, Sozialversiche-
rungsträgern oder Finanzbehörden. Die Verbindlichkeiten aus Steuern und im Rahmen
der sozialen Sicherheit sind separat anzugeben.
4.2.3 Bilanzanalyse
Die Bilanzanalyse dient der Beurteilung eines Unternehmens mithilfe der Aufbereitung und
Strukturierung ausgewählter Daten aus seinem Jahresabschluss. Dadurch befriedigt sie die
Informationsinteressen der verschiedenen Anspruchsgruppen, die in Beziehungen zu dem
Unternehmen stehen (vgl. Abschnitt 1.3.2). Während Eigenkapitalgeber in erster Linie an
Informationen über die erwartete Finanz- und Ertragslage des Unternehmens interessiert
sind, benötigen Fremdkapitalgeber für ihre Kreditentscheidungen insbesondere Informatio-
nen über die zukünftige Zahlungsfähigkeit.
Externe Interessenten können nur auf solche Informationsquellen zugreifen, die das Unter-
nehmen ihnen bzw. der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Z.B. verlangen Banken bei der
Kreditwürdigkeitsprüfung, die der Gewährung eines Betriebsmittelkredits vorausgeht, re-
gelmäßig die Vorlage der letzten Jahresabschlüsse sowie weiterer Unterlagen, aus denen
Informationen über die laufende Geschäftstätigkeit hervorgehen. Für Kapitalgesellschaften
sowie für Großunternehmen, die dem Publizitätsgesetz unterliegen, besteht eine Verpflich-
tung zur Veröffentlichung ihrer Jahresabschlüsse, so dass nicht nur die Anteilseigner, son-
dern auch die interessierte Öffentlichkeit bei Bedarf Einblick in die Lage des Unternehmens
nehmen kann. Die Veröffentlichung erfolgt regelmäßig durch Einreichung des Jahresab-
schlusses beim öffentlich einsehbaren Handelsregister, bei großen Unternehmen zusätzlich
durch Abdruck im Bundesanzeiger sowie gegebenenfalls weiteren Zeitungen.
Bei der Bilanzanalyse werden die verfügbaren Daten aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrech-
nung, Anhang und Lagebericht zunächst aufbereitet, d.h. bereinigt, zerlegt, umgruppiert,
verdichtet oder saldiert. Anschließend werden durch geeignete Zusammenstellung von aus-
gewählten Daten Kennzahlen gebildet, die näheren Aufschluss über den jeweils interessie-
renden Sachverhalt geben. Diese Kennzahlen lassen sich auf mehrfache Weise einsetzen
(vgl. zu Kennzahlen auch Abschnitt 4.4.2):
Bei einem Soll/Ist-Vergleich werden die realisierten Werte zuvor ermittelten Sollgrößen
gegenübergestellt.
Beim Zeitvergleich werden die Kennzahlen mehrerer aufeinander folgender Geschäfts-
jahre herangezogen, um die Entwicklung des Unternehmens zu beurteilen.
Bei einem Betriebsvergleich werden die Kennzahlen des analysierten Unternehmens mit
den Werten anderer Unternehmen derselben Branche verglichen.
Im Rahmen der Bilanzanalyse unterscheidet man die in den folgenden Abschnitten behandel-
ten Struktur-, Liquiditäts- und Erfolgsanalysen sowie die vor allem aus gesamtwirtschaftli-
cher Sicht relevante Wertschöpfungsanalyse.
4.2.3.1 Strukturanalyse
Bei der Strukturanalyse wird die Zusammensetzung der Aktiv- und der Passivseite der Bi-
lanz des Unternehmens untersucht. Die Kennzahlen der vertikalen Strukturanalyse beziehen
sich auf Positionen derselben Bilanzseite, bei der horizontalen Bilanzanalyse werden Posten
beider Bilanzseiten zueinander in Beziehung gesetzt.
Wichtige Kennzahlen bei der vertikalen Strukturanalyse der Aktivseite sind die Vermögens-
struktur, die Investitionsquote, der Anlagenabnutzungsgrad und die Abschreibungsquote.
Anlagevermögen
Vermögensstruktur:
Gesamtvermögen
Umlaufvermögen
Gesamtvermögen
Diese Kennzahlen lassen sich wie folgt interpretieren: Mit zunehmendem Anteil des Um-
laufvermögens am Gesamtvermögen nimmt die Flexibilität des Unternehmens zu, gleichzei-
tig steigt durch den gleichzeitig abnehmenden Anteil des Anlagevermögens der Kapazitäts-
nutzungsgrad. Andererseits kann ein hoher Anteil des Umlaufvermögens darauf hinweisen,
dass das Unternehmen unnötig viel Kapital in Lagerbeständen bindet.
Zugang zu Sachanlagen
Investitionsquote
Bestand an Sachanlagen
Je größer diese Kennzahl ausfällt, desto älter sind die Produktionsanlagen des Unternehmens.
Ein hoher Anlagenabnutzungsgrad lässt auf einen veralteten technischen Stand und einen
zukünftigen Nachholbedarf an Investitionen schließen.
Abschreibungen auf Sachanlagen
Abschreibungsquote
Bestand an Sachanlagen
Fremdkapital
Fremdkapitalquote
Gesamtkapital
Fremdkapital
Verschuldungsgrad
Eigenkapital
Ein hoher Verschuldungsgrad bzw. eine hohe Fremdkapitalquote deutet auf ein hohes Unter-
nehmensrisiko hin, das die Kapitalgeber bei ihren Anlage- bzw. Kreditentscheidungen be-
rücksichtigen müssen.
Net Debt
Gearing
Eigenkapital
Diese Kennzahl ähnelt dem Verschuldungsgrad. Jedoch bildet der Zähler nicht das gesamte
Fremdkapital, sondern lediglich die Netto-Finanzschulden ab, die den verzinslichen Verbind-
lichkeiten abzüglich der liquiden Mittel entsprechen. Bei sehr guter Liquiditätslage kann das
Gearing auch negative Werte annehmen.
bilanzielles Eigenkapital
Bilanzkurs Nennwert der Aktie
gezeichnetes Kapital
Im Unterschied zu dem täglich schwankenden Börsenkurs gibt der Bilanzkurs den Sub-
stanzwert einer Aktie an. Durch Vergleich dieser beiden Werte lässt sich erkennen, in wel-
cher Höhe stille Reserven, der Goodwill oder aktuelle Informationen über das Unternehmen
ihren Niederschlag im Börsenkurs gefunden haben.
Die bei der horizontalen Strukturanalyse ermittelten Kennzahlen geben Aufschluss darüber,
inwieweit die Fristigkeiten von Anlagevermögen und Finanzierungsquellen aufeinander
abgestimmt sind.
Eigenkapital
Anlagendeckungsgrad I
Anlagevermögen
Der Grundsatz der Fristenkongruenz besagt in seiner strengen Formulierung, dass das Anla-
gevermögen durch Eigenkapital finanziert werden soll, d.h. der Anlagendeckungsgrad I soll-
te bei 1 liegen. Die abgeschwächte Formulierung, die im Anlagendeckungsgrad II zum Aus-
druck kommt, lässt auch eine Finanzierung des Anlagevermögens durch langfristiges Fremd-
kapital zu.
4.2.3.2 Liquiditätsanalyse
Die Liquiditätsanalyse soll das Risiko abschätzen, dass das Unternehmen illiquide, d.h. zah-
lungsunfähig, wird. Dieses Risiko ist umso größer, je früher die Verbindlichkeiten fällig
werden und je langfristiger die Kapitalbindung in den Vermögensgegenständen auf der Ak-
tivseite ist. Zur Liquiditätsanalyse werden zum einen die bereits in Abschnitt 3.1.2 darge-
stellten Liquiditätsgrade (Liquidität 1., 2. und 3. Grades) herangezogen. Jedoch kann auch
ein Unternehmen, dessen Bilanz eine hervorragende Liquidität ausweist, im Laufe des Ge-
schäftsjahrs illiquide werden, da die Bilanzdaten zum einen vergangenheitsorientiert sind
und zum anderen lediglich Forderungen und Verbindlichkeiten zum Bilanzstichtag, jedoch
keine laufenden Zahlungsverpflichtungen abbilden.
Weitere wichtige Liquiditätskennzahlen sind die working capital ratio und die Effektivver-
schuldung:
Umlaufvermögen
working capital ratio
kurz - und mittelfristiges Fremdkapital
Je größer der Wert dieser Kennzahl ist, die der Liquidität 3. Grades ähnelt, desto besser ist
die Liquiditätslage des Unternehmens einzuschätzen.
Effektivverschuldung = langfristiges Fremdkapital
+ kurz- und mittelfristiges Fremdkapital
– Zahlungsmittel
– kurzfristige Forderungen
Die Effektivverschuldung gibt an, welcher Teil des Fremdkapitals nicht durch kurzfristig
liquidierbare Vermögensgegenstände abgedeckt ist, d.h. welche Schulden dem Unternehmen
dauerhaft zuzurechnen sind.
4.2.3.3 Erfolgsanalyse
Ausgangspunkt der Erfolgsanalyse ist die Tatsache, dass der im Jahresabschluss ausgewiese-
ne Jahresüberschuss bzw. Jahresfehlbetrag als Indikator für den Erfolg eines Unternehmens
nur bedingt geeignet ist, da er häufig durch die Ausnutzung von steuerlichen Wahlmöglich-
keiten sowie Ansatz- und Bewertungswahlrechten im Rahmen der Bilanzpolitik verzerrt ist.
Daher werden andere, aussagekräftigere Kennzahlen herangezogen, die eher geeignet sind,
eine tragfähige Prognose über die zukünftige Entwicklung des Unternehmenserfolgs vorzu-
nehmen. Diese bauen teilweise auf dem Cashflow (vgl. Abschnitt 3.3.3) oder auf Rentabili-
tätskennzahlen (vgl. Abschnitt 3.1.1) auf.
Cashflow
Cashflow - Umsatzrate
Umsatz
Mithilfe dieser Kennzahl lässt sich abschätzen, wie sich in Zukunft der Cashflow im Ver-
hältnis zum Jahresumsatz entwickeln wird.
Effektivverschuldung
dynamischer Verschuldungsgrad
Cashflow
Der dynamische Verschuldungsgrad gibt an, in wie vielen Jahren das Unternehmen bei
gleich bleibender Entwicklung seine langfristigen Schulden aus den erwirtschafteten Mitteln
tilgen könnte. Diese Kennzahl erhält ihren dynamischen Charakter dadurch, dass der Cash-
flow eine zeitraumbezogene Größe ist.
Cashflow
Innenfinanzierungsgrad
Zugänge zum Anlagevermögen
Diese Kennzahl gibt an, welcher Anteil der Investitionen des Geschäftsjahrs durch den Cash-
flow abgedeckt ist. Ein hoher Innenfinanzierungsgrad kann allerdings auch dadurch zustande
kommen, dass notwendige Investitionen unterlassen wurden.
Eine wichtige Kennzahl im Rahmen der Erfolgsanalyse ist der bereits in Abschnitt 3.1.1
eingeführte Return on Investment (ROI). Dieser bildet den Ausgangspunkt für das DuPont-
System, das wohl bekannteste Kennzahlensystem, das erstmals 1919 von der Firma DuPont
eingesetzt wurde. Der ROI wird über mehrere Stufen hinweg in seine Bestandteile zerlegt, so
dass man Einblick in die wesentlichen Einflussgrößen des Unternehmenserfolgs erhält. Auf
der ersten Stufe ergeben sich durch Erweiterung der Definition des ROI mit dem Umsatz die
folgenden Beziehungen:
Gewinn Umsatz
ROI
investiertes Kapital Umsatz
Gewinn Umsatz
Umsatz investiertes Kapital
Umsatzrendite Umschlaghäufigkeit des Kapitals
Somit ist der ROI das Produkt aus der Umsatzrendite und der Umschlaghäufigkeit des Kapi-
tals. Diese beiden Größen werden auf den nachfolgenden Stufen auf ihre Bestimmungsgrö-
ßen zurückgeführt, bis man zu elementaren Positionen aus der Bilanz und der Gewinn- und
Verlustrechnung gelangt.
In Abb. 4.8 ist der Aufbau des DuPont-Kennzahlensystems angegeben. Dieses Schema lässt
sich auf verschiedene Weise einsetzen: Zum einen kann man analysieren, welche Verände-
rungen von einzelnen Positionen der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung für eine
festgestellte Veränderung des ROI verantwortlich sind. Zum anderen lässt sich abschätzen,
wie sich eine bestimmte Veränderung einer Einflussgröße auf die verschiedenen Kennzahlen
innerhalb des Schemas sowie auf den ROI als Spitzenkennzahl auswirken wird.
Im Rahmen einer wertorientierten Unternehmensführung werden vermehrt am Unterneh-
menswert orientierte Kennzahlen eingesetzt, die die Erfolgsrechnung mit den Methoden der
dynamischen Investitionsrechnung verknüpfen. Schlüsselkennzahl ist hier der Economic
Value Added (EVA), der sich als Differenz aus dem operativen Ergebnis (NOPAT, Net Ope-
rating Profit after Taxes) und den Kapitalkosten ergibt.
EVA NOPAT Capital Cost of Capital
Der NOPAT wird aus dem operativen Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT, Earnings
before Interest and Taxes) berechnet, indem man die Steuerzahlungen abzieht. Als Kapital
wird das Nettobetriebsvermögen herangezogen, das mit den durchschnittlichen Kapitalkosten
bewertet wird.
EVA
MVA Gesamtkapital investiertes Kapital
Cost of Capital
Der Market Value Added (MVA) ergibt sich als Differenz aus dem Gesamtkapital und dem
investierten Kapital. Er kann als Kapitalwert des Unternehmens aufgrund zukünftiger Ge-
winnerwartungen interpretiert und alternativ als Quotient des EVA und der Kapitalkosten
berechnet werden.
Return
on
Investment
Umsatz- Umschlags-
rentabilität × häufigkeit
Vorräte
Variable Abschrei- Sonstige Sach- Finanz-
Umsatz - Zinsen + + liquide Mittel
Kosten + bungen + Fixkosten anlagen anlagen
+ Forderungen
4.2.3.4 Wertschöpfungsanalyse
Bei der Wertschöpfungsanalyse wird der Beitrag ermittelt, den das Unternehmen insgesamt
bzw. die einzelnen Produktionsfaktoren zum betrieblichen Ergebnis geleistet haben. Die
Wertschöpfung, die das Unternehmen in einem Geschäftsjahr erbracht hat, lässt sich auf
zwei Wegen ermitteln: Die direkte Ermittlung ist eine Verwendungsrechnung, sie berechnet
die Wertschöpfung als Summe aus Arbeitserträgen, Kapitalerträgen und dem Staat zuflie-
ßenden Gemeinerträgen. Bei der indirekten Ermittlung ergibt sich die Wertschöpfung als
Differenz aus dem Wert der hergestellten Produkte und dem Wert der in die Produktion
eingegangenen, von außen bezogenen Vorleistungen.
Im Rahmen der Wertschöpfungsanalyse werden Kennzahlen zur Produktivität, zur Vertei-
lung der Wertschöpfung auf die Produktionsfaktoren und zur Wertschöpfungsquote gebildet.
Wertschöpfung
Arbeitsproduktivität
Zahl der Arbeitnehmer
Tendenziell steigt die Arbeitsproduktivität an, wenn das Unternehmen Maßnahmen zur Rati-
onalisierung und Automatisierung durchführt, die eine Reduktion des für die Produktion
benötigten Arbeitseinsatzes ermöglichen.
Wertschöpfung
Kapitalproduktivität
Gesamtkapital
Die Kapitalproduktivität bildet eine Obergrenze für die Verzinsung des eingesetzten Kapi-
tals.
Arbeitserträge
Lohnquote
Wertschöpfung
Kapitalerträge
Kapitalquote
Wertschöpfung
direkte Steuern
Steuerquote
Wertschöpfung
Eine hohe Arbeits- bzw. Kapitalquote ist ein Anzeichen dafür, dass die Arbeitnehmer bzw.
die Kapitalgeber einen großen Anteil der Wertschöpfung erhalten. Eine geringe Steuerquote
zeigt, dass es dem Unternehmen z.B. durch bilanzpolitische Maßnahmen gelungen ist, seine
Steuerbelastung zu reduzieren.
Wertschöpfung
Wertschöpfungsquote
Gesamtleistung
Die Wertschöpfungsquote erlaubt eine Aussage über die Leistungsfähigkeit eines Unterneh-
mens innerhalb der Gesamtwirtschaft. Mit ihrer Hilfe lassen sich z.B. auch Erkenntnisse über
Konzentrationsvorgänge gewinnen.
Die Bedeutung der Bilanzanalyse ist in erster Linie darin zu sehen, dass sie auch Außenste-
henden eine Beurteilung eines Unternehmens erlaubt. Sie wird z.B. bei Kreditvergabeent-
scheidungen in Banken (Rating, vgl. Abschnitt 3.3.1), bei Anlageentscheidungen von In-
vestmentfonds oder anderen Großanlegern, aber auch beim Erwerb von Beteiligungen und
im Vorfeld von Unternehmenszusammenschlüssen eingesetzt.
4.3 Kostenrechnung
Die Aufgabe der Kostenrechnung besteht in der quantitativen und wertmäßigen Abbildung
der Güterflüsse innerhalb des Unternehmens, durch die seine Wirtschaftlichkeit überwacht
werden kann. In Abschnitt 4.3.1 wird zunächst als Grundlage für die weiteren Ausführungen
der Kostenbegriff definiert, in Abschnitt 4.3.2 werden die wichtigsten Kostenrechnungssys-
teme kurz erläutert. In den nachfolgenden Abschnitten wird der Ablauf einer ausgebauten
Kostenrechnung systematisch dargestellt: Zunächst werden in der Kostenartenrechnung
sämtliche angefallenen Kosten nach sachlichen Kriterien erfasst (Abschnitt 4.3.3), anschlie-
ßend werden sie in der Kostenstellenrechnung auf die Bereiche verrechnet, in denen sie an-
gefallen sind (Abschnitt 4.3.4), schließlich erfolgt in der Kostenträgerrechnung eine mög-
lichst verursachungsgerechte Zurechnung auf die hergestellten Produkte (Abschnitt 4.3.5).
Die hier ermittelten Selbstkosten der Produkte dienen unter anderem als Kalkulationsgrund-
lage bei der Preisbestimmung und der Abgabe von Angeboten. In der Betriebsergebnisrech-
nung wird durch Gegenüberstellung von Erlösen und Kosten einer Periode der kurzfristige
Erfolg des Unternehmens ermittelt (Abschnitt 4.3.6). Die Kostenrechnung wird auch als das
interne Rechnungswesen des Unternehmens bezeichnet, da sie sich im Wesentlichen an in-
terne Interessengruppen wendet (vgl. zu den Anspruchsgruppen nochmals Abschnitt 1.3.2).
Während die Bilanzierung lediglich einmal je Geschäftsjahr erfolgt, beträgt der Abrech-
nungszeitraum der Kostenrechnung ein Quartal oder sogar einen Monat, so dass wesentlich
aktuellere Informationen bereitgestellt werden können.
4.3.1 Kostenbegriff
Kosten sind der bewertete Verzehr von Gütern und Dienstleistungen zur Erstellung der be-
trieblichen Leistung einer Periode. Diese grundlegende Definition des Kostenbegriffs weist
vier Bestimmungsmerkmale auf, die zur Verdeutlichung und zur Abgrenzung gegen andere
Wertgrößen herangezogen werden können:
Mengengerüst: Kosten fallen dadurch an, dass bestimmte Einsatzmengen an Sachgütern
und Dienstleistungen im betrieblichen Wertschöpfungsprozess verbraucht werden.
Wertgerüst: Durch die Bewertung des zunächst mengenmäßig erfassten Produktions-
faktoreinsatzes mit Preisen werden heterogene Mengengrößen in eine einheitliche Wert-
größe, das Geld, überführt.
Leistungsbezug: Kosten liegen nur dann vor, wenn der Faktoreinsatz in direktem Zu-
sammenhang mit der Erstellung der betrieblichen Leistungen steht. Dieses Merkmal dient
zur Abgrenzung der Kosten von neutralen Aufwendungen.
Periodenbezug: Kosten liegen weiter nur dann vor, wenn der Faktoreinsatz in der jeweili-
gen Abrechnungsperiode erfolgt. Hierdurch wird eine Abgrenzung der Kosten von perio-
denfremden Aufwendungen vorgenommen.
Bei der Bewertung der Faktoreinsatzmengen stellt sich die Frage, welche Preise herangezo-
gen werden sollen:
Auf den ersten Blick scheint es nahe liegend, die beim Kauf der Produktionsfaktoren
gezahlten Einstandspreise als Wertmaßstab heranzuziehen. Jedoch kann z.B. bei Maschi-
nen die Anschaffung bereits weit zurückliegen. Weiter können im Zeitablauf schwanken-
de Einstandspreise dazu führen, dass auch die für ein Produkt ausgewiesenen Kosten
schwanken.
Beim Ansatz von Wiederbeschaffungspreisen werden die Produktionsfaktoren unabhän-
gig vom Zeitpunkt des Kaufs mit den jeweils aktuellen Marktpreisen bewertet. Das Prob-
lem schwankender Preise und damit Kosten besteht jedoch weiterhin.
Zur Vermeidung derartiger Schwankungen kann auf Durchschnittspreise zurückgegriffen
werden, denen es allerdings an Exaktheit bzw. Aktualität mangelt.
Einsatzgüter, die nicht vom Markt bezogen, sondern im eigenen Unternehmen erstellt
werden, z.B. selbst gefertigte Bauteile oder der Strom aus einem eigenen Kraftwerk, wer-
den mit internen Verrechnungspreisen bewertet, die im Rahmen der Kostenrechnung be-
stimmt werden müssen.
Aus theoretischer Sicht exakt ist die Bewertung mit Opportunitätskosten. Diese entspre-
chen dem entgangenen Gewinn aus der besten nicht realisierten Verwendung eines Pro-
duktionsfaktors. Wird z.B. ein Bauteil, das auch als Ersatzteil verkauft werden könnte, in
der Produktion eingesetzt, so ergeben sich Opportunitätskosten in Höhe des Gewinns, der
beim Verkauf angefallen wäre. Umgekehrt entsprechen beim Verkauf des Bauteils die
Opportunitätskosten dem Gewinn, der beim Einsatz in der Produktion erzielt würde. Of-
fensichtlich bereitet die Bestimmung der Opportunitätskosten oft große Probleme, so dass
in der Praxis auf die zuvor genannten Wertmaßstäbe zurückgegriffen wird.
Ein Ziel der Kostenrechnung besteht in der Ermittlung des Unternehmenserfolgs. Der Ge-
samterfolg eines Unternehmens ergibt sich, indem man von der Summe aller Einzahlungen
die Summe aller Auszahlungen subtrahiert. Diese Größe lässt sich jedoch erst bei der Auflö-
sung des Unternehmens bestimmen, wenn alle Vorräte und Anlagegüter verkauft, die Forde-
rungen eingetrieben und die Gläubiger und Anteilseigner ausgezahlt werden. Da die Unter-
nehmensführung zur Steuerung der Geschäftstätigkeit zwischenzeitliche Erfolgsgrößen benö-
tigt, muss eine geeignete Periodisierung und Abgrenzung der Zahlungen von anderen Wert-
größen erfolgen.
Die für das Rechnungswesen relevanten Wertgrößen lassen sich den folgenden vier Wert-
ebenen zuordnen (vgl. auch Abb. 4.9):
Der Zahlungsmittelbestand setzt sich aus dem Bargeld und den Beständen an liquiden
Mitteln, z.B. auf Bankkonten, zusammen. Zuflüsse bei den Zahlungsmitteln werden als
Einzahlungen bezeichnet, Abflüsse als Auszahlungen. Zahlungen werden anhand von
Zahlungsbelegen erfasst.
Das Geldvermögen besteht aus den Zahlungsmitteln zuzüglich der Forderungen und
abzüglich der Verbindlichkeiten. Zuflüsse beim Geldvermögen heißen Einnahmen, Ab-
flüsse sind Ausgaben; ihre Erfassung erfolgt anhand von Rechnungen.
Man erhält das Reinvermögen, indem man zum Geldvermögen das mit Preisen bewertete
Sachvermögen addiert. Ein Zufluss beim Sachvermögen ist ein Ertrag, ein Abfluss ein
Aufwand. Erträge und Aufwendungen werden in der Finanzbuchhaltung erfasst.
Das Betriebsvermögen ergibt sich, indem man vom Reinvermögen das nicht betriebsnot-
wendige Vermögen subtrahiert. Zum nicht betriebsnotwendigen Vermögen zählen Ver-
mögensgegenstände, die nicht der betrieblichen Tätigkeit dienen, z.B. Werkswohnungen,
brachliegende Grundstücke oder zu Spekulationszwecken gehaltene Wertpapiere. Zuflüs-
se zum Betriebsvermögen nennt man Betriebserträge, Abflüsse heißen Kosten. Die Be-
stimmung der Betriebserträge und Kosten erfolgt in der Kostenrechnung.
Bei Vorgängen, die sich innerhalb einer Abrechnungsperiode vollständig abwickeln lassen,
werden sämtliche vier Wertebenen berührt. Bestellt z.B. ein Kunde ein spezielles Ersatzteil
für eine Maschine, das in derselben Periode angefertigt, ausgeliefert und bezahlt wird, so
liegen aus Sicht des liefernden Unternehmens eine Einzahlung, eine Einnahme, ein Ertrag
und ein Betriebsertrag vor; aus Sicht des Kunden bedeutet dieser Vorgang gleichzeitig eine
Auszahlung, eine Ausgabe, einen Aufwand und Kosten. In der Praxis tritt jedoch – gerade
angesichts der kurzen Abrechnungsperiode der Kostenrechnung – häufig der Fall auf, dass
Vorgänge am Periodenende nicht abgeschlossen sind, z.B. wenn eine Produktion begonnen,
aber noch nicht fertig gestellt ist, wenn eine Rechnung eingegangen, aber noch nicht bezahlt
ist. Derartige Abweichungen zwischen den Wertebenen lassen sich wie folgt systematisieren
(vgl. auch Abb. 4.10):
Auszahlungen 2 4 Einzahlungen
1 Ausgaben 6 8 Einnahmen 3
5 Aufwendungen 10 12 Erträge 7
9 Kosten Betriebserträge 11
Eine Abweichung zwischen der Zahlungsmittel- und der Geldvermögensebene liegt im-
mer dann vor, wenn Kreditvorgänge auftreten. Dabei lassen sich folgende Fälle unter-
scheiden:
(1) Auszahlung, keine Ausgabe: z.B. Tilgung eines Kredits
(2) Ausgabe, keine Auszahlung: z.B. Einkauf auf Ziel
(3) Einzahlung, keine Einnahme: z.B. Eingang einer Forderung
(4) Einnahme, keine Einzahlung: z.B. Lieferung auf Ziel
Abweichungen zwischen der Geldvermögens- und der Reinvermögensebene lassen sich
insbesondere auf Lagerbestandsveränderungen zurückführen:
(5) Ausgabe, kein Aufwand: z.B. Kauf und Einlagerung von Material
(6) Aufwand, keine Ausgabe: z.B. Einsatz von gelagertem Material in der Produktion
(7) Einnahme, kein Ertrag: z.B. Verkauf von zuvor gelagerten Erzeugnissen
(8) Ertrag, keine Einnahme: z.B. Produktion auf Lager
Unterschiede zwischen der Reinvermögens- und der Betriebsvermögensebene beruhen
darauf, dass einerseits der Erfolg des gesamten Unternehmens und andererseits der Erfolg
aus der betrieblichen Tätigkeit ermittelt werden soll. Sie bestehen zum einen in neutralen
Erträgen und Aufwendungen, die zwar in der Finanzbuchhaltung, aber nicht in der Kos-
tenrechnung erfasst werden. Neutrale Erträge und Aufwendungen sind Erfolgskomponen-
ten, die einer anderen Abrechnungsperiode zuzurechnen sind (periodenfremd), nicht aus
der betrieblichen Tätigkeit hervorgehen (betriebsfremd) oder in ungewöhnlicher Höhe
anfallen (außerordentlich). Zum anderen fallen kalkulatorische Kosten an, die in der Kos-
tenrechnung abweichend von der Finanzbuchhaltung (Zusatzkosten) oder in anderer
Höhe (Anderskosten) verbucht werden.
Die Kostenfunktion hingegen beschreibt die Kosten in Abhängigkeit von der Produktions-
menge x:
K K ( x)
Der Zusammenhang zwischen der Kostendefinition und der Kostenfunktion wird durch die
Produktionsfunktion hergestellt (vgl. Abschnitt 2.2.1), die die Abhängigkeit zwischen der
Faktoreinsatzmenge und der Produktionsmenge mathematisch beschreibt. Grundsätzlich
lassen sich in einer solchen Kostenfunktion die folgenden Bestandteile unterscheiden (vgl.
Abb. 4.11):
Gesamtkosten
Fixkosten K F fallen unabhängig von der produzierten Menge für die Aufrechterhaltung
der Betriebsbereitschaft an. Dazu zählen z.B. Gehälter, Versicherungen, Zinsen für lang-
fristige Kredite, Miete, Pacht oder Leasingraten sowie Abschreibungen auf die Gebäude
und Maschinen.
Variable Kosten KV sind Kosten, die direkt mit der Produktionsmenge x steigen oder
fallen, z.B. Lohnkosten, Materialkosten, Energiekosten, aber auch Entsorgungs- und Lo-
gistikkosten.
Sprungfixe Kosten verlaufen innerhalb eines bestimmten Bereichs konstant, steigen je-
doch bei Überschreiten einer kritischen Produktionsmenge sprunghaft an. Ein Beispiel
sind die zusätzlichen Fixkosten, die bei der Anschaffung einer neuen Anlage zur Befrie-
digung gestiegener Nachfrage auf das Unternehmen zukommen.
Lässt man die sprungfixen Kosten außer Acht, so lautet die Kostenfunktion nunmehr:
K ( x) K F KV ( x)
Da die variablen Kosten direkt von der Produktionsmenge abhängen, ist ihr Verlauf genauer
zu untersuchen. Dabei lassen sich die folgenden drei Grundtypen unterscheiden, deren Kos-
tenverläufe in Abb. 4.12 beispielhaft abgebildet sind:
K(x)
Progressive
Kosten
Degressive
Kosten
Proportionale
Kosten
KF
Der einfachste Fall ist der proportionale Kostenverlauf, bei dem jedes produzierte Stück
immer gleich viel kostet. Dieser Kostenverlauf ist typisch für den Materialverbrauch, so-
weit er sich aus Stücklisten (vgl. Abschnitt 2.1.3) ableiten lässt.
Ein degressiver Kostenverlauf liegt vor, wenn bei Ausdehnung der Produktion jedes
zusätzlich produzierte Stück weniger kostet, dadurch verläuft die Kostenfunktion immer
flacher. Dieser Kostenverlauf lässt sich z.B. mit Lerneffekten oder Mengenrabatten be-
gründen.
Bei einem progressiven Kostenverlauf steigt die Kostenfunktion überproportional an, da
die Produktion jedes zusätzlichen Stücks immer teurer wird. Ein solcher Anstieg beruht
z.B. auf erhöhtem Energieverbrauch bei Ausdehnung der Produktion durch intensitäts-
mäßige Anpassung (vgl. Abschnitt 2.2.1) oder auf zunehmendem Ausschuss aufgrund
von Ermüdungserscheinungen.
Im Rahmen der Kostenrechnung geht man in der Regel aus Gründen der Vereinfachung von
einem linearen Kostenverlauf aus. Diese Annahme stellt eine gute Annäherung an den tat-
sächlichen Kostenverlauf dar, wenn sich progressive und degressive Kosteneinflussgrößen
insgesamt ungefähr ausgleichen.
Bei der Analyse einer Kostenfunktion sind die folgenden Größen von Bedeutung:
Als Durchschnittskosten bzw. Stückkosten bezeichnet man den bei einer bestimmten
Produktionsmenge auf das einzelne Stück entfallenden Betrag, der sich durch Division
der Gesamtkosten durch die Produktionsmenge ergibt. Da sich bei steigender Produkti-
onsmenge die Fixkosten auf eine immer größere Stückzahl verteilen, verlaufen die
Stückkosten in Abhängigkeit von der Produktionsmenge tendenziell fallend.
K ( x) K F KV ( x)
k ( x)
x x
Die variablen Durchschnittskosten ergeben sich, indem man lediglich die variablen Kos-
ten durch die Produktionsmenge dividiert. Sie sind immer geringer als die gesamten
Durchschnittskosten. Bei proportionalem Verlauf der variablen Kosten sind die variablen
Durchschnittskosten konstant, bei degressivem Verlauf sinken und bei progressivem Ver-
lauf steigen sie.
KV ( x) K ( x) K F
k v ( x)
x x
Die Grenzkosten geben an, um welchen Betrag die Kosten steigen, wenn ein zusätzliches
Stück produziert wird. Sie werden daher auch als Kosten der letzten produzierten Einheit
bezeichnet und lassen sich als erste Ableitung der Kostenfunktion berechnen. Ähnlich
wie die variablen Durchschnittskosten sind die Grenzkosten bei proportionalem Kosten-
verlauf konstant, bei degressivem Kostenverlauf sinken und bei progressivem Kostenver-
lauf steigen sie mit der Produktionsmenge.
d K ( x)
K ' ( x)
dx
Kosten lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien klassifizieren. Stellt man darauf ab,
inwieweit sich die Kosten durch eine betriebliche Entscheidung, z.B. die Entscheidung über
die Höhe der Produktionsmenge, beeinflussen lassen, so erhält man die bereits bekannte
4.3.2 Kostenrechnungssysteme
Im Laufe der Zeit sind verschiedene Systeme der Kostenrechnung entwickelt worden, die
sich vor allem hinsichtlich ihres Zeitbezugs und des Umfangs der Kostenverrechnung unter-
scheiden. Nach dem Zeitbezug der Kosten unterscheidet man:
Die Istkostenrechnung ist vergangenheitsorientiert und verrechnet die tatsächlich angefal-
lenen Kosten einer Periode. Istkosten ergeben sich durch Multiplikation von Istver-
brauchsmengen mit Istpreisen.
Die Normalkostenrechnung ist ebenfalls vergangenheitsorientiert, arbeitet jedoch mit
festen Verrechnungspreisen anstelle von Istpreisen.
Die Plankostenrechnung ist zukunftsorientiert. Plankosten werden auf Basis geplanter
Mengengrößen und geplanter Preise berechnet und dienen vor allem der späteren Kos-
tenkontrolle.
Nach dem Umfang der verrechneten Kosten unterscheidet man die Vollkostenrechnung, bei
der sämtliche in der Abrechnungsperiode angefallenen Kosten auf die Produkte verrechnet
werden, und die Teilkosten- bzw. Deckungsbeitragsrechnung, die lediglich die variablen
Kosten auf die Produkte verrechnet und die Fixkosten separat analysiert. Ein grundlegendes
Prinzip der Kostenrechnung ist das Verursachungsprinzip, nach dem die Kosten genau dort
angelastet werden sollten, wo sie verursacht worden sind. Während der Teilkostenrechnung
das Verursachungsprinzip in seiner strengen Fassung zugrunde liegt, stellt die Vollkosten-
rechnung darauf ab, dass letztlich auch die Fixkosten durch die betriebliche Tätigkeit verur-
sacht werden und daher den Produkten anzulasten sind.
Wie das folgende Beispiel zeigt, sind bei der Vollkostenrechnung gravierende Fehlentschei-
dungen möglich, da sie weniger Einblick in die Kostenstruktur gibt. In einer Süßwarenfabrik
werden Schokoladenriegel, Müslikekse und Weingummi hergestellt. Dabei fallen Fixkosten
in Höhe von insgesamt 1.200 € an. In Tab. 4.1 sind die relevanten Daten und die Erfolgskal-
kulation bei einer Vollkostenrechnung dargestellt.
Offensichtlich verursacht jeder Schokoriegel 0,05 € mehr Kosten, als sein Erlös beträgt, so
dass das Unternehmen aus der Produktsparte Schokoriegel einen Verlust von 200 € erwirt-
schaftet. Für die beiden anderen Produkte ergibt sich ein Gewinn von 600 € (Müslikekse)
bzw. 500 € (Weingummi), der Gesamtgewinn beträgt somit 900 €. Als die Unternehmenslei-
tung diese Zahlen sieht, beschließt sie, die Produktion der Schokoriegel aufzugeben und
erwartet, dass der Gewinn anschließend auf 1.100 € steigt. Tatsächlich sinkt er jedoch um
weitere 200 € auf 700 €. Die Ursache für dieses auf den ersten Blick überraschende Ergebnis
liegt in der Verwendung der Vollkostenrechnung, bei der auch die Fixkosten auf die Produk-
te verrechnet werden, und die in diesem Fall falsche Informationen hinsichtlich der Ertrags-
lage der Produkte liefert.
Tab. 4.2 zeigt, wie sich im vorliegenden Beispiel derselbe Gewinn in Höhe von 900 € aus
Sicht der Teilkostenrechnung zusammensetzt. In der fünften Spalte ist nunmehr nicht der
Stückgewinn, sondern der Stückdeckungsbeitrag angegeben, in der sechsten Spalte der Ge-
samtdeckungsbeitrag der einzelnen Produkte. Der Deckungsbeitrag ist der Betrag, den ein
Produkt über seine variablen Kosten hinaus erwirtschaftet und der zur Abdeckung der Fix-
kosten verwendet werden kann. Im Beispiel betragen die Fixkosten insgesamt 1.200 €, so
dass von der Summe der Deckungsbeiträge in Höhe von 2.100 € ein Gewinn in Höhe von
900 €, d.h. in gleicher Höhe wie bei der Vollkostenrechnung, verbleibt.
Im Unterschied zur Vollkostenrechnung, bei der die Fixkosten willkürlich – in diesem Fall
zu je 1/3 – auf die Produkte verteilt wurden, zeigt die Teilkostenrechnung die Quellen des
Erfolgs eindeutig auf: Da alle drei Produkte einen positiven Stückdeckungsbeitrag liefern,
sollte keines aus dem Sortiment genommen werden. Die Verschlechterung des Ergebnisses
der Vollkostenrechnung nach der Einstellung der Schokoriegelproduktion resultiert daraus,
dass die Fixkosten in unveränderter Höhe anfallen, jedoch der Deckungsbeitrag der Schoko-
riegel in Höhe von 200 € verloren geht. Eine Elimination der Schokoriegel aus dem Sorti-
ment wäre nur dann sinnvoll, wenn sich innerhalb des Fixkostenblocks abbaufähige Fixkos-
ten der Schokoriegelproduktion von mehr als 200 € identifizieren ließen, denn in diesem Fall
würde der Gesamtdeckungsbeitrag dieser Produktart nicht ausreichen, um die ihr eindeutig
zurechenbaren Fixkosten abzudecken.
Der in den folgenden Abschnitten dargestellte Ablauf der Kostenrechnung entspricht einer
Istkostenrechnung auf Vollkostenbasis, kann jedoch mit entsprechenden Modifikationen
auch auf die übrigen Kostenrechnungssysteme übertragen werden. Abb. 4.13 gibt einen
Überblick über die auf den einzelnen Stufen der Kostenrechnung vorgenommenen Verrech-
nungsschritte.
Kostenarten-
rechnung
Kostenträger- Kostenträger-
einzelkosten gemeinkosten
Kostenstellen- Kostenstellen-
einzelkosten gemeinkosten
direkt indirekt
Kostenstellen-
Hilfs- und Hauptkostenstellen rechnung
Hauptkostenstellen
indirekt
Kostenträger-
Gesamtkosten gegliedert nach Kostenträgern rechnung
Offensichtlich besteht die Aufgabe der Kostenrechnung darin, die zunächst nach Kostenarten
gegliederten Kosten in mehreren Schritten so umzuverteilen, dass sich schließlich eine Glie-
derung nach Kostenträgern, d.h. Produkten oder Aufträgen, ergibt. Dazu werden zunächst in
der Kostenartenrechnung die Kosten nach Kostenarten erfasst und entweder als Einzelkosten
der Produkte direkt in die Kostenträgerrechnung weitergeleitet oder als Gemeinkosten in die
Kostenstellenrechnung gegeben. Als nächstes erfolgt eine Zurechnung auf Kostenstellen, d.h.
organisatorische Einheiten mit Kostenverantwortung. Kostenstelleneinzelkosten, z.B. Ab-
schreibungen auf Maschinen oder Gehälter, lassen sich nach dem Verursachungsprinzip
direkt einer Kostenstelle zuordnen, während Kostenstellengemeinkosten, z.B. Raumkosten
oder Energiekosten, für mehrere Kostenstellen gemeinsam anfallen und über Schlüsselgrö-
ßen verteilt werden müssen. Das Ziel der Kostenstellenrechnung besteht darin, sämtliche
Kosten auf den Hauptkostenstellen, die direkt zu der Herstellung der Kostenträger beitragen,
zu sammeln. Dazu werden in der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung, dem zweiten
Schritt der Kostenstellenrechnung, die Kosten der vorgelagerten Hilfskostenstellen entspre-
chend ihrer Inanspruchnahme auf die Hauptkostenstellen verrechnet. In der Kostenträger-
rechnung bzw. Kalkulation werden dann die Hauptkostenstellen auf die Kostenträger abge-
rechnet und diese anteiligen Gemeinkosten mit den direkt abgerechneten Einzelkosten zu den
Produktkosten zusammengeführt.
4.3.3 Kostenartenrechnung
Die Kostenartenrechnung ist die erste Stufe der in Abb. 4.13 dargestellten Kostenrechnung,
sie gibt die Antwort auf die Frage:
Welche Kosten fallen an?
Ihre Aufgabe ist die systematische Erfassung aller in der Abrechnungsperiode angefallenen
Kosten in einem Kostenartenplan. Der Kostenartenplan ist eine unternehmensspezifische
Zusammenstellung der regelmäßig auftretenden Kostenarten; er ist ein wichtiges Hilfsmittel
bei der Kontierung und anschließenden Verbuchung der Kostenbelege. Die sorgfältige Auf-
stellung des Kostenartenplans ist eine wesentliche Voraussetzung für eine aussagekräftige
Kostenrechnung. Die Einteilung der Kostenarten muss nach den Grundsätzen der Reinheit
und Einheitlichkeit erfolgen, damit eine schnelle und einheitliche Zuordnung der anfallenden
Belege sichergestellt ist. Typischerweise orientiert sich die Gliederung der Kostenarten an
den eingesetzten Produktionsfaktoren, z.B. unterscheidet der Gemeinschaftskontenrahmen
der Industrie folgende Kontengruppen:
Materialeinzelkosten
Materialgemeinkosten
Kosten für Brennstoffe und Energie
Lohn- und Gehaltskosten
Sozialkosten und andere Personalkosten
Instandhaltungskosten und Fremdleistungen
1. Materialkosten
Unter der Kostenart Materialkosten werden die für den Einsatz von Roh-, Hilfs- und Be-
triebsstoffen, Zukaufteilen sowie Verbrauchsmaterial in der Produktion anfallenden Kosten
erfasst. Dabei lassen sich die Kosten des Materialeinsatzes in der Regel als Materialeinzel-
kosten den Produkten zuordnen, während die Kosten der Beschaffung, der Lagerung und der
Bereitstellung des Materials als Materialgemeinkosten anfallen.
Bei der Erfassung der Kosten des Materialverbrauchs sind zwei Teilprobleme zu lösen (vgl.
Abb. 4.14): Die Ermittlung des Mengengerüsts der Kosten greift auf die in der Materialab-
rechnung erfassten Verbrauchsdaten zurück, für die Bewertung des Materialverbrauchs wer-
den Daten aus der Finanzbuchhaltung herangezogen.
Materialkosten
Mengengerüst Wertgerüst
Planpreise
ventur) erfasst. Der Materialverbrauch zwischen zwei Stichtagen lässt sich dann wie folgt
ermitteln:
Verbrauch = Anfangsbestand + Zugänge – Endbestand
Diese Methode verursacht durch die häufigen Inventuren einen hohen Aufwand. Ihr we-
sentlicher Nachteil ist, dass zum einen im Materialverbrauch auch Unregelmäßigkeiten
wie Schwund, Verderb oder Diebstahl enthalten sind, zum anderen lässt sich der so er-
mittelte Gesamtverbrauch nicht mehr einzelnen Kostenstellen oder Kostenträgern zu-
rechnen.
Die Skontrationsmethode schreibt die bei der jährlichen Inventur ermittelten Materialbe-
stände fort. Die laufenden Materialzugänge werden durch Lieferscheine erfasst, die Mate-
rialabgänge durch Materialentnahmescheine, die eine eindeutige Zuordnung zur verbrau-
chenden Kostenstelle erlauben. Der Gesamtverbrauch einer Periode ergibt sich als Sum-
me der Entnahmemengen. Bestandsminderungen durch Unregelmäßigkeiten lassen sich
durch Vergleich des Buchbestands mit dem nächsten Inventurbestand erkennen. Die
Skontrationsmethode liefert detaillierte und exakte Verbrauchsdaten, erfordert allerdings
eine aufwändige Informationsverarbeitung.
Die retrograde Methode ermittelt den Materialverbrauch durch Rückrechnung aus dem
hergestellten Produktionsprogramm. Anhand der Stücklisten wird ermittelt, in welcher
Menge ein Teil in das Produkt eingeht, durch Multiplikation mit der Anzahl der herge-
stellten Produkte ergibt sich der Materialverbrauch. Da sowohl Stücklisten- als auch Pro-
duktionsprogramminformationen in einem Fertigungsunternehmen regelmäßig vorliegen,
sind diese Berechnungen schnell und einfach durchführbar, eine eindeutige Zurechnung
des Materialverbrauchs zu den verursachenden Kostenstellen und Kostenträgern ist mög-
lich. Ein Nachteil der Methode ist, dass sich Abweichungen vom Sollverbrauch, z.B.
durch Ausschuss, sowie Bestandsminderungen aufgrund von Unregelmäßigkeiten erst im
Rahmen der jährlichen Inventur erfassen lassen.
Die Bewertung des Materialverbrauchs kann mit Istpreisen, d.h. den gezahlten Anschaf-
fungspreisen, oder mit festen Planpreisen, die auf der Basis der Istpreise für einen längeren
Zeitraum vorgegeben werden, erfolgen. Planpreise bieten den Vorteil, dass sie eine konstan-
te, von Preisschwankungen unabhängige Kalkulationsgrundlage bieten. Bei der Verwendung
von Istpreisen tritt häufig das zusätzliche Problem auf, dass das eingesetzte Material nicht
direkt aus einer bestimmten Lieferung, sondern aus dem Lager entnommen wird, in dem sich
Bestände aus verschiedenen Lieferungen mit unterschiedlichen Preisen vermischen. In die-
sem Fall muss der Anschaffungspreis einer eingesetzten Materialmenge mithilfe eines der
folgenden Verbrauchsfolgeverfahren ermittelt werden, die den tatsächlichen Lagerabgang
möglichst gut widerspiegeln sollen:
Bei der FIFO-Methode (First in first out) wird unterstellt, dass die Bestände aus der am
längsten zurückliegenden Lieferung zuerst verbraucht werden. Dies ist z.B. bei der Lage-
rung in Silos oder in von der Rückseite befüllten Regalen der Fall.
Bei der LIFO-Methode (Last in first out) wird hingegen angenommen, dass die zuletzt
gelieferten Einheiten zuerst verbraucht werden. Dies tritt z.B. bei der Lagerung in einem
Stapel oder in von der Vorderseite befüllten Regalen auf.
Die HIFO-Methode (Highest in first out) geht davon aus, dass der Verbrauch zuerst aus
der zum höchsten Preis eingekauften Lieferung erfolgt. Diese Rechnung entspricht keiner
realen Verbrauchsfolge, sondern wird allenfalls aus bilanzpolitischen Gründen eingesetzt.
Dies ist jedoch nach deutschem Bilanzrecht nicht zulässig.
Falls sich die Bestände aus verschiedenen Lieferungen im Lager vollständig vermischen,
wie es z.B. bei Schüttgütern oder Flüssigkeiten der Fall ist, wird die Methode der gleiten-
den Durchschnitte angewendet. Bei jedem Lagerzugang Lneu wird ein neuer Durch-
schnittspreis ermittelt, indem man den gewichteten Mittelwert aus dem alten Durch-
schnittspreis p alt und dem Preis des neuen Lagerzugangs p neu berechnet:
p alt Lalt p neu Lneu
p neu
Lalt Lneu
2. Personalkosten
Zu den Personalkosten zählen sämtliche Kosten, die unmittelbar oder mittelbar im Zusam-
menhang mit dem Einsatz von Arbeitskräften anfallen (vgl. Abb. 4.15). Sie setzen sich aus
dem Arbeitsentgelt, das in Form von Löhnen, Gehältern, Zuschlägen z.B. für Überstunden
und Prämien gezahlt wird, und den Personalnebenkosten zusammen. Personalnebenkosten
sind insbesondere die Arbeitgeberanteile zu den verschiedenen Zweigen der Sozialversiche-
rung – der Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, Rentenversicherung, Pflegever-
sicherung und der vom Arbeitgeber allein getragenen Unfallversicherung. Weiter zählen
dazu freiwillig vom Unternehmen erbrachte Sozialleistungen wie Essenszuschüsse, Gratifi-
kationen, medizinische Dienste oder ein Betriebskindergarten sowie sonstige Personalneben-
kosten für Umzüge, Abfindungen usw. Das Statistische Bundesamt weist für das Jahr 2010
die Personalnebenkosten in Deutschland mit durchschnittlich 28% aus.
Die Personalkosten werden in der Lohnbuchhaltung mithilfe von Lohnscheinen, Akkord-
scheinen, Stempelkarten oder Gehaltslisten erfasst. Soweit es sich um Akkordlöhne oder um
separat erfasste Zeitlöhne handelt, lassen sie sich den Produkten direkt als Lohneinzelkosten
zurechnen; pauschal erfasste Zeitlöhne und Gehälter hingegen sind Fertigungsgemeinkosten,
die auf der entsprechenden Kostenstelle verbucht werden.
Neben den regelmäßig gezahlten Löhnen und Gehältern, die der Produktion in der Abrech-
nungsperiode zuzurechnen sind, leistet das Unternehmen unregelmäßige oder einmalige
Zahlungen z.B. in Form von Weihnachtsgeld, Lohnzahlungen während des Urlaubs, Lohn-
fortzahlung im Krankheitsfall, denen in der Periode der Auszahlung keine Leistungen gegen-
überstehen. Um auch diese Zahlungen verursachungsgerecht zu verrechnen, ist eine Perio-
denabgrenzung vorzunehmen. Dabei wird entweder durch eine Zwölftelung der Zahlungen
eine gleichmäßige Belastung der einzelnen Monate oder durch eine Verteilung proportional
Personalkosten
Personal-
Arbeitsentgelt
nebenkosten
3. Dienstleistungskosten
Zu den Dienstleistungskosten zählen sämtliche Zahlungen für Leistungen, die von fremden
Personen oder Institutionen erbracht werden, z.B.:
Reparatur-, Wartungs- und Instandhaltungskosten
Fracht- und Transportkosten
Versicherungsprämien
Bankgebühren
Gebühren für behördliche Leistungen
Beiträge zu Verbänden
Rechts- und Steuerberatungskosten
Kosten für Leistungen von Unternehmensberatungen oder Werbeagenturen
Telekommunikationskosten
Portokosten
Dienstleistungskosten lassen sich anhand von Zahlungsbelegen oder der Rechnungen erfas-
sen, mit denen der Dienstleister seine Forderungen geltend macht. Bei jährlich erfolgenden
Zahlungen für Leistungen, die über das Jahr hinweg in Anspruch genommen werden, ist eine
zeitliche Abgrenzung – analog zu den Sonderzahlungen bei den Personalkosten – erforder-
lich. Ein großer Teil der Dienstleistungskosten sind Gemeinkosten, eine direkte Zurechnung
auf Kostenträger ist lediglich bei den Transportkosten möglich, soweit sie als Sondereinzel-
kosten des Vertriebs erfasst werden.
5. Kalkulatorische Kosten
Kalkulatorische Kosten sind Kosten, denen in der Finanzbuchhaltung ein Aufwand in ande-
rer Höhe gegenübersteht (Anderskosten) oder die dort überhaupt nicht erfasst werden, da sie
nicht mit Auszahlungen verbunden sind (Zusatzkosten). Der Ansatz kalkulatorischer Kosten
ist in der Finanzbuchhaltung verboten, in der Kostenrechnung jedoch erforderlich, um den
für die Leistungserstellung tatsächlich angefallenen Werteverzehr korrekt zu erfassen. Die
wichtigsten kalkulatorischen Kostenarten sind kalkulatorische Abschreibungen, kalkulatori-
sche Zinsen und kalkulatorische Wagniskosten.
Abschreibungen dienen dazu, die Kosten des Einsatzes von Maschinen und anderen langle-
bigen Gebrauchsgütern korrekt zu erfassen, indem der durch die Nutzung eintretende Wert-
verlust verursachungsgerecht auf die Nutzungsperioden verteilt wird. Dieser Wertverlust
lässt sich auf folgende Abschreibungsursachen zurückführen, von denen in der Regel mehre-
re gemeinsam auftreten (vgl. Abb. 4.18):
Bei verbrauchsbedingten Abschreibungen nimmt das mit der Anlage verbundene Nut-
zungspotenzial ab. Technischer Verschleiß ist mit Abnutzung verbunden oder tritt als
Verschleiß am ruhenden Aggregat auf. Durch den Abbau z.B. von Bergwerken erfolgt
eine Substanzverringerung; Katastrophenverschleiß liegt vor, wenn eine Maschine z.B.
aufgrund eines Unfalls nicht mehr nutzbar ist.
Durch wirtschaftlich bedingte Abschreibungen wird die wertmäßige Verringerung des
Nutzungspotenzials einer Anlage erfasst. So kann es durch technischen Fortschritt zur
technischen Veralterung bzw. durch Nachfrageverschiebungen zur wirtschaftlichen
Veralterung einer Maschine kommen, die eine zusätzliche Abschreibung erforderlich
Abschreibungen
Zeitlich bedingte Abschreibungen sind erforderlich, wenn der Wertverlust der Anlage
durch den Ablauf von Nutzungsrechten eintritt, z.B. beim Ablauf eines Mietvertrags für
eine Maschinenhalle vor dem Ende der Nutzungsdauer der dort installierten Maschinen,
sowie beim Ablauf von Schutzrechten, Patenten oder Konzessionen.
Während bei den Abschreibungen in der Finanzbuchhaltung das Prinzip der nominellen
Kapitalerhaltung gilt und daher als Ausgangsbasis für die Berechnung der Abschreibungsbe-
träge die Anschaffungskosten vorgeschrieben sind, darf in der Kostenrechnung auf der Basis
von Wiederbeschaffungskosten abgeschrieben werden, die dem Prinzip der Substanzerhal-
tung entsprechen. Obwohl sich eine korrekte Erfassung des nutzungsbedingten Wertever-
zehrs am besten durch nutzungsabhängige Abschreibungen, die sich auf den in der Abrech-
nungsperiode in Anspruch genommenen Anteil am Gesamtnutzungspotenzial der Anlage
beziehen, erreichen lässt, wird in der Regel aus Vereinfachungsgründen eine zeitabhängige
Abschreibung vorgenommen. Dazu ist eine Abschätzung der voraussichtlichen Nutzungs-
dauer sowie eine Vorstellung vom Verlauf des Werteverzehrs erforderlich.
Die beiden gebräuchlichsten Abschreibungsmethoden sind die lineare Abschreibung und die
geometrisch-degressive Abschreibung. Die lineare Abschreibung geht davon aus, dass der
Werteverzehr gleichmäßig über die Nutzungsdauer verläuft. Daher wird in jeder Periode ein
konstanter Betrag d als Abschreibung verbucht, der sich wie folgt aus dem Anschaffungs-
preis A0 und einem eventuellen Restwert R zum Ende der Nutzungsdauer T berechnet:
A0 R
d
T
Der Buchwert Bt , mit dem die Anlage zum Zeitpunkt t in den Unterlagen geführt wird, hat
damit einen linear fallenden Verlauf:
Bt A0 t d t 1,..., T
Bei der geometrisch-degressiven Abschreibung wird angenommen, dass der Wertverlust der
Anlage in den ersten Nutzungsperioden am höchsten ist und im Zeitablauf gleichmäßig ab-
nimmt. Die Abschreibungsbeträge d t werden daher als konstanter Prozentsatz q des Buch-
werts am Periodenanfang berechnet. Der Buchwert Bt fällt gemäß einer geometrischen Rei-
he. Für viele Anlagegegenstände, z.B. für Kraftfahrzeuge, ist eine solche Wertentwicklung
als realistisch anzusehen.
d t q Bt 1 t 1,..., T
Bt A0 1 q t t 1,..., T
In Tab. 4.3 ist die Entwicklung der Abschreibungsbeträge und des Restbuchwerts für das
folgende Beispiel angegeben: Der Anschaffungspreis einer Anlage beträgt 20.000 €, die
Nutzungsdauer 8 Jahre, ein nennenswerter Restwert wird nicht erwartet. Als Abschreibungs-
satz für die geometrisch-degressive Abschreibung werden 25% zugrunde gelegt.
Geometrisch-degressive
Periode Lineare Abschreibung Gemischte Abschreibung
Abschreibung
T dt Bt dt Bt dt Bt
1 2.500 € 17.500 € 5.000,00 € 15.000,00 € 5.000,00 € 15.000,00 €
2 2.500 € 15.000 € 3.750,00 € 11.250,00 € 3.750,00 € 11.250,00 €
3 2.500 € 12.500 € 2.812,50 € 8.437,50 € 2.812,50 € 8.437,50 €
4 2.500 € 10.000 € 2.109,38 € 6.328,12 € 2.109,38 € 6.328,12 €
5 2.500 € 7.500 € 1.582,03 € 4.746,09 € 1.582,03 € 4.746,09 €
6 2.500 € 5.000 € 1.186,52 € 3.559,57 € 1.582,03 € 3.164,06 €
7 2.500 € 2.500 € 889,89 € 2.669,68 € 1.582,03 € 1.582,03 €
8 2.500 € 0€ 667,42 € 2.002,26 € 1.582,03 € 0€
Abb. 4.17 stellt die Entwicklung des Buchwerts bei den beiden Abschreibungsmethoden
einander gegenüber.
Bt
20.000
Lineare Abschreibung
Geometrisch-degressive
Abschreibung
t
1 2 3 4 5 6 7 8
Wie dieses Beispiel verdeutlicht, sind die Abschreibungsbeträge bei der geometrisch-
degressiven Abschreibung zu Beginn der Nutzungsdauer deutlich höher als bei der linearen
Abschreibung, fallen dann aber recht schnell ab. Weiter lässt sich das mit der geometrisch-
degressiven Abschreibung verbundene Problem erkennen, dass der Restwert innerhalb der
Nutzungsdauer nicht bis auf Null absinkt. Als Lösung dieses Problems bietet es sich an, nach
einigen Perioden zur linearen Abschreibung des Restwerts zu wechseln. Diese als gemischte
Abschreibung bezeichnete Vorgehensweise ist in der dritten Spalte von Tab. 4.3 dargestellt,
wobei im vorliegenden Beispiel der Wechsel der Abschreibungsmethode nach der vierten
Periode erfolgt. Ein solcher Wechsel der Abschreibungsmethode ist nur einmal und nicht von
der linearen zur degressiven Abschreibung zulässig.
Kalkulatorische Zinsen dienen der verursachungsgerechten Verrechnung von Kapitalkosten,
die für die Kapitalbindung im Umlauf- und Anlagevermögen angesetzt werden müssen.
Auch wenn das Anlagevermögen tendenziell mit Eigenkapital finanziert werden sollte und
einige Kredite in engem Zusammenhang mit bestimmten Investitionsmaßnahmen stehen,
dient doch letztlich die Gesamtheit der Finanzierungsmaßnahmen der Bereitstellung des für
die Gesamtheit der Investitionen benötigten Kapitals (vgl. Abschnitt 3.2.4). Daher wird für
die Berechnung der kalkulatorischen Zinsen ein einheitlicher kalkulatorischer Zinssatz zu-
grunde gelegt. Dieser kann sich an der im Unternehmen geforderten Mindestrendite, am
Kapitalmarktzins oder am durchschnittlich gezahlten Fremdkapitalzins orientieren. Bei einer
Marginalbetrachtung würde man den Zinssatz des teuersten in Anspruch genommenen Kre-
dits heranziehen, nach dem Opportunitätskostenprinzip die potenzielle Rendite der besten,
nicht mehr realisierten Kapitalanlage.
Der Gesamtbetrag der kalkulatorischen Zinsen wird berechnet, indem man den kalkulatori-
schen Zinssatz mit dem betriebsnotwendigen Kapital, das aus dem betriebsnotwendigen
Vermögen abgeleitet wird, multipliziert. Die einem einzelnen Vermögensgegenstand zuzu-
rechnenden kalkulatorischen Zinsen ergeben sich durch Multiplikation des kalkulatorischen
Zinssatzes mit dem in dem Vermögensgegenstand gebundenen Kapital. Dieses entspricht
beim Anlagevermögen der durchschnittlichen Kapitalbindung, die sich als Mittelwert der
Buchwerte zum Beginn und zum Ende der Periode ergibt. Beim Umlaufvermögen wird das
gebundene Kapital berechnet, indem man den durchschnittlichen Periodenbestand mit dem
aktuellen Preis bewertet.
Eine weitere kalkulatorische Kostenart sind die kalkulatorischen Wagniskosten. Unter einem
Wagnis versteht man ein Risiko, das zu einem sowohl zeitlich als auch in der Höhe unvor-
hersehbaren Werteverzehr führt. Neben dem allgemeinen Unternehmerwagnis, das durch den
Gewinn des Unternehmens abgegolten wird und daher nicht in der Kostenrechnung erfasst
werden sollte, sind für das Unternehmen folgende Einzelwagnisse von Bedeutung:
Das Bestandswagnis bezieht sich auf die Gefahr, dass Lagerverluste durch Schwund,
Verderb oder Diebstahl auftreten oder dass ein Lagerbestand aufgrund eines Preisverfalls
entwertet wird.
Das Gewährleistungswagnis resultiert aus der Tatsache, dass sich die zukünftigen Kosten
für Qualitätsmängel oder Konstruktionsfehler nicht exakt prognostizieren lassen.
Ein Anlagenwagnis beruht auf der Gefahr, dass eine Anlage vorzeitig aus dem Betrieb
ausscheidet, d.h. die Nutzungsdauer von Maschinen und anderen Anlagen zu lang ange-
setzt wurde.
Vertriebswagnisse entstehen durch die Möglichkeit von Forderungsausfällen.
Ein Entwicklungswagnis wird durch den möglichen Fehlschlag von Forschungs- und
Entwicklungsprojekten begründet.
Einige dieser Wagnisse lassen sich durch eine Versicherung abdecken, für die dann auf-
wandsgleiche Kosten anfallen. Für die nicht versicherbaren oder bewusst nicht versicherten
Risiken werden kalkulatorische Wagniskosten angesetzt, um die unregelmäßig auftretenden
Aufwendungen für tatsächlich eingetretene Schäden, die in ihrer tatsächlichen Höhe perio-
dengenau in der Finanzbuchhaltung erfasst werden, in der Kostenrechnung gleichmäßig auf
die Perioden zu verteilen. Der Ansatz der Wagniskosten erfolgt entweder nach dem Oppor-
tunitätskostenprinzip in Höhe der ersparten Versicherungskosten oder aufgrund von statis-
tisch ermittelten Erfahrungswerten.
Die in der Kostenartenrechnung erfassten Kosten werden wie folgt verrechnet: Einzelkosten,
die sich eindeutig bestimmten Produkten zurechnen lassen, werden direkt auf die entspre-
chenden Kostenträger verrechnet. Gemeinkosten hingegen, die lediglich in mittelbarer Be-
ziehung zu einzelnen Produkten stehen, werden an die nächste Stufe der Kostenrechnung, die
Kostenstellenrechnung, weitergeleitet (vgl. nochmals Abb. 4.13).
Während die Unterscheidung der Kosten in variable Kosten und Fixkosten nach der Abhän-
gigkeit von der Produktionsmenge bzw. anderen Entscheidungen erfolgt (vgl. Abschnitt
4.3.1), wird die Einteilung in Einzel- und Gemeinkosten nach ihrer Zurechenbarkeit vorge-
nommen. Dabei gilt, dass Einzelkosten immer zugleich variable Kosten sind und Fixkosten
immer zu Gemeinkosten führen. Jedoch lässt sich ein Teil der variablen Kosten nicht direkt
auf die Produkte verrechnen und muss daher als Gemeinkosten in der Kostenstellenrechnung
verteilt werden. Den Zusammenhang zwischen diesen Begriffsebenen zeigt Abb. 4.18.
Kriterium
Entscheidungs-
Einzelkosten Gemeinkosten
abhängigkeit
Zurechen-
variable Kosten Fixkosten
barkeit
4.3.4 Kostenstellenrechnung
Die Kostenstellenrechnung als zweite Stufe der Kostenrechnung hat die Aufgabe, die in einer
Abrechnungsperiode angefallenen Gemeinkosten so auf die Kostenstellen zu verteilen, dass
sich Verrechnungssätze für innerbetriebliche Leistungen und Kalkulationssätze für nach
außen abgegebene Leistungen ermitteln lassen. Sie antwortet auf die Frage:
Wo fallen die Kosten an?
Unter einer Kostenstelle versteht man einen räumlich oder organisatorisch abgegrenzten
betrieblichen Teilbereich, dem die Verantwortung für die dort entstehenden und eindeutig
zurechenbaren Kosten übertragen wird. Voraussetzung für die Durchführung einer aussage-
kräftigen Kostenstellenrechnung ist – ähnlich wie bei der Kostenartenrechnung – die Aufstel-
lung eines auf die betrieblichen Bedürfnisse abgestimmten Kostenstellenplans. Die Eintei-
lung des Unternehmens in Kostenstellen sollte so erfolgen, dass keine Kompetenzüber-
schneidungen auftreten und sich jeweils Schlüsselgrößen ermitteln lassen, die die Kostenver-
ursachung möglichst genau widerspiegeln. Im Prinzip ist eine beliebig detaillierte Gliederung
bis hin zu einzelnen Arbeitsplätzen (Kostenplätzen) möglich, so dass eine sehr genaue Kos-
tenkontrolle erfolgen kann, jedoch bildet die Wirtschaftlichkeit der Kostenrechnung eine
Grenze für die Feinheit der Gliederung.
Üblicherweise werden in einem funktional gegliederten Industrieunternehmen die Kostenbe-
reiche Material, Fertigung, Vertrieb und Verwaltung unterschieden, die jeweils weiter in
einzelne Kostenstellen unterteilt werden. Nach der Art der Weiterverrechnung der einer
Kostenstelle zugewiesenen Kosten unterscheidet man:
Haupt- bzw. Endkostenstellen erbringen ihre Leistungen zum großen Teil für die am
Markt verwertbaren Endprodukte, zum Teil auch in Form von innerbetrieblichen Leis-
tungen; die auf ihnen gesammelten Kosten werden in der Kostenträgerrechnung abge-
rechnet.
Durch die Verteilung der primären Gemeinkosten werden die einzelnen Kostenstellen mit
den Kosten der von ihnen in Anspruch genommenen, von außen bezogenen Leistungen be-
lastet. Im zweiten Schritt der Kostenstellenrechnung, der innerbetrieblichen Leistungsver-
rechnung, werden anschließend die als sekundäre Gemeinkosten bezeichneten Kosten der
Hilfskostenstellen entsprechend den innerbetrieblichen Lieferbeziehungen auf die Hauptkos-
tenstellen verrechnet (vgl. nochmals Abb. 4.13). Diese Umlage erfolgt mithilfe von innerbe-
trieblichen Verrechnungspreisen, die im Rahmen der innerbetrieblichen Leistungsverrech-
nung ermittelt werden. Die innerbetriebliche Leistungsverrechnung ist umso aufwändiger, je
komplexer die gegenseitigen Lieferbeziehungen zwischen den Kostenstellen sind.
Für die innerbetriebliche Leistungsverrechnung stehen drei Verfahren zur Verfügung, die
jeweils anhand des in Tab. 4.5 angegebenen Beispiels veranschaulicht werden. Die bereits im
vorhergehenden Beispiel eingeführten Kostenbereiche Material, Fertigung, Verwaltung und
Vertrieb nehmen in unterschiedlichem Umfang Leistungen der beiden Hilfskostenstellen
Kraftwerk, gemessen in Megawattstunden, und Instandhaltung, gemessen in Arbeitsstunden,
in Anspruch; auch zwischen den Hilfskostenstellen bestehen gegenseitige Lieferbeziehun-
gen. Das Ziel der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung besteht darin, die primären Ge-
meinkosten der beiden Hilfskostenstellen entsprechend der Inanspruchnahme auf die Haupt-
kostenstellen abzurechnen.
Leistungsabgabe
Primäre Kraftwerk Instandhaltung
Gemeinkosten [MWh] [ h]
Kraftwerk 49.000 0 50
Instandhaltung 5.000 100 0
Material 38.500 150 100
Fertigung 98.000 650 300
Verwaltung 31.700 50 20
Vertrieb 51.800 50 30
Summe 274.000 1.000 500
1. Anbauverfahren
Das Anbauverfahren geht von der stark vereinfachenden Annahme aus, dass keine innerbe-
trieblichen Lieferbeziehungen bestehen. Daher werden die primären Gemeinkosten der
Hilfskostenstellen direkt auf die Hauptkostenstellen verrechnet, ein – wie im Beispiel – tat-
sächlich bestehender Leistungsaustausch zwischen den Kostenstellen wird vernachlässigt.
Die mit diesem Verfahren ermittelten Verrechnungspreise weichen umso mehr von den tat-
sächlichen Werten ab, je ausgeprägter die vernachlässigten Lieferbeziehungen sind. Der
Verrechnungspreis einer innerbetrieblichen Leistung wird ermittelt, indem man die der Kos-
tenstelle zugeordneten primären Gemeinkosten durch die von ihr an die Hauptkostenstellen
abgegebenen Leistungseinheiten dividiert:
primäre Gemeinkosten
Verrechnungspreis
Leistung an Hauptkostenstellen
Für das in Tab. 4.5 angegebene Beispiel lautet der Verrechnungspreis des Kraftwerks:
49.000
qK 54,44 € / MWh
900
Der Verrechnungspreis für die Instandhaltung beträgt:
5.000
qI 11,11 € / h
450
Das Anbauverfahren ist ein recht grobes Näherungsverfahren, das in vielen Fällen nur sehr
ungenaue Verrechnungspreise liefert.
2. Stufenleiterverfahren
Das Stufenleiterverfahren berechnet die innerbetrieblichen Verrechnungspreise schrittweise,
indem zunächst die Kostenstellen abgerechnet werden, die keine oder nur wenige Leistungen
von anderen, noch nicht abgerechneten Kostenstellen empfangen. Bei der Ermittlung des
Verrechnungspreises einer Kostenstelle werden die Leistungen der bereits abgerechneten
Kostenstellen mit ihren innerbetrieblichen Verrechnungspreisen bewertet und zu den primä-
ren Gemeinkosten der Kostenstelle hinzugefügt, die von noch nicht abgerechneten Kosten-
stellen empfangenen Leistungen hingegen werden vernachlässigt. Daher sind die mit dem
Stufenleiterverfahren ermittelten Verrechnungspreise umso genauer, je besser es gelingt, die
Kostenstellen entsprechend dem Umfang der von ihnen empfangenen innerbetrieblichen
Leistungen anzuordnen. Da sich bei dem in Tab. 4.5 angegebenen Beispiel die beiden Hilfs-
kostenstellen gegenseitig beliefern, können die Verrechnungspreise lediglich näherungsweise
bestimmt werden. Im vorliegenden Beispiel sind zwei Vorgehensweisen möglich, indem
zuerst das Kraftwerk oder zuerst die Instandhaltungsstelle abgerechnet wird.
Beginnt man mit dem Kraftwerk, so wird dessen Verrechnungspreis berechnet, indem man
die primären Gemeinkosten durch die gesamte an andere Kostenstellen abgegebene Leistung
dividiert:
49.000
qK 49,00 € / MWh
1.000
Bei der Ermittlung des Verrechnungspreises für die Instandhaltungsstelle ist zu berücksichti-
gen, dass diese 100 MWh Strom vom Kraftwerk erhält. Die vom Kraftwerk in Anspruch
genommenen 50 Reparaturstunden können diesem jedoch nicht mehr angelastet werden, da
es bereits abgerechnet ist. Daher werden im Zähler die bewerteten Kraftwerksleistungen zu
den primären Gemeinkosten addiert, im Nenner wird die Gesamtleistung um die Leistung an
das Kraftwerk reduziert:
5.000 49 100
qI 22,00 € / h
500 50
Rechnet man die Instandhaltungsstelle zuerst ab, so lautet der Verrechnungspreis:
5.000
qI 10,00 € / h
500
Der Verrechnungspreis des Kraftwerks ergibt sich als:
49.000 10 50
qK 55,00 € / MWh
1.000 100
Offensichtlich hängen die mit dem Stufenleiterverfahren ermittelten innerbetrieblichen Ver-
rechnungspreise davon ab, in welcher Reihenfolge die Hilfskostenstellen abgerechnet wer-
den. Da man bei komplexen innerbetrieblichen Lieferbeziehungen im Voraus nicht über-
blickt, in welcher Richtung der Leistungsaustausch den größeren Umfang hat, besteht die
Gefahr, mit Verrechnungspreisen zu operieren, die weit von den exakten Werten entfernt
sind.
3. Gleichungsverfahren
Einen exakten Lösungsweg zur Bestimmung innerbetrieblicher Verrechnungspreise für den
allgemeinen Fall, dass ein gegenseitiger Leistungsaustausch zwischen den Hilfskostenstellen
vorliegt, bietet das Gleichungsverfahren, das die Preise mithilfe eines linearen Gleichungs-
systems ermittelt. Für jede abzurechnende Kostenstelle wird eine Gleichung nach dem Prin-
zip der exakten Kostenüberwälzung aufgestellt:
q I 20 € / h
Wie man sieht, hat sich die Summe der Gemeinkosten nicht verändert, jedoch sind nunmehr
die beiden Hilfskostenstellen entlastet und die vier Hauptkostenstellen gemäß ihrer Inan-
spruchnahme mit deren Kosten belastet worden. Die in der letzten Zeile gesammelten Kosten
werden in der sich anschließenden Kostenträgerrechnung auf die betrieblichen Leistungen
abgerechnet.
Zur übersichtlichen Darstellung der beiden Schritte der Kostenstellenrechnung – Verteilung
der primären Gemeinkosten und innerbetriebliche Leistungsverrechnung – sowie zur Ver-
knüpfung von Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung lässt sich der Betriebsabrechnungs-
bogen einsetzen. Dabei handelt es sich um eine Tabelle, in der zeilenweise die Kostenarten
und spaltenweise die Kostenstellen, sortiert nach Hilfs- und Hauptkostenstellen, aufgeführt
sind. Die Bearbeitung dieser Tabelle kann mit den üblichen Tabellenkalkulationsprogram-
men erfolgen. Der prinzipielle Aufbau eines Betriebsabrechnungsbogens ist in Abb. 4.19
dargestellt, dabei wird für die innerbetriebliche Leistungsverrechnung aus Gründen der An-
schaulichkeit das Stufenleiterverfahren verwendet.
auf Kostenstellen
Summe
Primäre
Verteilung der
Kostenstellen- indirekt
Kostenarten
gemeinkosten
auf Kostenstellen
Summe
Summe Kostenarten
Gemeinkosten
Sekundäre
Innerbetriebliche
Leistungs-
verrechnung
Summe der Stellenkosten х х х х
Kalkulationssätze
Im oberen Teil des Betriebsabrechnungsbogens werden die primären Gemeinkosten auf die
Kostenstellen verteilt, wobei zwischen den direkt zurechenbaren Kostenstelleneinzelkosten
und den indirekt, d.h. über eine Schlüsselung zu verteilenden Kostenstellengemeinkosten
unterschieden wird. Die anschließend auf den Kostenstellen ausgewiesenen Kosten stellen
sekundäre Gemeinkosten dar, die für die Hilfskostenstellen im Rahmen der innerbetriebli-
chen Leistungsverrechnung entsprechend der Inanspruchnahme auf die Hauptkostenstellen
umzulegen sind. Die nunmehr auf den Hauptkostenstellen gesammelten Kosten dienen als
Grundlage für die Bildung von Kalkulationssätzen in der Kostenträgerrechnung sowie für die
Ermittlung von Unter- bzw. Überdeckungen bei einem kostenstellenbezogenen Soll/Ist-
Vergleich.
4.3.5 Kostenträgerrechnung
In der Kostenträgerrechnung als der dritten und letzten Stufe der Kostenrechnung erfolgt die
Kalkulation der Herstell- bzw. Selbstkosten der im Unternehmen hergestellten Produkte. Sie
antwortet auf die Frage:
Wofür fallen die Kosten an?
4.3.5.1 Divisionskalkulation
Das Prinzip der Divisionskalkulation besteht darin, dass die Gesamtkosten des Unterneh-
mens oder eines Abrechnungsbereichs durch die Anzahl der hergestellten Produkte dividiert
werden. Dabei ist keine Differenzierung der Kosten in Einzel- und Gemeinkosten und damit
auch keine Kostenstellenrechnung erforderlich. Der Anwendungsbereich dieses Kalkulati-
onsverfahrens ist die Massenfertigung, bei der ein einheitliches Produkt in großen Stückzah-
len erzeugt wird. Man unterscheidet die einfache Divisionskalkulation, die für einstufige
Produktionsprozesse ohne Lagerbestandsveränderungen eingesetzt wird, und die mehrstufige
Divisionskalkulation, die sich auch für mehrstufige Produktionsprozesse mit Lagerbestands-
veränderungen auf den einzelnen Stufen eignet.
Die Vorgehensweise der einfachen Divisionskalkulation lässt sich an dem folgenden Beispiel
veranschaulichen: In einem Kalksandsteinwerk wurden im Monat Mai 6.000 m3 Kalksand-
steine hergestellt. Dabei sind Gesamtkosten in Höhe von 120.000 € angefallen. Die Kosten je
m3 Kalksandstein betragen:
120.000
k 20,00 € / m 3
6.000
Bei diesen Kosten handelt es sich um einen Vollkostensatz, da bei der Berechnung sämtliche
Kosten, also auch die Fixkosten, auf die Produktionsmenge umgelegt werden. Aufgrund der
restriktiven Voraussetzungen und der beschränkten Informationsverarbeitung findet die Di-
visionskalkulation allenfalls in sehr kleinen Unternehmen oder für Teilbereiche der Ferti-
gung Anwendung.
4.3.5.2 Äquivalenzziffernkalkulation
Die Äquivalenzziffernkalkulation ist eine Erweiterung der Divisionskalkulation für den Fall,
dass ein Unternehmen mehrere, fertigungstechnisch miteinander verwandte Produkte her-
stellt. Dies ist insbesondere bei der Sortenfertigung der Fall, bei der mehrere Produkte durch
Differenzierung innerhalb einer Produktlinie entstehen. Eine Äquivalenzziffer gibt an, in
welchem Verhältnis die Kosten einer Produktvariante zu den Kosten eines Standardprodukts
stehen. Dem Standardprodukt wird die Äquivalenzziffer 1 zugeordnet. Die Festlegung der
Standardsorte und die Bestimmung der Äquivalenzziffern werden nicht in jeder Abrech-
nungsperiode erneut vorgenommen, sondern erfolgen für einen längeren Zeitraum. Das Ver-
fahren geht wie folgt vor:
Die in der Abrechnungsperiode produzierten Mengen der verschiedenen Produktvarian-
ten werden mit ihren Äquivalenzziffern multipliziert, um eine einheitliche Bemessungs-
grundlage für die Kosten zu erhalten.
Die Durchschnittskosten des Standardprodukts werden berechnet, indem man die Ge-
samtkosten durch die Summe der in das Standardprodukt umgerechneten Produktions-
mengen dividiert.
Die Stückkosten der einzelnen Produktvarianten ergeben sich, indem man den Durch-
schnittskostensatz mit den jeweiligen Äquivalenzziffern multipliziert.
Die Vorgehensweise der Äquivalenzziffernkalkulation wird an folgendem Beispiel verdeut-
licht: In einem Glaswerk werden in einem technisch identischen Fertigungsprozess Geträn-
keflaschen in den Farben weiß, grün und braun aus Altglas unter Zugabe von Primärrohstof-
fen hergestellt. Während für die Herstellung von braunem Glas Altglas in beliebigen Farben
eingesetzt werden kann, stellt weißes Glas die höchsten Anforderungen an die Sortenreinheit
des Altglases bzw. erfordert den höchsten Anteil an Primärrohstoffeinsatz. Grünes Glas liegt
bezüglich seiner Anforderungen zwischen braunem und weißem Glas. Definiert man braunes
Glas als Standardsorte mit der Äquivalenzziffer 1, so ergeben sich Äquivalenzziffern von 1,2
für grünes Glas und von 1,5 für weißes Glas. Im Monat August wurden 200 t braunes Glas,
250 t grünes Glas und 100 t weißes Glas hergestellt, die Gesamtkosten betragen 32.500 €.
Die in die Standardsorte transformierten Produktionsmengen betragen:
Braunes Glas: 200 t 1,0 200 t
Durch Multiplikation dieses Kostensatzes mit den Äquivalenzziffern erhält man die Kosten
je Tonne für die verschiedenen Sorten:
Braunes Glas: 50 1,0 50 € / t
Ähnlich wie die Divisionskalkulation lässt sich die Äquivalenzziffernkalkulation auch als
mehrstufige Rechnung durchführen, wobei auf jeder Produktionsstufe unterschiedliche
Äquivalenzziffern verwendet werden können. Auch bei diesem Kalkulationsverfahren han-
delt es sich um eine Vollkostenrechnung.
4.3.5.3 Zuschlagskalkulation
Die Zuschlagskalkulation ist ein Kalkulationsverfahren für die Einzel- und Serienfertigung.
Dieser Fertigungstyp ist durch eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte gekennzeichnet, die
auf unterschiedlichen Wegen durch die Fertigung laufen, verschiedene Maschinen in unter-
schiedlichem Umfang in Anspruch nehmen und in verschiedenen Fertigstellungsgraden und
wechselnden Mengen auf Lager genommen werden können. Die einzelnen Produkte weisen
unterschiedliche Einzelkosten auf, die als Zuschlagsbasis für die Verrechnung der Gemein-
kosten dienen. Abb. 4.20 zeigt das Kalkulationsschema der Zuschlagskalkulation. Hierbei
werden die Gemeinkosten der vier Bereiche Material, Fertigung, Verwaltung und Vertrieb
anhand von wertmäßigen Bezugsgrößen mit einheitlichen Zuschlagssätzen auf die Einzelkos-
ten aufgeschlagen.
Den Ausgangspunkt der Zuschlagskalkulation bilden die einem Produkt eindeutig zurechen-
baren Materialeinzelkosten und Lohneinzelkosten. Zu den Materialeinzelkosten wird mittels
eines einheitlichen Zuschlagssatzes, der als Verhältnis der Materialgemeinkosten zu den
gesamten Materialeinzelkosten ermittelt wird, ein Materialgemeinkostenzuschlag addiert,
wodurch sich die Materialkosten des Produkts ergeben. Ähnlich wird zu den Lohneinzelkos-
ten ein prozentualer Zuschlag für die Fertigungsgemeinkosten addiert. Berücksichtigt man
zusätzlich die eventuell anfallenden Sondereinzelkosten der Fertigung, so erhält man die
Fertigungskosten des Produkts. Sondereinzelkosten der Fertigung sind z.B. Kosten für die
Anfertigung einer Konstruktion oder von Werkzeugen für einen Auftrag, die sich dem Auf-
trag insgesamt, aber nicht der einzelnen Produkteinheit zurechnen lassen. Die Summe aus
Materialkosten und Fertigungskosten bezeichnet man als Herstellkosten, diese werden z.B.
als Wertansatz für Lagerbestände verwendet. Gleichzeitig dienen die Herstellkosten als Zu-
schlagsbasis für die Verrechnung von Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten, deren Zu-
schlagssätze ebenfalls wie oben beschrieben gebildet werden. Die Summe aus Herstellkos-
ten, Verwaltungsgemeinkosten, Vertriebsgemeinkosten und Sondereinzelkosten des Ver-
triebs, z.B. den für einen Auftrag anfallenden Versandkosten, gibt die Selbstkosten des Pro-
dukts an, die häufig als Preisuntergrenze angesehen werden.
Zuschlagsbasis
Materialeinzelkosten
+ Materialgemeinkosten Materialeinzelkosten
= Materialkosten
Lohneinzelkosten
+ Fertigungsgemeinkosten Lohneinzelkosten
+ Sondereinzelkosten der Fertigung
= Fertigungskosten
Materialkosten
+ Fertigungskosten
= Herstellkosten
+ Verwaltungsgemeinkosten Herstellkosten
+ Vertriebsgemeinkosten Herstellkosten
+ Sondereinzelkosten des Vertriebs
= Selbstkosten
Zur Veranschaulichung der Zuschlagskalkulation wird das Beispiel aus Abschnitt 4.3.4,
anhand dessen die innerbetriebliche Leistungsverrechnung dargestellt wurde, fortgesetzt,
indem die Zuschlagssätze, die Herstellkosten und die Selbstkosten eines Auftrags berechnet
werden. Die dem Materialbereich in der Kostenstellenrechnung zugeordneten Materialge-
meinkosten betragen 48.000 € (vgl. Tab. 4.6). Daneben sind den Produkten eindeutig zure-
chenbare Materialeinzelkosten – d.h. Kosten für Rohstoffe, Hilfsstoffe und Bauteile – in
Höhe von insgesamt 192.000 € angefallen. Somit beträgt der Zuschlagssatz für die von je-
dem Produkt zu tragenden anteiligen Materialgemeinkosten:
48.000
25%
192.000
Den Fertigungsgemeinkosten von 136.500 € (vgl. Tab. 4.6) stehen Lohneinzelkosten in Höhe
von 682.500 € gegenüber, so dass der Zuschlagssatz für die Fertigungsgemeinkosten lautet:
136.500
20%
682.500
Die Herstellkosten eines Auftrags, für den 100 € Materialeinzelkosten und 500 € Lohnein-
zelkosten angefallen sind, betragen:
Materialkosten: 100 € + 25% = 125 €
Fertigungskosten: 500 € + 20% = 600 €
Herstellkosten: 125 € + 600 € = 725 €
Die Zuschlagssätze für die Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten erhält man, indem man
die Verwaltungs- bzw. die Vertriebsgemeinkosten aus Tab. 4.6 durch die Summe der Her-
stellkosten (Materialeinzel- und -gemeinkosten, Lohneinzel- und Fertigungsgemeinkosten),
die in diesem Fall 1.059.000 € beträgt, dividiert.
34.600
Zuschlagssatz für Verwaltungsgemeinkosten: 3,27%
1.059.000
54.900
Zuschlagssatz für Vertriebsgemeinkosten: 5,18%
1.059.000
Anhand dieser Zuschlagssätze lassen sich die auf den Auftrag entfallenden Zuschläge für die
Verwaltungs- und Vertriebskosten berechnen:
Verwaltungskosten: 3,27% von 725 € 23,71 €
Vertriebskosten: 5,18% von 725 € 37,56 €
Da für den Auftrag keine Sondereinzelkosten anfallen, ergeben sich seine Selbstkosten als
Summe aus den Herstellkosten und den anteiligen Verwaltungs- und Vertriebskosten:
725 € + 23,71 € + 37,56 € = 786,27 €
Die Selbstkosten je Stück erhält man, indem man diese Kosten durch die bei dem Auftrag
hergestellte Produktionsmenge dividiert.
Bei der hier vorgestellten Zuschlagskalkulation werden die Gemeinkosten anhand einheitli-
cher Zuschlagssätze verteilt, d.h. es wird ein proportionaler Zusammenhang zwischen den
jeweiligen Einzel- und Gemeinkosten unterstellt. Ist diese Annahme nicht mit hinreichender
Näherung erfüllt, so kann die Bezugsgrößenkalkulation verwendet werden. Diese verfeinert
die Vorgehensweise der Zuschlagskalkulation, indem sie für jede Kostenstelle separate Zu-
schlagssätze anhand unterschiedlicher Bezugsgrößen ermittelt. Dadurch soll sich die Vertei-
lung der Gemeinkosten noch stärker am Verursachungsprinzip orientieren. Als Bezugsgrö-
ßen kommen nicht nur Wertgrößen wie bei der Zuschlagskalkulation in Betracht, sondern
auch Mengen- oder Zeitgrößen. Während die Zuschlagskalkulation notwendigerweise zu
einer Vollkostenrechnung führt, lässt sich die Bezugsgrößenkalkulation auch im Rahmen
einer Teilkostenrechnung anwenden.
Die Kostenträgerrechnung dient bei der Vorkalkulation dazu, anhand der voraussichtlich
anfallenden Kosten den Angebotspreis für einen Auftrag festzulegen. Die bei der Nachkalku-
lation ermittelten Selbstkosten der Produkte werden häufig als Untergrenze für den am Markt
zu verlangenden Preis angesehen. Der Listenpreis wird dann ermittelt, indem man auf die
Selbstkosten den im Unternehmen üblichen Gewinnzuschlag aufschlägt. Bei einem Gewinn-
zuschlag von 5% würde der oben kalkulierte Auftrag dem Kunden zu folgendem Preis ange-
boten:
786,27 € + 5% = 825,58 €
Je nach Anwendungsbereich kommen die folgenden Preisuntergrenzen zum Einsatz:
4.3.6 Betriebsergebnisrechnung
Die letzte Stufe der Kostenrechnung ist die Betriebsergebnisrechnung. Diese kurzfristige
Erfolgsrechnung hat die Aufgabe, den in der Abrechnungsperiode erzielten Betriebserfolg
durch Gegenüberstellung der angefallenen Erlöse und Kosten zu ermitteln. Durch eine an-
schließende Analyse des Betriebserfolgs lassen sich erfolgreiche und weniger lohnende Pro-
dukte ermitteln und andere Informationen für kurz- bis mittelfristige Entscheidungen bereit-
stellen. In Abhängigkeit vom Informationsbedarf und vom eingesetzten Kostenrechnungssys-
tem lässt sich die Betriebsergebnisrechnung nach einem der beiden folgenden Verfahren
durchführen:
4.3.6.1 Gesamtkostenverfahren
Das Gesamtkostenverfahren ist eine Produktionsrechnung, die den gesamten in der Abrech-
nungsperiode erzielten Erlösen die gesamten Kosten, gegliedert nach Kostenarten, gegen-
überstellt (vgl. Abb. 4.21). Sind in der Abrechnungsperiode Veränderungen des Lagerbe-
stands an unfertigen und fertigen Produkten aufgetreten, so werden die Erlöse um die zu
Herstellkosten bewerteten Lagerabgänge reduziert und um Lagerzugänge erhöht, damit man
die tatsächlich angefallenen Kosten mit dem zugehörigen Umsatz vergleicht.
Das Gesamtkostenverfahren erlaubt die Bildung von Kostenkennzahlen sowie Aussagen über
die Kostenstruktur und ihre Veränderung im Zeitablauf. Da jedoch die Kosten nach Kosten-
arten und die Erlöse nach Kostenträgern gegliedert werden, ist keine Aussage über den mit
einzelnen Kostenträgern erzielten Erfolg möglich. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass
zur Ermittlung der Bestandsveränderungen eine regelmäßige Inventur erforderlich ist. Daher
wird das Gesamtkostenverfahren vor allem in kleineren Betrieben eingesetzt, deren Produk-
tionsstruktur überschaubar und deren Produktionsprogramm nur wenig differenziert ist.
4.3.6.2 Umsatzkostenverfahren
Das Umsatzkostenverfahren geht von dem Grundgedanken aus, dass das Betriebsergebnis im
Wesentlichen durch den Absatz der Produkte erzeugt wird, und stellt daher den nach Produk-
ten differenzierten Erlösen die dafür angefallenen Kosten gegenüber. Bestandsveränderungen
werden nicht berücksichtigt, da diese lediglich innerbetriebliche Wertumschichtungen dar-
stellen, jedoch zunächst noch keinen Erlös generieren. Diese Vorgehensweise erfordert eine
ausgebaute Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung sowie eine differenzierte Verteilung
der Gemeinkosten, wie sie z.B. in der in Abschnitt 4.3.5.3 dargestellten Zuschlagskalkulation
erfolgt. In Abb. 4.22 ist das Rechenschema des Umsatzkostenverfahrens für ein Produkt
dargestellt; das Betriebsergebnis ergibt sich als Summe der Produktergebnisse.
Produkterlöse
- Materialeinzelkosten
- Materialgemeinkosten
- Lohneinzelkosten
- Fertigungsgemeinkosten
- Sondereinzelkosten der Fertigung
= Herstellkosten
- Verwaltungsgemeinkosten
- Vertriebsgemeinkosten
- Sondereinzelkosten des Vertriebs
= Betriebsergebnis
Aufgrund der differenzierten Erfassung der Kosten und Erlöse lässt sich beim Umsatzkos-
tenverfahren der Erfolg für unterschiedliche Abrechnungsobjekte berechnen, z.B. für einzel-
ne Kostenträger, für Produktgruppen oder Kundengruppen, für Absatzgebiete oder für be-
triebliche Verantwortungsbereiche. Durch diese Aufgliederung des Betriebsergebnisses sind
die Quellen des Erfolgs eindeutig feststellbar.
4.4 Controlling
Das Controlling ist eine betriebliche Funktion, deren Einordnung und Aufgaben sowohl in
der betriebswirtschaftlichen Literatur als auch in der Praxis nicht eindeutig abgegrenzt sind.
Mögliche Konkretisierungen erstrecken sich von einer erweiterten Kostenrechnung bis hin
zu umfassenden Managementaufgaben. Aus dem Begriff „to control“ lässt sich ableiten, dass
sich das Controlling mit der Planung, Steuerung und Kontrolle der im Unternehmen ablau-
fenden Prozesse befasst. Im Folgenden werden zunächst in Abschnitt 4.4.1 die wesentlichen
Aufgaben des Controllings herausgearbeitet und anschließend einige wichtige Instrumente
des operativen Controllings in Grundzügen dargestellt. Abschnitt 4.4.2 befasst sich mit
Kennzahlen und Kennzahlensystemen, Abschnitt 4.4.3 mit der Budgetierung, Abschnitt 4.4.4
mit der Prozesskostenrechnung und Abschnitt 4.4.5 mit dem Target Costing.
Umsatz einer Produktgruppe als Summenkennzahlen oder der mit einem Produkt erwirt-
schaftete Deckungsbeitrag als Differenz aus Umsatz und variablen Kosten.
Zum anderen sind Kennzahlen in Form von Verhältniszahlen von großer Bedeutung, bei
denen zwei oder mehrere absolute Zahlen, die in einem sinnvollen Sachzusammenhang
stehen, zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Hierbei lassen sich Gliederungszahlen,
Beziehungszahlen und Indexzahlen unterscheiden. Bei einer Gliederungszahl werden
gleichartige Größen betrachtet, üblicherweise ist die Größe im Zähler des Quotienten eine
Teilgröße des Nenners, die Kennzahl wird typischerweise als Prozentsatz angegeben. Ein
Beispiel für eine Gliederungszahl ist der Umsatzanteil eines bestimmten Produkts. Eine
Beziehungszahl setzt sich aus verschiedenartigen Größen zusammen, wobei häufig eine
Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen der Größe im Zähler und der Größe im Nenner
besteht. Ein Beispiel für eine Beziehungszahl ist die Arbeitsproduktivität, die im Rahmen
der Wertschöpfungsanalyse verwendet wird (vgl. Abschnitt 4.2.3). Bei einer Indexzahl
schließlich wird eine Größe auf die korrespondierende Größe eines Basisjahrs bezogen,
so dass sich eine Zeitreihe von relativen Werten ergibt.
Kennzahlen
Einzelkennzahlen Gliederungszahlen
Bereits die isolierte Erhebung bestimmter Kennzahlen kann wichtige Aufschlüsse über die
Erfolgswirkungen der betrieblichen Tätigkeit liefern. Ihren Wert als Controllinginstrument
erhalten Kennzahlen allerdings erst, wenn man sie einsetzt, um die Zielerreichung von be-
trieblichen Einheiten zu überprüfen. Ein solcher Kennzahlenvergleich kann entweder mit
internen oder mit externen Werten erfolgen und lässt sich als Zeitvergleich, bei dem die
gleichen Kennzahlen zu verschiedenen Zeitpunkten erhoben werden, als Soll/Ist-Vergleich,
bei dem den aktuellen Kennzahlen Vorgabewerte gegenübergestellt werden, oder als Be-
triebsvergleich, bei dem gleichartige Kennzahlen zum gleichen Zeitpunkt für verschiedene
Betriebe oder Betriebsteile ermittelt werden, durchführen (vgl. Abb. 4.24).
Der Zeitvergleich erfolgt in Form von Zeitreihenanalysen, wobei entweder nur betriebs-
interne oder auch externe Daten zum Vergleich herangezogen werden. Zum Beispiel
kann die Entwicklung der eigenen Umsatzrendite sowohl isoliert als auch im Branchen-
vergleich betrachtet werden.
Der interne Soll/Ist-Vergleich wird als Kontrollinstrument eingesetzt, um Abweichungen
von den Vorgabewerten zu identifizieren und zu analysieren. Beim externen Soll/Ist-
Vergleich werden als Vorgabewerte z.B. gesetzlich oder behördlich vorgeschriebene
Emissionsgrenzwerte herangezogen, so dass sich Aussagen über die Gesetzeskonformität
(Legal Compliance) des Unternehmens ergeben.
Der zwischenbetriebliche Kennzahlenvergleich führt zu verschiedenen Formen des
Benchmarking (vgl. Abschnitt 5.1.2): Beim Vergleich der Kennzahlenausprägungen mit
den Werten anderer Betriebseinheiten im selben Unternehmen liegt internes
Benchmarking vor, beim Vergleich mit Werten, die andere Unternehmen erzielt haben,
handelt es sich um externes Benchmarking.
Die Auswahl der im Controlling zu erhebenden Kennzahlen sollte so erfolgen, dass einerseits
die interessierenden Größen der einzelnen betrieblichen Bereiche hinreichend genau abgebil-
det werden, andererseits nicht durch eine zu große Zahl an Einzelkennzahlen der Blick auf
die wesentlichen Zusammenhänge verloren geht. In einem möglichst konsistent aufgebauten
Kennzahlensystem erfolgt eine sinnvolle Verknüpfung der Einzelkennzahlen durch folgende
Operationen:
Bei der Aufgliederung wird eine Kennzahl in ihre Bestandteile aufgespalten, z.B. lassen
sich die Selbstkosten eines Produkts anhand des verwendeten Kalkulationsschemas in ih-
re einzelnen Komponenten zerlegen (vgl. Abschnitt 4.3.5).
Die Substitution geht so vor, dass sie eine Kennzahl auf Größen zurückführt, durch die
diese erklärt wird. So lässt sich z.B. die Entwicklung der Eigenkapitalrentabilität (vgl.
Abschnitt 3.1.1) besser untersuchen, wenn man sie in ihre Bestandteile Gewinn und Ei-
genkapital aufspaltet.
Bei der Erweiterung werden neue, aussagekräftige Kennzahlen dadurch gebildet, dass
ausgehend von einer Verhältniszahl der Zähler und der Nenner mit derselben Größe mul-
tipliziert werden und der dadurch entstandene Ausdruck in zwei multiplikativ verknüpfte
Verhältniszahlen aufgespalten wird. Nimmt man in dem in Abschnitt 4.2.3 behandelten
Kundenperspektive
• Marktanteil
• Kundenzufriedenheit
• Service
Mitarbeiterperspektive
• Zufriedenheit
• Produktivität
• Mitarbeitertreue
4.4.3 Budgetierung
Unter einem Budget versteht man einen kurz- bis mittelfristigen Plan, der die Allokation von
finanziellen Mitteln innerhalb des Unternehmens steuert. Bei der Budgetierung werden peri-
oden- oder projektbezogen die von den einzelnen betrieblichen Teilbereichen zu erbringen-
den Leistungen und die dafür zulässigen Kosten festgeschrieben. Die Kosten für eine geplan-
te Leistungsmenge werden als Sollkostenvorgaben mithilfe der Daten der Kostenrechnung
ermittelt, für ihre Einhaltung ist der Bereichsleiter verantwortlich. Damit ein Budget eine
Motivationswirkung hinsichtlich einer kosteneffizienten Leistungserstellung entfaltet, darf es
nicht zu leicht erreichbar sein, aber auch nicht zu anspruchsvoll angesetzt werden. Abb. 4.26
gibt einen Überblick über verschiedene Budgetarten.
Budgets
Abhängigkeit
Umfang der Entscheidungs-
von der Geltungsdauer
Kostenvorgaben einheit
Bezugsgröße
Funktionsbudgets Unterjährige
Fixe Budgets Vollkostenbudgets
Budgets
Flexible Budgets Teilkostenbudgets Spartenbudgets
Jahresbudgets
Projektbudgets
Mehrjahresbudgets
Nach der Abhängigkeit von einer Bezugsgröße unterscheidet man fixe Budgets, bei de-
nen ein fester Betrag unabhängig von der tatsächlichen Leistungsmenge vorgegeben
wird, und flexible Budgets, deren Höhe in Abhängigkeit vom Leistungsumfang
schwankt. Fixe Budgets eignen sich für Bereiche, deren Leistungen sich nur schwer mes-
sen lassen oder in einem bestimmten Umfang erbracht werden müssen, z.B. F&E-
Abteilungen oder die Verwaltung. Sie dienen in erster Linie einer Kostenbegrenzung, je-
doch keiner systematischen Kostenkontrolle. Flexible Budgets hingegen sind ein wirksa-
mes Steuerungs- und Kontrollinstrument, durch das sich die Wirtschaftlichkeit der Leis-
tungserstellung beurteilen lässt.
Nach dem Umfang der Kostenvorgaben lassen sich Budgets auf Vollkostenbasis und auf
Teilkostenbasis unterscheiden. Während die Vollkostenrechnung sämtliche anfallenden
Kosten durch Schlüsselung den Kostenträgern anlastet, werden bei der Teilkostenrech-
nung nur die unmittelbar von den Kostenträgern verursachten Kosten auf diese verrech-
net und die Fixkosten als Block in die Betriebsergebnisrechnung gegeben (vgl. Abschnitt
4.3.2). Obwohl ein Vollkostenbudget notwendigerweise höher ausfällt als das für die
gleiche Leistungsmenge vorgesehene Teilkostenbudget, eröffnet es doch keine größeren
Handlungsspielräume, denn definitionsgemäß lassen sich die Fixkosten durch die Ver-
antwortlichen nicht beeinflussen.
In welcher Weise die Budgets den betrieblichen Entscheidungseinheiten zugeordnet wer-
den, hängt stark von der Organisation des Unternehmens ab (vgl. Abschnitt 1.1.4). So
werden bei einer funktional gegliederten Linienorganisation Funktionsbudgets für die Be-
reiche Beschaffung, Produktion, Absatz, Finanzierung usw. aufgestellt, während bei einer
objektorientierten Spartenorganisation Budgets für die einzelnen Sparten, d.h. Produkt-
oder Kundengruppen, vorgegeben werden. Bei langfristigen Projekten wird eine separate
Budgetierung mit einer Zuordnung der Kosten zu bestimmten Projektabschnitten vorge-
nommen.
Schließlich lassen sich Budgets nach ihrer Geltungsdauer klassifizieren. Ausgehend von
einem aus der Unternehmensgesamtplanung abgeleiteten Jahresbudget werden unterjäh-
rige Budgets auf Quartals- oder Monatsbasis für die einzelnen operativen Einheiten ent-
wickelt. Daneben können für langfristige Projekte oder Investitionsmaßnahmen auch
Mehrjahresbudgets aufgestellt werden.
Im Idealfall wird die Budgetierung als iterativer Koordinationsprozess durchgeführt, durch
den die Produktions- und Maßnahmenpläne der verschiedenen Teilbereiche optimal aufei-
nander abgestimmt werden. In der Praxis werden Budgets allerdings häufig durch Fort-
schreibung von Werten aus vergangenen Perioden festgelegt. Die Einhaltung der Budgets
sowie die Erfüllung der Leistungsziele werden nicht nur am Ende der Budgetierungsperiode
überprüft, sondern es wird zusätzlich ein regelmäßiger Soll/Ist-Vergleich vorgenommen, um
voraussichtliche Budgetabweichungen rechtzeitig erkennen und ihnen entgegensteuern zu
können.
4.4.4 Prozesskostenrechnung
Die Prozesskostenrechnung ist ein neuerer Ansatz der Kostenrechnung, der sowohl zur Vor-
gabe von Budgets als auch zur Bestimmung der Produktkosten im Rahmen der Nachkalkula-
tion eingesetzt werden kann. Ausgangspunkt der Entwicklung der Prozesskostenrechnung
war die veränderte Kostenstruktur in den produzierenden Unternehmen: Durch zunehmende
Rationalisierung und Automatisierung ist der Anteil der Gemeinkosten an den Fertigungs-
kosten stark angestiegen, so dass sich in der traditionellen Zuschlagskalkulation (vgl. Ab-
schnitt 4.3.5) vielfach Zuschlagssätze von mehreren hundert bis tausend Prozent ergeben.
Dies führt dazu, dass Produkte mit hohen Einzelkosten bei einer Vollkostenrechnung als
nicht lohnend erscheinen, d.h. die Kostenrechnung wird ihrer Informationsfunktion nicht
mehr gerecht. Insbesondere treten folgende Effekte auf:
Der Komplexitätseffekt besteht darin, dass die durch die Komplexität einzelner Produkte
verursachten zusätzlichen Kosten, die z.B. in der Konstruktion, der Materialbeschaffung
und der Arbeitsvorbereitung anfallen, nicht diesen Produkten direkt zugerechnet, sondern
über Zuschlagssätze auf alle Produkte verteilt werden. Dadurch werden die Kosten der
komplexen Produkte tendenziell zu niedrig und die der einfachen Produkte zu hoch aus-
gewiesen.
Der Degressionseffekt ergibt sich dadurch, dass die zusätzlichen Gemeinkosten, die
durch die Variantenvielfalt einzelner Produkte hervorgerufen werden, gleichmäßig auf al-
le Produkte verteilt werden.
Der Allokationseffekt führt dazu, dass bei einer Zuschlagskalkulation maschinenintensive
Produkte durch lohnintensive quersubventioniert werden, da letzteren über den Ferti-
gungsgemeinkostenzuschlag ein überhöhter Anteil an Fertigungsgemeinkosten zugerech-
net wird.
Der Ansatzpunkt der Prozesskostenrechnung besteht darin, die Kosten nicht mehr auf Pro-
dukte, sondern auf Prozesse, d.h. betriebliche Aktivitäten, zu verrechnen. Durch weitgehende
Vermeidung von Schlüsselungen soll eine verursachungsgerechte Verteilung vor allem der
Gemeinkosten in den indirekt an der Leistungserstellung beteiligten Bereichen und damit
eine größere Kostentransparenz erreicht werden. Die Prozesskostenrechnung geht wie folgt
vor (vgl. Abb. 4.27):
Leistung 1
Leistung 2
Leistung 3
Leistung 4
Kosten
Zunächst werden elementare Vorgänge als Teilprozesse identifiziert, d.h. repetitive Tätigkei-
ten mit geringem Entscheidungsspielraum, die in den indirekten Bereichen des Unterneh-
mens auftreten. Beispiele für solche Tätigkeiten sind im Bereich der Materialbeschaffung:
Einholen eines Angebots für ein Standardteil
Bearbeiten des Angebots und Auslösung der Bestellung
Zielkosten sind produktbezogene Kostenvorgaben, die sich auf unterschiedliche Weise be-
stimmen lassen:
Bei der am häufigsten angewendeten Methode „Market into Company“ werden die Ziel-
kosten wie folgt aus dem für das Produkt erzielbaren Marktpreis abgeleitet: Nach Abzug
der Umsatzsteuer und der Handelsspanne ergibt sich der Stückerlös, den das Unterneh-
men erhält. Zieht man von diesem noch die gewünschte Gewinnspanne ab, so erhält man
die Zielkosten, die der Fertigung vorgegeben werden. Abb. 4.28 zeigt die Ermittlung der
Zielkosten an einem Beispiel.
Bei der Methode „Out of Company“ werden die aufgrund der im Unternehmen vorhan-
denen Fertigungstechnologie als realistisch angesehenen Kosten als Zielkosten vorgege-
ben und anschließend untersucht, ob sich das Produkt zu diesen Kosten am Markt abset-
zen lässt. Diese Vorgehensweise eignet sich für Produktinnovationen, bei denen noch
keinerlei Markterfahrungen vorliegen.
Die Methode „Into and out of Company“ nimmt eine Kombination der beiden zuvor
genannten Verfahren vor. In einer Zielvereinbarungsdiskussion gelangen der Marketing-
und der Produktionsbereich zu einer Kompromisslösung, die sowohl die Marktanforde-
rungen als auch die Produktionsmöglichkeiten angemessen berücksichtigt.
Bei der Methode „Out of Competitor“ werden die Zielkosten aus den – in der Regel nur
näherungsweise bekannten – Kosten der Konkurrenz hergeleitet. Hier steht nicht die
Markt-, sondern die Wettbewerbsorientierung im Vordergrund, so dass das Verfahren
sich für im Markt etablierte Produkte eignet.
Eine Zielkostenermittlung „Out of Standard Costs“ hingegen wird als Abschlag auf die in
der eigenen Kostenrechnung ermittelten Sollkosten vorgenommen. Diese Methode lässt
sich nur für bereits hergestellte Produkte einsetzen, jedoch nicht für Neuentwicklungen,
für die keine entsprechenden Kosteninformationen vorliegen.
Zeigt sich bei der Vorkalkulation, dass das geplante Neuprodukt mit den vorhandenen Ferti-
gungsanlagen nicht zu den Zielkosten produziert werden kann, so bestehen zwei grundsätzli-
che Ansatzpunkte: Zum einen kann man versuchen, durch Ausnutzung von Rationalisie-
Kosten-
anteil (%) Zielkostenindex < 1
• Zielkostenzone
• •
Zielkostenindex > 1
• •
•
Gewichtung (%)
4.5 Informationssysteme
Aufgrund der zunehmenden Komplexität und Dynamik der Umwelt sind die Entscheidungs-
träger auf allen Ebenen des Unternehmens immer mehr auf Unterstützung durch geeignete
Informationssysteme angewiesen. Abschnitt 4.5.1 befasst sich mit der diesen Informations-
systemen zugrunde liegenden Datenmodellierung in Datenbanken und Data Warehouses. In
Abschnitt 4.5.2 wird mit den Produktionsplanungs- und -steuerungssystemen ein für produ-
zierende Unternehmen wichtiger Anwendungsbereich von Informationssystemen dargestellt.
Abschnitt 4.5.3 schließlich geht auf die Chancen und Risiken ein, die die erweiterten Ge-
schäftsmöglichkeiten des e-Business mit sich bringen.
Durch Bewegungsdaten lassen sich betriebliche Vorgänge und die daraus resultierenden
Veränderungen der Stamm- und Bestandsdaten erfassen, z.B. Lagerzu- und -abgänge,
Auslieferungen von Kundenaufträgen, innerbetriebliche Materialbewegungen, Ein- und
Auszahlungen.
In vielen Unternehmensbereichen, z.B. im internen und externen Rechnungswesen, in der
Auftragsabwicklung, in der Materialwirtschaft oder in der Personalwirtschaft, aber auch
zunehmend in der inner- und außerbetrieblichen Logistik, fallen laufend große Datenmengen
an, die sich nur noch mithilfe der automatisierten Datenerfassung und Datenverarbeitung
(DV) bewältigen lassen.
Daten mit gleichartigen Datensätzen werden in Dateien zusammengefasst. Um die aus einer
verteilten Datenhaltung resultierenden Probleme der Redundanz und Inkonsistenz zu ver-
meiden, werden Dateien aus verschiedenen Anwendungsbereichen unternehmensweit in
einer Datenbank zusammengeführt, auf die sämtliche Entscheidungsträger in dem jeweils
benötigten Umfang zugreifen und aus der sie die für ihren Arbeitsbereich erforderlichen
Informationen abrufen können.
Die Beziehungen innerhalb einer Datenbank werden durch ein Datenmodell strukturiert.
Vorherrschend ist das relationale Datenmodell (Entity Relationship Model, ERM), bei dem
die Dateien weitgehend redundanzfrei in der so genannten Normalform gehalten und über
standardisierte Relationen miteinander verknüpft werden können.
Beispiele für unternehmensweite Datenmodelle zur Unterstützung verschiedenartiger Ge-
schäftsprozesse sind das von IDS Scheer entwickelte ARIS-System sowie das im folgenden
Abschnitt behandelte R/3-System der Firma SAP. Wesentlich für den Aufbau von moder-
nen Informationssystemen ist die Trennung der vom Benutzer wahrgenommenen Anwen-
dungsebene von der informationstechnischen Realisierung, die – wie in Abb. 4.30 dargestellt
– über mehrere Stufen realisiert wird.
Bei dieser Vorgehensweise werden zunächst die in den einzelnen Bereichen auftretenden
realen Probleme strukturiert und mittels formaler Beschreibungsmethoden in ein Fachkon-
zept umgesetzt. Diesem wird dann ein adäquates DV-Konzept zugeordnet, das mithilfe einer
geeigneten Programmiersprache in einer Software abgebildet und schließlich auf der Ma-
schinenebene physisch realisiert wird.
Als Weiterentwicklung herkömmlicher Datenbanken werden zur Entscheidungsunterstüt-
zung vielfach Data Warehouses eingesetzt, die – ähnlich einem Lager im Bereich der Mate-
rialwirtschaft – die Fülle an Daten aus den verschiedenen operativen DV-Anwendungen im
Unternehmen sowie auch aus externen Datenquellen zusammenführen, aktualisieren, verein-
heitlichen und je nach Bedarf aggregieren, um einerseits Dokumentationsaufgaben zu erfül-
len und andererseits dem Management Auswertungen über längere Zeiträume oder über
mehrere Bereiche hinweg zu ermöglichen. Im Gegensatz zu operativen DV-Anwendungen
kann der Nutzer eines Data Warehouse die von ihm angeforderten Daten nicht verändern,
sondern erhält lediglich einen lesenden Zugriff.
Reale Probleme
Fachkonzept
DV-Konzept
Programmierung
Physische Realisation
Ein weiteres Kennzeichen von Data Warehouses ist, dass hier Bestands- und Bewegungsda-
ten, die im operativen Bereich durch Aktualisierung regelmäßig überschrieben werden, mit
ihren Werten zu verschiedenen Zeitpunkten gespeichert sind und für spätere Zugriffe zur
Verfügung stehen. So lassen sich z.B. Bestands- oder Verkaufsübersichten sowohl aggregiert
als auch detailliert und nach zeitlichen oder sachlichen Kriterien gegliedert erstellen. Ein
derartiger Zugriff von Benutzern, die keine formalen Datenbankabfragesprachen beherr-
schen, wird durch OLAP (On-line analytical processing) unterstützt, das eine dynamische,
mehrdimensionale Sicht auf alle für Führungsentscheidungen relevanten Daten bietet (vgl.
Abb. 4.31).
In OLAP sind gleichartige Bezugsobjekte, z.B. Artikel, Regionen, Zeitpunkte, in Dimensio-
nen angeordnet, die die Achsen eines multidimensionalen Raums bilden. Damit lässt sich
z.B. eine produktbezogene, regionale und zeitlich abgegrenzte Sicht auf die Unternehmens-
daten erreichen. OLAP-Abfragen erfolgen als Dimensionsschnitte, bei denen die Elemente
bestimmter Dimensionen als konstant betrachtet und die Daten der anderen Dimensionen in
den gewünschten Größen dargestellt werden. Innerhalb einer Dimension sind die Bezugsob-
jekte in der Regel zusätzlich hierarchisch strukturiert.
Derartige Datenstrukturen werden als Hyperwürfel bezeichnet, aus denen der Benutzer durch
Schnitte (Slicing) die gewünschten Informationen extrahieren kann. Der Zugriff erfolgt in-
teraktiv und mit kurzen Responsezeiten. Durch die vielfältigen möglichen Sichten auf die
vorhandenen Informationen sind unterschiedlichste Zugriffe auf die zugrunde liegenden
unternehmensinternen und externen Daten möglich. OLAP-Abfragen und Data Warehouses
werden insbesondere in Management-Support-Systemen (MSS) eingesetzt und bieten eine
äußerst flexible Unterstützung des herkömmlichen Berichtswesens. Zunehmend werden
diese Anwendungen auch in Standardsoftware-Paketen wie Oracle und SAP R/3 angeboten
und individuell an die Bedürfnisse der Anwender angepasst.
Programmplanung
• Prognoserechnung
• Grobplanung
Produktions- Materialwirtschaft
Grunddaten-
• Stücklistenauflösung Verwaltung
planung • Losbildung
• Strukturdaten
Zeitwirtschaft • Bestandsdaten
• Terminplanung
• Bewegungs-
• Kapazitätsplanung daten
Ablaufplanung
Produktions- • Auftragsfreigabe
steuerung • Auftragsüberwachung
• Qualitätskontrolle
System sogar als Industriestandard bezeichnet. Seit 2004 bietet die SAP AG als Nachfolge-
produkt des R/3-Systems das Produktpaket SAP Business Suite an, dessen Produktkompo-
nenten teilweise über den klassischen ERP-Ansatz hinausgehen.
Wegen der nach wie vor weiten Verbreitung des R/3-Systems in der Industrie wird dieses
bei der nachfolgenden Darstellung zugrunde gelegt. Wesentlich für den Aufbau des R/3-
Systems ist die Client/Server-Architektur des Informationssystems, bei der die Datenbank-
ebene, die Applikationsebene mit den Anwendungsprogrammen und die Präsentationsebene
mit der Benutzeroberfläche auf unterschiedlichen Rechnern mit verschiedenen Betriebssys-
temen verwaltet werden können. Die Verbindung dieser Ebenen, die auch an unterschiedli-
chen Standorten angesiedelt sein können, erfolgt durch betriebsinterne Netzwerke (Local
Area Networks, LAN) oder auch über das Internet, das zwischen die Anwendungs- und die
Präsentationsebene geschaltet werden kann.
Das R/3-System ist wie seine Vorgänger im Bereich der klassischen PPS-Systeme modular
aufgebaut. Für die wichtigsten betriebswirtschaftlichen Anwendungsbereiche sind Module
implementiert, die gemeinsam oder auch separat arbeitsfähig sind. Abb. 4.33 gibt einen
Überblick über die Modulstruktur des R/3-Systems.
FI
SD Finanz-
Vertrieb wesen
MM
CO
Material-
Controlling
wirtschaft
IM
PP
Investitions-
Produktions-
management
planung
SAP R/3
QM
Qualitäts- PS
management Projekt-
system
PM
Instand- WF
haltung Workflow
HR IS
Personal- Branchen-
wirtschaft lösungen
samtplanungsprozesses, der für den Produktionsbereich sämtliche Funktionen von der Pro-
grammplanung bis hin zum Versand und der Abrechnung der Aufträge umfasst. Weiter sol-
len DV-technische Insellösungen im Fertigungsbereich vermieden bzw. bereits vorhandene
miteinander verknüpft werden. Durch diese Integration und die Straffung der Abläufe kön-
nen Kostenvorteile realisiert und die Flexibilität der Fertigung erhöht werden. Abb. 4.34
zeigt die CIM-Definition, die 1985 vom Ausschuss für wirtschaftliche Fertigung (AWF)
entwickelt wurde.
CIM
CA-Techniken PPS-Funktionen
Programmplanung
CAD Materialwirtschaft
Zeitwirtschaft
CAP CAQ Auftragsfreigabe und
-überwachung
(Kostenrechnung)
CAM
(Buchführung)
Ein wesentlicher Bestandteil von CIM sind neben den PPS-Funktionen die in den Ingenieur-
wissenschaften entwickelten CA-Techniken. Diese umfassen eine Reihe von Planungs-,
Steuerungs- und Konstruktionsverfahren, die durch die Möglichkeit der Computerunterstüt-
zung eine weite Verbreitung in Fertigungsunternehmen gefunden haben. Hierzu zählen im
Einzelnen:
Computer Aided Design (CAD): CAD dient der rechnerunterstützten, interaktiven Kon-
struktion von Produkten und deren Bauteilen. Aus vordefinierten Grundelementen (Li-
nien, Flächen, Körpern) werden anwendungsbezogene Modelle aufgebaut, mittels geeig-
neter Operationen bearbeitet und am Bildschirm dreidimensional dargestellt. Die geomet-
rischen Daten der konstruierten Teile können direkt an die Arbeitsplanung weitergegeben
werden.
Computer Aided Planning (CAP): CAP umfasst mit der Arbeitsplanung und Arbeitsvor-
bereitung die Planungsmaßnahmen, die der Koordination von Menschen und Betriebsmit-
teln zur wirtschaftlichen Durchführung der Produktion dienen. Dazu zählen insbesondere
die Montageplanung, die NC-Programmierung und die Prüfplanung. Zur Erfüllung seiner
Aufgaben greift das CAP auf die Ergebnisse anderer CA-Bereiche zu, z.B. auf die
Konstruktionsdaten aus dem CAD.
Computer Aided Manufacturing (CAM): CAM steht in engem Zusammenhang mit der
automatisierten, rechnergesteuerten Fertigung und der NC-Programmierung (vgl. Ab-
schnitt 2.2.3). Weiter zählen hierzu automatisierte Transport-, Lager- und Montagesyste-
me sowie die für ihre Steuerung und Koordination erforderliche Software.
Computer Aided Quality Assurance (CAQ): Die Qualitätssicherung und -kontrolle ist
sowohl in Bezug auf die selbst hergestellten Produkte als auch bei zugekauften Teilen
und Rohstoffen von besonderer Bedeutung für einen reibungslosen Produktionsablauf
und für die Qualität der Endprodukte (vgl. Abschnitt 5.4.1). Der DV-Einsatz ermöglicht
eine schnelle, in den Produktionsablauf integrierte und umfassende Durchführung dieser
Aufgaben. Dazu wird ein Prüfplan erstellt, der die Prüfungshäufigkeit, die Soll-Werte
und die zulässigen Toleranzen für die Prüfmerkmale enthält. Die Prüfung erfolgt durch
Soll/Ist-Vergleiche, der Prüfungsablauf und seine Ergebnisse werden in einem Prüfproto-
koll festgehalten.
Im Rahmen von CIM erfolgt zum einen eine Integration und gegenseitige Unterstützung der
einzelnen CA-Techniken, durch die sich ihre Leistungsfähigkeit erheblich steigern lässt.
Zum anderen ist die Verknüpfung der CA-Techniken mit den PPS-Funktionen und möglichst
auch mit weiteren betriebswirtschaftlichen Funktionen wie der Kostenrechnung und der
Buchführung von großer Bedeutung. Durch das Zusammenwachsen von technischer und
kaufmännischer Datenverarbeitung ist es möglich, dass kaufmännische Planungs- und Ab-
rechnungsverfahren direkt auf Daten zurückgreifen, die durch den Einsatz der CA-Techniken
erstellt wurden, so dass viele Routineberechnungen einfacher, schneller und kostengünstiger
vorgenommen werden können.
Eine unabdingbare Voraussetzung für die Einführung und den Betrieb von CIM ist ein ein-
heitlicher Aufbau der Hard- und Software für sämtliche einbezogenen Unternehmensberei-
che sowie die Realisierung eines betriebsinternen Daten- und Rechnernetzes (Intranet), durch
das eine bereichsübergreifende Kommunikation ermöglicht wird. Die Realisierung von CIM
verspricht den Unternehmen erhebliche Kosten- und Wettbewerbsvorteile, die durch die
Beschleunigung der Prozesse sowie durch schnelle, flexible Reaktionsmöglichkeiten auf den
Wandel in der Umwelt erreicht werden sollen.
4.5.3 e-Business
Mit der zunehmenden Verbreitung von DV-Anwendungen in den Unternehmen und der
Ausweitung des elektronischen Informationsaustauschs über das Internet (WWW, World
Wide Web) sind gegen Ende der 1990er Jahre der elektronische Handel (e-Commerce) und
das e-Business aufgekommen. Das e-Business lässt sich definieren als netzbasierter elektro-
nischer Informationsaustausch, verbunden mit der Abwicklung von geschäftlichen Transak-
tionen mithilfe der Informations- und Kommunikationstechnologie. Die offizielle Definition
der Europäischen Kommission und des Bundes der Deutschen Industrie (BDI) lautet:
e-commerce = every business in which participants prepare or transact
business or conduct their trade electronically
Die Vorläufer des e-Business waren standardisierte Übertragungsprotokolle für den Daten-
austausch zwischen Unternehmen, die auf speziellen Netzwerken, zum Teil auch auf Stand-
leitungen, eingesetzt und z.B. für kurzfristige Lieferabrufe bei Just-in-Time-Zulieferung
genutzt wurden. Bereits in den 1970er Jahren wurde in diesem Zusammenhang für die In-
dustrie das Netzwerk EDI (Electronic Data Interchange) mit dem Dokumentenstandard
EDIFACT eingeführt. Als Basis des e-Business dient heute in der Regel das WWW, das
jedem Beteiligten nicht nur einen schnellen und kostengünstigen Zugriff auf alle relevanten
Informationen ermöglicht, sondern auch über kundenorientierte Homepages und Portale der
Bereitstellung von Informationen über ein Unternehmen und seine Produkte dient.
In Abhängigkeit von den Beteiligten lässt sich das internetbasierte e-Business einteilen in
Anwendungen zwischen verschiedenen Unternehmen (Business to Business, B2B) und zwi-
schen Unternehmen und Endverbrauchern (Business to Customer, B2C). Werden die glei-
chen Informations- und Kommunikationsinstrumente auch innerbetrieblich eingesetzt, so
spricht man von einem Intranet oder von Intra-Business. Da bei der heutigen stark arbeitstei-
ligen Wertschöpfung in Supply Chains (vgl. Abschnitt 2.5.3) und anderen Netzwerkstruktu-
ren das Liefervolumen zwischen Unternehmen ca. zehnmal so groß ist wie die Verkäufe an
Endverbraucher, weist das B2B-Geschäft gegenüber dem B2C ein entsprechend größeres
Potenzial auf. Je nachdem, welche betrieblichen Funktionen durch den elektronischen Da-
tenaustausch unterstützt werden, finden auch die Begriffe e-Procurement für die Schnittstelle
zu den Beschaffungsmärkten, e-Manufacturing für die elektronische Steuerung der Ferti-
gung, e-Commerce für die Schnittstelle zu den Absatzmärkten und e-Logistics für die netz-
basierte Abwicklung der Warentransporte Verwendung (vgl. Abb. 4.35).
Intra-Business
Unternehmen A
B2B
Unternehmen B Endverbraucher
e-Procurement
e-Manufacturing
e-Commerce
e-Logistics
B2C
Aufgrund der Beschleunigung der Kommunikation zwischen den Beteiligten, der Erhöhung
der Transparenz auf den beteiligten Märkten und der Möglichkeit einer gezielten, individuel-
len Ansprache der Kunden wird erwartet, dass sich die Leistungen der Unternehmen in Zu-
kunft schneller, besser und kostengünstiger erbringen lassen.
Beim dem im B2C-Bereich angesiedelten e-Commerce dominieren Internet-Portale und
-Shops von einzelnen Unternehmen oder von Anbietern, in denen auf eine bestimmte Kun-
dengruppe ausgerichtete Leistungsangebote zusammengefasst werden. Über Links lassen
sich vielfältige Waren und Dienstleistungen auch anderer Anbieter einbinden, so dass die
Bedürfnisse der Kunden umfassend abgedeckt werden können. Auch eine gezielte, kunden-
individuelle Ansprache beim wiederholten Besuch einer Homepage ist möglich, dies wird als
one-to-one-Marketing bezeichnet. Beispiele für Aktivitäten im B2C-Bereich sind der Inter-
net-Buchhändler amazon.de, der neben Print- und Audio-Medien auch Computerspiele, Mer-
chandising-Produkte und weitere verwandte Produktgruppen anbietet, die Internet-Auftritte
der großen Elektronik-Fachmärkte, Versand- und Warenhäuser oder einiger Zeitschriftenver-
lage.
Der Abschluss von Geschäften im e-Commerce lässt sich in vier Phasen gliedern:
Wissensphase (inform): Der Kunde navigiert von seinem Internet-Anschluss aus durch
das Angebot von Informationen und Waren und sucht bewusst nach Informationen zu den
Produkten, die er kaufen will.
Absichtsphase (interact): Wenn der Kunde sich für einen Anbieter entschieden hat, wählt
er online mithilfe von Warenkorbfunktionen die von ihm gewünschten Leistungen nach
Art und Menge aus. Die Vorgehensweise ähnelt im Grunde der Auswahl aus einem Ver-
sandhauskatalog, die Unterschiede bestehen im Wesentlichen in der Breite und Aktualität
des Angebots.
Vereinbarungsphase (transact): Der rechtsgültige Kaufvertrag kommt durch die Bestel-
lung über das Internet zustande, und zwar nicht mit dem Bereitsteller des Internet-Portals,
sondern mit dem Unternehmen, das die jeweilige Leistung anbietet.
Abwicklungsphase (deliver): Mit Ausnahme von digitalisierten Produkten, z.B. Musikti-
teln, die gegen Zahlung eines Entgelts direkt aus dem Internet heruntergeladen werden
können, ist zur Erfüllung des im Internet abgeschlossenen Kaufvertrags die physische
Auslieferung der Produkte an den Kunden erforderlich. Da die Kundenzufriedenheit we-
sentlich von der reibungslosen Abwicklung dieser letzten Stufe abhängt, kommen durch
das e-Business neue Anforderungen auf die Logistik zu.
Im B2B-Bereich besteht ein großes Potenzial darin, dass nicht nur eine individuelle Anspra-
che der Kunden durch one-to-one-Marketing möglich ist, sondern dass sich mithilfe der
elektronischen Kommunikation auch kundenindividuelle Produkte, die in Einzelfertigung
hergestellt werden, schnell und kostengünstig konfigurieren und vertreiben lassen. In Ab-
hängigkeit von der Komplexität sowie dem kundenindividuellen Zuschnitt der Produkte
lassen sich folgende Prozesstypen unterscheiden:
Pick to order: Einfache Produkte mit wenigen Varianten, z.B. Standard- und Ersatzteile,
lassen sich mittels Warenkorbfunktionen auswählen und im Idealfall direkt vom Lager
liefern. Da die Produkte vorgefertigt sind, liegt der Schwerpunkt auf der Abwicklung der
Lieferung.
Assemble to order: Die Produkte lassen sich durch Nutzung des Baukastenprinzips (vgl.
Abschnitt 2.2.2) aus standardisierten, vorgefertigten Komponenten entsprechend der vom
Kunden gewünschten Konfiguration fertigen. Man spricht hier auch von kundenindividu-
eller Massenfertigung (mass customization), die z.B. vom Computerhersteller Dell, aber
auch in der Automobilindustrie Anwendung findet.
Make to order: Aus einem vorgegebenen Produktsortiment werden die einzelnen Produk-
te gemäß den Kundenwünschen individuell angefertigt. Dabei kann der Kunde Wünsche
hinsichtlich der Ausgestaltung einzelner Parameter äußern, z.B. im Maschinenbau oder
bei der Möbelindustrie. Eine Vorfertigung ist bezüglich der Komponenten möglich, die
keinen Gestaltungsspielraum aufweisen.
Engineer to order: Das Produkt wird nicht nur kundenindividuell gefertigt, sondern auch
gemäß den Kundenanforderungen konstruiert. Hier ist kaum noch Vorfertigung möglich
und es liegt Einzelfertigung vor.
Die Vorteile des e-Business gegenüber einer konventionellen Geschäftsabwicklung zeigen
sich vor allem bei den komplexeren Prozesstypen. Der Kunde wird bei der Produktauswahl
und -konfiguration durch einen automatisierten, über das Programm geführten und wissens-
basierten Dialog unterstützt, so dass er im Vergleich mit der Auswahl aus traditionellen Ka-
talogen schneller das für seine Bedürfnisse passende Produkt findet. Auch Kunden, die das
Sortiment noch nicht kennen, gelangen über eine Beschreibung ihres Anwendungsproblems
in einem mehrstufigen Prozess zu der geeigneten Produktkonfiguration. Dies erhöht tenden-
ziell die Kundenzufriedenheit. Für das Unternehmen besteht ein wesentlicher Vorteil darin,
dass – obwohl der Kunde ein individuelles Produkt erhält – auf Komponentenebene dennoch
ein erheblicher Anteil an Vorfertigung erfolgen kann. Weiter sind die Auftragsdaten direkt
im DV-System erfasst und können für die Steuerung und Überwachung des Auftrags durch
die Produktion und Distribution sowie für die abrechnungstechnische Abwicklung eingesetzt
werden.
Auch für die Kooperation von Unternehmen im Rahmen des Supply Chain Management
(vgl. Abschnitt 2.5.3) bietet das e-Business zahlreiche Ansatzpunkte zur Verbesserung der
Geschäftsprozesse:
Informationstechnische Integration der Wertschöpfungspartner
Beschleunigung von Kommunikationsprozessen
Reduktion von Transaktionskosten
Möglichkeit zur Sendungsverfolgung während der Auslieferung (tracking and tracing)
Nachdem das e-Business zunächst durch kleine, stark spezialisierte startup-Firmen geprägt
wurde, wenden sich inzwischen auch die großen Konzerne diesem Geschäftsfeld zu. Für die
Zukunft ist eine noch weitergehende Integration des Internet in sämtliche im Unternehmen
ablaufenden Prozesse sowie eine strategische Neuausrichtung der Unternehmensführungen
zu erwarten.