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ARCHITECTURAL DIGEST.

Stil, Design, Kunst & Architektur


Deutschland
März 2020 / 8 Euro

Zu Hause auf
19 Quadratmetern
Wenig Platz? Diese Wohnungen
in Tokio, Melbourne und
Paris wachsen über sich hinaus!

Studio

Mini-Küchen
maximal!

100
kleine Räume
11 Editorial 45 Talent Steven Bukowski
14 Impressum 46 Porträt Aesop
17 Private View 50 Porträt Laura Gonzalez
18 Agenda
23 AD stellt vor
54
25
Studio
Wenn jeder Zentimeter zählt:

Stil Wie man eine kleine Küche einrichtet


und dabei Stauraum und
Schönheit unter einen Hut bringt.
26
Inspiration & Neuheiten 62 Praxis Bad
Ob Kaktusvase von Daum oder Élitis'
paradiesische Dschungeltapete – mit 65

Architektur
den Style-News des Frühjahrs kommen
auch kleine Räume ganz groß raus.

32 Thema Alfred Hitchcock


36 Interview Fernando Laposse 66
Projekt
40 32 Prototypen auf nur einem Baugrund:
Inspiration Die Elite der zeitgenössischen
Die neuen Outdoor-Möbel locken in mexikanischen Architektur führt mit der
ferne Breitengrade, vom Hochgebirge über Siedlung von Apan vor, wie vielgestaltig
die Arktis bis zur Steppe. sozialer Wohnungsbau sein könnte.

72
Garten
80 000 Tulpen blühen, wo einst Robert
„the Devil“ hauste. Der Chefgärtner von
Arundel Castle zeigt uns sein Reich.

76 Projekt Baufritz

79

Panorama
80
Kunst
Mit zu Binärcodes geronnenen Fakten
88Ferien in und viel Kraftwerk-Krawumm komponiert
Portugal Ryoji Ikeda die ganz große Kunst-Oper.

84 Ausstellungen
86 Bücher

88
Reise
Adieu, Paris! Wie ein Künstler und ein
Galerist in Portugal zu Hoteliers wurden.

92 Reise Grand Hotel


93 Reise Neuheiten
Inhalt
März

ARCHITECTURAL DIGEST. Stil, Design, Kunst & Architektur

Zu Hause auf
19 Quadratmetern
Wenig Platz? Diese Wohnungen
in Tokio, Melbourne und
Paris wachsen über sich hinaus!

96 Studio

Mini-Küchen
maximal!

Klein & oho


100
kleine Räume

Auf dem Cover: Mit Marmor, Sixties-Möbeln und


ein wenig Ironie wurde ein Mailänder
Erdgeschoss-Schlauch zur Wohnschatulle.

142
Manhattan Transfer
Der Fotograf Björn Wallander tauschte
Brooklyns Dachterrassen-Grandezza
gegen ein winziges Apartment in
Manhaan ein. Und hat trotzdem viel
Platz für Souvenirs.

148 Summaries
150 AD bei IMM
152 Apropos
154 Genie & Spleen

95
38G
Glimmender

Leben Löw
wenzahn

96
Bitte mit Pink! 118
Cover: Lea Anouchinsky / Living Inside; Fotos: Felix Forest / Living Inside; Jeremy Josselin; Francisco Nogueira;

Béton brut trifft auf Seide – Reif für die Insel


und Sydney auf Fernost: Mien im Herzen der Île Saint-Louis:
Als Yasmine Ghoniem ein Penthouse Wie Interiordesigner David Jimenez
auf Etage 19 gestaltete, ersann sein Atelierstudio mit Pariser Charme
sie einen pfiffigen Grundriss. und neuer Großzügigkeit aufgeladen hat.
Und füllte ihn mit saen Farben Bienvenue im Kokon!
und sinnlichen Texturen.
Porträt: Birgitta Wolfgang Bjørnvad / The Sisters Agency; Grundriss: Isa Lim

126
104 Raumwunder
Alles inklusive Es gibt vielleicht kein richtiges Leben
Endlich viel Platz! Die Pariser Designerin im falschen. Ein großes im kleinen
Olivia Clergue atmete auf, als ihr aber hat durchaus seine Vorzüge, zeigt
Appartement im Quartier Latin nur Architekt Jack Chen in Melbourne.
noch Wohnung war.
134
110 Schmucke Schachtel
Fenster zum Himmel Erst wichen Wände und Türen, dann
In eine schmale Baulücke in Tokio schufen die Architektinnen des Studios 104Olivia
passte Architekt Takeshi Hosaka A / C mit Marmor, starken Farben und Clergue
alles ein, was ein Paar zum intensiven Vintages eine mondäne Mailänder
Leben und Arbeiten braucht. Wohnschatulle mit Fenstern zum Hof.
TEFAF MAASTRICHT 7. – 15. MÄRZ 2020

HEMMERLE.COM
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Editorial

„Weiße Wände, wenig Möbel für kleine Räume?


Werfen Sie diese alten Weisheiten über Bord.“

W
manten Lösungen: ein gemütliches Bett aus einer aufgerollten
Sardinendose mit himmelblauem Kissen, einem Sessel aus einer
alten Porzellantasse, getaucht in das Schummerlicht einer grünen
ie die meisten von uns habe ich als kleiner Junge Ende der Siebzi­ Leselampe. Eigentlich doch mehr als genug.
gerjahre so gut wie keine Folge von „Tom und Jerry“ verpasst. Sie Nun wäre es wohl fehl am Platz, angesichts der kleinen Räume,
wissen schon, das Schikanefeuerwerk zwischen Tom, dem nicht die wir diesen Monat versammelt haben, von Mauselöchern zu
allzu schwer zu überlistenden Kater, und Jerry, der ungleich aus­ sprechen. Gleichwohl gibt es gegenwärtig vor allem in den großen
gebuffteren Maus, die logischerweise immer eine Pfotenlänge vo­ Metropolen von Paris über Tokio bis New York, in denen immer
raus war. Natürlich haben Sie noch das schwungvolle Klavier­ mehr Menschen leben möchten, kaum ein größeres Thema als den
geklimper der Eingangsmelodie im Kopf, „vielen Dank für die fehlenden Platz. Raffinierte Lösungen sind da gefragt, die jeden
Blumen“, Udo Jürgens, „vielen Dank, wie lieb von dir“. Zentimeter funktional nutzen und zugleich ein Maximum an Ele­
Es gab in diesem Vorspann jedoch immer eine Szene, auf die ganz und Schönheit erzeugen. Eine Herausforderung, die etwa
ich jede Woche gewartet habe und die ich mir bis heute immer der amerikanische Interiordesigner David Jimenez auf 40 Qua­
wieder gern bei Youtube anschaue: den Moment, in dem Tom, der dratmetern in Paris keineswegs mit der naheliegenden Variante
sich ja immer – vergeblich – vor dem Mauseloch postiert hatte, von cleanen Wänden und zwei ikonischen Möbelobjekten beant­
um Jerry herauszulocken, das Lüftungsgitter abnimmt und seinen wortet hat, wie man oben und ab S. 118 sehen kann. Ganz im Ge­
Kopf hinein in die Höhle steckt. Was dort zum Vorschein kam, zog genteil liegt der Reiz unserer Auswahl vor allem darin, wie man
mich ungeheuer an, gemütlich, funktional, das optimale Versteck, alte Weisheiten im Einrichten kleiner Räume gekonnt hinter sich
das wir doch alle suchen. Jerrys Bude war im Grunde meine erste lassen und mit mutigen Farben und Materialien seine eigene Ge­
Begegnung mit Fragen der Wohnungseinrichtung. Eine ungemein schichte auch auf 19 Quadratmetern erzählen kann. Jerry gelang
clever eingerichtete Einraumwohnung im Shabby Chic mit char­ das schließlich auf gerade mal ein paar Quadratzentimetern.
Foto: Xavier Béjot; Porträt: René Fietzek

O liver Jahn

11
W
er Malediven-Feeling vom Feinsten sucht,
ist im frisch renovierten COMO Cocoa
Island genau richtig. Die kleine Trauminsel
besticht mit familiärer Atmosphäre, ausschließlich
Wasservillen in neuem Design sowie zwei privaten Haus-
riffen. Im Mittelpunkt stehen fantastische Spa-Anwen-
dungen und die renommierte „COMO Shambhala Küche“.
Ein Paradies für Erholungssuchende und Romantiker.

Preisbeispiel
7 Nächte ab 2.575 € pro Person/DZ
inkl. Halbpension und Transfer mit dem
hoteleigenen Schnellboot ab/bis Flughafen Male

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ARCHITECTURAL DIGEST. STIL, DESIGN, KUNST & ARCHITEKTUR
erscheint in der
Condé Nast Germany GmbH
Oskar-von-Miller-Ring 20, 80333 München
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Chefredakteur Publisher
Oliver Jahn André Pollmann

Redaktion Anzeigen/Vermarktung
Stv. Chefredakteur & Style Director Dr. Simone Herrmann Sales Christina Linder, Head of Sales
Art Director Inka Baron christina.linder@condenast.de, Tel. -430
Textchef & Kunst Barbara Gärtner Brand Advertising Andrea Latten, Brand Director Vogue & AD
Managing Editor Eike Schrimm andrea.latten@condenast.de, Tel. -276
Interior/Küche/Bad Karin Jaeger (verantwortlich für Anzeigen)
Textredaktion Andreas Kühnlein, Dr. Uta Seeburg Marketing Angela Reipschläger, Head of Marketing
Stil Sally Fuls (Ltg.), Mona Bergers, Nina Luisa Vesic, Friederike Weißbach angela.reipschlaeger@condenast.de, Tel. -793
Bildredaktion Thomas Skroch (Ltg.), Isa Lim, Samantha Taruvinga Ingrid Hedley, Marketing Director
Art Department Viviana Tapia (Stv. Art Director), Selina Lang, ingrid.hedley@condenast.de, Tel. -142
Anastasia Novikova (Trainee) Kathrin Ölscher, Marketing Director
Assistenz der Chefredaktion Johanna Hänsch kathrin.oelscher@condenast.de, Tel. -746
Mitarbeiter dieser Ausgabe Andrea Brandis, Reinhard Krause, Creative Studio Carsten Schilkowski, Head of Creative Studio
Sophia Lierl, Iain Reynolds carsten.schilkowski@condenast.de, Tel. -365
Autoren dieser Ausgabe Larissa Beham, Gesine Borcherdt, Ulrich Clewing, Advertising Operations Katharina Schumm,
Serge Gleizes, Roland Hagenberg, Florian Siebeck Head of Revenue Management, Ad & Marketing Service
Fotografen dieser Ausgabe Lea Anouchinsky, Xavier Béjot, Benjamin Brinckmann, katharina.schumm@condenast.de, Tel. -135
Felix Forest, Koji Fuji, Tess Kelly, Jaime Navarro, Jörg Puchmüller,
Björn Wallander, Rachel Warne, Birgitta Wolfgang Bjørnvad
Illustratoren dieser Ausgabe Isa Lim, Anastasia Novikova, Emiliano Ponzi Vertrieb
Stylist dieser Ausgabe Nina Luisa Vesic Alima Longatti, Head of Direct Marketing & CRM
alima.longatti@condenast.de, Tel. -301
Büro Mailand Anna Riva, Paola Dörpinghaus Einzelverkauf MZV GmbH & Co. KG, Karsten Reißner (Bereichsleitung)
Tel. +39 02 29000718, p.dorpinghaus@condenast.it
Büro New York Christina Schuhbeck
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14
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80636 MÜNCHEN EGETEMEIER 84130 DINGOLFING STEINBERGER WOHKULTUR 89250 SENDEN-ILLER INTERNI BY INHOFER 91054 ERLANGEN DÖRFLER WOHNKULTUR

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SOFA GREGOR— VINCENT VAN DUYSEN


Frankfurt am Main . Baden Baden . 00 49 69 28 41 41 . friedrich.eu

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Private View

Alles fließt hier zu-


sammen: Kevin Sys-
trom, Co-Gründer
von Instagram, und
seine Frau Nicole
hatten am Lake Tahoe
ihr erstes Date. „Da
war es nur passend,
dass ich hier um
ihre Hand anhielt.“

Kevin Systrom
Fotos: Douglas Friedman

Der Lake Tahoe raunt von den Mythen amerikanischer Ureinwohner und der rauen Romantik des Wilden Westens.
Instagram-Mitgründer Kevin Systrom träumte für sein neu erbautes Haus am See von einer Atmosphäre, die sich
nach der Lebensgeschichte von Generationen anfühlt. So entstand ein Ort voller Möbel, die schon immer da ge-
wesen sein könnten – wenn auch mit einem gewissen Augenzwinkern, wie o. bei Milo Baughmans Spieltisch. US

17
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Agenda

Wer, wie, was?


Redak tion Johanna Hänsch, Karin Jaeger und Reinhard Krause
Neu eröffnet
Jil Sander, Paris
Nach Umbau wieder da: Flagship
an der Avenue Montaigne.
jilsander.com

Kustermann, München
Neu: Bar und Lounge der Kauf-
haus-Ikone am Viktualienmarkt.
kus termann.de

Engel Optik, Herisau


Brillenkauf als Design-Vergnügen
im Appenzellerland, Schweiz.
engel- optik.ch

Fritz Hansen online


Dänemarks Design-Riese startet
E-Commerce in Deutschland.
fritzhansen.com

Parole: Himmelblau Achille Salvagni Atelier, London


Geht es nach dem Modehaus Lanvin, werden die 20er unfassbar positiv. Aus Neue Galerie des Architekten
Stofffluten und pastellfarbenem Wellblech schufen Dimore Studio in Shanghai ei- in der Grafton Street, Mayfair.
nen Showroom wie die ideale Ankleide – mit lauter griffbereiten Lieblingsstücken. achille salvagni.com
lanvin.com, dimore s tudio.eu

Drei Fragen an

Fotos: Paola Pansini; Bosque; Ronald van Wieren (2); Kunstwerke: © Anton Cotteleer; © Melanie Bonajo; © Dröge Wendel
Anne Berk
Sie haben für das Museum Morsbroich
die Ausstellung „Liebes Ding – Object
Love“ kuratiert. Was zeigen Sie dort?
Zeitgenössische Kunst, die unsere intime
Beziehung zu den Dingen offenbart.

Und was war es, das Sie bei der Recherche


für die Schau am meisten überrascht hat?
Dass Dinge eine so wichtige Rolle in unserem

Dead
Leben spielen – wir entwerfen sie, doch dann
lassen wir unser Verhalten von ihnen bestim-
men. Das Auto assoziieren wir mit Freiheit,

simple aber beim Fahren folgen wir brav der Straße.

Was macht denn einen maßvolleren


… ist es dank Bosque, die zum eige- Umgang mit Gegenständen so schwer?
nen Profil passende Zimmerpflanze Wir leben in einer kapitalistischen Gesell-
zu finden und zu pflegen. Bislang schaft und sind ständig versucht, noch mehr
erst in Berlin: Das Kreuzberger Start- zu kaufen. Shop till you drop! Der Europäer
up legt Wert auf kurze Wege und besitzt circa 10 000 Dinge. Es ist schwierig, Die Niederländerin Anne Berk (g. o.) ist Kunstkritikerin
und Kuratorin. Ihre Schau „Liebes Ding – Object Love“
wenig Stress für seine slow plants. dies zu ändern, weil wir unsere Identität (o. Yvonne Dröge Wendels „Das Ding (Black Ball)“,
b osqueplant s.com mit unserem materiellen Besitz verbinden. 2000) läuft noch bis 26.4. museum-morsbroich.de

18
ROMEO SOFA
AD
Agenda

… im März

Brutal erhebend
Manche moderne Kirche wird heute eher
abgerissen als ihr Dach saniert. Nicht so
die Wallfahrtskirche in Neviges. Mit einer
Ausstellung über den Beton-Dom (1963 bis

Legendär 68) begeht das DAM in Frankrt/Main


Gofried Böhms 100. Geburtstag. Bis 26.4.
dam - online.de
Das Vitra Design Museum zeigt „Home

Fotos: © Nat Finkelstein Estate / All rights reserved; Inge und Arved von der Ropp / Irene und Sigurd Greven Stiftung; Michael Rygaard; Jürgen Hans / © Vitra Museum
Stories: 100 Years, 20 Visionary Interiors“,
o. etwa Andy Warhols Factory. Auch dabei:
der „Coquetier Armchair“ (re.) von ARP, den
bereits – Achtung! – Monsieur und Madame
Nicht verpassen!
Arpel in Tatis „Mon Oncle“ besaßen. Bis 23.8.
ARCOmadrid
de sign -museum.de
Internationale Messe für Kunst
der Gegenwart. 26.2.–1.3.
ifema.e s

The Armory Show, New York


An den Piers 90 und 94: bedeu-
tende US-Kunstmesse. 5.–8.3.
armor yshow.com

Collectible, Brüssel
Out of Værløse
Designmesse mit Schwerpunkt
Wehmut kam auf, als der limitierte Auflagen. 5.–8.3.
Vintage-Händler aus dem collec tible.de sign
linken Torhaus an Kopen-
hagens Bredgade auszog.
Tefaf Maastricht
Jetzt sind die Neuen da –
und alles ist wieder gut: Brdr. Acht Themenbereiche, 280 Aus-
Krüger fertigen seit 1886 steller, 7000 Jahre Kunst. 7.–15.3.
te faf.com
feine Handwerksmöbel – die
sie nun erstmals außerhalb
von Værløse in einem Show- Forward Festival, München
room präsentieren. Das Das Zukunftsforum der Munich
Interior schuf das junge Duo Creative Business Week. 12.–13.3.
Bunn Studio. Velkommen! for ward-fe s tival.com
brdr-kruger.com

20
www.royalbotania.com
FLAGSHIP STORE - BÄRENGASSE 10 - ZÜRICH
HIERONYMUS-CP.COM
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stellt vor

Gesine
Borcherdt
ist bestens vernetzt. Nach fünf Jahren
bei „BLAU“, wo sie als leitende Redakteurin
tätig war, kuratiert sie nun die Ausstellung
„Dream Baby Dream“ (bis 20.12.) im Kerpener
Haus Mödrath. Für uns blickte Borcherdt
in Mailand hinter eine eher fade Fassade,
um festzustellen, „dass Fliesen weich wie
Teppiche wirken können“, und brachte eine
Pariser Designerin zum Plaudern: „Laura
Gonzalez' Möbel tragen eine ganz eigene,
warme Kompaktheit in sich.“ S. 134 und 50

MÜNCHNER
STOFF
FRÜHLING
12.–15. MÄRZ 2020
Neue Kollektionen •
Isa Lim 35 Aussteller mit über 90 Marken •
Shuttle Service • Guided Tours •
saß genau dort, li. Textile Trendshow • Interior
auf ihrem Sofa, als sie Congress • Lange Nacht der
sieben Grundrisse für diese Showrooms • Gala-Abend mit
Verleihung des Münchner
Ausgabe illustrierte. Als studierte Stoff Frühling Interior Awards
Innenarchitektin war unsere Fotoredak-
teurin genau die Richtige, um kleine Räume Alle Informationen
und Anmeldung:
grandios zu skizzieren. Isa und ihrem Mann genügen
www.stoff-fruehling.de
übrigens 57 Quadratmeter zum Glücklichsein. Denn:
„Weitläufigkeit bietet der Blick auf Bogenhausen.“ Ab S. 96

Ulrich Clewing
Fotos: Frédéric Schwilden; Ralph Stieglitz; Illustration: Isa Lim

wurde vor 35 Jahren Berliner. Als der


Münchner in den 80ern nach Moabit zog,
fand er genau, was er vermisste: „Die Stadt
war hässlich, dreckig und grau. Und dafür
liebte ich sie.“ Auch heute noch, denn weg-
ziehen würde der Autor auf keinen Fall.
Und doch konnte er Björn Wallander ver-
stehen, der sein Brooklyner Loft gegen ei-
nen Schuhkarton in Manhattan eintausch-
te: „Lieber klein und echt wohnen als
groß und nur gespielt authentisch.“ S. 142
Green
Eine Kollektion von authentischen National Trust Farben mit Originalfarbtönen aus den eigenen
vier Wänden von Winston Churchill, George Bernard Shaw und Beatrix Potter. Jetzt erhältlich.

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STOCKISTEN: Ahrensburg – Heinrich Burth Beierfeld – DerRaumDesigner Bielefeld – Wulff Berlin – Gebrüder Tonsor Berlin – Oberflächenwelt Berlin – BlueLiving
Berlin – Masion DFH Braunschweig – Berenfeld Interieur Braunschweig – Raumtraum Dormagen – Schoo Dresden – Tapeten und Uhren Duisburg – Raumwerk Niederrhein
Düsseldorf – Sundermann & Palm Flensburg – Prasch Farben Frankfurt – Interior Colour Hagen – Klein GmbH Hamburg – Paint & Brush Hamburg – CB Farbenkontor Kiel – Wändezeit
Koblenz – Farben Schmitt Raumdesign Köln – Livingwalls Cologne Köln – Michels Raumideen Konstanz – Gradmann Leipzig – Hubert – Schenken.Wohnen.Leben
Maikammer – Malerbetrieb Braun München – Farbenfachhandel Hubka München – Parkettbörse Quierschied – Maler Daniel Ravensburg – Farben Sigel
Rüdershausen – Meine Wand Trier – Mille Deco Westerland – Farben Schmidt
Gebenstorf (CH) – Heierling Maler AG Hausen am Albis (CH) – Bluff Interior & Colour Design Münsingen (CH) – Farbwerk Herren AG Wien (AT) – Marvin Graf

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Stil
Inspiration, Neuheiten, Thema, Interview, Talent, Porträt, Studio und Praxis

Klein,
Große Ideen für kleine Räu-
me: Sesselchen „Botolo“
von Arflex (über Stephanie

aber
Thatenhorst, 2009 Euro),
daneben Carpyens Leuch-
ten-Tisch-Kombi „Carla“

froho!
(über Freiraum, 798 Euro),
darauf Brille „Netta“ (325
Euro) von Oliver Peoples
und Glas von Rotter (über
Stephan Keller, 190 Euro).
Jan Kaths Sitzkissen (vorn,
über Böhmler, 2340 Euro)
trägt zwei Tabletts von
Giobagnara (über Lumisol,
ab 365 Euro). Im Hinter-
grund Dedars „Tiger Silk“.
Foto: Benjamin Brinckmann/Studio Condé Nast

Redak tion Simone Herrmann und Sally Fuls Produk tion Nina Luisa Vesic Fotos B enjamin Brinckmann
25
Stil
Inspiration

Erfrischender Empfang:
Garderobenständer
„Tilda“ mit integriertem
Pouf von Schönbuch (ab
1569 Euro), darauf Tsat­
sas’ Lammnappatasche
„Lato“ (530 Euro). Daran
Kleiderbügel „Tangent“
aus Metall von Friends &
Founders (ab 32 Euro)
und Loewes Mohair­
schal „Stitches“ (490 Eu­
ro). Daneben Spiegel
„Cesta“ aus Stahlrohr mit
Kunststoffgeflecht von
Ames (über Stephanie
Thatenhorst, 739 Euro)
und Chanels Pumps aus
Kalbslackleder (930 Eu­
ro). Stoff „Pop­Up“ von
Boussac bei Pierre Frey.

Foto: Benjamin Brinckmann/Studio Condé Nast; Produktion: Nina Luisa Vesic

26
Stil
Inspiration

Platz für Bestseller! Bücher­


regal „Turner“ aus Canalet­
to­Nussbaum mit drehbarem
Lederaufsatz von Poltrona
Frau (5850 Euro). Darauf
Jean Rogers Ananas­Skulp­
turen aus Keramik, rechts
lugt eine Bronzegiraffe her­
vor (alle über Stephan Keller,
je 190, 1150 und 850 Euro).
Vorn leuchtet „Setago“ von
& Tradition (über Stephanie
Thatenhorst, 94 Euro), u.
links eine Vintage­Keramik­
vase. Hinter dem lackier­
ten Buchenstuhl „Leggerissi­
ma“ von Podestà (über Lu­
misol, 780 Euro) hängt der
Jacquard „Pazl“ von Dedar.

Foto: Benjamin Brinckmann/Studio Condé Nast; Produktion: Nina Luisa Vesic

28
Stil
Neuheiten

Blau-Macher
Einfach mal zu Hause bleiben! Platz für entspannte Stunden
daheim bietet die Sofalandschaft „Air“ von Sitzfeldts Chef­
gestalter Steffen Kehrle allemal. Aber auch ausgelassenem
Toben hält die variantenreiche Serie mit massiven Eichen­
rahmen aus nachhaltiger Forstwirtschaft stand. Bezogen ist
die Polsterecke (u,. in zwei Leder­ und sechs Stoffkollektionen
mit 76 Farben) mit dem Halbleinen „Fino“, 4409 Euro. FW
sitz feldt .com

Mix and match!


Alles kann, nichts muss: Ob
in kleinen Nischen, als Side-
board oder Bücherwand, das
Regalsystem „Fram“ von
Mathias Hahn für Another
Country passt sich an. In
drei Höhen und Farben kön-
nen die Module aus Eiche
oder Esche verbunden und
mit Seiten- und Rückwänden
versehen werden – oder ganz
allein stehen, ab 895 Pfund.
anothercountr y.com

Edles Metall

Fotos: Norman Konrad/Cosmopola; Another Country; © Pulpo; Valentina Romen; Fahim Kassam
Es ist nicht alles Gold, was glänzt

Ordnungs-Upgrade: Durch Manipulation Goldene Löffel? Auch wer sein Messer auf Schreibtisch-Savanne: Pulpos Bronze-
des 3D-Scans klassischer Kleiderhänger dem Messingbänkchen „Bench“ der Herde aus Giraffe, Reh, Nashorn und
schuf OAO Works eine organische Version Schmuckdesignerin Valentina Romen für Schwan erobert die Tablescapes. Die
des Bügels. In Messing gegossen, wird je- Adorno ablegt, kann sich wie ein kleiner Originalformen aus Papier und Tape sind
der „89“ zum Individuum, 4er-Set 90 Euro. Sonnenkönig fühlen, 268 Euro. im Abguss noch erkennbar, Set 820 Euro.
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Stil
Neuheiten

Thema

Psycho-delisch
Vor 40 Jahren starb der Master of Suspense. Keine
Angst! In diesen Designs lebt Hitchcocks Geist weiter.
2

Fotos: Universal Studios / Moviepix / Getty Images; CC-Tapis; Daniele lodice für die Galerie Nilufar, Mailand; Society6; Courtesy of Loewe; Castro Smith; Fendi; Sylvain Deleu
Redak tion
Nina Luisa Vesic

7 1 Bedrohlicher Vogel? Teppich „Feathers Freeform“ aus Wolle und


Seide ist handzahm, 4921 Euro cc -tapis.com 2 Messerscharf: Wand- 3
leuchten „Fold“ aus Messing von Hannes Peer nilufar.com 3 Sorgt
für Spannung beim Duschen: Vorhang „Art Deco 2“, 52 Euro socie
t y6 .de 4 Vom Metalltisch „Vulcano“ tropft blutrotes Glas anthea
hamilton.com 5 Handgravierter Ring „River of Birds“, 2880 Pfund
c as trosmith.com 6 Marni-esk versteckt! Lederparavent aus der „Ro-
man Molds“-Kollektion f e n di.c o m 7 Fragile Persönlichkeit: „Col-
lapsed Bowl“, schwarzes Porzellan, 3200 Euro oliviawalker.co.uk
6

4
5
32
Stil
Neuheiten

Dschungelgrüße
Fauvismus für die Wand: Frei nach Henri
Rousseau ranken sich naiv-exotische Wedel,
Bläer und Palmen über Élitis’ Vinyltapete
„Waiting for Eve“. Das Paradies im Pano-
ramaformat erstreckt sich über 3 × 3 Meter
(840 Euro). Auch in Wunschgröße.
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Bling it on!
Nach 45 Jahren Armani gibt Giorgio sein Juwelen-
Debüt: Wie in der Mode setzt er bei „Borgonuovo“
auf klare Form – und kombiniert zum Cuff aus ge-
schwärztem Gold ein Diamant-Logo, 19 000 Euro.
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Vollen
Das purpurne Regal der „Labirinti“-
Kollektion überzeugt leer genauso
wie bestückt. Exklusiv für The Gallery
Brussels entwarf das Designerduo
Studio Zanellato / Bortotto die sechs-
Fotos: Élitis; Armani; Mauro Tittoto

teilige Möbelserie, um kleinen Schätzen


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in Italien – macht die Unikate selbst zu
Sammlerobjekten. Preis auf Anfrage. FW
thegaller ybruxelle s.com

33
Stil
Neuheiten

Schnick, Schnack, Schnuck


Und Stein gewinnt! Zumindest bei den schilfgrünen
Salatschalen von Stonemade. Sie bestehen einzig
aus dem Naturmaterial, sind von Hand beschliffen
und weder versiegelt noch imprägniert, 30 Euro.
s tonemade.com

Alles nach Maß


Einen Kleiderschrank begehbar machen? Das kann Raumplus
dank maßgefertigter Gleittüren, Raumteiler und Schrank­
system im Handumdrehen (wie auf der Skizze oben). Füllen
müssen Sie den Stau­ und Schau­Raum danach aber selbst.
raumplus.de

Kings of Zeichnung: © Raumplus; Fotos: Lipp Zahnschirm; Hackett (2)

Haka
Londons Savile Row ist der Olymp der Herrenkonfektion.
Im Townhouse mit der Nummer 14 – wo einst Sir Hardy
Amies, der Schneider der Queen, waltete – eröffnet nun das
Headquarter von Hackett Bespoke Tailoring. Neben den
vergnügten Zebras auf Scalamandrés Tapete eilt dort auch
Chefdesigner Jeremy Hackett (o.) durch die Gänge. MB
hacke t t .com

34
Tosca armchair & Tao table, design by Monica Armani

Living the good life outside.


Love it, live it, share it.

www.tribu.com
Stil
Interview

Design in
jeder Faser
Zwischen London und Südamerika
arbeitet der mexikanische Designer
Fernando Laposse an einer besseren
Welt. Seine Entwürfe sind die Essenz
problembasierter Materialstudien.
Komplex, nachhaltig und – so schön!

Tex t Friederike Weißbach

„Pink Beasts“ (oben): Hängematten und


Faultiere aus natürlich gefärbtem Sisal
schwingen in der vom Miami Design Dis-
trict beauftragten Laposse-Installation.
Der 31-Jährige (rechts) konzentriert sich in
seinen Projekten auf Material aus seiner
mexikanischen Heimat: Luffa, Agave, Mais.
P Wandmosaik: Für „Toto-
moxtle“ (rechts) experi-
mentiert Laposse mit in-
inke Faultiere im Miami Design District! digenen Maissorten und
Wie kam es dazu, was steckt dahinter? verarbeitet die Blätter zu
Marketerien. Paravent,
Ich bekam dort den Auftrag, eine Installa-
Daybed oder (wie u.) Ka-
tion zum Thema Farbe einzurichten. Per- kao-Set: Auch Luffa lässt
fektes Timing, denn ich arbeite seit einigen sich vielfältig einsetzen.
Monaten mit einem Farbstoff aus Schild- Pretty in pink: Bänke und
läusen. Ich hatte etwas Plakatives aus pin- Tisch (ganz unten) aus
rosa eingefärbten Sisalres-
kem Sisal im Kopf, musste meinen Entwurf
ten, in limitierter Edition.
aber aus Platzmangel in die Luft verlegen.
So kam es zu den Hängematten, die ich mit
Angela Damman entwickelte, und den Faul-
tieren, den Maskottchen Südamerikas für
Nachhaltigkeit. Die Installation sollte nicht
nur fotogen sein – man lernt auch etwas
über natürliche Materialien und Farben.
Wie gehen Sie sonst ein Projekt an?
Sobald ich mich für ein Thema interessiere,
lese ich möglichst viel darüber und versu-
che, ein Material zu finden, das in Verbin-
dung mit dem Grundproblem steht. In mei-
nem Mais-Projekt ging es mir zum Beispiel
um die Rechte einheimischer Stämme, Bio-
diversität und den Verlust von indigenem
Saatgut. Bei der Arbeit mit Sisal beschäf- Presse und immer mehr geschulte Hand- Was wird Ihr nächstes großes Thema?
tigt mich, dass diese starke Agavenfaser werker. So können wir „Totomoxtle“ dem- Avocados! Die Welt ist süchtig danach, und
immer weniger genutzt wird, obwohl sie nächst als Furnier pro Meter anbieten. die meisten Früchte kommen aus Yucatán,
eine echte Alternative zu Plastik ist. Ich Wie beeinflusst die Ausbildung am Cen- wo meine Großmutter lebt. Aber die große
dokumentiere viel mit Filmen und Fotos, tral St. Martins Ihre Projekte in Mexiko? Nachfrage hat dafür gesorgt, dass die Mafia
spreche mit den Bauern und Arbeitern. So- Es heißt, niemand sei Prophet im eigenen dieses Geschäftsfeld für sich entdeckt hat.
bald ich ein Material gefunden habe, fange Land. Ich musste gehen, um meine Heimat Der exzessive Wasserverbrauch, die illegale
ich an zu experimentieren und zu testen. In mit frischem Blick zu sehen. So habe ich Rodung von Wäldern, um Platz zu schaffen,
dieser Zeit werde ich Teil der Dorfgemein- gelernt, das Handwerk zu schätzen, das in und – weil alle nur die bekannten Hass-
schaft und selbst zum Handwerker. Erst Mexiko ganz selbstverständlich ist. Gleich- Avocados wollen – der Verlust der Sorten-
danach beginnt der Designprozess. zeitig entwickelte ich so eine Sensibilität vielfalt sind problematisch. Damit und vor
Welche Rolle spielt dabei die Funktion, für europäisches Design. Sie bewahrt mich allem mit dem, was sich aus Avocados ma-
was inspiriert die Form Ihrer Designs? vor ästhetischen Mexiko-Klischees. chen lässt, will ich mich beschäftigen.
Meine Entwürfe sollen Funktion haben,
werden aber eindeutig durch die Material-
eigenschaften geformt. Und auch das Ge-
fühl, das mir ein Material vermittelt, be-
einflusst die Ästhetik. Sisal hat für mich
zum Beispiel etwas Animalisches. Ich den-
Fer na ndo L ap o s s e
ke, die Form der Designs verstärkt diese
Qualität. Ich beschäftige mich auch viel
mit naiver Kunst und der handwerklichen
„Mit Design
Tradition von Naturvölkern. Aber ich zitie- kann ich
re diese Ausdrucksformen niemals direkt.
komplexe
Fotos: Pepe Molina; Fernando Laposse (4)

In Ihren Stücken steckt sehr viel Hand-


arbeit. Können sie auch in höherer Auf- Ideen und
lage produziert werden?
Ich arbeite daran! Bei Naturmaterialien wie
Konzepte in
unseren Maisblättern beschränkt der Ernte- einfacher
ertrag den Bestand. Aber immer mehr Bau-
ern pflanzen die seltenen Maissorten, wir
Sprache
haben Stromversorgung, eine hydraulische ausdrücken.“
37
Stil
Neuheiten

Afrika, lockende Welt


Es sind die Farben Tansanias, die Helmut Scheufele zur „Legends
of Carpets“-Edition für Walter Knoll inspirierten. Wie gemalt
wirken die neuen Teppiche, rechts „Yungiyungi“ aus Wolle, Seide
und Brennnessel. Ein Kunststück, das die Atmosphäre am
Great Ri Valley (o.) einfängt. 1890 Euro / m2, über Böhmler.
walterknoll.de, b o ehmler.de

Fotos: Shujaa_777 / Shutterstock; Walter Knoll; Jeremy Josselin; Matteo Bartoli; Porträt: Studio Destroyers / Builders
Applike „Pissenlit“
von Mydriaz
aus vergoldetem Messing
und farbigem Glas
Preis auf Anfrage
mydriaz-paris.com

Pleased to
touch you!
Mit sensorischen Gegensätzen spielen, das beginnt bei Destroyers /
Builders schon im Namen. Wie gekonnt das Spiel mit Zerstörung und
Neuanfang ist, zeigt auch die jüngste Kreation des belgischen Design-
studios. Linde Freya Tangelder bearbeitet die „Archetype“-Bank aus
maschinell gepresstem Spanholz mit feinen händischen Schnitzker-
ben – und glättendem Lack. Limitierte Edition, via Nilufar Gallery. MB
de s troyer sbuilder s.com
Ruf der
Freiheit
Die neuen Outdoor-Möbel locken in entlegene
Breitengrade. Auf zu einer Abenteuerreisee
vom Hochgebirge über die Arktis bis zur Stepp

Redak tion Mona B erger s


und Nina Luisa Vesic
Illus tration Anas tasia Novikova

; Weishäupl; Gandia Blasco; Ink; Sunbrella


s: Fer

Unter der Höhensonne Textiliens


Von oben li. im Uhrzeigersinn: Fermobs Alu-Beistelltisch „Bebop“ (279 Euro) ist der Gipfel! Weishäupls „Klassiker“-Schirm aus Esche,
Acryl und Beton (ab 655 Euro) schützt vor Strahlen auf der „DNA Teak“-Liege mit Alugestell von Gandia Blasco, 2570 Euro. Tribùs Teakstuhl
„Elio“ mit Flechtschale trägt den Namen des griechischen Sonnengottes, 1995 Euro. Alle Landschaften aus Outdoor-Stoffen von Sunbrella.

40
Fotos: Vondom; Manutti; Roda; Blomus; Royal Botania; Sunbrella

Auf der Spitze des Eisbergs


Angespült wurde Vondoms „Ibiza“-Liege mit Lamellen aus recyceltem Plastik, Preis auf Anfrage. Gute Aussicht bietet die Récamière
aus Manuttis „Flex“-Kollektion, ab 2700 Euro. Und … Action! Rodas Regiestuhl „Orson“ mit Teakgestell, ab 1035 Euro. Steht gut, hängt
gut: die vielseitige Alulampe „Ani“ (99 Euro) von Kaschkasch für Blomus. Ankerpunkt ist Royal Botanias Betontisch „Conix“, 4599 Euro.

41
Stil
Inspiration

Fotos: Isimar; Gloster; Unopiù; Ettore Panichi; Dedon; Sunbrella

Bereit zum Steppentanz


Hot on wheels: Der Sonne entgegen strahlt Isimars „Barceloneta Sunlounger“, Preis auf Anfrage. Das Geflecht von Glosters „Fern Lounge
Chair“ fächert die Sonnenstrahlen, 2950 Euro. Keine Fata Morgana: Unopiùs „Solar“-Dusche, mit Okoume-Podest und Solarzelle 2140 Euro.
Surreal sticht Emus Stahlskulptur „Ficus“ hervor, 2333 Euro. Schirmherr aus Alu und Seil: „Rilly Cocoon Chair“ von Dedon, 2300 Euro.

42
VIA PROJEKT N° 18

Die Bühne des Lebens –


VIA Platten für gutes Bauen.

ZEMENTMOSAIKPLATTEN | TERRAZZOPLATTEN | TROTTOIRPLATTEN | KREIDEFARBE viaplatten.de


Stil
Neuheiten

House
on Cards
Garantiert ein Full
House hat, wer mit
Arams Karten spielt:
13 Londoner Wahr-
zeichen verwandeln
jedes schlechte Blatt
zum guten. Ein Poker-
face bewahren hier
höchstens Banausen –
aber mit denen
will man ja eh nicht
spielen. 10 Pfund.
aram.co.uk

Ein grüner Daum(en)


Dieser Kaktus, er besticht, sticht, stiiicht! Und zwar mit
einem vollen Bouquet aus neblig grünen Kristallarmen,
die Emilio Robba für Daum als 40 Zentimeter hohe Vase arran-
gierte. „Jardin de Cactus“, auch in Grau erhältlich, 4900 Euro.
daum.fr

Chrom ade!
Fotos: Aram; Daum; Courtesy of Knoll

Black is back: Während die meisten Klassiker im letzten Jahr-


zehnt in allen Regenbogenfarben relauncht wurden, entschied
Knoll sich zum Revival in Schwarz. Marcel Breuers „Wassily
Chair“ schimmert in der „Bauhaus-Edition“ nun mit dunklem
Metallfinish. Limitiert auf 500 Stück, 2880 Euro. SF
knoll-int.com

44
Stil
Neuheiten
Fotos: Jonathan Pivovar, Styling: Jocelyn Cabral (2); Daniel Cochran; Porträt: Samuel Sachs Morgan

Talent

Linientreu! Steven Bukowskis „Piano Chair“


(o., mit den Bowls „Sphere“ und „Cone“) imi- Steven
Bukowski
tiert eine Klaviertastatur. Runde Sachen:
ganz o. die „Pluma Lamp“ auf einem „Flora
Coffee Stool“, re. der „Bubble Side Table“.

Redak tion Mona B erger s

T
raumhaft sind die Designs von Steven Bukowski gleich zweifach. „Der ‚Bubble
Side Table‘ (o.) erschien mir tatsächlich im Schlaf. Tagsüber verfolgte mich der
Instagram-Post eines antiken japanischen Stuhls, den wilde Zickzacklinien um-
gaben. Im Traum öffneten sich plötzlich versteckte Schubladen, die eins waren
mit der spitzen Oberfläche. Kurz darauf fiel mir im Atelier eine gewellte Guss-
form in die Hände, die ich eigentlich nur aus Interesse gekauft hatte. Es klickte
sofort!“ Bei seinen rhythmischen, Memphis und Op-Art zitierenden Designs
spielt der 31-Jährige immer mit der Beziehung zum Raum. Dabei folgt jedoch
nicht jedes Objekt – wie der blaue Wellenwerfer – einer „Horror Vacui“-Ästhe-
tik: „Die Form vom ‚Piano Chair‘ (o. li.) betont erst der negative Raum, die in-
tegrierte Leere.“ Rund lief es bei dem in Williamsburg ansässigen Industriedesi-
gner von Beginn an: Kurz nach der Gründung seines Studios 2016 landete er
den Auftrag, die Sitzmöbel der „Flora Bar“ im Met Breuer zu entwerfen. Das
Projekt vereint seine Leidenschaft für Kulinarik, Baukunst und Produktdesign.
Warum er sich auf Letzteres konzentriert? „Es ist schließlich die Kombination –
Architektur für den menschlichen Körper.“ s tevenbukowski.com

45
Zement, Samt und Natur-
farben – den Münchner
Aesop-Shop (li.) gestalteten
1zu33. In Paris (o.) kleidete
Rodney Eggleston alles in
Esche aus Melbourne, dem
Stammsitz von Aesop. Egal
ob in Amsterdam (u. links,
Design: Valentin Loellmann)
oder in Mailands Corso
Magenta (unten) von Dimo-
re Studio – den neuen Duft
„Hwyl“ von Barnabé Fillion
(105 Euro) gibt’s überall.

46
Stil
Porträt

Alles anders, oder?


Hinter dem stilprägenden Kosmetikunternehmen Aesop steht Gründer
Dennis Paphitis. Und hinter ihm: Suzanne Santos. Die Frau, die
Nonkonformismus mit Substanz mixt. Avantgardistisch und very old-school.

Tex t Simone Herrmann

E
Allein schon, die Kosmetikmarke nach dem griechischen Fabel-
dichter Aesop zu nennen, der ein Ausbund an Hässlichkeit war!
Suzanne Santos lächelt. „Gerade deshalb. Ich bin in den 70er-Jah-
in Hauch von Kräutern, wie eine Arznei aus der Kindheit, sacht ren groß geworden“, erzählt sie, „das Gefällige, Austauschbare hat
und tröstlich. Vielleicht liegt der Erfolg von Aesop daran, dass mich nie interessiert. Alles anders machen, von Grund auf, das
jedes Produkt, egal ob Handcreme, Feuchtigkeitsserum, Shampoo war immer unser Prinzip. Keine Chemie, keine Tierversuche, dafür
oder Duft, so zeitgeistig seine minimalistische Verpackung auch neuste wissenschaftliche Erkenntnisse und: Pflanzenpower!“
sein mag, doch seltsam vertraut wirkt. Ja, vielleicht liegt es am Nachhaltigkeit in einer Zeit, den 80er-, 90er-Jahren, als es
Rosmarin-Mandarinigen. Oder an dieser Frau: Suzanne Santos. keine Grenzen für den Fortschritt zu geben schien und auch kei-
Eine zierliche, ungeschminkte Person mit kurz geschnittenem ne Skrupel, Ressourcen zu verschwenden. „Mittlerweile folgt uns
Haar, das wie ein graues Samtkäppchen ihren Kopf umschmei- der Zeitgeist auf dem Fuß“, sagt sie, „aber wir gehen weiter. Non-
chelt. Santos ist die rechte Hand von konformität ist das große Thema der
Aesop-Gründer Dennis Paphitis, von Zukunft – und unseres, denn nichts ist
Anfang an (also seit 1987) dabei, die so individuell wie Hautpflege. Deshalb
Stildirektorin und Produktverantwort- spielen unsere Läden auch diese beson-
liche des Hauses, eine Legende. dere Rolle“, erklärt sie, „wir kultivie-
Sie beugt sich vor – und ein Hauch ren dort etwas sehr Altmodisches: dem
von Thymian, von Holz, von Wald und Menschen zu Diensten sein.“ Auch bei
Weihrauch berührt einen. Ein Duft der Wahl der Shop-Gestalter war und
wie ihr Händedruck, leicht, aber ein- ist Aesop der Zeit voraus: Dimore Stu-
drücklich. Angenehm. Gerade ist sie dio in Mailand, Valentin Loellmann in
in München gelandet, besucht das Ge- Amsterdam, Rodney Eggleston in Pa-
schäft im Luitpoldblock, den Counter ris … „In München mag ich, wie Zement
bei Ludwig Beck, aber vor allem das und Samt zusammentreffen, das hat
Münchner Aesop-Team. Die Austra- etwas Komfortables und Naturverbun-
lierin kennt alle mit Namen, nimmt denes, wie die Stadt selbst.“
sich Zeit für jeden einzelnen. Kein blo- Und doch, bei aller Individualität:
ßes How are you doing – und tschüs. Sie Gehören Aesop-Kunden nicht auch zu
weiß Bescheid, interessiert sich für einer Gruppe? Zu jenen umweltbeweg-
Erfahrungen mit Kunden und Produk- ten urban bohemians, die man mittler-
ten, aber vor allem für die Kollegen „Mein Lieblingsduft? Nicht zu lieblich“, verrät weile in allen Ländern und Städten an-
selbst. „Ich empfinde es als Privileg, Suzanne Santos, „das Aroma von ‚Fabulous Face trifft, überall gleich, egal ob in Tokio,
mit so vielen Menschen aus unter- Oil‘ mit Ylang-Ylang und: ‚Hwyl‘.“ Sydney oder München? „Natürlich“, sagt
schiedlichsten Ländern in Kontakt zu Santos, „weil wir nach 33 Jahren einen
sein.“ Und das ganz ohne soziale Netzwerke. „Diese Gleichschal- Nerv treffen. Trotzdem sind es ganz unterschiedliche Menschen,
tungsmaschinerie“, ruft sie. „Daumen hoch, Daumen runter – was übrigens unterscheiden sie sich nicht so sehr nach Kulturkreisen,
soll das? Tausend Facebookfreundschaften – lächerlich.“ Nein, sie nur untereinander.“ Worin sich alle einig sind, ist dies: „Alles soll-
selbst hat sich dem bis heute nicht ausgesetzt. Internet, klar, Mails te so einfach wie möglich gemacht sein, aber auch kein bisschen
und digitale Unternehmenskommunikation, „aber das Kostbarste, einfacher.“ Ein Einstein-Zitat und zugleich die Aesop-Maxime bei
was wir haben, ist doch Individualität, das Einzigartige in jedem jedem Produkt, egal ob Creme, Öl oder Parfum. Apropos, „Hwyl“,
Menschen“, sagt sie. „Darin investiere ich alles, als Privatperson der neuste Duft von Barnabé Fillion, duftet nach … Waldspazier-
genauso wie in unserem Unternehmen.“ Das Geschäft mit dem gang! „Aber in einem japanischen Kiefernwald“, Suzanne Santos
Fotos: Aesop

Mainstream sei für Aesop nie infrage gekommen, erklärt sie, „ei- lächelt, und ihr Duft, dieser angenehme Hauch von Thymian, Holz
gentlich haben wir immer genau das Gegenteil davon gemacht“. und Weihrauch, berührt einen, seltsam vertraut.

47
Stil
Neuheiten

Mehr Licht

„Oskar on the Shelf“ „Mito Raggio“


Ingo Maurer Occhio
Metall und Aluminium Karbon, Stahl und Aluminium
517 Euro 4380 Euro
ingo-maurer.com occhio.de

… für Nachteulen … für Pantomimen


Ein richtiges Brett ist „Oskar on the Shelf“! Die von einem Swipe left, swipe right! Bei der Stehleuchte „Mito Raggio“
Sockel getragene Leuchte mit Schwanenhals unterstützt reichen einfache Gesten (oder Berührungen), um Lichtfarbe
Bücher- wie Digital-Junkies. Mit Kippschalter und USB-Port. oder -richtung zu ändern. 60 cm Durchmesser, 6 Finishes.

Fotos: © Ingo Maurer, München; Mierswa & Kluska; Ditte Isager; Simon Menges

„Salt & Pepper“ „Aquarelles Chandelier“


Tobias Grau Ochre
Aluminium Pferdehaar und Porzellan
398 Euro 1459 Euro
tobiasgrau.com ochre.net

… für Vagabunden … für Nostalgiker


Eine Prise Licht, bitte! Die kabellose Tischleuchte „Salt & Wie gemalt! Beim „Aquarelles Chandelier“ arbeitet Ochre
Pepper“ hat ein kluges Köpfchen. In ihm versteckt sich der erstmalig mit Porzellan und lässt Licht durch klimpernde
Touchdimmer. Wasserresistent, via USB aufladbar, 2 Farben. Fransen tropfen. Mit rundem oder ovalem Schirm in 3 Farben.

48
WENN AUS WOHNGEFÜHL
WOHLGEFÜHL WIRD.
Sie legen besonderen Wert auf Ihre Umgebung? Mit unseren neuen Saunen schaffen wir für Sie
Räume zum Entspannen, in denen Sie sich vom ersten Moment an wohlfühlen: bequeme Kissen,
behagliches Licht, angenehme Accessoires. Die Sauna wird zum Interieur-Statement.

Finden Sie noch heute einen Showroom in Ihrer Nähe oder bestellen Sie ganz einfach unseren
neuen Katalog – entweder telefonisch unter 00800 66 64 55 54 oder online auf www.klafs.com
Blüten, Muster, grüne Kacheln:
Im „La Gare“, einem umgebauten
Bahnhof, bringt Laura Gonzalez
den Maghreb unter die rot la­
ckierten Eisensäulen von Paris.
Und natürlich dürfen auch tro­
pische Gewächse nicht fehlen.
En vrai und auf der Panorama­
tapete „Isola bella“ von Zuber.
Stil
Porträt

W Architektin seit einigen Jahren entweder


neu einrichtet oder von Grund auf selbst
gestaltet, von einem so spielerischen Ek-
ie ein guter Geist weht ihr Vibe durch die lektizismus, dass man das Treiben vor der
Räume. Man spürt sie förmlich, sieht ihre Tür vollkommen vergisst – als befände
langen dunklen Haare und diese blumigen man sich plötzlich in den Ferien oder in
Flatterkleider, auch wenn sie nicht da ist. einem Traum und nicht mitten im hekti-
Die sehen an ihr unglaublich elegant aus, schen Alltag der Großstadt.
als sei es eine Selbstverständlichkeit, dass Wie befreiend das sein kann, spürt man
Côte d’Azur und Pariser Chic eine Einheit etwa in der Brasserie „La Lorraine“ im
bilden. Doch Laura Gonzalez verkörpert Faubourg-du-Roule. Dort bedecken Fisch-
genau das: das freie Leben an der Küste mosaike den Boden, der Gast zieht sich in
Südfrankreichs, wo Licht und Farben stär- rot-weiß gemusterte Sitznischen zurück,
ker leuchten als irgendwo sonst – und die unter Wandmalereien, auf denen sich Ko-
Noblesse der Hauptstadt, die ihren histori- rallen, Sterne und Seeigel tummeln – of-
schen Charme nonchalanter in Szene setzt fenbar hat sich hier jemand strikt ge-
als jede andere Metropole. weigert, aus seinen Kindheitsträumen
„Am Meer aufzuwachsen hatte einen
großen Einfluss auf meine Persönlichkeit
und darauf, wie ich heute arbeite“, sagt
Gonzalez. Ihre Mutter stammt aus Spanien,
ihr Vater hat italienisch-spanisch-österrei-
chische Wurzeln. Beide waren Unterneh-
mer – sie in der Mode, er betrieb mehrere
Leichthändige
Hotels und Restaurants und sprudelte vor Eleganz: Laura
Ideen. Auch Laura malte und zeichnete als Gonzalez (li.) gibt
Kind auf jedes Blatt, das sie kriegen konnte. den Räumen von
Ihre Eltern nahmen sie mit auf Flohmärk- Bars, Clubs oder
Restaurants eine
te, zu Auktionen und in Museen. „Und wir
fast private, be-
sind viel gereist. Die spanische Kultur hat schwingt-feminine
mich sehr geprägt, ich war immer in den Note. Dabei lässt
Ferien dort.“ Aber auch die Wochenenden sie Grün mit Rosa
in dem idyllischen Bergdorf Saint-Paul-de- tändeln: „Pondi-
chery“-Stuhl (oben,
Vence und in der Fondation Maeght blie-
474 Euro) und Ca-
ben haften, wo Laura schon früh mit Wer- napé „Salvadore“
ken von Henri Matisse, Alexander Calder unten, bezogen
und Diego Giacometti in Berührung kam. mit Mohairvelours
„Kultureller Anspruch ist in meiner Ar- von Pierre Frey.
beit ebenso wichtig wie Poesie, Fantasie
und Frische“, sagt sie. „Was gibt es Schö-
neres, als während eines Dinners auf Zeit-
reise zu gehen?“ Tatsächlich sind die Res-
taurants, Bars und Boutiquen, die die
Fotos: Jérôme Galland; Stéphane Briolant (2); Porträt: Ambroise Tézenas

Tex t G esine B orcherdt

Die Architektin mit


der Glücksformel
Laura Gonzalez beschert Paris Highlights der Gastronomie,
sie entwirft Möbel und Cartier-Boutiquen auf der ganzen Welt.
Bald stehen auch Privatwohnungen auf ihrer Stil-Agenda.

51
Stil
Porträt

auszusteigen. Oder das altehrwürdige Res- historischen Bahnhof von Passy-la-Muette mals bekam sie den Auftrag, das legendäre
taurant „Lapérouse“ am Quai des Grands wiederum ist eine helle Oase voller Palmen, „Bus Palladium“ in Pigalle aufzumöbeln –
Augustins: Hier ist alles in Rot und Gold, Kakteen und Kacheln, die ihre Besucher in einen Rocktempel mit Bar und Restaurant,
Samt und Seide getaucht, was etwas Kö- ein modernes Marrakesch befördert. in dem schon Salvador Dalí, David Bowie
nigliches und zugleich Frivoles hat. Sitz- „Meine Philosophie lautet, nie zweimal und Mick Jagger ihre Pariser Nächte ver-
kissen, Barhocker und Wände sind be- dasselbe zu tun“, sagt Laura Gonzalez. „Das bracht hatten. Mit psychedelisch gemuster-
druckt mit floralen Mustern. Der Blick weiße Blatt gibt mir den Adrenalinschub, ten Tapeten und Teppichen samt Vintage-
schweift über Chinoiserien, in denen man immer wieder neu zu denken.“ Dennoch ist Möbeln glänzt das „Bus“ seither in einem
zwischen alten Wandspiegeln, Kristallglä- der Mix aus Mustern und Materialien, Far- polierten Allover-Flair der Sechzigerjahre,
sern und Kassettendecken versinkt, als wä- ben und Formen, Epochen und Ländern und zwar ohne jede Nostalgie. Stattdessen
re man mit Marcel Proust auf der Suche eine Handschrift, die sie schon als Archi- entstand eine Hommage an einen Ort, des-
nach der verlorenen Zeit. Das „La Gare“ im tekturstudentin in Paris auszeichnete. Da- sen Historie fühlbar, aber nicht erstickend
ist: ein Mix, der Laura Gonzalez auf einen
Schlag bekannt machte.
Heute leitet sie ihre eigene Firma mit
L au r a G on z a lez
rund 25 Mitarbeitern. Ihr Mann managt

„Was gibt es Schöneres, als bei einem das Ganze und betreut ihre Möbelkollekti-
on aus rundlichen Sesseln, Couchtischen
Dinner auf Zeitreise zu gehen?“ und Keramikleuchten (angefertigt vom
Atelier Jean Roger), die wie ihre Räume fan-
tasievolle Heiterkeit ausstrahlen. So recht
Spannung ja, Unruhe passen will der harte Firmenname „Agence
mitnichten! Der Drei- Pravda Arkitect“ dazu nicht. Doch was
klang aus Schwarz, Weiß klingt wie der Titel eines konstruktivisti-
und Sandtönen verbin- schen Manifests, ist in Wahrheit eine An-
det die Muster auf Vor-
spielung auf die „Pravda“-Bar in New York,
hang, Sofa und Pouf die-
ses Zimmers im Hotel die es der Chefin einst angetan hat.
„Relais Christine“, Saint- Längst belässt es Gonzalez nicht nur bei
Germain-des-Prés. der Gastronomie. Mehr als ein Dutzend
Cartier-Shops hat sie gestaltet, die nächs-
ten Ableger in New York, Moskau und
Shanghai sind gerade in Arbeit. Auch hier
greifen Fresken voller Pflanzen, Tiere und
Abstraktionen mit Möbeln aus Marmor,
Messing und Velours ineinander. Sie ver-
wandeln die Verkaufsräume in Ruhezonen,
in denen der Geist umherwandern darf
wie im Märchen. „Dort gilt eine ganz ande-
re Art von Gastfreundschaft als in einem
Restaurant. Ich kombiniere meinen Stil mit
der DNA von Cartier, aber auch mit den
Einflüssen des Landes und sogar der Stra-
ße, in der das Geschäft liegt.“
Naheliegend, dass nun auch Hotels und
Wohnungen zu ihrem Repertoire zählen –
Fotos: Didier Delmas; Stéphane Briolant (4); Romain Laprade (4)

allen voran ihre eigene, die sie derzeit ge-


staltet. „Viel Licht und natürliche Textu-
ren“, so viel verrät sie bereits. Denn zu
Hause, das ist für sie immer noch der wich-
tigste Ort. „Zeit mit den beiden Kindern
und den Hunden, Kochen, Spielen und Vor-
lesen – das muss sein!“, sagt sie und lacht.
„So komme ich wieder runter.“ Aber auch
ihre Firma sei Familie. „Es ist mir wichtig,
dass alle sich wohlfühlen und glücklich
sind.“ Und wie sollte man das nicht sein, in
der Welt der Laura Gonzalez?
Die unbeschwerte Welt der Laura
Gonzalez: re. Sofa „Casa“ mit Kissen
von Turnell&Gigon (Preis auf Anfrage)
und Leuchte „Bosphore“, 2290 Euro.
Unten Beistelltische „Napoli“ und „Fiu-
micino“, ab 4331 Euro, „Bosphore“ als
Appliken, 1350 bzw. 840 Euro, und
Tischleuchte „Acropora“, ab 240 Euro.

Feinstofflich: Der Armlehner „Madras“ oben, 2700 Euro, trägt „Aglae Goyave“ von Bra-
quenié; die beiden „Ipanema“-Sessel u. re. (je 4200 Euro) sind mit Dedar-Stoff bezogen.
Das Muster für den Baumwollsamt auf dem Pouf „Babylone“ (u. M., 2135 Euro) entwarf
Laura Gonzalez für Pierre Frey. Die gesamte Kollektion finden Sie auf laur ag onzalez .fr

53
Ab in die
Kombüse!
Jeder Zentimeter zählt: Wie man eine
kleine Küche einrichtet und dabei Stauraum
und Schönheit unter einen Hut bringt.

Egal wie winzig ein


Apartment auch ist –
Marianne Evennou
findet eine Lösung:
Hier hat sie auf
25 Quadratmetern
den Schlafbereich
auf einer Galerie
untergebracht, die
Küche schmiegt
sich darunter. Mar-
morplatten geben
Würde, ein Steck-
brett schafft spiele-
risch Stauraum.

Tex t Karin Jaeger


Stil
Studio

D
ie ideale Küche ist großzügig und luftig, sie
bietet Arbeitsfläche und Stauraum ohne
Ende und geht nahtlos in den Wohnbereich
über. So weit der Status quo deutscher Kü­
chenträume. Doch nicht jede Wohnung ist
dazu geeignet, ihn wahr werden zu lassen.
Nachkriegsbau, verwinkelter Schnitt, knap­
pe Quadratmeter – wer nicht Landhaus
oder Loft sein Eigen nennt, muss die Küche
noch immer oft auf engem, meist schlauch­
förmigem Raum unterbringen. Kein Grund
zum Verzweifeln! Fast für jeden Grundriss
lassen sich überzeugende Lösungen finden.
„Quand la cuisine est réussie, la taille s’oublie“,
sagt die französische Interiordesignerin
Marianne Evennou, die sich insbesonde­
re mit Mini­Apartments einen Namen ge­
macht hat – ob eine Küche gelungen ist,
hängt nicht von ihrer Größe ab. Der Weg
dorthin kann bei Mini­Küchen allerdings
recht mühsam sein, das räumt auch die Ex­
pertin ein, denn „man muss kleine Räu­
me mit Bedacht und Würde behandeln“.
Sprich: Die Planung erfordert sowohl tech­
nische Tüftelei als auch Respekt für den
Raum und seine Besonderheiten.
Punkt eins liegt auf der Hand. Um alle
nötigen Gerätschaften und Utensilien auf
wenigen Quadratmetern unterzubringen,
kommt man um etwas Stauraum­Tetris
nicht herum. Zunächst sollte man dafür die
eigenen Bedürfnisse klären. Wer nutzt die
Küche, wann, wie ausgiebig? Müssen auch
eine Waschmaschine, ein Essplatz oder
Vorräte untergebracht werden? Und was ist
wirklich unverzichtbar? „Je kleiner die Kü­

Geschlossener Stau- che, desto wichtiger die Priorisierung“, sagt


raum lässt sich auflo- Markus Schüller, Geschäftsführer der Kü­
Fotos: Marie Pierre Morel; © Nicolas Mathéus/Basset Images; Stilleben Architects

ckern durch englische


chenmarke Next125. „Ist mir zum Beispiel
Züge oder offene Fä-
cher – links als char- viel Stauraum wichtig oder hätte ich lieber
manter Farbakzent von einen Dampfgarer?“ Die Limitierungen, die
Stilleben Architects. ein kleiner Raum (bereits von neun Qua­
Oben bleibt die Wand dratmetern abwärts gilt eine Küche unter
demonstrativ frei von
Planern als klein) mit sich bringt, kann da­
Schränken und Fächern.
Ihr Tiefschwarz und bei willkommener Anlass sein, Ballast ab­
das lässig platzierte zuwerfen: Auf manches Gadget kann man
Porträt lassen den Raum getrost verzichten, und die Tellerstapel
großzügig wirken. ganz hinten im Schrank stauben sowieso
seit Jahren vor sich hin …
Sobald es dann an die Aufteilung des
Raums und die Planung von Einbauten
geht – L, U oder „Kombüse“, also U­Form –,
sind neben dem Grundriss natürlich die

55
Stil
Studio

Gegenprogramm Beata Heuman verwan-


delte in London eine
dunkle Kammer in ein
Stückwerk Schmuckkästchen:
Sie öffnete die Wand
Sie wollen (noch) nicht in eine Mini- zum Wohnbereich,
Küche nach Maß investieren? fügte Maßeinbauten
Oder die Wohnung ist nur auf Zeit ein und kleidete die
Wände in Marmor und
gemietet? Auch aus mobilen Modulen
Grastapete (von Phillip
lässt sich eine ziemlich schicke Jeffries). Das Halbrund
Kochwerkstatt zusammensetzen! mit Ablagen bricht die
strenge Linearität auf.

Die schlichten Stahl-Module von


Nabers „Concept Kitchen“
werden in Ostwestfalen konzipiert
und vom französischen Traditions-
haus Tolix gefertigt. Je ab 5343 Euro.
n - by- nab er.com

Fotos: Naber; Alpes Inox; Noodles, Noodles & Noodles; Simon Brown; Stephan Julliard; Devol; Jason Ingram; Studio Alexander Fehre
Lage der Fenster, der Leitungen und An- sein; eventuell lässt sich ja sogar eine Wand
schlüsse zu berücksichtigen. Vorteil einer entfernen und durch einen Tresen erset-
Variantenreich sind die Edelstahl- Mini-Küche: Man braucht nicht auf kurze zen? Selbst für die „Frankfurter Küche“, aus
Elemente von Alpes Inox mit Wege zu achten, im Gegenteil, eher muss heutiger Sicht gern als Hausfrauenknast
Arbeitsplatte wahlweise in Holz für Abstand gesorgt werden. Spüle und gescholten, hatte die Architektin Marga-
oder Corian. Preise auf Anfrage. Herd etwa sollten aus Sicherheitsgrün- rete Schütte-Lihotzky ursprünglich eine
alp e sinox.com den nicht direkt aneinandergrenzen und Schiebetür zum Wohnraum vorgesehen.
Schranktüren und Schubladen einander Womit wir schon bei Evennous zwei-
nicht in die Quere kommen – also even- tem Punkt wären – der „Würde“ des Raums.
tuell Schiebetüren, nach oben öffnende Wer sich in seiner Mini-Küche wohlfühlen
Oberschränke oder offene Fächer wählen. will, sollte sie nicht nur als Werkstatt oder
Ein Punkt, der im Planungspuzzle oft begehbaren Einbauschrank betrachten.
im Wortsinne zu kurz kommt, ist die freie „Der Raum muss atmen!“, sagt Evennou.
Fläche. Anders als Stauraum lässt sie sich „Sonst wird es zur Qual, dort arbeiten zu
im Zweifelsfall nicht zur Not auslagern. Al- müssen.“ Dazu gehört zweierlei: eine ge-
so „unbedingt genug Arbeitsfläche einpla- wisse optische Ordnung, die jedoch nicht
nen!“, rät Markus Schüller – das kommt monoton und statisch oder gar erdrückend
letztlich auch einer großzügigeren Raum- geraten sollte – „homogen und zugleich läs-
Robuste Möbel im Industrial-Stil wirkung zugute. Schließlich sollte sich sig“, so formuliert es Markus Schüller. Die
fertigt Noodles, Noodles & Noodles. Koch oder Köchin auf keinen Fall isoliert Gliederung des Stauraums kann entschei-
Smeg steuert auf Wunsch passende oder eingesperrt fühlen. Ein kleiner Sitz- dend dazu beitragen, den Raum zu beruhi-
Geräte im Retro-Look bei. 1590 Euro. platz oder ein Durchbruch zum Ess- oder gen und zugleich zu lockern. Basis sollte
authentic -kitchen.de Wohnzimmer kann hier ebenfalls hilfreich deshalb ein klares Raster sein, das durch

56
Stauraum oder Show-
room? Im Pariser Mini-
Apartment li. gliedert
Marianne Evennou spie-
lerisch die hohe Wand.
Die Farben führt sie
im restlichen Raum fort,
die Küche ist so sepa-
riert und integriert zu-
gleich. Re. zeigt Devol,
wie ein Essplätzchen
mitsamt Hockern in eine
schmale Küche passt.

clevere Details ergänzt oder aufgebrochen


wird. Brav durch- beziehungsweise umlau-
fende Oberschränke etwa mögen zwar viel
Volumen bieten, sie können einen kleinen
Raum aber auch erdrücken. „Gut durch-
dachte Küchen wirken leicht, und trotzdem
findet jedes Objekt seinen Platz“, sagt Ma-
rianne Evennou. Sie sucht deshalb stets
nach spielerischen Staulösungen, etwa ver-
setzt angeordneten Kuben oder variablen
Steckborden. Auch Markus Schüller rät zur
abwechslungsreichen Planung: Eine Front
könne man durchaus mit deckenhohen
Schränken füllen – „das schafft nicht nur
Rechts streng, links läs- reichlich Stauraum, sondern vergrößert
sig: So lockert Alexan- auch optisch“ –, wenn man sich auf der Ge-
der Fehre die Londoner genseite dafür auf eine Unterschrankzeile
Schlauchküche li. auf.
beschränkt, allenfalls aufgelockert durch in
Stufe, Signalfarbe und
Tapete markieren den der Tiefe gestaffelte Formate, filigrane Me-
integrierten Essplatz im tallregale oder Vitrinen-Elemente. Auch
Diner-Stil und stoppen englische Auszüge lockern Fronten auf.
den optischen Sog. Auf Griffe zu verzichten kann angenehm
Unten: Architekt Ben
clean und ruhig wirken, ist aber in engen
Pentreath trocknet
sein Geschirr platzspa- Küchen nicht immer eine gute Idee – wer
rend über der Spüle. sich mal leger an eine automatisch öffnen-
de Schublade gelehnt hat, weiß, warum.
Muss alles auf einer Seite untergebracht
werden, empfiehlt sich eine „Passepartout“-

57
Stil
Studio

Marcante Testa setzen Lösung: zwei Hochschränke, verbunden


ein Highlight mit spie- durch einen Oberschrank. Die entstehen­
gelnden Fronten (li.). de Nische über der Arbeitsplatte schafft
Die rote Metallstruktur
Tiefe – ein Eindruck, den ein Spiegel oder
verknüpft die Küche
mit dem Rest der Woh- eine Auskleidung mit dunklen Fliesen
nung. U. links greifen noch verstärkt. Wichtig: Je genauer solche
Arbeitsfläche und hochindividuellen Planungen eingepasst
Stauraum ineinander. werden können, desto mehr wirken sie aus
Für die halb offene
einem Guss und beruhigen so den Raum.
Küche daneben, die
Vadim Maltsev mit Im Hinblick auf Oberflächen und Mate­
Elementen von Leicht rialien gilt weitgehend, was auch sonst auf
plante, wählte der kleine Räume zutrifft: Helle und hochglän­
Interiordesigner eine zende Farben weiten tendenziell gefühlt,
„Passepartout“-Glie-
dunkle und matte Töne haben eher einen
derung. Ein Vitrinen-
schrank und elegan- Kokon­Effekt. Beides hat seinen Reiz, im
te Messingleuchten Sinne der erwähnten Ordnung sollte man
geben der Nische sich allerdings so oder so an ein eher sim­
noch mehr Aplomb. ples Schema halten und nicht allzu viele
Farben und Materialien auf wenig Raum
quetschen. Lassen Sie Ihre Mini­Küche da­
bei gestalterisch in einen „Austausch“ mit
dem Rest der Wohnung treten, geben Sie
ihr aber dennoch eine gewisse Eigenstän­
digkeit, etwa durch einen eigenen Boden­
belag. Und vergessen Sie nicht, ihr ein paar

Fotos: Carola Ripamonti; Sean Fennessy, Produktion: Lucy Feagins/The Design Files; Next125; Leicht; Brian W. Ferry

58
Stil
Studio

Wenige Oberflächen, abwechslungsreich ge-


gliedert: Die „NX 510“ von Next125 verbindet
Spannung und Harmonie. Links: Über dem
Spritzschutz aus pflegeleichten Metro-Flie-
sen fängt eine Fornasetti-Tapete den Blick.

Blickfänge zu gönnen! Edle Bronzebeschlä-


ge, ein Spritzschutz aus Carrara-Marmor,
Oversize-Leuchten im Industrie-Look oder
ein „nutzloses“ Wandbord mit schönen
Keramikgefäßen – mit wenigen, gut ge-
wählten Details lässt sich zeigen, dass der
Raum als Interieur ernst genommen und
die Kreativität nicht nur in knifflige Stau-
lösungen investiert wurde.

Die erste Markisen-Oberschicht,


die andere erstmal kupfern müssen.

Innovative Exklusivbeschichtungen – Selection MX


Perfekte Markisenoptik mit Metallicfarben, Metall- und Effektlacken.
Ideal zur individuellen Architektur oder Terrassen- und Gartengestaltung.
Nur möglich aufgrund der einzigartigen, mehrteiligen markilux Sichtblenden.
Selection MX – das Novum in der Markisenbranche. markilux.com
Stil
Studio

Clever für kleine Küchen

Multitalente Ordnungshüter Kleinformate

Fotos: V-Zug; Zone Denmark; Blanco; Vij5; Ritterwerk; KnIndustrie; Bora; KitchenAid (2); Grundig

Konventioneller Backofen, Dampfgarer Nonchalant-elegant lassen sich Hanne Das schmale Kochfeld mit Downdraft
und Mikrowelle in einem ist der Willmanns „Plain Boards“ aus Buche für „Bora Classic 2.0“ (g. o.) spart Platz und
„Combi-Steam MSLQ“ von V-Zug (g. Vij5 (g. oben, ab 55 Euro) an die Wand macht die Abzugshaube überflüssig;
o., 7080 Euro). Die Kanne von Zone hängen. In eine flache Schublade duckt ab 5355 Euro. Leistet auch im Minifor-
Denmark filtert den Kaffee und hält ihn sich der schlanke Toaster von Ritterwerk, mat Schwerarbeit: Die Küchenmaschine
gleich heiß, 74,90 Euro. Und die schmale Preis auf Anfrage. Nimmt man den von KitchenAid im aktuellen „Liebes-
Spüle „Blanco Etagon 6“, neu in Beton- Griff ab, kann die Kupferkasserolle von apfelrot“ fasst 3,3 Liter, 499 Euro. Der
Optik, wird mit eingesetzten Schienen KnIndustrie platzsparend verstaut wer- Standmixer aus Grundigs „Massimo Bot-
zur Abstell-, mit aufliegendem Schneid- den (197 Euro, ähnlich funktioniert tura Kollektion“ (179 Euro) ist kompakt
brett zur Arbeitsfläche. Preis auf Anfrage. Berndes’ Serie „Vario Click Induction“). und bringt den To-go-Becher gleich mit.

60
AD PROMOTION ANZEIGE
Oben: László Moholy-Nagy, Kleine Komposition, 1923; Bild: Stiftung Bauhaus Dessau (l 462 G) | Rechts: Bauhausgebäude Dessau; Bild: Stiftung Bauhaus Dessau; Architekt: Walter Gropius 1925/26, Südansicht

Wiege der
Moderne
Kein anderes Bundesland ist so eng mit der
Geschichte des Bauhauses und der Moderne
verknüpft wie Sachsen-Anhalt. Zeit für eine
architektonische Spurensuche.

D
ie Geschichte des Bauhauses lässt sich nicht die Spuren der Schule und der Moderne sind auch
ohne Sachsen-Anhalt erzählen. Dort – um weit über die Grenzen von Dessau-Roßlau zu er-
genau zu sein, in Dessau-Roßlau – erlebte die kennen und prägen bis heute das architektonische
mittlerweile legendäre Schule für Gestaltung ihre Erbe Sachsen-Anhalts. Das zeigen die 39 Bauwer-
Blütezeit, bevor sie 1933 unter dem Druck der ke aus den 1920er-Jahren. Besonders viele span-
Nationalsozialisten schließen musste und die ins nende Bauten und bedeutende Werke lassen sich
Exil flüchtenden Schüler ihre Lehren in die Welt heute noch in Magdeburg und Halle (Saale) finden.
hinaustrugen. Eine Verbindung, der die Stadt mit Sie zeugen als prägende Orte der Moderne vom
der Eröffnung des neuen Bauhaus Museums Dessau frühen Innovationsgeist des Landes. Aber auch
im vergangenen September ein modernes Denk- weniger bekannte Orte, wie Elbingerode oder
mal setzte. Der gläserne Korpus inmitten des Lutherstadt Wittenberg, erstrahlen noch immer
Stadtparks beherbergt wertvolle Exponate aus der im alten Glanz der Moderne – und sind mehr als
weltweit zweitgrößten Bauhaus-Sammlung. Doch eine Reise wert. bauhaus-entdecken.de
Bad des Monats D e signer: Crosby Studios
O r t: Moskau (in Planung)

Aus s tat tung:


Redak tion Karin Jaeger
· Standbecken „Stand“ und
Spiegelregal „Felt“ von Ex.t
· Armaturen von Cocoon
Das macht e s b e sonder s:
· Toilette von Villeroy & Boch
Streng geometrisch, redu-
· Lüster „Discus“ von Matter
ziert in Form und Farbe
und genau dadurch ein gro-
Materialien:
ßer Wurf: Schwarze Linien
· Wandverkleidung hinter der
gliedern den kleinen, hohen
Wanne aus Corian
Raum, das Bogenfenster
· Boden aus Carrara-Marmor
teilt ihn klar in zwei Berei-
che. Das Bad als Bühne –
und geschützte Koje.

62
Stil

1 Praxis

#picobello 2
K 9
ein Haushalt düre ohne sie auskom-
men. Doch wenn Putzeimer (u. von
Humdakin), Bürsten und Reinigungs-
miel aller Art nicht im Einsatz sind,
müssen sie irgendwo verstaut wer-
den – paradoxerweise verbreitet nichts
8
ein Gefühl von Unordnung wie herum-
stehende Putzutensilien. Anwesen von
Format haben eine Kammer oder we-
nigstens ein utili cupboard, doch wo-
hin damit im Einzimmerapartment?
Ein kühler, dunkler Ort ist gefragt. Der
Klassiker: eine Box unter der Spüle.
Und wenn der Platz dort nicht aus-
reicht? Nehmen Sie es zum Anlass für
eine Inventur. Entsorgen Sie überflüs- 7
Fotos: © Crosby Studios; Perigot; Simon Beckmann; Menu; Silvia Rivoltella; Dante Goods and Bads; Muuto; Schönbuch (5); Normann Copenhagen; Kartell; Humdakin

sige Spezialreiniger (oder besser: brau-


chen Sie sie auf) und konzentrieren
sich auf unentbehrliche Alleskönner:
Schmierseife (oder anderer Universal-
reiniger) und Essigessenz – viel mehr 3
braucht man im Grunde nicht, um
so ziemlich allen haushaltsüblichen
Schmutz und Kalk zu lösen. Zugege-
ben, der eine klingt, der andere riecht
nicht gerade ansprechend, und hübsch
verpackt kommen sie auch eher selten
daher (o. eine Ausnahme von Perigot),
dafür sind sie halbwegs verträglich für

6
die Umwelt. Und mit den Worten der
Putz-Philosophin Nicole C. Karallis:
„Am Ende ist das Wichtigste nicht das
Putzmiel, sondern der wache Geist
und die tätige Hand.“ Sprich die re-
gelmäßige, aufmerksame Anwendung.
Und hier ist man dann auf kleinem
Raum mal ausnahmsweise klar im
Vorteil: Man hat beim Aufräumen und
Garderoben & Wandhaken

Superpünktlich 4
Putzen schnell Erfolgserlebnisse. KJ 1 Die Garderobe „Bud“ aus geölter Buche schwebt an einem Stahlseil, 299 Euro
f ab ianvo n f e rr ari.c o m 2 Zu eigenen Konstellationen lassen sich die „Aeroom
Coat Hangers“ fügen menuspace.com 3 „Scultura 044“ vernetzt schick schimmern-
de Metallscheiben, Preis auf Anfrage dimoremilano.com 4 Akkordeon-Effekt: Gar-
derobe „Memoir“ mit Goldfinish, um 756 Euro dante.lu 5 Der Klassiker „Dots“ in
der Metallversion „Umber“, 5er-Set um 70 Euro muuto.com 6 + 7 Unter Blagold
oder -silber bleibt die Holzmaserung von „Cone“ sichtbar (je 27 Euro), „Dots Stone“
kommt in vier Marmor- und drei Metallvarianten (je 67 Euro); beide scho enbuch.
com 8 „Dropit“ aus Buche, ab 29 Euro pro Paar normann - cop enhagen.com 9 Zum
Anbeißen: „Jellies“ aus texturiertem Kunststoff, ab 56 Euro pro Paar kar tell.com

63
DIE NEUE GQ
INKLUSIVE GROSSEM ANZUG-SPECIAL!
LUKE
EVANS
GERMANY

„Regel Nummer eins:


Sei dir sicher, dass dein
Anzug richtig sitzt. Und
zwar richtig gut“
GENTLEMEN’S QUARTERLY
MÄRZ 2020

EAT THIS,

SUIT
PLANET!
GENIESSEN
UND DIE
WELT RETTEN

UP!
DAS JETZT
IM HANDEL
ANZUG
HEFT
VON CLASSIC BIS LÄSSIG
Der Style + Die Trends + Die No-Gos
Foto: © Marcus Ohlsson

GENTLEMEN’S QUARTERLY
Architektur Projekt und Garten

Ein Turm für jeden


Von Weitem erinnert Bumpers Oast House an ein Bündel von Bleistiftstummeln. Wären wir in der Grafschaft Kent zu Hause,
wüssten wir: Diese Bauform geht zurück auf Gebäude, in denen traditionell Hopfen gedarrt wird. Für eine stadtflüchtige Familie baute
das Architekturbüro Acme fünf solcher Zylinder mit Dachkegel in Formation – wobei die vier äußeren je einen zweigeschossigen
Foto: Jim Stephenson

Wohnbereich bergen. Das mittlere Rondell bildet die Verteilerstation des Niedrigenergie-Ensembles mit schmucker Schindelhaut. RK
acme.ac

Redak tion Andreas Kühnlein

65
Die Siedler Frida Escobedo (2)
Die mexikanische

von Apan
Architektin setzte
ein Tonnengewölbe
auf Backsteinmauern
(links), eine Beton-
Mit 32 Prototypen führt die schiene ermöglicht
Elite der zeitgenössischen ein flexibel einsetz-
und verschiebbares
mexikanischen Architektur Obergeschoss (un-
vor, wie vielgestaltig sozialer ten) – oder einen
lichten Raum bis un-
Wohnungsbau sein könnte. ters Dach. Gelüftet
wird durch Holztore
Tex t Andreas Kühnlein auf allen vier Seiten.
Fotos Jaime Navarro

P bunden ist der Anspruch, eine komplette


Neudefinition in Form und Funktion nicht
nur der Gebäude selbst zu liefern, sondern
Dellekamp, Tatiana Bilbao, Fernanda Ca­
nales, Michel Rojkind – die Liste ist ein
Who's who der zeitgenössischen mittel­
raktisch, haltbar und gut: Wenn man Ar­ nach Möglichkeit auch gleich der Gesell­ amerikanischen Architektur. Ihr Auftrag:
chitekten um ihre Vision für einen lebens­ schaft im Ganzen. Das Instituto del Fondo jeweils ein Einfamilienhaus; flexibel zu
werteren sozialen Wohnungsbau bittet, Nacional de la Vivienda para los Trabaja­ nutzen, einfach zu erweitern, günstig zu
dann endet das oft mit der ganz großen dores, kurz Infonavit, sucht mit dem Labo­ bauen. Funktional und schön, aber ohne
Geste. Erschwinglicher Wohnraum für die ratorio de Vivienda nach einer etwas be­ die Eitelkeit jener ganz großen Geste, die
vielen ist keine Fleißaufgabe, sondern spä­ scheideneren Antwort. Dabei ging es auch die Modernen ihrer Zeit stets ein gutes
testens seit der Moderne durchaus königli­ hier, in der zentralmexikanischen Stadt Stück voraus, aber auch arg radikal und ein
che Disziplin, und manchmal werden da­ Apan, um eine formale Neudefinition des wenig vermessen erscheinen ließ.
raus Unesco­würdige Schmuckstücke wie Wohnens, und die beteiligten Namen le­ Dabei brachte es einer von ihnen, Walter
Stuttgarts Weissenhofsiedlung oder Le sen sich fast so illuster wie jene der Klas­ Gropius, bereits 1925 auf den Punkt: „Ein
Corbusiers Wohnmaschine. Und damit ver­ sischen Moderne: Frida Escobedo, Derek Ding ist bestimmt durch sein Wesen“,
Architektur
Projekt

1 2

6
4 3

8 10
9

7 11
12
13

15
14

16
Legende
Von insgesamt 84 ein­
gereichten Entwürfen
wurden 32 als Proto­
typen auf dem Infonavit­
18 Testgelände im mexika­
20 19 nischen Apan realisiert:

17 1 De Villar Chacón
2 Frida Escobedo
3 Dellekamp + Schleich
4 Rozana Montiel
5 Ambrosi Etchegaray
6 Zooburbia
7 Zago
8 Mauricio Rocha,
21 Gabriela Carrillo
23
9 TAX
24 10 Griffin Enright
22 11 Tatiana Bilbao
12 Francisco Pardo
13 TEN
14 Pita & Bloom
25 15 BGP
26 16 Zeller & Moye
17 Accidental Estudio
18 Nuño MacGregor
De Buen
19 Saya+
20 Cano Vera
21 Fernanda Canales
22 RNThomsen
23 Productora
29 24 Agraz
28
25 Michel Rojkind
26 Tactic­A
27
27 Gaeta Springall
28 ADG
29 4:00 A.M.
30 CRO Studio
31
32 31 JC Arquitectura
30 32 DCPP

67
Architektur
Projekt

schrieb er da. „Um es so zu gestalten, dass ten dabei aber einig: dem konsequenten Büro MOS übernahm. Schon die Auswahl
es richtig funktioniert – ein Gefäß, ein Rekurs auf die vernakuläre Bautradition aus insgesamt 84 eingeladenen Büros hat­
Stuhl, ein Haus –, muss sein Wesen zuerst ihres Landes, auf formal und funktional ten Michael Meredith und Hilary Sample
erforscht werden; denn es soll seinem dem jeweiligen Klima geschickt angepasste geleitet, für die Realisierung entwickelten
Zweck vollendet dienen, das heißt, seine und über Jahrhunderte entwickelte Typolo­ die beiden Architekten einen Masterplan,
Funktion praktisch erfüllen, haltbar, billig gien, die so etwas wie die anonyme Volks­ der sich weniger an klassischen urbanen
und ‚schön‘ sein.“ In Mexiko entstanden architektur Mexikos bilden. Nicht das nie Strukturen – Häuserfluchten, Straßen­
aus demselben Gedanken 32 Prototypen Dagewesene, eher das Bewährte neu ge­ schluchten, dazwischen Plätze und Parks –
mit offenem Raumprogramm und aus dacht: modulare Gerüste, verschiebbare orientierte als vielmehr an der poetischen
schlichten Materialien: Wellblech, Ziegel­ Paneele, passive Klimatisierung, angepasst Grundidee eines Gartens. Statt in regelmä­
stein, Beton, viel Holz. Gemein bei aller an schmale Budgets und die verfügbaren ßiger Reihung entlang Straßenzügen grup­
Vielgestalt ist den Entwürfen ihr Spiel mit Ressourcen. Die meisten der 32 Häuser pieren sich die 32 Prototypen von Apan in
geometrischen Grundformen, vom ein­ sind sogar so konstruiert, dass sie die künf­ lockerem Verbund auf knapp 20 000 be­
drucksvollen Tonnengewölbe Frida Escobe­ tigen Bewohner mehr oder weniger selbst pflanzten und von Wegen durchzogenen
dos bis zum Satteldach, unter dem Jorge zusammensetzen könnten. Quadratmetern. Fünf Sektionen repräsen­
Ambrosi und Gabriela Etchegaray einen Zusammen kommt die vielgestaltige tieren entsprechende Klimazonen des Lan­
einzigen, durchgehenden Raum verstauten. kleine Schar auf einer Art Testgelände des des, der Rest ist maximale Durchlässigkeit.
Vor allem in einem sind sich die Architek­ Infonavit, dessen Planung das New Yorker Es gibt kein Vorne, kein Hinten, keine kla­
ren Grundstücksgrenzen, stattdessen die
Vision einer lebendigen Gemeinschaft, de­
ren Mitglieder frei zwischen privatem und
öffentlichem Raum hin­ und herwechseln
Ambrosi können. So machten die MOS­Architekten
Etchegaray (5) das Soziale selbst zur Kernidee sozialen
Vier Wände, ein Dach; Wohnens. Neben den in den Prototypen
mehr braucht das Haus realisierten Einzellösungen liegt hier also
u. von Jorge Ambrosi noch ein Ansatz, wie sich die Lebensquali­
und Gabriela Etchega­
ray nicht. Das Innere
tät der Bewohner auch ohne große finan­
re. lässt sich bei Bedarf zielle Sprünge verbessern ließe. Und auch
durch Wanpaneele darin unterscheidet sich das Laboratorio
unterteilen – oder auch de Vivienda von seinen modernen Ahnen,
nicht. Alle Möbel (u. weil es sich weniger als Gesamtentwurf
rechts) entwarf Desi­
gner Héctor Esrawe,
auf der grünen Wiese versteht (auch wenn
auch für den Rest der
Prototypen­Siedlung.

68
Francisco Pardo (12)
… entwarf das Beton­
haus ganz u., das auf
seinem dunkel abge­
setzten Unterbau zu
schweben scheint.
Das Obergeschoss mit
Panoramafenstern li.
erlaubt verschiedene
Nutzungen, darunter
liegen Küche, Bad und
Esszimmer. Héctor
Esrawes Stahlrohr­
möbel unten sind vom
Bauhaus inspiriert.

M ich ael Mere d it h

„Soziales Wohnen
braucht vor allem
soziale Räume, keine
festen Raster.
Wie in einem Garten.“
Architektur
Projekt

Dellekamp +
Schleich (3)
es fürs Erste genau da gelandet ist), sondern Gewohnt wird in den 32 Wohneinheiten
Der Holzbau oben von
Derek Dellekamp und als ein mögliches Set-up unter vielen, das noch nicht, die Siedlung von Apan ist als
Jachen Schleich besteht sich ebenso gut auch an bestehende Bauten Bildungszentrum gedacht, in dem Archi-
aus drei Modulen und anschließen könnte. Und sich vielleicht so- tekten, Entwickler und Studenten das neue
lässt sich frei an seine gar in urbanere Konstellationen übertragen Wohnkonzept im Originalmaßstab erfah-
Bewohner anpassen. For­
ließe: „Warum“, meint Michael Meredith, ren können. Und zwar inklusive Möblie-
mal orientiert sich das
Haus an der vernakulären „sollte Stadt immer in mechanischen Ras- rung: Eigens für das Wohnlabor entwickel-
Bautradition der Gegend, tern angelegt und allein durch Straßen te der mexikanische Designer Héctor
zur Klimatisierung lässt strukturiert sein?“ Esrawe gleich zwei Möbelserien, mit de-
es sich auf ganzer Länge nen die Prototypen eingerichtet wurden.
öffnen (oben rechts).
Die übliche Ausstattung für derartige Low-
Cost-Projekte nehme zu wenig Rücksicht
auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Nut-
zer, sagt er, „das ist immer komplett aus
dem Zusammenhang gerissen“. Dass gutes
Design dabei auch ohne große Budgets
funktionieren kann, wollte schon das Bau-
haus beweisen, Esrawe ließ sich von des-
sen Entwürfen zu einer Kollektion aus
Schichtholz und Stahlrohr inspirieren, eine
weitere schließt mit bulligen Holzrahmen
und Flechtwerk an den brasilianischen
Modernismus an. Wie die Häuser sind sie
tatsächlich praktisch, haltbar, billig – und
schön. Gropius wäre begeistert.

Limitierte Budgets, einfache geometrische


Formen – sozialer Wohnungsbau kann den­
noch überaus vielgestaltig ausfallen. Für
den Masterplan in Apan links zeichnet das
New Yorker Büro MOS verantwortlich.

70
shop.vogue.de
Wo einst Robert „the Devil“ hauste, blühen nun 80 000 Tulpen – in tropischen Beeten, im Wald,
Tulpen-Boom! auf Wiesen, im Labyrinth. Martin Duncan, Chefgärtner von Arundel Castle, zeigt uns sein Reich.

Fotos Rachel Warne


Tex t Simone Herrmann
Architektur
Garten

P
„‚Pink Impression‘ ist hier einfach unschlagbar“. Jedenfalls bieten
sie den wilden Männern, bizarren Atlantenfiguren, die an den Mu-
schelhäuschen aus Granit Steine in die Luft stemmen, ein begehr-
lötzlich sind sie da. Sie flankieren die große Steintreppe, füllen die lich leuchtendes Ziel. Ja, es sieht so aus, als reizte sie das Tulpen-
Buchscarrés, flammen gelb und orange unter Farnwedeln und Pal- pink geradezu zum Steinewerfen – und wie bei jeder guten
men, blühen im Wald und in Töpfen, wiegen sich Kelch an Kelch Actionkomödie landen schließlich alle im Wasser, meint Martin
auf den Hügeln, in Beeten und Feldern, spiegeln sich pink in den Duncan trocken. Vom Fluss Arun gespeist, schäumt das Wasser
Bassins, mäandern in einem Wiesenlabyrinth … Tulpen! „80 000 aus Löwenköpfen in die Bassins. Rundherum sprießen vergoldete
Tulpen haben wir in diesem Jahr gepflanzt“, erzählt Martin Dun- Pflanzen aus steinernen Amphoren – „die einzigen Töpfe, in die
can, Chefgärtner von Arundel Castle. „30 000 mehr als im letzten wir keine Tulpen pflanzen können“, sagt Duncan. Dafür hat er
Jahr.“ Arundel Castle, wo ab dem 12. April das schönste (und nun den Wassergarten mit tropischen Beeten gerahmt. Unter Palmen,
wohl auch größte) Tulpenfestival Farnen und Ananaspflanzen
der Insel stattfindet, ist der Sitz leuchten dort goldgelbe und
der Herzöge von Norfolk. orange geflammte Tulpen.
Wie eine Vision aus dem Mit- Auch für die „Stumpery“, einen
telalter thront das Schloss über Waldgarten, der auf den Über-
der Ortschaft Arundel in West resten alter Eichen und Eiben
Sussex, mächtige Mauern mit und den Haselnusssträuchern
Zinnen und Zugbrücken, Wehr- der Gegend entstanden ist, hat
türme und Wappensäle erzählen Duncan passende Bewohner
von der 950-jährigen Geschichte ausgesucht. „Dort haben wir
dieses Schlosses, das von Roger kleine Wildtulpen gepflanzt,
de Montgomerie, dem ersten Earl etwa ‚Tulipa sylvestris‘ oder
of Arundel, um 1068 erbaut und ‚Persian Pearl‘, die zusammen
von seinem Sohn Robert „the De- mit der signalroten ‚Linifolia‘
vil“ vollendet wurde. Über Mary und ‚Little Beauty‘ in dieser
FitzAlan gelangte das Schloss Szenerie wie kleines geheim-
1555 in den Besitz von Thomas nisvolles Elfenvolk wirken.“
Howard, dem 4. Herzog von Nor- Die Stämme sind mit den Wur-
folk, der als Verschwörer um Ma- zeln nach oben eingegraben,
ria Stuart hingerichtet wurde. Im von Sträuchern, Farnen und
viktorianischen Gothic Style re- Schlingpflanzen überwuchert,
noviert, ist es bis heute im Pri- und hinter den Zweigen der
vatbesitz der Herzöge von Nor- Haselnusssträucher taucht die
folk geblieben. Auch die gotische gotische Szenerie des Schlos-
FitzAlan-Kapelle, Grablege der ses und der Kapelle mit ihren
Familie, ist Teil des Ensembles Fialen und Krabbentürmchen
und, wie Martin Duncan sagt, auf … „Es gibt Momente“, sagt
„ein wunderbarer Hintergrund Martin Duncan, „da fühle ich
für unsere Tulpen!“. In der Tat. mich hier wie im Märchen.“
Die Hufeisenform des Schlosses Mehrfach preisgekrönt ist
öffnet sich wie eine Theaterku- sein Reich – der organische
lisse aus Stein auf die Parkanlage Küchengarten, die prächtigen
mit Korkeichen und Ginkgobäumen, die, in einzelne Themengär- englischen Staudenbeete, die in ihren Eibenmauern wie in grünen
ten unterteilt, 40 Hektar umfasst. Ein riesiges Gartenreich. Gleich Salons sitzen, der formale Buchsgarten, der ganz in Weiß gehalte-
bei der Kapelle spiegeln sich im Collector Earl's Garden rosafarbe- ne FitzAlan Chapel Garden, das historische Weinberghaus und
ne Tulpen im Wasser der Bassins. Duncan hat sie in eine Batterie das viktorianische Gewächshaus, eine Art Glaspalast, in dem tro-
großer Terrakottatöpfe gepflanzt, „immer dieselbe Sorte“, lacht er, pische Pflanzen, Orchideen und Palmen wachsen, der „American
Grounds“ genannte Landschaftspark … Seit den Tagen Queen Vic-
torias hat jede Generation der FitzAlan-Howards dafür gesorgt,
den Park in seiner weitläufigen Noblesse zu erhalten. Und überall
„Pink Impression“ heißt die Tulpe, die sich im Bassin des Tulpen! Sie führen verwitterte Steintreppen hinauf, umringen Pa-
Collector Earl’s Garden spiegelt (li. S.). „Es sieht so aus, villons, blühen zwischen den Rosen und im Labyrinth, das Dun-
als reizten sie die Steinewerfer am Muschelhäuschen,
oder?“, erklärt Chefgärtner Martin Duncan, der in seinen
can erst vor Kurzem auf einer Wiese anlegen ließ. Die Arundel'sche
tropischen Beeten die Tulpen „Olympic Flame“ und Tulpenbegeisterung, erklärt der Gärtner, gehe bis in die Zeit der
die gelbe „Monte Carlo“ unter Palmen leuchten lässt. holländischen Tulpenmanie im 17. Jahrhundert zurück, „leider ha-

73
Architektur
Garten

ben wir keine Aufzeichnungen darüber, wann die erste Zwiebel in


den Schlossgarten kam“, aber ein Frühling ohne Tulpen sei auf
Arundel Castle genauso undenkbar wie ein Familienfest ohne sie.
„Zur Hochzeit des ältesten Sohnes, Lord Henry, hatten wir 2017
im Küchengarten Tulpen in Form einer Hochzeitstorte gepflanzt
und letztes Jahr die Taufe seiner kleinen Tochter Flora mit einer
Tulpen-Geburtstagskreation gefeiert“, erzählt Duncan. Die Faszi-
nation über die braune, unansehnliche Zwiebel, aus der so etwas
Schönes wie dieser seidene Blütenkelch wächst, in flammendes
Rot, Purpur oder strahlendes Gelb gehüllt, papageienfedrig, ge-
zackt, geflammt, gerüscht, ist in all seinen Gartendesigns zu spüren.
Ein Meer aus Rot- und Lilanuancen lässt er im Wildblumenfeld
wogen, jeder Kelch ein Pinselstrich, es sieht aus wie ein impressio-
nistisches Bild. Diesen Farbwogen gibt Duncan mit den dunkel-
Mar tin D unc an violetten „Negrita“-Tulpen Tiefe und Dynamik, während er in die
klassischen englischen Staudenbeete Sorten in Weiß oder zartem
„Flirty? Da fällt mir Rosa hineintupft. „Wir versammeln hier alle Arten, die lilienblüti-

unter allen Blumen gen genauso wie die gefüllten, dramatische ‚Black Parrot‘ und ‚Ro-
coco‘-Papageientulpen, aber auch gerüschte wie ‚Honeymoon‘ und
zuerst die Tulpe ein!“ ‚Curly Sue‘, früh blühende wie ‚Purple Prince‘, ‚Heritage‘ und ‚Yo-
kohama‘ und späte, die bis in den Juni hinein blühen, etwa die fast
schwarze ‚Queen of Night‘ und ‚Rhapsody of Smiles‘, dazu Dar-
win-Hybriden wie die roten und gelben ‚Apeldoorn‘-Tulpen. Letz-
tere fluten im Landschaftspark zusammen mit weißen Narzissen
über Hänge und Wiesen. Dabei“, erzählt er, „haben wir in den ver-
gangenen Jahren eine ganz besondere Pflanztechnik entwickelt,
denn irgendwann mündet der Wunsch, sie so natürlich wie mög-
lich auf dem Terrain zu verteilen, dann doch in Schematismus und
unbeholfener Geometrie, weswegen wir die Zwiebeln zur Pflanz-
zeit im November in die Luft werfen und sie dann stecken, wo sie
eben landen, als hätte der Wind sie dorthin geweht.“
Am 12. April beginnt das große Blühen, sagt Duncan, „pünkt-
lich zur Eröffnung unseres Tulpenfestivals!“ – und im Mai endet
die Pracht. „Nur ‚Kingsblood‘ blüht noch bis weit in den Mai hi-
nein“, erklärt Duncan. „Schwierig, unter all den Schönheiten eine
Favoritin auszuwählen … Oder, doch: die päonienblütige ‚Ange-
lique‘, sie ist zu Rosen einfach umwerfend. An incredible flirt“,
schwärmt er. Denn die Art, wie Tulpen in den Beeten mit Ro-
sen, Camassia oder Allium harmonieren, wie sie sich in hellblaue
oder weiße Vergissmeinnichtwolken hüllen, die sei einfach un-
vergleichlich. Er könne sich gut vorstellen, dass die Holländer we-
gen dieser Blume den Kopf verloren haben, damals zur Zeit des
Tulpen-Booms. „Wäre ich Züchter gewesen, hätte ich vielleicht
auch Haus und Hof verkauft für ein paar Zwiebeln. Aber Tulpen
können Launen haben, es bleibt immer ein Risiko.“ So sei das eben
mit der Liebe, lacht er. „Ach, wenn doch nur schon April wäre!“

Cutting edge: In den Buchsgeometrien des formalen


Gartens blüht Duncans „eleganter Mix“: „Claudia“ in weiß
gesäumtem Violett, „Ballerina“ und „White Triumphator“
(links). „Fancy Frills“ (oben) bezaubert als Solistin im Topf.
In den klassischen Staudenbeeten zwischen Eibenwäl-
len oben setzen die Sorten „Negrita“, „Curly Sue“ und
„Purple Dream“ violette und rosa Farbakzente. Unten: An
der Steintreppe im Landschaftsgarten komplimentiert
„Purple Prince“ die Spaziergänger hinauf – oder hinunter.

Im Wildblumen-Garten (o.) wer-


den im November 15 000 Tulpen
gesteckt. Die violett-rote Pracht
der Sorten „Passionale“, „Mis-
tress“, „Paul Scherer“ und „Basto-
gne“ füllt ein ganzes Feld. Wenn
die letzten im Juni verblüht sind,
werden Wiesenblumen gesät.
arundelc as tle.org

75
Architektur
Projekt

Bio-Bauhaus
Hampshire verpflichtet: Der Komponist Andrew Lloyd Webber
hatte viele Ideen, aber kein Haus, das ihnen entsprach.
Bis er durch Zufall auf einen Hersteller aus dem Ostallgäu stieß.

Tex t Ulrich Clewing

S
An diesem Abend sollte es nicht bei Träu­
mereien bleiben. Madeleine und ihr Mann,
der für seine Verdienste von der Queen
anft geschwungene Hügel, grüne Wiesen geadelte Musicalkomponist Andrew Lloyd
und ab und an ein kleiner Fluss, der sich Webber („Cats“, „Das Phantom der Oper“),
seinen schiefkrummen Weg durch die film­ hatten damals bereits ein Grundstück in
reife Kulisse bahnt: Die Landschaft von Hampshire erworben. Also empfahlen ih­
Hampshire macht es dem Besucher leicht, nen ihre Gastgeber einen Produzenten im
sie zu mögen. Und was man mag, das pflegt fernen Deutschland, der – Zufall oder
man. „Wir waren einmal in London bei nicht – seinen Sitz in einer Region hat, die
Freunden eingeladen“, erinnert sich Made­ Hampshire nicht unähnlich ist: die Firma
leine Lloyd Webber, „und die erzählten uns Baufritz aus Erkheim im Ostallgäu.
von dem schadstofffreien Landhaus, das Früher nannte man es Fertighaus, und
sie in der Gegend gebaut hatten. Der Abend es hatte keinen besonders guten Ruf. Doch
war sehr inspirierend, wir sprachen über dies könnte sich langsam ändern. Baufritz
die Zukunft und stellten uns vor, wie es jedenfalls gehört zu der Handvoll von Her­
wäre, wenn ganze Siedlungen aus Bio­Häu­ stellern, die Architektur aus vorgefertigten
sern bestünden.“ Elementen in den letzten Jahren auf ein

76
Fertighaus? Ja und nein. Ist es frei von
Schadstoffen? Ganz sicher! Da Andrew
Lloyd Webber (linke Seite unten) ein
großer Fan von Le Corbusier ist, wurde
das Landhaus von Baufritz komplett in-
dividuell geplant. Dazu gehört auch die
unregelmäßige Fassade aus Naturstein.

und das war hier der Fall, können die Häu- plarisch formuliert hatten. So weist das
ser auch individuell durchgeplant werden. Haus der Lloyd Webbers neben der Fassade
„Andrew ist seit Langem ein Bewunderer aus Holz und Haustein großflächige quer
der Baukunst von Le Corbusier“, sagt gestellte Fenster auf – wer einmal erlebt
Madeleine Lloyd Webber, „das war unse- hat, wie sie der umliegenden Landschaft zu
re Leitlinie bei dem Entwurf.“ Zwar gab es Präsenz im Haus verhelfen, will nichts an-
einige gestalterische Grundsätze zu beach- deres mehr. Angelehnt an die Villa von Le
ten, mit denen die Behörden in Hamp- Corbusier und Pierre Jeanneret ist auch der
shire die landschaftliche Integrität bewah- offene Grundriss, bei dem die einzelnen
ren wollen. Ein Satteldach zum Beispiel Bereiche, vor allem von Küche, Esszimmer
war auch für einen Prominenten wie Lord und den beiden Livings, ineinander über-
Lloyd Webber Pflicht. gehen. Nicht zuletzt dank der technischen
Doch die Vorgaben ließen den Planern Ausstattung mit Fußbodenheizung und na-
genug Raum, um jene Bauprinzipien anzu- türlich gesteuerter Belüftung sorgt dieses
wenden, die Le Corbusier und sein Cousin Bio-Haus mit seinen zehn Zimmern und
Pierre Jeanneret in ihrer berühmt gewor- fünf Bädern rundum für Zufriedenheit.
denen Villa Savoye in Poissy nordwestlich „Wir“, bestätigt Madeleine Lloyd Webber,
von Paris für die Klassische Moderne exem- „leben alle sehr gerne hier.“

völlig neues Level gehoben haben. In


Erkheim verwenden sie ausschließlich
hochwertige Materialien wie Massiv-
Fotos: Joakim Borén; Porträt: Gregg Delman/Courtesy of Andrew Lloyd Webber

holz und Naturstein, auch bei Farben


und Dämmstoffen hält man strenge
Vorschriften ein, um das halbe Dutzend
Bio-Siegel zu rechtfertigen, das der
Prinzipalin Dagmar Fritz-Kramer und
ihren Teams aus den Abteilungen Ar-
chitektur, Design und Montage verlie-
hen wurde. PU-Schaum etwa ist ein
No-Go, dafür bietet man baubiologische
Grundstücksanalysen an. Auf Wunsch,

Vorproduziert, aber nicht von der


Stange: Der offene Grundriss im Erdge-
schoss o. re. geht ebenso auf Le Corbu-
sier zurück wie der nahtlose Übergang
von Innen- und Außenraum rechts.
Inspiration
auf allen Kanälen:
ad-magazin.de
Foto: Manuel Nieberle / Condé Nast Germany; Bildschirmfoto: Douglas Friedman

Das Beste aus


der Welt des Stils
ARCHITECTURAL DIGEST. Stil, Design, Kunst & Architektur
Panorama Kunst, Bücher und Reise
Foto: Courtesy of Alison Jacques Gallery, London

Vanitas 2020
Der Brite Graham Little lässt drei junge Frauen ausschwärmen, um Pilze und Beeren zu sammeln. Der Hunger treibt sie nicht, eher
die Idee eines nostalgischen Vergnügens. Rechte Freude will sich in der herbstlich absterbenden Natur von „Untitled (Wood)“, 2019,
allerdings nicht einstellen. Mit „Mushrooms: The Art, Design and Future of Fungi“ präsentiert Londons Somerset House Pilzkunst
von Cy Twombly bis John Cage. Ob den drei Grazien dämmert, dass das Myzel den Menschen überdauern wird? Bis 26.4. RK
somer se thouse.org.uk

Redak tion Barbara G är tner, Andreas Kühnlein und Uta Seeburg

79
Panorama
Kunst

Die Welt zwischen


Foto: © Ryoji Ikeda Studio

„Data-verse“ – schon im Titel von Ryoji Ikedas Tri-


logie stecken Poesie und Fakten. Zwei Teile davon,

null und eins


„Data-verse 1“ und „Data-verse 2“ (o., von 2019),
sind erstmals zusammen im Kunstmuseum Wolfs-
burg zu sehen. Am dritten Teil arbeitet er noch.

80
Tex t Barbara G är tner

Der Binärcode ist die universelle Sprache unserer Zeit. Daraus komponiert der japanische
Künstler Ryoji Ikeda mit Zahlen, Zeichen und viel Kraftwerk-Krawumm große Opern.
Panorama
Kunst

Ryoji Ikeda zeigt seine Sinfonien in nachtschwarzen Hallen und


Kojen wie o. bei der Biennale in Venedig „Data-verse 1“ (2019).
Andreas Beitin, Direktor des Kunstmuseums Wolfsburg, erinnert
das an Richard Wagners Konzept vom Gesamtkunstwerk. „Er
war der Erste, der den Opernraum abdunkelte.“ Anders als Ikedas
frühere Arbeiten ist die neue Trilogie figurativer. Er zeigt Hirn-
scans und Visualisierungen, die an den Urknall erinnern. Immer je-
doch, wie Ikeda sagt, „auf der Basis reiner Fakten“. Er selbst bleibt
aber lieber unsichtbar. Sein „Porträtfoto“ (re. S.) ist ein Testbild.

82
C
sie in den Neunzigern trug. God is a DJ. Ryoji Ikeda ist anders als
die smarten Künstler, die heute die Kunsthochschulen ausspucken,
seine Akademie waren die Clubs in Tokio und Kyoto. „I am really
aspar David Friedrich. Darauf muss man erst mal kommen. Gleich from the streets“, sagt er, und vielleicht sei das Fehlen einer for-
wird Andreas Beitin seine erste selbst kuratierte Ausstellung als malen Ausbildung seine größte Freiheit beim Kunstschaffen. In
Direktor des Kunstmuseums Wolfsburg eröffnen, eingeladen hat den Clubs begann er als DJ und Elektro-Komponist in den 1990ern,
er den japanischen Elementarteilchen-Komponisten Ryoji Ikeda, Klänge zu analysieren, zu reduzieren, in den 2000ern ergänzte er
der Diagrammblitze und Soundwellen wie ein Gewitter über seine karge Visuals. Inzwischen ist er Mitte 50, und seine zuletzt immer
Betrachter hinwegdonnern lässt, ein brachiales Ballett aus Zahlen, figurativer werdenden Werke (man sieht nun sogar Hirnscans und
Zeichen, viel Krawumm und kaltem Licht. Doch Andreas Beitin Stadtpläne) laufen in Loops im Centre Pompidou oder auf der
sitzt vor der Pressekonferenz in seinem Büro, trinkt Kaffee und Biennale in Venedig. Die Methoden aber, mit denen er damals Tö-
spricht bedacht über Caspar David Friedrichs „Mönch am Meer“, ne zu Sinuswellen und Weißem Rauschen abstrahierte, sie sind
diesen kleinen Menschen am dunklen Wellenkamm, kaum auszu- heute noch die gleichen: Collage und Sampling. Und auch heute
machen, beinahe erdrückt von Wolkenbergen. Die schiere Größe noch fahren einem die Sounds in den Körper. Am Abend jedoch
der Natur, bei Ikeda ist sie Pixel-abstrakt. Als hätte er ein Röntgen- bei seinem 30-minütigen Liveset in Wolfsburg lässt das Kunst-
gerät auf das Universum gerichtet, alles auf bloße Parameter kon- publikum das Dub-Peitschen eher stoisch über sich hinwegknal-
densiert. Was bleibt, sind Binärcodes. Die Unendlichkeit, sie liegt len. Ein Schild warnt an der Museumstür vor den Gesundheits-
zwischen null und eins, und Ikeda projiziert sie auf Riesenlein- risiken durch „Stroboskop- und Soundeffekte sowie schnell
wände, 10 mal 16 Meter, drum herum: Nachtschwarz. Auch so aneinandergereihte Farbrotationen“.
fühlt sich der Mensch sehr klein. Die große Ironie an Ryoji Ikeda ist, dass er den unsichtbaren
Es geht um Wissenschaft, klar, Mengenlehre, Physik, Neutra- Datenkolonnen unserer digitalen Welt ein betörendes Antlitz
lität, die harten Fakten, eine Bewegung von kleinsten Teilchen schenkt, und doch braucht seine Kunst den Oldschool-Moment
zu Galaxien, Urknall, Kontinente, Sonnensysteme. Die Daten be- des Hingehens. Erst im Museum oder im Konzert treffen den Be-
kommt er vom Genfer CERN, wo er sechs Monate lang Künst- trachter Sound-Bild-Blitze mit Wucht. Auch weil Ikeda, der Per-
lerstipendiat war, von der NASA, dem Humangenomprojekt, alles fektionist, professionelle Filmaufnahmen nicht gestattet, er hätte
Open Source, 80 Gigabyte reiner Text. Und doch ist es ein gottglei- ja die Tonqualität des Abspielgeräts nicht unter Kontrolle. Genau
cher Blick auf das Sein, aus der Ferne, von oben, von unten, durchs diese Kunstform also, die das virtuelle Heute in all seiner Überfor-
Elektronenmikroskop und vom Satelliten. Manchmal würde man derung, seiner Zahlenmanie, seinem Überwachungs-Horror abbil-
den Bilderstrom gern anhalten. Näher treten. Nachfragen. Was det, diese bedrohlichen neuen Clouds von Caspar David Friedrich,
bedeuten denn bitte schön Daten, wenn man sie nicht interpre- genau dieses Werk existiert nur im absoluten Jetzt.
tiert? Ist eine kohärente Ästhetik schon eine Aussage, eine Ideolo-
gie, eine Meta-Erzählung? Und Big Data nun das erhabene Land- Bis 29.3. im Kunstmuseum Wolfsburg. kunstmuseum-wolfsburg.de
schaftsgemälde unserer Zeit? Ikeda sagt
dazu am liebsten: nichts. Interviews gibt
er kaum, zur Pressekonferenz musste
ihn der Museumsdirektor freundlich
drängen, immerhin ist dies eine Premie-
re. Zum ersten Mal werden die beiden
Fotos: Julien Gremaud, Courtesy of the Artist and Audemars Piguet (6); Porträt: © Ryoji Ikeda Studio

jeweils zwölf Minuten langen Stücke


„Data-verse 1“ und „Data-verse 2“ (mög-
lich gemacht von der Uhrenfirma Aude-
mars Piguet) zusammen gezeigt.
Trotzdem: keine Fotos, keine Filme.
„Wenn Sie Bilder benötigen“, sagt die
Pressefrau, „dann können Sie seine Hän-
de und Füße fotografieren.“ Als Porträt-
foto bekommt man später per Mail ein
Testbild. „Ich will, dass die Kunst für
sich steht“, sagt Ikeda dann in einem
heiter-gehetzten Monolog. „Es gibt kei-
ne Antworten. Schreiben Sie einfach,
was Sie wollen, nicht, was ich sage!“ Er
versinkt in einem graphitgrauen Hoodie
(samt Daumenloch), den Beanie (auch
grau) tief in die Stirn gezogen, die Au-
gen: undurchdringlich hinter einer oval-
schwarzen Raver-Sonnenbrille, wie man
Sämtliche Die Zahl ist niederschmetternd: An jedem Tag werden inzwischen drei Milliarden Bilder auf den
sozialen Netzwerken hochgeladen. Wie verändert das unsere Weltwahrnehmung? Dieser Frage

Geiseln der gehen nun die Kuratoren des Pariser Jeu de Paume mit ihrer Gruppenausstellung „The Super-
market of Images“ nach und zeigen dabei auch (u.) den anderen, weltverändernden Supermarkt:

Gegenwart „Amazon“ (Andreas Gursky, 2016). Bestimmt auch schon da und dort geteilt und geliked. B is 7.6 .,
jeudepaume.org

Fotos: © Andreas Gursky, Courtesy of the artist and Sprüth Magers; Buly 1803; Folie à Plusieurs; Courtesy Biography Fragrance; RA
Ephemere Werke

Dufte Kunst

Antony Gormley stellt sonst Schon der große Kunsterneu- Das New Yorker New Museum Wie riecht die Venus von Milo?
gerne Menschenfiguren erer Marcel Duchamp füllte die kann man nicht nur besuchen, Nach Mandarine, Jasmin und
auf Hochhäuser und Berge, zur Pariser Lu in Flaschen. sondern auch riechen und kaufen: Ambra. Findet die Manufaktur
Feier seiner Royal Academy- Auch Anicka Yi ist Konzept- Je 157 Dollar kosten die exklu- L'Officine Universelle Buly, die
Schau hat der Bildhauer eine künstlerin und arbeitet viel siven Düe, „Aspects of 1“ und mit acht Düen (150 Euro, da-
Du-Edition angemischt. mit Du. Von „Biography“ gibt „Aspects of 2“, beide Flakons zu Seifen, Kerzen) Louvre-Iko-
100er-Auflage, 150 Pnd es 1000 Stück, je 250 Dollar. tragen die SANAA-Architektur. nen olfaktorisch interpretiert.
shop.royalacademy.org.uk biography fragrance.com newmuseum.org buly 1 8 0 3 .com

84 Redak tion Barbara G är tner


Panorama
Kunst
Fotos: Courtesy the artist; John Wronn/The Museum of Modern Art, New York. Bequest of Richard S. Zeisler and gift of Abby Aldrich Rockefeller (both by exchange) and gift of Kathy Fuld, Agnes

Stille,
bitte!
Gund, Patricia Cisneros, Doris Fisher, Mimi Haas, Marie-Josée and Henry R. Kravis, and Emily Spiegel. © 2019 Judd Foundation; Luc Schrobiltgen

Ein Reiz der Fotografie liegt darin, den


Trubel stumm zu schalten, so wie Akinbode
Akinbiyi, der sich durch Megastädte wie
Lagos oder Kairo treiben lässt und mit seinen
Schwarz-Weiß-Bildern wie links „Bar Beach,
Victoria Island, Lagos“ (2006) die Alltags-
Raserei für einen kurzen, schönen Moment
anhält. Ach! B is 1 7. 5 ., G ropius B au, B erlin,
b erliner fe s t spiele.de

Mister Minimalismus
Wenn Maler das Malen aufgeben, entsteht oft große Kunst.
Donald Judd etwa hat die Art, wie wir heute über Skulp-
tur (rechts „Untitled“, 1991) denken, auf den Kopf gestellt.
30 Jahre war in den USA keine Retrospektive mehr zu sehen.
Nun feiert ihn endlich das New Yorker MoMA. 1 . 3 .–11 .7.,
moma.org

Man sieht
sich immer
zweimal
Die Bilder von Léon Spilliaert wirken
so modern, dass man „The Shipwrecked“
(li., 1926) im ersten Augenblick für eine
Arbeit von Peter Doig halten kann. Dabei
liegen zwischen diesem Gemälde des
Belgiers (1881–1946), das nun in einer gro-
ßen Schau in der Londoner Royal Aca-
demy hängt, und den Kanubildern des
britischen Kunstmarktdarlings Doig fast
ein Dreivierteljahrhundert. 2 3 . 2 .–2 5 . 5 .,
royalac ademy.org.uk

85
Panorama
Bücher

Cover- und Innenabbildungen: Taschen (2); Schirmer/Mosel Verlag; © The Klipstein Family; Scheidegger & Spiess; Prestel
Verlag; © Sovrintendenza Capitolina ai Beni Culturali, Musei Capitolini – Pinacoteca Capitolina, Roma/Andrea Jemolo
2
1
1

4
Leseprobe
3
Redak tion Oliver Jahn und Uta Seeburg

1 2 3 4
Bildblock Richtergala Grand Tour Reine Gefühlssache
Schöne Bände über japanische Gerhard Richters Gesamtwerk Klip und Corb, das sind der Caravaggio und Bernini: Der
Holzschnitte gibt es viele, das ist so umfangreich, dass seine Kunsthändler August Klip­ Maler und der Bildhauer
tut aber dem Vergnügen, die­ Werkverzeichnisse inzwischen stein und sein Jugendfreund, sind die schillernden Figuren
sen Monolithen durchzublät­ Regale füllen. Nun hat Armin später bekannt als Le Corbu­ des Barock, die Roms Kunst­
tern, keinen Abbruch. Aus vier Zweite, lange Direktor des sier. 1911 gingen die beiden welt (und die eine oder andere
Jahrhunderten leuchten 200 Münchner Lenbachhauses, ei­ auf Reisen, Le Corbusiers Ta­ Schenke) in helle Aufregung
Blätter von herausragender ne opulent bebilderte und zu­ gebuch wurde als „Journey versetzten. Starke Gefühle sind
Pracht – Werke der Superstars gängliche Monografie geschrie­ to the East“ weltberühmt. Hier es auch, die jetzt die sanft­
Hokusai und Hiroshige, aber ben. Sechs Jahrzehnte Richters lernen wir das Gegenstück mütigen Madonnen der Renais­
auch von weniger Bekannten epochaler Richtungswechsel in kennen: Klipsteins Notizen sance ablösen. Der Band geht
wie Kikugawa Eizan (o.). einem famosen Band. zur selben Reise. diesem Effekt der Affekte nach.
Japanese Woodblock Prints. Gerhard Richter: Leben und Werk. Klip and Corb on the Road. Caravaggio Bernini.
Taschen, 622 S., 150 Euro. Schirmer/Mosel, 480 S., 128 Euro. Scheidegger & Spiess, 368 S., 48 Euro. Prestel, 328 S., 45 Euro.

86
shop.vogue.de
Das rare,
schöne Gute
Aufhören, wenn’s am schönsten ist? Können die
wenigsten. Ein Designer und ein Sammler
haben es getan, ganz ungeplant: Sie ließen ihr
Leben in Paris zurück und fingen
ein neues in Portugal an. Und eröffneten
ein Hotel, das Dornacher Design und
skandinavischen Jugendstil ins Jetzt zurückholt.

Tex t Florian Sieb e ck

88
Panorama
Reise

Wo einst Nonnen Garten pflegten, und später einer Kooperative, die Olivenöl produ-
ihre Felder bestellten, zierte. Das Grundstück umfasst 13 000 Olivenbäume, die ältesten
fanden Vitor Borges 800 Jahre alt. Sie kamen kurz vor Anbruch der Dunkelheit an, als
(u. re. auf einem Stuhl
die Sonne die Hügel mit ihren Kork-, Feigen- und Olivenbäumen
von Heinrich Eckinger)
und Franck Laigneau in ein rotes Licht tauchte. „Und da“, sagt Borges, „verliebten wir
ihre neue Heimat. Die uns in diese wunderschöne Aussicht, die unberührte Natur.“
monastische Strenge Es gab nur ein kleines Problem: Das Anwesen war zu groß. Viel
der Außenbereiche un- zu groß, um es nur als Ferienhaus zu nutzen; viel zu kaputt, um es
terbrachen sie hier
en passant wieder herzurichten. Eine Lebensaufgabe. „Es fiel uns
und da durch japanoid
anmutende geometri- alles andere als leicht, Paris zu verlassen“, sagt Borges, aber beide
sche Formen (unten li.). waren fast 50, in ihren Augen die letzte Chance für einen radika-
len Neuanfang, wenn auch gänzlich ungeplant. Sie waren immer
gern Gastgeber, warum also nicht ein Hotel eröffnen? So schufen
sie das „Dá Licença“, ein modernes Refugium mit klaren Linien,
das den traditionellen Charakter des Landgutes respektiert. Das
Haupthaus beherbergt nun drei Gästezimmer, die nahe gelegenen
Nebengebäude fünf geräumige Suiten.
Die monastische Strenge der ganz in Weiß gehaltenen Au-
ßenbereiche wird immer wieder durch geometrische Öffnungen
unterbrochen und in den Innenräumen durch ein Interieur auf-
gefangen, das nur auf den ersten Blick asketisch wirkt. Dunkle
gebürstete Granitböden und cremeweiß gekalkte Wände bilden
mit Einbauten wie Badewannen aus von Hand gehauenem Mar-
mor die Kulisse für eine eklektische Möbel- und Kunstsammlung,
die größtenteils aus der ehemaligen Galerie Franck Laigneaus
stammt. Er hatte sich in seinen Anfangsjahren auf skandinavi-
schen Jugendstil spezialisiert, damals, als alle anderen für Jean-

V
itor Borges und Franck Laigneau hatten, was man in Paris „la
bonne vie“ nennen würde: Borges war bei Hermès für die beson-
ders taktilen Dinge verantwortlich, für alle Entwürfe aus Seide
Fotos: Francisco Nogueira; Porträt: Isadora Faustino

und Kaschmir; Laigneau führte eine Designgalerie. Sie wohnten in


einem stattlichen kleinen Haus im 7. Arrondissement, gleich hinter
dem Musée d’Orsay, und waren, wenn man so will, angekommen
im Leben. „Ich habe immer gedacht: In Paris werde ich alt“, sagt
Vitor Borges. Und dann kam dieser Tag im Jahr 2013.
Borges und Laigneau besaßen ein Haus in der Normandie, aber
sie wollten in wärmere Gefilde; sie fuhren also nach Portugal, wo
Vitor Borges aufgewachsen war. In Estremoz, anderthalb Stun-
den von Lissabon entfernt, entdeckten sie einige zerfallene Gebäu-
de. Sie gehörten einst Nonnen des Malteserordens, die hier einen
Die Terrassen (o. li.) Hinter dem Esszimmer
rahmt eine diaphane (u., Tisch: Felix Kaiser)
Pergola aus hauch­ lockt der T­förmige
dünnem rosa Marmor Infinity Pool (rechte S.).
(„Wir lieben James „Mit seinem Smaragd­
Turrell“). In den Zim­ Schimmer erinnert er
mern stehen Dorna­ an einen verlassenen
cher Möbel, o. re. ein Marmorbruch, in dem
Daybed von Heinrich sich Wasser gesam­
Eckinger unter einem melt hat“, schwärmt
Bild von Ejnar Nielsen, Vitor Borges. Der Blick
links Rudolf Dörflers fällt auf die hotel­
Leuchte für Artolux. eigenen Olivenhaine.

90
Panorama
Reise

Michel Frank gerade astronomische Summen hinlegten. „Es war Details – etwas, das man spürt, aber nicht sieht.“ Damit steht
eine spannende Zeit: Die Grenzen zwischen Kunst und Hand­ das Hotel ganz in Einklang mit der anthroposophischen Philoso­
werk lösten sich auf, Maler und Bildhauer machten plötzlich Mö­ phie Rudolf Steiners, der sagte: „Wer den Zusammenhang der geis­
bel.“ Später entdeckt er bei einem Abstecher von der Art Basel tigen Tatsachen erkennen und zu beurteilen vermag, der weiß
das Goetheanum und mit ihm Dornacher Design – einen organi­ ganz gut, dass Sitten, Gewohnheiten, Seelenneigungen, gewisse
schen, volkstümlichen Stil, der auf den anthroposophischen Leh­ Beziehungen des Guten und des Bösen eines Zeitalters davon ab­
ren Rudolf Steiners beruht. hängen, wie die Dinge beschaffen sind, an denen wir vom Morgen
„Wir hatten ja alles da“, sagt Borges. „Und dann fingen wir an zu bis zum Abend vorbeigehen.“ So entstand ein Ort, der die Neugier
komponieren: einen Dialog zwischen Kunst und Natur, drinnen beflügelt, ohne zum Kuriositätenkabinett zu verkommen. Die auf
und draußen.“ Alles, so scheint es, fügt sich hier. Da steht ein ge­ den ersten Blick vielleicht grobschlächtigen Stücke Steiners hat
webter Paravent mit plappernden Papageientauchern von Thorolf Laigneau teils Kindergärten, Schulen und anderen Einrichtungen
Holmboe (ca. 1900) neben einem Bild zweier Bäuerinnen, das abgekauft, manchmal anderen Sammlern.
der Franzose David Dellepiane 1927 für das Hotel „Le Provençal“ „Dornacher Design wird wegen seiner kristallinen Form oft
malte, dazwischen „Bonecos de Estremoz“, Keramikfiguren aus dem tschechischen Kubismus zugeschlagen, aber Steiners Möbel
der Region. Ein Jahr dauerte der Prozess, alles richtig zu arran­ sind viel schützender, organischer; sie fördern die eigenständige
gieren, die Räume im Wechsel der Zeiten und des Lichts zu beglei­ sinnliche Erfahrung.“ Vitor Borges ist fasziniert davon, wie die
ten. „Diese Art von Sammlung findet man heute in Museen“, sagt Holzmöbel im Licht der untergehenden Sonne fast golden schim­
Laigneau, „aber wir wollten die Stücke wieder in ihren ursprüng­ mern; wie sie im Zusammenspiel mit dem Marmor kalt und warm
lichen Kontext bringen: das Zuhause.“ zugleich wirken und ihm das Gefühl vermitteln, hier ein Zuhau­
Trotz der großen Vielfalt an unterschiedlichsten Elementen se zu haben. „Die Möbel aus Dornach sind ja zum Leben gedacht
wirken die Räume wie aus einem Guss. Aus rosa schimmern­ gewesen, nicht zum Verkaufen“, sagt Laigneau. Und es wirkt, als
dem Marmor, der in der Gegend überall aus der Erde ragt, ließ das habe sich auch im Leben der beiden alles so entwickelt, um auf
Paar Leuchten, Bäder und Geschirr anfertigen, von Vitor Borges ebenjenen Punkt hinauszulaufen. „Ich wollte immer Koch werden,
selbst entworfen. „Engelshaut“, sagt Borges, „so nennen sie den aber meine Mutter sagte, ich solle lieber was Anständiges lernen“,
Stein hier.“ Die Entwürfe, mal rau, mal poliert, aber immer taktil, sagt Borges. Und stellt ein Thunfisch­Tataki auf den Tisch, das an
sind bis ins Detail durchdacht: Die Marmorgriffe einer Garderobe geschmacklicher Raffinesse kaum zu übertreffen ist.
etwa sind ohne Schrauben mit dem Holz verbunden. „Darin steckt
der Geist von Hermès“, sagt Borges, „diese versteckten diskreten DZ ab 300 Euro, inkl. Frühstück. dalicenca.pt

V itor B orge s

„Wir hatten alles da. Und dann fingen wir


an zu komponieren: einen Dialog zwischen
Kunst und Natur, drinnen und draußen.“
Fotos: Francisco Nogueira
Panorama
Reise

Theatralik
mit Twist
Wie Dimore Studio die Mailänder
Hotel-Legende „Milan“ auffrischen.
Tex t Uta Seeburg

M
aria Callas logierte hier, wenn sie in der benachbarten Mai-
länder Scala auftrat, genauso Enrico Caruso. Ernest He-
mingway, Helmut Newton und Marcello Mastroianni waren
gern gesehene Gäste, und Verdi schlief hier nicht nur regel-
mäßig, er verstarb sogar im „Grand Hotel et de Milan“ oder

Fotos: Courtesy of Grand Hotel et de Milan; Silvia Rivoltella (3)


kurz: „Milan“. Eine nahezu schwindelig machende Aura also,
die derjenige bewahren musste, der Bar und Halle des Grand
Hotels neu gestalten sollte. Wer eignete sich für diesen Auf-
trag besser als Emiliano Salci und Britt Moran von Dimore
Studio, die es immer wieder schaffen, jedem Raum einen
theatralischen, aber sehr gegenwärtigen Auftritt zu schen-
ken. Das Duo erzählt die Geschichte des Grand Hotels wei-
ter. Mit leuchtenden Farben, schweren Stoffen und Mustern
zwischen Liberty und Lotusblüten. Ein Rahmen, der auch
der großen Callas entsprochen hätte.

DZ ab 940 Euro. grandhoteletdemilan.it

Zeitgemäß und doch be-


ständig: Das Mailänder
Duo Dimore Studio wähl-
te Materialien wie Samt,
Chintz und Jacquard,
um die Bar (li.) und die
Lobby (re.) des ehrwürdi-
gen „Grand Hotel et de
Milan“ neu einzukleiden.
Architektur und Kunst
aus dem 19. Jahrhundert
Fotos: xxxxxxxxxx

blieben unangetastet,
die Farbpalette von Rost,
Rosa und Grün beamt
sie in die Gegenwart.

92
Von leichter Hand
Im Skiort Méribel hat Stardesigner Pierre Yovanovitch
ein Kuckucksnest verzaubert: Beim „Le Coucou“ interpre-
tiert er Alpenchic mit einem spielerisch erhabenen Twist.
Yovanovitch kuratierte die Kunst, gestaltete 55 Zimmer
samt zwei privaten Chalets, Restaurants und Bar (unten).
Selbst die Möbel stammen von ihm, DZ ab 710 Euro.
le coucoumerib el.com

Ein Bett im
Kornfeld
Als Möbeldesigner Jake Phipps und seine Frau Melanie
aus London ins beschauliche Yorkshire zogen, träumten sie
schon von einem kleinen B & B. Dann die zündende Idee:
Die beiden kauften zwei mobile Schäferhütten, moderni-
sierten und möblierten, fanden sogar Platz für ein großes
Bett und eine Badewanne. Jetzt stehen die komfortablen
Kabinen auf einem Feld unter einer alten Eiche (o.). Oder
zwischen Obstbäumen im Garten der Phipps. Und jeden
Morgen liefern die beiden nun ihren Gästen einen liebevoll
gepackten Frühstückskorb, Hütte ab 735 Pfund die Woche.
thehutbandb.co.uk

Hotels

Dreimal „Proper“ von Kelly Wearstler


Fotos: Jérôme Galland; Topher McGrillis (2); The Ingalls (3)

Craftsmanship in Texas: Jüngst Hacienda in Twenties-Architektur: Im Pudrige Palette: Ein fußläufiger Strand,
eröffnete das Hotel „Austin Proper“ mit „Downtown L. A. Proper“ schwelgt von dem Luft und Licht ins „Santa Monica
244 Zimmern im ebenfalls neuen Wearstler in einer frischen Variante des Proper“ wehen, inspiriert auch die
Wolkenkratzer von Handel Architects. spanischen Kolonialstils. Die 148 Zimmer leichten Farben des kalifornischen Hotels.
Interiordesignerin Kelly Wearstler (DZ ab 350 Dollar) verteilen sich über Wearstlers Sinn für Akzente bläst ein paar
füllte den Neubau mit lokalem Handwerk die Stockwerke eines Backsteinbaus von kuriose Objekte dazu, DZ ab 365 Dollar.
und feinen Vintages, DZ ab 365 Dollar. 1926, der sich immer wieder neu erfand. prop erhotel.com

Redak tion Uta Seeburg 93


Die März-ausgabe jetzt iM hanDel!
Leben
in Sydney, Paris, Tokio, Melbourne, Mailand und New York

Auf den Kern


konzentriert
Unter den steilen Giebel ihres
einzigartigen Tokioter Beton-
hauses haben der Architekt
Takeshi Hosaka und seine Frau
Megumi eine „Tolomeo“-App-
like und einen Heiligen plat-
ziert. Licht und Segen für eine
Wohnbox, die mit 19 Quadrat-
meter Grundfläche auskommen
muss, nach oben aber viel Luft
zum Atmen lässt. RK
Foto: Koji Fuji

95
Ein skulpturaler Hoch-
tisch ersetzt eine
massive Kücheninsel –
die nämlich hätte die
Fenstertür zum Bal-
kon (li.) blockiert. Die
Einbauschränke in
Japanschwarz fertigte
der Schreiner Jona-
than West aus Ameri-
kanischer Spitzeiche,
die Rückwand in Rost-
und Ockertönen ist
aus syrischem Marmor
von Mediterranean
Marble. Hocker von
Grazia and Co, die
Deckenleuchten wur-
den bei Sphera gekauft.
Sydney

77 m2

Bitte
mit
Pink!
Tex t L arissa B eham
Grundriss Isa Lim
Produk tion Alicia S cib erras
Fotos Felix Fores t
Fotos: Felix Forest/Living Inside; Produktion: Alicia Sciberras/Living Inside

Béton brut trifft auf Seide


und Sydney auf Fernost:
Als Yasmine Ghoniem ein
Penthouse auf Etage 19
gestaltete, ersann sie einen
pfiffigen Grundriss – und
füllte ihn mit satten Farben
und sinnlichen Texturen.

97
Cognactöne und Erdfarben:
Die Holzverkleidung der
Schrankwand im Wohnzim­
mer verbirgt einen Screen
zum Filmeschauen – und ein
Klappbett für Gäste. Das
Sofa „Lune“ entwarf Jaime
Hayon, den Coffeetable
davor Adam Goodrum. In
der Ecke steht ein „Mara­
lunga“­Sessel von Cassina.

E
in T-Shirt von Tame Impala, dazu ein Paar
Flipflops und eine Brille mit Fassung in
Kaugummirosa.“ Yasmine Ghoniem erin-
nert sich genau, was ihr Auftraggeber bei
ihrer ersten Begegnung getragen hat. „Zu-
mal Tame Impala auch meine Lieblings-
band ist.“ Dass jedoch das Outfit ihres Ge-
genübers Einfluss auf die Neugestaltung
seines 77 Quadratmeter großen Penthouses
nehmen würde, ahnte die Interiordesigne-
rin damals noch nicht. Denn: Betritt man
heute, nach zwölf Monaten Umbauzeit,
das Bad des Masterbedrooms, schwebt dort

Vor dem Umbau glich das Apartment mit der Nummer 1906 eher
einer reizlosen Betonschachtel als einem mondänen Penthouse.
Yasmine Ghoniem verwandelte das Objekt in ein raffiniert geplantes
Refugium für einen weit gereisten Gentleman: mit einem Wohn­/
Gästezimmer, zwei Bädern und sogar einer winzigen Waschküche.

98
Der Raumteiler aus rotem Zedernholz ist eine Maßanfertigung. Die
Jalousietüren teilen die helle Lounge in Ess- und Wohnzimmer auf,
wobei sich Letzteres in eine zweite behagliche Schlafkoje verwan-
deln kann, sobald die Lamellen geschlossen sind. Lässt man sie je-
doch offen, sieben sie sanft das Licht im Raum: „Es hat dann etwas
Warmes, sehr Japanisches. Und irgendwie auch etwas Voyeu-
ristisches – alles Dinge, die ich mag“, bemerkt Yasmine Ghoniem.
Die höhenverstellbare Leuchte ließ
Ghoniem mit einem Vintage-Stoff
beziehen, den Esstisch plante sie als
moderne „Lazy Susan“-Variation
mit drehbarem Tablett on top. Ge-
nauso praktisch: der große Spiegel
(rechte Seite) im Bad; er bietet ge-
nug Platz für Zahnbürsten und
allerlei Utensilien. Terrazzoplatten
von Terrazzo Australian Marble.
Ya sm i ne Ghon iem

„Der Besitzer wünschte sich ein vielschichtiges Interior mit einem


differenzierten Farbkanon: Tiefseeblau, Senfgelb – und Rosa.“

101
„Nichts kann Sydneys legendäre Brücke toppen!“ Im Wohnzimmer (oben) blickt der
Hausherr durch eine raumhohe Schiebetür auf den Hafen. Den Vorhangstoff lieferte
Kvadrat, den Teppich „Danskina Dune“ Hub Furniture und die Stehleuchte Viabizzuno.
Im Schlafzimmer (links) sind die Fronten des maßgefertigten Schranks aus Messing ge-
woben und luftdurchlässig – ein diffiziler, aber eleganter Kniff für mehr Transparenz.

vor steingrauen Terrazzoplatten ein Wasch- modul trennt Küche und Schlafzimmer, auf
bassin in, genau, Kaugummirosa. Und der einen Seite ist Platz für einen Kühl-, auf
das bildet den heiteren Mittelpunkt einer der anderen für einen Kleiderschrank. Und
schummrig-gesättigten Farbpalette. in der Lounge verbirgt sich hinter einem
„Mein Auftraggeber wünschte sich ein Screen für Heimkinoabende, wunderbar
vielschichtiges Interior mit einem differen- altmodisch, ein ausklappbares Gästebett.
zierteren Farbkanon, der die Sicht über den Doch so raffiniert die Technik, so reiz-
Hafen von Sydney rahmen sollte.“ Doch vor voll die Atmosphäre, in die Ghoniem sie
allem sollte hier eine Basis entstehen für dann bettete: satte Farben wie das Tiefsee-
den Neuanfang eines frisch Geschiedenen, blau im Essbereich, die Zimt- oder Kupfer-
„eine Evolution seines ‚Ich‘“, wie Yasmine töne der Teppiche, Senf- und Steinfarben
Ghoniem sagt. „Nach so einer Zäsur – bloß fast überall. Und immer wieder ein ge-
kein Hort der Erinnerungen!“ Also begann dämpftes, sanft abgelöschtes Candy Pink
die Designerin (die ihr Studio gerade nach auf dem Bett oder den lichtdurchlässigen
ihrem vollen Namen Yasmine Saleh Gho- Jalousien vor dem Küchenbalkon dieser
niem in YSG umbenannte), das Apartment 19. Etage. Hier oben verschmilzt „Mad Men“
passgenau zu reorganisieren: Küche und mit Fernost, Béton brut mit dem Kunstsinn
Badezimmer wechselten die Position, die eines Vielreisenden. „Das Ergebnis ist an-
Zugänge zu Terrasse und Balkon wurden ders als alles, was ich je gesehen habe“, ver-
verlegt, die Flächen vergrößert; jeder Win- rät der Hausherr. Ganz besonders, wenn
kel im Inneren mit Bedacht geplant. Viele abends dann der Hafen zu funkeln beginnt,
der von Ghoniem designten Stücke sind wenn das Penthouse ganz und gar Pent-
Doppelbegabungen: Ein raumhohes Holz- house sein darf.

102
Kurven statt Ecken:
Ghoniem rundet Räume
gerne ab, „weil sie da­
durch weniger kastig
wirken“. Umso weicher,
wenn die Wände dann
mit cremefarbener Seide
von Instyle bespannt
werden. Das Bett „Aran“
entwarf Adam Goodrum,
Kissen und Decken da­
rauf sind von Society
Limonta und Cultiver.
Alles inklusive

Paris

37 m2

Fotos: Birgitta Wolfgang Bjørnvad/The Sisters Agency; Produktion: Julia Mincarelli/The Sisters Agency

Endlich viel Platz! Designerin Olivia Clergue atmete auf,


als ihr Appartement im Quartier Latin nur noch Wohnung war.

Tex t Reinhard Krause Grundriss Isa Lim Produk tion Julia Mincarelli Fotos Birgit ta Wolfgang Bjørnvad
Regel Nummer eins
für kleine Wohnun-
gen: Maß halten und
Prioritäten setzen!
Der Umfang von Oli-
via Clergues Biblio-
thek wird von den
Eichenregalen vorge-
geben, die ein Tisch-
ler für sie baute. Auf
der li. S. sitzt sie un-
ter einer Tusch- und
einer Bleistiftzeich-
nung ihres Patenon-
kels Pablo Picasso.

105
Um das Appartement großzügiger wirken
zu lassen, schuf Olivia Clergue aus dem
einstigen Wohnzimmer mit Flur und Küche
einen offenen Raum. Das Bad blieb in seinen
ohnehin knappen Dimensionen erhalten.

A
uf der Kommode im Schlafzimmer von Olivia Clergue steht, un-
scheinbar in einem weißen Rahmen, ein altes Schwarz-Weiß-Foto.
Es zeigt die Hausherrin als Kleinkind mit akkurat gescheiteltem
Haar und sehr munter blickenden dunklen Knopfäuglein auf dem
Schoß eines alten Herrn, den man unschwer als Pablo Picasso
identifiziert. Der Jahrhundertkünstler war nämlich ein Freund der
Familie und hat sich den Ehrenplatz im 37 Quadratmeter kleinen
Appartement auf dem rive gauche redlich verdient. Wer auf so en-
gem Raum lebt, umgibt sich schließlich nur mit Dingen von be-
sonderem Wert, emotionalem Wert vor allem. Dabei hat Olivia
Clergue gar keine Erinnerungen an Picasso, wie sie sofort betont,
wohl aber an seine Witwe. „Sie beide waren meine Taufpaten. Als
ich klein war, sind wir oft zu Jacqueline nach Mougins rausgefah-
ren.“ Nicht zuletzt Picassos Fürsprache ist es zu verdanken, dass
Olivias Vater, der Fotograf Lucien Clergue, als Künstler anerkannt
wurde. Auch eine seiner Foto-Inszenierungen steht auf der Kom-
mode, sie zeigt die Hände seiner Frau und der beiden Töchter –
15 Finger, die wie Zweige in die Höhe zu wachsen scheinen.
Ein Bild der Harmonie – und zugleich eines mit Symbolwert,
denn offenbar haben auch in dieser Wohnung gute Geister ihre Eines der wenigen Sammelthemen sind Faux-
Bamboo-Möbel wie der Tisch auf der re. Seite,
ordnenden Hände im Spiel. Als Olivia Clergue vor zwölf Jahren den Coffeetable o. entwarf Marco Marino.
nach einer Eigentumswohnung im 5. Arrondissement suchte, stieß Handtaschen von Olivia Clergue gibt es im
sie auf eine Kleinanzeige. Der alte Herr, der sie aufgegeben hatte, Marais – und bei Britta Peters in München.

106
stellte sich als der Maler Bernard Munch heraus – und als Bewun- Wände; der Alkoven des Malers verschwand ebenso wie der enge
derer ihres Vaters. So kam es, dass er lieber an Olivia Clergue ver- Flur und die Küchenwand. Nur die fehlenden Dielenbretter verra-
kaufte als an eine Japanerin, die deutlich mehr für seine Wohnung ten noch den früheren Schnitt der Wohnung.
geboten hatte. Munch, geboren 1921, hatte schon mit seinen Eltern Im Vergleich zu den berühmt-berüchtigten chambres de bonne
hier gewohnt und das Mini-Appartement zugleich als Atelier ge- bietet das Appartement im dritten Stock eines 1893 als Postgebäu-
nutzt. „Als seine Eltern starben, baute er sich deren Zimmer, ei- de errichteten Hauses natürlich verschwenderisch viel Platz – aber
gentlich das Schlafzimmer, zum Studio um, denn das Licht dort das ist eine Sichtweise, die vermutlich nur Pariser teilen können.
eignet sich gut zum Malen. Geschlafen hat er in einem Alkoven Einige ihrer Besitztümer lagert Olivia Clergue in ihrem Eltern-
im Wohnzimmer. In den ersten Jahren habe ich es genauso gehal- haus in Arles, trotzdem ist die Frage, wofür in der Pariser Woh-
ten und das hintere Zimmer als Werkstatt benutzt.“ nung Platz ist und wofür eben nicht, eine ständige Begleiterin.
Was bedeutet, dass dort eine Ledernähmaschine Einzug hielt, Welche Tipps hat sie für Novizen in der Kunst der Selbstbeschrän-
flankiert von allerlei Stellagen für Häute und Werkzeuge. Olivia kung? „Als Erstes habe ich meinen Freunden klargemacht, dass sie
Clergue ist nämlich Handtaschen-Designerin. Mit 18 kam sie von mir keinen Schnickschnack mehr schenken dürfen, dafür habe ich
Arles nach Paris, um an der École des Beaux-Arts Bildhauerei zu keinen Platz. Auch die meisten Bücher gebe ich nach dem Lesen
studieren; ihren Abschluss jedoch weiter, weil ich unmöglich alle behal-
machte sie in Modedesign mit dem ten kann. Neulich habe ich mich von
Schwerpunkt Dessous. Von Skulp- allen Taschenbüchern getrennt und
turen zur Unterwäsche, von der bil- nur eine kleine Sammlung lateiname-
denden Kunst zum Handwerk – rikanischer und japanischer Literatur
was zunächst klingt wie ein etwas behalten. Und ein paar Kunstbände,
schlingernd startender Lebenslauf, vor allem über Marcel Duchamp, der
erwies sich als Dualismus, der sich hier in der Nähe gelebt hat.“ In puncto
durch Clergues Leben zieht wie ei- Kleidung, sagt sie, habe sie schon im-
ne Doppelhelix. „Mit 24 gründete mer Wert darauf gelegt, lieber wenig,
ich mein eigenes Dessous-Label dafür aber gute Qualität zu kaufen.
und war damit schnell so erfolg- „Und unter dem Bett stehen immer ir-
reich, dass ich mit der Produktion gendwelche Schachteln mit Sachen,
nicht hinterherkam“, sagt sie. „Ich die ich gerade seltener trage.“
habe nämlich alles selbst gemacht. Die größte und wichtigste Neu-
Um meine eigene Firma zu grün- anschaffung war die Küchenzeile im
den, fühlte ich mich einfach zu nunmehr offenen Wohnraum. „Die hat
jung.“ Also wechselte sie noch ein- ein Architekt für mich entworfen. In
mal die Richtung und arbeitete ei- den Schränken bewahre ich tatsäch-
nige Jahre für Kunstgalerien, bis sie lich nur Küchenutensilien auf. Die grü-
mit 40 – „eigentlich nur aus einer nen Keramikteller sind provenzalisch,
Laune heraus“ – begann, Handta- ich habe aber auch Geschirr aus Me-
schen zu entwerfen. Nun schließ- xiko und Marokko.“ Die Möblierung
lich passte alles zusammen. Seit sie wiederum wird von zwei Leitmoti-
ihre eleganten Taschen unter eige- ven bestimmt. Da ist zum einen ei-
nem Namen in einem Showroom ne Sammlung antiker Tischchen und
im Marais verkauft (übrigens gleich ums Eck vom Picasso-Muse- Spiegel und die bereits erwähnte Kommode, sämtlich in Faux-Bam-
um, in der Rue du Parc Royal 6), hat sie die Produktion in die boo-Optik gefertigt. „Den Spiegel im Wohnzimmer hat schon mei-
Hinterräume der Boutique verlegt. „Nach Jahrzehnten der Zweck- ne Mutter gekauft. Später habe ich das Bambus-Thema weiter
entfremdung“, sagt sie und klingt dabei wie befreit, „ist das Schlaf- verfolgt, als ich hörte, dass Juliette Adam diese Möbel sammelte,
zimmer endlich wieder nichts als ein Schlafzimmer.“ eine Schriftstellerin, die im 19. Jahrhundert einen literarischen Sa-
Um die wenigen Quadratmeter der Wohnung möglichst effek- lon in Paris führte. Der Spiegel erinnert mich an eine Szene mit
tiv nutzen zu können, entfernte Olivia Clergue alle unnötigen Catherine Deneuve in ,Eselshaut‘.“ Die Romantik dieser Antiqui-
täten wird subtil von schlichten Kastenmöbeln aus Eichenholz
konterkariert – zwei Wandregalen und zwei Holzsockeln mit raf-
finiert verdeckten Schubladen, die ein Tischler für sie gebaut hat.
Aber auch eine solchermaßen zwangsoptimierte Wohnung
Seitdem die separate Küche in den Wohnraum kommt nicht aus ohne den Luxus einer besonderen Extravaganz.
integriert wurde, erstrahlt das größere der beiden Im Falle von Olivia Clergue ist dies das Piano im Wohnzimmer.
Zimmer (linke Seite) im Licht dreier Fenster. Die
„Klar ist das ein Statement, bei so wenig Platz nicht auf das Klavier
Küchenzeile ist ein Architektenentwurf. Oben ein
weiteres Kleinmöbel in Bambus-Optik – bis vor verzichten zu wollen“, sagt sie. „Und im Grunde spiele ich viel zu
zwei Jahren diente das Schlafzimmer als Werkstatt. selten darauf. Aber was zählt: Musik schafft Raum im Kopf!“

109
Fenster zum
In eine schmale Baulücke in Tokio passte
Architekt Takeshi Hosaka alles ein, was ein Paar zum
intensiven Leben und Arbeiten braucht.

Tokio

19 m2
Himmel

Lückenfüller: Das
nächste Haus ist ge-
rade so weit entfernt,
dass die Bauten bei
Erdbeben, ohne an-
zuecken, schwingen
können. Als Arbeits-
platz dient Megumi
und Takeshi Hosaka
ein Nähmaschinen-
tisch. Linke Seite:
Durchs Oberlicht in
sieben Meter Höhe
lugt der Himmel,
aber kein Nachbar.

Tex t Roland Hagenberg Grundriss Isa Lim Fotos Koji Fuji

111
Tokioter Küche: Be- Re. S.: Zwei Zimmer,
wegungsspielraum Küche, Bad, das Gan-
und Einrichtung sind ze auf 19 Quadratme-
ganz auf die Körper- tern. Dafür, dass sich
maße von Takeshi das Love2 House für
und Megumi Hosaka die beiden Bewohner
abgestimmt – beim dennoch nicht be-
Kochen ist hier alles engt anfühlt, sorgt
stets in Reichweite, die dritte Dimension:
inklusive der Miele- Auf ganzer Länge
Waschmaschine. öffnet sich der Bau
Unter der Arbeits- nach oben ins Dach –
platte aus Edelstahl ungenutztes Volu-
verbergen sich men, aber fürs Raum-
ausziehbare Regale. gefühl unerlässlich.
113
Übergangszone:
Im genkan, dem
Eingangsbereich
(li.), hängt Kunst
von Freunden der
Hausherren. Den
schmalen Pfad vor
der Veranda-Schie-
betür ließ Hosaka
für Passanten ver-
breitern – und op-
ferte dafür sogar
einen Teil seines ei-
genen Grundstücks.

Schlafen unter Sicht-


beton (re. S.): Von
der Küche trennt den
Raum nur eine halb-
hohe Wand, vom
Blick in die Sterne
ein rundes Bullauge
im Giebel, das den
gesamten Wohnbe-
reich mit Tageslicht
flutet. Den nötigen
Stauraum integrierte
der Architekt direkt
in die Betonstruktur
des schmalen Baus.

Take shi Hosaka

„Kontemplation und Gemeinschaft standen schon in den Häusern


der Römer im Mittelpunkt. Darin liegt der Kern der Architektur.“
114
Auch für die tradi­ Essen, arbeiten, ko­
tionelle Badewanne chen und schlafen:
im Freien fand Archi­ Im Love2 House
tekt Takeshi Hosaka findet alles in einem
auf seinem schmalen Raum statt (o. re.).
Grundstück Platz. Betonbarrieren tren­
Eine ausziehbare Pla­ nen die Lebensbe­
ne schützt das roten- reiche und schaffen
buro (oben) vor frem­ Struktur. Rechts:
den Blicken aus den Keine Nische ohne
Nachbarhäusern, eine Funktion – selbst in
schmale Tür verbin­ die WC­Ecke inte­
det die Terrasse mit grierte Hosaka noch
dem Badezimmer. ein Bücherregal.

116
H
als Architektur. Sollte mir so was in Zukunft ebenfalls gelingen,
dann habe ich den Pilotenberuf gerne dafür aufgegeben. Aber
Utzon ist natürlich nicht mein einziges Vorbild, vieles habe ich
osaka-San, im Love2 House, das Sie selbst entworfen haben, etwa von Shigeru Ban gelernt, bei dem ich auch studieren durfte.
leben Sie zusammen mit Ihrer Frau Megumi auf gerade mal Wie wichtig ist Ihnen die spirituelle Seite des Bauens, die
19 Quadratmetern. Kommen Sie sich da nicht in die Quere? Utzon so betont hat und die auch das Werk von Architekten
Nicht die Spur! Love2 ist allerdings auch nur unser Zweitwohn- wie Tadao Ando oder Peter Zumthor durchzieht? 2014 haben
sitz, die Erweiterung unseres Love House in Yokohama sozusagen. Sie selbst eine Kirche gebaut, die Shonan Christ Church …
Weil ich von dort jeden Tag zwei Stunden zur Waseda-Universität Dafür hat mich meine Frau sensibilisiert. Sie ist christlich aufge-
brauchte, wo ich unterrichte, haben wir uns schließlich entschie- wachsen, und letztlich war sie es, die mich davon überzeugt hat,
den, unter der Woche in Tokio zu leben und zu arbeiten. in meiner Gedankenwelt einen spirituellen Ort zu schaffen, wo ich
Wo finden Sie hier denn überhaupt Platz zum Arbeiten? Rückhalt finde, besonders in so bewegten Zeiten wie heute. Ich
Zum Beispiel hier, an diesem alten Nähmaschinentisch. Da sitze halte es mit Epikur: „Unerreichbares ist irrelevant, Unvermeidba-
ich oft noch lange nach Mitternacht, wenn Megumi im Schat- res muss man akzeptieren“, das sagte er schon vor 2300 Jahren.
ten hinter der schulterhohen Betonwand längst eingeschlafen ist. Unsere Aufgabe ist das Dazwischen. Wenn ich also eine Kirche
Dann koche ich mir einen Kaffee und lasse Träume in den Wach- baue – und ein bisschen gilt das auch schon für ein Wohnhaus –,
zustand fließen. Um sieben fährt sie in unser Büro, und ich schla- soll man sich dort als Teil eines kosmischen Ganzen fühlen und
fe noch zwei Stunden. Mehr als fünf brauche ich nicht. innere Ruhe finden, ganz egal welcher Religion man angehört.
Megumi ist nicht nur privat, sondern auch beruflich Ihre Finden Sie diese kontemplative Erfahrung trotz aller Platz-
Partnerin, sie leitet Ihr Büro. Wie kam es dazu? optimierung auch im Love2 House wieder?
Schicksal! In einer Buchhandlung blätterte sie einmal Magazine Unbedingt, für mich ist das die wichtigste Voraussetzung für Kre-
durch und stieß dabei unversehens auf ein Haus von mir. Natür- ativität. Da kann Architektur helfen. Denken Sie an europäische
lich kannte sie den Architekten nicht, aber ihr gefiel offenbar das Sakralbauten: wuchtige Gewölbe zum Himmel hin, karge Wände,
Design. Dann schlug sie ein Buch auf, und wieder war da eines massive Lichtbündel von oben. Und das haben wir auch im Love2
meiner Häuser. „Das hat was zu bedeuten“, dachte sie und spio- House. Das macht dich bescheiden angesichts des Universums, der
nierte mich in der Architekturabteilung aus. Am Ende baute ich Natur. Du beginnst, in dich hineinzuhorchen, entdeckst bisher Un-
das neue Haus ihrer Eltern – und wir heirateten! gedachtes, wirst Mitmenschen gegenüber aufgeschlossener.
Ihre Karriere begann als Pilot. Beim Betreten von Love2 Aber stört es Sie da nicht, wenn bei offener Schiebetür direkt
denkt man sofort an ein Flugzeugcockpit: eng, aber mit Blick vor Ihrem Tisch die Leute vorbeigehen?
in den freien Himmel. Sogar die Fenster sind oval. Nein, genau darum geht es mir ja: In einem limitierten Raum mit
Sie haben recht, wenn ich hier im Bett liege, über mir nur Him- dem Draußen verbunden sein, auch wenn ich dort nur Topfpflan-
mel, Mond und Sterne, dann ist das beinahe wie im Cockpit. Von zen, Regentropfen und Wolken sehe oder die Zikaden höre.
der Luftwaffe musste ich Abschied nehmen, als sich plötzlich mei- Wie hat sich die Vorstellung von Architektur seit Ihrer eige-
ne Sehkraft verschlechterte. Also erfüllte ich mir meinen zweiten nen Studienzeit verändert – heute sind Sie ja selbst Lehrer?
Traum und wurde Architekt. Schon als Achtjähriger habe ich nicht Unsere Gesellschaft ist natürlich nicht stehen geblieben. Wir ha-
recht verstanden, warum Leute so komisch bauen. Fenster, Mate- ben ein, zwei Tage die Woche frei, damals keinen einzigen. Der
rialien, Proportionen – mir gefiel nichts davon. Daheim stellte ich Unterricht war von oben nach unten ausgerichtet, Widerrede un-
Möbel um, tat Bücher, Vasen und Bilder dahin, wo sie für mich denkbar. Lehrer forderten uns gnadenlos heraus, setzten uns unter
hingehörten. Damals allerdings noch mit wenig Erfolg; wenn ich Druck, jagten uns vorwärts. „Wenn du mit nichts Besserem auf-
von der Schule zurückkam, war meist wieder alles beim Alten. warten kannst, brauchst du hier nicht mehr erscheinen“, so was
Ein bisschen Überzeugungsarbeit brauchte es auch beim hörte man damals nicht nur einmal. Eiskalt schleuderten sie dir
Love2 House – was war die größte Herausforderung? ihr Urteil ins Gesicht. Heute geht das nicht mehr. Studenten zah-
Eindeutig die Banken. Bei zehn beantragten wir Kredite, alle sag- len viel Geld für ihre Ausbildung und würden sich beschweren.
ten ab. „In so einem Haus will doch keiner wohnen“, hieß es da, Aber damit überzuckern wir auch jede Diskussion und loten die
„und kaufen würde das erst recht keiner.“ Doch bei der elften hat- Grenzen der Architektur nicht mehr voll aus.
ten wir Glück. Der Abteilungsleiter dachte, wenn es Verrückte gibt, Zumindest was den Maßstab angeht, haben Sie diese
die das planen, gibt es wohl auch Verrückte, die in so was inves- Grenzen mit dem Love2 House jedenfalls erreicht, oder?
tieren. Dann kam die nächste Hürde: Zum Grundstück führt nur Na ja, Le Corbusiers Cabanon an der Côte d’Azur hatte sogar
ein schmaler Pfad. Also mussten die Arbeiter den Flüssigbeton nur 13 Quadratmeter. Die Frage ist, wie klein ein Raum wer-
60 Meter weit schleppen, teilweise über Treppen. Als wir 2019 den kann, in dem trotzdem noch die wichtigsten Lebensaspek-
einziehen konnten, waren fast zehn Jahre vergangen; mein Baulei- te unterkommen – die physischen wie die spirituellen. Kochen,
ter hatte eines unserer Großprojekte dazwischenschieben müssen. schlafen, kreativ und miteinander glücklich sein, den Kosmos im
Wie in diesem Haus das Licht durch den Giebel fällt, erinnert Fenster. So viel braucht es dafür nicht. Meine Frau sagt immer:
mich an Jørn Utzons Bagsværd-Kirche bei Kopenhagen. Sie „Vergiss nie, wie luxuriös wir eigentlich wohnen. In der Edo-Peri-
sind ein erklärter Bewunderer des dänischen Architekten … ode vor 300 Jahren gab sich die durchschnittliche japanische Fa-
Mit dem Opernhaus in Sydney hat Utzon nicht nur ein Symbol für milie noch mit fünf Tatami-Matten zufrieden.“ Im Vergleich dazu
eine Region geschaffen, sondern auch einen Mythos. Das ist mehr leben wir hier doch immer noch wie die Fürsten!

117
Paris

40 m2
Reif für die Insel

Tex t S erge G leizes


Grundriss Isa Lim
Fotos Xavier B éjot

Mitten im Herzen der Île Saint-Louis: Wie der


amerikanische Interiordesigner David Jimenez sein
Atelierstudio mit Pariser Charme und neuer
Großzügigkeit aufgeladen hat. Bienvenue im Kokon!

118
Vom antiken Chesterfield-Sofa hat man die
Grafiken an der Wand zur Treppe im Blick. Das
Bücherregal in Farrow&Balls „Hague Blue“ ent-
warf der Gestalter selbst. Re. eine Rarität: ein
neoklassizistischer Tisch von Baker Furniture.
D av id Ji menez

„Schon als ich diesen


Ort zum ersten
Mal sah, faszinierte
mich seine Poesie.
Danach brauchte es
nur noch ein wenig
Liebe und Fürsorge!“

Klein? Laut! Nach dem maßgefertigten


Leo-Teppich von Safavieh (o.) wartet ein
Vintage-Zebra aus San Francisco auf
den Hausherrn (re.). Royal: Der Louis XV-
Fauteuil mit silbrigem Leder (re. Seite)
thront inmitten antiker Bücher, Büsten, Ur-
nen und Joan Mirós furioser Gouache.

120
Dav id Ji menez

„Vom Liliput-Charakter habe ich


mich nicht einschränken lassen.“
Die Kassettendecke (oben) ließ der Interiordesigner
nachträglich einziehen: „Das hat mehr Charakter.“
Im Bad ersetzt der Spiegel aus den 30ern einen Me-
dizinschrank, darin verdoppelt sich Cecil Beatons
Fotografie „Benjamin Britten“. Und im Zwischenge-
Vorhang auf! Das Schlafzimmer (linke schoss (s. u.) schwebt das Bett in luftiger Höhe.
Seite) verwandelte der Designer mit Stoff
von Ralph Lauren Home in eine lauschige
Kabine. Strenge Fülle: Die gesammelten
Vintages oben – der smaragdgrüne Porzel-
lanhocker stammt aus Japan, der Paravent
aus den 50ern fand über Kansas zurück
nach Frankreich – folgen bei David Jime-
nez einer strikt extravaganten Ordnung.

123
D
Bei der Planung kleiner Flächen rät der Gestalter, auf drei Dinge
zu achten: die Wahl der Farben, des Lichts und der Einrichtung.
Dabei seien vermeintliche Weisheiten oft überholt. So wählte Ji­
menez eine Palette neutraler und warmer Farben aus, Grau, Camel
ie hohen Fenster zur Straße tauchen die Objekte und Gemälde in und Schwarz, um die Räume dezent zu betonen. Ein anderes De­
seidiges Licht. Kultur, Reisen und Ästhetik, das scheinen die Vor­ tail, das dem Designer besonders am Herzen lag, ist die gedämpf­
lieben des Besitzers dieses Pariser Appartements zu sein. Vor al­ te Beleuchtung, die bei Einbruch der Dunkelheit für Atmosphäre
lem aber zeigt es eines: seine Großzügigkeit. Denn nichts deutet sorgt. Alle Lampen sind mit Glühbirnen von niedriger Leistung
darauf hin, dass dieses Appartement nur 40 Quadratmeter misst – bestückt, auch die Lüster und Appliken mit schwarzen Schirmen
minutiös aufgeteilt in einen Eingangsbereich, ein Wohnzimmer, sind gedimmt. Und schließlich noch die Ausstattung: „Kleine Zim­
eine Küche, ein Badezimmer und ein Schlafzimmer im Zwischen­ mer mit wenigen Gegenständen einzurichten, um dem Raum mehr
geschoss. „Als ich diesen Ort zum ersten Mal betrat, war ich sofort Tiefe verleihen zu wollen, ist ein Fehler“, erklärt Jimenez.
fasziniert von seiner Poesie“, erzählt David Jimenez, „von der un­ Er setzt vielmehr auf Opulenz, doch nicht auf anarchische Wei­
gewöhnlichen Deckenhöhe – fast viereinhalb Meter! –, von der se. In der Fülle der angesammelten Dinge herrschen eine strenge
Eleganz der Fenster und der Stuckatu­ Ordnung und vor allem die Liebe zu
ren, dem feinen Versailler Tafelparkett jedem Objekt. Zu seinen Schätzen
aus Eichenholz, dem Marmorkamin zählen ein bereits stark patiniertes
und vor allem“, Jimenez schließt das Chesterfield­Sofa, das aus einer Gale­
alles in eine schwungvolle, raumgrei­ rie auf der Île Saint­Louis stammt, ein
fende Geste ein, „von der einnehmen­ Empire­Sekretär und ein marmorner
den Helligkeit!“ Obwohl die Räume in Beistelltisch von Maison Jansen aus
gutem Zustand gewesen seien, erzählt dem Jahr 1960 mit alten Folianten da­
er, „mussten sie dringend aufgefrischt rauf. Und dann natürlich die Kunst­
werden. Es brauchte nur ein wenig werke! Marmorskulpturen, Bronzen,
Liebe und Fürsorge! Ich habe also die objets d'art … Gemälde und Kohle­
Wände streichen und neue Beleuch­ zeichnungen zieren den Treppenauf­
tungskörper installieren lassen. Mit gang zum Mezzanin und die langen
den gestreiften Vorhängen wollte ich Wände, wobei einige Werke von einer
die theatralische Anmutung und Hö­ kleinen antiken Messinglampe be­
he des Hauptraums in Szene setzen. leuchtet werden. Die alten Spiegel ge­
Um dem Appartement noch mehr Cha­ ben zudem Tiefe und reflektieren das
rakter zu verleihen, habe ich eine Kas­ Licht. In der Küche ließ Jimenez die
settendecke einziehen lassen, dann Regale in zurückhaltendem Anthra­
ein Bücherregal entworfen, in ‚Hague zitgrau streichen und Arbeitsplatten
Blue‘ von Farrow & Ball streichen und aus Edelstahl einbauen. Dafür ist der
zu guter Letzt noch Vorhänge am Bett Leopardenteppich, der die Bodenflie­
anbringen lassen. Ich finde, das schafft sen bedeckt, umso exzentrischer gera­
mehr Intimität.“ ten. Ein ramponierter Medizinschrank
Ein coup de foudre war Paris für Da­ im Badezimmer musste einem antiken
vid Jimenez sofort: „Schon als ich das Spiegel mit Waschbecken weichen.
erste Mal als Teenager in Europa war, habe ich mich in diese Stadt „Von dem Liliput­Charakter habe ich mich nicht einschränken las­
verliebt“, erzählt er. „Es war ein Schockzustand! Die Architektur, sen. Eigentlich im Gegenteil: Es war bereichernd, ja, wirklich
die Lebensart haben mich sofort verführt, und noch heute bin ich spannend für mich, das Beste daraus zu machen.“
von der Schönheit, dem kulturellen Reichtum beeindruckt. Hier In Bestlage befand sich das Atelierstudio bereits: Das „Hôtel du
zu leben ist ein Glück.“ Vor vier Jahren folgte er einem Stellenan­ Jeu de Paume“, in dem es liegt, wurde 1634 erbaut und gehört zur
gebot als Marketing­ und Beratungsleiter bei Draeger in Paris – historischen Umgebung der Île Saint­Louis, eines „Dorfs“ im Her­
und verließ New York endgültig. Letztes Jahr gab er auch diese zen von Paris, nobel und sehr diskret, umschlungen von der Seine
berufliche Verpflichtung auf, um sein eigenes Studio als Interior­ und auf halber Strecke zwischen dem Marais und dem Boulevard
designer zu eröffnen. Dafür ist das Appartement ein idealer Aus­ Saint­Germain. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Erst
gangspunkt, eine Ruheoase zwischen Terminen und Reisen. „Wa­ im Jahr 1947 wurde das Gebäude in mehrere Appartements aufge­
rum ich mich hier niedergelassen habe? Paris inspiriert mich jeden teilt, die einen Innenhof rahmen. „Ich liebe Orte, die den Charme
Tag neu. Die Wohnung ist für mich wie ein Forschungsatelier, ein vergangener Zeiten verströmen, gleichzeitig aber auch modern
Design­Labor, in dem ich nachdenken und an neuen Projekten ar­ und komfortabel sind“, sagt David Jimenez. „Und ich mag es, mich
beiten kann; und zugleich ein Rückzugsort, an dem ich mich ent­ mit Kunstwerken und Dingen zu umgeben, die ihre eigene Ge­
spanne, Familie und Freunde empfange. Alles ist bis ins letzte schichte erzählen, die mit einem Ort oder einer Begegnung ver­
Detail auf meinen Lebensstil, meine Vorstellung von Komfort, knüpft sind. Eigentlich waren alle meine bisherigen Wohnungen
Charme und Ordnung zugeschnitten.“ kleine Reisen in sich.“ Aber diese ist die größte.

124
Mehr Tiefe? Geben die
großen Spiegel. Dazu: Ver­
sailler Tafelparkett aus Ei­
che und ein Marmorkamin.
Das sonnengelbe Ölge­
mälde ist von William Gear,
davor ein Torso von 1960.
Die Kochnische in Farrow&
Balls „Down Pipe“ (linke
S.) wurde maßgefertigt –
ideal für die schmucken
Kupfertöpfe von Ruffoni.
Raum
Wunder Tex t Florian Siebeck
Grundriss Isa Lim
Fotos Tess Kelly

Es gibt vielleicht kein


richtiges Leben im falschen.
Ein großes im kleinen aber
hat durchaus seine Vorzüge,
zeigt Architekt Jack Chen.

In kleinen Wohnungen
ist konsequentes Ver-
stauen Trumpf. Jack
Chen hat es perfektio-
niert. In seinem Apart-
ment lässt er seine Ha-
be verschwinden. Im
Schlafzimmer etwa in
Einbauten aus Holz,
im Wohnzimmer (re. S.)
hinter Schränken mit
Spiegelglas. Leuchte:
„Projecteur 165“ von
Le Corbusier.

126
Melbourne

35 m2
Jack Chen

„Die Küche ist weit mehr


als eine Küche. Sie ist das
Herzstück der Wohnung.“

Der Esstisch wird nur


für besondere Anläs-
se hervorgeschoben
(rechts); die Klapp-
hocker (nach Roger
Tallon) verstecken
sich ebenfalls zusam-
mengefaltet in einem
Schrank. Das Glas
zwischen Küche und
Bad (rechte Seite)
lässt Licht herein,
per Knopfdruck kann
es vereist werden.

128
Multitasking: Die Schiebetür, die Wohnraum und Schlafzimmer trennt (re. Seite),
kann als Whiteboard genutzt werden, der Schreibtisch klappt aus der Wand, und
der „Hybrid Chair“ von Studio Lorier lässt sich vom Bürostuhl zum Lounge Chair
umwandeln. Das Fahrrad im Wohnzimmer unten dient hingegen nur als Zierde.

130
Jack Ch en

„Jeder Raum erfüllt zu


jeder Zeit eine gewisse
Funktion. Und nachts
ziehen sich die Möbel
dann alle zurück.“
131
Jack Chen

„Ich habe die ganze


Wohnung sukzessive
in meinem Hinterkopf
geplant, ich kannte
ja die Fallstricke schon.“

Drei Farben Harmonie: Die Wohnung von Jack


Chen (links) übt sich in Zurückhaltung – mit wei-
ßen Wänden (re. S.), Einbauten aus Holz (u. ein
maßgefertigter Schrank mit Platz für Wein, Män-
tel, Schuhe und Schirme) und schwarzem Stein
(u. li. „Dekton Kelya“ von Cosentino in der Küche).

132
E
inen Menschen in Melbourne zu finden, der nicht zumindest ei-
nen Teil seines Lebens in einem „Sixpack“ verbracht hat, ist beina-
he unmöglich. Die in den Nachkriegsjahren hochgezogenen Block-
bauten prägen das Bild australischer Städte bis heute (meist nicht
zum Guten) und sind für junge Menschen oft ein erster Schritt in
die Freiheit. Eine Zwischenstation. Nichts auf Dauer jedenfalls:
günstig zwar und solide, aber für lebenslang viel zu beengt.
Auch für den Architekten Jack Chen war die bescheidene Woh-
nung in ebenjenem Sixpack zunächst ein einfacher Weg, um anzu-
kommen, als er vor fünf Jahren von Sydney nach Melbourne zog.
35 Quadratmeter, der Grundriss unmöglich, die Küche ein Witz,
aber immerhin ein Dach über dem Kopf. Als ein Jahr darauf eine
Wohnung im selben Haus zum Verkauf stand, zögerte Chen trotz-
dem keine Sekunde. „Ich wusste ja, was mich erwartet.“ Die Ban-
ker waren perplex, als er um eine Hypothek bat: Wer kauft sich
schon eine Immobilie unter 50 Quadratmetern?
Jack Chen aber hatte die neue Wohnung, die gleich geschnitten
war wie die alte, in seinem Hinterkopf längst geplant. Mit großer
architektonischer Sorgfalt sollte hier eine Blaupause für das Leben
auf kleiner Fläche entstehen. Zunächst, indem er Räume festlegte,
die ihm wichtig sind: Eingangsbereich, Küche, Bad. „Die zentrale
Frage: Wie passt ein großes Zuhause in eine kleine Fläche?“ Ent-
lang zweier Sichtachsen fügte er ein raumhohes Schrank- und
Wandsystem aus Holz in die Wohnung ein. Die strengen räumli- tel der Wohnung blieben weiß. Der kontinuierliche Einsatz dieser
chen Grenzen boten ausreichend Raum für experimentelle Lösun- sich nicht in den Vordergrund drängenden Materialien verbindet
gen. „Das Geheimnis beim Entwurf von Wohnungen mit kleiner die Räume nahtlos miteinander und gliedert sie zugleich: die ka-
Grundfläche? Zu wissen, wo es sich lohnt, großzügig zu sein.“ Zum ramellfarbene Holzfurnierschalung und der schwarze Stein in den
Beispiel bei der Küche. Ein Showpiece, das einen Großteil von Nutzbereichen, die Wohnbereiche in Weiß. Der aus Vinyl gewebte
Chens Budget verschlang. Vorher verkümmerte hier eine mickrige silberblaue Bodenbelag zieht sich durch alle Räume und ist als
Spüle, nun zieht sich eine vier Meter lange Küchenzeile durch die Referenz an traditionelle Tatami-Böden zu verstehen, verspiegelte
Wohnung. „Manchem mag das überdimensioniert vorkommen, für Leisten und Schrankfronten vergrößern den Raum.
mich ist es genau richtig.“ Denn darum gehe es ja bei kleinen Räu- Im Schlafzimmer bildet der Holzeinbau die Querseite, eine ver-
men: „Sich bewusst zu machen, was einem im Leben wichtig ist.“ steckte Tür führt zum Badezimmer, nur ein winziger Türzug aus
Jack Chen ist gern Gastgeber. Der Esstisch, der sich in einem Leder deutet darauf hin. Dahinter offenbart sich eine Mooswand –
schmalen Hohlraum zwischen den Küchenregalen und der Wand die auch von der Küche zu sehen ist, immerhin trennt sie nur eine
verbirgt, gleitet über einen Schiebemechanismus nach außen, bis Glaswand vom Bad. „Das Grün liegt in direkter Sichtachse, wenn
er direkt vor der Küche zu schweben scheint. man hineinkommt“, sagt Chen. „Dadurch wirkt der Raum organi-
Alle Einbauten und Schranksysteme sind Prototypen, die Chen scher und entspannter.“ Dafür riss er eigens die Wand zwischen
dank der Hilfe eines auf Luxushotels spezialisierten Möbelschrei- Küche und Bad nieder. Es blieb der einzige radikale bauliche Ein-
ners umsetzen konnte. So falten, biegen und gleiten Teile der Woh- griff, für Chen aber unabdingbar, denn nur das Badezimmer hat
nung im Handumdrehen durch den Raum. Eine Büroecke lässt ein Fenster nach Norden, also zur Sonnenseite, warum sollte man
sich mühelos herausziehen; in der Wand befinden sich Fernseher auf dieses Licht verzichten? An der Fenstertür brachte der Archi-
und Geräte. Der Garderoben- und Schuhständer im Flur dient glei- tekt eine schaltbare Folie an, die das Glas auf Knopfdruck vereisen
chermaßen als Weinregal, eine Schiebetür zwischen Wohn- und lässt, falls mal Besuch da ist. „Sicher eine unkonventionelle Maß-
Schlafzimmer als Whiteboard. Die transluzente Polycarbonatplat- nahme, aber ich bin ohnehin meistens allein hier.“
te, aus der es besteht, lässt Tageslicht hindurch. Derart überschaubarer Raum verlangt eben nach raffinierten
Nicht nur mit dem Licht, auch mit den Materialien war es so Lösungen. „Wir haben das Letzte aus jedem Zentimeter herausge-
eine Sache. Die Wohnungseinrichtung sollte ein taktiles Wunder- kitzelt“, sagt Jack Chen. Licht, Leere, Funktionalismus – nach die-
werk sein, durfte aber nicht zu viel kosten. „Es ist viel Rechen- sem modernistischen Ethos entwarf er durch geschicktes Layering
arbeit“, sagt der Architekt. Zwei Drittel des Budgets stecken in eine Wohnfunktionsmaschine, die zu jeder Tages- und Nachtzeit
einem Drittel der Fläche, in Oberflächen aus Eiche und schwar- anders aussieht. „Alles ist in Reichweite, und das Beste: Die Reini-
zem Kunststein, der an Marmor erinnert. Die restlichen zwei Drit- gung der ganzen Wohnung dauert weniger als eine Stunde.“

133
Mailand

75 m2

Tex t G esine B orcherdt Grundriss Isa Lim Produk tion Chiara Dal Canto Fotos Lea Anouchinsk y

Fotos: Lea Anouchinsky/Living Inside; Produktion: Chiara Dal Canto/Living Inside

Schmucke
Schachtel
Erst wichen Wände und Türen, dann schufen die Architektinnen
des Studios A/C mit Marmor, starken Farben und
Vintages eine mondäne Wohnschatulle mit Fenstern zum Hof.

134
Ausblick: Hinter dem Vorhang
„Horizon“ (Dedar) liegt Luca Santo-
ros Garten, der das kleine Refugi-
um inmitten der Stadt vollkommen
macht. Anstelle von Wänden mar-
kieren ausgesuchte Stücke wie
Osvaldo Borsanis Sessel „P40“ den
Wohnbereich. Das runde Kunst-
werk schuf Jonathan Vivacqua.
Gesprächige Runde: Viel
Platz für Freunde auch auf
kleinem Raum – das war
Luca Santoro beim Umbau
das Wichtigste. Etliche
Wände wurden eingerissen,
so können jetzt Augusto
Savinis „Pamplona Chairs“
am Tisch von Osvaldo Bor-
sani und Eugenio Gerli Platz
nehmen – allesamt alte
Bekannte aus den Sixties.

136
Wie ein Lichtschwert leuchtet Selettis
Neonröhre aus der Schlafzimmerecke;
die Bettbreite nimmt eine Arbeit von Ni-
cola Denino auf. Im Wohnbereich (o.)
feiert der Hausherr sein Faible für die
Sixties. Coffeetable: Gianfranco Frattini,
Flos-Leuchte von Achille Castiglioni.
Der Sessel links ist vermutlich ein Ent-
wurf von Ico Parisi. Die meiste Auf-
merksamkeit fordert allerdings Marco
Bastas petrolfarbenes Vasenobjekt.
Li. S.: Schon das Trep- Altes neu arrangiert:
penhaus (o. li.) schlägt Unter diesem Motto
einen eleganten, farb- bewahrten die Archi-
starken Art déco-Ton tektinnen von A/C
an, den Luca Santoro die originalen Fliesen
(unten rechts) im Inte- im Schlafzimmer und
rior seiner Wohnung fügten knallblaue
aufgreift. Oben rechts Wandfarbe hinzu. Die
zeigt die herzförmige Vintage-Möbel des
Vase „Love in Bloom“ Hausherrn (Sideboard
von Seletti Ironie, u. li. von Ico Parisi und
die Badtapete (Hermès) Gino Sarfatti) bekom-
Reiter im Galopp. men so ein historisches
Fundament – und
Gegenwartsfrische.

139
Luc a Sa ntoro

„Früher wollte ich in einem weißen Loft leben.


Dabei ist das hier genau das Richtige für mich.“

Luftige Weite hat das


Apartment im Parterre
mit dem Umbau ge­
wonnen. Aus Wohnzim­
mer, Küche und Ab­
stellkammer wurde ein
großer lichter Salon mit
schwarz akzentuierter
maßgeschneiderter Kü­
chenzeile aus Fenix.
Glamourös erhellt wird
sie von Azucenas Fif­
ties­Wandleuchte „Bido­
ne“. Graue Vase: Venini.
Frühjahr 2018 dieses Apartment kaufte – mit immerhin 25 Qua-
dratmetern mehr –, wussten die beiden bereits, wie er so tickt. „Es
ist nicht einfach, mit Freunden zu arbeiten“, sagt Alessia Pessano.
enn man an einem graukalten Wintertag nach Mailand kommt, „Ein Haus ist etwas sehr Intimes, und das Vertrauen, das man
im nordöstlichen Stadtteil Lambrate aus der Metro steigt und di- freundschaftlich zueinander hat, wird durch die Vermischung mit
rekt in eine Baustelle hineinmarschiert, dann wünscht man sich der beruflichen Ebene sehr fragil. Aber weil wir schon einmal zu-
spontan an einen behaglicheren Ort. Und kann sich gut vorstel- sammengearbeitet hatten, wussten wir, was ihm wichtig ist.“
len, wie abgekämpft hier früher die Arbeiter von ihrer Schicht Nämlich: trotz kleinem Raum viel Platz für Freunde zu haben.
bei Lambretta nach Hause fuhren. Der berühmte Motorroller ver- Die Architektinnen öffneten also die heruntergewohnten, engen
dankt dem Viertel seinen Namen. Auch heute noch ist ein gewis- Zimmer am Ende des Korridors (Wohnzimmer, Küche, Abstell-
ser Industriecharme spürbar. Belebt wird die Gegend nun vor al- kammer), um einen einzigen großzügigen Bereich zu schaffen. Der
lem von den Studenten des Politecnico und einer wachsenden alte Terrazzoboden wurde durch eleganten schwarzen Marmor
Anzahl ambitionierter Designläden, was der Gegend den Ruf als ersetzt, Türen gibt es nicht mehr. Santoro selbst brachte die Vin-
„das Brooklyn Italiens“ eingebracht hat. tage-Möbel mit, was dem Ganzen ein typisches 60er-Jahre-Flair
An einem Tag wie heute ist von diesem kreativen Vibe jedoch verleiht. Obwohl die Wohnung im Erdgeschoss liegt, entsteht tags-
nicht viel zu spüren. Auch der vierstöckige Block in der kleinen über ein Eindruck von Weite und Helligkeit. „Manchmal scheint
Via Desiderio wirkt von außen eher schroff. Doch beim Eintreten die Sonne so stark herein, dass der Raum wie ein Spiegel oder eine
ist plötzlich alles ganz anders. Wände und Boden bedeckt bunt Wasseroberfläche wirkt“, erzählt Santoro.
geflammter Marmor, wodurch sie eine Noblesse ausstrahlen, die Ob es daran liegt, dass sich Alessia Pessano und Chiara Novel-
einen auch hinter Mailands modernen Fassaden immer wieder lo gleich am ersten Tag ihres Studiums kennenlernten oder ob es
überrascht. Die bunten Glasfenster und Gusseisenverzierungen in pure Seelenverwandtschaft ist: Der Umgang mit den Apartments,
zartgliedrigem Art déco verwandeln die Tür zum Hinterhof in ein an denen sie arbeiten, bedeutet für die Gestalterinnen vor allem
Wandbild. Vorher geht es jedoch nach links, in einen Korridor, an den Umgang mit den Menschen, die darin leben. Kein Design aus
dessen Ende eine kassettierte Holztür schimmert wie Jade. einem Guss, wie man es oft findet.
Dahinter wohnt Luca Santoro in seiner kleinen Parterrewoh- „Restrukturierung von Bestehendem“, so drücken die beiden
nung mit Garten, oder vielmehr in einer Schatulle: ausstaffiert wie es aus, und es klingt nach weitestmöglicher Zurückhaltung. Den-
ein Kästchen für Wertvolles, zu dem jemand eine ganz persönliche noch geht es hier nicht um Restauration allein – auch wenn die
Bindung hegt. Und so fühlt man sich hier willkommen, als wä- natürlich dazugehört. So wie im Schlafzimmer: Der cleane Touch
re der Hausherr ein guter Bekannter. Der Flur ist in tiefes Petrol des offenen Salons weicht hier einer historischen Anmutung. Die
getaucht und führt in einen Mini-Salon mit Küchenzeile. Zwei wunderschön ornamentierten Bodenfliesen, die Bett und Sessel
Sitzgruppen – ein Ess- und ein Couchtisch – sind so gekonnt mit tragen wie ein Teppich, sind geblieben. Der darin umrankte Blau-
Leuchten inszeniert, dass sofort eine gemütliche Stimmung ent- ton spiegelt sich in der Farbe der Wände, was das Ensemble noch
steht. Vor der Terrassentür liegt die Dunkelheit wie ein schwarzer harmonischer wirken lässt.
Vorhang. Kein Ton dringt von draußen herein; wenn man es nicht Wo früher nur ein Bad war, liegen nun dank einer eingezoge-
besser wüsste, könnte man meinen, das hier sei nicht Mailand, nen Wand zwei nebeneinander – und eine runde Öffnung unter-
sondern ein etwas klein geratenes Eden. halb der Decke lässt Tageslicht weit herein. Es ist diese Verbin-
„Ich liebe die Dunkelheit. Schon meine Mutter hat sich gewun- dung aus Neuerfindung und Wiederbelebung, die hier eine ganz
dert, warum ich am liebsten im Kerzenschein sitze“, sagt Luca eigene, irgendwie eklektizistische Atmosphäre aufkommen lässt.
Santoro mit seinem süditalienischen Akzent. Er ist in Apulien „Als wir loslegten, war alles noch wie damals in den 20er-Jahren“,
aufgewachsen, in einem Dorf in der Nähe von Bari, wo sich das so Chiara Novello. „Selbst die Fliesen und Armaturen in Küche
Leben auf der Straße abspielt. „Einen Garten hatte ich schon im- und Bad. Die Wohnung stand lange leer.“ Ein Zustand, den man
mer. Aber ansonsten hat Mailand mit meiner Heimat nichts ge- sich heute, da Mailands Immobilienpreise durch die Decke gehen,
mein.“ Wobei er sich nach 17 Jahren eigentlich schon als Einhei- kaum vorstellen kann. Zumal offenbar niemand das Potenzial er-
mischer fühlt. Santoro kam zum Studium, spezialisierte sich in kannte, das in diesem Schlauch mit Fenstern zum Hof schlum-
Public Relations und Werbung. Heute leitet er den Store am merte. Nun haben die drei Freunde die Wohnung wachgeküsst.
Stammsitz von Ermenegildo Zegna in der vornehmen Via Mon- „Früher hatte ich immer die Vorstellung, einmal in einem großen
te Napoleone. Mit Alessia Pessano und Chiara Novello, den Ar- Loft mit weißen Wänden zu leben“, sagt Santoro und lacht. Gerade
chitektinnen von A/C, die jetzt neben ihm auf Sesseln sitzen sitzt er auf seinem Lieblingsplatz, dem Sessel mit Blick in den Gar-
und genauso gute Laune versprühen wie der Hausherr, ist er seit ten, sanft erhellt von all den Leuchten drum herum. „Das hier ist
Studienzeiten befreundet. Sie waren es, die vor einigen Jahren genau das Richtige für mich. Diese Wohnung ist mein Zuhause,
Santoros erste, 50 Quadratmeter kleine Wohnung umgestalte- meine Heimat. Genau so will ich leben.“ Zumindest bis zu den
ten, in der er dann ein ganzes Dreivierteljahr lebte. Als er im nächsten 25 Quadratmetern mehr.

141
New York

35 m2

Downsizing mit Komfort:


Der Fotograf Björn Wallan-
der in seinem Apartment
im Beekman Tower, wo es
auch Pool, Spa und Sauna
gibt. Schrank: Crate & Barrel,
der Bettüberwurf ist aus Me-
xiko, die grüne Decke kommt
von Kaviar Factory auf den
Lofoten. Re. Seite: An die
Ferne denken lässt ihn sein
schnittiges Bootsmodell –
Wallander ist begeisterter
Segler, auch wenn er dafür
nur noch wenig Zeit hat.
Tex t Ulrich Clewing
Grundriss Isa Lim
Fotos Björn Wallander

Manhattan
Transfer
Die Welt auf 35 Quadratmetern. Der Fotograf Björn Wallander tauschte
Brooklyns Dachterrassen-Grandezza gegen ein winziges
Apartment in Manhattan. Und hat trotzdem viel Platz für Souvenirs.

143
Den offenen Grundriss des Die Zeitschriften im offe-
Apartments fand Wallan- nen Regal von Crate & Bar-
der schon vor, die Einrich- rel o. re. sind Arbeitsmate-
tung besorgte er selbst – rial, die Bücher Wallanders
seit Jahren nimmt er von Leidenschaft: „Wenn ich
jedem Fotoshooting Inspi- nach einem langen Tag ei-
rationen mit. Linke Seite: nes davon in die Hand neh-
Der Blick auf die Stadt- me, bin ich schon nach
landschaft Lower Manhat- den ersten Seiten in einer
tans macht die kleine anderen Welt“, sagt der in-
Wohnung groß. Im Hinter- ternational gefragte Foto-
grund Herzog & de Meu- graf, der selbst an etlichen
rons Wohnturm 56 Leo- Publikationen mitgewirkt
nard Street. Die Leuchte hat. Die graue Wandfarbe
„Triennale“ links entwarf mit dem Stich Braun (re.)
Angelo Lelli 1953 für seine ist von Behr, die Barhocker
Firma Arredoluce, die run- fand Wallander ebenfalls
de Leuchte rechts ist von bei Crate&Barrel. Das Foto
France & Søn. Der Teppich ist eine eigene Arbeit,
stammt aus Marokko, der die Maske an der Wand
Ledersessel rechts ist ein erwarb er bei einem Afri-
Vintage aus den Forties. kana-Händler in SoHo.

145
B
gen mehr erlebte. „In Bushwick hatte ich eine tolle Dachterrasse,
aber leider gab es dort auch eine undichte Stelle. Das konnte recht
unangenehme Folgen haben, wenn es während meiner Abwesen­
jörn Wallander war Anfang 20, als er nach New York zog. Eine heit geregnet hatte.“ Fündig wurde er am anderen Ende des archi­
Wohnung fand er in Bushwick in Brooklyn, und die Gegend war tektonischen Spektrums, in Frank Gehrys Beekman Tower, einem
damals so rau, wie es Menschen in dem Alter mögen. Doch mit der höchsten Wohnwolkenkratzer der Stadt. Das bedeutete zwar
der Zeit wurde das Viertel schicker und teurer – und damit für ein Downsizing von 200 auf 35 Quadratmeter. „Aber dafür kann
Wallander auch ein bisschen langweilig. „Irgendwann dachte ich, ich in das Spa, die Sauna und ins Fitnessstudio. Und der Doorman
wenn das so ist, dann kann ich mir auch in Manhattan was su­ ist auch ausgesucht freundlich.“ Die Einrichtung des Apartments
chen“, erinnert sich der international gefragte Fotograf. Die Grö­ übernahm – natürlich er selbst. Wallander, der von Magazinen wie
ße der Wohnung spielte dabei keine so entscheidende Rolle: Wal­ „Vogue“, dem „Wall Street Journal Magazine“ und AD rund um die
lander ist eh die Hälfte des Jahres unterwegs. Wichtiger war ihm, Welt geschickt wird, beherzigte als Erstes eine der goldenen Re­
dass er bei der Rückkehr von seinen Reisen keine Überraschun­ geln des Interiordesigns: Kleine Räume freuen sich über dunkle

146
Björn Wallander

„Am liebsten reise ich nach Mexiko oder Indien,


dort finde ich immer etwas für meine Wohnung.“

Wände. Er wählte einen exquisiten Grauton, der nach einem hek- Schmuckstücke: eine alte Die Wohnung in L-Form eig-
tischen Tag nicht nur die Pulsfrequenz senkt, sondern ihm auch Mittelformatkamera der Mar- net sich gut, um sie trotz ihrer
bei seiner Arbeit hilft. „Wenn ich am Computer sitze und Bilder ke Rolleiflex, Ringe, Armbän- geringen Größe in Zonen
der und eine Vintage-Rolex aufzuteilen. Björn Wallander
bearbeite, habe ich keine störenden Lichtreflexe auf dem Schirm.“
auf Wallanders Schreibtisch kauft gern Arbeiten von
Der Rest ist eine Mischung aus Midcentury-Pieces, zeitgenössi- (linke Seite links). An seinem Künstlern seiner Generation.
schem Design und den zahlreichen Spontankäufen, zu denen ihn Computer (daneben) bearbei- Die Zeichnung in Mischtech-
seine Reisen animieren. „Am liebsten bin ich in Ländern, die ganz tet der Hausherr nicht nur nik auf Papier (oben) schuf der
anders sind als meine Heimat Südschweden, wie Mexiko oder In- seine Fotos, er dient ihm auch Spanier Rorro Berjano. Den
dien. Da fällt mir immer etwas auf, das gut in meine Wohnung als TV-Gerät. Die Schwarz- Umzug nach Manhattan hat
Weiß-Aufnahme ist ein eige- der Fotograf nicht bereut:
passt.“ Und worauf musste er verzichten, als er sich so drastisch
nes Werk, die Materialas- „Hier bin ich mittendrin, Tri-
verkleinerte? „Auf nichts“, sagt der 42-Jährige und lacht. „Die Din- semblage links stammt von beca ist um die Ecke, und
ge, für die ich hier keinen Platz habe, sind eingelagert.“ Falls es ihm dem 1978 geborenen argenti- nach Chinatown sind es auch
in Lower Manhattan einmal zu eintönig werden sollte. nischen Künstler Lobo Velar. nur fünf Minuten zu Fuß.“
AD
Summaries

Sydney (p. 96) his wife, however, the one-room house, polycarbonate. The kitchen, meanwhile,
Yasmine Ghoniem fills a bare penthouse which was finally completed in 2019, has borrows daylight from the sunnier, moss-
with flexible fittings and sumptuous hues. everything they need: space to cook, eat, walled bathroom, thanks to a glass parti-
For his new 19th-floor home, the client sleep, think – and, thanks to an overhead tion that frosts at the push of a button
wanted layered interiors and a varied pal- porthole, even gaze at the stars. This sky- when privacy is required.
ette that would frame the Sydney Harbor light forms the apex of a pitched, seven-
views, says decorator Yasmine Ghoniem meter-high ceiling that spans the interior, Milan (p. 134)
of this penthouse revamp. Starting from a lending it an unexpectedly airy feel, while Three friends rejuvenate a garden
concrete shell, she thus set about tailoring shoulder-height partitions help define dif- apartment with color and sixties chic.
the 77 sq m space to his needs, remodeling ferent zones. Storage is integrated directly Mixing business and friendship can be a
the layout and adding carefully planned, into the concrete walls, and there’s even a tricky thing, admits Alessia Pessano. But
often dual-function fixtures. The ceiling- small rear deck – complete with tradition- having known him since university and
high unit between kitchen and bedroom, al outdoor tub and a pull-out awning for worked with him before, she and Chiara
for instance, houses a fridge on one side private bathing. Novello, her partner at studio A/C, under-
and a wardrobe on the other; a fitted cup- stood Luca Santoro's needs from the start.
board's front serves as a screen for movie Paris (p. 118) Top of the wishlist for his new 75 sq m
watching and conceals a fold-down bed; David Jimenez turns a compact studio apartment was space in which to enter-
and the slatted, cedarwood partition di- apartment into a highly cultured cocoon. tain. The architects thus opened up a trio
viding dining area and living room dou- Filled with enchanting light and lavish of narrow rooms to create a spacious liv-
bles as a blind when guests stay over in appointments, it’s hard to believe this Île ing area, laying black marble flooring and
the latter. All this Ghoniem embedded in Saint-Louis apartment measures a mere installing sleek black kitchen units against
atmospheric decors that blend exposed 40 sq m. Situated in a 17th-century build- one wall. In the bedroom, the duo opted
concrete with colors spanning ocean blue ing, it features antique treasures such as a for a more historic feel, retaining the old
and faded candy pink. well-aged Chesterfield, an Empire bureau, patterned floor tiles and echoing their ac-
and a marble Maison Jansen coffee table – cents via bold blue walls. To these elegant
Paris (p. 104) plus a plethora of books, sculptures, paint- backdrops, Santoro, who runs Ermene-
Olivia Clergue expands her living space – ings, drawings, and objets d’art. The no- gildo Zegna’s Via Monte Napoleone store,
by moving her work elsewhere. tion that small spaces should be furnished added a distinctly sixties vibe, arranging
Like her artist predecessor, Olivia Clergue with only a few pieces is, says American vintage pieces such as an Osvaldo Borsani
initially used her apartment's bedroom as owner David Jimenez, a fallacy. Instead, and Eugenio Gerli table with colorful Au-
an atelier. After taking on a showroom in the interior designer went for a maximal- gusto Savini chairs.
the Marais, however, the handbag design- ist approach, using large mirrors to add
er was able to transfer production there – depth and fitting the tall windows with New York (p. 142)
and finally make full use of her 5th arron- striped drapes that accentuate the room's A Swedish photographer shrinks his
dissement home. Now the bedroom is just height. For a more intimate feel after sun- home – but not his world.
for sleeping, and the hallway, living room, down, the mezzanine gained a curtained In moving from Bushwick in Brooklyn to
and kitchen have been merged to create a bed and there is muted, low-wattage light- Lower Manhattan, Björn Wallander also
lighter, open-plan space. Here, architect- ing throughout. went from 200 sq m to just 35. Floor area,
designed kitchen cabinets, wall-hung oak though, wasn’t a key factor for the sought-
bookshelves, and matching drawer units Melbourne (p. 126) after photographer, who works for maga-
offer bespoke storage, with faux bamboo Jack Chen proves you can fit big ideas zines such as “Vogue" and AD and is away
antique furniture adding a romantic touch. into the smallest of footprints. half the year. Besides, the new apartment,
There's also an upright piano, an extrava- Full of intelligent solutions, architect Jack in Frank Gehry's Beekman Tower, offered
gance perhaps given the 37 sq m floor area, Chen’s postwar apartment is a blueprint ample compensations, such as its in-house
but then music, Clergue says, frees up for compact living. Stowage is, of course, spa, sauna, and gym and views of the New
space in the mind. key. A four-meter fitted kitchen thus dom- York skyline. When it came to the decors,
inates one end, with the dining table fold- Wallander heeded the old interior design
Tokyo (p. 110) ing out from a sliding screen behind the adage that small spaces love dark walls,
Takeshi Hosaka squeezes all life’s shelves. Developed in conjunction with a choosing a sumptuously soothing shade
essentials into a Lilliputian house. cabinetmaker specializing in high-end ho- of gray, against which he arranged a mix
Fed up with commuting from Yokohama tels, the bespoke built-ins also include a of contemporary pieces, mid-century de-
to work at Waseda University, architect pull-out workstation and a combination signs, and souvenirs from foreign travels.
Takeshi Hosaka decided to build himself a shoe, hat, and wine rack. Oak clads a third He is, says the Swede, most drawn to coun-
weekday Tokyo base. At first, though, he of Chen’s 35 sq m home, demarcating the tries that are nothing like his own, Mexico
struggled to get a loan, most banks believ- kitchen from the white-walled living area, and India for instance, invariably return-
ing no one would want to live in (let alone which is, in turn, separated from the bed- ing from such trips with something new
buy) a 19 sq m infill home. For Hosaka and room by a sliding door of light-permeable for the home.

148 B y Iain Reynolds


AD
bei …

Marcus Gaab, Manuel Goller, Stefano Crea, Emiliano Calderini,


Percy Thonet, Karim El-Ishmawi Al dente? Anrichte mit frischer Pasta Mike Meiré, Sebastian Schönheit Marc Meiré, Alice Trier, Luca Fuso

Anna Thiessen, Harry


Bauermeister, Yvonne Dallmer, Marc Meiré, Alice Trier,
Berthold Strüve, Stefanie Felix Wagner, Valerie von Hummel, Franziska Michaelis, Carolin Kreidel, Florian Vogel,
Walkenhorst, Johannes Dallmer Jürgen Warter Oliver Jahn, Robert Volhard Garth Roberts

IMM Köln
Schon zum achten Mal luden AD, Stylepark
und Marc Meiré als Auftakt der Kölner Möbel-
Christian Haas, Carolin Sangha, messe zum Get-together in Meirés imposante Christian Keller, Emanuel Sirch,
Alexandra Birkel Regina Hoefter
Stadtvilla. Bei Flying Buffet und Champagner
feierten rund 200 Gäste aus Design, Architektur
und Interior den Start ins neue Möbeljahr.
Trends und frisch entdeckte Neuheiten wurden
heiß diskutiert. Kein Wunder also, dass die
Letzten das traditionelle Branchentreffen erst in
den frühen Morgenstunden verließen. FW

Franziska Grau, Tobias Grau,


Gesa Hansen, Franziska Michaelis, Florian Borkenhagen, Alfredo Häberli,
Hanne Willmann Gabrielle Ammann

Eva Marguerre, Michael Reß, Robert Volhard, Sabine Böhm, Vincenza Principe, Ilaria Vezzoli,
Marcel Besau Patrice Bert Sebastian Herkner, Deike Bokelmann Sabine Bollack, Raffaela Marelli
Fotos: Jörg Puchmüller

Friederike Weißbach, Roberto Minotti, Oliver Jahn,


Julia Roeckner Alessio Minotti AD Magazin Februar 2020 Gesa Hansen, Tim Seifert

150
87746 Erkheim
Adressen 73278 Schlierbach

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Die Kunst, das Leben


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aufbau und strategische
Entwicklung
Skulpturengarten Heinz Mack Ibiza, © VG-Bildkunst Bonn

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Tel: +49 (0) 30 280 99 284│info@braunfehrentz.de│www.braunfehrentz.de
AD
Apropos
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ad-magazin.de Chief Operating Officer & President,
International Wolfgang Blau

New Natives
Global Chief Revenue Officer & President,
U.S. Revenue Pamela Drucker Mann
U.S. Artistic Director and Global

Folge 2 Content Advisor Anna Wintour


Chief Financial Officer Mike Goss
Chief Marketing Officer Deirdre Findlay
Chief People Officer Stan Duncan
Chief of Staff Samantha Morgan
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CONDÉ NAST ENTERTAINMENT


President Oren Katzeff
Executive Vice President–Alternative
Für unsere Videoserie Programming Joe LaBracio
„New Natives“ besuchen Executive Vice President–CNÉ Studios Al Edgington
wir die Kreativen, die Executive Vice President–General Manager
gerade Deutschlands Pop- of Operations Kathryn Friedrich

und Subkultur prägen. CHAIRMAN OF THE BOARD


In der zweiten Folge zeigt Jonathan Newhouse
uns die Hamburger Tattoo-
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Fotos: Jewgeni Roppel

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S. 107: Pablo Picasso, Druck S. 121: Joan Miró, Gouache condenast.com

152
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Genie & Spleen

Illus tration Emiliano Ponzi

Und täglich Jeden Tag – Punkt 15 Uhr – trat Ingmar Bergman aus dem gleißenden Licht der Insel Fårö
in dichte, umarmende Dunkelheit. Dann nämlich gab sich der schwedische Regisseur

grüßt
einem Film in der Scheune hin, die er in sein privates Kino hatte verwandeln lassen. Einer
der ersten, die über die Leinwand flimmerten, sollte sein eigener sein: „Die Zauberflöte“.
Kein Wunder also, dass sich das Sujet bis zur Tapisserie erstreckte. Und abermals ging es

ein Traum wie in Bergmans Werken um Hell und Dunkel, Realität und Traum – die Königin der
Nacht regiert im Mondenschein, der weise Sarastro ist im Bunde mit der Sonne. NLV

Die April-Ausgabe erscheint am 11. März 2020

154
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