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Historischer Abriss der aramäischen Grammatik


In der Darstellung der sprachlichen Tatsachen im Wör- 2. Phonologie Grammatikabriss
terbuch wird eine höhere historische Tiefenschärfe an- Die überlieferte Gestalt des biblisch-aramäischen Tex-
gestrebt als in den üblichen, meist rein beschreibend tes steht unter dem Einfluss späterer sprachlicher Ent-
ausgerichteten Grammatiken und Lexika. Ein knapper wicklungen, entweder durch Überarbeitungen bis zur
Abriss soll daher die hier getroffenen Vorentschei- Endredaktion (im Falle des Danielbuches um 165 v.
dungen (besonders in der Lautlehre und der darauf auf- Chr.) oder durch die gewandelte Aussprache, die der
ruhenden Rekonstruktion der reichsaramäischen Aus- in der Punktation festgelegten synagogalen Rezitation
sprache) offenlegen. Zugleich führt er in die Grundla- zugrunde liegt. Will man das Biblisch-Aramäische in
gen der aramäischen Formenlehre und Morphosyntax seinen historischen Kontext – also die reichsaramäi-
ein, indem er ganz kurz die verwendete linguistische sche Schrifttradition – stellen, liegt es nahe, als ge-
Terminologie (etwa bei den Verbalformen und Stäm- meinsamen Ausgangspunkt die Lautung des achäme-
men, die für Bedeutungsunterschiede in den einzelnen nidischen Reichsaramäisch von ca. 500 v.Chr. anzu-
Artikeln durchgehend eine wichtige Rolle spielen) so- setzen, d.h. um die Zeit, als das Reichsaramäische
wie die damit verbundenen Funktionsbestimmungen zum verbindlichen Standard erhoben wurde. Dessen
aufschlüsselt. Er ist als bloße Ergänzung zu den ge- Aussprache kann ohne eine feste Vokalisierung zwar
bräuchlichen Handbüchern gedacht: die maßgebliche nur annähernd bestimmt werden, lässt sich aber durch
Referenzgrammatik für das Biblisch-Aramäische ist eine Kombination von plene-Schreibungen, Transkrip-
nach wie vor BLA; als Einführung wird oft die haupt- tionen in anderen Schriften, späteren Vokalisierungs-
sächlich synchrone und diachron nicht immer genaue traditionen (unter Ausschluss sekundärer Änderungen
Darstellung von F. Rosenthal, A Grammar of Biblical wie v.a. des Schwundes unbetonter Kurzvokale in
Aramaic, Wiesbaden 72006, verwendet. Eine moderne offener Silbe) und der historisch-vergleichenden Semi-
wissenschaftliche Referenzgrammatik des Alt- oder tistik eingrenzen. Eine solche Rekonstruktion schafft
Reichsaramäischen gibt es bislang nicht, zum Einstieg einen gemeinsamen Rahmen für biblische und außer-
s. H. Gzella, Language and Script, in: H. Niehr (Hg.), biblische Texte und wird jeweils im Lemmakopf an-
The Aramaeans in Ancient Syria, HO I/106, Leiden gegeben. Die Schrägstriche (/…/) bedeuten dabei eine
2014, 71–107, für das Altaramäische und ders., Impe- „phonemische“ Abstraktion, d.h. sie geben nur die rei-
rial Aramaic, in: S. Weninger (Hg.), The Semitic Lan- nen und bedeutungsunterscheidenden Laute (Phone-
guages: An International Handbook, Berlin/New York me) ohne eine Berücksichtigung weiterer Variationen
2011, 574–586, für das Reichsaramäische. in der tatsächlichen Aussprache (Allophone) wieder.
Für die ältesten aramäischen Sprachzeugnisse lassen
1. Schrift und Schreibung sich 27 konsonantische Phoneme unterscheiden, die
Mit dem Wandel der Schreiberkultur Syrien-Palästi- man nach Artikulationsort und -weise wie folgt grup-
nas von der Keil- zur Alphabetschrift kurz nach 1000 pieren kann: den stimmhaften Laryngal /ʾ/ (Glottisver-
v.Chr. verbreitete sich dieses neue Schriftsystem von schluss) und sein stimmloses Pendant /h/, ebenso die
den Phöniziern ausgehend auch unter den Aramäern. Pharyngale /ʿ/ (Kehlkopfpresslaut) und /ḥ/ (gefauchtes
22 Buchstabenzeichen dienten zur Notierung der be- h, also in der Aussprache etwa zwischen h und ch wie
deutungsunterscheidenden Konsonanten; Langvokale, in „ach!“), die Velare /g/ und /k/, die Sibilanten /z/
zunächst vor allem im Auslaut, später zunehmend auch und /s/ (vielleicht noch mit Dentalvorschlag gespro-
im Wortinneren, konnten dazu durch plene-Schrei- chen, also /dz/ und /ts/), die Dentale /d/ und /t/, die In-
bungen mit „Vokalbuchstaben“ (matres lectionis) be- terdentale /δ/ (wie in englisch this) und /θ/ (wie eng-
zeichnet werden, d.h. w für /ū/ (und später /ō/), j für /ī/ lisch thin), die Bilabiale /b/ und /p/, den Palatovelar /š/
(und später /ē/) und h für /ā/ und /ǣ/. In nachachäme- (wie sch in deutsch „Schiff“), den Lateral /ś/ (dessen
nidischer Zeit, z.B. in Qumran, dienten solche Vokal- ursprüngliche Aussprache etwa wie das Zischen einer
buchstaben, in bestimmten Fällen sogar für Kurzvoka- Gans geklungen haben mag) und einen auf semitisches
le. Die Orthographie offizieller Texte wie Königsin- */ṣ́/ zurückgehenden Laut, der aramäisch wohl zuerst
schriften, Rechts- und Wirtschaftsurkunden sowie ähnlich wie /q/ ausgesprochen wurde; ferner die „em-
förmlicher Briefe war schon seit den Anfängen fest phatischen“ Gegenstücke des stimmlosen Velars, Sibi-
normiert und wurde in der achämenidischen Kanzlei lanten, Dentals und Interdentals, also /q/, /ṣ/, /ṭ/ und
noch stärker vereinheitlicht. Texte mit größerem Ab- /θ̣/, deren Aussprache sich im Laufe der Zeit wandelt
stand zu solchen Kanzleitraditionen (wie Privatbriefe) vom /ʾ/-Nachschlag („Glottalisierung“) zum /ʿ/-Nach-
weisen mitunter eine weniger konventionelle und stär- schlag (Pharyngalisierung) oder, jedenfalls bei /q/, Ve-
ker phonetische Schreibung auf, orientieren sich aber larisierung (also mit Hebung des hinteren Zungenteils
in vorchristlicher Zeit insgesamt an der jeweils gelten- an den Gaumen); schließlich den Lateral /l/, das „Zun-
den Verwaltungs- und Literatursprache; s. A. Millard, gen“-/r/ (wohl „gerollt“, d.h. ähnlich wie im Italieni-
The Alphabet, in: H. Gzella (Hg.), Languages from schen gesprochen), den dentalen Nasal /n/ und den bi-
the World of the Bible, Berlin/New York 2011, 14–27. labialen Nasal /m/ sowie die Halbvokale /w/ (wie in
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englisch water) und /j/. Diese Unterscheidungen sind phonetische mit h dagegen erst ab ca. 600 v.Chr.
sicher und lassen sich direkt an aramäischen Schrei- häufiger erscheinen (was wohl auch mit der anfangs
bungen erweisen; teils wird dazu ein Unterschied zwi- eher langsamen Verbreitung einer weniger stark stan-
schen /ḥ/ und /ḫ/ (wie in „Loch“ oder „ach“) sowie dardisierten Orthographie wie in Privatbriefen zusam-
zwischen /ʿ/ und /ġ/ (spirantisiertes g, wie z.B. im menhängt), bleibt das genaue Zeitfenster des Wandels
Neugriechischen oder im Standard-Niederländischen) unsicher. Bei diesen Verben wird im Lemmakopf zu-
angenommen (s. ATTM 101f.), die aber beide durch- dem die ursprüngliche Wurzelgestalt angegeben.
gehend mit ḥ und ʿ geschrieben werden. In der ara- Ferner beginnt wohl noch in altaramäischer Zeit beim
mäischen Umschrift werden /ḫ/ und /ġ/ nicht berück- Präfix des Kausativstammes der Wandel von /h/ zu /ʾ/,
sichtigt, wohl aber in der etymologischen Herleitung. zuerst beim „Imperfekt“ durch Schwund von /-h-/ zwi-
Alle Konsonanten, auch die Laryngale und Pharynga- schen Vokalen, dann als Folge von Analogie auch im
le („Kehllaute“), konnten „gelängt“ werden, d.h. sie Anlaut bei „Perfekt“ und Imperativ (/ha-/ > /ʾa-/), wo-
wurden dann zwischen Ansatz und Verstummen län- durch aus dem „Haphel“ (ha) ein „Aphel“ (aph) wird
ger artikuliert (traditionell, aber ungenau, „Geminati- (ATTM 148). Historische Schreibungen bewahren je-
on“ genannt). Als phonemische Vokale sind kurzes doch Formen mit etymologischem h. Es ist nicht aus-
/a/, /e/ (aus semitischem */i/) und /o/ (aus semitischem geschlossen, dass schon zu dieser Zeit in Teilen des
*/u/), langes /ā/, /ī/, /ū/ und /ǣ/ (gesprochen wie langes Sprachgebietes eine Monophthongierung von /aw/ und
ä, sekundär aus betontem auslautenden /-ī/ entstanden, /aj/ zu /ō/ und /ē/ stattfand (anders ATTM 116–120).
cf. ATTM 97) sowie die beiden Halbvokale /aw/ und Transkriptionen von Personennamen in Keilschrift le-
/aj/ direkt oder wenigstens indirekt nachweisbar. gen sodann für um 500 v.Chr. den Beginn zweier wei-
Da die phönizische Alphabetschrift, die von den Ara- terer Entwicklungen nahe, der Dissimilation von /a/ zu
mäern übernommen wurde, nur über 22 verschiedene /e/ beim Präfix des Grundstamm-„Imperfektes“ vor
Buchstabenzeichen (hier kursiv transliteriert) verfügt, zunächst nur dem Themavokal /a/ (d.h. die erste Stufe
dienten einige davon im Altaramäischen zur Bezeich- des „Barth-Ginsberg-Gesetzes“, ATTM 109f.) und der
nung mehrerer Konsonanten: š für /š/, /ś/ und meist /θ/ Anaptyxe (Silbenaufsprengung) einer wortauslauten-
(in der Tell-Fekherye-Inschrift für /θ/ hingegen s), z den Doppelkonsonanz durch einen Hilfsvokal (ǝ), der
für /z/ und /δ/, ṣ für /ṣ/ und /θ̣/ sowie q für /q/ und die danach zu einem Vollvokal wurde (ATTM 112). In
aramäische Entsprechung von */ṣ́/. (Zu ḥ möglicher- nachachämenidischer Zeit sind beide wegen zuneh-
weise auch für /ḫ/ und ʿ auch für /ġ/ s.o.) mender Vokalbuchstaben für Kurzvokale in aramäi-
Zwischen dem älteren Altaramäischen und dem achä- schen Schreibungen selbst nachweisbar und erschei-
menidischen Reichsaramäischen können durch be- nen auch in der biblisch-aramäischen Punktation. No-
stimmte Schwankungen in der Schreibung und teils mina (etwa der Bildungstypen qatl, qitl und qutl) wer-
Transkriptionen verschiedene Lautveränderungen fest- den im Lemmakopf ohne die Sprossvokale transkri-
gestellt werden: unstrittig ist der Zusammenfall der In- biert, im Teil über Etymologie und Form wird in re-
terdentale /θ/, /δ/ und /θ̣/ mit den korrespondierenden levanten Fällen aber auf das Phänomen hingewiesen.
Dentalen /t/, /d/ und /ṭ/ vor etwa 700 v.Chr., da sie Dagegen ist die für das achämenidische Reichsaramä-
dann meist mit t, d und ṭ geschrieben wurden (ATTM isch charakteristische „degeminierende“ Schreibung
100f.), und um 650 v.Chr. der von */ṣ́/ mit /ʿ/, wofür (auch „Geminatendissimilation“ genannt) wohl keine
sodann in der Schreibung ʿ statt älterem q diente (H. lautliche, sondern eine orthographische Entwicklung:
Gzella, A Cultural History of Aramaic: From the Be- wie in den übrigen semitischen Sprachen Syrien-Pa-
ginnings to the Advent of Islam, Leiden 2015, 38f.; lästinas wird auch im Aramäischen /n/ in Kontaktstel-
früher noch auf ca. 600 v.Chr. datiert). Vor allem bei lung üblicherweise assimiliert (also z.B. /ʾáttā/ „du“
altem */δ/ in den sehr häufigen Demonstrativprono- aus */ʾanta/, altaramäisch ʾt geschrieben; Ausnahmen
mina sowie der Relativpartikel hat sich aber teils noch entstehen bei /ḥ/ wie bei mhnḥt /mohanḥet/ „Herab-
in die nachachämenidische Zeit hinein die historische bringer“ in KAI 309,2; → nḥt). In achämenidischer
Schreibung mit z gehalten, also znh für /denā/ (aus Schreibung erscheinen solche Langkonsonanten dann
*/δenā/) und zj für /dī/ „dass“ (aus */δī/). Im Biblisch- mit einem vorgeschalteten n (wie ʾnt „du“), was sich
Aramäischen ist jedoch die phonetische Schreibung unter dem Einfluss der reichsaramäischen Kanzleitra-
durchgeführt, daher begegnen dort nur dnh und dj. dition in nachachämenidischer Zeit noch eine Weile
Wohl sogar noch älter könnten erste Fälle des Schwun- fortsetzt und auch im Biblisch-Aramäischen begegnet
des von silbenschließendem /ʾ/ unter Längung eines (ATTM 89–95). Die Variation mit Schreibungen ohne
vorangehenden Kurzvokals sein (mit typisch aramäi- n und das baldige Aussterben dieser Besonderheit mit
schem */-aʾ/ > /-ē/ [ATTM 138: /-ǣ/]), was zum Zu- der Erosion achämenidischer Orthographie weisen in-
sammenfall von Verben IIIʾ (d.h. mit /ʾ/ als drittem des auf eine rein graphische Besonderheit und nicht
Radikal) mit IIIī (vokalisch auslautenden) führte (von auf eine nasalisierte Aussprache. Mithin wird in der
ATTM 104–106 zwischen das 9. und das 8. Jh. v. Chr. Transliteration im Lemmakopf eine Schreibung mit n
datiert). Weil aber historische Schreibungen entspre- gebraucht, in der rekonstruierten Vokalisierung Assi-
chender Formen mit ʾ teils noch lange fortdauerten, milation vorausgesetzt (wie → ḥnṭh /ḥeṭṭā/ „Weizen“).
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Auch nach dem Fall des Achämenidenreiches blieb das Der Ton fällt meist auf die letzte Silbe, wobei aber der
Aramäische in großen Teilen Syrien-Palästinas und einzelsprachliche Befund durch Druckverschiebungen
Mesopotamiens Umgangssprache, weshalb es sich un- kompliziert ist (ATTM 142–147). Vereinzelte Pausal-
ter der Oberfläche der oft noch an achämenidische formen im Biblisch-Aramäischen (wie z.B. ḥājil in
Konventionen anknüpfenden aramäischen Schriftspra- Dan 3,4; Esr 4,23; → ḥjl) sind aus dem Hebräischen
chen hellenistisch-römischer Zeit im ganzen Verbrei- übertragen und nicht ursprünglich, ebenso vermutlich
tungsgebiet veränderte. Erst nachachämenidisch zu- sporadische Fälle von Ersatzdehnung statt Reduktion
verlässig nachweisbare und der biblisch-aramäischen unbetonter Kurzvokale in offener Silbe (z.B. mārīm
Punktation zugrunde liegende, teils aber wohl schon „er erhöht“ [→ rīm] in Dan 5,19). Ebenso ist die Er-
ältere Prozesse fortsetzende Entwicklungen sind die satzdehnung vor im Inlaut vereinfachtem /ʿ/ öfter nicht
Ausbreitung des Präfixvokals /e/ beim Grundstamm- durchgeführt (vgl. BLA §40g). Die tiberische Punktie-
„Imperfekt“ bei allen Themavokalen (ATTM 110f.) rung des Biblisch-Aramäischen ist damit noch hetero-
und ein regelmäßiger Sprossvokal bei zuvor wortaus- gener als die des Biblisch-Hebräischen. Fragmente des
lautender Doppelkonsonanz (ATTM 113–115; daher Danielbuches aus Qumran stehen aber der reichsara-
gibt es auch im Biblisch-Aramäischen „Segolata“). mäischen Schreibung teils näher als MT.
Einige weitere Lautveränderungen, die zuerst nach-
achämenidisch anzutreffen sind und daher in der Re- 3. Morphologie und Morphosyntax
konstruktion nicht berücksichtigt werden, nähern das Die selbständigen Personalpronomina dienen wie in
Aramäische noch deutlicher seiner tiberischen Gestalt anderen semitischen Sprachen zur Bezeichnung des
an: um 200 v.Chr. wurde /e/ vor wurzelauslautendem Subjekts in Nominalsätzen oder für Emphase (etwa bei
/h/, /ḥ/, /ʿ/ oder /r/ generell zu /a/ assimiliert (ATTM Kontrastierung: „ich aber …“) in Verbalsätzen:
107f.), vor Zischlauten teils umgekehrt /a/ zu /e/ (ebd.
115f.), und die Monophthongierung /aw/ > /ō/ und /aj/ Singular Plural
> /ē/ abgeschlossen (ATTM 116–120); sie hatte viel- 1. ʾnh /ʾanā/ „ich“ ʾnḥn(h) /ʾanáḥnā/ „wir“
leicht in manchen Varietäten schon früher eingesetzt. 2.mask. ʾnt /ʾáttā/ „du“ ʾntm /ʾattūm/ „ihr“
Ferner wurden zur gleichen Zeit lange Auslautkonso- 2.fem. ʾntj /ʾáttī/ „du“ (*/ʾattenn/ „ihr“)
nanten gekürzt (→ gw; ATTM 120–122) und der wohl 3.mask. hw /hū/ „er“ hm(w) /hóm(ū)/ „sie“
nicht geradlinige Zusammenfall von */ś/ mit /s/ abge- 3.fem. hj /hī/ „sie“ hnj /hénnī/ „sie“
schlossen (→ šmš /šamš/; ATTM 102f.). Nach 150 v.
Chr. wurden /ʾ/, /ʿ/ und /r/ auch im Inlaut nicht mehr In reichsaramäischer Orthographie werden die For-
lang artikuliert, worauf vorangehende Vokale meist men der zweiten Person mit n geschrieben (altaramä-
ersatzgedehnt wurden (ATTM 122). Sodann fielen un- isch ist für die 2.mask.sg. nur ʾt belegt). Gleiches gilt
betonte lange Auslautvokale im gesprochenen Aramä- für das Biblisch-Aramäische, wo aber ʾnt(h) als ʾant
isch aus (ATTM 122–125), blieben aber in der tradi- punktiert und wohl zumindest ursprünglich /ʾat/ aus-
tionellen Rezitation u.a. des Biblisch-Aramäischen gesprochen wurde (d.h. mit vereinfachtem /-t/ im Aus-
teils erhalten und sind deshalb dort mit Vokalzeichen laut [s.o. 2.] und nach Analogie mit dem Plural plosiv
versehen (ATTM 124f.). Weiterhin bildeten schon et- artikuliert, wie im Syrischen), da /n/ sich regelmäßig an
was zuvor aspirierte Verschlusslaute in Schwacharti- den folgenden Konsonanten assimiliert und **/ʾant/
kulation (d.h. generell nach Vokal) frikative Allopho- unwahrscheinlich ist. Die dritte Person Singular wird
ne aus, weshalb plosive Aussprache von /b,g,d,k,p,t/ reichsaramäisch in hw und hj differenziert, das Alt-
biblisch-aramäisch durch ein Dagesch markiert wird aramäische hat für beide Formen die Schreibung hʾ.
(ATTM 125–128). Wenn noch zwischen /ḥ,ḫ/ und /ʿ, Im Biblisch-Aramäischen erscheinen beide wohl unter
ġ/ differenziert wurde, fielen beide jetzt zusammen. hebräischem Einfluss graphisch als hwʾ und hjʾ. Dani-
Noch später, nämlich um 250 n.Chr., wurde der Aus- el hat für die zweite und dritte Person des maskulinen
fall kurzer unbetonter Vokale in offener Silbe abge- Plurals beim Pronomen wie bei den „Perfekt“-Endun-
schlossen (ATTM 128–136). Erst dadurch hat das gen (s.u.) /-n/ statt /-m/ (ʾattūn in 2,8), gleich späteren
Aramäische der vokalisierten Überlieferungen seine aramäischen Sprachstufen, aber so bereits in Privat-
gegenüber z.B. dem Hebräischen oder Arabischen briefen aus Hermopolis. In der Vokalisierung wurde
charakteristische Lautgestalt bekommen. bei den gleichen Formen das /e/ des Femininums auf
Schließlich spiegelt die biblisch-aramäische Punktati- das Maskulinum übertragen und zu /i/ gemindert (vgl.
on einige noch spätere Änderungen: /-ūn/ > /-ōn/ beim ATTM 138–140), also himmō(n) (Esr 5,4 ʾinnūn). Das
Suffix (nach ATTM 136 um 400 n.Chr.), wie im ge- unbetonte auslautende /-ā/ der 2.mask.sg. fiel nach-
samten Aramäisch, und die nur in Teilen des Sprach- reichsaramäisch aus (ATTM 122–125), doch das /-ū/
gebietes durchgeführte Minderung /e/ > /i/ sowie /o/ > der 3.mask.pl. wurde durch Druckverschiebung auf
/u/ (ATTM 138–140: 7.–8. Jh. n.Chr.), weshalb z.B. die Ultima bewahrt und in Daniel um /-n/ erweitert.
das „Imperfekt“-Präformativ hier gegen die ältere ara- Die 3.fem.pl. erscheint biblisch-aramäisch als ʾinnīn
mäische Lautung ji- punktiert wird; ferner /a/ > /e/ in (Dan 7,17); alt- und reichsaramäisch noch unbelegt ist
geschlossener unbetonter Silbe (ATTM 140f.). die aus dem späteren Befund rekonstruierte 2.fem.pl.
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Als Demonstrativa dienen znh /dénā/ (selten dnh, zn(ʾ) Neben diesem in allen semitischen Sprachen sehr häu-
oder dn(ʾ) geschrieben), zʾ /dā/ und ʾl(h)/ʾln /ʾellǣ(n)/ figen Typ kennt auch das Aramäische zahlreiche wei-
„diese(r)“ (Maskulinum und Femininum im Singular, tere Nominalformen mit und ohne äußere Vermehrung
gemeinsamer Plural) sowie analog zk /dek/, zk /dāk/ (für eine Übersicht s. ATTM 425–445). Einige davon
und ʾlk /ʾellǣk/ „jene(r)“ (mit Nebenformen znk oder sind fest mit bestimmten Bedeutungen verbunden, wie
zkm/dkm, zkj und ʾlkj, biblisch-aramäisch dikkēn); /d/ qattīl für Adjektive (z.B. /ḥakkīm/ „weise“, → ḥkm)
geht hier auf */δ/ zurück und wird in diesen häufigen oder qattāl für Berufsbezeichnungen (etwa /tarrāʿ/
Formen auch reichsaramäisch noch mit z geschrieben, „Torhüter“, → trʿ), solche mit Präfix /ma-/ (später >
ebenso bei der Relativpartikel zj /dī/. Das Biblisch- /mi-/, so in der biblisch-aramäischen Punktation) häu-
Aramäische indes hat überall phonetische Schreibun- fig für einen Ort (wie /maškab/ „Bett“, → škb).
gen mit d und verwendet wie schon das Altaramäi- Nomina verschiedener Bildungstypen weisen in der
sche die selbständigen Personalpronomina der dritten Flexion einige Besonderheiten auf: Feminina mit den
Person für die Ferndeixis „jene(r)“ (Dan 2,32.44). Die ursprünglichen Endungen */-āt/, */-īt/ und */-ūt/ ver-
Interrogativa sind mn /man/ „wer?“ und mh /mā/ lieren im Aramäischen im st.abs. das /-t/, aber behalten
„was?“, für Indefinitausdrücke steht öfter gbr /gabar/ den langen Vokal, weshalb hier in solchen Fällen als
„jemand“ (→ gbr) und ab den Briefen aus Hermopolis Nennform z.B. /malkū/ (< */malkūt/) „Königtum“ an-
mndʿm /meddeʿm/ „etwas“ (→ jdʿ). gegeben wird. Im Plural indes wird der Auslautvokal
Nomina einschließlich der Adjektive flektieren nach vor vokalischen Endungen zu einem Triphthong zer-
Genus (Maskulinum/Femininum), Numerus (Singular, dehnt, also bei /-ā/ st.abs. /-awān/, st.cstr. /-awāt/, st.
Plural und Reste des Duals) und Status (st.abs., st.det., det. /-awātā/; bei /-ī/ analog /-ijān/, /-ijāt/, /-ijātā/; bei
st.cstr.), aber nicht jedes Femininum ist äußerlich ge- /-ū/ dann /-uwān/, /-uwāt/, /-uwātā/ (vgl. biblisch-ara-
kennzeichnet, und teils unterscheiden sich Singular mäisch st.cstr. malḵwāṯ, st.det. malḵwāṯā). Ähnlich
und Plural im Genus (das wird dann in den betreffen- verhalten sich Nomina auf */-ī/ (aramäisch > /-ǣ/), wie
den Lemmata jeweils angegeben). Vereinzelte Versu- z.B. die Partizipien von Wurzeln IIIī: beim Maskuli-
che, Reste einer produktiven Kasusflexion im Aramäi- num im Singular st.abs. und cstr. /-ǣ/, st.det. /-ijā/, im
schen nachzuweisen, sind gescheitert. Die drei übri- Plural st.abs. /-ajn/, st.cstr. /-aj/, st.det. /-ajjā/; beim
gen Dimensionen werden durch Endungen markiert: Femininum im Singular st.abs. /-ijā/, st.cstr. /-ijat/, st.
det. /-ītā/, im Plural st.abs. /-ijān/, st.cstr. /-ijāt/, st.det.
Singular Plural Dual /-ijātā/. Einzelne andere Nomina zeigen weitere Auf-
st.abs.m. /-Ø/ -(j)n /-īn/ /-ajn/ fälligkeiten: /bajt/ „Haus“ (→ bjt) wurde im Aramäi-
st.cstr.m. /-Ø/ -j /-aj/ (>/-ē/) = pl. schen zu einem nicht mehr genau zu bestimmenden
st.det.m. -ʾ /-ā/ (<*/-āʾ/) -jʾ /-ajjā/ (<*/-ajjāʾ/) = pl. Zeitpunkt im st.abs. des Singulars wie ein Femininum
st.abs.f. -h /-ā/ (<*/-at/) -n /-ān/ /-tajn/ auf Langvokal und /-t/ behandelt, also /baj/ (st.det.
st.cstr.f. -t /-at/ -t /-āt/ /-taj/ /bajtā/), und hat im st.det. des Plurals /bāttajjā/; /ʾettā/
st.det.f. -tʾ /-tā/ (<*/-tāʾ/) -tʾ /-ātā/ (<*/-ātāʾ/) – „Frau“ (→ ʾnth) nimmt für den Plural die suppletive
Basis /nešīn/ (in KAI 309,22f. dagegen /nešawān/),
Für Formen des st.det. erscheint statt der historischen /bar/ „Sohn“ (→ br) behält in der Pluralbasis /ban-/
Schreibung mit ʾ teils schon im älteren Aramäisch ei- das alte /n/; und wiederum andere erweitern im Plural
ne phonetische mit h. Der Dual hat sich bei den Zahl- eine zweikonsonantige Basis, entweder mit Zerdeh-
wörtern „zwei“ und „zweihundert“ sowie natürlichen nung wie /ʾab/ „Vater“ (→ ʾb) zu /ʾabah-/ oder Redu-
Paaren wie Körperteilen erhalten. Die alte Femininen- plikation wie /rabb/ (→ rb) zu /rabrab-/. Bei /ʾab/
dung */-at/ ist reichsaramäisch in einigen adverbial „Vater“, /ʾaḥ/ „Bruder“ (→ ʾḥ) und /ḥam/ „Schwie-
gebrauchten Nomina bewahrt, wie z.B. qblt „als Kla- gervater“ (zuerst nachachämenidisch belegt, vgl. PAT
ge“ (TADAE A6.8,3; → qbl), rḥmt „freiwillig“ (oft; 0117,3) hat sich in Formen mit konsonantisch anlau-
→ rḥm) oder ʾntt „zur Frau“ (TADAE B3.8,22), viel- tenden Suffixen (s.u.) ein alter st.cstr. in /-ū/ erhalten.
leicht durch Analogie mit Adverbien auf /-īt/ und /-ūt/. Sporadische Belege der Pluralendung /-īm/ für den
Der st.abs. ist die unmarkierte Nennform, die auch bei maskulinen st.abs. im Biblisch-Aramäischen (Dan 4,
Zahl- und Totalitätsausdrücken sowie bei prädikativen 14; 7,10; Esr 4,13) und in Qumran sind Hebraismen.
Adjektiven steht, und wird jeweils im Lemmakopf an- Akkadische, iranische, griechische und andere Lehn-
gegeben; der st.cstr. markiert ein Genitivverhältnis mit wörter sind in unterschiedlichem Maße in die aramäi-
dem folgenden Wort und kann durch dj umschrieben sche Nominalflexion eingegliedert worden.
werden; der st.det. zeigt meist Definitheit an und er- An den st.cstr. eines Nomens können pronominale
setzt erst im nachchristlichen Ostaramäisch den st.abs. Suffixe zur Bezeichnung eines Besitzverhältnisses tre-
als Nennform. Zugehörigkeitsadjektive mit der En- ten („mein“, „dein“ usw.), ebenso bei Präpositionen
dung /-āj/ (wie Völkernamen) bilden den Plural des st. für eine adverbiale Relation mit einem pronominalen
det. auf /-ǣ/ statt /-ajjā/, was ostaramäisch die übliche Element („bei ihr“, „mit uns“) und bei Verben für ein
Pluralendung wird. Nomina der Form qatl, qitl, qutl pronominales direktes Objekt („sie haben es geschrie-
haben wohl eine zweisilbige Pluralbasis /qVtal-/. ben“, „ich habe ihn gesehen“ etc.). Bei einer konso-
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nantisch auslautenden Nominalbasis wie generell im Räumliche, zeitliche oder logische Beziehungen wer-
maskulinen Singular (außer /ʾab/, /ʾaḥ/ und /ḥam/) und den durch Präpositionen bezeichnet. Am häufigsten
im ganzen Femininum tritt vor ein konsonantisch an- begegnen /ba-/ „in“, /la-/ „für, zu“ und /ka-/ „wie“, da-
lautendes Suffix (d.h. überall außer bei der ersten Per- neben /ʾel/ „nach“ (im Laufe der Zeit dann durch /ʿal/
son des Singulars /-ī/ „mein“) ein Bindevokal, dessen ersetzt), /bajn/ „zwischen“, /men/ „von, aus“, /ʿad/
Farbe im Wesentlichen der des ursprünglichen Vokals „bis“, /ʿal/ „auf, gegen“, /ʿemm/ „mit“ und einige ur-
des jeweiligen Suffixes zu entsprechen scheint: sprüngliche Nomina, die im Gebrauch meist zu Prä-
positionen reduziert wurden, wie z.B. /ḥalp/ „statt“ (→
Singular Plural ḥlp), /qobl/ „vor, gemäß“ (→ qbl), /qodām/ „vor“ (→
1. -j /-ī/ -n(ʾ) /-ánā/ qdm) oder /taḥt/ „unter“. Bei Suffixen haben /ʾel/,
2.mask. -k /-ák(ā)/ -km/kn /-okūm, -okūn/ /bajn/, /ʿal/, /qodām/ und /taḥt/ eine erweiterte Basis
2.fem. -kj /-ék(ī)/ -kn /-ekenn/ auf /-aj/, nehmen also die „Pluralsuffixe“ (s.o.). Die
3.mask. -h /-eh/ -h(w)m/hwn /-ohūm, -ohūn/ Funktionen bestimmter präpositionaler Ergänzungen
3.fem. -h(h) /-áh(ā)/ -hn /-ehenn/ bei Verben sind in den jeweiligen Artikeln vermerkt.
Sehr häufig ist /la-/ für das indirekte Objekt, woraus
An die auf /-aj/ auslautende Nominalbasis des masku- sich in der reichsaramäischen Tradition ein Gebrauch
linen st.cstr. im Plural sowie des maskulinen und fe- als Markierung auch eines (oft belebten) direkten Ob-
mininen st.cstr. im Dual werden die Suffixe hingegen jektes entwickelt hat (ebenso im späteren Ostaramä-
ohne Bindevokal angefügt, ebenso bei /ʾabū-/, /ʾaḥū-/ isch), während die altaramäischen Sprachen Syriens
und /ḥamū-/ (s.o.; jedoch /ʾabī/ „mein Vater“), so dass dafür die Partikel /ʾijjāt/ verwenden, das Westaramäi-
synchron zwei Reihen von Suffixen (mitunter „Singu- sche die verwandte Form /jāt/ (s. H. Gzella, Differen-
lar-“ und „Pluralsuffixe“ genannt, da die ersten meist tielle Objektmarkierung im Nordwestsemitischen als
bei singularischen, die zweiten bei pluralischen Basen Konvergenzerscheinung, in: R. Kuty u.a. [Hg.], Nicht
vorkommen) unterschieden werden können: nur mit Engelszungen, FS Arnold, Wiesbaden 2013,
113–124). Im Biblisch-Aramäischen treten beide Ob-
Singular Plural jektpartikeln auf. Andere allgegenwärtige Funktions-
1. -j /-ajj/ -jn(ʾ) /-ájnā/ wörter sind die Konjunktionen /wa-/ „und“ und /ʾaw/
2.mask. -jk /-ájk(ā)/ -jkm/jkn /-ajkūm, -ajkūn/ „oder“, die Konditionalpartikel /hen/ „wenn“ sowie
2.fem. -jkj /-ájkī/ -jkn /-ajkenn/ verschiedene unterordnende Konjunktionen auf der
3.mask. -wh(j) /-áwhī/ -jh(w)m/jhwn /-ajhūm, -ajhūn/ Grundlage der Relativpartikel /dī/ zusammen mit einer
3.fem. -jh(h) /-ájh(ā)/ -jhn /-ajhenn/ Präposition wie /ka-/ (z.B. kzj /kadī/ „wann“) oder
einem Präpositionalausdruck mit /qobl/ (→ qbl). Ob-
In der 3.mask. entstand /-hī/ aus */-hū/, /-aw-/ durch jektsätze und andere Nebensätze werden ebenfalls mit
Dissimilation aus */-aj-/. Maskuline Suffixe der 2./3. /dī/ „dass“ eingeleitet; die Konstruktion bei Verben
Person Plural auf /-n/ begegnen in Daniel und im spä- wird im jeweiligen Artikel vermerkt (z.B. → jdʿ; šmʿ).
teren Aramäisch. Die biblisch-aramäische Punktation Der Existenzmarker /ʾīt(aj)/ „es gibt“, negiert /lajt(aj)/
spiegelt den sekundären Wandel /-ūn/ > /-ōn/ (ATTM „es gibt nicht“, wird zusammen mit /la-/ für „haben“
136). Sie hat bei den Suffixen an vokalisch auslauten- verwendet, da semitische Sprachen dafür kein eigenes
der Basis („Pluralsuffixe“) in der 2.mask. des Singu- Verb kennen. Als Negationen dienen /lā/ und im älte-
lars -āḵ (im Konsonantentext -jk), in der 3.fem. -ah ren Aramäisch bei Verboten /ʾal/. Weiterhin begegnen
(Konsonantentext -jh) und in der 1. des Plurals -anā deiktische Partikeln wie z.B. /hā/, /ʾarū/ oder /(hā)lū/
(Konsonantentext -jnʾ; ATTM 153), sonst die erwar- „siehe!“ (im Biblisch-Aramäischen häufig bei Visi-
tete Monophthongierung /aj/ > /ē/ und in der 3.mask. onsberichten, → ḥzī) und Adverbien wie /ʾajk/ „wie?“,
des Singulars /aw/ > /ō/, in der 1. des Singulars die /ʾān/ „wo?“, /ʾap/ „auch“, /ken/ „so“, /kaʿat/ „nun“,
Kürzung /-ajj/ > /-aj/ (s.o. 2.). Zuweilen erscheint bei /tūb(ā)/ „wiederum“ (→ tūb) und andere mehr.
der 3.fem. des Plurals ein Genusunterschied zwischen Verbalhandlungen werden durch Verbalwurzeln be-
der maskulinen Form im Konsonantentext und der zeichnet. Diese erscheinen stets in einem bestimmten
femininen Form in der Vokalisierung (Dan 7,8.19). Stamm zur Markierung der Aktionsart (unmarkiert,
Änderungen in der Silbenstruktur beim Antritt von faktitiv, kausativ) und der Diathese (Aktiv und Nicht-
Suffixen oder Endungen bewirken den Erhalt unbe- Aktiv, d.h. Mediopassiv oder Passiv sowie damit as-
tonter Kurzvokale, die sonst in offener Silbe ausgefal- soziierte Kategorien wie Reflexiv). Alle Stämme bil-
len wären (wie ʿaḇḏōhī „seine Diener“ in Esr 5,11 aus den finite Konjugationen und bestimmte paradigmati-
/ʿabadawhī/, mit wie bei anderen qatl-, qitl- und qutl- sche Verbalnomina (Partizipien und Infinitiv) aus. Die
Nomina ursprünglich zweisilbiger Pluralbasis, was am finiten Formen werden jeweils nach Person, Genus
spirantisierten ḏ in der Vokalisierung noch zu erken- und Numerus konjugiert, die Partizipien wie andere
nen ist; dagegen ʿaḇeḏ „Diener“ zur Grundform /ʿabd/ Nomina dekliniert. Im unmarkierten Stamm („Grund-
nach Anaptyxe /ʿabǝd/, Spirantisierung, Steigerung stamm“ oder Peal [pe]) kann zwischen dynamischen
des Hilfsvokals zum Vollvokal und Vokalschwund). und stativischen Verben unterschieden werden.
853 Grammatikabriss 854

Die finiten Konjugationen bezeichnen die semanti- Singular Plural


schen Kategorien Tempus (Zeitlageverhältnis eines 1. ktbt /katáb-(ǝ)t/ ktbn /katáb-n(ā)/
Sachverhaltes), Aspekt (innere Kontur) und Modalität 2.mask. ktbt /katáb-t(ā)/ ktbt(w)n /katab-tūn/
(Verhältnis einer Aussage zur tatsächlichen, möglichen 2.fem. ktbtj /katáb-tī/ ktbtn /katab-ten/
oder erwünschten Wirklichkeit). Beim Tempus wird 3.mask. ktb /katab-Ø/ ktbw /katáb-ū/
zunächst zwischen Vergangenheit und Gegenwart-Zu- 3.fem. ktbt /katáb-at/ ktbw /katáb-ū/
kunft unterschieden, beim Aspekt zwischen der sub-
jektiven Darstellung einer Handlung als abgeschlos- Der Plural der 3.fem. wird reichsaramäisch durch die
sen (oder punktuell) und unabgeschlossen (im Verlauf) maskuline Form ersetzt, für das Altaramäische fehlen
und bei der Modalität zwischen epistemisch (verschie- bislang Belege. Nachreichsaramäisch erscheint hier
dene Nuancen der Möglichkeit) und deontisch (Auf- jedoch eine eigene Form ktbh /katab-ā/ (ebenso in der
forderungen). Diese drei semantischen Grundkatego- biblisch-aramäischen Vokalisierung). Biblisch-aramä-
rien überschneiden sich gegenseitig, so dass z.B. die isch haben sich die unbetonten auslautenden Langvo-
Gegenwart immer im Verlauf, die Zukunft generell un- kale des „Perfektes“ gehalten, der Schwund der Kurz-
sicher und damit der Modalität nahestehend und eine vokale und die Umlautung /e/ > /i/ haben im Singular
Aufforderung oder eine Erzählung aufeinander folgen- bei der 1. und 3.fem. zu kiṯḇeṯ „ich schrieb“ und kiṯḇaṯ
der Ereignisse meist der punktuellen Darstellungswei- „sie schrieb“ geführt, sonst lautet die Basis keṯaḇ. Die-
se zugeneigt ist. Solche Zusammenhänge sind sprach- se Basis ist aber teils auch für die 3.fem. des Singulars
übergreifend erwiesen (s. H. Gzella, Some General belegt (beṭelaṯ „sie hörte auf“, Esr 4,24).
Remarks on Interactions between Aspect, Modality, Das „Langimperfekt“ bewegt sich im Funktionsbereich
and Evidentiality in Biblical Hebrew, Folia Orientalia von Gegenwart-Zukunft, Dauer/Unabgeschlossenheit
49, 2012, 225–232). Da sich Tempus, Aspekt und Mo- und epistemischer Modalität. Auch hier hat die Basis
dalität im älteren Aramäisch auf nur zwei oder drei im Grundstamm einen lexikalischen Vokal, bei Hand-
Verbalkategorien verteilen, ist statt simpler Grundbe- lungsverben meist /o/ (biblisch-aramäisch /u/, s.o. 2.):
deutungen (in veralteten Darstellungen öfter auf ein
relatives Zeitstufen- oder ein binäres Aspektsystem zu- Singular Plural
rückgeführt) eher von breiteren und fließenden Funk- 1. ʾktb /ʾa-ktob/ nktb /na-ktob/
tionsspektren auszugehen, die dann in spezifischen 2.mask. tktb /ta-ktob/ tktb(w)n /ta-ktob-ūn/
Verwendungen je nach Kontext zu einer deutlicheren 2.fem. tktbjn /ta-ktob-īn/ tktbn /ta-ktob-(ǝ)n, -ān/
temporalen, aspektuellen oder modalen Nuance erstar- 3.mask. jktb /ja-ktob/ jktbwn /ja-ktob-ūn/
ren (s. dazu ausführlich H. Gzella, Tempus, Aspekt 3.fem. tktb /ta-ktob/ jktbn /ja-ktob-ān/
und Modalität im Reichsaramäischen, Wiesbaden
2004; zu Daniel ähnlich auch T. Li, The Verbal Sy- Beim Vokal des Präformativs ist für das Alt- und
stem of the Aramaic of Daniel, Leiden 2009). Reichsaramäische strittig, wie lange sich noch altes /a/
Im Alt- und Reichsaramäischen einschließlich des Bib- gehalten hat und wann es durch /e/ (so in den späteren
lisch-Aramäischen sind ein durch Afformative gebil- Punktationen) ersetzt worden war (s.o. 2. zum „Barth-
detes „Perfekt“ (auch als Afformativ- oder Suffixkon- Ginsberg-Gesetz“). Für die 2./3.fem. des Plurals wei-
jugation bezeichnet) sowie ein durch Prä- und Affor- sen die Vokalisierungen auf /-ān/ nach Analogie des
mative gebildetes „Imperfekt“ („Präfixkonjugation“) Maskulinums statt ererbtem */-n(ā)/, aber der Zeit-
produktiv, das zweite in einer „Lang-“ (manchmal punkt dieses Wandels ist unbekannt (ATTM 147).
auch nur „Imperfekt“ genannt) und einer „Kurzform“ Dagegen ist das „Kurzimperfekt“ für Aufforderungen
(„Jussiv“). Dieses „Kurzimperfekt“ hat sich nachachä- und Wünsche (negiert mit /ʾal/) nur in der 2.fem. des
menidisch nur noch in Qumran erhalten und schwindet Singulars sowie den 2./3. Personen des Plurals in der
darauf ganz im Aramäischen; es unterscheidet sich Schrift von der „Langform“ zu unterscheiden:
von der Langform durch andere Endungen in einigen
Formen. Die Basis beider Konjugationen wird jeweils Singular Plural
durch den übergeordneten Verbalstamm bestimmt, die 1. ʾktb /ʾa-ktob/ nktb /na-ktob/
Prä- und Afformative beim „Perfekt“ und „Lang-“ so- 2.mask. tktb /ta-ktob/ tktbw /ta-ktob-ū/
wie „Kurzimperfekt“, die an diese Basis treten, sind in 2.fem. tktbj /ta-ktob-ī/ tktbn /ta-ktob-(ǝ)n/
allen Stämmen gleich. Das „Perfekt“ deckt verschie- 3.mask. jktb /ja-ktob/ jktbw /ja-ktob-ū/
dene Schattierungen der Vergangenheit ab (ohne Un- 3.fem. tktb /ta-ktob/ jktbn /ja-ktob-(ǝ)n/
terschied zwischen punktuell und durativ, dazu resul-
tativ, performativ [„Hiermit …“], manchmal auch in Nachreichsaramäisch wird das „Kurzimperfekt“ durch
zeitlos gültigen Aussagen [„gnomisch“] sowie in der die „Langform“ ersetzt. In der Tell-Fekherye-Inschrift
Protasis von Konditionalsätzen für relative Vorzeitig- begegnet beim nicht-negierten „Kurzimperfekt“ bereits
keit), im Grundstamm ist der Vokal in der zweiten Sil- als Präformativ /l-/ statt /j-/, biblisch- und Qumran-ara-
be der Basis lexikalisch (meist /a/ bei Handlungs- und mäisch nur bei → hwī. Das Ostaramäische hat statt /j-/
/e/ bei Zustandsverben); hier das Paradigma für → ktb: generell /l-/ oder (wohl daraus entstandenes) /n-/.
855 Grammatikabriss 856

Die zweiten Personen des „Kurzimperfektes“ ohne zuerst im „Imperfekt“, weshalb dort die t-Stämme be-
Präformativ sind im Regelfall identisch mit dem Im- reits mit passivischer Nuance auftreten. Das „Perfekt“
perativ; für dessen Verneinung steht das mit /ʾal/ ne- des inneren Passivs hat mitunter resultative Bedeutung.
gierte „Kurzimperfekt“. Das aktive Partizip ktb /kāteb/ Ein wurzelanlautender Sibilant geht mit dem /-t-/ der t-
wird in prädikativer Funktion spätestens seit reichsara- Stämme meist Metathese ein (mit /-tz-/ > /-zd-/). Die
mäischer Zeit als Präsens- oder Verlaufsform immer Infinitive der abgeleiteten Stämme zeigen diachrone
stärker ins Verbalsystem integriert und dient teils auch wie synchrone Variation (vgl. knapp ATTM 150).
als historisches Präsens; zusammen mit „Perfekt“ oder Verschiedene Verbklassen weisen als Folge instabiler
„Imperfekt“ von → hwī bildet es periphrastische Kon- Wurzellaute Veränderungen auf: silbenschließendes /ʾ/
jugationen zum Ausdruck von Dauer oder Verlauf in schwindet unter Ersatzdehnung, weshalb Verben IIIʾ
Vergangenheit und Zukunft. Das passive Partizip ktjb mit solchen IIIī verschmolzen sind; /n/ als erster Wur-
/katīb/ hat meist resultative Nuancen und wird oft wie zellaut wird assimiliert, ebenso /l/ bei lqḥ (→ nśī), und
ein Adjektiv verwendet. Der Infinitiv lautet ab dem der Imperativ hat dann eine zweiradikalige Basis (z.B.
Reichsaramäischen mktb /maktab/ (> /miktab/), er fun- /qaḥ/ „nimm!“). Verschiedene Verben mit anlauten-
giert zusammen mit der Präposition /la-/ meist als ver- dem /j/ längen beim „Imperfekt“ den zweiten Wurzel-
bales Komplement bei Hilfsverben; im Altaramäischen laut (/jaddaʿ/ „er weiß“) und haben ebenfalls einen
sind auch Formen ohne m-Präfix (/ktab/?) bezeugt. zweikonsonantigen Imperativ (/hab/ „gib!“), ursprüng-
Mit Ausnahme des Partizips können die Verbalformen liches anlautendes /w-/ ist im Kausativstamm erhalten.
um Suffixe zur Markierung eines pronominalen Ob- Verben mit langem zweiten Radikal längen bei For-
jektes erweitert werden. Die 1. Person des Singulars men mit Präformativen und Präfixen den ersten: /ʿallat/
hat /-nī/ „mich“ (mit Hilfsvokal /-anī/), sonst sind die „sie trat ein“, aber /taʿʿol/ „du trittst ein“ (oft degemi-
Suffixe identisch mit denen beim Nomen (s.o.), z.B. nierend tnʿl geschrieben); in itp, pa und itpa verhalten
/jahabtā-hā/ „du hast sie gegeben“. Seit dem Reichs- sie sich regelmäßig. „Hohle“ Wurzeln mit mittlerem
aramäischen haben bei der 3. Person des Plurals die Langvokal erhalten diesen im „Langimperfekt“ (doch
selbständigen Personalpronomina die entsprechenden bei der „Kurzform“ wohl gekürzt) und haben sonst den
Suffixe ersetzt. „Langimperfekt“-Formen ohne Affor- entsprechenden Vokal regelmäßiger Verben (also im
mative hängen Suffixe üblicherweise an die sonst an- „Perfekt“ /qām/, „Imperfekt“ /jaqūm/). Aktives Grund-
scheinend funktionslose „Energicus“-Endung /-an/ oh- stamm-Partizip und pa sind regelmäßig, zuweilen be-
ne Bindevokal an, wobei /-n/ in der Aussprache ver- gegnet ein „Längungsstamm“ (→ rīm). Bei vokalisch
mutlich an das /-k/ des Suffixes assimiliert wird, wie auslautenden Verben (IIIī) erhält sich /-ī/ in „Perfekt“
etwa /jaśīmákkā/ „er stellt dich“ (< /jaśīm-án-kā/). und Imperativ (> /aj/ bei Afformativen mit /i/ und >
Bei den abgeleiteten Stämmen verändert sich nur die /aw/ bei solchen mit /ū/), aber wird zu /-ǣ/ in „Imper-
Basis: beim Dopplungsstamm (Pael [pa]) für faktitive fekt“, Partizip und Grundstamm-Infinitiv. Oft begeg-
Nuancen mit Längung des mittleren Wurzelkonsonan- net ein „Perfekt“ mit /-ā/ (> /-aj-/ vor konsonantischen
ten, beim Kausativstamm (Haphel/Aphel [ha/aph], da- Afformativen, > /-āt/ in 3.fem.sg. und /-aw/ in 3.pl.).
zu s.o. 2.) mit Präfix /ha-/ (> /ʾa-/). Grund-, Dopp- Suffigierte Formen IIIī diphthongieren den Langvokal
lungs- und Kausativstamm haben je einen t-Stamm mit vor dem Bindevokal (/haḥwiján(ā)/ „er zeigte uns“).
infigiertem /-t-/ für mediopassive oder reflexive Nu-
ancen (Etpeel [itp], Etpaal [itpa] und Ettafal [ittaph]) 4. Syntax
und bis Ende des 1. Jahrtausends v.Chr. ein mit Ab- Im älteren Altaramäisch herrscht die Wortstellung
laut gebildetes „inneres Passiv“ auf der Grundlage des Verb – Subjekt – Objekt bei Verbalsätzen und Subjekt
Aktivs; danach wird dessen Funktion vom jeweiligen – Prädikat bei Nominalsätzen (oft mit Personalprono-
t-Stamm übernommen. Die Grundformen sind: men als Kopula, z.B. Dan 2,38: „du bist das Haupt aus
Gold“) vor. Änderungen der Satzstruktur, wohl zuerst
„Perf.“ „Impf.“ Partizip Infinitiv teils unter akkadischem, dann unter persischem Ein-
pe /katab/ /jaktob/ /kāteb/ /maktab/ fluss, führen aber spätestens ab dem Reichsaramäi-
itp /ʾetkateb/ /jetkateb/ /metkateb/ /ʾetkatābā/ schen zur Erosion fester Wortfolgemuster mit Ten-
pa /katteb/ /jakatteb/ /makatteb/ /kattābā/ denz zur Nachstellung des Verbs und Voranstellung
itpa /ʾetkattab/ /jetkattab/ /metkattab/ /ʾetkattābā/ des direkten Objekts, die sich auch im Biblisch-Ara-
aph /ʾakteb/ /jakteb/ /makteb/ /ʾaktābā/ mäischen beobachten lässt. Als Folge derselben Ein-
ittaph /ʾettakteb/ /jettaktab/ /mattaktab/ /ʾethaktābā/ flüsse entstehen die im späteren Aramäisch so typi-
schen proleptischen Suffixe wie brh dj PN „sein Sohn,
Bei Verben, die sowohl einen Dopplungs- als einen der des N.N.“ = „N.N.s Sohn“. Andere syntaktische
Kausativstamm ausbilden, unterscheidet sich die Be- Erscheinungen entsprechen dem nordwestsemitischen
deutung im Einzelfall. Das innere Passiv (pe: „Perf.“ Befund insgesamt: doppelte Unterordnung wird gene-
/katīb/, „Impf.“ /joktab/, Ptz. /katīb/; pa: „Perf.“ /kot- rell durch Beiordnung aufgelöst; zusammengesetzte
teb/, „Impf.“ /jakottab/, Ptz. /makattab/; aph: „Perf.“ Subjekte, Kollektivbegriffe und passive Prädikate wei-
/ʾokteb/, „Impf.“ /joktab/, Ptz. /maktab/) schwindet chen zuweilen von der regelmäßigen Kongruenz ab.

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