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(Ebook - German) Anatomie, Biologie, Physiologie - Lehrbuch Und Atlas
(Ebook - German) Anatomie, Biologie, Physiologie - Lehrbuch Und Atlas
Biologie
Anatomie
Ph y siologie
Lehrbuch und Atlas
Der Autor hat alle Anstregungen unternommen, um sicherzustellen, dass etwaige Auswahl und Dosierungsabga-
ben von Medikamenten im vorliegenden Text mit den aktuellen Vorschriften und der Praxis übereinstimmen.
Trotzdem muss der Leser im Hinblick auf den Stand der Forschung und mit Blick auf die Änderung staatlicher
Gesetzgebungen, mit dem ununterbrochenen Strom neuer Erkenntnisser bezüglich Medikamentenwirkung und
Nebenwirkungen unbedingt bei jedem Medikament den Packungsprospekt konsultieren, um mögliche Ände-
rungen im Hinblick auf Indikation und Dosis nicht zu übersehen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt
auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen-
und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen.
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Autor:
Dr. päd. Martin Trebsdorf
Illustrationsideen und Beratung:
Dipl.-Med. päd. Paul Gebhardt
Zeichnungen:
Sylvana Bardl, Halle
Mark Bitter, Hamburg
Andreas Busse, Suderburg
Steffen Faust, Berlin
Gerhard Schäfer, Bad Bevensen
Layout und Satz:
GS Werbeagentur, Bad Bevensen
Lektorat:
Karin Schanzenbach, Hamburg
ISBN 3-928537-30-X
5., überarbeitete Auflage 2000
© 2000 by Lau-Verlag GmbH, Reinbek
Tel: 040-7106374
e-mail: info@lau-verlag.de
http://www.lau-verlag.de
Vorwort 3
Das völlig neue „Gesicht“ der 4. Auflage hat sowohl bei Schülern als auch bei Lehrern großen
Anklang gefunden, nicht zuletzt weil das bewährte inhaltliche und didaktische Grundkonzept
beibehalten wurde. Das hat uns bewogen, auch die 5. Auflage weiter zu verbessern, was durch viele
neu gestaltete Zeichnungen sichtbar wird.
Bei der Arbeit mit dem Buch ist es deshalb von großer Bedeutung, stets den Text in engster
Verbindung mit den in unmittelbarer Nähe befindlichen Abbildungen und Tabellen zu studieren.
Gerade durch diese enge Nachbarschaft von Text und Bild – lesen und sogleich sehen – hebt sich die-
ses Lehrbuch unmissverständlich von allen anderen ab, zum Vorteil von Lernenden und Lehrenden.
Aufgrund dieser Tatsache war es auch möglich, einfache oder bereits bekannte Sachverhalte, wie
zum Beispiel makroskopische Strukturen, „nur“ aufzuzählen, um dadurch das umfangreiche anato-
mische und physiologische Wissen gerafft wiedergeben zu können.
Das Studieren wird durch den streng logischen Aufbau und eine übersichtliche Anordnung des Stoffes
erleichtert. In Merksätzen wird das Wichtigste immer wieder präzise zusammengefasst.
Wiederholungsfragen am Ende der Kapitel helfen, den Lerneffekt zu überprüfen. Hilfreich dabei ist
auch das umfangreiche Stichwortregister.
Darüber hinaus bietet die neugeschaffene, extra zu diesem Buch konzipiert CD-Rom die
Möglichkeit, mit Hilfe neuer Technik die Inhalte noch präziser anschaulich aufnehmen und erarbei-
ten zu können.
Maßeinheiten Merke
µs Mikrosekunde (0,000 001 s)
ms Millisekunde (0,001 s) Diese Merkesätze enthalten wichtige ergän-
µg Mikrogramm (0,000 001 g) zende oder zusammenfassende Informa-
mg Milligramm (0,001 g) tionen der vorangegangenen Inhalte.
µm Mikrometer (0,000 001 m)
nm Nanometer (0,000 000 001 m)
µl
nl
Mikroliter (0,000 001 l)
Nanoliter (0,000 000 001 l)
❑
P Die nachfolgenden Informationen stellen
Pa Pascal (0,0075 mmHg) einen Praxisbezug dar.
mmHg Millimeter Quecksilbersäule (133 Pa = 1,33 mbar)
mbar Millibar (100 Pa = 0,75 mmHg) Allgemeine Symbole
A Ampère (Stromstärke)
➞
Vorwort 3
Vv.
Venae Erläuterungen zu den Abkürzungen und Zeichen
4
3 Gewebe 59
3.1 Epithelgewebe (= Epithel) 60
3.2 Binde- und Stützgewebe 62
3.3 Muskelgewebe 68
3.4 Nervengewebe 69
3.4.1 Bau 69
3.4.2 Grundlagen der Erregungsphysiologie 71
Fragen zur Wiederholung 76
9 Kreislaufsystem 153
9.1 Aufgaben (Überblick) 153
9.2 Das Blut 153
9.2.1 Blutzellen (Blutkörperchen) 153
9.2.2 Blutplasma 156
9.3 Physiologie des Blutes 156
9.3.1 Transportfunktion 156
9.3.2 Blutstillung (Hämostase) 157
9.3.3 Fibrinolyse 158
9.3.4 Blut und Immunsystem 158
9.3.5 Unspezifische und spezifische humorale und zelluläre
Abwehrmechanismen 165
9.3.6 Verschiedene Immunreaktionen 168
9.3.7 Immunisierung 168
9.3.8 Blutgruppen des Menschen 168
9.4 Das Herz (Cor) 172
9.5 Gefäßsystem 176
9.5.1 Blutgefäßarten 176
9.5.2 Blutkreislauf 178
9.5.3 Lymphgefäßsystem 187
9.6 Physiologie des Kreislaufsystems 189
9.6.1 Erregung des Herzens 189
9.6.2 Mechanik der Herztätigkeit 191
8 Inhaltsverzeichnis
10 Wärmehaushalt 207
10.1 Körpertemperatur des Menschen 207
10.2 Wärmeproduktion und Wärmeabgabe 208
Fragen zur Wiederholung 212
11 Atmungssystem 213
11.1 Gliederung 213
11.2 Bau der Atmungsorgane 213
11.2.1 Nase (Nasus) 213
11.2.2 Rachen (Pharynx) 214
11.2.3 Kehlkopf (Larynx) 216
11.2.4 Luftröhre (Trachea) 219
11.2.5 Lungen (Pulmones) 220
11.2.6 Brustfell (Pleura) 223
11.3 Physiologie der Atmung 224
11.3.1 Atembewegungen 224
11.3.2 Gasaustausch 228
11.3.3 Atemgastransport 229
11.3.4 Regulation der Atmung 230
Fragen zur Wiederholung 232
12 Verdauungssystem 233
16 Sinnesorgane 311
17 Nervensystem 331
17.1 Gliederung 331
17.2 Rückenmark (Medulla spinalis) 332
17.2.1 Lage und Form 333
17.2.2 Innerer Bau 333
17.2.3 Rückenmarksegmente 335
17.3 Gehirn (Encephalon) 335
17.3.1 Masse, Lage, Form, Gliederung 335
17.3.2 Endhirn (Telencephalon) 335
17.3.3 Zwischenhirn (Diencephalon) 341
17.3.4 Mittelhirn (Mesencephalon) 342
17.3.5 Brücke (Pons) 343
17.3.6 Kleinhirn (Cerebellum) 343
17.3.7 Verlängertes Mark (Medulla oblongata) 344
17.3.8 Netzsubstanz (Formatio reticularis) und aufsteigendes
redikuläres aktivierendes System (ARAS) 344
17.4 Hirnkammern (Ventriculi encephali) 345
17.5 Schutzeinrichtungen des ZNS 345
17.6 Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) 346
17.7 Blutversorgung des Gehirns 348
17.8 Leitungsbahnen des ZNS 349
17.8.1 Sensible aufsteigende Leitungsbahnen 349
17.8.2 Motorische aufsteigende Leitungsbahnen 350
17.9 Peripheres Nervensystem (PNS) 352
17.9.1 Hirnnerven 353
17.9.2 Rückenmarksnerven (Nn. spinales) 357
17.10 Reflexe 361
17.11 Vegetatives Nervensystem (VNS) 364
17.12 Zusammenwirken der Koordinationssysteme VNS,
animales Nervensystem und Hormonsystem 371
17.13 Wachsein und Schlafen 372
Fragen zur Wiederholung 375
11
1.1 Inhalt und Aufgaben der Anatomie und Physiologie ist keine Diagnose
Anatomie und Physiologie (Krankheitsbestimmung) und ohne Diagnose
keine Therapie (Heilverfahren) möglich.
Die genaue Kenntnis des gesunden menschli-
chen Körpers ist eine unabdingbare Vorausset- Anatomische und physiologische Kenntnisse
zung, um pathologische (krankhafte) Verände- sind die erste Voraussetzung für alle Pflege- und
rungen festzustellen. Ohne die Kenntnisse der Gesundheitsfachberufe.
Kopf
(Caput)
Hals
(Collum)
Rumpf
(Truncus)
obere Extremität
(Membrum superius)
Bauch
(Abdomen)
Becken
(Pelvis)
untere Extremität
(Membrum inferius)
1/4
1/4
... der
gesamten
Körpergröße
1/4
1/4
Längen- als auch im Breitenwachstum. So ist im 3. Embryologie (Lehre von der Embryonalent-
1. und 5. bis 7. Lebensjahr sowie während der wicklung): Dieses Teilgebiet befasst sich mit
Pubertät ein verstärktes Längenwachstum, der Entwicklung des Menschen von der be-
dazwischen und nach der Pubertät ein erhöhtes fruchteten Eizelle bis zur Geburt.
Breitenwachstum zu beobachten.
4. Systematische Anatomie: Sie bietet eine Ein-
Im 5. bis 7. Lebensjahr verändert sich der füllige teilung nach gleichen Funktionen. Auf diese
Kleinkindtyp durch stärkeres Wachstum der Weise wird eine Vereinfachung und bessere
Gliedmaßen, Vergrößerung des Kauapparates, Übersicht des menschlichen Körpers erreicht.
Abnahme des Unterhautfettgewebes und Abfla-
chung des Rumpfquerschnittes in den typischen Das Lehrbuch orientiert sich deshalb an der
Schulkindtyp. Diese Körperformveränderungen systematischen Anatomie und behandelt fol-
werden als 1. Gestaltenwandel bezeichnet. Der gende Organsysteme:
2. Gestaltenwandel vollzieht sich während der • Haut,
Pubertät und führt zu den endgültigen Körper- • Stütz- und Bewegungssystem,
proportionen des Erwachsenen. In dieser Phase • Kreislaufsystem,
werden auch die Geschlechtsorgane funktions- • Atmungssystem,
tüchtig, und es kommt zur Ausprägung der • Verdauungssystem,
sekundären Geschlechtsmerkmale. • Harnsystem,
• Geschlechtssystem,
Die Regulation des Wachstums erfolgt durch das • Hormonsystem,
Erbgut, das Hormon- und das Nervensystem • Sinnesorgane,
sowie durch Umweltfaktoren wie Ernährung u.a. • Nervensystem.
Merke
Frontalebenen
Es gibt unendlich viele Sagittal-,
Medianebene
Frontal- und Horizontalebenen,
Sagittalebenen aber nur eine Medianebene
(Körpermittelebene).
Die Medianebene ist ebenfalls
eine Sagittalebene.
lateral
medial ventral
caudal
Richtungsbezeichnungen
Horizontal- Die Richtungsbezeichnungen die-
oder dorsal nen ebenfalls der besseren Orien-
Transversal- tierung am Körper. Die wichtigsten
ebene sind in der Tabelle „Lage- und
Richtungsbezeichnungen auf einen
cranial Blick“ verdeutlicht.
17
Grundlagen,
2 Bau- und Funktionsstoffe
Der Mensch ist ein Teil der belebten Natur. In der kleinsten lebensfähigen Struktureinheit,
Zwischen allen Lebewesen und der Umwelt be- der Zelle, vollziehen sich durch Wechselwirkung
stehen lebensnotwendige Wechselwirkungen. mit ihrer unmittelbaren Umgebung die für das
Besonders wichtig sind: Leben notwendigen Funktionsabläufe.
1. die ständige Aufnahme und Abgabe von Stof- Im Folgenden beschäftigen wir uns mit allge-
fen und Energie, sowie meinen Grundlagen der Lebensvorgänge.
2. die ständige Aufnahme und Abgabe von Infor-
mationen.
Für jedes Lebewesen sind die aus der Umwelt
aufgenommenen Stoffe körperfremd. In den
2.1 Bau- und Funktionsstoffe des
Zellen werden sie in der Regel in körpereigene menschlichen Körpers und
Stoffe umgewandelt (= Assimilation) oder un- ihre biologische Bedeutung
verändert ausgeschieden.
Alle Zellen bestehen aus organischen Stoffen
Autotrophe Assimilation (Eiweiße, Fette, Kohlenhydrate) und anorgani-
Die grünen Pflanzen sind als autotrophe Lebe- schen Stoffen (Salze, Wasser). Die physiko-
wesen in der Lage, im Prozess der Photosynthese chemischen Eigenschaften dieser Substanzen
die anorganischen energiearmen Stoffe CO2 und bestimmen ihre biologische Funktion in der Zelle.
H2O mithilfe ihres Chlorophylls und unter Nut-
zung der Lichtenergie in den energiereichen orga-
nischen Stoff Glucose (Traubenzucker) umzu- 2.1.1 Wasser
wandeln (= autotrophe Assimilation).
Die Glucose wiederum dient der Pflanze zusam- Der erwachsene Mensch besteht zu 60 % aus
men mit einigen anorganischen Stoffen, z. B. Wasser. Ohne Wasser gibt es kein Leben. Das
Stickstoff (N), Schwefel (S), Phospor (P), als Wasser ist ein polarisiertes Molekül, das als
Ausgangsstoff für die Synthese der verschiedens- Dipol auf einer Seite positiv, auf der anderen
ten Pflanzeninhaltsstoffe (z. B. Eiweiße, Fette, Molekülseite negativ geladen ist. Diese Polari-
Vitamine, Farbstoffe, Duftstoffe). sierung ermöglicht es, dass sich Wasser an ande-
re elektrisch geladene Teilchen (Ionen) anlagern
Heterotrophe Assimilation kann.
Alle Lebewesen ohne Chlorophyll, also auch der Der Vorgang der Wasseranlagerung wird als
Mensch, nehmen organische energiereiche Stoffe Hydratation bezeichnet (✑ Abb. 2.1, Seite 18).
auf, die letztendlich immer von chlorophyllhalti- Die Hydratation spielt für Wasser- und Elektro-
gen Zellen stammen, und wandeln diese in kör- lytverschiebungen in und zwischen der außerhalb
pereigene Stoffe um (Stoffwechsel). der Zellen liegenden extrazellulären Flüssigkeit
(EZF) und der in den Zellen enthaltenen intra-
Merke zellulären Flüssigkeit (IZF) eine wichtige Rolle.
Die Photosynthese ist der wichtigste Assimila- Dieser Dipolcharakter des Wassers ermöglicht es
tionsprozess auf der Erde, weil durch sie so- außerdem, dass Stoffe gelöst und mit der
wohl die stoffliche als auch die energetische Flüssigkeit im Organismus transportiert werden
Grundlage für alle heterotrophen Organismen können.
geschaffen werden. Außerdem produziert sie den Wasser kommt in Molekülverbänden vor. Auf-
gesamten molekularen Sauerstoff auf der grund seiner inneren Struktur kann es viel
Erde. Wärme aufnehmen und transportieren. Diese
Eigenschaft ist eine wichtige Voraussetzung für
die Regulation der Körpertemperatur.
Text-Grundlagen 30.05.2000 13:53 Uhr Seite 18
Zink: Bestandteil des Insulins und von Enzy- ranten. Sie sind an allen energieabhängigen
men. Stoffwechselvorgängen beteiligt. Außerdem sind
Mangan: Bindegewebs- und Skelettentwicklung, sie Bausteine für viele biologisch wichtige
Bestandteil von Enzymen. Verbindungen (✑ Tab. 2.2).
Kobalt: Zentralatom des Vitamin B12, Bildung Der eigentliche Energieträger ist die Glucose
von Blutzellen. (Traubenzucker). Im Blut gelöst wird Glucose
Iod: Bestandteil der Schilddrüsenhormone als Blutzucker zu allen Zellen transportiert.
Trijodthyronin und Thyroxin. Durch regulierende Hormone (einerseits Insulin,
Fluor: Knochen- und Zahnaufbau. zum anderen Glucagon u. a. ) wird der Glucose-
spiegel im Blut beim Gesunden zwischen 3,4
Merke und 5,5 mmol/l einreguliert (= 0,6 bis 1 g pro
In allen Körperflüssigkeiten liegen charakte- Liter bzw. als Messwert oft angegeben 60 bis
ristische Elektrolytkonzentrationen vor. Die 100 mg pro 100 ml).
dominierenden Ionen im IZR sind K+ und ❑
P Vor allem Erythrozyten und Nervenzellen
Eiweißionen, im EZR Na+ und Cl-.
sind bei der Deckung ihres Eigenbedarfes auf
Die Mineralstoffe dienen dem Körper als Bau-
Glucose angewiesen. Ein Glucoseabfall im
sowie Regelstoffe und sind Bestandteile von
Blut unter 3,4 mmol/l führt deshalb zu Ausfall-
Enzymen.
erscheinungen des zentralen Nervensystems
(ZNS). Besonders gefährlich ist das hypogly-
❑
P Veränderungen der Mineralstoffkonzen- kämische Koma.
trationen führen zu schweren Funktionsstö-
rungen. Glykogen ist die Speicherform der Kohlenhydrate
im tierischen Organismus. Gespeichert wird es in
der Muskulatur (= Muskelglykogen) und in der
Leber (= Leberglykogen). Der Muskelglykogen-
2.1.3 Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße vorrat ist relativ stabil und beträgt ca. 300 g. Die
Leberglykogenmenge wird mit ca. 100 g angege-
Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße sind energie- ben und ist sehr beweglich. Glykogen kann bei
reiche organische Stoffe. Sie werden als Bau-, Bedarf rasch in Glucose umgewandelt werden.
Betriebs- und Funktionsstoffe benötigt. Für diese Umgekehrt lässt sich Glucose sehr schnell in
Stoffe besteht ein Mindestbedarf. Glykogen umwandeln.
Merke
Kohlenhydrate
Die Kohlenhydrate, die aus den Elementen Kohlenhydrate sind Energielieferant Nummer
Kohlenstoff (C), Sauerstoff (O) und Wasserstoff eins. Die Möglichkeit der raschen Umwand-
(H) bestehen, sind die einzigen von den Zellen lung von Glucose in Glykogen und umgekehrt
ständig benötigten und genutzten Energieliefe- garantiert einen konstanten Blutzuckerspiegel.
Fette (Lipide)
Fette (bestehend aus den Atomen C, O, H) stel- G Fettsäure-Rest
len eine heterogene Stoffgruppe dar. Alle Fett- l R lipophiler
stoffe sind wasserunlöslich. Für unsere Betrach- y Anteil
tung kommen infrage: c e Fettsäure-Rest
– Triglyceride als einfache Lipide, es
r
– Phosphatide als zusammengesetzte Lipide, die o t Phoshorsäure-Rest hydrophiler
zusätzlich Phospor (P) und andere Atome ent- l (organischer,
basischer Bestandteil) Anteil
halten,
– Cholesterol (= Cholesterin) als wichtigstes
Sterin des höheren tierischen Organismus und Phosphatide gleichen dem Aufbau der Triglyce-
– Steroidhormone. ride, haben aber statt einer der drei Fettsäuren-
Reste einen Phophorsäurerest gebunden, der sich
Triglyceride sind Verbindungen (Ester) von an Wasser binden kann (hydrophiler Anteil). So
Glycerol mit drei gleichen oder verschiedenen können Stoffe, die sich nicht in Wasser lösen,
Fettsäuren (daher Triester). Dabei kann es sich durch Bindung an Phosphatide wasserlöslich,
um gesättigte Fettsäuren (FS) handeln, die vor und dadurch mit der Blutflüssigkeit transportiert
allem in tierischen Fetten vorkommen, oder um werden. Außerdem werden Phosphatide beim
ungesättigte Fettsäuren mit einer oder mehreren Aufbau von Zellwänden und anderen Bio-
Doppelbindungen, die überwiegend Bestandteil membranen benötigt.
pflanzlicher Fette sind. Ungesättigte Fettsäuren
sind ernährungsphysiologisch günstiger. Cholesterol (oft noch als Cholesterin bezeich-
net) befindet sich, wie die Phosphatide, in allen
G + FS G Fettsäure-Rest + H2O Zellen und wird ebenfalls für den Aufbau der
l l R Biomembranen benötigt. Außerdem ist es
y y Ausgangsstoff für die Steroidhormone und
c c e
e + FS e Fettsäure-Rest + H2O Gallensäuren. Cholesterol kommt in freier
s (unveresterter Form) in den Zellen und in gebun-
r r
o o t dener (veresterter Form) im Blutplasma vor.
l + FS l Fettsäure-Rest + H2O
❑
P Ein erhöhter Cholesterolspiegel im Blut
(Hypercholesterinämie) zählt neben Überge-
Einige Fettsäuren kann der Körper selbst synthe-
wicht zu den ernährungsbedingten Risiko-
tisieren, andere müssen zugeführt werden. Die
faktoren für Arteriosklerose mit den möglichen
wichtigste Fettsäure für den Menschen ist die
Folgen eines Herzinfarktes oder Schlagan-
Linolsäure. Sie ist Ausgangsstoff für die Syn-
falles.
these weiterer Fettsäuren, die bei Mangel von
Linolsäure ebenfalls essentiell werden. Mehrfach
ungesättigte Fettsäuren werden besonders für den Steroidhormone (✑ Hormonsystem, S. 295).
Aufbau von Biomembranen benötigt.
Merke
❑
P Ungesättigte Fettsäuren sind besonders in Fette leisten vielfältige und nützliche Auf-
pflanzlichen Fetten enthalten. Deshalb sind diese gaben, wie z. B.:
für die Ernährung wertvoller als tierische Fette. • Energiespeicherung
• Schutz vor Auskühlung Triglyceride
Triglyceride dienen im Organismus als • mechanischen Schutz
– langfristige Energiespeicher und Reservedepot
(Glykogen dagegen ist ein Kurzzeitspeicher); und dienen als
– Körperfett dem Schutz vor mechanischen Be-
lastungen; • Bausteine der Biomembranen Phosphatide,
– Fettschicht unter der Haut der Isolation und Cholesterol
der Temperaturregelung des Körpers.
Text-Grundlagen 30.05.2000 13:52 Uhr Seite 21
Merke
R C COOH (= saure Funktion)
Ab einer Kettenlänge von ca. 100 Aminosäu-
ren spricht man von Eiweißen (Proteinen).
NH2 (= basische Funktion)
Eiweiße sind Riesenmoleküle.
Zwitterion
Das H+ der Carboxylgruppe wandert zur Aminogruppe
R - CH - COO-
Protonenübergang
NH3+
Kation Anion
R - CH - COOH R - CH - COO-
NH3+ NH2
Bei H+-Überschuss in saurer Lösung nimmt die Bei OH--Überschuss in basischer Lösung verbindet
Carboxylgruppe ein H+ auf. Es entsteht ein Kation. sich das H+ der Aminogruppe mit dem OH- zu H2O.
Es entsteht ein Anion.
Text-Grundlagen 30.05.2000 13:52 Uhr Seite 22
Eiweiße
– Glykoproteine (Schleimstoffe)
Globuläre Gerüst- (Protein + Kohlenhydrat)
Eiweiße eiweiße – Lipoproteine
(Protein + Fett)
– Albumine – Kollagene – Nucleoproteine
– Globuline – Keratine (Protein + Nucleinsäure)
– Phosphoproteine
(Protein + Phosphorsäure)
Zellorganelle Zellen
(z. B. Mitochondrium) (z. B. glatte Muskelzellen,
Bindegewebszellen)
Ganzheit
Der Mensch
Gewebe
(z. B. Endothelgewebe
der Lungenbläschen)
Organ
(z. B. Lunge)
Organsystem
(z. B. Atmungssystem)
Organsysteme sind Funktionseinheiten, die aus Funktionseinheit mit den Kennzeichen des
mehreren Organen bestehen. Das Verdauungs- Lebens. Diese sind:
system z. B. besteht aus den Organen Mund, – Vermehrungsfähigkeit (Fortpflanzung),
Rachen, Speiseröhre, Magen und Darm. – Formwechsel (Wachstum und Entwicklung),
– Informationsaustausch (Aufnahme, Weiter-
Der menschliche Organismus besteht aus Zellen, leitung, Verarbeitung, Speicherung und Ab-
Geweben, Organen und Organsystemen. gabe von Informationen),
– Stoff- und Energiewechsel.
Beachte: Die Zellteilungen werden im Abschnitt
2.2.1 Bau und Funktion der Zelle 2.5.3 Seite 48 beschrieben.
Zellen sind im Prinzip identisch gebaut. Sie vari-
Die Zellenlehre (Zytologie) beschreibt den ieren allerdings aufgrund unterschiedlicher
grundsätzlichen Aufbau und die Leistungen der Funktionen vor allem in ihrer Gestalt und ihren
Zellen. funktionellen Bestandteilen.
Die Zelle ist die kleinste selbständige Bau- und
Text-Grundlagen 30.05.2000 13:52 Uhr Seite 24
Schweißdrüse
Blutgefäß
extrazellulärer
Raum (EZR)
Zellmembran Kapillarmembran –
hohe Durchlässigkeit für hohe Durchlässigkeit
Wasser, geringe für Ionen für Wasser und Ionen
Ribosomen – 18–20 nm
Kleinste kugelförmige Partikel, die aus ca. 40 % RNA und 60 % Proteinen bestehen, liegen entweder ein-
zeln im Plasma oder am granulären endoplasmatischen Retikulum.
Aufgabe: Eiweißsynthese.
Lysosomen – 1 µm
Vesikel (= Bläschen) meist vom endoplasmatischen Retikulum stammend, mit Verdauungsenzymen.
Aufgabe: Intrazellulärer Abbau organischer Substanzen.
Zytoskelett
Die das Zytoskelett bildenden Strukturen sind für den Erhalt der Zellform und für die Stabilität der Zellen
zuständig. Man unterscheidet:
• Mikrofilamente, die aus den fadenförmigen Eiweißen Aktin und Myosin bestehen und sich meist in
Bündeln zusammenlagern, welche dann als Fibrillen bezeichnet werden (z. B. Myofibrillen in Muskel-
zellen, Neurofibrillen in Nervenzellen, Tonofibrillen in Epithelzellen).
• Mikrotubuli sind 25 nm dicke, röhrenförmige, vorwiegend aus dem Protein Tubulin bestehende
Strukturen. Sie befinden sich z. B. in Zilien, Geißeln und Mikrovilli und bilden den Spindelapparat
während der Zellteilung.
Aufgaben: Stabilisierung von Form und Festigkeit der Zellen, Transport von Zellbestandteilen (z. B.
Chromosomen bzw. Chromatiden, Vesikel) und Widerlager bei Bewegungsabläufen.
Ribosomen Golgi-Apparat
Größere Abweichungen des inneren Milieus fachen Zahl zu haben, wurde der Logarithmus
können, insbesondere bei Säuglingen und älteren gewählt, sodass ein fallender pH-Wert eine höhe-
Menschen, lebensbedrohlich sein. re Wasserstoffionenkonzentration bedeutet.
Gründe, die zu solchen Veränderungen führen,
sind z. B.: [H+] in mol/l pH-Wert
– Wasser- und Elektrolytverluste bei extremem
Schwitzen, Durchfällen oder Erbrechen,
– zu geringe Flüssigkeitszufuhr über längere Zeit, 1,0 = 100 0
– Störungen des Elektrolythaushaltes bei Nieren- 0,1 = 10-1 1
erkrankungen, 0,01 = 10-2 2
sauer
– Eiweißmangel bei Hunger oder Leberschäden, 0,001 = 10-3 3
– Einnahme bestimmter Medikamente. 0,0001 = 10-4 4
Wichtig: Bei Verlust größerer Flüssigkeitsmen- 0,00001 = 10-5 5
gen für ausreichende Flüssigkeits- und Elektro- 0,000001 = 10-6 6
lytzufuhr sorgen! 0,0000001 = 10-7 7 neutral
0,00000001 = 10-8 8
alkalisch (basisch)
0,000000001 = 10-9 9
2.2.4 Säure-Basen-Haushalt 0,0000000001 = 10-10 10
0,00000000001 = 10-11 11
Für eine normale Stoffwechselfunktion müssen 0,000000000001 = 10-12 12
die Säure- und Basenkonzentrationen in den 0,0000000000001 = 10-13 13
Körperflüssigkeiten immer konstant gehalten 0,00000000000001 = 10-14 14
werden.
Entscheidend für das Säure-Basen-Gleichge-
wicht ist die Einstellung einer festen Wasser- Lösung pH-Wert
stoffionenkonzentration (Isohydrie) mit einem sauer > 7,0
pH-Wert von 7,37 bis 7,43 in der extrazellulären neutral = 7,0
und 7,28 bis 7,29 in der intrazellulären Flüssig- alkalisch bzw. basisch < 7,0
keit. Die Isohydrie ist notwendig, weil die En-
zyme bestimmte, oft eng begrenzte pH-Werte für Magensaft 1,5
ihre Wirksamkeit benötigen. Urin 4,7 bis 8,0
destilliertes Wasser 7,0
❑
P Schon eine geringfügige Änderung der Blut 7,37 bis 7,43
Wasserstoffionenkonzentration ist lebens- Bauchspeichel 8,0 bis 9,0
bedrohlich. Darmsaft 8,0
Ammoniak 12,0
Die Isohydrie ist permanent Störungen ausge-
setzt, weil im Stoffwechselgeschehen ständig
u. a. H+, aber auch OH- anfallen. Hauptsäure- Merke
quelle ist der Energiestoffwechsel. Hier entsteht
Der pH-Wert der intra- und extrazellulären
die flüchtige Kohlensäure. Darüber hinaus fallen
Körperflüssigkeiten liegt im schwach alkali-
nichtflüchtige Säuren an, z. B. Milch- und
schen (basischen) Bereich.
Phosphorsäure.
H2CO3 H2CO3
HCO3-
Puffersystem
HCO3- oder H+
Bicarbonat
H2CO3 H+ + HCO3-
Hämoglobin / Protein (bindet H+ und Bicarbonat Phosphat
HHb H+ + Hb- [HCO3-] unter Bildung von H2PO4- H+ + HPO42-
(bindet H+ oder gibt es ab) Kohlensäure oder
Kohlensäure zerfällt und gibt (Prozess ähnlich wie bei
es ab) Bicarbonat)
2.3.1 Passiver Transport Unter Diffusion versteht man die Wanderung von
Teilchen aufgrund ihrer Eigenbeweglichkeit vom
Diffusion Ort ihrer höheren zum Ort ihrer niedrigeren
In einem Versuch (vgl. Abb. 2.7) geben wir in Konzentration. Dieser Transportprozess verläuft
einen Glaszylinder zuerst etwas Wasser und da- relativ langsam und setzt deshalb im Organismus
nach wenige Kristalle Kaliumpermanganat oder außer dem Konzentrationsgefälle hinreichend
einige Tropfen eines wasserlöslichen Farbstoffes. große Austauschflächen und sehr kurze Wege
Was geschieht? voraus.
l. Die Farbstoffteilchen bewegen sich vom Ort
ihrer höheren zum Ort ihrer niedrigeren Kon- Vorkommen:
zentration (sichtbar). Gasaustausch
2. Die Wasserteilchen bewegen sich ebenfalls – zwischen Atemluft und Blut in der Lunge,
vom Ort ihrer höheren zum Ort ihrer niedrige- – zwischen Blut und Zellen in den Geweben.
ren Konzentration (unsichtbar).
Die Folge: Die Stoffe mischen sich allmählich. Osmose
Wie auf S. 24 beschrieben, befinden sich die
Inhaltsstoffe einer Zelle in Kompartimenten, die
rote Farbstoffteilchen durch Membranen (= dünne Häutchen) vonein-
ander getrennt sind.
Diese Membranen wirken ähnlich einem Sieb
mit einer bestimmten Porenweite: Kleine Teil-
chen, z. B. Wasser-, Sauerstoff- und Kohlen-
dioxidmoleküle, können diffundieren, größere
Teilchen, z. B. Eiweißmoleküle, nicht.
Membranen, die nicht alle Teilchen hindurchtre-
ten lassen, werden als halbdurchlässige = semi-
permeable Membranen bezeichnet.
hyperton
isoton
hypoton
Beobachtung:
Das Flüssigkeitsvolumen im inneren Gefäß
vergrößert sich allmählich. Membran
Erklärung:
Die semipermeable Membran lässt nur die Was-
serteilchen hindurch, die entsprechend ihrem
Konzentrationsgefälle von außen nach innen dif-
fundieren.
Herz-Kreislauf-System
Atmungssystem Verdauungssystem
O2
Nahrung
CO2
O2
CO2
Nährstoffe
Ausscheidung
Ausscheidung
Harnsystem Haut
Zelle
Blutkapillaren
interstitielle Flüssigkeit
Die Stoffe werden einerseits zum Aufbau und zur Energiereiche Phosphatverbindungen fungieren
Erhaltung der Körperstrukturen und andererseits als Überträger Energie verbrauchender und
als Energielieferant zur Aufrechterhaltung der Energie liefernder Prozesse.
Lebensvorgänge benötigt. Jeder Stoffwechsel Die größte Bedeutung hat das Adenosintriphos-
stellt also gleichzeitig einen Energiewechsel dar. phat (ATP). Es gehört zu den Coenzymen (✑ S.
Dieser gliedert sich in zwei sich gegenseitig 39) und besteht aus der organischen Base
bedingende Bereiche: Adenin, dem Zucker Ribose (Adenin + Ribose
– anabole (aufbauende) Stoffwechselwege = Adenosin) und drei Phosphatgruppen P (✑
(= Baustoffwechsel) – Synthese körpereigener Tab. 2.7).
Tab. 2.7 Energiereiche Phosphatverbindungen. Wird Energie freigesetzt, läuft in der Zelle fol-
gender Vorgang ab:
Adenin – Ribose –
P –
P ~
P ADP +
P + Energie ATP
Adenosin
Wird Energie benötigt, kehrt sich der Vorgang um:
energie-
reiche
Bindung ATP ADP +
P + Energie
AMP = Adenosinmonophosphat
Merke
ADP = Adenosindiphosphat
ATP ist in allen Zellen die wichtigste ener-
giereiche Phosphatverbindung und einziger
ATP = Adenosintriphosphat unmittelbarer Energielieferant.
Text-Grundlagen 30.05.2000 13:52 Uhr Seite 37
+ +
Enzym Substrat Enzym-Substrat- Enzym- Reaktions-
Komplex katalase produkte
Text-Grundlagen 30.05.2000 13:52 Uhr Seite 38
Energie
Aktivierungsenergie
ohne Enzym
mit Enzym
H2O und O2
H+ HCO3-
H2O CO2
Carbo-
anhydrase
OH-
CA
H2O + CO2 H2CO3 H+ + HCO3- oder
CA
H2O H+ + OH-; OH- + CO2 HCO3-
Lipase
Lipase
1. Experiment: Reagenzglas 1 2 3
Drei Reagenzgläser wer- Stärkelösung 2 ml 2 ml 2 ml
den nach folgendem
Amylaselösung 4 ml 4 ml 4 ml
Schema gefüllt:
Iod-Kaliumjodid-Lösung 1 Tropfen 1 Tropfen 1 Tropfen
Ergebnis:
Das Temperaturoptimum für die meisten Enzyme liegt zwischen 30 ° und 40 °C, also bei Körper-
temperatur. Temperaturerhöhung über 60 °C zerstört die Enzyme.
2. Experiment: Reagenzglas 1 2 3
Drei Reagenzgläser
werden wie folgt ge- Wasser 0,5 ml 0,5 ml 0,5 ml
füllt: Pufferlösung (pH = 4,8) 1 ml
Pufferlösung (pH = 7,0) 1 ml
Pufferlösung (pH = 8,0) 1 ml
Stärkelösung 0,5 ml 0,5 ml 0,5 ml
Jetzt wird in jedes Reagenzglas 1 ml Amylaselösung (spaltet Stärkemoleküle) gegeben und kurz
geschüttelt. Danach werden aus jedem Glas einige Tropfen in je eine Vertiefung einer Tüpfelplatte
gegeben und mit 1 Tropfen Iod-Kaliumjodid-Lösung (verfärbt sich bei Vorhandensein von Stärke
kräftig blau) auf Stärke geprüft.
Ergebnis: Unterschiedliche Färbungen lassen erkennen, dass sich im Ansatz 2 (pH 7) kaum noch
Stärke befindet, d. h., bei einem pH-Wert 7 ist der Substratumsatz optimal.
❑
P Lebererkrankungen, Herzinfarkt, perniziöse Glycerol
Anämie, akute Hämolysen und Erkrankungen ATP
der Muskulatur verändern die LDH-Konzen-
tration im Serum. LDH-Bestimmungen dienen ADP
deshalb sowohl der Diagnosestellung als auch
der Verlaufskontrolle dieser Erkrankungen. Pyruvat Glucose
Text-Grundlagen 30.05.2000 13:52 Uhr Seite 41
❑
P Fettsucht (Adipositas) und das damit ver- Aminosäure CO2 + biogenes Amin
bundene Übergewicht sind eine der häufigsten
Ursachen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen 2. Decarboxylierung
und Erkrankungen des Bewegungsapparates. Spezifische Enzyme (Decarboxylasen) spalten
von Aminosäuren CO2 ab.
Tab. 2.13 Synthese von Fettsäuren und Fetten. Dadurch entstehen die
biogenen Amine, welche
CO2 im Organismus vielfältige
Aufgaben erfüllen, z. B.
Glucose Pyruvat C2-Körper Fettsäuresynthese durch
als Bausteine von Coen-
zymen oder Vorstufen von
Verketten der C2-Körper
Hormonen.
3. Oxidative Desaminie-
im Mitochondrium im Zellplasma rung
Glycerol können Fettsäuren, Triglyceride oder Durch Aminosäure-Oxida-
Phosphatide bilden sen wird in der Leber von
Aminosäuren die NH2-
Triglycerid Phosphatid Gruppe abgespalten. Dabei
entsteht Ammoniak, der
FS FS
unter Energieverbrauch in
Glycerol FS Glycerol FS Harnstoff umgewandelt
FS Phosphat + Alkohol wird.
Text-Grundlagen 30.05.2000 13:52 Uhr Seite 42
Der Harnstoff besitzt folgende Eigenschaften, die Bei der Energiefreisetzung sind folgende bioche-
seine Ausscheidung mit dem Urin problemlos er- mische Vorgänge zu erkennen (✑ Tab. 2.15):
möglichen. Er ist ungeladen, nicht toxisch und – Pyruvat und C2-Körper sind zentrale Stoffe im
kann gut durch die Biomembranen diffundieren. Energiestoffwechsel, wobei, wie bereits gesagt,
99 % aus der Glykolyse stammen.
Merke – Alle C2-Körper werden in den Zitratzyklus
eingeschleust und weiter abgebaut, wobei
Die wenigen nicht als Baustoff oder Funk-
Wasserstoff (wird an Coenzyme gebunden)
tionsstoff benötigten Aminosäuren werden vor
und CO2 (wird abgegeben) entstehen.
allem in der Leber zur Energiefreisetzung
abgebaut.
Die Endprodukte des Aminosäureabbaus sind:
❑
P Die zentrale Stellung des Zitratzyklus im
Intermediärstoffwechsel kommt darüber hinaus
• Wasser • Kohlendioxid • Ammoniak. beim Fettsäure-, Aminosäure-, Glucosestoff-
wechsel und bei der Synthese körpereigener
❑
P Fast jede Erkrankung verursacht mehr oder Stoffe (z. B. Häm) zum Ausdruck.
weniger deutliche Veränderungen des Eiweiß-
stoffwechsels. Bei Schwerkranken und Schock- Biologische Oxidation des Wasserstoffs
patienten ist immer darauf zu achten, dass aus- Unter biologischen Bedingungen werden Was-
reichend Harnstoff ausgeschieden wird. serstoff und Sauerstoff stufenweise in ihrer
Reduktions-Oxidationsenergie angenähert, so-
Stoffwechselwege zur Energiefreisetzung dass es nicht zur Knallgasreaktion kommt. Die
(Überblick) bei der biologischen Oxidation hintereinander
Der Mensch benötigt zur Aufrechterhaltung sei- geschalteten Redoxreaktionen bezeichnet man
ner Lebensvorgänge (wie z. B. Informationsaus- als Atmungskette. Zuerst wird der Wasserstoff
tausch, Stoffsynthesen, Bewegung, gleichmäßige (enthält die Energie) ionisiert. Die dabei entste-
Körpertemperatur) ständig Energie, die durch henden energiereichen Elektronen werden so-
Abbau energiereicher Stoffe in den Zellen be- gleich über die Atmungskette, die aus Oxido-
reitgestellt werden muss. reduktasen besteht, „bergab“ transportiert. Das
Als energiereiche Stoffe kommen infrage heißt, es kommt zu einer schrittweisen Energie-
– Kohlenhydrate: 99 %. abgabe. Die freigesetzte Elektronenenergie wird
– Fette: Geringe Beteiligung, aber die sofort durch ATP-Bildung in chemische Bin-
langkettigen Fettsäuren lie- dungsenergie umgewandelt (✑ S. 36). Zum
fern bei hohem O2-Verbrauch Schluss werden die energiearmen Elektronen auf
viel Energie. molekularen Sauerstoff (O2–) übertragen. Der so
– Eiweiße: Spielen normalerweise keine ionisierte Sauerstoff verbindet sich mit den ent-
Rolle. standenen Wasserstoffionen (H+) zu Wasser.
2.5 Genetik 43
Pyruvat
C2-Körper
Zitrat-
zyklus
CO2
Energie
H2
Oxydo- 38 ADP + 38
P 38 ATP
reduk- oxidative Phosphorylierung
tasen
2e-
H2O
Bei der Fortpflanzung einer Organismenart ent- Die nur während der Zellteilungsphase sicht-
stehen immer wieder Nachkommen, die in ihren baren Chromosomen gehen aus dem Chromatin
wesentlichen Merkmalen den Eltern gleichen. hervor und nach Abschluss der Zellteilung wie-
Diese relative Konstanz der Arten wird durch die der in dieses über.
Konstanz spezifischer Eiweiße gewährleistet. Die
„Anweisungen“ für die Bildung der Eiweiße sind Merke
in der DNA gespeichert, welche sich in den Die Chromosomen stellen die „Transportform“
Chromosomen befindet. Bei der geschlechtlichen der Erbinformation während der Zellteilung
Fortpflanzung werden sie von den Eltern auf die dar. Das Chromatin ist die „Funktionsform“,
Nachkommen übertragen und bei der Zellteilung die im Stoffwechsel der Zelle wirksam wird
an die Tochterzellen weitergegeben. Man sagt, und sich verdoppelt. Struktur und Anzahl der
sie werden vererbt, und bezeichnet sie als Erb- Chromosomen sind artspezifisch.
information oder genetische Information.
Alle Merkmale eines Lebewesens sind von sei- Veränderungen der Chromosomenstruktur und
ner Erbinformation abhängig. In der DNA sind Chromosomenzahl haben meist Krankheiten
die Informationen für die einzelnen Eiweiße hin- (Erbkrankheiten, genetische Störungen, vererbte
tereinander angeordnet. Anomalien) zur Folge.
Text-Grundlagen 30.05.2000 13:52 Uhr Seite 44
G
Wir wissen, dass bei jeder Mitose die Tochterzel-
C len die vollständige Erbinformation der Mutter-
A zelle erhalten. Die Nukleinsäuren sind hierfür
Matrix T die stoffliche Grundlage. Sie besitzen die für diese
C Funktion notwendigen drei Eigenschaften:
G
T – relativ stabil zu sein,
A – zahlreiche Informationen speichern zu können,
– sich identisch zu verdoppeln.
2.5 Genetik 45
P Adenin
Stickstoffbase
Desoxyribose
P Thymin
Phosphorsäure
P Guanin
P Cytosin
Desoxyribose
Ribose
Kernmembran
Information
Kernpore
RNA
DNA
Proteinsynthese
Ribosom
Uracil
Die Speicherung der Erbinformation ist bei allen in der Zelle so anlagern, dass eine völlig gleiche
Lebewesen gleich. Kopie des Ausgangsmoleküls entsteht (komple-
mentäre Paarung der organischen Basen). Dieser
Identische Verdopplung (= Reduplikation) Vorgang wird durch Enzyme gesteuert und ver-
der DNA läuft in mehreren Phasen. Die Abbildung 2.20
Die identische Verdopplung des genetischen stellt den komplizierten Vorgang schematisch
Materials bei Zellteilungen ist die Voraussetzung dar.
für die unveränderte Weitergabe und die Erhal- 1. Mittels Enzymen werden die Wasserstoff-
tung artspezifischer Merkmale. Nur dadurch ist brückenbindungen zwischen den komplemen-
es möglich, dass bei der Zellteilung zwei völlig tären Basen gelöst. Der Doppelstrang öffnet
gleiche Zellen mit identischen Eigenschaften sich wie ein Reißverschluss. Es entstehen zwei
und gleicher Erbinformation entstehen. Ohne Einzelstränge.
den Mechanismus der identischen Reduplikation 2. An die Basen jedes Einzelstranges lagern sich
wäre kein Wachstum und kein gleichwertiger die jeweils passenden freien Nukleotide aus
Ersatz abgestorbener Zellen möglich. dem Zellstoffwechsel an und verbinden sich
Die identische Reduplikation beruht darauf, dass in der bereits bekannten Weise miteinander.
die beiden Polynukleidstränge eines DNS- Es sind zwei genetisch identische Doppel-
Moleküls aufgetrennt werden und sich dann die stränge entstanden, halb aus altem und halb
jeweils passenden Nukleotide aus dem Umfeld aus neuem Material.
Text-Grundlagen 30.05.2000 13:52 Uhr Seite 47
2.5 Genetik 47
– Anlagerung der m-RNA an ein Ribosom, Das Chromatin formt sich zu den Chromo-
– komplementäre Basenpaarung zwischen
•
somen um (✑ Abb. 2.17, S. 44), und die
m-RNA und t-RNA und Verknüpfung der Chromatiden werden sichtbar (Längsspalt).
Aminosäuren, Das Zentriol teilt sich.
– Lösen des neu gebildeten Eiweißes von der
•
t-RNA.
Zentriol
Sowohl durch äußere Einflüsse (z. B. radioaktive
Strahlen, Röntgenstrahlen, Zellgifte, Viren) als
auch durch innere Einflüsse (z. B. Erbeinflüsse)
kann die DNA verändert werden. Auf diese Weise
können Zellen entarten und beispielsweise
Krebszellen entstehen, die außerhalb der Regu-
lations- und Steuervorgänge des Organismus lie-
gen. Hieraus lässt sich das weitgehend unge-
hemmte Wachstum von bösartigen Tumoren
erklären. Chromatin Chromosomen
2.5 Genetik 49
2.5 Genetik 51
1. Reifeteilung (Reduktionsteilung)
2. Reifeteilung (Mitose)
haploide Tochterzellen haploide Geschlechtszellen
Samenzelle
(Spermium)
– haploid –
Jedes Gen hat eine spezifische Erbinforma- – zwei gleiche Buchstaben für reinerbig, zum
tion gespeichert. Die Gesamtheit der Gene Beispiel BB, bb;
eines Lebewesens werden als seine Erban- – zwei ungleiche Buchstaben für mischerbig,
lagen bezeichnet. An der Ausbildung eines zum Beispiel aB, AB, bA.
Merkmals (z. B. Augenfarbe) sind in der
Regel Genpaare beteiligt, d. h. je ein Gen vom Bei der Durchführung von Kreuzungen werden
Vater und von der Mutter. für die Kreuzungspartner die folgenden Bezeich-
Genotyp: Gesamtheit der in den Genen verschlüs- nungen benutzt:
selten Erbinformation. P = Elterngeneration (Parentalgeneration),
Phänotyp: Äußeres Erscheinungsbild eines V = Vater,
Individiums, welches sich aus allen Merk- M = Mutter,
malen zusammensetzt. Fl = 1. Tochtergeneration (l. Filialgeneration),
Reinerbig (homozygot): Für die Ausbildung F2 = 2. Tochtergeneration (2. Filialgeneration)
eines Merkmals sind zwei gleiche Gene oder usw.
Gengruppen vorhanden.
Mischerbig (heterozygot): Für die Ausbildung 1. Mendel’sche Erbregel (Uniformitätsregel)
eines Merkmals (z. B. Augenfarbe) sind zwei Kreuzt man reinerbige Individuen, die sich in
verschiedene Gene oder Gengruppen vorhan- einem oder mehreren Merkmalen unterschei-
den. Nur eine der Erbinformationen kann sich den, sind alle Fl-Bastarde gleich (= uniform).
durchsetzen, z. B. braune Augen (dominant,
s. u.) gegen die Erbanlage blaue Augen (rezes- Beispiel: Vererbung der Blutgruppen
sive Anlage, s. u.). Diese Individuen mit 2 ver-
schiedenen Anlagen für ein Erbmerkmal wer- a) Dominant-rezessiver Erbgang
den als Hybride oder Bastarde bezeichnet. AA = Blutgruppe A (Vater)
Solche gleichen oder auch unterschiedlichen oo = Blutgruppe 0 (Mutter)
Zustandsformen von Genen, die in homologen
Chromosomen den gleichen Platz einnehmen,
werden als allele Gene oder Allele bezeichnet. V A A
P: AA x oo M
Monohybrider Erbgang: Kreuzung, bei der sich
die Eltern in einem Allelpaar unterscheiden. o Ao Ao
(F1)
Dihybrider Erbgang: Kreuzung, bei der sich die
Eltern in zwei Allelpaaren unterscheiden. Keimzellen: A o o Ao Ao
Dominant: Ein Gen oder eine Gengruppe herrscht
in der Merkmalsausprägung vor.
Rezessiv: Ein Gen oder eine Gengruppe tritt in Ergebnis: Alle Nachkommen haben die dominante
der Merkmalsausprägung zurück. Blutgruppe A und sind mischerbig.
Intermediär oder kodominant: Zwei Gene oder
Gengruppen sind in der Merkmalsausprägung b) Intermediärer Erbgang
gleich stark. AA = Blutgruppe A (Vater)
Autosomaler Erbgang: Ein an die Autosomen BB = Blutgruppe B (Mutter)
(normale Chromosomen, nicht Geschlechts-
chromosomen) gebundener Erbgang.
Geschlechtsgebundener Erbgang: Ein an die Ge- V A A
schlechtschromosomen (Heterochromosomen) P: AA x BB M
gebundener Erbgang. B AB AB
(F1)
Bei der Darstellung von Erbgängen werden zur Keimzellen: A B B AB AB
Vereinfachung Buchstaben verwendet:
– ein großer Buchstabe für dominant, zum Bei-
spiel B; Ergebnis: Alle Nachkommen haben die Blutgruppe
– ein kleiner Buchstabe für rezessiv, zum Bei- AB und sind mischerbig.
spiel b;
Text-Grundlagen 30.05.2000 13:52 Uhr Seite 53
2.5 Genetik 53
a) Dominant-rezessiver Erbgang
Ao = Blutgruppe A (Vater) M V AD Ad oD od
Ao = Blutgruppe A (Mutter)
AD AADD AADd AoDD AoDd
V A o Ad AADd AAdd AoDd Aodd
P: Ao x Ao M (F2)
A AA Ao oD AoDD AoDd ooDD ooDd
(F1)
Keimzellen: A,o A,o o Ao oo od AoDd Aodd ooDd oodd
Genommutationen sind Änderungen der Chro- Ergebnis: aa (25 %) homozygot, klinisch krank;
mosomenzahl. AA (25 %) homozygot, klinisch gesund;
Beispiele: – Trisomie 21 (Chromosom Nr. 21 ist Aa (50 %) heterozygote Merkmalsträger; klinisch
3x vorhanden – Langdon-Down- gesund.
Syndrom),
– Klinefelter-Syndrom: 44 + XXY,
– Turner-Syndrom: 44 + X. Beispiel 2:
V
Ursachen:– energiereiche Strahlen, z. B. Rönt- a a
M
genstrahlen,
– Chemikalien, z. B. LSD, Nikotin, P: aa x AA A Aa Aa
Salpetersäure, bestimmte Industrie- (F1)
abgase, A Aa Aa
– Temperatur, z. B. Kälte- und Wärme- Keimzellen: a A
schocks,
Ergebnis: Aa (100 %): heterozygot, klinisch gesun-
– Viren.
de Merkmalsträger.
Merke
Beispiel 3:
Mutationen in den Keimzellen können zu Erb- V
krankheiten führen. A a
M
Mutationen in den Körperzellen hingegen
führen zu veränderten Zellverbänden und P: Aa x aa a Aa aa
damit zu Fehlbildungen des Individuums (z. B. (F1)
Krebs), werden aber nicht direkt vererbt. a Aa aa
Keimzellen: A,a a
Ergebnis: Aa (50 %): heterozygot, klinisch gesunde
Merkmalsträger; aa (50 %): homozygot, klinisch
krank.
Text-Grundlagen 30.05.2000 13:52 Uhr Seite 55
2.5 Genetik 55
Beispiel 1: Beispiel 1:
V V
a a X Y
M M
P: aa x Aa A Aa Aa P: XY x XXK X XX XY
(F1) (F1)
a aa aa Keim- XK XXK XKY
Keimzellen: a a zelle: X,Y X,XK
Ergebnis: aa (50 %): homozygot, klinisch gesund; Ergebnis: XX (25 %): homozygot, klinisch gesund;
Aa (50 %): heterozygot, klinisch krank. XXK (25 %): klinisch gesund, heterozygote Kon-
duktorin;
XY (25 %): klinisch gesund;
Beispiel 2: XKY (25 %): klinisch krank.
V A a
M
Beispiel 2:
P: Aa x Aa A AA Aa
(F1) V XK Y
M
a Aa aa
Keimzellen: A,a A,a P: XKY x XX X XXK XY
(F1)
Ergebnis: AA (25 %): homozygot, klinisch krank; Keim- X XXK XY
Aa (50 %): heterozygot, klinisch krank; zelle: XK,Y X
aa (25 %): homozygot, klinisch gesund.
Ergebnis: XY (50 %): klinisch gesund;
XXK (50 %): klinisch gesund, heterozygote Kon-
Beispiel 3: duktorin.
V A A
M
P: AA x aa a Aa Aa Beispiel 3:
(F1) V
a Aa Aa XK Y
M
Keimzellen: A a
P: XKY x XXK X XXK XY
Ergebnis: Aa (100 %): heterozygot, klinisch krank. (F1)
Keim- XK XKXK XKY
zelle: XK,Y X,XK
Geschlechtsgebundener Erbgang
Das defekte Gen liegt auf dem X-Chromosom Ergebnis: XXK (25 %): klinisch gesund, heterozy-
und wird bei Vorhandensein eines Normalgens gote Konduktorin;
(heterozygote Frauen) von diesem unterdrückt. XKXK (25 %): klinisch krank;
Das Y-Chromosom des Mannes besitzt dieses XY (25 %): klinisch gesund;
XKY (25 %): klinisch krank.
Gen nicht, sodass bei der Konstellation X-
Chromosom mit defektem Gen plus Y-Chromo-
som es sich um klinisch kranke Männer handelt.
Heterozygote Frauen werden als Konduktorin-
nen bezeichnet.
Text-Grundlagen 30.05.2000 13:52 Uhr Seite 56
❑
P Beim Menschen können auch soziale Fakto-
ren verändernd auf die Ausprägung körperli-
cher und psychischer Merkmale wirken.
❑
P Jeder Mensch besitzt andere Reaktions-
normen. Um das Gleiche im Leben zu errei-
chen, muss derjenige mit der ungünstigeren
Reaktionsnorm mehr tun.
l. Beschreiben Sie die chemischen und physikalischen Eigenschaften des Wassers und seine
Bedeutung für den menschlichen Organismus.
2. Nennen Sie die intra- und extrazellulären Elektrolytkonzentrationen, und geben Sie
wesentliche Funktionen der jeweiligen Elektrolyte an.
3. Erläutern Sie die Hauptfunktionen der Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße im menschlichen
Organismus.
4. Erklären Sie folgende Begriffe:
a) Zelle,
b) Gewebe,
c) Organ,
d) Organsystem.
5. Skizzieren Sie aus dem Gedächtnis eine menschliche Zelle und ordnen Sie den einzelnen
Bestandteilen die entsprechenden Funktionen zu.
6. Beschreiben Sie den Aufbau der Zellmembran. Welche Eigenschaften und Aufgaben hat
sie?
7. Nennen Sie Vorkommen und Funktion der Kompartimente.
8. Erstellen Sie eine Übersicht über Menge und Verteilung der Körperflüssigkeiten.
9. Was versteht man unter der Homöostase des inneren Milieus?
10. Was versteht man unter dem pH-Wert? – Nennen Sie den Normbereich des Blutes.
l l. Begründen Sie, warum schon geringfügige Abweichungen vom normalen pH-Wert lebens-
bedrohlich sind.
12. Wie erfolgt die Regulation des Säure-Basen-Haushalts? Erläutern Sie exakt die Pufferung.
13. Erläutern Sie die Notwendigkeit des Stofftransportes im menschlichen Körper.
14. Erklären Sie folgende Begriffe:
a) passiver Transport,
b) Konzentrationsgefälle,
c) Diffusion,
d) Osmose,
e) osmotischer Druck,
f) kolloidosmotischer Druck,
g) aktiver Transport,
h) Phagozytose,
i) Pinozytose,
j) Trägertransport,
k) Konvektion!
15. Überlegen Sie, was passiert, wenn rote Blutzellen
a) in eine hypotone,
b) in eine hypertone Lösung gebracht werden.
16. Erläutern Sie den Begriff Stoffwechsel und die wichtigsten Teilprozesse.
17. Was ist ATP und welche Bedeutung hat es?
18. Unterscheiden Sie Enzyme und Coenzyme.
19. Beschreiben Sie den Ablauf einer Enzymreaktion.
Welche Bedeutung haben Enzyme im Stoffwechsel?
20. Erklären Sie die Begriffe Glykolyse und Glukoneogenese.
21. Nennen und erläutern Sie die drei grundlegenden Schritte der Energiefreisetzung.
22. Worin liegt die besondere Bedeutung der biologischen Wasserstoffoxidation?
Text-Grundlagen 30.05.2000 13:52 Uhr Seite 58
59
3 Gewebe
Gewebe sind Verbände von Zellen mit annä- geformte Interzellularsubstanzen (= Fasern)
hernd gleichem Bau und gleicher Funktion ein- Die Fasern ermöglichen als wichtiger Bestandteil
schließlich der von ihnen abgegebenen Inter- des Körpers den Zusammenhalt und die Festig-
zellularsubstanz. keit der Organe.
Kollagenfasern
(Sehne)
Retikulozyten 1)
retikuläre Fasern Knorpelzellen
Blutzellen elastische Fasern
1) netzförmig angeordnete Zellen in den lymphatischen Organen
60 3 Gewebe
Epithelgewebe
einschichtig mehrschichtig
Basalmembran
3.1 Epithelgewebe 61
Plattenepithel
(mehrschichtig,
unverhornt)
Plattenepithel (einschichtig)
Becherzellen
Plattenepithel
(mehrschichtig, verhornt)
Zylinderepithel Flimmerepithel
(einschichtig) (mehrreihig)
Tastkörperchen Hörsinnes-
zellen
Licht-
sinneszellen
Sinnesepithelien
62 3 Gewebe
Epithelgewebe sind fast ohne Interzellularsub- b) Nach der Zahl der Zellenlagen
stanz. – Einschichtige Epithelien (die ein- oder mehr-
reihig sein können)
Deckepithel (= Schutzepithel) 1.) Einschichtiges einreihiges Plattenepithel
Das Deckepithel bedeckt als flächiger, in sich • als Auskleidung der Blutgefäße und Lun-
geschlossener Zellverband die Körperober- genbläschen (hier heißt es Endothel),
fläche und kleidet die Hohlorgane (z. B. Verdau- • als Epithel der serösen Häute (hier heißt
ungstrakt, Harnwege) aus. Es ruht mit einer es Mesothel).
Grenzmembran (= Basalmembran) auf dem dar- 2.) Einschichtiges einreihiges kubisches Epithel
unter liegenden Bindegewebe. Entsprechend den • als Auskleidung der kleinen Bronchien.
Funktionen weisen die Deckepithelien verschie- 3.) Einschichtiges einreihiges Zylinderepithel
dene Merkmale auf. Man unterscheidet: • als Auskleidung des Magens und Darmes.
a) Nach der Zellform 4.) Einschichtiges mehrreihiges Flimmerepithel
– Plattenepithel mit abgeflachten Zellen, • als Auskleidung der Atemwege. Nicht
– isoprismatisches (kubisches) Epithel mit an- alle Zellen erreichen durch unterschiedli-
nähernd würfelförmigen Zellen, che Größe die Oberfläche, aber alle Zellen
– hochprismatisches Epithel (Zylinderepithel) sind mit der Basalmembran verbunden.
mit hohen Zellen, Da die Zellkerne in verschiedenen Ebenen
– Flimmerepithel: Bewegliche Plasmastrukturen liegen, wird von Mehrreihigkeit gespro-
in der Schleimhaut der Atemwege sowie Eileiter chen.
dienen dem Transport von Staub bzw. Eizelle. 5.) Einschichtiges mehrreihiges Übergangs-
Die freie Oberfläche der Zellen kann verschiede- epithel (Urothel)
ne Bildungen tragen. • kleidet überwiegend die harnableitenden
Beispiel: Bürstensaum; feinste Fäserchen (= Mi- Wege aus. Bedingt durch unterschiedliche
krovilli) der Dünndarmepithelzellen, die an der Druck- und Dehnungszustände ist die
Zelloberfläche entspringen und der Oberflächen- Anzahl der Zellschichten verschieden.
vergrößerung und damit der besseren Stoffauf- – Mehrschichtige Epithelien
nahme dienen. 1.) Mehrschichtiges Plattenepithel:
• unverhornt als Auskleidung von Mund-
höhle, Speiseröhre, Scheide und Bede-
ckung der Lippen,
• verhornt als Bedeckung der Körperober-
tubulär fläche (= Epidermis).
2.) Mehrschichtiges Zylinderepithel als Aus-
kleidung der männlichen Harnröhre.
64 3 Gewebe
Merke
Das Bindegewebe zeigt in seiner Ausbildung
eine große Mannigfaltigkeit und übt im Orga-
nismus vielfältige Funktionen aus. Grund-
substanz
Knorpelgewebe, Knorpel
Das Knorpelgewebe geht aus dem Mesenchym
hervor. Es bildet auch beim Menschen zunächst
das Knorpelskelett, welches sich durch den Pro-
Grund-
zess der Knochenbildung in das Knochenskelett substanz
umwandelt. Der Knorpel besteht aus den Knorpel-
zellen (Chondrozyten), die von einer gallertartigen elastische Fasern
Grundsubstanz mit eingekitteten Kollagenfasern
umgeben werden. Die Knorpelzellen liegen in Ein-
oder Mehrzahl in den Knorpelhöhlen (= Ausspa- Faserknorpel Knorpelzelle
rungen der Interzellularsubstanz). Die Wand der
Knorpelhöhlen heißt Knorpelkapsel. Mit Aus-
nahme der Gelenkknorpel werden alle übrigen von
einer Knorpelhaut (Perichondrium) überzogen,
von der aus die Versorgung des Knorpels erfolgt.
Eigenschaften
• hohe Druckelastizität, • geringe Zugfestigkeit. Grund-
Beim Menschen tritt der Knorpel in 3 Formen auf: substanz
1. Hyaliner Knorpel
kollagene Fasern
Die Interzellularsubstanz wird etwa zur Hälfte
von amorpher Grundsubstanz und kollagenen
Knorpelarten. Abb. 3.5
Fibrillen (kleinste Fäserchen) gebildet. Der
Text-Gewebe 30.05.2000 13:57 Uhr Seite 65
Knochenzellen Interzellularsubstanz
Der anorganische Bestandteil beträgt 50 % und der organische 25 %. Der Rest ist Wasser. Die
Knochenzellen liegen in Knochenhöhlen. Untereinander sind sie durch Plasmaausläufer
innerhalb feiner Knochenkanälchen verbunden.
Text-Gewebe 30.05.2000 13:57 Uhr Seite 66
66 3 Gewebe
Knochenzellen
(Osteozyten)
Interzellularsubstanz
Kollagenfasern
Havers-System
(Osteon)
Knochenbälkchen
(Substantia spongiosa)
Blutgefäße
Havers’scher Knochenhaut
(Periost)
Kanal mit
Bindegewebe,
Blutgefäßen, äußere Lamellen
Nerven und
freien Zellen
Volkmann-Kanal
mit Blutgefäßen
Gelenkknorpel
endochondraler
Knochenkern Epiphyse
Hyaliner
Knorpel
Markhöhle
Diaphyse
Knochen-
manschette
einwachsende
Gefäße
Epiphyse
Metaphyse oder
Epiphysenfuge
Inneren entsteht ein sog. Knochenkern, der durch Mesenchym Knorpel Geflechtknochen
allmählichen Abbau des Knorpelgewebes größer Lamellenknochen
wird. Am Ende ist das Knorpelgewebe bis auf
den Gelenkknorpel und die Epiphysenfugen voll- 2. Desmale Ossifikation
ständig in Knochengewebe umgebaut. Unter desmaler Ossifikation versteht man die
Die Ossifikation der einzelnen Knochen ge- Bildung von Knochengewebe direkt aus dem
schieht zeitlich verschoben. So sind zum Zeit- Mesenchym.
punkt der Geburt lediglich Rippen, Schädel- Beispiele: Schädeldach, Schlüsselbein.
knochen, Wirbelkörper, Hüftbeine und Diaphy- Mesenchym Knochen
sen der Röhrenknochen verknöchert. In den
übrigen Knochen sind entweder Knochenkerne Aufbau des Lamellenknochens (✑ Abb. 3.7)
(z. B. Epiphysen der Röhrenknochen, Fersen- Diese Knochenart ist durch ein lamelläres Ord-
bein) vorhanden oder sie bilden sich zu einem nungsprinzip der Interzellularsubstanz charakte-
späteren Zeitpunkt in einer ganz bestimmten risiert. Die 5 – 10 µm dicken plattenförmigen
Reihenfolge. Knochenlamellen werden aus parallel zueinan-
der verlaufenden kollagenen Fibrillen und
Merke Kittsubstanz gebildet. Zwischen den Lamellen
Mit dem Längenwachstum der Knochen liegen die pflaumenkernförmigen Knochenzell-
(✑ S. 90) bildet sich der Geflechtknochen in höhlen, welche die Knochenzellen (Osteozyten)
den Lamellenknochen um. enthalten.
Text-Gewebe 30.05.2000 13:57 Uhr Seite 68
68 3 Gewebe
Die Knochenzellhöhlen sind durch enge Kno- Bruchspalt eine „Knochenmanschette“ legen
chenkanälchen untereinander verbunden, in (= knöcherner Kallus).
denen sich die Ausläufer der Osteozyten befin- – Jetzt, nach Fixierung der Bruchstücke, ver-
den. knöchert das Bindegewebe im Spalt.
– Zum Schluss des Heilungsprozesses wird die
Osteone (= Havers-System) Knochenmanschette abgebaut.
Durch die konzentrische Anordnung der Kno-
chenlamellen entstehen dünne mehrere Zenti-
meter lange Zylinder, die Osteone.
Wie in Abb. 3.7 zu erkennen, verlaufen die
Lamellen um eine Aussparung, die als Haver’- 3.3 Muskelgewebe
scher-Kanal bezeichnet wird. Er enthält die ver-
sorgenden Blutgefäße und Nerven. Senkrecht zu Das Muskelgewebe besitzt im besonderen Maße
den Haver’schen Kanälen verlaufen die Volk- die Fähigkeit zur Kontraktion, wodurch die Be-
mann-Kanäle, in denen die Arterien, Venen und wegung der Körperteile ermöglicht wird. Verant-
Nerven von der Knochenhaut (✑ S. 89) kom- wortlich für die Kontraktilität sind die Myofibril-
mend in das Zentrum der Osteone gelangen. len. Das sind feinste Fäserchen, bestehend aus
den kontraktilen Eiweißen Aktin und Myosin.
❑
P Bei der Frakturheilung legt der Organismus Zwischen den Myofibrillen befindet sich ein
um den Bruchspalt einen stützenden Verband Netz feinster Kanälchen (= Tubuli).
in folgender Art und Weise an: Nach morphologischen und funktionellen Ge-
– Zunächst wächst vor allem vom Periost ge- sichtspunkten gliedert man das Muskelgewebe
fäßreiches Bindegewebe in und um den in drei Muskelgewebearten:
Bruchspalt (= bindegewebiger Kallus). 1. glattes Muskelgewebe,
– Im Bindegewebe entstehen knochenbildende 2. quer gestreiftes Muskelgewebe,
Zellen (= Osteoblasten), welche um den 3. Herzmuskelgewebe.
balkenförmige
Herzmuskelzelle
mit zentral
liegendem
Zellkern
lockeres
Bindegewebe
Glanzstreifen
3.4 Nervengewebe 69
70 3 Gewebe
Merke
Nissl-Schollen Dendriten Neurone leiten Erregungen schnell
über weite Strecken weiter.
Neurolemm
Neuron
Das Neuron setzt sich zusammen aus
dem Zellkörper (Perikaryon), dem
Stoffwechselzentrum und den von ihm
ausgehenden Fortsätzen (Dendriten,
Neuriten). Die meisten Neurone des
Zellkern Menschen sind multipolar, d. h., sie
besitzen mehrere Dendriten (baumartig
verzweigt) und einen längeren Neurit
(= Axon). Das Axon zweigt sich am
Ende zum Endbäumchen (Telodendron)
Axoplasma mit Zellkörper auf. Die Enden verdicken sich keulen-
Neurofibrillen (Perikaryon, Soma) förmig (= Endknopf).
Neurone sind funktionell bipolar, d. h.,
Nervenfaser Ursprungskegel man unterscheidet einen Rezeptorpol zur
(Axon, Neurit)
Informationsaufnahme und -weiterlei-
tung in das Perikaryon und einen
Effektorpol zur Informationsabgabe über
Ranvier’scher das Axon.
Schnürring Neurone besitzen ein stark ausgeprägtes
granuläres endoplasmatisches Retiku-
lum, welches als Nissl-Schollen oder
Axolemm Tigroidsubstanz bezeichnet wird, und
zahlreiche Mitochondrien und Lysoso-
men im Perikaryon. Außerdem enthält
das Perikaryon eine größere Anzahl von
Neurofibrillen, die sich in das Axon
fortsetzen. Sie dienen dem Transport von
Vesikeln und Mitochondrien in die synap-
tischen Endknöpfe.
3.4 Nervengewebe 71
Merke
Nach der Menge des Myelins (= Mark) unter-
scheidet man markhaltige (myelinreiche) und
marklose (myelinarme) Nervenfasern. Endo-
neurium
Epineurium (lockeres Binde-
Einteilung der Nervenfasern nach ihren funk- (lockeres gewebe um die
tionellen Eigenschaften: Bindegewebe, das Perineurium Nervenfasern,
den Nerven umhüllt (straffes Binde- mit Blut- und
• Afferente (= sensible, aufsteigende) Nerven- und seine Verbin- gewebe um die Lymph-
fasern leiten die Information von der Periphe- dung zur Um- Nervenfaserbündel) kapillaren)
gebung herstellt)
rie zum ZNS.
• Efferente (= motorische, absteigende) Nerven- Peripherer Nerv (Querschnitt). Abb. 3.11
fasern leiten die Informationen vom ZNS zur
Peripherie.
Merke
Faszikel und periphere Nerven
Die Nervenfasern sind zu Nervenfaserbündeln Die wesentlichen Aufgaben der Neuroglia
zusammengefasst. Im Gehirn und Rückenmark sind:
werden diese als Faszikel bezeichnet, außerhalb – Stützfunktion,
bilden sie die peripheren Nerven (✑ Abb. 3.11). – Isolationsfunktion,
Die peripheren Nerven sind überwiegend – Beeinflussung des Nervenzellstoffwechsels.
gemischte Nerven, weil sie afferente und effe-
rente Fasern enthalten.
❑
P Gliazellen füllen Defekte in der Hirnsubstanz
Neuroglia (Glia) aus. Es entstehen die sog. Glianarben.
Außer den Neuronen befinden sich sowohl im
ZNS als auch im PNS noch die Gliazellen, die in
ihrer Gesamtheit als Neuroglia bezeichnet wer- 3.4.2 Grundlagen der
den. Je nach Funktion unterscheidet man ver- Erregungsphysiologie
schiedene Gliazelltypen.
Zentrale Glia: Das Nervengewebe sichert den Informationsaus-
– Astrozyten. Dies sind verzweigte Zellen, die tausch, der in fünf Schritten dargestellt werden
die Neurone mit den Blutgefäßen verbinden kann:
und den Stoffaustausch ermöglichen. Sie bil- 1. Informationsaufnahme durch Sinneszellen
den den Hauptanteil der Neuroglia. (= Rezeptoren),
– Oligodendrozyten. Diese sind weniger ver- 2. Informationsleitung durch afferente Nerven-
zweigt und bilden die Markscheiden im ZNS. fasern zum Zentralnervensystem,
– Ependymzellen. Sie kleiden Hirnventrikel und 3. Informationsverarbeitung und Speicherung
Zentralkanal des Rückenmarks aus. im Zentralnervensystem,
Periphere Glia: 4. Informationsleitung durch efferente Nerven-
– Schwann-Zellen. Sie umhüllen die peripheren fasern zum Muskel bzw. zur Drüse (= Effek-
Neuriten. toren),
– Mantelzellen. Sie umgeben die in den Gan- 5. Informationsabgabe an die Umwelt durch
glien liegenden Perikaryen. Muskelleistung und Drüsensekrete.
Text-Gewebe 30.05.2000 13:56 Uhr Seite 72
72 3 Gewebe
extrazellulär
K+ K+ 4 mmol/l Na+
Na + 140 mmol/l
Natrium-Kalium-Pumpe
intrazellulär
K+ K+ 160 mmol/l Na+
Na+ 10 mmol/l
Grundlage für den Informationsaustausch ist die • ein aktives Transportsystem (= Natrium-Kali-
Erregung der Nervenzellen. Im Folgenden wer- um- Pumpe) sorgt dafür, dass es nicht zum
den beschrieben: die Erregungsbildung, die Er- Konzentrations- und damit auch Ladungsaus-
regungsleitung und die Erregungsübertragung. gleich kommt.
3.4 Nervengewebe 73
(mV)
40
20 (1+5) Ruhepotential
3 (2) Depolarisation
0 (3) Ladungsumkehr
4 (4) Repolarisation
- 20
- 40
2
- 60 Schwellenpotential
1 5
- 80 Ruhepotential
(ms)
1 2 3 4
Reiz
Na+
+ + - - + +
- - + + - -
K+ K+
Es ist zu erkennen, dass bei Reizung das Je nach Reizstärke wird die Membran mehr oder
Ruhepotential (1) sehr schnell zusammenbricht. weniger depolarisiert.
Die Membran wird depolarisiert (2). Für kurze
Zeit findet sogar eine Ladungsumkehr bis ca. Voraussetzung für die Entstehung eines Aktions-
+30 mV statt (Membran innen positiv, außen potentials ist eine Mindestreizstärke, welche die
negativ; 3). Anschließend wird die Membran Membran auf ca. –60 mV depolarisiert. Bei die-
wieder repolarisiert (4), d. h., das Ruhepotential sem Wert erhöht sich aufgrund der Ladungsän-
wird wieder hergestellt (5). Der gesamte derung die Permeabilität der Membran für Na+
Vorgang dauert nur wenige Millisekunden (ms). auf das 500fache.
Folge:
Den Verlauf der Spannungsänderung von der Rascher Na+-Einstrom mit weiterer Depolarisa-
Depolarisation bis zur Wiederherstellung des tion und anschließender Ladungsumkehr.
Ruhepotentials nennt man Aktionspotential. Er
ist Ausdruck einer Erregung. Das durch die Mindestreizstärke ausgelöste
Potential als Voraussetzung für das Aktions-
Beachtet man die Faktoren, die das Ruhepoten- potential heißt Schwellenpotential.
tial bedingen, so kann man feststellen: Reize, die die Membran bis zum Schwellenwert
depolarisieren, also die Reizschwelle der Zelle
Reize verändern die Membranpermeabilität. Als erreichen, nennt man überschwellige Reize.
Folge kommt es zu einer Veränderung der Reize, die die Membran nicht bis zum Schwel-
Ionenverteilung. lenwert depolarisieren und somit kein Aktions-
potential auslösen, bezeichnet man als unter-
Text-Gewebe 30.05.2000 13:56 Uhr Seite 74
74 3 Gewebe
schwellige Reize. Die Permeabilitätsänderung für erreicht ist, bleibt bei weiterer Verstärkung des
Na+ hält nur kurzfristig an. Dagegen wird die Reizes die Amplitude der Aktionspotentiale
Membranpermeabilität für K+ verbessert. trotzdem unverändert.
Folge: Wie ist es aber möglich, dennoch unterschiedli-
Verstärkter K+-Ausstrom, dadurch Repolarisa- che Reizstärken, z. B. unterschiedliche Druck-
tion, d. h., Ruhespannung wird wieder erreicht. einwirkung, wahrzunehmen?
Im Anschluss daran sorgt die Natrium-Kalium-
Pumpe dafür, dass wieder die alten Konzentra- Die Reizstärke wird durch die Frequenz der
tionsverhältnisse (wie vor der Erregung) herge- Aktionspotentiale verschlüsselt. Je stärker der
stellt werden. Bemerkenswert ist, dass trotz der Reiz, desto mehr Aktionspotentiale werden in
großen Permeabilitätsänderungen an der erreg- der Zeiteinheit ausgelöst.
ten Stelle der Membran die Ionenkonzentratio-
nen im intra- und extrazellulären Raum kaum Erregungsleitung
verändert werden. Die Erregungsleitung besteht in der Fortleitung
der Aktionspotentiale entlang der Neuriten-
Alles-oder-Nichts-Gesetz
membran bis an die Synapsen. Wie ist das zu er-
Die Tatsache, dass bei unterschwelligen Reizen
klären?
keine Erregung, bei überschwelligen aber immer
Ein ausgelöstes Aktionspotential hat zur Folge,
eine Erregung in vollem Umfang erfolgt, be-
dass zwischen benachbarten Membranabschnit-
zeichnet man als „Alles-oder-Nichts-Gesetz“.
ten ein Ladungsunterschied entsteht. Dieser
Das bedeutet, nachdem das Schwellenpotential
führt zu einem Ladungsausgleich (= Ausgleichs-
strom) längs der Faser (innen und
außen). Der Ladungsausgleich aus
AP
der Nachbarschaft bedeutet dort
die Bildung eines neuen Aktions-
potentials usw. Bei markscheiden-
haltigen Neuriten erfolgt die
Erregungsleitung saltatorisch
(sprunghaft) von Schnürring zu
Schnürring.
Ausgleichsstrom
AP Bei markscheidenlosen Neuriten
erfolgt die Erregungsleitung kon-
tinuierlich, weil polarisierte, de-
und repolarisierte Membranab-
schnitte viel dichter beieinander
liegen. Das hat Konsequenzen für
die Erregungsleitungsgeschwin-
Ausgleichsstrom digkeit und den Energieverbrauch.
Bei der saltatorischen Erregungs-
AP leitung „springt“ das Aktions-
potential von Schnürring zu
Schnürring.
Folgen:
• Erhöhung der Leitungsgeschwin-
digkeit (zirka 100 ms gegenüber
1 ms bei kontinuierlicher Leitung).
• Geringerer Energieverbrauch,
da Natrium-Kalium-Pumpe nur
Saltatorische Erregungsleitung an den Schnürringen tätig ist.
Abb. 3.14 (AP = Aktionspotential).
Text-Gewebe 30.05.2000 13:56 Uhr Seite 75
3.4 Nervengewebe 75
Axon
Neurotubili
elektrische
präsynaptische Weiterleitung
Bläschen (Vesikel)
mit Neurotransmitter
Mitochondrien
präsynaptische
Membran
synaptischer Spalt
chemische
Übertragung
(Neurotransmitter)
postsynaptische
Membran mit
Membranrezeptoren
elektrische
Weiterleitung
❑
P Die Repolarisierung benötigt viel Energie, Folge:
Es kann ein Aktionspotential in der anderen
daher ist eine gute Durchblutung des Nerven-
systems notwendig. Sauerstoffmangel, niedri- Zelle ausgelöst werden.
ge Temperaturen und Narkotika lähmen die
Tätigkeit des Nervensystems. Es gibt erregende und hemmende Transmitter
und damit erregende und hemmende Synapsen.
An einem Neuron können bis über tausend
Erregungsübertragung in der Synapse
Synapsen liegen.
Unter Erregungsübertragung (= Informations-
übertragung) versteht man die Übertragung einer
Erregung von einem Neuron auf ein anderes
❑
P Es gibt zahlreiche chemische Substanzen, die
die Wirkung der natürlichen Transmitter nach-
Neuron, auf eine Muskelzelle bzw. -faser und
ahmen (imitieren) oder hemmen. Sie sind Be-
auf eine Drüse.
standteil vieler Medikamente (z. B. Atropin,
Propranolol).
Die Erregungsübertragung erfolgt an besonderen
Kontaktstellen, den Synapsen.
Die Bildung von Aktionspotentialen in einem
Funktion der Synapse Neuron setzt voraus, dass eine bestimmte
Im präsynaptischen Endknöpfchen treffen Akti- Mindestzahl von erregenden Synapsen gegen-
onspotentiale ein und bewirken dort die Frei- über den hemmenden vorherrscht. Das
setzung eines bestimmten Quantums Transmitter Verhältnis von erregenden und hemmenden
(= chemischer Überträgerstoff). Der Überträger- Synapsenpotentialen bestimmt also, ob eine
Information weitergeleitet (= gebahnt) oder
stoff diffundiert über den synaptischen Spalt in
gehemmt wird. Synapsen wirken demnach wie
die postsynaptische Membran (= Membran der Ventile.
benachbarten Zelle) und verändert dort die
Durchlässigkeit für positive Ionen.
Text-Gewebe 30.05.2000 13:56 Uhr Seite 76
76 3 Gewebe
Häute sind flächenhafte Gewebsstrukturen, die 4.1.1 Schichten der äußeren Haut
aus einem Deckepithel und einer darunter lie-
genden Bindegewebsschicht bestehen. Die äußere Haut besteht aus:
Besprochen werden in diesem Kapitel • Oberhaut (Epidermis) – außen mehrschich-
– die äußere Haut, die den Organismus gegen die tiges verhorntes Plattenepithel.
Umwelt abgrenzt und im weitesten Sinne • Lederhaut (Corium) – vor allem straffes
Schutzaufgaben erfüllt, Bindegewebe.
– die Schleimhaut als innere Auskleidung vieler Oberhaut und Lederhaut bilden die eigent-
Hohlorgane mit wichtigen Schutz- und Trans- liche Haut, die als Cutis bezeichnet wird.
portaufgaben, • Unterhaut (Subcutis) – Verschiebeschicht
– die seröse Haut, deren Hauptaufgabe darin aus lockerem Bindegewebe zwischen Cutis
besteht, die Verschiebbarkeit der inneren Organe und Muskelfascien bzw. Periost (Knochen-
zu gewährleisten und haut) der Knochen.
– Drüsen, die Sekrete oder Hormone mit vielfäl-
tigen Funktionen im Körper produzieren. Oberhaut (Epidermis)
Die Oberhaut ist ein mehrschichtiges verhorntes
Plattenepithel, welches sich in 2 Hauptschichten
4.1 Äußere Haut gliedert.
1. Keimschicht (Stratum germinativum), beste-
Äußere Haut und Schleimhaut bilden die Grenz- hend aus Basalzellschicht (Stratum basale),
schicht zwischen Organismus und Umwelt. Die Stachelzellschicht (Stratum spinosum), Körner-
äußere Haut ist die Körperbedeckung des zellschicht (Stratum granulosum) und helle
Menschen. Sie ist beim Erwachsenen durch- Schicht (Stratum lucidum).
schnittlich 2 bis 3 mm dick, hat eine Masse von 2. Hornschicht (Stratum corneum).
ca. 4 kg und eine Fläche von 1,5 bis 2 m2.
Die Dicke der Oberhaut schwankt in Abhängig-
Merke keit von der mechanischen Beanspruchung. Je
größer die Beanspruchung, desto dicker ist sie
Die wichtigsten Funktionen der äußeren Haut
(Fußsohle 1 – 2 mm, Hohlhand 1 mm).
sind:
Hautstellen, die sehr stark beansprucht werden,
• Schutz vor physikalischen und chemischen
bilden Schwielen. Besonders dünn ist die
Einwirkungen,
Epidermis an den Augenlidern. Die unterschied-
• Vermittlung von Sinneseindrücken,
liche Dicke ist vor allem durch die Hornschicht
• Wärmeregulation.
bedingt.
❑
P Da die äußere Haut wie kein anderes Organ ❑
P Zu viel Horn kann Krankheitswert bekom-
Oberhaut
(Epidermis)
Hornschicht
Cutis Keimschicht
Lederhaut-
papillen
Lederhaut
(Corium)
Fettgewebe
Blutgefäße
Unterhaut
(Subcutis) Faszie
Muskel
Hautfarbe
Die Hautfarbe des Menschen wird Hornhaut-
bestimmt vom Pigmentgehalt, der schuppen
Farbe des Blutes (abhängig vom O2-
Gehalt) und vom Grad der Durch-
blutung. Die Hautpigmentierung ist
nicht an allen Stellen gleich. Besonders Hornschicht
stark pigmentiert ist die Haut der (Stratum corneum)
Geschlechtsorgane, des Afters und der
Warzenvorhöfe.
❑
P Individuen, die wegen eines
Hornbildungs-
schicht
Gendefekts kein Melanin synthetisie- (Stratum
granulosum)
ren können, heißen Albinos; sie sind
blasshäutig, haben eine rötliche Iris
und sind durch Sonnenstrahlung sehr Keimschicht
gefährdet. (Stratum
germinativum)
Lederhaut (Corium, Dermis)
Die Lederhaut ist der gebindewebige Basalmembran
Anteil der Haut und enthält demnach
alle typischen Bestandteile des Binde-
gewebes (✑ S. 62 ff.). Zellen werden durch ständige Zellteilung an die Ober-
fläche verlagert und als Hornschuppen abgestoßen.
Dominierend sind die wellenartig
angeordneten miteinander verflochte-
nen Kollagenfasern mit eingelagerten Oberhaut (Epidermis). Abb. 4.2
elastischen Fasernetzen. Letztere sollen
erstere vor Überdehnung schützen.
Die Fasern besitzen außerdem eine gute Quell- Oberhaut vergrößert, sodass diese mehr Halt
fähigkeit, was das große Wasserbindungsver- bekommt. Die Papillaren bestehen aus zellrei-
mögen der Lederhaut erklärt. Auch die Grund- chem feinfasrigem Bindegewebe. Die Fasern bil-
substanz enthält relativ viel Wasser. Durch diese den ein dichtes Geflecht. Eingebettet in das
Wasserspeicherung entsteht im Gewebe eine Gewebe ist entweder eine Kapillarschlinge oder
Spannung, die als Hauttugor bezeichnet wird. Er ein Meissner’sches Tastkörperchen. Die Netz-
lässt mit zunehmendem Alter nach, weil das schicht wird aus dickeren Fasern gebildet, wel-
Wasserbindungsvermögen abnimmt. che dementsprechend auch gröbere und zugfeste
Geflechte bilden.
Merke
Leisten- und Felderhaut
Durch die Kombination von Kollagenen und In der Epidermis der Handflächen und Fuß-
elastischen Fasern enthält die äußere Haut sohlen spiegelt sich die Beziehung der in Reihen
große Zugfestigkeit und Elastizität. oder „Leisten“ angeordneten Lederhautpapillen
deutlich wider und bildet die Grundlage für das
Die Lederhaut besteht aus 2 Schichten: Muster der nur hier vorkommenden Leistenhaut.
– der Papillarschicht (Stratum papillare) und
– der darunter liegenden Netz- oder Geflecht- ❑
P Die Leistenmuster sind genetisch festgelegt
schicht (Stratum reticulare). (Beispiel: Fingerabdruck in der Kriminalistik).
Beide Schichten gehen ohne scharfe Grenze
ineinander über. Die Papillarschicht ist mit der Die Leistenhaut ist nicht behaart und sehr fest an
Basalmembran des Epithels durch die Binde- der Hohlhand- bzw. Fußsohlensehnenplatte ver-
gewebspapillaren (= Lederhautpapillaren) ver- ankert, eine wichtige Voraussetzung für sicheren
zahnt. Dadurch wird die Kontaktfläche zur Griff und Stand. Sie enthält Schweiß-, aber keine
80 4 Häute und Drüsen
❑
P Die Hornschicht kann sich bei Überbeanspruchung von der
Keimschicht lösen, es bildet sich eine Blase.
❑
P Größere Wasserverluste sind lebensbedrohlich.
7. Sinnesfunktionen
• Druckempfindung Merkel-Zellen in den untersten Schichten der Epidermis und
Ruffini-Körperchen der Lederhaut.
• Berührungsempfindung Meissner’sche Tastkörperchen in den Lederhautpapillen;
Nervengeflechte um die Haarwurzeln.
• Vibrationsempfindung Lamellenkörperchen (Vater-Pacini-Körperchen) in der Unterhaut.
• Kälte- und Freie Nervenendungen. Kälterezeptoren unmittelbar unter
Wärmeempfindung der Epidermis, reagieren hauptsächlich im Bereich 17 – 36 C;
Haarschaft
Haarrinde
Haar Haarmark
(bei dünnem Harr
fehlend)
Haartrichter
Oberhäutchen
(Bulbus pili)
(Cuticula)
Talgdrüse innere
epitheliale
Wurzelscheide
Haarzwiebel
Haaraufrichter- äußere
muskel epitheliale
(Musculus arrector pili)
Wurzelscheide
mit Matrix
Haarzwiebel Glashaut
(Bulbus pili) bindegewebige
Wurzelscheide
(=^ Lederhaut)
Haarpapille Haar-
mit Blutgefäßen papille
mit Blut-
Haarwurzel gefäßen
4.2.3 Nägel ❑
P Sauerstoffmangel oder Kälte führen zur
Blaufärbung der Nägel, Durchblutungsstörun-
Die Nägel bedecken als Hornplatten die End- gen zur Beeinträchtigung des Nagelwachstums
glieder der Finger und Zehen und dienen als (erkennbar an Querlinien). Häufige Erkrankun-
Schutz und als Widerlager für die Tastballen und gen sind Entzündungen von Nagelwall und -bett
gewähren dadurch eine Verbesserung der Tast- sowie Pilzerkrankungen (Nagelmykosen).
empfindung.
Bau
Der sichtbare Teil des Nagels ist die aus ver- 4.3 Schleimhaut (Tunica mucosa)
hornten Epithelzellen bestehende Nagelplatte.
Sie ist durchscheinend und sieht nur deshalb rosa Schleimhäute sind feucht und schleimig. Der
aus, weil sie auf dem gut durchbluteten Nagel- Schleim wird in Schleimdrüsen (Becherzellen)
bett liegt. Die Nagelplatte wird von einer Haut- produziert. Wir finden die Schleimhäute als
falte, dem Nagelwall, umgeben. Proximal be- innere Auskleidung solcher Hohlorgane, deren
deckt der Nagelwall die Nagelwurzel, die in die Lichtung mit der Umwelt in Verbindung steht,
ca. 5 mm tiefe Nageltasche eingeschoben ist. dies sind:
Ein schmaler Epithelsaum (Eponychium) der – Verdauungskanal, – Atemwege,
Nageltasche geht auf die Nagelplatte über. – Harnwege, – Geschlechtsorgane,
Unmittelbar unter der Nagelplatte befindet sich – Augenlider-Bindehaut, – Mittelohr.
zuerst ein Epithel (Hyponochium). Danach folgt
das bindegewebige Nagelbett, das mit der Kno- Jede Schleimhaut besteht aus mindestens zwei
chenhaut des Fingerendgliedes verwachsen ist. Schichten:
Das Hyponochium wird unter der Nagelwurzel 1. Epithelium,
(in der Nageltasche) zur Nagelmatrix. Von ihr 2. Schleimhautbindegewebe.
geht das Nagelwachstum aus. Es beträgt pro Tag
0,1 bis 0,3 mm. Die Nagelmatrix ragt mit ihrem Aufgaben:
konvexen Rand immer etwas aus der Nagel- Die Schleimhäute sind in ihrem Bau der speziel-
tasche heraus. Dieser halbmondförmige hellere len Funktion angepasst. Ihre Aufgaben sind in
Teil heißt Lunula („Möndchen“). der Tabelle 4.2 erläutert.
Merke
Funktion der Schleimhaut. Tab. 4.2
Die verhornten Zellen der Nagelplatte sowie
jene des Hyponochiums entsprechen der Funktion Struktur
Epidermis, das aus Bindegewebe bestehende Schutzaufgabe Unverhorntes mehrschichti-
Nagelbett dem Corium. • hohe ges Plattenepithel, z. B.
mechanische Mundhöhle, Speiseröhre,
Beanspruchung Harnröhre, Scheide.
• Abtransport von Flimmerepithel,
staubigem z. B. Atemwege.
Nagelplatte Schleim
Nagelbett
• Schutz der Urothel, z. B. Harnblase.
Harnwege
Nagelfalz
Stoffaufnahme Falten, Zotten und Mikrovilli
Lunula (Resorption) zur Vergrößerung der Ober-
(= Teil der fläche, z. B. Dünndarm.
Nagelmatrix)
Stoffabgabe Abgabe von Schleim zum
Nagelwall (Sekretion) Schutz der Schleimhaut,
z. B. Magen.
Stofftransport Blut- und Lymphgefäße des
Schleimhautbindegewebes.
Abb. 4.7 Fingernagel. Abwehr Weiße Blutzellen des
Schleimhautbindegewebes.
86 4 Häute und Drüsen
❑
P Schleimhautentzündungen sind häufig vor- Eine seröse Höhle besteht aus zwei Blättern:
kommende akute und chronische Erkrankungen • dem visceralen Blatt, das dem jeweiligen
der Atemwege (Bronchitis), des Verdauungs- Organ anliegt und
traktes (Gastritis) und der ableitenden Harn- • dem parietalen Blatt, das sich mit der Um-
wege (Cystitis, Pyelonephritis). gebung verbindet.
Die Endung „-itis“ weist immer auf eine Ent-
zündung hin. Zwischen den beiden Blättern liegt die eigentli-
che „Höhle“, die in Wirklichkeit nur einem
kapillaren Spaltraum (= Serosaspalt), in dem
4.4 Seröse Haut (Tunica serosa) sich etwas Flüssigkeit befindet, entspricht. Zu
den serösen Höhlen gehören das Brustfell
und seröse Höhlen (Pleura), der Herzbeutel (Perikard) und das
Bauchfell (Peritoneum).
Seröse Häute sind spiegelglatt und feucht. Sie
bestehen (wie die Schleimhäute) ebenfalls aus
mindestens zwei Schichten.
❑
P Eiter in solchen Höhlen nennt man Empyem
Aufgabe:
Die Serosa ermöglicht einerseits eine äußerst
reibungsarme Verschiebbarkeit der inneren 4.5 Drüsen (Überblick)
Organe. Das wird durch einen Flüssigkeitsfilm
erreicht, der durch Transsudation (= Übertritt Drüsen sind Organe, die aus spezialisierten
von Flüssigkeit aus dem Blut) und Resorption Epithelzellen bestehen. Die spezielle Funktion
(= Übertritt von Flüssigkeit in das Blut) konstant ist die Bildung von Wirkstoffen (= Sekrete) mit
gehalten wird. einer bestimmten chemischen Zusammenset-
Andererseits verbindet sie die Organe miteinan- zung und physiologischen Bedeutung.
der. Die Realisierung dieser Aufgabe wird Die Abgabe der Sekrete heißt Sekretion. Sie
ermöglicht, indem die Serosa die einzelnen erfolgt entweder nach außen (Körperoberfläche)
Organe doppelwandig umgibt. oder in das Blut. Sekrete sind z. B. Schleim,
Talg, Schweiß, Gallenflüssigkeit, Hormone.
Ausführungsgang
Drüsenzellen
Drüsen-
Hormone zellen
Blutkapillaren
Hormone
Blutkapillaren Blutkapillaren Hormone
1. Vergleichen Sie den Aufbau von äußerer Haut, Schleimhaut und seröser Haut.
2. Welche Beziehung besteht zwischen seröser Haut und seröser Höhle?
3. Stellen Sie in einer Übersicht die hauptsächlichen Funktionen der verschiedenen Häute
zusammen.
4. Stimmt es, dass die Haut atmen muss? Begründen Sie Ihre Antwort.
5. Wo kommen
a) Schleimhäute und
b) seröse Häute (seröse Höhlen) vor?
6. Definieren Sie: Transsudation und Resorption.
7. Geben Sie einen Überblick über die Anhangsgebilde der Haut.
8. Welche Aufgaben erfüllen
a) der Talg und
b) der Schweiß?
9. Beschreiben Sie den Aufbau der Brustdrüse. Erläutern Sie die Bedeutung der Selbstunter-
suchung durch Abtasten.
10. Nennen und begründen Sie einige Maßnahmen, die zum Erhalt der Funktionstüchtigkeit
der äußeren Haut beitragen.
11. Welche Rolle spielt die äußere Haut im Rahmen der Krankenbeobachtung und Diagnostik?
12. Erklären Sie die Begriffe:
a) Drüse,
b) Sekretion,
c) Sekret,
d) Hormon.
13. Unterscheiden Sie exokrine und endokrine Drüsen.
14. Nennen Sie die exokrinen und endokrinen Drüsen und die von ihnen gebildeten Sekrete.
Beschreiben Sie kurz die Lage dieser Drüsen.
89
Das Bewegungssystem ist die Gesamtheit der an • platte Knochen (z. B. Schulterblatt, Scheitel-
der Fortbewegung des Menschen beteiligten Orga- bein, Darmbeinschaufel)sind flache, kompakte
ne. Man unterscheidet den passiven Bewegungs- Knochen mit zwei festen Außenschichten und
apparat (= Knochen, Gelenke und Bänder) und einer inneren aufgelockerten Knochenschicht;
den aktiven Bewegungsapparat (= Muskulatur). • unregelmäßige Knochen – auch kurze Knochen
genannt – (z. B. Nasenbein, Jochbein, Unter-
kiefer, Oberkiefer, Wirbel, Handwurzelknochen,
5.1 Allgemeine Knochenlehre Fußwurzelknochen) sind größtenteils würfel-
oder quaderförmig mit einer dünneren Außen-
Die allgemeine Knochenlehre befasst sich im schicht.
Wesentlichen mit der Knochenstruktur und den
Knochenverbindungen.
5.1.3 Bau eines Knochens
5.1.1 Aufgaben der Knochen Knochen bestehen aus der Knochenrinde (= Sub-
stantia corticalis, kurz: Kortikalis – äußere kom-
Knochen sind Organe, bei denen das Knochen-
pakte Knochenschicht) und den Knochenbälk-
gewebe den Hauptanteil darstellt. Die Knochen
chen (= Substantia spongiosa, kurz: Spongiosa –
erfüllen die folgenden Aufgaben.
aufgelockerte Knochenschicht im Inneren).
1. Stützfunktion: Alle Knochen bilden das Skelett
(Stützwerk), das maßgeblich die Körpergestalt
Den Schaft eines Röhrenknochens (✑ Abb. 5.1,
bestimmt.
S. 90) nennt man Diaphyse, das proximale und
2. Schutzfunktion: Das Skelett schützt lebens-
distale Gelenkende Epiphyse. Der dazwischen
wichtige Organe, z. B. Gehirn in der Schädel-
liegende Abschnitt ist die Wachstumszone
höhle, Rückenmark im Wirbelkanal, Herz und
(Metaphyse oder Epiphysenfuge).
Lunge im Brustkorb, Harn- und Geschlechts-
organe im kleinen Becken.
Bei den Röhrenknochen befindet sich Substantia
3. Bewegungsfunktion: Knochenverbindungen
spongiosa nur in den Epiphysen, während sie bei
bewirken zusammen mit den Muskeln Bewe-
allen anderen Knochen überall zu finden ist.
gungen.
4. Bildung der Blutzellen: Das rote Knochenmark
Knochenhaut (= Periost)
ist die wichtigste Bildungsstätte der Blutzellen.
Jeder Knochen wird mit Ausnahme der Gelenk-
Der Knochen ist kein totes Gebilde, er hat einen
flächen von einer Knochenhaut umgeben. Sie ist
intensiven Stoffwechsel.
durch zugfeste Fasern im Knochen verankert.
Die Knochenhaut ist gefäß- und nervenreich.
Von ihr aus dringen Blutgefäße und Nerven in
5.1.2 Knochentypen das Knocheninnere und versorgen den Knochen
(✑ Abb. 3.7, S. 66).
Der Mensch besteht aus einer Vielzahl unter-
schiedlicher Knochen. Man teilt sie entspre- Knochenmark
chend ihrer Form und Funktion ein. Man unterscheidet
• Röhrenknochen (z. B. Oberarmknochen, Fin- • das rote Knochenmark im Bereich der Sub-
gerknochen, Oberschenkelknochen) sind läng- stantia spongiosa, es ist das Gewebe der Blut-
liche Knochen mit einem röhrenförmigen zellbildung, und
Schaft, außen einer dichten Knochenschicht • das gelbe Knochenmark (= Fettmark) in den
(Kompakta) und innen einer aufgelockerten Markhöhlen der Röhrenknochen bei Erwach-
Struktur mit Knochenmark; senen.
90 5 Stütz- und Bewegungssystem
❑
P Das Fettmark kann unter
schwammartiges besonderen Umständen (z. B.
Gerüstwerk feiner bei großen Blutverlusten oder
Knochenbälkchen proximales Leukämien) in rotes Knochen-
mit rotem Gelenkende mark umgewandelt werden.
Knochenmark (proximale
(Substanctia spongiosa) Epiphyse)
5.1.4 Knochenwachstum
Muskel-
ansatzhöcker
(Apophyse) Beim Wachstum der Röhren-
knochen unterscheidet man Län-
gen- und Dickenwachstum.
Das Längenwachstum erfolgt
kompakte unter dem Einfluss verschiede-
Knochenrinde ner Hormone von der Epiphy-
(Substantia compacta) senfuge aus, die bis zum Wachs-
nur im Diaphysen-
bereich der tumsende aus Knorpelgewebe
Röhrenknochen besteht. Nach beiden Seiten wird
Knorpelgewebe abgebaut und
durch Knochengewebe ersetzt.
Knochenhaut Gleichzeitig wird das Knorpel-
(Periost)
gewebe der Epiphysenfuge stän-
dig nachgebildet. Die Verknöche-
rung der Wachstumszone be-
Schaft ginnt zwischen dem 15. und
(Diaphyse) 17. Lebensjahr und endet bei der
Frau mit dem 18. und beim
Mann mit dem 20. Lebensjahr.
Zu diesem Zeitpunkt ist das
Längenwachstum abgeschlossen.
❑
P Bruchheilung erfolgt durch die so genannte Dementsprechend gibt es verschiedene Arten
Kallusbildung, die größtenteils vom Periost von Knochenverbindungen (✑ Tab. 5.1):
ausgeht (✑ S. 68). 1. Bandgelenke (Articulationes fibrosae).
Knochen werden durch Bindegewebe mitein-
ander verbunden:
Knochenumbau
a) Bandhaft (Syndesmosis)
Einmal gebildete Knochen können sich verän-
Zwischenknochenmembran zwischen Elle
dern, indem sie sich z. B. in Masse und Struktur
und Speiche bzw. Schien- und Wadenbein.
unterschiedlichen Belastungen anpassen.
b) Naht (Sutura)
Die Knochenstruktur unterliegt einem ständigen
Nähte zwischen den Schädelknochen.
Auf- und Abbau. Die Knochensynthese erfolgt
c) Einzapfung (Gomphosis)
über spezielle Zellen, wobei für den Aufbau die
Federnde Befestigung der Zähne im Zahn-
Osteoblasten, für den Knochenabbau die Osteo-
fach.
klasten verantwortlich sind.
2. Knorpelgelenke (Articulationes cartilagineae)
Bei Störung des Gleichgewichtes von Auf- und
Knochen werden durch Knorpelgewebe mit-
Abbau (Ursache z. B. Mangelernährung, Zell-
einander verbunden.
erkrankungen) kann es zu schwersten Schäden in
Beispiele:
der Knochensubstanz führen (z. B. Glas-
Schambeinfuge, Bandscheiben und Rippen-
knochenkrankheit).
knorpel.
Ist der Mineralstoffgehalt der Knochen vermin-
dert, entsteht eine Osteomalazie (Knochener- Band- und Knorpelgelenke haben nur sehr
weichung). Wird im Alter vermehrt Knochensub- geringe Bewegungsausmaße.
stanz abgebaut, entsteht eine Osteoporose. Durch
die „Entkalkung“ werden die Knochen brüchiger. 3. Synoviale Gelenke (Articulationes synoviales)
Es kann schon bei geringen Belastungen zu Wenn man vom Gelenk spricht, ist praktisch
Frakturen, besonders Schenkelhalsfrakturen, immer das synoviale Gelenk gemeint.
kommen. Frauen sind häufiger betroffen, da bei
ihnen durch die verminderte Östrogenbildung Synoviale Gelenke sind gekennzeichnet durch:
(nach der Menopause) der Knochenabbau gegen- a) mindestens 2 Gelenkkörper mit von Gelenk-
über dem Knochenaufbau überwiegen kann. knorpel überzogenen Gelenkflächen;
b) einen Gelenkspalt (gewebefreier Raum
zwischen den Gelenkflächen);
5.1.5 Knochenverbindungen c) die Gelenkschmiere (Synovia) im Gelenk-
spalt – sie wird von der inneren Schicht der
Der Grad der Beweglichkeit von zwei oder mehr Gelenkkapsel produziert, hat Ernährungs-
Knochen gegeneinander muss funktionsbedingt funktion und dient gemeinsam mit dem
sehr unterschiedlich sein. Gelenkknorpel der Reibungsminderung;
Knochenverbindungen
Handwurzelknochen
Außenband
(Lig. collaterale fibulare)
Meniscus lateralis
Gelenkknorpel
Innenband
(Lig.collaterale tibiale)
Menisken
Discus Querband
Radius (Lig. transversum
genus)
Ulna Meniscus
Kreuzbänder lateralis
(angeschnitten)
Meniscus
medialis
4. Schleimbeutel (= Bursa synovialis) als Aus- Bei Störungen oder Schwächung einer dieser
stülpung der Gelenkkapsel und damit Reser- Komponenten kann eine Gelenkführung durch
veraum für die Gelenkschmiere. eine andere teilweise kompensiert werden. Zum
Beispiel wird trotz einer Kreuzbandruptur die
Merke Funktion des Kniegelenkes aufgrund einer gut
ausgebildeten Oberschenkelmuskulatur kaum
Disci trennen den Gelenkraum vollständig; beeinträchtigt.
Menisci nur teilweise.
Einteilung der synovialen Gelenke
Nach der Form der Gelenkflächen und den sich
Die Bewegungsausmaße und Stabilität der Gelen-
daraus ergebenden Bewegungsmöglichkeiten sind
ke werden durch drei Komponenten beeinflusst:
6 Gelenktypen zu unterscheiden (✑ auch Abb.
• Knochenführung (beim Hüftgelenk z. B. bes-
5.4 bis 5.6):
ser ausgeprägt als beim Schultergelenk);
• Scharniergelenk (einachsig),
• Muskelführung (besonders ausgeprägt beim
• Radgelenk (einachsig),
Schultergelenk, z. B. durch den Deltamuskel,
• Eigelenk (zweiachsig),
M. deltoideus);
• straffes Gelenk (Amphiarthrose),
• Bänderführung (besonders ausgeprägt beim
• Sattelgelenk (zweiachsig) und
Kniegelenk).
• Kugelgelenk (dreiachsig).
Oberarm-Ellen-Gelenk Fingergelenke
(Art. humeroulnaris)
Fingerendgelenk
(Art. interphalangealis
distalis)
Oberarmrolle Fingermittelgelenk
(Trochlea humeri) (Art. interphalangealis
proximalis)
Ellenbogen Fingergrundgelenk
(Olecranon)
(Art. interphalangealis
medialis)
Atlas
Rippe
Axis
Wirbel-Rippen-
Gelenke
Wirbelkörper
Radgelenk (einachsig). Beispiel: Wirbel-Rippen-Gelenk; Gelenk zwischen Altas und Abb. 5.5
94 5 Stütz- und Bewegungssystem
❑
P Häufige Gelenkverletzungen sind
• Prellung (= Kontusion), • Bänderriss (= Ligamentruptur) und
• Zerrung (= Distorsion), • Verrenkung (= Luxation).
Handwurzelknochen Trapezbein
(Os trapezium)
Handgelenk
(Art. radiocarpalis)
Elle
(Ulna)
Speiche
(Radius)
Handwurzelgelenk
(Art. metacarpalis)
Daumensattelgelenk
(Art. carpometacarpalis pollicis)
Mittelhandknochen
Handwurzel- des Daumens
Mittelhandgelenke II + III (Os metacarpale I)
(Carpometacarpalgelenke II + III)
Schultergelenk Hüftgelenk
(Art. humeri) (Art. coxae)
Schultergelenkpfanne
(Cavitas glenoidalis)
Oberarmkopf
(Caput humeri)
Hüftgelenkpfanne
(Acetabulum)
Oberschenkelkopf
(Caput femoris)
❑
P Wichtige Sehnen für Reflex-
prüfungen sind:
Haltebänder Kniescheibensehne, Achillessehne,
(Retinacula) Bicepssehne und Tricepssehne.
Übermäßige Beanspruchung von
Sehnenscheiden Sehnenscheiden und Schleimbeuteln
können zu deren aseptischer Ent-
zündung führen (Bursitis = Schleim-
beutelentzündung, Tendovaginitis =
Sehnenscheiden
Sehnenscheidenentzündung).
Motorische Einheit
mer
Sarko
Markscheide ➞
motorisches
Kontraktion ➞
Axon
Aktin- Z-Scheibe
Myosin- filament
filament
Z-Scheibe
➞
Erschlaffung ➞
motorische
Endplatte
longitudinaler
Tubulus mit Ca2+ Myosin- Aktin
Z köpfe Z
+ + + + + Muskelfaser- Myosin
– – – – – membran
transversaler
Tubulus
Aktin
Myosinschaft
Z Myosin Z
+ + +
– – – Kontraktion
= Verkürzung
der Sarkomere
Aktin
Durch die Kippbewegung der Myosinköpfe rudern diese die Aktinfilamente in Richtung
Sarkomermitte. Weil die Myosinköpfe elastisch sind, können die Sarkomere, auch ohne
dass die Filamente ineinander gleiten, Kraft entwickeln. Der Muskel verkürzt sich in die-
sem Fall nicht.
Bei Dehnung des Muskels werden die dünnen Aktinfilamente wieder aus den dicken
Myosinfilamenten herausgezogen.
Der ATP-Vorrat eines Muskels wird bei Dauer- die erschöpften ATP- und KP-Speicher werden
leistungen in dem Maße aerob1) regeneriert, wie auf diese Weise wieder aufgefüllt.
er verbraucht wird. Es herrscht also ein Fließ- Skelett- und Herzmuskulatur besitzen im
gleichgewicht vor. Dabei kann die Muskel- Myoglobin3) einen besonderen Sauerstoffspei-
durchblutung auf das 20fache zunehmen, was cher, wodurch kurzfristiger O2-Mangel während
wiederum eine entsprechende Erhöhung von der Kontraktion überbrückt wird.
Herz- und Atemzeitvolumen voraussetzt. Die
begrenzenden Faktoren sind das Herz-Kreislauf- Bewegungsbezeichnungen der Muskulatur
System und die Enzymkapazitäten. Je nach Lage und Ausgangsposition können
Sowohl bei Tätigkeitsbeginn, wenn der Muskel- Muskeln unterschiedliche Bewegungen aus-
stoffwechsel noch auf Ruhe eingestellt ist, als führen. Oftmals lässt bereits die Bezeichnung
auch bei kurzzeitigen Höchstleistungen wird des Muskels Rückschlüsse auf seine Funktion zu
zusätzlich Energie benötigt. Diese Energie- (z. B. M. flexor digitorum manus, M. pronator
menge wird anaerob2) durch Glykolyse bereitge- teres, M. supinator, M. extensor hallucis).
stellt, was zwei- bis dreimal schneller erfolgt.
Allerdings wird dieser Vorgang relativ rasch Muskelbewegungsmöglichkeiten
begrenzt. Es kommt durch die Anhäufung von • Flexion = Beugen,
Milchsäure und die damit verbundene Senkung • Extension = Strecken,
des pH-Wertes (= metabolische Azidose) sowie • Anteversion = Bewegung nach vorn
die Anhäufung von ADP und Phosphat zur • Retroversion = Bewegung nach hinten
Ermüdung. • Abduktion = Wegführen,
• Adduktion = Heranführen,
Die ATP-Bildung aus Kreatininphosphat und • Innenrotation = Innendrehung,
ADP erfolgt ebenfalls zügig. • Außenrotation = Außendrehung,
Bei der Kreatininphosphatspaltung und der anae- • Pronation = Einwärtsdrehung
roben Glykolyse geht der Organismus eine (Hand: Handrücken nach oben; ✑ Abb. 5.27,
Sauerstoffschuld ein. In der anschließenden S. 114),
Ruhephase muss diese wieder abgetragen wer- • Supination = Auswärtsdrehung.
den. Die angesammelte Milchsäure wird unter
1) aerob = unter Sauerstoffverbrauch
erhöhtem O2-Verbrauch (trotz körperlicher 2) anaerob = ohne Sauerstoffverbrauch
Ruhe) in Leber und Herz verstoffwechselt, und 3) roter Muskelfarbstoff, dem Hämoglobin ähnlich
➝
➝
➝
Adduktion
zweiköpfiger Extension
Oberarmmuskel
(M. biceps brachii)
Deltamuskel breiter Rückenmuskel
(M. deltoideus) (M. latissimus dorsi)
Trapezmuskel
(M. trapezius)
➝
➝Abduktion Adduktion
Schädel
(Cranium)
Halswirbel
(Vertebrae cervicales)
Schlüsselbein
(Clavicula)
Schulterblatt Brustbein
(Scapula) (Sternum)
Oberarmknochen Rippen
(Humerus) (Costae)
Lendenwirbel
(Vertebrae lumbales)
Speiche
(Radius) Kreuzbein
(Os sacrum)
Elle
(Ulna) Hüftbein
(Os coxae)
Schambein
(Os pubis)
Fingerknochen Oberschenkelknochen
(Ossa digitorum = (Femur)
Phalanges)
Mittelhandknochen
(Ossa metacarpi)
Handwurzelknochen Kniescheibe
(Ossa carpi) (Patella)
Schienbein
(Tibia)
Wadenbein
(Fibula)
Fußwurzelknochen
(Ossa tarsi)
Mittelfußknochen
(Ossa metatarsi)
Zehenknochen
(Ossa digitorum = Phalanges)
Schädel
(Cranium)
Halswirbel
(Vertebrae cervicales)
Schulterblatt
(Scapula)
Brustwirbel
(Vertebrae thoracicae)
Oberarmknochen
(Humerus)
Lendenwirbel
Speiche (Vertebrae lumbales)
(Radius)
Elle
(Ulna) Kreuzbein
(Os sacrum)
Steißbein
(Os coccygis)
Oberschenkelknochen
(Femur)
Schienbein
(Tibia)
Wadenbein
(Fibula)
Kopfwendemuskel
(M. sternocleidomastoideus)
Deltamuskel
(M. deltoideus)
großer Brustmuskel
(M. pectoralis major)
zweiköpfiger
vorderer Sägemuskel Oberarmmuskel
(M. serratus anterior) (M. biceps brachii)
dreiköpfiger
Armstrecker
gerader Bauchmuskel (M. triceps brachii)
(M. rectus abdominis)
äußerer schräger
Bauchmuskel Unterarmmuskeln
(M. obliquus externus (Beuger)
abdominis)
Leistenband
(Lig. inguinale)
Kammmuskel Hohlhandsehne
(M. pectineus) (Aponeurosis palmaris)
langer Anzieher
(M. adductor longus)
schlanker Muskel
(M. gracilis) gerader
Schneidermuskel Oberschenkelmuskel
(M. sartorius) (M. rectus femoris)
äußerer
Oberschenkelmuskel
(M. vastus lateralis)
Kniescheibe innerer
(Patella) Oberschenkelmuskel
(M. vastus medialis)
vorderer vierköpfiger
Schienbeinmuskel Oberschenkelmuskel
(M. tibialis anterior) (M. quadriceps femoris)
Untergrätenmuskel
(M. infraspinalus) Trapezmuskel =
Kapuzenmuskel
kleiner runder (M. trapezius)
Muskel Deltamuskel
(M. teres minor)
(M. deltoideus)
großer runder
Muskel
(M. teres major) Caput longum
breiter Rückenmuskel
(M. latissimus dorsi) Caput laterale
Caput mediale
dreiköpfiger
äußerer schräger Armstrecker
Bauchmuskel (M. triceps brachii)
(M. obliquus externus
abdominis)
zweiköpfiger Darmbein-
Oberschenkelmuskel Schienbein-Sehne
(M. biceps femoris) (Tractus iliotibialis)
halbsehniger Muskel
(M. semitendinosus) schlanker Muskel
(M. gracilis)
halbmembranöser
Muskel
(M. semimembranosus)
Wadenmuskel
(M. gastrocnemius)
Achillessehne
(Tendo calnaneus)
(Vertebrae thoracicae)
– gegeneinander beweglich –
– Kyphose: konvexe Seite der Krüm-
mung liegt dorsal.
Physiologisch sind Halslordose,
Brustkyphose und Lendenlordose.
Neben der Doppel-s-Form ist das
Promontorium (= ventrale, gegen den
5. Lendenwirbel abgewinkelte Kante
des Kreuzbeins) charakteristisch für
die menschliche Wirbelsäule. Sie
Lendenwirbelsäule (LWS) gliedert sich in fünf Abschnitte.
5 Lendenwirbel = L1 – L5
▲
(Vertebrae lumbales)
– gegeneinander beweglich – Bauelemente
Die Bauelemente der Wirbelsäule
sind
• 24 bewegliche Wirbel; sie bilden
Kreuzbein (Os sacrum) den mehr oder weniger beweglichen
5 verwachsene Kreuzwirbel Teil der Wirbelsäule,
= S1 – S5 • 8 bis 10 miteinander verwachsene
– miteinander verwachsen – Wirbel (Kreuz- und Steißbein) und
Steißbein (Os coccygis) • 23 Bandscheiben (= Zwischenwirbel-
3 – 5 verwachsene scheiben) zwischen den beweglichen
Steißwirbel Wirbeln (außer zwischen C1 und C2).
= Co1 – Co3–5
▲
Lordose
– miteinander verwachsen – ❑
P Es gibt viele zum Teil krankhaf-
▲
Kyphose
Zahn
(Dens)
Querfortsatzloch
Gelenkfläche (Foramen oberer
für den Schädel hinterer transversale)
Gelenkfortsatz
Wirbelbogen
linkes, seitliches
Atlantoaxialgelenk
Wirbelkörper
(Corpus vertebrae)
oberer
Gelenkflächen Gelenk-
für die Rippen fortsatz
(Proc. articularis
Gelenkflächen superior)
für die Rippen unterer
Gelenkfortsatz
(Proc. articularis inferior)
Wirbelbogen Querfortsatz
(Arcus vertebrae) (Proc. transversus)
Dornfortsatz
(Proc. spinosus)
von vorn
Vorgebirge
(Promontorium)
Kreuzbein
(Os sacrum)
Kreuzbeinlöcher
(Foramina sacralia
pelvina)
Steißbein
(Os coccygis)
Medianschnitt
von rechts
Vorgebirge
(Promontorium)
Darmbeingelenkfläche
(Facies auricularis)
Kreuzbeinkanal 5 verwachsene
(Canalis sacralis)
Kreuzwirbel
Gallertkern
(Nucleus pulposus)
Wirbelkanal
(Canalis vertebralis)
Zwischenwirbel-
scheibe
(Discus intervertebralis)
Wirbelbogen-
gelenk
Zwischenwirbelloch
(Foramen intervertebrale)
Knochenverbindungen zwischen Wirbelsäule züge entlang der Wirbelsäule. Sie ist das mäch-
und Kopf (Kopfgelenke) tigste Muskelsystem des Menschen und ermög-
Bei den Kopfgelenken handelt es sich um licht im Zusammenwirken mit der Bauchmus-
5 synoviale Gelenke zwischen Hinterhauptbein, kulatur das Vorneigen, Strecken, Seitneigen und
Atlas und Axis. Sie erlauben Bewegungen wie in Drehen.
einem Kugelgelenk, sodass im Zusammenwir- Weitere wichtige Aufgaben der Rückenmusku-
ken mit den übrigen Halswirbeln die große latur im Zusammenwirken mit dem Bandapparat
Beweglichkeit des Kopfes als Träger wichtiger sind Stabilisierung der Wirbelsäule und For-
Sinnesorgane ermöglicht wird. Dies ist eine mung ihrer physiologischen Krümmungen.
wichtige Voraussetzung für die Orientierung und Für die äußerst fein abgestuften Kopfbewegun-
Fortbewegung, aber auch für das individuelle gen sorgt ein vielgliedriger und komplizierter
Ausdrucksvermögen des Menschen. Muskelapparat, der aus Hals-, Nacken- und
Man unterscheidet Zungenbeinmuskeln besteht.
– die paarigen oberen Kopfgelenke (Artt. atlan-
tooccipitales) zwischen Atlas und Hinter- ❑
P Es ist darauf Wert zu legen, dass die Wirbel-
hauptbein. Sie ermöglichen Vor-, Rück- und säule nicht einseitig, vorwiegend statisch be-
Seitneigung des Kopfes; ansprucht wird. Vielmehr kommt es darauf an,
– das unpaarige mediale Kopfgelenk (Art. at- Stabilität und Mobilität gleichmäßig zu ent-
lantoaxialis mediana) zwischen Dens, vorde- wickeln. Das bedeutet vor allem, auf eine all-
rem Atlasbogen und dem überknorpelten seitige Kräftigung der Muskulatur mit der
Atlasquerband (Lig. transversum atlantis); Entwicklung einer aufrechten Haltung zu ach-
– die paarigen unteren Kopfgelenke (Artt. ten, sodass der passive Bewegungsapparat ent-
atlantoaxiales laterales) zwischen Atlas und lastet wird.
Axis. Nur eine aufrechte Haltung gewährleistet eine
Mediales Kopfgelenk und untere Kopfgelenke optimale Belüftung der Lunge. Mit den Patien-
ermöglichen die Drehbewegungen des Kopfes. ten sollten nach Möglichkeit täglich leichte
gymnastische Übungen zur Stärkung von
Muskulatur und ihre Funktion Bauch- und Rückenmuskulatur durchgeführt
Die Bewegungen der Wirbelsäule werden durch werden.
das Zusammenwirken von Rücken- und Bauch-
muskulatur ermöglicht (Bauchmuskulatur ✑ S. Tastbare Knochenpunkte sind die Dornfortsätze
137). Die Rückenmuskulatur besteht aus einem ab 7. Halswirbel.
komplexen System sich überlappender Muskel-
5.3 Spezielle Knochen- und Muskellehre 109
Brustkorböffnungen (Thoraxaperturen)
Einschnitt zur Der Thorax besitzt zwei Öffnungen:
Gelenkverbindung – Obere Thoraxapertur, gebildet von
mit dem Schlüsselbein
(Incisura clavicularis) • 1. Brustwirbelkörper,
• 1. Rippenpaar,
Handgriff des Brustbeins
(Manubrium sterni) • Handgriff des Brustbeins.
– Untere Thoraxapertur, gebildet von
Brustbeinwinkel
(Angulus sterni) • 12. Brustwirbel,
• Schwertfortsatz,
• Rippenbögen,
Brustbeinkörper • 11. und 12. Rippenpaar.
(Corpus sterni)
Einschnitte zur ❑
P Die Thoraxform ändert sich in
Gelenkverbindung Abhängigkeit vom Alter. Beim Neu-
mit den Rippen geborenen stehen die Rippen nahezu
(Incisurae costales)
horizontal. Im Laufe des Lebens senken
sie sich, und der Thorax wird flacher
und auch starrer.
Schwertfortsatz Die elastische Verspannung vom
(Processus xiphoideus)
Thorax wird in der Ersten Hilfe bei der
externen Herzmassage genutzt.
Ansicht von ventral Ansicht von rechts
Tastbare Knochenpunkte sind Sternum,
Abb. 5.23 Sternum (Brustbein). die Ansatzstelle der 2. Rippe, der Rippen
5 – 7 sowie die Rippenkörper.
Schulterblatt Schlüsselbein
(Scapula) (Clavicula)
obere Thoraxöffnung
(Apertura thoracis superior)
Rippenknorpel
(Cartilago costalis)
Rippenknochen
Rippen
(Costae)
Brustbein
(Sternum)
Rippenbogen
(Arcus costalis)
Obere Extremität
1 Oberarmknochen 2 Unterarmknochen
(Humerus) • Speiche (Radius)
• Elle (Ulna)
Oberarmknochen
(Humerus)
Schulterblatt
(Scapula)
Oberarmknochen
(Humerus)
Elle
(Ulna)
Speiche
(Radius)
Obergrätengrube
(Fossa supraspinata)
Oberarmknochen
Rabenschnabelfortsatz (Humerus)
(Processus coracoideus)
Oberarmköpfchen
Schultereck (Capitulum humeri)
(Acromion)
Oberarmrolle
Schulterblattgräte (Trochlea humeri)
(Spina scapulae)
äußerer Obergelenkknorren
(Epicondylus lateralis)
Untergrätengrube Ellenbogengelenk
(Fossa infraspinata) (Articulatio cubiti)
Radiuskopf
(Caput radii)
Elle
(Ulna)
Speiche
(Radius)
Ellenkopf
distales Ellen-Speichen-Gelenk (Caput ulnae)
(Art. radioulnaris distalis)
Handwurzel
(Carpus)
Mittelhand
(Metacarpus)
Grundglied Fingerglieder
(Phalanx proximalis)
(Phalanges)
Mittelglied
(Phalanx media)
Endglied
(Phalanx distalis)
❑
P Die geringe Knochenführung, die schlaffe lenkkapsel umschlossen werden.
– Oberarm-Ellen-Gelenk (Art. humeroulnaris)
Kapsel sowie die fehlende Bänderführung sind
Ursachen häufiger Luxationen. mit Oberarmrolle und Ellenhaken (Scharnier-
gelenk),
Ellenbogengelenk (Art. cubiti) – Oberarm-Speichen-Gelenk (Art. humeroradia-
Das Ellenbogengelenk wird aus drei Teilgelen- lis) mit Speichenkopf und Oberarmköpfchen
ken gebildet, die von einer gemeinsamen Ge- (Kugelgelenk) und
114 5 Stütz- und Bewegungssystem
Handgelenke
zweiköpfiger – Handgelenk (Art. radiocarpalis)
Oberarmmuskel Beteiligte Knochen bzw. Knochenteile sind
(M. biceps brachii) • Radius,
• proximale Handwurzelknochenreihe,
• Ulna (durch einen Discus von den Hand-
wurzelknochen getrennt).
Auswärtsdreher Gelenktyp:
(M. supinator)
Eigelenk.
Bewegungen:
Elle Palmarflexion (Beugung der Hand hand-
Speiche flächenwärts) – Dorsalextension (Bewegung
der Hand handrückenwärts),
Radialabduktion (Bewegung der Hand zur
Speiche) – Ulnarabduktion (Bewegung der
Hand zur Elle).
❑
P Beim Sturz auf die Hand bricht meistens
der Radius. Die distale Radiusfraktur ist
Einwärtsdrehung eine der häufigsten Frakturen überhaupt.
(Pronation)
– Handwurzelgelenk (Art. metacarpalis) zwi-
schen proximaler und distaler Handwurzel-
knochenreihe.
Gelenktyp:
Scharniergelenk.
Bewegungungen:
Palmarflexion – Dorsalextension.
runder
Einwärtsdreher Handwurzel-Mittelhand-Gelenke (Carpo-
(M. pronator teres)
metacarpalgelenke), Daumensattelgelenk.
Die Carpometacarpalgelenke liegen zwischen
Speiche der distalen Handwurzelknochenreihe und den
Elle Basen der Mittelhandknochen.
viereckiger Das Carpometacarpalgelenk I ist das Dau-
Einwärtsdreher mensattelgelenk und liegt zwischen Os trape-
(M. pronator
quadratus) zium und Os metacarpale I.
Bewegungen im Daumensattelgelenk:
Abduktion – Adduktion (Daumen wird vom
Zeigefinger abgespreizt und wieder herange-
führt), Opposition – Reposition (Daumen
wird aus der Abduktionsstellung dem kleinen
Finger gegenübergestellt und wieder in Nor-
Abb. 5.27 Ein- und Auswärtsdrehung der Hand. malstellung zurückgeführt).
5.3 Spezielle Knochen- und Muskellehre 115
Merke Kopfbein
(Os capitatum)
Alle Scharniergelenke werden
durch Seitenbänder (= Kollateral-
bänder) gesichert.
■ proximale Reihe
Dorsalansicht ■ distale Reihe
Achselhöhle
Einbuchtung der Körperoberfläche
zwischen Rumpf und Arm. Elle Speiche
Inhalt: (Ulna) (Radius)
Bindegewebskörper mit Gefäßen und
Mondbein
Nerven (Armgefäße, Armnerven) Dreieckbein (Os lunatum)
und regionäre Achsellymphknoten. (Os triquetrum)
Kahnbein
Kopfbein (Os scaphoideum)
(Os capitatum)
Ellenbeuge großes
Hakenbein Vieleckbein
Liegt zwischen Flexoren des Ober- (Os hamatum) (Os trapezium)
armes und Flexoren sowie Exten-
soren des Unterarmes. Fingergrund-
Inhalt: gelenk
– Venen der Ellenbeuge (Cubital-
venen; häufig genutzt zur Blut- Fingermittel-
entnahme und i.v.-Injektion), gelenk
Fingerend- kleines
– Aufzweigung der Oberarmarterie Vieleckbein
gelenk
(A. brachialis) in Speichenarterie (Os trapezoideum)
(A. radialis) und Ellenarterie (A.
ulnaris) (✑ Abb. 9.27, S. 181 und
Abb. 9.28, S. 182).
Rückansicht Vorderansicht
Schulterblatt-
heber
Schulterblatt- (M. levator
heber scapulae)
(M. levator
scapulae) Treppen-
muskeln
Trapezmuskel (Mm. scaleni)
(M. trapezius)
Deltamuskel
Deltamuskel (M. deltoideus)
(M. deltoideus)
großer
Untergräten- Brustmuskel
muskel (M. pectoralis
(M. infraspinatus) major)
großer/kleiner zweiköpfiger
runder Muskel Armmuskel
(M. teres (M. biceps brachii)
major/minor)
vorderer
dreiköpfiger Sägemuskel
Armstrecker (M. serratus
(M. triceps brachii) anterior)
breiter breiter
Rückenmuskel Rückenmuskel
(M. latissimus (M. latissimus
dorsi) dorsi)
Palmaransicht Dorsalansicht
Palmaransicht
Flexorengruppe Extensorengruppe
für Handgelenk für Handgelenk
und Finger und Finger
langer radialer
Handstrecker
(M. extensor carpi
Oberarm- radialis longus)
Knorrenmuskel
speichenmuskel (M. anconeus) kurzer radialer
(M. brachioradialis) Handstrecker
(M. extensor carpi
runder ulnarer Handstrecker radialis brevis)
Einwärtsdreher (M. flexor carpi ulnaris)
(M. pronator teres)
radialer Handstrecker
(M. flexor carpi radialis) langer
langer Daumenabzieher
Kleinfingerstrecker (M. abductor pollicis
Hohlhandmuskel longus)
(M. palmaris longus) (M. extensor digiti minimi)
oberflächlicher kurzer
Fingerstrecker Daumenstrecker
Fingerbeuger (M. extensor digitorum) (M. extensor pollicis
(M. flexor digitorum
brevis)
superficialis) ulnarer Handstrecker
(M. flexor carpi ulnaris)
Merke Innervation
Die Muskulatur der oberen Extremitäten wird
Die im Unterarm liegenden Flexoren und Ex- von Nerven versorgt, die aus dem Armgeflecht
tensoren (= lange Fingermuskeln) sind über (Plexus brachialis) hervorgehen (N. radialis, N.
lange Sehnen mit den Fingergrund-, Finger- ulnaris, N. medianus; ✑ Abb. 17.21, S. 358).
mittel- und Fingerendgliedern verbunden. Diese
verlaufen im Bereich der Hand- und Finger-
gelenke in Sehnenscheiden (= Gleitschutz). 5.3.4 Beckengürtel und untere Extremität
Haltebänder (Retinacula) fixieren die Sehnen-
scheiden. Beckengürtel und untere Extremität haben Halte-
und Stützfunktion. Deshalb sind hier die Kno-
Handmuskulatur chen und Gelenke viel kräftiger ausgebildet als
Die herausragende Fähigkeit der menschlichen bei Schultergürtel und der oberen Extremität.
Hand ist die Greiffunktion. Sie wird durch die
Oppositionsfähigkeit des Daumens möglich, Beckengürtel
d. h., der Daumen kann den übrigen Fingern Der Beckengürtel stellt im Unterschied zum
gegenübergestellt werden. Schultergürtel einen geschlossenen Ring dar.
Für diese Greiffunktion steht ein komplizierter Aufgaben
Muskelapparat der Hand zur Verfügung: – Verbindung der Beine mit dem Rumpf.
– 4 Muskeln des Daumenballens und – Übertragung der Körpermasse von der Wirbel-
– 4 Muskeln des Kleinfingerballens. säule auf die beiden Oberschenkelknochen, die
5.3 Spezielle Knochen- und Muskellehre 119
männliches Becken
(Pelvis masculinum) Vorgebirge
(Promontorium)
Darmbeinkamm
(Crista iliaca)
Kreuzbein
(Os sacrum)
vorderer oberer Darmbeinstachel
Hüftbein (Spina iliaca anterior superior)
(Os coxae) vorderer unterer Darmbeinstachel
(Spina iliaca anterior inferior)
Hüftgelenkpfanne
(Acetabulum)
Hüftloch
(Foramen obturatum)
Schambeinwinkel Hüftbein
(Angulus pubis: 70°–75°)
(Os coxae)
Schambein Darmbein
(Os pubis) (Os ilium)
Hüftloch
(Foramen obturatum) Sitzbeinhöcker
(Tuber ischiadicum)
Darmbeingrube
(Fossa iliaca)
Darmbein-Kreuzbein-Gelenk
(Articulatio sacroiliaca)
Schambeinhöcker
(Tuberculum pubicum)
Hüftgelenkpfanne
(Acetabulum)
Schambeinfuge
(Symphysis pubica)
Ventralansicht Dorsalansicht
Oberschenkelkopf
(Caput femoris)
Oberschenkelhals großer Rollhügel
großer Rollhügel (Collum femoris) (Trochanter major)
(Trochanter major)
kleiner Rollhügel
(Trochanter minor)
Schaft des
Oberschenkelknochens
(Corpus femoris)
äußerer
innerer Gelenkknorren Obergelenkknorren
(Condylus medialis femoris) (Epicondylus lateralis
Kniescheibe femoris)
(Patella) äußerer
äußerer Gelenkknorren
(Condylus lateralis
Gelenkknorren
femoris)
des Schienbeins innerer Gelenkknorren
(Condylus lateralis tibiae) des Schienbeins Gelenkknorren-
Wadenbeinkopf (Condylus medialis tibiae) grube
(Fossa intercondylaris)
(Caput fibulae)
Ansatzstelle des
Kniescheiben-
bandes
(Tuberositas tibiae)
Wadenbeinkörper Schienbeinkörper
(Corpus fibulae) (Corpus tibiae)
mittlerer Knöchel
(Malleolus medialis) seitlicher Knöchel
(Malleolus lateralis)
Fußwurzelknochen
(Ossa tarsalia) Malleolengabel
Mittelfußknochen
(Ossa metatarsi)
Zehenknochen
(Ossa digitorum pedis)
Untere Extremität
1 Oberschenkelknochen 2 Unterschenkelknochen
(Femur) • Schienbein (Tibia)
• Wadenbein (Fibula)
Würfelbein
(Os cuboideum)
Kahnbein
(Os naviculare)
Fußknochen von medial
Keilbeine
(Os cuneiforme mediale,
intermedium, laterale)
Mittelfußknochen Wadenmuskel
(Ossa metatarsi I – V) (M. gastrocnemius)
Schienbein
(Tibia)
Zehenknochen
(Phalanges) Sprungbein
(Talus)
Zehengrundglied Achillessehne
(Phalanx proximalis) (Tendo calcaneus)
Zehenmittelglied Fersenbein
(Phalanx media) (Calcaneus)
Zehenendglied
(Phalanx distalis)
Längsgewölbe des Fußes
Malleolengabel (= Knöchelgabel)
Sie wird vom inneren Knöchel der Gelenklippe
(Labrum acetabulare)
Tibia und vom äußeren Knöchel der
Fibula gebildet. Aufgrund der Beteili- Hüftbein
(Os coxae)
gung von zwei Knochen sind zusätzli-
che Federwege eingebaut. Hüftgelenkpfanne
(Acetabulum)
Oberschenkelkopf
Knochenverbindungen, Bewegungs- (Caput femoris)
möglichkeiten, Muskeln
Gelenkkapsel
Am Beckengürtel und Bein befinden (Capsula articularis)
sich drei große Gelenke: Hüftgelenkbänder
– Hüftgelenk (Art. coxae), (Ligg. articulatio coxae)
– Kniegelenk (Art. genus) und
– oberes Sprunggelenk (Art. talocru-
ralis).
– Zehengrundgelenke,
vorderes Kreuzband – Zehenmittelgelenke (außer Groß-
(Lig. cruciatum anterior)
zehe = Hallux, die kein Mittel-
Gelenkflächen gelenk besitzt),
des Schienbeins
– Zehenendgelenke.
äußerer Meniscus Der Fuß besitzt je ein Quer- und
(Meniscus lateralis)
Längsgewölbe, die durch Muskeln
innerer Meniscus
(Meniscus medialis) und Bänder gehalten werden.
hinteres Kreuzband
(Lig. cruciatum posterior)
❑
P Durch schlaffe Bänder, durch
Muskellähmungen und aufgrund
Abb. 5.38 Kniegelenk (proximale Gelenkfläche – Schienbein). schlechten Schuhwerks können
Gefügestörungen (= Deformitäten)
auftreten, wie z. B.
Merkmale Senkfuß: Längswölbung abgeflacht
• Drehscharniergelenk. (als Extremform Plattfuß),
• 4 Hauptbewegungen: Extension und Flexion, Hohlfuß: Längswölbung verstärkt,
Außen- und Innenrotation (nur in Beuge- Spreizfuß: Querwölbung abgeflacht.
stellung).
• Ungleichheiten der Gelenkflächen werden Muskulatur und ihre Funktionen
durch zwei halbmond- und keilförmige Die Muskeln im Bereich der Hüftregion ermög-
Menisci (Innen- und Außenmeniscus) ausge- lichen die verschiedensten Bewegungen des
glichen. Jeder Meniscus ist durch kräftige Beines wie Beugen, Strecken, Heranziehen,
Bänder mit der Gelenkkapsel verankert. Spreizen und Rotationen. Der überwiegende Teil
• Stabile Bandführung (z. B. vorderes und hinte- von ihnen zieht über das Hüftgelenk direkt zum
res Kreuzband zwischen den Femurcondylen, Oberschenkel. Andere wiederum verlaufen über
inneres und äußeres Seitenband). das Kniegelenk zum Unterschenkel und ermög-
• Sehr weite Kapsel. lichen so die Bewegung von Hüft- als auch Knie-
gelenk (z. B. Schneidermuskel).
❑
P Das Kniegelenk erleidet häufig Verletzungen,
da es am wenigsten durch Muskelmassen ge- Hüftmuskulatur
schützt ist. Drehungen am Knie bei fixiertem 1. Vordere Muskelgruppe
Unterschenkel (Ski- und Fußballsport) lösen • Darmbein-Lenden-Muskel (M. iliopsoas).
Bandschäden aus. Sturz in senkrechter Rich- Funktion: Flexion im Hüftgelenk.
tung (Absprung) führen zu Tibiakopfbrüchen;
direkte Gewalt (Autoarmaturenaufprall) zu 1) = Darmbein-Lenden-Muskel
Patella- oder supracondylären Femurfrakturen. (M. iliopsoas)
kleiner
Lendenmuskel1)
(M. psoas minor)
großer viereckiger
Lendenmuskel1) Lendenmuskel
(M. psoas major) (M. gluteus medius)
Darmbeinmuskel1)
(M. iliacus)
großer Gesäßmuskel
Leistenband (M. gluteus maximus)
(Lig. inguinale)
Kammmuskel
(M. pectineus)
langer Anzieher
(M. adductor longus)
schlanker Muskel
(M. gracilis) zweiköpfiger
Schneidermuskel Oberschenkelmuskel
(M. sartorius) (M. biceps femoris)
Flexion Extension
im Hüftgelenk im Kniegelenk
Darmbein-
Lenden-Muskel vierköpfiger
(M. iliopsoas) Oberschenkelmuskel
(M. quadriceps femoris)
Flexion Streckbewegung
im Kniegelenk im Hüft- und
Kniegelenk
vierköpfiger
Oberschenkelmuskel
(M. quadriceps femoris)
zweiköpfiger großer Gesäßmuskel
Oberschenkel- (M. gluteus maximus)
muskel
(M. biceps femoris)
Adduktoren
vorderer
Schienbeinmuskel
(M. tibialis anterior)
Zwillingswadenmuskel
(M. gastrocneminus)
Deltoideus-Injektion
Einstichstelle:
Deltamuskel oberes mittleres Drittel
(M. deltoideus)
intragluteale Injektion
Darmbeinkamm Einstichstelle
(Crista iliaca) (Crista-Methode nach
Sachtleben):
beim Erwachsenen
3 Querfinger breit caudal
der gedachten Linie
Mitte des
großer Rollhügel Darmbeinkammes und
(Trochanter major)
dem großen Rollhügel
laterale Vastus-Injektion
äußerer Einstichstelle:
Obergelenkknorren Mitte des seitlichen
(Epicondylus lateralis Oberschenkels
femoris)
großer Rollhügel
(Trochanter major)
Endsehne des Muskels, in die die Patella als Häufige Weichteilverletzungen des Beines sind:
Umlenkrolle vor dem Kniegelenkspalt ein- – Muskelzerrungen und Muskelfaserrisse. Oft
gelagert ist, setzt an der Tuberositas tibiae betroffen sind M. gastrocnemius und M. qua-
an. driceps femoris.
– Schneidermuskel (M. sartorius) – Achillessehnenverletzungen (Teil- oder kom-
Funktion: Bewegung und Haltung im Hüft- plette Risse).
und Kniegelenk. Typisch für diese Verletzungen sind plötzlich
2. Flexorengruppe auftretende akute Schmerzen und Funktions-
– Zweiköpfiger Oberschenkelmuskel (M. bi- störungen. Durch lockeres Aufwärmen vor
ceps femoris) begrenzt die Kniekehle lateral. sportlicher Betätigung wird der Stoffwechsel der
– Halbsehniger Muskel (M. semitendinosus) Muskulatur aktiviert und die Dehnbarkeit der
begrenzt die Kniekehle medial. Muskelfasern verbessert, sodass das Verlet-
– Halbmembranöser Muskel (M. semimem- zungsrisiko vermindert wird.
branosus) begrenzt die Kniekehle medial.
Funktion: Extension im Hüftgelenk und
Flexion im Kniegelenk. 5.3.5 Kopf (Caput)
3. Adduktorengruppe
– Schlanker Muskel (M. gracilis). Der Kopf (Caput) ist durch den Hals gut beweg-
– Kammmuskel (M. pectineus). lich mit dem Rumpf verbunden. Er befindet sich
– Langer Adduktor (M. adductor longus). mit den wichtigsten Sinnesorganen an oberster
Funktion: Adduktion im Hüftgelenk. Stelle des menschlichen Organismus und hat so
außerordentlich große Bedeutung beim Er-
Unterschenkelmuskulatur kennen der Umwelt.
1. Extensorengruppe (vorn)
– Vorderer Schienbeinmuskel (M. tibialis Schädel (Cranium)
anterior). Der Schädel ist das Knochengerüst des Kopfes.
Funktion: Dorsalflexion (Fußbewegung nach Er dient als Schutz des Gehirns und wichtiger
oben), Anheben der Zehen. Sinnesorgane. Hier beginnt auch der Verdau-
2. Flexorengruppe (hinten) ungs- und Atmungstrakt. Der Schädel gliedert
– Dreiköpfiger Wadenmuskel (M. triceps sich in Gehirnschädel und Gesichtsschädel.
surae) über Achillessehne am Fersenbein-
höcker befestigt. Er gliedert sich in Zwil- Gehirnschädel (Neurocranium)
lingswadenmuskel (M. gastrocnemius), Am Gehirnschädel unterscheidet man das
Schollenmuskel (M. soleus) und Fußsohlen- Schädeldach, die innere und äußere Schädel-
muskel (M. plantaris). basis und die Schädelhöhle mit dem Gehirn. Bei
Funktion: Plantarflexion, Supination des Säuglingen ist der Gesichtsschädel durch die
Fußes, Flexion im Kniegelenk (nur M. fehlende Kaufunktion (dadurch unvollständig
gastrocnemus). ausgebildete Kiefer) geringer ausgeprägt.
❑
P Intramuskuläre Injektionen sind tiefe Injek- Knochen des Schädeldaches (Calvaria):
tionen in einen Muskel. Dafür gibt es im Wesent- – Scheitelbein (Os parietale),
lichen drei Verabreichungsorte (✑ Abb. 5.42): – Stirnbein (Os frontale),
• Deltamuskel (M. deltoideus) an der Außen- – Hinterhauptbein (Os occipitale).
seite des Schultergelenks,
• mittlerer Gesäßmuskel (M. gluteus medius) Knochenverbindungen
im Bereich zwischen Darmbeinkamm und Die Knochen des Schädeldaches werden durch
der Verbindungslinie zwischen vorderem Knochennähte miteinander verbunden. Die
und hinterem oberem Darmbeinstachel, wichtigsten sind:
• seitlicher Oberschenkelmuskel (M. vastus – Kranznaht (Sutura coronalis) zwischen Stirn-
lateralis) auf der Mitte einer gedachten Linie bein und Scheitelbeinen,
zwischen großem Rollhügel und äußerem – Pfeilnaht (Sutura sagittalis) zwischen den
Obergelenkknorren. Scheitelbeinen,
5.3 Spezielle Knochen- und Muskellehre 129
Kranznaht
(Sutura coronalis)
Stirnbein Scheitelbein
(Os frontale) (Os parietale)
Lambdanaht
(Sutura lambdoidea)
Tränenbein
(Os lacrimale) Hinterhauptbein
(Os occipitale)
Nasenbein
(Os nasale) Schläfenbein
(Os temporale)
Jochbein
(Os zygomaticum) äußerer Gehörgang
(Meatus accusticus externus)
Oberkiefer
(Maxilla) Warzenfortsatz
(Processus mastoideus)
Griffelfortsatz
Unterkiefer (Processus styloideus)
(Mandibula)
Unpaarige Fontanellen
– Vordere, große oder Stirn-
fontanelle an der Vereinigung Schädel (Ansicht von ventral). Abb. 5.44
130 5 Stütz- und Bewegungssystem
Stirnbein
Scheitelbein
vordere
Seitenfontanelle
Scheitelbein Schläfenbein
Pfeilnaht hintere Seitenfontanelle
Hinterhauptbein Hinterhauptbein
delgrube Durchtritts-
stellen für Hirnnerven Kopfhaut
sowie seitliche Teile äußere
der Schläfenlappen des Knochenhaut
(Pericranium)
Großhirns und Teile des äußere kompakte
Mittelhirns. Knochenschicht
– Die hintere Schädel- (Lamina externa)
grube wird hauptsäch- aufgelockerte
lich vom Hinterhaupt- Knochenschicht
(Diploe)
bein gebildet; liegt am
innere kompakte
tiefsten, beinhaltet Hirn- Knochenschicht
stamm und Kleinhirn. (Lamina interna)
harte Hirnhaut venöser Blutleiter
Die Grenze zwischen vor- (Dura mater encephali)
derer und mittlerer Schä-
delgrube bilden die Hinter- Schichten des Schädeldaches. Abb. 5.46
kanten der beiden kleinen
Keilbeinflügel. Mittlere
und hintere Schädelgrube
werden durch das Felsenbein getrennt. Die drei großen Knochen sind
– die paarigen Oberkieferknochen (Maxilla),
Gesichtsschädel (Viscerocranium) – der Unterkiefer (Mandibula) und
Der Gesichtsschädel besteht aus 3 großen und – das Stirnbein (Os frontale).
11 kleinen Knochen.
Hahnenkamm
(Crista galli)
vordere
Stirnbein Schädelgrube
(Os frontale)
(Fossa cranii anterior)
Siebbein
(Os ethmoidale)
Keilbein
(Os sphenoidale)
Türkensattel
(Sella turcica)
Schläfenbein
(Os temporale)
mittlere
Felsenbein Schädelgrube
(Pars petrosa) (Fossa cranii media)
großes
Hinterhauptloch
(Foramen occipitale
magnum)
Hinterhauptbein
(Os occipitale)
hintere
Schädelgrube
(Fossa cranii posterior)
Stirnmuskel
(M. epicranius)
ringförmiger Schläfenmuskel
Augenmuskel (M. temporalis)
(M. orbicularis oculi) hinterer Sehnen-
Oberlippenheber haubenmuskel
(M. levator labii (M. epicranius)
superioris) großer Jochbein-
Nasenmuskel muskel
(M. nasalis) (M. zygomaticus
major)
Mundringmuskel
(M. orbicularis oris) Kaumuskel
(M. masseter)
Unterlippen-
herabzieher Wangenmuskel
(M. depressor labii (M. buccinator)
inferioris)
zweibäuchiger
Kinnmuskel Muskel
(M. mentalis)
(M. digastricus)
Mundwinkel- Kopfwende-
herabzieher muskel
(M. depressor
(M. sternocleidoma-
anguli oris)
stoideus)
Sehnenhaube
(Galea aponeurotica)
Stirnmuskel
ringförmiger (M. epicranius)
Augenmuskel
(M. orbicularis oculi)
kleiner Joch- Nasenmuskel
beinmuskel (M. nasalis)
(M. zygomaticus Oberlippenheber
minor) (M. levator labii
großer Joch- superioris)
beinmuskel
(M. zygomaticus
major) Mundring-
Lachmuskel muskel
(M. risorius) (M. orbicularis oris)
Unterlippen- Kinnmuskel
herabzieher (M. mentalis)
(M. depressor labii Mundwinkel-
inferioris)
herabzieher
(M. depressor
anguli oris)
Schläfenmuskel
(M. temporalis)
• Kieferschließer –
zieht Unterkiefer zurück
➠
Kaumuskel
➠
(M. masseter)
• Kieferschließer
äußerer Flügelmuskel
(M. pterygoideus lateralis)
• Kieferöffner – zieht Unterkiefer nach vorn
mittlerer Flügelmuskel
➠ ➠ (M. pterygoideus medialis)
• Kieferschließer
❑
P Wegen der schlaffen Gelenkkapsel besteht Bereich der Körperöffnungen sind:
am Kiefergelenk die Gefahr der Verrenkung. – der ringförmige Augenmuskel (M. orbicularis
oculi) und
– der Mundringmuskel (M. orbicularis oris).
Kopfmuskeln
Alle Gesichtsmuskeln werden durch den Gesichts-
Als eigentliche Kopfmuskeln werden die Ge- nerv (N. facialis) innerviert.
sichts- oder mimischen Muskeln sowie die
Kaumuskeln bezeichnet. ❑
P Das Mienenspiel (= unwillkürliche Bewe-
gungen der Gesichtsmuskeln) ist oft Ausdruck
Gesichts- oder mimische Muskeln
der Stimmungslage und Gemütsverfassung. Bei
Die zahlreichen mimischen Muskeln liegen unter
zentraler und peripherer Lähmung der Gesichts-
der Gesichtshaut, teils um die Körperöffnungen
nerven treten charakteristische Ausfälle auf.
(Mund- und Lidspalte bzw. Nasen- und Ohröff-
nung) und bilden die Grundlage der Wangen. Sie Kaumuskeln
sind meist mit dem einen Ende am Schädel und Zu den Kaumuskeln im engeren Sinne gehören
mit dem anderen in der Gesichtshaut befestigt. 4 Paar große Muskeln:
Diese Besonderheit ermöglicht neben ihrer – der Kaumuskel (M. masseter),
primären Funktion, die im Erweitern und – der Schläfenmuskel (M. temporalis),
Verengen der Körperöffnungen besteht, sekun- – der mittlere Flügelmuskel (M. pterygoideus
där die Bewegung der Gesichtshaut. Dadurch medialis) und
können Falten und Grübchen hervorgerufen wer- – der seitliche Flügelmuskel (M. pterygoideus
den, die die Mimik (individueller Gesichtsaus- lateralis).
druck) ausmachen. Diese Muskeln verlaufen vom Schädel zum
Wichtige ringförmige mimische Muskeln im Unterkiefer und wirken unmittelbar auf das
5.3 Spezielle Knochen- und Muskellehre 135
24. Führen Sie mit Ihrem Arm folgende Bewegungen aus, und benennen Sie die beteiligten
Muskeln:
a) Flexion und Extension.
b) Abduktion und Adduktion.
25. Begründen Sie, warum das Schultergelenk relativ häufig auskugelt.
26. Welche Gebilde befinden sich
a) in der Achselhöhle,
b) in der Ellenbeuge?
27. Skizzieren Sie mit Hilfe von Strichen (= Knochen) und kleinen Kreisen (= Gelenke) ein
Schema vom Handskelett.
28. Begründen Sie die Sonderstellung des Daumens.
29. Nennen Sie die Aufgaben des Beckengürtels.
30. Beschreiben Sie den Aufbau des Beckens als Ganzes.
Unterscheiden Sie männliches und weibliches Becken.
31. Nehmen Sie eine Gliederung des Beines vor und ordnen Sie die entsprechenden Knochen
zu.
32. Vergleichen Sie den Aufbau von Arm- und Beinskelett. Formulieren Sie eine Schluss-
folgerung.
33. Beschreiben Sie kurz
a) Hüftgelenk,
b) Kniegelenk,
c) oberes Sprunggelenk.
34. Wo befinden sich
a) Schenkelhals,
b) Malleolengabel?
35. Erkunden Sie am eigenen Arm und Bein die Lage und die Funktion von
a) Flexoren und Extensoren,
b) Abduktoren und Adduktoren.
36. Wo befindet sich die Achillessehne, und welche Aufgabe hat sie?
37. Prägen Sie sich genau die Stellen für intramuskuläre Injektionen ein und beschreiben Sie
sie.
38. Unterscheiden Sie Kopf und Schädel.
39. Beschreiben Sie den Aufbau des Hirnschädels.
40. Unterscheiden Sie Nähte und Fontanellen. – Nennen Sie deren Aufgaben.
41. Beschreiben Sie den Aufbau des Gesichtsschädels.
42. In welchen Schädelknochen befinden sich Nasennebenhöhlen, und wie heißen diese?
43. Welche mimischen Muskeln kennen Sie?
Welche Bedeutung haben die mimischen Muskeln für die Krankenbeobachtung?
44. Erkunden Sie an sich selbst die in diesem Kapitel genannten tastbaren Knochenpunkte.
137
Vordere-seitliche Bauchwand
6.1 Brustwand Die vordere und seitliche Bauchwand wird in
neun Regionen unterteilt (✑ Abb. 7.4, S. 146).
Die Brustwand umschließt die Brusthöhle als Sie besteht aus drei Schichten:
eine steife Wand. Dies ist die Voraussetzung für – oberflächliche Schicht; Cutis und Subcutis,
den rhythmischen Wechsel von Unterdruck (zur – mittlere Schicht; 4 paarige Bauchmuskeln und
Einatmung) und Überdruck (zur Ausatmung) in ihre Aponeurosen (breite, flache Sehnen),
der Brusthöhle. Die Skelettelemente sind in – innere Schicht; Fascia transversalis1) und
Abschnitt 5.3.2, S. 109 ff. beschrieben. Bauchfell.
Zu den 4 paarigen Bauchmuskeln zählen der
Muskeln gerade Bauchmuskel (M. rectus abdominis), der
Zwischen den Rippen, also im Bereich der Zwi- äußere schräge Bauchmuskel (M. obliquus exter-
schenrippenräume (Interkostalräume), liegen die nus abdominis), der innere schräge Bauchmuskel
äußeren (Musculi intercostales externi) und die (M. obliquus internus abdominis) und der quere
inneren Zwischenrippenmuskeln (Musculi inter- Bauchmuskel (M. transversus abdominis).
costales interni).
Sie haben die Aufgabe, bei der Ein- und Aus- 1) Faszie zwischen der Innenfläche der Bauchwand und dem
atmung mitzuwirken. Bauchfell
Kopfwendemuskel
(M. sternocleidomastoideus)
kleiner
Brustmuskel
(M. pectoralis minor)
Brustbein
(Sternum) großer
Brustmuskel
(M. pectoralis major)
äußere
Zwischenrippen-
muskeln vorderer
(Mm. intercostales Sägemuskel
externi) (M. serratus anterior)
innere
Zwischenrippen-
muskeln
(Mm. intercostales
interni)
Rektusscheide Aufgaben
Die Aponeurosen der queren und schrägen – Begrenzung der Bauchhöhle und Anpassung
Bauchmuskeln bilden für die geraden Bauch- an unterschiedliche Volumina der Bauchorgane,
muskeln eine Führungs- und Gleithülle, die Rek- – Bauchpresse zur Druckerhöhung bei Stuhl-
tusscheide genannt wird. gang, Husten, Entbindung,
– Ausatemhilfsmuskel,
– Rumpfhaltung und -bewegung,
Anheben des Beckens – Schutz der Bauchorgane.
❑
P Bauchdeckenreflexe sind wich-
tige Schutzreflexe.
gerade
Bauchmuskeln Hintere Bauchwand
Die hintere Bauchwand wird ge-
bildet von der Lendenwirbelsäule,
Rumpfdrehen dem äußeren schrägen Bauchmus-
kel (M. obliquus externus abdomi-
schräge nis), dem viereckigen Lendenmuskel
Bauchmuskeln
(M. quadratus lumborum), der tie-
fen Rückenmuskulatur (M. erector
Vorneigen
spinae) und dem unteren Teil des
breiten Rückenmuskels (M. latissi-
mus dorsi).
Obere Bauchwand
gerade Bauchmuskeln Die obere Bauchwand ist das
Abb. 6.2 Muskelfunktionen in der Bauchregion. Zwerchfell (Diaphragma), das sich
kuppelförmig zwischen Brustbein,
den unteren sechs Rippen und der
Lendenwirbelsäule erstreckt. Es
trennt die Brust- von der Bauch-
gerader höhle (✑ S. 145).
Bauchmuskel
(M. rectus abdominis) Untere Bauchwand
querer Der Beckenboden ist die untere Be-
Bauchmuskel
(M. transversus grenzung des Bauchraumes. Die
abdominis) straffen Muskeln des Beckenbodens
innerer schräger halten die Eingeweide (✑ Kap. 6.4).
Bauchmuskel
(M. obliquus internus
abdominis)
äußerer schräger
6.3 Leistenregion
Bauchmuskel (Regio inguinalis)
(M. obliquus externus
abdominis) Die Leistenregion befindet sich im
Leistenband Winkel zwischen geradem Bauch-
(Lig. inguinale)
muskel und Leistenband. Zu ihr
gehören das Leistenband (Lig.
inguinale), der Leistenkanal (Cana-
lis inguinalis) und zwei Lücken in
Muskeln der vorderen und seitlichen der Bauchwand (Lacuna vasorum
Abb. 6.3 Bauchwand und Leistenregion. und musculorum).
6.3 Leistenregion 139
Funktion
Beim Mann verlagert sich kurz vor
der Geburt der Hoden aus der
Bauchhöhle durch den Leistenkanal
in den Hodensack (Descensus Schematischer Verlauf der Bauchmuskeln. Abb. 6.4
testis). Die geringere Temperatur
außerhalb des Körpers ist für die
spätere Funktionsaufnahme eine unabdingbare Schwachstellen der Leibeswand
Voraussetzung. Besonders empfindlich ist die Bauchwand in der
Im männlichen Leistenkanal befindet sich der Leistengegend oberhalb und unterhalb des Leis-
Samenstrang mit Samenleiter, Hodengefäßen tenbandes, in der Nabelregion und am Zwerch-
und -nerven. Der weibliche Leistenkanal enthält fell.
das runde Mutterband mit Gefäßen, welches
vom Uterus kommend durch den Leistenkanal ❑ An den Schwachstellen der Bauchwand
P
zu den großen Schamlippen zieht. können Brüche (= Hernien) entstehen. Unter
einem Bruch versteht man den Vorfall von
Lacuna vasorum und musculorum Eingeweideteilen, wie Darm, Harnblase, Netz,
Beide Lücken (oder Fächer) befinden sich Ovarien (= Bruchinhalt), in eine Vorbuchtung
unterhalb des Leistenbandes. des Peritoneum parietale (= Bruchsack) durch
Lacuna vasorum: liegt medial, Durchtritt von eine Lücke der Bauchwand (= Bruchpforte). Das
A. und V. femoralis, Lymphgefäßen und Nerven. Peritoneum wird noch von der Haut (= Bruch-
Lacuna musculorum: liegt lateral, Durchtritt hülle) umgeben.
des Hüftlendenmuskels (M. iliopsoas), N. femo- Hernien können angeboren oder erworben sein.
ralis und N. cutaneus femoris lateralis. Von den vielfältigen Formen der Hernien sind
die Leistenhernien mit ca. 75 % die häufigsten.
❑P Bei fehlender (= Bauchhöhlenhoden) oder Hier tritt der Bruchsack mit Bruchinhalt durch
unvollständiger (= Leistenhoden) Hodenwan- den Leistenkanal und kann bis zum Hoden rei-
derung in den Hodensack muss dies bis zum chen.
2. Lebensjahr medikamentös oder operativ Die angeborene Leistenhernie tritt bei Jungen
behandelt werden. achtmal häufiger als bei Mädchen auf.
Wird das unterlassen, kann später die Spermio-
genese (Entwicklung der Samenzelle) gestört
sein, und es besteht ein erhöhtes Krebsrisiko.
140 6 Leibeswand und Beckenboden
äußerer schräger
Bauchmuskel
(M. obliquus externus viereckiger
abdominis) Lendenmuskel
(M. quadratus
lumborum)
äußerer Leistenring
(Anulus inguinalis super-
ficialis)
Darmbeinmuskel
(M. iliacus)
= äußere Öffnung
des Leistenkanals
Leistenband
Samenstrang (Lig. inguinale)
(Funiculus spermaticus)
Oberschenkelarterie Oberschenkelnerv
(A. femoralis)
(N. femoralis)
Oberschenkelvene
(V. femoralis)
Hüftnerv
(N. obturatorius)
Oberschenkelvene
(V. femoralis)
Oberschenkelarterie
(A. femoralis)
Leistenband
(Lig. inguinale)
Muskelfach unter
dem Leistenband innerer
(Lacuna musculorum) Leistenring
(Anulus inguinalis pro-
Gefäßfach unter fundus)
dem Leistenband = innere Öffnung
(Lacuna vasorum) des Leistenkanals
Samenstrang
(Funiculus spermaticus)
Der von der Leibeswand umschlossene Innen- 7.1 Brusthöhle (Cavitas thoracis)
raum ist die Leibeshöhle. Diese wird durch das
Zwerchfell scharf in Brust- und Bauchhöhle Die Brusthöhle liegt innerhalb des Brustkorbes
getrennt. Im Allgemeinen ist es jedoch üblich, und beherbergt die Brustorgane. Sie wird von
von drei großen Körperhöhlen zu sprechen: außen wie folgt begrenzt:
– der Brusthöhle, • vorn: Brustbein, Rippen,
– der Bauchhöhle und • seitlich: Rippen,
– der Beckenhöhle (kleines Becken). • hinten: Rippen und Brustwirbelsäule,
Zwischen Bauch- und Beckenhöhle gibt es keine • unten: Zwerchfell,
scharfe Grenze. Letztere ist anatomisch gesehen • oben: obere Thoraxöffnung.
ein Teil der Bauchhöhle.
Gliederung und Lage der Brustorgane
Zwerchfell (Diaphragma) Die Brusthöhle wird durch einen Bindegewebs-
Das Zwerchfell trennt als kuppelförmige mus- raum, Mediastinum (Mittelfellraum), in die rech-
kulös-sehnige Platte die Brusthöhle von der te und linke Pleurahöhle unterteilt. Jede Pleura-
Bauchhöhle. Es gliedert sich in einen sehnigen höhle enthält eine Lunge (✑ S. 83 und 220). Im
Teil (Centrum tendineum) und in drei muskulö- Mediastinum liegt als 3. Höhle der Herzbeutel
se Teile (Brustbein-, Rippen- und Lendenteil). (Perikardhöhle) mit dem Herzen.
Der sehnige Teil liegt zentral und bildet die rech-
te etwas höher stehende und linke Zwerchfell- Mittelfellraum (Mediastinum)
kuppel mit dem dazwischen liegenden Herzsat- Das Mediastinum ist der mittlere Brustraum. Es
tel. Alles zusammen bildet den horizontalen Teil erstreckt sich vom Sternum bis zu den Brust-
des Zwerchfelles. wirbelkörpern und wird seitlich von den Pleu-
rahöhlen begrenzt. Caudal endet es am Zwerch-
Die Zwerchfellmuskeln entspringen peripher an fell und cranial geht es ohne scharfe Grenze in
der Innenfläche des Schwertfortsatzes und der den Bindegewebsraum des Halses über.
7. – 12. Rippe sowie am 1. – 3. Lendenwirbel
und verlaufen nach oben zum Centrum tendine- Merke
um. Dadurch stülpt sich das Zwerchfell weit in Das Mediastinum ist in erster Linie eine
den Brustraum hinein, und die ihm anliegenden Durchgangsregion für die Luft- und Speise-
Bauchorgane (Leber, Magen, Milz, Nebennieren, röhre sowie Nerven, Blut- und Lymphgefäße.
Nieren) müssen den Auf- und Abbewegungen Es enthält nur 2 eigenständige Organe: das
bei der Atmung folgen. Herz und den Thymus (bildet sich nach der
Folgende Durchtrittstellen sind wichtig: Pubertät zum thymischen Fettkörper zurück).
– Aortenschlitz (Hiatus aorticus) im Lenden-
teil für die Aorta und den Milchbrustgang
(Ductus thoracicus), Gliederung und Organe
– Speiseröhrenöffnung (Hiatus oesophageus) Das Mediastinum gliedert man in:
im Lendenteil für Speiseröhre und Vagus- Oberes Mediastinum – zwischen Luftröhren-
nerven, gabel (Bifucatio tracheae) und Hals.
– Hohlvenenöffnung (Foramen venae cavae) Organe:
im Centrum tendineum für die V. cava inferior. • Thymus,
• große Venen (V. cava superior, Vv. brachio-
❑
P Bei Zwerchfellbrüchen (Hiatushernien) tre- cephalicae),
ten Magen- und Darmteile in den Brustraum. • große Arterien (Truncus pulmonalis, Aorten-
bogen mit seinen Abgängen),
144 7 Die großen Körperhöhlen
2. Bauchfelltaschen
Zu den Bauchfelltaschen gehören großes Netz
– der Netzbeutel (Bursa omenta- (nach oben gelegt)
lis) hinter Magen und kleinem quer verlaufender
Netz; einziger Zugang ist das Grimmdarm
(Colon transversum)
Foramen omentale unten rechts,
– die Excavatio rectouterina absteigender
Grimmdarm
(= Douglas’scher Raum) als der (Colon descendens)
tiefste Punkt des Bauchfells Dünndarmgekröse
zwischen Mastdarm und Ge- (Mesenterium)
bärmutter bei der Frau, Dünndarm
(Intestinum tenue)
– die Excavatio vesicouterina
s-förmiger
zwischen Gebärmutter und Grimmdarm
Harnblase (Frau), (Colon sigmoideum)
– die Excavatio rectovesicalis
zwischen Mastdarm und Harn-
blase (Mann).
Dünndarmgekröse (Mesenterium). Abb. 7.2
❑
P In den Bauchfelltaschen kann
sich bei Entzündungen und
inneren Blutungen Eiter bzw.
Blut ansammeln (z. B. Douglas- Leber Zwerchfell
(Hepar) (Diaphragma)
Abszesse).
kleines Netz
3. Gekröse (Omentum minus)
Gekröse sind Bauchfellduplika- Netzbeutel
turen, die durch das Umschlagen (Bursa omentalis)
des Peritoneum parietale von der Bauchspeicheldrüse
(Pankreas)
Körperhöhlenwand auf das Organ
Magen
entstehen. Sie werden mit „Mes“ (Gaster)
plus dem Fachnamen des Organs Gekrösewurzel
bezeichnet, z. B. (Radix mesenterii)
Magen: Mesogastricum, quer verlaufender
Dickdarm: Mesocolon, Grimmdarm
(Colon transversum)
Dünndarm: Mesenterium,
Peritoneum
Eileiter: Mesosalpinx. parietale
Dünndarmgekröse
Merke (Mesenterium)
Die Gekröse haben 2 Haupt- großes Netz
(Omentum majus)
aufgaben:
• Sie enthalten die Blut- und Gebärmutter
(Uterus)
Lymphgefäße sowie vege- Douglas’scher
tative Nerven zur Versor- Raum
gung des Organs. (Excavatio rectouterina)
• Sie dienen der Fixierung Harnblase
bzw. Aufhängung der sack- (Vesica urinaria)
artig umhüllten Organe. Excavatio Scheide Mastdarm
vesicouteria (Vagina) (Rektum)
linke
Rippenbogenregion
(Regio hypochondriaca sinistra)
rechte Magengrube
Rippenbogenregion (Regio epigastrica)
(Regio hypochondriaca dextra)
linke Lendenregion
(Regio lateralis sinistra)
rechte Lendenregion
(Regio lateralis dextra) Nabel
(Umbilicus)
Nabelregion
(Regio umbilicalis)
linke Leisten- oder
rechte Leisten- oder Darmbeinregion
Darmbeinregion (Regio inguinalis sinistra)
(Regio inguinalis dextra)
Schambeinregion
(Regio pubica)
❑
P Unter einem „akuten Bauch“, wie er in der
Klinik genannt wird, werden akute und oft
Leber
lebensbedrohliche Erkrankungen der Bauch- (Hepar)
höhle verstanden, die umgehend ärztliches Magen
Eingreifen erfordern. Als Ursachen kommen (Gaster)
z. B. infrage: Darmverschluss (Ileus), Blutun-
Grimmdarm
gen, Organperforationen und Infektionen. (Colon)
Leerdarm
Typische Leitsymptome sind (Jejunum)
– harte Bauchdecke,
– starke Schmerzen,
– Erbrechen, Übelkeit, Krummdarm
– evtl. Fieber. (Jleum)
Retroperitonealraum
Der Retroperitonealraum liegt zwischen Perito-
neum parietale und hinterer Bauchwand. Nach
caudal reicht er bis zum Beckeneingang. Er ist Intraperitoneale Organe. Abb. 7.5
wie das Mediastinum, die seitliche Halsgegend
und die Achselhöhlen eine wichtige Durchgangs-
und Verteilungsregion für Gefäße und Nerven.
Bauch-
Seine Begrenzungen sind speicheldrüse
(Pankreas)
• vorn: Peritoneum parietale, Niere
• hinten: hintere Bauchwand, (Ren)
• oben: Zwerchfell, Zwölffinger-
• unten: Beckeneingang. darm
(Duodenum)
Organe untere
Hohlvene
Der Retroperitonealraum beherbergt folgende (V. cava inferior)
Organe: Bauchaorta
– Nieren (Renes) zwischen 12. Brust- und 3. Len- (Pars abdominalis
denwirbel beidseits der Lendenwirbelsäule; aortae)
8 Hals (Collum)
Der Hals (Collum) verbindet den Kopf mit dem – Trapezmuskel (M. trapezius) als oberflächli-
Rumpf. Er gewährleistet die relativ freie Be- cher Halsmuskel.
weglichkeit des Kopfes als eine wichtige Vor-
aussetzung für die Orientierung im Raum. Darunter liegt eine Vielzahl tiefer Halsmuskeln,
die teilweise auf den Kopf bzw. Rumpf überge-
hen. Speise- und Luftröhre bilden die Grenze
8.1 Bau (✑ Abb. 8.1) zwischen vorderen und hinteren Halsmuskeln.
Zu den vorderen Halsmuskeln zählen z. B. der
Der Hals besteht aus der dorsal gelegenen, sehr flächige Hautmuskel (Platysma), der Kopfwen-
gut beweglichen Halswirbelsäule, den Hals- demuskel (M. sternocleidomastoideus) und der
muskeln, den Halseingeweiden mit Luftröhre Schlüsselbein-Zungenbein-Muskel (M. sterno-
(✑ S. 219), Speiseröhre (✑ S. 239), Rachen hyoideus). Zu den hinteren Halsmuskeln ge-
(✑ S. 214), Kehlkopf (✑ S. 216), Schilddrüse hören u. a. die Gruppe der Treppenmuskeln (Mm.
und Nebenschilddrüsen (✑ S. 301) sowie den scaleni), die auch als Atemhilfsmuskeln fungie-
beiden Gefäß-Nerven-Strängen. ren, und der Trapezmuskel (M. trapezius).
❑
P Bei degenerativen Veränderungen der Hals- Merke
wirbelsäule mit Einengung der Querfortsatz- Der Hals ist neben Achselhöhle und Leisten-
löcher können infolge Minderdurchblutung gegend eine weitere wichtige Lymphknoten-
des Innenohres Gleichgewichts- (Schwindel) station.
und Hörstörungen auftreten.
Die Halslymphknoten werden in oberflächliche
Bei Schlag gegen den Hals oder überempfind-
und tiefe unterteilt. Aus den tiefen Halslymph-
lichem Karotissinus1) kann es durch Reizung
knoten gelangt die Lymphe rechts in den Ductus
der Pressorezeptoren zu plötzlichem Blut-
lymphaticus dexter und links in den Ductus
druckabfall mit Ohnmachtsanfall (Synkopen)
thoracicus.
kommen.
4. Nerven
Für Nerven ist der Hals ebenfalls Durchgangs-
In der Wand der A. carotis communis befinden
und Verteilerregion. Sie bilden mit den Gefäßen
sich zwei Stellen mit Sinneszellen.
den Gefäß-Nerven-Strang, bestehend aus
• Sinus caroticus mit Pressorezeptoren zur
A. carotis communis, V. jugularis interna und
Blutdruckmessung (= kleine Erweiterung
N. vagus.
nahe der Teilungsstelle in A. carotis interna
und externa).
Im Hals liegen:
• Glomus caroticum mit Chemorezeptoren zur
– 4 Hirnnervenpaare (Hirnnerven IX bis XII,
Messung von pO2, pCO2, pH-Wert (Körper-
✑ S. 356 – 357 und Abb. 17.20, S. 355),
chen im Teilungswinkel der A. carotis com-
– Halsnervengeflecht (✑ S. 357),
munis).
– Armnervengeflecht (✑ S. 357),
– Halssympathicus (liegt hinter dem Gefäß-
2. Venen
Nerven-Strang; ✑ S. 365).
Außer den Hautvenen durchziehen den Hals als
Begleitvenen der großen Arterien die V. subcla- Merke
via und V. jugularis interna (gehört zu den
stärksten Venen des Menschen). Beide Venen Im Halsbereich verlaufen viele wichtige
bilden die sog. Venenwinkel, in die die Lymph- Strukturen, sodass Veränderungen sich auf
stämme einmünden (✑ Abb. 9.33, S. 185). den ganzen Körper auswirken können (Blut-
versorgung des Gehirns, Nervenversorgung,
❑
P V. subclavia und V. jugularis interna eignen Atmung, Nahrungsaufnahme, Lymphabfluss
sich sehr gut für intravenöse Infusionen (zent- u. a.).
raler Venenkatheter), da es kaum Strömungs-
hindernisse gibt, der Weg zum Herzen nur kurz
und ein Katheter hier gut verschiebbar ist.
Zungenbein
(Os hyoideum)
Hauthalsmuskel Schildknorpel
(Platysma)
Ringknorpel
Luftröhre mittlerer
(Trachea)
Treppenmuskel
rechte gemeinsame (M. scalenus medius)
Halsarterie Armgeflecht
(A. carotis communis dextra) (Plexus brachialis)
rechte Wirbelarterie
(A. vertebralis dextra) linke
innere Drosselvene Schlüsselbeinarterie
(A. subclavia sinistra)
(V. jugularis interna)
äußere Drosselvene Schlüsselbeinvene
(V. subclavia)
(V. jugularis externa)
Schlüsselbeinvene vorderer
(V. subclavia) Treppenmuskel
(M. scalenus anterior)
obere Hohlvene
(V. cava superior) 1. Rippe
Arm-Kopf-Vene
(V. brachiocephalica)
zweibäuchiger
Muskel
Griffel-Zungenbein- (M. digastricus)
muskel Trapezmuskel
(M. stylohyoideus) (M. trapezius)
Zungenbein hinterer
(Os hyoideum)
Treppenmuskel
Schlüsselbein- (M. scalenus posterior)
Zungenbein-Muskel mittlerer
(M. sternohyoideus)
Treppenmuskel
Kopfwendemuskel (M. scalenus medius)
(M. sternocleidomastoideus)
vorderer
Gefäß- und Treppenmuskel
Nervenlücke (M. scalenus anterior)
(Hiatus scaleni)
9 Kreislaufsystem
Stammzellen der
Granulozyten
Querschnitt
Stammzellen
der Erythrozyten
Rote Blutzellen (Erythrozyten). Abb. 9.3
Retikulumzelle
Leukozyten
großer Lymphozyt
eosinophiler basophiler
neutrophiler
kleiner Lymphozyt
stabkerniger segment-
kerniger
großer Lymphozyt
basophiler Granulozyt
kleiner Lymphozyt
Thrombozyten
Erythrozyt
stabkerniger, Monozyt
neutrophiler Granulozyt
– Transportmittel im Dienste der Wärmeregula- 2. Phase: Das Thrombin wandelt das lösliche
tion, ebenfalls in der Leber gebildete Fibrinogen in
– Transport von Hormonen und anderen Wirk- unlösliches fadenförmiges Fibrin um.
stoffen vom Bildungs- zum Wirkungsort zur Nachphase: Fibrinfäden ziehen sich zusam-
chemischen Steuerung des Organismus und men (Retraktion), sodass sich die Wundränder
– Transport von Arzneiwirkstoffen. einander nähern. Gleichzeitig entsteht aus
allen geformten Bestandteilen der Blut-
kuchen (= roter Thrombus). Dabei wird Serum
9.3.2 Blutstillung (Hämostase) abgepresst.
Die Blutstillung umfasst alle Vorgänge, die zwi- Phasen der Blutgerinnung bei
schen dem Entstehen und dem Verschluss einer kleineren und mittleren Gefäßen. Tab. 9.2
Wunde ablaufen. Sie erfolgt nur in mittleren und
kleinen Gefäßen. In größeren Gefäßen wird der Gewebeverletzung
entstehende Thrombus (= Blutpfropf) immer wie-
der weggespült.
Abwehrmechanismen
Rotes Knochenmark
Lymphozyt Thymus
Lymphozyten
Blutgefäß
lymphatisches
Lymphknoten Gewebe des Darmes
weiße Milz
(Pulpa)
Lymphozyten
Blutgefäß
Thymus
Thymus bei einem Neugeborenen. Abb. 9.7
Bau
Der Thymus besteht aus zwei
Lappen (jeweils 2 x 5 cm), die
wiederum in Läppchen gegliedert sind. Er wird ❑
P In dem Umfang, wie sich der Thymus zu-
von einer bindegewebigen Kapsel begrenzt. rückbildet, werden die Prägungen von Null-
zellen in T-Lymphozyten von den sekundären
Bei Kindern ist der Thymus relativ am größten lymphatischen Organen (Milz und Lymph-
(Masse 30 bis 40 Gramm). Nach der Pubertät knoten) übernommen.
bildet er sich zum thymischen Fettkörper zurück.
Der mikroskopische Bau ist aus der Abb. 9.7 Milz (Lien, Splen)
ersichtlich. Bau
Die Milz ist von einer derben bindegewebigen
Lage Kapsel umgeben, von der aus ein – ebenfalls aus
Der Thymus liegt im oberen Mediastinum direkt straffem Bindegewebe bestehendes – Balken-
hinter dem Brustbein. Nachbarorgane sind vorn werk das Organ durchzieht. Das zwischen den
das Brustbein, seitlich die Pleura mediastinalis Balken liegende Milzgewebe heißt Pulpa. Man
und hinten die V. cava superior, V. brachiocepha- unterscheidet:
lica sowie der Aortenbogen. – Weiße Pulpa (ca. 15 %); Sie wird gebildet aus
retikulärem Bindegewebe mit reichlich
Aufgaben Lymphozyten (= lymphatisches Gewebe).
Der Thymus ist das primäre lymphatische Organ. Letzteres finden wir in Gestalt der lymphati-
In der Fetalzeit und frühen Kindheit wandern aus schen Begleitscheide um die Zentralarterie mit
dem roten Knochenmark sog. Nullzellen bzw. hauptsächlich T-Lymphozyten und der Milz-
Vorläuferzellen in die Thymusrinde. Dort teilen knötchen (= Lymphknötchen) mit B-Lympho-
sie sich mitotisch und gelangen allmählich in das zyten. Es handelt sich hier um rundliche An-
Mark. Dabei werden sie verändert (z. B. bezüg- sammlungen der Lymphozyten;
lich Enzymausstattung); das bedeutet, sie erhal- – rote Pulpa; sie wird gebildet von erweiterten
ten ihre Immunkompetenz. Die so geprägten rei- Blutkapillaren, den sog. Milzsinus, mit zahl-
fen Thymus-Lymphozyten (= T-Lymphozyten) reichen Erythrozyten.
verlassen auf dem Blutweg den Thymus und sie-
deln sich sekundär in den T-Lymphozyten- Form, Größe, Masse
Regionen der anderen lymphatischen Organe an. Die Milz hat die Gestalt einer großen Kaffee-
bohne. Sie ist etwa 12 cm lang, 7 cm breit und
Der Thymus bildet das Hormon Thymosin, das 4 cm dick. Ihre Masse beträgt 150 bis 200 Gramm.
die zelluläre Immunabwehr aktiviert.
162 9 Kreislaufsystem
Bindegewebskapsel
Milzbalken hinterer Pol
(Extremitas posterior)
rote Pulpa
(Milzsinus)
Magenfläche
(Fascies gastrica)
Schnittrand
des Lig.
gastrolienale
Milzvene
(V. splenica)
Milzarterie
(A. splenica)
Bauchspeichel-
drüsenfläche
(Fascies pancreatica)
Balkenvene
Balkenarterie rote Pulpa
(Milzsinus) Schnittrand
Pulpavene weiße Pulpa1) des Lig.
Pulpaarterie phrenicolienale
vorderer Pol
(Extremitas anterior)
1) Pulpaarterie mit Lymphscheide (T-Lymphozyten)
und Milzfollikel (B-Lymphozyten) bilden die Grimmdarmfläche
weiße Pulpa (Fascies colica)
❑
P Bei Erkrankungen des lymphatischen Sys- • ist wichtigstes Speicherorgan für Lymphozyten,
• wichtiges Immunorgan.
tems kann sich die Masse der Milz auf mehre-
re Kilogramm erhöhen. Sie ist dann unter dem
Merke
linken Rippenbogen tastbar.
Eine normal große Milz ist in der Regel nicht Die Milz ist in ihrer Abwehrtätigkeit für die
palpabel. gesamte Blutbahn zuständig.
Rindensinus
Lymphknötchen
= Lymphfollikel Rinde mit
Lymphfollikeln
Mark mit Marksinus (=
^ B-Lymphozyten)
Vene Bindegewebs-
stränge
Arterie
abführendes
Lymphgefäß
Hilus
❑
P Die Kenntnis der Abflussgebiete zu bestimm-
ten regionalen Lymphknoten hat klinische
Bedeutung für die Diagnostik und Therapie-
Tubenmandel kontrolle von Tumoren und Entzündungen.
(Tonsilla tubaria)
Aus den entsprechenden Gebieten gelangen
Rachenmandel Entzündungszellen bzw. Tumorzellen in die
(Tonsilla pharyngea)
Lymphbahnen und werden in den Lymph-
Öffnung der knoten zurückgehalten. Infiltrierte Lymph-
Ohrtrompete
knoten sind vergrößert und oft tastbar.
Seitenstrang
Als Lymphographie bezeichnet man die
Zunge röntgenologische Darstellung der Lymphgefä-
(Lingua)
ße und Lymphknoten mittels Kontrastmittel.
Aufgaben
• Lymphknoten sind die „Filterstation“ der
Lymphe. Im Lymphsinus ist die Strömungsge-
schwindigkeit der Lymphe vermindert. Da-
durch haben die dort vorhandenen Uferzellen
ausgiebigen Kontakt und können zusammen
mit den Retikulumzellen Zelltrümmer, Bakte-
rien, Staub- und Rußteilchen phagozytieren.
Auch Krebszellen werden zurückgehalten, so
können Lymphknotenmetastasen entstehen.
vorderer • Prägung von B- und vor allem T-Lymphozyten
Gaumenbogen für die spezifische Immunabwehr (✑ S. 166).
hinterer • Speicherung von Lymphozyten. Die Lympho-
Gaumenbogen zyten halten sich in der Regel mehrere Stun-
Gaumenmandel den in einem lymphatischen Organ auf. Danach
(Tonsilla palatina) begeben sie sich für 30 bis 45 Minuten ins
strömende Blut und gelangen dann erneut in
ein lymphatisches Organ zurück.
Lymphfollikel (= Lymphknötchen)
Als Lymphfollikel werden größere Ansammlun-
gen von B-Lymphozyten bezeichnet. Sie kom-
Zunge men in allen lymphatischen Organen – außer
(Lingua) Thymus – und im Darm (= Peyer-Platten) vor.
Tonsillen (Mandeln)
Zungenmandel Unter Tonsillen versteht man das lymphatische
(Tonsilla lingualis) Gewebe im Bereich des Mund- und Nasen-
höhlenübergangs in den Rachen sowie im
Rachen selbst.
Alle Tonsillen bilden den lymphatischen Ra-
Gaumenmandel
chenring (Waldeyer’scher Rachenring). Er stellt
(Tonsilla palatina) einen vorgeschalteten Immunapparat dar, der das
Abwehrsystem gewissermaßen ökonomisiert. In
der Schleimhaut sitzen Makrophagen und versu-
chen, die Antigene abzufangen. Anschließend
Einzugsgebiet des wandern sie in das Innere der Tonsille zu den
Abb. 9.10 lymphatischen Rachenringes. dort vorwiegend vorhandenen B-Lymphozyten.
9.3 Physiologie des Blutes 165
an seine Zelloberfläche. Man sagt: Der Makro- plexe nicht abgebaut werden. Sie setzen sich
phage präsentiert die Antigene den Lympho- dann in bestimmten Organen (z. B. Niere, Ge-
zyten. Die Antigenpräsentation bewirkt je nach lenke) fest und rufen dort Entzündungen her-
Beschaffenheit des Antigens entweder eine vor.
Beteiligung der B- oder T-Lymphozyten.
4. Spezifische zelluläre Abwehr
Im Fall der spezifischen humoralen Abwehr Für die spezifische zelluläre Abwehr sind die
spielen die B-Lymphozyten die zentrale Rolle. T-Lymphozyten verantwortlich.
Folgende Vorgänge spielen sich ab: Folgende Vorgänge spielen sich ab:
– T-Helferzellen heften sich an die Antigene und – Die vom Makrophagen präsentierten Antigene
stimulieren die B-Lymphozyten; des Erregers aktivieren die T-Lymphozyten;
– die aktivierten B-Lymphozyten teilen sich in – die aktivierten T-Lymphozyten teilen sich in
• B-Plasmazellen und • T-Helferzellen,
• B-Gedächtniszellen; • T-Suppressorzellen (= T-Unterdrückerzellen),
– die B-Plasmazellen produzieren antigenspezi- • T-Effektorzellen (= T-Killerzellen);
fische Antikörper2) (= Immunglobuline); – die spezifischen T-Effektorzellen lagern sich an
– die spezifischen Antikörper reagieren mit den die infizierten Zellen und zerstören sie mithilfe
Antigenen, gegen die sie gebildet wurden ihrer Enzyme. Gleichzeitig produzieren sie
(= Antigen-Antikörper-Reaktion). Es entstehen Lymphokin, das die Makrophagen aktiviert,
sodass diese jetzt die Erreger abtöten
können.
Antigen + Antikörper Antigen-
(z. B. Masernvirus) gegen Antikörper-
Masernvirus Komplex
Spezifische Spezifische
humorale Abwehr zelluläre Abwehr
Antigen
Antigen
Krankheitserreger
Krankheitserreger
1. Phagozytose
der Erreger durch
Makrophagen
Makrophage Makrophage
T-Helferzelle
2. Antigenpräsentation
(Verlagerung der Antigene
an die Zelloberfläche)
B-
Lymphozyt T-Suppressorzelle
T-Helferzelle
T-Lymphozyt
3. Anlockung und
3. Anlockung und rezeptive Anheftung
rezeptive Anheftung
von T-Lymphozyten,
von B-Lymphozyten, T-Helferzellen,
T-Helferzellen und T-Suppressorzellen
Kooperation der und Kooperation der
beiden Zellarten drei Zellarten
4. Vermehrung
T-Gedächtniszelle
der B- bzw.
T-Lymphozyten Lymphokin
Antikörper (klonale Expansion) produzierende
T-Zelle
B-Gedächt- spezifische
niszelle Lymphokin
Antikörper
produzierende
Plasmazelle Lymphokin
befähigt
Makrophagen,
Erreger abzutöten
Makrophage
Antigen-Antikörper–Reaktion
❑
P Man kennt heute ca. 400 Merkmale der Ery- weiteren Schwangerschaften zu Schädigungen
throzytenmembran, von denen die meisten eines Rh-positiven Kindes führen können. Dies
bei Bluttransfusionen bedeutungslos sind. lässt sich durch eine Serodiagnostik feststellen.
Blutgruppen
Blutgruppe A B AB 0
Agglutinogene
= Antigene der A B A, B
Erythrozyten-
membran
Agglutination Agglutinat
verschließt
Blutgefäß
A B
+ +
Anti A Anti B
Blutgruppentest Kreuzprobe
Blut- Spender
gruppe A B AB 0 Serum Erythrozyten
minor major
Anti A
Testserum
Anti B
Anti A
und Empfänger
Anti B Erythrozyten Serum
Bluttransfusion
1. Schwangerschaft 2. Schwangerschaft
Zygote
den Empfänger ein Restrisiko. Das Blut jedes Zeit, oftmals Wochen bis Monate, sodass bei
Menschen enthält ein individuell einmaliges kurz nach einer Infektion entnommenen Blut-
Gemisch verschiedener Eiweiße, und da prinzi- konserve die Antikörperbildung zwar noch nicht
piell jedes körperfremde Eiweiß als Antigen wir- nachgewiesen werden kann, sie aber dennoch
ken kann, ist eine allergische Reaktion nie aus- infektiös ist. Aus diesen Gründen wird die
geschlossen. Außerdem können Krankheits- Indikation für eine Vollblutkonserve sehr streng
erreger übertragen werden. Die Antikörper- gestellt.
bildung nach einer Infektion dauert eine gewisse
172 9 Kreislaufsystem
9.4 Das Herz (Cor) – rechter Vorhof = obere Hohlvene (V. cava
superior), untere Hohlvene (V. cava inferior),
Das Herz, ein muskuläres Hohlorgan, ist der Herzvene (Sinus coronarius);
„Motor“ des Blutkreislaufes. Es befindet sich – linker Vorhof = vier Lungenvenen (Vv. pul-
zwischen den Brustfellhöhlen und wird vollstän- monales).
dig vom Herzbeutel (Perikard) umhüllt. Ausflussbahnen (= Arterien, die an den Herz-
kammern beginnen):
Bau – rechte Herzkammer = Stamm der Lungen-
Das Herz wird durch die Herzscheidewand arterien (Truncus pulmonalis);
(Septum) in eine rechte und linke Herzhälfte – linke Herzkammer = große Körperarterie
geteilt. Es besitzt vier Innenräume (✑ Abb. 9.16): (Aorta).
• rechter Vorhof (Atrium dextrum),
• linker Vorhof (Atrium sinistrum), Form, Masse, Größe
• rechte Herzkammer (Ventriculus dexter), Das Herz ist kegelförmig. An der Oberfläche
• linke Herzkammer (Ventriculus sinister). kann man folgende Einzelheiten erkennen: Herz-
Vorhöfe und Kammern werden durch das binde- spitze, Herzbasis, Herzkranzfurche und Zwischen-
gewebige Herzskelett getrennt. Es besteht im kammerfurchen mit Herzkranzgefäßen sowie
Prinzip aus vier Faserringen als Ansatzstelle für Herzohren. Die Größe entspricht etwa der Faust
die Herzklappen (= Herzventile). Man bezeich- des Trägers. Seine Masse beträgt bei Männern
net die Ebene, in der das Herzskelett mit den ca. 300 Gramm und bei Frauen ca. 220 Gramm.
Herzventilen liegt, deshalb auch als Ventilebene.
❑
P Kinder haben ein relativ großes Herz. Bei
Anschluss der Herzräume an das Gefäßsystem Leistungssportlern ist das Herz ebenfalls ver-
Einflussbahnen (= Venen, die an den Vorhöfen größert.
münden):
linker Vorhof
(Atrium sinistrum)
große Körperarterie Lungenvenen
(Aorta) (Vv. pulmonales)
zweizipflige
Stamm der Segelklappe/
Lungenarterien Mitralklappe
(Truncus pulmonalis) (Valva bicusspidalis,
Valva mitralis)
obere Hohlvene
(V. cava superior) Aortenklappe
(Valva aortae)
rechter Vorhof
(Atrium dextrum) linke
Lungenarterienklappe/ Herzkammer
(Ventriculus sinister)
Pulmonalklappe
(Valva trunci pulmonalis) Herzinnenhaut
dreizipflige (Endokard)
Segelklappe Herzmuskel-
(Valva tricuspidalis) schicht
Papillarmuskel (Myokard)
untere Hohlvene Herzaußenhaut
(V. cava inferior) (Epikard)
rechte Herzkammer Herzscheide-
(Ventriculus dexter) wand
(Septum cardiale)
Herz, ventral
rechte gemeinsame
Kopfarterie
(A. carotis communis dextra)
rechte vorderer
Herzkranzarterie Zwischenkammerast
(Ramus interventricularis
(A. coronaria dextra)
anterior)
rechte Herzkammer linke Herzkammer
(Ventriculus dexter) (Ventriculus sinister)
Herzbasis Herzspitze
Herz, dorsal
Aortenbogen
(Arcus aortae)
Lungenarterie
(Aa. pulmonalis) obere Hohlvene
(V. cava superior)
linkes Herzohr
(Auricula sinistra)
linke Lungenvenen
(Vv. pulmonales sinistrae) rechte Lungenvenen
(Vv. pulmonales dextrae)
linker Vorhof
linke Herzkammer (Atrium sinistrum)
(Ventriculus sinister)
rechter Vorhof
(Atrium dextrum)
Sammelvene
(Sinus coronarius)
linke Herzkranzvene
hinterer (V. coronaria sinistra)
Zwischenkammerast
(Ramus interventricularis untere Hohlvene
posterior) (V. cava inferior)
sten Hohlororganen
Herzbasis dreischichtig:
(2. Zwischenrippenraum)
Herzinnenhaut (Endo-
linke Lunge kard), Muskelschicht
Herz (Myokard) und Herz-
außenhaut (Epikard).
äußeres Das Myokard ist ein
Herzbeutelblatt
(Perikard) kräftiger Hohlmuskel
Herzspitze aus Herzmuskelge-
(5. Zwischen- webe (✑ S. 68).
rippenraum) Seine Dicke ist der
Zwerchfell Belastung angepasst;
(Diaphragma) so ist das Vorhofmyo-
Leber kard schwächer als das
(Hepar) Kammermyokard (ein-
Magen schließlich Vorhof-
(Gaster, und Kammerseptum)
Ventriculus)
und das linke Kammer-
myokard deutlich stär-
Abb. 9.18 Lage des Herzens. ker als das rechte.
Tricuspidal-
klappe
(Valva
Pulmonalklappe tricuspidalis)
(Valva trunci pulmonalis)
rechter Vorhof
(Atrium dextrum)
Papillarmuskeln
rechte Herzkammer
(Ventriculus dexter)
Tricuspidalklappe
(Valva tricuspidalis)
„Segel“) zwischen rechtem Vorhof und rechter zeigen sich insbesondere an den Klappen. Als
Herzkammer und Folge können Herzklappenfehler entstehen.
– Mitralklappe (Valva mitralis – zwei „Segel“)
zwischen linkem Vorhof und linker Herz- Blutversorgung
kammer. Die Blutversorgung des Herzens erfolgt durch die
Herzkranzgefäße (Koronargefäße). Zwei Herz-
Taschenklappen (Semilunarklappen) kranzarterien entspringen aus der Aorta dicht
Die dünnen Membranen der Taschenklappen be- hinter der Aortenklappe.
stehen aus einer Doppellage der Arterieninnen- • Rechte Herzkranzarterie (A. coronaria dextra),
haut (Intima) und haben die Form von Schwal- sie verläuft in der rechten Kranzfurche nach
bennestern. Sie sind so angeordnet, dass sie vom hinten. Ihr Endast, der hintere Zwischenkam-
zurückströmenden Blut gefüllt werden, sich da- merast (Ramus interventricularis posterior),
durch aufblähen und somit die Öffnung ver- steigt in der hinteren Zwischenkammerfurche
schließen. Jede Klappe besteht aus drei Taschen. ab;
• linke Herzkranzarterie (A. coronaria sinistra).
Die Taschenklappen unterteilen wir in Sie teilt sich nach l cm in zwei Endäste:
– Pulmonalklappe (Valva trunci pulmonalis) – den vorderen Zwischenkammerast (Ramus
zwischen rechter Herzkammer und Truncus interventricularis anterior), der in der vorde-
pulmonalis sowie ren Zwischenkammerfurche herzspitzen-
– Aortenklappe (Valva aortae) zwischen linker wärts verläuft und
Herzkammer und Aorta. – den umbiegenden Ast (Ramus circumflexus),
der in der linken Herzkranzfurche nach hin-
ten verläuft.
176 9 Kreislaufsystem
❑
P Durchblutungsstörungen des Herzens sind 9.5 Gefäßsystem
relativ häufig.
Begründung: Das Herz wird durch zwei Arte- Das Gefäßsystem bildet in Verbindung mit dem
rien versorgt. Dies sind funktionelle End- Herzen ein Transportsystem, in dem das Trans-
arterien, die kaum über Anastomosen in Ver- portmittel „Blut“ in einem geschlossenen Kreis-
bindung stehen. Durch die ständige Energie lauf bewegt wird. Auf diese Weise werden den
verbrauchende Pumptätigkeit hat das Herz Zellen die zum Leben notwendigen Stoffe zu-
einen großen Durchblutungsbedarf. und die Stoffwechselprodukte abgeleitet. Man
Bei unvollständigem oder kurzzeitigem Ver- unterscheidet das Blutgefäßsystem und das
schluss kleinerer Gefäße kommt es zu hefti- Lymphgefäßsystem.
gem Thoraxschmerz, der oft in den linken
Arm ausstrahlt (Angina pectoris). Einige
Tropfen oder Spraystöße Nitroglyzerin (über 9.5.1 Blutgefäßarten
die Mundschleimhaut resorbiert) lindern
prompt die Beschwerden, weil dadurch eine Das Blutgefäßsystem ist ein geschlossenes
Erweiterung der Herzkranzgefäße erfolgt. Der System, d. h., der Inhalt (Blut) bewegt sich aus-
vollständige Verschluss eines Gefäßes (meist schließlich in den Gefäßen. Es werden folgende
durch einen Thrombus) verursacht extrem star- Blutgefäßarten unterschieden:
ke Brustschmerzen (Herzinfarkt). Das Überle- 1. Arterien. Gefäße, die das Blut vom Herzen
ben des Patienten hängt hauptsächlich davon weg transportieren. Die kleinsten Arterien
ab, wie schnell er in eine Klinik kommt und heißen Arteriolen.
dort der Thrombus durch künstliche Fibrino- 2. Venen. Gefäße, die das Blut zum Herzen hin
lyse mit Medikamenten (z. B. Streptokinase, transportieren. Die kleinsten Venen heißen
Urokinase) aufgelöst wird. Auch heute noch Venolen (oder Venulen).
sterben viele Menschen am Herzinfarkt, da bei 3. Kapillaren. Kleinste Haargefäße zwischen
einem größeren Gefäßverschluss das dahinter Arteriolen und Venolen, die dem Stoffaus-
liegende Herzmuskelgewebe irreversibel ge- tausch zwischen Blut und Zelle dienen.
schädigt wird und der Pumpvorgang nicht auf-
rechterhalten werden kann. Die Ver- und Entsorgung der Zellen erfolgt indi-
rekt über die interstitielle Flüssigkeit.
Nervenversorgung
Das Herz wird vom vegetativen Nervensystem
(sympathische und parasymphatische Herznerven) interstitielle Flüssigkeit
versorgt. Bei sympathischer Erregung steigen
Herzfrequenz und Schlagkraft, der Parasympa-
thikus hemmt beides.
Arteriole
❑
P Viele Herzmedikamente wirken über die
Beeinflussung des vegetativen Nervensystems
(z. B. Betablocker). Venole
Kapillaren
Herzbeutel (Perikardhöhle) Gewebe
Der Herzbeutel ermöglicht die Beweglichkeit des
Herzens. Das innere viscerale Blatt wird vom Kapillargebiet. Abb. 9.21
Epikard, das äußere parietale Blatt vom Perikard
gebildet. Die Umschlagseite befindet sich an den
Ein- und Ausflussbahnen der Herzbasis.
Arteriovenöse Anastomosen sind Gefäßverbin-
Plötzliche Herzbeutelergüsse sind lebensgefähr- dungen zur Umgehung der Kapillaren. Sie die-
lich, weil der Herzbeutel nicht schnell erweite- nen der Durchblutungsregulation (z. B. Verän-
rungsfähig ist – das Herz wird somit von außen derung der Hautdurchblutung zur Steuerung des
„abgedrückt“. Wärmehaushaltes.
9.5 Gefäßsystem 177
Kapillaren Hauptgefäß
Arteriole
Nebengefäß
Gewebe
Venole interstitielle
Flüssigkeit
Brückenanastomose
❑
P Häufigste Erkrankung der Arterien ist die Bau von Arterie und Vene. Abb. 9.24
Arteriosklerose (Arterienverkalkung).
178 9 Kreislaufsystem
Merke
❑
P Häufige Erkrankungen der Venen sind
Das Blut gelangt über Venen immer zuerst in
die Vorhöfe. Im Herzen fließt das Blut dann
Krampfadern (Varizen) als Folge schwacher
vom rechten Vorhof in die rechte und vom
Venenwände: Die Klappen schließen nur noch
linken Vorhof in die linke Herzkammer. In
unvollkommen.
der rechten Herzhälfte befindet sich O2-
armes, in der linken Herzhälfte O2-reiches
Kapillaren Blut.
Die Kapillarwand ist einschichtig und besteht
nur aus der Intima, die von einem Gitterfaser-
häutchen umhüllt wird. Der Durchmesser der Die einzelnen Organkreisläufe (z. B. Nierenkreis-
kleinsten Kapillaren ist geringer als der eines lauf) des Körperkreislaufes sind parallel geschal-
Erythrozyten, sodass diese sich nur aufgrund tet, d. h., jedes Organ erhält einen bestimmten Teil
ihrer Elastizität hindurchbewegen können. des Gesamtblutvolumens.
Jeder Organkreislauf zeigt eine bestimmte
Gefäßfolge:
9.5.2 Blutkreislauf
linke
gemeinsame Lungenarterie
Halsschlagader (A. pulmonalis
(A. carotis communis) sinstra)
linke
Lungenvenen
(Vv. pulmonales
obere sinistrae)
Hohlvene
(V. cava superior) Lungenstamm-
rechter arterie
Vorhof (Truncus pulmonalis)
(Atrium dextrum) linker Vorhof
rechte (Atrium sinistrum)
Herzkammer linke
(Ventriculus dexter) Herzkammer
Leber (Ventriculus sinister)
(Hepar) Aorta
Pfortader
(V. portae)
Grimmdarm
(Colon)
untere Bauch-
Hohlvene aorta
(V. cava
inferior)
gemeinsame Oberschenkel-
Darmbein- schlagader
schlagader (A. femoralis)
(A. iliaca communis)
Die Arterien verzweigen sich bis zu den Kapilla- Arterien des Körperkreislaufes und ihre
ren ständig weiter auf. Dabei nimmt der Gesamt- Versorgungsgebiete
querschnitt zu, Durchmesser und Wandstärke ab. Alle großen Arterien des Körperkreislaufes ent-
Ebenso verringert sich die Strömungsgeschwin- springen aus der Aorta. Die Aorta beginnt im lin-
digkeit des Blutes. ken Ventrikel und wird ihrem Verlauf entspre-
Die Organdurchblutung wird vom vegetativen chend in folgende Abschnitte gegliedert:
Nervensystem und durch Hormone dem jeweili- – Aufsteigende Aorta (Pars ascendens aortae) im
gen Funktionszustand angepasst. oberen Mediastinum.
– Aortenbogen (Arcus aortae) verläuft im obe-
ren Mediastinum zur Hinterwand.
9.5 Gefäßsystem 181
Schläfenarterie
(A. temporalis)
Gesichtsarterie äußere Kopfarterie
(A. facialis) (A. carotis externa)
innere Kopfarterie
(A. carotis interna)
gemeinsame
Kopfarterie
(A. carotis communis)
Schlüsselbeinarterie
(A. subclavia)
Stamm
Achselarterie der Kopf-Arm-Arterie
(A. axillaris) (Truncus brachiocephalicus)
Oberarmarterie Aorta
(A. brachialis) Bauchhöhlenstamm
Nierenarterie (Truncus coeliacus)
(A. renalis) obere
gemeinsame Gekrösearterie
Hüftarterie (A. mesenterica superior)
(A. iliaca communis) untere
Speichenarterie Gekrösearterie
(A. radialis) (A. mesenterica inferior)
Ellenarterie äußere Hüftarterie
(A. ulnaris) (A. iliaca externa)
tiefer
Hohlhandbogen
(Arcus palmaris
profundus)
innere Hüftarterie
(A. iliaca interna)
oberflächlicher Oberschenkelarterie
Hohlhandbogen (A. femoralis)
(Arcus palmaris
superficialis)
Kniekehlenarterie
(A. poplitea)
vordere
Schienbeinarterie
(A. tibialis anterior) hintere
Wadenbeinarterie Schienbeinarterien
(A. fibularis) (Aa. tibiales posterior)
Fußrückenarterie
(A. dorsalis pedis)
Hinterhauptarterie
(A. occipitalis)
Speichenarterie Bauchaorta
(A. radialis) (Pars abdominalis aortae)
Ellenarterie
(A. ulnaris)
äußere Hüftarterie
(A. iliaca externa)
Oberschenkelarterie
(A. femoralis)
Kniekehlenarterie
(A. poplitea)
vordere Schienbeinarterie
(A. tibialis anterior) Wadenbeinarterie
(A. fibularis)
hintere
Schienbeinarterie
(A. tibialis posterior)
Fußrückenarterie
(A. dorsalis pedis)
gemeinsame Aortengabel
Hüftarterie (Bifurcatio aortae)
(A. iliaca communis) innere Hüftarterie
äußere Hüftarterie (A. iliaca interna)
(A. iliaca externa)
• absteigende Aorta
(Pars descendens aortae)
oberer Magen
Bauchhöhlenstamm (Gaster)
(Truncus coeliacus) Milz
(Splen, Lien)
Milzarterie
(A. lienalis)
linke Magenarterie
(A. gastrica sinistra)
gemeinsame Leberarterie
(A. hepatica communis)
Ast der A. hepatica
Leber communis
(Hepar) (A. gastroduodenalis)
Bauchspeicheldrüse Ast der A. lienalis
(Pankreas) (A. gastroepiploica)
Zwölffingerdarm rechte Magenarterie
(Duodeum) (A. gastrica dextra)
große Hautvene1)
(V. saphena magna) –
entsteht im Bereich
des Schienbeinknöchels
Kniekehlenvene1) und zieht medial am
(V. poplitea) Unter- und Oberschenkel
nach proximal
kleine Hautvene
(V. saphena parva) –
beginnt im Breich des
Wadenbeinknöchels,
verläuft an der dorsalen
Seite des Unter-
schenkels zur
Kniekehle und
mündet hier in die
V. poplitea
1) Hautvenen
Venennetz des
Fußrückens Über die mit • markierten Venen bestehen
(Rete venosum dorsale Verbindungen (Anastomosen) zum Pfort-
pedis) aderkreislauf
linke
Lungenarterie
(A. pulmonalis
rechte sinistra)
Lungenarterie Lungenvenen
(A. pulmonalis (Vv. pulmonales)
dextra)
linker Vorhof
Lungenvenen (Atrium sinistrum)
(Vv. pulmonales)
Lungenarte-
rienstamm
(Truncus
pulmonalis)
rechte
Herzkammer
(Ventriculus
dexter)
Pfortaderkreislauf
Merke
Unter den Organkreisläufen des Körperkreis-
laufes nimmt der Pfortaderkreislauf eine Sonder- Unter dem Pfortaderkreislauf versteht man
stellung ein. Abbildung 9.35 verdeutlicht dies folgenden Weg des Blutes:
wie folgt: Bauchaorta
Das Blut kommt von der Bauchaorta über die ▼
Organarterien in die Kapillargebiete der unpaari- Organarterien der unpaarigen Bauchorgane
gen Bauchorgane (Magen, Darm, Bauchspei- ▼
cheldrüse, Milz). Kapillaren der unpaarigen Bauchorgane
(1. Kapillargebiet)
Hier finden folgende wichtige Vorgänge statt: ▼
Pfortader (= Sammelvene)
– Im Magen- und Darmkapillargebiet erfolgt die ▼
Resorption der Nahrungsstoffe, Leberkapillaren
– im Milzkapillargebiet die Aufnahme von Ab- (2. Kapillargebiet)
bauprodukten des Blutes und ▼
– im Bauchspeicheldrüsenkapillargebiet die Auf- Lebervenen
nahme der Hormone Insulin und Glukagon. ▼
untere Hohlvene
Das in seiner Zusammensetzung so veränderte
Blut fließt danach über die Venen der unpaarigen blut befindlichen Stoffe werden einer Kontrolle
Bauchorgane in die Pfortader (V. portae), also unterzogen, bevor sie in die anderen Organe
nicht wie üblich in die untere Hohlvene. Über gelangen.
die Pfortader gelangt es in das 2. Kapillargebiet, Die Leber verändert also das Blut deutlich, in
das der Leber. Von da strömt es schließlich über dem sie u. a.
die Lebervenen zur unteren Hohlvene. – die resorbierten Nahrungsstoffe abbaut oder
ineinander umwandelt,
Die Leber ist das wichtigste Stoffwechselorgan – toxische Stoffe (Alkohol, Medikamente) ent-
(✑ Kap. 12.6, S. 246), d. h., die im Pfortader- giftet,
9.5 Gefäßsystem 187
Leberpforte
(Porta hepatis)
Milzvene
(V. splenica)
rechte
Magenvene
(V. gastrica dextra)
Bauchspeicheldrüsenvenen
(Vv. pancreaticae)
obere Gekrösevene
(V. mesenterica superior)
untere Gekrösevene
(V. mesenterica inferior)
Merke
Die Darmlymphe heißt Chylus und ist vor al-
Lymphgefäß lem für den Abtransport von Fettstoffen ver-
antwortlich (Ursache für das milchige Aus-
sehen).
Abb. 9.36 Blut- und Lymphkapillaren.
Lymphmenge
Sie beträgt unter normalen Bedingungen ca. 2 l/d
Extremitäten verlaufen die mittleren Lymphge-
(= 1/10 des kapillären Filtrats).
fäße häufig in unmittelbarer Nachbarschaft der
größeren Hautvenen. Lymphtransport
Das Lymphsystem hat im Unterschied zum
Der Ductus thoracicus ist der größte Lymph- Blutgefäßsystem kein Pumporgan. Der Trans-
stamm. Er beginnt in Höhe des 1. Lendenwirbels port der Lymphe erfolgt durch Kontraktion der
mit einer bläschenförmigen Erweiterung glatten Gefäßmuskulatur und durch vorüber-
(= Cisterna chyli) und tritt mit der Aorta durch gehende Drucksteigerung in der Umgebung der
das Zwerchfell. Danach verläuft er im hinteren Lymphgefäße. Die mittlere Strömungsgeschwin-
Mediastinum und mündet in den linken Venen- digkeit ist dementsprechend sehr langsam.
winkel (= Vereinigung von V. subclavia sinistra
und V. jugularis interna sinistra). Er sammelt die
Lymphe aus allen Körperteilen unterhalb des
❑
P Verschluss von Lymphgefäßen führt zu
Lymphödemen. Entzündungen der Hautlymph-
Zwerchfelles, dem linken Arm und der linken
gefäße (z. B. nach Insektenstich) erkennt man
Brust-, Hals- und Kopfseite.
an deren roter Verfärbung („roter Strich“ – im
Der nur ca. 1 cm lange Ductus lymphaticus dex-
Volksmund fälschlich als „Blutvergiftung“ be-
ter mündet in den rechten Venenwinkel (Ver-
zeichnet).
einigung von V. subclavia dextra und V. jugularis
interna dextra) und sammelt die Lymphe aus
dem rechten Arm und der rechten Hals- und Aufgabe
Kopfseite. Bevor die Lymphe in die großen Das Lymphgefäßsystem dient dem Stofftrans-
Lymphgefäße gelangt, passiert sie zahlreiche port in Richtung Herz, wobei gleichzeitig
zwischengeschaltete Lymphknoten. Diese kom- Kontroll- und Abwehraufgaben erfüllt werden.
men an bestimmten Stellen gehäuft vor (z. B. Transportiert werden solche Stoffe, die die Wand
regionäre Lymphknoten) und besitzen Filter- der Blutkapillaren nicht passieren können und
und Abwehrfunktion. erst „gefiltert“ werden müssen.
Beispiele: Bakterien, Ruß, Krebszellen und
Merke
Fettstoffe (werden im Dünndarm resorbiert).
Lymphknoten
hinter dem Ohr
Unterkieferlymphknoten
rechter Lymphstamm
(Ductus lymphaticus dexter)
Achsellymphknoten
Achsellymphknoten Lungenhiluslymphknoten
Brustmilchgang
(Ductus thoracicus)
Cisterna chyli
Ellenbogen-
lymphknoten
Gekröselymphknoten
Beckenlymphknoten
Leistenlymphknoten
9.6 Physiologie des Kreislaufsystems weitestgehend selbständig zu sein, bildet das Herz
deshalb die Erregungen selbst. Bei der Tätigkeit
Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit der Herz- des Herzens sind demnach das elektrische
tätigkeit und den speziellen Aufgaben der einzel- Geschehen (Erregung) und das mechanische
nen Gefäßarten. Geschehen (Pumptätigkeit) zu unterscheiden.
Herzskelett –
bestehend aus
linker Vorhof 4 bindegewebigen
(Atrium sinistrum) Ringen
(Anuli fibrosi)
Sinusknoten
linke
His-Bündel Herzkammer
(Ventriculus
Atrioventrikular- sinister)
knoten1)
(AV-Knoten) Papillarmuskeln
rechter Vorhof
(Atrium dextrum) Purkinje’sche
Fasern
linker Kammer-
rechter Kammer- schenkel
schenkel rechte
Herzkammer
(Ventriculus dexter)
– +
–
+
– –
+ +
+ –
Abb. 9.39 EKG-Ableitungen.
P = Vorhoferregung
Q
R = Kammererregung
S
T = Erregungsrückbildung
in der Kammer-
muskulatur
Elektrischer Impuls
Wie die Vorgänge im ❑
P Bei körperlicher Anstrengung kann das Herz-
Muskeltätigkeit Einzelnen ablaufen, minutenvolumen bis auf 20 l/min ansteigen.
ist aus der Tabelle 9.8,
Druckverhältnisse
Seite 194 und der
Abb. 9.42, Seite 195
Regelung der Herzleistung (✑ Abb. 9.41)
Klappenstellung Die Eigenrhythmik (Autonomie) des Herzens
zu ersehen.
Blutbewegung kann vom vegetativen Nervensystem (✑ S. 364)
modifiziert werden. Dadurch erfolgt die funk-
tionsgerechte Einstellung der Herztätigkeit ent-
Begleiterscheinungen der Herzaktion sprechend der Belastungssituation.
Durch den Klappenschluss erzeugte Schwingun-
gen führen zu diagnostisch verwertbaren Schall-
erscheinungen. Man unterscheidet den 1. Herz- Herzfrequenz
ton, der beim Schluss der Segelklappen am (Herzschlag pro Minute)
Systolenbeginn auftritt, und den 2. Herzton, der
beim Schluss der Taschenklappen am Diastolen-
beginn auftritt.
❑
P Störungen der Klappenfunktion (Klappen-
fehler), z. B. eine Stenose (Klappen können sich
nicht mehr richtig öffnen) oder eine Insuffizienz
(Klappen schließen sich nicht mehr vollständig)
beeinträchtigen die Pumpfunktion. Funktionsun- N. vagus Sympathicus
tüchtige Herzklappen können durch künstliche reduziert steigert
Klappen ersetzt werden. Stenosen (Verengun-
gen) und Insuffizienzen verursachen Schall-
erscheinungen. Sie (Töne = physiologisch, Ge-
räusche = meist pathologisch) können vom Arzt
mit dem Stethoskop abgehört werden, wobei
der Schall jeder Klappe an bestimmten Stellen
der Brustwand am besten zu hören und dadurch
meist einer bestimmten Klappe zuzuordnen ist.
Objektiviert werden können die Schallereignisse Regelung der Herzleistung. Abb. 9.41
mittels der Phonokardiographie.
194 9 Kreislaufsystem
Erregungsrückbildung Beginn
Kammerdiastole
Erschlaffung des Kammermyokards – Entspannungs-
phase
Kammerdruck fällt –
zunächst unter den Arteriendruck
Taschenklappen werden geschlossen,
sodass der Rückfluss des Blutes in die Kammern verhindert wird –
Kammerdruck fällt unter den Vorhofdruck
– Kammer-
Segelklappen werden geöffnet
füllungsphase
Ventilebene verlagert sich wieder herzbasiswärts
Blut fließt von den Vorhöfen in die Kammern –
anfangs schnell, dann langsamer –
gleichzeitig kann Blut über die Einflussbahnen in die Vorhöfe nachfließen
Vorhöfe und Kammern befinden sich während dieser Zeit in einer kurzen Ende
Ruhephase (= Erholungszeit) Kammerdiastole
9.6 Physiologie des Kreislaufsystems 195
ne
be
it le
ne n
be Ve
tile
n
Ve
Ausgangs-
situation Kammern gefüllt,
zu Beginn Anspannungsphase
Segelklappen offen,
der Systole Taschenklappen zu, isometrische
Kammerdruck fast 0 mmHg Hg
m
m Kontraktion des
0 Kammermyokards,
8 Hg
m
m Segelklappen
25 fast
0 mmHg
werden geschlossen
fast
0 mmHg 80 mmHg
25 mmHg
Entspannungs- und
m
Hg Füllungsphase
m
80 Hg
m
m
25
10 mmHg
Hg
m
m Austreibungsphase
fast 13
0 Hg
10 mmHg 0 mmHg m
m
40 isotonische Kontraktion
Unter-
fast druck des Kammermyokards,
0 mmHg
Taschenklappen werden
130 mmHg
Unter-
geöffnet, Schlagvolumen
Entspannung des Kammermyokards, druck wird ausgestoßen,
Segelklappen werden geöffnet, 40 mmHg
Vorhöfe werden gefüllt
Kammern werden gefüllt
Kapillaren
Kapillaren
Arteriolen
Arteriolen
Venolen
Venolen
Arterien
Arterien
Venen
Venen
[cm2 ] [%]
4000
Querschnitt 80 Volumen
3500
70
3000 63
60
2500
50
2000
40
1500
30
1000
20 15
500 12
10 3 7
[cm/s] [%]
Strömungs- Widerstand
geschwindigkeit 60
15 50 47
40
10
30 27
20 19
5
10 4 3
[mmHg] [%]
140 Blutdruck 70 Oberfläche
120 60 59
100 50
80 40
60 30 29
40 20
10
20 10
0,5 1,5
Daraus folgt:
Organdurchblutung muss optimiert werden
Lymphkapillare
Lymphe
2 l/d
28 mmHg 28 mmHg
= effektiver Filtrationsdruck: = effektiver
37 mmHg – 28 mmHg = Reabsorptionsdruck:
9 mmHg 28 mmHg – 22 mmHg = 6 mmHg
Folge: Filtration 20 l/d Folge: Reabsorption 18/d (Auswärtsfiltration)
= Flüssigkeitsbewegung
Inspiration Exspiration
Druck fällt Druck steigt
Venen Venen
erweitert verengt
Venenklappen
geöffnet
Venen verengt Kammersystole
Venenklappen
geschlossen untere Hohlvene
Arterie
Sogwirkung der Vorhöfe
Abb. 9.48 Arterien-Venen-Kopplung. während der Kammersystole. Abb. 9.50
Speicherfunktion
Im Venensystem befinden sich aufgrund seiner
Vene Vene
Dehnbarkeit ca. 60 % des Blutvolumens. Je nach
erweitert verengt zu erbringender Körperleistung wird, ohne dass
sich der zentrale Venendruck wesentlich verän-
dert, das Blut mobilisiert. Dadurch trägt das
Venensystem entscheidend zur Stabilisierung
des Kreislaufes bei und eignet sich besonders gut
Erschlaffung Kontraktion für Punktionen, Infusionen und Transfusionen.
der Muskeln der Muskeln
Muskelpumpe Merke
Bewegung
Beim Wechsel vom Liegen zum Stehen
Abb. 9.49 Muskelpumpe. (Orthostase1)) kann ein Teil des Blutes – vor
allem aus dem Lungenkreislauf – in den
Beinvenen „versacken“ und unter Umständen
1) aufrechte Körperhaltung
zum orthostatischen Kollaps führen.
202 9 Kreislaufsystem
➞
arterieller Blutdruck arterieller Blutdruck
Druckrezeptoren (Pressorezeptoren)
(in Aorta, A. carotis, Ventriculus sinister)
➞
➞➞
➞
(Vasodilatation) Schlagvolumen (Vasokonstriktion) Schlagvolumen
➞
➞
Adrenalin Plasmavolumen
Renin
Noradrenalin Na+
➞➞
Durstgefühl
Angiotensin II Null-Appetit
Vasokonstriktion in der
Nebennierenrinde Niere ➞
Glomeruläre Filtrationsrate
➞
Vasokonstriktion (GFR)
der Arteriolen Aldosteron
Blutdruck Niere
Na+-Rückresorption
❑
P Versagen der Kreislaufregulation bedeutet, Bei den beschriebenen Regulationsmöglichkei-
dass lebenswichtige Organe zu wenig durch- ten sind die schnelle Regelung über das vegetati-
blutet werden. Dies kann nach Blutverlust ve Nervensystem und die langsame Regelung
und bei orthostatischem Kreislaufversagen mithilfe von Hormonen und anderen Wirkstoffen
auftreten. zu unterscheiden (✑ Tab 9.14).
l. Definieren Sie den Begriff Kreislaufsystem und geben Sie einen Überblick über dessen
Funktionen.
2. Geben Sie einen Überblick über die Zusammensetzung des menschlichen Blutes.
3. Beschreiben Sie den Bau eines Erythrozyten und nennen Sie die Hauptfunktion.
Was ist der Hämatokrit?
4. Welche Arten von Leukozyten kennen Sie?
5. Wie ist ein Thrombozyt gebaut?
6. Wo werden die Blutzellen gebildet bzw. abgebaut?
7. Geben Sie die Normalwerte der Blutzellen an.
8. Nennen Sie die Bestandteile des Blutplasmas und erläutern Sie deren Funktion.
9. Welche Funktionen hat das Blut?
10. Beschreiben Sie die Vorgänge, die zum Verschluss eines verletzten kleineren Blutgefäßes
führen.
11. Warum kann es wegen einer Gerinnungsstörung zu einer Verschiebung des OP-Termines
kommen?
12. Wie kann man die Blutgerinnung bei Blutentnahmen am günstigsten verhindern?
13. Was versteht man unter der Fibrinolyse und wie läuft sie ab?
14. Welche Beziehungen bestehen zwischen Blut und Immunsystem?
15. Nehmen Sie eine Einteilung der verschiedenen Abwehrmechanismen vor.
Begründen Sie den Zusammenhang zwischen äußerem Schutzwall und persönlicher
Hygiene.
16. Welche Aufgaben erfüllen die verschiedenen Leukozytenarten?
17. Was gehört zum lymphatischen System und welche Aufgabe hat es zu erfüllen?
18. Beschreiben Sie Bau, Lage und Aufgaben von
a) Thymus,
b) Milz,
c) Lymphknoten.
19. Kann der Mensch ohne Milz leben? – Begründen Sie Ihre Antwort.
20. Was sind regionäre Lymphknoten und welche Bedeutung haben sie?
21. Was versteht man unter dem Waldeyer’schen lymphatischen Rachenring?
22. Was verstehen Sie
a) unter unspezifischer und
b) unter spezifischer Abwehr?
23. Unterscheiden Sie Allergie und immunologische Toleranz.
24. Was versteht man unter Immunisierung und welche praktische Bedeutung hat sie?
25. Charakterisieren Sie
a) das AB0-System, b) das Rhesussystem.
26. Erläutern Sie die Problematik von Organtransplantationen.
27. Beschreiben Sie Lage und Bau des Herzens.
28. Welche Gefäßarten bilden das Gefäßsystem?
29. Beschreiben Sie den Wandaufbau der Gefäßarten.
30. Was sind Anastomosen und welche Bedeutung haben sie?
31. Erläutern Sie den Blutstrom durch das Herz.
32. Beschreiben Sie Lungen- und Körperkreislauf.
33. Wie erfolgt die Blutversorgung
a) des Kopfes, b) der Arme,
c) der Bauchorgane, d) der Beckenorgane,
e) der Beine?
206 9 Kreislaufsystem
Organe der Brust- und Bauchhöhle Organe der Brust- und Bauchhöhle
Gehirn Muskulatur
Haut, Muskulatur Rest
Rest
10 % 16 % 8% 2 %
18 %
90 %
56 %
Gehirn ATP
Körperkern-
Thoraxorgane temperatur 37 ˚C
Bauchorgane
28 ˚C
ADP + P
Körperschalen-
31 ˚C temperatur
Hypothalamus –
Temperaturregulationszentrum
on
mati
or
Inf
Haut
Rückenmark
Blutgefäße
Haut
Schweißdrüse
eng weit
➠
➠
Schweiß Schweiß
kann Wärme nur noch durch Verdunstung abge- Vorgänge bei Temperaturanstieg über den
geben werden. Sollwert:
Die Wasserabgabe erfolgt durch Diffusion, Die Wärmeabgabe wird erhöht durch
wobei man 2 Formen unterscheidet: – Erweiterung der Hautblutgefäße und damit
1. Perspiratio insensibilis (= extraglanduläre Forcierung des inneren Wärmestroms sowie
Wasserabgabe), die nicht steuerbare tempera- – vermehrte Schweißbildung.
turabhängige Wasserabgabe durch Haut und
Atmung (normal: 0,5 – 1 l/d). Vorgänge bei Temperaturabfall unter den
2. Perspiratio sensibilis (= glanduläre Wasser- Sollwert:
abgabe), die durch das vegetative Nerven- Die Regulation erfolgt hauptsächlich durch zwei
system steuerbare Wasserabgabe – Schwitzen Mechanismen.
(normal: 0,5 l/d). – Drosselung der Wärmeabgabe durch Engstel-
lung der Hautblutgefäße und damit Vermin-
❑
P Die Wasserverdunstung ist ein stark Energie derung des inneren Wärmestroms.
verbrauchender Vorgang, d. h., dass beim Ver- – Erhöhung der Wärmeproduktion durch Muskel-
dunsten relativ geringer Wassermengen dem zittern („Zittern vor Kälte“) und willkürliche
Körper relativ viel Wärme entzogen wird. Da Muskelbewegungen.
die Wärme vorwiegend über die Haut abge- Wie bereits erwähnt, besitzt das Neugeborene in
geben wird, hat das Verhältnis zwischen Form der zitterfreien Wärmebildung im braunen
Körperoberfläche und -volumen große Be- Fettgewebe eine zusätzliche Regulationsmög-
deutung. lichkeit.
Beim Säugling ist die Körperoberfläche im
Verhältnis zum Körpervolumen größer als Merke
beim Erwachsenen, folglich kühlt er sehr leicht
Die Mechanismen zur Regulation der Körper-
aus.
temperatur sind Verengung (Vasokonstrik-
tion) und Erweiterung (Vasodilatation) der
Regulation der Körpertemperatur Hautblutgefäße, Schweißsekretion und Ver-
Die Thermoregulation erfolgt über einen biologi- änderung der Wärmebildung.
schen Regelkreis. Das Temperaturregulations- Diese Mechanismen können sehr schnell aus-
zentrum liegt im Hypothalamus des Zwischen- gelöst werden, d. h. innerhalb von Sekunden
hirns und speichert den Sollwert (normal 37 °C). oder Minuten.
Durch Thermorezeptoren in der Haut, im
Rückenmark und im Hypothalamus erfolgt die Neben den beschriebenen schnellen Anpassungs-
Messung des Istwertes, der dem Zentrum zum vorgängen gibt es auch langfristige. Diese phy-
Vergleich mit dem Sollwert zugeleitet wird. siologischen Adaptationen werden als Akkli-
matisation bezeichnet.
Wärmeregulationszentrum
35 36 37 38 39 40 41
Sollwert Fieber
Hautblutgefäße
Schweißsekretion Wärme- und Kälte-
Körperkerntemperatur rezeptoren in
Wärmebildung Körperschale und -kern
Verhalten
10.2 Wärmeproduktion und Wärmeabgabe 211
Am bedeutsamsten ist die Hitzeadaptation bei zum Tod. Ein Absinken der Körpertemperatur
schwerer körperlicher Arbeit und hohen Um- infolge Überlastung der Wärmeproduktion unter
gebungstemperaturen bzw. bei in den Tropen normal wird als Hypothermie bezeichnet. Bei
lebenden Menschen. Die Anpassung beruht vor Körper-temperaturen um 25 °C erlöschen die
allem auf einer Verdreifachung der Schweiß- Reflexe des Nervensystems und es tritt der Tod
sekretion, die aufgrund der nach unten verscho- durch Herzflimmern ein.
benen Reizschwelle schon bei niedrigeren Kör-
pertemperaturen einsetzt. Außerdem nimmt der Bei älteren Menschen kann es dazu kommen,
Elektrolytgehalt des Schweißes ab. dass ihre Körpertemperatur infolge Senkung des
Hitzeadaptation bedeutet, dass der Betroffene Sollwertes im Temperaturregulationszentrum
mehr trinken muss, um seinen Flüssigkeits- (Gegenteil von Fieber) niedriger (z. B. auf 35 °C)
haushalt auszugleichen. eingeregelt wird.
❑
P Tritt die Differenz zwischen Ist- und neuem
Sollwert (= Fieberwert) plötzlich auf, kommt
es zum Schüttelfrost.
1. Welche Bedeutung hat die Temperatur für den Ablauf der Körperfunktionen?
2. Unterscheiden Sie Körperkerntemperatur und Schalentemperatur.
3. Welchen Wert hat die normale Körpertemperatur des Menschen?
4. Welche Möglickeiten der Temperaturmessung kennen Sie?
Nennen Sie Vor- und Nachteile der verschiedenen Messmethoden.
5. Welche Bedeutung haben Wärmeproduktion und Wärmeabgabe bei der Konstanthaltung
der Körpertemperatur?
6. Erklären Sie die Regulation der Körpertemperatur.
7. Begründen Sie, warum Fieber mit Frieren beginnt.
213
11 Atmungssystem
Das Atmungssystem dient der Aufnahme von rer und mittlerer Nasenmuschel;
Sauerstoff und der Abgabe von Kohlendioxid. untere Nasenmuschel (= selbständi-
Diesen Gasaustausch, bei dem die Lunge eine ger Knochen). Die Nasenmuscheln
zentrale Funktion übernimmt, bezeichnet man dienen der Oberflächenvergröße-
als äußere Atmung. Diese ist die Voraussetzung rung.
für den oxidativen Abbau energiereicher Stoffe • Boden: Gaumen (Palatum), der gleichzeitig
(z. B. Glucose) zum Zweck der Energiebereit- Dach der Mundhöhle ist.
stellung und somit für die innere Atmung, deren
Vorgänge in den Zellen ablaufen. Unter jeder Nasenmuschel befindet sich ein
Nasengang. Die Grenze zwischen Nasenhöhle
und Rachen bilden die beiden Choanae (hintere
11.1 Gliederung Öffnungen der Nase). Durch feine Kanäle ist die
Nasenhöhle mit den Nasennebenhöhlen (Sinus
Das Atmungssytem besteht aus den oberen und paranasales) verbunden (✑ Abb. 11.3, S. 214 und
unteren Luftwegen. Abb. 11.4, S. 215). Die Belüftung dieser Höhlen
erfolgt mit der Atmung. Eine weitere Verbindung
Nase obere Luftwege besteht vom unteren Nasengang zur Augenhöhle
durch den Tränennasengang (Ductus nasolacri-
Kehlkopf malis). Auf diesem Weg wird die Tränenflüssig-
Luftröhre keit in die Nasenhöhle abgeleitet.
untere Luftwege
Bronchialbaum
Lunge
Merke
Der Naseninnenraum gliedert sich in den
Nasenvorhof (Vestibulum nasi) und die
11.2 Bau der Atmungsorgane Nasenhöhle (Cavum nasi) mit Nasen-
muscheln und Nasengängen.
11.2.1 Nase (Nasus)
Nasenschleimhaut
Die die Nasenhöhle auskleidende Schleimhaut
teilt sich in 2 Bereiche:
1. respiratorische Schleimhaut (Regio respiratoria) Stirnhöhle
Sie bedeckt den größten Teil der Nasenhöhle (Sinus frontalis)
und ist gekennzeichnet durch
Siebbeinzellen
• mehrreihiges (Sinus ethmoidales)
Flimmerepithel, Kieferhöhle
• zahlreiche ➝ Reinigung (Sinus maxillaris)
Becherzellen ➝ Anfeuchtung
• Venengeflechte ➝ Erwärmung
Rachenschleimhaut
Entsprechend der unterschiedlichen
Beanspruchung enthält sie Flimmer-
epithel mit Becherzellen im Nasen-
abschnitt und mehrschichtiges unver-
Mittelfellraum horntes Plattenepithel im Mund- und
(Mediastinum)
Lungen Kehlkopfabschnitt.
(Pulmones)
Zwerchfell
(Diaphragma)
Stirnhöhle
(Sinus frontalis)
Keilbeinhöhle
obere Nasenmuschel (Sinus sphenoidalis)
(Concha nasalis superior)
oberer Nasengang
mittlere Nasenmuschel (Meatus nasi superior)
(Concha nasalis media)
mittlerer Nasengang
untere Nasenmuschel (Meatus nasi media)
(Concha nasalis inferior)
Rachenmandel
Oberkiefer (Tonsilla pharyngea)
(Maxilla)
unterer Nasengang
Mundhöhle (Meatus nasi inferior)
(Cavitas oris)
Nasenrachen
Zunge (Pars nasalis pharyngis)
(Lingua)
Mundrachen
Unterkiefer (Pars oralis pharyngis)
(Mandibula)
Zungenwurzel
Zungenbein (Radix linguae)
(Os hyoideum)
Kehldeckel Unterrachenraum
(Epiglottis) (Pars laryngea pharyngis)
Kehlkopfeingang
Schildknorpel
(Cartilago thyroidea) Speiseröhre
Luftröhre (Ösophagus)
(Trachea)
Zungenwurzel. Er ist
durch ein Band an der
Innenseite des Schild-
Rachenmandel
(Tonsilla pharyngea) knorpels befestigt.
hintere
Nasenöffnungen Der Kehlkopfinnenraum
(Choanen) wird durch zwei Falten,
Ohrspeicheldrüse Taschenfalten (oben) und
(Glandula parotis)
Stimmfalten (unten), ein-
Nasenscheidewand
(Septum nasi) geengt. Er bekommt da-
weicher Gaumen durch die Form einer Sand-
(Palatum molle) oder uhr. Die Stimmfalten ent-
Rachenmandel Gaumensegel
(Tonsilla palatina) halten die Stimmband-
(Velum palatinum)
Zäpfchen muskeln (Mm.vocales) und
Zungenmandel
(Uvula palatina) (Tonsilla lingualis) die Stimmbänder (Ligg.
Kehldeckel Kehlkopfvorhof vocalia). Durch die beiden
(Epiglottis) (Vestibulum laryngies) Engstellen entstehen drei
Speiseröhre Luftröhre übereinander liegende Ab-
(Ösophagus) (Trachea) schnitte (✑ Abb. 11.6):
• Oberer Abschnitt –
Abb. 11.5 Rachenraum (von dorsal geöffnet). Vorhof (Vestibulum
laryngies) zwischen
Kehlkopfeingang und
11.2.3 Kehlkopf (Larynx) Taschenfalten.
• Mittlerer Abschnitt – mittlerer Kehlkopfab-
Mit dem Kehlkopf beginnen die unteren schnitt (Cavitas laryngis intermedia) zwi-
Atemwege. Er dient primär dem Verschluss des schen Taschen- und Stimmfalten. Die seitliche
Atemweges beim Schlucken, Husten und bei der Erweiterung dieses Raumes wird als Kehl-
Bauchpresse. Außerdem werden im Kehlkopf kopftasche (Morgagni-Tasche) bezeichnet.
die Töne beim Sprechen erzeugt.
Zungenbein
Lage (Os hyoideum)
Der Kehlkopf liegt im vorderen oberen Hals- Kehldeckel
(Epiglottis)
bereich (Neugeborenes: in Höhe des 3./4. Hals-
wirbels; Erwachsener: in Höhe des 5./6. Hals- Kehlkopfvorhof
(Vestibulum laryngis)
wirbels). Seitlich verlaufen die Gefäß-Nerven- Taschenfalte
Stränge des Halses. Schildknorpel
Bau Kehlkopftasche
Das Grundgerüst des Kehlkopfes wird aus mittlerer
Kehlkopfabschnitt
5 Knorpeln gebildet (✑ Abb. 11.7).
Stimmfalte mit
– 1 Ringknorpel: Bildet die Basis des Kehl- Stimmband
kopfes. Ringknorpel
– 1 Schildknorpel: Liegt über dem Ringknorpel Stimmritze
und ist durch je 1 Membran (Rima glottidis)
mit ihm und dem Zungenbein subglottischer Raum
befestigt. Luftröhre
– 2 Stellknorpel: Sie sind auf der hinteren (Trachea)
Platte des Ringknorpels dreh- Luftröhrenknorpel
bar gelagert.
– 1 Kehldeckel Dieser rennsattelförmige Knor- Kehlkopfinnenraum (von dorsal). Abb. 11.6
(Epiglottis): pel erstreckt sich bis unter die
11.2 Bau der Atmungsorgane 217
Dorsalansicht Lateralansicht
Zungenbein Zungenbein
(Os hyoideum) (Os hyoideum)
Kehldeckel
(Epiglottis)
Kehldeckel
Schildknorpel- (Epiglottis)
Zungenbein-
Membran Schildknorpel
(Membrana (eröffnet)
thyrohyoidea)
Stellknorpel
Schildknorpel
Stimmbänder
Stellknorpel
Ringknorpel
Ringknorpel
Luftröhre
(Trachea)
Stellknorpel
Schildknorpel
Ringknorpel
• Unterer Abschnitt – subglottischer Raum falten zur Innenseite des Schildknorpels. Die
(Cavitas infraglottica) zwischen Stimmfalten Öffnung zwischen Stimmbändern (vorn) und
und Luftröhrenbeginn. Stellknorpeln (hinten) ist die Stimmritze.
❑
P Bei Entzündungen der
Stimmfalten entsteht Hei- Bronchial-
baum
serkeit. (Anfang)
Auch das Kehlkopfkarzi-
nom (Kehlkopfkrebs) be- linker
Hauptbronchus
ginnt häufig an den rechter (Bronchus principalis sini-
Stimmfalten. Bei länger Hauptbronchus ster)
(Bronchus principalis dexter)
bestehender Heiserkeit
sollte deshalb immer ein
Arzt aufgesucht werden. Wandschichten
äußere lockere
Bindegewebe-
schicht
11.2.4 Luftröhre (Trachea) (Adventitia)
lichte Weite
(Lumen) hufeisenförmige
Die Luftröhre eines Erwach-
Knorpelspange
senen ist ca. 12 Zentimeter Schleimhaut (Cartilago trachealis)
lang. (Tunica mucosa
respiratoria) Hinterwand
(bindegewebig-
Lage und Nachbarschafts- muskuläre Membran)
beziehungen
Die Trachea verbindet den Speiseröhre
(Ösophagus)
Kehlkopf mit dem Bron-
chialbaum. Sie schließt sich
dem Ringknorpel des Kehl- Luftröhre. Abb. 11.9
kopfes an und endet in Höhe
220 11 Atmungssystem
des 4. Brustwirbels mit der Teilung in die beiden Lunge ist weich, elastisch und schwammig. Die
Hauptbronchien. Die Teilungsstelle ist die Luft- Lungen sind die relativ leichtesten Organe. Die
röhrengabel (Bifurcatio tracheae). Nach der Farbe der Lungenoberfläche ist beim Neugebo-
Lage unterscheiden wir 2 Hauptabschnitte: renen rosa, später wird sie durch die Ablagerung
– Halsteil von Rußteilchen zunehmend fleckig (rötlich,
Der Halsteil befindet sich vor der Speiseröhre. grau bis schwarz). Die Lungen erhalten ihre
Davor und seitlich liegt die Schilddrüse. Form durch die Anlagerung über die Pleura an
– Brustteil die Innenwände des Thorax und das Zwerchfell.
Hier verläuft die Luftröhre im oberen Medias-
tinum zwischen den großen Blutgefäßen und An jeder Lunge erkennt man
vor der Speiseröhre. • Lungenbasis: liegt auf der Zwerchfell-
kuppel (= Zwerchfellseite);
Bau • Lungenspitze: überragt die 1. Rippe;
Die Wände der luftleitenden Wege sind versteift, • Lungenhilus: an der medialen Seite zum
damit sie durch den bei der Einatmung entste- Mediastinum hin gelegen, Eintritts- bzw.
henden Sog nicht zusammengepresst werden. Austrittsstelle von Hauptbronchus (Bronchus
Dies geschieht bei der Trachea durch 16 bis 20 principalis), Lungenarterie (A. pulmonalis),
hufeisenförmige Knorpelspangen. An der Lungenvenen (Vv. pulmonales), Lymph-
Hinterwand wird sie durch eine bindegewebig- gefäßen und Nerven; hier liegen auch die
muskuläre Membran verschlossen. Hiluslymphknoten;
Ringbänder verbinden die Knorpelspangen elas- • Rippenseite: liegt den Rippen an.
tisch miteinander.
Gliederung der Lungen
❑
P Beim Transport der Nahrung dehnt sich die
Entsprechend der Gliederung des Bronchial-
Speiseröhre, sodass die Luftröhre eingedrückt baumes (✑ Abb. 11.11, S. 222) ergibt sich die
wird. Gliederung der Lungen in Lappen, Segmente
und Läppchen.
Die Schleimhaut enthält mehrreihiges Flimmer-
epithel und im tieferen Bereich (Submucosa) Bronchialbaum
zahlreiche Schleimdrüsen. Als Bronchialbaum bezeichnet man die Ge-
samtheit der Bronchien und Bronchiolen. Er bil-
det die Fortsetzung der Luftröhre. Im Einzelnen
11.2.5 Lungen (Pulmones) sind folgende Abschnitte zu unterscheiden:
– linker und rechter Stamm- oder Haupt-
In den Lungen findet der Gasaustausch statt. bronchus (Bronchus principalis sinister und
Dies wird durch die Lungenbläschen (Alveolen) dexter) als Aufzweigung der Trachea;
ermöglicht, die eine hinreichend große Aus- – Lappenbronchien – der rechte Stammbronchus
tauschfläche (ca. 100 m2) garantieren. Das mus- zweigt sich in 3 und der linke in 2 Lappen-
kelfreie Lungengewebe der rechten und linken bronchien auf;
Lungenläppchen
11.2 Bau der Atmungsorgane 221
Oberlappen Oberlappen
(Lobus superior) (Lobus superior)
Mittellappen
(Lobus medius)
Unterlappen Unterlappen
(Lobus inferior) (Lobus inferior)
1 1 1 1
2 2
2
2 3
3 3 6
3 6 6
6 4 4
4 5 5
7 10 10 9 10
5 8 5 8
9 8
10 8 9 Segmente (2) 9
des
Segmente (5) des Unterlappens Mittellappens Segmente (4 – 5) des Unterlappens
rechter linker
Oberlappen Oberlappen
(Lobus superior (Lobus superior
dexter) sinister)
rechter oberer
Lappenbronchus linker oberer
(Bronchus lobaris Lappenbrochus
superior dexter) (Bronchus lobaris
rechter superior sinister)
Mittellappen Segment-
(Lobus medius dexter) bronchien
rechter mittlerer (Bronchi segmentales)
Lappenbronchus
(Bronchus lobaris
medius dexter)
rechter linker
Unterlappen Unterlappen
(Lobus inferior dexter) (Lobus inferior sinister)
Luftröhrengabel
(Bifurcatio tracheae)
mikroskopische Darstellung
Eingeweide-
teil der Eingeweide-
Pleura teil der Pleura
(Pleura (Pleura
visceralis) visceralis)
Pleurahöhle Wandteil der
(Cavitas
pleuralis) Pleura
(Pleura
parietalis)
Rippen
(Costae)
Pleurahöhle
(Cavitas pleuralis)
Rippenfell
(Pleura parietalis)
❑
P Im Gegensatz zum Alveolargewebe der Merke
Lungen enthält die Pleura zahlreiche sensible Bei der Inspiration wird O2-reiche und CO2-
Nervenfasern. arme Luft (Frischluft) in die Alveolen trans-
Bei einer trockenen Rippenfellentzündung portiert und bei der Exspiration O2-arme und
(Pleuritis sicca) verursachen die Atembewe- CO2-reiche Luft (verbrauchte Luft) an die
gungen wegen der Reibung zwischen den Umwelt abgegeben.
beiden Pleurablättern starke Schmerzen.
Bei verschiedenen Erkrankungen (z. B. Pneu-
monie, Pleuritis) kann es zum Pleuraerguss Einatmung (Inspiration) und
kommen (= verstärkte Flüssigkeitssammlung Ausatmung (Exspiration)
im Pleuraspalt).
Merke
Bei der Inspiration muss der intrapulmonale
Druck niedriger und bei der Exspiration
höher sein als der Druck der Umweltluft.
11.3 Physiologie der Atmung
Jede Zelle unseres Körpers benötigt für die Auf- Die wechselnden Druckdifferenzen werden
rechterhaltung ihrer Lebensvorgänge ständig folgendermaßen erreicht.
Energie, für deren Bereitstellung sie selbst ver- – Bei der Inspiration wird der Brustraum erwei-
antwortlich ist. In der Regel erfolgt die Energie- tert und das Lungenvolumen vergrößert. In
bereitstellung (oder -freisetzung) in den Zellen der Lunge entsteht ein Unterdruck (Sog).
durch biologische Oxidation energiereicher – Bei der Exspiration wird der Brustraum ver-
organischer Stoffe (vor allem Kohlenhydrate). engt und das Lungenvolumen verkleinert. In
Die Zelle verbraucht dazu einerseits Sauerstoff der Lunge entsteht ein Überdruck.
und produziert andererseits Kohlendioxid als
Stoffwechselendprodukt (✑ Kap. 2, S. 17) Merke
Merke
Brustraumerweiterung und -verengung ent-
stehen durch das Wirken der Atemmusku-
Der im Zusammenhang mit der Energiefrei- latur.
setzung bzw. biologischen Oxidation notwen-
dige O2- und CO2-Transport (auch Gaswech-
sel genannt) zwischen Umwelt und Zellen Die Atemmuskulatur gliedert sich in Ein- und
wird als Atmung bezeichnet. Ausatemmuskeln.
Einatemmuskeln (Inspirationsmuskeln)
Der gesamte Prozess der Atmung lässt sich a. Zwerchfell (Diaphragma)
untergliedern in: Das Zwerchfell ist der Haupteinatemmuskel.
– Atembewegungen, Bei seiner Kontraktion flacht es ab und bewegt
– Gasaustausch, sich wie ein Zylinderkolben im Thorax nach
– Atemgastransport und caudal. Dabei kommt es auch zu einer Ver-
– Regulation der Atmung. lagerung der Bauchorgane.
11.3 Physiologie der Atmung 225
Inspiration Exspiration
Unterdruck Überdruck
äußere äußere
Zwischen- Zwischen-
rippenmuskeln rippenmuskeln
Zwerchfell Zwerchfell
Kontraktion Erschlaffung
Atmungstypen Einatemhilfsmuskeln
Wie bereits beschrieben, erfolgt die Erweiterung – Treppenmuskeln (Mm. scaleni)
des Brustraumes einerseits durch Senkung des – Kopfwendemuskel (M. sternocleidomastoide-
Zwerchfells und andererseits durch Hebung der us) bei fixiertem Kopf
Rippenbögen. Dementsprechend werden zwei – Vorderer Sägemuskel (M. serratus anterior)
Atmungstypen unterschieden. und kleiner Brustmuskel (M. pectoralis minor)
bei fixiertem Schulterblatt
– Großer Brustmuskel (M. pectoralis major) bei
abdominaler thorakaler
Atmungstyp Atmungstyp aufgstützten Armen
kleiner Merke
Brustmuskel
(M. pectoralis Die Pleura gewährleistet die Übertragung der
minor) Thorax- und Zwerchfellbewegung auf die
vorderer Lunge.
Sägemuskel
(M. serratus
anterior) ❑
P Wird durch Verletzung oder Krankheit die
Pleurahöhle geöffnet, sodass Luft einströmt,
zieht sich die Lunge infolge eigener Elasti-
zität zusammen. Es entsteht ein Pneumo-
thorax (✑ Abb. 11.15) und Atemnot.
Abb. 11.14 Einatemhilfsmuskeln.
11.3 Physiologie der Atmung 227
Merke
Die Ventilation hängt vom Atemzugvolumen
(= Atemtiefe) und von der Atemfrequenz
(Anzahl der Atemzüge pro Minute) ab.
Das Produkt aus beiden Größen heißt Atem-
minutenvolumen.
Lufteinstrom Lunge kollabiert Beispiel:
16 Atemzüge pro Minute x 500 ml Atemzug-
Öffnung der Pleurahöhle volumen ergeben
Abb. 11.15 (Pneumothorax). = 8 Liter min-1 als Atemminutenvolumen.
Lungenvolumina
Lungenbelüftung (Ventilation) a. Atemruhevolumen: Luftmenge, die in Ruhe
Die treibende Kraft für den Gasaustausch in der ein- und wieder ausgeatmet wird. Nach norma-
Lunge sind entsprechende Druckgefälle der ler Atmung befinden sich Thorax und Lunge
Atemgase (✑ Abb. 11.17, S. 228). Die Aufrecht- in der Atemruhelage. Hier handelt es sich um
erhaltung dieser Druckgefälle während der eine stabile Mittelstellung, bei der sich zwei
Inspiration und Exspiration wird u. a. durch den passive Kräfte aufheben.
ständigen Luftwechsel in der Lunge gesichert. b. Inspiratorisches Reservevolumen: Luftmenge,
die bei maximaler Einatmung noch zusätzlich
Lungenvolumina und -kapazitäten aufgenommen werden kann. Es wird vor allem
Das Volumen der Atemzüge kann unterschied- bei körperlicher Belastung in Anspruch ge-
lich sein, weshalb man verschiedene Volumen- nommen, wenn das Atemruhevolumen nicht
einteilungen unterscheidet. Zusammengesetzte mehr ausreicht.
[ Liter ]
6
Inspirations-
Vitalkapazität (4,5 l)
5 Inspiratorisches
kapazität
Reservevolumen (2,5 l)
Totalkapazität (6,0 l)
Atemruhevolumen (0,5 l)
3
Residualkapazität
Exspiratorisches
funktionelle
2 Reservevolumen (1,5 l)
Kollapsluft (0,7 l)
1
Residualvolumen (1,5 l)
Restluft (0,8 l)
0
1) Die Werte können in Abhängigkeit von Körpergröße, Geschlecht, Konstitution und Trainingszustand stark schwanken.
c. Exspiratorisches Reservevolumen: Luftmenge, Der Totraum hat die Funktionen, die Ein-
die bei maximaler Ausatmung noch zusätzlich atmungsluft zu erwärmen, zu reinigen und zu
abgegeben werden kann. befeuchten. Gleichzeitig fördert er die Ventila-
d. Residualvolumen: Luftmenge, die nach maxi- tion der Atmung durch Erweiterung (bei Ein-
maler Ausatmung in der Lunge verbleibt atmung) bzw. Verengung (bei Ausatmung) der
(Kollapsluft und Restluft). Bronchiolen.
Lungenkapazitäten Merke
e. Inspirationskapazität: Luftmenge, die maxi-
Die Belüftung des Totraumes ist eine kon-
mal eingeatmet werden kann (Summe aus a
stante Größe (0,15 l). Eine Verminderung der
und b).
Gesamtventilation bedeutet also immer eine
f. Funktionelle Residualkapazität: Luftmenge,
Verringerung der alveolären Ventilation.
die nach normaler Ausatmung noch in der
Lunge verbleibt (Summe aus c und d). Durch
sie ist es möglich, dass es ständig zu einer
Mischung der vorhandenen Luft mit der zuge-
führten Frischluft kommt und die Zusammen- 11.3.2 Gasaustausch (✑ Abb. 11.17; 11.18)
setzung der Alveolarluft nur geringfügig
schwankt; das heißt, inspiratorische und Der Gasaustausch zwischen Organismus und
exspiratorische O2- und CO2-Konzentrationen Umwelt in den Lungen wird als Atmung im
im Alveolarraum werden ausgeglichen. engeren Sinn oder „äußere“ Atmung bezeichnet.
g. Vitalkapazität: Luftmenge, die nach maxima- Unter „innerer“ Atmung versteht man die
ler Einatmung ausgeatmet werden kann (Sum- Oxidation der energiereichen Stoffe in den
me aus a, b und c). Die Vitalkapazität ist ein Zellen zum Zwecke der Energiebereitstellung
Maß für die Ausdehnungsfähigkeit von Lunge (✑ S. 41).
und Thorax.
h. Totalkapazität: Luftmenge, die nach maxima-
ler Einatmung in der Lunge enthalten ist (Sum- A. pulmonalis V. pulmonalis
me aus d und g).
Atemwiderstände
Den Atembewegungen und dem Atemluftstrom pO2
stellen sich Widerstände entgegen, die durch 100
Muskelarbeit überwunden werden müssen. pCO2 mmHg
pCO
pCO2 pCO2
40
46
46 mmHg 40
Zu den Atemwiderständen gehören mmHg
mmHg mmHg
– elastische Atemwiderstände von Lunge und pO 2
Thorax. Von Bedeutung sind die elastischen 100
mmHg
Fasern des Lungengewebes und die Ober-
flächenspannung der Alveolen. Letztere wird pO2 40 mmHg
bei inspiratorischer Dehnung der Lunge durch
oberflächenaktive Substanzen (Surfactants) Alveole Lungenkapillare Blut-Luft-Schranke
(Alveolar- und
vermindert, Kapillarmembran,
Druckdifferenzen
– Reibungswiderstände von Lunge und Thorax, (Partialdruckgefälle) dazwischen
Basalmembran)
– Strömungswiderstände in den Atemwegen.
pO 2 = 60 mmHg
Funktion des Totraumes pCO 2 = 6 mmHg
Die luftleitenden Wege (von der Nase bis zu den O2 -arme und CO2 -reiche Luft / Blut = blau
Bronchiolen) bilden den Totraum, weil hier kein O2 -reiche und CO2 -arme Luft / Blut = rot
Gasaustausch erfolgt.
Gasaustausch in der Lunge. Abb. 11.17
11.3 Physiologie der Atmung 229
Wasser,
HCO3-
Edelgase
H+ HHb HbO2
H2CO3 H2O+ CO2
➞
kalischer Lösung diffundiert er in die Zellen. H2CO3 H2O + CO2
Der Sauerstofftransport erfolgt in chemischer
Bindung an Hämoglobin, das sich in den Ery- Das Kohlendioxid wird zum überwiegenden Teil
throzyten befindet. als Bicarbonat im Blutplasma transportiert. Ein
geringer Teil des CO2-Transportes erfolgt durch
❑
P Eine bedeutend größere Affinität zum Hb das Hämoglobin der Erythrozyten (Carbomino-
als der Sauerstoff hat das Kohlenmonoxid (CO). Hämoglobin).
Bereits in geringen Konzentrationen verdrängt
es den Sauerstoff aus der Hb-Bindung (Giftig- ❑
P Bei Atemstillstand oder behinderter Atmung
keit). Eine starke CO-Vergiftung erkennt man erhöht sich die Wasserstoffionenkonzentration.
an der kirschroten Farbe der Haut. Es entsteht eine Übersäuerung des Blutes, der
pH-Wert (normal 7,37 – 7,43) sinkt. Man
Kohlendioxidtransport (Körperzellen → Lunge) spricht von einer respiratorischen Azidose.
Das von den Zellen abgegebene Kohlendioxid
(CO2) wird hauptsächlich in Form von Bicar-
bonat (= Hydrogencarbonat, HCO3-) im Blut
zur Lunge transportiert. Nach physikalischer 11.3.4 Regulation der Atmung
Lösung wird im Gewebskapillarblut unter
Vermittlung des Enzyms Carboanhydrase CO2 Durch die Atmungsregulation wird die Aufnah-
wie folgt in HCO3- überführt. me von Sauerstoff sowie die Abgabe von
Kohlendioxid den Erfordernissen unseres Kör-
Vorgänge im Gewebe: pers angepasst. Das geschieht durch die Verän-
1. Kohlendioxid verbindet sich mit Wasser zu derung von Atemfrequenz und Atemtiefe (Atem-
Kohlensäure: minutenvolumen). In Ruhe beträgt die Atemfre-
quenz 16 bis 20 Atemzüge pro Minute. Bei kör-
Carboanhydrase
perlicher Belastung erhöht sie sich um das Drei-
bis Vierfache. Gleichzeitig nimmt auch die
CO2 + H2O H2CO3 Atemtiefe zu.
11.3 Physiologie der Atmung 231
Mechanisch-reflektorische Atmungsregulation
(Hering-Breuer-Reflex) Im Folgenden sind die wichtigsten Faktoren zu-
Durch den Hering-Breuer-Reflex werden In- und sammengestellt, die die Atmung (Ventilation)
Exspiration den aktuellen Bedingungen des beeinflussen.
Ventilationssteigernd wirken:
Tab. 11.4 Hering-Breuer-Reflex (Reflexbogen). pCO2 (= stärkster Atemreiz), pO2 ,
➞➞
➞
➞
❑
P Im Gegensatz zur Herztätigkeit sind Atem-
Atemmuskulatur frequenz und Atemtiefe über die Großhirnrinde
Dehnungsrezeptoren
in der Lunge willkürlich beeinflussbar.
Atmet der Mensch ohne körperliche Belastung
– vielleicht aus Angst – sehr schnell und tief,
Reaktion sinkt die Wasserstoffionenkonzentration im
Reiz
(Veränderung des (Veränderung der Atemtiefe Blut. Es entsteht eine respiratorische Hyper-
Lungenvolumens) zur Ökonomisierung ventilations-Alkalose mit Krampferscheinun-
der Atemarbeit)
gen und vorübergehendem Atemstillstand.
232 11 Atmungssystem
12 Verdauungssystem
Mundhöhle Rachenraum
(Cavitas oris) (Pharynx)
Zunge
(Lingua)
Speiseröhre
(Ösophagus)
Leber Magen
(Hepar) (Gaster, Ventriculus)
Bauchspeicheldrüse
(Pankreas)
Grimmdarm Zwölffingerdarm
(Colon) (Duodenum)
Leerdarm
(Jejunum)
Blinddarm Krummdarm
(Caecum) (Ileum)
Wurmfortsatz
(Appendix vermiformis) Mastdarm Dünndarm
(Rektum) (Intestinum tenue)
In der Mundhöhle beginnt der Verdauungstrakt. Der Mundschließmuskel (M. orbicularis oris) bil-
Sie dient in erster Linie der Nahrungsaufnahme, det die Basis der Lippen und schließt den Mund;
aber auch der Atmung und wird eingeteilt in die die Öffnung des Mundes erfolgt u. a. durch den
eigentliche Mundhöhle und den Mundvorhof. zweibäuchigen Muskel (M. digastricus). Der
Wangenmuskel (M. buccinator) bildet die Wan-
Die Mundhöhle (Cavitas oris) ist der Raum zwi- genwand und sorgt im Zusammenspiel mit der
schen Zähnen, Gaumen, muskulösem Mund- Zunge dafür, dass die Nahrung immer wieder
boden einschließlich Zunge und Schlundenge zwischen die Zähne gelangt. Beim Kauen wird
(Isthmus faucium). Der Mundhöhlenvorhof zwischen Schneid- und Mahlbewegungen unter-
(Vestibulum oris) liegt zwischen den Zähnen, schieden. Die Schneidbewegung (Kieferschluss)
Wangen und Lippen. erfolgt durch den Kaumuskel (M. masseter) und
Die Mundschleimhaut besitzt ein mehrschichti- den Schläfenmuskel (M. temporalis). Die Mahl-
ges unverhorntes Plattenepithel und zahlreiche bewegung (seitliche Verschiebung des Unterkie-
kleine Speicheldrüsen. Letztere sind an der fers) wird durch die Flügelmuskeln (Mm. ptery-
Lippeninnenseite tastbar. goideus medialis/lateralis) ausgeführt (✑ Abb.
5.51, S. 134).
Zum Mundhöhlenbereich gehören:
• die Lippen (Labia),
• die Wangen (Buccae), 12.1.2 Zähne, Gebiss
• die Zähne (Dentes),
• die Zunge (Glossa, Lingua), Die Zähne sind für das Abbeißen und die mecha-
• der Gaumen (Palatum) und nische Zerkleinerung der Nahrung zuständig.
• 3 Paar große Mundspeicheldrüsen. Zwischen dem 6. Monat und dem 2. Lebensjahr
entwickelt sich zunächst das
Milchgebiss, bestehend aus
20 Zähnen. Etwa ab dem
Mundvorhof
6. Lebensjahr verdrängen die
(Vestibulum oris) bereits vorgebildeten bleiben-
den Zähne nach und nach die
harter Gaumen Milchzähne. Das endgültige
(Palatum durum) Gebiss besteht aus 32 Zähnen.
18 17 16 15 14 13 12 11 21 22 23 24 25 26 27 28
48 47 46 45 44 43 42 41 31 32 33 34 35 36 37 38
rechte Unterkieferhälfte linke Unterkieferhälfte
1 2 3 4 5
Zahnbein Zahnkrone
(Corona)
(Dentin)
Zahnhöhle
(Cavum pulpae) 6 7 8
Zahnhals
(Collum)
Zahn-
fleisch Stellung der Zähne im Gebiss
(Gingiva)
Zahn-
zement
(Cementum) Zahnwurzel
(Radix)
Wurzel-
haut
(Perio-
dontium)
Blutgefäße
und Nerv
bleibendes Gebiss (Durchbruchzeiten) Alveolarnerven
(Nn. alveolares)
1 6. – 8. J.
2 7. – 9. J.
3 11. – 13. J. Milchgebiss
(Durchbruchzeiten)
4 9. – 11. J.
5 1 6. – 8. M.
10. – 15. J.
7. – 9. M.
2
6 7. J. 3 16. – 20. M.
7 4 12. – 15. M.
13. – 16. J.
8 5 20. – 24. M.
13. – 18. J.
Fadenpapillen
(Papillae filiformes)
Wallpapillen
Zungenwurzel (Papillae vallatae)
(Radix linguae) Blattpapillen
Zungenmandel (Papillae foliatae)
(Tonsilla lingualis)
Kehldeckel
(Epiglottis)
Rachen Zungenbein
(Pharynx)
(Os hyoideum)
Schildknorpel
(Cartilago thyroidea)
Ringknorpel
(Cartilago cricoidea)
Speiseröhre Luftröhre
(Ösophagus) (Trachea)
Ausführungsgang
der
Ohrspeicheldrüse
(Ductus parotideus)
kleine Ohrspeicheldrüse
(Glandula parotis)
Unterzungen-
speichelgänge
Unterkiefer-
speichelgang1)
(Ductus Unterzungen-
submandibularis) speicheldrüse
(Glandula sublingualis)
Unterkiefer-
1) Er mündet meist gemeinsam mit dem speicheldrüse
(Glandula
großen Unterzungenspeichelgang neben
submandibularis)
dem Zungenbändchen auf der Unter-
zungenkarunkel.
Magenschleimhaut
Außenschicht Muskelschicht
(Peritoneum) (Tunica muscularis)
Magengrübchen
(Voveolae gastricae)
Schleimhaut
(Mucosa)
Speiseröhre Magengrund
(Ösophagus) (Fundus gastricus)
Mageneingang
(Kardia/Ostium Magenkörper
cardiacum) (Corpus gastricum)
Magenstraße
kleine
Magenkrümmung
(Curvatura gastrica
minor) große
Zwölffingerdarm Magenkrümmung
(Duodenum) (Curvatura gastrica
major)
Belegzelle
Nebenzelle
Hauptzelle
Pförtnerabschnitt
(Pars pylorica, Antrum)
Magenpförtner
(Pylorus/Ostium pyloricum)
Blutversorgung
Arterien. Alle 3 Äste des Truncus
coeliacus (✑ Abb. 9.29 und 9.30, Zwerchfell
(Diaphragma)
S. 183) sind an der Versorgung des
Magens beteiligt. Leber
(Hepar)
Venen. Das Blut des Magens fließt
über 4 große Magenvenen zur V. Magen
portae ab (✑ Abb. 9.26, S. 179). (Gaster)
Gallenblase
(Vesica billaris)
Nervenversorgung
Die Innervation der Magentätigkeit Dickdarm
erfolgt über den N. vagus, der auch (Intestinum
crassum)
die Säureproduktion stimuliert (✑
Abb. 17.20, S. 355 und S. 356).
Dünndarm
❑
P Bei Störungen des Gleichge-
(Intestinum tenue)
Kerckring’sche Falte
(Plica circularis)
Lieberkühn’sche
Zottenmuskel Krypten
zentrales
Lymphgefäß
Dünndarmzotten
Zylinderepithel (Villi intestinales)
Blutgefäße
Becherzelle
Ring-
muskulatur
Längs-
muskulatur
Blutgefäße
Außenschicht
Merke Gefäßversorgung
Sie erfolgt durch
Die sezernierende und resorbierende Ober- – Arterien. Obere und untere Gekrösearterie
fläche des Dünndarmes (ca. 100 m2) wird (A. mesenterica superior und inferior, ✑ Abb.
3fach vergrößert: 9.27, S. 181).
– durch die Ringfalten, – Venen. Mesenterialvenen leiten das Blut in die
– durch die Zotten an den Ringfalten, Pfortader (✑ Abb. 9.28, S. 182).
– durch die Mikrovilli (= Bürstensaum) der
einschichtig angeordneten Zylinderepithel- Nervenversorgung
zellen. Die Funktionen des Dünndarms werden haupt-
sächlich von 2 Geflechten des Parasympathicus
– Lieberkühn’sche Krypten. Das sind Vertiefun- (= Teil des vegetativen Nervensystems), die in
gen zwischen den Zotten, in denen sich die der Darmwand liegen, reguliert, dem Plexus
Ausführgänge der Drüsen der Dünndarm- submucosus (Meissner’scher Plexus) in der Sub-
schleimhaut befinden; mucosa und dem Plexus myentericus (Auer-
– Lymphfollikel. Sie liegen in den tieferen Be- bach’scher Plexus) zwischen äußerer Längs- und
reichen der Schleimhaut und erfüllen Abwehr- innerer Ringmuskulatur.
aufgaben;
– große Zwölffingerdarmpapille (Papilla duo- Wie auf Seite 146 beschrieben, ist der Dünndarm
deni major, Vater-Papille). Sie liegt im abstei- mittels Mesenterium an der hinteren Bauchwand
genden Teil des Duodenums. Hier befinden befestigt, über dessen Wurzel sämtliche Versor-
sich die Mündungen des Hauptgallenganges gungsbahnen laufen.
(Ductus choledochus) und des Bauchspei-
cheldrüsenganges (Ductus pancreaticus).
244 12 Verdauungssystem
❑
P Bei Entzündung des Wurmfortsatzes (Appen-
aufsteigender dicitis) entstehen starke Druckschmerzen.
Grimmdarm Einen typischen Druckschmerzpunkt (= Mac-
(Colon ascendens) Burney-Punkt) finden Sie in der Abb. 12.12
Krummdarm oben.
(Ileum)
Bauhin’sche
Klappe 2. Grimmdarm (Colon)
(Valva ileocaecalis) Das Colon ist mit ca. 1 m der längste Abschnitt
Blinddarm des Dickdarms und liegt zwischen Blinddarm
(Caecum)
und Mastdarm. Es umgibt den intraperitonealen
Abgangsstelle des Teil des Dünndarms rahmenförmig. Das Colon
Wurmfortsatzes wird in 4 Abschnitte gegliedert (✑ Abb. 12.14),
Wurmfortsatz aus denen sich die Lage ergibt:
(Appendix vermiformis)
– aufsteigender Grimmdarm (Colon ascendens),
– quer verlaufender Grimmdarm (Colon trans-
Blinddarm mit Bauhin’scher versum),
Abb. 12.13 Klappe. – absteigender Grimmdarm (Colon descendens),
– s-förmiger Grimmdarm (Colon sigmoideum).
12.5 Dickdarm 245
linke
rechte Grimmdarm-
Grimmdarm- krümmung
krümmung (Flexura coli sinistra)
(Flexura coli dextra)
„Aussackungen“
(Haustra)
Längs- absteigender
aufsteigender muskel-
Grimmdarm bündel Grimmdarm
(Colon ascendens) (Colon descendens)
(Taenien)
Krummdarm
(Ileum)
Blinddarm s-förmiger
(Caecum) Grimmdarm
Aufhängeband des (Colon sigmoideum)
Wurmfortsatzes Mastdarm
Wurmfortsatz (Rektum)
(Appendix vermiformis)
Das Colon erkennt man äußerlich an terungsfähig und dient als Speicherorgan. Er
– den Taenien (Taeniae coli): enthält 3 quere feststehende Schleimhautfalten
Das sind 3 ca. 1 cm breite deut-
lich sichtbare Längsmuskel-
bündel;
– den Haustra:
Das sind die zwischen den s-förmiger
Taenien liegenden Aussackun- Grimmdarm
gen („Schöpfeimer“); (Colon
– den Fettanhängseln: sigmoideum)
(zwei rechts und eine links). Die linke heißt des Colons sind die Längsmuskeln (= Taenien)
Kohlrausch-Falte und liegt ca. 6 cm vom Anus gerafft.
entfernt.
– Analkanal (Canalis analis). ❑
P Über die Mastdarmschleimhaut können Wirk-
Der Analkanal schließt sich ohne scharfe Gren- stoffe resorbiert werden, z. B. Narkotika, Nähr-
ze ab der Biegung des Rektums nach vorn an klistiere, Analgetika. Diese gelangen über
die Ampulla recti an und endet mit dem After, das Blut, ohne Leberpassage (möglicher Ab-
Anus (= Öffnung an der Haut). Die Schleim- bau), direkt zu den Wirkorten.
haut besitzt 8 bis 10 Längsfalten (Columnae
anales). Zwischen ihnen liegen die After-
buchten (Sinus anales). Außerdem ist sie nahe
dem Anus in der so genannten Hämorrhoidal- 12.6 Leber (Hepar)
zone mit Venengeflechten unterpolstert (Plexus
venosus rectalis = Plexus haemorrhoidalis). Die Leber ist die Stoffwechsel- und Entgiftungs-
zentrale des menschlichen Körpers und bildet
Merke u. a. die Gallenflüssigkeit. Für ihre umfangrei-
che Tätigkeit verfügt sie über eine außerge-
Das Rektum besitzt im Unterschied zum wöhnliche Regenerationsfähigkeit.
Colon keine Taenien, Haustren und Fettan-
hängsel, dafür aber reichlich schleimprodu- Form, Farbe und Größe
zierende Becherzellen. Die braunrote Leber ist mit einer Masse von ca.
1,5 Kilo nicht nur die größte Drüse, sondern
Afterverschluss überhaupt das größte innere Organ des mensch-
Der Verschluss des Afters geschieht durch 2 ring- lichen Körpers. Ihre Form wird im Wesentlichen
förmige Schließmuskeln und einen Schwell- von den Nachbarorganen bestimmt. Deutlich zu
körper. unterscheiden sind zwei Hauptflächen, die
• Muskeln Zwerchfellfläche (Facies diaphragmatica) und
– Innerer unwillkürlicher Afterschließmuskel die Eingeweidefläche (Facies visceralis). Die
(M. sphincter ani internus) aus glattem Mus- Zwerchfellfläche liegt in der Rundung der rech-
kelgewebe; ten Zwerchfellkuppel, die Eingeweidefläche liegt
– äußerer willkürlicher Afterschließmuskel auf Teilen des Magens, des Duodenums und des
(M. sphincter ani externus) aus quer gestreif- Dickdarms. Im vorderen Bereich sind beide Flä-
tem Muskelgewebe. chen durch eine spitzwinklige Kante (= Leber-
• Schwellkörper unterrand) getrennt.
Der wie ein Ring unmittelbar vor dem After lie-
gende Schwellkörper wird von dem zuvor Lage und Nachbarorgane
beschriebenen Venenplexus gebildet. Bei Kon- Die Leber liegt im rechten Oberbauch unter dem
traktion der Schließmuskeln wird der Blutabfluss rechten Rippenbogen (im rechten Hypochondri-
über die Venen behindert. Die Längsfalten legen um) und reicht nach links bis in die Magengrube
sich aneinander und verschließen den After- (Epigastrium). Wichtige Nachbarorgane sind
kanal. rechte Niere, Colon transversum, Magen und
Duodenum (✑ Abb. 7.5; 7.6, S. 147).
❑
P Hämorrhoiden sind knotigenartige Vergrö-
ßerungen bestimmter Schwellkörperabschnitte. Grobe Gliederung
Leitsymptom sind hellrote Sickerblutungen aus Der rechte Leberlappen (Lobus dexter) wird
dem After. durch ein Band vom linken (Lobus sinister)
getrennt. An der Eingeweidefläche liegen
– die Leberpforte (Porta hepatis) mit Leberarte-
Wandschichten rie (A. hepatica; bringt sauerstoffreiches Blut
Der Wandaufbau entspricht grundsätzlich dem = 25 %) und die Pfortader (V. portae; führt
des Dünndarms. Die Schleimhaut ist glatt und sauerstoffarmes, mit Nahrungsstoffen aus dem
besitzt Krypten für Schleimdrüsen. Im Bereich Darm angereichertes Blut = 75 % in die Leber;
12.6 Leber 247
Lebersinus
▼
Leberkreislauf Zentralvene
▼
Die Speisung der Lebersinusoide mit Blut erfolgt Lebervenen
von der Peripherie des Leberläppchens durch je- ▼
weils ein Ästchen der Leberarterie und der Pfort- untere Hohlvene
248 12 Verdauungssystem
Hepar, ventral
Schweiflappen
(Lobus caudatus)
Lig. coronarium
sinistrum1)
rechter
Leberlappen Lig. coronarium
(Lobus dexter) dextrum1)
linker
Leberlappen
(Lobus sinister)
sichelförmiges
Band1)
Gallenblase (Ligamentum
(Vesica biliaris)
falciforme)
untere
Unterfläche von dorsal Hohlvene
(V. cava inferior)
Lebervene
linker (Vv. hepaticae)
Leberlappen
(Lobus sinister)
Schweif-
Pfortader lappen
(V. portae) (Lobus caudalus)
Leberpforte
(Porta hepatis) rechter
Leberarterie Leberlappen
(Lobus dexter)
(A. hepatica)
Haupt-
gallengang
(Ductus Gallenblase
choledochus) (Vesica biliaris)
quadratischer
Lappen
1) Bildung des Peritoneums (Lobus quadratus)
Weg der
Gallenblasen- Gallenflüssigkeit
gang
(Ductus cysticus)
gemeinsamer
Lebergallengang Gallen-
(Ductus hepaticus
blasen-
communis)
gang
Hauptgallengang Haupt-
(Ductus choledochus) gallengang
(Ductus
Bauchspeichel- choledochus)
gang
(Ductus pancreaticus)
Zwölffingerdarm-
papille
(Papilla duodeni
major)
Zwölffingerdarm
(Duodenum)
gemeinsamer Lebergallengang ❑
P Häufige Erkrankungen der Gallenblase sind
(Ductus hepaticus communis) Entzündungen und Steinleiden. Sind die
Mikrovilli Nachbarorgane mit der Gallenblase verwach-
ein- sen, können bei Perforation Steine in den
schichtiges Darm gelangen und zu Darmverschluss (Ileus)
Zylinder- führen.
epithel
der Gallenkoliken entstehen, wenn ein Stein im
Schleimhaut Ductus cysticus oder choledochus einge-
(Tunica mucosa) klemmt wird.
Gallenblasen-
gang
(Ductus cysticus)
Hals der 12.7 Bauchspeicheldrüse (Pankreas)
Gallenblase
(Collum vesicae
biliaris)
Die Bauchspeicheldrüse hat eine Doppelfunk-
tion: Einerseits bildet sie den Bauchspeichel,
Hauptgallen-
gang der wichtige Verdauungsenzyme und Elektrolyte
(Ductus enthält, andererseits produziert sie Hormone zur
choledochus) Blutzuckerregulation.
Körper der
Gallenblase Form, Größe
(Corpus vesicae
biliaris) Das Pankreas ist eine ca. 15 cm lange, 3 – 4 cm
breite und 1 – 2 cm dicke Drüse mit einer Masse
Grund der
Gallenblase von ca. 85 Gramm. Die Läppchenstruktur ist
(Fundus deutlich an der Oberfläche zu erkennen.
vesicae biliaris)
Gliederung, Lage
Abb. 12.19 Gallenblase und ihre Schleimhaut. – Kopf (Caput pancreatis). Liegt in der inneren
Krümmung des Duodenums.
– Körper (Corpus pancreatis).
– Schwanz (Cauda pancreatis).
Körper und Schwanz liegen
dorsal des Magens. Der
exokriner Teil mit Schwanz endet am Milz-
Drüsenendstück hilus.
(Acini)
und Ausführungs-
gang Merke
Das Pankreas liegt retroperi-
Blutkapillare
toneal auf der linken Seite
der hinteren Bauchwand.
Bauchspeicheldrüse
(Pankreas)
Anfangsteil des
Zwölffingerdarms Kopf Körper Schwanz
(Bulbus duodeni) (Caput) (Corpus) (Cauda)
oberer Abschnitt
(Pars superior)
Hauptgallengang
(Ductus choledochus)
absteigender Abschnitt
(Pars descendens)
kleine
Zwölffingerdarmpapille Ausführungsgang der
(Papilla duodeni minor) Bauchspeicheldrüse
(Ductus pancreaticus)
große
Zwölffingerdarmpapille aufsteigender Abschnitt
(Pars ascendens)
(Papilla duodeni major –
Papilla Vateri) Übergang des
Zwölffingerdarms
horizontaler Abschnitt in den Leerdarm
(Pars horizontalis) (Flexura
duodenojejunalis)
Leerdarm
(Jejunum)
Zwölffingerdarm
(Duodenum)
gebildet, der über den Bauchspeicheldrüsen- • A-Zellen; sie produzieren das blutzuckerspie-
gang (Ductus pancreaticus) auf der Papilla gelhebende Glukagon und
duodeni major (Papilla Vateri) in das Duode- • B-Zellen; sie bilden die Hauptmasse und pro-
num gelangt. duzieren das blutzuckerspiegelsenkende Insu-
lin (✑ auch Kap. 15.4.1, S. 307).
❑
P Die Verdauungsenzy-
me des Bauchspeichels
können bei akuter Pan-
kreatitis wegen fehlender untere Hohlvene
Selbstschutzmechanis- (V. cava inferior)
men die Drüse zerstören. Magen
(Gaster)
kleines Netz
– Endokriner Teil (= Lan- (Omentum minus)
gerhans’sche Inseln): Leber
Das sind Zellanhäufun- (Hepar)
gen, die besonders zahl- Bauchspeichel-
reich in der Schwanz- drüse
(Pankreas)
und Körperregion vor-
kommen und Hormone Zwölffingerdarm
(Duodenum)
produzieren. Die Lan-
gerhans’schen Inseln be-
Lage der oberen Bauchorgane von dorsal. Abb. 12.22
stehen hauptsächlich
aus zwei Zellarten:
252 12 Verdauungssystem
Stärkeverdauung in der
Tab. 12.3 Nahrungsstoffe. Mundhöhle. Tab. 12.4
Nicht resorbierbar resorbierbar Ptyalin
Kohlenhydrate
(Di-, Polysaccharide) ➝ Monosaccharide
Eiweiße ➝ Aminosäuren Stärke Maltose
Fette ➝ Glycerol und Fettsäuren
Vitamine
anorganische Ionen (Mineralien)
Wasser H2 O
12.8 Physiologie der Verdauung 253
ca. 7 Liter
Verdauungssaft täglich
❑
P Trockene Speisen und Mundatmung erfor- – Durch Muskelzug wird das Gaumensegel an-
dern größere Speichelmengen. Bei psychi- gehoben und so die Mundhöhle gegen den
scher Erregung (z. B. Angst, Ärger) kann die Nasenrachenraum abgeschlossen.
Speichelsekretion herabgesetzt werden. – Gleichzeitig kontrahiert die Mundbodenmus-
kulatur und zieht das Zungenbein mit Kehl-
Schluckvorgang kopf und Trachea nach vorn und oben.
Der Schluckvorgang ist ein angeborener Reflex. – Wird der schluckfähige Bissen (Bolus) bei ge-
Er kann willkürlich eingeleitet werden. Im Be- schlossenem Mund mit der Zunge gegen das
reich des weichen Gaumens und an der Zungen- Gaumensegel und/oder die hintere Rachen-
wurzel befinden sich Druckrezeptoren. Werden wand gedrückt, erfolgen die weiteren Vorgän-
diese durch Speisen, Speichel oder durch einen ge reflektorisch.
Spatel berührt, wird der Schluckreflex ausgelöst. – Die Zungenwurzel wird ruckartig nach hinten
254 12 Verdauungssystem
Gaumensegel
verschließt
Mundhöhle
gegen den
Nasenrachen
Luftweg
Zungenwurzel
Nahrungsweg Nahrungsfluss
Luftröhre Speiseröhre
bewegt. Dadurch stößt sie den Bolus in den 12.8.2 Verdauungsvorgänge im Magen
Mundrachen und drückt den Kehldeckel nach
unten. Gleichzeitig zieht der Schildknorpel- Motorik
Zungenbein-Muskel (M. thyrohyoideum) den Der Magen nimmt die geschluckte Speise auf
Kehlkopf näher an das Zungenbein (Os hyoi- (Füllung), durchmischt sie mit Magensaft und
deum), damit der Kehldeckel (Epiglottis) den leitet sie portionsweise in das Duodenum. Dabei
Kehlkopfeingang schützen kann. findet eine weitere Zerkleinerung und damit
– Zungenbewegung und Kontraktion der Ra- Oberflächenvergrößerung statt.
chenmuskulatur transportieren schließlich
den Bissen in den Ösophagus, dessen Peristal- ❑
P Die Verweildauer der Speisen im Magen
tik dann den Weitertransport in den Magen hängt von deren Zusammensetzung ab. Geträn-
übernimmt. ke gelangen nach wenigen Minuten entlang der
Magenstraße in das Duodenum. Kohlenhydrate
❑
P Der Schluckakt wird durch verschiedene bleiben 1 – 2, Eiweiße 2 und Fette 4 – 5
Hirnnerven (V, VII, IX, X) gesteuert. Störun- Stunden im Magen.
gen des Schluckvorganges weisen deshalb häu-
fig auf eine Läsion einer dieser Hirnnerven Sekretorik
hin. Im Magen beginnt die Eiweißverdauung. Durch
Im Zustand der Bewusstlosigkeit erlischt der die Salzsäure werden die Eiweiße denaturiert1)
Schluckreflex, und es besteht die Gefahr, dass und das inaktive Pepsinogen zu Pepsin aktiviert.
Erbrochenes in die Atemwege gelangt (Aspira- Letzteres spaltet ca. 10 % der Eiweiße in kleine-
tion). Deshalb müssen Bewusstlose in die sta- re Polypeptidketten (✑ Kap. 2, S. 17).
bile Seitenlage gebracht werden.
Beginn der Eiweißverdauung im
Magen. Tab. 12.5
HCl Proteinase des
Magensaftes (Pepsin)
Eiweiße Peptidbruchstücke
1) Denaturierung: Meist irreversible Strukturveränderung der Prote-
ine mit Verlust ihrer biologischen Eigenschaften (z. B. Enzymwir-
kung) und Veränderung ihrer physikalischen Eigenschaften (z. B. H2O
Gerinnung)
12.8 Physiologie der Verdauung 255
Gallensäuren H2O ❑
P Normalerweise besteht zwischen Gärung
Resorption: und Fäulnis ein Gleichgewicht. Ist dies gestört,
Wenige kurzkettige Fettsäuren ins Blut, der kommt es zur Ausscheidung faulender oder
Rest als resynthetisierte Triglyceride in Chylo- gärender Stühle.
mikronen in die Lymphe.
Die Farbe wird durch die Gallenfarbstoffe be- Faktor aktiv im Ileum. Wasser und Natrium wer-
stimmt, der Geruch durch den Schwefelwasser- den vorwiegend im Duodenum und Jejunum auf-
stoff, organische Säuren, Indol sowie Scatol und genommen.
der pH-Wert durch die Gärungsprodukte.
Calcium und Magnesium werden hauptsächlich
Motorik aktiv resorbiert. Die Resorption wird durch
Die Dickdarmmotorik bewirkt: 2 Hormone (Calcitonin, Parathormon, ✑ Tab.
– die weitere Durchmischung des Darminhaltes 15.8, S. 309) gesteuert.
durch langsames Fortschreiten von Ringmus-
kelkontraktionen (sog. Haustrenfließen) und ❑
P Die Calciumresorption setzt die Anwesenheit
rhythmische Segmentierung; von Vitamin D voraus, dessen aktive Form unter
– den Weitertransport des Darminhaltes in das Mitwirkung von Niere und Haut bei Lichtein-
Rektum. Zu diesem Zweck laufen 2- bis 3-mal wirkung entsteht (bei Mangel: Rachitis).
am Tag, gewöhnlich nach der Nahrungsauf-
nahme, starke peristaltische Kontraktionen Eisen wird ebenfalls aktiv im oberen Dünndarm
vom Caecum über das gesamte Colon; aufgenommen.
Merke Merke
Im Vergleich zum Dünndarm erfolgt der Die Resorption der Verdauungsprodukte er-
Transport im Dickdarm relativ langsam folgt passiv durch Diffusion oder aktiv mit-
(10 bis 18 Stunden). hilfe von Trägersubstanzen bzw. durch Pino-
zytose.
– die Stuhlentleerung (Defäkation). Hier han- Der Hauptresorptionsort ist der obere Dünn-
delt es sich um einen willkürlich beeinflussba- darm (Duodenum, Jejunum). Er hat eine sehr
ren reflektorischen Vorgang. Mit zunehmen- große Oberfläche, und alle lebensnotwendigen
der Füllung des Rektums werden durch erhöh- Nahrungsbestandteile sind resorptionsfähig.
ten Druck die Dehnungsrezeptoren der Darm- Grundsätzlich ist die gesamte Schleimhaut
wand gereizt. Die Aktionspotentiale gelangen des Verdauungstraktes zur Resorption fähig.
in das zuständige Reflexzentrum im Sakral- So besteht auch die Möglichkeit der künstli-
mark, das etwa ab dem 2. Lebensjahr von der chen Ernährung durch Nährklistier über die
Großhirnrinde kontrolliert werden kann. Bei Dickdarmschleimhaut.
der Darmentleerung wird der äußere Schließ-
muskel willkürlich entspannt und die Bauch-
presse erzeugt. Gleichzeitig führen parasym-
pathische Efferenzen zur Erschlaffung des 12.8.5 Regulation der Verdauung
inneren Schließmuskels. Daraufhin kommt es
zur Kontraktion der Ring- und Längsmuskulatur Die Regulation der einzelnen Verdauungsvor-
des Darmes, und es erfolgt die Entleerung. gänge ist recht kompliziert. Hier werden nur
einige grundsätzliche Möglichkeiten dargestellt.
❑
P In der Regel findet der Stuhlgang einmal
täglich statt, oft nach der Einnahme von Mahl- Das vegetative Nervensystem steuert sowohl
zeiten (Gastrokolonreflex). Motorik als auch Sekretorik der Verdauung
(Sympathicus hemmt, Parasympathicus fördert).
Resorption von Vitaminen, Wasser und
Mineralstoffen ❑
P Psychische Einflüsse, bestimmte Stoffe
Die Resorption der fettlöslichen Vitamine (A, D, (Coffein, Nikotin) und der Grad der körper-
E, K) erfolgt in gleicher Weise wie die Fett- lichen Aktivität können nachhaltig die Wirkun-
resorption. Die wasserlöslichen Vitamine gelan- gen des vegetativen Nervensystems beeinflus-
gen wie folgt in das Blut: Vitamin C und B2 sen.
durch Diffusion und Vitamin Bl2 mit Intrinsic-
258 12 Verdauungssystem
➞
Geschmacksreize sind. Pepsin
➞
Beispiel: Sekretion der Verdauungssekrete, Erregung N. vagus HCL
➞
Peristaltik und Defäkation; Gastrin
– über erlernte Reflexe, deren Auslöser Gehör- Anblick
oder Sehreize, aber auch Vorstellungen sind. Vorstellung
Beispiel: Mundspeichel und Magensaftsekre-
tion (= nervale Phase – Regulation
durch Vorstellung von Nahrung); ❑
P Aggressionen können sekretionssteigernd
– hormonal durch Gewebshormone, die durch und Angst sekretionshemmend wirken.
bestimmte Verdauungsprodukte freigesetzt
werden.
2. Gastritische Phase (lokale Einflüsse)
Regulation der Speichelproduktion Die Sekretion von Magensaft wird durch den
Die Bildung und Freisetzung des Mundspeichels direkten Kontakt der Nahrung mit der Magen-
wird reflektorisch gesteuert. wand ausgelöst.
Dehnungsreiz
Reize Großhirnrinde Nahrung Freisetzung
(Sehen, Hören, Vorstellen) im von
Antrum Gastrin
Reize Hypothalamus chemische Reize
(Geruch) (z. B. Produkte
der Eiweißver- Blutweg
dauung, Alkohol,
Kaffee,
Arzneimittel)
Speichelzentrum Corpus
ventriculi
3. Intestinale Phase
Regulation der Magensaftsekretion Der Übertritt des Nahrungsbreis vom Magen in
In den Magendrüsen werden pro Tag ca. 3 Liter das Duodenum beeinflusst rückwirkend die
Magensaft gebildet (✑ S. 240). Magensaftsekretion in folgender Weise:
Zusammensetzung des Magensaftes:
– Wasser Dehnung der
– eiweißspaltende Enzyme (Pepsin) Darmwand Freisetzung
von Magensaft-
➞
12.8.6 Funktionen der Leber (Überblick) nach der Blutglucosespiegel, werden die Glyko-
genvorräte wieder in Glucose umgebaut und an
Der größte Teil der resorbierten Hydrolysepro- das Blut abgegeben. Bei Erschöpfung der
dukte der Nahrung dient zunächst dem Aufbau Glykogenvorräte setzt schließlich die Glukoneo-
„körpereigener“ Stoffe (z. B. Glykogen, Proteine, genese ein (✑ S. 40).
Triglyceride, Phosphatide). Die meisten dieser
anabolen Stoffwechselvorgänge vollziehen sich Merke
in der Leber. Die Leber spielt eine wichtige Rolle bei der
Konstanthaltung des Blutglucosespiegels.
Merke
Die Leber ist das wichtigste Stoffwechsel- Aufgaben im Fettstoffwechsel
organ unseres Körpers („Zentrallabor“). Bei reicher Glucosezufuhr synthetisiert die
Leber reichlich höhere Fettsäuren und weiterhin
Im Folgenden gehen wir auf die wichtigsten Triglyceride sowie Phosphatide.
Funktionen der Leber ein. Mit dem Pfortaderblut Mit der Synthese der Plasmalipoproteine schafft
gelangen nachstehende Produkte direkt in die sie die Grundstoffe für den Aufbau von Transport-
Leber: micellen.1) Diese benötigt der Organismus für
– aus dem Dünndarm: Kohlenhydrate, Eiweiße, den Transport der wasserunlöslichen Stoffe wie
Fette, Vitamine, Minera- Triglyceride, Phosphatide und Cholesterol in den
lien, Medikamente etc.; wässrigen Körperflüssigkeiten.
– aus dem Magen: Alkohol, Medikamente;
– aus dem Pankreas: Hormone (Insulin) der Die Leber wandelt überschüssige Kohlenhydrate
Langerhans’schen Inseln; in Triglyceride um und ist für die Synthese der
– aus der Milz: Abbauprodukte des Hä- Plasmalipoproteine unterschiedlicher Dichte ver-
moglobins. antwortlich.
Daraus ergibt sich eine ihrer wesentlichsten Auf-
gaben, nämlich wichtige Stoffkonzentrationen in Aufgaben im Cholesterolstoffwechsel
den extrazellulären Flüssigkeiten, insbesondere Die Leber ist der Hauptort der Cholesterol-Bio-
im Blut, konstant zu halten und damit eine kon- synthese. Sie nimmt aber auch Cholesterol, das
tinuierliche Versorgung der Zellen zu sichern. in anderen Körperzellen gebildet bzw. mit der
Häufig geschieht dies durch wechselseitige Nahrung aufgenommen wurde, in ihren Vorrat
Umwandlung von Speicher- und Transportform auf.
eines Stoffes:
Der Cholesterolvorrat wird vor allem zur Bil-
Konstanter Blutglucosespiegel dung der Gallensäure verwendet und zum Teil in
Form von Lipoproteinen wieder an den Kreislauf
Überschuss Speicherform abgegeben, um andere an Cholesterolmangel lei-
(z. B. Glykogen) dende Organe zu versorgen.
Transportform Mangel
(z. B. Glucose)
Merke
Die Leber ist maßgeblich für den Cholesterol-
Aufgaben im Kohlenhydratstoffwechsel haushalt des Körpers verantwortlich.
Die Leber erfüllt hier vor allem die eben beschrie-
bene Aufgabe, wodurch sie den Blutglucosespie-
gel konstant hält. Aufgaben im Äthanolstoffwechsel
Nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit gelangt Alkohol (Äthanol, C5H5OH) wird überwiegend
viel Glucose, aber auch Insulin, mit dem Pfort- in der Leber abgebaut. Die Leber konzentriert
aderblut in die Leber. Durch das Hormon stimu-
liert, wird die überschüssige Glucose in Glyko-
gen und wenn dessen Speicherkapazität er- 1) Plasmalipoproteine (Bestandteile: Cholesterol, Phospha-
schöpft ist, in Fettsäuren umgewandelt. Sinkt da- tide, Triglycerid, Eiweiß), die dem Lipidtransport dienen
260 12 Verdauungssystem
ihn aber nicht, sondern der Alkohol wird mit löslich und unschädlich. In dieser Form wird das
Ausnahme von Fett- und Knochengewebe im Bilirubin aktiv in die Gallenkapillaren transpor-
ganzen Körper verteilt. tiert und gelangt mit dem Gallensaft in den
Darm. Im Colon wird es durch die Tätigkeit der
❑
P Die Blut-Alkohol-Konzentration ist ein Darmbakterien vor allem in Urobilinogen und
guter Indikator für die Konzentration des andere Farbstoffe (Sterkobilinogen, Urobilin,
Alkohols im Gehirn. Sterkobilin) umgewandelt. Diese Abbauprodukte
bewirken die braune Farbe des Stuhls. Der
größte Teil wird mit dem Stuhl ausgeschieden
Abbau von Hämoglobin, Produktion und (ca. 85 %). Der Rest wird wieder resorbiert und
Sekretion des Gallensaftes gelangt entweder über die Pfortader in die Leber
Mit dieser Spezialleistung erfüllt die Leber zurück oder bei Resorption im Rektum unter
2 Funktionen: Umgehung der Leber in die Niere. Dieser Teil
– Mitwirkung bei der Fettverdauung durch die wird mit dem Harn ausgeschieden und bestimmt
Gallensäuresynthese; die bernsteingelbe Harnfarbe mit.
– Abbau überalterter Blutzellen.
Beim Abbau von Hämoglobin in der Leber ent- Bestandteile des Gallensaftes und Bedeutung
stehen die Gallenfarbstoffe. Zuerst bildet sich das der Gallensäuren
grüne Biliverdin, das dann zum wichtigsten Der Gallensaft besteht im Wesentlichen aus
Gallenfarbstoff, dem Bilirubin, umgewandelt Cholesterol, Gallensäure, Bilirubin und Kalk-
wird. Das Bilirubin ist wasserunlöslich und zell- salze. Die Salze der Gallensäure sind für die
schädigend. Deshalb wird es in den Leberzellen Verdauung und Resorption der Fette von großer
an Glucuronsäure gebunden und dadurch wasser- physiologischer Bedeutung. Sie setzen die Ober-
flächenspannung herab und wirken
dadurch emulgierend (verteilend) und
dispergierend (verkleinernd). Außer-
Leberarterie dem aktivieren sie die Lipasen und
(A. hepatica)
Cholesterol im Blut hemmen die Magensaftsekretion.
Cholesterol
❑
P Gallensteine entstehen, wenn das
Gleichgewicht der Bestandteile des
Gallensaftes gestört ist. Am häufig-
Gallensäure (0,6 g/d) Leber
(Hepar) sten sind Cholesterol-Pigment-Kalk-
Steine.
Enterohepatischer Kreislauf ❑
P Die Biotransformationen in der Leber kön-
Unter dem enterohepatischen Kreislauf versteht nen die Konzentration von Arzneistoffen
man die Ausscheidung von Stoffen (z. B. Gallen- beeinflussen. Man spricht vom sog. „First pass
säuren und Gallenfarbstoffe) mit dem Gallen- effect“ (Einfluss der ersten Leberpassage).
sekret aus der Leber in den Darm und deren Leber- oder Nierenfunktionsstörungen können
Rückresorption und Rücktransport mit dem zur Retention von „Giftstoffen“ führen und
Pfortaderblut in die Leber. Hier gelangen die dadurch ein Coma hepaticum oder eine Urämie
Stoffe dann erneut in die Gallenflüssigkeit und hervorrufen.
erfahren den gleichen Kreislauf.
Dieser Vorgang ist in erster Linie eine Ökonomi-
sierung bestimmter Stoffwechselprozesse. Im
Falle der für die Fettverdauung so wichtigen
Gallensäuren bedeutet dies einen täglichen
Verlust von ca. 10 %, ca. 90 % werden rück-
resorbiert.
Bei fettreicher Ernährung ist der Bedarf an
Gallensäuren erhöht, deshalb zirkulieren die
Gallensäuren 4- bis 12-mal pro Tag.
Aufgabe im Eiweißstoffwechsel
In der Leber werden die mit dem Pfortaderblut
ankommenden Aminosäuren verstoffwechselt.
Sie dienen zum einen der Synthese der Plasma-
proteine (Albumine, Gerinnungsfaktoren, einige
Globuline), die an das Blut abgegeben werden.
Ein weiterer Teil wird abgebaut und der dabei
frei werdende Stickstoff in Harnstoff überführt.
Der Harnstoff gelangt mit dem Blutkreislauf zur
Niere. Der Rest der Aminosäuren wird benutzt,
um intrazelluläre Proteine der Leber aufzubauen.
Merke
In der Leber findet die Synthese der Plasma-
proteine und des Harnstoffes statt.
Merke
Biotransformationen führen häufig zur „Ent-
giftung“ von Stoffen. Entgiftung bedeutet
demnach, dass körperfremde und körpereige-
ne Stoffe durch Abbau, Umbau oder Kopp-
lung an andere Stoffe (z. B. Glucoronsäure)
in biologisch inaktive und für den Organis-
mus unschädliche oder harnfähige Ver-
bindungen überführt werden.
262 12 Verdauungssystem
1. Geben Sie einen Überblick über die Verdauungsorgane und deren Lage.
2. Beschreiben Sie den Bau der Mundhöhle und deren Organe (Zunge, Zähne, große
Speicheldrüsen).
3. Beschreiben Sie die Lage sowie den makroskopischen und mikroskopischen Bau der
Speiseröhre.
4. Beschreiben Sie die Lage, den makroskopischen und mikroskopischen Bau sowie die Blut-
und nervale Versorgung des Magens.
5. Nennen Sie die Abschnitte des Dünndarms.
Beschreiben Sie deren bauliche Besonderheiten und Lage.
6. Nehmen Sie eine Gliederung des Dickdarms vor.
7. Beschreiben Sie die Lage des Blinddarms.
8. Nennen Sie charakteristische Merkmale des Colons.
9. Wie wird das Rektum verschlossen?
10. Beschreiben Sie Lage und Aufbau der Leber.
11. Beschreiben Sie den Verlauf der intra- und extrahepatischen Gallenwege.
12. Beschreiben Sie Lage und Bau des Pankreas.
13. Definieren Sie:
a) Verdauung,
b) Motorik,
c) Sekretorik,
d) Resorption.
14. Beschreiben Sie die Verdauung und Resorption:
a) der Kohlenhydrate,
b) der Fette,
c) der Eiweiße.
15. Interpretieren Sie die Redensart „Gut gekaut ist halb verdaut“.
16. Nennen Sie die Aufgaben:
a) der Salzsäure,
b) der Gallensäuren.
17. Begründen Sie, warum der Dünndarm für die Resorption am besten geeignet ist.
18. Wie erfolgt die Regulation der Verdauung?
19. Nennen und erläutern Sie die wichtigsten Funktionen der Leber.
263
Die Harnorgane entwickeln sich gemeinsam mit Harnleitern, der Harnblase und der Harnröhre
den Geschlechtsorganen aus der gleichen An- als harnableitende Organe. Mit der Harnproduk-
lage. So erklären sich auch die engen nachbar- tion und -ausscheidung erfüllt das Harnsystem
schaftlichen Beziehungen. die für die Aufrechterhaltung des inneren Milieus
Das Harnsystem besteht aus den paarigen Nieren entscheidenden Regulierungsaufgaben. Wich-
als harnbildende Organe sowie den paarigen tigstes Organ hierbei ist die Niere.
Harnleiter Harnleiter
(Ureter) (Ureter)
großer
Lendenmuskel
(M. psoas major)
Harnblase
(Vesica urinaria)
Harnröhre
(Urethra)
Zwerchfell
(Diaphragma)
Harnleiter Harnleiter
(Ureter) (Ureter)
untere Hohlvene Aorta
(V. cava inferior)
Mastdarm
(Rektum)
Harnblase
(Vesica urinaria)
13.1 Niere (Ren, Nephron) ihrem oberen Pol dicht unter dem Zwerchfell und
ventral der 12. Rippen. Die rechte Niere liegt
Die Niere ist, wie auch der Harnleiter, paarig an- wegen ihrer Nachbarschaft zur Leber etwas tiefer.
gelegt.
Merke
Größe, Farbe und Form Die unteren Nierenpole stehen ca. 3 Finger
Die rotbraun aussehende bohnenförmige Niere breit oberhalb des Darmbeinkammes.
hat eine Masse von 120 – 220 Gramm und ist
10 – 12 cm lang, 5 cm breit und 4 cm dick. Die
Form der Niere wird bestimmt durch Die Nachbarschaftsbeziehungen der Nieren zei-
– den konvexen lateralen Rand, gen die Abb. 7.6, S. 147 und Abb. 13.1, S. 263.
– den konkaven medialen Rand, an der
• die Nierenbucht mit
❑
P Veränderungen der Nieren können beim lie-
rechte Nierenarterie
Nebenniere (A. renalis)
(Glandula supra-
renalis dextra) linke Nebenniere
oberer (Glandula supra-
Nierenpol renalis sinistra)
Nierensäule
Nierensäule (Columna renalis)
(Columna renalis) Nierenkelch
(Calix renalis)
Markpapille
(Papilla renalis) Harnleiter
(Ureter)
unterer Nierenpol
Mikroskopischer Bau
Die Funktionseinheit der Niere
im Sinne der Harnbildung ist abführende Arteriole
(Vas efferens)
das Nephron, von dem es in zuführende Arteriole
jeder Niere ca. 1 Million gibt. In (Vas afferens)
ihm wird der Harn gebildet. Gefäßpol
➝
➝
Jedes Nephron besteht aus dem
Nierenkörperchen und dem Tubu- Gefäßknäuel
(Glomerulus)
lusapparat.
1. Das Nierenkörperchen äußeres Blatt
(parietales Blatt)
(= Malpighi’sches Körperchen).
Die Nierenkörperchen befin- inneres Blatt
(viscerales Blatt)
den sich im Rindengewebe.
Bowman’sche Kapsel
Sie bestehen aus (Capsula glomeruli)
– dem Glomerulus (innen),
einem Knäuel von Blutka- Harnpol
pillaren. Dem Glomerulus proximaler Tubulus
wird das Blut über eine (Tubulus proximalis)
Arteriole, das Vas afferens,
zugeführt. In dessen Wand Bau des Nierenkörperchens
liegt das sog. Polkissen, ein (Corpusculum renale). Abb. 13.6
Teil des juxtaglomerulären
13.2 Harnleiter 267
Nierenbecken (Pelvis renalis, Pyelon) Das Blut durchströmt in der Niere 2 Kapillar-
Das Nierenbecken, als Auffangbehälter für den gebiete:
Harn, entsteht durch den Zusammenschluß von – das Glomerulum und danach
8 – 10 Nierenkelchen. Es kann recht unter- – das Tubuluskapillargebiet.
schiedlich geformt sein. Im Nierenbecken be-
ginnt das Übergangsepithel als Charakteristikum
für die ableitenden Harnwege (✑ S. 63).
13.2 Harnleiter (Ureter)
Tab. 13.1 Nierenkreislauf. Die paarigen Harnleiter gehen kontinuierlich aus
Pars abdominalis aortae
dem Nierenbecken hervor. Es handelt sich um
dünne muskulöse Schläuche. Die Harnleiter, ca.
30 cm lang mit einem Durchmesser von 4 bis
A. renalis
Zwischenlappenarterien Harnblasenwand
(ziehen zur Basis der Pyramiden)
Ureter Ureter
Bogenarterien
(verlaufen zwischen Rinde und Pyramidenbasis bogenartig)
Läppchenarterien
(an ihnen hängen wie Beeren die Nierenkörperchen)
Vas afferens
außen
Glomerulus
Vas efferens innen außen innen
Tubuluskapillargebiet
Venen innerhalb der Niere
Harnfluss Rückfluss verhindert
V. renalis
Eintritt des Ureters in die
Harnblase. Abb. 13.7
V. cava inferior
268 13 Harnsystem, Funktionen der Niere
7 mm, leiten den Harn durch Peristaltik vom tere Seite der Harnblase ist vom Bauchfell über-
Nierenbecken in die Harnblase. Beide Harnleiter zogen. An der hinteren Blasenwand verläuft das
liegen wie die Nieren retroperitoneal. Bauchfell tief nach unten, um danach entweder
auf das Rektum (Mann) oder auf den Uterus
Ureterengen (Frau) überzugehen.
Der Harnleiter hat 3 enge Stellen: Beim Mann liegt an diesem Übergang der tiefste
– am Übergang vom Nierenbecken in den Harn- Punkt der Bauchhöhle (Excavatio rectovesica-
leiter, lis), bei der Frau liegt der tiefste Punkt zwischen
– beim Übergang in das kleine Becken und dem Uterus und dem Rektum (Excavatio recto-
– in der Harnblasenwand. uterina = Douglas’scher Raum, ✑ auch S. 145).
❑
P In der Niere gebildete kleinere Nierensteine ❑
P Ist die Harnblase gefüllt, liegt sie an der vor-
können in den Harnleiter abgehen. Häufig deren Bauchwand (ohne Zwischenschaltung
verklemmen sie sich in einer der Harnleiter- des Bauchfells) und kann oberhalb der Symphy-
engen. Dies führt zu starken Kontraktionen der se punktiert werden (Abb. 13.10, S. 270).
Ureterwandmuskulatur (Nierenkolik) mit hefti-
gen Schmerzen. Bei entzündlichen Prozessen im kleinen Be-
cken sammelt sich Eiter in den Bauchfell-
taschen bzw. nach Verletzungen Blut.
Wandschichten
Die Wandschichten zeigen den klassischen Drei-
schichtenaufbau der Hohlorgane. Das Urothel des Harnblasenwand
Nierenbeckens geht kontinuierlich auf den Harn- Die Schleimhaut ist mit mehrreihigem Über-
leiter über. gangsepithel (Urothel) besetzt und liegt im lee-
ren Zustand in Falten. Eine Ausnahme bildet das
am Blasengrund liegende immer faltenfreie
13.3 Harnblase (Vesica urinaria) Harnblasendreieck (Trigonum vesicae). Seine
Eckpunkte werden von 3 Öffnungen markiert,
Die Harnblase ist ein muskulöses Hohlorgan, der inneren Harnröhrenöffnung (Ostium ure-
dessen Form und Größe vom unterschiedlichen thrae internum) vorn und den 2 Ureteröffnungen
Füllungszustand abhängen. Ihre Aufgaben sind hinten.
die Speicherung und periodische Entleerung
des von den Nieren ständig produzierten Urins. Merke
Das mittlere Fassungsvermögen der Harnblase
beträgt ungefähr 1 Liter. Die Ureter durchsetzen die Harnblasenwand
schräg. Dadurch entsteht ein „Ventil“, und
Gliederung der Harn kann bei gefüllter Blase nicht
An der Harnblase unterscheidet man folgende zurückfließen (✑ Abb. 13.7).
Teile:
– Harnblasenscheitel (Apex vesicae) – oben ge-
legen, ❑
P Beim vesikoureteralen Reflux ist das Ver-
– Harnblasenkörper (Corpus vesicae) – darunter, schlusssystem geschwächt. Dadurch werden
– Harnblasengrund (Fundus vesicae) – unten, Harnleiter- und Nierenbeckeninfektionen be-
– Harnblasenhals (Cervix vesicae) – Übergang günstigt.
in die Harnröhre.
Die Muskulatur der Harnblasenwand ist drei-
Lage und Nachbarschaftsbeziehungen schichtig und so angeordnet, dass sich bei ihrer
Die Harnblase liegt im kleinen Becken hinter der Kontraktion die Harnblase vollständig entleeren
Symphyse. Beim Mann schiebt sich zwischen kann. Der Harnblasenwandmuskel heißt M.
Harnblasengrund und Beckenboden die Vorste- detrusor vesicae.
herdrüse (Prostata). Außerdem liegen hinten
unten die Bläschendrüsen an. Die obere und hin-
13.3 Harnblase 269
Merke
Scheitel der Harnblase
Die Entleerung der Harnblase heißt Miktion (Apex vesicae)
(✑ S. 274).
Körper der
Verschluss von Harnblase und Harnröhre Harnblase
Der Verschluss erfolgt durch eine aus glattem (Corpus vesicae)
Muskelgewebe bestehende Muskelschlinge, den Harnleiter
unwillkürlichen Schließmuskel der Harnblase (Ureter)
(M. sphincter vesicae) um die innere Harn- Samenleiter
röhrenöffnung und den willkürlichen quer ge- (Ductus
deferentis)
streiften Harnröhrenschließmuskel (M. sphincter
urethrae) im Beckenboden. Bläschen-
drüsen
(Glandula
❑
P Die Regulation der Miktion unterliegt kom- vesiculosa)
Bauchfell
(Peritoneum)
gerader bauchfellfreier Raum
Bauchmuskel über der Schambeinfuge
(M. rectus abdominis)
Harnblasenwandmuskel
(M. detrusor)
Punktionskanüle
Schambeinfuge
(Symphysis pubica) innere
Harnröhrenöffnung
Harnröhre (Ostium urethrae internum)
(Urethra)
Scheide
Kitzler (Vagina)
(Clitoris) äußere
Scheidenvorhof Harnröhrenöffnung
(Vestibulum vaginae) (Ostium urethrae externum)
Beide Krümmungen können in einen Bogen pflichtig deshalb, weil sie nur von der Niere
verwandelt werden, wenn das männliche Glied ausgeschieden werden können und ihr Ver-
nach oben auf die Bauchwand gelegt wird bleiben im Körper zur allmählichen Selbst-
(wichtig z. B. beim Katheterisieren). vergiftung führt).
– Differenzierte Ausscheidung von Stoffen
In der Prostata wird das Übergangsepithel der Harn- (z. B. Ionen).
blase vom Zylinderepithel (zuerst einschichtig, – Ausscheidung von Fremdsubstanzen bzw.
dann mehrschichtig) abgelöst. Ab Schiffergrube deren Stoffwechselprodukten (z. B. Medika-
(= Erweiterung der Urethra in der Eichel) folgt mente).
unverhorntes mehrschichtiges Plattenepithel. 2. Regulationsfunktion
– Einstellung des osmotischen Drucks (Isoto-
❑
P Durch viele sensible Nervenendungen ist nie) und des Flüssigkeitsvolumens im extra-
die Harnröhre sehr berührungs-, schmerz- und zellulären Raum (Isovolämie).
temperaturempfindlich. – Einstellung der Ionenkonzentration (Isoio-
nie).
– Einstellung des pH-Wertes (Isohydrie).
Merke 3. Hormonbildung
Die männliche Harnröhre weist in ihrem Die Niere bildet 2 Hormone: Renin, das mittel-
Verlauf sowohl 3 enge Stellen als auch 3 weite bar an der Blutdruckregulation beteiligt ist, und
Stellen auf. Erythropoetin, das die Bildung der Erythrozyten
Enge Stellen: Innere Harnröhrenöffnung im roten Knochenmark stimuliert.
(Harnblasenwand), Beckenboden (willkürli-
cher Schließmuskel), äußere Harnröhrenöff- ❑
P Bei chronischen Nierenerkrankungen (z. B.
nung (Eichel). Glomerulonephritis) spielen neben der Gefahr
Weite Stellen: Prostatabereich, Harnröhren- der Selbstvergiftung (Urämie) die Entstehung
schwellkörper, Eichel (Schiffergrube). des Bluthochdrucks (nephrogener Hyperto-
nus) und der Blutarmut (Anämie) eine Rolle.
Harnbildung
13.5 Physiologie der Niere Der Prozess der Harnbildung durch das Nephron
wird in 2 Teilfunktionen vollzogen:
Damit die Zellen unseres Körpers ihre Aufgaben – Filtration in den Nierenkörperchen (Primär-
erfüllen können und so die Existenz des Orga- harnbildung),
nismus sichern, benötigen sie eine möglichst – Resorption und Sekretion im Tubulusapparat
konstante Umgebung (= inneres Milieu, ✑ S. 28). (Sekundär- oder Endharnbildung).
Das wichtigste Organ für die Erhaltung der
Homöostase des inneren Milieus ist die Niere. Bildung des Primärharns durch Filtration im
Sie sichert durch die Harnbildung das innere Nierenkörperchen
Gleichgewicht trotz diskontinuierlicher Auf- Während das Blut durch die Kapillarschlingen
nahme und Abgabe von Stoffen. des Glomerulus fließt, wird es filtriert und der
Primärharn gebildet. Dabei werden bei einem
Merke renalen Plasmafluss von ca. 600 ml (HK 0,5) pro
Die Umwelt der Zellen ist die interstitielle Minute 120 ml Plasmabestandteile in den
Flüssigkeit (✑ S. 28). Kapselraum filtriert (= glomeruläre Filtrations-
rate – GFR). Das entspricht einer Tagesmenge
von ca. 170 Litern. Um diese Menge zu erhalten,
Im Einzelnen erfüllt die Niere mit der Harnpro- wird das Blutplasma (ca. 3 Liter) etwa 60-mal
duktion folgende lebenswichtige Aufgaben. pro Tag dem Filtrationsvorgang unterzogen.
l. Ausscheidungsfunktion
– Ausscheiden der harnpflichtigen Substanzen
Harnstoff, Harnsäure, Kreatinin (harn-
272 13 Harnsystem, Funktionen der Niere
❑
P Bei einem arteriellen Systemblutdruck unter
Glomerulus 70 mmHg besteht Anurie, bei einem arteriel-
len Systemblutdruck über 220 mmHg eine
Bowman’sche Druckdiurese.
Kapsel
Selbstregulation der Nierendurchblutung
Damit die Niere ihre Funktionen kontinuierlich
Primärharn erfüllen kann, muss sie möglichst konstant
durchblutet werden. (Die renale Durchblutung
glomeruläre Filtratiosrate beträgt 25 % des Herzminutenvolumens.) Dies
(GFR) 120 ml/min
erfolgt vor allem durch das Vas afferens, indem
es bei einer arteriellen Druckveränderung selb-
Abb. 13.11 Glomeruläre Filtration. ständig die Gefäßlichtung so verändert, dass die
Durchblutung konstant bleibt (✑ S. 202). Auf
diese Weise können Blutdruckschwankungen
Die ca. 1 m2 große Filtermembran wird aus zwischen 80 und 180 mmHg ausgeglichen
3 Schichten (Kapillarendothel, Deckzellen [Pro- werden.
dozyten] des inneren Blattes der Baumann’schen
Kapsel, gemeinsame Basalmembran der Pro- ❑
P Bei starkem Absinken des zentralen Blut-
dozyten und Kapillarendothelzellen) gebildet druckes, z. B. bei Schock, versagt auch die
und lässt außer Blutzellen und Plasmaproteinen Nierendurchblutung und damit die Filtration
alle Blutbestandteile hindurch. Weil nur kleine des Primärharns.
Teilchen des Blutes im Glomerulusfiltrat enthal- Es kommt zu akutem Nierenversagen, d. h.
ten sind, wird es als Ultrafiltrat und der gesamte keine Harnbildung (= Anurie).
Vorgang als Ultrafiltration bezeichnet.
Bildung des Endharns durch Resorption und
Merke Sekretion im Tubulus
In den Nierenkörperchen entstehen durch – Resorption: Stofftransport (aktiv oder passiv)
Filtration pro Tag ca. 170 Liter Primärharn. Er aus dem Tubulus in den Blutkreislauf.
enthält alle Stoffe des Blutplasmas mit Aus- – Sekretion: Stofftransport (aktiv oder passiv)
nahme der großen Eiweißmoleküle und der aus dem Blutkreislauf in den Tubulus.
Blutzellen. Die Konzentration der filtrierbaren
Teilchen ist im Blutplasma und Primärharn Resorption
gleich. Durch die Resorption werden alle Stoffe, auch
Wasser, die der Körper zur Erhaltung der
Homöostase des inneren Milieus benötigt, aus
❑
P Durch akute und chronische Nierenkrank- dem Tubulus in das Blut zurückgeführt; das sind
heiten kann es zur Filtration von Erythrozyten 98 % der gereinigten Blutflüssigkeit. Die aktive
(blutiger Harn – Hämaturie), Leukozyten Resorption ist eine Leistung der Tubuluszellen.
(eitriger Harn – Leukozyturie) und Eiweißen Würde bei einem 70 Kilo schweren Mann die
(Proteinurie) kommen. Resorption für 5 Stunden versagen, betrüge
danach die Masse des Mannes nur noch 28 Kilo.
steigt jedoch die Blutglucose 1,8 g/l = 10 mmol/1, Diese Normwerte ändern sich bei einer Erkran-
dann erscheint sie im Urin (= Glucosurie). kung häufig.
❑
P Da Glucose nur in gelöster Form ausgeschie- ❑
P Bei vielen Erkrankungen (z. B. Pyelonephri-
den werden kann, wird die Urinmenge erhöht tis, Stoffwechselerkrankungen) lassen sich auf-
(Polyurie), und der Mensch hat größeren grund der Veränderungen dieser Werte Rück-
Durst (= Symptome der Zuckerkrankheit). schlüsse für die genauere Diagnose ziehen.
Hypophysenhinterlappen
Malpighi’sches Körperchen Zwischenhirn
ion
Sekretion Resorption
at
➽ Glucose rm
Blutkapillaren fo
Penicilin ➽ Aminosäuren In
➽ HCO3-, Na+
NH3 ➽
➽ K+, Ca2+,
Mg2+ Durst
➞
➞
H2O osmotischer
H O Druck
➽ 2
Harnstoff, CI-
ADH
Osmorezeptor
Na+, CI- ➽
Harnstoff ➽
➽ H2O
➽ CI-
➽ Na+
NH3 ➽
➽ Na+, K+, Ca2+ Tubulus Blutkapillaren
H+ ➽
➽ CI-, H2O
K+ ➽
➞
H2O H2O
➞
➽ = aktiv
➽ = passiv
Tubulus-Apparat Harnkonzentration
Nierenkörperchen
(Malphigi’sches Körperchen)
Osmorezeptor Harnkanälchen
innere Kopfarterie ( Tubulus)
➞ ➞
Plasmavolumen
Nebennierenrinde Tubulus Blutkapillaren
on
mati
or
Inf
➞
Na+ Plasma-
H2O volumen
Aldos
teron
➞
➞ H+
K+
Merke
Bei gesunden Menschen enthält der Urin
weder Eiweiß noch Zucker, höchstens einige
abgestoßene Epithelzellen der ableitenden
Harn-wege und einige Leukozyten.
276 13 Harnsystem, Funktionen der Niere
14 Geschlechtssystem (Genitalsystem)
linker Harnleiter
gerader (Ureter sinister)
Bauchmuskel Bläschendrüse
(M. rectus abdominis) (Glandula seminalis)
Harnblase Mastdarm
(Vesica urinaria) (Rektum)
Samenleiter Cowper’sche Drüse
(Ductus deferens) (Glandula bulbourethalis)
Vorsteherdrüse After
(Prostata) (Anus)
Gliedschwellkörper Harnröhre
(Corpus cavernosum (Urethra)
penis)
Nebenhoden
Hoden (Epididymis)
(Testis)
Hodensack
Eichel (Scrotum)
(Glans penis)
Harnblase
(Vesica urinaria)
innere Harnleiter
Harnröhrenöffnung (Ureter)
(Ostium urethrae
internum)
Bläschendrüse
Symphyse (Glandula seminalis)
Harnröhre Mastdarm
(Urethra)
(Rektum)
Gliedschwellkörper
(Corpus cavernosum Vorsteherdrüse
penis) (Prostata)
Schiffergrube Spritzkanal
(Fossa navicularis (Ductus ejaculatorius)
urethrae)
Hodensack
äußere (Scrotum)
Harnröhrenöffnung
(Ostium urethrae Hoden
externum) (Testis)
Nebenhodenkopf
❑
P In der Scheide sind die Spermien
(Caput epididymidis) ca. 2 Stunden, in der Gebärmutter
bis zu 48 Stunden befruchtungs-
Bindegewebslager
mit Hodennetz fähig.
(Rete testis)
Hodenläppchen • Hormonbildung
(Lobuli testis)
mit Hodenkanälchen In den Leydig’schen Zwischenzellen,
(Tubuli seminiferi) die zwischen den Hodenkanälchen
Bindegewebssepten im Bindegewebe liegen, wird das
(Septula testis) Androgen Testosteron gebildet. Mit
Bindegewebshülle Beginn der Pubertät schüttet der
(Tunica albuginea)
Hypophysenvorderlappen (✑ Kap.
Nebenhodenkörper 15.3.3, S. 304) Hormone aus, die die
Nebenhodenschweif Spermienreifung und die Ausschüt-
tung von Testosteron anregen. Das
mit 4 – 5 m langem Testosteron ist mit den weiblichen
Nebenhodengang
Sexualhormonen Östrogen und Pro-
gesteron verwandt.
Abb. 14.2 Hoden (Testis) und Nebenhoden (Epididymis).
14.1 Männliche Geschlechtsorgane 279
Blutversorgung
Die Blutversorgung der Hoden erfolgt durch die
Arteria und Vena testicularis.
Spermien
Nebenhoden (Epididymis) Sperma-
Der Nebenhoden liegt an der Hinterfläche des tiden
Hodens, also ebenfalls im Hodensack. Vom Hoden-
netz ziehen Kanälchen in den Nebenhodenkopf Spermatozyt 2 Sertoli-
und münden hier in den 4 – 5 m langen auf ca. Zelle 1)
5 cm zusammengeknäulten Nebenhodengang. Spermatozyt 1
Dieser durchzieht den Nebenhoden und geht am Ursamenzelle
Nebenhodenschweif in den Samenleiter über. (Spermatogonie)
Funktion
Im Nebenhoden reifen die Samenzellen aus. Er 1) Stützzellen, die der Ernährung der reifenden Samen-
ist der wichtigste Speicher für die Spermien. zellen dienen
Harnleiter
(Ureter)
Samenleiter
(Ductus deferens)
Harnblase
(Vesica urinaria)
paarige Gliedschwellkörper
(Corpora cavernosa penis)
Schiffergrube
(Fossa navicularis urethrae)
❑
P Häufige Entwicklungsstö-
Haut
rung ist eine zu enge Vorhaut (Cutis)
(Phimose). Fascia penis
Scheidewand
Im Inneren des Penis liegen drei (Septum penis)
lang gestreckte Schwellkörper. Gliedschwellkörper
– Die paarigen Gliedschwell- (Corpus cavernosum penis)
Dabei sind drei Stadien zu beobachten: die noch keine Kinder geboren haben (Nulli-
• Primärfollikel. Die Eizelle ist meist von einer para).
Schicht Follikelepithelzellen umgeben.
• Sekundärfollikel. Durch Teilung der Follikel- Gliederung
epithelzellen schon in den ersten Lebenstagen Bei der äußeren Betrachtung der Gebärmutter
wird die Hülle dicker. erkennt man die folgenden Abschnitte.
• Tertiärfollikel (= Graaf ’scher Follikel). Er – Gebärmuttergrund (Fundus uteri): Dies ist die
entwickelt sich zwischen dem 10. und 14. Wölbung über den Eintrittsstellen der Tuben
Lebensjahr. Das Follikelepithel teilt sich in den Uteruskörper.
schnell. Es entsteht ein mit Flüssigkeit gefüll- – Gebärmutterkörper (Corpus uteri): Im Inneren
ter Hohlraum. Der sprungreife Follikel ist dieses breiten, abgeflachten Teiles liegt die
kirschkerngroß und hebt sich bis zum Eisprung Gebärmutterhöhle (Cavitas uteri) als Entwick-
(Ovulation) deutlich von der Oberfläche ab. lungsraum für den Keimling. Ihre Form ist im
Frontalschnitt dreieckig und im Längsschnitt
2. Hormonbildung spaltförmig. Nach unten verengt sich die
Im Eierstock werden in bestimmten Zellen Sexual- Gebärmutterhöhle zum Gebärmutterhalskanal
hormone gebildet. = Cervixkanal (Canalis cervicis uteri).
• Ostrogene (Follikelhormone), – Gebärmutterhals (Cervix uteri): Zwischen
• Gestagene (Gelbkörperhormon = Progesteron). Körper und Hals liegt eine Engstelle als Ver-
bindung, der Isthmus uteri. Der obere Teil des
❑
P Im Eierstock kommen häufig Zysten1) vor. Gebärmutterhalses liegt über der Scheide, der
untere Halsteil ragt als Mutterkegel (Portio
vaginalis) in die Scheide hinein.
Eileiter (Tuba uterina, Salpinx uterina)
Der Eileiter ist ein 10 – 15 cm langer Schlauch ❑
P Der äußere Muttermund ist bei der Nullipara
und dient dem Transport der Eizelle vom Eier- rund und bei der Multipara lippenartig quer
stock in die Gebärmutter. Die äußere trichterför- gestellt. Er kann vom Arzt bei einer gynäkolo-
mige Eileiteröffnung umfasst mit fingerartigen gischen Untersuchung betrachtet werden.
Fortsätzen (Fimbrien) den Graaf ’schen Follikel,
fängt die Eizelle beim Eisprung auf und trans- Lage
portiert sie mithilfe von Flimmerbewegungen Der Uterus liegt im kleinen Becken zwischen der
der Flimmerepithelzellen sowie peristaltischen Blase und dem Rektum. Normalerweise ist der
Muskelkontraktionen in die Gebärmutter. Der Körper nach vorn über die Blase gebeugt
Transport dauert ca. 4 Tage. (Anteflexio uteri).
❑
P Über die Eileiter besteht die direkte Verbin- ❑
P Bei einer Krümmung des Körpers nach hin-
dung von der freien Bauchhöhle über Gebärmut- ten (Retroflexio uteri) auf den Mastdarm
ter und Scheide nach außen (Infektionsgefahr). könnte der Weg für die Spermien versperrt
Bei gestörtem Auffang- und Transportmechanis- werden, weil der äußere Muttermund gegen
mus kann sich eine befruchtete Eizelle sowohl in die vordere Scheidenwand gedrückt wird.
der Bauchhöhle als auch im Eileiter einnisten.
Im ersten Fall spricht man von einer Bauch- Bauchfellbeziehung und Bänder
höhlen-, im zweiten von einer Eileiterschwan- Der Bauchfellüberzug des Uterus zieht als
gerschaft. Beide sind lebensbedrohlich (Ver- Doppelblatt seitwärts zur Beckenwand. So ent-
blutungsgefahr) und müssen behandelt werden. steht von der Gebärmutter ausgehend das breite
Mutterband (Lig. latum uteri) als Aufhängung
Gebärmutter (Uterus) für Eileiter und Eierstock. Das Gewebe zwischen
Form und Größe dem Bauchfelldoppelblatt heißt Parametrium und
Die Gebärmutter ist birnenförmig, etwa 7 bis enthält in Bindegewebe eingebettet Gefäße und
10 cm lang und wiegt 60 bis 70 Gramm. Bei Nerven. Vom Fundus der Gebärmutter ziehen die
Frauen, die mehrere Kinder geboren haben
(Multipara), ist sie etwas größer als bei Frauen, 1) geschwulstartiger Hohlraum mit flüssigem oder breiigem
Inhalt
14.2 Weibliche Geschlechtsorgane 283
Gebärmutter
Eierstock (Uterus)
(Ovarium)
Douglas’scher
Eileiter Raum
(Tuba uterina) (Excavatio
Bauchfelltasche rectouterina)
zwischen Uterus Mastdarm
und Blase (Rektum)
(Excavatio
vesicouterina) Scheiden-
gewölbe
Harnblase (Fornix vaginae)
(Vesica urinaria)
Scheide
Symphyse (Vagina)
Harnröhre kleine
(Urethra) Schamlippe
Kitzler (Labium minus
(Clitoris) pudendi)
äußere große
Harnröhrenöffnung Schamlippe
(Ostium urethrae (Labium majus
externum) pudendi)
Gebärmutterhals
(Cervix uteri)
Eierstock Muttermund
(Ovarium) (Ostium uteri)
Gebärmutterhöhle Scheide
(Cavitas uteri) (Vagina)
Gebärmutterenge Mutterkegel
(Isthmus uteri) (Portio vaginalis)
– der Funktionsschicht, welche während der teren Seite des Gebärmutterhalses zieht dann
monatlichen Regelblutung (Menstruation) das Bauchfell zur Vorderfläche des Rektums.
abgestoßen und in den darauf folgenden
Tagen wieder aufgebaut wird. Scheide (Vagina)
Die Schleimhaut im Gebärmutterhalskanal Die Scheide ist ein ca. 10 cm langer elastischer
enthält palmenblattartige Falten. Hier bilden Schlauch zwischen Harnröhre und Mastdarm.
die Zellen einen Schleimpfropf, der das Ein- Vorder- und Hinterwand liegen aufeinander, so-
dringen von Krankheitserregern von der dass ein Querspalt entsteht. Die Wand besitzt
Scheide her verhindert. Reservefalten für den Geburtsvorgang, aber
auch als Reibefläche für den Penis beim
2. Gebärmuttermuskulatur (Myometrium) Geschlechtsverkehr (Koitus).
Diese glatte Muskulatur ist in Spiralzügen an- Der obere Scheidenteil ist gewölbeartig erweitert
geordnet und wirkt vor allem als austreibende (man spricht vom Scheidengewölbe) und umfasst
Kraft während der Geburt des Kindes durch den äußeren Muttermund (Portio vaginalis). Das
Gebärmutterhalskanal und Scheide. untere Ende der Scheide (Scheideneingang,
Scheidenmund) mündet in den Scheidenvorhof.
❑
P Das Myometrium neigt zur Bildung gut-
Scheidenschleimhaut
artiger Gewächse (Myome).
Die Schleimhaut der Scheide trägt mehrschichti-
ges unverhorntes Plattenepithel. Die Zellen ent-
3. Bauchfellüberzug (Perimetrium) halten sehr viel Glykogen. Nach ihrem Abster-
Das Peritoneum überzieht vom Scheitel der ben bilden Milchsäurebakterien, auch Döder-
Harnblase kommend die Gebärmutterober- lein’sche Scheidenbakterien genannt, aus dem
fläche. Der Uterus liegt also intraperitoneal anfallenden Glykogen Milchsäure. Dadurch
und ist entsprechend beweglich (Größen- wird das Scheidensekret sauer (pH-Wert = 4) und
zunahme bei Schwangerschaft). Von der hin- bildet einen wichtigen Infektionsschutz.
14.2 Weibliche Geschlechtsorgane 285
vorderer
Zusammenschluss der Schamberg
großen Schamlippen (Mons pubis)
(Commissura große Schamlippe
labiorum anterior) (Labium majus
Kitzlervorhaut pudendi)
(Preputium clitoris) kleine Schamlippe
Kitzler (Labium minus pudendi)
(Clitoris) Scheidenvorhof
äußere Harnröhrenöffnung (Vestibulum vaginae)
(Ostium urethrae externum)
Scheideneingang hinterer Zusammen-
(Ostium vaginae) schluss der großen
Reste des Schamlippen
Jungfernhäutchens (Commissura
(Carunculae hymenales) labiorum posterior)
Damm After
(Perineum) (Anus)
Eileiter
(Tuba uterina)
Eileiter
(Tuba uterina)
Eierstock
(Ovarium)
Eierstock
(Ovarium)
Gebärmutter
Scheide (Uterus)
(Vagina)
äußerer Muttermund
(Ostium externum uteri)
Eizelle
Kopf mit Kopfkappe
(Akrosom)
Hals mit Zentriol
Mittelstück mit Mitochondrien
sprungreifer Follikel
(Tertiärfollikel =
Graaf’scher Follikel)
Weg der Samen- und Eizelle zum Ort der Befruchtung. Abb. 14.10
288 14 Geschlechtssystem (Genitalsystem)
2-Zellen-Stadium
Gebärmutterschleimhaut
(Endometrium)
➞
Einnistung (Nidation)
4-Zellen-Stadium
innere Blastomeren
➞
➞
➞
8-Zellen-Stadium ➞
äußere Blastomeren
Morula Blastozyste
2. 2 1 Knorpelskelett.
Aortenbogen
(Arcus aortae)
Ductus arteriosus
rechter Vorhof linker Vorhof
(Atrium dextrum)
(Atrium sinistrum)
Bauchaorta
(Pars abdominalis
aortae)
Leber
(Hepar)
untere
Hohlvene
(V. cava inferior)
Nabel
(Umbilicus)
Nabelschnur
(Chorda umbilicalis)
Mutterkuchen Gebärmutter
(Placenta) (Uterus)
und endet mit der vollständigen Eröffnung des eröffnet ist und endet mit der Geburt des Kindes.
Muttermundes und normalerweise dem Plat- Dauer bei Erstgebärenden: ca. 30 Minuten.
zen der Fruchtblase. Der Kopf des Kindes – Nachgeburtsperiode
hat sich bis zum Beckenboden geschoben. Das ist der Zeitraum von der Geburt des Kindes
Dauer bei Erstgebärenden: ca. 12 Stunden. bis zum Abstoßen der Placenta (= Nachge-
– Austreibungsperiode burt). Der Geburtsvorgang ist damit beendet.
Sie beginnt, wenn der Muttermund vollständig Dauer: 15 – 20 Minuten.
Placenta
Nabelschnur
Muttermund
Eröffnungsperiode
regelmäßige
Wehentätigkeit
Öffnung des
Muttermundes
Platzen der Fruchtblase
Austreibungsperiode
vollständige Öffnung
des Muttermundes
Geburt des Kindes
Nachgeburtsperiode
Abstoßen der Placenta
1. Geben Sie einen Überblick über die männlichen Geschlechtsorgane und deren Lage.
2. Welche Aufgaben erfüllen die inneren männlichen Genitalorgane?
3. Wie ist das Sperma zusammengesetzt?
4. Beschreiben Sie den Weg der Spermien vom Bildungsort zum Ort der Befruchtung.
5. Geben Sie einen Überblick über die weiblichen Geschlechtsorgane und deren Lage.
6. Beschreiben Sie die Follikelreifung im Eierstock.
7. Welche Aufgabe hat der Eileiter, und wie erfüllt er sie?
8. Beschreiben Sie den Aufbau des Uterus.
9. Was bedeutet der Begriff „Adnexe“?
10. Begründen Sie, warum eine gesunde Scheidenflora der wichtigste Schutz gegen
Infektionen der inneren weiblichen Geschlechtsorgane ist.
11. Was versteht man unter dem Scheidenvorhof?
Welche Gebilde liegen in ihm?
12. Nennen und beschreiben Sie die Entwicklungsperioden in der menschlichen Individual-
entwicklung.
13. Was versteht man unter der Befruchtung, und welches sind die wichtigsten Ergebnisse?
14. Was geschieht während der Furchung?
15. Unterscheiden Sie Trophoblast und Embryoblast.
16. Was versteht man unter Nidation?
17. Wie erfolgen Versorgung und Schutz des Embryos bzw. des Fetus?
18. Welche Besonderheiten kennzeichnen den fetalen Kreislauf, und welche Umstellungen
vollziehen sich nach der Geburt?
19. Überlegen Sie, welche Folgen ein sich nicht schließendes Foramen ovale für den Organis-
mus hat.
20. Wie wird der Geburtstermin bestimmt?
21. In welche Perioden wird der Geburtsverlauf eingeteilt, und wodurch sind diese gekenn-
zeichnet?
295
Merke
Die glandulären Hormone werden in Drüsen
gebildet und gelangen durch den Blutkreis-
Das Hormonsystem realisiert seine Funktion lauf zum Wirkungsort. Bildungs- und Wir-
mithilfe von Hormonen (= Inkrete). kungsort liegen meist weit entfernt.
negative Rückkopplung
viert und eliminiert werden. + –
Auf diese Weise werden zu
hohe Hormonspiegel ver- Hypophysenvorderlappen –
hindert. Die meisten Hor-
mone werden in der Leber glandotrope Hormone
inaktiviert und die Abbau- +
produkte über die Niere
ausgeschieden.
periphere endokrine Drüse
Biologischer Regelkreis
als Regulator der
Hormonproduktion effektorische Hormone
Die Hormonkonzentrationen
im Blutplasma werden in vie-
len Fällen nach dem Prinzip + = fördern
Erfolgsorgan
der negativen Rückkopplung – = hemmen
konstant gehalten: Ein Anstieg
der Hormonkonzentration im
Plasma wirkt hemmend auf seine Freisetzung, ein anderes Molekül oder Ion (= Ligand, Agonist)
ein Abfall dagegen fördernd. mit Reiz- bzw. Signalwirkung ist.
Durch den Kontakt in der Zelle werden be-
Hormonrezeptoren und Erfolgsorgane stimmte Effekte (z. B. die Synthese eines
Hormonrezeptoren gehören zu den molekularen Enzymeiweißes) ausgelöst. Den Mechanismus
Rezeptoren (biochemische Definition). Auf kann man sich als Schlüssel(Ligand)-Schloss-
molekularer Ebene versteht man unter einem (Rezeptor)-Prinzip vorstellen. Stoffe, die die
Rezeptor ein Molekül (meist sind es Glykolipide molekularen Rezeptoren hemmen bzw. blockie-
oder Glykoproteine), das Reaktionspartner für ren, werden als Antagonisten bezeichnet.
Merke
Tab. 15.4 Schlüssel-Schloss-Prinzip
Die Rezeptoren für Hormone sind
spezifische Moleküle, die die Hor-
Ligand, Agonist
mone binden und dadurch ihre
„Schlüssel“ (z. B. Hormon,
Bakterientoxin, Wirkung vermitteln.
Effekt
Opiat, Antigen)
(z. B. Synthese Die Rezeptoren für die wasserlösli-
eines bestimmten
Enzymeiweißes) chen Hormone befinden sich auf der
Zellmembran, jene für die Steroid-
Rezeptor
„Schloss“
hormone sitzen am Zellkern oder
(Glykolipid,
Glykoprotein) anderen Zellorganellen, also innerhalb
der Zellen.
298 15 Hormonsystem (Endokrines System)
2. Alle übrigen Hormone verbinden sich mit 15.2.1 Hormone des Hypothalamus und der
einem Zellmembranrezeptor. Dadurch bewir- Hypophyse
ken sie die Bildung eines 2. Boten (second In Kerngebieten des Hypothalamus liegen die
messenger) in der Zelle, der dann die typische übergeordneten vegetativen Zentren. Von hier
Wirkung vermittelt. Dieser 2. Bote ist häu- werden sowohl die Aktivitäten des vegetativen
fig das cyclische Adenosinmonophosphat Nervensystems als auch die Bildung und
(cAMP). Freisetzung der Hypophysenhormone gesteuert.
Merke Hormone des Hypothalamus
Die meisten Peptid- und Glykoprotein- Releasing- und Inhibitinghormone
hormone sowie Aminosäureabkömmlinge Im Hypothalamus werden Releasinghormorne,
(kleine Gruppe, ✑ Tab. 15.2) können die Inhibitinghormone und effektorische Hormone
Zellmembran nicht passieren und wirken des- gebildet.
halb über einen 2. Boten. Die Wirkungen der 1. Releasinghormone (= Liberine):
Hormone beruht im Wesentlichen auf der Sie steuern die Bildung und Freisetzung der
Beeinflussung von Enzymen in den Zellen 4 glandotropen1) Hormone (thyreotropes Hor-
der Erfolgsorgane. mon, luteinisierendes Hormon, follikelstimu-
Dabei gibt es drei Möglichkeiten: lierendes Hormon, adrenocorticotropes Hor-
1. Aktivierung oder Hemmung vorhandener mon) sowie der 3 effektorischen Hormone des
Enzyme, Hypophysenvorderlappens (Wachstumshormon,
2. Steigerung der Enzymsynthese über eine Prolactin, melanocytenstimulierendes Hormon).
Genaktivierung, 2. Inhibitinghormone (= Statine):
3. Veränderung der Zellmembranaktivität Sie hemmen die Freisetzung der 3 effektori-
und damit Einflussnahme auf die Substrat- schen Hormone des Hypophysenvorderlappens
bereitstellung. (Wachstumshormon, Prolactin, melanocyten-
stimulierendes Hormon).
Merke
Wachstumshormon, Prolactin und melano-
cytenstimulierendes Hormon werden sowohl
von Releasing- als auch von Inhibitinghormo-
1) auf eine periphere Hormondrüse einwirkend nen gesteuert.
15.2 Hormongruppen 299
Hemmung Hypothalamus
Hypophysen-
Releasinghormone stiel
Hypophysen-
Hypophysenvorderlappen hinterlappen
Hypophyse
glandotrope Hormone
effektorische Hormone
Blut
Hormonkonzentration
15.3 Periphere Hormondrüsen, die Lappen, die durch eine Brücke (Isthmus) mitein-
ander verbunden sind. Außen befindet sich eine
durch die glandotropen Bindegewebskapsel, von der kleine Septen in das
Hormone gesteuert werden Drüsengewebe ziehen. Dadurch entstehen die
Schilddrüsenläppchen. Das Drüsengewebe selbst
Zu den Hormondrüsen, die durch glandotrope besteht aus kleinen Bläschen, den Follikeln.
Hormone gesteuert werden, gehören Schild-
drüse, Nebennierenrinde und die Keimdrüsen Die Hormone Thyroxin und Trijodthyronin wer-
(Gonaden). den in den Follikelepithelzellen gebildet und in
den Follikeln gespeichert.
Entscheidend für die Wirkung ist ihr Jodgehalt.
15.3.1 Schilddrüse und die Hormone Neben den Follikelzellen liegen C-Zellen, in
Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3) denen ein Hormon (Calcitonin) gebildet wird,
das den Calciumstoffwechsel mit reguliert.
Die Schilddrüse ist die größte Hormondrüse. Sie
hat eine Masse von 30 – 40 Gramm und liegt in Die beiden Schilddrüsenlappen liegen seitlich
der Halsregion vor der Luftröhre unterhalb des der Luftröhre und reichen nach oben bis zum
Schildknorpels. Die Schilddrüse (Glandula thy- Ringknorpel des Kehlkopfes, nach hinten bis zur
reoidea) besteht aus einem rechten und linken Speiseröhre.
Zungenbein Rachenwand
(Os hyoideum) von dorsal
Schildknorpel- rechter und linker
Zungenbein- Schilddrüsenlappen
Membran
(Membrana thyrohyoidea) Nebenschilddrüsen
Schildknorpel (Glandula parathyroidea)
(Cartilago thyroidea)
❑
P Krankhafte Vergrößerungen der Schilddrüse • erhöhter Energieverbrauch,
(Struma) können Atem- und Schluckbeschwer- • häufiges Schwitzen,
den hervorrufen. Eine Struma kann mit einer • starkes Herzklopfen,
Über-, Unter- oder normalen Hormonproduk- • hervortretende Augäpfel
tion einhergehen. (Exophthalmus = Glotzauge) und
• Abmagerung.
Hauptsächliche Wirkungen von T4 und T3 Darüber hinaus gibt es noch andere Ursachen für
Die von den Follikelzellen produzierten Schild- eine Hyperthyreose, z. B. hormonproduzierende
drüsenhormone Thyroxin (T4) und Trijodthyro- Schilddrüsentumoren.
nin (T3) werden aus der Aminosäure Tyrosin
durch Anreicherung von Jod gebildet. Der Zahl Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)
entsprechend enthält Thyroxin (T4) vier und Ursachen können Jodmangel in der Nahrung,
Trijodthyronin (T3) drei Jodatome. Thyroxin ist aber auch erblich bedingte Faktoren sein. Kenn-
trotz seiner 10fach höheren Konzentration im zeichen bzw. Folgen sind u. a.
Blut biologisch nicht so wirksam wie Trijodthy- • niedriger Stoffumsatz,
ronin. Ein Großteil von Thyroxin geht nach der • geistige und körperliche Trägheit,
Sekretion in Trijodthyronin über. Beide wirken • niedriger Blutdruck,
hauptsächlich • teigiges Aussehen der Haut (Myxödem).
– auf den Stoffwechsel: Die Hormone stimu- Im Kindesalter kann es aufgrund des gehemmten
lieren vor allem den Energiestoffwechsel. Sie Stoffwechsels zur unproportionierten Klein-
sind gewissermaßen das „Gaspedal“ für den wüchsigkeit kommen. Meist ist dies mit
Stoffwechsel. Schwachsinn verbunden, weil auch die Ent-
– auf Wachstum und Entwicklung: T4 und T3 wicklung des Nervensystems gestört ist.
fördern die Eiweißsynthese, das Längen-
wachstum der Knochen und die Entwicklung
des Nervensystems. 15.3.2 Nebennieren und ihre Hormone
Nebennierenkapsel Nebennierenrinde
(NNR)
äußere Knäuelzone
(Zona glomerulosa)
mittlere Zone, Bündelzone
Zentralvene (Zona fasciculata)
innere Zone, Netzzone
Nebennierenmark (Zona reticularis)
(NNM)
❑
P Wichtige therapeutische Effekte sind: Beispiel:
• Entzündungshemmung Adrenalin bewirkt gleichzeitig eine Erweiterung
(indem sie die Lymphozytenbildung hemmen), (Vasodilatation) der Herzkranzgefäße und Gefäße
• antiallergische Wirkung. der Skelettmuskulatur und Verengung (Vasokon-
Die Überproduktion des Cortisols kann das so striktion) der Arteriolen im Verdauungssystem.
genannte Cushing-Syndrom zur Folge haben Die gegensätzliche Wirkung auf unterschiedliche
mit den typischen Zeichen: Stammfettsucht, Gefäße beruht auf dem unterschiedlichen Besatz
Vollmondgesicht, Muskelschwund, Hypertonie mit verschiedenen Rezeptortypen.
und erhöhter Blutzuckerspiegel.
Merke
2. Mineralcorticoide (wichtigstes = Aldosteron)
Die Catecholamine aus dem Nebennieren-
Das Aldosteron beeinflusst den Elektrolyt-
mark sind hauptsächlich Stoffwechselhormone.
haushalt. Im Tubulusapparat der Nieren för-
dert es die Rückresorption von Na+, „zwangs-
weise“ muss passiv Wasser folgen. Stress
Das Plasmavolumen wird erhöht und die Eine ganze Reihe von Reizen, wie starke Kälte-
Urinmenge vermindertt. Gleichzeitig werden und Hitzebelastung, Infektionen, Atemnot,
K+- und H+-Ausscheidung gefördert, sodass Unterzuckerung, Operationen, Verletzungen,
der pH-Wert des Urins sinkt. Ärger, Leistungsdruck und auch Freude können
den Körper in einen sog. Stresszustand
❑
P Eine aus unterschiedlichen Gründen hervor- (= Belastungs-, Spannungszustand) versetzen.
gerufene Unterfunktion der Nebennierenrinde, Deshalb nennt man solche Reize Stressoren.
bei der besonders ein Aldosteronmangel vor- In einem derartigen Zustand werden alle hormo-
herrscht, bezeichnet man als Addison'sche nellen und vegetativen Funktionen vom Hypo-
Krankheit. thalamus so gesteuert, dass es zu Alarmreak-
tionen der Körpers kommt.
Hormon Schicht Dies sind Reaktionen, die ihn optimal auf eine
kurz andauernde körperliche Hochleistung ein-
Aldosteron Zona glomerulosa stellen. In einer solchen Situation kommt es über
Cortisol und Zona fasciculata und eine erhöhte Sympathicusaktivität zur verstärk-
Corticosteron reticularis ten Ausschüttung von Adrenalin und Noradrena-
Androgene Zona reticularis lin, die ihrerseits ACTH-Freisetzung und damit
304 15 Hormonsystem (Endokrines System)
Eileiter Gelbkörperbildung
Follikelstadien und -rückbildung
Vorgänge
im
Eierstock
Schleimhaut
(Endometrium)
Follikelsprung
(Ovulation)
Funktions-
schicht
(Functionalis)
Vorgänge
Basalschicht in der
(Basalis) Gebär-
mutter
Muskelschicht
(Myometrium) 28 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 1
GnRH
Gonadoliberin Hypothalamus
negative Rückkopplung
negative Rückkopplung
follikelstimulierendes luteinisierendes Hypophysen-
Hormon Hormon vorderlappen
(FSH) (LH)
Gelbkörperbildung
Follikelreifung und Gelbkörperrückbildung
Ovar
Östrogen Progesteron
Gebärmutter-
schleimhaut
(Endometrium)
Uterus
28 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 1
regt an
Menstruation Proliferationsphase Sekretionsphase hemmt
Ein steiler Abfall der Sexualhormone am Ende 15.4 Periphere Hormondrüsen, die
der Sekretionsphase löst die nächste Menstrua-
tionsblutung aus.
nicht durch die glandotropen
Hormone gesteuert werden
Merke
Die Regulation der infrage kommenden Hormon-
Die Menstruationsblutung steht nicht mit der drüsen und deren Hormone erfolgt in erster
Ovulation im Zusammenhang. Linie durch die Veränderungen der von ihnen
konstant zu haltenden Stoffkonzentrationen
Hormonelle Steuerung der Schwangerschaft (z. B. Glucose, Calcium, Natrium) im Körper. So
Erfolgt eine Kopulation in der Zeit um die Ovu- führt eine Erhöhung oder Verminderung des
lation, kann eine Befruchtung stattfinden und Blutzucker- oder Blutcalciumspiegels zu einer
damit eine Schwangerschaft eintreten. Ist dies unmittelbaren Stimulierung der Hormonsekre-
der Fall, nistet sich am 7. Tag nach der Befruch- tion. Eine Steigerung der Aldosteronsekretion
tung die Morula in die Uterusschleimhaut ein. wiederum kann durch eine Verminderung des
Nun bildet der Trophoblast (= Hüllzellen, die der Plasmavolumens erreicht werden.
Ernährung dienen) 2 Hormone: HCG (Chorion-
gonadotropin) und HPL (Human Placental
Lactogen). Diese Hormone bewirken, dass der Gelb- 15.4.1 Pankreashormone und
körper zunächst erhalten bleibt. Außerdem regen Blutzuckerregulation
sie ihn zur verstärkten Progesteronproduktion an.
Die in den Langerhans’schen Inseln gebildeten
Die Aufrechterhaltung des hohen Progesteron- Hormone Insulin und Glukagon beeinflussen
spiegels verhindert die Abstoßung der Uterus- den Blutglucosespiegel.
schleimhaut. Gegen Ende des 1. Schwanger-
schaftsmonats produziert der entstandene Mutter- Insulin wirkt als einziges Hormon blutzucker-
kuchen (Placenta) jene Mengen von Progesteron spiegelsenkend, indem es
und Östrogen, die für die Erhaltung der Schwan- – die Glucosepermeabilität der Zellmembranen
gerschaft notwendig sind. Der Gelbkörper (Cor- erhöht, sodass Glucose verstärkt in die Zellen
pus luteum) bildet sich nun zurück. gelangen und verbraucht werden kann,
– die Umwandlung von Glucose in Glykogen
❑
P HCG wird in hohen Konzentrationen im sowie die Eiweiß- und Fettbildung aus Koh-
Urin ausgeschieden: deshalb die Urinprobe für lenhydraten fördert,
die Schwangerschaftsdiagnose. – die Glukoneogenese hemmt.
Hypothalamus
kontrolliert
Wachstums-
Insulin Glukagon Adrenalin
hormon
Senkung Steigerung
Blutzucker
Glukagon wirkt blutzuckerspiegelsteigernd durch: Die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) ist eine
– Steigerung der Glykogenolyse in der Leber Störung insbesondere des Kohlenhydratstoff-
(Umwandlung von Glykogen in Glucose), wechsels durch relativen oder absoluten Insulin-
– Förderung der Glukoneogenese (Neubildung mangel.
von Glucose) und des Fettabbaus. Die wichtigsten Formen sind der Typ-1-Diabetes
(10 %), der meist in der Jugend beginnt und
❑
P Insulinmangel führt zur Zuckerkrankheit insulinabhängig ist, und der Diabetes vom Typ 2
(Diabetes mellitus). Dabei kommt es zum An- (90 %), der oft nach dem 40. Lebensjahr auftritt
stieg des Blutzuckerspiegels (Hyperglykämie) und nicht unbedingt Insulinspritzen benötigt.
und infolgedessen zur Ausscheidung des
Zuckers im Urin (Glucosurie) bei gleichzeiti- Hauptursache beim Typ 2 ist eine genetisch be-
ger Erhöhung der Urinmenge (Polyurie). dingte Störung am Insulinrezeptor der Zellen,
Außerdem wird stärker Fett zu Fettsäuren ab- sodass die Glucose nicht in die Zellen gelangt.
gebaut. Es entstehen vermehrt Ketonkörper, Folge:
z. B. Aceton. Diese Säuren im Blut bedingen Zuckermangel in den Körperzellen und Zucker-
eine metabolische Azidose, die in den Zustand überschuss im Blut.
tiefer Bewusstlosigkeit (Coma diabeticum)
führen kann. Häufig auftretende Symptome der schweren
Zuckerkrankheit sind großer Durst, Polyurie
Regulation des Blutzuckerspiegels (= krankhafte Vermehrung der Harnmenge),
Der normale Nüchternwert des Blutzuckers liegt trockene juckende Haut und Leistungsschwäche.
zwischen 4,4 – 6,6 mmol/l = 80 – 100 (als Grenz- In vielen Fällen kann durch sorgfältige Ab-
wert bis 120) mg/dl. Da Abweichungen von der stimmung der Ernährung und körperliche Akti-
Norm zu schwerwiegenden Erkrankungen vität der Blutglucosespiegel ohne Medikamente
führen, gehört die Konstanthaltung des Blut- im Normbereich gehalten werden.
glucosespiegels zu den wichtigsten Regula- Gefürchtete Komplikationen der Zuckerkrank-
tionsaufgaben des Hormonsystems. Die wech- heit sind:
selnde Aufnahme von Kohlenhydraten mit der – Blutzuckerentgleisungen (Hyper- und Hypo-
Nahrung und die unterschiedliche körperliche glykämie, die ins Koma übergehen können)
Belastung und folglich auch unterschiedliche und
biologische Oxidationsrate verändern ständig – diabetische Spätfolgen wie Arteriosklerose,
den Blutglucosespiegel. erhöhte Infektanfälligkeit, schlechte Wund-
heilung, Erblindung, Nierenversagen und
Ein Anstieg des Blutzuckerspiegels wird von Neuropathien.
Glucoserezeptoren im Pankreas registriert. Dar- Ein wichtiger Risikofaktor für die Krankheits-
aufhin wird verstärkt Insulin freigesetzt, bis sich entstehung (Typ 2) ist das Übergewicht.
der Blutzuckerspiegel wieder normalisiert hat.
Ein Abfall des Blutzuckerspiegels wird von Glu- 15.4.2 Hormonelle Regulation des
coserezeptoren (sog. Glukostate) im Hypothala- Mineralhaushaltes (Überblick)
mus registriert. Zur Normalisierung werden
3 Antagonisten des Insulins vermehrt freigesetzt: Die Regulation des Mineralhaushaltes erfolgt
Glukagon, Adrenalin und Wachstumshormon. durch mehrere Hormone, die in verschiedenen
Hormondrüsen gebildet werden.
❑
P Da der Blutglucosespiegel von mehreren
Man unterschiedet 2 Gruppen:
Hormone zur Regulation der Natrium-, Kalium-
Hormonen beeinflusst wird, können Verände-
und Wasserkonzentration
rungen Rückschlüsse auf den Hormonhaushalt
Die Regulation erfolgt durch Aldosteron im
des Körpers geben. Deshalb kommt der
Zusammenwirken mit Renin und Angiotensin
Messung des Blutzuckergehaltes große Be-
(✑ S. 203 und 274). Dabei wird der Wasserhaus-
deutung zu.
halt zwangsläufig mit beeinflusst.
15.4 Periphere Hormonsdrüsen 309
16 Sinnesorgane
Schallwellen
akustische
Wahr-
bipolare Nervenzellen nehmung
Merke
16.2 Chemische Sinne
Die Sinne der Oberflächen- und Tiefensensibi-
lität ermöglichen zusammen mit dem Gleich-
(Geschmack und Geruch)
gewichtssinn die Regulation der Körperhal- Zu den chemischen Sinnen gehören Geschmacks-
tung und die Ausführung von sensiblen und Geruchssinn. Ihre Bedeutung liegt im
Bewegungsprogrammen, indem sie entspre- Wahrnehmen von Umwelteinflüssen, die ihrer-
chende Reflexhandlungen auslösen. seits lebenswichtige Nahrungsreflexe auslösen,
das Wohlbefinden des Menschen entscheidend
Schmerz mitbestimmen und ihn vor schädigenden Ein-
Akuter Schmerz ist ein lebensnotwendiges wirkungen schützen.
Warnsignal mit Schutzfunktion. Als Schmerz-
rezeptoren kommen in fast allen Körpergeweben Geschmackssinn
freie Nervenendungen infrage. Diese reagieren Die zahlreichen Mikrovilli tragenden sekundären
auf bestimmte chemische Stoffe (z. B. Histamin, Geschmackssinneszellen bilden ca. 4.000 Ge-
Serotonin, Wasserstoffionen ab pH 6), die bei schmacksknospen, die in den Zungenpapillen
Schädigung von Geweben freigesetzt werden. liegen (✑ S. 237). Die Geschmacksstoffe der
Ursache für die Bildung dieser Stoffe sind Nahrung lagern sich nach ihrer Lösung an die
mechanische, chemische oder thermische Reize Zellmembranen der Geschmacksrezeptoren und
(die eine bestimmte Intensität überschreiten), erzeugen Aktionspotentiale. Diese werden über
aber auch krankhafte Veränderungen (z. B. afferente Nervenfasern, die sich in den Hirn-
Entzündungen). Die durch Schmerzreize aus- nerven VII, IX und X (✑ S. 356) befinden, ins
gelösten Aktionspotentiale werden durch sensi- Zentralnervensystem geleitet.
ble Neurone in das entsprechende Verarbeitungs-
zentrum der Großhirnrinde geleitet. Hier wird Der Geschmackssinn ist mit dem Geruchssinn
der Schmerz bewusst wahrgenommen. verbunden. Wenn dieser z. B. durch Erkältung
gestört ist, wird auch der Geschmackssinn beein-
❑
P Schmerzrezeptoren adaptieren nicht (Bei- trächtigt.
spiel: stundenlange Kopfschmerzen). Es können 4 Grundqualitäten des Geschmacks
unterschieden werden: süß, salzig, sauer und
Schmerzqualitäten bitter.
Oberflächenschmerz: Kommt von der Haut und
läßt sich differenzieren in Geruchssinn
– einen hellen 1. Schmerz, der vorwiegend Die bipolaren primären Geruchsrezeptoren sind
Fluchtreflexe auslöst, sowie im Riechfeld (Regio olfactoria) der Nase lokali-
– einen nachfolgenden dumpfen 2. Schmerz, siert und von Stützzellen umgeben. Ihre
der vor allem zu Schonhaltungen führt. Riechhärchen sind in Schleim eingebettet. Die
Tiefenschmerz: dumpfer Schmerz, z. B. Kopf-, mit dem Luftstrom antkommenden Riech-stoffe
Muskel-, Gelenk-, Bindegewebsschmerzen. (= organische Substanzen) reichern sich in der
Eingeweideschmerz: dumpfer Schmerz, der z. B. Zellmembran an und lösen Generator- und
auftritt bei Mangeldurchblutungen, starker Deh- Aktionspotentiale aus, die über den Riechnerven
nung von Hohlorganen oder Spasmen (Menstrua- (N. olfactorius) zum ZNS geleitet werden.
tionsschmerz).
Zungenpapillen Geschmacksknospe
Speichel mit
Geschmacksstoffen
Geschmacks-
rezeptoren
Wallpapillen afferente
(Papillae vallatae) Nervenfasern
Geschmacksempfindungen
plattförmige auf der Zunge
Papillen
(Papillae foliatae) bitter
sauer
pilzförmige
Papillen süß und salzig
(Papillae fungiformes)
Riechzentrum
Riechbahn
Riechnerven Schleim Nervenfasern
Luft
Riechfeld
(Regio olfactoria)
Geruchsrezeptoren Stützzelle
Merke ❑
P Mit zunehmendem Alter nimmt die Leis-
Gewöhnlich überlagern sich Geruchs- und tungsfähigkeit der chemischen Sinne ab.
Geschmacksempfindungen zu Mischempfin- Bestimmte Krankheiten und Rauchen beein-
dungen. Im Vergleich zu anderen Sinnen trächtigen diese ebenfalls.
zeigen sie eine besonders ausgeprägte
Adaptation.
16.3 Hör- und Gleichgewichtssinn 315
Bogengänge Trommelfell
(Membrana tympani)
Ohrmuschel
Schnecke (Auricula)
(Cochlea)
äußerer Gehörgang
Hör- und Gleich- (Meatus acusticus
gewichtsnerv externus)
(N. vestibulocochlearis)
Paukenhöhle
(Cavitas tympanica)
Ohrtrompete
(Tuba auditiva)
Bogengänge
ovales Fenster
Schnecke Vorhof
(Cochlea)
Steigbügel Hammer
(Stapes) (Malleus)
mit Handgriff
Amboss
(Incus) äußerer
Gehörgang
Trommelfell (Meatus acusticus
(Membrana tympani) externus)
❑
P Schleimhautschwellungen bei Nasen-Ra- nicht unmittelbar an. Auf diese Weise sind
chen-Infekten können den Druckausgleich ver- 2 Flüssigkeitsräume vorhanden:
hindern und somit vorübergehend das Hören – Flüssigkeitsraum zwischen häutigem und knö-
beeinträchtigen. chernem Labyrinth. Hier befindet sich die Peri-
lymphe als schützendes Flüssigkeitspolster.
– Flüssigkeitsraum innerhalb des häutigen Laby-
Innenohr (= Labyrinth) rinths mit der Endolymphe, die das jeweilige
Das Innenohr wird von einem knöchernen Sinnesepithel umspült.
Kanalsystem, dem knöchernen Labyrinth, ge-
bildet.
Utriculus Sacculus
Horizontalbeschleunigung Vertikalbeschleunigung
Endolymphe
Ciliarbewegung
Statolithen-
membran
Erregung
Haarsinnes-
zellen
Nervenzellen Gehirn
Sacculus (vorderes Vorhofsäckchen) und Dies wird ermöglicht, weil die 3 Bogengänge in
Utriculus (hinteres Vorhofsäckchen) den 3 Hauptebenen des Raumes senkrecht auf-
In den Vorhofsäckchen liegen die Lagesinnes- einander stehen. Die Bogengänge haben ihren
zellen zum Registrieren geradliniger Beschleuni- Ursprung am Utriculus, über den sie auch in
gungen. Der „Fleck“, an dem sich das Sinnes- Verbindung stehen. Jeweils ein Schenkel der
epithel befindet, heißt Macula. halbkreisförmig gebogenen Röhren erweitert
sich an der Basis zu einer Ampulle, in der auf
Die Haarsinneszellen mit den Sinneshärchen einer kaminartigen Erhebung (Crista ampulla-
sind in eine gallertartige Masse eingebettet, die ris) die Sinneszellen lokalisiert sind. Die Sinnes-
durch winzige Kalksteinchen beschwert wird. härchen tauchen ebenfalls in eine Gallerte, die
Diese Masse wird als Statolithenmembran wie ein Hut (Cupula) auf den Sinneszellen liegt.
bezeichnet und ist schwerer als die Endolymphe. Dreht sich der Kopf (= adäquater Reiz), dann
Das Gewicht der Statolithenmembran verbiegt kann die Endolymphe infolge ihrer Trägheit der
die Sinneshärchen bereits in Ruhe. Bei jeder Bewegung nicht gleich folgen, sie bleibt stehen.
positiven oder negativen Linearbeschleunigung Dadurch wird die Cupula (Gallertkappe) in die
(= adäquater Reiz) bewirkt sie infolge der Gegenrichtung gedrückt, und die Sinneshärchen
Trägheit eine zusätzliche Verbiegung der werden verbogen. Die Verbiegung der Sinnes-
Sinneshärchen, welche dann Erregung auslöst. härchen führt zur Erregung der Haarsinnes-
Die vertikal angeordneten Sinneszellen des zellen.
Sacculus werden durch Vertikalbeschleunigungen
erregt, z. B. durch rasches Anfahren oder ❑
P Die Folgen übermäßiger Reizung des Vesti-
Stoppen eines Fahrstuhls. Die horizontal ange- bularapparates sind Kinetosen (See- oder
ordneten Sinneszellen des Utriculus werden Reisekrankheit) und Schwindelgefühl.
durch Horizontalbeschleunigungen erregt, z. B.
plötzliches Anfahren oder Bremsen eines Autos. Zentrale Verarbeitung
Die Erregungen vom Gleichgewichtsorgan ge-
In den Bogengängen befinden sich die Dreh- langen über den Gehör- und Gleichgewichts
sinneszellen zum Registrieren von Winkel- nerven (N. vestibulocochlearis) zu den Vestibu-
(Dreh-) beschleunigungen. lariskernen im verlängerten Mark (Medulla
oblongata).
318 16 Sinnesorgane
Erregung
Haarsinneszellen
Ampulle
(Crista ampullaris)
Verbiegung der Cilien
Gallertkappe
(Cupula)
Endolymphe
Lymphströmung
Winkelbeschleunigung
Corti’sches Organ
In der Scala media liegt auf der Basilarmembran
das Cortische Organ. Es enthält die Gehör-
sinneszellen, die ebenfalls zu den Haarsinnes-
zellen gehören. Die gallertartige Masse, in die
die Cilien eintauchen, heißt Tektorialmembran.
An der äußeren Seite der Scala media befindet
sich eine blutgefäßreiche Region (= Stria vascu-
laris) zur Versorgung des Hörorgans.
16.3 Hör- und Gleichgewichtssinn 319
Schnecke
(Cochlea)
Schnecke Schneckenloch
(Cochlea)
zwischen Vorhof
und Paukentreppe
(Helicotrema)
Vorhof Schneckenachse
ovales Fenster Vorhoftreppe
(= Vorhoffenster) (Scala vesibuli)
rundes Fenster Schneckengang
(= Schneckenfentser) (Ductus cochlearis,
Vorhoftreppe Scala media – endet
(Scala vestibuli) an der Schneckenspitze
blind)
Paukentreppe
(Scala tympani) Paukentreppe
(Scala tympani)
Corti’sches Organ
Vorhoftreppe
(Scala vestibuli)
Schneckengang
(Ductus cochlearis,
Scala media)
mit Endolymphe
Reissner’sche Membran
(Membrana vestibularis)
Tektorialmembran
(Membrana tectoria)
äußere Sinneszellen •
innerer Tunnel
innere Sinneszellen •
Basilarmembran
(Lamina basilaris)
Paukentreppe
(Scala tympani)
Stützzellen
• Haarzellen
❑
P Der Schalldruckpegel ist ein Maß für den Erregung der Gehörsinneszellen
Schalldruck. Die Maßeinheit ist das Dezibel Die Schwingungen der Membran des ovalen
(dB). Der Schalldruck, der gerade noch eine Fensters erzeugen in der Perilymphe der Scala
Hörempfindung auslöst, wird mit 0 dB ange- vestibuli fortlaufende Druckwellen. Diese pflan-
geben. Bei jeder Verzehnfachung des Schall- zen sich zur Schneckenspitze fort und gelangen
druckes erhöht sich der Schalldruckpegel um über die Scala tympani wieder zurück. Das run-
20 dB. de Fenster am Ende der Scala tympani dient dem
Druckausgleich.
Die Schallwellen gelangen hauptsächlich über Durch die gegenläufigen Flüssigkeitsströmun-
das äußere Ohr zum Trommelfell und versetzen gen in der Scala vestibuli und tympani geraten
es in Schwingungen. Diese werden über die die beweglichen Strukturen in der Scala media,
3 Gehörknöchelchen auf die Membran des ovalen Reissner-Membran und Basilarmembran in eine
Fensters übertragen, welche dadurch ebenfalls wellenförmige Bewegung. Sie wird als Wander-
zu schwingen beginnt. Dieser Weg der Schall- welle bezeichnet und breitet sich zur Schnecken-
übertragung heißt Luftleitung. spitze hin aus; das Helicotrema wird allerdings
Wird der ganze Schädel, z. B. durch das Aufset- aufgrund bestimmter Dämpfungsvorgänge nicht
zen einer Stimmgabel, in Schwingungen ver- erreicht. Das heißt, jede Wanderwelle endet an
setzt, entsteht ebenfalls eine Hörwahrnehmung – einem bestimmten Punkt und erzeugt hier ein
man spricht von Knochenleitung. Sie spielt phy- Amplitudenmaximum (stärkste Auslenkung der
siologisch nur eine geringe Rolle. Basilarmembran).
Da die Basilarmembran zur Schneckenspitze hin
❑
P Mittelohrerkrankungen können zu Schwer- breiter und schlaffer wird, entsteht das Ampli-
tudenmaximun der hohen Töne (hohe Frequenz)
hörigkeit führen, Versteifung des ovalen
in der Nähe des ovalen Fensters und das niedri-
Fensters zu Taubheit.
ger Töne (niedrige Frequenz) weiter hinten in
der Schnecke. So ist es möglich, dass das Gehirn
Tab. 16.2 Schallaufnahme und -weiterleitung. jeder Stelle der Scala media eine bestimmte
Tonhöhe zuordnen kann.
Äußeres Ohr
Die Verformung des Endolymphkanals bewirkt
Trommelfell eine Verschiebung der Tektorialmembran gegen-
über den Haarsinneszellen (Hörzellen) und damit
Hammer eine Verbiegung ihrer Cilien. Diese Verbiegung
führt zur Erregung, die über den Hörnerv in das
Amboss Verstärkung Gehirn (Hörrinde) geleitet und dort verarbeitet
wird: Das Gehörte wird uns bewusst.
Steigbügel
Leistungen des Gehörsinns
ovales Fenster Zu den Leistungen des Gehörsinns gehören vor
allem
Perilymphe der Scala vestibuli – die Unterscheidung von Tonhöhen und Schall-
intensitäten sowie
Wanderwelle Amplitudenmaximum – die Feststellung der Schallrichtung und Ent-
fernung der Schallquelle.
Verbiegung der Cilien
❑
P Die Zerstörung einzelner Abschnitte der
Aktionspotentiale Basilarmembran oder Hörzellen – z. B. durch
Lärm – führt zu Hörausfall für einzelne Ton-
Hörnerv höhen bzw. auch zu Schwerhörigkeit. Bei be-
stimmten Krankheiten und im Alter kann sich
Gehirn die Reizschwelle verändern.
16.4 Gesichtssinn 321
Pigmentepithel
Netzhaut
(Schema)
Stäbchen
Lichteinfall
Zapfen
2. Mittlere Augenhaut
Zur mittleren Augenhaut gehören Aderhaut, Ziliarkörper mit Ziliarmuskel
und Ziliardrüse
Ziliarkörper und Regenbogenhaut. Die Aderhaut
(Chorioidea) ist für die Blutversorgung verant-
wortlich und deshalb gefäßreich. Der Ziliar- Schlemm'scher
körper (Corpus ciliare) hat 3 Aufgaben: Kanal
• Haltesystem für die Linse; vordere Augen- hintere Augen-
• Veränderung der Linsenkrümmung durch Kon- kammer kammer
traktion bzw. Erschlaffung des Ziliarmuskels;
• Produktion des Kammerwassers. Pupille Linse
(Lens)
Hornhaut
Die Regenbogenhaut (Iris) ist farbig und besteht (Cornea) Regenbogen-
aus einem Ringmuskel zum Engstellen und haut
einem Radialmuskel zum Weitstellen der Lederhaut (Iris)
(Sclera)
Pupille. Die Pupille ist eine kreisrunde Öffnung
in der Iris, die sich vor der Linse befindet.
Weg des Kammerwassers. Abb. 16.10
3. Brechende Medien
Brechende Medien sind Hornhaut, Linse, Kam-
merwasser und Glaskörper.
Hornhaut: 3/4 der Brechkraft des Auges entfal- Merke
len auf die Hornhaut.
Das Kammerwasser dient dem Stofftransport
Linse: Die bikonvexe Linse ist eine glasklare innerhalb des Auges.
elastische Struktur mit variabler Brechkraft. Sie
besteht aus eiweißreichen Zellen und ist gefäß- Weg des Kammerwassers
und nervenfrei. Eine ebenfalls durchsichtige Lin- Das Kammerwasser gelangt vom Bildungsort
senkapsel begrenzt sie. Die Linse ist an Fasern zunächst in die hintere Augenkammer, von dort
des ringförmigen Ziliarmuskels aufgehängt. durch die Pupille in die vordere Augenkammer.
Vom Kammerwinkel (= Hornhaut-Iris-Winkel)
❑
P Beim grauen Star (Katarakt) tritt eine Trü-
fließt die Hauptmenge über den Schlemm’schen
bung der Linse ein. Kanal in das Venensystem.
Die Stäbchenzellen liegen mit Ausnahme des 16.4.2 Schutz- und Bewegungsapparat
gelben und blinden Flecks in der gesamten Netz- des Auges
haut. Die Zapfenzellen hingegen sind auf die
Fovea centralis (kleine Grube) des gelben Die Teile des Schutz- und Bewegungsapparates
Fleckes und ihre unmittelbare Umgebung kon- gewährleisten die störungsfreie Funktion des
zentriert. hochempfindlichen Lichtsinnesorgans. Zu ihnen
gehören die knöcherne Augenhöhle, die Augen-
Das 2. Neuron wird von bipolaren Nervenzellen lider und der Tränenapparat.
gebildet.
Knöcherne Augenhöhle (Orbita)
Das 3. Neuron bildet multipolare Nervenzellen. Beide Augenhöhlen enthalten jeweils
Ihre Neuriten treten am blinden Fleck durch die – den Augapfel und
Augapfelwand und bilden den Sehnerven. – 4 gerade und 2 schräge Augenmuskeln zur
Bewegung des Augapfels. Die Augenmuskeln
Weitere Zellen wie die Horizontal- und amakri- werden von 3 Hirnnerven (III, IV, VI) inner-
nen Zellen (multipolare Nervenzellen) sichern viert. Diese sichern das koordinierte Zusam-
die vielfältigen Verschaltungen. menspiel der Muskeln beider Augen;
– den Sehnerven (N. opticus), der s-förmig ge-
Die Blutversorgung der Retina erfolgt durch die bogen ist, um die Bewegung des Auges nicht
zentrale Netzhautarterie (A. centralis retinae), zu behindern;
die von der Augenarterie (A. ophthalmica) – Fettgewebe zur Abpolsterung;
kommt, und die zentrale Netzhautvene (V. centra- – die Tränendrüse: Sie liegt in einer kleinen Gru-
lis retinae), die in die obere Augenvene (V. oph- be an der äußeren oberen Augenhöhlenwand.
thalmica superior) mündet. A. und V. centralis
retinae treten gemeinsam mit dem Sehnerven am Weichen beide Augachsen stark voneinander ab,
blinden Fleck durch die Augapfelwand. kommt es zum Schielen (Strabismus), wobei
Doppelbilder entstehen können.
Merke
Die Retina ist das eigentliche Sinnesorgan Augenlider
des Auges. Vor jedem Auge befindet sich ein Oberlid und
ein Unterlid.
324 16 Sinnesorgane
Oberlid
gemeinsamer
Sehnenring der
Augenmuskulatur
Augapfel
(Bulbus oculi) Sehnervenkanal
(Canalis opticus)
Sehnerv
(N. opticus)
oberer schräger
Augenmuskel
Augen- oberer gerader
bewegungsnerv Augenmuskel
(N. oculomotorius)
äußerer gerader
Mittelhirn Augenmuskel
Brücke
IV. Augenrollnerv
(N. trochlearis)
mittlerer gerader unterer schräger
Medulla Augenmuskel Augenmuskel
VI. Augenabziehnerv unterer gerader
(N. abducens) Augenmuskel
Liddrüsen Tränenapparat
Augenbraue
Tränendrüse
Oberlid (Gl. lacrimalis)
Moll’sche Drüse obere
Wimper Umschlagstelle
der Bindehaut
Meibom’sche Drüse Tränensack
Regen-
bogenhaut
Tränen-
Pupille nasengang
(Ductus
nasolacrimalis)
Bindehaut Tränen-
(Conjunctiva)
untere Umschlagstelle röhrchen
Unterlid der Bindehaut
Moll’sche Drüse Tränen-
(Bindehautsack)
punkt
Meibom’sche Drüse
❑
P Sowohl das Berühren der Hornhaut als auch Tränenapparat
Die Tränendrüsen hinter dem Oberlid sezernie-
der Bindehaut führt reflektorisch zum Lid-
ren pro Tag etwa 500 ml Tränenflüssigkeit. Sie
schluss (Schutzreflex).
ist farblos und enthält desinfizierende Substan-
zen (z. B. Kochsalz) und das bakterienabtötende
Die Bindehaut eignet sich wie alle Schleim-
Lysozym. Über mehrere Ausführgänge gelangt
häute gut zur Resorption von Arzneimitteln. In
die Tränenflüssigkeit in den Bindehautsack und
Form von Augentropfen werden sie meist in
wird durch den Lidschlag über die Vorderfläche
den unteren Teil des Bindehautsackes (Unterlid
des Augapfels verteilt, sodass die Hornhaut
wird abgezogen oder umgeschlagen) einge-
feucht gehalten wird. Die Tränenflüssigkeit sam-
träufelt.
melt sich im medialen Augenwinkel, dem sog.
Liddrüsen Tränensee, und fließt über Tränenröhrchen,
– Meibom-Drüsen (innere Talgdrüsen). Sie lie- Tränensack und Tränennasengang in den unte-
gen an der Lidhinterseite und produzieren ein ren Nasengang.
talgähnliches Sekret, das über Ausführgänge
Merke
der hinteren Lidkante an die Lidränder gelangt
und diese einfettet. Die Tränenflüssigkeit sichert die einwand-
– Moll-Drüsen. Schweißdrüsen, die in der Nähe freie Funktion der Hornhaut, indem sie sie
des Lidrandes liegen und dort ausmünden. feucht hält und kleine Unebenheiten aus-
– Zeis-Drüsen. Äußere Talgdrüsen, deren Aus- gleicht sowie Fremdkörper im Bindehautsack
führgänge am Follikel der Wimpern enden. ausschwemmt.
❑
P Das Gerstenkorn (Hordeolum) entsteht durch
Stauung des Sekretes und Entzündung der Zeis- ❑
P Zu wenig Tränenflüssigkeit führt zu Binde-
Drüsen. Das Hagelkorn (Chalazion) entsteht haut- und Hornhautentzündung (Conjunctivitis,
durch Stauung des Sekrets und Entzün- Keratitis, „Syndrom des trockenen Auges“).
dung der Meibom-Drüsen.
326 16 Sinnesorgane
16.4.3 Physiologie des Sehens hen werden, ändert das Auge seine Brechkraft.
Das geschieht durch aktive Änderung der Linsen-
Als adäquater Reiz wirken elektromagnetische krümmung (vorwiegend ihrer vorderen Fläche)
Strahlen der Wellenlängen 400 bis 700 nm (=^ und heißt Akkommodation.
sichtbares Licht). Man unterscheidet
– Fernakkommodation: Bei entspanntem Ziliar-
Bildentstehung auf der Netzhaut muskel flacht sich die Linse ab, die Brechkraft
Die brechenden Medien (Cornea, Kammerwas- wird verringert.
ser, Linse, Glaskörper) werden als dioptrischer – Nahakkommodation: Durch Kontraktion des
Apparat bezeichnet. Dieser wirkt wie eine Sam- Ziliarmuskels kann sich die Linse so weit krüm-
mellinse und lässt auf der Netzhaut verkleinerte men, dass die Brechkraft um etwa 14 Diop-
umgekehrte reelle Bilder der Umwelt entstehen. trien steigt. Das ermöglicht ein scharfes Sehen
im Abstand von ca. 10 cm (= Nahpunkt).
Brechkraft
Die Brechkraft gibt an, wie stark Lichtstrahlen ❑
P Die Nahakkommodation nimmt mit zuneh-
gebrochen werden. Sie wird als Kehrwert der mendem Alter ab (Linse krümmt sich aufgrund
Brennweite (f) berechnet und in Dioptrien (dpt) ihres Elastizitätsverlustes nicht mehr genug).
ausgedrückt. Die vordere Brennweite des mensch- Wenn der Nahpunkt größer als 30 cm wird,
lichen Auges beträgt 17 mm, deshalb gilt: spricht man von der Alterssichtigkeit (Presbyo-
1 1 pie). Die Kompensation erfolgt durch Sam-
D = = = 58,8 dpt mellinsen, die den Nahpunkt wieder näher an
f 0,017 m das Auge rücken. Nicht immer sind Größe und
Form des Augapfels genau auf die Brechkraft
Akkommodation des dioptrischen Apparates abgestimmt, sodass
Das Bild eines Gegenstandes wird nur dann Störungen bei der Bildentstehung auftreten.
scharf abgebildet, wenn es genau auf der Netz- Die wichtigsten sind:
haut entsteht. Damit die Bilder von Gegenstän- • Kurzsichtigkeit (Myopie),
den unterschiedlicher Entfernungen scharf gese- • Weitsichtigkeit (Hyperopie, Hypermetropie).
gelber
Achse des äußerer Fleck
Augapfels Brennpunkt
(Axis bulbi)
Hornhaut
Brennpunktstrahl (Cornea)
Linse
(Lens cristallina) innerer
Brennpunkt
Strahlenkörper
(Corpus ciliare) Netzhaut
(Retina)
Fernakkommodation Nahakkommodation
Bildebene Zerstreuungslinse
Bildebene Sammellinse
Funktion der Stäbchen- und Zapfenzellen Konzentration der Sehfarbstoffe der Lichtinten-
Die Zapfen ermöglichen das farbige Sehen von sität an.
Einzelheiten bei heller Beleuchtung.
Die Stäbchen ermöglichen das Schwarzweiß- Merke
sehen bei schlechter Beleuchtung. Wenig Licht ➝ große Pupille
(ein Neuron wird durch große
Merke
Retinafläche gereizt),
Scharfe Bilder entstehen nur an der Stelle des ➝ viel Sehfarbstoff.
gelben Flecks. Viel Licht ➝ kleine Pupille
(ein Neuron wird von kleiner
Erregungsbildung Retinafläche gereizt),
In den Stäbchen- und Zapfenzellen befinden ➝ wenig Sehfarbstoff,
sich Sehfarbstoffe (z. B. Rhodopsin). Diese wer- da rascherer Zerfall.
den durch Lichtabsorption mehr oder weniger
abgebaut (= gebleicht). Gesichtsfeld und Sehbahn
Das Gesichtsfeld ist das Bild der Umwelt, das
Die Bleichung der Sehfarbstoffe führt zur Erre- man mit unbewegten Augen und fixiertem Kopf
gung der Sinneszelle. sieht.
Die Sehbahn wird von 4 sensiblen Neuronen
Adaptation gebildet, von denen die ersten 2 komplett in der
Adaptation ist die Anpassung des Auges an die Retina liegen.
jeweilige Lichtintensität. Man unterscheidet die
Pupillen- und Netzhautadaptation. Die Pupillen- Vom 3. Neuron befinden sich die Nervenzell-
adaptation passt das Auge reflektorisch schnell körper in der Netzhaut. Seine Axone bilden
an einen plötzlichen Lichtwechsel an, indem sich zunächst den Sehnerven (N. opticus), der bis zur
die Pupille im Hellen verengt und im Dunklen Sehnervenkreuzung (Chiasma opticum) zieht. Ab
erweitert (Pupillenreflex). Die Netzhautadapta- hier verlaufen sie als Sehstrang (Tractus opticus)
tion passt das Auge durch die Veränderung der zum seitlichen Kniehöcker (Corpus geniculatum
Lichteinfall
Pupille eng
Parasympathicus
Lichteinfall
Pupille weit
Sympathicus
❑
P Bei Zerstörung der Sehzentren, z. B. durch
Tumoren, Verletzungen etc., erblindet der
Mensch (= Rindenblindheit).
330 16 Sinnesorgane
1. Definieren Sie
a) Reiz,
b) adäquater Reiz,
c) Reizschwelle,
d) Rezeptor,
e) Sinnesorgan.
2. Nehmen Sie eine Klassifizierung der Reize vor.
3. Erläutern Sie
a) Reizaufnahme,
b) Informationsleitung.
4. Was ist
a) unter Oberflächensensibilität,
b) unter Tiefensensibilität zu verstehen?
Erläutern Sie die biologische Bedeutung dieser Sinne.
5. Welche Bedeutung hat der Schmerz?
Was versteht man unter übertragenem Schmerz?
6. Erläutern Sie die biologische Bedeutung von Geruch und Geschmack.
7. Beschreiben Sie den Aufbau des Ohres.
8. Wie arbeitet das Gleichgewichtsorgan, und welche Aufgaben erfüllt es im Körper?
9. Erläutern Sie die ablaufenden Prozesse bei der Schallaufnahme und -weiterleitung.
10. Erklären Sie, wie es zur Erregung der Hörsinneszellen im Corti’schen Organ kommt.
11. Nennen Sie Maßnahmen zur Lärmbekämpfung.
12. Beschreiben Sie den Bau des menschlichen Auges.
13. Welche Aufgaben haben:
a) die brechenden Medien,
b) der Ziliarkörper,
c) das Kammerwasser?
14. Beschreiben Sie den Abfluss des Kammerwassers.
15. Wo liegen
a) vordere und
b) hintere Augenkammer?
16. Beschreiben Sie die Verteilung der Photorezeptoren in der Retina.
17. Definieren Sie
a) gelber Fleck,
b) blinder Fleck!
18. Nennen Sie die Schutzeinrichtungen des Auges und ihre Aufgaben.
19. Beschreiben Sie die Bildentstehung auf der Netzhaut und das Funktionsprinzip der Stäb-
chen und Zapfen.
20. Erklären Sie Akkommodation und Adaptation.
Worin liegt ihre biologische Bedeutung?
21. Was versteht man unter der Sehbahn?
22. Geben Sie einen Überblick über die Leistungen des Gesichtssinnes.
23. Warum strengt langes Nahsehen die Augen besonders an?
331
17 Nervensystem
optimale Anpassung an
die aktuellen Umweltein- ZNS
wirkungen erfolgt. Dazu
nimmt es mithilfe von Rückenmark
Sinneszellen bzw. Nerven- (Medulla spinalis)
endungen Informationen
auf, analysiert und spei-
chert sie, um danach die
Effektorgane zur Aktivität
anzuregen. Zum Beispiel
wird Sprachinformation
akustisch aufgenommen,
analysiert und gespei-
chert, danach werden die
Sprechorgane erregt, und
es erfolgt die Reaktion.
periphere
17.1 Gliederung Nerven
Nervensystem (NS)
ZNS – anatomische Gliederung – PNS
Nervensysten (NS)
animales NS – physiologische Gliederung – vegetatives NS, VNS
(= cerebrospinales NS, (= Eingeweide-
Umweltnervensystem) nervensystem)
17.2 Rückenmark
(Medulla spinalis) Anschwellung im
Lendenbereich
Das Rückenmark leitet über abstei- (Intumescentia lumbosacralis)
gende Nervenfasern (Leitungsbahnen
= weiße Substanz) Informationen Rückenmark
vom Gehirn zur Peripherie bzw. über (Medulla spinalis)
die aufsteigenden Nervenfasern
Informationen von der Peripherie Wirbelsäule mit Rückenmark. Abb. 17.2
zum Gehirn.
17.2 Rückenmark 333
C1
Halsteil (Pars cervicalis) mit
8 Paar Halsnerven (Nn. cervicales)
C8
Th1
Th12
L1
Lendenteil (Pars lumbalis) mit
Pferdeschweif 5 Paar Lendennerven
(Cauda equina) (Nn. lumbales)
L5
S1 Kreuzbeinteil (Pars sacralis) mit
5 Paar Kreuzbeinnerven (Nn. sacrales)
S5
Co1 Steißbeinteil (Pars coccygea) mit
1– 3 Paar Steißbeinnerven (Nn. coccygei)
Co3
17.3.1 Masse, Lage, Form, Gliederung Das Endhirn ist der Sitz des Bewusstseins, des
Empfindens, des Willens und des Gedächtnisses.
Das Gehirn ist der rostrale Teil des Zentralnerven- Es ist beim Menschen der größste Hirnabschnitt,
systems. Beim Erwachsenen beträgt die Hirn- der einen weiten Teil der übrigen Hirnteile über-
masse durchschnittlich 1.350 bis 1.500 Gramm. deckt und diesen funktionell übergeordnet ist.
Das Gehirn liegt von Hirnhäuten und Liquor Gebildet wird es von zwei fast symmetrischen
umgeben in der knöchernen Schädelhöhle und halbkugelförmigen Hälften (Hemisphären), die
ist dieser in seiner äußeren Form angepasst. Die durch einen tiefen Längsspalt (Fissura longitudi-
untere Fläche des Gehirns heißt Hirnbasis. nalis cerebri) voneinander getrennt und durch
den Balken (Corpus callosum) miteinander ver-
Gliederung des Gehirns bunden sind.
Folgende Abschnitte unterscheidet man:
• Telencephalon (Endhirn) oder Cerebrum Die Oberfläche der beiden Hemisphären wird
(Großhirn), durch zahlreiche Windungen (Gyri, Singular:
Endhirn
(Telencephalon)
= Großhirn
(Cerebrum)
Scheitel-
Hinterhaupt-Furche
(Sulcus parietooccipitalis)
Balken
(Corpus callosum)
Zirbeldrüse
Zwischenhirn (Epiphyse)
(Diencephalon)
Hirnanhangsdrüse
(Hypophyse) Kleinhirn
(Cerebellum)
Mittelhirn
(Mesencephalon) Brücke
(Pons)
verlängertes
Mark
(Medulla oblongata)
vordere hintere
Zentralwindung Zentralwindung
(Gyrus praecentralis) (Gyrus postcentralis)
Stirnlappen Scheitellappen
(Lobus frontalis) (Lobus parietalis)
Scheitel-
Hinterhaupt-Furche
seitliche Furche (Sulcus colcarinus)
(Sulcus lateralis)
Hinterhauptlappen
Schläfenlappen (Lobus occipitalis)
(Lobus temporalis)
Zentralfurche
(Sulcus centralis)
Gyrus) und Furchen (Sulci, Singular: Sulcus) Graue Substanz (Substantia grisea)
beachtlich vergrößert. Gleichzeitig wird durch Die graue Substanz bildet
die tiefen Furchen jede Endhirnhemisphäre in – die Endhirnrinde (Cortex cerebri), die wie
4 Endhirnlappen (Lobi, Singular: Lobus) unter- ein Mantel das Endhirn (Großhirn) umschließt.
teilt: Sie besteht aus 10 – 16 Milliarden Nervenzell-
• Stirnlappen (Lobus frontalis), körpern, die in 6 Schichten übereinander an-
• Scheitellappen (Lobus parietalis), geordnet sind;
• Schläfenlappen (Lobus temporalis) und – die Kerne des Endhirns: Als solche werden
• Hinterhauptlappen (Lobus occipitalis). Ansammlungen von grauer Substanz unter-
halb der Hirnrinde bezeichnet.
Wichtige Furchen als Grenzlinien zwischen den
Lappen sind Funktionszentren der Endhirnrinde
– die Zentralfurche (Sulcus centralis) zwischen Die ablaufenden Nervenprozesse können be-
Stirn- und Scheitellappen, stimmten Teilen der Rinde (= Rindenfelder) zu-
– die seitliche Furche (Sulcus lateralis) zwi- geordnet werden. Diese Rindenfelder werden von
schen Stirn-, Scheitel-, Schläfenlappen sowie Nervenzellkörpern gebildet, die gleiche oder ähn-
– die Scheitel-Hinterhaupt-Furche (Sulcus parieto- liche Funktionen erfüllen. Die Projektion erfolgt
occipitalis) zwischen Scheitel- und Hinter- in der Weise, dass die Abschnitte der linken
hauptlappen. Körperhälfte auf dem Kopf stehend (Bein und
Becken oben, Kopf unten) in der rechten End-
Merke hirnhemisphäre und umgekehrt widergespiegelt
werden. Nach der Funktion unterscheidet man
Vor der Zentralfurche liegt die vordere Zentral-
2 verschiedene Rindenfeldtypen, die motorischen
windung (Gyrus praecentralis) und hinter
und die sensorischen (sensiblen) Rindenfelder.
ihr die hintere Zentralwindung (Gyrus post-
centralis).
Motorische Rindenfelder
Sie werden von motorischen Neuronen gebildet
Innerer Bau
und sind für das Zustandekommen der Bewe-
Wie das Rückenmark besteht auch das Gehirn
gungen verantwortlich.
aus grauer und weißer Substanz.
17.3 Gehirn 337
Zentralfurche
(Sulcus centralis)
vordere
Zentralwindung hintere
(Gyrus praecentralis) Zentralwindung
– Willkürmotorik – (Gyrus postcentralis)
motorisches – Körperfühlsphäre –
Lese- und
Schreibzentrum Scheitellappen
(„‘Blickzentrum“’) (Lobus parietalis)
Stirnlappen Hinterhauptlappen
(Lobus frontalis) (Lobus occipitalis)
seitliche Furche Sehzentrum
(Sulcus lateralis)
sensorisches
Sprachzentrum
(Wernicke-Zentrum)
Muskeln, die sehr fein abgestimmte Bewegun- – Motorisches Lese- und Schreibzentrum. Es
gen (Feinmotorik) ausführen müssen, besitzen liegt im Frontallappen. Von dort aus werden
ein relativ großes Rindenfeld: So nehmen die die Augenmuskeln beim Schreiben und Lesen
Zentren für Hand und Mund den größten gesteuert.
Raum im Gyrus praecentralis ein.
338 17 Nervensystem
Sensorische Rindenfelder ❑
P Bei Ausfall des Sehzentrums ist der Mensch
Sie werden von sensiblen Neuronen gebildet und blind (Rindenblindheit).
verarbeiten die von den Sinneszellen aufgenom-
menen Informationen. Dem Sehzentrum benachbart sind verschiede-
– Primäres sensorisches Rindenfeld (= Körper- ne optische Assoziationszentren, z. B. das
fühlsphäre). Das Zentrum befindet sich in der optische Erinnerungszentrum für die Schrift
hinteren Zentralwindung (Gyrus postcentra- (= optisches Lese- und Schreibzentrum).
lis) des Scheitellappens, wo die sensiblen Kör-
perfühlbahnen enden. Diese leiten die Infor-
mationen von den Tast-, Druck-, Temperatur-
❑
P Fällt das Zentrum der optischen Erinnerung
aus, kann der Mensch zwar sehen, aber nicht
und Schmerzrezeptoren der Haut, den Mus-
erklären, was er gesehen hat. Dies wird als
keln, Gelenken und inneren Organen in das
„Seelenblindheit“ bezeichnet.
Zentrum. Hier werden sie dann zu Tast-,
Druck-, Temperatur- und Schmerzempfindun- – Zentren für Geschmacks- und Geruchsemp-
gen verarbeitet und bewusst wahrgenommen findungen. Beide Zentren liegen an der Innen-
(✑ auch Abb. 17.17, S. 350). seite des Schläfenlappens (Gyrus parahippo-
– Hörzentrum. Das Hörzentrum liegt im Schlä- campalis), wobei sich das Geruchszentrum im
fenlappen und ist nur wenige Millimeter groß. vorderen Abschnitt befindet.
Es ist für die Wahrnehmung von Lauten und
Tönen zuständig.
Merke
❑
P Ausfall des Hörzentrums führt zur Taubheit. Die Organe des Körpers sind bestimmten sen-
siblen und motorischen Regionen der Endhirn-
– Sensorisches Sprachzentrum (= Wernicke- rinde zugeordnet. Dies bezeichnet man als
Zentrum). Dieses Zentrum befindet sich hin- Somatotopie (✑ Abb. 17.8).
ter dem Hörzentrum im Schläfenlappen und
ist wie das motorische Sprachzentrum meist In den primären Projektionsfeldern der Motorik
nur in der linken Endhirnhälfte zu finden. Es (vordere Zentralwindung) und Sensibilität (hin-
ist für das Verstehen und die Interpretation tere Zentralwindung) der Endhirnrinde sind die
von Wörtern zuständig. einzelnen Organe nicht nach ihrer Größe, son-
dern entsprechend ihrer funktionellen oder bio-
logischen Wertigkeit repräsentiert. Das heißt, je
❑
P Ausfall bedeutet „Seelentaubheit“. Dem bedeutungsvoller ein Organ diesbezüglich ist,
Kranken fehlt die Spracherinnerung. Worte und desto größer ist die räumliche Ausdehnung sei-
Silben werden als „Wortsalat“ hervorgebracht nes Rindenbezirkes und umgekehrt.
(Paraphasie).
Repräsentation des Körpers im Gyrus postcentralis und praecentralis (Somatotopie). Abb. 17.8
Längsfurche
primäres motorisches (Fissura longitudinalis
Rindenzentrum cerebri)
Endhirnrinde
(Cortex cerebri),
graue Substanz
Hirngewölbe (Substantia grisea)
(Fornix) weiße Substanz
(Substantia alba)
Schweifkern
(Nucleus caudatus) Balken
(Corpus callosum)
Thalamus
Vormauer innere Kapsel
(Claustrum) (Capsula interna)
mit
Linsenkern- Projektionsbahnen
schale (nicht dargestellt)
(Putamen)
Mandelkörper
Bleicher Kern (Corpus amygdaloideum
(Pallidum)
Hypothalamus
Linsenkern
(Nucleus lentiformis) rechte Hemisphäre linke Hemisphäre
Die Basalganglien sind ein wichtiges Bindeglied – Assoziationsbahnen: Sie verbinden die Zen-
zwischen den motorischen Zentren der Großhirn- tren innerhalb einer Endhirnhemisphäre unter-
rinde und denen des Hirnstammes; sie sind aber einander.
der Rinde untergeordnet. – Kommissurenbahnen: Sie verbinden die bei-
den Hemisphären miteinander.
Aufgaben
Die Basalganglien sind vor allem am Zustande- Merke
kommen und der Sicherung der normalen Bewe-
gungsabläufe beteiligt. Das heißt, als Teil des Das wichtigste Kommissurensystem ist der
extrapyramidal-motorischen Systems Balken (Corpus callosum).
– sichern sie die Flüssigkeit und Zweckmäßig-
keit der Bewegungen sowie automatisierte und – Projektionsbahnen: Diese Leitungsbahnen
individuelle Mitbewegungen, verbinden das Endhirn mit den anderen Hirn-
– koordinieren sie die Bewegungen und sind teilen und dem Rückenmark.
mitverantwortlich für Mimik und Muskeltonus,
Merke
– integriert der Mandelkörper Umweltreize und
inneres Milieu und beeinflusst somit die Das Hauptprojektionssystem ist die innere
Tätigkeit des vegetativen Nervensystems. Kapsel (Capsula interna), die in Wirklichkeit
keine Kapsel ist, sondern ein Gebiet, in dem
Merke die meisten afferenten und efferenten Projek-
Koordinierte und orientierte Handlungen bis tionsfasern auf engstem Raum verlaufen.
hin zum Persönlichkeitsprofil sind immer das
Ergebnis des Zusammenwirkens aller Funk- ❑
P Schädigungen der inneren Kapsel entstehen
tionszentren der Endhirn- bzw. Großhirnrinde z. B. bei Blutungen. Sie führen zu schwerwie-
mit den übrigen Teilen des Nervensystems. genden Ausfällen (z. B. Halbseitenlähmungen).
Weiße Substanz (Substantia alba)
Sie befindet sich unter der Hirnrinde. Man unter- Limbisches System
scheidet folgende Leitungsbahnsysteme: Es wird aus Hirnteilen gebildet, die wie ein Saum
(Limbus) an der Innenfläche der Endhirnhemi-
sphäre um den Balken und den
3. Ventrikel liegen.
vorderer Schweifkern
Thalamuskern (Nucleus caudatus) Zum limbischen System gehören
(Nucleus thalami Hirngewölbe u. a.:
anterior) (Fornix) – das Ammonshorn (Hippocam-
Balken pus) am Boden des seitlichen
(Corpus Ventrikels,
callosum)
– die Ammonshornwindung (Gy-
rus hippocampi) unmittelbar
neben dem Zwischenhirn,
– die Gürtelwindung (Gyrus cin-
guli; gehört teils zum Stirn-
Ammonshorn und teils zum Schläfenlappen),
(Hippocampus)
– das Hirngewölbe (Fornix) um
Teil des Hirnstamm
Riechhirns den 3. Ventrikel,
(Truncus cerebri)
(Bulbus olfactorius) – Teile des Riechhirns (z. B.
Mandelkörper
Hirnanhangdrüse (Corpus amygdaloi- Bulbus olfactorius),
(Hypophyse) deum) – der Mandelkörper (Corpus
Hypothalamus amygdaloideum) im Schläfen-
lappen und
Abb. 17.10 Limbisches System. – der vordere Thalamuskern
(Nucleus thalami anterior).
17.3 Gehirn 341
Das Zwischenhirn wird zum größten Teil vom 2. Durstzentrum. Hier wird die Flüssigkeitsauf-
Endhirn überlagert. Nur kleinere Abschnitte sind nahme reguliert.
an der Hirnbasis sichtbar. 3. Temperaturregulationszentrum. Von hier aus
Es wird hauptsächlich aus 2 Abschnitten ge- wird die Körpertemperatur reguliert.
bildet, dem viel größeren Thalamus und dem 4. Sexualitätszentrum. Durch die Bildung der
darunter liegenden kleineren Hypothalamus. Releasing- und Inhibitinghormone werden die
Beide Abschnitte begrenzen den spaltförmigen Sexualfunktionen regulierend beeinflusst.
3. Ventrikel und werden dadurch in einen linken
und rechten Anteil getrennt. Merke
Balken
(Corpus callosum)
Adergeflecht
Gewölbebogen (Plexus chorioideus)
(Fornix) Epiphyse
Thalamus (Epiphysis cerebri)
3. Ventrikel Zirbeldrüse
(Ventriculus tertius) (Corpus pineale)
Hypophysenstiel Vierhügelplatte
(Lamina tecti)
Sehnerven-
kreuzung Kleinhirn
(Cerebellum)
Hirnanhangs-
drüse 4. Ventrikel
(Hypophyse) Mittelhirn (Ventriculus quartus)
(Mesencephalon)
Brücke verlängertes Mark
(Pons) Wasserkanal (Medulla oblongata)
(Aquaeductus cerebri)
Merke ❑
P Sind die Öffnungen zwischen äußerem und
Die Formatio reticularis beeinflusst als Koordi- innerem Liquorraum nicht angelegt oder ver-
nator des Hirnstammes Bewusstsein, Motorik, legt, entsteht der „Wasserkopf“ (Hydrocepha-
vegetative Funktionen und Emotionen. Die lus).
dazu notwendigen Informationen erhält sie von
allen Sinnessystemen, vom Hypothalamus,
Thalamus, dem limbischen System sowie
bestimmten Arealen der Endhirnrinde. 17.5 Schutzeinrichtungen des ZNS
Die Formatio reticularis ist der Assoziations-
apparat des Hirnstammes. Das ZNS wird von knöchernen Hüllen (Wirbel-
kanal, Schädelhöhle), 3 Rückenmarks- bzw.
Hirnhäuten (Meningen) und von 1 Liquorhülle
geschützt.
Die Hirn- bzw. Rückenmarkshäute sind:
17.4 Hirnkammern – harte Hirn- bzw. Rückenmarkshaut (Dura
(Ventriculi encephali) mater encephali bzw. spinalis). Die feste und
derbe Dura mater ist als äußerste Haut mit der
Im Gehirn liegen 4 mit Liquor gefüllte Hirn-
knöchernen Umgebung verwachsen;
kammern (Ventrikel; ✑ Abb. 17.12, S. 343 und
– Spinnwebenhaut (Arachnoidea encephali bzw.
Abb. 17.14, S. 347).
spinalis) liegt direkt unter der Dura. Sie be-
– 1. und 2. Ventrikel
steht aus einer dünnen Lage Bindegewebe,
Sie liegen in der rechten und linken Endhirn-
dessen kollagene Fasern einander überkreuzen
hemisphäre und werden auch als Seiten-
und enthält keine Blutgefäße;
ventrikel bezeichnet.
– weiche Hirn- bzw. Rückenmarkshaut (Pia
– 3. Ventrikel
mater encephali bzw. spinalis). Die ebenfalls
Dieser liegt als spaltförmiger Raum im Thala-
zarte, dünne, aber gefäßreiche Pia mater
mus.
schmiegt sich dem Gehirn und Rückenmark an
– 4. Ventrikel
und dringt in sämtliche Vertiefungen ein.
Diese Hirnkammer befindet sich im Rauten-
hirn (Rhombencephalon). Ihr Boden ist die
Rautengrube (Fossa rhomboidea), und das Dach ❑
P Meningitis ist eine Entzündung der Hirn-
wird aus Teilen des Kleinhirns gebildet. häute.
Beide Seitenventrikel sind jeweils durch das
Zwischenkammerloch (Foramen interventricu- Subarachnoidalraum
lare) mit dem 3. und dieser durch einen Kanal Dies ist ein Spaltraum zwischen Arachnoidea
(Aquaeductus cerebri) mit dem 4. Ventrikel ver- und Pia mater, der mit Liquor gefüllt ist.
bunden.
Merke
Im beschriebenen Hohlraumsystem befindet Das ZNS ist allseitig von Liquor wie mit einem
sich die Hirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor Wasserkissen schützend umgeben. Auf diese
cerebrospinalis). Sie wird von Venengeflechten Weise werden mechanische Erschütterungen
(Plexus chorioideus), die sich in allen Hirn- abgefedert. Außerdem kommt es bei begrenz-
kammern befinden, gebildet. Die 4 Hirnkam- ten Hirnschwellungen nicht zu einem intra-
mern bilden den inneren Liquorraum. Er steht craniellen Druckanstieg.
über 3 Öffnungen im Boden des 4. Ventrikels mit
dem äußeren Liquorraum (Subarachnoidalraum,
Zentralkanal des Rückenmarks) in Verbindung:
❑
P Bei der Lumbalpunktion wird beim sitzen-
– eine mediane Öffnung (Apertura mediana den Menschen eine Kanüle zwischen L3 und L4
ventriculi quarti = Magendie-Loch) hinten; oder L4 und L5 in den Subarachnoidalraum
– zwei laterale Öffnungen (Apertura latera- geführt, um Liquor zu gewinnen. Das Rücken-
lis ventriculi quarti = Luschka-Loch) hinter mark kann dabei nicht verletzt werden, da es
sowie unter der 4. Hirnkammer. in Höhe von L2 endet.
346 17 Nervensystem
Rückenmark
weiche
Rückenmarkhaut harte
(Pia mater spinalis)
Rückenmarkhaut
äußerer Liquorraum (Dura mater spinalis)
(Subarachnoidealraum) – inneres Blatt –
Spinnwebenhaut Epiduralraum
(Arachnoidea spinalis)
harte
Wirbel Rückenmarkhaut
(Dura mater spinalis)
Zwischen- – äußeres Blatt –
wirbelscheibe Rückenmarknerv
vorderer Ast (N. spinalis)
(Ramus ventralis)
hinterer Ast
Grenzstrangganglien (Ramus dorsalis)
des Sympathicus
Zwischen Arachnoidea und Pia mater von durae matris). Durch ihre besondere Wandstruk-
Rückenmark und Gehirn gibt es keine nennens- tur (um den Endothelschlauch befindet sich
werten Unterschiede. straffes Bindegewebe der Dura mater encephali)
können sie nicht kollabieren und werden deshalb
Harte Rückenmarkshaut (Dura mater spinalis) nicht als Venen bezeichnet.
Die harte Rückenmarkshaut bildet im Wirbel-
kanal ❑
P Ein Tentoriumriss (Riss im Kleinhirnzelt),
– ein äußeres Blatt: Es kleidet als Periost den während der Geburt eines Kindes durch zu
Wirbelkanal aus; großen Druck im Geburtskanal, kann lebens-
– ein inneres Blatt: In ihm steckt das Rücken- gefährliche Blutungen zur Folge haben.
mark wie in einem Sack. Blutungen im Bereich der Hirnhäute, wie sie
Zwischen diesen beiden Blättern befindet sich z. B. bei Schädel-Hirn-Traumen entstehen,
der Epiduralraum, angefüllt mit Fettgewebe und können zu lebensgefährlichen Hirndruck-
Venengeflechten zum Schutz des Rückenmarkes erhöhungen führen. Das Blut sammelt sich in
vor Zerrungen. den entsprechenden Räumen.
tenartigen Adergeflechten
(Plexus choroidei1)) der vier Innerer und äußerer Liquorraum
Hirnventrikel durch Ultra-
Subarachnoidalraum
filtration aus dem Blut (Cavum subarachnoideale)
(Tagesmenge ca. 650 ml).
knöchernes
Resorption: Schädeldach
Die Resorption in das Blut (Calvaria)
erfolgt im äußeren Liquor- Seitenventrikel
raum im Bereich der Rücken- (1. und 2. Ventrikel)
markswurzeln sowie durch „Wasserkanal“
(Aquaeductus cerebri)
die Zotten der Arachnoidea,
die sich in die venösen
4. Ventrikel
Hirnblutleiter vorwölben.
Zentralkanal
Blut-Liquor- bzw. Zwischenkammerloch
Blut-Hirn-Schranke (Foramen interventriculare)
Die aus 3 Schichten (Plexus- 3. Ventrikel
epithel, Basalmembran, Hirn-
kapillarendothel) bestehende
Permeabilitätsbarriere be- Schichten des Schädeldaches, Hirnhäute
dingt eine unterschiedliche aufgelockerte
Zusammensetzung von Blut- äußere kompakte Knochenschicht
serum und Liquor. Dies ist Knochenschicht (Diploe)
ein weiterer Schutzmecha- innere kompakte
nismus für das hochemp- Knochenschicht
findliche ZNS. Schädeldach
(Calvaria)
venöser
Zusammensetzung: harte Hirnhaut Blutleiter
(Dura mater encephali)
Der Liquor beim gesunden Liquorraum
weiche Hirnhaut
Menschen ist eine eiweiß- (Pia mater encephali)
arme wasserklare Flüssig-
Großhirnrinde Spinn-
keit, deren Zusammenset- (Cortex cerebri) webenhaut
zung aufgrund ständiger (Arachnoidea
Austauschprozesse geringfü- encephali)
gig schwankt. Bei Menin-
gitis kann der Liquor trüb
(Leukozyten), bei Blutungen Schutzeinrichtungen von Gehirn und Rückenmark. Abb. 17.14
rötlich oder gelblich sein.
Messgrößen lumbal:
Eiweiß = 190 – 420 mg/l, ❑
P Bei Erkrankungen des ZNS (z. B. Meningi-
Glucose = 2,7 – 4,2 mmol/l, tis) kann sich die Zusammensetzung des
Leukozyten = < 4 106/l. Liquors verändern. Dann wird Liquor zu dia-
gnostischen Zwecken durch Lumbal- oder
Aufgaben: Subokzipitalpunktion zwischen Hinterhaupt-
– Mechanische (Schutz-)Funktion; Gehirn und bein und Atlas aus der Cisterna cerebellome-
Rückenmark werden „schwebend“ gehalten. dullaris entnommen. Beide Punktionsarten
– Temperaturausgleich. ermöglichen auch die Verabreichung von
– Versorgung des Nervengewebes. Medikamenten direkt in den Liquor.
17.7 Blutversorgung des Gehirns das Blut in die oberflächlichen Hirnvenen und
sammelt sich im Sinus der Dura mater. Von die-
Der Blutzufluss erfolgt über 4 große Arterien: sem fließt es in die innere Drosselvene (V. jugu-
– rechte innere Kopfarterie (A. carotis interna laris interna).
dextra),
– linke innere Kopfarte-
rie (A. carotis interna
sinistra),
– rechte Wirbelarterie
(A. vertebralis dextra), vorderer
– linke Wirbelarterie (A. Verbindungsast
(A. communicans
vertebralis sinistra). anterior)
Beide Wirbelarterien ver-
einigen sich am oberen innere
Kopfarterie
Rand der Medulla oblon- (A. carotis
gata zur Schädelbasis- interna)
arterie (A. basilaris).
hinterer
Arterienring Verbindungsast
(A. communicans
(Circulus arteriosus cere- posterior)
bri)
Die A. basilaris und die Schädelbasis-
arterie
beiden inneren Kopfarte- (A. basilaris)
rien sind durch verschie-
dene Arterienäste zu ei- Wirbelarterie
(A. vertebralis)
nem Arterienring zusam-
mengeschlossen. Von die-
sem Ring aus werden die
einzelnen Hirnteile von Arterielle Blutversorgung des Gehirns. Abb. 17.15
der Oberfläche her ver-
sorgt.
❑
P Ein Platzen der Arte-
rien führt zu Hirnblu- Sinus sagittalis
superior
tungen, die z. B. im
Bereich der inneren Sinus sagittalis
Kapsel Nervenbahnen inferior
schädigen können, so- Sinus rectus
dass eine Halbseiten- innere Kopfarterie
lähmung entsteht. Ver- (A. carotis interna)
engungen oder Ver-
Sinus cavernosus
schluss dieser Arterien
führen zu Durchblu- Sinus petrosus
tungsstörungen unter- superior
schiedlichen Grades Sinus sigmoideus
bis zum Schlaganfall Gesichtsvene
(Apoplexie). (V. facialis)
innere Drosselvene
Der Blutabfluss aus dem (V. jugularis interna)
Schädelinneren geschieht
folgendermaßen: Von den Venöser Hirnblutleiter (Sinus durae matris). Abb. 17.16
tiefen Hirnvenen gelangt
17.8 Leitungsbahnen des ZNS 349
17.8 Leitungsbahnen des ZNS Die peripheren Fortsätze dieser Zellen sind
mit den Rezeptoren (Schmerz, Druck, Tempe-
Die Bereiche des ZNS werden miteinander ratur, Tiefensensibilität) verbunden. Die zen-
durch afferente (sensible) und efferente (motori- tralen Fortsätze ziehen bei den Rückenmarks-
sche) Leitungsbahnen verbunden. nerven als sensible Hinterwurzel in das
Rückenmark und enden entweder im Hinter-
horn oder in der Medulla oblongata. Bei den
17.8.l Sensible aufsteigende Leitungsbahnen Hirnnerven enden sie in den sensiblen Hirn-
nervenkernen.
In den sensiblen Leitungsbahnen werden die – Zweites sensibles Neuron
Informationen von den Sinneszellen (z. B. Es beginnt im verlängerten Mark. Die Neuri-
Wärme, Druck) und Nervenendungen (z. B. ten dieser Neurone kreuzen entweder im
Schmerz) des Körpers den entsprechenden Teilen Rückenmark oder der Medulla oblongata auf
des ZNS zugeleitet. An der Leitung zur End- die Gegenseite und ziehen zum Thalamus.
hirnrinde sind 3 sensible Neurone beteiligt: – Drittes sensibles Neuron
– Erstes sensibles Neuron (= peripheres sensi- Es geht vom Thalamus aus. Die Neuriten dieser
bles Neuron) Neurone verlaufen durch die innere Kapsel
Diese Neurone sind pseudounipolare Nerven- und enden in der hinteren Zentralwindung
zellen. Die Nervenzellkörper liegen bei den (Körperfühlsphäre). Hier entstehen die Empfin-
Rückenmarksnerven in den Spinalganglien dungen und Wahrnehmungen. Die Neuriten der
und bei den Hirnnerven in den Hirnnerven- 2. sensiblen Neurone, die für die Tiefensensi-
ganglien. bilität zuständig sind, führen zum Kleinhirn.
17.8.2 Motorische
hintere Zentralwindung
(Gyrus postcentralis) aufsteigende
= Körperfühlsphäre Leitungsbahnen
3. sensibles Neuron
Zu den motorischen (abstei-
innere Kapsel der
Großhirnhälften genden, efferenten) Bahnen
(Capsula interna) gehören die Pyramidenbah-
Endhirnrinde nen und verschiedene extra-
(Cortex cerebri) pyramidale Bahnen. Sie sind
Thalamus für das Zustandekommen der
2. sensibles Neuron willkürlichen und unwillkür-
Brückenkern lichen Bewegungen zustän-
Hirnnervenganglion dig.
1. sensibles Neuron
– sensibler Endkern 1. Pyramidenbahn (Tractus
Hirnnerv pyramidalis)
Medulla oblongata Die Pyramidenbahn dient der
Kleinhirn Willkürmotorik. Sie verbindet
(Cerebellum)
zu diesem Zweck die Endhirn-
peripherer rinde mit den
Fortsatz
– motorischen Hirnnerven-
kernen und
– motorischen Vorderhörnern
des Rückenmarks. Im Unter-
Hinterstrang-
bahnen schied zur afferenten Lei-
tung wird die efferente nur
aus 2 Neuronen gebildet.
Kleinhirn-
Seitenstrang- • Erstes motorisches
bahn (= zentrales) Neuron
Die relativ großen Nerven-
1. sensibles
Neuron zellkörper liegen in der
vorderen Zentralwindung
Skelettmuskel (Gyrus praecentralis) des
mit Stirnlappens. Ihre Axone
Muskelspindel ziehen zum Rückenmark
bzw. zu den motorischen
Hautsinnes- Hirnnervenkernen.
zellen
• Zweites motorisches
(= peripheres) Neuron
Die Nervenzellkörper lie-
peripherer gen in den Vorderhörnern
Fortsatz
des Rückenmarks und im
Spinalganglion Hirnstamm. Ihre Axone
erreichen in den motori-
Abb. 17.17 Sensible Leitungsbahnen. schen Vorderwurzeln und
weiterführenden periphe-
ren Nerven oder in den
Hirnnerven die quer ge-
❑
P Krankheitsbedingte Schäden der Hinter- streifte Muskulatur.
strangbahnen führen zu schweren Sensibilitäts-
und Bewegungsstörungen. Demnach werden 2 Leitungssysteme der Pyrami-
denbahnen unterschieden:
17.8 Leitungsbahnen des ZNS 351
innere Kapsel
➞
Hirnschenkel
➞
Brücke
➞
Medulla 2. motorisches
verlängertes Mark. oblongata oder peripheres
Pyramidenbahn- Neuron
Im Hirnstamm kreuzt ein Teil kreuzung motorische
(Decussatio pyramidum) Hirnnervenkerne
der Axone auf die Gegenseite
Pyramidenbahnen Hirnkern/
und zieht als Tractus corti-
conuclearis zu den motori- Hirnrindenbahn
(Tractus corticonuclearis)
schen Kerngebieten der Hirn-
nerven. Hier werden sie auf Pyramiden-Seiten-
motorische strangbahn
die 2. motorischen Neurone Vorderhörner (Tractus cortico-
umgeschaltet, deren Axone zu spinalis lateralis)
den quer gestreiften Kopf-
2. oder
muskeln ziehen. 80 – 90 % peripheres
der übrigen Fasern kreuzen in motorisches
den Pyramiden der Medulla Neuron
oblongata (Pyramidenbahn-
kreuzung, Decussatio pyrami- Skelett-
muskulatur
dum) auf die Gegenseite und
ziehen als Pyramiden-Seiten-
strangbahn (Tractus cortico-
spinalis lateralis) zu den
motorischen Vorderhörnern
des Rückenmarks. Die restli-
chen 10 – 20 % der Axone
ziehen ungekreuzt als Pyra- Motorische Leitungsbahnen. Abb. 17.18
m i d e n - Vo rd e r s t ra n b a h n
(Tractus corticospinalis ante-
rior) zu ihren Zielsegmenten und kreuzen erst schen Zentren ab, was für die Koordination der
hier auf die Gegenseite. Bewegungsabläufe sehr wichtig ist. Die Pyrami-
Die Axone der Pyramidenbahn geben auf ihrem denbahn übt einen dämpfenden Einfluss auf den
Weg in das Rückenmark über Abzweigungen Ablauf der spinalen Eigenreflexe, die den Mus-
ständig Informationen an die anderen motori- keltonus regulieren, aus.
352 17 Nervensystem
Tab. 17.5 Afferente Leitung. verlängertes Hirnnerv VIII, Hör- und Gleich-
Mark gewichtsnerv (N. vestibulo-
sensibles Ganglion cochlearis)
(Spinal- und Hirnnerv IX, Zungen-Rachen-
Hirnnervenganglien)
Nerv (N. glossopharyngeus)
Haut-
rezeptoren Rückenmark
• Hirnnerv X, Herz-Lungen-
Magen-Nerv (N. vagus)
peripherer zentraler
Hirnnerv XI, Bei-Nerv (N.
Fortsatz Fortsatz accessorius)
des pseudo-unipolaren Hirnnerv XII, Unterzungen-
afferenten Neurons nerv (N. hypoglossus)
Eingeweide-
rezeptoren • Rückenmark Merke
Es gibt sensible, motorische und gemischte
vegetatives Ganglion Hirnnerven.
Siebbeinplatte
Riechnerven
Riechfeld
(Area olfactoria)
III. Hirnnerv:
Augenbewegungsnerv
(N. oculomotorius)
VI. Hirnnerv:
Augen-
abziehnerv
(N. abducens)
IV. Hirnnerv:
Augenrollnerv
(N. trochlearis)
Schläfenmuskel
(M. temporalis) V1
Kaumuskel
(M. masseter)
V2
oberer
➞ Facialiskern
unterer ➞ Speichelkern
Facialiskern
mimische N. facialis
Muskulatur
➞
Felsen-
bein
X. Hirnnerv:
Nervengeflecht Herz-Lungen-
(Plexus parotideus) Magennerv
(N. vagus)
IX. Hirnnerv:
Zungen-
Rachennerv
(N. glossopharyngeus)
Ohrspeicheldrüse
V. Hirnnerv (N. trigeminus = Drillingsnerv) – nur von der vorderen Zentralwindung der
überwiegend sensibel Gegenseite versorgt.
Zunächst bilden die sensiblen Fasern im Bereich
der Pyramidenspitze das mächtige Ganglion tri- ❑
P Ausfall des rechten zentralen motorischen
geminale (Gasser-Ganglion). Aus diesem Gan- Neurons, z. B. infolge eines Schlaganfalls, be-
glion treten die 3 Hauptäste des Trigeminus. deutet Lähmung der mimischen Muskulatur
1. N. ophthalmicus (V1). Er versorgt sensibel: der linken unteren Gesichtshälfte.
• Dura mater der vorderen Schädelgrube, Ausfall des rechten peripheren motorischen
• Stirnhaut, • Nasenrücken, Neurons, z. B. infolge eines Schädelbasisbru-
• Auge, • Nasenhöhle, ches oder einer Mittelohrentzündung, bewirkt
• Stirnhöhlen, • Keilbeinhöhlen, totale Lähmung der rechten Gesichtshälfte
• Siebbeinzellen. (u. U. fließt aus dem herabhängenden Mund-
2. N. maxillaris (V2). Er versorgt sensibel: winkel der Speichel und das Auge kann nicht
• Haut des unteren Augenlides, mehr geschlossen werden.
• Wangen,
• Oberlippe, • Nasenhöhle, VIII. Hirnnerv (N. vestibulocochlearis = Hör-
• Gaumen und Zähne des Oberkiefers. und Gleichgewichtsnerv) – sensibel
3. N. mandibularis (V3). Er versorgt sensibel: Dieser Nerv tritt ebenfalls durch den inneren
• Haut, • Kinn, Gehörgang in das Felsenbein. Ein Teil leitet die
• Unterlippe, • vordere Zungenabschnitte, Erregungen vom Gleichgewichtsorgan und ein
• Zähne des Unterkiefers, zweiter die vom Gehörorgan.
• untere Wangenbereiche bis Gehörgang und
Trommelfell IX. Hirnnerv (N. glossopharyngeus = Zungen-
• sowie motorisch: die Kaumuskulatur. Rachen-Nerv) – sensibel, motorisch, parasym-
pathisch
VII. Hirnnerv (N. facialis = Gesichtsnerv) – Dieser Nerv innerviert
überwiegend motorisch – motorisch die Rachenmuskeln,
Zusammen mit dem Hör- und Gleichgewichts- – sensibel die hintere Rachenwand und das hin-
nerv zieht der Gesichtsnerv durch den inneren tere Drittel der Zunge,
Gehörgang in das Felsenbein und verlässt durch – parasympathisch die Ohrspeicheldrüse (Spei-
eine Öffnung (Foramen stylomastoideum) die chelsekretion).
Schädelhöhle und gelangt so an die äußere Schä-
delbasis. Von hier zieht er durch die Ohrspei- X. Hirnnerv (N. vagus = Herz-Lungen-Magen-
cheldrüse in den Gesichtsschädelbereich. Nerv) – überwiegend parasympathisch
Der N. facialis enthält Der N. vagus ist der wichtigste Nerv des Para-
– motorische Fasern zur Innervation der mimi- sympathicus.
schen Muskulatur, Er tritt mit 10 – 15 Faserbündeln aus der Medulla
– sensorische Nervenfasern (Geschmacksfasern) oblongata und verlässt die Schädelhöhle durch
aus den vorderen zwei Dritteln der Zunge und das Drosselloch (Foramen jugulare).
– parasympathische Fasern zu den Unterkiefer-
und Unterzungendrüsen, Tränendrüsen, Becher- Verlauf
zellen der Mund- und Nasenschleimhaut. Der IX. und X. Hirnnerven sind zunächst Be-
standteil der Gefäß-Nerven-Stränge des Halses,
Der motorische Ursprungskern des Facialis in gelangen durch die obere Thoraxöffnung in das
der Brücke besteht aus 2 Anteilen, hintere Mediastinum und von dort mit der
– dem oberen Facialiskern (Augenfacialis): Er Speiseröhre durch den Hiatus oesophageus in
versorgt die obere Gesichtshälfte und wird den Bauchraum.
von den motorischen Rindenzentren sowohl
der rechten als auch der linken Zentral- Entsprechend dieses Verlaufes werden 4 Teile
windung innerviert; unterschieden:
– dem unteren Facialiskern (Mundfacialis). Er • Kopfteil: Er innerviert sensibel die Dura mater
innerviert die untere Gesichtshälfte und wird der hinteren Schädelgrube.
17.9 Peripheres Nervensystem 357
❑
P Eine Reizung des X. Hirnnervs durch Me- XII. Hirnnerv (N. hypoglossus = Unterzungen-
ningitis hat reflektorisches Erbrechen zur Folge. nerv) – motorisch
Innervationsgebiet: Zungenmuskulatur.
• Halsteil: Er innerviert motorisch den Kehl-
kopf, parasympathisch das Herz.
❑
P Einseitige Lähmung des Hypoglossus führt
XI. Hirnnerv (N. accessorius = Bei-Nerv) – Während der Embryonalentwicklung bleibt das
motorisch Wachstum des Rückenmarkes gegenüber dem
Innervationsgebiete: Kopfwendermuskel, Tra- der Wirbelsäule zurück. Das hat zur Folge, dass
pezmuskel. sich die Austrittsstellen (Zwischenwirbellöcher)
Armgeflecht
(Plexus brachialis)
Axillararterie
(A. axillaris)
Axillarnerv
(N. axillaris)
Ellennerv
(N. ulnaris)
Muskelhautnerv
(N. musculocutaneus)
Mittelnerv
(N. medianus)
Speichennerv
(N. radialis)
Ellennerv
(N. ulnaris)
Mittelnerv
(N. medianus)
Mittelnerv
(N. medianus)
L1
Lendengeflecht
(Plexus lumbalis) L2
L3
N. ileohypogastricus
N. ileoinguinalis L4
N. genitofemoralis
N. cutaneus femoris L5
lateralis
N. femoralis
Kreuzbeingeflecht
(Plexus sacralis)
Ischiasnerv
(N. ischiadicus)
Lendengeflecht
(Plexus lumbalis)
Gluteus-Nerven
(Nn. glutaei)
Oberschenkelnerv
(N. femoralis) Kreuzbeingeflecht
(Plexus sacralis)
Obturator-Nerv Obturator-Nerv
(N. obturatorius) (N. obturatorius)
Ischiasnerv
(N. ischiadicus)
Wadenbeinnerv
(N. peroneus communis)
Schienbeinnerv
(N. tibialis)
tiefer Wadenbeinnerv
(N. peroneus profundus)
oberflächlicher
Wadenbeinnerv
(N. peroneus superfacialis)
Fußnerven
(Nn. plantares)
Merke ❑
P Folgen von Nervenausfällen
Efferenz
Afferenz
Diese Veränderungen werden als Reize bezeich- Reflexzentrum
(Rückenmark,
net. Der Organismus reagiert auf einen Reiz Stammhirn)
bzw. beantwortet einen Reiz. Reizbeantwortung (Umschaltung)
bedeutet, dass eine Information, z. B. in Form
einer Bewegung, abgegeben wird. Beim Men- Rezeptor Effektor
schen gehören hierzu auch die Sprachbe-
wegungen. (Reizaufnahme) (Reaktion)
Reflexe stellen die einfachste Form der Reiz- Monosynaptische Eigen- oder Dehnungsreflexe
beantwortung dar. Es handelt sich hierbei um Beispiel: Kniesehnenreflex
eine unwillkürliche stereotypisierte Reaktion auf Ein leichter Schlag auf das rechte Kniesehnen-
einen Reiz, die unter gleichen Bedingungen band (Lig. patellae) führt zu einer passiven Deh-
immer in der gleichen starren und schnellen Art
und Weise abläuft. Die Reflexzentren hemmendes
(Umschaltstellen) liegen im Rückenmark und Zwischenneuron
Hirnstamm. Hinterhorn sensorische Bahn
Vorderhorn motorische Bahn
Beispiele
– Zurückziehen der Hand beim Anfassen eines
heißen Gegenstandes;
– Saugen und Schlucken,
– Reaktionen zur Bewahrung der Körperhaltung,
– Aufrechterhaltung von Atmung und Kreislauf.
Muskel
sehen
und ... Speichelreflexzentrum erregt
schmecken
= Speicheldrüsen werden
angeregt
Bahnung
(durch wiederholte gleichzeitige Erregung
von Seh- und Speichelreflexzentrum)
= Speicheldrüsen werden
angeregt
Hypothalamus
Merke zentrales efferentes Neuron
Das VNS ist mit dem somatischen Nerven- Hirnstamm
vegetatives Ganglion
zentraler Teil peripherer Teil
= zentrale afferente = periphere afferente 2. peripheres efferentes Neuron oder
und efferente und efferente postganglionäres Neuron
vegetative Neurone vegetative Neurone (meist markscheidenlos)
parasympathische
N. oculomotorius Kopfganglien
Ganglion
cervicale
Auge •N. facialis
•
superius
Speichel- und
•• •
•
•
Grenzstrang
Ganglion
Tränendrüsen
• •
N. glossopharyngeus
stellatum
Kopfgefäße
Th1
Th2
• •
N. vagus
Th3
• Herz
Th4
• Nn. splanchnici
major und minor
organnahe
parasympathische
•
Ganglien
Th5
Th6
• Ganglion
coeliacum Lunge •
Th7
•
Th8
• Magen •
Th9
•
Th10
• Ganglion
•
Th11
• mesenteri-
cum Leber
Th12
• superius
L1
• •
•
Pankreas
L2
L3
• •
L4
• Niere
L5
••
S2
S3
•• Darm •
••
S4
S5 •• Urogenital-Trakt
(Rektum, Blase,
Genitale)
•
Ganglion Plexus N. splanchnici
mesentericum inferius hypogastricus pelvini
➞
– Schweißdrüsen
weiße Verbindungsäste Nn. spinales
➞
➞
Grenzstrangganglien periphere Nerven
(synaptische Umschaltung)
➞
Erfolgsorgane
➞ Hautgefäße – Vasokonstriktion
➞ Schweißdrüsen – Sekretion
➞
Drüsen und glatte Th1 Axonen der postganglionären
Muskulatur des Neurone winden sich um die
➞
➞➞
➞ Herzfrequenz
Ganglion stellatum ➞ Atemfrequenz
(synaptische Umschaltung)
organen ziehen
Nn. splanchnici major und minor
➞
➞ Motilität
➞
➞ Kontraktion der
prävertebrale Ganglien Schließmuskeln
(Ganglion coeliacum, Ganglion
mesentericum superius)
(synaptische Umschaltung)
1. efferentes
sympathisches Neurone Spinalganglion prävertebrales Ganglion
Rückenmarknerv weißer Verbindungsast
Hinterwurzel
zum Grenzstrang
grauer Verbindungsast
zum Grenzstrang
sensible Afferenz
Vorderwurzel ➋
Vorderhorn
Seitenhorn sympathische ➋ sympathische ➊
Efferenz ➊ Efferenz Haut
Hinterhorn
Baucheingeweide
Hautblutgefäße
Schweißdrüsen
Beispiele: viscerale Afferenz
zwischen Baucheingeweiden und
➊ Hautblutgefäßen bzw. Schweißdrüsen 2. efferentes Grenzstrangganglion
sympathisches
zwischen Haut Neurone
➋ und den Baucheingeweiden
Merke Transmitter
Die chemischen Überträgerstoffe im sympathi-
Die paarigen sympathischen Grenzstranggang- schen Nervensystem sind:
lien sind beiderseits der Wirbelsäule von der • Acetylcholin vom prä- auf das postganglio-
Hirnbasis bis zum Kreuzbein in einer Doppel- näre Neuron in den Grenzstrang- und prä-
reihe angeordnet und werden als Grenzstrang des vertebralen Ganglien.
Sympathicus bezeichnet. Sie sind untereinan- • Noradrenalin vom postganglionären Neuron
der verbunden. In den Grenzstrangganglien oder auf das Erfolgsorgan.
praevertebralen Ganglien wird von den prä-
auf die postganglionären Neurone synaptisch Da die sympathischen Ganglien organfern lie-
umgeschaltet. Die Neuriten der postganglio- gen, sind die präganglionären Axone kurz und
nären Neurone ziehen zu den Erfolgsorganen. die postganglionären lang.
❑
P
Arzneimittel, die die gleiche Wirkung wie
Merke
Adrenalin und Noradrenalin haben, heißen Nach der Lage der zentralen Teile unterschei-
Sympathomimetika. Arzneimittel, die die det man einen cranialen (Pars encephalica)
Wirkung dieser Hormone blockieren oder und sacralen (Pars sacralis) Parasympathicus.
abschwächen, nennt man Sympatholytika.
Die synaptische Umschaltung von den prä- auf
Noradrenalin und Adrenalin erzeugen an den die postganglionären Neurone erfolgt in peri-
sympathisch innervierten Erfolgsorganen ver- pheren parasympathischen Ganglien, die entwe-
schiedene physiologische Wirkungen. Das ist der in unmittelbarer Organnähe oder im Organ
möglich, weil diese Organe 2 Arten von Rezep- (= intramurale Ganglien) liegen.
toren besitzen, die - und -Rezeptoren. Erstere Die präganglionären Axone ziehen in speziellen
sprechen besser auf Noradrenalin, letztere besser Nerven zu den postganglionären Neuronen, sind
auf Adrenalin an. also im Vergleich zum Sympathicus sehr lang.
Entsprechend kurz sind die postganglionären
Allgemein gilt: Axone.
-Rezeptoren vermitteln die erregende (Aus-
nahme: Magen-Darm-Trakt), -Rezeptoren die Parasympathische Innervation
hemmende (Ausnahme: Herzerregung) Wirkung Cranialer Parasympathicus
des Sympathicus. Von den präganglionären Perikaryen des Hirn-
stammes ziehen die Axone in den Hirnnerven III
2. Parasympathicus (N. oculomotorius), VII (N. facialis), IX (N. glos-
Die Perikaryen der praeganglionären (1. efferen- sopharyngeus) und X (N. vagus) zu den post-
ten) parasympathischen Neurone liegen: ganglionären Neuronen der vegetativen para-
– im Hirnstamm (Pars encephalica), v. a. im sympathischen Kopf- bzw. Brust- und Bauch-
Mittelhirn und verlängerten Mark, und ganglien. In den Kopfganglien werden die prä-
– im Kreuzmark (Pars sacralis) in den Seiten- ganglionären Neurone, deren Axone in den
säulen der Rückenmarksegmente S2 – S4. Hirnnerven III, VII und IX verlaufen, auf die
postganglionären Neurone umgeschaltet. Die
drüsen – Sekretion
Cannon-Böhm-Punkt2) – Motilität
1) Kopfganglien 2) Grenze zwischen mittlerem und linkem Drittel des Colon trans-
versum
370 17 Nervensystem
Wegen der unterschiedlichen Transmitter zwi- oft aufgrund vieler täglicher Belastungen
schen postganglionären Neuronen und Effektor (Verkehr, Schule, Arbeit u. a.) in Gang gesetzt,
wird der Sympathicus als adrenerges und der ohne dass danach die körperliche Handlung
Parasympathicus als cholinerges System be- (Abwehr, Flucht) erfolgt.
zeichnet. Folgen können z. B. sein: Herz-Kreislauf-
Erkrankungen, Magengeschwüre, Drüsenfunk-
tionsstörungen.
17.12 Zusammenwirken der
Koordinationssysteme Verarbeitung
VNS, animales Nervensystem
Umwelt
und Hormonsystem
Die verschiedenen Verhaltensformen, wie z. B.
Nahrungs-, Abwehr- oder Fortpflanzungsver- Sinnesorgan
halten, sind das Ergebnis des engen Zusammen- Information
wirkens von animalem und vegetativem Nerven-
system sowie dem Hormonsystem. Der Hypo-
thalamus als oberstes Steuerzentrum aller vege-
tativen und der meisten endokrinen Prozesse
erhält vom Endhirn Informationen aus der
Umwelt. Daraufhin steuert er die ihm unterge-
ordneten hormonellen, vegetativen und animalen
Prozesse so, dass z. B. Ernährung und Verdau-
ung gefördert werden, ein Abwehrverhalten vegetatives NS Hormonsystem
(Alarmstellung) praktiziert wird oder ein Ver-
halten entsteht, das der Fortpflanzung dient. Bei
den 3 genannten Verhaltensformen werden die
Körperfunktionen wie folgt beeinflusst (verein- Herzfrequenz, Atemfrequenz
➞
14 – 30 Hz 8 – 13 Hz 14 – 30 Hz
EEG-Ableitpunkte
Wachsein Ruhe Wachsein
➞
➞
B Einschlafen Theta () 5,0 – 7,0
➞
➞
Mit dem EEG lassen sich 2 Schlafphasen fest-
stellen: C Leichtschlaf Delta () 4,0
– der REM (Rapid Eye Movements = schnelle
➞
➞
Augenbewegungen) oder der paradoxe Schlaf
D mitteltiefer Delta () 3,0 – 3,5
und Schlaf
➞
Merke
10 min 20 min 30 min 40 min EEG
Der erste Tiefschlaf (D, E) einer
Schlafperiode wird etwa 30 bis
wach
90 Minuten nach dem Einschlafen
A
paradoxer
Merke
Zu einem erholsamen Schlaf gehören sowohl
Non-REM- als auch REM-Schlaf-Phasen.