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Kognitive Dissonanz bezeichnet in der Sozialpsychologie einen als unangenehm empfundenen Gefühlszustand. Er entsteht dadurch, dass ein Mensch
unvereinbare Kognitionen hat (Wahrnehmungen, Gedanken, Meinungen, Einstellungen, Wünsche oder Absichten). Kognitionen sind mentale Ereignisse, die mit
einer Bewertung verbunden sind. Zwischen diesen Kognitionen können Konflikte („Dissonanzen“) entstehen.
Leon Festinger subsumiert einzelne Wahrnehmungen, Informationen, Bedürfnisse, Vermutungen, Meinungen usw. unter der Kategorie kognitive Elemente
(Festinger 1978).[1] Diese sind die Grundbausteine, aus denen sich die menschlichen Gedächtnisinhalte zusammensetzen. Wenn zwei kognitive Elemente zueinander
im Widerspruch stehen, sodass das eine in gewisser Hinsicht das Gegenteil des anderen ausdrückt, entsteht Dissonanz. Ein konsonanter Zustand besteht hingegen,
wenn keine Gegensätze vorliegen. Dissonante Zustände werden als unangenehm empfunden und erzeugen innere Spannungen, die nach Überwindung drängen. Der
Mensch befindet sich im Ungleichgewicht und ist bestrebt, wieder einen konsistenten Zustand – ein Gleichgewicht – zu erreichen.
Inhaltsverzeichnis
Definition/Hintergrund
Ablauf
Dissonanzentstehung
Dissonanzauflösung bzw. -reduktion
Dissonanzvorbeugung
Geschichte
Festingers Theorie
Forced-compliance-Paradigma
Alternative Theorien
Anwendungsgebiete
Marketing
Ursachen und Auswirkungen
Verkaufstechniken
Pädagogik
Unzureichende Belohnung Der Fuchs und die Trauben: Der
Unzureichende Bestrafung Fuchs verspürt den Wunsch nach
süßen Trauben. Zugleich bemerkt er
Beispiele ihre Unerreichbarkeit. Die
Konsequenzen von Taten Dissonanz löst er mit der
Benjamin-Franklin-Effekt Überzeugung, die Trauben seien
ohnehin sauer.
Opfer-Abwertung
Fleisch-Paradoxon
Weitere Beispiele
Siehe auch
Literatur
Weblinks
Einzelnachweise und Anmerkungen
Definition/Hintergrund
Kognitive Dissonanz tritt unter anderem auf,
wenn man eine Entscheidung getroffen hat, obwohl die Alternativen ebenfalls attraktiv waren;
wenn man eine Entscheidung getroffen hat, die sich anschließend als Fehlentscheidung erweist;
wenn man gewahr wird, dass eine begonnene Sache anstrengender oder unangenehmer wird als erwartet;
wenn man große Anstrengungen auf sich genommen hat, nur um dann festzustellen, dass das Ergebnis
den Erwartungen nicht gerecht wird;
wenn man sich konträr zu seinen Überzeugungen verhält, ohne dass es dafür eine externe Rechtfertigung Vereinfachtes Modell der kognitiven Dissonanz
(Nutzen/Belohnung oder Kosten/Bestrafung) gibt.
Ist die Dissonanz stark genug, kann ihre Bekämpfung eine dauerhafte Änderung von Einstellungen[2] und Verhalten (Handeln) herbeiführen. Starke Dissonanz
entsteht insbesondere bei einer Gefährdung des stabilen, positiven Selbstkonzepts, wenn also jemand Informationen bekommt, die ihn als dumm, unmoralisch oder
irrational dastehen lassen. In der Alltagssprache werden solche Momente als peinliche Momente bezeichnet. [3] Kognitive Dissonanz motiviert Personen, die
entsprechenden Kognitionen miteinander vereinbar zu machen, wobei unterschiedliche Strategien benutzt werden, wie beispielsweise Verhaltensänderungen oder
Einstellungsänderungen. Falls nötig, werden die eigenen Überzeugungen und Werte geändert, was über temporäre Rationalisierungen weit hinausgeht. Der Begriff
wurde 1957 von Leon Festinger geprägt, der sowohl die Entstehung als auch die Auflösung von kognitiver Dissonanz theoretisch formulierte. Seither wurde die
zugrundeliegende Theorie in mehreren hundert Experimenten bestätigt. [4] Sein Schüler Elliot Aronson hat die Theorie substanziell weiterentwickelt und empirisch
untermauert.
Ablauf
Dissonanzentstehung
Kognitive Dissonanz erzeugt eine Motivation in den betreffenden Menschen, die entstandene Dissonanz zu reduzieren. Nach Leon Festinger gibt es drei
verschiedene Arten die kognitive Dissonanz aufzulösen:[6]
Da Dissonanz als unangenehm empfunden wird, versuchen Personen die Kognitionen in Einklang zu bringen (sie in eine „konsonante“ Beziehung zu bringen), um
den negativen Gefühlszustand zu beenden. Die Dissonanzauflösung (auch Dissonanzreduktion genannt) kann an jedem der vier Entstehungsschritte ansetzen:
1. Das zugrundeliegende Problem wird gelöst. Häufig ist es dabei notwendig, den Blickwinkel zu ändern, um neue Lösungswege zu erkennen. Mit der Lösung
verschwindet auch die Dissonanz.
2. Die Wünsche, Absichten oder Einstellungen werden aufgegeben (Der Fuchs und die Trauben) oder auf ein erreichbares und somit konfliktärmeres Maß
gebracht.
3. Die physiologische Erregung wird gedämpft, z. B. durch Sport, durch ausgleichende Aktivitäten, durch Ruhe, Vermeidung von vermeidbarem Stress, durch
Meditation, aber auch durch den Konsum von Alkohol[7], Beruhigungsmitteln, Tabak oder anderen Drogen.
1. Die Erregung wird auf andere Ursachen zurückgeführt („Die Scheinheiligkeit der Leute nervt mich“).[8]
2. Der Widerspruch zwischen Verhalten und Einstellung wird heruntergespielt („So schlimm ist mein Verhalten nun auch wieder nicht.“)
3. Das Verhalten wird als erzwungen dargestellt („Ich musste so handeln.“)
4. Nichtwahrnehmen, Leugnen oder Abwerten von Informationen
5. Selektive Beschaffung und Interpretation von dissonanzreduzierenden Informationen
Entweder wird das Verhalten geändert, sodass es zur Überzeugung passt, oder die Überzeugung wird geändert, sodass sie zum Verhalten passt, oder weitere
Überlegungen werden als Rechtfertigung hinzugezogen (zum Beispiel „Diese Prüfung war so wichtig, dass Schummeln ausnahmsweise in Ordnung war“). [9] In der
Regel ist eine der Kognitionen veränderungsresistenter als andere, weshalb meistens diejenige Kognition geändert wird, die am leichtesten zu ändern ist. Wenn die
Handlung bereits geschehen ist, kann nur die Einstellung geändert werden.
Wenn beispielsweise Raucher mit Informationen über die schlimmen Folgen ihres Zigarettenkonsums konfrontiert werden, können sie Dissonanz vermeiden, indem
sie diesen Informationen deutlich weniger Aufmerksamkeit schenken als Nichtraucher. Eine andere Strategie zur Dissonanzreduktion ist die Herbeiziehung weiterer
Kognitionen, zum Beispiel der Verweis auf Raucher, die alt geworden sind. [10]
Bei der Dissonanzauflösung unterscheidet man zwischen direkten und indirekten Strategien. Direkte Strategien beziehen sich auf die Auflösung der für die
Dissonanz verantwortlichen Diskrepanz zwischen Verhalten und Einstellung, d. h. Personen ändern ihr Verhalten, um es mit ihren Einstellungen in Einklang zu
bringen, oder ändern ihre Einstellung bezüglich ihres Verhaltens. Indirekt lässt sich Dissonanz auch durch Betonung guter Eigenschaften oder Fähigkeiten in
anderen Bereichen kompensieren, zum Beispiel würde man, falls man sich inkompetent verhalten hat und dies Dissonanz erzeugt, nach anderen
Verhaltensbereichen suchen, in denen man kompetenter ist. Diese indirekte Strategie beschreibt die „Selbstbestätigungstheorie“ (engl. self-affirmation theory, C. M.
Steele, 1988).[11] Die Kriminologie bezeichnet Strategien, mit denen Täter ihre Verbrechen rechtfertigen, als Neutralisierung.
Dissonanzvorbeugung
Steht ein Ereignis bevor, das eventuell das stabile, positive Selbstbild bedroht, beispielsweise eine Prüfung, legen sich Menschen für diesen Fall oft Ausreden zurecht.
[12][13] Häufig sind dies körperliche Symptome, negative Erfahrungen oder ungünstige Stimmungen (Prüfungsangst, Schüchternheit, „nicht gut drauf“ sein) usw. [14]
Dies kann sogar so weit gehen, sein Verhalten so zu verändern, dass dieses dann als Ausrede herhalten kann, das sogenannte Self-handicapping, zum Beispiel vor
einer Prüfung nicht zu schlafen.[15][16] Problematisch daran ist, dass eine solche Voraus-Rechtfertigung als Selbsterfüllende Prophezeiung wirken kann, also den
peinlichen Moment vielleicht erst herbeiführt. Self-handicapping dient gleichzeitig dazu, sich gegenüber Mitmenschen zu rechtfertigen, siehe Impression-
Management.
Geschichte
In den 1950er Jahren gab Marian Keech (eigentlich Dorothy Martin) aus Salt Lake City an, Nachrichten von der Außerirdischen „Sananda vom Planeten Clarion“ zu
empfangen. Sie scharte in Wisconsin (USA) eine Sekte um sich, die ihren Vorhersagen glaubte, eine gewaltige Flut werde alle Menschen auf der Erde töten und nur
die Sektenanhänger würden von fliegenden Untertassen gerettet. Als die prophezeite Flut ausblieb, sah sich die Gruppe der Lächerlichkeit preisgegeben. Statt das
Versagen ihrer Führerin zu akzeptieren und sich von ihr abzuwenden, sahen sich die Anhänger in ihrem Glauben nur umso mehr bestärkt. Sie behaupteten, ihre
Gebete hätten Gott umgestimmt, und versuchten nun, andere Leute zu ihren Ansichten zu bekehren. Ein Großteil ihre Anhängerschaft blieben Keech bis zu ihrem
Tod 1982 treu.[17]
Leon Festinger, der gemeinsam mit Stanley Schachter und Henry W. Riecken zum Schein Sektenmitglied war, entwickelte auf Basis dieses Geschehens die Theorie
der kognitiven Dissonanz: Nach der persönlichen Überzeugung der Sektenanhänger hätte die Welt in der Flut versinken müssen. Da dies nicht eintrat, sei es zu einer
kognitiven Dissonanz zwischen der Erwartung und der Erfahrung der Wirklichkeit gekommen. Um diesen Konflikt aufzulösen, habe es nur zwei Möglichkeiten
gegeben: Die eigene Meinung ändern oder die Meinung aller anderen. Für die Anhänger der UFO-Sekte sei nur die zweite Möglichkeit in Betracht gekommen, ergo
hätten sie ab da versucht, alle anderen von ihrem Glauben zu überzeugen.[18]
Festinger veröffentlichte seine Theorie 1957 in seinem Buch A Theory of Cognitive Dissonance (deutscher Titel: „Theorie der kognitiven Dissonanz“, s. u. Literatur).
Festingers Theorie
Kognitive Elemente können in relevanter Beziehung zueinander stehen oder irrelevant füreinander sein. Für das Entstehen von Dissonanz sind nur relevante
Relationen bedeutend.
Das Vorhandensein von Dissonanz wird als unangenehmer Spannungszustand erlebt und übt auf den Menschen Druck aus, diesen zu beseitigen oder zu
reduzieren. Die Stärke des Drucks zur Dissonanzreduktion ergibt sich aus der Stärke der Dissonanz.
Die Dissonanz zwischen zwei kognitiven Elementen kann nicht größer sein, als notwendig ist, um das weniger widerstandsfähige der beiden Elemente zu
ändern. Der Grund ist, dass sich zum Zeitpunkt größtmöglicher Dissonanz das weniger widerstandsfähige Element ändern würde – die Dissonanz wäre somit
beseitigt.
Das bedeutet, dass Menschen konsonante Kognitionen als angenehm empfinden und daher aktiv suchen. Daher versuchen Menschen u. a., dissonante
Informationen zu vermeiden (Seeking-and-Avoiding-Hypothese). Die Folge des geschilderten Verhaltens ist die selektive Wahrnehmung von Informationen, also
beispielsweise von dargebotenen Medieninhalten. Menschen neigen dazu, einmal getroffene Entscheidungen zunächst beizubehalten oder zu rechtfertigen (s.
Bestätigungsfehler). Deshalb werden alle neuen Informationen, die zu der getroffenen Entscheidung in Widerspruch stehen, tendenziell abgewertet, während alle
konsonanten Informationen tendenziell aufgewertet werden. Erst wenn die durch die Dissonanz erzeugte innere Spannung zu groß wird, also die individuelle
Toleranzschwelle überschreitet, ändert das Individuum die getroffene Entscheidung, um so Erfahrung und Entscheidung wieder zur Konsonanz zu bringen. Je
toleranter und veränderungsbereiter ein Mensch ist, desto geringer seien die durch neue Informationen erzeugten Spannungen (d. h. die empfundene Dissonanz).
Festinger nennt vier Anwendungsbereiche der Dissonanztheorie, auf welche sich ein Großteil der empirischen Forschung bezieht:
Forced-compliance-Paradigma
Forced compliance bzw. Induced compliance bezeichnet eine forcierte Zustimmung/herbeigeführte Einwilligung/Manipulation und basiert auf einer Untersuchung
von Leon Festinger und Merrill Carlsmith aus dem Jahr 1959.
Das Experiment beruht auf der Annahme, dass Personen Dissonanz empfinden, wenn sie ein Verhalten zeigen, das nicht mit ihrer Einstellung übereinstimmt. In
ihrem Experiment ließen Festinger und Carlsmith zwei Experimentalgruppen eine extrem langweilige Tätigkeit durchführen. Anschließend wurden die Probanden
beider Gruppen gebeten, ihre Tätigkeit nachfolgenden Versuchspersonen als äußerst interessant und spannend zu „verkaufen“. Die Probanden der ersten Gruppe
erhielten für die positive Darstellung des Experiments nur eine geringe Bezahlung (einen Dollar), die der zweiten Gruppe erhielten hingegen 20 Dollar. Außerdem
gab es jeweils eine Kontrollgruppe, die anschließend niemanden überreden musste und auch nicht belohnt wurde. Anschließend wurden die Probanden befragt, wie
attraktiv sie die ausgeführte Tätigkeit einschätzten.
Die erste Gruppe (ein Dollar) bewertete die Aufgabe als viel attraktiver als die zweite Gruppe und die Kontrollgruppe. Der Theorie der kognitiven Dissonanz zufolge
lässt sich das Verhalten folgendermaßen erklären: Die Versuchspersonen der ersten Gruppe mussten lügen, um die Tätigkeit als spannend darstellen zu können.
Dabei entstand eine kognitive Dissonanz. Um diese auszugleichen, bewerteten sie die Aufgabe im Nachhinein als attraktiver. Die Versuchspersonen aus der 20-
Dollar-Gruppe hatten eine externe Rechtfertigung für ihre Lüge (die 20 Dollar als Belohnung), sodass sie ihr Verhalten nicht im Widerspruch zu ihrer negativen
Einstellung zum Experiment erlebten, also keine Dissonanz verspürten.
Alternative Theorien
Die Dissonanztheorie gilt als populärste Theorie aus der Gruppe der Konsistenztheorien. Zu dieser gehören neben der Dissonanztheorie:
Trotz erheblicher Differenzierung und empirischer Variationsbreite beruhen alle Theorien auf den gleichen Grundannahmen.
Grundannahmen im Konsonanzmodell: Die durch Erfahrung entstandenen, komplexen Vorstellungen des Menschen (kognitive Landkarten) zu einzelnen Themen,
die sich hierarchisiert aus Werten, Einstellungen und Meinungen zusammensetzen, streben nach Konsonanz (d. h. Ausgleich, Harmonie und Übereinstimmung). Die
selektive Aufnahme von Informationen folgt in erster Linie der Verstärkung bestehender Einstellungen. Ausgewählt, verarbeitet und erinnert werden konsonante,
passende Informationen, die problemlos in bestehende Landkarten eingebaut werden können. Unpassende (inkongruente, dissonante) Informationen werden
gemieden, ignoriert, vergessen oder kongruent umgedeutet (Rechtfertigungen), um Widersprüche zu vermeiden. Falls Inkonsistenzen zwischen verschiedenen
Elementen kognitiv nicht zu überbrücken sind, bricht die Landkarte an der schwächsten Stelle (d. h. die Kognition, die sich am leichtesten verändern lässt, wird neu
in Richtung auf Kongruenz geordnet). Findet auf der emotionalen und persönlich-sozialen Ebene eine Veränderung oder Verunsicherung statt, werden neue
(passende, kongruente) Informationen gesucht. Widersprüche zwischen Kognition und Emotion können balanciert werden durch Verdrängung, Sublimierung und
Umdeutung.
Anwendungsgebiete
Marketing
Das Konzept der kognitiven Dissonanz spielt auch im Marketing und in der Verkaufspsychologie eine Rolle, besonders beim Vertrieb von Konsumgütern. Da
kognitive Dissonanzen von Menschen als unangenehm empfunden werden, versuchen sie die positiven Aspekte eines Produktes zu verstärken, während negative
Teile verdrängt werden. Dazu kommt, dass Konsumenten vor Kaufentscheidungen Informationen sehr selektiv wahrnehmen. Dadurch entstehen kognitive
Dissonanzen, die beim Konsumenten eine Diskrepanz zwischen dem erwarteten und tatsächlichen Nutzen des Produktes verursachen. In Konsumwahlexperimenten
wurde bestätigt, dass im Nachkaufverhalten eine kognitive Umbewertung des gekauften Produktes stattfindet, um die Dissonanz zu reduzieren. [19] Beispiel: „Mein
neues Auto hat noch mehr Vorzüge, als ich dachte.“[19]
Die Auflösung kognitiver Dissonanzen zur Erlangung eines mental angenehmen Zustandes ist ein wesentliches Element des psychologischen Egoismus.
Verkaufstechniken
Low-Ball-Taktik
Zuerst ein günstiges Angebot machen und dann Zusatzkosten berechnen. Der Käufer willigt im Normalfall ein, um nicht gegen seine eigene Kaufentscheidung
zu handeln.
Foot-in-the-door-Technik
Nach dem Kauf passende Zusatzartikel anbieten, die die meisten Kunden kaufen, um konsistentes Verhalten zu zeigen.
Pädagogik
Das Auflösen kognitiver Dissonanz durch Selbstüberredung kann dauerhafte Änderungen der Einstellungen und des Verhaltens bewirken. Selbstüberredung ist
dann erforderlich, wenn für das eigene Verhalten keine befriedigende externe Rechtfertigung wie Belohnung oder Strafe vorhanden ist. Je kleiner die Belohnung
oder Strafe, umso wirksamer ist sie. Große Belohnungen und Strafen führen lediglich zu kurzfristigen Verhaltensänderungen. [20]
Unzureichende Belohnung
Im Jahr 1962 gab es auch an der Yale University häufige, zum Teil brutale, Polizeieinsätze gegen Studenten, die gegen den Vietnamkrieg protestierten. Der
Sozialpsychologe Arthur R. Cohen bot Studenten verschieden große Geldbeträge an, wenn sie engagierte Stellungnahmen für die Polizeieinsätze verfassten.
Anschließend waren diejenigen Studenten mit der geringsten extrinsischen Belohnung am positivsten zu den Polizeieinsätzen eingestellt.[21]
Zu Aronsons erfolgreicher Methode, mit Hilfe von unzureichender Belohnung Vorurteile abzubauen, siehe Gruppenpuzzle.
Unzureichende Bestrafung
In einem Experiment mit Vorschulkindern wurden diese zunächst aufgefordert, Spielsachen zu nennen, mit denen sie am liebsten spielen würden. Dann verbot der
Versuchsleiter, mit einem der attraktivsten zu spielen und verließ den Raum. Er beobachtete, dass alle Kinder das Verbot beachteten. Anschließend wurden die
Spielsachen erneut bewertet. Für die Kinder, denen eine harte Strafe angedroht worden war, hatte das verbotene Spielzeug nach wie vor dieselbe Attraktivität; ihr
Verhalten war ausreichend extrinsisch motiviert. Diejenigen Kinder, denen nur eine milde Strafe angedroht worden war, erlebten kognitive Dissonanz und änderten
zu ihrer Reduktion ihre Überzeugung: bei der zweiten Befragung stuften sie das verbotene Spielzeug als weniger begehrenswert ein (Aronson und Carlsmith,
1963).[22] Auch mehrere Wochen nach diesem Experiment hielt die Wirkung der milden Strafandrohung an: Diese Kinder spielten nach wie vor viel weniger mit
dem einst so begehrten Spielzeug (Freedman, 1965).
Beispiele
Je nachdem, ob Mitmenschen freundlich oder unfreundlich behandelt werden, ändert sich die Einstellung zu ihnen. Wenn wir jemandem nicht helfen oder sogar
schaden, wird das Opfer von uns abgewertet (vgl. Opfer-Abwertung und Entmenschlichung). Eine freundliche Handlung macht unsere Einstellung freundlicher, was
weitere freundliche Handlungen wahrscheinlicher macht; für unfreundliche Handlungen gilt dasselbe: ein Rückkopplungsprozess wird in Gang gesetzt.[23]
Benjamin-Franklin-Effekt
Wenn wir jemanden erfolgreich bitten, uns einen Gefallen zu tun, werden wir ihm dadurch sympathischer. Diesen Effekt nannte bereits Benjamin Franklin eine „alte
Maxime“.[24] Wenn wir jemandem helfen, wird uns der Hilfeempfänger sympathischer. Franklins Vermutung wurde wissenschaftlich bestätigt (Jecker & Landy,
1969): Nachdem die Versuchspersonen in einem Scheinexperiment einen ansehnlichen Geldbetrag gewonnen hatten, wurde ein Drittel von ihnen um Rückgabe des
Geldes gebeten, wobei der Versuchsleiter sagte, sie täten ihm damit einen persönlichen Gefallen. Ein Drittel der Gruppe wurde von der Sekretärin gefragt, ob sie das
Geld dem Forschungsetat des Instituts spenden wollten. Das letzte Drittel, die Kontrollgruppe, wurde nicht um Rückgabe gebeten. Anschließend bewerteten alle
Versuchspersonen den Versuchsleiter, wobei er bei der ersten Gruppe signifikant besser abschnitt als bei den beiden anderen. [25]
Opfer-Abwertung
→ Hauptartikel: Victim blaming
Dass wehrlose Opfer von den Tätern stark abgewertet werden, ist ein universelles Phänomen, das mit Dissonanzreduktion erklärbar ist. Um nur wenige Beispiele zu
nennen: Opfer des Holocaust („Untermenschen“), zivile Kriegsopfer („Polacken, Froschfresser, Inselaffen“), Opfer häuslicher Gewalt („Schlampen, Blagen,
Schlappschwänze“), Opfer von Rassismus („Kanaken“)[26], Opfer von Diskriminierung aus Tradition („Es sind doch nur Sklaven/Frauen“). Diese Abwertungen
treten nicht auf, wenn die Opfer die Gelegenheit haben, eine Kompensation zu bekommen.[27] Vergewaltigungsopfer werden oft abgewertet, indem nach Schein-
Rechtfertigungen in ihrem Verhalten oder Erscheinungsbild gesucht wird.[28]
Fleisch-Paradoxon
→ Hauptartikel: Karnismus
Das Fleisch-Paradoxon ist ein zentrales Merkmal für die Spannung zwischen dem Wunsch der meisten Menschen, Tieren nicht zu schaden, und der Entscheidung
für eine Ernährungsweise, die Tieren Schaden zufügt.[29] Psychologen gehen davon aus, dass dieser Konflikt zwischen Wertvorstellungen und Verhalten zu
kognitiver Dissonanz führt, welche Fleischesser auf verschiedene Weisen versuchen abzuschwächen. [30] So stellten etwa Bastian Brock et al. fest, dass Fleischesser
sich die Praxis des Fleischessens erleichtern, indem sie den Tieren, die sie essen, nur im geringen Maß Intelligenz, emotionales Erleben und einen moralischen Wert
zusprechen.[31][32] Psychologen behaupten, dass Fleischesser die kognitive Dissonanz reduzieren, indem sie ihre Wahrnehmung von Tieren als bewusste,
schmerzempfindliche und leidensfähige Lebewesen minimieren, vor allem bezüglich der Tiere, die sie als Nahrungsmittel betrachten. [31][33] Dies ist eine
psychologisch wirksame Strategie, denn Organismen, denen ein geringeres Schmerzempfinden zugeschrieben wird, gelten demzufolge auch als moralisch weniger
schützenswert und ihre Nutzung als Nahrungsmittel wird stärker akzeptiert.
Weitere Beispiele
In Äsops Fabel Der Fuchs und die Trauben möchte der Fuchs Trauben fressen, ist jedoch unfähig, sie zu erreichen. Statt sich sein Versagen einzugestehen,
wertet er die Trauben ab als „zu sauer und nicht der Mühe wert“.
Nachdem die Wette platziert ist, rechnen Wettende mit höheren Gewinnchancen als vor dem Bezahlen (Knox und Inkster, 1968). [34]
Corey (1937) fand eine große Diskrepanz zwischen Überzeugung und Verhalten bei der Frage des Schummelns bei Prüfungen. Es gab keine Korrelation
zwischen der Stärke, mit der seine Versuchspersonen das Schummeln verurteilten, und ihrem tatsächlichen Schummelverhalten. [35]
Dieselbe Tätigkeit wird positiver bewertet, wenn sie auf Aufforderung eines unfreundlichen Menschen geschieht, als wenn sie einem freundlichen Menschen
zuliebe getan wird (Zimbardo et al., 1965). Im ersten Fall fehlt die externe Rechtfertigung: „Ich tue es, aber nicht der unfreundlichen Person zuliebe, also muss
die Tätigkeit attraktiv sein“.[36]
Die kognitive Dissonanz, die bei Ablehnung einer Bewerbung empfunden wird, sei es beim Flirten oder auf Jobsuche, kann durch Abwertung des Ablehnenden
gemildert werden.
Die kognitive Dissonanz, die durch das Erkennen einer besonderen Leistung gegenüber der Einstellung zu einer Person empfunden wird, wird dadurch
gemildert, dass die Leistung als solche abgewertet und zu nichts Besonderem erklärt wird.
Siehe auch
Dilemma
Doppelbotschaften
Abwehrmechanismus – „Das Ich und die Abwehrmechanismen“ (psychoanalytische Sichtweise)
Selbstwahrnehmungstheorie
Perseveranzeffekt
Post-purchase rationalisation
Reaktanz (Psychologie)
Literatur
Leon Festinger: Theorie der Kognitiven Dissonanz. Huber Verlag Bern, 2012 (ISBN 978-3-456-85148-8), unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1978 (ISBN
3-456-80444-X, Verlag Hans Huber, herausgegeben von Martin Irle).
Carol Tavris, Elliot Aronson: Ich habe recht, auch wenn ich mich irre: Warum wir fragwürdige Überzeugungen, schlechte Entscheidungen und verletzendes
Handeln rechtfertigen. Riemann Verlag 2010. ISBN 3-570-50116-7
Leon Festinger, Henry W. Riecken, S. Schachter: When Prophecy Fails. A social and psychological study of a group that predicted the destruction of the world.
Minneapolis: University of Minnesota Press 1956.
Leon Festinger: A Theory of Cognitive Dissonance. Stanford, CA: Stanford University Press 1957
Jürgen Beckmann: Kognitive Dissonanz – eine handlungstheoretische Perspektive. Springer-Verlag, Berlin 1984, ISBN 3-540-13772-6
Michael Gregorius: Psychologie: Zusammenfassung. Attributionstheorie, Kognitive Dissonanz, Sozialkognitive Lerntheorie. 20. Juli 1999, S. 13–19, Online (htt
p://www.michaelgregorius.de/zusammenfassungen/zusammenfassung-psychologie-grund.pdf).
Andreas Püttmann: Kognitive Dissonanz. Über unsere verderbliche Neigung, die Kenntnisnahme von Wirklichkeiten zu verweigern. Die politische Meinung, Nr.
480 · November 2009, S. 1–3, Online (http://www.kas.de/wf/doc/kas_17988-544-1-30.pdf?091130185634)
Warum wir uns die Welt schönreden: Wie kognitive Dissonanz unser Leben bestimmt. In: Sandra Maxeiner, Hedda Rühle: Dr. Psych’s Psychopathologie,
Klinische Psychologie und Psychotherapie. Jerry-Media-Verlag, Zollikon 2014, Band 1: ISBN 978-3-9523672-0-9 und Band 2: ISBN 978-3-9523672-1-6, Online
(https://www.praxisruehle.de/pdf/Kognitive_Dissonanz.pdf).
Weblinks
Carol Tavris auf Sean Carrolls Podcast über Kognitive Dissonanz (engl.) (https://www.youtube.com/watch?v=j055VZN8Xys) auf YouTube
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