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‫موانع التكفري‬

‫‪1‬‬
‫موانع التكفري‬

Inhaltsverzeichnis
Vorwort des Autors ........................................................................... 3
Biographie des Shaykhs .................................................................... 5
Einleitung (‫ )المقدمة‬.............................................................................. 8
Matn (‫)المتن‬..................................................................................... 8
Sharh (‫ )الشرح‬.................................................................................. 8
Hinderungsgründe (Mawāniʿ) beim großen Shirk........................... 13
Matn (‫)المتن‬................................................................................... 13
Sharh (‫ )الشرح‬................................................................................ 13
Hinderungsgründe (Mawāniʿ) bei verborgenen Angelegenheiten... 17
Matn (‫)المتن‬................................................................................... 17
Sharh (‫ )الشرح‬................................................................................ 18
Das Verstehen der Hujjah (Fahm Al-Hujjah) .................................. 22
Die offenkundigen Angelegenheiten (Masaʾil Dhāhirah) ............... 25
Matn (‫)المتن‬................................................................................... 25
Sharh (‫ )الشرح‬................................................................................ 25
Welche Angelegenheiten fallen genau unter diese Kategorie? 26
Hinderungsgründe (Mawāniʿ) in diesen Angelegenheiten ...... 27
Hinderungsgründe (Mawāniʿ) in Bezug auf den Täter .................... 32
Matn (‫)المتن‬................................................................................... 32
Sharh (‫ )الشرح‬................................................................................ 33
Falsche Hinderungsgründe .............................................................. 38
Matn (‫)المتن‬................................................................................... 38
Sharh (‫ )الشرح‬................................................................................ 39

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‫موانع التكفري‬

Vorwort des Autors

‫بسم هللا الرمحن الرحمي‬


‫رب أعن و يرس‬
Alles Lob gebührt Allāh, dem Herrn der Welten. Und Salāh und Salām auf
dem Edelsten aller Propheten und Gesandten, unserem Propheten
Muhammad, auf seiner edlen und gereinigten Familie und seinen
vorzüglichen Gefährten. Sodann:
Die Angelegenheiten des Takfīr gehören zu den größten Streitthemen in
unserer Zeit. So findest du auf der einen Seite die Murjiʾah vor, wie sie darin
untertrieben und klare Kuffār als Muslime bezeichneten; andererseits siehst
du die Übertreiber im Takfīr und die Khawārij, wie sie die Muslime als Kuffār
bezeichneten, aufgrund ihres falschen Verständnisses vom Dīn. Es ist so, wie
bereits einige der Salaf sagten:
„Es gibt keinen Befehl, welchen Allāh erteilte, außer dass der Shaytān darin
zwei Wege hat, um die Diener in die Irre zu führen: entweder in die
Untertreibung oder in die Übertreibung. Welchen der beiden Wege auch
immer der Diener sodann einschlägt, so ist der Shaytān damit zufrieden.“

Und genauso verhält es sich beim Takfīr, sodass du manch einen in der
Übertreibung vorfindest und den anderen in der Untertreibung. Abgesehen
von einer falschen ʿAqīdah in Angelegenheiten bzgl. des Īmāns und Kufrs gibt
es einen weiteren Grund, welcher zu Fehlern im Kapitel des Takfīr führt, und
zwar das Nichtbeachten der Hinderungsgründe des Takfīr. Shaykh al-Islām
ibn Taymiyyah, möge Allāh Sich seiner erbarmen, sagte:

„Ich und jener, welcher sich mit mir zusammensetzt, weiß von mir stets, dass
ich von den Menschen derjenige bin, der am stärksten davon abhält, eine
bestimmte Person als Kāfir, Fāsiq oder Sünder zu bezeichnen, außer wenn
gewusst wird, dass ihm die Hujjah ar-Risāliyyah (Beweismittel der Botschaft)
aufgestellt wurde, durch welche derjenige, der sich ihr entgegenstellt, mal
zum Kāfir, mal zum Fāsiq und mal zum Sünder wird.

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‫موانع التكفري‬

Und ich bestätige, dass Allāh dieser Ummah ihre Fehler verziehen hat, und
dies umfasst Fehler in den Angelegenheiten des Glaubens und in den
Angelegenheiten der Taten“ (Majmūʿ al-Fatāwā 3/229).

So wirst du jene, welche voreilig im Takfīr sind und darin übertreiben, dabei
vorfinden, wie sie sich oft auf ibn Taymiyyah beziehen, jedoch verließen sie
seine Aussagen, in welchen er vor der Voreiligkeit im Takfīr und vor dem
Nichtbeachten seiner Hinderungsgründe warnte. Dies sind jene Leute, die
mit ihm und seinem Manhaj nichts gemein haben und über welche er sagte:
„Das voreilige Urteilen im Takfīr herrscht nur bei solchen Leuten vor, bei
denen die Unwissenheit (Jahl) in ihrer Natur überwiegt“ (Bughyat al-Murtād
ʿalā al-Mutafalsifah S. 345).

So entschied ich mich dazu, eine Fatwā des ehrenwerten Shaykhs ʿAlī al-
Khudayr, möge Allāh ihn festigen und befreien, zu dieser Thematik zu
übersetzen, in welcher er diese Hinderungsgründe nannte und diese
Angelegenheiten verdeutlichte. Nach einer geraumen Zeit entschloss ich
mich dann dazu, diese Fatwā zu erläutern und die Beweise zu nennen, da
der Shaykh sich bei der Fatwā auf das Nennen der Urteile beschränkte. Den
zu erklärenden Teil der Fatwā des Shaykhs habe ich stets mit der Überschrift
„Matn“ versehen, und die dazugehörige Erklärung mit „Sharh“.

Ich bitte Allāh, die Geschwister davon profitieren zu lassen, und ebenso bitte
ich Ihn, jene, welche denken, sich auf dem Weg der Mitte zu befinden,
obwohl sie vom geraden Weg abgeschweift sind, rechtzuleiten, sodass sie
sich schlussendlich auf dem befinden, was sie sich erhofften, und zwar die
vollkommene Rechtleitung ihres Herrn.

Abū Muhammad al-Albānī,


14. Muharram, 1439

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Biographie des Shaykhs


Sein Name ist Shaykh ʿAlī Ibn Khudayr Ibn Fahd Al-Khudayr.

Er wurde im Jahr 1374 nach der Hijrah in Riyādh auf der Arabischen Halbinsel
geboren.

Er absolvierte sein Studium in der Usūl Ad-Dīn Fakultät an der Universität


des Imām im Jahre 1403 n.H.

Seine Lehrer in seinem Streben nach Wissen:

Er begann sein Streben nach Wissen, als er noch in der Oberschule (High-
School) war. Er begann den Qurʾān zu studieren und ihn zu rezitieren. Er tat
dies mit dem ehrenwerten Shaykh ʿAbd Ar-Raʾūf Al Hannawī ‫رحمه هللا‬.

Einer der Ersten, von denen er Wissen nahm, bevor er sein Studium an der
Usūl Ad-Dīn Fakultät begann, war der ehrenwerte Shaykh ʿAlī Ibn ʿAbd-Allāh
Al-Jardān und der ehrenwerte Shaykh und Richter Muhammad Al-Muhīzī
(und er war einer der führenden Richter in der Zeit von Muhammad Ibn
Ibrāhīm) ‫رحمهم هللا‬.

Er studierte ebenso bei:

Al-ʿAllāmah Shaykh Hamūd Ibn ʿUqlāʾ Ash-Shuʿaybī ‫رحمه هللا‬. Er lernte Tauhīd,
ʿAqīdah und andere islamische Wissenschaften bei ihm, bis der Shaykh
starb.

Er nahm sein Wissen auch von Shaykh Muhammad Ibn Sālih Al-Mansūr ‫رحمه‬
‫هللا‬. Er blieb 4 Jahre mit ihm, von 1409 bis 1413 n.H., in denen er Tauhīd, Fiqh,
Al-Farāʾid, Hadīth und Nahw studierte.

Er studierte auch bei Shaykh Muhammad Ibn Sālih Al-ʿUthaymīn ‫رحمه هللا‬. Er
studierte Fiqh bei ihm in einem Zeitraum von 4 Jahren (von 1400 bis 1403).

Er nahm sein Wissen auch von Shaykh ʿAbd-Allāh bin Muhammad bin ʿAbd-
Allāh Āl Husayn. Er studierte hauptsächlich Fiqh bei ihm.

Er studierte auch mit dem Zāhid, Shaykh Muhammad Sulaymān Al-ʿAlīt. Er


studierte bei ihm verschiedene Bücher bezüglich Az-Zuhd, wie „Kitāb Az-

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‫موانع التكفري‬

Zuhd“ von Imām Wakīʿ und „Al-Waraʿ“ von Imām Ahmad ibn Hanbal ‫رحمهم‬
‫هللا‬.

Er studierte auch bei anderen ehrenwerten Gelehrten an der Usūl Ad-Dīn-


Fakultät.

Seine Lehren:

Shaykh ʿAlī Al-Khudayr gab Durūs in Tauhīd, ʿAqīdah und Fiqh in Buraydah
(Al-Qasīm). Seine ersten Durūs wurden in verschiedenen Moscheen
gehalten und behandelten Fiqh und Hadīth. In den frühen Tagen hatte er
nicht mehr als 5 Studenten. Jedoch stieg ihre Anzahl rasch, bis der Shaykh
sehr bekannt wurde für sein Wissen im Al-Qasīm-Gebiet.

Die meisten seiner Unterrichte begannen nach Salāh Al-Fajr und nach Salāh
Al-ʿIshāʾ. Viele Tullāb al-ʿIlm besuchten seine Durūs, und unter ihnen waren
viele Richter, Doktoren, Lehrer und Prediger, die ihr Studium bereits
abgeschlossen hatten.

Seine Werke:

Der Shaykh verfasste viele Werke, die meisten im Bereich der ʿAqīdah und
des Tauhīds. Zu ihnen gehören:

 Az-Zinād fī Sharh Lumʿat al-Iʿtiqād

 Al-Wijāzah fī Sharh al-Usūl ath-Thalāthah

 Sharh al-Qawāʿid al-Arbaʿ

 Al-Muʿtasar

 Juzʾ Jahl wa Iltibās al-Hāl

 Al-Masāʾil al-Mardiyyah ʿalā al-ʿAqīdah al-Wāsitiyyah

 Bayān fī Hasan al-Mālikī

 Fatwā fī Takfīr Mulhid

 Difāʿan ʿan ash-Shaykh Hamūd ibn ʿUqlāʾ ash-Shuʿaybī

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 At-Tawdīh wa at-Tatimmāt ʿalā Kashf ash-Shubuhāt

 und viele andere Bücher und Schriften.

Seine Festnahme:

Der Shaykh wurde 1420 n.H. von der Tāghūt-Regierung festgenommen und
wurde gezwungen, ein Geständnis zu machen, in welchem er behauptete,
angeblich seine Meinungen und Standpunkte geändert zu haben.

Nach all diesen Jahren ist der Shaykh noch im Gefängnis ohne Verhandlung.
Möge Allāh ihn standhaft machen und ihn befreien.

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‫موانع التكفري‬

Einleitung (‫)املقدمة‬

Matn (‫)المتن‬
Shaykh ʿAlī al-Khudayr, möge Allāh ihn festigen und befreien, sagte:

„Bevor wir das Wissen über Mawāniʿ (Hinderungsgründe) erlangen,


müssen wir die Gründe des Kufr kennen. Diese sind:

▪Iʿtiqād (Glaube),

▪Qawl (Aussprache),

▪ʿAmal (Tat) und

▪Shakk (Zweifel).

Es liegt kein Zweifel darin, dass die Definition des Kufr jede Aussprache,
Tat oder Glaube ist, welche in den Texten des Takfīrs festgestellt wurde,
und dass sie denjenigen, auf den dies (ein Grund des Takfīrs) zutrifft, aus
der Millah hinauswerfen.

‫ر‬
Sharh (‫)الشح‬
Bevor der Autor ‫ فكنهللانأرسه‬damit beginnt, über die Hinderungsgründe des
Takfīr zu sprechen, nennt er zuerst die Wege, durch welche man in den Kufr
fallen kann. Dies muss unbedingt gewusst werden, damit man nicht in die
Untertreibung der Murjiʾah fällt, welche den Kufr auf den Glauben
beschränken und auch nicht in die Übertreibung der Khawārij, welche
zusätzliche Wege des Kufrs einführten, durch welche sie ungerechterweise
die Muslime als Kuffār bezeichneten.

Sodann: Durch vier Wege kann man in den Kufr fallen:

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‫موانع التكفري‬

1. Iʿtiqād (Glaube). Dies bedeutet, dass du in deinem Herzen an etwas


glaubst, wobei die Beweise darauf hindeuten, dass dieser Glaube großer
Kufr ist.

Beispiele:

1.1. Man glaubt, dass Allāh einen Sohn hat. Allāh ‫ تعاىل‬sagte:

‫اَّلل ه َُو الْ َم ِس ُيح ا ْب ُن َم ْر َ َي‬


َ ‫لَقَدْ َك َف َر ذ ِاَّل َين قَالُوا ا ذن ذ‬
ِ
Fürwahr, ungläubig sind diejenigen, die sagen: „Gewiß, Allāh ist al-
Masīh, der Sohn Maryams.“ (Al-Māʾidah: 72).

1.2. Man glaubt, dass jemand neben Allāh die Anbetung verdient hat. Allāh
‫ تعاىل‬sagte:

‫ا ذَّيكَ ن َ ْع ُبدُ َوا ذَّيكَ ن َ ْس َت ِع ُي‬


ِ ِ
Dir allein dienen wir, und zu Dir allein flehen wir um Hilfe
(Al-Fātihah: 5).

So deutet die Āyah darauf hin, dass nur Allāh die Anbetung verdient hat.

1.3. Man glaubt, dass jemand neben Allāh Gesetze erlassen darf, welche
Seiner Sharīʿiah widersprechen. Allāh ‫ تعالى‬sagte:

‫ا ِن الْ ُح ْ ُْك ا ذَّل ِ ذ َِّلل‬


ِ ِ
Das Urteil ist allein Allāhs (Yūsuf: 40).

1.4. Man sieht Dinge, welche bekannterweise verboten sind, als erlaubt an,
oder das Gegenteil. Wenn jemand bspw. glaubt, dass Alkohol oder Zinā
erlaubt sind oder dass Brot und Wasser verboten sind, so begeht er Kufr.
Dasselbe gilt, wenn man bekannte Pflichten des Dīns leugnet, sodass wenn
jemand die Pflicht des Gebets oder des Fastens leugnet, er zum Kāfir wird.

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‫موانع التكفري‬

Dies, da man Kufr an den zahlreichen Beweisen begeht und dem eindeutigen
Konsens der Muslime widerspricht.

2. Qawl (Aussprache). Man kann durch das bloße Aussprechen von Worten
zum Kāfir werden, selbst wenn man nicht an sie glaubt. Allāh ‫ تعاىل‬sagte:

‫ون ِِب ذ َِّلل َما قَالُوا َولَقَدْ قَالُوا َ َِك َم َة ْال ُك ْف ِر َو َك َف ُروا ب َ ْعدَ ا ْس ََل ِمهِ ْم‬
َ ‫َ َْي ِل ُف‬
ِ
Sie schwören bei Allāh, sie hätten (es) nicht gesagt. Aber sie haben ja
das Wort des Unglaubens gesagt und sind, nachdem sie den Islām
(angenommen) hatten, ungläubig geworden
(At-Tawbah: 74).

Beispiele dafür:

2.1. Man beleidigt Allāh, Seinen Gesandten oder den Dīn.

2.2. Man macht sich über den Dīn oder über die Gläubigen aufgrund ihres
Praktizierens lustig.

Masʾalah: Ausgenommen hiervon ist das bloße Zitieren von Kufr, denn dies
ist kein Kufr und darauf wiesen mehrere Gelehrte hin, wie u.a. ibn Muflih
‫رحمهنهللا‬.

3. ʿAmal (Tat). Jede Tat, bei welcher die Sharīʿah darauf hinweist, dass sie
Kufr ist, ist ein Auslöscher des Islāms und hierbei ist es keine Bedingung, dass
man sie für erlaubt erklärt. Hierunter fallen Taten der Körperteile und auch
die Taten des Herzens, wie Furcht, Hoffnung, Tawakkul etc.

Beispiele:

3.1. Man ruft andere neben Allāh an. Allāh ‫ تعاىل‬sagte:

َ ‫اَّلل الَ َٰ هًا أخ ََر ََّل ُب ْره ََان َ َُل ِب ِه فَان ذ َما ِح َسابُ ُه ِعندَ َ ِرب ِه ۚ ان ذ ُه ََّل يُ ْف ِل ُح ا ْل ََك ِف ُر‬
‫ون‬ ِ ‫َو َمن يَدْ ُع َم َع ذ‬
ِ ِ ِ

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‫موانع التكفري‬

Und wer neben Allāh einen anderen Gott anruft, für den er keinen
Beweis hat, dessen Abrechnung liegt nur bei seinem Herrn. Gewiss,
den Ungläubigen wird es nicht wohl ergehen
(Al-Muʾminūn: 117).

3.2. Man verbündet sich mit den Mushrikīn gegen Muslime. Allāh ‫ تعاىل‬sagte:

‫ََّي َأُّيه َا ذ ِاَّل َين أ َمنُوا ََّل تَتذ ِخ ُذوا الَْيَ ُو َد َوالنذ َص َار ٰى َأ ْو ِل َي َاء ۘ ب َ ْعضُ ه ُْم َأ ْو ِل َيا ُء ب َ ْع ٍض ۚ َو َمن ي َ َت َولذهُم‬
‫اَّلل ََّل ُّيَ ْ ِدي الْقَ ْو َم ا ذلظا ِل ِم َي‬ ْ ُ ‫ِم‬
َ ‫نْك فَان ذ ُه ِمْنْ ُ ْم ۗ ا ذن ذ‬
ِ ِ
O die ihr glaubt, nehmt nicht die Juden und die Christen zu
Schutzherren! Sie sind einer der anderen Schutzherren. Und wer von
euch sie zu Schutzherren nimmt, der gehört zu ihnen. Gewiss, Allāh
leitet das ungerechte Volk nicht recht
(Al-Māʾidah: 51).

Mehrere Gelehrte, u.a. ibn Hazm, überlieferten einen Ijmāʿ, dass die Āyah
gemäß seinem Offensichtlichen zu verstehen ist.

3.3. Man praktiziert Sihr. Allāh ‫ تعاىل‬sagte:

‫َو َما يُ َع ِل َم ِان ِم ْن أَ َح ٍد َح ذ َّٰت ي َ ُق َوَّل ان ذ َما َ َْن ُن ِف ْتنَ ٌة فَ ََل تَ ْك ُف ْر‬
ِ
Und sie (beide) unterwiesen niemanden (in der Zauberei), ohne zu
sagen: „Wir sind nur eine Versuchung; so werde (darum) nicht
ungläubig“ (Al-Baqarah: 102).
Masʾalah: Unter diesen Punkt kann man auch das Unterlassen einer Tat
hinzufügen, wie das Unterlassen des Gebets, welches gemäß dem Konsens
der Sahābah großer Kufr ist.

4. Shakk (Zweifel). Dies ist, wenn man an etwas zweifelt, was


notwendigerweise vom Dīn gewusst werden muss (Maʿlūm min ad-Dīn bid-
Darūrah).

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‫موانع التكفري‬

Wenn jemand bspw. zweifelt, ob die Menschen nach ihrem Tod auferweckt
werden, so ist er ein Kāfir. Allāh ‫ تعاىل‬sagte:

‫وَل ُ ذُث لَ ْم يَ ْرَتَ بُوا‬


ِ ِ ‫ون ذ ِاَّل َين أ َمنُوا ِِب ذ َِّلل َو َر ُس‬
َ ُ‫ان ذ َما الْ ُم ْؤ ِمن‬
ِ
Die (wahren) Gläubigen sind ja diejenigen, die an Allāh und Seinen
Gesandten glauben und hierauf nicht zweifeln (…)
(Al-Hujurāt: 15).

Wenn jemand an den versteckten Angelegenheiten zweifelt, so muss


zweifelsfrei zuerst der Beweis erbracht werden, bevor er zum Kāfir erklärt
wird und dies wird noch, so Allāh will, ausführlicher erklärt.

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‫موانع التكفري‬

Hinderungsgründe (Mawāniʿ) beim


großen Shirk

Matn (‫)المتن‬
Seine Klassifizierung ist wie folgt:

Mawāniʿ für die Bezeichnung des Shirk: und zwar ist dies
(ausschließlich) der Ikrāh (Zwang), wie Er ‫ تعاىل‬sagt:

‫َم ْن َك َف َر ِِب ذ َِّلل ِم ْن ب َ ْع ِد اميَا ِن ِه ا ذَّل َم ْن ُأ ْك ِر َه َوقَلْ ُب ُه ُم ْط َم ِ ٌِّئ ِِب َّْلمي َ ِان‬
ِ ِ ِ
Wer Allāh verleugnet, nachdem er den Glauben (angenommen) hatte –
außer demjenigen, der gezwungen wird, während sein Herz im Glauben
Ruhe gefunden hat … (An-Nahl:106).

‫ر‬
Sharh (‫)الشح‬
Die einzige Ausnahme, in welcher der große Shirk, welcher eindeutig und
klar ist, nicht auf einen fällt, ist der Zwang (Ikrāh) aufgrund der genannten
Āyah. Die Gelehrten waren sich uneinig: Erlaubt der Ikrāh nur Aussagen des
Shirks oder auch Taten? Das Richtige ist, dass sowohl Aussagen als auch
Taten entschuldigt werden im Zustand des Zwangs.

Shaykh al-Islām ibn Taymiyyah ‫ رحمهنهللا‬sagte:

„Denn wahrlich, der Zwang erlaubt die verbotene Tat bei den meisten
Gelehrten“ (Majmūʿ al-Fatāwā 1/259).

Und al-ʿIzz ibn ʿAbd as-Salām sagte:

„Was den Kufr der Aussage und der Tat angeht, so werden sie beim Zwang
erlaubt; nicht, da sie beide Kufr sind, sondern zur Erreichung des Nutzens
der Bewahrung des Lebens“ (Al-Qawāʿid al-Kubrā 2/269).

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‫موانع التكفري‬

Wenn jemand sodann im Zustand des Zwangs Shirk begeht, wird er nicht als
Mushrik bezeichnet, denn die Sharīʿah machte bei diesem Zustand eine
Ausnahme und die Regel lautet:

‫املعدوم رشعا اكملعدوم حسا‬


„Was in der Sharīʿah als abwesend bezeichnet wird, ist gemäß der
sinnlichen Erfassung ebenfalls als abwesend zu werten.“

Dies bedeutet, dass diese Person in den großen Shirk gefallen ist, jedoch im
Zustand des Ikrāhs. Das Ausschlaggebende ist die Bezeichnung der Sharīʿah,
sodass selbst wenn wir mit unseren eigenen Augen sehen, wie jemand im
Zustand des Ikrāhs den Shirk begeht, wir ihn nicht mit der Bezeichnung des
Mushriks versehen, da die Sharīʿah ihm diese Beschreibung nicht
vorgesehen hat.

Dies ist der einzige Hinderungsgrund, bei welchem die Sharīʿah darauf
hinwies, dass er den Shirk erlaubt und dass dessen Bezeichnung nicht auf
den Täter fällt.

Was die Unwissenheit (Jahl) und die falsche Interpretation (Taʾwīl) betrifft,
so sind diese kein Hinderungsgrund beim großen Shirk und der Täter wird
als Mushrik bezeichnet.

Ibn al-Qayyim ‫ رحمهنهللا‬sagte, als er über die Kategorie der Unwissenden und
Blindbefolger sprach:

„Und der Islām ist die Vereinheitlichung (Tauhīd) Allāhs und (die Tatsache,)
dass die Anbetung an Ihn allein gerichtet werden muss, ohne Partner, und
der Īmān an Allāh und Seinen Gesandten und seine Befolgung in dem, womit
er kam. Solange der Diener dies nicht praktiziert, ist er kein Muslim. Und
wenn er kein starrköpfiger Kāfir ist, so ist er doch ein unwissender Kāfir. So
ist das Äußerste, was über diese Kategorie gesagt werden kann, dass sie
unwissende Kuffār sind und keine starrköpfigen; die Tatsache, dass sie nicht
stur sind, holt sie nicht aus ihrem Kufr heraus, denn der Kāfir ist jener,
welcher den Tauhīd Allāhs leugnet und Seinen Gesandten der Lüge

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‫موانع التكفري‬

bezichtigt, sei es durch Sturheit oder durch Unwissenheit aufgrund der


blinden Befolgung der Leute der Sturheit“ (Tarīq al-Hijratayn S. 725).

Ebenso ist jener nicht entschuldigt, welcher eine falsche Interpretation


(Taʾwīl) gemacht hat und deshalb den Shirk begeht und ihn nicht als
verwerflich ansieht.

Allāh ‫ تعاىل‬sagte:

ِ ‫ُون ذ‬
‫اَّلل‬ ‫فَ ِريقًا هَدَ ٰى َوفَ ِريقًا َح ذق عَلََيْ ِ ُم الضذ ََل َ َُل ۗ اَّنذ ُ ُم ذاَّت َُذوا ذ‬
ِ ‫الش َيا ِط َي َأ ْو ِل َي َاء ِمن د‬
ِ
َ ُ‫ون َأَّنذ ُم همهْ َتد‬
‫ون‬ َ ‫َو َ َْي َس ُب‬
Einen Teil hat Er rechtgeleitet, an einem (anderen) Teil aber hat sich
das Irregehen bewahrheitet, denn sie haben sich die Satane anstatt
Allāhs zu Schutzherren genommen und meinen, sie seien rechtgeleitet
(Al-Aʿrāf: 30).

Shaykh ʿAlī al-Khudayr ‫ فكنهللانأرسه‬sagte in seinem Sharh Kitāb al-Haqāʾiq fī at-


Tawhīd bzgl. dieser Āyah:

„Sie denken, dass sie rechtgeleitet sind und dennoch bezeichnete er sie als
Irregegangene und die Leute der Irreleitung sind (hier) die Leute des Shirks,
denn sie haben sich die Shayātīn anstatt Allāhs zu Schutzherren genommen,
welche sie neben Allāh anbeten, und dies ist Shirk, die Irreleitung des Shirks.

Dennoch denkt er, dass er rechtgeleitet ist, doch sein Denken, dass er
rechtgeleitet ist, nützt ihm nichts, so haftet an ihm die Bezeichnung der
Irreleitung und des Shirks.“

Ibn Jarīr at-Tabarī ‫رحمهنهللا‬, dessen Tafsīr die „Mutter“ aller Tafāsīr ist, sagte
in seinem Tafsīr zu dieser Āyah:

„Und dies ist der deutlichste Beweis gegen jene, welche fälschlicherweise
behaupten, dass Allāh niemanden wegen einer Sünde straft, die er begangen
hat, oder wegen einer Irreleitung, an welche er geglaubt hat, außer wenn er
das tut, nachdem er erfahren hat, was das Richtige darin ist, sodass er aus
Starrköpfigkeit gegenüber seinem Herrn handelt, denn wenn es so wäre,

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‫موانع التكفري‬

dann würde es zwischen der Gruppe der Irreleitung, welche irreging und
denkt, dass sie rechtgeleitet ist, und zwischen der Gruppe der Rechtleitung
keinen Unterschied geben und Allāh hat bereits zwischen den Namen und
Urteilen der beiden getrennt.“

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‫موانع التكفري‬

Hinderungsgründe (Mawāniʿ) bei


verborgenen Angelegenheiten

Matn (‫)المتن‬
Und es gibt Mawāniʿ vom Takfīr in Masāʾil khafiyyah (versteckte
Angelegenheiten), die nicht bekannt sind, außer unter besonderen
Umständen, und dies sind die Angelegenheiten der Leute von Hawā und
Bidʿah (Gelüsten und Erneuerungen) sowie die Angelegenheiten von
Asmāʾ wa as-Sifāt (Namen und Attribute), die Angelegenheiten der
Bezeichnung des Īmāns, die Angelegenheiten bezüglich Qadar
(Schicksal) und andere Angelegenheiten, außer bei den Übertreibern in
all dem Zuvorgegangenen.

Sie (die Mawāniʿ) sind:

1. Jahl (Ignoranz),

2. Taʾwīl (Interpretation),

3. Taqlīd (blindes Befolgen),

4. Ikrāh (Zwang),

5. Abwesenheit von Texten, die notwendig sind, um die Wahrheit zu


erlernen,

6. oder (die Tatsache, dass) es einen erreicht hat, es sich bei einem aber
nicht als bestätigt gezeigt hat,

7. oder dass es sich bei einem bestätigt hat, man aber nicht imstande war,
es zu verstehen,

8. oder (die Tatsache, dass) es sich bei jemandem bestätigt hat, aber
ihm ein entgegensprechendes Argument präsentiert wurde, welches
eine falsche Interpretation verursachte,

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‫موانع التكفري‬

9. oder eine Shubhah (Scheinargument) trat bei ihm auf, für welche
Allāh ihn entschuldigt,

10. oder (die Tatsache, dass) er ein Mujtahid auf der Suche nach der
Wahrheit war.

‫ر‬
Sharh (‫)الشح‬
Nun spricht der Autor, nachdem er über den Shirk sprach, über die
verborgenen Angelegenheiten, welche als Masāʾil Khafiyyah bezeichnet
werden. Es gibt drei Maßstäbe, an welchen man diese Angelegenheiten
ausmacht, sodass eine Masʾalah, wenn sie einen dieser drei Maßstäbe
erfüllt, als Masʾalah Khafiyyah zu werten ist:

1. Es sind Angelegenheiten, welche nicht notwendigerweise vom Dīn


gewusst werden (Maʿlūm min ad-Dīn bi ad-Darūrah) und sie sind nicht
sonderlich bekannt und verbreitet unter den einfachen Menschen.

2. Es sind Angelegenheiten, in welchen es Differenzen gibt zwischen Ahl as-


Sunnah und anderen Gruppierungen, sodass das Unwissen darin auf
Scheinargumenten basiert, welche der Sharīʿah zugeschrieben werden.

3. Verborgene Angelegenheiten, welche nicht durch das bloße Schauen in


die Beweise verstanden werden; vielmehr muss man seinen Verstand
stärker benutzen, um das Verständnis zu erlangen.

Der Autor nannte einige Beispiele für versteckte Angelegenheiten:

• Angelegenheiten der Namen und Eigenschaften Allāhs, worin es


abweichende Meinungen der Sekten und Gruppierungen gibt, wie
die Tatsache, dass manche bspw. die Eigenschaft des
Herabsteigens Allāhs (Nuzūl) oder Seine Hände uminterpretieren.
• Angelegenheiten der Bezeichnung des Īmāns, worin manche
Sekten wie die Murjiʾah die Taten aus der Definition des Īmāns
herausnahmen.

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‫موانع التكفري‬

• Angelegenheiten im Qadar, sodass manche der Sekten sagten, dass


Allāh nicht die Taten der Diener erschafft; und dies steht im
Gegensatz zur ʿAqīdah der Ahl as-Sunnah, welche sagen, dass Allāh
alles erschuf, sowohl die Diener, als auch ihre Taten.
• Andere Angelegenheiten, und hierunter fallen die restlichen
Erneuerungen in der ʿAqīdah, in welchen man entschuldigt sein
kann, wie z.B. die Khawārij, welche gemäß der richtigen Meinung
keine Ungläubigen sind und dies ist die Meinung der Mehrheit der
Sahābah und unter ihnen ʿAlī ibn Abī Tālib.

Es gibt eine weitere Kategorie an versteckten Angelegenheiten, welche der


Autor nicht nannte:

• Angelegenheiten der Zweige des Dīns, welche unter den einfachen


Menschen nicht verbreitet sind und welche nicht
notwendigerweise vom Dīn gewusst werden. Ein Beispiel hierfür ist
die Angelegenheit, dass die Großmutter ein Sechstel erbt. Wer dies
bspw. aus Unwissenheit leugnet, der wird nicht zum Ungläubigen
erklärt, bis man ihn aufgeklärt hat.

Der Autor fügte jedoch am Ende hinzu: „außer bei den Übertreibern in all
dem Zuvorgegangenen.“

Dies, um jene auszuschließen, welche bspw. alle Namen und Eigenschaften


Allāhs leugneten, oder die Übertreiber der Qadariyyah, welche leugnen,
dass Allāh die Zukunft kennt etc. Diese leugnen Angelegenheiten, welche
vom Dīn bekannt sind, und somit gibt es für sie keine Entschuldigung hierin.

Sodann nannte er genug Hinderungsgründe, die darauf hinweisen, dass in


diesen Angelegenheiten der Widersacher nicht zum Ungläubigen erklärt
wird, wenn einer dieser Hinderungsgründe bei ihm auftritt.

Die genannten Hinderungsgründe, welche der Shaykh erwähnt, kann man


auf vier Hinderungsgründe zusammenfassen:

A. Jahl (Unwissenheit), entweder aufgrund dessen, dass man selbst


nicht nach der Wahrheit suchte, oder weil man keinen Zugriff
darauf hatte.

19
‫موانع التكفري‬

B. Taʾwīl (falsche Interpretation), sei es durch das Falschverstehen der


Texte oder durch die Unfähigkeit, sie richtig zu verstehen, oder da
man dachte, der Beweis sei nicht gültig, wie wenn jemand bspw.
denkt, der Hadīth sei außer Kraft gesetzt worden oder
unauthentisch, oder aufgrund einer Shubhah (Scheinargument),
von welcher man überzeugt ist, oder aufgrund von Ijtihād (das
Ableiten eines Urteils aus den Beweisen).
C. Taqlīd, d.h., man folgt jemandem, dem man in Angelegenheiten
des Dīns vertraut, blind, ohne seinen Beweis oder seine
Argumentation zu kennen.
D. Ikrāh, d.h., man wird zu einer Aussage gezwungen, die Kufr in
diesen Angelegenheiten darstellt.

Die Beweise aus Qurʾān und Sunnah, dass man entschuldigt sein kann, sind
viele.

Dazu gehört die Aussage Allāhs ‫تعاىل‬:

‫اَّلل ن َ ْف ًسا ا ذَّل ُو ْس َعهَا ۚ لَهَا َما َك َسبَ ْت َوعَلََيْ َا َما ا ْكت َ َسبَ ْت ۗ َربذنَا ََّل تُ َؤا ِخ ْذَنَ ان‬
ُ ‫ََّل ُي َ ِك ُف ذ‬
ِ ِ
َ‫ن ذ ِسينَا َأ ْو َأخ َْطأَْن‬
Allāh erlegt keiner Seele mehr auf, als sie zu leisten vermag. Ihr
kommt (nur) zu, was sie verdient hat, und angelastet wird ihr (nur),
was sie verdient hat. „Unser Herr, belange uns nicht, wenn wir
(etwas) vergessen oder einen Fehler begehen“
(Al-Baqarah: 286).

Aus der Sunnah wird von Ibn ʿAbbās ‫رض نهللا نعنهما‬
‫ي‬ überliefert, dass der
Gesandte Allāhs sagte:

،‫ َوا ِلن ْس َي َان‬،َ‫اَّلل ََت ََاو َز َع ْن أُ ذم ِِت الْخ ََطأ‬


َ ‫ا ذن ذ‬
ِ
„Wahrlich, Allāh sah bei meiner Ummah über den Fehler und die
Vergesslichkeit hinweg.“

20
‫موانع التكفري‬

(überliefert bei ibn Mājah mit einem ähnlichen Wortlaut; ibn Hibbān und
al-Hākim stuften ihn als Sahīh ein)

Und der Gesandte Allāhs ‫ ﷺ‬sagte ebenfalls:

‫ فَ َ َُل َأ ْج ٌر‬،َ‫ َوا َذا َح َ َْك فَا ْجَتَ َدَ ُ ذُث أَخ َْطأ‬،‫ فَ َ َُل َأ ْج َر ِان‬،‫اب‬
َ ‫ا َذا َح َ َْك الْ َح ِاِكُ فَا ْجَتَ َدَ ُ ذُث َأ َص‬
ِ ِ
„Wenn der Richter ein Urteil fällt, sich dabei anstrengt und dann
richtig liegt, hat er zwei Belohnungen, und wenn er ein Urteil fällt,
sich dabei anstrengt und dann falsch liegt, erhält er eine Belohnung“
(überliefert bei al-Bukhārī (7352), Muslim (1716) u.a.).

Daher wird auf jene, welche hierin falsch liegen, kein Takfīr gemacht, bis
ihnen die Hujjah (Beweismittel) aufgestellt wurde und die Shubhah
(Scheinargument) entfernt wurde.

21
‫موانع التكفري‬

Das Verstehen der Hujjah (Fahm Al-


Hujjah)
Ein Thema, in dem bei vielen Verwirrung herrscht, ist die Angelegenheit des
Verstehens der Hujjah (Fahm al-Hujjah).

Das Verstehen ist in klaren Angelegenheiten keine Bedingung, sodass man


nicht bei jemandem, welcher den Tauhīd nicht verstanden hat, sagen kann,
dass er entschuldigt sei, weil er die Hujjah nicht verstanden hätte, und dass
er somit kein Kāfir ist.

Bei diesen Angelegenheiten (Masāʾil khafiyyah) ist es jedoch eine Bedingung


für den Takfīr, dass man die Hujjah verstanden hat und sich dann stur von
der Wahrheit abwendet. In diesem Fall wird man zum Kāfir erklärt,
ansonsten nicht.

Shaykh ʿAlī al-Khudayr ‫ فكنهللانأرسه‬sagte in Sharh Kitāb al-Haqāʾiq fī at-Tauhīd


unter dem Kapitel „Hinderungsgründe des Aufstellens der Hujjah in
versteckten Angelegenheiten“:

„Das Verstehen der Hujjah wird berücksichtigt in Angelegenheiten, welche


vielen Menschen verborgen bleiben können.“

Und er nannte diesen Hinderungsgrund und fasste ihn gut zusammen,


indem er sagte:

„Das fehlende Verständnis der Hujjah und die Abwesenheit von Sturheit.“

Sodann sagen wir: Es wird erst Takfīr auf den Widersacher in diesen
Angelegenheiten gemacht, wenn von ihm Sturheit (ʿInād) zu erkennen ist,
und diese hat zwei Kategorien:

A. Muʿānid sarīh, d.h., jemand hat eine Shubhah, jedoch ist er


eindeutig stur und lehnt die Wahrheit ab, obwohl er erkannt hat,
dass er auf der Falschheit ist.
B. Shabīh bil-Muʿānid: Dies ist jener, welcher eine Shubhah hat, die
unakzeptabel ist und der keinerlei Beachtung zu schenken ist.
Dieser hat dasselbe Urteil wie der Erste.

22
‫موانع التكفري‬

Um die Angelegenheit der Hujjah hierin zu verdeutlichen, nehmen wir


Shaykh al-Islām ibn Taymiyyah ‫ رحمهنهللا‬als Beispiel.

Er sagte zu einigen Gelehrten und Richtern der Ashāʿirah:

„Und ihr seid für mich Unwissende und seid nicht in den Kufr gefallen.“ (Ar-
Radd ʿalā al-Bakrī)

Man beachte, dass es Gelehrte waren!

Jedoch gibt es einen anderen Vorfall, welcher in seiner Risālah „at-


Tisʿīniyyah“ zu finden ist. Als er in Misr eingesperrt wurde und mit einigen
Richtern der Ashāʿirah debattierte, erkannte er, dass sie die Hujjah
verstanden hatten und schlichtweg aus Sturheit die Wahrheit nicht
akzeptierten. So sagte er zu ihnen:

„O ihr Zanādiqah, und o ihr Kuffār, und o ihr Murtaddīn!“

So machte er eindeutig Takfīr auf sie, da ihr Abwenden von der Wahrheit
deutlich und klar wurde und ibn Taymiyyah wusste, dass sie die Hujjah
verstanden hatten und auch die Falschheit ihrer eigenen Shubuhāt
einsahen, sich jedoch trotz dessen von der Wahrheit abwandten.

Masʾalah: Der Takfīr in diesen Angelegenheiten ist den einfachen Leuten


vorenthalten und der Takfīr hierin erfolgt durch Leute des Wissens, denn das
Wissen der Wahrheit ist eine Sache, doch das genaue Kennen der Falschheit
und ihre Widerlegung ist nochmal eine andere Sache, welche deutlich mehr
als Grundwissen erfordert.

Masʾalah: Wenn man sich unsicher ist, ob jemand stur ist oder nicht, so geht
man vom Asl (Grundsatz) aus und spricht keinen Takfīr auf ihn aus, denn wir
haben Gewissheit, dass diese Person Muslim ist, jedoch sind wir uns
unsicher, ob er aus Sturheit die Wahrheit ablehnt; in solchen Fällen wird
gemäß der bekannten Regel die Gewissheit nicht durch Zweifel aufgehoben
und jene Person wird weiterhin als Muslim betrachtet.

Masʾalah: Ist bei den Rufern zur Bidʿah Mukaffirah (eine Bidʿah, welche aus
dem Dīn ausschließt) eine Bedingung, dass sie die Hujjah verstehen?

23
‫موانع التكفري‬

Hierin gibt es Ikhtilāf und die Meinung der Hanābilah ist, dass wer bzgl.
dieser Bidʿah wissend ist, dazu aufruft und andere hierin zur Debatte
herausfordert, ein Kāfir ist, und dass wer ihm blind folgt, ein Fāsiq ist. Der
Großvater von ibn Taymiyyah, al-Majd ibn Taymiyyah nannte hierfür u.a. die
Masʾalah, dass der Qurʾān erschaffen sei. Wer wissend ist und dazu aufruft,
ist ein Kāfir, und dies sagte Imām Ahmad deutlich. So nannten sie hier nicht
die Bedingung der Fahm al-Hujjah.

Der Enkel von Shaykh al-Islām ibn Taymiyyah widersprach ihm hierin und
machte auf den Rufer keinen Takfīr, bis Sturheit von ihm erkenntlich wurde.

Shaykh ʿAlī al-Khudayr brachte beide Meinungen miteinander in Einklang,


indem er sagte:

„Das Richtige meiner Meinung nach ist, dass man zwischen den beiden
Zeiten unterscheiden muss. Was die Zeit von Imām Ahmad betrifft (macht
man direkt Takfīr), denn die Sunnah hatte die Oberhand, nachdem die
Sunnah sich verbreitete und an Macht gewann, und ebenso die Zeit von
Mālik und ibn ʿUmar (…). Wenn die Zeit eine Zeit ist, in welcher die Sunnah
Macht und Gewaltsamkeit und Deutlichkeit und Bekanntheit hat, so ist hier
(das Verstehen der Hujjah) keine Bedingung, wie al-Majd und Ahmad sagten.

Und wenn die Zeit eine Zeit ist, in welcher die Unwissenheit vorherrscht, wie
die Zeit von ibn Taymiyyah und der Aʾimmah der Daʿwah, so ist die Sturheit
eine Bedingung (für den Takfīr).“

24
‫موانع التكفري‬

Die offenkundigen Angelegenheiten


(Masaʾil Dhāhirah)

Matn (‫)المتن‬
Mawāniʿ des Takfīr in Masāʾil Dhāhirah (klare Angelegenheiten), welche
die einfachen Leute und die Spezialisierten (im Wissen, sprich Tullāb
und ʿUlamāʾ) kennen, sind:

1. Jahl aufgrund des Lebens in einer abgelegenen Wildnis, oder wenn er


ein Jāhil ist, weil er erst vor kurzem Muslim wurde, oder die
Unwissenheit aufgrund des Lebens und Aufwachsens in den Ländern des
Kufr. Was jedoch denjenigen betrifft, der unter Muslimen lebt, so gibt es
für ihn keine Entschuldigung in den klaren Angelegenheiten; er ist
lediglich nachlässig oder er wendet sich bewusst ab.

2. Ikrāh (Zwang).

‫ر‬
Sharh (‫)الشح‬
Nachdem der Autor die Hinderungsgründe beim großen Shirk und bei den
versteckten Angelegenheiten nannte, erwähnt er nun die
Hinderungsgründe in den offenkundigen Angelegenheiten (Masaʾil
Dhāhirah). Er definierte sie im Allgemeinen als jene Angelegenheiten,
welche jeder Muslim kennt, sei er ein Gelehrter, Student oder von den
einfachen Leuten.

Imām ash-Shāfiʿī ‫ رحمهنهللا‬sagte:

„Das Wissen ist von zwei Arten: Wissen der Allgemeinheit (der Menschen),
worin der Reife, dessen Verstand nicht überwältigt wurde (durch
Verrücktheit etc.), nicht unwissend sein darf, wie die fünf Gebete und dass
die Menschen den Monat Ramadān fasten und die Hajj zum Hause (Allāhs)
verrichten müssen, sofern sie dazu imstande sind, und dass sie Zakāh auf ihr

25
‫موانع التكفري‬

Vermögen abgeben müssen und dass ihnen die Unzucht (Zinā), der Mord, der
Diebstahl, das Berauschende (Khamr) und alles ähnliche verboten wurde.

Die Diener wurden beauftragt, es zu verstehen, es zu wissen und aufzuopfern


von sich selber und ihrem Besitz (um dieses Wissen zu erlangen), und sich
von dem, was ihnen verboten wurde, fernzuhalten.

Und diese Sorte ist all das vom Wissen, welches explizit im Buche Allāhs
genannt wurde und welches vorzufinden ist bei der Allgemeinheit der Leute
des Islāms, welches ihre Laien überliefern und weitergeben von jenen, die
zuvorgingen an Laien. Sie erzählen es vom Gesandten Allāhs und sie sind sich
bzgl. seiner Erzählung nicht uneinig und auch nicht darin, dass es für sie
Pflicht ist.

Und dieses Wissen ist das, worin man keinen Fehler machen kann, was das
Überliefern und das Interpretieren angeht, und hierin darf man sich nicht
uneinig sein“ (Ar-Risālah, S. 357, 359).

Welche Angelegenheiten fallen genau unter diese Kategorie?


Shaykh al-Islām ibn Taymiyyah ‫ رحمه نهللا‬verdeutlichte, dass zu diesen
Angelegenheiten sowohl Angelegenheiten der ʿAqīdah gehören, bei denen
man sich einig ist und die bekannt sind, als auch bekannte Angelegenheiten
der Pflichten und Verbote, welche mit den Taten zusammenhängen. So
sagte er über die Masaʾil adh-Dhāhirah:

„(Es ist) das Wissen über die Pflichten, wie die fünf Säulen des Islāms, und
(das Wissen über) die offenkundig verbotenen Dinge, welche bekannt sind,
wie (das Wissen darüber,) dass Allāh zu allem imstande ist und alles weiß
und dass Er hört und sieht und dass der Qurʾān die Worte Allāhs sind und
ähnliches von den offenkundigen und bekannten Angelegenheiten. Wer also
diese Urteile des Wissens (d.h., was die ʿAqīdah betrifft,) leugnet, worin man
sich einig ist, der begeht Kufr, genauso wie derjenige Kufr begeht, der diese
(d.h. Angelegenheiten der Taten, wie das Gebet etc.) leugnet“ (al-Fatāwā
6/56).

26
‫موانع التكفري‬

Hinderungsgründe (Mawāniʿ) in diesen Angelegenheiten

Der Autor nannte in den offenkundigen Angelegenheiten vier


Entschuldigungsgründe:

1. Man hat erst kürzlich den Islām angenommen.

2. Man ist in einer abgelegenen Wildnis aufgewachsen, sodass man keinen


Zugang zum Wissen hatte.

Shaykh al-Islām ibn Taymiyyah ‫ رحمهنهللا‬sagte:

„Die Gelehrten sprechen keinen Takfīr auf jenen aus, welcher etwas vom
Verbotenen für erlaubt erklärt, weil er erst neulich den Islām angenommen
hat oder weil er in einer abgelegenen Wildnis aufgewachsen ist, denn das
Urteil des Kufrs tritt erst nach dem Erreichen der Botschaft ein“ (Al-Fatāwā
28/501).

3. Man ist in einem Land des Kufrs aufgewachsen, in welchem man keine
Möglichkeit hatte, an das notwendige Wissen zu kommen, und der
spezifische Beweis hierfür ist, dass die Sahābah, welche Hijrah nach
Habashah vollzogen, von vielen Pflichten und Verboten nichts erfuhren und
dies ihrem Īmān nicht im Geringsten schadete, da sie keine
Kontaktmöglichkeit nach Madīnah hatten.

Der allgemeine Beweis für diese drei Entschuldigungsgründe ist die Aussage
Allāhs ‫تعاىل‬:

‫اَّلل ن َ ْف ًسا ا ذَّل ُو ْس َعهَا‬


ُ ‫ََّل يُ َ ِك ُف ذ‬
ِ
Allāh erlegt keiner Seele mehr auf, als sie zu leisten vermag
(Al-Baqarah: 286).

Wenn jemand also nicht die Möglichkeit hatte, an das Wissen zu gelangen,
sei es aufgrund der knappen Zeit oder der Distanz zum Wissen, so ist er
entschuldigt.

27
‫موانع التكفري‬

4. Zwang (Ikrāh).

Wer nicht unter diese vier Kategorien fällt, ist nicht entschuldigt, denn die
Realität ist, wie der Autor sagte: „(…) Er ist lediglich nachlässig oder er
wendet sich bewusst ab.“

Und ibn al-Qayyim ‫ رحمهنهللا‬erwähnte eine wichtige Regel, dass derjenige, der
die Möglichkeit hat, eine Sache zu erlernen, und sich davon abwendet,
dasselbe Urteil hat wie derjenige, der es weiß.

Wenn jemand also unter den Muslimen lebt und bspw. die Pflicht des
Gebets leugnet, so wird seine Behauptung, dass er es nicht wusste,
abgelehnt.

Ibn Abī ʿUmar al-Maqdisī al-Hanbalī ‫ رحمهنهللا‬sagte in ash-Sharh al-Kabīr über


denjenigen, der die Pflicht des Gebets leugnet:

„Und wenn er von jenen ist, die darin nicht unwissend sind, wie derjenige,
der unter Muslimen aufgewachsen ist in den Städten, von dem wird die
Behauptung der Unwissenheit nicht akzeptiert, da die Beweise seiner
Verpflichtung deutlich und offenkundig sind.“

Und al-Muwaffaq ibn Qudāmah al-Maqdisī ‫ رحمه نهللا‬sagte in al-Mughnī in


Kitāb az-Zakāh über jenen, welcher die Pflicht der Zakāh leugnet:

„Und wenn er ein Muslim ist, welcher in den Ländern des Islāms lebt unter
Leuten des Wissens, so ist er ein Abtrünniger (Murtadd) und es erstrecken
sich über ihn die Urteile der Murtaddīn.“

Und ibn Rajab al-Hanbalī ‫ رحمهنهللا‬sagte:

„Wenn jemand Zinā begeht und im Land des Islāms unter Muslimen
aufwuchs und behauptet, er wüsste nichts vom Verbot des Zinā, dann wird
seine Aussage nicht angenommen, denn der offenkundige Zustand bezichtigt
ihn der Lüge, auch wenn die Grundlage sein mag, dass er dies nicht wusste“
(Al-Qawāʿid, S. 323).

28
‫موانع التكفري‬

Masʾalah: Wenn jemand neu im Islām ist, in einer abgelegenen Wildnis lebt
oder in Dār al-Kufr, in welchem er keinen Zugriff auf das nötige Wissen hat,
wird er beim großen Shirk entschuldigt?

Wir erwähnten bereits, dass die Bezeichnung des Mushriks stets an dem
Täter des Shirks haftet, sodass er stets ein Mushrik ist, sei er wissend oder
unwissend. Ibn Taymiyyah sagte in al-Fatāwā 20/38: „Der Name ‚al-Mushrik‘
ist bereits bestätigt vor der Entsendung, denn (er bedeutet,) er begeht Shirk
mit seinem Herrn und macht Ihm (jemanden) ebenbürtig.“

Er kann jedoch in Bezug auf die Urteile der Ākhirah entschuldigt sein, sodass
er nicht mit dem ewigen Feuer bestraft wird, sondern von Allāh in der
Ākhirah erst geprüft wird. Wenn jemand also den großen Shirk begeht und
bspw. für die Toten schlachtet, jedoch weit entfernt vom Wissen des
Tauhīds und seinen Leuten war und keinen Zugang zu diesem Wissen hatte,
so sagen wir, dass er dennoch ein Mushrik ist, jedoch sagen wir, dass er in
der Ākhirah geprüft wird, im Gegensatz zu dem, den die Hujjah erreicht hat
und der danach den Shirk beging, denn Letzterer ist ein Kāfir Mushrik und
hat die ewige Strafe im Jenseits verdient.

Shaykh al-Islām ibn Taymiyyah sagte:

„Wen die Daʿwah nicht erreichte, wie das Kind, der Verrückte (Majnūn) und
wer in einer Periode starb, in welcher kein Gesandter kam – all jene werden
im Jenseits geprüft“ (Fatāwā 14/477).

Wen also die unverfälschte Botschaft des Tauhīds nicht erreicht hat, der fällt
unter dasselbe Urteil wie jener, zu dem kein Gesandter kam, wenn er in
diesem Zustand stirbt.

Der Beweis dafür, dass sie nicht genauso wie andere Kuffār bestraft werden,
welche die Botschaft erreicht hat, ist die Aussage Allāhs ‫تعاىل‬:

‫َو َما ُكنذا ُم َع ِذب َِي َح ذ َّٰت ن َ ْب َع َث َر ُس ًوَّل‬


Und wir strafen nicht eher, bis Wir einen Gesandten geschickt haben
(Al-Isrāʾ: 15).

29
‫موانع التكفري‬

Shaykh ʿAbd ar-Rahmān as-Saʿdī ‫ رحمهنهللا‬sagte in seinem Tafsīr über diese


Āyah:

„Und Allāh ist der Gerechteste aller Gerechten, Er bestraft keinen, bis ihm die
Hujjah (Beweismittel) durch die Botschaft aufgestellt wurde und er dann die
Hujjah starrköpfig ablehnt. Wer jedoch die Hujjah akzeptiert oder wen die
Hujjah Allāhs des Erhabenen nicht erreicht hat, den bestraft Allāh der
Erhabene nicht. Diese Āyah wurde als Beweis dafür herangeführt, dass Allāh
die Leute der Fatrāt (Perioden ohne Gesandten) und die Kinder der Mushrikīn
nicht strafen wird, bis Er ihnen einen Gesandten geschickt hat, denn Er ist
Erhaben über die Ungerechtigkeit.“

Der Beweis dafür, dass sie im Jenseits geprüft werden, ist die Aussage des
Gesandten Allāhs ‫ﷺ‬:

„Vier am Tage der Auferstehung: Ein Tauber, welcher nichts hört, ein Mann,
welcher ein Narr (Ahmaq) ist, ein sehr alter Mann und ein Mann, welcher in
einer Fatrah (Periode ohne Gesandten) starb.

Was den Tauben angeht, so wird er sagen: ‚Mein Herr, der Islām kam,
während ich doch nichts hören konnte!‘

Was den Narren angeht, so wird er sagen: ‚Mein Herr, der Islām kam und die
Kinder bewarfen mich mit Viehkot!‘

Und der sehr alte Mann wird sagen: ‚Mein Herr, der Islām kam, während ich
nichts begriff!‘

Was den betrifft, der in der Fatrah starb, der wird sagen: ‚Mein Herr, zu mir
kam kein Gesandter von Dir!‘

Dann wird Er den Pakt von ihnen abnehmen, dass sie Ihm gehorchen werden.
Es wird dann zu ihnen entsandt (und ihnen wird befohlen): ‚Betretet das
Feuer!‘“

Er sagte: „Ich schwöre bei Dem, in Dessen Hand die Seele Muhammads liegt,
wenn sie es betreten würden, wäre es für sie kühl und Frieden!“ (überliefert
bei Ahmad (14301), sahīh).

30
‫موانع التكفري‬

Und in einer anderen Überlieferung von Abū Hurayrah:

„Wer es betritt, für den ist es kühl und Frieden, und wer es nicht betritt, der
wird hineingezerrt“ (Ahmad (16302)).

31
‫موانع التكفري‬

Hinderungsgründe (Mawāniʿ) in Bezug


auf den Täter

Matn (‫)المتن‬
Das (Zuvorgegangene) bezog sich auf die Mawāniʿ des Takfīr im
Allgemeinen; es gibt aber auch Mawāniʿ in Bezug auf den Täter (des
Kufrs):

1. Er hat die Pubertät noch nicht erreicht.

2. Er ist nicht bei gesundem Menschenverstand; dies (bedeutet, er hat)


einen Mangel an kognitiver Fähigkeit aufgrund von Wahnsinn,
Bewusstlosigkeit, Schlaf oder wegen des Zustands der Trunkenheit oder
wegen übermäßiger Freude oder übermäßigen Zornes, wie derjenige,
der einen Fehler aufgrund übermäßiger Freude machte, als er sein
Kamel fand.

3. Die Handlung des Kufrs war nicht beabsichtigt, oder die Konsequenz
(der Aussage), welche Kufr ist, war nicht beabsichtigt.

Wenn die Tat allerdings beabsichtigt war und er diese Sache wollte, aber
nicht den Kufr wollte, und er es nicht tat, um Kufr zu begehen, und wenn
er gewusst hätte, dass es Kufr ist, er es nicht getan hätte, dann ist dies
nicht das, was wir meinen, denn die Tat oder Aussage ist nicht dasselbe
wie die Absicht des Kufrs, wie bei demjenigen, der auf ein Blatt Papier
tritt, sich nichts dabei denkt, und es sich dann herausstellt, dass es in
Wirklichkeit der Qurʾān war.

Also beabsichtigte er nicht das Treten und die Erniedrigung (des


Mushaf). Das unterscheidet sich von dem, der den Mushaf zerreißt und
es auch beabsichtigt, denn dieser beabsichtigte das Zerreißen, sodass er
Kufr begeht, selbst wenn er den Kufr hierdurch nicht beabsichtigt.

4. Mawāniʿ in den Ursachen, sodass jemand eine Aussage tätigt oder eine
Tat tut, welche jedoch nicht ausdrücklich und klar und deutlich Kufr ist.

32
‫موانع التكفري‬

5. Wenn man die Konsequenz (al-Lāzim) einer Aussage nicht


beabsichtigt hat und auch die Konsequenz nicht bestätigt (welche Kufr
ist), so ist dies ein Hindernisgrund.

6. Mawāniʿ in der Bestätigung (des Kufrs), sodass man ihm den Kufr
weder durch einen klaren Beweis beweisen kann noch durch Geständnis.

7. Die Hujjah, nach welcher er ungläubig wird, wurde nicht auf ihm
aufgestellt.

8. Mangel an Optionen, und das ist Ikrāh.

Was die Unwissenheit und Taʾwīl (falsche Interpretation) angeht, so


kommt die Fallunterscheidung bald ‫ ;اننشاءنهللا‬diese sind die anerkannten
Hinderungsgründe.

‫ر‬
Sharh (‫)الشح‬
Nun erwähnt der Autor die Hinderungsgründe in Bezug auf den Täter selbst,
und er erwähnt acht Hinderungsgründe:

1. Wenn jemand noch nicht die Pubertät erreicht hat, so wird er nicht zum
Kāfir, wenn er Aussagen des Kufrs spricht, da der Stift vom Kind gehoben ist,
bis es die Pubertät erreicht, wie im Hadīth überliefert wird.

2. Wenn man sich in einem Zustand befindet, in welchem man nicht bei
gesundem Menschenverstand ist, und währenddessen Worte des Kufrs
ausspricht, so wird man nicht ungläubig. Wenn ein Verrückter oder ein
Schlafender Kufr sprechen, so werden sie dafür nicht zur Rechenschaft
gezogen, da sie nicht bewusst den Kufr sprachen, sodass hier der Wille
abwesend ist. Genauso verhält es sich, wenn man sich im Zustand des
übermäßigen Zornes oder der übermäßigen Freude befindet; man wird für
die Worte, welche in diesem Zustand fielen, nicht belangt. Als Beweis dafür,
dass man bei übermäßiger Freude entschuldigt ist, nannte er den Hadīth des
Mannes, welcher sein Kamel und seinen Proviant auf der Reise verlor. Als er
plötzlich sein Kamel vor sich sah, sprach er: „O Allāh, Du bist mein Diener

33
‫موانع التكفري‬

und ich bin Dein Herr!“ – Er versprach sich aufgrund der übermäßigen
Freude.

Was den Betrunkenen angeht, welcher im Zustand der Trunkenheit eine


Aussage des Kufrs spricht, so gibt es diesbezüglich zwei Meinungen, ob er
ungläubig wird oder nicht, da er selbst schuld an diesem Verlust des
Verstandes ist. Das Richtige ist, dass wenn er seinen Verstand dermaßen
verloren hat, dass er nicht mehr begreift, was er sagt, er entschuldigt ist und
dadurch nicht zum Ungläubigen wird.

Shaykh al-Islām sagte:

„Wenn jedoch die Ursache, aufgrund welcher man den Verstand verlor,
etwas Verbotenes war, so ist der Betrunkene nicht entschuldigt, auch wenn
über ihn nicht mit dem Kufr geurteilt wird gemäß der richtigeren der beiden
Meinungen, genauso wie die Scheidung nicht eintritt, gemäß der richtigeren
der beiden Meinungen“ (al-Fatāwā 10/60).

3. Man tut eine Tat des Kufrs, ohne sie jedoch zu beabsichtigen. Als Beispiel
nannte er das Treten auf ein Blatt Papier, wobei sich im Nachhinein
herausstellt, dass es ein Mushaf war. Diese Tat von ihm war an sich Kufr,
jedoch wurde er nicht zum Kāfir, da er das Treten und das Erniedrigen des
Mushaf nicht beabsichtigte.

Etwas anderes ist es jedoch, wenn jemand ganz bewusst die Tat des Kufrs
begeht, wie z.B. das Treten auf den Mushaf, damit jedoch nicht zum Kāfir
werden will. Dies ist kein Hinderungsgrund und solch eine Person wird als
Kāfir bezeichnet, denn keiner will ein Kāfir werden, sodass wenn du selbst
die Juden und Christen fragst, sie dir sagen werden, dass sie durch ihre Taten
nicht zu Ungläubigen werden wollen, und dennoch wird über sie mit dem
Unglauben geurteilt.

4. Wenn jemand eine Aussage tätigt oder eine Tat tut, welche nicht
eindeutig Kufr ist, so darf er nicht als Kāfir bezeichnet werden, denn damit
man über jemanden mit dem Kufr urteilen kann, muss der Kufr eindeutig
sein und wenn eine Aussage oder Tat mehrdeutig ist, so darf man sie nicht
nach der schlimmsten Möglichkeit auslegen.

34
‫موانع التكفري‬

Dementsprechend müssen hier zwei Schritte erfolgen:

1. Es muss sichergestellt sein, dass die Tat großer Kufr ist, und dies
entnimmt man den Beweisen aus Qurʾān und Sunnah und dem
Ijmāʿ (Konsens).
2. Es muss sichergestellt sein, dass die Tat des Täters eindeutig dieser
Kufr war.

Bsp: Wenn jemand, während Ahādīth erzählt werden, Handzeichen macht,


so ist dies kein eindeutiges Spotten über den Dīn, sondern es ist unklar und
solch eine Geste reicht nicht aus, um jemanden zum Kāfir zu erklären.

5. Man darf nicht jemanden zum Ungläubigen erklären aufgrund einer


Aussage, deren Konsequenz (Lāzim) Kufr ist, wobei er diese Konsequenz
jedoch nicht beabsichtigte und wenn er gebeten werden würde, es zu
bestätigen, er es ablehnen würde.

Shaykh al-Islām sagte:

„Das Richtige ist, dass die Konsequenz der Aussage einer Person keine
Aussage (von ihm) ist, wenn er sich nicht daran hält, denn wenn er sie
leugnet und verneint, so ist es eine Lüge über ihn, sie ihm zuzuschreiben.
Vielmehr deutet sie (die Konsequenz) auf die Ungültigkeit seiner
(eigentlichen) Aussage hin und darauf, dass er sich in der Rede widerspricht“
(al-Fatāwā 20/217).

Bsp: Gemäß den Erneuerern der Māturīdiyyah ist die Definition des Īmāns
nur der Glauben mit dem Herzen. Abgesehen davon, dass dies dem Ijmāʿ der
Salaf widerspricht, wirft diese Definition ein Problem auf, und zwar müsste
laut dieser Definition Iblīs ein Muʾmin sein, da er innerlich an Allāh und den
Jüngsten Tag glaubt. Iblīs ist jedoch gemäß den Beweisen und dem Ijmāʿ ein
Kāfir und wer ihn nicht zum Kāfir erklärt, wird selbst zum Kāfir. Wenn man
die Māturīdiyyah jedoch fragt, ob sie diese Konsequenz bestätigen, so
lehnen sie sie ab und verleugnen sie, sodass man sie deswegen nicht direkt
zu Ungläubigen erklären darf, jedoch beweist dies, dass ihre Definition falsch
und widersprüchlich ist.

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‫موانع التكفري‬

6. Wenn sich der Kufr einer Person nicht durch einen eindeutigen Beweis
bestätigt oder durch ein Geständnis des Täters, so darf über ihn nicht mit
dem Unglauben geurteilt werden.

Ein eindeutiger Beweis ist von zwei Arten:

1. Die Zeugenaussage von zwei muslimischen reifen


vertrauenswürdigen Zeugen, welche den Kufr dieser Person
bezeugt haben. Ibn al-Mundhir ‫ رحمهنهللا‬sagte:

„Und die ʿUlamāʾ sind sich darin einig, dass es verpflichtend ist, bzgl. der
Abtrünnigkeit einer Person die Zeugenaussage von zwei Zeugen zu
akzeptieren“ (Al-Ijmāʿ, Kitāb al-Murtadd).

Dementsprechend reicht die Aussage einer einzelnen Person nicht aus und
ebenso reicht es nicht, wenn zwei Frevler den Kufr bezeugen.

2. Es ist weitgehend bekannt von einer Person, dass sie Kufr begeht.
Beispielsweise weiß die ganze Stadt XY, dass Fulān ibn Fulān ein
Rāfidī ist oder ein sonstiger Grabanbeter; in diesem Fall ist der Kufr
dieser Person bestätigt und dies kann sogar stärker in der
Beweiskraft sein als die Zeugenaussage.

Außerdem kann der Kufr bestätigt werden, wenn der Täter über sich selbst
bezeugt, dass er Tat XY tat oder Aussage XY traf, welche großer Kufr ist.

7. Wenn jemandem die Hujjah (Beweismittel) nicht aufgestellt wurde, so


darf über diesen nicht mit dem Kufr geurteilt werden, und wir führten dies
bereits detailliert aus, wann man von jemanden sagen kann, dass ihm die
Hujjah nicht aufgestellt wurde und er somit entschuldigt ist.
Zusammengefasst sagen wir:

A. Der Titel des Mushriks haftet stets am Täter des Shirks, jedoch ist
die Bedingung zur Erfüllung der Hujjah, durch welche er seine
verdiente Strafe erhält, dass ihn die Botschaft erreichte oder er die
Möglichkeit hatte, sie zu erlangen.
B. Die Hujjah in offenkundigen Angelegenheiten ist über jenen
aufgestellt, welcher fähig war, das Wissen zu erlangen. Bei wem

36
‫موانع التكفري‬

dies nicht der Fall war, dem wird die Hujjah aufgestellt, indem man
ihm die jeweiligen Beweise zeigt, und hierzu ist jeder befugt, selbst
die Allgemeinheit der Muslime.
C. Die Hujjah über jenen, welcher in den verborgenen
Angelegenheiten irrte, wird aufgestellt, indem man ihm die
Beweise erbringt, er sie versteht und man ihm die
Scheinargumente (Shubuhāt) entfernt, sofern er welche hat. Wenn
er sich danach stur abwendet, so wird er zum Kāfir. Hierbei sind nur
Leute mit Wissen befähigt, die Hujjah aufzustellen.

8. Wenn jemand keine Optionen hat, sprich, er ist gezwungen (Mukrah), so


fällt die Bezeichnung und das Urteil des Kufrs nicht auf ihn, und diesen
Hinderungsgrund nannte der Autor bei jeder Kategorie von den
Angelegenheiten.

37
‫موانع التكفري‬

Falsche Hinderungsgründe

Matn (‫)المتن‬
Dann gibt es noch Mawāniʿ, welche nicht akzeptabel sind, die aber
manche als Hinderungsgrund annehmen, obwohl sie kein
Hinderungsgrund sind, wie zum Beispiel:

1. Die Furcht.

2. Den Kufr nicht zu beabsichtigen.

3. Den Kufr lediglich auf den Glauben im Herzen zu beschränken.

4. Von den Herrschern, Gelehrten, Duʿāt oder Mujāhidīn zu sein


verhindert den Takfīr auf sie, selbst wenn sie mit klarem und
offenkundigen Kufr kommen.

5. Schlechte Erziehung.

6. Nutzen der Daʿwah, sodass er nicht ungläubig wird, selbst wenn er


Kufr begeht, solange er den Nutzen beabsichtigt.

7. Spaß und Mangel an Ernsthaftigkeit, und es ist nicht Kufr außer für
denjenigen, der ernsthaft war.

8. Die Abwesenheit der Urteile und der (diesseitigen) Strafe, denn


manche machen dies als Hinderungsgrund für jemanden, der mit
offenkundigem Kufr kam, sodass sie dann sagen: „Er wird nicht
ungläubig, denn selbst wenn du auf ihn Takfīr machst, so wirst du ihn
doch niemals töten und dich gegen ihn auflehnen! Und dies (der Takfīr)
bedeutet, dass er nicht erbt und vererbt, und dass seine Frau von ihm
getrennt wird. Da dies nicht geschieht, gibt es keinen Takfīr!“

Wir sagen: Es gibt einen Unterschied zwischen den Namen und den
Urteilen, und es bedeutet nicht, dass der Mangel an Fähigkeit, die Urteile

38
‫موانع التكفري‬

zu vollziehen, verhindert, die entsprechenden Namen zu geben (wie


Muslim, Kāfir, Murtadd etc.).

Shaykh ʿAbdullatīf sagte (in al-Minhāj, S. 316) über jenen, der denkt
und glaubt, dass die Rede der Leute des Wissens und ihre Einschränkung
der Etablierung der Hujjah und der Überbringung der Daʿwah die
Bezeichnung des Kufrs, Shirks, Frevels und ähnlichem von den Worten
und Taten, welche der Gesetzgeber mit solchen Namen bezeichnet hat,
verneinen:

„Wahrlich, das Fehlen des Aufstellens der Hujjah ändert nicht die
Bezeichnungen der Sharīʿah, sondern die Bezeichnung erfolgt gemäß der
Bezeichnung des Gesetzgebers als Kufr, Shirk oder Fisq mit seinem
(entsprechenden) Namen der Sharīʿah und wird nicht von ihm verneint,
selbst wenn der Täter nicht bestraft wird, sofern die Hujjah über ihn nicht
aufgestellt worden ist, und es gibt einen Unterschied zwischen der
Tatsache, dass eine Sünde Kufr ist, und zwischen dem Takfīr seines Täters.“

‫ر‬
Sharh (‫)الشح‬
Nachdem der Autor, möge Allāh ihn befreien, die Madhhab der Ahl as-
Sunnah in Bezug auf die Hinderungsgründe klarstellte, nennt er zum
Abschluss Hinderungsgründe, welche in Wirklichkeit keine sind, doch sie
werden von manchen Gruppen und Sekten als solche genommen.

1. Die Furcht. Manche Leute nehmen sie als Hinderungsgrund, doch die
Realität ist, dass sie nicht mal im Entferntesten ein Hinderungsgrund ist.
Vielmehr ist es die Rechtfertigung der Heuchler, welche die Kuffār als
Verbündete nahmen. Sie sagten:

ٰ َ ‫ون َ َْن‬
ۚ ‫َش أَ ْن ت ُِصيبَنَا دَا ِئ َر ٌة‬ َ ‫فَ َ ََتى ذ ِاَّل َين ِِف قُلُوِبِ ِ ْم َم َر ٌض ي َُس ِار ُع‬
َ ُ‫ون ِف َِي ْم ي َ ُقول‬
Und so siehst du diejenigen, in deren Herzen Krankheit (d.h. Zweifel
und Heuchelei) ist, sich ihretwegen beeilen; sie sagen: „Wir fürchten,
daß uns eine Schicksalswendung treffen wird“ (Al-Māʾidah: 52).

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‫موانع التكفري‬

Und dennoch entschuldigte Allāh ‫ تعاىل‬sie nicht.

Masʾalah: Dasselbe gilt für die Herrscher, welche von manchen mit diesem
Hinderungsgrund entschuldigt werden, und zwar mit der Furcht vor den
westlichen Ländern. Dies ist kein akzeptabler Grund und daher fällt auf sie
der Kufr, und darüber hinaus zwang sie keiner, diese Ämter zu bekleiden,
sodass keiner sagen kann, dass sie gezwungen sind.

2. Den Kufr nicht zu beabsichtigen. Dies ist eine der falschesten


Behauptungen, was die Hinderungsgründe betrifft, denn in Wirklichkeit will
keiner in den Kufr fallen, nicht einmal die Juden und Christen. Da sie jedoch
die Taten getan haben, welche den Kufr zur Folge haben, bezeichnete Allāh
sie als Kuffār und entschuldigte sie nicht. Hierin gibt es keinen Unterschied
zwischen ursprünglichen Kuffār (Kuffār Asliyyīn) und Personen, welche sich
dem Islām zuschreiben, denn Allāh ‫ تعاىل‬sagte:

َ ‫ون َ َمَك َك َف ُروا فَتَ ُكون‬


‫ُون َس َو ًاء‬ َ ‫َو هدوا ل َ ْو تَ ْك ُف ُر‬
Sie möchten gern, daß ihr ungläubig werdet, wie sie ungläubig sind,
so daß ihr (alle) gleich seiet“ (An-Nisāʾ: 89).

So deutet diese Āyah darauf hin, dass wer denselben Kufr wie die Kuffār
begeht, genauso ein Kāfir wird wie sie.

3. Das Beschränken des Kufrs auf den Glauben des Herzens. Dies ist von den
Erneuerungen der Murjiʾah, welche sagen, dass man nur durch einen Kufr-
Glauben zum Kāfir wird. Was Aussagen und Taten des Kufrs angeht, so gibt
es für sie solche nicht, es sei denn, man erklärt die Tat für erlaubt; nur in
dem Fall sehen sie es als Kufr an.

Shaykh Sulaymān al-ʿAlwān ‫ فرجنهللانعنه‬wurde gefragt:

„Ehrenwerter Shaykh, wird der Beleidiger des Gesandten ungläubig durch


das Beleidigen an sich, oder ist es eine Bedingung dabei, dass er es für erlaubt
erklärt?“

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‫موانع التكفري‬

Antwort:

„Die Sahābah, Tābiʿīn und jene, welche nach ihnen kamen, waren sich darin
einig, dass wer etwas sagt oder tut, was klarer Kufr ist, dadurch ungläubig
wird, ohne dies mit dem für erlaubt Erklären (Istihlāl) zu beschränken“
(Jalasāt al-ʿIlmiyyah al-Yawmiyyah, Frage Nr. 3).

Diese Erneuerung war bereits zur Zeit der Salaf bekannt, welche sie
verabscheuten, sie tadelten und vor ihren Anhängern warnten. Ishāq ibn
Rāhawayh ‫رحمهنهللا‬, welcher zur Zeit der Salaf lebte und ein Zeitgenosse von
Imām Ahmad war, sagte:

„Die Murjiʾah haben übertrieben, bis sie so weit kamen, dass welche sagten:
‚Wer die Pflichtgebete unterlässt und das Fasten im Ramadān und die Zakāh
und die Hajj und die Allgemeinheit der Pflichten, ohne sie zu leugnen, den
erklären wir nicht zum Kāfir.‘“

Masʾalah: Der Irjāʾ ist heute vor allem unter jenen bekannt, welche sich der
Salafiyyah zuschreiben. Nach dem Äußeren präsentieren sie sich als Ahl as-
Sunnah und definieren den Īmān wie sie, was jedoch den Kufr und den Takfīr
betrifft, sind sie die schlimmsten Murjiʾah. Am meisten sind hiervon die
Madākhilah betroffen und sonstige Murjiʾah, welche Shaykh al-Albānī folgen
und sich auf ihn beziehen.

4. Es ist kein Hinderungsgrund im Takfīr, dass der Täter von den Herrschern,
Gelehrten, Duʿāt oder Mujāhidīn ist. Dies ist ein wichtiger Punkt, welchen
man stets bedenken muss, da der Fanatismus heutzutage dazu führt, dass
man nur Takfīr auf den Widersacher macht; wenn jedoch einer aus den
eigenen Reihen in den Kufr fällt, den man verehrt und respektiert, so
entschuldigt man ihn wegen nichts anderem als seiner Persönlichkeit!

Dies ist ein großer Fehler, welchen es zu korrigieren gilt, denn der Dīn gehört
Allāh und wer in den Kufr fällt, den muss man zum Kāfir erklären, selbst
wenn es einem zuwider ist.

Wie viele Gelehrte und Prediger gab es doch in der Geschichte, welche
Allāhs Āyāt für einen geringen Preis der Dunyā verkauften und die
Rechtleitung für die Irreleitung eintauschten?

41
‫موانع التكفري‬

Wie viele Herrscher sehen wir, welche beten und fasten und Qurʾān-
Exemplare drucken lassen, doch Tawāghīt sind, die Gesetze neben Allāh
erlassen und die Feinde des Islāms gegen die Muslime und den Islām
unterstützen?

Wie viele sahen wir, welche sich dem Kampf zugeschrieben haben und
daraufhin in die Abtrünnigkeit gefallen sind? Es ist nicht lange her, dass
manch afghanische Emire gegen die Russen kämpften und sich tapfer
schlugen. Danach traten sie in Parlamente des Shirks ein und lösten somit
den Bund des Islāms von ihren Nacken!

Wisset, möge Allāh Sich eurer erbarmen, dass Allāh ‫ تعاىل‬über die Propheten
sagte:

َ ُ‫رش ُكوا ل َ َح ِبطَ َعْنْ ُم ذما َاكنُوا ي َ ْع َمل‬


‫ون‬ َ ْ ‫َول َ ْو َأ‬
Wenn sie (Ihm) aber (andere) beigesellt hätten, wäre für sie wahrlich
hinfällig geworden, was sie zu tun pflegten
(Al-Anʿām: 88).

Wenn die Propheten Shirk begangen hätten, so wären sie damit zu


Ungläubigen geworden und ihre Taten wären alle hinfällig geworden. Wenn
man sich dies vor Augen hält, so wird man realisieren, dass die guten Taten,
die man einst tat, einen nicht davor bewahren, in der Zukunft in den
Unglauben zu fallen.

5. Schlechte Erziehung, und dies ist ein Hinderungsgrund, welcher von


keiner Sekte zuvor jemals bekannt war, bis in dieser Zeit einer der Murjiʾah
kam und behauptete, dass jemand, der Allāh beleidigt aufgrund von
„schlechter Erziehung“, entschuldigt werden kann. Die Falschheit dieser
Aussage ist offenkundig und bedarf keiner Widerlegung.

6. Der Nutzen der Daʿwah. Diese Behauptung ist offenkundige Irreleitung


und ebenfalls von den wundersamen Behauptungen unserer Zeit. Wenn
dies ein Hinderungsgrund wäre, so hätten der Prophet ‫ ﷺ‬und die Sahābah
davon in Makkah Gebrauch gemacht, als ihre Lage mehr als schlimm war

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‫موانع التكفري‬

und sie den Mushrikīn nur etwas entgegenkommen müssten, damit sie in
Ruhe gelassen werden. Allāh ‫ تعاىل‬sagte:

َ ‫َو هدوا ل َ ْو تُدْ ِه ُن فَ ُيدْ ِه ُن‬


‫ون‬
Sie möchten gern, daß du schmeichelst, so daß (auch) sie schmeicheln
(können) (Al-Qalam: 9).

Mujāhid ‫ رحمهنهللا‬sagte: „(…) dass du zu ihren Göttern neigst und das verlässt,
worauf du dich von der Wahrheit befindest.“

Doch der Prophet ‫ﷺ‬kam ihnen kein Stück entgegen und er blieb standhaft
auf dem Tauhīd, bis Allāh seine edle Seele zu Sich nahm, der Salāh meines
Herrn und Salām auf ihm.

Und wie schön ist doch, was Shaykh ʿAlī al-Khudayr sagte:

„Der gewaltigste Schaden ist der Shirk und der gewaltigste Nutzen ist der
Tauhīd. Wenn der Tauhīd verschwunden ist, was ist dann der Nutzen?“

7. Spaß und Mangel an Ernsthaftigkeit. Dies widerspricht dem Ijmāʿ, dass


wer den Kufr ausspricht, zum Kāfir wird, und ob er es aus Spaß sagte oder
ernsthaft, spielt keine Rolle, und dies ist in den Fiqhbüchern aller vier
Rechtsschulen vorzufinden.

8. Manche behaupten, dass wenn über einen die Urteile des Takfīrs nicht
angewendet werden können, welche in einem islāmischen Land praktiziert
werden, sprich, dass er zur Tawbah aufgerufen wird und wenn er auf seinem
Kufr beharrt, exekutiert wird, man auch nicht den Takfīr auf ihn ausspricht.
Dies ist offenkundig falsch, denn die Vorstellung vor einem Islāmischen
Richter ist keine Bedingung für den Takfīr und die Begrifflichkeiten wie Kāfir,
Fāsiq etc., und hierzu brachte der Autor die Aussage von Shaykh ʿAbdullatīf
‫رحمهنهللا‬, welcher dieses Missverständnis aufklärte.

Diese Aussage hat außerdem zur Folge, dass in allen Ländern, in welchen
Muslime leben und in welchen nicht die Sharīʿah herrscht, die Muslime
abtrünnig werden, Tag und Nacht Shirk begehen und Allāh beleidigen

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‫موانع التكفري‬

können und am Ende bleiben sie immer noch Muslime, da es keinen


islāmischen Richter gibt, der sie dafür zur Rechenschaft zieht! Dies ist
offenkundige Irreleitung, welche nur derjenige nicht erkennt, dessen Herz
Allāh blind machte.

Hiermit ist die Erklärung beendet durch die Gnade Allāhs. Was darin richtig
ist, so ist es von Allāh, und was darin falsch ist, so ist es von mir selbst oder
dem Shaytān, und Allāh und sein Gesandter sind davon frei.

‫و امحلد هلل رب العاملي والصَلة والسَلم عىل رسول هللا و عىل أَل وحصبه‬
‫أمجعي‬

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