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Was ist Strategie?

WETTBEWERB: Das ständige Wettrennen um mehr Effizienz, Qualität und


Schnelligkeit bestimmt den Alltag von Führungskräften in vielen Branchen.
Doch operative Exzellenz allein garantiert noch keinen Erfolg. Fünf Thesen für
Manager, die ihren Unternehmen einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil
verschaffen wollen.

Von Michael E. Porter

I
n den vergangenen zwei Jahrzehnten haben werden. Der in vielen Branchen beklagte exzes-
Manager gelernt, nach neuen Regeln zu sive Wettbewerb – von manchen Hypercompeti-
spielen. Die Unternehmen mussten so flexi- tion genannt – ist jedoch keineswegs das unver-
bel werden, dass sie auf jede Änderung meidliche Resultat eines von Grund auf veränder-
der Wettbewerbs- und Marktbedingungen ten Wettbewerbs, sondern vielmehr häufig ein
rasch reagieren können. Sie lernten, kontinuier- selbst verschuldetes Problem.
lich Benchmarking zu betreiben, um Best Prac- Die Wurzel des Problems ist die Unfähigkeit,
ti-ces zu identifizieren, und kräftig auszulagern, klar zwischen operativer Exzellenz und Strategie
um effizienter zu werden. Und es wurde ihnen zu unterscheiden. Das Streben danach, Produk-
beigebracht, dass es entscheidend ist, nur einige tivität, Qualität und Schnelligkeit zu steigern,
wenige Kernkompetenzen zu pflegen, um sich hat eine bemerkenswerte Anzahl von Manage-
gegenüber den Wettbewerbern behaupten zu mentinstrumenten und -methoden hervorge-
können. bracht: Total Quality Management (TQM),
Sich auf eine eindeutige Marktpositionierung Benchmarking, Time-Based Competition, Out-
festzulegen – einst Kernstück jeder Geschäftsstra- sourcing, Partnering, Reengineering, Change-
tegie – gilt dagegen heute als altmodisch und wird Management. Damit konnten beachtliche Ver-
mit Hinweis auf die dynamischen Märkte und den besserungen erreicht werden. Doch viele Unter-
technischen Fortschritt als zu statisch abgelehnt. nehmen sind enttäuscht, dass diese Fortschritte
Der neuen Glaubenslehre zufolge können Mitbe- nicht in dauerhaft höhere Erträge mündeten.
werber jede Marktposition schnell kopieren, und Und nach und nach haben diese Management-
jeder Wettbewerbsvorteil kann daher allenfalls instrumente fast unmerklich den Platz einge-
für eine kurze Zeit gehalten werden. nommen, der eigentlich der Strategie zukommen
Doch diese Überzeugungen sind gefährliche sollte.
Halbwahrheiten, die immer mehr Unternehmen Je mehr Manager versuchen, an allen Fronten
auf den Pfad eines allseits zerstörerischen Wett- Verbesserungen zu erzielen, desto weiter ent-
bewerbs führen. Gewiss, mit zunehmender Ent- fernen sie sich von ihrem wichtigsten Ziel, ihren
staatlichung und Globalisierung der Märkte ent- Unternehmen einen wirklich nachhaltigen Wett-
fallen einige Wettbewerbsbarrieren. Und sicher bewerbsvorteil zu verschaffen. Im Folgenden
haben die Unternehmen zu Recht große Mühen möchte ich fünf Thesen dazu aufstellen, wie diese
darauf verwandt, schlanker und beweglicher zu Situation verbessert werden kann.

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These 1: Operative Exzellenz
allein reicht nicht KOMPAKT
Operative Exzellenz und Strategie sind gleicher- Der Autor: Michael Eugene Porter wurde
maßen wichtig, um herausragende Leistungen zu 1947 in Ann Arbor, im US-Bundesstaat
erzielen. Doch beide Faktoren wirken auf sehr Michigan, geboren. Der talentierte
unterschiedliche Weise. Ein Unternehmen wird Sportler und Musiker studierte in Prince-
seine Mitbewerber nur übertreffen, wenn es sich ton Raumfahrttechnik und Maschinenbau
von diesen abheben und diesen Abstand dauer- und machte sowohl seinen MBA als auch
haft erhalten kann. Es muss den Kunden einen seinen Doktor in Harvard. Mit 26 Jahren
höheren Wert bieten als die Konkurrenz oder wurde er einer der jüngsten Professoren
einen ähnlichen Wert zu einem niedrigeren Preis der Harvard Business School. Porter ist
oder beides. Aus einer einzigartigen strategischen Leiter des 2001 gegründeten Institute for
Position ergibt sich unweigerlich eine überdurch- Strategy and Competitiveness.
schnittliche Rendite: Wenn das Unternehmen für In mehreren Rankings wurde er zu einem
den Kunden einen größeren Wert erzeugt, kann der einflussreichsten Management-
es im Durchschnitt höhere Preise verlangen; aus vordenker erkoren. Er beriet zahlreiche
höherer Effizienz folgen geringere Stückkosten. Konzerne in aller Welt sowie die
Letztlich beruhen alle Kosten- und Preisunter- Regierungen vieler Länder.
schiede auf Hunderten von Dingen, die ein Un-
ternehmen tun muss, um Produkte oder Services Die Thesen: Die grundlegende Frage, die
zu entwickeln, zu produzieren, anzubieten und sich durch Porters Veröffentlichungen
zu liefern – etwa Kunden anrufen, Endprodukte zieht, steht auch in diesem Beitrag,
montieren oder Mitarbeiter schulen. Kosten ent- der sein bekanntester ist, im Mittelpunkt:
stehen durch all diese Aktivitäten, aber wettbe- Wie kann ein Unternehmen Wettbewerbs-
werbswirksame Kostenvorteile ergeben sich nur vorteile erlangen? Eine Strategie zu
dann, wenn bestimmte Tätigkeiten im Vergleich entwickeln bedeutet dabei vor allem,
zur Konkurrenz effizienter ausgeführt werden. herauszufinden, was das Angebot des
Und eine effektive Differenzierungsstrategie be- Unternehmens für die Kunden einzigartig
ruht darauf, bestimmte Aktivitäten auszuwählen macht. Der größte Fehler des Topmanage-
und sie in besonderer Weise auszuführen. ments sei es, keine klare Linie vorzugeben
Operative Exzellenz bedeutet ganz allgemein, („stuck in the middle“), zu versuchen,
die gleichen Dinge besser zu tun als die Konkur- alles gleichzeitig zu tun, und ständig nur
renz. Das schließt Effizienz mit ein, ist aber nicht die Ideen und Methoden der
darauf beschränkt. Operative Exzellenz kann auf Konkurrenten nachzuahmen.
einer beliebigen Reihe von Praktiken gründen, die
es einem Unternehmen zum Beispiel ermögli- Die Wirkung: Porter schrieb mehr als
chen, seine Produktionsfaktoren besser zu nut- 125 Artikel und 17 Bücher. Seine beiden
zen, die Fehlerquote zu senken oder bessere Pro- wichtigsten Bücher zum Thema Wett-
dukte zu entwickeln. Im Gegensatz dazu beruht bewerbsstrategien wurden in Dutzenden
eine einzigartige strategische Positionierung dar- Auflagen gedruckt und in mehr als
auf, etwas anderes zu tun als die Konkurrenten 18 Sprachen übersetzt (siehe Servicekasten
oder gleiche Tätigkeiten auf andere Weise auszu- Seite 123). Der vorliegende Beitrag
führen. wurde 1996 in Ausgabe 6 der „Harvard
Die Unterschiede hinsichtlich der operativen Business Review“ erstmals veröffentlicht.
Exzellenz zwischen den Unternehmen können Es dürfte kaum eine Unterneh-
enorm sein. So sind manche besser darin, aus mensleitung oder Strategieabteilung
ihren Produktionsfaktoren mehr herauszuholen, geben, die nicht unmittelbar von Porters
indem sie Verschwendung eliminieren, verstärkt Gedanken beeinflusst worden ist.
moderne Techniken einsetzen, Mitarbeiter besser
motivieren oder bestimmte Arbeitsabläufe ge-
schickter organisieren. Solche Unterschiede sind
im Wesentlichen die Ursache, wenn Wettbewer-
ber ungleich rentabler agieren – da sie unmittel-
baren Einfluss haben auf die relativen Kosten-

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positionen und den Umfang, in dem sich ein Un-
ternehmen von anderen abheben kann. Die Grenzen ständiger Verbesserung
Vor allem aufgrund ihrer geringeren operativen Die Kurve markiert eine fiktive Produktivitätsobergrenze, die ein Un-
Exzellenz unterlagen westliche Unternehmen in ternehmen erreichen könnte, wenn es in der Lage wäre, in allen Be-
den 80er Jahren ihren japanischen Konkurrenten. reichen Best-Practice-Niveau zu erreichen. Je mehr sich die Firmen
Diese hatten auf diesem Gebiet einen so großen einer Branche in der operativen Exzellenz dieser Obergrenze
Vorsprung, dass sie gleichzeitig mit geringeren annähern, umso seltener erwächst daraus ein Wettbewerbsvorteil.
Kosten und überlegener Qualität auftreten konn-
ten. Es ist wichtig, auf diesen Punkt einzugehen,

hoch
da er dafür verantwortlich ist, dass operative Effi-
zienz und Strategie heute oft verwechselt werden.
Stellen wir uns zunächst einmal eine fiktive

Kundennutzen
ideale Obergrenze für die Produktivität vor, die
erreicht würde, wenn in einem Unternehmen alle Produktivitätsobergrenze
zu einem bestimmten Zeitpunkt verfügbaren Best
Practices eingesetzt würden (siehe Grafik rechts).
Die Kurve beschreibt den maximalen Wert, den
ein Unternehmen mit einem bestimmten Pro-
niedrig

dukt oder Service bei den vorgegebenen Kosten


erreichen kann, sofern es die besten verfügbaren hoch niedrig
Techniken, Kompetenzen, Managementmetho- Relative Kostenposition Vergleich zum Wettbewerb
den und Vorleistungen einsetzt. Eine solche
Produktivitätsgrenze kann auf einzelne Geschäfts-
tätigkeiten bezogen werden, auf Gruppen mit-
einander verknüpfter Tätigkeiten (wie Auftrags-
bearbeitung oder Fertigung) oder auf sämtliche Im Bemühen, ihre Produktivitätsobergrenze
Aktivitäten des Unternehmens. Wird nun die auszuloten, konnten Unternehmen die Leistung
operative Exzellenz erhöht, nähert sich das Un- häufig in mehrfacher Hinsicht verbessern, und
ternehmen dieser Grenze, egal ob es hierfür in- zwar gleichzeitig. Wer etwa in den 80er Jahren die
vestiert, anderes Personal eingestellt oder neue japanische Praxis des schnellen Umrüstens über-
Managementverfahren eingesetzt hat. nahm, konnte gleichzeitig die Kosten senken und
In dem Maße, in dem neue Techniken und Ma- sich besser vom Wettbewerb abheben. Wo früher
nagementmethoden entwickelt oder neue Pro- bei der Optimierung ein Trade-off unausweich-
duktionsfaktoren verfügbar werden, verschiebt lich schien – etwa beim Abwägen Produktqualität
sich die Produktivitätsgrenze für alle Unterneh- versus Kosten –, schien es plötzlich keine grund-
men der Branche nach rechts oben. sätzlichen Unvereinbarkeiten mehr zu geben,
Seit mindestens zehn Jahren (vom Zeitpunkt lediglich einen Mangel an operativer Exzellenz.
1996 aus betrachtet – Anm. d. Red.) sind Manager Eine ständige Verbesserung der operativen Ex-
vor allem damit beschäftigt, die operative Exzel- zellenz ist sicher notwendig, um überdurch-
lenz zu steigern. Mit Programmen wie TQM, schnittlich rentabel zu werden. Gleichwohl reicht
Zeitwettbewerb und Benchmarking konnten sie das gewöhnlich nicht aus. Nur wenigen Unter-
Ineffizienzen beseitigen, die Kundenzufrieden- nehmen ist es gelungen, sich allein aufgrund ihrer
heit erhöhen und die Prozesse optimieren. In der operativen Exzellenz über längere Zeit erfolg-
Hoffnung, mit den Produktivitätssteigerungen reich im Wettbewerb durchzusetzen. Und auch
Schritt halten zu können, wandten sich diese Ma- für sie wird es täglich schwieriger, die Mitbewer-
nager der kontinuierlichen Verbesserung zu, ber hinter sich zu lassen. Offensichtlich liegt dies
Konzepten wie Empowerment, Change-Mana- daran, dass sich die besten Praktiken schnell ver-
gement oder der sogenannten lernenden Organi- breiten. Konkurrenten können Management-
sation. Die wachsende Beliebtheit von Manage- konzepte, neue Techniken oder überragende Me-
mentkonzepten wie dem Outsourcing und dem thoden zur Erfüllung von Kundenbedürfnissen
virtuellen Unternehmen zeigt jedoch zuneh- leicht kopieren. Die generischsten Problemlösun-
mend, dass es schwierig ist, in allen operativen Be- gen – solche, die sich in höchst unterschiedlichen
reichen genauso produktiv zu werden wie jene Situationen einsetzen lassen – verbreiten sich am
Unternehmen, die nur in ganz spezifischen Berei- schnellsten, nicht zuletzt durch die Unterstüt-
chen Spitzenleistungen erzielen. zung von Beratern.

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Nehmen wir nur die US-Druckindustrie, in der denten. Mit ihrer Flugdichte und den niedrigen
jährlich über fünf Milliarden Dollar umgesetzt Preisen spricht Southwest preisbewusste Kunden
werden. Die Hauptakteure – R. R. Donnelley & an, die sonst mit Bus oder Auto gereist sind, sowie
Sons, Quebecor, World Color Press und Big auf Zweckmäßigkeit bedachte Fluggäste, die auf
Flower Press – stehen in direktem Wettbewerb anderen Routen eine Full-Service-Airline wählen
miteinander, bedienen alle Kundengruppen, ver- würden. Die Strategie von Southwest beruht dar-
fügen über dieselbe Palette an Drucktechniken auf, bestimmte Dinge im Vergleich zu den Wett-
(von Tief- bis Offsetdruck), investieren viel in bewerbern anders zu machen oder gar nicht zu
dieselben Anlagen, lassen ihre Druckpressen tun. Wäre dem nicht so, wäre auch diese Strategie
schneller laufen denn je und bauen ihr Maschi- nichts weiter als eine Marketingbotschaft, die
nenpersonal ab. Doch die damit erreichten gro- dem Wettbewerb nicht standhielte.
ßen Produktivitätszuwächse schlagen sich nicht Full-Service-Carrier mit umfassendem Leis-
etwa in überdurchschnittlichen Erträgen nieder, tungsangebot sind darauf eingerichtet, Passagiere
sondern kommen den Kunden und Anlagenliefe- von nahezu jedem Punkt A zu jedem Punkt B zu
ranten zugute. Selbst beim Branchenführer Don- befördern. Um möglichst viele Ziele anfliegen
nelley sank die Umsatzrendite von konstant über und Reisenden Anschlussflüge bieten zu können,
7 Prozent in den 80er Jahren auf unter 4,6 Prozent unterhalten sie ein System von Drehkreuzen an
im Jahr 1995. Ähnliches spielt sich in vielen Bran- den wichtigsten Flughäfen. Sie bieten Passagieren
chen ab. Sogar die Japaner, die im Hinblick auf mit Komfortwünschen in der First oder der Bu-
Exzellenz an der Spitze stehen, beklagen die an- siness-Class einen besonderen Service. Sie stim-
haltend geringen Erträge (siehe Kasten Seite 6). men ihre Flugpläne genau ab, kümmern sich um
Der zweite Grund, warum operative Verbesse- das Gepäck, auch bei Fluggästen im Transitver-
rungen nicht ausreichen, ist subtiler und tücki- kehr. Passagieren, die viele Stunden an Bord sind,
scher. Es ist die zunehmende Angleichung des werden Mahlzeiten serviert.
Wettbewerbsverhaltens. Je mehr Unternehmen Dagegen sind bei Southwest alle Tätigkeiten
Benchmarking betreiben und je mehr Rivalen be- darauf zugeschnitten, auf den speziellen Routen
stimmte Tätigkeiten an effiziente Dritte outsour- einen preisgünstigen, zweckmäßigen Service zu
cen – oft sind es dieselben Firmen –, desto weniger bieten. Durch kurze Bodenzeiten von jeweils nur
unterscheiden sie sich voneinander. Das gegensei- 15 Minuten kommen Southwest-Maschinen auf
tige Nachahmen in Bezug auf Qualitäts- und Pro- mehr Flugstunden als die Konkurrenz, und die
zessmanagement oder Partnerschaften führt zu Airline schafft selbst mit weniger Flugzeugen
einer Angleichung der Geschäftsstrategien. Wett- viele Starts. Es gibt kein Essen an Bord, keine
bewerb wird zu einer Serie von Wettrennen auf Platzreservierung, keine Teilstrecken-Gepäck-
identischen Wegen – und niemand kann gewin- abfertigung, keine besonderen Beförderungsklas-
nen. Ein ausschließlich auf operativer Exzellenz sen mit Extraservice. Mit Ticketautomaten am
basierender Wettbewerb wirkt sich für alle zer- Terminal sind die Flugreisenden nicht auf die
störerisch aus und führt zu zermürbenden Krie- Dienste eines Reisebüros angewiesen, was South-
gen, die es den Unternehmen zunehmend unmög- west erspart, Provisionen zu zahlen. Da die Flotte
lich machen, langfristig in das eigene Geschäft zu nur aus B-737-Maschinen besteht, ist die Wartung
investieren. hocheffizient. Auf diese Weise hat sich Southwest
eine einzigartige strategische Position geschaffen.
These 2: Strategie basiert Keine Full-Service-Airline könnte auf den von
Southwest bedienten Strecken ähnlich zweck-
auf Einzigartigkeit mäßig und preisgünstig operieren.
Eine Strategie, die zu einem klaren Wettbewerbs- In ähnlicher Weise hat sich Ikea strategisch
vorteil führt, besteht darin, anders zu sein. Dies überlegen positioniert (eine umfassende Abbil-
bedeutet, bewusst eine Kombination von Tätig- dung des strategischen Systems von Ikea findet
keiten zu wählen, die für den Kunden einen ein- sich in der Grafik Seite 7). Das schwedische Mö-
zigartigen Mix an Werten erzeugt. belhaus wendet sich an junge Käufer, die gutes
Southwest Airlines zum Beispiel bietet preis- Design zu niedrigen Preisen wünschen. Auch
werte Kurzstrecken-Direktflüge zwischen mit- Ikea hat entschieden, bestimmte Tätigkeiten an-
telgroßen Städten und großstädtischen Neben- ders auszuführen als die Konkurrenz, vor allem
flughäfen. Die Gesellschaft meidet große Flug- die traditionellen Möbelgeschäfte. Ikea bietet
häfen und bedient keine langen Strecken. Zu ihren seinen Kunden kaum Service, dafür aber preis-
Kunden zählen Geschäftsleute, Familien und Stu- werte Möbel. Es gibt keine Verkäufer, die den

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Japanischen Unternehmen fehlt meist eine Strategie
Vorsprünge. In den 70er und 80er gestalten ihre Fabriken nahezu Barrieren. Wenn japanische
Jahren ging von Japan im Hinblick gleich. Unternehmen eine einzigartige
auf die operative Effizienz eine Strategie entwickeln wollen, müssen
globale Revolution aus. Japanische Gefahren. Inzwischen lassen sich sie hohe kulturelle Hürden
Unternehmen wurden zu Vorreitern die Gefahren des japanischen überwinden. Japan ist stark
bei Methoden wie Total Quality Wettbewerbsverhaltens leichter konsensorientiert. Die Unter-
Management und bei kontinuier- erkennen. Noch in den 80er Jahren nehmen neigen stark dazu,
licher Verbesserung (Kaizen). Über hatte es den Anschein, als könnten individuelle Unterschiede
viele Jahre konnten japanische die Japaner sowohl bei den Kosten einzuebnen, statt sie zu betonen.
Hersteller damit erhebliche Kosten- als auch bei der Qualität auf Strategie erfordert aber harte
und Qualitätsvorsprünge halten. unbegrenzte Zeit voranmarschieren. Entscheidungen. Hinzu kommt die
Selten entwickelten japanische Konnten sie dank einer wachsenden in Japan tief verwurzelte Tradition
Unternehmen jedoch klare Wirtschaft und der Eroberung der des Dienens, die Japaner dazu verlei-
strategische Positionierungen. Von globalen Märkte nicht immer weiter tet, Kunden möglichst jeden
einigen wenigen Unternehmen wie wachsen? Nichts schien sie Wunsch zu erfüllen. Doch dadurch
Sony, Canon oder Sega abgesehen, aufhalten zu können. Inzwischen ist verwischen japanische Firmen ihre
eifern die meisten japanischen ihr operativer Vorsprung jedoch klare Positionierung und bieten
Firmen einander nach: Alle Konkur- geschmolzen, japanische Firmen letztlich allen Kunden alles.
renten bieten die meisten, wenn geraten zunehmend in eine Falle, die
nicht alle möglichen sie sich selbst gestellt haben. Diese Anmerkungen basieren auf einer
Produktvarianten und -merkmale Wollen sie den drohenden Kämpfen Studie, die der Autor zusammen mit
sowie Services an; sie bedienen gegeneinander entkommen, müssen Hirotaka Takeuchi, unterstützt von Mariko
dieselben Vertriebskanäle; und sie sie lernen, strategisch zu denken. Sakakibara, erarbeitet hat.

Kunden durchs Geschäft begleiten, Ikea setzt zu- bewerbsstrategien“ der Kostenführerschaft, Dif-
dem auf Selbstbedienung. Alle Produkte, die Ikea ferenzierung und Nischenstrategie (siehe Kasten
im Angebot hat, sind in riesigen Hallen zu Zim- Seite 9):
mereinrichtungen arrangiert. Es müssen keine
Vorschläge mehr gemacht werden, wie eine Ein- Produkt- oder Servicevarianten. Erstens kann
richtung daheim aussehen könnte. Im Lager ne- eine Marktposition darauf basieren, dass ein Un-
benan können die Kunden ihre Ware gleich ternehmen nur einen Teil des in einer Branche üb-
abholen, und sie stellen die Möbel zu Hause lichen Sortiments an Produkten oder Leistungen
selbst auf. anbietet. Ich nenne dies eine variantenbezogene
Wenn auch ein großer Teil der guten Preisposi- Positionierung (variety-based positioning), da es
tion von Ikea auf dem „Do it yourself“-Geschick hier um die Wahl von Produkt- oder Service-
der Kunden beruht, so bietet das Unternehmen varianten geht statt um Kundengruppen.
doch einige zusätzliche Leistungen, die es bei der Eine solche Positionierung ist wirtschaftlich
Konkurrenz nur selten gibt: Kinderbetreuung dann sinnvoll, wenn ein Unternehmen bestimmte
etwa oder lange Öffnungszeiten. Das kommt den Produkte oder Leistungen aufgrund spezieller
Kunden sehr entgegen, jungen Leuten, die nicht Kompetenzen besser erbringen kann als andere.
wohlhabend sind, oft Kinder haben (aber kein So hat sich beispielsweise Jiffy Lube Inter-
Kindermädchen), und die, weil berufstätig, au- national auf den Service bei Autoschmierstoffen
ßerhalb der Bürozeiten einkaufen müssen. spezialisiert, leistet aber keine sonstigen Repara-
Eine strategische Positionierung kann anhand tur- oder Wartungsdienste. Somit bietet das Un-
von drei Kategorien vorgenommen werden, die ternehmen zu niedrigen Preisen einen schnelleren
sich wechselseitig keineswegs ausschließen, häu- Service als gewöhnliche Werkstätten mit ihrem
fig sogar kombiniert werden. Sie erlauben eine breiteren Leistungsangebot. Viele Kunden finden
detailliertere Positionierung hinsichtlich der von das attraktiv und teilen ihre Aufträge auf: den
mir früher entwickelten drei „generischen Wett- Ölwechsel lassen sie beim fokussierten Wett-

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Seite 6 April 2008
Das strategische System von Ikea
Für eine erfolgreiche strategische Wettbewerbsposition sind einige Aktivitäten in der Wertschöpfungskette
besonders wichtig. Es kann für Unternehmen hilfreich sein, diese in Form eines Clusters bildlich darzustellen.
Die Abbildung unten zeigt das genau abgestimmte System des schwedischen Möbelhauses Ikea.

Abtransport Ausstellungs-
der Ware durch räume für
die Kunden großen Kunden-
selbst andrang
Waren- Nieder-
kataloge, lassungen am
mehr
Ausstellungen Stadtrand mit
Impulskäufe
und Kennzeich- ausreichend
nungen Parkraum
Auswahl durch
eingeschränkter
die Kunden
Kundendienst
selbst
leicht zu wenig die meisten
transportieren Verkaufs- Artikel
und zu Hause personal vorrätig
aufzustellen
Selbstmontage reichhaltiges
durch Warenlager
die Kunden vor Ort
erhöhte
zu Bausätzen Wahrschein- ganzjährige
abgepackt lichkeit künftiger Bevorratung
Einkäufe
Möbel-
konstruktion niedrige
nach Baukasten- Herstellkosten
große system
eigene Bezug
Auswahl
Möbelentwürfe, von Dauer-
an leicht
Herstellkosten lieferanten
herstellbaren
maßgeblich
Modellen

bewerber Jiffy Lube machen, andere Dienste bei Die Fondsmanager halten die Handelsumsätze
Konkurrenten. gering, wodurch die Gebühren niedriger ausfal-
Die Vanguard Group, eine führende US-In- len. Außerdem raten sie den Kunden davon ab,
vestmentgesellschaft, liefert ein weiteres Beispiel Fondsanteile zu schnell zu kaufen oder zu ver-
für variantenbezogene Positionierung. Das Un- kaufen, weil sich sonst die Kosten erhöhen und
ternehmen bietet privaten Kapitalanlegern ein die Fondsmanager ihrerseits zu Transaktionen ge-
breites Spektrum an Aktien, Obligationen und zwungen sein könnten. Auch im Vertrieb, Kun-
Geldmarktpapieren mit festen Erträgen zu äu- dendienst und Marketing bemüht sich Vanguard
ßerst geringen Gebühren. Mit diesem Anlage- stets um möglichst niedrige Kosten. Viele Anleger
konzept gibt Vanguard relativ guten Ergebnis- nehmen einen oder mehrere Vanguard-Fonds ins
sen über mehrere Jahre ausdrücklich den Vorzug Portfolio und beziehen aggressiv gemanagte oder
vor der Möglichkeit, in einem Jahr ein außer- spezialisierte Fonds bei Konkurrenzunternehmen.
ordentliches Ergebnis zu erzielen. Bekannt ist Kunden entscheiden sich für Jiffy Lube oder
Vanguard für seine Indexfonds. Das Unterneh- Vanguard, weil diese für einen eng begrenzten Be-
men vermeidet Wetten auf Zinsänderungen und reich von Services eine überlegene Wertschöp-
konzentriert sich nicht auf bestimmte Aktien- fungskette aufweisen. Doch bei den meisten Kun-
gruppen. den wird nur ein Teil der Bedürfnisse erfüllt.

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Kundenbedürfnisse. Die zweite Basis für eine Die Privatbank der Citibank dagegen bedient
Positionierung besteht darin, die meisten oder alle Kunden mit einem kleineren Vermögen ab 250 000
Bedürfnisse einer spezifischen Kundengruppe zu US-Dollar, die – im Gegensatz zu den Kunden
befriedigen. von Bessemer – Zugang zu Krediten brauchen,
Diese bedürfnisbezogene Positionierung (needs- von Hypotheken bis hin zur Finanzierung von
based positioning) entspricht mehr der traditio- Geschäften. Die Accountmanager bei der Citi-
nellen Grundidee, einem bestimmten Kunden- bank sind im wesentlichen Kreditmanager. Wenn
segment gerecht zu werden. die Kunden andere Services brauchen, leitet der
Infrage kommt diese Positionierung, wenn es Manager sie weiter an andere Experten der Bank,
Kunden mit unterschiedlichen Bedürfnissen gibt von denen jeder spezielle Produktpakete im An-
und diese am besten mit einer Reihe speziell zuge- gebot hat. Das System der Citibank ist weniger
schnittener Angebote befriedigt werden können. individuell als das von Bessemer, auf den unteren
Manche Kundengruppen sind etwa preisbewuss- Ebenen betreut ein Manager 125 Kunden. Nur
ter als die übrigen, wünschen sich andere Pro- den größeren Kunden werden pro Jahr zwei Tref-
duktmerkmale oder verlangen mehr Information, fen angeboten. Die Banken haben ihre Wert-
Hilfe und Service. schöpfungskette auf die Bedürfnisse zweier sehr
Eine Variante der bedürfnisbezogenen Positio- verschiedener Gruppen von Private-Banking-
nierung kommt ins Spiel, wenn derselbe Kunde Kunden zugeschnitten. Für keine wäre es mög-
bei unterschiedlichen Gelegenheiten oder Arten lich, beide Gruppen gleichzeitig profitabel zu
von Transaktionen unterschiedliche Bedürfnisse bedienen.
zeigt. So kann dieselbe Person auf einer Ge-
schäftsreise andere Bedürfnisse haben als bei einer Kundenzugang. Das dritte Kriterium für eine
Reise mit der Familie. Positionierung besteht darin, Kunden danach zu
Die meisten Manager verstehen ihr Geschäft, segmentieren, wie sie am besten anzusprechen
was die Kundenbedürfnisse betrifft, die sie zu sind. Auch wenn die Bedürfnisse zweier Seg-
erfüllen suchen, intuitiv. Doch worauf es bei der mente gleich sind, unterscheiden sie sich mög-
bedürfnisbezogenen strategischen Positionierung licherweise darin, auf welche Art und Weise sie am
ankommt, ist keineswegs intuitiv und wird oft besten gezielt zu erreichen sind. Ich nenne das
übersehen. Unterschiede in den Bedürfnissen zugangsbezogene Positionierung (access-based
sind nur dann für eine sinnvolle Positionierung positioning). Dabei hängt die Art des Zugangs vom
nutzbar, wenn sich die besten Angebote zur Be- Standort des Kunden ab oder von seiner Größe –
dürfnisbefriedigung ebenfalls von den üblichen oder von allem, was eine bestimmte Kombination
unterscheiden. Sollte das nicht der Fall sein, wäre von Aktivitäten nötig macht, um ihn auf die beste
jeder Konkurrent fähig, dieselben Bedürfnisse zu Weise zu erreichen. Die Segmentierung nach
befriedigen, und nichts an der gewählten Positio- Zugang ist nicht so üblich und noch nicht so gut
nierung wäre einzigartig oder wertvoll. erforscht wie die anderen beiden Formen.
Im Private Banking etwa hat die Bessemer Trust Carmike Cinemas zum Beispiel betreibt Kinos
Company als Zielgruppe Familien gewählt, die in Großstädten sowie in Kommunen mit weniger
über ein Minimum von fünf Millionen Dollar zur als 200 000 Einwohnern. Aber wie kann das Un-
Geldanlage verfügen und dieses Vermögen auch ternehmen an Orten Geld verdienen, die nicht nur
vermehren wollen. Bessemer hat sein Geschäft klein sind, sondern es auch nicht erlauben, groß-
auf individuelle Betreuung zugeschnitten. Mee- städtische Eintrittspreise zu nehmen?
tings finden zum Beispiel eher auf der Jacht oder Möglich wird das durch eine Reihe von Akti-
der Ranch des Kunden statt als im Büro. Die vitäten, die für eine günstige Kostenstruktur sor-
Firma bietet ein umfassendes Angebot an indivi- gen. Um die Kunden in den kleineren Städten zu-
duellen Services, sie verwaltet nicht nur Geld- friedenzustellen, genügen einheitlich gestaltete
anlagen und Immobilien, sondern auch Öl- und Filmtheater, die günstig zu unterhalten sind und
Gasinvestments, Rennpferde oder Windkraft- über weniger Leinwände und eine einfachere Pro-
anlagen. Kredite spielen für Bessemer-Kunden jektionstechnik verfügen, als die großstädtischen
kaum eine Rolle. Obwohl die Anlageberater sehr Filmpaläste.
großzügig bezahlt werden und der Anteil der Per- Das firmeneigene Informationssystem und die
sonalkosten an den Gesamtkosten ungewöhnlich Art des Geschäftsbetriebs machen Verwaltungs-
hoch ist, sorgt die einzigartige Wettbewerbsposi- personal an den Spielorten überflüssig; es gibt
tion von Bessemer für die wahrscheinlich höchs- jeweils nur einen einzigen Theatermanager. Zu-
te Eigenkapitalrendite unter allen Wettbewerbern. statten kommen Carmike außerdem sein zentra-

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Die Ergänzung der Wettbewerbsmatrix
Generische Strategien. In meinem schaft anstrebt, während der Die generischen Strategien sollten
Buch „Competitive Strategy“ habe Möbelhändler Ikea mit seiner dazu dienen, zu verdeutlichen,
ich 1985 eine Wettbewerbsmatrix Konzentration auf ein bestimmtes dass sich Unternehmensleitungen
mit drei generischen Strategien Kundensegment ein Beispiel für grundsätzlich so eindeutig
eingeführt – so können kostenbasierte Fokussierung ist. wie möglich zwischen diesen drei
Unternehmen entweder durch Dagegen ist der Pflegemittel- Alternativen entscheiden müssen,
geringe Kosten einen hersteller Neutrogena ein um sich nicht zwischen den
Wettbewerbsvorteil erlangen fokussierter Differenzierer. von mir damals so bezeichneten
(Kostenführerschaft), indem sie sich inhärenten Widersprüchen
eindeutig vom Wettbewerb Detaillierte Positionierung. Mit unterschiedlicher Strategien zu
abheben (Differenzierungsstrategie) den in diesem Beitrag vorgestellten verheddern.
oder sich auf ein Segment der Grundkategorien der strategischen Werden Kompromisse zwischen
Branche spezialisieren (Nischen- Positionierung – Variantenvielfalt, eigentlich unvereinbaren
strategie/Fokus). Kundenbedürfnisse und Kunden- strategischen Positionen getroffen,
Das Konzept ist auch weiterhin von zugang – lassen sich die generischen zeigen sich häufig Probleme.
Nutzen, um prinzipiell mögliche Strategien genauer spezifizieren. So scheiterte zum Beispiel
strategische Positionen auf So sind Ikea und die US-Billigflug- Continental Airlines mit ihrer
allgemeine Weise zu beschreiben. In linie Southwest zwar beide Billigfluglinie Continental Lite,
der Realität gibt es natürlich kostenorientierte Fokussierer, doch weil sie nicht gleichzeitig auf
abgestufte Positionierungen. Der Ikeas Fokus ist auf die Bedürfnisse zwei verschiedenen Ebenen konkur-
US-Finanzdienstleister Vanguard ist einer Kundengruppe ausgerichtet, rieren konnte, ohne Zugeständnisse
beispielsweise ein Unternehmen, der von Southwest auf zu machen, die sich nachteilig
das eine Strategie der Kostenführer- ein bestimmtes Serviceangebot. auswirkten.

ler Filmeinkauf, geringere Miet- und Lohnkosten deren gemeinsame Bedürfnisse; die besonderen
sowie sehr niedrige Overhead-Kosten (unter- Bedürfnisse bestimmter Kundengruppen ignorie-
nehmensweit 2 Prozent, Branchendurchschnitt ren sie oder erfüllen sie nur teilweise.
5 Prozent). Obendrein kann Carmike in den klei- Was auch immer die Grundlage sein mag – Vari-
neren Städten eine sehr persönliche Form von anten, Kundenbedürfnisse, Kundenzugang oder
Marketing praktizieren. Der örtliche Theaterma- eine Kombination der drei Elemente: Positio-
nager kennt die Kunden und ermuntert sie durch nierung verlangt stets eine Reihe genau zuge-
seine direkten Kontakte zum Kinobesuch. Und schnittener Tätigkeiten. Es kommt auf die Unter-
weil Carmike der dominierende, wenn nicht der schiede im Leistungsangebot an, also auf die
alleinige Anbieter auf seinen lokalen Märkten ist – Differenzierung.
das Football-Team der Highschool ist oft der ein- Nicht in jedem Fall ist die strategische Position
zige Konkurrent –, kann sich das Unternehmen dagegen von Unterschieden auf der Kundenseite
die Filme frei aussuchen und mit den Verleihern abhängig; insbesondere varianten- und zugangs-
günstigere Konditionen aushandeln. bezogene Positionierungen gründen nicht auf
Bei einer Positionierung geht es nicht einfach Unterschieden bei den Kunden. In der Praxis
nur darum, sich eine Nische zu sichern: eine beruhen Unterschiede in Varianten oder Zugang
Marktstellung, die aus einem der genannten Kri- vielmehr häufig auf verschiedenartigen Bedürf-
terien hervorgeht, kann breit oder eng definiert nissen. Die Vorlieben – und das heißt: die Bedürf-
sein. Fokussierte Wettbewerber wie Ikea zielen nisse – der kleinstädtischen Kunden von Carmike
auf die spezifischen Bedürfnisse einer Teilgruppe gelten eher Komödien, Western und Action-
von Kunden ab und haben Erfolg, weil die Kon- filmen sowie der Familienunterhaltung. Carmike
kurrenz entweder zu viel Service bietet (der teuer zeigt ausschließlich jugendfreie Filme.
bezahlt werden muss) oder zu wenig. Unterneh- Nachdem wir geklärt haben, was strategische
men mit breiterer Zielgruppenansprache bedie- Positionierung bedeutet, können wir uns nun der
nen eine große Gruppe von Kunden und erfüllen Frage zuwenden: „Was ist eigentlich Strategie?“

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Antwort: Eine Strategie schafft eine einzigartige quenz wurde erhöht, die Flugpreise wurden ge-
und werthaltige Marktposition durch eine be- senkt und die Bodenzeiten verkürzt.
stimmte Kombination von Angeboten. Gäbe es Doch weil Continental die übrigen Routen wei-
nur eine einzige ideale Position, wäre eine Strate- ter als Full-Service-Airline bediente, war das Un-
gie nicht notwendig. Die Unternehmen wären ternehmen nach wie vor auf Reisebüros und die
dann mit einer schlichten Notwendigkeit kon- gemischte Flotte angewiesen; auch bei Gepäck-
frontiert: Gewinne das Wettrennen, bei dem es transfer und Platzreservierung blieb es.
einzig darum geht, diese ideale Marktposition zu Aber eine strategische Position ist auf Dauer
entdecken und zu besetzen. unhaltbar, wenn nicht im Vergleich zu anderen
Der Kern der strategischen Positionierung be- Positionen Abstriche gemacht werden. Und sol-
steht darin, Tätigkeiten auszuwählen, die sich che Kompromisse (Trade-offs) werden nötig, so-
von denen der Rivalen unterscheiden. Ließen sich bald Tätigkeiten nicht ohne Weiteres zueinander
mit einer bestimmten Reihe von Tätigkeiten passen. Kurz gesagt bedeutet das, die Vorteile ei-
gleichzeitig alle möglichen Varianten produzie- nes Vorgehens gegen seine Nachteile abzuwägen.
ren, alle Bedürfnisse erfüllen und alle Kunden Eine Fluggesellschaft kann sich dafür entschei-
erreichen, dann gäbe es keine strategische Alter- den, Mahlzeiten zu servieren – was Zusatzkosten
native, und allein die operative Exzellenz wäre verursacht und die Aufenthalte am Boden ver-
entscheidend. längert – oder sie kann darauf verzichten. Aber sie
kann nicht das eine wie das andere praktizieren,
These 3: Trade-offs ohne sich merkliche Nachteile einzuhandeln.
Eine eindeutige Strategie schützt vor Nach-
sind unabdingbar ahmern, die eine Praxis übernehmen, ohne ihre
Eine einzigartige strategische Position garantiert bisherige aufzugeben, da sie sich so verzetteln.
noch keinen dauerhaften Vorteil. Eine lukrative Betrachten wir den Fall der Neutrogena Cor-
Wettbewerbposition lockt Konkurrenten an poration. Ihre variantenbezogene Positionierung
gleichzuziehen. Dies geschieht wahrscheinlich zielt auf Seifen, die „freundlich zur Haut“ sind,
auf eine von zwei Arten: Erstens kann sich ein rückstandsfrei und pH-neutral. Die Herstellung
Konkurrent selbst neu positionieren. J. C. Pen- dieser Seifen ist zeitintensiv und kostspielig. Mit
ney zum Beispiel hat sich von einem Klon der seiner Verkaufsstrategie – die Außendienstler be-
US-Kaufhauskette Sears zu einem anspruchs- suchen Dermatologen – erinnert Neutrogena eher
volleren, modebewussten Textilhaus gemausert. an einen Pharma- als an einen Seifenhersteller.
Die zweite und weiter verbreitete Art des An- Das Unternehmen wirbt in medizinischen Fach-
griffs besteht darin, zweigleisig zu fahren. Ein zeitschriften, versendet Rundbriefe an Ärzte, be-
solcher Konkurrent sucht sich die Vorteile der er- teiligt sich an Medizinertagungen und betreibt
folgreichen Position des anderen anzueignen und Forschung in einem eigenen Hautpflegeinstitut.
gleichzeitig seine bisherige Position zu bewahren. Um diese Position zu untermauern, wurde die
Er pfropft seinem bisherigen Geschäft neue Ei- Seife ursprünglich nur in Apotheken vertrieben;
genheiten, Serviceleistungen oder Techniken auf. Rabattaktionen gab es nicht.
Die Luftfahrtbranche scheint das perfekte Test- Mit der Wahl seiner Position entschied sich
gebiet für alle zu sein, die meinen, Konkurrenten Neutrogena dafür, auf alle deodorierenden Stoffe
könnten im Prinzip jede Marktposition kopieren. und Hautweichmacher zu verzichten, die sich
Ist hier nicht jedes Unternehmen imstande viele Kunden in ihrer Seife wünschen. Auch das
nachzuahmen, was die Konkurrenz vormacht? Absatzpotenzial der Supermärkte ließ das Unter-
Alle Fluglinien können schließlich die gleichen nehmen unbeachtet. Bei der Herstellung nahm
Maschinen kaufen, Gates anmieten und es den Neutrogena Einbußen an Effizienz in Kauf, nur
anderen bei den Board-Menüs und Buchungs- um dem Produkt die gewünschten Qualitäts-
abläufen sowie dem Gepäckservice gleichtun. merkmale zu sichern. Bei seiner anfänglichen Po-
Continental Airlines hatte den Erfolg von sitionierung nahm Neutrogena eine ganz Reihe
Southwest verfolgt und sich für einen zweigleisi- von Abwägungen vor, um das Unternehmen vor
gen Geschäftskurs entschieden. Einerseits blieb Nachahmern zu schützen.
Continental weiter eine Full-Service-Airline, Entscheidungen angesichts solcher Trade-off-
doch auf einigen Kurzstrecken versuchte man, Situationen zu treffen ist aus drei Gründen not-
Southwest zu imitieren. Der neue Flugdienst wendig. Zum einen geht es um Ungereimtheiten
wurde „Continental Lite“ getauft: Mahlzeiten mit Blick auf die Reputation. Ein Unternehmen,
und First-Class-Service entfielen, die Flugfre- bekannt für ein bestimmtes Wertversprechen, ist

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möglicherweise nicht glaubwürdig genug und men auf die Dinge, die es anbieten will, und es hält
verwirrt die Kunden – oder es untergräbt sogar Konkurrenten davon ab, bestimmte Geschäfts-
seinen Ruf –, wenn es eine andere Art von Wert praktiken zu übernehmen oder sich neu zu posi-
anbietet oder versucht, gleichzeitig zwei unver- tionieren, weil sie damit ihre eigenen Strategien
einbare Dinge zu liefern. So würde zum Beispiel untergraben und den Wert ihrer Tätigkeiten min-
die Marke Ivory Soap, die sich als preisgünstige dern würden.
Basisseife für jeden Tag positioniert hat, sehr Letztlich führte das Versäumnis, die entschei-
schwer damit tun, ihr Image so zu verändern, dass denden Trade-offs zu erkennen, auch dazu, dass
sie mit dem medizinischen Premiumimage von der Versuch mit Continental Lite beendet werden
Neutrogena konkurrieren könnte. Bemühungen, musste. Die Fluglinie verlor mehrere Hundert
das Image zu ändern, kosten in den Hauptbran- Millionen Dollar und der Chef seinen Job. Die
chen typischerweise Dutzende oder Hunderte Maschinen kamen mit Verspätung von den ver-
Millionen Dollar – eine mächtige Barriere gegen stopften Flughäfen-Drehkreuzen oder wurden
Imitation. am Boden von den Gepäcktransfers aufgehalten.
Zweitens, und das ist wichtiger, sind Trade-offs Verspätete und abgesagte Flüge führten täglich zu
aufgrund der Aktivitäten selbst erforderlich. Eine Tausenden Beschwerden.
einzigartige Position erfordert ein einzigartiges Es erwies sich als unmöglich, über den Preis zu
Vorgehen in Bezug auf Produktgestaltung, Be- konkurrieren und zugleich die üblichen Provisio-
triebsausrüstung, Fähigkeiten, das Mitarbeiter- nen an die Reisebüros zu zahlen, ohne die das
verhalten und das Managementsystem. Viele Ab- Full-Service-Geschäft nicht auskam. Das Unter-
wägungen sind noch immer nötig aufgrund der nehmen machte einen schlechten Kompromiss,
mangelnden Flexibilität von Maschinen, Men- indem es die Provisionen für alle Flüge generell
schen oder Systemen. Je mehr Ikea seine Tätig- senkte. Auch konnten den Billigfluggästen nicht
keiten auf geringere Kosten ausrichtete, indem die gleichen Vielflieger-Vorteile geboten werden
die Montage den Kunden überantwortet wurde, wie denen, die mehr für ihr Ticket bezahlt hatten.
desto weniger attraktiv ist Ikea für Kunden mit Wieder wurde ein schlechter Kompromiss ge-
höheren Ansprüchen beim Service. wählt, indem die Prämien insgesamt verringert
Trade-offs können sogar noch grundsätzlichere wurden.
Bereiche betreffen. Allgemein gesagt, führt jede Der Versuch von Continental, gleichzeitig mit
Aktivität, die für ihren Zweck übermäßig gut oder Niedrigkosten auf einigen Flugstrecken und mit
schlecht geeignet ist, zu Werteinbußen. Sollte teurem Vollservice auf anderen zu operieren, be-
etwa ein bestimmter Verkäufer imstande sein, scherte dem Unternehmen umfassende Nachteile.
dem einen Kunden hervorragend zu helfen, ei- Die notwendigen Abwägungen waren unterblie-
nem anderen aber überhaupt nicht, wäre sein ben, und das führte zu Fehlentscheidungen. Qua-
Talent (und ein Teil seines Gehalts) beim zwei- lität ist selten kostenlos zu haben. Die auf einen
ten Kunden verschwendet. Zudem kann die Pro- bestimmten Bereich begrenzte hohe Leistungs-
duktivität steigen, wenn Schwankungen bei qualität, die Southwest anbietet, verträgt sich mit
bestimmten Aktivitäten begrenzt werden. Wenn Niedrigkosten, da die hohe Flugfrequenz von
das Serviceniveau insgesamt hoch ist, können einer Reihe kostengünstiger Prozesse wie schnelle
der Verkäufer und die gesamte Verkaufsabteilung Abfertigung und Ticketverkauf per Automat un-
oft durch Lern- und Größeneffekte an Effizienz terstützt wird. Doch Qualitätsservice wie reser-
gewinnen. vierte Plätze, Mahlzeiten oder Gepäcktransfer
Drittens muss dort abgewogen werden, wo in- kosten eben zusätzlich Geld.
tern koordiniert und kontrolliert werden muss. Falsche Kompromisse zwischen einer Kosten-
Mit der Entscheidung, den Wettbewerb nur auf eine und Qualitätsstrategie zeigen sich häufig darin,
bestimmte Weise zu führen, stellt die Geschäfts- dass es zu Doppelarbeiten oder überflüssigen
leitung klar, worauf es in erster Linie ankommt. Tätigkeiten kommt, an mangelhafter Kontrolle
Versucht ein Unternehmen hingegen, es allen und Genauigkeit oder schlechter Koordination.
Kunden recht zu machen, riskiert es Konfusion Gleichzeitig die Kosten senken und sich deut-
unter den Mitarbeitern, da diese ihre täglichen licher vom Wettbewerb abheben kann ein Unter-
Entscheidungen ohne eine klare Vorgabe treffen. nehmen nur, wenn es weit unterhalb der Produk-
Solche Trade-off-Situationen hinsichtlich der tivitätsgrenze startet oder wenn sich die Produk-
Positionierung sind im Wettbewerb allgegen- tivitätsgrenze insgesamt verschiebt. Operiert ein
wärtig und es ist wesentlich für die Strategie, hier Unternehmen an der Grenzlinie, setzt es also be-
eine Wahl zu treffen. Dies fokussiert Unterneh- reits Best Practices ein, wird die Frage der Ab-

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wägung zwischen Kosten und Differenzierung zu wächst aus der Art, wie diese einzelnen Tätigkei-
einer überaus drängenden. ten zusammenpassen und einander unterstützen.
Während die Manager in den vergangenen zehn Ein solcher nahtloser „Fit“ hält Nachahmer
Jahren die operative Exzellenz eindrucksvoll fern, denn er schafft eine Wertschöpfungskette,
verbesserten, haben sie zugleich die Vorstellung die so stark ist wie ihr stärkstes Glied. In der
verinnerlicht, sie bräuchten hinsichtlich der Posi- guten Strategie von Southwest sind alle Tätig-
tionierung nicht mehr abzuwägen. Aber ohne keiten so aufeinander abgestimmt, dass ein echter
Trade-offs können Unternehmen keinen nach- wirtschaftlicher Wert entsteht. Dabei verringern
haltigen Wettbewerbsvorteil erlangen. Wenn sie sich zum Beispiel die Kosten der einen Aktivität
keine Wahl treffen, sind sie gezwungen, immer durch die Art, wie andere ausgeführt werden.
schneller zu rennen, kommen aber nicht von der Ähnlich kann der Wert einer Aktivität für den
Stelle. Kunden durch andere Tätigkeiten gesteigert wer-
Erinnern wir uns an die Frage, was Strategie ei- den. Und das ist der Weg, auf dem Wettbewerbs-
gentlich ist. Wir erkennen nun, dass die Antwort vorteile und überdurchschnittliche Rentabilität
angesichts von Trade-offs eine neue Dimension entstehen.
erfordert. Strategie bedeutet, im Wettbewerb Ent-
scheidungen zu treffen. Die Essenz der Strategie Der strategische Fit
besteht darin zu entscheiden, was nicht zu tun ist. Dass es wichtig ist, alle Funktionen eines Unter-
Wären Manager nicht vor eine Wahl gestellt, nehmens aufeinander abzustimmen, ist eine der
bräuchten sie auch keine Strategie. Jede gute Idee ältesten Ideen im strategischen Denken. Aber
könnte und würde rasch nachgeahmt werden. nach und nach ist der Gedanke aus den strate-
Und die Leistung würde wieder gänzlich von der gischen Überlegungen verschwunden. Statt Un-
operativen Exzellenz abhängen. ternehmen als Ganzes zu sehen, haben sich Ma-
nager lieber mit Kernkompetenzen, kritischen
These 4: Die Strategie Ressourcen oder Schlüssel-Erfolgsfaktoren be-
schäftigt. Tatsächlich ist aber ein abgestimmtes
muss abgestimmt sein Gesamtsystem wesentlich entscheidender für den
Entscheidungen zur Positionierung bestimmen Wettbewerbsvorteil, als die meisten Manager
nicht nur, welche Aktivitäten ein Unternehmen glauben.
ausführt und wie es diese einzelnen Tätigkeiten Wichtig ist die Abstimmung deshalb, weil sich
miteinander verknüpft, sondern auch, in welcher verschiedene Tätigkeiten häufig wechselseitig be-
Beziehung sie zueinander stehen sollen. Während einflussen. Zum Beispiel ist eine tüchtige Ver-
es bei operativer Exzellenz darum geht, eine her- kaufsmannschaft von größerem Nutzen, wenn
vorragende Leistung bei einzelnen Tätigkeiten sich das Produkt des Unternehmens durch ausge-
oder Funktionen zu erreichen, geht es bei der feilte Technik auszeichnet und die Werbung her-
Strategie darum, die Tätigkeiten richtig zu kom- ausstreicht, wie hilfreich sie für den Kunden ist.
binieren. Eine Produktlinie mit vielen Modellvarianten
Eine schnellere Flugabfertigung ist wesentlich wird werthaltiger, wenn sie mittels eines moder-
für die Convenient- und Niedrigpreis-Positionie- nen Lager- und Auftragsbearbeitungssystem
rung von Southwest. Aber wie gelingt dies? Zum verwaltet wird, das die Vorratshaltung an Fertig-
Teil durch gut bezahltes Personal, dessen Produk- produkten minimiert und den Verkauf und das
tivität durch flexible Vereinbarungen mit den Marketing dabei unterstützt, individuell zuge-
Gewerkschaften gefördert wird. Doch haupt- schnittene Produkte anzubieten. Solche abge-
sächlich dadurch, wie Southwest sonst arbeitet. stimmten Maßnahmen sind enorm wichtig für
Das Unternehmen hat Flughäfen und Strecken so eine erfolgreiche Strategie. Manche Kombinatio-
ausgewählt, dass keine Verspätungen durch hohes nen von Tätigkeiten lassen sich in vielen Unter-
Verkehrsaufkommen eintreten. Und die Piloten nehmen finden, aber die entscheidenden Fits sind
fliegen durchweg die gleichen Maschinen vom strategiespezifisch, weil sie die Einzigartigkeit
Typ Boeing 737. einer Marktposition stärken.
Worin liegt Southwests Kernkompetenz? Was Es gibt drei Arten von Fits, die sich gegenseitig
sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren? Die richtige nicht ausschließen:
Antwort lautet: Jede Tätigkeit, die zum Ge- Bei einem Fit erster Ordnung muss jede Akti-
schäftssystem von Southwest gehört, ist wichtig, vität (Funktion) konsistent sein mit der Gesamt-
da es keine Ansammlung beliebiger Elemente dar- strategie. Vanguard stimmt zum Beispiel alle seine
stellt. Der Wettbewerbsvorteil der Airline er- Aktivitäten auf die Strategie niedriger Kosten ab.

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Die Fondsgesellschaft minimiert Umschichtun- Die elementarsten Formen der übergreifenden
gen im Portfolio und braucht keine hoch bezahl- Optimierung der Leistung sind Koordination
ten Vermögensmanager. Die Fonds werden direkt und Informationsaustausch, um unnütze An-
vertrieben, sodass Kommissionen entfallen. Das strengungen zu vermeiden. Das kann ebenso gut
Unternehmen beschränkt seine Werbung und im vorderen Teil der Wertschöpfungskette er-
vertraut auf Mundpropaganda und Public Rela- folgen. So lässt sich etwa durch eine andere Pro-
tions. Die Boni der Mitarbeiter sind an Kosten- duktgestaltung verhindern, dass nach dem Ver-
einsparungen geknüpft. Konsistenz sorgt dafür, kauf zusätzliche Services erforderlich werden,
dass die Wettbewerbsvorteile von Aktivitäten oder Kunden lassen sich instruieren, wie sie be-
sich nicht gegenseitig zunichte machen oder un- stimmte Services selbst ausführen können.
kenntlich werden. Dadurch fällt es dem Unter- Bei allen drei Abstimmungsarten zählt das
nehmen leichter, seine Strategie Kunden, Mit- Ganze mehr als jedes einzelne Teilelement. Ein
arbeitern und Aktionären zu vermitteln und ihre Wettbewerbsvorteil entspringt stets dem Gesamt-
Umsetzung durch eine einheitliche Ausrichtung system aller Aktivitäten. Richtige Abstimmung
zu verbessern. zwischen den einzelnen Tätigkeiten senkt die
Ein Fit zweiter Ordnung liegt vor, wenn Tätig- Kosten erheblich oder erhöht die Einzigartigkeit.
keiten einander unterstützen. So beliefert Neut- Zudem lässt sich der Wert einzelner Tätigkeiten –
rogena auch Nobelhotels, die ihren Gästen eine oder der mit ihnen verbundenen Fähigkeiten,
von Dermatologen empfohlene Seife bieten Kompetenzen und Ressourcen – für den Wett-
möchten. Diese Hotels gewähren Neutrogena das bewerb nicht von dem System oder der Strategie
Privileg, die Seife in der handelsüblichen Ver- abkoppeln.
packung auszulegen, während andere Lieferanten Es kann in die Irre führen, den Erfolg von Un-
auf Verpackungen den Hotelnamen verwenden ternehmen mit spezifischen Stärken, Kernkom-
müssen. Haben Gäste erst einmal Neutrogena in petenzen oder kritischen Ressourcen zu erklären.
einem so guten Hotel erprobt, wird es wahr- Die Liste an Stärken umfasst viele Funktionen,
scheinlicher, dass sie diese Seife später in einer und eine Stärke geht in andere über. Hilfreicher ist
Apotheke verlangen oder ihren Arzt darüber be- es, auf jene Faktoren zu achten, die viele Prozesse
fragen. So unterstützen sich Neutrogenas Marke- betreffen.
tingaktivitäten auf dem Medizin- und dem Hotel-
sektor gegenseitig und tragen dazu bei, die Mar- Der Faktor Nachhaltigkeit
ketingkosten insgesamt zu senken. Eine Fülle von Tätigkeiten strategisch aufeinan-
Ein Fit dritter Ordnung geht über die wechsel- der abzustimmen ist aber nicht nur eminent wich-
seitige Unterstützung von Tätigkeiten hinaus und tig, um einen Wettbewerbsvorteil zu erringen,
zielt auf Optimierung der betrieblichen Leistung sondern auch, um diesen nachhaltig zu sichern.
insgesamt. Die Freizeitkleidungskette The Gap Für Rivalen ist es schwerer, eine ganze Folge mit-
betrachtet es als ein Kernstück ihrer Geschäfts- einander verzahnter Tätigkeiten imitieren zu
strategie, dass in ihren Läden stets eine große müssen als lediglich das besondere Vorgehen des
Auswahl an Artikeln verfügbar ist. Das lässt sich Verkaufs, eine Technik oder gewisse Produkt-
erreichen, indem jeder Laden entweder eine um- merkmale. Marktpositionen, die auf einem Sys-
fassende Vorratshaltung betreibt oder die Be- tem aufeinander abgestimmter Tätigkeiten beru-
stände von Lagerhäusern aus ständig aufgefüllt hen, sind weit dauerhafter als solche, die nur auf
werden. einer einzelnen basieren.
The Gap hat seine Leistung in beide Richtungen Etablierte Unternehmen müssen bei dem Ver-
optimiert: Eine Grundkollektion an Kleidungs- such, sich neu zu positionieren oder zweigleisig
stücken wird fast täglich von drei Lagern aus wie- zu fahren, sehr viele Dinge anders machen. Und
der aufgestockt, und der Bedarf an Warenvorräten selbst Marktneulinge, die nicht auf ein bestehen-
in den einzelnen Läden wird klein gehalten. Das des Geschäft Rücksicht nehmen müssen, stehen
Gewicht liegt auf Vorratsergänzung, denn die beim Nachahmen vor hohen Barrieren. Je stärker
Verkaufsstrategie des Unternehmens zielt auf be- die Wettbewerbsposition auf ein umfassendes
stimmte Grundmodelle in relativ wenigen Far- System gegründet ist, desto dauerhafter wird sie
ben. Während andere Händler ihr Lager im Jahr sein. Solche Systeme lassen sich gewöhnlich
drei- bis viermal umschlagen, kommt The Gap auf schon wegen ihrer Eigenart nur schwer von außen
das 7,5-Fache. Rasches Wiederauffüllen verrin- durchdringen und sind daher nicht leicht nachzu-
gert zudem die Kosten bei kurzen Modelllauf- ahmen. Und selbst wenn es Rivalen gelingen
zeiten von nur sechs bis acht Wochen. sollte, die relevanten Querverbindungen zu ent-

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schlüsseln, dürfte es ihnen schwer fallen, sie nach- Wettbewerb hinterherlaufen und sich in Akti-
zubilden. vismus verlieren, während Inkonsistenzen und
Den richtigen Fit zu erreichen ist schwierig, Dissonanzen quer durch alle Funktionen an der
weil dazu Entscheidungen und Tätigkeiten quer Tagesordnung sind.
durch viele selbstständige Untereinheiten integ- Was also ist Strategie? Für die richtige Antwort
riert werden müssen. Ein Mitbewerber, der ein haben wir nun alle wichtigen Punkte beisammen.
aus vielen Tätigkeiten bestehendes Geschäftssys- Strategie sorgt dafür, dass alle Tätigkeiten in ei-
tem imitieren will, gewinnt wenig dadurch, dass nem Unternehmen aufeinander abgestimmt sind.
er nur Teile kopiert, nicht aber das ganze System Ihr Erfolg hängt davon ab, dass viele Dinge – nicht
übernimmt. Die Leistung steigt nicht, sie kann nur einige wenige – gut gemacht werden und sich
sogar fallen, wie Continental Lites kläglicher Ver- wechselseitig ergänzen. Ohne Feinabstimmung
such, Southwest zu imitieren, gezeigt hat. ergibt sich keine unverwechselbare Strategie und
Letztlich sorgt das genaue Abstimmen der Ak- schwerlich eine dauerhafte Marktstellung (siehe
tivitäten eines Unternehmens auch für Druck und Kasten Seite 15).
Anreiz, die operative Exzellenz zu erhöhen, was
Nachahmungsversuche zusätzlich erschwert. Bei These 5: Manager müssen
übergreifender Abstimmung fällt auf, wenn ei-
nige schlecht ausgeführte Prozesse das Ergebnis strategisch denken
anderer drücken. Schwachstellen können so eher Warum haben so wenige Unternehmen eine klare
beseitigt werden. Umgekehrt zahlen sich Verbes- Strategie? Warum vermeiden es Manager, strategi-
serungen eines Prozesses bei den anderen aus. sche Entscheidungen zu treffen? Und sollten sie
Unternehmen mit clever abgestimmten Prozes- sich in der Vergangenheit doch für eine Strate-
sen sind selten einladende Ziele für einen Konkur- gie entschlossen haben, warum ruinieren sie diese
renzkampf. Ihre Überlegenheit in Strategie und so oft?
Implementierung verstärkt ihre Vorteile und er- Gefahr für die Strategie, so glauben viele Mana-
höht die Hürde für Nachahmer. ger, taucht meist von außerhalb auf durch techni-
So hat zum Beispiel die Spielwarenkette Toys R sche Neuerungen oder die Konkurrenz. Obgleich
Us ihre Wettbewerber Child World und Lionel externer Wandel gewiss zum Problem werden
Leisure, die sehr ähnliche Strategien verfolgten, kann, kommt die größere Bedrohung für eine
durch ihr überlegenes Geschäftssystem vollkom- Strategie jedoch meist von innen. Eigentlich fun-
men deklassiert. Eine neue strategische Positio- dierte Strategien werden von einer verzerrten
nierung zu suchen ist für das Überleben deshalb Wahrnehmung des Wettbewerbs untergraben,
oftmals weit aussichtsreicher als die Rolle als von Führungsfehlern oder dem Drang nach mehr
zweiter oder dritter Imitator. Wachstum.
Je besser die Aktivitäten aufeinander abge- Manager sind verwirrt, wenn sie strategische
stimmt und auf die Strategie zugeschnitten sind, Entscheidungen treffen sollen. Angesichts einer
desto nachhaltiger ist der Wettbewerbsvorteil. Wettbewerbsituation, in der viele Unternehmen
Der Zeithorizont für eine strategische Positionie- noch weit unterhalb der Produktivitätsgrenze
rung sollte darum zehn Jahre oder mehr betragen operieren, kommt ihnen gar nicht der Gedanke,
und nicht nur eine Planungsperiode umfassen. sich auf eine ganz eindeutige strategische Wahl
Kontinuität ermöglicht es einer Organisation, festzulegen. Es sieht vielmehr so aus, als ob ein in
einzigartige, auf die Strategie ausgerichtete Fähig- allen Bereichen gut geführtes Unternehmen seine
keiten zu entwickeln. Zudem kommt Kontinuität weniger effizienten Rivalen schlagen müsste.
in der Strategie der Identität eines Unternehmens Von Managementvordenkern bekamen Füh-
zugute. rungskräfte zu hören, sich auf eine eindeutige
Demgegenüber sind häufige Positionsänderun- strategische Position festzulegen sei nicht nötig
gen kostspielig. Denn es müssen nicht nur ein- und es dennoch zu tun hieße Schwäche zu zeigen.
zelne Tätigkeiten umgestaltet werden, sondern Aufgescheucht durch die Prognosen eines Hyper-
das ganze Geschäftssystem muss neu abgestimmt Wettbewerbs, erzeugten die Manager diesen ge-
werden. Bei einer schwankenden Strategie wird radezu selbst, indem sie begannen, ihren Konkur-
ein Unternehmen manche Prozesse niemals in renten alles nachzumachen. Statt in revolutionä-
den Griff bekommen. Kommt es wiederholt zu ren Dimensionen zu denken, jagen sie jeder neuen
Strategieänderungen oder wird es von Anfang Technik als Selbstzweck hinterher.
versäumt, eine klare Position zu wählen, so wird Nach noch mehr operativer Exzellenz zu stre-
das Unternehmen zwangsläufig nur noch dem ben ist verführerisch, denn dieses Ziel ist konkret

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so flexibel bleiben zu können. Die Rivalitäten in
Nachhaltige Wettbewerbsvorteile den Organisationen tun ein Übriges, um strategi-
sches Denken zu verhindern.
Diese Tabelle stellt den impliziten Ansatz im strategischen
Denken der 80er und frühen 90er Jahre jenem Ansatz So schrecken Manager vor klaren Entschei-
gegenüber, der in der Zukunft erforderlich sein wird, um einen dungen zurück aus Furcht, sich zu blamieren.
wirklich dauerhaften strategischen Vorteil zu erlangen: In einer Art Herdentrieb ahmen sich die Unter-
nehmen lieber gegenseitig nach, jedes in der
Traditionelles Strategiemodell: Nachhaltiges Strategiemodell: Annahme, die Rivalen könnten etwas, dass die
■ Es gibt in jeder Branche eine ■ Das Unternehmen muss eine eigene Firma nicht kann. Und die Mitarbeiter,
ideale Wettbewerbsposition. einzigartige Wettbewerbs- die damit beauftragt wurden, nach Verbesse-
■ Benchmarking aller position entwickeln. rungsmöglichkeiten zu suchen, haben oftmals
Aktivitäten und Best Practices ■ Alle Aktivitäten müssen auf die keine Vision vom Ganzen, und ihnen fehlt der
einzusetzen verschafft Strategie zugeschnitten Blick für Alternativen.
automatisch einen werden.
Wettbewerbsvorteil. ■ Mit Blick auf die Mitbewerber Pflicht zur klaren Positionierung
■ Aggressives Outsourcing und müssen eindeutige Entschei- Unter allen negativen Einflüssen ist der Drang
Partnerschaften erhöhen die dungen getroffen werden. nach Wachstum für die Strategie vielleicht am ge-
Effizienz. ■ Der Wettbewerbsvorteil fährlichsten. Engt eine klare Positionierung das
■ Wettbewerbsvorteile beruht auf einer abge- Wachstum nicht eher ein? Freilich beschränkt es
beruhen auf wenigen stimmten Wertschöpfungs- vermeintlich oder tatsächlich das Umsatzwachs-
Schlüssel-Erfolgsfaktoren. kette. tum, wenn ein Unternehmen sich entscheidet, nur
■ Im Wettbewerb gewinnt, wer ■ Die Leistung des gesamten eine bestimmte Gruppe Kunden zu bedienen und
möglichst flexibel und schnell Systems muss optimiert andere Gruppen außen vor zu lassen.
auf Marktveränderungen werden, nicht die einzelner Wenn Unternehmen auf ein breites Kunden-
reagiert. Teile. spektrum zielen und auf niedrige Preise abstellen,
■ Operative Exzellenz ist werden sie auf Umsätze verzichten müssen bei
notwendig für Erfolg, Kunden, die Wert auf bestimmte Produktmerk-
verschafft dem Unternehmen male und Service legen. Und je gehobener das An-
aber allein noch keinen
gebot eines Unternehmens wird, desto mehr ge-
Wettbewerbsvorteil.
hen Erlöse bei preisbewussten Käufern verloren.
Eine solche klare Positionierung ist im Übrigen
nicht nur bei traditionellen Unternehmen not-
wendig, deren Strategie im Lauf der Zeit verwäs-
und realisierbar. Manager gerieten in den vergan- sert wurde, sondern ebenso in neuen Branchen
genen Jahren mehr und mehr unter Druck, mess- (siehe Kasten Seite 17).
bare Verbesserungen zu erzielen. Programme zur Manager sind ständig versucht, diese Grenzen
Steigerung der operativen Exzellenz erzeugen aufzuweichen und die strategische Position ihres
meist beruhigende Ergebnisse, aber nicht unbe- Unternehmens nach und nach zu verwischen.
dingt überdurchschnittliche Renditen. Am Ende verführen der Wachstumsdruck oder
Wirtschaftsmagazine und Unternehmensbera- die angebliche Sättigung ihres Zielmarkts Ma-
ter verbreiten eine Flut von Informationen über nager dazu, ihre Positionierung auszudehnen.
die besten Praktiken anderer Unternehmen, was Die Folge sind größere Sortimente und neue
den Drang noch verstärkt, diese einzusetzen. Ein- Produktmerkmale, das Nachahmen von Service-
gespannt in den Wettlauf um mehr operative Ex- leistungen, die bei den Konkurrenten beliebt
zellenz, verstehen viele Manager nicht mehr, wie sind, das Kopieren von Prozessen und sogar
notwendig eine Strategie ist. Akquisitionen.
Doch auch aus anderen Gründen meiden oder Jahrzehntelang war der 1893 gegründete US-
verwässern Unternehmen klare strategische Ent- Küchengerätehersteller Maytag erfolgreich, weil
scheidungen. Oft ist in einer Branche das kon- er sich auf zuverlässige, langlebige Waschmaschi-
ventionelle Denken so stark ausgeprägt, dass sich nen und Trockner spezialisiert hatte; später ka-
der Wettbewerb homogenisiert. Mancher Mana- men noch Geschirrspüler hinzu. Doch dann ver-
ger meinte, Kundenorientierung bedeute, alle breitete sich in der Branche die Ansicht, man
Kundenbedürfnisse zu befriedigen oder auf jeden müsse eine umfassende Produktpalette anbieten.
Wunsch des Handels eingehen zu müssen. An- Von Händlern gedrängt und von Kunden ermun-
dere wollen sich nicht festlegen, weil sie glauben, tert, nahm Maytag unter seiner Marke noch Kühl-

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schränke und Kochgeräte ins Programm und von Konkurrenten nicht oder nur unter hohen
akquirierte weitere Markenhersteller, die andere Kosten imitiert werden können.
Marktpositionen innehatten – Jenn-Air, Hard- Die Marktposition wird durch neue Aktivitä-
wick Stove, Hoover, Admiral und Magic Chef. ten gestärkt, wenn diese die Einzigartigkeit des
Maytag konnte ein starkes Umsatzwachstum ver- Unternehmens unterstreichen, für eine bessere
zeichnen, von 648 Millionen Dollar 1985 auf ei- Abstimmung sorgen oder dafür, dass die Strategie
nen Höchststand von 3,4 Milliarden 1994. Doch den Kunden besser vermittelt wird. Doch viele
die Umsatzrendite sank zwischen 1989 und 1995 Unternehmen erliegen der Versuchung, schnel-
auf durchschnittlich weniger als ein Prozent; in lem Wachstum nachzujagen, indem sie Merk-
den 70er und 80er Jahren waren es noch zwischen male, Produkte oder Leistungen hinzunehmen,
8 und 12 Prozent gewesen. Kostensenkungen die gerade im Trend sind, ohne sie erst genau
sollten die Lage bessern, aber am meisten verdient zu überprüfen und ihrer Strategie anzupassen.
Maytag noch immer an Waschmaschinen und Ge- Oder es werden neue Kunden und Märkte ins
schirrspülern. (Das Unternehmen wurde 2006 Visier genommen, denen wenig Besonderes ge-
von Whirlpool gekauft – Anm. d. Red.) boten wird. Unternehmen sollten sich darauf
Vielleicht ist Neutrogena in die gleiche Falle ge- beschränken, Bedürfnisse zu erfüllen und Va-
tappt. Anfang der 90er Jahre wurde der Vertrieb rianten anzubieten, bei denen sie eine klare Posi-
auf Massenvermarkter wie Wal-Mart ausgedehnt. tion halten. Warum sollte ein Unternehmen auf
Unter dem Markennamen Neutrogena wurde ei- Märkten antreten, auf denen es nicht einzigartig
ne Fülle von Produkten herausgebracht – darun- ist?
ter Augen-Make-up-Entferner und Shampoo –, Carmike zum Beispiel ist heute die größte Kino-
bei denen das Unternehmen nicht einzigartig war kette Amerikas; das Unternehmen verdankt sein
und die seinem Image schadeten. Zudem begann starkes Wachstum der Konzentration auf kleine
Neutrogena mit Rabattaktionen. Märkte. Große Kinos in den Metropolen, die im
Halbheiten und Unstimmigkeiten bei der Jagd Zuge von Akquisitionen in seinen Besitz kom-
nach mehr Wachstum machen Wettbewerbsvor- men, verkauft Carmike sofort wieder.
teile zunichte, die ein Unternehmen zuvor auf- Oft erlaubt die Internationalisierung ein Wachs-
grund seiner ursprünglichen Produktvarianten tum, das mit einer fokussierten Strategie in Ein-
oder Zielkunden besaß. Versuche, plötzlich auf klang steht. Das kann, anders als bei Ausdeh-
mehreren Ebenen gleichzeitig zu konkurrieren, nung auf dem heimischen Markt, zu einer
schaffen Verwirrung und verschlechtern Motiva- Stärkung der Marktstellung und Identität des
tion und Orientierung innerhalb der Organisa- Unternehmens führen. Wird Wachstum durch
tion. Wenn die Erträge sinken, sehen Manager in Ausweitung innerhalb der eigenen Branche ange-
mehr Umsatz die richtige Antwort. Da sich die strebt, sind die Risiken begrenzbar, wenn selbst-
Unternehmensleitung vor einer eindeutigen stra- ständige Geschäftseinheiten mit eigenem Mar-
tegischen Entscheidung drückt, dehnt das Unter- kennamen und spezifischen Aktivitäten gegrün-
nehmen sein Geschäft weiter aus und geht im- det werden.
mer mehr Kompromisse ein. So geht der Kampf
zwischen den Wettbewerbern weiter, bis dieser Auf die Führung kommt es an
Zyklus aus Verzweiflung unterbrochen wird – Die Aufgabe, eine klare Strategie zu entwickeln
mittels Fusionen oder Downsizing. oder eine bestehende zu erneuern, ist vor allem ei-
ne organisatorische Herausforderung. Angesichts
Wachstum durch Einzigartigkeit der vielen Kräfte, die in einem Unternehmen Ent-
Nach Jahren des Umstrukturierens und Kosten- scheidungen und Abwägungen behindern, wird
senkens richten viele Unternehmen ihr Augen- ein analytischer Rahmen gebraucht, der ein Ge-
merk nun auf Wachstum. Doch häufig ist gengewicht darstellt und den strategischen Über-
Wachstum gefährlich für die Strategie. Welcher legungen Richtung verleiht. Wichtig sind zudem
Wachstumskurs erhält und stärkt die strategische starke Führungspersönlichkeiten mit dem Willen,
Ausrichtung? Generell heißt das Rezept: Unter- strategische Entscheidungen zu treffen.
nehmen sollten sich darauf konzentrieren, ihre In vielen Unternehmen ist Führung dazu ver-
strategische Position zu festigen statt sie auszu- kümmert, nur operative Verbesserungen voran-
dehnen und damit zu beeinträchtigen. Außerdem zutreiben und das operative Geschäft zu mana-
kann nach Ergänzungen der Strategie gesucht gen. Doch die wichtigste Aufgabe von Unter-
werden, die das vorhandene System stärken, etwa nehmensführern ist es nicht, die Funktionen zu
durch neue Produktmerkmale oder Services, die überwachen, sondern die Strategie, also die zu-

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Seite 16 April 2008
Strategie – auch in neuen Branchen entscheidend
Unsicherheit. In Branchen, die sich Vorübergehender Erfolg. Auf- Ruinöser Wettlauf. In Hightech-
neu herausbilden oder in denen sich grund des explosiven Wachstums Branchen hält die Imitationsphase
ein revolutionärer technischer können viele Unternehmen oft viel länger an, als sie sollte.
Wandel vollzieht, fällt es Managern Gewinne machen – aber nur Berauscht vom technischen Wandel,
oft besonders schwer, eine Strategie vorübergehend. Imitation und statten Firmen ihre Produkte mit
zu entwickeln. Sie sind hochgradig Annäherung der strategischen immer mehr Merkmalen aus – die
verunsichert darüber, welche Positionen machen die Vorteile meist nie gebraucht werden –, sie
Bedürfnisse Kunden wirklich haben, letztlich wieder zunichte. senken die Preise auf breiter Front
welche Produkte künftig möglicher- Bleibenden Erfolg haben nur Unter- und weiten ihr Angebot aus.
weise am meisten gefragt und welche nehmen, die sich so früh wie Klare Entscheidungen werden nicht
Geschäftsmodelle erfolgreich sein möglich auf eine einzigartige einmal in Betracht gezogen. Die
werden. Als Folge dieser Unsicher- Wettbewerbsposition festlegen und meisten Unternehmen sind zu einem
heit grassieren dann Imitation ihre Aktivitäten konsequent daran Wettlauf verdammt, den niemand
und ständige Strategiewechsel. Kein ausrichten. Es mag unvermeidlich gewinnen kann. Die Wirtschafts-
Unternehmen will Fehler riskieren sein, dass neue Branchen eine presse ist häufig so fasziniert von
oder gar ins Hintertreffen geraten. Periode des Imitierens durchlaufen, den neu entstehenden Branchen,
Unternehmen bieten alle möglichen doch ist diese Homogenisierung dass sie behauptet, eine neue Ära des
Produktvarianten und Services an letztlich nur ein Zeichen für die Wettbewerbs sei angebrochen, in der
und verfolgen zahlreiche technische große Unsicherheit und nicht etwa die alten Regeln nicht mehr gälten.
Innovationen. ein erstrebenswerter Zustand. Tatsächlich trifft das Gegenteil zu.

künftige besondere Position des Unternehmens, verwundbar werden. Auf der Tagesordnung steht
festzulegen und zu kommunizieren. Dazu müs- dabei zu Recht das Streben nach ständigen Ver-
sen Topmanager klar entscheiden, auf welche Ver- besserungen, mehr Flexibilität und nach Best
änderungen und welche Kundenbedürfnisse rea- Practices. Zur strategischen Agenda gehört es da-
giert werden soll und auf welche nicht. gegen, eine einzigartige Position zu definieren,
Den Managern unterer Ebenen fehlt es meist klare Trade-off-Entscheidungen zu treffen, die
an Perspektive und Zuversicht, um eine Strategie Aktivitäten der Organisation eng aufeinander ab-
durchzusetzen. Sie sind ständig versucht, Kom- zustimmen und ständig nach Wegen zu suchen,
promisse einzugehen, von Regeln abzuweichen die Position des Unternehmens zu stärken. Und
und Konkurrenzfirmen nachzuahmen. Die Auf- dabei kommt es auf Disziplin und Kontinuität an;
gabe der Unternehmensführung ist es, allen Mit- Gift sind Konfusion und Halbheiten.
arbeitern die Strategie zu verdeutlichen, also zu Natürlich kann es sein, dass ein Unternehmen
kommunizieren, was sie tun sollen – aber auch, sich gezwungen sieht, seine Strategie zu ändern,
was sie unterlassen müssen. wenn in seiner Branche erhebliche strukturelle
Strategie erfordert ständige Disziplin und klare Veränderungen stattfinden. Neue strategische
Kommunikation. Nur dann sehen sich Mitarbei- Positionen eröffnen sich in der Tat häufig durch
ter bei ihrer Arbeit und ihren Alltagsentscheidun- einen solchen Wandel, und diese können von un-
gen ausreichend geführt. belasteten Newcomern besonders leicht genutzt
Die operative Exzellenz zu erhöhen zählt ge- werden.
wiss zu den wichtigsten Pflichten. Das allein ist Aber wenn ein Unternehmen sich für eine neue
aber noch keine Strategie. Die Verwechslung des Position entscheidet, muss es auch in der Lage
einen mit dem anderen hat zu einer zunehmenden und bereit sein, die hier beschriebenen Schritte zu
Angleichung der Rivalen geführt. Das liegt jedoch tun, um einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil zu
weder im Interesse der Beteiligten, noch ist es erreichen. ■
unvermeidbar. Unermüdlich die operative Exzel-
lenz zu steigern ist dort geboten, wo es keine
Wahlmöglichkeit gibt. Wird dies versäumt, kön-
nen sogar Unternehmen mit einer guten Strategie

Harvard Business manager


April 2008 Seite 17
SERVICE
LITERATUR
PORTER, M.: Wettbewerbsvorteile.
Spitzenleistungen erreichen und behaupten,
Campus 2000.
PORTER, M.: Wettbewerb und Strategie, Econ 1999.

HBM ONLINE
(zu beziehen über: www.harvardbusinessmanager.de)
PORTER, M. E.; NOHRIA, N.; LORSCH, J. W.:
CEO-Workshop. Was erwartet Sie hinter Tür
Nummer eins? in: Harvard Businessmanager,
April 2005, Seite 108, Produktnummer 200504108.
EDITION 1/2006: Die besten Ideen von
Michael E. Porter.

INTERNET
Homepage von Michael Porter:
www.isc.hbs.edu/

SEMINARE
Michael Porter leitet an der Harvard Business
School ein Programm für CEOs, die neu an die
Spitze von Unternehmen mit Milliarden-
umsätzen berufen wurden.
Der „New-CEO-Workshop“ findet zweimal im
Jahr statt und behandelt die Themen Führung,
Agenda-Setting, Strategie, Board Governance,
Kommunikation sowie Zeitmanagement und Werte.

© 1996 Harvard Business School Publishing


Übersetzung: Peter Diekhoff

Harvard Business manager


Seite 18 April 2008

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