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Schwerpunkt: Internistische Notfälle an der Schnittstelle von ambulant und stationär

Internist M. Michl1 · G. M. Michl2


DOI 10.1007/s00108-017-0279-z 1
Medizinische Klinik und Poliklinik III für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie, Klinikum
Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Deutschland
© Springer Medizin Verlag GmbH 2017 2
Praxis für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie München-Solln, München, Deutschland
Redaktion
M. Buerke, Siegen
G. Hasenfuß, Göttingen
W. Hiddemann, München Kopfschmerzen
C.C. Sieber, Nürnberg

Kopfschmerzen – wer kennt das Anteil der Patienten gilt es präklinisch einer zugrunde liegenden (Hirn-)Er-
nicht? Muss man deshalb sofort not- möglichst präzise zu identifizieren, um krankung, etwa eines Tumors, Traumas,
fallmäßig ins Krankenhaus und eine entsprechend zügig weitere diagnosti- einer Blutung oder Infektion. Ein sekun-
zerebrale Bildgebung veranlassen sche und therapeutische Maßnahmen därer Kopfschmerz ist dringlich bzw.
oder jeden Patienten unmittelbar einleiten zu können. notfallmäßig abklärungsbedürftig.
fachärztlich neurologisch vorstellen?
Kopfschmerzen sind ein Symptom,
dessen Ursachenspektrum denkbar
Primärer vs. sekundärer
Kopfschmerz »sindSekundäre Kopfschmerzen
Symptom einer anderen
heterogen ist und von Spannungs-
kopfschmerzen und Migräne bis Der erste Schritt ist die Differenzie- Erkrankung
hin zu intrakraniellen Blutungen, rung einer primären, idiopathischen
Ischämien oder Metastasen im zen- Kopfschmerzform von einem sekun- Bei mehr als 90 % aller Patienten mit
tralen Nervensystem (ZNS) reicht. dären, symptomatischen Kopfschmerz Kopfschmerzen liegt ein primäres Kopf-
Der Kopfschmerz fällt bei Weitem (. Tab. 1). Primäre Kopfschmerzen sind schmerzsyndrom vor, bei nur 5–10 % ist
nicht nur in den Verantwortungsbe- in ihrer Symptomatik redundant und der Schmerz dagegen ein Symptom einer
reich der neurologischen Kollegen, nicht mit einer zugrunde liegenden Er- anderen, mitunter bedrohlichen Erkran-
denn auch viele internistische krankung assoziiert. Der Kopfschmerz kung. Sollte ein Patient mehrere Kopf-
Krankheitsbilder können für den selbst ist die Erkrankung. Beispiele sind schmerzformen aufweisen, ist nach der
Kopfschmerz verantwortlich sein. Migräne, Spannungskopfschmerz und wichtigsten bzw. der am dringendsten
Clusterkopfschmerz. Bei sekundärem abklärungsbedürftigen zu handeln.
Gründe für die notfallmäßige Kopfschmerz ist der Schmerz Symptom
Konsultation eines Arztes
Tab. 1 Gegenüberstellung von primären und sekundären Kopfschmerzsyndromen mit Beispie-
Kopfschmerzen können mitunter so hef-
len.(Mod.nachderInternational ClassificationofHeadache Disorders IIderInternational Headache
tig sein, dass sich schnell der Gedanke Association, gekürzt [6, 7])
einstellt, es könne eine lebensbedrohliche Primärer, idiopathischer Kopfschmerz (90–95 % aller Fälle)
Erkrankung vorliegen. Patienten haben Migräne Migräne ohne Aura
am häufigsten Angst vor einem Hirntu- Migräne mit Aura
mor als zugrunde liegende Ursache und Spannungskopfschmerz Sporadisch episodisch/häufig episodisch/chronisch
suchen daher notfallmäßig einen Arzt
Clusterkopfschmerz Clusterkopfschmerz
zur weiteren Abklärung auf. In aller Regel Paroxysmale Hemikranie
ist diese Befürchtung unbegründet, denn „Short-lasting unilateral neuralgiform headache attacks with
Kopfschmerzen aufgrund von Hirntu- conjunctival injection and tearing“ (SUNCT)
moren sind bei weniger als 0,1 % aller Trigeminoautonome Kopfschmerzerkrankung
Kopfschmerzpatienten das einzige oder Andere primäre Kopf- Primärer stechender Kopfschmerz
erste Symptom. Hirntumoren verursa- schmerzen Primärer Hustenkopfschmerz
Primär bei körperlicher Anstrengung
chen meist auch andere neurologische Primär bei sexueller Aktivität
Symptome [12]. Primärer schlafgebundener Kopfschmerz
Bei etwa 5 % aller Patienten ist Kopf- Primärer (benigner) Donnerschlagkopfschmerz
schmerz jedoch das Symptom einer be- Hemicrania continua (dauerhafter Halbseitenkopfschmerz)
drohlichen Erkrankung. Diesen kleinen Neu aufgetretener täglicher Kopfschmerz

Der Internist
Schwerpunkt: Internistische Notfälle an der Schnittstelle von ambulant und stationär

Tab. 1 Gegenüberstellung von primären und sekundären Kopfschmerzsyndromen mit Beispie- Folgende Fragen sollten anschließend
len.(Mod.nachderInternational ClassificationofHeadacheDisorders IIderInternationalHeadache beantwortet werden können:
Association, gekürzt [6, 7]) (Fortsetzung) 4 Handelt es sich bei den Kopfschmer-
Sekundärer, symptomatischer Kopfschmerz (5–10 % aller Fälle) zen um das Leitsymptom oder ein
Kopf-Hals-Trauma Akut/chronisch posttraumatisch Begleitsymptom?
Nach HWS-Beschleunigungstrauma 4 Bestehen neurologische Ausfälle?
Nach Kraniotomie
4 Wie akut kam es zum Kopfschmerz
Gefäßstörungen im Kopf- Ischämischer Infarkt/transitorische ischämische Attacke (gefährliches Leitsymptom Don-
oder Halsbereich Arteriitis temporalis
Hirnvenenthrombose nerschlag- oder Vernichtungskopf-
Gefäßmissbildungen schmerz)?
Vasospasmen 4 Handelt es sich um einen typischen
Nichtvaskuläre intrakranielle Intrakranielle Neoplasie/Metastase im zentralen Nervensystem oder atypischen Kopfschmerz
Störungen Zerebraler Krampfanfall 4 Bestehen weitere internistische
Liquorunterdruck/-überdruck Störungen oder Erkrankungen, die
Zustand nach intrathekaler Punktion/Injektion (z. B. intrathekale
eine zerebrale Komplikation mit
Chemotherapie)
sich bringen könnten (Malignome,
Substanzen oder deren Akuter Substanzgebrauch
Entzug Medikamentenüberdosierung
Infektionen, Anämie, kardiovaskuläre
Dauerhafte Medikamenteneinnahme Risikofaktoren u. a.)?
Entzug einer Substanz
Infektionen Intrakranielle Infektion (z. B. Meningitis)
Systemische Infektion (z. B. Influenza)
„Human immunodeficiency virus“ (HIV)/„acquired immunodefi-
»diagnostik
Die apparative Zusatz-
ist nur bei Verdacht
ciency syndrome“ (AIDS) auf einen sekundären
Chronischer postinfektiöser Kopfschmerz
Störung der Homöostase Arterielle Hypertonie oder andere kardiale Erkrankungen
Kopfschmerz indiziert
Hypoxie/Hyperkapnie
Dialysekopfschmerz
Hypothyreose
Fasten Beispiel. Kopfschmerzen aufgrund von
Erkrankungen des Kopfs Schädelknochen (z. B. Knochenmetastase) Hirntumoren sind bei weniger als 0,1 %
Hals, Nase, Ohren, Sinus aller Kopfschmerzpatienten das einzi-
Augen (z. B. Glaukom) ge oder erste Symptom. Liegt jedoch
Zähne, Kiefer(-gelenk), Mundhöhle (z. B. Zahnschmerz)
eine systemische maligne Erkrankung
Psychiatrische Störungen Somatisierungsstörung
zugrunde, beispielsweise ein Lungenkar-
Psychotische Störung
zinom oder Mammakarzinom, steigt die
Kraniale Neuralgien, zentrale Gesichtsschmerzen
Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung
Idiopathische Neuralgien Trigeminusneuralgie von ZNS-Metastasen auf etwa 10 % an.
von Hirnnerven Optikusneuritis
Aus diesen unterschiedlichen Wahr-
Andere kraniale Neuralgien Herpes zoster der Hirnnerven
scheinlichkeiten ergibt sich sichtbar die
Tolosa-Hunt-Syndrom
Okuläre diabetische Neuropathie Notwendigkeit einer ausführlichen Ana-
mnese.
Die Tabelle hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, beinhaltet aber die wesentlichen Punkte und
kann beispielsweise als Merkzettel am Arbeitsplatz aufgehängt werden
HWS Halswirbelsäule Untersuchungen durch den
niedergelassenen Arzt oder die
Ambulanz
Zentrale Stellung von suchung (. Tab. 2 und 3). Anhand von
Anamnese und körperlicher Beschwerdeschilderung und klinischem Patienteneinschätzung und
Untersuchung Befund sollten erst anschließend entspre- Diagnostik ambulant
chend fokussiert weitere diagnostische
Die Abklärung des Symptoms Kopf- Maßnahmen ergriffen werden. Somit Die American Headache Society hat
schmerz erfordert auch im Zeitalter der kann die allem anderen vorangestellte unter dem Akronym SNOOP einfache
Gerätemedizin und trotz Verfügbarkeit klinische Einschätzung des erfahrenen Warnhinweise („worrisome headache red
vielschichtiger diagnostischer Möglich- Arztes nicht ersetzt werden. Die ap- flags“) zusammengestellt, die auf eine
keiten zuoberst die ureigenen Fähig- parative Zusatzdiagnostik ist nur bei ernste Erkrankung hindeuten können
keiten des internistisch tätigen Arztes, Verdacht auf einen sekundären Kopf- [2, 4]. Sie können einfach und ambulant
nämlich die Erhebung einer gründlichen schmerz indiziert. erhoben werden, eventuell sogar vom
Anamnese und eine körperliche Unter- Patienten selbst. Bei Vorliegen eines oder

Der Internist
Zusammenfassung · Abstract

mehrerer Warnhinweise ist eine dringli- allein dem zuerst kontaktierten Arzt. Ein- Internist DOI 10.1007/s00108-017-0279-z
che Abklärung bzw. eine notfallmäßige fluss auf die Entscheidung zur Einwei- © Springer Medizin Verlag GmbH 2017
Einweisung in eine Notaufnahme ratsam. sung sollte auch haben, ob die zugrunde
4 S – systemische Symptome (z. B. liegende Erkrankung einer akuten Thera- M. Michl · G. M. Michl
Fieber, B-Symptome, Erbrechen) pie bedarf, die keine Verzögerung duldet. Kopfschmerzen
4 N – neurologische Symptome (z. B. Einige Beispiele:
Schwindel, Synkope, Vigilanzstö- 4 Arteriitis temporalis → dringliche In- Zusammenfassung
rung, Sprachstörung, fokale neuro- dikation zur Biopsie und Steroidgabe Kopfschmerzen können so stark sein, dass
sowohl beim Patienten als auch beim
logische Defizite jedweder Art wie 4 Verdacht auf ZNS-Metastasen →
Arzt schnell der Gedanke aufkommt, es
Ausfall von Hirnnerven, Paresen, dringliche Indikation zur Steroidgabe könne eine lebensbedrohliche Erkrankung
Parästhesien) 4 Verdacht auf zerebrale Ischämie → zugrunde liegen. Das Ursachenspektrum
4 O – „onset“, Einsetzen (explosi- Lyse ist derart heterogen, dass nur schwer alle
onsartiger Beginn mit Erreichen 4 Verdacht auf zerebrale Blutung → Differenzialdiagnosen gleichzeitig bedacht
werden können. Es genügen ein paar
des Punctum maximum inner- neurochirurgische Intervention wenige gute Fragen und Handgriffe, um
halb von 1 min, Vernichtungs-/ das Leitsymptom Kopfschmerz besser
Donnerschlagkopfschmerz) Die Wahl der Klinik ist unbedingt an einordnen zu können. Der vorliegende
4 O – „older age“ (Alter >50 Jahre der vermuteten Ursache des sekundären Beitrag erörtert sehr praxisorientiert, wie
bei Kopfschmerzbeginn → höheres Kopfschmerzes sowie an der Expertise gefährliche Warnsignale erkannt und
Patienten identifiziert werden können, die
Risiko für echte Hirnerkrankungen der Klinik und ihrem diagnostischen und dringlich in eine zentrale Notaufnahme
wie Schlaganfall) therapeutischen Spektrum auszurichten. eingewiesen werden sollten.
4 P – „pattern change“, Änderung des So sollte in dieser Klinik beispielsweise
Kopfschmerzmusters (Abweichun- nachts eine apparative Diagnostik mittels Schlüsselwörter
gen vom typischen Kopfschmerz- Computertomographie (CT) oder Ma- Primärer Kopfschmerz · Sekundärer Kopf-
schmerz · Kraniale Magnetresonanztomo-
muster) gnetresonanztomographie (MRT), eine graphie · Kraniale Computertomographie ·
Liquorpunktion, eine Lyse oder eine neu- Notfälle
Ambulante Beobachtung oder rochirurgische Intervention durchführ-
Einweisung bar sein.
Die richtige Zuordnung zu primären Headaches
Erfüllt ein Patient nach Anamnese und oder sekundären Kopfschmerzsyndro-
körperlicher Untersuchung oder nach men kann schwierig sein, wenn es sich Abstract
der SNOOP-Erhebung die Kriterien für um die Erstmanifestation einer primären Headaches can be so severe that patients
and doctors often fear life-threatening
einen primären idiopathischen Kopf- Kopfschmerzform handelt oder die Ana- underlying cerebral pathologies. The
schmerz, besteht keine Notwendigkeit mnese nicht eindeutig ist. In solchen spectrum of causes of headache is very
für unmittelbare weitere diagnostische Zweifelsfällen ist selbstverständlich die heterogeneous and ranges from harmless
Maßnahmen oder die notfallmäßige notfallmäßige Einweisung zur weiteren situations to severe diseases, so that it is very
Überweisung in eine Notaufnahme. Eine Abklärung das sicherste Vorgehen. difficult to consider all differential diagnoses
simultaneously; however, a few targeted
ambulante Selbstbeobachtung durch den questions and physical examinations are
Patienten mit Wiedervorstellung, wenn Untersuchungen in der sufficient to be able to make a better
sich die Beschwerden verschlechtern, Notaufnahme classification of the leading symptom
sich neurologische Ausfälle ereignen headache. The following article serves as
oder andere beschriebene Symptome a quick guide for identification of patients
Radiologische Bildgebung at risk. It describes basic findings, red
auftreten (. Tab. 2), scheint gerechtfer- flags and specials warning signs that must
tigt. Der sicherlich wichtigste Faktor, der über immediately lead to emergency admission
den Einsatz einer apparativen Diagnostik for further diagnostics.

»Einweisung
Die Entscheidung zur
in eine Notaufnahme
entscheidet, ist die zeitliche Entwicklung
des Leitsymptoms Kopfschmerz [11]. Keywords
Headache disorders, primary · Headache
Die AWMF-S1-Leitlinie „Diagnostik disorders, secondary · Magnetic resonance
obliegt dem zuerst kontaktierten und apparative Zusatzuntersuchung bei imaging, cranial · Tomography, x-ray
Arzt Kopfschmerzen“ der Deutschen Gesell- computed, cranial · Emergencies
schaft für Neurologie aus dem Jahr 2015
[3], empfiehlt, unmittelbar eine zerebrale
Bestehtjedochnurdergeringste Verdacht Bildgebung durchzuführen bei
auf einen sekundären Kopfschmerz, ist 4 Erstmanifestation der Kopfschmer-
eine Einweisung ratsam. Die Entschei- zen mit untypischem Charakter,
dung zur Einweisung in eine Notaufnah- 4 atypischem klinischem Verlauf,
me oder ins Krankenhaus obliegt somit

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Schwerpunkt: Internistische Notfälle an der Schnittstelle von ambulant und stationär

Tab. 2 Anamnese und körperlicher Untersuchungsbefund ausgerichtet auf die Ursachenfor- 4 neurologischen Symptomen/
schung des Kopfschmerzes Ausfällen oder kognitiven Störungen,
Anamnese des Kopfschmerzes 4 zunehmender Schmerzintensität oder
Auftreten Akut/Erstereignis sich änderndem Schmerzcharakter
Episodisch/rezidivierend/periodisch bei bekanntem Kopfschmerzsyn-
Chronisch/lange bekannt drom oder
Triggerfaktoren
4 Angst des Patienten vor schwer-
Dauer Sekunden/Stunden/Tage/Wochen wiegenden zugrunde liegenden
Lokalisation Einseitig/okzipital/temporal Erkrankungen wie Tumoren.
Gesicht
Punctum maximum
Eine kraniale CT (cCT) eignet sich zum
Frequenz Kontinuierlich
Kontinuierlich zunehmend
Ausschluss einer akuten Blutung oder zur
Periodische Wiederkehr Darstellung der knöchernen Schädelba-
Unregelmäßig, aber rezidivierend sis. Eine Kontrastmittelgabe ist in der
(Un-)bekannte Auslöser (Triggerfakto- Temperatur, Schlaf, Jahreszeit Notfallsituation meist entbehrlich. Eine
ren) Stress, Menstruation kraniale MRT (cMRT) ist der cCT zwar
Anämie meist überlegen, aber nicht für jede Fra-
Hypertonie gestellung notwendig. Wird ein Aneurys-
Begleitsymptome/-umstände Neurologische Ausfälle ma, eine Gefäßanomalie oder eine Sinus-
Fieber
venenthrombose vermutet, ist eine An-
Erlittenes Trauma/Sturz
gio-CT oder Angio-MRT indiziert. Bei
Zugrunde liegende Erkrankungen Bekanntes primäres Kopfschmerzsyndrom
Maligne Erkrankung
begründeter Indikation ist es sinnvoll,
Kardiovaskuläre Erkrankungen/Risiken zwei Bildgebungsmodalitäten zu verbin-
Hypertonie den. Hier empfiehlt sich die Kombination
Anämie aus einer nativen cCT der Schädelbasis
Autoimmunerkrankungen mit Knochenfenster und einer cMRT mit
Medikamente/Substanzen Antikoagulanzien Gadolinium, gegebenenfalls mit Darstel-
Chemotherapie/Tumortherapie
lung der hirnversorgenden Gefäße, wo-
Immunsuppressiva, Steroide
Kardiovaskuläre Medikation bei darauf zu achten ist, dass auch der kra-
Antikonvulsiva niozervikale Übergang abgebildet wird.
Schmerzmedikamente Bei primären Kopfschmerzsyndro-
Alkohol/Drogen men mit typischer Klinik und normalem
Körperliche Untersuchung neurologischem Befund ist eine zerebra-
Neurologischer Status Hirnnerven detailliert le Bildgebung hingegen verzichtbar,
(fokales neurologisches Defizit?) Paresen, Parästhesien denn die Wahrscheinlichkeit irrelevan-
Zeichen eines Krampfereignisses ter Zufallsbefunde liegt höher als die
Sehstörungen, Bulbusdruck, Bewegungsschmerz der
Augen Wahrscheinlichkeit, einen behandlungs-
Beweglichkeit der Halswirbelsäule würdigen Befund zu erheben [10].
Meningismus/Nackensteifigkeit
Tasten der Trigeminusaustrittsstellen Wahrscheinlichkeiten
Vigilanz, Orientierung, Gedächtnis, psychischer Zustand pathologischer Befunde in
A. temporalis superficialis Abtasten der Gefäße beidseits der Bildgebung
Vitalparameter Hypertonie Durch die zunehmende Bildqualität
Absolute Arrhythmie (thromboembolisches Risiko) der CT und MRT werden jedoch auch
Fieber
zunehmend Zufallsbefunde ohne kli-
Mundhöhle/Haut Beurteilung von Schleimhäuten, Zahnstatus und Kie- nischen Belang diagnostiziert. Diese
ferokklusion
Inspektion der gesamten Haut verunsichern den Patienten unnötig. Im
Folgenden sind die Häufigkeiten patho-
Orientierende internistische Basisun- Zeichen einer Infektion (Pneumonie, Harnwegsinfekt,
tersuchung Sepsis) logischer Befunde in der Bildgebung je
Zeichen einer Anämie nach klinischem Befund aufgeführt [3]:
Auskultation der A. carotis 4 Bei Leitsymptom einer typischen
Die Tabelle hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, beinhaltet aber die wesentlichen Punkte und Migräne und normalem neurologi-
kann z. B. als Merkzettel am Arbeitsplatz aufgehängt werden schem Untersuchungsbefund: 0,2 %
[1]. Dies entspricht der Inzidenz
zufälliger Befunde in der MRT bei
symptomlosen Probanden [8].

Der Internist
Tab. 3 Gegenüberstellung von Symptomen und Befunden bei primären und sekundären Kopf- wegweisendes diagnostisches Kriterium.
schmerzen Sie sollte daher bei Verdacht auf einen
Symptom/ Primärer Kopfschmerz Sekundärer Kopfschmerz sekundären Kopfschmerz nie fehlen.
Befund
Auftreten Seit Jahren bekannt Plötzlich (Akutereignis)/Vernichtung/ Extrakranielle Dopplersonographie
Vernichtungskopfschmerz (z. B. Ischämie/
Blutung) Ist diese Methode im Notfall verfügbar,
Langsam (z. B. Malignom)
kann sie bei Verdacht auf Arteriitis oder
Dauer Periodisch/episodisch/ Kontinuierlich (zunehmend) extrakranielle Gefäßdissektion bzw. Ge-
Trigger/(selbst-)limitierte
Attacken
fäßverschluss eingesetzt werden. Ein so-
genanntes Halozeichen der A. tempora-
Qualität Bekannt, immer gleiches/ Unbekannt stark
ähnliches Kopfschmerzmuster Neuartiger Kopfschmerz lis in der Dopplersonographie ist rela-
Änderung Schmerzmuster tiv spezifisch für eine Arteriitis cranialis,
Auslöser/Trigger Ja Nein ein Halozeichen in der A. carotis ist rela-
Anamnese Kopf- Lange bekannt Erstereignis tiv spezifisch für eine Takayasu-Arteriitis.
schmerz Eine extrakranielle Dopplersonographie
Anamnese allge- Leer Prädisponierende Vorerkrankungen (kar- ist zum Ausschluss eines Dissekats sinn-
mein diovaskulär, Malignome) voll, wobei hier die MRT mit fettsuppri-
Körperlicher Bland Auffällige Befunde mierten Sequenzen sensibler ist.
Untersuchungs-
befund Elektroenzephalographie,
Vitalparameter Unauffällig/stabil Auffällig/instabil (z. B. Hypertonie, Hypo- evozierte Potenziale und
xie) Nervenleitgeschwindigkeit
Neurologische Selten Häufig
Ausfälle Diese Verfahren sind zur Diagnostik von
Krampfanfälle Sehr selten Häufig sekundären, nicht aber von primären
Aura Möglich Nie Kopfschmerzsyndromen geeignet. Eine
Ansprechen auf Meist wirksame Substanzen Initial möglich Elektroenzephalographie (EEG) ist bei
Analgesie bekannt vermuteter Assoziation mit einem epi-
leptischen Geschehen indiziert. Bei EEG,
4 Bei Leitsymptom Kopfschmerz, der 4 eine Anämie mit sekundärem Kopf- evozierten Potenzialen und Nervenleit-
nicht einer Migräne entspricht, und schmerz als Anämiesymptom, geschwindigkeit handelt es sich um
normalem neurologischem Befund: 4 eine Thrombozytopenie mit ein- weiterführende Spezialuntersuchungen,
2,4 % [1] hergehendem erhöhtem zerebralem die in der Regel nicht notfallmäßig ver-
4 Bei atypischen oder nicht klassifizier- Blutungsrisiko, fügbar sind. Sie können meist erst im
baren Kopfschmerzen und normalem 4 eine Kreatininerhöhung bei Exsikko- Verlauf und nach Mitbeurteilung durch
neurologischem Untersuchungsbe- se oder einen Neurologen veranlasst werden.
fund: 14 % [13] 4 eine Hyperkalzämie bei Knochenme-
4 Bei zusätzlichen Beschwerden oder tastasen. Liquorpunktion
fokalen neurologischen Befunden:
>50 % [5] Es ist kein spezieller Laborwert bekannt, Eine Liquorpunktion ist bei Patienten
der in der Notfallsituation eine spezifi- mit Verdacht auf Meningeosis oder in-
Labor sche Hirnerkrankung beweist. fektiöse Meningitis dringend indiziert,
aber auch bei strikt lageabhängigen Kopf-
Beim primären Kopfschmerz sind nur Blutsenkungsgeschwindigkeit schmerzen sinnvoll, auch wenn durch
selten Laborparameter erforderlich, um Die Bestimmung der Blutsenkungsge- die Bildgebung eine Liquorzirkulations-
eine spezifische Ursache für Kopfschmer- schwindigkeit (BSG) ist eine einfach störung, ein Liquorunterdrucksyndrom
zen sichern zu können [9]. Bei sekun- anwendbare Methode. Obwohl ihre Ein- oder eine Sinusvenenthrombose ausge-
dären Kopfschmerzformen kann eine führung schon lange zurückliegt, behält schlossen sind. Hier ist im Notdienst eine
Blutuntersuchung inklusive Blutbild, sie in der notfallmäßigen Abklärung von Nutzen-Risiko-Abwägung vorzunehmen
Elektrolyten sowie Entzündungs-, Nie- Infektionen und entzündlichen Prozes- und darauf zu achten, dass der Patient
ren- und Leberparametern gegebenen- sen ihren Stellenwert. Das Ergebnis liegt durch die Punktion nicht mehr gefährdet
falls auf eine systemische Erkrankung bereits nach einer Stunde vor. Gerade wird als durch die Erkrankung selbst. Zu
hinweisen, beispielsweise auf bei Verdacht auf eine Arteriitis tem- bedenken sind das Blutungsrisiko unter
4 eine Leukozytose und Erhöhung des poralis, die eine unmittelbare Therapie Antikoagulation und das Risiko einer
C-reaktiven Proteins bei Infektion, mit Steroiden erfordert, ist die BSG ein Einklemmung bei Hirndruck ohne vor-

Der Internist
Schwerpunkt: Internistische Notfälle an der Schnittstelle von ambulant und stationär

herigem Ausschluss mittels Bildgebung. 4 Die Notaufnahme bzw. Klinik sollte 6. Headache Classification Committee of the In-
ternational Headache Society (IHS) (2013) The
Zudem muss sichergestellt sein, dass nach ihren diagnostischen und international classification of headache disorders,
die gewonnene Liquorprobe unmittel- therapeutischen Möglichkeiten und 3rd edition (beta version). Cephalalgia 33:629–808
bar verarbeitet werden kann, denn nach Kapazitäten ausgewählt werden, vor 7. IHS (2017) IHS Klassifikation ICHD-II. http://
www.ihs-klassifikation.de/de/02_klassifikation/
stundenlanger Aufbewahrung können allem nachts und am Wochenende. 04_teil3/13.12.00_facialpain.html. Zugegriffen:
beispielsweise Zellzahl, Glukose und Ei- 4 Eine zerebrale Bildgebung sollte 12. Mai 2017
weiß nicht mehr zuverlässig bestimmt bei auffälliger neurologischer Ana- 8. Katzman GL, Dagher AP, Patronas NJ (1999)
Incidental findings on brain magnetic resonance
werden. Einzig die mikrobiologische Un- mnese, pathologischem Befund in imagingfrom1000 asymptomaticvolunteers. JAm
tersuchung wird durch Lagerung nicht der neurologischen Untersuchung, Med Assoc 282:36–39
verfälscht. untypischem Kopfschmerzcharakter 9. Loder E, Cardona L (2011) Evaluation for secondary
causes of headache: the role of blood und urine
oder Erstmanifestation erfolgen. testing. Headache 51:338–345
Stationäre Aufnahme 4 Blut- und Liquoruntersuchung, BSG 10. Locker TE, Thompson C, Rylance J et al (2006) The
und Dopplersonographie können utility of clinical features in patients presenting
oder Überweisung an den with nontraumatic headache: an investigation
niedergelassenen Arzt systemische Erkrankungen diagnos- of adult patients attending an emergency
tizierbar machen. department. Headache 46:954–961
Findet sich in der Notaufnahme eine ze- 11. Olesen J, Tfelt-Hansen P, Welch K (1999) The
headaches, 2. Aufl. Lippincott Williams & Wilkins,
rebrale oder extrazerebrale Störung, die
Korrespondenzadresse Philadelphia
den sekundären Kopfschmerz verursacht 12. Valentinis L, Tuniz F, Valent F et al (2010) Headache
und einer unmittelbaren Behandlung be- Dr. M. Michl attributed to intracranial tumours: a prospective
Medizinische Klinik und Poliklinik III für Innere cohort study. Cephalalgia 30:389–398
darf, ist eine stationäre Aufnahme selbst- 13. Wang HZ, Simonson TM, Greco WR et al (2001)
Medizin, Hämatologie und Onkologie, Klinikum
verständlich obligat. Ergeben die im Not- Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität
Brain MR imaging in the evaluation of chronic
fall verfügbaren diagnostischen Metho- headache in patients w ithout other neurologic
München symptoms. Acad Radiol 8:405–408
den keinen pathologischen Befund, be- Marchioninistr. 15, 81377 München,
steht aber klinisch weiterhin der Ver- Deutschland
dacht auf eine zerebrale oder extraze- marlies.michl@med.uni-muenchen.de
rebrale Störung, die eine zeitnahe Ab-
klärung mit Spezialuntersuchungen er-
fordert, ist eine stationäre Aufnahme zur Einhaltung ethischer Richtlinien
Überwachung und weiteren Diagnostik
ebenso angebracht. Interessenkonflikt. M. Michl und G.M. Michl geben
Sollten sich keine relevanten bzw. be- an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
drohlichen Ursachen finden oder besteht
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren
doch der Verdacht auf ein primäres Kopf- durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
schmerzsyndrom, kann eine Entlassung
aus der Klinik und Überweisung an einen
niedergelassenen Kollegen erfolgen. Literatur
1. Report of the Quality Standards Subcommittee
Fazit für die Praxis of the American Academy of Neurology (1994)
Practice parameter: the utility of neuroimaging in
4 Eine genaue Anamnese und kör- theevaluationofheadacheinpatientswithnormal
perliche Untersuchung stehen bei neurologic examinations (summary statement).
Neurology 44:1353–1354
Kopfschmerzen im Mittelpunkt der 2. American Headache Society (2016) Worriso-
Ursachenforschung. Ziel ist es, ein me headache red flags – „SNOOP“. https://
primäres von einem sekundären americanheadachesociety.org/wpcontent/
uploads/2016/07/Primary_or_Secondary_
Kopfschmerzsyndrom abzugrenzen. Headache.pdf. Zugegriffen: 13. Mai 2017
4 Die SNOOP-Kriterien bieten eine 3. AWMF S1-Leitlinie „Kopfschmerzen, Diagnostik
ambulante Entscheidungshilfe. Wird und apparative Zusatzuntersuchungen“ der
Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Stand
ein Kriterium mit „ja“ beantwortet, 30.09.2012, Gültigkeit der Leitlinie am 29. Okt.
ist eine notfallmäßige Vorstellung in 2015 verlängert bis 29. Sept. 2017
einer Klinik anzuraten. 4. Dodick DW (2003) Clinical clues and clinical rules:
primary vs. secondary headache. Adv Stud Med
4 Schwierigkeiten bereitet in der Präkli- 3:S550–S555
nik die Abgrenzung der Erstmanifes- 5. Frishberg B, Rosenberg J, Matchar D et al (2002)
tation eines primären Kopfschmerzes Evidence-based guidelines in the primary care
setting: neuroimaging in patients with non acute
von einer sekundären Kopfschmerz- headache. http://www.aan.com/professionals/
form. Bei Unsicherheit ist ebenso eine practice/guideline/index.cfm. Zugegriffen: 12. Mai
stationäre Einweisung zu empfehlen. 2017

Der Internist

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