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Differenzialdiagnose und Therapie


des Tremors 3
Punkte
Kai Bötzel, Volker Tronnier, Thomas Gasser
cme
remor gilt als die häufigste Bewegungsstörung. Teilnahme nur im
ZUSAMMENFASSUNG
Hintergrund: Die Prävalenz der häufigsten Tremorform,
T Die Prävalenz des essenziellen Tremors wird mit
0,4 % angegeben, während jedoch bis zu 5 % der über
Internet möglich:
aerzteblatt.de/cme
des essenziellen Tremors, wird mit 0,4 % für alle Alters- 65-Jährigen und bis zu 21 % der über 95-Jährigen
gruppen angegeben, jedoch steigt die Prävalenz bei den
dieses Symptom aufweisen (e1). Der Parkinson-Tre-
über 65-Jährigen auf 4–7 %. Aufgrund dieser Häufigkeit
mor ist deutlich seltener, weil die Prävalenz dieser Er-
behandeln nicht nur Neurologen, sondern auch Ärzte
krankung in der Gruppe der über 65-Jährigen bei cir-
anderer Disziplinen diese Patienten.
ca 2 % liegt, von denen geschätzt etwa die Hälfte ei-
Methode: Selektive Literaturrecherche in PubMed und in nen Tremor aufweist (e2). In den meisten Fällen kann
Lehrbüchern sowie Bezug auf nationale und internationale das spezifische Tremor-Syndrom anhand der klini-
Leitlinien. schen Präsentation unterschieden werden, wobei die
Ergebnisse: Die Diagnose eines Tremor-Syndroms beruht Unterteilung des Tremors in Ruhetremor, Halte- und
in den meisten Fällen auf der für ein bestimmtes Tremor- Aktionstremor sowie Intentionstremor entscheidend
Syndrom charakteristischen klinischen Präsentation und ist. Ferner sind fakultative Begleitsymptome (wie
den gegebenenfalls vorhandenen Begleitsymptomen. zum Beispiel Bewegungsverlangsamung bei der Par-
Apparative Zusatzuntersuchungen sind in der Regel kinson-Erkrankung) zu berücksichtigen. Die folgende
fakultativ. Einseitiger Ruhetremor, Rigor und Bradykinese Übersicht konzentriert sich auf die Differenzialdia-
deuten auf eine Parkinson-Erkrankung. Der essenzielle gnose der häufigsten Tremor-Syndrome und die hier-
Tremor ist ein beidseitiger Haltetremor. Die häufigste für vorhandenen Therapiestrategien. Dazu wurden ei-
Ursache des Intentionstremors ist die Multiple Sklerose. ne selektive Literaturrecherche in PubMed, Lehrbü-
Leichte Tremor-Syndrome können durch Medikation oft chern und Leitlinien durchgeführt und vornehmlich
zufriedenstellend behandelt werden Bei den seltener Studien mit hohem Evidenzgrad herangezogen.
auftretenden schweren Tremorformen kann eine stereo-
taktische Operation erwogen werden, die in der Regel ein Lernziele
vollständiges Sistieren des Tremors herbeiführt. Der Leser dieses Beitrags soll nach der Lektüre zu
Schlussfolgerungen: In den meisten Fällen kann der folgendem befähigt sein:
Tremor präzise diagnostiziert und dem Patienten eine ● die den Tremor auslösenden Erkrankungen zu
spezifische Behandlung angeboten werden. Aufklärung bestimmen
über den Verlauf, die möglichen genetischen Ursachen und ● mögliche genetische Ursachen des Tremors zu
die verschiedenen Therapiemöglichkeiten sind weitere kennen
wichtige ärztliche Aufgaben. ● den Stellenwert der verschiedenen Behand-
lungsverfahren einzuschätzen.
►Zitierweise
Bötzel K, Tronnier V, Gasser T: The differential diagnosis
and treatment of tremor. Dtsch Arztebl Int 2014;
Klinische Diagnostik
Der Tremor kann sämtliche Extremitäten, den Rumpf,
111(13): 225–36. DOI: 10.3238/arztebl.2014.0225
den Kopf oder die Stimme einzeln oder in unter-
schiedlicher Kombination erfassen. Als Tremor dürfen
nur regelmäßige Oszillationen bezeichnet werden.
Myoklonien können gelegentlich als Tremor imponie-

Neurologische Klinik Ludwig-Maximilians-Universität München:


Prof. Dr. med. Bötzel
Klinische Diagnostik
Klinik für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck:
Prof. Dr. med. Tronnier Der Tremor kann sämtliche Extremitäten, den
Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen, Universität Tübingen: Rumpf, den Kopf oder die Stimme einzeln oder
Prof. Dr. med. Gasser
in unterschiedlicher Kombination erfassen.

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ren, zeigen jedoch spätestens in der Tremoranalyse ih-


ren nicht-rhythmischen Charakter und erfüllen daher
nicht die Definition eines Tremors. Wesentlich für die
Diagnose der zugrundeliegenden Erkrankung ist die
klinische Unterteilung in Ruhe-, Halte- oder Intenti-
onstremor (Abbildung 1), woraus sich bereits die
wichtigsten drei Diagnosegruppen ableiten.

Einseitiger Ruhetremor
Handelt es sich um einen einseitigen Ruhetremor, so
muss an eine Parkinson-Erkrankung gedacht werden
a und nach den weiteren Symptomen wie Rigor und
Bewegungsverlangsamung gesucht werden. Die Be-
wegungsverlangsamung macht sich anfangs beson-
ders durch ein vermindertes Mitschwingen des be-
troffenen Armes beim Gehen bemerkbar. Auch die
Körperhaltung und die Mimik können schon recht
früh betroffen sein. Oft fallen diese Symptome den
Angehörigen eher auf als dem Patienten.

Essenzieller Tremor
Im Gegensatz zum Ruhetremor handelt es sich bei
dem essenziellen Tremor um einen beidseitigen,
b meist symmetrischen Haltetremor. Im Armvorhalte-
versuch können die Fingerspitzen einen Tremor mit
einer Amplitude von mehreren Zentimetern aufwei-
sen. Die Patienten berichten, dass das Essen mit
Messer und Gabel und das Trinken aus einem Becher
oder Glas erschwert beziehungsweise nicht mehr
möglich sind. Bei Aufregung (Familienfeier, Anspra-
che) verstärken sich die Symptome.

Intentionstremor
Die dritte durch die Untersuchung unterscheidbare
Form ist der Intentionstremor. Hier zittert der Finger
mit zunehmender Amplitude bei Annäherung an das
c Ziel. Der Finger-Nase-Versuch zeigt, dass der Finger
Abbildung 1: a) Der Ruhetremor tritt auf, wenn der Arm abgelegt (in nur bei direkter Nähe zur Nase zittert. Ebenso zittert
Ruhe) ist. Dieser Tremor ist typisch für die Parkinson-Erkrankung, die Hand, wenn sie sich dem Ziel, zum Beispiel ei-
wobei er anfangs meist einseitig auftritt. Er kann einzelne Finger be- nem Becher, nähert. Der Intentionstremor basiert auf
treffen, die Hand, den Fuß oder auch das Kinn. b) Der Armvorhalte- einer Schädigung des Kleinhirns. Daher zeigen diese
versuch löst verlässlich den Haltetremor aus. Bei sehr geringer Am- Patienten meistens auch andere Zeichen einer Klein-
plitude kann es sich um einen Medikamenten-induzierten Tremor hirnschädigung, zum Beispiel Dysarthrophonie und
(zum Beispiel Lithium) oder einen verstärkten physiologischen Tre- ein schwankendes, breitbeiniges Gangbild.
mor im Rahmen einer Hyperthyreose oder einer Entzugssymptoma-
tik (Alkohol) handeln. Bei Amplituden über 1 cm handelt es sich
meistens um einen essenziellen Tremor. Dieser tritt immer beidseitig Apparative Untersuchungen
auf. c) Der Finger-Nase-Versuch zeigt den Intentionstremor, der bei Bei einem neu aufgetretenen Tremor-Syndrom ist eine
Annäherung des Fingers an das Ziel auftritt. Ursache ist eine Klein- Magnetresonanztomographie des Gehirns zu empfeh-
hirnschädigung, die ein- oder beidseitig auftreten kann. len. Im Falle einer Parkinson-Symptomatik wird man

Diagnostisch entscheidend Apparative Untersuchungen


Die klinische Unterteilung in Ruhe-, Halte- und In- Bei einem neu aufgetretenen Tremor-Syndrom ist
tentionstremor ist für die Diagnose entscheidend. eine Magnetresonanztomographie des Gehirns zu
empfehlen.

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Abbildung 2: Tremoranalyse während


Arm-Vorhalteversuch links. Die Aktivität
der am Tremor beteiligten Muskeln kann
aufgezeichnet und analysiert werden. Die
obere Spur zeigt synchrone, regelmäßige
Aktivität der Handextensoren und -flexoren.
Das Spektrum zeigt ein Maximum bei
4,3 Hz an, es handelt sich somit um eine re-
gelmäßige Bewegung, wodurch ein Tremor
belegt wird. Die Kohärenzkurve zeigt, dass
die Aktivität beider Muskeln im Bereich von
4,3 Hz miteinander korreliert ist. Die Phasen-
information zeigt in diesem Falle bei 4,3 Hz,
dass die Muskeln nicht zeitlich versetzt
aktiv sind (Phase hier Null). Der Befund einer
4,3-Hz-Aktivität mit gleichzeitiger Innervation
von Agonist und Antagonist wäre typisch für
einen essenziellen Tremor.

auf Marklagerveränderungen achten, die einige Symp- Der zerebelläre Tremor zeigt in der Regel Frequen-
tome der Parkinson-Erkrankung (zum Beispiel Gang- zen um 4 Hz, der Parkinson-Tremor liegt im Bereich
störung) imitieren können. Bei einem Intentionstremor von 5 Hz und der essenzielle Tremor liegt im Bereich
muss man an eine Kleinhirnschädigung denken und von 4–8 Hz (1). Ob ein Tremor regelmäßig ist, lässt
zum Beispiel nach Hinweisen auf eine Multiple Sklero- sich mit der Tremoranalyse (insbesondere bei Auf-
se suchen. Wenn eine Unterscheidung zwischen einer zeichnung des EMG) besser feststellen als bei der kli-
Parkinson-Erkrankung und einem essenziellen Tremor nischen Untersuchung. Obwohl das Kriterium der
nicht allein aufgrund klinischer Kriterien möglich ist, „Regelmäßigkeit” nicht wissenschaftlich validiert ist,
stehen nuklearmedizinische Methoden zur Verfügung liefert es doch eine gewisse Unterscheidungsmög-
(vornehmlich Dopamin-Transporter-SPECT), die eine lichkeit zwischen einem klassischen Tremor-Syn-
Trennung dieser beiden Entitäten mit hoher Spezifität drom (in der Regel regelmäßiger Tremor) und einem
und Sensitivität (97 % und 100 %) (e3) ermöglichen. Myoklonus-Syndrom oder einem psychogenen Tre-
Die Aufzeichnung des Tremors kann nichtinvasiv mor, die dieses Kriterium häufig nicht erfüllen.
mittels kleiner Beschleunigungsmesser oder Oberflä-
chenelektroden, die die Muskelaktivität aufzeichnen, Differenzialdiagnose und Therapie
geschehen (Abbildung 2). Diese Untersuchung zeigt Morbus Parkinson
unter anderem die Tremorfrequenz, die für unter- Die Diagnose einer Parkinson-Erkrankung basiert
schiedliche Tremor-Syndrome diagnostisch wichtig auf der klinischen Beobachtung der Kardinalsympto-
ist, wobei sich jedoch Überlappungen ergeben (1). me Tremor, Rigor und Bradykinese und dem Aus-

Zusätzliche Symptome Diagnose einer Parkinson-Erkrankung


Zusätzliche Symptome sind in der Regel beim Die Diagnose einer Parkinson-Erkrankung basiert
Parkinson-Tremor und beim Kleinhirntremor nach wie vor auf der klinischen Beobachtung der
vorhanden. Kardinalsymptome Tremor, Rigor und Bradykinese.

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TABELLE 1

Therapie des Tremors. In Klammern: Evidenzklassen

1. Wahl zusätzlich 2. Wahl 3. Wahl Operative Maßnahmen bei unzureichendem


(fakultativ) Effekt der Medikation
Tremor bei Dopaminagonisten Levodopa (Ia), Clozapin , tiefe Hirnstimulation
M. Parkinson (Ia) Anticholinergika (III) Propranolol (vornehmlich Nc. subthalamicus, Ausnahme:
(Biperiden, Bornaprin ) Nc. VIM des Thalamus)
Budipin (II)
essenzieller Propranolol (Ia), Gabapentin (I), Clonazepam, tiefe Hirnstimulation (Nc. VIM des Thalamus)
Tremor Primidon (Ia), Topiramat (I), Clozapin
Kombination Atenolol,
Propanolol/Primidion Sotalol
Kleinhirn- nur geringe experimentell: Erfolgsaussichten bei ausgewählten Patienten:
tremor Erfolgsaussichten 4-Aminopyridin tiefe Hirnstimulation (Nc. VIM des Thalamus)
mit: Carbamazepin, (zugelassen
Ondansetron als Fampyra für
Gangstörung
bei MS)
dystoner lokale Injektion wie Behandlung
Tremor von Botulinumtoxin der Dystonie:
Trihexyphenidyl,
Biperiden,
Benzodiazepine
verstärkter Diagnostik und
physiologischer Behandlung der
Tremor Ursache (z. B.
Hyperthyreose,
B-12-Mangel,
Medikamente)
orthostatischer Gabapentin (Ib) Clonazepam,
Tremor Primidon (II)

schluss von Zusatzsymptomen, die auf ein atypi- ge Generatoren angenommen (e5). Die medikamen-
sches Parkinson-Syndrom hinweisen würden (2). So töse Substitution des fehlenden Neurotransmitters
werden zum Beispiel eine Demenz oder häufige Dopamin erlaubt eine sehr gute Symptomkontrolle,
Stürze niemals im Frühstadium der klassischen Par- auch wenn zusätzlich ein Haltetremor vorliegt (3). In
kinson-Erkrankung gesehen. Während der Ruhetre- der klinischen Erfahrung kann sich bei Beginn der
mor für die Parkinson-Erkrankung charakteristisch Behandlung der Tremor verstärken, da der Rigor
ist, wird ein moderater Haltetremor bei bis zu der nachlässt und der Tremor erst bei höheren Dosen
Hälfte der Patienten ebenfalls gesehen (e4). Als Ra- rückläufig ist.
rität kann bei anderweitig typischen Parkinson- Neben den klassischen Substanzen Levodopa und
Symptomen ein isolierter Haltetremor vorkommen. verschiedenen Dopamin-Agonisten können bei sehr
Der Parkinson-Tremor fluktuiert in seiner Intensität hartnäckigem Tremor die früher mehr verbreiteten
und verstärkt sich bei mentaler Anspannung. Bei Anticholinergika (Bornaprin, Biperiden) eingesetzt
beidseitiger Ausprägung, die in der Regel erst nach werden, wenn die Kontraindikationen Demenz,
mehrjährigem Verlauf eintritt, schlagen die Extremi- Herzrhythmusstörungen und Prostatahypertrophie
täten nicht synchron, das heißt es werden unabhängi- beachtet werden. Die Wirksamkeit dieser Medika-

Substitution bei Parkinson-Erkrankung Beidseitige Ausprägung


Die medikamentöse Substitution des fehlenden Bei beidseitiger Ausprägung, die in der Regel erst
Neurotransmitters Dopamin erlaubt eine sehr gute nach mehrjährigem Verlauf eintritt, schlagen die
Symptomkontrolle, auch wenn zusätzlich ein Hal- Extremitäten nicht synchron, das heißt, es werden
tetremor vorliegt. unabhängige Generatoren angenommen.

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mente ist zwar nicht durch moderne Studien belegt;


es konnte jedoch in einer systematischen Übersicht
konstatiert werden, dass der Effekt dieser Medika-
mente den Placeboeffekt übersteigt (4). Als effekti-
ves Reservemedikament steht Budipin zur Verfü-
gung (5) (Evidenzklasse Ia), wobei wegen des Ne-
benwirkungsspektrums (kardiale Arrhythmien) ein
intensives Therapiemonitoring (regelmäßige EKG-
Untersuchungen) verpflichtend ist. Mit dieser Sub-
stanz konnte das Auftreten des Tremors um circa
50 % reduziert werden, die Intensität nahm um 15 %
ab (e6). Bei medikamentös therapierefraktärem Par-
kinson-Tremor können Hirnstimulationsverfahren
eingesetzt werden.

Essenzieller Tremor
Es handelt sich um einen beidseitigen Haltetremor,
der meistens die Hände betrifft. Die Amplitude des Abbildung 3: Anatomisches Präparat, auf dem im linken Thalamus eine Läsion im Nucleus
Tremors im Armvorhalteversuch variiert zwischen ventralis intermedius-(VIM-)Kern zu erkennen ist, die auf einer Thermokoagulation beruht.
wenigen Millimetern und 10–15 cm. Auch der Kopf
kann isoliert oder zusätzlich zu den Händen betrof-
fen sein. Oft besteht auch ein Stimmtremor (1). Be-
sonders das Schreiben und andere feinmotorische
Aufgaben, aber auch grobmotorische Haltetätigkei- zu einer deutlichen funktionellen Beeinträchtigung.
ten (Tasse, Glas) sind beeinträchtigt, woraus eine Jedoch sollte dies bei der Berufswahl berücksichtigt
ausgeprägte Behinderung resultiert. Im fortgeschrit- werden, da feinmotorische Tätigkeiten (zum Beispiel
tenen Stadium kann der Patient darauf angewiesen Zahnarzt) von diesen Patienten nicht ausgeführt wer-
sein, gefüttert zu werden. Der Tremor ist das alleini- den können. Bei den Älteren scheint der Verlauf
ge bestimmende Symptom dieser Erkrankung. Wäh- etwas rapider zu sein (e8). Der essenzielle Tremor
rend nach der klassischen Definition ein isolierter bessert sich häufig durch Alkoholgenuss, was als
Haltetremor vorliegt, zeigten jüngere Studien, dass diagnostisches Kriterium herangezogen werden kann
eine leichte Kleinhirnataxie mit Unsicherheit beim (e10). In seltenen Einzelfällen führt dieses Phäno-
Seiltänzergang (e7) und Intentionstremor (e8) beim men zum chronischen Alkoholmissbrauch (Selbst-
Finger-Nase-Versuch bei diesen Patienten vorkom- therapie).
men können. Zwillingsstudien konnten den starken Einfluss ge-
Differenzialdiagnostisch muss der verstärkte phy- netischer Faktoren bei der Entstehung des essenziel-
siologische Tremor abgegrenzt werden, der unter an- len Tremors belegen: bei über 90 % der eineiigen
derem als Nebenwirkung verschiedener Medikamen- Zwillinge besteht hinsichtlich dieser Erkrankung
te oder bei Stoffwechselstörungen gesehen wird. Das Konkordanz. Auch wurden zahlreiche große Famili-
Auftreten des essenziellen Tremors scheint zwei en beschrieben, in denen die Erkrankung offensicht-
Gipfel zu zeigen: Der juvenile essenzielle Tremor lich autosomal-dominant vererbt wird. Erstaunli-
tritt im 2. Lebensjahrzehnt (zwischen dem 11. und cherweise konnte dennoch bislang kein ursächliches
20. Lebensjahr) und der senile essenzielle Tremor im Gen identifiziert werden. Vor kurzem wurden jedoch
6. Lebensjahrzehnt (zwischen dem 51. und 60. Le- immerhin genetische Varianten im Gen für LINGO1
bensjahr) auf (e9). Ob es sich um dieselbe Erkran- als Risikofaktor für den essenziellen Tremor identifi-
kung handelt, ist unklar. Der Verlauf ist schleichend. ziert und in mehreren Replikationsstudien bestätigt
Eine Zunahme des Tremors ist bei den juvenilen For- (6–8). LINGO1 spielt eine Rolle bei der axonalen
men innerhalb von Jahrzehnten zu bemerken und Regeneration und der Oligodendrozytenreifung im
führt in der Regel erst jenseits des 50. Lebensjahrs Zentralnervensystem (6)

Essenzieller Tremor Genetische Faktoren


Es handelt sich um einen beidseitigen Haltetre- Zwillingsstudien konnten den starken Einfluss ge-
mor, der meistens die Hände betrifft. netischer Faktoren bei der Entstehung des essen-
ziellen Tremors belegen.

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Die Behandlung besteht in der Gabe von Proprano- Psychogener Tremor


lol in Dosen von bis zu 240 mg täglich, wobei die Schätzungen gehen davon aus, dass eine psychogene
Kontraindikationen (unter anderem AV-Block, De- Symptomverursachung bei 2–3 % aller neurologi-
pression und Asthma) beachtet werden müssen (Evi- schen Patienten vorliegt (16). Hiervon nimmt der
denzklasse I) (9, 10). Die Tremoramplitude reduziert psychogene Tremor den größten Teil (55 %) ein (17).
sich hierunter um 32–75 % (e11). Bei Männern be- Diagnostische Hinweise sind ein plötzliches Auftre-
steht die Gefahr einer erektilen Impotenz. Als Medi- ten, spontane Remissionen, Ablenkbarkeit sowie ein
kament mit gleich guten Erfolgsaussichten ist das An- Erscheinungsbild, das sich nicht mit den bekannten
tiepileptikum Primidon zu sehen (11). In verschiede- Tremor-Syndromen in Einklang bringen lässt. Zu-
nen Arbeiten wurde eine Reduktion der Tremorampli- dem ist der Tremor oftmals nicht rhythmisch und
tude zwischen 42 % und 76 % beschrieben (e11). nimmt die Frequenz willkürlicher Klopfbewegungen
Hierbei ist eine sehr langsame Aufdosierung (wö- an, die mit einer nicht betroffenen Extremität ausge-
chentlich um 1/4 Tablette) essenziell, da sonst Müdig- führt werden (18). Ferner schlagen die Glieder bei
keit zu Abbruch der Behandlung führt. Die Fähigkeit einem beidseitigen psychogenen Tremor häufig im
zum Führen eines Kraftfahrtzeuges kann dadurch ein- selben Takt, was bei M. Parkinson und essenziellem
geschränkt sein. Als weiteres Medikament zur Be- Tremor nicht gesehen wird (e12). In diesen Fällen
handlung des essenziellen Tremors wird Topiramat muss eine umfassende Diagnostik erfolgen, die auch
verwendet (Evidenzklasse I), das in einer placebo- eine Wilson-Erkrankung, eine Dystonie und epilepti-
kontrollierten Studie nach 24 Wochen eine Besserung sche Myoklonien ausschließt. Eine Tremoranalyse
um 29 % auf einer bekannten Tremor-Skala erbrach- kann wertvolle Hinweise liefern, jedoch nicht ein-
te, während die Placebomedikation eine Besserung deutig zur Bestätigung der Diagnose „psychogener
um 16 % zeigt. (12). Sensibilitätsstörungen, Übelkeit, Tremor“ eingesetzt werden. Eine evidenzbasierte
Konzentrationsstörungen und Somnolenz wurden bei Therapie gibt es nicht. In gesicherten Fällen von psy-
jeweils circa 3 % der Patienten gesehen. Bei 32 % der chogenem Tremor wird man zusammen mit einem
Patienten musste diese Medikation wegen uner- Psychiater einen verständnisvollen Zugang zu den
wünschter Nebenwirkungen beendet werden. Bei sehr Problemen des Patienten suchen. Eine drastische
schwer ausgeprägtem essenziellem Tremor führt die Aufklärung des Patienten in dem Sinne, dass er „kei-
medikamentöse Behandlung häufig nicht zu ausrei- ne organische Erkrankung habe“ ist keinesfalls ziel-
chender Symptomkontrolle. In diesen Fällen wird er- führend. Placebomaßnahmen können kurzfristige Er-
folgreich die tiefe Hirnstimulation eingesetzt. folge zeigen und sind dann diagnostisch verwertbar.
Manche Autoren sehen bei dieser Symptomatik auch
Intentionstremor einen Stellenwert der transcraniellen magnetischen
Hierbei liegt eine Kleinhirnerkrankung zugrunde. Kortexstimulation (19). Bei psychiatrischen Komor-
Die häufigste Ursache ist eine Multiple Sklerose, biditäten ist eine psychiatrische Pharmakotherapie
aber auch idiopathische Kleinhirndegenerationen angeraten. Drei Jahre nach Diagnosestellung berich-
können sich mit diesem Leitsymptom präsentieren. teten noch 64 % der Patienten von einer schweren
Eine effektive medikamentöse Therapie des Tremors oder moderaten Ausprägung, während 15 % eine
bei Kleinhirnschädigung ist nicht bekannt. Ein Ver- spontane Besserung angaben (17). Die Behandlungs-
such mit Benzodiazepinen, Propranolol oder Anti- aussichten sind wahrscheinlich umso besser, je kür-
epileptika ist jedoch gerechtfertigt. Hoffnungen rich- zer die Symptomatik besteht.
ten sich auf das neue Medikament 4-Aminopyridin,
von dem es Einzelfallberichte über die Erfolge bei Seltene Tremorformen
der Behandlung des zerebellären Downbeat-Nystag- Physiologischer Tremor – Der physiologische Tre-
mus, des zerebellären Tremors und der zerebellären mor ist nur mit apparativen Methoden nachweisbar;
Gangstörung gibt (13). Die tiefe Hirnstimulation er hat eine für das Auge nicht sichtbare Amplitude.
kann die Tremorkomponente der Kleinhirnstörung Er resultiert aus der Eigenfrequenz der Muskeldeh-
bessern, jedoch nicht die Dysmetrie, die sich in der nungsreflexe. Verschiedene Stoffwechselstörungen
charakteristischen Sprechstörung und dem schwan- (unter anderem Hypoglykämie, Hyperthyreose) und
kenden Gang manifestiert (14, 15). auch das alkoholische Entzugs-Syndrom können ei-

Psychogener Tremor Physiologischer Tremor


Diagnostische Hinweise sind ein plötzliches Antiepileptika, Lithium, Valproinsäure und Ciclo-
Auftreten, spontane Remissionen, Ablenkbarkeit sporin-A sind die Medikamente, die am häufigsten
sowie ein Erscheinungsbild, das sich nicht mit einen medikamenteninduzierten Tremor, der meist
den bekannten Tremor-Syndromen in Einklang sehr feinschlägig ist, auslösen können.
bringen lässt.

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TABELLE 2

Indikationen und Zielpunkte der stereotaktischen Therapie des Tremors

Tremorursache Zielpunkt läsionell Stimulation


M. Parkinson VIM/STN Thalamotomie VIM –Stimulation
(tremordominant) Radiochirurgie STN –Stimulation
M. Parkinson STN Subthalamotomie STN Stimulation
(Äquivalenztyp) Pallidum Pallidotomie GPI-Stimulation
Radiochirurgie
essenzieller Tremor VIM Thalamotomie VIM-Stimulation
Zona incerta Subthalamotomie STN-Stimulation
STN Radiochirurgie
Tremor bei MS VIM Thalamotomie VIM-Stimulation
Radiochirurgie
Holmes-Tremor VIM – VIM-Stimulation
orthostatischer Tremor VIM – VIM-Stimulation
dystoner Tremor VIM, Pallidum Thalamotomie GPI-Stimulation
VIM-Stimulation
evtl. Kombination

STN, Nucleus subthalamicus; VIM, Nucleus ventralis intermedius des Thalamus; GPI, Globus pallidus internus

nen sichtbaren verstärkten physiologischen Tremor tude um 79 % reduziert (e13). Dieser Effekt war
hervorrufen. Er äußert sich als beidseitiger eher fein- auch 19 Monate nach Beginn der Therapie nachweis-
schlägiger Haltetremor mit recht hoher Frequenz bar. Als Alternative wird Clonazepam (0,5–6,0 mg
(circa 7 Hz). Wahrscheinlich liegt dem medikamen- pro Tag) empfohlen (e14), wobei systematische Un-
teninduzierten Tremor ein ähnlicher Mechanismus tersuchungen hierüber nicht vorhanden sind.
zugrunde. Antiepileptika, Lithium, Valproinsäure Dystoner Tremor – Oft besteht ein Tremor der
und Ciclosporin A sind die Medikamente, die am Extremitäten oder des Kopfes im Rahmen einer Dys-
häufigsten einen medikamenteninduzierten Tremor, tonie. Frequenz und Amplitude sind dabei oft unre-
der meist sehr feinschlägig ist, auslösen können (1). gelmäßig, so dass ein Tremor im engeren Sinne gar
Orthostatischer Tremor – Das Leitsymptom des nicht vorliegt. Regelmäßig weisen bei Patienten mit
orthostatischen Tremors ist eine Unsicherheit beim dystonem Kopftremor eine Fehlhaltung des Kopfes
Stehen. Die Patienten fühlen sich unwohl, wenn sie (im Sinne eines Torticollis) oder auch andere dysto-
stehen, wobei der Tremor der Beinmuskulatur, der ne Symptome, zum Beispiel ein Schreibkrampf, auf
hierbei mit der Elektromyographie gemessen werden die Diagnose hin. Der dystone Tremor kann aber
kann, den Patienten gar nicht auffällt. In der Elektro- auch einseitig im Bereich der Hände einen Ruhetre-
myographie zeigt sich dann rhythmische Aktivität mor imitieren, so dass in letzter Zeit intensiv über ei-
der Beinmuskulatur mit 13–18 Hz, womit dieser Tre- ne Verwechslung mit der Parkinson-Erkrankung dis-
mor die höchste Frequenz der bekannten Tremor- kutiert wurde (e15, e16).
Syndrome aufweist (1). Wegen der Seltenheit dieses Holmes-Tremor – Nach Verletzungen im Bereich
Phänomens ist die Studienlage überschaubar. Nur ei- des Mittelhirns kann ein Holmes-Tremor auftreten.
ne randomisiert-kontrollierte Studie liegt vor, die na- Es handelt sich sowohl um einen Ruhe- als auch Hal-
helegt, dass Gabapentin die subjektiven Symptome tetremor mit sehr niedriger Frequenz, der in der Re-
um 50–75 % reduzieren kann und die Tremorampli- gel erst einige Monate nach dem akuten Ereignis

Dystoner Tremor Chirurgische Therapie


Oft besteht ein Tremor der Extremitäten oder des Voraussetzung für die chirurgische Behandlung
Kopfes im Rahmen einer Dystonie. Frequenz und des Tremors ist, dass neben der fehlenden medi-
Amplitude sind dabei oft unregelmäßig. kamentösen Beeinflussbarkeit eine subjektive
Behinderung des Patienten durch den Tremor
besteht.

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sichtbar wird. Durch die teilweise große Amplitude In den 1960er Jahren wurden Tausende von Thala-
verursacht er eine weitgehende Gebrauchsunfähig- motomien mit kleinen anatomischen Variationen
keit der betroffenen Gliedmaßen. Da dieser Tremor vorgenommen (Abbildung 3). Interessanterweise las-
sehr selten auftritt, basiert die Empfehlung einer sen sich nahezu alle Tremorformen, egal welcher Ur-
Therapie mit hochdosiertem Levodopa (bis 750 mg sache und basierend auf unterschiedlichen Hirnschä-
täglich) auf Einzelfallberichten (e17). digungen (Tabelle 2) durch eine Läsion in dieser Re-
gion positiv beeinflussen. Dieselbe Region wird
Die chirurgische Therapie des Tremors auch für die Implantation von Elektroden, die eine
Voraussetzung für die chirurgische Behandlung des kontinuierliche elektrische Stimulation (Hochfre-
Tremors ist, dass neben der fehlenden medikamentö- quenzstimulation) abgeben, ausgewählt, was heutzu-
sen Beeinflussbarkeit eine subjektive Behinderung tage deutlich häufiger als die läsionellen Verfahren
des Patienten durch den Tremor besteht und chirurgi- eingesetzt wird. Der Ruhetremor bei M. Parkinson
sche Kontraindikationen (unter anderem Gerinnungs- wird in 70–80 % der Patienten durch eine Thalamo-
störungen, Demenz mit Gefahr eines postoperativen tomie komplett unterdrückt (22). Ähnliche Resultate
Delirs) ausgeschlossen werden können (Tabelle 1). liegen für den essenziellen Tremor vor (23, 24). Der
Neurochirurgische Eingriffe können entweder am zerebelläre Tremor bei Multipler Sklerose zeigt lei-
Zielort eine kleine Läsion (meistens durch Thermo- der nur initial gute Effekte für etwa 2–3 Jahre. Da-
koagulation) erzeugen (Abbildung 3) oder aber durch nach profitiert nur noch ein Drittel der Patienten.
kontinuierliche elektrische Stimulation die umliegen- Dies liegt zum einen an der Progression der Erkran-
den Nervenzellen beeinflussen (Hirnstimulation, kung und der häufig mit dem Tremor vergesellschaf-
Neuromodulation). Die „tiefe Hirnstimulation“ ba- teten Extremitätendysmetrie. Auch die fokale Gam-
siert auf der Implantation von Stimulationselektroden ma-Bestrahlung (Gammaknife) des Nucleus ventra-
in Knotenpunkte des Tremornetzwerks des Gehirns. lis intermedius (VIM-Kerns) des Thalamus kann zur
Die Elektroden verbleiben dort dauerhaft und sind Therapie des Parkinson-Tremors eingesetzt werden
mit einem subkutan implantierten Impulsgenerator (25–27).
(in der Regel infraklavikulär) verbunden. Diese Sys-
teme sind technisch ausgereift und liefern über viele Thalamusstimulation (VIM-Stimulation)
Jahre eine in den meisten Fällen vollständige Tremor- Die Hochfrequenzstimulation (100–180 Hz) (Tiefe
suppression. Es stehen auch aufladbare Implantate Hirnstimulation) des Nucleus ventralis intermedius
zur Verfügung, deren Lebensdauer circa neun Jahre (VIM) des Thalamus hat sich für den essenziellen
beträgt. Die Komplikationsrate bei diesen Eingriffen Tremor (28–30) und für ausgewählte Fälle von Par-
liegt bei 1–2 % (20). An operativen Nebenwirkungen kinson-Tremor als etablierte Therapie durchgesetzt
sind vor allem Blutungen zu nennen. Bezogen auf das (Evidenzklasse I).
gesamte Kollektiv von über 1000 Patienten waren in Die Operation selbst verläuft ähnlich wie die Tha-
der großen Studie von Voges et al. (20) bei 1,6 % der lamotomie. Nach stereotaktischer Zielpunktbestim-
Patienten asymptomatische und bei 1,3 % symptoma- mung wird die Verifikation des Zielpunkts mit Mi-
tische Hirnblutungen beobachtet worden. Bei den kroableitungen (optional) und Teststimulation am
letzteren bildeten sich die Symptome in der Mehrzahl wachen Patienten durchgeführt, bevor die endgültige
der Fälle in den ersten 30 Tagen vollständig zurück. vierpolige Elektrode implantiert wird (Abbildung 4).
Auch Infektionen kommen vor. Hinsichtlich der zere- Während die Wirksamkeit der VIM-Stimulation auf
bralen Zielstruktur der Tremorbehandlung müssen den kontralateralen Extremitätentremor vorrangig
die unterschiedlichen Tremorformen berücksichtigt ist, werden leichtere Effekte auch an den ipsilatera-
werden (Tabelle 2). len Extremitäten beobachtet. Beim essenziellen Tre-
mor ist zu beachten, dass der Extremitätentremor gut
Thalamotomie beeinflusst wird, der Kopf- und Stimmtremor jedoch
Die Thalamotomie (Hochfrequenzthermokoagulati- weniger gut und nur durch eine bilaterale Stimulati-
on) zur Behandlung der Parkinsonschen Erkrankung on (31). Weiterhin ist zu beachten, dass im Laufe der
und insbesondere des begleitenden Tremors wurde Erkrankung bei manchen Patienten zerebelläre
erstmals von Hassler und Riechert propagiert (21). Symptome auftreten, die durch die Stimulation nicht

Thalamotomie Thalamusstimulation
Der Ruhetremor bei M. Parkinson wird bei Die Hochfrequenzstimulation (100–180 Hz) des
70–80 % der Patienten durch eine Thalamotomie Nucleus ventralis intermedius (VIM) des Thalamus
komplett unterdrückt. Ähnliche Resultate liegen hat sich für den essenziellen Tremor und für
für den essenziellen Tremor vor. ausgewählte Fälle von Parkinson-Tremor als
etablierte Therapie durchgesetzt.

232 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 111 | Heft 13 | 28. März 2014


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a b
Abbildung 4: a) MRT mit Elektrode axial. b) MRT mit Elektroden. Die Magnetresonanztomographie kann unter bestimmten Bedingungen mit
implantierten Elektroden erfolgen. Somit kann die präzise Lokalisation der Elektroden dokumentiert werden. Links sind 2 Stimulationselektro-
den im VIM-Kern des Thalamus zu erkennen, rechts die sagittale Darstellung einer Elektrode. Durch die metallischen Bestandteile erscheint
die 1,3 mm im Durchmesser messende Elektrode deutlich größer als in Wirklichkeit.

beeinflusst werden. Ob das Nachlassen des klini- Zeit gebessert, abhängig von der Progression der Er-
schen Effektes nach einigen Jahren durch die Pro- krankung. Wichtig ist bei diesen Patienten, den Hal-
gression der Erkrankung bedingt ist oder durch eine te- und Intentionstremor von einer zerebellären Ata-
Toleranzentwicklung, ist bislang nicht abschließend xie (Dysmetrie) abzugrenzen, die durch die Stimula-
geklärt (32). Die Progression der Erkrankung scheint tion nicht vermindert wird. Beim MS-Tremor ist die
bei nichtstimulierten Patienten in gleichem Maße Thalamotomie eine denkbare Alternative, weil mit
vorzuliegen wie bei operierten, so dass ein Toleranz- dieser größere Areale ausgeschaltet werden können.
effekt eher unwahrscheinlich ist (33). Bei einem Teil Für andere Tremorformen (Holmes-Tremor, dys-
der Patienten, die über einen nachlassenden Effekt toner Tremor, orthostatischer Tremor) liegen nur
berichteten, konnte eine suboptimale Platzierung der Einzelfallberichte oder kleinere Fallserien vor, so-
Elektroden als Ursache nachgewiesen werden (34). dass eine abschließende Beurteilung nicht möglich
Parkinson-Patienten sollten lediglich bei stark tre- ist (36–39). Die Möglichkeit der Teststimulation vor
mordominanter Symptomatik und längerer Erkran- der definitiven Implantation lässt es jedoch zu, die
kungsdauer im VIM stimuliert werden. Bei relativ Indikation weiter zu stellen als bei den läsionellen
kurzer Erkrankungsdauer jedoch, bei der eine Pro- Verfahren.
gression der Erkrankung mit dem Auftreten von Ri-
gidität und Bradykinese zu erwarten ist, sollte primär Vergleich Thalamotomie und tiefe Hirnstimulation
eine Stimulation im Nucleus subthalamicus (STN) In einer randomisierten Studie mit 86 Patienten, die
durchgeführt werden, die den Tremor exzellent un- an einem Tremor unterschiedlicher Ursache (Parkin-
terdrückt (35), jedoch auch den Rigor und die Bradi- son, essenzieller Tremor, MS-Tremor) litten, konn-
kinese der Patienten behandelt. ten Schuurman und Kollegen feststellen, dass die
Der Tremor bei Multipler Sklerose wird durch die Unterdrückung des Tremors durch die Thalamotomie
Stimulation des VIM häufig nur wenig und für kurze und die Stimulation im VIM vergleichbar waren

Tremor bei Multipler Sklerose Thalamotomie versus tiefer Hirnstimulation


Beim MS-Tremor ist die Thalamotomie eine Der funktionelle Status der Patienten mit Stimula-
denkbare Alternative, weil mit dieser größere tion war signifikant besser als der der Patienten
Areale ausgeschaltet werden können. mit einer Thalamotomie. Dies war durch die signi-
fikant häufiger auftretenden Nebenwirkungen in
der läsionellen Gruppe bedingt.

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 111 | Heft 13 | 28. März 2014 233


MEDIZIN

(30). In der Thalamotomie-Gruppe wurde der Tre- 5. Reichmann H: Budipine in Parkinson's tremor. J Neurol Sci
mor vollständig oder fast vollständig bei 27 von 34 2006; 248: 53–5.
Patienten unterdrückt, in der Stimulations-Gruppe 6. Stefansson H, Steinberg S, Petursson H, et al.: Variant in the se-
quence of the LINGO1 gene confers risk of essential tremor. Nat
bei 30 von 33 Patienten. Der funktionelle Status
Genet 2009; 41: 277–9.
(Kompetenz bei Alltagstätigkeiten) der Patienten mit
7. Thier S, Lorenz D, Nothnagel M, et al.: LINGO1 polymorphisms
Stimulation war jedoch signifikant besser als der der are associated with essential tremor in Europeans. Mov Disord
Patienten mit einer Thalamotomie (p = 0,01). Dies 2010; 25: 717–23.
war unter anderem durch die signifikant häufiger 8. Tan EK, Teo YY, Prakash KM, et al.: LINGO1 variant increases
auftretenden Nebenwirkungen in der läsionellen risk of familial essential tremor. Neurology 2009; 73: 1161–2.
Gruppe (Dysarthrien, Gangstörungen, kognitive De- 9. Sweet RD, Blumberg J, Lee JE, Mc Dowell FH: Propranolol treat-
fizite) bedingt. ment of essential tremor. Neurology 1974; 24: 64–7.
Deshalb wird heute meistens die Stimulation be- 10. Winkler GF, Young RR: Efficacy of chronic propranolol therapy in
action tremors of the familial, senile or essential varieties. N
vorzugt, insbesondere, wenn ein bilateraler Eingriff
Engl J Med 1974; 290: 984–8.
notwendig ist. In einer Folgestudie konnten die Au-
11. Findley LJ, Cleeves L, Calzetti S: Primidone in essential tremor
toren den Langzeitverlauf ihrer Patienten beschrei- of the hands and head: a double blind controlled clinical study. J
ben (40): Der Effekt auf die Tremorsuppression war Neurol Neurosurg Psychiatry 1985; 48: 911–5.
bei beiden Gruppen (Stimulation/Thermokoagulati- 12. Ondo WG, Jankovic J, Connor GS, et al.: Topiramate in essential
on) vergleichbar. Bei den Parkinson-Patienten zeigte tremor: a double-blind, placebo-controlled trial. Neurology
sich dieser auch stabil. Bei den Patienten mit essen- 2006; 66: 672–7.
ziellem Tremor und Multipler Sklerose zeigte sich 13. Schniepp R, Jakl V, Wuehr M, et al.: Treatment with 4-aminopy-
ridine improves upper limb tremor of a patient with multiple
innerhalb von fünf Jahren eine signifikante Abnahme sclerosis: a video case report. Mult Scler 2012.
des Effektes.
14. Bötzel K, Steude U: Indikationen der operativen Behandlung des
Tremors. Dtsch Med Wochenschr 1999; 124: 287–90.
Interessenkonflikt 15. Montgomery EB, Jr., Baker KB, Kinkel RP, Barnett G: Chronic
Prof. Bötzel erhielt Reise- und Übernachtungskosten, Honorare für die thalamic stimulation for the tremor of multiple sclerosis. Neuro-
Vorbereitung von wissenschaftlichen Tagungen sowie Gelder für ein von logy 1999; 53: 625–8.
ihm initiiertes Forschungsvorhaben von der Firma Medtronic. 16. Nowak DA, Fink GR: Psychogenic movement disorders: aetiolo-
Prof. Tronnier erhielt Honorare für eine Beratertätigkeit, Erstattung
gy, phenomenology, neuroanatomical correlates and therapeutic
von Teilnahmegebühren für einen Kongress, Reise-Übernachtungskosten, approaches. Neuroimage 2009; 47: 1015–25.
Honorare für die Vorbereitung von wissenschaftlichen Tagungen von 17. McKeon A, Ahlskog JE, Bower JH, Josephs KA, Matsumoto JY:
der Firma Medtronic. Für ein von ihm initiiertes Forschungsvorhaben Psychogenic tremor: long-term prognosis in patients with elec-
wurden ihm Gelder von Medtronic und St. Jude Medical zur Verfügung trophysiologically confirmed disease. Mov Disord 2009; 24:
gestellt.
72–6.
Prof. Gasser erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht. 18. McAuley J, Rothwell J: Identification of psychogenic, dystonic,
and other organic tremors by a coherence entrainment test.
Mov Disord 2004; 19: 253–67.
Manuskriptdaten
eingereicht: 25. 2. 2013, revidierte Fassung angenommen: 15. 1. 2014 19. Dafotakis M, Ameli M, Vitinius F, et al.: Der Einsatz der transkra-
niellen Magnetstimulation beim psychogenen Tremor – eine Pi-
lotstudie. Fortschr Neurol Psychiatr 2011; 79: 226–33.
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234 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 111 | Heft 13 | 28. März 2014


MEDIZIN

25. Duma CM, Jacques DB, Kopyov OV, Mark RJ, Copcutt B, Farokhi Anschrift für die Verfasser
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Marchioninistraße 15
26. Young RF, Jacques S, Mark R, et al.: Gamma knife thalamotomy 81377 München
for treatment of tremor: long-term results. J Neurosurg 2000; kboetzel@med.uni-muenchen.de
93 Suppl 3: 128–35.
27. Ohye C, Higuchi Y, Shibazaki T, et al.: Gamma knife thalamotomy Zitierweise
for Parkinson disease and essential tremor: a prospective multi- Bötzel K, Tronnier V, Gasser T: The differential diagnosis
center study. Neurosurgery 2012; 70: 526–35; discussion and treatment of tremor. Dtsch Arztebl Int 2014; 111(13): 225–36.
35–6. DOI: 10.3238/arztebl.2014.0225

28. Benabid AL, Pollak P, Gervason C, et al.: Long-term suppression


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www.aerzteblatt.de/lit1314
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12: 638–42. www.aerzteblatt-international.de
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of continuous thalamic stimulation and thalamotomy for
suppression of severe tremor. N Engl J Med 2000; 342: 461–8.
31. Sixel-Döring F, Benecke R, Fogel W, et al.: Tiefe Hirnstimulation Weitere Informationen zu cme
bei essenziellem Tremor. Empfehlungen der Deutschen Arbeits-
gemeinschaft Tiefe Hirnstimulation. Nervenarzt 2009; 80: Dieser Beitrag wurde von der Nordrheinischen Akademie
662–5. für ärztliche Fort- und Weiterbildung zertifiziert.
32. Barbe MT, Liebhart L, Runge M, et al.: Deep brain stimulation in
the nucleus ventralis intermedius in patients with essential tre-
Die erworbenen Fortbildungspunkte können mit Hilfe der
mor: habituation of tremor suppression. J Neurol 2011; 258: Einheitlichen Fortbildungsnummer (EFN) verwaltet wer-
434–9. den.
33. Favilla CG, Ullman D, Wagle Shukla A, et al.: Worsening essential Unter cme.aerzteblatt.de muss hierfür in der Rubrik
tremor following deep brain stimulation: disease progression
„Persönliche Daten“ oder nach der Registrierung die EFN
versus tolerance. Brain 2012; 135: 1455–62.
in das entsprechende Feld eingegeben werden und durch
34. Pilitsis JG, Metman LV, Toleikis JR, Hughes LE, Sani SB, Bakay
RA: Factors involved in long-term efficacy of deep brain stimula-
Bestätigen der Einverständniserklärung aktiviert werden.
tion of the thalamus for essential tremor. J Neurosurg 2008; Die 15-stellige EFN steht auf dem Fortbildungsausweis.
109: 640–6.
35. Krack P, Benazzouz A, Pollak P, et al.: Treatment of tremor in Wichtiger Hinweis
Parkinson's disease by subthalamic nucleus stimulation. Mov
Die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung ist
Disord 1998; 13: 907–14.
ausschließlich über das Internet möglich:
36. Guridi J, Rodriguez-Oroz MC, Arbizu J, et al.: Successful thala-
mic deep brain stimulation for orthostatic tremor. Mov Disord cme.aerzteblatt.de
2008; 23: 1808–11. Einsendeschluss ist der 22. 6. 2014.
37. Espay AJ, Duker AP, Chen R, et al.: Deep brain stimulation of the
ventral intermediate nucleus of the thalamus in medically re- Einsendungen, die per Brief oder Fax erfolgen, können
fractory orthostatic tremor: preliminary observations. Mov Dis- nicht berücksichtigt werden.
ord 2008; 23: 2357–62.
38. Diederich NJ, Verhagen Metman L, Bakay RA, Alesch F: Ventral Die Bearbeitungszeiten der folgenden cme -Einheiten
intermediate thalamic stimulation in complex tremor syndromes. sind:
Stereotact Funct Neurosurg 2008; 86: 167–72. – „Strukturiertes Vorgehen bei Otitis media“ (Heft 9/2014)
39. Morishita T, Foote KD, Haq IU, Zeilman P, Jacobson CE, Okun bis zum 25. 5. 2014
MS: Should we consider Vim thalamic deep brain stimulation for – „Therapie des Typ-2-Diabetes“ (Heft 5/2014)
select cases of severe refractory dystonic tremor. Stereotact
Funct Neurosurg 2010; 88: 98–104. bis zum 27. 4. 2014
– „Die rissbedingte Netzhautablösung“ (Heft 1–2/2014)
40. Schuurman PR, Bosch DA, Merkus MP, Speelman JD: Long-term
follow-up of thalamic stimulation versus thalamotomy for tremor bis zum 30. 3. 2014
suppression. Mov Disord 2008; 23: 1146–53.

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 111 | Heft 13 | 28. März 2014 235


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Bitte beantworten Sie folgende Fragen für die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung. Pro Frage
ist nur eine Antwort möglich. Bitte entscheiden Sie sich für die am ehesten zutreffende Antwort.

Frage Nr. 1 Frage Nr. 5


Welche Symptomkonstellation wäre typisch für einen Tremor im Welche Information ist am wichtigsten für die diagnostische Zuordnung
Rahmen einer Parkinson-Erkrankung ? eines Tremor-Syndroms?
a) beidseitiger Haltetremor a) klinischer Befund
b) einseitiger Ruhetremor und vermindertes Mitschwingen des ipsilateralen b) Magnetresonanztomographie des Gehirns mit Feinschichtung des Kleinhirns
Armes beim Gehen c) nuklearmedizinische Darstellung der Gehirndurchblutung
c) starker einseitiger Tremor beim Halten einer Tasse oder eines Glases d) Sonographie der Basalganglien
d) Tremor, der nur beim Schreiben auftritt e) Messung des Serumspiegels eingenommener Medikamente
e) Haltetremor beider Hände in Begleitung einer ataktischen Gangsstörung
Frage Nr. 6
Frage Nr. 2 Was deutet auf eine mögliche psychogene Verursachung eines Tremors hin?
Einem 25-jährigen Patienten mit einem leichten Haltetremor beider a) Die Magnetresonanztomographie des Gehirns ergibt keinen Hinweis auf einen
Hände, der sich auf Alkohol bessert und dessen Mutter die gleiche essenziellen Tremor oder eine Parkinson-Erkrankung.
Symptomatik hat, könnte man welchen folgenden Rat geben? b) ein seit vielen Jahren bestehender Partnerschaftskonflikt
a) Er müsse unbedingt weitere Diagnostik in Bezug auf eine beginnende c) ein Tremor mit wechselnder Lokalisation, der bei Ablenkung abnimmt und der in
Parkinson-Erkrankung durchführen lassen. der Tremoranalyse unregelmäßig wirkt
b) Er müsse unbedingt eine Therapie beginnen, da sonst die Krankheit d) ein klar zu benennender zugrunde liegender psychischer Konflikt
fortschreiten könne. e) eine Remission nach erfolgter Psychotherapie
c) Sofern eine Behandlungsindikation besteht, könnten Propranolol oder
Primidon eingesetzt werden. Frage Nr. 7
d) Entspannungsübungen und Physiotherapie sind für diese Symptomatik Wann kann ein Tremor mit einer chirurgischen Therapie behandelt werden?
eine effektive Therapieoption. a) wenn der Patient nicht bereit ist, Medikamente zur Behandlung des Tremors
e) Er müsse eine genetische Untersuchung machen lassen, um die einzunehmen
Diagnose eines essenziellen Tremors zu sichern. b) wenn der Patient jünger als 50 Jahre ist
c) wenn die Medikation den Tremor nicht ausreichend unterdrückt und keine
Frage Nr. 3 chirurgische Kontraindikation besteht
Ein Patient, bei dem eine Multiple Sklerose seit zwei Jahren bekannt d) wenn der Patient bereit ist, sich einmal in der Woche bei einem Neurochirurgen
ist, stellt sich in Ihrer Praxis mit einem neu aufgetretenen Tremor vor. zur Durchführung einer Hirnstimulation vorzustellen
Welche Symptomkonstellation wäre für einen MS-assoziierten Tremor e) wenn der Patient bereit ist, die Kosten für den wöchentlich erforderlichen
typisch? Batteriewechsel selbst zu tragen
a) Es handelt sich um einen Ruhetremor, der nur selten und wenn, dann bei
Aufregung, zu beobachten ist. Frage Nr. 8
b) Der Tremor tritt mal rechts, mal links auf. Was ist bei der medikamentösen Behandlung der verschiedenen
c) Der Tremor tritt typischerweise nur morgens auf. Tremor-Syndrome zu beachten?
d) Der Patient zeigt ein schwankendes, breitbeiniges Gangbild und einen a) dass die Behandlung sich nach der klinischen Präsentation richtet, unabhängig
Intentionstremor. von der Ursache des Tremors
e) Der Haltetremor lässt sich willentlich sehr gut unterdrücken. b) dass eine kausale Behandlung in der Regel nur bei medikamentös induzierten
Tremorformen oder bei Tremor nach Stoffwechselentgleisungen möglich ist
Frage Nr. 4 c) dass der Parkinson-Tremor am besten auf Anticholinergika anspricht, während
Ein 55-jähriger Patient mit essenziellem Tremor berichtet, dass er we- die klassischen Dopamin-Präparate hier nicht wirken
gen des Tremors nicht mehr selbstständig essen könne, größte Pro- d) dass der Kleinhirntremor bei Multipler Sklerose medikamentös genauso
bleme beim Ankleiden habe und die Handschrift schon seit vielen behandelt wird wie der essenzielle Tremor
Jahren wegen Zitterns nicht mehr lesbar sei. Durch eine leitlinien- e) dass der essenzielle Tremor medikamentös weitgehend therapierefraktär ist
gerechte Medikation lässt sich dieser Tremor nur geringfügig
bessern. Welchen Rat können Sie dem Patienten in Bezug auf eine Frage Nr. 9
mögliche chirurgische Therapie geben? Welche Medikamente können einen medikamenteninduzierten Tremor
a) Die tiefe Hirnstimulation könnte vielleicht helfen, wird aber in hervorrufen?
Deutschland noch nicht eingesetzt. a) Lithium, Valproinsäure, Ciclosporin A
b) Die tiefe Hirnstimulation ist ein experimentelles Verfahren, das b) Carbamazepin, Propranolol, Seroxat
ausschließlich im Rahmen von Studien eingesetzt wird. c) Aspirin, Diclofenac, Paracetamol
c) Die einzige Indikation für die tiefe Hirnstimulation ist die Parkinson- d) Penicillin, Erythromycin, Cephalosporin
Erkrankung. Sie kann beim essenziellen Tremor nicht eingesetzt werden. e) Lipidsenker, Antidiabetika
d) Die tiefe Hirnstimulation kommt bei dieser Indikation mit guten
Erfolgsaussichten in Betracht, weil sie sich als ein Standardverfahren Frage Nr. 10
bei diesem Tremor etabliert hat. Was ist/sind Medikament(e) der ersten Wahl beim Tremor des
e) Die Effektivität der tiefen Hirnstimulation ist bei dieser Indikation nicht M. Parkinson?
besser als die der Medikation. a) Dopaminergica, b) Propanolol, c) Primidon, d) Gabapentin, e) Ondansetron

236 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 111 | Heft 13 | 28. März 2014


MEDIZIN

Differenzialdiagnose und Therapie


des Tremors 3
Punkte
Kai Bötzel, Volker Tronnier, Thomas Gasser
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Deutsches Ärzteblatt | Jg. 111 | Heft 13 | 28. März 2014 13

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