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RESPIRATORISCHE INSUFFIZIENZ

O2-Gabe oder Beatmung?


Indikation, Ziele und korrekte Durchführung von Langzeit-Sauerstofftherapie
und nicht-invasiver Beatmung. Im Vordergrund der Betreuung beatmeter
Patienten steht eine bedarfsgerechte, qualitativ hochwertige Versorgung.

D as respiratorische System besteht aus zwei


verschiedenen Anteilen, die unabhängig von-
einander unterschiedlichen Störgrößen unterliegen
wie des knöchernen Thorax – zu einer Störung des
An- und Abtransportes der Atemgase O2 und CO2,
was blutgasanalytisch durch eine respiratorische
können, der Lunge und der Atempumpe (Grafik). Er- Globalinsuffizienz mit Hyperkapnie gekenn-
krankungen der Lunge, welche den Gasaustausch zeichnet ist. Ein hyperkapnisches Atemversagen
betreffen, können zu einer pulmonalen Insuffizienz kann nur durch Augmentierung der alveolären
führen, welche blutgasanalytisch durch eine respi- Ventilation, also durch künstliche Beatmung, be-
ratorische Partialinsuffizienz gekennzeichnet ist. handelt werden. Eine respiratorische Insuffizienz
Da Kohlendioxid (CO2) eine wesentlich bessere Dif- kann sowohl akut als auch chronisch entstehen und
fusionsleitfähigkeit hat als Sauerstoff (O2), ist der bedarf entsprechend einer Akutbehandlung in der
Sauerstoffpartialdruck (PaO2) erniedrigt, der Pa- Klinik oder einer Langzeitbehandlung im häusli-
CO2 hingegen aber nicht erhöht und bei ventilatori- chen Umfeld.
scher Kompensation sogar ebenfalls niedrig. Das da-
raus resultierende hypoxämische Atemversagen ist Sauerstoff-Langzeittherapie
primär einer Sauerstofftherapie zugänglich. Im Falle einer chronischen pulmonalen Insuffi-
Im Gegensatz dazu führen Störungen der Atem- zienz wird eine Sauerstofflangzeittherapie durchge-
pumpe – also des Atemzentrums, der entsprechen- führt (2). Die Ziele dieser Therapie bestehen sowohl
den nervalen Strukturen, der Atemmuskulatur so- in einer Verbesserung der Lebensqualität und Leis-

GRAFIK
Das respiratorische System

28 Perspektiven | Deutsches Ärzteblatt | 27. Februar 2015


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tungsfähigkeit als auch in einer Verbesserung des dung von mindestens 16 Stunden gewährleistet ist,
Langzeitüberlebens. Hier ist insbesondere für die um die positiven Effekte insbesondere bei COPD-
chronische obstruktive Lungenerkrankung (COPD) Patienten hinsichtlich der Mortalitätssenkung zu
seit über 30 Jahren eine Verbesserung des Langzeit- gewährleisten. Intermittierende „Sauerstoffdu-
überlebens wissenschaftlich etabliert (2–5). schen“ im Sinne von Kurzzeitanwendungen ohne
Für viele andere Erkrankungen mit pulmonaler In- entsprechende Erfüllung der Indikationskriterien
suffizienz wird zudem ebenfalls davon ausgegangen, sind obsolet.
dass die Prognose verbessert werden kann, auch
wenn wissenschaftliche Daten hierzu weniger Evi- Invasive versus
denzgebend sind. Der Nachweis einer verbesserten nicht-invasive Beatmung
körperlichen Belastbarkeit ist aber für die meisten Im Falle einer chronischen und ventilatorischen In-
Entitäten gegeben. Indikationskriterien und Angaben suffizienz kommt die außerklinische Beatmung in
zur korrekten Durchführung sind über eine Leitlinie Betracht. Diese kann vorzugsweise nicht-invasiv
der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Be- (NPPV = non-invasive positive pressure ventilation)
atmungsmedizin e. V. (DGP) formuliert (2). Zusam- über Gesichtsmasken oder invasiv über ein Tracheo-
menfassend muss als Voraussetzung gelten, dass eine stoma erfolgen.
stabile Krankheitssituation vorliegt und dass eine op- Die invasive außerklinische Beatmung ist logis-
timale konservative Therapie (leitliniengerechte Me- tisch hoch aufwendig und erwartet ein komplexes
dikation) bereits etabliert ist. Überleitmanagement von der Klinik in die häusliche Be-
Entsprechend muss bei Verschreibung entschie- atmung mit entsprechender Versorgung über einen qua-
den werden, ob die Sauerstofftherapie in Ruhe lifizierten Pflegedienst. Neben Patienten mit einer elek-
und/oder bei körperlicher Belastung durchgeführt
wird. Technisch stehen entsprechend Sauerstoff- KASTEN 1
konzentratoren, Flüssigsauerstoffsysteme und Sauer-
stoffdruckflaschen zur Verfügung. Insbesondere Indikationen für eine Sauerstofflangzeittherapie:
Flüssigsauerstoffsysteme mit entsprechenden Trans- ● PaO2 in Ruhe ≤ 55 mmHg
portsystemen, zum Beispiel in Form von Rückentra- ● PaO2 in Ruhe 50 bis 60 mmHg bei Cor pulmonale/Poly-
gehilfe oder Caddy, sind geeignet zur Anwendung globulie
der Sauerstofftherapie auch während einer körperli- ● PaO2 unter Belastung ≤ 55 mmHg oder Hypoxämie im
chen Belastung. Entscheidend in der Durchführung Schlaf
ist, dass bei Ruhehypoxämie eine tägliche Anwen-

Perspektiven | Deutsches Ärzteblatt | 27. Februar 2015 29


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KASTEN 2 nen Atemstörungen mit entsprechender Tagesmü-


digkeit und Abgeschlagenheit, an morgendlichen
Chronische Erkrankungen, die zu einer langzeitigen, Kopfschmerzen, Ödemen und rekurrenten Infekten
nicht-invasiven Beatmung führen können: leiden können.
● COPD Wissenschaftlich gilt die Verbesserung der Le-
● Thorakal restriktive Erkrankungen (Kyphoskoliose, post- bensqualität und des Langzeitüberlebens bei den
tuberkulöses Syndrom) meisten Patientengruppen als erwiesen (8). Diesbe-
● Neuromuskuläre Erkrankungen (Muskeldystrophie züglich besteht bei Patienten mit COPD nach wie vor
Duchenne, Amyotrophe Lateralsklerose) noch eine kritische Diskussion hinsichtlich des wirk-
● Adipositas-Hypoventilationssyndrom lichen Nutzens einer NPPV (9). Aktuelle Studienda-
● Seltene Entitäten (zentrale Atemregulationsstörungen) ten belegen jedoch, dass eine NPPV nach sorgsamer
Einstellung der Beatmungsparameter in einem ent-
sprechendem Zentrum mit dem Ziel einer PaCO2-Re-
duktion (10, 11) sehr wohl in der Lage ist, sowohl die
KASTEN 3 Lebensqualität als auch das Langzeitüberleben zu
verbessern (12, 13).
Voraussetzungen zur Indikation einer elektiven, Unklar bleibt hingegen noch die Frage nach einer
nicht-invasiven Langzeitbeatmung (NPPV): optimalen Patientenselektion. Für COPD-Patienten
● Erkrankung der Atempumpe, die potenziell Beatmungs- darf aber angenommen werden, dass Ausgangs-Pa-
pflichtigkeit nach sich ziehen kann CO2-Werte über 50 mmHg, eine Anwendung der
● Symptome einer ventilatorischen Insuffizienz NPPV mindestens fünf Stunden pro Nacht sowie
● Nachweis einer Hyperkapnie mit Differenzierung zwischen ausreichend hohe Beatmungsdrücke von mindestens
nächtlichen Blutgaswerten und solchen am Tage entspre- 18 cmH2O Voraussetzung für den Therapieerfolg
chend der Leitlinie sind (9). Bezüglich der genauen Indikationsparame-
ter sei hier auf die oben zitierte Leitlinie verwiesen,
die für die unterschiedlichen Entitäten spezifische In-
tiven Tracheotomie handelt es sich in der Regel um sol- dikationsalgorithmen zur Verfügung stellt (2).
che nach akuter Beatmungspflichtigkeit auf der Inten- Voraussetzung für eine gut funktionierende und
sivstation, die – trotz mehrfacher Versuche – nicht mehr korrekte Beatmungstherapie ist die Anbindung an
vom Respirator entwöhnt werden können. Hier haben ein Beatmungszentrum mit entsprechenden Erfah-
sich entsprechende Entwöhnungszentren (Weaning- rungen und Expertise in der Langzeitbeatmungsthe-
Zentren) etabliert, die eine korrekte Überleitung in eine rapie. In der Regel handelt es sich hierbei um pneu-
invasive außerklinische Beatmung leisten können. Dort mologische Facheinrichtungen. ▄
muss auch versucht werden, den Beatmungszugang Prof. Dr. med. Wolfram Windisch
vom Tracheostoma auf eine NPPV zu wechseln (6). Kliniken der Stadt Köln gGmbH,
Die NPPV wird ebenfalls unter stationären Be- Lehrstuhl für Pneumologie Universität Witten/Herdecke
dingungen eingeleitet und unter häuslichen Bedin-
gungen fortgeführt (7). Ihre Ziele sind die Verbes-
Interessenkonflikt: Der Autor erhält von Firmen, die Beatmungsgeräte
serung von Symptomen, der Lebensqualität sowie herstellen, Honorare für Vorträge und Beratung.
der Langzeitprognose. Hier bleibt hervorzuheben,
dass Patienten mit ventilatorischer Insuffizienz
nicht nur an Luftnot, sondern auch an schlafbezoge- @ Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit0915

IMPRESSUM E-Mail: Angelika.Falk-Stiller@aerzteblatt.de


Perspektiven der Pneumologie und Allergologie Verlag, Anzeigendisposition und Vertrieb:
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30 Perspektiven | Deutsches Ärzteblatt | 27. Februar 2015


Respiratorische Insuffizienz

O2-Gabe oder Beatmung?


Indikation, Ziele und korrekte Durchführung von Langzeit-Sauerstofftherapie und
nicht–invasiver Beatmung

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