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Sprachwandel ereignet sich auf allen Ebenen; also Laut-, Wort-, Satz- und Textebene. Auch
die Phraseologie ändert sich; d.h. auch das sogenannte Idiom. Bereits in einer der ältesten
deutschen Schriften, im Hildebrandslied, findet man eine Stelle mit einer Redewendung,
dass man sich vor Geschenken in Kampfsituationen schützen soll; „Geschenke mit dem
Speer annehmen“ – es geht also um den metaphorischen Inhalt. Idiome/Redewendungen
sind nicht Schmuck, der dann in der Sprache dazu kommt, sondern gehören von Anfang an
zu einer Sprache.
5.1.1. Bedeutungswandel
Schrift und Bedeutung gehören nicht zu dem Schema (F. 3), da es ja aufbauend bzw.
analysierend ist: Mehrere Laute ergeben ein Wort > mehrere Wörter ergeben einen Satz >
mehrere Sätze ergeben einen Text ≠ aber mehrere Texte ergeben keine Bedeutung. Die
Bedeutung steht etwas daneben, denn es gibt ja einzeln auch eine Wortbedeutung,
Satzbedeutung, Textbedeutung. → Also insofern ist der Bedeutungswandel eine
Sonderform des Sprachwandels, der nicht a priori in diese Ebenen miteingebunden ist, aber
(mit Ausnahme der Lautebene) auftreten kann.
Das wichtige daran ist, dass diese Abweichung dann zu dem nächsten Element wird. → Und
das ist beim Bedeutungswandel nicht der Fall. D.h. es treten hier gewisse Regeln ein.
Sprachänderungen auf der Wortebene, also die die den Wortschatz betreffen, fallen sofort
auf – man merkt es, wenn ein neues Wort dazu kommt oder wenn Wörter veralten bzw. aus
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Solche Veränderungen gibt es auch auf der qualitativen Ebene. Zum Beispiel eine
Bedeutungsverbesserung. z.B. das ahd. Wort „mar(ah)-scalc“, das relativ durchsichtig ist:
der erste Teil ist die Mähre, also das Pferd, und der zweite der Schalk; also in der
ursprünglichen Bedeutung „Knecht“ – das hat dann selbst eine Bedeutungsänderung
erfahren. Also „Pferdeknecht“ muss man sich in einem mittelalterlichen Hof vorstellen: das ist
eine der niedrigeren Tätigkeiten. Mit den Hofämtern hat es dann immer mehr an Bedeutung
gewonnen, sodass das dann im Spätmittelalter bzw. zur Frühen Neuzeit zu einem Ehrentitel
wurde – der heutige „Marschall“ ist ein hohes militärisches Amt.
Ein Beispiel für das Gegenteil, die Bedeutungsverschlechterung, wäre das mhd. Wort
„wib“ (= „Weib“), das im Mittelalter an sich neutral ist: wib ist die Bezeichnung der Frau. Im
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Gegensatz dazu gibt es das mhd. Wort „frouwe“, das eine adelige Frau / die Herrin / eine
Dame bezeichnet. Im 19. Jhd. hat das Wort Weib dann eine Verschlechterung erfahren,
sodass man heute nicht mehr „Mann und Weib“ sagen kann – wobei man es noch in
archaischen Texten und in Dialekten finden kann.
Dieses Schema stammt von Hans Sperber, einem Sprachwissenschaftler aus Wien, der in
den 1920er Jahren mit solchen Bedeutungsmaßstäben bzw. -qualitäten gearbeitet hat.
Problematisch an diesen vorstrukturalistischen Schemata ist die Einteilung, und vor allem die
Abgrenzung: eine Bedeutungsverschlechterung wie „gift“ ist auch gleichzeitig eine
Bedeutungsverengung. Es ist also kein operationales Verfahren, mit dem man das
bestimmten könnte.
5.1.2. Bedeutungstheorien
Die zweite Bedeutungstheorie ist das Semiotische Dreieck, das eine Weiterentwicklung von
Saussure ist. Also das Saussur’sche Zeichenmodell wird um einen dritten Faktor von Odgen
und Richards ergänzt. Die Vorstellung referiert somit auf ein Referenzobjekt, wobei das als
Designat zu verstehen ist, denn es kann sich auch um ein Abstraktes oder Phantasiertes
handeln. Das Semiotische Dreieck ist sozusagen die Grundlage der gegenwärtigen
Bedeutungstheorien. Es können also mit dem Designat auch Abstrakta erfasst werden,
wobei es hier auch problematische Bereiche gibt: die Frage danach, wie das Designat für
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grammatische Wörter (z.B. dass, ob, und) aussieht; Deiktika (z.B. hier, morgen, er) fallen
etwas raus, da sie ohne einen bestimmten Kontext keine wirkliche Bedeutung haben, weil sie
sprecherorientiert sind bzw. sich auf den Sprecher beziehen; und wieder die Namen, die
auch hier problematisch sind. Aber trotzdem kann man alles unter diesem Modell
subsumieren.
Eine weitere interessante Theorie ist die Gebrauchstheorie mit der Aussage von
Wittgenstein, dass sich die Bedeutung eines sprachlichen Zeichens sich aus seinem
Gebrauch ergibt. (Zitat F. 10) Das behauptet Wittgenstein nicht als erster, das hat Leonard
Bloomfield, der amerikanischer Strukturalist, schon 1933 festgelegt: also auch, dass die
Bedeutung eines sprachlichen Zeichens in der Handlung besteht, die es auslöst. Bloomfield
kann man durchaus als Begründer einer pragmatischen Bedeutungstheorie bezeichnen,
aber es ist sehr stark anzunehmen, dass Wittgenstein Bloomfield nicht gekannt hat.
Problematisch an dem berühmten Zitat von Wittgenstein ist, dass er es für alle Fälle festlegt,
also somit muss eine Theorie des sprachlichen Zeichens für alle Fälle gelten, sonst ist keine
vollständige und akzeptable Theorie. Aber vollends wird das aufgehoben durch den
nächsten Satz mit dem berühmten Zeigfeld von Bühler – es wird also wieder eine
Ausnahme (Namen) gemacht, während man mit dieser Ausnahme noch einmal eine
Ausnahme mit dem Wort „manchmal“ konstruiert. Wenn man sich das Zitat also genauer
ansieht, ist es keine sprachwissenschaftliche Definition, was Wittgenstein sicher auch nicht
machen wollte. Aus diesem Zitat hat sich dann auch die Sprechakttheorie entwickelt.
Es ist eine instrumentalistische Theorie, d.h. die Bedeutung ist der regelhafte Gebrauch
eines Wortes in der Sprache. Und daraus kann man ableiten, dass wenn sich von diesem
regelhaften Gebrauch die Regeln ändern, so ändert sich auch die Bedeutung des Wortes –
das ist ganz entscheidend, denn das ist beispielsweise beim missionarischen Wortschatz im
Althochdeutschen der Fall. Es handelt sich hier also um semantische Relationen. Ein
Beispiel, das einem oft nicht bewusst ist: Das Wort „Börse“ bedeutet ursprünglich einen
Handelsplatz an dem die Waren nicht aufliegen. Vor der Börse hat man nur Märkte und
Messen gekannt, wo man also die Waren begutachtet und überprüft hat. Das neue an der
Börse war, dass die Waren eben nicht lagernd bzw. nicht anwesend waren und man nun auf
Gewinn spekuliert hat, ohne die Qualität der Ware zu überprüfen. Und diese Wortbedeutung
hat sich eben durch die Änderung der Regeln heute auch wieder durchgesetzt für in Grunde
genommen Märkte und Messen; also Computerbörse oder Bücherbörse, dort sind die
Computer oder Bücher. → Durch die Regeländerung hat sich eine semantische Änderung
ergeben. Das führt dazu, dass es spezifische Konnotationen gibt, die sich auf die
semantischen Merkmale auswirken. z.B. Bier-Getränk-Gesöff kann für ein und dasselbe
Designat stehen, aber es sind eben bestimmte spezifische Konnotationen. Die Semantik ist
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an die Parameter, also die Regeln, der Kommunikation gebunden – genauer genommen an
die Parameter der Gebrauchsregel. Und diese Gebrauchsregel wird wiederum durch den
Menschen beeinflusst; also es ist keine aus dritte Hand o.Ä. oder eine sonst unerklärliche
Regel, sondern die Menschen beeinflussen das. Wenn man beispielsweise „Ich saufe doch
nicht so viel“ sagt, dann bezeichnet das „saufen“ ein unkontrolliertes Trinken in großen
Mengen. Die Gebrauchsregel wird in diesem Fall also vom Sprecher spezifiziert. Die
Gebrauchsregel kann folgenderweise formuliert werden: „Das Wort saufen wird bei Tieren
benutzt. Verwende dieses Verb in Bezug auf Menschen, wenn du ausdrücken willst, dass
sie zu viel trinken.“ Es handelt sich also um nichts anderes als eine Bedeutungsübertragung:
von Tieren auf Menschen, die zu viel trinken.
Solche Gebrauchsregeln wurden und werden unterschiedlich formuliert, wie z.B. bei der
Übersicht von Radtke und Bechstein (F. 13), die außersprachliche und innersprachliche
Parameter unterscheiden. Außersprachliche Parameter sind beispielweise aus der äußeren
Welt, also ob man etwas sagt, dass man auch überprüfen kann. Die innere Welt, also
Parameter, die die innere Einschätzungen bzw. Haltungen oder Gedanken und Kognitionen
ausdrücken, und Parameter aus der Gefühlswelt, also emotive Parameter. Dann schließlich
Parameter aus der sozialen Umgebung. Innersprachliche Parameter sind, dass etwa
Gebräuche aus der Grammatik bezogen werden, wie z.B. bei der Änderung der Valenz. („Ich
träume mir einen schönen Traum.“)
Also genauer angeschaut ist 1) ein wahrheitsfunktionaler Parameter z.B. beim Satz „Paris
ist die Hauptstadt von Frankreich“, bei dem man überprüfen kann, ob er wahr ist oder nicht.
Wobei man auch Aussagen, die man nicht genau überprüfen oder wissen kann, auch als
wahr akzeptiert; wie zum Beispiel die Aussage „Das Weltall ist unendlich.“ Es ist
wahrheitstheoretisch nicht bestimmbar, es ist nämlich nicht beweisbar, sondern nur eine
Annahme, weil es noch keinen Gegenbeweis dafür gibt.
2) epistemische Parameter, bei denen eine Bewertung durch den Sprecher ausgedrückt
wird, wie z.B. „Der gutinformierte Bundeskanzler…“
3) soziale Parameter, bei der die Bedeutung zugleich eine soziale Funktion / Stellung /
Prozesse o.Ä. ausdrückt, wofür es im Deutschen die berühmte Unterscheidung zwischen
„Du“ und „Sie“ gibt oder beispielweise der Umstand, dass ein Vorgesetzter seine
Untergebenen als „Mitarbeiter“ bezeichnen kann – aber nicht umgekehrt; also der Rektor
kann nicht als Mitarbeiter vorgestellt werden.
4. diskursbezogene Parameter können sich auf ganze Sätze und Texte beziehen, wie z.B.
mit dem Modelpartikel „wohl“, „mal“, „eben“.
Und schließlich 5. die textreferentielle Parameter, in dem der Gebrauch eines Wortes durch
den Kontext festgelegt wird, also z.B. durch die Valenz. Wobei diese Art der Parametern für
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den Bedeutungswandel keine (so große) Rolle spielen. D.h. sie kommen im Vergleich zu den
anderen Parametern nicht so häufig vor.
Auf diese Weise kommt man auf verschiedene Schemata, wie z.B. bei der Klassifizierung
von Verben, die man aus der Grammatik kennt:
1. die deskriptiven Verben, die etwas beschreiben (z.B. schlafen, stehen)
2. emotive Verben, die eine Emotion hervorrufen bzw. beschreiben (z.B. erschrecken)
3. evaluative, also bewertende, Verben (z.B. saufen, fressen, klauen)
4. mentale Verben, die einen geistigen Prozess beschreiben (z.B. begreifen, erfassen)
5. expressive Verben mit starken Ausdrücken (z.B. verpissen)
6. soziale Verben, die soziale Prozesse oder Tatsachen abbilden (z.B. vorwerfen)
7. diskursive Verben, die sich auf andere Texte bzw. den Kontext beziehen (z.B. sich
auseinandersetzen mit etw.)
Das ist nicht die einzige Art der Erfassung, es gibt hier auch kein operationales Verfahren,
das so eindeutig wäre. D.h. Es werden in der Literatur vielleicht auch andere Einteilungen
auftauchen bzw. man begegnet auch anderen Schemata, wobei aber vor allem die Punkte
eins bis vier sich ziemlich stark durchgesetzt haben.
Der Sprecher verfolgt natürlich ein kommunikatives Ziel und kann individuell die
Parametern ändern, wodurch auch Ausdrücke entstehen, die es davor nicht gegeben hat.
Also wenn z.B. ad hoc eine Scherzaussage formuliert wird, wie „Franz ist ein
Flaschenöffner“, dann hat man hier wieder eine Verschiebung der Parameter: es ist bekannt,
was ein Flaschenöffner ist, wenn aber ein Gerät in den Kontext einer Person gestellt wird, ist
klar, dass dieser gewisse Franz gerne Flaschen öffnet. Wobei es natürlich auch
Limonadeflaschen sein können, aber es wird typischerweise so verstanden, dass Frank
gerne alkoholische Getränke zu sich nimmt. D.h. es ist eine deskriptive Beschreibung mit
neuem evaluativen Parameter, den der Sprecher selbst erschafft.
Also ein näherer Blick darauf, wie sich Parameter ändern können. Am Anfang steht der
sogenannte „Kulturelle Determinismus“ – hier mit einem Fragezeichen versehen, was sich
gleich verdeutlichen lässt: Bekannt sind die Inuit für ihre vielen Schneebezeichnungen, also
für „Schnee“, „Matsch“, „Eis“ usw., die sie haben und die sich aus ihrer Umwelt ergeben, weil
sie das eben im Alltag brauchen. Das Problem an dieser Geschichte ist nur, dass sie nicht
stimmt. Sie geht zurück auf den amerikanischen Sprachwissenschaftler Franz Boas, der eine
Generation jünger ist als Leonard Bloomfield. Boas hat sich also mit der Sprache der Inuit
beschäftigt und hat eben notiert, dass es hier viele Ausdrücke für die verschiedenen Arten
von Schnee gibt.
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Das wurde dann im Sinne der Sapir-Whorf-Hypothese uminterpretiert. D.h. die Sprache
bzw. sprachlichen Ausdrücke beeinflussen das Denken und die Befürworter der Sapir-Whorf-
Hypothese haben das dann als Argument dafür genommen; also dass das Denken und
Leben der Inuit dadurch bestimmt und beeinflusst wird, dass sie so viele Ausdrücke für
Schnee haben. Nur zur Erinnerung, wenn man das schon nicht kennt: die Sapir-Whorf-
Hypothese besagt eben, dass die Sprache das Denken der Menschen beeinflusst. Das beste
Beispiel hierfür ist das Wort „Unkraut“: Unkraut bezeichnet Pflanzen, die für den Menschen
schädlich oder zumindest nicht nützlich sind – Und das ist eine Einteilung, die es in der Natur
nicht gibt: in der Natur ohne Menschen gibt es kein Unkraut, das sind nur Pflanzen. → das
Wort Unkraut beinhaltet also eine Interpretation durch Menschen und man übernimmt, wenn
man Deutsch lernt (egal ob als Mutter-, Zweit- oder Fremdsprache) dieses Wort und die
damit ausgedrückten Vorstellungen.
In diesem Sinne beflügeln also diese Schneebezeichnungen der Inuit diese Theorie, indem
man sagt, dass das Leben und Denken der Inuit durch die viele Schnee-, Eis-, Wasser- usw.
Bezeichnungen geprägt. Es ist mit der Zeit dann immer mehr geworden (sogar Pop-Song,
der von 150 Schneebezeichnungen berichtet), aber das stimmt eben alles nicht. Steven
Pinker, der gegenüber dem sehr skeptisch eingestellt ist, ist ein Gegner der sprachlichen
Determination.
Und weiters kommt hinzu, dass auch das Deutsche sehr viele Bezeichnungen für „Schnee“
und „Eis“ kennt bzw. man kommt in diesem Wortfeld auch im Deutschen zu viele Ausdrücke.
Man könnte das vielleicht für den technischen Wandel geltend machen, also wenn
technische Geräte hinzukommen, was man heutzutage vor allem mit der Computer- und
Medienbranche erlebt, dann nimmt hier auch der Wortschatz zu – aber das sind
Fachsprachen, die nur einen Ausschnitt aus dem Bedeutungswandel darstellen.
Ein weiterer Punkt sind die Euphemismen: auch das kennt man, also dass gewisse Termini
nicht verwendet werden; wie schon damals die Indogermanen, die „Bär“, „Kind“ und „Milch“
nicht direkt bezeichnet haben – das gibt es in jeder Gesellschaft. So wird gegenwärtig
Obszönes, religiöse Vorstellungen und Unheilbringendes vermieden oder es wird zur
bewussten Täuschung verwendet. Wobei auch darauf (schon von Bloomfield) hingewiesen
wird, dass diese Euphemismen selber pejorativ werden. Also ein Euphemismus ist nie stabil,
sondern er erhält dann wieder aus der Vorstellung eine pejorative Bedeutung, wie man es an
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dem Wortfeld der Prostituierte sieht: Das ursprüngliche Wort „Dirne“ ist aus dem
Mittelhochdeutschen einfach eine junge weibliche Person, dass dann eine pejorative
Bedeutung für Prostituierte bekommen hat. Das Wort „Dirne“ ist dann wieder zu schwach
geworden und hat es dann als „Prostituierte“ bezeichnet, was dann auch wieder zu schwach
geworden ist, sodass es heute „Sex-Arbeiterin“ heißt usw. → also hier wieder die soziale
Komponente der Parameter.
Ein weiterer großer Bereich sind Metaphern in einer Sprache, auf die besonders oder zum
ersten Mal in größerem Rahmen Lakoff und Johnson hingewiesen haben. Als Gegenentwurf
zur Generativen Grammatik, weil die ursprüngliche Fassung der Generativen Grammatik
Metaphern nicht erfasst hat bzw. erfassen konnte. Metaphern sind eben keine rhetorischen
Figuren, man kennt das zwar aus der Rhetorik, aber es ist praktisch in jeder natürlichen
Sprache vorhanden und sie sind fest im Denken und in der Sprache verankert.
Es ist eine besonders häufige Art von Bedeutungswandlungen. Also man verwendet
Ausdrücke, wie „Bergfuß“, „Flaschenhals“, „Buchrücken“ u.Ä. und hier tritt die
Metaphernbildung dadurch ein, dass man ein gemeinsames Merkmal hat. Das ist eben
beim Flaschenhals die Verengung des menschlichen Halses, der auf die Flasche übertragen
wird. Dieses gemeinsame Merkmal wird auch als „tertium comparationis“ bezeichnet, wo
diese Übertragung stattfindet. Man hat aber auch viele andere Ausdrücke: „Die Sonne lacht“
u.a. – diese Verwendungssprache ist einem nicht mehr bewusst. Auch hier gilt das
Metaphern konventionalisiert werden und dadurch dann eine eigenständige lexikalische
Bedeutung erhalten, oder anders gesagt die Verwendung der neuen Metapher wird zur
Gebrauchsregel. Die Metaphern weisen eine zur Nähe zur Polysemie auf.
Polysemie gehört zur Asymmetrie des Wortschatzes. Bei Synonymen gibt es zu einem
Inhalt mehrere Ausdrücke; etwa „Möhre“ und „Karotte“ für die selbe Referenz und bei der
Homonymie ist es umgekehrt: der Ausdruck „Ball“ kann einerseits ein Sportgerät darstellen
und andererseits eine Tanzveranstaltung. Die Polysemie ist ein Sonderfall der Homonyme,
die nur durch die Sprachgeschichte erklärbar ist. z.B. „Schloss“ als Gebäude und Schloss als
Sperrvorrichtung an der Tür gehen von der Vorstellung des Abschließens aus, wobei
ursprüngliche Schloss sehr oft ein Tal, eine Landschaft oder eine politische Grenze
abschließt. Und es ist eben eine Übertragung zum Schloss an der Tür erfolgt. Es hat also
eine gemeinsame historische Wurzel, die bei einer normalen Homonymie nicht gegeben
ist.
Ganz wichtig und ganz zahlreich sind auch die Ad-hoc-Bildungen. Auch das erlebt man
täglich; dass etwas neu in einer Sprache auftaucht. Meistens in der heutigen Zeit kann man
das auch eruieren: das sind Politiker oder Popstars o.Ä. die einen neuen Ausdruck
erschaffen. z.B. das Wort „situationselastisch“, das damals in den Medien sehr präsent
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wurde, aber dann verschwunden ist – es ist eine Ad-hoc-Bildung, die sich nicht durchgesetzt
hat. Andere blieben, etwa das Wort „nichtsdestotrotz“, das ursprünglich eine Scherzbildung
ist, es ist nämlich wider den Wortbildungsregeln gebildet – hat sich aber durchgesetzt.
Für die Aufnahme eines solchen Wortes, einer Ad-hoc-Bildung, in das Lexikon, also in den
allgemeinen Wortschatz einer Sprache gibt es keine festen Regeln, aber es gibt gewisse
Tendenzen oder Indizien. Dazu gehört die soziale Stellung des Sprechers; also wenn eine
höhergestellte Persönlichkeit das verwendet, hat es eine höhere Chance, dass es sich
durchsetzt. Natürlich ist die Frequenz auschlaggebend; wenn das Wort oft genug wiederholt
wird, z.B. in Zeitungen hat es größere Chancen zu bleiben. Die Nachahmung hängt mit der
Frequenz zusammen – das Wort muss auch von anderen aufgegriffen und weiterverwendet
werden. Es muss akzeptiert werden durch die Sprachteilnehmer und es muss schließlich
kodifiziert werden, also im Wörterbuch. Man kennt vom Duden, dass immer neue Wörter
aufgenommen werden und zwar werden immer mehr Wörter aufgenommen als
verschwinden- d.h. Rechtschreibduden wird immer dicker mit der Zeit.
Die Metonymisierungen sind eine besondere Art der Bedeutungs- bzw. der
Parameterveränderungen. Wenn man sagt „der neue Handke“ ist gemeint „das neue Buch
von Handke“, ohne dass es eine Ähnlichkeit oder Übertragung gäbe – es ist eine Relation:
Das Buch tritt für den Autor ein. Es gibt jede Menge von solchen Metonymisierungen; auch
Bloomfield hat dazu gesagt, dass man sie praktisch nicht begrenzen kann, denn es können
auch hier immer wieder neue Verhältnisse gebildet werden. Liste für sehr häufige (F 27). z.B.
der Raum steht für die Person „die Küche bedauert die Verspätung“ usw.
Die Merkmalsemantik ist eine strukturalistische Semantik nach der Vorstellung der
Minimalpaarbildung: es werden Bedeutungsmerkmale gesetzt, wobei das Plus das
Vorhandensein, das Minus das Fehlen und das Plus-Minus die Nicht-Relevanz darstellt. (F.
28) So kann man Beispiele das Interview und den Brief unterscheiden usw. – in dem Fall ist
es anhand von Textsorten dargestellt. Alle diese merkmalsemantischen Darstellungen haben
das Problem, dass Anzahl und Art der Merkmale nicht festgelegt werden kann. Das ist mehr
oder minder intuitiv und sie sind auch nicht homogen. Also z.B. „gesprochen“ und
„spontan“ befinden sich nicht auf der selben Ebene. Ein solches Bedeutungsmerkmal wird
ein Sem genannt – analog zu Morph- und Phon-em gebildet. Und die Gesamtheit der Seme
ist ein Semen. Heute sind solche komponentielle Semantiken aus der Mode gekommen, weil
sie eben methodisch beschränkt sind.
Die Prototypensemantik ist von Eleanor Rosch geschaffen und im Grunde genommen auch
eine strukturalistische Semantik. Es geht darum, dass es Begriffe gibt, die quasi prototypisch
also bedeutungsbildend für ein Wortfeld stehen. Wenn man Sprachteilnehmer nach einem
Fahrzeug befragt, denken die meisten wahrscheinlich zuerst an ein Auto. Dann folgen
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weniger häufig vielleicht ein Bus oder ein Roller. Dann noch weniger häufiger ein Zug,
Flugzeug, Schiff – bis hin zu ganz seltenen, wie z.B. Kamel und dann gibt es auch Begriffe
die außerhalb stehen: ein Dinosaurier ist kein Fortbewegungsmittel. Diese Einschätzungen
hängen natürlich von dem Ort sowie dem Zeitpunkt der Befragung und der befragten Gruppe
ab. Wobei man hier wieder auf historischen Anteil stößt, denn diese Assoziationen mit einem
Wort ändern sich natürlich mit der Geschichte bzw. im Laufe der Zeit: wäre die gleiche
Befragung mit der höfischen Adelsgesellschaft im Mittelalter durchgeführt worden, wäre
wahrscheinlich als Prototyp das Pferd genannt worden. Das ist also auch situations-,
schicht-, ortgebunden usw. Auch um die Prototypsemantik ist es in den letzten Jahren
wieder ruhig geworden.
Als letztes gibt es dann noch ein weiteres Prinzip, nämlich das der Familienähnlichkeit, das
auch auf Wittgenstein zurückgeht. Wittgenstein hat Bedeutungen hat mit einer Familie
verglichen; Also Kinder z.B. sehen nie vollkommen aus wie ihre Eltern, aber sie haben
gewisse Merkmale („Augen vom Vater, Nase von der Mutter“ usw.) – es werden also
gewisse Merkmale, die man mit Semen vergleichen könnte, weitergegeben und die
Kombination gewisser Merkmale ergibt dann eine neue Bedeutung, was auch wieder mit
den Metaphern zusammenhängt.
Die historische Pragmatik fragt nach der Verwendungsweise von Sprachformen im Laufe
der Geschichte – auch das ändert sich natürlich. Die historische Pragmatik ist relativ jung,
wurde erst in den 1980er Jahre entwickelt und hat bis jetzt keine allgemeinen Grundlagen
entwickelt: Es sind oft nur Einzelbeobachtungen und keine systematische Darstellung. Es
gibt verschiedene Richtungen innerhalb der historischen Pragmatik, die aber unterschiedlich
stark ausgeprägt sind.
Man kann sprachexterne Ursachen von Laut- und Sprachwandel erforschen. Solche
Ursachen können sehr oft kulturbedingt sein, wie man es eben auch bei den
Kirchenwörtern „heilig“, „Geist“, „Fleisch“ sehen kann, die solche pragmatischen
sprachexternen Ursachen darstellen – womit sich hier Berührungspunkte mit der historischen
Semantik ergeben. Die kulturgeschichtlich bedingten Merkmale können auch sehr
eingegrenzt sein, also lokal beschränkt sein: Gewisse Gebräuche zum Beispiel, etwa im
Alpenraum die Verwendung des Wortes „Krampus“. Dann im weiteren Sinne der Einfluss der
Kultur- und Geistesgeschichte auf die Sprache und schließlich die Frage nach der
Verwendung bestimmter Gegenstände und ihrer Benennung; Also es entstehen neue
Wörter, es verschwinden alte Wörter und die alten Wörter enthalten manchmal Spuren in
der Gegenwart. Z.B. in Wien werden die Fahrscheinkontrolliere noch immer als
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„Schwarzkappler“ bezeichnet, obwohl sie schon lange keine schwarzen Kappen mehr tragen
– das hat also seine Spuren hinterlassen.
Die vielen Siegel demonstriert, dass es eine bedeutende Herzogsurkunde ist und Albrecht I.
hat damit verfügt, dass Händler, die durch Wien ziehen, also z.B. von Bayern die Donau
entlang nach Ungarn, ihre Waren in Wien niederlegen, d.h. zum Verkauf anbieten müssen.
Das ist wirtschaftlich ganz entscheidend, denn dadurch floriert der Handel: Wiener können
diese Produkte kaufen, weiterverkaufen usw. Also eine sehr wichtiges Verfügung, die der
Stadt Wien wirtschaftlich gesehen zum Aufschwung verholfen hat.
Am Beginn der Urkunde ist die Vorstellungsformel, also der Austeller nennt sich selbst mit
allen Titeln und Bedeutungen; die sogenannte Intitulation. Dann wendet er sich an den
Leser bzw. Hörer – man darf nicht vergessen, dass diese Urkunden noch vorgelesen
wurden. In vielen Urkunden findet sich noch die Formel „an Sehend und an Hörend“ (was
hier aber nicht der Fall ist, aber es kam jedenfalls sehr häufig vor).
Man kann diese Urkunde so auffassen, dass die Entstehung stattfindet, also die Urkunde
wird im Jahr 1281 niedergeschrieben und besiegelt, und das überdauert dann die Zeiten,
sodass man heute den Text lesen kann. Das ist natürlich die Konversierungsfunktion der
Schrift und diese Beziehung ist als „eindimensional“ zu bezeichnen. (F. 36) Pragmatisch an
dem Aspekt ist natürlich, dass der heutige Text keine juristische Gewalt hat – zur
Sprachgeschichte Vorlesung-Mitschrift Einheit 5
Das ganze kann nun ausgeweitet werden zu einem zweidimensionalen Modell, das auch
vom Austeller so beabsichtigt ist: dass die Rezipienten diesen Text lesen oder hören. Aus
der Textebene heraus werden die pragmatischen Elemente des Rezipierens bestimmt.
Dieses sozusagen zweidimensionale Modell könnte dann zu einem dreidimensionalen
erweitert werden – wobei hier diese Ausdrücke „zwei- und dreidimensional“ natürlich auch
Metaphern sind.
Indem man den Austeller und den Leser aufsplittet und zu der Zeitübertragung hinzufügt
kann das dreidimensionale Modell konstruiert werden. Der Text bei seiner Entstehung wird
von einem Autor konzipiert, wobei der Autor der Austeller ist, also nicht der Schreiber selbst,
und nach der Übertragung in der Zeit kann man heute diesen Text unter anderen Umständen
und mit anderen Inhalten lesen. Ein Effekt dieser Dreidimensionalität wäre zum Beispiel,
dass man diese Urkunde als historische Quelle hernimmt, was vom Aussteller sicher nicht
beabsichtigt worden ist. (Tabellarische Darstellung F. 38)