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Präteritum

Das Präteritum (lateinisch praeteritum ‚das Vorbeigegangene‘), auch erste Vergangenheit oder österreichisch
Mitvergangenheit,[1] ist eine Zeitform des Verbs zur Bezeichnung vergangener Ereignisse und Situationen. Die deutschen
Formen „ich lief, du lachtest“ oder „es regnete“ sind Beispiele für Verben im Präteritum. In der geschriebenen Sprache ist es die
hauptsächliche Erzählform in Romanen und Berichten.

In der gesprochenen Sprache wird das Präteritum meist nur für die Verben „haben“, „sein“, „wissen“, „heißen“, „finden“ (im
Sinne von „empfinden“), „denken“ und die Modalverben verwendet, ansonsten durch das Perfekt ersetzt, das bei den meisten der
erstgenannten Verben hierbei unüblich ist. Das gilt insbesondere für die Mundarten und die Alltagssprache in der Südhälfte des
deutschen Sprachgebiets; im Schweizerdeutschen fehlt das Präteritum hierbei sogar vollständig (vgl. oberdeutscher
Präteritumschwund). In der Nordhälfte Deutschlands wird das Präteritum hingegen auch in mündlicher Sprache benutzt und
funktional recht scharf vom Perfekt abgegrenzt.

Vor allem in älteren Grammatiken des Deutschen wurde auch die Bezeichnung Imperfekt (wörtlich: „unvollendet[e
Vergangenheit]“) für diese Form verwendet; diese Bezeichnung stammt aus der Grammatik des Lateinischen und der
romanischen Sprachen, ist aber für das Präteritum des Deutschen eigentlich nicht geeignet, weil die synthetisch gebildete
Vergangenheitsform hier – anders als in den romanischen Sprachen – nicht speziell eine „unvollendete Vergangenheit“
bezeichnet. Daher wird heute in der deutschen Grammatik die Bezeichnung „Präteritum“ bevorzugt.

Inhaltsverzeichnis
Sprachgeschichte
Bildung des Präteritums in der deutschen Sprache
Beispiele
Besonderheiten
Funktion
Weblinks
Einzelnachweise

Sprachgeschichte
Sprachwissenschaftlich ist das Imperfekt die Vergangenheitsform, die vom Präsensstamm gebildet wird (wie im Lateinischen und
noch heute das Imparfait im Französischen) und somit aspektuell als imperfektiv gekennzeichnet ist, im Unterschied zu den
beiden anderen Verbalformen, die Vergangenheitsbedeutung haben können, dem Aorist und dem Perfekt, für die es in den
indogermanischen Sprachen für jedes Verb jeweils eigene Tempusstämme gibt. Die älteren indogermanischen Sprachen besitzen
diese dreifache, aspektuelle Differenzierung der Vergangenheitstempora (tempora praeterita), sie ist aber in vielen neueren
Sprachen verlorengegangen. Sprachgeschichtlich ist die Vergangenheitsform im Germanischen aus dem Zusammenfall von
Aorist- und alten Perfektformen – die mit dem „Perfekt“ der heutigen deutschen Grammatik nichts zu tun haben – entstanden,
weshalb „Präteritum“ auch aus diesem Grund eine angemessene Bezeichnung darstellt.
Wenn in einer Sprache nur ein Vergangenheitstempus vorliegt, ist nicht von einem Imperfekt, sondern von einem Präteritum zu
sprechen, weil diese Verbform dann sowohl das Abgeschlossene als auch das Unabgeschlossene sowie das „Unbestimmte“
bezeichnen muss, was bei einer Aspektdifferenzierung in der Vergangenheit auf die Verbformen Perfekt, Imperfekt und Aorist
funktionell verteilt würde. Trotzdem wird z. B. bei der Vergangenheitsform des Pali von einem Aorist gesprochen, obwohl dieser
Begriff nach dem Verlust von Perfekt/Imperfekt nicht mehr gerechtfertigt ist.

Bildung des Präteritums in der deutschen Sprache


Schwache und starke Verben werden unterschiedlich konjugiert.

An den Verbstamm schwacher Verben wird -te angehängt, darauf folgt die jeweilige Personalendung. Die 1. und die 3. Person
Singular sind immer gleich. Verben, deren Stamm auf t, d oder auf einen Verschlusslaut oder Reibelaut +n/m endet, haben vor der
Endung ein e, z. B. atmen, öffnen, trocknen.

Starke Verben erfahren einen Lautwechsel. Der Stammvokal wird ausgetauscht (sogenannter Ablaut), manchmal ändert sich auch
der folgende Konsonant. Die Endungen (Wortendungen) werden trotzdem, ähnlich wie bei schwachen Verben, nach stets gleichen
Regeln hinzugefügt.

Beispiele

Konjugation schwach schwach stark stark


Verb lachen reden fahren nehmen
ich lachte redete fuhr nahm
du lachtest redetest fuhrst nahmst
er/sie/es lachte redete fuhr nahm
wir lachten redeten fuhren nahmen
ihr lachtet redetet fuhrt nahmt
sie lachten redeten fuhren nahmen

Besonderheiten
Manche, vorwiegend weniger frequente unregelmäßige Verben kennen eine Tendenz, in allen Zeitformen regelmäßig gebildet zu
werden. Bei etlichen Verben ist dieser Vorgang auf der Ebene der Standardsprache abgeschlossen:

Früher: Der Hund boll.


Heute: Der Hund bellte.
Bisweilen kann bei Verben sowohl die schwache Form (hängen – hängte) als auch die starke Flexion (hängen – hing) verwendet
werden:

Otto hängte die Pelzmütze an den Haken, danach hing die Mütze dann den ganzen Sommer dort.
Der Blitz erschreckte ihn und auch sie erschrak.
In diesen Fällen mit Bedeutungsunterschied ist meist das intransitive, starke Verb die Grundform und das transitive ein davon
abgeleiteter Kausativ, der grundsätzlich schwach gebeugt wird. Beispiel: ich fiel (intransitiv, stark) und davon abgeleitet der
Kausativ ich fällte = ich machte etwas fallen (transitiv, schwach). In anderen Fällen liegen völlig unterschiedliche Bedeutungen
vor, wobei es sich in den meisten Fällen um historisch verschiedene, aber homonym gewordene Verben handelt. Beispiele hierfür
sind schleifen mit den Präteritumsformen schliff/schleifte: „Er schliff (schärfte) das Messer“, aber „die Feinde schleiften
(zerstörten) die Mauer“ oder „Sie schleifte (zog) den sich sträubenden Hund zum Tierarzt“. Ein weiteres Beispiel ist
bewegte/bewog: „Was bewog (veranlasste) ihn dazu, anzupacken, sodass der Stein sich bewegte (in Bewegung war)?“

In anderen Fällen liegt hingegen kein Bedeutungsunterschied vor:

„Er sog oder saugte am Röhrchen“ (allerdings nur: „Er saugte Staub“[2] bzw. häufiger: „Er [staub]saugte“); „Eine
Stimme scholl oder schallte durchs Dunkel“; „Sie molk oder melkte die Kuh“.

Funktion
In nichtliterarischen Texten, wie z. B. Berichten, drückt das Präteritum Handlungen und Vorgänge aus, die in der Vergangenheit
abgeschlossen wurden und keinen unmittelbaren Bezug zur Gegenwart haben. Besteht ein Bezug zur Gegenwart, wird dagegen
das Perfekt benutzt. Beispiel: In einer Autobiographie finden wir den Satz „Ich studierte in München Germanistik“, der eine
frühere Handlung bzw. den Handlungsrahmen einer erzählten Geschichte ausdrückt. In einer Bewerbung wird man diesen Satz
nicht finden, da der Bezug zur Gegenwart wichtig ist, selbst wenn der Vorgang schon länger zurückliegt. Es wird deshalb Perfekt
verwendet: „Ich habe in München Germanistik studiert.“

In literarischen Texten, insbesondere Romanen, ist das verwendete Erzähltempus das Präteritum, das hier jedoch die Gegenwart
innerhalb der erzählten Geschichte ausdrückt. In der Erzählung gibt es kein Perfekt – es sei denn, der Roman ist im Präsens
geschrieben. Vergangenes wird mit dem Plusquamperfekt ausgedrückt.

In der gesprochenen Sprache gibt es Unterschiede zwischen dem Norden und dem Süden des deutschen Sprachraums. Bereits im
16. Jahrhundert setzte sich im Oberdeutschen das Perfekt gegen das Präteritum als Vergangenheitsform durch (Oberdeutscher
Präteritumschwund). Ein wichtiger Grund hierfür war, dass auf Grund des Wegfalls von -e am Wortende die schwachen
Präteritumformen mit der 1. bzw. 3. Person Singular des Präsens zusammenfielen, z. B. macht(e) – macht. Allerdings sind im
Oberdeutschen, mit Ausnahme des Schweizerdeutschen, wo es überhaupt kein Präteritum mehr gibt, die Präteritumformen von
sein sowie der Modalverben, die sich phonetisch deutlich vom Präsens der 1. bzw. 3. Person unterscheiden, auch hier in der
gesprochenen Sprache lebendig geblieben.

Im niederdeutschen Sprachraum wie auch im Mitteldeutschen wird nach wie vor das Präteritum verwendet. In Zusammenhang
mit den Massenmedien breitet sich jedoch seit Mitte des 20. Jahrhunderts in der nichtmundartlichen Umgangssprache auch in
Norddeutschland das Perfekt aus, was mit einem gleichzeitigen Rückgang der traditionellen Mundarten in diesen Regionen
einhergeht.

Weblinks
Wiktionary: Präteritum – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Belles Lettres – Deutsch für Dichter und Denker: Präteritum oder Perfekt? (http://www.belleslettres.eu/artikel/prat
eritum-imperfekt-perfekt.php)

Einzelnachweise
1. Mitvergangenheit (http://www.duden.de/rechtschreibung/Mitvergangenheit) – Seite beim Duden (Abgerufen am:
2. Juni 2013)
2. Angelika Holl: Zum Widerstreit von schwachen und starken Verben in der Sprache der Gegenwart (http://othes.u
nivie.ac.at/7277/1/2009-10-28_0303468.pdf). Magisterarbeit, Wien 2009. S. 68.

Abgerufen von „https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Präteritum&oldid=192785884“


Diese Seite wurde zuletzt am 2. Oktober 2019 um 12:12 Uhr bearbeitet.

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