Sie sind auf Seite 1von 7

Sprachgeschichte Vorlesung-Mitschrift Einheit 4

4. Althochdeutsch
Fortsetzung zu Althochdeutsch

Silbensprache & Wortsprache

Eine der wichtigen Eigenschaften der ahd. Dialekte ist, dass es sich hierbei um
Silbensprachen handelt. Das ist etwas, was erst in den letzten 10-15 Jahren näher
beschrieben worden ist.

Was ist eine Silbensprache und eine Wortsprache – man kann das an dem
Neuhochdeutschen sehen, also der heutigen deutschen Sprache, die eine Wortsprache ist:
D.h. hier liegt die Betonung auf dem Wort, innerhalb der grammatischen Strukturen und in
seiner Semantik.
Man hat hier Differenzierungen auf der Wortebene, es ist z.B. wichtig, dass die Nomina
Plural von den Nomina Singular deutlich unterschieden werden. Im Mittelhochdeutschen sind
Wörter sowohl Singular als auch Pluralformen. (Bsp. Land, Mann) – später bzw. im
Neuhochdeutschen wurde die markante Pluralbildung mit er und Umlaut übernommen – also
die sogenannte Homonymenflucht. Es ist für die Kommunikation nicht förderlich, dass eben
z.B. „Mann“ sowohl die Singular- als auch Pluralbedeutung hat.
Eine Wortsprache ist hörerfreundlich: also aufgrund der grammatischen und semantischen
Elemente auf der Wortebene ist eine leichte Dekodierung möglich, eben z.B. bei Mann und
Männer ist die Pluralbildung deutlich und sofort erkennbar. Im Althochdeutschen und im
Mittelhochdeutschen ist das nicht der Fall und das führt dazu, dass die Wörter auch
phonetisch komplexere Strukturen haben. „Männer“ ist komplexer als „Mann“ und das führt
dazu, dass es im Deutschen sehr komplexe Silbenstrukturen gibt, wie das berühmte Wort
„Strickstrumpf“, das für Deutschlernende eine große Hürde darstellt - solche und ähnliche
Wörter mit Konsonantenhäufungen.

Eine Silbensprache ist demensprechend das Gegenstück mit anderen Merkmalen im


Vordergrund: hier sind die semantischen Strukturen sekundär, d.h. sie sind schwerer zu
kodifizieren: „Mann“ kann beides, also Singular oder Plural, sein – es muss also durch den
Kontext entschlossen werden, ob es „der Mann“ oder „die Männer“ ist. Hingegen sind
Silbensprachen sprecherfreundlich, etwa mit der Vokalharmonie: es werden extreme
Gegensätze bei den Vokalen vermieden; also ein starker Gegensatz wie i und a und es
werden also durch die Vokalharmonie eben dann die Vokale auf einer Ebene oder zumindest
auf zwei benachbarten Ebenen angesiedelt, also e und o zum Beispiel. Und drittens sind sie
phonetisch einfacher – die einfachste Kodierung ist die mit offenen Silben. Also span.
palabra für „Wort“.
Das bedeutet nicht, dass es im Althochdeutschen nur offene Silben gibt – es gibt sehr wohl
Sprachgeschichte Vorlesung-Mitschrift Einheit 4

auch geschlossene. Zur Erinnerung: offene Silben sind die, die auf einen Vokal enden; eben
pa-la-bra zum Beispiel, und geschlossene schließen auf einen Konsonant; z.B. eben „Wort“
oder „Schwan“ usw.
Die historische Entwicklung geht nun dahingehend, dass sich die althochdeutschen Dialekte
als Silbensprachen sich dann ab dem (frühen) Neuhochdeutsch zu Wortsprachen wandeln.

Aufbau einer Silbe im Deutschen; der Kern einer Silbe ist immer ein Vokal, ein
Monophthong oder ein Diphthong, weil sie eben die Laute mit der stärksten größten
Sonorität sind. Beim Beginn einer Silbe, der als Onset bezeichnet wird, nimmt die Sonorität
zu und in der Koda nimmt die Sonorität ab. Die Koda ist ein Teil des Reims und der Reim ist
bekanntlich jener Teil des Wortes, vom Vokal bis zum Ende der Silbe - was sich eben reimt.
Diese zunehmende und abnehmende Sonorität kann auf einer Skala dargestellt werden (F.
5). Die Sonorität nimmt zu von den Plosiven und Affrikaten über die Frikative und Nasale und
Liquiden zu den Halbvokalen und schließlich den Vokalen.

Tabelle (F. 7-8), die die Entwicklung von einer phonologischen Silbe zu einem
phonologischen Wort, also von einer Silbensprache zur Wortsprache, zeigt. Ein
phonologisches Wort ist die ununterbrochene Reihung von Phonemen aneinander, die
insgesamt zwischen zwei Sprechpausen stehen.
Die optimale Silbenstruktur, also d.h. für den Sprecher leicht zu artikulieren vs. komplexe
Silben, die für den Hörer einfacher zu verstehen, aber schwieriger zu artikulieren sind.
Komplexitätsunterschiede zwischen betonten und unbetonten Silben: Die betonten und
unbetonten Silben stehen in diesem Verhältnis zueinander, dass im Nhd., also in der
Gegenwartssprache, nur in den betonten Silben alle Vokale stehen können. Die unbetonten
sind zu schwach. Also nur abgeschwächte Vokale können hier stehen und nicht alle
Positionen. Wobei zu bedenken ist, dass man heute gewohnt ist, dass eine lange Silbe
automatischen den Akzent trägt. Also ein ahd. Wort wie „haben“ mit langem e oder „salbon“
mit langen o (d.h. haben und salben), haben den Wortakzent auf der 1. Silbe, der
Stammsilbe, und das o in salbon ist der Belang – das ist heutzutage schwierig zu
artikulieren, da man immer die Tendenz hat den langen Vokal zu betonen. Und das ist eben
in einer Silbensprache im Althochdeutschen eben nicht der Fall.
Die Silbe wird optimiert vs. das Wort wird optimiert. Die Bildung komplexer
Konsonantencluster; eben das berühmte Wort „Strickstrumpf“ – so ein Wort kann im
Althochdeutschen nicht gebildet werden, d.h. man wird das also nicht in ahd. Texten finden.
Die Vokalepenthese ist auch charakteristisch, also der Einschub von Vokalen, damit
Konsonantencluster vermieden werden, berühmte Beispiele sind „bur“ mit langem u zu
Bauer und „kir“ mit langem i zu Geier usw.
Und eine Konsonantenepenthese zur Vermeidung von Hiaten: ein Hiat ist ein
Aufeinandertreffen von Vokalen am Ende des 1. Wortes oder Anfang des 2. Wortes. Bsp.
Sprachgeschichte Vorlesung-Mitschrift Einheit 4

aus der Gegenwart; im Wienerischen ist das „r“ ein Hiat-Tilger: „i bin hoalt a echtswerner
kind“ und dieser Hiat wird im heutigen Wienerisch vermieden durch r : „i bin hoalt a
rechtswerner kind“ – und da können also im Mittelhochdeutschen eben auch Vokale
eingefügt werden. In der Gegenwartssprache ist das in Dialekten enthalten, in der
Standardsprache nicht.
Die Geminaten: im Althochdeutschen / Mittelhochdeutschen gibt es geminierte, also
verdoppelte, Konsonanten. Im heutigen Deutsch hat man keine langen gedehnten
Konsonanten mehr – das glaubt man vielleicht, wenn man zwei Wörter hernimmt wie (ich)
„rate“ und (die) „Ratte“: dann ist der Konsonant t in beiden Wörtern derselbe, denn sonst
wären sie auch kein Minimalpaar, wie sie oft genannt werden. Wenn man den Eindruck hat,
dass da ein anderer Konsonant steht, dann deshalb, weil man eben heutzutage vom
Schriftbild geleitet wird: man sieht ein doppelt t und schließt eventuell daraus, dass sich das
auf den Konsonanten bezieht. Im heutigen Deutsch bezeichnet aber ein doppelt-Konsonant
nur, dass der Vokal vorher kurz ist.
Vokalharmonie wurde auch schon erwähnt: also hier die Sprecherleichterung; keine
extremen Positionen im Vokaltrapez – und im Deutschen hat man das nicht.
Dasselbe noch einmal auf einer Zeitachse eingetragen, also ahd. zum mhd. usw. (F.8) mit
Beispielen. Es ist hier eingeordnet nach Epochen, es zeigt also an, wann was vollzogen
wurde. → nicht auswendig lernen, sondern nur die Punkte, die hier hervorgehoben wurden,
lernen.

Bemerkungen zum Text (F. 9-10)


1. Vollvokale in allen Wortpositionen (einheitliches Vokalsystem unabhängig von Akzent)
2. Geminaten (sunna): geminierte Konsonanten (im Nhd. existieren keine geminierte
Konsonanten; konsonantische Doppelschreibung zeigt nur Vokalkürze an)
3. Vokallänge wird nicht bezeichnet: auch in unbetonten Silben lange Vokale möglich: habēn.
Im Nhd. nur Kurzvokale in unbetonten Silben.
4. Einfache Silbenstruktur: höchstens zwei Konsonanten nebeneinander.
5. Sprossvokal (Swarabhakti): pereg (Ausspracheerleichterung, Vokalharmonie)

Phonologisches Wort = eine ununterbrochene Wortkette von Phonemen zwischen


möglichen Sprechpause. „Möglich“ heißt, dass man beim Sprechen natürlich keine
Sprechpausen zwischen den Wörtern macht; „Ich gehe ins Kino“ ist keine Artikulation,
sondern möglich ist, dass man eben in diesem Satz in den Wörtern „ich“ und „ins“ und „Kino“
isolieren kann. Im Gegensatz dazu bezeichnet man eben auch das orthografische Wort,
dass in der Schrift durch Spatien getrennt ist, das semantische bzw. lexikalische Wort,
dass eine Sinneinheit bindet und das morphologische Wort, das bei den flektierbaren
Wortarten ist (Verbsubstantive und Adjektive vor allem – Präpositionen und Konjunktionen
Sprachgeschichte Vorlesung-Mitschrift Einheit 4

können nicht flektiert werden) und schließlich dann das syntaktische Wort, dass die
verschiedenen Personal- und Zeitformen im Satz beschreibt.

Sprachwandel

Sprachwandelerscheinungen vor und im Althochdeutschen: Die erste ist eine Veränderung


am Anfang des Ahd. und zwar werden die westgerman. þ Laute, also das stimmlose
Reibelaut, den es im heutigen Deutsch nicht mehr gibt, wird zu einem ahd. d, also einem
stimmhaften Plosiv und zwar in allen Positionen. Bsp. got. broþar zu ahd. bruoder.
Das Gotische ist keine Vorstufe des Deutschen, also wenn man die Stammbaumtheorie
hernimmt, dann ist es quasi ein „Großonkel“ des heutigen Deutsch. Diese Abfolge der
Veränderung kann man in den ahd. Texten deutlich verfolgen und ganz wichtig ist, dass
diese Veränderung nicht zur 2. Lautverschiebung gehört – das ist unabhängig von
Wortpositionen und Dialekten = alle þ im Althochdeutschen werden zu d.

Das ist auch der Unterschied zur Zweiten (bzw. Hochdeutschen) Lautverschiebung – es ist
eine Veränderung, die ebenfalls am Anfang des Althochdeutschen steht und durch die 2. LV
lösen sich die hochdeutschen Dialekte quasi aus dem germanischen Vorstufen heraus. Und
im Gegensatz zur 1. LV steht das wirklich am Beginn des Althochdeutschen. Die
altniederdeutschen Dialekte haben bekanntlich die Lautverschiebung nicht durchgeführt.

Zusammenfassung der Dialekte, die es im Althochdeutschen gibt: (die Nummern sagen


nichts aus, ist nur Durchnummerierung von Südosten nach Nordwesten und dient zur
Orientierung in der VO, vor allem wenn es um die 2. LV geht) Das Bairische (1.) und
Alemannische (2.) bilden das Oberdeutsche. Dann kommt 3. das Ostfränkische, das eine
Zwischenstellung einnimmt im Althochdeutschen und heute mehr zum Oberdeutschen
gezählt wird. Die mitteldeutschen Dialekte; 4. Südrheinfränkisch, 5. Rheinfränkisch und 6.
Mittelfränkisch, wobei das Mittelfränkische in zwei Teile gegliedert wird: das
Moselfränkische (6a) und das Ripuarische (6b). Ripuarisch kommt von lat. ripa, und das ist
eine der blumigen Bezeichnungen des 19. Jhd.; quasi die „Uferfranken“, die am Ufer des
Rheins sitzen im Gegensatz zu den Saalfranken – das ist also auch ein Begriff der sich
gehalten hat.

Die Zweite Lautverschiebung unterscheidet sich von der 1. LV durch zwei erhebliche
Änderungen bzw. Unterschiede: Bei der 1. LV war es egal in welchen Dialekten das Wort
geäußert wird und in welcher Position es im Wort steht. Alle idg. t werden durch die 1. LV zu
þ , alle p werden zu f. Bei der 2. LV muss man zwei Dinge unterscheiden: nämlich 1. die
Dialekte und 2. die Wortposition. Bei der Wortposition unterscheiden sich die Tenues und die
Medien. Zur Erinnerung: Tenues sind die Starklaute p, t, k und die Medien sind die Lindlaute
b, d, g. Und da gibt es nun je nach Wortposition, vor allem bei der Tenuesverschiebung,
Sprachgeschichte Vorlesung-Mitschrift Einheit 4

zwei Möglichkeiten: die Tenues p, t, k können zu Affrikaten verschoben werden; also pf,
ts,kχ. Dieses kχ gibt es nur noch in den Dialekten, in der Standardsprache wurde das alles
zu k. Diese Verschiebung zu Affrikaten erfolgt nach der Position im Wort. Also wenn es im
Anlaut (am Anfang), Inlaut (in der Mitte) oder Auslaut (Ende) steht und zwar nur dann wenn
das p, t, k nach dem Konsonant steht oder geminiert ist.
Und die zweite Möglichkeit ist dass p, t, k zu einem ahd. Frikativ werden, also zu: f, 3, χ.
Diese Laute werden auch im ahd./mhd. streng getrennt, weil sie lautlich unterschieden
waren. Also das germ. s war eher dem sch angenähert, weil das 3 dem heutigen s
entspricht. Sie konnten nicht aufeinander gereimt werden in der klassischen Dichtung, wo
nur Reime erlaubt waren – und deswegen die unterschiedliche Bezeichnung. Auch das ist
wieder ein Merkmal, dass diese beiden Laute unterschiedlich waren, was im Rahmen der
Erschließung der gesprochenen Sprache aufgrund von schriftlichen Zeugnissen bedeutend
ist. Und diese Verschiebung von den Tenues zu Frikativen erfolgt in In- und Auslauten nach
einem Vokal; also die restlichen Positionen, die bei der ersten Möglichkeiten nicht genannt
sind.
Die Medienverschiebung ist etwas einfacher; hier wird 1. b, d, g zu ahd. p, t, k. Wobei die
meisten Erscheinungen wieder zurückgenommen werden im Ahd. und 2. in der Gemination
der Medien, also bb, dd, gg zu geminiertem pp, tt, kk.

Die Verbreitung mit den Dialekten (Tabelle F. 16-17) Zu beachten ist, dass in der 2. Spalte
die Wortpositionen notiert sind und in der 3. Spalte die Dialekte – das ist das zweite Merkmal
neben der Wortposition: es wird auch nach den ahd. Dialekten unterschiedlich verschoben –
also nicht alle Dialekte haben alle Lautwandlungen. Die Bindestriche in der zweiten Spalte
zeigen den An-, In- bzw. Ablaut an und es ist zuerst die Affrikaten-, dann die
Frikativenverschiebung angegeben. Das wird dann in den Dialekten unterschiedlich stark
durchgeführt, wobei sich die Zahlen auf die vorherige Nummerierung beziehen. Es gibt also
räumliche Staffelungen bezüglich des Grads der Durchführung (Spalte mit den
Anmerkungen). Und die letzte Spalte ist sind die ahd. Beispiele. Tabelle ist prüfungsrelevant!

Bearbeitete Karte (F. 18): Dialekte nun mit Graustufen unterlegt und zwar Bairisch,
Alemannisch, Ostfränkisch am intensivsten; Südfränkisch etwas leichter; das
Rheinfränkische noch leichter im Grauton und das Mittelfränkische gar nicht. Unten sind die
verschiedenen Verschiebungen nochmal zusammengefasst (die man auch in der Tabelle
findet) Der Eindruck den man bekommt ist, dass im Südosten die 2. LV am vollständigsten
bzw. vollständig durchgeführt wurde und ab den Südfränkischen wird der Grad immer
leichter bzw. es kommen immer weniger Verschiebungen vor. Auf dem ersten Blick sieht es
wie eine Wellenbewegung aus, mit dem Zentrum im Südosten und je mehr man nach
Nordwesten geht, desto weniger Merkmale werden durchgesetzt – so ist es aber nicht. Diese
Wellentheorie hat das ganze 19. und die erste Hälfte des 20 Jhd. dominiert. Sie ist höchst
Sprachgeschichte Vorlesung-Mitschrift Einheit 4

fragwürdig, denn Wellenphänomene sind Kontaktphänomene und d.h. es würde hier quasi
ein Kontakt, die bestehen zwischen den Dialekten und die Übernahme der
Lautverschiebungsmerkmale besteht auf den Kontakten der Sprechenden zueinander und
man weiß aus der Sprachgeschichte bzw. der Dialektologie, dass sich sprachliche
Neuerungen immer in Kulturzentren bilden bzw. dort entstehen. Auf die 2. LV umgelegt
würde das bedeuten, dass im Süden von Österreich würden also umwälzende
Entwicklungen entstehen, die sich dann nach Nordwesten ausbreiten und uralte
Kulturzentren wie Lorsch, Mainz, Trier, Köln überrollen. Diese Vorstellung ist widersinnig,
denn das war Urwald im Süden des heutigen Österreich, es war also nicht wirklich besiedelt.
Das so eine starke Änderung entsteht, ist nicht denkbar. Etwa ab den 80er Jahren des 20.
Jhd. ist man dann dazu übergegangen diese Ausbreitung nicht im Sinne einer Welle zu
sehen, sondern basierend auf komplizierten Verhältnissen der Dialekte am Rhein, den
Fränkischen Dialekten am Rhein; also eine Kombination aus Wortlänge, zwei oder drei
Silben, und Akzentverhältnisse, das hängt mit der sogenannten rheinischen Akzentuierung
zusammen. Vor allem Thomas Klein hat auf diesem Gebiet gearbeitet. Also die
Wellentheorie ist im Prinzip passé, auch wenn sie in Lehrbüchern zum Teil erwähnt wird und
als Möglichkeit bestehen bleibt.

Das führt dann weiter zu Frage warum es so kompliziert ist; also so eine große
konsonantische Veränderung im Deutschen, die innerhalb der germanischen Sprachen auch
nur im Deutschen stattfindet: im Niederdeutschen gibt es das nicht und im Englischen usw.
auch nicht. Die Frage warum das in den ahd. Dialekten passiert, kann nicht beantwortet
werden. Es liegt vermutlich an einer gewissen sprachlichen Disposition, aber de facto ist es
so, dass über die Ursachen der 2. LV nicht mehr gestritten wird – das ist wie mit den
Kentum- und Satemsprachen. Es muss einen Ursprung gegeben haben, aber es gibt
ungefähr seit der Jahrtausendwende keine großen Publikationen mehr zu den Ursachen der
2. LV. Genau wie bei der 1. LV – man weiß noch nicht, warum die 1. LV, die ebenfalls eine
große Umgestaltung des Konsonantensystems im Germanischen darstellt, eingetreten ist.

Verschiedene Abbildungen (F.20 f.), die den Rheinischen Fächer, wie er genannt wird,
noch einmal abbilden. Der Rheinische Fächer wiederum auch als blumige Umschreibung:
fächerähnliche Gebiete, die sich am Land des Rheines unterscheiden. Und man hat hier
verschiedene Isoglossen: die sogenannte appel-apfel Linie, dat-das Linie, die dorp-dorf Linie
und am größten die maken-machen Linie. Es sind auch Gebirge eingezeichnet, denn nach
der alten Ansicht trennen Gebirge ja die Orte: man sieht hier also, dass diese dat-das
Schranke am Hunsrück und Taunus verläuft, auch an der Eifel verläuft eine Linie usw.

Als dritter Bereich der Veränderungen: Wortschatz. Nochmal zur Erinnerung: die irischen
und angelsächsischen Missionare wie Bonifatius haben die Schwierigkeit gehabt, dass sie
Sprachgeschichte Vorlesung-Mitschrift Einheit 4

der heidnischen Welt christliches Gedankengut nahebringen mussten, für die es in den
germanischen Dialekten keine Bezeichnungen und keine Wörter gegeben hat. Sie haben
sich da sehr schwer getan etwas Neues zu finden und zu schaffen. Die Abbildung (F. 22) ist
aus dem dtv-Atlas für die deutsche Sprache, aber das Grundschema geht auf die Arbeit von
Werner Betz aus dem Jahr 1974 zurück.
Das Lehngut, also quasi der Wortschatz, der aus anderen Sprachen ins Deutsche kommt,
wird zunächst einmal in Fremdwörter und Lehnwörter unterschieden. Und die weitere
Differenzierung geht auf verschiedene Arten ein: zunächst als Obergruppe die Lehnprägung
und hier wird unterschieden zunächst einmal eine Lehnbedeutung. Also Lehnbedeutung
heißt; in der Nehmersprache bereits vorhandene Wörter, also im german. und später ahd.,
erhalten eine neue Bedeutung. (Ähnlich wie später Luther solche ähnliche Umprägungen
geschaffen hat.) Bsp. das ahd. „suntia“ bedeutet im german. „Schuld an einer Tat“ und wird
dann in der christlichen Bedeutung eine „moralische Verfehlung, Sünde“ – also aus dem
rechtlichen Aspekt wird ein religiöser.
Dann das Gegenstück ist wiederum eine Gruppenbezeichnung Lehnbildung, die sich in
Lehnformen und Lehnschöpfung teilt. Die Lehnschöpfung, besagt, dass das Fremdwort
bzw. die Übernahme aus der Fremdsprache nur eine Anregung ist, aber die Lehnschöpfung
mit deutschsprachigen Mitteln formal unabhängig von lat. Fremdwörtern ist: also ein lat.
„experimentum“, das wortwörtlich übersetzt „Erfahrung“ bedeutet, wird wiedergegeben durch
das ahd. Wort „findunga“ („Findung“).
Bei der Lehnformung unterscheidet man noch die Lehnübertragung und Lehnübersetzung,
wobei die Lehnübertragung ähnlich wie die Lehnübersetzung ist, aber die Bindung an die
Gebersprache ist nicht so fest. Also z.B. lat. „paen-insula“, wörtlich „Fast-Insel“ wird im
deutschen zur Halb-Insel. Und schließlich die Lehnübersetzung, das ist das engste,
deshalb auch „Übersetzung“; es ist eine Wort-für-Wort oder Teil-für-Teil Übersetzung, also
z.B. aus lat. „com-passio“ wird im Deutschen Mit-leid. Dann gibt es eben das bekannte
Lehnwort z.B.: Fenster (lat. fenestra) usw. und das Fremdwort, das die Herkunft aus der
anderen Sprache deutlich zeigt. (F. 22 für genaue Definitionen mit Bsp.)

Die Einteilungen noch einmal zum Teil mit anderen Beispielen aus dem religiösen Bereich
dargestellt (F. 23) In der letzten Zeit wird zusätzlich noch die Lehnwendung angegeben.
Sehr prägnantes Beispiel mit der Redewendung: „Der frühe Vogel fängt den Wurm“, das aus
dem Englischen kommt bzw. angelehnt ist. Im Deutschen gibt es diese Konstruktion nicht;
also man kann nicht sagen „Der frühe Bauer pflügt den Acker“ oder Ähnliches – das zeigt
also die Herkunft aus einer andere Sprache, in dem Fall aus dem Englischen an.

Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)

Das könnte Ihnen auch gefallen