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Elke Hentschel / Harald Weydt

Handbuch der deutschen Grammatik

Walter de Gruyter – Berlin – New York

A. Perfektive Verben, die einen Begrenzungspunkt (Anfangs- oder Endpunkt) mit


beinhalten, wären demgegenüber z.B verblühen, einschlafen, aufwachen. Unter
Aktionsarten wird aber normalerweise nicht die perfektive oder imperfektive Art des
Verlaufs verstanden, sondern weitergehende semantische Unterteilungen wie z.B:
- inchoativ oder ingressiv (von lat.
inchoare ,beginnen’/ingredi ,hineinschreiten’ ,beginnen’), den Beginn einer Handlung
kennzeichnend; z.B erblühen. Hierzu werden manchmal auch die transformativen
(von lat. Transformare ,verwandeln’) Verben gerechnet, unter denen man meist von
Adjektiven abgeleitete Verben der Veränderung wie erröten, reifen, oder altern
versteht.
- egressiv (von lat. egredi ,herausschreiten’, ,aufhören’), das Ende einer Handlung
kennzeichnend; z.B verblühen. Diese Aktionsart wird manchmal auch als finitiv (von
lat. finire ,beenden’) oder terminativ (von lat. terminare ,begrenzen’, ,beenden’)
bezeichnet; ferner finden sich auch die Bezeichnungen resultativ und effektiv (von
lat. effiicere ,zu Ende bringen’) die meist synonym gebraucht werden. Gelegentlich
wird ein Unterschied zwischen diesen Begriffen gemacht: im anderen das Ergebnis
(resultativ, effektiv) im Vordergrund. Die Definitionen sind allerdings nicht
einheitlich.

Auch die kausativen und die faktitiven Verben werden gelegentlich bei der Aktionsarten
mit aufgeführt (vgl. z. B Helbig/Buscha 2001: 63). Es handelt sich hier jedoch um einen
anderen Typ der Einteilung. Bei den vorgenannten Verben geht es jeweils um die
Ausprägung der im Verb ausgedrückten Handlung, die als abgeschlossen, andauern,
wiederholt usw. gekennzeichnet wird, ohne dass sich sonst etwas im Satz verändert. Bei
kausativen und faktitiven Verben liegt hingegen ein besonderes Verhältnis zwischen
Subjekt und Objekt vor:

- kausativ (von lat. causa ,Grund’) sind transitive Verben, die von intransitiven
abgeleitet worden sind wie fällen (zu fallen) oder tränken (zu trinken). Bei der
Ableitung werden die syntaktischen Rollen verändert: das Subjekt wird zum Objekt,
und das neue Subjekt ist der Verursacher der Handlung. In einem Satz wie Der Baum
fällt is es das Subjekt, das die Handlung (oder den Vorgang) des Fallens vollzieht
hingegen das Objekt diese Handlung, und das Subjekt verursacht sie. Ebenso: Das
Pferd trink/ ich tränke das Pferd ; Das Schiff versinkt/ ich versenke das Schiff usw.
Der zugrunde liegende Ableitungstyp ist nicht mehr produktiv, d.h es können nach
diesem Muster keine neuen Verben mehr gebildet werden.
- faktitive (von lat. facere ,machen’) Verben sind mit den kausativen eng verwandt;
gelegentlich werden die beiden Begriffe auch synonym gebraucht (so etwa bei
Helbig/Buscha 2001: 63). Im Unterschied zu den kausativen liegt bei faktitiven
Verben im engeren Sinne jedoch keine Ableitung von einem Verb, sondern von einem
Adjektive vor: säubern (zu sauber), weißeln (zu weiß). Die zugrunde liegende
Bedeutung kann durch eine Paraphrase mit machen ausgedrückt werden: säubern =
sauber machen, weißeln = weiß machen.

B. Zwar gibt es bestimmte morphologische Verfahren der Aspektbildung wie etwa


Präfigierung zur Bildung des perfektiven, Infigierung (Stammerweiterung) zur Bildung
des imperfektiven Aspekts, es können aber auch zwei völlig verschiedene Verbstämme ein
Paar bilden, oder aber das präfigierte Verb bildet den imperfektiven Aspekt (wie bei
pokupat/kupit’, kaufen), so dass insgesamt sowohl morphologishe als auch lexikalische
Prinzipen der Aspektbildung innerhalb ein und derselben Sprache vorliegen.

Nicht alle Verben des Deutschen können einer bestimmten Aktionsart zugerechnet
werden; viele sind in dieser Hinsicht nicht festgelegt und können je nach Kontext
Verschiedenes ausdrücken (vgl. Er sprach immer wieder davon) [wiederholte Handlung];
Sie sprach das erlösende Wort [einmalig, abgeschlossen]). Die Bildung von Aktionsarten
erfolgt durch  Präfigierung oder durch Erweiterung der Infinitivendung, wobei nur die
Präfigierung noch produktiv ist. Das Ergebnis muss in jedem Falle als lexikalisiert
angesehen werden.

Beispele für Präfigierungen

Mit an- und auf- präfigierte Verben sind häufig inchoativ. Auch mit er- präfigierte Verben
können diese Bedeutung haben. Vgl. :
anspringen aufwachen erwachen
antreten auftreten erröten
angreifen aufgeben ergreifen
ansetzen aufblühen erklingen
ansprechen aufstehen erblühen

Mit er- praefigierte Verben koennen daneben auch ergressiv sein. Ebenfalls ergressiv sind
viele Verben mit ver-. Vgl.:
erarbeiten verarbeiten
erstehen verblühen
erreichen verscheiden
erlangen verderben
usw.

Helbig/Buscha

Deutsche Grammatik – ein Handbuch für den Ausländerunterricht

Klett-Langenscheidt, München

A. Perfektive Verben grenzen den Verlauf des Geschehens zeitlich ein oder drücken den
Übergang von einem Geschehen zu einem anderen Geschehen aus. Diese Abstufung des
Geschehens nach zeitlichen Phasen – man spricht auch von Phasenaktionsarten – erfolgt
auf sehr differenzierte Weise; danach kann man folgende Subklassen der perfektiven
Verben unterschieden:
1. die ingressiven oder inchoativen Verben, die den Anfang eines Geschehens
bezeichnen: aufblühen, einschlafen, entflammen, erblicken, loslaufen
2. die egressiven Verben, die den Endphase und den Abschluss eines Geschehens
bezeichnen: erjagen, platzen, verblühen, verklingen, zerschneiden
3. die mutativen Verben, die einen Übergang von einem Zustand in einen anderen
bezeichnen:
reifen, rosten, sich erkälten
4. die kausativen oder faktitiven Verben die ein Bewirken bzw. Veranlassen, ein
versetzen in einen neuen Zustand bezeichnen:
beugen, öffnen, senken, sprengen, schwenken, verschwenden, schwärzen
B. Ausdruckmöglichkeiten der Aktionsarten

Die genannten Klassen von Verben sind semantischen Klassen, die sehr schwer
abgrenzbar sind, weil die Aktionsarten im Deutschen kein grammatisches System
darstellen und nur zu einem sehr geringen Teil grammatikalisiert sind. Die semantische
Kategorie der Aktionsart wird durch verschiedene sprachliche Mittel ausgedrückt, vor
allem durch folgende:

1. Die Aktionsart wird ausgedrückt durch die Bedeutung des Verbs selbst; das trifft in
erster Linie zu auf einfache Verben, die in den meisten Fällen von durativer
Aktionsart sind:
arbeiten, blühen, essen, lesen, schlafen.
Es gibt jedoch einfache Verben, die von ihrer Bedeutung her perfektiv sind:
finden, kommen, treffen, sterben
2. Die perfektive Aktionsart wird ausgedrückt durch Wortbildungsmittel (Präfixe,
Suffixe, Zusammensetzung, Umlaut des Stammvokals, e / i-Wechsel):
blühen  erblühen (ingressiv)
blühen  aufblühen (ingressiv)
brennen  anbrennen (ingressiv)
gehen  losgehen (ingressiv)
schlafen  einschlafen (ingressiv)
blühen  verblühen (ergressiv)
bohren  durchbohren (ergressiv)
frieren  gefrieren (ergressiv)
kämpfen  erkämpfen (ergressiv)
schlagen  totschlagen (ergressiv)
glatt  glätten (kausativ)
offen  öffnen (kausativ)
sinken  senken (kausativ)
Beispiele :

Wie sieht der Bildungprozess der perfektiven Verben in der Datenquelle?

1. losgehen
Das Verb ,,losgehen” wird von Adverb ,,los” und Verb ,,gehen” gebildet
(Zusammensetzung).
2. öffnen
Das Verb ,,öffnen” wird von Adjektiv ,,offen” + Umlaut des Stammvokals e/i-
Wechsel gebildet.
offen  öffnen
3. aufstehen
Dieses Verb wird mit dem Präfix ,,auf-” gebildet (durch Präfigierung).
auf + stehen  aufstehen
4. erreichen
Das Verb ,,erreichen” wird mit dem Präfix ,,er-” gebildet (durch Präfigierung).
er + reichen  erreichen
5. kennenlernen
Das Verb ,,kennenlernen” ist ein Zusammensetzung aus den Verben ,,kennen”
und ,,lernen”.

Wie kann man die perfektive Verben in der Datenquelle klassifizieren?

1. losgehen
Im Satz : ,,Bevor es mit dem Verhör richtig losgehen kann, wird der Mann erhängt in
seiner Zelle aufgefunden”.
Im Satz kann man sehen, das Verb ,,losgehen” bedeutet ,,beginnen” (unpersonlich).
Dieses Verb gehört zu ingressiven Verben, weil das Verb den Anfang eines
Geschehens bezeichnet.
2. öffnen
Im Satz : Ich öffne die Tuer.
Der Satz zeigt, dass das Verb ,, öffnen” einen Prozess beschreibt. Das Verb ,, öffnen”
bedeutet : etwas aufmachen oder offen machen. Dieses Verb bezeichnet ein Bewirken
oder Veranlassen, ein Versetzen in einen neuen Zustand, sodass das Verb zu
kausativen Verben gehört.
3. aufstehen
Im Satz : Er steht um 5 Uhr auf.
Das verb ,,aufstehen” bedeutet sich vom Nachtlager (Bett) erheben. Dieses Verb
bezeichnet den Anfang eines geschehens, sodass es ingressive Verben ist.
4. erreichen
Im Satz : Er erreichte den Zug in letzter Sekunde.
Im Satz kann man sehen, das Verb ,,erreichen” bedeutet zu einen Ziel gelangen, seine
Wünsche durchsetzen. Dieses Verb gehört zu egressiven Verben, weil das Verb die
Endphase und den Abschluss eines Geschehens bezeichnet.
5. kennenlernen
Im Satz : Er hat seine Frau am Freitag kennengelernt.
Das Verb ,,kennenlernen” bedeutet : sich mit jemandem bekannt machen. Dieses Verb
beschreibt einen Prozess, die ein Bewirken bzw. Veranlassen, ein Versetzen in einen
neuen Zustand bezeichnet, sodass das Verb zu kausativen Verben gehört.

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