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Erich Kästner: Ein Beispiel für die Innere Emigration

Von Jochen Leffers
02.01.2023, 18.15 Uhr • aus SPIEGEL Geschichte 6/2022

Als die Nazis kamen, gingen die meisten linken und liberalen Schriftsteller ins Exil. Erich Kästner
blieb – dabei hatte der Satiriker und berühmte Kinderbuchautor die Gefahren der Tyrannei früh
erkannt.
Die Nazis riefen zum Flammenspektakel, auch Erich Kästner kam, obwohl er kein Anhänger des
Nationalsozialismus war. Als einziger der 24 deutschen Schriftsteller, deren Werke am 10. Mai 1933
mit   denen   zahlreicher   internationaler  Autoren   verbrannt   wurden.  Auf   dem   Berliner   Opernplatz
deklamierte Propagandaminister   Joseph   Goebbels   ihre   Namen,   ein   Student   brüllte:   »Gegen
Dekadenz und moralischen Verfall« – und warf Kästners Werke ins Feuer. Eine Frau erkannte ihn
unter Zehntausenden Schaulustigen und rief: »Dort steht ja der Kästner!« Er drehte sich um und
ging.

Er   war   ein   Spötter   und Warner;   dass   die  Tyrannei   so   lange   währen   würde,   schien   ihm   jedoch
unvorstellbar. Kästner war kein Prophet und ging auch nicht in den aktiven Widerstand. Im Zuge
der   raschen   Gleichschaltung   von   Medien   und   Kultur   wurden   ab   1933   seine   Werke   aus   den
Bibliotheken verbannt – zunächst mit dem Zusatz »Alles außer ›Emil‹«. Trotz der Vrebrennung
seiner Bücher wollte er nicht ins Exil: 

»Ich bin ein Deutscher aus Dresden in Sachsen.
Mich läßt die Heimat nicht fort.
Ich bin wie ein Baum, der, in Deutschland gewachsen,
wenn's sein muß, in Deutschland verdorrt.« 

Zugleich hielt ihn die Liebe zu seiner Mutter Ida Kästner, die er nicht zurücklassen wollte. Seine
Haltung als Literat erklärte er später so:
»Ein Schriftsteller will und muss erleben, wie das Volk, zu dem er gehört, in schlimmen Zeiten sein
Schicksal erträgt. Gerade dann ins Ausland zu gehen, rechtfertigt sich nur durch akute
Lebensgefahr. Im übrigen ist es seine Berufspflicht, jedes Risiko zu laufen, wenn er dadurch
Augenzeuge bleiben und eines Tages schriftlich Zeugnis ablegen kann.«
Zweimal   wurde   Kästner   verhaftet,   verhört,   wieder   freigelassen.   Jedes   öffentliche  Wort   musste
Kästner zwölf Jahre lang wägen und konnte in Deutschland keine Bücher mehr veröffentlichen,
zeitweise   aber   im  Ausland.   Produktiv   blieb   er   trotz   aller   Repressionen   und   schrieb   teils   unter
Pseudonym, teils mit Sondergenehmigung weiterhin Theaterstücke und Drehbücher. Unnd er führte
im   Jahre   1945   auch   ein   Tagebuch,   welches   nach   dem   Krieg   unter   dem   Titel  Notabene 45
veröffentilcht wurde.

Wortschatz:
der Anhänger (-) = der Unterstützer
etwas ertragen, ertrug, ertragen = supporter quelque chose
das Schicksal = le destin
verdorren ~ (Baum, Pflanze, Blume) zerstört werden, weil es kein Wasser gibt

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