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Generierung von Bauteilgeometrien mit besonderen

Krümmungs- und Kurveneigenschaften


P. Köhler / S. Danjou / M. Humpa

Universität Duisburg-Essen, Institut für Produkt Engineering


Lotharstr. 1, D-47048 Duisburg
eMail: peter.koehler@uni-due.de
URL: http://www.uni-due.de/cae

Zusammenfassung: Im Beitrag wird gezeigt, dass auch moderne parametri-


sche 3D-CAD-Systeme noch nicht für alle bei der Konstruktion einzuhaltenden
geometrischen Randbedingungen entsprechende Feature zur Verfügung stel-
len. Die Integration konstruktiv-geometrischen Wissens in das CAD-Umfeld ist
daher eine der aktuellen Aufgaben des Knowledge Based Engineering. Bei-
spielhaft werden hierfür einige Problemfelder aus dem Maschinen- und Anla-
genbau beleuchtet, die insbesondere für die Umsetzung fertigungstechnischer
oder strömungstechnischer Randbedingungen Bedeutung haben. Es werden
Lösungen vorgestellt, die unter anderem der Absicherung von Krümmungsei-
genschaften bestimmter Bauteiloberflächen dienen. Es wird gezeigt, wie auch
für Oberflächen, die nicht als Zylinder- oder Kegelflächen generiert wurden,
gesichert werden kann, dass die Gauß’sche Krümmung gleich Null wird.
Ebenso wird dargestellt, wie bei der CAD-Modellierung vorzugehen ist, um
beispielsweise zwischen mehreren sich durchdringenden Zylinder- oder Ke-
gelflächen stückweise ebene Durchdringungskurven zu erhalten, die wieder-
um im Fertigungsprozess besser beherrscht werden können.
Anhand eines komplexen Strömungskanals wird darüber hinaus gezeigt, wie
Forderungen an Strömungsquerschnitte (Krümmungseigenschaften, Kurven-
längen, variable Offset-Festlegung, …) bei der Generierung der Freiformkur-
ven und Freiformflächen umgesetzt werden können. Hier werden auch die
notwendigen Leistungsmerkmale der untersuchten CAD-Systeme etwas näher
beleuchtet.

1 Geometriemodellierung mit CAD-Systemen

Wesentliche Bestandteile moderner CAD-Systeme sind leistungsfähige Geometrie-


module, die im Maschinen- und Anlagenbau vor allem dazu dienen, geeignete Vo-
lumenmodelle für die rechnerunterstützte Konstruktion und Produktentwicklung
aufzubauen. Sie basieren in der Regel auf einem hybriden Datenmodell, in dem die
Vorteile von reinen Grenzflächenmodellen (Boundary-Representation, kurz B-Rep.)
und Verknüpfungsmodellen (Constructive Solid Geometry, kurz CSG) geeignet
kombiniert werden.
Da die Entwicklung solcher Geometriekerne sehr aufwändig ist, verwundert es nicht,
dass diese zum Teil in mehreren CAD-Systemen implementiert wurden.
Das trifft zum Beispiel für den ACIS-Kern zu, der inzwischen der Firma Dassault
Systèmes zuzuordnen ist. Auf diesem Kern baut unter anderem auch das System
Inventor von der Firma Autodesk auf, wobei hier seit 2001 eine eigenständige Wei-
terentwicklung erfolgt. Weitere Geometriekerne sind unter anderem PARASOLID
von der Firma Electronic Data (kurz EDS), GRANITE ONE von der Firma Para-
metric Technology Corp. (kurz PTC) sowie das frei verfügbare Entwicklungstool
Open CASCADE.
Aktuelles Ziel im Bereich der rechnerunterstützten Produktentwicklung ist es, immer
besser auch geometrische und ingenieurtechnische Zusammenhänge in das Da-
tenmodell zu integrieren. Festzuhalten ist allerdings, dass geometrisches Wissen
häufig nur mit großem Aufwand in das virtuelle Produktmodell integrierbar ist, da die
implementierten allgemeingültigen, mathematischen Algorithmen zur Geometrieer-
zeugung und Geometriemanipulierung nicht die besonderen Eigenschaften und
Vereinfachungen berücksichtigen, die sich für spezielle geometrische Objekte erge-
ben können.

β ψ = α1 + α 2
sin(ψ )
tan(α1 ) =
cos(ψ ) + cos( β )
cos(α1 )
h = r ⋅ cot( β )
α2 cos(α 2 )
ψ

h α1

Abb. 1. Schräges Auslaufrohr am Konus [1]

Bei dem einfachen Beispiel in Abb. 1 soll an einem Auslaufkonus (Kegelwinkel β)


eines Behälters im Winkel ψ ein schräger zylindrischer Auslauf mit vorgegebenem
Radius r realisiert werden. Aus der Darstellenden bzw. konstruktiven Geometrie ist
bekannt, dass sich bei der Durchdringung von Kegel und Zylinder in speziellen
Fällen auch stückweise ebene Durchdringungskurven ergeben. Das ist auch in
diesem Fall anzustreben um aufwändige Anpassungen beim Zusammenfügen der
Teile in der Fertigung zu vermeiden. Das Problem ist einfach zu lösen, wenn dem
Konstrukteur die im Bild enthaltenen mathematischen Zusammenhänge bekannt
sind. Von Vorteil wäre jedoch, wenn im CAD-System entsprechende Analysefeature
und Randbedingungen zur Verfügung stehen würden, vergleichbar beispielsweise
mit den Fangfunktionen beim Zeichnen und Skizzieren.
Ein erster Ansatz hierfür ist die Einbindung von tangentialen Hilfskugeln, die dann
analog zur zeichnerischen Lösung dazu dienen die Elemente geeignet zu positio-
nieren und zu trimmen (Abb. 2).
Vergleichbare Aussagen können auch für andere geometrische Problemstellungen
getroffen werden.
Abb. 2. Modellierung mit tangentialen Hilfskugeln

2 Absicherung torsaler Flächenerzeugender

Torsen sind Flächen, für die die Gauß´sche Flächenkrümmung in allen Punkten
gleich Null ist. Das trifft zum Beispiel für alle Zylinder- und Kegelflächen zu. Derarti-
ge Flächen sind vor allem für Blechkonstruktionen des Behälter- und Anlagenbaus
von Bedeutung, da sich durch sie Mantelflächen ergeben, die exakt in einer Ebene
abgewickelt werden können.
Für den Fall, dass der Konstrukteur zwischen zwei Kurven eine derartige Mantelflä-
che erzeugen will, sind differentialgeometrische Gesichtspunkte zu beachten.

f1(u)

g (w) − f (u ) g (w) − f (u ) g (w) − f (u )


1 1 2 2 3 3

f (u ) f (u ) f (u ) = 0
' ' '
1 2 3

g (w ) g (w ) g (w )
, , ,

1 2 3

g1(w)

Abb. 3. Tangentialebene

Torsen ergeben sich in diesem Fall genau dann, wenn die Bewegung der erzeu-
genden Geraden entlang zweier Kurven so erfolgt, dass diese Gerade stets in einer
Tangentialebene liegt. Es gilt daher für jeden Punkt der einen Kurve einen oder
mehrere Punkte auf der anderen Kurve derart zu finden, dass die Tangenten beider
Punkte in einer Ebene liegen (Abb. 3). Für jeden Wert des Parameters u der einen
Kurve muss es daher einen Parameterwert w = w(u) der anderen Kurve geben, so
dass die Gleichung erfüllt ist.
Zwischen zwei parallelen Kreisen kann immer ein Kreistorse 2.Ordnung (Zylinder-
oder Kegelfläche) erzeugt werden. Da gibt es auch in den CAD-Systemen keine
Schwierigkeiten.
Zwischen zwei nicht parallelen Kreisen kann immer dann ein Kreistorse 2.Ordnung
erzeugt werden, wenn beide Anschlusskreise auf der gleichen Hilfskugel liegen
(Abb. 4). Auch hier muss daher der Anwender dafür sorgen, dass die Positionierung
und Orientierung der beiden Anschlusskreise dementsprechend erfolgt. Andernfalls
ergibt sich zwar ein Übergangsstück von Kreis zu Kreis, aber keinesfalls eine Zylin-
der- oder Kegelfläche.

D1

D2
Hilfskugel

Abb. 4. Schiefer Kreistorse

In CAD-Systemen werden Verbindungsflächen in der Regel mit Hilfe einer gleich-


mäßigen Teilung der Verbundquerschnitte erzeugt. Damit ergeben sich zwischen
den gemäß Abb. 4 definierten Anschlusskreisen zwar Regelflächen, aber keine
Torsen. Aus Sicht des Konstrukteurs wäre es daher wünschenswert, wenn dem
CAD-System die gewünschten Krümmungseigenschaften von Verbundflächen zwi-
schen zwei Kurven vor der Generierung vorgegeben werden können. Hier bestehen
softwareseitig noch größere Defizite, die der Konstrukteur in einigen Fällen durch
geschickte Modellierungsstrategien etwas mildern kann. Abb. 5 zeigt ein Hosenrohr,
das aus mathematischer Sicht aus zwei geschnittenen schiefen Kreiskegeln be-
steht, wobei bei einem „Hosenbein“ die beiden Verbundkreise nicht parallel liegen.
Um nun auch dieses Teil im CAD-System so zu erzeugen, dass die Gauß´sche
Krümmung in allen Punkten gleich Null wird, ist zunächst auch von einem Verbund-
körper zwischen zwei parallelen Kreisen auszugehen, der anschließend noch
schräg abgeschnitten wird. Hier ist die Tatsache auszunutzen, dass es für einen
elliptischen Zylinder oder Kegel zwei Scharen von Schnittebenen gibt, für die sich
Kreise als Schnittkurven ergeben.

Schnittebene

Abb. 5. Abwicklungsgerechtes Hosenrohr

Wenn auch aus mathematischer Sicht keine Kreistorsen vorliegen, müssen in das
CAD-System geeignete Flächenapproximationen integriert werden, wenn aus dem
3D-Modell beispielsweise abgewickelte Blechzuschnitte abgeleitet werden sollen.
Eine Unterscheidung dieser Flächenapproximationen kann hier danach erfolgen, mit
welchen Flächen approximiert wird. Für den betrachteten Problemkreis werden vor
allem ebene Flächenstücke verwendet. Darüber hinaus wären auch Näherungen
über Zylinder- und Kegelflächen sinnvoll.
Die in Abbildung 6 dargestellte Oberfläche wurde mit Hilfe von Mantellinien facet-
tiert, die mit Hilfe von Tangentialebenen „gefunden“ wurden. Jedes zwischen zwei
Mantellinien aufgespannte Flächenstück wurde durch zwei Dreieckflächen approxi-
miert, da vier Raumpunkte nicht unbedingt in einer Ebene liegen müssen. Wenn
konvexe Anschlusskonturen vorausgesetzt werden, steht fest, dass die Flächenan-
näherung von „innen“ erfolgt.
Mantellinie
Diagonale
Geodätische

Abb. 6. Dreiecksbildung zwischen den torsalen Erzeugenden [2]

Für die Abwicklungsermittlung innerhalb der Blechtools kommerzieller CAD-


Systeme können unter Umständen Häufungen von Dreieckflächen zu Problemen
führen, so dass das entwickelte Viereckverfahren zur näherungsweisen Beschrei-
bung der Mantelfläche zweckmäßiger sein kann. Hier erfolgt die Flächenannähe-
rung von „außen“. Das wird in Abbildung 7 verdeutlicht. Da die vier Punkte A,B,C
und D in Abbildung 6 nur bei einfacheren Problemstellungen in einer Ebene liegen,
werden beim Viereckverfahren die Tangentialebenen selbst zu Teilflächen der Fa-
cettierung.

f1(u)

g1(w)

Abb. 7. Ebene Viereckbildung an den torsalen Erzeugenden [2]

Auf die genannten Näherungsverfahren kann verzichtet werden, wenn alle Torsen
auch rechnerintern als solche abgebildet werden und im System Möglichkeiten
vorhanden sind, geodätische Linien auf diesen gekrümmten Flächen zu definieren,
die sich in der Abwicklung stets als Geraden darstellen. Die Längen dieser Geraden
ergeben sich aus den Bogenlängen dieser geodätischen Kurven. Diese differential-
geometrischen Aspekte finden allerdings bisher bei der Systementwicklung zu we-
nig Beachtung.
4 Beachtung strömungstechnischer Randbedingungen

Leitungsverläufe und Kanalquerschnitte beeinflussen häufig entscheidend die Strö-


mungsverhältnisse, so dass bereits im Vorfeld der Fertigung Strömungsanalysen
durchgeführt werden. Hieraus ergeben sich Rückkopplungen für geometrische
Kenngrößen. [3],[4]
In Abb. 8 ist der Entwurf einer Mittenfläche für einen Strömungskanal dargestellt,
für die bei der Modellierung zu sichern ist, dass sowohl die u- als auch die v-Linien
möglichst jeweils gleich lang sein sollen und die Krümmungsradien auf diesen Kur-
ven einen vorgegeben Wert nicht unterschreiten sollen.

Abb. 8. u-v-Linien der Entwurfsfläche

Damit ist eine Optimierungsaufgabe definiert, die mit herkömmlichen Modellierker-


nen nur durch sehr aufwändige manuelle Iterationen angegangen werden kann.
Hier sind daher über die API Algorithmen zu integrieren, die ein vorhandenes Punk-
tefeld geeignet manipulieren.

Abb. 9. Optimierte Strömungslinien

Die obige Abbildung (Abb. 9) zeigt einen optimierten Kurvenverlauf der „Strömungs-
linien“. In dem zugrunde liegenden Algorithmus wird ausgehend von einem vorge-
geben Wertebereich der Gesamtkurvenlänge ein krümmungsoptimierter Verlauf
bestimmt. Dieser Optimierungsablauf musste im vorliegenden Fall weiter qualifiziert
werden, da auch die Abstände zwischen den Strömungslinien annähernd konstant
sein sollen.

Abb. 10. Versatzfläche in Richtung der Flächennormalen

Aus dieser Mittenfläche ist dann die Kanalgeometrie durch einen Flächenversatz
abzuleiten. Problematisch wird es in manchen CAD-Systemen, wenn dieser Flä-
chenversatz in einer Richtung nicht konstant sein soll. Da eine entsprechende Funk-
tion im CAD-System nicht zur Verfügung steht, müssen beispielsweise die u-Linien
einzeln in Richtung der jeweiligen Normalen der Mittenfläche versetzt werden. Aus
der sich ergebenden Schar von u Linien kann dann die gesuchte Freiformfläche
gebildet werden (Abb. 10).
In den CAD-Systemen, die keinen Kurvenversatz in Richtung der Flächennormalen
zulassen, muss wieder improvisiert werden. In Abb. 11 werden dazu Regelflächen
unterschiedlicher Höhen entlang der v-Kurven der Referenzfläche generiert, deren
Begrenzungskurven dann zur Generierung der Versatzfläche dienen.

Abb. 11. Optimierte Strömungslinien


Nicht in jedem Fall ist jedoch einzusehen, dass der Nutzer dem System helfen
muss, die Geometrie anforderungsgerecht zu modellieren. Hier können sicher auch
die Anwender auf den Systemanbieter Einfluss nehmen, um solche Umwege über-
flüssig zu machen.

Literatur

[1] Köhler, P.: Blechabwicklungen und Durchdringungen. Verlag Technik Berlin 1989.
[2] Köhler, P., Strohmeier, O.: Integrated product modelling of special forms in the
vessel and pipline construction. Chemical Engineering & Technology, Volume 26
(2003), Issue 5.
[3] Wortberg, J., P. Köhler, Lupa N. Saul K.: Automatisierte Optimierung von Strö-
mungskanälen zur Verbesserung des Spülverhaltens von Kunststoff-
Extrusionswerkzeugen“ WAK-Zeitschrift Kunststofftechnik / Journal of Plastics
Technology, Ausgabe März/April 2009
[4] Kümmel, W.: Technische Strömungsmechanik. Theorie und Praxis. 3 Auflage,
Teubner Verlag, 2007

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