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Februar 2001
Volumetrische Berechnungen
1 Allgemeines
Bei den grundlegenden Überlegungen, wie eine Schiffsformbeschreibung aufgebaut sein sollte, haben wir
folgende Eigenschaften als besonders wichtig kennengelernt:
Die Formbeschreibung des Schiffes liegt nun als Oberflächenmodell vor, gleichzeitig sind Algorithmen
vereinbart, nach denen jeder Punkt auf der Außenhaut eindeutig berechnet werden kann. Jetzt ist es
erforderlich, sich darüber Gedanken zu machen, wie die vorhandene Information so aufbereitet werden
kann, daß auf eindeutige, einfache und konsistente Weise alle für den Entwurf nötigen Formberechnungen
durchgeführt werden können. Alle notwendigen Formberechnungen sind dabei von drei Freiheitsgraden
abhängig:
• Tiefgang: Am Koordinatenursprung (hinteres Lot) definiert, zählt der Tiefgang stets erdfest,
nicht schiffsfest.
• Trimm: Definiert als Tiefgang am vorderen Lot-Tiefgang am hinteren Lot, also achterlastig
positiv.
• Krängung: Zählt positiv nach Steuerbord.
Des weiteren lassen sich grundsätzlich zwei verschiedene Arten von Formberechnungen unterscheiden:
• Einfache volumetrische Rechnungen, bei denen Volumen und Schwerpunkt für eine gegebene
Schwimmlage berechnet werden müssen. Beispiele dazu sind Formkurvenblatt- oder Raumkur-
venrechnungen. Diese Art von Berechnungen spielt heute beim eigentlichen Schiffsentwurf (nicht
jedoch bei der Ablieferung) eine untergeordnete Rolle.
• Rechnungen, bei denen einer oder mehrere der drei Freiheitsgrade aufgrund von Gleichgewichts-
bedingungen gefunden werden müssen, z.B.:
– Der Tiefgang für eine gegebene Masse bei einer Hebelarmberechnung mit vorgebenem Trimm
und fester Krängung.
– Tiefgang und Trimm fuer eine gegebene Masse und x,z-Schwerpunktslage bei einer Hebel-
armkurvenberechnung mit freiem Trimm.
– Tiefgang, Trimm und Krängung bei vorgegebener Masse und Schwerpunktslage
Neben diesen, weitgehend den Berechnungsumfang betreffenden Anforderungen ergeben sich weitere
Forderungen, die sich aus dem eigentlichen Entwurfsprozeß selbst ableiten:
• Das Berechnungsmodell für volumetrische Berechnungen muß soweit wie möglich zwangskonsistent
sein, damit nicht alle Änderungen des eigentlichen Datenmodells dort wieder nachgepflegt werden
müssen.
• Relevante Änderungen des Entwurfs müssen schnell und parallelisierbar durchgeführt werden
können.
• Berechnungsmodell und Berechnungsmodule müssen entsprechend der Mächtigkeit des Einflusses
von Entwurfsänderungen strukturierbar sein.
Sowohl die Modellierung der Datenstrukturen als auch die der Berechnungsalgorithmen müssen
berücksichtigen, daß die einzelnen Teilschritte sowohl beliebig oft in kurzer Zeit durchgeführt werden
müssen als auch, daß das Modell so fein sein muß, daß endgültige Berechnungen durchgeführt werden
können.
2 Prozeßwechselwirkungen
Als volumetrische Berechnungen noch von Hand durchgeführt wurden, war insbesondere die Stabi-
litätstheorie bei kleinen Neigungen das wichtigste Hilfsmittel. Dazu wurden im wesentlichen nur die
Formkurven des Schiffes benötigt, kleine Änderungen der Schwimmlage wurden im wesentlichen aus
den Formkurven ermittelt, wobei die berechneten Steifigkeitsgrößen (Breiten-und Längenmetazentrum)
zur Hilfe genommen wurden. Das Formkurvenblatt wurde für eine gegebene Schiffsform einmal berech-
net, wobei im wesentlichen folgende Größen in Abhängigkeit des Tiefganges benötigt wurden:
Z z=T
Spantf läche : as (T ) = y(z)dz
z=0
Z z=T
Hoehenmoment : ms (T ) = y(z)zdz
z=0
Z x=L
V olumen : v(t) = a(x)dx
x=0
Z x=L
x − M oment : mx (t) = a(x)xdx
x=0
Z x=L
W asserlinienf läche : Awl = y(x)dx
x=0
Z x=L
Breitenträgheitsmoment : Iwl = y 3 (x)dx
x=0
Zx=L
Längenträgheitsmoment : Iwll = x2 y(x)xdx
x=0
Alle Integrale wurden durch numerische Integration (i.a. Simpson oder Tschebyscheff) gelöst. Für
größere Neigungen wurden zusätzlich die Pantokarenen w für geneigte Lagen berechnet, damit ergaben
sich für ein festgelegtes KG die Hebelarme unter Vernachlässigung des Trimmeinflusses zu h = w −
KG sin ϕ. Alle Berechnungen basierten also auf dem Formkurvenblatt und den Pantokarenen sowie auf
den ähnlich berechneten Raumkennwerten (im wesentlichen Volumina und Schwerpunkte sowie freie
Oberflächen). Fast alle Bordrechner rechnen noch nach diesem Verfahren, weil nämlich verlangt wird,
daß der Bordrechner etwa das gleiche Ergebnis liefern soll wie der Kapitän aufgrund einer Handrechnung.
Demgegenüber ist es heute möglich, alle Formberechnungen, insbesondere auch Berechnungen der
Schwimmlage, auf direktem Wege durchzuführen. Naturgemäß erhält man dann andere Ergebnisse,
als man sie aufgrund der Theorie der kleinen Neigungen erhalten würde. Alle Vorschriften (mit Aus-
nahme neuerer Leckstabilitätsvorschriften) basieren aber auf dem traditionellen Handrechenverfahren,
und in vielen Fällen fordern die Klassen explizit, daß Rechnungen entsprechend dieser Verfahrensweise
durchzuführen sind.
Weiterhin wird vielfach übersehen, daß auch das traditionelle Verfahren auf numerischer Integration
beruht und die Ergebnisse daher nur eine Näherungslösung darstellen. Früher hatte man jedoch nicht
die Möglichkeit, sein Ergebnis auf Genauigkeit hin zu überprüfen, da man nicht einfach die Anzahl der
Berechnungsspanten verdoppeln konnte. Heute ist dies dagegen einfach, und man erhält eben nicht
nur die Verdängung (wie z.B. aus dem Formkurvenblatt), sondern eine Vielzahl von Verdrängungen
abhängig von der Genauigkeit der numerischen Approximation.
Des weiteren ist zu beachten, daß sich auch die Berechnungsweise ändern muß, wenn mit numerischen
Methoden gearbeitet wird. Insbesondere wird dies an den Berechnungen der Flächen deutlich: Man stel-
le sich vor, daß z.B. die Wasserlinienfläche eines Doppel-T-Trägers berechnet werden soll. Offensichlich
wird dies jeweils beim Übergang vom Steg in den Gurt schwierig, da eine Breitenordinate zumindest
für den Rechner nicht eindeutig bestimmbar ist. Ebenso wird das Wasserlinienträgheitsmoment falsch.
Da in jedem Fall das Volumen eine stetig differenzierbare Funktion des Tiefganges sein muß (da es
aus einem Doppelintegral bestimmt wird), ist es viel besser, die Wasserlinienfläche durch Diffrentiation
nach dem Tiefgang zu bestimmen. Man darf nämlich nicht vergessen, daß die Berechnung der Rück-
stellkräfte (also Wasserlinienfläche, trimmendes und aufrichtendes Moment) über Flächenberechnungen
eigentlich nur ein Hilfskonstrukt aus der Stabilitätstheorie kleiner Neigungen ist, das eigentlich entfallen
kann, wenn die Rückstellkräfte direkt durch partielle Diffrentiation bestimmt werden können. Besonders
deutlich wird dies bei der GM-Reduktion durch freie Flüssigkeitsoberflächen: Geht z.B. für einen Tank
mit quaderförmiger Grundfläche die Füllmenge gegen 0, dann wird nach der Theorie kleiner Neigungen
trotzdem das volle Breitenträgkeitsmoment für die GM-Reduktion wirksam. Dies ist jedoch offensicht-
lich Unsinn, da bereits durch eine kleine Neigung das Trägkeitsmoment der freien Flüssigkeitsoberfläche
zu Null wird. Man kann sich leicht vorstellen, daß man einem Rechner schlecht die Einsicht beibrin-
gen kann, wann eine freie Oberfläche wirksam wird oder wann nicht. Daher wird innerhalb von E4
praktisch immer mit echten Flüssigkeitsverschiebemomenten gerechnet. Manchmal fordern die Klassen
jedoch für die Ablieferungsunterlagen die explizite Berücksichtigung von freien Flüssigkeitsoberflächen
nach der Trägkeitsmomentenmethode. An diesen Stellen wird ausdrücklich eine Ausnahme gemacht.
Die -gegenüber der Handrechung- geänderte Sicht auf die Berechnungsmethodik ist wesentlich für das
Verständnis der Ergebnisse.
3 Datenmodellierung
Aus obigen Ausführungen wird deutlich, daß lediglich ein streng hierarchisch gegliedertes Top-Down-
Modell in der Lage ist, die oben genannten Anforderungen zu erfüllen. Zusätzlich ist es erforderlich,
wo immer möglich, nicht die Objekte selbst abzulegen, sondern ihre zugrundeliegende Erzeugungsregel.
Das im Rahmen des Entwurfssystems E4 entwickelte Beschreibungsmodell legt folgende Hirarchien und
Erzeugungsregeln eindeutig fest:
• Hull Domain: Ein beliebiger Teilkörper, der durch seine Geometrie laut E4-Formbeschreibung
eindeutig beschrieben ist. Einzelne Hull Domains können zum Auftriebskörper zusammengefaßt
werden. Außer ihrer Geometrie kennen Hull Domains noch die Decks und Superstructures, die
ihre obere Begrenzung bilden. Im allgemeinen werden HULL DOMAINS durch Formgenerierungs-
methoden wie Digitalisieren, Verzerren, Grafischer Editor etc. erzeugt.
• Deck: Eine in x-Richtung begrenzte Ebene, gegeben durch ein x-Intervall sowie Aufpunkt, Nor-
malenvektor und Abschnittsseite. Ein Hull Domain wird mit allen seinen Decks verschnitten.
Dadurch wird die obere Begrenzung des Verdrängungskörpers gebildet.
• Superstructure: Eine in x-Richtung begrenzte Ebene, gegeben durch x-Intervall, Aufpunkt
und Normalenvektor zur Modellierung von Aufbauten auf Hull Domains, nachdem deren obere
Begrenzung durch die Decks festgelegt ist.
• Die Positionen der Formspanten, der Schotte sowie die Eingaben des Anwenders legen ein Berech-
nungsspantraster fest.
• Aus allen in der Formbeschreibung vorhandenen Spanten werden unter Berücksichtigung der An-
wendereingabe für die spantweise Verdichtung Berechnungsspanten erzeugt.
• Die Berechnungsspanten werden mit allen relevanten definierten Decks verschnitten.
Abbildung 1: Aus Hull Domains, Decks und Superstrucures automatisch generiertes Berechnungsspan-
tenmodell. Verschiedene Farben zeigen die verschiedenen Hull Domains.
• Die Berechnungsspanten der zu einem Space gehörigen Hull Domains werden mit den zum Space
gehörigen Faces verschnitten.
• Die zu einem Compartment gehörigen Spaces werden zusammengefaßt (vgl. Abb. 2).
• Das Berechnungsmodell für Auftriebskörper sowie für jedes Compartment steht für Berechnungs-
zwecke zur Verfügung.
Die Vorteile für die weiterverarbeitenden Entwurfsprozesse, die sich aus dieser Vorgehensweise erge-
ben, liegen auf der Hand: Das gesamte Berechnungsmodell wird nach einem festen Schema automatisch
unter Verwendung von wenigen Eingaben streng hierarchisch dann generiert, wenn das Modell für Be-
rechnungszwecke benötigt wird. (Da das Modell aus Spanten besteht, sehen wir jetzt, wie vorteilhaft
gerade die Eigenschaft unserer Formbeschreibungsophilosophie ist, daß gerade Spanten besonders schnell
berechnet werden können). Dadurch ist das Modell zwanghaft immer auf dem aktuellen Stand. Folgende
berechnungstechnisch relevante Änderungen des Entwurfs werden automatisch immer mit berücksich-
tigt, ohne daß sich der Entwurfsingenieur überhaupt darum kümmern muß:
• Änderungen der Außenhautgeometrie: Häufig stellt man bei der Entwurfsoptimierung fest, daß die
Schiffsform z.B. mehr KM aufweisen muß. Für den Entwurf der Außenhaut sind neben Stabilität
vor allem Widerstandsfragen relevant, so daß Außenhautänderungen im allgemeinen parallel zu
Abbildung 2: Aus den Berechnungsspanten, Faces und Spaces automatisch generiertes Berechnungsmo-
dell für ein Compartment. Die verschiedenen Farben zeigen die einzelnen Spaces.
Diffiziler ist eine Änderung, die durch Löschen von Compartments gegeben ist. Für die Generierung
des Berechnungsmodells stellt dies kein Problem dar. Allerdings ist der Fall zu berücksichtigen, daß auf
gelöschte (bzw. nicht mehr vorhandene Objekte) bei nachfolgenden Berechnungen Bezug genommen
wird. Hier muß entsprechend nachgepflegt werden, wobei die nötigen Hinweise gegeben werden.
4 Literatur
KRÜGER, S., SCHRÖDTER, S. (1998) Leckstabilitätsberechnung und Prüfung Abschlußbericht BMBF-
Vorhaben 18S0109
SÖDING, H. (1966 Die Programmierung schiffbaulicher Berechnungen an der Technischen Hoch-
schule Hannover, Schiffstechnik 13 (1966), S. 27
SÖDING, H. (1975 Schwimmfähigkeit und Stabilität von Schiffen Universität Hannover, Lehrstuhl
für Entwerfen von Schiffen und Schiffstheorie, Bericht Nr. 11
SÖDING, H. (1998) User Manual of Programs EUMEDES and ARCHIMEDES II, Inst. f. Schiffbau,
Hamburg, Schrift Nr. 2425