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MASTER

NEGA TIVE
NO. 91-80113
1

MCROFILMED 1 99

COLUMBIA UNIVERSITY LIBRARIES/NEW YORK

as part of the
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: :

A UTHOR

RUSTOW, ALEXANDER
TITLE:

DER LUGNER. THEORIE,


GESCHICHTE UND...
PLACE:

LEIPZIG
DA TE
1910
Master Negative #

qi -<fC7//3 -X-
COLUMBIA UNIVERSITY LIBRARIES
PRESERVATION DEPARTMENT

BIBLIOGRAPHIC MICROFORM TARGET

Original Material as Filmed - Existing Bibliographie Reco

160
R929
Theorie, ^^^ohichte und
Rüstow. Alexander: Der Lü.n.er.

verb. im üuchli. ersch.


ebd.
erweit u.
Diss. v. 17. Sept. tgio, Ref. Ilensel
Erlangen, Phil. _

AV.e.t...1c«: Wohnen: nc^^^^^^^^


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MfiNUFflCTURED TO fillM STRNDORDS


BY APPLIED IMfiGE, INC. ^<h'
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DER LÜGNER
THEORIE GESCHICHTE UND AUFLÖSUNG
/

INAÜGUEAL-DISSERTATION ZUR ERLANGUNG DER DOKTOR-


WÜRDE DER HOHEN PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT DER
Cobuttlita ^nibtn^ FRIEDRICH-ALEXANDERS-UNIVERSITlT ERLANGEN
VORGELEGT VON
LIBRARY

ALEXANDER RÜSTOW •^t

AUS WIESBADEN

TAG DER MÜNDLICHEN PRÜFUNG: 28. JULI 1908

LEIPZIG / DRUCK VON B. G.TEUBNER / 1910


•^e;3^

1 '

YORWOET
Leider muß ich dieser
Erstlingsarbeit entschuldigend
schicken, daß ich voraus-
trotzdem mir die hohe Fakultät
auf die'mit iLbl-

^|l|den
If 7 Kl
t'^'*^'"'^^«'*
Ablxeferungstennin
I,;
g-äl^rte Fürsprache Herrn Professo
dreimal, im ganzen um
Hensels
mehr als ein voU
Macht lagen, verhindert wurde,
die Form der DarsteUun«
auch nur
emxgermaßen befriedigend ausreifen
zu lassen. Wenigstens' aber
ich hoffen daß die Geduld kaTn
der Fakultät dem Inhah,
vor aUem des

nicht versäumen, ihr sowohl


wie Herrn Professor Paul
Hensel der
meme Arbeit stets mit freundlichem
Interesse begleitete, auch
meinen schuldigen Dank auszusprechen.
\G>0 Weiterhin ist diese
Arbeit zu besonderem Dank
^ verpflichtet
/ memem hochverehrten Lehrer Peter Corssen, der
schon fn dem
V Gymnasiasten die Begeisterung
für die Tiefe griechischen
wie das erste Verständnis für Denkens
philologische Methode weckte,
dem unerwartet auf dies sein Gebiet und dann
Zurückkehrenden ein st ts williger
Berater und freundlich-mabnender °
Förderer war
Daß ich endlich drei Kolumnen des
Herkulanensischen Papyrus
der Logischen Untersuchungen
Chrysipps, die, wenn auch nur im
?^'P"°^* ""' ^''^''^"^ ''' -*i'^«- Geschichte
^IrrK,
unseres Problems darsteUen,
in vervollkommneter Gestalt
vorlegen
kann, verdanke ich der
außerordentlichen Liebenswürdigkeit
Professor Alessandro Olivieri
des HeL
in Neapel, der erst jüngst
durch seine
Ausgabe der Philodemischen
Schrift über das Hom'erifche
einen glanzenden Beweis
KönigsS
seiner Akribie bei der
Entzifferung ver-
kohlter und zerfallener
Schriftrollen gegeben hat, und
der meinf Bitte
um eme Kollation jener Kolumnen
durch Übersendung einer Nach-
-;»"/- Schrift des Papyrus
sTrÄ
skriptes der Neapler
Abschrift, beantwortete.
selber, als
auch des Manu-

Zum Schluß wage ich noch der Hoffnung


Ausdruck zu geben,
daß man mich mit dieser Arbeit
nicht von vornherein zu der Kategorie
J
a* %
I

l\
IV Vorwort.

derer zählen wird,


Dinge einen unwürdige!
die „auf nichtswürdige
mit dialektischen
Eifer wenden", wie das wegen seiner Beschäftigung
Piaton von einem Reden-
Problemen freüich sogar dem göttlichen
Exempel das
schreiber widerfuhr, den aber auch zum
warnenden
unauflösliche, Anonymität dafür ge-
ScHcksal durch, wie es scheint
straft hat.

Gautzsch bei Leipzig, Sommer 1910.

DER VERFASSER
INHALT
^®"*
Vorwort ....
m
THEORIE
;
Gegenstand
Erklärung der logischen Formschrift
Formular
Herleitung

.,. ^ GESCHICHTE
Altertum
NB. Da der Verfasser mit der Absicht umgeht, den philologischen
Einleitung
Teil dieser Untersuchung in erweiterter und verbesserter Gestalt er-
Vorgeschichte
scheinen zu lassen, so wird er für jeden Nachweis von Fehlem oder Von Eubulides ..'..*.'
bis Alexinos II
UnVollständigkeiten, wie sie bei der erst für diesen Zweck
erfolgten Peripatos
besonders ^^
Einarbeitung in das ganze Gebiet wohl unvermeidlich sind, Garten ' ' '

i ^^
am einfachsten unter der Ältere Stoa
dankbar sein. Mitteilungen erreichen ihn
Akademie
Adresse des Verlages B. G. Teubner, Leipzig, Poststraße
3.
Jüngere Stoa . .

Schule und Allgemeinbildung ....


Patristik .'
. .

Byzantiner. ...
^^^
Mittelalter
Scholastik
^^^
Neuzeit
Renaissance
''^
Phüoiogie .....;;: ^^^
Mathematik
V., . ,, ;./
.
\ 126
Verzeichnis der Literatur zum Russellschen Paradoxon
130

AUFLÖSUNG
1S6

I ,
Stellenverzeichnis zu den antiken Autoren
142

fr

I
M

THEORIE
):
T*- j^

--^

Seit dem Altertum ist unter dem Namen des Lügners der Trug-
schluß bekannt, daß, wenn jemand sagt 'Ich lüge',er zugleich lügt
und die Wahrheit sagt. In seinen Principles of Mathematics hat
BRusseU darauf aufmerksam gemacht, daß mit diesem Trugschluß
semer logischen Form nach ein mengentheoretisches
Paradoxon iden- •

tisch sei, das, nachdem es ron


BuraH-Porti zuerst veröffentlicht
worden war, RusseU selber- am ausführlichsten
behandelt hat, und das
deshalb nach einem dieser beiden Forscher
benannt zu werden pflegt
In einer Abhandlung der
Friesschen Schule»): „Bemerkungen zu
den Paradoxieen von RusseU und Burali-Forti«
von KGrelling und
LNelson (zu der auch HGoesch und GHessenberg
Beiträge geliefert
haben), geben die Verfasser eine knappe
und klare zusammenfassende Dar-
steUung der hauptsächlichsten modernen
angewandten Formen des Russell-
schen Paradoxons«), die es ihnen gelungen
ist, auf eine mengen-
theoretische Grundform zurückzuführen»),
mit deren Hilfe sie auch
noch zwei neue von KGrelling herrührende,
^ übrigens wenig elegante
'
Formen herleiten.
Der Einfachheit halber sei es mir gestattet,
diese Darstellung hier
zunächst zugrunde zu legen und auch die
von den Verfassern eingeführte
Bezeichnung und Numerierung der einzelnen
Formen zu übernehmen.
Pj: Das eigentliche Russellsche Paradoxon*):
„Jede Menge N ent-
hält sich entweder selbst als Element
oder nicht. Folglich gilt dies
auch für die Menge aller Mengen, die
sich selbst nicht als
Element enthalten (Y, die zu ihr komplementäre Menge:
X). An-
genommen nun, die Menge X enthalte sich selbst,
so ist sie ihrer
Definition zufolge eine sich selbst
nicht enthaltende Menge, was der
Annahme widerspricht. Angenommen aber, sie enthalte sich nicht
wäre also nicht eine der Mengen, die sich
selbst,
nicht selbst enthalten,
so wäre sie eine Menge, die sich
selbst enthält, wiederum entgegen
*
der Annahme."
P,: „Die Menge M aller Teilmengen einer Menge M ist von höherer
Mächtigkeit alsM. Dies kann für die Menge ® aller Dinge nicht

1) Neue Folge H, 8. Göttingen 1908, S. 801-334. 2) S. 303-305


3) b. 806-807. 4) e. a. Hessenberg, Abh. d. F. Seh. I,
4 (1906) S. 629.

(
4 Theorie.
Erklärung der logischen Formschrift.
5
gut zutreffen, da es eine Menge tod höherer Mächtigkeit als J) nicht
Nun existieren heute eine
Anzahl verschiedener sehr differenziert
geben kann. Diese Form ist von Russell auf P^ zurückgeführt worden." ..
\
ausgebildeter Zeichen Systeme der Art, zwischen
P^: Das Burali-Fortische Paradoxon: „Jede Menge (M) von denen ich die Wahl
Ord- gehabt hätte. Ich habe aber einen anderen
nungszahlen definiert eine nicht in ihr enthaltene Ordnungszahl. Weg vorgezogen.
Dies Die oben erwähnten antiken Ansätze hatten sich,
müßte auch für die Menge W
aller Ordnungszahlen gelten, was
langsam, um einige Stufen weiterentwickelt zu
stetig und sehr

der Definition von W


widerspricht." (Eine zweite Wendung derselben
weiteres verständlichen und verstandenen
der einfachen und ohne

Form nebst Zurückführung Zeichenschrift unserer ge-


a. a. 0. 304—305.)
bräuchlichen Handbücher der Logik.
P^: (Gleichfalls von RusseU aufgestellt): „Jeder Begriff kommt Die höchst bescheidenen Ansprüche, mit denen
sich entweder selbst als Merkmal zu oder diese bekannten
nicht. Die ersteren mögen Buchstaben und Striche aufzutreten pflegten,
„prädikabel" genannt werden, die zweiten „imprädikabel". scheinen die Erfinder
Der Be- moderner Zeichensysteme, die Größeres im Sinne
griff „imprädikabel" ist nun seinerseits entweder prädikabel führten, veranlaßt
oder zu haben, von diesen unabhänig mehr oder
imprädikabel. Angenommen, er sei prädikabel, so
weniger nach eigenem Ge-
is er, seiner Definition
zufolge, imprädikabel. Angenommen er sei imprädikabel, komme sich
> I ( schmack mit neuen Festsetzungen von vorn zu beginnen —
ein Ver-
fahren, das gegen aUe Grundsätze der
also nicht als Merkmal zu, so wäre er nicht imprädikabel.
Ökonomie und Kontinuität der
Beide Wissenschaft verstößt. Weil, infolge fehlenden
Annahmen führen also auf einen Widerspruch." Bedürfiiisses, die alten
I
Formen bisher meist sorglos und ungefähr angewandt
Die Grellingschen Paradoxieen P^ und P^ sowie der Lügner worden waren,
(P^) hielt man sie einer strengen und
in seiner aUgemeinen Form ergeben sich aus der scharfen Definition wie es scheint
ReduktionstabeUe nicht für fähig Ich denke im folgenden
den Nachweis des
S. 11; die mengentheoretische Grundform P s. ebendort.^)
erbracht zu haben.
Gegenfceüs
^
Übrigens habe ich, um nicht meinerseits in den
gleichen Fehler zu verfaUen, diejenigen
Erweiterungen des vulgären
Zeichensystems, die mir unumgänglich schienen,
soweit möglich teüs
ERKLÄRUNG DER IM FOLGENDEN ANGEWANDTEN aus der Zeichensprache der Mathematik, teils
auch aus derjenigen
LOGISCHEN FORMSCHRIFT ) I •( des Schröderschen Logikkalkuls, der sich
mir in dieser Hinsicht am
wenigsten WiUkürlichkeiten zu erlauben scheint,
Wenn es eine logische Zeichenschrift nicht schon seit Aristoteles entnommen.
gäbe (die Stoiker hatten bereits eine eigene Terminologie dafür), so
Ohne sich von den störenden und verdunkelnden Zufälligkeiten
sprachlicher Etymologie, Grammatik und Syntaktik frei zu machen,
wäre das Russellsche Paradoxon dazu angetan gewesen, zu ihrer Er- I:

findung zu führen.
wird man exakten formal - logischen Untersuchungen
in
schwerHch
Die Worte der Sprache bezeichnen im allgemeinen
über das Elementarste hinauskommen können.
und zunächst den Inhalt der Begriffe. Was aber kann stärker zur Andererseits aber
scheint es mir kein erstrebenswerter Vorteil
Verwendung einer Sprache und Schrift drängen, die von allen Inhalts- logischer Bezeichnungs-
systeme, zugleich eine Geheimschrift der in
bestimmungen bis auf Identität und Nichtidentität abstrahiert und nur sie Eingeweihten zu bilden.
Möglich, daß sich für andere Untersuchungen
die dann noch übrigbleibenden Relationen darstellt, als eine Erweiterung
die Beobachtung,
des folgenden Formulars als notwendig
daß eine gewisse Argumentationsweise, so absolut verschieden erweisen wird; für die vor-
auch liegenden und ihren Umkreis genügt es,
der Inhalt der angewandten Begriffe sein möge, stets auf
genau die-
scheint mir, voUkommen.
Ich bemerke noch ausdrücklich, daß das
selbe Weise zu genau demselben Widerspruch führt, und nachfolgende Formular
das Bestreben,
sich zum Streit über das Wesen des
dies Gemeinsame und für die Erkenntnis der Urteils und dgl. übrigens ganz
Ursachen des Wider-
indifferent verhält und nur so viel voraussetzt, daß die Urteile, die
spruchs aUein Wichtige tatsächlich als ein Einheitliches, in allen
ver-
und sofern den Gegenstand der folgenden Untersuchung bilden,
sie
schiedenen Anwendungen gemeinsam Vorhandenes sichtbar heraus
und sich jedenfaUs auf diese Form bringen
auf sich selber zu stellen? lassen. Die Fragen, welche
Eigenschaften außer den hier in Anspruch
genommenen die betr.
1) Hierher scheint auch die sog. Paradoxie der Menge V (lies Urteile etwa sonst noch besitzen, was es
„Nabla" übrigens noch für Urteile gebe
Bezeichung von GCantor) zu gehören, s. Hessenberg a. a. S. 614—620.
und wie es etwa mit diesen stehe, liegen ganz außerhalb
ihres Kreises.

^ ^
Theorie.
Formular.
I

X F(x) bezeichnet einen Begriff, der, ohne mit x


FORMULAR \ von der Wahl von x in irgendeiner gesetzmäßigen,
identisch zu sein
innerhalb desselben
a) In der Logik allgemein übliche Bezeichnungen Systems sich gleich bleibenden Weise abhängt.
Mit kleinen Buchstaben werden die Begriffe (die Prädikate Das Gleichheitszeichen = setzt die durch die
der Terme, zwischen
Urteile), mit den entsprechenden großen Buchstaben die unter denen es steht, bezeichneten Umfange einander
sie gleich.
faUenden Gegenstände (die Subjekte der Urteile) bezeichnet,
und zwar
Die Zeichen > „größer als" und < „kleiner als" werden nur im
bezeichnen identische Buchstaben identische Begriffe, Zusammenhang mit den Schröderschen Zeichen 1 und
verschiedene (s. u.) an-
Buchstaben Begriffe, die zunächst gewandt, und zwar in der in der Mathematik
als inhaltlich voneinander un- üblichen Bedeutung.
abhängig vorausgesetzt werden. =ist das Zeichen der Substitution,
z. B. o; a: „x habe den =
Die Kopula („ist^^ ^""d durch einen wagrechten Strich — zwischen
Wert < ,^ sei a". Natürlich bedarf jede solche Substitution der
dem Subjekts- und Pradikatsbuchstaben bezeichnet. Rechtfertigung ihrer Zulässigkeit.
Danach schreibt sich z. B. der kategorische Satz der Identität: > ( ^ bedeutet das entgegengesetzte; x ^ a: „x habe, oder hat, einen
-4 — a. .
anderen Wert als a."

„non" vor einem Buchstaben bezeichnet sein kontradiktorisches


Komplement, den Begriff der Sphäre aUer Gegenstände, c) Aus Schröders Logikkalkul übernommene^)
die nicht
unter den durch ihn bezeichneten Begriff fallen. Das Zeichen der logischen Multiplikation bedeutet,
daßdie beiden
Für non non a ist stets stillschweigend a gesetzt, nach der Ver- Begriffe, zwischen deren Bezeichnungen es steht, dem
betreffenden
gleichungsformel der doppelten Verneinung: a non non a. = Subjekt beide zusammen beigelegt werden sollen (konjunktiv-kate-
Durch den Schlußstrich (ergo) zwischen Sätzen wird die gorisches Urteü). Für Ä -h und A - c schreibe ich also
not- Ä-b^c.
wendige oder gesetzte Abfolge des darunterstehenden aus
dem (oder „Ä ist b und c".

den) darüberstehenden bezeichnet. Das dictum de omni et nullo in Das Zeichen der logischen Addition verbindet
die Glieder einer
seinen verschiedenen Formen wird hierbei implicite f { Disjunktion miteinander. Der Satz der
vorausgesetzt. Bestimmbarkeit schreibt sich
Unter Definition verstehe ich im engeren Sinn die
eigentliche
danach Ä-b + nonb: ,,A ist entweder b oder non fe."
kategorische Begriffsbestimmung; unter 1 bedeutet den Umfangswert einer voUständigen Disjunktion
definitorischer Bestimmung die
oder Festsetzung in einem logisch-syUogistischen System gesamte unendliche Sphäre aUer
jede Prämisse, möglichen Gegenstände. Also:
+ non
j

die nicht ein Grundsatz der Logik ist, sondern


aus der potestas de- h ft «* 1.
finiendi fließt, und die demgemäß nur dann ohne Widerspruch zu- bedeutet den Umfangswert eines Terms, unter
den keine Gegen-
lässig ist, wenn sie weder sich selber, noch einem Grundsatz der stände faUen können, der durch einander
ausschließende Begriffe be-
Logik, noch einer der etwa noch außer ihr vorausgesetzten Defi- stimmt ist. Also: a non a 0. • =
nitionen widerspricht.

d) Neueingeführte
b) Aus der Mathematik entlehnte Dem vorigen entsprechend bezeichne ich die
Qualität der Sub-
Die ersten Buchstaben des Alphabets a, h, c . . . werden zur Be- jekte wie folgt:
zeichnung bestimmter konstanter Begriffe benutzt, allgemein: Ä^ „alle ^".
die letzten . zu der allgemeiner variabler, welche, während
.
.
x, y, ^
die ersteren konstant bleiben, verschiedener
besonders: ^» „irgendwelche^) Ä'',
bestimmter Werte fähig
sind, welch letztere dann
einzehi: A^ „dieses A''.
erst jenen gleichstehen.
Natürlich ist diese Unterscheidung nur relativ innerhalb des je-
1) ESchröder, Der Operationskreis des Logikkalkuls.
weiligen Systems. Leipzig 1877.
2) EDühring für „einige".

^
"
- Theorie.

Herleitung. •

HERLEITÜNG
\ v£^t'T^^^'""^l
konnte, ist die leere der
Bestimmung, die uns hierzu Untersätze
liefern
Eine möglichst voUkommene Einsicht
in die Struktur der ge- Identität; woUen wir al,n -T^ w
meinsamen logischen Grundform
(5ß und ^,) aUer jener obigen Para-
doxieen wird sich am besten erzielen
lassen, wenn wir sie Stufe
für k.i. H "t"^".*" u
"" """' ^ ""»S-K. Sinn g«!!*) M«,^
Stufe auf bauen und uns bei dem
Ausgangspunkt und jedem folgenden
Schritt mogLchst umfassend über
Voraussetzungen und Tragweite
\
Mar zu werden suchen. Dies scheint mir
die einzige Methode, die
ein unbemerktes Hineinkommen einzige Abwe chung von
macht, was hier offenbar von der
übersehener Elemente unmöglich der Norm des einfachst möÄn fÖ"
größten Wichtigkeit ist
Das Mißliche, was an sich darin liegt, skh tml^^"^';
'" ^"*^'*''^ '^^°^^"'*''
^'^'^-'^'^^
'^^ - einstS; mit auf
eine Form l^aben, indem wir das PädikaTnilt
zuleiten, die tatsächlich
doch dem Vorbild ihrer Anwendung
prinzipiell her-
risVr>
als ""'r
y, sondern mit zwar beliebiger, aber
ihre den bisher verwandten Be
Entstehung verdankt, kommt dabei nur
an einem, allerdings kritLhen, I X griffen gegenüber eingeschränkter
Bestimmtheit als a Setzet
Punkte zur Erscheinung, indem sich ^^^^^'^^^-'^^^r ,
sonst, der logische Ausgangs- definitorischer
punkt einmal gewählt, aUes aus dem
Prinzip des einfachsten homo-
nunm!r Doppelsatz heißt

genen syllogistischen Fortschreitens II) ^sZ-nonx


ergibt. a)f~^"
Ich bemerke noch, daß durch die Reduktion der Paradoxieen
y^ — nona
" "^ '"'^ °^^' '^" ^'^*""' '' <>-i -"o
r u.
erbracht l
sem wird,
^^'""^^
daß der ihnen gemeinsame
Gfrundform (^P) zugleich der
Beweis mittefbarT
^' «* un-

spruch tatsächlich rein logischer


wesentliche Wider- 7 ^ Z— X ' a -\- non x non •
a.
Natur ist.

t f
''° ^'"'='^'' ^'^<^ "-
Die Disjunktion zwischen
einem Begriff und seiner
^f i" wr,"r''
'"\^*'''^ d«'
Bestimmtheit bringen
vorausgesetzten unbeschränkten
.

X + non:, = 1, trägt den Zwang


Negation ZI "',T Beliebiieit
ihrer absoluten Notwendigkeit <
fter-
tium non datur) und VoUständigkeit
(extra nihil datur), iLft
sie stets die absolute
Totalität aller in irgendeinem
deren ^x^h (aügemeinster Fall, x ^ a, x ^ non a)
Sinne möglichen
Gegenstande umfaßt, und stets eine
vollständige TeUung unter ihnen ^'® ^^^ander entsprechenden
festlegt, rem in sich selber. Sie gilt deshalb insbesondere
i) x~nona\ singulären FäHe.
unabhängig Die formal voUständige
l71 R
legten Begriffs, f
mdem ?
"°. '°°'*'^'° Bestimmungen des ihr
für widersprechend bestimmtes x
zugrunde ge
(= O)non x ~ 1
Disjunktion für x
xa^nonx' non a + xnona +

x^a^l
a lautet
rt^n.
wird,und femer ganz unabhängig von Das Wertverhältnis dieser
dem Subjektsgegenstand, von zu der Disjunktion ^on ^
III) fü^ die 3 Fälle
dem sie pradiziert werden möge. der Bestimmung von
x veranschaulicht
Infolgedessen ist der Satz der Be- folgende Tabelle-
stimmbarkeit der emzige nicht
hypothetische Gimdsatz der Logik
der
nber das Verhältnis zwischen Disjunktionstabelle
Subjekt und Prädikat nichts
vorauss'etzt
Nehmen wir von diesem Satz der
Bestimmbarkeit in der aU- Vollständige Disjunktion
gemeinsten Form unsem Ausgang:
Voraus-
beibehaltene Glieder
^ Z— X -\- non X. setzung weggelassene Glieder

'^7°'^*'^t.^rteU zerTallt in die beiden Hälften, zwischen


A...TX
denen eben disjungiert wird, Z-x
a) Z - non x. Wollen wir
und b)
also von hier homogen syllogistisch a) >0 >
fortschreiten, so brauchen
wir < n ^ non a
X X- a-^-nonx-nona
<1 + X ' non a + non x •
a
n
mindestens zwei hypothetische
ürteüe mit den unter a) und b) ^
x^a <
gegebenen Hälften der Urteilsdisjunktion an- ß) «• a + nona •
nona +a • non a -f non a a
als Obersätzen. Die einzTg T) \x ^ non a non a ' a -\- a non n
• n 1^
L '^__J^ "
I

I
^ \-{'non a non a + a-a
\

\

10 Theorie.
Herleitung. . 11
Wir sehen, daß in dem allgemeinen Falle a) alle 4 Glieder der for-
\ Reduktion st ab eile
mal vollständigen Disjunktion widerspruchsfrei sind, so daß die Dis-
junktion von ni) nicht mehr vollständig ist, vielmehr ihr Wert * ?/ P -Pi(a) P. p. Ps Pe P7
zwischen und 1 liegt (0<'W^< 1), daß sie vollständig nur unter ) auf ( ) Das vor ( )
der Voraussetzung ß) ist, und daß endlich unter der Voraussetzung y) / Menge folgende unmittelbar Dieser
z <P() Begriff Wort
der Wert ihrer beiden Glieder =
und III) somit widersprechend ^ () Ordnungs- ( ) ( )
vorhergehen- Satz
zahl de Element
wird. Da nun aber, wie schon gesagt, die Unbestimmtheit von x
zwischen den drei Fällen die Wahl läßt, so hindert uns nichts, die Prädikat
letzte zu nehmen X X M N M Subjekts-
M Bedeutung
dieses
inhalt des Elements
X=
Satzes
rV) non a,
P
und wir erhalten nunmehr das paradoxe Endresultat (III + IV a a X X (=0) (prädi-
auto-
I wahr
= I + n + IV) V ( kabel)
logisch

V) Z — non a ' a -\- a '


non a t

hetero-
oder, in die beiden hypothetischen Hälften zerlegt, nona nona Y Y w (imprädi- B unwahr
logisch

(V)
nona 1 \ ^— a kabel)
a)
Z— a "^ Z non a Um beispielsweise die Reduktion für die mengentheoretische Grund-
d. h. wir mit dem Anspruch auf Vollständigkeit und
erhalten eine form P wirklich durchzuführen:
zwingende Geltung auftretende Disjunktion zwischen zwei Gliedern,
deren jedes =0
und unter deren keines also ein Gegenstand
ist, entprechend dem Text bei GreUing-
fallen kann. Z zwei und nur zwei Möglichkeiten,
Oder: es folgen für Nelson, S. 306:
deren jede gleicherweise gegen den Satz des Widerspruchs verstößt. I) qp ( Jf) — M+non M [I — III] „ ... so ist qp (M) entweder
Die soeben entwickelte Form wollen wir mit Element von Jf dann wollen wir
5ß bezeichnen.
TT\ X q) {M) -M
— M ^^s
,
^ (M) — non M
cp (M) in die Teilmenge von O
,

X
5ß: I) Z— X nonx
' (log.) <p(ilf) —X ">'
<p —r
(jf )

TT\ \ Z—^ 1 \ ^ nonx rechnen, oder qp (M) ist nicht Ele-


11)^ a)
^ ^
Z—a b)
^ Z — non a
-^ (def.)
ment von M, dann rechnen wir es

in) Z— X ' a + non x • non a (i-f ii)


UI) q>{M)-M'X + nonM- Y in die zu X komplementäre Teil-

IV) X = non a menge Y von 0".


(in i, ii)
IV) M=Y [IV] „Wenn nun Y selbst Ele-
V) Z — non a-a + a non a • (in + iv) ment von M'' ist so existiert in 0,
/\r\ \ Z — nona .^ Z— a ein Element qp (F)."
(V)
^^ a)
^
—^ Z— a b) -^
^ Z— non a (V)
V) cp {¥)-¥' X + non Y-Y „Angenommen nun, qp (F)
[VJ
Führe ich in ihr nacheinander die zu der folgenden Tabelle ange-
sei Element von Y, dann wäre es
gebenen Substitutionen erhalte ich entsprechend die von
aus, so ?iZIz-_Z <PiY)-nonY
a\ },>i Element von X, nach der Definition
Grelling-Nelson P
und P^ bis Pg bezeichneten Formen
0.) mit A-
">'
<p{Y)-X ""^ (piY)-Y
(a. a. t
von X
[II a], was mit der Annahme
des Russellschen Paradoxons, und femer des von mir mit P^ be-
zeichneten Lügners, unter der Form: Jeder Satz ist entweder wahr
(X = non Y) in Widerspruch steht. Angenom-
men aber, qp (F) sein nicht Ele-
oder unwahr (I). Ist er wahr, so kommt ihm sein Prädikat zu, ist
ment von Y, dann wäre es Ele-
er unwahr, so kommt es ihm nicht zu (II). Das gilt auch für den ment von Y, nach der Definition
Satz: Dieser Satz ist nicht wahr (IV); folglich: ist er unwahr, so ist
von Y [II b], was wiederum der An-
er wahr (Va), und ist er wahr, so ist er unwahr (Vb).
nahme widerspricht."

y
.1
12 Theorie. Herleitung. 13
übrigens sei noclimals hervorgehoben, daß das allen diesen Para-
\ y. V- I) F{Fi )'-x) — x + nonx
doxieen gemeinsame sich widersprechende Resultat, daß eben paradox — x)—x
sie
a)
F(F{ ) F{F{ ) — x) — nonx
macht, nicht darin besteht, daß sich für einen Gegenstand nicht ent- F{Fi ) — x) — ä b)
F{^F{ ) — x) — non a
scheiden ließe, unter welches der Glieder einer Disjunktion er fiele ^)y

sondern vielmehr darin, daß eine vollständige Disjunktion zwischen


III) F{F{ — x) — X a + non x non a
) ' •

zwei Gliedern stattfinden soll, unter deren keines entschieden irgendein IV) X ^ non a
Gegenstand faUen kann.^) V) F(F{ ) — non a) — non a a + a non a - -

Wir bemerken aber außerdem, daß den sämtlichen betrachteten


N F{F{ — non a) — non a
) ,. F{F( — nona) — a )
Paradoxieen gegenüber ^ noch eine formale Eigenschaft gemeinsam 00 ^) F{F{ — non a) ~ a
)
^ F{F{ — non a)) non a —
ist, auch in der Reduktionstabelle bereits berücksichtigt war).
(die
Während nämlich das Subjekt Z in ^ beliebig und unabhängig war,
ist es in sämtlichen Paradoxieen P bis P^ seinem Inhalt nach als «
Jl ( * *
Funktion des Urteils selbst bestimmt, dessen Subjekt es in Z nona —
ist, also:F[(F[ ] non d) —
non a]l —
Der Unterschied wird sogleich in die Äugen springen, wenn wir Anhangsweise sei hier auch noch die sehr verwandte logische
ein Beispiel aufstellen, das Anwendungen, z. B. P^, genau
einer der Form eines anderen behaupteten Paradoxons aufgestellt, die unter
entspricht, bis auf diese Bestimmung. P^ nimmt dann die Form an: dem Namen des Lügenden Kreters (4) bekannt ist^): Epimenides von
Kreta sagt: 'Alle Kreter sind Lügner'. Nun ist aber Epimenides
Jedem beliebigen Subjekt kommt jedes beliebige Prädikat ent- selbst ein Kreter. Folglich ist auch er ein Lügner. Folglich ist seine
weder zu oder nicht zu. Kommt es ihm zu, so heiße das Subjekt Behauptung, alle Kreter seien Lügner, nicht wahr. Folglich ist er
prädikabel, kommt es ihm nicht zu, imprädikabel. Nehme ich nun auch kein Lügner. Folglich ist das, was er sagt, doch wahr usw.
/ (4).
'als Prädikat imprädikabel, so ist das Subjekt (welches es auch sei), Die gleiche Form ergibt sich bei der Entwicklung von Sätzen wie
i
wenn es imprädikabel ist, prädikabel, und wenn es prädikabel ist, 'Alles ist wahr' (2) oder: 'Es gibt keine Wahrheit'
(1) oder z. B.
imprädikabel. der Geschichte von dem Menschen, der träumt, er solle keinem Traume
Oder: Etwas ist entweder so oder nicht so; ist es so, so heiße glauben 2) (3).
es p., ist es nicht so, ip. Ist nun ip. so, ... usw. Die logische Form dieser Trugschlüsse, die in die folgende Re-
Wir sehen,wenn auch die Schlüssigkeit und die Paradoxie des duktionstabelle aufgenommen sind, möge 5ß^ heißen, und stellt sich
Resultats von der Änderung unabhängig sind, so erhalten die Para- uns wie folgt dar:
doxieen durch die verschleiernde Reflexivbezeichnung des Subjekts erst
Z' — a + non a log.
ihre Eleganz und das Überraschende, während sie ohne diese das
Aussehen leerer Dürre und absichtlicher Gesuchtheit zur Schau tragen
n) [Z' — non a]^ — z emp.

würden. in)
Z'—a Z — non a
Die = F[{F[ — non ä) — non a] ^ [Z' — non af —a ^^ [Z^ non ay — no7i a
(I + II)
so durch die Bestimmung z ]

P [B — — a \B — — non a
eingeschränkte immer noch allen Paradoxieen bis P^ gemeinsame \ IV) a)
c] c]

Form möge ^^ heißen.


B~V~ b)
B — non c def.

V) a) Z' — non a h) Z'-a + IV)


(HI
1) Wie von HGoesch, Abb. d. F. Scb. II (3), S. 325 fälscblicb vorausgesetzt s Z'—a IN Z' — non a
Wird.
(VI)
nona
b)
Z' n
(m + V)
2) Da dies der Formdes Widerspruches nach unser Schlußsatz (V) von $
ist, so ist ^ zur formalen Herleitung des gemeinsamen paradoxen Resultats 1) s. n. S. 104.
hinreichend. 2) Bei Lactanz, inst. div. III, 6.
14 Theorie.

Hier bedeutet unter IV) B ein beliebiges Subjekt und c ein be


^
liebiges Prädikat, die auch bei allen Substitutionen gemäß der Re-
\
duktionstabelle beliebig und rein formell bleiben.
Der Unterschied gegen ^ liegt darin, daß 1) die Qualität der Sub-
jekte nicht gleich bleibt, weshalb sie dort un bezeichnet gelassen werden
I
konnte, sondern je ein Übergang von allgemeinem auf einzelnes unc^.
von einzelnem auf allgemeines Subjekt stattfindet^); 2) wird ein je-
weils empirisch zu verifizierendes Urteil (II) eingeführt, das in seiner
Stellung zu (I) der Reflexivität in ^^ entspricht; und 3) spalten sich
von (III) ab die Schlußketten. Im übrigen entspricht in 5ß — 5ß^:
I - I, IV - U, III - III, V - VI.
Bringt man die Schlußketten von III bis V in lineare Anordnung,
y l
was durch die Identitäten Va = III61 und V6 = IIIal ermöglicht
wird, so entsteht jener bekannte für den Kreter charakteristische ohne
Ende in Widersprüchen fortlaufende Zickzacksyllogismus.

Reduktionstab eile

*« 1 2 8 . GESCHICHTE
z Satz Satz Traum Aussage eines Kreters

a wahr falsch zu glauben wahr


{
1) Ob einwandfreierweise, wird im III. Teil zu untersuchen sein

> <

/
ttmm

l(

Die Geburt eines Neuen ist immer ein zentraler Vorgang, und
wenn auch die ersten vorbereitenden Anfänge aller geistesgeschichtlichen
Erscheinungen sich nach rückwärts verlieren, so wird es doch
keine
gebeil, die nicht mindestens einmal, nämlich eben bei ihrer
eigent-
J t lichen Produktion, bis zu gewissem Grade einen Konzentrationspunkt
lebendigen Interesses gebildet hätte, weil eben, um es in ein anderes,
mehr physikalisches Bild zu fassen, die Möglichkeit der Produktion
in der Geistesgeschichte an eine gewisse kritische
Minimaltemperatur
gebunden ist. Auch der Trugschluß, dessen Geschichte nunmehr den
Gegenstand unserer Untersuchung bilden soll, macht von dieser Regel
keine Ausnahme. Wenn wir aber diese seine Geschichte,
insonderheit
die seiner Entstehung, nicht nur nach ihrem faktischen
Hergang er-
kennen, sondern auch in ihren treibenden Motiven verstehen
wollen,
so stellt sich einem solchen Verständnis gleich anfangs
\ eine wesent^
{ liehe Schwierigkeit in den Weg. Denn wenn ein einflußreicher und
geistvoller moderner Philosophiehistoriker das lebhafte Interesse,
welches das Altertum solchen Trugschlüssen zuwandte, für „fast
pathologisch" erklärt^), so gibt das
den Eindruck wieder,
treffend
den heute jene Erscheinung allgemein auf uns macht. Mir scheint
überhaupt, daß es außer der Form der Kunstprosa 2) kein bestimmendes
Element der antiken Geistes- und Literargeschichte gibt, das unserem
Verständnis in dem Maße fernläge und schwer zugänglich wäre, wie
die Dialektik, und halte es demnach für ein dringendes Desiderat,
daß auch für diese die Arbeit in Angriff genommen würde, die für
jene Eduard Norden geleistet hat. Da aber dieses Buch, zu dem
V der folgende Versuch der Geschichte eines einzelnen
Trugschlusses
(
eine Vorarbeit liefern möchte, noch nicht geschrieben ist, so sind
wir, wenn das Verständnis des Dargestellten nicht von vornherein
ausgeschaltet werden soll, darauf angewiesen, zunächst die all-

WWindelband in Iwan Müllers Handbuch V, 1* (1894) S. 86.


1)
Zu der wir doch wenigstens, in der Prosa Stefan Georges und einiger
2)
seiner Schüler, ein ungefähres modernes Äquivalent besitzen,
während die Dialektik
bei uns vöUig auf den Hund gekommen ist, der mit
dem Schwanz bellt.
Rüstow: Der Lügner.
2

V^ 4
18 Geschichte.
"
gemeinen Entstehungsursachen dieses Trugschlusses, die er natürlich
>. /<
größtenteils mit seiner ganzen Gattung teilt, zwar nur skizzenhaft,
aber doch mit einer Breite zu behandeln, die zu dem schmalen Wesr,
den wir dann wieder verfolgen, in einem gewissen Mißverhältnis j

steht — eine Notwendigkeit, die sich ähnlich noch an einigen I


4.i

Wendepunkten zugleich der Geschichte des Lügners und der Dia- i

lektik überhaupt, wiederholen wird. Andererseits mag auch gerade i

bei der Enge des sonst verfolgten Weges ein solcher weiterer Aus-
VORGESCHICHTE
blick an seinem Anfang und seinen Wendepunkten vielleicht nicht un- Wie symbolisch steht am Eingang des ersten Werkes der grie-
willkommen sein. Vor allem aber wird die hierdurch sich ergebende chischen Literatur, aus dem, noch in der Gebundenheit der epischen
Inkongruenz dadurch sehr restringiert, daß, wie sich noch näher zeigen Welt, das erwachende Selbstbewußtsein einer Individualität spricht^),
wird, der Lügner sowohl systematisch-logisch als historisch-faktisch Hesiods "GpTa Kai 'Hjiiepai, das Geschlecht der "Gpibec.^)
einen Mittel- und Höhepunkt der Dialektik darstellt, so daß wir ihn ) In der Tat
ist der Grundcharakter der ganzen griechischen Ent-
{
mit dem verhältnismäßig größten Rechte als Teil an Stelle des Ganzen wicklung auf allen Gebieten bis zu ihrer Höhe und noch darüber
behandeln dürfen. hinaus eristisch, oder, um mich des gebräuchlicheren Wortes zu be-
j

dienen, agonaP); in eminentem Sinne war hier der Wettkampf der


Vater und König von allem.
Das gilt auch für die Philosophie, und für sie besonders. Bei
Xenophanes erwacht das Selbstbewußtsein des Philosophen, indem
es den Siegern der gymnastischen Agone den Kranz des Ruhmes streitig
macht, „denn besser als die Kraft der Männer und der Rosse ist

( unsere Weisheit".^) Gerade in seiner Schule ist auch der agonistische


Charakter der Philosophie besonders lebendig geblieben.
Die Auflösung der alten traditionellen Bindungen, die der natio-
nale Aufschwung nach den Perserkriegen brachte, gab der ionischen
Aufklärung, indem es ihren agonalen Charakter zugleich noch ver-
stärkte, eine sozial-pädagogische Wendung^), für deren Träger uns seit
Aristoteles der Name Sophisten geläufig ist. Ihr Lehrangebot, durch
die rapid entstandene Nachfrage hervorgerufen, ging dahin, dem ein-
zelnen durch ihren Unterricht die geistige Superiorität zu geben, die

1) Vgl. ESchwartz, Charakterköpfe I, 3 (1910) 8. 5.


2)Vers 11 ff.
> 3) Jacob Burckhardt, Griechische Kulturgeschichte. dTUJviCTiKÖc und ^picTiKÖc
als synonym nebeneinander gebraucht von Aristoteles, Top. IX, 165^ 11.
4) Xenophanes fr. 2 (Diels) 11 f.; denselben Gedanken wiederholt noch später
Isokrates, Panegyricus 1. (ep. VIII, 3).
6) Auch EdMeyer, Geschichte des Altertums IV, 251, 269 weist darauf hin,
wie mit dieser Epoche „das Erziehungsproblem in den Mittelpunkt der geistigen
Bewegung tritt" und der persönliche Ehrgeiz, der früher im aristokratischen
Sport seine Befriedigung fand, jetzt beginnt, in der Bildung und der Entfaltung
der Persönlichkeit sein Ziel zu suchen. Vgl. a. desselben Vortrag über huma-
nistische und geschichtliche Bildung (1907) 5 ff.

' A. ,„,i it

1 I
20 Geschichte. Vorgeschichte.
21
ihm im privaten und öffentlichen bürgerlichen Leben nach der Devise: Geistigen das eigentliche Land der unbegrenzten Möglichkeiten
^ darsteUt,
Wissen ist Macht, den Weg zum Erfolg bahnte.^) und, frei von der Beziehung auf die unmittelbar
gegebene Realität der
Der von Anfang an ausgeprägt vorhandene agonale Charakter Physis, eine ungleich schnellere und wechselndere
geistige Beweglich-
der Philosophie erhielt dadurch zugleich eine wesentliche Steigerung/ ,
keit zuließ und forderte.
und eine Wendung zum „Eristischen" im engeren und unedleren Sinn,l f Hier nun mußte auch eine Eigenschaft eine ungleich
stärkere
denn den Gegenstand des Wettstreits unter den Philosophen bildeten'; \ Entwicklung nehmen, die zwar jeder Philosophie eignet,
aber doch
jetzt nicht mehr nur der Ruhm, sondern auch und vor allem die auf recht yerschiedene Weise, nämlich ihre Paradoxie.
!
Wer nichts
Honorareinkünfte. Wir werden heute am wenigsten geneigt sein, das 1
denkt, das nicht von den landläufig herrschenden Meinungen abwiche
Gewicht dieses ökonomischen Faktors der eigentlichen Konkurrenz, und ihnen zuwiderliefe, der wird sich ganz gewiß zu keiner
Zeit ge-
der damit, zum erstenmal in die Geschichte der griechischen Philo- rade zum Philosophen berufen fühlen. Aber während
sich die Natur-
sophie eintritt, zu unterschätzen, und werden also dem Aristoteles / philosophie im ganzen in Regionen bewegt hatte, die schon als solche
nicht völlig unrecht geben können, wenn er den Sophisten geradezu der profanen Menge unzugänglich waren und verstiegen erschienen,
als xpn^ctTiCTfic diTÖ — cocpiac definiert.^) und diese gToße aUgemeine Paradoxie ihres Wesens und ihrer Existenz
Während die vorsophistische Naturphilosophie aus der mystischen einzelne leidenschaftliche Widersprüche gegen herrschende
Meinungen
Tiefe der einzelnen und sich ihrer Einsamkeit und ihres Gegensatzes und Wertungen verschwinden ließ, mit denen ihre Vertreter nur ge-
zur Menge der sie umgebenden Menschen mit Leidenschaft bewußten legentlich aus ihrer sonstigen aristokratisch-priesterlichen
Abgeschlossen-
Denkerpersönlichkeit in produktivem Drang geboren wurde*), machte heit heraustraten, waren die Sophisten ex professo
darauf angewiesen,
die für die Sophistik charakteristische Sozialisierung die Wissenschaft ihre Zuhörer, im eigentlichen wie im übertragenen Sinne, in ihren
von den praktischen Bedürfnissen des Publikums abhängig, denen mit Häusern und auf den Straßen und Marktplätzen aufzusuchen,
und
naturphilosophischen Spekulationen wenig gedient war. Dieser Um- konnten hier den immer von neuem nötigen Beweis ihrer
geistigen
stand verhalf der Wendung auf das Gebiet der Kulturwissenschaften, Überlegenheit auf keine leichtere und wirksamere Art erbringen,
als
'die sich schon vorher angebahnt hatte ^), zu einem raschen und völligen X durch Produktion mannigfacher Paradoxieen innerhalb des
\ Gebietes der
Sieg. Der Mensch selber mit seinen Handlungen, Motiven und Be- jedem vertrauten Begriffe und Gedanken, wodurch auch die Extreme
griffen wurde Gegenstand der Philosophie. erst zu der Kontrastwirkung der unmittelbaren
Berührung gelangten.
Diese trat damit in die Sphäre der Begrifflichkeit ein, die im Während aber die bloße Behauptung des Gegenteils den Zuhörer als
gleichberechtigten Gegner herausfordert, war es die überlegenste und
1) Dies Programm entspricht prinzipiell dem heutigen Postulat einer for-
malen Allgemeinbildung, und so sonderbar uns heute Stoffe und Methoden an- wirksamste Art der Paradoxie, beide widersprechende Behauptungen
muten, so haben wir doch auch keinen Grund, den praktischen Erfolg zu bezweifeln. nebeneinander aufzustellen und so in utramque partem zu
disputieren,
Vgl. hierzu die wichtigen prinzipiellen Ausführungen AGieseckes, Neue Jahr-
eine Methode, durch welche die tiefsinnige Lehre
bücher n, 1908, 241—54, mit Nachtrag Säemann 1910, 214—20. Heraklits von der
Identität der Gegensätze in dialektische
Scheidemünze umgeprägt wurde.^)
2) Top. IX, 165* 22, nach Piatons Vorgang; die Stellen s. b. WNestle,
Plat. Protagoras (Lpz. 1910) Einl. S. 7. —
Die Abwesenheit dieses Moments bildet Ein späteres Dokument dieser Art ist uns in den dorischen sogenannten
übrigens später einen der wenigen prinzipiellen, nicht nur graduellen, Unter-
Dialexeis erhalten, von denen noch ausführlicher zu reden
schiede des Sokrates von den sonst so genannten Sophisten. Vgl. u. S. 24. sein wird-
3) vgl. KJoel. Die Geburt der Naturphilosophie aus dem Geiste der sie beginnen geradezu mit dem sie durchweg beherrschenden Leit-
Mystik.
V
Progr. Basel. 1903. Neuausg. Jena 1906. motiv „Aiccol XoToi XeTOVTQi ev Tfli '€XXdöi utto tüjv (piXococpoüviuiv ."
. .

4) vgl. HDiels. Herodot und Hekataios. Hermes XXII (1887) 436 f. Diese Methode der Antithetik, die in der bekannten Lehre des
F. Dünmiler. Akademika
(1889) S. 250. —
Die Perserkriege lösten in ähnUcher 'I »

Weise aus schon in den


Anfängen vorhandenen vorbereitenden Tendenzen die Protagoras^) „buo Xötouc eivai Trepi iraviöc TrpdTiuaToc dviiKeijuevouc
sozialen Zustände des 5. Jahrhunderts und die mit ihnen eng verknüpfte Sophi-
stik aus, wie in größerem Maßstab anderthalb Jahrhunderte später die Siege 1) Wie ich nachträglich sehe, hat diesen Zusammenhang bereits
JBernays
Alexanders den Hellenismus. Vgl. zu dem letzteren den schönen Vortrag nachgewiesen in seinem Aufsatz Über die KaxaßdXXovTec des Protacoras
Rhein
PCorssens in der Zeitschr. f. ntl. Theol. 1908, 81 ff. Beidemale war es eine Mus. VIT (1850) 466. Ges. Abh. I, 120.
Änderung im politischen Verhältnis zum Perserreich, die den Ausschlag gab. 2) D. L. IX, öl „Kai TrpuJTOc ..."
^qpri

V A
/
Vorgeschichte. 23
Geschichte.
22
diese eindrucksvolle Wendimg so geläufig geworden, daß Seneca^)
dXXnXoic'^ ihre erste und zugleich klassische programmatische Aus- v ^
auch jenen Satz des Protagoras gleich mit ihr zitierte: „Protagoras
prägung erhielt, mußte natürlich zu einer fabelhaften Geübtheit im
ait, de omni re in utramque partem disputari posse ex aequo, et de
Aufstellen von Widersprüchen führen, wie
denn ja später psychologisch
hac ipsa, an omnis res in utramque partem disputabilis
Elenktik die pädagogische Anweisung
sit".
sehr richtig Aristoteles^) seiner I
Diese Figur der irepiTpOTTri bezeichnet zunächst einen gewissen
tu)v toioutujv XÖTUiV
vorausschickt: „Trpöc be T^Mvaciav Kai ^eXeinv
Höhepunkt der im üblichen engeren Sinne sophistischen Dialektik;
touc Xötouc".
TipOüTOV Mev dvTiCTpeqpeiv eGileceai XPn
ausgebreitete Erfahrung
Entwicklung führt dann schon über diese hinaus.^)
die weitere
Eine weit fortgeschrittene Übung und \

vorausgegangen sein, ehe eine Singularität


auf diesem Gebiete mußte
Sätze bemerkt und damit die logische Form derj
gewisser aUgemeiner
bestehend, daß[^
*
entdeckt wurde, darin ^ *
später sogenannten „TrepiipoTTri"

Satz dadurch, daß er unter sich selber f äUt, seine :

aus einem solchen


Der erste, von dem uns die An- i
eigene Leugnung logisch folgt.

wendung dieser Form berichtet wird«), ist Demokrit, und zwar Wir hatten auf die Wendung von der Kosmologie zu den Kultur-

wendet er sie gegen Protagoras. Für ihren ersten Entdecker möchte wissenschaften hingewiesen, die den Übergang von der vorsophistischen

man entschieden einen eigentlichen Sophisten als Demokrit


lieber Naturphilosophie zur Sophistik charakterisiert. Innerhalb des Gebiets
ist kein Wunder, denn der Kulturwissenschaften hatte natürlich die Ethik, oder vielmehr die-
halten; daß er uns nicht überliefert wurde,
gegen- jenigen Probleme und Tendenzen, die im weiteren Verlauf zur Kon-
man wird die Form jedenfalls zuerst noch gar nicht als solche
ständlich abgegrenzt und aufgefaßt haben; die ersten Namen von stituierung dieser Wissenschaft führen sollten, von vornherein die

Sophismen kamen sogar schwerlich vor Ende des 4. Jahrhunderts auf; Anwartschaft auf eine gewisse zentrale Stellung. Aber einerseits war
bei Aristoteles fehlen sie noch, dagegen fügt
er einem solchen Xötoc die Abwendung von der Naturphilosophie noch keineswegs vollständig

. gelegentlich schon den Namen seines Urhebers hinzu.^) — sowohl Gorgias wie Prodikos haben noch nach alter Weise TTepi

Wiederum gegen die Lehre des Protagoras, die hier von Piaton h Ouceujc geschrieben^) — , andererseits blieben auch auf kulturwissen-

mit der Antisthenischen Leugnung der Möglichkeit des Widerspruchs schaftlichem Gebiet die Methode und die entscheidende Fragestellung —
identifiziert wird*), finden wir die irepiTpoTTri
angewandt im Euthydem^), nämlich die nach dem Ursprung der Moralgesetze — im Grunde
bemerkt: (der Satz des Protagoras) „boKei touc kosmologisch, nur daß der Mikrokosmos der menschlichen Kultur an
wo Sokrates . .

76 ctXXouc dvaTpeireiv Kai auiöc auiöv".


die Stelle des Makrokosmos getreten war.
hier nicht Die entscheidend konsequente völlige Abwendung von der Natur-
Ihre weitere Entwicklung ausführlich zu verfolgen
ist

deren nächsten Wendepunkt bezeichnet der Demokriteer philosophie^) imd die ausschließliche Konzentration auf die Ethik als
der Ort;
Metrodoros von Chi os, der die irepiTpoTTri seinerseits aufnahm und das Zentrum der Kulturwissenschaften, die Setzung eines eignen posi-

sie durch Umkehrung ihrer Spitze zur


Waife einer »radikalen Skepsis tiven Zieles, wenn auch nur der Richtung nach, und die Ausbildung
oubev oibev
machte. Seine Schrift üepi Ouceuüc^) begann^): „Oubeic fmu)V
TTÖiepov oibaiaev ouk oiba^ev".«) Später war dann mor. (XIV) 88, 43.
oub' auTO TOÖTO, f|
1) ep.
2)So wenig genau wir auch leider über den Gang der Geistesgeschichte
I r in jenen wichtigen Jahrzehnten unterrichtet sind, so hat man doch, besonders
1)Top. VIII, 163* 29. bei Gorgias, entschieden den Eindruck, daß die Entwicklung der eigentlich
2) Sextus Empiricus, adv.
math. VII, 389 (Diels P, 371).
philosophischen Tendenzen mit einem inneren Bankrott endet [vgl. HDiels, Gorgias
3) Z. B. Znvuüvoc XÖTOi, ö
EOeuörmou Xötoc; die Stellen in Bonitzens In-
u. Empedokles] und die natürliche Fortsetzung über diesen Punkt hinaus sich in
dex unter den Namen. Isokrates darstellt, der hinter einer mit pedantischem Fleiß gepflegten prunk-
5) 286C. 6) wohl ca. 370.
4) 8. u. S. 31. vollen äußeren Form die innere Leere extrem unphilosophischen Philisteriums
7) Eus. Pr. ev. XIV, 19, 8 (Diels
V S. 453). verbirgt.
8) Danach Lucrez IV,
469—70:
3) vgl. Galen, de elem. K. I, 487, 11 (Diels II, 1*, 570, 31).
„Denique nil sein si quis putat, id quoque nescit Ganz richtig schon bei Diogenes von Oinoanda William
4) fr. III (ed. 1907).
An sciri possit, quoniam nil scire fatetur''.

A-
24 Geschichte. Vorgeschichte. 25

der dafür unentb ehrlichen eigenen Methode — die reine Darstellung sich in Frage und Antwort bewegenden^), Methode des Sokrates aus-
der immanenten Grundtendenzen der Sophistik und damit ihre Kul- einanderzusetzen, ist hier nicht der Ort; eristisch bot sie den Sophisten

mination und die Überwindung der sie bis dahin im Bannkreis de» alten Schlags gegenüber den ungeheuren und nicht mehr zu überbieten-
Problematischen haltenden Halbheit — Sokra-
alles das brachte erst den Vorteil einer fortwährenden und ausschließlichen Aggressive*)^
tes.^) Wir können diese Wendung, deren einzelne Elemente zusammen wie dies eben der größere Hippias höchst ergötzlich veranschaulicht.
»-

eine organische Einheit darstellen, im prägnanten Sinne des Wortes^


'.

Auf dem Boden dieser Methode mußte sich das Protagoreische

in dem es besonders der Kantianer Jakob Friedrich Fries gebraucht*), in utramque partem disputari sogleich zu der Fragmethode der
'I I ; \
i y
als die anthropologische bezeichnen. dq)UKTa*) entwickeln, die für jede der beiden möglichen Antworten
I / I .

Die Form der philosophischen Darstellung und des philosophi- i


eine Widerlegung parat hatte, und ganz entsprechend die irepiTpoTTri

schen Denkens war bis dahin, wennschon erweitert und gelockert, zum dvTiCTpeqpov, dessen Wesen darin besteht, daß aus einem Satz
im wesentlichen die epische des fortlaufenden Lehrvortrags geblieben, nicht nur wie bei jener einfach sein Gegenteil gefolgert wird, sondern

die auch der antithetische Inhalt, der bei der Form der Prozeßreden daß bei Anwendung einer erschöpfenden Disjunktion mit jedem ihrer
Anlehnung fand, nicht zu sprengen vermochte. beiden Glieder aus ihm das Umgekehrte folgt. Wird hier diese

Die Heimat der epischen Form ist lonien, die der dramatischen Disjunktion als disjunktive Frage gesteUt, so befand sich der Gefragte
Athen. Athen hatte bis dahin die ionische Aufklärung rezipiert, und, in einer dialektischen Zwickmühle, aus der es nach keiner Seite ein

in dieser Rezeption, ihre Tendenz zum Subjektivistisch- Anthropozen- flntrinnen gab. Man sieht auch sofort, daß diese Einkleidung in Frage
trischen verstärkt.^) Aber die autochthone philosophische Produktivität iund Antwort die natürliche Form des dvTiCTpeq)ov darstellt, und in

des attischen Geistes war noch ungeweckt geblieben. ier Tat ist sie auch schon an der ersten Stelle, an der es uns ent-
Aus ihr erstand der „ürdialektiker"*) Sokrates. Wie seine Dia- gegentritt, obgleich in die oratio obliqua eines fortlaufenden Vor-

lektik, die spezifisch attische Form und Methode des Philosophierens, trags umgesetzt, deutlich zu erkennen.

den letzten Trumpf der Sophistik und den Höhepunkt ihrer agonalen » Es ist dies in jenen schon mehrfach erwähnten, von HStephanus
Entwicklung darstellt, das veranschaulichen uns höchst lebendig und so genannten Dialexeis*), einer Nachschrift von Vorträgen, in denen

eindringlich die mit Recht so genannten „Sokratischen^^ Dialoge seines um 400 ein übrigens unbekannter Popularsophist den staunenden
Schülers Platon^), insbesondere der größere Hippias.^) Die anthro- Provinzlern einer abgelegenen Kleinstadt dorischen Idioms von den
pologische Bedeutung der im spezifischen Sinne „dialektischen", d. h. neuesten schwindelerregenden Errungenschaften der modernsten athe-
nischen Philosophie berichtet.^) Das Thema des vierten dieser Vor-
1)Über Sokrates' Verhältnis zur Sophistik, das wohl richtiger als Teil-
träge war TTepi dXaGeoc Kai i|i€ubeoc. In dessen zweitem Teil findet sich
nahme denn als „Anhängerschaft" zu bezeichnen ist, vgl. die Zusammenfassung
von Anathon Aall: Sokrates —
Gegner oder Anhänger der Sophistik?, in Philo-
sophische Abhandlungen MHeinze gewidmet (1907), 1—13. 1) Ich gebrauche im allgemeinen „Dialektik" und „dialektisch" in dem uns

2) Sein Hauptwerk Neue oder anthropologische Kritik der Vernunft, 3, Aufl.,


heute geläufigen allgemeineren Sinne, nach dem es etwa den weitesten Umkreis
Heidelberg, 1828—31. alles dessen bezeichnet, womit sich Aristoteles im IX. Buche seiner Topik, den

3) vgl. PWendland Gercke-Nordens Einleitung I (1910) 335.


in sogenannten CoqpiCTiKol "GXeyxoIi beschäftigt.
4) KJoel, Der und der Xenophontische Sokrates (1893—1901) 1,
echte • 2) vgl. Ar. Top. IX, 183*^ 7 —
8: „CujKpdTr]c riP^^a, dXX' oOk dircKpiveTO- u;|lio-

184—202, H, 1, Iff. Vgl. a. RHirzel, Der Dialog I (1895), 68 ff. Xö^ei Top o\)K ei&^vai.'^
"
5) vgl. a. Jogi I, 5.'}9 und Der Xötoc CuixpariKÖc AfGdPh XX (1895) 3) Euthyd. 276 E: „irdvx', Iqpiq, d» CujKpaTec, ToiaOxa i^iucic 4pujTU)|Li€v äqpUKxa
S. 60 ff. Wenn Joel neuerdings —
Piatons „Sokratische" Periode und der Phae- 4 4) Ausgaben: EWeber in: Philologisch - historische Beiträge Wachsmuth
don. Philosophische Abhandlungen MHeinze gewidmet (1906), 78—91 —
auch überreicht 1897) S. 33—51; HDiels, Fragmente der Vorsokratiker II*
(Lpz.
in diesen Dialogen Antisthenes-Rezensionen sieht und sie unter den Phaedon her- (1907) S. Literatur (u. die älteren Ausgaben) EWeber a. a. 0. p. 36;
635—648.
unterrückt, so wird diesen Exzeß wohl selber von denen kaum jemand mitmachen außerdem FDümmler, Akademika (Gießen 1889) p. 250, 259; dag. ThGomperz
wollen, die, wie auch ich selber, seine Methode an sich für höchst fruchtbar, DLZ.X (1884) p. 1340; EWeber Philologus LVÜ (1898) S. 64—102; WNestle, Die
aber allerdings einer besonders vorsichtigen und maßvollen Anwendung für be- Vorsokratiker (Jena 1908) 101, Übersetzung 228— 37 ders. Philologus LXVII(1908)
;

dürftig halten. bes. S. 579—81; ERohdes Rezension von Bergk jetzt Kleine Schriften I (1901), 327— 35.
6) vgl. den schönen Aufsatz OApelts, Die beiden Dialoge Hippias. Neue • \ 5) Zu diesen wird auch sicherlich eben unser dvTicTp^qpov gehören und also
Jahrbücher 1907, 630—58. rohl nicht lange vorher erfunden worden sein.
tmm

26 Geschichte. Vorgeschichte. 27

nun folgende Argumentation^): „ai Tcip Tic eptuidcei tujc XercvTac, ibc 6 Lügner. Die Vorgeschichte seiner logischen Form hat uns bis
auTÖc XÖTOC ein n/eucTac xai dXa0ric, öv auTOi Xe'TOVTi, Tröiepöc ecTiv ai • jetzt beschäftigt. Um auch seinen Inhalt und seine Tendenz im
Mev Mieucxac, bäXov öti buo evri* ai b' dXaOric, kqi ipeuciac 6 auroc outoc." Zusammenhang mit der Lehre der Schule, der er seine Entstehuntr
Wenn der Verfasser auch „ganz von den Gedanken der großen verdankt, zu verstehen, werden wir aber zunächst auf diese eingehen
Sophisten — vor allem des Hippias —
lebt" 2^, so werden wir doch müssen.
nicht mehr mit Wilamowitz^) Sokratischen Einfluß bezweifeln wollen,
als dessen Bestätigung es uns vielmehr gelten wird, wenn derselbe*)
auf die unverkennbare Zusammengehörigkeit der Dialexeis mit den Keine Philosophie stand je in so unmittelbarer Entstehungs Ver-
Richtungen hinweist, die Piaton im Euthydem und Aristoteles im bindung mit der Persönlichkeit ihres Stifters wie die des Sokrates^),
neunten Buche der Töpik bekämpfen.^) Daß eben unser dvTiCTpecpov weil ihr Kern und Inhalt keine Lehre, sondern unmittelbar die Indi-
nur auf dem Boden der Sokratischen Frage- und Antwort-Dialektik vidualität war, deren Lebens- und Entfaltungsform sie darstellte. Die
erwachsen sein kann, darauf war schon hingewiesen worden; aber Individualität aber ist einmalig und einzig. Was er seinen Schülern
überhaupt, wenn der Verfasser sich schon zweifellos als Hippiasschüler geben konnte, war außer dem unauslöschlichen Eindruck dieser
verrät, so vergleiche man ihn doch einmal mit dem offenbar gut Individualität, der für alle das Erlebnis des Menschen und des
karrikierten Hippias der beiden Platonischen Dialoge, um die Stärke Philosophen, für Plato auch das Erlebnis des Künstlers wurde, nur
des Sokratischen Eioflusses zu ermessen, unter dem er steht.^) Für die Form dieser seiner Methode. Daraus entsprang bei allen So-
einen Sokratiker möchte ich ihn deshalb nicht etwa erklären, wohl kratikern ein Sättigungsbedürfnis nach theoretischem Lehrgehalt, das
aber für einen in der Atmosphäre der Sokratik lebenden und stark sich auf die Dogmen der anderen Schulen angewiesen sah^), mit
von ihr beeinflußten Hippiasschüler. * Wirkung nach vorwärts oder rückwärts, je nachdem, ob anderer
Von den vielen Einkleidungsformen, in denen das dviicrpecpov philosophischer Einfluß dem des Sokrates erst folgte oder schon

^
auftritt^), interessiert uns hier nur eine einzige — nämlich eben unser vorangegangen war.^)

1
1) IV, 6. WNestle, Philologus LXXXVII, 509.
2)
1) s. a. Zeller II, l^ 44.

Commentariolum grammaticum III, 2, Index Rcholarum Gottingensis Hier, in ihrem Verhältnis zu den Vorsokratischen Systemen, scheint mir
2)
3)
S.-S. 1889, p. 8. 4) Ibid. p.
auch die tatsächliche Einseitigkeit der sogenannten „einseitigen Sokratiker" Piaton
7.

5) vgl. KJoel, Sokrates I, 398—402. Dies Verhältnis verdiente eine Spezial-


gegenüber zu liegen, nicht, wie man gewöhnlich meint, in ihrem Verhältnis zu
untersuchung im einzelnen, deren Resultate um so wertvoller sein könnten, Sokrates.
als
3)* Daß bei Eukleides, ebenso wie bei Antisthenes, das letztere der
die Dialexeis zweifelsfrei und ziemlich genau datierbar sind.
Das gemeinsame
Verhältnis zu Hippias läßt an Antisthenes denken, die bei D. L. II, Fall war, damit stimmen ebensosehr die überlieferten historischen Nachrichten
107 als
für Eubulides charakteristisch bezeichnete Methode des (vgl. DHenne, llcole de Megäre [Paris 1843] 20 if.; Zeller II, 1*, 245), wie die psy-
^vicTacBai raic öiro-
beiEeciv ou Kaxa XrijaiaaTa, äXXa kqt' ^Tricpopdv nebst anderem chologische Wahrscheinlichkeit; dafür scheint mir auch die bei Cicero Ac. pr. IL
an Eubulides.
Doch werden die latenten Gegensätze der verschiedenen Sokratesschüler wohl 129 überlieferte biaboxr) zu sprechen, die doch mehr sagen will als Aristokles
erst nach des Meisters Tode stärker hervorgetreten
sein, und der Wert einer
b. Euseb. praep. ev. XIV, 17, 1. Am
entscheidendsten aber, obgleich man
Untersuchung wie der hier geforderten könnte durch Zurückhaltung in dies Argument nach den heute noch geltenden Begriffen als ^nur' psychologisch
solchen
Differentialzuweisungen sicherlich nur gewinnen. und also subjektiv ansehen wird, die Nachricht D. L. H, 107: „töv bici irapaßoXfic
6) Die Möglichkeit, an die nach Trieber noch EdMeyer (Gesch. d. Altertums
XÖYOv dvripei", mit nachfolgender ausführlicher Begründung. Denn die irapaßoXr],
1

IV, 267) denkt, daß nämlich Hippias selbst der Verfasser '
wie Eukleides es nennt, war eine so absolut grundlegende Form des Sokra-
der Dialexeis sein
könnte, wird hierdurch vollends ausgeschlossen. tischen Denkens, dabei völlig selbstverständlich überall angewandt und auch gar
Chrysipp schrieb eine eigene Abhandlung TTepl dvTicrpetpövTWv nicht etwa als zulässig behauptet und dadurch zur Diskussion gestellt, daß eine
7)
\6fwv Kritik gerade hieran wohl keinem, der den Einfluß des Sokrates als ersten er-
Kai cuvTl^^^vwv a' D. L. VII, 194. Der Name sonst: Gellius V, 10, 1; 11, 1; IX,
Africanus ad leg. Falc. Dig. XXXV, 2, 88; als Femininum Chir. fuhr, hätte beikommen können. Sehr begreiflich ist es dagegen, daß jemand,
16, 7;
Fortuna-
tianus, Halm, Rhet. Lat. min. 83, 14. der aus der einförmig- strengen Schule des begrifflichen Denkens der Eleaten
Gegen die ^Troxn angewandt bei Clemens
AI. Strom. VIII, 5. Hierher gehören auch der
KpoKoöeiXiTnc mit verschiedenen
kam, an dieser Denkgewohnheit des Sokrates —
die regressive Induktion für
Spielarten und der später auf Protagoras und Euathlos
übertragene Honorar-
einen prätendierten Analogiebeweis haltend —
Anstoß nehmen mußte. Übrigens
prozeß zwischen Korax und Teisias, dessen nicht uninteressante ist diese Kritik jedenfalls auch ein starker Beweis von Eukleides' Selbständig-
Geschichte ich
anderwärts zu behandeln gedenke. keit Sokrates gegenüber.

<;
28 Geschichte.
Vorgeschichte.
29
Unter denen, welche die dämonisch- geniale Persönlichkeit des- nur ein Einziges Vollkommenes, Unveränderliches, Homogenes
zugrunde
spießbürgerlichen Originals^) von allen Seiten in ihre Sphäre zog^ liege, das alle Realität in sich vereinige, während das
ihm Entgegen-
war nun auch ein Schüler der Eleaten, Eukleides von Megara. gesetzte, das Schlechte also, irreal sei.^)
Die Verbindung Sokra tischer ^) Form und Richtung mit Eleati- Aber das Wahre Wort des Parmenides bedeutet ein
absolutes
schem Inhalt, die so entstand, war keineswegs eine äußere Mischung Ziel und Ende, durchaus keinen Anfang der Spekulation,
und durch
heterogener Elemente.^) Nicht nur gravitierte die induktiv-regressive seine Transposition ins Ethische hatte es,
statt irgend an Fruchtbar-
Untersuchungsmethode des Sokrates naturgemäß nach dem reinen keit zu gewinnen, nur die Sterilität seiner grandiosen Erstarrung auch
Begriff, der als alleiniger Bestimmungsgrund des Seienden das Fun- auf dies Gebiet des individueUsten Lebens übertragen.
Da also in der
damentalprinzip der Eleatischen Lehre bildet*), sondern auch auf dem positiven Hälfte auch des Eukleidischen Systems
mit der absoluten
Wege der Leugnung der Realität des dem Guten Entgegengesetzten Einheit die absolute Unfruchtbarkeit herrschte, so
säten sich die Me-
war schon Sokrates vorangegangen, indem er zwar nicht das Schlechte gariker auf die negative Hälfte gewiesen, die aUein
Mannigfaltigkeit,
selber, aber doch seine subjektive Ursache als eine bloße Privation,, die notwendige Voraussetzung jeder Bewegung und
Betätigung, drrbot'
nämlich das Fehlen des rechten Wissens, betrachtete. Endlich ist freilich auch nur als Objekt der Bestreitung,
die sie, nach Zenons des
auch daran zu erinnern, daß die Eleatische Einheitslehre bei Xeno- Eleaten Vorgang, indirekt durch deductio ad absurdum
ausführten. 2)
phanes entschieden auch mit aus ethischen Motiven entsprungen In der Tat lag diese Weiterbildung der Sokratischen
Methode, wenn
war^), so daß sich gewissermaßen bei Eukleides der Kreis wieder schon der Kern der Persönlichkeit fehlte, aus dem sie
bei dem Meister
schließt. Denn so ergab nun die Vereinigung von Eleatik und So- stets von neuem lebendig entsprungen
war, äußerlich nahe genug;
kratik die Lehre des Eukleides, daß all den vielen Namen, Weis- auch Sokrates wenn auch auf sehr besondere Art, irpöc TouvojLia
hatte,
heit, Gott, Vernunft usw., mit denen man das Gute bezeichne, letztlich disputiert^), und
dem gewöhnlichen non liquet des Resultats
bei
brauchte man nur den Ton etwas mehr auf das
Nichtwissen des
1) Ich kann es mir nicht versagen, hier auf die Darstellung Jacob Burck- andern als auf das eigene zu legen, wie es der Meister in dem
hardts des fipujc dpxriT^xric der modernen historischen Einfühlung: Griech. Kul-
turgeschichte III, 383 hinzuweisen. Diese prächtige Schilderung scheint mir zu-
1) D. L. II, 106. Cic. Ac. pr. IL 129.
gleich das kräftigste Gegenmittel gegen die alte noch keineswegs überall völlig
überwundene Auffassung des Sokrates als eines mehr oder weniger pastoren- 2) DHenne in seiner wertvollen
Monographie über die Schule von Megara
169 prägte hierauf das Bonmot: „Eubulide est le Zenon d'un
haften „Tugendlehrers". p. autre Parmenide "
Jedoch besteht hier zwischen der Eleatischen und der
2) Die alte Auffassung, die auch noch HvArnim z. B. vertritt (Leben und Megarischen Lehre ein
tiefgreifender Unterschied der logischen Struktur,
Lehre des Dio von Prusa, [1898], Einleitung S. 9, 16, 22, neuerdings wieder- der, soviel ich sehe, bis jetzt
unbeachtet geblieben ist. Der positive wie der negative Teil
holt in seiner Dogmengeschichte der antiken Philosophie, Kultur der Gegenwart der Eleatischen Lehre
hat zum Subjekt die Welt, das Seiende, von dem
I, 5, [1909], S. 143), die sowohl den Sokrates von einer Vorsokratischen nachgewiesen wird, daß es Eines
und nicht Vieles sei. Infolgedessen folgt aus der Widerlegung
„Dialektik" (im engeren Sinne) abhängen, als auch die Megariker dann wieder der Vielheit des
Seienden unmittelbar seine Einheit, und so waren die
in diese zurückfallen läßt (so auch Windelband a. a. 0. 83 f.), scheitert vor allem Zenonischen Widerlegungen
Stutzen am Throne des Einen und durften einen
an der Nichtexistenz jener angeblichen dialektischen Sophistik, deren Bild viel- Anteil an seiner Dignität für
sich beanspruchen. Die Lehre des Eukleides dagegen redet in ihrem positiven
mehr nur aus Piatons Angriffen gegen eristische Sokratiker konstruiert ist
Teil von dem Guten, dessen Realität und Einheit
(s. u. S. 36) und reduziert außerdem eigentlich die Leistung des Sokrates auf
,
sie behauptet, in ihrem nega-
tiven von dem Schlechten, dessen Realität sie
den wenig glücklichen Versuch, die eristische Dialektik seiner heillosen leugnet. So fehlt ihr in der Tat
yoUig jene Geschlossenheit, deren Schein sie durch
sophistischen Vorgänger mit Tugendstrenge und wissenschaftlichem Ernst zu die formale Ähnlichkeit mit
ihrem großen Vorbild erweckt. Ihr positiver und ihr
paaren. negativer Teil stehen logisch
unverbunden und unabhängig nebeneinander, aus der
Neuerdings mit Wärme hervorgehoben von Max Wundt, Geschichte der
3) Irrealität des Schlechten
folgt ebensowenig die Realität und Einheit des Guten wie umgekehrt.
griechischen Ethik
I, 417 ff. früher schon, jedoch wie mir scheint mit unrichtiger
;
Dies
logische Verhältnis scheint mir nicht nur die tiefere
Begründung, KFHermann, Gesch. u. Syst. d. Piaton. Philos. I (1839) 272. Wurzel des inneren Un-
bestandes der Megarischen Schule und das Motiv, warum
Wobei jedoch der bereits Eubulides,
4) so bestimmte Gegenstand wie bei allen Vorsokratikern noch mehr seine Nachfolger, auf eigentlich Eleatische
die materielle qpucic blieb und auch das Wesen der Methode noch nicht ins Lebren zurückgriffen!
sondern es stellt auch den negativen Teil der Lehre
allein auf sich selber und
Bewußtsein trat. Vgl. OGilbert, Rhein. Mus. 64 (1909) 185—201 AfGdPh. XXI, ;
»immt ihm dadurch den gleichsam moralischen Halt, den er an der Dignität des
429 f.; XXni, 405f.
^0 auch seinerseits absolut isolierten positiven Teils hätte finden können
5) vgl. die bekannten fr. 11 und 12 (Diels). ^ 3) D. L. IX, 52.
30 Geschichte. Yorgeschichte. 31

Reichtum und der Anmut seiner Ironie immer wieder gewandt hatte, Orientierung zu ermöglichen aus ihrer dialogischen Form gelöst,
um auf dem kürzesten Wege bei der eristischen Elenchik eines hierher^):
Alexin OS anzulangen.^) Eukleides hatte eben das moralische Prinzip,
4. These: [oux] oiov t* eivai ijjeubec0ai. (283 E)
das bei Sokrates lebendiger Mittelpunkt gewesen war, dadurch, daß
Beweis: [oiöv t' ecTiv ouk aWujc r\] XeTovia tö TrpäT|ua, Tiepi ou
er Eleatisch dogmatisierte, unfruchtbar gemacht, und „Methode ohne
Gehalt führt zu leerem Klügeln".^)
av ö XÖToc ^. [Ktti] eiTiep [tic] Xerei auTÖ, ouk dWo \efei
r\ eKeivo öirep \ifei, ev |uf]v KaKeivo t' tCTiv tujv ovtujv,
o XeYti, XuiJpic TUJV aXXuiv. ö [b'] eKeivo Xefujv t6 öv XeT^i.
ö ye TÖ öv Xe-foiv Kai Tct övtq Xerei. ujCTe, eiTiep XeT€i Tct

* *
övTa, XeTei TdXnen Km oubev M^eubeTai. (283 E—284 A)
5. These : oubeic tci |uri övTa XeTei. (284 B)
i] Beweis: Tot |Lif] övTa ouk ecTiv. ouba)uou Td ye }xr] övTa övTa ecTiv.

Auf dem Gebiet des dem Guten Entgegengesetzten [OUKOUV] eCTlV ÖTTUJC TTCpl TttÖTtt TTpdHeieV dv TIC Tl, ÜJCTe Kttl
aber, dessen
IiTealität so den Megarikern als Gegenstand indirekten Beweises auf- eivai TTOirjceiev dv Td |Lir|ba)uou övtq. tö [be] XeTCiv irpdTTeiv
gegeben war, bot sich ihnen, weil selbst zugleich auch auf dialektischem Tc Ktti TTOieTv ecTiv. OUK dpa Td fe )xr\ övTa XeTCi oubeic,
Boden liegend, als naheliegendes Objekt die Lüge an, und ihr gegen- TTOioT Tdp dv fjbTi Ti, tö be )uf] öv ouk oiöv t' ecTiv luribeva
über mußte die Konsequenz der Megarischen Lehre zu der Behauptung TToieiv. ujCTe, eiirep [tic] Xexei, Td övTa Xerei. (284 B — C)
führen: ouk €Ctiv i|i€ubec6ai.^)
7. These: OUK eivai dvTiXeyeiv. (285 E)
Diesen Satz nun finden wir in der Tat bei Pia ton, auf dessen
Beweis: eiciv eKdcTUJ tujv ovtujv Xötoi, luc ecTiv eKacTOV. TauTd
Dialoge wir ja, bei dem fast völligen Untergang des schriftstellerischen
[be] XeYOijuev [dv] tou auTou TtpdTiuaToc Xöyov djuqpÖTepoi
Nachlasses der übrigen Sokratiker, als auf eine Hauptquelle für die
XeTOVTec* ÖTav ydp töv tou TTpdfjLiaToc Xöyov
Kenntnis der von ihm bekämpften Lehren seiner Sokratischen Schul- ü iiiTibeTepoc

XeTri, [ouk] dv dvTiXeTOijiiev ' [ou Tdp] oub' dv |ue)uvT]jaevoc


genossen angewiesen sind, und zwar im Euthydem.^) Hier stehen, wie
eiTi TOU TTpdTinaTOc oubeTepoc fi)uujv. dXX* ÖTav efuj |uev
man leicht sieht, der 4., 5. und 7. in der Reihe der eXcTXOi; die Piaton
TÖV TOU TTpdTjuaToc XÖTOV XeTUJ, cu be dXXou tivöc dXXov,
von dem eristischen Brüderpaar produzieren läßt^), nicht nur dem Gang
TÖTe [ouk] dvTiXeTO)uev, [dXX'] eTÜJ XeTUJ luev tö TrpdT|ua,
des Dialoges nach sondern auch sachlich in einem gewissen engeren
cu be oube Xeyeic tö TrapdTiav. ö be }ir\ Xeyujv tuj Xctovti
Zusammenhang miteinander. Ich setze sie, um eine leichtere logische
[ouk] dv dvTiXeToi. (285 E—280 B)
1) vgl. Hv Arnim. Dio. 9. Zwar hat jeder dieser drei Beweise sein besonders formuliertes
2) Goethe, Farbenlehre II, 1, 3, 16. thema probandum, aber 4 und 5 sollen (wie auch 6) gemeinsam dazu
3) Die logische und die moralische Bedeutung von vpeubecGai sind im Grie-
chischen überhaupt sprachlich nnd deshalb auch gedanklich nicht klar ge-
dienen, das KaTaipeubei,
das der erboste Ktesippos dem Dionyso-
schieden. Im Moralisch-Qualitativen ging der Paradoxie des Lügners auch die doros an den Kopf geworfen^), zu widerlegen, und werden auch
These des kleineren Hippias voraus: „ö auTÖc viiiubnc re Kai d\r]0nc." 369 B. vgl. ausdrücklich von Euthydemos einander gleichgesetzt. ^) Ausdrücklich
Ar. Met. IV, 29 (1025* 6—13)..
4) Ich möchte nicht dahin mißverstanden sein, als teilte ich die An- 1)Ausgelassene Worte blieben unbezeichnet, zugesetzte sind in eckige
schauung derer, die in solchen polemischen Beziehungen den wichtigsten oder Klammern eingeschlossen. Ästhetisch und sprachlich muß ich wegen der ziem-
gar den einzig wichtigen Inhalt Platonischer Dialoge erblicken. Aber daß lich barbarischen Prozedur um Nachsicht bitten. Ohne dadurch textkritisch ihm
solche polemische Beziehungen auch vorhanden gewesen sein müssen, scheint beitreten zu wollen, habe ich einiges von Badham in seiner Ausgabe (1865) als
mir von vornherein klar, und daraus ergibt sich für uns die Aufgabe, sie da, Glossen Ausgeschiedene fortgelassen, sofern es mir jedenfalls für den logischen
wo sie vorhanden sind, zu eruieren. In dem obigen Zusammenhang interessiert Fortschritt der Argumentation entbehrlich schien.
uns aber der Euthydem nur in bezug auf einen Teil dieser Aufgabe. 2) 283 E.
5) Ich folge Bonitzens Zählung, Platonische Studien» (1886) 93 ff. 3) 284 A: „€i7r€p X^yei jä övxa, X^y^i TocXriGf] Kai oub^v HieObeTai."

y
7

Vorgeschichte. 33
32 Geschichte.

nebeneinandergestellt werden zwar auch These 4 und 7^), diese aber Tätigkeit, die das Ausgesprochene zum Objekt hat. Folglich läßt sich

nicht wie die vorigen mit als selbstverständlich präsumierter Gleich das Nichtseiende auch nicht aussprechen. Nun heißt aber Lügen etwas
Setzung, vielmehr fragt Sokrates erst mit einiger Ausführlichkeit aussprechen, was nicht ist. Folglich ist es unmöglich zu lügen.
danach, und läßt es sich von Dionysodoros ausdrücklich zugeben. Vergleichen wir nun die beiden Thesen, die sich uns ergeben

Auch werden sie gar nicht eigentlich, wie vorher 4 und 5, einander hatten (4 —5 und 7), mit diesen beiden Beweisen (4 — 7 und 5) auf
gleichgesetzt, vielmehr geht Sokrates von 4 aus und läßt sich zu- ihre natürliche innere gegenseitige Zusammengehörigkeit, unabhängig
geben, daß 7 als Konsequenz darin enthalten sei und daraus gefolgert; von der bei Piaton sich ergebenden dialogischen Zuordnung
werden könne: „toöto yctp buvaiai 6 Xotoc." Die drei Thesen These Beweis
4, 5j
und 7 reduzieren sich also auf zwei 4 —5 und 7.
' 4 (5) - 4 (7)

Vergleichen wir die drei Beweise miteinander, so ergibt sich\


5 (4) - 5
zunächst, daß der 4. und der 7. tatsächlich identisch sind und nur 1 - 7 (4),

unwesentlich in der äußeren dialogischen Einkleidung voneinander ab- t die vielmehr das sachlich Zusammengehörige doppelt chiastisch ver-

weichen. Den beiden gemeinsam zugrundeliegenden Gedankengang tauscht, so ist ohne weiteres ersichtlich, daß sachlich Beweis 4 —
können wir etwa so formulieren Jedem Ding ist sein ihm zukommendes
:
zu These 7 imd Beweis 5 zu These 4 —5 gehört.

Wort umkehrbar eindeutig zugeordnet. Von demselben Ding können Gründen gewonnene Resultat wird
Dies aus inneren logischen

also nur identische Worte ausgesagt werden, und verschiedene Worte bezüglich desZusammenhangs von These 7 mit Beweis 4 (7) und
müssen sich auf verschiedene Dinge beziehen. Das Wesen des Wider- der Absonderung von These 4 (5) aus diesem Zusammenhang be-

spruchs aber soll darin bestehen, daß von demselben Ding wider- stätigt durch die doxographische Überlieferung, die uns für These 7
sprechende, also auch voneinander verschiedene, Worte ausgesagt mit ihrem Beweis zugleich den eupeiric nennt: Antisthenes, zu

werden. Das findet aber keinesfalls statt. Denn entweder es beziehen


dessen dialektisch- antidialektiseher Stellung die These ebenso paßt,
sich die beiden Worte wirklich auf dasselbe Ding (I), dann müssen wie der Obersatz des Beweises sich nur aus seiner .Prodikeischen
sie auch miteinander identisch sein. Oder die beiden Worte sind von- Sprachphilosophie richtig verstehen läßt.^) Die HauptsteUe hierfür
t

einander verschieden (II), dann beziehen sie sich auch auf zwei von- 1) vgl. Cratylus 383 A „övö|aaTOC öpOÖTT^ra elvai ^Kdcxuj tojv övtujv q)\jcei
einander verschiedene Dinge, von denen entweder höchstens eines (IIa) 7r€9UKmav^^ (dazu Joel II, 1, 140) Euthyd. 277 E; D. L. VI, 17; Epictet. diatr. I,
17, 12 (Antisthenes fr. XII, 1 Winckelmann). Dagegen widerstreitet dieser Beweis
oder sonst keines (IIb) mit dem vorliegenden identisch ist. In keinem
den Anschauungen der Megariker, die lehrten „?v tö dToOöv iroWoic övö|Liaci
der drei FäUe aber kann ein Widerspruch zustande kommen. ) KttXouiuevov" (D. L. II, 106), aufs schärfste.
Denkt man sich einen (behaupteten) Widerspruch gegeben, dessen Übrigens ist an unserer Stelle, um mich moderner Terminologie zu be-
eines Glied — unter Voraussetzung des Falles (IIa) — wahr, dessen dienen, vom Verhältnis des (Subjekts-) Begriffs (und -Wortes) zum Gegenstand,
nicht von dem des Subjekts zum Prädikat die Rede, wie fast allgemein ange-
anderes falsch sei, betrachtet weiter nur dieses (angeblich) falsche | nommen zu werden scheint. (Vgl. Dümmler, de Antisthenis logica 1881, Kl.
Glied, von dem jedenfalls die Voraussetzung (I), daß es sich auf dasj Schriften I, 1901, S. 1 ff. —
Zeller 11, 1* S. 293—94, wo auch die Über-

Ding lieferung zusammengestellt ist. Dagegen, wie ich nachträglich sehe, MMaier,
betreffende beziehe, als erfüllt angenommen wird, läßt von dem eben
Die Syllogistik des Aristoteles II, 2 (Tüb. 1900) 12 ff.) Die Meinung des Anti-
wiedergegebenen Beweis 7 nur dasjenige stehen, was sich auf eben sthenes scheint mir vielmehr diese zu sein: Es gibt einfache und zusammen-
dieses Glied bezieht, und stellt die übriggebliebenen Stücke so um, gesetzte Dinge. Den einfachen Dingen sind die Grundbegriffe bzw. -Worte ein-
wie sie aneinander schließen, so erhält man den Beweis 4.
j

/
deutig zugeordnet —
2v ^qp* kvöc, , —
ihre Definitionen sind also identische
Urteile; die Definitionen zusammengesetzter Dinge enthalten im Prädikat die Be-
Demgegenüber läßt sich der Gedankengang des 5. Beweises griffe der Gegenstände, aus denen der Subjektsgegenstand zusammengesetzt ist.
so formulieren: Das Wesen des Nichtseienden besteht ausschließlichj Das scheint mir eine sehr vernünftige und richtige Überlegung, die erst durch
eben darin, daß es nicht ist, es kann also am Sein auf keine Weise den Anspruch auf Vollständigkeit unzulänglich wird, da sie sich aaf die Voraus-
setzung einfacher nur additiver Relationen beschränkt, während alles höhere
Anteil haben. Das Objekt einer realen Tätigkeit bilden bedeutet Funktionale außerhalb ihres Gesichtskreises liegt. Daraus kann man dem An-
aber eine Anteilnahme am Sein. Das Aussprechen ist nun eine reale tisthenes aber kaum einen Vorwurf machen, während die herrschende Meinung,
286 C.
ihm eine lächerliche ünsinnigkeit imputiert, indem sie Piatons konsequenzen-
1)
Rüstow: Der Lügner. 3
Geschichte. Vorgeschichte.
34 35
Metaphysik, in einer kritischen Hinzugekommen
steht im vierten Buch der Aristotelischen ist zu den Parmenidischen Gedanken erstens ein
oubevöc kxiv
Erörterung des Wesens der Lüge^): „ö be H^eubfic Xötoc intern logischer Ausbau, nämlich der Nachweis, daß das Aussprechen
ixr\hev dBu)v XetecGai ttXtiv
des Nichtseienden ihm dadurch einen Anteil am Sein gäbe, daß es
dTTXOüC XÖTOC. biö 'AvTicGevnc uiexo euriGuuc

Till okeiu) XÖTUJ 'ev ecp' evöc eE iLv cuveßaive m elvai dviiXeTeiv, cxeböv das Nichtseiende zum Objekt einer realen Tätigkeit mache (s. o.),

be m^k iijeubeceai." Hier ist, wie mir scheint, das cxeböv be ^r]be und zweitens und vor allem die Gleichsetzung des xd ^xx] ovia Xi-^eiv

vi;eub€ceai ahsolut beweisend daß Antisthenes dies nicht


dafür, nait vpeubec6ai, d. h. dieÜbertragung der ganzen Eleatischen Argu-
und der Zusatz erweckt fast den Eindruck, als ob mentation auf ein, wenn nicht ohne weiteres ethisches, so doch
selber gelehrt hat,
unsere Euthydemstelle gemacht sei.^) ethischer Beurteilung unterliegendes Gebiet. Übernahme der Eleatischen
er im Gedanken an
Antisthenes ausscheidet, und es unsinnig wäre, Piaton Lehre und Transposition
Da somit ins Ethische ist aber genau dasjenige, was
eigene dialektische Ausgeburt lächerlich machen zu die allgemeine Stellung der Megariker charakterisiert.
hier etwa eine .

lassen, müssen wir uns für die These 4 und den zugehörigen
so Somit könnten wohl an und für sich These 4 und Beweis 5 für mit
Beweis 5 nach einem andren Urheber umsehen, und
daß dieser in hinreichender Evidenz als Megarisch erwiesen gelten, um so mehr als
(bzw. Schule) unter
einer bestimmten historischen Persönlichkeit der Nachweis für beide getrennt unternommen zu dem gleichen Re-
/

daran kann
Piatons Zeitgenossen und Konkurrenten zu suchen sei, j sultate führte, wenn nicht die von Schleiermacher ^) zugleich mit der

wohl kein Zweifel sein.^) heute allgemein anerkannten auf Antisthenes behauptete Beziehung
Untersuchen wir der Genauigkeit halber zu diesem Behuf
wieder des Dialogs auf die Megariker bestritten und, soviel ich sehe, fast
ouk ecTi ipeubecGai;
These und Beweis gesondert. Die These heißt: allgemein aufgegeben wäre.^)
das ist das Resultat des später von Eubulides
erfundenen vpeubö^evoc, Was zunächst die gegen die Möglichkeit einer solchen Beziehung
Thema <indirecte> probandum ergibt, wenn vorgebrachten Argumente anlangt, so scheinen mir diese ganz und gar
das sich unmittelbar als
negative Hälfte des Eukleidischen Zentraldogmas auf das
man die nicht stichhaltig.
Gebiet von Wahrheit und Lüge anwendet. Das Thema ist also
Welcker^) und Stallbaum*) sind offenbar von dem Bestreben ge-

jedenfaUs Megarisch oder, streng zu sein, die Megarische Schule
um ^ leitet, mindestens noch die persönlichen Schüler des Sokrates an
ist die einzige uns bekannte dieser Zeit, zu deren uns sonst über- der alten unhistorischen Idealisierung des Meisters partizipieren zu
lieferten Lehren es, und zwar auf das genaueste, paßt. lassen und die ja für Eubulides unanzweifelbar bezeugte „eristische
ist, wie man auf den ersten Blick
sieht, zunächst Entartung" der Megarischen Schule auch
Der Beweis zeitlich möglich weit von
seinem Beweisgrund nach Eleatisch. Ich stelle nebeneinander Sokrates abzurücken. Aber abgesehen davon, daß auch das uns
Parmenides (Diels): Piaton Euthydem: von Eukleides überlieferte einer solchen antieristischen Idealisierung
284 B: id be övia, ecpn, o.\\o
6,2: nn^ev b' ouk eciiv ixx] geradezu widerstreitet, dürfte man biUig fragen, womit sich denn wohl
Ti fj OUK ecTiv; die Megariker in der Zeit, sagen wir von Sokrates' Tode bis auf

4,7: ouT€ Tttp av tvoitic tö re |nn [286 D: oube boEdJleiv (sc. y\fevbr\)]
Eubulides, sollten beschäftigt haben? Winckelmann^) tut nichts,
eöv (ou Tctp dvucTÖv), als eine gelegentlich hingeworfene und als solche ganz geistreiche

8: oiiie (ppdcaic. 284 C: ouk dpa id Te ^n övt', 4'(pn> Bemerkung Schleiermachers ^) gegen dessen ausdrückliche Meinung ins
Xefei oubeic. handgreiflich Falsche vergröbern. KFHermanns Widerspruch gegen '^)

machenden Spott für bare Vgl. die überhaupt sehr beherzigens-


Münze nimmt.
werte Mahnung Dümmlers, Antisthenica (1882) 15, Kl. Sehr. I, 7 f. 1) Platous Werke II, 1», S. 276.

1) Aristoteles Met.
1024^ 31 fiF., Winckelmann fr. XIV, 1. 2) Dafür jedoch die gewichtige Stimme von
wenigstens ThGomperz,
2) Isokrates Helena 1 „kqI KaTaTeTnpa»«aciv oi in^v ovi qpdcKOVTec oT6v t'
: Griechische Denker IP (1903) 462, 591.
€Tvai x\>e\jhf\ Ufeiv oOb' dvTiX^TCiv o<)U bi3o X6tuj
ucpl tujv aCiTWv irpaT^dTiuv 3) Prodikos von Keos, Vorgänger des Sokrates. Rhein. Mus. (1832)
wohl ebenso wie die Zurückfühmng auf Protagoras 121 aus dem
dvT€nT6iv'' dürfte Kl. Schriften H (1845) 439 fF.
Euthydem stammen. Über das zeitliche Verhältnis vgl. HGomperz,
Isokrates
4) In der Einleitung seiner Ausgabe des Euthydem (Gotha 1836) p. 9 Anm.
und die Sokratik. Wiener Studien XXVII (1905) 174. 5) Euthydemus (Lpz. 1833) Praef. p. XXX. 6) a. a. 0. S. 277.

3) vgl. a. allgemein RHirzel, Der Dialog I (1895) 245 f.


7) Geschichte und System der Platonischen Philosophie I, (1839) S. 466.
Geschichte. Vorgeschichte. 37
36
der auch ihn
Schleiermachers beide Vermutungen beruht außer auf induktiver ^) Methode die wahre Sokratik, in deren Besitz natürlich
an „Sophisten"
beherrschenden Scheu, Schüler des Sok rat es zu nah die Pia ton ist, von der eristisch entarteten trennt. Ich frage: wenn jener
Dialogs; von den Logograph dem Piaton zusammen mit anderen Sokratikern vorzuwerfen
heranzurücken, auf einem zu frühen Ansatz der
gleichfaUs auf seinem hatte, daß sie Possen trieben und auf nichtswürdige Dinge einen
beiden Gegenargumenten Steinharts^) das eine 2)
viel zu frühen Ansatz des Euthydem
um 402 —
- , das andere s), unwürdigen Eifer wendeten, und wenn er dabei, wie aus dem Dialog
auf einer falschen
das übrigens auch an sich nicht stichhaltig wäre, des näheren hervorgeht, die Ausartung der Sokratischen Dialektik im

Aristoteles-Interpretation.^) Was endlich ZeUers^) Gründe betrifft, so Auge hatte —


ich frage: welche Sokratische Schule wurde von diesem

würden sie, selbst zugegeben, zum Beweis nicht hinreichen; oder


soll Vorwurf in der Tat mehr getroffen als die Megarische?^)
Eukleides keinen anderen Anhänger und Die meisten der sonst im Dialog hervortretenden Einzelbeziehungen
man sich vorsteUen, daß
Schüler gehabt habe als Eubulides —
abgesehen davon, daß dieser auf die Megariker sind schon von Deycks^) richtig beobachtet worden,
überhaupt nicht sein direkter Schüler war.^) auf dessen Zusammenstellung ich daher verweise; ich füge noch hinzu
Es ist hier nicht der Ort zu einer
zusammenhängenden Unter- 295 B — C, wo unschwer die für Diod oros Kr onos bezeugte^) Leugnung
suchung der Motive und Tendenzen des Euthydem. KJoel^) hat bereits, der Zweideutigkeit zu erkennen ist, die so eine dialektische Tendenz
die von
wie mir scheint, glänzend, die sogenannte „jüngere Sophistik", erhält, wie mir von vornherein naheliegender scheint, als der von
sie
soll, als eine
der Sokratik verschieden und ihr entgegengesetzt sein Zeller ^) andeutungsweise behauptete Zusammenhang mit seiner Lehre
bloße historische Fiktion erwiesen und gezeigt, daß die
eristischen vom Möglichen.
Sokratiker ge- Da
Brüder des Platonischen Dialogs unverkennbar als aber für Untersuchungen wie die vorstehende in der Tat das

zeichnet sind. principium identitatis indiscernibilium zu Recht besteht, so könnte

Wir im Schlußgespräch des Dialogs, daß ein näher


erfahren nämlich nunmehr die Beziehung des Euthydem auch auf die Megariker als
dadurch
charakterisierter ungenannter Redenschreiber Piatons Schule hinreichend erwiesen gelten®), wenn sich nicht noch eine Schwierig-
wie üblich, mit anderen, ihm keit in den Weg zu stellen schiene.
zu diskreditieren versucht hat, daß er sie,
Philosophenschulen zusammen- Es kann nämlich aus H
gleichfalls als Konkurrenz unbequemen innerefi wie äußeren Gründen wohl kein
warf und ihre Bestrebungen in Bausch und Bogen verurteilte als Zweifel darüber bestehen, daß Piaton den Dialog Theaitetos geraume
„irepi oubevoc dHiujv dvaHiav CTTOubfiv 7TOiou|Lievu)v".^) Gegen diese Zeit später als den Euthydem verfaßt hat."^) Wie ist dann aber mit
gemeinsame Verdammnis protestiert Piaton, indem er am Beispiel eines
1) 266 A. Dies typische Beispiel Sokratischerlnduktion, die des weiteren von den
protreptischen^) Agon drastisch hervortreten läßt, welche Kluft trotz
Brüdern zwar noch einigemale, im ganzen aber doch verhältnismäßig selten und spär-
gleichen Sokratischen Programms ^^) und gleicher dialektischer^^) und lich angewandt wird, steht hier geradezu als Sokratisches Schibboleth an der Spitze.
2) Auch wird er ja wohl schwerlich Namen genannt haben, so wenig wie

1) In seiner Einleitung zu Hieronymus Müllers Übersetzung (Piatons sämtliche Piaton selber und Isokrates in der Sophistenrede, so daß also wie hier die Person
Werke ü [1851]). des Angegriffenen nur durch den Inhalt des Angriffs bezeichnet war.
2) S. 26. 3) S. 73 f 3) Megaricorum doctrina (1827) p. 56—58. Nur bei 299 A erscheint mir
Top. IX, 177^ 12 ff., wo nur der erste der aufgeführten Xöyoi
4)
dem Eu- die Beziehung gewaltsam, da iroXXd hier doch nicht im Gegensatz zu ^v
thydemos zugeschrieben wird. sondern zu öXifa steht.
5) II, 1* S. 271, Anm. 4. 4) Gellius XI, 12, 2. Ammonius in de interpret. ed. Busse (Bln. 1892) 38, 18.

D. L. n, 108: „xnc b'EÖKXeibou biaboxnc ^cti xal GiißouXibTic ö MiXnaoc."


6) i Simplicius in categ. ed. Kalbfleisch (Bln. 1907) 27, 15. 5) 11, 1*. S. 271.

7) Sokrates I, 369 ff. Dagegen scheint er mir in der generellen In- 6) Auch das paarweise Auftreten der Gegner fände so die natürlichste Er-
anspruchnahme der dialektischen Wendungen des Dialogs spezieU für Anti- klärung, selbstverständlich ohne daß man deshalb etwa je einen bestimmten von
davon,
sthenes (S. 371 u.) entschieden zu weit zu gehen; das würde, abgesehen den beiden Brüdern dem Antisthenes und den Megarikern zuordnen könnte, und
daß es in dieser Breite völlig der historischen Unterlagen entbehrt, schließlich ohne daß das außerdem noch dafür in Betracht kommende komisch-dramatische
zu der Konsequenz führen, vor der auch Dümmler nicht zurückgeschreckt
ist, Motiv der Personen Verdoppelung und das dialektisch-dramatische der Verkörpe-
S. Antisthenica. rung der beiden Glieder des äqpuKxov dadurch in Wegfall käme. Vgl. übrigens
die ganze Megarische Dialektik für Antisthenisch zu erklären.
Kl. Sehr. I, p. 78. auch den Plural Is. Hei. 1. 0. S. 34 Anm. 2.
304 E.
8) 9) 275 A, 278 C, 282 D, 283 B. 7) HGomperz a. a. 0. setzt den Euthydem näherungsweise auf 387, den

10) 273 D. 11) 275 C. Theaetet auf 370.


38 Geschichte. Von Eubulides bis Alexinos. 39
unserer Annalime das Einleitungsgespräch des Theaetet in Einklang zurück, für welches er nur die Möglichkeit dartun sollte und, wie ich
zu bringen? Mir scheint, sehr gut. Wenn, was heute so ziemlich hoffe, zur Genüge dargetan hat, jenen oben analysierten Xötoc aus
als allgemeine Meinung gelten kann, „Piaton im Theaitetos auf die dem Platonischen Euthydem für die Megariker als Vorstufe des Lügners
logischen Schwierigkeiten zurückkommt, die schon im Euthydemos in Anspruch zu nehmen, für den wir dadurch zugleich auch einen
und Kratylos behandelt worden sind*", und er inzwischen „die Ent- terminus post quem gewinnen.
deckung gemacht hatte, daß die Schwierigkeiten viel tiefer, als er
gedacht hatte, wurzelten und nicht durch einen Witz erledigt werden
könnten**^), so konnte schon darin ein Grund liegen, diese Untersuchung
seinem alten Sokratischen Schulgenossen Eukleides zu „widmen", VON EUBULIDES BIS ALEXINOS
wie auch umgekehrt durch diese Widmung eine Beziehung auf die
Obgleich Piaton selber später^), unter dem tiefen Eindruck der
Megariker nahegelegt wird. Solange freilich Eukleides lebte, kam er
Parmenidischen Lehre, jene Argumentation keineswegs mehr für
für Piaton vor allem als Haupt einer Konkurrenzschule in Betracht;
einen bloßen eris tischen Possen angesehen hat, so leidet sie doch,
wenn aber sein Tod in eine Zeit fiel, in welcher Piaton jene eben
gerade unter elenktischem Gesichtspunkt betrachtet, an wesentlichen
bezeichnete Einsicht aufging, so mußte für ihn die Rivalität vollends
Schwächen. Einmal erscheint ihr Beweisgrund unnötig allgemein
zurücktreten gegen alte, nun wehmütige Erinnerungen an die Zeiten
und abstrakt, und ferner konnte man sehr wohl entweder leugnen,
gemeinsamer begeisterter Sokratesschülerschaft, wie an die ihm und
daß etwas dadurch, daß man es ausspricht, einen Anteil an der Realität
den anderen Sokratikern von dem älteren Mitschüler in Zeiten der
des Aussprechens erhält, oder aber dem Nichtseienden diesen Anteil
Gefahr gewährte Gastfreundschaft.^) Die unter dieser Annahme zu
am Sein ruhig zugestehen, wenn man nicht, konsequent Eleatisch, über-
erwartende Stimmung wehmütiger Erinnerung scheint mir nun in der
haupt auch die Realität des Aussprechens leugnen wollte. Vor allem
Tat über dem Einleitungsgespräc£ des Theaetet unverkennbar zu liegen,
aber war durch den Beweis die These selber keineswegs vor der
'auch ist es so vollkommen angemessen, wenn Pia ton gerade den
TiepiTpOTTri geschützt, mit der ja auch wirklich im Euthydem Sokrates
treulichen Fleiß rühmt, mit dem Eukleides in seinen Dialogen sich
Erinnerung an den Meister festzuhalten^), und dera
zuerst allgemein andeutend^) und dann mit einer speziellen Wendung
bemüht habe, die
Hand nun der Griffel entsunken, gleichsam als
ad hominem^) sie — bzw. aus ihr gefolgerte und mit ihr indentifizierte
alten Genossen, dessen
Totengabe den eigenen Sokratesdialog zuschreibt.
Sätze — ziemlich glänzend ad absurdum führt.
Eine solche Widerlegung bidTrepiTpOTific lag nun in der Tat auch
Natürlich ist das nur eine Vermutung, aber, wie mir scheint,
der These selber gegenüber so nahe, ja wurde von ihr geradezu
keine unschöne, und ich sehe manches, was für sie, nichts, was gegen
herausgefordert, daß es nicht eben auf unsere Euthydemstelle zurück-
sie spricht. Eukleides kurz vor Abfassung des
Dann wäre also
zugehen braucht, wenn die Megariker in dem Bestreben, sie sicherer
Platonischen Theaetet gestorben, und seine Lebenszeit, wenn man
zu fundamentieren, vor allem auch darauf bedacht waren, sie gerade
HGomperz' Ansatz des Dialogs folgt, etwa auf 440 bis 370 zu setzen.
gegen diesen Angriff zu sichern. Wir sahen aber schon beiMetrodor
von Chios, daß die einzige, wenigstens dialektisch wirksame, Möglich-
keit hierzu ist, daß der die betreffende These Behauptende die rrepi-
Wir kehren von diesem Exkurs, der die Entschuldigung seiner schon selber aufnimmt, wozu hier bereits die erweiterte und
Tpoirri
Länge schon selber wird auf sich nehmen müssen, zu unserem Thema vervollkommnete Form des dviiCTpeqpov zur Verfügung stand. ^)
1) HRaeder. Piatons philosophische Entwicklung (1905) 280. Das tat nun Eubulides, eben durch die Erfindung des Lügners.
2) Denn ich sehe mit FJacoby ApoUodors Chronik. (Bln. 1902) 305 f. keinen Was aber an dieser historisch fixierten Stelle unter dem „Lügner" zu
hinreichenden Grund, die Historizität der bekannten Erzählung, wie Piaton
mit den übrigen Sokratikern nach des Meisters Tode bei Euklid in Megara verstehen sei, mit anderen Worten, in welcher Form ihn Eubulides
Zuflucht fand, anzuzweifeln.
3) Wenigstens wüßte ich nicht, was die Worte des Eukleides 143 A anders Sophistes 236 E. 286 C,
1) 2) s. o. S. 22. 3) 287 A.
bedeuten sollten.
o. S. 22.
4) s. 5) s. 0. S. 25.
40 Geschichte. Von Eubulides bis Alexinos. 41

aufgestellt hat, das müssen wir vorerst, da es uns nicht direkt über- ^ wundernehmen. Einmal ist keins der Zeugnisse älter als Cicero,
liefert ist, untersuchen. Es läßt sich, glaube ich, durch eine Ver- vor allem aber ergab das auf dialogische Form angelegte dvTiCTpeq)ov
gleichung sämtlicher überlieferter Formen, die auf die Eubulidische als bei vollständiger Umsetzung in fortlaufende oratio obliqua eine er-
ihr Prototyp zurückgehen müssen, erschließen. müdend lange Reihe der gänzlich abstrakten Verbalformen von dXrjöeueiv
Diese zerfallen nämlich deutlich in drei Gruppen, nach denen ich und ipeubec6ai, was die aus Bequemlichkeit des Denkens und des
sie hier zusammenstelle. Ausdrucks bei mangelndem Interesse an erschöpfender dialektischer
I Genauigkeit entspringende Verkürzung begreiflich macht. Wir
Cicero^); Si te mentiri dicis idque verum dicis, mentiris<(an> werden außerdem später bei Cicero, bei dem noch I und II in ihrer
Terum dicis? ursprünglichen Verbindung stehen, nachweisen können, daß seine Vor-
Gellius*): Cum mentior et mentiri me dico, mentior an verum dico? lage, eine Schrift des Kleitomachos, die vollständige Form in extenso
hatte.^) Bloß die Frage anzuführen (I), wie Gellius es tut, ist natürlich
n ohne weiteres zulässig, aber auch daß man bei geringer Genauigkeit
Cicero^): Si dicis te mentiri verum que dicis, mentiris; an II oder III allein sich genügen ließ, ist sehr verständlich, da so.
dicis autem te mentiri verumque dicis, mentiris igitur das Zwingende der logischen Schlußform zur Anschauung gebracht
ders."^): Si mentiris, mentiris; mentiris autem, mentiris igitur. wurde und die beiden Hälften des Widerspruchs doch schon neben-
Hieronymus^): Si mentiris idque vere dicis, mentiris. einander stehen; die Wahl zwischen II und III konnte entweder
Sache des Geschmacks bzw. des Zufalls, oder aber auch Sache der
III
Ansicht sein —
wenn man nämlich die Paradoxie dadurch aufzulösen
Lucian^): Kav ev yctp bx] touto dXriöeucu) Xe^^JV öti i|ieuco|Liai.
gedachte, daß man einer von beiden Folgerungen vor der anderen den
Ps. Acro^): Dico me mentiri et mentior, verum igitur dico.
Vorzug gab.^) Endlich aber haben wir auch drei Zeugnisse, die
•Placidus^): Si dico <^me> mentiri et mentior, verum dico.
geradezu eine abgekürzte Beschreibung der von uns postulierten Form
Sophonias^): *€y^ v|jeubö|i€Voc XeTtü dXriGfi Xötov, öti ifw n/eubojLiai.
geben und sich gar nicht anders auflösen lassen. Ich stelle sie hier

Vergleicht man diese drei Formen miteinander, so springt sofort kurz nebeneinander:
in die Augen, daß sich erst alle drei zu der vollständigen dialektischen Africanus^): Etenim quid quid constituerimus verum esse, falsum
Gesamtform des Lügners auf das schönste zusammenschließen. Wir repperietur.
erhalten also etwa: Augustin ^): Si verum est, falsum est; si falsum est, verum est.

,€1 H/€ubö)Li€voc XcTUJ OTi i|ieubo|Liai, TTÖT€pov dXriÖeuiü f| ipeuboinai;'


Michael Eph.^): '0 Xct^v „etib ipeubo|aai" d|Lia Kai i|jeubeTai Kai

„dXTi0€ueic." dXtiOeuei.

,€1 dXiiOeOuj XeTU)v öti vpeubo|Liai, vpeuboiaai*. Und auch die unten noch zu behandelnde PlutarchsteUe ®) versteht
„vpeubri dpa." sich nur unter dieser Voraussetzung.
^€1 be ipeubuüc XeTuj öti ipeuboiaai, dXriGeuuj'. Was übrigens den Namen des Lügners anlangt, so hat schon

Bei Voraussetzung einer solchen Urform, und nur so, erklären sich JBernays nachgewiesen^), daß zu ijjeuböjuevoc dv9puJ7TOC, nicht etwa
i
in der Tat aUe drei vorkommenden Form typen. Daß die vollständige
1) s. u. S.88 f.
Form selber nirgends geradezu in extenso überliefert ist, kann nicht 2) Wie das im Mittelalter u. a. jedenfalls geschah, s. u. S. 116; vgl. übrigens
auch S. 127.
1) Ac. pr. n, (29) 95; s. u. S. 89. 3) ad leg. Falc. Dig. XXXV, 2, 88; s. u. S. 101.
2) Noct. Att. XVm, 2, 10; 8. u. S. 100. 4) contra Acad. III (13) 29; s. u. S. 105.
3) Ac. pr. U, (30) 96. 4) ibid. 5) Ep. LXIX, ad Oceanum, 2; s. u. S. 103 f. 5) in Ar.Soph. El. comm. ed. Wallies p. 171; s. u. S. 106.
6) Ter. hist. I, 4 (73); 3. u. S. 100. 7) ad Hör. ep. U, 1, 47; s. u. S. 102. 6)de comm. not. 2 (1059 E); s. u. S. 106.
8) Goetz, Corp. Gloss. emend. p. 153; s. u. S. 102. 7) Epicharmos und der auSavönevoc Xö^oc, Rhein. Mus. VIII (1853) 283;
9) Paraphi*. in Ar. Soph. El. ed. Hajduck, p. 58; s. u. S. 107. Ges. Abh. I, 112.
Von Eubulides bis Alexinos. 43
Geschichte.
42
Grieche würde KtTXPOC und cujpeiTTic als identisch betrachtet haben,
welches vielmehr gegebenenfalls appositiv \
XÖTOC, zu ergänzen ist,
noch dazu ist diesen beiden in Wirklichkeit bloß die logische Form,
nicht einmal das zugrunde liegende Problem gemeinsam, das bei dem
hinzutritt.

ersteren das psychophysiologische der Reizschwelle, beim zweiten das


logische der Umfangsabgrenzung ausstrahlender Begriffe ist.

dem Eubu- Übrigens ist zusammen mit dem KepaiivTic noch


der ipeubö|Lievoc
Die Überlieferung, welche die Erfindung des Lügners
erhalten; die Stelle, durch ein bei Diogenes Laertios^) anonym überliefertes, offenbar
lides zuschreibt, ist uns bei Diogenes Laertios
sieben Trug- zeitgenössisches Komikerfragment 2) für Eubulides bezeugt. Ich gebe
an der er seiner Würde entsprechend als erster von
kii Km Gußou- es hier nach der Überlieferung bei Diogenes:
schlüssen auftritt, lautet 1): „Tnc b' GuKXeibou biaboxnc
Xotouc tipwince' löv „oupiCTiKÖc b' EußouXibnc Kepaiivac epuuTuuv
Xibnc 6 MiXncioc, öc Ktti TToXXouc ev biaXeKTiKrj
'HXeKipav Kai eTKeKaXu^^evov KQi ipeubaXalociv XÖTOic touc ^rjTopac kuXiuüv
T€ vpeubö^evov Kai töv biaXavGdvovTa kqi
Gegen diese SteUe sind otTTfiXe* e'xujv ATi|Lioc0evouc ir\v puüßocTUJ|LiuXr|epav.''
Kai cuüpeiTTiv Kai KepaTivnv Kai (paXaKpöv."
von fast allen neueren Erklärern, wie ich glaube sehr zu Unrecht, Mir wenigstens ist es sicher, daß hier das vpeubaXaZiöciv XÖTOic nach
zwei Vorwürfe erhoben worden. Den einen, logischen, spricht schon der Weise der Komödie wortverdrehend ^) den ipeuböjaevoc Xotoc
sind nicht sieben, wem das etwa zweifelhaft scheint, bedenke, daß, selbst wenn
Fries aus 2): „Dies ist aber schlecht aufgezählt, es meint;
Und zwar soUen der zweite ausdrücklich und plan v^ieuboiuevoic XÖToic dastünde, man es auch immer
sondern nur vier Arten Trugschlüsse".
und der fünfte und siebente untereinander identisch sein.
bis vierte^) noch allgemein verstehen könnte —
welche Bedeutung natürlich jeden-
zugrunde lie-
Das sind sie nun ihrer logischen Form und der ihnen falls, wie später noch oft^), auch mit beabsichtigt ist.

genden Schwierigkeit nach in der Tat, aber ihrer verkörpernden Ein- Für die Zeit der Erfindung des Lügners haben wir, wie schon
. kleidung nach eben nicht, und die raschen Tadler haben übersehen, gezeigt^),an dem Platonischen Euthydem (ca. 387) einen terminus
daß dies Anschauliche an einem solchen XoTOC den
Griechen charak- post quem, durch das IX.Buch von Aristoteles' Topik (wohl ca. 330),
zunächst das bestimmende und wesentliche war, und wie wir noch sehen werden^), einen terminus ante quem.
teristischerweise
daß die zugrunde liegende logische Form, um deren Innerhalb dieser recht weiten Grenzen, in die auch so ziemlich
Feststellung sieh,

wie wir noch sehen werden, Aristoteles in einer seiner esoterischen die Lebenszeit des Eubulides fallen dürfte, der nach seinem mehrfach

Fachschriften sehr ernstlich mühte, im Altertum ebenso schwer bezeugten^) Streit mit Aristoteles dessen Zeitgenosse gewesen sein
allgemeinem Bewußtsein kam^), wie sie uns heute von muß und, damit übereinstimmend, von Diogenes Laertios als in-
und spät zu
nur wie ein Eukleides^) und als Lehrer des Stilpon^)
vornherein das erste und einzige ist, dem die Einkleidung direkter Nachfolger des
dem Lügner noch etwas näher
spärlicher Faschingsflitter anhängt. Der zweite Vorwurf
ist historischer genannt wird, scheint es aber möglich,

Natur und geht dahin, daß von den fraglichen sieben Trugschlüssen,
erweislich
deren Erfindung dem Eubulides zugeschrieben wird, „einige 1) D. L. II, 108; Suidas s. v. ^onßocTUJ|uu\riepa.

Meinecke IV, 618; Kock lü, 461; vgl. ThRoeper, Philologus IX (1854),
verallgemeinernd formuliert.^)
älteren Ursprungs" seien, wie PNatorp es
2)
1—5.
Und zwar soll insonderheit der cajpeiTric mit dem Zenonischen KeTXPOC®) übrigens das ganz parallele nieubaTToqpdcKUUv bei Clem. AI. u. S. 103,
3) vgl.
identisch sein.^) Man sieht aber leicht, daß vielmehr dieser Vorwurf und zum Typus der Wortbildung ChrALobeck, De verborum compositione, Phry-
mit dem voricren identisch ist und auf demselben Irrtum beruht. Kein nichi eclogae nominum (1820) 560 65. —
s. z. B. u. S. 105. 5) s. o. S. 39. 6) s. u. S. 50f.
4)
7) Anstokles Eus. pr. ev. XV, 2, 5; D. L. E, 109.
D. L. II, 108.
1) D. L. II, 108.
8)
Geschichte der Philosophie I (1837), 278.
2) D. L.113; nach andren freilich war dieser nur sein indirekter Schüler,
II,
9)
3) Fries übrigens will den biaXavBdviJuv
mit dem Hjeubö^ievoc identifizieren,
was mit der entsprechenden Nachricht für Diodoros Kronos übereinstimmen würde.
wovon natürlich gar keine Rede sein kann. Man müßte dann dem Eubulides eine relativ kurze Lebenszeit geben, und es läßt
4) s. u. S. 101.
sich auch denken, daß Eristik nicht gerade konservierend wirkt;
unser ungefährer
5) Pauly-Wissowa RE Art. Eubulides XI Hbd. ^^07) Sp. 8.0. Ansatz für den Lügner bliebe dadurch unberührt.
6) Diels l\ li)A29 (132). 7) Zeller H, 1* 265.
Von Eubulides bis Alexinos. 45
Geschichte.
44
Allen jenen Vorstufen wie auch allen übrigen Trugschlüssen jener
SteUe anzuweisen, durch eine Betrachtung, die aucli an
sich \y
seine nun der vpeuboiuevoc einen ganz ungeheuren Fort-
Zeit gegenüber stellt
Eubulidisch überlieferten
nicht ohne Interesse ist. Von den sieben als
Krone aller Trugschlüsse, wir sehen
schritt dar, ja er ist geradezu die
Sophismen ist nämlich unser Lügner das einzige, das mit dem ethisch- in ihm das absolute Maximum der für einen eXeTXOC überhaupt mög-
ontologischen Grunddogma des Eu kleide s^) irgendwelchen Zusammen-
lichen Vollkommenheit verwirklicht. Es eignet ihm absolute dialek-
hang hat; die anderen beruhen nur auf rein logischen oder sprach-
tische auTOtpKeia, er bedarf keiner willkürlich herbeigeholten Prämissen,
lichen Schwierigkeiten. Nun ging in dieser Richtung aber in der
die er sich erst zugeben lassen müßte, er kann sich auf das einzige
bei der
Tat die historische Entwicklung der Megarischen Schule; Wort vp€ubo|Liai zurückziehen und von hier seine unentrinnbare Doppel-
Beziehungen
nächstfolgenden Generation finden wir überhaupt keine
den
frage aussenden — OTTÖiep' dv Tic dTTOKpivrjTai: eEeXeTXÖnceiai.^)
mehr zu jener Lehre des Eukleides. Demnach werden wir
vpeuböiLievoc auch zeitlich so nah an Eukleides heraufrücken mögen,,
als es die wahrscheinliche ungefähre Lebenszeit
und die beträchtliche 4:
4:

Reife seines Urhebers, die er voraussetzt, zuläßt. Seine


dialektische
Viertel
Erfindung wird also höchst wahrscheinlich noch in das zweite
des vierten Jahrhunderts fallen. Bereits zu der Zeit, als Pia ton den Euthydem schrieb, muß
der Anklang, den die Megarische Dialektik, und zwar auch bei ernst-
haften Leuten, fand, kein geringer gewesen sein. Einmal hätte er
Werfen wir nach glücklicher Vollbringung dieser nicht ganz
Blick zurück! sonstPia ton überhaupt nicht nötig gehabt, gegen sieund Antisthenes
leichten historischen Wiedergeburt einen überschauenden
agonale Charakter des griechischen Geistes einen dialogisierten Konkurrenz-Protreptikos zu schi-eiben, und außerdem
Wir sahen, wie der
unter dem bezeugt es Piaton, wenn auch indirekt, geradezu selber. Denn wenn
überhaupt und der griechischen Philosophie im besonderen
'
Faktoren in der sogenannten Sokrates die eristischen Brüder deshalb besonders rühmt, daß sie
Einfluß vorwiegend sozial-wirtschaftlicher
in der sich die sich um die ttoXXoi Km C€|livoi Kai boKOÖvrec ti nicht schierten, und
Sophistik eine spezifisch eristische Wendung nahm, 1
Überlegenheit im mit starker Betonung versichert, daß nur wenige Leute ihresgleichen
logische Paradoxie als wirksamstes Beweismittel der
an solchen Trugschlüssen Gefallen finden, alle anderen aber sich mehr
philosophisch-pädagogischen Konkurrenzkampf bot, deren in der An-
Form, das quasi-Heraklitische Nebeneinanderstellen schämen würden, durch sie zu siegen als sich durch sie besiegen zu
wendung sicherste
widersprechender Behauptungen, sich in der zunächst elenktisch
an- lassen^) —
so ist dieser Appell an das Ehrgefühl des Publikums eben

und endlich dem so durchsichtig, wie seine Notwendigkeit tatsächlich begründet gewesen
gewandten, dann skeptisch umgekehrten TrepiTpoirri

der Sokratischen Frage- sein muß. Außerdem gibt uns das letzte schon einen Teil der wenig-
dvTicipecpov, dem ausgebildetsten dcpuKTOV
vervoll-
und Antwortdialektik, zu immer größerer Geschlossenheit Wus. n (1828) 33), selber zweifelnd, eine allegorische Auslegung in patristischem
aus der Sokratisierung
kommnete. Wir sahen andererseits, wie die Geschmack: „Wie, wenn Eubulides unter dem Lügner die Sinne verstanden hätte,
des dem Guten welche nach der Meinung der Megariker täuschen und wohl auch ihre Täuschung
des Eleatismus entsprungene Leugnung der Realität
des Lügens ein- selbst zu gestehen scheinen?" Da auch mit Nutzanwendungen ins Allgemeinste,
Entgegengesetzten auch die Behauptung der Irrealität
wie „ne rerum aifectiones fortuitas essentiam earum esse putemus" (Deycks, De
schloß und den Megarikern den indirekten Beweis dieser Behauptung Megaricorum doctrina [1828] 55) und „daß oft in unseren Urteilen über einzelne
Argumentationen
* i<
aufgab, den sie zuerst mit unzulänglichen Eleatischen Dinge Irrtum und Wahrheit unzertrennlich und unentwirrbar verflochten seien"
(Steinhard, Ersch-Gruber I, 38 [1843] 419) weder für die sachliche noch für die
zu führen versuchten, bis Eubulides die Form des dviicipecpov diesem
historische Erkenntnis etwas gewonnen war, so ist es begreiflich, wenn schließ-
Zwecke dienstbar machte und so den Lügner schuft), dessen dialek- lich DHenne in seiner schon mehrfach angeführten Monographie (p. 171) über-

tische Gestalt es uns zu rekonstruieren gelang. haupt darauf verzichtete, Sinn und Absicht des Lügners in etwas anderem, als
dem bloßen eristischen Effekt zu sehen.
1) 8. 0. S. 28 f. 1) 275E.

2) Dieser oben ausfilhrlich aufgewiesene


nahe Zusammenhang des v^eubonevoc 2) 303 C—D. Auch pekuniär scheinen sie sich nach 304 A gut gestanden
bisher noch
mit dem Eleatisch-Sokratischen Grunddogma des Eukleides scheint zu haben.
(Rhein-
von niemandem gesehen worden zu sein. Dagegen versuchte HRitter

v
Von Eubulides bis Alexinos. 47
Geschichte.
46
\ zifisch hellenistischen Dichtung".^) Auf ihn ist uns bei Athenaeus^)
stens äußerlichen psychologischen Erklärung dafür: wie auch die
und Suidas das folgende Epigramm überliefert, wie üblich
Qualität ihrer Trugschlüsse war, man behielt doch dialektisch die ^ literarische

als Unterschrift seiner Bildsäule^) fingiert:


Oberhand damit, und so werden es doch auch hier die meisten vor-
„ZeTve, OiXiiac ei|ui, Xöfinv 6 n/eubö|uevöc |ue
gezogen haben, Hammer als AmboßEinen zweiten nicht
zu sein.
ujXece, Ktti vuKTÜüV qppoviibec ecirepioi."
wenic^er zutreffenden und wichtigen Teil der psychologischen Erklärung
i):
„tö be bx] ^etictov, öti Tauia outidc e'xei Die Historizität der zugrunde liegenden Tatsache zu bezweifeln, sehe
läßt Sokrates gleich folgen
oXitw Xpovuj övtivoöv av ich keinen Anlaß; das lehrt, scheint mir, gerade der Vergleich mit
u|Liiv Kai lexviKÜüc eHn^pnTai, uJCt' ev ttoivu

Endlich, davon abgesehen, daß Piaton sich die den grotesken Komiker witzen, mit denen SusemihP) den Inhalt des
MaGeiv dvepuuTTiuv"
Epigramms zusammenstellt und, freilich auch nur, soweit es sich
Eristik der Brüder zum Schluß in barem Unsinn selbst überschlagen
gerade um den ipeuböjuevoc handelt, als unhistorisch ablehnt. Auch
läßt 2), unterliegen sie auch im Euthydem selber eigentlich nur
da,

wenden; sehe ich kein rechtes Motiv dafür, zu fingieren, daß sich Philitas
wo Sokrates oder Ktesippos ihre eigene Methode gegen sie
vor seinem Tode gerade mit dem Lügner sollte beschäftigt haben, und
so kann man sich vorstellen, daß solche Eristiker bei „dem und
viel
das Epigramm verliei-t unter dieser Voraussetzung jede Pointe. Zu-
gern sprechenden Völkchen" der Athener, dem „stets der Schalk im
den ,Feierlichen', dem und lehrte ja Philitas bekanntermaßen auch Grammatik,
trieb
Nacken saß" und wo „nichts gefährlicher war, als
die von der Logik damals noch nicht geschieden war, und daß er
wie man attisch sagte, zu spielen"^), jedenfalls stets die Lacher auf
sich endlich an dem Lügner zu Tode plagte, wird ihm jeder nach-
ihrer Seite hatten.
fühlen können, der sich wirklich einmal ernstlich und vergeblich — —
Dabei war zu jener Zeit sowohl die innere Selbstentwicklung der
Me^^arischen Dialektik wie ihr Einfluß nach außen erst noch in den
um seine Lösung bemüht hat.^)

Anfängen. Jene kulminierte, wie wir sahen, in Eubulides und dem


Es liegt im Wesen einer solchen Mode — oder wenn man will

Lücmer, dieser, wie gewöhnlich in einigen Jahrzehnten Abstand, unter


Modekrankheit — , zu der sich das „Megarisieren" in Hellas zu Ende
des vierten Jahrhunderts ausgewachsen hatte, daß ihr ein Rückschlag
seinem Schüler^) Stilpon von Megara, von dem uns nach dem
auf dem Fuße folgt, und diesen bekam Tat Alexinos bereits zu
in der
sonst unbekannten Megariker Philippos^) bei Diogenes Laertios
co(piCTeia touc fühlen, der, übrigens dialektisch in der Tat nicht unbegabt^), die Wider-
berichtet wird^): „tocoutov b'eupeciXoTia Kai TTpoflTe

*€XXüba d90pujcav eic auTÖv legungswut zu so haltloser Karikatur übertrieb, daß er den Spott-
aXXouc, uucie ^Kpoö bencai Träcav ttiv
namen 'GXeTHTvoc bekam, und schließlich, von seinem letzten Schüler
lneTcipicai".
und daß dabei, wie voraus- verlassen, traurig endete^), womit denn der Verlauf der historischen
Daß das nicht etwa übertrieben ist,
Entwicklung den Gang des Platonischen Dialogs Euthydem im großen
zusetzen, der Lügner eine hervorragende Rolle spielte, das beweist
wiederholte.
uns die Bezeugung der Beschäftigung mit diesem für Philitas
als unerreichtes Vorbild Und schwerlich hätte das Heer der von ihr aufgebrachten Trug-
von Kos (ca. 340—285)^), den von diesem
schlüsse die Megarische Schule überdauert, wenn nicht eine Anzahl
bewunderten Lehrer Theokrits und „eigentlichen Archegeten der spe-
1) ERhode Der griechische Roman* (1900) 73.
1) 303 E. 2)IX, 401 E; s. u. S. 101 f.
2) vgl. das glänzende Resume Schleiermachers 11, 1*, 273.
3) Vielleicht eben der von seinem Schüler
Hermesianax erwähnten bronzenen,
3) ESchwartz, Charakterköpfe I» (1906) 53. die ihm seine Mitbürger errichteten, s. Susemihl I, 176, A 14. 4) a. a. 0.
4) 8. 0. S. 43. 5)Das Bestehen näherer Beziehungen zwischen der Alexandrinischen Dichter-
5) Man möchte ihnehesten fax einen Schüler Stilpons halten.
am schule und den Megarikem, ebenso wie das damalige Ansehen der letzteren, be-
6) D. L. II, 113. Mir wenigstens scheint hier schon das Zitat, mit abge- weist übrigens auch ein Epigramm des Kallimachos auf Diodoros Kronos (fr. 70
änderter Konstruktion, weil aus dem Zusammenhang genommen, zu beginnen, Sehn.), von dem uns bei D. L. E, 111 und Sext. Emp. adv. math. 309 zwei Frag-
um dann mit „irapä |li^v yäp OeocppdcTOU ., das unmittelbar hieran anschließt,
. .
mente erhalten sind.
wörthch weiterzugehen, und zwar, wie mir scheint, bis xal bi] Kai Zr]vwva Parodie auf Zenons
6) Das beweist seine ebenso witzige wie treffende
. . .

TÖv OoiviKtt iLiexa toutujv dq)eiXeT0." pantheistisch-theologische Deduktionen Sext. Emp. adv. math. IX, 108.
7) Susemihl I, 196. Über die Namensform WCrönert Hermes
XXXVII (1902)
7) vgl. HvArnim, Hermes XXVUI (1893) 70 f.
212— -27.
48 Geschichte. Peripatos.
49

von ihnen, allen voran unser Lügner, durch das hartnäckige Mißlingen Anfang nimmt, als Erben der Sophisten, der Eleaten und des
Sokrates
h <
der gegnerischen Versuche, sie nicht nur verächtlich zu machen, die Megariker, und zwar durch ihre Trugschlüsse, gegeben. Und jene
sondern die ihnen zugrundeliegende logische Schwierigkeit wirklich wahrhaft humanistische Kulturgesinnung, die das von unseren geistigen
befriedigend zu lösen, weiter am Leben erhalten worden wären. Vorfahren Ererbte durch bewußte Aneignung zu lebendigem inneren
Fast alle und verwandten Trugschlüsse, auch die
Megarischen Besitz zu erwerben strebt, fordert, uns dessen in Dankbarkeit
bewußt
durchsichtigen auf einfacher Amphibolie beruhenden, haben die Eigen- zu sein, und so zugleich eine durch Jahrtausende angehäufte Ver-

schaft, sondern nur kritisch widerlegen zu lassen,


sich nicht direkt, kennungsschuld jenen Männern gegenüber an unserem Teil abzutragen.
und den Gegner zu nötigen, von einem höheren Standpunkt die ihnen
stillschweigend und unbewußt übergeordneten Voraussetzungen ins
Bewußtsein zu heben und der Untersuchung zu unterwerfen. Dieser
Eigenschaft verdanken sie die gar nicht hoch genug einzuschätzende I
PERIPATOS.
« >

geistesgeschichtliche Bedeutung, die Erreichung eben jener höheren { Wir können jenen Auslösungsprozeß der aufgenötigten Gegen-
Stufe des Erkennens, Lösung nötig war, veranlaßt zu
die zu ihrer wirkung noch im allmählichen Entstehen beobachten. Denn es hat
haben, was auf einem anderen Wege schwerlich möglich gewesen sicherlich nicht nur künstlerische Gründe, wenn von den vielen Tru<r.
wäre. Schlüssen, die im Euthydem vorkommen, nur ein einziger aufgelöst
Die Unterscheidung zwischen dem Inhalt des Gedankens und wird, und dieser, obwohl zu den leichtesten amphibolischen
gehörend,
seiner sprachlichenAusdrucksform gehört heute zu den Grundlagen mit ziemlicher Umständlichkeit, i) Von da ab fließt dieses hier noch
unseres gesamten Denkens. Wir sind uns auch mit größerer oder so schmale Geistesbächlein für uns unsichtbar in den Schulorganisa-
und UnvoU-
geringerer Resignation der unvermeidlichen Beschränktheit tionen der Akademie und des Peripatos 2) weiter, um erst wieder
im
kommenheit des sprachlichen Ausdrucks bewußt, und daß diese UnvoU- neunten Buch der Aristotelischen Topik unvermittelt als breiter Strom
kommenheit im Grunde unüberwindlich ist, weil die einzig mögliche ans historische Tageslicht zu treten. Wir können den Stolz, mit
dem
Überwindung in der luavia der sprachlichen Produktion als generatio Aristoteles am Ende auf diese in der Tat gewaltige Leistung zurück-
aequivoca irrational ist und Inkommensurabeles, weil Organisches, blickt, verstehen, und möchten hier auch ThGomperz' Urteil anführen, iy"
erzeugt. der^), sicher mit Recht, wenn auch vielleicht etwas zu einseitig, in
Wir wissen heute ferner, daß die Gesetze der Logik, deren Er- dieser Behandlung der Trugschlüsse den größten und eigentlich einzig
füllung die Richtigkeit einer Argumentation als solchen verbürgt, bleibenden Wert der Leistungen des Aristoteles auf dem Gebiet der
ungleich feiner sind und zwangläufiger ineinandergreifen als die ihnen Logik erblickt.
entsprechenden stets nur ungefähren und mit einem beträchtlichen wo Aristoteles alle Trugschlüsse, deren er habhaft
Hier nun,
Spielraum aneinanderschließenden sprachlichen Fügungen, an die doch werden konnte, gesammelt und nach den ihnen zugrundeliegenden
der Gedanke jedenfalls, und zunächst ausschließlich, gebunden ist, und logischen und psychologischen Schwierigkeiten in ziemlich kom-
auf dieser Einsicht beruht jede Vervollkommnung unserer wissen- plizierter und nicht überall konsequent durchgeführter Disposition
schaftlichen Deduktionsmethoden.
Man braucht sich aber auch nur einmal die Frage vorzulegen, 1) 277E— 278 A; vgl. KLüddecke, Die Frage der Echtheit und Abfassungs-
um einzusehen, daß diese fundamental wichtigen Erkenntnisse erst zeit des Euthydemus, Gymn.-Progr. Celle 1897, S. 32 f das zwar, horribile dictu,
,

das künstlerisch-dramatisch vielleicht glänzendste Werk Piatons für die Kom-


auf einer relativ späten Stufe der Entwicklung das natürlich naive
pilation eines Aristo telikers hält, aber durch Zusammenstellung der Parallelen
unbewußte Vertrauen auf die Sprache verdrängt haben können, und zwischen dem Euthydem und den Soph. EL die nur in umgekehrter Richtung
,

daß zur tJberwindung der entgegenstehenden Trägheits- und Robust- gedeutet werden müssen, nützlich ist.
2) vgl. HUseners grundlegende Darstellung: Organisation der wissenschaft-
heitsmomente beträchtliche Stoßkräfte nötig gewesen sein werden.
lichen Arbeit. Preuß. Jahrb. LEI (1884) 1—25; Vorträge und Aufsätze (1907)
Diese aufrüttebiden, höhertreibenden Impulse haben in der Entwick- 67-102.
lungsgeschichte unserer Geisteskultur, die in Hellas ihren historischen 3) Griechische Denker III (1910) 33.
BüBtow: Der Lügner. 4

4
Geschichte. Peripatos.
50 51
Lügner, und schwören 1) der logischen Form nach vöUig identisch und
geordnet hat, findet sich auch, wie zu erwarten, der also nicht
wir besonders der geringste Grund gewesen wäre, dieses in der Reihe
zugleich der erste Versuch seiner Lösung, auf den der übrigen
gespannt sein werden. Die Stelle lautet^): mit abzutun, jenem aber unmittelbar daneben eine so
auffällige
„ö|LioiuJC b' 6 XÖTOC Ktti Ttepi toö ipeubecGai
töv auTÖv cx^xa koi Sonderstellung anzuweisen, und die Schwierigkeit seiner
Lösung, die
dXrieeueiv. dXXd bici tö ^lx] eivai euOetüpnTOV,
TTOiepujc dv Tic dTTobojn dann ja um nichts größer gewesen wäre, so sehr zu betonen.
KwXuei b' auTOV
dXrieeueiv f| vpeubecGai, bucKoXov
TÖ dTTXuJC cpaiveTai. Der Zusammenhang ist dieser. Anfang des neunten Buches Am
eivai i^eubn, b' aXtiBn r\ tivöc, kqi eivai dXnefj der Topik, der sogenannten Sophistischen Widerlegungen,
oub^v dTrXüüc iLiev ttt]
werden die
Tivd, dXTiGfi be |Lir|." am ausführlichsten behandelten eXcTXOi nach den ihnen zugrunde-
Die Lösung ist einigermaßen erstaunlich! Aristoteles wählt, so liegenden logischen Schwierigkeiten zunächst in zwei große Haupt-
hier kurzerhand die Attitüde seines großen Schülers
gegen- klassen geteilt, TTapd
scheint es, Tf)v Xe£iv und iHu) Tflc XeHewc^), und dann jede
über dem berühmten Knoten Ton Gordion, nur, wie wir gestehen von diesen wieder in eine Reihe von Gattungen.
die
müssen, gänzlich ohne den gleichen durchschlagenden Erfolg: Als zweite Gattung der Sophismen eEvj rflc XeHeujc werden 3)
Schwierigkeit bleibt völlig ungelöst, ja unberührt. diejenigen Trapd tö dTrXiüc f| jur) dTrXujc dXXd Trf) ttoO
f\ f\ ttote f|

Denn darin, daß einer in derselben Rede, ja in demselben TTpöc Ti XeT€ceai^) aufgezählt, deren Fehler darin
beruht, daß von zwei
Wahres, teils Falsches sagen, und also zugleich lügen alseinander ausschließend behandelten Gegensätzen in Wahrheit
Satze, teils

und die Wahrheit reden kann — darin liegt ja natürlich nicht ineinem anderen besonderen Sinne, oder der eine allgemein, der
jeder
andere ^
Schwierigkeit, und wenn es sich wirk-
die allergeringste ernsthafte in einem besonderen Sinne gemeint ist. Als
besonders drastisches und ^
lich darum gehandelt ohne weiteres möglich ge-
hätte, so wäre es grobes Beispiel bringt Aristoteles den schon erwähnten
Neger, der
wesen, die Sache durch ein höchst einfaches Beispiel völlig außer im aUgemeinen schwarz, an den Zähnen aber weiß sei. Diese
Sophismen ^
Zweifel zu setzen. Wenn z. B. der Junge vor jener ominösen werden nun, der allgemeinen Disposition entsprechend,
viermal be-
Brücke erzählt, er habe einen Hund gesehen so groß wie ein handelt; das erstemal 5) unter dem Gesichtspunkt der
grundlegenden
Pferd, so lügt er zugleich und sagt die Wahrheit: denn einen
Hund formal-logischen Gattungsbestimmung, das zweitemal
6) um, gleich allen
hat er wirklich gesehen, aber so groß wie ein Pferd war er
keines- anderen, auf die ct-fvoia toö eXerxou, halb logisch, halb
psychologisch^)
wegs. Auch den früher*) mit leichter Mühe unter der gleichen zurückgeführt zu werden, das drittemal «) zur AufWeisung
der psycho-
Kategorie abgetanen Neger, der zugleich schwarz und weiß ist, hätte logischen Täuschungsursache, die füi- sie in dem Trapd
jiuKpov Xötoc^)
er mit geringer Umwendung zu demselben Zweck
benutzen können,

wie der spätere Paraphrast^) auch wirklich noch nachholt,


das 1) 180* 38—40: „out' ei euopKei TÖÖe f\ T^i&e, dvdrKri xai
€i»opKeiv, 6 6' ö|uö-
indem nämlich jede der beiden Aussagen: Der Neger ist schwarz, und: cac ^TTiopKriceiv eöopKci ^iriopKiuv toöto iuövov,
euopKei bi oö." „Ebensowenig ist
es nötig, daß jemand, wenn er in einem Punkte
Der Neger ist weiß, zugleich sowohl wahr als falsch ist, je nachdem oder in einer Hinsicht richtig
schwört, deswegen überhaupt richtig schwört; und wer
schwört, er schwöre falsch
ob man sie auf die Epidermis oder auf die Zähne und vice versa schwört, wenn er <8on8t> falsch schwört, allein darin
richtig, nicht aber über-
haupt." An sich könnte man diesen Trugschluß
bezieht. seinerseits auch als eine Variante
des Lügners auffassen und in dieser Meinung dadurch
Die Möglichkeit aber, auf die man bei dem Bestreben, ihn zu Chrjsipp ihn so zu behandeln scheint (s. u. S.
bestärkt werden daß
Aristoteles hier gar 78-80); das wird aber ebenso
retten, leicht kommen könnte, daß nämlich wieder schlechthin ausgeschlossen durch die dann absolut
unerklärliche gänzUch
nicht den Lügner in seiner eigentlichen Form*) im Auge
gehabt habe, ^I< verschiedene Behandlung bei Aristoteles. Vielmehr hat
man sich die Sache hier
so vorzustellen, wie später Lucian den
scheidet schon dadurch aus, daß dann das hier behandelte
Sophisma Lügner seinerseits wendet (s. u. S 100)
daß jemand, um sein Gewissen schalksmäßig zu
Wahr- saldieren, in den Text eines
mit dem unmittelbar vorhergehenden vom zugleich Falsch- und Meineides auch die Versicherung aufnimmt, er schwöre
falsch, und nur so be-
kommt die Geschichte auch ihre eigene Pointe. Hierfür trifft
natürlich die
2) 167» 7—9; vgl. Prantl I, 48.
Aristotelische Lösung in der Tat zu.
Top. IX, 180^ 1—7.
/ 1)
3) Michael Ephesius, Comm. in Soph. El. (ed. Wallies Bln. 1898) p. 171, 6: 2) 165^ 23. 3) 166^ 37. 4) 166^ 22. 6) 166^ 37—167» 20.
6) 168^ 11—16. 7) Psychologistisch würde man also heute wohl saffen
8. u. S. 106.
s. 0. S. 40.
8) 169»> 10-12. 9) s. u. S. 77.
4)
4*

^ 1
\80b4 ^

{ ^
Geschichte. Penpatos. 53
52
am ausführlichsten unter dem unter die er sich zur Not unterbringen ließ, da sie nämlich Sophismen
gefunden wird, das yiertemal endlich^)
der logischen Anweisung zur Losung. Hier enthielt, die sich mit dem Lügner unter dieselbe logisch weitere
technischen Gesichtspunkt
yiertenmal, erscheint unser Lügner, dieser und übergeordnete Form subsumieren ließen, nämlich die ipeubecGai
nun aUein^), erst beim
für ihn, wie wir sahen,
Sophismengattung subsumiert, und zwar wird Tov auTÖv äjLia Kai dXTi6eu€iv, in welche ja
Aristoteles auch in der
eigene kleine Monographie ein- Tat den Lügner faßt, und dadurch zunächst verdeckt, daß eben die
außerhalb der Reihe der übrigen eine
creschaltet —
wir würden das heute wohl als Anmerkung
geben. ditferentia specifica, die den Lügner von anderen derselben Form sub-
einigermaßen auffällig: Aristoteles von vorn-
Wäre sich sumierbaren Sophismen unterscheidet, ihn in Wahrheit zugleich auch
Das ist
unter welche er den Lügner stellen aus der Sphäre eben jener Lösungskategorie ausschließt.^)
herein über die Lösungskategorie,
gewesen, so hätte man # Wir begegnen hier bei dem ersten Lösungsversuch zugleich auch
woUte klar und von dieser Lösung befriedigt
als vornehmsten Repräsen- zum erstenmal einer sehr charakteristischen psychologischen Erscheinung,
unbedingt erwarten müssen, ihn dauernd
seiner Gattung aufgeführt zu sehen.
Genau das die wir sich bei jedem Lösungsversuch bis in unsere Zeit wiederholen
tanten ebendieser
aber, wie wir sehen, der Fall. sehen werden, daß nämlich die durchaus berechtigte Stärke der
Gegenteil ist

Aristoteles läßt sich gegen Ende seiner Untersuchung ausführlich postulierenden Überzeugung von der objektiven Möglichkeit einer
verschiedenen Trugschlüsse Lösung jeder logischen Aporie subjektiv das stärkste und oft genug
darüber aus»), daß die Schwierigkeiten der
und daß bei manchen von ihnen be- fast einzige Argument für die Richtigkeit der von dem Betreffenden
sehr verschiedenen Grades seien,
unter seine Lösungskategorien große gerade aufgestellten Lösung der vorliegenden Aporie hergeben muß.
sonders gerade die Subsumption
Schwierigkeit mußte sich bei seiner
Arbeit
Mühe machte. Die
äußern, daß, nachdem die
an den Sophistischen Widerlegungen so
feststanden und die meisten der gesammelten So-
Lösungskategorien
einige übrigblieben, die auch irgendwo Die Megariker
ihrerseits werden sich gewiß bewußt gewesen
phismen auf sie verteilt waren,
recht passen wollten. ) sein,daß der Lügner ihre stärkste dialektische Position darstelle, und
untergebracht werden mußten, aber nirgendwohin
auf diesen durchaus nicht mit entsprechender Umsicht und Kraft
Offenbar war dies bei dem Lügner der Fall. ^
^

Fügung ist ja in den Aristotelischen Schulschriften unternommenen Angriff um so zweifelloser repliziert haben, als die
Die stilistische
nachträglich von Aristoteles selbst Aristotelische Lösung sehr leicht und einleuchtend zu widerlegen war,
fast durchweg so locker, daß sich
unzweifelhaft
vorgenommene Einschübe in das Manuskript selten 1) Früher wurde auch die Stelle der Nikomachischen Ethik 1146*22 auf

werden feststeUen lassen. Doch steht es hier


jedenfalls so, daß sich den Lügner bezogen. Sie lautet: „^xi ö coqpicxiKoc \6yoc ipeuböiuevoc äTropia- —
biet Yäp xö TTapdöoEa ßouXecGai IXifxeiv, iva öeivoi iLciv Öxav ^ttixuxuiciv, ö TCvö-
über den Lügner glatt streichen läßt, ohne daß
der ganze Passus Mevoc cuXXoTiciuöc diropia Tivexar b^bexai f^p )^ bidvom, öxav lu^veiv |li^v |uf|
oder Unterbrechung ent-
irgendwo und irgendwie die geringste Lücke ßoOXrixai biet xö dp^Keiv xö cuiuirepave^v, rrpoi^vai b^
|lii^
buvrixai biet xö Xöcai
|li»^

der der betreffenden Stelle würde dadurch


Zusammenhang
[ii] äx€iv xöv XÖTov. — cujLißaivei b' ^k xivoc Xötou i^ dcppocuvri |Liex' dKpaciac dpexr) •

stände, ja Die Exkurs ad vocem


KxX.'' als gegebene treffende psychologische Analyse
diropia
gewinnen, und die Anknüpfung
an Einfachheit und Klarheit zweifellos der Wirkung eines Fangschlusses paßt zwar auch auf den Lügner, daß aber die
hintereinander in Anspruch ge-
mit ö^oiujc nicht, wie jetzt, zweimal
Stelle übrigens nichts mit ihm zu tun hat, geht aus dem Folgenden klar hervor.
Aber auch im allgemeinen Sinn genommen, erscheint i|;eubö|H€voc mindestens
nommen werden. nichtssagend und überflüssig, und deshalb wollen es auch die Mehrzahl der
mir,
Gehen wir vom Lügner aus, so lägen, scheint
Andrerseits: Herausgeber von Coraes bis Bywater (vgl. des letzteren Contributions Oxford 1892
versuche näher als gerade der Aristo-
aUe mögUchen anderen Lösungs
S. 53) streichen, als aus der vorhergehenden Zeile, wo es tatsächlich steht, fälsch-

Aristotelischen Einteilung der Trug- lich auch hier eingedrungen. Was man aber vor diropi'a erwartet, ist, scheint
telische. Gehen wir aber von der mir, eine kurze Angabe, wodurch denn der coqpicxiKÖc Xö^oc eine diropia wird,
so war allerdings
schlüsse aus, die gewählte Kategorie wohl die einzige, entsprechend der folgenden ausführlichen Herleitung. Diese erwartete Bestim-
mung stellt eine glänzende Konjektur Otto Apelts her, der mit auditiv minimaler
180*23—^8. 2) 180^ 1—7, 8. o. Änderung cireuböiuevoc (urgiert) schreibt (kritische Bemerkungen Gymn. Progr.
1)
182^6—183^20; vgl. auch 162*32. Jena 1906. S. Übrigens glaube ich, für das ö Tevöjuevoc cuXXoyic|liöc der
20).
3)
oi, ^6biov ÖMOiiuc irepl TravTWv und Überlieferung, dem ich keinen rechten Sinn abzugewinnen vermag, ö 9aivö-
4 182^30: „xal Xaßeiv ^v xivi T^v€i . . .

äönXov."
183*6: „TOÖTO xaXeiröv dvaipex^ov m^v rap, ö xi b'dvaipex^ov,
U ILievoc cuXXoYi|Liöc lesen zu sollen (s. z. B. Top. IX. 170^10).
Geschichte. Garten. 55
54

machten, eine bessere zu


nicht anheischig berechtigt, anzunehmen, daß seine Schrift über den Lügner sich mehr
und sie sicli selbst ja
durch methodischen Scharfsinn im einzelnen ausgezeichnet hat,
geben.^) Die Peripatetische Duplik hierauf gab Aristoteles' Freund
als
daß seine Lösung im ganzen überzeugend und befriedigend gewesen
und Nachfolger Theophrast (372/68—288/86) in einer eigenen Schrift
von Büchern Umfang
drei —
TTepi toö H'euboiiievou a' t' ^^^
ß'
— wäre.

Beweis, daß man sich auch hier inzwischen der Schwierigkeit der »

*
Sache bewußt geworden war. Leider ist uns jedoch nur ihr Titel *
erhalten, und zwar als vorletzter in dem dritten der vier uns bei
Diogenes Laertios überlieferten Verzeichnisse seiner Schriften^); be-

züglich des Inhalts sind wir auf Vermutungen angewiesen. Einiges


So also stand die Angelegenheit des Lügners — und, können
läßt sich aber mit ziemlicher Entschiedenheit feststellen. Einerseits
wir hinzufügen, ähnlich auch die der meisten anderen Megarischen
nämlich, daß sich die Aristotelische Lösung, so wie sie war, ver- Sophismen, soweit sie ernsthafte Schwierigkeiten boten — zu der Zeit,
nünftigerweise schwerlich durch drei Bücher hindurch aufrecht er-
in welcher sich unter dem beherrschenden Einfluß der Weltreichs-
halten ließ; andrerseits, daß nichts psychologisch unwahrscheinlicher gründung Alexanders^) jene drei großen universalistischen Schalen,
daß Theophrast eine von Aristoteles eingenommene Position
ist, als Grarten, Halle und Skepsis, bildeten, welche fortan das gesamte Geistes-
gerade den Megarikem gegenüber preisgegeben hätte.^) Zwischen leben der hellenistischen Epoche bis zum Überhandnehmen des Orien-
diesen beiden Unmöglichkeiten blieb also nur der Weg einer Ver- talismus beherrschten, und somit sahen sich alle drei genötigt, zu der
feinerung und Differenzierung der Aristotelischen Lösung. Daß eine
Megarischen Dialektik im allgemeinen, und dem Lügnerals ihrem vor-
solche tatsächlich stattgefunden hat, und zwar in psychologischer nehmsten Repräsentanten im besonderen, Stellung zu nehmen.
Richtung, dafür spricht eine im Zusammenhang noch näher zu be-
handelnde Wendung Chrysipps), der sich bei der Erörterung des Lüg-
ners auch gegen die Meinung wendet „xuTXaveiv b* ev ttciciv toic toioutoic

oie juev dTrXiüc XeroiLieva, ore be TrXeovöc tivoc cuvTrapevqpaivoiLievou."^) GARTEN


Das geht unzweifelhaft zunächst gegen die oben besprochene Stelle
der Soph. EL, setzt aber in dem TeipaTrXoöv cuv-Trap-ev-cpaivo|iAevou,
Von Epikur (342/41 — 271/70) ist uns von einer Beschäftigung
mit dem Lügner nichts direkt überliefert, was aber bei dem Zustand
zu jene Stelle selber doch durchaus keinen Anlaß bot, eben eine
dem
ebendieser Überlieferung noch nichts gegen die Möglichkeit einer
psychologische Verfeinerung der Aristotelischen Lösung voraus, die
solchen beweist. Im Gegenteil. Wenn in dem Verzeichnis seiner aus-
zu niemandem besser paßt als zu Theophrast, für den eine „aus-
gewählten Schriften bei Diogenes Laertios^) eine solche TTpöc touc
gesprochene Neigung zur Überfeinerung^'^) auch sonst charakteristisch
MeTopiKOuc verzeichnet wird, und wenn er im 28. Buche seiner Haupt-
ist. Da er sich außerdem gerade mit dem Ausbau der Theorie der
schrift TTepi Ouceiuc^), von dem sich zufällig wie noch von einigen an-
hypothetischen und disjunktiven Schlüsse besonders beschäftigt hat®)^
deren unter den Herculanensischen Papyri größere Bruchstücke erhalten
so liegt die Vermutung nahe, daß er auch auf die dtuJTn des Lügners
haben ^), ausführlich gegen den gleichfalls Eubulidischen Verhüllten^)
näher eingegangen sei. Jedenfalls sind wir unter diesen Umständen
polemisiert, so wäre es eigentlich unwahrscheinlich, wenn er in seinen
1) Sie hatten hier eben wieder den allgemeinen dialektischen
Vorteil der
Schriften, deren weitaus größter Teil uns ja verloren ist, sich nicht auch
Sokratischen Methode auf ihrer Seite, b. o. S. 25.
Dias. Lpz. 1856. mit dem Lügner, dem berühmtesten und gefährlichsten aller Megarischen
2) D. L. V, 49; HUsener Analecta Theophrastea.
3) Zudem ist uns die Benutzung des Aristotelischen
Lösungsgedankens in
Vgl. JKaerst, Geschichte des hellenistischen Zeitalters I (1901) 402 f.
einem anderen Falle durch schol. Ambros. ad 17»* 16 (Waitz I, 40) ausdrücklich 1)
2) D. L. X, 27 (Hüsener Epicurea 1887).
für ihn bezeugt, und es ließ sich auch innerhalb des Gedankenkreises der peri-
3) ACosattini (und HvArnim) Hermes XXIX (1894) 1—15.
patetischen Logik schwerlich eine andere, befriedigendere Lösung finden.
s. u. S. 79—80. 4) Eine Gesamtausgabe zur Ergänzung von üseners Epicurea wird von
4) AoTiKä ZnTfmaTa Pap. Herc. 307, X, 22—25.
S Sudhaus vorbereitet.
5) ThGomperz Griechische Denker UI (1910) 366.
5) s. 0. S. 42.
6) CPrantl Geschichte der Logik I (1855) 379.
56 Geschichte. Ältere Stoa. r^y

IX€YXO^ sollte beschäftigt haben. In eben jenem Buch verweist Epikur


i
übrigens auch noch auf eine bei Diogenes fehlende Schrift von sich ÄLTERE STOA
TTepi 'AjucpißoXiac,und Cosattini^) bemerkt dazu mit Recht: „Hunc
Entbehrte die Schule Epikurs, von ihrer Verwandtschaft mit
librum maximi momenti esse putabimus, quod doceat exaggeratum esse
den undialektischen Kyrenaikern abgesehen, des Zusammenhanges mit
quod traditur^) de neglecta ab Epicuro dialectica". Und dies trotz i'
Sokrates und den von ihm ausgegangenen Richtungen, welche eigent-
des neuerdings von ESchwartz^) kräftig betonten religiösen Charakters
lich die Dialektik vertraten, so können wir bei der Stoa eine weit
des Epikureismus. In solchem Maße bildete die Dialektik eben einen
eingehendere Berücksichtigung erwarten, deren Gründer Zenon von
integrierenden Bestandteil der gesamten geistigen Atmosphäre jener
Zeit. Selbstverständlich war die Stellungnahme negativ, wie denn die

Kittion (334 262)^) in jene beiden Schulen gegangen war, gegen
diePiaton den Euthydem gerichtet hatte.
Epikureer nach dem Katechismus ihrer Lehre bei Diogenes*) „ifiv
Doch hatte einerseits inzwischen die Schule des Antisthenes
biaXeKTiKfjv ujc irapeXKOucav diroboKiiadZ^ouciv", und nach dem ebendort^)
seit Diogenes dem Hund eine extrem-ethische Richtung genommen,
überlieferten kleinen Epikurischen Schimpfkatalog dieser die Dialek-
andrerseits hatte auch Zenons Megarischer Lehrer, Stilpon, seiner-
tiker^) „TToXuqpOöpouc" nannte.
seits bereits sich stark dem Kyuismus genähert, und endlich stand
übrigens wurde von Epikur s Schülern sein Kampf gegen die
Zenon nach Anlage und Charakter den Kynikern entschieden viel
Megarische Dialektik fortgesetzt. Wenigstens ist unter den bei
Diogenes^) aufgezählten Büchern seines Schülers Metrodoros von
näher als den Megarikern; E Wellmann 2) hat auch darauf hingewiesen,
daß seine persönliche dialektische Begabung ziemlich gering gewesen
Lampsakos^), ebendesselben, an welchen er sich in jenem 28. Buch
zu sein scheint. Obgleich er mehrere speziell dialektische Schriften
der Physik wendet, eines TTpöc toiic AiaXcKTiKOuc, und daß er in der
verfaßte, deren Titel, TexvTi, Auceic, ''EXeTXOi buo, uns als Anhang zu
Tat gegen den Megariker gekämpft, bezeugt Phil ödem an einer Stelle
dem Verzeichnis seiner Schriften bei Diogenes Laertios überliefert
seiner Rhetorik/-^)
sind^), so beschränkte er sich doch im wesentlichen darauf, die
Endlich gehört auch in diesen Zusammenhang aus späterer Zeit
die Tatsache, daß jenes noch ausführlich zu behandelnde Buch der
Dialektik als — leider, dürfen wir in seinem Sinne hinzufügen —
unentbehrliche Verteidigungswaffe den Dialektikern gegenüber zu emp-
AoTiKci Zr|Tr||LiaTa des Chrysipp^^), das auch einige Paragraphen über
fehlen^): „eXue he cocpiciaaTa kqi xfiv biaXeKTiKfjv ibc toöto ttoicTv buva-
den Lügner enthält, als Bestandteil jener ausgesprochen Epikureischen
luievTiv EKeXeue TrapaXajußdveiv touc iLiaGriTdc." Damit stimmt überein
Bibliothek der Villa Ercolanense dei Pisoni aufgefunden wurde ^^), und
ein uns bei Stob aeus^) 'erhaltener Vergleich Kynischer Farbe: „Zrjvuuv
daß eine gleichfalls noch zu besprechende Stelle ^^) aus Senecas Briefen
Tttc Tiuv biaXeKTiKÜuv xexvac exKale toTc biKaioic jaetpoic ou Tiupöv oub*
an Lucilius Junior^^), der freilich kein Epikureer strenger Observanz
aXXo Ti TiLv CTTOubaiuüv
jueTpoöciv, dXX' dxupa Kai KÖrrpia."
war, darauf schließen läßt, daß auch dieser sich mit dem Lügner
beschäftigt habe.
Unentschiedene Kompromißstellungen wie diese innerlich ab- —
lehnend, aus äußeren Gründen mit Einschränkung empfehlend —
pflegen sich nicht zu halten. Sie drängen mit Notwendigkeit zu
1%) a. a. 0. p. 3. 2) Cicero de fin. I, 22; vgl. Ac. pr. II. 97.

3) Charakterköpfe 11 (1910) 27—48. einer entschieden an dem feststehenden Mittelpunkt der Position
4) D. L. X, 31. 5) D. L. X, 8. orientierten Revision, die dann gewöhnlich nach zwei entgegengesetzten
6) üseneiB Bemerkung im Index seiner Epicurea (p. 403) s. v. biaXeKxiKoi
Richtungen möglich ist und einzutreten pflegt. So auch hier.
dürfte hier wohl nicht zutreffen.
D. L. X, 24.
7)
Jener feststehende Mittelpunkt ist für die Stoische Schule die
AKoerte, Metrodori Epicurei fragmenta. Lpz. 1890. S.A.a.d. XVII. Supple-
8)
mentband der Fleckeisenschen Jahrbücher. AGerckes Ansatz.
1)

9) Vol. rhet. ed. Sudhaus 11, p. 45. cf. Koerte 1. c. p. 539. In seiner grundlegenden Untersuchung über Die Philosophie des Stoikers
2)
10) 8. u. S. 68 f. Zenon (Fleckeisens Jahrbücher XIX [1873] 433—490) S. 485 (m. Nachtrag XXIII
11) Vgl. hierzu Hv Arnim, Hermes XXV, 473; u. S. 68. [1877] 800—808).
12) Ep. mor. 45, 10, s. u. S. 95. 3) D. L. VII, 4; vgl. Cic. de fin. IV, 9.
13) 8. Teutfel E« S. 282. 4) Plutarch, de St. rep. 8 (1034 F). 5) Ecl. II, 2, 12.
58 Geschichte. Altere Stoa.
59

auTCtpKCia.Das Wort geht, wie es scheint, auf Demokrit zurück, können, führten natürlich auch der Dialektik gegenüber zu völlig
die Sache auf Antisthenes' Lehrer Hippias und seinen Schüler entgegengesetzten Stellungen.„T6 Trepi Tidvia ye-ivjJiväcQai boKciv kqi
Diogenes, von denen jeder ein dem anderen entgegengesetztes lunbevoc dTreipiüc exeiv" zieht auch Aristoteles^) als psychologisches
äußerstes Extrem der möglichen Auffassung dieses Begriffes verkörpert, Motiv für einen übermäßigen Betrieb der Dialektik an, das wir auch
während Antisthenes die Vermittlung zwischen beiden darstellt. für die Megariker präsumieren dürfen, während das entgegengesetzte
Wenn dem größeren der nach ihm benannten Platonischen
in Prinzip der Kyniker konsequenterweise dazu führen mußte, jegliches
Dialoge Hippias „ö KaXoc t6 kqi cocpöc" in einem prächtigen Anzüge Sicheinlassen mit Dialektischem absolut und a limine abzulehnen.
auftritt, an dem er alles bis zu den zierlichen Sandalen selbst mit Der Pansokratische Synkretismus des Zenon hatte, wie wir sahen
eigner Hand verfertigt hat, und wenn der von ihm abhängige Ver- auch zwischen diesen beiden Extremen zu vermitteln gesucht, obgleich
fasser derDialexeis dem Sophisten so ziemlich Allwissenheit zuschreibt^), sein Urheber persönlich dem zweiten entschieden näher stand. Noch
so müssen wir uns hüten, dem ersten flachen Eindruck folgend etwas etwas mehr scheint sich diesem bei übrigens gleicher Stellung sein
als bloße eitele Prahlerei abzutun, worin sich, zum erstenmal in der Nachfolger Kleanthes genähert zu haben.
^)
Geistesgeschichte, und darum natürlich noch unreif, der leidenschaftliche Die wie gesagt durch eine solche offizielle Kompromißstellung
Drang manifestiert, jeder möglichen Unzulänglichheit gegenüber den geradezu provozierten Extreme zeigten sich denn in der Tat auch
tausendfältigen Ansprüchen der Welt an Wissen und Können dadurch bereits in der ersten Schülergeneration mit aller Entschiedenheit. Das
Herr zu werden, daß man alles kann und alles weiß, und so, niemandes der Minimalautarkie ergriff der bedeutendste Schüler Zenon s, Ariston
bedürftig und niemandem unterlegen, sich völlig selbst genug zu sein.^) von Chios^), der die Künste der Dialektik mit Spiuneweben verglich,
Diesem Ideal der absoluten Monarchie des Individuums durch „a, KttiTOi boKoövTa tcxviköv
ti ejucpaiveiv, dxpncTd ecTiv"*), und die

Personalunion in der Beherrschung aller Künste und Wissenschaften gesamte Logik kurzweg für „oubev irpoc %dc" erklärte^), das ent-
auch nur nachzustreben, konnte aber nur der versuchen, dem die gegengesetzte, wenigstens auf intellektuellem Gebiete, wie es scheint^),
Natur eine erhebliche Vielseitigkeit und Beweglichkeit der Anlage sein Mitschüler Herillos von Karthago, „qui in cognitione et
mitgegeben hatte. dem sehr einseitig
Diese Voraussetzung war bei scientia summum bonum ponit"."^)

veranlagten Antisthenes offenbar nicht erfüllt, und so begreift sich

der srewaltiffe Eindruck, den ihm die Persönlichkeit des Sokrates


*
machen mußte, die ihm den Weg wies, jenes Ziel, an dem er sonst
hätte verzweifeln müssen, durch Selbstbeschränkung, im Wissen wie
1) Top. IX, 175» 13.
im Leben, zu erreichen. So leidenschaftlich auch Antisthenes diese
2) vgl. die Anekdote D.
L. VII, 182; und in seinem Schriftenverzeichnis
Erleuchtung ergriff, so war er selber doch schon zu alt, um auf VII, 179 gleichfalls zwei dialektische Titel: TTepl tujv 'ATröpwv und TTepi AiaXeKTiKfic.
3) Die Monographie über ihn, deren Prolegomena AGiesecke (Fleckeisens
diesem von vom beginnen zu können. Aber ein kräftiger An-
Weg Jahrbücher XXXVIII [1892] 206—10) gab, steht leider auch heute noch aus, ob-
stoß in dieser Richtung war gegeben, und das Extrem des Ausschlags gleich es sich zweifellos um einen der bedeutendsten, geistvollsten und sjmpa-
nach der entgegengesetzten Richtung, das Ideal der Erreichung der tischsten Denker des ganzen späteren Altertums handelt. Vgl. HGomperz Die
Lebensanschauung der griechischen Philosophen und das Ideal der inneren Frei-
Autarkie durch absolute Beschränkung auf das Minimum dessen, was
heit (1904) 213—16.
jedenfalls in unserer Gewalt steht, verkörperte sich in seinem Schüler 4) D. L.Vn, 161. 5) D. L. Vn, 160.
Diogenes. 6) Denn auch hier noch eine brauchbare Spezialuntersuchung.
fehlt
7) Cic.Ac.pr.n,129. de oratorelll, 62 werden die Erillii neben den Megarikern
Diese beiden einander entgegengesetzten Extreme der Maximal-
genannt; mir scheint in der Tat Herillos von einem Zurückgreifen auf Megarische
und der Minimal- Autarkie, wie wir sie mehr deutlich als schön nennen Lehren, vor allem das Grunddogma des Eukleides, auszugehen. Natürlich be-
dürfte dies erst noch der Bestätigung durch eine ausführliche Gesamtuntersuchung.

1) vm, 1 ff.
Seine Schätzung oder Überschätzung des Wissens erscheint übrigens charakteri-
2) Über die auxdpKeia des Hippias als Vorläuferin der Kynischen und stisch für den bildungsdurstigen Punier, während Aristons Stellung nur bei einem

S:oisclien vgl. ENorden Hermes XL, 525 und vor allem WNestle Philologus Griechen denkbar ist, dem die Bildung nicht mehr Ziel, sondern bereits selbst-
LXVn, 570. verständliche und fast schon trivial gewordene Voraussetzung war.
Ältere Stoa.
61
Geschichte.
60
XpOcmTroc Kommentar zur Topik^): „oi |aev arro inc Ciodc öpi^ö)uevoi Tf]V bia-
'€tw öeXu) Tvwvai, ti X^Tei
^v TOic TTepi toö Veuboia^vou.
XeKTiKfiv eTTiciriiunv toö eu Xereiv, tö he eu Xereiv ev tuj xd dXriefi
Gründer Kai id TTpocriKovia Xereiv TiGeiuevoi, toöto he
solcher bezeichnete zweite ibiov f]TOU|Lievoi toö
Der Retter und mit Recht als
(piXocöcpou Kttid TeXeioidiTic
gefährdeten xfic cpiXococpiac cpepouciv auTÖ.
in ihrem Bestände ernstlich kqi bid
der durch derartige Häresien TOÖTO 'iXOVOC Ö COqpOC' aÖTOUC 'biaXeKTiKÖc'."^)
Soloi (280/76-20^05)0, indem er KttT*
Stoa Turde Chr^ysippos aus mchtenden- Natürlich war Chrysipps Leidenschaft für Einteilungen durch
sein riesiges, mehr durch
.

auf den Grundlagen Zenons diese einfacheZuordnung noch keineswegs befriedigt, vielmehr wurde
Einteilungen als energische Konsequenz ausgezeichnetes Lehr-
woUende die an den Weisen gestellte Forderung dialektischer Vollkommenheit
daß er schlechthin aüesm
dieses
gebäude aufrichtete, und dadurch, in eine ganze Kompagnie dialektischer Teil- und Einzeltugenden auf-
kompilatonsch-distinktiven Pio-
einbezog und mit einer erstaunlichen gelöst.^) Die hier nun für uns besonders in Betracht kommende
orbis litterarum unter Wasser
setzte,
duktivität geradezu den gesamten
mehr für Häretiker übrigließ Bei Und diese ganz subjek-
dialektische Spezialtugeud ist die dveXeTHia/)
.leichsam einfach keinen Platz auf einer Tugendforderung an den Weisen beruhende Begründung
wäre eme Anlehnung tive,
Liehen universal-enzyklopädischen Bestrebungen
der Dialektik ist nicht ohne Einfluß auf die Behandlung geblieben-
Vorarbeiten, die des PeriPf t«^;
an die umfassendsten vorhandenen wir werden sehen, daß es Chrysipp in der Tat im Zweifelsfalle doch
Erwartung für unser spezielles Gebiet
a priori zu erwarten; daß diese weniger darauf ankam,
Doch besteht ein Trugschlüsse objektiv befriedigend aufzu-
zuirifft, wird sich im
folgenden noch näher zeigen.
Peripatetische Ideal die ob- lösen, als vielmehr vor allem zu verhindern, daß sich der „Weise"
wesentlicher Unterschied darin, daß das
Stoische die durch sie irre machen ließe.
jektive Vollendung des Systems der Wissenschaft, das
subjektive Allseitigkeit des Weisen
ist.

Chrysipps zur Dialektik


Fragen wir nach der spezieUen SteUung
entgegengesetzten Auffassungen der Es
wieder ein Beweis für die Richtigkeit unserer Einschätzung
ist
im Verhältnis zu jenen beiden
eine Art beide Extreme zu
ver- des Lügners,
so ergibt sich, daß er auf
daß er von allen Trugschlüssen, die unschädlich zu
aÜTäpKC«,
das Maximalextrem aufzunehmen wußte, i machen sich Chrysipp schon aus dem aufgewiesenen Motive ver-
einigen, oder das Minimal- in
näher lag. Daß durch diese Ver- pflichtet fühlte, unter den Titeln des endlosen Verzeichnisses seiner
das "ihm seiner ganzen Art nach
braucht
Tiefe und Konsequenz gewann, Diogenes Laertios^), unbedingt an der Spitze steht.
Schriften bei
einigunc. keines von beiden an
am besten charak-
nicht g^esagt zu werden. Diese Stellung wird Dementsprechend wird er auch in dem kurzen Abriß der Stoischen
Buche von Quintilians Logik, den Diogenes Laertios dem ausführlicheren des Diokles
terisiert durch eine Stelle aus dem ersten
daß sie auf Magnes vorausschickt^), unter den von den Stoikern in der Dialektik
Institutionen, von der es mir
kaum zweifelhaft erscheint
liberorum
die in demselben Buche
fünfmal) zitierton praecepta de vor allem behandelten Sophismen an erster Stelle genannt. Der Passus
Sie lautet^: „Nam et sapien em lautet '^):
educationeO Chrysipps zurückgeht.
consummatus undique et ut dicunt,
formantes eum, qui sit futurus
caelestium vel mortalium Ed. Wallies (Bln. 1891) 1, 8.
1) 2) vgl. D. L. YII, 83.
mortalis quidam deus, non modo
cognitione
Wir können uns hiervon einen guten Begriff machen durch den Hercula-
parva sane, si ipsa demum
3)

putant instruendum, sed per quaedam nensischen Papyrus 1020, den mit ausführlichen Erläuterungen HvArnim Hermes
interim ambiguitates: non
quia cera- XXV (1890) 473-95, vgl. St. v. fr. H (1903) 40-42, ediert hat, und der, wie
aestimes, ducnnt sicut exquisitas
sapientem, sed qma Mum ne xn nach Arnims Vermutung auf Grund eines von diesem übersehenen Zeugnisses,
tvme aut crococKlUnae possint facere gleichzeitig und unabhängig voneinander MPohlenz, BPhW XXIV (1904) 1502,
Ebenso bei Epiktet^: „bei tap Kai
minimis quidem oporieat falli." und BKeil, Hermes XL (1905) 155—58, erwiesen haben, ein Buch einer ethischen
xaÜTa.c biacpuXära. tö dveEaitdinTOV tov KaXov Kai Schrift Chrysipps selbst enthält.
ev rak ÖXa.c
in der Einleitung von Alexanders D. L. VII, 46: „auTi^v b^ Tf]v biaXeKTiKi?]v dvoTKaiav elvai xal dpeTi?]v ^v
4)
dTaeöv" Und entsprechend cibei dperdc
irepi^xoucav •
ty\v Te dveXerSiav icxOv ^v Xojw, ujct€ ^i\
dudYccOai uir* auTOu eic tö dvxiKeiinevov ." . .

1) Jacoby, Apollodors Chronik 371. 5) D. L. Vn, 189—202; vgl. Arnim I, praef. p. XLVHf
3) I, 11, 17. 4) I, 10, 5.
2) 1,1,4; 1,16; 3,14;
10,32; 11,17. 6) vgl. Arnim I, praef. p. XXXff. 7) D. L. VII, 44.
5) diatr. III, 2, 7.

1
62 Geschichte.
Altere Stoa.
63
„iLv (sc. cocpicjndTojv) eivai folgen in der VII. cuvxaHic des 4. Xotiköc
töttoc zwei Bücher über
ipeubojuevouc Xötouc xai dXriGeuovTac Kai d7Toq)dcKOVTac, den dTTOcpdcKUiv unmittelbar auf eines über den
ipeubö|uevoc das die
ctupeiTac Te Kai touc 6)uoiouc toutoic, cuvraHic eröffnet.^ Bei Epictet. diatr. III, 9, 21: „cu
KpucxdXXiva,
eXXiTteTc Kai diröpouc Kai Trepaivovrac Kai eTKeKaXu)U)Li€Vouc, erui Td Tou i|i€uboMevou- cu juouppiva,
ifuj rd toö dirocpdcKovTOc"
Kepaiivac le Kai ouTibac Kai OepiZiovTac." korrespondieren beide aufs engste. Und endlich ist die Bildung
Die entsprechende Stelle in dem sonst ausführlicheren und sorgfältigen ipeufcaTToqpdcKUiv bei Clemens Alexandrinus^) auch nur unter dieser
Abriß des Diokles lautet dagegen^): „Kai diropoi bi iivec eiciv XÖTOi * Voraussetzung verständlich. Wir sind danach also wohl in der Tat
eTKeKaXu|Li)Lievoi Kai biaXeXriGÖTec berechtigt, den dTro(pdcKUJV für eine Form des ipeuboMevoc zu
halten.^)
Kai ctupiTai Kai Keparivai Kai ouiibec."
Vor dem von FBahnsch^) gegen sie erhobenen Verdacht nachträglicher Ich führe nun zunächst die erwähnten Titel der ausführlichen
Einschübe wird die erste Stelle schon durch die Symmetrie ihres Baues Diogeneischen an*) und füge jeweils gleich die nötigsten
TtivaH
Er-
geschützt^), dagegen scheint mir bei der zweiten unzweifelhaft mindestens läuterungen hinzu. Die ersten drei der folgenden bilden zusammen
(
ebensoviel, wienoch dasteht, ausgefallen zu sein, denn daß der Ver- die V. cuviaEic des Xotikoc töttoc irepi
idc XeHeic Kai töv kqt' auidc
hüllte und Verborgene nebeneinander aufgeführt, der Lügner aber XÖTOv, die folgenden stehen in der VI und VII
cuviaHic.^)
ganz fortgelassen wird, möchte man doch entschieden eher auf das
V, 2. XÖToi ipeuböjuevoi rrpöc eicaTuuTriv
Konto Diogenes, als auf das des be-
eines flüchtigen Schreibers des a'.
V, 1. 7T€pi Tov Mieuböjuevov eicaTUJTnc irpöc 'ApicTOKpeovia
Tflc eic
sonnenen und wohlunterrichteten Diokles setzen. Möglich auch, daß a'
Epictet. diatr. II, 17, 40 (nachdem vorher
die Ausführlichkeit der ersten Stelle bei Diogenes ein Motiv zur 34 Titel V, 3 zitiert
war): „Kdv irdcac xdc eicaTWTdc Kai
Verkürzung der zweiten abgegeben hat. idc cuvidEeic idc Xpu-
ciTTTTOu
Was an der ersten Stelle die Zusammenstellung ipeubojLievouc
bieXeujMev''^) eicaTWTn scheint bei Chrysipp
. .
.
spezieller
terminus technicus für eine Art erster
.XÖTOUC Kai dXriBeuovTac Kai diroqpdcKOVTac anlangt, so werden wir pädagogischer Formalstufe
zu sein.^ Vgl. a. D. L. VII, 48: „Kai iva
sehen*), daß der dXr|6euujv mit dem v|ieubö|Li6V0c bzw. einer Form des- Kai Kaid ^epoc dii^^ev
i Kai Td direp auTUJV eic Triv
selben identisch ist.^) Danach ist es schon aus Symmetriegründen eicaTtüTiKrjv Teivei TexvTjv." Von
Aristokreon, Schwestersohn und Lieblingsschüler des
wahrscheinlich, daß die dTiocpacKOViec auch zu den 6)Lioioi toutoic Chrysipp,
dem auch die drei folgenden Schriften gewidmet sind
(toic vpeubo^evoic Kai dXri9euouciv) gehören, und also auch der drro- und der sich
also für den Lügner ganz besonders
q)dcKiJüv eine Form des ipeubö)uevoc darstellt. Dafür sprechen in der interessiert zu haben scheint,
ist uns sonst nicht viel
Tat auch alle andren Stellen, an denen der dTioqpdcKUJV sich sonst Bemerkenswertes bekannt.^) Vielleicht
wird er die spezieUe Chrysippische Lösung
noch findet. In dem Diogeneischen Schriftenverzeichnis des Chrysipp des Lügners, die, wie
wir noch sehen werden, einen besonders
wunden Punkt des Lehr-
1) D. L. Vn, 82. gebäudes darsteUte und auch innerhalb der Schule
selber V^ider-
Quaestionum de Diogenis Laertii fontibus initia. Diss. Kgbg. 1868 p. 42.
2)
spruch fand, mit Haut und Haar angenommen
3) 2-|-l-|-l|l-i-2 ^ , ouc ouc, Tac, xac xac, ouc ouc |
haben, was dem
1 1 + +
1 +•! 1 + + ouc, xac ouc ftac, xac xac. Lehrer und Onkel natürlich eine besondere
1 1 I
eic | Freude sein mußte.
Ich weiß nicht, ob hier vielleicht auch mnemotechnische Gründe mitgespielt
haben. Vgl. übrigens den ebenfalls streng symmetrischen und rhythmischen Bau 1) s. u. S. 05.
der Sophismenaufzählung bei Clemens Alexandrinus u. S. 103. Strom. V, I, 11, 6 (St. IL p. 333). s. u. S. 103.
2)
4) u. S. 78. ziemlieh willkürliche und völlig unbegründete
/n u R'^
-^
Identifikation CPrantln
5) Dadurch erübrigen auch die Vermutungen H Poppelreuters zu der
sich ((reschichte der Logik I, 491) erledigt sich
damit.
Stelle, die er eingehend und doch ohne rechten Erfolg behandelt hat:
sorgfältig,
''^^' '^^'^^^'^ HvArnim, Stoicorum veterum fragmenta
Die Erkenntnislehre der Stoiker Zenon und Kleanthes. Gymn.-Progr. Koblenz 1891, I (1903) XLVII^Vn/~^^^'
(S. 17, A. 5). Er will entweder v|;euöö|uevoc Kai dXrieeuiuv zusammenziehen: ,ein ^""^ '®*^^ ''^'' J®^®^ 'ri*el die Nummer seiner
/.. .^17^'.^^,^"^^' cOvraHic
Schluß, in dem einer lügt und doch die Wahrheit sagt', oder eine Verderbnis (romisch) und
die seiner Stelle in dieser (arabisch).
aus biaXavedvovxac bzw. öiaXeXyiGöxac annehmen. Übrigens ist der irepaivujv 6) Dies setzt übrigens wohl die Kenntnis der Diogenianischen
irivaS fi'ir
(ibid. A. 10) doch auch ein Trugschluß, wie sich aus den Stellen bei Epiktet ergibt. Lpiktet voraus. 7) vgl. HvArnim bei Pauly-Wissowa s. n.
64 Geschichte. Altere Stoa.
65
g' VI, 6 unmittelbar folgt, so
V, 3. Tiepi Toö vyeubo|Lievou irpöc 'ApiCTOKpeovia ist hier wohl zweifellos toO
i meuöou^vou
Dies Hauptwerk Chrysipps über den Lügner scheint wegen zu ergänzen.

seiner Schwerverständlichkeit sprichwörtlich gewesen zu sein. So wird auch wohl die letzte Schrift dieser
cuvraStc irRend-
Vgl. Epictet. diatr. 11, 17, 34: ,/eTU) OeXu) TVOJvai, ti Xerei Xpu- einen Zusammenhang mit dem Lügner gehabt
haben-
ciTTTTOC ev Toic TTcpi TOÖ Yeuboinevou' — ouk dTTOiTHr] Meia rflc VI, 7. Xücic To-y -HbuXou ÜTroecT.Kuiv
rrpöc 'Ap.cTOKpeovT«
Kai'ATroXXäva'
eTTißoXnc TttUTTic, xdXac; Kai ti coi öqpeXoc ecTai; 7T€v0a)v dTiav Epictet. diatr. II, 21, 17: „oük
IcpobeOere veubonevou Xnu-
dvaTViwcri Kai Tpeiuujv irpöc dXXouc epeic." \xma UTToeeriKoüc;"
VI, 6. Tiepi Tflc ToO i|jeubo|Lievou Xuceujc irpöc 'ApicTOKpeovTa t' VII, 2. TTCpl <TOO> dTTOCpdCKOVTOC
TTpöC [tÖv] 'ApiCTOKpeOVTa ß'
Offenbar eine Spezialschrift zur Verteidigung der Lösung vil, A. AoToi aTTO(pdcKOVT£c
Trpoc TUMVociav a'
Chrysipps. S. o. S. 62 f
Touc bid biaXuovTac TÖv viieub6|Lievov Xötov VII, 4. TTcpi TOÖ Trapd
VI, 2. TTpöc Tflc Toiunc niKpöv Xötou Trpöc CrncaTÖpav ß'
TTpÖC 'AplCTOKpeOVTa ß' S. u. S. 77.

In derselben cuvTaEic: und noch je eine Schrift über den


cu^peixnc (f,cuxdru.v), den
VI, 3. dTTÖbeiEic Trpöc tö |Lif) beiv T€)Liveiv Td döpicTa a' €TK£KaXunH€voc und den öiaX€Xri9iüc.
VI, 4. TTpoc Td dvTeipTiineva toic KaTd ttic TOiarjc tu)v dopicTUJV ^"^ Verzeichnis der Fangschlüsse des
n T f; ^:rS'^
UL.11,108:
Eubulides
TTpöc TTdcuXov t'; und in der VIII. mit 2 Schriften über „veubönevoc, biaXavOavcuv, "HXeKtpa, ^TK€KaXuu-
den ouTic zusammen: M«voc, ciupeiTtic KcpaTivtic, (paXaKpöc."
VIII, 2. Tiepi Tiuv eEdopicTouKaiujpic)uevou Xötujv Ttpöc TTdcuXov ß'
und dazu D. L. VII, 82 und Simpl. in Categ. ed Kalbfleisch Über die Stellung Chrysipps
zum Problem des Lügners er-
(Bln. 1907) 105.
lauben uns diese Titel bereits
eine Anzahl von Schlußfolgerungen
Vn, 1. TTpöc TOUC qpdcKOVTac Td XrifUjuaTa exciv ijjeubfi töv v|ieubö|uevov Einmal nämlich findet sich in dem
ganzen Schriftenverzeichnis
XÖTOV a' überhaupt kein Thema, auch die
i aUgemeinsten nicht ausgenommen,
D. L. VII, 45: „eivai be töv Xötov auTÖv cucTTHna ck
Tiuv Kai €TTi90pdc." Diokles D. L. VII, 79: „^ti tiüv Xötujv
Xr||H|LAd-

oi fuev 2.rV t^ :
ITllv u
f"'
'' ""^
'"^
~
'"^^^^ ^'^ Büchem%ewidmet
^'"° ^^' Chrysipps SteUung zur
dXrieeTc, oi be ipeubek . . . ipeubeTc be eiciv oi <f|> tAv XrmMaTUJV
exovTecTiipeuboc, f| direpavTCi övtcc." Galen, de an. pecc. dign.
(K. V, 72, 15): „oi ipeubeic Xötoi ttovtujc titoi tOuv XnMMdTWV
Epictet. ersten Emfuhrung m das
e'xouci Ti ipeöboc, f|TÖ cu|UTTepac|ua KaKUüC eTTiqpepöinevov." Problem schrieb, beweist, daß er selber
diatr. II, 24, 17: „vijeubo|Lievou Xr||Li|LiaTa"
seme Behandlung für nicht ganz
leicht und ohne weiteres
verständlich
Dazu gehören noch gehalten haben muß.

aus der VI. cuvTaEic außer dem schon unter VI, 2 aufgeführten: Femer sehen wir, daß er drei SteUungen,
die andere Philosophen
VI, 1. TTpöc TOUC vo|uiIovTac Kai vjjeubfi Kai dXrjGfi eivai a' zum Lugner einnahmen, verwarf.
Erstens, wie selbstverständlich, die
der Megariker (VI,
Hv Arnim fügt hinzu seil, töv njeuböjLievov, näher liegt aber 1). Zweitens die Peripatetische Lösung
(Vi, 2)
allgemein töv auTÖv Xötov, auch so aber würde jedenfalls der
Lügner das Hauptbeispiel gebildet haben. Übrigens vgl. Arist. den m:Z'-^(^ f/^eÄde" L^ ^''="r''
Lügner
'
'f\!'
«-''-)• «»>-
ohne ausdrückliche Nennung im
Top. IX, 180^2 (o. S. 50): „MJeubecGai töv auTÖv djna Kai dXneeueiv." Titel
iitel 2
ra^
2 (2),
..n^ mit
und ihm m wesentlichem
-V 't '

ganzen also 13 Schriften mit 9± R»pi,o^f ttkZusammenhang ^ 7^^



stehend 3
'^'^'^^^'^^^S steüend (5), im
Cicero, de fato 21: „itaque contendit omnis nervös Chrysippus ut •

persuadeat, omne dEiuj|Lia aut verum esse aut falsum."


Beispiel sehen, daß Chry"pp -
wTe b" Zlf^AV-T^"^
"^^ °°'='' '"' ^^""^
Arbeitsweise zu erwarten, vgl.
AGercke Chrysipüea ^1885^ «oi a •

VI, 5. Xucic KttTd TOUC dpxaiouc TTpöc AiocKOupibrjv a' kreises dieseTsSin
beLndeirhat*"
'""'' -o<^\--l^rh^ib des
X"" üL
Da Xucic allein keinen hinreichend bestimmten Sinn gibt und in diesen ScHriaen von
Küitow: Der Lüffner.
Shtt "^^e^ ^^^t^^^^ 5
^^
66 Geschichte. Ältere Stoa.
67
biet TTic TOfLific — nämlich in ein döpiCTOV (KupiuüCund ein
xöbe)
^
sachlichen Gründen mit der
*'''
PlutarchsteUei)
wpicuevov (lafi otTiXtüc) — , die Aristoteles im IX. Buche der Topik ge- T
In ^
der . t^"""^,
dialogisch eingekleideten antistoischen
Streitschrift über die
geben hatte.^) Das wird jedenfalls auch die Xucic Kaict touc dpxaiouc Gemembegriffe wird gleich als erster Beleg
dafür, in welchem Maße
(VI, 5) sein, denn es ist in der Tat die älteste. Außerdem sehen wir sich Chrysipp mit diesen in Widerspruch gesetzt
habe, seine Be-
aus der Duplik VI, 4, daß die Peripatetiker auf diesen Angriff ge- handlung des Lügners angeführt.
„ ... so scheint mir dieser
Mann
antwortet hatten. Auch über den Inhalt von Chrysipps Kritik geradezu geflissentlich und in der
erstaunlichsten Weise den gesunden
können wir hieraus so viel entnehmen, daß er, mit Recht, die Aussage Menschenverstand umzuwerfen und auf
den Kopf zu steUen wie es
des Lügners für nur dopicTUiC, bzw. Kupiuüc und dTrXuJc getan und eine gelegentlich auch seine eigenen
Verehrer bezeugen, wo sie mit ihm
Zerlegung für unzulässig erklärte. Endlich drittens bekämpft er noch über den Lü^er
streiten. Denn ein uneingeschränktes konjunktives
eine zweite Lösung, welche den Widerspruch des Lügners auf einen Urteü mit widersprechenden Gliedern
nicht für scUechthin falsch zu
Fehler in seinen Prämissen zurückführen wollte. Das ist aber leider erklaren, und wiederum zu
behaupten, bei formeU einwandfreien
das einzige, was wir über diesen, wohl nur postulativ durchgeführten, t
Schlüssen aus richtigen Prämissen könne
auch noch das kontradiktorische
Lösungsversuch erfahren. Auch wer seine Vertreter waren, wissen Gegenteil Ihrer Konklusionenwahr sein, steUt das nicht wirklich -
wir nicht. Da
wir aber aus einer gleich zu besprechenden Plutarch- jegliche Vorstellung von Logik
und Wahrheit auf den Kopf?'«
daß Angehörige seiner eigenen Schule mit Chrysipp
stelle erfahren, Also: Erstens, was wir bereits
benutzten, Chrysipps Lösung
bezüglich der Lösung des Lügners uneins gewesen seien ohne daß — fand auch innerhalb seiner Schule
selber Widerspruch -
wir hier sachlich über ihre Stellung etwas hören so liegt der — geradezu kanonischen Ansehen, das
bei dem
Chrysipp hier genoß, ein starkes
Versuch nahe, diese beiden versprengten Hälften aneinanderzufügen btuck, und sicherlich ein Beweis,
daß es mit seiner Lösung wohl
und zu mutmaßen, daß VII, 1 sich gegen derartige abweichende Mei- wirklich einen Haken gehabt haben muß.
Zweitens, er erklärte, wie
nungen innerhalb der Stoischen Schule wendet. schon festgestellt,Aussage des Lügners für uneingeschränkt
die
und
Endlich läßt die Zusammenstellung innerhalb der VII. cuviaHic verteidigte nicht nur, wie wir auch
schon sahen, die Wahrheit seiner
vermuten, daß Chrysipp nach Aristoteles' Vorgang*) die y
Prämissen, sondern auch die
Schlüssigkeit und formal-logische Ein-
diidTTi des Lügners mit dem irapd )uiKp6v Xötoc in Verbindung ge- wandfreiheit seiner Konsequenz.
Drittens,
was ja hierin schon liegt
bracht habe. und wohl tatsächlich nichts darüber
Hinausgehendes besagt hat er -
Worüber wir leider noch nicht das Geringste erfahren konnten^ die Argumentation, trotzdem
Widersprechendes aus ihr folgte, nicht
ist Chrysipps eigene Lösung. ohne weiteres für falsch erklärt; denn wemi das zweitemal ohne
solchen restringierenden Zusatz gesagt wird,
er habe beide wider-
eprechende Prämissen für wahr
ausgegeben, so ist das selbstverständ-

Das so bis jetzt über Chrysipps Behandlung des Lügners aus


lich bloße Übertreibung und
historisch ausgeschlossen Chrysipp -
hatte dann geradezu Megariker
und nicht Stoiker sein müssen
dem bei Diogenes Laertios überlieferten Material Gewonnene läßt Viertens endlich wird darauf
hingewiesen, daß diese Stellungnahme
noch weiter nicht unwesentlich ergänzen auf Grund zweier
sich nun die Fundamente der Erkenntnislehre und der
Logik — genauer-
Stellen bei Cicero und Plutarch, denen beiden die Tendenz zugrunde Lehre vom Schluß — erschüttere.
der

liegt, aus den Schwierigkeiten, in die sich Chrysipp hier offenbar Ganz die gleiche allgemeine Tendenz
verfolgt die Cicerostelle»)
verstrickt hatte, in skeptischem Sinne Kapital zu schlagen. Beide Doch ist sie, obgleich um ein vielfaches ausführlicher, für unsern
Stellen werden später, in ihrem Zusammenhang, noch ausführlicher vorliegenden Zweck viel weniger ergiebig.
zu behandeln sein, und darauf muß ich verweisen, — hier ist es uns eine detaillierte Ausführung des
eben unter viertens bezeichneten Ge-
Sie enthält hauptsächlich

lediglich um den Gewinn zu tun, den sie mit Bezug auf Chrysipp dankens, in wiefern nämlich der Lügner
(scü. wenn man seine Form
abwerfen.
1) de comm. not. adv. St. 1059 D— E; s u. S 92
1) 8. 0. S. 50. 2) 8. S. 51. 2) Ac. pr. II. (29-30), 95-98; '
8. u. S. 88 f.
68 Geschichte.
Ältere Stoa.
ganze Lehre vom Schluß 69
als einwandfrei und schlüssig zugibt) die
Eine davon, der Papyrus
umwirft.^) Dem geht voraus der entsprechende Nachweis, daß der Herculanensis 307, war zunächst
aUgemem als Stoisch und logischen nur
Lügner, wenn es nicht gelingt eine glatte Entscheidung ob wahr oder Inhalts bestimmt worden,
und
ThGomperz hatte emmal im Vorbeigehen
falsch zu treffen, auch die grundlegende Stoische Definition des auf ihn als einen besonders

dEiuüina: „effatum esse id, quod aut verum aut falsum sit" = „dHiuü|Lia
schwierigen hmgewiesen^.
Neapeler Studienaufenthalt als
Da gelang es WCrönert bei
einem
6 ecTiv dXnOec ipeöboc"*) in Frage stelle.^) Außerdem Unterschrift zu entziffern:
be ecTiv, f|
XpurciTrTroul
AoTiKv] 2nT[n],[dTa.v und er erwarb sich weiter das
hören wir*): „sed hoc extremum eorum (sc. Stoicorum) est: postulant
.
.],
die so in Ihrer Wichtigkeit
.
Yeä^e^t
erkannte Schrift durch die von
ut excipiantur haec inexplicabilia." Wenn es aber übrigens heißt ^): Lm be
sorgte editio princeps zum
ne ab ipso quidem dissoluta'', so ist das erstenmal zugänglich zu machen^)
„haec Chrysippea sunt, Zu
dieser Ausgabe war neben
den beiden noch zu erwähnenden
natürlich kein historischer Tatsachenbericht, sondern nur ein logisches alten
Abschriften „eine große Anzahl
Werturteil Ciceros bzw. seines Gewährsmannes, und wir können aus von neuen Lesungen benutzt, die
bei
einer schnellen Durchsicht
„'At dissolvit idem'. Mihi quidem der EoUe im Jahre 190Ö
einer früheren Stelle^) ergänzen: gewonnen wurdet
Es sei hier ausdrücklich bemerkt^
non videtur, sed dissolverit sane." fährt der Herausgeber in
seinem
Vorberich fort daß die nun folgende
Nachdem wir so ziemlich genau alles Negative erfahren haben: Bearbeitung' nur eine vo"
aufige -t-) Auf Grund dieser Ausgabe und unter
welche Lösungen und Lösungsmöglichkeiten Chrysipp verwarf, wie Nachvergleichung
der Reproduktionen der beiden
alten Abschriften veröffentlichte
sich für ihn dadurch die Schwierigkeiten steigerten, und zu einer wie dann
zum zweitenmal HvArnim den
fundamentalen Frage für den Bestand der Grundlagen seiner Lehre Papyrus im zweiten Bande seiner
^ragmente der alten Stoiker^);
für ihn die Lösung des Lügners wurde, sind wir nun nur desto es gelang ihm vielfach
erheblich
gespannter zu
zu
sehen,
überwinden versuchte
auf welchem
— was er
Wege
selber
er diese
denn
Schwierigkeiten
als Lösung des
X" XZTu. "™' '" ""' ''" '"'*''*^"° "' *" «"^'
Lügners gab. ^^ ^'' Crönertschen Ausgabe nun machte
.
diP
die T?t "^r ^^'?f
Entdeckung, daß auf dreien der fünfzehn
ich
Kolumnen der Lügner
1 behandel wird. Nachdem ich
mich von der Undankbarkeit und Un-
sicherheit einer Bearbeitung
nur mit den vorhandenen Hilfsmitteln
zur Genüge überzeugt hatte,
Das Geheimnis der Antwort auf diese Frage ist enthalten in einer wandte ich mich an Herrn Professor
Alessandro Olivien in Neapel mit
der verkohlten Papyrusrollen jener uns glücklich durch zwei Jahr- der Bitte, mir eine Kollation
jener
drei Kolumnen besorgen zu
um 150 Jahre zu wollen. Er beschämte in
tausende geretteten, aber dann unglücklicherweise liebenswürdigster
and uneigennützigster Weise
früh entdeckten Herculanensischen Bibliothek. meine Erwartungen, indem er selber
eine
Nachzeichnung m verkleinertem
Ihr Besitzer war bekanntlich Epikureer, und sie enthält neben Maßstab sowohl der Schriftzüge des
Papyrus als auch der Neapler
einigen kostbaren Rollen der Hauptschrift des Meisters selber^) Abschrift für mich anfertigte (Juli
1909)
Diese Nachzeichnung des
hauptsächlich die gesammelten Werke des wenig bedeutenden Originals liegt der folgenden Ausgabe
der drei Kolumnen zugrunde.
Epikureischen Vielschreibers Phil o dem. ^) Vereinzelt finden sich Außerdem sind benutzt
2. die Neapler Abschrift
zwischen ihnen aber auch einige Stoische Rollen; „der Besitzer der
a) nach jener eben
erwähnten,
Bibliothek mochte sich einzelne Hauptschriften der feindlichen Schule gleichfalls von Herrn Professor
Ulivieri hergesteUten
angeschafft haben, sei es zum Zweck eigener Polemik, sei es als Hilfs- Nachzeichnung,
b) nach den Kupferstichen
mittel für das Verständnis der Polemik seiner Schule".^)
der CoUectio altera,

1) Wiener Studien II (1880), 140


1) 96—97. 2) Dioklea D. L. YII, 65. 3) 95. °'' '""""^ 2HTHMATA des Chrysippos. Hennes XXXVI
5) 96. 6) 75. o. S. 55. (1901)'LT-5?9"*
4) 97. 7) 8.

Vgl SSudhauB Philodemi Volumina Rhetorica, Supplement (1895) Vff. 3) S. 550.


8)
9) HvAmim Hermes XXV, 473.

^1
70 Geschichte.
Ältere Stoa.
71
3. die Oxforder Abschrift, nach den publizierten Photographieen, fahren hat sich aber auf einzelne
SteUen mehr konzentriert als
die
4. die Crönertsche und ersten Zeichner und so besonders
nicht selten Buchstaben
und Reste
5. die Arnimsche Ausgabe. von solchen erkannt und festgehalten,
die jene übergangen
hat n
Bezüglich des Papyrus und seiner Geschichte der Entdeckung
der Biblothek verweise ich auf die einschlägigen Darstellungen').
seit

Die W ^f^^t^^^^f
k inertem
-^* --de 1890 in Photographien in
Maßstab veröffentlicht.
etwas ver^
^ Leider sind diese gerade für unsere
Neapler Facsimile- Abschrift wurde bald nach der durch BGCasanova dre, Kolumnen mcht sehr
gut ausgefaUen^), so daß
es oft nur mit
im Jahre 1802 vorgenommenen Aufwicklung des Papyrus durch
Carlo Orazi und Carlo Malesci angefertigt; die Oxforder Facsimile- ?i Är.';'r
Oxforder Abschrift danach
^'^'^^ Zweifel
festzustellen.
mognch war, die Lesung der

Abschrift einige Jahre später; sie ist im allgemeinen sorgfältiger Ich lasse nunmehr den
Text der drei Kolumnen selber
folgen
und genauer^), doch hatte sich in der Zwischenzeit der Erhaltungs- Bei seiner Herstellung hatte
ich mich an einigen
SteUen der ünte"
zustand des Papyrus nicht unerheblich verschlechtert, so daß der stutzung meines hochverehrten
Lehrers Prof PCorssen
Berlin-Wümers-
Unterschied seines heutigen Zustands gegen den der Oxforder Ab-
schrift zugrundeliegenden geringer ist als derjenige zwischen diesem Ich bemerke noch, daß ich natürlich weit davon
entfernt bin, aUe
und dem der Neapler Abschrift entsprechenden. Trotzdem bietet aufgenommenen Ergänzungen oder auch
nur ihre Mehrzahl für sicher
auch die Oxforder Abschrift noch manches, das heute zerstört ist.
schHmmsten Falle unschädlich,
Die Neapler Abschrift wurde dann von Antonio Casanova sauber in PunH^'^'J '""J^^n^^
Flankten eingeklammerte Buchstaben setzen zu lassen -
statt

die Sache auch einmal


^enL man
Kupfer gestochen und so Bande der Collectio altera publiziert^).
im VII. nur so ansehen will. Wenn
ich eine Ausgabe
Nach Fertigstellung der Kupferplatten wurde das Original der Ab- des Papyrus zu machen
hätte, würde ich
gegenüberstehend links in
schrift von einem unbekannten Gelehrten der Academia Ercolanense Ma askeln die Lesung des Papyrus
und subsidiär der Apographa
mit einzelnen Korrekturen und Ergänzungen versehen.*) Es sind dies rechts kursiv den ergänzten
Text drucken lassen^); hier ist
'nichtdurchweg „willkürliche Verbesserungen", als welche sie Crönert^) bezughch der Reste ergänzter ZTett
Buchstaben unbequemerweise auf
Apparat den
bezeichnet; soweit uns noch eine Nachprüfung möglich ist, ist ihr i angewiesen, der aber in allen
irgendwie zweifelhaften Fällen
Urheber in der Ergänzung von Buchstabenresten oft vorschnell ver- darüber Auskunft gibt.

a. a. 0. EMartini Catalogo Generale in Comparetti et De Petra


WCrönert, '' *'' ^''"' "^^^-'^"^^^^ ^^ H--^--'^
La
1)
villa Ercolanense dei Pisoni. Torino 1883. und WScott Fragmenta Her-
Oxford\Sa'r? Papyri vol. I.

culanensia. Oxford 1885. vgl. a. WCrönert. Memoria Graeca Hercuianensis.


(190;i) und ders. Neue Jahrbücher 1900, 586—91.
schein? ZrZoii^''''
'^ ^^' ^' ''^'^^ ^^^^^^^ ^^ außerdem, wie es

2) Übereinstimmend bezüglich des pap. 1020 Hv Arnim. Hermes XXV (1890)473.


3) Herculanensium voluminum collectio altera. T. Vin, Neapel 1873 — 12-17 ein personliches Subjekt entschieden
74. fol.
wahrscheinlicher
anrscüemliclier 1^71
i«t als
ist, das

von mir zuerst angenommene


sachliche
4) Die Zeit, wann dies geschah, läßt sich durch eine sehr sonderbare Be-
Lpz. iJlO "' "' ^^''*' ''^''' ^" ''''''' ^-^^^^ ^- Menantea. ed.
maj.
merkung, die ich zufällig machte, genauer fixieren. Während die Korrekturen
zweiter Hand auf den Kupfertafeln sonst nicht berücksichtigt sind, und also nach
der Zeit eingetragen sein müssen, zu der diese hergestellt wurden, findet man
auf dem Kupferstich von Kolumne X bei sehr genauem Hinsehen die Ergänzungen
zweiter Hand über die getüpfelte Grundierung weg ganz schwach und dünn,
nur bei genauem Hinsehen sichtbar eingezeichnet —
und zwar mit von der
Platte gedruckt. Sie müssen also mit einem nicht dazu bestimmten und nicht
sehr scharfen Instrument, wohl Bleistift oder Feder, offenbar unbefugterweise,
80 schwach auf die schon fertig gravierte Kupferplatte gekratzt worden sein,
daß sie beim Druck eben noch bemerkliche Spuren hinterließen. Somit wären
jene Korrekturen zweiter Hand zwischen Stich und Druck der Kupferplatte
gemacht worden.
5) Hermes XXXVI, 567 A. 1.
72 Geschichte.
Ältere Stoa.
73
xPY[cinnoY] AoriK(jü[N] zht[H]M[atgün . .
civ ^ev Tci
TTpaTjuaia Kai cn-
col. IX— XI n = Bl. 294—296 o.
Mai[v]ouciv, ouTe be
[Mnjvuouciv
16 OUTe 7TpOCTdTTOu[civ] OUt'
OIOV-
Zeichen Tind Abkürzungen "^«^ [9]y[TT epujTujci[v
ouT]e TruvGd-
im Apparat ^T]ai . [K]ai giüc Tivoc bei raö-
p der Papyrus nach AOlivieris Lesung, rvJ c ... -
6' u7TaKoue[i]v
n die Neapler Abschrift, Trape[x]ei eiricTa-

o die Oxforder Abschrift. civ KttTd Töv Tra[p]d jumpov


n» Korrektaren zweiter Hand in der Neapler Abschrift.
20 XÖTOv [t]6 TT . . .
^]7Tox[riv ^]ey ire-
Cr WCrönert. pi Tfic d7roKpic€[iü]c
ericeiv, tti-
Ar HvAmim. JaVOV be lUn[b€] TOÖTO
U7Td[p]x€lV.
Co PCorssen.
Kai oMOiuic [7re]pi, toö
im Text t' dX^eeu-
\ [o]v[toc Kai tJujv ojuujc
Paragraph, im Papyrus am linken Rande unter dem Vers, in welchem ein Xerpy-
Absatz schließt. 2ö Tiuy gö[T]oO Kai dXrjGec
Kai%;eu-
V. 'A im Papyrus freigelassener Raum von Buchstabenbreite, zur Trennung boc [elvai rnv] eTricp[opdv],
Kai [dl]
zweier Absätze innerhalb des Verses, stets in Verbindung mit dem Para- [T]r|[v dTröq)a]civ öiua.[c Kai]
graphen. i|;€u[bo-]
M€vo[u Kai ouTi
a in p vollständig erhalten. dX]ne[€Üov-i . . .

o Toc dTr[obi]böaciv, Kai ocoi


in p unvollständig erhalten (falls im Apparat Angaben fehlen, schien die [dva-]
Deutung keinem Zweifel zu unterliegen). 30
^.V^[^Jl^[0^^ .OTl . . ^[dJXlCT' dv
i in n und o oder in einem von beiden überliefert; nur im letzteren Falle _avaX[uo]wTO. .'
. . uj . .

macht der Apparat eine entsprechende Angabe,


tou[t]ov [6]iuvüeiv dXX
[a] für verlorenes ergänzt
c.X... ^}.
[q] gegen n oder o ergänzt
gegen p ergänzt
wo im Apparat nichts Entgegenstehendes bemerkt, i "^^J. Kai 6;i[vu]€[i
[q]
vom Herausgeber. 35
JoJ gestrichen €IV 0i[0JLi]€ ........
^ay eingeschaltet

IX, 1 • •••••••• V\ijLX


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buüKa[)Liev . . . . bai • . . . c]uv
[b]oefivai .... 7r]ep\ [tu)v]t€ ib[iu)]v, € . . V Td TTpdTju[aTa
a bx] KaTa[ivou])H€v, c)Tr[uj]c au- . . M6CT . . aÖTO
Tujc ev ipe[\3Ö€civ] ibiiüv [e]v- Ta[uTa] bo£[ac]Td

ToTc cr)[|uai-] ou . . a la . . avjLi fijua

vo|Li€voic ö Xö[toc . . . . . .

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74 Geschichte.
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Xr|6€ucei Kai vpeuceiai, dXX* 6-
ä\hi)v . "ey eiTrdTuj Xereiv toi-
Ti Tou cr||aaivo|Lievou reXe- \ <-
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20 eXe[T]x€[i] Kai tov [iii€u]c[€]c0[ai]


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Ka-
auTOuc djua Kai d[X]Ti0euc€iv, T[acT]p€cpÖMevoc, ujCTejuf) dv-
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TUTXdveiv b* iv Träciv toic 15 ßöXouc Tdc XeHeic Xereiv,
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TOlOUTOlC ÖTe |LA€[v] dTTXuüC Xc-
ciMOu ccpöbp' övToc TiapacecTi-
YÖ|ueva, bie he TrXeovöc ti-
MdvGai TÖV töttov toutov,
35 voc cuvTrapev(paivo)Lievou. ÖTTUJc dvacTpe(p[iju]|Liev
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Aey^w ö'ou t6 ^ev XeTÖ^ev[ov]
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auTujv KaTd bop.[a]c[)Li]gy [f| bid-]
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20 ToiouTujv „TTepmdTei eTrei f)-
voi[a]v, To be K<XTd X[€Ei]v, ou-
M€pa ecTiv" jarJTTOTe bixiuc
T€ !i[ev] dXXo [ti] eK[ei]vouc im-
Xerojuev, ujcTe KaTd e[d]Tepov
30 o[pK€]iv Ta . . ectjai . . , eu]o[p-]
MCV TIJÜV XeKTUJV TrpocTdT-
[kciv be] dXXo, Td [o])Lioia Ta
TeiV TÖ ÖXov TOUTO „7Te[p]l7Ta-
irapa . . ti
25 Teiv e7T€i Ebl fiiuepa [ecTjjy",
Ka-
TT! iKav
Td TÖ XoiTTÖv b' ö Kai ^dXXov
.
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vai . . . . tüue ...


evqpaiveTai Kai iL [)Li]aXXov
35 TÖy ^ev co[q)öv]
Xpw^eGa TÖ 7Tepi7TaT[eTv] irpoc-
O TOU G . .

TdTTeTai, TÖ be Xomöv efiu-


•• •• 30 G€v^e7Ti[TiTv]eTai k«
6 n I ) p 7 10 M6 n \w Cr
I n 8 OMN
n* [Maxa Cr .e.T€IN p o '^
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[boT]MaTiro|uevo[u]c be [oubev]
.K.KCIN 11 [töv Cr 12 [6] Cr 13 K o [i] Cr 14 oucAr ^ '^ p OC n .
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15 Xu) Cr IC p. 18 [iuvt] Ar p IK n [ai] Cr ~0N n 20 €X^[t]X€[i]
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23 [v] Cr 26 Ar e p [ov] Ar 27 boH[a]c[|n]öv Ar AOZO OM n [f^ öid-] Ar


I
. .
|
b/cr 'n'r'^^'-^
Cr L p
i0KA,p4d]Ir|
28 i[a]v Ar p I o Ar € p
. I [cHi] Ar
|
29 c Cr C p |ii:
p N p ir IC p
| |
I | |
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|
rllv A
ravTÖv.c ^ ^1/ 12 C p I [0] Cr | MnÖ€: . NTO p |
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^7[.^^^^^^
30 o: v^ p 31 O n 33 THIK/\/^ n 34 N/\l n 35 ONMeN n ^^^-JC^I-'P l^MArHp [ouJCrQp
NO
37
^^ M Ar 28 [T€iv] Cr 29 a, Cr r n 30 [yiTv] Cr | KA n 31 2:
"
n
Geschichte. Ältere Stoa.
7ß 77
yill, 16 eutspricht. IX, 4, 6: ibioc
]$^[^^]§[i zugehörig, zugeordnet: 10^12-
f t.CT6 buvaxov (aktivisch) «uro
33 n toioOto cxTrocnMaiveiv (sc. touc toioü-'
Touc). Dann werden (14-17) offenbar
diesen selben, die eine vorher
37
behandelte Kategorie von Xötoi
Ttt aufsteUen (oi toioutouc touc
. . .
•••• Xötouc
^pocpepovrec wird etwa als Subjekt zu
82 KCO n o 38 TA n ergänzen sein), so ziemlich
I
p alle logischen Funktionen
ihrer Rede abgesprochen,
das ^nvOeiv
TTpocTaTTeiv. oi€ceai(?), ^pu,Täv und Truvedveceai. ^) Danach ist es
unmöglich, daß ihr in der ersten Hälfte die Beziehung auf die

Der Papyrus enthält, soviel zu erkennen, durchweg Erörterungen


TTpaTMaia -
das crmaiveiv zugesprochen - wird - denn was
soUte ihr dann fehlen? Nach
Prof. Olivieris ausdrücklicher
logischer und grammatisch-logischer Aporieen. Er wird also wohl, der Angabe
schließt der vorige Abschnitt
IX, 12 mit cxTrocn-Maiveiv.,
natürlichen Ordnung sowie auch der des Aristotelischen Organon und des hinter dem
deutlich das Spatium zu konstatieren
ist. Ich möchte vermuten
Chrysippischen Bücherverzeichnisses entsprechend, eines der letzten oder etwa Mainv ausgefaUen ist, denn ein
daß
starkes Negationsäquivalent 'wird
wenigstens späteren der 39 Bücher der Chrysippischen Aotikci ZnTrmaTa^) zu Kai XeTOuciv Kai criMaivouciv dem
Sinne nach jedenfaUs gebraucht
bilden.Die erhaltenen und veröffentlichten Kolumnen beginnen, wie es Dazu paßt dann aufs beste die
WiederhersteUung Ouuvoöciv, denn es
scheint,mit einer ausführlichen Diskussion der Frage, ob man sagen- b eibt dann von jenen Xöyoi
in der Tat nichts weiter übrig als ein
könne, daß Pluralia pluralisch, Perfekta perfektisch, Futura futurisch bloßes Hervorbringen von Lauten.
Es folgt 17—22: Und
und Passiva passivisch seien, und es wird gezeigt, daß das unmöglich welchem Grade man sein Ohr hierfür
bis zu
schärfen muß, das aemäß
ist, weil sonst eine Schraube ohne Ende entstehen und die logische
dem Satz von den kleinen Ursachen^), [die
'zeigt,

Bestimmbarkeit ins Unendliche entweichen würde (fr. 1 — col. I).^) Es


bezüglich der Antwort zu statuieren,
Anweisung], ein non liquet
aber selbst das noch nicht als
wird dann davor gewarnt, dies Resultat durch einen scheinbar formell absolut sicher auszugeben.',^
20: eTroxn, so auch bei Epiktet. Diatr
einwandfreien, in Wirklichkeit aber logisch fehlerhaften Analogieschluß
4 MtJLl^v' dvaMdpiriToc ev Tipoeecei Kai eTroxr), iv^
auf benachbarte Gebiete zu übertragen (col. I). Weiter wird auf die- dveHaTTdinToc'*,

selbe Weise durch indirekte Widerlegung gezeigt, daß man auch Prädi-
2^ rf ^i!"^^"' ?.V^.'
^^' '^^^*' ^^^*"^ ^^^ «^°^^«^ ^t^» <3ip*vTai stecken V
kate und Urteile nicht als perfekt seh, passivisch, pluralisch i etc. be- 2) Casaubonus (ad Persium p. 522) identifizierte den Trapd uikoöv Xöyoc
mit
zeichnen könne (col. III). Nach einem erkenntnistheoretischen Exkurs, vm, 25, 16): ouö^v i^^iöc €ic t« irapövra toö
der mit einer pädagogischen Bemerkung schließt (col. III IV), wird— cu^peimv övoMdrouctv'^ (folgt eine temporale
irapct mxpöv Xötou XuTroOvTec öv
Kai
medizinische Anwendung des cu^peiTncV
die Lehre von der Umkehrbarkeit der Identitätsurteile behandelt, die
(1, 190 A 210) aus dem es Crönert (a.
mit Recht als einfach und wesentlicher Schwierigkeiten ermangelnd Dagegen vergleiche Aristoteles Top. IX, 169b Stelle a. 0. 506) zu unserer zitiert
li: „Iv' tu> .«pd ^Kpöv
bezeichnet wird (col. IV— V). Es folgt wieder Grammatisch-Logisches, xbc Tap ovbiv TtpoccnMvov
o^YXo^poÖMev." 15: „^v ßTiaci
. . .
^ ä2t'
fäp A öirdTn öid
und zwar werden nebeneinander das Possessivpronomen der 1. Pers. &iaKpißouM6v 6id T^v cipnMdvnv aiTiav", endlich An.
II
pr. IT^r^^ljZ^^f
47b 38 und Jo. Philopon. z. d. St.
. . .

ed. Wallies (Bln. 1903) p. 327, 1:


Sing, und Plur. und des Sing, und Plur des Demonstrativpronomens ^ iv toic
apn^^voic XÖToic dirdTri, br nc
oiö^iEe« cuXXoTicuöv cTvai
behandelt (col. VI— VII). Das nächste Thema bilden Sätze mit tem- m^ övra, t^toU öid tö
Ö0K€iv €1 ÖXiTOv Ti irapopaGri,
^n^^v toOto 7rapaßXdv|i€iv bö^ei fäp ^r]biv biatplpexv •

poralen Präpositionen, die einer logisch-distinktiven Erörterung unter- dTTpocöiopiCTii) upoTdcci dvxl KaGoXiKTic
xPncacOai, dvxi toO eiireiv 4äc Uf^ ^
dvepiuTroc ruiov ÖTi 'ö dvepa^iroc lwov\
zogen werden (coL VIII). Hierzu scheint auch noch der Anfang von toOto bk oök toi tö tuxöv o06^ uiKpöv
Ti Tö Trapeujpa^^vov
iroXXi^i yäp i^ biaqpopd toutujv,
lüc ^b€i5a|Li€v »
col. IX zu gehören, in dem 7 cr||Liaiv6)Lieva vorkommt, was dem XeKid Sonach heißt also der Xöyoc irapd ^iKpöv „Kleine
Ursachen, große Wirkungen"
nur mit dem Unterschied, daß es bei uns
vulgär ist, im Griechischen aber ter-
1) D. L. VII, 198. Crönert Hermes XXXVI, 506 und abschließend Arnim I mmus techmcus der Methodenlehre. Diels, Vorsokratiker 1*,
U, 694: „das Minimum
praef. p. VII.
das den Ausschlag gibt." Daselbst
die übrigen Stellen Der oben angeführte'
2) Aristoteles nennt das charakteristischerweise iroificai äboXecx^v
und Oalenstelle hegt zugrunde, daß man die
dirdTn des cuipeiTnc sehr wohl auch in
behandelt es als einen eristischen Possen: Top. V, 130» 34, 158» 28, IX, 166i> 15, den Trapa MiKpöv Xöroc setzen und also
jenen selber einen Xöyoc irapd aiKpöv
f
173a 32— >>16, 181^ 25. nennen kann, m
demselben Sinne wie den Lügner. ^•
k

>'

*;

i
78 Geschichte.
Ältere Stoa.
79
und I, 7, 5: „ti Tctp ^iraTTeXXeiai ev \6fii)\ läX^Qj] TiGevai, la ipeuön s. 0. S.ÖOf.) den Lügner gesteUt hatte.
Dann müßte esChrysipp hier
aipeiv, TcidbnXa inexeiv^)" entsprechend auf die Form des Lügners verschärft
Mit IX, 23 beginnt die Behandlung des Lügners, die sich bis XI, gekehrt Aristoteles
haben; wl um-
19 erstreckt, und hier möglichst eingehend erläutert werden soll
— müdem versucht hatte
diesen
-
auf die ursprüngliche Form
wobei das Verfahren, das wir
jenes zu
hier für
soweit es mir in Anbetracht des Erhaltungszustandes irgend möglich Chrysipp vemuten, näher lag als das umgekehrte
des Aristoteles.
war zu lesen und zu verstehen. In der Tat ist es uns von Chrysipp
ausdrücklich bezeugt, daß er
IX, 23: Kai 6|uoiuJc (etwa euXaßnTeov) knüpft, genau wie Aristo- das wahr und falsch Schwören mit Bezug auf die Gegenwart dem
teles Top. IX, 169^ 11, die dirdTii des Lügners an den Trapct mKpöv
XÖTOC. 23—26: TTCpi tou t' dXneeuovTOC Es ist auffallig, daß der
Lügner hier unter dem Namen dXr]0€uujv eingeführt wird — denn daß Kae ov 0MVU6. Ka,pov Ttdvruic
^ dXneopKdv fi M^cubopKetv xö
es sich tatsächlich um den vpeubö|Li€voc handelt, daran ist nach allem M€vovu,r aÜToö
räp 6uvu-
n dXnGec elv«. f, M^eOboc. ine^ dSCtOM« «-
möglich D. L. VII, Turxäve. 6v
Folgenden auch nicht der leiseste Zweifel (vgl. a. < ^paTMara und boEacr« scheint darauf zu
deuten, daß die Argumeutation
44, o. S. 62 f.). Ich versuche folgende Erklärung. Es lag sehr nahe, auf Allgemeineres übergegangen
war, dessen Ergebnis sie
mit du«
daß von Gegnern der Dialektik der Name ipeuboiLievoc mit Betonung €CTa. HC ToiaOra wieder
an den eirtopKo-v anknüpft.
X, 2- rd
der moralischen Bedeutung als Scheltwort verwandt wurde, durch ^paTMara =
rd cnMa.vöneva, die Inhalte.
5: boSacid: pap. io20
welchen Namen sich der Fangschluß schon selbst sein Urteil spreche. ^
Das konnte seine Verteidiger — Megariker oder Skeptiker — dazu tZ^' '
"'* '' "^ '°^"''"' '"" '°*P°" "'^^'"' dKoXoueetv

führen, ihn dem widersprechend nicht unwitzig dXriGeuujv zu nennen,


^" ^'""'"''^^ '"^^^^
— da er ja zugleich lügt und auch die Wahrheit sagt. Waren das Al,c f'
Absatz, ^~*^L8: onv[u
wenn Z*""
sicher ist,
^"""^
'^»«'^ der nächste
zu beginnen.
10: n^p.c.XnMva:
dieselbenöjliijuc XefoVTec auTOÖ Kai dXriOec Kai ipeöboc eivai inv €71190- quasi omma sua secum portantes
=
auToieXn, Gegensatz dva,rnpT,c-
pdv, gegen die sich hier Chrysipp insbesondere wendet, so war es Mevouc XI 14, vgl. a. das dort
Angemerkte. Daß Chrysipp den lueubö-
ganz angemessen, den Trugschluß selbst, mit jenen seinen Verteidigern < H€voc (und entsprechend den eTr.opKÜ&v)
der logischen Form nach
durch T€ —
Kai eng verbunden, hier mit ihrer Bezeichnung zu nennen. ein TrepuiXnMM^vov dEiuina
erklärte, setzt die oben
für
angezogene Cicero-
24—26: Kai tuiv 6|liOüc XefövTiüv auxoO Kai dXriOec Kai vpeöboc eivai stelle (Ac. p. n. 9o; s. o.
S. G8) voraus. 11-12: labe! auch dafür
Tnv eTTi90pdv oben Titel VI, 2: irpöc touc voiniCovrac Kai vyeubfi Kai wiederum muß es eine Lösung geben".
Es müssen sich offenbar Schwierig-
dXriOfi eivai a'. 26: etricpopd ist der Stoische terminus technicus für keiten ergeben haben, demi was
man sicher hat, braucht man
die conclusio eines Xötoc, vgl. D. L. VII, 45 und 76. — Kai (sc. postulieren.
16: Hier wird noch ein Lösungsversuch
12
nicht zu
abgelehnt, der
TTcpi eKeivujv) i . . . Die Überführung der sonst unhandlich werdenden zwar zugab, daß der Lügner tatsächlich
sowohl lüge als auch die Wahr-
genetivischen Partizipialkonstruktion in einen Relativsatz begreiflich heit sage aber dagegen durch
Transmutation seiner logischen Form
und durch die beiden überlieferten Endungen 3. Pers. PL 29 und 31 es zweifelhaft zu machen
versuchte, ob dieser Widerspruch
gesichert. 27 — 29: Eine Bezeichnung des charakteristischen Unter- Rncksicht auf dasselbe Subjekt und
auch mit
denselben Zeitpunkt (6 aOröc
schiedes dieser besonderen Spielart von Verteidigern muß in der «m«)
Lücke 28 wohl als adverbiale Bestimmung gestanden haben. 29 — 31:
stattfinde.
13: auiouc (sc. toüc ^euboM^vouc bzw.
pnxeov ebenso pap. 1020 Arnim II,
dXnOtuovtaO oi -
p. 41, 6; vgl. dazu Hermes XXV,
492.
„Und alle die professionellen Löser (?), die ihn am ehesten . . . lösen 15. «XXu; TpoTTu, D L. Vn, 194; uepi toö
xdTTccea. xöv a,ixöv Xötov
würden"; die nähere Bestimmung des Wie der Lösung ist wieder ^v TrX£,oc, xpoiroic a-ä^a:
solutio tamquam per aequivocationem
tem-
ausgefallen. poris. Dies Lösung b.d xijc xo^nc (s. o. Titel VI,
ist eine
2) und eine
IX, 32 X, 6: Hier wird das Sophisma vom zugleich wahr und Terfeinernde Ausdeutung der
Aristotelischen, die selbst nichts darüber
falsch Schwören behandelt, neben das Aristoteles (Top. IX, 180* 38; angibt, in wekher Weise die
xo^n beim Lügner vollzogen werden
könne oder soUe; die zeitliche Zweideutigkeit
als Fehlerursache findet
1) Tä acc. indir.; <[irpöc> xä Meibom scheint mir überflüssig. sich ,„ einfacheren Fällen auch schon
bei Aristoteles selber vgl
Geschichte.
80 Altere Stoa.
81
Top. IX, 166» 5, 167* 27, 34. Es scheint mir sehr möglich und wäre
jedenfaUs die einfachste Annahme, daß diese Lösung mit der unten
vermutet,
X, 25 bestrittenen und samt dieser wieder, wie oben (S. 54)
Lügner wird eine " '^ ^'^
mit der des Theophrast identisch wäre. Für den Lösung
6 mit dieserTon
iü uiBser
1^!? "^" ''^'^''''
f verworfenon tt>,+„ i. , ««in«
von Aristoteles
solche Lösung auch im Mittelalter aufgesteUt, sie findet sich bei Paulus sammenbringe. 39—31. p« 13«. '/^™ö"«ß Unterscheidung zu-
Venetus die HL (u. S. 115): „quod Socrate dicente ,Socrates Chrysipp hL in AnbLf rSt:?Zü?8
dicit
als

fajsum^ hoc verbum ,dicit' licet sit praesentis temporis, tamen emopK.Tv (e<p.opKetv? S H T'^-'t'
mZot^TiI,^^^^^^
Crönert,
"''

debet intellegi de tempore immediate praecedente tempus


prolationis*'.
V.eu5opKeTv
und dXnOopKeTv hätte "'"
16—18: ctXX' (sc. pnTeov,) öti toö crmaivoiuevou leXecüC dTTorrXavuJVTai. ihm dafür abffe^renyfpn a.h. i,
sTgT ^^®®®^'
i
L.en ZT^'T
^^ die beiden von
Das ist nun Chrysipps eigne Lösung, freilich höchst lakonisch ge- ^^
Dies und daß bloß so am Schluß des Absatzes kommt, ist
mochte
^^T'tilX::^t:7^:t^ "^'"'f--
^''''"^^
S 60 f-^/ f
geben. sie Reben. 35 : rov m6v
coq>öv fgl das oben
insbesondere
nur dadurch möglich, daß
IX, 12—17,
er ihr Prinzip schon vorher,

ausführlich erörtert hatte, und gerade von da aus auf


{ charakteristische persönliche^
abgabt, Bemerkte.
Idt t" übeTu f^«'",^'- ''' «^-^er

^"^"'"--g^^d
XI, 3: Wieder der
den Lügner gekommen war. 17: toö cr||uaivo|aevou vgl. Emp.
Sext. t^ei
adv. math. VIII, 11—12; u. S. 82f. 18: dTTOTrXaviüVTai :
Chrysipp Ttepi ,e.e^l^^: s'oSfs-r' ^"/^"^ ^-hergehenden klar
ctTaeOüV I (Plut. de St. rep.
Täc TOiauTac TrapaXXttTac tö
1048 A, Arnim
}xev
III, n. 137): „€i Tic ßouXeTai
äfaQöy auTUJV (sc. tiLv dbiacpö-
meripac danach rnüZdas tritt 7 ''V''>^^^oc. \^^^
10: cpopäc
KttTct Lösung ... .o.nc
pu)v) Xereiv, tö be küköv, em TauTä cpepöinevoc [tci] TrpdT^aTa Kai ^n
^Lti:^:rs:f'Zä '"'^''^'^^^ l^^ben,
Zweifel an der Eindeutikerdes daß
toic crmaivo^evoic
Tr'
ÖXXtuc dTTOTTXaviü^evoc, (dTTobexÖMee* wc) ev |aev

ou biaTTiTTTOVTOC ttUTOu, TCI h'äWa CTOxaloiaevou Tnc KttTd Tdc övo^aciac


CWsippiseherGrundsI^ltl.1
'las "6v entgegengesetzt.
teL^^^^^^ t ^'•^^-'^^'^-t
'^'^'''^
cuvr|0eiac".*)
ll:tw-txe"; ^^f '""f
X, 18—19: TÖv Xötov: ö TTponTOU|uevoc Xotoc in der
TTpoTiTOiJiaevov i ri--tfgi:i^'T-^'-^^^^^^
Bedeutung Quintessenz Epictet. diatr. z. B. I, 20, 14. Hier müßte es Cicero, A pr TqT s JvTjr^'" P^'
.
''' ^«"^« "-^^XÖMevoc:

aber in der Bedeutung TrpoeipTiiuevov stehen, und auf den dTTiopKUJV


gehen. 20—21: und eben den Lügner selber, pleonastisch
wieder-
ut excipknturVaec
inexäc^k: ^^ ^^T 'T"" ^^' ^°^*"'-*

dXneeuceiv.
M-oc: Cicero ibid.: „totam enim everdTale J "' "™"'''''"

Äf,r::XiVt-
holt, TÖV (Xötov) ipeucecGai (touc) auTOuc diiAa Kai

22—25: (sc. irpoceXeTXei Kai töv Xötov) TUTXaveiv ktX. — ev Tiäciv '-'"
f-"t=ng-.:rii!:
oi toioO-
TOic TOiouTOic geht auf Aristoteles 180^ 8: „travTec Toip BedeutungTor^rromtHor nlT^^^^^^^^^
TOi XÖTOi TTapd TOÖTO cu^ßaivouciv." 23: cittXiüc XcTÖfneva ist der
als weiter,
Tmlirtaiij. hie™. Jl. \ " . '
""^ '**""•
Aristotelische Ausdruck.
zur Sache vgl. S.54,
25: cuv7Tapev(paivo|Lievou: dTiaE XeTÖ^xevov;

und zu X, 15; zur Form AGroßpietsch De TCTpaTiXAv


gebraucht werfen töLT U- T ''''"""»' S'" "'^

vocabulorum genere quodam (Breslau 1893), der p. 63 cu^TrapevöXticic


dieser Ver-
bei Max. Conf. nachweist; nach der Tabelle p. 52 steht in
\i
bindung jede der drei Präpositionen an der Stelle ihres häufigsten
^"i«i> -vav, 4yj
Vorkommens; andre TeTpaTrXd b. Chrysipp ibid. p. 66 n. 32. gegebenen und die dort an-
ö «neu ßeiege.
Beletyp 17. tov ^ -
8 17:
X, 26—28: Aristoteles Top. IX, 170^ 12: „ouk ecTi be biacpopd tractatus apud dialecticos
töttov toutov Diff
XXXV 9 ««. >^^'
toö ipcuöOMevou dicitu ^: 18 Q ^
Tiüv XÖTUJV f|v XeTOuci Tivec, tö eivai touc |aev Trpöc Touvo^ia Xötouc, 1

^irl Taura (pcpÖMevoc tä irpdT^aTa,


Wytten-
1) Man las bisher mit den Hss.:
bach wollte t' a^xct, ich möchte das Obige als sinngemäß vorschlagen. <dTrobe-
x6|Li€e' wcy ita fere Arnim.

6
Gesehichte. Ältere Stoa.
82 83
geschieht durch uniiOTe heit pradizieren könne; die
XI, 19—30: Die gedankliche Anknüpfung einen meinten, das Bezeichnete
(tö cnuai-
voMevov) die anderen, das Gesprochene
bixwc Chrysipp atmet offenbar auf, zu etwas übergehen zu können, (^ cpuivn). die dritten endlich
Absatz ein psychischer Bewegungsvorgang
dessen Eindeutigkeit außer Zweifel steht. Ich glaube diesen (Kivnc.c rnc ö.avoiac). „Als Ver-
Sätzen aber, wie 'rühre fechter der ersten Meinung nun
sind die Stoiker aufgetreten,
etwa so verstehen zu können: „Bei solchen die dreier-
wir niemals zweierlei, so daß wir vielmehr unterscheiden, das Ausdrückende,
dich weil es Tag ist!' sagen das
('rühre dich' und 'weil es
A^',rr
Ausg ?. e mid
druck Tf'i''''''''^''
den Gegenstand
mit jeder der beiden Hälften des Gesagten (tö re cn^awov Kai ro
Km cnMa.vö^cvov
weil es Tag ist' an- TO TUTXavov). Hier ist das Ausdrückende der
den ganzen Komplex 'sich rühren, Lautkomplex, z.B der
Ta<^ ist')
hervortritt und auf
im übrigen wird als das, was stärker S-J^« (-P«T.«). die eb;«
"^^^ •^'^J^'^^S^
befahlen,
'sich rühren' anbefohlen, während
dt"
dies W^r
Wort zu"""^^tf
verstehen gegeben
durch
und deren Ausdruck wir in
wird,
das wir größeres Gewicht legen, das
äußerlich (zu der Aufforderung)
unserem Bewußtsein verstehen,
das übrige ('weil es Tag ist') mehr nur
während ihn die Barbaren nicht
auf-
hinzutritt." Zu dem Beispiel vgl. Diokles D. L. VII, 73.
fassen obgleich sie den
Lautkomplex hören
das objektiv Zugrundeliegende,
-
der Gegenstand endlich
der
Die folgenden Erörterungen (von hier bis col. XUI) gehören I also hier Dion selber.
Davon s^ n
Theorie der hypothetischen Urteile zu;
das ganze Buch schließt .we. -
Wort und Gegenstand -
physisch (cu-naTa). eins dagegen
einer logischen Erörterung
psychisch («cu^MUTOv), nämlich die
XIV— XV) endlich, wie es scheint, mit ausgedrückte Sache
(col.
Ersatz entsprechender Adjektiva.
^ja), das Gesagte (XeKTÖv), und diesem letzteren (tö cnumvÖMcL
des Gebrauches des pari perf. med. als eben komme dj
Wahr- oder Falschsem zu. Freilich
nicht überhaupt, vielmehr
es darunter erst wieder
gebe
Unvollständiges und Vollständiges,
und zu

nun Chrysipps Lösung: „öti toO cnnaivoMtvou draltt ''"\f''^ '^^ ^'*^'' («^-^«)' '^
danach definieren: 'dSiuind ^tiv, 6 Ict.v dXnOk
deL'geradeu -
Das ist also f^ meOboc'«
mittel-
TcXeuiC ctTtOTiXavüivTai." Sie ist identisch mit einer der frühesten °^ ^'' ""•'^
^'' ^«"t« i«" wesentlichen als
wir noch sehen werden'), als „cassatio" riobt.f
richtig f"'"\.^f'''
und verstandig anerkennen
alterlichen, der dort, wie müssen, sind zwei direkte Be-
192 v A: „quod Socrate dicente se ziehungen zu unterscheiden, die des Lautkomplexes
bezeichneten: Paulus Venetus f.
f zu dem durch
intelligente se dicere Ihn bezeichneten Inhalt, und
ipsum dicere falsum nihil dieit, quod Socrate die dieses Inhalts zum
Gegenstand. Jede
„Sie geben nur Laute dieser -beiden Beziehungen
falsum nihil inteUigit, et ita de aliis." IX, 12: kann entweder erfüUt oder nicht
erfüllt
umsonst, sie drücken nichts sem^ Ist die erste Beziehung
von sich, aber sie sagen und bezeichnen erfüllt und ist der Inhalt
ein Urteil
keinen Gedanken, sie fragen nicht so hangt von der Erf üUung
aus, ordnen nichts an und haben der zweiten Beziehung die
Entscheidung
und bekommen keine Antwort." \""^' f^J«"!' i«t-
I«t die erste Beziehung
Zum Verständnis dieser Lösung müssen wir von einer schon an- lim
erfuUt so Y
kommt gar f''
kein Inhalt zustande, und somit
nicht
finden dann
ausgehen, die für die ge- die Kategonen wahr und
gezogenen SteUe bei Sestua Empiricus») falsch überhaupt gar nichts, auf das sie an-
samte Stoische Urteilslehre grundlegend ist, und die Arnim deshalb gewandt werden könnten.

auch mit Recht als


XeKTuiv gestellt hat.
erste
Sextus
unter den
kommt
Abschnitt
darauf zu
nepi ctmaivonevujv n
sprechen, daß sehr ver- oder T rf
„H« der Lehre'
Mdet den Gegenstand der Erkenntnistheorie
ß«^i«l'°''g
vom
KpiT^piov t^c dXnOeiac. Die
erste Beziehung fäUt
schiedene Meinungen darüber zutage getreten
seien, welches denn m das Gebiet der Dialektik,
die Chrysipp geradezu als die Lehre
eigentlich die Subjekte seien, von denen
man Wahrheit oder Falsch- TTcpi «iMaivovTa Kai cnnaivöiutva definiert.')
Die «puivn, mit deren Behandlung
bei den Stoikern die Dialektik
Arnims Anschauung (I praef p. VU)
_

hier zu behandeln beabsichtigt, so kann


logicae. quae propter par- ^' ^^' '^^''^"^^^voc»), und zwar, wenn artikuliert,
coUectae erant in hoc opere minores quaestiunculae
edi non poterant", daß »'«o ,^ie Ao-f.Ka
eZx°t A °""''^*''°*''«
t^r'f* b««*«l^t ihre Funktion als
llum ambitum separatis voluminibus ^ «puivf, crjuavTiKn
zur Logik darstellten nicht oder „l!
oder_als_cnna.vov und Xcktöv in einer Aufforderung
ZnTfmara eine Art Parerga und Paralipomena zur psychischen
Alter noch einmal eine enzyklopädische
richtig sein. Vielmehr wird Chrysipp im
haben. Diokles D. L. VII, 62.
Zusammenfassung seines gesamten logischen Lebenswerkes darin gegeben 1) 2) Diokles D. L. VU. 65.
11—12 3) Arnim II, n. 138-144. 4) Diokles D. L. VIl,
1) s. u. S. 115. 2) adv. math. VIII, 57.
6*
Geschichte.
84 Ältere Stoa.
85
Es kann aber
VoUziehung des ihr entsprechenden CTmaivö^evov.^) nicht nur in den Augen der Gegner, sondern
auch, und zunächst,
Entweder relativ und
sein, Aufforderung unerfüUbar ist.
daß diese vor sich selbst und in seinem eigenen Bewußtsein,
die Sicherheit seiner
kasueU, wenn der betreffende Lautkomplex einer dem Hörer un- Lehre durch sie in Frage gestellt werden würde.
Beispiel angeführt war.
bekannten Sprache angehört, was oben
als
Eben dies, daß er die Aufgabe objektiv und ernst nahm,
über- beweist
Oder absolut, wenn es sich um einen Lautkomplex handelt, der ,/
auch seine negative SteUung zu den vorliegenden
hat.^ Oder, wenn zwar die Lösungsversuchen
haupt in keiner Sprache einen Sinn des Lügners, in der wir ihm sachlich durchweg
recht geben müssen.
einen Sinn haben, den der
einzelnen Bestandteile des Lautkomplexes Es gehört Mut zur wissenschaftlichen Wahrheit dazu,
der lautlichen sich durch den
Hörende auch versteht, eine der Zusammensetzung Nachweis der Unzulänglichkeit aUer bisherigen
entsprechende Zusammen- Lösungsversuche und
Teilkomplexe zu einem Gesamtkomplex aber das ausdrückliche Eingeständnis der formal-logischen
Lautkomplexe zu einem ein- Einwandfreiheit
setzung der Bedeutungen der einzelnen der dTUiTn seine Position selbst so sehr zu
erschweren, um so mehr,
heitlichen Gedanken aber nicht vollziehbar ist.
als er, wenn auch nicht von der Richtigkeit, so doch von der Leicht-
dasjenige crmaivöiixevov definiert ist, das ent-
Wenn dEiuü^ia als verständlichkeit und der Überzeugungskraft
seiner eigenen
das, wie das ^eubo^ai' Lösung
weder wahr oder falsch ist, so kann etwas, offenbar selbst keine übertriebenen Vorstellungen
hatte.
sowohl als wahr als auch als
des Lügners, sich mit gleichem Rechte Was nun die Lösung Chrysipps selber betrifft, so ist sachlich
falsch erweisen läßt, kein dEiuj|ia sein. an ihrer Behauptung jedenfaUs so viel wahr,
Arten der Xektci daß der Lügner in der
Diokles Magnes») fügt seiner Übersicht über die Tat der endlichen logischen Bestimmbarkeit ermangelt.
Rumpelkammer, das „irpäTMa i) Deswegen
auTOTeXn noch, gleichsam als dialektische ist er aber weder „vöUig ohne Sinn" (toö cnjuaivojuevou TcXeuuc
irapa twoc dTTOTrXa-
ö^oiov dEiu)^aTi" an, „ö xnv «cpopäv exujv dEiaJ^aiiKriv
tou revouc tu)v dEiui^diojv"
vujvTai) — die Mathematik wirtschaftet ja fortwährend
mit unendKchen
TTiTiTei
^opiou TTXeovacMÖv n Tideoc ^Eu) Operationen, sofern nur das sie beherrschende Gesetz wohldefiniert
„dTraTTopnTiKov Ti irpaT-
und rechnet hierher im besonderen auch noch ist, und diese Bedingung ist beim Lügner erfüUt, —
dv." Wir werden noch ist das
diropoin
^a bievTivoxöc dEiu)^aToc, ö ei Xeroi Tic, die Ursache seiner Paradoxie, die es doch aufzulösen gilt:
den hier einordnen. denn der
demnach nicht fehlgehen, wenn wir auch vi/eubÖMevoc
Sinn des Ausspruchs ^ich rede die Wahrheit'
ist genau so wenig
endlich voUziehbar, und doch führt er zu
keinem Widerspruch.
Ob sich freilich Chrysipp bei seiner Lösung dieses ihr tatsächlich
zukommenden Gehaltes an partieUer objektiver Wahrheit auch
Stellung zum
Übersehen wir nunmehr im ganzen Chrysipps
wirklich
bewußt gewesen ist, das erlaubt uns der Zustand der Überlieferung
mit Aristoteles ein
Lügner, so fällt uns vor aUem im Vergleich nicht zu entscheiden.
nämUch ein großer Mir ist es weder sehr wahrscheinlich, noch
wesentlicher Unterschied in der Gesamthaltung
auf,
aber möchte ich die Möglichkeit völlig ausschließen.*)
Fortschritt zur SachUchkeit und Wissenschaftlichkeit der Behandlung.
die Trugschlüsse doch in erster Linie und
Für Aristoteles bedeuten 1) s. u. S. 137 f.

der Eristiker, freilich auch ^^® Stellung Chrysipps zum vpeuööiLievoc war meines Wissens
fast ausschließUch abzuwehrende Angriffe -u 1,^^
überhaupt
bisher
noch nicht untersucht worden. Wenigstens gehören die beiden,
gelegentlich nicht ganz leicht abzuwehrende.
Daß sein eigenes wissen- einzigen Urteile, die mir darüber zn Gesicht
wäre, davon
gekommen sind, entschieden
beunruhigt
TchaftUches Gewissen durch sie irgendwie mindestens zu denjenigen, die einer Untersuchung
voraufgehen. Zeller verweist
Chrysipp dagegen spürt man il< auf Prantl. Prantl (I, 490) meint, daß der
merkt man nie das Geringste. Bei i|i€uöö)U€voc mit den übrigen Sophismea
wohl auch ohne irgendeine Veränderung aus den
vorliegenden Schwierigkeiten objektiv ,
Schriften der Megariker in.
deutiich, daß er selber die hier die der Stoiker hinübergewandert" sei, obwohl
er selbst bemerkt, „daß der ge-
weil
als solche empfindet, zu deren Lösung er sich verpflichtet fühlt, schwätzige Chrysippus über einzelne dieser
Sophismen sogar ganze Monogra-
phien schrieb", daß ,jedoch die Betrachtung der
Trugschlüsse gerade bei Chry-
sippus infolge des eben angegebenen fatalistischen
Momentes (?) den eigentümlichen
1) Sext.adv. math. VIII, 80. , ^ Nebenzug hatte, daß zum Behufe eines ungestörten Doctrinarismus
U
, ,

2)Diokles D. L. VH, 57: „X^Eic Xötou biacp^pei, öti Xotoc del cr^avTiKÖc gewicht auf die Lösung derselben gelegt wurde." Nicolai
hier das Haupt-
'ßXiTpi', Xötoc bä ouöanwc." endUch in einem 1869
icTi, X^Hic ht Kai dcrmavTOC, übe i^ erschienenen Quedlinburger Gymnasialprogramm De logicis
Chrysippi libris com-
3) D. L. VII, 66. mentatio (p. 39 Anm.) weiß frei nach Cicero darüber zu
berichten: „Quibus ex

I
Akademie. 87
Gescln eilte.
86
trat.^) Ihre Stellung zur Dialektik war ihr dabei, abgesehen von
Chrysipps Lösung den schlimmen Fehler,
Vor aUern aber hatte
ihrem Zusammenhang mit den Megarikern, schon durch die um-
richtig zu sein. Die Peri-
noch bedeutend weniger überzeugend als gekehrte der beiden anderen Schulen vorgezeichnet. So ist nicht zu
Prämissen des Lügners
patetische Lösung, oder die Behauptung,
die
zweifeln, daß sie auch die Megarischen Trugschlüsse und den Lügner
enthielten einen Fehler, oder seine logische
Form sei unschlüssig, hatten
als Waffen gegen die Dogmen der Logik verwandt haben wird (ohne
erforderten sie
einerseits einen greifbaren logischen Sinn, andererseits daß darüber bei dem Zustand der Überlieferung bezüglich des Lügners
man Bedeutung klar werden
sich über ihre
ein spezieUes Eindringen, ehe Näheres bekannt wäre), was eben auch, vor aUem für die hier am
konnte. Chrysipps Lösung
und über ihre Richtigkeit entscheiden ausgedehntesten engagierten Stoiker, einen dauernden äußeren Anlaß
ein so unmittelbarer und flagranter
dagegen war in ihrem Resultat zur Beschäftigung mit diesen Trugschlüssen gebildet haben muß.
Bewußtsein, und andrerseits in Aus-
Widerspruch gegen das gemeine Diese Bemühungen zur Sicherung der Stoischen Lehre gegen jeden
leicht vorsteUen kann, so
spruch und Begründung, wie man sich Zweifel hatten sich nun, wie wir sahen, bei Chrysipp zu einer so un-
spinös, daß wir uns nicht wundem zu hören, daß man sie auch m
erhörten Extensität ausgewachsen, der jedoch die Sicherheit der posi-
anerkannte, und aus dem Schweigen auch
der eigenen Schule nicht tiven Argumente nicht entfernt entsprach, daß wir uns nicht wundern
Überlieferung zu sehen, daß auch die Gegner über
der Akademischen werden, wenn das geradzu eine neue Wendung in der taktischen Haltung
sie zur Tagesordnung übergingen. der Akademie hervorrief, welche als Gründung der sog. dritten Aka-
Dagegen mußten die weitgehenden logischen Zugeständnisse, die
demie bezeichnet zu werden pflegt. Denn wenn auch dem Wesen
den als Nachfolger Piatons
er an die °Megarische Position gemacht, der Sache nach bei den Skeptikern die Polemik gegen andere Schulen
ein gefundenes Fressen
auftretenden Erben der Megariker natürlich von vornherein einen relativ breiteren Raum beansprucht hatte, so
sein, und allein schon die Tatsache
seiner ausführlichen Beschäftigung
war doch erst durch Chrysipp ein so ungeheuer ausgedehntes Feld
„certe tarn multa
mit'solchen Gegenständen wurde gegen ihn benutzt: dankbarer kritischer Betätigung eröffnet worden, daß sich nunmehr
magna, nisi videret us
non collegisset, quae nos fallerent probabilitate die Akademie so gut wie völlig hierauf beschränken konnte. Der Ur-
quibus volumina impleta
resisti non facile posse"^) und „res
... de
sed etiam a Chrysippo, de i
heber dieser Wendung ist Karneades (214/13 — 129/8), der so den
sunt non a nostris (sc. Academicis) solum, Schulvers „ei Tap nv XpOciTTiroc, ouk av r\v Cxod"^), mit Recht
ixx]
conquisierit contra
quo queri solent Stoici, dum studiose omnia
.
. .

auf sich übertragen konnte.^) Er war so ausschließlich auf Kritik


inferiorem fuisse, itaque ab eo
rationem, ipsum sibi respondentem und auf die lebendige Gegenwarts Wirkung des geistreich- witzigen Wortes
armatum esse Carneadem." ^) eingestellt, daß sich seine ganze Produktivität hierin erschöpfte und
er selber überhaupt nicht zur schriftstellerischen Fixierung seiner Ge-
dankengänge kam. Dafür scheint sich sein Schüler Kleitomachos

AKADEMIE
aus Karthago (187/6 —
110/9) darauf konzentriert und im wesentlichen
beschränkt zu haben, nach dieser Richtung das Komplement seines
auftraten wie Lehrers zu bilden, und in einer Reihe von 400 Büchern seine Vor-
Zwei große Schulen, die mit solcher Apodiktizität
Stützen bedürftigen Riesenbau träge der Nachwelt zu überliefern. Von diesen ist uns zwar direkt
die Epikurlische, und einen so vieler
geradezu eine skeptische Gegen- nichts erhalten, aber die eingehenden Quellenstudien der letzten 65 Jahre
aufführten wie die Stoische, mußten
auch der sog. mittleren Akademie haben erwiesen, daß ein großer Teil der philosophischen Schriften
wirkung herausfordern, die denn in

als dritte der großen hellenistischen


Schulen neben die beiden anderen Ciceros und des weiteren auch einige Plutarchs auf sie als ihre
Quelle zurückgehen, ja daß diejenigen Ciceros sie auf große Strecken
difficultatibus ut 8686 expediret Chrysippus), 8tatuebat esse aliquas argu-
(8C. im wesentlichen paraphrasieren.
Eiu8 modi
mentationes, quae expUcari nullo modo possent. ^^g^jf«^*^^?^^^^
vel M,€ubön€voi appellabantur -
Übrigens
cocpicMaxa vel Xötoi äiropoi vel vpeubdc 1) Für das Folgende vgl. AGoedeckemeyers Handbuch Die Geschichte des
ganz zu Unrecht dem vpcDbÖMevoc den 80g^ fru-
setzt Prantl an der obigen Stelle Griechischen Skeptizismus 1905.
entfernte und äußerliche Ähnlichkeit
mit
stratorius gleich, der kaum eine ganz 2) D. L. VIT, 183. 3) D. L. lY, 62.
ihm hat. 1) Cicero, Ac. pr. U. 75. 2) id. ib. 87.

1
Geschichte. Akademie. 89
88

Die umfangreichste der hier in Betracht kommenden Stellen ist einwandfrei anerkannt wird — nun aberkommt ^si mentiris, mentiris;

die schon oben zur Rekonstruktion von Chrysipps Lehre mitbenutzte mentiris autem, mentiris igitur'! Und damit Schluß: „sed hoc ex-

aus Ciceros Dialog LucuUus.^) Nachdem Cicero zur Verteidigung tremum eorum est: postulant ut excipiantur haec inexplicabilia*', mit

des skeptischen Standpunktes gegen den Angriff des Lucullus die Un- der höhnischen Antwort. Ich weiß nicht, ob es erst noch nötig ist,

sicherheit der Stoischen Erkenntnistheorie ei-wiesen hat (79 90), geht — A


nachzuweisen, daß dies in jeder Beziehung sinnlos ist. Erstens ist

er zur Dialektik über (91 —


98), wobei er sich darauf beschränkt, mit es ganz überflüssig, das 'mentiris igitur' mit solchem Apparat zweimal
ziemlicher Ausführlichkeit nachzuweisen, daß der cujpeiTr|c (91 — 94) zu erschließen; zweitens wenn eben dies sich nach der gewöhnlichen
und der ipeuböinevoc (95 — 98) von Chrysipp ungelöst und auf dem Form des TTpujTOC dvairöbeiKTOC erschließen ließ, so war es ebenso

Boden seiner Logik unlösbar seien. unnötig wie unklug, die erste ungewöhnliche besonders zu diesem
Hier sollen nun durch den Lügner zwei Stoische Positionen ins Zweck zu bilden; drittens endlich und vor allem, man sieht nicht im
Wanken gebracht werden, 1. die bekannte Chrysippische Definition allergeringsten, warum eigentlich die Stoiker um Exception bitten:

des dEiiü^a und 2. die Stoische Lehre vom Schluß. Das erste wird kurz es hat sich zweimal in bündigster Weise ein und dasselbe ergeben,
erledigt (95), es wird stillschweigend präsumiert, daß der Lügner man sollte also meinen, nach diesem glänzenden Beweis für die Konse-

unter den Begriff des und konstatiert, daß, wenn sich


d^iuüjLia falle, quenz ihrer Schlußlehre sei alles Es scheint
in bester Ordnung! —
die Frage ^si te mentiri dicis idque verum dicis, mentiris an verum mir sonach kein Zweifel Ciceros Vorlage nach
möglich, daß in

dicis?' nicht entscheiden lasse, die Definition dadurch umgestoßen werde. Analogie der gewöhnlichen Form zu zweit geschlossen war 'ei dXr|-
Dieser einfache Gedankengang wird höchst unnötig unterbrochen durch eeueic, dXrieeueic* dXXd infiv aXtiGeueic, dXrieeueic apa'. Das ging
eine ziemlich nichtssagende und ergebnislose Bemerkung, die, da sie natürlich unserem braven Cicero nicht ein der Lügner lügt doch, und
;

auf der sachlich unzutreffenden Übersetzung von ctTTopa durch inex- eben noch ist es ja erst bewiesen worden — und nun soll er auf

plicabilia beruht, das wörtlich genommen wird, wohl ein Autoschediasma einmal die Wahrheit sagen! Und flugs verbessert er ^si mentiris,

Ciceros darstellt. Zu dem zweiten ist natürlich eine ausführlichere mentiris; mentiris autem, mentiris igitur' und freut sich des glücklich

Erörterung nötig. Sie beginnt mit einer, wie Piasberg erkannt hat, *
behobenen Widerspruchs.
größtenteils ausgefallenen, Rekapitulation der Stoischen Lehre vom Ich freue mich übrigens zu sehen, daß OPlasberg ganz das gleiche

Schluß. Dann wird ein Beispiel des ersten dvairöbeiKTOC zur An- Gefühl gehabt hat; er sagt^): „iUa quaestio 'haec vera an falsa sunt'

erkennung vorgelegt, und zwar dicis nunc lucere et verum


'si dicis, duplici conclusioni magis convenire videbatur; inexplicabile enim
lucet; dicis autem nunc lucere verum dicis, lucet igitur', und da-
et quod utroque modo efficitur eundem et verum dicere et mentiri." Nur
neben 'si dicis te mentiri verumque dicis, mentiris; dicis autem te wendet er die Konsequenz der richtigen Erkenntnis, wie ich glaube,
mentiri verumque dicis, mentiris igitur'. Das erste ist nicht die ge- gegen die falsche Stelle; er will nämlich aus diesem Grunde am An-
wöhnliche Form des Schulbeispiels für den irpOüToc dvaTTÖbeiKTOC, die fang (95) ergänzen „'si te mentiri dicis idque verum dicis, mentiris'

vielmehr heißt 'ei fiiaepa ^ctiv, q)u)C ^ctiv* dXXd )Lif|V niiiepa ecTiv, q)ujc dpa <et 'si te mentiri dicis idque mentiris,) verum dicis'?" Das gibt ja

mußte natürlich wegen des Parallelismus mit demjenigen Schluß


^CTiv'; sie nun an gewiß einen guten Sinn, aber einmal steht diese Form
sich

des Lügners, bei dem herauskommt, daß er lügt, so abgeändert werden. ganz ohne Parallelen da, dann genügt das durch alle Parallelen
Man erwartet nun natürlich die andere Hälfte, den Schluß, bei dem empfohlene und viel gelindere <an>, und vor allem wird hier doch
herauskommt, daß er die Wahrheit sagt; er würde heißen "sie verum der Lügner gebraucht, um Chrysipps Deflnition des d£iu)|Lia zu wider-

dicis, verum dicis; verum autem dicis, verum dicis igitur' und also legen, dazu bedarf es aber eines Urteils, von dem nicht zu ent-

der gewöhnlichen Fassung des Beispiels entsprechen, das demnach scheiden ist, ob es wahr oder falsch sei. Mir scheint demnach die
nun in dieser wiederholt werden muß. Das geschieht auch wirklich, Ergänzung 'mentiris <(an)> verum dicis', der sich nach Ernst und

es folgt 'si lucet, lucet; lucet autem, lucet igitur', was wiederum als Schütz fast alle Herausgeber angeschlossen haben, so gut wie sicher.

1) Ac. pr. II; Kritische Ausgabe von OPlasberg 1908. 1) p. 120 im Apparat.

) 4
Geschichte.
90 Akademie. 91
wird schließlich noch
Vor Schluß des Passus über den Lügner eines nach dem anderen als nichtsachverständig ausschließt, und so
mit empfindlicher und ganz überflüssiger Störung des Zusammenhangs kommt er auch zur Dialektik (II, 11): „quo modo autem mentientem
läppische und konfuse Be-
unter Berufung auf Epikur eine ziemlich (quem ipeuböjLievov vocant) dissolvas, aut quem ad modum soriti resi-
recht hergehörige
handlung des Kupi€uijuv (97) und eine auch nicht stas . .
.,
haec quoque dialectici dicent, non divini."^) Auch dies IL Buch
auf sich anwendet.
Karneadesanekdote (98) eingeschoben, die Cicero De divinatione wird heute allgemein übereinstimmend mit Ausnahme
Emblem Ciceros sein, der Kupieuujv wird es
Die letztere muß ja ein einiger weniger Embleme auf Kleitomachos zurückgeführt.*)
dem Lügner, als wäre
nicht minder; der Abschnitt schließt dann mit Die letzte der Cicero stellen endlich, zeitlich die erste, ist ein
von nichts anderem als ihm die Bede gewesen.^) Fragment des Hortensius. In diesem antwortete, wenn wir der
Zum Schluß seiner Rede (147) resümiert Cicero noch einmal Rekonstruktion seines Zusammenhangs durch OPlasberg^) folcren
seine skeptischen Ergebnisse mit besonderer
Anwendung auf die Er- Cicero oder Catulus auf einen Angriff des Hortensius. (Fr. 55.
kenntnistheorie und die Dialektik, die disciplina „de sorite et pseu-
Non. Marc. p. 329, 19 M.): „Tum pseudomenus et soritas et totam
domeno, quas piagas ipsi contra se Stoici teiuerunt."^) dialecticam aut illudis aut increpas." Überliefert ist „pseudomenus
et
indirekt,
Da die Rede Ciceros, wie mir scheint eher direkt als soritam"; mit einer doppelten Diskrepanz, zwischen der griechischen
können wir also
auf eine Schrift desKleitomachos zurückgeht»), so und der lateinischen Form, und zwischen Singular und Plural. Die
ihre Vorlage Behandlung des Lügners für
rekonstruierte
die als erste wäre zu ertragen, die zweite kaum. Um den Mißklang der
diesen bzw. Karneades^) in Anspruch nehmen; wir werden entschieden ersten optisch zu mildern, schreibt WLindsaj nach OPlasbergs Vor-
zugeben müssen, daß sie überzeugend wirkt und logische Strenge schlag „vpeuöoiuevouc et soritam", zu der viel nötigeren Heilung der
wird
mit Eleganz verbindet; ein Eingehen auf spezielle Subtilitaten zweiten HJunius „pseudomenon
soritam". Endlich gegen beides et
vermieden. zugleich konsequent, aber höchst unelegant, LMüller
„pseudomenum
Daübrigens der ipeuboinevoc auch an den beiden weiteren Stellen, et soritam". Es ist somit nur noch eine Möglichkeit übriggelassen,
zu einem
'
an denen er bei Cicero noch vorkommt, mit dem cujpeiTTic und zwar, wie mir scheint, die weitaus beste, nämlich
die Dialektik repräsentierenden Paar verbunden
erscheint eine Ver- — i et soritas": sie beide
„pseudomenus

bindung, die später noch oft, hier aber zum erstenmal vorkommt — 1) heilt Diskrepanzen,
ändert einen
einzigen Buchstaben, 3) sie mutet Cicero nicht den dumpfklingenden
2) sie

so werden wir mit Recht annehmen können, daß sie Akademisch ist
Barbarismus „pseudomenum" zu, 4) entsprechen inhaltlich dem „et
und eben auf Karneades zurückgeht, der so zu einer antidogmatischen totam dialecticam" die Plurale ungleich besser, 5) endlich wird
sie
Doppelwaffe die beiden berühmtesten Trugschlüsse zusammenband, die auch durch Fronto p. 146 N.: „soritas et pseudomenus'^ gestützt (vgl.
nicht einwandfrei
trotz angestrengtester Bemühung von den Stoikern a. Augustin. contra Acad. II, 11: „pseudomeni et soritae").
gelöst —
und, wie wir hinzufügen können, mit den Mitteln der an-
tiken Logik auch nicht vollkommen lösbar waren.
Von den beiden weiteren hierhergehörigen Cicero stellen steht
die eine am Anfang des zweiten Buchs De divinatione. Cicero weist Wir kommen zu Plutarch, dessen Antistoische Jugendschriften
^)
menschlichen
hier nach, daß für den Wahrsager eigentlich kein Gebiet ebenfalls von Kleitomachos abhängen.^) Die wichtigste und aus-
Handelns übrig bleibe, indem er ihn für
Wissens, Könnens oder
1) Um die Interpunktion dieser Stelle, die vor ihm im argen lag, hat sich
NMadwig verdient gemacht; s. De finibus' (1876) 181.
1) Diese Analyse bestätigt ja
wohl die glänzend parodierende Charakteristik, Die ältere Literatur zur Quellenfrage s. b. DHeeringa Quaestiones ad Cic.
2)
die PCorssen in seiner Dissertation De Posidonio Bhodio
(Bonn 1876) p. 8 von
de div. Dies. Groningen 1896, die zwar (MPohlenz BPhW. 1908, 71—73) nichts
"der Arbeitsweise Ciceros gab. vgl. auch Hüsener Epicurea p.
LXV. .

Neues, aber eine bequeme Zusammenstellung des Bisherigen gibt. WSander


Übrigens auch ein Argument dafür, daß der KupieOujv oben
nur einen
2) Diss. Göttingen 1907, dagegen Heeringa Rheio. Mus. LXVIII
(1909) 560—68.
nachträglichen und konfusen Einschub darstellt. 3) De Ciceronis Hortensio. Diss. Bln. 1892. p. 40.
3) Die Literatur zur Quellenfrage s.
Schanz I, 2', § 161.
4)OKolfhaus Plutarchi de comm. not. librum genuinum esse demonstratur.
4) Goedeckemeyer, a. a. 0. 56 in
dem Kapitel Karneades gibt ohne Kritik Diss. Marburg 1907.
ein Rcsume der Cicerostelle.
5) HvArnim Stoic. v. fr. I, praef. p. XIY. ERasmus (s. u.) p. 12.

,v
Akademie.
92 Geschichte. 93
ist em konjunktives Urteil aus widersprechenden
zogen wir gleichfalls schon oben für Chrysipp ^, Gliedern Übrigens
führlichste Stelle
heran; hier noch einmal auf sie zurückzukommen wird um so weniger
scheint mir DWyttenbachs Konjektur
zu der Stelle für das über- -
lieferte, mindestens überflüssige
iD dpicre das bei
noch von keinem Er- scharfer logischer
überflüssig sein, als sie,

worden
soviel ich sehe, bisher
Ich setze sie jetzt im Wortlaut her
Auffassung nötige dopicTUüc — glänzend. "^

klärer verstanden ist.


Der allgemeine Vorwurf, der hier gegen Chrysipp
(de comm. not. 2, 1059 D —E): „ . . . oütuüc e|Lioi boKCi iLieid TiXeiciric
stimmt bis auf das Wort: „dvarpeTreiv
rfiv cuvneeiav'^
erhoben wird
-
oijtoc 6 dvfip dvarpeTreiv Kai KaxaßdXXeiv tollit ad
eTTiiueXeiac Kai beivÖTiiTOC extremum superiora", mit dem bei Cicero
überein; die Begründung
TTiv cuvriGeiav, ibc eviaxoö Kai auToi luapiupoöciv oi töv dvbpa ceiuvu- dagegen weicht wesentlich, und sehr zu
ihren Ungunsten, von der
voviec, öiav auTUj irepi tou ipeubojuevou judxiüVTai. tö fap dopiciujc
dortigen ab. Die Plutarchsteüe geht
stark ins Detail der logischen
dvTiK€i|uevujv cpdvai ipeöboc euTTopuJC eivai,
cu|LiTT€TrXeT|uevov

XÖTOuc be irdXiv
xi

aij
bi'

cpdvai Tivdc dXriBfi rd


|afi

Xr|)Li|uaTa Kai rdc dTuu^dc


bubtilitaten und ist keineswegs übermäßig
ihre modernen Erklärer unfreiwiUig
einleuchtend wie schon —
bewiesen haben -, zudem ist wie
uTieTc e'xoviac eii Kai id dvTiK€i)Lieva täv cu)Li7Tepac|udTUJV exeiv dXriGfi,
wir sahen, auch das Referat der Lehre
Chrysipps nicht einwandfrei
TToiav evvoiav dTTobeiEeujc f| xiva TTicTeuuc ouk dvaipetrei TipöXtiipiv;" denn was wir oben schon postulierten
i), daß Chrysipp wohl schwer-
Die Schuld an dem allgemeinen Mißverständnis der Stelle scheint auf lich die Konklusionen uneingeschränkt
für wahr könne erklärt haben
EdRasmus^) zurückzugehen, der unbegreiflicherweise übersah, daß die hat sich uns inzwischen als zweifellos
mit t6 Top doch auf das unmittelbarste angeschlossenen Aussagen sich
bestätigt. 2) Im übrigen ent-
spricht die Disposition der SteUe der
bei Cicero; es wird erst kurz
eben auf den ein Wort vorher genannten Lügner bzw. Chrysipps die FragesteUung des Lügners
bzw. die ihr entsprechende Doppel-
Lösung desselben bezogen. Natürlich mußten diese, nun allgemein ge- konklusion, und dann ausführlich die
driüTn behandelt. Dabei wird
nommen, dem Chrysipp und gänzlich grundlose Torheiten
flagrante Chrysipp aber hier mit einer vergröbernden Wendung
imputieren, die mit allem uns sonst von seiner Lehre Überlieferten in das vor-
geworfen was bei Cicero der Akademiker sich
gerade von seinem
schärfstem Widerspruch standen. Und so sah auch Rasmus sich selber Standpunkt aus, und mit Recht, zu eigen
macht. Sonach möchte
wieder genötigt, sie auf bestimmte einzelne Fälle zu restringieren, vor ich glauben, daß das Kleitomachische
4 Vorbüd unserer Plutarch-
aUem auf ein Sophisma, und zwar den Kupieuuuv, wofür er die Belege stelle in seiner aUgemeinen
SteUungnahme dem der CicerosteUe
mit einem großen Aufwand von Scharfsinn an den entferntesten Stellen ähnlich und nur eingehender war, daß
zusammensuchte —
und dabei lag das Gute so überaus nah. Diese ein-
sich aber zwischen Kleito-
machos und Plutarch ein Exzerptor einschiebt,
der die Vorlage
mal vollzogene Zerschneidung des natürlichen Zusammenhangs scheint ohne Verständnis für die Feinheiten der
Sache und des Skeptischen
dann auch das Urteil aller Folgenden getrübt zu haben; CGiesen^) gibt Standpunktes ihr gegenüber vergröberte
und mehr dem Standpunkt
zu der Stelle einen zweiten Aufguß von Rasmus, und auch bei eines „gesunden Menschenverstandes«
akkomodierte, der übrigens auch
Arnim ^) steht die zweite Hälfte allein und so unkenntlich unter YieUeicht dem Verfasser unserer Schrift näher gelegen
der Überschrift irepi X6tu)v Kai cuXXotic)uujv und nicht einmal haben dürfte
,
In dem die Stoische Ethik
behandelnden Teil derselben Schrift
das Vorhergehende allein unter irepi cocpic|LxdTUJV Xuceuuc, wo das
''.^'^°'^^' vergleichend auf den Lügner zurückgewiesen
Ganze hingehört hätte. Übrigens wollte Giesen statt des allein ^
/TnJnlT
{WiöD): „Ol h' (sc. CruiiKoi) ujcrrep eic tov ijieuöö^evov n tov
richtigen cujUTTeTTXeTMevov der besten Handschriften das cujUTreTTepa-
Kupieuovia ^erd Tf\c biaXeKTiKnc
eMßdXXovrec eic töv Tiepl eubai^oviac
ciuevov der deteriores in den Text nehmen und das darauffolgende ^ TOTTov eXucav ^ev ^nbeMiav
d^cpißoXiav ev auTu), ^upiac b' eTroincav."
Ti streichen, beides in der logischen Konsequenz der üblichen Auf- (Vgl. übrigens Cic. Ac. pr. IL
75.)
fassung. Der Lügner ist aber nach Chrysipps Lehre eben nicht
Noch einmal wird der Lügner, als Vertreter
der Dialektik, bei
aus widersprechenden Prämissen erschlossen, sondern seine conclusio Plutarch genannt, in der Schrift Hepi tou
Hier 'Akou€iv 11 (43 C)
wird der gute Rat erteüt, nur solche
1) De Plutarchi libro qui inscribitur de comm. not. Gymn.-Progr. Frank- Gesprächsthemata zu wählen,
furt a. 0. 1872. p. 13.
2) De Plutarchii contra Stoicos disputationibue. Dise. Münster 1889. p. 17 f. 1) 8. o S. 67. 2) s. o. S. 82 ff.

3) St. V. fr. II, n. 250.


Geschichte. Jüngere Stoa. 95
94

die den Partner auch interessieren, und als Beispiel des Gegenteils deutlich die Stelle bezeichnet, von wo ab die staubige Last unbe-
angeführt „TrapaßidCeceai . . . töv toic cpuciKOic ce^vuvö^evov eic cuvrm- herrschter autoritärer Traditionen einen steigenden Druck auf die

lueviüv eTTiKpiceic ^XKOVxa Kai i^eijboiaevujv Xuceic." geistige Atmosphäre auszuüben beginnt. Die Ehrfurcht vor der
dialektischen Autorität des Chrysipp war bald so groß, daß man
überzeugt war, „ei Ttapd GeoTc fjv r\ biaXcKTiKri, ouk av ä\\Y\ fjv f| f]

XpuciTrTreioc.**^)

Endlich gehört anhangsweise hierher auch ein spätes Echo, das Den allgemeinen Wandlungen der Stoischen Schule in den auf
die behandelten Stellen von Ciceros Academica in christlicher Zeit Chrysipp folgenden Jahrhunderten nachzugehen ist um so weniger hier
fanden, Augustinus Contra Academicos 11, 11: „inde dissensiones der Ort, als die Dialektik dabei eine ganz untergeordnete Rolle spielte.
philosophorum, inde sensuum fallaciae, inde somnia furoresque, inde Seine nächsten Schüler werden mehr als genug damit zu tun gehabt
pseudomeni et soritae in illius (sc. Academicae) causae patrocinio haben, sein überreiches Erbe auch nur einigermaßen zu verarbeiten und
viguerunt.*' zu sichten; für die sogenannte mittlere Stoa trat unter Platonischem
Einfluß eine kosmologische Religionsphilosophie in den Vordergrund.
Die jüngere Stoa bedeutet demgegenüber eine Rückkehr zur älteren,
JÜNGERE STOA die sich aber unter stark Kynischen Einflüssen vollzog, so daß ihre
Behandlung von Chrysipps Stellung zur Dialektik prinzipiellmit einigen durch Chrysipp be-
Wir hatten unmittelbar an die
im allgemeinen und zum Lügner im besonderen dingten Abänderungen ziemlich genau derjenigen Zenons entspricht.
Stellung zur Dialektik
die Einwirkung angeknüpft, die diese auf die Akademie hatte mit — Da uns diese jüngeren Stoiker, besonders E piktet, auch in beträcht-

Recht, da hier wirklich die breiteste Verbindung läuft. Von der lichem Umfang erhalten sind, so begegnen wir hier, wie zu erwarten,

Chrysipps Behandlung der Trugschlüsse und des auch wieder dem Lügner.
Wirkung, die
Lügners innerhalb seiner eigenen Schule geübt hätte, ist viel weniger
zu berichten.
Die antike Geschichte der wissenschaftlichen Bearbeitung des
Zunächst ist hierher zu rechnen Seneca (ca. 4 v.— 65), wenn er
Lügners, wie im wesentlichen der Dialektik überhaupt, hatte mit
auch weder im strengsten Sinne Fachphilosoph noch strenger Stoiker
Chrysipp zugleich ihren Höhepunkt und ihr Ende erreicht. Ab-
war. In seinen Epistolae Morales findet sich an einer für den
gesehen davon, daß wir hier im allgemeinen am Beginn eines wissen-
Adressaten schon verwerteten Stelle der Lügner. Seneca schreibt
schaftlichen Epigonentums stehen, liegen die besonderen Gründe großen-
hier an
Lucilius Junior^): „quid me detines in eo, quem tu ipse
teils bei Chrysipp selber. Chrysipp hatte das Gebiet der Dialektik
pseudomenon appellas, de quo tantum librorum compositum est?
in einer ungeheueren Breite und mit immer noch beträchtlicher Intensi-
ecce tota mihi vita mentitur! hanc coargue, hanc ad verum, si acutus
tät bearbeitet; Spätere hätten nicht umhin gekonnt, bei ihm anzu-
es, redige!'' Wir beobachten das seltsame Phänomen der ersten Begeg-
setzen. Zugleich aber war das Charakteristikum seines wissenschaft-
nung unseres Lügners mit einem Gefühl, das bis dahin überhaupt
lichen Stils so sehr das Gegenteil von einfacher Klarheit und syste-
matischer Konzentration, daß es weder für den einzelnen möglich
dem Altertum fern gelegen hatte —
nämlich einer ganz rokokomäßig
anmutenden geistreich -lärm oyanten Sentimentalität.
schien, das riesige Konglomerat des Ganzen zu beherrschen, noch auch
angängig war, die Arbeit durch systematische Zerlegung angreifbar
zu machen, wie etwa bei Aristoteles. Die Folge war, daß er für
die Nachfahren auf dem ungeheueren Berg seiner Schriften, den
Die typische Stellung aber der jüngeren Stoa zur Dialektik und
niemand Kräfte noch Lust fühlte zu ersteigen, als dialektische Autori-
Wolken der Unverständlichkeit thronte. Wie denn überhaupt
zum Lügner —
bei der wir übrigens auch weiterhin Gefühlswerte
tät in
hier in der Geschichte unserer abendländischen Kultur sich 1) D. L. VIT, 180. 2) ep. mor. 45, 10.
bereits
Geschichte. Jüngere Stoa.
96 97

charakteristisch prävalierende RoUe spielend finden werden — TTdcac Tdc eicaTUJTdc Kai Tdc cuvTdSeic
Tdc Xpucittttou jacTd
eine tAv 'Avti-
können wir voUständig übersehen in den durch seinen Schüler Arrian TTdTpou Kai 'Apxebn^ou bieXGuj^ev." Ist somit Epiktets Wertungs-
Diatriben ihres bedeutendsten Vertreters Epiktet kriterium wie überhaupt so auch für die
Dialektik nach der positiven
aufgezeichneten
wie nach der negativen Seite hin ethisch,
(ca^'öO— 130). so mußte er sich natürlich
„Tiepi Tnc XP^iac vor allem auch gegen eine Überschätzung
Einerseits verteidigt er in einer eigenen Diatribe der Dialektik im Vergleich
die zur Ethik selber wenden, wie sie, unter
TÜüv laeTaTriTTTÖvTUJV Kai uTToGeTiKUJV Kai tijüv 6|iioiujv"0 ausführlich Berufung auf Chrysipps
gegen Standpuukt, auch von zeitgenössischen Stoikern
Dialektik, insbesondere die Beschäftigung mit Trugschlüssen, vertreten worden zu sein
weil ohne ethisch-menschliche schemt. So werden in der Diatribe „Tiepi
die verbreitete Meinung, daß dergleichen, Tiva dcKekeai bei töv irpoKÖ-
philosophisch- HiOVTa, Kai öti tuiv KupiujTdTujv
Bedeutung, überflüssig und schädlich sei; er betont den dMeXou^ev-O die vöv cpiXöcocpoi getadelt
Tivöc toi- die, weü es nötig sei „Kai ev
propädeutischen Wert der Dialektik und fragt^): „dXX* dveu TaTc uXaic TauTaic yevÖMevov
biacpuXdHai'
xd ^Enc;" Ja To aveHaTidTTiTov töv KaXöv Kai draeöv",
auTrjC Tw^vaciac Kai TrapacKeunc qpuXdTTeiv oiöc t' dcTi „dcpevrec töv irpOüTov töttov
Beurteilung Kai TOV beuTepov KararivovTai Tiepi
noch weit über diese doch mehr verstandesmäßig-offizieUe töv TpiTov^), MeTaTtiTTTOVTac
npui-
inneres Gemütsver- TTiceai TTepaivovTac, uTToGeTiKouc,
hinausgehend, verrät sich einmal sogar fast ein ipeubo^evouc" Selbst beherrschunc.
hier vpeubÖMevoc und seimehr wert und wichtiger als dialektische
hältnis zur Dialektik, und zwar werden gerade Gewandtheit 3): dv bl
Repräsentanten genannt. Epiktet steUt die innere ßouXo^evou TOÖ TuvaiKapiou Kai veuovToc
dTro9dcKUüV als ihre Kai TTpocTreMirovToc "dv be
Kai dTTTo^evou Kai cuveTTi^ovToc
Ruhe und Beschaulichkeit des philosophischen ßioc eewpnTiKÖc in Kon- dTTÖcxiiUMai Kai viKncuj, toöto ^ev
nbn
TO cocpic^a uTrep töv vpeubÖMevov,
trast zu der oberflächlichen, nervösen Unruhe und Hast des Geschäfts- uirep töv ncuxdCovTa. em toütüü
xapdccecGe, eic Kai Mera cppoveTv dEiov, ouk em
und GeseUschaftsmenschen^): „u|Lxeic, öiav ixx]bkv e'xnTe, tlu töv KupieOovTa epiuTncai «
Und
eEepTdcriTai tov aus ebendiesen Gründen tadelt er auch
eeaipov eicepxecee f| dKueie* bid li ö cpiXococpoc \xr\ ein zu starkes Vorherrschen
cu ^ouppiva*), der Dialektik im Unterricht, auf das
auTOÖ XÖTOv; cu KpucidXXiva*), erib xd toö ipeuboindvou- er hauptsächlich die alte Klage
Tidvia laiKpd cpaivexai a e'xeic, e^ioi „non vitae sed scholae discimus"*) „oubeic
i'i\l) Td Toö dTTOcpdcKOVTOC.
coi dicpeXeiTai €k Tflc cxoXfjc''^^
heute ein Mathematiker von seiner zurückführt, wofür er aber wiederum die
Td eiLid irdvia jaeTdXa." So könnte Forderungen, die allgemein
Selbstgenügsamkeit, an die Schule gestellt werden, verantwortlich
Wissenschaft reden. War hier die weitabgewandte macht«): eKeivo oöv .

das Motiv ihrer ßXeireTe ^dXXov, ei, ecp' ö ^'pxecGe,


die die Beschäftigung mit ihr zu verleihen vermag, toOto u^Tv TiveTai. GeXere XaXeiv
gegen einen Ttepi tAv eewpriMdTUJv.
Anerkennung, so wendet sich Epiktet mit gi*ößter Schärfe ti oöv; ou cpXuapÖTepoi
TwecOe; ouxi be Tiapexei
Tivd OXnv uMiv Ttpöc Tö eTTibeiKvuceai
Betrieb der Dialektik, der zur schwitzenden Fronde ausartet.^)
,/eTUJ Td Geuip^aTa; ou cuXXoticmouc
Yeubo^evou'. ouk avaXueTe MeTamTiTovTac; ouk eqpobeuere
eeXuü Tvujvai, ti U^ei XpucmTroc ev toic üepi toö H/euboMevou X^^aTa utto-
coi oqpeXoc ecTai; Treveiliv GeTiKouc; ti oöv ^ti dravaKTeiTe,
dirdTEri |ueTd ific eTiißoXfic lauTTic, xdXac; Kai ti
ei, ecp d TrdpecTe, Taura Xa^ßdveTe-''
«Ttav dvaTvojcri Kai Tpeiauüv Tipöc dXXouc epeic.^) TauTnv oijv, öirep —
diroßdXXovTac
XeTW, Tfiv oiTiciv Tnv Toü boKeiv eibevai ti tijüv xpnci^iwv
€pxeceai bei irpöc töv Xotov, ibc Tipöc Td T^wiaeTpiKd TipocdTO^ev, ujc

tlD TTpoKÖiyai, Kdv Wenn sich uns Epiktets Stellung zur Dialektik und zum Lügner
Tipöc Td liOuciKd. €1 be Mn, oub' i^fvc ec6|Lieea
als goldenerMittelweg zwischen den beiden Extremen
zeigt, so treten
1) I, 7. 2) I, 7, 28. 3) m, 9, 21.
, . ^ diese bei dem überhaupt viel
dubitan potest, an subjektiveren kaiserlichen Phüosophen
4) Dig. XXXm, 10, 3, 4: „de muirinis et crystallinis
Mark Aurel (121-180)
pretinin." Seneca ep.
<iebeant adnumerari supellectili propter eximium usum et nacheinander als Entwicklungsstufen auf.
mor. 119, 3: „utrnm sit aureum poculum an cnistalinmn an
murreum an Tibur- __Zunächst hatte er sich unter dem Einfluß seines Lehrers M. Cor-
tinus caiix an manns concava, nihü refert/* Der töttoc geht also anf die be-
1) m, 2, 6-7.
kannte Anektode vom Becher des Diogenes zurück.
n, 17, 34 u. 39. 2 1: Tpcic eia töttoi -: 6 ucpi Tdc öp^Hcic Kai'
5)
Ebenso, auch nach vorheriger Nennung des ijicubönevoc, ni, 2, 9: „TäXac, ä^!L -
Tdc ^KK\ic€ic ^^'^Z^^^^,^^'
ö Tiepi Tac öpMdc Kai dcpopMdc - TpiToc kTlv ö
6)
Tic coö Karaqppovncr), kqI iTUvOa-
iraTr]c(av Kai dveixaiÖTriTa." ^
irepi tViv
'
dveSa-
«ÖTd Tttöxa xp^iLiujv iLiavedveic Kai dT^viOüv, \xy\

3) n, 18, 18. Seneca ep. mor. 106,


vö|Li€voc, yir\ Tic ti irepl coö X^'p]."
Rüstow: Der
4) 12. 5) II, 21, 16. 6) E »
21 17
Lügner. _ » •

'

%
Geschichte. Schule und Allgemeinbildung.
98 qq
Rhetorik hingegeben. r
nelius Fronto einer ziemlich extrem-technischen hatte, wird noch vor allem dazu beigetragen
haben, die Überzeugung
Leidwesen Frontos, über- von seiner Unlösbarkeit zu bestätigen und zu
Von dieser wandte er sich, zum großen verbreiten. Daß man
drüssig ab, um sich unter der
Leitung des Stoikers Rusticus der dies jetzt ohne jede Beunruhigung und
nicht selten sogar mit lächehi-
mit Epiktets Schriften bekannt dem Behagen hinnahm, kennzeichnet das zunehmende
Philosophie zu widmen, der ihn auch Epigonentum
wir aus-
machte.!) Aus den Klagen Frontos hierüber erfahren der alternden, einem orientalisierenden
religiösen Synkretismus ent-
daß sich unter den
drücklich, was vorauszusetzen gewesen wäre, gegenreifenden Zeit. Der Lügner wurde gleichsam in die Reihe der
Studien auch der Lügner kleineren Weltwunder eingerückt und zierte
Gegenständen dieser seiner philosophischen die geistigen Kuriositäten-
et soritas et pseudomenus, kabinette. Spricht man, sei es gruselnd, tadelnd
befand*): „discere te autem ceratinas oder spottend, von
vero cultum orationis et gravi- den Schwierigkeiten der Dialektik, so fehlt
verba contorta et fidicularia, neglegere selten als charakterisieren-
EndUch konzentrierte und schmückendes Schlagwort der ijjeubönevoc,
tatem et maiestatem et gratiam et nitorem
." . des
der sich gewöhnlich
Umkreises der Stoischen Philosophie mit mit dem ciupiTiic in diese Ehre teilt.
er sich auch innerhalb des ^
töttoc; so dankt er den Göttern»): Bereits bei Cicero befand sich die Dialektik
Ausschließlichkeit auf den n9iKÖc auf diesem Wege,
T€ eneeünnca «piXococpiac, tii\ ^uneceiv €ic Tiva co(piCTr|V, jitibfe
bedeutend rascher aber bei den Vertretern
öiruuc der jüngeren Stoa, der
dnoKaeicai im touc cunpacpek, f\ cuXXoTicuouc dvaXüeiv, n irepi xd überhaupt in erster Linie die Rolle zufiel,
bei übrigens zweifelloser
KaiaTiveceai." Und später schreibt er hierüber das Steigerung des religiös -ethischen Innenlebens,
H€T£UipoXoTiKd die antike Philosophie
„toütou hemvtico dei, ... ÖTi auf den Grad der Verdünnung zu bringen,
schöne und stark empfundene Wort*): ^ der sie als Grundbestand-
iv ÖXiTicTOic Keixai tö eObainövuic ßi&cai. kw H. öti dirnXmcac ted der in erschreckender Extension
begriffenen Allgemeinbüdung ge-
IcecOai, bid toOto dnoTvi^ic Kai dXeüeepoc Kai eignet erscheinen ließ, auf welchem
biaXeKTiKÖc Kai (puc.KÖc Wege dann auch der Lügner,
einteiefic Qe^i." mindestens sein Name, mit denen anderer
aibrinujv Kai koiviuviköc koi Sophismen in das dialek-
tischeSchnlpensum des Triviums gelangte, was die Grundlage
seiner
in dieser ZeitaUgemein verbreiteten Kenntnis bildet, i) Wir befinden
^
uns überhaupt bereits in jener Epoche der
„Verdünnung, Exzerpierung,
SCHULE UND ALLGEMEINBILDUNG Triviali8ierung«ä) der antiken Kulturtraditionen.
wissenschaftUche
hatten schon gesehen, daß die eigentliche
Wir
Altertum bereits mit
Geschichte der Dialektik und des iti€ub6n€voc im
war die weitere Entwicklung in der
Chrysipp endete. Trotzdem Es ist außerordentlich bezeichnend, daß jetzt
wissenschaftlich, die Dialektik ge-
Akademie sowohl wie in der Stoa, zwar nicht selber radezu eine neue Blüte erlebte -
und zwar als Arsenal für Tisch-
orientiert, und zwar eben mit
aber doch immer noch wissenschaftlich unterhaltungen, obzwar die beim Vorbringen
daß man nicht nur, von Trugschlüssen
Bezug auf Chrysipp. Doch ist es charakteristisch, immerhin unvermeidliche geistige Anstrengung von
sondern auch in der Stoa, manchen für einer
wie selbstverständlich, in der Akademie, guten Verdauung abträglich gehalten, und
und schon also vor dieser beliebten
verzichtete,
auf jeden eigenen Versuch der Lösung fortan
Verwendung in hygienischem Interesse gewarnt wurde.')
wenn man sich auch nur das In dem
als dialektischerIkarus betrachtet wurde, studentischen Kränzchen, dem in Athen der
Eben Professor für Platonische
Chrysipp darüber gelehrt hatte.
nachzuverstehen unterfing, was PhUosophie Taurus präsidierte, war es geradezu
Komment, daß jeder
die Kunde, daß der Dialektiker der
Götter in dicken Büchern, die Teilnehmer jedesmal irgendeine derartige Frage
mitbrachte*), für deren
der Gipfel der Unverständlichkeit legendarisch geworden waren,
als Beantwortung dann gelegentlich auch kleine Preise
ausgesetzt wurden.
sich vergeblich um eine befriedigende Lösung des Lügners bemüht
1) Epiktet. diatr. H, 21, 17; Hieronymns adv. Rufin. I, 30.
1) €lc "eauTÖv I, 7. 2) PWendland, Die hellenistisch -römische Kultur (1907) 30.
Naber p. 146. Vgl. ThMommsen, Ges.
2) Ad M. Antonium De Eloquentia. ^^ *»ei"la sanitate 133C, wo neben dem KupuOuiv der Peri-
. ^.*)^^'"J*'''=1'>
Sehr. IV, 482. patetische Bastardbruder des Lügners, der "IvSöc,
genannt wird
3) 1, 17. 4) VII, 67. 4) Gellius VII, 18.

7*
Schule und Allgemeinbildung.
Geschichte. IQ^
100
wenn cidia zur Konstatierung seiner logischen Unauflöslichkeit auf den
es diesem Gesellschaftsspiel,
Zur besonderen Würze gereichte (
Lügner reduziert —
Ausgelassenheit -der jungen Leute ge- in Wirklichkeit handelt es sich nur um ein
der verehrte Lehrer selber die
legentlich unterbrechend und dem Scherz die Belehrung verbindend dvTiCTpecpov — , um ihn dann juristisch aus der feststellbaren Willens-

für berühmte Männer meinung des Testators zu entscheiden. „Dixi tujv dTröpiüv hanc
aus dem Schatz seines Wissens erzählte, was quaestionem esse, qui tractatus apud dialecticos toO Uieubojuevou
bemüht hatten. Und so
sich früher in aUem Ernst um
diese Fragen dici-
tur; etenim quidquid constituerimus verum esse, falsum
der in seinen „Attischen Nächten« jenes repperietur."*)
erzählt uns Aulus Gellius,
verewigte, wie einmal unter anderem auch
Kränzchen literarisch
quoque sophismatis resolutio:
quaesitum ibi est, quae esset huius
me dico, mentior an verum dico?'«^ Leider
"cum mentior et mentiri Nicht ganz ein Jahrhundert später (228) 2) begegnet uns, in
welche Lösung dann der Preis, bestehend ähn-
wird uns nicht verraten, für
licherUmgebung wie bei Gellius, der Lügner in dem Sophisten-
erteilt wurde.
aus einem Buch und einem Kranz, schmaus des Athenaios. Hier warnt^) Demokrit den Ulpian
unter
Berufung auf jene früher^) besprochene Grabschrift des Philitas
vor
allzu peinlichen grammatisch -attizistischen Studien:
„Kivöuveueic ouv
TTOTC bia TttUTttc Tcic cppovTibac ujcTTep ö Kujoc OiXirac
uns wundem, in der Menge lr]T6jv tov KaXou-
Unter diesen Umständen müßten wir M€vov i|ieuboXÖTOV tujv Xötiüv ojuoiujc eKeivuj biaXuenvai.
Feuilletons, Essays, Skizzen und
Pamphlete des icxvöc rap
der uns überlieferten TTdvu Tö cu)^a biet Tdc rriTnceic Tevöjaevoc dTieeavev,
popularphüosophischen Journalisten u)c t6 irpö toö
mit allen Wassern gewaschenen )LiVTi|Lieiou auToö ^TriTpajLijua briXoT*
nicht zu begegnen. Er zitiert
Lukian') (ca 120—180) dem Lügner ZeTve, <t)iXiTac Xotujv ö vpeuböiievöc
wie andere Sophismen»), sondern wendet
eijui. jue
ihn aber nicht parodistisch, ujXece
seiner „Wahren Ge- Ktti vuKTiuv qppovTibec icnißxoi"
ihn selber an. In der Einleitung nämlich zu
aUes lüge, wolle er aUem Danach dann Suidas s. v. OiXiiac: „öc icxvujeeic ck toO ZinieTv t6v
schichte«, erklärtder Erzähler, wo ringsum
KttXou^evov ijjeubojaevov Xötov diTeeavev/'^) Der erste Satz bei
bleiben, und so solle dies Bekenntms, Athe-
nicht bei der dürren Wahrheit
ganzen Rede das einzige Wahre sein: naios scheint mir übrigens so nicht in Ordnung: erstens ist i|/€u-
daß er lügen werde, an seiner
ipeuconm«.*) Man wird ge- boXÖTOV TUJV Xotujv ein ganz unnötiger Pleonasmus, als welchen ihn
Kav Iv Täp bf, toOto dXneeucu., XtTwv öti
Platze und nicht ohne Geist ja auch Suidas empfunden und entsprechend korrigiert hat, denn
stehen, daß diese Anwendung an ihrem
auf die- vjjeuboXÖTOv allein entspricht doch schon dem
ist Das dabei ist aber, daß hier der Lügner
interessanteste
Xotujv ö ipeubö)aevoc des
gebracht ist, für welche aUem die Epigramms; zweitens hatte es Philitas nicht nötig den Lügner erst
jenige kasuelle Anwendungsform
und hinreicht. ) zu suchen, wohl aber seine Lösung, und die Bedeutung „untersuchen"
Lösung tatsächlich zutrifft
Aristotelische
würde im Zusammenhang einen viel zu matten Sinn geben; drittens
ist biaXuefivai nur die Hälfte einer Pointe. Ich lese demgemäß „ . . . l^^6JV
TOV KttXou^evov ipeuboXÖTOv biaXueiv ojlioiujc eKeivuj biaXuGfivai", und
Lügners in jener Zeit auch erkläre mir die Entstehung der Verderbnis so, daß in einem
gemein-
Weiter treffen wir die Kenntnis des
Rechtsfall aus der Lex Fal- samen Ascendenten unseres Archetypus und des Exemplares des
bei dem Juristen Africanus, der einen
Suidas ein mehr eifriger als erleuchteter Leser, der sich über das
als Bezeichnung des Lügners sonst nicht vorkommende ipeuboXoTOV
Philosophie vgl vor aUem RHelni,^
und -n Skrupel machte, in dem Epigramm nach einer Erklärung suchte, und
2 ff'sein VerUltnis zur 263-2T8. 351 369 und
Jahrbücher 1902, 188-213,
die PhilosopheuBchulen, Neue
phüoeophiBche Entwicklung. Gj^-^'°^J°}^'^''^
mitt, LuciauB ^„ ver-J" 1) Dig. XXXV, 2, 88.
3 Wie er z. B. den dem
Lügner verwandten -^P^^f
von Chrysipp fragen laßt. «^"^^
^^^
vit. auct. 22. "Z^ 2) 8. GKaibel in der Praefatio seiner Ausgabe p. VII. 3) IX 401 E
Steigerung der Lebenaideale" 4) s. 0. S. 47.
Scholion. 5) Ohne das Epigramm wörtlich abgeschrieben bei Ps. Hesych. s. n.
4) ver. hist. I, 4 (72). 5) 8. o. S. 50.
Geschichte.
102 Patristik.
103
das Tiüv XÖTuiv, das er dort als einzigen erläuternden Zusatz
fand, eristischen Timonzitat (fr. 21-22 Diels) belegt, um dann, dieses
hinter ipeuboXÖTOv über die Zeile schrieb, welche Glosse dann bei
der erläuternd, den Abschnitt zu schließen (abhängig von
TijLiuJV rpdtpei
nächsten Abschrift das unter ihr stehende biaXueiv aus dem Text bzw. eiTicpepei):

verdrängte. „Tiepi ipeuöaTToqpdcKovToc Xötou xai Kcpaiivou,


biaXeXneöToc t€ au xai KpoKobeiXivou,
cujpiTOu Te In xai lTK€KaXu|U)Lievou,
Endlich findet sich der Lügner auch noch zweimal in jenen im ^^P^ T€ ajuqpißoXiujv Kai cocpicjudxujv."

späteren Altertum kompilierten Massen von Scholien und Glossen. In den Man beachte den höchst kunstvoll symmetrischen
Bau der Stelle^),
Pseudacronischen Horazscholien (zu 'acervi' „Chrysippi
ep. 11, 1,47): die Reime und die Entsprechung des fallenden und des
steigenden
syllogismi sunt pseudomenos et sorites; pseudomenos est, cum <quis> Rhythmus in den ersten drei Zeilen. Das schon oben
besprochene«)
falsitatem veritate confirmat, ut si quis dicat: 'dico <me> mentiri et und als Argument für die Verwandtschaft der beiden
Xötoi angezogene
mentior, verum igitur dico'; sorites autem est etc." Und in dem Liber i airaH XeTÖfievov: vpeuöaiToqpdcKUJV ist hier offenbar aus rhythmischen
Glossamm desPlacidus^): „Pseudomeni dicuntur fallaces a Graeco, Gründen aus ipeuböiuevoc und djrocpdcKUJV zusammengezogen.
qui rem aliquam mentionibus conantur adserere, ut dicimus de philo-
sophis qui aiunt: 'si dico me mentiri et mentior, verum dico'.*'^)

Standen wir bei


Clemens noch mit beiden Füßen auf griechischem
PATRISTIK Kulturboden —
gingen doch der Anführung des Lügners außer den

Da der Lügner, wie wir sahen, seit der Kaiserzeit, vor allem auch
Timonversen je ein Zitat aus Menander und Sophokles voraus —
so finden wir uns bei Hieronymus (ca. 348—420)
bereits tief im
durch seine Aufnahme in das Schulpensum der Dialektik zu einem Dunkel des Christentums. So muß sich denn unser Lügner auch
gleich
Bestandteil der allgemeinen Bildung geworden war, so wird es uns zur Ketzerverleumdung gebrauchen lassen, in einem
Ausfall, den Hie-
wundem, ihm auch in der christlichen Literatur zu begegnen, von
nicht ronymus an einer Stelle seines Amoskommentars^) gegen zwei Arianer
der Zeit ab, das aufsteigende Christentum auch auf weitere Kreise
wo richtet: „Eutychius (?) et Eunomins, qui syUogismis et enthymematibus,
der Träger der Bildung übergriff und sich so zu einer Auseinander- immo sophismatibus et pseudomenis atque soritis, quae ab aliis
setzung mit dieser genötigt sah, die schließlich mit Notwendigkeit zu male inventa sunt, roborare conantur." — In einem Brief an Oceanus*)
einer Amalgamierung führte. berichtet er sehr dramatisch und dialektisch amüsant über einen Streit,
den er in Rom wegen der behaupteten kanonischen Bigamie eines
Schützlings auszufechten hatte. Er nennt die ganze gegnerische
Argu-
noch verhältnismäßig vollen mentation erst einen Kepaxivnc^), dann, als er sich in einer dialektischen
So gleich bei dem ersten, der einen
Schlinge hat fangen lassen«): „iUico mihi, quasi a fortissimo
und reichen Strom griechischer Geisteskultur in das Christentum zu pugile
An percussus essem, ante oculos caligo observari coepit, statimque
leiten sich bemühte, Clemens von Alexandria (ca. 150—200). recor-
so werdet datus Chrysippei sophismatis: 'si mentiris idque vere dicis,
einer Stelle seiner Stromateis^) knüpft er an das „Suchet, mentiris',

ihr finden" eine Warnung vor der Eristik an, die er mit einem anti-
et in me reversus converti in adversarium propositionis stropham."

1) Corpus Glossariorum Latinonim ed GGoetz V, 38,


18 u. 95, 14; VII, 15». 1) vgl. a. die Aufzählung D. L. VII, 44; o. S. 62.
Goetz hat übersehen, daß ihm in der Ergänzung des <me> nach Gellius schon 2) 8. o. S. 63.
Deuerling (Placidi Glossae 1875) vorangegangen war. 3) Comm. in Arnos I, l,5 (Vallars p. 2 sq.) 4) ep. LXIX.
2) FBuecheler, Coniectanea V (Rhein. Mus. XXXV [1880] 405)
scheint als V. p. 413: „Sustinui
5) Romae a viro eloquentissimo comutum, ut dicitur,
>Quelle sonderbarerweise gerade Front o zu vermuten. flyllogismum, ut quocumque me verterem, strictius teuerer."
3) V, I, 11. (St. II, p. 333.) 6) ibid.
Geschichte. Byzantiner. 105
104

Doch war die tatsächliche Argumentation des Gegners nicht einmal existere. verum ille sapiens aut haec neglegit, aut, si profecto dia-

ein dvTiCTpeqpov, und hatte weder mit dem Gehörnten noch mit dem lectica ipsa scientia veritatis est, sie illam novit, ut istorum menda-

Lügner etwas zu tun. Ein Anklang an dessen dTUJTn kommt erst cissimam calumniam: 'siverum est, falsum est; si falsum est, verum
später vor^), und zwar als consequentia ad absurdum von Hieronymus
est' contemnendo et non miserando farae enecet". Was hier als
selber gezogen: „rogo, quae est ista tergiversatio et acumen omni
originelles Eigentum August ins auffällt, ist — in einem noch ganz
pistiUo retusius: quia non est peccatum, peccatum est; quia non est sor- den Spuren Ciceros folgenden Jugend werk — die Grobheit des

didum, Bordidum est?!" — Fast komisch muß es uns anmuten zu sehen, Schimpfwortes „mendacissima calumnia", mit dem unser Lügner be-

wie Hieronymus sich wegen dieser seiner, nach dem an der eben be- dacht wird, und die finstere Grausamkeit des folgenden Bildes, und
handelten Stelle gegebenen Beweis wirklich recht mangelhaften dia- ich kann hier unmittelbar eine Bemerkung RvPöhlmanns mir zu
lektischen Bildung gegen seinen ehemaligen Freund Rufinus auch eigen machen^): „Nichts könnte bezeichnender sein für den un-

noch verteidigen muß. Doch ist es höchst bezeichnend für ihn wie geheueren Verfall des antiken Geisteslebens, als die noch lange nicht
seine ganze Richtung, selbst das Minimum weltlich -„heidnischer*' genug gewürdigte Tatsache, daß ein so reich begabter, für die zartesten
Schulbildung nur als leider nicht mehr rückgängig zu machendes und hochsinnigsten Regungen des Menschenherzens empfänglicher
Übel zu entschuldigen. Er gibt bei dieser Gelegenheit eine, für die Geist wie Augustin auf das Niveau dieser Anschauungs- und Sprech-

Geschichte der Pädagogik höchst wertvolle ^\ Übersicht des Lehrplanes weise herabsinken konnte!*'

der ganzen eTKUKXioc Tiaibeia, in dem es dann auch heißt ^): „Septem
modos conclusionum dialecticae me elementa docuerunt; quid significet
d£iuj|Lia, quod nos pronuntiatum possumus dicere; quomodo absque

verbo et nomine nulla sententia fit; soritarum gradus, pseudomeni


BYZANTINER
argutias, sophismatum fraudes. jurare possum me, postquam egressus Fast die ganze bisher geschilderte Entwicklung seit Cicero hatte
de schola sum, haec nunquam omnino legisse.***) Diese Versichemng sich nach ihrem Schauplatz durchweg entweder in Rom selbst oder doch
wird man ihm gerne glauben. dahin gravitierend abgespielt. Daß demgegenüber in der östlichen
Reichshälfte die Traditionen der Dialektik und der Trugschlüsse völlig

Endlich noch eine, der letzten nicht ganz unähnliche, zweite Stelle unterbrochen gewesen wären und nicht zu der hier sich allmählich

aus Augustinus' (359—430) Dialog Contra Academicos (386/87), vollziehenden Konsolidierung einer eigenen geistigen Atmosphäre auch

nachdem wir die andere als bloße Ciceroreminiszenz schon früher ihren Beitrag geliefert hätten, wäre von vornherein höchst unwahr-

erwähnt hatten. Er hat was er der Dialektik Wertvolles


aufgezählt, scheinlich. Und in der Tat gibt es für diese Vermutung ein zwar
verdanke, und schließt^): „haec quidem habeo a dialectica, et alia an sich spätes Zeugnis, das aber, glaube ich, einen Schluß nach rück-

multa, quae commemorare non est necesse; neque enim debeo ingratus wärts ermöglicht.
Es ist ein unersetzlicher Verlust für die sachliche wie historische
1) V. p. 416. Erkenntnis der antiken Dialektik, daß von den alten Kommentaren
2) Das um so mehr, als sie mit möglichster Genauigkeit
dem Normalen ent-
zum IX. Buch von Aristoteles' Topik, insonderheit dem des
sprechen wird, Ton dem weder positiv noch negativ abzuweichen Hieronymus
an dieser exponierten Stelle alle Veranlassung hatte. Alexander, nichts auf uns gekommen ist. Das einzige, was wir
3) Apol. adv. 11. Ruf. I, 30 (V. p. 486). haben, sind zwei byzantinische Paraphrasen, deren ältere von einigen
4) Auch Anwendungsformen von $a finden sich in der
patristi sehen, in-
jüngeren Handschriften grundlos unter den Namen Alexanders ge-
sonderheit der exegetischen, Literatur, so bei Gregor dem Großen (540—604)
zu Ps. 115, 2: „Ego dixi in excessu mentis meae: omnis homo mendax" (Moralia stellt wird, während die älteren Handschriften, sofern sie überhaupt
XXn, 16; Migne II, p. 234). Sicherlich stammt auch die Anwendung auf Paul, einen Verfassernamen tragen, sie entweder dem Michael Psellos
ad Tit. 1, 12 aus dieser Zeit, wenn gleich auch mir keine frühere Erwähnung
bekannt ist, als die von Prantl angegebene bei Angelus Politianus (1454—1494)
1) Die Weltanschauung des Tacitus. Sitzungsberichte der Münchener Ak.
Ep. ad Manutium (Opp. Bas. 1553. p. 91).
5) m (13) 29.
d. W. Philos.-hist. Klasse. 1910. I. S. 88.
.

106 Geschichte. Scholastik. 107

(1018 — 78) oder seinem Schüler Michael Ephesios zuschreiben.^) setzt hat. Und zwar wird es nötig sein, sich diese postulierte dia-
Da es leicht möglich war, daß man für den wenig bekannten lektische Beschäftigung mit dem Lügner nach Intensität und zeit-
Schüler den gleichnamigen berühmten Lehrer substituierte, schwerlich licher Dauer recht beträchtlich vorzustellen, denn ihr Resultat stellt
aber umgekehrt, so wird man wohl der zweiten Tradition Glauben eine gar nicht leicht zu überschätzende dialektische Leistung dar,
schenken und Michael Ephesios für den Verfasser halten dürfen. wie wir schon daran ermessen können, daß die Steigerung zu ab-
Hier wird nun zu jener Stelle, an der Aristoteles den Lügner be- soluter logischer Schärfe, die sie bietet, obgleich die Gegner der
handelt, ziinächst nur eine ziemlich wortreiche Umschreibung gegeben Peripatetischen Lösung eben durch diese negativ auf sie hingewiesen
unter Verwertung der von Aristoteles an den früheren Stellen für waren und jener gegenüber das allergrößte Interesse an ihr gehabt
die Sophismen Trapd tö dTrXiuc gegebenen Beispiele, besonders des hätten, doch weder von den Megarikern noch von Chrysipp noch
Negers, und ohne daß das Geringste aus Eigenem oder aus einer von der Akademie erreicht worden war, die vielmehr, wie wir sahen,
anderen Quelle beigesteuert würde, weshalb ich auch die Benutzung alle ausnahmslos unter dem Bann der alten, nun einmal kanonisch
eines älteren Kommentars, etwa gar Alexanders, für ausgeschlossen gewordenen, durch Pleonasmus unscharfen Form geblieben waren.
halte. Zum Schluß aber folgt '^): „buvaTai be Tic kqi ibc oütujc epu)Tiü|Lievou Auch unterschätze man ja nicht etwa die Größe des faktischen
Toö coq)ic|LiaTOc dKoueiv ^ctpd ^e evbextiai töv auxöv d)Lia Kai nJeübecGai Unterschieds der beiden Darstellungsformen — : ou fap |uiKp6v ev öia-
Ktti dXriOeueiv'; *'ou". 'dXXd jnf^v ö Xe^^JV yif\h i|;eubo)aai* d|Lia Kai ipeubexai XeKTlKf) TÖ TTttpCt )LllKpÖV.

Kai dXr|9€uer vpeuboc dpa tö ^'ouk evbex^Tai töv auTÖv djna Kai dXriOeueiv
Kai ipeubeBai" '," Hier ist klar, daß trotz der einleitenden Ankündigung
gar nicht die eigentliche dYUüTT) co(pic|LiaTOC gegeben, vielmehr vorausge-
setzt wird, daß aus dem ,ifw vpeubo)uai* widersprechende Konklusionen Die zweite jüngere und anonym überlieferte der beiden erwähnten
folgen, welches vorausgesetzte Resultat nur mit dem Wortlaut der "byzantinischen Paraphrasen^), die nach VRoses Vermutung den

Aristotelesstelle ad hoc in syllogistischen Konnex gebracht wird. Das Mönch Sophonias (ca. 1300) zum Verfasser hat^), ist durchweg
eigentliche Sophisma ist also hier das bloße »eyiij v|jeubo)Liai*, dem dann
stark von Michael Ephesios abhängig, weicht aber an der ent-

widersprechende Konklusionen folgen — und dies ist nun das erste und
scheidenden Stelle nach der Richtung der üblichen alten Form von

im ganzen Altertum einzige Mal, daß der Lügner in seiner absolut strengen ihm ab. Zwischen die Behandlung des Auges, das er als Haupt-
und scharfen Form erscheint, derjenigen zugleich, die für die Peripate- beispiel bringt, schiebt er ein*): „TrdXiv 'i-^uj vpeuböjuevoc Xe'TUJ dXriOn

tische Lösung auch nicht einmal einen äußeren Anhalt bietet. Dies ist XÖTOV, ÖTi €TUJ i|/eubojLiai'- ci)aa rdp, ei Kai |uf| Tipoc tö auTÖ, Kai dXneeuuj

für die Geschichte des Lügners eine Tatsache von allergrößter Wichtig- Kai v|i€Übo|Liai." Es macht den Eindruck,
habe Sophonias aus dem
als

keit, die uns zugleich vor die Frage ihrer historischen Genese stellt.
Gefühl, daß es nicht Aufgabe des Paraphrasten sei, das Material zur

Der zitierte Passus ist an das Vorhergehende unvorbereitet und Widerlegung des Autors zu liefern, hier absichtlich den Michael nach
•der Vulgata korrigiert.
ohne weitere Verbindung angehängt. Daß die Form der Aristoteles-
interpretation ihre Entstehung verdankt, scheint deshalb ausgeschlossen,
weil sie, wie schon gesagt, gerade diejenige ist, die der Peripate-
tischen Lösung aufs schärfste widerstreitet. Ich sehe keine andere
SCHOLASTIK
Erklärungsmöglichkeit als die Voraussetzung einer vorhergegangenen
eigenen dialektischen Entwicklung des Lügners, deren Resultat Wir sind hiermit schon in eine Zeit gelangt, zu welcher das
Michael nach westliche Abendland bereits in den Anfängen einer selbst Chrysipp
Worten gelegentlich gehört und
seinen eigenen hier
zu der Stelle anhangsweise notieii; und mit ihr in Verbindung ge-
gegenüber beispiellosen Entwicklung des Lügners steht, und kehren

1) Alexandri quod fertur in Aristotelis Sophisticos Elenchos Commentarium. . 1) Anonymi in Aristotelis Sophisticos Elenchos Paraphrasis. ed. MHayduck.
eil. MWallies, Bin. 1898. v. praef. p. V. -Bln. 1884.
2) Wallieap. 171, 6 ff 2) VRose. Hermes II (1867) 210. Hayduck praef. p. V. 3) Hayduck p. 58.
Geschichte.
108 Scholastik. 109

demnacli zur Wahrung der Kontinuität zunächst wieder zu den Aus- in mit wechselndem Erfolg geführtem gegenseitigen Kampf entwickelt;
gängen der westlichen Antike zurück. den Höhepunkt der ersten bildet die Scholastik, den der zweiten der
Während die politische Konstellation der östlichen Reichshälfte Humanismus der Renaissance.
noch fast ein Jahrtausend länger äußerlich zu einer ununterbrochenen Einer der frühesten und wichtigsten Zeugen für diesen Kampf
Entwicklung Zeit ließ, an welcher, wie wir sahen, auch die Dialektik ist der begeistert die Sache der Auetores verfechtende Johannes
teilnahm, geraten seit der Mitte des ersten Jahrtausends im Westen Saresberiensis (ca. 1110-— 1180)^), der uns in seinen Streitschriften
die grundlegenden äußeren Verhältnisse, deren Stabilität
Voraussetzung höcht anschaulich schildert, wie die Partei der Artes ausschließlich
jeder kontinuierlichen inneren Weiterentwicklung ist, immer mehr in» auf Aristoteles und seine Logik schwört^), die als Selbstzweck den
Wanken. Im beunruhigenden Vorgefühl des nahenden allgemeinen einzigen Inhalt ihrer Studien bildet^), sich in sophistischen Haar-
Einsturzes packt man eilig einiges Wenige zusammen um es zu retten^ spaltereien ergeht und als „quaestio insolubilis" z. B. die Frage be-
wobei man, wie es zu gehen pflegt, auch rechten Plunder mit er- handelt*), ob das Schwein vom Bauern oder von der Leine zum
wischt. Daß man dabei aber den Lügner liegen ließ, wird uns nicht Markt gezogen wird. Und zwar muß dieser Betrieb zu seiner Zeit
wundem. Das Pseudacronische Scholion und die Placidische Glosse bereits in voller Blüte gestanden, demgemäß schon eine längere Ent-
waren die letzten beiden, schon mehr gelehrt-kompilatorischen, Zeugnisse wicklung hinter sich gehabt haben.
seiner sich verlierenden Kenntnis; bereits in dem sterilen und ver- Bezüglich des Interesses für die Aristotelische Behandlung dieses
schrobenen Kompendium^) des Martianus Capeila (Anfang des 5. Jahr- Gebiets stimmt es damit überein, wenn die Chronik des Robert vom
hunderts), dem vor allem die Rolle zufiel, die dezimierten Reste der Berge unter dem Jahre 1128 berichtet, daß ein Venetianischer Mönch
antiken Allgemeinbildung dem Mittelalter zu überliefern, finden sich
Jacob US nebst andern Schriften des Organon die "GXeTXOi CocpicxiKoi
von den alten Sophismen nur noch der Gehörnte 2) und der Haufen 3), lateinisch paraphrasierte (transtulit in latinum et commentatus est) „ob-
die in ihrer handfesten Anschaulichkeit auch gröberen Köpfen
ein-
gleich eine alte (antiqua) Übersetzung — jedenfalls die des Boethius
drücklich waren; der Lügner dagegen ist verschollen. — existierte^^^) Die Paraphrase des Jacobus deVenetia selber ist

verschollen; die weitere Entwicklung scheint durchweg von der Über-


setzung des Boethius auszugehen.

grundstürzende politisch-
Ein Jahrhundert später schreibt Albert der Große (1193 — 1280)
Zwei Brücken verbinden, über die
zwei Bücher De Sophisticis Elenchis^), eine ziemlich umfangreiche
völkische Umwälzung der nächsten Jahrhunderte hinweg, die antike Paraphrase der Boethianischen Übersetzung. An unserer Stelle ent-
Geisteskultur den außertheologischen Studien des germanisch-
mit fernt sie sich sonst wenig vom Text und gar nicht vom Inhalt, bringt
romanischen Mittelalters die Tradition der Artes, vermittelt durch den
:
aber den Lügner in der Form „ego dico falsum"-'')
Schulbetrieb auf Grund der Kompendien, vor allem des Martianus Wenn wir uns an das erinnern, was oben gelegentlich des ersten
und Cassiodor, und die der Auetores, als deren Archeget vor allem Form in der etwa 150 Jahre älteren Paraphrase
Auftretens dieser des
Cicero galt.*) Diese beiden Richtungen haben sich, wie wir durch Michael Ephesios gesagt wurde, so werden wir es von vornherein für
ENordens Untersuchungen wissen^), von Anfang an nebeneinander und schlechthin ausgeschlossen halten, daß dies nicht auf einer Abhängig-

1) Es sei daran erinnert, daß ein


halbes Jahrtausend früher der Übergang- keit dea abendländischen Betriebs der Artes von der byzantinischen
der wissenschaftlichen Bildung von den Griechen zu den Römern eine ganz ähnliche
(nur natürlich den Umständen entsprechend ungleich höherstehende) Kompendien-
literatur gezeitigt hatte, wie jetzt der Übergang der antiken Bildung
zu den 1) Norden II, 713 ff.

Germanen, und daß auch tatsächlich diese auf jene als ihr Vorbild zurückgeht. 2) Entheticus v. 111, 114.
2) IV (De arte dialectica) 328. 3) II, 122 ; IV, 329, 423. 3) Metalogicus I, Giles yoI. V. p. 17: „Ex arte et de arte agere idem erat".

4) Der Gegensatz hatte sich übrigens bereits im späteren Altertum ent- 4) ibidem p. 16.
wickelt und wird z. B. schon ganz ähnlich wie dann bei JoSaresberiensis aus- 5) 8. Jourdain, Recherches, Par. 1843, p. 58.
gesprochen von Fronto an der oben S. 98 zitierten Stelle. 6) opp. n, Paris 1890, 525—713.
5) l>ie antike Kunstprosa II* (1909), bes.
688 ff. 7) II, 3, 3, ibid. 694 B
110 Geschichte. Scholastik.
111
Dialektik beruhen sollte. Das „Wie" bleibt freilich noch des näheren f r Sehr bald mündete zunächst
die vorhin verfol^P Fr.f„.--,w
zu untersuchen.^) re.he des Betriebs der
Trugschluß- und
Dis,.t^ZfJt^^:^t
Bereits bei Duns Scotus^) (ca. 1265—1308) finden wir die Libri
Elenchorum in eine Menge einzelner quaestiones aufgelöst^), von denen ^
«J^chheßenden Erweiterung der Summulae
die 52. und 53. lauten: „ütrum terminus communis possit supponere
fLr
fugung eines Anhangs von
zwei Tractatus führte die
durch Hinzu-

pro tota propositione cuius est pars?" und „Utrum incipiens sie loqui
'ego dico falsum' sit simpliciter verus in dicendo?" nS dem ttl
unter TitelrInsolubiha« der uns ^^''^r ''' "^»-'"
für
^'^^^
dies
in ihrer

Gfebiet
R.^

bereits
Johannes Johannes Saresberiensis begegnet bei
Andrerseits mußte der Betrieb der Artes, wie wir ihn bei war«), die Lehre von
Tn Tru,
vonSalisbury geschildert und verspottet fanden, die immanente Tendenz '"''' ---»>- »'-its
haben, sich auch von den ihm zunächst zugrunde liegenden Schriften fdirLü:
auf den Lugner
'^"^'
t
emgeschränkt und konzentriert
fast
hatte
ausscmießS
des Aristoteles, der doch eigentlich immerhin auch ein Auetor war ^'"'^"^^^^^ ^''^'''
— — Form S?''^'^'" u'^T*
def ^^-^ erweiterten
als welchen ihn auch Johannes selber anerkannte zu emanzi- Jorm der
Summulae beschreibt Prantl den
Codes Sorbonnensis
pieren und sich ein schulmäßigeres, noch mehr von jeder subjektiv 1797, aus dem er zugleich
charakteristische Proben gibt
Form freies, unmittelbar den m dem Tractatus de Insolubilibus« HierTerZ
und historisch bedingten literarischen
bereits drei^erschi dene
Bedürfnissen angepaßtes Kompendium zu schaffen oder zu sichten über den Lügner, An
eigenen das Insolubile Kar'
zwar ha e ich fast den Eindruck,
^Hovnv abführt t^
suchen. Denn es ist natürlich, daß die rein analytisch -distinktive
Auswahl gegeben werden solle;
ols ob damit JeZ'Z^^l^^
auf 7^"^,
Richtung jener Logiker, deren Ideal die „subtilitas"^) war, die syn-
jedenfaUs läßt es
thetische literarische Gestaltungskraft auf ein Minimum herabsetzte. gehen emes längeren
regelrechten Betriebes schließen
So übersetzte man sich denn im 13. Jahrhundert das Kompendium
charakteristische Form der
der Logik des Michael Psellos mehrfach^) ins Lateinische, unter Behani'unfl-^^""'"'''^'""'^^'^"*^^
Behandlung, die uns ihren m Anfängen bereits
welchen Übersetzungen die des Petrus Hispanus (1226 1277), nach- — Handschrift entgegentritt, ist diese:
in jener Pariser

maligen Papstes Johanns XXI. unter dem Titel „Summulae logicales" r Zunächst wird, fast durchweg, das Insolubile
der Grundstock wurde, an den sich in immer weiteren Ringen
— beschrieben als

man entschuldige das viel zu organische Bild — der Niederschlag Ms ti:; zum
talsitafs, ::
"
Namen
'^^^'--T jr
wird bemerkt, daß es nicht
reHexionem sul
etwa unlösbar
?'- «^^^^ -P- -
der ganzen folgenden Entwicklung ansetzte.^ sondern nur schwer lösbar
sei. Dann folgt eine AufzähW
Meinungen über die Tnsolubilia, fTemder
erst seit Ende des 16. J^hund^rts
1) Eine Abhängigkeit der Paraphrase Alberts gerade von der des Michael unter dem Einfluß der Erweckung des historischen Sinnes
liegt nicht vor. Ein allgemeiner Vergleich zwischen den beiden, genau derselben durch den
Renaissancehumanismus mit
Gattung angehörigen Arbeiten fällt übrigens sehr zugunsten des Deutschen aus; Namensnennung gewöhnlich ZT. !
seine Behandlung ist bedeutend selbständiger, schärfer, klarer und in der ganzen
Haltung wissenschaftlicher als die des Byzantiners. i^ehreO^ünd zwar diese in der Form
2) Opera ed. Wadding I, 269—70. numerierter aufeinander-
3) Hier wird, nach anderer Richtung, die Entwicklung der
Literaturgattung
1) 8. 0. S. 109.
der sog. „Sophismata" abzweigen, s. a. u. S. 119.
4) vgl. a. Norden II, 719. 5) s. Prantl ü, 204.

6) Der von anderen bestrittene Sachverhalt, daß das byzantinische Kom-


DargelSiÄt: S^TeSn^^Str^^^^^^^ ^i
"^^ <*- "'^'^
gationes und IneolubUia zu Hinzufügung der Obli-
pendium das Original, das lateinische die Übersetzung sei, scheint mir durch dfr 8«»»»^!^' w^^ J^
die Übereinstimmung der beiden besten Kenner jeder der beiden Literaturen
— authentisch wäre Doch schein? fn.^Tt ^ "^^^»^^ von Occam (f 1347)
1
Prantls und Krumbachers —
mindestens hinreichend wahrscheinlich gemacht.
Die Literatur s. b. Krumbacher, Iwan Müllers Handbuch IX, P, 437. Übrigens
falls
Prantl
kann
m
to
329 f
^"^8
spätere Interpolation randetani

-iiq iv !*'' j J
/«'
T.T''^^/*"*''''
F7aI^tr"„?I^'
,?^ ,
"^"^ *» »'«^

'".T''*'''"'
^"^ °'*"* eingetreten
werden. Vjrl
"» ««^
""''j'""*-

stimmt hiermit aufs beste unsere obige Vermutung. ^' "^^ ""'=*••'«" Michael Psellns und Petrus
(1867) r* '
• Hispanus

in prinS':rg?ri"! ^„^^ ';"*


-PW^n^atum appaxentia dispersare videatur
.s.sLendae'.Xon'^ul«! invlC major adhibeatur-««"abo,
cu iion Ultimo mventae °**"«"'J»ri'"
fides."
ut opinioni ultimo
Geschichte. Scholastik.
112 113
und Verteidigungen, offenbar aus mutandis, der neuerlich in einem
tatas
folgender Thesen mit Erläuterungen
i
nicht ganz unähnlich
t
liegenden
Verwendung be. solchen ent, ^all von HLietzmann eingeschlagene.^
Disputationen und im Hinblick auf Erst auf Grund einer um-
leicht ist z« eruieren welcher der ver- fessenden Sammlung und Inventarisierung
standen, so daß es oft nicht des vorhandenen Materials
Meinung und das letzte Wort^ hatte es Sinn, m
schiedenen Sätze denn die

ansieht zusammenschließen,
eigentliche

des Autors selbst ist, da sich


keineswegs
vielmehr, wie
stets

es
aUe zu emer Gesamt-
schemt, verschiedene
werden.
^

,
seine historische Bearbeitung
den gröbsten Zumiigkeiten der
lieferung rückhaltlos preisgegeben
wurde, das muß dem Urteil dessen
zu gehen die sonst
spät einsetzenden g!drucktet
wäre. Ob eine solche Arbeit
lohnen
C
dialektische Positionen bezeichnet
nacheinander einzunehmende überlassen bleiben, der bejahenden-
faUs bereit wäre, sie zu
übernehmen. Daß ohne sie die Entwicklung
der scholastischen Phüosophie
nach ihrer logisch-dialektischen Seite!
die ja auch im Theologischen eine bestimmende Rolle spielt
voU
Entwicklung kulminiert bereits in der verstanden werden kann, glaube '

Die rapid fortschreitende ich nicht.


Nicolettus Venetus (f 1428), der m
Logica Magna des Paulus ,''''^'' ^"'^ ""'' S"S"''«°« ^""'^^ Übersicht über die
Reihe nicht weniger als fünfzehn f ^. ^t°^J't
frühmittelalterliche
nicht einmal absolut vollständiger Entwicklung war nichts als der erste
flüchtige
aufzählt und jede mit größter Aus- Versuch einer ganz rohen und
Ansichten über das Insolubile vorläufigen Orientierungsskizze,
die
nicht nur durchweg der Fundierung
führlichkeit diskutiert.*) ut-
. . •
;.v. und Ergänzung, sondern sicher
Eine Geschichte dieser Entwicklung
zu geben beabsichtige ich auch m
wesenthchen Punkten vielleicht durchgreifender
überhaupt Berichtigung
der heutigen Lage der Dinge bedarf. Für die
weder, noch scheint es bei weitere Entwicklung
imierhalb der eigentUchen
solchen
mödich. Von dem ungeheueren Quellenmaterial, das einer Scholastik muß ich auch auf etwas Derartiges
gelegt aus den dargelegten
zugrunde Gründen
Untersuchung mit möglichster Vollständigkeit verzichten. Um
aber wenigstens eine knappe
orientierende
besonders des alteren,
werden müßte, ist sicher ein nicht geringer Teü, Übersicht über die sachlichen
Resultate dieser Entwicklung zu
geben
ganze Literatur war genau wie unsere werde ich im folgenden die
überhaupt verloren. Denn diese 15 bei Venetus behandelten Ansichten
Schulbücher, nur für den Gebrauch nnd das Bedürfnis des Tages ge- nebst einer bei ihm fehlenden kurz
zusammensteUen, sowie unter jeder
schrieben, und das einzelne
Exemplar beanspruchte keinerlei literarische m historischer Reihenfolge angeben,
wo sie mir in einigen ohne
besonders
es etwa den Namen eines systematische Ansprüche herausgegriffenen
Pietät für sich, es sei denn, daß sonstigen Exemplaren dieser
eines überholt war und das
trat Literatur noch begegnet ist, bzw.
berühmten Verfassers trug. Sobald für wen sie dort zitiert wird »)
fortgeschritteneres er-
sehr schnell ein, wurde es
entweder durch ein Und zwar wurden außer Venetus berücksichtigt:
zweite erschwert die Feststellung Duns
und das Scotus, Quaestiones supra libros
setzt oder neu bearbeitet, Elenchorum. Opera, ed. Wadding,
bei
der historischen Tatbestände noch weiter. Da sich außerdeni
Buchdrucks die ganze Entwicklung Anonymus
dem Aufkommen der Kunst des Parisiensis Prantlii (Cod. Sorb.
1797) nach PrantI IV,
so gelangte nur ei^ Ted
und zwar
bereits im Absteigen befand,
überhaupt zum Druck. Es wäre Occam
hauptsächlich der späteren Werke, [Pseudo-J]
) (s. o. S. 111) Summa totius logic(a)e. Ven. 1508.
notwendig, auf die Massen des
nur handschriftlich
also unbedingt
unbearbeiteten Materials zurück- Hieronymus Savonarola, Compendium
vorhandenen, größtenteils noch völlig logic(a)e. Pisa 1492 kl 4»
Handschriften Johann Eck, In Summulas Petri Hispani
in den Originalen der
zugehen. Dies ganze Material e(x)planatio. Augsburg 1516.'
es drucken zu lassen noch
durchzuarbeiten, ist natürlich unmöglich,
mir demnach, mu-
unmögUcher. einzig gangbare Weg schiene
Der 1) Catenenstudien, herausgegeben von
HLietzmann (1. Heft 1909)- "*'""
Selbst-
tazeige Neue Jahrbücher 1910 ''
(5) 375 f
^"""^'"^ wülküriiche Anordnung bei Venetus
durch^Ln^«^ihf'°^!r habe ich
arlnStTn ?'l fr r
'"'*^''' S«^"'="- N^''»' <!•«««- habe ich
überwiegende zunächst
Neuauflagen bz^Nachdrucke erlebten,
so stammt doch die weitaus

Mehrzahl der Drucke aus vorrefonnatonscher


Zeit. irtefCer foÄ-S'btrtStr ''— '^-^^ ^^
Küstow: Der Lügner.
o
Geschichte. Scholastik.
114 115
6. (XI): „quod onmis propositio insolubilis
ferner gelegentlich ^ signiflcat se esse teram
Opera
=
I

Summulas Petri Hispani. et se esse falsam inteUigendo de


Petrus Tartaretus, Expositio in adaequato significato« napä
Tf)v ducpißoXiav
omnia. vol. I. Ven. 1616. 16«. (?).

Johannes Majoris Scotus, Inclytarum artium . . . übri. Lugdun. 7. (I): per faUaciam figurae dictionis = irapd tö cxnna xnc XeSeiuc et
Sic arguitur: Socrates dicit hoc falsum, igitur Socrates dicit falsum
1516. fol.

Introductiones artificales in Logicam Jacobi negat consequentiam dicendo: ibi est


Jodocus Clichtoveus, faUacia figurae dictionis (!)«
Lugdun. 1535. kl. 8^ 8. (XIV): „quae est fundamentum multarum
Fabri Stapulensis. praecedentium et plus . .

subterfugere quam respondere conatur,


ponit insolubüia solyenda
Ich beginne also mit der Aufzählung:
penes faUaciam accidentis« =
irapd tö ^irö|U€vov.

1. (XV). Die, wie schon erwähnt, durchgehende Beschreibung


des Insolu- 9. (II): „per faUaciam secundum non causam
ut causam" = irapot tö
als „propositio se ipsam destruens"
bile oder „habens supra se reflexi- Hn aiTiov tue aiTiov.
Duns Scotus 10. (III): „quod Socrate dicente
onem suae falsitatis". Sie findet sich zuerst in einer bei 'Socrates dicit falsum' hoc verbum
Aristoteles' Metaphysik. 'dicit' licet Sit
(L 265 A) anonym zitierten Paraphrase von
praesentis temporis,
tamen debet intellegi pro tem-
Einsicht in den Fehler der nicht pore mstanti immediate praecedente tempus
2. (o): Die hiernach naheliegende prolationis; ideo negat
eam dicendo ipsam esse falsam.« Temporale
endlichen logischen Bestimmbarkeit „Restrictio". Äquivokation, s. o. S. 79 f
Duns Scotus (f 1308), I, 228: „Utrum terminus communis
11. (XIII): Die unter dem Namen
„propositio plures« bekannte Lösung
des Peter von Ailly
possit supponere pro tota propositione, cuius est pars? Quod (f 1425) „Cardinalis Cammeracensis dicit- . .

propositioni insolubili correspondent in


non, ostenditur." mente duae categoricae, in-
„restringentes dicunt, quod littera 'fal- conjunctim sumptae, quarum una est vera,
Anon. Par. Prantl. (2.): alia falsa tertio dicit
. . .

pars, nee quod propositio insolubilis nee est yera


sum' non potest supponere pro hac oratione, cuius est nee falsa nisi secundum'
quid ... ex quibus sequitur insolubües
similiter pars pro toto.'^ esse propositiones plures."

Rosetus (?) und


Joh. Majoris Scotus (2.) 49 r. B. 12. (Vni): „quod nullum insolubile
Robert Holcot(t 1349) est verum vel falsum, quia nuUum
A.: „non potest supponere pro tale est propositio."
[Pseudo-] Occam (f 1347) 94 r.

propositione cuius est pars."


Savonarola (f 1498) 43 r: „quod non sunt
tota illa propositiones, habent
Eck 108 tamen formam propositionum."
Johann Buridan (f 1361)
v. B.
est ista, BRussells letzte Lösung, s. u. S. 127.
3. (XII): „quae jam communiter ab omnibus sustinetur,
mentio in aliquo casu, 13. (V): Die Chrysippische Lösung,
quod insolubilis est propositio, de qua fit s. o. S. 82 ff. „Cassatio": „quod
casu praecise significet sicut termini praeten- Socrate dicente se ipsum dicere falsum
quae, si cum eodem nihü dicit, quod Socrate
veram et ipsam esse falsam." inteUigente se intelligere falsum nihü
dunt, sequitur ipsam esse inteUigit, et ita de aliis.«
Lösung (s. o. S. 50) „solvit insolubile per Anon. Par. Prantl.: „cassantes autem
4. (X): Die Aristotelische dicunt, quod dicens se
dicere falsum nihil dicit."
fallaciam secundum quid et simpliciter."
14. (IV): Kombination von 10. und 11. „quod nullus
Anon. Par. Prantl als dritte Lösung aufgezählt. potest dicere
se dicere falsum, nee intelligere se
Peter von Ailly (f 1425): „Tertio dicit, quod propositio insolubilis intelligere falsum, nee aliqua
propositio potest esse, ex qua insolubile
nee est vera, nee falsa, nisi secundum quid." Eck 108 v.
B. posset generari."
^• Gregor von Rimini (f 1358): „quod non est dabilis
Georg von Brüssel (f l^^l) ^^^ ^^^ ^- aliqua propositio
Soph. vera, quae adaequate signiflcat se ipsam
Ferner sechs Lösungsversuche nach den Anweisungen der esse falsam« Tartaretus 205 v. H
Endlich sämtliche mögliehen Kombinationen
El., und zwar je drei Tiapci ir\v XeHiv und eEiu Tnc
XeEewc. der Bejahung und
5. (VII): „quod est solvendum per fallaciam aequivocationis"
= irapd Verneinung von Wahrheit und Falschheit, die
erste (15) gewöhnlich
s
als Folge von 12. ^ /
TT^V Ö|HUüVU|LliaV.
8*

I
Geschichte. Scholastik.
116 117

15. (VI): »qaod insolubile


nee est verum nee falsum, sed medium Erstaunlich und singulär das allgemeine geistesgeschichtiiche
ist
}
Phänomen, dessen Resultate wir überblickten. Ich
indifferens ad utrumque." muß mich hier im
nee est eonceden- wesentlichen darauf beschränken, einige wie mir
Savonarola 1. X. e. 18: „insolubüe propositum scheint höchst wert-
volle Eindrücke, die Johannes Saresberiensis von den Anfängen
nee negandum."
dum
„est verum vel falsum, sed non est dieses Betriebs hatte und in seiner Polemik gegen ihn verwertete,
16. (IX): Im Gegensatz hierzu: zu
seiner psychologischen Erklärung fruchtbar
verum nee falsum." zu machen.
Duns Seotus 269 „verum est ipsum dicere falsum. et ex
f.:
Was am meisten auffällt, ist, daß für diesen ganzen höchst
a) ab-
sed magis, quod dicat falsum.« strakten Betrieb ein wissenschaftlicher Anlaß und
hoc non sequitur, quod dieat verum: ein wissenschaftUches
rotundis verbis: pro- Ziel völlig zu fehlen scheinen. Das schießt
Jodocus Isenachensis^) (f 1519) „inquit ins Kraut und geht wieder
ita esse sicut est: sed ita zugrunde, ohne irgend gefruchtet zu haben. Dies
positionem insolubilem bene signifieare ist auch der wesent-
ipsam esse falsam: et propterea ipsa est liche Unterschied gegenüber der
esse sicut signifieat est Behandlungsweise Chrysipps, des
nicht mit Unrecht sogenannten ersten
Eck 109 v. A.
falsa.« . , ^.,
Scholastikers, die sonst 'noch
„ergo datum msolubile am meisten Ähnlichkeiten aufweist, bis ins
Jodocus CUehtoveus (f 1543) 250 v.: Stilistische hinein, und
auch ganz allgemein in dem Nebenhergehen
est falsum.« neben einer gleichfalls
„opinor, omnem propositionem logisch betriebenen Theologie. Denn
Johann Eck (f 1543) 119 v. A.: weder mit dem höchst lebendig-
insolubilem esse falsam; . . . ergo istud est falsum, et per eonse- beweglichen merklieh ironischen Megarisieren, wie
es Ende des vierten
Jahrhunderts v. Chr. in Hellas Mode war, läßt
quens non est verum. sich das hier Vor-
liegende vergleichen, noch mit der
auch die Lösung BBolzanos, s. u. S. 121
f.
Dies ist ernsthaften philologisch-philo-
Majoris Seotus 1540) (7.): „quod aliqua pro- sophischen Literpretationsarbeit der
b) Johannes (f Aristoteleskommentatoren, im
ad taliter esse qualiter est Zusammenhang mit der doch auch die späteren
se falsificat, non oportet, quod
positio Einleitungen und
falsam.« zusammenfassenden Abrisse, die ja auf die scholastische

sequatur in bona consequentia ipsam esse Logik wesent-
lichen Einfluß geübt haben, eine andere
> Stellung einnehmen.
Als eharakteristiseh fällt femer auf die vöUige
Lebensfremdheit
und Unlebendigkeit, die sieh hinreichend dadurch
erklärt, daß die
höchstens partieUe ZulängUeh-
Die sachliche Unzulänglichkeit oder Träger durchweg Kleriker waren. Nicht etwa
als ob jeder einzelne
Standpunkt und mit den Mitteln der
keit aller dieser Lösungen vom nicht auch gelebt hätte, oft derb und weltlich
genug, aber dies Leben
doch ziehe leh es vor, war nicht anerkannt,
modernen Logik zu erweisen, wäre ein leichtes, es entbehrte der Ideale und war von jedem Ein-
Vergnügen zu verziehten. Min- fluß auf die
auf dies billige und wenig fruchtbare anerkannten geistigen Betätigungen ausgeschlossen.
etwas zu kritisieren, ehe man es Das Wesentlichste
destens scheint es mir bedenklieh, liegt tiefer. Die Germanen hatten von dem
wirklieh durchaus verstanden hat.
Darin fühle ich mich aber für zertrümmerten römischen Reiche das Erbe einer
Kultur überkommen,
Tiele der Lösungen, und eigentlich gerade für ihre
scholastischen die ihnen nicht nur fremd, sondern vor
aUem an Entwicklungsalter so
daß eigentlich auch hierfür
Gesamtheit, sehr wenig sicher. Mir seheint, weit voraus war, daß es ihnen auf lange Zeit
hinaus unmöglich war, sie
historischen Vorarbeit Voraus- irgend zu übersehen. So gerieten sie in ein
die Leistung jener oben geforderten unbedingtes geistiges Ab-
setzung wäre.') hängigkeits- und Schülerverhältnis zu den Inhalten
ihrer inteUektueUen
Beschäftigung, das auch den Bedeutenderen
Lehrer Luthers. klar im Bewußtsein war.
Jodoc Trautvetter, Prof. a. d. Univ. Erfurt.
1) Hier war es nun die menschlich schöne SteUung,
Des ganz zu geschweigen, daß ich meinerseits in der Geschichte der diese Schülerschaft
2
bin. D°«^ho£Fe ich, man wird in Bescheidenheit, Ehrfurcht vor den
mttelalterlichen Philosophie überhaupt Laie Lehrmeistern und Begeisterung
dies Gebiet, da es sachlich auf meinem Wege fdi die Lehre anzuerkennen.
«9 mir nicht verübeln, daß ich So standen die Verfechter der Auetores.
zu einer
las nicht umging. SoUte der eiUge Streifzng eines Unberufenen Die entgegengesetzte Stellung war die des anmaßlichen
in diese meist gemiedenen Re- und ehrfurchts-
methodischen Forschungsreise eines Berufenen
zwecklos gewesen. losen Aufbegehrens gegen jene Autoritäten,
gionen Anlaß geben, so wäre er nicht ganz des schülerhaft unreifen
\

\!
y
Geschichte. Scholastik.
118 119
Die Ausbreitung und Alleinherrschaft der
vorlauten eigenen Spintisierens und DozierenwoUens auf Grund des 1 Scholastik und ihren
Niedergang, den Aufschwung des Humanismus,
spärlichen kaum eben Angeeigneten, das natürlich den eigenen per- seinen glänzenden
sönlichen Lehrern gegenüber leicht zu gleicher Gesinnung
und ent- Sieg m
der Renaissance und die Ursachen
dieser Entwicklung zu
aber genau diejenigen Yer- untersuchen ist hier nicht der Ort. Für die
sprechendem Verhalten führt. Das sind Insolubilia verkörpert
sich die Kulmination der scholastischen
haltungsweisen und Motive, die Johannes Saresberiensis den von ihm Entwicklung in Paulus Venetus
Scholastik, die wir darum unserer Übersicht zugrunde
bekämpften Verfechtern der Artes, eben den Vorläufern der legten; über ihn ist sie'
charakteristischsten, größtenteils schon von nicht mehr wesentlich, weder intensiv noch
vorwirft. Ich setze die extensiv, hinausgegangen
Bei dem erreichten unverhältnismäßigen
Norden^) ausgehobenen Stellen hierher. Umfang ist es begreiflich
wenn sich in der Folgezeit der Tractatus
„A nobis sapimus, docuit se nostra Juventus, de LisolubiHbus immer
häufiger zu selbständig erscheinenden
Non recipit veterum dogmata nostra cohors. Werken von dem Stamme der
Summulae ablöste; auch mag
Non onus accipimus, ut eorum verba sequamur, ^
sich darin bereits das aUzu unförmigen
Wälzern abholde Streben des neuen Geschmacks
Quos habet auctores Graecia, Roma colit. nach größerer Eleganz
verraten. Darauf, daß Ende
Incola sum modici pontis, novus auctor in arte. seit des 15. Jahrhunderts sich die Er-
meum weckung des historischen Sinnes auch hier durch Urheberangaben
Dum prius inventum glorior esse . . .

für die einzelnen aufgeführten Ansichten


Temporibus placuere suis veterum bene dicta, bemerklich macht, war schon
Temporibus nostris jam nova sola placent.
hingewiesen. In dem Maße, als das Ideal der elegantia über das der
subtilitas siegt, schwillt auch der Umfang wieder ab, und man begnügt
Quum sit ab ingenio totum, non sit tibi curae
sich mit einer Auswahl. Bezeichnend ist die Vorbemerkung, mit der
Quid prius addiscas, posteriusve legas . . .

Haec ubi persuasit aliis error puerilis: Eck seine Behandlung der Insolubilia eröfiheti): „Eecitabo ego
in re
tam dubia et opiniosa diversos modos explicandi
Ut juvenis discat plurima, pauca legat, inexplicabilia: tot
enim in hac materia sunt sententiae (ut ait
Laudat Aristotelem solum, spernit Ciceronem, comicus), quot sunt
capita: nullibi autem errant logici nostri insignius,
Et quidquid Latus Graecia capta dedit; 1 quam in insolubilibus.
quid autem ego sentiam, facile patebit.'^ Wie hier
Conspuit in leges, vilescit physica, quaevis

zu sehen, steht man


auch bereits mit Distanz und ironischer Überlegenheit
Litera sordescit, logica sola placet.'*^) zum Stoffe.
aut magistri sui quisque incumbebat inventis, nee
Ein besonders interessantes Kreuzungsprodukt von
„Suis enim, Scholastik und
Renaissance auf unserem Gebiete ist ein dünnes,
hoc tamen diu licitum: quum ipsi auditores in brevi coerrantium in zierlichem Klein-
suis quartformat und zweispaltigem Satz 1490 zu Pavia
impetu urgerentur, ut et ipsi, spretis his, quae a doctoribus erschienenes Buch.
fiebant ergo summi Es hat zum Verfasser den Professor der Phüosophie
audierant, auderent, et conderent novas sectas am dortigen
fere non morabatur Gymnasium Kai-meliterfraterStephanus de Monte und
repente philosophi: nam qui illiteratus accesserat, trägt den
temporis, quo avium pulli schon stark an Protagoras gemahnenden
in scholis alterius, quam eo curriculo Titel: „Ars insolubilis,
docens de omni scibili indifferenter disputare.*^
plumescunt.^'^) Es macht sich an-
Daß wirklich Motive dieser Ai't — natürlich nicht bewußt, und heischig systematisch zu lehren, wie man
durch geeignete Zusätze aus
sich der Bewegung anschloß, jeder These ein Insolubile machen könne.
natürlich nicht von jedem einzelnen, der Seiner Gattung nach scheint

auch nur unbewußt, geteüt — für die Scholastik wesentlich waren, das es in der Mitte zu stehen zwischen den
selbständigen „Insolubilia"
Eindruck und den „Sophismata", die aUe mögUchen Trugschlüsse
beweist, scheint mir, aufs schlagendste eben der allgemeine in ähnUcher
bezüglich der Behandlung aneinanderreihen, bei denen aber der
jener oben gegebenen Übersicht über die Resultate Lügner wenn über-
haupt nur unter andren und kurz abgetan zu
Lisolubilia. werden pflegt. 2) Die
Dedikation an Lodovico Maria Sforza ist in elegantem Humanisten-
O.n, 713 f.; ganz ähnlich auch Peter von Blois ep. 101; cit. ibid. 719
1) a. a.
2) Entheticus 45—50, 59—62, 109—114.
1) f. 108 r. B. 2) s. 0. S. 110.
3) Metalogicus I, 3, Giles V., p. 16 f.

t(
Gescliichte. Scholastik. 121
120
dem gewohnten barbarischen
Abhandlung selber in So erklärt sich eine späte humanistische Polemik, die noch im
latein verfaßt, die
}
Richtung nach scheint sich hier .18.Jahrhundert Jacopo Facciolati, Gymnasii Patavini publicus dia-
Idiom der Scholastik. Und der
der leidenschaftlichen Verve der lecticae Professor, gegen die „Summulisten" richtet, und zwar in einer
die subtilitas der Scholastik mit
Überlegenheit fem- Programmabhandlung seines Gymnasiums, die eine eigene Monographie
Renaissance zu einer Freude an der fechterischen
vereinigen, die wiederum an die über den Lügner darstellt, und in mehr als einer Hinsicht interessant
geschliffener dialektischer Waffen zu
gemahnt^): „Gaudeant dialectici, veri et falsi ist.^) Wir spüren den Geist des Rokoko, wenn in der Einleitung die
griechische Sophistik
principia insolubile Untersuchungen über den Lügner genannt werden^) „spinosa
astute inquisitivi! ad omnium namque methodorum illa

arguendi viam habent!"


quidem et pro saeculi more nimis arida, —
sed tamen ex ipsis dis-

„Summa totius logicae*^ ver- ciplinae nostrae visceribus ducta." Die scholastischen Lösungsversuche
Darauf, daß auch Savonarola eine
oben schon berücksichtigt ignoriert er vollkommen und gründet seine Behandlung ausschließlich
faßt hat, dLren Tractatus de Insolubilibus
teils wegen ihres Ver- auf Cicero, den er mit ergötzlicher Bosheit gegen die zeitgenössischen
wurde, und die sich, teils infolge ihrer Kürze,
und Verbreitung erfreut zu haben Nachfahren der Scholastik ausspielt^): „haec qui serio cogitare voluerit,
fassers, besonderer Beliebtheit
scheint — sie erhielt bald das Epitheton „aurea" — ,
sei hier nur hin- Summulistas nostros (sie enim ipsi se appellant)
facile sibi persuadebit,

minime intelligere, quid sibi velit Pseudomenos, unde oriatur aut quo
gewiesen.
gegen die überall spectet. neque vero aliquid in illo est arcani, quo homines isti tam
Übrigens war das Unterliegen der Scholastik
besiegelt, und leiden- acuti penetrare non possint, cum ego tam tardus verborum indagator
neu aufstrebenden lebendigen Kräfte schon lange
besonders natürlich mihi potuisse videar: sed in hac ignoratione versantur, quia Ciceronem,
schaftliche Angriffe, die einzelne Humanisten
nur noch beschleu- qui ista unus fere explicat, vel contemnunt tamquam Grammaticum,
crerade gegen ihre Dialektik richteten, konnten es
des heißblütigen vel non intellegunt, quod Latine loquatur." Freilich ist seine eigene
nigen. Ich zitiere als Beispiel hier einen Ausfall
„monstra quaedam discipli- Lösung, wenn man das überhaupt so nennen will, trotz Ciceros
Spaniers Vives (1492—1540)0 gegen die
vocant, quibus nihil neque vanius Beistand, nicht gerade sehr befriedigend ausgefallen^): „si quis a nobis
narum, velut sophismata, ut ipsi
petat, ex his angustiis qua ratione possit evadere, respondemus dia-
est neque stultius."
Kampf lecticam verborumformam a rerum materia separandam esse, nam haec
Auf dem Boden der antiken Tradition hatte sich der ganze
auf quidem ingenio non hebeti statim se manifestat: illa inexplicabilis est.
voUzogen: im Namen des Einfachen und Ursprünglichen in ihr,
zu verstehen und in itaque ad eam disserendi legem, per quam vetabatur ex
das man zurückging, um es frei und menschlich dialecticis

kämpfte man gegen die staubige atem- repagulis exire, id quoque additum erat, ut scribit Gellius 1. 16. c. 2.
sich lebendig werden zu lassen,
künstlich und 'non esse huiusmodi interrogationibus respondendum.'"
beklemmende Last des auf langen und dürren Wegen
gleich fern dem historisch wie dem Anhangsweise endlich gehört auch hierher die Behandlung, die
vielfaltig aus ihm Abgeleiteten,
Wie Humanisten im Namen
die des Aristo- im 19. Jahrhundert der scharfsinnige Bernhard Bolzano (1781—1848)
gegenwärtig Lebendigen.
Evangeliums dem Lügner hat angedeihen denn
Scholastik, kämpfte Luther im Namen des
lassen, sie ist angeregt durch
teles gegen die
Savonarola, von dessen Summa ihm offenbar nur durch Zufall ein
gegen die Kirche. •^
Exemplar in die Hände gekommen war. In einer Anmerkung im L Bande
* seiner Wissenschaftslehre ^) widerlegt er zunächst recht gut die drei bei
Savonarola gegebenen Lösungsversuche, um dann seinerseits die
oben unter 14 a) aufgeführte Lösung „verum est, ipsum dicere falsum,
et ex hoc non sequitur, quod dicat verum, sed magis, quod dicat
spezieUer
Nur in einzelnen wenig bedeutenden Ausläufern unter
heute existieren, hat
kirchlicher Protektion, wie solche ja auch noch 1) De Pseudomeno quod est altemm Inexplicabile Acroasis III. MDCCXXVI
Renaissance überlebt. Patavii, Typis Seminarii. kl. 8®.
die scholastische Philosophie die
2) p. 11. 3) p. 14. 4) p. 17.

p. 37. 5) (Sulzbach 1837) § 19, Anm. S. 79—80.


1) 11 r. A. 2) Opp. UI, Valencia 1782,

1
Geschichte. Renaissance. Philologie.
122 123

falsum'^, natürlich ohne sie zu kennen, da sie bei Savonarola fehlt, vergaß aber, gewohnheitsgemäß, diesen Erlaß selber zu unterschreiben.
seinerseits aufzustellen und recht scharfsinnig, aber doch wenig über- Er wurde angeschlagen —
und stürzte die treuen Untertanen in ein
zeugend, zu begründen. Er meint nämlich i): „Das kontradiktorische wogendes Meer unentrinnbarer Zweifel. Was sollte nun sein? Nahmen
Gegenteil des Satzes: 'Was ich soeben behaupte, ist oder erkläre — sie die ununterschriebene Verordnung, wie alle bisherigen, für gültig,

ich für —
falsch' ist —also nicht der Satz: 'Was ich soeben behaupte, so folgte aus ihrem Inhalt ihre Ungültigkeit. Nahm man aber ihre
ist wahr', sondern: 'Was ich soeben behaupte, behaupte ich'." Ungültigkeit an, so fiel damit jeder Grund fort, warum sie nicht hätte
gültig sein sollen.^)
Das andere ist die glänzende Einkleidung, die Cervantes
(1547—1616) im Don Quixote*) der Aristotelischen Lösung gibt, in-
RENAISSANCE dem Sancho Pansa als oberster Statthalter der Insel Barataria das
Behandlung salomonische Urteil fällt, man solle den Mann in zwei Teile schneiden
Wir kehren von diesen appendices der scholastischen
und den, der gelogen, aufhängen, den wahrhaftigen aber laufen lassen.
bzw. der Polemik gegen sie zur Renaissance zurück, und stellen zu-
Die freilich durchgreifenden Einwendungen der zur Einholung des
nächst fest, daß die Kunde von der scholastischen Behandlung der
Rechtsspruches gekommenen Abgesandten kann man dort nachlesen.
und auf das vollkommenste geradezu verschillt, in
Insolubilia sofort
Übrigens behandelt nach Cuiacius' Vorgang den Lügner der
ganz demselben Maße, in dem für die Scholastiker ihrerseits Cicero
kurpfälzische Rat Marquard Freher (1564—1614), den jener 1585
und die bei ihm sich findende Behandlung überhaupt nicht existiert
liatte — in Anbetracht eines an sich so neutralen Gebietes, wie es
zu Bourges zum licentiatus juris utriusque promoviert hatte. Die
Schrift, deren drittes Kapitel über den Lügner handelt, trägt den
die formale Logik ist, ein schlagender Beweis, in welch absolutem
Titel: ;,DecisionumAreopagiticarum silvula. In queis controversiarum
Grade es sich hier um
zwei einander schlechthin ausschließende geistige
apud veteres pro inexplicabilibus habitarum resolutiones nova ratione
Welten handelte. So scheint denn der Lügner überhaupt aus dem
tentantur.'^^) Inhaltlich bietet die Behandlung nichts Bemerkenswertes.
Logikbetrieb verschwunden, auch z. B. in der Logica Hamburgensis
^)

des tüchtigen Joachim Jungius (1587—1657), in welcher ein Buch


von 73 Seiten^) „De sophistica'' handelt und eine Masse von Trug-
schlüssen bringt, habe ich ihn nicht finden können.
PHILOLOGIE
Dagegen entstehen im Zusammenhang mit der Erweckung der
antiken Literatur zu neuem, gegenwärtigem Leben, die den
Kern der Den übrigens seit dem Mittelalter allein noch wirksamen Anlaß
Renaissance im engeren Sinne bildet, die beiden glänzendsten Ein- zur Beschäftigung mit dem Lügner bot die philologische und philo-
kleidungsformen, die der Lügner und die Peripatetische Lösung je ge- sophiegeschichtliche Interpretation der Stellen der antiken Literatur,

funden haben. vor allem der in Ciceros Academica, an welchen er erwähnt wird,

Jacobus Cuiacius (1522-1590), der große französische Jurist, die uns aber hier nur insoweit angeht, als dabei auch sachlich-logische

giebt, bei Gelegenheit der Behandlung jener Stelle in den


Digesten, Gesichtspunkte Berücksichtigung fanden. Selbstverständlich ist bei

dem Lügner die folgende Einkleidung von unübertrefflicher Eleganz*): der folgenden Übersicht nicht Vollständigkeit beabsichtigt.

In einem Lande wurden die Verordnungen des Fürsten ohne Unter- Den Anfang macht hier der große in zusammenhängender Dar-

schrift promulgiert. Da man aber wohl befürchtete, das könne zu stellung gegebene Kommentar des Petrus Valentia (1554—1620) zu
Mißbräuchen benutzt werden, erließ der Fürst eines Tages eine Ver-
ordnung des Inhalts, seine Erlasse sollten vom selbigen Tage an nur

Gültigkeit haben, wenn sie von ihm eigenhändig unterzeichnet seien


— 1) Ob der treusorgende Landesvater diesem unerträglichen Zustand durch
nachträglichen Vollzug seiner Unterschrift noch recht zeitig ein Ende setzte, dar-
über schweigt die Geschichte; jedenfalls aber steht es zu hoffen.
1) S. 80. 2) Hamburg 1681. 3) p. 517—590. 2) II, 51.

4) Ad. Africanum Tract. V. Opp. I. Neapel 1768. p. 1354—1357. 3) Typis Gotthardi Voegelini MDCXV, 4^ Gezeichnet p. 47: 1599.

ilf>
1
Geschichte. Philologie.
124 125

Ciceros Academica.^) Nach einem nicht ganz logischen einleitenden Ge- J JHottinger macht in
seiner Ausgabe von De divinatione
^ (1793)
«inen sehr wenig durchdachten Lösungsvorschlag
dankengang meint er^), keinesfalls habe es Schwierigkeiten „distinctione- (p. 175 adn.): „ter-

aliqua illius modi omnia eludere et frangere. quis umquam dixit 'ego
minus major utriusque syllogismi, sc. 'mentiris' et Verum dicis'',
re
Vera eundem sensum habent, nimirum hunc: 'verum est, te
mentior', quum hoc ipsum pronuntiatnm falsum vellet declarare? mentiri'
nemo nmquam, existimo, — aut nihil dixerit. sed quum sie aliqui» s. Vere dicis te mentiri'."

loquitur, de alio aliquo paulo ante a se adfirmato sermonem facit; Der allgemein zugrunde liegenden Überzeugung gibt JGr Buhle
sinon facit, quum nihil dicat, nee verum nee falsum dicit. verum — in seinem Lehrbuch der Geschichte der Philosophie
(1796) sehr naiv
Ausdruck, indem er von den Megarischen Trugschlüssen meint
non tantum otii est, ut operam in hisce nostrum profundamus." Seine (I, 398):

Lösung ist also die auch im Mittelalter wiederkehrende Chrysipps, die „Gegenwärtig sind sie leicht aufzulösen; aber damals erregten
sie

Sie liegt in dieser groben Form schon an sich nicht fern,


großes Aufsehen, ... und selbst die größten Logiker unter den
cassatio. Griechen,
ist aber besonders noch durch die Behandlung bei Cicero
nahegelegt, Chrysippus und Aristoteles, fanden es bei einigen derselben sehr
Chrysipps indirekt orientiert schwer, den Grund des sophistischen Truges zu entdecken."
die ja ihrerseits in der Tat an derjenigen y

ist. Eine Entlehnung aus der Scholastik ist bei Valentia natürlich Ganz allein stehen die bedeutenden Bemerkungen
Hegels über
die Megarische Trugschlußdialektik in seinen
unwahrscheinlich. Vorlesungen über die
die sachliche Geschichte der Philosophie (IP, 114—118), die wohl auch
Die Cicerokommentare der folgenden Zeit lassen auf einer
gewissen sachlichen Wahlverwandtschaft mit der Denkrichtung
Seite meist unberücksichtigt. der
in seiner ausführlich kommentierten französischen
Megariker beruhen.
De Castillon
Academica (1779)3) behandelt unsere Stelle höchst Ihren Höhepunkt erreicht die verächtliche Behandlung des
Übersetzung der Lügners
weitschweifig und gibt in einer für den Rokoko-Rationalimus recht
bei CPrantl(1851), dem grimmigen Historikei;der leersten aller Wissen-
bezeichnenden Weise mit mehr Klarheit und Eleganz als Tiefe und und seinesgleichen (1, 494)
schaften, der ihn „einfältige Spielereien^' nennt,
die „wissenschaftliches Interesse für die
Schärfe eine eigene, übrigens sachlich ganz indiskutabele Lösung, nach Logik natürlich durchaus keines
der hier eine quatemio terminorum vorliegen soUe^) interessant aber — ^f
darbieten". Er gibt denn auch selbst eine Lösung (I, 51), die „natürHch"
welchem gegen die Chrysippische darin „daß hier 'Lügen' und 'Meineid schwören' in jener speziellen
liegt,
als der einzige mir bekannte Fall, in

des Lügners formell schlüssig sei, aus-


ä^w^r\ Modifikation, welche sie durch dieses bestimmte Aussprechen
Feststellung, daß die hier er-
halten, in eine gleichstellende Verbindung mit dem
geführter und begründeter Widerspruch erhoben worden wäre; sonst gewöhnlicheren und
oben aufgezählten mittelalterlichen Lösungen. allgemeineren Sinne, welchen jene Worte haben, gebracht werden",
vgl. die 7. der
also, wie Chrysipp sagt, „öre juev diiXaic
Eine stärkere Beschäftigung setzt ein mit dem Aufschwung der Xeröiiieva, oie he TrXeovöc
Ende des 18. Jahrhunderts. Tivoc cuvTTapevcpaivojuevou."
Mir scheint aber diese Modifikation nicht
deutschen Philologie seit

Wenn GLSpalding in seinen Vindiciae philosophorum Megari- nur nicht natürlich, sondern nicht einmal an ihrem Teil klaren
und
Eukleides absichtlich über- verständlichen Sinnes.
corum (1702) die nächsten Nachfolger des
geht „cum eorum ingenia non nisi ignobili syllogismorum futilium Endlich hat, um anderes zu übergehen, in der ihm eigenen geist-
jactaverint" so entspricht das vollen und eindringlich freundlichen Art ThGomperz sich des Lügners
nectendorum palaestra sese (p. 10),

durchaus der allgemeinen Stellungnahme. Auch wo man sich in- angenommen (1902) und ihm eine ganze Seite des IL Bandes seiner
konsequenterweise doch auf die Sache einläßt, tut man es nur im „Griechischen Denker" gewidmet (156—57). Er erkennt zunächst
an,
daß seine Schwierigkeit „ein wenig tiefer liegt", und gibt dann seiner-
Vorbeigehen und mit verächtlichem Seitenblick.
seits eine Lösung biet xojLific, die er in der Unterscheidung
princ. 1596. Claronim Hiepanoruin opuflcnla coli. zwischen
1) Datiert 1590, ed.
Madrid 161—252. Lüge und Unwahrheit gefunden zu haben glaubt. „In dieser Trennung
FrCerdano. o. J. I. p.
2) p. 209 f. liegt die Eigentümlichkeit des Falles. Fast könnte man sagen: die
Les livres Academiques de Ciceron, traduits et eclaircis. Tome IT»
3) fragliche Mitteilung geht als Unwahrheit aus dem Mund des Sprechenden
Bln. 1779.
hervor, nicht aber in den Geist des Hörenden ein" (157). Ich muß
4) p. 247—49.
)

Geschichte. Mathematik.
126 127

zu meinem Leidwesen gestehen, daß ich, um wiederum mitChrysipp Einen Wendepunkt in dieser mathematischen
Periode der Ge-
entschieden den Eindruck habe, schichte des Lügners hätte seine
zu reden, diesen Worten gegenüber Wiedererkennung durch BRussell
bedeuten können und müssen.») Denn sobald
„oTi Toö crmaivo|U£vou TcXeujc
cnroitXaviüvTai". man Anlaß hatte zu
glauben, daß die Paradoxie des Paradoxons
rein logischer Natur sei
wäre es unbedingt die erste Aufgabe gewesen,
seine logische Form'
aus der mengentheoretischen Einkleidung
herauszuschälen und fortan
MATHEMATIK allem weiter zu behandehi. Ich zweifle
nicht, daß man so bald die
Lösung gefunden haben würde. Statt dessen fuhr
unaufregenden und spärlichen Weise
man mit aUeiniger
In dieser außerordentlich teüweiser Ausnahme Russells selber fort, in
wäre voraussichtlich die Geschichte des
Lügners —
wenn man es
das für allen Fortschritt in der
flagrantem Verstoß gegen

überhaupt noch Geschichte nennen wiU


auf -
unbestimmte Zeit Wissenschaft fundamentale Prinzip
der Isolierung der Schwierigkeiten dauernd
unerwartete Wiedergeburt den ganzen höchstkom-
weitergegangen, er nicht eine höchst
wenn Apparat der mengentheoretischen Einkleidung
phziei-ten
gefeiert hätte, und zwar an einer
so anderen SteUe und in so ^z- mitzuschleppen
Auch der einzige Philosoph von Fach, der sich
ihn sonst, und zwar
es überhaupt lange brauchte, bis
lich veränderter Gestalt, daß höchst eindringlich und erfolgreich, mit dem
heute sich die wenigsten Paradoxon beschäftigte,
iemand wiedererkannte, und selbst danach bis
LNelson, scheint sonderbarerweise nicht auf
als eine neue Ver- diesen, für ihn doch
für nichts
entschließen konnten, ihn auch wirklich besonders naheliegenden Weg gekommen zu sein. Als ein Kuriosum
körperung des alten Lügners zu halten. m derselben Richtung läßt sich anführen, daß
AKorselt, der gerade
der Begründer der
Im Jahre 1895 nämlich stieß Georg Cantor, anläßlich der Diskussion des Paradoxons
jede Gelegenheit benutzte,
Bearbeitung dieses Gebietes auf einen
modernen Mengenlehre, bei der um auf den von ihm aufs höchste geschätzten BBolzauo
zu beheben gelang, und den er im hinzuweisen'
Widerspruch, den es ihm nicht anscheinend gar nicht bemerkte, daß sich
Wenig später fand un- ebendieser an der von uns
Jahre 1896 brieflich DHilbert mitteilte.») oben erwähnten Stelle«) recht ausführlich
CBurali-Forti gleich- mit dem Paradoxon be-
dem gleichen Gebiete
abhängig hiervon auf schäftigt und es seiner Meinung nach gelöst hatte.
faUs einen Widerspruch, den er
1897 veröffentlichte. Die damit
Seit 1903 GFreges erster, wenig
Lügners auf dem Gebiete glücklicher, Lösungsversuch
anhebende höchst interessante Geschichte des vorangegangen war, sind deren eine ziemliche
ersten Publikator Anzahl nachgefolgt,
der Mengenlehre, wo er entweder nach seinem BRussell aUein gab drei verschiedene.*) Keiner von
oder nach dem Gelehrten, der sich am aus- allen diesen ist
das BuraliPortische ohne bündige Widerlegung geblieben, und zwar
Russellsche Paradoxon ge- haben sich in dieser
führlichsten mit ihm beschäftigt, das
ein tieferes Emgehen auf ^f'a'te übrigens auf Grund dieser Erkenntnis der
nannt wird, würde zu ihrer DarsteUung A .^-li-^!-!'"
Apodiktizitat autgestellten Behauptung Poincar^s: „U n'y
mit großer

die Grundlagen dieser Disziplin


und eine ganze eigene Abhandlung les Cantonens 1 ont oubhß, et ils sont
a pas d'infini actnel:
tombes dans la contradiction" (Kevue XIV 316)
mathe-
erfordern deshalb hier auf eine Behandlung ihrer
Ich muß sehr treffend entgegengehalten: „l'homme
qni dit: 'je mens' . . . Est-ce que
und möchte cet homme a oubliÄ qu'il n'y a pas
matisch-mengentheoretischen Seite überhaupt verzichten
d'infini actnel?" (Revue XIV 638
\ , -j
2) s. S. 121 f.
die aphoristische Heraus-
mich auch bezüglich des Logischen auf 3) Ich möchte hier nur auf die geradezu
frappante, sich bis auf die Worte
mir interessant scheinender Punkte beschränken.'')
Von erstreckende Ähnlichkeit hinweisen, die zwischen
hebung einiger der drittenn Lösung Russells
die Übersicht einen
und zwei der jm Mittelalter aufgestellten besteht,
dem Umfang der diesbezüglichen Literatur möge Bchemt, keine Kenntnis hatte.
von denen Russell, wie es
lassen werde, und bei der ich be-
Begriff geben, die ich dann folgen Busseil Revue XIV, 643: „Donc l'^nonciation
de l'homme qni dit: 'je mens'
Vollständigkeit angestrebt, aber sicher est fausse, non parce qu'il änonce une
züglich des Paradoxons selbst proposition vraie, mai parce que, tout en
faisant une enonciation, il n'enonce pas
une proposition. Ainsi quand il
noch nicht erreicht habe. qu ment, il ment, mais on ne pent pas en conclure,
11
dit
qu'il dit par lä la v^rit^ "
barouaiola 43r: „Quod non sunt propositiones,
habent tamen formam prc-
PJourdain, PhüoB. Magazine 6, VU (1) 70, Anm.
1. positionum."
1)
Schemen
2) Ich behalte mir vor, das hier ünterlasBene, wenn es zweckmäßig Paulas Venetus 192 v. B.: „Verum est ipsum
dicere falsnm, et ex hoc non
sequitnr, qnod dicat verum, sed magis, quod
sollte, später nachzuholen. dicat falsnm."
Geschichte. Mathematik. 129
128

Richtung GHessenberg, LNelson und KGrelling besonders ver- Es sei mir gestattet, an die vorstehenden Andeutungen über die
bislang letzte Periode in der Geschichte des Lügners eine kurze Nutz-
dient gemacht.^)
Da das Paradoxon allen Lösungsversuchen solchen hartnäckigen
anwendung bezüglich der Beurteilung der vorangehenden zu knüpfen.
Widerstand entgegensetzte, änderte man die Taktik, und EZermelo Ich glaube, es wird auch heute noch kaum jemanden geben die —
wenigen schon durch die Kenntnis der Identität mit dem Kussellschen
vor allem gab die Losung aus, es zu umgehen, und unter Vermeidung
aller irgendwelchen Zusammenhangs mit ihm verdächtigen Argumen- Paradoxon Gewitzigten ausgenommen —
der nicht die oft genug aus-
Das ge- gesprochene Überzeugung teilte, daß der Lügner nichts als eine „ein-
tationen die Mengenlehre in revidierter Gestalt aufzubauen.
gekommen, daß die Literatur fältige Spielerei" ohne jedes ernste wissenschaftliche Interesse darstelle,
lang auch bis jetzt, und dadurch ist es

über das Paradoxon, die in den Jahren 1904 bis 1906 einen außer- die man allenfaUs als etwas frostigen Witz könne gelten lassen, und
ordentlichen Umfang angenommen hatte, seitdem ziemlich rasch wieder
um deren logische Auflösung man keinen Augenblick verlegen sein

abschwoll. Doch bemerken hierzu Grelling und Nelson sehr mit würde, wenn man es nicht für deplaciert hielte, sich überhaupt
Recht, daß „die paradoxen Gegenstände, sofern sie überhaupt existieren,
sachlich damit zu beschäftigen. Und da sich in unseren ernsthaften

dadurch nicht aus der Welt geschafft werden, daß man aufhört, sich
Zeiten natürlich niemand bemüßigt fühlte, die Partei des nichts-

zu Das wissenschaftliche Gewissen über- nutzigen Trugschlusses zu ergreifen, so hatten seine Verächter ohne
mit ihnen beschäftigen."
Schwertstreich einen unbestrittenen Sieg und glaubten sich demgemäß
haupt ist durch ein solches Verfahren von dem Druck dieses Wider-
berechtigt, mit mitleidigem Lächeln auf die in manchem eben doch
spruchs keineswegs befreit, auch wenn ihn der Mathematiker von
seinem mengentheoretischen Spezialistengewissen abgeschoben hat.
noch recht kindischen antiken Gelehrten herabzusehen, die im Ernst
ihren Scharfsinn darauf verschwendet und dabei noch nicht einmal
eine befriedigende Lösung gefunden hatten. Als nun aber plötzlich
dieselbe Paradoxie die Beweise der höheren und höchsten Mathematik
*
durchkreuzte, wo sie als aqpuKTOV wieder ihre alte Hartnäckigkeit
%
hervorkehrte und Scheltworte nicht als logisches Lösegeld annahm
— da stellte sich auf einmal heraus, daß auch unsere bedeutendsten
Mathematiker ihr tatsächlich nicht gewachsen waren.
allem wesent- Dieser Tatbestand verdiente allgemein bekannt zu werden. Viel-
1) Die beiden theoretischen Teile dieser Arbeit waren in
lichen, mit Ausnahme der Anmerkung 2 auf S. 140, bereits Frühjahr 1908 ab- leicht würde es dazu beitragen, unser Urteil etwas zu retardieren,
geschlossen, und hatten so der Fakultät vorgelegen; aus derselben Zeit stammen wo wir uns Forschem vergangener Zeiten, wenn
berechtigt meinen,
die Vorarbeiten, von denen ein kleiner Teil dem obigen mathematischen Ab-
schnitt des historischen Teils zu Grunde liegt, und ich hatte seitdem die mathe-
sie Grund gegeben haben sie für nicht ganz inferior
sonst einigen
matisch-logische Literatur nicht mehr systematisch weiterverfolgt. Infolge- zu halten, kindische Torheiten zuzutrauen. Am Ende gibt es auch
dessen waren mir die beiden letzten der unten aufgeführten Arbeiten Russells sonst noch einige Punkte, wo das nichts schaden könnte.
(ebenso wie die vorletzt aufgeführte Poincares) entgangen, und ich verdanke den
nachträglichen Hinweis auf sie der Liebenswürdigkeit des Herrn KGrelling, dem
ich seinem Wunsch entsprechend die Revisionsbogen meiner Arbeit zugänglich
machte.
Was die in jenen beiden Aufsätzen entwickelte neueste Modifikation der f
dritten betrifft, so kommt das, was Russell „Propositional-
Lösung Russells
funktion" nennt, in Anwendung auf das Paradoxon sachlich ziemlich auf das-
selbe hinaus wie unsere „mehrdeutige Definition". Im übrigen besteht der
Kern seiner behaupteten Lösung darin, daß er in der Bestimmung des Subjekts
als F(F( ) —
x) einen unzulässigen circulus vitiosus erblickt. Das ist entweder
eine bloße Berichtigung, oder bestenfalls, wenn man den dafür gegebenen
Beweis als gelungen betrachtet, doch höchstens eine Widerlegung, keinesfalls
aber eine Auflösung des Paradoxons, wie schon die bloße Existenz unserer
Form $ hinreichend beweist. -BüBtow: Der Lügner. 9

130 Geschichte. Verzeichnis der Literatur zum Russellschen Paradoxon. 131

Numbers. Quarterly Journal of [PJourdain] (1905). AProofthat


Mathematics XXXV
81—94. (1) every Aggregate can by well-
VERZEICHNIS DER LITERATUR ZUM RUSSELLSCHEN ^ —Acta XXXI (2—3) 89—93. ordered. Annalen LX (4) 465
PARADOXON [GHardy] (1905). The Continuum —470.

Folgende Zeitschriften und Sammelwerke [Philosophical] Magazine [6. series].


and the Second Number-Class. — (1906). On the Question of
Proceedings IV (1) 10—17. Existence of Transfinite Num-
wurden abgekürzt zitiert: Proceedmgs [of the London Mathemati-
Abhandlungen [der Friesschen Schale. cal Society. 2. series]. FHausdorf (1908). Grundzüge bers. Proceedings IV, 206—283.
Neue Folge]. Rendiconti [del Circolo mathematico di einer Theorie der geordneten JKönig (1904). Zum Kontinuum-
Acta [mathematica]. Palermo]. Mengen. Annalen LXV (4) 435 Problem. Verhandlungen 144
[Mathematische] Annalen. Revue [de Metaphysique et de Morale].
Jahresberichte [der Deutschen Mathe- Verhandlungen [des III. internationalen
—505. —147. — Annalen LX (2) 177
Mathematiker-Kongresses zu Heidel-
GHessenberg (1906). Grundbe- —180.
matiker-Vereinigung].
[American] Journal [of Mathematics]. berg 1904 (Leipzig 1907)]. griffe der Mengenlehre. Abhand- — (1905). Über die Grundlagen
lungen I (4) 480-706. der Mengenlehre und das Kon-
— (1908) s. Grelling. tinuum-Problem. Annalen LXI
RBaire (1905) s. Hadamard. ADixon(1906). On „ Well-ordered"
! Willkürliche Schöpfungen des (1)156—160. — Acta XXX (4)
FBernstein (1905). Über die Aggregates. Proceedings IV (1) Verstandes. Jahresberichte XVH 329—334.
Reihe der transfiniten Ordnungs- 18—20. (3—4)145—162. — (1906). Über die Grundlagen
zahlen. Annalen LX (2) 187 — (1907). On a Question in the DHilbert (1904). Über die Grund- der Mengenlehre und das Konti-
193. Theory of Aggregates. lagen der Logik und der Arith- nuum-Problem IL Annalen LXIH
—— Zum Kontinuum- Problem. Proceedings IV, 317 — 319. metik. Verhandlungen 174 — 185. (2) 217—221. —
Acta XXXI (1)
Annalen LX (3) 463—464. FEnriques (1906). Probleme der — Grundlagen der Geometrie^ 89—93.
EBorel(1898). La formation d'en- Wissenschaft L übersetzt von (1909) 263-279. AKorselt (1906). Paradoxieen
sembles ayant des puissances de KGrelling (1910) 25—26. EHobson (1905). On the General der Mengenlehre. Jahresberichte
plus en plus grandes. Le9ons GFrege (1903). Grundgesetze der Theorie of Transfinite Numbers XV (3—4) 215—219.
sur la theorie des fonctions. Arithmetik. II. Nachwort. 253 and Order Types. Proceedings — — Über Logik und Mengen-
Note, 107—109. —265. III, 170—188. lehre. Jahresberichte XV (5)
— (1905). Sur l'existence des fonc- HGoesch (1908) s. Grelling. — (1906). On the Arithmetik 266-269.
tions de classe quelconque. KGrelling, LNelson, HGoesch, Continuum. Proceedings IV (1) HLebesgue (1905) s. Hadamard.
Le9ons sur les fonctions de varia- GHessenberg (1908). Bemer- 21—28. JMollerup (1907). Die Definition
bles reelles 156 — 158. kungen zu den Paradoxieen von P Jourdain (1904). On the Trans- des Mengenbegriffs. Annalen
—— Quelques remarques sur les Russell und Burali-Forti. Ab- finite Cardinal Numbers of WeU- LXIV (2) 231—238.
principes de la Theorie des en- handlungen II (3) 301—334. ordered Aggregates. Magazine LNelson (1908) s. GreUing.
sembles. Annalen LX (2) 194 JHadamard, EBorel, RBaire, VH (1) 61-75. GPeano (1902). Super Theorema
f I f
—195. MLebesgue(1905). Cinqlettres On the Transfinite Cardinal de Cantor-Bemstein. Rivista di
—— s. Hadamard. sur la theorie des ensembles. Numbers and Number-Classes in Mathematica VHI (5) 136—145.
CBurali-Forti (1897). üna Bulletin de la Societe IVTathema- General. Magazine VII (3) 294 — Rendiconti XXI (3) 360—366.
questione sui numeri transfiniti. tique de France XXXffl, 261 —303. HPoincare (1905—06). Les Ma-
Rendiconti XI (2) 154—164. —273. — (1905). On the Cardinal Num- thematiques et la logique. Re-
LCouturat(1906). Pour la logisti- GHardy (1903). A Theorem con- bers of the Exponential Form. vue Xm (6) 815—835, XIV (1)
que. Revue XIV (2) 208—250. ceming the Infinite Cardinal Magazine IX (1) 42—56. 17—34, (3) 294—317, (6) 866
9*
132 Geschichte.

—868. — Science et Methode [ASchoenfließ] (1906). Über


h
(1908) 152-214 die logischen Paradoxieen der
[HPoincare](1908). L'Avenirdes Mengenlehre. Jahresberichte XV ^V
Mathematiques. RendicontiXX VI, (1) 19—25. — Bericht über die

152—168. —
Science etMethode Entwicklung der Lehre von
19—42. den Punktmannigfaltigkeiten II
— La logique de
(1909). Tinfini. (1908) § 7, 26-31.
Revue XVH 461—482.
(4) AVoß (1908). Über das Wesen
— — Über Zahlen.
transfinite der Mathematik. (62—63 Anm.)
6 Vorträge über ausgewählte HWeber (1909). Encyklopädie
Gegenstände aus der reinen Ma- der elementaren Algebra und
thematik und mathematischen Analysis» § 1 (1—3).
Physik (1910) 43—48. HWeyl (1910). Über die Defi-

JRichard (1905). Lettre ä Mon- nitionen der mathematischen


sieur le redacteur. Revue Gene- Grundbegriffe. Mathematisch-
rale des Sciences XVI, 30. Juni. Naturwissenschaftliche Blätter
— Acta XXX, 295—296. VU, N. 7—8.
BRussell (1903). The Principles AWhitehead (1902). On Cardi-


of Mathematics I. nal Numbers.
367—394.
Journal XXIV, AUFLÖSUNG
(1906). On some Difficulties

in the Theory of Transfinite — (1903). The Logic of Relations,


Numbers and Order-Types. Pro- Logical Substitution Groups, and
ceedings IV (1) 29—53. Cardinal Numbers. Journal XXV
Les Paradoxes de la logique. (2) 137-138.
Revue XIV (5) 627—650. EZermelo (1904). Beweis, daß
— (1908). Mathematical Logic as jede Menge wohlgeordnet werden
based on the Theorie of Types. kann. Annalen LIX (4) 5 14 —516.
Journal XXX (3) 222—262. — (1907). Neuer Beweis für die
— (1910). La theorie des Types Möglichkeit einer Wohlordnung.
logiques. Revue XVIII (3) Annalen LXV (1) 107—128.
263—301. — (1908). Untersuchungen über
ASchoenfließ(1905). Über wohl- die Grundlagen der Mengenlehre I.
geordnete Mengen. Annalen LX Annalen LXV (2) 261—281.
« I c
(2) 181—186.

/
h

.^'

Ein Paradoxon ist eine Argumentation, die von anscheinend


richtigen Prämissen ausgehend durch anscheinend richtige Schlüsse
zu einem offenbar widersprechenden Resultat gelangt.

Bei der Untersuchung eines solchen ist nun zunächst dreierlei

zu unterscheiden: seine Berichtigung^), seine Widerlegung und seine


eigentliche Auflösung.

Berichtigung ist eine Anweisung, wie man durch Abänderung


der zugrunde liegenden Begriffe und Prämissen oder durch Einführung
neuer die ganze paradoxe Argumentation als jedenfalls verdächtig
vermeidend und umgehend zu einwandfreien Resultaten gelangen
könne.

Widerlegt ist ein Paradoxon, sobald an irgendeiner Stelle irgend-


ein Fehler nachgewiesen ist, unter dessen Vermeidung es nicht mehr

möglich ist, von denselben Prämissen zu demselben paradoxen Resultat


zu gelangen.

Als eigentliche Auflösung aber ist erst der Nachweis zu be-


trachten, wie aus einem derartigen Fehler die Paradox ie des Resultats
notwendig und gesetzmäßig entspringt und sich herleitet, denn erst

dann haben wir wirklich das Wesen des Paradoxons als solchen
erkannt.

Eine solche Auflösung ist stets auch eine Widerlegung, eine


Widerlegung braucht aber noch keine eigentliche Auflösung zu sein,
weil ein und dieselbe Argumentation mehrere Fehler enthalten kann^),
die für das Zusammenkommen des Schlußsatzes alle notwendig sind,
ohne deshalb die Ursache des in ihm enthaltenen Widerspruches

1) Grelling-Nelson a. a. 0.
2) Ganz übereinstimmend Aristoteles Top. IX, 179^17: „oub^v bi KUjXuei
TÖv auTÖv \ÖYOv TtXeiouc |uox6r|piac äx^iv. dW
oöx y] irdcric 6|uapTiac ^luqpdvicic
Xucic ^CTiv ^YX^P^i Top ÖTi |Li^v vjjeöboc cuWeXÖYicxai beiSai Tiva, irap' ö bt \xi\

i
136 Auflösung. Auflösung. 137

ZU sein. Daraus ergibt sich folgendes Doppelkriterium, um zu ent- geschlossen ist, und diese Form ist falsch. Verdeckt wird der Fehler
scheiden, ob es sich in einem gegebenem Falle um eine Auflösung durch den eben erwähnten Umstand, wenn man sich über den Unter-
oder bloß um eine Widerlegung handelt. Im letzteren Falle muß AV schied eines negierten Prädikats non h und eines bejahten Prädikats
es 1. möglich sein, unter Vermeidung des aufgewiesenen Fehlers zwar mit negativem Inhalt (nonl) nicht im klaren ist, denn aus A^—{nonh)
nicht von den gleichen Prämissen zu dem gleichen Resultat zu ge- folgt in der Tat gemäß 1 : ^^ — {non h).

langen, aber von anderen Prämissen vermittelst derselben Schlüsse zu


Somit führt unter Vermeidung dieses Fehlers $^ zu dem nicht
einem Resultat, das an derselben Paradoxie leidet wie das erste, und paradoxen Resultat:
2. eine Argumentation zu bilden, die den aufgewiesenen Fehler hat, ohne

doch zu einem gleichen paradoxen Resultat zu führen. Handelt es sich [z^ — non a] — non a *•
,

jedoch um eine Auflösung, so ist natürlich beides ausgeschlossen.


an welcher Stelle die Syllogismenkette nunmehr abbricht. Das heißt:
der jedesmal zugrundeliegende Satz {z^ non a) führt logisch zu —
einem einfachen Widerspruch, und ist also falsch.

Die zweite Besonderheit von ^„ lag in der jeweils empirischer


Verifikation bedürftigen Prämisse IL Dagegen ist nichts einzuwenden,
da ^^ eben nur hypothetisch unter der Voraussetzung gilt, daß die Be-
Wir werden, stufenweise von oben nach unten, zunächst diejenigen hauptung [z — nonaY — z für das jeweilige \z — non(x\ und z richtig sei.
Elemente einer Prüfung unterwerfen, durch die sich 5ß^ von ^^ und
Hiermit ist für 5ß^ als eine Variation von ^ eine Widerlegung,
durch die sich 5ß^ von ^ unterscheidet.
für 5ß^, sofern es sich von $ß unterscheidet, zugleich auch die Auf-
^ hat zunächst in der Form seiner Führung von
(dTU)Tr|) eine lösung gegeben, die einfach in dem Nachweis eines Schließfehlers
uns' noch nicht untersuchte Besonderheit, den konklusiven Übergang besteht. Diese Widerlegung ist nicht neu, wenn sie auch, meines
von allgemeinem zu einzelnem Subjekt.^) Für diesen Übergang bei Wissens, bisher noch nicht bewiesen war.
einfach kategorischen Urteilen gelten folgende zwei Führungssätze:

A^ — non h
1. 2.

A^ — nonb ^y war aus 5ß entstanden durch die Inhaltsbestimmung des vor-


her unabhängigen und beliebigen Subjekts als Funktion des Urteils,
wogegen bei 2 der Schluß auf Ä^ falsch wäre. Dies ist die Stelle, dessen Subjekt es ist. Diese Bestimmung schließt schon an und für
an der der Unterschied zwischen negativer Qualität des Urteils und sich eine logische Schwierigkeit ein, indem sie sich niemals durch
negativem Inhalts des Prädikats in die Erscheinung tritt, der für eine endliche Reihe von Substitutionen zu Ende führen läßt, und die
einzelnes Subjekt in Identität abergeht, und bei besonderem Subjekt man deshalb das Entweichen der logischen Bestimmbarkeit ins Un-
infolge der Unbestimmtheit der nur minimalen Gegenstands(Umfangs)- endliche nennen kann. ^) Andererseits ist das Gesetz der Bestimmung
begrenzung nicht nachweisbar ist. Gehen wir nun daraufhin die
SyUogismenreihe von ^^ durch, so finden wir, daß von I 2 und II 1) Diese Schwierigkeit war bereits im Altertum unter dem Namen bfaXXriXoc
XÖToc in der Form
auf in 2 nach der Form
A^ — non A- f{b\ B- f{a) : A - f(f{i)\ B - f{fii))

A}* — non b bekannt; Schol. ad Hermog. (Walz VII, 1, 383): „ttOjc i^ TOiaOrn rriTTicic 5«€Tai
iT^pac, ^v fj bi'dXXriXuJv tq Tf\c dirobeiHewc Tivexai; tö yäp toioötov 6ia|Li€V€l d|u<pic-
ßTlTOlJ|Ll€VOV, ÖTTOU T€ KQI TOTC CtIUIKOIC KOXeiTai TIC 'bldXXnXOC XÖTOC', 6c ^CTIV
TTttpCl

1) Der umgekehrte Übergang findet material - hypothetisch , nicht formal- dvairöbeiKTOc, oTov 'iroO G^ujv oikci; IvGa Aiwv. kqI iroO Aiwv; Iv0a ©dujv'" (nocli
Bjllogistiscb statt. einmal 2, 928). Auf den Lügner angewandt und unter dem Namen Restrictio
138 Auflösung. Auflösung.
139

in jedem Fall eindeutig und endlich gegeben. Ob man, wie in der Haben die Prädikate keine allen gemeinsame Teilsphäre, so ist die
Mathematik, so bestimmte Gegenstände (natürlich können es nur ge- Definition widersprechend, und es kann keinen Gegenstand geben, der
dankliche Gegenstände sein) als möglicherweise existent und der- unter sie fiele — weil sie dann ja überhaupt keine Sphäre bestimmt.
.
'

gleichen Bestimmungen als sinnvoll und zulässig erklären will, scheint Ist sämtlichen Prädikaten eine Sphäre gemeinsam
eben diejenige, —
Sache des Beliebens und eine Frage der Definition von existent und welche dann durch die Definition als Sphäre ihres Subjekts bestimmt
sinnvoll bzw. der Erweiterung dieser Definitionen. Möglich erscheint ist — ,
so besteht kein Hindernis, warum es nicht Gegenstände geben
dies zunächst jedenfalls.^) sollte, die unter sie fallen. Es fragt sich, ob sie damit auch not-
wendig schon widerspruchsfrei sein muß, oder mit anderen Worten,
Daß aber, auch wenn wir infolge dieser Schwierigkeit eine solche
ob sich die beiden Disjunktionen zwischen widerspruchsfreien und
infinite Bestimmung für unzulässig und ihre Gegenstände für unmög-
doch eine widersprechenden Definitionen und zwischen solchen, unter die Geo-en-
lich zu erklären hinreichenden Grund hätten, dies erst
stände fallen können oder nicht, vollständig decken.
bloße Widerlegung der Paradoxieen F bis P, wäre, zeigt 5ß.

Angenommen, gäbe eine Definition, die beide Eigenschaften


es
verbände, unter die ein Gegenstand fiele, die aber 2. zugleich doch
1.

nicht widerspruchsfrei wäre. Daraus würde folgen: 1. Wenn ein Getren-


Wir gehen nunmehr endlich zu ^ über, und zwar natürlich gleich
stand unter eine Definition fällt, so bedeutet das, daß ej- unter die
zur Untersuchung der doppelteiligen definitorischen Bestimmung (11), Begrifi'e ihrer sämtlichen Prädikate zugleich Das kann er aber
fällt.
der einzigen Voraussetzung von ^, die hypothetisch eingesetzt und nur, wenn die sämtlichen Prädikate eine Sphäre gemeinsam haben.
nicht logischer Grundsatz war, also einer Rechtfertigung durch den Soll aber 2. die Definition nicht widerspruchsfrei sein, so darf min-
Nachweis ihrer Widerspruchsfreiheit bedarf. destens eins ihrer Prädikate mit keinem der anderen eine Sphäre
Die Loo-ik betrachtete bisher als hinreichendes Kriterium der gemeinsam haben. — Der Term des betreffenden Prädikats müßte
Widerspruchsfreiheit einer Definition die Existenz mindestens eines also verschiedene Sphären unter sich haben, von denen mindestens
unter sie fallenden Gegenstandes. Und in der Tat ist es die Erfüllung eine mit allen anderen Prädikaten derselben Definition eine Teil-

dieses Kriteriums, woraufhin in den sämtlichen Paradoxieen P bis P^ sphäre gemeinsam hat, und mindestens bei einer anderen dies nicht

die jeweilige Definition (II) als widerspruchsfrei vorausgesetzt wor- zutrifft. Das heißt, ein Prädikat müßte variabel und in der angegebenen
den war. Weise verschiedener distincter Werte fähisr sein.

Wir finden uns somit vor die Frage gestellt, ob die Aufweisung Ob man dies zulassen und ein solches Gebilde Definition nennen
eines Gegenstandes, der unter sie fällt, wie meines Wissens bisher will, Sache des definitorischen Beliebens und mithin der wissen-
ist

stets angenommen, als Kriterium für die Widerspruchsfreiheit einer schaftlichen Zweckmäßigkeit. Auf die Diskussion entsprechender Zweck-

Definition hinreicht. niäßigkeitsargumente will ich mich aber hier nicht einlassen, und nur
darauf hinweisen, daß man in der Mathematik, auch außerhalb der
Eine Definition, auf die normale katogorisch-konjunktive Form
Mengenlehre, nie Bedenken getragen hat, solche Definitionen zuzulassen.
gebracht, bestimmt den Begriff ihres Subjekts als denjenigen der
Indem ich es anderen freistelle, ihnen einen anderen Namen zu geben,
Teilsphäre, die den Sphären aller ihrer Prädikate gemeinsam ist.
nenne ich hiermit Gebilde der charakterisierten Art, die mindestens
ein variables Prädikat besitzen, mehrdeutige Definitionen, solche
als Lösung behandelt Nachweis im Mittelalter (s. S. 114). Die obige
wurde ihr dagegen, die, wie gewöhnlich, nur konstante Prädikate haben, ein-
allgemeine Frage hat, im Anschluß an den Lügner, BBolzano berührt
gleichfalls
deutige Definitionen.
(Wissenschaftslehre I, 1837, S. 79) und in bejahendem Sinn entschieden, wobei
er, wohl mit Recht, das Sprachgefühl des gesunden Menschenverstandes auf Betrachten wir unter dem Gesichtspunkt dieser Disjunktion die
feiner Seite glaubt. Grelling und Nelson (a. a. 0.) nennen so bestimmte Be-
definitorische Festsetzung (II) unserer Paradoxieen, so sehen wir ohne
griffe nicht unpassend „Reflexivbegriffe", ohne näher auf die Sache einzugehen.
1) s. 0. S. 85. weiteres, daß diese eine mehrdeutige Definition darstellt, da in ihr.

i «
AuflÖBung. Auflösung.
138 139

in jedem Fall eindeutig und endlich gegeben. Ob man, wie in der N Haben die
Prädikate keine aUen gemeinsame Teilsphäre, so
ist die
Mathematik, so bestimmte Gegenstände (natürlich können es nur ge- Definition widersprechend, und es kann keinen
Gegenstand geben, der
dankliche Gegenstände sein) als möglicherweise existent und der- unter sie fiele —
weil sie dann ja überhaupt keine Sphäre bestimmt.

gleichen Bestimmungen als sinnvoU und zulässig erklären will, scheint Ist sämtlichen Prädikaten eine Sphäre gemeinsam
eben diejenige, —
Sache des Beliebens und eine Frage der Definition von existent und welche dann durch die Definition als Sphäre ihres Subjekts bestimmt
sinnvoll bzw. der Erweiterung dieser Definitionen. Möglich
erscheint ist — ,
so besteht kein Hindernis, warum es nicht Gegenstände geben
dies zunächst jedenfalls.^) soUte, die unter sie faUen. Es fragt sich, ob sie damit auch not-
wendig schon widerspruchsfrei sein muß, oder mit anderen Worten,
Daß aber, auch wenn wir infolge dieser Schwierigkeit eine solche
für unmög-
ob sich die beiden Disjunktionen zwischen widerspruchsfreien
infinite Bestimmung für unzulässig und ihre Gegenstände und
doch erst eine
widersprechenden Definitionen und zwischen solchen, unter die Geo-en-
lich zu erklären hinreichenden Grund hätten, dies
stände fallen können oder nicht, vollständig decken.
bloße Widerlegung der Paradoxieen P bis P^ wäre, zeigt ^.
Angenommen, gäbe eine Definition, die beide Eigenschaften
es
verbände, unter die ein Gegenstand fiele, die aber 2. zugleich doch
1.

nicht widerspruchsfrei wäre. Daraus würde folgen: 1. Wenn ein Geo-en-


Wir gehen nunmehr endlich zu ^
und zwar natürlich gleich
über, stand unter eine Definition fällt, so bedeutet das, daß er unter
die
zur Untersuchung der doppelteiligen definitorischen Bestimmung (11), BegrijBPe ihrer sämtlichen Prädikate zugleich fällt. Das
kann er aber
der einzigen Voraussetzung von 5ß, die hypothetisch eingesetzt
und nur, wenn die sämtlichen Prädikate eine Sphäre gemeinsam
haben.
nicht logischer Grundsatz war, also einer Rechtfertigung durch den Soll aber 2. die Definition nicht widerspruchsfrei sein, so darf min-
Nachweis ihrer Widerspruchsfreiheit bedarf. destens eins ihrer Prädikate mit keinem der anderen eine Sphäre
Die Logik betrachtete bisher als hinreichendes Kriterium der gemeinsam haben. — Der Term des betreffenden Prädikats müßte
Widerspruchsfreiheit einer Definition die Existenz mindestens eines also verschiedene Sphären unter sich haben, von denen mindestens
unter sie fallenden Gegenstandes. Und in der Tat ist es die Erfüllung eine mit allen anderen Prädikaten derselben Definition eine Teil-

dieses Kriteriums, woraufhin in den sämtlichen Paradoxieen P bis P^ sphäre gemeinsam hat, und mindestens bei einer anderen dies nicht

widerspruchsfrei vorausgesetzt wor- zutrifft. Das heißt, ein Prädikat müßte variabel und in der
die jeweilige Definition (II) als angegebenen
den war.
Weise verschiedener distincter Werte fähig sein.

Wir finden uns somit vor die Frage gestellt, ob die Aufweisung Ob man dies zulassen und ein solches Gebilde Definition nennen

eines Gegenstandes, der unter sie fällt, wie meines Wissens bisher will, Sache des definitorischen Beliebens und mithin der wissen-
ist

angenommen, als Kriterium für die Widerspruchsfreiheit einer schaftlichen Zweckmäßigkeit. Auf die Diskussion entsprechender Zweck-
stets

Definition hinreicht.
mäßigkeitsargumente will ich mich aber hier nicht einlassen, und nur
darauf hinweisen, daß man in der Mathematik, auch außerhalb der
Eine Definition, auf die normale katogorisch-konjunktive Form
Mengenlehre, nie Bedenken getragen hat, solche Definitionen zuzulassen.
gebracht, bestimmt den Begriff ihres Subjekts als denjenigen der
Indem ich es anderen freistelle, ihnen einen anderen Namen zu geben,
Teilsphäre, die den Sphären aller ihrer Prädikate gemeinsam ist.
nenne ich hiermit Gebilde der charakterisierten Art, die mindestens
ein variables Prädikat besitzen, mehrdeutige Definitionen, solche
als Lösung behandelt Nachweis im Mittelalter (s. S. 114). Die obige
wurde ihr dagegen, die, wie gewöhnlich, nur konstante Prädikate haben, ein-
allgemeine Frage hat, im Anschluß an den Lügner, BBolzano berührt
gleichfalls
deutige Definitionen.
(Wissenschaftslehre I, 1837, S. 79) und in bejahendem Sinn entschieden, wobei
er, wohl mit Recht, das Sprachgefühl des gesunden Menschenverstandes auf Betrachten wir unter dem Gesichtspunkt dieser Disjunktion die
Feiner Seite glaubt. Grelliug und Nelson (a. a. 0.) nennen so bestimmte Be-
definitorische Festsetzung (II) unserer Paradoxieen, so sehen wir ohne
griffe nicht unpassend „Reflexivbegriife", ohne näher auf die Sache einzugehen.
1) s. 0. S. 85. weiteres, daß diese eine mehrdeutige Definition darstellt, da in ihr.
Auflösung. Auflösung.
140 141

worauf auch bei der Konstruktion ausdrücklich aufinerksam gemacht t


sich ohne weiteres — ) ist die Aufweisung eines Gegenstandes, der
unter sie fällt, ein hinreichendes Kriterium nur dafür,
, wurde ^), x a gegenüber als variabel angenommen wurde.*) daß ihre
Variable mindestens eine Bestimmung
Es ergeben sich uns nun unmittelbar folgende Sätze:
zulassen muß, für die sie
widerspruchsfrei ist (und für welche dann die betreffende Definition
1. Nur für eindeutige Definitionen ist die Aufweisung eines
eine eindeutige widerspruchsfreie Definition darstellt).
Gegenstandes, der unter sie fällt, ein hinreichendes Kriterium der
3. Für mehrdeutige Definitionen (mit einer Variablen)
Widerspruchsfreiheit.
bildet die Aufweisung von unter sie fallenden Gegenständen
2. Für mehrdeutige Definitionen (mit einer Variablen — die
nur dann ein hinreichendes Kriterium ihrer Widerspruchs-
Verallgemeinerung auf Definitionen mit mehreren Variablen ergibt
freiheit, wenn für jeden Wert, dessen die Variable
fähig ist,
ein unter sie fallender Gegenstand aufgewiesen ist.
1) 8. 0. S. 9.
Durch die oben gegebene Lösung bestätigt sich, wie ich nachträglich
2) 4. Für die Widerspruchsfreiheit mehrdeutiger Defi-
bemerke, eine von Heinrich Goesch ausgesprochene Vermutung. Er schreibt nitionen (mit einer Variablen) ist es ein notwendiges und
J2k. a. 0. S. 325 —
326): „Wie ist es nun aber zu erklären, daß es Begriffe gibt,
hinreichendes Kriterium der Widerspruchsfreiheit, wenn
I
die die Eigentümlichkeit haben, daß man infolge ihrer Zusammensetzung von
gewissen Gegenständen niemals entscheiden kann, ob sie unter die betreffenden die Variable keiner Bestimmung fähig ist, die einer ihrer
Begriffe fallen oder nicht? Folgendermaßen: Ein solcher Begriff enthält eine Konstanten widerspricht.
hypothetische Beziehung, welche darin besteht, daß die Kriterien dafür, ob ein
Gegenstand unter den Begriff fällt oder nicht, von der besonderen Natur dieses
Wenden wir diese Sätze auf unseren Fall an.
Gegenstandes abhängen. Bei einer solchen Veränderlichkeit des Kriteriums
. . .
Unsere definitorische Bestimmung (11), auf welcher 5ß beruht, ist
kann es vorkommen, daß infolge des beschriebenen Abhängigkeitsverhältnisses mehrdeutig; erfüUt ist für sie (in P bis P,) nur das Kriterium
das Kriterium dafür, ob ein bestimmter Gegenstand unter einen Begriff fällt,
'
des
Satzes 1, welches aber nach 2 und 3 für ihre Widerspruchsfreiheit
das Fallen des Gegenstandes unter ebendiesen Begriff ist. In diesem Falle würde
die Eigentümlichkeit gewisser Begriffe, mit der wir hier zu tun haben, erklärt sein. nicht hinreichend ist.
In der Tat liegt der Fall so Es läßt sich nun vermuten, daß durch eine
. . .
Da nach unseren Festsetzungen x beliebiger Werte fähig
derartige Veränderlichkeit der Kriterien nicht nur die Entscheidung gewisser
ist, so
ist das Kriterium unseres Satzes 3 für (II) nicht erfüllbar.
Disjunktionen unmöglich wird, sondern daß in ihrem Gefolge Sinnlosigkeiten auf-
treten, durch deren Feststellung die Paradoxieen sich lösen lassen würden. Es bleibt ^Iso das notwendige und hinreichende Kriterium unseres
. versagt ein bestimmter Begriff bei der Entscheidung gewisser Disjunktionen,
. .
Satzes 4.
so scheint dieses Versagen nur dadurch erklärlich zu sein, daß das Zeichen,
welches den Begriff bezeichnet, infolge der besonderen Zusammensetzung des
Diesem genügt die definitorische Bestimmung (11) nicht, da a;

Begriffes, bei den Operationen, die in dem Versuch der Unterordnung gewisser .
des Wertes nm a fähig ist, welcher dem konstanten Prädikat ihres
Gegenstände unter ihn bestehen, seinen Sinn verliert. Würde man also . . .
Nachsatzes, a, widerspricht.
durch Betrachtungen dieser Art feststellen können, daß sich mit einer Wort-
Die definitorische Bestimmung (IT) ist also nach da das Kri-
bildung, die scheinbar einen Begriff der besprochenen Eigentümlichkeit be- 4,
zeichnet, in der Tat kein Begriff verbinden läßt, so hätte man eine klare Lösung terium notwendig ist, nicht widerspruchsfrei.
der Paradoxieen." Es war durchaus richtig, den Grund der Paradoxie in dem zu Die zur Auflösung der Paradoxa von der Form
$ß und 5ß^ nöti-
suchen, was hier „Veränderlichkeit des Kriteriums" genannt wird, und oben als
gen Modifikationen der herkömmlichen Logik sind also die
Mehrdeutigkeit der Begriffsbestimmung näher aufgewiesen ist, während die zu- Unter-
grundliegende Beschreibung des paradoxen Tatbestandes nicht zutrifft (s. o. scheidung zwischen eindeutigen und mehrdeutigen Definitionen,
und
S. 12). Ich gewinne fast den Eindruck, als ob Goesch nur durch diese falsche die in unseren Sätzen 3 und 4 ausgesprochenen Kriterien der Wider-
Beschreibung noch von der Auffindung der richtigen Lösung zurückgehalten I» 1 1 spruchsfreiheit der letzteren.
worden sei. Ich meinerseits denke, die von ihm geforderte „klare Lösung der
Paradoxie" durch den Nachweis, „daß sich mit einer Wortbildung, die schein- Denn da die Bestimmung x = non a, welche dem Satze 4 wider-
bar einen Begriff bezeichnet, in der Tat kein Begriff verbinden läßt" im sprach, in der Tat dieselbe
. . .
ist, die zu dem paradoxen Resultat (V)
obigen gegeben zu haben, wenn auch auf anderem Wege und durch Betrach-
führte, so ist hiermit 5ß nicht nur widerlegt, sondern auch aufgelöst.
tungen anderer Art.
Das Obige beantwortet auch die beiden Fragen, deren Prüfung GHessen-
berg (Jahresberichte XVII, 146) mit Recht angesichts jeder Paradoxie fordert:
„Aus welchen Prämissen folgt erstens die Existenz des paradoxen Begriffs, und
aus welchen anderen zweitens sein Widerspruch?"

I 4
Stellenverzeichnis zu den antiken Autoren. 143
(CICERO) (DIOGENES LAERTIUS)
(Ac. pr, II,) 129 27, 29, 59 (VII,) 160 : 59
147 90 161 : 59
de div. II, 11 90 f 179 : 59
de fato 21 64 180 : 95
de fin. I, 22 56 182 : 59
57
STELLEN VERZEICHNIS ZU DEN ANTIKEN AUTOREN IV, 9 189 : 87
de or. m, 62 59 196—198 :
63 ff*
Die Stellen, an denen der ipei)bö|Lievoc vorkommt, sind durch den Druck hervor- Hort. fr. 55 91* 194 : 26, 79
gehoben.
COMICUS INCERTUS 197 : 77
Mit einem Sternchen * versehen sind die Seiten, auf welchen die betr. Stellen auch 198
Meinecke IV, 618 : 76
textkritiach behandelt bzw. Konjekturalvorschläge zu ihnen gemacht werden. 51
(Kock III, 461) : 43 IX, : 21
52 : 29
DEMOCRITUS (Diels)
ALEXANDER APHRODISIENSIS (ARISTOTELES) V
X, S : 56
(Top IX,) 180*23 52
A 114 : 22 24 56
in Top. (Wallies) :

p. 1,8 : 61 180* 38 51, 78 f. DIALEXEIS 27 : 55

AMMONIUS 180»' 1 50, 52, 64, 66, 80 I, 1 21 31 : 56


in de intei-pret. (Busse)
181*^25 76 IV, 6 26
DIOGENES OENOANDENSIS (V^illiam)
182^ 30 52 vni 58
p. 38, 18 : 37
183* 6 52
fr. m : 23
ANTISTHENES (Winckelmann) DIGESTA EPICTETUS
183>' 7 25 XXXIII,
fr. XII, 1 : 33 10, 3, 4 : Pö diatr. I, 4, 11 : 77
183^ 34 49
XIY, 1 : 34 XXXV, 2, 88 : 26, 41, 81, 101 7, : 96
ATHENAEüS DIOGENES LAERTIUS 5 : 78*
ARISTOTELES
IX, 401 47, 101 ff." 28 : 96

An. pr. 47^ 38 : 77 II, 106 : 29, 33
17, 12 33
Eth. Nicom. 1146*22 : 53* AUGUSTINUS 107 : 26, 27 :

contra Ac. 94
»
108 65 20, 14 : 80
Met. 1024*>31 : 34 II, 11 91, : 36, 42, 43,
104 109 43 U, 17, 34-39 : 64, 96
1025* 6 : 30 III, 29 41, f.
:

111 40 : 63
Top. V, 130» 34 76 47
:
CALLIMACHUS (Schneider)
:

18, 18 : 97
158*28 76 113 : 43, 46
:
epigr. fr. 70 : 47
IV, 62 87 21, 15 : 97
162*32 : 52 :

CHRYSIPPÜS V, 49 54 11 : 65, 97, 99


Vm, 163*29 : 22 :

AoTiKCt ZTiTr]|uaTa (pap. Herc. 307) VI, 24, 17 : 64


IX, 165*22 20 17 : 33
:

col. IX— XI :
72 ff* Vn, 4 57 III, 2, 1—2 : 97
165^ 16 : 76 :

X,22 : 54 44 62*, 78, 103


6—7 : 60, 97
165^23 : 51 :

pap. Herc. 1020. (Ar. 11)


45 9 : 96
166* 5 : 80 : 64, 78
p. 40, 21 : 79 46 61 9, 21 : 63, 96
166^22 51 :
:

41, 6 : 79 48 63 EPICURUS
166^37 : 51
:

TTepl 'ATaeCuv l :
80*
55 : 83 Hepi 01JC61JUC XXVin : 557.
167* 7 : 50
TTepl TTaibeiac : 60 bl 83, 84
167*27 : 80 :
EUSEBIUS
167*34 : 80 CLEMENS ALEXANDRINUS 62 : 83 pr. ev. XIV, 17, 1 : -27

168^11 Strom. V, 11, 1 43 65 : 68


: 51 19, 8 : 22
169»» 10 : 51, 66, 77, 78 vm, 5 26, 62, 63, 103 66 : 77, 84 XV, 2, b : 43
TS 82
170^12 :
80 f. CICERO :

FORTUNATIANUS (Halm, Rhet.lat. min.)


76 : 78
173*32 : 76 Ac. pr. II, 75 68, 86, 93
79 : 64 p. 83, 14 : 26
175*13 : 59 87 86
177*^12 : 36 95—98 40, 56, 67 f, 79, 81,
82 : 62*, 64 FRONTO (Naber)
83 : 61 p. 146 91, 98
179*' 17 : 135 88 f.* :

I
Stellenverzeichnis zu den antiken Autoren.
144 Stellen Verzeichnis zu den antiken Autoren. 145
PLUTARCHÜS (SENEOA)
GALENÜS (Kühn) MICHAEL EPHESIUS de comm. not. 1059 C—E 41, 67, 92 f,* (ep. mor.)
64 in Soph. El. comm. (Wallies) 106, 12 : 97
de an. pecc. dign. V, 72, 15 :
1070 D 93
487, 11 23 p. 171, 6 41, 50, 106 f. 119, 3 : 96
de elem. I, : :
de rect. aud. rat. 43 C 93 f.
de loc. affect. VIÜ, 25, 16 77 NONIUS MARCELLUS (Mercerus) de
SEXTÜS EMPIRICUS
:
St. rep. 1034 F 57
91* adv. math.. I, 309 47
p. 329, 19 :
1048 A 80* :

GELLIÜS de vn, 389 22


26
PARMENIDES (Diels) tu. san. 133 C 99
:

V, 10, 1 :
vm, 11—12 : 80, 82 f.
fr. 4 34
11, 1 : 26 PSEUDACRO 80 : 84
6 34
Vü, 13 : 99 Schol. in Hör. (Keller) IX, 108 47
PAULUS SIMPLICIÜS
:

IX, 16, 7 : 26 n, p. 281, 26 40,102,108


ad Tit. I, 12 13 f., 104
XI, 12, 2 : 37 in Categ. (Kalbfleisch)

XVni, 2, 10 : 40,100
PHILODEMUS QUINTILIiNüS 27, 15 : 37
vol. rhet. (Sudhaus) inst. or. I, 1, 4 60 105, 8 : 64
GREGOBIUS MAGNUS n, p. 45 56 16 60 SOPHONLÄ.S
Moraüa XXH, 16 : 104 PHILOPONUS 3, 14 60 Paraphr. in Soph. El. (Hayduck)
in An. pr. (Wallies) 10, 5 60 p. 58, 31 : 40, 107
HESIODÜS 77 32 60
p. 327, 1 STOBAEUS (Wachsmuth-Hense)
Opp. 11 : 19
PLACIDUS (Goetz Corp. Gloss. emend.) 11, 17 60 EcL n, 2, 12 : 57
HIERONYMUS 8. V. Psendomeni : 40, 102 108 SCHOLIA Ambros. Flor. XXVin, 18 79, 81
in Ar. (Waitz)
Apol. adv.M. Rufin. I, 30 : 99,104 PLATO ad 17^ 16 54 :
SÜIDAS
Comm. in Arnos I, 1, 5 ; 103 Cratylus 383 A 33 — ad Hermogenem (Walz VII) s. V. jbojLißocToinuXriepa 43
ep. (ad Ocean.) LXIX : 40, 103 Euthyd. 266 A 37 P- 383, 3 : 137 47, 101
273D 36 p. 928, a. 69 137 XENOPHANES
ISOKRATES A —
:
(Diels)
276 36 in Lucianum (Rabe)
ep. Vm, 3 : 19 fr. 2 : 19
275 C 36 p. 129, 17 100
Helena 1 : 34,37
:
11 : 28
E 276 45 SENECA
Panegyricus 1 : 19 12 : 28
E 276 25 ep. mor. 45, 10 : 56, 95 ZENO ELEATES (Diels)
LACTANTIUS 277 E 33
88, 43 : 23 A29
inst. div. UI, S :
13f. 277E— 278A 49 : 4<5

278 C 36
LUCIANUS 282 D 36
ver. hist. I, 4 : 40, 100 283 B 36
Vit. auct. 22 : 100 283 E— 284 A 31fr.

LÜCRETIUS 284 B— 284 C 31 ff., 34

469—70 284 E 31
IV, : 22
285 E— 286 B siff.
MARCUS ANTONINÜS 286 C 22, 32, 39
I, 1 : 98 286 D 34
17 : 98 287 A 39
Vn, 67 : 98 299 A 37
303 C— 45
MARTIANUS CAPELLA 303 E 46
n, 122 : 108
304 A 45
IV, 328 : 108
304 E 36
329 : 108
369 B
.

Hipp. min. 30
423 : 108
Sophist. 236 E 39
METRODORUS CHIUS (Diels) Theaet. 142 A— 143 C 38
fr. 1 : 22 143 A 38 Rüstow: Der Lügner.
10
<^

Ich Alexander Rüstow, preußischer Staatsangehörigkeit,


protestantischen Bekenntnisses, bin geboren am 8. April 1885 zu
Wiesbaden als ältester Sohn des damaligen Seconde- Lieutenants im
Nassauischen Feldart iUerie- Regiment Nr. 27, jetzigen
1 f Oberstleutnants
und Chefs der Zentralabteilung der Feldzeugmeisterei Hans
Rüstow
und seiner Ehefrau Bertha
geborenen Spangenberg. Nach
Absolvierung des Vorschulkurses besuchte ich das Ludwig-
Georgs-
Gjmnasium zu Darmstadt, das humanistische Gymnasium zu Wies-
baden, das Prinz Heinrichs-Gymnasium zu Schöneberg und
endlich das
Bismarck-Gymnasium zu Deutsch-Wilmersdorf bei Berlin, auf dem
ich Michaelis 1903 das Zeugnis der Reife erhielt. Ich widmete mich
dem Studium der Philosophie und studierte zu diesem Zwecke zu-
nächst bis Ostern 1905 in Göttingen Mathematik und Naturwissen-
schaften. Bis Michaelis 1905 war ich dann bei der philosophischen
Fakultät der Universität München, von da bis Michaelis
1908 bei
der juristischen Fakultät der Universität Berlin inskribiert.
Ich be-
suchte während dieser Zeit Vorlesungen und Übungen
der Herren
HBrunner, HCornelius, DHilbert, ThKipp, ThLipps, FvLiszt,
GEMüUer, CNeumann, APfänder, ERiecke, KSchwarzschild, WvSeeler,
JStark, MVerworn, OWaUach, AWagner, denen ich für mannig-
fache Anregung und Förderung zu Dank verpflichtet
bin.

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COLUMBIA UNIVERSITY LIBRARIES
or at the
This book is due on the date indicated below,
deflnlte period after the date
of borrowlng. as o
expiration of a
arrange- i m
provlded by the rules of the Library or by special
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ment with the Ubrarian in Charge. CG
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Printed
201-6503 in USA
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