Sie sind auf Seite 1von 5

Deutschland in der Zwischenkriegszeit (1918-1939)

September 1923) ein Ende setzte. Ohne sich auf ausländische Kapitalhilfe zu stützen, bediente
sich Stresemann vom 15. November 1923 ab der Rentenmark, um den Wert des deutschen
Geldes wiederherzustellen. Eine Hypothek auf Grundbesitz, Handel, Banken und Industrie
sollte diese Übergangswährung garantieren. Die eingeführte Währungsreform war so wirksam,
dass die Hyperinflation und ihre verheerenden Konsequenzen der deutschen Bevölkerung bald
nur als schlechte Erinnerungen erschienen. Wirtschaftlich kannte das Land sogar einen
progressiven Aufschwung bis 1929.

Trotz seiner vergleichsweise kürzeren Kanzlerzeit (13. August 1923 – 23. November 1923)
gelang es Stresemann also, die politisch-wirtschaftliche Lage des Landes zu stabilisieren. Zu
erwähnen sind jedoch ein paar vereinzelte Nebenkrisen, die die eher ehrenvolle Bilanz des
DVP-Kanzlers in Frage zu stellen drohten.

Mit sowjetischer Unterstützung plante zum Beispiel die KPD für Oktober 1923 die eigene
deutsche „Oktoberrevolution“ nach dem bolschewistischen Modell vor, wobei Sachsen und
Thüringen zu Ausganspunkten dienen sollten. Bayerische konservative Kräfte, zu denen die
noch in den Kinderstuben steckende NSDAP4 Hitlers zählte, beabsichtigten mittlerweile einen
bewaffneten Marsch im November 1923 auf die Hauptstadt Berlin, um nach Umsturz der
Republik ein faschistisches Regime nach italienischem Muster zu proklamieren. Zur gleichen
Zeit war im Rheinland eine Separatistenbewegung tätig, die auf die politische Unterstützung
der Franzosen rechnen konnte. All diese Verschwörungen schlugen aber fehl, weil sie je nur
die Unterstützung einer Minderheit in Anspruch nehmen konnten.

Stresemann musste jedenfalls frühzeitig auf das Kanzleramt verzichten und nunmehr die
Stellung als Außenminister einnehmen. Ihm wurde bald der Anlass geboten, der ganzen Welt
sein diplomatisches Talent zu zeigen.

2.2.2 Die diplomatische Blütezeit der „Stresemann-Ära“

Vom 30. November 1923 bis zu seinem Tode am 3. Oktober 1929 war Stresemann
Außenminister der Weimarer Republik, und als solcher schrieb er die schönsten Seiten der
eigenen staatsmännischen Laufbahn. Der frühere Reichskanzler trieb tatsächlich eine maßvolle
Politik dem Nachbar- und Erzfeindland Frankreich gegenüber, was ihn zum Abschluss eines
gerechteren Abkommens über die Ruhr- und Reparationsfrage führte. Es geht um den
sogenannten Dawes-Plan, der mit seinem Inkrafttreten am 1. September 1924 u.a. eine

4
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei.

10
Deutschland in der Zwischenkriegszeit (1918-1939)

einjährige Aufhebung der Ruhrbesetzung sowie eine Herabsetzung der jährlichen


Reparationszahlungsspalten auf eine Milliarde Reichsmark vorsah. Darauf folgte eine Reihe
von diplomatischen Erfolgen, die aus dem deutschen Staat wieder einen Vertrauenspartner auf
der internationalen Bühne machten.

Nennenswert sind hauptsächlich die am 16. Oktober 1925 abgeschlossenen Verträge von
Locarno, durch welche die Unverletzlichkeit der deutschen Grenze zu Frankreich und Belgien
garantiert wurde. Im Gegenzug dazu erreichten die Deutschen, dass die Engländer vom 1.
Dezember 1925 ab ihre eigene rheinische Besatzungszone verließen und durch den Young-
Plan vom Februar 1929 noch günstigere Reparationsbedingungen ausgehandelt wurden. Die
französische Rheinland-Räumung musste dagegen erst am 30. Juni 1930 erfolgen, einem Jahr
nach Stresemanns Tod. Dieser war auch beteiligt am Zustandekommen des Briand-Kellogg-
Paktes, der am 27. August 1928 in Paris unterzeichnet wurde und für die friedliche Regelung
aller zwischenstaatlichen Konflikte sorgen sollte.

Stresemanns diplomatische Erfolge brachten ihm ein beachtliches Ansehen auf der
internationalen Ebene, auch wenn er innenpolitisch viel mit der kompromisslosen Opposition
der Rechten und Linken zu tun hatte. Am 8. September 1926 trat Deutschland in den
Völkerbund, und drei Monate später (am 10. Dezember 1926) erhielt der herausragende
Außenminister den Friedensnobelpreis. Er war am Gipfel seiner politischen Laufbahn.

Diese Existenzphase der Weimarer Republik bleibt in der deutschen Geschichte nicht von
ungefähr als die „Stresemann-Ära“. Von der globalen Perspektive der gesamten
Zwischenkriegszeit aus erscheint dieselbe Periode aber als die Ruhe vor dem Sturm. Die
Wirtschaftskrise, die eben im Todesjahr Stresemanns (1929) in den Vereinigten Staaten
ausgelöst wurde und nachhaltig weltweite Folgen mit sich brachte, sollte neben anderen
Faktoren die innenpolitischen und außenpolitischen Leistungen des deutschen Staatsmanns
zunichtemachen.

2.3 Die Weltwirtschaftskrise und der Abstieg der Weimarer Republik (1929-
1933)

Das Jahr 1929 war für das erste deutsche demokratische Erlebnis der Anfang vom Ende.
Wirtschaftlich und innenpolitisch war das Land so belastet, dass antidemokratische Kräfte
endlich ein leichtes Spiel hatten, vier Jahre später den Zusammenbruch des Weimarer Regimes
herbeizuführen.

11
Deutschland in der Zwischenkriegszeit (1918-1939)

2.3.1 Die Folgen der Weltwirtschaftskrise 1929 in Deutschland

Die amerikanische Depression 1929, die sich daraufhin zur größten Weltwirtschaftskrise des
ganzen 20. Jahrhunderts entwickelte, hatte schwerwiegende Implikationen für die Weimarer
Republik zur Folge. In den 1920er Jahren hing die deutsche Wirtschaft – mehr als die der
anderen europäischen Staaten – tatsächlich eng von amerikanischen Darlehen ab. Solange sich
die Ökonomie der USA in einer Hochkonjunktur befand, konnten die Banken und Betriebe in
Deutschland auf eine umfangreiche Kapitalhilfe zur Finanzierung der eigenen Aktivitäten
rechnen.

Der Wirtschaftsaufschwung in Amerika beruhte jedoch größtenteils auf übermäßigen


Börsenspekulationen. Es stellte sich am 24. Oktober 1929 heraus, dass der Wert aller Aktien
an der Börse in der Wall Street (New York) sein niedrigstes Niveau erreicht hatte. Von jenem
„Schwarzen Donnerstag“ ab verbreitete sich rasch die Panik unter amerikanischen Investoren,
die dann alle ihre Aktien wieder zu verkaufen versuchten. Es war jedoch zu spät, denn die
ganze Weltwirtschaft befand sich schon in einer Dauerkrise.

Wegen der Zeitverschiebung erreichte die Nachricht des Börsenkrachs an der Wall Street
Deutschland erst am 25. Oktober 1929. In ganz Europa bezeichnet man dieses Datum bis heute
als „Schwarzen Freitag“, denn von diesem bestimmten Zeitpunkt ab fing man an, die
Wirkungen der Krise auf die Wirtschaft des Alten Kontinents zu spüren. Diese waren in
Deutschland, im Vergleich zu den Nachbarländern, viel schlimmer.

Amerikanische Geldgeber zwangen ihre deutschen Schuldner, besonders die Betriebe und
Bankanstalten, zur vorzeitigen Rückzahlung der Kredite, was dann zahlreiche Bankrotte zur
Folge hatte. Eine zunehmende Anzahl von Arbeitern und Angestellten verloren ihre
Arbeitsplätze, während die anderen noch niedrigere Löhne bzw. Gehälter bekamen. Binnen
vier Jahren wuchs die Arbeitslosenzahl in der Weimarer Republik von 1,6 Millionen auf mehr
als 6 Millionen, d.h. auf zirka 30 Prozent der gesamten Erwerbsbevölkerung. Die unteren
Schichten der Landwirte waren ebenfalls von der Krise betroffen, denn im Gegensatz zur Zeit
der Hyperinflation waren sie gar nicht in der Lage, ihre Schulden zu zahlen, und verloren
daraufhin ihren Landbesitz. Soziale Spannungen (Protestversammlungen, Gewalttaten gegen
Ordnungskräfte, Bombenanschläge auf Regierungsgebäude o. Ä.) waren keine Seltenheit im
Land.

12
Deutschland in der Zwischenkriegszeit (1918-1939)

Bald ließen sich die verheerenden Auswirkungen der Wirtschaftskrise auch im politischen
Machtverhältnis spüren. Die Herausforderungen waren diesmal so groß, dass die durch allerlei
Intrigen geschwächte Weimarer Republik am Ende ihrer Kräfte zu sein schien.

2.3.2 Der Abstieg der Weimarer Republik

Der Verfall des Weimarer Staates begann gar nicht mit der Großen Depression von 1929.
Innenpolitische Konfrontationen sowohl innerhalb der Reichsregierung und des Reichstags als
auch auf der allgemein sozial-politischen Bühne sorgten schon dafür. Tatsache ist jedoch, dass
die Weltwirtschaftskrise mit einer so hohen Verelendung der Bevölkerung verbunden war, dass
sie zum raschen Aufstieg der antirepublikanischen Parteien, allen voran der NSDAP, führte.
Für Adolf Hitler und seine Anhänger war nun die Zeit überreif, dem Weimarer Staat den
tödlichen Schlag zu versetzen.

Parallel dazu verloren manche Weimarer Parteien (vor allem die SPD) immer mehr an Boden,
während sich andere wie das Zentrum und die DVP einige Thesen der Rechtsparteien zunutze
machten. Die konservativen Berater um Präsident Hindenburg, die vorwiegend die Interessen
der Großagrarier, Hochfinanz, Schwerindustrie und höheren Reichswehroffiziere vertraten,
drängten ihn deswegen zur Ernennung eines parteilosen Reichskanzlers, der ohne Anlehnung
an das Parlament regieren sollte. Der Finanzexperte Heinrich Brüning erfüllte vom März 1930
ab diese Aufgabe der Umwandlung der Weimarer Republik vom Parlamentarismus zu einem
Präsidialregime. Um seine unpopulären Maßnahmen (Abbau der Sozialausgaben des Staates,
Lohn-, Gehalts- und Arbeitslosengeldherabsetzung, finanzielle Unterstützung der
Großindustriellen o. Ä.) durchzusetzen, griff er gemäß Artikel 48 der Weimarer Verfassung zu
Notverordnungen. Als sich das Parlament weigerte, wurde es gemäß Artikel 25 der Verfassung
aufgelöst und zur Neuwahl aufgerufen, bei der die NSDAP über noch Gewinnchancen
verfügte.

Die Sozialdemokraten, denen Hitler und seine Anhänger ein Dorn im Auge waren, trieben den
verfassungswidrigen Manövern von Hindenburgs und Brünings gegenüber eine tolerierende
Politik des kleineren Übels, die sie noch das Vertrauen eines Großteils der Arbeiterwelt sowie
den ihnen übrig gebliebenen politischen Einfluss kostete. Erschwerend kam die
Radikalisierung der politischen Stimmung durch die Vermehrung von Straßenterror

13
Deutschland in der Zwischenkriegszeit (1918-1939)

schaffenden Wehrverbänden im Land: Der „Stahlhelm“ (DNVP5), die SA und SS6 (NSDAP),
der „Reichsbanner Schwarz Rot Gold“ (SPD) und der „Rote Frontkämpferbund“ (KPD)
zählten zu den bedeutendsten dieser bewaffneten Privatgruppen.

Es gelang Reichskanzler Brüning und seinen Nachfolgern Franz von Papen (ab 1. Juni 1932)
und Kurt von Schleicher (ab 3. Dezember 1932) nicht, die politisch-wirtschaftliche Lage des
Landes wieder zu stabilisieren. Die Versuche des betagten Reichspräsidenten von Hindenburg,
durch Einleitung und Ausbau des Präsidialsystems den Aufstieg der Nationalsozialisten zu
bremsen, schlugen auch fehl. Jetzt konnte er dem Druck der mächtigen Wirtschaftsinteressen
(Großgrundbesitzer, Industrielle und Hochfinanzleute) nicht mehr widerstehen, die endlich am
30. Januar 1933 die Ernennung von Hitler zum Reichskanzler erzielten. Sie glaubten naiv, sie
würden die Nazis zu den eigenen Zwecken benutzen. Das war gelogen, denn Hitler ergriff bald
die ganze Macht, und weder nichts noch keiner konnte das Aufkommen der blutigen NS-
Herrschaft verhindern.

Also endete die Weimarer Republik, der allererste demokratische Versuch in Deutschland.
Unter schwierigen außen- und innenpolitischen Verhältnissen entstanden, erweckte sie in einer
verhältnismäßig kurzen Zeit eine gewisse Hoffnung bei den Verfechtern des Rechtstaates. Der
historische Zusammenhang war jedoch nicht günstig, und noch diesmal hatten
antidemokratische Kräfte das alleinige Wort.

3. Die sechs ersten Jahre des Dritten Reiches (1933-1939)

Als Adolf Hitler am 30. Januar 1933 die längst erstrebende Macht ergriff, ging er sofort daran,
ein übermächtiges Reich aufzubauen, das, wie er hoffte, mindestens tausend Jahre dauern
sollte. Der Wille zur Macht des deutschen Diktators kam bereits in den sechs Jahren (1933-
1939), die dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945) vorangingen, eklatant zum Ausdruck. Im
Folgenden wird detailliert darauf eingegangen, wie Hitler aus der NSDAP eine politische
Maschine mit gewaltigen Massenmobilisierungskräften machte, in Deutschland einen
autoritären, faschistischen Staat ins Leben zu rufen vermochte und das Land in den Krieg
führte.

5
Die Deutschnationale Volkspartei, im November 1918 gegründet, gehörte neben der NSDAP und noch kleineren
Parteien dem Rechtsextremismus zur Zeit der Weimarer Republik an.
6
Die SA bedeutet „Sturmabteilung“ und die SS „Schutzstaffel“.

14

Das könnte Ihnen auch gefallen