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DEUTSCHE SPRACHE:

SPRACHE UND KULTUR

Prof. Dr. Arvi Sepp

Wintersemester 2023
12.-19. Oktober 2023
20. Jahrhundert: 1900-1945
Teil I: 1900-1918
Der Erste Weltkrieg: Vorgeschichte
WILHELMINISCHE ZEIT

Umfasst den Zeitraum von


1890 bis 1918 (Entlassung
Bismarcks durch Kaiser
Wilhelm II. bis zum Ende des
1. Weltkriegs)
MILITARISMUS
Überbetonung des militärischen Denkens auch
im zivilen Lebensbereich; auch: Vorherrschaft
des Militärs im Staatswesen

Die ‘Pickelhaube’
IMPERIALISMUS
Generelle Tendenz der europäischen Großmächte, mithilfe überseeischer
Kolonien Weltmachtstatus zu erlangen.

Pseudowissenschaftlich untermauert durch These des Sozialdarwinismus


(“Recht des Stärkeren”)

“Marinewettrüsten”: im Kampf um eine konkurrenzfähige Flotte zieht sich


D die Feindschaft Großbritanniens zu
ÖSTERREICHISCHER
“K.U.K.- KOLONIALISMUS”
Österreich-Ungarn bleibt der einzige verlässliche Bündnispartner
Deutschlands
Ungelöste Probleme am “Krisenherd Balkan”:
Annexion Bosnien-Herzegowinas 1908 führt zu einem
Interessenskonflikt mit Russland und Serbien (Panslawismus)
Balkankriege 1912 und 1913 >> zunehmende innerliche
Zerrüttung des österreichischen Vielvölkerstaates
AUSBRUCH DES 1. WELTKRIEGES
Attentat von Sarajewo im Juli 1914: Der österreichische
Thronfolger Erzherzog Franz-Ferdinand und seine Frau werden
von einem serbischen Freischärler ermordet

Österreich stellt ein Ultimatum an Serbien (fordert gerichtliche


Untersuchung unter Teilnahme von k. u. k. –Beamten) – Serbiens
Antwort wird als ungenügend bewertet
>> Kriegserklärung aktiviert die Bündnisstrukturen

Die “Mittelmächte” Österreich-Ungarn und das Deutsche


Reich auf der einen, Serbien und die sog. “Entente-Mächte”
Frankreich, Großbritannien und Rußland auf der anderen
Seite.
DER 1. WK ALS
MILITÄRHISTORISCHE ZÄSUR

“Industrialisierung” des Krieges:

Bild des Soldaten wandelt sich: statt


des heldenmütigen Kämpfers, der
dem Feind in der offenen
Feldschlacht direkt gegenübersteht,
sind nun vor allem Ausdauer, Geduld
und grenzenlose Belastbarkeit im
Schützengraben gefragt.

Erstmals Massenproduktion von


Geschützen, Panzern,
Maschinengewehren
Teil 2: 1918-1933
Weimarer Republik: ‘Die unruhige Republik’
Reichsflagge Reichswappen
Eine Republik unter dem Zeichen der Krise
Novemberrevolution 1918
NOVEMBERREVOLUTION
28. Oktober 1918 – Entscheidung der deutschen Seekriegsleitung für das
Auslaufen gegen britische Flotte;
3. November 1918 – Kieler Matrosenaufstand →Auslösung der Revolution;

9. November - Abdankung des Kaisers Wilhelm II. und Ausrufung der


Republik.
Philipp Scheidemann (SPD) ruft die Republik aus
NACH DER REVOLUTION
Rat der Volksbeauftragten aus SPD und USPD als Übergangsregierung;

19. Januar 1919 – Wahlen zur Nationalversammlung (in Weimar):


Neigung zur parlamentarischen Demokratie.
SPARTAKUSAUFSTAND IN
BERLIN
1918 – 1919 – Entstehung der «Revolutionären Kommunistischen
Arbeitspartei» mit Spartakusmitgliedern;
5. Januar 1919 – Aufstand in Berlin→ erhebliche Unruhe;
Forderung nach Rätesystem als Verwaltungsmodell;
15. Januar 1919 – Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht,
Niederschlagung des Aufstandes;
PARLAMENTARISCHE
ARBEIT
6. Februar 1919 – Erste Sitzung der verfassungsgebenden
Nationalversammlung im Nationaltheater in Weimar;

Wahl Friedrich Eberts (SPD) zum Reichspräsidenten;


«Weimarer Koalition» - SPD, DDP, Zentrum.
28. JUNI 1919 - VERSAILLER VERTRAG
1. Politisch
- Reparationen
- deutsches Heer reduziert auf 100.000
- Kaiser gestürzt
- Österreich/Ungarn abgegliedert

2. Territorial
- Frankreich – Elsaß-Lothringen
- Polen – Posen/Westpreußen
- deutsche Kolonien abgetreten an FR/GB
- 10% des Landes verloren
- Saarland /Oberschlesien abgetreten, wichtige Kohlegebiete

3. Juristisch
- bürgerliche Demokratie eingeführt
WEIMARER REPUBLIK: 1919-1933
ÖSTERREICH: KRIEGSENDE 1918:
ZERFALL DER MONARCHIE
EGIERUNGSSYSTEM
PRÄSIDENTEN DER WEIMARER
REPUBLIK
Friedrich Ebert
(1919-1925)

Paul von Hindenburg


(1925-1934)
DIE REICHSKANZLER IN
DER WEIMARER REPUBLIK
KRISENJAHRE

Kommunistische Unruhen im Ruhrgebiet, in Mitteldeutschland,


Hamburg, Bremen;
Großkundgebung von SPD und USPD in Berlin;
13.-17. Mai 1920 – Kapp-Putsch in Berlin unter Leitung von
Wolfgang Kapp = scheitert
HITLER UND DIE WEIMARER
REPUBLIK
5. Januar 1919 – Gründung der Nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei
(NSDAP);

8.-9. November 1923 – Hitlerputsch in München gegen Landes- und Reichsregierung;

Verhaftung von Hitler;

1924 – Erster Teil von Mein Kampf;

Entlassung von Hitler nach 8 Monaten;

1925 – Neugründung der NSDAP, Führerkult, Machtdemonstrationen der SA.


NSDAP-Versammlung im Bürgerbräukeller 1923 (Bierkellerputsch)
Wahlsieg der NSDAP bei den Reichstagswahlen 1930
Reichstag 1930 (18,3% der Stimmen)
1930: Große Koalition zerbrochen

= Koalition von DDP (Deutsche Demokratische Partei) und Zentrum,


jeweils entweder nach links (SPD) oder rechts (DVP – Deutsche
Volkspartei) erweitert
Ab 1930 gab es keine Regierung mehr, die sich auf eine Mehrheit im
Parlament hätte stützen können

der Reichskanzler wurde seither ohne Berücksichtigung des


Reichstags nur noch durch den Reichspräsidenten Paul von
Hindenburg ernannt

Mit den sogenannten Präsidialkabinetten wurde ein Bruch mit dem


Parlamentarismus in Kauf genommen.
UNTERGANG DER WEIMARER
REPUBLIK
Regierung von Hindenburg anhand von Notverordnungen;
31. Juli 1932 – Reichstagswahlen (die stärkste Partei - NSDAP);

SPD-Wahlplakat
„Gegen Papen, Hitler, Thälmann.“ Wahlzettel für die Reichstagswahl
ERMÄCHTIGUNGSGESET
Z

21. März 1933: Hitler redet zum Ermächtigungsgesetz


Titelseite des Völkischen Beobachters
Wirtschaftskrisen: 1923/1929
INFLATION 1923/24

Eine Frau feuert ihren Kachelofen mit


Inflationsgeld
Kriegsinvalide, Berlin 1923 (Inflation)
Armenspeisung 1931 (1929: Weltwirtschaftskrise)
Zusammenfassung: kulturhistorischer und politischer Hintergrund
WEIMARER REPUBLIK
Die Geschichte der Weimarer Republik lässt sich nach der
Gründungsphase in drei Abschnitte gliedern:

In den Krisenjahren von 1919–1923 hatte die Republik mit den


unmittelbaren Kriegsfolgen, einer Hyperinflation und
zahlreichen Umsturzversuchen zu kämpfen
In den Goldenen Zwanzigern von 1924–1929 erreichte sie eine
gewisse Stabilität, wirtschaftliche Erholung und die
außenpolitische Anerkennung
Die Weltwirtschaftskrise und der Aufstieg der
Nationalsozialisten zwischen 1929 und 1933 mündeten in
Agonie und Untergang der Republik.
Kulturelle Hintergründe
Neue Sachlichkeit
GEORGE
GROSZ:
“GRAUER
TAG” (1921)
GEORGE GROSZ: “GRAUER TAG”
(1921)
Anonyme Figuren im
Bild
Ihre angedeutete Rollen
Farbkonstellation
(Vergleiche mit
expressionistischen
Bildern?)
• Gerade Linien
Avantgarde in der Weimarer Republik
AVANTGARDE-BEWEGUNGEN IN DER
WEIMARER ZEIT

Kubismus
Konstruktivismus
Dadaismus
(= Historische Avantgarde)
DAS AVANTGARDISTISCHE MANIFEST:
DADA (1919)
EXPRESSIONISMUS

Verarbeitung der Krise der bürgerlich- imperialistischen Gesellschaft


Ausdruck innerer Erlebnisse des Künstlers (regellos)
Kunst, Literatur, Drama, Film, Musik
 Themen/Motive: Verfall, Untergang, Urbanität, Ich-Dissoziation...
 Funktion: Schaffung emotionaler Bereitschaft zur Konfliktbewältigung
ALEXEJ VON JAWLENSKY
"DER BUCKEL" (1911)
Intensive Farben
ängstliche Haltung
Verzerrung des Körpers
und der Gesichtszüge
Hintergrund unbestimmt
Fokus auf intensive
Gefühle
Allgemeine Merkmale:

-Ungemischte Farben
-Holzschnittartige Formen
-Motivreduktion
-Auflösung der tradionellen Perspektive
Rezeption der modernen Kunst aus der Weimarer Zeit im
Dritten Reich
PLAKAT: BERLIN, 1937
ENTARTETE KUNST
KUBISMUS, NEUE SACHLICHKEIT,
EXPRESSIONISMUS WERDEN
UNDIFFERENZIERT
NEBENEINANDERGESTELLT
AVANTGARDE ALS “UNGESUNDES”
UND “LEBENSUNWERTES LEBEN”
AVANTGARDE ALS “UNGESUNDES”
UND “LEBENSUNWERTES LEBEN”

Zusammenstellung von Fotografien geisteskranker


Menschen und expressionistischen Porträts
Expressionismus in der Filmkunst:
Zwischen individualistischem Formalismus und industriellem
Massenprodukt
Berlin, die Sinfonie einer Großstadt (1927)
von Walther Ruttmann
FRITZ LANG,
METROPOLIS (1927)
NOSFERATU, EINE
SYMPHONIE DES GRAUENS
(MURNAU), 1922
DAS KABINETT DES DR.
CALIGARI (WIENE), 1920
Teil 3: 1933-1945
Das Dritte Reich (1933-1945):
5 wesentliche Begriffe/Orte/Ereignisse
1. Totalitarismus
Der Nationalsozialismus als totalitäres Regime

Definition Totalitarismus

Allumfassende, totale Herrschaftsstruktur, die keine


nennenswerte Grenze zwischen dem öffentlichen und privaten
Bereich akzeptiert und die Gesamtheit des gesellschaftlichen und
politischen Lebens erfasst und reglementiert.

→ Terror/Führerprinzip/Imperialismus/Zensur/Massenpartei
2. Gleichschaltung
= Prozess der ideologischen Vereinheitlichung des gesamten
gesellschaftlichen und politischen Lebens

→ keine gedankliche Freiheit mehr in Presse, Wissenschaft,


Unterricht oder Privatleben.

→ Verlust der Unabhängigkeit, Mündigkeit und Freiheit der


Menschen
3. Nürnberger Gesetze (1935)
Vorgeschichte
1933-1934: Einzelne Terror- und Einschüchterungsakte
Die ersten Maßnahmen gegen die Juden („Zurückdrängung des jüdischen
Einflusses im deutschen Leben“) = die Umkehrung der Emanzipation

Boykott-Aktion gegen jüdische Geschäfte, Ärzte, Rechtsanwälte am


01.04.1933
07.04.1933 „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums
BEISPIEL: BOYKOTT
BEISPIEL: ENTRECHTUNG:
“WIEDERHERSTELLUNG DES
BERUFSBEAMTENTUMS” (APRIL 1933)
BEISPIEL:
DIFFAMIERUNG

München im März 1933


Nürnberger Rassengesetze (1935)
Nürnberger Rassengesetze

juristische Institutionalisierung des Antisemitismus


Übersichtstafel der Rassengesetze 1935
Danach (1938-1941) : Enteignung , Vertreibung und Zerstörung
der wirtschaftliche Existenz
BEISPIEL: ARISIERUNG BZW. ENTEIGNUNG

Beispiele für die Arisierung von jüdischen Unternehmen


BEISPIEL: AUSGABE
NEUER PÄSSE

Der ‘jüdische’ Pass


BEISPIEL: EINENGUNG DER
BEWEGUNGSFREIHEIT

Parkbänke für ‘Arier’ bzw. ‘Juden’


4. Holocaust/Shoah
(3 Phasen: Babyn Jar/Chelmno/Auschwitz)
1. Phase: Massenerschießungen in Osteuropa [Babyn Jar]
Einsatzgruppen (Sonderkommandos) in Kiew (1942)
2. Phase: ‘Gaswagen’ [Chelmno]
‘Gaswagen’ Chelmno (1942)
3. Phase: Vernichtungslager [Auschwitz]
Die 3. Phase wurde auf der Wannsee-Konferenz (1942) unter Leitung
von Reinhard Heydrich festgelegt
Haus der Wannsee-Konferenz
Auschwitz 1944
5. Unterschied Reichsdeutscher/Volksdeutscher
Reichsdeutscher: deutscher Bewohner des Deutschen Reiches bis
1945.

Volksdeutscher: gemäß den Nürnberger Gesetzen Mitglieder der


deutschen ‚Volksgemeinschaft‘ außerhalb der Reichsgrenzen.
Beispiel 1: Aussiedlung der Bessarabiendeutschen
Ausreisepass
Beispiel 2: Aussiedlung der Baltendeutschen
Beispiel einer ‘volksdeutschen’ Gruppe bzw. ihrer ‘Heimführung’:

Die Baltendeutschen (Estland, Lettland)


Verwillkommnung der Baltendeutschen im Reich
Das ‘Baltenlager’: 1. Station in der neuen ‘Heimat’
Umsiedlung der Baltendeutschen 1939
Vertreibung der Polen aus dem Reichsgau Wartheland (1939)
→ machten den umgesiedelten Baltendeutschen Platz

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