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Prüfprozesseignung

Um das Ausmaß der Unzulänglichkeiten zu bestimmen (abzuschätzen), wird bei Prüfmitteln, die
Einfluss auf die Einhaltung von Anforderungen an ein Produkt haben, eine
Prüfmittelfähigkeitsuntersuchung durchgeführt. Hierbei kann es sich um gesetzliche
Forderungen oder um Kunden- bzw. interne Forderungen handeln. Anforderungen nach der ISO
9000:2000ff. und nach QS-9000 an eine Prüfmittelüberwachung sind ebenfalls zu
berücksichtigen. Die Prüfmittelfähigkeitsuntersuchung liefert eine Aussage, ob ein Prüfmittel für
eine bestimmte Prüfaufgabe geeignet ist. Sie ist somit eine wichtige Vorbedingung einer jeden
Qualitätsbeurteilung.

Die internationale Basis bei der Beurteilung von Prüf- und Messsystemen bildet die
Normenreihe DIN EN ISO 9000:2000ff. Hier wird gefordert, dass,… Prüf- und Messsysteme …
in einer Weise benutzt werden, die sicherstellt, dass die Messunsicherheit bekannt und mit den
betreffenden Forderungen vereinbar ist [Nor00a]. Die Anwendung von Methoden und
Instrumenten um diese Forderung zu erfüllen, bleibt dem jeweiligen Anwender überlassen. Vor
diesem Hintergrund sind eine Reihe von unternehmensspezifischen Richtlinien entstanden, die
die Vorgehensweise bei der Beurteilung von Prüf- und Messsystemen regeln. Die ersten
Richtlinien wurden von General Motors (1987) und Ford (1989) entwickelt. Von den
Automobilherstellern General Motors, Chrysler und Ford werden die Anforderungen in der
„Measurement System Analysis – MSA“, die ein Teil der QS-9000 bildet, beschrieben [Chr03].
Die Inhalte wurden in einer Richtlinie auf Betriebsbedingungen angepasst und erweitert [Bos03].

Speziell für die Bestimmung der Messunsicherheit existiert der „Guide to the Expresion of
Uncertainty in Measurement“ (GUM) [Nor95]Mit den Elementen aus der MSA und dem GUM
entstand in der Automobilindustrie ein deutscher Standard, der die Untersuchung der
Prüfprozesseignung beschreibt [VDA03].

Auflösung Messsystem
Die absolute Auflösung, auch als Ansprechschwelle bezeichnet ist der kleinste Wert der
Änderung des zu messenden Merkmals, die das Messsystem noch eindeutig erfassen kann. Die
relative Auflösung stellt den Zusammenhang zwischen absoluter Auflösung und der Toleranz
des zu messenden Merkmals her.

Relative Auflösung = absolute Auflösung / Toleranz des zu messenden Merkmals * 100%

Die Relative Auflösung sollte kleiner gleich 5% der Merkmalstoleranz betragen.

Geeignetes Normal
Es muss ein geeignetes Normal oder Referenzteil vorhanden sein, dessen richtiger Wert durch
Kalibrierung auf nationale oder internationale Normale rückführbar ist und sich im laufe des
Untersuchungszeitraums nicht verändert. Die Messunsicherheit des Normals oder Referenzteils
darf nicht größer sein als 5% der Toleranz des zu messenden Merkmals. Bei der Kalibrierung
sollte die Messunsicherheit auf dem Kalibrierschein angegeben sein. Der richtige Wert des
Normals sollte im Idealfall dem Mittelwert der zu prüfenden Merkmalstoleranz entsprechen.
Abweichende Werte innerhalb des Toleranzbereichs des zu prüfenden Merkmals gelten auch als
problemlos. Sofern keine Angaben zur Messunsicherheit vorliegen, kann ersatzweise anhand der
angegebenen Stellenzahl des Normals auf die Messunsicherheit geschlossen werden. Dann
entspricht die Abweichung aufgrund der natürlichen Rundung der Auflösung.
Beispiel
Ist die Lange eine Endmaßes, das als Normal verwendet werden soll beispielsweise mit 10,00
mm angegeben, kann auf Grund der natürlichen Rundung davon ausgegangen werden, dass der
richtige Wert des Endmaßes zwischen 9,995 und 10,005mm liegt. Damit beträgt die geschätzte
Messunsicherheit 0,005mm.

Relative Auflösung = absolute Auflösung / Toleranz des zu messenden Merkmals * 100%

Die Relative Auflösung sollte kleiner gleich 5% der Merkmalstoleranz betragen.

Verfahren 1 (Cg/Cgk-Studie)
Genauigkeit und Fähikeitsindizes Cg, Cgk (prinzipielle Eignung). Das Verfahren wird in der
neuen Auflage der MSA nicht mehr berücksichtigt, wird jedoch in unternehmässpezifischen
Normen weiterhin beschrieben [Bos 03]
Das Verfahren 1 wird unter Wiederholbedingungen durchgeführt.
Wiederholbedingungen liegen vor, wenn dasselbe Merkmal derselben Einheit (Normal) an
derselben Messstelle vom selben Prüfer mit demselben Prüfmittel nach einem festgelegten
Messverfahren am selben Ort unter gleichen Umweltbedingungen in kurzen Zeitabständen
gemessen wird. Ziel ist es dabei die systematische Messabweichung ∆X (Bias = Versatz oder
Verzerrung) sowie die Wiederholpräzision Sg zu ermitteln, somit kann die Genauigkeit des
Messsystems über die Fähigkeitsindizes geschätzt werden. Dieses Verfahren kann mit der
Maschinenfähigkeit verglichen werden, bei der die Bedingungen ähnlich sind.

Der Prüfmittelfähigkeitsindex Cg wird aus dem Verhältnis von vorgegebener Toleranz T oder
der sechsfachen Prozessstreuung 6*Sp und dem geschätzten Streubereich des Prüfmittels (6*Sg
ermittelt). Die Verwendung von Toleranz oder Prozessstreubreite ist mit dem Kunden
abzustimmen. Vor allem bei sehr fähigen Prozessen kann die Verwendung der Prozessstreuung
zu einem Problem werden, da diese Betrachtung bei allen Verfahren sehr schnell an die
technischen Möglichkeiten von Prüfmitteln stößt.
Der Prüfmittelfähigkeitsindex Cgk wird aus dem Verhältnis von vorgegebener Toleranz T bzw.
der sechsfachen Prozessstreuung 6*Sp vermindert um die systematische Messabweichung ∆X
und dem geschätzten Streubereich des Prüfmittels 3*Sg ermittelt.

Linearität
Beim Verfahren 1 sind wir bisher davon ausgegangen, dass das Messgerät nur in einem eng
umgrenzten Bereich eingesetzt werden soll. Wenn hingegen der Messbereich des Messgerätes
bei den anfallenden Messaufgaben ausgenutzt werden soll, ist zusätzlich eine
Linearitätsuntersuchung erforderlich. Mit dieser ermittelt man die systematische
Messabweichung an mehreren Stellen innerhalb des Messbereichs.

Für die Untersuchung sind mehrere – min. drei, besser fünf oder sieben – Normale mit
bekanntem Referenzwert zu verwenden. Die Referenzwerte der Normale sollten so gewählt sein,
dass diese in dem zu untersuchendem Messbereich gleichmäßig verteilt liegen. Jedes der
Normale ist min. zehnmal unter Wiederholbedingungen zu messen. Aus den Messungen je
Normal sind die Mittelwerte zu berechnen, Für jede Messwertreihe ist die systematische
Messabweichung Bi zu berechnen. Die an jedem Normal ermittelte bekannte Systematische
Messabweichung Bii sollte dem Betrag nach kleiner gleich 5% der Toleranz sein.

-0,5*T ≤ Bii ≤ +0,5*T

Abweichungsdiagramm zur Linearität

Anmerkungen
Vor nicht allzu langer Zeit bekam ich eine neue Bügelmessschraube mit Kalibrierzertifikat
geliefert die ich einer Prüfung nach Verfahren 1 unterziehen wollte. Schon bei den ersten zwei
Messungen stellte ich fest, dass der ermittelte Wert 0,2mm vom Referenzwert abwich! Um die
Ursache für die Abweichung zu ermitteln untersuchte ich das Prüfgerät nach möglichen
Fehlerursachen, erstaunt musste ich feststellen, dass die Justierschraube des Messgerätes relativ
locker war. Somit musste ich das Messgerät neu justieren und konnte im Anschluss mit
Verfahren 1 nachweisen, dass der Zustand so wieder hergestellt wurde das die Konformität der
erzeugten Merkmale nachgewiesen werden konnte. Bei einer Untersuchung nach Verfahren 2
oder 3 (ohne Prüfereinfluss) berücksichtigt man die relativen Einflussgrößen und deren
Auswirkungen auf die Präzision des Messprozesses, die Richtigkeit wird dabei nicht mehr
bewertet. Als Fazit bedeutet dass das Verfahren 2 mir die Eignung des Messgerätes im
Serieneinsatz bestätigt hätte, aber je nach Toleranzbereich hätten nicht konforme Merkmale auf
Grund von Maßabweichungen des Messwerkzeuges erzeugt werden können! Normenreihe DIN
EN ISO 9000:2000ff. Hier wird gefordert, dass,… Prüf- und Messsysteme … in einer Weise
benutzt werden, die sicherstellt, dass die Messunsicherheit bekannt und mit den betreffenden
Forderungen vereinbar ist [Nor 00a].

Verfahren 2 ARM (GRR-Studie)


Wiederholpräzision (EV), Vergleichspräzision (AV) und Gesamtstreubereich (GRR)
Auswahl der Prüfer (k) bei 2 Schicht Betrieb 2 Prüfer, bei 3 Schicht Betrieb 3 Prüfer.
Die Auswahl der Teile sollte min. 5 (n) betragen in der Regel jedoch 10, die sich nach
Möglichkeit über den gesamten Toleranzbereich oder über die gesamte Prozessstreunung
verteilen sollen. Die Zahl der Durchführungen (r) muss min. 2 betragen!

Anwendungsvoraussetzung: n*k*r ≥ 30

Die Teile werden nummeriert. Um den Einfluss der Teilegeometrie auszuschließen, wird die
Messposition gekennzeichnet. Die Einflussgrößen wie Temperatur, Bediener usw. sind zu
dokumentieren. Während der Untersuchung sind Nachstellungen an der Messeinrichtung nicht
zulässig. Die erste Messung der Bauteile darf die zweite Messung nicht beeinflussen, somit ist
eine Randomisierung der Bauteile notwendig, das heißt der Prüfer weiß nicht welches der
Bauteile er grade misst. Die jeweiligen Ergebnisse der anderen Prüfer dürfen dem Prüfer nicht
bekannt sein!

Prüfung der Teileauswahl


Die Überprüfung der Teileauswahl die sich möglichst über die gesamte Toleranz bzw.
Prozessstreubreite verteilen soll, kann über die Xmax. – Xmin. Werte der Messungen / Toleranz
oder Prozessstreubreite *100% ermittelt werden.

Kennwerte

Die Kürzel ndc stehen für die Anzahl der unterscheidbaren Klassen und soll ≥ 5 sein.
Es empfiehlt sich jedoch für ungeübte Anwender grundsätzlich die Formblätter der jeweiligen
Kundenforderung zu verwenden, die beinahe selbsterklärend sind.
Allgemein werde die prozentualen Werte auf die Gesamtstreuung TV bezogen, einige
Unternehmen verwenden bei der Berechnung die Toleranzbreite T als Bezugsgröße [Bos 03].

Verfahren 3 (Prüfmittel ohne Bedienereinfluss)


Wiederholpräzision und Gesamtstreubereich
Das Verfahren 3 ist ein Sonderfall des Verfahrens 2 für automatische Messeinrichtungen (z.B.
mechanisierte Messeinrichtungen, Prüfautomaten usw.) bei denen der Bedienereinfluss entfällt
bzw. vernachlässigbar klein ist. In diesem Fall wird der vereinfachte Kennwert berechnet
GRR = EV. Da der Prüfereinfluss entfällt gilt hier die weniger scharfe Anwendung n*r ≥ 20

Anmerkungen
Weitere Informationen bei der MSA nach QS 9000 bietet zum Signifikanzniveau die Seite
„Kurzübersicht zur MSA dritte Ausgabe“, sowie Hinweise zur Anwendung der Untersuchung
der „systematischen Messabweichung“ auf der Seite 71 (Kapitel II Abschnitt B). Die
Verwendung von Toleranzbreite oder 6*Sp wird auf Seite 73 ((Kapitel II Abschnitt C) erläutert.

Messbeständigkeit
Ein Messprozess kann sich über die Zeit verändern, und muss daher überwacht werden. Dazu
wird das Messsystem von Zeit zu Zeit ein Normal oder Referenzteil überprüft, die Ergebnisse
ausgewertet und festgehalten. Bei Abweichungen von den Sollvorgaben sind
Verbesserungsmaßnahmen einzuleiten. Zu beginn der Messbeständigkeitsuntersuchung wird
eine Vorlaufuntersuchung durchgeführt. Dazu kann das gleiche Normal wie in Verfahren 1
eingesetzt werden, dazu wird eine Qualitätsregelkarte mit folgenden Eingriffsgrenzen angelegt.

OEG = Xm + 0,1 * T
UEG = Xm – 0,1 * T

Nach Möglichkeit werden an einem Tag 25 Messungen in gleichen Abständen eingeplant, die in
der QRK Ausgewertet werden. Aus der zeitlichen Reihenfolge kann eine Aussage über das
notwendige Kalibrier- und Justierintervall gemacht werden. Nach dem dann festgelegten
Intervall werden weiterhin Messungen am gewählten Normal durchgeführt und in der QRK
erfasst. Diese QRK unterliegt wie die Fähigkeitsuntersuchungen den üblichen Dokumentations-
und Archivierungsregeln des Unternehmens.

Literatur
TFH Berlin KE 3 Auflage 3
QM für Ingeneure Auflage 2
QS 9000 3th Editionn
DIN EN ISO 9000:2000ff.
[Chr03] Chrysler, Ford, GM - MSA
[Bos03] Bosch Technische Statistik, Fähigkeit von Messeinrichtungen
[Nor00a] DIN EN 9001:2000 QM – Systeme : Anforderungen
[Nor95] DIN 1319-1 Grundbegriffe der Messtechnik
[VDA03] VDA Band 5 Prüfprozesseignung

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