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High-grade pressure sores n Zusammenfassung Einige ältere diazepine, zentral wirksame Anal-
in frail older high-risk persons – Personen entwickeln einen Deku- getika) verordnet. Eingeschränkte
a retrospective post mortem bitus, andere mit vergleichbar ho- Möglichkeit oder Intention zur
case-control-study hem Risiko für Dekubitalulzera Kooperation/Compliance für prä-
entwickeln jedoch keinen Dekubi- ventive bzw. therapeutische Maß-
tus. Wir führten eine post mor- nahmen war häufiger bei Perso-
tem Fall-Kontroll-Studie bei alten nen der Fall- als der Kontroll-
Menschen durch, die während ei- gruppe dokumentiert.
nes Zeitraums von sechs Monaten Ein hoher Grad funktioneller
bis 14 Tage vor ihrem Tod höher- Einschränkung, insbesondere der
gradige Dekuitalulzera erlitten Mobilität ist ein Risikofaktor für
hatten, mit der Frage spezieller höhergradige Dekubitalulzera bei
Risikofaktoren. Nach schriftli- alten pflegebedürftigen Hochrisi-
Eingegangen: 27. Januar 2004 chem Einverständnis durch die ko-Personen. Sedierende Arznei-
Akzeptiert: 23. Februar 2004 nächsten Angehörigen der Ver- mittelwirkungen und einge-
storbenen wurden sämtliche ver- schränkte Möglichkeit/Intention
fügbaren Krankenunterlagen und zur Kooperation der Betroffenen
Diese Untersuchung wurde durchgeführt Pflegedokumente evaluiert. Perso- bei präventiven bzw. therapeuti-
mit finanzieller Unterstützung durch das nen der Fall- und der Kontroll- schen Maßnahmen der Dekubi-
Bundesministerium für Familie, Senioren, gruppe wurden zugeordnet ge- tusversorgung stehen möglicher-
Frauen und Jugend, Berlin und die mäß Lebensalter, Geschlecht, Im- weise mit der Entwicklung von
Robert-Bosch-Stiftung GmbH, Stuttgart
mobilität und Kachexie. höhergradigen Dekubitalulzera
100 Fälle mit 71 Dekubitalulze- bei älteren Hochrisiko-Personen
ra Grad 3 und 29 Dekubitalulzera im Zusammenhang.
Prof. Dr. med. W. von Renteln-Kruse ()) Grad 4 wurden mit 100 Kontrol-
T. Krause (Qualitätsmanager)
Dr. med. J. Anders · Cand. med. M. Kühl len verglichen, die 27 Dekubital- n Schlüsselwörter
Medizinisch-Geriatrische Klinik ulzera Grad ≥ 2 bzw. ein maxima- Höhergradige Dekubitalulzera –
Albertinen-Haus les Dekubitusrisiko gem. Norton- Ältere pflegebedürftige
Zentrum für Geriatrie und Gerontologie Skala aufwiesen. Das Durch- Hochrisiko-Personen –
Wissenschaftliche Einrichtung
an der Universität Hamburg
schnittsalter betrug 86 Jahre, 60% Post mortem Fall-Kontroll-Studie
Sellhopswegs 18–22 waren weiblich, 86% waren bett-
22459 Hamburg, Germany lägerig und 66% kachektisch. Die n Summary Some old persons at
E-Mail: w.renteln-kruse@albertinen.de Personen der Fallgruppe waren risk do develop, but others, at
Dr. med. A. Heinemann häufiger schwerpflegebedürftig, comparable risk, do not develop
Prof. Dr. med. K. Püschel hatten häufiger Gelenkkontraktu- high-grade pressure sores. To
Institut für Rechtsmedizin ren, und ihnen waren häufiger evaluate potentially different risk
Universitäts-Krankenhaus
Hamburg-Eppendorf
Medikamente mit sedierender factors, we performed a post
ZGG 218
pressure sores within six months compared to 100 controls with in cases than controls.
until 14 days before death. Conse- 27 pressure sores grade ≤ 2 and A high degree of disablement
cutive cases with pressure sores maximal risk as assessed by the and immobility, in particular, are
grade ≥ 3 and potential controls at Norton scale. The mean age was risk factors for high-grade pressure
comparably high risk for pressure 86 years, 80% were females, 86% sores in frail older high-risk per-
sores were examined before cre- were bedridden, and cachexia was sons. Sedative drug effects and
mation. After written informed found in 66%. The cases were more impaired patient compliance with
consent had been obtained by the often seriously disabled, had more preventive and therapeutic mea-
next relatives, all available nursing often contractions of joints, and sures may also be associated with
and medical records of the de- were on more drugs with intended the development of high-grade
ceased were thoroughly evaluated. or unwanted depressive/sedative pressure sores in old persons at
Cases and controls were matched effects (neuroleptics, benzodiaze- high risk.
according to age, gender, immo- pines, centrally acting analgesics).
bility, and cachexia. Patient’s impaired ability or low n Key words
A total of 100 cases with intention to comply/cooperate with High-grade pressure sores –
71 pressure sores grade 3 and preventive and/or therapeutic high-risk frail old pesons –
29 pressure sores grade 4 were measures was more often recorded post mortem case-control-study
Tab. 1 Dekubitalulzera bei 100 Personen der Fall- und 100 Personen der Kon-
trollgruppe, Grad und Stadium a
Ergebnisse
Grad N Stadium 1 Stadium 2 Stadium 3
Es handelte sich um 100 Fälle und 100 Kontrollen 4 29 – 1 28
im mittleren Alter von 85,7 ± 8,3 Jahren, 80% Frauen, 3 71 9 24 33
86% waren bettlägerig und 66% kachektisch. Die 2 23 18 4 –
häufigsten medizinischen Diagnosen in absteigender <2 73 – – –
200 27 29 61
Häufigkeit betrafen kardiovaskuläre Diagnosen (IX)
23,7%, das Nervensystem (VI) 13,9%, muskuloskelet- a
Einteilung nach Seiler (1993); in 10 Fällen waren der Dokumentation keine
tales System (XII) 13,9%, psychiatrische Erkrankun- Angaben über das Stadium zu entnehmen
84 Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, Band 37, Heft 2 (2004)
© Steinkopff Verlag 2004
Tab. 2 Risikofaktoren für höhergradige Dekubitalulzera bei 100 Personen der Die eingeschränkte Möglichkeit zur Kooperation
Fall- und 100 Personen der Kontrollgruppe (Matching-Variablen: Alter, Ge- oder geringe Intention zur Compliance mit präventi-
schlecht, Immobilität und Kachexie)
ven und/oder therapeutischen Maßnahmen der De-
Faktor Fallgruppe % Kontrollgruppe % p-Wert kubitusversorgung ist unseres Wissens bislang noch
nicht speziell untersucht worden. Neben der Compli-
Pflegestufe III 1 51,0 33,0 0,010 ance professionell Pflegender mit Evidenz basierten
(n = 198) Prinzipien der Prävention und Behandlung von De-
Gelenkkontrakturen 44,0 28,0 0,018 kubitus sind jedoch bei einer Gesamtbetrachtung
Periphere arterielle 19,0 7,0 0,012 Aspekte der Patienten-Kooperation ebenfalls bedeut-
Verschlusskrankheit sam [16]. Dies sollte u. E. Berücksichtigung finden,
Eingeschränkte 89,0 76,0 0,016 wenn es um die Frage der generellen Vermeidbarkeit
Patienten-Kooperation/ von Dekubitalulzera geht.
Compliance Die Exposition der Untersuchten mit Arzneimit-
Medikamente mit 71,0 56,0 0,028 teln, gekennzeichnet durch hohe Prävalenz von Mul-
sedierender Wirkung timedikation, war vergleichsweise mit kürzlich veröf-
Lagerungs-Intervall fentlichten Daten bemerkenswert ausgeprägt [14, 20].
Tags > 4 h (n = 192) 21,0 34,0 0,035 Die mögliche Bedeutung medikamentöser Einflüsse
Nachts > 4 h (n = 191) 36,0 48,0 n. s. auf die Entstehung von Dekubitalulzera ist erstaunli-
1
Gemäß MDK-Gutachten cherweise bislang kaum untersucht worden [13, 18],
und publizierte Daten sind widersprüchlich. Die Er-
gebnisse unserer Untersuchung schließen einen
Wirkung erhalten, insbesondere Neuroleptika, Ben- möglichen Einfluss von Arzneimitteln mit zentral-
zodiazepine und zentral wirkende Analgetika. Außer- nervös sedierender Wirkung, erwünscht oder un-
dem fanden sich bei diesen häufiger dokumentierte erwünscht, zumindest nicht aus. Die von uns zusätz-
Hinweise auf beeinträchtigte Kooperation bzw. Com- lich durchgeführte Analyse erbrachte keinen Hinweis
pliance für präventive/therapeutische Maßnahmen. für einen denkbaren Zusammenhang zwischen der
Unterschiede bezüglich Maßnahmen zur Verbes- Applikation dieser Medikamente und eingeschränk-
serung der Flüssigkeitszufuhr und der Gabe von ter Patienten-Kooperation/Compliance.
Nahrungssupplementen fanden sich nicht. Der Ein- Der Befund, dass für die Kontrollpersonen und
satz von Hilfsmitteln sowie die Häufigkeit dokumen- nicht, wie vielleicht zu vermuten, für die Personen
tierter Lagerungspläne unterschied sich nicht. Tat- der Fallgruppe häufiger Lagerungsintervalle von
sächlich waren bei mehr Personen der Kontrollgrup- über vier Stunden Dauer dokumentiert waren, ist
pe Lagerungsintervalle von über vier Stunden Dauer keineswegs unplausibel. Er könnte hingegen die An-
während des Tages dokumentiert als bei den Per- nahme stützen, dass trotz adäquater Versorgung bei
sonen der Fallgruppe. Hochrisiko-Personen höhergradige Dekubitalulzera
auftreten können. Freilich ist zu bedenken, dass es
sich um eine retrospektive Untersuchung handelt, als
Diskussion deren bedeutsamer Vorteil gegenüber vielen Studien
allerdings die Kontrolle wichtiger Risikofaktoren an-
Nicht völlig unerwartet erwiesen sich nur wenige geführt werden kann.
der erhobenen klinischen Merkmale und Versor- Als Schlussfolgerungen regen wir an, dass in
gungsparameter als signifikant unterschiedlich zwi- zukünftigen prospektiven Untersuchungen zur Häu-
schen Personen der Fall- und Kontrollgruppe, da es figkeit bzw. dem Neuauftreten und zur Prävention
sich bei allen Untersuchten um Hochrisiko-Patienten sowie Behandlung von Dekubitus mögliche Einflüsse
handelte. Es bestätigte sich jedoch, dass Schwerst- medikamentöser Behandlung als auch Aspekte der
pflegebedürftigkeit, also ausgeprägteste funktionelle Fähigkeit zur Kooperation bzw. der Betroffenen-
Einschränkung, insbesondere der Mobilität, ein ent- Compliance speziell mit präventiven und therapeuti-
scheidender Risikofaktor für höhergradigen Dekubi- schen Maßnahmen berücksichtigt werden sollten.
tus ist. Als Zeichen des höchsten Grades von Immo-
bilität (Bettlägerigkeit) fanden sich bei den Betroffe-
nen häufiger Gelenkkontrakturen. Die einzige medi-
n Danksagung Wir danken den Mitarbeitern des Instituts für
zinische Diagnose, periphere arterielle Verschluss- Medizinische Biometrie und Epidemiologie (Direktor: Prof. Dr. J.
krankheit, insgesamt selten, war ebenfalls häufiger Berger) am Universitäts-Krankenhaus Hamburg-Eppendorf für
bei Fällen dokumentiert. ihre Unterstützung.
W. von Renteln-Kruse 85
Höhergradige Dekubitalulzera bei betagten pflegebedürftigen Hochrisiko-Personen
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