Sie sind auf Seite 1von 19

Das einfache Lager.

Zunächst sind wir genötigt, die Tatsache, daß 1) das


halbe Doppel- und das einlache Lager im Inhalt und Um-
f a n g einander g l e i c h sind, 2) das einfache genau so wie
das halbe Doppellager ein „ g l e i c h s e i t i g e s Viereck" (Tetpa-
•fujvov icÖTrXtupov) d. h. ein Quadrat ist, kräftig zu unter-
streichen gegenüber Marquardt in seinen jüngeren Jahren
und Planer, die beide diese Tatsache, obwohl sich ihnen aus
Polyb. YI 31, 10 (TÖ cufiirav c x ^ A TITVTTAI Tf|c CTparo-
TTtöeiac T€Tpdrru)vov icoirXeupov) und 32, 6—8 hätte bekannt
sein müssen, nicht beachteten und darum von vornherein
bei ihrem Versuche, das einfache Lager zu zeichnen, scheitern
mußten.
Polybius sagt VI 32, 8, im e i n f a c h e n Lager lege man
TT|V I>' dtopäv (forum) Kai TÖ Tanteiov (quaestonum) Kai TÖ
CTponriTiov (praetorium) necov . . . TIIIV buoiv CTpaTOireöuuv
(legionum), und rechnet, wie das an sich schon selbstver-
ständlich ist und zu allem Überfluß indirekt aus Polyb.
VI 31, 2—3 klar hervorgeht, zu dem, was „mitten zwischen
die 2 L e g i o n e n " (vgl. Tafel 1) zu legen ist, auch die
Plätze der diröXeicroi (delecti, evocati) zu Fuß und zu Roß,
da sonst die delecti nicht CUVCTTUC TܻV uTrctTwv (VI 31, 2),
nicht in dem der cohors praetoria entsprechenden Räume
kampieren könnten. Daß beide, Planer und Marquardt (1853),
dies nicht beachteten, war gleichfalls ein Grund, weshalb
beide das einfache Lager zweckmäßig zu zeichnen außer-
stande waren.
In krassem Widerspruch mit Polyb. VI 31, 2—9 und
besonders § 4 und 9, Stellen, die an sich nicht im mindesten
zweideutig sind, legt Nissen (Novaesium S. 32) in die Streifen,
in welchen die delecti lagern, noch auxüia, d. h. minder-
wertige Truppen hinein. Solche Ansichten werfen nur Steine
auf den zur Erkenntnis führenden Weg.

Unauthenticated
Download Date | 11/18/19 10:31 AM
— 87 —

Aus Polyb. YI 28, 3—5: T>TV£TAI T « P TÖ 8Xov CXFIFIA


xai TF]C crifiaiac Kai TWV oüXaiauiv T€Tpärujvov. TOÖTO bi.
ßXenei M^V de TOTE btöbouc, TX ^ TÖ jiev fxf^Koc wpiqidvov
€L

TÖ irapa TT|V biobov • I C N Y<*P ¿KÜTÖV nobdiv • J J C b' ¿TRI TÖ


TTOXÜ Kai TÖ ßaOoc icov netpwvxai noieiv, NXF|v TÜLIV CUPFIAXUJV.
ÖTav bk TOIC peiZoci CTpaiontboic xpwvTai, T ° KOTO XÖTOV
xai TU) M^KEI Kai TOI ßadet irpocnOeaci geht nicht, wie Planer
und Marquardt (1853) angenommen haben, hervor, daß die
„Länge" (jiijKoc), d. h. die zur Zehnerseite senkrechte Richtung,
der einzelnen 10 Manipel- oder Turmenstreifen (Tafel 2),
die allerdings im halben Doppellager 100' beträgt, auch
soviel Fuß im einfachen Lager betragen müsse, sondern
klipp und klar nur folgendes: 1) daß die einzelnen Lager-
streifen der Manipel und Türmen „Rechtecke" — von
^Quadrat" spricht Polybius nicht — sind, 2) daß die
„Länge n", ÖTO v bi TOTC (ieiioici arpaTOTrebotc xp WVTOI, wechseln,
d. h. nicht 100', sondern sogar mehr betragen können und
3) daß die „Längen", man mag für sie ein Maß nehmen,
welches man wolle, einander — das ist der springende
Punkt — gleich sein müssen, während die B r e i t e n der
Streifen der einzelnen Truppengattungen je nach deren Stärke
verschieden sein können. Polybius hat nun sicher seinen
Lesern so viel mathematisches Verständnis dafür zugetraut,
daß, wenn praetorium, forum, quaestorium und delecti zwischen
die zwei Legionen gelegt werden, dann, da j a die Quadrate
des einfachen und des halben Doppellagers einander
gleich sind, die Streifen, in denen die zwei Legionen mit
den ordentlichen Bundesgenossen lagern, im einfachen
Lager länger und schmäler werden müssen als im halben
Doppellager. Daher kann die immer je 120 Fußsoldaten oder
je 30 Reiter fassende Grundform (cxnfia), die im Doppellager
ein Quadrat von IOC x 100' ist, im einfachen nur ein
Rechteck sein1). Die Aufgabe desjenigen, welcher nach

>) Planer und Marquardt (in Beckers Handbuch) sind außerstande,


das einfache und das halbe Doppellager als an Flächeninhalt ein-
ander gleiche Quadrate, überhaupt beide Lager als Quadrate zu
zeichnen. Marquardt zeichnet das halbe Doppellager als ein Rechteck
von 2400* X 2600', das einfache Lager als ein Quadrat von 2600' X 2600* i

Unauthenticated
Download Date | 11/18/19 10:31 AM
— 88 —

den Andeutungen des Polybius das einfache Lager zeichnen


will, besteht nun darin, das Quadrat von 100' x 100' in ein
z w e c k m ä ß i g e s Rechteck von g l e i c h e m Flächeninhalt
zu verwandeln. Wir wollen den Leser mit langweiligen
Berechnungen nicht ermüden, sondern ihm schlicht und
recht das Resultat geben. Die „Grundform" kann nur ein
Rechteck sein von 125' Länge und 80' Tiefe (Breite), genau
desselben Inhalts wie das Quadrat von 100' x 100'. Wer daran
zweifelt, der probiere selber, er wird bald in die „Brüche"
kommen, die der praktische Lagervermesser schwerlich ge-
liebt und angewandt hat Mit unserer „Grundform" sind wir
imstande, das einfache Lager tadellos zu rekonstruieren. Sie
ist — wir sagen es mit Freude — eine Entdeckung.
Wenn wir' sie anwenden, so erhalten wir von der das
Lager von der porta decumana bis zur via principalis in der
Mitte durchschneidenden Linie (Tafel 2) nach rechts und
links bis zum vacuum (iciviuna) folgende Breiten:
2 Hälften des Mittelweges 2 x 20'= 40' statt 2 x 25'= 50'
Legionsreiterei 2 x 80'=160' „ 2 x l 0 0 ' = 2 0 0 '
Triarii 2x 4 0 ' = 80' „ 2x 50'=100'
Weg 2 x 40'= 80' „ 2x 50'= 100'
Principes u. Hastati 2 x 160'=320' „ 2 x 200'=400'
Weg 2 x 40'= 80' „ 2 x 50'=100'
OrdenÜ. Bundesgenossen 2 x 3 6 0 ' = 7 20' „ 2x450'=900'
In Summa 2 x 740'=1480' „ 2 x 925=1850'
Planer dagegen das einfache Lager als ein Rechteck von 2310' X 2610'.
Beide begehen den Fehler, die L ä n g e der Manipelstreifen von 100'
im halben Doppellager a u c h im e i n f a c h e n beizubehalten, und daran
m u ß t e ihr Bemühen, das einfache Lager zu rekonstruieren, scheitern.
Beide legen nur praetorium und quaestorium o h n e die delecti (ablecti wie
Planer sagt) zwischen die Legionen und erhalten zwischen den beiden
Streifen der delecti einen großen leeren Raum. Diesen Raum läßt Planer
unbesetzt, so daß in Planers Zeichnung die ganze Unnatur der Re-
konstruktion am klarsten zutage tritt, Marquardt füllt den Raum
zwischen den delecti mit auxilia, m i n d e r w e r t i g e n Truppen, so
daß zwar für das Auge alles gefüllt und besetzt aussieht und der
Fehler scheinbar verdeckt ist, für den Verstand aber sichtbar ist, daß
die cohors praetoria degradiert und durch auxilia ersetzt ist, was
natürlich ein militärischer Unsinn ist Unser Urteil ist daher berechtigt,
Planers und Marquardts Zeichnungen Mißgeburten zu nennen.

Unauthenticated
Download Date | 11/18/19 10:31 AM
— 89 —

und folgende L ä n g e aller dieser Streifen: 6 2 5 ' + 5 0 ' (via


quintana) + 625' = 1300' statt 5 0 0 ' + 5 0 ' + 5 0 0 ' = 1050'.
Es wird also zwischen den Legionsreitern ein Rechteck
von 1850'—1480' = 370' Breite und 1300' Länge frei, das
einen Flächeninhalt hat von 481000 Quadratfuß. "Wenn wir
in diesem Rechteck das Stück, das die via quintana einnimmt,
d. h. 50' x 370' = 18500 Quadratfuß, wir natürlich unberück-
sichtigt lassen und 18500' von 481000' abziehen, so erhalten
wir als Rest 462 500 Quadratfuß oder mathematisch genau
soviel Quadratfuß, wie der delecti, praetorium und quaestorium
fassende Streifen in dem Falle enthält, wenn wir die Hälfte
der im halben Doppellager zwischen delecti und auxüia
laufenden Straße, die ja nur des Hauptquartiers wegen die
außerordentliche Breite von 100' bekommen hat, noch
dazu nehmen. 1850'x ( 2 0 0 ' + 50') ergeben genau 462 500
Quadratfuß.
Im einfachen Lager liegen jetzt nicht mehr neben,
sondern hinter einander zwischen den Legionsreitern in der
Richtung von der porta praetoria zur decumana hin 1) das
praetorium (sc. forum), 2) das praetorium (sc. tabernaculum),
3) via quintana, 4) das quaestorium (sc. forum) und 5) das
quaestorium (sc. tabernaculum) zwischen den letzten (lO^")
Reiterturmen ganz in der Nähe der porta decumana (vgl. oben
S. 64 ff. und Tafel 2).
Das praetorium (sc. tabernaculum), jetzt kein Quadrat
mehr, sondern ein Rechteck von 160' Breite und 250' Länge,
stößt mit seiner Rückseite an die via quintana und liegt
genau zwischen den 4 ten und 5 t e n Türmen rechts und links 1 ).
Die Tatsache, daß im halben Doppellager das quaestoHum
mit seinem forum, d. h. das quaestorium im weiteren Sinne, an
Raum um 8/ai kleiner ist als das praetorium mit seinem forum,
d. h. praetorium im weiteren Sinne, ist ein Fingerzeig, daß
wir der Elite, die zu beiden Seiten des praetorium und

') Nissens Einfall (Tempi. S. 46), „daß der Umfang des Prätoriums
von 800' genau demjenigen des Capitolinischen Jupitertempels ent-
spricht, dessen Grundriß j a auch nur unbedeutend von einem Quadrat
abweicht" (Dion. IV 61), beweist nichts dagegen. Jedenfalls ist im
Hyginschen Lager das praetorium kein Quadrat.

Unauthenticated
Download Date | 11/18/19 10:31 AM
— 90 —

quaestorium liegen soll, um den Raum des quaestorium, das sonst


den gleichen Raum wie das praetorium hätte, zu verringern,
dagegen den des praetorium zu vergrößern, hinter der via
quintana breitere Lagerstreifen geben müssen als nach vorn.
Ganz ähnlich ist es im Hyginschen Lager; quaestorium, sagt
Hygin. de munit castr. c. 18, minore esse debet latitudine
quam praetorium. Durch Berechnung habe ich ermittelt, daß
die Elitestreifen rechts und links vom praetorium je 40' + 1 2 '
= 52', rechts und links vom quaestorium je 4 0 ' + 6 8 ' = 108'
breit sein müssen. 40' dieser Streifen entfallen auf die Elite-
reiter, die 12' bezw. 68' auf die Elite zu Fuß (delecti, evocati).
Die Elite zu Pferd und zu Fuß lagert neben einander wie
die Legionsreiter und die triarii in der Art, daß die Elite
zu Pferde genau wie im halben Doppellager direkt neben
praetorium und quaestorium kampiert.
Das quaestorium forum vor dem quaestorium tabernaculum,
mit diesem zusammen das quaestorium (rameiov) im weiteren
Sinne bildend, hängt mit dem Stück der „Fünferstraße" (via
quintana) eng zusammen und verwächst mit ihr zum eigent-
lichen Markt- und Handelsplatz des Lagers (vgl. oben S. 71
und Tafel 2), wie das eben nur im einfachen Lager mög-
lich ist.
Das forum (sc. praetorium) vor dem praetorium (sc. taber-
naculum) ist mit diesem zusammen schlechthin das praetorium
im weiteren Sinne. Und wiederum ist nicht das halbe Doppel-
lager, weil hier forum und via principalis, auch nach
den an ihr entlang lagernden prindpia, d. h. den höheren Offi-
zieren, kurz prindpia genannt, nicht zusammenhängen, sondern
nur das einfache Lager, wenn in ihm das praetorium zwischen
die Legionen eingeschoben ist, imstande uns Stellen zu ver-
anschaulichen, wie Liv. VII 12: nec in circulis modo fremere,
sed iam in principiis (= viaprineipalt) acpraetorio (sc. foro)
in unum sermones confundi atque in contionis (auf dem forum
versammelt sich die contio) magnitudinem crescere und Liv.
XXVILl 25, 5: Circumeuntes enim tentoria primo, deinde in
principiis praetorioque, ubi sermones inter se serentium
circulos vidissent, cdloquebantnr. Allerdings bezieht sich Liv.
VII 12 auf ein diktatorisches Lager, aber dieses ist nach

Unauthenticated
Download Date | 11/18/19 10:31 AM
— 91 —

den Prinzipien des einfachen Lagers angelegt1), denn das


diktatorische Heer ist und bleibt, obgleich es so stark ist
wie zwei konsularische Heere, ein Heer, in dessen Lager
sich nur ein praetor, nämlich der Diktator, und nur ein
praetorium befindet, wenn es ein Doppelheer wäre, dann
hätten z. 6. Jfabius und Minucius sicherlich nicht nötig ge-
habt, tU legiones, sicut consulibus mos esset, inter se dividerent
(Liv. X X I I 27, 10).
Daß das praetorium (tabernaculum) im einfachen Lager,
1125' vom Niedertor (porta praetotia) und nur 875 vom
Obertor (porta decumana) und je 1045' von der rechten
und linken Wallseite entfernt, die eic cuvoipiv äfia Kai iraporr-
teXiav (Polyb. VI 27, 1) geeignetste Stelle einnimmt, brauche
ich nicht weiter zu betonen. Aus der Anlage des Doppel-
lagers leuchtet das Bestreben hervor, die zwei Prätorien und
die zwei Hauptquartiere den beiden Konsulu möglichst nahe
einander und in die Mitte des ganzen Doppellagers zu legen.
Im Doppellager sind die praetoria 1300' von einander, und
jedes praetorium ist von seiner porta decumana, die im halben
Doppellager Front- oder Niedertor ist, 140(y entfernt. Wenn
zwei einfache Lager mit ihren Bückseiten aneinander gereiht
worden wären, so würden die praetoria 2150' = 430 passus
- 636,4 m statt 1300' = 260 passus = 384,8 m auseinander
gelegen und die beiden Quästoren mindestens 3950' = 790
passus = 1,169 km statt 0,384 km Weg zu einander gehabt
haben. Hieraus ersieht man schon, daß die praktischen Römer
praktischen Rücksichten folgten, wenn sie das halbe Doppel-
lager anders ordneten als das einfache Lager.
Auf Hygin. § 11 sich berufend, läßt Marquardt im halben
Doppellager, das er in seiner „Kömischen Staatsverwaltung"
als das einfache ausgibt, „das augurale oder auguratoriumil

') Es ist ein Quadrat, von dem jede Seite 3180' lang ist. Zwischen
via principalis und porta decumana (vgl. Tafel 2) lagern 4 Legionen
und die Hälfte der ordentlichen Bundesgenossen, deren Lagerstreifen
so lang sind wie im einfachen Lager, nämlich 626' + 626' = 1260',
die andere Hälfte der Bundesgenossen rechts und links im Vorderteil.
Diese Andeutung mag für denjenigen genügen, der Lust hat, das dikta-
torische Lager zu zeichnen. Es ist gut ausführbar.

Unauthenticated
Download Date | 11/18/19 10:31 AM
— 92 —

„an der rechten Seite des Praetoriums, dem Quaestorium


gegenüber", das tribunal „an der linken desselben, nach
dem forum hin, auf welchem die contio gehalten wurde",
liegen (Rom. Staatsverw. Bd. II S. 3 9 8 1 = 2 . Aufl. S. 412) und
setzt die ara in die Mitte der via principalis „auf der Front-
seite des Praetoriums" statt, wie eher zu erwarten, ins forum
neben dem praetorium. In Hygins Worten: parte dextra
praetorii ad viam prinzipalem sucht er das störende ad viam
principalem mit der Bemerkung zu beseitigen, das sei „in-
dessen weder für das Lager des Polybius maßgebend, noch
übereinstimmend mit Tac. ann. 2, 13, welche Stelle lehre,
daß das augurale nicht auf die große Straße [gemeint via
principalis] und die Wachposten" geführt habe. Wie gründ-
lich er das Wort augurale (vgl. Tac. ann. II 13 und X Y
30 mit Quint VIII 2, 8, welche Stelle Marquardt unbekannt
ist), das praetorium, nicht auguratorium bedeutet, mißver-
standen hat, das soll unten (vgl. Lager Hygins) noch genauer
gezeigt werden. Über die Lage der ara, des auguratorium
und des tribunal äußert sich Polybius überhaupt nicht. Die
beste Widerlegung Marquardts ist unsere Zeichnung des
einfachen Lagers, die sofort erkennen läßt, daß Hygin § 11
nur auf diejenige Polybianische Lagerform übertragbar ist,
in der das praetorium zwischen den zwei Legionen liegt.
Wo im halben Doppellager ara, auguratorium und tribunal
gestanden, wissen wir nicht, können es nur vermuten: Das
tribunal hat ohne Frage neben dem praetorium im forum,
die ara ebenfalls im forum, wo das Heer vom Feldherrn
angeredet und für es geopfert wurde, gestanden, ob rechts
oder links neben dein praetorium, ist nicht zu entscheiden,
ebenso ist es nicht zu entscheiden, wo im halben Doppellager
das auguratorium gelegen habe.
Im halben Doppellager liegt der 50' breite und 400'
lange Zeltstreifen der Tribunen jeder Legion parallel und
genau gegenüber der „Breite" (Tiefe) ihrer Legion, nur ge-
schieden durch die via principalis, so daß er, an die Legion
herangeschoben, sich mit deren „Breite" deckt Marquardt
tut recht daran, wenn er in der Längsfortsetzung der zwei
Tribunenstreifen nach dem Walle hin die praefecti socium

Unauthenticated
Download Date | 11/18/19 10:31 AM
— 93 —

u n d die legati unterbringt Dort kampieren die praefecti


socium gegenüber den Truppen, deren Kommandanten sie
sind, und dort haben die legati, die in enger Beziehung zum
Konsul (Liv. V m 32, 14; 33, 1—2; 35, 10; 36, 6; X 35, 16;
XXY 34, 8 usw.), a u c h z u r Elite (dekcti) in irgend welcher
Beziehung stehen, eine ihres hohen Ranges (Liv. YIII 34,
7—8; IX 5, 4 und 9, 8) würdige Stelle z w i s c h e n d e n
B u n d e s g e n o s s e n , über die oder deren Teile sie bisweilen
das Kommando führen, u n d d e r E l i t e in der Nähe der
Legion und nicht zu fern vom praetorium. Die legati anders-
wohin, z. B. mitten auf das forum zu legen, wie Lübker 1 )
(Reallexikon des class. Alterthums für Gymnasien. 5. Aufl.
Leipzig 1877 unter castra) es tut, das ist ein Verfahren, das,
weil Polybius über die Legatenzelte nicht berichtet, nur dem
Wunsche entsprungen ist, die legati halt irgendwo schlafen
zu lassen, aber den Zweck des forum wie besonders Polyb.
VI 32, 4 gänzlich mißachtet. Im e i n f a c h e n Lager müssen
die legati, wenn sie in der Nähe der E l i t e und vom prae-
torium nicht weiter entfernt als im halben Doppellager bleiben
sollen, statt rechts bzw. links jetzt, zur praetoria porta hin-
gesehen, links bzw. rechts von den Tribunen an der via
praetoria (Tafel 2) ihre Zelte aufschlagen. Ähnlich ist
ihre Stelle im Hyginschen Lager. Wir geben jedem der zwei
Streifen der praefecti socium, weil, obschon die Zahl der
praefecti socium nur halb so groß ist wie der tribuni, die
bundesgenössischen quaestores (jaicöoöOTai) usw. auch irgend-
wo untergebracht sein wollen, je 400', direkt daneben jedem
der zwei Tribunenstreifen je 400' Länge, so daß für jeden
der zwei legati je 100' übrig bleiben. Wie in den 400' jedes
der zwei Tribunenstreifen (Polyb. VI 27, 7: dqpecTÖci b'
Ä X X I I X W V M ^ V icov ai TÜUV X ' ^ P X ^ V CKNVAI, TOCOUTOV BK
TOTTOV ÜJCT6 TTCtp' 8X0V TO TlXaTOC de! TOIV 'Poi^aiKlIlV CTpaTO-

') Lübker, der wie Marquardt im halben Doppellager das einfache


sieht, schiebt a. O. ohne jeden ersichtlichen Grund zwischen tribuni
und deleeti (evoeati) eine Straße von 60' Breite ein und rückt in klarem
Widerspruch mit Polybius VI 27, 6 usw. die Tribunenstreifen von der
Mittelstraße 200' weiter zurück nach dem Wall hin, nur um, da er
das forum praetorium durch die Legatenzelte besetzt hat, ein neues
forum herauszukonstruieren.

Unauthenticated
Download Date | 11/18/19 10:31 AM
— 94 —

Trebiuv 7tapr|Ketv) die A b s t ä n d e der Tribunenzelte von ein-


ander und in den 50' der Breite der Tribunenstreifen eben-
falls Kommunikationswegräume mitenthalten sind, so ist das
natürlich auch der Fall bei den Streifen der praefecti socium
und legati, es ist daher n i c h t nötig, zwischen tribuni und
praefecti, tribuni und legati und praefecti und delecti noch
b e s o n d e r e D u r c h g ä n g e und Wege einzuzeichnenx). Leider
wissen wir nicht, wie groß die Zelte der Tribunen, Legaten usw.
waren, es ist daher nicht möglich, durch Zeichnung die
trennenden Wege zu markieren.
Nach Hygin. de munit. castr. § 54 sind die Lagerecken
abgerundet, wodurch der tote Winkel, d. h. der Winkel, in
dem die Verteidigung unwirksam wird, sozusagen stirbt,
beseitigt wird, und die Lagertore durch sogenannte clavi-
culae (vgl. unten) geschützt. Das Gleiche ist, wennschon
Polybius nichts darüber berichtet, auch in dessen Lager
anzunehmen, weil es in der Natur der Sache nur zu sehr
begründet ist, daß man schon in den Anfängen des Lager-
wesens auf Mittel sann, die verwundbarsten Stellen des Lagers
zu schützen.
Im Lager des Polybius muß es, wennschon er hierüber,
wie über vieles andere, was (z. B. die Namen der Tore, die
Zelte der Legaten, Präfekten usw.) doch zu seiner Zeit vor-
handen war, rein gar nichts sagt, dennoch ebenfalls eine
Art via sagularis gegeben haben, ähnlich wie im Hyginschen
Lager. Dies wird sich als sehr wahrscheinlich herausstellen
durch die Antwort, die wir geben auf die Frage:

Wo kampieren die Leichtbewaffneten (velites)?


Von Schneider und von Domaszewski wird zwar die
Ansicht vertreten, daß die velites bei ihren Manipeln gelagert
hätten, sie ist aber ganz und gar unhaltbar. „Wenn sie"
*) Marquardt verlängert die beiden hastati und ordentliche bundes-
genössische Reiter trennenden Wege bis zum vacuum an der Rückseite
des halben Lagers, so daß durch sie die delecti um 50' von den tribuni
wegrücken, statt an sie zu stoßen. Das sieht in der Zeichnung schön
aus und besticht das Auge, steht aber doch in Widerspruch mit Polyb.
VI 31, 2. Warum hat Marquardt nicht auch die beiden principes und
triarii trennenden Straßen verlängert?

Unauthenticated
Download Date | 11/18/19 10:31 AM
— 95 —

(velites), sagt Steinwender (Die Marschordnung des römischen


Heeres. Danzig 1907, S. 8) mit vollem Recht, „und sei es
auch nur während der Nacht, bei ihren Manipeln gelegen
hätten, würde man den Triariern doch nicht halb so viel
Raum gewährt haben, wie den anderen Treffen, da sie dann
in der Legion mit 600 + 400 = 1000 um 200 Köpfe stärker
gewesen wären als die Hälfte der Prinziper und Hastaten
(Polyb. VI 24; 29; 35)." Wiederum sucht Marquardt (Rom.
Staatsverw. Bd. H, S. 396, Anm. 1 = 2 . Aufl., S. 409, Anm. 2),
dem Steinwender a. O. beistimmt, mit vielen Beispielen zu
beweisen, daß die Velites stets sämtlich „außerhalb des
Lagers" kampiert hätten. Es ist indes an sich schon nicht
zu glauben, daß es so verrückte Feldherren gegeben haben
sollte, die eine und dieselbe Trnppenabteilung, auch wenn
sie nichts verbrochen hatte, doch, ohne ihr Schonung und
Erholung zu gönnen, stets in in deren Gesamtheit hätten
ganze Tage, Wochen, ja Monate lang außerhalb des Lagers
kampieren lassen. Zudem beweist Marquardt mit seinen Bei-
spielen nicht das, was er beweisen will, da er, was das
Wichtigste ist, das Lagern in Feindesnähe von dem in Feindes-
ferne n i c h t unterscheidet und zugleich wichtige Stellen falsch
interpretiert So zitiert er zur Stütze seiner Behauptung z. B.
Polyb. VI 35, 5: T ^ V ¿ K T Ö C ¿m<paveiav oi YPOCCPONDXOI
(velites) nXnpoöci [so lesen auch wir mit Marquardt und den
Handschriften, es ist nicht nötig, irXripoöci (besetzen) in nipoöci
(bewachen) zu ändern], irap' ÖXov KAÖ' r)|i€pav TÖV X A P A K A

(= vallum, nicht castra) irapaKoiToövTtc. In dieser Stelle ist


nun f] ¿KTÖC ¿TTupaveia nicht die ganze alle vier Seiten des
Lagerquadrates umfassende Außenseite des Lagers, d. h.
mit andern Worten die Außenseite des ganzen Lagerwalles
(im Gegensatz zu dessen Innenseite), zumal ja im halben
Doppellager, was Marquardt a. O. S. 404 Anm. 1 = 2. Aufl.
417 Anm. 3) bei seiner verkehrten Auffassung von Polyb.
VI 32, 6 nicht erkennen konnte, nicht vier, sondern nur drei
Seiten des Lagerquadrates nach außen liegen können, sondern,
ganz genau wie bei Polyb. VI 27, 6 (if|v ¿KTÖC ¿m<pdveiav,
F| voeicöui KAI KaXeicötu bl KABAIRAI F)NTV ÄEI TOÜ TTOVTÖC
CXRMATOC K O T O T T P Ö C U J T T O V ) , die Front- und als solche nach

Unauthenticated
Download Date | 11/18/19 10:31 AM
— 96 —

außen gekehrte Seite im Gegensatz zu den zwei Seitenseiten


(ai ¿K TUJV irXcrpujv ¿Tnqpaveiai; vgl Polyb. VI 30, 4; 31, 2;
32, 5) and der im Innern oder in der Mitte des Doppellagers
befindlichen Böckseite (Polyb. VI 31, 8: fi ömcöev ¿iriqxivcia;
vgl. damit 32, 6) des halben Doppellagers. Wer die Front-
oder Außenseite des Lagers besetzt, der braucht noch nicht
die Außenseite des die Frontseite einnehmenden Walles zu
besetzen, er kann trotzdem auf der Innenseite des Walles
kampieren und doch zugleich die Außenseite des Lagers be-
setzend genannt werden. Während im einfachen bzw. im
ganzen Doppellager die 2 bzw. die 4 Legionen die Vorder-
und Rückseite, die ordentlichen Bundesgenossen zu Fuß rechte
und linke Seite des Lagers mit Wall und Graben versehen
(Polyb. VI 34, 1) und dementsprechend jene wie diese den
von ihnen verschanzten Teil durch ihre velites (römische und
bundesgenössische, velites nennen wir der Kürze halber auch
die den römischen velites entsprechenden Bundesgenossen)
bewachen, haben im halben Doppellager die xP°c<po^idxot,
d. h. die römischen velites vor den bundesgenössischen den
Vorteil voraus, daß sie, da ja die Notwendigkeit wegfällt, in
der Mitte des Doppellagers zwischen den zwei konsularischen
Heeren Wall und Graben anzulegen und sie zu bewachen,
in der Tat nur die sogen. Frontseite des halben Doppellagers
zu „besetzen" (nXtipouci) brauchen. In welcher Weise dieses
„Besetzen" geschah, sagt Polybius leider nicht, doch läßt es sich
indirekt ermitteln. Die Worte TR)v b' ¿KTÖC ¿mcpriveiav . . T T X T I -
poüci . . . TÖV X Ä P A X A TrapaKOiToövxec entsprechen sachlich
genau den Hyginschen: ad vattum tendere debent, ut opus
valli tueantur [vgl. Hygin. c. 2: Legiones, quoniam sunt müitia
provincialis fidelissima, ad vallum tendere debent, ut opus
valli tueantur et exercitum gentibus imperatum suo numero
corporali in muro teneant, c. 5: tendere debent (sc. vexiUarii)
in praetentura vel latere praetorii, ut dixeram, super cohortes
primas (d. h. intra viam sagidarem, vgl. c. 3 u. 4). Ad Val-
ium, si fieri polest, ideo tendere non debent, quod legatus eorum
pariter non sit, et, si casu ab hoste vallum interruptum fuerit,
legio et legatus eorum per vexülarios factum esse contendet].
Wie bei Hvgin die außerhalb des von der via sagularis

Unauthenticated
Download Date | 11/18/19 10:31 AM
— 97 —

eingeschlossenen Raumes kampierenden Legionskohorten —


es sind 24 von 33 Kohorten bzw. 30 Kohorten, da jede erste
Kohorte Doppelkohorte ist — hauptsächlich deshalb „am Wall
lagern", um diesen zu bewachen und zu schützen, so lagern
bei Polybius die velites am Wall, den Wall entlang, römische
und bundesgenössische velites „um den Wall (nicht um
das Lager) herum" (vgl. Polyb. VI 36, 2: Ttepi TÖV xdpaica),
wobei nicht ausgesprochen ist, ob an der Innen- oder Außen-
seite oder zugleich an beiden Seiten des Walles. Wenn
Polybius wirklich das Kampieren außerhalb des Lagers im
Sinne hat, dann weiß er sich sehr klar und unzweideutig
auszudrücken, wie z. B. YI 38, 3, wo er erzählt, daß der
Tribun Soldaten zur Strafe 2Ew tceXeüei TOU xäpaxoc Kai Trjc
accpaXeiac noiefcöai TT|V TrapcjißoXrjv. Zur Stütze seiner An-
sicht zieht Marquardt a. 0. (S. 396, Anm. 1 = 2. Aufl. 409,
Anm. 2) ferner eine Festusstelle heran, nämlich Fest p. 253 a:
Procubitores dicuntur fere velites, qui noctu custodiae
causa ante castra excubant, cum castra hostium in propinquo
sunt, ut M. Cato in eo, quem de re militari scripsit, ohne zu
merken, daß sie ihn widerlegt oder vielmehr stark berichtigt
Denn aus Festus folgt nicht, daß die velites stets und immer
nachts „außerhalb des Lagers" gelagert hätten, sondern nur
das eine, daß sie ante castra und damit indirekt zugleich
pro castris nachts nur dann excubierten, wenn das feindliche
Lager in der Nähe war, und in diesem Falle procubitores
genannt wurden. Aus Catos Worten darf freilich auch nicht
der Schluß gezogen werden, daß die velites in Feindesferne
sämtlich innerhalb des Walles gelagert haben müßten. Auf
die richtige Fährte lenkt uns Hygin. c. 52: Quotiens cervoli
desunt et est locus suspectior, armorum ordinibus IUI castra
muniunt, ut per singulos ordines vigiliae crebrius ponantur;
et equites alterna vice castra circuire debent. Si in pacato,
solummodo tuendae disciplinae causa unus ordo armorum sufficit,
et vigiliae rarius constituuntur. Aus dieser Stelle, man mag
sie erklären, wie man will, geht doch soviel hervor, daß die
Außenposten in Feindes nähe mindestens viermal so stark
wie in Feindesferne, d. h. im Prinzip in Feindesnähe mehr
Soldaten auf Außenposten gestellt wurden als in Feindes-
s t o l l e , Lager and Heer der Römer. 7

Unauthenticated
Download Date | 11/18/19 10:31 AM
— 98 —

f e r n e . Dieses vernünftige in der Sache nur zu gut begründete


Prinzip hat nicht erst seit Hygin, sondern schon längst vor
ihm (vgl. Tac. ann. II 13: Tertia ferme vigilia adsultatum
est castris, sine coniectu teli, postquam crebras pro munimentis
cohortes et nihil remissum sensere ; Caes. b. civ. I 21 : Ipse in
iis operibus . . . milites disponit, non certis spatiis intermissis,
ut erat superiorum dierum consuetudo, sed perpetuis vigiliis
stationibusque, ut contingant inter se atque omnem munitionem
expleant; Sallust. Jug. c. 45: cotidie castra movere, iuxta oc si.
hostes adessent, vallo et fossa munire, vigilias crebras ponere)
gegolten und selbstverständlich gegolten auch in den Tagen
des alten Cato, des älteren Zeitgenossen des Polybius. Ohne
jede Frage haben nun diejenigen Soldaten, die in Peindes-
ferne Außenposten nicht zu beziehen brauchten, n i c h t außer-
halb des schützenden Walles gelagert. Die Römer verstanden
ihre Soldaten, wenn es nötig war, anzustrengen, sie verstanden
aber auch sie zu schonen. So sagt Polybius z. B. VI 33
von dem Wachdienst der Manipeln, er sei kein schwerer, da
er jeden Manipel nur alle d r e i Tage (irapà Tetaptriv finépav
= quarta quoque die, wie Stephanus, Thesaurus Graecae linguae
Vol. VI p. 200 erklärt, d. h. alle drei Tage, nämlich am 1.,
4., 8. usw. Tage) treffe. Was den Manipeln recht ist, ist den
Velites billig. Auch diese hatten in Feindesferne nur jeden
dritten Tag (am 1., 4., 8. Tage usw.) den schwereren Wachdienst
außerhalb des Walles zu leisten, d. h. in Wirklichkeit standen
in Feindesferne außerhalb des Lagers auf Posten nur 1 /s
oder 4 x 400 = 1600 velites, die übrigen 2 /s oder 4 x 800
= 3200 velites kampierten nicht als procubitores, sondern als
excubitores (vgl. excubare „draußen liegen", im Lager „draußen",
d. h. außerhalb der Zeltplätze liegen) im — Kévwna (Polyb.
VI 31, 11—14). Das Kévu>|uoi oder vacuum ist der leere Raum
zwischen Wall und Zelten (TÒV òè x«PaKCl TUJV <JKJIVUJV dqnc-
TTTCT Kocxà iràcac TÒC èmcpavetac òtaicociouc iróòac), nach seiner
Lage zum Ein- und Ausmarsch der Legionen (rrpoc te ràp
xàc eìcorfuufàc Kai TÒC tEorfurfàc TÜJV CTpaTOTréòuuv) vortrefflich
geeignet, der Raum, in dem das eingebrachte Vieh und die
Beute in sicherer Hut ist, 2 0 0 ' = 59,20 m oder, was das
Wichtigste ist (TÒ òè NEYICTOV), so breit, daß bei nächtlichen

Unauthenticated
Download Date | 11/18/19 10:31 AM
— 99 —

Angriffen weder ein Geschoß noch Feuer mit äußerst seltenen


Ausnahmen bis zu den Zelten reicht (¿v TCUC ¿möececi TCUC
vutcTepivaic ouxe m)p oure ßeXoc ifiKveitai npoc auTouc rcXriv
TeXeujc öXitiuv). Das Polybianische Kevujfxa (vacuum) entspricht
nicht, wie Marquardt u. a. meinen, dem Hyginschen inter-
vallum. Schon längst hätte man sich daran stoßen sollen
und Nissen (Novaesium S. 22) hat sich daran gestoßen, daß
das Polybianische vacuum (KEVIUMO) im Lager Hygins, obwohl
bis zu Hygins Zeit die Fern waffen eine gesteigerte Bedeutung
gefunden hatten, von 200' = 59,20 m Breite auf nur 60' =
17,60 m Breite herabgesunken sein solle. In Wirklichkeit
mißt der dem Polybianischen vacuum entsprechende Raum
bei Hygin 150' vorn und hinten, 180' rechts und links (Tafel
3), denn die 30' breite via sagularis und der vorn und hinten
60', rechts und links 90' breite Streifen der am Wall kam-
pierenden Legionskohorten bilden mit dem intervallum (60')
zusammen das Hyginsche vacuum. Wir unterstreichen ferner
die Tatsache, daß die wichtigste Aufgabe im Lager, nämlich
der Wallschutz, in Polybianischer Zeit ausschließlich
den velites (Polyb. VI 35, 5), in der Hygins ausschließlich
den am Wall zu dessen Schutz lagernden Legionskohorten,
die an die Stelle der in marianischer Zeit eingegangenen
velites getreten sind, obliegt. Die Natur des Wallschutzes
erfordert unbedingt, daß wallschützende Truppen, ganz gleich-
giltig, ob in Feindesnähe oder -ferne, im Lager stets dieselbe
Stelle und zwar in der Nähe des Walles einnehmen, schon
deshalb, weil man nie wissen kann, ob der Feind nahe ist
oder nicht. Was würde wohl für eine Verwirrung entstanden
sein, wenn z. B. die velites, auf feindliche Überraschung nicht
gefaßt, im Falle einer solchen bei ihren verschiedenen Manipeln
innerhalb der Zeltplätze gelagert hätten? Ein kluger Mann
baut vor, das tat auch der praktische Römer, indem er die
verschiedenen Truppenteile dort einlagerte, wo sie ihren be-
sonderen Zweck am besten erfüllen konnten. Dies hat ein
praktischer Militär, wie der Zuavencapitain Masquelez, klar
erkannt, indem er die velites (natürlich in Feindesferne) teils
im vacuum am Wall, teils außerhalb des Walles kampieren
läßt. Nur ist ihm darin nicht beizupflichten, daß gerade die

7*

Unauthenticated
Download Date | 11/18/19 10:31 AM
— 100 —

Hälfte der velites Außenposten bezogen haben solle. In Feindes-


f e r n e stehen im P o l y b i a n i s c h e n Lager, wie oben S. 98
aus Polyb. YI 33 gefolgert worden ist, vielmehr nur ein
Drittel = 1600 velites, d. h. rund ein Y i e r z e h n t e l sämtlicher
Fußtruppen (rund 22 000 Mann, vgl. oben S. 100), ebenso im
H y g i n s c h e n 2304 Legionare, die den 24 am Wall liegenden
Kohorten (Tafel 3) entnommen sind, d. h. ein V i e r z e h n t e l
sämtlicher Fußtruppen (rund 32000 Fußsoldaten), in Feindes-
nähe im P o l y b i a n i s c h e n Lager sämtliche (4800) velites,
wie aus dem Cato-Fragment bei Fest p. 253 a a. O. geschlossen
werden darf, d. h. ein F ü n f t e l bis ein V i e r t e l sämtlicher
Fußtruppen, im H y g i n s c h e n im Verhältnis fast gleich viel,
nämlich 4 x 2304 = 9216 Legionare d. h. ein Viertel bis
ein Drittel sämtlicher Fußtruppen vor dem Walle: Beweis
genug, daß wir mit unserer Ansicht über den Platz der
velites im Lager auf dem richtigen Wege sind. Von diesem
Wege bringen uns nicht ab folgende zwei Einwürfe Mar-
quardts, 1) daß die velites angeblich „im Lager" keinen
Dienst tun (Polyb. VI 33, 8), dagegen aber die äußeren
Torwachen beziehen (VI 35, 5), 2) daß Truppenteile, „welche
der Strafe wegen degradiert, d. h. unter die velites versetzt
wurden", „ebenfalls extra vallum tendere iubebantur (Polyb.
VI 38, 3)". Beide Einwürfe sind nicht stichhaltig. Denn die
velites tun nach Polyb. VI 33 nicht schlechtweg „im Lager",
sondern innerhalb der Zeltplätze keinen Dienst, und die
geringe Stärke der 4 Torwachen (abwechselnd je 10 Mann
an den 4 Toreingängen) spricht sicherlich nicht dafür, daß
sämtliche (4800) velites außerhalb des Walles gelegen haben
müßten. Den zweiten Einwurf gründet er auf Liv. X 4, 4;
Frontin. IV 1, 18, 19 u. 21; Valer. Max. II 7, 15 u. Tac. ann.
XIH 36. Von diesen Stellen sei nur die wichtigste und be-
stechendste herausgegriffen, nämlich Valer. Max. II 7, 15:
cum magnum captivorum suorum numerum a Pyrrho rege vitro
missum recepissent, decreverurd, ut ex iis, qui equo meruerant,
peditum numero militarent, qui pedites fuerant, in funditorum
auxilia transcriberentur neve quis eorum intra castra tenderet,
neve locum extra adsignatum vatto aut fossa cingeret, neve
tentorium ex pellibus haberet. Marquardt hütet sich den

Unauthenticated
Download Date | 11/18/19 10:31 AM
— 101 —

Schluß zu ziehen, daß die (schwerbewaffneten) pedites, d. Ii.


die Triarier, Hastaten usw., ebenso wie die zu pedites de-
gradierten und zum Kampieren vor dem Walle verurteilten
Reiter sämtlich außerhalb des Lagers gelegen hätten, denn
er weiß nur zu gut, daß Vernunft und nackte Tatsachen ihn
widerlegen. Er hätte aber folgerichtig seinen Schluß auch
nicht inbezug auf die velites ziehen dürfen, denn daraus, daß
velites, nicht „die" velites auch außerhalb des "Walles Dienst
tun und zu velites degradierte pedites zur Strafe außerhalb
des sichernden Walles lagern müssen, folgt doch noch keines-
wegs, daß sämtliche velites als solche ihren Platz stets
vor dem Walle gehabt hätten. Wenn das der Fall gewesen
wäre, hätte Valerius Maximus die Worte: neve quis eorum
intra castra tenderet nicht hinzuzufügen brauchen, wenn er
sie aber hinzufügte, dann hatte er gewiß das Gefühl, daß
die Degradation an sich noch nicht die Strafe der Ver-
weisung vor das Lager, die jeden, Offiziere wie Gemeine,
Soldaten höherer und niederer Ordnung, treffen konnte, in
sich schloß. Auch der Begriff Kevuj^a (vacuum) ist für
Marquardt kein Rettungsanker. Denn der Name vacuum für
den 200' breiten Raum zwischen Wall und Zelten ist von
dem wichtigsten Zwecke, dem jener Raum dient, abgezogen,
nämlich dem Zwecke, die Soldaten in den Zelten außer
Schußweite (Polyb. VI 31) ruhen zu lassen. Da nun
dieser Zweck in Feindesferne sinn- und gegenstandslos ist,
so ergibt sich folgerichtig, daß die Form, wie sie das Lager
in Feindesnähe hatte, die Geburt des Namens Kevijufia (vacuum)
verschuldet hat. Als sich dieser Name eingebürgert hatte,
änderte er sich auch dann nicht mehr, wenn sich das Lager
in Feindesferne befand und das vacuum mit Soldaten be-
setzt d. h. nicht leer war. Es bleibt also das Ergebnis be-
stehen, daß in Feindesnähe sämtliche velites, in Feindesferne
dagegen nur Vs velites außerhalb des Walles, die übrigen
sls velites aber im vacuum lagern. Eine andere Frage ist
die, ob im vacuum die velites Zelte gebrauchten. Man möchte
sie bejahen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß im Hygin-
schen Lager die den velites entsprechenden Legionskohorten
unter Zelten lagerten, und man Nissen (Templum S. 84

Unauthenticated
Download Date | 11/18/19 10:31 AM
— 102 —

u. Anm. 2) recht geben könnte, daß das Wort velites „vielleicht


daher" abzuleiten sei, „daß die Yeliten unter Zelten aus
Tuch, nicht aus Fellen campiren mußten, vgL Val. Max. 2, 7.
15 neve quis eorum intra castra tenderet neve locum extra
assignatum vallo aut fotsa cingeret, neve tentorium ex pellibus
haberet", doch stehen dem entgegen die Worte des Polybius
VI 31, die den Wall von den Zelten (TÖV bk XÄPCTKA
TÜJV cicr|vüiv) 200' abstehen lassen. Es werden also die
velites im vaeuum wohl unter freiem Himmel auf Heu, Stroh
oder Schilf usw., bei schlechtem Wetter bei, auf und unter
den Troßwagen in ihrer Kleidung irgendwie ihrem Bedürfnis
nach Buhe und Schlaf genügt und als jüngere und ärmere
Soldaten niederen Ranges den Zeltmangel erträglich gefunden
haben, erträglich zumal auf Kriegsschauplätzen wie in Spanien
und dem Gebiet von Karthago, wo Polybius römisches Lager-
leben näher kennen lernte; dem Polybius mag drum im
vaeuum in der Tat kein Zelt zu Gesicht gekommen sein, wo-
mit indes nicht gesagt ist, daß es immer und überall so
gewesen sein müsse, wie es Polybius beobachtet hat. Sei
dem wie ihm wolle, wichtiger und wesentlicher ist der Um-
stand, daß velites im vaeuum schon deshalb sein müssen, weil
sie auch innerhalb des Walles Arbeit zu leisten hatten.
Im vaeuum war Vieh und Beute untergebracht (Polyb. VI
31, 13), waren untergebracht die Sklaven, die als Troßknechte
(muliones, agasones, Colones) das Yieh besorgten, Treiber-, Fuhr-
und Packträgerdienste leisteten, war Ordnung im Fuhrpark
aufrecht- und der Zugang zum vaeuum wie zum Wall frei-
zuhalten usw. Die Aufsicht über all das mußten Soldaten
haben, und das konnten nur velites sein, die im Gegensatz
zu den nur innerhalb der Zelte beschäftigten Soldaten die
alleinige Aufgabe hatten, den Wall zu bewachen (Polyb. VI 35,5
vgl. mit 33, 8 u. 36, 2). Selbstverständlich durften die Lager-
plätze der velites, wenn das vaeuum npöc TCIC EICAXUJTAC Kai
TÖC ¿£crrurräc TUIV crpaTOTribmv (Polyb. VI 31,12) vortrefflich
geeignet sein sollte, nicht hart an die Zelte, ebenso
wenig aber, da der Troß selbst in Feindesferne doch in
steter Rücksicht auf unerwartete Belästigung durch feind-
liches Geschoß und Feuer (Polyb. VI 31,14) vom Wall möglichst

Unauthenticated
Download Date | 11/18/19 10:31 AM
— 103 —

weit entfernt sein und in steter Rücksicht auf die Möglich-


keit plötzlicher Truppenaufmärsche den Weg ara Wall
frei lassen und zugleich seine ihn bewachenden Soldaten —
den Notfall ausgenommen, wo die velites sämtlich vor den
Wall rückten — nahe bei sich haben mußten, hart an den
Wall anstoßen. Auf diese Weise bildeten sich naturgemäß
im vaeuum drei Streifen: 1) eine Straße zwischen Zelten
und velites, die der Hyginschen via sagularis, 2) der Lager-
platz des Trosses und der velites, der den Hyginschen Zelten
der am Wall spannenden Legionskohorten, und 3) zwischen
velites und Wall ein Raum, der dem Hyginschen intervallum,
vollkommen entspricht. Nun ist der Name der via sagularis
schwerlich erst in der Zeit Hygins aufgetaucht, er ist viel-
mehr sehr alt, wie so viele Namen bei Hygin, z. B. via
praetoria, principalis, decumana, praetorium, usw. Sagularis ist
abgeleitet von sagulum (Caes. b. Gall. V 42, 3; Ael. Lampr.
vit Alex. Sever. c. 54, 3; Tac. hist. II 20 u. V 23), dem De-
minutiv von sagum (Oaes. b. civ. I 75, 3; Liv. ep. LXXII;
Cic. or. Philipp. YI 1, 2; VIII 2, 6; XII 7, 17 usw.). Sagum,
sagulum („Kriegsmantel", „Kriegsmäntelchen") ist der toga
(Obergewand) e n t g e g e n g e s e t z t (Cic. Philipp. XIV 1, 3:
propter unius civis periculum populum Bomanum ad saga isse,
propter eiusdem salutem redisse ad togas vgl. mit § 2: deinde
cras sagati prodeamus? . . . ab eorum aris, ad quas togati
adierimus, ad saga sumenda discedere). Die toga, das alt-
nationale Kleid des Römers (Gell. VI 12, 3: viri autem Bomani
primo quidem sine tunicis toga sola amicti fuerunt), ist das
Sinnbild des Friedens und der Muße (Cic. in Pison. 30,
73: pacis est insigne atque otii toga), bildlich der „Friede"
(Serv. ad Aen. I 1: toga, qua in pace utimur, pro pace ponitur),
togatus ist = inermis (vgl. Tac. hist. I 38: cohors togata; Liv.
III 10, 13: dum domi, dum togati sint); sagum (sagulum) ist
synekdochisch die Gesamtkleidung des Kriegers, der in ihr
sagatus oder sagulatus (Suet. Vitell. c. 11) heißt im Gegensatz
zum togatus, dem waffenlosen Bürger, saga wird statt arma
gesetzt (vgl. z. B. die Wendungen saga sumere Cic. Phil. VI 1,
2, VIII 2, 6, ad saga ire Cic. Phil. XIV 1, 3 mit arma sumere,
ad arma ire und bedeutet, wie arma, so viel wie bellum (vgl.

Unauthenticated
Download Date | 11/18/19 10:31 AM
— 104 —

princeps sagortm Cic. Phil. XII 7, 17 mit belli princeps Cic.


Phil. II 29, 71 u. den "Wendungen saga sumere, arma «untere,
beUum sumere). Via sagularis ist daher die Mantel-, d. h.
Kriegsstraße, die Straße, die von sagulati betreten wird, ein
sehr bezeichnender Name, denn die Mantelstraße scheidet
den Raum, in dem man bei Tage wie bei Nacht stets darauf
gefaßt sein muß, „die Mäntel zu nehmen" (saga sumere), von
dem, in welchem die nicht den Wall bewachenden Soldaten
wenigstens bei Nacht ihre „Mäntel" ablegen dürfen, um zu
schlafen wie ein togatus d. h. ein friedlicher Bürger. In der
Zeichnung haben wir die wahrscheinlichen Lagerplätze der
velites angedeutet, um das Entstehen der via sagularis vor
Augen zu führen 1 ).
Bei Marquardt und Nissen ist rechter Hand linker Hand
alles vertauscht: ala dextra (öe£iöv icepac) in der Feldschlacht
wird, wie das in der Ordnung und Beihe, in der aus dem
gewöhnlichen Lager heraus gegen den Feind marschiert wird,
begründet ist, ala sinistra (eüuivunov icepac) im Lager, was
an der porta principalis dextra lagert, steht in der Schlacht-
ordnung auf dem linken Flügel, oder wenn die extraordinarii,
trotzdem sie, was kein Mensch bestreiten kann, den Ausmarsch
eröffnen, dennoch hinten statt vorn kampieren, dann laufen
eben die Hinteren über die Vorderen hinweg, nur damit sie
die ersten draußen sind, und die Vorderen folgen fluchend
den Hinteren nach. Und an all dieser Verwirrung und
Doppelsinnigkeit ist schuld die Verwechselung des halben
Doppellagers mit dem einfachen. In diesem ist alles einfach
und klar: was rechts im Lager kampiert, steht rechts in der
männermordenden Schlacht, was vorn in der strategischen
Front lagert, das marschiert auch gleich vorn zum Lager
hinaus, und dann folgt ihm, was wirklich hinter ihm seine
Zelte aufgeschlagen hat. Das scheint uns das Vernünftige
und Rechte zu sein.

') Was Steinwender, Der Sicherheitsdienst im römischen Heere


(Ztschr. f. Gymnasialwesen. Berlin 1911. LXV. Jahrgang S. 701—716)
ausführt, vermag unsere Ansicht über das Kampieren der Veliten nicht
umzustoßen.

Unauthenticated
Download Date | 11/18/19 10:31 AM

Das könnte Ihnen auch gefallen