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Universitätsverlag Chemnitz
2013
Impressum
ISBN 978-3-941003-76-7
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:ch1-qucosa-101573
Lastwechselfestigkeit von
Halbleiter-Leistungsmodulen
für den Einsatz in Hybridfahrzeugen
Dissertation
vorgelegt
verteidigt am 11.12.2012
Gutachter:
Prof. Dr.-Ing. Prof. h.c. Josef Lutz
Prof. Dr.-Ing. Andreas Lindemann
Bibliographische Beschreibung
Lastwechselfestigkeit von Halbleiter-Leistungsmodulen für den Einsatz in
Hybridfahrzeugen
Alexander Hensler
Dissertation 2012
Schlagwörter
Hybridfahrzeug, Fahrzeuggetriebe, Halbleiter-Leistungsmodul, Leistungs-
elektronik, Lastwechselfestigkeit, hohe Kühlmitteltemperatur, hohe Sperr-
schichttemperatur, thermische Impedanzspektroskopie, Diffusionslöten,
Niedertemperatur-Verbindungstechnik
Referat
Eine kompakte Integration der Leistungselektronik in einem Fahrzeugge-
triebe des Hybridfahrzeugs stellt hohe Anforderungen an die Lastwechsel-
festigkeit der Halbleiter-Leistungsmodule. Gefordert wird die Auslegung
für die Kühlmitteltemperatur von 125◦ C und für die Sperrschichttempe-
ratur von 200◦ C.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis 9
1 Einleitung 17
1.1 Gründe für Elektro- und Hybridfahrzeuge . . . . . . . . . 17
1.2 Technologische Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . 18
1.3 Gegenstand und Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . 19
A Anhang 143
A.1 Analytische Berechnung der Kalibrierkennlinie . . . . . . 143
A.2 Modell zur Simulation von Fehlermechanismen im Kühlpfad145
Literaturverzeichnis 147
11
körper
Rth thermischer Widerstand, stationärer Wert
s Wärmespeicherzahl; Variable der Laplace-Transformierten
Si Silizium
T Temperatur in ◦ C, K
t Zeit
Tm mittlere Sperrschichttemperatur
Tcase Grundplattentemperatur des Leistungsmoduls
Tj,F ehler absoluter Messfehler in der Sperrschichttemperatur
Tj Sperrschichttemperatur
TKühlmittel,max maximale Kühlmitteltemperatur
TKühlmittel,min minimale Kühlmitteltemperatur
TKühlmittel Kühlmitteltemperatur
Tm,Einsatz Mittlere Sperrschichttemperatur im realen Einsatz
Tm,T est Mittlere Sperrschichttemperatur im Test
Tmax Maximalwert des Temperaturmessbereichs
ton Einschaltzeit im Lastwechselzyklus
Tref Referenztemperatur bei Messung der thermischen Impe-
danz
Tvj,max maximale virtuelle Sperrschichttemperatur im Zyklus
Tvj,min minimale virtuelle Sperrschichttemperatur im Zyklus
Tvj Sperrschichttemperatur gemessen mit VCE (T)-Methode
u Messunsicherheit
UBD Einsatzspannung des Lawinendurchbruchs
Upn Spannungsabfall am pn-Übergang
US Schleusenspannung der Durchlasskennlinie
UZK Zwischenkreisspannung
V Sperrspannungsklasse in CIPS2008-Gleichung (in 1/100V)
VCE , VCEsat Durchlassspannung am Leistungsbauelement
VDC Zwischenkreisspannung im Wechselrichter
Vf Durchlassspannung der Diode
wB Basisweite im Leistungshalbleiterbauelement
WG Bandlücke
x logarithmische Zeitachse
z Messwerte der thermischen Impedanz als Vektor
Zth,abkühl thermische Impedanz als Abkühlkurve
Zth,auf heiz thermische Impedanz als Aufheizkurve
Zthja thermische Impedanz zwischen Sperrschicht und Kühl-
medium
Zth Thermische Impedanz
EfA Elektrokomponenten für Aktivgetriebe
EMV Elektromagnetische Verträglichkeit
TIM Thermisches Interface-Material
14
15
Vorwort
1 Einleitung
Beitrag leisten. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass die Energie
für Elektrofahrzeuge regenerativ und emissionsfrei erzeugt wird.
Energieerzeugung Haushalte
und -umwandlung 13%
41%
Verkehr
19%
Gewerbe,
Handel,
Dienstleistung
Industrie 6%
21%
Quelle: DAT Deutschland, 2009
Integrationskonzept im
Hybridfahrzeug
Applikation und
Anforderungen
Anforderungen an die
Leistungselektronik
Messmethoden
Entwicklung der Teststände
Teststände
Ausgehend von den erläuterten Gründen für die Elektromobilität ist das
wichtigste Ziel der Hybridfahrzeugentwicklung eine möglichst schnelle
und wirtschaftliche Hybridisierung aller Fahrzeugklassen. Um das zu er-
reichen ist der Ansatz nicht ein komplett neues Fahrzeug zu entwickeln,
sondern bereits auf dem Markt vorhandene Fahrzeugmodelle zu modifizie-
ren und mit zusätzlichem elektrischen Antrieb auszustatten. Bei dieser
Vorgehensweise besteht die Problematik der Integration der zusätzlichen
Fahrzeugkomponenten.
Des Weiteren erschwert die Variantenvielfalt der Fahrzeuge eine flächen-
deckende Hybridisierung. Es sollen sowohl Kleinwagen als auch Oberklas-
senwagen hybridisiert werden, wobei insbesondere bei kleinen Fahrzeugen
ein relativ geringer zusätzlicher Bauraum zur Verfügung steht.
Nach dem Stand der Technik sind zwei unterschiedliche Ansätze zur
Integration der Leistungselektronik bekannt (siehe Abbildung 2.1). In der
ersten Lösung ist die Leistungselektronik eine separate Einheit und von
der elektrischen Maschine entfernt im Fahrzeug platziert.
Vorteile:
• Hohe Flexibilität bei Änderungen
• Möglichkeit für getrennte Vormontage und Prüfung
• Gute Skalierbarkeit
Nachteile:
• Meist lange geschirmte Wechselstromleitungen zwischen E-Maschine
und Leistungselektronik
• Aufwendige EMV-Maßnahmen notwendig
• Hoher Bauraumbedarf
• Fahrzeugspezifische Bauweise
• Viele Schnittstellen
• Relativ hohes Gewicht
22 2 Anforderungen an die Leistungselektronik in Hybridfahrzeugen
Demgegenüber steht die Vollintegration. Bei dieser Lösung wird die Leis-
tungselektronik konzentrisch meist außen im Gehäuse der elektrischen
Maschine untergebracht. Diese Anordnung kann wie folgt bewertet werden.
Vorteile:
• Keine Wechselstromleitungen zwischen E-Maschine und Leistungs-
elektronik
• Weniger EMV-Störungen als bei der externen Einheit
• Kompakte Bauweise
• Plattformübergreifender Einsatz als Getriebevariante möglich
• Wenig Schnittstellen
• Relativ niedriges Gewicht
Nachteile:
• Änderungen aufwendig
• Funktionsprüfung nur mit Gesamtgetriebe möglich
• Nur bedingt skalierbar
Diese Lösungen stellen zwei Extrema dar. Es ist kaum möglich alle Vorteile
beider Varianten bei der Integration der Leistungselektronik im Hybrid-
fahrzeug zu vereinen. Die beste Integrationslösung ist ein Optimum, wobei
die wichtigsten Vor- und Nachteile beider Seiten berücksichtigt sein sollen.
Basierend auf diesem Ansatz wurde eine neue Lösung für die optimale
2.1 Optimale Integration der Leistungselektronik im Fahrzeug 23
Getriebe Leistungselektronik
Abbildung 2.2: Optimale Systemintegration der Leistungselektronik im
Getriebe [99]
2.2 Leistungshalbleitermodul
2.2.1 Zuverlässigkeitsproblematik
Bonddrahtverbindung (Al)
Chip-Metallisierung (Al)
Chip (Si, SiC)
Chipverbindung (Lot)
Substrat-Metallisierung (Cu, Al)
Keramik (Al2O3, AlN)
Substrat-Metallisierung (Cu, Al)
Systemverbindung (Lot)
Grundplatte (Cu, AlSiC)
Wärmeleitmaterial (Paste, Folie)
Kühlkörper (Cu, Al)
Die CIPS2008-Gleichung 2.2 aus [3] beschreibt die Lebensdauer der Leis-
tungsmodule in Abhängigkeit von folgenden Parametern: Temperaturhub
der Sperrschicht (∆Tj in K), minimale Sperrschichttemperatur im Lastzy-
klus (Tj in ◦ C), Einschaltzeit (ton in s), Stromstärke pro Bondfuß (I in A),
Spannungsklasse des Halbleiterchips (V in 1/100V der Sperrspannung),
Durchmesser des Bonddrahts (D in µm).
β2
Nf = K · ∆Tjβ1 · e Tj +273 · tβon3 · I β4 · V β5 · Dβ4 (2.2)
Temperaturwechselbelastung.
Mit Gleichungen 2.1 und 2.2 ist es nicht möglich in Abhängigkeit von
den Belastungsbedingungen auf einen bestimmten Fehlermechanismus
zu schließen. Zwei weitere bekannte Modelle beziehen sich dagegen auf
einen bestimmten Fehlermechanismus. Gleichung 2.3 aus [46] beschreibt
die Lebensdauer der Systemverbindung bei passiven Temperaturzyklen.
Dieses Modell basiert auf das Cofin-Manson-Gesetz.
−4,5
∆Tcase
Nf = Ncyc (∆Tcase = 80K) · (2.3)
80
Der Parameter Ncyc (∆Tcase = 80K) ist dabei abhängig von der Verbin-
dungstechnologie des Leistungsmoduls. Für heutige Leistungsmodule mit
Kupfer-Grundplatte variiert dieser Parameter zwischen 3000 und 15000.
Ein anderes Modell (Gleichungen 2.4 und 2.5) aus [24] beschreibt die
Lebensdauer des Bonddrahtes. Damit wird nur der Bonddrahtabgang be-
schrieben und hierfür die plastische Verformung ∆εpl des Bonddrahts bei
der Erwärmung um den Temperaturhub ∆T vereinfacht betrachtet. Für
die Ermittlung von ∆εpl dienen Ausdehnungskoeffizienten (αSi , αAl ), me-
chanische Spannung (σyAl ) und Elastizitätsmodule (E Si , E Al ). Werte a und
b sind Konstanten, die anhand der Testergebnisse ermittelt werden. Diese
Gleichung basiert ebenfalls auf dem Cofin-Manson-Gesetz. Der Einfluss der
absoluten Temperatur, wie in der LESIT- und der CIPS2008-Gleichung,
wird in dieser Veröffentlichung anhand experimenteller Untersuchungen
in Hinsicht auf den Bonddrahtabgang nicht bestätigt.
Nf = a · ∆εbpl (2.4)
!
σyAl σyAl
∆εAl
pl = (α Al Si
− α ) · ∆T − 2 · + (2.5)
E Si E Al
200 Sperrschichttemeperatur
180
160
140 aktiv
Temperatur in °C
120
überlagert
100
80
passiv
60 Kühlmitteltemperatur
40 Umgebungstemperatur
20 Zeit
0 vollständiger Betriebszyklus
Für die Abschätzung der Anforderungen an die passiven Zyklen bei hoher
Kühlmitteltemperatur soll zunächst die Umgebungstemperatur betrachtet
werden. Diese Temperatur bestimmt direkt die Starttemperatur und somit
die Temperaturwechsel der Leistungselektronik. Das Temperaturprofil ist
vom Einsatzort des Fahrzeugs abhängig. In Abbildung 2.5 sind Tempera-
turtageswerte für zwei Orte Deutschlands gezeigt. Diese Temperaturen
sind die vom Wetterdienst aufgezeichnete Tagesminima, die 5 cm über
dem Erdboden gemessen wurden. Bezüglich der Umgebungstemperatur
sind diese Orte zwei Extrempunkte.
5
0
-5
-10
-15 Zugspitze
-20
-25
-30
01. Jan 31. Dez
Verteilungen für zwei gewählte Orte. Diese Profile sind verglichen mit den
Anforderungen des Automobilherstellers BMW aus [39].
3000
2500
2000
1500
1000
500
0
-40 -35 -30 -25 -20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 25 30 35
Starttemperatur in °C
Zugspitze Konstanz Anforderung BMW
NEinsatz
NT est = a (2.6)
∆TEinsatz
∆TT est
X NEinsatz
NT est,Gesamt = a (2.7)
∆TEinsatz
∆TEinsatz ∆TT est
In [94] wird für bleifreie Lötverbindungen der Bereich von –2,5 bis –2
angegeben, in [46] liegt der Wert für alle heutigen Standard-Module mit
Kupfer-Grundplatte bei –4,5. Mit diesen Parametern wurde die Abschät-
zung der Anforderungen an die passiven Zyklen bei 105◦ C Kühlmitteltem-
peratur und mit den in Abbildung 2.6 angegebenen Zyklenverteilungen
durchgeführt. Zu der nominellen Kühlmitteltemperatur wurde noch der
Anteil berücksichtigt, der durch die Verlustleistung im Leistungsmodul
verursacht wird. Aufgrund des thermischen Übergangswiderstands zwi-
schen der Leistungsmodul-Grundplatte und dem Kühlmedium wird die
Grundplattentemperatur eine geringfügig höhere Temperatur aufweisen.
In [94] wird dieser Anteil bei 70◦ C Kühlmitteltemperatur mit 15K angege-
ben. Bei 105◦ C Kühlmitteltemperatur und höherer Leistungsdichte ist ein
größerer Wert zu erwarten. Deshalb wurde für die Abschätzung angenom-
men, dass die Grundplatte des Leistungsmoduls bei jedem kompletten
Betriebszyklus einen Temperaturwechsel zwischen Umgebungstemperatur
und 125◦ C erfährt.
In Abbildung 2.7 ist die Ermittlung der Testzyklen in Abhängigkeit vom
Temperaturhub ∆Tpassiv durchgeführt. Die Kurven sind für zwei gewählte
Parameter a = −4, 5 und a = −2 aufgezeichnet. Mit Hilfe dieser Kurven
ist zu sehen, dass je kleiner der Betrag des Parameters a ist, desto geringer
wirken sich die Unterschiede der Umgebungsbedingungen auf die Anforde-
rungen aus. Des Weiteren ist zu sehen, dass für höhere Temperaturhübe
kleinere Parameter a höhere Testanforderungen bedeuten. Im Vergleich
zu den ermittelten Anforderungen ist die Lebensdauerkurve der heutigen
Leistungsmodule bei passiven Temperaturzyklen aufgezeichnet. Hierzu
wurde die Gleichung 2.8 verwendet, wobei die Parameter dieser Gleichung
für heutige Industrie-Leistungsmodule mit Kupfer-Grundplatte gelten.
−4,5
∆Tcase
Nf = 15000 · (2.8)
80
1,0E+05
Anzahl Zyklen
1,0E+04
a=-2
1,0E+03 a=-4,5
1,0E+02
40 60 80 100 120 140 160 180 200 220
∆Tpassiv
Zugspitze
Konstanz
Anforderung BMW
Standard-Leistungsmodule mit Cu-Grundplatte (Stand 2011)
Kühlrandbedingungen
Verlustleistungsberechnung (Thermische Impedanzen,
Kühlmitteltemperatur)
Thermische Simulation
(Temperaturprofil)
sich die Verteilung der Zyklen, wie sie in Abbildung 2.9 dargestellt ist.
Die überlagerten Zyklen wurden für die Umgebungstemperaturen der
Zugspitze berechnet. Insgesamt ergibt diese Abschätzung insgesamt etwa
eine Million aktiver Zyklen mit verschiedenen Temperaturhüben.
Mit diesen ermittelten Zyklen wurde im nächsten Schritt die Anforderung
an die Lastwechselfestigkeit bestimmt. Hierfür wurde die Lebensdau-
ergleichung 2.1 verwendet. Die Parameter für diese Gleichung wurden
anhand der Lastwechselergebnisse bei hohen Sperrschichttemperaturen
aus [96] ermittelt. Es ergibt sich die Lebensdauergleichung 2.9, die für
600V Standard-Leistungsmodule für maximale Sperrschichttemperaturen
bis zu 200◦ C gültig ist.
2,82E−20
Nf = 3, 44E9 · ∆Tj−3,426 · e( 1,38E−28·Tm ) (2.9)
X
NT est = NEinsatz ·
∆TEinsatz
2,32E−20
1,38E−23·Tm,T est (2.10)
(∆TT est )−3,426 · e
2,32E−20
1,38E−23·Tm,Einsatz
(∆TEinsatz )−3,426 ·e
2.3 Ermittlung der Anforderungen 37
537500
537500
6,0E+05
5,0E+05
Anzahl Zyklen
Zugspitze
4,0E+05
Konstanz
223000
3,0E+05 223000
2,0E+05 87000
87000
39000
39000
1,0E+05
6500
6500
4980
5010
3810
3570
2250
1170
960
150
0
0
0,0E+00
30 40 50 60 70 180 190 200 210 220
ΔTj in K
Abbildung 2.9: Verteilung der Zyklen für die Ermittlung der Anforderung
an die Lastwechselfestigkeit
1,0E+06
Anzahl Zyklen
1,0E+05
1,0E+04
Anforderung 200°C (Zugspitze)
Anforderung 200°C (Konstanz)
Standard-Lestungsmodule 200°C (Stand 2011)
1,0E+03
40 60 80 100 120 140 160
∆Tj in K
(Tvj,max + Tvj,min )
Tm = + 273, 15K (3.1)
2
Für die Berechnung des Fehlers bei der Lebensdauerbewertung, hier de-
finiert als Nf,max /Nf,min in Abhängigkeit der Messunsicherheit in den
Messwerten der minimalen und der maximalen Sperrschichttemperatur
Tvj,min und Tvj,max , gelten Gleichungen 3.2 und 3.3. In diesen Gleichun-
gen ist der Fehler der Temperaturmessung Tj,F ehler in beiden Parametern
∆Tj und Tm der Lebensdauergleichung berücksichtigt. Beim Temperatur-
hub ∆Tj wird der Fehler mit dem Faktor zwei multipliziert, da in diesem
Parameter die Messunsicherheit sowohl der minimalen als auch der maxi-
malen Sperrschichttemperatur berücksichtigt werden muss. Obwohl bei
40 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Abbildung 3.1 zeigt den berechneten Fehler Nf,max /Nf,min der Lebens-
dauer in Abhängigkeit vom Temperaturhub der Sperrschicht ∆Tj und
dem Messfehler der Sperrschichttemperatur Tj,F ehler . Es ist deutlich zu
sehen, dass schon eine geringe Messabweichung in der Sperrschichttempe-
raturmessung zu einem großen Fehler in der Lebensdauerbewertung führt.
Besonders kritisch ist die Messunsicherheit der Sperrschichttemperatur
bei kleinen Temperaturhüben. Bereits 3K Messabweichung führt bei 30K
Temperaturhub zu einem Unsicherheitsfaktor in der Lebensdauer von fast
drei.
2,50-2,75
2,25-2,50
3,00
2,75 2,00-2,25
Nf, max / Nf, min
2,50 1,75-2,00
2,25
2,00 1,50-1,75
1,75 1,25-1,50
1,50
1,25 1,00-1,25
1,00
30
40
3
50
60
70
80
2
90
Tj, Fehler
100
110
120
1
130
in K
140
150
ΔTj in K
0,5
0,4
VCE in V
0,3
0,2
0,1
0
0 50 100 150 200 250
Tvj in °C
600V IGBT 1200V IGBT 6,5kV IGBT
0
-5
-10
-15
-20
0 50 100 150 200 250
Tvj in °C
600V IGBT 1200V IGBT 6,5kV IGBT
0,4
0,3
0,2
0,1
0
0 50 100 150 200 250
Tvj in °C
67 mA/cm² 17 mA/cm² 1,7 mA/cm²
Abbildung 3.4: Einfluss der Stromdichte auf den Verlauf der Kalibrier-
kennlinie eines 6,5kV/200A IGBTs
p n- n+
Basisweite (wB)
Dicke (d)
Abbildung 3.5: Halbleiterstruktur für die Simulation der Kalibrierkennlinie
mit dem Bauelementsimulator SenataurusTCAD
bestimmt. Danach lässt sich mit diesem Wert die Basisweite mit 3.8
berechnen. In Formel 3.5 sind C 0 und b Ionisierungsraten nach Shields
und Fulop, die mit Formeln 3.6 und 3.7 analytisch beschrieben werden.
Diese Abschätzung legt eine ideale NPT-Dimensionierung des Leistungs-
bauelements zugrunde. Für reale Bauelemente wird jedoch meist eine
moderate PT-Dimensionierung mit trapezförmigem Feldverlauf gewählt
[58]. Eine genaue Bestimmung der Dotierung und Basisweite für diese
Auslegung ist nicht möglich und bedarf Herstellerangaben sowohl zur
Dotierung als auch zum Feldverlauf. In Tabelle 3.1 berechneten Werte für
Dotierung und Basisweite für den dreiecksförmigen Feldverlauf weichen
deshalb geringfügig von einem realen Leistungsbauelement ab.
1
b+1 1
1 b+1 q · ND b+1
UBD = · · (3.5)
2 C0 ε
T
C 0 = 2 · 10−28 · e−16,22· 300K (3.6)
T
b = 5, 8 + 1, 2 · (3.7)
300K
s
2 · ε · UBD
wB = (3.8)
q · ND
Simulierte Kalibrierkennlinien
1,40
1,20
1,00
Spannung in V
0,80
0,60
0,40
0,20
0,00
0 50 100 150 200 250
Temperatur in°C
600V 6,5kV 6,5kV ohne Mittelgebiet
0,1
0,01
0,001
0 50 100 150 200 250
Temperatur in °C
6,5kV 600V
0,60
0,50
Spannung in V
0,40
0,30
0,20
0,10
0,00
0 50 100 150 200 250
Temperatur in°C
0,62 mA/cm² 62 mA/cm² 620 mA/cm²
−2
Jmin (UBD , T ) = 1, 59 · 10−17 · UBD 1,33 · e7,17·10 ·Tmax
(3.9)
0,5
0,4
UCE in V
0,3
0,2
0,1
0,0
0 50 100 150 200
Tvj in °C
Sentaurus analytisch gemessen
100
J in mA/cm²
10
0,1
380 400 420 440 460 480
T in K
600V 1200V 1700V 3300V 6500V
Tvj in °C
ILast
200 170
Verzögerung
100 165
0 160
-2,0E-03 0,0E+00 2,0E-03 4,0E-03
t in s
Wurzel-t-Methode
Tj=f(t1/2)
200
195
190
lineare Approximation
185
180
Tj in °C
175 Tj
170
165
160
155
150
0,0E+00 2,0E-02 4,0E-02 6,0E-02 8,0E-02 1,0E-01
t1/2 in s1/2
110
90 y = -77,4∙t1/2 + 72,5 142W/cm² (200A)
70
50 y = -30,6∙t1/2 + 37,9 61,7W/cm² (100A)
30
0 0,02 0,04 0,06 0,08 0,1
t1/2 in s1/2
p
der Geraden bzw. der Gradient, angegeben als dTvj /d( (t)), wird von der
Verlustleistung beeinflusst. Abkühlgradient und Wärmeflussdichte sind
zueinander proportional, wie das in Abbildung 3.14 gezeigt ist. Durch die
gemessenen Punkte lässt sich eine Ursprungsgerade durchziehen. Damit
kann für beliebige Wärmeflussdichten das Abkühlverhalten in den ersten
10ms mit guter Genauigkeit abgeschätzt werden.
Dieses gemessene Abkühlverhalten kann mit dem transienten thermischen
Widerstand berechnet werden. Für die Berechnung gilt der Zusammenhang
in Formel 3.10. Darin ist PV die in den Chip eingespeiste Verlustleistung,
Ri und τi die FOSTER-Koeffiezienten. Gefordert wird hierfür ein genau
gemessener transienter thermischer Widerstand. Die Genauigkeit der
Datenblattwerte zu einem bestimmten Leistungsmodul können für die
Berechnung nicht ausreichen, da üblicherweise nur ein typisches Verhalten
angegeben wird. Leistungsbauelemente eines Leistungsmoduls können
aufgrund verschiedener Positionen auf der DCB-Keramik im transienten
thermischen Verhalten geringfügig schwanken.
n
− τt
X
Tj,abkühl (t) = PV · Ri · e i (3.10)
i=1
54 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
-50
dTj/d(t1/2) in K/(s1/2)
-100
-150
-200
-250
0 100 200 300 400 500
PV/A in W/cm²
175
125
Chip 1 Chip 2
100
75
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1
Diagonale normiert auf 9mm x 9mm Chipgröße
Chip2 Chip1
S1
Prüfling
Laststrom Tref V Messstrom
15V
A
1,2
Prinzip des Aufheiz-Messverfahrens
PV 1,02E+00
1
8,20E-01
0,8
Messpunkt
PV, Tvj
0,6 6,20E-01
0,4 4,20E-01
0 2,00E-02
0 2 4 6 8 10 12 14
Der erste Schritt der Umrechnung der Abkühlkurve in die analoge Aufheiz-
kurve ist die korrekte Bestimmung des stationären thermischen Widerstan-
des Rth . Dieser Wert liegt auf der Abkühlkurve Zth,auf heiz zum Zeitpunkt
t = 0 (siehe Formel 3.13). Unter realen Messbedingungen kann dieser Wert
nicht gemessen werden. Nach dem Abschalten des Laststromes verzögert
sich der Startzeitpunkt für die Messung aufgrund von Rekombinations-
vorgängen im Bauelement und der Einregelzeit der Messstromquelle. Erst
nach dieser Verzögerung kann mit der Messung begonnen werden. Die
Verzugszeit liegt im Bereich einiger 100µs. In dieser Zeit kühlt sich die
Sperrschicht bereits ab. In Abbildung 3.19 wird eine Methode gezeigt, wie
trotz dieser Messverzögerung der stationäre thermische Widerstand Rth
richtig bestimmt werden kann.
0,10
0,08
0,06
0,04
0,02
0,00
1,0E-04 1,0E-03 1,0E-02 1,0E-01 1,0E+00 1,0E+01 1,0E+02
t in s
Aufheiz-Messverfahren Abkühl-Messverfahren
(t)1/2 in (s)1/2
0,10
0,08
0,06
0,04
0,02
0,00
0,0001 0,001 0,01 0,1 1 10 100
t in s
0,10
0,08
0,06
0,04
0,02
0,00
1,0E-04 1,0E-03 1,0E-02 1,0E-01 1,0E+00 1,0E+01 1,0E+02
t in s
150A 250A 350A
τi = Ri · Ci (3.15)
Je nach Dicke und Anzahl der Materialschichten zwischen der Sperrschicht-
temperatur und der Referenztemperatur sind unterschiedlich viele Glieder
im FOSTER-Ersatzschaltbild für eine genaue Approximation notwendig.
Für das Leistungsmodul mit glatter Grundplatte sind für die Beschreibung
der thermischen Impedanz zwischen Sperrschicht und Grundplattenun-
terseite (oft bezeichnet als Zthjc ) drei bis vier RC-Glieder ausreichend.
Ein bis zwei Glieder mehr sind notwendig, wenn die Referenztemperatur
im Kühlkörper oder im Kühlmedium (Luft, Kühlflüssigkeit) liegt. Die
in dieser Form beschriebene thermische Impedanz lässt sich grafisch in
der Form eines diskreten Spektrums darstellen. Dabei bilden die Zeit-
konstanten τi die x-Achse und die Amplituden sind die dazugehörigen
thermischen Teilwiderstände. Ein Beispiel dafür ist in der Abbildung 3.22
dargestellt. In diesem Diagramm ist das diskrete Spektrum eines Standard-
Leistungsmoduls FS400R07A1E3 (600V, 400A) des Herstellers Infineon
Technologies dargestellt. Die Daten hierfür sind in Tabelle 3.2. Dieses
diskrete Spektrum kann mit dem „Levenberg-Marquardt-Verfahren” be-
62 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
R1 Rn
Tj
PV
C1 Cn
Tref
Abbildung 3.21: FOSTER-Ersatzschaltbild für die thermische Impedanz
rechnet werden [33]. Möglich hierfür ist auch das Lösungsverfahren „NNLS”
(non negative least square) aus [53].
Problematisch erweist sich bei der Anwendung dieser Methode auf die Leis-
tungsmodule die Ableitung der gemessenen Zth -Funktion. Dieser Schritt
liefert bei bereits geringem Rauschen der Messwerte in der thermischen
Impedanz zu starken Störungen in der Ableitungsfunktion. Ein weiteres
Verarbeiten dieser Werte führt zu schlechten Ergebnissen. Um dies zu
veranschaulichen, zeigt Abbildung 3.23 die ermittelte Ableitungsfunktion
aus einer gemessenen thermischen Impedanz eines Leistungsmoduls. Wie
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie 63
Diskretes Spektrum
0,07
0,06
0,05
Rth in K/W
0,04
0,03
0,02
0,01
0
1,0E-05 1,0E-04 1,0E-03 1,0E-02 1,0E-01 1,0E+00 1,0E+01
τ in s
ξ = ln(τ ) (3.17)
n
X (xj −ξi )
Zth (t) = R(ξi ) 1 − e−e (3.18)
i=1
64 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
0,10 0,025
0,08 0,020
dZthja/d(ln(t)
Zthja in K/W
0,06 0,015
0,04 0,010
0,02 0,005
0,00 0,000
-8 -6 -4 -2 0 2 4 -8 -6 -4 -2 0 2 4
ln(t) ln(t)
Für die Verarbeitung der Messwerte ist Gleichung 3.18 in der Matrix-
Darstellung von Vorteil, siehe Gleichungen 3.19 und 3.20. Damit ist die
Matrixgleichung 3.21 vorgegeben. Der Vektor z enthält die Messwerte der
gemessenen thermischen Impedanz Zth , die Matrix A ist die Faltungsma-
trix der logarithmierten t- und τ -Achsen und der Vektor r ist unbekannt,
der die Amplitudenwerte des zu berechnenden Impedanzspektrums ent-
hält. Die logarithmierte t-Achse wird von der gemessenen thermischen
Impedanz vorgegeben. Dagegen muss die τ -Achse frei gewählt werden,
wobei der Wertebereich mindestens zwischen der kleinsten und der größten
Zeitkonstante des zu untersuchenden thermischen Systems liegen soll.
Zth (x1 ) a11 · · · a1i · · · a1n R(ξ1 )
.. .. .. .. ..
. . . . .
Zth (xj ) = aj1 · · · aji · · · ajn · R(ξi ) (3.19)
.. ..
.. .. ..
. . . . .
Zth (xm ) am1 · · · ami · · · amn R(ξn )
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie 65
(xj −ξi )
aji = 1 − e−e (3.20)
z =A·r (3.21)
Prinzipiell kann Gleichung 3.21 mit verschiedenen mathematischen Hilfs-
mitteln gelöst werden. Als optimal für die gegebene Problemstellung
erweist sich der iterative Lösungsalgorithmus nach [49], der mit Formel
3.22 angegeben ist. Darin ist der Index p die Anzahl der Iterationen.
Mit Hilfe der beschriebenen Vorgehensweise wurde das Spektrum für ein
IGBT des Standardmoduls FS400R07A1E3 (650V, 400A) des Herstellers
Infineon Technologies AG berechnet. Hierfür war der Ausgangspunkt die
thermische Impedanz zwischen der Sperrschicht und der Grundplatten-
unterseite (Rthjc ) aus dem Datenblatt. Mit Hilfe der FOSTER-Glieder
wurde die thermische Impedanz mit 300 Punkten erstellt, danach für diese
Funktion das quasi-kontinuierliches Spektrum berechnet. Die Lösung zeigt
Abbildung 3.24.
Im Vergleich zum diskreten Spektrum wird die thermische Impedanz mit
viel mehr RC-Gliedern des FOSTER-Netzwerkes beschrieben und erlaubt
mit der weiteren mathematischen Analyse eine physikalische Interpretation
des Kühlpfads im Leistungsmodul.
3.2.3 Strukturfunktionen
Quasikontinuierliches Impedanzspektrum
0,025
0,020
0,015
Rth in K/W
0,010
0,005
0,000
1,0E-05 1,0E-04 1,0E-03 1,0E-02 1,0E-01 1,0E+00 1,0E+01
τ in s
−1
si = (3.24)
Ri · Ci
Mit der Laplace-Darstellung muss die Summe der PT1-Glieder der Glei-
r1 rn
Tj
PV c1 cn
Tref
Abbildung 3.25: CAUER-Ersatzschaltbild für die thermische Impedanz
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie 67
chung 3.23 in die Form der gebrochen rationalen Funktion gebracht werden
(siehe 3.25), wobei p(s) Zählerpolynom und q(s) Nennerpolynom darstellen.
In dieser Funktion ist der Zählergrad um eins kleiner als der Nennergrad.
p(s)
Zth (s) = (3.25)
q(s)
Im dritten Schritt wird der Nenner durch den Zähler der Gleichung
3.25 mit Hilfe der Polynomdivision dividiert, wobei als Ergebnis die
Summe aus einer linearen Funktion und einem Rest herauskommt (siehe
Gleichung 3.26). Die ersten Teilkomponenten ri und ci des CAUER-
Ersatzschaltbildes können nun aus dem Term s · a + b bestimmt werden.
Die Gleichungen 3.27 und 3.28 beschreiben den Zusammenhang zwischen
CAUER-Parameter und der linearen Funktion.
q(s) qrest (s)
= s · a + b + Rest; Rest = (3.26)
p(s) pi (s)
1
ri = (3.27)
b
ci = a (3.28)
Im letzten Schritt wird eine gebrochen rationale Funktion mit Hilfe der
Rekursion in Gleichungen 3.29 und 3.30 definiert. Für die neue Funktion
pi−1 (s)/qi−1 (s) kann wieder die Umrechnungsvorschrift ab Gleichung 3.25
angewendet werden. Die Iterationsschleife wird so lange durchgeführt
bis der Rest Null wird. Die Anzahl der Schleifendurchläufe entspricht
genau der Anzahl der RC-Paare im FOSTER-Ersatzschaltbild. Damit
hat das CAUER-Ersatzschaltbild nach der Transformation genauso viele
RC-Paare wie das äquivalente FOSTER-Netzwerk.
−qrest
pi−1 (s) = (3.30)
b
Mit dem berechneten CAUER-Ersatzschaltbild können Strukturfunktio-
nen gebildet werden, die eine physikalische Interpretation des Kühlpfads
ermöglichen. Bekannt sind differentielle Strukturfunktion und kumulative
Strukturfunktion [70], [69], [48], [47]. Die differentielle Strukturfunkti-
on K(ρ) wird mit Gleichung 3.31 und die kumulative Strukturfunktion
68 3 Messmethoden und Prüfstandskonzepte
Ckum (ρ) mit Gleichung 3.32 gebildet. Die Berechnung erfolgt mit den
Parametern ri und ci des CAUER-Ersatzschaltbildes.
n
ci X
K(ρ) : Ki = ; ρi = ri (3.31)
ri i=1
n
X n
X
Ckum (ρ) : Ckum,i = ci ; ρi = ri (3.32)
i=1 i=1
K(ρ)
1,0E+07
1,0E+06 Rthjc 4
1,0E+05
K in (W²s)/K²
1,0E+04 3
1,0E+03 2
1
1,0E+02
1,0E+01
1,0E+00
1,0E-01
0,00 0,02 0,04 0,06 0,08 0,10 0,12 0,14
ρ in K/W
Auf der ρ-Achse bei diesen Strukturfunktionen ist bei ρ = 0 der Halbleiter-
chip. Von diesem Punkt aus nach rechts ist der physikalische Wärmefluss
vom Chip zum Referenzpunkt Tref . Strukturfunktionen können nach [90]
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie 69
Ckum(ρ)
1,0E+04
1,0E+03 Rthjc
4
1,0E+02
Ckum in (Ws)/K
1,0E+01
3
1,0E+00
2
1,0E-01
1
1,0E-02
1,0E-03
0,00 0,02 0,04 0,06 0,08 0,10 0,12 0,14
ρ in K/W
Mit den Werten K und Ckum und den Materialkonstanten aus Tabelle 3.3
können die Abmessungen des Chips ermittelten werden. Im betrachteten
Leistungsmodul sind zwei IGBT-Chips parallel geschaltet, die jeweils
eine Chipfläche von ca. 10mm x 10mm haben. Die Dicke des IGBTs
beträgt 70µm. Aus Strukturfunktionen können für den Si-Chip die Werte
K = 6(W 2 s)/K 2 und C = 0, 02W s/K abgelesen werden. Damit ergibt
sich für die Fläche eines Chips 9mmx9mm und für die Chipdicke der Wert
von 77µm. Das entspricht mit guter Genauigkeit der tatsächlichen Größe.
Für andere Schichten können prinzipiell mit der gleichen Vorgehensweise
die geometrischen Abmessungen bestimmt werden. Je weiter die Schicht
vom Chip entfernt ist, desto schlechter wird jedoch die Genauigkeit.
Die Abweichung ist auf die Unsicherheitsproblematik der differentiellen
Strukturfunktion zurückzuführen. Diese Funktion ist einerseits von der
Messqualität der thermischen Impedanz abhängig und kann andererseits
vom numerischen Rauschen des Lösungsalgorithmus beeinflusst ([74], [75])
werden.
Die partiellen thermischen Widerstände können mit ausreichend guter
Qualität in Abbildungen 3.27 und 3.26 voneinander getrennt werden,
was für die Fehleranalyse verwendet werden kann. Man sieht in der
differentiellen Strukturfunktion den bestimmenden Anteil des thermischen
Widerstandes zwischen den Punkten 2 und 3. Dieser Anteil ist die Al2 O3 -
Schicht und beträgt etwa 70% des Gesamtwiderstandes. Zwischen den
Punkten 1 und 2 ist der Teilwiderstand bestehend aus Silizium-, Lot-,
und Kupferschicht (obere Metallisierung der DCB-Keramik). Dieser Teil
beträgt etwa 16%. Dies entspricht mit sehr guter Genauigkeit der Aussage
in [100] für heutige Standard-Leistungsmodule. Punkt 3 kann der Cu-
Grundplatte zugeordnet werden. Zwischen Punkt 4 und dem stationären
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie 71
0,25
0,20
Zth in K/W
0,15
0,10
0,05
0,00
1,0E-04 1,0E-03 1,0E-02 1,0E-01 1,0E+00 1,0E+01
t in s
ohne Fehler Chipverbindung Systemverbindung Wärmeleitpaste
0,12
0,10
Rth in K/W
0,08
0,06
0,04
0,02
0,00
1 2 3 4 5 6 7
Rth-Anteil (Nr.)
ohne Fehler Chipverbindung Systemverbindung Wärmeleitpaste
experimentell nachgewiesen.
Der Prüfling war in der ersten Untersuchung ein 600V/400A Leistungs-
modul mit heutiger Standardtechnologie. Dieses Leistungsmodul war
auf einem wassergekühlten Kühlkörper montiert und wurde mit aktiven
Zyklen belastet. Die Testparameter waren laut Tabelle 3.5.
Der Test erreichte das „End-of-Life” aufgrund des angestiegenen ther-
mischen Widerstandes. Wie die nachfolgende Analyse gezeigt hat, war
für den Anstieg die Degradation der Chipverbindung verantwortlich. Ab-
bildung 3.32 zeigt die gemessenen thermischen Impedanzen am Anfang
und am Ende des Lastwechseltests. Der stationäre thermische Widerstand
Rth ist am Ende des Tests um ca. 20% erhöht, was dem Ausfallkriterium
entspricht. Nach Erreichen dieses Kriteriums wurde der Lastwechseltest
gestoppt.
Eine eindeutige Lokalisierung des Fehlers mit Hilfe der thermischen Impe-
danzspektroskopie liefert die kumulative Strukturfunktion in Abbildung
3.33. Die Funktion mit der degradierten Chipverbindung ist im Vergleich
zur Funktion ohne Degradation um den Wert ∆ nach rechts verschoben.
Die Verschiebung ist gleich an der ersten Stufe zu erkennen. In Bezug
3.2 Thermische Impedanzspektroskopie 75
Parameter I 400A
für Lastwechsel ton 0,6s
tof f 3,1s
Tvj,max 175◦ C
∆Tj 105K
TW asser 70◦ C
PV 320W/cm2
Parameter I 250A
für Zth -Messung ton 30s
tof f 30s
Messperiode 250Zyklen
Zth(t)
0,30
0,25
0,20
Zth in K/W
0,15
0,10
0,05
0,00
1,0E-04 1,0E-03 1,0E-02 1,0E-01 1,0E+00 1,0E+01 1,0E+02
t in s
ohne Degradation mit Degradation der Chipverbindung
Ckum(ρ)
1,0E+05 Rthjh(Testende)
1,0E+04 Rthjh(Teststart)
1,0E+03
Ckum in (Ws)/K
1,0E+02 Rthjc(Teststart)
1,0E+01 Δ
1,0E+00
1,0E-01
1,0E-02
0,00 0,05 0,10 0,15 0,20 0,25
ρ in K/W
ohne Degradation mit Degradation der Chipverbindung
IGBT IGBT
Ckum(ρ)
1,0E+05 Rthjh (ohne Fehler)
1,0E+03
Rthjc (ohne Fehler)
Ckum in (Ws)/K
1,0E+02
1,0E+01
1,0E+00
Δ
1,0E-01
1,0E-02
0 0,05 0,1 0,15 0,2 0,25
ρ [K/W]
ohne Fehler Systemverbindung degradiert
K(ρ)
1,0E+09 Rthjh (Wärmeleitpaste gealtert)
1,0E+08
1,0E+07 Rthjh (ohne Fehler)
1,0E+06 Rthjc
K in (W²s)/K²
1,0E+05
1,0E+04
1,0E+03
1,0E+02
1,0E+01
1,0E+00
1,0E-01
0 0,05 0,1 0,15 0,2 0,25
ρ [K/W]
ohne Fehler Wärmeleitpaste gealtert
Prüflinge
Laststromregler
Kühl-, Heizgerät
Messstromquelle
Stelltransformator,
Gleichrichter
Steuerung, Messwerterfassung
Laststrom-Zweipunktregler
MOSFET 1 MOSFET 2
UDC Messstrom
ILast
L Prüfling
Regler
ILast EIN/AUS
Sollwert Signal
Abbildung 3.40: Übersichtsschaltbild des Prüfstandes für Lastwechseltests
mit Gleichstrombelastung
Wasser-Wasser- Ausdehnungsgefäß
Heizung
Plattenwärmetauscher Ventil
(Befüllen)
Temperatur Kühlmittel-
Pumpe TE
Reservoir
Rücklauf
Kühlmittel
Rücklauf
Ventil
(Kühlen)
Kühlwasser
Kühlwasser
Abbildung 3.41: Prinzip des Kühlkreislaufs für die Nachbildung der Um-
gebungsbedingungen des Hybridfahrzeugs
200
1. Aufwärmen 2. Halten 3. Abkühlen 4. Halten
180 warm kalt
160 Tvj,max
140 Tvj
Temperatur
120
TKühlmittel, max
100
TKühlmittel VCE, Zth
80 Tvj,min
dT/dt kühlen Messung
60 dT/dt heizen
40
TKühlmittel, min
20
ton Zeit
toff
0
+UZK/2 U V W
CZK
UGate
-UZK/2
IU IV IW
R R R
UU UV UW
L L L
Induktive Last
1 US ˆ rd ˆ2 US ˆ rd ˆ2
Pleit,IGBT = ·I + · I +M ·cosφ ·I + ·I (3.35)
2 π 4 8 3π
1 UZK Iˆ
Pschalt,IGBT = · fs · (Eon,ref + Eof f,ref ) · · (3.36)
π Uref Iref
1 US ˆ rd ˆ2 US ˆ rd ˆ2
Pleit,diode = ·I + · I − M · cosφ ·I + ·I (3.37)
2 π 4 8 3π
1 UZK Iˆ
Pschalt,diode = · fs · Err,ref · · (3.38)
π Uref Iref
IIGBT
t
100mA
VCE -15V
-15V +15V
UDC C
-15V -15V -15V
Abbildung 3.45: Einfluss des Sperrstromes bei der Messung der Sperr-
schichttemperatur im Wechselrichterbetrieb
Sperrstrom
1000
100
10
IR in mA
0,1
0,01
100 120 140 160 180 200
Tj in °C
1200V / 100A IGBT, Messung bei 1200V
600V / 150A IGBT, Messung bei 200V
600V / 150A Diode, Messung bei 200V
Abbildung 3.46: Gemessene Sperrströme aus [30] der 1200V und 600V
Leistungsbauelemente in Abhängigkeit von der Sperrschichttemperatur
dT cm2
= 0, 14K (3.39)
dj mA
0,25
ΔT
UCE
0,20
0,15
0,10
125 130 135 140 145 150 155 160 165 170 175
Tj in °C
75mA/cm² 100mA/cm² 125mA/cm²
Rmess
Zwischenkreis Wechselrichter
ISperr Sperrstrommessung
A
-
+
A
Imess=konstant IQ
+15V
ISperr
werden.
Mess-
karte
WR-
Betrieb Rth, Zth
Mess-
zyklus Tjmax
t
Tjmin, Tjmax Messung im Wechselrichterbetrieb
UCE, Rth, Zth Messung im Messzyklus mit Gleichstrom
Prüfling (BSM100GD120DLC)
Al Platte
Al Kühlkörper
100
90
80 8 13
70 15 7
60
PV in W
50 29
40 42
30 P_schalt_Diode
Pschalt, diode
20 38 Pleit, diode
P_leit_Diode
10 22 Pschalt, IGBT
P_schalt_IGBT
Pleit, IGBT
P_leit_IGBT
0
Lastwechseltest Reale Anwendung
4.1.2 Fehlermechanismen
Temperaturverläufe
180
160 Tvj,max
140
Tcase,max
120
T in °C, ΔT in K
100
ΔTj ΔTcase
80
60 Tcase, min ,Tvjmin
40
Tvj,max-Tcase,max
20
0
0 10000 20000 30000 40000 50000 60000
Zyklen
Rth in %
90 120
85 110
Rth
80 100
75 90
70 80
0 10000 20000 30000 40000 50000 60000
Zyklen
4.1.3 Lebensdauerbewertung
Ein wichtiges Ergebnis des Lastwechseltests ist der Vergleich der er-
reichten Lebensdauer im Vergleich zu den Lebensdauermodellen, die
mit Hilfe der vereinfachten beschleunigten Lastwechseltests mit Gleich-
strombelastung ermittelt wurden. Für das untersuchte Leistungsmodul
BSM100GD120DLC gelten die Lebensdauerkurven für Technologien, die
für die Sperrschichttemperatur von 125◦ C angegeben sind. Aus der Zu-
verlässigkeitskurve in [3] kann entnommen werden, dass für diese Leis-
tungsmodultechnologie bei 92K Temperaturhub und 125◦ C Sperrschicht-
temperatur die Lebensdauer etwa 40.000 Zyklen beträgt. Erreicht wurden
bei diesem Temperaturhub und bei 152◦ C maximaler Sperrschichttem-
peratur im Lastwechseltest 45.000 Zyklen. Es wurde also im Test unter
Umrichterbedingungen trotz höherer Sperrschichttemperatur eine höhere
Lastwechselfestigkeit im Vergleich zum angegebenem Lebensdauermodell
erreicht.
Ein weiteres Vergleichskriterium ist die Lebensdauer unter passiven Tem-
peraturwechseln. Aufgrund von relativ langsamen Temperaturzyklen kann
der Temperaturhub an der Grundplatte des Prüflings als passiver Tempe-
raturzyklus angenommen werden. Dieser Temperaturhub ∆Tcase betrug
nach Abbildung 4.3 etwa 75K. Für dieses Modul ergibt die vom Her-
steller angegebene Lebensdauerkurve für passive Temperaturzyklen eine
Lebensdauer von etwa 15.000 Zyklen. Bei diesem Kriterium übertraf das
getestete Leistungsmodul die erwartete Lebensdauer um den Faktor drei.
4.1 Lastwechseltest unter Umrichterbedingungen 103
Beginnende
Chiplotschicht nicht sichtbar Delamination
wegen Delamination im Systemlot des Chiplotes
Mit dem Ergebnis kann keine genaue Aussage über die statistische Mess-
abweichung des Messergebnisses gemacht werden. Hierfür müssen eine
größere Anzahl von Prüflingen getestet werden. Auf Basis der Untersuchun-
gen in 3.1.1 bezüglich der Messgenauigkeit der Sperrschichttemperatur,
die den größten Einfluss auf die Lebensdauer der Leistungsmodule hat,
kann der systematische Messfehler bei der ermittelten Lebensdauer auf
etwa 20% abgeschätzt werden. Dabei wird von einer Messunsicherheit der
Sperrschichttemperatur von 1K ausgegangen.
Insgesamt kann auf Basis des durchgeführten Lastwechseltests unter Um-
richterbedingungen zusammengefasst werden, dass die Leistungsmodule
unter realen Einsatzbedingungen eher eine höhere Lebensdauer errei-
chen als bei vergleichbaren beschleunigten Lastwechseltests mit Gleich-
strombelastung. Die Lebensdauermodelle, die mittels Lastwechseltests mit
Gleichstrombelastung ermittelt werden, liefern auf Basis des gezeigten
104 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
4.2.1 Testbedingungen
Ein/Aus
VCE
100A 100mA DUT2 Tcase
VCE
DUT3 Tcase
ILast
Ziel der Auswertung in diesem Test ist zu zeigen, welchen Beitrag die
verbesserte Bonddrahttechnologie zur Zuverlässigkeitssteigerung des Leis-
tungsmoduls leistet. Ebenso soll der Einfluss der Chipdicke herausgestellt
werden.
Das erste Ergebnis des Tests war, dass sich bei allen Prüflingen mit
verbesserter Bonddrahttechnologie trotz verschiedener Chipdicken und
variablen Temperaturhüben das gleiche Ausfallverhalten zeigte. In Ab-
bildung 4.11 sind während des Lastwechseltests gemessenen Verläufe der
Durchlassspannung und des thermischen Widerstandes eines Prüflings
dargestellt. Diese Messungen repräsentieren das Ausfallverhalten aller ge-
testeten Prüflinge mit gehärteten Aluminium-Bonddrähten. Die Verläufe
4.2 Einfluss der Chipdicke und Bonddrahttechnologie 107
120 Tcase
110
100
90
80
70
60
0 20 40 60 80 100 120
t in s
5% Grenze (VCE)
105
150 VCE
VCE in %
100
Rthjc in %
Rth 95
100
90
IGBT_links IGBT_rechts
50 85
0 50000 100000 150000 200000 250000 300000
Anzahl Zyklen
Die Ursache für den Anstieg des thermischen Widerstandes ist die De-
gradation der Chiplotschicht. Die Ultraschallaufnahme des Prüflings in
Abbildung 4.12 zeigt diesen Fehlermechanismus. Diese Bilder sind vom
Prüfling, von dem in Abbildung 4.11 die Verläufe der Durchlassspannung
des thermischen Widerstandes dargestellt sind. Unter dem linken Chip
ist die degradierte Fläche in der Chipverbindung kleiner als unter dem
rechten Chip. Entsprechend ist der relative Anstieg des thermischen Wi-
derstands in Abbildung 4.11 zu sehen. Die Degradation in Abbildung 4.12
ist mit Pfeilen markiert und ist in dieser Aufnahme als verschwommene
unregelmäßige Fläche zu sehen. Die Prüflinge wurden aus der Richtung
der Grundplatte mit dem Ultraschallmikroskop analysiert. Die Reflektions-
ebene des Ultraschallsignals wurde auf die Ebene fokussiert, sodass gerade
noch die Bonddrähte sichtbar sind. Die sichtbaren Punkte über der nicht
beschädigten Fläche sind die Bondfüße. Die Lotdegradation ist dadurch
zu erkennen, dass die Bondfüße nicht mehr sichtbar sind. Aufnahmen mit
der Fokussierung in der Chipverbindung würden die degradierten Bereiche
4.2 Einfluss der Chipdicke und Bonddrahttechnologie 109
Rth in %
VCE in %
den alle Ergebnisse dieses Tests mit Hilfe der CIPS2008-Gleichung 2.2
ausgewertet. Die Konstanten für diese Gleichung sind aus [60]:
• K = 9, 3E14
• β1 = −4, 416
• β2 = 1285
• β3 = −0, 463
• β4 = −0, 716
• β5 = −0, 761
• β6 = −0, 5
Für die Lebensdauerbestimmung werden in diesem Lastwechseltest fol-
gende Testparameter der CIPS2008-Gleichung als konstant angenommen:
• Minimale Sperrschichttemperatur Tj,min = 84◦ C
• Strom pro Bondfuß I = 6, 3A
• Einschaltzeit ton = 15s
• Durchmesser des Bonddrahts D = 400µm
Variable Testparameter sind:
4.2 Einfluss der Chipdicke und Bonddrahttechnologie 111
• Sperrspannungsklasse V
• Temperaturhub der Sperrschicht ∆Tj
Wie in den Testrandbedingungen zu sehen, ist die minimale Sperrschicht-
temperatur nicht für alle Prüflinge konstant und variiert um etwa 5K. Der
Fehler durch die Annahme des konstanten Wertes von Tj,min = 84◦ C ist
bei der berechneten Lebensdauer gering und kann vernachlässigt werden.
Mit diesen Definitionen vereinfacht sich die Lebensdauergleichung zur
Funktion: Nf = f (V, ∆Tj ).
Die erzielten Testergebnisse im Vergleich zur berechneten Lebensdauer
sind in Abbildung 4.14 dargestellt. Die drei Kennlinien sind die berechne-
ten Lebensdauerkurven für drei Spannungsklassen in Abhängigkeit des
Temperaturhubs an der Sperrschicht. Die Punkte sind die erzielten Tester-
gebnisse. Das berechnete Ergebnis stimmt mit dem Testergebnis mit guter
Genauigkeit überein. Die Lebensdauer sowohl des Standardmoduls als
auch der Module mit verbesserten Bonddrähten liegen auf den zugehörigen
Lebensdauerkurven.
Lebensdauerauswertung
1,0E+07
Anzahl Zyklen
1,0E+06
1,0E+05
1,0E+04
40,00 50,00 60,00 70,00 80,00 90,00 100,00 110,00 120,00
ΔTj in K
Test 600V IGBT Test 1200V IGBT Test 1700V IGBT
CIPS2008 600V CIPS2008 1200V CIPS2008 1700V
Standard BSM100GD120DLC
Lebensdauerauswertung
1,0E+07
1,0E+06
1,0E+05
1,0E+04
40,00 50,00 60,00 70,00 80,00 90,00 100,00 110,00 120,00
ΔTj in K
Test 600V IGBT Test 1200V IGBT Test 1700V IGBT
Goehre CIPS2010 Schmidt PCIM2012 Hartmann PCIM2012
Das zweite Ergebnis dieses Tests ist, dass die Chipdicke die Zuverlässigkeit
wesentlich beeinflusst. Je dünner der Halbleiterchip ist, desto weniger Be-
lastung erfährt die Verbindungsschicht zwischen Chip und DCB-Substrat
und desto größer ist die Lebensdauer des Leistungsmoduls. Im durchge-
führten Test zeigten Module mit 600V-Chips im Durchschnitt etwa eine
doppelte Lebensdauer im Vergleich zu Prüflingen mit 1700V-Chips. Die
erzielten Ergebnisse bestätigen die empirisch ermittelten Zusammenhänge
der CIPS2008–Gleichung. Diese Abhängigkeit gilt aber nur dann, wenn die
Lebensdauer des Leistungsmoduls von der Degradation der Chiplotschicht
bestimmt wird. Unter anderen Belastungsbedingen, bei denen z.B. Bond-
drahtfehler oder die großflächige Verbindung zwischen DCB-Substrat und
Grundplatte die Zuverlässigkeit des Leistungsmoduls bestimmen, kann
sich die Chipdicke weniger stark auf die Zuverlässigkeit auswirken.
114 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
4.3.1 Diffusionslöten
• tof f = 6s
• I = 150..165A
• Tcase,min ; Tvj,min = 71,6..77,4◦ C
• Tcase,max = 97,7..108,2◦ C
• Tvj,max = 170,2..186,5◦ C
Für die Bewertung der Lastwechselfestigkeit der Prüflinge mit Diffusi-
onslöten, wurden Standard-Leistungsmodule unter vergleichbaren Testbe-
dingungen getestet. Die Standard-Technologie repräsentieren in diesem
Test die Leistungsmodule FS150R06KE3 und Prototypmodule des 400A /
600V HybridPACK1-Leistungsmoduls des Herstellers Infineon. Für diese
Standard-Module wurden Testparameter laut Tabelle 4.3 eingestellt.
Lebensdauerauswertung
1,0E+07
Anzahl Zyklen
1,0E+06
1,0E+05
1,0E+04
80 85 90 95 100 105 110 115 120
Standard FS150R06KE3
ΔTj in K
Standard 400A/600V
Lebensdauergleichung 600V-Standardmodule
Chipverbindung Diffusionslöten
Lebensdauerkurve Standard-Aluminiumbonddrähte
5% Anstieg (VCE)
105 110
VCE
Rth in %
VCE in %
100 100
Rth
95 90
90 80
0 20000 40000 60000 80000
Zyklen
Rth in %
VCE in %
90 90
0 10000 20000 30000 40000 50000
Zyklen
Tvj,max in °C
110 160
Tvj,min in °C
100 150
90 140
Tvj,min verbessert
80 130
70 standard 120
60 110
50 100
0 20000 40000 60000 80000
Zyklen
Lebensdauerauswertung
1,0E+08
1,0E+07
bei 3 Modulen kein Ausfall
Anzahl Zyklen
1,0E+06
1,0E+05
1,0E+04
1,0E+03
20,00 40,00 60,00 80,00 100,00 120,00 140,00 160,00
∆Tj
Standard-Module Chipmetallisierung V1 Chipmetallisierung V2
Chipmetallisierung V3 Anforderung 200°C
Al dotiert
Grenzfläche
Riss
Metallisierung Si Chip
Abbildung 4.24: Metallographischer Schliff der Bonddrahtverbindung mit
der Chipmetallisierungsvariante V2, Riss in der Chipmetallisierung nach
dem Lastwechseltest
VCE
105
Rth
VCE, Rth in %
100
Kühlmittel gewechselt
95
90
0 1.000.000 2.000.000 3.000.000 4.000.000
Zyklen
4.4.2 Testergebnisse
200 200
Tvj
175
180
150
160 125
140 100 Tcase
580 590 600 610
120
T in °C
100
80
60
40
20
0
0 200 400 600 800 1000
t in s
wurde. Der Prüfling mit der neuartigen Systemverbindung erfuhr die höchs-
te Temperatur. Dieses Modul hatte gleiche Kühlrandbedingungen wie das
Standard-Modul. Beide Module wurden mit der Wärmeleitpaste auf einen
wassergekühlten Kühlkörper montiert. Aufgrund eines kleineren IGBT
Chips (300A) im Vergleich zum Standard-Modul (400A) war der thermi-
sche Widerstand insgesamt höher, was die höhere Sperrschichttemperatur
begründet. Das Modul mit der direkt gekühlten PinFin-Grundplatte hatte
trotz des 300A-Chips einen besseren thermischen Widerstand und dadurch
die niedrigste Sperrschichttemperatur. Für alle Module wurde der passive
Zyklus mit der Kühlwassertemperatur zwischen 22◦ C und 122◦ C gesteuert.
Die Zykluszeit im passiven Zyklus setzte sich zusammen aus 9min Auf-
wärmphase, 1min Haltephase bei maximaler Wassertemperatur und 5min
Abkühlphase, siehe Abbildung 4.29. In einem passiven Zyklus wurden
IGBTs mit 100 aktiven Zyklen während der Aufwärm- und Haltephase
belastet. Die Temperaturen sind in Tabelle 4.4 aufgelistet.
Zur Messung des Alterungsverhaltens während des Tests wurden Durch-
lassspannung und der transiente thermische Widerstand aufgezeichnet.
Beim Standard-Modul und beim Prüfling mit der neuartigen Systemlötung
wurde die thermische Impedanz zwischen Sperrschicht und Kühlkörper
gemessen. Für die Messung der Kühlkörpertemperatur wurden auf der
Oberfläche des Kühlkörpers 1mm dicke Kanäle eingefräst. Die Temperatur
wurde in der Mitte der Modulgrundplatte mit Hilfe eines Thermoelements
erfasst. Beim Modul mit der PinFin-Grundplatte wurde für die thermische
128 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
den anderen zwei Prüflingen sind die Anteile des Kühlpfads zwischen dem
Kühlkörper und dem Kühlwasser nicht enthalten, da der Referenzpunkt
der Zth -Messung auf der Oberseite des Kühlkörpers lag.
Zth(t)-Verlauf
0,25
0,20
Zth in K/W
0,15
0,10
0,18
Rth in K/W
0,16
0,14
Wärmeleitpaste erneuert
0,12
0,10
0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000
passive Zyklen
Standard (Chip1) Standard (Chip2)
Lötung Mikrostrukturen (Chip1) Lötung Mikrostrukturen (Chip2)
NTV (Chip1) NTV (Chip2)
Chip2 Chip1
on des Chiplotes schließen lässt. Der Anstieg im Anteil r2 (Chip1) zeigt die
Alterung der Systemlotschicht. Bei Chip2 bleibt dieser Wert annähernd
konstant. Das Ultraschallbild in Abbildung 4.33 bestätigt diese Unter-
schiede. Unterhalb von Chip1 ist eine starke Delamination im Systemlot
zu erkennen, unterhalb von Chip2 sind dagegen keine hellen Bereiche zu
sehen. Die Unregelmäßigkeiten unterhalb Chip1 in der Chipverbindung
deuten im Ultraschallbild auf die Degradation hin und bestätigen die
Messung.
Die Verläufe der gemessenen CAUER-Zeitkonstanten und -Kapazitäten
zeigen Abbildungen 4.35 und 4.36. In den Bereichen, wo Widerstände
ansteigen, werden Zeitkonstanten größer und Kapazitäten kleiner. Die
relativen Veränderungen sind nur schwach zu erkennen. Dies lässt sich
wie folgt begründen.
Physikalisch gesehen verändert sich die thermische Kapazität des Materi-
als im Laufe des Lastwechseltests nicht. Im Falle einer Degradation einer
Materialschicht wird jedoch die Kühlfläche verkleinert und das führt zur
Einengung des Wärmeflusses. Insgesamt verringert sich das Materialvolu-
men, welches an der Kühlung des Halbleiterchips beteiligt ist. Deshalb
sinkt die gemessene Wärmekapazität bei der Erhöhung des partiellen
thermischen Widerstandes. Bei diesem Effekt würden die entsprechenden
Zeitkonstanten der RC-Glieder konstant bleiben.
Eine kleiner werdende Kühlfläche zwingt jedoch bei gleicher abzuführender
Verlustleistung zu einer stärkeren Wärmespreizung. Dieser Effekt wirkt
der Einengung des Wärmeflusses entgegen. Dadurch kommt es zu einer
Erhöhung der Zeitkonstanten.
Beide Effekte beeinflussen sich gegenseitig. Messungen zeigen, dass sowohl
Zeitkonstanten als auch thermische Kapazitäten ungefähr in gleichem
Maße sich relativ verändern. Dadurch ist die Empfindlichkeit dieser Werte
bei einem Fehler geringer als bei Widerständen.
132 4 Ergebnisse der Zuverlässigkeitstests
0,06
r3
0,04
r1
0,02
r4
0
0 500 1000 1500 2000 2500 3000
Passive Zyklen
0,1
τ in s
τ2
0,01
τ1
0,001
Chip1
Chip2
0,0001
0 500 1000 1500 2000 2500 3000
Passive Zyklen
C3
10
C in J/K
1
C2
0,1
Chip1 C1
Chip2
0,01
0 500 1000 1500 2000 2500 3000
Passive Zyklen
4.4.3 Lebensdauerbewertung
0,07
0,05
Rth in K/W
0,04 r2 (Al2O3-Grundplatte)
0,03
0,02
0,01
0
0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000
passive Zyklen
schätzung nach der Vorgehensweise des Kapitels 2.3.2 ergibt, dass das
untersuchte Leistungsmodul für die angenommenen Umgebungstempe-
raturen der Stadt Konstanz die Anforderungen für die maximale Kühl-
mitteltemperatur von 95◦ C erfüllt. Für die Temperaturen der Zugspitze
kann das Leistungsmodul für 80◦ C zugelassen werden.
Bezüglich der Lastwechselfestigkeit dieser Verbindungstechnologie, zeigen
die Ergebnisse in Abbildung 4.23 eine klare Tauglichkeit für die maximale
Sperrschichttemperatur von 200◦ C. Die erreichten Zyklen übertreffen die
Anforderungen um mindestens Faktor 10. Diese Ergebnisse verdeutlichen,
dass die Lastwechselfestigkeit im Vergleich zu Temperaturwechselfestigkeit
bei passiven Zyklen deutlich höhere Anforderungen erfüllen können. Man
könnte in der Nähe des Halbleiterchips deshalb höhere Temperaturen als
200◦ C zulassen und die Leistungsdichte des Umrichters steigern. Das kann
z.B. für den Einsatz von SiC-Bauelementen sprechen. Diese Bauelemente
konnten bisher aufgrund der Lastwechselproblematik noch nicht für diese
hohen Temperaturen zugelassen werden.
139
A Anhang
k·T j
Upn (T ) = · ln +1 (A.2)
q js (T )
Sperrsättigungsstrom:
Dp (T )
js (T ) = q · ni (T )2 · (A.3)
Lp (T ) · ND
1,75
T
NV (T ) = 1, 83 · 1019 · [cm−3 ] (A.6)
300
144 A Anhang
7, 021 · 10− 4 · T 2
WG (T ) = 1, 1557eV − (A.7)
T + 1108
2
b+1 1−b
1 b+1 q · ND 1+b
UBD = · · (A.8)
2 C0 ε
1+b
2 ! 1−b
− b+1
ε b+1
ND = 2 · UBD · · (A.9)
q C0
Ionisationsraten b und C 0 werden in [88] auf Basis Shields [87] und Fulop
[20] mit diesen Gleichungen beschrieben:
T
C 0 = 2 · 10−28 · e−16,22· 300K (A.10)
T
b = 5, 8 + 1, 2 · (A.11)
300K
Diffusionskonstante der Löcher [58]:
k·T
Dp (T ) = · µp (T ) (A.12)
q
2,1
cm2
300
µ0 (T ) = 469 · (A.14)
T Vs
A.2 Modell zur Simulation von Fehlermechanismen im Kühlpfad 145
0,8
cm2
300
µ∞ (T ) = 44 · (A.15)
T Vs
4,13
T
Nref (T ) = 2, 4 · 10 17
· cm−3 (A.16)
300
0,26
T
γ(T ) = 0, 7 · (A.17)
300 · K
2
T
τp (T ) = 1 · 10−6 s · (A.19)
300 · K
l
Rth,i = (A.20)
λ·A
146 A Anhang
45°
PV ...
Cth,i = Vi · s (A.21)
Literaturverzeichnis
[10] Casanellas, F.: Losses in PWM inverters using IGBTs. In: Electric
Power Applications, IEEE Proceedings 141 (1994)
148
[64] Norm DIN ENV 13005: Leitfaden zur Angabe der Unsicherheit
beim Messen. 1999
[65] Ott, M.: Berechnung der VCE(T) - Kennlinie am IGBT zur Be-
stimmung der Chiptemperatur. 2009. – Studienarbeit, TU Chemnitz,
Professur für Leistungselektronik und elektromagnetische Verträg-
lichkeit