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Grundwasser

Das in den Poren zwischen den Bodenkörnern befindliche Wasser heißt Grundwasser
(groundwater). Nach dem Polar- und Gletschereis bildet es den zweitgrößten Vorrat
an Süßwasser auf der Erde.
Wasservorräte der Erde
Typ Volumen (km3 )
Ozeane (Salzwasser) 1.300.000.000
Polar- u. Gletschereis∗ 29.000.000
Grundwasser∗ (Tiefe bis 0,8 km) 4.000.000
Grundwasser (Tiefe > 0,8 km)

5.000.000
Seen, Flüsse∗ 125.000
Atmosphäre 13.000
*Süßwasser
Die Lage des Grundwasserspiegels (water table oder phreatic surface) kann man
mittels eines Brunnens entdecken. Letzterer ist ein Bohrloch, das gegebenenfalls mit
Hilfe eines durchlässigen Rohrs (z.B. geschlitztes Stahlrohr) gestützt wird. Strengge-
nommen wird als Grundwasser nur das Wasser unterhalb des Grundwasserspiegels
bezeichnet. Das darüber befindliche Wasser ist durch Kapillarkräfte gebunden und
konstituiert den sog. Kapillarsaum (vadose zone). Der Kapillarsaum ist im unteren
Bereich gesättigt, nach oben nimmt die Sättigung ab.
Wegen der Speisung durch Niederschläge (sog. Grundwasser-Neubildung) und der
Strömung des Grundwassers ist der Grundwasserspiegel keine horizontale Ebene,
sondern eine gekrümmte Fläche mit zeitlich variabler Lage. Oft folgt er ungefähr
dem Relief des Geländes (Abb. 5.1) zu sog. Vorflutern (z.B. Fluß) hin. Die Tiefenla-
ge des Grundwasserspiegels kann innerhalb kleiner horizontaler Entfernungen stark
schwanken und wird auch von Baumaßnahmen beeinflußt. Sie variiert jahreszeitbe-
dingt und auch von Jahr zu Jahr.
Bedingt durch das Vorhandensein unterirdischer Becken mit wenig durchlässiger
Sohle kommt es zur Bildung von sog. schwebenden Grundwasserkörpern (Abb. 5.2)
mit schwebendem Grundwasserspiegel (perched watertable).
48 5 Grundwasser

Abb. 5.1. Der Grundwasserspiegel folgt etwa dem Geländerelief

Abb. 5.2. Schwebendes Grundwasser

Bodenschichten, in denen sich das Grundwasser leicht bewegen kann, heißen Grund-
wasserleiter (aquifer). In Bodenschichten mit kleineren Poren kann sich das Grund-
wasser nicht leicht bewegen, daher heißen sie (relativ) undurchlässige Schichten
(aquitards). Wird ein Grundwasserleiter von einer undurchlässigen Schicht über-
lagert (confined aquifer ), so kann es zu sog. gespanntem Grundwasser kommen
(Abb. 5.3). Durch künstliche oder natürliche Öffnungen (Brunnen) kann das Grund-
wasser dann aus der Geländeoberfläche hervorsprudeln. Es kommt somit zur Bildung
von sog. artesischen Brunnen (artesian wells) bzw. von Fließsand (quicksand).

5.1 Grundwasserströmung
Das Grundwasser strömt1 von Orten größerer Energie zu Orten kleinerer Energie.
Üblicherweise wird die Energie in der Hydraulik als Energiehöhe (energy head) oder
hydraulische Höhe h ausgedrückt. Die hydraulische Höhe h setzt sich aus der geo-
dätischen Höhe z, die bezüglich einer willkürlich festgelegten Bezugshöhe (datum)
1
Die Grundwasserströmung (seepage) wird auch Sickerströmung genannt.
5.1 Grundwasserströmung 49

Abb. 5.3. Gespanntes Grundwasser, artesische Brunnen, Fließsand

gemessen wird, der Druckhöhe p/γw und der Geschwindigkeitshöhe v 2 /2g zusam-
men:
p v2
h=z+ + . (5.1)
γw 2g
Hierbei ist γw die Wichte des Wassers und g die Erdbeschleunigung. Bei Grundwas-
serströmungen ist die Geschwindigkeit v klein, ihr Quadrat umso kleiner; daher darf
die Geschwindigkeitshöhe im Vergleich zu den beiden ersten Termen in Gleichung
5.1 vernachlässigt werden. Man erhält dann
p
h=z+ . (5.2)
γw
Hinsichtlich Grundwasserströmungen muß man den Begriff „Geschwindigkeit“ nä-
her definieren. Abbildung 5.4 zeigt eine momentane Verteilung der tatsächlichen Ge-
schwindigkeit v̂ f der Wasserpartikel. Mittelt man diese Geschwindigkeit über den
Porenraum, erhält man die Geschwindigkeit v f (siehe Abb. 5.5). Ein Wasserpartikel
legt die Länge a in der Zeit t = a/v f zurück. Deshalb heißt v f die Abstandsge-
schwindigkeit.
Mittelt man hingegen die Geschwindigkeit v̂ f über die gesamte betrachtete Schnitt-
fläche, so erhält man die sog. Filtergeschwindigkeit2 v (siehe Abb. 5.6). Sie gibt den
Durchfluß (Wasservolumen in der Zeiteinheit) pro Flächeneinheit des Bodens an.
In der Untergrundhydraulik kommt es meist auf den Durchfluß an, deshalb hat es
sich eingebürgert, mit der Filtergeschwindigkeit v zu arbeiten. Bei Betrachtung der
Ausbreitung von Schadstoffen im Grundwasser hingegen ist die Abstandsgeschwin-
digkeit v f von Bedeutung. Unter Heranziehung eines bekannten Lehrsatzes, nach
dem die sog. Flächenporosität nA := Ap /A (A=Querschnittsfläche; Ap =Poren-
2
Um zu betonen, daß sich die Filtergeschwindigkeit auf das Porenfluid bezieht, wird hierfür
oft vf geschrieben.
50 5 Grundwasser

Abb. 5.4. Momentane Verteilung der tatsächlichen Wassergeschwindigkeit v̂ f (in x-Richtung)

Abb. 5.5. Über den Porenraum gemittelte Abb. 5.6. Filtergeschwindigkeit v


Geschwindigkeit v f (in x-Richtung)

Querschnittsfläche) gleich der Volumenporosität n = Vp /V ist3 , folgt aus v f Ap =


vA: v f = v/n.

3
Der Beweis dieses Theorems von D ELESSE ist einfach: Das Volumen V eines Boden-
körpers ergibt sich aus der Integration seiner Querschnittsfläche A über eine dazu senk-
x
R2
rechte Koordinate x mit V = A(x) dx. Genauso ergibt sich das Porenvolumen Vp aus
x1
x
R2
Vp = nA A(x) dx. Ist der Körper statistisch homogen, so ist nA unabhängig von x und
x1
5.2 Gesetz von Darcy 51

5.2 Gesetz von Darcy


Nach DARCY (1856) ist v proportional zur Energiehöhe ∆h, die auf der Länge ∆l
abgebaut wird:
∆h
v=k . (5.3)
∆l
Die Bedeutung von ∆h und ∆l ist aus Abbildung 5.7 ersichtlich. Die dimensions-

Abb. 5.7. Prinzipskizze zur Gleichung 5.3

lose Größe ∆h/∆l wird als hydraulisches Gefälle (oder hydraulischer Gradient) i
bezeichnet. Somit erhält das Gesetz von DARCY die Form
v = ki . (5.4)
Gleichung 5.4 gilt auch für zwei- und dreidimensionale Strömungen mit 4 i = −∇h.
Die Proportionalitätskonstante k heißt die Durchlässigkeit (permeability bzw. hy-
draulic conductivity).
Das Gesetz von DARCY gilt unter folgenden Einschränkungen:
1. Der Boden ist isotrop, d.h. die Durchlässigkeit ist in jeder Raumrichtung diesel-
be. Dies ist nicht der Fall, wenn der Boden z.B. aus gleichgerichteten Plättchen
aufgebaut ist (vgl. Abb. 3.7a). In solchen Fällen ist das Gesetz von DARCY in
tensorieller Form anzuschreiben, was hier nicht weiter verfolgt wird. Es soll nur
festgehalten werden, daß bei Tonböden die Durchlässigkeit in horizontaler Rich-
tung erheblich größer als in vertikaler Richtung sein kann.
x
R2
kann vor dem Integral geschrieben werden: Vp = nA A(x) dx = nA V , woraus die
x1
Gleichheit nA = n folgt. Genauso kann man zeigen, daß die Linienporosität gleich der
Flächenporosität ist.
4
Bekanntlich hat der Vektor ∇h in kartesischen Koordinaten die Komponenten ∂h/∂x,
∂h/∂y und ∂h/∂z.
52 5 Grundwasser

2. Sobald die Strömung turbulent wird, gilt das DARCY-Gesetz nicht mehr. Nach
F ORCHHEIMER gilt dann das quadratische Gesetz i = Av + Bv 2 . Der Über-
gang zu turbulenter Strömung erfolgt nach Maßgabe der R EYNOLDS-Zahl Re =
vd/µ, wobei v die Filtergeschwindigkeit, d der maßgebende Porendurchmesser
und µ die Viskosität des Wassers ist. Nach PAVLOVSKI erfolgt dieser Übergang
bei
1 vd10
Re = ≈ 7 bis 9 .
0, 75n + 0, 23 µ
Weitere Kriterien für diesen Übergang können bei K ÉZDI 5 nachgeschlagen wer-
den.
3. Für stark tonige Böden setzt eine Grundwasserströmung erst ab i > i 0 ein, und
es gilt v = k(i − i0 ), vgl. Abb. 5.8. Dieser Effekt ist bei Dichtungsschichten
erwünscht.

Abb. 5.8. Definition des i0 -Gradienten

4. Das DARCYsche Gesetz in der Form v = ki bzw. nv f = ki setzt voraus, daß


die Bodenkörner in Ruhe sind. Für den Fall, daß sich die Bodenkörner bewegen,
muß im DARCYschen Gesetz die Relativgeschwindigkeit zwischen Körnern und
Wasser stehen (sog. Gesetz von DARCY-G ERSEVANOV). Sei v s die Abstands-
geschwindigkeit der Bodenpartikel, dann ist v f − v s die gemittelte Relativge-
schwindigkeit. Somit folgt n(v f − v s ) = ki bzw. mit nv f = v:

v − nv s = ki . (5.5)

5.3  Elektroosmose
Das Fließen des Grundwassers wird nicht nur durch Druckgradienten, sondern auch
durch Gradienten des elektrischen Potentials (d.h. durch elektrische Felder) hervor-
5
A. Kézdi, Handbuch der Bodenmechanik, Band 1, S. 132 ff, VEB Verlag für Bauwesen,
Berlin, 1969. Siehe ferner: W. Herth und E. Arndts „Theorie und Praxis der Grundwasser-
absenkung“, Ernst & Sohn, Berlin 1985.
5.4 Durchlässigkeit 53

gerufen. Dieses Phänomen wird Elektroosmose (electro-osmosis) genannt und be-


ruht darauf, daß im Grundwasser befindliche Ionen (Kationen) von der Kathode
angezogen werden und bei ihrer Bewegung dorthin Wassermoleküle mitreißen, die
aufgrund ihres Dipolmomentes von den Kationen angezogen werden. Bei Berück-
sichtigung der Elektroosmose erweitert sich das DARCY-Gesetz auf

v = ki + ke E . (5.6)

Hierbei ist E die elektrische Feldstärke und ke der sog. elektroosmotische Durchläs-
sigkeitsbeiwert. Er beträgt für fast alle Böden ca. 5 · 10−5 cm2 /V·s.

5.4 Durchlässigkeit
Die Durchlässigkeit k hat die Dimension einer Geschwindigkeit (m/s bzw. cm/s) und
läßt sich allenfalls nach der Größenordnung bestimmen. Übliche Werte sind:
Bodenart k in m/s Bereich
Ton, Lehm < 10 −8
sehr schwach durchlässig
Schluff; Sand lehmig, schluffig 10−8 . . . 10−6 schwach durchlässig
Feinsand, Mittelsand 10−6 . . . 10−4 durchlässig
Grobsand, Mittelkies, Feinkies 10−4 . . . 10−2 stark durchlässig
Grobkies > 10−2 sehr stark durchlässig
für grobes Geröll und Grobkies gilt DARCY-Gesetz nicht (turbulente Srömung)!
Die Durchlässigkeit hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter auch von der Zä-
higkeit µ (und somit auch von der Temperatur) des Porenfluids. Die Porenzahl e be-
einflußt die Durchlässigkeit, wobei man beachten sollte, daß zwei Böden mit gleicher
Porosität ganz unterschiedliche Durchlässigkeiten haben können (vgl. Abb. 5.9).

Abb. 5.9. Der (schematisch dargestellte) Boden a hat die gleiche Porosität wie der Boden b,
ist jedoch viel durchlässiger

Um diese Faktoren abzuschätzen, betrachten wir die Formel von H AGEN -P OISEUILLE
für die laminare Durchströmung eines horizontalen Rohres mit dem Radius r und der
Länge ∆s. Diese Strömung wird durch den Druckunterschied ∆p angetrieben:
54 5 Grundwasser
k i
     
r2 ∆p r2 γw ∆(p/γw )
v= = . (5.7)
4µ ∆s 4µ ∆s
Die Analogie zum Boden besteht darin, daß dieser ebenfalls aus Porenkanälen auf-
gebaut ist, wobei letztere allerdings von unregelmäßigem Durchmesser und verwun-
den sind. Man ersieht aus Gleichung 5.7, daß die Durchlässigkeit k vom Quotienten
µ/γw und somit von den Eigenschaften des Porenfluids abhängt6.
Ferner hängt sie quadratisch vom mittleren Radius rp (bzw. Durchmesser dp ) der
Porenkanäle ab. Für einen bestimmten Boden korreliert dp mit dem Durchmesser der
Körner. Darauf beruht die empirische Formel von H AZEN, die nur für gleichförmige
lockere Sande gilt:

k [cm/s] ≈ 100 · (d10 [cm])2 .

Die Abhängigkeit der Durchlässigkeit von der Porosität n läßt sich durch folgende
Formel erfassen7 :
n3
k=C ,
(1 − n)2

wobei C ein stoffabhängiger Faktor ist.

5.5 Bestimmung der Durchlässigkeit im Labor


5.5.1 Versuch mit konstanter Druckhöhe

Bei relativ durchlässigen Böden wird der sog. Versuch mit konstanter Druckhöhe
durchgeführt. Dabei mißt man den Durchfluß Q, der eine Probe mit dem Querschnitt
A und der Länge ∆s infolge des konstant gehaltenen Potentialunterschiedes ∆h
durchströmt. Aus
∆h
Q = Av = Ak
∆s
folgt dann
Q∆s
k= .
A∆h

6
Man beachte, daß die Viskosität µ temperaturabhängig ist. Für Wasser gilt µ = 1, 31 ·
10−3 Ns/m2 bei T = 10◦ C und µ = 1, 00 · 10−3 Ns/m2 bei T = 20◦ C. Übliche Angaben
für k beziehen sich auf eine Temperatur von 10◦ C.
7
siehe G. Mattheß und K. Ubell: Allgemeine Hydrogeologie, Grundwasserhaushalt, Lehr-
buch der Hydrogeologie Band 1, Gebrüder Borntraeger, 1983.
5.5 Bestimmung der Durchlässigkeit im Labor 55

Abb. 5.10. Versuch mit variabler Druckhöhe

5.5.2 Versuch mit veränderlicher Druckhöhe

Bei wenig durchlässigen Böden ist der Durchfluß beim Versuch mit konstanter
Druckhöhe sehr gering und daher kaum meßbar. Deshalb wird der sog. Versuch mit
variabler Druckhöhe durchgeführt. Man beobachtet dabei das Absinken des Was-
serspiegels in einem Standrohr (siehe Abb. 5.10). Zur Herleitung der maßgebenden
Gleichung bezeichnen wir die Druckdifferenz h (d.h. h ≡ ∆h). Aus der Kontinui-
tätsgleichung (Massenerhaltung des Wassers) folgt

dh h
−A0 = Av = Ak ,
dt ∆s
woraus die gewöhnliche Differentialgleichung

dh Ak
=− h
dt A0 ∆s
folgt. Ihre Lösung lautet:
 
A k
h = h0 exp − t ,
A0 ∆s

bzw. nach t aufgelöst:

A0 ∆s h0
t= ln .
Ak h
Durch Messung von h zu zwei verschiedenen Zeitpunkten t1 und t2 erhält man dann
56 5 Grundwasser

A0 ∆s h0
t1 = ln ,
Ak h1
A0 ∆s h0
t2 = ln ,
Ak h2
A0 ∆s h1
t2 − t 1 = ln ,
Ak h2
A0 ∆s h1
 k= ln .
A t2 − t 1 h 2
Es muß hinzugefügt werden, daß im Kontaktbereich zwischen Probe und starrer
Wand die Porosität erhöht ist (siehe Abb. 5.11 links). Die damit verknüpfte Randum-
läufigkeit verfälscht die gemessene Durchlässigkeit. Um dies zu vermeiden, werden
die Proben oft durch eine Gummimembran seitlich eingefaßt und durch einen äuße-
ren Druck p0 gestützt (siehe Abb. 5.11 rechts).

Abb. 5.11. Vermeidung der Randumläufigkeit (links) durch Einfassung der Probe in einer
Gummimembran

5.6 Porenwasserdruck
Der Druck p im Porenwasser spielt in der Bodenmechanik eine sehr wichtige Rolle,
da er das Verhalten des Bodens, wie wir sehen werden, ganz entscheidend beeinflus-
sen kann. Bei horizontalem Grundwasserspiegel und ruhendem Grundwasser wächst
p linear mit der Tiefe z zu
p = γw z .
Dabei wird die Tiefe z ab dem Grundwasserspiegel gemessen. Gespanntes Grund-
wasser liegt vor, wenn der Porenwasserdruck größer als γw z ist.
5.7 Potentialgleichung 57

Bei nicht horizontalem Wasserspiegel und entsprechend strömendem Grundwasser


kann die Verteilung des Porendruckes (und der Geschwindigkeit) rechnerisch durch
Bestimmung des sog. Potentialfeldes (siehe nächsten Abschnitt) erfolgen.
Der Porendruck kann durch ein Standrohr gemessen werden, dessen unteres Ende an
die zu messende Stelle angebracht wird. Das Grundwasser steigt dann im Standrohr
bis zu der Stelle, die dem Porendruck entspricht. Daher wird der Porendruck oft in
Meter Wassersäule (mWS) angegeben. Allerdings braucht das Wasser je nach Bo-
dendurchlässigkeit einige Zeit, bis es aus dem Boden herausfließt und in das Stand-
rohr aufsteigt. Alternativ zum Standrohr können auch Manometer verwendet werden.
Ihr Meßprinzip beruht darauf, daß durch den Porendruck eine Membran gekrümmt
wird, und diese Krümmung an einer Skala oder elektrisch angezeigt wird. Auch hier-
für ist es erforderlich, daß eine bestimmte Menge Wasser aus dem Boden austritt. Da-
her benötigen alle Druckmeßgeräte (sog. Porendruckaufnehmer) eine Ansprechzeit,
die von ihrem Konstruktionsprinzip und der Durchlässigkeit des Bodens abhängt.
Durch undurchlässige Schichten kann es zu mehreren Grundwasserstockwerken im
Untergrund kommen. Im Bereich z1 < z < z2 (Abb. 5.12) ist die Verteilung des
Porenwasserdruckes hydrostatisch: p = γw (z − z1 ). Unmittelbar unterhalb der un-
durchlässigen Schicht (d.h. bei z = z3 ) muß der Porendruck verschwinden, da ab
dort der Porenraum nicht gesättigt ist. Im Bereich z2 < z < z3 findet eine nach unten
gerichtete Grundwasserströmung statt. Sie wird vom Druckunterschied ∆h angetrie-
ben. Um ∆h auszurechnen, legen wir (willkürlich!) die geodätische Bezugshöhe bei
z = z3 an. Es ist dann

h(z = z2 ) = z3 − z2 + z2 − z1 = z3 − z1 .
     
geod. Höhe Druckhöhe

Mit h(z = z3 ) = 0 ergibt sich somit ∆h zu z3 −z1 . Die pro Flächeneinheit fließende
Wassermenge beträgt somit
z3 − z1
v = ki = k ,
z3 − z2
wobei k die Durchlässigkeit der undurchlässigen Schicht ist. Im Bereich z 3 < z < z4
rieselt das Wasser nach unten und trifft bei z = z4 den unteren Grundwasserspiegel.

5.7 Potentialgleichung
Zur Bestimmung der Verteilung des Porendruckes und der Wassergeschwindigkeit
von Grundwasserströmungen sucht man die Lösung der Potentialgleichung ∆h = 0.
Dies ist eine lineare partielle Differentialgleichung, bei der das Symbol ∆ nicht (wie
58 5 Grundwasser

Abb. 5.12. Porendruckverteilung bei zwei Grundwasserstockwerken

üblich) eine Differenz, sondern den L APLACE-Operator darstellt. Aus der Kontinui-
tätsgleichung8 div v = 0 erhält man9 mit v = −k gradh und k = const:

div v := div gradh = 0 . (5.8)

In kartesischen Koordinaten x, y, z lautet diese Gleichung:

∂2h ∂2h ∂2h


+ 2 + 2 =0 .
∂x2 ∂y ∂z

Die Lösung dieser Differentialgleichung, d.h. die Funktion h(x, y, z) liefert die Ver-
teilung des Porendruckes und der Wassergeschwindigkeit im betrachteten Gebiet. Es
gibt verschiedene Verfahren zur Lösung dieser Differentialgleichung, wie konforme
Abbildung (für ebene Probleme) und numerische Verfahren wie z.B. finite Elemente.
8
Diese Gleichung erhält man durch Bilanzierung der ein- und austretenden Wassermengen
durch ein Volumenelement mit den Kantenlängen dx, dy und dz. Durch die Fläche dydz
fließt in der Zeiteinheit die Wassermenge vx dydz in das Element ein. Durch die in der
Entfernung dx gelegene gleichgroße Fläche fließt die Menge (vx + ∂v ∂x
x
dx)dydz aus. Es
verbleibt also netto die Menge ∂x dxdydz. Durch Berücksichtigung der Geschwindig-
∂vx

keitskomponenten vy und vz , und der Tatsache, daß – bei Fehlen von Quellen und Senken
– in das Volumenelement genausoviel einfließt, wie daraus abfließt, erhält man
∂vx ∂vy ∂vz
div v = + + =0 .
∂x ∂y ∂z

9
Die Schreibweisen ∇h und ∇ · v sind äquivalent zu grad h und div v.
5.7 Potentialgleichung 59

Abb. 5.13. Grundwasserströmung unterhalb eines Wehrs

Für ebene Probleme (d.h. bei Problemen, wo eine Raumrichtung keine Rolle spielt
und h z.B. nur von x und z abhängt) kann man ein grafisches Verfahren anwenden,
das auf der zeichnerischen Konstruktion des sog. Potentialnetzes beruht. Dies soll
anhand eines Beispiels gezeigt werden:
Wir betrachten die Grundwasserströmung unterhalb eines Wehrs (siehe Abb. 5.13).
Die Lage der Wasserspiegel ober- und unterhalb des Wehrs soll konstant bleiben.
Das Wehr ist im durchlässigen Boden errichtet, darunter liegt eine undurchlässi-
ge Schicht. Die Konstruktion des Potentialnetzes besteht darin, die (bzw. einige)
Stromlinien und die (bzw. einige) Potentiallinien zu zeichnen. Die Stromlinien ha-
ben überall die Richtung der Wassergeschwindigkeit. Für den hier betrachteten sta-
tionären Fall sind sie zugleich die Bahnkurven von einzelnen Wasserteilchen (siehe
Abb. 5.14).
Die Potentiallinien (auch Äquipotentiallinien genannt) sind Linien gleichen Poten-
tials10 , d.h. es gilt für sie h = const. Wegen v = −kgradh sind die Potentiallinien
orthogonal zu den Stromlinien, siehe Abbildung 5.15. Die Stromlinien und die Po-
tentiallinien bilden ein Netz, dessen Maschen konform (d.h. winkeltreu) deformierte
Rechtecke sind. Die einzelnen „Rechtecke“ haben die Länge ∆s und die Breite ∆b.
Es ist zweckmäßig, das Netz so zu zeichnen, daß die Rechtecke annähernd Quadrate
sind, d.h. daß ∆s ≈ ∆b gilt, siehe Abbildung 5.16. Die Konstruktion eines qua-
dratischen Potentialnetzes gelingt mit etwas Übung und durch Probieren (unter Ver-
wendung von Bleistift und Radiergummi). Sehr hilfreich ist dabei, wenn man auch
die Diagonalen der Quadrate mitzeichnet (in Abb. 5.16 strichliert eingetragen), die
selbst auch ein orthogonales Netz bilden. Ist das Potentialnetz gezeichnet, so können
wir mit seiner Hilfe folgende Aufgaben lösen:

10
Die Energiehöhe h wird auch „Potential“ genannt.
60 5 Grundwasser

Abb. 5.14. Stromlinien

Abb. 5.15. Potentiallinien

Bestimmung der Sickermenge: Die gesamte Wassermenge, die pro Zeiteinheit und
pro Breiteneinheit infolge des Spiegelunterschieds ∆H (siehe Abb. 5.13) unter-
halb des Wehrs durchsickert, läßt sich wie folgt abschätzen: Der Bereich zwi-
schen zwei benachbarten Stromlinien wird Stromröhre genannt. Die Durchfluß-
menge innerhalb einer Stromröhre bleibt konstant, d.h. es gilt (Kontinuitätsglei-
chung)

v∆b = const ,
5.7 Potentialgleichung 61

Abb. 5.16. Quadratisches Potentialnetz

woraus dann folgt (DARCY-Gesetz):


∆h ∆s const
k ∆b = const ; ∆h = .
∆s ∆b k
Für ein quadratisches Netz ist ∆s ≈ ∆b, und man erhält daher:
const
∆h = .
k
Dies bedeutet, daß (für ein quadratisches Netz) der Potentialabbau ∆h zwischen
zwei benachbarten Potentiallinien konstant ist. Pro Potentialstufe beträgt er
∆H
∆h = ,
n
wobei n die Anzahl der Potentialstufen ist. n kann aus dem Potentialnetz der
Abbildung 5.16 abgelesen werden. Daraus kann man auch die Anzahl m der
Stromröhren ablesen (aus Abb. 5.16 folgt: n = 11, m = 3). Somit beträgt der
Durchfluß Q
m
Q = m |{z}
v∆b = mk∆h = k∆H . (5.9)
n
const
Da nach Gleichung 5.9 nur der Quotient m/n für Q maßgebend ist, lohnt es sich
nicht, ein übertrieben dichtmaschiges Potentialnetz zu zeichnen. Die dadurch
gewonnene Genauigkeit ist sinnlos angesichts der ungenauen Kenntnis von k.
Druckverteilung auf das Wehr: Anhand des Potentialnetzes kann man an jeder
Stelle der Unterkante des Wehrs die Energiehöhe h bestimmen. Da die geodäti-
sche Höhe z bekannt ist, kann die dort herrschende Druckhöhe p/γ aus h − z
errechnet werden.
62 5 Grundwasser

5.8 Freier Grundwasserspiegel


Das Beispiel aus Abbildung 5.13 ist besonders einfach, weil dort kein freier Grund-
wasserspiegel vorkommt. Bei Grundwasser-Strömungsfeldern mit freiem Grundwas-
serspiegel stellt die Bestimmung seiner Lage eine zusätzliche Schwierigkeit dar. Bei
der Lösung dieses Problems werden der stationäre (d.h. zeitlich unveränderliche) und
der (schwierigere) instationäre Fall separat behandelt.

5.8.1 Stationärer Fall


Der Grundwasserspiegel ist eine Stromfläche, auf der p = 0 gilt. Diese Gleichung
bestimmt also seine Lage. Bei der zeichnerischen Konstruktion des Potentialnetzes
muß der freie Grundwasserspiegel solange variiert werden, bis die Gleichung p = 0
erfüllt ist. Dazu helfen folgende Hinweise:
1. Wegen p = 0 gilt für den Grundwasserspiegel ∆h = ∆z. Für ein quadratisches
Potentialnetz ergeben sich daraus konstante ∆z für die Potentiallinien (siehe
Abb. 5.17).

Abb. 5.17. Für den Grundwasserspiegel gilt im stationären Fall ∆h = ∆z = const

2. Fließt das Wasser von einem Reservoir in den Boden ein, so muß der Grund-
wasserspiegel (der zugleich eine Stromlinie ist) senkrecht zur Begrenzungsli-
nie (die zugleich eine Potentiallinie ist) sein (siehe Abb. 5.18). Diese Regel gilt
nur solange α ≤ 90◦ ist. Der Fall α > 90◦ ist durchaus denkbar, z.B. bei ei-
ner Vorschüttung aus sehr grobem Material, das dem Fließen des Grundwassers
praktisch keinen Widerstand leistet (siehe Abb. 5.19). Hier kann der Grundwas-
serspiegel im Erddamm nicht senkrecht zur Potentiallinie AB stehen, denn dies
würde ein Aufsteigen über die Wasseroberfläche im Reservoir bedeuten, was
unmöglich ist. Dieser Widerspruch wird dadurch gelöst, daß der Grundwasser-
spiegel bei B horizontal verläuft (also nicht senkrecht zur Potentiallinie) und die
Geschwindigkeit v in der Umgebung des Punktes B verschwindet.
5.8 Freier Grundwasserspiegel 63

Abb. 5.18. Der freie Grundwasserspiegel ist normal zur wasserseitigen Böschungskante

Abb. 5.19. Grundwasserspiegel für α > 90◦

3. Bei der Durchströmung eines homogenen Erddamms schmiegt sich der Grund-
wasserspiegel an der luftseitigen Böschung an. Nachdem das Grundwasser an
die Oberfläche gelangt ist, fließt es ihr entlang zum Böschungsfuß hin, siehe
Abb. 5.20.

Abb. 5.20. Austritt des Grundwassers aus einem Erddamm


64 5 Grundwasser

Man beachte, daß die Linie AB weder Potential- noch Stromlinie ist. An jedem
Punkt von ihr ist die Potentialhöhe h gleich der geodätischen Höhe. Die erwähn-
te tangentiale Einmündung des Grundwasserspiegels an der Austrittsfläche gilt
nur für α ≤ 90◦ . Für α > 90◦ verläuft der Grundwasserspiegel wie in Abb. 5.21
angegeben.

Abb. 5.21. Austritt des Grundwassers für α > 90◦

5.8.2 ? Instationärer Fall


Im instationären Fall ändert der Grundwasserspiegel seine Lage mit der Zeit. Wir
betrachten die in Abbildung 5.22 dargestellte Situation. Bezogen auf das Niveau ei-
ner undurchlässigen Schicht hat der Grundwasserspiegel die Höhe z 0 (x, y, t). Das

Abb. 5.22. Situation zum instationären Grundwasser

Grundwasser möge eine Speisung (etwa durch Niederschläge) der Intensität R er-
halten. R wird in mWS pro Zeiteinheit gemessen und kann ebenfalls eine Funktion
von x, y und t sein. Wir betrachten jetzt die über die Höhe z0 integrierten horizonta-
len Geschwindigkeitskomponenten:
5.8 Freier Grundwasserspiegel 65
z0 z0

qx := vx dz , qy := vy dz . (5.10)
0 0

Die Quelldichte divq des ebenen Feldes {qx ; qy } setzt sich zusammen aus der Spei-
sungsintensität R und aus einem Beitrag −n ∂z0 /∂t aus dem Absinken des Grund-
wasserspiegels. n ist die sog. effektive Porosität. Sie bezieht sich auf denjenigen
Anteil des Porenraums, der mit mobilem Wasser gefüllt ist. Bei der Grundwasserab-
senkung wird nur das mobile Wasser entfernt, während eine Restmenge an Wasser
im Porenraum verbleibt. Insofern gilt:

∂qx ∂qy ∂z0


divq = + = R − n . (5.11)
∂x ∂y ∂t
Einsetzen von (5.10) in (5.11) ergibt unter Berücksichtigung der Formel für die Dif-
ferentiation eines Integrals mit variablen Grenzen 11:
z0  
∂vx ∂vy ∂z0 ∂z0 ∂z0
+ dz + vx z0
+ vy z0
= R − n . (5.12)
∂x ∂y ∂x ∂y ∂t
0

Mit Hilfe von divv = 0 erhält man für den ersten Term in Gleichung 5.12:
z0   z0
∂vx ∂vy ∂vz
+ dz = − dz = −vz z0
. (5.13)
∂x ∂y ∂z
0 0

Somit erhält Gleichung 5.12 folgende Form:

∂z0 ∂z0 ∂z0


n − vz z0
+ vx z0
+ vy z0
=R . (5.14)
∂t ∂x ∂y
Gleichung 5.13 stellt die Bestimmungsgleichung für den freien Wasserspiegel
z0 (x, y, t) im instationären Fall dar.

Bemerkungen:
1. Man beachte, daß beim instationären Fall ∂z ∂t = 0 der Grundwasserspiegel
0

keine Stromlinie bzw. Stromfläche ist (siehe Abb. 5.23). Die Bedingung hierfür
ist
∂z0 ∂z0
−vz z0
+ vx z0
+ vy z0
=0
∂x ∂y

∂t = 0 verletzt.
und ist nach Gleichung 5.14 für R − n ∂z 0

Zb
R
b(t)
dF ∂f
11
Aus F (t) := f (x, t) dx folgt = dx + ḃf (b) − ȧf (a) .
a(t) dt ∂t
a
66 5 Grundwasser

Abb. 5.23. Momentanaufnahme eines instationären Wasserspiegels. Die Geschwindigkeit v


verläuft nicht tangential zum Grundwasserspiegel

2. Wegen kapillarer Effekte ist der Grundwasserspiegel keine scharfe Trennfläche


zwischen gesättigtem und ungesättigtem Boden. Vielmehr befindet sich überhalb
des Grundwasserspiegels (welcher durch die Bedingung verschwindenden Po-
rendrucks definiert wird) der Kapillarsaum, innerhalb dessen der Sättigungsgrad
erst allmählich von 1 auf einen irreduziblen Restwert abfällt, siehe Abbildung
5.24.

Abb. 5.24. Verlauf des Sättigungsgrades S und des Porendrucks p oberhalb und unterhalb des
Grundwasserspiegels

Wird der Grundwasserspiegel abgesenkt, so folgt ihm der Kapillarsaum nach.


Dieser Vorgang ist recht kompliziert und wird durch Gleichung 5.13 nicht be-
rücksichtigt.
3. Folgende Aufgabe stellt ein räumlich-eindimensionales instationäres Grundwas-
serproblem dar: Bei der in Abbildung 5.25 dargestellten Vorrichtung wird der
5.8 Freier Grundwasserspiegel 67

freie Wasserspiegel von der Lage z1 auf die Lage z2 plötzlich abgesenkt. Wie
verhält sich dabei der Grundwasserspiegel? Zur Bestimmung der gesuchten
Funktion z(t) schreiben wir das Gesetz von DARCY an:

dz z − z1
v= =k .
dt z
Aus dieser Differentialgleichung ergibt sich folgende Beziehung zwischen z und
t:

(z − z1 ) + z1 ln(z − z1 ) = kt .

Abb. 5.25. Der freie Wasserspiegel wird von der Lage z1 plötzlich auf die Lage z2 abgesenkt.
Die dadurch bedingte Absenkung des Grundwasserspiegels wird durch die Funktion z(t) be-
schrieben.

5.8.3 ?Anwendbarkeit des Gesetzes von DARCY bei Strömungen mit


dv/dt 6= 0

Strenggenommen darf das Gesetz von DARCY nur bei beschleunigungsfreien Strö-
mungen (dvf /dt = 0) angewandt werden, d.h. bei Strömungen, die stationär
(∂vf /∂t = 0) und homogen (d.h. vf =const) sind. Bei Strömungen mit dvf /dt 6= 0
muß anstelle des Gesetzes von DARCY (bzw. von DARCY-G ERSEVANOV) die volle
Gleichung der Impulserhaltung für das Fluid angeschrieben werden (wobei hier der
Wasserdruck p als positiv bei Kompression angesetzt wird):

dvf
%f = −n∇p + %f g − κ(vf − vs ) , (5.15)
dt
mit
68 5 Grundwasser

n2 n
κ = f g = f g ,
k k
aus welcher das Gesetz von DARCY-G ERSEVANOV für den Sonderfall dv f /dt = 0
folgt.
Wenn die z-Koordinate nach oben zeigt, dann gilt: n1 f g = f g = −∇(γ f z).
p
Damit und mit h = f + z folgt aus (5.15) für vs ≈ 0:
γ

k dvf
= −k∇h − vf ,
g dt
bzw.
k dvf
vf = −k∇h − , (5.16)
g dt
woraus der Unterschied zum Gesetz von DARCY ersichtlich wird.
Die Bedingung für die Anwendbarkeit des Gesetzes von DARCY läßt sich wie folgt
spezifizieren12 : Wir setzen vf = vD +v1 mit vD := −k∇h als die Geschwindigkeit
nach DARCY in Gleichung (5.16) ein und erhalten für v1 (v1 stellt die Abweichung
vom DARCY-Gesetz dar):
k d
v1 = − (−k∇h + v1 ) . (5.17)
ng dt
d
Ist (k∇h) ≈ 0, so erhält man aus (5.17), daß v1 mit e−ngt/k (also sehr schnell)
dt
abklingt.

5.9 Transport durch das strömende Grundwasser


In der Umweltgeotechnik spielt der Transport (Ausbreitung) von Schadstoffen durch
das strömende Grundwasser eine große Rolle. Der wesentliche Transportmechanis-
mus ist die Konvektion (advection), d.h. die eingetragenen (Schad)stoffe werden vom
strömenden Grundwasser mitgenommen. Die Konvektion wird beschrieben durch
die Gleichung ∂c/∂t + ∇ · (cv) = 0, welche die Massenerhaltung des Schad-
bzw. Markierungsstoffes ausdrückt. c ist die Konzentration dieses Stoffes.
Wäre die Konvektion der einzige Transportmechanismus, so müßte ein Stoff, etwa
ein Farbstoff (tracer), der in eine Stromröhre eingetragen wäre, beständig in dieser
Stromröhre bleiben. Tatsächlich durchquert der Markierungsstoff die Stromlinien,
die die Stromröhre begrenzen (siehe Abb. 5.26). Es gibt zwei Gründe dafür:

12
P.Ya. Polubarinova-Kochina: Theory of Ground Water Movement. Princeton University
Press, 1962, S. 23.
5.10 Strömungskraft 69

Abb. 5.26. Transport durch Grundwasserströmung

Molekulare Diffusion: Sie ist bedingt durch die thermische Anregung der einzel-
nen Moleküle und führt zur sog. B ROWNschen Molekularbewegung. Sie wird
beschrieben durch die Differentialgleichung q = −D ∇c. Hierbei ist c die Kon-
zentration des Markierungsstoffes und q seine Stromdichte (d.h. die Menge des
Markierungsstoffes, die in der Zeiteinheit eine Flächeneinheit durchfließt). D
ist der Diffusionskoeffizient. Die molekulare Diffusion bewirkt einen Transport
auch in ruhendem Grundwasser.
Hydrodynamische Dispersion: Sie beruht auf der Tatsache, daß die Wasserge-
schwindigkeit v bzw. va nur ein zeitlicher und örtlicher Mittelwert ist. Die tat-
sächliche Geschwindigkeit schwankt (fluktuiert) um diesen Wert infolge des kör-
nigen Aufbaus des Bodens (siehe Abb. 5.27). Die durch die hydrodynamische
Dispersion bedingte Stromdichte q h wird ebenfalls als proportional zum Kon-
zentrationsgradienten ∇c angesetzt: q h = −Dh ∇c. Dh ist der sog. hydrody-
namische Dispersionstensor. Darauf soll hier nicht näher eingegangen werden.

5.10 Strömungskraft
Durch die Strömung des Grundwassers erfolgt ein Abbau des Porendruckes in Strö-
mungsrichtung. Dabei wird der Porendruck auf das Korngerüst umgelagert, das da-
durch eine zusätzliche Belastung erfährt. Diese Belastung wird Strömungskraft ge-
nannt und ist eine Volumenkraft, d.h. eine über das Volumen verteilte Kraft (ähnlich
wie z.B. die Schwerkraft). Sie hat dementsprechend die Dimension Kraft/(Länge) 3.
Die Strömungskraft und ihre möglichen Auswirkungen werden im Abschnitt „Span-
nungen im Boden“ näher betrachtet.
70 5 Grundwasser

Abb. 5.27. Tatsächliche Wassergeschwindigkeit

5.11 Filter
Der Fluß des Grundwassers kann durch das Einbauen von besonders durchlässigen
Schichten, den sog. Filtern, beeinflußt werden. Damit die Filter hydraulisch wirksam
sind, müssen sie eine erheblich grössere Durchlässigkeit als der angrenzende Bo-
den haben. Wenn man als repräsentativ für die Porengröße den Durchmesser d 15 aus
der Kornverteilungskurve betrachtet, so folgt aus der Forderung der hydraulischen
Wirksamkeit, daß der Durchmesser D15 des Filters erheblich größer als der Durch-
messer d15 des angrenzenden Bodens sein muß. T ERZAGHI hat das Kriterium der
hydraulischen Wirksamkeit wie folgt spezifiziert:
!
D15 > (4 bis 5) d15 .
Außer der hydraulischen Wirksamkeit muß man aber auch die sog. mechanische
Wirksamkeit beachten. Durch die Wirkung des strömenden Wassers (Strömungs-
kraft) können nämlich Partikel aus dem angrenzenden Boden herausgelöst und ent-
fernt werden (sog. Suffosion) und in die Hohlräume des Filters abgelagert werden
(sog. Kolmatation oder Kolmation). Um dies zu verhindern, müssen die Hohlräume
des Filters (wieder repräsentiert durch D15 ) erheblich kleiner sein als die gröbsten
Partikel des angrenzenden Bodens. Letztere können durch d 85 repräsentiert werden.
Das Kriterium der mechanischen Wirksamkeit (Stabilität) lautet nach T ERZAGHI:
!
D15 < (4 bis 5) d85 . (5.18)
Grenzt der Boden gegen ein gelochtes (Durchmesser d) oder geschlitztes (Schlitz-
weite a) Drainrohr, so ist die mechanische Stabilität gegeben, sofern:
d < 1, 2 d85 bzw. a < 1, 4 d85 .
Um die Filterkriterien zu erfüllen, muß man oft mehrere Bodenschichten mit ver-
schiedenem Aufbau aufeinander einbauen (sog. abgestufte Filter). Die Funktion von
Filtern wird heute immer mehr von Geotextilien übernommen.
5.12 Durchlässigkeit von Fels 71

Ein Boden ist in sich filterfest (d.h. feine Bestandteile können nicht ausgewaschen
werden), wenn er für beliebige Durchmesser d, dmin < d < dmax , als Gemisch von
zwei Böden, d < d und d ≥ d, betrachtet werden kann, die zueinander nach dem
Kriterium (5.18) filterfest sind.

5.12 Durchlässigkeit von Fels


Fels (Festgestein) ist porös und dementsprechend durchlässig. Allerdings ist die Po-
rosität viel geringer als bei Lockergesteinen (Boden), bei magmatischen und meta-
morphen Gesteinen ist sie kaum größer als 2 %, bei Sandstein beträgt sie 1-5 %,
bei einigen porösen Kalksteinen kann sie Werte bis 50 % erreichen. Die hier ange-
sprochene Porosität geht auf Poren zurück, die gleichmäßig im Gestein verteilt sind
(’primäre Porosität’). Die sog. sekundäre Porosität geht auf allfällige offene Klüfte
zurück und ist oft die hauptsächliche Wasserwegigkeit im Festgestein. Eine weitere
Art von Poren im Festgestein geht auf die Auflösung von Gestein durch fließendes
Grundwasser zurück. Besonders wasserlöslich sind Evaporite (Mineralsalz, Gips und
Anhydrit) gefolgt von Kalkstein und Dolomit. Es kann so zur Bildung von riesigen
Hohlräumen (sog. Karst-Phänomene) kommen.
Auch für Festgestein gilt das Gesetz von DARCY, v = ki bzw. v = −k grad h,
wobei k oft ’hydraulische Leitfähigkeit’ genannt wird. Da k auch von der Dichte ρ
und der Zähigkeit µ des Porenfluids abhängt, wird oft die Größe k̂ verwendet, wel-
che die Dimension m2 hat und nur von der Geometrie des Porenraums abhängt (vgl.
Abschnitt 5.3):13
µ
k̂ := k .
ρg
Die Durchlässigkeit von Fels wird in situ mit diversen Wasserabpressversuchen er-
mittelt. Dabei wird Wasser in einen Bereich eines Bohrlochs hineingepresst, der von
zwei Packern begrenzt wird. Die bei einem Druck von 1MPa (=10 bar) hineinge-
pumpte Menge Q (in l/min) pro Meter Eintragslänge wird als L UGEON-Wert be-
zeichnet. Strenggenommen kann man die Durchlässigkeit nicht aus dem L UGEON-
Wert ableiten, dieser Versuch sollte lediglich als Kriterium für die Injizierbarkeit von
Fels herangezogen werden, welche für Q > 1 Lugeon gegeben ist.

13
Verwirrenderweise wird von manchen Autoren k̂ als Durchlässigkeit bezeichnet.

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