Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Diplomarbeit Methamphetamin
Diplomarbeit Methamphetamin
Karl-Franzens-Universität Graz
Methamphetamin - Wirkung
im 20. Jahrhundert
vorgelegt von
Michael Sölle
Die vorliegende Diplomarbeit wurde im Zeitraum von März 2021 bis August 2021 in der
unter der Betreuung von Ao. Univ.-Profin. Maga. pharm. Drin. rer.nat. Edith Gößnitzer verfasst.
Danksagung
In erster Linie möchte ich mich hiermit bei Frau Ao. Univ.-Profin. Maga. pharm. Drin. rer.nat. Edith
Gößnitzer für ihre freundliche und kompetente Unterstützung während des Entstehens dieser
Arbeit, sowie die Zeit, die sie sich für mich genommen hat, bedanken.
Meiner Familie möchte ich dafür danken, dass sie mich während der gesamten Studienzeit in
jeder erdenklichen Art unterstützt. und mir den erfolgreichen Abschluss des Studiums erleichtert
hat.
Ein weiterer Dank gilt auch allen Freund*innen, die mich während meines Studiums begleiteten,
Kurzfassung
synaptischen Spalt. Die Wirkungen selbst sind dabei vielfältig und reichen von verminderten
hergestellt und ist unter verschiedensten Namen wie Crystal Meth, Ice oder auch Pervitin
bekannt.
Als Arzneimittel wurde Methamphetamin gegen Ende der 1920er Jahre erstmals eingesetzt und
in den kommenden Jahren immer öfter für Indikationen wie Übergewicht und Depressionen
verordnet. Speziell im zweiten Weltkrieg sowie der Nachkriegszeit nahm der Konsum stark zu,
der legale Einsatz als Arzneimittel zusehends an Bedeutung verlor. Heutzutage ist es nur mehr
in den USA als Fertigarzneimittel zugelassen und findet etwa bei der Behandlung von
Übergewicht oder ADHS Verwendung. Der erschwerte Zugang durch die Reglementierung
führte jedoch zu einer Zunahme der missbräuchlichen Verwendung, wodurch der illegale Markt
Abstract
serotonin concentrations in the synaptic cleft. The effects themselves are manifold and range from
reduced physical fatigue, euphoria, increase in blood pressure and heart rate to hallucinations
and anxiety.
Methamphetamine was first used as a drug towards the end of the 1920s and in the following
years was increasingly prescribed for indications such as obesity and depression. Especially
during the Second World War and the post-war period its use increased sharply. Therefore
methamphetamine was included in the Psychotropic Convention in 1971 and that’s the reason
why its legal use as a medicine visibly lost importance. Nowadays it is only approved as a drug
in the USA and is used, for example, in the treatment of obesity or ADHD. However, the
decreased access due to regulation has led to a rise in misuse, resulting in a successively growing
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG ................................................................................................................................................... 1
ZUSAMMENFASSUNG .......................................................................................................................................... 43
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ................................................................................................................................... 45
TABELLENVERZEICHNIS ........................................................................................................................................ 45
LITERATUR ........................................................................................................................................................... 46
Seite |1
1 Einleitung
Substanzen konsumiert. Der Mensch lernte sich an den unterschiedlichen Wirkungen bestimmter
Pflanzen zu berauschen. Ausgrabungen legen nahe, dass Alkohol oder auch diverse Pilze bereits
in der Steinzeit zu diesem Zweck konsumiert wurden. Oftmals fanden Rauschmittel im Zuge von
religiösen Ritualen Verwendung, und sogar die Tierwelt ist manch berauschenden Naturstoffen
nicht abgeneigt.
Durch das wachsende Wissen über den Aufbau und die Wirkung, sowie die Zunahme an
Möglichkeiten zur synthetischen Herstellung dieser Substanzen, ist es nicht weiter überraschend,
dass bald Derivate dieser Naturstoffe entwickelt wurden. So kamen seit Anfang des 20.
Jahrhunderts zu den bereits bekannten Rauschmitteln eine Vielzahl neuer Substanzen hinzu, die
eine psychoaktive Wirkung entfalten. Dabei verlangt die moderne rastlose Gesellschaft bald nach
auch leistungssteigernden Mitteln. Sowohl in der Arbeitswelt als auch unter Student*innen,
Schüler*innen oder in der Partyszene wird immer häufiger auf unterschiedlichste aufputschende
unterdrücken. Legale Genussmittel wie etwa Koffein wurden dabei zu einem festen Bestandteil
Amphetamine zusehends ein immer größer werdendes Problem für unsere Gesellschaft
darstellen.
In den letzten Jahren nahm dabei vor allem die gesundheitspolitische Bedeutung von
Methamphetamin überproportional zu. Neben Hotspots wie den USA, Australien oder Teile des
erreichte die beschlagnahmte Menge Methamphetamin im Jahr 2019 mit 325 Tonnen einen
Höchstwert und lag um 30 % über jenem des Vorjahres (United Nations Office on Drugs and
Crime 2021).
Seite |2
Die ersten dokumentierten Verwendungen von Stimulanzien des Amphetamin-Typs gehen auf
die traditionelle chinesische Medizin zurück. So wurde bereits im ersten Jahrhundert nach
Christus in einem chinesischen Pharmakognosiebuch der Einsatz von Ephedra sinica zur
Behandlung von Asthma und Erkrankungen der oberen Atemwege beschrieben. Der
Hauptwirkstoff der in Asien beheimateten Pflanze wurde 1887 von Nagajoshi Nagai, einem
identifiziert und isoliert. Zusätzlich gelang Nagai auch die Isolierung von Pseudoephedrin
Ausbildung auch in Deutschland, wodurch seine Arbeit ebenfalls in Europa verfolgt wurde
Um einen möglichen Einsatz für Ephedrin zu finden, wurden von K Muira, einem Kollegen
Nagais, erste pharmakologische Studien durchgeführt. Allerdings kam dieser zu dem Entschluss,
dass Ephedrin für die orale Einnahme zu toxisch sei, eine Vermutung, die sich später nicht
bestätigte. Deshalb empfahl er die topische Anwendung von Ephedrin als Mydriatikum. In den
nächsten Jahren wurde Ephedrin jedoch nicht vermarktet und auch kaum beforscht.
Erst in den 1910er Jahren rückte Ephedrin wieder vermehrt in das Interesse der Wissenschaft,
was schließlich dazu führte, dass 1919 der Japaner Akira Ogata im Zuge der Strukturaufklärung
Methamphetamin am Anfang kaum Beachtung geschenkt, und die Forschung konzentrierte sich
In den 1920er Jahren wurde Ephedrin als Asthmamittel vor allem in Europa und Amerika häufig
verwendet. Der Amerikaner Gordon Alles synthetisierte schließlich 1927 bei seiner Forschung an
Adrenalin-artigen Wirkstoffen Amphetamin, welches er sich auch gleich patentieren ließ. Dieser
Patentschutz führte letztlich dazu, dass in den 1930er Jahren die Aufmerksamkeit verstärkt auf
Methamphetamin gerichtet war, weil es vor 1920 synthetisiert wurde und deshalb keinem
2015).
Seite |4
Methamphetamin ist ein Phenylethylamin-Derivat und besitzt, abgesehen von den fehlenden
Hydroxygruppen, eine strukturelle Ähnlichkeit mit den Katecholaminen wie Adrenalin oder
Desoxyephedrin, Desoxyn, Crystal Meth, Ice, Glass oder auch Pervitin existieren (National
Methamphetamin, bei gleicher Dosierung und Applikationsart, eine um den Faktor 4 erhöhte
Als freie Base ist Methamphetamin ein flüssiges, flüchtiges, nicht mit Wasser mischbares
farbloses bis gelbliches Öl, mit einem pKs-Wert von 9,9 und einem Molekulargewicht von
oftmals stark verunreinigt und erscheint eher als ein dunkelgelb bis bräunlich klebriges Granulat.
von 185,69 g/mol verwendet. Es löst sich gut in Wasser und Ethanol, allerdings nicht in anderen
Abbildung 4: Methamphetamin als freie Base und Methamphetamin-HCl in Kristallform(Ice) (McKetin et al. 2005)
Spricht man bei der Verwendung von Methamphetamin von Ice, so ist laut der amerikanischen
Lösungsmittel wie etwa Ethanol gelöst, wobei sich beim Abkühlen transparente Kristalle mit bis
bleiben, besitzt Ice auch bei illegaler Produktion eine hohe Reinheit (Cho 1990; Logan 2002; Scott
auf viele verschiedene Arten synthetisieren, wobei entweder Phenylaceton oder Ephedrin bzw.
entsteht ohne chirale Auxiliare, ein racemisches Gemisch. Dabei macht es keinen Unterschied, ob
die Synthese über eine Leukart-Wallach analoge Reaktion mit Methylformamid oder eine
hergestellt, wobei die Herstellung und der Handel von Phenylaceton als auch Phenylessigsäure
Bei der Leukart-Wallach analogen Reaktion (Abbildung 5) reagiert im ersten Schritt Phenylaceton
(1) mit 2 Teilen N-Methylformamid (2) zu N-Formylmethamphetamin (3) sowie jeweils einem
Molekül Kohlenstoffdioxid und Methylamin. Dabei wird N-Methylformamid (2) unter Rühren
langsam zugegeben. Danach wird die Temperatur auf rund 170 °C erhöht und für ungefähr 24
Stunden beibehalten. Nach dem Abkühlen wird Natronlauge zugegeben und unter Rückfluss für
Im zweiten Schritt wird nun die organische Phase mit Salzsäure versetzt und wieder 2 Stunden
unter Rückfluss erhitzt, wodurch sich durch Hydrolyse des N-Formylmethamphetamin (3) die
freie Methamphetamin-Base 5 als braunes Öl bildet. Nach dem Abkühlen lässt sich die Base mit
Toluol extrahieren (Crossley und Moore 1944; Kunalan et al. 2009; Maas et al. 2018)
Seite |7
Bei der reduktiven Aminierung wird die Carbonylgruppe von Phenylaceton (1) über eine Imin-
Zwischenstufe 4 in ein Amin, in diesem Fall Methamphetamin 5 umgesetzt (Abbildung 5). Zuerst
weiterer Folge als Reduktionsmittel. Nach etwa 15 Minuten wird das Wasser abgegossen und die
Natronlauge und Methanol zugegeben, welcher nach Abkühlen auf -10 °C noch Phenylaceton
beigemengt wird. Anschließend wird diese Mischung unter Rühren auf die Aluminiumfolie
aufgetragen. Die Temperatur sollte 0 °C nicht übersteigen, weshalb die Reaktion auf einem
Eisbad gekühlt wird. Dann wird das Reaktionsgemisch für etwa 90 Minuten auf 50 °C erwärmt.
Die erhaltene grobe, braune Methamphetamin-Base wird nach Zugabe von Kieselgur gefiltert
Die aus beiden Reaktionen erhaltene freie Methamphetamin-Base lässt sich durch Trocknen der
Will man die freie Base in das Hydrochlorid-Salz überführen, so löst man diese in Toluol und
begast die Lösung mit wasserfreiem Chlorwasserstoffgas. Der dadurch entstehende weiße
Niederschlag kann anschließend gewaschen und getrocknet werden (Kunalan et al. 2009; Maas
et al. 2018).
Für die Synthese von Methamphetamin aus Ephedrin bzw. Pseudoephedrin stehen eine Vielzahl
unterschiedlicher Reduktionsmittel zur Verfügung (Abbildung 6), wobei in diesem Fall die
Reaktion, aufgrund der Verwendung der chiralen Edukte, stereoselektiv verläuft. Für die
Verbindung mit rotem Phosphor eingesetzt (Abbruscato und Trippier 2018; Maas et al. 2018).
Seite |8
Ephedrin oder auch Pseudoephedrin kann aus verschiedenen Pflanzen der Gattung Meerträubel
(Ephedra) gewonnen werden. Auch sie unterliegen im Handel als Drogenausgangstoffe einer
strengen Überwachung.
Eine mögliche Synthese für die Herstellung von (S)-(+)-Methamphetamin (4) ist wie bereits
erwähnt die Reduktion von (-)-Ephedrin (1) oder (+)-Pseudoephedrin (2) mit Iodwasserstoffsäure
und rotem Phosphor (Abbildung 6). Die Reaktion selbst ist ein einfacher Prozess, weshalb er oft
bei der illegalen Herstellung zur Anwendung kommt. Dabei wird Ephedrin zusammen mit rotem
durch Oxidation des roten Phosphors während der Reaktion in situ direkt aus Iod gebildet, wobei
Seite |9
auch Phosphinsäure entsteht. Bei weiterer Oxidation entstehen daraus Phosphonsäure und
Nach dem Erhitzen wird filtriert und anschließend Natronlauge zugegeben. Nachfolgende
Reinigungs- und Extraktionsschritte können, wie bereits bei der Herstellung von
Ausbeute dieser Reaktion beträgt bei Verwendung von Ephedrin bis zu 92 % (Skinner 1990; Lee
et al. 2006).
Wie bereits erwähnt erhält man durch die Verwendung der beiden Diastereoisomere
der Reaktion wird von den anfänglichen zwei chiralen Zentren das erste eliminiert. Würde man
als Ausgangstoff ein Racemat verwenden, wäre auch das Produkt ein racemisches Gemisch
(Skinner 1990).
Methamphetamin wird als Hydrochlorid eingesetzt und kann sowohl intravenös, inhalativ, nasal
sowie oral appliziert werden. Pharmazeutisch relevant ist jedoch nur die orale Einnahme,
typischerweise in 5 mg Tabletten oder Kapseln. Bei der nicht medizinischen Verwendung von
inhalativ 30 mg 90 % 150 18
intranasal 50 mg 80 % 170 15
Bei oraler Verabreichung von Methamphetamin-Hydrochlorid wird der Großteil der Substanz
über den Dünndarm aufgenommen, wobei etwa 65 % der applizierten Dosis biologisch verfügbar
werden. Durch die hohe Lipophilie ist Methamphetamin-Base in der Lage, rasch durch
die Wirkorte, die sich hauptsächlich im zentralen Nervensystem befinden, schnell erreicht.
Allerdings stellt sich der Maximaleffekt nach oraler Einnahme erst nach etwa 3 Stunden ein, und
auch die höchsten Plasmawerte wurden erst nach 220 Minuten gemessen.
thermisch stabil ist, so erreicht man eine Bioverfügbarkeit von bis zu 90 %. Da der Maximaleffekt
bereits nach 15 Minuten auftritt, muss der Transport aus den Alveolen in die Blutbahn sehr
schnell erfolgen. Allerdings erreichen die Plasmawerte ihr Maximum erst nach 150 Minuten,
weshalb vermutet wird, dass ein Teil des Methamphetamins über den oberen Respirationstrakts,
Bei der intranasalen Anwendung sind die pharmakokinetischen Parameter, wie aus Tabelle 1
vor und wird zu einem Großteil in der Leber durch Cytochrom P450 2D6 abgebaut, wobei drei
wichtige Stoffwechselwege bekannt sind (Abbildung 7). Durch Demethylierung kommt es zur
(4). Weiters wird in Phase-2-Reaktionen ein Großteil von p-Hydroxymethamphetamin (3) und
In den ersten 24 Stunden nach der Aufnahme werden bereits 70 % des Methamphetamins über
den Harn wieder ausgeschieden. Allerdings unterliegt etwa nur die Hälfte einer
Methamphetamin darstellt, scheint es nicht oder nur zu einem sehr geringen Teil an der Wirkung
beteiligt zu sein. Denn die Plasmaspiegel von Amphetamin, mit einem Maximum nach 12
Stunden, bleiben immer deutlich unter jenen von Methamphetamin. Außerdem können nach
S e i t e | 12
dieser Zeit fast keine klinischen Effekte mehr beobachtet werden. Auch die anderen entstehenden
Stoffwechselprodukte zeigen keine Anzeichen für signifikante Wirkungen (Cho 1990; Lin et al.
Wie bereits erwähnt, werden Methamphetamin und sämtliche Abbauprodukte zu über 90 % über
die Niere mit dem Harn ausgeschieden. Die renale Ausscheidung ist jedoch stark vom pH-Wert
des Harns abhängig. Bei basischem Harn liegt das Gleichgewicht von Methamphetamin auf der
Seite der unpolaren freien Base, weshalb diese durch die Membranen in das Blut
zurückdiffundiert. Ein niedrigerer pH-Wert sorgt also für eine erhöhte Ausscheidung von
Methamphetamin als nicht rückresorbierbares polares Salz. Die Verminderung das pH-Werts des
Harns ist etwa bei Überdosierung eine wichtige therapeutische Maßnahme, um die
Eliminationsrate zu erhöhen (Oyler et al. 2002; Schepers et al. 2003; Courtney und Ray 2014) .
Bei der Dosierung von Methamphetamin-Hydrochlorid muss man zwischen dem klinischen und
illegalen Gebrauch unterscheiden. Klinisch werden 5 mg Tabletten eingesetzt, wobei immer die
niedrigste wirksame Dosierung angestrebt wird. Man beginnt meist mit einer Anfangsdosis von
10 mg täglich und erhöht die Dosierung um 5 mg wöchentlich, bis ein optimaler Effekt erreicht
wird. Je nach Indikation sind meist 20 mg täglich ausreichend. Aufgrund der Halbwertszeit von
10 Stunden wird weiters empfohlen, diese Menge auf 2 Einzeldosen aufzuteilen, was einer
Methamphetamin pro Tag berichtet. Allerdings sind diese Daten nicht zuverlässig, und auch der
Reinheitsgrad der illegal hergestellten Substanz variiert sehr stark. Im Zuge von Testungen
wurden jedoch Plasmawerte von über 1600 µg/l gemessen, was einer intravenösen Applikation
Dopaminstoffwechsel wird beeinflusst, etwas geringer der des Noradrenalins und am wenigsten
der des Serotonins. Die Einnahme von Methamphetamin führt anfangs zu unterschiedlichsten
einem allgemeinen Glücksgefühl berichtet. Auslöser dieser Wirkungen ist der Neurotransmitter
Dopamin. Dopamin ist unter anderem im Zentralnervensystem für die Motivation sowie
Die längerfristige Einnahme von Methamphetamin sorgt jedoch für Veränderungen des
dopaminergen Systems mit Schädigung der Synapsen sowie einem starken Abfall der anfänglich
Methamphetamin dauert es teilweise noch Jahre, bis sich diese Veränderungen wieder
Vielmehr sorgt Methamphetamin für eine erhöhte Freisetzung von Dopamin in den synaptischen
Spalt, sowie einer verminderten Wiederaufnahme aus diesem. Außerdem wird der Abbau von
Die erhöhte Freisetzung von Dopamin aus der Synapse beruht auf der Phosphorylierung von
Dopamin-Transportern (DAT). Der normalerweise in die Zelle gerichtete Transport kommt zum
Erliegen oder wird sogar umgekehrt. Die Phosphorylierung findet dabei an einem Serin Rest des
N-terminalen Endes der Transporter statt und scheint auf der Aktivierung von Proteinkinase C
CaMK aktiviert wird. Die aktivierte CaMK katalysiert die Phosphorylierung der DAT, wobei
noch nicht bekannt ist, ob PKC für die Phosphorylierung durch CaMK benötigt wird. In vitro
Studien haben jedenfalls gezeigt, dass sowohl PKC als auch CaMK zur Phosphorylierung der
Die verringerte Wiederaufnahme von Dopamin scheint auf einer verminderten Anzahl an
wobei Methamphetamin einen potenten Agonisten an TAAR1 darstellt. TAAR1 ist dabei ein
Abbildung 8: Schematische Darstellung der Wirkung von Methamphetamin auf Transportproteine (Underhill et al. 2021)
S e i t e | 15
intrazellulärer Rezeptor, und damit Methamphetamin an TAAR1 binden kann, muss dieses
zuerst in die Präsynapse gelangen. Wie bereits erwähnt, kommt es durch die hohe Lipophilie
von Methamphetamin dabei zu einer passiven Diffusion sowie zu einer aktiven Aufnahme durch
Nach der Aufnahme in das präsynaptische Neuron kann Methamphetamin, sowie alle anderen
TAAR1 binden. Bei der Bindung an den Gα1,3-gekoppelten TAAR1, welcher bevorzugt in der
Nähe des Endoplasmatischen Retikulums lokalisiert ist, kommt es durch Übertragung eines
Phosphatrestes durch den Guanosin triphosphat exchange factor (GTEF) zur Aktivierung des
RhoA-Signalwegs. Dies führt zur Endozytose der Dopamin-Transporter, wodurch diese aus der
auch die Transportkapazität ab. Dadurch erhöht sich die Konzentration von Dopamin im
Aktuelle Studien haben weiters gezeigt, dass es durch Bindung von Methamphetamin an den
Gαs-gekoppelten TAAR1 zur Aktivierung der Adenylatcyclase kommt. Dadurch erhöht sich die
cAMP Konzentration, welche mit einer vermehrten Expression von PKA einhergeht. PKA führt
in weiterer Folge zu einer Inaktivierung des RhoA-Signalwegs, wodurch die Translokation der
Dopamin-Transporter in das Zellinnere gestoppt wird. Allerdings ist die genaue physiologische
Bedeutung dieses Mechanismus noch nicht vollständig geklärt und Gegenstand aktueller
Forschung (Prakash et al. 2017; Liu et al. 2020; Underhill et al. 2021).
Methamphetamin hat auch einen Effekt auf den vesikulären Monoamintransporter 2 (VMAT2).
Dieser Transporter ist ein in der Vesikelmembran von Nervenzellen befindliches Protein
entsprechenden Vesikel. VMAT2 wird in allen monoaminergen Neuronen exprimiert, wobei jene
für Dopamin, Noradrenalin, Serotonin sowie Histamin die größte Bedeutung haben.
Methamphetamin sorgt für eine Phosphorylierung des VMAT2, wodurch dieser gehemmt wird,
S e i t e | 16
wobei der genaue Ablauf dieses Mechanismus noch nicht geklärt ist. Die verminderten
Aufnahme von Dopamin in die Vesikel sorgt somit für eine erhöhten Konzentration von
Dopamin im Zytosol des präsynaptischen Neurons. Die erhöhte Konzentration führt in weiterer
Folge zu einer verstärkten Freisetzung von Dopamin, durch die zuvor beschriebene Wirkung von
Methamphetamin auf die DAT, in den synaptischen Spalt (Eiden und Weihe 2011).
Neben den zuvor beschriebenen Auswirkungen von Methamphetamin auf die verschiedenen
(MAO). Es gibt zwei Typen der Oxidasen, wobei Dopamin von Typ A und Typ B gleichermaßen
S e i t e | 17
abgebaut wird. Durch den verminderten Abbau ist eine größere Menge an Dopamin für eine
Freisetzung verfügbar.
Die MAO katalysiert die oxidative Abspaltung der primären Aminogruppe von Dopamin 1,
Dehydrogenase für eine Oxidation zur 3,4-Dihydroxyphenylessigsäure (3) (Sulzer et al. 2005;
Mayer 2019).
und Dopamin-2-Rezeptoren zustande zu kommen. Der D1-Rezeptor ist dabei, wie in Abbildung
9 dargestellt, Gαs-gekoppelt, wodurch es über Bildung von cAMP zur Aktivierung der PKA
kommt. Im Gegensatz dazu ist der D2-Rezeptor Gαi-gekoppelt und hemmt die Bildung von cAMP
und somit PKA.
Auch wenn die durch Methamphetamin hervorgerufenen Wirkungen gut untersucht und auch
durch Studien belegt sind, so bedarf es für die Aufklärung der genauen molekularen
Mechanismen noch weiterer Forschungsarbeit. Als sehr wahrscheinlich gilt, dass die
durch die erhöhte Dopaminfreisetzung im Nucleus accumbens, welcher im ventralen Teil der
Basalganglien im Vorderhirn lokalisiert ist, verursacht werden (Abbildung 11). Weiters dürften
Dopaminfreisetzung im Striatum dürfte auch für das vermehrte Auftreten von Halluzinationen
S e i t e | 18
sowie Paranoia, welche bei Methamphetamin Einnahmen von über 55 mg beobachtet werden,
verantwortlich zu sein.
Weiters werden auch kognitive Effekte, wie die Verbesserung des logischen Denkvermögens
Cortex, der den vorderen Teil des Frontallappens der Großhirnrinde ausmacht, hervorgerufen,
Freisetzung im Striatum verursacht werden. Diese Wirkungen lassen sich bei Einnahmen von
Die Einnahme von Methamphetamin führt ebenfalls zu einer erhöhten Freisetzung von
die Serotonin- (SERT) und Noradrenalintransporter (NET), ist analog zu jener auf die
Dopamintransporter.
exprimiert, weshalb die zuvor beschriebenen Effekte von Methamphetamin auch hier auftreten.
α1-Rezeptoren sind Gαq-gekoppelt, wodurch Phospholipase C für eine vermehrte Bildung von
Inositoltriphosphat (IP3) und Diacylglycerin (DAG) sorgt. IP3 führt in weiterer Folge zu einer
Dadurch kann mehr Calcium(II) an Calmodulin im glatten Muskel oder an Troponin im Herz
Sowohl eine beschleunigte Herzfrequenz als auch ein erhöhter Blutdruck lässt sich bereits ab
einer Dosis von 10 mg Methamphetamin messen. Dabei führt die vermehrte Stimulation von
Wirkung. Die Zunahme des Blutdrucks erfolgt durch Gefäßkontraktion, wobei dafür vor allem
Methamphetamin weiten sich die Pupillen durch α1-Rezeptor vermittelte Kontraktion des
Cortex dafür mitverantwortlich zu sein scheint (Cruickshank und Dyer 2009; Mutschler et al.
2012).
Methamphetamin induzierte Wirkungen zum größten Teil durch Rezeptoren der Familien 1-3
ausgelöst werden. 5-HT1-Rezeptoren sind dabei wieder Gαi- und 5-HT2-Rezeptoren sind Gαq-
durchlässige Ionenkanäle, wobei eine Rezeptoraktivierung für eine Öffnung der Kanäle und eine
Methamphetamin wirkt ab einer Dosierung von etwa 10 mg entspannend, wobei sich zusätzlich
das Selbstbewusstseins sowie die Kontaktfreudigkeit erhöht. Diese Wirkungen scheinen auf
jeden Fall durch Serotonin ausgelöst zu werden, wobei eine verstärkte Aktivierung des 5-HT2B-
Beteiligung von 5-HT3-Rezeptoren jedoch die Ausprägung von Angstzuständen (Filip et al. 2005;
Die zuvor beschriebenen Wirkungen scheinen hauptsächlich durch die erhöhte Stimulierung der
jeweils angeführten Rezeptoren zustande zu kommen, wobei manche Effekte auch auf einem
Methamphetamin kam in einer seiner ersten Indikationen als Appetitzügler zum Einsatz. Bereits
reduzieren. An der Regulierung des Appetits sind jedoch sowohl mesolimbische D1-, D2-,
Wirkungen wie die ab einer Einnahme von 30 mg Methamphetamin beobachtete Erhöhung der
S e i t e | 21
Zusammenwirken der verschiedenen Rezeptoren zustande. Das gleiche gilt weiters für die bei
Die subjektiv empfundenen Wirkungen von Methamphetamin, zu denen man die allgemeine
Erregung, Euphorie, Entspannung sowie Angst, Paranoia und Depressionen zählen kann,
nehmen über eine Dauer von vier Stunden langsam wieder ab. Hingegen lassen sich die
Umstand ist besonders bei der missbräuchlichen Verwendung von Methamphetamin relevant,
weil sich bei nachlassender Wirkung, durch erneute Applikation, die Risiken für eine
Wird Methamphetamin über einen längeren Zeitraum regelmäßig konsumiert, treten zusätzlich
zu den bereits beschriebenen akuten Wirkungen auch eine Reihe an langfristigen Veränderungen
Viele durch Methamphetamin hervorgerufene neurotoxische Effekte sind noch nicht vollständig
reversibel, und es kommt meistens zum permanenten Untergang von Nervengewebe (Yang et al.
2018).
S e i t e | 22
Unter den verschiedenen für die Neurotoxizität verantwortlichen Faktoren nimmt der Oxidative
Stress eine wichtige Rolle ein. Seine Beteiligung am Untergang verschiedener Zelltypen gilt als
(ROS) bezeichnet.
Abbildung 12: Mechanismen der Methamphetamin induzierten Neurotoxizität (Yang et al. 2018)
pathologischen Wirkungen führen allerdings erst die hohen Konzentration an ROS, welche durch
den Abbau des vermehrten Dopamins entstehen, das durch Methamphetamin freigesetzt wird.
Wie in Abbildung 12 schematisch dargestellt, entstehen weiters durch Reaktion von Superoxiden
S e i t e | 23
(ONO2−). Erhöhte Konzentrationen von ROS als auch RNS führen zu Schäden an Proteinen,
Den größten Einfluss haben reaktive Spezies allerdings auf die Mitochondrien. Durch
Methamphetamin entstehende pathologische Mengen von ROS und RNS führen zu einer
Hemmung verschiedener Schlüsselenzyme der Mitochondrien mit direktem Einfluss auf die vier
der Nervenzelle, wo es über eine weitere Signalkaskade an der Auslösung der Apoptose beteiligt
ist. Die Hemmung der Atmungskette ist an der Pathogenese psychischer Erkrankungen, wie
5.4.2 Excitotoxizität
Eine fortwährende Reizüberflutung von Nervenzellen führt zu deren Untergang und wird als
Excitotoxizität bezeichnet.
Wie bereits aus Abbildung 8 (Seite 14) ersichtlich, beeinflusst Methamphetamin analog zur
Wirkung auf Dopamin-Transporter auch die Lokalisation des excitatory amino acid transporter
3 (EAAT3). Dieses Protein wird auch als Glutamat-Transporter bezeichnet und ist für den
Großteil der Aufnahme des erregenden Neurotransmitters Glutamat aus dem synaptischen Spalt
zuständig.
Wie weiters auch in Abbildung 12 dargestellt, führen die durch Methamphetamin erhöhten
eine Aktivierung führt zu einem stärkeren Calcium(II)-Einstrom und somit zu einer Erhöhung
der intrazellularen Calciumionenkonzentration. Calcium(II) sorgt als second messenger für eine
S e i t e | 24
einer erhöhten Belastung des endoplasmatischen Retikulums, wodurch dessen Fähigkeit zur
Faltung von Proteinen vermindert wird, oder auch vermehrt fehlgefaltete Proteine gebildet
werden. (Courtney und Ray 2014; Yang et al. 2018; Underhill et al. 2021).
5.4.3 Neuroinflammation
Auch chronische Entzündungen führen zu einem Untergang von Neuronen, wobei entzündliche
Entzündungsprozesse in Korrelation mit der Aktivität von Mikrogliazellen stehen. Weil durch
wurden, geht man davon aus, dass Dopamin-Chinon sowie ROS zu einer Aktivierung der
Gliazellen beitragen. Dopaminerge Neuronen scheinen von diesen Prozessen besonders stark
betroffen zu sein.
Gliazellen selbst erfüllen im Gehirn verschiedenen Aufgaben. Sie sorgen für den Abtransport von
Zellresten und anderen Abbauprodukten, wirken positiv auf die neuronale Plastizität und sind
Zusätzlich dürfte Methamphetamin direkt an den toll like receptor 4 (TLR4) der Gliazellen
binden, wodurch diese ebenfalls aktiviert werden. Wie in Abbildung 13 dargestellt, setzen
Tumornekrosefaktor-α (TNF-α), Nuklearfaktor-κB (NF- κB) sowie Interleukine frei. Die durch
(DAMPs), welche wiederum zu einer zusätzlichen Aktivierung der Gliazellen führen, wodurch
sich die Entzündung weiter fortsetzt (Aguzzi et al. 2013; Yang et al. 2018).
Methamphetamin führt über die Erhöhung der Körpertemperatur, den vermehrten oxidativen
Folge zu Organschäden. Besonders betroffen sind das Gehirn, sowie Niere, Leber, Herz und
Darm.
Unter den oben genannten Einflüssen kommt es zu einer indirekten Schädigung der Blut-Hirn-
Schranke (BHS). Weiters konnte gezeigt werden, dass Methamphetamin auch direkt zu
Proteine, wie Occludin und Claudin, beiträgt. Dadurch wird die Permeabilität der BHS für
normalerweise nicht membrangängige Substanzen deutlich erhöht und das Gehirn geschädigt.
und Leber. Die Leber kann ihrer Stoffwechsel- und Entgiftungsfunktion nicht mehr gerecht
werden, wodurch pathologische Ammoniakkonzentrationen über das Blut ins Gehirn gelangen
Durch Gefäßschäden an der Niere, unter anderem durch Blutdruckerhöhung, aber auch
harnpflichtigen Substanzen im Blut ansteigen lässt, die dann durch die gestörte BHS wiederum
ins Gehirn gelangen. Bei einer Untersuchung von Rhabdomyolyse Patient*innen konnte bei 43 %
teilweise auch durch die erhöhte Permeabilität der BHS hervorgerufen zu werden. Hepatitis C
Viruskonzentrationen auf als Personen ohne Methamphetaminkonsum. Weiters lässt sich bereits
2 Stunden nach der Einnahme durch Schweißdrüsen abgegebenes Methamphetamin auf der
Mikrobioms der Haut, und damit zur Herabsetzung der natürlichen Barrierefunktion kommt.
wodurch die Hautbarriere auch physisch zerstört wird (Salamanca et al. 2014; Northrop und
Der durch Noradrenalin induzierte erhöhte Blutdruck sowie die Zunahme der Herzfrequenz
führen häufig zu Symptomen des akuten Koronarsyndroms, was ungefähr ein Drittel der
begünstigt die Entstehung von Atherosklerose, wodurch sich auch die Gefahr für einen
und kardiogenen Schock führen können, weitaus häufiger beobachtet. Der Einfluss von
Methamphetamin auf die Erregungsleitung des Herzens führt meist zu einer Tachykardie, wobei
auch Rhythmusstörungen und Kammerflimmern die Folge sein können. Eine Überstimulierung
der adrenergen Rezeptoren führt letztlich zur Hypertrophie des Herzmuskels und kann
S e i t e | 27
schweren Infektionen sowie die Perforation der Darmwand sind die Folge. Durch die geschädigte
Darmwand gelangen toxische Abbauprodukte aus dem Darmlumen in den Blutkreislauf, wobei
sich in schweren Fällen auch ein septischer Schock mit Multiorganversagen entwickeln kann.
Zusätzlich gelangen diese Substanzen über die beeinträchtigte BHS bis in das Gehirn, wo sie an
der Entstehung oder Verschlimmerung von Entzündungsreaktionen beteiligt sind (Prakash et al.
2017).
Weiters führt Methamphetaminkonsum häufig zu einer starken Zunahme von Karies. Dieser
Meth-Mund wird bereits nach kurzer Zeit beobachtet und führt zu verfärbten, verfaulten Zähnen.
Neben einer vernachlässigten Mundhygiene, zweifellos einer der Hauptgründe für die
Entstehung von Zahnerkrankungen, dürften jedoch auch andere Mechanismen an dem rapiden
Verfall der Zähne beteiligt sein. Wahrscheinlich werden durch Vasokonstriktion die
Blutversorgung und der Speichelfluss gehemmt, wodurch Säuren weniger effektiv neutralisiert
werden und diese die Zähne und das Zahnfleisch stärker angreifen (Salamanca et al. 2014).
S e i t e | 28
Die Erforschung von Anwendungsmöglichkeiten für Methamphetamin hängt stark mit jenen von
pharmakologisch kaum unterscheiden. So führte Gordon Alles 1929 erste menschliche Versuche
mit dem zuvor synthetisierten Amphetamin durch. Er beschreibt die Wirkung als aufputschend,
stimmungsaufhellend und berichtet weiters von Problemen beim Einschlafen. Zusätzlich machte
sich noch Herzklopfen bemerkbar, wobei die erhoffte Wirkung gegen Asthma ausblieb. So suchte
man nach anderen Einsatzgebieten und 1935 wurde Amphetamin, erstmals unter der Marke
Der Pharmakonzern Smith, Kline, and French, welcher 1934 das Amphetamin-Patent von Gordon
Alles übernahm, finanzierte weitere Studien, wodurch Amphetamin 1937 erstmals gegen
Depressionen angewendet wurde. Der stark wachsende Markt für Amphetamin führte
schließlich dazu, dass 1938 in den Temmler Werken in Berlin, unter der Leitung des Chemikers
Methamphetamin auch an sich selbst testete, war von der Wirkung beeindruckt und wollte der
Methamphetamin noch 1938 unter dem Produktnamen Pervitin (Abbildung 14) ebenfalls gegen
Depressionen vermarktet. Wie auch aus Tabelle 2 (Seite 38)ersichtlich, wurde Pervitin in 15 mg
In den USA wurden die ersten Methamphetamintabletten 1940 von der Burroughs Wellcome
Company unter dem Markennamen Methedrin auf den Markt gebracht (Meyer 2005; Vearrier et
Abbildung 15: Werbung Methamphetamin (News Australia) Abbildung 16: Werbung Pervitin (Süddeutsche Zeitung)
Auch die Wirkung von Amphetaminen auf den Appetit wurde bereits in den ersten Studien
beobachtet und so wurde Amphetamin ab 1937 immer öfter zur Gewichtsreduktion verschrieben.
Allerdings erfolgte die offizielle Zulassung durch die American Medical Association für diese
Indikation erst 1947, nachdem nachgewiesen wurde, dass der Gewichtsverlust durch
verminderten Appetit und nicht etwa metabolische Effekte erreicht wird. Auch hier führte die
starke Nachfrage zu einer Zunahme teils dubioser Produzent*innen, die nach Patentklagen
seitens Smith, Kline, and French, ebenfalls auf die Produktion von Methamphetamin umstiegen.
S e i t e | 30
Nach der Markteinführung von Pervitin erkannten die Temmler Werke das große
Absatzpotential für ihr Produkt in der deutschen Armee. Allerdings weigerte sich Anfang 1939
der damalige zuständige Militärarzt Waldmann, Stimulanzien offiziell für die Armee zuzulassen.
Jedoch beauftragt er den Leiter der Militärärztlichen Akademie in Berlin Ranke weitere Studien
über Methamphetamin zu erstellen. Ranke konnte jedoch aufgrund von Nebenwirkungen, wie
Erkenntnisse, wonach Pervitin in Dosierungen von 3-6 mg die Wachsamkeit und motorischen
Fähigkeiten für bis zu acht Stunden aufrechterhielt. Aber er warnte weiters davor, dass die
durchgehende Einnahme über 24-36 Stunden zu einem physischen Kollaps führen kann, und
nach der Anwendung ein erholsamer Schlaf notwendig sei. Weiters empfahl er die Einnahme von
Pervitin nur unter medizinischer Aufsicht. Auf Basis dieser Ergebnisse wurde Methamphetamin
Methamphetamin wurde gut angenommen, und der Verbrauch während der ersten Blitzkriege
lag bei etwa 10 Millionen Pervitin Tabletten pro Monat, bei ungefähr einer Million Soldaten. Weil
es keinerlei Befehle für den Einsatz von Pervitin gab, ging die starke Nachfrage von den Soldaten
selbst aus. Offensichtlich glaubten die Soldaten durch Methamphetamin wachsamer und
leistungsfähiger zu sein.
Der Einsatz von Pervitin ging jedoch stark zurück als sowohl deutsche Ärzte als auch
negativen Effekt auf die Leistungsfähigkeit und das Urteilsvermögen ausübt. Der damalige
Reichsgesundheitsführer Conti, war einer der ersten Ärzte, der schon frühzeitig vor
und auch Ranke, welcher weitere Studien und Befragungen unter deutschen Soldaten
durchgeführt hatte, erkannte langsam das Suchtpotential von Pervitin und empfahl dessen
Contis Bemühungen führten schließlich dazu, dass Pervitin bereits gegen Ende 1939
rezeptpflichtig wurde. Obwohl viele Armeeärzte Pervitin weiterhin leichtfertig verschrieben und
ausgaben, ging der Konsum 1940, im Vergleich zu den Blitzkriegen, um 90% auf eine Million
Conti erkannte allerdings recht schnell, dass die Rezeptpflicht allein nicht ausreicht, um den
Opiumgesetz aufgenommen wurden. Dies war sicher einer der Gründe, der zu einem weiteren
Rückgang des Methamphetaminkonsums beitrug. Der Hauptgrund lag jedoch darin, dass die
Russlandfeldzuges im Sommer 1941 keinen militärischen Vorteil brachte und die Soldaten nur
zusätzlich belastete, wodurch die Nachfrage in der Armee von selbst zurück ging. Trotzdem
wurde Pervitin bis zum Ende des zweiten Weltkrieges in Notsituationen verwendet, wobei es vor
allem bei den langen Rückzügen zum Einsatz kam (Defalque und Wright 2011; Vearrier et al.
Pervitin wurde während des zweiten Weltkrieges von allen Truppen der deutschen Wehrmacht
mit Ausnahme der Luftwaffe eingesetzt. Dort sah man keinen Nutzen in der Verwendung von
Methamphetamin, und man setzte bei langen Flügen auf die Wirkung von Koffein. Außerhalb
Deutschlands wurde Pervitin im Zuge klein angelegter Studien von der Schweiz, Schweden und
Italien eingesetzt.
In Japan wurde Methamphetamin unter dem Markennamen Philopon während des zweiten
Benzedrine sowohl als Tabletten wie auch als Inhalator Anwendung fand (Rasmussen 2015).
S e i t e | 32
Nach dem Kriegsende 1945 ging die militärische Nutzung von Methamphetamin natürlich stark
zurück, allerdings war die Nachfrage in der Zivilbevölkerung ungebrochen. Durch den
massenhaften Einsatz während des Krieges waren auch viele Soldaten mittlerweile abhängig,
und es entwickelte sich vor allem in den USA, Deutschland und Japan ein starker
den 1950er Jahren Methamphetamin quer durch die Bevölkerung ohne zwingende Indikation
konsumiert wurde. In den 1950er Jahren gab es auch erstmals Berichte darüber, wie
Tabelle 2: Verschiedene Methamphetamin-haltige Arzneispezialitäten (Japanese Medical Material 1946; Rasmussen 2015)
15 mg Ampullen
New York
USA Norodin 2,5 und 5 mg Tabletten Endo Products Inc., New York
geht, muss man unweigerlich den Arzt Karl Herrligkoffer erwähnen. Nachdem 1934 sein
Halbbruder Willy Merkls am Nanga Parbat sein Leben verlor, organisierte und leitete er eine
S e i t e | 33
Vielzahl an weiteren Expeditionen, wobei er selbst nie an der Gipfelbesteigung teilnahm. Zur
Auch wenn es ungewiss ist, wie viele Alpinist*innen tatsächlich auf leistungssteigernde
Substanzen zurückgegriffen haben und ob man bei einem Kampf ums Überleben von Doping
sprechen sollte, so ist die Pervitineinnahme von Hermann Buhl bei der Erstbesteigung des Nanga
Parbat unbestritten.
Der Nanga Parbat ist der neunthöchste Berg der Erde und misst 8126 Meter. Bereits 1895 wurde
der erste Besteigungsversuch unternommen, wobei erst 1953 der Tiroler Hermann Buhl
erfolgreich auf dem Gipfel stand. Er beschreibt die Route seiner Erstbesteigung, welche in
Abbildung 17 dargestellt ist, ausführlich in seinem Tagebuch. Hermann Buhl startete seinen
Alleingang am 3. Juli 1953 um 2 Uhr früh auf 6900 Meter Seehöhe im Lager 5 und hatte 1200
Höhenmeter sowie eine Luftlinie von 6 Kilometern zu bewältigen. Dabei hatte er neben der
damaligen einfachen Ausrüstung und etwas Verpflegung eine Feldflasche Koka-Tee sowie einige
Tabletten Pervitin. Gegen 8 Uhr erreicht er den Silbersattel und kann über das große Hochplateau
Abbildung 17: Route der Erstbesteigung des Nanga Parbat (F.A.Z 2003)
S e i t e | 34
erstmals den Vorgipfel sehen. Um 14 Uhr auf 7820 Meter Seehöhe, zwischen Vor- und
Hauptgipfel, nahm er das erste Mal zwei Tabletten Pervitin ein, wobei er nach eigenen Angaben
Gegen 18 Uhr auf über 8000 Meter Seehöhe nimmt er den letzten Schluck aus seiner Feldflasche
zu sich und erreicht schließlich um 19 Uhr, teilweise kriechend, den Gipfel. Beim Abstieg
übersieht Buhl jedoch die Zeit, und durch die schnell eintretende Dunkelheit muss er die Nacht
In den Morgenstunden des 4. Juli 1953 setzt er seinen Abstieg fort und schreibt erstmals von
einem Gefährten, der ihn zu begleiten scheint. Gegen Abend, als er für einen Schritt teilweise 20
Atemzüge benötigt, nimmt er die 3 übrigen Tabletten Pervitin, wissend, dass er eine weitere
Nacht im Freien nicht überleben kann. So erreicht er schließlich um 19 Uhr, nach 41 Stunden
wieder das Zeltlager 5, wo er von seinen Kameraden empfangen wurde (Buhl 1954).
Die von Buhl beschriebenen Halluzinationen lassen sich eher auf die Höhe, totale körperliche
Erschöpfung und den Schlafentzug zurückführen. Denn die Dosierung von 2 Tabletten Pervitin,
Halluzinationen zu gering und weiters würde die Wirkung keine 15 Stunden anhalten,
beziehungsweise erst nach 15 Stunden auftreten.
Die 3 Tabletten Pervitin, welche er gegen Abend kurz vor dem Zusammenbruch geschluckt hat,
können allerdings durchaus für sein Überleben verantwortlich sein. Die Dosierung von 9 mg
Außerdem schreibt Buhl weiters, dass er bei seiner Rückkehr nach 41 Stunden trotzdem Probleme
mit dem Einschlafen hatte sowie das starke Bedürfnis, seinen Kameraden alles von dem Aufstieg
zu erzählen. So blieb er fast die ganze Nacht wach und redete auch noch weiter, nachdem die
anderen im Zelt bereits eingeschlafen waren. Diese ungewöhnlichen Reaktionen lassen sich wohl
Amphetamine immer weniger gegen Depressionen verordnet. Deshalb ging der Konsum jedoch
nicht zurück. Ärzt*innen gingen lediglich dazu über, Methamphetamin vermehrt zur
Gewichtsreduktion zu verschreiben.
Unter den Patient*innen die damals Methamphetamin verordnet bekamen, waren auch bekannte
Personen. Einer davon war der ehemalige deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876-
1967). Nach Veröffentlichung der Tagebücher seines Sohnes wurde 2017 bekannt, dass Adenauer
mehrere Schlafmittel benötigte, um zur Ruhe zu kommen. Der Tagebucheintrag selbst war dabei
von 1964, also nachdem sich Adenauer aus der Politik zurückgezogen hatte, wobei es nahe liegt,
dass er auch während seiner Amtszeit (1949-1963) Pervitin einnahm. Zweifellos gibt es noch
andere ähnliche Fälle, wobei keiner davon eindeutig belegt wurde (Koerfer 30.10.2020).
Gegen Ende der 1960er Jahre erreichte der Methamphetaminkonsum epidemische Ausmaße,
weshalb Methamphetamin 1971 bei der Konferenz der Vereinten Nationen in Wien in die Anlage
II der Psychotropenkonvention aufgenommen wurde. Man kam zu dem Schluss, dass der
Missbrauchspotential aus, weshalb es, wenn möglich, durch weniger schädliche Substanzen
ersetzt werden soll (United Nations Office on Drugs and Crime 1971).
Bis ins Jahr 1990 traten etwa 180 Staaten der Verordnung bei, wobei diese teilweise
unterschiedlich umgesetzt wurde. Dadurch nahm der legale Vertrieb und die Verwendung von
Methamphetamin durch die stärkere Reglementierung in allen beigetretenen Staaten deutlich ab.
Trotzdem wurde Pervitin erst 1988 vollständig vom Markt genommen und war bis dahin Teil
Heute ist in vielen Ländern, darunter auch Deutschland, Methamphetamin weder verkehrs- noch
beitrat, gibt es zwar keine Fertigarzneimittel, die Methamphetamin enthalten, allerdings wird die
Substanz im Anhang 4 der Suchtgiftverordnung gelistet und ist nach Paragraph 20, etwa als
In den USA wurde Methamphetamin durch die Drug Enforcement Administration als Klasse II-
Droge, mit teilweisem Nutzen eingestuft und ist somit auch noch immer verschreibungsfähig.
Das hohe Suchtpotential von Methamphetamin führte unter anderem dazu, dass die
medizinische Verwendung immer mehr an Bedeutung verloren hat. Selbst wenn der Einsatz von
den meisten Fällen eine genetische Ursache zugrunde liegt. Allerdings ist die Erstellung einer
Diagnose oftmals schwierig und sollte nur durch Fachärzt*innen nach den gültigen Leitlinien
erfolgen. Die Behandlung von ADHS kann vielfältig sein, wobei eine Pharmakotherapie nur in
Die medikamentöse Behandlung zielt darauf ab, die Signalübertragung durch Dopamin und
die erste Wahl darstellt. Erst bei unzureichendem Therapieerfolg wird die Behandlung mit
Desoxyn ist das einzige verbliebene Fertigarzneimittel, welches Methamphetamin enthält. Dabei
sind Desoxyn-Tabletten für die Behandlung von ADHS für Kinder ab 6 Jahren zugelassen, und
die Dosierung sollte möglichst niedrig mit 5 mg täglich beginnen und bei Bedarf bis zu dem
Weiters ist Desoxyn noch immer für die Behandlung starker Adipositas zugelassen. In diesem
Fall beträgt die Dosierung eine Tablette jeweils eine halbe Stunde vor jeder Mahlzeit. Die
Behandlung sollte dabei nicht länger als ein paar Wochen dauern und wird erst ab 12 Jahren
In begründeten Fällen kann Methamphetamin auch noch zur Behandlung der Narkolepsie
eingesetzt werden. Allerdings besitzt Desoxyn dafür keine Zulassung, und es handelt sich um
eine Off-Label Anwendung.
Durch das hohe Suchtpotential von Methamphetamin gibt es zahlreiche Berichte über eine
missbräuchliche Verwendung der Substanz. Wie bereits erwähnt, wurde bereits in den 1950er
der berauschenderen Wirkung intravenös zu applizieren. Auch erste Berichte über Gewalttaten
und Raubüberfälle zur Beschaffung wurden bald mit dem Missbrauch von Methamphetamin in
Verbindung gebracht. Auch die Kombination von Methamphetamin mit anderen Drogen wie
Heroin wurde vermehrt beobachtet. In den 1960er Jahre führte die massive Überproduktion von
Methamphetamin auch dazu, dass ein beträchtlicher Teil der Produktion über die
Pharmaunternehmen selbst, aber auch über Apotheken und Ordinationen auf den Schwarzmarkt
gelangte. In Amerika erreichten die Verschreibungen 1967 ihren Höhepunkt, doch die legale
Produktion von Amphetamin-Derivaten stieg noch bis 1970 weiter an.
S e i t e | 38
Die stetigen Bemühungen der Behörden, den Umgang mit Methamphetamin zu kontrollieren
und einzudämmen, führten dazu, dass es immer schwieriger wurde, legal produziertes
erstmals an Bedeutung gewann. In San Francisco wurde 1962 der erste Fall einer illegalen
mit jener aus der pharmazeutischen Produktion natürlich nicht vergleichbar war. Spätestens die
Aufnahme Methamphetamins in die Anlage II der Verordnung über psychotrope Stoffe 1971
führte zu einer starken Zunahme der illegalen Produktion. Man geht davon aus, dass Mitte der
1980er Jahre bereits das komplette auf den Straßen erhältliche Methamphetamin illegal
In Amerika waren Motorradbanden, wie zum Beispiel die Hells Angels, stark an der illegalen
Herstellung und Verbreitung beteiligt, bis sich gegen Ende der 80er Jahre die Produktion von
Methamphetamin zusehends in Länder wie Mexiko verschob, und die Drogenbanden sich
vielmehr auf die Distribution konzentrierten. Das war auch ungefähr der Zeitpunkt, als
Methamphetamin erstmals als Ice oder auch Crystal Meth auf den Straßen auftauchte. Diese
und verflüchtigt sich bereits bei 300-305 °C, eine Temperatur, die mit handelsüblichen
Butanfeuerzeugen leicht erreicht wird. Durch den niedrigen Siedepunkt in Kombination mit der
möglich ist, die Kristalle in einer Pfeife zu rauchen. Der schnelle Wirkungseintritt führte zu einer
USA 1988 den Chemical Diversion and Trafficking Act, sowie 2005 den Combat
wurde. So darf die Abgabe von Ephedrin haltigen Produkten nur durch eine Apotheke erfolgen.
und es besteht weiters eine Ausweispflicht sowie eine Grenzmenge von 3,6 g Pseudoephedrin
pro Tag. Ein Großteil der Produktion findet aber noch immer in Mexiko statt. und die
Drogenkartelle beziehen ihre Chemikalien direkt aus Ländern mit weniger strengen Gesetzen,
S e i t e | 39
weshalb sich der Methamphetamin Missbrauch nicht wesentlich reduzieren ließ und die Menge
Trotz des häufigen Einsatzes während des zweiten Weltkrieges, wurde Methamphetamin in der
Nachkriegszeit in Europa deutlich weniger oft verordnet als in Amerika. Erste missbräuchliche
Verwendungen dürften jedoch in den 1950er Jahren in England aufgetreten sein. Dabei landeten
auf dem Schwarzmarkt, und 1968 wurde von Psychosen und anderen Vorfällen durch intravenös
verabreichtes Methamphetamin berichtet. Es wird geschätzt, dass 1961 bis zu 2,5 % aller
den nächsten Jahren ebenfalls stark zurück. Im Gegensatz zu Amerika wurde Methamphetamin
jedoch kaum illegal hergestellt, und die erhältlichen Mengen waren meist etwa aus
Krankenhäusern gestohlen.
Durch Zunahme von illegal hergestelltem Amphetamin, war man nicht mehr auf das
unzureichend verfügbare Methamphetamin angewiesen, weshalb dieses Anfang der 1980er fast
komplett vom illegalem Markt verschwand. Auch wenn England größere Drogenprobleme als
andere europäische Staaten hatte, konnte man diese Entwicklung in den meisten europäischen
Länder beobachten.
Eine Ausnahme stellt jedoch Tschechien dar, wo in den 1970er Jahren die Produktion von
Europas, weshalb Ephedrin in Tschechien leicht erhältlich war. Weiters wurde bis zum Ende der
kommunistischen Ära 1989 der Handel und Konsum von Methamphetamin weitgehend toleriert,
wobei die Probleme, welche sich aus einer Methamphetamin Abhängigkeit ergeben, durchaus
bekannt waren. Nach 1990 entwickelte sich ein typischer Drogenmarkt, wobei bis etwa 2005
S e i t e | 40
Tschechien und die Slowakei die einzigen europäischen Länder waren, wo der Methamphetamin
In den letzten Jahren nahm die Anzahl der Methamphetaminkonsument*innen rund um den
Globus immer weiter zu. Es ist unmöglich, exakte Zahlen über die illegal produzierten Mengen
Gruppe der amphetamin type stimulants dabei einen überproportional hohen Anstieg,
wohingegen die Menge an beschlagnahmtem Amphetamin deutlich weniger stark zunahm.
2019 lag die höchste Prävalenz an Amphetaminkonsument*innen mit 2,3 % der 15-64-Jährigen,
in Nordamerika. In Europa haben Amphetamin Derivate mit einer Prävalenz von 0,5 % unter den
illegal konsumierten Substanzen noch immer einen geringen Stellenwert (United Nations Office
Laut WHO-Definition ist eine Sucht oder auch Abhängigkeit das wiederholte Verlangen nach
einem Gefühl beziehungsweise Zustand und sorgt für eine starke Beeinträchtigung der
betroffenen Person, die ihr ganzes Leben danach ausrichtet, dieses Gefühl erneut zu erleben.
Dabei spricht man beim Konsum von Psychostimulanzien wie Methamphetamin von einer
substanzgebundenen Abhängigkeit.
Wie in Abbildung 17 zu sehen, ist der Methamphetamin Missbrauch in den letzten Jahren wieder
deutlich angestiegen, und das Suchtpotential stellt ein unverändert großes Problem für die
Gesellschaft dar. Deshalb sind die Mechanismen, denen eine Abhängigkeit zugrunde liegt, auch
Gegenstand aktueller Forschung, wobei man davon ausgeht, dass der Untergang dopaminerger
Neurone durch die neurotoxischen Wirkungen von Methamphetamin an der Entstehung des
Suchtverhaltens beteiligt ist. Trotzdem sind die genauen Mechanismen, die zu einer Entwicklung
Unter einer ärztlich verordneten und kontrollierten Behandlung, die üblicherweise eine
einer Abhängigkeit deutlich geringer als bei einer illegalen unkontrollierten Einnahme von
Methamphetamin. Neben der ärztlichen Kontrolle führt die orale Einnahme, wie in Abschnitt 4.1
beschrieben, zu einem deutlich langsameren Anstieg der Plasmaspiegel, als es etwa beim
Rauchen von Methamphetamin der Fall ist. Lässt sich das High-Gefühl direkt mit der
Applikation der Droge assoziieren, ist das Verlangen nach der jeweiligen Substanz deutlich
größer als bei einem langsamen Wirkungseintritt, wobei dieser Effekt auf alle Drogen zutrifft und
Entzugssymptomen, wobei das craving, das erneute Verlangen nach der Droge besonders stark
Das Absetzen von Methamphetamin führt oftmals zu langen Schlafphasen, wobei der Schlaf
meist sehr unruhig verläuft und wenig Erholung bietet. Weiters kommt es häufig zu
verschiedensten motorischen und kognitiven Störungen. Depressionen sind nach zwei bis drei
Tagen am schwersten ausgeprägt und bessern sich bei einem Großteil der Abhängigen in der
darauffolgenden Woche. Meist ist die Entzugssymptomatik von der Häufigkeit und Dauer des
wochenlang anhalten, wobei kognitive Defizite oftmals über ein halbes Jahr bestehen
Die Anzahl an Methamphetamin Abhängigen dürfte in der nächsten Zeit weiter zunehmen,
solchen Therapie zu erhöhen, ist man natürlich versucht, die Entzugssymptomatik zu reduzieren.
Derzeit ist die Behandlung hauptsächlich auf psychosoziale Therapien begrenzt, wobei man
Trotzdem konzentriert sich ein Großteil der Forschung auf die pharmakologische Behandlung
der Entzugssymptome. Zurzeit besitzt noch kein Medikament eine Zulassung für die
für eine symptomatische Therapie, die bei starken Unruhen den Einsatz von Benzodiazepinen
sowie bei Auftreten von Psychosen, atypische Neuroleptika empfehlen. In beiden Fällen sollte
Es gibt mehrere Studien die sich mit Substanzen, welche das dopaminerge, serotonerge und
Dabei konnten für Methylphenidat, Naltrexon, Mirtazapin und Bupropion positive Effekte auf
die Konsumhäufigkeit von Methamphetamin beobachtet werden. Dennoch sind für eindeutige
Therapieempfehlung weitere Studien nötig (Courtney und Ray 2014; Betzler und Köhler 2017).
S e i t e | 43
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit handelt von Methamphetamin, wobei anfangs auf die unterschiedlichen
Ausführungen über den Einsatz der Substanz, beginnend bei der Erforschung erster
Indikationen, bis zur heutzutage mehrheitlich illegalen Verwendung.
Der erste Kapitel gibt einen kurzen Einblick in die Entdeckungsgeschichte von
Methamphetamin, sowie den daran beteiligten Personen. Weiters wird auch die Verbindung zu
Amphetamin, welches für die spätere Verbreitung von Methamphetamin mitverantwortlich war,
erläutert.
Im zweiten Kapitel befasst sich die Arbeit mit den chemischen und physikalischen
wird noch der Metabolismus von Methamphetamin sowie die dabei entstehenden
Abbauprodukte behandelt.
Das darauffolgende vierte Kapitel befasst sich mit den pharmakologischen Mechanismen, auf
denen die Wirkungen von Methamphetamin beruhen. Zugleich werden auch die Wirkungen
selbst erläutert und versucht mit den jeweiligen Wirkmechanismen in Verbindung zu bringen.
Zuerst werden dabei unmittelbar auftretende Effekte behandelt und anschließend die
Das fünfte Kapitel handelt vom historischen Einsatz von Methamphetamin, beginnend bei der
Methamphetamin im 2 Weltkrieg sowie dessen Folgen in der Nachkriegszeit. Weiters wird die
Reglementierungen behandelt, sowie auf die noch heute mögliche medizinische Anwendung von
Methamphetamin eingegangen.
Den Abschluss bildet das sechste Kapitel mit einer Übersicht der Entwicklung des illegalen
Marktes für Methamphetamin in Amerika und Europa, sowie ein kurzer Ausblick und aktuelle
Zahlen zur Häufigkeit des Missbrauchs. Weiters wird kurz auf Entzugserscheinungen und
mögliche Therapien eingegangen.
(Plants of the World; Süddeutsche; News Australia; Frankfurter Allgemeine Zeitung 2003;
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Literatur
Abbruscato TJ, Trippier PC. Dark Classics in Chemical Neuroscience: Methamphetamine. ACS
Chem Neurosci 2018: 9, 2373–2378.
Aguzzi A, Barres BA, Bennett ML. Microglia: scapegoat, saboteur, or something else? Science
2013: 339, 156–161.
Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Suchtgiftverordnung, Wien, 17 Juli 2021.
Cenci MA. Presynaptic Mechanisms of l-DOPA-Induced Dyskinesia: The Findings, the Debate,
and the Therapeutic Implications. Front Neurol 2014: 5, 242.
Cho AK. Ice: a new dosage form of an old drug. Science 1990: 249, 631–634.
Crossley FS, Moore ML. Studies on the Leukart Reaction. J. Org. Chem. 1944: 09, 529–536.
Defalque RJ, Wright AJ. Methamphetamine for Hitler’s Germany: 1937 to 1945. Bulletin of
Anesthesia History 2011: 29, 21–32.
Eiden LE, Weihe E. VMAT2: a dynamic regulator of brain monoaminergic neuronal function
interacting with drugs of abuse. Ann N Y Acad Sci 2011: 1216, 86–98.
Filip M, Frankowska M, Zaniewska M, Gołda A, Przegaliński E. The serotonergic system and its
role in cocaine addiction. Pharmacol Rep 2005: 57, 685–700.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Grafik Aufstiegsroute Nanga Parbat, 151/9, Frankfurt, 03 Juli
2003.
Griffiths P, Mravcik V, Lopez D, Klempova D. Quite a lot of smoke but very limited fire--the use
of methamphetamine in Europe. Drug Alcohol Rev 2008: 27, 236–242.
Japanese Medical Material. Philopon: Medical No. 227, Tokyo, 22 Mai 1946.
Krasnova IN, Justinova Z, Cadet JL. Methamphetamine addiction: involvement of CREB and
neuroinflammatory signaling pathways. Psychopharmacology (Berl) 2016: 233, 1945–1962.
Kunalan V, Nic Daéid N, Kerr WJ, Buchanan HAS, McPherson AR. Characterization of route
specific impurities found in methamphetamine synthesized by the Leuckart and reductive
amination methods. Anal Chem 2009: 81, 7342–7348.
Lee JS, Han EY, Lee SY et al. Analysis of the impurities in the methamphetamine synthesized by
three different methods from ephedrine and pseudoephedrine. Forensic Sci Int 2006: 161, 209–
215.
Liu J, Wu R, Li J-X. TAAR1 and Psychostimulant Addiction. Cell Mol Neurobiol 2020: 40, 229–
238.
Logan BK. Methamphetamine - Effects on Human Performance and Behavior. Forensic Sci Rev
2002: 14, 133–151.
McKetin R, McLaren J, Kelly E. Methamphetamine: Forms and Use Patterns: National Drug and
Alcohol Research Center, Sydney, 2005.
S e i t e | 48
Meyer U. "Man sollte die Entwicklung nicht hemmen"--Fritz Hauschild (1908-1974) und die
Arzneimittelforschung der DDR. Pharmazie 2005: 60, 468–472.
National Center for Biotechnology Information. PubChem Compound Summary for CID 9306,
Methampex., Bethesda, Maryland, 23 Juli 2021.
Northrop NA, Yamamoto BK. Methamphetamine effects on blood-brain barrier structure and
function. Front Neurosci 2015: 9, 69.
Oyler JM, Cone EJ, Joseph RE, Moolchan ET, Huestis MA. Duration of detectable
methamphetamine and amphetamine excretion in urine after controlled oral administration of
methamphetamine to humans. Clin Chem 2002: 48, 1703–1714.
Rasmussen N. Amphetamine-Type Stimulants: The Early History of Their Medical and Non-
Medical Uses. Int Rev Neurobiol 2015: 120, 9–25.
Salamanca SA, Sorrentino EE, Nosanchuk JD, Martinez LR. Impact of methamphetamine on
infection and immunity. Front Neurosci 2014: 8, 445.
Schepers RJF, Oyler JM, Joseph RE, Cone EJ, Moolchan ET, Huestis MA. Methamphetamine and
amphetamine pharmacokinetics in oral fluid and plasma after controlled oral
methamphetamine administration to human volunteers. Clin Chem 2003: 49, 121–132.
Scott N, Caulkins JP, Ritter A, Quinn C, Dietze P. High-frequency drug purity and price series
as tools for explaining drug trends and harms in Victoria, Australia. Addiction 2015: 110, 120–
128.
S e i t e | 49
Underhill SM, Hullihen PD, Chen J et al. Amphetamines signal through intracellular TAAR1
receptors coupled to Gα13 and GαS in discrete subcellular domains. Mol Psychiatry 2021: 26,
1208–1223.
United Nations Office on Drugs and Crime. Convention on Psychotropic Substances, Wien,
2013.
United Nations Office on Drugs and Crime. World Drug Report, Wien, 2021.
Vaughan RA, Foster JD. Mechanisms of dopamine transporter regulation in normal and disease
states. Trends Pharmacol Sci 2013: 34, 489–496.
Vearrier D, Greenberg MI, Miller SN, Okaneku JT, Haggerty DA. Methamphetamine: history,
pathophysiology, adverse health effects, current trends, and hazards associated with the
clandestine manufacture of methamphetamine. Dis Mon 2012: 58, 38–89.