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di schwarzi chatz
Zeitung der Freien ArbeiterInnen Union in der Schweiz
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Kurzgeschichte
Der Saisonier
Er sass in der Bahnhofshalle auf einer gen Boden, über die nur wenig sauberere teurer und viele Leute hatten keine Arbeit
wackeligen Plastikbank, die sich mit je- Wand, bis sein Blick an der schwarz-gel- mehr und konnten daher nicht einmal
der Bewegung in weitere Einzelteile zu ben Anzeigetafel hängen blieb, die von bis zur nächsten Hauptstadt fahren. Er
zerlegen schien und dachte nach: “Was ist Zeit zu Zeit ratternd anzeigte, dass ein grinste, als er bemerkte, dass seine Ge-
Freiheit? Die Möglichkeit in die Haupt- Zug abgefahren war. Vor einigen Jahren danken klangen, als würde er sich nach
stadt des nächsten Landes zu fahren? In hatte es diese Tafel hier noch nicht gege- früher zurücksehnen. Nein, das wollte er
die Hauptstadt eines jeden Landes fahren ben. War dies etwa Freiheit, dass hier in sicher nicht, denn immerhin gab es jetzt
zu können?“ seinem Land nach etlichen Jahren eine keine Organisation namens “Sicherheit“
Sein Blick schweifte über den schmutzi- Tafel installiert wurde, die aus einem mehr, die bis zu seinem Dörfchen in den
Land kam, von dem man sagte, es sei tiefsten Wäldern Unsicherheit verbreite-
Gedichte frei? te. Jeder konnte jetzt fast alles sagen und
Er senkte den Blick auf die Eingangstü- jedem stand es frei ins Ausland zu gehen.
Hier wie dort re, die ein Bisschen schief in den Angeln
hing und blickte auf die wartenden Leute
So wie er vier Monate im Jahr im Land,
aus dem die Anzeigentafel kommt, ar-
Gearbeitet wurde hier über Jahrzehnte draussen: Sie hatten die Freiheit, dorthin beitete. Und sich drei Monate davon die
Geschuftet, geschwitzt und gekämpft zu gehen wo sie auch immer hin wollten, alten Zeiten zurückwünschte, weil es da-
Gelitten, gelacht und gehofft gingen aber trotzdem kaum je irgendwo mals in seinem Land sicherer war, als auf
Ruhig liegt alles da hin. Kein Wunder, die Fahrkarten wurden jener süditalienischen Tomatenplantage.
Tauben gurren in dunklen Fensterlöchern
Die alte Fabrik genügte nicht mehr
Verlassen liegt sie da
Und zerfällt Ein Wandel soll Zur Kulturseite
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