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Lennart Håkanson

Unveröffentlichte Schriften
Lennart Håkanson
Unveröffentlichte
Schriften

Band 2
Kommentar zu Seneca Maior, Controversiae, Buch I

Herausgegeben von Francesco Citti,


Biagio Santorelli und Antonio Stramaglia
ISBN 978-3-11-048783-1
e-ISBN (PDF) 978-3-11-049306-1
e-ISBN (EPUB) 978-3-11-049140-1

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© 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston


Umschlagabbildung: Lennart Håkanson, aufgenommen 1987. © Universität Uppsala
Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen
♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier
Printed in Germany

www.degruyter.com
Inhalt
Francesco Citti, Biagio Santorelli, Antonio Stramaglia
Vorbemerkung | VII

Michael Winterbottom
Lennart Håkanson: der Mensch, der Gelehrte | IX

Wissenschaftliche Veröffentlichungen von Lennart Håkanson | XIV

Lennart Håkanson
Vorwort | 1

Einleitung. Zur ,Echtheitsfrage‘ der Rhetorenzitate des Seneca | 3


1 Einiges zur Frage, in welchem Ausmaß Seneca schriftliche Quellen
benützt | 3
2 Analyse des Satzrhythmus Senecas und einiger von ihm zitierten
Rhetoren | 10
3 Die Exzerpte | 16
4 Appendix. Die 19 Klauselngruppen und der Satzrhythmus des Calpurnius
Flaccus | 21

Conspectus siglorum et notarum | 22

Lucius Annaeus Seneca, Controversiarum liber primus (ed. Håkanson) | 23

Kommentar | 83

Biagio Santorelli
Aktualisierung | 143
1 Einleitung | 143
2 Studien zu contr. I | 144
3 Neuere Texteingriffe zu contr. I | 146
4 Umfassende Studien zum älteren Seneca | 147

Literaturverzeichnis | 149

Index locorum | 161


Vorbemerkung
Die Voraussetzungen für die Publikation der Unveröffentlichten Schriften Lennart
Håkansons wurden im Vorwort zum ersten Band (2014) erklärt. Was diesen
zweiten Band betrifft, sei daran erinnert, dass im Jahre 1989 in der Bibliotheca
Teubneriana die kritische Ausgabe von Seneca dem Älteren erschien, die
Håkanson 1987, nur wenige Tage vor seinem unerwarteten und allzu frühen
Tod, abgeschlossen hatte. In der Praefatio (S. XIII) kündigt der Gelehrte einen
Kommentar zum Gesamtwerk des ‚Rhetors‘ an; nur eine lakonische, von der
Verlagsredaktion am Ende des Literaturverzeichnisses angefügte Notiz gibt
überhaupt Kunde von der Existenz dieser Arbeit, die durch den Tod des Verfas-
sers unvollendet geblieben ist und in der Universitätsbibliothek von Uppsala
aufbewahrt wird. Das latinistische Seminar in Uppsala, das unter Leitung von
Sten Eklund die Seneca Maior-Ausgabe pietätvoll Korrektur gelesen hatte, plan-
te, auch den Kommentar herauszubringen, gab dieses Vorhaben aber aufgrund
der Heterogenität des Materials bald auf.
Es ist dem Weitblick und der Hilfsbereitschaft von Gerd Haverling, die den
Lehrstuhl für Latein in Uppsala jetzt innehat, zu verdanken, wenn wir nun je-
nen Teil des Kommentars zu Seneca dem Älteren vorstellen können, den der
Autor bereits abgeschlossen hatte (und der ja als Probedruck schon vorlag),
nämlich die Gesamteinleitung und den Kommentar zum 1. Buch der Contro-
versiae. Den Rest des umfangreichen Manuskripts, das den Kommentar zu den
weiteren Büchern der Controversiae und dem der Suasoriae enthält, hat der
Verfasser unfertig hinterlassen. Es ist in der Universitätsbibliothek Uppsala
einsehbar; eine Kopie davon befindet sich in der Bibliothek des Thesaurus lin-
guae Latinae in München.
Den vorliegenden Band eröffnet ein Beitrag von Michael Winterbottom mit
persönlichen Erinnerungen an Lennart Håkanson und einer Würdigung seines
wissenschaftlichen Werks; an zweiter Stelle steht ein Verzeichnis seiner Publi-
kationen. Es folgen Håkansons eigenes Vorwort und seine Einleitung. Um den
Leserinnen und Lesern das Arbeiten zu erleichtern, haben wir Håkansons
Teubner-Text des ersten Buches der Controversiae hinzugefügt. Daran schließen
sich die Kommentierung, die sich primär textkritischen Problemen widmet, und
eine bibliographische Aktualisierung, die den einschlägigen Publikationen der
Fachwelt seit 1989 Rechnung trägt. In jedem Abschnitt haben wir unsere Ergän-
zungen, die sich meist auf Bibliographisches beschränken, durch eckige Klam-
mern kenntlich gemacht. Den Zitaten aus Calpurnius Flaccus und den Declama-
tiones maiores wurden die Seiten- und Zeilennummerierungen aus den ent-
VIII | Vorbemerkung

sprechenden Ausgaben Håkansons hinzugefügt; die Verweise auf das OLD wur-
den an die Neuedition (2012) angepasst.
Bei der Vorbereitung dieses Buches haben uns Gerd Haverling und Michael
Winterbottom tatkräftig unterstützt, wofür wir von Herzen dankbar sind. Clau-
dia Sojer hat eine erste Fassung der Übersetzung von Michael Winterbottoms
Beitrag aus dem Englischen angefertigt; Stefan Feddern, Gernot Krapinger und
Ruth Monreal schließlich standen uns bei der Abfassung des ganzen Bandes mit
sprachlichem Rat zur Seite; auch ihnen sagen wir herzlichen Dank.

F. C. – B. S. – A. S.
Lennart Håkanson: der Mensch, der Gelehrte
Im Jahr 1978 sprach ein jugendlich wirkender schwedischer Gelehrter vor der
Philological Society in Oxford. Sein Thema war die Textkritik zu Lukan. Ich
glaube, dass vor seinem Vortrag das allgemeine Gefühl herrschte, dass alles,
was über Lukans Text zu sagen war, schon von A.E. Housman gesagt worden
sei, der, obwohl wir ihn heute mit Cambridge verbinden, zunächst in Oxford
studiert hat (es dort aber nicht geschafft hat, einen Abschluss zu machen: ein
bemerkenswerter Umstand). Am Ende des Vortrags war uns allen klar, dass ein
neuer Stern in unser Blickfeld getreten war: mindestens so scharfsinnig wie
Housman und gänzlich ohne dessen absurd polemischen Ton.
Bereits 1976 hatte ich Lennart Håkansons Textkritische Studien zu den größe-
ren pseudoquintilianischen Deklamationen rezensiert und den Autor als »einen
feinfühligen und geschickten Spezialisten«1 in der Kunst der Textkritik geprie-
sen. Als ich fünfzehn Jahre später seine posthume Edition von Seneca dem Älte-
ren rezensierte, schrieb ich:

Der Praefatio dieses Buches sind edle Worte hinzugefügt: »Paucis diebus post quam huic
editioni summam manum imposuit librumque imprimendum Lipsiam misit Lennart
Håkanson […] diem supremum obiit. Senecae suo satis vixit, litteris et nobis non item«.
Jeder, der Håkanson kannte, ihn und seine Arbeiten bewunderte, kann diese Empfindung
nachvollziehen. Sein tragisch früher Tod beraubt die Wissenschaft eines Gelehrten, des-
sen Name es verdient, neben den berühmtesten Textkritikern lateinischer Prosa und Dich-
tung zu stehen.2

Wenn diese Worte überschwänglich anmuten, wiederholen sie doch nur, was D.
R. Shackleton Bailey Jahre zuvor geschrieben hatte: Håkansons textkritische
Fähigkeiten »wären in jeder Epoche der Philologiegeschichte bemerkenswert
gewesen«.3
Dieser höchst begabte Mann wurde am 14. Oktober 1939 in Karlsborg (Ska-
raborg) geboren. Er besuchte die Universität von Lund und studierte bei einem
Textkritiker ersten Ranges, dem Latinisten Bertil Axelson, seinerseits Schüler
von Einar Löfstedt: eine wahrhaft apostolische Nachfolge. In einem der Nachru-
fe4 heißt es, Axelson habe Håkansons Dissertation zu den Silvae des Statius mit
»der besten Note« bewertet, »die er je vergeben hatte« und je vergeben sollte.

||
1 Übers. aus Winterbottom 1976.
2 Übers. aus Winterbottom 1991, 338.
3 Übers. aus Shackleton Bailey 1976, 73.
4 Fogelmark 1987.
X | Michael Winterbottom

Ein anderer (in formaler Hinsicht nicht widersprüchlicher) Bericht5 besagt, dass
Axelson von Håkansons Dissertation nicht sonderlich beeindruckt war, da die-
ser, so Axelson, »hinter meinem Rücken eine Reihe von Textpassagen hineinge-
schmuggelt hat, die im Seminar nicht behandelt worden waren« (eine wahrlich
aufschlussreiche Äußerung); »Ich ließ ihn das Examen mit Auszeichnung [cum
laude] bestehen und bot ihm eine Dozentur an, weil ich einen Lehrbeauftragten
b r a u c h t e « (3. April 1970). Axelson sprach 1972 nochmals von »zahlreichen
Fehlurteilen« in der Dissertation und von einem »ärgerlichen Mangel an Genau-
igkeit und Gedankenfülle in der Darlegung«. Später im gleichen Jahr jedoch
schlug er einen anderen Ton an: »H. ist bemerkenswert rasch herangereift: Vor
kurzem hat er die pseudo-quintilianischen Größeren Deklamationen in Angriff
genommen und in unseren Seminaren eine erstaunliche Anzahl wirklich guter
Emendationen gemacht«. Håkanson wurde 1980 auf den Lehrstuhl für Latein an
der Universität Uppsala berufen. Er ertrank am 19. Juni 1987 vor Kreta und hin-
terließ seine Frau Monica und drei Kinder.
Axelson hat zu Recht, wenn auch in offensichtlicher Mißachtung von Håkan-
sons Leistungen, bemerkt, dass die Größeren Deklamationen – zuletzt ediert von
Georg Lehnert im wohl miserabelsten Band, der jemals in der Teubner-Reihe
publiziert wurde – von den Philologen sträflich vernachlässigt worden waren.
Diese Beobachtung trifft in zweierlei Hinsicht zu. Håkanson hat Pionierarbeit
geleistet, und es bedurfte einer besonderen Begabung, einer ganzen Gattung
Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, einer Gattung, die es verdient hatte, ver-
ständnisvoller und wissenschaftlicher behandelt zu werden (sowohl im Griechi-
schen als auch im Lateinischen), als dies je zuvor der Fall gewesen war. Seine
bahnbrechende Ausgabe der Maiores von 1982 hat diejenige Lehnerts ersetzt;
1986 folgte eine meisterhafte Übersichtsdarstellung in Aufstieg und Niedergang
der römischen Welt. Und es war in Håkansons Nachfolge, dass in den letzten
Jahren die hervorragende Reihe von kommentierten Einzelausgaben der Größe-
ren Deklamationen in Cassino veröffentlicht wurde. Die Kleineren Deklamationen
(früher als die Größeren und höchstwahrscheinlich aus Quintilians eigener
‚Werkstatt‘) wollte Håkanson Anfang der achtziger Jahren gemeinsam mit dem
deutschen Philologen Joachim Dingel herausgeben, einem Fachmann mehr für
den Hintergrund dieses Werks als für dessen Textkritik. Es war typisch für
Håkanson, dass er, als er von meiner eigenen schon fortgeschrittenen Arbeit an
einer Edition (mit Kommentar) hörte, nicht nur sein eigenes Projekt aufgab,
sondern mir über eine geraume Zeit immer mehr Emendationen und Interpreta-

||
5 Önnerfors 1988, 160. Daraus sind die im Haupttext folgenden Zitate entnommen und aus
dem Schwedischen übersetzt worden.
Lennart Håkanson: der Mensch, der Gelehrte | XI

tionen zukommen ließ, die ich uneingeschränkt verwenden durfte. Die Erträge
dieser anregenden Korrespondenz sind in meinem Buch The Minor Declama-
tions Ascribed to Quintilian (Berlin–New York 1984) erschienen, dessen Einlei-
tung in adäquater Weise – so hoffe ich – darlegt, wieviel ich sowohl Håkanson
als auch Dingel verdanke.
Ein Blick in Håkansons Publikationsverzeichnis macht zwei Dinge deutlich.
Da ist zum einen seine Vorliebe für Textkritik, die sowohl aus seinen Aufsätzen
über Passagen lateinischer Texte als auch aus seinen Editionen ersichtlich wird.
Hier ist erwähnenswert, dass Håkanson sich bei der Textedition mit den Hand-
schriften auseinandersetzte. Er betrachtete die Arbeit an den Handschriften,
anders als D. R. Shackleton Bailey, nicht als nutzlos (oder weniger als das).
Seine Arbeiten zur Textkritik flankierte er mit einigen Veröffentlichungen zu
breiter angelegten Themen wie Homoioteleuton und Adverbien in lateinischer
daktylischer Dichtung und (erst kürzlich erschienen) Prosarhythmus.6 Darüber
hinaus veröffentlichte er eine schwedische Übersetzung von Apuleius’ Meta-
morphosen, die von einem Rezensenten als »zweifelsohne eine der erfolgreichs-
ten in eine moderne Sprache überhaupt« beurteilt wurde.7 Wozu er n i c h t
Stellung bezog, zumindest nicht öffentlich, ist das, was wir als ‚Literaturtheorie‘
kennen. In einem Zeitalter der Theorie mag er gedacht haben, dass man ihr am
besten mit Schweigen begegne, und den antiken Autoren am besten gedient sei,
wenn man versucht, genau zu verstehen, was sie gesagt haben. Auf jeden Fall
sagte er zu Alf Önnerfors, dass er fürs Erste mit Vorhaben zur Textkritik viel zu
beschäftigt sei, als dass er sich dieser anderen Richtung zuwenden könne.8
Aus dem Publikationsverzeichnis wird auch Håkansons Konzentration auf
eine bestimmte Art von lateinischen Texten deutlich. Sowohl in der Prosa als
auch in der Dichtung bewegte er sich mit derselben Mühelosigkeit. Aber am
wohlsten fühlte er sich bei Texten, die im weiteren Sinne ‚deklamatorisch‘ ge-
nannt werden können, d.h. nicht nur bei den eigentlichen Deklamationen, son-
dern überhaupt bei Schriften von deklamatorisch geschulten Autoren. Daher
seine Arbeiten zu Lukan, Statius und (in einem gewissen Grade) Silius Italicus
sowie zu ‚Quintilian‘, Calpurnius Flaccus und Seneca dem Älteren. Solche Auto-
ren boten die Art von Problemen, bei denen er glänzte: solche, die aus einer oft
gezwungenen, vom Leser ständig große Aufmerksamkeit verlangenden Raffi-
nesse nicht nur des Ausdrucks, sondern auch der Argumentation resultieren. Es
ist keinesfalls immer eine Frage der Korrektur einer überlieferten Formulierung.

||
6 Håkanson 2014d.
7 Übers. aus Fogelmark 1987, A. 4.
8 Vgl. Önnerfors 1988, 160 A. 5.
XII | Michael Winterbottom

Eine Lösung findet sich nicht selten in der Erhellung eines bizarren Gedanken-
ganges oder im Versetzen eines Kommas, das in vorausgehenden Ausgaben
falsch steht. In dieser Art von Schriften bewegte Håkanson sich so mühelos, als
habe er selbst zu Füßen eines römischen Rhetors gesessen. Indem er sich diesen
Texten zuwandte, zeigte Håkanson ein sicheres Gespür dafür, worin seine größ-
te Stärke lag. Es wäre schön gewesen, wenn ein Talent wie das seine – hätte er
so lange gelebt, wie er hätte leben sollen (da ich diese Worte schreibe, wäre er
nicht älter als 75) – sich mehr späteren Texten zugewandt hätte, die dieselben
Schwierigkeiten bieten (tatsächlich hat er einiges z.B. zu Zeno von Verona und
Ausonius veröffentlicht).
Wie die Dinge liegen, ist der Höhepunkt seines Schaffens die postume Aus-
gabe von Seneca dem Älteren. Eine angemessene Beurteilung dieses Werkes
würde ein eigenes Buch erfordern, da (wie aus meiner Rezension hervorgeht)
seine Texteingriffe in die Hunderte, wenn nicht gar in die Tausende gehen. Und
wenn wir das unbestimmte Gefühl haben, dass diese Edition nicht dieselbe
Endgültigkeit besitzt wie jene des ‚Quintilian‘, so ist dies auf die Eigenart des
Textes zurückzuführen, der zum Großteil in einer Zusammenstellung kurzer
Exzerpte besteht, die aus lange zuvor vorgetragenen Deklamationen aus dem
Gedächtnis kompiliert wurden. Der Kontext dieser Exzerpte kann nicht immer
mit Sicherheit festgestellt werden, was zur Folge hat, dass ihre Bedeutung
manchmal unwiederbringlich verloren ist. Außerdem macht die Vielzahl von
Autoren Håkansons textkritische Hauptmethode unwirksam: die Heranziehung
von Autorparallelen.
Der Kommentar, der uns in dieser Veröffentlichung zum Teil wieder zurück-
gegeben wird, steht in der Tradition von Håkansons früheren Arbeiten und
unterliegt deren Einschränkungen, wenn sie denn solche sind. Er geht häufig
nicht über die Erörterung von Textproblemen oder die Auflistung von Parallel-
stellen hinaus. Aber es ist unschätzbar und sehr ergreifend, gleichsam aus dem
Grabe heraus die unverkennbare Stimme eines großen Gelehrten zu vernehmen,
der das, worin seine größte Stärke liegt, in Angriff nimmt.
Diejenigen von uns, die Lennart Håkanson kannten, erinnern sich an ihn
nicht nur oder nicht unbedingt vorwiegend aufgrund der Leistungen, die ich
aufgezählt habe. Er schöpfte Kraft aus seinem Familienleben, und obwohl er,
wie die Leute oft sagten, »für seine Arbeit lebte«, kreisten (nach den Worten
eines engen Freundes, der in Önnerfors’ Nachruf zitiert wird) »die Gedanken,
die er mit Freunden über dem Schachbrett oder während Angelausflügen auf
dem Bosarp See austauschte« (wo die Familie ein Sommerhaus hatte) »um an-
dere [als akademische] Dinge, nämlich um die wesentlichen. Lennart war ein
außergewöhnlich […] ausgeglichener Mensch. Wer ihn kannte, wird seinen
offenen, natürlichen, jungenhaften Geist, seine echte Bescheidenheit und seine
Lennart Håkanson: der Mensch, der Gelehrte | XIII

spontane Freude an den guten Dingen des Lebens, vor allem aber seine warm-
herzige Freundschaft nicht vergessen«.9

Michael Winterbottom

||
9 Beim Verfassen dieser Würdigung erfuhr ich große Unterstützung von Gerd Haverling und
Francis Lamport.
Wissenschaftliche Veröffentlichungen
von Lennart Håkanson*
1. Statius’ Silvae. Critical and exegetical remarks, with some notes on the Thebaid, Lund
1969.

2. „Textkritisches zu Zeno Veronensis“, in: Classica et Mediaevalia 31 (1970), 223–238.

3. „Some critical remarks on Calpurnius Flaccus“, in: Eranos 70 (1972), 59–71.

4. Rezenzion zu J. Strand, Notes on Valerius Flaccus’ Argonautica, Göteborg 1972, in:


Gnomon 45 (1973), 827–829.

5. Statius’ Thebaid. Critical and exegetical remarks, Lund 1973.

6. „Textkritisches zu den unter dem Namen Quintilians überlieferten sog. kleineren und
grösseren Deklamationen“, in Otto S. Due – Holger F. Johansen – Bent D. Larsen (Hrsgg.),
Classica et Mediaevalia Francisco Blatt septuagenario dedicata, Copenhagen 1973, 310–
322.

7. Textkritische Studien zu den grösseren pseudoquintilianischen Deklamationen, Lund


1974.

8. „Some more critical remarks on Calpurnius Flaccus“, in: Eranos 72 (1974), 53–64.

9. Silius Italicus. Kritische und exegetische Bemerkungen, Lund 1976.

10. „Some critical notes on Seneca the Elder“, in: American Journal of Philology 97 (1976),
121–129.

11. „On two passages in Calpurnius Flaccus“, in: Eranos 74 (1976), 67–68.

12. „35 Emendationsvorschläge zu den grösseren pseudoquintilianischen Deklamationen“,


in: Eranos 74 (1976), 122–138.

13. „Verschiedene textkritische Bemerkungen“, in: Symbolae Osloenses 52 (1977), 89–96.

14. „Some critical notes on the Vitae Honorati et Hilarii“, in: Vigiliae Christianae 31 (1977),
55–59.

15. „Two critical notes on Ausonius“, in: American Journal of Philology 98 (1977), 247–248.

16. „Some notes on Corippus’ Iohannis“, in: Classical Quarterly n. s. 27 (1977), 226–229.

17. Calpurnii Flacci declamationum excerpta, Stutgardiae 1978.

18. „Einige textkritische Bemerkungen zu den grösseren pseudoquintilianischen Deklamatio-


nen“, in: Wiener Studien 91 (1978), 151–158.

||
* Eine vorläufige Fassung dieses Verzeichnisses wurde von Johan Heldt und Krister Östlund
erstellt.
Wissenschaftliche Veröffentlichungen von Lennart Håkanson | XV

19. „Problems of textual criticism and interpretation in Lucan’s De bello civili“, in: Proceed-
ings of the Cambridge Philological Society n. s. 25 (1979), 26–51.

20. Rezension zu P.K. Marshall (ed.), Cornelii Nepotis Vitae cum fragmentis, Leipzig 1977, in:
Classical Philology 75 (1980), 85–87.

21. „Nochmals Luc. 2,554“, in: Eranos 79 (1981), 151–152.

22. „Coripp, Iohannis 2,466 und die Wortstellung im lateinischen Hexameter“, in: Rheini-
sches Museum für Philologie 124 (1981), 354–358.

23. Rezension zu A. Traglia – G. Aricò (Ed./Übers./Anm.), Opere di Publio Papinio Stazio,


Torino 1980, in: Gnomon 53 (1981), 8–13.

24. Declamationes XIX maiores Quintiliano falso ascriptae, Stutgardiae 1982.

25. „Homoeoteleuton in Latin Dactylic Poetry“, in: Harvard Studies in Classical Philology 86
(1982), 87–115.

26. „Miscellanea critica“, in: Phoenix 36 (1982), 237–242.

27. „Att utge en antik text“, in: Tvärsnitt: humanistisk och samhällsvetenskaplig forskning
(1982/1), 43–45.

28. „Ett litteraturhistoriskt viktigt papyrusfynd“, in: Romhorisont. Tidskrift för Föreningen
Svenska Rominstitutets vänner och Svenska institutet i Rom 3 (1982), 3–4.

29. „Nemesis divina violata“, in: Svenska Linnésällskapets årsskrift (1982–1983), 93–98.

30. „Äkthets- och författarproblem i latinsk litteratur“, in: Kungliga humanistiska vetenskaps-
samfundet i Uppsala. Årsbok 1981–1982, Uppsala 1983, 43–58.

31. „[Quintilian], Declamationes maiores“, in: L.D. Reynolds (Hrsg.), Texts and Transmission.
A Survey of the Latin Classics, Oxford 1983 [verb. Nachdr. 1986], 334–336.

32. „A crux criticorum (et interpretum) in Seneca the Elder’s Controversiae (2.4.12)“, in: Clas-
sical Quarterly n. s. 34 (1984), 241–243.

33. Rezension zu D.E. Hill (Ed.), P. Papini Stati Thebaidos libri XII, Leiden 1983, in: Gnomon 56
(1984), 772–775.

34. „Miscellanea critica“, in: Eranos 83 (1985), 82–86.

35. Rezension zu M. Winterbottom (Ed./Komm.), The Minor Declamations Ascribed to Quintil-


ian, Berlin–New York 1984, in: Gnomon 57 (1985), 648–650.

36. Apuleius, Den gyllene åsnan. Översättning och förord, Höganäs 1985.

37. „Adverbs in Latin Poetry“, in: Eranos 84 (1986), 23–56.

38. „Textkritisches zu Seneca maior“, in: Orientalia Suecana 33–35 (1984–1986), 175–180.

39. „Die quintilianischen Deklamationen in der neueren Forschung“, in: Aufstieg und Nieder-
gang der römischen Welt, II 32,4 (1986), 2272–2306.

40. Rezension zu H.-J. van Dam (Komm.), P. Papinius Statius. Silvae: book II, Leiden 1984, in:
Gnomon 59 (1987), 62–64.
XVI | Wissenschaftliche Veröffentlichungen von Lennart Håkanson

41. L. Annaeus Seneca maior. Oratorum et rhetorum sententiae, divisiones, colores, Leipzig
1989.

42. „Zu den Historikerfragmenten in Seneca d.ä., Suas. 6“, in: J. Diggle – J.B. Hall – H.D.
Jocelyn (Hrsgg.), Studies in Latin Literature and its Tradition in Honour of C.O. Brink, Cam-
bridge 1989, 14–19.

43. Vergilius, Georgica: sånger om lantbruket, Stockholm–Stehag 1989.

44. Unveröffentlichte Schriften, I (Studien zu den pseudoquintilianischen Declamationes


Maiores), hrsg. von B. Santorelli, Berlin–Boston 2014.

45. „Tribunus Marianus“, in: L. Del Corso – F. De Vivo – A. Stramaglia (Hrsgg.), Nel segno del
testo. Edizioni, materiali e studi per Oronzo Pecere, Firenze 2015, 61–90
[mit M. Winterbottom].

46. Unveröffentlichte Schriften, II (Kommentar zu Seneca Maior, Controversiae, Buch I), hrsg.
von F. Citti – B. Santorelli – A. Stramaglia, Berlin–Boston 2016.
Vorwort
Der vorliegende Kommentar zu Oratorum et rhetorum sententiae, divisiones,
colores des älteren Seneca ist vor allem ein kritisch-sprachlicher. Zwar hoffe ich,
dass nicht vieles, was zum Verständnis des Textes in geschichtlicher und litera-
rischer Hinsicht usw. nötig ist, übergangen worden ist, aber wenn es sich um
ein so durch Lücken und Verderbnisse aller Art entstelltes Werk wie dieses han-
delt, ist es unvermeidlich, dass textkritische und sprachliche Probleme in den
Vordergrund treten. Vielleicht wird sich somit der Kommentar als brauchbares
Komplement zu den Monographien Sussmans und Fairweathers zeigen,[1] wo
sprachlich-kritische Einzelprobleme nur spärlich (von Fairweather) behandelt
werden. Seit dem Elzevierdruck von Schotts Ausgabe (nebst Schultings zahlrei-
chen Bemerkungen), der im J. 1672 publiziert wurde,[2] ist kein Kommentar zum
ganzen Werk Senecas zusammengestellt worden. Vor etwa 60 Jahren erschien
indessen Edwards Kommentar zu den Suasorien,[3] außerdem findet man viel
Nützliches in Bornecques und Winterbottoms Anmerkungen zu ihrer Überset-
zung.[4] Was im Übrigen zum Verständnis des Senecatextes geleistet worden ist,
ist in Monographien, Dissertationen, Schulprogrammen und Aufsätzen ver-
streut, zu denen ich auf Sussmans Bibliographie in ANRW sowie auf meine ei-
gene in der Teubnerausgabe hinweise;[5] hier werde ich nur Werke verzeichnen,
die (abgekürzt) im Kommentar zitiert werden.
Die Einleitung habe ich zwei besonders wichtigen Problemen gewidmet: Ers-
tens wird die Zuverlässigkeit von Senecas ungemein vielen Zitaten erörtert,
indem seine Verwendung von schriftlichen Quellen beleuchtet wird und der
Satzrhythmus Senecas und einiger von ihm zitierten Rhetoren (und der Exzerp-
te) behandelt werden, um nachzuweisen, in welchem Grad man damit rechnen
kann, dass die stilistisch-sprachliche Individualität der verschiedenen Rhetoren
bewahrt worden ist. Zweitens habe ich versucht, die Arbeitsweise und Zuverläs-
sigkeit des Exzerptors zu zeigen. Im Übrigen verweise ich, was die Hss. und die
Textüberlieferung betrifft, grundsätzlich auf die Vorrede zu meiner Teubner-
ausgabe.

Lennart Håkanson

||
[1 Sussman 1978; Fairweather 1981.]
[2 Faber et all. 1672.]
[3 Edward 1928.]
[4 Bornecque 19322; Winterbottom 1974a.]
[5 Sussman 1984; Håkanson 1989, XVIII–XXIII.]
Einleitung. Zur ,Echtheitsfrage‘ der
Rhetorenzitate des Seneca
1 Einiges zur Frage, in welchem Ausmaß Seneca schriftliche
Quellen benützt
Die Frage, inwieweit Seneca sich schriftlicher Aufzeichnungen verschiedener
Art bedient hat, ist nicht nur von literarischem Interesse, sondern spielt, wie wir
sehen werden, für die Beurteilung nicht weniger kritisch beanstandeter Stellen
eine entscheidende Rolle. Umso notwendiger schien es mir, diese Frage schon
in der Einleitung zu behandeln, damit später an verschiedenen Stellen auf das
hier Zusammengefasste hingewiesen werden könne.
Nehmen wir als Ausgangspunkt dieser Erörterung Charles W. Lockyers im J.
1971 erschienene Dissertation, The Fiction of Memory and the Use of Written
Sources: Convention and Practice in Seneca the Elder and Other Authors (Prince-
ton University). In seiner Introduction (5 f.) zitiert Lockyer den bekannten Ab-
schnitt über Senecas Erinnerungsvermögen (I praef. 1–4) und konstatiert, dass
viele, die sich mit Seneca beschäftigt haben, ihm tatsächlich aufs Wort geglaubt
haben, wenn er versichert, dass er aus dem Gedächtnis zitiere. Als Beispiele
werden angeführt Rossbach in RE, Fordyce in Oxford Classical Dictionary, H. J.
Rose (A Handbook of Latin Literature), Stanley F. Bonner (Roman Declama-
tion);[1] aber besonders ärgert sich Lockyer über Gaston Boissier, der im J. 1902 in
einem Aufsatz2 »Seneca’s claim to memory with complete naiveté« akzeptiert
habe: »Indeed, Boissier’s very influential article on the declamatory schools has
been a major force in propagating as fact a completely unexamined claim«. Aus
der englischen Übersetzung von Boissiers Aufsatz zitiert Lockyer (1971, 10):

He (Seneca) quoted the finest passages of their discourses which he had retained and
which no longer survived save in his head. Since he had heard them, more than half a
century had elapsed, but he had not forgotten them. In a time when memory had been
brought to the pitch of an art taught in the schools, that of Seneca was of the nature of a
miracle.

||
[1 Rossbach 1894, 2238; Fordyce 19702, 975; Rose 1960, 317 f.; Bonner 1949, bes. 71, 135.]
2 Boissiers Aufsatz wurde ursprünglich in Revue des deux mondes 11, 1902, 480–508 publi-
ziert; Lockyer zitiert die englische Übersetzung von W.G. Hutchinson, die in Boissiers Tacitus
and Other Roman Studies (London 1906) erschien.
4 | Einleitung. Zur ,Echtheitsfrage‘ der Rhetorenzitate des Seneca

Man muss Lockyer darin zustimmen, dass derartige Aussagen erstaunlich


leichtgläubig anmuten: Die große Exzerptsammlung, die, als sie vollständig
vorlag, elf Bücher umfasste, muss fast 1.000 Teubnerseiten stark gewesen sein –
und diese Textmasse repräsentiert ja nur eine A u s w a h l : Seneca muss gege-
benenfalls einen Text von mindestens 4–5.000 Seiten über Jahrzehnte im Kopf
behalten haben!
Nun ist die Auffassung von Boissier u. a. keine communis opinio, sondern
Lockyer gibt zu, dass gewisse Gelehrte angenommen haben, dass Seneca publi-
zierte Schriften, entweder eigene oder andere Aufzeichnungen, benützt haben
könnte. So urteilte Bornecque in seinem Werk (1902, 25 ff.) und diese Auffas-
sung tritt auch bei Schanz–Hosius (19354, II 339) zutage, wo es heißt:

Diese Mitteilungen geben sich den Anschein, wörtliche Reproduktionen zu sein, und sie
werden es im großen ganzen auch sein; denn es treten individuelle Verschiedenheiten bei
den einzelnen reproduzierten Autoren hervor.3 Immerhin mochten ihm schriftlich nieder-
gelegte Deklamationen, Lehrbücher oder auch persönlich gemachte Notizen zu Hilfe
kommen.

Lockyer (1971, 192 f.) selbst will die Bedeutung von Senecas memoria bis zu
einem Minimum reduzieren und setzt so gut wie durchgehend schriftliche Quel-
len voraus:

Obviously, Seneca could remember some things. Famous stories about rhetors and bio-
graphical details, especially about close friends like Latro, couId fairly easily be remem-
bered. Even in the case of speakers’ famous sayings Seneca could actually be doing some
remembering. This would especially be so in those cases where a very short and epigram-
matic saying had achieved great fame and a wide circulation. It would, however, be much
less likely that Seneca could recall the longer passages he records. […] In fine, then, we
can suggest that some background information and details about declamatory practises of
the time might come from Seneca’s memory. Further, some of the shorter and more strik-
ing quotations might have been remembered. But for the most part the passages cited ap-
pear too long and undistinguished to have come regularly from any other source than
written documents of one kind or another.

Bevor wir etwas näher prüfen, wie Lockyer zu diesem Resultat gekommen ist,
werden wir sehen, wie seine Thesen in zwei größeren Arbeiten über Seneca
behandelt wurden, die nach der Publizierung der Lockyer’schen Dissertation
geschrieben worden sind. Im J. 1978 erschien Lewis A. Sussmans The Elder
Seneca. Lockyers Ausführungen werden S. 77–79 zusammengefasst, und Suss-

||
3 Der Grund für diese Behauptung – die unten erwähnten, auch von Fairweather als unzu-
reichend bezeichneten Arbeiten – war zur Zeit höchst fraglich.
Einiges zur Frage, in welchem Ausmaß Seneca schriftliche Quellen benützt | 5

man akzeptiert, wie es scheint, gänzlich Lockyers Resultate. In Janet Fair-


weathers Buch Seneca the Elder (1981) werden das Erinnerungsvermögen Sene-
cas und die Zuverlässigkeit seiner Zitate S. 37–49 ziemlich ausführlich erörtert;4
Lockyers Dissertation wird (S. 38) als »a careful piece of work in which, how-
ever, the evidence as to Seneca’s possible use of written sources is pressed
much further than it will go« charakterisiert. Die Verfasserin schließt die Ver-
wendung von schriftlichen Quellen aber nicht aus, sondern konstatiert nur,
dass Lockyer zu Übertreibungen neigt. Mit Recht verwirft sie als unzureichend
Bornecques viel zu kurze und unvollständige kleine Klauseluntersuchung
(1902, 26 ff.) wie auch einige frühere Versuche (von Sander, Karsten u. a.),[5]
sprachliche Differenzen zwischen den Rhetoren hervorzuheben: »Here is a sub-
ject which requires complete re-examination« (S. 43), indem nach dem Ausar-
beiten eines Index verborum sowohl Satzrhythmus als auch Sprache gründlich
analysiert werden sollen.[6] Aber auch ohne diese Hilfsmittel mag angenommen
werden, dass Senecas Zitierweise zuverlässig sei (S. 49):

Nevertheless, it is surely justifiable to adopt the working hypothesis that, before the text
became corrupt in the course of transmission, the extracts were accurate. One fails to see
why Seneca the Elder, if he did not possess a reliable record, memorized or written, of the
actual words of the multitudinous declaimers he quotes, would have undertaken the la-
bour of compiling the type of anthology which he has given us. It seems about as plausi-
ble that he should have set out to forge thousands of declamatory fragments as that Athe-
naeus, for instance, should have forged all his quotations from Greek comedy.

Meine eigene Beurteilung dieser Frage steht derjenigen von Fairweather nahe,
d. h. auch ich meine, dass das Problem von Neuem untersucht werden muss.
Der wichtigste Anlass dazu ist nicht, dass Lockyers Resultate ungereimt oder
gar unwahrscheinlich erscheinen, sondern dass die Methode, mit welcher er zu
seinen Schlüssen gekommen ist, als nicht ausreichend und beweiskräftig be-
zeichnet werden muss. Der größte Teil der Dissertation macht freilich einen
guten Eindruck: Dort wird Seneca in einen großen literarischen Kontext gesetzt,
indem ein Exposé über die Fiktion eines außerordentlichen Erinnerungsvermö-
gens in griechischer und lateinischer Literatur (Platon bis Macrobius) gegeben
wird. Es wird in überzeugender Weise nachgewiesen, dass diese Fiktion sicher
darauf ausgelegt war, von den Lesern als solche erkannt zu werden.

||
4 S. auch Fairweather 1984, 540 ff.
[5 Sander 1877–1880; Karsten 1881a.]
[6 Ein Index verborum von Seneca dem Älteren liegt auch heute nicht gedruckt vor; s. unten,
S. 10.]
6 | Einleitung. Zur ,Echtheitsfrage‘ der Rhetorenzitate des Seneca

Der Senecatext selbst wird aber von Lockyer nicht hinreichend ausgenützt
und analysiert. Er begnügt sich in der Hauptsache damit, alle Stellen heraus-
zuholen, wo – explizit oder implizit – die Existenz publizierter oder überhaupt
niedergeschriebener Deklamationen und dergleichen erwähnt wird, und sieht
in diesen Schriften ohne weiteres Quellen von Seneca, ohne zu zeigen, dass sie
wirklich benützt, nicht nur erwähnt worden sind. Ob seine Schlüsse richtig
sind, ist somit unsicher, und nachgewiesen wird eigentlich nur, dass Seneca die
von ihm erwähnten Schriften als Quellen verwendet haben kann – einfach weil
sie ihm bekannt waren.
In der Tat liefert ein ,close reading‘ des Senecatextes m. E. hie und da un-
zweideutige Indizien dafür, dass Seneca sich schriftlicher Quellen bedient hat,
und ich werde im Folgenden eine Reihe von solchen Beobachtungen verzeich-
nen. Wie am Anfang konstatiert wurde, handelt es sich nicht selten um Stellen,
die in verschiedener Weise kritisch beanstandet worden sind, weil man den
Grund der einen oder anderen auffälligen Einzelheit verkannt hat. Wir stehen
also hier vor einem in methodischer Hinsicht sehr wichtigen Verhältnis: Ange-
sichts eines dunklen Punktes im Text muss man sich stets fragen, ehe man ei-
nen textkritischen Eingriff vornimmt, ob Senecas Art, seine Vorlagen zu exzer-
pieren und zu zitieren, die Schwierigkeit der Stelle erklären kann.7
Beginnen wir mit einer Reihe von Stellen, wo Adverbien, Partikeln u. Ä. of-
fenbar aus der Vorlage mitgenommen worden sind, obwohl sie in den von
Seneca zusammengestellten Exzerpten keine deutliche Funktion mehr haben
und in der Regel am besten weggelassen worden wären:
II 5,20 Tua e n i m causa tacuisti. Das im exzerpierten Satz funktionslose
enim wird nach Schulting meistens in etiam verwandelt, aber wir haben ebenso-
wenig Anlass, hier den Text zu ändern wie suas. 6,23, wo uns ein ähnliches
funktionsloses enim begegnet: Cremuti Cordi. Proprias e n i m simultates depo-
nendas interdum putabat etc. Vgl. contr. II 5,4 I t a f i t , mulier: non vis parere;

||
7 Die Schwierigkeiten, die durch Senecas Zitierweise verursacht werden, sind oft keineswegs,
wie in den auf diesen Seiten zu behandelnden Stellen, auf einzelne Wörter, wie ein tamen u.
dgl. beschränkt, sondern bisweilen steht der Leser solchen sententiae gegenüber, die in der
Abwesenheit des ursprünglichen Kontextes ganz und gar rätselhaft sind; »normally the epi-
grams are extracted like cherries from a cake, and we are left to infer a context for them. Hence
the main difficulty in understanding the book«: so Winterbottom 1974a, I XVI f., der auch mit
Recht auf die Schwierigkeit aufmerksam macht, zu entscheiden, ob zwei oder mehrere aufei-
nander folgende Sätze zusammengehören, oder als verschiedene sententiae aufgefasst werden
sollen. Hierher gehörende Probleme müssen oft im Kommentar erörtert werden. Ich möchte an
dieser Stelle an meine Schreibweise in der Ausgabe erinnern, wo ich solche Sätze mit Majuskel
anfangen lasse, die m. E. nicht zum Vorausgehenden gehören.
Einiges zur Frage, in welchem Ausmaß Seneca schriftliche Quellen benützt | 7

delicata es, cruciatus puerperi times. Weil ita fit nunmehr keine Anknüpfung
zum Vorangehenden hat, ändert man es in ita est [Bursian] oder ita tu [Haase
ap. Kiessling].[8]
II 6,1 Porci Latronis. Utriusque t a m e n comparetur luxuria. Dieser Satz steht
am Anfang der controversia, und tamen ist funktionslos. Man hat hier Än-
derungen wie iam (Kiessling), tandem (Gertz), tantum (Müller) vorgeschlagen.
VII 1,26 quis p o r r o me uno miserior est etc. Ohne irgendeine Beziehung auf das
(nicht exzerpierte) Vorausgehende wird porro nicht ganz natürlich. VII 3,5 Non
t a m e n habebitis, quod multum de eo dubitetis. Hier liest man nach Otto und
Gertz iam, was ebenso unberechtigt ist wie Bursians von den meisten Hrsgg.
aufgenommene Änderung in age, von einem ähnlichen tamen hervorgelockt, in
X 6,1 Ago magis〈tratui〉 t a m e n isti gratias, quod etc.
X 4,6 Ita nos istis vindictam negaturos putas, quibus ne id quidem negamus,
quod tibi daturi sunt? E t quod indignissimum est: cum tam crudelis sit, miseri-
cordia publica vivit. Seneca hat hier derart den Zusammenhang abgeschnitten,
dass et in der Luft schwebt (in den Exzerpten des 10. Buches lässt der Exzerptor
et aus). Ein deutliches Zeichen, dass der mit et eingeleitete Satz nicht direkt zum
Vorausgehenden anknüpft, ist ja der Übergang von 2. zu 3. Person.
X 5,2 E r g o nemo Olynthius tortus esset, si omnes illos Macedones emissent.
Ergo hat hier keine Beziehung auf das Vorausgehende, ebensowenig wie suas.
6,24 Asinii Pollionis. Huius e r g o viri etc.
Kleinwörter wie diese sind sicher den Vorlagen entnommen, und Seneca ist
etwas mechanisch vorgegangen, indem er sich nicht darum gekümmert hat, sie
irgendwie dem neuen Zusammenhang anzupassen oder einfach zu streichen.
Wir werden jetzt einigen Stellen nachgehen, wo Seneca statt dessen auf-
fallend kurz zitiert, indem er z. B. Nebensätze ohne Hauptsätze u. Ä. anführt.
Auch dies deutet m. E. auf schriftliche, exzerpierte Vorlagen, auch wenn die
Beweiskraft nicht ganz so groß ist wie in den oben erörterten Fällen:
II 2,3 Socer – hoc enim te appellabo, quamdiu vixero. In der Vorlage war hoc
enim etc. ein parenthetischer Satz; Seneca hat den mit Socer eingeleiteten Satz
nicht exzerpiert.
II 4,5 Quem honestius subiec〈er〉at meretrix quam peperit. Der Hauptsatz
fehlt.
II 6,3 Si modo emendatus est filius meus; solet enim etiam luxuria 〈dis〉si-
mulari. Der Hauptsatz zum si-Satz fehlt (aber die Hrsgg. haben die Zitierweise
Senecas verkannt und interpunktieren falsch).

||
[8 Hier verwies Håkanson wie in anderen Fällen auf seinen nachfolgenden Kommentar ad loc.
zur Vertiefung. Wir haben alle Verweise außer auf contr. I getilgt.]
8 | Einleitung. Zur ,Echtheitsfrage‘ der Rhetorenzitate des Seneca

VII 5,1 Vivo patre adultera, moriente conscia, mortuo testis. Ob adultera etc.
Nom. oder Vok. sind, lässt sich nicht sagen, aber so isoliert haben diese Worte
in der Vorlage kaum gestanden.
X 1,2 Cum subito pater meus in media civitate […] subductus est wurde ohne
Hauptsatz exzerpiert. Ib. 3 Mortuo patre – timeo enim, ne quis sibi iniuriam fieri
putet, si dixero ‘occiso’. Der Abl. abs. steht im exzerpierten Text ganz isoliert,
weil die Pointe der sententia darin und im Satz timeo enim etc. steckte, das Fol-
gende aber Seneca uninteressant schien.
X 4,9 Oblita feritatis placida velut fetibus suis ubera praebuisse fertur; sic lu-
pa venit ad infantes, 〈ut〉 expectemus hominem. Hier hat man – an sich natürlich
mit Recht – den Begriff lupa am Anfang des Satzes vermisst und zu einer Ergän-
zung gegriffen, aber wiederum dürfte Seneca allzu kurz zitieren; in der Vorlage
ging sicher etwas dem oblita voraus, was das Ganze natürlich machte. Das Wort
lupa umzustellen (etwa vor oblita) geht wegen der Antithese lupa – hominem
nicht.
Suas. 6,10 Hic illam sententiam dixit audacem: ut numereris cum Catone, qui
etc. Auch hier fehlt der Hauptsatz, obgleich Seneca, falls er es gewünscht hätte,
sehr leicht den Text geglättet haben könnte (etwa numerabis statt ut numereris).
Zunächst stelle ich einige Beispiele des praesens auctoris zusammen, die zu
zeigen scheinen, dass Seneca beim Verfassen zu den betreffenden Schriften
Zugang hatte:
II 5,11 Gallio noster p u t a t , quotiens possit, hoc auferendum adversario etc.
(Aber gleich nachher: Idem Attico Dionysio […] p l a c u i t ; vermutlich ist der
Gebrauch des praesens auctoris gar nicht konsequent durchgeführt worden,
sondern eher das Resultat mangelnder Aufmerksamkeit).
IX 5,15 Montanus Votienus […] vitium suum, quod in orationibus non e v i t a t ,
in scholasticis quoque evitare non p o t u i t . Ib. 17 Habet hoc Montanus vitium:
sententias suas repetendo c o r r u m p i t […] Nam et Ovidius n e s c i t quod bene
cessit relinquere […]. Zu diesen ganz deutlichen Fällen kommen andere, wie z. B.
der ziemlich interessante Abschnitt VII 2,8 hinzu, wo Seneca zuerst zwei Perfek-
ta setzt, wo er ebensogut praesens auctoris hätte verwenden können, dann
plötzlich ein praesens auctoris setzt, wo dies wohl nur deswegen möglich ist,
weil er die diesbezüglichen Aufzeichnungen zur Hand hatte: Popillium pauci ex
historicis t r a d i d e r u n t interfectorem Ciceronis et hi quoque non parricidi reum
a Cicerone defensum sed in privato iudicio; declamatoribus p l a c u i t parricidi
reum fuisse. sic autem eum a c c u s a n t , tamquam defendi non p o s s i t , cum
adeo p o s s i t absolvi etc.
Derartige Einzelheiten zeigen m. E. deutlich, dass Seneca sich nicht nur auf
sein Gedächtnis verließ, sondern schriftliche Quellen zur Hand hatte, wohl
Einiges zur Frage, in welchem Ausmaß Seneca schriftliche Quellen benützt | 9

auch, dass er sich nicht allzu sehr darum kümmerte, diese Tatsache zu verhül-
len. Vieles, was oben ausgewertet worden ist, deutet ferner darauf hin, dass
Seneca seine Quellen wörtlich zitiert: Die Exzerpte sind nicht sprachlich oder
syntaktisch geglättet, sondern sogar einzelne Kleinwörter werden mitgenom-
men, die im neugeschaffenen Text keine Funktion mehr haben. Man findet aber
hie und da eine Erscheinung, die auf den ersten Blick tatsächlich das Gegenteil
zu zeigen scheint: Ich meine die Fälle, wo Seneca, wohl irrtümlich, dieselbe
sententia zweimal zitiert, aber mit verschiedenem Wortlaut (von Fällen, wo die
beiden Zitate wörtlich übereinstimmen, sehe ich hier ganz ab). Zuerst das Mate-
rial selbst:
I 4,1 (Latro spricht) ‘Quid ridetis?’ inquam, ‘habeo manus!’ voca〈vi〉 filium.
Vgl. ib. 10 Latro dixit: ‘erratis, qui me putetis manus non habere’. filium vocavi.
II 5,2 (Cestius spricht beide Male) Subito infelicis nuptias tyrannus oppressit:
trahebantur matronae, rapiebantur virgines. Vgl. ib. 3 Nupsit isti propter liberos,
sed infelices nuptias cito tyrannus oppressit; hoc publicum divortium fuit.
Ib. 3 (wieder beide Male Cestius) Iactatur misera inter satellitum manus et to-
to itinere non ducitur sed trahitur. hanc aliquis, si torta non sit, mirabitur non
peperisse […]? Vgl. was einige Zeilen nachher folgt: Rapitur in arcem mulier,
inter satellitum manus vexatur atque distrahitur; hanc aliquis, etiamsi non tor-
queatur, non parere miretur?
II 6,2 f. stehen zwei Versionen ganz unvermittelt nebeneinander: Blandi.
Obicit luxuriam. poteram ei hoc dicere: adulescens frugaliter vixi, quamdiu pa-
trem habui. Ante me desisti? ante me coeperas. Blandi. ‘Senex luxuriaris’. respon-
deo tibi: adulescens enim navigavi. Ego, inquit, iam desii, tu nondum. non miror,
si prior desisti: prior coeperas.
VII 1,3 (Albucius spricht) hoc pietatis tuae munus ad inferos perferam, licuis-
se mihi per fratrem aliter quam parricidae mori. Vgl. ib. 21 Albucius […] dixit: ‘hoc
unum mihi praesta beneficium: sine me 〈non〉 tamquam parricidam mori’.
VII 1,8 (Cestius spricht beide Male) Ibamus praeter sepulcrum matris, ille
mortem timens, ego scelus. Vgl. ib. 21 transiebamus, inquit, secundum matris
sepulcrum; invocare coepit manes eius. motus sum.
IX 5,3 (beide male Montanus Votienus). Erras et vehementer erras: filios
quos perdidisti non quaeris, quem quaeris non perdidisti. Vgl. ib. 16, wo Seneca
ausdrücklich sagt, dass er aus seinem eigenen Gedächtnis zitiere: idem in hac
declamatione fecisse eum memini: erras, inquit, pater, et vehementer erras: quos
perdidisti non quaeris, quem quaeris non perdidisti.
In der am Ende zitierten sententia ist die Differenz zwischen den beiden
Versionen ganz geringfügig und hier mag Seneca selbst einem Lapsus seiner
angeblich so zuverlässigen memoria anheimgefallen sein. Die übrigen Fälle
10 | Einleitung. Zur ,Echtheitsfrage‘ der Rhetorenzitate des Seneca

erklärt man aber nach meinem Urteil am besten mit der Hypothese, dass Seneca
für gewisse Deklamationen (wie II 5, VII 1 u. a.) und für gewisse Deklamatoren
(wie Cestius, Blandus u. a.) über zwei oder mehrere A u f z e i c h n u n g e n
v e r s c h i e d e n e r H e r k u n f t verfügte, die in den Schulen von verschiedenen
Quellen dieselbe sententia zitierten, besonders wenn ein größerer Abstand die
zwei Zitate scheidet. Im Falle II 6,2 f. (vgl. oben, S. 9) liegt die Sache vermutlich
etwas anders: Seneca hat wohl hier während seiner Kompilationsarbeit zwei
Versionen nebeneinander als Provisorium gestellt und dann versehentlich bei-
de in das Manuskript kommen lassen.
Wenn also Seneca selbst vermutlich seine Vorlagen getreu zitiert hat, muss
man sich trotzdem angesichts solcher Fälle wie der oben angeführten fragen, in-
wieweit diese Vorlagen zuverlässig waren. Wenn es sich um kürzere sententiae
handelt – denn keines von den Doppelzitaten umfasst ja mehr als einige Zeilen
– steht es wohl außer Zweifel, dass Seneca, viel öfter als die entschleiernden
Doppelzitate zeigen (denn sie fanden höchstvermutlich nur ausnahmsweise
statt), nicht mehr in der Lage war, seine Deklamatoren wörtlich zu zitieren, da
der Wortlaut schon in seinen Quellen in verschiedener Weise und unterschied-
lichem Ausmaß entstellt war. Was die längeren Abschnitte betrifft, könnte man
a priori damit rechnen, dass der genaue Wortlaut besser bewahrt sei, da hier
von den Deklamatoren selbst veröffentlichte Texte zugrunde liegen können
(während hingegen ganz kurze sententiae mindestens ebenso oft aus verschie-
denen, nicht autorisierten Aufzeichnungen geholt sein dürften). Wir werden
jetzt diese Hypothese etwas näher prüfen, indem wir den Satzrhythmus Senecas
und einiger seiner Rhetoren analysieren und vergleichen.

2 Analyse des Satzrhythmus Senecas und einiger von ihm


zitierten Rhetoren
In der Abwesenheit eines vollständigen Index verborum ist es, wie auch Fair-
weather konstatiert (vgl. oben, S. 5), kaum möglich nachzuweisen, ob die von
Seneca angeführten Rhetoren in den Exzerpten ihre sprachliche und stilistische
Individualität behalten haben oder ob, wie z. B. Novák anzunehmen scheint,[9]
Senecas eigener usus loquendi den ganzen Text gefärbt hat. Zwar deuten gewis-
se Einzelbeobachtungen darauf hin, dass die verschiedenen Rhetoren auch in
Senecas Redaktion sprachlich-stilistisch voneinander abweichen, aber eine

||
[9 Vgl. Novák 1895, wo hinsichtlich des stilistischen Usus zwischen Seneca und den von ihm
angeführten Autoren nicht unterschieden wird.]
Analyse des Satzrhythmus Senecas und einiger von ihm zitierten Rhetoren | 11

abschließende Untersuchung steht noch aus. In dieser Situation empfiehlt es


sich, meine ich, den Satzrhythmus der Anthologie wenigstens soweit zu unter-
suchen, dass es klar wird, ob irgendwelche deutlichen Differenzen unter den
zitierten Rednern (und Seneca selbst) vorliegen, welche in der Tat ein starkes
Indiz dafür wären, dass die sprachlich-stilistische Individualität der vielen zi-
tierten Redner sowieso bewahrt worden ist.
Ich habe folglich anhand einer Auswahl von Abschnitten die Klauseln von
Seneca, Latro, Fuscus und Cestius untersucht und dann mit dem sog. ,χ2-Test‘[10]
die Wahrscheinlichkeit geprüft, ob die vorhandenen Differenzen zwischen die-
sen Texten dem Zufall zuzuschreiben sind oder nicht. Anschließend habe ich
auch den Satzrhythmus der Exzerpte untersucht und als Vergleich ziehe ich
eine vor einigen Jahren von mir vorgenommene Analyse des Calpurnius Flaccus
heran.[11]
Zuerst einige Worte über die dabei verwendete Methode. Meine Statistik ba-
siert auf den folgenden Abschnitten:
Seneca: die praefationes der Bücher I, II, III und VII.
Latro: I 1,1–3; 2,1; 3,1; 4,1; 5,1; 6,1; 7,1 f.; 8,1; II 1,1; 3,1; 4,1; 5,1; II 7; VII 6,9;
7,7 f.; 8,2; IX 1,6; 2,3; 6,6; X 1,6–8; 4,1; suas. 2,4; 6,3.
Fuscus: I 1,6; 6,7; 7,5; 8,2; II 1,4–8; 5,4; 6,2; VII 6,7 f.; IX 4,4; 5,2; X 1,3; 3,1;
5,7 und sämtliche Abschnitte aus Fuscus in den suas.
Cestius: I 1,7; 2,7 f.; 5,1; 8,1; II 1,3; 4,2; 5,2 f. (außer der Dublette);[12] 6,1; VII
1,8; 3,1; 6,2; 7,2; 8,3; IX 4,8; 5,1; X 5,4; suas. 2,5 f.; 7,2 f.
Die Exzerpte: Buch IV ganz und V 1–5.
Calpurnius Flaccus: ganz.
Korrupte und metrisch zweifelhafte Fälle sind selbstverständlich weggelas-
sen worden. In einer Reihe von Fällen, wo m. E. kein Zweifel vorlag (z. B. bezüg-
lich vorhandener Elision oder bezüglich der Länge eines -o) bin ich dem ,Prinzip
der besten Klausel‘ gefolgt, vorausgesetzt, dass die Alternative unmetrisch
sei.[13] Nur Klauseln vor starker Interpunktion (einschließlich des Doppelpunkts)
sind berücksichtigt worden. Insgesamt sind aus dem Senecatext 1471 Klauseln
geholt worden, nämlich: Seneca 339; Latro 315; Fuscus 269; Cestius 221; die
Exzerpte 327 (Calpurnius Flaccus 475).

||
[10 Vgl. unten, S. 12 ff. Zum ,χ2-Test‘ selbst s. auch Håkanson 2014d, 90.]
[11 Vgl. Håkanson 2014d, 120 ff.]
[12 Vgl. oben, S. 9.]
[13 Vgl. Håkanson 2014d, 76]
12 | Einleitung. Zur ,Echtheitsfrage‘ der Rhetorenzitate des Seneca

Die Klauseln sind dann gemäß Zielińskis ,Achtsilbenmethode‘ in modifi-


zierter Form auf 19 Gruppen verteilt worden[14] (s. die Tabelle unten). Schon
beim ersten Blick kann man einige deutliche Differenzen zwischen den Texten
konstatieren:

Seneca Latro Fuscus Cestius Excerpta (Calp. Fl.)


% % % % % %

1 ⏑ ⏑ ⏑ ⏓ 16 4.7 10 3.2 11 4.1 7 3.2 11 3.4 3 0.6


2 ⏑ ⏑ – ⏑ ⏑ ⏓ 5 1.5 1 0.3 3 1.1 1 0.5 1 0.3 4 0.5
3 – ⏑ – ⏑ ⏑ ⏓ 23 6.8 22 7.0 21 7.8 14 6.3 23 7.0 26 5.5
4 – – ⏑ ⏑ ⏓ 12 3.5 6 1.9 2 0.7 7 3.2 9 2.8 6 1.3
5 ⏑ ⏑ ⏑ – ⏑ ⏓ 3 0.9 8 2.5 7 2.6 4 1.8 4 1.2 4 0.8
6 – ⏑ ⏑ – ⏑ ⏓ 4 1.2 4 1.3 4 1.5 3 1.4 3 0.9 9 1.9
7 – ⏑ – ⏑ ⏓ 20 5.9 41 13.0 29 10.8 25 11.3 35 10.7 22 4.6
8 ⏑ ⏑ – – ⏑ ⏓ 10 2.9 10 3.2 13 4.8 10 4.5 6 1.8 12 2.5
9 – ⏑ – – ⏑ ⏓ 40 11.8 42 13.3 35 13.0 20 9.0 46 14.1 90 18.9
10 ⏑ – – – ⏑ ⏓ 11 3.2 13 4.1 6 2.2 12 5.4 7 2.1 5 1.1
11 – – – – ⏑ ⏓ 30 8.8 18 5.7 30 11.2 16 7.2 18 5.5 14 2.9
12 ⏑ ⏑ ⏑ ⏑ – ⏓ – – 1 0.3 1 0.4 – – – – 2 0.4
13 – ⏑ ⏑ ⏑ – ⏓ 5 1.5 4 1.3 3 1.1 4 1.8 9 2.8 30 6.3
14 – ⏑ ⏑ – ⏓ 8 2.4 5 1.6 1 0.4 3 1.4 5 1.5 2 0.4
15 – ⏑ – ⏓ 52 15.3 40 12.7 40 14.9 39 17.6 57 17.4 75 15.8
16 ⏑ ⏑ ⏑ – – ⏓ 3 0.9 3 1.0 2 0.7 2 0.9 4 1.2 32 6.7
17 – ⏑ ⏑ – – ⏓ 1 0.3 3 1.0 2 0.7 3 1.4 2 0.6 1 0.2
18 – ⏑ – – ⏓ 58 17.1 40 12.7 41 15.2 33 14.9 61 18.7 127 26.7
19 – – – ⏓ 38 11.2 44 14.0 18 6.7 18 8.1 26 8.0 11 2.3
Insgesamt 339 315 269 221 327 (475)

Bezüglich der Gruppe 7 (Hypodochmius) unterscheidet sich Seneca (und Cal-


purnius) wesentlich von den anderen, und bezüglich Gruppe 11 bietet Fuscus
eine entschieden höhere Frequenz als seine Kollegen und Seneca selbst. Beach-
tenswert ist auch die geringere Frequenz der Gruppe 9 bei Cestius, Senecas
Vorliebe für die sog. Klausel 1 (= Gruppe 18) und die geringe Frequenz der
Gruppe 19 bei Fuscus und Cestius. Wer mit dem ,χ2-Test‘ einigermaßen vertraut
ist, sieht in der Tat sofort, dass der Wahrscheinlichkeitsgrad dafür, dass diese

||
[14 Vgl. e. g. Zieliński 1904, 244 und bes. Håkanson 2014d, 53.]
Analyse des Satzrhythmus Senecas und einiger von ihm zitierten Rhetoren | 13

Differenzen auf Zufall beruhen, außerordentlich gering sein muss; und dass es
sich so verhält, soll bald gezeigt werden. Zuerst aber noch einige Beobachtun-
gen zur Tabelle. Wenn man die Frequenz des abschließenden Kretikers (d. h. die
Gruppen 5–11) in den verschiedenen Texten berechnet, ergibt sich Folgendes:

Fuscus 46.1 %
Latro 43.1 %
Cestius 40.6 %
Excerpta 36.3 %
Seneca 34.7 %
(Calp. Fl.) 32.7 %

Die zitierten Rhetoren verwenden offenbar die mit einem Kretiker endenden
Klauseln viel öfter als Seneca selbst, aber sie zeigen auch eine deutliche Diffe-
renz untereinander.
Wenn man der Frequenz der gewöhnlich am meisten verwendeten Klau-
seln, d. h. Kl. 1 (= Gruppe 18), 2 ( = Gruppe 9) und 3 (= Gruppe 15) nachgeht,
bekommt man das folgende Resultat:

(Calp. Fl.) 61.4 %


Excerpta 50.2 %
Seneca 44.2 %
Fuscus 43.1 %
Cestius 41.5 %
Latro 38.7 %

Man verspürt hier die von Hagendahl nachgewiesene Tendenz der Exzerptoren,
den Satzrhythmus durch Versetzung von Wörtern, Verwendung von Synony-
men u. a. zu verbessern.[15] Was Latros etwas geringe Frequenz betrifft, scheint
eine gewisse Vorliebe für sog. Schwerformen (mit Ersatz einer Kürze durch eine
Länge = Gruppe 19) dieses Phänomen zu erklären.
Eine genauere Analyse der Tabelle können wir uns ersparen, denn es besteht,
wie schon angedeutet wurde, kein Zweifel daran, dass die zu konstatierenden
Differenzen nicht auf Zufall beruhen, was kaum auf andere Weise erklärt werden
kann, als dass sie die Klauselpraxis verschiedener Autoren wiederspiegeln.

||
[15 Hagendahl 1936, 299 ff.]
14 | Einleitung. Zur ,Echtheitsfrage‘ der Rhetorenzitate des Seneca

Zuerst eine kurze Orientierung über den ,χ2-Test‘. Man geht von absoluter
Frequenz (nicht Prozentangaben) aus und operiert mit den Begriffen ,erwartete
Frequenz‘ und ,konstatierte Frequenz‘. Wenn man z. B. untersuchen will, wie
groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass die zwischen Seneca und Latro konsta-
tierbaren Frequenzdifferenzen auf Zufall beruhen (und dass folglich beide Texte
demselben Verfasser zugeschrieben werden können), nimmt man durchgehend
entweder Senecas oder Latros Frequenz als ,erwartet‘ an; vorausgesetzt, dass
wir Senecas Frequenz auch bei Latro als erwartet annehmen, wäre sie für Grup-
pe 1 4.7% von 315 Klauseln = 14.8, was zu 15 aufgerundet wird. Die konstatierte
Frequenz ist aber nur 10. Die Differenz beträgt also 5. Diese Differenz zwi-
schen erwarteter und konstatierter Frequenz wird für jede Gruppe berechnet,
quadriert und dann durch die erwartete Frequenz dividiert (für Gruppe 1 also
52:15 = 1.67). Die Summen für alle Gruppen werden addiert und mit Hilfe der
Gesamtsumme kann man dann in schon vorliegenden Tabellen in statistischen
Handbüchern den Wahrscheinlichkeitsgrad des reinen Zufalls ablesen. Selbst-
verständlich wird die Gesamtsumme von ,χ2-Werten‘ variieren, je nachdem wie-
viele Gruppen man hat.
Damit der Test funktioniert, muss aber jede Gruppe mindestens 5, am bes-
ten 10 als erwartete Frequenz haben, und es stellt sich heraus, dass gewisse
Gruppen in der obigen Tabelle (z. B. 2, 5 und 6) allzu klein sind. Man kann alle
diese Gruppen zu einer speziellen Gruppe (,Übrige‘) zusammenlegen. In der
folgenden Tabelle habe ich demnach Seneca und Latro verglichen; e = erwartete
Frequenz, k = konstatierte Frequenz, χ2 = (e – k)2 / e.

Gruppe e k χ2

1 15 10 1.67
3 21 22 0.05
4 11 6 2.27
7 19 41 25.47
8 9 10 0.11
9 37 42 0.68
10 10 13 0.90
11 28 18 3.57
15 48 40 1.33
18 54 40 3.63
19 35 44 3.46
Übrige 28 29 0.04
Gesamtsumme 43.18
Analyse des Satzrhythmus Senecas und einiger von ihm zitierten Rhetoren | 15

Um anzunehmen, dass die konstatierte Variation auf einem Zufall beruht, pflegt
man mit einem Wahrscheinlichkeitsgrad von mindestens 5 von 100 zu rechnen;
wird er wesentlich höher, kann man ziemlich sicher die Variation dem Zufall
zuschreiben (auch wenn es sich stets natürlich um größere oder mindere Wahr-
scheinlichkeit handelt); wird er wesentlich geringer, ist der Zufall mehr oder
weniger ausgeschlossen. In diesem Fall würde eine Gesamtsumme von 19.675
bedeuten, dass der Wahrscheinlichkeitsgrad für den Zufall 5 von 100 sei. Die
Gesamtsumme für einen Wahrscheinlichkeitsgrad 1 von 1000 ist 31.264. Mit der
vorliegenden Gesamtsumme 43.18 wird die Wahrscheinlichkeit für den Zufall so
außerordentlich klein, dass die mir vorliegende Tabelle nicht ausreicht, um sie
exakt anzugeben! Der Zufall ist mit anderen Worten ausgeschlossen und die
Verschiedenheit bezüglich der Klauselfrequenz bei Seneca und Latro muss an-
ders erklärt werden.
In derselben Weise habe ich dann auch die Variation Seneca/Fuscus, Sene-
ca/Cestius, Latro/Fuscus, Latro/Cestius und Fuscus/Cestius berechnet. Nur in
einem von diesen Fällen gelangt man zu einer Summe, die die Annahme des Zu-
falls möglicherweise erlauben könnte: Bezüglich Seneca/Fuscus ist die Wahr-
scheinlichkeit für den Zufall etwa 5 von 1000 (also etwa ein Zehntel des Mini-
mums), für Seneca/Cestius sowie Fuscus/Cestius ist die Wahrscheinlichkeit
etwa 1.5 von 100. Nur für Latro/Cestius erreicht man das allgemein angenom-
mene Minimum für die Möglichkeit des Zufalls, nämlich 6 von 100 – aber es
versteht sich von selbst, wie gering diese Wahrscheinlichkeit ist!
Es stellt sich heraus, dass die stilistische Individualität bezüglich des Satz-
rhythmus einiger untersuchten Rhetoren wenigstens in den etwas längeren Zita-
ten offenbar in Senecas ,Anthologie‘ bewahrt ist. Wie wir oben gesehen haben,
erklärt sich dies höchstwahrscheinlich dadurch, dass Seneca schriftliche Quel-
len verschiedener Art zur Hand hatte. Nur für ganz kurze sententiae muss man
mit einer gewissen Unsicherheit rechnen, wohl nicht zuletzt deswegen, weil die
Alten beim Zitieren kürzerer Sätze, Verse u. dgl. überhaupt keine Pedanten
waren.
Der Senecatext kann folglich nicht als ein homogenes Ganzes betrachtet
werden, was für die Textkritik gewisse Folgen mit sich bringt: Senecas eigener
Sprachgebrauch muss vom Usus der zitierten Rhetoren geschieden werden und
diese unterscheiden sich vermutlich mehr oder weniger alle voneinander. Die
Feststellung, dass dies oder jenes in ,Seneca‘ unbelegt sei, würde ein stärkeres
Argument sein, wenn wir mit einem homogenen Text von etwa 500 Seiten zu
tun hätten. Für gewisse Rhetoren stehen uns ja nur ganz kurze Exzerpte zur
Verfügung. Andererseits dürfen diese sicher vorhandenen sprachlich-stilisti-
schen Verschiedenheiten nicht übertrieben werden, denn gewisse Umstände
16 | Einleitung. Zur ,Echtheitsfrage‘ der Rhetorenzitate des Seneca

begünstigen trotz allem eine gewisse Uniformität des Ganzen: Seneca und die
von ihm herangezogenen Rhetoren gehören ja im Großen und Ganzen derselben
Epoche an, der frühen nachklassischen Zeit (weshalb man nicht, wie bisweilen
geschehen ist, spätlateinische Wendungen in den Text durch Konjektur einfü-
gen sollte); die Angehörigkeit zum Deklamationsgenre ist an sich ein wichtiger
Umstand, der in ,homogenisierender‘ Richtung gewirkt hat: Die Strenge der
Schule hat den Deklamatoren ein Vokabular gegeben, das eigentlich sehr be-
grenzt ist, und der sicher von ihnen durchweg berücksichtigte Satzrhythmus ist
– trotz der oben festgestellten Ergebnisse – in Wirklichkeit etwas, was zu stilis-
tischer Uniformität beiträgt. Wenn wir für einen Moment annehmen, dass es
möglich wäre, sämtliche etwa 170 von Seneca zitierten Rhetoren auf ihren
Rhythmus zu prüfen, glaubt wohl niemand, dass sich 170 individuelle, vonei-
nander ganz verschiedene praxeis finden würden! In der Tat ist es eher erstaun-
lich, dass die Untersuchung von Seneca und drei seiner Rhetoren eine so deutli-
che Variation gezeigt hat. Denn innerhalb einer gewissen Zeitperiode könnte
man eher erwarten, auf große statistische Ähnlichkeiten zu stoßen: In der Regel
werden etwa dieselben Klauselformen (Kl. 1, 2 und 3 Grundform; aufgelöste
Formen, besonders von Kl. 1; Schwerformen) gesucht, die übrigen mehr oder
weniger streng vermieden, was nur eine begrenzte Variationsmöglichkeit ergibt.

3 Die Exzerpte
Codices […] Controversiarum […] innumeris fere lacunis aliisque mendis depravati sunt;
codices Excerptorum praestantissimos multo minus mendosos esse inter omnes constat.
Quare, nisi auxilio Excerptorum textum pleniorem corrigere licuisset, saepius a vero lon-
gius aberraremus.

Diese Beurteilung Hagendahls (1936, 300) kann zwar nicht als irreführend be-
zeichnet werden – im Gegenteil –, aber eine gewisse Nuancierung ist doch von-
nöten. Direkt vergleichbar mit dem Haupttext ist E (wie ich von jetzt an schreibe
[vgl. S. 22]) eigentlich nur wenn es sich nicht um Exzerpte handelt, d. h. in den
praefationes der Bücher VII und X, die in beiden Überlieferungszweigen vorlie-
gen. Wer den Apparat zu diesen Vorreden durchgeht, wird feststellen, dass E
dort nicht soviel besser als die Hauptüberlieferung ist. Wenn wir aber die Vorre-
den beiseite lassen und den e x z e r p i e r t e n Text betrachten, erscheint dieser
unleugbar als erheblich besser überliefert als der Haupttext.
Man darf aber dabei nicht übersehen, dass dies dadurch zum Teil erklärt
wird, dass der Exzerptor einer großen Anzahl von Stellen, die schon ihm kor-
rupt vorlagen, einfach aus dem Wege gegangen ist. Wenn wir z. B. contr. II 1,10–
Die Exzerpte | 17

13, Papirius Fabianus’ extrem korrupten Abschnitt, heranziehen, stellen wir


fest, dass der Exzerptor, der unmittelbar zuvor Vibius Gallus’ letzten Satz und
sogut wie unmittelbar danach aus Cornelius Hispanus’ Abschnitt exzerpiert, die
korrupten §§ 10–13 außer Acht gelassen hat. Ebenda § 16 werden 5–6 Zeilen des
Silo Pompeius exzerpiert, aber bezeichnenderweise nicht der mitten im exzer-
pierten Abschnitt stehende, korrupte Satz Utcumque tamen abdicatio tolerabilior
est: unum abdicat; adoptio tres abdica〈vit, quartum abdica〉tura est. Ähnliches
lässt sich öfters beobachten. Als Konjekturalkritiker hat sich der Exzerptor, der
sonst oft genug im Text nach Belieben Änderungen vornimmt, äußerst zurück-
haltend verhalten und ins Sinnlose Verderbtes hat er natürlich nicht exzerpie-
ren wollen.
Nichtsdestoweniger kann nicht bestritten werden, dass die Exzerpte uns
auch beim Korrigieren des korrupten Haupttextes an vielen Stellen zu Hilfe
kommen; Hagendahl (1936, 300) hat eine eigene kleine Berechnung gemacht:

ut eluceret, quantum ad verba Senecae restituenda valerent Excerpta, quotiens eorum fide
sola in duobus primis libris textus Mülleri niteretur, computavi. Corriguntur verba tradita
69ies, adduntur perperam omissa 52ies. Accedunt 15 loci, in quibus non modo Excerpta sed
etiam corrector codicis Toletani (τ) verum servavit. Neque tamen auctoritas Excerptorum
ea re minuitur, quoniam τ ex iis sua hausit.16

Diese Zahlen stellen jedoch ein allzu positives Bild von der Bedeutung von E im
Allgemeinen dar; erstens ist Müller an mindestens einem halben Dutzend Stel-
len E zu unrecht gefolgt (vgl. unten S. 18), zweitens (und wichtiger) hat E eben
in den ersten Büchern den Wortlaut der Vorlage treuer bewahrt als in den fol-
genden, wie Hagendahl selbst konstatiert (1936, 301):

Verum tamen concedendum est epitomatorem haud raro satis libere, e t p r o c e d e n t e


q u i d e m o p e r e l i b e r i u s e t a u d a c i u s , in excerpendo egisse, ita ut verba transpo-
neret, alia pro aliis substitueret, in brevius contraheret.

Auch hier bietet Hagendahl statistische Belege: Nachdem er (S. 301–305) sehr
instruktiv gezeigt hat, wie der Exzerptor dem Satzrhythmus zuliebe die Wortfol-
ge das ein um das andere Mal ändert, konstatiert er (S. 305):

Neque tamen in hac re sibi constat; nam in primis libris hanc rationem admodum raro se-
cutus est, in postremis multo libentius et audacius, ita ut a verbis Senecae hac causa in
libro nono 28ies, in libro decimo 20ies, in libro primo non nisi 6ies recesserit.

||
16 Dies ist ohne jeden Zweifel der Fall, wie Hagendahl 1936, 313 ff. demonstriert; er bietet
überhaupt nichts als – bisweilen gelungene – Emendationsversuche an.
18 | Einleitung. Zur ,Echtheitsfrage‘ der Rhetorenzitate des Seneca

Trotzdem kann manches Wertvolle E entnommen werden, wenn man nur mit
genügender Vorsicht diese, mit Ausnahme der Vorrede indirekte Überlieferungs-
quelle gebraucht. So hat man nicht immer beachtet, dass der der Spätantike
angehörige Exzerptor dann und wann spätantike Sprachzüge in den Text intro-
duziert hat, die einerseits für den Haupttext nichts besagen, andererseits natür-
lich nicht wegemendiert werden dürfen, wie es bisweilen getan wird. Ich gebe
hier eine Liste solcher späten Einzelheiten:
III 2 Q u a n d o iste accusatori parcet, qui patri non pepercit? Zu spätlat.
quando = quomodo vgl. Hofmann–Szantyr 19722, 607. IV 1 Quis est iste, qui s u -
p r a flentem patrem censuram lugendi postulat? Meines Wissens ohne Parallele,
aber wahrscheinlich vom spätlat. supra = super verursacht. V 1 l u d i t d e suis
Fortuna muneribus. Sonst nicht vor Apul. und Tert. V 2 Non quaeris, u b i perie-
rim. Ubi steht hier anscheinend im Sinne von quomodo, was spät ist (Hofmann–
Szantyr 19722, 652). V 3 M o r i u n t u r non alter ab altero sed uterque a p a t r e .
Diese Konstruktion bei morior findet sich seit der Itala. V 4 I m a g i n a b a r
m i h i culleum etc. ThlL [7/1,403,74] kennt nur eine, spätlat. Parallele zu diesem
Dativ. VI 8 Vixit modeste, c a s t i g a t e : spät und selten. VIII 2 (Ende) D i s p o -
s u e r a m u s quidem, u t […] faceret: nur spätlat. VIII 6 argum. t e r t i o = ter, seit
der Itala (Hofmann–Szantyr 19722, 214). IX 6 utrum […] a u t (an im Haupttext),
spät (Hofmann–Szantyr 19722, 466). Wie man II 1 u t r o q u e adsuevi (utrique der
Haupttext) beurteilen soll, ist nicht ganz sicher: Als Dativform ist utroque spät
und sehr selten (vgl. Neue–Wagener 18923, 541), aber sichere Beispiele von
adsuescere mit Abl. sind ebenfalls höchst selten: ThlL [2,908,71–73] kennt nur 2
Belege (Livius, Columella).
Nicht nur muss beim Edieren die Eigenart des Exzerpttextes in dieser Hin-
sicht bewahrt werden; man muss sich auch davor hüten, E über ihre Vorlage
hinaus zu korrigieren und somit einen Text herzustellen, der niemals existiert
hat und nicht beabsichtigt worden ist. Mit anderen Worten: Wenn in α wie E ein
und dieselbe Korruptel vorliegt, soll es im Haupttext korrigiert werden, in E
nicht, denn es ist dem Exzerptor so vorgelegen. Contr. IX handelt z. B. von L.
Quinctius Flamininus, dessen nomen gentile sowohl in α als in E in Flaminius
verderbt ist; m. E. ist es methodisch nicht richtig, wenn Müller den Namen auch
in E korrigiert, denn die Fassung des Exzerptors, nicht jene von Seneca, muss
als Original betrachtet werden.[17]
Kehren wir aber zur Frage der Zuverlässigkeit von E als Textzeuge zurück.
Oben wurde auf Hagendahls Untersuchung hingewiesen, die zeigt, wie oft der

||
[17 S. Håkanson 1989, 278, App. zu Z. 1: »Flaminius] -mininus in textu integro legendum, sed cum
ibi quoque flaminius (vel flamm-) semper traditum sit, in E forma nominis corrigenda non est«.]
Die Exzerpte | 19

Blick auf den Satzrhythmus (der in der Spätantike vielerorts von monotoner
Strenge gekennzeichnet war) die Textänderungen des Exzerptors erklärt. Aber
Hagendahl stellt mit Recht auch fest (1936, 307 ff.), dass vieles geändert wurde,
damit diese Exzerpte eines schon exzerptartigen Textes überhaupt v e r s t ä n d -
l i c h werden; dieses Streben hat zu Ausschließungen, Abkürzungen, Synony-
menaustausch und – sehr wichtig – Ergänzungen geführt; von den letztgenann-
ten haben die Herausgeber nach meinem Urteil eine Anzahl zu Unrecht in den
Haupttext gesetzt.
Zwar wird auf solche, von allen oder einigen Hrsgg. verkannten Stellen suo
ordine im Kommentar aufmerksam gemacht, aber es scheint mir trotzdem nütz-
lich, hier eine kleine Zusammenstellung derartiger Stellen aus Buch I–II zu
geben, damit man leichter ersieht, wie der Exzerptor verfahren ist und wie die
Hrsgg. seine Tätigkeit beurteilt haben. Ich füge nur ganz kurze Anmerkungen
bei und verweise im Übrigen auf den Kommentar zu jeder Stelle:
I 2,19 inter tot pericula non servassent illam dii nisi sibi : nisi sibi 〈servaturi
fuissent〉 (verdeutlichend) E, einige Hrsgg.18
I 5,2 Retro amnes fluant et etc. : et om. E, die meisten Hrsgg.; vgl. II 3,9 et
tempori multum : et om. E, Kiessling.
I 6,1 quae amare potest captivum, odisse vel patrem : 〈vel〉 captivum E, die
Hrsgg. seit Müller. Die beiden durch Tilgung geschaffenen Asyndeta dienten
demselben Zweck wie die Ergänzung von vel, nämlich dazu, die Stellen rheto-
risch wirksamer zu machen.
I 7,5 Hoc prorsus fabulis, repleto sceleribus nostro saeculo, deerat, ut narretur
aliquis etc. : ad fabulas (verdeutlichend) und narr〈ar〉etur (Normalisierung) E;
das Erste akzeptiert Winterbottom, das Zweite die meisten Hrsgg.
II 2,8 ferrum situ carpitur : ferrum situ rubiginem ducit (verdeutlichende Pa-
raphrase) E; die meisten Hrsgg. interpolieren dies folgendermaßen in den Text:
ferrum situ carpitur 〈et〉 rubiginem ducit.
II 2,10 et fortasse, quod non putas, peieravimus : et quod fortasse non E,
sämtliche Hrsgg. II 2,12 in qua aliquis naevos fuisset : esset (Normalisierung) E,
die meisten Hrsgg.
II 4 argum. adoptavit puerum 〈pater〉. ab altero [pater] filio accusatur demen-
tiae : Vor ab altero liest man allgemein mit E: pater post mortem illius adoptavit
puerum (verdeutlichende Ergänzung).
II 4,2 expectabam, ut aliquis pro abdicato rogaret (in α übersprungen, aus E
zu ergänzen). illi videlicet in hac cogitatione tacebant: ‘nos rogabimus, cum frater

||
18 Etwas ähnliches auch V (s. meinen App. z. St.), aber V ist hier wahrscheinlich nicht von E
inspiriert, sondern operiert als Interpolator aus freier Hand.
20 | Einleitung. Zur ,Echtheitsfrage‘ der Rhetorenzitate des Seneca

non audeat?’ : Statt illi […] audeat bietet E: nemo audebat propinquorum fratre
cessante, deutliche abkürzende Paraphrase der Worte illi […] audeat; die Hrsgg.
setzen aber diese Paraphrase zwischen rogaret und illi videlicet in den Text.
II 4,3 In sinu meo filium posuit; domum pertuli : in sinu meo 〈et〉 filium 〈et
animam de〉posuit E, wo somit dieser Satz und eine Paraphrase des Satzes § 2
tradidit infantem, expiravit zusammengefügt worden sind; die meisten Hrsgg.
folgen E.
Den ganzen Text der Controversien hindurch begegnen wir ähnlichen Fäl-
len, in denen man E gegenüber allzu leichtgläubig verfährt. Grund dafür ist na-
türlich der Umstand, dass E trotz allem oft offenbar das Richtige bewahrt hat
und dass die Beurteilung der dort zu findenden Lesarten nicht immer leicht ist
(vgl. z. B. meine Anm. zu I 1,14 [S. 95 f.] oder I 3,7 [S. 111]). An den erwähnten
Stellen der Bücher I–II (wie an vielen anderen im späteren Teil des Haupttextes)
kann man aber m. E. kaum daran zweifeln, dass der Exzerptor seine Vorlage
bewusst geändert hat.
Das oben nachgewiesene Streben des Exzerptors nach Verbesserung des
Rhythmus, Normalisierung der Sprache, Verdeutlichung des Inhalts durch Er-
gänzungen oder Abkürzungen oder Synonymenaustausch erklärt sich wohl am
besten, wenn man mit z. B. Bursian (1857, VII) annimmt, dass jemand in der
Spätantike diese Epitome in usum scholarum zusammengestellt hat, »ut adules-
centibus artem declamandi discentibus exempla sufficerent, quibus imitandis
ingenium exercerent«, wie es Hagendahl (1936, 300) ausdrückt. Die treue Wie-
dergabe des Wortlauts der Vorlage wird ja dann sekundär im Verhältnis zur
pädagogischen Nützlichkeit. Immerhin fragt man sich, warum sechs von Sene-
cas Vorreden ebenfalls bewahrt wurden, denn diese hätten im Unterricht kaum
Platz gefunden. Vielleicht diente die Epitome einem doppelten Zweck: Der Ex-
zerptor wünschte (für sich selbst und vielleicht für einige gelehrte Freunde) das
für ihn Wesentlichste aus Seneca abzuschreiben und dazu auch eine Exemplar-
sammlung für den Unterricht zusammenzustellen.
Die griechischen Zitate hat der Exzerptor so gut wie gänzlich ausgelassen.
In E begegnet man, was die griechische Sprache betrifft, überhaupt nur dem
Folgenden: IV praef. 2 das subst. ἀκροάσεις; IX 1 ein angebliches Thukydideszi-
tat nebst einigen Wörtern als Kommentar dazu; IX 3 Maecenas’ Homerzitat und
die Worte καὶ κακῶς (vgl. den Haupttext IX 3,14), die in α ausgelassen worden
sind, aber gerade die Pointe in Cassius Severus’ Antwort darstellen. Der Ex-
zerptor hat somit Griechisch beherrscht, sich aber für die griechischen Rhetoren
gar nicht interessiert. Sie wären ja auch in einer spätantiken Schule kaum von
Interesse gewesen.
Appendix. Die 19 Klauselngruppen und der Satzrhythmus des Calpurnius Flaccus[] | 21

4 Appendix. Die 19 Klauselngruppen und der Satzrhythmus


des Calpurnius Flaccus[19]

Abs. Freq. Prozent

1 ⏑ ⏑ ⏑ ⏓ 3 0.6
2 ⏑ ⏑ – ⏑ ⏑ ⏓ 4 0.8
3 – ⏑ – ⏑ ⏑ ⏓ 26 5.5
4 – – ⏑ ⏑ ⏓ 6 1.3
5 ⏑ ⏑ ⏑ – ⏑ ⏓ 4 0.8
6 – ⏑ ⏑ – ⏑ ⏓ 9 1.9
7 – ⏑ – ⏑ ⏓ 22 4.6
8 ⏑ ⏑ – – ⏑ ⏓ 12 2.5
9 – ⏑ – – ⏑ ⏓ 90 18.9
10 ⏑ – – – ⏑ ⏓ 5 1.1
11 – – – – ⏑ ⏓ 14 2.9
12 ⏑ ⏑ ⏑ ⏑ – ⏓ 2 0.4
13 – ⏑ ⏑ ⏑ – ⏓ 30 6.3
14 – ⏑ ⏑ – ⏓ 2 0.4
15 – ⏑ – ⏓ 75 15.8
16 ⏑ ⏑ ⏑ – – ⏓ 32 6.7
17 – ⏑ ⏑ – – ⏓ 1 0.2
18 – ⏑ – – ⏓ 127 26.7
19 – – – ⏓ 11 2.3
Insgesamt 475 99.7

||
[19 Vgl. Håkanson 2014d, 120–130.]
Conspectus siglorum et notarum[*]
Sigla

a) eorum codicum, qui textum integrum continent:


A Antverpiensis 411, saec. X vel. XI
B Bruxellensis 9581–9595, saec. IX
V Vaticanus 3872, saec. IX
α consensus codicum ABV
dett. codices deteriores vel omnes vel aliquot
D Bruxellensis 9144, saec. XV
L Leidensis Vossianus Latinus 72, saec. XV
T Bruxellensis (olim Toletanus) 2025, saec. XIII
τ manus correctrices cod. T

E excerpta, quae in apparatu ad textum integrum saepe laudantur

b) eorum codicum, qui excerptorum textum continent:


M Montepessulanus H 126, saec. IX
recc. codices recentiores vel omnes vel aliquot
N Montepessulanus 116, saec. XIII
P Parisinus 7836, saec. XIII
S Parisinus 16592, saec. XIII
β Berolinensis Diez. C fol. 4, saec. XIV
γ Parisinus 8542, saec. XIII
λ Vaticanus 1773, saec. XIV
ν editio princeps Neapolitana, 1475
σ Parisinus 15730, saec. XIII

A2, M3 sim. manus correctrices significantur


=
_ rasura

Notae virorum doctorum et editionum veterum


Born. H. Bornecque Gron. J. F. Gronovius
Burs. C. Bursian Kiessl. A. Kiessling
ed. Bipont. editio Bipontina (1783) Madv. N. Madvig
ed. Frob. editio Frobeniana (1515) Müll. H. J. Müller
ed. Herv. editio Hervageriana (1557 [1573]) C. F. W. Müll. C. F. W. Müller
ed. Rom. editio Romana (1585 [1594]) Schult. J. Schulting
ed. Schott. editio Schottiana (1672) Wb. M. Winterbottom

||
[* Der conspectus und der kritische Text von contr. I sind Håkanson 1989, XXII f. (mit kleinen
Adaptierungen) bzw. 1–59 entnommen.]
24 | Edition
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36 | Edition
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40 | Edition
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42 | Edition
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44 | Edition
Edition | 45
46 | Edition
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50 | Edition
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52 | Edition
Edition | 53
54 | Edition
Edition | 55
56 | Edition
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58 | Edition
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60 | Edition
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Edition | 65
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Edition | 67
68 | Edition
Edition | 69
70 | Edition
Edition | 71
72 | Edition
Edition | 73
74 | Edition
Edition | 75
76 | Edition
Edition | 77
78 | Edition
Edition | 79
80 | Edition
Edition | 81
Kommentar
Praefatio
Seneca Novato, Senecae, Melae filiis salutem: Diese Widmung an die Söhne,
die in allen noch vorhandenen Vorreden Senecas wörtlich dieselbe ist, gibt der
Vorrede das Aussehen eines Briefes (vgl. dazu Janson 1964, 106 ff.). Der älteste
Sohn Novatus wurde von dem in Seneca vielmals zitierten Rhetor Iunius Gallio
(vgl. RE 10,1035 ff.) adoptiert. Konsul etwa 55–58 (das genaue Jahr ist unbe-
kannt) und im J. 52 Prokonsul von Achaia (vgl. act. apost. 18,12), wurde er ziem-
lich bald nach dem Tode seines Bruders, des Philosophen, genötigt, sich das
Leben zu nehmen. Für Einzelheiten verweise ich auf RE 1,2236 f. Der jüngste
Sohn Mela, Vater des Dichters Lukan, interessierte sich nicht für Politik, wie aus
II praef. 3 f. hervorgeht, sondern neigte eher zur Philosophie, wozu der Vater
noch wünschte, dass er Rhetorik studiere. Zu seinem weiteren Schicksal und
Selbstmord vgl. Tac. ann. XVI 17.

1. Exigitis rem e.q.s.: Da dies die in literarischen Vorreden gewöhnliche Fiktion


ist (Janson 1964, z. B. 51; 116 ff.), können wir nicht wissen, ob Senecas Söhne
dies wirklich g e w ü n s c h t haben; ganz undenkbar ist es gewiss nicht.
iubetis enim... indicare: »Jubere findet sich ebenso oft mit dem blossen In-
finitiv als mit acc. c. inf. Es ist aber wohl überall ein Subjectsaccusativ zu ergän-
zen« (Sander 1880, 12). Zu ähnlichen Fällen vgl. die Anm. zu si negasset iratum
fuisse, I 7,15 [S. 135].

2. inter ea quae rettuli memoria est: inter ist sicher richtig, obwohl die Aus-
drucksweise etwas unlogisch scheinen kann, da ja das Gedächtnis n i c h t er-
wähnt worden ist. Aber nach memoria kann ein quoque hinzu gedacht werden,
genau wie II 3,1 ego te mori volo? immo furor tuus, illa caeca et temeraria cupidi-
tas, et i n t e r h a e c p a t e r i l l i u s (sc. quoque), q u i n i m i s c i t o e x o r a -
t u s e s t . Seneca meint, dass unter den Sinnesvermögen, von denen er einige
erwähnt hat, das Gedächtnis das erste Opfer der senectus zu sein pflegt. Über
Senecas Gedächtnis bzw. seine Ausnützung schriftlicher Quellen und das
Glaubwürdigkeitsproblem seiner Exzerpte s. Einleitung, S. 3 ff. Er kehrt übrigens
in IX praef. 1 zu seinem schlechten Gedächtnis zurück.
qui ad audiendum praeceptorem meum convenerant: Soviel wie qui
condiscipuli mei erant. Zu diesem Gebrauch von convenire vgl. Quint. II 2,4 ne-
que vero sat est summam praestare abstinentiam (sc. praeceptorem), nisi discip-
linae severitate c o n v e n i e n t i u m (= discipulorum) quoque ad se mores adstrin-
84 | Kommentar

xerit. Useners und C.F.W. Müllers [beide ap. Kiessling] seit Kiessling überall
aufgenommene Änderung in mecum stellt m. E. keine Verbesserung dar.

3. acceperam e.q.s.: acceperat (codd. recc., die Hrsgg. außer Bursian) ist sicher
nur als Konjektur zu bewerten: acceperam findet im parallelen Glied ad com-
plectenda quae v e l l e m eine gewisse Stütze. Wachsmuths [1867, 2 f.] Umstel-
lung der Worte solebat… esse dürfte sicher sein, aber das et in den recc. vor
aetate bleibt unsicher angesichts des iam in M, obgleich dies et in stilistischer
Hinsicht sehr am Platze ist.
nunc iam aetate quassata: nunc iam (»sc. opp. praeterito tempore«: J. B.
Hofmann, ThlL 7/1,114,42) ist sicher richtig; vgl. z. B. Cic. Verr. II 5,127 n u n c
vero i a m adempta est... facultas (mehrere Beispiele ThlL a. a. O.). Ob man auch
mit den dett. ein 〈et〉 vor aetate supplieren soll, ist zweifelhaft. Bursian und
Kiessling lesen nunc iam 〈et〉, die späteren Hrsgg. bieten nunc et an.

5. controversiarum sententias fortasse pluribus locis… dictas: S. Einleitung,


S. 9 f.
non enim… invenio: Die drei letzten Hrsgg. fügen hier ein semper hinzu,
das entweder nach enim (so Gertz [ap. Müller]) ergänzt, oder für sed konjiziert
wird (so Müller). Dies ist unnötig, denn saepe gehört zur ganzen Aussage. Die
etwas unlogische Ausdrucksweise ist psychologisch durchaus begreiflich (sogar
»parfaitement clair et convenable« laut Patris 1940, 39).

6. priores quoque vultis cognoscere: Sämtliche Hrsgg. bevorzugen die wohl


als reine Konjektur anzusehende Lesart prioris in den recc., die schon von Gro-
novius [ap. Faber et all. 1672, 65] verworfen wurde: »agnosco mutatum ab illis,
qui non videbant hanc vocem ad rem intelligendam referri, nempe declamato-
res, non ad vocabulum, quod praecessit, exempla; hoc enim illi significantur«.
Etwas Ähnliches begegnet uns ja unmittelbar nachher: quo plura e x e m p l a
inspecta sunt, plus in eloquentiam proficitur. non est u n u s … imitandus.

7. cum pretium pulcherrimae rei cecidisset: Das überlieferte praemium ist


kaum zu halten, denn meines Wissens wäre praemium cadit ganz singulär. Zu
Thomas’ [1880, 34] pretium vgl. Liv. XXXIV 36,7 (mercennarii milites) p r e t i a
militiae c a s u r a in pace aegre ferebant. Müller vergleicht suas. 7,8 (quoad)
suum eloquentiae p r e t i u m erit.
Praefatio | 85

8. Zum ganzen Paragraphen vgl. Sen. nat. VII 31,2 adhuc quicquid est boni moris
exstinguimus: levitate et politura corporum muliebres munditias antecessimus,
colores meretricios matronis quidem non induendos viri sumimus etc.

9. quod nati sunt inviti manent: Bornecque liest u t (Sander [1872, 35]) nati
sunt, 〈n o n 〉 (Novák [1912, 395]) inviti manent, Winterbottom quod nati sunt i n
v i t a (Sander [1872, 35]) manent, aber die u. a. in P (in der Abwesenheit von M
der besten Hs.) zu findende Lesart ist sicher richtig. Zum quod (d. h. viri) vgl. I
2,3 maneat quod (= virgo) semper fuit, zu inviti etwa X 4,17 quia ipsos pudet viros
esse. Faber [1587, 153 = 1672, 66] zitierte zwei Parallelen aus Hieronymus, epist.
22,27,8 aliae virili habitu veste mutata e r u b e s c u n t f e m i n a e e s s e , q u o d
n a t a e s u n t (aus demselben Brief mag auch § 19,4 serva quod [= virgo] nata es
verglichen werden) und adv. Iovin. I (Migne 23,239 A) libenter illos in meos sinus
recipio, qui se castraverunt propter regna caelorum et ob mei cultum n o l u e -
r u n t e s s e q u o d n a t i s u n t . Fabers Annahme, dass Seneca hier von Hiero-
nymus nachgeahmt worden sei, ist natürlich unsicher, aber nicht ausgeschlos-
sen, vgl. die Anm. zu I 8,15 patrem calca [S. 141]. Bursian vergleicht [Lucian.]
amores 19 (Venus wird angeredet) χάρισαι δὲ καὶ τοῖς ἀνδράσι μένειν ἄρρεσιν,
ὡς ἐγεννήθησαν.

10. quis est qui memoriae studeat e.q.s.: Bornecque: »En est-il un qui travaille
sa mémoire?«; Winterbottom: »Who cares for his future renown?«. Der Kontext
scheint mir eher für Bornecques Interpretation zu sprechen, da doch ein gewis-
ser innerer Zusammenhang besteht mit der folgenden Feststellung, dass Redner
heutzutage ohne Weiteres sich mit fremden Federn schmücken können (Ähnli-
ches suas. 2,19 Ende), weil es so schlecht mit dem Gedächtnis der neuen Genera-
tion a l s P u b l i k u m stehe; und die Vernachlässigung der memoria wird im
Folgenden mit den Worten in tanta hominum desidia wieder aufgenommen.
magnis viribus: Seit Kiessling wird Schultings [in Faber et all. 1672, Ap-
pend., 61] virtutibus in den Text gesetzt, aber viribus ist doch sehr wohl möglich,
vgl. OLD2 s.v. vis (27).
a disertissimis viris factas: Wie Bursian habe ich, wenn auch etwas zö-
gernd, factas behalten; außer dem im App. herangezogenen Beispiel [VII 5,13
sententias fieri] mögen I 1,13 quaestiones facere und I 8,8 colorem facere vergli-
chen werden. Thomas (1900, 242) meinte, dass das folgende facile einen Antizi-
pationsfehler verursacht hätte. Wenn dies der Fall ist, ist Thomas’ dictas, von
Bornecque aufgenommen, wohl die einzig mögliche Änderung, denn iactatas
(C.F.W. Müller ap. Kiessling, danach Kiessling selbst) ist unpassend, wie aus
einer Stelle wie VII 6,5 sensum... ab omnibus iactatum hervorgeht. Useners [ap.
86 | Kommentar

Müller], von Müller und Winterbottom aufgenommenes iactas hat keine gute
Parallelen.

11. ne Ciceronem quidem aetas mihi eripuerat e.q.s.: Seneca wurde mit aller
Wahrscheinlichkeit um 55 v. Chr. geboren und hätte somit als Knabe die Dekla-
mationsübungen Ciceros zusammen mit Hirtius und Pansa hören können. Zur
Frage von Senecas Aufenthalt in Spanien bzw. Rom vgl. Fairweather 1981, 518 f.
duos grandes praetextatos: Suet. gramm. 25,3 Cicero ad praeturam usque
etiam Graece declamavit, Latine vero senior quoque et quidem cum consulibus
Hirtio et Pansa, quos discipulos et g r a n d i s p r a e t e x t a t o s vocabat; vgl.
dazu Cic. fam. IX 16,7; Quint. XII 11,6.
vivam vocem: Sprichwörtlich, z. B. Sen. epist. 33,9 multum, inquit, v i v a v o x
facit; Quint. II 2,8 tamen v i v a illa, ut dicitur, v o x alit plenius. S. Otto 1890, 378.

12. Zur kurzen, ziemlich problematischen Skizze der Geschichte der Deklamation
in Rom vgl. Bonner 1949, 1 ff.; Clarke 1951; Winterbottom 1974a, VII f.; Fairweather
1981, 104 ff. und 1984, 548 ff. (»a curious mixture of false historical inferences
and good lexicographical data« [1984, 549]).
quas thesis vocabant: Thesis war eine völlig abstrakte, philosophische o-
der ethische Fragestellung, die aus höchst verschiedenen Problemkreisen gene-
riert werden konnte und ganz prinzipiell (ohne Anknüpfung an irgendeinen
vorliegenden Fall) erörtert wurde. Bonner (1949, 3 f.) gibt eine ausführliche
Zusammenstellung verschiedener themata. In Quint. II 1,9 heißt es: an ignora-
mus antiquis hoc fuisse ad augendam eloquentiam genus exercitationis, ut t h e -
s i s dicerent et communes locos et c e t e r a c i t r a c o m p l e x u m r e r u m
p e r s o n a r u m q u e , quibus verae fictaeque controversiae continentur?
ante Ciceronem et Calvum: J. B. Halls (1973) Argumentation für die Til-
gung der Worte ante Ciceronem scheint mir nicht stichhaltig: Weder das vorher-
gehende apud nullum antiquum auctorem noch das folgende qui... distinguit (auf
Calvus allein bezogen) macht es notwendig »to require a single name«. Seneca
konstatiert nur, dass der terminus technicus: declamatio bei diesen Verfassern
(wohl etwa gleichzeitig) zum ersten Mal auftaucht (inveniri potest). Dies bedeu-
tet nicht notwendigerweise, wie Hall meint, »that two writers should simultane-
ously be credited with coining the abstract noun declamatio«; über die E r f i n -
d u n g des Wortes äußert sich Seneca eigentlich nicht.

13. eloquentia [sua] dignius: Im Gegensatz zu den in § 9 erwähnten Jungen


(adulescentes): in hos ne dii tantum mali ut cadat eloquentia. sua ist typischer
Perseverationsfehler. Wahrscheinlich wurde dignius wegen des vorausgehen-
Praefatio | 87

den suavius in suavius verschrieben, dann wurde die korrigierte Fassung miss-
verstanden.

15. quotiens ex intervallo surrexerat: Die (zweifellos infolge Antizipation ent-


standene) Korruptel dixerat in M deutet auf ein Plusquampf., was man übrigens
nach quotiens (iterativ) sowieso erwarten würde (cf. z. B. II praef. 2 u. 5; III praef. 1
u. a.), vorausgesetzt, dass es um eine vorausgehende Handlung geht – und
dann dürfte kaum etwas Anderes als surrexerat in Frage kommen. dicebat der
dett. (überall aufgenommen) ist eine schlechte, stilistisch platte Konjektur. Zu
surgere, sc. um zu reden, vgl. IX 4,7 Gravior esse testis solet, qui a reo s u r g i t ,
ferner OLD2 s.v. surgo (1b).
novato atque integro robore: Gertz’ [ap. Müller] 〈animo〉 novato (so Müller,
Winterbottom) ist ansprechend, aber Nováks (1912, 396) Einwand, dass Seneca
zwei mit Attribut versehene Substantive niemals mit atque verbindet, wiegt
schwer; ferner ist ja die Überlieferung keineswegs anstößig. Goodyears (1973 [=
1992]) integrato (mit Hinweis auf Lucr. II 1146; Cic. inv. I 25) verschlechtert den
Rhythmus.

17. quod eo magis in illo e.q.s.: cum (M [u. a. Hss.]) ist vielleicht unter Einwir-
kung des gleich vorher stehenden cum entstanden; aber ob quod oder id (vgl.
den App.) zu lesen ist, bleibt dennoch unsicher, jedenfalls ergäbe Bursians unde
nicht den richtigen Sinn.

18. statim eius acta cursu reddebat: Ein derartiges attributloses cursu im über-
tragenen Sinne (»tout d’une haleine«, Bornecque; »with fluency«, Winterbot-
tom) ist meines Wissens ganz singulär, weshalb ich im App. entweder cursu
〈suo〉 (»der Reihe nach«, wohl inhaltlich besser) oder cursim vermutet habe.

19. Cineas: Dieselbe Sache erzählt Plinius nat. VII 88, und auch Cic. Tusc. I 59
wird Cineas kurz erwähnt (wie auch Hortensius). Vgl. ferner Cic. Brut. 301;
Acad. II 2; de orat. III 230 und, zur Mnemotechnik im Allgemeinen, Quint. XI 2.
〈aut〉 quod ille fecit e.q.s.: Wer hier gemeint ist, lässt sich nicht entschei-
den.

20. memoriae eius: Die Hrsgg. fassen memoriae als Gen. auf und verbinden das
Subst. mit occasio, aber die Wortstellung spricht eher dafür, dass es Dativ (zu
avellerer) ist. Novák (1908, 106) betonte, dass Seneca die Konjunktion nicht in
den Nebensatz hineinzieht (wie hier quotiens) »wenn der Nebensatz in einen
anderen abhängigen Satz eingeschaltet ist«. Der Dativ bei avellere ist zwar meis-
88 | Kommentar

tens poetisch, aber ThlL [2,1305,83–85] zitiert auch einige Prosabelege, z. B.


Plin. epist. II 5,11.
nunc his tamen e.q.s.: Madvigs [ap. Kiessling] nunc (von Winterbottom
nicht aufgenommen) dürfte notwendig sein im Hinblick auf illud non differam:
Seneca ist vorläufig mit dem schon Gesagten zufrieden, nur eins will er noch
hinzufügen.

22. quidquid ab illis abduxerit (sc. vos): Winterbottom behält abduxero: »for it
is the epigrams you want to hear, and any space I deprive them of will annoy
you«. Aber nach den Worten ne et modum excedam etc., wo Seneca sagt, er
möchte nicht allzu w e i t s c h w e i f i g sein, erscheint diese Deutung von ab-
duxero nicht ganz passend. Useners [ap. Müller] abduxerit, »euch von den sen-
tentiae ableiten«, steht damit besser im Einklang. Vgl. § 14 cum... se blandienti
otio abduxerat. Man könnte aber auch an Haases [ap. Kiessling] [ab] illis adiun-
xero denken, denn ab könnte wegen des einige Zeilen vorher überlieferten ab
illis (statt ab illo) hier eingedrungen sein. Die Stelle bleibt somit etwas unsicher.
apud Marullum rhetorem: Marullus ist nur aus Seneca bekannt, der ihn
mehrmals zitiert; vgl. den Index in der Textausgabe [1989, 377].

23. epiphonemata... enthymemata: Die beiden Begriffe werden von Quint.


VIII 5,9 ff. erklärt: e n t h y m e m a quoque est omne quod mente concepimus,
proprie tamen dicitur quae est sententia ex contrariis, propterea quod eminere
inter ceteras videtur, ut Homerus ‘poeta’, ‘urbs’ Roma. [...] non semper autem ad
probationem adhibetur, sed aliquando ad ornatum: ‘quorum igitur impunitas,
Caesar, tuae clementiae laus est, eorum te ipsorum ad crudelitatem acuet oratio?’
(Cic. Lig. 10). non quia sit ratio dissimilis, sed quia iam per alia, ut id iniustum
appareret, effectum erat. et addita in clausula est e p i p h o n e m a t i s modo non
tam probatio quam extrema quasi insultatio. est enim epiphonema rei narratae
vel probatae summa acclamatio: ‘tantae molis erat Romanam condere gentem’
(Verg. Aen. I 33); ‘facere enim probus adulescens periculose quam perpeti turpiter
maluit’ (Cic. Mil. 9). S. auch Quint. V 14,1 ff.; Fairweather 1981, 203 ff.
has translaticias... sententias: Sog. loci communes (»generally learnt up
beforehand, and inserted as desired«: Bonner 1949, 60 f., der Quint. II 4,27 ver-
gleicht).
schemata: Rhetorische Figuren verschiedener Art.

24. pompa: Vgl. Ov. am. III 2,43 ff.


cum iam coepisset 〈or〉dinem ducere: »Als er Primus unter den Schülern
geworden war«. Quint. I 2,23 f. non inutilem scio servatum esse a praeceptoribus
Praefatio | 89

meis morem, qui cum pueros in classis distribuerant, ordinem dicendi secundum
vires ingenii dabant, et ita superiore loco quisque declamabat, ut praecedere
profectu videbatur: huius rei iudicia praebebantur. ea nobis ingens palma,
d u c e r e vero c l a s s e m multo pulcherrimum.

Contr. I 1 [Patruus abdicans]


Argum. LIBERI PARENTES ALANT AVT VINCIANTVR: Vgl. I 7; VII 4; decl. mai. 5; Quint.
V 10,97; VII 1,55; 6,5; RLM 107, 23 f. (Fortunatianus). »On the basis of the availa-
ble evidence, the general consensus of opinion, that the law is Greek, is justi-
fied«: so Bonner 1949, 96, auf dessen Erörterung ich hinweise.
ob hoc abdicatus tacuit: »That is, he did not (as on the present occasion)
bring a court case objecting to the abdicatio« (Winterbottom). Zu diesem Ge-
brauch von tacere vgl. z. B. Calp. Fl. 27 [S. 26, 3 f.] Ego tacui cum peterer; 28 [S.
26, 15 f.] nuper in meo (sc. periculo) tacui; 29 [S. 26, 22] populus tacente paupere
decrevit.

1. consumebatur: Mit gewissem Zögern habe ich die Konjektur der dett. in den
Text gesetzt. Die Kombination eines zusammenfassenden Perf. im Nebensatz
und eines durativen Imperf. im Hauptsatz dürfte möglich sein (consumptum
Opitz [1888a, 291] und ThlL [4,616,65]); vgl. Hofmann–Szantyr 19722, 317:
»Nachklassische Prosaiker wie Sen. rhet. und Suet. gebrauchen oft ohne ersicht-
lichen Grund Impf. und Perf. nebeneinander«. Der Ausdruck consumere in alqd
ist zwar selten und hauptsächlich spät (ThlL a.a.O. 61 ff.), aber consummare in
alqd (consummatur Bursian, dann Kiessling und Müller: consummatum est Bor-
necque) scheint in einem hier denkbaren Sinn überhaupt nicht zu existieren
(denn Liv. XXVIII 17,3 in suum decus nomenque velut consummatam eius belli
gloriam ist kaum vergleichbar), und was sollte eigentlich consummatur hier
bedeuten? Bornecque übersetzt consummatum est mit »a été employé à«, was
aber eher consumptum est hieße.
omnem spem [ultimorum] alimentorum: Das von Kiessling getilgte ulti-
morum behalten die übrigen Hrsgg., vielleicht weil das Subst. auch in E überlie-
fert ist. Wenn man es streicht, muss man annehmen, dass es so früh als alte
Korruptel des alimentorum figurierte, dass es auch dem Exzerptor als Doppelles-
art vorlag. Wie man das Adj. ohne jede Änderung halten kann, sehe ich nicht;
dann würde man eher mit einem Angleichungsfehler rechnen und spem ulti-
mam lesen, wie es Winterbottom tatsächlich übersetzt (»his last hope of sup-
port«), aber so wäre omnem (E; omnium BV – A fehlt hier) unpassend. Vielleicht
ut o m n i n o spem u l t i m a m alimentorum?
90 | Kommentar

quid acturus es: Sämtliche Hrsgg. nehmen facturus (Kiessling [1872, XIII])
auf, wahrscheinlich ohne Not; vgl. Cic. Att. IX 7A,2 ut nos certiores faciat, quid
〈in〉 hac re a c t u r u s s i t . Übrigens ergibt acturus eine bessere Klausel (Doppel-
kretiker).

3. faciam quod vultus e.q.s.: Kiesslings [1872, XIII] quod für -que hoc wird von
allen Hrsgg. verschmäht, aber die Überlieferung ist in stilistischer Hinsicht
kaum akzeptabel.
tamquam 〈in〉 domo non sit e.q.s.: Die Überlieferung deutet eher auf 〈in〉
domo (Ausfall des in nach vorangehendem -m wie nicht selten, vgl. S. 130, und
Metathese) als auf domi. Ein domo im Sinne von domi ist bei Seneca kaum an-
zunehmen (in domo z. B. II 1,5; VII 1,5; ib. 12, wo wiederum in in den Hss. fehlt,
aber wegen des folgenden in publico notwendig ist). Zum Ausdruck vgl. Otto
1890, 120 f., s.v. domus (3). Ob man der so oft unzuverlässigen Handschrift V
hier Glauben schenken und non akzeptieren soll, bleibt etwas unsicher (deshalb
desit Müller, Bornecque, Winterbottom), aber non konnte ebenso leicht wie de-
ausfallen. Im Folgenden ist Schotts [in Faber et all. 1672, 683] illud (sc. exemplum)
m. M. n. evident (obgleich Schott selbst der Zusammenhang nicht klar war, da
er sein illud auf das Schicksal des Marius bezog): Es fasst den Schicksalswechsel
beider Brüder zusammen, während das überlieferte illum sich nur auf den
patruus beziehen kann. Die leichte Änderung, zu der es viele Parallelen gibt
[vgl. I 2,22; 3,9; 4,12; 7,6; 7,7; 7,14; II 5,11; IX 3,13; X 2,6; 5,24], ist entschieden
besser als Bornecques illos oder Müllers (1888, 188) qui illum... putat, 〈qui te,〉
quid.

4. nec secum nec mecum 〈iis nec cum〉 fortuna bene convenit: seit Kiessling
ändern die Hrsgg. einfach mecum in cum mit Madvig [ap. Kiessling]: »They don't
get on well with each other, or with fortune« (Winterbottom). Anscheinend
nimmt man das vorhergehende uterque als Subj. des convenit (denn wenn man
convenit sc. iis interpretiert, ist es fraglich, ob hier wirklich iis ausgelassen wer-
den kann), aber wenn convenit nicht unpersönlich ist, finden sich fast nur neu-
trale Begriffe als Subj.; mit persönlichem Subj. ist convenire im hier vorhande-
nen Sinn außerordentlich selten und, wie es scheint, nur spät, etwa Gell. XII 5,5
scis m e ... cum Stoicis non bene c o n v e n i r e . Hoffa (1909, 60) hatte sicher
recht, als er, wie z. B. § 24, ein unpersönliches convenit annahm, wobei die zu
erwartende Konstruktion Dativ + cum mit Abl. + convenit sei. Er verglich u. a. VII
5,4 nec cum matre illi nec cum tutore conveniet; vgl. auch I 5,4 nulli cum altero
convenit; IX 5,9 bene sibi cum socero convenisse. Hoffa vermutete nec secum 〈eis〉
nec [me] cum f. b. c., aber davon abgesehen, dass dies einen Eingriff an zwei
Contr. I 1 [Patruus abdicans] | 91

Stellen erfordert, ist das überlieferte mecum inhaltlich gut motiviert: Die Hand-
lungsweise des Jünglings verstößt immer gegen einen von den beiden Brüdern.
Deshalb habe ich eine Ergänzung vorgezogen. Zu ähnlichen Trikola vgl. z. B. I
8,9 hoc impero reipublicae causa, tua causa, mea causa.
non mutassem patrem: Schotts [in Faber et all. 1672, 683] Änderung (oder
richtiger, Ergänzung) ergibt allein einen natürlichen Sinn, ohne Künsteleien,
während Kiesslings, von Müller aufgenommenes non muto patrem, 〈o〉 si usw.
oder Gertz’ non muto. 〈o〉 patrum si (so Bornecque trotz der unnatürlichen Wort-
stellung) gar nicht überzeugen. -assem fiel vermutlich aus, vielleicht beim
Übergang von einer Zeile zur anderen, und aus mut wurde muto hergestellt.

5. Time mutationem: Zur Verwandlung des Imperativs in die 1. Person vgl.


puta > puto I 7,17 und X 2,8 (AV), ferner z. B. decl. mai. 19,6 [S. 377, 9–11] horre[o]
und time[o]. Watt (1983, 84) stützt seinen Vorschlag timeto mit den Hinweis auf
IX 6,7 nominato.

6. volo transire iacentem: Alle folgenden Hrsgg. akzeptieren Kiesslings tacen-


tem, aber iacentem ist hier »de supplicibus« verwendet, »i. q. ad pedes alicuius
prostratum esse» (ThlL 7/1,10,64 ff.): Der Sohn begegnet ja einem alten Armen,
der sich flehend vor seine Füße wirft. Vgl. Marullus’ Worte § 19 cecidit in pedes
meos senex e.q.s. Zwar hat ein solches iacere in der Regel eine Bestimmung wie
ad pedes alcs, prostratum, supplicem oder dgl., aber vgl. Luc. II 34 (und Stat.
Theb. XI 18).
funestas acies: Vgl. Luc. III 312; VII 27. Es ist gar nicht nötig, mit Castiglioni
(1928, 113) infestas zu schreiben.
iactatus inter duos patres e.q.s.: Nach abdicatus habe ich stark interpunk-
tiert, denn da duo pericula sich natürlich auf den folgenden Satz bezieht (qui
alunt abdicantur, mendicant qui non alunt), bekommt man den Eindruck, dass
mit positus ein neues Epigramm beginnt. Dann vermisst man zwar im Vorher-
gehenden ein Prädikat, etwa utriusque filius 〈sum,〉 semper usw., das jedoch
auch nicht in E vorhanden ist.
qui alunt abdicantur e.q.s.: Winterbottom erklärt mendicant qui non alunt
mit der Anmerkung »because of the law«, aber das Gesetz sagt ja aut vinciantur
(vgl. das Argum.). Vielmehr meint wohl Fuscus hier dasselbe, was er im § 16
sagt: movit humanorum casuum tam manifesto approbata exemplo varietas. stare
ante oculos Fortuna videbatur et dicere: ‘talia his fiunt qui suos non alunt’.
divitem te relinquo: sc. »But beware of the future!« (Winterbottom); vgl.
§ 5 Time mutationem, aber vielleicht doch lieber sc. divitias tuas alendo fratrem
tuum non dissipavi.
92 | Kommentar

7. 〈quomodo〉 impetrabo: Shackleton Bailey (1969, 322) hat wohl damit Recht,
dass dies eine Frage ist; selbst will er nichts (oder möglicherweise qui oder num)
supplieren, aber trotz der vielen partikellosen Fragen, die dem deklamatori-
schen Stil eigen sind und fast auf jeder Seite auftauchen, fällt es hier schwer,
impetrabo usw. ohne Fragewort als Frage aufzufassen, vielleicht wegen des
einleitenden at (das seinerseits Gertz [ap. Müller] in an verwandeln wollte). Ein
quomodo konnte ziemlich leicht ausfallen, falls es qm geschrieben war.
invenisti quod 〈non〉 possim defendere: Das überlieferte quod possem de-
fendere wird von den drei letzten Hrsgg. als verderbt beurteilt, sicher mit Recht,
trotz Summers’ (1911, 18) Erklärungsversuch: »„You’ve thought of a charge on
which I fancy I could clear him“, i. e. „your present treatment of him shews you
to possess a nature so base that he may have had some justification for his
treatment of you“«. Dies ist etwas gesucht und passt nicht zum Verb invenisti:
Der Onkel hat wirklich etwas g e f u n d e n , was stichhaltig ist, eine Anklage,
gegen die der Jüngling seinen Vater nicht verteidigen kann (sagt er ironisch,
denn in Wirklichkeit tadelt ja der Onkel auch sich selbst, weil er auf gleiche
Weise gehandelt hatte). Wenn man nicht non ergänzt, hat ja der Onkel nichts
Nennenswertes »gefunden«. Die Verwechslung in α possim/possem findet man
z. B. § 9 queri possim: possem auch in AB und anderswo.
adsit mihi altus: Dass das Part. von alere in alius steckt, ist sicher, aber ob
in der Form altus oder alitus, muss dahingestellt werden, vgl. ThlL 1,1706,33 ff.

8. De patre bene ***: Kiessling, Müller und Winterbottom lesen mit Schulting
[in Faber et all. 1672, Append., 67] und Haase [ap. Kiessling] De patre 〈vestro
merui〉 bene, obwohl man die Wortfolge De patre 〈vestro〉 bene 〈merui〉 (so Novák
1908, 109) erwartet – was doch seinerseits ein unwahrscheinliches Verderbnis
voraussetzt. Bursians Vorschlag (de avo etiam melius meritus sum) ist anspre-
chender und könnte durch den Ausfall einer Zeile erklärt werden.
immo quod abdicavit qui (= eum qui, s. Hofmann–Szantyr 19722, 555 f.)
aluit: Das unmögliche quod aluit der Hss. wurde von Faber [1587, 154 = 1672, 80]
in quod 〈non〉 aluit geändert (so Kiessling, Müller, Winterbottom), während der
Korrektor in T quod alui schrieb (so Bursian, Bornecque). Dies ist freilich besser
als jenes, aber noch besser dünkt es mir, das Ganze als einen Satz aufzufassen
und anzunehmen, dass quod durch Perseveration ein qui verdrängt hat.
cum fortasse iuvenem adoptare posset: Schulting [in Faber et all. 1672,
Append., 67] bemerkte z. St.: »Illud autem in his auctoris observo, quod fortasse
pro sine dubio posuisse videatur. Quo exemplo saepius occurrere apud Quintili-
anum maiorem jam ad Calpurnii Flacci declam. 44 ostendere coepi. Certe de-
clam. 300 Quintiliani bis eo se offert sensu«. An den drei von Schulting erwähn-
Contr. I 1 [Patruus abdicans] | 93

ten Stellen ist diese Bedeutungsverschiebung von fortasse leichter zu erkennen


als an dieser Seneca-Stelle; es handelt sich um decl. min. 300, §§ 2 und 5 bzw.
Calp. Fl. 44 (S. 35,7 in meiner Ausgabe [1978]). Die Wörterbücher verzeichnen
einen solchen Gebrauch von fortasse nicht (auch nicht ThlL), und öfters kann
man an den hierher gehörigen Stellen an der Übersetzung »vielleicht« festhal-
ten, obgleich eine Entwicklung in Richtung von profecto, sine dubio spürbar
scheint; vgl. Sen. ben. V 3,3; VII 21,1; decl. min. 260,31; 297,10 (vielleicht auch
362,1); Juv. 4,25. Man bemerke auch die Tatsache, dass fortasse mit einem fol-
genden sed oder vero (oder Asyndeton) im Sinne von »freilich (bzw. aber)« statt
etwa certe oder sine dubio stehen kann. S. auch X 5,7.
summissa... voce: Das handschriftliche semesa wird anscheinend niemals
in übertragenem Sinn (etwa »abgezehrt«) verwendet; sonst hätte man an seme-
sa et tenui f a c i e (für atque; 〈facie〉 atque Konitzer [1866, 7]; semesa 〈facie〉 et
Novák [1912, 398], Bornecque) denken können, denn so wie sich der Text jetzt
darbietet, erscheint voce mit drei Attributen und einem ut-Satz fast überlastet zu
sein.

9. hoc inveni patrem; hoc perdidi: Das wegen der Antithese hinzugefügte hoc
perdidi zerstört die Logik, denn es passt ja nicht zum vorhergehenden Satz (nec
tamen habeo etc.); deshalb die Interpolation in V, aber der Text dürfte doch
richtig sein (c u m perdidi Novák 1912, 398). Man soll vermutlich nach patrem
eine kleine Pause annehmen.
non vis alam hominem e.q.s.: von Winterfelds (1895, 23) altum (oder a-
litum) hat viel für sich, vgl. Hofmann–Szantyr 19722, 352. Das viermal überliefer-
te alium erklärt sich unleugbar einfacher aus einem Part. als aus alam, das eher
in aliam übergehen würde – aber dann freilich den Subst. hominem, civem usw.
leicht angepasst würde; die Stelle ist als unsicher zu betrachten.
sic pervenitur ad patrem: Der Plur. patres hätte entweder generalisierend
(s. die Anm. zu I 6,2 [S. 122]) oder als wirklicher Plur., die beiden patres bezeich-
nend, stehen können, falls der Satz mit diesem Worte abgeschlossen worden
wäre; aber offenbar schließen sich die Worte homo est, civis est usw. eng an das
Vorhergehende an, und dann wirkt der Plur. etwas störend.
condicione ergo 〈ista〉: Müller und Winterbottom folgen Gertz [ap. Müller:
〈ista〉 condicione ergo], aber wie Novák (1908, 109 f.) hervorhob (und wie ich
selbst in München nachkontrolliert habe), findet man ergo nur als erstes oder
zweites Wort in Seneca, darunter an Stellen, die für die Beurteilung dieser Stelle
wichtig sind: I praef. 9 ille ergo vir; I 8,11 his ergo omissis; IX 5,9 Colore ergo La-
tro hoc. Nur scheinbar an dritter Stelle steht ergo 6 mal: a) Nach Wort + Kopula:
I praef. 5 necesse est ergo; VII 8,3 minus est ergo. b) Nach Präp. + regiertes Wort:
94 | Kommentar

II praef. 5 in hunc ergo libellum; ähnlich II 1,12; 4,6; VII 6,15. Novák (ib.) wollte
〈ista〉 ergo condicione lesen (so Bornecque), was eine komplizierte Korruptel vor-
aussetzt.

10. ostendam omnibus: Man denkt wohl an hominibus, aber da der Satz auch
in E in ähnlicher Weise überliefert ist, habe ich omnibus beibehalten.
hoc quoque in me e.q.s.: Die Stellung des quoque, das zu prior gehört, ist
auffallend und man hätte hoc in me prior quoque erwartet. Vgl. VII 8,10 hodie
quoque magis; ib. 1 etiam hoc semel (= hoc etiam semel); II 3,10 et in me mihi
aliquid licet (= in me mihi quoque a. l.).
nihil amplius quam monstrat: »zeigt nur«; vgl. I 6,7; 7,4; II 7,2; V 1; VI 3;
IX 2,1; 4,6; X 2,15; 5,4 u. a.; Hofmann–Szantyr 19722, 595.

11. cum adoptas (sc. patrem): Zu diesem Gebrauch von adoptare vgl. OLD2 s.v.
(2b).

12. consors modo omnis fortunae: Bornecque änderte omnis in eiusdem, und
es ist etwas unklar, wie diese Stelle aufgefasst werden soll. Möglicherweise ist
das Thema dem Vibius Rufus in einer etwas anderen Fassung vorgelegen, als
uns vorliegt (wie Ähnliches nicht selten beobachtet werden kann), indem am
Anfang so was zu finden war wie in decl. min. 321 argum.: Fratres consortes ini-
mici esse coeperunt. diviserunt (dann etwa wie im überlieferten Argum.), also
consortes in dem von ThlL 4,486,29 ff. behandelten Sinne: »= coheredes patri-
monio utentes non diviso, plerumque dicitur de fratribus«. Vielleicht hat aber
Rufus an die Zeit gedacht, als die beiden Brüder noch im Hause ihres Vaters
sozusagen als consortes patrimonii zusammenlebten.
Ille autem audebit rogare: Offenbar handelt es sich um die Worte des pa-
tronus, nachdem er vom Unglück seines Bruders unterrichtet worden ist, aber
ehe dieser als Bettler aufgetaucht ist. C.F.W. Müller vermutete alimenta [ap.
Müller] oder vitam [ap. Kiessling] für autem, und vitam findet sich bei Kiessling,
Müller und Winterbottom. Novák (1912, 398) verteidigte autem mit Hinweis auf
§ 20 quomodo a u t e m , inquit, illum alo?; X 1,2 Quando a u t e m istis divitibus non
sordidati sumus? Hagendahl (1936, 285 f.) befürwortete das absolut gebrauchte
rogare und wies (gegen vitam) auf die bald nachher folgenden Worte hin: scio,
quam crudele sit cotidie et mortem optare et v i t a m r o g a r e : »omnis enim vis
huius ἀντιθέτου infringitur, si iam paulo ante vitam rogare et mori sibi oppo-
nuntur«.
qui me ulla calamitate similis effingit: »der mir gleicht, durch irgendein
Unglück (mir) ähnlich«. Zum Ausdruck effingere alqm, »einem gleichen«, vgl.
Contr. I 1 [Patruus abdicans] | 95

z. B. Sen. dial. VII 16,1 ut, qua fas est, d e u m e f f i n g a s . Bursian, Kiessling und
Winterbottom behalten das überlieferte similem (»Whoever makes me his image
by suffering any disaster«, Winterbottom), was die Interpretation me similem sc.
sibi erfordert statt des gegebenenfalls zu erwartenden se similem (mihi) (was
Shackleton Bailey [1969, 322] lesen wollte). Die Änderung in similis scheint mir
doch sprachlich wie methodisch am einfachsten; das folgende eff- hat wahr-
scheinlich zur Korruptel simile beigetragen.

13. Latro illas quaestiones fecit e.q.s.: Zu den Divisiones im Allgemeinen be-
merkt Fairweather 1984, 551 mit Recht: »Seneca seems to consider Latro’s divi-
siones standard, regarding any elaborations on, or deviations from, them, such
as were perpetrated by the novi declamatores [vgl. z. B. § 14], as doubtful im-
provements«. Was ius/aequitas im Gericht und in den Schulen betrifft, vgl.
Bonner 1949, 46 f.
tamquam aeger, vinctus, captus: Winterbottom vergleicht Quint. V 10,97;
VII 6,5; RLM 107,22 ff.
an aliquam: Die Verschreibung an iniquam ist wahrscheinlich aus aniquam
zu erklären, was dann zu an iniquam geändert wurde.

14. Novi declamatores: Vgl. I 4,6 f.; 8,11 u. 16; II 5,13. »Perhaps they included
everyone of whom Latro did not approve«, vermutet Fairweather 1984, 551.
[Gallio]: Der Name muss aus dem Folgenden antizipiert sein, vielleicht we-
gen quaestionem, welches Subst. an beiden Stellen vorkommt.
succurrere: Sämtliche Hrsgg. folgen hier V (favere), aber die Schreibungen
in AB [fetuere A, secuere B] scheinen mir aus einem ursprünglichen succurrere
wenigstens etwas leichter zu erklären zu sein.
adfectus nostri in nostra potestate sunt: Ob mit E non sunt zu lesen ist
oder nicht, kommt darauf an, wie man in nostra potestate sunt versteht. Grono-
vius [ap. Faber et all. 1672, 85] und Hoffa (1909, 60), anscheinend auch Bursian
und Kiessling, interpretierten in nostra, sc. et non in patrum nostrorum, potestate
sunt, etwa »unsere Gefühle sind unsere Privatsache«. Vgl. im Vorhergehenden
licuit mihi alere etiam te vetante... non posse filium ob id abdicari q u o d e s s e t
s u a e p o t e s t a t i s . Auch im Folgenden wird die Handlungsfreiheit des Jüng-
lings hervorgehoben: licet mihi et stipem porrigere mendico usw. Unter solchen
Umständen scheint mir die oben gegebene Erklärung besser als „unsere Gefühle
können wir nicht beherrschen“: Dieser Gedanke ist hier zwar ebenfalls nicht so
gut motiviert, aber an sich ist er so trivial, dass man ohne Weiteres versteht,
warum non in E interpoliert wurde (vgl. z. B. Quint. VI 2,29 neque enim sunt
96 | Kommentar

motus in nostra potestate). Müller, Bornecque und Winterbottom folgen indes-


sen E.
humum cadaveri 〈inicere〉: Bursian und Kiessling ergänzten nichts, aber
das Zeugma ist kaum für möglich zu halten. Vgl. decl. mai. 6,9 [S. 120, 15 f.]
iniciat humum misericors populus; ib. 11 [S. 122, 14] iniecta ab alienis humus. Vor
iniquum konnte inicere besonders leicht ausfallen. In einem Zusammenhang,
der mit dem Thema dieser controversia viele Gemeinsamkeiten hat, in decl. mai.
5,6 [S. 91, 1 f.] finden wir denselben Topos: hinc et ille venit affectus, quod ignotis
cadaveribus humum 〈in〉gerimus.
Nemo invidiosum ius postulat e.q.s.: Vgl. I 5,3 Non est invidiosa potestas
quae misericordia vincit.

15. et sub hac figura dixit omnia e.q.s.: Das überlieferte sua ist schwerlich
richtig (sine Gronovius [ap. Faber et all. 1672, 86], ea usus Gertz [ap. Müller] –
und so Bornecque –, solita oder sueta Goodyear [1973 = 1992]). Was sub betrifft,
vgl. OLD2 s.v. sub (13 u. 14). Der spätlat. Ausdruck sub figura (dicere u. a.), ThlL
6/1,737,38 f., ist etwas andersartig. Wie Winterbottom z. St. bemerkt, hat figura
hier, wie auch anderswo in Seneca, den Sinn: »a device for giving a whole dec-
lamation or part of one a ,shape‘ other than the normal straightforward one«.

16. Latro colorem simplicem pro adulescente: Die meisten Hrsgg. ergänzen
habuit (Kiessling im App.; [Müller;] Bornecque) oder introduxit (Gertz [ap. Mül-
ler], danach Müller selbst im App.; Winterbottom), aber vgl. z. B. § 20 Hispanus
hunc colorem venustius. Zum Begriff color vgl. z. B. Fairweather 1984, 551 f.:
»Colores were the different slants of interpretation given to the facts of the case
by the imagined litigants in controversiae. The term color is never used with this
meaning by Cicero or Quintilian. This is very curious, for χρῶμα seems to have
been similarly used by the Hermagorei, the followers of Hermagoras of Temnos,
other parts of whose theory about types of defence Cicero and Quintilian discuss
in considerable detail«.
non quo excuset, sed quo glorietur: ThlL (5/2,1301,70) zitiert dies als ein-
zigen Beleg für die Konstr. excusare re (»abl. rel.«). Wenn der Text richtig über-
liefert ist, mag dem Verf. die Verbindung non quo... sed quod (verneinter und
wirklicher Grund) vorgeschwebt haben, obwohl – wegen glorietur – ein neues
quo folgt. Aber Jones’ [1985] non quod mag richtig sein, jedenfalls ist dieser Vor-
schlag besser als Haases [ap. Kiessling] 〈se〉 sed.
movit: Gronovius’ [ap. Faber et all. 1672, 87] dreifache Änderung eines mo-
vet in movit ist wegen videbatur notwendig. Die überlieferte Lesart beruht wohl
Contr. I 1 [Patruus abdicans] | 97

im Grunde auf Interpolation, indem ein Abschreiber glaubte, er entferne eine


falsche Präs.-Endung; vgl. z. B. § 18 movit (Haase [ap. Bursian]): movet die Hss.
talia his fiunt: Es fällt auf, dass kein moderner Hrsg. v o r talia interpunk-
tiert – dagegen andere Kritiker wie Madvig [ap. Kiessling] (talia accersunt), Gertz
[ap. Müller] (talia habebunt), Opitz 1889, 68 (talia patiuntur). Man erwartet ohne
Weiteres, dass talia zur drohenden Warnung der Fortuna gehört, und der Satz-
rhythmus spricht auch dafür; vgl. übrigens die Parallele suas. 6,6, wo wiederum
Fuscus redet: s i c occiduntur qui ad indignos confugiunt. Wie man aber das
überlieferte hae (hi V) sunt emendieren soll, ist unsicher. Mit gewissem Zögern
habe ich his (Dat.) fiunt geschrieben, was sich nicht allzu weit von den Hss.
entfernt und mit Stellen wie Plaut. Rud. 647 quid iis iniqui fit?; Ov. epist. 14,120
quid fiet sonti u. Ä. vergleichbar ist. Aber mögicherweise ist – wie an der Paralle-
le aus suas. 6,6 – qui Subjekt eines korrupten Verbums?

17. sed, quomodo agendum esset cum filio: Wie Kiessling habe ich sed (V)
aufgenommen. si et (AB) dürfte als missverstandene Korrektur eines set zu si zu
verstehen sein. Ähnliches begegnet ziemlich oft in dieser Überlieferung, z. B. § 24
poterit (Schulting [in Faber et all. 1672, Append., 77]): poterati A, poterat in B,
wohl aus poteriat. Bursian und Winterbottom lesen sciit, Müller und Bornecque
sciebat (Otto [1885, 417]). Der Konj. ist wohl Potentialis der Vergangenheit, weil es
sich ja eigentlich nicht mehr um einen filius, sondern um einen abdicatus handel-
te; cum filio vertritt einen Konditionalsatz (si filius essem, Potentialis).

18. quid me sic facere oporteat: So habe ich – zum Teil nach dem Korrektor
des Toletanus – den Text rekonstruiert, indem ich sic als = »unter solchen Um-
ständen« (vgl. OLD2 s.v. sic [9]) verstehe. Bursian hielt an quidem haec si (AB)
fest, was kaum möglich ist, die übrigen Hrsgg. lesen mit Madvig [ap. Kiessling]
quid me, haec si 〈fiant,〉 facere oporteat.

19. novit, inquam: Bursian behielt das überlieferte movit (es wurde auch von
Sander [1880, 22] verteidigt), aber novit ist pointierter, ferner dürfte – wie einige
Zeilen nachher – inquam »I said to myself« (Winterbottom) bedeuten, und dann
ist novit fast notwendig.
patrem meum egentem videt frater: Ich folge V. pater meus (AB) erklärt
sich vermutlich dadurch, dass patrem vor dem folgendem m- in pater verschrie-
ben und meum dann daran angepasst wurde, genauso wie zwei Zeilen vorher
misericordia mea (statt des Akk.) zu erklären ist. Kiessling las pater meus 〈est〉 mit
Haase [ap. Kiessling selbst]; die drei letzten Hrsgg. ergänzen mit Gertz [ap. Müller]
pater meus 〈eget〉 egentem etc., was doch schlechter ist als die Konjektur von V.
98 | Kommentar

Hoc scilicet peccavi: Das überlieferte speculavi kann schwerlich aus einem
bloßen peccavi (so die Hrsgg.) erklärt werden, dagegen leichter aus slpeccavi
mit einer in frühmittelalterlichen Hss. vorkommenden Akürzung von scilicet. Zu
peccavi vgl. § 2 Fatendum est crimen meum: tardius miseritus sum. Gertz [ap.
Müller] vermutete hoc solum peccavi.
quid habui facere?: = quid facerem? S. Hofmann–Szantyr 19722, 314 mit Lit.

20. quomodo... illum alo e.q.s.: Vgl. decl. mai. 9,1 u. 10 [S. 176, 3 ff.; 184, 8 ff.].

21. Thyes〈teo〉 more: Vgl. § 23 fratrum fabulosa certamina etc.; decl. mai. 12,26
[S. 261, 12 ff.].

23. contra parricidium: Der Ausdruck se c o n t r a alqd vindicare (statt ab oder


de) kommt m. W. nur hier vor.
filium illi suum reddo: sc. und setze ihn ihm nicht zum Mahl vor, wie er es
verdient hätte?

25. Hermagoras: Wie Müller z. St. bemerkt, wird dieser Name, mit Ausnahme
von einer einzigen Stelle (II 3,22), durchgehend in den Hss. Hermacotas ge-
schrieben.
quod sententias verbis 〈duobus〉 consummat: So, mit Haases Ergänzung
(freilich nach verbis eingesetzt, wo das Subst. leichter ausfallen konnte) und mit
Bursians consummat lese und verstehe ich mithin das folgende potest als un-
persönlich. Mit Ausnahme von Bursian folgen die Hrsgg. ganz Haase [ap. Bursi-
an]: quo 〈duobus〉 sententia verbis consummatur. Man ändert also sowohl quod
als auch sententias, aber vgl. suas. 7,11 g e n e r e humillimo et sordidissimo,
q u o d detractione aut adiectione syllabae f a c i t s e n s u m .

Contr. I 2 [Sacerdos prostituta]


Argum. Zum Gesetz vgl. IV 2 argum. Sacerdos integer sit und Bonner 1949, 103 f.
(»two declamatory laws concerning priests and priestesses, namely: SACERDOS
INTEGER SIT. [...] SACERDOS CASTA E CASTIS, PVRA E PVRIS SIT [...] are generally accepted
as genuine pontifical rules, for […] the second law on the selection of priestesses
well fits the Vestal Virgins«); er vergleicht Gell. I 12,2 f.
a piratis capta: Für eine Erörterung der in den Deklamationen oft auftau-
chenden Seeräuber vgl. Ormerod 1924, bes. 264 ff.; Bonner 1949, 34. Bei Seneca
finden wir sie auch I 6; III 3; VII 1 u. 4.
Contr. I 2 [Sacerdos prostituta] | 99

qui ad se venerat: Zu derartigen Reflexiva in nicht-obliquen Rel.-Sätzen


vgl. Hofmann–Szantyr 19722, 175 (»zunächst wenn ein obliquer Gedanke in un-
mittelbarer Nähe stand und abfärbte«); hier mag exorare non posset mitgewirkt
haben.

1. quisquis plura imputavit: Vgl. Håkanson 1976a, 122 f.: imputavit = „erließ“
(und dadurch einen Kuss in Dankbarkeit verdiente). Zum Sinne des imputavit
vgl. VIII 6 (S. 233, 20 f. in meiner Ausgabe) Si interrogaveris filiam partem legis
imputaturus es, si non interrogaveris legem (»i. condonas, sc. non adhibendo«:
ThlL 7/1,730,60 f.).
quasi eripuissent: D. h., sie hatten dem Mädchen Geld gegeben.
Quo mihi sacerdotem: Gronovius [ap. Faber et all. 1672, 92 f.] verglich decl.
mai. 2,10 [S. 29, 10 f.] quo caeco hereditatem vel innocenti?; ib. [S. 29, 14–16]
quo... divitias iuveni…?
si qua tibi occurrisset ***: Haases [ap. Bursian] Ergänzung 〈sacerdos, lictor
te summovisset〉 ist wahrscheinlich, vgl. § 7 (S. 20, 23 f.) Non sine causa sacerdoti
lictor apparet. occurrent〈em〉 tibi meretricem summovisset; § 5 (S. 19, 2) quaecum-
que meretrix prostabit, fugiet?
sacerdotium non dare〈tur〉: Die Wahl zwischen daretur (Faber [1587, 14 =
1672, 93], so Kiessling) und darem (V2, die übrigen Hrsgg.) ist höchst unsicher.

2. ut templa recipiant: Sämtliche Hrsgg. ändern mit D zu reciperent, aber das


(auch in E) überlieferte Präs. findet eine Stütze in I 7,5 hoc... d e e r a t , ut n a r -
r e t u r (so α), wo indessen die Hrsgg. außer Bursian mit E narraretur lesen. Aber
erstens handelt es sich nicht einmal um denselben Fehlertypus an beiden Stel-
len, weshalb es merkwürdig wäre, falls das Präs. gerade bei deerat infolge zwei-
er verschiedenartiger Verschreibungen zweimal auftauche; zweitens beachte
man, dass es sich in beiden Fällen um etwas Gegenwärtiges handelt, so dass
das Präs. im Grunde logisch ist, nur dass man – wegen des Impf. deerat – eine
Tempusverschiebung erwartet hätte, wie Sen. Phaedr. 1186 und Stat. Theb. X
437, die einzigen mir bekannten, ganz vergleichbaren Beispiele (die von Müller
herangezogene Stelle I 3,1 verhält sich anders); wenigstens zum Teil vergleich-
bar ist allerdings Ov. met. III 268 f. (obwohl dort deerat parenthetisch ist), viel-
leicht auch Verg. Aen. XII 642 ff. Schließlich ergibt reciperent an unserer Stelle
letzten Endes doch keine ganz befriedigende Tempusfolge, denn nach deerat, ut
reciperent hätte man wohl nicht eiecit, sondern eiecerat erwartet. Sowohl recipi-
ant wie narretur wurden von dem freilich sehr konservativen Wahlén (1930, 147)
verteidigt; vgl. übrigens die Parallele decl. mai. 6,8 [S. 118, 6–9] sola scilicet
100 | Kommentar

calamitatibus nostris adhuc defuit culpa, ut... procedat inauditum antea mons-
trum, misera crudelis.
captura conveniet: Vgl. X 4,7 Tibi cotidiana captura non respondet. Kiess-
ling vermutete convenit (so Bornecque), Müller liest convincet (mit Faber [1587,
14 = 1672, 93]), aber Gronovius [ap. Faber et all. 1672, 93 f.], Novák (1912, 400)
und Hagendahl (1936, 287) verteidigten zu Recht die Überlieferung, die in keiner
Hinsicht verdächtig ist.

3. honeste maneat quod semper fuit: Vgl. I praef. 9 quod nati sunt inviti ma-
nent mit Anm. (S. 85). Ich gebe Kiesslings Text. Bursian schrieb honeste... quae,
Müller und Winterbottom honesta... qualis (nach Otto [1885, 418 f.] und Gertz
[ap. Müller]), Bornecque folgt V (honesta... quod), aber quod semper fuit ist,
wenn richtig überliefert, wahrscheinlich als Prädikativum (wie an I praef. 9
quod nati sunt) aufzufassen, und dann ist honesta unmöglich.
te fieri sacerdotem fas erit: Bursians te für ne (tene Otto [1885, 419], Gertz
[ap. Müller], die drei letzten Hrsgg.) wurde von Novák (1895, 299) verteidigt:
»Die Fragepartikel ne wird nicht oft von Seneca angewendet; gewöhnlich ent-
behren einfache direkte Fragesätze dieses Zusatzes. Angehängt wird hier aber
ne bloß an: a) Verba finita [...]; b) das Demonstrativum hic [...]; c) pronominale
Adverbia ita, adeo, usque, eo, huc [...]; d) non [...]«.
nam quod ad sortem pertinet e.q.s.: Von einer sortitio (auch § 7 erwähnt)
erfahren wir in unserer Fassung des Argumentums nichts; vgl. die Anm. zu § 5
vicina civitas (S. 101). Vgl. Gell. I 12,11 f. sed Papiam legem invenimus, qua cave-
tur, ut pontificis maximi arbitratu virgines e populo viginti legantur sortitioque in
contione ex eo numero fiat, et, cuius virginis ducta erit, ut eam pontifex maximus
capiat eaque Vestae fiat. sed ea sortitio ex lege Papia non necessaria nunc videri
solet: nam si quis honesto loco natus adeat pontificem maximum atque offerat ad
sacerdotium filiam suam... gratia Papiae legis per senatum fit.
Nuda in litore stetit: Gertz [1888, 293] wollte nach stetit statt nach emptoris
interpunktieren, möglicherweise zu Recht.
excipitur nihil: Gronovius [ap. Faber et all. 1672, 94] und Watt [1983, 84]
verglichen Dig. II 4,10,1; ib. 21,2,34 und 37,14,7. Vgl. auch X 5,8 Utinam, Philippe,
auctionem cum exceptione fecisses, ne quis Atheniensis emeret!
misereor tui: Was das überlieferte tibi betrifft, vgl. IX 5,1 illi〈us〉 miserebantur.

4. Honorem habitum e.q.s.: Vgl. decl. mai. 3,1 [S. 42, 9 f.] tuis honos sit habitus
sanctissimis auribus. Die Genitive aurium maiestatisque verteidigte Hagendahl
(1936, 288) gegen auribus maiestatique (»cod. Vat.« bei Schott, Müller, Bor-
necque).
Contr. I 2 [Sacerdos prostituta] | 101

gladiatorem: S. die Anm. zu § 5 vicina civitas.

5. †neme tue puellam pudicam† es: Sämtliche Hrsgg. lesen mit V ne metue,
puella: pudica es; sed sic usw., aber ne metue ist doch höchst eigenartig: W a s
sollte das Mädchen nicht fürchten? Fuscus meint ja gar nicht, dass sie wirklich
sacerdos werden soll – und auch meint er nicht, dass sie keusch ist (wie aus
dem Folgenden hervorgeht); deshalb sollte auch nicht pudica es richtig sein,
wie in den Ausgaben interpunktiert wird. Möglicherweise sollte man nach ei-
nem Vorschlag Kiesslings so lesen: Nempe tu, puella, pudica es? D. h. »Meinst
du selbst, dass du keusch bist?«. Zum Folgenden vgl. § 8 (S. 21, 5 in meiner Aus-
gabe) hoc satis est nupturae, sacerdoti parum.
cetera, etiamsi… potius 〈ne〉scirem: »Von dem, was sonst geschehen ist,
möchte ich, auch wenn ich irgendwo auf einer Straße und nicht vor dem Gericht
stünde, nichts wissen«. Bursians silerem für das überlieferte scirem (so alle
Hrsgg. außer Bornecque) wurde von Novák (1912, 400) bezweifelt, weil Sen.
niemals silere, immer nur tacere brauche; er verglich § 1 hactenus in te inquiri
potest; cetera nescio; § 2 nec quaerere debemus nec scire possumus.
meretricium osculis: In D ist von erster Hand meretricum geschrieben, und
laut ThlL [8,827,45 f.] gibt es keine Parallele zum Gen. meretricium.
vicina civitas: Müller, Bornecque und Winterbottom lesen mit C.F.W. Mül-
ler [ap. Müller] und Madvig [ap. Kiessling] vicinitas, Novák hob aber hervor
(1913, 131), dass Seneca nur vicinia verwendet. Dieser Umstand ist an sich nicht
ausschlaggebend, aber m. E. mag Silo von einem Thema ausgegangen sein, dem
zufolge das Mädchen in einer Nachbarstadt zur Prostituierten wurde (vgl. die
Anm. zu § 8, S. 103). Es geschieht nicht selten, dass die Rhetoren auf Einzelhei-
ten hindeuten, die in den uns vorliegenden Themata nicht erwähnt werden; so
z. B. finden wir in unserem Thema nichts von Gladiatoren (vgl. §§ 4 u. 10) oder
von einer sortitio (vgl. § 3, Ende). Andere Beispiele: In II 6 setzen gewisse Redner
voraus, dass der Sohn nicht mehr luxuriosus sei, wovon das Thema nichts sagt.
In VI 5 wird von einem Rhetor angenommen, dass es der Thrakerkönig Cotys ist,
der vor dem Gericht drohend auftritt, während im Thema nur von quidam Thra-
cum die Rede ist (dagegen wird der König im Thema der decl. min. 386 – eine
Variante derselben Geschichte – erwähnt). In VII 2 sagen einige Redner, dass
Popillius die Hand des Cicero abgeschnitten habe, während im Thema nur vom
Kopf die Rede ist. In VII 5 wird (z. B. §§ 2 u. 5) von einem Licht geredet, das im
Thema nicht erwähnt wird. S. auch VII 7 argum. und ib. § 2; 2,8; X 3,3 u. a. Man
muss folglich damit rechnen, dass die von Seneca zitierten Redner über Thema-
ta sprachen, die nicht immer in allen kleinen Einzelheiten übereinstimmten,
dass aber Seneca, als er die Controversien zusammenstellte, davon absah.
102 | Kommentar

6. prius super te fuisse: prius, d. h. ehe das Mädchen das Schwert ergriffen
hatte, denn solange das Mädchen waffenlos war, war der Soldat selbstverständ-
lich überlegen. Ich habe die Überlieferung nur zögernd beibehalten. Schulting
[in Faber et all. 1672, Append., 85] vermutete superiorem fuisse (so Bornecque),
und der Wortlaut der Überlieferung ist unleugbar etwas eigenartig, aber voluta-
tione scheint mir das etwas kuriose super te zu stützen. Watt [brieflich] vermutet
zögernd 〈co〉rpus super te fu〈d〉isse.

7. narratio: Vgl. I 3,2; ib. 5 u. 6; II 1,3. Hoffa (1909, 62) meinte, diese narratio sei
irgendwie mit Cestius Pius’ Namen verbunden: »ter illa nota Cesti sententiis
praemittitur, semel Argentari quem Cesti discipulum esse novimus, semel Vibi
Galli, semel Pompei Silonis […] apud Cestium eos declamasse inde probabile fit,
quod tota Contr. I 3 unius scholae a Cestio temperatae imago esse videtur.« Mit
gewissem Zögern vermutet Hoffa, dass Seneca einige commentarii verwendete,
»quos singulas sententias secundum orationis partes digerens olim in Cesti
schola conscripserat« (S. 62 f.).
ut lenoni venderent: Das in Seneca kaum gutzuheißende venderetur (die
Hss.) ist offenbar ein Angleichungsfehler (vgl. redimeretur).
tempus erat nos sortiri: Sämtliche Hrsgg. setzen Haases [(ap. Kiessling)
und Bursians] nunc in den Text, aber man hätte ein nunc am Anfang des Satzes
erwartet. Ich habe die alte Konjektur nos [ed. Rom.] vorgezogen, die vor einem s-
noch leichter ist.
iam te ut nemo e.q.s.: iam = etiam (ut = etiamsi); ein ähnliches iam ver-
wendet Cestius gleich nachher, § 8 i a m ipsa fronte crudeles etc.
occurrent〈em〉 tibi (sc. si sacerdos fuisses) meretricem summovisset: Vgl.
§ 3 Praecedens hanc lictor summovebit? = mit derselben Fiktion, dass das Mäd-
chen Priesterin sei. Diese Fassung erklärt den überlieferten, von Winterbottom
angezweifelten Konj. summovisset. Die fünf Hrsgg. verteilen sich auf vier Text-
gestaltungen, von denen keine überzeugt. Zum Ausdruck vgl. auch decl. min.
297 argum. occurrentem sibi meretricem excaecavit.

8. virginem stuprare innocentia est: Winterbottom vergleicht Sen. Thy. 744 f.


hactenus si stat nefas, pius est.
ut †iudicet†, venit: Hoffnungslos verderbt, wie es scheint. Bursian, Kiess-
ling (zögernd) und Winterbottom behalten iudicet (»to play the judge«, Winter-
bottom), was doch sehr geschraubt ist. Inhaltlich erwartet man etwa ut stipes
porrigat oder dgl.; vielleicht ut pudic〈ae det〉? Möglich wäre eventuell auch ut
vindicet, vgl. OLD2 s.v. vindico (3) (ut 〈te〉 vindicet C.F.W. Müller [ap. Kiessling]).
Contr. I 2 [Sacerdos prostituta] | 103

Vbi adhuc fuisti e.q.s.: Die drei letzten Hrsgg. ergänzen nicht immo, son-
dern (nach ignota es) ubi adhuc non fuisti (so Kiessling, der aber selbst nur ubi
non fuisti ergänzte). Die Worte ubi adhuc fuisti deuten vermutlich an, dass das
Mädchen eine Zeitlang in einer anderen Stadt gelebt hat und dort zur Prostitu-
ierten wurde, vgl. die Anm. zu § 5 vicina civitas (S. 101). Aber das Gerücht von
ihrem Schicksal ist verbreitet worden, und deshalb ist sie auch nimium nota.

9. Contradico non 〈odio, non〉 e.q.s.: von Winterfelds [1895, 24 f.] Ergänzung
wird vom folgenden quod enim o d i u m , quae inimicitiae gestützt, ferner wäre
contradico non inimicitiis impulsus etwas kurz – und die Tilgung des cuiquam als
Antizipation aus dem folgenden inimicitiae cuiquam ist notwendig, weil das in V
sicher interpolierte cuiusquam (so die Hrsgg.) im Grunde sinnlos ist; es kommt
ja nur Feindschaft gegen das Mädchen in Frage. Im Folgenden setzten die drei
letzten Hrsgg. Madvigs [ap. Kiessling] cum ea v o r cuiquam, aber der Ausfall
erklärt sich vermutlich leichter n a c h diesem Worte.

10. quid expectas, dum in lupanar veneris?: Shackleton Baileys [1969, 322]
dum ist evident: das Mädchen hätte früher (etwa auf dem Sklavenmarkt) ausru-
fen sollen, dass sie ingenua sei, nicht warten sollen, bis sie im Bordell war (wo
sie ja ihren Kunden dies berichtete), denn dann war es jedenfalls zu spät, vgl.
§ 3 Indignam te sacerdotio dicerem, si transisses per lupanar. Bornecques und
Winterbottoms Übersetzungen von der Überlieferung (mit Fragezeichen nach
expectas und Komma nach veneris) überzeugen nicht: Warum sollte das Mäd-
chen v o r d e m G e r i c h t (denn so fasst es wenigstens Winterbottom auf, vgl.
seine Anm. z. St.) ausrufen, dass sie frei geboren sei? Dies hätte nur in der oben
genannten Situation einen Zweck.
[ex] pontificis maximi: Novák (1908, 112) vermutete, dass ex, am Rande
der Vorlage von ABV hinzugefügt, eigentlich als Korrektur des Ausdrucks e
lupanari (wo die Präposition in AB fehlt) gemeint war – nicht unwahrscheinlich.
Übrigens ist der Gedanke hier extrem gesucht und künstlich!
pudicitia tua precaria est: Ähnlich Latro (§ 1) Quo mihi sacerdotem, cuius
precaria est castitas?
tot 〈petulantes〉 iuvenes, tot ebrii (sc. iuvenes): Man akzeptiert überall die
Überlieferung, aber ein bloßes iuvenes scheint mir zwischen gladiatores und
ebrii (sc. iuvenes) allzu schwach.
etiam mendicasse: Nicht steigernd, sondern Asprenas fügt noch einen
Grund hinzu, warum das Mädchen als sacerdos ungeeignet sei.
carnifici debeo: Denn sie hätte hingerichtet werden können, nachdem sie
ihre Keuschheit durch Mord verteidigte.
104 | Kommentar

11. inter sicarios… posita es: Das überlieferte servos verstehe ich kaum; wie
homicidas muss es die Piraten bezeichnen (vgl. § 9 Conversata es cruentis et
humano sanguine delibutis), die sonst barbari (z. B. § 11), crudeles, humano san-
guine adsueti (§ 8) genannt werden. Ich lese sicarios und verweise auf Cic. Phil.
2,31: plus quam s i c a r i o s , plus quam h o m i c i d a s . Zu meinem weiteren Vor-
schlag posita es vgl. § 9 i a c u i s t i in piratico myoparone. An das überall zu
findende spatiata es kann ich nicht glauben.
essent vendituri ***: Nach Haase [ap. Kiessling] ergänzen Müller, Bornec-
que und Winterbottom 〈sic istam servavit leno [Haase] quemadmodum qui esset
coacturus [Müller]〉, was zu stare in illo ordine gut passt, weniger gut zu ex ea-
dem vesci mensa usw.

13. 〈an〉 tamen: Mit Ausnahme von Bursian ändern die Hrsgg. tamen in an, statt
mit Bursian an zu ergänzen, aber tamen findet sich bei Seneca so oft in dieser
Verbindung, dass es kaum wegemendiert werden kann. Es bleibt dagegen unsi-
cher, ob an vor tamen oder schon vor etiamsi eingesetzt werden soll; vgl. z. B.
§ 14 an etiamsi... tamen; II 1,20 etiamsi... an tamen; ib. 22 etiamsi... an tamen u. ö.
contrectatam oculis omnium: Das naheliegende osculis findet sich in al-
len Ausgaben außer Bursian; man kann zwar zum Vergleich § 9 contrecta〈ta〉 es
alicuius manu, alicuius o s c u l o , alicuius amplexu heranziehen, aber schon
Schulting [in Faber et all. 1672, Append., 89] zweifelte und verglich Ov. met. VI
478 spectat eam Tereus praecontrectatque videndo. Heraeus (1896; s. auch
Weyman 1893, 405; Brandt 1898) zitierte u. a. Tac. ann. III 12,4 nudare corpus et
c o n t r e c t a n d u m v u l g i o c u l i s permittere.
es casta talis, qualis videri potest cui e.q.s.: Dies bedeutet anscheinend
soviel wie tam casta es quam ea cui usw., was – bezüglich talis – sonst nur spät
belegt ist (Hofmann–Szantyr 19722, 206); zum auffallend weitschweifigen v i -
d e r i potest (fast im Sinne eines einfachen est) vgl. Hofmann–Szantyr 19722,
797. Gewissermaßen ähnlich suas. 6,14 (S. 362, 15 in meiner Ausgabe) haec inep-
te ficta cuilibet v i d e r i p o t e s t . Kiessling und Müller ergänzen (nach Faber
[1587, 157 = 1672, 99]) an vor es, aber partikellose Fragen sind ja in diesen Texten
sehr gewöhnlich. Bornecque liest 〈non〉 est casta mit D (non) und Gertz (est auch
bei Müller, wohl nicht nötig). Winterbottom schreibt volutata es: es [casta] talis
usw.

14. ponit (sc. controversia) ut adhuc virginem: Seit Kiessling ediert man mit
Gronovius [ap. Faber et all. 1672, 100] ponitur adhuc virginem 〈esse〉, und gewiss
konnte ee vor et leicht ausfallen; die Stelle ist unsicher.
Contr. I 2 [Sacerdos prostituta] | 105

etiamsi merito occidit hominem: Sämtliche Hrsgg. außer Winterbottom


lesen occiderit, aber der Ind. ist nicht verdächtig, wie Castiglioni (1928, 114)
gezeigt hat; er verglich I 1,13; 2,13; 3,8; 6,8 u. a.
coinquinata: Da man in Seneca oft inquinare, niemals sonst coinquinare
findet, vermutete Novák (1908, 115) [co]inquinata (so Bornecque). Ein solches
Argument ist nicht ohne Bedeutung, wenn es sich um Lesarten handelt, die aus
irgendeinem a n d e r e n Grunde verdächtig scheinen, aber in einem Fall wie
diesem ist es belanglos: Man kann ja nicht von vornherein davon ausgehen,
dass alle Wörter mindestens zweimal in einem Text gebraucht werden müssen,
um richtig überliefert zu sein!
in tractationes quas quisque vult dividit: Vgl. I 4,6 tractationis quidem
est, quam ut quisque vult variat.
causam diceret: Das überlieferte ediceretur ist, was -tur betrifft, ein Perse-
verationsfehler (vgl. prostitueretur, cogeretur), im Übrigen vielleicht aus causae
diceretur entstanden; zu -am > -ae vgl. I 6,9 puellam: puellae die Hss.

15. quod tam vilis suis fuisset e.q.s.: Vgl. Cestius’ Worte § 7 ita cara fuit suis, ut
rapta non redimeretur.

16. accusatoria usus pugnacitate: Seneca denkt wohl hier an Hispos Laufbahn
als delator; vgl. Tac. ann. I 74, wo Hispos Leben vermutlich (das qui an jener
Stelle wird verschiedentlich interpretiert, aber wie RE I A 1,1063 f. glaube ich,
dass Hispo gemeint ist) skizziert wird. Man vergleiche IX 3,11 Hispo Romanius
erat natura q u i asperiorem dicendi viam sequeretur.
non ad animum e.q.s.: Vgl. Sen. epist. 88,8 doce me, quid sit pudicitia et
quantum in ea bonum, in corpore an in animo posita sit (Winterbottom).

17. dignationem puellae... praeferentem: Alle Hrsgg. außer Bursian lesen


praeferente mit Wachsmuth [1867, 8]. Dies – oder möglicherweise praeferentis –
wäre notwendig, wenn man wie ThlL (5/1,1132,28 f.) und OLD2 (s.v. [1]) dignatio-
nem als »Würdigung« (und puellae als Gen. obi.) interpretierte; aber sowohl
Bornecque (»toute la noblesse de la jeune fille«) als auch Winterbottom (»how
great the girl’s dignity was«) fassen das Subst. als = dignitatem auf (vgl. ThlL
5/1,1133,9 ff.), vermutlich zu Recht. Senecas Usus gibt keine Hilfe, denn m. W.
kommt dignatio nur hier vor. Wer aber dignationem puellae als = dignitatem
puellae interpretiert, kann praeferentem beibehalten, da wohl doch dignitatem
puellae (statt dignam puellam) mit diesem Part. stehen kann – und man erwartet
im Grunde nicht vultus, sondern das Mädchen selbst als Hauptwort zu prae-
ferentem, denn so wird dieses Verb normalerweise gebraucht, vgl. z. B. Mart. V
106 | Kommentar

61,9 procuratorem v u l t u q u i p r a e f e r a t i p s o ; Manil. IV 720 f. Wie nicht


selten sollten wir also zu Bursians Text zurückkehren.

18. 〈sed〉 vindicaret: Thomas’ [1886, 46 f.] und Gertz’ [ap. Müller] ostenderet für
das überlieferte videret (so Müller, Bornecque, Winterbottom) hat keine paläo-
graphische Wahrscheinlichkeit, während vindicaret einfacher ist und eine gute
Antithese zu violaret darstellt. Der Soldat ,schützte‘ unfreiwillig die Keuschheit
des Mädchens, indem er durch seinen Tod bewirkte, dass sie aus dem Bordell
gelassen wurde. Zum Ausdruck vgl. § 20 pudicitiam vindicabit. Mit Bursian und
Kiessling videret zu halten ist m. M. n. ausgeschlossen.
ridenti: Unsichere Stelle. Für das zweite cruenti der Hss. kann man auch an
currenti denken. Das erste cruenti mit Kiessling (und Winterbottom) einfach zu
tilgen empfiehlt sich kaum, und ridenti scheint mir nach der Mahnung des Mäd-
chens gut zu passen. Watt [brieflich] schlägt vor: ruenti et in p. ruenti suam mit
Hinweis auf IX 5,3 Erras et vehementer erras; Plin. epist. V 8,1 suades ut histo-
riam scribam, et suades non solus, aber im Gegensatz zu erras1 und suades1 er-
scheint ruenti unnatürlich.
‘en’: Für die Korruptel ne ist wohl Bursians en die beste Lösung.
stupratoris mersit: Das überlieferte piratae (sui) behalten die Hrsgg., aber
das eigenartige piratae ist wohl nur deswegen in den Text geraten, weil in dieser
controversia mehrmals von denjenigen Piraten die Rede ist, die das Mädchen
gefangen genommen hatten. Hier ist für einen pirata kein Platz. Vielleicht sollte
man aber Gertz’ [ap. Müller] Vorschlag in stupratoris sui mersit ändern, was
auch einen besseren Rhythmus ergäbe. torsit in den Hss. enthält vielleicht eine
Korrektur des piratae (toris?). Vgl. übrigens IX 1,1 Ferrum a lege mihi traditum ad
vindictam pudicitiae proiciam?
deorum immortalium adiutorio: Wohl, neben II 5,4 uxoris adiutorio, eines
von den ältesten Beispielen von adiutorium = auxilium.

19. etiam habemus: Ich habe das überall gedruckte etiam stehen lassen, aber
vielleicht wäre et iam das Richtige, indem iam das Vorhergehende sozusagen
zusammenfasst. Dieselbe Wahl zwischen etiam und et iam kehrt unten in § 20
wieder.
nisi sibi: Es kann kaum bezweifelt werden, dass die kürzere Variante in AB
die richtige ist, obwohl Kiessling, Müller und Bornecque hier E folgen; vgl. Win-
terbottom 1974b, 22. Immerhin ist die Übereinstimmung zwischen V und E inte-
ressant zu konstatieren.
Contr. I 2 [Sacerdos prostituta] | 107

20. et iam matronarum... magisterium: Die Hrsgg. schreiben etiam und fas-
sen etiam... magisterium als parenthetisch auf, aber Petschenigs [1888, 722] et
iam macht die Syntax besser, und iam entspricht gewissermaßen saeculi (sc.
huius). Ganz sicher ist die Stelle aber nicht, da man wohl et iam matronarum
quoque erwartet hätte. Im Folgenden habe ich Schotts [in Faber et all. 1672, 574]
vul〈ga〉tum vorgezogen. Die Hrsgg. setzen die alte Konjektur multum in den Text,
die doch etwas farblos und als Attribut zu magisterium nicht ganz passend ist.
pudica permanebit: Ich habe nach permanebit einen Punkt gesetzt, wie
man es seit Kiessling tut, aber ich muss gestehen, dass mir Bursians Interpunk-
tion (Punkt erst nach lupanari) in gewisser Weise besser dünkt. In grammati-
scher Hinsicht ist sie aber etwas fragwürdig wegen ponatis statt eines zu erwar-
tenden posueritis, denn das Präs. statt Fut. ex. findet man hauptsächlich in
(indikativischen) Konditionalsätzen (Hofmann–Szantyr 19722, 549).
intactam pudicitiam efferre: efferre (Konjektur der dett., vgl. den App.)
muss, wenn richtig, die Nuance haben, die OLD2 unter 1c oder 2b verzeichnet
(diese beiden Bedeutungen stehen einander nahe, wie die unter 1e zitierte Stelle
Cic. rep. I 28 zeigt). Sil. XIII 773 f. (unter 2b verzeichnet) ist vergleichbar: pigra
e x t u l i t artis / haud umquam sese virtus.
populus adoravit: Vgl. z. B. Juv. 10,62 adoratum populo caput (Seiani). Das
Verb ist im Hinblick auf das eventuelle sacerdotium gewählt.
multum potest... hostis gladio: Etwas unsicher behalten Müller und Win-
terbottom rectum (propositum), aber man erwartet den Sinn »fest entschlossen«
oder dgl., weshalb certum wahrscheinlich richtig ist. Ferner lesen die drei letz-
ten Hrsgg. nach Thomas [1880, 23] hostis cum gladio, aber wer einige Zeilen
nachher gladio reppulit sagt, konnte vermutlich auch multum potest gladio sa-
gen. Gronovius [ap. Faber et all. 1672, 102 f.] las hostis, gladius; möglich auch
hostis (Gen.) gladius.

21. 〈ex sententiis〉 apparet: Ich habe Schultings [in Faber et all. 1672, Append.,
93] Ergänzung umgestellt, weil die betreffenden Worte leichter nach difficultatis
ausfallen konnten. Müller vergleicht übrigens I 3,9 Hic color fere sententiis, quas
praeposui, permixtus est.
extra portam hanc virginem!: »Zum Teufel mit dieser „Jungfrau“!«. »Il
s’agit de la Porte Esquiline, où se trouvait la place des exécutions, le logement
du bourreau et peut-être aussi le lieu où l’on brûlait tous les cadavres«, sagt
Bornecque [19322, I 451] und weist auf Plaut. Cas. 354; Pseud. 331 und Mil. 359
hin (zum Teil nach Schulting [in Faber et all. 1672, Append., 93], der auch Tac.
ann. II 32,3 heranzog).
108 | Kommentar

22. Ovidianum illud ‘inepta loci’: Vgl. Buchheit (1962, 17), wo angenommen
wird, dass sich dies inepta loci auf ein verlorengegangenes Gedicht Ovids bezie-
he (dazu Bendz [1972, 828]). Dass wir hier ein Zitat aus Priap. 3,8 haben, kann
nicht bezweifelt werden, einerlei ob Seneca diese Texte ganz oder zum Teil Ovid
zuschrieb oder sich einfach irrte. Wie soll übrigens dies merkwürdige inepta loci
in Scaurus’ Mund aufgefasst werden? Etwa »wrong place« (Winterbottom)? In
ihrem ursprünglichen Zusammenhang gehören ja die zwei Worte syntaktisch
nicht zusammen. Ist inepta loci ein Witz = inepta loqui?
qui nihil et non permiserint sibi et †penetraverunt†: Das allgemein auf-
genommene impetraverint (»and got away with it«, Winterbottom) überzeugt
mich nicht. Die Hrsgg. ändern sämtliche et non in non et, vielleicht zu Recht, ab.
Seneca bietet in der Tat viel Ähnliches: II 1,24 e t illi tamen... n o n bene praesti-
terunt; 2,5 E t haec controversia n o n eget divisione; VII 5,11 nam et ad eos per-
venit annos, ut intellegat, e t n o n d u m (= nec iam) ad eos, quibus fingat; IX 5,15
vitium suum, quod in orationibus n o n evitat, in scholasticis q u o q u e evitare
n o n potuit (= ne in scholasticis quidem); X 1,7 (dives) qui n i h i l umquam putaret
sibi timendum, e t i a m [a] r e o (= ne reo quidem). Wie die zwei letzten Stellen
zeigen, fährt Seneca nach einem vorhergehenden negativen Begriff wie nihil
oder dgl. nicht unbedingt mit Negationen fort, sondern kann quoque oder etiam
gebrauchen – und dann vielleicht auch ein korrespondierendes et–et. Vgl. auch
z. B. Quint. V 14,5 quia 〈vero〉 interim et propositio non egeat rationis et adsump-
tio probationis, nonnumquam etiam complexione opus non sit (statt neque–
neque–ne... quidem).

23. non ideo occidi e.q.s.: Mir unverständlich, wohl aber eher lückenhaft als
verschrieben. Winterbottom (1974b, 30) tilgte non vor paterentur, um folgenden
Sinn zu bekommen: »they would not allow m a l e adulterers to be killed on that
pretext (i. e. merely being in bed together...)«. Aber gegen diesen und andere
Verbesserungsversuche spricht m. E. paterentur, dessen Subjekt unklar ist (Win-
terbottoms »they« überzeugt mich nicht), ferner scheint die Wahl von eben pati
anzudeuten, dass der Redner etwas anderes sagt (vgl. Phrasen wie virum pati u.
dgl.).
quam verecundiae (sc. detrimento) dicere: Zwar soll man mit ,Ergänzun-
gen‘ in E vorsichtig umgehen, aber das dicere, das nach -diae ziemlich leicht
ausfallen konnte, ist höchstwahrscheinlich richtig.
quantum mihi abstulit: von Winterfeld (1895, 25 f.) erklärte, nach Thomas’
(1900, 213) Umschreibung: »„quantum haec de puella sacerdotium petente
controversia (non ipsa puella) mihi Vibio Rufo abstulit“, scilicet quantum vere-
cundiae et pudoris, cum audienda et fortasse etiam dicenda esse obscenissi-
Contr. I 2 [Sacerdos prostituta] | 109

ma«. Thomas selbst meinte, die Worte quantum abstulit beziehen sich auf exor-
abat stipem im Thema; das cotidianum stecke im Dativ (ethicus), und der Sinn
sei: »Wieviel Geld hat nicht diese Priesterin verdient!«. Es ist aber keineswegs
selbstverständlich, dass ein Dativus ethicus als besonders cotidianus aufgefasst
wurde; vgl. den Dativ mihi II 7,4. Vielmehr dürfte es sich um einen Dativ zu
abstulit handeln, wie z. B. X 4,12 ut multum illis abstulerit, vitam reddidit, vor
allem weil der Dat. unmittelbar vor abstulit steht. Die im App. gegebene Erklä-
rung scheint mir durchaus wahrscheinlich: Statt eines zu erwartenden ,ista
meretrix quantum mihi abstulit!‘ bekommt die ironische Äußerung der Leute die
im Text vorhandene Form.

Contr. I 3 [Incesta de saxo]


Argum. Zum Gesetz vgl. Bonner 1949, 92 f.: »In itself this law is almost certainly
genuine, for there is evidence that persons convicted of incest were thrown from
the Rock even in Imperial times« – er vergleicht Tac. ann. VI 19,1; Dio Cass. LVIII
22 – »and from a passage of Cicero [leg. II 22] it might be argued that it dates
back to the oldest pontifical law«. Die Deklamatoren nehmen indessen ohne
Weiteres an, dass es sich um eine Vestalin handelt, und dass das Verbrechen
nicht Inzest, sondern Unkeuschheit sei. Ob dies nur durch die Erwähnung der
Vesta im Thema geschehen ist oder ob das den Rhetoren vorliegende Argumen-
tum in der Tat etwas anders formuliert war, ist unsicher, das Letztere ist wohl
aber wahrscheinlicher. Was Abweichungen vom Thema betrifft, vgl. die Anm.
zu I 2,5 (S. 101) und I 4,5 (S. 115). Dieser Fall findet sich auch in Quint. VII 8,3 ff.

1. Hoc expectatis, ut... deiecerit: Die Hrsgg. lesen mit Bursian expectastis, ut...
deiceret, aber die doppelte Änderung ist unberechtigt; der Sinn ist: »Erwartet
ihr (von mir zu hören), dass usw.«. Vgl. decl. mai. 13,1 [S. 265, 16 f.] ante omnia
enim non debetis expectare, uti pauper magna perdiderim (= expectare, ut dicam
me magna perdidisse).
constitit et circumlatis… oculis: Müller vergleicht Ov. met. VI 169 constitit
utque oculos circumtulit alta superbos und XV 674 constitit atque oculos circum-
tulit igne micantes. Latros sententiae dienten als Vorbilder Ovids (vgl. II 2,8),
hier ist aber die eventuelle Imitation unsicher, da die Ausdrucksweise ziemlich
trivial ist; man vergleiche auch Sen. dial. VI 12,4 circumfer per omnem... frequen-
tiam oculos.
in ipso quo vindicabatur violare supplicio: »au cours même de ce sup-
plice qui devait la punir (ou: venger la déesse)«, Bornecque; Winterbottom wählt
110 | Kommentar

die erste Übersetzung, aber die letztgenannte Alternative scheint mir wegen der
Nebeneinanderstellung von vindicabatur und violare wahrscheinlicher.
Quid tibi... 〈im〉precer: Die Hrsgg. lesen precer mit E, aber man erwartet
doch lieber imprecer; vgl. decl. mai. 5,7 [S. 91, 16 f.] quid imprecer homini, qui...
(ähnlich ib. 10,14 [S. 213, 16]), in Seneca VII 1,5 infelicia sibi imprecatus est ma-
ria.
carnificis manu incesta: Vgl. I 2,10 Pudicitiam sacerdotis meae etiam carni-
fici debeo.

2. ampliatur a iudicibus in poenam: »The judges adjourn their decision until


the punishment«, Winterbottom. Wie Bursian und Kiessling fasse ich dies als
Frage auf. Schultings [in Faber et all. 1672, Append., 96] amplietur hat viel für
sich.
Aut tu sacerdotium e.q.s.: Fast dasselbe wird im § 5 dem Cornelius Hispa-
nus zugeschrieben: Aut tu sacerdotium violasti aut nos sacerdotem.
sunt dii: Etwas Ähnliches sagt Cestius auch I 2,8 ista passa es 〈et〉 credis
deos esse? Vgl. Hispanus § 5 si innocens es, dii non sunt.

3. ‘Erat’ inquit (sc. die Vestalin, sich selbst verteidigend)... mori voluit: Konit-
zers [1866, 5] Ergänzung (und Tilgung einige Zeilen später) ist sicher richtig; die
Worte wurden vermutlich am Rand dazugeschrieben und an falscher Stelle in
den Text gesetzt. Nicht nur ist der überlieferte Ausdruck an sich merkwürdig
(wann sollte der Redner der Vestalin dies gesagt haben, und warum?), sondern
auch der Satz incestam lex mori voluit wird allzu unvermittelt hinzugefügt.
Schulting [in Faber et all. 1672, Append., 97] schlug dicebat (sc. locus ipse, ziem-
lich unwahrscheinlich) vor, Watt vermutet brieflich deiectam ibi [vgl. 1988, 852].
Der Gedanke der Worte decebat... voluit kehrt gleich nachher in variierter Form
wieder: electus 〈is〉 potissimum locus, ne damnati saepius deiciantur.

4. in templum usque revoluta: Julius Bassus geht offenbar von einem Argu-
mentum aus, dem zufolge die Priesterin nach dem supplicium zum templum
Vestae entfloh. Vgl. auch Hispo (§ 6).
quanto minus quam: »Wie wenig fehlte es, dass«. Winterbottom betrach-
tet dies als verderbt, aber vgl. z. B. decl. mai. 12,18 [S. 252, 4 f.] quantulo minus
quam congesti frumenti pulverem vidimus? S. auch die Anm. zu I 1,10 nihil ampli-
us quam monstrat [S. 94]. Im Folgenden setzt man seit Müller Fragezeichen nach
absolvitur, vielleicht richtig; vgl. übrigens § 2 Exoremus te, mulier, ut iterum ab-
solvaris?
Contr. I 3 [Incesta de saxo] | 111

Hoc potius venit e.q.s.: Die Form hoc für huc (dazu vgl. ThlL 6/3,3072,60
ff.) findet sich auch II 3,8; 4,1; VII praef. 4; IX 6,4 u. 11; die Hss. schreiben oft
dafür huc. Die Form adhuc ist in I 8,6 und II 4,3 überliefert. Ich habe diese zwei-
fellos in α so geschriebenen Formen beibehalten, ob mit Recht oder nicht, lässt
sich schwerlich entscheiden.

6. ut ultionem... morer: Haupts [ap. Kiessling, vgl. danach Haupt 1876, 279]
morer verbis ist ansprechend, aber die Wortfolge etwas gesucht – was freilich
aus dem Streben nach einer Klausel erklärt werden könnte. Ich habe indessen
an dem in den meisten Ausgaben vorgezogenen morer festgehalten; es mag in α
in moreb verderbt worden sein, was dann als moreb' (morebus, moribus) aufge-
fasst wurde.
〈si〉 permittis, iam ab rea e.q.s.: »Wenn du es erlaubst, werde ich jetzt als
Ankläger zurücktreten; gehen wir (statt dessen) zu deinem Freispruch (d. h.
zum tarpeischen Felsen)«. Bursian und Kiessling lasen: permittitis iam abire
(Schott [in Faber et all. 1672, 689]) accusatori? *** recedamus ad usw. Müller
und Winterbottom bieten: permittitis iam abire? accusator recedo; eamus ad
usw., Bornecque permittitis iam ab rea accusator recedam; redeamus usw. Aber
absolutionem t u a m scheint mir zu zeigen, dass permittis (α) richtig ist. Der
Wortlaut ist natürlich etwas geschraubt.

7. demitti (»being lowered down«, Winterbottom), non cadere: Entweder ist α


hier interpoliert oder E ist, wie so oft, unzuverlässig. Wie Bursian und (zögernd)
Kiessling bin ich α gefolgt, denn cadere kann als lectio difficilior betrachtet wer-
den, da der Gegensatz zwischen demitti und cadere nicht so deutlich ist, wie
wenn man mit E deici liest. Petschenig [1888, 722] verglich § 11 cadere condidicit.

8. Utrum lex... deici [non] debeat: Thomas 1900, 281 f., der non beibehielt,
erklärte: tantum bezieht sich auf incesta, womit er VII 1,17 hominem tantum
verglich; etiam... non bedeutet laut ihm ne... quidem: »Utrum lex sit [...] de ea,
de qua tantum hoc pronuntiatum sit, incestam eam esse, [...] vel [„auch“,
„selbst“] de ea, quae deiciatur nec pereat; an etiam damnata (hoc est: etiam si
qua ut incesta damnata sit), si innocens post damnationem adparuit, deici non
debeat«. Dies hat, wie es scheint, Winterbottom überzeugt, der den Text unver-
ändert lässt (frühere Hrsgg. greifen derart in den Text ein, dass es sich nicht
lohnt, ihre verschiedenen Textgestaltungen hier zu erörtern). Aber utrum und
an korrespondieren, sodass wir eine Doppelfrage vor uns haben, und dann
müssen zwei einander entgegengestellte Alternativen vorliegen, die ich in
Thomas’ Erklärung nicht finden kann. Vielmehr glaube ich, dass etiam sich auf
112 | Kommentar

tantum bezieht (»ob nur... oder auch«), und dass die zwei Alternativen incesta
(= re vera incesta) bzw. damnata (sed innocens) sein müssen; vgl. decl. min.
299,1 utrum lex damnatum tantum parricidii an re vera parricidam prohibeat
sepeliri. Dann muss man mit Schott [in Faber et all. 1672, 689] non tilgen: »Ob
das Gesetz nur von einem (wirklich) unkeuschen Weib spricht, auch von einem
solchen, das hinabgestürzt wird, ohne zu sterben (und folglich wiederum hin-
abgestürzt werden soll), oder ob auch ein als unkeusch verurteiltes Weib, das
sich später als unschuldig zeigt, hinabgestürzt werden soll«. Vgl. auch X 6 [S.
330, 27 f.] Lex... non de damnato (sc. fure) tantum sed de fure loquitur.
et illa subiunxit: Hoffa (1909, 63) verteidigte illa, da Seneca »unius quae-
stionis partes […] neutri generis numero plurali significare solet, velut I 2,13 […]
in haec duo divisit.« Er hätte auch auf das folgende h a e c non tamquam particu-
las usw. hinweisen können.
etiamsi agunt, an singulorum agant: Otto [1888, 132] wollte etiam umstel-
len: si agunt, an etiam usw., aber der Text ist richtig; die Stellung des etiam
erklärt sich dadurch, dass die gedachte Antwort auf die vorhergehende Frage
negativ war.

9. qui〈dam〉 dixerunt: Da das vorhergehende hic color sich auf Fuscus’ Worte
bezieht (servata est... ut crudelius periret) und fere angibt, dass dieser color der
gewöhnliche war, ist Schultings [in Faber et all. 1672, Append., 98] quidam (statt
plerique oder dgl.) nicht ganz überzeugend. Möglicherweise quod (»was die
Tatsache betrifft, dass...«), mit Komma nach torqueretur. Ferner scheint mir illi
verdächtig; etwas besser wäre illi 〈et〉.
〈a〉 poena servatam... quam in poenam: Dies ergibt eine deutlichere Anti-
these als Gertz’ [ap. Müller] 〈contra〉 poenam (so die drei letzten Hrsgg.); Bursian
las 〈in〉 poena, Kiessling poena. Servare ab z. B. Plin. nat. VII 103.

10. tunc Germanici gener: »Noch als praetextatus war er schon als Gatte der
Julia Livilla, der jüngsten Tochter des Germanicus, in Aussicht genommen« (RE
24/1,987). tunc, wohl weil die Ehe nie zu Stande kam.
publici[um] voti preces: »Die Gebete des allgemeinen Wunsches«, die aus
dem Verlangen des Volkes stammten. Die Ausdrucksweise mag – im Unter-
schied zu Müllers Textgestaltung (publica vota 〈et〉) – ungewöhnlich sein; un-
möglich ist sie wohl doch nicht, und Bursians Vorschlag lässt so gut wie keine
andere Änderung zu, da -um natürlich aus dem folgenden uo- entstanden ist.
nam et ante posuisti e.q.s.: Dies muss wohl so gedeutet werden, wie Win-
terbottom übersetzt: »You used that image before, as well, by saying that she
Contr. I 3 [Incesta de saxo] | 113

too...«; man hätte aber eher so etwas erwartet, wie Bornecque (freilich wohl all-
zu frei) übersetzt: »Tu avais déjà préparé ta comparaison en disant que...«.

11. ut saxa reverberet. multum e.q.s.: Konitzers [1866, 11] reverberet inultum ist
verlockend (so Müller, Bornecque, Winterbottom), aber Opitz’ [1888a, 285] und
Nováks [1908, 117] (vgl. den App.) Verteidigung von multum ist beachtenswert,
und der durch inultum ausgedrückte Gedanke liegt schon in reverberet. Vgl. § 10
Cestius m u l t a contumeliose dixit in istam sententiam.
hoc est, quare ego e.q.s.: Die Stelle wurde von Hoffa (1909, 28 f.) wenigs-
tens zum Teil richtig interpretiert, sonst wird sie überall missverstanden. Wie
sämtliche Hrsgg. invitem aus den dett. in den Text setzen können, ist rätselhaft:
Wo findet man ein Beispiel für die Konstruktion invitare alqm i r e (ad alqd fa-
ciendum)? Der Sinn ist: Nach viel Kritik an Aietius (welche Kritik, wird nicht
zitiert) sagte Cestius: »Daran liegt es, dass ich meinen Zuhörern verbiete, andere
aufzusuchen und zu hören. Dieses Übel (= solche Dummheiten anhören zu
müssen) verursacht mir derjenige (= Albucius, qui illis diebus dixerat etc., und
von Aietius nachgeahmt wurde), der entweder als Athlet (vgl. Albucius’ durius
saxo) oder als schwindsüchtig auftritt«. Daraus ergibt sich, dass vetem notwen-
dig ist. Die Änderung mala ist vielleicht nicht unbedingt zwingend, aber male-
facere alci wird höchst selten (vorkl. und im Spätlat., vgl. ThlL 8,173,32 ff.) mit
einem Akk. (fast nur quid, quod) verbunden. Ferner ist wohl das Präs. facit als
iterativ gemeint: Cestius hat oft erleben müssen, wie das schlechte Beispiel von
Albucius (und wohl auch anderer) auf seine eigenen auditores eingewirkt hat;
dann ist der Plur. haec mala sehr am Platze.

12. damnatae veste: die als eine Art von Fallschirm diente; Winterbottom ver-
gleicht Apul. met. IV 35,4.
quia non potes bis mori, 〈semel morere!〉: »Weil du nicht zweimal ster-
ben kannst« (wie du es eigentlich verdient hättest, die du sowohl incesta als
auch gotteslästerlich bist – vgl. Hispanus’ ita putaveras u n a t e p o e n a etc.),
»stirb (wenigstens) einmal!«. Das passt zu Hispanus’ vorhergehender sententia
und stimmt anscheidend mit der Vorstellungswelt des Triarius überein, wie
seine Worte I 5,2 zeigen: Perieras, raptor, nisi bis perire meruisses (wo gleicher-
weise bis in vis verschrieben wurde, vgl. den App. z. St.). Von den Textgestal-
tungen der Hrsgg. überzeugt keine: Bursian las mit einer alten Ergänzung: quia
non potes, 〈non〉 vis mori, was mir ebenso merkwürdig dünkt wie die Überliefe-
rung, die Winterbottom unverändert beibehält. Kiessling und Bornecque lasen
mit Madvig [ap. Kiessling] quid? non potes bis mori?; ähnlich Müller, der quid in
numquid änderte. Im Folgenden ist die Wahl zwischen constituta in und constitit
in höchst unsicher.
114 | Kommentar

Contr. I 4 [Fortis sine manibus]


Argum. Die beiden Gesetze erörtert Bonner 1949, 119–122. Das erste kehrt in IX 1
und mehrmals in decl. min. (244, 284, 347 u. anderswo) wieder. Bonner ver-
gleicht dieses mit Catos Worten ap. Gell. X 23,5 in adulterio uxorem tuam si pre-
hendisses, sine iudicio impune necares; Hor. sat. I 2,41 ff. und II 7,61 f. estne
marito / matronae peccantis i n a m b o iusta potestas: »But the Lex Iulia de
Adulteriis (c. 17 B.C.) abolished the husband’s power to kill the wife, and limited
his power to kill the paramour to cases where the latter was infamis or inhones-
tus« [S. 120]. Für weitere Erörterungen (mit Lit.) vgl. Bonner a.a.O. Was das
zweite Gesetz betrifft, sagt er (S. 122): »If, indeed, the first adultery law repre-
sents the genuine legal position prior to the Lex Iulia, there is no reason why the
second one should not be equally old (always with a proviso that the son acts
under orders)«.

1. Ego te non abdicem? maluissem posse occidere: Man vermisst irgendeinen


Ausdruck des Wunsches (vellem posse Gertz [ap. Müller]), weshalb quem possem
(V und V2) nicht befriedigt. Zwar könnte man so etwas wie quem 〈utinam〉 pos-
sem schreiben, aber meine Textkonstitution steht der Überlieferung (= AB, denn
V ist hier offensichtlich interpoliert) deutlich näher; maluissem wurde vermut-
lich in mauissem verschrieben, dann entstand abdicamus aus abdicem mauis.
habeo manus: Vgl. § 10, wo Seneca Latros Worte etwas anders wiedergibt:
‘erratis, qui me putatis manus non habere.’ filium vocavi. Zum Ausdruck habeo
manus vgl. decl. mai. 6,9 [S. 119, 19]; 9,8 [S. 182, 6].

2. ad limen prosecutus sum: Bitter; statt sie zu töten kann er ihr nur Folge
leisten.
Deciderunt arma cum manibus. tunc primum e.q.s.: Vgl. Tac. ann. XIII
35,3 ita praeriguisse m a n u s , ut oneri adhaerentes truncis brachiis d e c i -
d e r e n t . Eine etwas merkwürdige Stelle, denn der Satz deciderunt... manibus
scheint zur descriptio pugnantis viri fortis zu gehören, aber der folgende Satz
muss wohl angesichts von Cestius’ Worten unmittelbar zuvor (... ut vir fortis
sentiret se manus perdidisse) auf den Zeitpunkt des Ehebruchs bezogen werden.
Da auch E die Reihenfolge der Sätze bestätigt, müssen wir wohl annehmen,
dass Seneca hier seine Exzerpte etwas ungenau zusammengestellt hat.
deprehensus ab adulteris meis: Statt eines zu erwartenden deprehendi
adulteros, vgl. Argum. Adulterum... qui deprenderit. Hagendahl (1936, 290 f.)
zieht als Vergleich decl. min. 291,6 heran.
Contr. I 4 [Fortis sine manibus] | 115

3. monstrat: Außer Bursian (der das rätselhafte portat behielt) lesen alle Hrsgg.
spectat (Gronovius [ap. Faber et all. 1672, 112]), was eine fast ebenso schwierige
Änderung ist wie monstrat, wodurch der Satz mit der folgenden Mahnung an
den Sohn in Verbindung gesetzt wird. Zur Verschreibung vgl. IX 1,13 mutavit
(Bursian): putavit die Hss. Ganz sicher ist monstrat natürlich nicht; von Winter-
feld (1895, 26) schlug portentum putat vor.
Ante patriae e.q.s.: Vor diesen Worten nehmen Kiessling, Müller und Bor-
necque aus E Folgendes auf: In bella non venit et, aber dies ist, wie u. a. Thomas
[1900, 180] bemerkte, sicher nur eine Erklärung der Worte Ante patriae.
quis enim illum non vindicet?: Ein Seitenhieb gegen den Sohn.
in civitate: Man könnte an in civitate 〈servata〉 oder in 〈hac〉 civitate denken.
Wegen der Wortstellung dachte ich auch an in acie virtute truncus, aber truncus
ist wohl nur der Antithese zuliebe dem Adj. integros gegenübergestellt.

4. 〈dimittitur,〉 inquam: Schultings [in Faber et all. 1672, Append., 101] Ergän-
zung ist anscheinend richtig. Das Verb wird nicht so sehr wegen des Nach-
drucks wiederholt, sondern um die Weiterentwicklung des ad suos möglich zu
machen. Gronovius [ap. Faber et all. 1672, 112] wollte (ohne Ergänzung) inquam
in utique ändern.
an et patrem: Mit Ausnahme von Winterbottom lesen die Hrsgg. an et 〈ad〉
patrem, vermutlich ohne Not. Thomas 1900, 101 wies auf X 1,12 hin: non tantum
in convicium sed periculum.
quos dimisisti sequere: Das überlieferte quos edemisisti (edi- A) quaere
geht sicher auf eine missverstandene Korrektur zurück, wie auch sonst hie und
da in dieser Überlieferung: Geschrieben war dimisisti quere (oder quaere), dann
wurde se (vermutlich am Rand) dazugeschrieben, aber vor di- (oder de-) statt
vor quere (quaere) eingetragen (wonach das s- vom vorhergehenden -s in quos
verschlungen wurde).

5. lex vetat: Im Gegenteil heißt es im Argum.: liceat adulterium in matre et filio


vindicare (vgl. hierzu Bonner 1949, 121 f.), aber Gallus mag einem Thema gefolgt
sein, wo nur das erste der beiden Gesetze erwähnt wurde; zu derartigen Abwei-
chungen von dem uns vorliegenden Argumentum vgl. die Anm. zu I 3 argum.
[S. 109], ferner zu § 8 liceat et marito… filio [S. 116].

6. cum maritus 〈in eo loco〉 non est: Man hat [non] 〈ab〉est (Schulting [in Faber
et all. 1672, Append., 102]), non 〈ad〉est (Ribbeck [ap. Kiessling]), non 〈pot〉est
(C.F.W. Müller [ap. Kiessling]) vorgeschlagen, aber »the repetitive style of these
indirect questions strongly suggests 〈in eo loco〉 non est, corresponding to the
116 | Kommentar

following in eo loco est« (Watt brieflich [vgl. 1988, 852]). Man beachte übrigens
die rätselhaften Verderbnisse des Verbums licere an dieser Stelle: Erst voverit
(votierit) für licuerit, dann habeat für liceat. Zwar sind wohl die Verbesserungen
von V beide Male sicher, aber wie diese Verschreibungen erklärt werden sollen,
ersehe ich nicht.
sua lege: Vgl. I 5,5 sua lege; 7,10 legem meam; III 5 mea (lex) (Watt [brief-
lich], der aber, wie Bornecque, geneigt ist, salva zu lesen).

7. Ciceronis: Winterbottom weist auf I praef. 12 und Bonner 1949, 30 hin. Die
gleich danach folgende Lücke wurde von Gertz [ap. Müller] so ausgefüllt: ter
con〈atus sum eam interficere, ter non potui〉; vielleicht genügt ter non 〈potui〉.

8. liceat et marito... filio: In α fehlt liceat et filio, in E liceat et patri. Die Fas-
sung in E stimmt somit mit dem Argumentum besser überein. Immerhin ist es
wegen tam multos notwendig, alle drei Glieder aufzunehmen, und vielleicht war
das im Gesetz, welches Albucius vorlag, etwas anders formuliert.
‘hoc’ inquam ‘putat e.q.s.: Die drei letzten Hrsgg. lesen putavit (so, aus pu-
tat, V, und im App. Kiessling), aber es ist nicht einzusehen, warum das Präs.
verdächtig sei.

9. adulteris... parricidis: Aus dem überlieferten adulteris... parricidiis ist es


wahrlich nicht leicht zu ersehen, ob adulteriis... parricidiis (so die Hrsgg. außer
Bursian, der die Frage offen lässt) oder adulteris... parricidis das Richtige ist.
Möglicherweise spricht der Plur. zugunsten der hier vorgezogenen Textkonstitu-
tion.

10. quo deprensi sunt adulteri 〈et〉 dimissi: Thomas (1900, 184) wollte nichts
ergänzen, sondern verglich II 5,13 defensus damnatus… docuit, aber die Stellung
des sunt (statt quo deprensi adulteri dimissi sunt) deutet darauf hin, dass de-
prensi sunt das Prädikat ist.
illius sententiae e.q.s.: Kiessling tilgte illius sententiae und behielt illi sen-
tentiam, spätere Hrsgg. folgen – wie ich – Konitzer [1864, 22 f.]. Unleugbar er-
gibt Kiesslings Tilgung eine natürlichere Wortstellung, aber illi sententiam dürf-
te eine am Rande zugeschriebene Korrektur des verderbten iniusse nuntiae sein.
Wer illius sententiae (denn so ist, mit Vahlen [1858, 550 = 1911, 634], natürlich
die Korruptel zu emendieren) streicht, muss damit rechnen, dass die Worte
infolge einer Antizipation in den Text gekommen sind. Dies wäre nicht unmög-
lich, aber da doch die Worte so korrupt sind, dass sie sehr leicht eine Korrektur
hervorlocken konnten, dünkt es mir wahrscheinlicher, dass wir hier das Ur-
Contr. I 4 [Fortis sine manibus] | 117

sprüngliche haben. Ferner ist, wenn sententiae kein Dativ ist und illius = Latro-
nis heißt, der Gen. mit contrariam als lectio difficilior anzusehen; vgl. ThlL
4,771,8–30 (Dativ); 30–36 (Genitiv).

11. pulchre dixit et nove 〈sen〉sum etsi ab omnibus bene dictum: Die Hrsgg.
lesen (nach Schulting [in Faber et all. 1672, Append., 104]) sumpsit ab omnibus
bene dicta, was nach nove schlecht passt (〈non〉 nove Haase [ap. Bursian], dann
Kiessling und Bornecque, wegen pulchre sicher verfehlt). Novák (1908, 118)
versuchte durch eine Ergänzung, 〈alioqui〉 sumpsit, die Logik zu verbessern.
Summers (1911, 21) verglich I 1,25 (Euctemon) dixit nove et amabiliter illum aeque
ab omnibus vexatum sensum – eine wichtige Parallele! – und stellte durch Kon-
jektur et nove sensum ab omnibus bene – oder paene – dictum her, was ich über-
nommen habe, mit einem logisch aus nove und methodisch aus dem überliefer-
ten -psit rekonstruierten etsi. Dass bene (nicht paene) richtig ist, ergibt sich aus
dem vorhergehenden Omnes a l i q u i d b e l l i dixerunt usw. Vgl. auch suas. 2,20
sensum bene dictum.

12. cum pugnantem se acie descripsisset: Schotts [in Faber et all. 1672, 691]
〈in〉 acie ist kaum nötig, vgl. Liv. VII 14,5; XLIV 39,3.

Contr. I 5 [Raptor duarum]


Argum. Das Gesetz kehrt wieder III 5; VII 8; VIII 6; Calp. Fl. 34; decl. min. 262;
270; 280; vgl. Bonners Erörterung (1949, 89–91).

1. Stupro accusatur, stupro defenditur: Der Sinn ist klar (vgl. Cestius’ Worte
unten: Alteram iniuriae rapuit, alteram patrocinio), aber im Hinblick auf stuprum
defendit in α mag der genaue Wortlaut unsicher erscheinen. Novák (1895, 300 f.)
meinte, dass stupro1 (die Hss.) und Müllers 〈de〉 stupra wahrscheinlich nicht
richtig sein können: »Es ist nämlich wohl zu beachten, dass Seneca die Verba
und Adjectiva des gerichtlichen Verfahrens mit Genetiv, und nicht mit de und
Abl. construiert, wenn das eigentliche Verbrechen oder Vergehen bezeichnet
wird«; und er verglich I 2,22; 3,6; II 1,34; 3,14 u. 16; 5,17; 6,5; VII praef. 9; 1,16, u.
a. Dagegen de moribus VII 2,2 und 9, weil mores eine vox media sei. Aber der
Abl. mit accusatur ist hier der rhetorisch wirksamen Konzinnität zuliebe ge-
wählt: Wenn Latro stupro defenditur zu sagen wünschte, lag ja der parallele
Ausdruck stupro accusatur auf der Hand. Ganz ähnlich bedient sich Cestius in
der oben zitierten sententia des ziemlich gekünstelten Dativs iniuriae, um einen
parallelen Ausdruck zum viel natürlicheren patrocinio zu bekommen. Kiessling
118 | Kommentar

las stupri accusatur, stuprum defendit, Winterbottom schreibt stuprum (Nom.)


accusatur, stuprum defendit, aber dann wird der Angeklagte selbst überhaupt
nicht erwähnt, was etwas schwerfällig ist, da er im nächsten Satz ohne weiteres
als Subj. eingeführt wird. Zur Ausdrucksweise im Allgemeinen vgl. II 3,4 Mor-
tem vitiatione meruit, accusatione deprecatur.
severitas surgat: So ist sicher zu lesen, trotz von Winterfeld [1895, 27], der
das überlieferte securitas surgit mit dem Hinweis verteidigte, dass publicae
disciplinae Gen. obi. zu securitas (im Sinne von neglegentia, despectus) gewor-
den sei; aber seine Parallelen (Plin. nat. VII 184 und Tac. ann. XV 18,4) sind
anders zu deuten.
non satiaverat: Das überlieferte fatigaverat (so Bursian, Kiessling) wäre
rhythmisch besser und vielleicht nicht undenkbar (vgl. etwa Sen. epist. 12,5
Quam dulce est cupiditates fatigasse ac reliquisse), aber satiaverat ist genau das
passende Wort.
habes qui te vindicet: Der Ausdruck ist verallgemeinernd und Fabers
[1587, 159 = 1672, 117] quae deswegen nicht nötig. In Wirklichkeit ist natürlich
das andere Mädchen gemeint.
〈ne〉 una quidem nocte: Die Ergänzung dürfte notwendig sein, vgl. z. B.
Sen. epist. 3,1 quia n o n soleas n e ipse q u i d e m etc.; mehrere Beispiele bei
Hofmann–Szantyr 19722, 803; Kühner–Stegmann 19765, II/2 54 ff. Eine mögliche
Ausnahme findet sich aber in decl. min. 287,3 nihil aliud egissem quidem = ne
aliud quidem quicquam egissem, vgl. Winterbottom z. St. [1984, 403].

2. caedatur diu: Vgl. II 3,10 hoc certe impetrem, ne diu moriar.


Subito fastidiosus raptor e.q.s.: Die Übersetzer sind sich nicht einig; Bor-
necque: »Tout à coup ce séducteur si vite dégoûté s’en vient et dit: „je ne veux
plus non plus du mariage“«. Winterbottom nimmt an, dass es sich um einen
zukünftigen raptor handelt: »Suddenly we find a choosy rapist saying: „Now I
don’t even want marriage“« (und er bemerkt: »The result of over-mildness with
the ravisher in this case«). Dies muss richtig sein, und iam heißt iam cum in
priore iudicio apparuit raptorem duas rapere posse nec tamen occidi.
dum te (sc. esse) puto: Warum sämtliche Hrsgg. puto misstrauen und peto
lesen, verstehe ich nicht; vgl. § 3 d u m p u t a t se in unam incidisse.
Retro amnes fluant et: Seit Kiessling lassen die Hrsgg. et aus, m. E. ohne
Anlass. Winterbottom vergleicht Ov. trist. I 8,1 f. in caput alta suum labentur ab
aequore retro / flumina, conversis solque recurret equis, »which may well be
related to Fuscus’ epigram«.
Contr. I 5 [Raptor duarum] | 119

4. si lege †ducere† debet: Die Konjekturen von Müller, Gertz und Winterbottom
(vgl. den App.) mögen dem Sinne nach das Richtige treffen, aber der Wortlaut
bleibt höchst unsicher, weil ducere aus der folgenden Zeile antizipiert sein
könnte (auch dort steht das Verb vor einem debet), und folglich dicere (V2) nicht
notwendigerweise richtig sein muss. Es kommt hinzu, dass lege (wie Winterbot-
tom [1974b, 27] meinte) aus dem Vorhergehenden (si legatus) versehentlich
wiederholt worden sein könnte. Möglicherweise sollte der ganze Satz si lege
ducere debet peribit getilgt werden.
atqui nil interest: Derselbe Ausdruck findet sich in IX 4,12 und X 5,16. atqui
taucht gern in der Divisio auf; wenn man von V 5 (nur E) und II 7,9 (S. 125,3 in
meiner Ausgabe, hoffnungslos verderbt) absieht, findet man bei Seneca 14 Fälle
von atqui, und von diesen begegnen uns 10 in der Divisio, nämlich: I 5,4 bis; II
1,19; II 3,14; ib. 16; IX 2,14; 4,12; X 4,11; 5,16 bis. Außerdem findet man atqui II
1,28; VII 3,10; 5,6; IX 2,9.

5. fuste ferietur: Liv. V 6,14 fustuarium meretur, qui signa relinquit aut praesidio
decedit.
si sacrilegium fecit, occidetur: Die Todesstrafe für sacrilegium wird auch
in VIII 1 vorausgesetzt (die mildere Variante in VIII 2 dürfte für gerade jenen Fall
speziell erfunden worden sein). Bonner (1949, 106) vergleicht u. a. Cic. leg. II 22;
Sen. ben. VII 7,1.
raptor licet a te servatus: Ob man, wie die drei letzten Hrsgg., Gertz’ [ap.
Müller] vel oder, wie Bursian und Kiessling, Haases [ap. Bursian] licet vorziehen
sollte, ist schwer zu entscheiden. licere wird bisweilen schwer entstellt, vgl. die
Anm. zu I 4,6 [S. 116].

6. quod †et† mihi: Statt et soll sicher ein Verb im Präs. oder Fut. stehen (red-
det? movet? fert? dat?). Die Hrsgg. (außer Bursian) lesen: n e c hoc tibi mea optio
praestat quod [et] mihi: 〈ex〉 occiso raptore invidiam. Woher nec herrührt, weiß
ich nicht; überliefert ist es jedenfalls nicht. Die Änderung von et mihi zu mihi: ex
stammt von C.F.W. Müller [ap. Kiessling] (Bursian las nec hoc usw. ohne Müllers
Änderung). Dass et mihi nicht richtig ist, scheint sicher zu sein, aber warum
ändert man das erste et? Außerdem zweifelte schon Schulting [in Faber et all.
1672, Append., 106] daran, dass man praestare invidiam sagen könne, und man
erwartet nach praestare eher einen positiven Begriff: »Meine Wahl gibt dir den
Vorteil, dass die invidia auf mich fällt«. Möglicherweise hatte aber Müller damit
Recht, dass ex vor occiso raptore zu ergänzen ist.
〈occidatur, me indignam, in cuius honorem〉: Wie Bursian habe ich (zö-
gernd) den Text einiger dett. (D und Vat. 5219) vorgezogen; die übrigen Hrsgg.
120 | Kommentar

folgen hier E. Laut Vervliets [1955, 208] (unpubliziertem) Stemma hängt D vom
Vat. 5219, diese Handschrift von V. Wenn das richtig ist, muss der Schreiber des
Vat. (wie derjenige von T) die Lücke bemerkt haben, und vielleicht hat er sie aus
irgendeiner zugänglichen Vorlage gefüllt, denn ganz von selbst hätte er sich
wohl kaum eine in methodischer Hinsicht so gelungene Ergänzung (mit Ausfall
von in cuius honorem bis zu demselben Ausdruck) ausgedacht. Wenn man die
Arbeitsweise des Exzerptors kennt, dünkt es wahrscheinlicher, dass die kleinen
Abweichungen in E von ihm stammen, als dass die im Vat. (und D) vorhandene
Fassung eine Variation von E ist – aber vgl. die folgende Anm.
eodem modo: Dies bezieht sich auf die vorhergehenden Worte ait quae
mortem optat usw. Winterbottoms Ergänzung [utrique, tibi servabitur] ist die
beste bisher vorgeschlagene Textkonstitution dieser unsicheren Stelle. In D und
im Vat. 5219 findet sich: morietur sed non mihi 〈servabitur sed tibi〉; die Stelle ist
allzu unbeholfen, um echt zu sein, und folglich als Interpolation zu beurteilen.
Zu morietur 〈utrique〉 vgI. § 7 utrique mori potest.
tractationem 〈fecit: neminem〉 non e.q.s.: Vielleicht genügt Bursians
quem; fecit kann aus dem Vorhergehenden erschlossen werden. Die Stelle bleibt
unsicher.
in optionem commodaret: Der überlieferte Abl. kann nicht gehalten wer-
den. Zwar fehlen auch vergleichbare Beispiele mit in (nur einige sehr späte Be-
lege in ThlL 3,1920,12 ff.), aber die gewöhnlichere Konstruktion ist commodare
ad.

7. utique debet mori: Das überlieferte utrique würde die folgenden Argumente
in merkwürdiger Weise antizipieren, und Bursians Emendation wird zu Recht
überall aufgenommen.
quod 〈quaeque〉 vult e.q.s.: Der genaue Wortlaut dieser Zeilen ist unsicher,
aber im Wesentlichen müssen die in den Text gesetzten Ergänzungen den Sinn
treffen. Die vielen Lücken in §§ 6 f. erwecken fast den Eindruck irgendeiner
mechanischen Beschädigung des Archetypus.

8. nam hunc morem e.q.s.: Ein affirmatives ne gibt es bei Seneca nicht, und es
würde in Or. obl. nicht leicht zur Verwendung kommen, ferner kaum vor hunc.
Das überlieferte ne beruht vermutlich auf Perseveration (n e exemplum usw.).
Wenn man hunc behält (hinc Schott [in Faber et all. 1672, 691]), muss perniciosis-
simum prädikativ gedeutet werden.
utra puella dignior sit, quae valeat: Die Überlieferung, sonst nur von
Bursian akzeptiert, ist richtig, wie die Gegenüberstellung von puella und raptor
(im nächsten Satz) zeigt. Auch in § 6 si non potest utriusque rata esse optio,
Contr. I 5 [Raptor duarum] | 121

u t r a , q u a e 〈 v a l e 〉 a t , dignior sit ist es nicht selbstverständlich, dass optio


und nicht puella zu utra suppliert werden soll. Die Verschiedenheit der Mäd-
chen bezüglich der dignitas liegt natürlich eben in der Verschiedenheit der opti-
ones. Müller und Winterbottom lesen utra optio, Bornecque utrius optio, aber
warum optio in puella übergehen könnte, leuchtet nicht ein. Wenn der Text
geändert werden sollte, wäre zweifellos Schultings [in Faber et all. 1672, Ap-
pend., 107], von Kiessling aufgenommenes utra puella 〈optio〉 vorzuziehen. Eine
Änderung in utrius wäre dabei nicht nötig, vgl. decl. min. 291,3 n u l l u s est tam
vilis h o m i n i s s a n g u i s , ut... Hier las Ritter [1884, 160] (nach Schulting [ap.
Burman 1720, 561]) nullius, aber Wahlén (1930, 30, Anm. 1) stützte nullus mit
Parallelen, und so liest es jetzt Winterbottom [1984, 408].

9. id etiam vindicandum: Seit Kiessling wird das überlieferte vindicandum


überall verschmäht, aber es ist richtig und bedeutet: »durch Argumentation
bewiesen zu werden«, vgl. die folgenden zwei Sätze und I 1,14: Gallio quaestio-
nem primam Latronis duplicavit sic... in priore parte hoc v i n d i c a v i t , non posse
filium ob id abdicari, quod esset suae potestatis. Latro meinte also, dass gewisse
Dinge nur angedeutet, nicht ausdrücklich behauptet werden sollten.
Cestius aiebat... argumentis: Bornecque und Winterbottom nehmen nach
diesen Worten keine Lücke an, aber man erwartet wenigstens etwas davon zu
hören, welche argumenta Cestius meinte. Fairweather (1970) wollte die Worte
hunc sensum... Carystius dixit bis nach Latros sententia am Ende der controversia
umstellen, damit der Zusammmenhang nicht lückenhaft erscheine, aber hunc
sensum braucht nichts mit dem Vorhergehenden zu tun zu haben.
ambulet in masculos: Schulting [in Faber et all. 1672, Append., 108]: »Su-
spicor fuisse, ambulet in masculos, ut obscenum sit, quod honesti tamen aliquid
innuat: quasi velit numero virorum adscribendum, qui ita fortiter fecerit«.

Contr. I 6 [Archipiratae filia]


Argum. iurare... ut: Dies und II 2 argum. sind die ältesten Belege für diese Kon-
struktion; hinzu kommt noch decl. min. 362, gleicherweise im Argum. (sonst nur
späte Belege). Die Argumenta – nicht nur in Seneca, sondern überhaupt – sind
von gewissen sprachlichen Eigentümlichkeiten gekennzeichnet und bilden
sozusagen eine Gattung für sich, die sich merkbar von den betroffenen Dekla-
mationen unterscheidet.
orba incidit: Zwar könnte man wegen §§ 5 und 7 auf orba 〈dives〉 bedacht
sein, andererseits mag der dort vorausgesetzte Reichtum der orba eine Erfin-
dung der Redner sein, wie diese dann und wann gewisse Züge willkürlich er-
122 | Kommentar

gänzen, oder das Thema lag in etwas verschiedenen Formen vor (S. die Anm. zu
I 2,5 [S. 101] u. 8 [S. 103]).

1. hospitio patris: »eines Vaters«; der Vater bereut, dass er das Mädchen über-
haupt empfangen hat.
bonae spei nurus: Bursian ließ das zweite spei aus, vielleicht zu Recht,
obwohl es in V und W vorhanden ist. Eine Interpolation lag ja angesichts von
bonae nurus so nahe, dass die Übereinstimmung von V und E wenig bedeutet.
Im Folgenden lesen Müller, Bornecque und Winterbottom vel captivum mit E:
»dies ist natürlich Interpolation, die wir nicht aufnehmen dürfen«, sagt Baeh-
rens (1912, 287), und in diesem Falle dürfte er Recht haben.
beneficia: »how your father-in-law helped you« (Winterbottom), aber das
Subst. mag sich ebenso gut auf die schon erwähnte, schlechte Behandlung des
Jünglings (captus in tenebris iacebam) ironisch beziehen, wie Bornecque zu
meinen scheint.
parricidium: Starker Ausdruck für die Handlungsweise der Piratentochter
(relicto patre im Argum.), den der Vater hier wörtlich auffasst und auf sich
selbst bezieht.

2. Iuli Bassi: Der Auszug aus Bassus’ Deklamation reicht bis § 7. So umfassende
Abschnitte kommen (von den Suasorien abgesehen) nur sehr selten vor; das
längste Zitat überhaupt bildet II 7, wo Seneca vermutlich eine ganze contro-
versia Latros wiedergab, die jetzt nicht mehr vollständig ist.
Hodie (vielleicht Hodieque) captivus essem: Ein Seitenhieb gegen den
Vater, der ihn nicht losgekauft hatte.
Ut dixi: ‘patrem habeo’ e.q.s.: Ein Seitenhieb gegen den Vater, vgl. Argum.
non redimebatur.
patres timuerunt: Der verallgemeinernde, rhetorische Plur. (vgl. Löfstedt
19422, 38 ff.) ist allzu gut, um eine Interpolation zu sein; der Plur. mildert gewis-
sermaßen den Vorwurf gegen den Vater. Ähnliche Plur. z. B. I 7,6 tyrannicidas
vestros; ib. 16 ne filii quidem patres alunt; II 1,1 ut... pater meus liberos (= me)
odisset; 3,5 leges ignoro; VII 1,12 in ea domo, in qua parricidia damnantur; suas.
3,2 propter adulteram fratris liberi (= Iphigenia) pereunt u. a.; vgl. Axelson 1967,
16 f.
[nisi corpus omnia vinculis]: Wie Winterbottom (1974b, 21) bemerkte, ist
dies ein Fall, »where V [füge hinzu: oder seine Vorlage] is caught out making an
addition of its own«; unter diesen antizipierten Worten fehlt (auch in V) mem-
bra, aber wenn die Worte später an richtiger Stelle wiederkehren, bietet V allein
membra, das somit nicht in α – und auch nicht in der Vorlage von α – vorhan-
Contr. I 6 [Archipiratae filia] | 123

den war. Da membra eine mögliche Ergänzung ist, mag es als eine gut gelunge-
ne Konjektur gelten, obgleich es auch in E zu finden ist. Zum Folgenden vgl. X
5,4 reductis introrsus oculis.
obtritas catenis... manus: Normal wäre attritas (E), aber dies ist, wie der
ThlL (9/2,278,73 ff.) es ausdrückt, »cum exaggeratione dictum de attritione gra-
vi«; wozu Amm. XIV 5,6 vinculis membra ingenuorum adfligens et quosdam o b -
t e r e n s m a n i c i s verglichen wird.

3. in illis… in illis: Für illis2 las Haase [ap. Müller] aliis, aber vgl. III praef. 9 f.;
X 4,3; ThlL 7/1,355,66 ff. mit weit. Lit. Ob Schotts [in Faber et all. 1672, 692] lau-
dabile est oder Castiglionis [1928, 105 f.] laudabile das Richtige ist, ist unmöglich
zu sagen.
si possent homines e.q.s.: Vgl. Hor. sat. I 6,93 ff.
sed quando non 〈pos〉sumus: Unsichere Stelle. Schulting [in Faber et all.
1672, Append., 110] verglich decl. min. 388,22 sortimur genus, non eligimus, nec
ante nos nostri arbitrii sumus. et nescio an maius sit facere genus (s. Winterbot-
toms Komm. z. St. [1984, 592]). Man hat diese Stelle als Stütze für das bei Seneca
überlieferte quamdiu non sumus herangezogen (Opitz 1888b, 43; Wiles [1922,
69]), und Bornecque und Winterbottom behalten die Überlieferung. Aber das
negativ formulierte nec ante nos nostri arbitrii sumus ist im Grunde keine inhalt-
liche Parallele zur Behauptung »Solange wir nicht existieren, leitet uns die Na-
tur«, die doch absurd ist: Die Worte natura nos regit setzen die Idee voraus, dass
der Mensch auch vor der Geburt sowieso existiert. Nováks [1913, 136] Ergänzung
nati (die vor natura leichter wäre) würde zwar eine verständliche Logik ergeben,
aber Wistrands 〈pos〉sumus (sc. facere nobis sortem nascendi) scheint mir über-
legen, doch kann quamdiu dann nicht gut gehalten werden, weshalb ich quando
geschrieben habe. Müller las mit Madvig [ap. Kiessling] quamdiu 〈nostri〉 non
sumus, Kiessling quoniam di non sumus, Bursian quoniam nos sumus.
〈in〉 quemcumque vult casum: Kiessling las quemcumque vult casum 〈in〉
quemque mittit, aber die in den dett. vorhandene Fassung passt besser zu natura
nos (nicht etwa casum) regit. Zum Ausdruck vgl. z. B. Cic. Att. VIII 1,3 quemcum-
que fors tulerit casum.
mittit. tunc: Das überlieferte mittitur tunc entstand vermutlich infolge fal-
scher Lesung des tunc als turic, wie n bisweilen als ri gelesen wurde (z. B. II 3,19
agon: agori AB). Winterbottom behält hic (»on this earth«) bei; Bursian und
Kiessling lasen hinc, aber das einzige einigermaßen vergleichbare Beispiel ist
(Pseudo-)Sen. Herc. Oet. 894 vinci Hercules c u m potuit, h i n c coepit mori. Alle
anderen Fälle von cum, welche sich auf hinc beziehen, sind (laut ThlL
124 | Kommentar

6/3,2806,43 ff.) erst spät; ferner geht überall der cum-Satz voran, wie an der
eben zitierten Stelle.

4. in VII his consulati〈bus〉: Nur aus paläographischen Gründen habe ich Gertz’
[ap. Müller] illis in his geändert (zu hic = ille im Sinne von notus vgl. ThlL 6/3,
2723,38 ff.).
sustulissent imagines: Etwas unsicher. Da es laut ThlL s.v. extollo
[5/2,2031,50 ff.] keine Parallele für ein exsustulissent gibt, müssen wir zwischen
extulissent (so alle Hrsgg. außer Bursian, der exsustulissent behielt) und sustu-
lissent die Wahl treffen. Winterbottom bemerkt, dass extulissent, das ja auch
von effero hergeleitet werden kann, an dieser Stelle Assoziationen an eine Be-
stattung weckt, aber dies hätte man ertragen können. Dazu kommt aber auch,
dass die Verderbnis leichter zu erklären ist, wenn man ex- als Dittographie auf-
fasst: hereditariesus- > hereditarieexsus-. Wer extulissent liest, muss mit einem
interpolierten -sus- rechnen.
illi ab aratro: II 1,8 ceteros patres nostros, quos apud aratra ipsa mirantes
decora sua circumstetere lictores. Bornecque vergleicht u. a. Flor. I 20,8 ille dic-
tator ab aratro (Cincinnatus); IV 4,4 qui ab aratro arcessebantur, ut consules fi-
erent.
revolve nobilem: Schulting [in Faber et all. 1672, Append., 111] verglich
dies mit Juv. 8,272 f. ut longe repetas longeque revolvas / nomen, ab infami gen-
tem deducis asylo.
nudi stetere colles e.q.s.: Haec quoque urbs olim nihil nisi nudi colles erant,
et iam nunc illa casa Romuli (vgl. II 1,5; ThlL 3,509,64 ff.) antiquam urbis humili-
tatem prae se ferens omnibus aliis Capitolii aedificiis nobilitate antecedit, licet hic
collis tot tantisque divitiis exornatus sit. So mag die Stelle paraphrasiert werden,
mit Schultings [in Faber et all. 1672, Append., 111] Ergänzung; vielleicht ist auch
sein 〈hi〉 richtig (so Müller, Bornecque, Winterbottom). Auch Bursians interque
〈haec〉 tam effusa moenia ist ansprechend. Vor nudi eine Lücke anzusetzen (so
Kiessling u. a.) scheint mir nicht nötig.
ostendunt; sed haec e.q.s.: Seit Kiessling liest man ostendunt et (mit Fra-
gezeichen nach surrexisse; ostendunt? sed Bursian), aber es ist wohl nicht not-
wendig, dies als Frage aufzufassen.

5. ista tamen est 〈dives〉: Vgl. im Folgenden omnes u x o r e s d i v i t e s servitu-


tem exigunt. Sämtliche Hrsgg. streichen est mit V2.
omnes uxores divites servitutem exigunt: Vgl. z. B. Plaut. Asin. 87 argen-
tum accepi, dote imperium perdidi; Aul. 54 f. u. ö.; Hor. carm. III 24,18; Juv. 6,224.
Contr. I 6 [Archipiratae filia] | 125

et tamen aecum est... quae mea non erit: »und freilich ist es billig, dass
sie Herrin des Hauses ist, das ja nicht mein Eigentum sein wird (sondern der
reichen orba gehören wird, die mit ihrem Geld die täglichen Ausgaben zahlen
wird)«. VgI. II 7,1 (die Worte eines Mannes, der seine eben sehr reich gewordene
Frau des Ehebruchs anklagt) ex ea domo ream protraho, in qua iam n i h i l m e -
u m est. So habe ich (nicht ganz ohne Zögern) geschrieben. Zum Wechsel ista
(gleich vorher, dann unten) – eam vgl. § 11 eam–eam–illam. possidere domum
heißt hier dasselbe wie z. B. Sen. Ag. 257 f. ultimum est nuptae malum / palam
mariti p o s s i d e n s paelex d o m u m (»queening it in her husband’s house«,
Miller [1917, 25]). Andere Vorschläge: eam 〈me〉 Haase [ap. Bursian]; possidere
domum quae 〈erum〉 me agnoverit Müller; quae me 〈dominum〉 agnoverit Bursian.
tunc est tormentum e.q.s.: Vgl. II 1,18 facile est, ubi non noveris divitias, es-
se pauperem.
multi duxere sine dotibus uxorem: Die Verderbnis haerem (AB) erklärt
sich vermutlich aus Haplographie: dotibusxorem; zur Verschreibung x/h vgl. I
1,20 detraxit: -trahit AB. Da die Überlieferung eindeutig auf den Sing. weist,
gebe ich, wie Bursian, uxorem den Vorzug, obgleich diese Lesart einiger später
Hss. nur Konjektur ist, und trotz der Tatsache, dass der Plur., wenn man das
Folgende liest, naheliegender wäre. Der Einwand, dass man entweder sine dote
uxorem oder sine dotibus uxores erwarte, ist kaum stichhaltig: multi mag den
Plur. sine dotibus veranlasst haben, duxere uxorem hingegen ist als feste Ver-
bindung davon unbeeinflusst geblieben. Müller und Bornecque wählen den
Plur., Kiessling schrieb mulieres. Winterbottom übernimmt einen ziemlich ge-
waltsamen Vorschlag von Gertz [ap. Müller]: multi uxores sine dotibus habuere.
emere quibus libertatem darent e.q.s.: Etwas gesuchte Anspielung auf die
vorhandene Situation: Die Seeräubertochter hat dem Jüngling seine Freiheit
gegeben, der Vater verlangt jetzt, dass er seine Freiheit ,verkaufe‘. Ebenso ge-
sucht ist die gezwungene Anpassung an den vorliegenden Fall im § 6 an mise-
ricors sit, an fortis sit (sc. uxor futura), Charakterzüge, die verliebten Männern
vermutlich selten am wichtigsten sind, die aber gerade in diesem Falle ent-
scheidend waren.

6. in alienas mortes diffundere: Soviel wie extendere in eorum etiam mortes,


qui nec propinqui nec (adhuc!) amici sunt.
ubi vero quaeret uxorem: Ich habe an ubi vero 〈vir〉 quaeret gedacht, aber
das Subjekt mag aus dem Vorhergehenden erschlossen werden.
an nupta sua se amet: »ob sie als seine Frau ihn lieben werde« (amet, wie
faciat, wohl mit Futurbedeutung, vgl. auch marito = marito futuro). Das gut
überlieferte an nuptias suas amet (»whether she loves the idea of marriage to
126 | Kommentar

him«, Winterbottom) mutet merkwürdig an und ist m. W. ohne Parallele – nur


zum Teil vergleichbar Stat. silv. I 2,94 f. iam, mater (= Venus), a m a t o s / indul-
ge t h a l a m o s (von der Vermählung Stellas und Violentillas und nach Ov. met.
IV 218 gebildet).
mala una: mali, velit des fleißig interpolierenden V2, der hier den wohlbe-
kannten Euphemismus si quid inciderit verkannt hat, ist ein deutliches Zeichen
dafür, wie vorsichtig man mit V2 umgehen muss. Beispiele finden sich oft, s.
zunächst § 7, wo die Verschreibung insotens in V für inpotens die Interpolation
insolens (V2) veranlasst hat und wo V2 bald nachher ein richtiges beati in beatae
verwandelt usw.
quoque, infelix: = et quo ibis, infelix? Sämtliche Hrsgg. tilgen das einhellig
überlieferte -que (Müllers Angabe, dass -que von V1 getilgt wurde, ist falsch),
aber warum sollte quoque nicht möglich sein?

7. utra magis dives est?: ThlL (5/1,1587,65) fasst magis dives als = ditior auf
(wozu keine Parallele zu existieren scheint), aber magis mag als potius verstan-
den werden.
quam dives et haec fuisset: Sc. si apud archipiratam illum patrem reman-
sisset, kaum wie Winterbottom übersetzt und erklärt: »how rich this one would
have been!« (»In the moral sense of riches«).

8. cum liberum cuique e.q.s.: vgl. decl. min. 257,5 mit Winterbottoms Komm. z.
St. [1984, 35].

9. †re illaē†: Bursian las re illa esse; Kiessling (dann auch Müller und Bornec-
que) 〈a pat〉re illam esse (ohne esse Bornecque); Winterbottom übernimmt Gertz’
[ap. Müller] arte illa. Madvig [ap. Müller] vermutete ratione filiae esse; vielleicht
ratione 〈illa〉 filiae?

10. quasi orba non esset: Ich habe diese Stelle 1986 erörtert [vgl. Håkanson
1984–1986, 175 f.]. Statt des überlieferten quamvis hätte Seneca eventuell wohl
etiamsi geschrieben, wie Kiessling im App. tatsächlich vorschlug, denn es wür-
de sich gegebenenfalls ja um einen i r r e a l e n hypothetischen Konzessivsatz
handeln. »Als ob es keine orba gegeben hätte, befürwortete er (nur), dass die
junge Frau verjagt werde«. quasi erklärt die Tempuswahl, und die Änderung ist
leicht.
omnes scholastici: Soviel wie ceteri omnes scholastici, vgl. Hofmann–
Szantyr 19722, 203 unten.
Contr. I 6 [Archipiratae filia] | 127

nolle se suspectum esse: Nach ne videretur (sc. puella) wäre das überlie-
ferte nolle se suspectam (sc. eam) esse nicht unmöglich, aber wie alle anderen
Hrsgg. habe ich Schotts [in Faber et all. 1672, 693] suspectum aufgenommen, da
es doch natürlicher ist, dass der Vater von sich selbst spricht.
*** illi iurasse: Gertz’ seit Müller überall aufgenommene Ergänzung 〈Iulius
Bassus ex altera parte hoc pressit, se〉 überzeugt nicht, vor allem weil der Ge-
danke u l t r o se (illi iurasse) fehlt; gerade dies muss gesagt werden, ne puella
videretur improbe ius iurandum e x e g i s s e , und dies dürfte das Einzige sein,
was wir mit Sicherheit supplieren können. Welcher Rhetorenname ausgefallen
ist, wage ich nicht zu erraten – und es ist ein ironischer Zufall, dass dieser Name
auch später (in Latros Worten) ausgefallen ist! Der Vorschlag Iulius Bassus
(Wachsmuth [1867, 5] u. a.) hat wegen der graphischen Ähnlichkeit mit illi iu-
rasse unleugbar eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Zum Dat. illi vgl. § 11 iurare...
relicturae.

11. dum sententiam parem illi captat: Bursian und Winterbottom behalten
puerilem, aber von Triarius hätte Seneca nicht, wie ich glaube, sagen wollen,
dass er einer kindlichen sententia nachstrebe; es handelt sich hier nicht etwa
um Murredius, dessen stultitia Seneca oft und gern demonstriert. Gerade wegen
captat ist eine Stelle wie VII 1,21 Cestius... p u e r i l i s e n s u colorem transcucur-
rit nicht vergleichbar. Auch Schultings [in Faber et all. 1672, Append., 113] pueri-
liter erweckt kein Vertrauen, denn das Streben nach sententiae an sich ist für
Seneca kaum ,kindlich‘. Weder Kiesslings virilem noch Gertz’ [ap. Müller], von
Müller und Bornecque aufgenommenes parilem (kaum bei Seneca denkbar)
überzeugen. parem illi ergibt den erwarteten Sinn (similem Novák 1913, 128),
und die Änderung ist leicht. Zur Wortstellung vgl. z. B. VII 5,11 (sententiam)
similem illi... dictam.
valde fieri 〈praescium (sc. iuvenem), si per〉... et iam iurasset: »dass der
Jüngling als sehr vorherwissend geschildert werde« usw. Außer Bursian (der
Korruptelzeichen setzt) akzeptieren die Hrsgg. Haases [ap. Kiessling] male dese-
ri hanc orbam (nunc statt hanc Bursian im App., danach Kiessling) und ergänzen
dann si (Kiessling) oder si per eam (Müller, Bornecque, Winterbottom). Aber das
ineptum liegt ja vielmehr in der Tatsache, dass der Jüngling bei der orba schon
damals nicht schwören konnte, von der er ja überhaupt noch nicht gehört hatte
– und wie könnte deseri hier passend sein? Er war ja noch nicht mit der orba
verheiratet. Inhaltlich viel besser ist, was Vahlen [1858, 552 = 1911, 636] vor-
schlug: valde 〈intempestivum futurum fuisse, si per〉 hanc orbam etc. Ich habe et
iam geschrieben, aber vielleicht ist etiam 〈tunc〉 das Richtige.
128 | Kommentar

Omnes honestam mentem puellae dederunt: Thomas’ [1880, 35] mentem


muss richtig sein, denn die Mutter der Seeräubertochter spielte allem Anschein
nach eine sehr unbedeutende Rolle bei allen Rhetoren, die über dieses Thema
sprachen; in Seneca wird sie nur einmal erwähnt, § 2 puto, ex aliqua nata cap-
tiva, was nicht darauf hindeutet, dass a l l e Rhetoren von einer honesta mater
geredet hätten.
omnes dixerunt eam 〈etiam〉 misericordia motam, non amore (sc. tan-
tum): »Alle sagten, dass sie auch von Mitleid, nicht nur von Liebe angetrieben
worden war«. So ist der Satz zu verstehen – denn Mitleid und Liebe schließen
einander nicht aus –, wie in Bornecques und Winterbottoms Übersetzungen;
vgl. § 2 talem quis a m a r e nisi m i s e r i c o r s posset? Was die – bisweilen nicht
besonders deutliche – Ellipse von tantum (solum) betrifft, verweise ich im App.
auf Axelson (1933, 62 f.), wo mehrere ähnliche Fälle, hie und da durch ein etiam
oder et erleichtert, angeführt werden, u. a. Sen. epist. 24,19 ut te iudices non aliis
(sc. tantum) scripsisse ista sed etiam tibi; decl. mai. 18,10 [S. 362, 15 f.] ad inces-
tum opus est, ut adamet et filius, non ut adametur (sc. tantum). Die letztgenannte
Stelle erinnert an unsere Stelle, mit vorangehendem et (vgl. das von mir ergänz-
te etiam) und der Ellipse von tantum nach vorangehendem non. Ich glaube näm-
lich, dass etiam nach eam ausfiel, worauf die nach dem folgenden eam fälsch-
lich hineingetragenen Worte etiam misericordia hinweisen; sonst wäre die Er-
gänzung von etiam an sich nicht unbedingt nötig: vgl. II 3,14 an agi cum patre
dementiae possit ob id quod fecerit (sc. tantum), non ob id (quoque) quod facturus
sit. qua in AB für das erste eam (V) ist vielleicht ein missverstandenes diakriti-
sches Zeichen, weil etiam (misericordia) am Rande hinzugeschrieben war und
dort hineingesetzt werden sollte, aber hinter das z w e i t e eam versetzt wurde.
Gleichzeitig wurde offenbar discessisse irgendwie aus dem Folgenden antizi-
piert, und (etiam) a (AV) ist wohl eine spätere Interpolation, welche durch
discessisse veranlasst wurde. Was omnes dixerunt betrifft, weist Winterbottom
auf § 9 (Latros color) hin, eine Stelle, welche Seneca hier vergessen zu haben
scheint.

12. corruere incendiis villas: Die Wahl zwischen der alten Konjektur comburi
(so sämtliche Hrsgg.) und Nováks [ap. Müller] conruere ist schwierig, aber viel-
leicht ist dies graphisch etwas leichter als jenes; weder bei comburi noch bei
corruere habe ich den Abl. incendiis (-dio) gefunden, aber beide Ausdrücke dürf-
ten möglich sein; eine dritte (bessere) Alternative gibt es kaum.
et Graeco: »Sehr leichtsinnig, auch für einen Griechen« (das Subst. Graecus
auch suas. 2,14). Vgl. Håkanson 1984–1986, 178 f. Weder Müllers ut Graeca noch
Thomas’ [1886, 62 f.] e Graecis (mit unnatürlicher Wortstellung) sind anspre-
Contr. I 6 [Archipiratae filia] | 129

chend. Winterbottom tilgt et Graeca. Wie leicht der Dat. Graeco an das Subst.
sententia angepasst werden konnte, versteht sich ohne Weiteres.
iuris iurandi vim: Das überlieferte iusiurandi ist kaum zu halten, ebenso-
wenig wie iusiurando X praef. 7; vgl. ThlL 7/2,702,51 ff.
καὶ παρὰ πειραταῖς πεπιστευμένον: Wie Winterbottom bemerkt, macht
Cicero, wenn er off. III 107 fides iuris iurandi erörtert, gerade für Piraten eine
Ausnahme: nam pirata non est ex perduellium numero definitus sed communis
hostis omnium; cum hoc nec fides debet nec ius iurandum esse commune.

Contr. I 7 [A piratis tyrannicida dimissus]


Argum. Zum Gesetz vgl. die Anm. zu I 1 argum. [S. 89]. Ein ähnliches Thema be-
gegnet uns in decl. mai. 5; vgl. auch ebd. 6 und 9.

1. in quam〈cumque〉 corporis partem: Wie Kiessling nehme ich C.F.W. Müllers


[1866, 494] quam〈cumque〉 auf; sein anderer Vorschlag, quam〈vis〉, wird seit
Müller überall vorgezogen, trotz Novák (1908, 254), der behauptete, dass es in
Seneca keinen sicheren Beleg für quivis gäbe. cumque konnte übrigens vor cor-
poris ebenso leicht wie vis ausfallen.
talem me dimittite: »i.e. unmutilated«, Winterbottom; besser »frei, nicht
gefesselt«, vgl. Argum. (vinciantur) und – einige Zeilen später – Non timeo, ne,
quas manus piratae solverunt, iudices alligent.
quod de fortuna queri possim [eum]: Die Tilgung von eum verbessert den
Rhythmus, und Müllers mea (so Bornecque, Winterbottom) ist entbehrlich. Ver-
mutlich ist eum Rest einer missverstandenen Korrektur von possem in possim
(etwa posseim).

2. tyrannum adulterumque, piratas: Wie Bursian und Kiessling behalte ich


diese in den letzten drei Ausgaben getilgten Worte. Man sollte nicht mit Haase
[ap. Kiessling] -que 〈et〉 lesen, denn tyrannum adulterumque bildet ein Paar (die
beiden Brüder), wozu piratas wegen des Satzrhythmus asyndetisch hinzugefügt
wird (Haases et zerstört den Rhythmus). Gerade diese Einzelheit, der gute
Rhythmus, der außerdem durch ein spezielles Stilmittel, das Asyndeton, ge-
wonnen wird, spricht für die Echtheit der Worte. Vgl. übrigens decl. mai. 9,12
[S. 186, 22 f.] pudet enumerare calamitatium mearum gradus: piratam, lanistam,
patrem.
quasi... viverent: Als ob auch die Seeräuber vom Tyrannenmord einen Vor-
teil hätten. Ganz umgekehrt Fuscus § 5: Causam meam tenui apud eos, qui nihil
debebant manibus meis.
130 | Kommentar

o felicem rem 〈publicam〉, quod... navigavi!: Bursians o muss richtig sein,


und quod vielleicht eine Antizipation. Statt sub isto (Gertz [ap. Müller]; subito
die Hss.) lesen sämtliche Hrsgg. sublato (Faber [1587, 159 = 1672, 127]); inimico
wird dann als = fratre adultero interpretiert, was mit dem Thema in Widerspruch
steht, dem zufolge der Tyrann zuerst getötet wurde. Dies kann nicht richtig sein:
Unmittelbar nach den Worten unum hostem (sc. patrem) inexorabilem habui
bezieht sich inimico sicher auf den Vater, und Gertz’ sub isto ist eine zwingende
Emendation: »dass ich nicht, da ich ja einen solchen Feind hatte, vor der Ty-
rannei hinwegsegelte« (denn es könnte verlockend gewesen sein, einem sol-
chen Vater zu entfliehen). Was sub betrifft, vgl. decl. min. 379,1 nec potuit latere
ante acta vita s u b e i u s m o d i i n i m i c o ; Mart. I 51,6 non potes h o c tenuis
praeda s u b h o s t e mori. Ähnlich Seneca selbst X 3,8 vide, an s u b h i s
e x e m p l i s patri fortius loqui liceat. Im Folgenden las Kiessling (dann auch
Müller, Bornecque) tyranni caedem statt tyrannidem, aber Winterbottom kehrt
mit Recht zur Überlieferung zurück: Wie Novák (1908, 251) hervorhob, hätte
man gegebenenfalls eher tyrannicidium bei Seneca erwartet – und warum über-
haupt ante tyrannidem (»before the tyrant came to power«, Winterbottom) ver-
derbt sein müsse, ist nicht einzusehen.
proiectus est: = cum insepultus abiectus est.
〈In〉 magnis sceleribus... intereunt: Vgl. decl. min. 280,9 quasi vero intersit
causae qua ratione ius interierit. Reblings [1868, 31] 〈In〉, das vor m- leicht ausfal-
len konnte, ist wohl richtig, denn der bloße Abl. (so Bursian, Kiessling) wäre
stilistisch eigenartig – und magnis sceleribus als Dativ aufzufassen scheint mir
unmöglich.
〈te〉 patrem e.q.s.: Bursians Ergänzung wird auch vom Satzrhythmus ge-
stützt. Im Folgenden begegnet uns ein Beispiel lückenhafter Überlieferung so-
wohl in α als auch in den Exzerpten, was von methodischem Interesse ist.

3. quaeris, unde habeam e.q.s.: Wie Haase [ap. Kiessling] (der 〈at misisti pira-
tis〉 supplieren wollte), Drechsler [1891, 21 f.] (〈piratae, quibus scripseras, remise-
runt me patri cum epistulis〉) und Gertz [ap. Müller] (〈dederunt mihi piratae, qui-
bus miseras〉) finde ich Cestius’ in der Überlieferung nicht beantwortete Frage
merkwürdig pointenlos und habe deshalb eine Ergänzung vorgenommen. Die
übrigen Hrsgg. akzeptieren die Überlieferung, wie sie ist.
Non habui pecuniam: »This seems a strange excuse, in view of the theme«,
bemerkt Winterbottom zu Recht. Der Vater mag aber (in einem von Seneca nicht
zitierten Teil aus Cestius’ Deklamation) verneint haben, dass er den Brief über-
haupt abgesandt habe; dann könnte er sich auch als arm darstellen. Vgl. § 4
‘Egens sum’.
Contr. I 7 [A piratis tyrannicida dimissus] | 131

Alere non possum: perdidi manus e.q.s.: Des Effekts wegen tut der Jüng-
ling vorläufig so, als ob der grausame Wunsch des Vaters wirklich erfüllt wor-
den sei.
ipsi se mihi: Ottos [1888, 132] ipsi, has mihi ist paläographisch einfacher,
aber ergibt eine etwas künstliche Wortstellung. Eben die Wortstellung scheint
mir übrigens zu zeigen, dass mihi nicht, wie die Hrsgg. meinen, zum Folgenden
gehört, denn warum sollte es dem cum-Satz vorangestellt sein? Auch habe ich
nicht mit den Hrsgg. aiebant mit pater iussit, sondern mit magnum facinus est
etc. verbunden.

4. ‘Egens sum’ inquit e.q.s.: Winterbottom übersetzt: »„I am in need“, he says.


You lie. Give me my father’s income figure«, dann meint er (wie Müller und
Bornecque), dass Quid ergo? etc. mit dem Vorhergehenden eng zusammen-
gehört (»The father speaks, after the son has seen the census-rating« [1974a,
I 155, Anm. 2]). Aber ist dies richtig? Der Vater sagt: Egens sum; dies stimmt mit
dem Argum. (patrem egentem non alit) überein – aber warum glaubt ihm der
Sohn nicht? Natürlich weil er weiß, dass sein Vater den Seeräubern eine sehr
große Geldsumme versprochen hat (die ja niemals ausgezahlt wurde). Sollten
wir dann wirklich die Fortsetzung so auffassen, dass der Sohn verlangt, die
Vermögensverhältnisse des Vaters genau kennenzulernen, und dann verdutzt
konstatieren muss, dass dieser die Wahrheit gesagt hat (woraufhin der Vater
triumphierend fragt: quid ergo? usw.)? Vielmehr ist es wohl so, dass mit Quid
ergo? eine n e u e sententia beginnt, die nichts mit dem Vorhergehenden zu tun
hat, und dass die Worte cedo – censum nicht wörtlich aufzufassen sind: »Ich bin
arm, sagt er; du lügst. Gib mir deine Taxation« = d e n B r i e f , in dem er ja zu-
gibt, dass er eine große Geldsumme besitze! Die Worte patris mei censum sind
somit die eigentliche Pointe der sententia (und was folgt, hat, wie gesagt, nichts
damit zu tun).
privato tyranno: D. h. der Ehebrecher, der nach dem Tyrannen mit dem-
selben, noch blutigen Schwert getötet wurde.

5. pro tyrannicida vestro pependistis: Bornecque: »Vous tous qui avez payé
[das praemium, vgl. z. B. IV 7 argum.] pour celui qui a tué votre tyran«. Winter-
bottom: »all those of you who were in suspense for your tyrant-killer«. Das Letz-
tere ist wohl richtig (pependistis also von pendēre), obgleich die Konstr. mit pro
mir sonst unbekannt ist (mit de Cic. Att. XVI 12). Zu pependistis vgl. auch die
folgende Anm.
optatis... perveniant: Müller, Bornecque und Winterbottom lesen
optastis... pervenirent. optastis ist eine sehr leichte Änderung, aber wenn die
132 | Kommentar

Konjektur pervenirent noch dazukommt (und sie wäre wohl notwendig, trotz
Kiessling, der optastis... perveniant schrieb), liegen die Dinge anders. Die beiden
Präs. sind vermutlich richtig, denn sie beziehen sich auf die Situation, in der die
Rede gehalten wird: Der Jüngling stellt sich, als ob die Zuhörer jetzt zum ersten
Mal vom Briefe erfahren und eifrig zu hören wünschen, dass er den Adressaten
erreicht hat. Folglich bezieht sich auch pependistis auf die narratio des Jüng-
lings, nicht auf die Zeit, als dies wirklich geschah; also »who have been in sus-
pense« sc. während meiner Erzählung, wenn wir Winterbottoms Worte verwen-
den.
Quid mirum, si non putaverant e.q.s.: Das Plusquamperfekt (irreal) finde
ich notwendig, da ja die Seeräuber das Angebot des Vaters wirklich als turpe
beurteilten; vgl. § 6 eius crudelitatis emptor, cuius nec pirata venditor est; ib.
dixerunt (piratae): ‘indica patri tuo non omnia piratas vendere’. Aber es könnte
sehr gut anders verlaufen sein, meint der Jüngling, und er sei einem großen
Risiko ausgesetzt worden.
Hoc prorsus fabulis e.q.s.: Eine etwas unsichere Stelle. Ich verstehe fabulis
als Dat. mit deerat (denn es gibt einen innigen Zusammenhang zwischen fabulis
und narretur), repleto... saeculo als Abl. abs. Ganz anders Hagendahl (1936,
310 f.), der folgendermaßen übersetzt: »diesem von unseren Verbrechen [Ha-
gendahl liest nostris] erfüllten Zeitalter fehlte es durchaus nur zu seinem üblen
Rufe, dass« usw., d. h. fabulis ist ihm zufolge Dat. finalis und habe daher ad
fabulas in E inspiriert. Nur Bursian behält die Überlieferung; Kiessling und Bor-
necque lesen fabulosum, Müller 〈ex〉 fabulis (nach Schenkl [ap. Müller]), Winter-
bottom ad fabulas (E). Außerdem ändern Müller und Bornecque unnötigerweise
nostris in novis (nach Köhler [ap. Müller]). Zu ut narretur aliquis s. die Anm. zu
I 2,2 ut templa recipiant [S. 99 f.]; sämtliche Hrsgg. außer Bursian lesen mit E
narraretur.

6. verum confitendum: Ist verum eine Konjunktion (so Winterbottom) oder ein
Akk. Neutr. (so Bornecque)? Genau dasselbe Problem findet sich in decl. min.
319,7 verum confitendum est: ego occidi. An beiden Stellen haben wir es, glaube
ich, mit dem Akk. Neutr. zu tun; vgl. ferner Curt. VI 11,21 vera confessis; Plin.
nat. XVIII 35 verumque confitentibus.
cuilibet (= cuilibet alii) tu vinciendas trade: Mit Gertz [ap. Müller] ändert
man seit Müller tu in alii; aber bei einem Imperativ findet man nicht selten ein
derartiges tu (bei Seneca z. B. § 9 t u mecum alimenta p a r t i r e ), vgl. Hofmann–
Szantyr 19722, 173 (unten). Der Begriff alii soll im Gedanken suppliert werden,
wie z. B. in decl. min. 305,18 qui dolor miserorum, quod q u e m q u a m (= quem-
quam alium) vulnerarent isto praesente; Luc. I 31 nulli… ferro (= nulli alii ferro),
Contr. I 7 [A piratis tyrannicida dimissus] | 133

wozu Wuilleumier–Le Bonniec [1962, 20] I 82; 93; 626 vergleichen. Bursian und
Kiessling tilgten tu.
quomodo 〈qui〉 voluit praecidere: Vgl. I 2,11 s i c istam servaverunt piratae,
q u e m a d m o d u m q u i lenoni essent vendituri; Cic. Verr. II 4,35 iussit Timarchi-
dem aestimare argentum, q u o m o d o q u i umquam tenuissime in donationem
histrionum aestimavit; Sen. epist. 4,5 (vitam) quam multi s i c complectuntur et
tenent, q u o m o d o q u i aqua torrente rapiuntur spinas et aspera. Außer Bursian
(voluit, praecidet) schreiben die Hrsgg. mit Gronovius [ap. Faber et all. 1672, 129]
solvit: praecidet, aber die doppelte Änderung befriedigt nicht: Der Vater hat ei-
gentlich nicht die Hände seines Sohnes ,gelöst‘.

8. fame moriar: Eine Andeutung, dass der Sohn gegebenenfalls zu einem par-
ricidium bereit sei. Vgl. einige Zeilen später alium qui patrem (posset opprimere).
variis generibus... furentia: Hoffnungslos verderbt; die Paraphrase in E
deutet darauf hin, dass die Stelle schon dem Exzerptor korrupt vorlag. Seit
Kiessling ändert man iudicia zu iudices, aber die Stellung eines Vokativs als
vorletztes Wort erweckt kein Vertrauen; man hätte dann peperit mihi, iudices,
tria etc. oder Ähnliches erwartet.

9. [magnā omnia sunt]: Haases [ap. Kiessling] Vermutung, dass diese Worte
irgendwie aus I 8,2 hierher geraten sind, ist wahrscheinlich richtig. Da dort
omina in oma (omnia) verdorben ist (s. den App. z. St.), handelt es sich vielleicht
um eine Randkorrektur, die sich irgendwie (von der einen Spalte des Papyrus
zur anderen?) verirrt hat. Die drei letzten Hrsgg. schreiben (mit Gertz [ap. Mül-
ler; vgl. schon Bursian]) magna mihi omnia sunt, wie Gertz gern Ergänzungen
einzelner Wörter vornahm. Ähnliche Fälle, wo ein Satz weit weg von seiner
ursprünglichen Umgebung in etwas rätselhafter Weise auftaucht, finden wir in
II 1,1 (vgl. den App. zu quid faciam e.q.s. und Dives... commodari recuso); ib. 4 (s.
den App. zu corruentium e.q.s.).
emeritam hanc pau〈perta〉tem: = me pauperem et fessum senem (zum
abstractum pro persona vgl. Wahlén 1930, 186 ff.; Englund 1934, 15 ff.). Ange-
sichts der überlieferten Lesart etmortuam könnte man an emortuam (aetate
confectam, fessam) denken, aber in diesem Sinne kommt emortuus, wie es
scheint, nur im Spätlat. vor (ThlL 5/2,525,24 ff.). Bursian [1869, 8] schlug semi-
mortuam hanc faciem vor, was dann alle Hrsgg. akzeptierten außer Bornecque
(semimortuam hanc partem, »cette partie à demi-morte«, nach Bursian und
Novák 1908, 125). Semimortuus ist aber ein höchst seltenes Adj. (m. W. nur Ca-
tull. 50,15; Apul. met. I 14,2 u. VI 26,8), ferner ist facies ein etwas eigenartiges
Subjekt zu spirat bzw. extingui potest. Nach rugas, auf hohes Alter hindeutend,
134 | Kommentar

passt emeritam gut, vgl. Prud. c. Symm. II 1084 (anus) transfert e m e r i t a s ad


fulchra iugalia r u g a s . Bezüglich paupertatem (das, wenn es richtig ist, durch
eine Art Haplographie in partem überging) bin ich etwas zögernd, denn ganz
ausgeschlossen ist es vielleicht nicht, dass partem (»dies Überbleibsel eines
Menschen« oder dgl.) tatsächlich richtig sein kann; vgl. decl. min. 306,4 fatigati
coporis p a r t e m , laut Winterbottom z. St. [1984, 440] freilich als »sexual« zu
verstehen, was mir unwahrscheinlich dünkt.
quia extingui non potest: D. h.: Das Gesetz zwingt den Sohn, seinen Vater
zu nähren; dieser kann nicht fame extinctus werden. Zu exure vgl. II 5,5 scissum
corpus flagellis, 〈igne〉 e x u s t u m .
vulnere mori: was besser sei als fame mori.

10. tu lucem non videbas e.q.s.: D. h. wegen der Finsternis im Gefängnis; vgl.
z. B. decl. mai. 6,18 [S. 129, 16 f.] solae in carcere tenebrae iuvabant, sagt ein von
Piraten Gefangengenommener. Dass ein vom Schicksal schwer betroffener
Mensch lucem odit, ist bekanntlich eine überaus gewöhnliche Vorstellung (z. B.
decl. mai. 10,9 [S. 208, 18 f.] mulier... dulcium oblita tenebrarum etc.; Apul. met.
IV 35,3 u. ö.).
licet alliges et alas: Wenn dies richtig ist, sind beide Konjunktive von licet
abhängig. Winterbottom deutet et = etiam, die übrigen Hrsgg. lesen set (sed)
(Bursian, Kiessling) oder at (Müller, Bornecque). Selbst habe ich an ut alas (sti-
pulativ: Hofmann–Szantyr 19722, 641) sowie an [et] alas gedacht, aber die Über-
lieferung mag richtig sein.

11. dixit legem hanc... sine lege ali: Vgl. decl. mai. 5,8 [S. 92, 10 f.] bonum pa-
trem filius alat, lex malum.
an alendus sit, qui filium e.q.s.: Da der überlieferte quod-Satz am natür-
lichsten als kausal, wie §§ 12 u. 13, aufgefasst wird, muss man, wie ich glaube,
entweder mit Karsten [1881b, 37] an 〈non〉… quod oder mit Boot [ap. Karsten]
an... qui lesen; wie Bornecque habe ich wegen der Parallele in § 12 (an, qui non
redemit filium, non possit ab eo alimenta petere) qui vorgezogen.

13. cum dicerent non debere e.q.s.: Seit Kiessling lesen die Hrsgg. diceret; der
Grund dieser Änderung ist mir ganz verborgen.
habet quod apponat: Winterbottom: »He has something to set against
that«, d.h. apponat erhält den in OLD2 s.v. appono (1d) verzeichneten Sinn, der
einem opponam nahekommt. Besser ist es wohl, OLD2 ib. (6) zu beachten: »to
contribute as an additional element, add (to)«; »il y a une compensation« (Bor-
necque).
Contr. I 7 [A piratis tyrannicida dimissus] | 135

14. quod fratrem... occidisset: sc. adulterum fratrem.


cruen〈ta〉tas... manus: Castiglioni (1928, 108) verteidigte cruentas in den
Hss. als = cruentatas mit Hinweis u. a. auf I 8,2 quousque cruentus vives?, aber
dieser Gebrauch von cruentus ist nur dann möglich, wenn es sich um d a s R e -
s u l t a t der Verbalhandlung handelt; hier brauchen wir wegen in conspectu
patris unbedingt das Partizip, weil sich das Adverb ja auf die Verbalhandlung
selbst bezieht.
denique nec praeciderunt: Vgl. z. B. suas. 1,5 denique... ipsa suasoria inso-
lentiam eius coarguit.
alimenta accipiens illis manibus: Baehrens (1912, 365) verteidigte die
Überlieferung gegen die Ergänzungen 〈ab〉 (so die Hrsgg. seit Kiessling) und 〈ex〉
mit Hinweis auf eine Tertullianstelle, aber wichtiger ist eine Stelle in d i e s e m
Text, IV 5 quidquid meis manibus acceperas (wo niemand etwas ergänzt).
quod aiebat e.q.s.: Auch I 8,15 berichtet Fuscus, wie sein Lehrer einen
Homervers zitierte.
〈in〉 Priamo dictum: Müller verglich IX 2,24 u. 27 in Flaminino; X 5,13 in
Parrhasio; suas. 1,15 〈in〉 navigante Germanico.

15. si negasset iratum fuisse: Die schon in den dett., dann auch von Bursian
vorgenommene Ergänzung des Subjektsakkusativs se dürfte verfehlt sein; vgl.
die folgenden Fälle eines ausgelassenen Subjektsakkusativs: II 1,19 dico... recte
tamen recusasse; 6,6 quare potius significet quam dicat frugi esse?; VII 7,16 Va-
rius Geminus dixit maluisse solum ire; X 5,18 dixit enim senem... emisse; suas. 3,3
deinde dixit, etiamsi non immolasset, navigaturum. Zwar wäre es sehr leicht, z. B.
mit Müller X 5,18 〈se〉 senem zu lesen, aber die eben erwähnten Ellipsen stützen
einander.

16. 〈longe〉 alio colore [longe]: Bursian und Kiessling behielten die Überliefe-
rung bei, aber die Wortstellung ist kaum annehmbar. Ob aber Gertz’ [ap. Müller]
von mir in den Text gesetzter Vorschlag oder Thomas’ [1886, 57] colore 〈longe〉
alio (so die drei letzten Hrsgg.) das Richtige ist, ist unmöglich zu entscheiden.
volui efficere... futurum dimitterent: Möglicherweise ist Bursians, von AB
(et ut) ausgehendes ut et richtig. non illum redimi wurde von Kiessling beibehal-
ten. Bursian tilgte non, aber der Inf. Präs. fällt auf; sonst könnte man an illum
omnino redimi denken. Was posse illum redimi (E, Müller, Bornecque, Winter-
bottom) betrifft, so wird zwar beim (Akk. mit) Inf. nach desperare das Verb pos-
se gern verwendet (vgl. ThlL 5/1,741,44 ff.), aber erstens scheint mir posse gera-
de bei redimi nicht ganz passend, weil der Agens des redimi der Vater ist, nicht
die Piraten selbst, zweitens bleibt es ganz rätselhaft, wie posse in non überge-
136 | Kommentar

hen könnte. Deshalb habe ich das Korruptelzeichen vorgezogen. Vielleicht ist
vor non etwas ausgefallen. Für das überlieferte et cum ist Bursians et sumptui
wohl das beste bisher Vorgeschlagene. Watt [brieflich] schlägt zögernd superva-
cuum secum futurum vor. Müllers Tilgung (so auch Winterbottom) hat zwar viel
für sich, aber um eine triviale Dittographie handelt es sich wohl hier nicht, denn
warum dann et? Linde [1888, 762] vermutete supervacuum etiam, Otto [1888, 32]
supervacuum et molestum (so auch Bornecque), Summers [1911, 23] supervacuum
et gravem. supervacuum hat hier den Nebensinn molestum, gravem, adversum,
wie z. B. VII 5,5 mihi supervacuum erat (lumen), ne instrumento parricidi detege-
rem parricidium.
interim: Das Wort passt hier so gut, dass E offenbar das Richtige bietet; in-
terim wurde wohl in α übersprungen.

17. quod occupat〈urum arcem〉 e.q.s: Da es ziemlich gekünstelt wäre, zu be-


haupten, dass der Jüngling nicht gewusst hätte, dass sein Bruder sich zum Ty-
rannen gemacht hatte, verstehe ich ignorasset als = non curasset, denn der Vater
konnte sehr gut behaupten, dass der Jüngling schon vorher von der künftigen
Machtübernahme gewusst, dies aber ignoriert oder gar verheimlicht habe, also
im Grunde mitschuldig sei. Ein solches Verhältnis wird auch im § 8 angedeutet:
Habebat iste nescioquam uxorem, q u a m i n a r c e c o g n o v e r a t . Zu com-
mendationem detraheret vgl. I 6,9 u. 10. Trotzdem bleibt natürlich eine so kor-
rupte Stelle wie diese etwas unsicher.
sed puta e.q.s.: Winterbottoms [brieflich] puta ist m. E. evident: »Nehmen
wir aber an, dass« usw. Dann richtet sich der Anwalt direkt an den Vater: »Wa-
rum hast du geschrieben?«. scripsisti ist eine leichte Änderung des überlieferten
scripsisse; der umgekehrte Fehler begegnet uns in decl. mai. 12,23 [S. 257, 13 f.]
nec laborasse (scripsi [1976b, 133]: laborasti die Hss.), tamquam nimium onustas,
naves simulaveris; duplum adferre poterant.

18. panem... non das: Die Hrsgg. (außer Bursian) verstehen dies als Frage,
vielleicht richtig. Vgl. Quint. VIII 3,22 laudarique me puero solebat ‘da patri pa-
nem’ et in eodem ‘etiam canem pascis’.
Contr. I 8 [Ter fortis] | 137

Contr. I 8 [Ter fortis]


Argum. Bonner (1949, 88 f.) meint, sicher zu Recht, dass dieses Gesetz (auch
Calp. Fl. 15) sowie das verwandte Gesetz VIII 5 u. X 2 eine Fiktion der Schule ist:
»even though rewards and vacatio militiae were common enough in Rome, they
would certainly not have given rise to the kind of litigation the declaimers en-
visage«.

1. iam non viderem filium: Vgl. Silo Pompeius § 3.


Obicitur mihi, quod... oderit: Seit Müller setzt man nach oderit ein Frage-
zeichen, wohl kaum zu Recht; derartige Fälle sind indessen oft schwer zu ent-
scheiden.

2. hortari possum: Ein typisches Beispiel der Unzuverlässigkeit von V, dessen


morari posco nur eine schlechte Interpolation ist (vgl. den App.).
cubili: Petschenigs [1888, 722] und Opitz’ [1889, 71] Verbesserung wird nur
von Bornecque aufgenommen, die übrigen Hrsgg. lesen cubiculo mit V2; aber
cubiculum im Sinne von cubile ist vor Apuleius nicht belegt. Im Übrigen ist cubili
in paläographischer Hinsicht eine ebenso leichte Änderung des überlieferten
cubiculi.

3. Quid fatigatae felicitati molestus es?: Ähnliche Gedanken finden sich oft,
vgl. z. B. Luc. V 695 quid numina lassas?; ib. II 727; IX 890; Stat. silv. V 3,144 f.;
Plin. pan. 61,10; decl. mai. 17,12 [S. 342, 23 f.] und Sen. selbst VII 3,10. Keine von
diesen Stellen hilft uns aber, zwischen Madvigs [ap. Kiessling] und C.F.W. Mül-
lers [ap. Müller] quid fatigante felicitatem molestius est? (so Kiessling, Müller,
Winterbottom) und fatigatae felicitati molestus es (V) die Wahl zu treffen. Wie
Novák 1913, 140 f. glaube ich jedoch, dass V hier Recht hat, sei es infolge einer
bloßen Konjektur oder nicht. Novák verglich II 3,4 quid ergo mihi molestus es
und einige andere, ziemlich belanglose Stellen. M. E. ist der wichtigste Um-
stand, dass man ja erwartet, dass die beiden anaphorischen quid denselben
Sinn haben. Außerdem wird der Rhythmus mit der Fassung von V besser.
eiciaris: sc. mortuus.
nisi per cicatricem: Winterbottom vergleicht Sen. dial. XII 15,4 per ipsas
cicatrices percussa es.

4. Ex altera parte e.q.s: Im Text habe ich mich damit begnügt, den zusammen-
hangslosen Stand der Überlieferung klar zu machen, aber ich hege den Ver-
dacht, dass Ter fortiter und certe pugnare abdicatis licet im Archetypus am Ran-
de geschrieben waren, weil nach laboravi der Text lückenhaft und verstümmelt
138 | Kommentar

war. Vielleicht ist das ganze Stück so zu restituieren: Ex altera parte. ALBVCI SILI.
Quis hic subitus insonuit tumultus? numquid imperator vocat? venio. Plurimum in
prima acie laboravi, ter fortiter 〈feci〉; pudet me, ter victi militant! Certe pugnare
abdicatis licet. Man glaubt ja einen Zusammenhang zwischen ter fortiter und ter
victi militant zu erahnen. Außerdem sind die Worte Plurimum... laboravi sonst
kaum verständlich.
Senator post sexagesimum e.q.s.: Vgl. decl. min. 306,16 non perpetuo se-
natorem citat consul; est sua legationibus requies. cum hos habueris annos, iam
non militabis (mit Winterbottom 1984, 442 f.).
cui necessitas iniungitur: Bursian, Bornecque und Winterbottom lesen
iungitur mit α. Unleugbar ist iniungitur (E) in rhythmischer Hinsicht schlechter,
wie Novák (1908, 126) hervorhob, aber gerade im vorliegenden Fall spricht die-
ser Umstand eher dafür, dass der Exzerptor n i c h t interpoliert hat; die Ände-
rungen der Vorlage in E sind im Gegenteil öfters genau dazu geeignet, den
Rhythmus zu verbessern, wie Hagendahl (1936, 301–305) gezeigt hat. Außerdem
würde die Versuchung, ein leichtverständliches iungitur überhaupt zu ändern,
sehr gering sein. Es ist demnach wahrscheinlicher, dass in- in α ausgefallen ist,
wie z. B. II 1,11 (von Müller herangezogen): quod tantum malum huic uni generi
vel fato vel forte 〈in〉iunctum (korr. Gronovius [ap. Faber et all. 1672, 153])?
Pareo illi patri e.q.s.: Die drei letzten Hrsgg. lesen mit Schott [in Faber et
all. 1672, 695] pareo tibi, pater, aber es besteht ein inhaltlicher Zusammenhang
zwischen pareo illi patri, qui... dicebas und dem Satz ad haec n o v a e t d i v e r -
s a i m p e r i a subito me circumagi putas posse?, »Ich gehorche dem Vater, der
du einstmals warst (zu ille = ὁ τότε vgl. ThlL 7/1,347,48 ff.), als du sagtest« usw.
Es dünkt höchst unwahrscheinlich, dass illi patri aus tibi, pater verdorben sein
soll. Was die 2. Person im Relativsatz betrifft, vgl. Cic. Flacc. 102 o Nonae i l l a e
Decembres, q u a e me consule f u i s t i s ! Zur Sache vgl. X 2,12 cogitavi non quid
imperares, sed quid praecepisses etc. Vergleichbar ist auch I 4,1 i l l e onustus
modo hostilibus spoliis v i r m i l i t a r i s adulteris meis tantum m a l e d i x i .

5. Crede mihi, pater, non sum mei iuris e.q.s.: Vgl. die sehr ähnlichen Aus-
führungen des Sohnes in decl. mai. 4,20 [S. 82, 13 ff.] denuntio tibi, pater etc.
gladio diducere: Es ist etwas erstaunlich, dass man so lange am Plur. gla-
diis festgehalten hat; der Jüngling spricht nur von sich selbst, und ein verallge-
meinernder Plur. von demjenigen Typus, der in der Anm. zu I 6,2 erörtert wird
[S. 122], ist ja von einem Subst. wie gladius nicht denkbar. Vielleicht stammt die
Endung -diis aus einer missverstandenen Korrektur von deducere (so die Hss.),
etwa di(s)?
Contr. I 8 [Ter fortis] | 139

propter hunc me… diligis: Wachsmuths [1867, 7 f.] hunc ist sowohl in logi-
scher als auch in stilistischer Hinsicht dem überlieferten Neutr. überlegen, aber
ganz unmöglich ist es doch nicht, dass hoc tatsächlich richtig ist, indem As-
prenas sich eher pathetisch als rational ausdrückt.
Non animus mihi e.q.s.: D. h., wenn er als Zivilist vor dem Gericht spricht.

6. ad obsidendum hostem... ad intercipiendos hostium commeatus: Zum


Wechsel Sing./Plur. vgl. Löfstedt 1933, 24 f.
non animo 〈nec viribus deficiar〉. otium imperas animo non otioso: Wie
aus dem App. hervorgeht, hat der Schreiber von α alles nach non animo bis
otioso ausgelassen, d. h., er hat non animo mit dem folgenden animo non ver-
wechselt. Der genaue Wortlaut des ersten, in E nicht vorhandenen Satzes ist
natürlich unsicher; Müller (zum größten Teil nach Gertz), dann Bornecque und
Winterbottom lesen non animo〈siorem videbis militem〉. otium etc.
adhoc: Vgl. die Anm. zu I 3,4 [S. 111].
eadem pericula nos ubique circumstant e.q.s.: VII 1,9 sagt Cestius: Mul-
tas rerum natura mortis vias aperuit et multis itineribus fata decurrunt… nascimur
uno modo, multis morimur.
abdicato... duce: Dasselbe behauptet auch z. B. Val. Max. VI 9, ext. 2, vgl.
Nep. Them. 1,2 (exheredatus est); aber Plut. Them. 2 weist ausdrücklich diese
Geschichte zurück.

8. qui patrem habes e.q.s.: Die Hrsgg. behalten quia, was ich als Antizipation
des folgenden quia beurteile. Zwei (anaphorische) quia wären bei anderer Wort-
folge durchaus gut: desinere debes, quia patrem habes, quia pater vetat; bei der
überlieferten Wortfolge scheinen mir die zwei quia stilistisch unbeholfen.

9. omnem occasionem: Wenn omnium (die Hss., Bursian, Kiessling) richtig


wäre, hätte man occasiones erwartet; vgl. übrigens § 10 invidiosum esse u n u m
hominem totiens optare o m n e s honores intercipere.
illum sensum veterem… haec quoque, inquit: Cf. § 2 iam pro te nescio-
quid etiam lex timet, was vielleicht Seneca deswegen hier als vetus sensus be-
zeichnet, weil es von Gallio erneuert wurde, indem haec nicht auf lex, sondern
auf res publica verweist (denn es handelt sich ja im ganzen Abschnitt um die
Worte rei publicae causa). Trotzdem scheint sich auf den ersten Blick haec auf
lex zu beziehen (so Bornecque, Winterbottom und wahrscheinlich Schulting [in
Faber et all. 1672, Append., 122] selbst, der den Sinn seiner Emendation nicht
spezifizierte).
140 | Kommentar

10. praemii 〈causa〉: Bursians Ergänzung ist nicht unbedingt nötig, aber das
Wort mag ebenso leicht hier ausgefallen sein wie am Anfang von § 9.
illud unum [non] adiecit e.q.s.: Ob non Antizipation des folgenden non (so
Novák 1908, 126) oder korrupte Dittographie von unum ist, mag dahingestellt
sein; sicher ist, dass es getilgt werden muss (novi Madvig [ap. Müller], novum
Müller). Im Folgenden habe ich die Überlieferung beibehalten, obgleich diesel-
be Sache zweimal gesagt wird und et adiecit eine ziemlich schlechte Wiederho-
lung ist. Man könnte Jahns [ap. Bursian] Tilgung der Worte adiecit1... peterent et
erwägen (Bornecque akzeptiert sie), aber dann und wann begegnen uns Stellen,
die in stilistischer Hinsicht kaum besser sind, ferner deuten die Worte in § 12
Asprenas d e l e g e dixit e t i p s e sententiam darauf, dass hier de lege von
Seneca selbst herrührt. Mit Müller nur adiecit 2 zu streichen (so Winterbottom)
ist kaum empfehlenswert: Dann sollte man wohl auch et tilgen, und außerdem
ist die Wiederholung desselben Gedankens ebenso störend wie die Wiederho-
lung des Verbums an sich.

12. viri fortis operas: Wie Bursian und (zögernd) Kiessling habe ich – auch
zögernd – operas beibehalten, obwohl die Parallelen in dieser Controversia eher
für operam oder opera (so die drei letzten Hrsgg.) sprechen und der eventuelle
Fehler vor sed äußerst leicht wäre. Aber der Plur. ist doch an sich möglich; unsi-
chere Stelle.
si magnum aliquod bellum incidat: Ob man mit V2 incidat oder mit Kiess-
ling inciderit für α incidit einsetzen soll, ist unsicher: In der Oratio recta mag
Perf., Präs. Ind. oder Präs. Konj. (iterativ) verwendet worden sein. In paläogra-
phischer Hinsicht ist zwar der Ausfall von -er- in dieser Überlieferung wie auch
sonst gewöhnlich, aber es gibt auch Fälle von -at > -it, z. B. I 1,13 desinat; II 3,21
erat; VII 7,11 competierat, u. a.
sic ad Pompeium: sc. venisse populum Romanum; eine wegen der Entfer-
nung recht auffallende Ellipse.

13. colorem induxerunt quidam, ut e.q.s.: Man erwartet eigentlich h u n c


colorem… ut, aber gelegentlich werden in Seneca demonstrative Pronomina
ausgespart, wo man sie ohne Weiteres erwartet hätte: IX 1,12 c o l o r et Gallioni
et Latroni et Montano placuit, u t etc., ganz wie hier. Andersartig sind Fälle wie I
6,4 nudi stetere colles, ib. 5 inter duas uxores und die (freilich etwas unsichere)
Stelle I 4,3 in civitate (s. Anm. z. St. [S. 115]). Problematisch erscheint IX 4,19
petebant, ut illum honorem Sabinus et tertio gereret. Hier habe ich, wie Müller,
Bornecque, Winterbottom, das nur in E überlieferte illum aufgenommen, mög-
licherweise zu Unrecht. Einen anderen Fall, VII 8,10 non placebat Latroni 〈hic〉
Contr. I 8 [Ter fortis] | 141

(suppl. Gertz [ap. Müller]) color, habe ich als sicherer beurteilt, weil dort hic sehr
leicht ausfallen konnte, und vor allem deshalb, weil Gertz’ Ergänzung gerade in
dem uns jetzt vorliegenden Paragraphen (einige Zeilen nachher) eine Stütze
hat: Latroni non placebat h i c c o l o r . Vgl. auch § 14 non probabat h u n c c o -
l o r e m Latro.

14. numquid amplius pugnavit quam dum necesse illi fuit?: Seit Müller setzt
man Kiesslings quam 〈quan〉tum in den Text. Schon der Schreiber von D nahm
an der Überlieferung Anstoß, denn er schrieb quod für dum. Sander (1880, 21)
wollte dum als Dittographie des quam (wenig wahrscheinlich) tilgen, weil dum
im Sinne von »während, solange als« in Seneca immer Präs. Ind. bei sich habe
und weil amplius quam dum überhaupt nicht belegt sei. Watt schlug neulich
(brieflich) quam〈quam〉 diu vor. In diesem Text kann aber ein zwar isoliertes,
doch an sich gar nicht anstößiges Beispiel von dum + Perf. Ind. nicht ohne Wei-
teres als korrupt angesehen werden. Sanders anscheinend richtige Bemerkung,
dass amplius quam dum sonst unbelegt ist, besagt im Grunde nicht viel: »de
spatio et tempore« verwendet (also = longius oder = diutius), ist amplius über-
haupt nicht so häufig, wenn ThlL (1,2014,6–38) die Belege in 32 Zeilen zusam-
menfassen kann. Es hat nichts Auffälliges, dass darunter ein vergleichender
Ausdruck wie amplius quam dum fehlt, da auch diutius quam dum ziemlich
selten ist, obschon diutius viel gewöhnlicher als amplius (= diutius) ist (vgl. aber
z. B. Cic. fin. II 106 quod... ne vivus quidem... d i u t i u s sentire poterat q u a m
d u m fruebatur; Liv. IX 26,22 nec d i u t i u s ... q u a m d u m recens erat). Folglich
habe ich die Überlieferung stehen lassen. Wenn aber wirklich eine Änderung
nötig sein sollte, dann möchte ich einfach quam vor pugnavit stellen: vgl. die zu
I 1,10 nihil amplius quam monstrat angeführten Stellen [S. 94].

15. ante limen exeuntis: Karstens [1881b, 38] exeunti mag auf den ersten Blick
ansprechend sein, aber der Gen. ist tadellos: Nach einer abdicatio wohnte ja der
Sohn nicht mehr im Hause seines Vaters.
patrem calca: Winterbottom vergleicht damit Hieron. epist. 14,2,3 licet in
limine pater iaceat, per calcatum perge patrem.
religio〈sum〉 patrem: Gertz’ [ap. Müller] Konjektur ist vermutlich richtig.
Bursian las religiose, Kiessling (nach Schulting [in Faber et all. 1672, Append.,
122 f.]) religione... 〈et〉 ominibus. Zum Folgenden vgl. I 7,14 (Ende) .

16. quae non in declamatione tantum posset placere e.q.s.: Vgl. Senecas
Urteil über eine sententia Gallios suas. 5,8 hoc loco disertissimam sententiam
dixit, quae vel in oratione vel in historia ponatur.
Aktualisierung*
Der textkritische Kommentar zu Seneca dem Älteren war die letzte wissenschaft-
liche Arbeit, der Lennart Håkanson sich widmen konnte: Als er im Juni 1987 völ-
lig unerwartet starb, hatte er gerade das Imprimatur für seine Teubner-Ausgabe
von Seneca Maior erteilt (die 1989 erschien), und von seinem Kommentar zum
ersten Buch der Controversiae lag ihm ein erster Probedruck vor (s. oben, S. VII).
Damals war die italienische Übersetzung von Zanon Dal Bo (1986–1988) im
Erscheinen begriffen. Auf sie folgte eine überarbeitete Neuausgabe der französi-
schen Übersetzung von Bornecque (1992). Eine deutsche Übersetzung haben
Otto und Eva Schönberger 2004 besorgt. Für eine spanische Übertragung vgl.
Adiego Lajara–Artigas Álvarez–de Riquer Permanyer 2005. Eine kritische Aus-
gabe der Suasoriae mit umfangreichem Kommentar und ausführlicher Einlei-
tung bietet jetzt Feddern 2013.

1 Einleitung
In der Einleitung behandelt Håkanson zunächst die Frage nach den Quellen, die
Seneca – der ja seinem Leser weismachen will, er schöpfe allein aus seiner me-
moria – bei der Zusammenstellung seiner Sammlung benutzt hat (§ 1, S. 3–10).
Einen Überblick über die Literatur zu dieser Frage findet sich bei Berti 2007
(bes. S. 31–36), der seinerseits tatsächlich Senecas Gedächtnis für die Haupt-
quelle hält, das durch eigene schriftliche Aufzeichnungen unterstützt worden
sein könnte. Der Frage widmet sich auch Huelsenbeck 2009: Ihm zufolge stützte
Seneca sich hauptsächlich auf veröffentlichte Texte und eigene sowie fremde
Notizen und griff nur in einem begrenzten Ausmaß auf sein Gedächtnis zurück
(vgl. zusammenfassend S. 17–25). In dieser lange währenden Debatte tritt jetzt
Guérin 2015 mit einem Ansatz hervor, der die Dichotomie zwischen materieller
und immaterieller Erinnerung zu überwinden sucht: Seneca habe in die Katego-
rie der memoria auch Schriften und Notizen, derer er sich bei der Kompilation
seiner Sammlung bediente, miteinbezogen (vgl. S. 62 ff.); indem er behauptete,
dass er (nur) auf eigene Erinnerungen zurückgegriffen habe, habe er die Vo-
raussetzung geschaffen für ein Werk, das sich völlig in die damalige „culture de
l’extrait“ einreihe: eine Kultur nämlich, die weniger an vollständigen Gesprä-

||
* Bei der Abfassung der ergänzenden und aktualisierenden Anmerkungen hat Emanuele Berti
wertvolle Hilfe geleistet.
144 | Biagio Santorelli

chen interessiert gewesen sei, als an einzelnen Passagen und Argumenten, in


denen die zeitgenössischen Rhetoren miteinander wetteiferten.
Håkansons Analyse der Klauseln bei Seneca selbst und in seinen Zitaten
(§ 2, S. 10–16) stellt eine Fortsetzung der Studie dar, die er in den Jahren nach
der Herausgabe der pseudoquintilianischen Declamationes maiores und der
Exzerpte des Calpurnius Flaccus abschloss. Diese Analyse, die für eine Datie-
rung der meisten jener Texte grundlegend ist, ist in Håkanson 2014d publiziert;
für die weitere Literatur dazu verweise ich auf meine Aktualisierung bei Håkan-
son 2014, bes. S. 134 f. Eine vergleichende Analyse des Klauselgebrauchs bei
Seneca Vater und Sohn bietet Monterroso Peña 2006.
Zur Textüberlieferung der Exzerpte (§ 3, S. 16–20) schließlich sind die Stu-
dien von Muñoz Jiménez 2004 und Huelsenbeck 2011 unentbehrlich; s. außer-
dem Munk Olsen 2000, der sich allerdings auf die Texte in den Florilegien aus
dem 12.–14. Jh. beschränkt.

2 Studien zu contr. I
Die Praefatio zum ersten Buch der Controversiae ist in den letzten Jahrzehnten
aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet worden. In den jüngeren Arbei-
ten hat die Frage nach dem Verfall der Redekunst sicher das meiste Interesse
erfahren; vgl. Videau 2000 zu den von Seneca angeführten Ursachen dieses Nie-
dergangs; Delpeyroux 2003, der Senecas Äußerungen in die schon von Cicero
begonnene und durch Tacitus fortgeführte Diskussion einordnet; Gall 2003, die
Senecas Position dem einige Jahrzehnte früher veröffentlichten Traktat De ora-
toribus veteribus des Dionysius von Halikarnass gegenüberstellt; Danesi Marioni
2006 über Senecas Aufforderung an seine Söhne, nicht ihren Zeitgenossen darin
zu folgen, daß sie der eloquentia Gewalt antun; Casamento 2007, dessen Haupt-
interesse in der Exegese von Sen. Herc. fur. 172–174 liegt; und schließlich Bloo-
mer 1997 über die sozio-kulturelle Funktion, die Seneca der Deklamation zu-
spricht.
Die biographischen Porträts der Rhetoren der Vergangenheit, die Seneca in
seinen Praefationes präsentiert, behandeln Danesi Marioni 2001; Migliario 2003;
Spina 2004; Citti 2005; Mastrorosa 2006; Bennett 2007; Huerta Cabrera 2008;
Migliario 2007 und 2012; s. ferner Echavarren 2007a, mit einem vollständigen
Verzeichnis der Personennamen bei Seneca, sowie Echavarren 2012 und 2013
über besondere onomastische Bezeichnungen bei Seneca. Für eine vergleichende
Bewertung der griechischen und römischen Redner konsultiere man Georgala-
Privolou 1988; Citti 2007; Echavarren 2007b; Lechi 2008a; Migliario 2009 (nur
Suasoriae). Zum Plagiat in der antiken Literatur, mit Beobachtungen zur ersten
Aktualisierung | 145

Praefatio, s. McGill 2012 (bes. S. 60–69 und 146–177); Peirano 2012, 36 ff. und
2013; Ehrman 2013 (bes. S. 85 ff.). Die Inhalte der Praefationes wertet Artigas
Álvarez 2004 und 2005 für die Datierung aus. Vgl. schließlich den Vergleich mit
Seneca des J. De beneficiis über die Frage der Interaktion zwischen Autor und
Widmungsträger in Dalle Vedove 2011. Erklärende Anmerkungen zur ersten
Praefatio finden sich bei Citti 2003 (zu §§ 1, 10 und 11) und Stiene 1988 (zu § 2).
Zu Besonderheiten von Senecas Zitierweise s. Guérin 2010; s. außerdem La
Bua 2010 zu Mündlichkeit und Schriftlichkeit in den Deklamationen, unter be-
sonderer Berücksichtigung der ersten Praefatio.
Bezüge zum Bürgerkrieg in den Controversiae untersuchen Mazzoli 2006 und
Touahri 2010 (der von der spanischen Abkunft des Autors ausgeht und besonde-
res Augenmerk auf Cicero-Bezüge richtet); Canfora 2000 und Danesi Marioni 2003
(die historische Bezüge zu dem verlorenen Geschichtswerk Ab initio bellorum
civilium herstellen). Zur Behandlung sozialer Themen bei Seneca s. Migliario 1989.
Zur Rolle von Piraten und Reisenden in den Deklamationen s. Chambert 1999.
Zur Bedeutung von ἐνάργεια in contr. I 1 und 4 s. Connolly 2009. Der Ovid-
Bezug in contr. I 2,21 f. ist Inhalt der Studien von Buchheit 1988 und 2001, sowie
von Beck 2001. Zur Anspielung auf eine sententia Ciceros in I 4,7 f. vgl. Berti
2009; zum Cicerobild in der ersten Praefatio s. Kaster 1998 und Degl’Innocenti
Pierini 2003; eher allgemeiner gehalten zum Einfluss Ciceros auf Ausdruck und
Stil sowie zur Kenntnis des juristischen Umfelds: La Bua 2006.
Zum Motiv der abdicatio (contr. I 1; 4; 6; 8) s. neuerdings Krapinger[–Stra-
maglia] 2015, 35–39 mit umfassender Literatur; zur Bedeutung der militärischen
Tapferkeit in contr. I 8 s. Lentano 1994 und 1998a; zur Figur des v i r f o r t i s
(contr. I 4; 8) s. Lentano 1998b und zusammenfassend Stramaglia 2013, 83 f.,
Anm. 1; s. außerdem Casamento 2004 zur Entwicklung des Motivs der ,Hände
des Helden‘ (contr. I 4).
Zur Vater-Sohn-Beziehung (contr. I 1; 4; 6; 7; 8) s. Beltrami 1997 (unter be-
sonderer Berücksichtigung der Unterhaltspflicht, contr. I 7); Lentano 1999a, 2005
und 2015a; Vesley 2003; Breij 2011 und 2015, 14–40 (allgemein zur römischen
Deklamation, mit Material auch zum ersten Buch Senecas); Bernstein 2009 (bes.
zum Verhältnis Vater-Adoptivsohn); Brescia–Lentano 2009 (bes. die Kap. 2–3
zur Vater-Sohn-Beziehung und zum Verhältnis zwischen Brüdern in den De-
klamationen); Casamento 2013 (zum Verhältnis zwischen deklamatorischer und
dramaturgischer Praxis der Tragödie, bes. zu contr. I 4); s. auch Gunderson 2003
(bes. S. 59–89, allgemein zur Deklamatorik). Im Besonderen zu contr. I 6 s. auch
Lentano 2010.
Das Verhältnis von Prostitution zu weiblichem Priestertum (contr. I 2) be-
handeln Panayotakis 2002, Pailler 2004 und Rizzelli 20112. Allgemein zu Prosti-
146 | Biagio Santorelli

tution in Rom, mit Beobachtungen auch zu contr. I 2, s. McGinn 1998 und Lang-
lands 2006. Zu stuprum und raptus in der lateinischen Deklamation (unter Be-
rücksichtigung von contr. I 5) s. Packman 1999; Brescia 2012 und 2015; zu juristi-
schen Aspekten der lex raptarum s. Casinos Mora 2011 und Querzoli 2011.

3 Neuere Texteingriffe zu contr. I


Die folgende Aufstellung listet (ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben)
Vorschläge für Texteingriffe im ersten Buch der Controversiae auf, die nach 1987
gemacht wurden.1 Die Lemmata beziehen sich auf Håkansons Teubnerausgabe
(1989).

I praef. 2 rettuli] rettulit Heil 2007, 176; rettudit Lucarini 2008, 137.
I praef. 9 inviti] in vitiis Danesi Marioni 2009, 162.
I praef. 10 memoriae studeat] memoriae 〈suae〉 studeat Watt 1988, 851.
I praef. 19 novus homo] del. Lucarini 2008, 137.
I 1,1 consumebatur] consum(p)tum Watt 1988, 851.
I 1,3 tamquam 〈in〉 domo non sit] tamquam 〈nullum in〉 domo sit Watt 1988, 852.
I 1,8 liberalis] Shackleton Bailey 1993, 38 möchte eine Verleugnung einfügen.
I 1,10 hoc quoque in me prior emendare] h. in me prior quoque e. Lucarini 2008, 137 f.
I 1,14 humum cadaveri 〈inicere〉] humum cadaveri 〈gerere〉 Stramaglia 2015.
I 1,18 complexus sum et osculatus sum] complexus statim et osculatus sum Lucarini 2008, 138.
I 1,19 merito irascitur: potuit enim] merito enim irascitur: potuit Lucarini 2008, 138.
I 2,10 etiam mendicasse] sti〈p〉em mendicasse Watt 1988, 852.
I 2,11 inter sicarios, inter homicidas… posita es] inter servos, inter homicidas (codd.)… spati〈a〉ta
(vulg.) es def. Shackleton Bailey 1993, 38; spectata es Lucarini 2008, 138.
I 2,11 etiamsi non patiaris stuprum, videas] e. n. p. stuprum, 〈stuprum〉 videas Watt 1988, 852.
I 2,12 ipsum inritaret] ipsum 〈non〉 irritaret (sarkastisch) Shackleton Bailey 1993, 39.
I 2,16 non ad animum] non ad eam (codd.) def. Lundström 1993, 110 f.; non ad manum Shackle-
ton Bailey 1993, 39.
I 2,18 vindicaret] nudaret Lucarini 2008, 138.
I 2,20 adoravit] observavit Watt 1988, 852.
I 2,22 et non… †penetraverunt†] non et (vulg.)… impetraverint (Haase und Madvig, beide ap.
Kiessling) def. Shackleton Bailey 1993, 39 (nach Winterbottom).
I 3,2 Exoremus… absolvaris?] Exoremus… absolvaris. (sarkastisch) Shackleton Bailey 1993, 39.
I 3,3 decebat, ubi] deiectam ibi Watt 1988, 852 (vgl. oben, S. 110).
I 3,4 tamen ab ipso] en iam ab ipso Lucarini 2008, 138.
I 3,9 Hic color fere sententiis] Hic color 〈omnibus〉 fere sententiis Lucarini 2008, 138.
I 3,10 ante posuisti] apte posuisti Shackleton Bailey 1993, 39.

||
1 S. auch die Listen von Abweichungen von Håkansons Ausgabe in contr. I bei Schönberger–
Schönberger 2004, 307; Adiego Lajara–Artigas Álvarez–de Riquer Permanyer 2005, I, 72 f.
Aktualisierung | 147

I 3,11 haec mala] aeque male (codd.) def. Shackleton Bailey 1993, 39 f. (nach Winterbottom).
I 4,3 fortis in civitate] fortis pro civitate Lucarini 2008, 138.
I 4,5 lex vetat] lex 〈non〉 vetat Shackleton Bailey 1993, 40 (s. auch Shackleton Bailey 1969, 323).
I 4,5 nisi] si oder etiamsi Shackleton Bailey 1993, 40.
I 4,12 illud Albuci:] illud Albuci 〈optimum〉: Lucarini 2008, 138 f.
I 5,4 si lege †ducere†] si lege 〈uxorem〉 ducere Shackleton Bailey 1993, 40.
I 5,6 quod †et† mihi] quod 〈faci〉et mihi Lucarini 2008, 139.
I 6,3 in illis quod nemo dederat] in his q. n. d. Lucarini 2008, 139 (nach den Hrsgg. vor Müller).
I 6,5 quae mea non erit] quam expugnaverit Shackleton Bailey 1993, 40 (s. auch Shackleton
Bailey 1969, 323).
I 6,6 tu ibis, quoque, infelix, quas petitura regiones?] tu ibis? quoque, infelix, quas〈que〉 petitura
regiones? Lucarini 2008, 139.
I 6,10 iussit] iussi〈sse〉t Lucarini 2008, 139.
I 6,10 rei publicae. *** illi iurasse] rei publicae. IVLI BASSI. Franzoi 1992, 229.
I 6,11 hanc orbam et iam iurasset] nunc (Bursian) orbam etiamsi (V2D) iurasset def. Franzoi 1992,
228.
I 6,11 parem illi] parilem (Gertz ap. Müller) def. Franzoi 1992, 229 f.
I 6,11 aiebat *** quoque ius iurandum] aiebat 〈per patrem〉 q. i. i. (Schulting in Faber et all. 1672,
Append., 113) def. Franzoi 1992, 230.
I 6,12 fugas agrestium] fugas 〈agitari〉 agrestium Lucarini 2008, 139.
I 7,5 fabulis, repleto] fabulis, 〈hoc〉 repleto Shackleton Bailey 1993, 40.
I 7,6 manus hae tuae salvae] manus hae [tuae] salvae Lucarini 2008, 139.
I 7,8 †et iuditia† furentia] dissidentia et furentia Lucarini 2008, 139.
I 7,9 tyranno licuit vulnere mori, adulter uno ictu breviter confectus est] t. l. uno vulnere m., adul-
ter ictu〈s〉 b. c. e. Lucarini 2008, 139.
I 7,13 obiecisset] obiecisse 〈filium dicere〉t Shackleton Bailey 1993, 41.
I 7,13 aversari] adversari (α) def. Shackleton Bailey 1993, 41.
I 8,9 posse ornamentum esse] posse hortamentum esse Lucarini 2008, 139.
I 8,10 verecunde] iracunde Shackleton Bailey 1993, 41.
I 8,12 magnum intervallum] magnum 〈autem〉 intervallum Lucarini 2008, 139.

4 Umfassende Studien zum älteren Seneca


Unter den umfassenderen, nach 1987 entstandenen Arbeiten zu Seneca Maior
ist die schon genannte Studie von Berti 2007, eine Gesamtuntersuchung von
Senecas Œuvre vor dem kulturellen Hintergrund der frühen Kaiserzeit, grundle-
gend. Zum biographischen Hintergrund von Seneca Vater und Sohn s. André
1999 (zur Bedeutung der spanischen Wurzeln der beiden) und Castillo 2006
(zum Verhältnis der Annaei zu anderen Persönlichkeiten aus der Hispania
Baetica); Gualandri–Mazzoli 2003 (mit einer Studie zum älteren Seneca in
Calboli 2003); vgl. außerdem Sinclair 1994 und Schubert 2000 (zum Einfluß der
Politik auf die Beredsamkeit des Prinzipats) und Torri 2002–2003 (zur ,Oppo-
sition‘ Senecas gegen den Prinzipat des Augustus). Zur Wirkung Senecas d. Ä.
148 | Biagio Santorelli

als rhetorisches Vorbild auf den Sohn s. Weische 2000 und Trinacty 2009. Zur
Beziehung zwischen Rhetorik und Ethik bei Seneca Maior sei auf Anderson 1995
verwiesen; zum ‚„gender“-Konstrukt‘ in den Rhetorenschulen auf Richlin 1995.
Balbo 2011 bietet eine Untersuchung der Verwendung von Sprichwörtern bei
Seneca (s. auch unten zu Lentano 2015b); zum Konzept der sententia bei Seneca
s. außerdem Casamento 2002 (bes. Kap. 2). Zum Einsatz von Elementen der
dramatischen Bühne in den Deklamationen sei Pianezzola 2003 empfohlen, der
sich in vielem auf Seneca bezieht. Zu Natur und Naturrecht in der Argumenta-
tion s. Citti 2015. Zur Verwendung von exempla in Deklamationen, mit Belegen
auch bei Seneca, vgl. van der Poel 2009 und Hömke 2015; s. ferner van Mal–
Maeder 2007 zur Fiktionalität der Deklamationen.
Zu rhetorisch-technischen Aspekten der Controversiae s. Berti 2014 (zur
status-Lehre) und 2015 (bes. zu den status legales). Untersuchungen zur rhetori-
schen Terminologie bei Seneca liefern Adiego Lajara–Artigas Álvarez 1999 (zur
Unterscheidung von quaestio und tractatio); Calboli Montefusco 2003 und
2007a sowie de Riquer Permanyer 2004 (zum color als Mittel der Argumenta-
tionsstrategie); Lévy 2006 (zur Funktion des color bei Cicero, Seneca und Quinti-
lian); Adiego Lajara–Artigas Álvarez–de Riquer Permanyer 2009 (zu figura und
schema); Zinsmaier 2009 (ebenfalls zur Bedeutung von color, bes. in den Decla-
mationes maiores); Spangenberg Yanes 2013 und 2015 (zu Ursprung und Bedeu-
tungsgeschichte von χρῶμα und color in der rhetorischen Tradition). Zur Ge-
schichte des Begriffs declamatio sind Stroh 2003 und Spangenberg Yanes 2012
gleichermaßen grundlegend. Zu Besonderheiten der senecanischen Ausdrucks-
weise s. noch Pasetti 2005 (zur Verwendung der Personalpronomina) und Pink-
ster 2005 (zum Gebrauch von is und ille); zur Benutzung des Griechischen in
den Deklamationen Senecas s. Lechi 2008b und Migliario 2009, 512 f. sowie Citti
2007.
Zum Spannungsfeld von Rhetorik und Jurisprudenz sind bes. mit Bezug auf
Seneca Rizzelli 2012 und 2014 bedeutsam; s. ferner Langer 2007; Di Ottavio 2012
(bes. Kap. 4); Lentano 2014; Beachtung findet Seneca auch in Wycisk 2008.
Weitere bibliographische Hinweise lassen sich Lentano 1999b, einer umfas-
senden Bibliographie zur lateinischen Deklamation für die Jahre 1990–1998,
entnehmen; s. jetzt auch die wichtigen Gesamtstudien in Lentano 2015b – für
eine nähere Betrachtung im vorliegenden Band leider zu spät erschienen –, die
der Deklamation in Rom in Bezug auf einige Hauptgebiete (Sprichwort, Dich-
tung, Mythos, Literatur, Stilistik, Anthropologie, Theater, Recht, Überlieferungs-
geschichte) nachgehen.

Biagio Santorelli
Literaturverzeichnis
Abkürzungen

OLD2 Glare, Peter G.W. (Hrsg.), Oxford Latin Dictionary, I–II, Oxford et al. 20122 (1968–
19821).
RLM Halm, Karl (Ed.), Rhetores Latini Minores, Lipsiae 1863.
ThlL Thesaurus linguae Latinae, I–, Lipsiae (später auch: Stutgardiae, Monachii, Berolini,
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Adiego Lajara, Ignacio-Javier (2004), „Els exempla a l'obra de Sèneca el Vell“, in: Usobiaga–
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Adiego Lajara, Ignacio-Javier – Artigas Álvarez, Esther – de Riquer Permanyer, Alejandra
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I. Velázquez (Hrsgg.), La Filología Latina: mil años más. IV Congreso de la Sociedad de
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Index locorum
Acta Apostolorum leg.
18,12 83 II 22 109, 119
Lig.
Ammianus Marcellinus 10 88
XIV 5,6 123 Mil.
9 88
Apuleius off.
met. III 107 129
I 14,2 133 Phil.
IV 35,3 134 2,31 104
IV 35,4 113 rep.
VI 26,8 133 I 28 107
Tusc.
Calpurnius Flaccus I 59 87
15 137 Verr.
27 89 II 4,35 133
28 89 II 5,127 84
29 89
34 117 Curtius Rufus
44 92f. VI 11,21 132

Catullus Digesta Iustiniani


50,15 133 II 4,10,1 100
II 21,2,34 100
Cicero II 37,14,7 100
Acad.
II 2 87 Dio Cassius
Att. LVIII 22 109
VIII 1,3 123
IX 7A,2 90 Dionysius Halicarnasseus
XVI 12 131 orat. vet. 144
Brut.
301 87 Florus
de orat. I 20,8 124
III 230 87
fam. Gellius
IX 16,7 86 I 12,2 f. 98
fin. I 12,11 100
II 106 141 X 23,5 114
Flacc. XII 5,5 90
102 138
inv. Hieronymus
I 25 87 adv. Iovin.
I (Migne 23,339 A) 85
162 | Index locorum

epist. Martialis
14,2,3 141 I 51,6 130
22,27,8 85 V 61,9 105 f.

Horatius Nepos
carm. Them.
III 24,18 124 1,2 139
sat.
Ovidius
I 2,41 ff. 114
am.
I 6,93 ff. 123
III 2,43 ff. 88
II 7,61 f. 114
epist.
14,120 97
Juvenalis
met.
4,25 93
III 268 f. 99
6,224 124
IV 218 126
8,272 f. 124
VI 169 109
10,62 107
VI 478 104
XV 674 109
Livius
trist.
V 6,14 119
I 8,1 f. 118
VII 14,5 117
IX 26,22 141
Plautus
XLIV 39,3 117
Asin.
XXVIII 17,3 89
87 124
XXXIV 36,7 84
Aul.
54 f. 124
Lucanus
Cas.
I 31 132
354 107
I 82 133
Mil.
I 93 133
359 107
I 626 133
Pseud.
II 34 91
331 107
II 727 137
Rud.
III 312 91
647 97
V 695 137
VII 27 91 Plinius (Maior)
IX 890 137 VII 88 87
VII 103 112
[Lucianus] VII 184 118
amores XVIII 35 132
19 85
Plinius (Minor)
Lucretius epist.
II 1146 87 II 5,11 88
V 8,1 106
Manilius pan.
IV 720 f. 106 61,10 137
Index locorum | 163

Plutarchus 10,14 110


Them. 12,18 110
2 139 12,23 136
12,26 98
Priapea 13,1 109
3,8 108 17,12 137
18,10 128
Prudentius 19,6 91
c. Symm. decl. min.
II 1084 134 244 114
257,5 126
Quintilianus 260,31 93
I 2,23 88 262 117
II 2,4 83 270 117
II 2,8 86 280 117
II 4,27 88 280,9 130
V 1,22 108 284 114
V 10,97 89, 95 287,3 118
V 14,1 88 291,3 121
VI 2,29 95 291,6 114
VII 1,55 89 297 argum. 102
VII 6,5 89 297,10 93
VIII 3,22 136 299,1 112
VIII 5,9 88 300 92
XI 2 87 300,2 93
XII 11,6 86 300,5 93
305,18 132
[Quintilianus] 306,4 134
decl. mai. 306,16 138
2,10 99 319,7 132
3,1 100 321 argum. 94
4,20 138 347 114
5 89, 129 362 121
5,6 96 362,1 93
5,7 110 379,1 130
5,8 134 386 101
6 129 388,22 123
6,8 99
6,9 96, 114 Rhetores Latini Minores
6,11 96 107 89
6,18 134 107,22 ff. 95
9 129
9,1 98 Seneca (Maior)
9,8 114 contr.
9,10 98 I praef. 11
9,12 129 I praef. 1–4 3
10,9 134 I praef. 2 146
164 | Index locorum

I praef. 5 93 I 3,2 102, 146


I praef. 9 93, 100, 146 I 3,3 146
I praef. 10 146 I 3,4 146
I praef. 12 116 I 3,5 102, 110
I praef. 19 146 I 3,6 102, 110, 117
I1 145 I 3,8 105
I 1,1 146 I 3,9 90, 107, 146
I 1,1–3 11 I 3,10 113, 146
I 1,2 98 I 3,11 111, 147
I 1,3 146 I4 145
I 1,5 91, 99 I 4,1 9, 11, 138
I 1,6 11 I 4,3 140, 147
I 1,7 11, 99 I 4,5 147
I 1,8 146 I 4,6 105
I 1,9 92 I 4,6 f. 95
I 1,10 110, 141, 146 I 4,10 9, 114
I 1,13 85, 105, 140 I 4,12 90, 147
I 1,14 88, 95, 121 I5 146
I 1,16 91 I 5,1 11
I 1,18 97, 146 I 5,2 19, 113
I 1,19 91, 146 I 5,3 96, 118
I 1,20 94, 96, 125 I 5,4 90, 119, 147
I 1,23 98 I 5,5 116
I 1,24 90, 97 I 5,6 120 f., 147
I 1,25 117 I 5,6 f. 120
I2 145 f. I 5,7 120
I 2,1 11, 101, 103 I6 98, 145
I 2,2 101 I 6,1 11, 19
I 2,3 85, 102 I 6,2 128
I 2,4 101 I 6,3 147
I 2,5 110 I 6,4 140
I 2,7 100, 105 I 6,5 121 f., 140, 147
I 2,7 f. 11 I 6,6 125, 147
I 2,8 101 f., 110 I 6,7 11, 94, 121 f., 126
I 2,9 104 I 6,8 105
I 2,10 101, 110, 146 I 6,9 105, 128, 136
I 2,11 104, 133, 146 I 6,10 136, 147
I 2,12 146 I 6,11 125, 127, 147
I 2,13 105 I 6,12 147
I 2,14 104 I7 89, 145
I 2,16 146 I 7,1 f. 11
I 2,18 146 I 7,4 94, 130
I 2,19 19 I 7,5 11, 19, 99, 129, 147
I 2,20 106, 146 I 7,6 90, 122, 132, 147
I 2,22 90, 117, 146 I 7,7 90
I3 102 I 7,8 136, 147
I 3,1 11, 99 I 7,9 147
Index locorum | 165

I 7,10 116 II 3,4 118, 137


I 7,12 134 II 3,5 122
I 7,13 134, 147 II 3,8 111
I 7,14 90, 141 II 3,9 19
I 7,16 122 II 3,10 94, 118
I 7,17 91 II 3,14 117, 119, 128
I8 145 II 3,16 117, 119
I 8,1 11 II 3,19 123
I 8,2 11, 133, 135, 139 II 3,21 140
I 8,3 137 II 3,22 98
I 8,6 111 II 4,1 11, 111
I 8,8 85 II 4,2 11, 19
I 8,9 91, 140, 147 II 4,3 20, 111
I 8,10 139, 147 II 4,5 7
I 8,11 93, 95 II 4,6 94
I 8,12 140, 147 II 5 10
I 8,14 141 II 5,1 11
I 8,15 135 II 5,2 9
I 8,16 95 II 5,2 f. 11
II praef. 11 II 5,3 9, 116
II praef. 2 87 II 5,4 6, 11, 106
II praef. 3–4 83 II 5,5 134
II praef. 5 87, 94 II 5,11 8, 90
II 1 18 II 5,13 95
II 1,1 11, 122, 133 II 5,17 117
II 1,3 11, 102 II 5,20 6
II 1,4 133 II 6 101
II 1,4–8 11 II 6,1 7, 11
II 1,5 90, 124 II 6,2 11
II 1,10–13 17 II 6,2 f. 9
II 1,11 138 II 6,3 7
II 1,12 90, 94 II 6,5 117
II 1,16 17 II 6,6 11, 135
II 1,18 125 II 7 11, 122
II 1,19 119, 135 II 7,1 125
II 1,20 104 II 7,2 94
II 1,22 104, 109 II 7,4 109
II 1,24 108 II 7,9 119
II 1,28 119 III praef. 11
II 1,34 117 III praef. 1 87
II 2 argum. 121 III praef. 9 f. 123
II 2,3 7 III 2 18
II 2,5 108 III 3 98
II 2,8 19, 109 III 5 116
II 2,10 19 IV 11
II 2,12 19 IV praef. 2 20
II 3,1 11, 83 IV 1 18
166 | Index locorum

IV 2 argum. 98 VII 7,2 11, 101


IV 4,4 124 VII 7,7 f. 11
IV 5 135 VII 7,11 140
V1 18, 94 VII 7,16 135
V 1–5 11 VII 8 117
V2 18 VII 8,1 94
V3 18 VII 8,2 11
V4 18 VII 8,3 11, 93
V5 119 VII 8,10 94, 140 f.
VI 3 94 VIII 1 119
VI 5 101 VIII 2 18, 119
VI 8 18 VIII 5 137
VII praef. 11, 16 VIII 6 18, 99, 117
VII praef. 4 111 IX praef. 1 83
VII praef. 9 117 IX 1 20, 114
VII 1 10, 98 IX 1,1 106
VII 1,3 9 IX 1,6 11
VII 1,5 90, 110 IX 1,12 140
VII 1,8 9, 11 IX 1,13 115
VII 1,9 139 IX 1,16 9
VII 1,12 122 IX 2,1 94
VII 1,16 117 IX 2,3 11
VII 1,17 111 IX 2,9 119
VII 1,21 9, 127 IX 2,14 119
VII 1,26 7 IX 2,24 135
VII 2 101 IX 3 20
VII 2,2 117 IX 3,11 105
VII 2,8 8, 101 IX 3,13 90
VII 2,9 117 IX 3,14 20
VII 3,1 11 IX 4,4 11
VII 3,5 7 IX 4,6 94
VII 3,10 119, 137 IX 4,7 87
VII 4 89, 98 IX 4,8 11
VII 5 101 IX 4,12 119
VII 5,1 8 IX 4,19 140
VII 5,2 101 IX 5,1 11, 100
VII 5,4 90 IX 5,2 11
VII 5,5 101, 136 IX 5,3 9, 106
VII 5,6 119 IX 5,9 90, 93
VII 5,11 108, 127 IX 5,15 8, 108
VII 5,13 85 IX 5,17 8
VII 6,2 11 IX 6 18
VII 6,5 85, 95 IX 6,4 111
VII 6,7 f. 11 IX 6,7 91
VII 6,9 11 IX 6,11 111
VII 6,15 94 IX 7,5 135
VII 7 argum. 101 X praef. 16
Index locorum | 167

X praef. 7 129 7,8 84


X 1,2 8, 94 7,11 98
X 1,3 8, 11
X 1,6–8 11 Seneca (Minor)
X 1,7 108 Ag.
X 1,12 115 257 f. 125
X2 137 ben.
X 2,6 90 V 3,3 93
X 2,8 91 VII 7,1 119
X 2,12 138 VII 21,1 93
X 2,15 94 dial.
X 3,1 11 VI 12,4 109
X 3,3 101 VII 16,1 95
X 3,8 130 XII 15,4 137
X 4,3 123 epist.
X 4,6 7 3,1 118
X 4,7 100 4,5 133
X 4,9 8 12,5 118
X 4,11 119 24,19 128
X 4,12 109 33,9 86
X 4,17 85 88,8 105
X 5,2 7 Herc. fur.
X 5,4 11, 94, 123 172–174 144
X 5,7 11, 93 nat.
X 5,8 100 VII 31,2 85
X 5,13 135 Phaedr.
X 5,16 119 1186 99
X 5,18 135 Thy.
X 5,24 90 744 f. 102
X6 112
X 6,1 7 [Seneca]
suas. Herc. Oet.
1,5 135 894 123
1,15 135
2,4 11 Silius Italicus
2,5 f. 11 XIII 773 f. 107
2,20 117
3,2 122 Statius
3,3 135 silv.
5,8 141 I 2,94 126
6,3 11 V 3,144 f. 137
6,6 97 Theb.
6,10 8 X 437 99
6,14 104 XI 18 91
6,23 6
6,24 7
168 | Index locorum

Tacitus Valerius Maximus


ann. VI 9, ext. 2 139
I 74 105
II 32,3 107 Vergilius
III 12,4 104 Aen.
VI 19,1 109 I 33 88
XIII 35,3 114 XII 642 ff. 99
XV 18,4 118
XVI,17 83

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