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Spracherwerbsmodelle

Das Wort Spracherwerbsmodelle wird oft synonym mit dem Wort


"Spracherwerbstheorien" verwendet. Jede Spracherwerbstheorie vertritt einen
unterschiedlichen Ansatz. Die wichtigsten Spracherwerbsmodelle vertreten
folgende Ansichten:
1. Nativismus: Sprache ist biologisch begründet, daher haben Kinder eine
innere Veranlagung zum Sprachenlernen.
2. Behaviorismus: Kinder lernen Sprache v.a. durch ständiges Hören und
Nachahmung von Wörtern.
3. Interaktionismus: Kinder entwickeln die logischen Strukturen zum
Spracherwerb durch die Interaktion mit ihren Bezugspersonen.
4. Kognitivismus: Der Spracherwerb ist eine spezielle Form des
kognitiven Lernens.
5. Konstruktivismus: Das Kind lernt, Bedeutung und Wort miteinander
zu verknüpfen und konstruiert so seine Lebenswirklichkeit.
6.

7. Spracherwerbstheorien – Behaviorismus
8. Die älteste und zentrale These unter den Spracherwerbsmodellen ist der
Behaviorismus des amerikanischen Psychologen Burrus F. Skinner. Der
behavioristische Ansatz besagt, dass Sprache durch Imitation und Verstärkung
erlernt wird. Das Kind äußert nach Skinner Laute, die dann von der Umwelt positiv
bestätigt oder korrigiert werden. Dieses System beruht also auf Belohnung (Lob) und
Strafe (Korrektur). Dadurch lernt das Kind, was richtig und was falsch ist. Nach
diesem Ansatz ist das Kind weitgehend passiv, während die Umwelt es aktiv
beeinflusst.

9. Spracherwerbstheorien – Nativismus
10. Der Nativismus wurde vom US-Sprachwissenschaftler Noam Chomsky begründet und
ist das Gegenmodell zum Behaviorismus. Er meint, dass Sprache, vor allem in ihrer
Grammatik, zu komplex sei, als dass sie nur durch Nachahmung und Wiederholung
erlernt werden könne. Chomsky geht davon aus, dass der Mensch über einen
angeborenen Spracherwerbsmechanismus verfügt.
11. Chomsky verwendete dafür den Begriff language acquisition device (=
Spracherwerbsvorrichtung, kurz: LAD
12.
Demnach sind Kinder mit einer Universalgrammatik, also angeborenen grammatischen
Kompetenzen ausgestattet, die auf alle Sprachen anwendbar sind. Nach Chomskys Theorie ist die
Umwelt weitestgehend passiv. Alles läuft im Inneren des Kindes ab. Es hört die Sprache, leitet die
Regeln ab und wendet diese an.
Spracherwerbstheorien – Kognitivismus
Der Kognitivismus ist ein Modell des Schweizer Psychologen Jean Piaget, das die
Verknüpfung von kognitiver und sprachlicher Entwicklung in den Vordergrund stellt.
Piaget sagt, dass Sprache erst entwickelt werden kann, wenn das Denkvermögen entsprechend
entwickelt ist. Grundlegend ist hierfür eine konkrete Erfahrung der Umwelt mit allen
Sinnen. Es werden Vorstellungen zu Dingen erworben und verinnerlich

Spracherwerbstheorien – Interaktionismus
Beim interaktionistischen Modell des amerikanischen Psychologen Jerome Bruner wird die
Relevanz der Sprachhelfer, also der Bezugspersonen, mit denen das Kind sprechen lernt,
hervorgehoben. Das Kind steht in einem ständigen Austausch mit seiner Umwelt und lernt
durch Wiederholung und soziale Interaktion. Das Kind lernt gemäß seinem
Entwicklungsstand, da die Bezugspersonen ihre Sprache dem Kind anpassen. Nach und nach
übernimmt es so komplexere Strukturen.

Spracherwerbstheorien – Konstruktivismus
Die Theorie des Konstruktivismus geht davon aus, dass Sprache die Wirklichkeit
konstruiert. Der Mensch nimmt keine objektive Wirklichkeit wahr, sondern erzeugt seine
eigene subjektive Realität. Der Sinn von Wörtern wird dabei auf zwei Ebenen gebildet: Zum
einen ordnet der Sprechenden dem Wort eine Vorstellung der Bedeutung zu. Zum anderen
wird die Sprache durch grammatische Strukturen und ihre Unterteilung in Wortarten
kategorisiert, sodass die Gesamtbedeutung erschlossen werden kann. Das heißt, Sprache
bildet die Umwelt nicht einfach passiv ab, sondern steuert die Art und Weise, wie der Mensch
die Welt auffasst.
Auf dem Konzept des Konstruktivismus basieren die Erklärungen zur "Bernstein Hypothese"
und "Sapir-Whorf-Hypothese"! Mehr zu dieser Theorie findest Du auch in der Erklärung
"Konstruktivismus Spracherwer

Spracherwerbstheorien – Tabelle
Die Spracherwerbstheorien haben im Vergleich einige Gemeinsamkeiten, aber auch
wesentliche Unterschiede. Eine Möglichkeit, sie zu kategorisieren, ist die Einteilung in
Inside-Out-Modelle und Outside-In-Modelle.4
Die Spracherwerbsmodelle werden in zwei Kategorien eingeteilt:
1. Inside-Out-Modelle vertreten die Ansicht, dass sprachliche Fähigkeiten
angeborenen sind oder eine Veranlagung dafür besteht.
2. Outside-In-Modelle fassen Theorien zusammen, die meinen, sprachliches Wissen
müsse wie andere Fähigkeiten erlernt werden. Oft sind Umweltreize ein Auslöser des
Lernprozesses.
n der folgenden Tabelle findest Du die einzelnen Spracherwerbstheorien im Vergleich. Die Tabelle gibt
einen Überblick über die wichtigsten Ansichten, die zeitliche Einordnung, Vertreter der Theorien und
zeigt, ob eine Lerntheorie eher die äußeren Einflüsse oder inneren Fähigkeiten in den Vordergrund
rückt.
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Spracherwerbstheorien – Kritik
Die Spracherwerbsmodelle wurden immer wieder kritisiert. Chomsky als Begründer des
Nativismus kritisierte den Behaviorismus, weil das Gehirn und die Intelligenz nicht
berücksichtigt werden und Sprache als zu komplex gilt, um nur durch Nachahmung erlernt
zu werden. Weiterhin wird kritisiert, dass der Behaviorismus der kindlichen Kreativität und
Offenheit nicht gerecht wird.
Beim Nativismus wird kritisiert, dass die Psychologie des Spracherwerbs und der
Sprachverarbeitung nicht berücksichtigt werden. Auch das Prinzip einer
Universalgrammatik ist umstritten, da sich einzelne Sprachen stark in ihrer grammatischen
Struktur unterscheiden. Zudem wird kritisiert, dass die Umwelt in der Theorie des Nativismus
nur eine auslösende Rolle spielt.
Das Modell des Kognitivismus stellt die geistige Entwicklung in den Mittelpunkt seiner
Betrachtungen — und genau das wird kritisiert, denn wann ein Kind sprechen kann, wird
vermutlich auch genetisch beeinflusst. Auch die Entwicklung körperlicher Fertigkeiten
werden im Kognitivismus vernachlässigt.
Beim Interaktionismus wird kritisiert, dass keine Erklärung erfolgt, wenn Kinder einen
Fehler machen. Am Konstruktivismus wird kritisiert, dass das Verstehen von
Zusammenhängen bei Kleinkindern kaum berücksichtigt wird. Zudem ist das Denken eher
analytisch geprägt und erfasst somit nicht den Gesamtprozess des Spracherwerbs.
Letztendlich ergänzen sich die Spracherwerbstheorien gegenseitig: Der Behaviorismus, der
das Imitieren und Wiederholen beim Sprachenlernen betont, wird durch den Nativismus, bei
dem die angeborenen Spracherwerbsfähigkeiten wichtig sind, ergänzt. Der Kognitivismus
ergänzt dies um die enge Verbindung von Sprache und kognitiver Entwicklung. Der
Interaktionismus rückt eine Bezugsperson als Sprachhelfer in den Mittelpunkt. Durch den
Konstruktivismus wird die subjektive Wahrnehmung der Umwelt und die Entstehung von
Bedeutungen ergänzt.
Wenn Du mehr zur Kritik der einzelnen Theorien erfahren möchtest, schau Dir die
Erklärungen "Behaviorismus", "Nativismus", "Kognitivismus Spracherwerb",
"Interaktionismus" oder "Konstruktivismus Spracherwerb" an!

Spracherwerbstheorien - Das Wichtigste


 Spracherwerbstypen: Es gibt den Erstspracherwerb von Geburt an und den
Zweitspracherwerb nach dem Erlernen einer Erstsprache, z.B. im
Fremdsprachenunterricht.
 Spracherwerb – Definition: Als Spracherwerb wird das Erlernen des Sprechens
bzw. einer Sprache durch einen Menschen bezeichnet.
 Spracherwerbsmodelle: Zum Spracherwerb gibt es verschiedene Modelle, wie den
Behaviorismus (Lernen durch Verstärkung von Verhalten), Nativismus
(Sprachfähigkeiten sind angeboren), Kognitivismus (Sprache als Form des kognitiven
Lernens), Interaktionismus (Lernen durch Interaktion mit Bezugspersonen) und
Konstruktivismus (Konstruktion von Bedeutungen prägt Weltsicht).
 Spracherwerbstheorien – Behaviorismus: Sprache wird durch Imitation der Eltern
und positive oder negative Verstärkung (Lob oder Strafe) erlernt.
 Spracherwerbstheorien – Vergleich: Die Theorien ergänzen sich gegenseitig,
weisen aber auch wichtige Unterschiede auf, z.B. ob sprachliche Fähigkeiten
angeboren sind oder ob die Umwelt bzw. das Kind beim Lernprozess aktiv oder
passiv wirken.
 Spracherwerbstheorien – Kritik: An jeder Theorie gibt es Kritikpunkte. Heute wird
von einer Mischtheorie ausgegangen, sodass verschiedene Aspekte aus jeder Theorie
aufgegriffen werden.

Nachweise
1. Geist (2014). Sprachdiagnostische Kompetenz von Sprachförderkräften. De Gruyter
Verlag.
2. intrapsychisch.de: Spracherwerbstheorien: Phylogenetischer und ontogenetischer
Spracherwerb. (20.01.2023)
3. socialnet.de: Spracherwerb. (20.01.2023)
4. Schätz (2017). Deutsch als Zweitsprache fördern. Springer Verlag.

Häufig gestellte Fragen zum Thema


Spracherwerbstheorien
Beim interaktionistischen Modell von Jerome Bruners wird die Relevanz der Sprachhelfer,
also der Bezugspersonen, mit denen das Kind sprechen lernt, hervorgehoben. Das Kind steht
in einem ständigen Austausch mit seiner Umwelt und lernt durch Wiederholung und soziale
Interaktion.
Folgende Spracherwerbstheorien ergänzen sich gegenseitig: Der Behaviorismus, der das
Imitieren und Wiederholen beim Sprachenlernen betont, wird durch den Nativismus, bei dem
die angeborenen Spracherwerbsfähigkeiten wichtig sind, ergänzt. Der Kognitivismus ergänzt
dies um die enge Verbindung von Sprache und kognitiver Entwicklung. Der
Interaktionismus rückt eine Bezugsperson als Sprachhelfer in den Mittelpunkt. Durch den
Konstruktivismus wird die subjektive Wahrnehmung der Umwelt und die Entstehung
von Bedeutungen ergänzt.
Es gibt mehrere Spracherwerbstheorien, auch Spracherwerbsmodelle genannt:
 Behaviorismus (Nachahmung und Konditionierung)
 Nativismus (angeborener Mechanismus)
 Kognitivismus (Sprache als Lernprozess innerhalb kognitiver Entwicklung)
 Interaktionismus (Interaktion)
 Konstruktivismus (Konstruktion von Bedeutungen prägt Weltsicht)
Der Nativismus geht davon aus, dass der Mensch über einen angeborenen
Spracherwerbsmechanismus (LAD) verfügt. Demnach sind Kinder mit angeborenen
grammatischen Kompetenzen ausgestattet, die für alle Sprachen weltweit gelten.
Karteikarten in Spracherwerbstheorien98
Lerne jetzt
Was besagt die Sapir-Whorf Hypothese?
Dass die Sprache eines Menschen sein Denken beeinflusst.

Was ist der Unterschied zwischen der weicheren und der härteren Form der Hypothese?
In der weicheren Form der Hypothese ist der Einfluss der Sprache auf das Denken eher klein,
in der „härteren“ Form steuert die Sprache das Denken vollständig.

Was besagt das linguistische Relativitätsprinzip?


Dass Menschen die gleiche Realität nicht gleich erleben.

Wie heißt das Prinzip, das die weichere Form der Sapir-Whorf Hypothese stellt?
Prinzip der sprachlichen/linguistischen Relativität.

Wie heißt das Prinzip, das die härtere Version der Sapir-Whorf Hypothese repräsentiert?
Sprachlicher/linguistischer Determinismus.

Warum können die Inuit laut Whorf nicht an "Schnee" im Allgemeinen denken?
Weil sie dafür kein Wort haben. Sie kennen nur "feinen Schnee", "feesten Schnee" etc, aber
keinen "Schnee" als Oberkategorie.
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