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BIS 1945

classic scale
Flugzeug-Dokumentationen von Karlheinz Kens

GESCHICHTE
FAKTEN
RISSE
SCHNITTE

BAND 1

INHALT DIESER AUSGABE

Klemm Kl 106
Klemm Kl 151

Der Dessauer

Deutscher Rundflug 1925:


Daimler L 20 und L 21

Blohm&Voss 141 V2

»Luftikus«

Dresdener

Stehaufchen & Doris

Gleitjäger BV 40

Caspar C 32 Germania

»Greif«

Gerner Gl und Gll

Focke Wulf Fw 159

Bäumer »Schnecke«

Classic Scale SPEZI AL:


Die Kennzeichnung
der deutschen
Militärflugzeuge von den
Anfängen bis 1918
classic scale

HISTORISCHE
DEUTSCHE FLUGZEUGE
BIS 1945

Flugzeug-Dokumentationen
von Karlheinz Kens

MODELLSPORT VERLAG OMBH


76532 BADEN-BADEN, SCHULSTRASSE 12
TEL. 07221/9521-0; FAX 07221/9521-45
INTERNET: WWW.MODELLSPORT.DE
Inhaltsverzeichnis

Klemm Kl 106 6
Klemm Kl 151 13
Der Dessauer 18
Albatros L 101 24
Daimler-Klemm L 20 und 30
Daimler-Klemm L 21
für den Deutschen Rundflug 1925 36
Blohm&VossBV141 V2 42
Luftikus 50
Dresdener »Stehaufchen« 58
Dresdener »Doris« 64
Blohm & Voss BV 40 68
Caspar C 32
mit »Germania« 76
Greif 84
Gerner G 1 92
Gerner G II 100
FockeWulf Fw 159 108
Ruhrtaler Ru 3 116
Münchener Eindecker 121
Die Kennzeichen der Militärflugzeuge bis 1918 126

© 2004 by Modellsport Verlag GmbH, 76532 Baden-Baden, Schulstraße 12


Herausgeber: Redaktion der Fachzeitschrift MFI / MODELLFLUG INTERNATIONAL.
Das Urheberrecht und alle weiteren Rechte liegen beim Verlag. Übersetzung, Nachdruck
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ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Verlags unzulässig.
ISBN 3-923142-39-0 • € 19,80
Einleitung

Dietreuesten Bewahrer der Luftfahrt-Tradition sind die Modellbauer. Was


von der großen Schar der Scale- und Semi-Scale-Liebhaber nach histo-
rischen Vorbildern gebaut und geflogen wird, kann in seiner Vielfalt von
keinem Museum der Welt übertroffen werden. Und das soll was heißen,
denn es gibt Museen, die sind in der glücklichen Lage, eine derartig gro-
ße Anzahl an Exponaten zu besitzen, dass sie jeden an der Luftfahrtge-
schichte Interessierten - ganz gleich welcher Gattung oder Epoche er
sich zuneigt - zu begeistern vermögen.
Jeder Modellbauer weiß es zu schätzen, wenn er seine Informationen
aus einem dieser originalen Vorbilder schöpfen kann. Doch das ist und
bleibt trotz der abertausend geretteten Oldtimer die Ausnahme. Die
meisten überlebten nicht. Wir in Deutschland sind davon besonders be-
troffen. Ein unglückseliger, verheerender Krieg und seine Folgen vernich-
teten fast alles, was Erfindergeist und Ingenieurkunst an Luftfahrtgerät bis
dahin geschaffen hatte. Und zweifellos waren diese ersten vierzig Jahre
im Jahrhundert der Luftfahrt die buntesten und kreativsten. Sie waren ge-
prägt von der ständigen Suche nach Lösungen - eine Vielfalt ohneglei-
chen.
Die in dieser Broschüre dargestellten Flugzeuge haben alle im Original
nicht überlebt. Aber damit sind sie nicht vergessen. Was zu ihrer doku-
mentarischen Auferstehung an ursprünglichen Unterlagen nicht mehr
beschafft werden konnte, wurde akribisch rekonstruiert. Die Recherchen
nach Details führten zu Fakten, die sich als besonders geeignet erwie-
sen, nicht als nur informative Features verarbeiten zu werden. Sie zeigen,
was Luftfahrt-Historie eigentlich ist- ein faszinierendes Kapitel Technikge-
schichte voller Abenteuer, Mühen, Triumphe, Niederlagen und mensch-
licher Schicksale.
Die Auswahl der Typen in dieser Zusammenstellung erfolgte nach den
Kriterien eines echten Querschnitts, um alle an der Luftfahrthistorie Inte-
ressierte gleichermaßen anzusprechen. Besonders begrüßenswert wä-
re es, wenn sich für das eine oder andere Muster Modellbauer begeis-
tern könnten. Denn dann würde es möglicherweise als Scale-Modell ei-
ne Auferstehung erleben. Manche der Beiträge sind bereits in der
Zeitschrift MFI veröffentlicht worden. Doch sie wurden durchweg mit neu-
em Material wesentlich erweitert. Bei manchen konnte das Thema über
den Rahmen hinaus ausgedehnt werden. Und einige sind schlichtweg
ganz neu: Typenvielfalt als Kompendium einer großen Epoche deut-
schen Luftfahrtschaffens.

Karlheinz Kens
•UCZEUl
Historische deutsche Flugzeuge bis 1945

zahl zwischen zwei Überholun- Reich in die Zukunft führen, um te für eine Auswertung in den
gen erlaubten. deswegen kurz danach von Tra- USA zu erwerben. Weiterhin er-
ditionalisten aus seinem Land hielt er von Davis die Zusage,
Dipl.-Ing. Kurt H. Weil knüpfte Und Weil behielt Recht. Die
verjagt zu werden. Mitte 1969 dass für ihn ein Flugzeugwerk
1939 die Kontakte. Der spätere auf Grund seiner Studie ent-
gelang es, das Relikt nach im Mittelwesten errichtet wer-
Professor, dessen Verdienste wickelten neuen dreimotori-
Deutschland zu überführen. Es den würde, in dem nach diesen
um die Luftfahrt in Deutschland gen Junkers-Verkehrsflugzeu-
bildet heute - restauriert und Patenten entwickelte Flugzeu-
so gut wie unbekannt blieben, ge wurden infolge ihrer Be-
durch neue Bauteile ergänzt - ge gebaut werden sollten, zu al-
hatte während des Ersten Welt- triebssicherheit Leitbilder für
einen besonderen Anziehungs- lererst die Klemm Kl 106.
kriegs Riesenflugzeuge einge- Wirtschaftlichkeit. Das beweist
punkt im Deutschen Museum
flogen und versuchte sich be- besonders die Ju 52, die noch Anlässlich seines Besuchs An-
in München.
reits beim 1. Wettbewerb 1920 heute - mehr als 70 Jahre nach fang 1939 bei Klemm war mit
auf der Rhön als Segelflieger. ihrer Konzeption - fliegt. Zwischen seiner Rückkehr aus Davis' Direktor Hansell kurzfris-
Persien (heute Iran) 1932 und tig ein Kaufvertrag ausgehan-
Es folgte eine fruchtbare Zeit Aber Weil konnte seine Ver- seiner Ende 1938 dringlich ge- delt worden. Nach Eingang der
bei Junkers in Dessau. Als Lei- dienste für Junkers nach dem wordenen Emigration in die vereinbarten Kaufsumme von
ter der Abteilung Technik beim Zweiten Weltkrieg abrunden: USA hatte Weil Gelegenheit, 200.000 Reichsmark fuhr Dr.
Junkers Luftverkehr und desi- 1966 war er von New York aus die Fortschritte der Klemm'- Klemm am 6. Juni 1939 auf Ein-
gnierter Leiter des llpers (Jun- als Gastprofessor an die Uni- schen Teilschalenbauweise ladung Davis' mit dem Schnell-
kers Luftverkehr Persien) hatte versität der afghanischen kennen zu lernen. In den Verei- dampfer »Bremen« nach New
Weil ab Herbst 1925 an einer Hauptstadt Kabul berufen wor- nigten Staaten gewann er den York, um persönlich mit ihm ei-
zukunftweisenden Denkschrift den. Dort fand er auf einem aus Alabama stammenden Ei- nen ausführlichen Lizenz- und
für einen wirtschaftlichen Luft- Schrottplatz den Rumpf einer senbahn-Ingenieur William Fabrikationsvertrag auszuar-
verkehr gearbeitet. In ihr forder- von zwei 1928 nach Afghanis- Rhodes Davis, der in seiner beiten. Das gleiche Schiff
te er eine Abkehr von dem un- tan überführten Junkers F-13- New Yorker Firma Davis & Co, brachte am 7. Juli 1939 einen
eingeschränkt vorherrschen- Verkehrsflugzeugen. Mit ihnen Inc. Ölgeschäfte großen Stils sehr zufriedenen Lizenzgeber
den Dogma, ein Flugzeug mit wollte der damalige fortschrittli- betrieb, dafür, die Rechte der zurück: Klemms neue Erfin-
dem günstigsten Verhältnis che König Amanullah sein Klemm-Holzschalenbau-Paten- dung, die Holz-Teilschalenbau-
Nutzlast zu Leermasse sei das
wirtschaftlichste. Er hatte statt
einer leicht gebauten für eine
schwere Zelle plädiert, bei der
alle wichtigen Teile so überdi-
mensioniert sein sollten, dass
sie ohne Störung eine bis dahin
KLEMM Kl 106
unerreichte Einsatzstunden- EIN FORMVOLLENDETER SCHUL-ZWEISITZER
IN SCHALEN-BAUWEISE

Ursprünglich im Klemm-Versuchsbau als Technologieträger konzipiert, sollte diese Maschine


eine glänzende Karriere in den USA erleben. Doch der Zweite Weltkrieg verhinderte das.
weise, schien geschäftlich ein Um Masse zu sparen, reichten ab der jektbüros alle Messerschmitt- bauweise. Die Diskrepanz zwi-
Kl 106 V2 die Rumpfseitenschalen nur
großer Erfolg zu werden. noch bis zum Obergurt. Ein leichter
Konstruktionen bis in die schen dieser kompliziert aufge-
waagerechter Spant und ein noch leich- Kriegszeit hinein beeinflusste. lösten Bauausführung und
Die ersten Gedanken dazu mö- terer Rumpfrücken vollendeten den Wenige Jahre zuvor hatte Lus- dem übersichtlichen Schalen-
gen Regierungsbaumeister Di- ovalen Querschnitt (Bilder ganz oben).
ser als Leiter der Konstruktion aufbau war unübersehbar.
pl.-lng. Hanns Klemm (1885-
Das Gesicht der Klemm Kl 106. Deutlich bei Klemm die ersten Kabinen- Wenn die Bf 108 bei diesem
1961) beim Internationalen Eu- ist der gegenüber dem Ausgangsmuster Reiseflugzeuge Klemm Kl 31 Wettbewerb wegen einer allzu
ropa-Rundflug 1934 gekom- Kl 35 wesentlich geringere Flügelknick zu
erkennen. Links oben die V1 noch mit ab- und Kl 32 geschaffen, deren experimentellen Anordnung
men sein. Vor dem Start in War-
gestrebten Höhenflossen und Hirth HM grundlegende Entwurfsprinzi- der Quersteuerung auch noch
schau hatten besonders die 60, daneben der Hirth HM 504, wie er ab pien ganz augenfällig in das nicht sehr erfolgreich ab-
viersitzigen Messerschmitt-Ka- der V2 eingebaut war.
Messerschmitt-Produkt einge- schnitt, so wurde sie doch bald
flossen waren. in verbesserter Form mit stei-
genden Stückzahlen gebaut.
Lussers Nachfolger, Dipl.-Ing.
Friedrich Fecher, hatte für den Doch zu diesem Zeitpunkt
Europa-Rundflug mit der stand Hanns Klemms Ent-
Klemm Kl 36 ebenfalls einen schluss bereits fest, ebenfalls
viersitzigen Kabinen-Tiefde- Konstruktionen in Schalenbau-
cker konzipiert, jedoch mit star- weise zu fertigen - aber aus
rem Fahrwerk und in der zu Holz. Seit jeher war er fasziniert
jener Zeit üblichen Gemischt- von diesem Werkstoff mit der
Unlackiert offenbart die Kl 106 V1 deutlich die unterschiedlichen Beplankungsteile für den
Bau der Schale (Bild unten), fertig lackiert zeigt sie sich formvollendet (links).

binen-Tiefdecker Bf 108 der


Bayerischen Flugzeugwerke
Aufsehen erregt, denn sie be-
saßen nicht nur ein damals
noch seltenes einziehbares
Fahrgestell, sondern sie glänz-
ten in neuartiger Ganzmetall-
Schalenbauweise.

Ohne Zweifel musste Klemm


darin die schöpferische Kraft
eines Robert Lusser erkennen,
der seit 1933 als Leiter des Pro-
seinerzeit dem Zement Sand
für einen festen Beton bei-
mischte, versuchte er es jetzt
mit einem Kunststoff-Granulat
zum Kaurit-Leim. Das Ergebnis
war eine »bindende und plasti-
sche Masse«, die ihm noch
1936 patentiert wurde und die
als Kaurit-WHK-Leim in den
Handel kam. Mit diesem Leim
ließen sich Fugen bis 2,5 mm
ohne Festigkeitsverlust über-
brücken - die Lösung für den
Holzschalenbau. Überdies pro-
movierte Hanns Klemm mit ei-
ner Dissertation über das The-
ma 1937 an der TH Stuttgart
zum Doktor-Ingenieur.
im Verhältnis zu seinem Ge- Facharbeitern eingespart, son- 1936 nahmen in Böblingen die
wicht außerordentliche Festig- dern auch die Durchlaufzeit Die Klemm Kl 106 hieß zu Anfang ihrer Arbeiten an der Teilschalen-
Entwicklung Kl 35 C. Wie sehr sie sich
keit und Elastizität. Zudem ist beim Bau erheblich herabge- allerdings von ihrem Ausgangsmuster bauweise konkrete Gestalt an
Holz leicht zu verarbeiten und setzt werden. (Kl 35 B, rechts im Bild) alleine rein in Form zahlreicher Versuchs-
zu verbinden und ließ damit ein- äußerlich unterschied, wird hier in die- strukturen, die aber nicht im
Ab 1936 schützten verschiede- ser »Gegenüberstellung« deutlich.
fache und billige Reparatur- Werk selbst, sondern vorwie-
ne Patente das, was Klemm
möglichkeiten zu - nach gend in einer Versuchswerk-
»Teilschalenbauweise« nannte.
Klemms Meinung alles Plus- Befestigung von Einbauteilen statt entstanden, die Klemm
Das Prinzip war einfach. In ei-
punkte für Leichtflugzeuge im benötigten Klötze - wurden lo- seinem Wohnhaus angeglie-
ner »Kern« genannten Vorrich-
rauhen Schulbetrieb oder dau- se eingelegt und anschließend dert hatte. Ab der ersten Stun-
tung, die von der Formgebung
erbelasteten Reiseflug. mit Leim bestrichen. Darüber de war Oberingenieur Carl Bu-
dem zu fertigenden Teil ent-
wurde mit Vorrichtungen eine cher (1898-1985) Konstrukti-
Sein Ziel war es nun, vom her- sprach, befanden sich Aus-
Sperrholzhaut gezogen, die onsleiter für den Schalenbau.
kömmlichen Holzflugzeugbau sparungen für die Aufnahme
Spannbänder auf den »Kern« Als 1966 mit der Bölkow 207
(dem auf der Helling gebauten der diversen Bauteile. Diese
pressten, bis der Leim wenige die Fertigung des letzten der
Fachwerkgerippe) zu einem Teile - nach Schablonen gefer-
Stunden später ausgehärtet von Bucher in der Klemm-Teil-
Bauverfahren mit neuer Struk- tigte Spanten oder Rippen, die
war. Nun ließen sich die ferti- schalenbauweise entwickelten
tur zu kommen. Und mit dieser sie verbindenden Gurte sowie
gen Teilschalen von den Vor- Musters auslief, konnte er auf
sollte nicht nur Arbeitszeit von zum Zusammenfügen oder zur
richtungen nehmen und, bevor eine fünfzigjährige Zeit als
sie zur kompletten Schale zu- Flugzeugkonstrukteur zurück
TECHNISCHE DATEN sammengeschraubt oder -ge- blicken.
I leimt wurden, bequem und zeit-
Muster Klemm Kl 106 A-0 | In Waltenweiler bei Friedrichs-
sparend mit den Einbauten
Zweck Schul-und Ubungsflugzeug | hafen als Sohn eines Landwirts
ausstatten.
Besatzung 2| geboren, bestimmte ein per-
Baujahr 1936-1939 | Was sich jedoch so leicht aus- sönliches Gespräch mit dem
zuführen anhört, reifte nur un- berühmten Flieger Hellmuth
Konstruktion Hanns Klemm, Carl Bucher |
ter großen Anfangsschwierig- Hirth den weiteren Lebensweg
Bauart freitragender Tiefdecker in Holzschalenbauweise | des damals Dreizehnjährigen.
keiten. Die Verleimung brachte
Hersteller Leichtflugzeugbau Klemm GmbH, Böblingen | ständig unbefriedigende Re- Seine ersten Lernschritte
Antrieb Hirth HM 504 A-2, luftgekühlter Reihenmotor | sultate, denn der als einziger machte er beim Flugzeugbau
Nennleistung 80/105 PS (59/77 kW) | zur Verfügung stehende Kaurit- Friedrichshafen, von dem ihn
Spannweite 11,20 m | Leim musste sehr dünn aufge- das Militär abberief. 1917 lernte
Länge über alles 8,10 m | tragen werden. Die vielen im er in Johannisthai fliegen. Nach
»Kern« eingelegten Einzelteile nur drei Monaten besaß er die
Höhe 2,17 m |
für die Teilschale ließen jedoch Frontflugreife, doch bereits
Flügelfläche 14,5 qm |
unterschiedliche Fugen entste- beim achten Einsatz setzte ein
Rüstmasse 495 kg | hen, die es auszufüllen galt, oh- britischer Jagdeinsitzer seiner
Zuladung 285 kg | ne dass die Festigkeit der Ver- Karriere ein Ende.
Startmasse 780 kg | leimung darunter litt.
Flächenbelastung 53,8 kg/qm j Nach Genesung von seiner
Höchstgeschwindigkeit 192 km/h | Hanns Klemm begann unver- schweren Verwundung sah ihn
Reisegeschwindigkeit 180 km/h | züglich mit Leimuntersuchun- Friedrichshafen wieder - als
Steigzeit auf 1.000 Meter 5,1 Min |
gen. Hier kam ihm sein Wissen Mitglied der militärischen Ab-
als Bauingenieur aus der Zeit nahmekommission. Direkt nach
Dienstgipfelhöhe 4.700 m |
vor dem Ersten Weltkrieg zu- Abschluss seines Ingenieur-
absolute Gipfelhöhe 5.300 m | gute, als er einer der ersten Ex- Studiums trat er 1924 dem
Reichweite 780 km ) perten Württembergs im sein- Udet-Flugzeugbau in Mün-
Flugdauer 4,3 Stunden | erzeit revolutionären Stahlbe- chen-Ramersdorf als Konstruk-
tonbau geworden war. Wie er teur bei, um mit ihm 1926 von
KLEMM KL 106

L
1 Höhenmesser, 2 Kompass, 3 Druckmesser,
4 Kraftstoffvorratsmesser, 5 Drehzahlmesser,
6 Fahrtmesser, 7 Borduhr, 8 Zündschalter
8 7 6 5 4

A B C

KLEMM KL 106

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Aber es wurde ein ganz neues
Flugeug. Und mit fortschreiten-
der Konzipierung wurde auch
klar, dass selbst die grundsätz-
lichsten Konstruktionsmerkma-
le wie der für ein kurzes Fahr-
werk gewählte Knickflügel
nicht ohne Abstriche übernom-
men werden konnten. Das lag
an der Eigenart des Schalen-
Aufbaus. Für den Flügel bildete
die als profilierter Flügelquer-
schnitt ausgebildete komplette
Nase eine Teilschale, die ge-
gen einen relativ schwach di-
mensionierten Holm geleimt
Zu schwer: Die anfänglich kompromisslose Umsetzung der mal auch noch der Leitwerksbereich bis zum Ende der Seiten-
Holzschalenbauweise durch Halbschalen, wie im Bild oben am flosse als Schalenstruktur ausgebildet war. Er musste für die
wurde. Zusammen mit einer
Beispiel für die Kl 106 V1 gezeigt, war wesentlich zu schwer, zu- geplante Serie umkonstruiert werden. weiteren - diesmal halbrunden

der Bayerischen Flugzeugwer- Das Schema der Klemm-Teilschalenbauweise am Beispiel der Rumpfschalen in der defini- - Teilschale, von hinten gegen
tiven Serienausführung: In eine »Kern« genannte Form werden alle Einzelteile - die Rip-
ke AG in Augsburg übernom- pensegmente, die Längsgurte und alle zum Verbinden und späteren Befestigen erforderli- den Holm geleimt, bildete sich
men zu werden. Die Einleitung chen Füllklötze - lose eingelegt (Bild 1). Nachdem alles mit Leim bestrichen worden ist, wird eine verdrehsteife Röhre. Ge-
des Konkursverfahrens dort die Sperrholzhaut darauf gelegt und durch Spannbänder auf die Form gezogen. Nach dem gen diese wiederum waren
Abbinden des Leims lässt sich das Gebilde als Schale vom »Kern« abheben (Bild 2). In bei-
verschlug ihn 1931 schließlich de Schalen können nun bequem die Innenteile wie die Steuerung montiert werden (Bilder nach hinten als Profilauslauf
zum Leichtflugzeugbau Klemm 3 und 4), bevor durch deren Zusammenschrauben der komplette Rumpf entsteht. normale Rippen geleimt, die
nach Böblingen. Anfänglich ar-
beitete er als Gruppenleiter un-
ter Fecher, beispielsweise an Die Flügelstruktur der Klemm Kl 106 - Schalen bilden nur den vorderen
Teil. An ihn werden normale Rippen befestigt, die Stoffbespannungen er-
einer Version des Kabinen-Rei- halten. (Die retuschierte Wurzelverdickung und der herausstehende Holm
seflugzeuges Kl 36 mit Einzieh- sollten eine Flügelhälfte des Reise-Viersitzers Kl 151 vortäuschen.) Der in
fahrwerk. Ab Mai 1935 über- Bildmitte (links) sichtbare Rahmen für ein einziehbares Landelicht war nur
bei der V1 vorgesehen.
nahm Bucher die Aufgaben
eines Chefkonstrukteurs, da
Fecher an das Klemm-Zweig-
werk in Halle abgegeben wer-
den musste.

Die Arbeit im Versuchsbau ver-


lief anfänglich zweigleisig. Ne-
ben Klemms besonderem An-
liegen, einem leichten Kabinen-
Tiefdecker mit zwei neben- Die Eigenart
einander liegenden Sitzen (die des Schalen-Aufbaus
spätere Kl 105), wurde bevor- brachte es mit sich, dass
gegenüber dem Ausgangsmuster
zugt an einer Schalenbauversi- Kl 35 grundlegende Änderungen vorzunehmen waren.
on des Knickflügel-Schulzwei- Für den Flügel bildete die als profilierter Flügelquerschnitt
sitzers Klemm Kl 35 gearbeitet, ausgebildete komplette Nase eine Teilschale, die gegen einen relativ
schwach dimensionierten Holm geleimt wurde. Zusammen mit einer wei-
der sich gerade erfolgreich bei teren - diesmal halbrunden - Teilschale, von hinten gegen den Holm ge-
der Luftwaffe und im Export leimt, bildete sich eine verdrehsteife Röhre. Gegen diese wiederum waren
einführte. Deswegen liefen die nach hinten als Profilauslauf normale Rippen geleimt, die die Stoffbe-
spannung des Flügelhinterteils trugen. Diese Röhre nun war es, die sich
ersten Konstruktionsarbeiten allen Versuchen eines scharfen Flügelknicks wie bei der Kl 35 widersetz-
noch unter der Bezeichnung Kl te. Er musste wesentlich moderater ausfallen.
35 C.

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gestell, wie es für die schwedi-
schen Kl 35 entwickelt worden
war und dann in der D-Reihe
der Kl 35 serienmäßig zum Ein-
bau kam. Anschließend wur-
den diese Maschinen auf die
Gruppen des Nationalsozialisti-
schen Fliegerkorps (NSFK) ver-
teilt. Der Berliner Ortsverband
beispielsweise erhielt die Kl
106 V3, D-EBCQ, Werk-Num-
mer 1242.

TECHNISCHE BESCHREIBUNG

IragfJügeU Dreiteilig, in Klemm-


Teilschalenbauweise. Schalen-
teile aus Sperrholz; Mittelteil
komplett sperrholzbeplankt,
Außenflügel-Hinterteile mit
Sperrholzrippen und Stoffbe-
spannung. Querruder aus Holz
mit Stoffbespannung.

die Stoffbespannung des Flü- Bauteil wurde sparsamst di- Rumpf: Klemm-Teilschalenbau-
Damit schließt sich der Kreis: Hier
gelhinterteils trugen. Diese mensioniert, jedes Füllklötz- noch einmal die zu Anfang dieser Do- weise aus Sperrholz, mit zwei
Röhre nun war es, die sich allen chen auf seine Notwendigkeit kumentation abgebildete Maschine, ein Seitenteilen und aufsetzbaren
Vorserienmuster der Kl 106, wie es bei Rückenteilen.
Versuchen eines scharfen Flü- hin überprüft. den NSFK-Gruppen geflogen wurde.
gelknicks wie bei der Kl 35 wi- Das elegante Einbein-Fahrwerk war
Für den zweiten Prototyp der Kl durch ein robusteres Dreibein-Fahrge-
Leitwerk: Höhenleitwerk und
dersetzte. Er musste wesent- stell ersetzt worden. Die D-EBCQ war Seitenruder in konventioneller
106 (V2, Werk-Nummer 1241)
lich moderater ausfallen. in Berlin beheimatet. Holzbauweise; freitragende
hatte das auch äußerlich sicht-
Vielleicht trug das zur Eleganz bare Auswirkungen. Statt der Höhenflossen sperrholzbe-
der neuen Maschine bei, denn beiden kompletten Rumpfhalb- HR) aufgelegt, die zusammen plankt, Ruder stoffbespannt.
schön war sie anzusehen und schalen, die oben und unten die O-Serie bildeten. Sie erhiel- Höhenruder mit verstellbaren
formvollendet mit ihrem runden zusammengeschraubt waren, ten, wie bereits die V2, ein Trimmrudern, Seitenruder mit
Rumpfquerschnitt und dem gingen die Seitenschalen jetzt 80/105 PS starkes Hirth-Trieb- Trimmklappe.
ovalen Umriss des schlanken nur noch bis zum oberen werk HM 504 A und konnten Fahrwerk: Ursprünglich Ein-
Flügels, als sie im November Rumpfgurt. Dort wurden sie sukzessive bis Juni 1939 fertig- bein-Federstrebe mit Radver-
1937 erstmals aus der Monta- durch einen waagerechten gestellt und eingeflogen wer- kleidung, später geändert als
gehalle rollte. Diese Kl 106 V1 Deckelspant verbunden, auf den. Dreibeinfahrwerk mit Ölfeder-
mit der Werk-Nummer 1240 be- dem der leichte Rücken saß. strebe. Starrer, gefederter
Es war vorgesehen, eines die-
saß noch einen 65 PS starken Diese Maßnahme, zusammen Schleifsporn.
ser Flugzeuge als Muster für
Hirth HM 60-Motor. Und für den mit Verbesserungen am Flügel-
den Nachbau in die USA zu ver- Triebwerk: Hirth HM 504 A-2,
war sie zu schwer. Alleine Mittelteil, erbrachten alleine 12
schiffen. Dazu kam es jedoch luftgekühlter Vierzylinder-Rei-
Rumpf und Flügelmittelstück kg Ersparnis.
auf Grund der sich drastisch henmotor mit hängenden Zylin-
wogen fast 107 kg.
zuspitzenden politischen Lage dern und 80/105 PS Nennleis-
Es begann ein Kampf um jedes Bei den ersten beiden Proto- nicht mehr. Auch eine Auswer- tung. Kraftstoff Vorrat 113 Liter;
Gramm Masse, der eigentlich typen war ein separates Rumpf- tung der Klemm'schen Patente Verbrauch bei Reisegeschwin-
die ganze Holzschalen-Ent- ende mit integrierten Seiten- fand nicht statt, denn die in digkeit auf 100 km 14,5 Liter, je
wicklung begleitete. Jedes. flossen aus zwei Schalen ge- Wirtschaftsfragen sehr sensib- Stunde 26 Liter.
wählt worden. Es wurde an den len amerikanischen Autoritäten
vier Längsgurten durch Ver- vermuteten, dass Davis in den Farbgebung: Silbergrau (RLM
QUELLENANGABEN schrauben mit der vorderen USA kommerzielle und wehr- 01); mit in schwarzen Lettern
Schale verbunden. Die bei der wirtschaftliche Interessen der aufgetragene Zivil-Zulassung
Supf: Hanns Klemm, Stuttgart,
1955 • Junkers-Nachrichten 6 V3 bis zur Seitenruder-Vorder- deutschen Nationalsozialisten auf beiden Rumpfseiten sowie
(Nov/ Dez) 1968, 1 (Jan./Feb.) kante durchgezogenen Rumpf- - mit denen er anscheinend auf Flügel-Ober- und -Untersei-
1969 • Soldat und Technik Seitenschalenteile, die die Ver- eng zusammen arbeitete - te. Hakenkreuzfahne als Natio-
8/1969 • Briefwechsel Klemm/ wendung des kompletten Leit- wahrnahm. Überdies fiel ins nalitäts-Kennzeichen auf bei-
Davis & Co. Inc. vom 14.3. werks der Kl 35 - sogar mit Gewicht, dass sich auch ameri- den Seiten des Seitenleitwerks.
1939 • Diverse interne LFK-Un- freitragenden Höhenflossen -
terlagen 1936 bis 1939 • Ge- kanische Firmen zunehmend
spräche des Autors mit Carl Bu- zuließ, brachte weitere Ge- mit der Frage nichtstrategi-
cher, Augsburg 1980 und wichtsersparnis. scher Baustoffe im Flugzeug-
1981 • Flugbücher Chefpilot Karl bau beschäftigten.
Voy • William Stevenson: A man Entsprechend dieser Kl 106 V3
called intrepid - the secret war. wurden weitere Prototypen (V4 Die Klemm Kl 106 der 0-Serie
N.Y. • A.W. Loerke: Why wood? D-EPQG, V5 D-ECAH, V6 D- erhielten ab November 1939
Air Trails Pictorial, 1943 EQMR, V7 D-EDFK, V8 D-ER- anstelle des Einbein-Fahrwerks
QS, V9 D-EECD und V10 D-ES- ein robusteres Dreibein-Fahr-

12
Historische deutsche Flugzeuge bis 1945

tembauteile, bis schließlich für reife Triebwerke der eingeplan- mindestens ein Motor in der
die neuen in der Entwicklung ten Muster noch nicht zur Verfü- Größenordnung des HM 60 R
befindlichen 65 PS (47,8 kW) gung standen. Durch die vom (Anm. - 80 PS/58,8 kW) zur
Motoren Zündapp 9-093 und RLM (Reichsluftfahrtministeri- Verwendung kommen muss,
Hirth HM 515 ab Anfang 1938 um) unterstützte Forderung wenn bei der Anfangsschulung
ein konkreter Entwurf ausgear- des NSFK (Nationalsozialisti- der Forderung nach größter Si-
beitet werden konnte - die Kl sches Fliegerkorps) nach ei- cherheit in vollem Umfange
105, deren Erstflug für den nem kostengünstigen 40 bis 50 Rechnung getragen werden
Sommer festgelegt wurde. PS-(29,4 bis 36,8 kW) Leicht- soll. Der geringe Leistungs-
flugzeugs für sportliche Zwe- überschuss eines mit einem 45
APROPOS cke sowie zur zivilen und militä- PS-Motor ausgerüsteten Flug-
KLEMM-TEILSCHALEN BAUWEISE zeugs stelle die Durchführung
•eines Schulbetriebs ohne
ernstliche Unfälle in Frage. Der

KLEMM Kl 151 Einsatz von Schulflugzeugen


mit derartig schwachen Moto-
ren müsse rundweg als Rück-
wärtsentwicklung bezeichnet
Die hölzerne Taifun werden. Die von der Korpsfüh-
rung des NSFK festgelegten
Richtlinien werden vom RLM
Für Hanns Klemm blieb das of- Krönung des Holzschalenbaus sollten bequeme Kabinen- aus diesen Überlegungen he-
fene Schulflugzeug Kl 106 mit Reiseflugzeuge werden. Die einmotorige Kl 151 und die raus nicht weiter verfolgt.
den zwei hintereinander liegen- zweimotorige Kl 152 befanden sich im Entwurfsstadium, als
den Sitzen immer nur das Uten- der Krieg ein Verbindungsflugzeug aus nichtstrategischen Darauf entschloss sich Klemm,
sil, mit dem die Machbarkeit Werkstoffen forderte. die für die Kl 105 V6 fertigge-
seines Teilschalenbaus aus stellten Schalen zu verwenden,
Holz zu beweisen war. Ziel, das um daraus einen 105 PS (77,2
er mit seiner neuen Bauweise Der Zweisitzer, dessen Plätze rischen Schulung, wandelten kW)-Schul-Zweisitzer als Kl 107
anstrebte, waren modern konzi- nebeneinander angeordnet wa- sich Form, Abmessungen und V1 mit dem neuen Hirth HM
pierte Kabinen-Leichtflugzeu- ren, erhielt zuerst einen schlan- Antrieb der folgenden Kl 105- 500 A-1 als Antrieb zu entwi-
ge in der nun machbaren aero- ken Flügel von 12,20 Metern Prototypen. Im späteren Verlauf ckeln. Er konnte im Mai 1939
dynamischen Vollkommenheit, Spannweite mit elliptischem des Jahres 1938 stellte das durch den seinerzeitigen Chef-
die er sich stets für seine Umriss und im ersten Prototyp RLM dann allerdings fest, dass piloten Helmuth Kalkstein
Schöpfungen vorgestellt hatte. anfänglich einen luftgekühlten
Auf dem Weg dorthin entstan- 40PSSalmsonAd9 Neunzylin-
den in der Versuchswerkstatt der-Sternmotor mit 40 PS (29,4
zahllose experimentelle Sys- kW) Startleistung, weil einbau-

13
(1912-1939) eingeflogen wer-
den und erhielt die Zulassung
D-EXKL. Am 5. Juli verunglück-
te Kalkstein mit der Maschine
tödlich; als Unfallursache wur-
de Materialversagen festge-
stellt. Statt ratoniertem Birken-
sperrholz und Kiefer mussten
die Schalen aus Buchensperr-
holz und Tanne gefertigt wer-
den. Durch die extreme Belas-
tung bei der Flugerprobung
zerbrach die Holmbeplankung
schlagartig, was zur Auflösung
der gesamten Flügelstruktur
führte. Die geringere Schubfes-
tigkeit des Buchensperrholz
war noch nicht ausreichend ge-
testet. Kalksteins Fallschirm
hatte sich zwar geöffnet, aber
er kam nicht von der Kabine
frei.
Daraufhin wurde die Konstrukti-
on strukturell und von der form-
lichen Auslegung vollkommen
überarbeitet. Das Ergebnis war
die Klemm Kl 107 V2, die als D-
ERKS am 5. Juni 1940 eingeflo-
gen werden konnte und schon
bis auf die nach oben aufklapp-
baren Einsteigetüren und einen
kürzeren Rumpf generell den
späteren Kl 707-Mustern ent-
sprach. Sie wurde als Basis be-
stimmt, von der aus bei gleich-
zeitiger Übernahme wesentli- bauteile genannt wurden - kos- derte zunächst die Verwirkli-
Die drei Bilder oben zeigen die Klemm tensparend verwenden. Die ge- chung dieser Pläne.
cher Bauteile weiter entwickelt Kl 151 V1 nach der Endmontage, aber
werden konnte. Damit ließen noch unbespannt. Deutlich zu sehen ist planten Folgemuster sollten
sich auch ihre Kerne - wie die das ursprüngliche Dreibein-Fahrwerk. Viersitzer mit Einziehfahrwerk Aber noch im gleichen Jahr
Die Löcher in der Rumpfschale dienen werden. Bei der Motorisierung 1940 wurden Dr.-Ing. Hanns
Negativschablonen für das Ein- dem Zusammenschrauben der beiden
legen und Verleimen der Bau- Rumpfschalen. wurden einheitlich luftgekühlte Klemm (1885-1961) als Fir-
teile zur Bildung der Schalen- 160 PS (117,7 kW) Hirth HM meninhaber und Chefkonstruk-
506-Reihenmotore eingeplant teur sowie sein Konstruktions-
- Weiterentwicklungen des HM leiter Oberingenieur Carl Bu-
TECHNISCHE DATEN 504 mit sechs statt vier Zylin- cher (1898-1985) ins damalige
dern. Für die einmotorige Kl 151 Reichsluftfahrtministerium
Muster Klemm Kl 151 V1 mit einer Spannweite von 10,80 (RLM) nach Berlin bestellt, wo
Verwendungszweck Verbindung und Reise | Metern, einer Länge von 7,70 sie Ernst Udet (1896-1941) als
Besatzung 4j Metern und einer Flügelfläche Amtschef über den Entwick-
Baujahr 1942 | von 15,7 Metern - mit ähnlichen lungsstand ihrer Reiseflugzeu-
Bauart freitragender Tiefdecker in Holzschalenbauweise | Abmesssungen also wie die Kl ge zu informieren hatten. Udet
Konstruktion Hanns Klemm, Carl Bucher |
107 V2 - sollte die Rüstmasse ordnete die sofortige Wieder-
600 kg (Kl 107 V2 545 kg) betra- aufnahme der Arbeiten an. Ziel
Hersteller Leichtflugzeugbau Klemm GmbH, Böblingen |
gen. Die Leistungen sollten sollte sein, mit einem aus dem
Antrieb Argus As 10 P Achtzylinder V-Motor | ähnlich wie beim Zweimotorer nichtstrategischen Baustoff
Startleistung 240 PS (176,5 kW) sein. Dagegen wurde für die Holz gebauten Viersitzer das
Spannweite 12,40 m ] zweimotorige Kl 152 mit halb in aus Dural gefertigte Standard-
Länge über alles 9,17 m | die Motorengondeln einziehba- Verbindungsflugzeug der Luft-
Flügelfläche 20,8 qm | ren Rädern eine Spannweite waffe, die Messerschmitt Bf
Rüstmasse 800 kg | von 12,40 Metern, eine Länge 108 Taifun, in der Produktion
von 7,30 Metern und eine Flü- ablösen zu können. Hauptvor-
höchstzulässige Startmasse 1.500 kg |
gelfläche von 16,5 qm einge- gabe des Amts: Das von Hand
Höchstgeschwindigkeit 236 km/h |
plant. Bei 895 kg Rüst- und einziehbare Fahrwerk der Bf
Reisegeschwindigkeit 215 km/h | 1.510 kg Flugmasse wurde die 108 musste als komplette Kon-
Landegeschwindigkeit 85 km/h | Höchtgeschwindigkeit mit 285 struktionseinheit übernommen
Dienstgipfelhöhe 5.800 m | km/h errechnet und eine Reich- werden. Um einen möglicher-
Reichweite 1.200 km | weite von 1.000 km erwartet. weise vorhandenen Weiterent-
Das Kriegsgeschehen verhin- wicklungs-Vorsprung bei Mes-

14
Klemm Kl 151 VI

15
dürfen, sollte es seine prinzi- werks- und Spornbefestigung
pielle Funktion behalten. Da ei- frei zugänglich gestaltet wer-
ne Lösung der notwendig wer- den. Auch der auf dem Kl 107-
denden Versuche wegen einige Kern zu bauende Flügel wäre
Zeit in Anspruch zu nehmen von der Fläche her zu klein ge-
versprach, entschlossen sich wesen. Deshalb wurde er zur
Klemm und Bucher, für den ers- Wurzel hin verlängert und im
ten Prototyp einen auf den nor- Nasenbereich nach vorne ge-
malen Kl 707-Kern gebauten zogen, um dort die Brennstoff-
Flügel zu verwenden und das tanks unterbringen zu können,
Muster zur Anfangserprobung deren bisheriger Platz im
mit einem starren Dreibein- Rumpf durch die zweite Sitzrei-
Fahrgestell auszustatten. he hinfällig geworden war. Für
alle Schalenteile mussten Bu-
chensperrholz und Tanne ver-
Die beiden zusammengeschraubten
wendet werden. Lediglich die
Rumpfschalen der Kl 151 mit Doppel- Holmgurte bestanden noch
steuer und dem Stahlrohrgerüst, das aus polnischer Kiefer. Die Zelle
auch der Motorbefestigung dient.
wurde als erstes im Rohbau
Die Heckverlängerung des Rumpfes vollendet.
ist ein Stahlrohrgerüst, verkleidet mit
großen, anklappbaren Teilen, die die Als schließlich das Triebwerk
Wartung der Sporn- und Leitwerksbe- zugeteilt und eingebaut worden
festigung leicht machen.
war, hob Chefpilot Karl Voy
(1909-1991) am 10. September
1942 die Kl 151 VI zum 40 Mi-
serschmitt abzufedern, wurde
nuten dauernden Erstflug vom
vorgeschlagen, neben der Nor-
Böblinger Flughafen ab. Er ver-
malversion Kl 151 A, die mit ei-
lief, wie alle anschließenden Er-
nem Argus As 10 P-Triebwerk
probungsflüge auch, ohne we-
von 200 PS (147,1 kW) Dauer-
sentliche Beanstandungen. So
leistung eine Höchstgeschwin-
konnte das Flugzeug am 19.
digkeit von 280 km/h erreichen
Februar 1943 nach Berlin-Ad-
sollte, eine leistungstärkere Va-
lershof zur Musterprüfung
riante Kl 151 B zu entwickeln.
überführt werden, die am 28.
Mit ihrem im Dauerbetrieb 315
Februar begann und am 1.
PS (231,7 kW) leistenden Argus
März erfolgreich abgeschlos-
As 410 würde ihre Höchstge-
sen wurde. Das starre Fahrwerk
schwindigkeit bei 350 km/h lie-
des neuen Kurierflugzeuges in-
gen.
spirierte die Militärs. Sie hatten
Nach der Rückkehr in Böblin- auf den sich teilweise in sehr
gen begannen unverzüglich die schlechtem Zustand befindli-
Überlegungen für die konstruk- chen östlichen Feldflugplätzen
tive Ausbildung der einzelnen mit der Taifun negative Erfah-
Bauelemente. Dabei ergab sich ment ergaben. Aber es reichte Ein auf dem Kl 707-Kern gebau- rungen gemacht. Deren emp-
ein ganz großes Problem: Die lediglich etwa über ein Drittel ter Rumpf erwies sich als zu findliches Einziehfahrwerk
Unterbringung des vorgegebe- der Flügeltiefe, deren Rest aus kurz. Um ihn trotzdem verwen- zeigte sich solchen Strapazen
nen Einziehfahrwerks in die Flü- normalen Rippen bestand, die den zu können, konstruierte oft nicht gewachsen. Also wur-
gelschale. Nach dem Klemm- über ihre formgebende Aufga- Bucher eine Heckverlänge- de von der Kl 151 eine Serienva-
schen Teilschalenprinzip wur- be hinaus lediglich die Funktion rung. Er bildete sie als ver- riante mit starrem, robustem
de der Flügel durch eine hatten, Querruder und Spreiz- schweißtes Stahlrohrgerüst Fahrgestell gefordert. Darauf-
formgebende Nasenschale klappen zu tragen. Das Scha- aus, das gegen das rückwärti- hin erhielt die V1 anstelle der
und eine halbrunde hintere lenelement war also grundsätz- ge Ende des Schalenrumpfes Dreibein-Lösung je einen kräfti-
Schale gebildet, die - mit ei- lich zu schmal für die Aufnah- geschraubt wurde. Da er es gen, kompakten Y-Schenkel zur
nem relativ schwach dimensio- me eines Rades, zumal es großflächig mit klappbaren Ble- Führung der Federstreben, der
nierten Holm verleimt - ein tra- seinetwegen auch gar nicht chen verkleidete, konnten die in aus zwei gepressten Stahlscha-
gendes, verdrehsteifes Bauele- hätte ausgeschnitten werden dem Gerüst integrierte Leit- len zusammengeschweißt war.
Mit diesem Fahrgestell absol-
vierte die Maschine, die das
Stammkennzeichen TB+QK zu-

Eine Rumpfschale der Kl 151, in die be-


quem alle Zusatzteile einmontiert wer-
den konnten, bevor die zweite Rumpf-
schale dagegen geschraubt wurde. Im
Heck ist die Vorrichtung zu erkennen,
die mit dem Abschließen der Kabine
alle Ruder automatisch arretiert.

16
bauweise, sowie einem weite-
ren, blechverkleideten Stahl-
rohrgerüst im Heck, das als
Leitwerksträger dient. Die Kabi-
ne umfasst zwei nebeneinan-
derliegende Einzelsitze vorne
mit ausbaubarer Doppelsteue-
rung sowie eine Sitzbank hin-
ten. Sie wird durch zwei nach
vorne aufklappbare Einsteige-
türen abgeschlossen und ist
belüftet sowie heizbar. Der Ge-
päckraum befindet sich hinter
den Sitzen, ist von außen zu-
gänglich und abschließbar (in
Verbindung mit einer Ruderblo-
ckierung).
Leitwerk: Freitragendes Nor-
malleitwerk in Holzbauweise
mit sperrholzbeplankten Flos-
sen und stoffbespannten Ru-
dern. Alle Ruder mit Massen-
ausgleich. Höhenruder mit ver-
stellbaren Trimmrudern, die
geteilt bekommen hatte, erfolg- rungslösung ausgearbeitet Seitenruder mit Trimmkante.
reich eine Dauererprobung, die worden war: Der Holmsteg saß Von ausßen zu betätigende Vor-
Das Instrumentenbrett der Kl 151 V. Für
aus zahlreichen Flügen vom jetzt so weit hinten, dass der den Gashebel gibt es noch keine Mittel- richtung für das Arretieren aller
Stammwerk aus nach Augs- Schalenanteil an der Wurzel et- konsole, deswegen ist je einer an der Ruder.
burg, Regensburg, Lechfeld was über die Hälfte der Flügel- linken und rechten Bordwand ange-
bracht. Ansonsten wirkt die Gerätetafel Fahrwerk: Ursprünglich festes
und Prag bestand. tiefe reichte. In der tieferen Na- fortschrittlich konzipiert mit den Flug-
senschale ließ sich jetzt mit ent- überwachungsinstrumenten (Kompass, Dreinbeinfahrwerk mit Ölfeder-
Klemm hatte zwischenzeitlich Grob-/Feinhöhenmesser, Fahrtmesser, streben, danach aus Stahl-
sprechenden Verstärkungen
von Messerschmitt die Ferti- Wendezeiger und Variometer) im linken blech gepresste Y-Schenkel
und dickerer Beplankung ohne und denen für die Triebwerksüberwa-
gung des Raketenjägers Me zum Abfangen der Federbeine.
Verlust an Dreh- und Biegefes- chung (zwei Brennstoffanzeiger, Brenn-
763 übernehmen müssen. Da- und Schmierstoff-Druckmesser,
tigkeit der Ausschnitt für das Triebwerk: Luftgekühlter Acht-
durch wurden alle eigenen Ak- Schmierstoff-Temperaturmesser, Dreh-
Fahrwerk unterbringen Die V2 zahlmesser und Borduhr) im Mittelfeld. zylinder V-Motor Argus As 10 P
tivitäten lahmgelegt. Die Weiter-
wurde jedoch nie fertiggestellt, Vor dem Kopilotensitz rechts sind noch mit hängenden Zylindern und
entwicklung der Kl 151 war in- einmal Höhenmesser, Kompass und
und die V1 am 19. Juli 1944 auf einer Startleistung von 240 PS
zwischen an die tschechische Fahrtmesser zu finden.
dem Böblinger Flugplatz Opfer (176,5 kW). Elektrischer Durch-
Firma Zlin abgegeben worden,
alliierter Bomben. In einer Pro- drehanlasser. Zweiflügelige
die auch die anschließende
duktionsstudie vom Juli 1954 Bild unten: Chefpilot Karl Voy Argus-Verstell-Luftschraube.
Fertigung übernehmen sollte.
war darüber nachgedacht wor- fliegt die Klemm Kl 151 V1. Zwei Brenn Stoff tanks in den
Hier wurde der neue Flügel für
den, die Kl 151 als Nachkriegs- vorderen Flügelwurzeln.
die Kl 151 V2 mit Einziehfahr-
modell neu aufleben zu lassen.
werk in Angriff genommen, für Anstrich: Oberseite im Zweifar-
Eine Entscheidung fiel zuguns-
den eine konstruktive Ausfüh- ben-Sichtschutz mit schwarz-
ten der Kl 107 aus, die dann - Holz mit Stoffbespannung wer-
zum Dreisitzer überarbeitet - grün 70 und dunkelgrün 71, Un-
den über Stoßstangen angetrie-
QUELLENANGABEN leider nur in einer kleinen Serie terseite komplett in hellblau 65.
ben. Mechanisch betätigte
(54 Stück) gefertigt werden Das Stammkennzeichen ist
Kh. Kens: Halbschalen in Holz, Spreizklappen aus Holz mit
konnte. schwarz, die Hoheitszeichen
FlugRevue 8/1994 • Kh.Kens: Sperrholzbeplankung als Lan-
Flugzeuge in der Klemm-Teilscha- schwarz/weiß.
dehilfe.
lenbauweise; Vortrag bei der
DGLR Braunschweig, 2003 • Be- Rumpf: Aufbau aus einem klei-
richte der Berliner LFK-Vertre- nen Stahlrohrgerüst im Bug,
tung an die Geschäftsleitung v. TECHNISCHE BESCHREIBUNG
12. Nov. 1937,12.Febr. und 28. Ju-
zwei Seitenschalen aus Sperr-
ni 1938 • LFK: Vorläufige Baube- Tragfläche: Zweiteilig, in holz in der Klemm-Teilschalen-
schreibung 152 I und II, Böblin- Klemm-Teilschalenbauweise;
gen, 1.Nov.1939 • Baubeschrei- Vorderteile als Sperrholzscha-
bung des Flugzeugmusters Kl len mit zwischengeleimtem
151 A/B vom 12. Nov. 1941 •
Schwerpunktrechnung und -wä- Kastenholm aus Holzgurten
gung von Kl 151 vom 18.bis und Sperrholz-Stegwänden,
20.Dez.1941 • Übersichtszeich- Hinterteile mit gegen die hinte-
nung der Kl 151 V2, M.1:20, 1943 re Schale geleimten Sperrholz-
• Antworten zum Fragenkatalog rippen; stoffbespannt. Die Hol-
Klemm-Teilschalenbauweise und
me der beiden Flügelhälften
Kl 151 durch Carl Bucher, Dez.
1980 bis Nov. 1981 • Flugbücher werden nach dem Schäftver-
Karl Voy • Fotos: Archiv Kens. fahren innerhalb des Rumpfes
verschraubt. Die Querruder aus

17
Historische deutsche Flugzeuge bis 1945

Segelflug und Luftschrauben - kein Widerspruch für


den vielseitigen Konstrukteur Ludwig Hoffmann, Er grün-
dete ein Propellerwerk und schuf ein dreimotoriges Ver-
kehrsflugzeug. Aber er hatte auch Segelflugzeuge ent-
wickelt, deren erfolgreiche Lebensgeschichten des
Erzählens wert sind.

»Alles, was über 700 km/h Entwurf eines Leistungs-Segel-


schnell fliegt, ist für uns Propel- flugzeuges als Diplom-Arbeit.
lerbauer verloren!«, konnte
Von dort holte ihn Professor
Dipl.-Ing. Ludwig Hoffmann
Junkers 1923 für die Entwick-
(1895-1978)gelassen resümie-
lung von Metallpropellern in
ren, denn alles, was darunter
sein Dessauer Werk. Bevor Hoff-
lag, deckten seine »Rosenhei-
mann seine anhaltische Heimat
mer Latten« ab. Gemeint sind Das Kriegsende brachte sei- Gemeinschaft mit F. Nicolaus
wieder verließ, fungierte er als
die Luftschrauben aus dem ner Luftfahrtbetätigung eine (dem späteren Schöpfer der
Typenleiter für das dreimotohge
Propellerwerk Hoffmann&Co - Zwangspause, in der er nach ei- Henschel-Flugzeuge) bei der
Verkehrsflugzeug Junkers G 31
jedem ein Begriff, der in der genen Patenten verschiedene TH Darmstadt entworfen. Der
- eine Großrumpf-Weiterent-
Nachkriegszeit mit Propeller- Maschinen wie Druckapparate kostenlose Bau dieser in Se-
wicklung aus der G 24.
flugzeugen zu tun hatte. für die Textilindustrie fertigte, quenz als D6 bezeichneten
Nach kurzem Intermezzo als aber auch einer Berufung als Maschine bei der Bahnbedarf
Und wie ein roter Faden ziehen Assistent an der TH München Dozent an die Staatliche Ingeni- AG in Darmstadt erfolgte durch
sich Luftschrauben durch das und bei der DVL (Deutsche Ver- eurschule für Holztechnik in Ro- die Bemühungen von Geheim-
Lebenswerk dieses Konstruk- suchsanstalt für Luftfahrt) in senheim folgte. Hier gründete rat Prof. Dr. Ing. Otto Berndt
teurs, der aus Wörlitz in der Adlershof 1928 wurde er noch der Sechzigjährige am Tag der (1857-1940). Deswegen erhielt
der flügelgesteuerte Schulter-
decker mit 12,1 Metern Spann-

DER DESSAUER weite und einer Streckung von


9,8 den Namen Geheimrat. Es
war das erste Leistungs-Segel-
flugzeug der anschließend in
DIE ZWEI LEBEN EINES diesem Genre führenden Darm-
KLASSISCHEN LEISTUNGSSEGLERS städter Hochschüler.
Nähe von Dessau stammt, auf
dessen Humanistischem Gym- Die Maschine kam erst unmit-
nasium er 1913 sein Abitur im gleichen Jahr leitender Inge- Freigabe der deutschen Luftho- telbar vor Wettbewerbsende
machte. Als der Erste Weltkrieg nieur beim Propellerwerk heit - dem 5. Mai 1955 - sein ei- auf die Wasserkuppe, blieb
ausbrach, hatte er gerade sein Schwarz in Berlin, das als Mö- genes Propellerwerk. Viele sei- aber kurz danach schon 1 Stun-
Studium der Ingenieurwissen- belfabrik mit 20 Mann Beleg- ner früheren Berliner Mitarbei- de, 18 Minuten und 30 Sekun-
schaft an der Technischen schaft begonnen hatte. Bis ter unterstützten ihn. den in der Luft, dabei die Start-
Hochschule (TH) München be- 1945 stand er dem mittlerweile stelle 400 Meter überhöhend.
gonnen. Er beendete es nach auf 3.400 Beschäftigte ange- Doch zurück zu seinen Segel-
dem Krieg an der TH Darm- wachsenen Werk als Techni- flugzeugen. Das erste wurde für Bei der zweiten Konstruktion
stadt mit dem wegweisenden scher Direktor vor. den Rhön-Wettbewerb 1922 in stand der Geheimrat rein

18
Die Überreste des »Der
Dessauer« werden von
Dessau nach Cöthen
geholt. Der Zustand
des Transportwagens
gestaltetet die Fahrt
abenteuerlich. Vorn im
Wagen Kaffenberger,
hinten Kahlert.

»Der alte Dessauer«:


Wiederaufbau der Steu-
erbord-Tragfläche. Es
war eine verbreitete
Praxis, das Querruder
gleich in die Baustruk-
äußerlich unverkennbar Pate. wesentlichen Punkten vom al- tur mit einzubeziehen.
Es wurde später he-
Hoffmann war inzwischen Mit- ten Geheimrat unterschied. rausgesägt, mit einer
arbeiter von Junkers geworden Zwar wurde erneut die einhol- Nase versehen und
und Mitbegründer des Flug- mige Bauweise mit verdrehstei- passte natürlich
ganz genau.
technischen Vereins Dessau fer Nase gewählt, jedoch an-
e.V. 1923. Was ihn zu einer stelle des drei- ein zweiteiliger
Adaption bewog, war die Erwä- Flügel. Und der Rumpf - des-
gung, dass ein neu gegründe- sen sperrholzbeplankte Seiten
ter Verein keinerlei Experimen- eine leichte Wölbung gegen während des Fluges gleichfalls Otto R.Thomsen (1895-1960),
te eingehen, sondern auf be- Welligkeit aufwiesen -, erhielt unter Kraftschluss. Auf jeder ihr Pilot, zeigte sich von den flie-
währte Konstruktionsprinzipien am Hauptspant fünfeckige Seite fängt eine kurze, kräftige gerischen Eigenschaften der
aufbauen sollte, die vor allem Form als Minimalquerschnitt Durairohrstrebe die Flügelhälf- Maschine begeistert. Auf die
Konkurrenzfähigkeit im Wettbe- für das Pilotenprofil. te gegen den Hauptspant des Ausbildung der Seiten- und
werb garantierten. Rumpfes ab. In Verbindung mit Quersteuerung - zu diesem
Besondere Aufmerksamkeit dieser Kombination wird eine Zeitpunkt bei den meisten
Er vertrat die Ansicht, aerodyna- wurde der Flügelaufhängung neuartige Einrichtung ver- Segelflugzeug-Konstruktionen
mische Vorteile seien durch geschenkt. Konstrukteur Hoff- sucht: Erfahrungsgemäß treten verbesserungswürdig - war be-
größere Masse nie zu teuer er- mann beschrieb sie so: »Die bei freitragenden Flügeln sonders Wert gelegt und die Ru-
kauft, und plädierte für ein Mehr Holmuntergurte sind unter sich großer Spannweite die größten der entsprechend groß bemes-
an Rippen zur besseren Profilt- durch ein Gelenk und mit dem Beanspruchungen beim Lan- sen worden. Außerdem arbeite-
reue, für eine weitgehende Ver- Rumpf durch einen zum Aus- den auf. Ein in die Strebe ein- ten die Querruder nach dem
legung der (anstelle von schwie- trimmen der Maschine versetz- gebauter Gummipuffer, der, auf Differentialverfahren - bei dem
riger verbind- und montierbaren baren Beschlag verbunden. Druck beansprucht, einen Fe- bestimmten Ausschlag eines
Seilzügen und Umlenkrollen) Die Obergurte stoßen stumpf derweg von etwa 5 mm zulässt, Ruders nach unten erfolgte auf
vorwiegend aus Stoßstangen aufeinander und stehen somit soll den Landungsstoß mildern, der anderen Seite ein größerer
während gegenüber den Zug- Ausschlag nach oben. Weiter-
beanspruchungen während hin war darauf geachtet worden,
des Fluges die Strebe sich durch entsprechende Massen-
nach wie vor starr verhält«. verteilung ein möglichst gerin-
ges Trägheitsmoment um die
Schwierige Bedingungen unter Eis Längsachse zu erhalten. Über-
und Schnee. »Der alte Dessauer« dies war die Seitenflosse extrem
Anfang 1925 beim Zugspitzflug in
Garmisch-Partenkirchen.
klein gehalten und das Ruder
überdimensioniert worden.

und Umlenkhebeln bestehen-


den Steuerungsorgane in das
Zelleninnere. Gewichtsvermin-
derung erstrebte er durch eine
mögliche Verringerung der Ein-
zelteile sowie eine umfassende
Heranziehung der Sperrholz-
Außenhaut zur Aufnahme der
Kräfte.
So kam es, dass sich die Neu-
konstruktion Der Dessauer in

Die Bilder auf der linken Seite zeigen


die Neukonstruktion des Flugtechni-
schen Vereins Dessau »Der Dessau-
er« 1923 erstmals auf der Wasser-
kuppe: Unten der startfertige Segler,
oben ein gelungener Bilderbuchstart.

19
Außergewöhnlich wendig, ur- brachten ihr Kolleggeld ein,
teilte Dipl.-Ing. Thomsen. Er war das sie sich hatten stunden las-
1922 von der TH München als sen. So entstand etwas, für das
Konstrukteur zu Junkers ge- 1928 (anlässlich der Taufe des
kommen. Der ehemalige Feld- ersten Motorflugzeuges der
flieger, der zwischen 1927 und Gruppe) der Dozent und Förde-
1933 als Technischer Leiter und rer, Ehrenvorsitzender Prof. Ph.
Fluglehrer der Sportflieger- Michel, in seiner Festrede fol-
schulen der Deutschen Luft- gende Worte zitierte: »Das sind
fahrt GmbH zahlreiche später die Cöthener, die den Fall des
prominente Flieger (und Fliege- Mannes verkörpern, dem man
rinnen) ausbildete, flog den
Dessauer auch auf dem Rhön-
»Der alte Dessauer« bei der Premiere
Wettbewerb 1923. Und er flog auf der Wasserkuppe 1924. Die Mitglie-
ihn so gut, dass das Preisge- der und Gönner der Fluwiac Cöthen po-
richt dem Flugtechnischen Ver- sieren. Am Rumpf im dunklen Pullover
Dipl.-Ing. Werner Hübner aus Roßlau,
ein Dessau für die hervorragen- der die Maschine einflog.
de fliegerische Leistung einen
Preis von 40 Millionen Mark zu- Rhönromantik 1924: Für die Teil-
nehmer des 5. Segelflugwettbewerbs
erkannte, zusammen mit dem gab es erstmals 40 Zweibett-Zimmer
Kyffhäuser-Preis von 45 Millio- und sogar ein Hotel; die Flugzeuge
nen und einem Anerkennungs- jedoch wurden noch in 17 Zelten
untergebracht.
preis von 30 Millionen Mark; die
Inflation ließ schön grüßen! Am Thomsen blieb unverletzt, aber
vorletzten Wettbewerbstag je- die Maschine war, wie es schi-
doch führte (aller Wahrschein- en, ein unreparabler Trümmer-
lichkeit nach) die elastische Flü- haufen.
gelaufhängung zum vorläufigen
Ende des Dessauer. Während der Flugtechnische
Verein Dessau am 14. Dezem-
30. August 1923. Die Einwei- ber 1922 ins Leben gerufen Der gebürtige Gothaer besuch- einen Hosenknopf schenkt und
hung des Fliegerdenkmals zog worden war, hatte sich bis auf te bereits als Siebzehnjähriger der sich den fehlenden Anzug
schätzungsweise 30.000 Besu- einen Tag genau ein Jahr spä- den 1. Rhönwettbewerb und dazu baut!«
cher in die sonst fast men- ter am Friedrichs-Polytechni- besaß als Gründungsmitglied
schenleere Rhön. Ein böiger Und so verhielt es sich in der
kum des benachbarten Cöthen des Gothaer Gleit- und Segel-
Sturm mit 20 m/s Windge- Tat: Im März 1924 war Dipl.-Ing.
eine kleine Flugwissenschaftli- flug-Vereins mittlerweile reiche
schwindigkeit umbrauste die Hoffmann an Kaffenberger her-
che Arbeitsgruppe - kurz Flu- Konstruktions- und Bauerfah-
Kuppe. Einige Piloten starteten angetreten, um ihm den Vor-
wiac genannt - etabliert. Lud- rung. Beim 4. Rhönwettbewerb
trotzdem. So wurden viele Tau- schlag zu machen, seinen fast
wig Kahlert (1903-1979), 1923 hatte er seinen Kommilito-
sende Augenzeuge schwerer vollkommen zerstörten Dessau-
Stud.-Ing. des Maschinen- nen Ludwig »Ingo« Kaffenber-
Brüche mit Verletzten und ei- er wieder aufzubauen. Die
baufachs an dieser angesehe- ger getroffen, Gründer und Vor-
nes Todessturzes. Der Flug- Gruppe sah darin eine Heraus-
nen Städtischen Gewerbe- sitzender der Fluwiac, der sich
sport berichtet: »Thomsen star- forderung und die Möglichkeit,
Hochschule, die sich ab Mitte seinerseits umfangreiche
tet auf Dessau. Die Böen waren zu einer eigenen Maschine zu
der dreißiger Jahre Staatliche Kenntnisse bei dem Roßlauer kommen. Kahlert und andere
außerordentlich heftig. Man Hochschule für angewandte Konstrukteur und Segelflieger
sah, wie die Flügelenden be- Gruppenmitglieder holten die
Technik nennen konnte, wurde Dipl.-Ing. Werner Hübner aneig- Bruchstücke - das Rumpfen-
gannen zu vibrieren und zu ihr Technischer Leiter. nen konnte.
schwingen. Der Pilot erkannte de, Flügelteile und die Steue-
die Gefahr und drückte die Ma- Das erste öffentliche Auftreten rung waren noch verwendbar -
schine zu Boden, wobei durch Der Darmstädter Akafieger Otto Fuchs. der Gruppe mit einem Rhön- in einer abenteuerlichen Fahrt
das heftige Aufsetzen die Flü- Er war der erfolgreichste Pilot mit dem film, Vorträgen und der Aus- aus Dessau nach Cöthen. Ge-
»Der alte Dessauer«. stellung eines richtigen Gleit- baut wurde in der Glasveranda
gel nach unten brachen.«'
flugzeuges, das Kaffenberger eines Restaurants, vorbildlich
in neunstündigem Fußmarsch unterstützt durch die lokale
auf einem wackligen Fahrge- Handwerkerschaft, die für be-
stell aus dem Harz nach sondere Anfertigungen Werk-
Cöthen geholt hatte, wurde der stätten und Maschinen zur Ver-
Anfang einer Erfolgsstory. Be- fügung stellte.
sonders die Jugend war be-
geistert. Ihr Eintritt: je ein Bri- Im August 1924 erstrahlte die
kett. 11 Zentner kamen so zu- Maschine im neuen Glanz - al-
sammen, die gegen 30 Mark lerdings ohne die unglückseli-
Gründungskapital getauscht ge Flügeldämpfung. Sie wurde
wurden. Die Banken zeigten auf den Namen Der alte Des-
sich nicht kleinlich, das Po- sauer getauft und zum 5. Rhön-
lytechnikum legte etwas dazu, Wettbewerb, der vom 15. bis
der Bürgermeister zweigte ein 31. August 1924 dauerte, auf
Scherflein von der Stadtkasse die Wasserkuppe gebracht, wo
ab, und die Gruppenbrüder er am 26. August durch Dipl.-

20
Hauptholm Hinterkante Querruder

IK M
Vorderer Hllfsholm

Obere Flügelbeplankung weggelassen

m
w
in

m
22
Ing. Hübner erfolgreich einge-
flogen werden konnte.
Semesters 1925/26 als erstes
Jungmitglied in die Fluwiac auf-
TECHNISCHE DATEN
I
genommen worden war, erin- Muster _ T ) »Der Dessauer«, 2) »Der alte Dessauer« |
Die Fluwiac verfügte, wie die nert sich an die weiteren Erfol- Baujahr 1)1923,2)1924 |
meisten Akafliegs oder andere ge:
Gruppen von Lehranstalten je- Konstruktion Dipl.-Ing. L. Hoffmann, Dessau |
ner Zeit, über keinen eigenen »Vom 7. bis 12. Oktober nahm Hersteller 1) Flugtechnischer Verein Dessau, 2) Fluwiac Cöthen |
Piloten, der Leistungssegel- die Gruppe mit ihrem Vogel am Besatzung 1 |
flugzeuge steuern konnten. In Segelflug-Wettbewerb auf dem Bauart halbfreitragenderSchulterdecker |
Otto Fuchs (1897-1987) von Monte Sisemol bei Asiago in Spannweite 12,80 m |
der Akaflieg Darmstadt - dem Italien teil. Trotz des ungünsti- 6,10 m |
Länge über alles
Rhönsieger 1924 - fanden sie gen Geländes machte Fuchs
Höhe über alles 1,35 m |
einen überragenden Flugzeug- hervorragende Flüge, und der
alte Dessauer kehrte als einzi- Flügelfläche 15,5 qm |
führer. Der aus Frankenthal
stammende Pfälzer hatte ges Segelflugzeug dieses Wett- Streckung^ 10,57
schon als Jugendlicher große, bewerbs unbeschädigt in die Rüstmasse ca. 100 kg
aber federleichte Modelle aus Heimat zurück. Schon im Fe- _ZuJachjng___ 76 kg |
Schilf gebaut und in den Rhein- bruar 1925 nahm die Gruppe Flugmasse ca. 176 kg
auen fliegen lassen, bevor er am Zugspitzwettbewerb teil. Es Flächenbelastung ca. 11,35 kg/qm
1914 Kriegsteilnehmer wurde, war allerdings mehr ein Schau-
Beste Gleitzahl ca. 19
ab 1917 als Jagdflieger. fliegen. Der Kochelberg, der als
Geringstes Sinken ca. 0,6 m/s |
Startplatz ausersehen war, lag
Nach Kriegsende studierte der in Eis und Schnee, und es war Höchstgeschwindigkeit ca. 140 km/h |
Schöngeist, der die Gedichte schwer, von dort mit dem Gum- Mindestgeschwindigkeit ca. 40 km/h |
von Baudelaire übersetzte, zu- miseil zu starten. Es ging je-
erst 1919/1920 Literatur und doch alles gut, und unser be-
Philosophie an der Uni Frei- währter Pilot Fuchs flog vom nicht mehr. Den Piloten, nun stellbar. Flächen: Seitenflosse
burg, dann 1921/1922 Agrar- Gebirge über Garmisch-Parten- meist junge »Fluwiacer«, fehlte 0,44 qm, Seitenruder 1,30 qm,
wissenschaft an der Landwirt- kirchen, wo er unter brausen- in der Regel noch die fliegeri- Höhenflosse 0,95 qm,
schaftlichen Hochschule in dem Jubel der Zuschauer di- sche Erfahrung. So flog Höhenruder 1,50 qm. Spann-
Bonn und schließlich ab 1924 rekt vor den Tribünen landete. schließlich einer von ihnen weite des Höhenleitwerks 3,00
an der Technischen Hochschu- Wenige Monate später fand der beim Rhön-Wettbewerb 1928 m.
le Darmstadt Maschinenbau. 3. Küstensegelflug-Wettbewerb die Maschine restlos zu Bruch.
Hier konnte er nach einer un- Fahrwerk: Zentrale Kufe mit
in Rossitten statt. Dort erreichte
terbrechenden Tätigkeit im ge- Luftpuffer-Abfederung nach
Fuchs am 2. Mai die Bestleis- TECHNISCHE BESCHREIBUNG
heimen Fliegerausbildungs- D.R.P. 381655. Stahlbügel als
tung der Veranstaltung durch
zentrum Lipezk 1933 auch sein Tragflügel: Zweiteilig, durch je Schleifsporn.
einen Dauerflug von 7 Stunden
Diplom erwerben. Noch im glei- und 45 Minuten.« eine kurze Durairohrstrebe Lackierunq: Sperrholzober-
chen Jahr ging Dipl.-Ing. Fuchs zum Hauptspant des Rumpfes flächen natur, mit Klarlack im-
zur DVL, wo er später und für Auf dem Höhepunkt der Lauf- abgefangen. Einholmige Bau- prägniert; Bespannstoff altweiß
lange Zeit das wichtige Amt bahn des alten Dessauer verab- weise mit verdrehsteifer Nase zelloniert. Bugbeschriftung
des Leiters für den Ingenieur- schiedete sich Fuchs von ihm. durch Sperrholzbeplankung. »Der Dessauer« bzw. »Der alte
Nachwuchs bekleiden konnte. In der Zwischenzeit hatte Prof. Hauptholm in Doppel-T-Form Dessauer« in Weiß. Wettbe-
Michel mit der Braunkohlen- mit Sperrholzsteg. Sperrholz- werbsnummer auf dem Seiten-
Doch das alles war Ende 1924 rippen, durch Fachwerkauflei-
grube Leopold eine Reklame- ruder schwarz (1 für Rhön
noch nicht abzusehen, als er mung verstärkt. Wurzelteile der
vereinbarung ausgehandelt. 1923; 3 für Rhön 1924 und
am 15. Septem ber auf der Was- Flügelhälften aus werkstatt-
Der alte Dessauer erhielt nun 1925; 34 für Rhön 1926; 30 für
serkuppe den ersten bemer- technischen Gründen mit kon-
auf den Rumpfseiten je ein Rhön 1927 und 39 für Rhön
kenswerten Flug mit dem alten stanter Tiefe von 128 cm.
großes Brikett mit der Auf- 1928). Diverse Ruderbeschrif-
Dessauer machte: 250 Meter Gleichbleibendes Profil Göttin-
schrift »Leopold« aufgemalt, so tungen in Schwarz (1923: Flug-
Startüberhöhung und ein an- gen 289, in den Außenteilen auf
dass es anschließend oft hieß: technischer Verein Dessau Typ
schließender Streckenflug von abnehmende Dicke gestrakt.
»Der Leopold fliegt!« - eine Be- 1; ab 1924: Flugwissenschaftli-
11 km Länge. Karl Henkel- Außenteile mit leichter Pfei-
zeichnung, die teilweise auch che Arbeitsgruppe Cöthen
mann, der während des Winter- lung, aber gerader Hinterkante
von der Fachpresse übernom- Friedrichs Polytechnikum Typ
men wurde. Die Einnahmen für schräg angelenkte große 1; ab 1927: »Fluwiac« Cöthen).
QUELLENANGABEN dafür versetzten die Fluwiac Differenzial-Querruder mit je Das zwischen 1924 und 1926
endlich in die Lage, mit dem 1,66 qm Fläche. Querruder- aufgemalte Logo der Fluwiac
Der Flieger, Heft 4/1960 und
2/1971 • H. Zacher: Studenten Bau eines Schulgleiters zu be- betätigung durch Stoßstangen. war ein auf die Spitze gestelltes
forschen, bauen, fliegen - 60 ginnen, auf dem eigene Piloten Quadrat mit goldenem Rand, in
Jahre Akaflieg; Darmstadt, Frank- Rumpf: Querschnitt ab Haupt-
ausgebildet werden konnten. dessem blauen Innenfeld sich
furt/M. 1981 • Flugsport Nr. spant fünfeckig, im Rumpfbug
2/1924 vom 31. Januar 1924 • sechseckig. Rahmenspantkon- oben die goldenen Buchsta-
Flugsport-Berichte über die Der alte Dessauer wurde noch struktion, komplett mit Sperr- ben FAC und darunter ein stili-
Rhön-Wettbewerbe 1923 bis bei vielen Wettbewerben gese- holz beplankt. siertes Segelflugzeug in Silber
1928 • Riedel: Start in den Wind, hen, so bei allen Rhön-Veran- befanden.
Stuttgart 1977 • K. Henkelmann: staltungen von 1925 bis 1928. Leitwerk: Holzkonstruktion,
»Fluwiac« (Mskpt) • Chronologi- Aufbau ähnlich dem des Flü-
Er flog nochmals in den Dünen
scher Werdegang L. Kahlert
(Mskpt) • Flugwelt, Heft 2/57 • bei Rossitten und an der Steil- gels. Flossen sperrholzbe-
Diverse Fluwiac-Datenblätter küste auf der Krim. Überragen- plankt, Ruder stoffbespannt.
de Leistungen jedoch gab es Höhenflosse am Boden ein-

23
Historische deutsche Flugzeuge bis 1945

Schon vor dem 2. Februar


1933, seiner Ernennung zum
Reichskommissar für die Luft-
fahrt, hatte Hermann Göring
(1893-1946) als zweitmächtigs-
ter Mann der NSDAP (National-
sozialistische Deutsche Arbei-
terpartei) mehrfach erklärt,
dass er für eine umfassende
Stärkung der deutschen Luft-
fahrt in jeder Hinsicht sorgen
würde, sollte seine Partei ein-
mal die Führungsgewalt über-
nehmen. Das war am 30. Janu-
ar 1933 geschehen. Und damit
begannen - zwar noch geheim,
aber unverhohlen - großrahmig
Planung und Aufbau auch einer
militärischen Luftfahrt. Dem-
entsprechend teilte sich erst
einmal das am 27. April 1933 reits unter der Reichswehr der
aus dem Reichskommissariat Weimarer Republik war für die Obwohl eigentlich nie sonderlich positiv bewertet, erwies sich
entstandene Reichsluftfahrtmi- militärischen Belange geheim der zweisitzige Hochdecker als recht langlebig. Bereits beim
nisterium (RLM) in zwei große ein Kader an Flieger-Truppen- Europa-Rundflug 1930 im Wettbewerb, existierten zwölf Jahre
Ministerialbereiche, einen zivi- verbänden geschaffen worden, später immer noch über ein Dutzend Exemplare.
len und einen militärischen. Be- der zwar als selbstständiger

Wehrmachtsteil bestand, aber

Albatros L 101 weder einen taktischen noch ei-


nen operativen Einsatzwert be-
saß, waren die Verbände doch
in der Masse reine Schuleinhei-
V O M WETTBEWERBS-FLUGZEUG ten. Aber gerade diese Vorar-
ZUM LUFTWAFFEN-TRAINER beit auf dem Schulungssektor
bot den Luftwaffen-Planem ei-
ne in Rückblicken oft unter-

IB
schätzte Grundlage, auf die sie
unverzüglich aufbauen konn-
ten, um zu einerturnusmäßigen
Besetzung der weit voraus-
schauenden und sehr expansi-
ven Planung von Stellen des

HBHH
fliegenden Personals zu kom-
men.

!
Schon 1934 hatte - unter der
Dienstaufsicht einer Inspektion

•^ -A Im Kopfbild oben die beiden Albatros-


Wettbewerber für den Europa-Rundflug
1930 auf einem Bild. Im Vordergrund
dieL 101, dahinter mit der Zulassung
D-1906 die L 100, der eine Favoritenrol-
le zugedacht war, die sich aber auf
tragische Weise nicht erfüllte.

Links der Prototyp der L 101 vor der Zu-


lassung. Mit der Ausgleichsnasenform
des Seitenruders wurde laboriert; die
Nasenkante der Höhenflosse war
noch gerade.

24
der Schulen - der Ausbildungs- rend der Baus der L 101 im Jo-
betrieb für Luftwaffen-Anwärter hannisthaler Werk tätig war und
einen beachtlichen Rahmen er- später auf dem Muster schulte,
reicht, wenn auch verschleiert erinnert sich: »Die Maschine
unter den Decknamen ziviler In- bestand bautechnisch aus ei-
stitutionen. Dazu zählte zum nem Konglomerat verschiede-
Beispiel die Deutsche Ver- ner Bauelemente in der Art des
kehrsfliegerschule (DVS) mit ih- französischen Metall-Flugzeug-
ren verschiedenen Zweigstel- baus vom Beginn der zwanziger
len. Für die seinerzeit enormen Jahre. Fliegerisch lag sie gut in
Rüstungsanstrengungen wur- der Luft, aber in Kurven, beson-
de das in die Außenpolitik zie- ders im Landeanflug, versperr-
lende Schlagwort vom »Aufbau te der große Flügel die Sicht.
einer Risiko-Luftflotte« aller- Der As 8-Motor war zwar in
dings zum Aufbau-Risiko, denn Gummipuffern gelagert, aber
Quantität bekam Vorrang vor so ungünstig aufgehängt, daß
Qualität. Am I.Januar 1934 ver-
öffentlichte der damalige
Staatsekretär der Luftfahrt, Er-
Dreimal Albatros 101 in Vorderansich-
hard Milch (1892-1972), sein ten. - Oben der Prototyp D-1895 mit
Flugzeug-Beschaffungspro- den ursprünglichen Kühlschlitzen in
gramm. Danach sollten bis zum der Triebwerksverkleidung. In der Mitte
das Zweitmuster L 101 S 1 D-2014 mit
30. September des Jahres ins- geändertem Kühleinlauf, jedoch noch
gesamt 4.021 Flugzeuge gefer- mit der gleichen Verstrebung. Unten
tigt werden, davon über die das erste Muster der Serie AL 101 D
D-2575 mit den endgültigen Kühlschlit-
Hälfte, nämlich 2.168 Stück, als zen, aber mit zusätzlichen Abstrebun-
Schul- und Übungsflugzeuge, gen. Die verzweigte Verstrebung des
darunter allein für die Anfangs- Musters brachte ihm den Spottnamen
»Fliegender Regenschirm« ein.
schulung 1.760 Maschinen. Bei
diesen gewaltigen Stückzahlen
verwundert es nicht, dass an-
fänglich Flugzeuge in das Pro- die ganze Maschine ratterte. hende Suche nach einer Alba- Das lange Festhalten an sich
gramm aufgenommen wurden, Die Vibrationen waren so stark, tros-eigenen Lösung für den als nicht effektiv erweisende
die als reine Notlösung anzuse- dass meine Handschrift beim Metallflugzeugbau auch noch Mischbauweisen wird wohl
hen waren. Dazu zählt bei den Eintragen der Startzeiten nach bei der/. 707 eine erstaunliche auch einer der Gründe gewe-
Anfänger-Schulflugzeugen der den Flügen zum zittrigen Gekrit- Vielfalt an Stoff bespannten Me- sen sein, warum allen jüngeren
L 707-Eindecker. Er war in der zel wurde«. In der Tat erbrachte tall-Strukuren: Rumpf und Leit- Albatros-Konstruktionen der
Wende von den zwanziger zu die seinerzeit etwas eigenwilli- werk wurden aus Stahlrohren durchschlagende Erfolg vers-
den dreißiger Jahren unter der ge und sich über Jahre hinzie- zusammengeschweißt, der Flü- wehrt blieb. Rüttelerscheinun-
technischen Leitung von gen dagegen waren zu jener
Dipl.lng. Walter Blume (1896- Zeit Begleiter vieler Konstruk-
1964) bei Albatros in Berlin-Jo- tionen. Ihr Grund lag in der kon-
hannisthal als Ablösemuster für struktiven Durchbildung der
den Schul-Doppeldecker Alba- Motorvorbauten für die neuen,
tros L 82 entstanden, obwohl fortschrittlichen Triebwerke,
dessen Serienfertigung noch deren gedrungene Motorge-
nicht einmal angelaufen war. häuse zur Kraftübertragung mit
herangezogen werden sollten.
Der Luftfahrthistoriker Egon Solche Aufhängungen ließen
Krüger (1914-1979), der wäh- sich zwar einfach mit wenigen
Stäben bauen, waren aber in
Oben und links die beiden Serien-Vor- der Regel durch die kleine An-
muster L 101 S 2. Bei der D-2001 sind schlussbasis sowie der Spitz-
deutlich alle klappbaren Teile des Flü-
gels zu erkennen, bei der D-2002 die
winkligkeit der Gerüste so
zusätzlich abgefangenen V-Streben, nachgiebig, dass bei unruhi-
die auch für die Serienmaschinen gem Lauf des Motors große Un-
übernommen wurden.
wuchtenergie auftrat, die über
den Vorbau hinaus auf die gan-
gel präsentierte sich als Gerüst ze Zelle wirken konnte. Bei der
aus Dural-Elementen. So waren L 101 mit anfänglich unge-
die Holme mit rechteckigem dämpft gelagertem Triebwerk
Querschnitt aus einem Stück schwangen die Querruder in
gezogen und dann mit zahllo- Richtung ihrer Längsachse. Die
sen gewichtsparenden Bohrun- Biegebeanspruchung ihrer La-
gen versehen, die Rippen aus gerhebel in seitlicher Richtung
Blech aufgebaut und der Torsi- war dadurch so stark, dass so-
onsverband aus Rohren gebil- gar Brüche des mittleren Quer-
det. ruder-Lagerarms auftraten; er

25
weiss(21)

Albatros L 101

Bemalungszustand Mitte 1941 bei der FFS A/B 123


in Zagreb (Agram-Gorica):
Komplett RLM-grau (02) bis auf weisse (21) Flügelenden
und weisse (21) Seitenruder. Rumpfrücken teilweise
n olivdunkelgrün. Hoheitszeichen in schwarz/weiss,
Stammkennzeichen in schwarz (22).

RLM-grau (02)

weiss(21)

olivdunkelgrün RLM-grau (02)

Öl-Kühlschlange (nur Steuerbord) Hakenkreuz-Umrisslinien x 3

26
zugelassen worden war - teil.
Pilot war Wolfgang Stein, der
spätere Serieneinflieger bei Fo-
cke-Wulf in Bremen, zu jener
Zeit als Fluglehrer bei der DVS
Schleißheim tätig. Der bei die-
sem Wettbewerb im Gegensatz
zur Vorjahres-Praxis vor der
technischen Prüfung stattfin-
dende Streckenflug von insge-
samt 7.560 km (von Berlin aus
über Braunschweig, Frankfurt,
Reims, Calais, Bristol, London,
Calais, Paris, Poitiers, Pau, Sar-
ragossa, Madrid, Sevilla, Ma-

Oben: Das erste Serien-Vormuster


L 101 S 1 D-2014 bei der DVS. Deutlich
ist die erstmals nach vorne abgerunde-
te Nasenkante der Höhenflosse zu
erkennen.

Rechts: Die D-EBOS der DVL. Sie war


die erste Serienmaschine des Musters,
eine AL 101 C. Vorher trug sie die Zu-
lassungs-Nummer D-2371.

musste verstärkt werden.


Durch eine elastische Aufhän-
gung des Triebwerks ließ sich
die Rüttelerscheinung auf ein
Viertel des ursprünglichen
Werts dämpfen, ganz ver-
schwand sie jedoch nie. Trotz-
dem wurden von der L 101 fast
1930 von Berlin aus stattfand, schlossenen Kabine (sogar für drid, Saragossa, Barcelona, Ni-
100 Exemplare gebaut. Und
hatte Albatros neben der L 101 drei Personen) wesentlich mes, Lyon, Lausanne, Bern,
das kam so:
den abgestrebten Tiefdecker L mehr dem Grundgedanken des München, Wien, Prag, Breslau,
Für die Teilnahme an dem zum 100 gemeldet. Er wurde eben- Wettbewerbs: die Förderung Posen, Warschau, Königsberg
zweiten Mal ausgeschriebenen falls durch einen der neuen 120 des Reiseflugs. Die Beteiligung und Danzig wieder zurück nach
Europa-Rundflug »Challenge PS Argus As 8-Motoren ange- der als D-1906 zugelassenen Berlin) konnten Stein und sein
International«, der zwischen trieben, entsprach aber in sei- Maschine unter der Wettbe- Orter Boltersdorf bis Wien bei
dem 18. Juli und dem 7. August ner Auslegung mit einer ge- werbsnummer D 2 verlief aller- voller Wertung problemlos be-
dings recht tragisch. Bereits im streiten. Dann machte ein Scha-
TECHNISCHE DATEN ersten Streckenabschnitt gab den am Propeller, der wahr-
es bei der Landung in Braun- scheinlich auf einen Material-
Muster Albatros AL 101 D schweig Fahrwerksschaden. fehler zurückzuführen und mit
Verwend u ngszweck Schulflugzeug Am dritten Streckenflugtag lief Bordmitteln nicht zu beheben
Besatzung 2| in London Orter Dietrich von war (es befand sich kein Ersatz-
Bauart abgestrebter Hochdecker [ Redern auf dem Weg zur Beur- propeller an Bord), alle Gewinn-
kundung in die laufende Luft- chancen zunichte. Nach dem
Konstrukteur Albatros Flugzeugwerke GmbH, Berlin-Johannisthal
schraube und verletzte sich Reglement konnte die Besat-
Hersteller Focke-Wulf A.G Bremen, Werk Berlin Johannisthai | tödlich. Pilot H.E. von Oertzen zung die restlichen Etappen
Antrieb Argus As 8 Serie 3 | gab daraufhin auf. Damit war nur außer Konkurrenz bestrei-
Startleistung 120 PS (88,3 kW) | für das Johannisthaler Werk ten und war damit auch von der
Spannweite 12,35 m der große Hoffnungsträger aus technischen Prüfung und somit
Länge über alles 8,45 m J dem Rennen. von der Gesamtwertung ausge-
Flügelfläche 20,0 qm | schlossen. Am 30. August 1930
beendete sie ihren Flug plan-
Rüstmasse 520 kg Ein Erfolg stand oder fiel nun-
mäßig in Berlin.
Startmasse 750 kg mehr mit der L 101, die anfäng-
Höchstgeschwindigkeit 172 km/h lich sogar zweimal in der Mel-
162 km/h |
deliste geführt wurde. Aber nur Die zweite zum Europa-Rund-
Reisegeschwindigkeit
der Prototyp L 101 mit der flug 1930 gemeldete Maschine
Landegeschwindigkeit 72 km/h |
Werk-Nummer 10180, der Ken- dieses Typs war die Albatros L
Steigleistung 1.000 m in 4,2 Minuten | nung D-1895 (ab 1934 D-ENIS) 101 A mit einem ADC Cirrus-
Dienstgipfelhöhe 4.800 m | und der Wettbewerbsnummer Hermes Triebwerk von 105/115
Reichweite 460 km | B 5 nahm für die DVS Braun- PS (77,2/84,6 kW), die unter
schweig -für die er im Juli 1930 der Wettbewerbsnummer D 3

27
sehen D-2371 und D-3180 la-
gen. Die AL 101 D unterschied
sich nur geringfügig von dem
Vorgängermodell AL 101 C. Die
wichtigsten Änderungen für
den praktischen Betrieb waren
Handlochgriffe im Baldachin
zur Erleichterung des Ein- und
Ausstiegs, Arm- und Rücken-
lehnen für die Sitze mit zusätzli-
chen Kästen zur Aufnahme von
Rückenfallschirmen, sowie im
Flug verstellbare Trimmruder

starten sollte, aber nicht er-


schien. Nach einer Überprü-
fung von Lücken in der Werk-
nummern-Folge hat es den An-
schein, als ob diese Version
überhaupt nicht gebaut worden
ist, genausowenig wie die L 101
B, eine auf zwei Schwimmer ge-
setzte Variante. Damit dürfte
die zweite gefertigte L 101 die
Werk-Nummer (W-Nr.) 10183
gewesen sein, die erste von ins-
gesamt drei sogannten Serien-
vormustem. Sie waren nach
dem guten Abschneiden beim
Europa-Rundflug von der DVS
bestellt worden und enthielten
alle Verbesserungen, die sich
aus den Erfahrungen des Wett- Bild ganz oben: Die AL 101 D der DVS
den, denn im September 1931 im Höhenruder. Weiterhin wur-
bewerbs als sinnvoll herausge- Schleißheim; aus D-2654 wurde fusionierte das Werk mit der Fo- den anstelle der Speichenräder
stellt hatten. Dazu gehörte eine D-ERYN, und aus D-2655 D-EXUK. - cke-Wulf Flugzeugbau AG in 610 x 85 Elektron-Bremsräder
Aus der AL 101 D-2808 1934 bei der
leichte Vergrößerung einiger DVS Cottbus (Bild oben) wurde kurze
Bremen und hieß danach Fo- 600 x 100 eingebaut sowie ein
Leitwerksflächen, so des Sei- Zeit später die D-ETYZ. cke-Wulf Flugzeugbau, Werk wesentlich verstärkter Sporn,
tenruders durch eine fülligere Johannisthai. In Fliegerkreisen der von den schwereren AI 75-
Formgebung sowie der Höhen- blieb es noch über Jahre Alba- und AI 702-Maschinen über-
flosse durch eine ausgerunde- Erprobung im Schulbetrieb. tros; auch in der neuen Typen- nommen wurde. Bei einer Rüst-
te Vorderkante anstatt der bis- Diese drei L 101 sollten die ein- bezeichnung wurde der Name masse von 520 kg konnte sie
her geraden. Das erste dieser zigen bleiben, die noch unter Albatros verankert: aus L 101 mit unterschiedlichen Start-
Serienvormuster wurde unter dem Führungstrio (Schubert, wurde AL 101. massen für die verschiedens-
der Bezeichnung L 101 S 7 im Wieland, Blume) der Albatros- ten Verwendungszwecke ein-
März 1931 für die Versuchsan- Flugzeugwerke GmbH entstan- Der erste von der DVS erteilte gesetzt werden, bespielsweise
stalt in Adlershof (DVL) als D- Reihenauftrag umfasste sieben als Sport- und Reiseflugzeuge
2014 für Leistungs- und Eigen- Maschinen der Version AL 101 (Verwendungsgruppe P3) mit
Auf diesem 1938 am Düsseldorfer Flug-
schafts-Untersuchungen zuge- hafen Lohausen gemachten Familienfo-
C. Von den Serienvormustern einer Zuladung von 310 kg, die
lassen. Die W.Nr. 10184 und to mit Willi Boddem, der 1939 bei der unterschieden sie sich äußer- die Startmasse auf höchstzu-
10185 gingen im gleichen Mo- Legion Condor in Spanien fiel, ist ne- lich kaum, hatten jedoch - wie lässige 830 kg brachte, aber
ben seiner Schwester bei der D-EPUZ
nat als L 101 S2 mit den Kenn- die Schirmgestell-artige Verstrebung
bereits die S 2 - zusätzliche auch auf eine maximale Reich-
zeichen D-2001 und D-2002 di- des Musters zu erkennen. Stiele im Verbund der Flügel- weite von 660 km, was einer
rekt an die DVS zur praktischen Abstrebung. Ausgeliefert wur- Flugdauer von etwa 4,6 Stun-
den sie alle im Januar 1933: Die den entsprach - und das mit ei-
erste (W.-Nr. Fw 141, D-2371) an nem Flugzeug, dessen Bruch-
die DVL, alle anderen (W.Nr. Fw lastvielfaches immer noch bei
142 bis 147, D-2372 bis 2377) an 6,6 lag. Dieser Wert erhöhte
die DVS. Ein anschließender sich auf 7,2 beim Hauptverwen-
Auftrag machte nach Lieferplan dungszweck des Musters als
73 Maschinen der Version AL Schulflugzeug (Gruppe S4K),
101 Daus. Es wurden allerdings dessen Startmasse auf 750 kg
in Überproduktion 83 Maschi- reduziert war, was auch die
nen gebaut, akzeptiert und zwi- Reichweite auf 460 km verrin-
schen September 1933 und gerte (Flugdauer etwa 3,2 Stun-
März 1934 an die DVS ausgelie- den).
fert. Sie hatten die W.-Nr. Fw
183 bis 250 sowie 281 bis 295 Mit dieser Masse war die Ma-
und erhielten alle noch Zulas- schine für den einfachen Kunst-
sungen mit Zahlen, die zwi- flug zugelassen. Voll kunstflug-

28
tauglich (Gruppe S5K) wurde
sie mit einer Startmasse bis
630 kg, die die Zuladung auf
maximal 110 kg und die Flug-
dauer auf 1,1 Stunden (rund
160 km Reichweite) schrump-
fen ließ, das Bruchlastvielfache
jedoch auf 10,8 anhob.
Ab 1934 bekamen alle noch
einsatzfähigen AL 101 Buchsta-
ben-Kennungen D-E.., einige ab
1939 anstelle des D- ein WL-
und anschließend Stamm-
Kennzeichen, von denen noch
mindestens 18 nachzuweisen
sind. Diese Kennungs-Vielfalt
lässt Rückschlüsse auf ein brei-
tes Einsatzspektrum zu: An-
fänglich fast ausschließlich bei
den verschiedenen Zweigstel-
len der DVS im Dienst, war sie
für zahlreiche Piloten in der
noch geheimen Ausbildungs- fangen. Stoffbespannt sind mit Duo-Servo-Öl bremsen.
periode das Schulflugzeug auch die Querruder, bestehend Sporn mit selbsteinstellender
schlechthin. Als die Enttarnung Die Albatros AL 101 C mit der aus einer Stahlrohr-Achse und Spornkufe, ebenfalls druck-
der Luftwaffe (1. März 1935) Kennung D-2377 beim Start. Duralrippen. gummigefedert.
den Deckmantel DVS überflüs-
sig machte, wurden sie ab dem Rumpf: Geschweißtes Stahl- Triebwerk: Argus As 8 Serie 3
1. April 1935 durch das neu rohrgerüst mit eckigem Quer- luftgekühlter Vierzylinder-Rei-
gingen dessen Maschinen teil-
etablierte Kommando der schnitt und aufgeschweißten henmotor mit hängenden Zylin-
weise in den Besitz der neuge-
Schulen verstärkt dem Deut- Röhrchen zur Aufnahme der dern und 120 PS (88,3 kW)
gründeten Organisation über.
schen Luftsport-Verband für ih- Formleisten für den vieleckigen Startleistung, aufgehängt in ei-
Aber die durch die Umstruktu-
re Flieger-Übungsstellen zur Querschnitt, vorne mit Rohrdia- nem Stahlrohrgerüst, das mit
rierung notwendig gewordene
Bildung einer Luftwaffen-Re- gonalen, hinten drahtausge- dem Rumpf leicht lösbar ver-
erhebliche Aufstockung rein
serve oder aber den militäri- kreuzt, komplett mit Stoff be- bunden ist. Ölkühlung durch
militärischer Flugzeugführer-
schen Fliegerschulen direkt zu- spannt. Der Rumpfrücken be- Kühlschlange aus Rohr an der
schulen mit ihrem ständigen
geführt. Selbst für rein sportli- steht aus abnehmbaren rechten Rumpfseitenwand.
Materialbedarf ließ selbst Mus-
che Zwecke erhielt der Blechen. Die offenen Sitze mit Handandrehvorrichtung. Starre
ter wie die AL 101 über lange
Reichsluftsportführer am 17. Doppelsteuer liegen hinterei- zweiflügelige Leichtholz-Luft-
Zeit verwendungsfähig blei-
Juni 1936 drei AL 101 überlas- nander und haben Sitzschalen schraube mit Rupp-Nabe,
ben. Doch ihre Anzahl nahm
sen. Als 1937 der DLV formell mit Ausbuchtungen für Rü- Durchmesser von 2,10 m.
schnell ab; sie wurden zu Exo-
aufgelöst und vom Nationalso- ckenfallschirme. Brennstoff in zwei Fallbehältern
ten. Trotzdem überlebten Teile
zialistischen Fliegerkorps im Baldachin; Kapazität 102
einer AL 101 D (W.-Nr. 245, D- Leitwerk: Die Höhenflosse ist
(NSFK) übernommen wurde, und 48 Liter.
EKYQ) sogar den Krieg. Von ein mit dem Rumpf als hochge-
dieser Maschine aus dem Be- zogener Anbau integriertes, ge- Anstrich: Serienmuster ur-
stand der Deutschen Luftfahrt schweißtes Stahlrohrgerüst. sprünglich silbercelloniert mit
QUELLENANGABEN
Sammlung befinden sich das Höhenleitwerk und Seitenruder dunkelolivgrünem Rücken und
E. Gritzbach: Hermann Göring - Rumpfgerüst mit Motor und sind ebenfalls geschweißte in schwarz aufgetragener Zivil-
Werk und Mensch, München, Luftschraube, der Baldachin Stahlrohrstrukturen mit Stoff- Zulassung sowie den gültigen
1940 • K.H. Völker: Die deutsche und das gesamte Leitwerk im bespannung. Höhenruder mit Flaggenbändern in schwarz-
Luftwaffe 1933-1939, Stuttgart, Museum für Luft- und Raum-
1967 • Tantum/HoffschmidtThe
während des Fluges verstellba- weiß-rot am Seitenleitwerk; spä-
fahrt in Krakau. ren Hilfsrudern. Gestänge- ter teilweise in RLM-grau 02
Rise and Fall of the German Air
Force, USA, 1969 • E. Krüger, steuerung mit Drahtzügen, vor- und teilweise mit Stamm-Kenn-
Briefwechsel mit dem Autor • J. wiegend in Kugellagern lau- zeichen in schwarz sowie mit
Jennissen, PfL: Der Einfluss star- fend, und ausschließlich durch Balkenkreuzen und Hakenkreu-
rer und federnder Aufhängung
TECHNISCHE BESCHREIBUNG Hebel erfolgende Umlenkun- zen in schwarz-weiß (siehe
von Flugmotoren auf einige Flug-
zeugzellen, Mskpt • Focke-Wulf gen. Zeichnung).
Tragflügel: Dreiteilig mit star-
Flugzeugbau AG: Baubeschrei-
bung Nr. 11 für Muster AL 101 D rem Baldachin über dem Fahrwerk: Dreibein-Auslegung.
vom 9.5.1933 • LC II: Stand Rumpf. Flügelausßenteile an- Die Achsen, die durch je eine
des Flugzeugbeschaffungs-Pro- klappbar. Zweiholmige Bauwei- Strebe und eine Federstrebe zu
grammsvom 1.3.1934 • Albatros se mit gezogenen Duralholmen den Rumpfuntergurten gelen-
L 101; Sonderdruck aus der Zeit- rechteckigen Querschnitts, kig abgestützt sind, werden zu
schrift Deutsche Luftfahrt - Illus-
trierte Flug-Woche • Beiträge zur
Rippen aus Duralblech und ei- einem besonderen Bock unter
Geschichte von VFW-Fokker, Bre- nem Torsionsverband aus der Rumpfmitte geführt. Stoß-
men, 1974 • Fotos: Archiv Kens, Stahlrohren, komplett mit Stoff aufnahme durch Druckgummi
Archiv Szigeti. bespannt. Mit V-Stielen zu den mit Öldämpfung. Elektron-
Rumpfuntergurten hin abge- Scheibenräder 600 x 100 mm

29
Historische deutsche Flugzeuge bis 1945

Die Daimler-Klemm L20


wurde zum Synonym für
die Leichtflugbewegung
ab Mitte der zwanziger
Jahre. Den Deutschen
Rundflug 1925 bestritten
zwei sportliche Varianten

Im August 1937 tagte in Stutt- genschaften einer aerodyna- Trotz guter Ansätze wie bei re der anderen deutschen Fir-
gart die Fachgruppe Flugmoto- misch hochwertigen Zelle wie Daimler war 1924 das Leicht- men in das Leichtflugzeug in-
renforschung der Lilienthal-Ge- der Daimler-Klemm L20 wur- flugzeug in Deutschland weit vestiert, ohne indes den Durch-
sellschaft. Es ging um das The- den bis heute mit 20 PS nicht davon entfernt, durchgereift, si- bruch zu erleben.
ma Kleinflugmotoren. Für ei- wieder erreicht«. Deren Ent- cher und wirtschaftlich zu sein.
nen fliegerisch vorgeschulten wicklung jedoch lag zu diesem Aber wie weit davon entfernt? Der deutschen Luftfahrtindus-
Nachwuchs sollte ein wirt- Zeitpunkt bereits 13 Jahre zu- Dies galt es herauszufinden. trie musste ein Anreiz geboten
schaftliches und sicheres Flug- rück! Ähnlich Daimler hatten mehre- werden, wie es vor dreizehn
gerät mit einem 20-PS-Trieb-
werk konzipiert werden. Das
schließliche Resümee der Teil-
nehmer gipfelte in der Feststel-
lung: »Die Leistungen und Ei- Daimler-Klemm L 20
EIN WETTBEWERBS-FLUGZEUG MIT »SPORTFLACHE«

Jahren schon einmal mit dem


»B.Z.-Preis der Lüfte 1911« ge-
schehen war. Ein Journalist hat-
te die Idee: Walter Kleffel
Ulf.»,.,,,. . t F * na x a l M M M M ^ r t ^ B M a M M M B B M i M 1 v - - - - - . . . *'<' • . •• " . •
(1897 1976), Fliegeroffizier
y und individualistischer Vielred-
ner. Er war geradezu eine Insti-
tution bei der Luftfahrt- und
Sportpresse in jener bewegten
Zeit der zwanziger und frühen
dreißiger Jahre. Schon als jun-

iMitiiiitilMmmWiBBiMHf M ,«.-t^i^L^uiy | iMMM[

Die drei Fotostudien


auf dieser Seite zeigen die eben
gerade fertiggestellte erste der
beiden Daimler L20 mit »Sportfläche«.
Rumpfrücken und -unterkante der
Maschine haben noch Draht-
abschlüsse statt Leisten.

30
1
ger Reporter bei den ersten
Rhönwettbewerben dabei, wur-
de er später einer der bestinfor-
mierten und kritischsten Beob-
achter nationaler und interna-
tionaler Wettbewerbe, um
damit im Dritten Reich in Un-
gnade zu fallen.
Als Sportredakteur der Ullstein-
Zeitung B.Z. war er ständig um
die Wiederbelebung des deut-
schen Luftsports bemüht und
konnte schließlich das Interes-
se und das Wohlwollen seiner
Verleger - der Brüder Ullstein -
gewinnen, die 100.000 Gold- Parameter stimmten. Aber die- ren Arbeiten waren. Und die be-
Erste Versuche: Die erste Sportfläche
mark als Prämie stifteten für ei- der L20 wurde dem Mittelstück des se waren schließlich aus einer gannen im Prinzip mit von ihm
nen Leichtflugzeug-Wettbe- zweiten Prototyps angepasst; Resultat: Idee des Regierungsbaurates angeordneten »aerodynami-
werb, der als »B.Z.-Preis der Ein zu kleines Seitenverhältnis und da-
durch unbefriedigende Leistungen.
und späteren Dr. Ing. Hanns schen Vergleichsrechnungen
Lüfte 1925« internationale Be- Klemm (1885-1961) heraus in zur Frage der Schwebefähig-
achtung fand, aber in die Luft- Die Draufsicht zeigt das große Seiten- fünf Jahren intensiver Entwick- keit und Motorleistung« mit
fahrtgeschichte schlicht als verhältnis der endgültigen Sportfläche lungsarbeit zielstrebig ausgear- eben diesen Jagflugzeugen.
Deutscher Rundflug 1925 ein- der Wettbewerbsmaschine. beitet worden. Am 1. April 1918
ging. hatte Klemm den Posten eines Die entsprechenden Gleitver-
Chefkonstrukteurs bei der Flug- suche führte Eugen von Loessl
zeugbauabteilung der Daimler- durch, ehemaliger Daimler-
Motoren-Gesellschaft im neu Praktikant, der im Rahmen der
errichteten Werk Sindelfingen Nationalflugspende zum Mo-
angetreten, stellte zuerst den torflieger ausgebildet worden
Lizenzbau von Großkampfflug- war und von Zeit zu Zeit von der
zeugen auf rationelle Reihen- Ostfront abkommandiert wur-
fertigung um, um dann hoch- de, um bei Daimler Erprobung
wertige und schnelle Jagdflug- zu fliegen. Die Auswertung die-
zeuge als Eindecker zu ser Untersuchungen führte im
konstruieren. Sommer 1919 zum Entwurf und
Bau des schwachmotorigen
Dafür entwickelte er wirkungs- Daimler-Leichtflugzeuges L 15
volle Querruder mit patentier- mit einem 7/9 PS Indian-Motor-
ten Ausgleichsflächen zur Ent- radmotor (damals Fahrradmo-
lastung der Struktur und wen- tor genannt).
dete als erster bewusst
Quersteifriegel zwischen den Den Einflug sollte ebenfalls
Wie eine Fügung schienen im nur an der Flügelnase; die nur
Holmen an, die die Verdrehstei- v. Loessl besorgen, schien er
Sommer 1924 die Ausschrei- wenig später eingeführte er-
figkeit der großen Eindeckerflä- doch auch dafür prädestiniert,
bung des Wettbewerbs und die folgreiche Daimler- bzw. Klemm
chen erhöhten - alles Elemen- weil er bereits 1912 zu jenen
Entwicklung der Daimler L20 L20-Serienausführung besaß
te, die Grundlage seiner späte- Darmstädter Gymnasiasten ge-
praktisch parallel zu verlaufen. einen torsionssteif bis zum Hin-
hörte, die in der Rhön erfolg-
Anfang September 1924 wur- terholm mit Sperrholz beplank-
reich Gleitflüge ausführten.
den die Bedingungen für den ten Flügel - und der wiederum
Eine »agile Angelegenheit«: Aber bereits bei den Rollversu-
Rundflug veröffentlicht. Einen entstammte den Fortschritten Die erste Anwendung eines kleinen
chen ging die Maschine zu
Monat später flog Martin im Segelflugzeugbau. Flügels, Sportfläche genannt, erfolgte
an einer Daimler L 15-Zelle mit Bruch, und v. Loessl wurde
Schrenk (der im Folgenden
Die L20 war in der Tat in ihrer Harley-Davidson-Motor, die so beim 1. Rhönwettbewerb ers-
noch näher vorzustellen sein zur L18 wurde.
Gesamtkonzeption ein für ihre tes Opfer der jungen Segelflug-
wird) den ersten Prototyp der
Zeit ganz großer Wurf, weil alle bewegung. So blieb die weg-
L20 ein. Der Flügel erwies sich
als etwas zu weich für einen
strapaziösen Dauerbetrieb.
Deshalb erhielt der zweite eine
verstärkte Struktur, der allen
Anforderungen entsprach.
Die gewählte Spannweite von
13 Metern blieb für Jahre Stan-
dardmass der Klemm-Leicht-
flugzeuge, nicht jedoch die
anfänglich gewählte konventio-
nelle Bauweise als drahtausge-
kreuztes Zwei hol m-Fach werk
mit Formgebungsbeplankung

31
DAIMLER-KLEMM L 20
WETTBEWERBSVERSION
MIT SPORTFLÄCHE

32
fil. Ihre Form und ihr Aufbau
wiesen schon nahezu alle
Merkmale eines handlichen
Gebrauchsgerätes in Vollen-
dung auf. Ihre aerodynamische
Güte ließ die überragende
Schwebeleistungsfähigkeit er-
kennen, die einen schwachmo-
torigen Flug erst ermöglichte.
Eines war allerdings auch zu se-
hen: Geschwindigkeit war we-
gen ihrer vorwiegenden Ver-
wendung als Schul- und Ausbil-
dungsflugzeug gewollt nicht
ihre Stärke - und das war
schlecht für eine Wettbewerbs-
maschine. Größere Geschwin-
weisende L 75-Konzeption un- dener Gleitflugzeuge und Ende Aufbau der Sportfläche mit zwei digkeit jedoch erfordert einen
bekannt und konnte weder die der zwanziger Jahre hochge- Holmen und einer Drahtauskreuzung kleineren Flügel. Das schien
Segelflugzeug-Entwicklung be- achteter Wissenschaftler bei dazwischen in zwei Ebenen. Abgebildet einfach. Schließlich hatte die
ist die erste Ausführung dieser Fläche,
einflussen, noch falsche Schrit- der DVL. Mitten in seiner Arbeit, die noch an das Flügelmittelstück mon- L20 ein schmales Flügelmittel-
te bei der Konzeption von bei einem Forschungsaufstieg tiert wurde. Die zweite unterschied teil (das bei den ersten Model-
Leichtmotorflugzeugen verhin- mit dem Höhenballon »Bartsch sich im Aufbau nicht; sie besaß len noch nicht fest mit dem
lediglich eine größere Streckung
dern. von Sigsfeld«, erlitt er an der let- und war einteilig. Rumpf verbunden war, um es in
tisch-russischen Grenze den Längsachse für den Verwen-
Intern jedoch wurde das Muster dungszweck Motor-oder Segel-
Luftfahrertod.
nach kurzer schöpferischer flugzeug verschieben zu kön-
Pause in immer neuen Varian- Zurück zu Ullsteins B.Z.-Flug. eine zusätzliche Klasse für
Sportflugzeuge bis 120 PS aus- nen), an das anstelle der gro-
ten weiterentwickelt und mau- Dieser sollte der Chancen- ßen Außenflügelhälften nun
serte sich letztlich zur kantige- gleichheit wegen in zwei Klas- geschrieben werden konnte,
zudem Sonderpreise, mit de- lediglich wesentlich kleinere
ren, ausgereifteren Daimler sen gestartet werden: A für Ma- Außenteile montiert werden
L20. Das war hauptsächlich ein schinen bis 40 PS Motorstärke nen solche Flugzeuge geför-
dert werden sollten, bei denen mussten.
Verdienst des späteren Dr. Ing. und B für solche mit Motoren
Martin Schrenk (1896-1934), bis 80 PS. Inzwischen waren ein Triebwerk deutschen Fabri-
Gesagt, getan. Aber diese Ab-
den Klemm vom Flugtechni- dem Aero Club von Deutsch- kats zum Einbau kam. Klemm
wandlung des Musters befrie-
schen Verein Stuttgart nach land, dem Veranstalter des hatte natürlich mit der Aus-
digte nicht. Bei der großen Flü-
Sindelfingen geholt hatte. Er Wettbewerbs, weitere Preisstif- schreibung der ihn einzig inte-
geltiefe ließ das ungünstige Sei-
war Mitkonstrukteur verschie- tungen zugegangen, so dass ressierenden Klasse A seine
tenverhältnis den induzierten
Probleme, denn der neue Mer-
Widerstand übermäßig anstei-
cedes-Boxermotor brachte bes-
gen. Da erinnerte sich Klemm
TECHNISCHE DATEN tenfalls einen Nennwert von nur
an eine frühere »Sportfläche«,
20 PS auf die Bremse und da-
Muster Daimler L 20 (mit Sportfläche) mit der er aus der großflächi-
mit lediglich die halbe Leistung,
Zweck Wettbewerbsflugzeug gen L 75 (wörtlich zitiert:) »... ei-
Baujahr 1924/25
die ein möglicher Konkurrent
ne sehr agile Maschine mit aus-
Konstruktion H. Klemm, M. Schrenk einzusetzen imstande war. Der
gezeichneten Flugeigenschaf-
Bauart freitragender Tiefdecker Vollständigkeit halber sei er-
ten« gemacht hatte, die er
Hersteller Daimler-Motoren-Gesellschaft wähnt, dass er kurzerhand aus
anschließend L 18 nannte.
Sindelfingen, Abteilung Flugzeugbau der Not eine Tugend machte
Antrieb Mercedes F 7502, luftgekühlter und mit Schrenk zusammen in
Zweizylinder-Boxermotor kürzester Zeit die L21 schuf, Einen ähnlichen kleinflächigen
Nennleistung 20 PS (14,7 kW) Flügel großer Streckung erhielt
die zwei dieser Triebwerke er-
Spannweite 9,55 Meter nun die erste L20 zusammen
hielt und damit das 40-PS-Limit
Länge über alles 7,20 Meter mit der speziell für den Wettbe-
voll ausschöpfte. Eine der bei-
Flügelfläche 10,0 qm werb erteilten Zulassung D 608
den gebauten L21 gewann
Rüstmasse 220 kg (für die gemeldeten Teilnehmer
Startmasse 325 kg
dann auch den ersten Preis in
der Klasse A. am Rundflug war der komplette
Flächenbelastung 32,5 kg/qm 600er-Block reserviert wor-
Höchstgeschwindigkeit 117 km/h
Was jedoch die L20 betraf, so den). Er war auf ebener Helling
Landegeschwindigkeit 68 km/h
befand sie sich auf dem Weg angefertigt worden und hatte
Steigzeit auf 1.000 m 12,1 Minuten
auf 2.000 m 28,6 Minuten zur rühmlichen Vollkommen- dadurch eine leicht negative
auf 3.000 m 58,8 Minuten heit - wäre da nicht der deut- V-Form. Als er sich im Flug be-
Gipfelhöhe absolut 3.250 Meter sche Rundflug 1925 gewesen. währte, wurde auch für die
Startstrecke 190 Meter Als sicher, wirtschaftlich und zweite Maschine, die die Zulas-
Startstrecke bis 20 m Höhe 259 Meter leicht zu fliegen konzipiert, prä- sung D 609 erhielt, ein derarti-
Landestrecke aus 20 m Höhe 149 Meter sentierte sie sich als ein fort- ger Flügel gebaut, diesmal für
Landeauslauf 85 Meter schrittlicher Tiefdecker, ge- eine bessere Stabilität um die
Steiggeschwindigkeit 1,13 m/s kennzeichnet durch einen weit Längsachse mit leichter V-
Die Leistungsdaten wurden bei der DVL ermittelt spannenden, großen, freitra- Form. Ein weiterer wesentlicher
genden Flügel mit dickem Pro- Unterschied gegenüber dem

33
\
11 12
Spant

Öltank Benzintank Drehzahlmesser


Platz für Kompass Sitzabdeckung Abdeckklappen Holzrahmen mit Alublech

Gummistrang-Federung

Schnitt Rumpfheck

Motorhaube Detail C
Mercedes-Stern X 6

B B

Fah rwerksf ederung


durch Gummistränge

-KLEMM L 20
Antrieb für Ausgleichsruder
Ausgleichsruder

34
ursprünglichen Prototyp war

der Ersatz der robusten, aber


harten Eschenholzräder ohne
Bereifung durch luftbereifte
Speichenräder.
Als Wettbewerbspiloten für die
beiden L20 fungierten Kon-
strukteur Martin Schrenk (D
608) und der Daimler-Werkpilot
• i'/TTT
""^tflfTTHMMMiw a lud
te / jf
1
1
Hans Guritzer (D 609), ein ehe-
maliger österreichischer Mari-
neflieger.
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I

Gestartet werden sollte der


Deutsche Rundflug 1925 von DM I _jauar^Bl
Berlin aus. Die Gesamtflugstre-
cke von etwa 5.500 km war auf
fünf Flugschleifen verteilt, die •

er, ab Erfurt in die laufende drit-


Martin Schrenk stieg mit seiner
D 608, von Stuttgart kommend, in die te Schleife (von Berlin über Des-
vierte Schleife ein und landete glatt in sau, Erfurt und Würzburg nach
München (Bild). Auch der Weiterflug Stuttgart) einzusteigen, kam
nach Berlin verlief reibungslos.
aber nur bis Stuttgart, und auch
das erst einen Tag später.
Links zwei Aufnahmen vom Daimler-
Zelt beim 1925er Rundflug auf dem Die verbleibenden restlichen
Tempelhofer Feld in Berlin - das soge- beiden Flugschleifen jedoch
nannte Generalstabszelt. Oben neh-
men sich die Monteure die D 609 vor, wurden zu einem Erfolgserleb-
die sich von der D 608 durch ihren nis für die kleinen L20. Die vier-
Tragflügel mit leichter V-Stellung unter- te Schleife, 1.070 km lang, führ-
scheidet. Unten die D 608; links neben
der Luftschraube Martin Schrenk. te von Berlin über Naumburg,
Nürnberg, Augsburg nach
München sowie über Hof und
Am 31. Mai 1925 fand der Start Leipzig wieder zurück. Guritzer
zur ersten Flugschleife statt, die und seine D 609 durchflog sie
über Schwerin, Hamburg, Bre- in zwei Tagen, Schrenk, der -
men, Münster, Kassel und Mag- von Stuttgart kommend - in
deburg zurück nach Berlin füh- Nürnberg in die Schleife ein-
ren sollte. Schrenk kam an die- stieg, schaffte Berlin sogar am
sem Tag bis Magdeburg. Den gleichen Tag. Die fünfte Schlei-
Rest legte er am nächsten Tag fe mit einer Flugstrecke von
zurück. Guritzer dagegen hatte 1.034 km über Liegnitz, Bres-
Pech. Bei Ibbenbüren gelang lau, Frankfurt/Oder, Stettin,
ihm zunächst eine glatte Not- Stralsund und Rostock zurück
landung. Der Start aus einem nach Berlin durchflogen beide
zu kleinen Feld führte zum Maschinen ohne jede Schwie-
Bruch der Maschine, der sich rigkeit am ersten Tag.
als so schwer herausstellte,
dass sie nach Sindelfingen Mit 3.122 gewerteten Flugkilo-
auf dem Zentralflughafen Tem- Da die jungen Mercedes-Trieb- transportiert werden musste. metern erhielt Schrenk auf L20
pelhof begannen und auch werke der Daimler-Flugzeuge Mit der reparierten Maschine in der Klasse A den zweiten
möglichst dort enden sollten. Störungen durch Kinderkrank- stieg Guritzer am 5. Juni von Preis (Erster war Hauptmann
Für jede Schleife war im Prinzip heiten erwarten ließen, wurden Böblingen aus in die dritte a.D. Loerzer auf der zweimoto-
ein Tag angesagt mit einem an- »fliegende Werkstätten« einge- Schleife ein und erreichte über rigen Daimler L21 geworden);
schließenden Ruhetag. Da je- richtet: Monteurkolonnen auf Bamberg und Halle ohne Prob- Guritzer belegte mit 2.947 Flug-
doch von vorn herein damit zu schnellen Lastwagen. Wenn leme Berlin. kilometern auf L20 den dritten
rechnen war, dass manche auch einige das als Wettbe-
Rang. Damit wurden alle drei
Flugzeuge - besonders die werbsverzerrung ansahen, so Das Pech einer Notlandung ausgeschriebenen Preise von
schwachmotorigen - ein sol- blieb diese vorausschauende ereilte Schrenk bei der zweiten Daimler gewonnen.
ches Tagesziel nicht erreichen Taktik vollkommen legal. Nach Schleife, die über Hannover,
würden, durfte die Schleife am der Ausschreibung waren Aus- Paderborn und Frankfurt nach Für Klemm war das Grund ge-
nächsten Tag vollendet wer- besserungen und Auswechs- Darmstadt führte. Beim Rück- nug, die wettbewerbsbewährte
den. Auch ein Springen von ei- lungen von vorher plombierten flug nach Berlin (über Gotha, einsitzige L20 mit Sportfläche
ner Schleife in die nächste war Flugzeugteilen einschließlich Weimar, Chemnitz und Dres- in das Serienprogramm zu
gestattet. Gewertet wurde des Motors statthaft, führten al- den) musste er im Thüringer nehmen. Unter der Produkt-
schliesslich am Schluss die zu- lerdings zu entsprechenden Wald bei Schmalkalden den bezeichnung Daimler-Klemm
rückgelegte Gesamtflug- Abzügen bei der Gesamtflug- Weiterflug aufgeben. Am 4. Ju- L20C wurde sie angeboten -
strecke. leistung. ni von dort startend, versuchte aber nicht eine einzige Maschi-

35
ne konnte verkauft werden. Ei-
ne Erfahrung, die nicht nur Historische deutsche Flugzeuge bis 1945
Klemm später noch mehrmals
machen musste: Einsitzige Mo-
torsportflugzeuge ließen und
lassen sich schlecht vermark-
ten.
Ein Siegermodell des
TECHNISCHE BESCHREIBUNG

Tragflügel: Einteilige, zweihol-


Deutschland'Rundflugs 1925
mige Holzkonstruktion mit
formgebender Sperrholznase;
sonst Stoff bespannt. Zwischen
den Holmen in zwei Ebenen
Daimler-Klemm L21
drahtausgekreuzt. Flügeltiefe
1,50 Meter. Normale Querruder S c h n e l l u n d speziell - d i e z w e i m o t o - V o r b i l d e r n o c h e i n e P e r s p e k t i v e . Sie
mit 0,6 qm Fläche sowie Aus- rige W e t t b e w e r b s m a s c h i n e Daimler w u r d e zwar Gruppensieger, a b e r
gleichsruder an den Flügel- L 21 e n t s t a n d für d e n »B.Z.-Preis d e r die Leichtflugzeug-Entwicklung be-
enden mit 0,1 qm Fläche. Lüfte« in Rekordzeit. Es g a b w e d e r einflusste sie n i c h t .

Rumpf: Aufbau aus Holzstä-


Die Kritik kam aus den eigenen PS (29,4 kW), zu der alle vier hatte. Die Motorpratzen (Befes-
ben, durchgehend drahtaus-
Reihen. Ing. Schick, der - ge- Daimler-Flugzeuge mit den tigungsrahmen für Motorore)
gekreuzt. Stoffbespannung.
nau wie sein Ingenieur-Kollege neuen Mercedes F 7502 Zwei- waren zu klein dimensioniert
Größte Rumpfbreite 600 mm.
Schopper - von der Teltower zylinder-Boxermotoren gehör- und deren Befestigungs-
Leitwerk: Freitragende Holz- Union-Flugzeugwerke GmbH ten, haben die Zuverlässigkeit schrauben zu schlecht zugäng-
konstruktion unter Verwen- zur Daimler Motoren Gesell- der anderen Klassen mit stärke- lich. Knotenbleche brachen
dung von Duralteilen, stoffbe- schaft übergesiedelt war, als ren Motoren nicht erreicht. Das und mussten in Berlin sehr zeit-
spannt. Das Höhenleitwerk mit diese das von ihnen konstruier- ließ sich statistisch eindeutig aufwendig ersetzt werden. Die
3,40 Meter Spannweite und te viermotorige Union-Flugzeug nachweisen, denn in der Klasse in den zweimotorigen Maschi-
1,188 Meter Tiefe besitzt 2,6 qm zur Grundlage einer eigenen C (bis 120 PS/88,3 kW) konn- nen eingebauten Triebwerke
Fläche, davon 1,65 qm Flosse Flugzeugproduktion machen ten 97,2% der Strecke gewertet wurden wärmer als die in den
sowie 0,95 qm Ruder. Das Sei- wollte, zog in einem Bericht ausgeflogen werden und in der einmotorigen, wodurch sich die
tenleitwerk mit 1,30 Meter Tiefe vom 20. Juni 1925 Bilanz über Klasse B (bis 80 PS/58,8 kW) Ventile teilweise nicht mehr
besitzt 1,05 qm Fläche, davon den Deutschen Rundflug 1925. immerhin noch 95,3%. Dage- schlössen und Zündkerzen
0,5 qm Flosse sowie 0,55 qm Dieser hatte vom 31. Mai bis 9. gen schaffte der Beste in der ausfielen. Das alles ergab einen
Ruder. Juni 1925 in drei Klassen und Gruppe A an geflogenen Kilo- unruhigen Lauf, als dessen Fol-
über insgesamt fünf von Berlin metern zwar 62,7% der Ge- ge schließlich bei einem Trieb-
Fahrwerk: Achslose Anord- ausgehenden und dorthin zu- samtflugstrecke, davon wurden werk (nach 3.330 Flugkilome-
nung. Radgrösse 510 mm rückführenden Rundflugschlei- aber nur 58,5% gewertet. tern) die Kurbelwelle gebro-
Durchmesser bei 65 mm Breite. fen mit einer Gesamtfluglänge Schick unterzog die einzelnen chen war. Vor der
Speichenräder aus Metall mit von 5262 km für die Gruppen A Ausfälle bei den eigenen Trieb- einschränkenden Bemerkung,
Luftbereifung. Gummikabel- und B sowie von 5344 km für werken einer kritischen Analy- dass die zweimotorigen Flug-
Abfederung im Flügel. Spurwei- die Gruppe C stattgefunden. se, besonders die bei den zwei- zeuge für den Wettbewerb
te 1.320 mm. Schicks grundlegende Feststel- motorigen Maschinen, da sich nicht genügend ausprobiert
Triebwerk: Luftgekühlter Mer- lung: Die Flugzeuge der Klasse deren Befestigung an der Zelle worden wären, kam er zu dem
cedes F 7502 Zweizylinder-Bo- A mit einer Motorleistung bis 40 als mangelhaft herausgestellt Fazit: «Im Ganzen ist zu sagen,
xermotor mit 885 ccm Hub-
raum, aufgehängt in einem
Stahlrohrgerüst, 2:1 unter-
setzt, mit Spezial-Luftschraube
von 1.850 mm Durchmesser.
Öltank vor und Brennstoff-Fall-
tank hinter dem Brandschott.
Lackierung: Komplett in Silber-
bronce angestrichen; Zulas-
sungsschrift schwarz.

36
daß unsere Motoren viel geleis- Masse und seiner hohen den freitragenden Typen zu er- eine ganze Zeit lang als wirt-
tet haben in Anbetracht der Schwebeleistung auch als aus- halten und - wie diese - an- schaftliches Element vor-
schweren Bedingungen dieses reichend. So war es denn weni- fänglich als Segelflugzeug ge- schwebten, obwohl die durch
Wettbewerbs, der nur die Moto- ger die Sicherheit, die Klemm flogen. Leistungsmäßig zeigte sie beim Start und bei der Lan-
renleistung und nicht das Hub- bewog, durch Verwendung von sie sich eindeutig unterlegen, dung ausgelösten Erschütte-
volumen in Rechnung zog. Mit zwei der 20 PS-Triebwerke die aber ihre Bauform war eine ech- rungen der Triebwerkssicher-
einer kleineren Drehzahl und ei- Leistungsbegrenzung der Klas- te Alternative, und als Aus- heit wegen nicht akzeptiert wer-
nem größeren Hubraum hätten se voll auszuschöpfen, als der gangsbasis für eine zweimotori- den konnten. Während die
wir einen höheren Grad der Si- Blick auf eine optimal zu stei- ge Wettbewerbs-Konstruktion Sperrholzräder noch auf einem
cherheit erreicht. Um Gewicht gernde Leistungsverbesse- L 21 bot sie sich in geradezu Strebenbock saßen, wurden
zu sparen, könnte der Propeller rung. Nur war die L 20 als Tief- idealer Weise an. Der Rumpf die anschließend angebauten
1.200 bis 1.400 Umdrehungen decker nicht geeignet, Basis für konnte fast unverändert über- gummibereiften Stahlspei-
machen statt 1.000, ohne dass eine zweimotorige Abwand- nommen werden. Für den drei- chenräder an einer federnden
der Wirkungsgrad schlechter lung zu sein, denn die stark un- teiligen Flügel mit dem durch Traverse direkt an den Rumpf-
würde. Aber für sicheren Flug- tersetzten Motoren erfordeten Parallelstreben zu den Rumpf- untergurten befestigt. Diese Lö-
betrieb scheinen 20 PS zu we- große Luftschraubendurch- untergurten abgefangenen Mit- sung erwies sich bei der kurzen
nig - es sind 40 PS notwendig«. messer. Aber da war ja noch die telteil wurde anfänglich eine Flugerprobung als genau so
L 17, die Dipl.-Ing. Martin Doppeltrapezform mit 8,80 m unbefriedigend, wie die der ge-
Die zukünftige Entwicklung Schrenk entworfen hatte und Spannweite gewählt, deren Flü- wählten Spannweite, bei der
gab Schick recht, aber 20 PS bauen ließ, als ihn Klemm im gelfläche 10,5 qm betrug. Ein Stabilitätsprobleme um die
war die Leistungsgrösse, die Oktober 1922 ursprünglich als weiteres Kennzeichen der Ma- Längsachse auftraten. Trotz
Hanns Klemm als Verantwortli- Pilot nach Sindelfingen geholt schine in seiner frühen Ausfüh- der drängenden Zeit wurde ein
cher des Flugzeugversuchbaus hatte. Die L 17 war als abge- rung waren die Sperrholzräder ganz neuer Flügel mit einem
für den wirtschaftlichen Betrieb strebter Hochdecker konzipiert ohne jede Bereifung, die dem rechteckigen Mittelteil konstru-
seines zweisitzigen Leichtflug- worden, um Vergleichsdaten zu sparsamen Schwaben Klemm iert und gebaut, der die Spann-
zeugs L 20 gefordert hatte. Und
sie erwies sich anfänglich im
praktischen Flugbetrieb des
Musters mit seiner geringen

Auf der gegenüberliegenden Seite die


L 21 in der ersten Ausführung mit dem
8,80 Meter spannenden Flügel und tief-
liegendem Fahrwerk.

Im Bild oben Siebeis L 21 mit der Zulas-


sung D 622, die während des Rund-
flugs zu Bruch ging.

Rechts ist das oben gezeigte Wettbe-


werbsmuster D 622 mit der größeren
Spannweite im Flug zu sehen.

37
Range eines Leutnants, als ei-
ner der ersten deutschen Offi-
ziere in der »Provisorischen
Fliegerschule« - einer Ver-
suchsabteilung der Verkehrs-
truppe - auf dem Truppen-
übungsplatz Döberitz zum Pilo-
ten ausgebildet worden. 1914
gewann er den Kaiserpreis für
die beste Gesamtleistung.
Während des Ersten Weltkriegs
war er als Hauptmann Referent
für Jagdflugzeuge bei der In-
spektion der Fliegertruppen,
bevor er am 20. Juli 1917 von

Die Daimler L 21 im Rohbau. Die Ma-


schine befindet sich in der ursprüngli-
chen Konfiguration mit dem Doppeltra-
pezflügel geringerer Spannweite und
unbereiften Sperrholzrädern (Felgen
aus Esche, Seiten aus Birkensperrholz).

weite um zwei Meter wachsen


ließ, und auch das Fahrwerk er-
hielt Dämpfelemente mit Gum-
mikabeln. Als diese Maßnah-
men befriedigten, sollte auch
die andere L 21 entsprechend
ausgestattet werden, doch da
streikten die Sindelfinger Arbei-
ter. Kurzerhand wurde die Ma-
schine in die väterliche Werk- Friedrich Wilhelm Siebel men gab. Fritz W. Siebel - wie Ing. Karl Bauer die Leitung des
statt der bei Daimler als Tisch- (1891-1954) aus Berlin gemel- er kurz genannt wurde - hatte Flugzeugbaus bei der Daimler-
ler beschäftigten Brüder det. Er wurde nach dem Rund- nach dem Abitur 1907 eine Motoren Gesellschaft über-
Mickeier aus dem Schreiner- flug Mitbegründer des Leicht- technisch-kaufmännische Aus- nahm, eine Stellung, die er bis
dorf Holzgerlingen gebracht flugzeugbau Klemm und so et- bildung erhalten, war 1913 zum zum 7. Juni 1920 innehatte. Von
und dort fertiggestellt. was wie dessen Berliner Militär (Fliegerbataillon 1) und Thüna, der dem Mercedes-
Vertreter, übernahm dann off- im September 1914 an die Front Stern bis zu seinem Tod ver-
Die erste L 21, die die Zulas- ziell das Berliner Büro Anfang gekommen, wurde vor Kriegs- bunden blieb, verzichtete auf
sung D 622 erhielt, hatte der der dreißiger Jahre und 1936 ende Technischer Offizier beim seine Bewerbung, als eine An-
aus Broich in Westfalen stam- das in Halle errichtete Klemm- Kampfgeschwader 1 und da- frage des Hauptmanns a. D.
mende Unternehmersohn Zweigwerk, dem er seinen Na- nach Leiter der physikalischen Bruno Loerzer( 1891 -1960) für
Abteilung der Deutschen Ver- die Pilotenstelle einging. Der
TECHNISCHE DATEN suchsanstalt für Luftfahrt gebürtige Berliner, 1911 Fah-
(DVL). nenjunker in einem Infanterie-
Muster Daimler L 21 j Regiment, machte eine bemer-
Verwendungszweck Wettbewerbsflucjzeug | 1919 war er in Berlin Mitbegrün- kenswerte militärische Karrie-
Besatzung 1 Pilot | der einer Firma (Körner & Sie- re: 1938 Generalmajor, im Feb-
Bauart abgestrebter Hochdecker j bel) geworden, die europaweit ruar 1939 Kommandeur einer
Baujahr 1925 | Maschinen und Werkzeuge ex- Fliegerdivision und 1945 - als
portierte. Bis in die Zeit nach Generaloberst (Februar 1943) -
Konstruktion Diplom-Ingenieure H. Klemm/M. Schrenk |
dem Zweiten Weltkrieg rief er Kommandierender General
Hersteller Daimler-Motoren-Gesellschaft, Sindelfingen |
eine Reihe weiterer Firmen ins des II. Fliegercorps. 1912 hatte
Antrieb zwei Zweizylinder-Boxermotore Daimler F 7502 ) er beim Militär im Elsass Her-
Leben. Darüber
Startleistung 2x20 PS (14,7 kW) | hinaus machte er nach dem mann Göring, später zweiter
Spannweite 10,80 m | Ersten Weltkrieg als Flieger 14 Mann des Dritten Reiches, ken-
Länge über alles __5 1 40_mJ Jahre lang aktiv und oft erfolg- nengelernt, was zu einer le-
.Flügelfläche 13,1 qm j reich bei zahlreichen deut- benslangen Freundschaft führ-
ca. 365 kg | schen und internationalen te. Nachdem Loerzer Pilot ge-
Rüstmasse
Sportflug-Wettbewerben mit. worden war, setzte er durch,
Startmasse 475 kg |
dass der unter Arthritis leiden-
Höchstgeschwindigkeit 130 km/h | de Infanterist Göring sein Flug-
Für die zweite werkseigene L 21
Reisegeschwindigkeit 110 km/h | zeugbeobachter wurde. Später
D 623 war ursprünglich als Pilot
Landegeschwindigkeit ca. 80 km/h | Rudolf Freiherr von Thüna flog Göring in Loerzers Jagd-
JSteiflleistung, 1.000 Meter in ca. 10 Minuten [ (1887 - 1936) gemeldet wor- staffel 26, bevor er eine eigene
J3ij3felhöhe ca. 3.500 Meter | den. Der aus Erfurt gebürtige Staffel (Jasta 27) bekam und
Thüringer war 1910, noch im schließlich letzter Komman-

38
DAIMLER-KLEMM L 21

GO
CD
lange vor diesem großen Wett-
kampf gestritten worden, und
auch jetzt, während der Konkur-
renz selbst, wird bei jeder Gele-
genheit diese Diskussion fort-
gesetzt. Es ist daher notwendig,
objektiv an Hand der Ergebnis-
se die vollbrachten Leistungen
noch einmal einer Prüfung zu
unterziehen. Ich muß offen ein-
gestehen, daß ich bis vor nicht
allzu langer Zeit selbst kein all-
zu begeisterter Anhänger eines
Flugzeuges mit derartig schwa-
chem Motor war, wie sie in der
Klasse A geflogen werden.
Nach meinen Erfahrungen
während der Tage des »B.Z.-
Fluges« bin ich jedoch eines
Besseren belehrt worden. Es
muß bei der Beurteilung der
Leistungen der Flugzeuge der
Klasse A von dem Gesichts-
punkt ausgegangen werden,

deur des Richthofen-Geschwa-


ders wurde. Dieser Freund- Trotz der sehr beschränkten Zeit bis
schaft verdankte Loerzer - der zum Wettbewerbsbeginn wird die L 21
44 Luftsiege errang und den noch sorgfältig auf Bruchfestigkeit ge-
testet.
Orden Pour le merite erhielt -
seine Berufung 1933 zum Prä- Eine große Anzahl von Daimler-Mon-
sidenten des Deutschen Luft- teuren war mitgereist, um bei erwarte-
ten Pannen eingreifen zu können.
sport-Verbandes sowie seine
Ernennung am 26. Juli 1935
zum Reichsluftsportführer. Lo-
erzer gab sich wenig ambitio- glänzend. Seine Bewerbung
niert. Er hatte nach dem Krieg beim »B.Z.-Flug« sollte seine
bei dem weltbekannten Ham- erste fliegerische Tätigkeit
burger Zigarren-Unternehmen nach Kriegsschluß werden.
Hazifa seines Jagdflieger-Ka-
meraden Jakob Wolff - der sich Die erste Schleife des »B.Z.-
46-jährig mit eigenem Flugzeug Flugs« führte über Schwerin,
zur Fliegertruppe gemeldet hat- Hamburg, Bremen, Münster,
Dresden eine einmalige Leis- dass die Zweifler nicht einmal
te und noch 4 Luftsiege errang Kassel und Magdeburg nach
tung: Er schaffte als erster und an die Bewältigung eines gerin-
- Geschäftssinn erworben, und Berlin zurück. Deren Start am
einziger aus der Klasse A eine gen Bruchteils der gesamten
sein Zigarrengeschäft neben Pfingstsonntag, dem 31. Mai
Rundflugetappe gleich am ers- Riesenstrecke glaubten, und
Berlins Nobelhotel »Adlon« an 1925, verfolgte bereits eine hal-
ten Tag, wenn er nach Tempel- dass die Erfolge, besonders
der Straße Unter den Linden lief be Million Zuschauer. Bei der
hof auch erst in tiefster Dunkel- der Mercedes-Daimler-Leicht-
Gruppe A hoben die Daimler-
heit zurückkehrte. Seine Zeit: flugzeuge die Fachwelt in Stau-
Flugzeuge bereits in der Mor-
16 Stunden und 26 Minuten. Da nen und Verwunderung vesetzt
Bruno Loerzer gendämmerung vom Flugha-
vor seiner Daimler L 21. die Schleife mit 1.130 km die haben«.
fen Tempelhof ab. Mittags lan-
längste des ganzen Wettbe-
dete Loerzer in Hamburg. Aber Loerzer lobt in seinen weiteren
werbs war und sie, wie auch die
das schlechte Wetter mit Re- Ausführungen die Konzeption:
erste, ohne Punktabzug gewer-
gen und starken südwestlichen »Die Zuverlässigkeit und Si-
tet wurde, hatte Loerzer 2.100
Winden bis zu 20 m/s ließ an cherheit der Flugzeugzellen hat
km auf seinem Konto - eine
diesem Tag keine einzige der sich besonders in dem schlech-
Sensation.
schwachmotorigen Maschinen ten Wetter des ersten Tages zei-
nach Berlin zurückkehren. Als gen können, der mit Regen,
Loerzer am Pfingstmontag in Nach dem »B.Z.-Flug« äußerte Sturm und Böen auch den grö-
Berlin eintraf, hatte er für die sich der Pilot zu diesem hervor- ßeren Flugzeugen viel zu schaf-
970 km lange Rundflugetappe ragenden Erfolg: »Die Wahl ei- fen machte. In dem Unwetter
insgesamt 36 Stunden und 54 ner in etwa gleichen Strecken- haben sich die kleinsten Ma-
Minuten gebraucht. Dafür er- länge für alle Klassen sollte be- schinen wundervoll gehalten.
flog er bei der zweiten Schleife sonders die Leistungsfähigkeit Im Vergleich zu den größeren
über Hannover, Paderborn, der schwächsten Gruppe der Flugzeugen ist die Geschwin-
Frankfurt/Main, Darmstadt, Go- Kleinflugzeuge erweisen. Über digkeit des kleinen Flugzeuges
tha, Weimar, Chemnitz und den Wert dieser Flugzeuge ist im Allgemeinen geringer und

40
Bei diesen beiden Aufnahmen ist der Liegnitz zu Bruch, während Lo- der Lage war, die Maschine auf Rumpf: Aufbau aus Holzstä-
Unterschied zwischen der Erstversion erzer in Sagan wieder einmal Reiseflughöhe zu halten. Bei ben, teilweise sperrholzbe-
mit kleiner (links) und der definitiven notlanden musste.
Ausführung mit großer Spannweite
dem Wettbewerbsflugzeug L plankt, sonst drahtausgekreuzt
deutlich zu erkennen. 21 war die Zweimotorigkeit nur mit Stoffbespannung; größte
Trotz allem brach Loerzer sei- Mittel zum Zweck. Für den Rumpfbreite 620 mm; Einstei-
ner L 21 die Lanze: »Das von praktischen Flugbetrieb hätten getür an der Backbordseite.
liegt bei etwa 110 Kilometer
mir geflogene Daimler-Flug- sich zwei Motoren nicht gerech-
Stundengeschwindigkeit. In un-
zeug mit zwei Motoren gibt net - erst recht nicht für einen
ruhigem, böigem Wetter wird
Überlandflügen über schwieri- Einsitzer. Deshalb blieben die L
das Flugzeug wohl mehr gewor- Leitwerk: Freitragende Holz-
ges Gelände eine erhöhte Si- 21 Einzelstücke. Die Zelle der D
fen als die große Maschine, konstruktion unter Verwen-
cherheit. Es ist sehr gut mög- 623 konnte noch lange in der
deshalb aber nicht in Unsicher- dung von Duralteilen; Formna-
lich, bei dem Aussetzen eines Luft verweilen, denn sie hing an
heit gebracht. Hinzu kommt bei sen aus Sperrholz nur an den
Motors mit dem anderen Motor der Decke der Klemm-Monta-
schwerem Wetter, dass sich Höhenflossen, sonst stoffbe-
noch so weit zu fliegen, dass gehalle am Böblinger Flugha-
das Flugzeug leicht regieren spannt; das Höhenleitwerk mit
ein guter Landeplatz ausge- fen, bis sie und das Werk der
lässt, wenn der Pilot die Ruhe 2,80 m Spannweite hat 2,0 qm
wählt werden kann. Gerade der Bombenkrieg zerstörte.
hat, nicht jede Schlingerbewe- Fläche, davon 1,15 qm Flosse
Besitz von zwei Motoren ließ
gung sofort durch das Steuer und 0,85 qm Ruder; Das Seiten-
mich mit Vertrauen in geringer
ausgleichen zu wollen«. Technische Beschreibung leitwerk hat 0,95 qm Fläche
Höhe über die bewaldeten
(Flosse 0,35 qm, Ruder 0,60
Das war eine bemerkenswerte Bergkuppen des Thüringer Tragflügel: Dreiteilige, zweihol- qm); alle Ruder unausgegli-
Huldigung, denn es gab auch Waldes dahinfliegen«. Ohne mige Holzkonstruktion mit chen.
Ausfälle und Pannen. Siebel Zweifel lassen sich bei zwei vor- formgebender Sperrholznase,
beispielsweise hatte am Ende handenen Triebwerken beide sonst stoffbespannt; zwischen Fahrwerk: Durchgehende, ver-
der zweiten Schleife erst 180 im Reiseflug stark drosseln, den Holmen in zwei Ebenen kleidete Achse, gummikabelge-
km auf seinem Konto. In der was zur Schonung der Motoren drahtausgekreuzt; Flügeltiefe federt; Speichenräder 600 x 60
letzten Schleife, die über Schle- und damit zur Betriebssicher- des Mittelteils 1,39 m, Einstell- mm aus Metall mit Luftberei-
sien, Pommern und Mecklen- heit beitrug. Aber es zeigte sich winkel an der Wurzel 3°; norma- fung; Spur 1,60 m.
burg führte, ging seine Maschi- auch, dass bei Ausfall eines le Querruder mit insgesamt Triebwerk: Zwei luftgekühlte
ne bereits bei der Landung in Triebwerks das andere nicht in 1,80 qm Fläche und zwei Aus- Zweizylinder Boxermotoren
gleichsruder an den Flügelen- Daimler F 7502 mit 20 PS (14,7
Im Wettbewerbsfieber: Hanns Klemm persönlich (links, sich auf beide Steuerbord-
den mit insgesamt 0,26 qm Flä- kW) Startleistung, mit dreifach
streben stützend) überwacht die Wartungsarbeiten. che; verkleidete Parallel-Stre- untersetzenden Planetenge-
ben aus Stahlrohr. trieben zweiflügelige Propeller
mit 1,85 m Durchmesser ge-
genläufig antreibend; zwei
Brennstoff-Falltanks im Mittel-
flügel.
Anstrich: Komplett in Silber-
> \ , I '• •
bronze; Zulassung und andere
Beschriftung in schwarz.

• QUELLENANGABEN

W.v.Langsdorff: Das Leichtflugzeug;


Frankfurt/M. 1925 • A.Gymnich:
Leichtmotorflugzeuge; Leipzig 1925
• W. v. Nes: Das Leichtflugzeug; Stutt-
gart 1926 • P.Supf: Hanns Klemm;
Stuttgart 1955 • Mercedes-Benz
Nachrichtenblatt Nr. 12 vom Juli 1925
• Div. Werksunterlagen Daimler-Mo-
toren-Ges., Mercedes Benz, LFK.
Zeitschriften: Flugsport 14/24,18/24,
20/24, 21/24, 3/25, 6/25, 8/25,
10/25, 11/25, 12/25 • ZFM Heft 14
vom 28.7.25 • Flieger Heft 5/75

41
Historische deutsche Flugzeuge bis 1945

Das Großflugzeug Gotha G VI, worfen. Der Preis: 24 Maschi- seits des Rumpfes, was eine cherersein, müssen die beiden
das nach einem Bruch bei der nen verlor die Einheit durch Symmetrie vorgaukelt, die Triebwerke so nah wie möglich
Erprobung durch die beiden Pi- gegnerische Abwehr, aber weit- nicht vorhanden ist. Bei Ausfall zusammengebracht werden.
loten Hauff und Schleiffer auf aus mehr, nämlich 37, gingen eines Motors nämlich entsteht Dem gegenüber stand bei den
dem Werkflugplatz der Gothaer durch Unfälle verloren. Das war ein Giermoment, das der Pilot G-Flugzeugen die Forderung
Waggonfabrik - einem der da- kein Zufall. mit Seitenruder und durch nach Abwehrständen für die
maligen vier Flugplätze der Trimmung schnell ausgleichen Verteidigung.
Garnisonsstadt - auf dem Kopf Konventionell aufgebaute zwei- muss, soll die Maschine nicht
stand, sah bizarr verrenkt aus. motorige Flugzeuge haben nun in eine kritische Fluglage gera- Die Lösung, die Gotha fand,
Der Augenschein trog nicht: einmal eine schlechte Sicher- ten. Dieses Giermoment ist um wurde ihr durch das Patent
Die 1918 von Konstrukteur heitsstatistik. Erklären lässt so größer, je weiter die Motoren 300676 geschützt: Von einer
Burkhardt entwickelte zweimo- sich dies durch die Anordnung voneinander entfernt sind. Sol- gemeinsamen Längsachse wa-
torige Konstruktion war bizarr - der beiden Triebwerke beider- len zweimotorige Flugzeuge si- ren - im Abstand nur durch den
sie war das erste (und blieb das
einzige) unsymmetrische Flug-
zeug des Unternehmens.

Dieses hatte am 3. Februar


1913 eine Abteilung Flugzeug-
Blohm & Voss 141 V2
bau eingerichtet, die mit Kon-
struktionen des Tauben-Typs
DAS ERSTE UNSYMMETRISCHE FLUGZEUG
ihre Arbeit aufnahm. Im Laufe DER HAMBURGER WERFT
Um ideale Sichtverhältnisse
für einen Aufklärer zu
bekommen, schuf Dr. Ing.
Richard Vogt ein ungewöhn-
liches »einmotoriges Zwei-
motoren-Flugzeug«. Dessen
eigenständiger erster
Prototyp wurde vielbeschäf-
tigtes Experimentalmodell,

der folgenden Jahre speziali-


sierte man sich aber besonders
auf die Entwicklung großer
zweimotoriger Doppeldecker
für den strategischen Bomben-
krieg - militärisch »G-Flugzeu-
ge« genannt. Sie bildeten das
Rückgrat des im Frühjahr
1917 aufgestellten Bombenge-
schwaders 3, das ab Mai die
Bombardierung von Zielen in
England begann, zuerst bei Ta-
geslicht, dann der steigenden
Abwehr wegen nur noch
nachts. Die Bombardierung
dauerte bis zum Mai 1918.
Während dieses Zeitraums
wurden 84.745 kg Bomben auf
das britische Mutterland abge-

Im Bild oben fliegt Chefpilot Rodig die


ungewöhnlich aussehende Ha 141 V2.
Das Muster besaß ursprünglich ein
symmetrisches Höhenleitwerk.

Die Bilder rechts und rechts oben zei-


gen die fabrikneue D-ORJE (Ha 141 V2)
vor dem Erstflug.

42
einen kleinen Auslegerrumpf,
ebenfalls mit vorn liegendem
Triebwerk, zu einem unsymme-
trischen Gebilde kombinierte.
Gleichzeitig wollte er durch den
verkleinerten Stirnwiderstand
zu optimalen Flugleistungen
kommen.
Die Erprobung, die dem Erst-
flug am 19. Juni 1996 folgte,
zeigte, dass der Fünfsitzer
nicht nur hervorragende Flugei-
genschaften besitzt, sondern

Luftschrauben-Halbmesser be-
grenzt - links ein konventionel- 1900
ler Rumpf mit Leitwerk, rechts
eine Gondel angeordnet. Der
Rumpf besaß einen Bugmotor
mit Zugschraube sowie einen
dahinter liegenden Abwehr- 1910
stand, die Gondel einen hinten
liegenden Motor mit Druck-
schraube sowie einen Abwehr-
stand im Bug. Die nach diesen
Grundsätzen gebaute Gotha G 1920
VI war, wie das Ausgangs-Mo-
dell GV, ein dreistieliger Dop-
peldecker, angetrieben wie die-
ses durch zwei je 260 PS (191
kW) leistende Mercedes
1930
Sechszylinder-Triebwerke D
IVa, und sogar ausgestattet mit
dessen Außenflügeln. Trotz-
dem betrug die Spannweite der
G VI nur noch weniger als 21
Meter gegenüber 23,70 Metern 1940
beim Vorgänger, und die Stirn-
fläche war erheblich kleiner,
weil anstelle der drei jetzt nur
noch zwei Widerstandskörper
addiert werden mussten. 1950
Bei Gotha verhinderte der
Kriegsausgang weitere Versu-
che. Aber auch andernorts un-
terblieben sie. So haftet moder- 1960
nen, normalen zweimotorigen
Flugzeugen immer noch der Ri-
sikofaktor Giermomentenaus-
gleich bei Motorausfall an.
Wenn die Triebwerke auch si-
1970
cherer geworden sind, so griff
75 Jahre nach Burkhardt ein
amerikanischer Konstrukteur
den Gedanken neu auf: Burt
Rutan. Die kalifornische Flug-
zeugdesign-Legende für außer- 1980
gewöhnliche Formgebungen
entwarf 1993 mit dem Model
202 Boomerang ein leichtes
zweimotoriges Geschäftsreise-
flugzeug. Dessen Triebwerks- 1990
achsen legte er so nah wie
möglich zusammen, indem er
einen normalen Rumpf mit vor-
ne liegendem Triebwerk und
dahinter liegender Kabine und 2000

43
Seitenruder

- Ruderachse

- Spreizklappen

Blohm & Voss 1 4 1 V2

(Fahrwerk ein)

Höhenruder
Ruderachse

44
erfolgreicher Muster ent-
wickelt. Dr. Vogt sagte zu und
nahm ab Spätherbst 1933 sei-
ne neue Aufgabe als Chefkon-
strukteur und Technischer Ge-
schäftsführer wahr. Er erwies
sich für das junge Unterneh-
men als ungewöhlich begabt
und besonders kreativ. In
Schwäbisch Gmünd geboren,
war er schon früh ein »Tüftele«.
Als 13-jähriger hatte er sein er-
stes Patent angemeldet - eine
Vorderradfederung für das

auch mit optimalen Flugleistun-


gen aufwartet. Obwohl die bei-
den Triebwerke zusammen nur
etwas über 400 PS stark sind,
bringen sie die ungewöhnliche
Maschine auf 475 km/h Reise-
geschwindigkeit. Sie könnte
die erste unsymmetrische Seri-
enmaschine werden.
Doch es gab bereits ein unge-
wöhnliches Flugzeug, dessen
Produktion zumindest eine ge-
wisse Stückzahl erreichte. Sei-
ne unsymmetrische Auslegung
hatte allerdings einen ganz an-
deren Grund, nämlich den der
Sichtverhältnisse. Ein mög-
klärers mit besten Sichtverhält- Fahrrad. Im September 1912
lichst allseits freier Ausblick
Unsymmetrie total: Flugaufnahmen der nissen aus einer stark verglas- flog er sein erstes selbst kon-
war von Anfang an erste Forde- V2, im oberen Bild bereits mit dem ab- ten Kabine heraus gefordert struiertes Flugzeug ein, einen
rung für ein Aufklärungsflug- gewandelten einseitigen Höhenleit-
werk. Besonders in diesem Bild wird wurde. Aufträge für je drei Pro- zwölf Meter spannenden Ein-
zeug. Als bei der Entwicklungs-
die ungewöhnliche Geometrie dieses totypen, seinerzeit als Studien- decker mit geliehenem 3-Zylin-
gruppe des Technischen Flugzeugs deutlich. Versuchsflugzeuge SV1 bis 3 der-Anzani, das allerdings beim
Amtes im Reichsluftfahrtmini-
benannt, gingen an die Firmen Jungfernflug zu Bruch ging.
sterium (RLM) die ersten Auf-
Arado (Ar 198) und Focke Wulf Seine fliegerische Ausbildung
gabenstellungen für einen Na-
(Fw 189). Für November 1937 erhielt er während des Krieges
haufklärer formuliert werden ersten Ausschreibungen an die war die Besichtigung der At- beim Militär. Nach Kriegsende
mussten, sahen sie folgerichtig Industrie, denen im November trappen eingeplant, und im Juli Schloss er an der TH Stuttgart
einen Hochdecker mit offenem 1935 weitere folgten, die sich 1938 sollten die ersten Prototy- das Studium des Luft- und
Beobachtersitz hinter dem hauptsächlich an größerer pen flugklar sein. Kraftfahrwesens mit dem Di-
Flugzeugführer vor, wie er seit Triebwerksleistung orientier- plom ab. Die Promotion erhielt
den Tagen des I. Weltkriegs ten. Ein Fortschritt zeichnete Blohm & Voss war bei dieser er nach anschließender Assi-
1914 bis 1918 üblich war. Im Ok- sich erst im April 1937 ab, als Ausschreibung trotz früh be- stententätigkeit. Bei Blohm &
tober 1933 gingen die die Entwicklung eines Nahauf- gonnener Entwicklungsarbei- Voss führte er die Ganzmetall-
ten an einem Aufklärungsflug- bauweise ein und entwickelte
zeug anfänglich nicht berück- als eigenständiges Konstrukti-
. TECHNISCHE DATEN BLOHM & VOSS H A / B V 141 V2 sichtigt worden. Rudolf und onselement den Rohrholm, der
Blohm & Voss Ha/BV 141 V2 |
Walther Blohm, Söhne des zum Markenzeichen werden
Muster
1930 verstorbenen Mitbegrün- sollte.
Zweck Versuchsflugzeug j
ders Hermann Blohm und Inha-
Bauart Unsymmetrischer freitragender Mitteldecker | ber der weltbekannten Ham- Für seinen neuen Arbeitgeber
Baujahr 1937/38 | burger Schiffswerft, hatten im suchte Dr. Vogt ständig nach
Konstruktion Dr. Ing. Richard Vogt | Juni 1933 die Hamburger Flug- Nischen in den RLM-Entwick-
Hersteller Hamburger Flugzeugbau Gesellschaft mbH | zeugbau GmbH als Tochterge- lungs- und Fertigungs-Pro-
Antrieb Sternmotor BMW 132 N sellschaft ins Handelsregister grammen. So kam er auch auf
Startleistung 865 PS (636 kW) in Bodennähe eintragen lassen. Vom RLM den Nahaufklärer, der ihm we-
war ihnen Dr. Ing. Richard Vogt sentlich funktioneller vor-
Spannweite 15,00 m |
(1894-1979) für die technische schwebte, als er in den RLM-
Länge über alles 11,10 m |
Leitung empfohlen worden. Er Ausschreibungen jeweils aus-
Flügelfläche _4J_;50_cjmJ war ursprünglich in Dorniers gewiesen war. Seine wörtlich
Leermasse 2.544 kg | Auftrag, dann aber selbständig zitierten Gedankengänge: »Mir
Startmasse 3.287 kg | als Chefkonstrukteur bei der ja- war bei Inangriffnahme der Auf-
Höchstgeschwindigkeit über 400 km/h] panischen Firma Kawasaki gabe alsbald klar, dass mit
tätig und hatte dort eine Reihe einem konventionellen einmo-

45
Blohm&Voss 1 4 1 112

46
torigen Flugzeug eine voll be- werke flugeigenschaftsmäßig metrischer Nahaufklärer in die Während diese Konstruktions-
friedigende Beobachtungs- einen großen Unterschied konstruktive Planung genom- arbeiten noch liefen, war der
möglichkeit nicht erreicht wer- macht, ob das rechte oder linke men wurde. Die Konstruktions- einsitzig ausgelegte Flugver-
den konnte. Die günstigste Be- betroffen ist. Demnach musste arbeiten begannen im Septem- suchsträger fertig und am 25.
obachtungsstelle - die im Bug die Unsymmetrie so aufgebaut ber 1936 - also bereits mehr Februar 1938 von Chefpilot
- war ja vom Triebwerk besetzt. werden, dass diese ursächli- als ein halbes Jahr vor der Helmut-Wasa Rodig erstmals
Immer wieder kreisten meine chen Wirkungen zum Aus- RLM-Ausschreibung für einen von der Piste des Werksflug-
Gedanken zurück auf die bei gleich der Unsymmetrie ge- fortschrittlichen Nahaufklärer. platzes in Wenzendorf abgeho-
zweimotorigen Flugzeugen vor- nutzt sind (siehe Kasten: »Wie ben worden. Der Flug verlief
handene Rumpfbugkanzel, bis Unsymmetrie fliegt«). Obwohl der Entwurf aus- wie berechnet: Bezüglich der
meine Vorstellung in einem mu- schließlich der Systemerpro- Flugeigenschaften unspekta-
tigen Anlauf einen der beiden Diese Überlegungen hielten ei-
bung sowie als Flugver- kulär, flugleistungsmäßig viel-
Motoren entfernte und ich - ner überschlägigen rechneri-
suchsträger dienen sollte und versprechend. Ernst Udet (der
grotesk ausgedrückt - bei ei- schen Abschätzung stand.
von der Auslegung her nur für erfolgreiche Jagd- und populä-
nem einmotorigen Zweimoto- Mehr noch - sie erbrachten
den Piloten einen festen Platz re Schauflieger war im Juli
ren-Flugzeug landete. Damit bessere Werte, als sie üblicher-
vorsah, fand er das Interesse 1936 Leiter des Technischen
war in meinem Kopf ein unsym- weise bei einmotorigen Nor-
des RLM, dessen Beauftragte Amtes im RLM geworden) ließ
metrisches Flugzeug gebo- malflugzeugen mit sehr star-
bereits im Juni 1937 die Attrap- es sich nicht nehmen, bereits
ren.« kem Triebwerk (also beispiels-
pe besichtigten. Daraufhin wur- im April 1938 die ungewöhnli-
weise bei Jagdeinsitzern) in
de Blohm & Voss in das Ent- che Konstruktion selbst nach-
Bei den anschließenden De- Kauf genommen werden muss-
wicklungsprogramm eingebun- zufliegen. Dipl.-Ing. Hermann
tailüberlegungen, die vom Ein- ten. Das beflügelte Dr. Vogt zu
den und erhielt offiziell den Pohlmann, Konstruktionsleiter
motorenflug eines zweimotori- der (nach seiner Meinung wie-
Auftrag zum Bau von zwei Pro- und Dr. Vogts Vertreter, erinnert
gen Flugzeuges ausgingen, derum grotesken) Behauptung:
totypen der anfänglich Ha 141 sich: »Die unsymmetrische La-
fand er den entscheidenden »Die Symmetrie des einseitigen
genannten Konstruktion. Aller- ge des Pilotensitzes beein-
Faktor im Schub und Drall der Flugzeuges ist größer als die
dings wird das unter der gleich- trächtigte das fliegerische Ge-
Luftschraube. Er baute auf der- des konventionellen einmotori-
zeitigen Auflage geschehen " fühl so wenig, dass der Gene-
Tatsache auf, dass es beim gen Flugzeuges.«
sein, das Muster gemäß den ralluftzeugmeister bei seinem
Ausfall eines der beiden Trieb- taktischen Forderungen des ersten Flug mit der Ha 141 so-
So kam es, dass als 44. der bis-
her von Dr. Vogt bei Blohm & Ausschreibungstextes mit ei- fort Loopings und Rollen dre-
interessante Detailaufnahmen eines Voss bearbeiteten Projekte nem stark verglasten Arbeits- hen konnte.« Wahrscheinlich
der ungewöhnlichsten Flugzeuge der ist es Udet zu verdanken, dass
Luftfahrtgeschichte. (und als sechstes, das verwirk- raum für eine dreiköpfige Be-
licht werden sollte) ein unsym- satzung abzuwandeln. dieser von ihm so früh gefloge-

47
für das Muster eine wesentlich
erhöhte Kampfleistung gefor-
dert werden musste.
Das führte ab Januar 1940 un-
ter Beibehaltung der Entwurfs-
prinzipien praktisch zu der
ganz neuen Konstruktion BV
141 B mit 1.560 PS (1.147 kW)
leistendem BMW 801-Doppel-
sternmotor, vergrößerten Ab-
messungen und einer Flug-
masse von jetzt 5.800 kg. Bevor
der erste Prototyp am 9. Januar
1941 zum Jungfernflug starten
konnte, mussten nicht weniger
als 100.000 Konstruktionsstun-
den aufgewendet werden (für
die BV 141 A waren insgesamt
»nur« 40.000 erforderlich ge-
wesen). Dafür wies das Muster
aber auch eine Reihe von Ver-
besserungen auf, wie beispiels-
weise das jetzt unsymmetri-
sche Höhenleitwerk, um für
den Heckschützen in der Gon-
del ein freies Schussfeld nach
hinten zu erhalten.
Versuchsträger für das neue
Leitwerk war selbstverständ-
lich das Erstmuster BV 141 1/2,
zu jenem Zeitpunkt immer

Die V6 als BV 141 A-03 BL+AC (ganz oben). Darunter die BV 141 B-0, eine vergrößer-
te Neukonstruktion mit einem BMW 801-Doppelsternmotor, die sich von den A-Vari-
anten grundsätzlich durch das unsymmetrische Höhenleitwerk unterscheidet. -
Rechts die Ha 141 V1 (D-OTTO). Sie ist zwar erst das zweite gebaute unsymmetrische
Blohm & Voss-Modell, aber der erste Prototyp des Nahaufklärers mit dem BMW 132-
Sternmotor, von dem die letzten Versuchsmuster als A-0-Serie gefertigt wurden.

ne Flugversuchsträger D-ORJE Ha 141 einfloss, indem er ein-


- obwohl eine private Entwick- fach zur Ha 141 V2 mit der
lung von Blohm & Voss - in das Werk-Nummer 172 gemacht
Abrechnungsverfahren für die wurde.
Die zweite Maschine, an der ur-
QUELLENANGABEN
sprünglich intern als Ha 141-0
den, so dass die letzten V-Mus- noch in RLM-Hellgrau gestri-
gearbeitet wurde, erhielt die
P. Grey, 0. Thetford: German A/c Of ter mit einer konstanten Flug- chen, aber statt der Zivilzulas-
The First World War, London, 1962 • Bezeichnung Ha 141 V1 und
masse von 3.900 kg bereits als sung D-ORJE mit dem militäri-
H. Pohlmann: Chronik eines Flug- die Werk-Nummer 171; sie flog
A-0-Serie liefen. schen Stamm-Kennzeichen
zeugwerks 1933-1945, Stuttgart, erstmals am 5. Oktober 1938.
1979 • G. Zipper: Die Pionierzeit der
PC+BA versehen. Bei den Ver-
Mit einem BMW 132 N besaß In der Zwischenzeit jedoch pas-
Luftfahrt im Gmünder Raum, Schwä- suchen zeigte sich, dass we-
sie nicht nur das gleiche Trieb- sierten zwei Dinge. Zum Ersten
bisch Gmünd, 1994 • RLM LC-Ent- gen des absteigenden Luft-
wicklungsprogramm v. 1.10.1937 • werk wie das Erstmuster, son- hatte sich ab 1938 der neue Ge-
schraubenstrahls die linke
W. Zuerl: Flugzeuge von HFB, Mün- dern war generell auch gleich schäftszweig der Werft so posi-
Höhenleitwerkshälfte nicht um
chen, o.J • Der Flieger 9/1942 • aufgebaut. Als D-OTTO zuge- tiv etabliert, dass auf die Risi-
FlugRevue 12/1960 und 1/1961 •
die gleiche Fläche vergrößert
lassen, unterschied sie sich kobezeichnung Hamburger
Flugsport 11/1942 v. 27.5.42 und werden musste, die rechts weg-
durch eine geringfügig auf Flugzeugbau verzichtet werden
13/1942 v. 24.6.42 • Patentsamm- gefallen war.
lung des Flugsport Nr. 28 • Aeroku-
15,45 Meter vergrößerte konnte. Ab sofort wurde jetzt
rier 3/2000 • Verschiedene B & V- Spannweite (Fläche 42,85 qm) als Blohm & Voss, Abteilung Aber auch die mit dem neuen
Protokolle • Ein Teil der Fotos wurde und eine auf 12,15 Meter er- Flugzeugbau, firmiert. Das hat- Leitwerk versehene BV 141 B
freundlicherweise von Herrn Dieter höhte Gesamtlänge - und te Auswirkungen auf die Mus- kam nicht in größeren Stück-
Herwig vom Deutschen Studienbüro natürlich durch die neue Besat- terbezeichnungen: Aus Ha wur- zahlen heraus. 1943 wurde die
für Luftfahrt, Frankfurt/Main, zur Ver-
fügung gestellt.
zungsgondel. Diese konnte bei de BV, auch rückwirkend. Zum begonnene Serienfertigung ab-
den folgenden Prototypen im- Zweiten zeigte die rapid fort- gebrochen, weil derartig konzi-
mer funktioneller gestaltet wer- schreitende Entwicklung, dass pierte einmotorige Aufklärer

48
nicht mehr benötigt wurden. Dr. Um zu prüfen, wie sich eine bauter Ganzmetall-Flügel; drei- gel aufgebaut; Ruder stoffbe-
Vogt griff allerdings das Kon- derart wesentliche Verlegung teilig, mit rechteckigem Mittel- spannt. Seitenleitwerk mit 2,95
zept der Unsymmetrie für meh- des Piloten aus der Flugzeug- teil, das die hydraulisch betätig- qm Fläche; Höhenleitwerk zu-
rere anschließende Konstruk- mitte auswirkt, wurde vom RLM ten Spreizklappen trägt, und erst symmetrisch mit 4,70 Me-
tionen erneut auf. So gedieh im Juni 1942 verfügt, den un- zwei spiegelbildgleichen Tra- tern Spannweite, dann unsym-
das entsprechend der 141-Aus- symmetrischen Flugver- pez-Außenteilen mit den durch metrisch mit 4,10 Metern
legung konzipierte Schlacht- suchsträger mit einer zusätzli- patentierte Paddel ausgegli- Spannweite.
und Sturzkampfflugzeug BV chen Ein-Mann-Steuergondel chenen Querrudern. Da der
Fahrwerk: Hauptfahrwerk aus
237 mit 1-700-PS-Triebwerk am Flächenende auszustatten. Rohrholm alle Kräfte aufnimmt,
Spannweitenmitte symme-
(1.250 kW) ab 1944 - mit Dieses Provisorium war aller- dient die auf Dural-Fachwer-
trisch mit 4,80 Metern Spurwei-
höchstführerlicher Genehmi- dings so primitiv ausgelegt, krippen aufgebrachte dünne
te angeordnet, Radabmessun-
gung vom Obersalzberg - noch dass es lediglich die Haupt- Dural-Beplankung hauptsäch-
gen 710x220 mm; hydraulisch
bis zum Attrappenbau. Steuerorgane enthielt. Die Be- lich der Formgebung.
nach außen in das Flügelmittel-
dienung des Triebwerks sowie
Die BV 141 V2 jedoch wurde Rumpf: Besatzungsgondel in teil einfahrbar. Spornrad hyd-
die Betätigung des Fahrwerks
noch einmal für einen System- Dural-Schalenbauweise, 1,65 raulisch hinter das Rumpfheck
und der Landeklappen oblag
Versuch umgebaut. Der projek- Meter aus der Tragflächenmitte anhebbar.
einem zweiten Flugzeugführer
tierte Bomber Blohm & Voss aus der normalen Gondel. nach Steuerbord versetzt, nach
Triebwerk: Luftgekühlter Neun-
P.163 mit einem Zentralrumpf Trotzdem konnte bewiesen oben lösbar am Rohrholm be-
zylinder-Sternmotor vom Typ
für das Doppeltriebwerk im werden, dass die Vorausset- festigt; Motor-/Leitwerksträger
BMW 131 N mit Getriebe und
Bug, dessen Abflugmasse mit zungen für eine Flugzeugsteue- 0,75 Meter nach Backbord ver-
Lader. Elektrisch verstellbare
15.000 kg errechnet wurde, rung auch aus so extremer La- setzt, am Rohrholm nach unten
Dreiblatt-Luftschraube. Brenn-
sollte weitestgehend aus Stahl ge günstig waren. lösbar befestigt. Vorderteil als
stoffbehälter im Triebwerks-
gefertigt werden. Um das Ge- Triebwerksgerüst aus Stahlrohr
gerüst vor dem Rohrholm, Öl-
wicht des Mittelflügels niedrig mit Blechverkleidung, hinten
TECHNISCHE BESCHREIBUNG behälter im Mittelflügel am
zu halten, waren für die Besat- als Dural-Schale mit angeniete-
Rohrholm.
zung zur Steuerung und für die Tragflügel; Bis auf die unsym- tem Stahlrohrkreuz im Heck für
Abwehr je eine 1.000 kg wie- metrisch am zentralen, aus die Leitwerksbefestigung.
gende Gondel an den Flüge- Stahl geschweißten Rohrholm
lenden vorgesehen, die die Bie- angebrachten Anschlussstel- Leitwerk: Leitwerksflächen mit
gemomente im Wurzelbereich len für die verschiedenen Bau- Rohrholm und Blechbeplan-
um ca.44% vermindern sollten. gruppen symmetrisch aufge- kung der Flossen, wie Tragflü-

W I E UNSYMMETRIE FLIEGT
Die strömungsmechanischen Vorgänge bei einem konven-
tionellen einmotorigen Flugzeug mit einem Schraubenzug
(Sz) erzeugenden Propeller im Bug entwickeln Kräfte, die
Auswirkungen auf die Flugstabilität haben. Dreht die Luft-
schraube - wie in Deutschland normalerweise üblich - in
Flugrichtung gesehen nach rechts, erzeugt sie ein entge-
gengesetztes Kippmoment (Km) um die Längsachse, das
den linken Flügel nach unten drückt. Da gleichzeitig der Pro-
pellerdrall (Md) eine Querkraft (Qk) erzeugt, die von Back-
bord her auf das Seitenleitwerk einwirkt, wird die Tendenz
zum Linkskurvenflug noch verstärkt. Diese Kräfte können nur
durch Gegensteuern mit Quer- und Seitenruder aufgehoben
werden.
Solche negativen Momente lassen sich bei einer unsymme-
trischen Anordnung vermeiden, bei der der Leitwerksträger
mit Bugmotor und rechtslaufendem Zugpropeller auf der
Backbordseite sowie eine separate Besatzungsgondel auf
der Steuerbordseite angeordnet ist (bei linkslaufender Luft-
schraube müsste die Anordnung genau entgegengesetzt
sein). Dadurch verschiebt sich die Schraubenachse aus dem
Kreuz von Längs-, Quer- und Hochachse heraus nach links
(a).
Dies bewirkt wiederum, dass der links ziehende Propeller
das Flugzeug um die Hochachse nach rechts dreht. Diesem
Moment entgegen wirkt die durch den Propellerdrall aus-
gelöste Querkraft (Qk). Der Schraubenstrahl strömt das Leit-
werk mit einem gewissen Anstellwinkel von links außen an
und dreht das Flugzeug nach links (Szxa = Qkxl). Durch ent-
sprechende Platzierung der Besatzungsgondel nach Steuer-
bord wird durch deren Masse (mG) auch noch der Schwer-
punkt aus dem Achsenkreuz in Spannweitenrichtung nach
rechts verschoben (b). Auf diese Weise lässt sich das Dreh-
moment der Luftschraube ausgleichen (Md = mGxb).

49
Historische deutsche Flugzeuge bis 1945

»Das Flugzeug geriet, steigend, mäßig geringer Fahrt auf den


zuerst in einen blaugrauen Sitz gedrückt, dessen Stützleis-
Der Versuch des Berliner Traditionsklubs B.S.V., mit Dunst, verschwand bald voll- ten brachen, ohne allerdings
geringem Aufwand einen Leistungssegler zu bauen, kommen in die Dunkelheit der die darunterliegende Steue-
gelang glanzvoll. Zwar kam dieser Segler ein Jahr großen Wolke, um plötzlich mit rung zu blockieren.
später als geplant zu seinem ersten Rhön-Wettbewerb, größerer Geschwindigkeit als
Mit vorsichtigen Querruderaus-
erlebte dafür aber viele weitere. zuvor zu steigen. Bald hatte ich
schlägen versuchte ich, in Nor-
meine Rekordhöhe des letzt-
mallage zu kommen, mit dem
jährigen Wettbewerbs von 885
Erfolg, dass die bisher konstan-
Meter erreicht, dann war ich
24. August 1930, letzter Tag in etwa 150 Meter über die Kup- te Geschwindigkeit stark zu
1.000 Meter über der Wasser-
des 11. Rhön-Segelflugwettbe- pezogen. Der Segler zog mit ih- schwanken anfing und ich für
kuppe. Regen und Hagel schlu-
werbs, der durch außerge- nen, für Minuten darin ver- Augenblicke in den Schulterrie-
gen gegen meine Cellonhaube,
wöhnlich schlechtes Wetter zu schwindend, um nach wenigen men des Anschnallgurtes hing.
die erstmals und nur versuchs-
einem Rückschlag für die Se- Kilometern Strecke wieder Erst in 800 Meter Höhe über
weise angebracht worden war.
gelflugbewegung zu werden über der Wasserkuppe zu er- der Wasserkuppe sah ich die
Es war unangenehm kühl ge-
drohte. Gegen 11 Uhr vormit- scheinen. Erde wieder, die ziemlich
worden.
tags verebbte der Regen, ris- schnell rotierte. Beim zweiten
sen die Wolken auf, schnellten Zwei Stunden später: Mächtige Etwa drei Minuten nach dem Versuch gelang es mir, das
die ersten Segler in die Luft. Cumulus-Wolken hatten sich Beginn des schnellen Steigens Flugzeug zu fangen.«

Ein Springinsfeld spottet seinem Taufnamen

Der Berliner »Luftikus


Um 11.20 Uhr sahen die sich am böigen Himmel gebildet. In wurde die Sonne als fahle Der Pilot segelte dann aller-
zahlreicher einfindenden Zu- einer von ihnen verschwand Scheibe sichtbar. Hier blieb der dings mit seinem Luftikus bei
schauer, wie ein junger Mann, der Segler mit dem Segel-Leit- Segler erst einmal einfach ste- schönstem Flugwetter weiter
bekleidet nur in Turnhose und werk. Einige Minuten später fiel hen, 1.640 Meter hoch über der und landete erst nach einer Ge-
-hemd, einen Segler bestieg, er zum Schrecken der Zu- Startstelle und etwa 2.600 Me- samtflugzeit von 7 Stunden 34
der durch sein hohes, an das schauer trudelnd aus der Wol- ter über dem Meeresspiegel. Minuten, als Raketen das Ende
hochgetakelte Großsegel einer kenbasis. Der Pilot erlebte sei- Dann begann er stark zu fallen, des Wettbewerbs verkündet
schnittigen Yacht erinnerndes- nen Abstieg in der Haufenwol- die Geschwindigkeit sank auf hatten. So wurde es ein erfolg-
Seitenleitwerk auffiel. Sie sa- ke, die bei teilweiser Vereisung Null. Ohne Steuerdruck und in reicher Flug, der mit einem we-
hen, wie er nach geglücktem in kunstflugähnlichen Flugla- absoluter Stille kippte das Flug- niger belastbaren Flugzeug
Gummiseilstart im Aufwind des gen zu außergewöhnlichen Ge- zeug über den Flügel ab und und mit weniger Glück bei der
Westhangs Anschluss an die schwindigkeiten und Bean- ging wahrscheinlich in eine damaligen Unkenntnis der Ge-
Wolken suchte, die mittlerweile spruchungen führte, so: Steilspirale. Eine Bestimmung fährlichkeit von Wolkenflügen
der Fluglage war mir unmög- auch anderes hätte ausgehen
lich. Mit höherem Druck als können, denn der Pilot hatte
sonst wurde ich bei verhältnis- weder einen Fallschirm, noch
hatte er Variometer, Wendezei-
ger oder Kurskreisel. Seine
ganze Ausrüstung bestand aus
Der »Luftikus«-Nachbau »D-Willi
Faber II« der Magdeburger Segelflug- einem fest eingebauten Fahrt-
vereinigung Lüwa am Start (links) und messer ohne reale Geschwin-
im Flug (oben). Er unterscheidet sich digkeitsangabe, da er nur in
nur geringfügig vom Original -
beispielsweise durch eine auch mm Wassersäule anzeigte, zu
hinten angelenkte Zentralkufe. dem sich lediglich ein selbst
montierter Taschenkompass

50
Martens-Schuldoppeldecker
geschenkt. Mit dem neuen
Gerät sollte 1926 in den Stöll-
ner Bergen, 80 km von Berlin
entfernt, ausgiebig geflogen
werden. Doch der schwierige
Transport dorthin über Kopf-
steinpflaster und durch Schlag-
löcher, ungeeignetes Wetter
und die vielen Bruchreparatu-
ren ließen keine nennenwerten
Erfolge zu. Deshalb trat die
Schülergruppe 1927 korporativ
dem Berliner Segelflug-Verein
e.V. (B.S.V.)bei.
Dieser war unter dem Namen
Modellflug-Verein Berlin am 2.
April 1920 gegründet worden
und betrieb anfänglich auch
fast ausschließlich Flugmodell-
sport auf dem Tempelhofer
Feld, obwohl einige seiner Mit-
glieder bereits in der Vorkriegs-
zeit Erfahrungen im Gleitflug
sammeln konnten. Drude,
gesellte und ein kleiner Berg- Werkraum mit komplettem Schalk, Schlack und Friedrich
steiger-Höhenmesser, den er Werkzeug zur Verfügung stell- Otto Bedau im »Luftikus« startbereit
vor dem Berggasthof auf der Wasser-
W. Richter waren dann auch
mit einem Lederriemen über te. Erste Flugübungen mit ei- kuppe. Zum Zeitpunkt dieser Aufnah- die Namen der Teilnehmer, die
seinen Oberschenkel ge- nem nachgebauen Pelzner- me war der Sitzausschnitt weitest- die Berliner Farben bei den ers-
schnallt hatte. Hängegleiter fanden in den öst- gehend abgedeckt.
ten Rhön-Wettbewerben 1920
lich von Berlin gelegenen bis 1923 mit eigenen Konstruk-
Sein Name: Otto Bedau (1910- Püttbergen bei Wilhelmshagen tionen vertraten, bevor 1924 un-
1987). Aus Westpreußen ge- und - genau entgegengesetzt tig werden, der am 2. Mai 1925
ter dem Namen des Vereins ge-
bürtig, besuchte er in Berlin- - am Hahneberg der früheren auf den Namen Manfred ge-
meldet wurde. Er war 1921 in
Charlottenburg das Herder-Re- Festung Spandau statt. Wenn tauft werden konnte, denn ein
Berliner Modell- und Segelflug-
al-Reform-Gymnasium, in dem die flachen Hügel auch nur Familienmitglied derer Frei-
verein umbenannt worden, um
er 1924 mit einigen anderen Sprünge von wenigen Sekun- herrn von Richthofen hatte die
sich ab 1923 nur noch B.S.V. zu
Schülern eine Fliegergruppe den erlaubten, so wurde damit Patenschaft übernommen.
neninen.
gegründet hatte, die Gleitflug zumindest erreicht, dass das Doch der Manfred überlebte
betreiben und ein selbst kon- Kultusministerium generell ver- nur wenige Starts. Aus dem Be-
struiertes Gleitflugzeug bauen stand der aufgelösten Martens Von Anfang an dabei war Otto
fügte, anstelle der obligatori-
wollte. Leiter dieser Gruppe Fliegerschule erhielten die Hohmuth (1892-1982), ein ge-
schen Turnspiele auch segel-
war der Primaner Kurt Borne- Schüler der »Segelfluggruppe bürtiger Sachse aus Merse-
flugsportliche Betätigung gel-
mann, der als späterer Diplom- Manfred Freiherr von Richtho- burg. Er hatte bereits 1914 nach
ten zu lassen.
Ingenieur ab 1935 bei den Ara- fen an der Herderschule«, wie Abbruch seines Studiums an
do-Flugzeugwerken tätig war Zähigkeit und Arbeitsfreude sie sich nun nennen durften, der Technischen Hochschule
und 1938 Leiter der Waffenab- der Schüler ließen in knapp ei- zuerst einen Pegasus-Schul- in Charlottenburg beim Militär
teilung wurde, bevor er nach nem Jahr den Schulgleiter fer- gleiter und später noch einen das Fliegen erlernt, war 1916 an
die Front gekommen (vier be-
Obwohl nicht von sonderlich stätigte Abschüsse) und hatte
guter Qualität, zeigen diese beiden schließlich nach der Entlas-
Aufnahmen vom Rhön-Wettbewerb sung aus der Kriegsgefangen-
1933 die vielen gemeinsamen Kon-
struktionsmerkmale von »Luftikus« schaft bei den Böhler-Stahlwer-
(42) und »Windhund« (41), der sich ken eine Lebensstellung gefun-
hauptsächlich durch den auf 18 Meter den. Seinen Segelfliegeraus-
Spannweite gestreckten Spitzflügel
unterscheidet. weis (mit der Nr. 52) erflog er
sich im Juni 1923.
dem Krieg erfolgreich in die
französische Luftfahrtindustrie
einstieg.

Die 14- bis 18-jährigen Schüler


kämpften anfänglich gegen
den fast einstimmigen Wider-
stand des Lehrerkollegiums,
aber es gab erfreulicherweise
auch Förderer wie den Werk-
kundepädagogen, der seinen

51
nn

Der Berliner »Luftikus«


Baugruppe Sperber innerhalb sentlich zur Ausbildung der
des B.S.V. entworfen und ge- Vereinsmitglieder bis zur C-Prü-
baut. Und er wollte den Knorke fung beitrugen.
genannten Hochdecker mit
Von der Fliege und daraus ent-
zwölf Metern Spannweite und
wickelten Varianten arbeitete
Hohmuth Pläne aus, die zu ei-
Zwei Aufnahmen mit Otto Bedau im ner Anzahl von Nachbauten
Sitz des »Luftikus« mit dem ursprüng-
lich unverkleideten Sitzausschnitt; ein- führten. 1927 jedoch regte er
mal kantig (unten) und einmal gefällig den Bau eines Leistungssegel-
abgerundet (links). Die Einzelkonstruk- flugzeuges namens Luftikus
tionen jener Zeit unterlagen ständigen
Veränderungen zur Verbesserung der an, um der Vereinsarbeit größe-
Eigenschaften und Leistungen. re Entwicklungsmöglichkeiten
zu bieten. Wieder fanden sich
einige Mitglieder in einer be-
Der folgende Rhön-Wettbe- sonderen Baugruppe zusam-
werb 1924 sollte nicht nur sein men, darunter als Ältester ein
Schicksal entscheidend verän- Veteran der ersten Rhön-Wett-
dern. Anfang des Jahres hatte bewerbe, Willi Drude, und der
die Botschafterkonferenz der jüngste des Vereins, Otto Be-
Siegermächte neue Begriffsbe- dau.
stimmungen zum Versailler
Friedensvertrag erlassen, die - Hohmuts Devise auch hier:
schematisch vereinfacht aus- Große Leistungsfähigkeit bei
gedrückt - der deutschen Luft- geringen Erstellungskosten
fahrtindustrie zwar neue Fes- und einfachem Aufbau. Als
seln anlegte, dafür aber den Rumpfquerschnitt wurde die
Motorflugsport wieder gestat- kantige Form gewählt, weil sie
tete. Die Verantwortlichen der sich leicht und wirtschaftlich
Segelflugbewegung sahen da- herstellen ließ, und die Spann-
rin die Gefahr, viele ihrer Hang- weite auf geringe 15 Meter be-
abhängigen Anhänger nun an schränkt, weil jeder Meter mehr
den allerorten durchführbaren gute Gleitzahl oder geringes dem 588-ccm-Zweizylinder-Bo- Kosten und Unhandlichkeit ver-
Motorflug zu verlieren. Sinken durchsetzen. Die rege xermotor (8 bis 10 PS) seines größert hätte. Dies waren alles
Bautätigkeit brachte dann auch Vereinskollegen Prüssing beim keine Attribute für Hochleis-
Deswegen wurde die Idee des tung - aber wäre der Luftikus
nur ein einziges Muster auf den Rhönwettbewerb auch selbst
Segelflugzeuges mit Hilfsmotor wie geplant beim Rhön-Wettbe-
Berg, das mit 14 Metern Spann- fliegen. Gleich nach dem Abhe-
wiederbelebt. Unglücklicher- werb 1928 erschienen, er wäre
weite und der entsprechenden ben geriet die Maschine in star-
weise hatte der Hauptinitiator die Sensation wegen seiner
Auslegung dem Anspruch ei- ke Längsschwingungen. Mit
und Publizist Oskar Ursinus sei- Flugleistungen geworden.
nes Motorseglers genügte Höhenleitwerksbruch stürzte
ne eigenen Vorstellungen für
(Messerschmitt S 15), alle an- die Knorke senkrecht ab.
das schwachmotorige Klein- Doch es kam anders: Die Er-
deren waren nicht oder kaum Hohmuth verletzte sich so
flugzeug, und er konnte sich stellungskosten konnten zwar
segelfähige Kleinflugzeuge mit schwer, dass er mit zwei gebro-
mit Leichtbau und sparsams- mit etwa 700 Mark geplant
Spannweiten um zehn Meter. chenen Beinen sowie einer
tem Brennstoffverbrauch in der niedrig gehalten werden, aber
schweren Rückgratverletzung
Ausschreibung vor guten Se- Eines davon stammte von Otto umso mehr wurde trotz der ein-
im Streckverband ein halbes
gelflugeigenschaften wie eine Hohmuth. Er hatte es für die fachen Bauweise der Arbeits-
Jahr lang das Fuldaer Kranken-
aufwand für den Bau eines Leis-
haus hüten musste. Daraufhin
. TECHNISCHE DATEN tungssegelflugzeuges unter-
untersagte ihm seine Firma je-
schätzt. Als die Bauprüfer das
Muster »Luftikus« | de weitere fliegerische Betäti-
Muster abnehmen wollten, fehl-
Baujahr _J9271/28J gung. Er verlegte sich aufs Kon-
te - trotz Tag- und Nachtarbeit
Konstruktion Inq. Otto Hohmuth, Berlin | struieren.
- noch ein Teil des Rumpfes.
Hersteller Berliner Segelflug-Verein e.V. | Der 9. Rhön-Wettbewerb war
Bereits 1925 - nun Vorsitzen- bereits Legende, und das Jahr
Besatzung 1J
der des B.S.V. - entwarf ging zu Ende, als der Luftikus
Bauart Freitragender Schulterdecker | Hohmuth für seinen Verein den
15,00 Meter | schließlich fertig wurde. Die
Spannweite Schulgleiter Berolina, einen ab- Taufe fand dann im Mai 1929
Länge über alles 6,40 Meter j gestrebten Gitterschwanz-Typ, mit flüssiger Luft statt. An-
Höhe über alles 1,80 Meter | der sich als robust und brauch- schließend flog Otto Bedau die
Flügelfläche 15,40 qm | bar erwies und mit dem 1931 Maschine vom zehn Meter aus
Streckung bereits der 2.000. Start erfolg- der Ebene herausragenden
_JÜ£J te. Ein weiterer Gitterschwanz-
Rüstmasse 143 kg | Windmühlenberg in Berlin-Ga-
Schulgleiter, die Fliege, wurde tow erfolgreich ein. Es gab nur
Zuladung 71 kg |
seine erfolgreichste Konstrukti- wenig für die Wettbewerbsteil-
Flugmasse 214 kg | on. Er war aus dem Mangel an nahme nachzubessern.
Flächenbelastung 13,9 kg/qm | segelfähigen Schulflugzeugen
Beste Gleitzahl unbekannt j entstanden und erfüllte eine Seit 1926 waren die Rhön-Se-
Geringstes Sinken 0,74 bei 50 km/h Reihe kaum miteinander ver- gelflug-Meisterschaften in drei
einbarer Forderungen, die we- Klassen aufgeteilt worden, da-

53
in

Si
Z

Barogratenfach mit Klappe


(nur Steuerbord)
Linke Rumpfbeplankung weggelassen

54
mit alle Teilnehmer gleiche
Chancen hatten, nämlich in ei-
nen Schul-, Übungs- und Leis-
tungs-Wettbewerb. Der Pilot,
der am Leistungswettbewerb
teilnehmen wollte, musste sei-
ne C-Prüfung vor dem 1. Janu-
ar 1926 abgelegt haben.
Als die Berliner, mit vollkom-
men unzureichendem Trans-
portgerät angereist, den Lufti-
kus schließlich wie in Pionier-
zeiten per pferdegezogenem,
strohgepolstertem Leiterwa-
gen zum 10. Rhönwettbewerb
auf die Wasserkuppe geschafft
hatten, war ihr Pilot Bedau erst
schlichter B-Flieger. Doch das
änderte sich schnell: Bereits
am dritten Wettbewerbstag
starte er frühmorgens um 8:25
Uhr als Erster und blieb für die
C-Bedingungen 6 Minuten 10
Sekunden in der Luft. Einen
Tag später machte er bereits
Wolkenflüge und erreichte 610 Bau eines Transportanhängers tungsklasse, kam allerdings sche Praxis aufweisen konnten.
Meter Höhe über Start. gelöst. Bedau startete mit dem nur zu wenigen kurzen Flügen. So flogen bei den Rhön-Wett-
Luftikus erneut im Übungswett- bewerben 1932 und 1933 ab-
Dafür machte er den Luftikus
Am Ende des Wettbewerbs bewerb. Die Bilanz am Ende: Er wechselnd verschiedene Pilo-
weiteren Kreisen durch die
konnte der B.S.V. zufrieden wurde zweiter Gewinner mit ei- ten die Maschine.
neue Flugzeugschlepp-Metho-
sein mit seiner Konstruktion ner Gesamtflugdauer von 27
de bekannt. Die Einführung Dazu gehörte Heinz Kensche.
und stolz auf seinen Piloten: Stunden und 28 Minuten sowie
und Erprobung der »amerikani- Er war 1931 zur Prüfsteine für
Bedau gewann im Übungswett- erneut Höhenflugsieger. Für
schen Drahtseilfliegerei« mit Luftfahrtzeuge gekommen und
bewerb den Höhenpreis. Bei den eingangs geschilderten
Auto oder Schleppflugzeug, baute bei der DVL in Berlin-Ad-
der Addition aller Startüber- Wolkenflug erhielt Bedau darü-
die Hans Heibig vom Segel- lershof das Prüfwesen auf.
höhungen erzielte er eine Sum- ber hinaus den »Prinz-Heinrich-
flugausschuss des DLV (Deut- 1928 hatte er in seiner Heimat
me von 4.930 Meter und konn- Preis«, der mit einem Wander-
scher Luftfahrt-Verband) 1931 bei den »Schlesischen Adlern«
te sich damit vor so hervorra- pokal gekoppelt war, den er
initiiert hatte, fand auf den Ber- das Segelfliegen erlernt. Er
gende Wettbewerber wie Erich vom Vorjahressieger, der Se-
liner Flughäfen statt. Als wurde Träger des Goldenen
Bachern (3.414 m auf Württem- gelflug-Legende Robert Kron-
Schleppmaschine diente eine Leistungsabzeichens Nr. 16.
berg) und Rudolf Neiniger feld, übernahm.
alte Albatros B //-Schulmaschi-
(2.724 m auf Darmstadt) set- Ebenfalls noch 1931 hatte Otto
Die Rhön 1931 sah den Luftikus ne, eine Konstruktion aus dem
zen. Hohmuth beim B.S.V. auf der
wieder, der diesmal mit Instru- ersten Weltkrieg. Diese wurde
ausgeliehen, um einen durch Grundlage des Luftikus und
Für die nächste Rhön 1930 wur- menten wie einem Variometer
den Pommerschen Landesver- diesem rein äußerlich sehr ähn-
de zuerst die Transportfrage versehen und mit einem Fall-
band des DLV vom B.S.V. er- lich sehend einen neuen Leis-
durch den Erwerb eines Autos schirm ausgestattet war. Bedau
worbenen Schulgleiter im Flug tungssegler Windhund ent-
sowie die Konstruktion und den startete erstmals in der Leis-
zu überführen. Da gleichzeitig wickelt und in die Werkstatt ge-
ein Flugtag in Stettin stattfand, bracht, bei dem der Flügel
wurde beschlossen, den Lufti- durch das Ansetzen von
Bild oben: Der kus gleichzeitig mit zu schlep- Außenteilen auf sehr spitze 18
»Luftikus« wird aufge- pen, um einen Zweier-Schlepp- Meter Spannweite gestrakt
rüstet. Deutlich zu sehen worden war. Kensche über-
ist das Handloch auf verband als Attraktion zu prä-
dem Rumpfheck, durch sentieren. Später, in Berlin, war nahm wesentliche Arbeiten für
das die Steuergestänge der Luftikus auch beim ersten die statische Auslegung. Dafür
verbunden werden konn- flog er ihn auf dem Rhön-Wett-
ten. Interessant ist auch Dreierschlepp dabei.
die Anlenkung des
bewerb 1933 ausschließlich
Höhenruders durch Anfänglich war versucht wor- und erzielte mehrere Mehrstun-
Scharniere nur auf der den, weitere maßgeblich an denflüge.
Oberseite (die Querru-
der waren auf die glei- Konstruktion und Bau beteilig-
che Weise gelagert). te Vereinsmitglieder ebenfalls Beim nächsten Wettbewerb
zu Piloten für den Luftikus her- war der Luftikus erstmals nicht
anzubilden, was nicht nur miss- mehr dabei - wohl aber noch
Links: Diese Aufnahme
der »D-Willi Faber II« lang, sondern auch zum ersten sein Deszendent Windhund,
direkt von unten zeigt Bruch führte. Doch bald rück- der diesmal von Ernst Günther
die eigenwillige Beplan- ten Mitglieder nach, die gründ-
kung der Unterseite
Haase (dem späteren Träger
des Flügels. licher ausgebildet waren und des goldenen Leistungsabzei-
auch schon leistungsfliegeri- chend Nr. 17) geflogen wurde.

55
Haase nahm erfolgreich noch lieh nach Breslau versetzt, ganz schein für Luftschiffe und ein Leitwerk: Pendelruder in Holz-
an weiteren Rhön-Wettbewer- aus der Fliegerei zurückziehen, Jahr später den Luftschiff-Füh- konstruktion mit Stoffbespan-
ben teil und verwirklichte in den erwarb jedoch nach Kriegsaus- rerschein (Nr. 4). Von 1937 bis nung. Ruderaufbau mit Haupt-
fünfziger Jahren zusammen mit bruch trotz seines Alters und 1939 fuhr er, nun bei der Deut- und Hilfsholm, dazwischen
Kensche (und finanziert durch der nicht ganz ausgeheilten schen Zeppelin Reederei als 3. sperrholzbeplankt. Antrieb
einen Segelflugveteranen, den Verletzungen von seinem Ab- Offizier angestellt, mit den Luft- durch Stoßhebel. Höhenruder-
Nadelfabrikanten Schmetz) die sturz in der Rhön wieder den schiffen Graf Zeppelin und Hin- Spannweite 3,40 Meter.
Grundgedanken für den hohen Segelflugschein und leitete in denburg. Ab Ende 1939
Fahrwerk: Zentrale, auswech-
Standard heutiger Leistungsse- Prag-Gbell eine Segelflugschu- schließlich, als Flugzeugführer
selbare Kufe aus Buchenholz,
gelflugzeuge mit ihren damali- le. zur Luftwaffe einberufen, ver-
gummiklotzgefedert, unter
gen Doppel- und Einsitzerkon- brachte er fast die ganzen
1980, bei einem ersten Besuch dem Rumpf. Sporn unter dem
struktionen HKS-1 und HKS-3. Kriegsjahre als Navigationsleh-
der Wasserkuppe nach über 50 Rumpfheck als Stützbügel aus
rer. Als Navigationslehrer trat er
Diese waren zwar noch aus Jahren, traf er seinen frühen Er- zwei gebogenen Peddingroh-
auch 1955 in die neu gegründe-
Holz gebaut, besaßen jedoch folgspiloten Otto Bedau wieder. ren ausgebildet.
te Lufthansa ein und blieb es 18
für ihre laminarisierten Profile Dieser hatte nach zwischenzeit- Jahre bis zu seiner Pensionie- Lackierunq: Sperrholzober-
eine derartige Oberflächengü- licher Motorflugausbildung bei rung 1974. flächen natur, mit farblosem
te und aerodynamisch-techni- der Deutschen Luftfahrt GmbH
Bootslack imprägniert; Be-
sche Eigenheiten, die Gleitzah- dem Segelflug entsagen müs- Otto Bedau besuchte regel-
spannstoff natur, mit Cellon-
len um die 40 zuließen. Die sen, als er sich 1933 der Berli- mäßig die Rhön - aber ein Se-
Spannlack gestrichen. Vereins-
HKS-Muster können heute als ner Luftschiff-Betriebsgesell- gelflugzeug flog er nie mehr, so
emblem auf dem Seitenruder,
Meilenstein auf dem Weg zu schaft verschrieb, die das Prall- dass der Luftikus seine erste
ebenso die Wettbewerbsnum-
modernen Hochleistungsseg- Luftschiff ODOL als und große Liebe bleiben konnte.
mer 15 bei- den Rhön-Wettbe-
lern aus Kunststoff angesehen Werbeträger einsetzte. 1934 er-
werben 1929, 1930, 1931 und
werden. Aber sie bauten auf ei- warb Bedau den Rudergänger-
1932 (B.S.V ). Beim Rhön-Wett-
ner Basis, von der beide Kon-
bewerb 1933 Wettbewerbs-
strukteure hatten ausgehen
TECHNISCHE BESCHREIBUNG nummer 42 und Fahnenstreifen
können - eben dem Luftikus. Er
auf dem Seitenruder, Steuer-
war für seine Zeit eine außerge-
Iragfjügei: Aufbau aus Holz. mit 0° Anstellwinkel) gestrakt. bord Schwarz-Weiß-Rot, an
wöhnliche Konstruktion
Dreiteilig, mit gleich langen Tei- Querruder aus Holz mit Stoff- Backbord das obligate Haken-
außergewöhnlich im Aussehen
len, Mittelteil auf einem schma- bespannung und einem Kas- kreuz (Landesgruppe XIV des
und außergewöhnlich in der
len Rumpfpylon liegend und tenholm als Nase, an der Flüge- DLV).
Leistungsfähigkeit.
beidseitig durch je eine kurze loberseite angelenkt (Spalt an
Insgesamt wurden nur drei Ma- Profil-Stahlrohrstrebe (Tropfen- der Unterseite beim Ausschlag
schinen dieses Typs gebaut: form, 80 x 30 mm) zum Rumpf- nach oben durch Sperrholz-
Das Original des B.S.V., zwei- Hauptspant hin abgestützt. streifen abgedeckt). Betäti-
tens ein Nachbau in Magde-
burg von der dortigen Luftpoli-
Kasten-Hauptholm (Abmessun-
gen 210 x 75 mm, sich auf 60
gung aus dem Flügelinnem mit
Angriffspunkt an der Untersei-
AEROMAX
zei-Segelfluggruppe (Flugverei- mm verjüngend) im ersten, te. Querruderantrieb mit Stoß- SCALE-
nigung Lüwa der Landes-
gruppe XIII im DLV), die unter
Hilfsholm im zweiten Drittel der
Flügeltiefe, deren Befesti-
stangen, Seilzügen und Um-
lenkhebeln vor dem Haupt-
DOKUMENTATIONEN
dem Namen D-Willi Faber II gungsbeschläge durch einen holm.
flog, sowie drittens ein Nach- langen, in den Pylon einge- Farbfotosätze und Zeichnun-
bau, den sich der während des schobenen Bolzen gleichzeitig Rumpf: Rahmenspantkon- gen von Original-Flugzeugen
Krieges über Norwegen abge- erfasst werden. Flügeltiefe kon- struktion aus Holz, komplett mit aus aller Welt und allen Zeiten.
schossene Spandauer Segel- stant 132 cm, Profilquerschnitt Ein anspruchsvolles und exklusi-
Sperrholz beplankt. Rechtecki-
ves Angebot. Interessierte und
flieger Hans Bohnert in der durchgehend Gö 535, Anstell- ger Querschnitt ab dem Hinter-
freundliche Fachberatung er-
Bootswerft seines Vaters in winkel 3°. Flügelnase bis zum holm, in ein Quadrat auslau- wartet jeden Scale-Enthusia-
Berlin-Pichelsdorf erstellte. Hauptholm verdrehsteif mit fend. Rumpfbug sechs- bzw. sten.
Sperrholz beplankt; auf Ober- siebeneckig (Einstiegbereich).
Der geistige Vater des Luftikus, und Unterseite zusätzliche Sperrholzbeplankte Flossen-
Otto Hohmuth, musste sich ab Sperrholzbeplankung bis zum stummel für die Lagerung der
Mitte der dreißiger Jahre, beruf- Hilfsholm bzw. bis zur Endleiste Pendelruder des Leitwerks,
im Wurzelbereich, sonst stoff- fest mit dem Rumpf verbunden.
QUELLENANGABEN
bespannt. Trapzförmige Flügel- Sperrholzbeplankter Rumpfpy-
außenteile (Wurzeltiefe 1,32 m, lon für die Auflage des Mittelflü-
P. Riedel: Erlebte Rhöngeschich-
te 1911-1926; Start in den Wind, Endtiefe 0,52 m), einholmig mit gels ebenfalls starr mit dem MOTORFLUGZEUGE • SEGLER

Stuttgart, 2. Aufl. 1986 • Kastenholm und verdrehsteifer Rumpf verbunden, aber mit ei- HUBSCHRAUBER • FLUGMOTQRE

1927-1932; Vom Hangwind zur Sperrholznase, am Hauptholm ner herausziehbaren Lade als
Thermik, Stuttgart, 2. Aufl. 1988 und an der Nasenleiste mit Kopfstütze für den Piloten ver-
• 0. Bedau: Etwas über das Se- dem Mittelstück verbunden; sehen. Verschließbares Fach
gelflugzeug Luftikus (Mskpt),
Zeppelinheim, 1980 • PV-Mittei- Oberseite stoffbespannt, Un- für den Barographen an der JANET GRAY, VORM NIEDEREND 5,

lungen 2/1998 • Der Segelflieger terseite im Querruderbereich Steuerbordseite. Ungepolster- 0-64331 WEITERSTADT
AUSKUNFT UNTER TEL. 06150/40203;
Nr. 5/1931; Nr. 7/1933 • W. Hirth: komplett mit dünnem Sperr- tes Sperrholzbrett mit Rand als
Handbuch des Segelfliegens, FAX 06150/187219
holz beplankt. Profil aus Gö Pilotensitz. Im späteren Stadi-
Stuttgart, 1957 • Weitere Infor- 535 an der Wurzelrippe (An- um schließbarer Schlepphaken
MO-FR. 15-19 UHR-, SAMSTAG 10-14 UHR
mationen lieferte dankenswerter
Weise Herr Marton Szigeti stellwinkel 3°) bis hin zu einer im Rumpfbug, durch einen He- [Postbank Ffrn. 10aSB7-604 • BLZ 500 10060]
geraden Unterkante (Endrippe bel am Steuerknüppel lösbar.

56
Der Berliner »Luftikus« - Ergänzungen

Der dritte gebaute Luftikus zeigt einige konstruktive Abweichungen vom Original: Die
beiden Bilder vom Rumpf heck (oben) zeigen außer einer eigenwilligen Auslegung des
neuen Flaggen-Erlasses einen breiteren Schlitz zwischen Seitenflossenstummel und
Seitenruder durch geänderte Seitenruder-Beschläge. Das Handloch für Montage und
Wartung der Höhenruderbetätigung wurde von der Rumpf-Oberseite in die linke
Seitenwand verlegt. Die Original-Sporn-Konstruktion - die immer wieder zu Klagen
führte - musste einer fortschrittlicheren Schleifsporn-Lösung weichen. Zu beachten
ist auch das in der Form leicht veränderte Seitenruder. Der Außenflügel-Anschluss
musste sich einer radikalen Umkonstruktion unterziehen lassen. Die bei den anderen
Mustern vom Typ Luftikus glatten Verbindungen zum Mittelteil wichen einer
stufenartigen Ausklinkung im Nasenbereich. Sie bewährte sich wohl nicht, denn
Schäden an ihr, die auf der Wasserkuppe zu sehen waren, deuten an, warum die
Maschine an diesem Rhön-Wettbewerb 1934 nicht teilnehmen konnte.

In den späten Dreißigern besaß der Luftikus nicht mehr seinen charakteristischen
Schriftzug, sondern das behördlich vorgeschriebene D- (für Deutschland) vor dem
Namen, der - wie die Skizze rechts zeigt - in Druckbuchstaben aufgetragen war. Mit
dieser Kennung wurde der Luftikus vom Fotografen Seidenstücker auf dem Flughafen
Berlin-Staaken im Jahre 1937 abgelichtet.

Im Bild unten der Luftikus aus einer Perspektive, die Details


der Steuerbordseite erkennen lässt.

Gruppenbild mit Luftikus und Damen


(oben). - Auf dem Bild vom Rhön-
Wettbewerb 1930 sind ganz rechts Willi
Drude, einer der Rhön-Veteranen, der
1920 schon mit einer Eigenkonstruktion
auf die Wasserkuppe kam, und seine
Frau zu sehen. Sitzend vor dem
Luftikus sein Konstrukteur Otto
Hohmuth mit Frau sowie Fräulein
Kalbowski, Bedaus fotografierende
Chronistin. Hinter der Maschine haben
sich Mitglieder des B.S.V. postiert,
darunter Otto Bedau (ganz links).

57
Historische deutsche Flugzeuge bis 1945

trieben. Doch der politische ministeriums (RLM) eine Ni- gegangen war, hatte recht er-
Wechsel 1933 vollendete die sche, diesen kleinen Arbeitsge- folgreich gearbeitet. Zwischen
lang angestrebte Gleichschal- meinschaften - nun unter dem 1921 und 1933 waren insge-
tung aller Hochschulen. Das Namen Flugtechnische Fach- samt zehn Flugzeuge entstan-
bedeutete für die Akafliegs das gruppen (FFG) und angeglie- den, acht Eigenkonstruktionen
Ende ihrer Selbstständigkeit. dert der Deutschen Versuchs- und zwei Umbauten. In der
Das Fachpotential warden neu- anstalt für Luftfahrt (DVL) - Mehrzahl handelte es sich, wie
en Machthabern durchaus will- eine Weiterarbeit zu ermögli- auch bei den anderen Aka-
kommen - nicht jedoch die chen, eine relativ unpolitische fliegs, um Segelflugzeuge,

EIN DOPPELDECKER ALS SEGLER

Das Dresdener Stehaufchen


Im Jahre 1921 dachten sich drei Studenten ein Gleitflug- sogar. Eine der führenden Aka- aber es waren auch ein Motor-
zeug aus, auf dem sie das Segelfliegen erlernen wollten. fliegs war jedoch nicht mehr flugzeug und ein Motorsegler
Es gelang ihnen eine außergewöhnliche Konstruktion, mit dabei: die aus Dresden. Ihre darunter. Sie wurden durch-
der sie drei Jahre hintereinander auf die Rhön zogen, Mitglieder hatten es abgelehnt, nummeriert von D-B1 bis D-
sich politisch unterzuordnen, B10, jenem 20 Meter spannen-
und sich in alle Winde zer- den Hochleistungseinsitzer, mit
An einer Reihe Technischer freie Entfaltungstätigkeit der streut. dem Otto Bräutigam 1935 als
Hochschulen hatten sich, vor- Ausübenden. Sie wurden - einer von vier Piloten den
wiegend ab Anfang der zwanzi- ebenfalls gleichgeschaltet - in Diese flugtechnische Gruppie- Strecken-Weltrekord mit 504
ger Jahre, Akademische Flie- den neu gegründeten Deut- rung, die aus der 1828 gegrün- km von der Wasserkuppe bis
gergruppen gebildet. Diese schen Luftsport Verband (DLV) deten und 1890 in den Status nach Brunn schaffte. Doch da-
kurz Akafliegs genannten klei- übernommen. einer Technischen Hochschule von mehr in einem späteren
neren Gruppierungen dienten versetzten Technischen Bil- Beitrag. Dieser hier soll sich mit
dazu, in Eigenregie ein studien- Bereits zum 21.4.1933 hätte es
dungsanstalt Dresden hervor- dem Anfang beschäftigen, mit
begleitendes Praktikum zu ab- keine Akafliegs mehr geben
solvieren. sollen. In der Regel wurden ih-
re Werkstätten ausgeräumt, ihr
Es waren hauptsächlich Stu- Fluggerät dem DLV-Inventar zu-
denten technischer Diszipli- geschlagen. Doch schon Ende
nen, die - teilweise mit großer 1934 fanden um den Ingenieur-
Initiativwirkung - luftfahrttech- nachwuchs besorgte Verant-
nische Innovationsarbeiten be- wortliche des Reichsluftfahrt-

Die Konstrukteure des »Stehauf-


chens«: Stehend H. Muttray, rechts
daneben sitzend R. Spies, ganz rechts
sitzt R. Seiferth. - Das Bild links ent-
stand auf dem Übungsgelände im Erz-
gebirge und zeigt die Maschine mit
vergrößerter Spannweite.

der D-B1, dem Dresdner »Steh-


aufchen« - nomen est omen.
Die frühen Luftfahrtaktivitäten
in Sachsens Hauptstadt gingen
vom Flugtechnischen Verein
Dresden (F.V.D.) aus, der 1914
gegründet worden war und in
dieser Form bis 1924 existierte.
Vorwiegend Studierende der
Technischen Lehranstalt be-

58
trieben in ihm Flugmodellbau In verschiedenen Zusam-
und veranstalteten Wettbewer- menkünften »zur Durchbera-
be. Hier hatten sich die Studen- tung von Bauart und Anord-
ten und späteren Assistenten nung« wurde schließlich fest-
derTH Dresden, der in Prag ge- gelegt, dass die Dresdener
bürtige Wolfgang Klemperer Konstruktion nach Fertigstel-
(1893-1965) und der aus Elber- lung und Teilnahme am Wett-
feld stammende C.W. Erich bewerb für wissenschaftliche
Meyer (1898-1944) kennen ge- Zwecke und als Schulflugzeug
lernt. weitere Verwendung finden
sollte. Damit war den drei für
Die beiden ehemaligen Kriegs- die Konstruktionen und den
flieger waren 1920 die führen- Bau ausgewählten Verantwort-
den Köpfe des Vereins, wenn lichen - die Studenten
auch Ing. Andersen den Vorsitz (stud, ing.) Muttray, Seiferth
übernommen hatte. Meyer ver- und Spies - von vorn herein der
fasste bereits 1919 eine Auf- Weg zum leistungsstarken
satzreihe über Gleit- und Segel- Wettbewerbsflugzeug ver-
flugzeuge und begeisterte sperrt, den ihr früherer Kommi-
schließlich mit seiner dynami- litone Klemperer in Aachen mit
schen, zielstrebigen Art (die dem »Schwarzen Teufel« auf-
ihm den Namen »Vollgas Mey- gezeigt hatte.
er« eingebracht hatte) den fünf
Jahre älteren Kollegen für ei- Erster Wart und damit Leiter
nen »Ruf an alle Gleit- und Se- des Teams wurde Horst Mut-
gelfluginteressenten«. Er er- tray, am 30.8.1898 im sächsi-
schien am 24. März 1920 im schen Göditz geboren und
»Flugsport« und führte mit Hilfe 1917 auf der Seeflugstation Wil-
dessen Herausgebers Ursinus helmshaven zum Seeflieger
zum ersten Rhönwettbewerb ausgebildet. Er blieb anschlie-
1920. Das Präsidium wurde ßend der experimentellen Luft-
dem Dresdener Verein angetra- fahrt treu: Ab 1924 als junger
gen, der als leistungsfähigster Diplom-Ingenieur bei der Deut-
turnusmäßig auch den Vorsitz schen Versuchsanstalt für Luft-
im Verband der deutschen Mo- fahrt (DVL) in Berlin-Adlershof
dell- und Gleitflug-Vereine e.V. tätig, wechselte er 1925 als wis-
(D.M.G.V.) innehatte. Unglückli- senschaftlicher Mitarbeiter zur
cherweise für den Verein ging Aerodynamischen Versuchsan-
Klemperer bereits im Mai 1920 stalt für Luftfahrt (AVA) nach
nach Aachen, und Meyer berei- Göttingen, um schließlich ab
tete seine Übersiedlung nach Sommer 1937 bis zum Zusam-
Berlin vor. Aus diesen Gründen menbruch 1945 als Abteilungs-
kam 1920 noch keine dresde- leiter der Deutschen For-
ner Maschine in die Rhön. schungsanstalt für Segelflug
(DFS) zuerst in Darmstadt, spä-

Auf der F.V.D.-Hauptversamm-


Einige Studien dieses ungewöhnli-
lung am 11. Februar 1921 je- chen Seglers. 1921 konstruiert, nahm
doch wurde beschlossen, zur er in den Jahren 1921 und 1922 bei
Teilnahme am Wettbewerb den Rhön-Wettbewerben teil und ging
schließlich beim Probeflug zur 1923er
1921 ein eigenes Flugzeug zu Rhön endgültig zu Bruch.
bauen. Der Sächsische Verein
für Luftfahrt, behördliche Stel-
len und sonstige Förderer sig-
nalisierten finanzielle Unterstüt-
zung. Auf Fürsprache von Prof.
Dr. Pöppl - Dozent für spezielle
technische Mechanik sowie Ae-
ro- und Hydrodynamik - stellte
die TH Dresden dem Verein Ar-
beitsräume und Werkstätten
für den Bau zur Verfügung,
»um die wissenschaftlichen
und praktischen Bestrebungen
des Vereins zu unterstützen«.
Der Verein revanchierte sich, in-
dem er die Gründung der Aka-
flieg Dresden als Untergruppe
duldete.

59
ringeren Steuerausschläge we- TECHNISCHE DATEN
gen auf normale Querruder zu-
Muster Dresden D-B1 »Stehaufchen«
gunsten einer Flügelverwin-
Baujahr 1921
dung verzichtet wurde.
Konstruktion H. Muttray; R.Seiferth;
Der dem Flugzeug das typi- R. Spies; Akaflieg Dresden
Hersteller F.V.D., Dresden
sche Aussehen verleihende
Besatzung 1
große Flügelabstand musste Bauart einstieliger, ver-
gewählt werden, um dem Pilo- spannter Doppeldecker
ten das Einsteigen zu erleich- Spannweite oben 8,00,
tern, denn sein teilweise mit unten 6,00 m
Plane abdeckbarer Sitz befand Länge über alles 4,80 m
sich im Schwerpunktbereich Höhe über alles 2,00 m
Flügelfläche 18,7 qm
zwischen den Decks. Ein weite-
Leermasse 70 kg
res Anliegen an die Konstruk- Startmasse 140 kg
ter in Ainring zu fungieren. Eisenbahnwaggon) nicht er- teure war (weil aufwendig und Flächenbelastung 7,50 kg/qm
Nach Kriegsende wurde er von leichtert. Gerade diese Vorga- teuer), wenig Beschläge zu ver- Gleitzahl 1:8
den Sowjets verschleppt und be, die die Rumpflänge von wenden. Sie wurden daher auf
kehrte nicht zurück. Seine Mit- vorn herein auf 4,20 Meter be- Flügel- und Stielanschlüsse be-
arbeiter waren der am schränkte, gab schließlich den schränkt. Für alle anderen Kno- Präsident (und spätere Profes-
17.8.1898 geborene Reinhold Ausschlag für die konstruktive tenpunkte wurden starre Lö- sor) Georgii noch selbst unter-
Seiferth - später Abteilungslei- Auslegung als einstieliger Dop- sungen durch Verleimen mit schrieb. Am 25.8. flog er in 98
ter der Aerodynamischen Ver- peldecker. Die Kompaktheit ei- Bindung gefunden. Sekunden bereits 1.340 Meter
suchsanstalt für Luftfahrt (AVA) ner derartigen Konstruktion weit, und am 30.8. schließlich
in Göttingen - und der am war darüber hinaus Garant der Mit dem Bau konnte am 11. Ju- führte er einen schönen Drei-
2.12.1895 in Moskau geborene für das Schulen und Üben un- ni 1921 begonnen werden. Er Minuten-Flug aus.
Rudolf Spies, der sich später erlässlichen hohen Festigkeit. erstreckte sich bis in den Au-
Das »Stehaufchen« hatte sich
erfolgreich der Militärflugtech- gust hinein und legte praktisch
Um den Starthaken zentral und bewährt. Es besaß ausgezeich-
nik verschrieb und bis zum Ge- jede andere Vereinstätigkeit
in Schwerpunktnähe unter dem nete Flugeigenschaften und
neral-Ingenieur aufstieg. 1978 lahm. Doch die Maschine kam
Rumpf platzieren zu können, die angestrebte Robustheit.
verstorben, ging er in die Segel- noch rechtzeitig vor Wettbe-
wurden für Start und Landung Die Befürchtung, dass der Start
fluggeschichte als Mitkonstruk- werbsende auf die Wasserkup-
zwei parallel angeordnete Ku- durch die tiefe Lage des unte-
teur des »Konsul« der Akaflieg pe. Am 23.8.1921 startete Mut-
fen unter den Rumpfseitenwän- ren Tragdecks schwierig wer-
Darmstadt ein, der als Vater tray zum Erstflug. 38 Sekunden
den vorgesehen. Da sie nicht den würde, erwies sich als
des modernen Segelflugzeu- dauerte er und brachte 400 Me-
zu eng beieinander liegen soll- grundlos, und eine Berührung
ges überhaupt angesehen wer- ter Weite. Muttray bestand mit
ten, erhielt der sie tragende des Erdbodens fand nie statt,
den kann. ihm die Führer- und Flugzeug-
Rumpf eine ungewöhnlich obwohl die Fläche nur 400 mm
prüfung und erhielt die Nr. 13
1921 gab es noch keine Richtli- grosse Breite von 700 mm. Die- über dem Boden lag. Auch die
des vom D.M.S.V. neu geschaf-
nien und nur wenige Vorbilder se wiederum ließ - trotz des Kufenkonstruktion zeigte sich
fenen Segelflieger-Ausweises,
für die Auslegung von motorlo- großen Sitzausschnitts für den den Landungen auf Sturz-
den der damalige Verbands-
sen Flugzeugen. Die konstrukti- Piloten - aufgrund der gewähl- äckern oder bei seitlichen Be-
ve Arbeit der drei jungen Stu- ten Fachwerkbauweise keine anspruchungen vollkommen
denten wurden zudem durch Probleme mit der Verdrehstei- Die Dresdener Akaflieger nummerier- gewachsen.
ten ihre Konstruktion durch; das »Steh-
weitere Einschränkungen (wie figkeit aufkommen. Die Torsi- aufchen« als Erstlingswerk trug folglich Schließlich konnten die drei
beispielsweise die zur Trans- onsbeanspruchung stellte sich die Bezeichnung D-B1. Das Bild unten
jungen Konstrukteure konsta-
entstand auf der Wasserkuppe und
portkostenersparnis geforder- nämlich als recht beachtlich zeigt sehr schön den Aufbau dieses tieren, daß ihr Doppeldecker
te kleinstmögliche Unterbrin- heraus, weil trotz größerem ungewöhnlichen Seglers. der einzige war, der neben den
gung in einem geschlossenen konstruktivem Aufwand der ge- allerdings überlegenen Ein-
deckern zu grösseren Talflügen
imstande war. Sie erhielten ei-
nen Preis in Höhe von 1.500
Mark.
Die zehn in die Rhön angerei-
sten unermüdlichen Sachsen
(neben den Konstrukteuren der
Sportleiter, die Sportgehilfen
und Helfer) blieben mit ihrem
»Stehaufchen« bis in den Sep-
tember. Bei weiteren Flügen
wurden Fluglängen bis 2,25 km
sowie Flugzeiten bis 4 Minuten
40 Sekunden erzielt. Dabei
machten Spies und Seiferth ih-
re Prüfungsflüge für die Segel-
flieger-Ausweise Nr. 14 und 15.
Beim Bahnrücktransport wur-
de die Maschine beschädigt.

60
oooz
Dresdener Stehauf chen

Maßstab 1:75

61
•JL

—i"

A
—,.

Maßstab 1:40

Dresdener Stehauf chen


Wurzelprofil (Maßstab x2)

Maßstab 1:40

62
nach Ansicht des »Luftfahrt«- rung. Komplett nesselbespannt
Kolumnisten Gerhard Gohlke in und zweifach celloniert. Flügel-
seinem Beitrag »Der Verlauf tiefe oben 1,45, unten 1,20 Me-
des Rhön-Segelflug-Wettbe- ter; Eigenentwickeltes Profil
werbs 1922« neue Maßstäbe mittlerer Dicke.
»in bezug auf größere Gesamt-
flugdauer, denn die Dresdener Rumpf: Holzfachwerk aus Leis-
Seiferth, Muttray und Spies ten, hinten in eine waagerechte
sind bei jeder Gelegenheit, die Schneide auslaufend; an expo-
ihnen der Wind bot, geflogen«. nierten Stellen mit zwei über-
Weiten bis 2.700 Meter wurden einander verleimten Furnier-
erzielt, was Gohlke bewog, holzschichten beplankt, kom-
über die Konstruktion zu urtei- plett nesselbespannt und
len: »... (sie) erscheint mir als zweifach celloniert. Oberflügel-
der empfehlenswerteste Typ Baldachin aus sechs tropfen-
selbstgebauter Sportgleiter.« förmigen, hohlen, verleimten
Zum Rhön-Wettbewerb 1923 und umwickelten Streben, starr
stand der Doppeldecker noch und ohne Beschläge mit dem
einmal an einem Hang der Was- Rumpf verbunden; größter
serkuppe. Zugelassen und Rumpfquerschnitt 700x700 mm.
zum Probeflug freigegeben, Leitwerk: Freitragende, nessel-
ging er bei diesem endgültig zu bespannte Holzkonstruktion
Bruch. mit zweifacher Cellonierung als
einteiliger Flossenverbund, der
TECHNISCHE BESCHREIBUNG
flach auf dem Rumpf aufliegt.
Tragflügel: Zweiteilige, zweihol- Gedämpfte, aber unausgegli-
mige Tragdecks mit Drahtaus- chene Ruder; Höhenruder un-
kreuzung, oben an den Rumpf- geteilt. Spannweite Höhenleit-
baldachin angelenkt, unten werk 2,80 Meter; Höhenflosse
250 mm oberhalb der Rumpf- 650 mm tief mit 1,82 qm Flä-
unterkante an den Rumpf. che; Höhenruder 400 mm tief
Leichte Pfeilform (1,2°), leichte mit 1,12 qm Fläche. Seitenruder
V-Form nur der Unterdecks 0,4 qm Fläche; Momentenarm
(2°); leichte negative Staffe- 2,7 Meter.
lung. Aufbau in Holz mit Kas-
Fahrwerk: Zwei 50 mm breite,
Die Reparaturarbeiten waren dem Doppeldecker - der mit tenholmen von 36 mm Breite;
aus übereinandergeleimten 5
Anlass, die obere Spannweite Gummiseil gestartet, aber auf Holmhöhe vorne 90 mm, hinten
mm starken Schichten Eschen-
von acht auf neun Meter zu ver- den Rücken der Beteiligten an 70 (oben) bzw. 90/60 mm (un-
holz aufgebaute Parallelkufen
größern. Während der Pfingst- den Startort zurückgetragen ten); Aussparungen in den Sei-
in S-Form (um das Rumpfheck
tage 1922 wurde das modifi- werden musste - zwei weitere tenwänden zur Torsionsfähig-
mit den empfindlichen Steuer-
zierte »Stehaufchen« im neuen Eleven die Bedingungen für keit für die Verwindung. Flügel-
teilen hoch zu halten); an den
Übungsgelände der Dresdener den Segelflieger-Ausweis. Nr. nase mit zwei übereinander
Rumpfuntergurten lediglich
bei Geising im Erzgebirge er- 23, ausgestellt am 17.6.1922 für verleimten Furnierholzschich-
durch Leimung und Bindung
probt. Das bedingt geeignete einen Flug am 6. Juni, erhielt ten beplankt; Drahtauskreu-
befestigt.
Gelände erlaubte bei 70 Me- Fritz Loose (1897-1982), Mut- zung in beiden Ebenen, vorne
tern Höhenunterschied Flüge trays Fluschüler-Kollege in Wil- starr, hinten beweglich für die Lackierung: Nessel natur cello-
bis 550 Meter. Hier erfüllten auf helmshaven, der aus dem Mi- Verwindung zur Quersteue- niert. Zeitweise wurde die Vor-
litärdienst zu seinen Eltern derrumpf-Oberfläche sowie die
nach Dresden entlassen wor- Rumpfseiten-Umrandung far-
QUELLENANGABEN Schema der Verwindungs-Steuerung
den war und später zum über die hintere Auskreuz-Ebene.
big lackiert, wahrscheinlich in
Zentner/Bedürftig (Hrsg.): Lexikon berühmten Junkers-Werkspilot Gelb, der Stadtfarbe Dresdens.
des 3.Reiches; München, 1985 • und Flugkapitän avancierte. Nr.
H.J.Wefeld: Mitteldeutsche Hoch- 24 ging an Hermann Pohlmann
schüler am Himmel; Berlin, 1995 • (1894-1991), einem weiteren Innenauskreuzung ^ ^ - ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ \
Aviaticus, Jahrbuch der deutschen
Luftfahrt 1930 • Peter Riedel: Start in
Studenten derTH Dresden, der
später Konstruktionsleiter bei Vo,d.rho,m ^ $ ^ ^ L S l M
den Wind; Stuttgart, 1986 •
W.v.Langsdorff: Das Segelflugzeug; Junkers (Schöpfer des Ju-87 starre vordere Auskrc
München, 1923 • Hermann Pohl- Stuka) und anschließend bei
mann: Die Fliege; Stuttgart, 1983 • Blohm&Voss wurde. Beide Stiele
Fritz Loose: Zu Wasser, zu Land und
nennen in ihren Erinnerungen >
in der Luft; Steinebach, ca. 1980 •
Zeitschriften: Flugsport Nr. 17 vom die gedrungene Maschine re-
17.8.1921; Nr. 18 vom 31.8.1921; spektlos »Schweinebauch«.
Nr.23 vom 9.11.1921; Nr.24 vom
23.11.1921; Nr. 16/17 vom 23.8.1922,
Nr. 18/19 vom 13.9.1922; Nr.14/16
Der in jenem Jahr zum dritten
vom 12.9.1923; Luftfahrt Nr.9/1922; Mal stattfindende Rhön-Wett- \

Flugwelt 1958, Heft 8 bewerb sah den Doppeldecker


erneut am Start. Hier setzte er

63
Historische deutsche Flugzeuge bis 1945

te bereits am ersten Rhön-Wett- sogenannten »dynamischen beschriebene Erscheinung als


bewerb als Beobachter teilge- Segelflug« standen sie aller- Knoller-Betz-Effekt in die Litera-
nommen, um anschließend bei dings - wie viele ihrer Kollegen tur ein.
Motorloser Flug ohne Höhen- den Göttinger Vorlesungen Dis- und Wissenschaftler auch -
mehr kritisch gegenüber. Sie al- Beim ersten Rhön-Wettbewerb
verlust hieß die sehr frühe und kussionen über den motorlo-
le glaubten an die Möglichkeit 1920 waren die Leistungen der
treffende Definition des ange- sen Flug in den Rang der Wis-
des »motorlosen Fliegens unzulänglichen Konstruktionen
strebten Segelflugs. Sie senschaft zu heben. In seinen
durch Ausnutzung der Un- wegen mehr als bescheiden
stammte von dem Physiker und schon 1921 erschienenen ße-
gleichmäßigkeiten des natürli- geblieben. Eine Impression,
Mitbegründer der modernen merkungen über den Segelflug
chen Windes«, die sie als wie das Gleitfluggerät sich ent-
Aerodynamik, Professor Lud- sprach er als erster von anzu-
Grundlage für den Segelflug wickeln könnte, gaben Aache-
wig Prandtl (1875-1953). Er hat- strebenden Entwurfszielen:
ner Studenten gegen Ende der
Veranstaltung, als sie mit einem
freitragenden, dickprofiligen
APROPOS Eindecker auf den Berg kamen,
FLUGZEUGE DER DRESDENER AKAFLIEGER der wegen seines dunklen Be-
spannstoffs Schwarzer Teufel
genannt wurde. Auf seiner Wei-

Dresden D-B2 »Doris terentwicklung Blaue Maus hat-


te - allerdings erst nach dem of-
fiziellen Ende des nächstjähri-
gen Wettbewerbs - Wolfgang
Große Flügelstreckung, stark ansahen. Diese Theorie fußte Klemperer einen Rekord aufge-
Da sich das Stehaufchen als gewölbte Profile mit guten Auf- auf den wissenschaftlichen stellt. Er überhöhte nach einem
brauchbares Schul- und triebsbeiwerten, geringer Überlegungen von Dipl.-Ing. Al- Start am Westhang die Abflugs-
Übungsgerät herausgestellt Formwiderstand. Diese wurden bert Betz (1885-1968), dem telle und flog dann in etwas
hatte, strebten die Dresdener von den angehenden Diplomin- späteren Direktor der Aerody- über 13 Minuten bis zum fünf
für den Rhön-Wettbewerb genieuren Horst Muttray namischen Versuchsanstalt in Kilometer entfernten Ort Gers-
1922 nach einem Leistungs- (1898-?) und Reinhold Seiferth Göttingen, der pikanterweise feld. Das war eine der ersten
segler. Doch das Wissen um (1898-1969) an der Techni- 1911 Mitarbeiter von Prandtl ge- klassischen Hochleistungen im
den Leistungssegelflug war schen Hochschule Dresden worden war. Da sein österrei- Hangaufwind. Doch davon
noch gering. vorbehaltlos angenommen und chischer Kollege R. Knoller sprach damals niemand. Klem-
umgesetzt. Prandtl's gleichzei- ähnliche Schlussfolgerungen perer und auch die anderen Pi-
tiger Skepsis gegenüber dem zog, ging die von den beiden loten waren überzeugt, dass

64
ein dynamischer Segelflug
stattgefunden habe, ähnlich
dem von Seevögeln über der
Wasseroberfläche des offenen
Meeres. Professor Prandtl, der
darauf hinwies, dass jede grö-
ßere Meereswoge den Wind ge-
nauso nach oben ablenkt wie
ein Hang, stieß (noch) auf Un-
glauben. Doch nicht Klemperer
auf der Blauen Maus war 1921
Sieger geworden, sondern Karl
Koller auf dem Münchener Ein-
decker, mit dem er eine besse-
re Gesamtflugdauer und -stre-
cke erzielen konnte. Und der Er-
folg dieser Konstruktion wurde
in seiner Flügelsteuerung gese-
hen, mit der sich anscheinend
die angenommenen Windströ- gemacht worden waren: Ein Gummiklötze herangezogen
mungen besser aussteuern lie- Die »Doris« und ihre Konstrukteure. Die
tiefliegender Rumpf, der keine wurden, stellte sich erneut als
ßen. Drehbarkeit der Flügelhälften um ihre langen Streben für das Lande- sehr robust heraus. Darüber hi-
Querachse wird hier deutlich, denn gestell erfordert und dessen naus erwies sich die Konstruk-
Die Flügelsteuerung, also die die linke Fläche ist sichtbar höher
angestellt als die rechte.
Schwerpunkt so weit unten tion insgesamt als außerordent-
Drehbarkeit der einzelnen Flü- liegt, dass das Flugzeug nach lich unempfindlich, da auf Griff-
gelhälften um die Querachse, dem Aufsetzen trotz des gerin- festigkeit für die Montage und
war durch den Aachener Erich gen Abstands der parallel an- den Transport besonderer Wert
darunter auch die beiden aus
Offermann (1885-1930) erst- geordneten Kufen ohne jede gelegt worden war. Um die Ma-
Dresden. Ihre in der Sequenz
mals praktisch erprobt worden. Kippneigung waagerecht ste- schine in einem geschlossenen
Dresden D-B2 bezeichnete und
Der heute kaum noch bekannte hen bleibt. Für die Struktur des Güterwagen transportieren zu
Doris genannte Konstruktion
Gleitflugpionier, dessen Arbei- mit Sperrholz beplankten können, hatten Muttray und
hatten sie als Schulterdecker
ten - beispielsweise mit der Rumpfvorderteils wählten sie Seiferth jede Flügelhälfte noch
ausgelegt. Jeder Halbflügel
Einführung einer Zentralkufe - zum Schutz des Piloten bei einmal teilbar gestaltet.
wurde drehbar an einem Hals
auch den modernen Segelflug Bruchlandungen trotz Mehrge-
befestigt, der hinter dem Füh- Der schlanke Flügel mit einem
beeinflussten, hatte sich 1908 wichts mehrfach verleimte Leis-
rersitz aus dem ansonsten vier- Seitenverhältnis von fast 10 und
im Hohen Venn einen 12 m ho- ten aus Eschenholz. Aus dem
eckigen Rumpfquerschnitt he- den zugespitzen Flügelenden,
hen Abflughügel aufgeschüttet gleichen Material wurden auch
rauswuchs. Damit ließ sich um den induzierten Widerstand
und mit einer Katapult-Startein- die beiden Kufen sowie die zu
gleichzeitig die extreme Schlitz- so gering wie möglich zu hal-
richtung versehen. Zuerst ex- deren Abstützung benötigten
bildung vermeiden, die auftritt, ten, erwies sich mit dem ge-
perimentierte er mit Doppelde- Bügel gefertigt. Diese Kufenan-
wenn zwei sich entgegenge- wählten Profil großer Wölbung
cker-Gleitern Wright'scher Bau- ordnung, zu deren Dämpfung
setzt drehende Flügelhälften di- als aerodynamisch hochwertig.
art, dann mit Eindeckern, bei
rekt aneinanderstoßen. Bei der Das schlug sich in einer relativ
deren Formgebung er auf ge-
Rumpf- und Kufenkonstruktion konstanten Sinkgeschwindig-
ringen schädlichen Widerstand Die »Doris« in der Luft. Der große
griffen Muttray und Seiferth auf Führerraum-Ausschnitt ist durch eine keit über einen großen Anstell-
achtete. Die beiden Hälften des
die positiven Erfahrungen zu- Plane abgedeckt, die Tiefe der winkelbereich nieder. Er war
Flügels großer Streckung wa- Dämpfungsfläche vergrößert.
rück, die mit dem Stehaufchen fortschrittlich nach Vampyr-Art
ren so drehbar ausgelegt, dass
der Einstellwinkel sowohl der einholmig mit verdrehsteifer
Gesamtfläche als auch bei je- Sperrholznase ausgelegt wor-
der Flügelhälfte individuell ver- den, hatte einen mit innerer Dia-
ändert werden konnte. Damit gonalversteifung verstärkten
ließen sich gleich- oder wech- Kastenholm von siebenfacher
selseitig Auftrieb sowie die La- Sicherheit und hätte dem Ge-
ge um die Längsachse steuern. samtentwurf bestimmt zu einer
Offermann hegte die Hoffnung, guten Note verholfen, wäre er
damit besser auf Luftströmun- von den Konstrukteuren nicht
gen reagieren zu können. zusätzlich als Steuerelement
benutzt worden. Als Grund für
Regierungsbaumeister Fried- die Wahl der Flügelsteuerung -
rich Harth (1880-1936) aus die sie »anpassungsfähige
Bamberg, ein weiterer Gleitflug- Tragdecks« nannten - gaben
pionier, übernahm eine derarti- Muttray und Seiferth eine Ver-
ge Flügelsteuerung für seine besserung der Flugeigenschaf-
Baumuster und hatte damit Er- ten an. Zweifellos dreht sich
folg. Das spornte viele weitere beim normalen Ruderlegen der
Konstrukteure dazu an, statt Rumpf um seine Querachse,
der normalen Steuerung mit was auf Kosten der Bewe-
Höhen- und Querruder die der gungsenergie des ganzen Flug-
verstellbaren Flügel zu wählen, zeugs geht. Und genau so zwei-

65
Wurzelprofil Göttingen 441

in

A B D E F

Q
A B

01

I Seitenansicht ohne Bespannung dargestellt

66
QUELLENANGABEN
Wanderung des Druckmittel-
punktes Kräfte am Steuerknüp-
Prof. L. Prandtl: Bemerkungen pel auf. Der Steuerknüppel bil-
über den Segelflug, ZFM (Zeit- det also eine Art Böenzeiger.
schrift für Flugtechnik und Motor- Der Führer hat den Knüppel ent-
luftschiffahrt), 7/1921 • R. Eisen-
lohr: Die Technik der Rhön-Flug- gegen der Kraftrichtung so zu
zeuge 1922, Luftfahrt, 10/1922 • verstellen, dass die Kräfte am
H. Muttray und R. Seiferth: Einde- Steuerknüppel verschwinden.
cker 1922 des Flugtechnischen Dann haben die Tragdecks ge-
Vereins Dresden, Flugsport, genüber der jeweiligen Anbla-
8/1923 • G. Brinkmann/H. Za-
cher: Die Evolution der Segelflug-
sung einen Anstellwinkel, bei
zeuge, Bonn, 1992 • J.C. Rotta: dem die günstigsten Verhältnis-
Die Aerodynamische Versuchs- se von Auftrieb und Widerstand
anstalt in Göttingen, ein Werk herrschen. Bei etwas gedrück-
Ludwig Prandtls, Göttingen, tem Fluge tritt am Knüppel ein
1990.
gleichmäßiger leichter Zug nach
vorn auf«. Paradoxerweise gin-
fellos entfällt dieser Nachteil gen Muttray und Seiferth einen
bei der Flügelsteuerung, weil Schritt weiter, indem sie ein zu-
bei ihr der Rumpf in der Regel sätzliches Verstellen der hori-
seine waagerechte Lage nicht zontalen Dämpfungsfläche am
verändert. Da auf der anderen Heck durch einen beweglichen
Seite die Flügelsteuerung je- Handgriff am Steuerknüppel legung des Verstellhebels für Steuerung hatte ihren Preis,
doch statisch und von der Be- vorsahen - ein konstruktives No- die hintere Dämpfungsfläche denn zwei gewichtige Gründe
herrschbarkeit Probleme mit vum, dessen Erstmaligkeit die weg vom Steuerknüppel hin an sprachen dagegen. Einmal
sich bringen kann, mussten Konstrukteure besonders he- einen ungefährlicheren Platz im konnten durch die Anordnung
ganz spezielle Gründe den Aus- rausstrichen. Aber genau das Führerraum. Er wurde nie wie- der Drehelemente an den meist
schlag gegeben haben, sie zu führte zum Desaster. der benutzt, obwohl die beiden beanspruchten Stellen der
wählen. Konstrukteure ihre These der Struktur statische Defizite auf-
Die Doris war sofort nach ihrer Kombination von Flügelsteue- treten, auf der anderen Seite
Dazu die Konstrukteure wört- Fertigstellung auf die Wasser- rung und beweglicher Dämp- bargen ungünstige Hebelver-
lich: »Der Anstellwinkel des kuppe verfrachtet worden, ließ fung standhaft verteidigten. Mit hältnisse die Gefahr, die körper-
Tragdecks ist mit Hilfe des Steu- sich dort von der Technischen dem ansonsten sorgfältig lichen Kräfte des Piloten zu
erknüppels veränderlich (An- Kommision erfolgreich ihre durchgearbeiteten Muster überfordern. Durch die pro-
merkung des Autors: Tatsäch- Flugtüchtigkeit bescheinigen, konnten noch einige zufrie- gressive Erforschung und Be-
lich funktionierte die Flügel- um anschließend unter Horst denstellende Flüge durchge- herrschung des Hangaufwin-
steuerung wie beim Münchener Muttray am Westhang ihren ers- führt werden. Doch zu überra- des geriet dann schließlich
Eindecker von 1921 über kar- ten Probeflug zu absolvieren. genden Leistungen kam es auch die Flügelsteuerung bei
danartig ausgebildete Gelenk- Der endete - wahrscheinlich in- nicht. den Konstrukteuren schnell in
punkte am Steuergestänge). Die folge der ungewohnten Steue- Vergessenheit.
Lage der Flügeldrehachse ist rung - mit Bruch, bei dem sich Den Rhön-Wettbewerb 1922
unter Berücksichtigung des Flü- Muttray verletzte. Die Doris wur- bestritten nicht weniger als
gelschwerpunktes und des de nach dem Wettbewerb wie- zehn flügelgesteuerte Kon-
Druckmittelpunktes so gewählt, der aufgebaut und flog ab No- struktionen. Aber die Flügel-
dass bei normalem Flug keine vember 1922 auf dem vereins-
Kräfte am Steuerknüppel auftre- eigenen Fluggelände bei
TECHNISCHE BESCHREIBUNG:
ten. Sobald sich dann bei verti- Geising im Erzgebirge. Die ein-
kalen Windrichtungsschwan- zige konstruktive Änderung, Tragfläche: Vierteiliger Flügel in Leitwerk: Freitragende Holz-
kungen die Anblasung der Trag- die während der Reparatur vor- einholmiger Holzbauweise mit struktur mit Stoffbespannung;
decks ändert, treten infolge der genommen wurde, war die Ver- Kastenholm und verdrehsteifer Einteilige waagerechte Dämp-
Sperrholznase, sonst stoffbe- fungsfläche mit 600 mm Tiefe
TECHNISCHE DATEN spannt. Jede Flügelhälfte und 3,30 m Spannweite, durch
durch je eine umgekehrte V- einen Hebel im Führersitz ver-
Muster Dresden D-B2 »Doris« | Strebe zu den Rumpfuntergur- stellbar; Seitenflosse halbrund
Baujahr _1£22j ten hin abgefangen und unmit- mit 850 mm Tiefe und 1.000
Konstruktion H. Muttray R. Seiferth | telbar unter der Holmachse im mm Höhe, Seitenruder eben-
Einstellwinkelbereich durch falls 1.000 mm hoch, jedoch
Hersteller Flugtechnischer Verein Dresden
Stoßstangen direkt über den 650 mm tief.
Bauart Abgestrebter Schulterdecker |
Steuerknüppel verstellbar. Tie-
Spannweile 12,20 Meter | fe im Mittelbereich 1.350 mm. Fahrwerk: Zwei parallele
Länge über alles 5,30 Meter ) Profil im Mittelbereich Göttin- Eschenholzkufen, zum Rumpf
_FJügj£läche_ 15,5 qm | gen 441, zu den Flügelspitzen hin durch zwei Eschenholzbü-
hin auf symmetrisch gestraakt. gel abgestützt und durch Gum-
Streckung
miklötze gedämpft.
Leermasse 118,5 kg |
Rumpf: Fachwerkbauweise in
Flugmasse 195,0 kg | Anstrich: Sperrholzbeplankung
Holz, Rumpfvorderteil bis Flü-
Flächenbelastung 12,58 kg/qm | und Nesselbespannung natur-
gelhinterkante sperrholzbe-
farben imprägniert.
Beste Gleitzahl 14,6 j plankt, sonst stoffbespannt;
Rumpfbreite 600 mm.

67
Historische deutsche Flugzeuge bis 1945

Als am 19. August 1943 bei der


Firma Blohm & Voss ein Schrei-
ben von der Abteilung GL/CE-2
III C des Reichsluftfahrtministe-
riums (RLM) einging, das zur
Weiterentwicklung des Ramm-
jäger-Projekts P186 aufforder-
te, war es an der Heimatfront er-
staunlich ruhig. Die sinnlosen
nächtlichen britischen Flächen-
bombardements, die viele
EINE »CEHEIMWAFFE« WIRD VERWIRKLICHT
deutschen Innenstädte in un-
überschaubare Trümmerland-
schaften verwandelt hatten, oh-
ne indes den Industrieausstoß
Der Gleitjäger BV 40
nennenswert zu unterbinden,
erfuhren eine kurze Unterbre- von Sizilien kämpfenden Ver- worden rund 17.000 Tonnen Beherrschung des Luftraums
chung. Und die bei Tageslicht bände aller Wehrmachtsteile Munition, Betriebsstoff und über Deutschland - mit immer
geflogenen Angriffe der Ameri- und Waffengattungen den Stückgut, fast 10.000 Kraftfahr- größeren Verbänden, von im-
kaner beschränkten sich auf amerikanisch-britischen Ar- zeuge sowie sämtliche deut- mer näher gelegenen Basen
Präzisionsbombardierungen meen schwere Verluste zu. Ne- schen und italienischen Trup- aus, mit Geleitschutz immer
mit kleinen Einheiten. Das hatte ben einer hohen Zahl von Ge- pen mit allen Waffen und größerer Reichweite. Vor dieser
seinen Grund, der sich im deut- fangenen verloren sie etwa ein Kriegsgerät...« Entwicklung hatten Fachleute,
schen Wehrmachtsbericht vom Drittel ihrer eingesetzten Trup- besonders aus der Industrie,
gleichen Tag fast wie eine Sie- pen an Toten und Verwunde- Anders ausgedrückt: Sizilien bereits gewarnt. Und sie hatten
gesmeldung anhörte: ten, 383 Panzerfahrzeuge, 63 war verloren gegangen! Die Al- dem RLM Vorschläge unter-
Geschütze, 652 Flugzeuge und liierten hatten sich mit allen ih- breitet, wie ihr begegnet wer-
»Führerhauptquartier, 19.8.43 11 Lastensegler. - In den ersten nen zur Verfügung stehenden den konnte.
(DNB.) In der Zeit vom 10.7. bis zwei Wochen des August sind Mitteln einen Zugang zum eu-
von Sizilien auf das Festland Die besonders radikale Lö-
zur Beendigung der Kämpfe ropäischen Festland erkämpft.
mit Kleinschiffsraum überführt sung, die Dr. Ing. Richard Vogt
am 17.8. fügten die im Räume Es war ein weiterer Schritt zur
(1894-1979) einbrachte, hatte
ihren Ursprung in der jahrelan-
gen Mitarbeit des Konstruk-
1944 betrug die durchschnittliche Lebensdauer einer fabrikneuen Messerschmitt teurs beim japanischen Kon-
Bf 109 nur ganze 50 Flugstunden. Und das galt auch für alle anderen deutschen zern Kawasaki in Kobe. Er hatte
Jagdeinsitzer. Die Statistik zwang, über billige Verschleißgeräte nachzudenken. jene Mentalität kennen gelernt,

68
die zu der Bereitschaft führte,
sich selbst treffsicher mit ei-
nem bombengeladenen Flug-
zeug in das gegnerische Ziel zu
steuern. Für den Japaner jener
Zeit mit seiner ihm eigenen
Weltanschauung war der Op-
fertod verwandt mit dem »Sep-
puku« (hier bekannter unter
dem Namen Harakiri) - jenem
Freitod, der ihn aus einem
sonst unentrinnbaren Konflikt
erlöst. Für ihn war es schlecht
und hässlich, gegen die Natur
zu handeln. Selbst der Tod, mo- macht. Ihre Evakuierung für ihren großkalibrigen Waffen ein sentlich kürzere Angriffsentfer-
ralisch gerechtfertigt, war die Jägerfertigung nach Süd- definierbares Ziel darstellten. nung gehen zu können. Beim
ästhetisch und schön. Aller- deutschland hatte bei Blohm& Die übliche Schussentfernung Angriff von vorne allerdings
dings hatten die Militärs es ge- Voss erhebliche Auswirkungen für den Jäger lag jedoch bei nur musste mit einer hohen
schickt verstanden, im Volk ei- auf Entwicklung und Produkti- etwa 400 Meter, und die muss- Annäherungsgeschwindigkeit
nen fanatischen Patriotismus on. Dennoch konnte Dr. Vogt ei- te aus Positionen von achtern gerechnet werden, da sich die
zu entfachen. So gelang es ih- ne kleine Entwicklungsgruppe oder von der Seite wahrgenom- eigene Bewegung und die
nen - zumindest anfänglich -, für das Projekt P186 freisetzen. men werden, auf die sich die Schnelligkeit des Bombers ad-
Freiwillige für den Seppuku zu gegnerischen Abwehrwaffen dierten. Aber sie erschien aus-
gewinnen. Schon bei den ersten Entwurfs- konzentrierten. reichend für die Zielkorrektur
Möglicherweise hat Dr. Vogt arbeiten zeigte sich jedoch, und einen Feuerstoß aus kurzer
Allererstes Entwurfsziel war al- Distanz (erfahrungsgemäß
wirklich an einen derartigen dass eine solche Rammaktion
so die Verkleinerung der Stirn- genügten vier Treffer mit 30-
Heroismus auch bei deutschen undurchführbar war. Keine
fläche. Durch den Wegfall des mm-Minengranaten, um einen
Piloten gedacht, als er dem Konstruktion ließ sich bei ver-
Triebwerks und durch eine lie- viermotorigen Bomber zum Ab-
RLM im Sommer 1943 als Pro- tretbarer Masse so stabil bau-
gende Anordnung des Piloten sturz zu bringen).
jekt P 186 einen Gleitjäger zum en, dass ein Überleben des Pi-
ließ sie sich bis auf einen Wert
Vorschlag brachte. Er sollte, loten garantiert wäre. Das neue
von 0,5 qm reduzieren. Diese Am 30. Oktober 1943 war die
ohne einen eigenen Antrieb zu Konstruktionsziel hieß: Kampf-
würde dem hinter einer 20 mm Attrappe der P 786 für eine Be-
besitzen, von einem Messer- segler mit Angriffsrichtung von
dicken Panzerung sowie einer sichtigung durch das RLM fer-
schmitt Bf 709-Jagdeinsitzer vorne.
120 mm starken Panzerglas- tig. Dieses bemängelte die
über den gegnerischen Ver- Dabei wurde von der Erfahrung scheibe liegenden Piloten er- Anordnung der MK 108-
band geschleppt werden, um ausgegangen, dass Jagdeinsit- lauben, unbehindert auf we- Maschinenkanone auf dem
sich aus der überhöhten Positi- Rumpfrücken und verlangte
on in den Verband zu stürzen den Einbau von zwei dieser
und einen der Bomber durch Waffen mit je 35 Schuss Muniti-
Rammen des Leitwerks zum on. Für sie wurde eine günstige
Absturz zu bringen. Um in der Unterbringung in den Flügel-
Anflugphase den gegneri- wurzeln gefunden, denn aus
schen Heckschützen auszu- dieser Position war trotz des
schalten, wurde der Einbau ei- kurzen Rumpfes ein Auswan-
ner Maschinenkanone (Kaliber dern der Geschossgarben
30 mm) oberhalb des Schwer- nicht zu erwarten.
punktes der sehr kleinen Ma-
schine vorgesehen. Für eine Am 13. Dezember 1943 erteilte
Flugmasse von 750 kg war ein das RLM die Konstruktionsge-
Flügel mit 7 Metern Spannweite nehmigung. Einen Tag später
und nur 7 Quadratmetern Flä- begann bei Blohm & Voss der
che konzipiert worden.

Wie eingangs erwähnt, billigte Die Landeklappe der BV 40 in voll


das RLM mit seinem Brief vom ausgefahrener Stellung, die der
Gleitwinkel-Steuerung dient.
18. August 1943 die Pläne und
gab grünes Licht für die Ent-
wicklung. Die verheerenden Die Panzerwanne eines der Prototypen
der BV 40 wird über die Schnelltrenn-
Luftangriffe auf Hamburg im stelle an die restliche Zelle montiert.
Juli 1943 hatten zwar die im Es fehlen hier noch die 120 mm starke
Stadtbereich oder Umfeld lie- Panzerglas-Frontscheibe und die
Bewaffnung. Beachtenswert ist auch
genden Blohm& Voss-Werke die ausgefahrene Kufe.
auf Steinwerder und Finken-
werder kaum beschädigt (das
Werk Wenzendorf war vollkom- zer mit iher Stirnfläche von 1,4
men unbeschädigt geblieben), bis 1,7 qm selbst noch in einer
aber einen erheblichen Teil der Entfernung von 1.000 Metern
Belegschaft obdachlos ge- für die gegnerische Abwehr mit

69
Blohm & Voss BV 40

70
Bau von 12 Maschinen des jetzt
als BV40 bezeichneten Jägers,
mit denen ab März/April 1944
Flugversuche aufgenommen
werden sollten.
Über den Kampfeinsatz waren
in der Zwischenzeit viele theo-
retische Überlegungen ange-
stellt worden. Der Schleppflug
sollte hinter einem einmotori-

den Verband stürzen zu kön- trennbar - konnte wegen seiner


nen. Ausklinken und Zielanflug Robustheit auf jedem Fahr-
sollten mit Hilfe von Visier- zeug, selbst dem primitivsten,
strahl-Markierungen erfolgen. transportiert werden. Der etwa
580 kg wiegende komplette
Nach dem Einsatz musste in Rumpf konnte daran an-
der Regel mit einer Außenlan- gehängt werden,.sofern er auf
dung gerechnet werden, die das Original-Startfahrwerk ge-
sich bei der hohen Flächenbe- setzt würde - das allerdings
lastung von über 110 kg/qm als erst vom Einsatzhafen angefor-
gen Jagdeinsitzer erfolgen, wo-
bei hauptsächlich an die Mes- Die BV 40 V1 PN+UA wird für den ers-
serschmitt Bf 109 G gedacht ten Start vorbereitet. Die Stützbügel an
war. Ein derartiges Gespann den Flügelenden wurden erst nach den
ersten Flügen angebracht.
konnte in etwa 25 Minuten eine
Höhe von 10.000 Meter errei- Die Bügel (1) zur Abstützung der
chen (mit zwei BV40 im Flügel bei der Landung wurden durch
Schlepp war die Bf 109G im- die zentrale Gleitkufe erforderlich
(2 = Aufbockbeschlag).
stande, innerhalb von 30 Minu-
ten auf 9.000 m zu kommen).
Für den Angriff war eine Ziel- on befinden, um sich in einem
überhöhung von 500 Metern Winkel von maximal 20 Grad -
nötig. Etwa 1.200 Meter vor einen steileren Winkel ließ die
dem Bomberpulk musste sich Sicht aus der vorderen Panzer-
der Gleitjäger in Schusspositi- scheibe nicht zu - von vorne in

TECHNISCHE DATEN
ein Problem erweisen könnte, dert werden musste. Für jede
da wegen des angestrebten pri- andere Transportmöglichkeit
Muster Blohm & Voss BV40 | mitiven Aufbaus eine kompli- ließ sich die etwa 300 kg
Zweck Gleitjäger zierte Landeklappe für geringe schwere Panzerwanne vom
Besatzung Aufsetzgeschwindigkeiten Restrumpf trennen und über
1|
nicht akzeptiert worden wäre. zwei Durchstecköffnungen se-
Bauart freitragender Schulterdecker |
Mit den schließlich ausgeführ- parat bewegen.
Bauweise Stahl und Holz
ten großen Spaltklappen sollte
Bewaffnung 2 x 30-mm-Maschinenkanone MK 108 | der Landeanflug bei einem 50- Als schwierigster Punkt des
Baujahr 1944 | Grad-Ausschlag mit 170 km/h ganzen Manövers jedoch - die
Hersteller Blohm & Voss | erfolgen, wobei durch befriste- exakte Zeitabstimmung aller
Spannweite 7,90 Meter | tes Ausfahren auf die soge- operativen Abläufe einmal
nannte Widerstandsstellung außen vor gelassen - wurde
Länge über alles 5,70 Meter |
von 80 Grad noch eine Gleit- der Startvorgang des Gleiters
Höhe über alles 1,63 Meter | in der durch den Luftschrau-
winkel-Steuerung und ein Auf-
Flügelfläche 8,70 qm ] bendrall verwirbelten Luft hin-
setzen unter 120 km/h möglich
Streckung 7,2 | war. ter dem Jäger angesehen.
Leermasse 836,5 kg | Überlegungen für ein langes
Zuladung 113,5 kg | Viele Gedanken wurden auch Schleppseil mussten wegen
Flucimasse 950,0 kg | für eine schnelle Demontage unzureichender Sicht bei
und die Logistik des Abtrans- schlechten Wetterlagen fallen
Flächenbelastung 109,2 kg/qm |
ports aufgewendet, denn das gelassen werden. Schließlich
Zul. Höchstgeschwindigkeit oberhalb 5 km Höhe 900 km/h J
Flugzeug sollte ja bald erneut fand sich in einem 40 Meter lan-
Angriffsgeschwindigkeit 475 km/h | einsatzfähig sein. Der einteilige gen Seil der aussichtsreichste
Landegeschwindigkeit 118 km/h | Holzflügel mit etwa 170 kg Mas- Kompromiss, mit dem der bei
Beste Gleitzahl (bei 220 km/h) _JüJ se - durch nur zwei Schrau- 120 km/h flugfähige Gleiter bis
benbolzenpaare vom Rumpf 140 km/h am Boden gehalten

71
Ausschlag 18°

Steuergestänge
für Querruder

Hllfsruder für Land


klappenbetätigung

Kompass Hebel für Bordwaffe MK108 Waffenwann


I Einsteighaube

Blohm & Voss BV 40

Drahtaufhängung
mit Spannschloss
Gleitkufe eingefahren
Ausschlag 30°
Vierriegelungswelle für Drahtaufhängung
des Abwerffahrwerks Verstellung 4,5"
Staurohr
Panzerglasscheibe
\ rA rB rC D Ausschlag 20*
\ I '< Panzerblende

Gummigefederter Sporn

/
Klappe für
Batterieraum Kufenbetätigung Gleitkufe ausgefahren
(nur Steuerbord)

72
Blick in den Führerraum. Vorne ist die sehr viel Erfahrung und fliegeri-
Wanne für den Brustfallschirm zu er- sches Gefühl mitbringen, denn
kennen, links und rechts daneben die
Armpolster und davor die Kinnstütze.
Chefpilot Rodig testete die
Rechts neben ihr befindet sich der Aspiranten vor der Einstellung
Steuerknüppel, der mit der rechten durch einen Flug mit der Ha
Hand bedient wird, ebenso wie der Not-
zug für die Rumpftrennung. Mit der lin-
136 - ein kleines einmotoriges
ken Hand werden Kufe (Hebel in Übungsflugzeug, das Dr. Vogt
Rumpfmitte) sowie die Landeklappen 1934 hauptsächlich für die Ein-
(Ratschenhebel Mitte links) ein- und
ausgefahren. An Instrumenten sind vor-
arbeitung der jungen Mann-
handen: ein Kompass (außenbords, schaft seines Konstruktions-
durch die Frontscheibe sichtbar), ein büros und für die Prüfung der
Fein-/Grob-Höhenmesser und ein
Fahrtmesser (in der Konsole links), ein
Machbarkeit seiner neuen
Notwendezeiger (in Flugzeugachse vor- Rohrholm-Bauweise konstru-
ne) sowie zwei Messgeräte für den iert hatte. Der Tiefdecker mit
Höhenatmer (in der Konsole rechts da-
neben). Der außenliegende Hebel und
nur 8 qm Flügelfläche besaß
die weiterführende Stange dienen der hohe Flächenbelastung, niedri-
Haubenverriegelung. ge Leistungsbelastung und -
nach Rodigs Aussagen - über-
haupt keine Flugeigenschaf-
Der Führerraum im Detail:
1 Haubenverriegelung; 1a Rastbolzen ten.
für Haube; 2 Steuerknüppel; 3 Radsatz-
Auslöser; 4 Hebel für Gleitkufe mit Einflieger Rautenhaus, derartig
Schnäpper (4a); 5 Notzug für Rumpf- geprüft für die gesamte Ab-
trennstelle; 6 Landeklappenhebel mit
Handgriff und Betätigungsknopf
wicklung der Sl/40-Flugerpro-
(6a/6b); 7 Handgriff; 8 Bordnetz-Schal- bung ausgewählt, machte trotz-
ter; 9 Kompasslampenschalter; 10 dem bereits beim zweiten Flug
Staurohrheizungsschalter; 11 Regler
für Heizbekleidung; 12 Eigenverständi-
mit dem ersten Prototyp Bruch.
gung; 13 Notwendezeiger-Schalter; 14 Er erfolgte am 2. Juni 1944 mit
Notwendezeiger; 15 Kompass; 16 einem verbreiterten Fahrge-
Fahrtmesser; 17 Fein- und Grobhöhen-
messer; 18 Fernventil für Höhenatmer;
stell, dessen Reifen nur noch
19 Notknopf für Membranlunge; 20 ein Drittel des ursprünglichen
Sauerstoffwächter; 21 Druckmesser; Drucks aufwiesen, um ein
22 Atemschlauch; 23 Wanne für Brust-
fallschirm; 24 Armpolster; 25 Kinnstüt-
Springen wie beim Jungfern-
ze; 26 Panzerglasscheibe; 27 seitliche flug zu vermeiden. Start und
Sichtscheibe; 28 Zylinder für Gleitku- Flug verliefen einwandfrei. Erst-
fen-Betätigung.
mals wurde der Schrauben-
1944 fertig gestellt und unmit- war die V1 (wie auch die nach- strahl-Turbulenzen wegen mit
telbar danach für Flatterversu- folgenden drei Prototypen) für größerer Überhöhung der ge-
werden sollte, um dann mit che verwendet, die ihr das un- die Einflugversuche gegenüber
Fahrtüberschuss schnell durch schleppten Maschine gegen-
bedenkliche Ausfliegen bis 650 der Serienversion um rund 180 über normalen Schleppflügen
den Gefahrensektor Schrau- km/h bescheinigten. Allerdings kg Masse leichter ausgefallen,
benstrahl nach oben durchge- geflogen, was sowohl Pilot
unter anderem durch die Ver- Rautenhaus als auch der Rech-
zogen werden zu können. wendung von normalem Stahl,
Nachdem bei 165 km/h Der Liegeplatz des Piloten im Führer- liner Schlepppilot als sehr an-
raum mit der Wanne für den Brustfall- einer Einstiegsklappe aus Holz genehm empfanden.
schließlich auch die Bf 109 ab- schirm (10). Links und rechts davon (im sowie dem Verzicht der dicken
gehoben hatte, sollte der Steig- Bild oben und unten) sind die Armpols-
Frontscheibe und der linken Nach dem Ausklinken in 800
ter, dahinter (links) das Körperpolster
flug des Gleiters außerhalb der und davor (rechts) die Kinnstütze. Die Kanone. Metern Höhe und bei einer Ge-
verwirbelten Luft erfolgen, in- Anschnallgurte bestehen aus Schloss schwindigkeit von 240 km/h
dem er in einem Winkel von 12 (1), Rückenpolster (2), hinteren (3) und Für die Schleppflüge sollte ur- wurde die Fahrt mit und ohne
vorderen (5) Anschnallgurten, Schiebe- sprünglich eine der unsymme-
Grad über der Steigachse ge- schnalle (4), Schulterstück (6), Schnell- Klappen versuchsweise auf
halten würde. schieber (7) und Seitengurt (8). Das trischen BV 141 herangezogen 150 km/h reduziert. Die Sink-
Schloss kann vom Piloten über einen werden; alle der insgesamt 19 geschwindigkeit blieb bei voller
Die BV40 V1 (Stammkennzei- Bowdenzug (9) geöffnet werden. Versuchsaufstiege von BV40
chen PN + UA) wurde im April Ruderwirksamkeit normal.
erfolgten jedoch hinter einer Dann wurde die Landung, mit
zweimotorigen Messerschmitt gleicher Geschwindigkeit kur-
Bf 110 G-0. Der erste Startver- vend, am Platzrand eingeleitet.
such in Finkenwerder miss- Bei 140 km/h jedoch erhöhte
lang. Deshalb wurde der Proto- sich plötzlich die Sinkge-
typ nach Wenzendorf überführt schwindigkeit so erheblich,
und machte dort am 6. Mai dass die Maschine etwa 25 Me-
1944 seinen ersten Schlepp- ter vor der Platzgrenze hart auf-
start. Er verlief nach Ansicht setzte und durch den Zaun
des Piloten ungewohnt, aber brach, wobei sie schwer be-
durchaus positiv, wenn auch schädigt wurde.
der Gleitwinkel als zu steil und
die Aufsetzgeschwindigkeit als
zu groß beurteilt wurde. Die Flugversuche wurden mit
der BV40 V2 (PN + UB) fortge-
Wer Einflieger bei Blohm & setzt, deren ersten beiden Flü-
Voss werden wollte, musste ge wegen der Wetterlage wie-

73
nach Wenzendorf überführt Den Schlusspunkt setzten die enthält einen Ausschnitt für die
ANMERKUNG DER REDAKTION
werden. Sie hatte als erstes Alliierten: Bei einem Luftangriff durchgehenden Flügelholme;
Den zahlreichen Freunden des Muster vergrößerte Rudertie- auf Wenzendorf im Oktober die in das Mittelteil hineinra-
Jagdeinsitzers Messerschmitt Bf
109 als Scale-Nachbau gibt die- fen mit begrenztem Ausschlag, 1944 wurden alle fertigen und genden Beine des Piloten sind
ser Beitrag Gelegenheit, sich mit aber immer noch keine im Flug teilmontierten Maschinen zer- durch 8 mm starke Panzerplat-
dem potentiellen Erbauer einer zu betätigende Trimmung, wie stört. ten geschützt. Rumpfende in
BV40 zusammen zu tun und als sie dringend vom Einflieger Ganzholzbauweise mit Span-
Attraktion so manches Flugtages auch für die Serie gefordert Für Blohm&Voss-Konstrukti-
ten, Gurten und 4 mm starker
Schleppflüge durchzuführen, wie
wurde. onsleiter Dipl.-Ing. Pohlmann
sie gegen Kriegsende wirklich ge- Sperrholzbeplankung.
blieb die BV40 - obwohl ihre
plant waren. Auch das ist sicher- Brauchbarkeit im Einsatz letzt-
Die BV40 V7, deren Ausbrin- Leitwerk: Alle Flächen in Ganz-
lich ein attraktiver Grund für den
Nachbau dieses Flugzeugs. Und gung für August 1944 geplant endlich nicht bewiesen werden holzbauweise mit Sperrholzbe-
natürlich würden sich die MFI-Re- war, sollte die erste von sieben konnte - ein »Musterbeispiel plankung. Höher gelegte und
daktion und Autor Karlheinz Kens bis Januar 1945 auszuliefern- für kompromisslose primitive zum Rumpf hin abgestrebte
über ein entsprechendes Feed- den Vorserienmaschinen wer- Einfachheit in Konstruktion und Höhenflosse, am Boden ein-
back freuen! den, gefertigt aus Panzerstahl Fertigung« - eine Bewertung, stellbar. Bedienung der Quer-
und ausgestattet mit der kom- die allerdings teuer erkauft war. und Höhenruder durch Seilzü-
pletten Bewaffnung. Sie wurde Für die BV40 mit ihrer Flug- ge und Stoßstangen über einen
derum aus nur 800 Metern Aus- masse von 950 kg wurden
nie fertig, denn nach einem Ak- Knüppel, der sich rechts aus
klinkhöhe lediglich Auskünfte 30.000 Konstruktionsstunden
tenvermerk der Bauaufsicht der Mitte vor dem Kopf des Pi-
über Start- und Landeeigen- und 10 Monate Entwicklungs-
des RLM bei Blohm & Voss loten befindet; an der Rumpf-
schaften geben konnten. Das zeit bis zum Erstflug aufge-
vom 5. August hatte das OKL Trennstelle mit Schnelltrenn-
Wetter bei den Flügen drei und wendet. Das war exakt genau
(Oberkommando der Luftwaf- Kupplungen. Seitenruder über
vier am 8. Juni erlaubte schließ- der gleiche Aufwand an Arbeit
fe) die Einstellung des komplet- Seilzüge durch verstellbare Pe-
lich ein Ausklinken in 2.200 m, und Zeit, der neun Jahre früher
ten Programms verfügt und die dal-Taschen betätigt.
was das Ausfliegen einer Ge- Entwicklung und Konstruktion
Schleppmaschine gesperrt.
schwindigkeit bis 330 km/h zu- des einsitzigen Blohm & Voss- Fahrwerk: Fest eingebaute, ge-
Die geplante Reihenfertigung
ließ, die mit dem 12. Werkflug Sturzkampfbombers Ha 137 federte Gleitkufe, aus- und ein-
von 200 BV40 blieb im Pla-
am 6. Juli auf 470 km/h gestei- gekostet hatte - allerdings hat- ziehbar. Start auf einem einge-
nungsstadium stecken, denn
gert werden konnte. Am glei- te dieser 2.400 kg Flugmasse hängten Fahrwerk, bestehend
die durch geringere Panzerung
chen Tag flog Rautenhaus be- und konnte sogar mit sehr un- aus einem Achsrohr mit links
gewichtlich erleichterte Serien-
reits die BV40 V5 (PN + UE) ein terschiedlichen Triebwerksvari- und rechts montierten Spornrä-
version kam über das
(V3 war als Bruchzelle für stati- anten konzipiert werden. dern (0 450 mm x 150 mm), ge-
Reißbrettstadium nicht hinaus.
sche Belastungsversuche ver- gen die Rumpfseitenwände
wendet worden, V4 beim ers- durch für den Abwurf lösbare
ten Startversuch unreparabel TECHNISCHE BESCHREIBUNG Seildreiecke verspannt.
zu Bruch gegangen).
Besatzung: Pilot in liegender dem Drehpunkt für drei Stellun- Militärische Ausrüstung: Zwei
Zwei Tage zuvor hatte der Anordnung auf Brustfallschirm gen: Flug (0 Grad), Start- und 30-mm-Maschinenkanonen
Rechliner Beauftragte, Fl.- und Auflagen, angeschnallt mit Landung (50 Grad), Gleitwin- MK 108, unter der Flügelwurzel
Haupting. Wilhelm Ziegler, die Rückenkissen durch sechsgur- kelsteuerung (80 Grad), mit um 90 Grad verkantet gelagert.
BV40 in Wenzendorf nachge- tiges Rückenschnallschloss, Ausgleichsruder. 35 Schuss Munition je Waffe in
flogen. Sein generelles Urteil: über Bowdenzug zu öffnen. einem gepanzerten Kanal vor
»Das Flugzeug ist harmlos und Ausgerüstet mit geheizter Kom- Rumpf: Dreiteiliger Rumpfauf- dem hinteren Hilfsholm. Visier
angenehm zu fliegen. Der bination und Höhenatmer. bau. Das Kopfstück, das für auf Vorder- und Rückseite der
Schleppstart wird auf Gras- den Fallschirmabsprung des Frontscheibe aufgezeichnet.
bahn mit steigender Abhebe- Tragflügel: Einteiliger Flügel in Piloten auch während des Flu-
geschwindigkeit immer schwie- Ganzholzbauweise mit recht- ges von der Restzelle getrennt Anstrich: Innen grau, außen zu-
riger, während er auf Beton- eckiger Planform und konstan- werden kann, nimmt den lie- sätzlich in der Tönung 65 (Hell-
bahn einwandfrei ist. Wegen zu ter Tiefe über die gesamte genden Piloten bis zu den blau) auf der Unterseite und 71
großer Reibung und zu emp- Spannweite. Gleichmäßige Pro- Oberschenkeln auf. Es ist ganz (Dunkelgrün) auf der Obersei-
findlicher Ruder ist der saubere fildicke von 18% im inneren Be- aus ebenen Panzerplatten aus te.
Zielanflug schwierig. Die Lan- reich, im Außenbereich der Stahl aufgebaut, vorne 20 mm
dung ist durch die sehr wirksa- Querruderwirksamkeit wegen (mit aerodynamisch gestalte- QUELLENANGABEN
me Landeklappe und ihre aus- auf 14% reduziert. Aufbau: tem Stahlblech-Formteil davor),
gezeichnete Betätigung (An- Breiter Kastenholm aus lamel- seitlich 8 mm und unten 5 mm Aufstellung der durchschnittli-
merkung der Redaktion: liertem Buchensperrholz zur stark. In die obere Stirnwand ist chen Lebensdauer von Schul-
Aufnahme der Biegekräfte; die die Panzerglasscheibe von 120 und Frontflugzeugen, EADS-Ar-
manuell über Raste) sehr ver- chiv, Ottobrunn • Luftfahrt inter-
einfacht. Die liegende Führer- Torsionskräfte werden im Zu- mm Dicke eingelassen. Seitlich
national, Nr. 6/1974 • H. Pohl-
sitzanordnung ist gut bis auf sammenwirken mit einem vor- oben vor dem Kopf des Piloten mann: Chronik eines Flugzeug-
die rechte Armauflage, die wei- deren und hinteren Hilfsholm befinden sich kleine Sichtfens- werkes 1932-1945, Stuttgart,
cher und besser geformt sein durch eine komplette (bis auf ter, die beim Angriff durch 1979 • Universität Tokio: Sturm
die Rumpfdurchdringung) Stahlplatten zugeklappt wer- der Götter, Wiesbaden, 1956 •
muss, da sonst bei zu langem Baubeschreibung BV40, Ham-
Schleppflug der Arm zu schnell Sperrholzbeplankung von 5 den können; Abschluss nach
burg, Jan. 1944 • Schriftwechsel
ermüdet.« mm Dicke am Innenflügel und 4 oben durch eine abnehmbare RLM und Blohm & Voss • Flug-
mm außen übertragen; einfa- Einstiegshaube aus 8 bis 5 mm berichte der Blohm & Voss-Flug-
Mit dem 17. Flug einer BV40 che Sperrholzrippen. Massen- starke Panzerplatten. Das Mit- betriebsleitung FZ V • RLM Flug-
konnte am 27. Juli schließlich ausgeglichene Querruder mit telstück ist aus 0,8 mm starkem zeugtypenblatt BV 40 • Flugsport
Innenausgleich; Landeklappen Stahlblech mit Spanten, Gurten Nr. 13/1943
die V6 (PN + UF) eingeflogen
und im Schlepp von Stade als Spaltklappen mit tiefliegen- und Beplankung gefertigt und

74
DETAILS ZU HECK UND
FAHRWERK DER BV 40

Das komplett aus Holz gebaute


Rumpfhinterteil der BV 40 wurde so
konzipiert, dass es sich für eine
leichte und rationelle Fertigung
ausschließlich aus abwickelbaren
Flächen zusammensetzt. Lediglich im
äußeren unteren Rumpfheck laufen
die planen Rumpfseiten und der
ebenfalls plane Rumpfboden über die
sie verbindenden Abrundungen in ein
Kugelsegment aus.

Bild links - Das Rumpfheck kann mit einer transportieren, sollte dies nach einer Demontage bei
Durchsteckstange von zwei Personen angehoben und mit Außenlandungen nötig werden. Erläuterung der Zahlen: 1
dem Schleifsporn auf einem Spornwagen abgesetzt - Durchstecköffnung für Stange; 2 - Schleifspom; 3 -
werden. Mit der gleichen Durchsteckstange und Steuerseil für Seitenruder; 4 - Spaltverkleidung; 5 - obere
Griffmulden am Trennspant Iässt sich das komplette Heck Strebenverkleidung; 6 - Randbogenkappe.

Bild unten links - Details des abwerfbaren Start- Bild unten rechts - Für den Start wird das untergesetzte
Fahrgestells: An der fest eingebauten, gefederten Fahrwerk durch die Befestigungsseile mit den
Gleitkufe kann in eingezogener Lage für den Startvorgang Rumpfseitenwänden verbunden und aus dem Führersitz
ein Fahrgestell eingehängt werden, das aus einem über eine Welle mit Drehzapfen straff gezurrt. Unmittelbar
Achsrohr mit zwei Spornrädern 350 x 135 mm besteht. nach dem Abheben lassen sich die Befestigungsseile
Durch aufgeschweißte Böcke überträgt es die Seitenkräfte durch einen Ausklinkhebel hinter dem linken Ellbogen des
an die Kufe. Befestigungsseile, die sich über Drehzapfen Piloten wieder lockern, und das Fahrwerk fällt auf den
spannen oder lockern lassen, fixieren das Fahrgestell im Boden zurück. Erläuterung der Zahlen: 1
gespannten Zustand unter dem Rumpf. Erläuterung: 1 - Betätigungswelle für Radsatz; 2 - Drehbeschlag; 3 -
vordere Befestigungsseile; 2 - hintere Befestigungsseile; Spannschloss; 4 - vorderes Befestigungsseil; 5 - hinteres
3 - Beschläge für die Exzenter-Betätigung; 4 - Befestigungsseil; 6 - Umlenk-Haltebeschlag am Rumpf; 7
Spannschlösser; 5 - aufgeschweißte Böcke als - Markierung für das Untersetzen; 8 - Gleitkufe;
Radsatzlagerung; 6 - Markierung für das Untersetzen. eingefahren; 9 - Trennstelle des Rumpfbugs.

75
Historische deutsche Flugzeuge bis 1945

Möglicherweise wäre
einem anderen deutschen
Piloten mit seinem eben-
falls adligen Adlatus statt
Kohl und von Hünefeld
die erste direkte Atlantik-
Überquerung von Ost
nach West geglückt,
wenn ...

CASPAR C 3 2 die durch Forleulenfraß fast ver-


nichteten Waldungen zwischen
Eberswalde und Berlin. Die
Vom Streuflugzeug zum Langstrecken-Favoriten Junkers Flugzeug-Werke AG
richtete in Zusammenarbeit mit
Forstfachleuten und der Che-
Anfang der zwanziger Jahre ge- wie Spanner, Eulen und Non- gesamt 600.000 Hektar Wald
mischen Fabrik Merck in Darm-
riet der deutsche Waldbestand nen kahl fraßen, wurden es durch Insekten vernichtet.
stadt eine Abteilung für Schäd-
durch Schädlinge in eine be- bald Zehn- und schließlich Hun-
1925 begann in Deutschland, lingsbekämpfung ein, die
drohliche Krise. Waren es an- derttausende. Zu Ende des
was in den USA bereits 1921 ebenfalls ab 1925 mit speziell
fänglich nur Tausende von Hek- Jahrzehnts waren in Nord-
angelaufen war: Schädlings- ausgestatteten einmotorigen
tar, die die Raupen schädlicher deutschland, Bayern, Mecklen-
bekämpfung aus der Luft Flugzeugen Bestäubungsauf-
Schmetterlinge burg und Preußen
durch Flugzeuge. Im Mai streu- träge in großem Stil durchzu-
bereits ins-
te eine speziell umgebaute Fok- führen begann. Wie mühselig
ker F II des Deutschen Aero- jedoch - trotz aller Erfolge -
Lloyd 300 kg eines chemischen diese Operationen in der Praxis
Präparates auf Arsenbasis in durchzuführen waren, zeigt als

Oben die Caspar C 32 im Streueinsatz - dem ihr eigentlich zugedachten Zweck. Be-
laden wurde sie durch die Kabinendecke über auf zwei Böcke gelegter Plattform. Der
hoch giftige Arsenstaub musste dafür den Transportbehältern entnommen werden.
Dann wurde eine dieser Maschinen zur »Germania« umgebaut und startete schließ-
lich vom Kölner Flughafen Butzweilerhof zum Amerikaflug über Asien.

76
Beispiel die Rettung des sechs Hektar zu bestäuben,
Reichswalds südlich von Nürn- dann musste zeitaufwendig
berg, der ebenfalls von der Forl- zurückgeflogen, gelandet, neu
eule befallen war: Dreieinhalb beladen, erneut gestartet und
Wochen benötigten zwei Ma- wieder zum Forstgebiet geflo-
schinen, um 3.500 Hektar mit gen werden.
176 Tonnen Chemikalien zu be-
stäuben.
Die Caspar C32 war, gemessen
Bereits früh wurde die Effekti- an ihrer schwachen Motorisierung, ein
vität der umgebauten Verkehrs- mächtiger Doppeldecker mit großer
Flügelfläche, um die Flächenbelastung
und Frachtflugzeuge angezwei- niedrig zu halten. Im Februar 1928
felt und Überlegungen für ein wurde die erste gebaute Maschine als
spezifisches Streuflugzeug an- D-1142 der Biologischen Reichsanstalt
für Land- und Forstanstalt in Berlin
gestellt. Die Caspar-Werke AG zugelassen.
in Lübeck-Travemünde verwirk-
lichte dies mit der C 32. Sie ge-
hört dadurch zu den Vorreitern
der Gattung Landwirtschafts- wurde mit einem neben dem Pi-
flugzeuge, die heute weltweit in loten sitzenden Begleiter, der
großen Stückzahlen Streu- und die Steuerelemente für die
Sprüheinsätze durchführen. Streuvorhchtung zu bedienen
Die Arbeiten an der C 32 be- hatte. Übernahm der Pilot allein
gannen auf Anregung des in diese Aufgabe, ließ sich die
der Schädlingsbekämpfung er- Streugutmenge von 670 auf
fahrenen Forstwissenschaft- 750 kg erhöhen, was eine Be-
lers Dr. Kienitz im Herbst 1926 stäubung von bis zu 15 Hektar
durch Caspars seinerzeitigen während eines einzigen Fluges
Chefkonstrukteur Reinhold Me- ermöglichte.
wes, der in den dreißiger Jah- Unter diesen optimalen Bedin-
ren bekannte Muster bei Hein- gungen folgte mit dem Erst-
kel (He 59 und He 60) und Fie- muster der erste Großeinsatz
seler (unter anderen den Fl 156 vier Monate später. Ort: Pom-
Storch) entwickeln sollte. Ge- Dabei konnte der Zeitfaktor für rechnet - je Sekunde 7 kg Gift-
merscher Forst bei Köslin. Zeit-
meinsam wurden die Forderun- den Erfolg der Giftausbringung staub breit gefächert aus-
stoßen. Eine echte Herausfor- punkt: Ende Juni. Nach 79
gen festgelegt: entscheidend sein. Die seiner-
derung - aber sie wurde gelöst! Starts waren rund 1.000 Hektar
zeit benutzen Bestäubungs-
• Kurzer Startan- und Lande- mit insgesamt 43 Tonnen eines
substanzen auf Arsenbasis wa-
auslauf, um in unmittelbarer Nachdem die erste C 32 (Werk- Arsenpräparats der Firma
ren für alle Organismen gefähr-
Nähe der Bestäubungsorte von Nr. 7006) mit dem 230 PS (169 Schering, Berlin, erfolgreich
liche und zudem teure
behelfsmäßigen Feldern zu kW) leistenden BMW-IV-Motor bestäubt. Doch erst im Februar
Fraßgifte (sie wurden später
operieren. erfolgreich eingeflogen worden 1928 ging die Maschine unter
durch andere Lebewesen weni-
war, bewies sie am 4. März der Kennung D-1142 in den Be-
ger gefährdende Berührungs-
• Größtmögliche Tragfähigkeit, 1927 ihre Eignung vor Sachver- sitz der Biologischen Reichsan-
gifte abgelöst). Wusch bei-
um größere Flächen bei weni- ständigen und Publikum an ei- stalt für Land- und Forstwirt-
spielsweise einsetzender Re-
ger Einsätzen zu bestäuben. nem Wäldchen in der Nachbar- schaft über. Drei weitere aufge-
gen den Staub vom Laub,
schaft von Staaken. Geflogen legte C 32 (Werk.-Nr. 7008 bis
• Optimale Wendigkeit mit gu- bevor die Raupen die für ihre
ter Trimmmöglichkeit, um dem Tötung erforderliche Menge
Piloten das risikoreiche Fliegen vertilgt hatten, konnte das auf TECHNISCHE DATEN
in Baumwipfelhöhe zu erleich- den Waldboden getropfte Gift
Muster Caspar C 32 »Germania«
tern. Tiere und Menschen in Gefahr
bringen. Das gleiche galt für Zweck Transozean-Langstreckenflug
Mewes entschied sich der an- nicht sorgfältig verstäubte An- Besatzung 3|
gestrebten niedrigen Flächen- teile, die verklumpten. Bauart einstieliger Doppeldecker |
belastung wegen für einen
Baujahr 1927 |
großen, gestaffelten Doppel- Deswegen wurde bei Caspar
decker mit Querruder über die vor allem daran gearbeitet, ei- Konstruktion Reinhold Mewes
ganze Unterflügel-Spannweite nen wesentlich leistungsfähige- Hersteller Caspar-Werke AG, Lübeck-Travemünde
sowie für einen großzügigen ren und wirkungsvolleren Antrieb Junkers L5 Sechszylinder-Reihenmotor
Rumpf, um einen drei Kubik- Streuapparat zu entwickeln. Startleistung 310 PS (228 kW)
meter geräumigen Streugut- Bisher musste für eine flächen- Spannweite 15,00 Meter
behälter genau im Schwer- deckende Bestreuung ein Länge über alles 9,10 Meter |
punkt unterbringen zu können. Waldstreifen mehrmals überflo-
Flügelfläche 53 qm |
Es hatte sich gezeigt, dass die gen werden. Das sollte die Neu-
Leermasse etwa 1.400 kg |
Kapazität der bisher umgebau- konstruktion mit einem einzi-
ten Flugzeuge einfach zu klein gen Überflug erreichen. Dafür Maximale Startmasse etwa 3.800 kg |
war. Ihr Fassungsvermögen musste der Streuapparat - wur- Höchste Reisegeschwindigkeit 158 km/h
von etwa 300 kg reichte in der den etwa 140 km/h als normale Flugdauer 50 Stunden
Regel gerade einmal aus, um Arbeitsgeschwindigkeit ge-

77
GERMANIA

»CASPAR C 32«

78
7010 mit den Zulassungen D-
1143 bis 1145) ließen sich an-
fänglich nicht verkaufen und
lösten damit eine weitere Krise
im abenteuerlichen Leben des
Referendars Karl Ch. M. Cas-
par (1883-1954) aus.
Dem gebürtigen Nordhessen
wurden Draufgängertum, ge-
witztes Geschäftsgebaren so-
wie ausgezeichnete Menschen-
kenntnis bei der Auswahl von
Mitarbeitern nachgesagt. Im
Anschluss an den Besuch des
Gymnasiums in Eschwege hat-
te er Jura in Marburg und Tü-
bingen studiert, um 1904 als
Einjährig-Freiwilliger der Kai-
serlichen Schutztruppe in
Deutsch-Südwest-Afrika (heute
Namibia) den Aufstand der
Hereros zu erleben.
Nach Berlin kehrte er als Kam-
mergerichts-Referendar zu-
rück, lernte bei Rumpier unter
Deutschland wurde eine spezi- bis zum 10. Oktober 1927 erfol-
dem sehr jungen Fluglehrer Überall, wo die »Germania« ell abgewandelte Version des gen. Pläne für die Atlantiküber-
Paul Lange fliegen und erwarb auftauchte, erregte der umgebaute
Junkers-Frachtflugzeugs W 33, querung mit einem dreimotori-
- pikanterweise nur vier Wo- Agrarflieger das Interesse der Öffent-
lichkeit. Es war die Zeit der Abenteurer, das der betriebssichere und im gen Rohrbach-Landflugzeug
chen nach seinem Ausbilder - mehrere Teams wollten die Ost-West- Verbrauch sparsame Junkers L vom Typ Roland von Berlin aus
die Pilotenlizenz (Nr. 77 vom 27. Überquerung des Atlantiks schaffen.
5 antrieb, für eine Ozeanüber- erwog der Luft-Hansa-Pilot Otto
März 1911). Kurz darauf stürzte
querung von Ost nach West fa- Koennecke (1892-1956). Als
er ab und verletzte sich schwer.
den Flugzeugbau auf. Sein vorisiert. Eine Interessengrup- Tischler aus der Sicht des sozi-
Wieder genesen, entwickelte er
Werk ging 1926 an die Marine pe unter dem Norddeutschen al zerklüfteten Vorkriegs-
sich zum erfolgreichen Teilneh-
über, der Firmenname erlosch Lloyd als Mäzen ließ bei den deutschland der Arbeiterklasse
mer zahlreicher Flugveranstal-
1927. In der Folgezeit ent- Junkers-Werken zwei Maschi- angehörend, hatte sich der
tungen und führte große Über-
wickelten sich aus den Fabrik- nen entsprechend herrichten. Volksschüler neunzehnjährig
landflüge aus - den letzten im
ersten Kriegsmonat 1914, als anlagen die militärische Erpro- als Zweijährig-Freiwilliger zu ei-
In Kopenhagen trainierten
Leutnant d. R. aus seiner Taube bungsstelle See. Als Karl Cas- nem Eisenbahn-Regiment ge-
Chefpilot Steinhoff mit Ernst
heraus Dover mit leichten Bom- par 71-jährig im Frankfurter meldet.
Udet als Begleiter auf Rohr-
ben bewerfend; die ersten übri- Vorort Sindlingen starb, waren
bach-Flugbooten. Der Start von Doch schon 1913 gelang es
gens, die auf das britische Mut- sein Name und seine Taten so
Hamburg aus sollte spätestens ihm, von der jungen Fliegerei
terland fielen. gut wie vergessen. Aber er war
fasziniert, als Kapitulant zum
noch Zeuge geworden vom
Fliegerbataillon nach Metz zu
Bereits 1910 betrieb Caspar in Siegeszug des Flugzeugs im
Der Kölner Flughafen Butzweilerhof, kommen. Während des Krie-
Hamburg-Fuhlsbüttel die Zen- Atlantik-Verkehr. 20. September 1927: Koennicke ist be-
ges wurde er Kampfflieger. Als
trale für Aviatik, aus der über reit zum Abflug in das heutige Ankara
Lindberghs Soloflug von New (Türkei), das er nach einem anstren- Angehöriger der Jagdstaffeln
die Hanseatischen Flugzeug- genden und 18 Stunden dauernden
York nach Paris im Mai 1927 25 und 5 schoss er insgesamt
werke Caspar die bedeutende Nachtflug erreichen sollte.
hatte eine wahre Atlantikflug- 33 Gegner ab und erhielt den
Hansa- und Brandenburgische
Euphorie ausgelöst. In Pour-Ie-Merite, die höchste
Flugzeugwerke AG in Branden-
Kriegsauszeichnung. Bereits
burg-Briest entstand. Am 16.
im letzten Kriegsjahr arbeitete
Dezember 1914 wurde er Ge-
er mit seinem Staffelfreund
schäftsführer der Flugzeug-
Fritz Rumey Pläne für einen mi-
werft Lübeck-Travemünde
litärischen Transatlantikflug ge-
GmbH auf dem Priwall, eine
gen die USA aus. Schlechtes
Gründung der Leipziger DFW
Wetter und Rumeys Tod verei-
(Deutschen Flugzeug-Werke),
telten ihn.
die er erwarb und ab April 1920
als Caspar-Werke GmbH und
schließlich ab September 1925 Anfang Januar 1919 hatte das
als Caspar-Werke AG führte. neu geschaffene Reichsluftamt
der 1917 gegründeten Deut-
Nach den verschiedenen Miss- schen Luftreederei die Geneh-
erfolgen (dazu gehörte auch migung zum Luftverkehr erteilt.
das Debakel des nachfolgend Am 5. Februar flog Leutnant
beschriebenen Atlantikflugs a.D. Koennecke eine der bei-
mit seiner C 32) gab Caspar den Maschinen beim Erstflug

79
Öltank Backbord Brennstofftank Steuerbord

NKW Kühler

Stapelplatz für Brennstoff-Kanister


Linke Rumpfbeplankung weggelassen

Brennstofftank Pilotensitz Führerraum-Abdeckung mit Windabfluss

Trimmruder

80
von Berlin zur Nationalver- vor nach Köln, seiner Ab- einen Start von Europa aus gentlich nur als eine Etappe ei-
sammlung nach Weimar. Nach- sprungbasis. Doch er verzich- westwärts nicht zu denken war. nes geplanten Weltflugs. Es
dem seine ersten beiden Atlan- tete wegen des schlechten Die beiden britischen Linienflie- sollte der letzte erfolgreiche At-
tikflugpläne gescheitert waren, Wetters auf den Start zur Oze- ger Minchin und Hamilton ver- lantikflug des Jahres 1927 wer-
fand er in Graf zu Solms-Lau- anüberquerung und bewies da- suchten es trotzdem. Vom eng- den. Begonnen hatte er am 22.
bach - einem ehemaligen Be- mit das richtige Gespür für lischen Upavon hoben sie am August in der amerikanischen
obachter der Fliegertruppe - Machbares - das planmäßig 31. August 1927 in Begleitung Autometropole. Die Stinson
den Finanzier für einen dritten angelaufene Junkers-Unter- ihrer Geldgeberin, der flugbe- »Pride of Detroit« wurde von
Versuch und in der unverkauf- nehmen misslang: Eine der W geisterten Prinzessin Loewen- dem Postflieger Brock gesteu-
ten letzten gebauten Caspar 33 musste mit Motorproblemen stein-Wertheim, ihre bis an den ert. Sie erreichte in Etappen
C 32 das geeignete Flugzeug. bereits über der Nordsee auf- Rand vollgetankte Fokker F VII den Absprunghafen Harbour
Es wurde für den neuen Ver- geben und machte bei der »St. Raphael« in die Luft und Grace auf Neufundland, starte-
wendungszweck umgebaut. Überlastlandung in Bremen verschwanden spurlos. te von dort am 27. August und
Bruch, die andere kehrte we- landete nach einem »schreckli-
Von den beiden Brennstoff-Fall- gen zu starken Gegenwindes Selbst die wegen der vorwie- chen« Flug am nächsten Tag im
tanks im oberen Flügel wurde über dem Atlantik um und lan- genden Westdrift günstigeren englischen Plymouth. Der Flug
der linke zum Öltank. Der für dete nach 23 Stunden Flugzeit Überquerungen von West nach ging weiter über London, Mün-
die Benzinzufuhr verbleibende trotz der immer noch großen Ost wurden in jener Schlecht- chen, Belgrad, Athen, Istanbul
rechte besaß ein Fassungsver- Brennstoffladung glatt wieder wetter-Periode zu Flügen des nach Bagdad. Schließlich wur-
mögen für etwa fünf Stunden in Dessau. Schreckens. Am 6. September de Indien, Burma und China
Flugzeit. Da von 50 Stunden starteten die amerikanischen überquert und die japanische
Flugdauer ausgegangen wer- Die Wettermeldungen vom At- Piloten Bertaud und Hill mit Hauptstadt Tokio erreicht - Ab-
den musste, war er ständig mit lantik blieben danach so dem Redakteur Payne auf Fok- flugziel für den 4.520-Meilen-
einer Handpumpe aus zwei schlecht, dass wochenlang an ker F VII »Old Glory« von Maine Sprung über den Pazifik nach
Messingtanks mit 0,5 m3 Inhalt aus mit dem Ziel Rom. Der Flug San Franzisko.
in der Kabine sowie vielen Ein- wurde vom Zeitungsmagnaten
zelkanistern, die in Schrankre- Hearst finanziert, der sich Wahrscheinlich war es der er-
galen oberhalb der Tanks und durch den Abwurf eines Kran- folgreiche Flug von Brock, der
vor dem Führersitz unterge- zes mitten über dem atlanti- Koennecke bewog, seine Pläne
bracht waren, nachzufüllen. Das schen Ozean zu Ehren der ver- zu ändern: Wenn Amerika west-
sollte Aufgabe des mitfliegen- schollenen französischen At- wärts nicht zu erreichen war,
den Graf zu Solms-Laubach lantikflieger Nungesser und dann eben ostwärts über Indi-
sein, der auch noch das einge- Coli Medienvorteile versprach. en und Japan. Am 20. Septem-
baute Funkgerät zu bedienen Trümmer des Flugzeuges wur- ber - nach fünf Wochen nutzlo-
hatte. Es wurde von einem aus den eine Woche später 500 sen Wartens - hob Koennecke
der rechten Rumpfwand aus- Meilen von Neufundland ent- die schwer beladene »Germa-
fahrbaren, propellergetriebe- fernt gesichtet. Einen Tag nach nia« aus dem Gras des Kölner
nen Generator gespeist. Der der »Old Glory« starteten die Flugplatzes Butzweilerhof. Ziel:
Führerraum erhielt eine Ab- beiden kanadische Piloten Das türkische Angora (heute
deckung. Medcalf und Tully von Neu- Ankara), das er mit dem Grafen
fundland. Ihre Stinson Detroiter und dem Funker Herrmann als
Als das eingebaute BMW-Trieb- verschwand am regenverhan- drittes Besatzungsmitglied
werk gegen einen 310 PS (228 genen Horizont und blieb ver- nach einem anstrengenden
kW) starken L5 ausgetauscht schollen. Nachtflug in 18 Stunden Flug-
Vorschusslorbeer: Der »Pour-Ie-Merite-
werden sollte, machte Junkers Jagdflieger« Otto Koennecke vor seiner zeit erreichte.
anfänglich Schwierigkeiten, lie- »Germania«. Die steht flugbereit auf Einzig und allein ein Pilot
ferte schließlich aber doch. dem Kölner Flugplatz; der Spornwagen schaffte es während dieser Damit war die erfolgreiche Pha-
soll den Start der schwer beladenen
Den vorgesehenen Reed-Me- Maschine erleichtern.
Zeit, den sturmgepeitschten At- se des Fluges beendet. Erst
tallpropeller holte eine C 32- lantik zu bezwingen, und das ei- drei Tage später erhielten die
Schwestermaschine (die glei-
che, die später als Museums-
stück die »Germania« vertrat)
aus Heddernheim. Schließlich
erhielt die Maschine einen eine
eventuell notwenige Suchaktio-
nen erleichternden auffälligen
gelben Anstrich und wurde auf
den Namen »Germania« ge-
tauft. Ein Erprobungsflug von
19 Stunden Dauer beendete
am 11. August 1927 das Um-
bauprogramm.

Als Koennecke erfuhr, dass der


Start der beiden Junkers-Ma-
schinen auf dem 14. August, ei-
nem Sonntag, von Dessau aus
festgelegt war, überführte er
seine »Germania« einen Tag zu-

81
Solms-Laubach auf und trat die Damit war ein weiterer Amerika-
Reise in die Heimat an (die er Flug gescheitert. Koennecke
am 12. November erreichte). kehrte zur Luft Hansa zurück
Koennecke entschied sich für und wurde nach der Enttar-
den Weiterflug. nung der Luftwaffe Ausbil-
dungsleiter in Sorau. Als
Durch Motorprobleme wurde
Oberstleutnant a. D. verstarb er
Karatschi erst am 31. Oktober
nach langer Krankheit in Bad
erreicht. Von da ging es Anfang
Aibling.
November über den indischen
Kontinent nach Allahabad. Eine
Bruchlandung zwang Koen- An den Pionierflug erinnerte
necke, in Indien zu überwin- die als »Germania« angemalte
tern. Doch im Februar brachte Caspar C 32 (Werk-Nr. 7009) in
er die »Germania« bis nach Kal- der Deutschen Luftfahrt-
Der Umbau vom Streuflugzeug D 1145 zur Langstreckenmaschine Germania: Das kutta, wo sie - erneut beschä- Sammlung in den Ausstel-
Rumpfgerüst zeigt die Raumaufteilung für den ursprünglichen landwirtschaftlichen digt - als unbrauchbares lungshallen am Berliner Lehr-
Einsatz. Der gesamte Raum hinter dem Brandschott wird von dem zylinderförmigen Wrack liegen blieb. ter Bahnhof bis zu ihrer Ausla-
Streumittelbehälter eingenommen, an dessen Unterseite sich eine kegelförmige
Fortsetzung befand, die durch das Verteilaggregat abgeschlossen wurde. Dieser
Raum diente nach dem Umbau zur Aufnahme der beiden festen Brennstofftanks
(jeweils an den Seitenwänden mit einem Mittelgang dazwischen). Er war weiterhin mit
Regalen ausgestattet, die eine Anzahl loser Brennstoffkanister aufnahmen, die der

si
Heizer in die festen Tanks entleeren musste, um aus ihnen mit einer Handpumpe
ständig den im Flügel liegenden Falltank nachzufüllen. Gleichzeitig hatte er die leeren
Kanister zu entsorgen. Im Raum dahinter waren- neben weiteren Brennstoffkanistern
i
J
- Pilot und Funker untergebracht.

Flieger die Erlaubnis zum Wei- gen Staubwolke frei, schwank-

1
terflug. Der Flugplatz des syri- te, zerriss eine Hochspan-
schen Aleppo (Haleb) als nungsleitung und schlug dann
nächstes Ziel wurde verfehlt. auf. Von der Besatzung kam
Ein bei der Außenlandung ge- nur der Graf durch herunter-
platzter Reifen und feindselige stürzende Benzinkanister zu
Beduinen schienen das Unter- Schaden.
nehmen scheitern zu lassen.
Am 27. September ging es bei Die Maschine konnte dank der
, J fSmfS i

gut ausgerüsteten britischen KM


großer Hitze dann doch weiter,
Richtung Basra - als beim Pas- Militärflugzeug-Werkstatt inner- HiPTV
•fa Ik™' iiiii Kl
sieren einer Windhose aussprit- halb weniger Tage instand ge-
zendes siedend heißes Öl den setzt werden (wobei sie ein in Für den geplanten Langstreckenflug wurde anstelle des ursprünglichen BMW IV-
der Formgebung neues Seiten- Triebwerks der leistungsstärkere Junkers L 5 mit einer starren Reed-Luftschraube ein-
Graf so verletzte, dass eine Zwi- gebaut. Weiterhin kamen ein neuer Kühler und eine veränderte Motorabdeckung mit
schenlandung in Bagdad erfor- ruder erhielt). Am 7. Oktober einer großen seitlichen Entlüftungsklappe zum Einsatz.
derlich wurde. wurde glatt nach Shaiba bei
Basra gestartet, einen Tag spä-
Bei einbrechender Dunkelheit ter von dort über den Persi-
am Abend des 29. September schen Golf nach Bender-Abbas
startete die wiederum schwer- - dem heißesten Ort der Welt.
beladene »Germania« vom Hier gab der verletzte Graf zu
durch viele offene Feuer er-
leuchteten Bagdader Flugplatz
Hinaidi. Der Start misslang we- Otto Koennecke (in Bildmitte mit
Fliegerbrille) wählte für den Start der
gen der immer noch herr- schwerbeladenen Germania einen
schenden Hitze und wurde am. Spornwagen, der sich (im Bild unten)
folgenden Morgen mit wesent- soeben vom Heck gelöst hat und aus-
rollend dem startenden Flugzeug
lich weniger Brennstoffvorrat hinterherläuft.
erneut versucht. Die »Germa-
nia« kam am Ende einer riesi-

gerung 1943. Seither ist auch


sie verschollen.

TECHNISCHE
BESCHREIBUNG:

Tragflügel; Einstielige Doppel-


decker-Bauart, stark gestaffelt,
mit N-Stielen und in einer Ebe-
ne verspannt. Zweiholmige

82
Leitwerk: Freitragende Holz- Öl, rechts für Brennstoff, mit ei-
konstruktion mit sperrholzbe- ner Handpumpe aus Behälter
plankten Flossen und stoffbe- im Rumpf nachtankbar.
spannten, aerodynamisch aus-
Anstrich: Goldgelb über alles,
geglichenen Rudern. Spezielle
bis auf die gebürstete Motorab-
Trimmflosse oberhalb des
deckung in Aluminium natur.

m.
Höhenleitwerks, vom Führer-
Schriftzug GERMANIA schwarz
sitz aus verstellbar.
in einem schwarz gerahmten
Fahrwerk: Normale Bügelkon- weißen Feld beiderseits des
struktion mit gummigefederter Rumpfes. Firmenlogo auf bei-

mj$JZkm I durchgehender Achse; Schleif- den Seiten der Motorhaube in


sporn ebenfalls gummigefe- Schwarz. Reklamebeschrif-
dert. tung KÖLN bzw. KÖLN PRES-
SA 1928 in weißen, schwarz ge-
' •

«SSI. '^% Triebwerk: Ein wassergekühlter


Sechzylinder-Reihenmotor Jun-
kers L 5 auf einem Stahlbock
mit vier Anschlussstellen am
rahmten Buchstaben auf bei-
den Seiten des Rumpfes bzw.
der Seitenflosse. Ob die Zulas-
sung D-1145 auf den Untersei-
Koennecke und sein Funker Herrmann posieren vor der fertig umgebauten Germania Brandspant und einen Tragrah- ten der Unterflügel aufgemalt
(oben), deren Heck auf dem Startwagen steht. Das brandneue Junkers L 5-Triebwerk men für den Stirnkühler, ver-
wird abgebremst. war, konnte bisher noch nicht
kleidet durch abnehmbare Alu- eindeutig geklärt werden.
Der Umbau der Caspar C 32 in Travemünde steht vor der Vollendung. Vor der noch miniumbleche. Starrer Zwei-
unbemalten Maschine unterhält sich Koennecke angeregt mit Erhard Milch, dem Vor- blatt-Reed-Propelleraus Metall.
standsmitglied der Deutschen Lufthansa AG (unten).
Zwei Falltanks in den Wurzeln
der oberen Tragflügel, links für

Das Schicksal der »Germania


Mit Datum vom 13. Februar sul für Britisch-Indien - von
1928 war im Reichsverkehrsmi- Plessen - die Demontage der
nisterium (RVM) in Berlin ein Maschine und ihre Verpackung
Telegramm aus Indien einge- in Seekisten. In sechs dieser
troffen: »Koennecke und Herr- Kisten untergebracht, stach die
mann heute Nacht bei Kalkutta Germania am 8. August 1928
gelandet. Stop. 4000 Mark Bei- mit dem Dampfer Stolzenfels
hilfe aufgebraucht. Stop. Sind Richtung Hamburg in See.
mittellos. Stop«. Im RVM zeigte
Damit verliert sich jede weitere
sich der Leiter der Abteilung
Spur.
Holzbauweise mit kräftigen Rumpf: Komplett sperrholzbe- Luftfahrt, Dr. Ernst Branden-
Kastenholmen und leichten plankte Spant-Rahmen-Kon- burg, sehr verärgert, da die Bei-
Rippen bis auf Rippenkästen struktion mit integrierter Seiten- hilfe den Rückflug hätte finan-
an Wurzel und im Stielbereich. flosse. Kabine im Schwer- zieren helfen sollen. Um die Ma-
Nase und Unterseite bis zum punktbereich. Abgedeckter schine wieder in einen
hinteren Holm sperrholzbe- Führerraum für den oben links flugfähigen Zustand zu bekom-
QUELLENANGABEN
plankt, sonst stoffbespannt. Mit sitzenden Piloten und dem Fun- men, mussten aus dem pakis-
Stoff bespannte Querruder aus ker unten rechts. Sitz und tanischen Lahore Ersatzteile Fischer-Poturzyn: Junkers Welt-
besorgt werden. luftfahrt, 1933 • Kenneth McDo-
Holz über die gesamten Hinter- Pumpstation für das dritte Be- nough: Atlantic Wings 1919-
kanten der unteren Flügel. satzungsmitglied in der Kabine. 1939, Hemel Hempstead, 1966 •
Daraufhin entschloss sich der
G. F. Graf zu Solms-Laubach: Asi-
Eigentümer der Germania - enflug und Heimkehr, Laubach
Das wegen schlechter Werkstattarbeit in Bagdad zu Bruch gegangene Seitenleitwerk Graf zu Solms-Laubach -, dass
wurde in der britischen Militärflug-Werkstatt auf dem Flughafen Hinaidi komplett neu (Oberhessen), 1928 •
gefertigt. Dabei erhielt es ein anderes Aussehen. Links die ursprüngliche Form, das Flugzeug direkt in Kal- Schenck/Caspari: E-Stellen Tra-
rechts die vereinfachte neue Formgebung mit vergrößerter Rudertiefe. kutta für 22.000 Mark verkauft vemünde und Tarnewitz, Bd. 2,
werden sollte. Ein entsprechen- Steinebach-Wörthsee • Bodo
der Funkspruch erreichte Dirschauer: Lübecker Luftfahrt-
geschichte, 1995 • P. Supf: Das
Koennecke am 20. Februar. Buch der deutschen Flugge-
Daraufhin traten er und Herr- schichte, Bd. 1 und 2, Berlin,
mann am 25. Februar die Heim- 1935 • Der Atlantikflug der Bre-
reise mit dem Dampfer Raben- men, Dokumentation zum 50.
fels an. Jahrestag der ersten Ost-West-
Überquerung des Atlantik, Bre-
Zwei Monate später, am 25. men, 1978 • Flugsport 7, 17 und,
April, bekundete die Air Survey 18/1927 • Illustrierte Flugwoche
13/14 1927 • Luftfahrt 6/1927 •
ihre Absicht, die Maschine zu Luftwacht 1927 • Scale 1 • Flug-
erwerben. Als der Kauf nicht zu- Revue 9/1997, 8/2001 • Diverse
stande kam, veranlasste am 21. Tageszeitungsberichte.
Juni der deutsche Generalkon-

83
Historische deutsche Flugzeuge bis 1945

Mit ihrem »Vampyr«


hatten die Hannoveraner
schon 1921 den Weg zum
Leistungssegelflugzeug auf-
gezeigt. Mit der aerodyna-
misch perfektionierten
Weiterentwicklung »Greif«
wollten sie an der Spitze
bleiben!
Was auch heute noch Besu-
cher im gleißenden Sandmeer
der Wüste Gobi in Schauder
versetzen kann, sind die häufi-
gen fossilen Überreste des Pro-
toceratops. Diese bleichenden
Knochen einer Sauriergattung
mit Papageienschnabel und
dem großen Nackenschild, der
so sehr an Flügelansätze erin-
nert, war - da oft auch noch
stehend im Sandsturm gestor-
ben - der Schrecken der Sky- Adlerkopf, dolchartigen Kral- Griechen, die mit den Skythen
then. Für jenes Nomadenvolk len, Löwenkörper und Schwin- Handel trieben, trugen den My-
des vorchristlichen Jahrhun- gen. Es bewachte das Gold der thos gegen Westen. Aber je
DER derts blieb das Tier ein mehr Berge: der Vogel Greif. weiter er sich von seinem Ur-
ELEGANTE als die Unwirtlichkeit der Wüste
VOGEL zu fürchtendes Ungetüm mit

GREIF
sprung entfernte, wurde der
Greif zu dem altorientalischen
Fabeltier, das schließlich die
Heiligkeit erlangte, um in der
griechischen Göttersage Be-
gleiter des Apollo zu werden.
Die Heraldik letztlich verwan-

Ganz oben der fast fertiggestellte


»Greif« auf dem Gelände der Hannover-
schen Waggonfabrik (HAWA).

Bei den Flugaufnahmen erkennt man


das dem Raubvogel entliehene Flugbild
dieses Segelfliegers. Links der »Greif«
beim Abflug vom Pelzner-Hang.
Richtung Westen gleitet er am soge-
nannten »Aufwind-Baum« vorbei, dem
Zeugen großer Pionierleistungen
auf der Wasserkuppe.

84
delte den Schatzwächter in ein le Register seines Wissens und
Sinnbild der Weisheit und Auf- seiner beruflichen Erfahrung.
merksamkeit. Dieser Aspekt Prof. Dr. Wilhelm Hoff -
wiederum wird 1922 zwei han- während des Ersten Weltkriegs
noveranische Studenten bewo- Leiter der Flugzeugabteilung
gen haben, ihre innovative der DVL (Deutsche Versuchs-
neue Schöpfung eines Seglers anstalt für Luftfahrt) und ab
schlicht und erhaben Greif zu 1921 deren Gesamtleiter -
nennen. bricht in einem gleich im An-
schluss an den Rhön-Wettbe-
Aufmerksamkeit erfahren hat- werb 1921 verfassten Bericht
ten indes die Studenten der der WGL (Wissenschaftliche
Flugwissenschaftlichen Verei- Gesellschaft für Luftfahrt) den
nigung an der Universität Aa- Schöpfern eine Lanze:
chen unter ihrem Ordinarius
Theodore von Karman. Die von
seinem Assistenten Wolfgang
Klemperer geschaffenen Kon-
struktionen Schwarzer Teufel
sowie die verbesserte Blaue Die Hannoveraner hatten für ihren
»Greif« einen Transportwagen ent-
Maus brillierten bei den ersten wickelt und in die Rhön mitgebracht,
Rhön-Wettbewerben 1920 und der sich als sehr praktisch erwies.
1921. Die freitragenden Tief-
decker mit dem dicken Flügel- Mit der Startnummer 68 nahm der
..Greif« am Rhön-Wettbwerb 1923 teil.
profil waren allen nach her- Deutlich ist das abgewandelte Höhen-
kömmlichen Konstruktionsprin- leitwerk zu erkennen: Das Höhenruder
zipien gestalteten Konkur- ist weiter nach hinten verlegt, um den
Momentenarm zu vergrößern. Zur
renten überlegen. Dämpfung gibt es jetzt auch eine
Höhenflosse.
Das änderte sich am drittletz-
ten Tag des Wettbewerbs 1921.
Die Studenten der Technischen »... haben mit Sorgfalt einen
Hochschule Hannover erschie- Flügelquerschnitt ausgewählt,
nen mit ihrem Vampyr, einem welcher einen für die Sinkge-
Schulterdecker, der ebenfalls schwindigkeit äußerst günsti-
ein dickes Profil besaß. Aber es gen Wert zeigte. Die Flügel
war nicht nur der ungewohnte sind in vorbildlich fachkundi-
Glanz des in großen Mengen ger Weise nicht nur steif, son-
sauber verarbeiteten Sperrhol- dern auch fest gebaut, denn
zes in beeindruckend impräg- sie sind so ausgebildet, dass
nierter Maserung, der das Un- ein Hauptholm, welcher durch
gewöhnliche dieser Konstruk- Vereinigung mit der Stirnkante
tion ausmachte, sondern seine drehungssteif, die Rippen
Gesamterscheinung. Alle Be- trägt.«
teiligten mit vorausschauen- Hoff erwähnt noch die bis da-
dem Blick spürten: Das Su- hin ungewöhnliche Robustheit
chen und Experimentieren hat der Konstruktion im Verlauf ei-
ein Ende - hier präsentiert sich nes Unfalls. In der Tat ent- Filigrane Leichtbau-Festigkeit: Das Flügelgerippe des »Greif« vor dem Beplanken.
erstmals die fundamentale Li- sprang Madelungs Entschluss Oben das Mittelteil, das anschließend organisch mit der Rumpfstruktur verbun-
nie für das Segelflugzeug der für ein dickes Profil seiner Ar- den wurde. Unten ist eine Außenflügelhälfte zu sehen. Deutlich ist der Bereich zwi-
Zukunft. Und so war es dann beit bei Junkers in Dessau, und schen Holm und Nasenleiste zu erkennen, der durch das Beplanken mit Sperrholz
zur torsionssteifen Röhre wird.
auch. für die erstmals ausgeführte
Idee eines einholmigen Flügels
Die Idee dazu hatte Prof. Dr. Ar-
holte er sich Anregungen aus
thur Pröll (1876-1957), Inhaber
einertechnischen Abhandlung,
des Lehrstuhls für Flugtechnik
deren Veröffentlichung bereits
an der Technischen Universität
25 Jahre zurücklag.
Hannover. Um sie ausarbeiten
zu lassen, erläuterte er seine Für die konstruktive Ausarbei-
Grundgedanken seinem Assis- tung griff Madelung auf Studie-
tenten, dem späteren Professor rende der Hochschule zurück,
Dipl. Ing. Georg Madelung zuerst auf den ehemaligen Füh-
(1889-1972). Und dieser zog al- rer einer Jagdstaffel und Pour-
le-Merite-Träger Walter Blume
(1896-1964), der für das Flü-
gelmittelstück verantwortlich
zeichnete, und Arthur Martens
- einer der nachfolgenden Vä-
DOKUMENTE ter des Greif -, in dessen Ver-

85
86
antwortungsbereich der Rumpf Bei der Konzeption der Hanno-
gelegt wurde. Blume konnte ver H1 Vampyr war ein Modell
schließlich noch seinen Staffel- in einem Zehntel der Größe
flieger Fritz Hentzen - der zwei- durch die Göttinger Modellver-
te der Greif-Väter - für die suchsanstalt für Aerodynamik
Außenflügel gewinnen. Die an- (MVA), die kurze Zeit später in
gehenden Diplomingenieure Aerodynamische Versuchsan-
wurden durch den Direktor der stalt Göttingen (AVA) umbe-
Hannoverschen Waggonfabrik nannt wurde, untersucht wor-
AG (HAWA), Dipl. Ing. Hermann den. Und zwar fanden die Mes-
Dorner (1882-1963), der be- sungen an einem Modell mit
reits seit der Vorkriegszeit Flug- dem schließlich aus Kosten-
zeuge entworfen hatte, fach- gründen ausgeführten eckigen
kundig unterstützt. Die im Flug- Rumpf statt, aber auch an einer
zeugbau erfahrenen Hand- Version mit ovalem Rumpfquer-
werker der HAWA bauten den schnitt, die natürlich wesentlich
Vampyr ebenso sachkundig
wie kurze Zeit später auch den
Greif.
konstruierte er in Folge eine
Während des Rhön-Wettbe- ganze Reihe erfolgreicher
werbs konnte der Vampyr nur Segelflugzeugmuster. Fritz Papenmayer (oben)
noch drei Wertungsflüge absol- war ein jüngeres Mitglied
vieren, darunter den Einflug am Ab Winter 1925/26 nahm er eine der Akaflieg Hannover,
23. August 1921, der Martens Stellung als Leiter der Metall- das den »Greif« flog. Er
wurde ein bekannter Leis-
nach einem Gummiseilstart propeller-Abteilung der Hed- tungsflieger und konstru-
aus der Nähe des Berggast- dernheimer Kupferwerke ierte später für den Flug-
hofs in geradem Flug bis ins (Frankfurt am Main) an, die er zeugbau Kiel deren einzi-
ges Eigenprodukt, den
Obemhausener Tal brachte. bis zu seinem tragischen Tod in- Sporteinsitzer »Fk 166«
Doch die Hannoveraner blie- ne hatte. Am 16. November als freitragenden
ben auf der Wasserkuppe. Am 1937 stieß ein Verkehrsflugzeug Doppeldecker.
5. September flog Martens 7,5 der belgischen Luftverkehrsge- Bild rechts: Arthur
Kilometer weit bis Batten bei sellschaft beim Schlechtwet- Martens (links) und Fritz
Hilders, das nur 500 Meter tie- teranflug auf Ostende gegen ei- Hentzen mit ihrer Diplom-
Arbeit: Das für die sehr
fer lag. Er war 35 Minuten und nen Schornstein und zerbarst. frühe Zeit formschöne
40 Sekunden in der Luft geblie- Alle Insassen fanden den Tod. Segelflugzeug »Greif«.
ben. Das Konzept schien zu Arthur Martens war unter ihnen.
stimmen. Er kam als Gast des Erb-
großherzogs von Hessen und
Doch das Ziel wurde höher ge- seiner Familie von einer Hoch- konstruierte anschließend mit bessere Werte erbrachten. Die-
steckt. Martens und Hentzen zeit aus London. Blume zusammen Leichtmo- sen runden Rumpf wählten
fassten den Entschluss, als Di- torflugzeuge, bevor er 1934 - Martens und Hentzen für ihre
plom-Arbeit gemeinsam eine Fritz Heinrich Hentzen (1897- Neukonstruktion, die die Kon-
nach einem Intermezzo bei
auf der geschaffenen Grundla- 1978) hatte im Dezember 1918 struktionsbezeichnung Hanno-
Fokker - als Fertigungsdirek-
ge basierende avantgardisti- an der Technischen Hoch- ver H2 und den Namen Greif er-
tor zu den Bayerischen Flug-
sche Neukonstruktion zu ent- schule immatrikuliert, um hielt.
zeugwerken (BFW) ging.
wickeln. Beide waren zu die- Groß- und Dieselmotore zu stu-
Während der Kriegszeit wurde
sem Zeitpunkt 24 Jahre alt und dieren. Im Gegensatz zu Mar- Aber sie wählten den Rumpf
er Leiter des Fertigungsrings
ausgebildete Militärpiloten. Ar- tens fand er den Segelflug nur nicht so, wie er vermessen wor-
für den Serienbau bei den
thur Martens (1897-1937), vorübergehend interessant. Er den war, nämlich mit einem
Messerschmitt-Werken. Nach
Sohn eines Landwirt aus dem dem Krieg übernahm er in sich verjüngenden kleinen Auf-
Kreis Fallingbostel, blieb auch Das kantige Seitenleitwerk, vom Messerschmitts Auftrag Auf- satz hinter dem Kopf des Pilo-
nach seinem Studium dem Se- »Vampyr« übernommen, war für Form-
gaben für Indien und in Ägyp- ten, der den Flügel trug. Spezi-
ästheten gewöhnungsbedürftig.
gelflug verbunden. Er errang ten. ell dieser Hals wurde kurze Zeit
internationale Erfolge, so auf später ein erfolgreiches Merk-
der 4. Rhön den Streckenre- mal der Darmstädter Konkur-
kord mit 12 Kilometern. 1924 renz (TH Darmstadt) bei ihrer
machte er im italienischen so genannten »Darmstädter
Asiago den ersten Alpen-Se- Schule«. Martens und Hentzen
gelflug durch einen 21,2-km- strebten Stirnwiderstandsver-
Flug vom Monte Mazze nach minderung um jeden Preis an.
Deville. 1925 war er erfolgrei- Der Rumpfquerschnitt wurde
cher Teilnehmer des Krim- körperangegossen knapp be-
Wettbewerbs. Auf der Wasser- messen. Nur der Kopf sollte
kuppe gründete er die Mar- herausragen, für den ein Aus-
tens-Segelfliegerschule, die schnitt in der Mittelflügel-Nase
nach einjährigem Bestehen an vorgesehen wurde. Ansonsten
die Rhön-Rossitten-Gesell- war der Aufbau dem des Vam-
schaft überging. Überdies pyr angeglichen.

87
Rohr (ür die Flügelverwindung

Sperrholz-Beplankung

—] Schnitt B-B x2

Schnitt C-C x2

Schnitt D-D x2

Alu-Verkleldung als Randschutz

»GREIFfi

I S - •*:• .-.'. ••" ••- •:

Schriftzug:
weiss auf
Sperrholz natur
x5

88
Ebenfalls war ein ähnliches
Profil gewählt worden, das als
Hauptunterschied allerdings
eine wesentlich geringere Wöl-
bung an der Unterseite auf-
wies. Da die Flüge 1921 ge-
zeigt hatten, dass die Querru-
der des Vampyr zu geringe
Wirkung zeigten, war der Flü-
gel mit einer komplizierten und
aufwendigen Kinematik für ei-
ne Flügelverwindung umge-
baut worden. Für den Greif war
von vorn herein Flügelverwin-
dung vorgesehen - für die ei-
ne einfache, elegante Lösung
durch ein Durairohr gefunden
und Greif wechselseitig. Aber
Zugspitz-Wettbewerb 1925 - das Ende selbst für solche Segler schien
des »Greif«: Am 2. Februar startet er
der Preis von 100.000 Mark,
vom Kochelberg und zerschellt bei der
Landung in Garmisch (links). Damals den deutsche Flugzeugindus-
wie heute: Fotografieren verboten! Im trielle im Frühjahr des Jahres
Bild oben der »Greif« am 31. Januar: für einen motorlosen Flug aus-
Per Ochse geht es zum Startplatz.
geschrieben hatten, noch nicht
Arthur Martens im »Greif« (unten). erreichbar. Er sollte 40 Minuten
Obwohl groß von Gestalt, verschwindet zwischen zwei 150 Meter von-
er bis auf den Kopf vollkommen im
knapp bemessenen Rumpf. einander entfernten Punkten
dauern und von einem an-
schließenden fünf Kilometer
sein würden, um alle kleinen weiten Gleitflug abgeschlossen
Mängel zu eliminieren. Doch ei- werden.
nes konnte bereits gesagt wer-
den: Der Greif segelt vorzüglich Martens versucht es. Am 18.
im Hangaufwind! August startet er trotz des zwi-
worden war. Das neue Muster Ausweis. Eine Viertelstunde schen 6 und 8 m/s schwanken-
wurde ebenfalls bei der HAWA später hob Martens mit dem Seine Eindrücke über diese den Windes. Er kann über eine
gebaut, denn nur deren ge- Greif, gezogen von je drei ersten kurzen Flüge schildert Stunde in der Luft bleiben, um
schulte Facharbeiter konnten Mann an den beiden Enden Hans Rolshoven, ein fachinter- 9.500 Meter entfernt zu landen.
ein derartig filigranes und des Startseils und mit Hilfe von essierter Zuschauer, der mit Am nächsten Tag schafft Hent-
trotzdem stabiles Gebilde zwei weiteren Helfern an den dem Fahrrad von Wiesbaden zen sogar zwei Stunden.
schaffen. Wog der Vampyr leer Flügelenden, zum Jungfern- auf die Wasserkuppe geradelt Während am 24. August 1922
noch 120 kg, brachte der Greif flug ab, der 87 Sekunden dau- war: »Martens startet auf Greif, Hentzen mit dem Vampyr eine
nun lediglich 80 kg Masse auf erte und 830 Meter Weite er kommt wundervoll hoch, Schleife nach der anderen zum
die Waage. brachte. Damit waren die Be- und segelt stark steigend im Dreistundenflug dreht, ver-
dingungen der Flugzeugprü- Hangwind nach Westen, beim sucht Martens, es ihm mit dem
Zum 3. Rhön-Wettbewerb wur- fung erfüllt. Wenden jedoch verliert er sehr
den Greif und Vampyr in Be- Greif gleich zu tun. Doch be-
viel an Höhe und landet glatt reits nach stark 26 Minuten
gleitung ihrer Konstrukteure Da sich die Maschine als kopf- auf der Eube«. Diese Begeiste-
mit der Eisenbahn in die Rhön lastig herausgestellt hatte, wur- muss er wieder landen. Es ist
rung ist aus heutiger Sicht ganz offensichtlich: Der jünge-
befördert. Am 16. August 1922 den im Heck Bleiplatten instal- kaum noch nachvollziehbar,
standen die beiden Konstruk- liert. Damit ging Martens am re und modernere Greif ist dem
aber damals war es eine abso- Vampyr unterlegen. Aber war-
tionen aus Hannover flugklar Spätnachmittag erneut an den lute Sensation, ein motorloses
am Hang. Hentzen startete als Start. Er konnte sich 9 Minuten um?
Flugzeug sich über die Höhe
erster auf dem Vampyr. Er und 40 Sekunden in der Luft des Startpunkts erheben zu se-
blieb 101 Sekunden in der halten. Es stellte sich auch bei Wieder wird die AVA in Göttin-
hen. gen bemüht. Sie vermisst ein
Luft, kam 990 Meter weit und dieser so sehr durchdachten
erfüllte damit die Bedingun- Neukonstruktion heraus, dass Hentzen und Martens flogen an Modell des Greif ebenfalls im
gen für seinen Segelflieger- noch viele Probeflüge nötig den folgenden Tagen Vampyr Maßstab 1:10. Und siehe da -
der Flügelausschnitt ist der
Übeltäter. Weil Aussparungen
in den Tragflächen nicht selten
die Sichtverhältnisse der Insas-
sen entscheidend verbessern
konnten, waren sie auf ihre
schädlichen Einflüsse hin un-
tersucht worden. Dabei hatte
sich herausgestellt, dass Aus-
schnitte an der Hinterkante le-
diglich einen kleinen erhöhten

89
QUELLENANGABEN berg, um ins Tal zu gleiten. Bei TECHNISCHE DATEN
der Landung in Garmisch zer-
Rotta: Die Aerodynamische Ver- schellte sie an einem Hinder- Muster Hannover H2 »Greif«
suchsanstalt in Göttingen, ein nis. Eine Stiftung ermöglichte Baujahr 1921/1922
Werk Ludwig Prandtls; Göttin- jedoch den Bau einer neuen Konstruktion A. Martens, F.H. Hentzen, Akaflieg Hannover
gen, 1930. • Riedel: Start in Hersteller HAWA,Hannover
den Wind; Stuttgart, 1986. • Maschine noch vor dem Wett-
bewerb in Rossitten. So erhob Besatzung 1
v. Langsdorff: Das Segelflug-
zeug; München, 1923. • Ver- sich praktisch aus den Trüm- Bauart freitragender Schulterdecker
schiedene Zeitschriften der Jahr- Spannweite 11,60 m
mern des Greif stolz die Han-
gänge 1922 bis 1925: »Flugs- Länge über alles 5,32 m
nover H8 Phönix.
port«, »Umschau«. • WGL Rumpflänge 4,75 m
Berichte 1922. • »Der Spiegel« Höhe über alles 1,85 m
37/2000. • Tagebuch Halls Rols- TECHNISCHE BESCHREIBUNG Flügelfläche 16 qm
hoven, Wiesbaden; Mskpt. • Di- Streckung 8,4
verse zeitgenössische Tageszei- Tragflügel: Dreiteilig; Mittel- Leermasse 80 kg
tungs-Berichte. stück rechteckig, Außenteile Max. Startmasse 176 kg
trapezförmig bei 0 Grad Pfei- Flachenbelastung 11 kg/qm
Profilwiderstand erzeugten. lung (Wurzeltiefe 1,80, Endtie- Beste Gleitzahl 16
Bei Ausschnitten in der Vorder- fe 0,95 Meter). Das komplett Geringstes Sinken 0,8 m/s
kante jedoch reißt die Strö- mit Sperrholz beplankte Mittel-
mung im Mittelstück vorzeitig teil besitzt einen Hauptholm in
ab und bewirkt einen enormen etwa 1/3 der Tiefe und einen um-Rohr aufgenommen, das den ein Ausschnitt in der Flü-
zusätzlichen Hilfsholm dahin- parallel zum Holm verläuft, am gelnase vorgesehen ist.
Anstieg des induzierten Wider-
ter. Es ist mit dem Rumpf ver- Holmende fest mit diesem ver- Rumpfmasse 46 kg.
stands.
bunden, und zwar durch eine bunden ist und durch Drehen
Der Greif wurde trotzdem geflo- die Verwindung bewirkt. Leitwerk: Holzkonstruktion mit
organische Vereinigung mit
gen, wenn er auch leistungs- Stoffbespannung. Höhenleit-
den Rumpfspanten sowie zu-
mässig nie hervortrat. Für die Die Außenflügel werden an werk ungedämpft, aber entlas-
sätzlich durch Stahlbänder,
Rhön 1923 meldete ihn die drei Punkten (Ober- und Unter- tet. Fläche 1,8 qm. Über Steu-
die von den Holmen ausge-
Flugwissenschaftliche Gruppe gurt des Hauptholms sowie erknüppel durch Stoßstange
hend strahlenförmig in die
an derTH Hannover. Ertrug die Nasenholm) über Beschläge betätigt. Seitenruder (0,5 qm)
Rumpfhaut gehen.
Nummer 68 und besaß ein mo- mit dem Mittelflügel verbun- durch Flosse (0,6 qm) ge-
difiziertes Höhenleitwerk, des- Der Hauptholm ist als Gitter- den, die selbstsichernde Fe- dämpft, über Seile betätigt.
sen Ruder zur Vergrößerung träger mit Sperrholzsteg aus- derbolzen besitzen. Sie gestat- Masse des Leitwerks 6,4 kg.
des Momentenarms weiter gebildet. Er besitzt verstärkte ten eine schnelle Montage. Die
Fahrwerk: Zwei Rollbälle aus
nach hinten gelegt und mit ei- Druckgurte für die Beanspru- Schnellverbindung der Quer-
Leder, in einer Achse hinterein-
ner Dämpfungsfläche verse- chung beim Landen. Die steuer-Rohre erfolgt durch ei-
ander im Rumpfboden.
hen worden war. Für den Rhön- Sperrholzrippen haben aufge- ne Klauen-Kupplung, die sich
Wettbewerb 1924 war das Flug- leimte Stäbe. Der Wurzelbe- ebenfalls selbst sichert. Die Lackierung: Bespannstoff
wissenschaftliche Forschungs- reich der Außenflügelteile ist gesamte Tragfläche wiegt nur weiß, zelloniert bis auf die Flü-
institut der TH Hannover der bis etwas über Halbspannwei- 34 kg. gelenden. Sperrholzbeplan-
Anmelder. Unter der Melde- te durch Sperrholzbepankung kung mit Klarlack imprägniert.
nummer 15 nahm erteil. vom Nasenholm bis zum Rumpf: Elliptischer Quer- Beschriftung - »Greif« am
Hauptholm als torsionsfeste schnitt. Aufbau aus Spanten Rumpfbug und (klein) »Hanno-
Das Ende des Greif kam kurz Röhre ausgebildet. Für den und vier Gurten, komplett mit ver« am Heck - in weiß.
danach. Neben anderen Grup- Rest bis zu den Flügelspitzen Sperrholzbeplankung, die fast
pen waren auch die Hanno- wurde bewusst Verdrehfähig- alle Kräfte aufnimmt. Rumpf-
veraner eingeladen worden, keit angestrebt, um durch de- breite 0,55 Meter mit kleinst-
sich ab den letzten Januar-Ta- ren Verwinden eine Steuerung möglichem Querschnitt, um Eine weitere Ansicht des fast fertigge-
stellten Greif im Hof der Hannover-
gen 1925 am Zugspitz-Wettbe- um die Längsachse zu ermög- den Körper des Piloten voll- schen Waggonfabrik zeigt die elegante
werb zu beteiligen. Dabei star- lichen. Die Torsionskräfte wer- ständig aufnehmen zu können Form dieser frühen Konstruktion.
tete die Maschine vom Kochel- den hier durch ein Duralumini- mit Ausnahme des Kopfes, für

90
nur noch bis zu einem vorderen bange um Sie. Machen Sie sich
Hilfsholm - alles andere des keine Sorgen, hatte er lachend
von der Auslegung her einhol- geantwortet, der Vogel ist fest
migen Flügels war mit Stoff be- genug. Dabei hingen die Flügel
spannt. Trotz 15 Meter Spann- im Stand wirklich sichtbar nach
weite und 15 qm Flügelfläche unten, und beim Start bogen
konnte so die Leermasse auf sie sich deutlich nach oben.
niedrige 60 kg gehalten werden Aber, dachte ich, Gustav Koch,
alter Kriegsflieger und kurz vor
der Diplom-Prüfung stehend,
wird das wohl wissen. Wie
konnte ich, erst Neunzehn, an

Phönix aus der Festigkeit einer Konstrukti-


on zweifeln, deren Entwicklung

der Asche Prof. Pröll überwacht und die


HAWA gebaut hatte. Fünf Minu-
ten später verklemmte sich der
FSing des Startseils am Startha-
ken des Pelikan. Mit pfeifender
Einige Monate, bevor der Greif Fahrt wurde die Nase des hell-
in Garmisch-Partenkirchen an blau lackierten Vogels auf die
einer Bretterwand zerschellte, Hangkante zu herabgezogen.
hatten die Akaflieger aus Han- Koch muste energisch Höhen-
nover bereits ihr jüngstes Lei- gewählt worden: Dreigeteilt, mit Ausgangsmuster für den Phönix war steuer gegeben haben - jeden-
stungssegelflugzeug verloren, rechteckigem Mittelstück und der Hannover H 6 Pelikan. Die beiden falls riss sich das Startseil plötz-
zwei trapezförmigen Außentei- Ansichten oben mit der Meldenummer
die H 6 Pelikan. Das Muster be- 17 für den Rhön-Wettbewerb 1924 zei- lich los, die Nase schnellte
saß einen ähnlich geformten len, die diesmal normale Quer- gen deutlich die infolge der leichten nach oben, und mit kurzem
Sperrholzrumpf wie der Greif rudertrugen. Allerdings war die Struktur im Stand herabhängenden Bersten brach der rechte Flü-
Streckung wesentlich größer Flügelaußenteile; beim Start bogen
mit zwei gleichen, hintereinan- sie sich entsprechend nach oben. gel. Der Torso schlug schräg
der liegenden Rollbällen. Es gewählt worden. Aber während auf die Grasfläche des Süd-
war dadurch sofort als eine beim l/ampyrdurch den seiner- hangs. Wie ein Wunder befreite
Konstruktion der Hannoveraner zeitigen Dipl. Ing. Georg Made- - das war nur die Hälfte der sich Koch ohne ernste Verlet-
zu identifizieren, wenngleich es lung der einholmige Flügel mit vom Vampyr. zungen aus den Trümmern.Ich
durch das schmale, unge- verdrehsteifer Sperrholznase habe ihn nicht mehr an unsere
An den ersten Tagen des Rhön-
dämpfte Seitenruder wesent- (den Prof. Arthur Pröll bereits kurze Unterhaltung erinnern
wettbewerbs 1924 machte Pilot
lich modernerwirkte. 1919 in seinem Lehrbuch »Flug- wollen«.
Koch mit dem Pelikan einige er-
technik« propagiert hatte) ver-
Der Hauptunterschied jedoch folgreiche Starts und erreichte Noch im Februar 1925 wurde
wirklicht werden konnte, sollte
lag im Flügel. Für ihn war wie- Streckenlängen bis 1.750 Me- die H 8 Phönix auf die Helling
beim Pelikan noch weiter ge-
der die Planform des Vampyr ter. Aber am 16. August 1924, gelegt, ein verstärkter Pelikan
gangen werden. Pröll hatte,
einem wolkigen Tag mit 7 m/s mit den gleichen Abmessun-
wahrscheinlich den neuartigen
Wind, passierte das, was Peter gen, konstruiert von Siegfried
Metallflugzeugbau vor Augen,
Riedel ahnte und als Augen- Günter (der Pelikan stammt von
Als der Hannover H 2 Greif am 2. Feb- vorgeschlagen, auch die ent-
ruar 1925 bei seiner letzten Landung an zeuge so erlebte: »Herrn Koch, dessen Bruder Günter). Bei sei-
sprechend behandelte Stoffbe-
einer Bretterwand zerschellte, war das hatte ich auf dem Weg zum nem ersten Flug ging der Phö-
die Geburtsstunde seines Nachfolge- spannung rechnerisch zur Auf-
Start gesagt, wenn ihre Flächen nix am 8. Mai 1925 unter Pilot
musters Hannover H 8 Phönix, von dem nahme der Torsionsbeanspru-
sich bereits am 6. März 1925 das rohe so runterhängen, mit den Ar- Fritz Papenmeyer in Rossitten
chung heranzuziehen.
Rumpfgerüst und wenig später der be- men gleichzeitig eine entspre- an einer Bodenerhebung rest-
plankte Rumpf auf der Helling chend traurige Bewegung ma-
befand.
Gesagt, getan: Die Flügelbe- los zu Bruch.
plankung reichte beim Pelikan chend, dann wird mir immer

91
Historische deutsche Flugzeuge bis 1945

SB - Selbstbedienung:
Ein Schlagwort unserer
Zeit. Doch schon vor
75 Jahren hatte ein
junger Ingenieur eine
utopische Vision:
Er wollte Flugzeuge
bauen und reparieren
mit Teilen aus dem
Selbstbedienungs-
Regal!

lernt. Nach der Soldatenzeit


studierte er ab 1919 einige Se-
Ganzstahl-Kleinflugzeug mester am Polytechnikum in
Friedberg, um sich dann aus-

Teil 1 Gerner-Adler schließlich fliegerisch zu betäti-


gen, und zwar gleichermaßen
als Motor- und Segelflieger:
1921 beim Grenzschutz in
Der schwierige Weg
zum Volksflugzeug-Konzept Gerner G-l Oberschlesien, ab 1922 bei der
DLV-Ortsgruppe Frankfurt. Er
wurde Flugzeugführer bei
Raab-Katzenstein, Fluglehrer
»Warten, warten«, war um furt am Main befand, mit dem Besatzungsmitgliedern befand bei der Südwestdeutschen
22.45 Uhr die letzte Antwort sie Funkkontakt hatte. Die sich Erich Wiegmeyer, der Ver- Luftverkehrs-AG, bei der DLV-
aus der Ju 52/3m D-w vom Trümmer der aus bis heute un- suchspilot des Instituts. Ortsgruppe Wetzlar und bei
Flugfunk-Forschungs-Institut geklärter Ursache abgestürz- der Südwestdeutschen Sport-
Oberpfaffenhofen an jenem 4. ten Maschine lagen auf einem Am 12. März 1899 in Hungen fliegervereinigung Gießen -
November 1937, als sie sich in mit Wintersaat bestellten, nahe Gießen geboren, war und zwischendurch Leiter der
900 Metern über Null von Ham- schwachhangigen Acker in der Wiegmeyer als 18-jähriger Un- Segelfliegerschule Hirzenhain.
burg aus nach einer Zwischen- Nähe des Dorfes Balhorn, tersekundaner zum Militär-
landung in Hannover auf dem knapp 20 km südwestlich von dienst einberufen worden und Zum Segelflug war er über die
Weg zum Zielflughafen Frank- Kassel. Unter den sechs toten hatte dort 1918 das Fliegen er- Rhön gekommen und gehörte

92
auf den Rücken rollen und
bruchlanden ließ.
Wiegmeyer blieb unverletzt,
wie bei allen Brüchen vorher.
Und dazu gehört jener endgül-
tige mit der frühen Konstrukti-
on von Max Gerner, der G-/!
Max Gerner (1900-1977) war
ein Wahl-Frankfurter, der sich in
der zweiten Hälfte der zwanzi-
ger Jahre in den Kopf gesetzt
hatte, ein wirtschaftliches Flug-
zeug für jedermann auf den
Markt zu bringen. Als er seine
G-l schließlich frisch aus der
Werkstatt dem Publikum auf der

beim Rhön-Wettbewerb 1934


Die Gerner G-l fertig zum Einflug im
als Angehöriger der DFS (Deut- Schnee des Frankfurter Flughafens
sche Forschungsanstalt für Se- Rebstock. Die Maschine besitzt jetzt
gelflug) mit einem Streckenflug ein Fahrwerk mit durchgehender Achse
und einen für die Flugerprobung abge-
über 315 km zu den Besten. deckten vorderen Sitz. - Bild rechts:
Von sich reden machte er be- Fabrikneu und uncelloniert wurde auf
sonders durch zwei spekta- der ILA 1928 in Berlin der kleine Dop-
peldecker ausgestellt, der unter der sollte, beim Vorführ-Start in Hal- ILA 1928 (der vom 7. bis 28. Ok-
kuläre erste Abflüge mit einem Typenbezeichnung G-l lief. Er besaß
Leistungssegelflugzeug von ei- noch das ursprüngliche Fahrwerk in le/Saale Bruch. 1935 verun- tober in den Berliner Ausstel-
nem Luftschiff (LZ 127 »Graf aufgelöster Bauweise, das sich als glückte er mit einer zweiten der lungshallen am Kaiserdamm
zu anfällig erwies. glücklosen früheren Konstruk- stattfindenden internationalen
Zeppelin«): Im DFS Präsident
startete er am 14. Mai 1937 tionen: Bei der Rückkehr von Luftfahrtausstellung) präsen-
über Friedrichshafen mit an- schaft) hieß und seit 1925 eine einem Höhenflug mit der auf tieren konnte, gipfelte seine
schließendem Kunstflugpro- Flugabteilung in Darmstadt- Einmotorigkeit umgebauten Prospekt gewordene Überzeu-
gramm - ein Experiment, das Griesheim unterhielt. Dort trat Delta IVa kam es bei der miss- gung in der Behauptung: »Alle
er fünf Tage später über Berlin- er die Nachfolge des verun- glückten Landung zum Strö- deutschen und ausländischen
Tempelhof genau so erfolg- glückten Günther Groenhoff mungsabriss, der die Maschine Klein-Flugzeuge sind heute
reich wiederholte. und der nach Unfällen ausge-
schiedenen Versuchspiloten TECHNISCHE DATEN GERNERGl
Zur DFS war Wiegmeyer 1932 Deutschmann und Hubert an,
gekommen, als diese noch und zwar zum wagnisreichen Muster Gerner G-l
RRG (Rhön-Rossitten-Gesell- Einfliegen der schwanzlosen Zweck Sport und Reise
Typen des von Alexander Lip- Sitze 2
Vorseite oben: David und Goliath: Die pisch geleiteten Forschungsin- Bauart einstieliger Doppeldecker
26,5 m spannende Farman F.63bis
scheint die kleine G-l unter ihre Fittiche
stituts. So führte er zahlreiche Baujahr 1928
zu nehmen. Auf dem Bild sind am Bug Flüge mit dem schwanzlosen
Konstruktion Ing. Max Gerner
ganz links Max Gerner, daneben seine Zögling aus, einem Schulglei-
spätere Frau Elsa und ganz rechts Hersteller Behrens, Gerner und Koch, Frankfurt/Main
Erich Wiegmeyer zu erkennen. - Unten
ter mit bootsartiger Verklei-
dung des ursprünglich offenen Antrieb luftgekühlter Dreizylinder-Anzani-Stemmotor
Erich Wiegmeyer, der Motor- und Segel-
flieger, dessen Name mit der frühen Ge- Führersitzes. Lippisch hatte Startleistung 35 PS (25,7 kW)
schichte der Gerner-Ganzstahl-Kleinflug-
zeuge untrennbar verbunden ist.
diesen speziell entworfen, da- Spannweite 6,00 m
mit möglichst viele Piloten im Länge über alles 4,90 m
Stande sein sollten, sich mit Höhe 1,80 m
den Eigenarten der schwanzlo- 11,4 qm
Flügelfläche
sen Bauart vertraut zu machen.
Leermasse 200 kg
Aus diesem Muster wurde auch
eine Motormaschine adaptiert, Zuladung 200 kg J
die Wiegmeyer ebenfalls ein- Startmasse 400 kg
flog. (Diese Storch /X-Typenrei- Höchstgeschwindigkeit 150 km/h
he befindet sich als Scale-Do- Landegesch wi ndig keit 55 km/h
kumentation in Vorbereitung.) Steigzeit 1.000 Meter in 4,8 Minuten

1934 machte er mit einer frühe- Gipfelhöhe zweisitzig 2.600 Meter, einsitzig 3.100 Meter
ren Konstruktion, dem Delta III, Reichweite 600 km |
das von Druck- auf Zugschrau- Startstrecke 50 Meter |
benantrieb umgebaut war und Landeauslauf 40 Meter |
nach Rechlin überführt werden

93
no

Gerner G-I
94
helm. Während 'Ede' Rottke,
der bei der RRG volontiert und
1926 als 18-jähriger in seiner
Freizeit auf der Wasserkuppe
nach Plänen von Lippisch sein
eigenes Motorflugzeug gebaut
hatte, für ein regelmäßiges
Salär schon bald zur Lufthansa
wechselte, blieb Wilhelm bei
Gerner und wurde 1940 nach
der Neugründung des Flug-
zeugbau Gerner als Rüstungs-
betrieb Meister der Lehrlings-
abteilung.
Die fliegerische Betreuung der
G-l legte Gerner in die Hände
von Erich Wiegmeyer, der auf
dem Rebstock Flugschüler
noch von günstiger Witterung Flugbegeisterten zu sehr stra- Hier noch einmal die Gerner G-l im ausbildete - darunter Vera von
abhängig.« Selbstverständlich pazierten. Schnee des alten Frankfurter Flug- Bissing, die sich anschließend
bildete sein Muster eine Ausnah- hafens Rebstock. Das Bild entstand
Seine anschließenden Erfah- im Winter 1928/29 und zeigt sehr unter den Fittichen Fieselers zu
me, »...da es in seiner Konstruk- schön die aus Stabilitätsgründen einer der bekanntesten deut-
rungen mit der Ganzmetall-
tion ganz aus Metall mit Bespan- geänderte Achse. schen Kunstfliegerinnen mau-
Bauweise bei Dornier in Fried-
nung aus Leinen mit wetterfe- serte (und die während des
richshafen und schließlich Diet- Pilot gewesen sein sollen. Un-
stem Anstrich hergestellt, Krieges ein Kommando leitete,
richs Konkurs 1926 mögen der ter dieser Firmierung wurde die
hierdurch in seinem gesamten das Frontflugzeug von den Her-
letzte Ansporn für ihn gewesen fabrikneue Maschine auf der
Aufbau absolut wetterbeständig stellerwerken zu den Nach-
sein, über ein äußerst wirt- DELA 1928 ausgestellt. Das re-
ist und aus diesem Umstand her- schubstellen der Luftwaffe
schaftliches Fluggerät nachzu- lativ geringe Interesse, das sie
aus auch den geringen Anschaf- überführte!).
denken. Er fand letztendlich dort fand, mag Gerners Partner
fungspreis motiviert«.
zwei Möglichkeiten für eine Lö- bewogen haben, sich aus dem Das achslose Fahrwerk der G-l
Der gebürtige Regensburger sung: Verkleinerung der Ab- Geschäft zurück zu ziehen, erwies sich als diffizil und
studierte zu eben der Zeit messungen und eine ganz denn noch 1928 gründet Ger- musste durch ein herkömmli-
(1922) an der Rheinischen In- neue Bauweise, die eine billige ner den Flugzeugbau Max Ger- ches mit durchgehender Achse
genieurschule in Mannheim, Herstellung, eine problemlose ner, Frankfurt am Main, als Ein- ersetzt werden.
als der gebürtige Mannheimer Unterhaltung und ein äußerst zelfirma.
Richard Dietrich in seiner Hei- günstiges Reparieren gestatte- Gerners Behauptung der leich-
matstadt einen Flugzeugbau te. Die Doppeldecker-Bauart Seine beiden ersten Mitarbei- ten Reparierbarkeit seiner Bau-
gründete, aus dem in der Fol- schien Gerner besonders ge- ter, die auch schon den Proto- weise durch Richten deformier-
gezeit so erfolgreiche Sport- eignet, um die Gesamtabmes- typ gebaut hatten, waren ter Bauteile oder Einschweis-
Zweisitzer wie die DP Ha Bus- sungen zu verkleinern; und auf- Eduard Rottke und Erich Wil- sen von Ersatzteilen konnte
sard hervorgehen sollten. Der grund des hohen Standes so-
stud.ing. Gerner erstellte im wohl der autogenen als auch
Auftrag von Dietrich die Zeich- der elektrischen Schweißtech-
nungen der Erstkonstruktion nik sah er in der ausschließli-
DP I Sperber. Nach Abschluss chen Verwendung verschweiß-
des Studiums folgte er Dietrich ter Stahlrohre die Möglichkeit
nach Kassel, wohin dieser we- der rationellen Anwendung.
gen einer möglichen Beset-
zung Mannheims durch die Den Bau des Prototyps mit der
Franzosen 1923 ausgewichen Werk-Nummer 1 in einer Halle
war, um zusammen mit dem In- auf dem Frankfurter Flughafen
haber von elektrotechnischen Rebstock ermöglichte die Inter-
Werken die Dietrich-Gobiet essengemeinschaft Behrens,
Flugzeugbau AG zu gründen. Gerner und Koch, wobei Beh-
rens der Finanzier und Koch ein

In den Wolfsanger Werkanla-


Leichtgewicht: Den Leichtbau
gen konnte sich Gerner äußerst der ganz aus Stahl hergestellten
intensiv in den zeitgenössi- Struktur der G-l demonstriert hier
schen Sportflugzeugbau einar- Peter Otto Gerner, ein Bruder des
Konstrukteurs.
beiten. Aber schon hier muss
er eingesehen haben, dass die
Sportflugzeuge dieser Jahre - Die Nagelprobe: Laut Gerners
Aussage sind die Schäden eines sol-
wie sie auch Dietrich baute, mit chen Bruchs bei seiner Ganzstahl-
ihren Mehrzweckfunktionen Struktur durch Richten oder Ein-
und aufwendig in aufgelöster schweißen genormter Ersatzteile kein
Problem. Neu wird lediglich eine kom-
Gemischtbauweise erstellt - plette Bespannung sein.
den Geldbeutel des normalen

95
Flügelschnitt x 3

Gerner G-l

Draht

•-1 Brandspant
^ L
Schematische Isometrie des Rumpfgerüstes

96
Fahrwerk: Starre Achse, Gum- trocken allerdings 85 kg wog,
mifäden-gelagert zwischen innerhalb von sechs Monaten.
zwei ausgekreuzten Dreicks-
Obwohl der Motor sowohl auf
verbänden mit Falschachse; al-
einer Draisine als auch im Flug
les aus Stahlrohr. Schleifsporn,
in der Gerner-Zelle erfolgreich
gummigedämpft an Stahlrohr-
erprobt werden konnte, sah
konstruktion.
Kleemann wegen der Wirt-
Triebwerk: Ein luftgekühlter schaftskrise von einer Muster-
Dreizylinder-Sternmotor Anzani prüfung ab. Deshalb war Ger-
Type 3 Y mit 35 PS (25,7 kW) ner gezwungen, einen wieder-
Startleistung. Starre Zweiblatt- um französischen und
Reed-Luftschraube aus Dural. ebenfalls luftgekühlten Stern-
nach einem Bruch unter Be- Auf Basis der G-l wurde die Behälter im Vorderrumpf: Öl- motor Ad 9 von Salmson, des-
weis gestellt werden. Dabei war vergrößerte G-Il entwickelt, deren ers- tank vor, Brennstofftank hinter sen neun zierliche Zylinder eine
die Zelle - für 3.600 Mark an- ter Verkaufserfolg im Oktober 1931 hier
festgehalten ist: Wiegmeyer übernimmt dem Brandschott. Startleistung von 45 PS (33 kW)
geboten - ungewöhnlich preis- die Gerner G-Il R (Werk-Nr. 2, im Juni erzielten, zu wählen. Allerdings
wert, genau so wie das verwen- zugelassen als D-1936) für die Süd- Anstrich: Silbercellonierung kostete dieses für seine Zeit
dete Anzani-Triebwerk (Ver- westdeutsche Luftverkehrs AG. überall, später mit Zierflächen sehr zuverlässige Triebwerk
brauch: 6 Liter Brennstoff und in den Frankfurter Stadtfarben mehr als die komplette Zelle,
0,5 Liter Öl auf 100 km mit N-Stielen; ausgekreuzt in ei- Weiß/Rot und auf den Namen für deren Herstellung Gerner
Flugstrecke), dessen Einbau- ner Ebene zwischen unterem 'Frankfurt' getauft, ohne Zulas- 3.900 Mark kalkuliert hatte. Der
preis von 1.600 Mark zu den Vorder- und oberem Hinter- sung. Verkaufspreis von 8.500 Mark
günstigsten seiner Klasse zähl- holm, zusätzlich verspannt zwi- (April 1931) lag aber immer
te. schen oberem Vorderholm- VORSCHAU: AUS DER G-l noch sehr günstig.
Stielanschluss zum Rumpf-Un- ENTSTEHT DIE GERNER G-Il
Trotzdem fand die Konstruktion tergurt sowie vom unteren Neu war die Unterbringung des
keinen Käufer. Und als Wieg- Hinterholm-Stielanschluss zum Von den Konstruktionsprinzipi- Brennstoffs in zwei Falltanks,
meyer im September 1929 win- Rumpf-Obergurt. Alle Verspan- en, die er bei der G-l angewen- die als Baldachin für das obere
kend die G-l mit einem Kava- nungen mit Profildrähten. Kom- det hatte, blieb Max Gerner Flügelpaar ausgebildet waren,
lierstart in die Luft hob, über plett als Rohr-Metallgerüst auf- überzeugt. Für die Neukon- sowie die zurückklappbaren
den rechten Flügel abrutsch- gebaute Struktur, zweiholmig, struktion (Gerner G-Il R, wobei Flügel, die das dann nur 2,05
tend in den Boden rammte und mit Abstandshaltern und das R für die feste Entschlos- Meter breite Gefährt straßen-
durch mehrere Überschläge in Drahtauskreuzung. Mit dem senheit gestanden haben dürf- transportfähig machten.
einen unreparablen Schrott- Nasenrohr punktverschweißte te, das Muster von seiner mitt-
haufen verwandelte, befand Rippen, Draht-Hinterkante. lerweise in eine GmbH umge- Die fliegerischen Versuche mit
sich bereits eine verbesserte Komplett mit Stoff bespannt. wandelte Firma in den der G-Il R, die die Werk-Num-
Neukonstruktion in Arbeit. Reihenbau zu bringen) ging er mer 2 erhalten hatte und im Ju-
Rumpf: Räumliches Fachwerk sogar einen Schritt weiter und ni 1931 als D-1936 zugelassen
TECHNISCHE BESCHREIBUNG
aus geschweißten Stahlrohr- entwarf Flügelrippen mit Schel- wurde, begannen wieder unter
Dreiecksverbänden mit durch- len, die einfach auf die Holm- Erich Wiegmeyer, wurden dann
Tiagfjügel: Einstielige Doppel- laufenden Stahlrohr-Längsgur- konstruktion aus Rohren aufge- aber vom Piloten Stein fortge-
decker-Bauart, stark gestaffelt, ten. Zwei Sitze hintereinander schoben und durch Schrauben führt, der bereits bei den Ver-
in kräftigen Verstrebungen zum festgeklemmt wurden. suchen mit dem Horex-Trieb-
QUELLENANGABEN
Rumpffachwerk. Komplett mit werk dabei war und beim
Stoff bespannt bis auf den Um den Piloten und seinen Be- Deutschlandflug 1933 als Flug-
Besonderer Dank gebührt Herrn Jo- Rumpfrücken aus Duralblech, gleiter komfortabler als in der zeugführer für den Frankfurter
achim Feige, Ottrau-Immichenhain, G-l unterbringen zu können,
ehemaliger Angöriger des Flug-
im hinteren Bereich für Inspek- Brillenfabrikanten Böhler fun-
zeugbau Max Gerner, dessen tionszwecke abnehmbar. vergrößerte er nach dem Stor- gierte, der eine der ersten G //
grundlegende Recherchen die Ba- chenschnabelverfahren die Ab- flb-Serienmaschinen gekauft
sis dieser Ausarbeitung sind. Sie Leitwerk: Querruder als ver- messungen auf 7,20 Meter hatte.
flössen auch in einen Vortrag über schweißte Stahlrohrstruktur mit
dieses Thema ein, den er am 13. Spannweite und verlängerte
September 1996 in Darmstadt hielt. Stoffbespannung in Ober- und den Rumpf. Als Antrieb sollte Im Oktober 1931 übernahm
Von Herrn Feige stammt ein Teil der Unterflügel, jeweils durch einen ein luftgekühlter Reihenmotor Wiegmeyer die D-1936 für die
Fotos. Weitere Fotos entstammen Stiel verbunden. Antrieb im Un- Südwestdeutsche Luftverkehrs
dem Archivvon Herrn Marton Szige- Horex AFMA mit vier stehen-
ti, der auch zusätzliches Hinter- terflügel über eine Rohrverlän- den Zylindern und 45 PS (33 AG. Zu diesem Zeitpunkt hatte
grundmaterial beisteuerte. gerung auf die Kreuzgelenkver- kW) Startleistung verwendet bereits die erste Serienmaschi-
Gedruckte Quellen: A. Lippisch: bindung im Rumpf. Schwanz- werden, der 1930 zeitgleich mit ne - wenn auch außer Konkur-
Das 'Nur-Flügel'-Flugzeug; Veröf- leitwerk ebenfalls als renz - am Deutschlandflug
fentlichungen des Forschungs-Insti- der Zelle in die Entwicklung ge-
tutes der RRG; Jahrbuch 1929 • A.
geschweißte Stahlrohrkon- gangen war. 1931 teilgenommen. Dem Ger-
Lippisch: Erinnerungen; Steine- struktion mit kompletter Stoff- ner-Ganzstahl-Kleinflugzeug
bach: o.J. • A. Lippisch: Ein Dreieck bespannung; Flossen unterein- Dafür hatte Gerner in seiner schien eine glänzende Karriere
fliegt; Stuttgart 1976 • Nachrufe auf
E. Wiegmeyer • R. Dietrich: Im Flug
ander und zum Rumpfunter- Reihenbau-Euphorie Fritz Klee- zu winken.
über ein halbes Jahrhundert; Gü- gurt hin drahtverspannt; Ruder mann, den Inhaber der Horex-
tersloh 1941 • Flugsport Nr. 22 und unausgeglichen. Höhensteuer- Über den Aufstieg mit dem Se-
Motorrad-Werke in Bad Hom-
26/1928; Ganzmetall-Leichtflug-
antrieb über Seile mit Kipp- und rienmodell G-HRb, über seine
zeug G-l • Die Luftwacht 11/28; burg, gewinnen können. Des-
Schwinghebel; Seitenruderan- Weiterentwicklung zur G-Il Rc,
Rückblick auf ILA 1928 • Verschie- sen Konstruktionsleiter,
dene Prospekte und Korrespondenz trieb über Stoßstangen. Dop- aber auch über den steilen Fall
Oberingenieur Hermann Reeb,
des Flugzeugbau und der Familie
pelsteuer, im vorderen Gastsitz des Programms wird im zwei-
Gerner schuf das 45/30 PS (33/22 kW)
ausbaubar. ten Teil berichtet.
leistende Triebwerk, das

97
Die aus der Gerner G-l ver-
größerte G II R D-1936 ent-
sprach bis auf das Fahrwerk
und dem ursprünglichen Leit-
werksumriss - der noch der G-
/ entlehnt war - generell schon
der späteren Serienversion G II
Rb mit ihrem ungepfeilten Flü-
gel. Der anfänglich und später
wieder eingebaute Salmson Ad
9 Neunzylinder-Sternmotor von
45 PS (33 kW) wurde zwi-
schenzeitlich kurzfristig durch
ein Fünfzylinder BMW X-Trieb-
werk mit 50 PS (37 kW) Start-
leistung ersetzt. Die Maschine,
im Juni 1931 auf die Frankfurter
Flugzeugbau Max Gerner
GmbH als Eigentümer eingetra-
gen, benutzten ab Oktober Akaflieg als Halter. 1933 ging
1931 die Südwestdeutsche die Maschine in den Besitz der
Luftverkehrs AG und ab De- Fliegerlandesgruppe Südwest
zember 1932 die Frankfurter des DLV über.

Von der Gerner G-l zur Gerner G-Il


Bilder ganz oben: Zusammengeklappt hat die Gerner GIIR eine Breite von nur 2,05
Metern. Auf dem Bild rechts daneben ist Erich Wilhelm zu sehen, einer der ersten Mit-
arbeiter Gerners. - Das Bild darunter zeigt die G-Il R D-1936 mit der neuen Seitenleit-
werksform nach der Umrüstung auf den Fünfzylinder-BMW X. Das Triebwerk war für
den Einbau in die Serienversion vorgesehen, ging jedoch selbst nicht in Serie. - Im
kleinen Bild eine seltene Flugaufnahme der Gerner G-Il R. Der Pilot sitzt hinten, um
den Passagier im Schwerpunkt unterbringen zu können, was besonders bei kleinen
Maschinen wichtig war.

Bild oben: Missglückte Landung der


D-1936 beim Alsfelder Flugtag mit
Fahrwerksschaden. Dabei stellte sich
heraus, dass das Fahrwerk überhaupt
nicht mustergeprüft war. Die von dem
kleinen Salmson angetriebene Maschi-
ne besitzt bereits das neue Leitwerk.

Links: Anfang 1931 auf dem Frankfurter


Flughafen Rebstock: Die Prominenz
wartet auf die Präsentation der neuen
Gerner G-Il R mit ihrem Salmson-Motor.
Neben der Fläche im Pilotendress die
Kunstfliegerin Vera von Bissing.

98
m 1
I . . . . r I

Gerner G-ll R

Ursprünglicher Bauzustand Anfang 1931

99
Historische deutsche Flugzeuge bis 1945

Flugzeuge wie Autos zu


verkaufen, blieb immer
ein großer Traum der
Flugzeugbauer. Die
Automobilindustrie
verwirklichte ihn. In
Deutschland waren es
die Adler-Werke, die ein
Produktionsband für
Flugzeuge einrichteten.

Bemittelten vorbehalten war.


Genau wie das Automobil in
kürzester Zeit bei zunehmen-
der Leistungsfähigkeit durch
konstruktive und fabrikatori-
sche Maßnahmen zum Volks-
fahrzeug verbilligt wurde - in
genau der gleichen Weise be-
Ganzstahl-Kleinflugzeug absichtigen die Adlerwerke die
Schaffung eines Volksflugzeu-

Teil 2
Volksflugzeug
Gerner-Adler ges von hohem Gebrauchs-
wert.«
Die sich später Adlerwerke
nennende vormalige Heinrich
und industrieller Serienbau.
Eine Wunschkombination: Gerner G-II Kleyer Aktiengesellschaft in
Frankfurt am Main war schon
weit vor der Motorisierungwelle
Es war schon eine kleine Sen- meinschaft das Fliegen ermög- knapp einem Jahrzehnt galt ein Deutschlands führender Fahr-
sation: Im Ladenlokal des Auto- lichen soll. Aufbauend auf den qualitativ hochwertiges, leis- radhersteller und eine der größ-
hauses thronte im wahrsten Erfahrungen des Automobil- tungsfähiges und zuverlässi- ten Fabriken für den Bau von
Sinne des Wortes über chrom- baues, erscheint es den Adler- ges Kraftfahrzeug als Luxus, Schreibmaschinen. Obwohl
glänzenden Limousinen des werken schon heute erreich- als ein Fahrzeug, das wenigen Adler noch vor der Wende zum
Typs Trumpf ein lackglänzen- bar, die Entwicklung des Flug-
des Flugzeug in seiner ganzen zeugbaues in gleicher Weise Die Serie hat die Standardform erreicht: Die fabrikneue Gerner G-II Rb D-2330 mit der
Werk-Nr. 6 im März 1933 beim Rollout auf dem Frankfurter Flugplatz Rebstock.
Größe - die Adlerwerke hatten voranzutreiben: Noch vor
den Flugzeugbau aufgenom-
men! Mit diesem originellen
Marketing versuchten sie, ei-
nen kleinen Doppeldecker in
den Markt zu bringen, von des-
sen Absatzchancen als Volks-
flugzeug sie zumindest von der.
Prospekt-Aussage (Juni 1934)
her überzeugt waren:
»...wollen in erster Linie ein
wohlfeiles und zuverlässiges
Flugzeug schaffen, das breite-
ren Schichten der Volksge-

Zum internationalen Fliegertreffen im


britischen Lympne entsandte der Aero-
Club von Deutschland die eigenwillig
bemalte Adler/Gerner G-II Rc D-ENGA
(Kopfbild). Sie war komplett schwarz
und hatte beim Treffen im September
1935 noch eine rote Motornase mit
davon ausgehenden Zierstreifen, rote
Tragflügelvorderkanten sowie ein
Schwarz-Weiss-Rot-Band auf der
Steuerbordseite des Seitenleitwerks.

100
Dauben zu einem Team zusam- Strebenbrücke unter dem Flü-
men, das bis zu Rohrs Lebens- gel - konnte im Sommer 1913
ende nicht enger und freund- erfolgreich eingeflogen wer-
schaftlicher hätte geknüpft den. Mit anschließenden
bleiben können. Ihr erstes ge- Schauflügen von den Rhein-
meinsames Produkt, ein Schul- wiesen gegenüber Uerdingen
terdecker mit dem 50 PS star- aus wurde Hans Gustav Röhr
ken Fünfzylinder-Sternmotor der strahlende junge Held einer
meist zahlreichen Menge von
Zuschauern. Ob jedoch der
Deutschlandflug 1934: Links ist
eine der fünf teilnehmenden Spitznamen »Liebeslaube«, mit
Adler/Gerner G-Il Rb des Verbandes dem seine Flugmaschine
G6 aus Münster zu sehen. schon bald bedacht wurde, der
In Berlin-Tempelhof zieht Erbprinz zu neuartigen vorderen Führesitz-
Solms seine Gerner G-Il Rb/60R D- verkleidung zu verdanken war
2626, Wettbewerbs-Nr.C5, in die Halle. oder den angeblich zahlreich
mitfliegenden jungen Damen,
• sei dahingestellt.
vergangenen Jahrhundert in
die aufblühende Automobil- Röhr machte sein Abitur, wurde
branche einstieg, indem es Praktikant bei den Aerowerken,
Benz mit Speichenrädern belie- 1915 zum Militär einbezogen,
ferte, wagte sich Kleyer erst flog als Aufklärungs- und Jagd-
1900 an die Entwicklung eines flieger, wurde abgeschossen
eigenen Kleinwagens. Aber be- und schwer verletzt, um da-
reits 1902 engagierte er den durch bei der Priamus-Automo-
österreichischen Konstrukteur bilwerke GmbH in Köln das
Edmund Rumpier, der hervor- Kriegsende zu erleben. Dorthin
ragende neue Motore entwarf - war er Anfang 1918 abkom-
und die Pendelachse, die die mandiert worden, um einen
mutigste Innovation der Firma Flugmotor zu konstruieren - ei-
hätte werden können, wäre sie ne Arbeit, die mit Kriegsende
übernommen worden! hinfällig war. Röhr wandte sich,
wie viele andere Konstrukteure
Dafür begann Kleyer einen ers- auch, dem Fahrzeugbau zu
ten Versuch, in die noch junge und entwickelte 1919, noch bei
Luftfahrt zu investieren. Er ließ Priamus, sein erstes Versuchs-
Luftschiff-Motoren entwickeln, mals noch in den Anfängen der Aerowerke - eine Mi- auto.
die auf der ILA 1909 in Frank- steckende Fliegerei und baute schung zwischen Bleriot-Ein-
furt ausgestellt wurden, aber Flugmodelle, mit denen er als decker und der Etrich Taube Weitere Versuchswagen baute
keinen Anklang fanden. Ein Zwölfjähriger einen Wettbe- mit ihrer charakteristischen er ab 1921 in Berlin. Als er für
zweiter Versuch wurde in den werb gewann. 1912 jedoch,
folgenden Kriegsjahren unter- siebzehn Jahre alt, machte er
nommen, als ein Zweiwellen- ernst und wagte sich an Kon- TECHNISCHE DATEN
Flugmotor fast bis zur Serien- struktion und Bau einer zweisit-
Muster Adler G-Il Rc j
reife gedieh. Die Aufnahme der zigen Flugmaschine.
Zweck Sport, Reise, Übung
Leichtflugzeug-Produktion war
also ein dritter Versuch und Der verständnisvolle Vater bat Sitze 2
ganz eindeutig initiiert worden einen jungen Konstrukteur, den Bauart einstieliger Doppeldecker
durch Konstrukteur Röhr. Er bei Aachen geborenen Joseph Baujahr ab 1934
hatte ab 1931 bei Adler einen Dauben (1889-1960), seinen
Konstruktion Ing. Max Gerner
Wagen mit 1,5 Litern Hubraum, Sohn in seiner Arbeit zu unter-
Hersteller Adlerwerke (vorm. Heinr. Kleyer AG)
Frontantrieb und Einzelradauf- stützen. Dauben hatte nach
dem Praktikum 1910 mit dem Frankfurt am Main
hängung entwickelt, der 1932
als Modell Trumpf 1,5 in Serie Maschinenbau-Studium an der Antrieb Hirth HM 60 R mit 80 PS (59 kW)
ging und wegen seiner fort- TH in Aachen begonnen, muss- Spannweite 7,20 Meter
schrittlichen Technik die Firma te es jedoch nach zwei Semes- Länge über alles 6,32 Meter
Adler weltweit bekannt machte. tern aus finanziellen Gründen Höhe 2,20 Meter
aufgeben und war als Kon-
Flügelfläche 12,50 gm
strukteur zu der Rheinischen
Franz Röhr (1895-1937), Hans Aerowerke GmbH nach Düssel- Rüstmasse 295 kg
Gustav gerufen, wuchs in Uer- dorf-Oberkassel gegangen, die Startmasse 500 kg
dingen auf (einem heutigen außer Kühler und Propeller Höchstgeschwindigkeit 175 km/h
Stadtteil von Krefeld), wo sein recht erfolglos wasser- und luft- Reisegeschwindigkeit 150 km/h
Vater Carl Gustav seit 1872 eine gekühlte Ein- bis Achtzylinder- Landegeschwindigkeit 65 km/h
Fabrik für Bleiprodukte unter- Flugmotore in allen möglichen
hielt, deren Übernahme durch Steigzeit 1.000 Meter in 3,5 min
Bauformen produzierten.
seinen ältesten Sohn er gerne 4.000 Meter in 32 min
gesehen hätte. Doch dieser in- Die gemeinsame konstruktive Reichweite 550 km
teressierte sich mehr für die da- Arbeit schweißte Röhr und

101
Fahrwerk aus Nur Diagonalverband oben gezeichnet
Übersichtsgründen unten entgegengesetzt
weggelassen

Adler/Gerner G-ll Rc

102
ten in der Gesamtwertung. Bis einer durchgestrichenen Wett-
1932 konnten 59 Exemplare bewerbs-Nummer B 8) nur
des Triebwerks abgesetzt wer- außer Konkurrenz teilnehmen.
den, dem bereits Mitte 1933
Diese Maschine besaß zu je-
das 100. gebaute Exemplar
nem Zeitpunkt noch die alte
folgte.
Leitwerksform, das alte Fahr-
Adler/Gerner G-Il Rc D-EBER mit der werk und Querruder kleiner
durch ihre seitlichen »Luftabzugs-Tü- Tiefe, dafür aber eine langge-
ten« für alle Serienmuster typischen
Motorhaube (links). Sie wurde später
streckte geschlossene Sitzver-
bei dieser und bei einigen anderen Ma- kleidung, die von Gerner unter
schinen durch eine »normale« Verklei- der Bezeichnung »Kabriover-
dung ersetzt, wie sie auch Produkte an-
derer Hersteller aufwiesen, die mit dem
deck« als Option angeboten
HM 60 ausgerüstet waren (unten). wurde. Sie kam in der Folgezeit
nie mehr zur Anwendung, wo-
gegen der Hirth-Motor Stan-
sie keine Lizenznehmer fand, dardtriebwerk für die Serie wur-
gründete er 1926 im hessi- de, teilweise in der mit 80 PS
schen Ober-Ramstadt in vor- (59 kW) Startleistung stärkeren
handenen Werksanlagen eine Version HM 60 R (ursprünglich
eigene Röhr Auto AG, bei der HM 80 genannt), die durch Er-
ab Mitte 1927 die Produktion höhung von Hubvolumen,
des Röhr 8 anlief, eines Wa- Drehzahl und Verdichtung ent-
gens, für den auf allen bedeu- standen war und ab 1933 zum
tenden Automobilausstellun- alternativen Einbau angeboten
gen von 1928 bis 1935 mit dem werden konnte. Die für das
Slogan »Der sicherste Wagen Hirth-Triebwerk benötigte grö-
der Welt« geworben wurde. ßere Brennstoff kapazität wurde
1930 geriet das Werk in finanzi- durch einen zweiteiligen Fall-
elle Schwierigkeiten (Röhr-Au- tank im Baldachin zwischen
tos wurden von der Neue Röhr den beiden Oberflügelhälften
Werke GmbH allerdings noch erreicht.
bis 1938 produziert). zur G-Il, blieb aber noch inner- Gerner entschied sich schon
halb der Abmessungen eines früh für den Motor. Er baute ihn Auch beeinflusst durch die De-
Röhr ging Ende des Jahres als Kleinflugzeugs. in seine G-Il mit der Werk-Num- pression, waren Bau und Ver-
Chefkonstrukteur zu den Adler- mer 3 ein, die dann der Kunst- kauf der G-Il jedoch schlep-
Von der Erstschöpfung unter-
werken, zusammen mit dem flieger und frühere Begleiter pend verlaufen. 1933 wurde et-
schied sich die Neukonstrukti-
von Joseph Dauben geleiteten Udets, Richard J. Kern, eben- wa jeden Monat eine
on im Laufe ihrer Entwicklung
kompletten Entwicklungsstab. falls für den Deutschlandflug Maschine fertig gestellt. Im
allerdings immer mehr in vie-
Vielleicht schon kurz danach 1931 meldete. Da er zum Start Dezember des Jahres konnte
len, äußerlich sichtbaren Punk-
wird Hans Gustav Röhr den jedoch erst eine halbe Stunde die Werk-Nummer 16 zugelas-
ten: Die schlichte Rechteck-
Kontakt mit Max Gerner aufge- nach Meldeschluss erschien, sen werden.
form der Leitwerke mit den
nommen haben, möglicherwei- durfte er mit seiner D-2154 (und
charakteristischen halbkreis-
se, weil er mit der von diesem Einen einflussreichen Befür-
förmigen Randbögen wich ei-
entwickelten Ganzstahlbau- worter seiner Konstruktion fand
ner ansprechenden Trapez-
weise schon damals einen neu- Die erste Gerner G-Il R im Wettbewerb: Gerner in Hermann-Otto Graf
form, die Querruder verblieben Beim Deutschlandflug 1931 flog der
en Produktionszweig für die zu Solms aus Lieh, Oberhes-
nur noch im Unterflügel (muss- Düsseldorfer Pilot Kern, wenn auch
Adlerwerke sah. Als der politi- außer Konkurrenz, das erste Muster sen. Mit dem Titel Erbprinz zu
ten jedoch in der Tiefe ver-
sche Machtwechsel volle Auf- aus der Serie (Werk-Nr. 3, Zulassung Solms-Hohensolms-Lich 1902
größert werden), und das Fahr- D-2154, Wettbew.-Nr. B8). Die Maschine
tragsbücher zu versprechen in Potsdam geboren und 1940
werk erhielt schließlich lange, besaß zwar schon den für den weiteren
schien, konnte er Direktion und Serienbau verwendeten HM 60-Motor in Neuruppin bei einem Ab-
zum Rumpfobergurt hin abge-
Vorstand überzeugen, diesen und eine Kabrioverdeck genannte Füh- sturz ums Leben gekommen,
fangene Federstreben. rersitzabdeckung, war aber sonst noch
Schritt zu wagen. Am 22. Janu- bot er sich als Vorführpilot an.
mit der alten Leitwerksform, dem ur-
ar 1934 übernahmen die Adler- sprünglichen Fahrwerk und kleinen Am 17. Oktober 1932 zeigte er
werke den Flugzeugbau Ger- Einer Lösung bedurfte die Mo- die voll ausgerüstet für 8.750
Querrudern ausgestattet.
ner. torenfrage. Diese kam aus Mark angebotene Gerner G-Il
Stuttgart-Zuffenhausen. Der
Max Gerner (1900-1977) hatte Flugpionier Hellmuth Hirth hat-
1928 unter ausschließlicher te in seinem Werk im Frühjahr
Verwendung geschweißter 1931 nach langen Versuchen
Stahlrohre und -röhrchen die und frei von jeder Tradition ei-
Gerner-Ganzstahlbauweise nen luftgekühlten Reihenmotor
kreiert (eine etwas irreführende mit vier hängenden Zylindern
Bezeichnung, weil überwie- herausgebracht, den er wegen
gend noch Stoff für die Außen- seiner 60 PS (44 kW) Kurzleis-
haut verwendet wurde) und ei- tung HM 60 nannte. Sein Bru-
nen sehr klein bemessenen der Wolf errang mit ihm in einer
Zweisitzer G-l gebaut, der we- Klemm-ZeWe beim Deutsch-
nig Zuspruch fand. Darauf hin landflug 1931 den besten Platz
vergrößerte er die Konstruktion in seiner Klasse und den zwei-

103
Bei Flugzeugen verwendetes Logo der Adlerwerke

104
Obwohl kein überzeugter Sol-
dat, kämpfte Jacobs nach
Kriegsende im Osten bei den
Freikorps, leitete ein Expediti-
onskorps in der Türkei, um da-
nach allerdings schnellen
Sportarten zu verfallen: Er wur-
de erfolgreicher Auto-, Motor-
boot- und Bobrennfahrer. Als
Leiter der Abteilung Bob im re-
nommierten Berliner Schlitt-
schuhclub fuhr er mehrere Re-
korde. 1922 gewann er auf ei-
nem Brennabor (die in
Brandenburg ansässigen Wer-
ke waren seinerzeit Deutsch-
rhein) des DLV (Deutscher lands größter Autohersteller)
Luftsport Verband). Für den Al- das Avus- und für den kurzlebi-
penflug 1935 - den Solms zu- gen, aber erfolgreichen Aache-
sammen mit seinem Orter W. H. ner Motorenbauer Fafnir das Ei-
Storp gewann -, die 1936 statt- fel-Rennen. Die Mittel für den
findenden Sternflüge zu den Rennsport verdiente er sich mit
Seitdem der Deutsche Olympischen Winter- und Som- einem eigenen Droschkenpark.
Luftsport-Verband
(DLV) im Februar 1934
merspielen (Olympia-Sternflug) Nach Fehlinvestitionen in die
die Gerner G-Il R ein- sowie für den 2. Belgischen Autoindustrie ließ sich Jacobs
geführt hatte, fand sie Rundflug benutzte der Erbprinz ab 1928 bei den Adlerwerken
viel Interesse, obwohl
sie nicht risikolos zu
bereits die fortschrittlichere Se- fest anstellen. Er wurde Filialdi-
fliegen war. rienversion G-Il Rc der Adler- rektor in Stuttgart und schließ-
werke. lich Bezirksdirektor für Mittel-
und Ostdeutschland.
Als die Adlerwerke Gerner
übernahmen, wurde Josef Ja- Als Leiter des Flugzeugbaus
cobs (1894-1978) Leiter des holte Jacobs nicht nur die Ferti-
Flugzeugbaus. Röhr hatte Ja- gung vom Flugplatz Rebstock
cobs nach dessen Abkomman- in leerstehende Betriebsräume
Rb mit dem Hirth HM 60-Trieb- (Werk-Nr. 7) - der ersten der dierung als Jagdflieger zur Ja- der Werkanlagen, sondern er-
werk (im Mai 1934 verlangten vier von ihm gekauften G-Il - sta 22 im Frühjahr 1916 in Laon höhte drastisch den Produkti-
die Adlerwerke für das Muster, am DLV-Zuverlässigkeitsflug kennen gelernt, und sie waren onsausstoß, zumal inzwischen
ausgestattet mit stärkerem HM und am Rheinischen Flugtur- Freunde geworden. Mit (je auch Sammelbestellungen
60 R, 9.300 Mark) auf dem Ber- nier teilgenommen. Für den nach Quelle) 41 bis 48 Luftsie- über den DLV eingingen. So
liner Flughafen Tempelhof. Er Deutschlandflug 1933 konnten gen und als Träger des »Pour le wurde es möglich, dass beim
rüstete die Maschine in etwa ei- bereits vier Gerner G-Il gemel- merite« hatte Jacobs trotz zahl- Deutschlandflug 1934 die Es-
ner Minute auf, führte Start, det werden, von denen aller- reicher Luftkämpfe selbst mit sener Staffel mit sieben und die
Steig-, Geschwindigkeits- und dings nur die D-2627 (Werk-Nr. den Assen der Gegenseite nie Münsterische mit fünf G-Il Rb
Drosselflug vor, zeigte ihre 10) des Frankfurter Brillenfabri- den Bekanntheitsgrad vieler an den Start gehen konnten.
Wendigkeit (einsitzig war sie kanten Böhier mit ihrem Piloten anderer Lufthelden erreicht;
kunstflugtauglich), landete und Eugen Stein und die D-2626 aber nichtsdestotrotz war er ei-
rüstete sie wiederum in etwa ei- (Werk-Nr. 9) mit dem Erbprin- ne schillernde Persönlichkeit QUELLENANGABEN

ner Minute ab. zen teilnahmen. mit einem faszinierenden Le-


J.Feige: Der Flugzeugbau Max
benslauf. Gerner und die Luftfahrtindu-
Erbprinz zu Solms hatte schon Die beiden folgenden Deutsch- strie in Frankfurt; DGLR/
1932 mit der frühen D-2293 landflüge absolvierten Solms Geboren in Kreuzkappelle - DGSL-Vortrag vom 13.9.1996,
und Josef Jacobs (über den nordöstlich von Bonn im Sieg- Darmstadt, Mskpt. • J. Krems:
Die sieben Maschinen des Verbandes gleich noch zu lesen sein wird) Max Gerner Metallflugzeug-
kreis liegend - hatte er das Be-
G3 der Flieger-Untergruppe Ruhr- bau, Mskpt. • A. Schollenber-
jeweils in Gerner G-Il flö-Ma- rufsziel Ingenieur gewählt und ger: Röhr - ein Kapitel Auto-
Niederrhein gehen in Tempelhof an
den Start. schinen der Essener Flieger- schulte schon früh und bis zu mobilgeschichte, Darmstadt,
Untergruppe (Ruhr/Nieder- dessen Tod im Februar 1913 1996 • B. Robertson (Hrsg):
bei Bruno Werntgen auf dem Air Aces Of The 1914-1918
gegenüber Bonn gelegenen War, Letchworth, Herts, 1959
• Erfurter Stadtnachrichten v.
Flugplatz Hangelar, um da- 10.1.1939 • Weltbild 37/1974 •
durch im August 1914 als Diverse Ausgaben Münsteri-
Kriegsfreiwilliger sofort zur Flie- scher Anzeiger von 1934 •
gertruppe rekrutiert zu werden. Werksprospekte und Korres-
Mitte 1915 kam er an die Front, pondenz der Gerner- und Ad-
lerwerke. Ein Dank gebürt den
schoss im Mai 1916 als Leut- Herren Feige und Szigeti für
nant seinen ersten Gegner ab weitergehende Informationen.
und übernahm nach seinem 5. Aus ihren Archiven stammt
Luftsieg im August 1917 die Ja- auch ein Teil der Bilder.
sta 7 als Führer.

105
Doch nicht nur behebbare kon- mit Schellen festgeklemmt. Die
IE FLÜGELSTRUKTUR DER GERNER G-ll
struktive Schwächen waren komplette Struktur ist stoffbe-
Die beiden Hauptholme bestanden aus nahtlos gezogenen dem Ganzstahl-Kleinflugzeug spannt. Flächen zurückklapp-
Rohren von 50 mm Durchmesser und 1,5 mm Wandstärke, die zum Verhängnis geworden, bar.
in Vorrichtungen mit Stahlrohr-Abstandshaltern sowie sondern vor allem auch der
Rumpf: Räumliches Fachwerk
Drahtauskreuzungen zu einem Gitterwerk verbunden waren. Zeitgeist, der kleine, schwach
aus geschweißten Stahlrohr-
Die ebenfalls in Vorrichtungen geschweißten Fachwerkrippen motorisierte Flugzeuge unzeit-
aus nahtlos gezogenem Stahlrohr von nur 4 mm Durchmesser Dreiecksverbänden mit durch-
gemäß fand. Als der Reichs-
und 0,5 mm Wandstärke besaßen einseitig offene rohrschel- laufenden Stahlrohr-Längsgur-
luftsportführer am 17. Juni
lenartige Gebilde, mit denen sie sich auf die Holme schieben ten. Komplett mit Stoff be-
1936 für seine wenigen Reichs-
und in der richtigen Lage durch Schrauben festklemmen ließen. spannt bis auf auf den
luftsportschulen, die außerhalb
Das Verfahren hatte Gerner als Patent angemeldet. Rumpfrücken aus Duralblech;
der Luftgau reserve betrieben
im hinteren Bereich für Inspek-
wurden, eine Anzahl Maschi-
tionszwecke abnehmbar. Zwei
nen zur Verfügung gestellt be-
Sitze hintereinander mit (im vor-
kam, waren eine G-ll Rb und
deren Gastsitz ausbaubarem)
neun G-ll Rc darunter. Einige
Doppelsteuer.
wenige andere befanden sich
noch in Privatbesitz. Keine ein- Leitwerk: Querruder als ver-
zige überlebte den Krieg. schweißte Stahlrohrstruktur mit
Stoffbespannung, nur im Unter-
Die finanzielle Bruchlandung flügel; Antrieb über eine Rohr-
mit dem Flugzeugbau lasteten verlängerung auf die Kreuzge-
Direktion und Vorstand der Ad- lenkverbindung im Rumpf.
lerwerke Hans Gustav Röhr an, Schwanzleitwerk ebenfalls als
der daraufhin noch 1935, wie- geschweißte Stahlrohrkon-
derum mit seinem kompletten struktion mit kompletter Stoff-
Entwicklungsteam, als Techni- bespannung, Flossen unterein-
scher Direktor nach Stuttgart ander und zum Rumpfunter-
zu Daimler Benz wechselte. Als gurt hin drahtverspannt.
er starb, wurde seine Mann- Höhenflosse am Boden ein-
Doch gleich am 21. Juni, auf le in Rechlin den Auftrag, Un- schaft 1937 aufgeteilt und Jo- stellbar. Antrieb der Ruder
der ersten Tagesstrecke von tersuchungen anzustellen. Sie seph Dauben nacheinander bis durch Stoßstangen. Aus-
Berlin nach Königsberg und ergaben, dass der große zu seiner Pensionierung nach gleichsklappen im Höhenru-
zurück, ereignete sich ein tragi- Brennstofftank im Oberflügel dem Krieg Leiter verschiedener der.
sches Unglück: Kurz vor dem beim Überziehen das gesamte Abteilungen. Max Gerner rief
Fahrwerk: Einzelne Schwing-
ersten Etappenziel Stettin Leitwerk abschirmte, wodurch seinen Flugzeugbau erneut als
achsen mit Zuggummi-Fede-
stürzte eine Besatzung aus die Maschinen dann meistens Einzelfirma ins Leben, über-
rung. Niederdruck-Ballonrei-
Münster im pommerschen über den Flügel abrutschten. nahm Rüstungsaufträge und
fen. Spornrolle.
Kreis Naugard (heute Nowo- Die Versuche in Rechlin mit ei- baute oder reparierte ab 1940
gard) mit ihrer D-EFER tödlich ner G-ll Rb, die einen flachen mit etwa 1.800 Beschäftigten in Triebwerk: Ein luftgekühlter
ab. Der 40-jährige Wilhelm Tank erhalten hatte, erbrachten vier Werken seiner nunmehri- hängender Vierzylinder-Rei-
Koch - als Orter mitfliegend - lediglich eine zusätzliche gen GmbH. henmotor Hirth HM 60 R mit 80
war dekorierter Jagdflieger in Schwanzlastigkeit, die ausge- PS (59 kW) Startleistung, gela-
Palästina gewesen, Willi Vol- glichen werden musste. Des- Josef Jacobs schließlich verließ gert auf einem räumlichen
bracht als verantwortlicher Pi- wegen wurde die Empfehlung die Adlerwerke ebenfalls noch Fachwerk aus geschweißten
lot gerade erst zwanzig Jahre ausgesprochen, die Fabrikati- 1935. Bei einem seiner Stahlrohren, ebenfalls gummi-
alt. on bis zu einer Lösung restlos Deutschlandflüge hatte er in Er- gedämpft. Andrehvorrichtung
zu stoppen. furt ein Gelände entdeckt, auf mit Kurbel. Brennstoff (Kapa-
Da es zuvor bereits zwei schwe-
dem er ein Reparaturwerk für zität 70 Liter) in zwei Messing-
re Abstürze mit der G-ll Rb ge-
Die Adlerwerke reagierten dar- Flugzeuge der Luftwaffe ent- behältern im Baldachin der
geben hatte (am 10. März 1933
auf mit dem zwischenzeitlich stehen ließ, das 32 Millionen oberen Tragdecks, Schmier-
war die D-2293 bei einer Steu-
entwickelten Modell G-ll Rc, Mark Jahresumsatz machte, stoff in einem Ölbehälter (7 Li-
erwechselkurve ins Trudeln ge-
das sich hauptsächlich durch bevor der Staat es 1940 unter ter) aus Kupfer vor dem Brand-
raten und aus 60 Metern Höhe
gepfeilte Flügel für eine Ver- dem Namen Mitteldeutsche spant.
abgestürzt, am 22. Februar
größerung der Schwerpunkt- Metallwerke enteignete.
1934 kam die D-2833 beim Anstrich: Standardmäßig sil-
rücklage, durch tiefere Querru-
leichtsinnigen scharfen Kurven bercelloniert mit einer
der und durch ein vergrößertes
ebenfalls ins Trudeln und TECHNISCHE BESCHREIBUNG Schmuckfarbe, jedoch auch
Seitenleitwerk von der G-ll Rb
machte schweren Bruch, wo- viele individuelle Anstriche. An-
unterschied. Rohrs Vorschlag, Tragflügel: Einstielige Doppel-
bei der Passagier sein Leben fängliche Zahlen-Zulassungen
den Besitzern von G-ll Rb-Ma- decker-Bauart, stark gestaffelt,
verlor), wurde das Muster auf gingen bis mindestens D-3363,
schinen gegen eine verhältnis- mit N-Stielen; ausgekreuzt in ei-
Anweisung des RLM (Reichs- progressiv durch Buchstaben-
mäßig geringe Summe neue, ner Ebene mit doppelten Zug-
luftfahrtministerium) gesperrt - Zulassungen ersetzt.
gepfeilte Flügel zu liefern, fand kabeln. Komplett als ge-
eine Maßnahme, die allerdings
zwar ein gewisses Echo, aber schweißtes Stahlrohrgerüst
durch ein Versehen der Prüf-
schließlich stagnierte der Seri- aufgebaute Struktur mit zwei
stelle unterblieb.
enbau, und (wahrscheinlich) Rohrholmen. Fachwerk-Rippen
Da sich weitere Unfälle ereigne- mit der Werk-Nummer 51 ver- aus geschweißtem Stahlrohr,
ten, erhielt die Erprobungsstel- ließ die letzte Gerner das Band. auf die Holme geschoben und

106
Auf dem langen Weg zur Serienreife:
Die Gerner G-Il R D-2293 mit der Werk-
Nummer 7 hat noch nicht die elegante-
re Motorverkleidung der Serie und ein
Fahrwerk, das lediglich als konstruktive
Zwischenlösung angesehen werden
muss - aber sie findet bereits reges
Interesse (links).

Wie klein die vom Erbprinzen zu Solms


Gerner / Adler erworbene Gerner-Konstruktion ist, of-
G II R fenbart ein Vergleich mit dem Verkehrs-
flugzeug Junkers G 38 (unten). Solms
Serienflugzeuge ließ seine Maschine allerdings ständig
auf den jüngsten Entwicklungsstand
nachrüsten, bevor sie im September
1933 als D-EBER durch Absturz
verlorgen ging.
Ein
Bilderbogen

Links die im Juli 1934 zugelassene D-EDIP, eine bei Adler ge-
baute G-Il Rc mit der Werk-Nummer 47, war das individuelle
Flugzeug P im Verband der mit B5 gekennzeichneten Esse-
ner Fünfergruppe beim Deutschlandflug 1935.

Die beiden Bilder links unten entstanden beim Deutschland-


flug 1933. In Frankfurt bereiten sich Besitzer Richard Böhler
(links) und sein Pilot Eugen Stein mit der Gerner G-Il Rb/60 R
D-2627 auf das Ereignis vor. Bei der Maschine mit der Werk-
Nummer 10 und der Wettbewerbskennung E 3 war die Zulas-
sung ausschließlich auf den Flügeln aufgemalt.

Im Bild unten eine Adler/Gerner G-Il Rb des Verbandes G 3


der Flieger-Untergruppe Ruhr-Niederrhein während des
Deutschlandfluges 1934. Im Bild darunter die Besatzung
beim Deutschlandflug 1934. Die kreisförmige Fläche auf der
Motorhaube hinter dem Verbandskennzeichen ist eine Orga-
nisationshilfe für das Betanken am Boden; hier bei den Esse-
nern in Blau gehalten für die Mannschaft von BP.

107
Historische deutsche Flugzeuge bis 1945

gen der früheren Rumpler-Wer- Firma: die Messerschmitt-Flug- Verkehrsflugzeuge bauen zu


ke AG in Augsburg. In dieses zeugbau GmbH in Bamberg. lassen. Das alles verschlang
Unternehmen sollte der Udet- 1923 als Einzelunternehmen viel Geld.
Es könnte eine norddeutsche Flugzeugbau integriert und von dem erst 25-jährigen Willy
Geschichte sein, würde sie sein Erfolgsmodell - der Schul- Messerschmitt (1898-1978) Da das RVM dem Staat Bayern
nicht in Bayern beginnen und doppeldecker Flamingo - als mit Hilfe seines weinhandeln- nur die Subvention einer einzi-
auch dort enden. Ganz am An- fabrikatorische Grundlage ein- den Bruders gegründet, baute gen Firma erlaubte, wurde zum
fang stand die Udet-Flugzeug- gebracht werden. sie anfänglich Segelflugzeuge, September 1927 eine Fusion
bau GmbH, die ihren Namen dann Motorsegler und schließ- vereinbart, die auch Messer-
dem erfolgreichsten überle- Der Umzug vollzog sich lich leichte Sporteindecker. schmitts Übersiedlung nach
benden Jagdflieger des Ersten schnell. Aber genau so schnell 1926 war Theo Croneiß (1894- Augsburg zur Folge hatte. Bei-
Weltkriegs verdankte - Ernst erwirtschaftete die Gesell- 1942), Initiator und Begründer de Firmen traten nun wie eine
Udet (1896-1941). Er hatte die schaft hohe Verluste und rief der Nordbayerischen Verkehrs- auf, aber in Wirklichkeit fertigte
Firma noch während der Bau- nach staatlichen Subventio- flug GmbH, Gesellschafter ge- BFW das, was Messerschmitt
verbotszeit an der Peripherie nen. Dies tat auch eine andere worden, um leichte Zubringer- entwickelte. Und er trieb den
Münchens gegründet und fer-
tigte - wie einige andere kleine

Focke-WulfFw 159
Firmen auch - bescheiden
leichte Sportflugzeuge. Nach
seinem Ausscheiden verstieg
sich die Firmenleitung in Ent-
wicklung und Bau eines vier- EIN NAMENLOSER GREIFVOGEL

FLUGZEUGE VON
FOCKE-WULF TRUGEN
VOGELNAMEN. DAS WAR
TRADITION. EINIGEN PRO-
DUKTEN JEDOCH BLIEB
DIE VOGELKUNDLICHE
ZUORDNUNG VERSAGT.
SO DEM JAGDEINSITZER
FW 159 - EINEM
WETTBEWERBER DER
MESSERSCHMITT BF 109.

motorigen Verkehrsflugzeuges
- und geriet prompt in finanzi-
elle Schwierigkeiten.
Das Reichsverkehrsministeri-
um (RVM), um Sanierung der
deutschen Luftfahrtindustrie
bemüht, sann auf Hilfe. Am 30.
Juli 1926 gründete es mit
400.000 Reichsmark Kapital
unter dem Traditionsnamen die
Bayerischen Flugzeugwerke
AG (BFW) und erwarb die Anla-

Die Flugaufnahme der D-INGA zeigt den


eigentümlichen Reiz zwischen überliefer-
tem Formdenken und moderner Formge-
bung. Trotz aller aerodynamischen Raf-
finessen blieb der Hochdecker dem Tief-
decker in den Geschwindigkeit deutlich
unterlegen. - Ein wartungsfreundlicher
Vogel (rechts): Das Rumpfvorderteil wur-
de als geschweißtes Stahlrohrgerüst aus-
geführt, verkleidet mit vielen abnehm-
oder abklappbaren Blechen.

108
gramm brachte einen neuen
Namen auf den Plan: den spä-
teren Prof. Dr. Ing. E.h.Tank.
Flugzeugkonstrukteur und In-
genieurpilot Kurt Tank (1899-
1983) war im November 1931
als Chef des Entwurfbüros und
der Flugerprobung mit der
gleichzeitigen Übernahme ei-
nes Vorstandspostens bei der
Focke-Wulf Flugzeugbau
GmbH in Bremen eingetreten
und 1933 Technischer Leiter
geworden. Vorher (seit 1930)
war er im Projektbüro von BFW
tätig gewesen und hatte dort
das schnelle Postflugzeug

extremen Leichtbau voran, bis


Fertig für die Vorserie:
einige etwas zu kühne Lösun- Die wieder aufgebaute Fw 159 V1
gen und deren Folgen 1931 D-IUPY mit neuer Kabinenabdeckung
zum Einleiten des Konkursver- und verbessertem Fahrgestell. Die Waf-
fentests ergaben, dass - um ein ein-
fahrens führten. Das zog sich wandfreies Funktionieren des Synchro-
bis April 1933 hin und endete nisationsmechanismus für die beiden
mit einem Zwangsvergleich. Im MG zu garantieren - auf eine zweiflüge-
lige Luftschraube zurückgegriffen wer-
Mai 1933 nahm BFW mit nur 82 den musste.
Mitarbeitern die Arbeit wieder
auf - zum Zeitpunkt eines poli- Knickebein: Das Fahrwerk war die
tischen Umbruchs. Achillesferse der Fw 159. Roll-, Start-
und Landeschäden machten der
Im gleichen Monat war Hermann Maschine zu schaffen.
Göring Reichsluftfahrtminister
geworden. Er ernannte - als ge-
Oktober 1933: In einem ver-
schickten Schachzug - Theo
traulichen Schreiben an Cro-
Croneiß zum Sonderkommissar
neiß avisierte Göring Lizenzauf-
für die Luftfahrt in Bayern. Dieser
träge, damit dieser bereits eine
war für seine SA-(Sturmabtei- Reichsluftfahrtministerium M28 konstruiert. Er kannte also
große Belegschaft anzuwerben
Iung)-Verdienste ebenfalls als (RLM) - überwiegend aus der die Verhältnisse, als er bei LC II
imstande war, und forderte
Minister der Luftfahrt designiert Entwicklungsstelle des Reichs- vorstellig wurde, um für seine
»...die Entwicklung eines blitz-
worden, und zwar von dem Sozi- wehrministeriums stammend - Firma ebenfalls einen VJ-Ent-
schnellen Kurierflugzeuges,
alrevolutionären Flügel der Na- brachte intuitives Gespür für wicklungsauftrag zu erstreiten.
das nur ein Einsitzer zu sein
tionalsozialisten, die durch eine Realitäten auf. Während veral-
braucht«. Damit war BFW im Es ist anzunehmen, dass er
geplante, so genannte 'Zweite tete Doppeldecker als Risiko-
Rennen bei der Ausschreibung durch Udet unterstützt wurde,
Revolution' die Machtverhältnis- ausrüstung in die Fertigung
um den zukünftigen Jagdeinsit- der sich hatte überreden las-
se erneut und zu ihrem Gunsten gingen, definierte sie bereits im
zer für die Luftwaffe! sen, ab Juni 1934 als Offizier
verändern wollten. Göring Dezember 1933 die Entwick-
wünschte in seiner Heimat Bay- lungsrichtlinien für einen z.b.V. im RLM tätig zu sein. Bei-
Die kleine, aber hoch motivier-
ern die Präsenz einer starken hochmodernen Verfolgungs- de hatten gemeinsam im Cock-
te Schar des Technischen Am-
Luftfahrtindustrie. Jagdeinsitzer (VJ), der zwangs- pit eines Rohrbach-Flugbootes
tes (LC II) im neu geschaffenen
läufig nur ein Eindecker mit Ein- Rekordversuche unternom-
ziehfahrwerk sein konnte. men. Und Udet flog mit Ver-
TECHNISCHE DATEN FW 159 gnügen das jüngste Produkt
Wichtigste Forderungen dieses
Focke-Wulf Fw 159 Papiers waren eine Horizontal- von Focke-Wulf, den Übungs-
Muster
Zweck Jagdeinsitzer geschwindigkeit von 400 km/h einsitzer Stösser - einen abge-
Bauart abgestrebter Hochdecker in 6.000 Metern Höhe über strebten Hochdecker. Tief-
Baujahr 1935-1937 mehrere jeweils 20 Minuten in- decker als Jagdflugzeuge, für
Konstruktion Team unter Oberingenieur R. Blaser nerhalb der Gesamtflugzeit von die sich die anderen Firmen
Hersteller Focke-Wulf-Werke GmbH, Bremen 90 Minuten. entschieden hatten, waren ihm
Antrieb Jumo 210 B ; flüssigkeitsgekühlter 12-Zylinder-Motor suspekt.
Startleistung 680 PS (500 kW)
Spannweite 12,40 m Im Februar 1934 waren die Aus-
Länge 10,00 m schreibungs- Unterlagen an die Tank hatte Erfolg: Das Amt er-
Flügelfläche 20,2 qm Industrie gegangen. Erwar- weiterte im August 1934 die
Leermasse 1.875 kg tungsgemäß wurden Arado Ausschreibung um die Variante
Startmasse 2.250 kg und Heinkel bedacht - die klas- Hochdecker und übermittelte
Höchstgeschwindigkeit 385 km/h sischen Jagdflugzeug-Lieferan- einen Monat später Focke-Wulf
Dienstgipfelhöhe 7.200 m ten der Reichswehr. Die Einbe- den Auftrag unter der Typenbe-
Reichweite 650 km ziehung der wenig bekannten zeichnung Fw 159, der auch
BFW in ein so wichtiges Pro- die Fertigung von sieben Proto-

109
Focke-Wulf Fw 159

m 1 2 3 4 5

110
typen enthielt. Gegenüber den
Konkurrenten (bei denen das
RLM inzwischen bereits die At-
trappen begutachtet hatte) wa-
ren sieben Monate aufzuholen.
Der Zeitplan für den Focke-
Wulf-Jäger sah eine Attrappen-
besichtigung im Juni, den Flug-
klartermin des ersten Prototyps
im September und ein RLM-
Nachfliegen im November
1935 vor.
Zum Typenleiter für die Fw 159
benannte Tank einen 1892 ge-
borenen Schweizer, der gerade
seine deutsche Staatsbürger-
schaft erhalten hatte: Rudolf
Blaser. Er war seit 1912 kon- schmalen Rumpf eingeklappt 'Jumo 210 bezeichnet) mit hän-
Fabrikneu: Die elegante Fw 159
struktiv auf dem Luftfahrtsektor vor dem Erstflug, der mit Bruch endete. werden zu können. Die kompli- gender Zylinderanordnung vor-
tätig. Im Ersten Weltkrieg hatte Schiebehaube und Kopfabfluss bilden zierte Konstruktion wurde im gesehen. Da er für eine frühe
er als Gruppenleiter bei Gotha noch eine Einheit. Der Propeller war Aufbau nicht einfacher durch Flugerprobung noch nicht be-
anfänglich dreiflügelig.
Großflugzeuge entwickelt und Tanks Lieblingsforderung nach triebsreif war, wurden den Wer-
schließlich als stellvertretender einem Schleppschwingenfahr- ken für die ersten Prototypen
Chefkonstrukteur bei AGO ei- versen Einbauten. Dagegen werk, bei dem das Rad hinter ähnlich ausgelegte Rolls-Royce
nen Panzerjäger. Nach dem war das Rumpfhinterteil bereits einem Kniegelenk durch die Kestrel-Triebwerke gleicher
Krieg entwarf er bei Albatros als Leichtmetall-Schalenkon- Federstrebe abgestützt wird. Leistung, aber mit stehenden
Verkehrsflugzeuge, bevor ihn struktion ausgelegt. Die Flügel- Dieses Fahrwerk sollte zur Zylindern zugewiesen.
die Bauverbotszeit ins Ausland und Leitwerksflächen waren Achillesferse der Fw 159 wer-
Auch Focke-Wulf hatte noch im
führte. teils blechbeplankte, teils stoff- den.
November 1934 für den ersten
bespannte Leichtmetall-Struk- Die Attrappe des Bremer Jagd- Prototyp einen Kestrel angefor-
1927 stellten die Albatros-Wer- turen.
ke ihn als Oberingenieur erneut einsitzers konnte vom RLM ter- dert, gleichzeitig einen Jumo
ein. Im September 1931 fusio- Zur Ausrüstung des Flugzeu- mingerecht im Juni 1935 be- 10 für den zweiten. Der späte
nierte Albatros mit der Bremer ges gehörte eine umfangreiche sichtigt werden. Zu diesem Programmbeginn erlaubte
Firma. So kam Blaser zu Focke- hydraulische Anlage, die die Zeitpunkt war allerdings der dann allerdings, das neue Jun-
Wulf. Er legte die Fw 159 weit- Landeklappen betätigen und erste Prototyp der konkurrie- kers-Triebwerk gleich in die Fw
gehend konventionell als einen das Hauptfahrgestell sowie in renden Bf 109 schon geflogen. 159 V1 einzubauen. Sie hatte
mit I-Stielen abgestrebten der geplanten Serienversion Als Serienantrieb der neuen die Werk-Nummer 932 und
Hochdecker aus. Das Rumpf- auch die Spornradanlage ein- Jagdeinsitzer war der in Ent- wurde zwei Monate später als
vorderteil war eine geschweiß- und ausfahren sollte. Die wicklung befindliche wasser- terminiert, am 29. November
te Stahlrohrkonstruktion, so Schwierigkeiten bei der Fahr- gekühlte Zwölfzylinder-20-Liter- 1935, fertig.
wie sie zu jener Zeit noch vom werkskonzeption ergaben sich Motor Junkers L 10 (später als
Einen Tag später startete Wolf-
Amt bevorzugt wurde wegen daraus, dass die Federbeine gang Stein, Chef des Einflug-
der Möglichkeit zahlreicher ab- am Rumpfgerüst angelenkt Prototypenfertigung: betriebs, zum Erstflug. Die Ma-
nehmbarer Bleche für die In- werden mussten, um dann bei V-Muster der Fw 159 in verschiedenen
schine war zulassungslos, un-
Baustadien, die Einblicke in die
spektion des Motors, der einer noch akzeptablen Spur- Struktur zulassen. bewaffnet und noch mit einer
Behälter, der Waffen und derdi- weite nach hinten in den relativ Dreiblatt-Luftschraube ausge-
stattet. Steins Flugvorführung
beeindruckte durch Geschwin-
digkeit und Eleganz. Beim Lan-
deanflug jedoch fuhr das Fahr-
gestell nur halb heraus (Ein-
ziehfahrwerke waren zu jener
Zeit konstruktives Neuland).
Eindeutig waren die Luftkräfte
sowohl für die Ölhydraulik-Zy-
linder als auch für die Not-
betätigung zu schwach berech-
net worden. Die Landung der
schließlich leergeflogenen Ma-
schine endete mit Überschlag
und Bruch. Stein erlitt lediglich
Prellungen.

Ein verstärktes Fahrwerk wurde


konstruiert und die Maschine
wieder aufgebaut. Im März

111
Jumo 210

Focke-Wulf Fw 159

Mittelrumpf-Stahlrohrstruktur

112
1936 sollte sie fertig sein, aber Jagdeinsitzer entschieden zu dem späteren Generalfeldmar- ben fest mit dem Rumpf ver-
es wurde Oktober, bis sie mit langsam. Deshalb schlug das schall Wolfram von Richthofen bunden. Außenflügel mit
der Zulassung D-IUPY erneut Amt im März 1936 vor, sie mit (1895-1945), seinerzeit im Kastenholm und Nasenbeplan-
starten konnte. Da durch ent- dem neu entwickelten 30-Liter- Technischen Amt Leiter der Er- kung, ab Holm stoffbespannt,
sprechende Veränderungen Daimler-Benz-Triebwerk DB probungsabteilung und zum durch I-Stiele zum Rumpfunter-
auch die Fw 159 V2 (Werk-Nr. 601 auszustatten und in Fw259 Zeitpunkt seines Gutachtens gurt hin abgefangen. Gesamte
933, D-INGA) nicht bis zum ge- umzubenennen. vom Dezember 1937 als Hinterkante mit Klappen,
planten Termin im Januar 1936 Oberstleutnant Chef des Sta- außen Frise-Querruder, innen
Doch zunächst reichte Focke-
flugklar war (sie flog erst fünf bes bei der 'Legion Condor' in zweigeteilte, hydraulisch be-
Wulf zugleich mit der Ange-
Monate später), blieb die Spanien. Er resümierte in sei- tätigte Landeklappen.
botsliste für eine Vorserienma-
Focke-Wulf-Konstruktion beim nem Erfahrungsbericht über
schine (Fw 159 V3 D-ISXI, W.- Rumpf: Vorderteil (bis hinter
Ausscheidungsfliegen, das im die Bf 109: »Der Verfolgungsjä-
Nr. 1246) die Offerte einer Sitz) als geschweißtes Stahl-
Februar 1936 bei der E-Stelle in ger besitzt allen anderen Flug-
entsprechenden Nullserie an rohrgerüst, mit Formgebungs-
Travemünde begonnen hatte, zeugen gegenüber uneinge-
das RLM. Sie wurde anfänglich blechen verkleidet. Hinterteil in
unberücksichtigt, auch wenn schränkte Überlegenheit. Sein
positiv entschieden, denn im Dural-Schalenbauweise.
sich dieses bis Oktober hinzie- Abschussergebnis ist mit ei-
Juli 1936 war Udet Chef des
hen sollte. Die Ausscheidung nem Frontjäger nie zu errei- Leitwerk: Duralstruktur, teils
Technischen Amtes geworden.
war zu einem Duell zwischen chen. Wir können also bei der •blechbeplankt, teils stoffbe-
Er hatte die Entwicklung des
He 112 und Bf 109 geworden. Jagdfliegerei vollständig auf spannt. Seitenruder mit Innen-
Musters schon als Inspekteur
den Frontjäger verzichten.« ausgleich. Geteiltes Höhenru-
Die Erprobung der Fw 159 lief der Jagd- und Sturzkampfflie-
ger mit besonderem Interesse der mit Innenausgleich und zu-
jedoch weiter. Am 13. August Zum April 1937 war schon ent-
verfolgt. Die enorme Wendig- sätzlichen Ausgleichshörnern,
1936 war der zweite Prototyp schieden worden, dass die Fw
keit beeindruckte ihn beson- durch Focke-Wulf-typische
bei der Erprobungsstelle einge- 159 nicht beschafft werden
ders. Deshalb wurde die Fw Endscheiben abgeschottet.
troffen. Die Vergleichsflüge würde. Auch von der Null-Serie
dauerten fast vier Wochen. Fa- 159 ab sofort in den LC-Listen konnten nur noch drei Muster Fahrwerk: Schleppschwing-
zit: Die Maschine war ange- als Frontjäger ausgewiesen, (Werk-Nummern 1963 bis Knickfederbeine, am Rumpfun-
nehm zu fliegen und problem- bei dem Wendigkeit über Ge- 1965) fertiggestellt werden. terqurt angelenkt und hydrau-
los zu bewaffnen, aber sie hat- schwindigkeit rangierte. lisch in den Rumpf einziehbar,
Die Fw 259 wurde erst gar nicht
te durch ihre überholte durch hydraulisch betätigte
zu Ende gebaut. Bereits im Ja-
Konzeption einen entscheiden- Kurzzeitig tauchte der neu er- Klappen abgedeckt.
nuar 1937 war der Amtschef ge-
den Nachteil: Sie war für einen nannte Frontjäger bereits im
beten worden, die Arbeiten an Triebwerk: Flüssigkeitsgekühl-
den Prototypen wegen Leis- ter hängender Zwölfzylinder V-
tungsschwäche einstellen zu Motor Junkers Jumo 210 B.
lassen. Focke-Wulf versuchte, Starre oder einstellbare
das Konzept des Hochleis- Zweiblatt-Luftschraube. Brenn-
tungs-Hochdeckers mit dem stoffbehälter im Rumpf.
Projekt für einen Stuka Fw 188
zu retten - vergeblich. Bewaffnung: Zwei starre,
durch den Luftschraubenkreis
Das bayerische Ende dieser feuernde MG 17 mit je 1.000
Geschichte: Aufgrund der Er- Schuss Munition auf dem Vor-
fahrungen beim Spanischen derrumpf. Eine durch die Luft-
Bürgerkrieg wurde die Bf 109 schraubennabe schießende
Konstrukteur und Testpilot: Kurt Tank, technischer Leiter des Werkes, fliegt die D-
wesentlich besser als die Hein- Motorkanone mit 200 Schuss
IGQO ein - eines der wenigen gebauten Muster aus der O-Serie. kel-Konkurrenz beurteilt und war vorgesehen (das ursprüng-
damit endgültig zum Standard- lich eingeplante MG C/30L von
Beschaffungsprogramm auf: jäger der Luftwaffe auserkoren. Rheinmetall erwies sich als zu
QUELLENANGABEN
242 Einheiten, darunter 25 Er- Mit rund 35.000 gebauten Ein- schwer).
Conradis: Nerven, Herz und Rechen- probungsmaschinen, sollten heiten ist sie eines der erfolg-
schieber - Kurt Tank, Flieger, For- reichsten Flugzeuge der Luft- Farbgebung: Alle Maschinen
1937/38 gebaut werden Doch
scher, Konstrukteur; Göttingen 1955 fahrtgeschichte. waren komplett RLM-Grau (02)
Schwingungsuntersuchungen
gespritzt, und alle erhielten -
Ebert, Kaiser, Peters: Willy Messer- und Unfälle verzögerten das
schmitt - Pionier der Luftfahrt und Doch es gibt noch einen nord- wie seinerzeit allgemein üb-
Programm immer wieder. Bei
des Leichtbaues, Reihe 'Die deut- deutschen Nachschlag: Ober- lich - eine Zivilzulassung in
den Unfällen waren es überwie-
sche Luftfahrt', Band 17; Bonn 1992. ingenieur Blaser, zu dieser Zeit schwarzen Lettern. Die meisten
gend Fahrwerkschäden mit
Budraß: Flugzeugindustrie und Luft- dienstältester deutscher Flug- trugen am Seitenleitwerk
den anfälligen Knickbeinen.
rüstung in Deutschland 1918-1945, zeugbauer und Chefkonstruk- die Nationalitätszeichen (rotes
Ausgerechnet hier gab es auch
Schriften des Bundesarchivs, 50; teurfür Einsitzer, schuf ab 1938 Band mit weißem Kreisfeld und
Düsseldorf 1998. noch Differenzen zwischen
in der Fw 190 erneut einen Kon- einem schwarzen, auf der
dem Hersteller VDM und sei-
Sonstiges: LCII-Flugzeugentwick- kurrenten zur Bf 109- und dies- Spitze stehenden Hakenkreuz
lungsprogramme vom 1. Februar
nem Konkurrenten EC, der we-
mal mit Erfolg! darin).
1935 b i s t April 1937. • Niederschrift gen Patentverletzung monierte
über Besprechung LC II Ch am 20.1. - zu Unrecht, wie sich nach lan-
1937. Bericht LC II Nr. 8249/34 vom gen Streitigkeiten herausstell- TECHNISCHE BESCHREIBUNG
7. 11.1934. • Berichte Wolfram von te.
Richthofen aus Spanien. • Berichte Tragflügel: Dreiteilig, Dural-
Wohlberg (Fw) sowie diverse Focke- Das endgültige Aus für den struktur. Modifiziertes NACA-
Wulf-Korrespondenz.
ersten Focke-Wulf-Jäger kam Profil. Als Baldachin ausgebil-
von einem seiner Initiatoren, detes Mittelstück, durch N-Stre-

113
Focke Wulf Fw 159 - Die Wandlung des ersten Prototyps

Der erste Prototyp auf dem Hallenvorfeld. Die


Entwicklung dieses Hochdeckers fand das
besondere Interesse von Ernst Udet, der dem
Tiefdecker-Jagdflugzeug anfänglich skeptisch
gegenüber stand. Im Bild unten ist er im Führersitz
der Fw 159 V1 zu sehen.

Im Verlauf der Flugerprobung erhielt der Prototyp der Fw 159 außer


der Zulassung einige Verbesserungen. Rein äußerlich fallen die
abgeänderte Haube des Führersitzes und das verstärkte Fahrgestell
ins Auge.

114
Focke Wulf Fw 159 - Fahrgestell und Kabine

F
Das kompliziert in den relativ schmalen Rumpf einziehbare
Schleppschwing-Fahrgestell war und blieb die Achillesferse der Fw 159,
obwohl die gefundene technische Lösung brillierte. Links ist die
ursprüngliche Ausführung zu sehen. Die grossen Abdeckklappen (im
unteren Bild offen zu sehen) öffneten sich automatisch nur für den
kurzen Augenblick des Einziehens oder Ausfahrens. Das Bild rechts
zeigt die endgültige Ausführung mit dem verstärkten Federbeim.

Führersitz mit Steuerknüppel und dem Instrumentenbrett. In seinem


linken Mittelbereich sind Fahrtmesser, Wendezeiger, Höhenmesser,
Kompass und - darunter - Variometer zu finden. Der gesamte rechte
Bereich dient der Triebwerksüberwachung mit Drehzahlmesser,
Ladedruckmesser und verschiedenen Temperaturmessgeräten. Die
Borduhr befindet sich ganz links.

115
Historische deutsche Flugzeuge bis 1945

Vor der Focke-Wulf Fw 56 Stößer und der Arado Ar


76 als spätere militärische Standardmuster gab es
bereits einen speziell entwickelten Übungseinsitzer,
der allerdings weitgehend unbekannt blieb, da er
Ruhrtaler Ru 3
EIN FRÜHES MUSTER FÜR DIE JAGDFLIEGER-
nicht beschafft werden konnte. VORSCHULUNG DER LUFTWAFFE

licher Form grafisch darge- Entwicklung befindliche späte- nehmen müssen, als sich der
stellt. In der scheibenförmig re Luftwaffen-Schulflugzeug neu ernannte Luftfahrtminister
Für die Vertreter-Versammlung sichtbar gemachten Umsatz- Klemm Kl 35 noch E 35 ge- Göring in seiner Rede nach Be-
beim Böblinger Leichtflugzeug- menge von 1933 klebte als letz- nannt wurde, musste es also endigung des Deutschland-
bau Klemm (LFK), die am 16. tes, sehr schmales Segment jüngeren Datums sein. Es flugs 1933 abfällig über die al-
Februar 1934 stattfand, hatte mit einem Anteil von nur 0,4% tauchte jedoch in folgenden ten, technisch längst überhol-
deren kaufmännischer Mitar- ein Muster, das mit E 39 be- Statistiken und auch in anderen ten Flugzeuge geäußert hatte,
beiter Krinka den Vergleich der zeichnet und als Reichsauftrag Unterlagen nie mehr auf. Und mit denen die Vereine oft noch
Umsatzentwicklung zwischen ausgewiesen war. Da auf der da das knappe halbe Prozent in fliegen mussten. Dazu kam die
1932 und 1933 in sehr anschau- gleichen Versammlung das in etwa dem damaligen Verkaufs- schlechte Beurteilung von in
wert eines zweisitzigen Schul- Rechlin getesteten L 25 b und
TECHNISCHE DATEN ( flugzeugs Klemm L26- also le- bf. Das änderte sich nach ei-
diglich etwa 10.000 Mark - aus- nem Böblingen-Besuch des
Muster Ruhrtaler_Ry_3j
machte, konnte es sich nur um Gruppenleiters im Technischen
Verwendungszweck ÜbungJ
eine Konstruktion handeln, de- Amt (TA) des Reichsluftfahrtmi-
Besatzung _jj ren Entwicklung abgebrochen nisteriums (RLM), Dipl.-Ing. Ro-
Bauart halbfreitragender Hochdecker J worden war. luf Lucht (1901-1945), bei dem
Entwurf Willy Fiedler | zwischen LFK und der Dienst-
Jahrzehnte später wurden Fo- stelle eine enge Zusammenar-
Hersteller Ruhrtaler Maschinenfabrik, Mülheim/Ruhr |
tos von Bauteilen verfügbar, die beit vereinbart wurde. Erstes
Antrieb Argus As B Serie 3 |
den Negativ-Nummern zufolge Ergebnis war der erfolgreiche
Startleistung 135 PS (99,2 kW) | zeitlich nur diesem Muster zu- Test der neuen L 25 d im Sep-
Spannweite ca. 10,00 m | geordnet werden konnten. Da- tember 1933 in Rechlin. Aufträ-
Länge über alles ca. 6,80 m | bei zeigte sich, dass es sich um ge über diesen Schul-Zweisit-
Flügelfläche ca. 13.00 qm | einen einsitzigen Tiefdecker zer ließen die L 25-Produktion,
Rüstmasse ca. 600 kg J handelte, der in seiner Formge- die im Jahr 1932 nur 15% des
Startmasse ca. 800 kg J
bung der Kl 35 sehr angegli- gesamten Klemm-Umsatzes
chen war und von einem Argus ausgemacht hatte, wieder auf
Flächenbelastung ca. 61,5 kg/qm |
As 8 angetrieben werden sollte. 80% anwachsen.
Leistungsbelastung ca. 5,93 kg/PS | Überlegungen, die zu seiner
Höchstgeschwindigkeit 240 km/h ] Entwicklung führten, ließen Trotzdem waren sich die Ver-
Reisegeschwindigkeit 210 km/h | dann eigentlich nur einen antwortlichen beim LFK darü-
Gipfelhöhe 4.600 m | Schluss zu: Klemm-Produkte ber im Klaren, dass die Ent-
hatten einen Image-Verlust hin- scheidung bei der Beschaffung

116
Ruhrtaler Ru 3

117
Voll ausgestraaktes Wurzelprofil x 2

118
Produkte für die dritte Dimensi- Einsatz im Untertagebergbau
on anstrebte. Da war weiterhin baute, den Versuch wagte, in
die von Flick übernommene den Flugzeugbau einzusteigen.
ATG (Allgemeine Transportan-
Die Initiative kam von Hanns
lagengesellschaft) in Leipzig,
Schwarz, jüngster Sohn eines
die Förderanlagen für den
der Firmeninhaber und leiden-
Braunkohlebergbau fertigte,
schaftlicher Motorsportler.
aber Kapazitäten im Maschi-
Sein älterer Bruder war 1917 bei
nenbau frei hatte. Und da wa-
der Ausbildung zum Flugzeug-
ren die beiden Schiffbaukon-
führer tödlich verunglückt. Sei-
zerne Blohm & Voss sowie die
ne Schwester hatte sich an den
in Mülheim geborenen Segel-
Der fertiggestellte Rumpf der Ru 3 in flieger Erich Bachern (1906-
geschweißter Stahlrohr-Bauweise. Für
ihn wurde sich entschieden, nachdem
1960) gebunden. Bachern stu-
vorher auch ein sperrholzbeplankter dierte seit 1925 an der Techni-
Holzrumpf zur Disposition gestanden schen Hochschule Stuttgart
hatte.
und gehörte zu den Mitglie-
Die einteilige Auslegung des aus dern, die 1925 eine Akaflieg un-
Holz gebauten Flügels hatte zwar den ter der Mantelschaft des Flug-
Nachteil der Unhandlichkeit, konnte technischen Vereins Stuttgart
dafür aber bei geringer Masse sehr
stabil ausgelegt werden. Hier (unten) gründete und sie 1926 in die Ei-
ist er vor der Ausstattung mit Sperr- genständigkeit führte. Er hatte
holz (beplankte Nase, Versteifungs- den 22 Meter spannenden Leis-
ecken) zu sehen.
tungssegler Thermikus mit Flü-
gelverwindung konstruiert und
von Standards-Schulflugzeu- konnte Ingenieur Schwarz als
gen bereits zugunsten der Dop- Gasthörer nach Stuttgart und
peldecker Heinkel He 72 Kadett damit auch als Mitglied der
und Focke-Wulf Fw 44 Stieglitz Akaflieg gewinnen. Hanns
gefallen war. Die LFK-Konstruk- Schwarz erfreute sich bei den
tionsabteilung unter Leitung akademischen Fliegern Stutt-
von Dipl.-Ing. Friedrich Fecher garts, als dessen Angehöriger
hatte deswegen den Knickflü- er 1932 von der Deutschen Ver-
gel-Tiefdecker £ 35 schon für kehrsfliegerschule Warnemün-
eine der folgenden Beschaf- de in Ergänzung seines Land-
fungsperioden in die Planung A2-Scheins zum See-A2-
genommen. Die Pläne dazu wa- Schein ausgebildet wurde,
ren Lucht bereits während sei- großer Wertschätzung.
nes Besuchs vorgelegt worden.
Obwohl er keinen Zweifel daran
Ebenfalls für die Stuttgarter
ließ, dass in absehbarer Zu-
Akaflieg hatte ihr Mitglied Willy
kunft kein weiterer Bedarf an
Fiedler (1908-1998) als Di-
A2-Schulflugzeugen anfallen
worden, darauf lässt eine fort- AG Weser, die in die Flugzeug- plomarbeit im Jahr 1932 den ei-
würde, hatten sie ihn mögli-
schrittlichere Spornauslegung fertigung drängten. Diese Ten- genwilligen Leistungssegler F1
cherweise inspiriert, der Firma
schließen, die Monate nach denz wird der Grund dafür ge- Fledermaus mit Seitenleitwer-
vorzuschlagen, auf der Basis
dem Konstruktionsbeginn aus- wesen sein, dass auch die in ken an den Flügelenden kon-
dieses Entwurfs einen Einsitzer
gearbeitet wurde, aber fertig Mülheim an derRuhransässige struiert, der in der Akaflieg-
für die Jagdfliegerschulung zu
wurde das Muster nie. Ruhrtaler Maschinenfabrik Werkstatt, deren Leiter Hanns
entwickeln. Das sollte aller-
Schwarz & Dyckerhoff, die klei- Schwarz war, gebaut und zum
dings auf Firmenrisiko gesche- Da kam dem Amt der Zufall zur
ne Diesel-Lokomotiven für den Rhönwettbewerb 1933 fertig-
hen, da bisher ein einsitziges Hilfe. Die positive Entwicklung
leichtes Schulflugzeug mit den der Luftfahrtindustrie ab 1932
Eigenschaften eines größeren hatte verschiedene Transport-
Einsitzers und ausgerüstet mit mittel herstellende Firmen an-
einem starren Lichtbild-MG (fil- geregt, selbst den Flugzeug-
mische Auswertung von mit ei- bau aufzunehmen. An erster
ner Kamera erzielten Treffern) Stelle gehörte dazu der Kasse-
nicht ausgeschrieben war. ler Lokomotivhersteller Hen-
schel, dessen Konzernherr Os-
Er stellte einen größeren Auf- kar R. Henschel nach der Auf-
trag in Aussicht. Der wurde im nahme des Baus von
Beschaffungsprogramm vom Lastkraftwagen 1924 nun auch
1. Juli 1934 festgeschrieben:
180 Stück Schuleinsitzer. Bei
Klemm verliefen die Arbeiten - Im Bild rechts die bis auf Teile der
Bespannung fast fertiggestellte Ru
aus welchen Gründen auch im- 3 in der Ruhrtaler-Werkhalle.
mer - sehr schleppend. An der
E 39 ist wohl ständig gearbeitet

119
fluggerät auch enorm. Bevor
die Maßnahme zum Tragen
kam, die Finanzierung der In-
dustrie aufzubürden, musste
sparsam kalkuliert werden. Ei-
ne Beschaffung preiswerter
Übungsflugzeuge wie Ru 3
oder Klemm E 39 wäre dem
Amt zu diesem Zeitpunkt - hät-
ten sie zur Verfügung gestan-
den - bestimmt mehr als Recht
gewesen.

Der Prototyp Ru 3 ist erstmals aus der kampf-Trainer musste also ein lich übernahm die Vorführung
Halle gerollt. Es fehlen noch die Verklei- vollkommen neuer Denkpro- mit einer erfolgreichen De-
dungen am Fahrgestell, was den positi- TECHNISCHE BESCHREIBUNG
zess angeleiert werden, und monstration der Flugleistungen
ven Gesamteindruck nicht schmälert.
bald war meine Zeit rum - ich am Vormittag, dem eine kleine Tragflügel: Einteiliger, einholmi-
hatte mich für ein Semester und Feier und eine Vorführung der ger Flügel in Holzbauweise mit
gestellt wurde. Als stellvertre-
die Ferien davor und danach Flugeigenschaften am Nach- Kastenholm und drehsteifer
tender Werkstattleiter fungierte
verpflichtet. Fiedler hat das mittag folgte. Dabei geriet die Sperrholznase, sonst stoffbe-
Tasso Proppe, ein gebürtiger
neue Konzept noch ausgebrü- Maschine ins Trudeln, aus dem spannt. Gepfeilte Vorder- und
Trierer, der in Darmstadt bereits
tet und an Leute übergeben, sie Hanns Schwarz nicht mehr gerade Hinterkante. Durch kur-
sein Vorexamen gemacht und
die Hanns Schwarz heuern heraus bekam. Er war sofort tot, ze I-Streben zu den Rumpober-
Werkstatterfahrung im Bau von
musste«. als die Maschine am Flugplatz- gurten hin abgefangen. Tiefe,
Gleitflugzeugen mitgebracht
rand aufschlug. Die Unfallursa- unausgeglichene Querruder,
hatte. Im Frühjahr 1934 war der Ent- che konnte nie ermittelt wer- an einem Hilfsholm angelenkt.
wurf der Ru 3 genannten Ma- den. Schwarz Senior verfügte
Als im Herbst 1933 die Ruhrta-
schine fertig geworden. Die die sofortige Einstellung des Rumpf: Geschweißtes Stahl-
ler Werke Hanns Schwarz et-
weiteren Arbeiten übernahmen Flugzeugbaus in seiner Firma. rohrgerüst mit verkleidetem
was Kapital und eine leerste-
ein Konstrukteur und ein Stati- Rumpfrücken, sonst stoffbe-
hende Halle für den Flugzeug-
ker, die Willy Fiedler ablösten, Die Meinung, zu Beginn der spannt. Offener Führersitz mit
bau zur Verfügung stellten,
der die Flugzeugbaumeister- Luftrüstung 1933 sei Geld in un- Einstiegsklappe links.
konnte er als Leiter dieses Un-
Laufbahn einschlug. Später beschränkter Menge verfügbar
terfangens Dipl.-Ing. Willy Fied- Leitwerk: Freitragendes Nor-
ging Fiedler zu Fieseier, wo Ba- gewesen, trifft nicht zu. Teilwei-
ler für eine befristete Zeit als malleitwerk in Holzbauweise,
chern bereits tätig war, um 1942 se war die Finanzierung der
Chefkonstrukteur gewinnen. mit sperrholzbeplankten Flos-
mit ihm zusammen im ober- Aufträge sogar schwierig. So
Beide überredeten Tasso Prop- sen und Stoff bespannten Ru-
schwäbischen Waldsee die Ba- musste das Reichsluftfahrtmi-
pe, das Winter-Semester zu dern.
chem-Werk GmbH zu gründen. nisterium zuerst mit weniger als
überspringen, um die anfängli-
Nach dem Krieg siedelten so- 30 Millionen Mark für Flugzeug- Fahrwerk: Bremsbare Ballonrä-
che Werkstattleitung zu über-
wohl Fiedler als auch Proppe in einkäufe haushalten. Das Geld der an Federbeinen, die zu den
nehmen. Geplant war ein drei-
die USA über, während Ba- wurde dem Industrie-Etat der Rumpfobergurten hin abge-
sitziges Reiseflugzeug Ru 2.
chern nach mehrjährigem Ar- Abteilung Luftfahrt sowie den stützt sind; jeweils angelenkt
Proppe erinnert sich: »Ich, das
gentinien-Aufenthalt 1952 die geheimen Etats der Marine und durch zwei Streben zum
Studium unterbrochen, war das
technische Leitung jener Ruhr- der Reichswehr entnommen, Rumpfkielgurt. Radverkleidun-
Mädchen für alles. Ich musste
taler Maschinenfabrik Schwarz aufgestockt durch weitere Mit- gen. Rollsporn, ebenfalls ver-
Holz einkaufen, eine Holz-Test-
& Dyckerhoff seines Schwie- tel des Arbeitsbeschaffungs- kleidet.
maschine bauen, im Büro Hol-
gervaters übernahm, bei der Programms. Bis Ende März
me und Rippen zeichnen, in der Triebwerk: Luftgekühlter Vier-
das Übungsflugzeug Ru 3 end- 1934 kamen zwar weitere 59
Halle Hellinge planen für zylinder-Reihenmotor Argus As
lich zum Herbst 1936 bis zur Millionen Mark hinzu, aber da-
Rumpf- und Flügelbau. Irgend- B Serie 3 mit hängenden Zylin-
Flugreife gediehen war. Den für waren die Kosten für Kriegs-
wann tauchten Leute vom Luft- dern und 135 PS (99,2 kW)
Erstflug und einige anschlie-
fahrtministerium auf. Sie hatten. Startleistung. Triebwerksauf-
ßende Flüge führte Hanns
von uns gehört und wollten se- QUELLENANGABEN hängung aus geschweißten
Schwarz selbst aus, dann über-
hen, was wir machen. Dann ha- Stahlrohren. Starre Zweiblatt-
nahm ein Berufspilot die Flug- LFK-Auftrags-Umsatz, Grafische
ben sie uns (von der Reisema- Luftschraube. Brennstoffbehäl-
erprobung einschließlich der Blätter v. 9.2.1934 • LFK-Bericht
schine) abgeraten. Sie sagten, ter im Rumpf hinter dem Brand-
ohne Probleme verlaufenden über die Erprobung der L -25 d in
sie brauchten ein kleines Rechlin, Mitteilung Nr. 1321 vom schott.
Trudelversuche. Zwischenzeit-
Übungsflugzeug für die Jagd- 7.10.33 • Akademische Flieger-
lich flogen auch andere Piloten Anstrich: Alufarbig Bronzela-
flieger-Ausbildung, leicht aber gruppe Stuttgart e.V.: 50 Jahre
die Maschine, unter ihnen Tas- Akaflieg Stuttgart 1926 bis 1976; ckiert. Ruhrtaler-Logo in
schnell, einsitzig, mit eingebau-
so Proppe, der sie als sehr Febr. 1976 • T. Proppe: Fliegen schwarz an den Rumpfseiten
ter Film-Kamera, um Luftkampf
schnell und sehr wendig be- ist eine schlechte Angewohnheit,- hinter der Motorhaube. Ho-
zu üben. Sie stellten Material, 1992, Mskpt. • M. Szigeti: Die
schrieb - und als ausgespro- heitsfahne in Schwarz-Weiß-
Motor (Argus As 8), Instrumen- Flugzeuge der Ruhrtaler-Maschi-
chen Kunstflug-freundlich. Rot am Seitenleitwerk.
te und Zubehör wie Fallschirm, nenfabrik, Jet & Prop 2/97 • Dr.
Anschnallgurte, Räder zur Ver- Jastrow: Entwurf zu einer Ge-
Am 1. November 1936 sollte
fügung. Das bedeutete finan- schichte der Finanzierung der
das Flugzeug den offiziellen Luftfahrtindustrie in den Jahren
zielle und moralische Unterstüt- Vertretern des Reichsluftfahrt- 1933-1945, Referat 1950. Mskpt.
zung, aber auch - wieder von ministeriums vorgeflogen wer- • Fotos: via Archiv Szigeti.
vorne anfangen. Für den Luft- den. Hanns Schwarz persön-

120
»KUMENTI
Historische deutsche Flugzeuge bis 1945

und dem Einzug in das Rekru- eines Oberwachtmeisters als ralmajor Chef des Luftwaffen-
ten-Depot des bayerischen Ei- Pilot bei der Polizei-Fliegerstaf- Führungsstabes und als sol-
senbahn-Ersatz-Bataillons be- fel 1 in Schleißheim. Anschlie- cher am 20. Juli 1944 beim At-
gonnen. Noch vor Jahresende ßend fungierte er bis 1935 als tentat auf Hitler verletzt und
Ein erfolgreich geflogener war er Kraftfahrer geworden, Ausbilder bei der Landespoli- zum Generalleutnant befördert.
Hanggleiter der frühen Jahre zuletzt beim Kommandeur der zei in München und brachte es Ab dem 1. November 1944
an der Rhön war der vom Pioniere der 8. bayerischen In- bis zum Polizei-Hauptmann. Im stand er dem Generalstab der
Bayerischen Aero-Club ge- fanterie-Division. Anfang 1916 August 1935 wechselte er im Luftwaffe vor.
meldete flügelgesteuerte erreichte ihn die Kommandie- gleichen Rang zur Luftwaffe,
Eindecker, dessen einfacher Die Rede ist von Karl Koller, der
rung zur Fliegerersatz-Abtei- wurde Ende des Jahres zur
Aufbau die spätere Schulglei- beim zweiten Rhön-Segelflug-
lung 1 in Schleißheim. Die Mo- Luftkriegsakademie in Berlin-
ter-Entwicklung beeinflusste. Wettbewerb 1921 mit einem
torenschule Oberursel, die Gatow kommandiert und im
Er wurde Finsterwalder zuge- einfachen Fluggerät - Münche-
Staffel 34 sowie die Flieger- März 1936 zum Staffelkapitän
schrieben. ner Eindecker genannt - gegen
schulen 1 und 4 waren Statio- bei den Kampffliegern in Jüter-
überlegene Konkurrenz in ei-
nen auf dem Weg zum Flug- bog und Oldenburg ernannt,
nem dramatischen Endspurt
als Gesamtsieger hervorging.
Dabei war er nur zufällig Pilot
der Maschine geworden, die

Der Münchener zwei angehenden Diplom-Inge-


nieure an der Technischen
Hochschule München im Win-

Eindecker DAS SIEGERMODELL


DES RHÖN-WETTBEWERBS 1921
ter 1920/21 konstruiert hatten:
Ernst von Loessl und Albert
Finsterwalder. Finsterwalder,
dessen Vater Dr. Sebastian als
Professor am gleichen Institut
lehrte, und von Loessl, ein Vet-
Am 8. Mai 1945 geriet der letz- zeugführer in den Flieger-Abtei- um schließlich im August zum ter der Brüder Ernst und Eugen
te Chef des Generalstabs der lungen 273 und 47, bevor im Major aufzurücken. Anschlie- von Loessl, Offizierssöhne aus
Luftwaffe in Gefangenschaft. März 1918 seine Ausbildung ßend leistete er Stabsarbeit. Darmstadt, die bereits 1912 als
Die anschließende zweiein- zum Jagdflieger in der Jagd- 1939 noch zum Oberstleutnant Gymnasiasten auf der Wasser-
halbjährige Internierung über- staffelschule 2 begann. Als An- aufgestiegen, wurde er 1941 als kuppe Gleitflüge unternommen
lebte er nur kurze Zeit. Ende gehöriger der Jagdstaffel 76 Oberst Chef des Generalstabs hatten und die beide bereits
1951 starb der General der Flie- und im Range eines Vizefeld- der Luftflotte 3, 1943 als Gene- der Fliegertod ereilt hatte.
ger a.D. in Glonn, einem Ort webels wurde er am 25. Mai
zwischen München und Rosen- 1918 von den Briten gefangen-
heim, in dem er 54 Jahre vorher genommen. Nach seiner Ent-
auch das Licht der Welt erblickt lassung Ende 1919 wechselte
hatte. Seine Karriere in Uniform er zur Polizei und flog zwischen
hatte im August 1914 mit der dem 12. Februar 1920 und dem
Meldung als Kriegsfreiwilliger 30. September 1922 im Range

Der Bau erfolgte mit Unterstüt-


zung der Sektion München des
Bayerischen Aero-Clubs, unter
dessen Namen die Maschine
auch zur Rhön gemeldet wur-
de. Seine Mitglieder waren es
gewesen, die bei einem Be-
such des Rhön-Wettbewerbs

Die beiden Bilder links und oben


zeigen einen Gummiseilstart des
Münchener Eindeckers in seiner
endgültigen Form mit gedämpftem
Seitenruder und Ausgleichshorn.

121
weise mehrere kürzere Flüge
mit einer höheren Gesamtleis-
tung.
Die Münchener hatten Haupt-
mann a.D. Franz Hailer, Urbayer
und Flugpionier, gebeten, den
Münchener Eindecker einzu-
fliegen. Hailer war zu jener Zeit
Chef der Luftüberwachung
Bayern Nord in Nürnberg, die
dem bayerischen Handelsmi-
nisterium in München unter-
stand. Dieses hatte ihn dienst-
lich abkommandiert, »sich zu-
ständigkeitshalber um einen
verdächtigen Flugbetrieb auf
der Wasserkuppe zu küm-
mern«. Durch eine Grenzreform
gehörte die Wasserkuppe je-
doch bereits seit 1866 zu Preu-
ßen. Das war den bayerischen
1920 im Hof des Gasthofs chener Eindecker. Das Höhen- Behörden offenbar entgangen,
»Rhönhäuschen« an der Straße leitwerk blieb eine starre Dämp- und Hailer reiste privat in die
Bilder oben und unten. - Der nur 56 kg
zwischen Bischofsheim und fungsfläche, und ein Seitenleit- schwere Münchener Eindecker wird zur Rhön, um sofort als Lagerkom-
Wüstensachsen den abgestell- werk gab es überhaupt nicht. Startstelle getragen (oben). Das Flug- mandant auserkoren zu wer-
ten Stahlrohrrumpf eines Glei- zeug hat noch kein Seitenruder, dafür
Mit den Fußpedalen wurden deutlich sichtbare Spreiz-Bremsklap- den. Den Münchener Einde-
ters entdeckt hatten. Sie identi- winzige Bremsflächen an der pen an den Flügelenden (unten). cker flog er am 9. August ein -
fizierten ihn als dem Regie- Hinterkante der Flügelenden einen Tag vor Wettbewerbsbe-
rungsbaumeister Friedrich betätigt, die die Bewegung um ginn. Es sollte sein erster und
Harth aus Bamberg gehörend, die Hochachse unterstützen einziger Flug in einem Segel-
von dessen seit 1915 durchge- sollten. Aber sie wirkten nicht dungs-Nummer 25 bereits auf
flugzeug werden. Der junge Pe-
führten Gleitflugversuchen am so recht und mussten bald der Kuppe. Die Ausschreibung
ter Riedel erlebte ihn:
flachen Hang des Heidelstein in durch ein normales Seitenru- verlangte erstmals eine Zulas-
der Hohen Rhön sie wussten. derersetzt werden, das letztlich sungsprüfung für die Flugzeu-
Ein interessantes Detail entging ge und ihre Piloten. Bei den »Da wir Lagerinsassen alle den
auch noch ein Ausgleichshorn
ihnen nicht: Harth war imstan- Flugzeugführern wurde ihre frü- Münchener Eindecker bewun-
und eine Flosse bekam.
de, mit zwei Steuerknüppeln here fliegerische Tätigkeit nicht derten, folgte ihm jeder, der
die Tragflächen-Einstellwinkel Als am 8. August 1921 die Teko, berücksichtigt. Sie mußten, wie Zeit hatte, zum Startplatz am
individuell zu verändern. Das die in diesem Jahr neu einge- es auch für die Flugzeuge vor- sanft abfallenden Hang nach
schien eine faszinierende Idee setzte Technische Kommission geschrieben war, eine Eignung Nordwesten. Hailer wurde von
zu sein, unterschiedliche Luft- zur Prüfung der gemeldeten durch den Nachweis einer Min- zwei Mann, je einem an jedem
strömungen besser ausnutzen Gleitflugzeug-Konstruktionen, destleistung erbringen, und Flächenende, gegen den Wind
zu können. Ohne Zweifel waren ihre Arbeit aufnahm, war der das war ein Gleitflug von we- geschleppt. Er gab Höhensteu-
auch die beiden jungen Kon- Münchener Eindecker mit der nigstens 300 m Länge oder 30 er, wie man es ihm vorher einge-
strukteure, von Loessl und Fins- Kennzeichnung F und der Mel- Sekunden Dauer beziehungs- schärft hatte, indem er seine
terwalder, davon angetan. Aber
- selbst wenn sie durch sie da-
zu angeregt worden sein soll-
ten - sie kopierten Harths Lö-
sung nicht. Für die individuelle
Flügelhälften-Verstellung er-
sannen sie ein eigenes System,
das über eine sinnvolle Kinema-
tik durch einen zentralen Steu-
erknüppel sinngemäß wie die
inzwischen zum Standard ge-
wordene »Militärsteuerung« ar-
beitete: Knüppel nach vorne =
Nase senkt sich; nach hinten =
Nase hebt sich; nach links = lin-
ke Fläche senkt sich; nach
rechts = rechte Fläche senkt
sich. Sie wurde anschließend
einige Male von anderen Kon-
strukteuren für ihre flügelge-
steuerten Typen kopiert. Weite-
re Steuerorgane allerdings
waren Mangelware am Mün-

122
Der Munchener Eindecker

123
Tragflächen durch Ziehen am
Steuerknüppel in den günstigs-
ten Einstellwinkel brachte. Das
erste Mal passierte gar nichts
und der Startversuch musste
wiederholt werden. Doch inzwi-
schen frischte der Wind etwas
auf oder vielleicht war jetzt der
Einstellwinkel optimal einge-
stellt, denn plötzlich verließ der
Segler den Boden und rausch-
te davon, den Hang hinunter.
Hailer hatte sofort gedrückt,
und das wahrscheinlich reich-
lich viel, denn jetzt sah es aus,
als ob er mit hoher Fahrt in den
Boden rammen würde. Erneut
schnell gezogen - und nun
stürmte der Vogel himmel-
wärts. Und so ging es weiter in
sekundenschnellem Wechsel.

zuerst 805 m in 75 und dann


897 m in 81 Sekunden. 974 m
Hans Koller flog den Münchener Einde- Weite erreichte er am 20. Au-
cker anfänglich ohne Seitenruder. Bei gust in 1 Minute und 37 Sekun-
den ersten Starts wurde die Maschine
durch zwei Helfer an den Flügelenden den, um im gleich darauf fol-
gegen den Wind gezogen (oben). genden Flug nach 2 Minuten
und 49 Sekunden 1.900 m weit
Nach den ersten Flügen wurde der Ein-
decker mit einem Seitenruder ausge-
entfernt zu landen. Flauer Wind
stattet und durch eine Seilmannschaft beeinträchtigte die Flugleistun-
gestartet - allerdings ohne Gummiseil. gen an den beiden letzten Wett-
bewerbstagen. Am 24. August
flog Koller mit seinem Einde-
cker zwei Kurven von etwa 90°
Es sah aus, als sitze Hailer auf Mit dem »ganz verrückten Vo- die Rhön gereist. Koller entwi- - zu diesem Zeitpunkt etwas
einem ungezähmten Mustang. gel«, wie Hailer die Maschine ckelte ein besonderes fliegeri- nicht Alltägliches. Am folgen-
Wir Zuschauer hielten den genannt hatte, bevor er den sches Gespür für die neuartige den Schlusstag startete er um
Atem an. Jeden Augenblick Landeplatz ohne weiteren Kom- Steuerung eines Fluggerätes, 10.30 Uhr, schaffte einen vollen
konnte es krachen, aber das tat mentar und ohne weitere Ab- das wegen des ungeschränk- Kreis, kam aber nur 500 m weit.
es glücklicherweise nicht. Hai- sicht des Einfliegens verließ, se- ten Flügels und einer mangel-
ler setzte den Eindecker gelte anschließend von Tag zu haften Seitensteuermöglichkeit
schließlich sanft ins Gras - Tag erfolgreicher einer seiner mehr als feinfühlig bedient wer- Das war tragisch, denn er hatte
gänzlich unbeschädigt. Noch Untergebenen. Es war jener den musste. Am Nachmittag einen überragenden Wettbe-
heute höre ich sein schallendes spätere General Karl Koller, des 10. August 1921 - dem ers- werber bekommen: Martens
Lachen, das während des gan- ebenfalls Beamter der Flug- ten Wettbewerbstag - und als mit dem Vampyr, der wegwei-
zen Fluges von etwa acht Se- platzkontrolle in Nord-Bayern, 17. Start der Veranstaltung (die senden Neukonstruktion der
kunden nicht ausgesetzt hatte«. und ebenfalls als Urlauber in meisten Starts vorher gingen Hannoveraner. Dieser, um 11
auf das Konto des Nürnberger Uhr gestartet, drehte - es war
Hängegleitfliegers Pelzner) flog erst sein vierter Flug im Wettbe-
TECHNISCHE DATEN
Koller die Maschine erstmals: werb - gleich zwei Kreise, blieb
Muster Sb 1 Münchener Eindecker | bescheidene 130 m Flugstre- 5 Minuten und 33 Sekunden in
Verwendungszweck Gleiter J cke in 20 Sekunden. Am nächs- der Luft und kam in Richtung
ten Morgen jedoch, bei böigem Hilders 3.580 m weit. Er hatte
Besatzung^
Bauart
_u
verspannter Hochdecker |
Südwest mit Spitzen von 11 Me- damit Kollers größte Flugstre-
cke um 1.680 m überboten. Von
ter je.Sekunde, wurden bei den
Baujahr _J92iJ ersten drei Flügen des Tages Fokker mit seinem Wagen zu-
Konstruktion Ernst von Loessl/Albert Finsterwalder, München | 320, 330 und schließlich 550 m rückgeholt, stand der Vampyr
Hersteller Bayerischer Aeroklub München | Weite bei 50 Sekunden Dauer bereits um 14.30 Uhr wieder auf
Spannweite 11,00 m | erreicht. Das waren bessere dem Startplatz und wurde für
Seitenverhältnis 7,8 l Werte, als sie die Aachener mit einen weiteren Flug aufmon-
ihren aerodynamisch hochwer- tiert. Keiner zweifelte daran,
Länge über alles 4,66 m |
tigeren Konstruktionen Schwar- dass er den Preis für die größte
Flügelfläche 15,5 qm |
zer Teufel und Blaue Maus bis- Flugstrecke gewinnen würde.
Leermasse 56 kg I Um 15.30 Uhr startete Klempe-
her erzielt hatten.
Zuladung 75 kg | rer auf der Aachener Blauen
Flugmasse 131 kg | Weitere Koller-Flüge in der Maus. Selbst sie wurde nicht
Flächenbelastung 8,45 kg/qm J Chronik des Wettbewerbs: Am mehr als Konkurrenz für den
15. August 600 m in 53, am 17. Vampyr angesehen, schaffte

124
TECHNISCHE BESCHREIBUNG Sperrholz, 450 mm breit und
600 mm hoch, fortgesetzt wird.
Tragflügel: Verspannter Schul-
Die Verbindung zur waagerech-
terdecker. Zweiteiliger, dreihol-
ten Leitwerksfläche wird durch
miger (Nasen-, Mittel-und Hilfs-
vier keilförmig angeordnete
holm) Flügel aus Holz mit Stoff-
Stahlrohre gebildet, die zu den
bespannung. Flügeltiefe 1,50
Flügelunterseiten hin ver-
m, gewölbtes Flügelprofil mit
spannt sind.
16,7% Dicke. Flügelmasse 36
kg. Jede Flügelhälfte individuell Leitwerk: Starre horizontale
um den Mittelholm plus/minus Dämpfungsfläche aus Holz mit
10° drehbar; Antrieb durch Stoffbespannung, Spannweite
Stoßstangen. Kleine Brems- 2,40 m, Tiefe 0,78 m. Später zu-
klappen (Spreizklappen) 500 x sätzliches Seitenruder, eben-
500 mm aus Sperrholz an der falls aus Holz mit Stoffbespan-
Hinterkante der Flügelenden, nung, das dann anschließend
über Kabel (2 mm Durchmes- ein Ausgleichshom und eine
ser) durch Fußpedale betätigt. Dämpfungsflosse erhielt.
Spannkabel mit 3 mm Durch-
dann auch nur eine Flugstrecke messer. Fahrwerk: Zentralkufe aus Holz
von 2.580 m. Doch es war im- als unterer Abschluss des
Fokker holt mit seinem Cadillac den
merhin noch so weit, Koller mit Münchener Eindecker zurück an Rumpf: Offene Gitterbauweise Rumpf-Dreickverbandes, der
seinem Münchener Eindecker den Start. mit vorderem Dreiecksverband als zentrales tragendes Teil mit
auf den dritten Platz zurückfal- aus Holz, der Kufe, Flügelan- allen Anbauten nur 12 kg wiegt.
len zu lassen. Peter Riedel in schluss und den ungefederten,
Anstrich: Holzteile und Nessel-
seinen Erinnerungen: »Koller offenen Führersitz trägt, der
hatte zwar mit einer Flugzeit bespannung naturfarben im-
tat vielen leid, weil er auf einer nach hinten durch einen spitz
von über 2.200 Sekunden in 27 prägniert.
fliegerisch so schwierigen Type auslaufenden Luftabfluss aus
Flügen (gegenüber fast 1.897
mit so viel Fleiß und Können im Sekunden in 25 Flügen bei Kol-
ganzen Wettbewerb geflogen ler) den Preis für die Gesamt-
war. Doch die überlegene Tech- flugdauer gewonnen, da aber
nik schien unschlagbar. Da griff Karl Koller außer seinem Preis
das Schicksal ein. Der Vampyr für die größte Flugstrecke auch
wurde beim Start durch das Un- den für die kleinste mittlere Fall-
geschick eines Helfers beschä- geschwindigkeit gewann, wur-
digt und fiel damit aus. Jetzt de der spätere Luftwaffen-Ge-
blickte Martens enttäuscht hin- neral zum Gesamtsieger er-
ter Kollers Eindecker her, der klärt.
um 16.35 Uhr nochmals vom
Nordhang mit der Absicht ab-
flog, Martens Streckenflug zu
Wahrscheinlich wegen Kollers
Erfolg mit ihrem Münchener DOKU
überbieten«. Koller schaffte es.
Nach 305 Sekunden setzte er
Eindecker zeigten sich die bei-
den Konstrukteure unbeein-
druckt von den neuen Entwick-
MENTE
seinen Eindecker 4.080 m ent-
fernt vom Startplatz auf. Ohne lungstendenzen, denn sie hiel-
Zweifel hätte ihm Martens den ten noch lange an der
Rang abgelaufen, hätte er die Flügelsteuerung fest. Albert Vorbildgetreue Flugzeugmodelle
Kapazitäten des Vampyr bereits Finsterwalder entwarf für den
voll ausfliegen können. Pelzner nächsten Rhön-Wettbewerb
sicher und authentisch zu
den Rumpf-Hochdecker Karl- dokumentieren - das ist unsere
chen, mit dem Koller sofort Stärke.
QUELLENANGABEN Bruch machte. Von Loessl kon-
struierte verschiedene Nachfol-
Übersichtszeichnung des Bayeri- gemuster des als Sb 1 bezeich-
schen Aeroklubs • P. Riedel: Er-
lebte Rhöngeschichte 1911-1926 neten Münchener Eindeckers, Auf die regelmäßigen Publikationen
»Start in den Wind« und so den sehr ähnlich aussehen- und Anregungen in unserer Fachzeit-
1927-1932 »Vom Hangwind zur den So 2 bei der Flugwissen-
Thermik«; Stuttgart, 2. Aufl. 1986 schaftlichen Vereinigung Aa-
schrift MFI, die Reihe »FLUGZEUGTYPEN«
resp. 1988 • K.F. Hildebrand: Die chen, den Koller auch noch und selbstverständlich die Dokumenta-
Generäle der deutschen Luftwaf-
fe 1935-1945; Osnabrück, 1990
flog, sowie den bizarr abgewan- tionen in »Classic Scale« können Sie
delten So 3, der von den Trave-
• W. Hoff: III. Bericht über den
Rhön-Segelflug-Wettbewerb münder Caspar-Werken gebaut
sich verlassen und sie mit gutem
1921; WGL, Adlershof 10/1921 • wurde, für die von Loessl an- Gefühl zur Bauprüfung vorlegen,
Flugsport Nr. 16 vom 13.8. 1921, schließend Motorflugzeuge
Nr. 17 vom 17.8.1921 und Nr. 18
entwarf.
vom 31.8.1921 • W. von Langs-
dorff: Das Segelflugzeug; Mün-
chen 1923 • Fotos: DEHLA, Ar- MODELLSPORT VERLAG BADEN-BADEN
chiv Kens.

125
Historische deutsche Flugzeuge bis 1945

nen nach außen gezählt) löste resvorlage vorgeschrieben, für machungsbestände nicht aus-
in der bayerischen Hauptstadt das Mobilmachungsjahr 1913 gereicht, teils war die in einem
Augenzeugenberichten zufol- bis 1914 33 Feld- und 7 Fes- Anfangsstadium ihrer Entwick-
ge große Aufregung aus. Zu tungsflieger-Abteilungen aufzu- lung stehende deutsche Flug-
diesem Zeitpunkt trugen die stellen. Das war nicht nur ein zeugindustrie nicht in der Lage
vom Balken meisten deutschen Flugzeuge später, sondern auch ein be- gewesen, den bescheidenen
überhaupt noch keine nationa- scheidener Anfang für die zu- Forderungen der Heeresver-
zum le Kennung. Das hatte seine sammengefassten Fliegersta- waltung rechtzeitig nachzu-
Balkenkreuz Gründe. tionen Preußens, Bayerns und kommen.
Eine immobile Idflieg (Inspekti-
Die Kennzeichnung der deutschen on der Fliegertruppen) hatte
die Regelung der Lieferung
Militärflugzeuge von den und des Ersatzes übernom-
men. Einige vorgeschobene
Anfängen bis 1918 Flugzeugdepots sollten die Ver-'
bindung zwischen den zu FEA
(Flieger-Ersatz-Abteilungen)
Eine der ersten heroischen Ta- Das Eiserne Kreuz, ursprünglich ein im Jahre 1813 gestifteter umgewandelten Heimatforma-
ten im gerade begonnenen Kriegsorden des Königreichs Preußen, kennzeichnete stark tionen und den Etappenflug-
Weltkrieg vollbrachte der fran- hundert Jahre später die Mehrzahl aller Kriegsflugzeuge der parks erleichtern. Aber es fehl-
zösische Hauptmann de Beau- sogenannten Mittelmächte. Erst gegen Ende des Ersten te eine oberste Feldzentrale,
champ. Am 17. November 1914 Weltkriegs wurde es vom Balkenkreuz abgelöst. und eine Zusammenfassung
flog er von seinem Einsatzhafen der innerhalb einer Armee ein-
über Friedrichshafen im Tief- gesetzten Verbände unterblieb
flug nach München, belegte es Bei Kriegsausbruch verfügte Sachsens. Bei Kriegsausbruch ebenfalls. Dazu kam, dass eine
mehr oder weniger symbolisch Frankreich über eine zentral ge- hatten die letzten aufgestellten Mobilisierung der deutschen
mit winzigen Bomben, und ent- lenkte selbstständige Luftstreit- Einheiten ihren vollen Bestand Luftfahrtindustrie wohl im Glau-
kam - auf über 4.000 m Höhe macht mit über 600 Militärflug- an Flugzeugen noch nicht er- ben an eine nur kurze Kriegs-
steigend - nach Italien. Dieses zeugen und 1.900 Mann Perso- reicht, und einige ältere besa- dauer nicht vorgesehen war.
schneidige Unternehmen bis nal. Die Zahl, die die Deutschen ßen noch kriegsuntaugliches Dadurch geriet der Nachschub
weit in das gegnerische Hinter- dagegen setzen konnten, wa- Gerät. Auch die Ausstattung bald ins Stocken. Das Versagen
land hinein hatte eindeutig den ren - einschließlich der Etap- der Etappenflugparks, die den der Parks zwang die Verbände,
Zweck, die französische Über- penreserve - 260 Flugzeuge Personal- und Materialersatz sich unter Nichtbeachtung der
legenheit in der Luft zu de- und 450 Mann Personal. Diese der Feldverbände übernehmen herausgegebenen Richtlinien
monstrieren. Die zehn Minuten Diskrepanz war darauf zurück- sollten, war unzulänglich. Nach direkt an die Herstellerwerke zu
dauernde Präsenz von groß un- zuführen, dass die Heeresfüh- Ansicht von Major a.D. Hans wenden, um ihren Bedarf de-
ter den Flügeln der französi- rung viel zu lange dem Luft- Arndt, Archivrat im damaligen cken zu können. Was Arndt
schen Maschine aufgemalten schiff Priorität einräumte. Erst Reichsarchiv, hatten teils die nicht erwähnt, war die durch
blau-weiß-roten Kokarden (Ko- im Herbst 1913 hatte in knappen Geldmittel zur Be- dieses Chaos hervorgerufene
kardenfarben werden von in- Deutschland eine große Hee- schaffung hinreichender Mobil- Uneinheitlichkeit, denn jede Fir-
ma hatte ihre eigene Methode,
ihre Flugzeuge anzumalen
oder, wenn überhaupt, zu kenn-
zeichnen - denn es gab ja kei-
ne Order.

Zuerst schien eine Kennzeich-


nung sowieso wenig Sinn zu
machen. Jeder - Freund und
Feind - schoss auf alles, was
A B D E sich in der Luft bewegte, an-
1914 1914
c ab Juli 1916 ab Oktober 1916 fänglich meist mit wenig Erfolg.
ab Herbst 1914
So wusste Oberst von Eber-
hardt, amtierender Inspekteur
der Idflieg bis kurz nach Kriegs-
beginn, in seinem Kriegstage-
buch aus eigenem Erleben zu
berichten: »Das Gouvernement
Berlin hat das unglaubliche Ver-
bot gegeben, die Stadt zu über-
F G H J K fliegen. Jetzt wird auf der Heer-
ab März 1918 ab April 1918 ab Mai 1918 ab Juni 1918 ab Oktober 1918 straße wild auf alle Flugzeuge
geschossen, die von Johannis-

126
thai nach Döberitz fliegen. Ein terschiedlichen Landesfarben
Spandauer Bataillon hat schon wurden schließlich Kennzei-
seine ganze Munition verschos- chen aller kriegsführenden Ver-
sen - ohne zu treffen". Das än- bündeten der Entente.
derte sich bald. Um eigene
Flugzeuge zumindest vor eige-
nem Beschüß zu schützen, be- In den Anfangswochen des Krieges flo-
malten einige Frontverbände gen viele deutsche Flugzeuge noch oh-
ne Hoheits- und andere Kennzeichen.
anfänglich ihre Flugzeuge - So auch diese Albatros B II.
meist Tauben wie die Rumpier
Diese von den Franzosen erbeutete
4A3 (A 123) - mit einem Aviatik B I (unten) zeigt den provisori-
schwarzen, in Flugrichtung zei- schen Charakter der bei den Feldflugei-
genden Balken unter jeder Flü- heiten aufgemalten Hoheitszeichen, die
meist der einfacheren Form wegen mit
gelhälfte (Übersicht; Skizze A). geraden Seiten ausgeführt sind.
Doch wer wusste das schon?
Haager Beschlüsse für ein Luft-
kriegsrecht waren bereits vor weißem Grunde«. Mit dem
1914 zur Sprache gekommen, ' schwarzen Kreuz war zwar ein
aber an die Frage einer nationa- crux quadrata gemeint, also ein
len Kennzeichnung hatte nie- Kreuz mit gleich langen Quer-
mand gedacht. Sie wurde für und Langarmen (Schenkeln),
die Kontrahenten zwingend er- aber nicht eindeutig als das aus
forderlich, als sich die Verluste ihm abgeleitete Tatzenkreuz
mehrten. Nunmehr stellte sich definiert worden, dessen Form
die Frage: Wie kann effektvoll das Eiseren Kreuz erhalten hat-
und sicher gekennzeichnet te. Dieser Orden, anschließend
werden? Die Briten hatten be- die deutsche Tapferkeitsaus-
reits negative Erfahrungen ge- zeichnung schlechthin, war am
sammelt. Die Fluzeuge ihrer Ex- 10. März 1813, also während
peditionseinheiten waren im der Befreiungskriege, vom
August 1914 - wie die deut- preußischen König Friedrich
schen - ohne jede nationale Wilhelm III. gestiftet worden. Er
Kennung an der Front erschie- wurde für Kriegsverdienste oh-
Deutsche Rundform deutlich unterschei-
nen. Verluste durch eigene ne Unterschied von Stand oder
Hoheitszeichen den musste. In den als Ver-
Truppen zwangen sie, noch im Dienstgrad verliehen. In den
schlussache verteilten Erken-
gleichen Monat ihren Flugzeu- Die Mittelmächte, das heißt Jahren 1870, 1914 sowie 1939
nungsblättern »Flugzeug-Abbil-
gen die Nationalflagge, den Deutschland als vorerst einzi- jeweils erneuert, blieb das Ei-
dungen", die anfänglich als
Union Jack, aufzumalen. Aber ger Flugzeuglieferant für seine serne Kreuz über alle Zeiten ge-
alleiniges Unterscheidungsmit-
dieser erwies sich als zu kom- eigenen und die Luftstreitkräfte
pakt und konnte vom Boden Österreich-Ungarns, waren
aus nicht immer eindeutig iden- jetzt in Zugzwang, ein Kennzei-
tifiziert werden. chen wählen zu müssen, das
sich von der gegnerischen
Der schwergefallene Ent-
schluss, der französischen Lö-
sung zu folgen, fiel am 11. De- Die in den ersten Kriegsmonaten noch
eingesetzten Tauben mit ihren kreuzför-
zember 1914. Die Militärs in migen Leitwerken besitzen Eiserne
Frankreich hatten bereits seit Kreuze auf allen Seitensteuerflächen.
•Juli 1912 ihre Nationalfahne, Im Bild rechts ist eine Rathjens Taube
von Germania zu sehen.
die Trikolore, in eine Kokarde
abgewandelt, um damit ihre Die provisorische Ausführung der ers-
ten aufgemalten Kreuze wird beson-
Flugzeuge zu kennzeichnen. ders an dieser L.V.G. B I (unten) deut-
Die Briten wählten nun eben- lich. Nicht nur sie selbst haben eine
falls die Kokarde, nur eben mit uneinheitliche Form, sondern sie sind
auch an den unterschiedlichsten
umgekehrter Farbgebung (rot- Stellen angebracht.
weiß-blau). Kokarden in den un-
tel für eigene und gegnerische sellschaftsfähig. Auch heute
Luftfahrzeuge dienten, wurde noch darf es (laut Gesetz vom
Anfang 1915 erstmals in der 26. Juli 1957 ohne Hakenkreuz)
»Anleitung zum Bestimmen der öffentlich getragen werden.
Nationalität und Bauart eines Und seit dem feierlichen Tauf-
im Luftraum auftauchenden akt am 24. September 1956 in
Flugzeuges« als untrügliches Fürstenfeldbruck für die neue
Kennzeichen das Hoheitsabzei- Luftwaffe tragen deutsche
chen angeführt. Zum Erkennen Flugzeuge wieder das Eiserne
eigener Flugzeuge hieß es: Kreuz als Hoheitszeichen. Sie
»Deutsche Heeresflugzeuge knüpfte damit an eine Tradition
tragen ein schwarzes Kreuz auf an, die in der Anfangsphase

127
Mit diesen charakteristischen
An dieser bruchgelandeten Albatros
B I ist die frühe Form des Eisernen
Kennzeichen - wenn auch
Kreuzes fast korrekt ausgeführt, nicht immer in genau der vorge-
nur - es ist vorschriftswidrig auf allen schriebenen Form - flogen bei
Flügelflächen und auf dem Seitenruder
aufgemalt, obwohl dieses komplett
den Mittelmächten deutsche
weiß gestrichen sein sollte. und österreichische Flugzeuge
(türkische hatten ein schwarzes
Quadrat, bulgarische ein
Ab Juli 1916 setzte sich eine schwarzes Diagonalkreuz im
schlankere Abwandlung des Eisernen
Kreuzes durch - aber immer noch im weißen Quadrat) bis zum 20.
weißen Feld. Hier (unten) eine März 1918. Dann wurde mit
Rumpier C I mit dem C.2642/16 dem Befehl Nr. 41390 von der
auf der Seitenflosse.
Idflieg die sofortige Änderung
in ein geradschenkeliges Kreuz
des ersten Weltkrieges eigent- - in der Heraldik als grie-
lich gar nicht so eindeutig be- chisches Kreuz bezeichnet -
gann. befohlen. Dieses Kreuz sollte
als Balkenstärke die geringste
Da die Anbringung der schwar- Schenkelbreite des Eisernen
zen Kreuze vielfach nachträg- Kreuzes haben und einen um-
lich bei den Feldeinheiten er- laufenden weißen Rand von 15
folgte, wurde zu Anfang meis- cm Breite (Skizze F). Bei den in
tens die gegenüber dem den Einheiten durchgeführten
Tatzenkreuz vereinfachte Form Umbemalungen fiel der weiße
mit geraden Seiten wie beim Rand wegen der Vorgaben vom
Hanseatenkreuz aufgemalt Eisernen Kreuz meist breiter
(Übersicht; Skizze B). Auch die Quadrate saßen etwa 25 bis in den Schenkeln schmäler ge- aus. Und einige Firmen nutzten
Lage der Kreuze variierte sehr 100% ihrer Breite von den Flü- formte Eiserne Kreuze vorge- diese Unsicherheit in der Vor-
stark. Sehr oft waren die Kreu- gelenden entfernt, waren aber schrieben, unter gleichzeitiger gabe aus, das schwarze Kreuz
ze auf Ober- und Unterseiten teilweise auch bis an die Rand- Vorgabe von Maßen für die in einen ungewöhnlich breiten
beider Tragflügel zu finden, bogen gezogen. Die Seitenru- sechs nur noch zugelassenen weißen Rahmen einzubetten -
statt lediglich auf den Außen- der waren in der Regel für die Größen (Skizze D). Die Breite wirkungsvoll, aber nicht vor-
seiten. Doch insgesamt kann Aufnahme des Kreuzes kom- der Kreuze wurde mit 50, 60, schriftsmäßig (Skizze G).
für den Zeitraum ab Ende 1914 plett weiß gestrichen. Ausnah- 70,100,120 und 140 cm festge-
gesagt werden, dass sich ein men, wie die Übernahme des legt, die entsprechenden äuße-
Die komplette weiße Umran-
stark kurviges Eisernes Kreuz Kreuzes im Quadrat auch am ren Schenkelbreiten mit 20, 24,
dung entfiel, als ab dem 13. Mai
durchsetzte, dessen äußere Leitwerk - bei Albatros prakti- 28, 40, 48 und 56 cm, die Kur-
1918 durch Befehl Nr. 43132
Schenkelbreiten und dessen ziert - blieben selten. Mitte venradien mit 65, 78, 91, 130,
das griechische Kreuz durch
Kurvenradius etwa 3/5 der Ge- 1915 kam die Anordnung, das 156 respektive 182 cm. Drei
Wegfall der weißen Stirnumran-
samtbreite ausmachten (Skizze Kreuz im Quadrat auch auf den Monate später gab es eine
dung in ein sogenanntes Bal-
C). Es saß in einem weißen Rumpfseiten anzubringen. neue Anordnung: Die weißen
kenkreuz abgewandelt wurde,
Quadrat, das in der Regel 1/10 Quadrate entfielen, dafür er-
dessen Balken 1/8 der Breite
breiter war als das Kreuz. Aber Im Juli 1916 trat eine weitere hielten die Kreuze einen umlau-
des Kreuzes messen sollten,
es gab auch Kreuze, die bis an Änderung ein. Es wurden we- fenden weißen Rand von ein-
mit weißen Seitenrändern von
den Rand geführt wurden. Die sentlich geringer gekurvte, also heitlich 5 cm Breite (Skizze E).
1/4 der Balkenbreite. Unge-
wöhnlich an diesem Befehl war
die Anweisung, den senkrech-
Bild links: L.V.G. C V mit korrektem Eisernen Kreuz auf der ten Balken um ein Fünftel län-
Rumpfseite. Dagegen konnte sich die Firma - wie viele andere
auch - noch nicht von dem ganz in weiß gestrichenen Seitenru- ger zu machen als den waage-
der trennen. Zudem ist die Klassenbezeichnung, entgegen fast rechten, damit Flügeltiefe und
aller Normen, auf dem Seitenruder zu finden: C.V 9574.17. Rumpfhöhe voll ausgenutzt
Ab Oktober 1916 wurde das Eiserne Kreuz mit einem umlaufen- werden konnten (Skizze H).
den weißen Rand in einheitlicher Stärke vorgeschrieben. Wie un- Doch bereits drei Wochen spä-
terschiedlich das in der Praxis umgesetzt wurde, zeigen die bei-
den Abbildungen unten: Links eine DFWC V, rechts eine Halber- ter, am 4. Juni 1918, hieß es mit
stadt CL II. Befehl Nr. 43650: Das Balken-
kreuz hat gleichlange Schenkel
(Skizze J). Aber auch diese
»Standardform«, noch mit Bal-
ken in 1/8 der Kreuzbreite, wur-
de im Oktober 1918, zuerst von
den Marineluftstreitkräften aus-
gehend, erneut geändert: Die
Balken sollten nun mit 1/6 der
Kreuzbreite kräftiger ausge-
führt werden (Skizze K), wäh-
rend für die weißen Seitenrän-
der weiterhin 1/4 der Balken-
breite vorgesehen war. Das

128
meist kleineren Lettern) die bei- Flugzeug angebracht, auch
den letzten Zahlen vom Be- wenn sie im Verlauf des Einsat-
schaffungsjahr zu setzen. Ein zes oft unter einem speziellen
Euler-Doppeldecker mit 70 PS Anstrich verschwand. Die
Gnome flog als B 46/12, ein Al- C.2842/16 als Beispiel war also
batros mit Sechszylindermotor das 2.842ste im Jahr 1916 von
als B 66/12 und ein Aviatik als der Idflieg bestellte C-Flugzeug
B 66/13. Die Einführung der - eine Rumpier C /. Bei dieser
Taube brachte eine große An- Maschine war die Kennung auf
zahl von Kennungen, die mit A der Seitenflosse angebracht,
für die Klasse Eindecker began- bei anderen befand sie sich auf
nen. Im Verlauf des Krieges den Rumpfseiten vor oder hin-
wurde das Flugzeug zuerst be- ter dem Hoheitszeichen. Eine
waffnet, dann spezialisiert. Da- Regel war nicht erkennbar. Was
mit bildeten sich Klassen, die aus dem Kennzeichen bisher
Im März 1918 wurde das Eiserne Kreuz durch ein sogenanntes griechisches Kreuz er- über die früh spezifizierten A nicht hervorging, waren Her-
setzt, das aber immer noch komplett weiß umrandet war. So sollte es eigentlich auch und B hinaus zu kennzeichnen steller und Typ des Flugzeugs.
auf dem Seitenruder stehen, doch die Mehrzahl der Firmen hielt am komplett weißen
Seitenruder fest: Oben eine fabrikneue L.V.G.B III noch ohne Bezeichnung. waren (s. Tabelle unten links). Die technischen Entwicklung
während des Kriegsverlaufs
Den extrem breiten weißen Rand gab es ebenfalls bei Daimler, hier (Bild unten) zu se-
hen bei einem Prototyp des L 6-Jagdeinsitzers. Wahrscheinlich war es seine dekora- Die kombinierte Klassenkenn- brachte es mit sich, dass Fir-
tive, plakative Wirkung, die auch andere Firmen wie beispielsweise Albatros, Fokker, zeichnung wurde in der Regel men immer neue Flugzeuge ei-
Gotha, die Kaiserliche Werft Wilhelmshafen und Rumpier bewog, ihn anzuwenden. während des Krieges auf jedem ner Gattung herausbrachten,

Ende der Kampfhandlungen Frankreich erworbener Far-


verhinderte weitere Anweisun- man-F3-Doppeldecker. Er er-
gen. Doch es gab zu jeder Zeit, hielt 1911 das Kennzeichen B 1.
zwangsläufig jedoch beson- Alle nachfolgenden Doppelde-
ders in der Schlussphase, zahl- cker wurden ebenfalls mit ei-
reiche Abweichungen von die- nem B und einer fortlaufenden
sen Regeln. Zahl versehen. So besaß der
Farman-Nachbau Albatros MZ
2, der am 21. September 1912
Baumuster- im sächsischen Niederschöna
Kennzeichnung abstürzte, das Kennzeichen B
1910 wurde der Heeresverwal- 6. Noch 1912 wurde es üblich,
tung von privater Seite das ers- hinter der laufenden Nummer
te Flugzeug geschenkt - ein in und einem Schrägstrich (in

Klasse Bauart Verwendungszweck Einsatz Stückzahl Bild ganz oben: Ein weiteres Beispiel
<550 für die Kennzeichnungs-Vielfalt der
A Unbewaffneter Eindecker Schulung und Aufklärung 1911-1915
letzten Kriegsmonate: Pfal.DXII
B Unbewaffneter Doppeldecker Aufklärung; dann nur Schulung 1911-1918 < 6.000 2670/18, deren Flügel noch asymmetri-
C Bewaffneter Doppeldecker Aufklärung 1915-1918 < 34.000 sche Balkenkreuze zieren, die im Mai
CL Leichtes C-Flugzeug Infanteriebekämpfung 1917-1918 C und CL 1918 eingeführt wurden, während der
D Doppeldecker, Eindecker Jagdeinsitzer 1916-1918 <12.000 Rumpf die breiteren Balkenkreuze
Dr Dreidecker Jagdeinsitzer 1917-1918 <350 trägt, die erst ab Oktober 1918 vorge-
E Eindecker Jagdeinsitzer 1916-1918 <1000 schriebenen wurden.
F - Zivilflugzeug; nicht verwendet Bild darunter: Ab etwa Mitte 1916
G Großflugzeug, bis 2 Motoren Bomber 1915-1918 < 2.000 haben alle Militärflugzeuge eine mehr
GL Leichtes G-Flugzeug Bomber 1915-1918 G und GL oder minder einheitliche Kennzeich-
J Doppeldecker Gepanzert; Infanteriebekämpf. 1917-1918 <800 nung, aus der Hersteller, Typ, Auftrags-
L Doppeldecker Personentransporter 1915-1918 <10 nummer und Bestelljahr ersichtlich war.
N Doppeldecker Nachtbomber 1916-1918 <200 Hier das Beispiel eines Friedrichshafe-
ner Großbombers: Fdh.G.III 1035/16.
R Riesenflugzeug, mehrmotorig Strategischer Bomber 1915-1918 <60

129
die sie mit einer aufsteigenden mählich durch, die Klassenbe-
römischen Zahl kennzeichne- zeichnung um Firmennamen
ten. So folgte beispielsweise und Typ zu ergänzen. Für die
dem Albatros-Jagdeinsitzer D / Firmenbezeichnung wurden
die D II, dann die D III usw. Ab Kürzel erstellt:
etwa Mitte 1916 setzte sich all-

AEG Allgemeine.Elektrizitäts-Gesellschaft, Henningsdorf bei Berlin


Ago. Ago Flugzeugwerke GmbH, Johannisthai bei Berlin
Alb. Albatros Werke GmbH, Johannisthai und Friedrichshagen bei Berlin
Av. Automobil und Aviatik AG, Leipzig-Heiterblick
Bay. Bayerische Flugzeugwerke.AG, München
Bayru. Bayerische Rumpier GmbH, Augsburg Korrekt ist die Bezeichnung Fok. D VII (Alb.) 5349/18 für den bei Albatros unter Lizenz
Daim. Daimler Motoren Gesellschaft, Werk Sindelfingen gebauten Fokker D Vll-Jagdeinsitzer eingetragen - befriedigend für die Westmächte,
D.F.W. Deutsche Flugzeug-Werke GmbH, Lindenthal bei Leipzig in deren Besitz die Maschine nach dem Waffenstillstand überging, wovon die über-
Do. Zeppelin Werke Lindau GmbH, Seemoos malten Balkenkreuze zeugen.
Eul. Euler-Werke, Frankfurt/Main-Niederrad
Fdh. Flugzeugbau Friedrichshafen, Friedrichshafen und Warnemünde Die deutschen Marineflugzeuge wurden durchgehend nummeriert. Bei den in der Re-
Fok. Fokker Flugzeugwerke GmbH, Schwerin-Görries gel hellgraublau gestrichenen Maschinen ist die Zahl deutlich sichtbar auf den Rumpf-
seitenwänden - oft musste dafür sogar das Kreuz weichen - aufgetragen (wie hier bei
Germ. Germania Flugzeug-Werke GmbH, Leipzig-Mockau
einer Rumpier 6B1).
Go. Gothaer Waggonfabrik AG, Gotha
Halb. Halberstädter Flugzeug-Werke GmbH, Halberstadt
Han. Hawa Hannoversche Waggonfabrk AG, Hannover-Linden
Hansa. Hanseatische Flugzeug-Werke Karl Caspar AG. Hamburg-Fulsbüttel
Junk. Junkers & Co / Junkers-Fokker-Werke AG, Dessau
Kon. Kondor Flugzeug-Werke GmbH, Essen
Li. Linke-Hofmann Werke AG, Breslau
L.V.G. Luft-Verkehrs-Gesellschaft mbH, Johannisthai bei Berlin
Mark. Märkische Flugzeug-Werke, Golm in der Mark
Nfw. National-Flugzeug-Werke GmbH, Johannisthai bei Berlin
Mer. Merkur Flugzeugbau GmbH, Berlin
O.A.W. Ostdeutsche Albatros Werke GmbH, Schneidemühl
Ot. Otto-Werke GmbH (Flugzeug-Werke Gustav Otto), München
Pfal. Pfalz-Flugzeug-Werke GmbH, Speyer am Rhein
Rat. Waggonfabrik Joseph Rathgeber, München-Moosach
Rin. Albert Rinne Flugzeug-Werke, Rummelsburg bei Berlin
Rol. Luft-Fahrzeug Gesellschaft mbH (Roland), Berlin-Charlottenburg
Ru. Rumpier Werke AG / Rumpier Flugzeug-Werke GmbH, Johannisthai
Sab. Sablatnig Flugzeugbau GmbH, Berlin
Schul. Luftfahrzeugbau Schütte-Lanz, Mannheim-Rheinau und Zeesen
Ssw. Siemens-Schuckert-Werke GmbH, Berlin und Nürnberg
Staak. Zeppelin Werke Staaken GmbH, Staaken bei Berlin Eine typische Aufschrift war scheiden: Sie wurden mit einer
Torp. Luft Torpedo Gesellschaft mbH, Johannisthai bei Berlin »Fdh.G.III 1035/16« an einem fortlaufenden Nummer auf den
Bomber des Flugzeugbaus Rumpfseiten gekennzeichnet,
Friedrichshafen. Nach und von der 1 - einem Albatros
nach verschwand der Punkt WMZ Gitterrumpf-Doppelde-
hinter dem Buchstaben, der die cker - bis zur 8801 für das von
Klasse bezeichnete. Ein voll- Dornier entwickelte Riesenflug-
ständige Beschriftung aus dem boot Zeppelin-Lindau Rs VI rei-
letzten Kriegsjahr ist »Fok. D VII chend. Dieses Rs für Riesen-
(O.A.W.) 8482/18«. Aufge- flugzeug See zeigt, dass auch
schlüsselt enthält sie folgende die Marine ihre Flugzeuge in
Informationen: Von Fokker Katagorien eingeteilt hatte. Als
(Fok.) entwickelter Doppelde- äußerlich sichtbares Unter-
cker-Jagdeinsitzer (D) als sie- scheidungsmittel am Flugzeug
bentes derartiges Modell die- wurde es allerdings nicht be-
ser Firma (VII), unter Lizenz ge- nutzt.
baut von den Ostdeutschen
Bild oben: Auch bei den Bezeichnungen gibt es immer wieder individuelle Abweich- Albatros-Werken (O.A.W; wo-
nungen, wie bei den AEG-Flugzeugen, bei denen das Firmenkürzel nicht vor den an- QUELLENANGABEN
deren Daten stand, sondern immer als im Rahmen stehendes Markenzeichen (Logo) bei zu bemerken ist, dass die
unter dem Kreuz am Seitenruder angebracht ist. Namen der Lizenznehmer im- B.Robertson: Aircraft Camoufla-
mer in Klammern stehen) unter ge and Markings 1907-1954,
der Idflieg-Order 8.482 aus Letchworth/Herts., 1956 • P.
Pletschacher: Die Königlich
dem Jahr 1918.
Bayerischen Fliegertruppen
Dagegen ist es leicht, die deut- 1912-1919, Planegg, 2.Auflg 1992
• H.J.Nowarra: Eisernes Kreuz
schen Seeflugzeuge zu unter- und Balkenkreuz, Mainz, 1968 •
W.Hackenberger: Deutschlands
Bild links: Ungewöhnlich ist auch die Eroberung der Luft, Siegen, 1915
Kennzeichnung des Sablatnig Nacht- • P.G.Cooksley: The Crosses;
bombers NI. Es fehlt das Firmenkürzel. Aircraft Illustrated, January 1973
Dafür ist hinter der Typenbezeichnung • P.Supf: Das Buch der deut-
eine Abkürzung für das Benz-Triebwerk schen Fluggeschichte (2 Bd.),
(Bz) eingetragen. Und bei der Typenbe- Berlin, 1935 • B.Wentscher:
zeichnung wird eine arabische 1 anstel-
le der römischen I verwendet.
Deutsche Luftfahrt, Berlin, 1925
• Fotos: Archiv Kens

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