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Thema 1: Klassifizierung der Verben

Klassifizierung der Verben nach


syntaktischen und semantischen
Kriterien
Raúl Sánchez Prieto

Universidad de Salamanca

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1. Einführung

Kategorien des deutschen Verbs:


- Person
- Numerus
- Tempus
- Modus
- Genus

Die Stellung des Verbs im Satz unterliegt strikten Regeln, weil durch die
Stellung des Verbs unterschiedliche Satztypen festgelegt werden.

Die Rektion des Verbs legt fest, welchen Kasus die Objekte fordern.
Die Valenz des Verbs entscheidet darüber, wie viele Ergänzungen vorhanden
sein müssen, um einen sinnvollen Satz zu bilden.

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2. Klassifizierung der Verben nach synktatischen Kriterien

a) Nach ihrem Verhältnis das Prädikat zu bilden:

- Vollverben

- Hilfsverben: ‘haben, sein, werden’: Als Hilfsverben bilden sie das Prädikat
zusammen mit dem Partizip II oder mit dem Infinitiv eines Vollverbs. Das
Hilfsverb ‘sein’ hat außerdem als Kopulaverb die Funktion des Prädikativs:

Er ist krank, sie ist Lehrerin, er ist zu Hause

Als Vollverben:
Ich muss nach Hause, sie kann Deutsch

- Modale Hilfsverben oder Modalverben: dürfen, können, mögen, müssen,


sollen, wollen. Eigentümlichkeit: Ersatzinfinitiv, kein Imperativ, kein Passiv.
Zwei modal-semantische Funktionen: objektiver und subjektiver Gebrauch.

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2. Klassifizierung der Verben nach synktatischen Kriterien

- Modifizierende Verben. Mit und ohne ‘zu’: bleiben,


nicht brauchen, lassen, pflegen, scheinen, vermögen.

- Funktionsverben: Es handelt sich um Verben, die nur


mit Hilfe eines nominalen Bestandteils das Prädikat des
Satzes bilden: jmden in Kenntnis setzen, etwas zur
Verfügung stellen.

- “bekommen”- Verben. Alternative zum Passiv: Er


bekommt das Buch geschenkt.

- Phasenverben: Bezeichnung der zeitlichen Abstufung


eines Geschehens: anfangen, beginnen, aufhören:
Er fängt an zu schreiben. Er beginnt zu lesen. Er hört auf
zu sprechen.

- Kopulaverben: sein, werden, bleiben, heißen, nennen.

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2. Klassifizierung der Verben nach synktatischen Kriterien

b) Nach dem Verhältnis der Verben zum Subjekt:

- Persönliche Verben

- Unpersönliche Verben. Nur mit einem Subjekt der 3. Person: glücken,


gelingen, misslingen, sich ereignen. Oder mit dem unpersönlichen
Pronomen ‘es’ als Subjekt (Witterungsverben). Unpersönliche Verben mit
dem logischen Subjekt im Dativ oder Akkusativ: Es graut mir, es friert mich,
mir graut, mich friert.

c) Nach dem Verhältnis der Verben zum Objekt.

- Transitive Verben:
Der Lehrer prüft (die Studenten). - Wir essen (eine Suppe).
Passivtransformation:
Die Studenten werden (vom Lehrer) geprüft. – Die Suppe wird gegessen.

Die Transitivität steht in Zusammenhang mit den semantischen


Charakteristiken der Verben.
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2. Klassifizierung der Verben nach synktatischen Kriterien

Mittelverben: Verben mit einem Akkusativ, der bei der Passivtransformation


nicht zum Subjektsnominativ wird (behalten, bekommen, enthalten,
erhalten, kosten, umfassen, etc.)

- Intransitive Verben: fordern ein Dativobjekt, ein Genitivobjekt oder ein


Präpositionalobjekt. Dazu gehören auch die absoluten Verben (schlafen,
regnen oder arbeiten):
Die Blumen blühen. Die Sonne scheint. Die Kinder schwimmen.

Unterscheidung zw. relativen und absoluten Verben:


Relative Verben brauchen mindestens eine weitere Ergänzung:
- ein Akkusativobjekt bei transitiven Verben
- ein Akkusativ bei den Mittelverben sein
- ein Dativ- Genitiv- oder Präpositionalobjekt
- eine obligatorische (valenzgebundene) Adverbialbestimmung.

Absolute Verben sind immer intransitiv.

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2. Klassifizierung der Verben nach synktatischen Kriterien

Transitive Verben können intransitiv verwendet werden und intransitive Verben


können transitiv gebraucht werden:
Ich schreibe einen Brief – ich schreibe heute
Ich bin nach Madrid gefahren – ich habe das Auto gefahren
Er antwortet auf die Frage – er beantwortet die Frage

Einige Verben haben eine transitive und auch eine intransitive Variante:
hängen, schaffen, erschrecken, setzen/sitzen etc.:
Das Bild hing an der Wand / Ich hängte das Bild an die Wand.

d) Nach dem Verhältnis der Verben zum Subjekt: reflexive und reziproke
Verben.

Die Verhältnisse dieser Verben zu den Satzgliedern stehen in einem engen


Zusammenhang mit der Rektion, den Valenzen und der Aktionsart.

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3. Rektion und Valenz der Verben

Rektion der Verben

Rektion: Fähigkeit eines Wortes, den Kasus anderer Wörter zu bestimmen, die
von ihm abhängig sind. Die Verben fordern, dass ein von ihnen abhängiges
Substantiv oder Pronomen in einem bestimmten Kasus steht.
.
Beispiele für Rektionsarten:
- Nur Genitivrektion: Wir gedenken der Toten. Sie bedarf ihrer Hilfe. Er enthält
sich der Stimme.
- Nur Dativrektion: Er ähnelt seiner Schwester. Sie hilft ihrem Bruder.
- Nur Akkusativrektion. Einige Verben haben einen doppelten Akkusativ:
Eine Sache kostet mich viel Geld. Wir nennen ihn einen Feigling.
- Dativ- und Akkusativrektion: jdm. etwas geben, verraten, schenken,
anbieten
- Dativ- und Präpositionalkasus: jdm. für etwas danken
- Akkusativ- und Präpositionalkasus: jdn. auf etwas hinweisen
- Präpositionalrektion mit einer Präposition: warten auf, denken an
- Präpositionalrektion mit zwei alternativen Präpositionen: leiden an / unter
- Präpositionalrektion mit mehrfachem Präpositionalkasus: sich bei jemandem
für etwas bedanken 8
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3. Rektion und Valenz der Verben

Bei Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Rektion:

- Adverbialbestimmungen sind frei gestaltbare Satzteile:


Ich gehe nach Hause / zur Uni / zu meinen Eltern / in die Stadt

- Präpositionalobjekte hängen immer direkt vom Verb ab:


Ich warte auf den Bus / meinen Freund / eine Nachricht

- Rektion im Nominativ:
Er ist (ein) Lehrer. Er wird Lehrer. Er heißt Hans.
Das sind Gleichsetzungsnominative (Duden) oder Subjektsprädikative
(Helbig/Buscha)

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3. Rektion und Valenz der Verben

Valenzen der Verben

Valenz: Fähigkeit, bestimmte Leerstellen im Satz zu eröffnen, die durch


Aktanten (Subjekt und Objekte) besetzt werden müssen (obligatorische
Aktanten) oder können ( fakultative Aktanten). Daneben: freie Angaben
(Adverbialbestimmungen).

Nach der Zahl von Aktanten:


- Einwertige Verben. Nur ein Aktant - das Subjekt: Die Blume blüht. Ich
schlafe.

- Zweiwertige Verben. Zwei Aktanten - Subjekt und Objekt/oblig.


Adverbialbestimmung: Ich sehe dich. Peter erwartet seinen Freund. Hans
wohnt in Köln. Ich warte auf meinen Bruder.
Der zweite Aktant kann auch fakultativ sein: Ich esse (ein Brötchen).

- Dreiwertige Verben. Zweiter Aktant obligatorisch, dritter Aktant fakultativ:


Ich gebe (meinem Freund) das Buch zurück.

- Nullwertige oder avalente Verben: Es regnet.


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4. Klassifizierung der Verben nach semantischen Kriterien

Klassifizierung der Verben nach ihrer Bedeutungsstruktur:

a) Handlungsverben: arbeiten, essen, öffnen, schreiben, kaufen, helfen,


gehen. Intentionale Handlung des Subjekts.

b) Vorgangsverben: fallen, sterben, verfaulen, einschlafen, erfrieren,


verhungern. Prozess, der sich an einem Subjekt vollzieht.

c) Zustandsverben: stehen, liegen, sein, wohnen, bleiben, leben, sich


befinden. Unveränderlicher Zustand des Subjekts.

Erst der Kontext zeigt, in welche Klasse man die Verben einzuordnen hat:
Peter schwimmt im Fluss. (Tätigkeitsverb)
Das Holz schwimmt im Fluss. (Vorgangsverb)
Das Kind zerbrach die Tasse. (Tätigkeitsverb)
Die Tasse zerbrach. (Vorgangsverb)
Der Mann arbeitete. (Tätigkeitsverb)
Der Mann erkrankte. (Vorgangsverb)
Der Mann kränkelte. (Zustandsverb).
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4. Klassifizierung der Verben nach semantischen Kriterien

Klassifizierung der Verben nach ihrer Aktionsart

Ereignisse können innerhalb einer zeitlich geordneten


Kette begriffen werden:
Zuerst blüht eine Blume auf, danach blüht die Blume,
später verblüht die Blume.

Man kann aber auch Ereignisse darstellen, ohne vorhergehende oder folgende
Ereignisse zu berücksichtigen: wir arbeiten, wir schreiben.

Man kann also unterschiedliche Perspektiven darstellen, die Unterschiede im


Verbalcharakter zur Folge haben.

Die rein semantische Kategorie der Aktionsart ist die Art und Weise, wie das
Geschehen abläuft. Die Aktionsarten werden durch lexikalische Mittel oder
durch Wortbildungsmittel (Verbalpräfixe) gegenüber den Basisverben
hergestellt.

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4. Klassifizierung der Verben nach semantischen Kriterien

a) Imperfektive Verben: bezeichnen den reinen Ablauf oder Verlauf eines


Geschehens: arbeiten, essen, blühen, laufen, schlafen, schreiben.

Semantische Untergruppen:
- Iterative Verben: grübeln, lächeln, meckern, sticheln, streicheln.
- Intensive Verben: brüllen, fressen, saufen, schreien (intensive Verben),
hüsteln lächeln tänzeln, schluchzen (diminutive oder attenuative Verben).

b) Perfektive Verben: bezeichnen die zeitliche Begrenzung eines


Geschehens. Untergruppen:
- Ingressive Verben: einschlafen, ankommen, aufblühen, erblühen, losfahren,
aufmachen. Dazu gehören die transformativen Verben: erröten, altern,
reifen.
- Egressive Verben: abreißen, aufhören aufwachen, verblühen, verglühen.
- Puntuelle Verben: platzen, angreifen, treffen, finden.
- Kausative oder faktitive Verben: reinigen (= reine machen), schwärzen
(schwarz machen), blondieren, trocknen (= trocken machen), schärfen (=
scharf machen), tränken (= trinken machen).

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4. Klassifizierung der Verben nach semantischen Kriterien

Viele Verben mit den Präfixen an-, auf-, und er- sind ingressiv.

Verben mit dem Präfix er- und ver- können auch egressiv sein.

Verben auf -eln sind meist iterativ oder auch diminutiv.

Verben auf -ern sind meist iterativ.

Die Perfektivität bzw. die Imperfektivität der Verben hat wichtige Auswirkungen
in der Grammatik:

a) bei der Wahl des Perfekt-Hilfsverbs

b) durch die Perfektivität bzw. Imperfektivität wird bestimmt, ob das Partizip II


des Verbs als Attribut auftreten kann

c) die Fähigkeit das Zustandspassiv zu bilden.

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4. Klassifizierung der Verben nach semantischen Kriterien

Auswirkungen der semantischen Kategorien perfektiv / imperfektiv bei


der Perfektbildung

Perfektbildung mit ‘haben’, wenn das Verb imperfektiv ist. Perfektbildung mit
‘sein’, wenn das Verb perfektiv ist. Zu beachten:

a) Intransitive, imperfektive Verben bilden ihr Perfekt mit “haben”:


Wir haben den Leuten geholfen. Das Haus hat gebrannt.

b) Intransitive, perfektive Verben bilden ihr Perfekt mit “sein”:


Das Haus hat gebrannt (brennen ist imperfektiv). Aber: Das Haus ist
abgebrannt (perfektiv), das Holz ist verbrannt (perfektiv).
Die Blumen haben geblüht (imperfektiv). Aber: Die Blumen sind verblüht.

c) Bei transitiv oder reflexiv gebrauchten perfektiven Verben, die eine


Zustandsveränderung, wird das Perfekt mit ‘haben’ gebildet.
Der Mann hat das Holz verbrannt.
Der Arzt hat die Verletzung geheilt (aber: Die Verletzung ist verheilt - intransitiv)
Das Metall hat sich verflüssigt.
Das Benzin hat sich verteuert.
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4. Klassifizierung der Verben nach semantischen Kriterien

Auswirkungen der semantischen Kategorien perfektiv / imperfektiv beim


Gebrauch des Partizip II als Attribut.

a) Fast alle transitiven Verben können ein attribuierbares Partizip II bilden: Ich
schreibe den Brief (der Brief ist geschrieben worden)  der geschriebene
Brief.
Bei intransitiven Verben von imperfektiver Aktionsart ist es nicht möglich: Wir
haben ein Auto besessen  *Das besessene Auto. Das Kind hat
geschlafen  *das geschlafene Kind.

b) Das Partizip II als Attribut tritt auf bei intransitiven Verben von perfektiver
Aktionsart: Der Zug ist angekommen  der angekommene Zug. Das Kind
ist eingeschlafen  das eingeschlafene Kind.

c) Ein attribuierbares Partizip II ist möglich bei intransitiven (und imperfektiven)


Verben der Ortsveränderung, wenn sie durch ein Präfix oder eine
adverbiale Angabe in perfektive Verben transformiert werden:
Der Zug ist gefahren  *der gefahrene Zug.
Der Zug ist abgefahren  der abgefahrene Zug.
Der Zug ist nach München gefahren  der nach München gefahrene Zug.
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