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POEME IN FREIEN VERSEN

TORSTEN SCHWANKE

BILD:
https://de.wikipedia.org/wiki/David_%28Michelangelo%29#/media/File:%27David
%27_by_Michelangelo_JBU0001.JPG

CHINA WIRD DER MUTTER DER BARMHERZIGKEIT


GEWEIHT

„Ich bin die Mutter der schönen Liebe, der Gottesfurcht, der Erkenntnis und der frommen
Hoffnung. In mir ist alle Lieblichkeit des Weges und der Wahrheit, in mir alle Hoffnung des Lebens
und der Tugend.“
(Jesus Sirach 24,18)

„Anmut in Hügeln und Gärten. / Das Seidenbündel ist ärmlich und klein.“
(I Ging)

Ackerland von Anhui.


Reis und Tee von Anhui.
Wer ist die, die duftet wie das Aroma des Tees?
Weiß wie Baumwolle von Anhui ist ihr Kleid.
Sie ist das Gebet des Ackerbodens,
Aus dem der Peking-Mensch erschaffen ward.

Mutter der Mongolen,


Schön wie eine mongolische Rennstute,
Fliehe auf die Berge,
Du Weg des Volkes.
Wenn wir reiten, reiten wir zu dir.
Wenn wir ringen, ringen wir mit dem Frevel.
Schießen wir den Pfeil vom Bogen,
Ist es Liebe zu dir
Und dem Tao des Himmels,
Unserm Ziel.
Alle Saitenspiele (Zheng und Se und Chin)
Und alle Pauken und Bronzeglocken und Klangsteine
Tönen die Hymne,
Die da lobt die mongolische Mutter.
Und wenn der Vorhang aufgeht,
Steht da die Heldin, die starke Frau.
Mutter aller Kriegerfürsten,
Auch derer, die deine Mutterschaft nicht kennen,
Siehe den Erschröcklichen,
Dessen Leichnam
Vom Kloster
Ins Mausoleum
Getragen ward,
Da er ruht mit den Gebeinen seiner Frauen,
O du Frau der Frauen!
Du,
Ewige Jute des Himmels,
In dem das Tao wohnt.

Im Palast des Studiums und der Liebenswürdigkeit


Studieren wir deine Liebe.
Im Schlafsaal betten wir uns
In deine barmherzige Seidendecke
Und du bist unser Traum.
Im Gebetssaal zählen wir Perlen,
Du unendliche Muschel
Aus dem Meere Gottes.
Im Palast des Fleißes und der Liebe zum Volk
Ehren wir deine Krone,
Kaiserin des Himmels.
Im Palast der Sehnsucht nach fernen Stätten
Gedenken wir deines verschlossenen Gartens
Dornenloser Pfingstrosen.
In der Halle der Tugend
Preisen wir dich, o Makellose,
Du Halle göttlicher Tugend.

Der Garten, in dem du wandelst,


Ist durchströmt von vier Strömen,
Ist durchströmt vom Jangtsekiang.
Wie ein Blitz von West nach Osten erscheint er,
Der Blaue Strom,
Blau wie der Himmel
Und blau wie du, o blaue Blume Chinas.
Er fließt durch acht Provinzen,
Jede Provinz eine Seligpreisung,
Und Norden und Süden liegen an seinen Ufern.
O Mutter vom Geladong, dem Berge,
O Mutter vom Tanggulagebirge,
Du Quelle des Blauen Stromes, da er entsprang,
Der Vater Chinas!
An seinen Ufern liegen Szetchuan
Und das rosenkranzbetende Tibet.
O du Brückenbauerin von Nanking,
O Delta,
Da strömend die blaue Vene
Herrlich aufgenommen wird
In das Meer des Morgens.
Mit ausgebreiteten Armen,
Wellenatmender Seele,
Strömt der Blaue Strom dem Meer des Morgens zu.
Da bist du, o Meeresstern,
O Meerestropfen,
O Perle,
O Muschel der göttlichen Perle!

O Mutter der zauberhaftesten Landschaft der Erde,


Qutang, Wu und Xiling,
Da du küssest
Mit dem Blauen Strome deiner Seele
Die drei Schluchten des ewigen Felsen!
Alle reißende Strömung, alle gefährlichen Untiefen
Meisterst du,
Vom Felsen begleitet,
Vom höchsten Gipfel umsäumt.
Du trägst der Pilgernden Schiff
Zu dem sehenswürdigsten Antlitz
Des Dreigeschluchteten Felsen!
O Steinschatzfestung,
Bewahrend die Perle der Weisheit
Auf dem Fluß des Lebens,
O drei Teile der festen Burg -
Eingang - zwölfstöckiges Gebäude - Tempel!
Aus einem Loch im Felsen
Quillt den Weisheitsjüngern täglich der Reis,
Der die Mönche ernährt.
Nach dem heiligen Reis des Lebens
Ward der Tempel benannt.
O Herrin von der engen Stelle
Des mit dem Kopf nach unten hängenden Mönches!
O Ruinen der Stadt des Weißen Kaisers,
Da einst aus dem Bronnen
Eine weiße Wolke stieg!
In den Drei Kleinen Schluchten
Reich wächst der Bambus
Zum Zeichen der Unsterblichkeit
Und zum Kranz ruhmreicher Poeten.
O einziger Wasserfall der Drei Kleinen Schluchten!
In einer deiner Felsennischen,
O wassergebender Fels,
Laß den Leib des Dichters in einem schwarzen Kahn bestattet sein.
O Feenberg, o sieben Meter hohe
Königinmutter der Feen!
Du erschienest einst dem König Da Yu,
Der das überschwemmte China
Nach der Sintflut
Mit Deichen befriedet hat.
Eine Nacht lang ließest du ihn
Weilen in deinem Tempel -
Von ihm sind heute nur noch Ruinen zu sehn.
O beim Feengipfel der gepriesene
Gipfel der Unsterblichkeit!

Orangeninsel,
Verschlossener Hain von allerköstlichsten
Orangenbäumen!
An deinem Baume, o Mutter, wuchs
Die Blutorange des Lebens.
In deinem Haine steht der Pavillon der Weisheit,
In deinem Pavillon der Weisheit steht die steinerne Tafel
Des Tao.

O Sommerpalast, in dem der Himmelssohn wohnte!


Aus Nanmu-Holz und Kiefern sind unsere Balken.
O Residenz des Storches,
Der das Kindlein brachte,
O des Windes Studierzimmer!
O Mutter der zehntausend Täler,
Da der Himmelssohn ruhte!
Im Tempel der Allumfassenden Menschenliebe
Gedenken wir dem Gebot des Himmels.
Im Tempel der Universalen Güte
Gedenken wir des Tao, weich wie Wasser,
Gedenken wir der Tugend des heiligen Gottmenschen.
In deinem Pavillon der Morgenröte
Gedenken wir des aus dir hervorgegangenen Lichts.
Vom Hammerfelsen ruft der Poet dir zu!

In der Grotte
Stehen der Lieblingsjünger und der Asket.
Des Asketen
Verfaulte Zähne, Falten des Angesichts, vortretende Halsadern
Zeigen sein Leiden an.
Erbarme dich seiner, o Mutter der Barmherzigkeit!
Du thronst auf einem Thron aus Lotosblumen,
Vor dem die Jungfrauen tanzen
Und Chöre musizieren.
Um die schweben in den Wolken des Himmels
Die seligen Aspara-Engel.

An dem Ufer des Sees


Stehen Banyan-Bäume und Weiden.
Der Trommelberg
Trommelt bei Sturm und Regen.
O Preis dir, unsere Paukenschlägerin!
O Tempel der sprudelnden Quelle,
Aus dir kam das Wasser des Lebens.
In deinem Haus befinden sich zehntausend Bände,
Mit dem Blut der Asketen geschrieben.
O du wie Wulong-Tee Duftende!
O du Heilkraut,
Helferin gegen der giftigen Schlange Biß!
O du Fluß der Neun Windungen,
Der du zum Königsgipfel führst!

10

O Große Mauer um den Himmelstempel!


Es ist kein wahrer Held, der nicht
Beschaut die Große Mauer.
Du einziges Werk aus Stein,
Vom Mond aus zu sehen.
Sieben Meter hohe, sieben Meter breite
Mauer, gekrönt mit dem Zinnenkranz
Und steinernem Wachturm.
O Lob jener Frühlings-und-Herbst-Periode,
Da die Große Mauer ihren Anfang nahm.
500 000 Bauern gaben für sie ihr Leben hin!
Erhabenstes Werk aus Lehm,
Vom Westen bis zum Osten reicht ihr Schutz,
10 000 mal 1000 Meter reicht ihr Schirm.
O Wolkenterrasse
Aus Marmor,
Bogentor und Tempel,
Geziert mit Bildern himmlischer Wächter
Und Inschriften in sieben Zungen!

11
O Stern des Südchinesischen Meeres!
Im von Bergen verschlossenen Tal,
Dem vom Xijiang durchströmten,
Reifen Ananas, Mandarinen und Litschi,
Findet man Zuckerrohr und Tee,
Erdnuß und Tabak.
O Königin der Fischer des Südchinesischen Meeres!

12

Gnädige Frau von Guilin,


Von kristallenklaren Flüssen durchströmt,
Vom Wasser des Lebens,
Umgürtet mit himmelberührendem Gürtel
Bizarrer Felsformationen,
Bergen und Grotten,
O du Madonna von der Felsengrotte!
Einst wogte hier das Meer,
Muschelkalk blieb,
Vom Wind geformt,
Die Grotte entstand.
O schönste Stadt der Welt,
Wie bedeutende Menschen meinen,
Dichter und Maler sind fasziniert
Von deiner singulären Schönheit,
Märchen- und Legenden-Umwobene!
Der Zimt bringt dir ein Räucheropfer dar,
Dir, der Gnädigen Frau vom Zimtbaumwald!
Zu deinem Berg der Einzigartigen Schönheit
Steigen wir auf dreimal hundert Stufen
Zum Südlichen Himmelstor.
In den Grotten
Inschriften der Tang-Poeten.
O Berg der Besänftigten Wellen
Mit eiserner Glocke
Und dem Tausend-Mann-Topf, o nährende Mutter!
O Höhle der Zurückgegebenen Perle
Am Fuß des Berges der Besänftigten Wellen,
O Perle, vom Fischer gefunden!
O Park der Sieben Sterne
Im Osten der Stadt!
Rosa blühn die Pfirsichbäume im Lenz.
O Höhle der Sieben Sterne
Mit verbundenen Grotten,
Die die Worte der Weisheit bewahren,
Von Poeten verfasst, von Kalligraphen gepinselt.
Schilfrohrflötenhöhle,
Schon im Altertum berühmte!
Kristallpalast
Des Meereskönigs!
Auf dem Lijiang-Fluß
Fahren die Boote der Fischer
(Kormorane begleiten sie)
Zum Berg der Sauberen Vase
Und zum Durchbohrten Berg
Und zum Mondberg Yueliangshan!
O Gnädige Frau von Guilin, Mutter der Schönheit!

13

Rhesusaffen und alle Vögel,


Stumpfnasenaffe, Panda und Tiger
Loben die Grotte des Einhorns,
Loben den Obelisken im Kiefernwald,
Loben den Tempel des Großen Glücks!

14

Neben dem Tempel der Würdenträger


Steht der Tempel der Poesie.
Ein Poet hat in Haikou gelebt
Und bildete dort
Den Bronnen der Herzenswäsche.

15

Im Himmel gibt es das Paradies,


Auf Erden die Seidenstadt.
Hier lebten die Kaiser,
Mit ihnen Poeten und Mandarine.
Marco Polo war hingerissen von dieser
Himmelsstadt
Mit ihren schönen Palästen
Und wundervoll gebauten Häusern
Und zwölftausend Steinbrücken.
Von drei Bergen umgeben ruht
Des West-See. Der Deich entstand
Auf den Wink eines Dichters.
Komm, o Mutter der schönen Liebe,
Wandle im Maien
Mit dem Dichter über den Deich
Bei den Blumenbeeten
Und blühenden Pfirsichbäumen
Und Trauerweiden,
Die ihre Schatten werfen auf die steinernen Bogenbrücken,
Vis die Sonne aufgeht.
Dann wandle zum Damm
Des Poeten Bo Djü-I,
Der seine Verse immer seiner Magd vorlas,
Zum Berg der Einsamkeit!
Und schau den Pavillon des Herbstmonds
Über dem Stillen See.
Das Licht des Mondes
Taucht den ganzen See
In eine geheimnisvolle Stimmung.
Und komm zum Pavillon
Des Kranichs,
Dahin sich ein Dichter
Aus Abscheu vor allen Beamten
In die Einsamkeit zurückgezogen.
O du Neun-Bogen-Brücke
Über den Seen,
O du reine weiße Lotosblüte
Und du der Liebe schöne Seerose!
Lob den Drei
Den Einen Mond
Spiegelnden Teichen!
O du Pfingstrose
Von den Wiesen der Blumenbucht!
Im Park des Gesanges der Nachtigall von den Weidenzweigen
Sei gegrüßet
Die Weidengertenschöne,
Die Kirschblütenreine!
Komm herab in den Kräutergarten,
Wandle unterm Bambus.
Mutter der Barmherzigkeit, dich preiset
Das Kloster der Verborgnen Unsterblichen
Nahe der Jade-Quelle
Unterm Herbeigeflogenen Gipfel.
Mutter des Gelben Kranichs,
Der gen Himmel flog
Über die Sterne des östlichen Himmels,
Zur Phönixstadt am Ende der Milchstraße!

16

(Im Delta des Perlflusses


Liegt der Duftende Sund,
Ein Labyrinth von felsigen Inseln
Mit vielen verborgenen Buchten.
Die Sommer sind heiß und feucht,
Heftiger Schauer im Maien,
Taifune im Herbste.
Rote Sampans schwimmen
An der Insel der Entenzunge.)

17

Immerweißes Gebirge
Mit dem Berge des Weißen Hauptes, dem Himmelssee,
Daraus sich die Kaskade ergießt
Des barmherzigen Wasserfalls.

18

Südlich des Flusses Ji


Finden wir die Stadt der Quellen.
In der Mitte der Stadt
Finden wir den Park
Mit der Emporsprühenden Quelle,
Der schönsten Quelle Chinas,
Der ersten Quelle der Welt, wie die Tafel kündet.
In jenem Park
Finden wir die Halle des Gedächtnisses
An die Poetin Li.
O See des Großen Lichts
Mit herrlichem Pavillon
Und lieblichen Wandelgängen!
Drüben
Der Garten der Phantasie.
Lob der Perlenquelle,
Deren murmelnde Wasser gleichen
Einer Perlenschnur, wie die Mönche sie tragen.
Der monumentale Wald
Der Grabpagoden grünt lebendig
Beim Tempel des Göttlichen Felsens!

19

O wir wollen dich bilden, du schöne Jungfrau,


In Jungde-Porzellan,
Denn Jingde-Porzellan
Ist weiß wie Jade, du Reine,
Ist klar wie ein Spiegel, du Spiegel der Weisheit,
Ist dünn wie Papier, o du Gebärerin des Wortes,
Und rein sein Klang, du Lobpreissängerin.

20

Dir feiern wir am Mekong


Das Wasserfest.
Menschen werden mit Wasser bespritzt,
Dann wird den Menschen Glück beschieden sein.
Eine Jungfrau
Reinigte das Volk,
Da sie einem Ungeheuer den Kopf zertreten.

21

Im Turm der Acht Gedichte


Sei dir dieser Preis gedichtet.
In der Eisvasen-Grotte
Strömmt der Wasserfall der Barmherzigkeit.
O Grotte
Der Huldigung an den Wahren Unsterblichen!
In dir einst lebte ein Eremit.
Er erreichte Unsterblichkeit durch die Wandlung.
22

O Königin des Berges Lushan,


Vom Ewigen vergötterte
Mutter der Barmherzigkeit
Mit dem Kind der Ewigkeit auf den Armen!
Die Dichter besingen
Den unwiderstehlichen Reiz
Deines Gebirges:
Felsen, Quellen,
Tempel.
O du Garten zwischen den Wolken,
In dem man gesundet!
In der Höhle des Unsterblichen
Barg sich ein Mönch.
Der Dichter pries den Blumenweg
Zur Höhle des Unsterblichen.
Die Drei Kostbaren Bäume,
Von heiliger Hand gepflanzt,
Werden tausend Jahre später noch gelobt.

23

Eine Station an der Seidenstraße


Ist der Brunnen des Weines
Im geheimnisvollen Garten.

24

Kaifeng heißt: das Siegel auftun.


Wer hat die Vollmacht dazu?
Der Himmelssohn entäußerte sich seiner Majestät
Und ging verkleidet durch die Gassen
Und kehrte ein in die Gaststätte,
Da ihn die Schauspielerin Li Shi-Shi bewirtete,
Die er später zur Dame seines Hofes fürstete.
Ihr Lob erklingt
Aus der Halle der Dichter der Tang,
Die einst gedichtet
Auf der Antiken Terrasse der Musik
Zu Ehren der gefürsteten Tänzerin,
Die der Himmelssohn Vielgeliebte Vielliebende nannte!

25

O Stadt des Ewigen Frühlings!


Von drei mal drei
Quellen gespeister
Jadesee
Im Jadepark!
O Steinwald
Mit dem Mutter-Sohn-Felsen!
26

O Pfirsichblütenschlucht
Mit dem steinernen Opferaltar!
O Wassertropfenvorhanghöhle
Des Himmelgleichen Heiligen!

27

O Kaiserin des Himmels


In der Pfingstrosenstadt,
Mäzenin der Poeten
Vom Gipfel der Dichterischen Vollkommenheit
Pipa Feng!

28

Ach Li Bai!
Von der Terrasse zum Haschen des Mondes
Sprang der Trunkne,
Verliebt ins Spiegelbild des Mondes,
In den See und verging.
Seine Lieder leben
Vom Spiegelbild des himmlischen Mondes.

29

O Bucht der Ma, Ao-Men,


Bucht des Meeressternes,
Der Königin der Fischer!
Santa Casa da Misericordia!
Gegründet vom ersten Bischof
Und Jesuiten
Dom Melchior Nunes Cameiro Leitao:
Sein Haupt im gläsernen Reliquiar.
O Kirche Sankt Augustins!
O Garten des Dichters
Camoes:
Das Weib - eine menschliche Bestie!
O labyrinthischer
Tempel
Der Mutter der Barmherzigkeit!

30

Nanking,
Vom Purpurberg
Zur Steinstadt,
Bewahrt im Zentrum
Den Palais des Himmelskönigs.
O Kirschbaum-Insel,
O Wasserkastanien-Insel,
O smaragdne Insel!
Vom Tulpensee des schönen Mädchens Mochou
Zum Tempel der Wohnstatt der Abendwolken!

31

Immergrünende, Immerblühende
Stadt der Mango und Litschi!
Verschlossner Orchideengarten!
O Immerklare Quelle
Zum Wasser der Seelen!

32

Tempel der Himmlischen Ruhe!


Im Kirschblütenkleid
Ewigen Frühlings Königin!
Freundin sei mir die Selige Jade-Jungfrau!

33

Peking! Peking! Peking!


Friede
Dem Platz des Himmlischen Friedens!
Durch das Tor des Himmlischen Friedens
Einziehe die Göttliche Freiheit!
Beim Tor des Himmlischen Friedens
Die Sieben-Goldwasser-Brücke
Der sieben Gaben des Geistes
Aus weißem Marmor der Reinheit.
O Verbotene Stadt!
Fleisch und Blut dürfen sie nicht entweihen.
Alles Purpur,
Purpur des Meeressternes!
Die Königin des Kosmos
Waltet gnädig über die Stadt.
Mittagstor, durch das die triumphierende Sonne zieht,
Blühendes Tor des Ostens, des Lebens Triumph!
Phönix-Tor, dem auferstehenden Gottmenschen!
Drei Hallen,
Drei Stufen der Marmorterrassen,
Drei Marmorbalustraden.
O Thronsaal in der Halle der Höchsten Harmonie,
Ort der Hochzeit des Himmelssohnes!
Bronzene Räuchergefäße.
Symbole des Ewigen Lebens.
O Halle Vollkommener Harmonie,
In der der Himmelssohn
Alle Huldigungen empfängt!
(Er liest die Reden seines Ministers.)
O Bankettsaal, o heiliges Mahl!
O Halle der Literarischen Blüte,
Geweiht dem Prinzen des Reiches!
Innere Gemächer - drei Paläste,
Zwölf Höfe.
O Palast der Himmlischen Reinheit,
Vermittelnd
Zwischen Außenhof und Innerem Gemach!
Vom Palast der Irdischen Ruhe
Durch den Palast der Berührung von Himmel und Erde
Zum Palast der Himmlischen Reinheit.
O Gemächer der Braut des Himmelssohnes!
Vom Palast der Irdischen Ruhe
In den herrlichen Garten:
Kiefern des Ewigen Lebens,
Bambushaine der Poesie,
Erlesene Blumen der Liebe,
Graziöse Pavillons für die Begnadeten,
In der Mitte des Gartens
Die Halle
Des Friedens
Des Himmelssohnes.
O Himmelstempel!
Du Himmelstempel
Im Süden, im reichblühenden Garten!
Weihnachten trat der Himmelssohn ein,
Das Opfer darzubringen.
Du Tempel, ohne einen Nagel erbaut.
Dreistufig die Marmorterrasse,
Dreistufig das Dach
Zum Lob der Drei Mystischen Schätze!
Einst stand hierselbst
Das Kloster der Güte und des Mitleids
Und ein Pavillon,
Bei dem die Poeten sich trafen.
Komm, o Kaiserin des Himmels,
Zur Südlichen Kathedrale,
Die Johann Adam Schell von Bell
Über den Resten der Residenz
Des Missionars Chinas, Matteo Ricci,
Mit des Himmelssohnes Wohlwollen baute.
Von da zum Tempel der Weißen Wolken,
Von da zum Tempel der Allgemeinen
Menschenliebe!
In der Nähe des Pavillons
Der Viersprachigen Stele
Ist zu sehen der Berg des Paradieses.
Der kommende
Künder der Erlösung
Sei gepriesen und die Mutter der Barmherzigkeit!

34
Morgen-Mondlicht über der Marco-Polo-Brücke.
Im Garten des Goldenen Wassers
Ruht der Sommerpalast. Pavillons
Im Garten der Harmonischen Einheit.
Die kaiserlichen Herden weiden
Am Berg des Langen Lebens.
(Vom Palast der Jadewellen schauen wir
Zur Halle der Erheiterung.)
In der Halle der Freude und des Langen Lebens
Lebt die Braut des Himmelssohnes,
Wohnt die Kaiserinmutter inmitten
Exotischer Pflanzen und bizarrer Steine.
Im Langen Korridor sind wiederzufinden
Die Bilder der Natur und der Geschichte
Und Szenen aller klassischen Romane
Und der Traum der Roten Kammer.
Oben auf dem Berg des Langen Lebens
Finden wir das Meer der Weisheit.
Höre die Pirole: Tungli Guan! Sie singen
Vom Garten der Vollkommenheit und des Lichts,
Dem Garten des Schönen Frühlings,
Dem Garten des Ewigen Frühlings ihr Lied.

35

Des Duftenden Berges Gipfel


Gleicht einem Weihrauchgefäß.
Lege die Brille ab am Brillensee
Und trete ein in den Pavillon der Selbstprüfung.
Von der reinen Lotoshalle der Erde
Zur Jadeblumenbergvilla der Höhe,
Den Weg Der-Teufel-hat-Angst
Hinan zum Weihrauchgipfel, dessen Wolken
Die Gebete gen Himmel tragen.
Vom Bild des Mönchs, der zu spät kam,
Durchs Bergtor die Treppe hinan
Zur Halle des Himmelskönigs
Und der Pagode des Weißen-Diamanten-Thrones.
Tempel des Ewigen Friedens!
Tempel des Göttlichen Lichts!
Tempel des Großen Erbarmens!
Du bist die Höhle der Wunderperle,
In der sich birgt der Mönch.

36

Küssend den Fuß des Maanshan


Der Weihealtar,
Der südchinesische Tempel
Bei der Zitterkiefer
(Berührt man eine Zweig, so zittert der ganze Baum).
Durch das Ehrentor
Zum tausendjährigen Ginkobaum.
Herr, du führst mich zur Quelle
Beim Pavillon des Schwimmenden Bechers.
Der Seelenweg
Führt zum Großen Roten Tor,
Dem verschlossenen Tor,
Durch das der Himmelssohn
In die fremde Welt zog.

37

Als die Große Mauer erbaut ward im Frondienst,


Suchte die Frau Meng Jiang-Nü
Den, den ihre Seele liebte.
Er war gestorben
Wie ein Sklave
Zur Sicherheit Chinas vor den fremden Teufeln.
Da weinte sie
Wie eine Mutter um ihr krankes Kind
Und die Steine der Mauer brachen auf
Und gaben frei den Leib
Dessen, den ihre Seele liebte.
Da bettete sie ihn in ihren Armen
Und stürzte sich mit ihm ins Meer des Morgens.

38

In der Moschee der Ruhe und Klarheit


Liest man aus der Sure:
Die Jungfrau empfing
Ohne einen Mann zu erkennen.
In der Buddhahalle gedenkt man
Der Mutter der Barmherzigkeit.

39

Beim Berg der klaren Quelle


Weht der Wind
Um den Felsen des Lao Tse:
Die Welt hat eine Mutter.
Wen der Himmel retten will,
Den rettet er durch Liebe.
Auf dem Seelenberge
Ruhn die Prophetenschüler.

40

In Qufu ehrt man Konfuzius.


Das Sterntor ist der Haupteingang.
Durchs Tor des Allwissenden
Kommt man zum Palast der Weisheit.
Im Pavillon des literarischen Sterns
Verfass ich klassische Verse
Zu Ehren des Himmels und seines Weges.
Am Aprikosenaltar
Sprach der Meister
Vom Baum des Lebens und seiner Frucht.
(Der Frau des Konfuzius
Ist geweiht die Halle des Schlafs.)
Die Halle der Spuren des Weisen
Schmückten Maler und Kalligraphen
Mit Szenen aus dem Leben des Weisen.
Im Alten Brunnen
Wurden die Schriften der Weisheit
Während der Bücherverbrennung versteckt.
Im nahen Wald der 20 000 Bäume
Einige, die der Meister selbst gepflanzt.
Durch das Tor des Ewigen Frühlings,
Durch das Tor des Heiligen Königs
Zu dem allen Chinesen heiligen Grab!

41

O weißer Strand von Sanya,


Das Wasser kristallenklar
Am südlichen Kap des Hirsches
Und der Korallenbänke,
Dort war ich als Kind
In der Höhle des Herabgesunkenen Pinsels.
Entlegenster Fleck der Erde
Ist das Kap am Ende der Welt,
Der Beginn des Meeres,
Der Pfeiler des Südlichen Firmaments!

42

O Stadt-über-dem-Meer!
Einst ein Fischerdorf war es.
Äußerer und Innerer Garten blüht.
O Teehaus im Herzen des Sees!
O Park der Purpurwolken!
O Pagode zum Hüten der Perle!
O Brücke des Allgemeinen Heils!

43

Die Gedichte vom Orchideenpavillon


Am Wildgänseteich
Im Bambusgarten
Preisen die Mutter,
Preisen das Tao.

44
Beim Berg der grünen Felsen
Inmitten von Klöstern
Die Regenbogenbrücke.
(Fresko der Prinzessin,
Die sich bekehrte und Nonne ward.)

45

Kreuzfahrt
Zum Himmel
Auf Erden!
(Im Pavillon der Azurblauen Wellen
Der Traum der Roten Kammer...)
Beim Garten des Meisters der Netze,
Der auf dem Wasser schwimmt,
Die Villa des Duftenden Reis,
Der Pavillon der Himmelsquelle.
Tempel des Mysteriums!
Am Berg der Wunderbaren Felsen
Lebte Frau Xi Shi,
Die schönste Chinesin aller Zeiten!
(O Ai Wei!)
Am Kloster des Kalten Berges
Legt mein Boot an.
Die Glocke schlägt Mitternacht.
Kreuzfahrt
Zum Himmel
Auf Erden!

46

Nahe der Halle, in der man den Wellen lauscht,


Nahe dem Pavillon der Gedicht-Rezitation,
Nahe dem Hügel der Neun Frauen
Und dem Tempel des Mythischen Herrschers
Ist die Terrasse zu Ehren
Des Zitherspielers Lu Boya.
Hierhin zog er sich zurück.
Niemand
Außer Zhong Zi-Qi
Würdigte seine Kompositionen.
Als Zhong Zi-Qi starb,
Berührte Yu Boya niemehr eine Zither.

47

Auf dem schönsten der Heiligen Berge


Steigt man über den Fischrückenfelsen
Zum Turm des Jadevorhangs
Und zur tausendjährigen Kiefer des Grußes
(Der Gipfel blüht wie eine reine Lotosblume)
Und kommt
Den Rosenkranz betend
Zum Gipfel
Der Himmlischen Hauptstadt.

48

O Pflaumengarten der Ai-Wei!


O Muschel mit Perle!

49

Ich küsse deinen Fuß,


Auf dem eine goldene Pfingstrose blüht,
O Tochter Xian!

50

Preis dir, du Blume aus Schnee


Auf dem Himalaya,
Auf dem Berg der Ewigen Ruhe!
„Dritte Göttin“,
Führe uns zur Ewigen Ruhe!
Führe uns in den Himmlischen Garten
Und zu den Pfirsichen der Unsterblichkeit
Und zu der Jadequelle
In der Himmlischen Jaspis-Stadt
Und
Zur gesegneten Frucht
Deines Leibes!
- - - Gott
Wird dich segnen, ja, dich, o Seele,
Mit Segen des Himmels von droben,
Mit Segen tieflagernder Urflut,
Mit Segen von Brust und Schooß der Mutter der Barmherzigkeit!

DAS LIED DER HIRTIN


"Ich bin ein ros...
Berait zu warer minne."
(Des Minnesangs Erzvater)

Myrrha will ich singen, die Hirtin, und Daphnis,


Ihre Liebe füreinander. –
Am athenischen Hof des Tyrannen Demokrates,
Da war Myrrha,
Denn Demokrates hatte sie in seinen Harem holen lassen,
Wo der Magna Mater Priesterin
Die hübschen Sklavinnen frauenliebenden Herrschers beherrschte.
In den kühlen Marmorwandelhallen
Zirpten aufgeregt quer durch die stoische Ruhe
Die Mädchen, allesamt auserwählte Jungfraun
Aus dem griechischen Volke
Für den Herrscherhof Demokrates‘.

Drei der Mädchen saßen beisammen


Auf der grünen Sommerwiese
Im Innenhofe des Marmorpalastes,
Da die Fraun des Tyrannen wohnten:
Atalante, Melitta, Perinna.
Atalante war eine schwarzhaarige Dorerin
Unter reichlichem Silberschmuck
Und von hübscher Schlankheit,
Perinna trug rotbraune Locken
Und war ein wenig verschüchtert,
Melitta in der Flut derdunkelblonden Locken
Zeigte den rosigen Mund von zierlicher Schmalheit.

Da kam Myrrha herzu,


Sie trat zu den Fraun auf der Wiese,
Das Schmuckstück Demokrates‘,
Der in den letzten drei Wochen, seit er sie umwarb,
Nur für sie noch Augen hatte.
Myrrha, die Hirtin aus Arkadien,
Diesem schönsten Weideland der Schafe Griechenlands,
Myrrha, die Schöne:
Gold ihr Haar wie Weizenfelder,
Blau ihre Augen wie Himmel,
Prachtvoll ihr Leib und unvergleichlich
Und Gesang der Musen Myrrhas Stimme.

O Myrrha, was sangen da die anderen Frauen dir zu?


Sagte nicht die bittere Clio, Oberaufseherin ihres Harems:
"Den Daphnis, den träumenden Hirten,
Der da zwischen den Anemonen träumt,
Den laß du, Myrrha, der ist allzu träumerisch, ach,
Und ein armer Hirte dazu.
Aber nun, sprach Clio, bist du am Hofe Demokrates‘,
Da ist Reichtum und Macht zu Seiten seines Thrones,
Dem suche zu gefallen, Schwester Myrrha",
Sprach Clio, die alte, schon lang nicht mehr aufgesuchte Frau.

Atalante, Perinna, Melitta


Riefen der schönen Hirtin Myrrha zu:
"Freu dich, die du hier zwischen blauäugigen Veilchen wandelst,
Tochter arkadischen Sanges,
Denn Demokrates wird in dieser Sommernacht heimsuchen dich,
Zu umschlingen mit seinen leidenschaftlichen Armen dich,
Zu küssen dich mit dem Zwitschern seiner Lippen,
Dem Tschilpen seiner Zunge, dem Wachtelschlag seines Mundes,
Freu dich drum, du Tochter Arkadiens, Myrrha,
Denn seine Küsse sind heilsamer noch als Balsam,
Süßer noch als Nachtigallhymnen,
Trostreicher noch als Wein aus Chios,
Den schon Homer den Göttern geopfert."

Myrrha sprach: "Der Unbekannte vergebe dir,


Homer, du größter aller Dichter!-
Aber mir will die Leidenschaft des Tyrannen nichts bedeuten,
Mehr noch, sie kränkt das zarte Gemüt der Hirtin,
Die gewohnt ist mit Lämmern zu weiden,
Und nicht gewohnt, mit Wölfen zu spielen."

Clio, der Magna Mater Priesterin,


Oberaufseherin ihrer Haremsjungfraun,
Trat herzu mit würdigem Gang:
"O Myrrha, dein Name, der ists, der mich begeistert,
Denn es ist ein Klang so lieblich
Wie Öl vom Myrrhenbaum in Palästina,
Mit denen Könige ihre Füße salben
Und Philosophen ihre Häupter
In den Wandelhallen platonischen Akademien,
Jungfrauen ihre weißen Glieder für ihre Liebsten –
So du, o Myrrha, bist eine edle Salbe dem Herrn Demokrates.
Und nicht nur dem Tyrannen bist du lieblich,
Auch die Haremsfrauen im Garten der Magna Mater lieben dich sehr,
o Myrrha, denn du bist angenehm an Seele und weise an Geist –
Ja mit einer lieben Hirtenweisheit bist du angetan
Von deinem Unbekannten!"

"Ah", riefen Atalante und Perinna aus Einem Munde,


"Du bist uns eine schöne Freundin.
Denn wenn wir nicht wetteifern müssen
Um die Zuneigung unsres Tyrannen,
(Denn er ist nun am meisten dir zugetan),
Dann können wir ja Freundinnen sein
Und Spiele der Unterhaltung
Und des Ergötzens an müßigen Dingen spielen."
Es fügte Melitta hinzu:
"Und preisen die Statue unsrer Himmelskönigin
Mit den schönen Perlenketten gemeinsam!"

Und ein lieblicher würziger Windhauch rauschte


Wie zarter Taubenflug über die Wiese,
Denn nicht in Donnern sprach zu ihr der Gott,
Sondern im Liebessäuseln zu Myrrha.
Und die Veilchen neigten sich in zierlicher Anmut vor dem Winde
Und blickten aus ihren blauen Augenkelchen
Nach den Wirkungen geistigen Windes,
Denn da war ein süßes Zittern in den schönen Gräsern der Wiese.

"Sahest du schon", so fragte Atalante,


„Des Tyrannen Gemächer, Liebreizende du,
Da er die Liebe üben will an deinen weichen Gliedern?" –
"Aber woher denn?" entrüstet sich Myrrha,
"Bin ich doch rein, jungfräulich,
Trotz allem widrigen Schicksal
Treu meinem lieben Hirten, dem Arkadier Daphnis.
Ihm spar ich Herz und Nieren und Glieder auf
Zum Tage meines Hymenfestes.
Mag Demokrates noch so sehr werben,
Mag er mich gar bestürmen, bedrängen,
Ich werd mich ihm weigern in stoischer Schicksalsgelassenheit,
In platonischer Wollust-Enthaltsamkeit
Und arkadischer Liebestreue zu Daphnis!"

Die Mädchen aber sprachen zu Myrrha:


"Du müsstest Demokrates‘ Lagerstatt sehn,
Da würde dein weibliches Herz in Schwäche erliegen
Und vor Hitze der Wonne zerschmelzen,
Denn sehr weich sind seine Taubenkissen,
Wie Wolken aus Seide und Duft,
Gar lieblich die Geruchs-Aromen seiner Bäder;
Lavendel liebt er über alles,
Und deinetwegen, o Myrrha, gewiß die Myrrhe!"

"Meinethalben", plusterte sich auf die hübsche Melitta,


"Liebt er Melisse, sie beruhigt sein Herz so gut,
Als er so stürmte vor Leidenschaft,
Denn es glühte ihm heiß und hitzig,
Wenn er meine Lippen sah und meine Schultern."
Sie warf sich die Locken in den Rücken
Und stolzierte davon wie ein Pfau, hochmütiger Eleganz.

Just in dem Augenblick schaute von fern


Der Herrscher Demokrates zu den Mädchen herüber.
Jene, die schon länger im Harem weilten,
Fühlten ihre Herzen klopfen;
Myrrha fühlte nur kühle Distanz.
Die andern, allen voran die schwarzgelockte Atalante, huldigten:
"O geliebter Tyrann! Demokrates, Herr!
Wende dich einmal wieder deinem Harem zu,
Den Schönsten deines Hofes,
Die dir mit höfischer Liebe huldigen wollen!"

Demokrates lächelte stolz und geschmeichelt


Über die Unterwürfigkeit seiner Schönen,
Denn sie bestätigten ihn in seiner mannhaften Mannheit:
"Ihr hübschen Geschöpfe, was denn könnt ich zu eurer Freude,
Zu eurem Ergötzen euch tun?"
Clio, die Äbtissin der Heidenmädchen, lispelte leise:
"O geliebter Tyrann, o Herrscher, deine Liebe
Macht den Mädchen die Herzen klopfen!
Dein Lächeln, das läßt ihre Seelen lachen!
Hast du an ihnen Wohlgefallen,
So jauchzen ihnen Geist und Sinne,
Sie sind fröhlich in deiner Freude!
Gib einer von ihnen einen Kuß,
Und alle werden rasen vor Eifersucht;
Und küss eine jede, und jede will die Einzige sein!"

Demokrates lächelte weiterhin stolz wie ein Hahn


Und geschmeichelt wie ein Jagdhund.
Er sah zu Myrrha, der Schönsten, und fühlte...
Ihm fehlten die Worte.

II

Zu den Haremstöchtern redete Myrrha


Mit ihrer Stimme, die klang wie Quellenrieseln,
Nachtigallen, Meeressand zwischen den Fingern:
"Frauen, was seht ihr so scheel auf meine Haut?
Sicher, ich bin weiß wie Milch,
Wie die Milch der Magna Mater,
Weiß wie der Schnee auf dem Berge Athos
Oder der ewige Glanz auf dem Olymp.
Ihr könnt euch rühmen der schönen Bräune eurer Haut,
Die dem Tyrannen so wohl gefällt,
Doch mich hat nicht einmal die mondenmilchige Weiße meiner Haut
Vor seiner Verfolgung bewahrt.
Bin ich auch weiß wie die Seide aus China,
Weiß wie das Elfenbein an dem Turme des Libanon,
Weiß wie die Einhörner der iberischen Kelten,
So bin ich dennoch lieblich!
Ja, meinem Liebsten gefällt die feine Blässe
Meiner Mädchenhaut wohl."

Die Mädchen sprachen: "Hast du denn nie


Iin dem Blick der Sonne dich deiner Glieder ergötzt
Und gebadet in den Quellen Arkadiens bloß,
So wie du geschaffen,
Daß du werdest bräunlich an deiner Frauenhaut?
Oder pflegtest dich heimlich zu stehlen
In den Schatten, in die Hütte,
Wenn andere Arbeit taten und gingen mit den Herden, Hirtin,
Im Schweiße des Angesichts; sag uns, wo du da warst."

Myrrha sprach: "Ich ging wohl im Augenwerfen der Sonne auf mich,
Durch die Reihen der Rebstöcke ging ich
Und pflückte mir in einen großen Korb auf dem Rücken
Die reifen prallen Trauben, im Mittag noch ruht‘ ich nicht,
Sondern holte die Ernte ein im Weinberg
Meiner ältern Brüder Menon und Lukas,
Aber meine Haut blieb dennoch ein Weinberg,
Dessen Trauben nicht reif und dunkel wurden;
Als hingen weiße Milchtropfen an den Zweigen,
So erntete Trauben ich, verbrachte meine Zeit in der Sonne.
Aber ihr Frauen, mir kommt ein Gedanke:
Auch Frau Sonne im Mittag ist strahlendweiß im Angesicht."

Myrrha erhob sich und wandelte seitwärts zum Akazienbaum,


Der am Rande des Innenhofes seine Zweige schattend gebreitet,
Unter diesem Baume ließ sie sich nieder,
Holte ihre Panflöte aus der Kordeltasche und blies hinein,
Und ließ die Gedanken schweifen wie träumerisch Gewölk im Sommerwinde
Und sprach dann leis, als flüstere sie sich selbst ins Ohr:

"O geliebter Daphnis, mein reiner Hirte,


Sage mir, wo bist du jetzt? Sieh,
Ich habe solche Sehnsucht nach deinen starken warmen Hirtenarmen,
Daß sie mich umschlingen! Verschlingen will ich dich, Liebster!
Du, Liebe ist Sehnsucht nach Nähe.
Ich habe Sehnsucht nach deiner Nähe.
Ich bin eine näheliebende Frau,
Deren Seele Einheit und Verschmelzen sucht
Mit aller Leidenschaft des Gemütes.
Bist du jetzt im hohen Mittagsschatten unsrer breiten Liebeslinde,
Umsäuselt vom linden Lüftchen,
Und redest mit dem Liebling deiner Seele, dem Unbekannten?
Darf ich zart und zaghaft wie ein süßes weißes Täubchen
Mich dir nahen und schnäbeln mit deinen Lippen,
Die girrende Worte mir lispeln,
Mein Liebster, darf ich? O Liebe!
Ich hab dich lieb von Herzen,
Mit meines Gemütes Traurigkeit
Am Hof des Tyrannen sehn ich mich zu dir,
Zu dir, geliebter Daphnis,
In den Lindenschatten deiner Hirtenweide!"

Myrrha strich mit ihren feinen weißen Fingern


Sanft und zärtlich und träumerisch
Über das blaugrüne Laub der Akazie,
Wie ein Vorspiel zart,
Wie ein Saitenspiel der Liebe leis und innig liebkosend,
Denn sie träumte vom blonden Haar und Barte
Des geliebten Hirten,
In dessen Weichheit sie spielerisch liebkosend wühlen wollte.

Sie warf sich den purpurnen Schleier,


Von transparenter Glut,
Ums Haupt und ging wie eine verschleierte Jungfrau,
Eine Entsagende, Trauernde, eine Vestalin,
So ging sie durch die vielen Schleier,
Die im Innern des Elfenbeinturmes
Um die ebenhölzerne Wendeltreppe wehten
Und flatterten als wie Heeresbanner herrlich
Und wie Nachtfalter schwärmerisch zart,
Und trat ins Obergeschoß und seufzte.

"Ach", seufzte sie am Fenster


Und schaute in schöner Schwermut
Und Liebe voller Wehmut
In die Fern‘ der athenischen Landschaft,
"Ach so fern ist mein geliebter Daphnis,
Daß ich ihn nicht herzen und küssen kann.
Mir ist so wehe, als rönne der Scheidefluß
Zwischen Toten und Lebenden zwischen uns hin, die kalte Lethe,
Denn ich kann nicht halten Daphnis zu meinem Troste
In meinen begehrenden Armen und pressen den Liebling,
Meinen Freund an mein glühendpochendes Herz!"

Und ihre himmelblauen Augen,


Strahlend wie Sommermittag,
Verloren sich glänzend in weißen Wolken,
Und sie wandelte als wie eine Hirtin
Mit dem Meer der trottenden Schafe,
Alle auf demselben Weg, auf Abwegen keins,
Und zog mit ihnen in die Ferne
Zu den blauen Blumenwiesen
Und den kristallenen Lebensquellen,
Wo Tropfen quollen wie demantene Liebesperlen.

"Daphnis, wenn ich jetzt im Geiste suche,


So bin ich nahzu irre,
Ich seh deinen Freund, seh Agathon
Mit dem Ziegenbart und der steifen Gestalt,
Halb Mann halb Ziege, und seh Pylades,
Den aufgeschwemmten Jüngling,
Der mir so frech auf die schönen Brüste stiert,
Wo aber bist du, geliebter Daphnis, daß ich dich finde
In den Phantasiegefilden meines Tagtraums,
Schöner und lieber und guter Daphnis."

Aber das hörten Melitta, Atalante, Perinna,


Das Liebesgeseufze der einsamen Turteltaube,
Und lächelten spöttisch und riefen herauf
Zum kleinen Fenster des Elfenbeinturmes:
"Oh du Wunderschöne,
Du vom Lande gemolkene Schönheit,
Willst fliehn die Herrlichkeit des schönsten Palastes in ganz Athen?
Willst zurück zu Böcklein und Wildsau
Und dich suhlen bei strömendem Regen in Schlamm und Ziegenkot?
Närrin du, du mit deinem Ideal von Einfalt und Armut,
Weißt nicht zu schätzen dies kostbarste Schloß der höfischen Liebe!
Fürstin könntest du werden
Und herrschen als Erste Hetäre
An der Seite des Tyrannen Demokrates,
Ganz Griechenland verehrte dich mehr
Als einst Sparta und Troja die schöne Helena ehrten.
Myrrha, würde man sagen, ist die erste Frau in Griechenland.
Aber du willst zurück ins Dorf zu deinen Sauhirten?
Törichte Närrin du, Myrrha,
Naiv und albern ist dein Sinn!"

Myrrha ward rot von schönstem Schamrot.


Ebenso schön ists, im weithin verschneiten Arkadien,
Mitten in einsamer Hirtenidylle,
Eine purpurnes Blutes erblühende Duftrose prangen zu sehn.
O Myrrha, Daphnis ist nicht zu Unrecht
So ganz und gar von dir entzückt!

III

Demokrates trat lachend in die obere Kammer,


Selbstsicher trat er zu Myrrha,
Die eben noch zärtlich und weich sinnierte,
Blühend wie ein tränendes Herze,
Weiß vor Keuschheit, rot vor Sehnsucht,
Mit einem Herzen, blühend wie brennende Liebe,
Wie ein Stern, der Morgenstern
Aus dem Feuer der Leidenschaft des Gemütes,
Zart und fein wie Mädchenanmut.
Anders Demokrates, er kam wie ein Held,
Ein Eroberer, Sieger, Triumphator,
Und sprach zu seiner neusten Eroberung so:

"Myrrha heißest du, Schöne?


Such dir eine Stute aus meinem Gestüt aus,
Ich habe pythische und olympische Stuten,
Siegreiche Hengste aus Marathon,
Arabische Hengste und Renner von Kos,
So such du dir nur eines aus.
Meine weiße Lieblingsstute,
Die schöne Kalliope, sie ist nicht so herrlich wie du!
Wenn sie zittert und dampft im Rennen,
Dann ist sie zahm im Verhältnis zu deiner holden Wildheit,
Zu deinem geisterfüllten Zittern, o Myrrha!
Kalliopes braunes Auge ist weich und träumerisch,
Aber schöner dein Auge, Myrrha,
So eine feine zarte Sinnigkeit ist in deinem Blick,
So zärtlich-innig und zartselig blickest du, o Geliebte!
Deine Augen blühen wie blaue Violen,
Welche Morgentau schluchzend zum Vater Äther schauen..."

Myrrha zuckte zusammen:


Hatte doch auch ihr reiner Daphnis
Ihre Augen blaue Blumen genannt, Vergißmeinnicht...
Und sagte nicht Daphnis vom ersten Tag an zu ihr: "Mein Einhorn?"
Warum äffte dieser Lüstling Demokrates also äffend-ähnlich
Die reine menschliche Liebe ihres Daphnis nach?
Welcher Dämon inspirierte diesen Frauenhelden,
Der die Liebkosungen zischte,
Welche so ewig jugendlichschön ein himmlischer Genius
eingeflüstert dem reinen Hirten? O Daphnis!

Da hob Demokrates wieder seine Stimme,


der große Tyrann, und sprach mit markigem Stimmenton:
"O Schöne, in meiner Lieblingsstute Mähne flocht ich bunte Zierbänder,
Und sie standen ihr wohl.
Wenn sie rannte und raste und schnaufte,
Flatterte ihre prachtvolle Mähne im Sturmwind,
Da war vor lauter Zierband der Sturmwind ein bunter Sturmwind,
Ein Wehen von bunten Kügelchen, aufgereiht an bunten Bändern.

Meinest du nicht, du Schöne, o Myrrha,


Daß dein weizenblondes Haar noch herrlicher wäre,
Wenn perlmutterne Perlen hineingeflochten würden?
Rosiger Schimmer wie von eben erblühtem Mohn
Im Weizenfelde deiner feinen Strähnen? Und wehte dein Haar
Und flösse dein Haar in lauter Wildheit und Raserei mir hin,
So wärs wie Feuer und Gold und Morgenröte, o Myrrha!"

Myrrha stutze innerlich, denn sie dachte:


"Wie oft hat der Tyrann wohl schon
Den Mädchen Perlenschnüre ins Haar geflochten?
Lieber ist mir mein Daphnis, dem ich die Einzige bin,
Er nannte mich seine wunderbare Perle."

"Myrrha, Myrrha, Myrrha!


Du bist mir die schönste Perle des Mittelmeeres,
Schöner als selbst die Liebe Frau vom Mittelmeere,
Die auf einer perlmutternen Muschel daherrauscht -
Sieh hier diese Kette, wo mein Künstler
Die erlesensten Perlen an einer Baumwollschnur aufgefädelt,
Denn ich gab ihm den Auftrag letztes Jahr,
Als ahnt‘ ich, daß du kommen würdest,
Du schönste Perle des Archipelagus, Myrrha!"

Myrrha zeigte dem Tyrannen trotzig das schlichte


Schöne Freundschaftsband,
Das Daphnis ihr geflochten
In einer romantischen Abendstunde,
Da seine Lämmer grasten und er träumerisch lag im Grase.
Das zeigte sie dem Tyrannen und sprach:
"Das ist der schönste Schmuck, den es geben kann auf der Erde.
Schöner kann mich nur der Unbekannte
schmücken mit dem Schmuck seiner Liebe!"
Demokrates ließ sich nicht irremachen,
Denn er war sich seines Reichtums
Und seiner verführerischen Wirkung sicher und pries:
"O Schönste meiner Frauen,
Sieh hier die Goldplättchen an dem Silberkettchen,
Das ist vom ersten Kunstschmied aus Kleinasien hergestellt,
Edleres findest du nimmer. Dies sei dein,
Wenn du mir lieblich die Liebe erklärst."

Der Tyrann zog sich zurück auf seinen Regierungssitz,


Da er auf seinem halbrunden Diwan
Mit seinen beiden Beratern Alexis und Menelas saß und ratschlug.
Dieweil aber seufzte Myrrha, seufzte und seufzte,
Voll der melancholischen Schwermut, und seufzte nach Daphnis:

"Wie der Honigtau der Bienenfreundin,


Der herzerfreuenden Freundin Melisse,
Ist mein Freund, gar süß und goldig, gar lieblich
Und eine Ruhe und holde Unruh für mein Herz.
Du meine Freude, du mein Herzeleid!
Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust;
Als da ist die Seele, die seufzt nach dir
Voll Sehnsucht nach ihrem Daphnis, dem blonden Hirten,
Und die andere Seele ist bang und zaghaft,
Fürchtet vor Lieben und Geliebtwerden, ach mein Daphnis!"

Myrrha kullerten einige salzige Augentropfen


Aus ihren Vergißmeinnicht, ihren Liebesgrotten,
Sie trocknete sie mit dem kleinen Finger der linken Hand,
Voll holder Anmut, zarter Bewegung, und seufzte wieder:
"Ach was bin ich so melancholisch an diesem blauen Abend,
Wehmütig wie der dunkle Dämmer umher
Und schwermütig wie die silbrigen Abendschwaden
Üüber den blaugrünen Wiesen der Einsamkeit,
Da traurig die Mohnblume schlummert im müden Winde.
Ach Melancholie! Ach Daphnis!"

Sie fühlte ein wärmendes Handauflegen des Unbekannten,


Dessen Geist eine wohlige Ruhe legte ihr auf die zitternde Seele,
Ein Nachhausekommen und Heimatfinden,
Ein Empfinden wie nach einem Kelch voll süßen Weines,
Voller Frieden der Seele und des Herzens,
Denn es zeigte der Gott ihr den sanften Hirten,
Wie er träumerisch weich bei zarten Lämmern
Im Abendfrieden fromm und selig ruhte.
"Ach Daphnis! Mein frommer Bruder,
Mein sanfter Hirte im Abendflaum der Weiden!"

Dann legte sich die melancholische, ach,


Vor einsamer Liebe trübsalssinnige Hirtin
Auf ihre Kissen, kein weiches riechendes Lammfell, ach,
Sondern Purpurentendaunen in Seide, verziert mit Brokat,
Und schlummerte sanft hinweg,
Das Leinensäckchen mit Rosenblättern, ihres Daphnis Geschenk,
An ihren schönen Busen pressend, ihr müde klopfendes Herz.

Am Morgen färbte sich der Horizont die Fingernägel


Und Haare rot mit der Paste der Hennablätter,
Die Sonne trug einen Strauß von Zyperblumen zum Tag,
Wie eine Braut ihrem Bräutigam Hennablüten bringt,
Eeine Hennablüte von der Süßwasserquelle:
Daphnis, der blonde Hirte,
War eine Hennablüte von der Süßwasserquelle,
Und seine Küsse, die waren der frische Lebenstau
Einer Süßwasserquelle von Elysium, seine Morgenküsse,
Wenn sie morgens gingen freundschaftlich in Arkadiens Auen,
Waren wie tschilpende Spatzen, seine Küsse
Waren goldene Söhne der Freude.

Aber Demokrates trat


In der schwärmenden Myrrha Ruhezelle,
Da sie gerade lispelte ihr Gebet zum Unbekannten,
Er störte: "Myrrha, schön wie der Morgen, schön wie die Sonne,
Die sich Rosenperlen ins Haar steckt auf goldenem Muschelkamm,
So schön wie schneeweiße Tauben,
Vom purpurnen Morgengewölk süßduftend angelächelt,
Vom Morgensterne wie von rubinenen Diamanten angestrahlt,
Myrrha! deine Augen,
Jung wie Sperlinge, rein wie Tauben,
Klar wie Bergseen, blau wie Himmel,
Licht wie Unsterbliche, Myrrha,
In deinen Augen will ich meine Blicke weiden
Und leben lassen als in elysischen Gärten!"

„Ach“, dachte Myrrha, "seine Worte fließen wie Öl,


Sein Maul trieft wie fettige Butter,
Aber sein Geraspel von Süßholz macht mich früh am Morgen schon
Ganz melancholisch, o Gott!"

IV

Am Vormittage spazierte Myrrha


Von den Haremshallen fort einen schmalen Fußweg,
Ihre Füße in goldnen Sandalen
Spielten mit kleinen Kieselsteinen.
Am Rande kam sie vorüber einer alten Eiche,
Die sich männlich-mächtig erhob;
Drei Männer braucht‘ es, sie zu umfangen.

Hinter der Eiche weideten Schafe,


Myrrha hüpfte das Herz.
Da war ein weißes Mutterschaf,
Ein weißes männliches Lamm,
Ein grauwollenes Schaf mit schwarzem Kopf und Beinen,
Ein braunes Lamm und ein schwarzes Schaf.
Sie fraßen von den langen Gräsern
Und machten Myrrha wehmütig, heimwehkrank.

"Ach Daphnis, hier wohn ich


Zwischen Seide im Elfenbeinturm,
Mit dir aber lag ich träumend
Zwischen Eichen und Linden in den Gräsern,
Du erzähltest mir die Reden deines Großvaters wieder:
Siehe, sagtest du mir, o Myrrha, siehe den Klee:
An einer Kleeblume - das ist der Unbekannte –
findest du drei Blätter - Theos, Logos, Pneuma.
Von allen Seiten umgibt dich
Und liebt dich der schöne Gott. Und ich lieb dich auch,
Myrrha! sprachest du, Daphnis.

Ach Daphnis, zarter Daphnis, du bist so fein,


Dein Bart so weich wie Gras,
Das so hauchfein und flaumweich weißduftendes Rosa
Mit wolligweicher Pastellzartheit blüht.
Deine Zähne sind weiß wie die Milch des Mutterschafs
Oder die weiße Blüte des Klees.

Hülle noch einmal, wie du am kühlen Abend


Mir gedichtet, mich in den blühenden Frauenmantel.
Lächle mich an so zart wie die Nymphenrosen,
Die zarten rosanen Grazienrosen, welche schön sind und licht.

Wie gerne ging ich wieder mit dir in den Wald,


Wie am Abend, da deine Schwester,
Die goldene Pythonissa mit uns ging,
Ihre feinen Lippen wie Blüten der Grazienrosen lächelnd.
Und die Abendsonne glühte
Durch die dunklen Stämme der dichten Fichten.
Auf weichem braunen Waldboden tanzte
Unsre verliebte Jugend schwärmerisch mit den Fackeln.
Leise waren unsere Kosereien,
Daß wir die zärtlichmütigen Rehe und Hirschkühe,
Einhörner und Zentauren nicht erschrecken.
Wir gaben lachend Antwort
Dem köstlichen Rauschen der Waldtauben,
Welche ebenso girrten wie wir.
Pythonissa pflückte, die füllige Schöne,
Uns einen bunten Strauß; Euch Verliebten! sprach sie
und zeigte uns Wiesenkerbel und Schafgarbe weiß,
Purpurea und Klatschmohn rot.
Du, herziger Mann, wurdest kräftig vor Lebensfreude
Und warfest Stämme quer durch den Wald
Und riefest: Meine brennende Liebe!
Bären und Löwen ring ich nieder für Myrrha, Liebe! –
O Daphnis, du kerniger Held, du Heros meines Herzens!"
Nun sandte der Tyrann Demokrates einen Boten,
Einen Eunuchen des Himmelreichs von Harem,
Mit einen Brief an Myrrha:
"Demokrates, der Tyrann von Athen, er sendet an Myrrha,
Die Erste seiner Frauen, diese Schmeichel-Ode:
Herrliche, du bist eine Bohnenblüte zwischen Bohnenstangen,
Eine Purpurea zwischen Nesseln.
Dich hab ich erwählt mit dem Feuer meines Geistes
Und der lodernden Flamme meines Fleisches.
Komm in meine Privatgemächer,
Ich will dir dort ein Lager bereiten.
Du sollst Pindar in die athenische Zunge übertragen
Und Sapphos Lieder zur Lyra singen.
Ich will dir Frauen suchen,
Die deinem sterbenden Gott, dem Unbekannten mit dir hulden.
Komm, o komm und laß uns eilen, o Myrrha!"

Dieselbe zerriß den Brief mit der feuchten Schmeichelei


In tausend Fetzen und warf sie ins Feuer.
Sie schlug sich unter zornigen Tränen auf die Schenkel
Und begann, den Hirten Daphnis zu preisen:

"Mein Liebling, der Sohn des Unbekannten, der Hirte!


Er ist wie ein Pfirsichbaum unter verwilderten Judasbäumen!
Seine Frucht, seine Liebe, ist süß.
Und seine Küsse munden meinem Gaumen
Wie eine frische Sommerfrucht.
Seine Zweige voller Laub und feiner Blüten
Werfen kühlen Schatten in der Mittagshitze,
So angenehm ist seine Gegenwart,
Er ist herrlich erfrischend.

Seine Lippen sind köstlicher als der beste Rotwein aus Zypern.
Er führte mich auf die weinlaubumrankte Terasse seiner Liebe,
Unter den trunkenen Abendhimmel der Wollust seiner Seele,
Zum Tavernenzeichen seiner Treue -
Dem immertreuen Schwan des Gottes der Dichter -
Und pries mir mit Perlen auf der Zunge den Einzigen:

Der ist die Liebe und segnet unsere Liebe!


Seine Liebesfahne in Purpur mit der weißen Liebestaube
Flattert über uns im Zephyr des Lenzes!
Und trunken wurd ich von süßen Küssen meines Daphnis,
Wie von Frühlingswindes Küssen, Geistes Küssen,
Zyprischem Weine gleich an Stärke und Süße.
Mir tanzten bei seinen Küssen die Sterne vor Augen,
Die Perlenkette der Nacht,
An der sie abzählt die fünfzehn Lobpreisungen göttlicher Liebe
In dem Herzen des Unbekannten!

Evoe! Gott! O küssen möcht ich


Das Elysium und Arkadien, Gärten des Himmels,
Wo Daphnis in seinen Liebesträumen mit mir weilt
Und weidet unter Pfingstrosen wohl in feuriger Liebe,
Liebe gleich einem Flammentanz seliger Genien,
Töchtern der Freude, Töchtern Elysiums, Töchtern Gottes!
Mir ist elend vor Sehnsucht,
Ich bin krank vor Liebe zu meinem guten Hirten!“

In Arkadien, in der Hütte ihrer Ferien, schlummerte Myrrha,


Die schweren weißen Lider gesenkt
Auf die blauen Diamanten ihrer Augen,
Die weichen Nasenflügel zitternd.
Ihr hoher Busen wölbte sich, hob sich und sank mit leisem Atmen,
Sie wendete sich von der linken auf die rechte Seite.
Draußen um die Hütte lagen die Hühner und schliefen auch.
Aber da der Morgen nahte, fing der Hahn an zu krähen.
Er hatte ein prächtiges rotes Gefieder und einen rubinroten Kamm,
Der wie Flammenzacken sich auf die Morgenröte reimte.

Gleich, da sie erwachte, dachte Myrrha


Voller Sehnsucht an ihren Geliebten:
"Daphnis, du Gottesträumer, du Hennablüte,
Du bist kein trauriger Taugenichts,
Bist ein Liebling des Unbekannten!
Und mein Liebling auch! Oh, wie ich dich vermisse!
Geh ich an den See Cyane in Arkadien hier
Und bade meine milchigen Frauenglieder in kristallener Klarheit,
Denk ich an dich, daß du im Lorbeerstrauch
Mit geschlossenen Augen auf mich wartest
Und mir zuwirfst einige Leinenhemden und einen langen Rock,
Daß ich mich bekleide in Weiß und Blau,
O du mein Lieber, schau mich an, schau mich an, mein Lieber,
Aber schau mich keusch an und nicht mit geilen Blicken,
Denn mein Herz ist bang und fürchtet sich vor Liebe!
Daphnis, du wirst Rücksicht auf meine Furchtsamkeit nehmen?"

Mit einem Gänseblümchen in der Hand


Saß Myrrha in der Hütte bei einem Kruge Milch
Und zählte pflückend Blütenblatt um Blütenblatt:
"Er kommt, er kommt nicht, er kommt, er kommt nicht,
Siehe, er kommt! Mein Geliebter kommt!“
Tatsächlich sah sie aus dem Fensterloch
Und sah von Ferne Daphnis nahen,
Von weitem erkannte sie ihren blonden Hirten
Am melancholisch-dunkelblauen Kleid.
Aber er war so froh und in solcher Freude,
Daß er hüpfte wie Chiron, der Meister der Zentauren,
In seiner Jugend, voller Frohsinn, wie ein törichtes Närrchen,
Tanzend wie eine Glockenblume im Winde hin und her,
Springend wie ein verliebter Hase kreuz und quer,
Wirbelnd wie Pusteblumensamen, wenn der Wind mit ihm spielt.
Daphnis, Daphnis, wie hüpften nicht nur deine Glieder,
Dein heißes Herze hüpfte vor Wonne,
Denn Wonnen wie der Pedhieos-Strom dein Mannesherz tränkten,
Jugend und Rosenblust und Morgenglut war dein!

Oh Daphnis, du sahest deine Myrrha!


Endlich sahest du sie wieder!
In vollem Weizengold und Himmelblau,
Eine fröhliche Hochzeit von Himmel und Erde
War Myrrha, die selige Jungfrau!

Ihre blauen Diamanten, Meeressterne,


Funkelten als wie luftblaue Feuer, sprühend vor Geist
Und fließend vor lauter Seelenfülle.
O Daphnis, tauche in die blauen Teiche,
Die blauen Kornblumen ihrer Augen,
Bade voller Wollust in den Wasserpforten ihrer Seele,
Und spiele in dem Blond ihres Weizens,
Duftend nach Mohnmilch,
Ihrem Haar sprich Liebkosungen zu,
Verwebe dich in Netz und Flut, o Daphnis, Verzückter,
Und versiegle den Liebesbrief ihrer Lippen
Mit dem blutroten heißen Siegellack deines Kusses! –
"Myrrha, komm, mein Mädchen,
Laß dich leis und sanfte küssen, Liebe!"

Wie lange hatten sich die Beiden nicht mehr gesehn!


Welche Schmerzen aus trauriger Trennung
Fanden nun Heil in einem Händespiel zärtlichsinniger Liebe,
Der zärtlichen Lust am Tasten und Verflechten.
Myrrha, Geliebte! Daphnis, Geliebter!

Wie stauntet ihr einander an,


Ob all die holden Phantasien der Einsamkeit
Der Wirklichkeit entsprachen?
Ob der Mund so weich? das Auge so licht?
Das Haar so fein? die Hand so zart?
Der Busen so rund? die Linie auch so melodisch?
Und die Stunden, die jetzt kamen, waren Stunden der Sprache,
Des Vertrauens, verständnisvoller Wechselrede,
Der Vereinigung ihrer Seelen in Minne,
Des Staunens, des harmonischen Schweigens,
Des Schnäbelns und Girrens und Turtelns.

Die Turteltaube fühlte ihr heißes Herze klopfen


Und ihre Brüste beben.
Die Nachtigall sang eine leidenschaftlich glühende Hymne
Der Liebe, ihres holden Wahnsinns,
Ihrer süßen Raserei, entzückenden Schwachsinns,
Ihres poetischen Schwärmens,
Ihres Reifens und Weisewerdens.
Der Schwan und die Schwanin sangen auf dem Cyane-See schön
Von Elysium und Seligkeit
Und der Herrlichkeit des Gottes der Liebe!
Die Lerchen mit goldenem Jubel neigten sich
Charismatisch singend im Palast der Morgenwinde
Vor dem herrlichen Licht.

Die Zier- und die Duftrosen blühten


Und glühten innig in den Balsambeeten.
Daphnis ging in den Balsamgarten
Uund pflückte eine seidige keusche Orchis für Myrrha
Und kleidete diese bloße Blume in einen Bund von Schleierkraut,
Von Tau zart duftend besprengt.
Und Daphnis biß in die Lippen Myrrhas,
Die wie reife Süßkirschen waren!
Und der Lenz sang sein Lied der Liebe,
Gesegnet vom Unbekannten und seiner schönen Liebe!

VI

Auf seinem Tragbett ward herangetragen der Tyrann,


Demokrates ließ sich bringen
Inmitten von veilchenduftenden Kissen,
In Seide und Samt und Brokat,
Ein Herrlicher, Prunk- und Prachtvoller,
Dessen Prozession umwölkt ward von Weihrauch
Und Duft von ätherischem Öl der Lavendel,
Zu bezirzen durch den Odem des Windes,
Der im Lenz die süßduftenden Blüten wachküsst.

Hochzeit zu halten mit der neusten Jungfrau,


Dem hübschen Landmädchen Myrrha,
War sein Begehr, des Tyrannen Verlangen.
Sie zu freien, zu herzen und küssen,
Sich zu berauschen an den Brüsten des jungen Weibes
Und ihr nahezusein und zu kultivieren die "Gnosis des Eros"...

Sein Tragbett war liebevoll geschmückt


Von den Töchtern Athens, den Musen,
Najaden, Nymphen, Charitinnen,
Verziert mit Marmor von Paros,
Zypressenholz Zyperns,
Ebenholz aus dem schwarzen Äthiopien,
Lapislazuli aus Ägyptens Nilland,
Gold aus Ofir, Schoham von Eden,
Bedeckt mit Tigerfellen aus Thrakiens Wäldern,
Bärenpelzen Mazedoniens
Panterfellen des dionysischen Nyssa.

Auf dem braungelockten Haupte


Über der sorgenvoll gefurchten Stirne
Trug der Tyrann seine Hochzeitskrone,
Die seine Mutter Pyrrha dem Tyrannen geschenkt.
(Pyrrha seine Mutter?
Und weil Myrrha sich reimt auf Pyrrha,
War Demokrates so verliebt in die schöne Hirtin?)
Alle seine siebenhundert Nymphen –
Dorerinnen, Achäerinnen, Spartanerinnen,
Asiatinnen und Ägypterinnen,
Trojafrauen und Tarsisfrauen,
Frauen aus Ausonien - alle,
Alle fürchteten seine Mutter,
Die in ehebrecherischem Lustverhältnis
Den Demokrates einst mit ihrem Adonis gezeugt;
Nur Myrrha fürchtete sich nicht vor ihr.

Wenn Myrrha "Mutter" dachte, dachte sie daran,


Den blonden Liebling Daphnis
In das Haus ihrer Mutter Doris zu bringen.
Wenn Daphnis im Hause von Myrrhas Mutter wäre,
säh er die Weide ihrer Kindheit und könnt ihr Bruder sein.

Aber Demokrates ließ die Sänfte des Tyrannen


Sich neigen vor der stillen Hirtin
Und hob an mit seiner vom Hofpoeten gedichteten Schmeichelei
Und dem Lobgesang auf die Schönheit Myrrhas:

"Liebe Fraue, deine Augen sind wie Teiche,


Wie der See Cyane in Arkadien, blau und klar,
Deine Augen sind in weißer Milchflut
Schwimmende blaue Fische der Liebesgöttin,
Deine Augen sind Sterne, auf denen himmelblaue Rosen blühn,
Deine Augen sind wie der Duft von Vergißmeinnicht,
Der über dem Schnee des Olympos schwebt,
Deine Augen sind besinnlich wie die Ode
Des Singschwanes an der Grenze zum Totenreich,
Deine Augen blicken freundlich
Wie zwei himmelblaue Amoretten, o Myrrha!

Dein Haar ist wie der goldene Faden an der Weizenähre,


Wie die Haarflut der Mittagssonne,
Blond wie meiner Mutter Blondheit,
Golden wie die Sandalen der Himmelskönigin,
Golden wie die Stimmbänder meiner Lieblingsnachtigall,
Die in eine persische Gold-Rose sehr verliebt ist,
Dein Haar ist wie der Schleier der schönsten Frau Griechenlands
In ihrer Jungfraunzeit, ich meine Helena,
Um deretwillen Troja unterging,
Aber dein Haar, o Myrrha, ist schöner als Helenas Schleier.

Deine Zähne sind weiß wie die Vliese palästinensischer Lämmer,


Weiß wie das Elfenbein der Elefantenkuh aus Kusch,
Weiß wie der Schnee auf dem Gipfel der Titanen, Ossas Schnee,
Weiß wie die Milch eines Einhornweibchens,
Weiß wie der Marmor von Cararra,
Vollkommen wie ein Schwanenpaar,
Ebenmäßig wie die Glieder eines Heroen,
Und sie können beißen
Wie die Zähne einer Hirtenhündin im Frühling.

Deine Lippen sind weichgeschwungene


Schaumwogen einer rosanen Muschel,
Sind wie fliegende Blüten betauter Rosenblätter,
Zarte Blüten des Mittelmeeres bei Morgenröte,
Deine Lippen sind köstlich wie Granatapfelwein,
Süßer als Nelkenwein von Zypern,
Deine Lippen sind rot, man muß sie küssen, Myrrha,
Zärtlich laß uns girren und turteln und schnäbeln,
Laß uns trunken werden vor Küssen!

Wenn ich dir in der zärtlichen Sprache der Inder sage,


Daß ich dich liebhab, Myrrha,
Dann sind deine Wangen rot wie die Scham der astralen Jungfrau,
Wenn der astrale Orion hinter ihr herjagt,
Rot wie die zarte Blüte des Ziermohns
Und weiß wie die Milch des Mohnes,
Aus der die Träume gesponnen sind,
Und deine Wangen sind wie Einhornblut und Taubenmilch,
Und sanft wie ein Weidekätzchen.

Dein Hals ist wie der singende Hals einer verliebten Schwanin,
Von holder Majestät und melancholischer Weichheit,
Dein Hals ist wie der Elfenbeinturm des Königs Theseus,
An dem zwei silberne Schilde hingen,
Die Magna Mater und den Heros zeigend,
So ist der Schmuck an deinem Hals, o Myrrha,
Wenns auch dir Zeichen deines Gottes sind,
Den du den Unbekannten, den Gott der Liebe nennst,
Und seiner Mutter, der Himmelskönigin, Myrrha,
Siehst du, Myrrha? dein Hals macht mich fromm.

Deine Brüste in ihrer jugendlichen Frische


Sind zwei goldene Äpfel aus dem Garten der Hesperiden,
Streng bewacht, o reine Jungfrau,
Zwei Vollmonde, zwei Magnolienblüten,
Jungfräuliche Reinheit duftend,
Reichsäpfel königlicher Jungfrau-Mutter.
Du bist die Makellose
In meinem sündigen Harem." Da schwieg Demokrates still,
Und Myrrha ward rot und ihr Atem flog.

VII
Der sanfte schönlachende Hirte redete seiner Hirtin,
Der Täuberich seiner Turteltaube
Worte der Koserei zu, beschwor sie:
"Myrrha, verlaß den Prunkpalast von Athen
Und komm herauf in unser Arkadien!
Schöner ists in Arkadien, wo wir zusammen sind.

Myrrha, Herzensdiebin!
Was kamst du zur Nacht
Mit Blicken wie fliegende Sterne
Und raubtest mir mein Herz?
Die Eule wurde mir zur Nachtigall,
Da du mir ein neues Herz gegeben.
Du schriebest meinen Namen in der Sprache der Skythen,
Du riefest den Unbekannten in Achäisch an,
Die Sterne wie weiße Freudenfeuer lachten süß herab
In unsre romantische Nacht, da gingest du fort
Mit meinem Daphnisherzen in deiner zärtlichen Hand.
In meinem Busen klopfte zärtlich fortan der Name Myrrha,
Myrrha, du süße Herzensdiebin!

Deine Blicke waren wie Diamantensterne


In der romantischen Wildnacht meines Herzens
Und zündeten an ein loderndes Süßfeuer
All in lauter honiggoldnen Flammen,
Sprühend wie orangenglühender Sternrosentau,
O geliebte Myrrha!

Meine Schwester, des Himmels süßsingende Tochter,


Du vom großen Wind befeuerte Sängerin,
Liebste, holde Hirtin, schönes Landmädchen,
Einzigartige Rose, Vertraute,
Du mit dem schönen Namen, Myrrha!
Du, wie herzlieb sind mir deine Worte:
Lieber! sagst du, ich solle dich vertraut mir machen,
Du vermissest mich und sehnst dich nach Umarmung
Und singst mir zu die dunkelmelancholische Tonart
Deiner goldnen Liebeslyra, Hirtin,
Meine Tochter des Gesanges, Muse vom Helikon,
Da du zwischen den Schafen ruhest mit der Harfe im Arm,
Myrrha, und wenn der große Wind deine Harfe anhaucht,
Singst du inspirierte Oden und Hymnen
Dem schönen Gott der Liebe.

Du bist ein Garten, Geliebte,


In dessen Laubgängen darf kein Ungeweihter wandeln,
Ein heiliger Hain, Geliebte,
In dessen labyrinthischen Wandelgängen
Nur ein Gottesliebling mit der Fackel der Liebe
Schwärmerisch wandeln und leise tanzen darf
Auf sanften Sohlen goldner Sandalen.
Du bist ein Zypressenhain der Melancholie,
Wo Liebe stark ist wie der Tod.
Du bist ein Veilchenbeet, wo die Lüfte süß sind
Wie vom Odem des großen Windes,
Des heiligen Geistes unsrer Mysterienlehre.

Du bist ein Rosengarten, Geliebte,


Da unter dornenlosen Rosen der Gott der Liebe
Als dein Bräutigam mit dir weidet.
Du bist ein Hain aus Hennablumen,
Die du mit mir verglichest, du Liebenswerte.
Du bist wie lauter Lilien,
In deren Kelchen voll Tau
Süßlächelnde Nymphen nackig baden.
Du bist ein Duftbaum aus Ceylon,
Ein Salböl aus Indien,
Sandelholzgarten ohne Schlange."

Myrrha gab Wechselrede, wie Pieriden-Musen,


Dem schönen Hirten, schön von Seele ihrem Herzen:
"Komm, o mein lieber Freund, in meinen Garten
Und pflücke dort den Tag deiner Jugend!
Sei wie eine Biene um die süßen Blüten meiner Linde,
Summe süße Gesänge,
Sei beharrlich und berausche dich am Blütenwein,
Der Linde Nektar, aber laß der Linde
Ihren frommen frohen Abendfrieden.

Freund meiner Träume, komm so zärtlich wie der Südwind


In meinen duftenden Garten
Und spiele mit dem aromatischen Duft
Meiner Persönlichkeit. Lieber Daphnis, du sollst leben!
Du sollst leben und schön sein
Wie eine Zypertraubenblume in dem Garten meiner Seele,
Wie eine Seeros‘ auf dem stillen Teiche meiner Seele,
Sei wie eine tanzende Blüte
Auf dem Springquell meines Herzens,
Krone und Schmuck du meines Innern.“

Und Daphnis gab zur Antwort: "Schöne, Sanfte, Zarte,


Wie ein Sturm bin ich gekommen,
Das Gewölk ist der Staub meiner Schritte,
Und bin mit Vollmacht und Segen an dein Tor getreten,
Dort sanften Frieden zu finden
Und leise meine rauhe Hand
An deine milchweiße Hand zu legen
Und zärtliche Koserei
Und girrendes Süßspiel auszutauschen mit dir,
O Myrrha, meine Liebe!"

VIII
In Athenas ehernen Mauern
Träumte Traum die Hirtin,
Da lag sie in zitterndem Schlaf, in zuckendem Traum,
Wie von der Milch des Wiesenmohns getränkt,
Und träumte von Daphnis,
Wie er kam von den Hügeln und Auen Arkadiens her,
Und wie er kam in romantischer Sommernacht an,
Da zwischen den Johannisbrotbäumen
Nymphen in weißen Gewändern tanzten
Und solche in den klaren Quellen badeten, nackt,
Die das silberne Mondlicht widerspiegelten heimlich.

Sie sah sein Haar, sein blondes,


Das er in der Mitte gescheitelt trug,
Und das naß war vom Nachttau arkadischen Sommers,
Und den lockigen Bart, der feucht war
Von den warmen Tropfen Taues der Sommermondnacht.
Er fuhr sich mit dem braunen Fingerkamm durch das Blondhaar
Und legte die Strähnen hinter die Ohren.
Einen Nachttropfen strich er sich
Von der feinen dunkelblonden Braue,
Als sei es an der Wimper eine Träne.

Und in ihrem Inneren, welches träumte süßen Traum,


Schaute die Schöne die Pforte ihres Marmorgemaches
Und hörte an der hölzernen Pforte ein Klopfen,
Welches unsichtbar Echo tausendmal wiederholte.

Aber Myrrha regte sich nicht auf ihrem weichen Lager,


Denn ihre Psyche sprach:
"Soll ich ihm jetzt schon auftun
Und nachgeben seinem Verlangen und willig sein
Dem Begehren seiner verliebten Seele?
Lieber will ich mich zieren und will zärtlich zagen
Und jungfräulichkeusch mich wohlgehaben
In schüchterner Blödigkeit,
Meine Mädchenangst ihm sagen ohne Worte,
Meine Angst vor leiblicher Nähe,
Denn vielleicht wirbt er dann feuriger, süßer,
Wie die Rosen im Abendrot glühn
Und Bienen Nektar schlürfen,
Vor lauter Sehnsucht und Verlangen?"

Da hörte sie in dem dösenden Dämmer ihres Innern


Wieder ein pochendes Klopfen und dann
Ein sanftes Rütteln an der braunen Pforte:
Daphnis wollte herein!
Da pochte ihr Herz im bebenden Busen
Vor Erregung und zärtlicher Unruh,
Ihr pochte das Herz in der Brust vor Sehnsucht und Verlangen.
Daphnis war ihr Begehr,
Ihn zu halten in den weißen Armen
Und zu pressen an das fliegende Herz,
Daß durch sanfte Liebe Ruhe einkehr in der Jungfrau Brust.

Also stand sie auf, mit zitternden Knien und fliegenden Händen,
Selbst im Traum voll Schwäche,
Und tastete sich durchs kühle Dunkel ihres Marmorgemaches
Voll liebender Hitze zur Pforte
Und öffnete, sah hinaus, doch - er war fort!
Es war zu spät, sie hatte zu zag gezögert,
Zu bang und lang gewartet, zu spröde getan.

Gleich rannte sie hinaus in die Nacht


Mit Trauer in der Kehle und Angst in der Brust
Und Sehnsucht im rasenden Blut,
Und eilte durch die labyrinthischen Gassen Athens,
Die Hunde hinter ihr her,
An den weißen Häusern mit den blauen Fenstern vorüber,
Die vor lauter Mondschein der Johannisnacht schimmerten,
Bis sie auf die drei Stadtwächter stieß.
Diese rissen ihr den Umhang von den Schultern
Und schlugen ihr seidenes Nachthemd und den schönen Frauenrücken
Mit zischenden Weidenruten wund.

Ihr Leib im Schlafe zitterte, zuckte vor Angst,


Denn sie rannte und kam nicht von der Stelle.
Da rief sie zu Hilfe den Unbekannten:
"Pneuma, komm, o sanfter Hauch,
und hauche mich an mit süßer Agape,
Heiliger sie als der Menschen eigensüchtiger Eros,
Hauche mich an mit des Gottes schöner Agape,
Daß mein Herze werde voll
Des Guten und Wahren, voll des Schönen
Aus den Händen der Schönen Liebe,
Daß unsterblich meine Seele sei in der Agape Gottes!“

Am nächsten Morgen besuchten die Töchter des Harems,


Atalante, Melitta, Perinna, ihre Mitgenossin,
Die fremde und sonderbare Hirtin aus Arkadiens Auen.
Voller Liebe war Myrrha,
Denn der Unbekannte hatte ihr Flehen gehört,
Und so sagte sie den Töchtern Athens,
Wie ihr Hirte war, der träumerische Liebling ihrer Seele:

"Wisset, ihr Töchter Athens,


Mein Geliebter ist wie Milch und Blut,
Jung und stürmisch, rein und feurig in seiner Seele,
Er ist tugendweiß und liebesrot,
Rot an Liebe zum Gott und zu seiner Myrrha.
Seine Augen rucken und gurren mit verliebten Blicken
Und schimmern wie das Gefieder von Turteltauben
Und sind reiner und liebevoller
Als die Tauben eurer Liebesgöttin,
Denn seine Augen schauen Gott an, der da die Liebe ist,
Dessen Geist in Daphnis Herzen ist sanft wie eine Taube.
Seine Augen sind graublaue Tauben,
Die im Milchteich der glückseligen Insel baden,
So wunderschön, so idyllisch und so lieblich!

Sein Bart ist parfümiert


Und duftet wie Ginseng aus China.
Sein Atem duftet bis in den Rachen hinein
Wie frische Minze aus dem Norden Kittims.
Seine Fingernägel sind schön wie spanischer Perlmutt.
Sein ganzer Körper ist wie die Elfenbeinschnitzerei
An dem Turm, in dem die Jungfrau saß,
Als der Allerhöchste erschien
Wie goldener Regen und Feuerzungen.
Seine Adern mit dem Blut des Lebens
Sind blau wie Lapislazuli aus Sais in Mizraim.
Sein ganzer Körper ist eine Zeder Arkadiens, stolz und herrlich.
In seinem Gaumen bewegt sich sonderbar schöne
Genienhafte Glossolalie, hymnisches Halleluja!
Er ist schön, ihr Töchter, schön."

IX

Zu der schönen Hirtin wandte sich rasend der Tyrann,


Rasend nicht vor Tyrannenzorn, sondern vor Leidenschaft,
Heiß wie der Hades, feurig wie Phlegeton,
Unwiderstehlich wie der schwarze Acherusische See
In der Unterwelt mit seinen starken Strudeln
Und seinem grausamen Sog.

Er sprach: "Du bist immer heiter und freundlich


Wie die Jonische See zu mir gewesen,
Und nun seh ich dich umwölkt,
Da bist du schrecklich wie ein persisches Heer mit Tigerbannern,
Wenn es gegen Salamis zieht. O Tag an Salamis Ufern,
Wenn die Heeresbanner schrecklich wehn und Speere fliegen:
Deine Blicke sind diese Todesgeschosse!

Du hast mich überwunden, Myrrha,


Nicht mit Henna und ägyptischem Lippenrot
Oder reizenden Haarflechten,
Wie all meine andern Frauen,
Sondern mit deiner lichten Reinheit
Und Tugend hast du mich bezaubert,
Denn du bist keusch wie eine Vestalin aus Rom,
Die ihre Jungfräulichkeit aufspart,
Dem Feuer ihres Gottes ganz zu dienen!

Tausend Frauen, sagt das Volk, sind in meinem Harem,


Schwarze aus Äthiopien, braune aus Indien,
Mänaden des Weingotts,
Dirnen der Liebesgöttin,
Töchter der Großen Mutter,
Aber du, o Myrrha, bist die Einzige von den Schönen allen,
Die den Unbekannten verehrt.
Außerdem sind die andern von Hennahaar
Oder griechischem Schwarz,
Aber dein Haar ist wie gesponnen aus der Wolle des Goldenen Vlieses.
Andre sind albern, mich zu ergötzen,
Aber du bist tiefsinnig wie ein Philosoph.
Andere schwätzen wie eitle Närrinnen,
Aber du redest in der Sprache der Dichter zu mir.

Melitta und ihre Bademädchen,


Atalante und ihre Schminkmägde
Und Perinna mit ihren Leierspielerinnen
Traten zu Myrrha und lobten sie,
So hatte Demokrates sie beauftragt,
Um die Hirtin zu locken und zu werben für den Hof,
Und also zirpten bezirzend die Frauen des Harems:

"Dreh dich im Tanz von Lesbos,


Im Jungfrauntanz, im Mädchenreigen,
Den Sappho zur Lyra begleitet
Und Erinna ihre Mädchen lehrt!
Deine Schönheit ist die eines goldenen Apfels
Vom Baum des hesperischen Paradieses!
Während du tanzt und Schleier fallen läßt,
O Schönste unter den Weibern,
Bewundern wir deinen Schritt
In den goldnen Sandalen der Himmelskönigin,
Voller Ruhe und Gelassenheit!

Deine Taille ist wie der goldene Armreif eines Phidias,


Den er einer Statue heimlich gestohlen,
Der seinen Arm um deine Hüfte legen will.
Dein Nabel, o schöne Frau, ist wie der Kelch vom letzten Mahl
Des Lieblings aller Unsterblichen,
Oder der Kelch, den Sokrates leerte,
In die Unsterblichkeit einzutreten,
Dein Schoß ist Diotimas Kelch,
Gefüllt mit zyprischem Würzwein,
Dem Trank der elysischen Lebensfreude!

Dein Leib ist wie Weizen, goldenweiß


Und voller Pracht und Reife und schönster Fülle,
Deine Brüste sind wie silberne Granatäpfel,
Die auf dem Monde am Baum des Lebens wachsen!

Du bist eine Orchidee aus Indiens Wäldern,


Die der Tänzer mitgebracht,
Der dich in der Rechten trug
Und in der Linken den Taumelkelch mit Freudenwein!
Du bist voller Pracht und Herrlichkeit und Schönheit,
Eines schönen Gottes schönes Ebenbild!

Deine Augen sind Quellen,


Sie sprühen kristallenes Licht,
Himmelblaue Lebenswasser,
Sie sind voller Anmut wie die kastalische Quelle,
Daraus die Musensöhne Begeisterung schlürfen,
Inspiriert zu werden vom göttlichen Feuer,
Denn in deinen Augen, den Spiegeln deiner Seele,
Lebt ein göttlicher Geist mit seinem Liebesfeuer!

Dein Haupt ist herrlich wie der Olymp,


In dessen ewigem Schnee die Throne der Himmlischen stehn,
Die dem Gott der Götter untertan sind,
Dessen Geist auf deinem Haupte ruht.
Dein Haar ist wie reines Leinen,
Welches die unsterblichen Seelen
Auf ihren Inseln der Glückseligkeit tragen.
In deinem Weizenblond wollt jeder Dichter gern
Träumend gefangen liegen und dichten
Vom himmlischen Garten-Elysium
Und seinen Töchtern der Freude!"

Myrrha aber trat zum Fenster


Und schaute voller Sehnsucht und bebendes Herzens
Hinaus in den Sonnenuntergang
Und dachte an Arkadien, dachte an Daphnis:
"Nun liegst du im Grase
Und schaust den pelzigen Hummeln
In den lila Honigblüten zu,
Ruhend in den Armen der Mutter Erde,
Über deinen Rücken spielt der laue Abendwind des Himmels,
Und du redest in illyrischer Zunge
Eine Lobeshymne auf den Gott der Götter!

Komm mit mir zu den Weinbergen,


Laß uns arkadische Reben keltern
Und schlürfen abendlichen Kelch
Geruhsamlieblicher Wonne,
Du Liebe voller Wonne!
Und laß uns wandeln über die Auen
Und reden mit den Lämmern,
Laß uns ihnen Liebes reden,
Laß uns schnalzen zu ihrer Freude!

Unsre Liebe ist frisch und lebendig wie Mai,


Der Wonnemonat, der Mond der Honigblüten,
Der Mond der Weiden, der grünen Weiden,
Der Mond der Himmelskönigin, der Monden-Monat,
Da das Feuer des Unbekannten vom Himmel her überfließt!
Laß uns einander Liebesäpfel von Liebespflanzen schenken,
Die in den Nächten und im Schatten wachsen
Und betäuben zu süßer Ohnmacht,
Aber duften wie Elysium
Und Hesperien oder Indiens Wälder!

Ach, wärst du mein junger Bruder,


Ich könnte bei dir sein und Hand in Hand mit dir wandeln
Und öffentlich vor allen Hirten dich küssen
Auf deinen Zuckermund, o du mein Daphnis!
Meine Mutter würd es gestatten,
Daß du in meine Kammer kämest
Und legtest deine sanften Hirtenarme, die sonst Lämmer tragen,
Um meine Hüfte und zögest mich zärtlich zu dir, Geliebter!“

Und nun kamen sie zu ihrem alten Dorf in Arkadien,


Hübsch am Hang gebaut, reich an bunten Hütten,
Umstanden von Fichten, Linden in Blüte,
Da sagte Daphnis: "Erinnerst du dich, meine liebe Myrrha,
Wie wir gesessen unter der blühenden Linde,
Die schon manch ein lispelndes Beten meiner Zunge gehört,
Aber die auch vernahm, wie ich deinen schönen Namen lobte:
Immer wollte ich meine Tochter Myrrha nennen!
Und wie ich pries den Goldflaum,
Den Pfirsichflaum auf deinem weißen Arm!
Da lächelte nicht nur das Volk
Der goldenen Schwärmer um den Liebesbaum,
Da lächelte meine Myrrha auch,
Lächelte lieb mit ihren hellblauen Augen."

Drauf sprach Myrrha:


"Du bist wie das Kettchen mit dem Hölzchen,
Das um meinen Hals vorm Herzen hängt,
Denn du bist ein Zeichen der Liebe
Meinem Herzen, ein Zeichen der Huld,
Und bist wie das Zeichen des Unbekannten
An meinem Handgelenk,
Du bist nicht nur dem Geheimnis meines Herzens nah,
Sondern auch meinen Händen.

Unsre Liebe ist stärker als Thanatos,


Wenn sie ihn auch hübsch bemalen,
Unsre Liebe ist unwiderstehlich
Wie die Unsterblichkeit unsrer Seele
Und wie Elysium droben im Himmel,
Sie ist unausweichlich wie der Scheidefluß
Zwischen dem Land des Todes und dem Land der Lebendigen,
Unsre Liebe ist heißer als das Feuer des Prometheus,
Heißer als das Feuer der ersten Olympiade,
Uunsre Liebe ist das Feuer Gottes!

Wenn die Metren der Dichter,


Die Perioden der Rhapsoden,
Die Künste der Lyraspielerinnen,
Die Weisheiten aller Platone
Und die Geschicklichkeit aller Phidiasse
Vergangen, dahin als Trümmer und Fragment,
Dann brennt noch das Feuer der Liebe unsres Gottes!

Ich hab Frieden gewonnen,


Weil ich nun wandle mit meinem Hirten unter der Linde,
Vor den Weinbergen, einzig mit dir, o Daphnis,
Und der Zärtlichkeit deiner Seele.
Laß uns beten gemeinsam
In dem uralten Dom der Natur
Zum Unbekannten, dem Schöpfer
Der Himmlischen, Menschen und Kreaturen!

Du magst meine Stimme hören,


Mein sanftes Flüstern, mein dunkles Gurren,
Mein Singen in lydischer Tonart zur Hochzeit?
Zwei sind besser als einer, sing ich.
Komm, laß uns eilen wie Einhörner
Zu den Hennabüschen zwischen den Weinbergen,
Da zu schlummern und zu träumen
Träume ewiger Liebe!"

MARIE VON NAZARETH


ZU MUTTERTAG GESUNGEN

Seit tausend Jahren thront Sie,


Das Kind auf dem Schoß.
Große schwarze Pupillenkreise in einer Iris erglänzen.

Die erhabene Frau trägt eine Frucht


Aus farbigen Edelsteinen und Ornamenten:
Den Granatapfel Evas.

Die Frau ist ganz aus Gold, aus reinem Gold.


Sie ist so rein, als wäre sie aus Sonne.
Die Frau im goldenen Thronsessel
Trägt ein goldenes Kind auf dem Schoß,
Sie trägt ein goldnes Gewand
Und goldene Schuhe,
Sie trägt einen goldenen Schleier um das Haupt,
Ja, Sie selbst ist Gold, ist pures feines Gold,
Die Hände, der Hals, das Antlitz, der Mund ist Gold.

Sie ist die Madonna der Ottonen.

Die Menorah aus dem Tempel von Jerusalem


Strahlt vor der Goldnen Madonna und dem goldenen Kind.

Die Mutter vom guten Rat


Ist gekrönt mit der Krone des Wunders der Welt,
Ottos des Dritten Kaiserkrone,
Dreijährigen Kaisers Lilienkrone
Aus Gold und Perlen, Edelsteinen und Filigran,
Die dient allein dazu, an Feiertagen die Madonna zu krönen.

Wie in der dunkelsten Vorzeit


Bringen die Menschen der goldenen Mutter
Opfer.
Nicht Menschen und nicht Tiere werden geopfert der goldenen Mutter,
Sondern das innocente Wachs, gewoben vom Fleiß der Bienen.
Hier ist Goldenes Zeitalter in dem Reich Mariens.

Niemandem bin ich so oft begegnet wie Ihr.


Kein Erdteil, wo Sie nicht wäre.
In Europa ist Sie allerorten.
Auf Sizilien lebt Sie in jeder ärmlichen Hütte.
In Polen lebt Sie in jeder ärmlichen Hütte.
Sie wohnt auf den Hebriden, auf Malta,
In Lappland und bei den Eskimos von Grönland.

Sie wird hoch verehrt,


Geradezu überschwänglich!
Erkannt wird Sie am Ende der Welt,
Wo Christus nur die Menschen berührt.

Im Koran wird sie freundlich erwähnt.

Die Zahl Ihrer Bilder ist eine Milliardenzahl.


Sie ist die am meisten dargestellte Frau aller Zeiten.
Unzählbar, wie oft Ihr Name am Tag geflüstert wird.

Eine Inseltochter auf Ischia


Fragte: Liebst du die Madonna
Oder bist du Protestant?
Diese Barbaren aus dem Norden lieben die Madonna nicht!
Unglaublich!
Ich sagte: Ich liebe die Madonna!
Die siebzehnjährige Schönheit rief:
Der Deutsche liebt die Madonna!

Goethe an Frau von Stein:


Was die Mutter Gottes doch für schöne Poesie ist!
Eine Jungfrau mit Ihrem Sohn auf dem Arm,
Darum heiligste Jungfrau, weil Sie den Sohn geboren!
Vor Ihr stehn einem die Sinne so schön ganz stille,
Man freut sich so ganz und gar an Ihr!

Im fünfzehnten Jahrhundert
Lebte bei Xanten ein Hirte,
Der war lahm,
Der konnte seine Herde nicht mehr weiden.
Da träumte dem armen Hirten ein Traum.
Er sah eine mächtige Eiche,
In deren Stamme Treppen waren,
Auf denen die Mutter Gottes hinanstieg
Und stellte sich in die Eiche.
Vertraue dich der Mutter Gottes von dem Treppenbaum an,
So bist du der Genesung sicher.
Er vertraute sich der Mutter Gottes von dem Treppenbaum an
Und genas.
Kranke pilgern zur Madonna der Eiche und beten und finden Hilfe.

Als ein Priester die Madonna in die Kirche führen wollte,


Verließ die Madonna in der Nacht die Kirche
Und wohnte wieder in der Eiche.

In Fatima erschien Madonna in der Eiche.


In Horn in Österreich wohnt Unsere Liebe Frau zu den drei Eichen,
In Bayern Maria Eich,
In Basur-Seine Notre Dame von der Eiche,
Im italienischen Vossa die Madonna von den drei kleinen Eichen.

In Georgenberg in Österreich
Wird Unsere Liebe Frau zur Linde verehrt.
In Bayern wird verehrt das Gnadenbild von Weihelinden.
Im schlesischen Rosenberg wohnt Unsere Liebe Frau von Heiligenlinde.

In Salceda in Spanien wohnt Nuestra Senora vom Weidenbaum.


In Kroatien fand man Madonna im blühenden Pflaumenbaum.
In Sizilien am Hang des Ätna wird gebetet zur Madonna degli Olivi.
Im Schwarzwald lebt Unsre Liebe Frau von der Tanne.
Im Böhmisch-Mährischen lebt Maria im Haselstrauch.
In Hildesheim ist Maria geweiht
Der tausendjährige Rosenstrauch an der Mauer des Domes.

Wie hat doch der heilige Lebensbaum


Die Himmelskönigin aufgenommen!
Seine Krone ist nun Ihre Krone!
Sein Stamm ist nun Ihre Höhle!
Das Flüstern seiner Wipfel
Ist nun Ihr Flüstern in den Träumen der Träumer.

Beim letzten Abendmahl


Trank Jesus aus der Gralsschale, die aus reinem Jaspis war.
Josef von Arimathia fing unterm Kreuze
Das Blut des Herrn in dem Gralskelch auf.
Er brachte das Gralsgefäß nach Monte Salvatore.
Dort ward es von den Gralsrittern treu bewacht.

O Nuestra Senora de Montserrat!


Die Mönche haben eine liebliche Königin,
Morena, Morenata,
Die Kastanienbraune!

Heil Dir, Königin,


Mutter der Barmherzigkeit!

Die Knaben von Montserrat besingen ihre Königin


In einer dunklen Kathedrale,
Märchenhaft und geheimnisvoll und feierlich überreich geschmückt.
Es ist ein Orient im Okzident!
Berauscht vom Weihrauch
Steigen die Pilger auf den Stufen hinan zur Königin
Wie in Ekstase und Trance.

Sie ist sehr schön!

Sie ist die kosmische Kaiserin


Mit dem ungewöhnlichen Antlitz,
Dem dunklen Antlitz und den verschleierten Zügen,
Erhaben und lieblich.

Sie hält die ganze Welt in Ihrer Hand.

Ein Eishauch trennt mich von der Morenata –


Wer dürfte Sie berühren?
Aber küssen darf ich Ihre Hand!
Ich bleibe Ihr die schuldige Huldigung nimmer schuldig.

5
Unsere Liebe Frau von Altötting hat ein Herz
Für alle, die den Weg nicht mehr sehen
Und ratlos sind vor Not.
Sie ist die schwarze Madonna,
Sie ist Morenata,
Maria in der Kupfergasse in Köln,
Madonna del Carmine in Neapel,
Die Mutter Gottes von Tschenstochau.

Der schwarzen Madonna traut man zu,


Des Leidens und Mitleidens fähig zu sein.
Von der Mutter der Schmerzen
Und mitgekreuzigten Miterlöserin
Wird mehr Mitleid geglaubt
Als von rosigen Püppchen.

Der dunklen Mutter


Fühlen sich die Schwermütigen,
Kummervollen Seelen,
Traurigen Herzen,
Leidzerrissnen, Umnachteten,
Wahnsinnigen, Todessehnsüchtigen
Ganz und gar zugehörig.

Votivkerzen, Weihegaben, silberne Herzen des Dankes:


Maria hat geholfen!

Sie steht in einer Zelle aus Herzenswärme und Gnadenstrahlen,


Die Kapelle ist Ihre goldlichtdurchzitterte Aura.
Golden ist Ihr Mantel und golden der Mantel Ihres Kindes.
Ein goldenes Zepter mit der Vergißmeinnicht-Blüte als Spitze.

Altötting ist ein magisches Wort für die verzweifelten Seelen.


Diese Frau versagt keinem die Hilfe.
Ihre Beruhigung ist schon Gnade.
SIE anzuschauen ist bessere Medizin als die Pille der Alchemisten.

Im Patriarchenkloster von Pec


Sah ich einen Bauern,
Der die Marien-Ikone küsste.
Er küsste Maria nicht so, wie man sich einer Herrscherin naht,
Als dürfe man allenfalls den Saum Ihres Kleides mit den Lippen berühren,
Er küsste Sie nicht ehrfurchtschaudernd,
Er küsste Sie nicht ekstatisch –
Er küsste Sie unbefangen,
Er küsste Sie zärtlich wie eine Schwester oder Freundin.

7
Im Klostergarten
Waren die Marien-Altäre geschmückt
Mit üppigem Blumenschmuck.
Die schönsten Blüten des Frühlings
Wurden Maria geweiht.
Der Mai ist ihr Mond,
Sie wird gepriesen
The Maiden-Queene of Maye!
Die Engel der Kirchen neigen sich andächtig vor Maria:
Chaire, kecharitomene!

Man huldigt der FRAU.


Die Klosterglocken läuten.
Der Rotdorn wird röter...
Die Kastanie verschwenderisch...
Die Blumen in den Kirchen duften für die Himmlische Jungfrau
Und der ganze Frühling singt: Ave Maria!

Der Poet und Papst Wojtyla sang:


O Heilige Jungfrau,
Die Du das lichte Tschenstochau beschützt
Und strahlst im spitzen Tor!

Matka Boska czestochowska


Im Kloster Jasna Gora!

Schwarze Madonna,
Voll des Leidens,
Verwundete Mutter,
Wunden des Säbels trägst Du!

O Frau mit den Wunden des Säbels,


Mit der Krone und den strahlenden Edelsteinen des Kleides,
Mit dem Kind und dem Buch!

Als ich ein Kind war,


Lieh ich allen Prinzessinnen, Königinnen und Feen
Das Diamantgewand der Matka Boska!

Selbst in den Wohnungen der Kommunisten


War die Mutter Christi gegenwärtig
In den Kommoden der Großmütter.

Lukas hat Sie gemalt


Auf dem Tisch der Heiligen Familie von Nazareth!

Hussiten verwundeten Sie mit dem Säbel


Und zerbrachen den Tisch der Heiligen Familie.
Die Mönche stellten das Bild Mariens wieder her,
Nun in einer bezaubernden Mischung
Aus byzantinischem Ernst
Und italienischer Poesie.

Ich wollte nicht die Nachbildungen sehen,


Sondern das Urbild selber sehn.

Betende! Beichtende! Kommunizierende!

Keine Herrscherin der Erde ward je so beschenkt


Wie diese Magd des Herrn!

Diamantgewand Mariens,
Rubingewand Mariens,
Korallgewand Mariens!

Nun stand ich vor Polens Königin – und ich war verwirrt,
Mir hatte niemand gesagt,
Wie schön, wie sanft, wie leidvoll, wie dunkel Maria war!
Mehr als daß ich Sie ansah – sah Sie mich an!

Nicht alle Herrlichkeit und aller Reichtum der Welt ist das Schöne,
Sondern daß die milde, trauervolle, verwundete Frau einen anschaut!

Man küsst die Matka Boska nicht,


Aber die geheimnisvolle Frau berührt einen jeden
Mit Ihrem geheimnisvollen Blick.

Schweigende, dunklen, verwundeten Angesichts...

Sie ist die Inkarnation der Seele Polens,


Sie ist die Ikone der Freiheit,
Sie ist die DIVA vom Klaren Berg!

Tannen, Tannen.
Rieseln, Rauschen.
Raschler im Laub...
Käuzchen klagen und Eulen heulen.
Tierwald, Geisterwald.
Der Weg verliert sich im Wirrwald.

O Maria hilf!

Maria schützt vor Waldangst.


Die Maria in der Tanne,
Ein Lichtblick im Schwarzwald.
Ein kleines Kind fand das Bild
Und nahm es fröhlich an sich,
Es erblindete.
Die Mutter brachte Maria zur Tanne zurück,
Das Kind ward wieder sehend.

Ein Aussatzbefallner wusch sich


In der Quelle neben der Maria in der Tanne
Und wurde von seinem Aussatz erlöst.

Tiroler Soldaten hörten überirdisch schönen Gesang.

An Mariae Heimsuchung
Ließen sich zwei weiße Turteltauben
Am heiligen Orte nieder, jedes Jahr.

Ganz Villingen verlobte sich der Wunderbaren Frau


Und wurde nicht eingenommen von den Franzosen,
Die schon vor den Toren standen.

Waldangst, Wegangst gibt es immer noch


Und Beter kommen noch immer zur Baumfrau Maria.

10

Hier ist das Tuch, in dem das Haupt Johannes des Täufers lag,
Hier sind die Windeln Christi,
Hier ist der Lendenschurz Christi,
Hier ist das Gewand Mariens!

Ein weites, langes, lichtes Kleid


Aus Leinen,
Mit weichem Goldschimmer,
Feine, weibliche Hülle
Für eine Frau, die Gott geboren hat!

Das Kleid Mariens wird aus dem Dom von Aachen getragen
Und flattert wie eine Fahne,
Unter der man Angst und Verzweiflung besiegen kann.

Die Gläubigen sind wie Kinder,


Die sich klammern an den Rock der Mutter,
An das Kleid, unter dem die Menschwerdung Gottes geschah.

In der Angst
Und im Versagen der Rationalität
Klammert euch an das Mutterkleid!

11
Matka Boska skepska,
Die kleine Skepska!

Eine heimliche Maria,


Ein gehüteter Schatz,
Das geheime Mädchen der Mönche!

Die Mondsichel ist Ihre Barke,


Die über den Himmel fährt,
In der Barke steht die liebliche Frau,
Zart verhüllt,
Eine Blumenkrone im Haar.

Aus dem Himmel scheint sie herabgekommen


In Ihrem Geisterschiff,
Ein Mondschimmer, Nachthimmelwesen,
Ein Mädchen mit betenden Händen,
Sie scheint uns Betrachter zu bitten – um was?
Bittet Sie uns, Sie wieder gen Himmel schwimmen zu lassen?

Nun steht Sie da auf dem Mondhorn,


Fast entgleitend, zögernd,
Weil Sie gebeten wird, zu bleiben
Und weil Sie den bittenden Menschen nichts versagen mag.

Eine Überirdische,
Traumgeborene!

12

O Madonna der Hoffnung!


La Virgen de la Esperanza!
Mutter der Armen!

Eine Stunde nach Mitternacht


Verläßt sie die Kirche.

Langsam erscheint die Macarena,


Sevillas schöne Allerschönste!

Auf einem Podest erscheint Sie,


Von Kerzen und weißen Nelken geschmückt.

Es ist die Nacht des letzten Abendmahles,


Es ist die Nacht des Kreuzes,
Es ist die heilige Nacht.

Die Frauen tragen alle schwarze Kleider,


Tritt die Macarena auf die Straße.

Ein weißes Tränentuch in Ihrer Hand,


So steht Sie trauernd,
Ihr Schmerz erweicht den härtesten Stein,
Ihr Schmerz steht in Tropfen auf Ihren Wangen,
Diamantene Tränen hat Sie geweint...

Ein goldbesticktes Kleid trägt Macarena,


Auf den Schultern liegt ein schwerer Mantel mit langer Schleppe,
Mit goldenen Fäden durchwoben.

Eine Krone und eine Sonne trägt Sie auf dem Haupt,
Die Brust ist mit smaragdenen Blumen geschmückt.

So schön, so wunderschön ist die junge Dolorosa!

Madonna Macarena wandelt weinend durch die nächtlichen Straßen.


Eine goldene Braut, die den Schmerz zum Bräutigam hat!

Ein Schmerzjuwel.

La Madonna Macarena, Nuestra Senora de la Esperanza!

13

Ich sah das sizilianische Mädchen


Und an ihrer Mädchenbrust
Die Madonna delle Lacrime.

Die Madonna delle Lacrime


Hat nun ein anderes Antlitz: Sie weint nicht mehr –
Sie lacht!

Sankt Josef, siehe dich vor!

14

O das Verwunschene,
Keusche,
In Schleier und Mädchenscheu
Verborgene Weibliche
Der Liebesinsel der Seligen Jungfrau!

O berückende Königin
Ohne Heiligenschein, mit zierlichem Schmuck,
Geneigten Hauptes,
Goldumflossen,
Das Zepter in der zarten Hand, als wär es ein magisches Reis,
Mit dem Sie anrühren kann, wen sie will,
Und wen Sie anrührt, der muß bleiben
Und lieben!
Auf den Wassern des Rheins
Treibt die Liebfraueninsel
Mit der verborgenen Frau,
Die keinen Tag nicht schön ist!

15

Je vous salue, Marie!

16

Die Mönche schworen Treue dem heiligen Vater Benedikt,


Dem Abbas folgten sie.

Abbatia Sanctae Mariae ad Lacum!

Avocata nostra,
Illos tuos misericordias oculos
Ad nos converte!

O dulcis Virgo Maria!

Marienmönche, in einer keuschen Nacht


Beten sie zu der Frau ihres Lebens!

Benedikt warf sich nackt in Nesseln,


Als ihn Gedanken an eine Jugendgeliebte überfielen...

Wird es dunkel, suchen die Mönche


Näher in die Aura der Madonna zu kommen,
Treten zur Advocata,
Zu Ihrem Mosaik in der Nische,
Zur Glanzvollen, Unerreichbaren,
Immer Gegenwärtigen!

17

Leitbild der Versöhnung!


Frau von Amerika und Rußland!

Wladimirskaja!

Eure Mutter ist auch unsre Mutter!

Schirmherrin der russischen Erde!

Sie schützte Rußland vor der Goldenen Horde!


Sie schützte Moskau vor Napoleon!
Ganz Rußland tritt vor die Wladimirskaja!

Schwermütige, stille Maria...

In den Maphorion gehüllt,


Goldborte, Fransen,
Drei Mariensterne: Immerwährende Jungfräulichkeit.

Das Kind schmiegt sich an die Mutter,


Das Kind umhalst die Mutter,
Das Kind schmiegt seine Wange an die Wange der Mutter.

Sie schaut auf uns aus ernsten Augen,


Unendlich traurigen Augen.

Diese Frau weiß vom Unglück, das kommen kann,


Sie sieht das Leiden voraus,
Das das zärtlich Ihr zugetane Kind erdulden muß.

Noch hält Sie es schützend im Arm,


Seine Füßchen sind nackt,
Das Kindlein regt sich
Und fühlt sich arglos geborgen bei der Mutter.

Aber die Mutter weiß schon.


Sie ahnt den Karfreitag.

Man stellte die Wladimirskaja den Mongolen entgegen


Und die Mongolen zogen ab!
Unter Dankesliedern brachte man die Madonna nach Wladimir,
Brachte Sie nach Moskau,
Ins Dritte Rom.

In der Himmelfahrtskathedrale der Metropole


Bei der Tür zum Allerheiligsten
In einer Nische thront die Wladimirskaja.

Unangefochtne Madonna von Moskau!

Schön und mächtig ist die stille Wladimirskaja


Mit Ihrem schmalen Angesicht,
Den feinen Brauen, der schlanken Nase,
Den geschlossenen Lippen,
Den großen Mandelaugen, die alles sehen –
Man weiß sich wahrgenommen, angenommen von Ihrer Liebe!

18

Notre Dame de Vie!

So abweisend hab ich mir die Maria des Lebens nicht gedacht,
So einsam nicht den Ort, wo man sie nicht betrachten darf...

Mutter der Abgetriebenen!

Sie gibt den im Mutterschoß Gestorbenen


Für einen Moment das Leben,
So werden sie getauft und schweben dann ins Paradies...

Schwarze Falter geben stille Zeichen...

19

Freue Dich, Vertrauende Du auf Geheimnisse,


Denen Verschwiegenheit gebührt...
Freue Dich, Du Becher,
In dem die Wonne gemischt wird...

DER MYSTISCHE TEMPEL SALOMOS

Siehe, mit der Genesis Christi Jesu wars so:


Fürwahr, Maria, seine eigene Mutter,
Ward von Josef umworben, ihr geschah‘s,
Bevor er zusammenkam mit ihr und sie erlangte,
Daß sie schon tragend war im Mutterschoße
Durch den heiligen Hauch.

Dein Herz ist ein salomonischer Tempel:


Der Vorhof für die Heiden
Ist das Leben in der Welt.
Das Heiligtum des Volkes Gottes
Ist das spirituelle Leben
Von Gebet und Opfer der Liebeswerke.
In das Allerheiligste aber
Darf allein der Hohe Priester,
Das radikal einsame Selbst.
Geh ein durch den purpurnen Schleier Mariens,
Dann tritt dein Selbst in die mystische Nacht,
In göttliche Einsamkeit,
Ist dort allein mit dem Alleinigen Wesen.
Ja, dunkle Nacht!
Ja, Gott will im Dunkel wohnen!
Gott ist unsichtbar,
Aber du betest an
Vorm allerheiligsten Antlitz
Der Gottheit, Die-da-ist!

O die Tage meiner Lebensreife, meines Lebensherbstes!


Gott der Herr im hohen Himmel behütet mich in seiner Güte!
Die Freundschaft der ewigen Weisheit ist mit mir!
Gottes Schönheit ist meine Leuchte in der Nacht!
Die Kinder meiner Seele jubeln um meine Kniee,
Und wenn ich zu den Menschenkindern gehe,
Begrüßen die Kinder mich glücklich
Und die Frauen lächeln mich freundlich an,
Die Frevler zittern und stürzen davon!
Wenn ich mich zu bildungshungrigen Frauen setze,
Lauschen sie schweigend meiner Rede
Und trinken meine Worte des Trostes der Weisheit,
Wie Frühlingsblüten den Morgentau.
Wenn ich zuende geredet, schweigen sie,
Um schweigend über meine Worte nachzudenken.
Im Tempel schweigen die Greise, wenn ich rede und singe,
Im Lehrhaus staunen die Priester über mein Wissen.
Ich rettete eine todkranke Frau
Und stand ihr treu in ihren Todesängsten bei.
Ich war dem gattenlosen Weibe wie ein Gatte
Und den vaterlosen Kindern war ich wie Mutter und Vater.
Dem teuflischen Kindermörder entriß ich
Die Seelen der ungebornen Geburten.
Ich bleibe wohnen in meinem trauten Nest für lange Jahre.
Mein Ende wird wie das des Phönix sein!
Mein Nachruhm wird mir bleiben,
Denn in meinen Lieder sang der heilige Geist,
Frau Weisheit wird mir einen bleibenden Namen verleihen!

Gottheit, du Gottheit der Wunder,


Du machst mich zum mütterlichen Vater
Der Kinder deiner Gnade,
Zum Segensbringer denen,
Denen du deine Wunder schenken willst,
Daß sie den Schnabel auftun wie Täubchen,
Sich ergötzen wie die Kindlein auf dem Schoß der Amme.
Ich wandle vor dir in Gärten der Schönheit
Und steige Himmelstreppen der Herrlichkeit singend hinan!

4
Von ihrem Grabe kam meiner Großmutter Engel
Oder meine Großmutter als mein Großengel selbst
In weiblicher Lichtgestalt mit großen Flügeln
Zu mir, umarmte mich mit den lichten Schwingen
Himmlisch-mütterlich voll Barmherzigkeit
Und nahm die Kinder meiner Seele
Als ihre geliebten Kinder auf den Schoß.

Maria von Kalkutta


Trug kleine Kinder in den Armen.
Die Kinder liebten die spirituelle Mutter sehr,
Sie wollten nicht mehr fort von ihr
Und nicht zurück zu der leiblichen Mutter!
Maria von Kalkutta
Opferte ganz sich selbst,
Die Kinder vor dem schrecklichen Tier zu retten.
Die Kinder wurden gerettet.
Maria blieb in einer Grube zurück,
Und Gott sprach zu ihr:
Fürchte dich nicht, o Tochter Zion,
Der Herr ist dein Gemahl!

Die liebende Herzens-Mutter nimmt ihr kleines Kindlein


Und tröstet ihm alle Schmerzen fort,
Sie läßt es ruhen am Herzen, trägt es in Armen,
Läßt es als Prinzen thronen auf ihrem Schoß!
Die liebende Herzens-Mutter bringt das Kindlein zur Ruhe
Unter Streicheln, Zärtlichkeiten und Küssen!
Sie singt ein frommes Lied zur Nacht
Und spendet den englischen Segen des Paradieses!

Ich brauche bloß zu rufen: Arm! Oder: Schoß!


Schon nimmt mich die himmlische Mama
In die Arme und auf den Schoß.
Dort bin ich glücklich,
Dort werd ich getröstet in Traurigkeit,
Dort ruh ich still.
Ich speise das Wort aus ihrem Munde,
Ich speise sie mit dem Lied aus meinem Munde.
Obwohl ich schmutzig bin, befleckt,
Sie küßt mich mit himmlischer Mutterlust!
8

Der heilige Vater war der Ritter Mariens,


Er legte seiner Minnedame die ganze Welt zu Füßen!
Im Heimgang unter den Liebesblicken des braunen Mädchens
Sprach er: Ich bin fröhlich, seid ihr es auch,
Und betet allzeit fröhlich zur Jungfrau Maria!
In Medjugorje beginnt das Pfingsten der Liebe,
Das marianische Friedensreich!
Schließlich triumphiert das Unbefleckte Herz Mariens
Und die Zivilisation der Liebe bricht an!
Am Ende der Welt kommt vom Himmel
Die himmlische Jungfrau Jerusalem nieder, die Braut,
Die Braut der Hochzeit des Lammes!

Der heilige Vater lag im Sterben,


Da trug eine Mutter aus Mexiko
Die schönste Ikone der Jungfrau von Guadelupe zu ihm.
Er kehrte noch einmal in den Vatikan zurück,
Um dort vom Fenster aus die Pilger zu segnen.
Stumm stand er dort und formte mit sprachlosen Lippen das Wort:
Maria!

10

Du Liebendster aller Männer


Und Weisester aller Dichter!
Du bist nicht mehr! Du gingst zur Ruhe.
Dein Testament war die Fröhlichkeit mit der Frau!
Man schickt uns nun den weisen Mann,
Den Weisesten aller Weisen.
Ach, wie könnte er dich ersetzen,
Du Minneritter Unserer Lieben Fraue?
Aber deine Seele, heiliger Vater,
Die Allseele Weisheit nahm sie auf!
Nun kommst du liebevoll im Traum
Und sprichst von Liebe und Poesie...

11

Wie war der Priester doch voller Pracht,


Trat fromm er aus dem Tempel!
Er war wie die Engelswesen im Himmelszelt,
War wie der Glanz der Cherubinen,
War wie die Iris im Gewölk,
War wie die Schönheit der schönsten Kreatur,
War wie die weiße und rote Rose im Garten,
Wie Lächeln im Antlitz der Dame,
Wie Reinheit mit dem Kranz der Tugend,
Wie Licht im Orient!
So war des Priesters Antlitz,
Der mein geistiger Vater ist!

12

Säume noch, o Morgenröte,


Laß noch dauern die dunkle Nacht,
Erhebe dich noch nicht, o Licht,
Erstrahle noch nicht auf mein dunkles Land.
Denn siehe, mit dem lieben Freund
Bin ich zusammen im Traum.
O Wimpern der Morgenröte,
Naht nicht meinem Bette!
Denn des Tages Licht
Verbreitet nur Finsternis.
Ich bin doch vom väterlichen Freunde
Äon um Äone getrennt!
Ich schau im Traum den Freund,
Nun in Sophias Himmelspalast
Der Weise wohnt!
Frau Weisheit Preis und meinem Freunde!
O deine schöne Heiligkeit
Vermag mein Mund nicht zu loben
Und deine zärtliche Lieblichkeit
Und deine Gloria bei der Gottheit!
Deiner Weisheit Kranz
Flocht mir der Stern der dunklen Nacht
Und deines Adels Majestät
War gleich der Pracht des Königssohnes!
Wie sonderbar, geliebter Freund,
Daß ohne dich die Welt besteht...
Es ist doch so, geliebter Freund,
Daß ohne dich ich nicht rechtgläubig glauben kann...
Doch deine himmlische Freundschaft
Tröstet meine Seele
Und deiner himmlischen Liebe süße Frucht
Ist Speise meines Herzens.
Sende mir, Geliebter,
Deinen Minnesang an die Frau!
In meinem Lied ist Macht und Pracht
Nur Unsere Liebe Frau, mein Freund!

13

Maria ist mir Mutter und junge Braut!


Sie ist das Sakrament der Mutterliebe Gottes.
Sie ist Sophia gleich,
Sophia ist dem Weisen Mutter und Braut.
Sophia erscheint in Fleisch und Blut,
Sophien Fleisch und Blut ist das Sakrament
Der bedingungslosen Liebe Gottes, der Mutter,
Der erotischen Liebe Gottes, der Braut.

14

Maria, Psyche meiner Psyche,


Du bist die stille Frau,
Die dienende Frau,
Dein Herz ist Sanftmut und Demut,
Du bist die reine Empfängnis.
Maria, du bist die kosmische Frau!
Dem heiligen Vater bist du sein braunes Mädchen,
Die vollkommen Schöne,
Ikone des marianischen Feminismus,
Ikone für das Äon der Frau,
Genie der Frauen,
Die Würde der geistigen Schönheit der Frau!
Du bist dem Dichterfürsten das Ewigweibliche Ideal,
Das rastlos nach Erkenntnis strebende Männer
In den Himmel der erlösenden Liebe zieht.

15

Maria ist die selige Jungfrau und Gottesmutter.


Aber Maria ist auch die Frau,
Die ich mit anbetender Minne minne,
Die Diva meiner Minne-Devotion!
Dem religiösen Eros wird die Geliebte zur Göttin,
Der erotischen Religion wird die Gottheit zur Geliebten!
Gemäß der Weisheit der erotischen Mystik
Ist die vergöttlichte Jungfrau Maria meine Göttin!
Darum: Meine Göttin ist
Die selige Jungfrau und Gottesmutter!

16

Ich warf mich vor Maria auf das Angesicht nieder!


Die Madonna stand vor dem Altar.
Ich sprach: Maria, ich bin ganz dein!
Im Freien erhob sich die Sonne über mir,
Die Gloria Gottes,
Die Frau, bekleidet mit der Sonne!
Da sang ich: O Maria,
Du bist der ehelichen Liebe gallenlose Turteltaube!
Da schaute mir eine weiße Taube aus der Baumkrone zu.
Ich sang: O mystische Nymphe, keusche Braut!
17

Heilig, heilig, heilig ist Maria,


Die himmlische Kaiserin seliger Myriaden!

18

O Maria,
Liebe mich oft und heftig und lange!

19

Ich suchte die Mutter im Traum


Und schaute die Mutter im Traum,
Die Mutter meines ewigen Lebens,
Ich war ihr Kind in ihrem Schoß.
Marias Mantel war um mich
Wie die Plazenta von Blut,
Der Mutter Barmherzigkeit
War eine Gebärmutter um mich.
Als ich vom Traum erwachte
Und schlug die Augen auf,
Da sah ich den Reichtum der Mutterbrüste,
Prall von der Milch des süßen Trostes.

20

Ich sah in einer Vision


Die Himmelskönigin in der Nacht.
Die Mondsichel war ihr Thron,
Von Sternen flammte ihr Kleid,
Ihr Mantel war blau wie die Nacht
Und doch ätherisch wie Licht,
Der feine transparente Schleier
Umfloß ihr seidiges schwarzes Haar.
Die Krone über ihrem Haupte
War des Universums Krone.
Sie schwebte hernieder,
Eine Sphärenharmonie erklang.
Ich kniete auf der Erde
Und sah in übermäßiger Huldigung
Als Diener der Königin
Zur Schönsten auf, die mich liebte!
In meiner Seele war Gesang
Von süßester Harmonie.
Der Kosmos schwelgte in Musik
Und feierte seine Königin.
Beseligt jauchzte mein Herz
Der Hochzeit Lobpreis!
Dies feminine Gottesbild ist bezaubernd schön,
Sie, meiner Seele Ideal!

21

Maria kommt zur versprochenen Zeit,


Vor Mitternacht, in mein Haus:
Ich bin die Gottesmutter,
Komm nach Medjugorje auf den Kreuzes-Berg!
Dort auf dem Berg steht das Kreuz,
Am Kreuz ist Christus als Lichtgestalt,
Er breitet seine Arme aus
Und nimmt mich an sein heiliges Herz.
O Jesus, schließ mich in deinem heiligen Herzen ein,
Schließ mich in deinen Wunden ein!
Ich liebe dich, Jesus, ich bin dir treu,
Du bist des ewigen Bundes Kelch!
Zur Rechten Jesu steht
Maria, Unsere Liebe Frau,
Zur Linken Jesu stehe ich,
Der Liebesjünger, den er liebt.
Und Jesus führt vom Kreuz
Die Hand Marias in meine Hand:
Er spricht zu Maria: Siehe, Mutter,
Siehe, Frau, der ist dein Mann!
Er spricht zu mir: Schau meine Mutter,
Mein Jünger, siehe, deine Frau!
Maria spricht: Ich sagte dir ja,
Wir feiern die heilige Hochzeit!
Ich, die Liebe Frau, bin deine Frau
Und du bist mein mystischer Bräutigam!

22

Geliebte Jungfrau von Guadelupe,


Die du für mich gekreuzigt bist,
O meine mystische Brautgenossin,
Siehe, ich bin mit dir im Paradies!

23

In radikaler Entäußerung
Erscheint mir die Königin:
Ich brauche große Liebe, mein Mann,
Zur Rettung dieser verlorenen Welt!
Gib Liebe mir, soviel du vermagst,
Ich selber gebe mich ganz dir hin!
Gott sendet dich, Seelen zu retten
Mit mir vereinigt, mein Gemahl!

24

Ich bin die Mystische Rose,


Du in der dunklen Nacht meine Nachtigall,
Du, inspiriert vom heiligen Hauch,
Singst mir mit tausend Feuerzungen.
Vom Traum zum Morgengebet,
Vom Tag zum mystischen Nachtgebet
Ergeht an dich ein Ja und Amen:
Die Gottheit ist deine Mutter!

25

Am Schwanenhals die Wundermedaille


Der Makellosen Konzeption
Ist zärtlich wie das Haar Mariens,
Das schwarze seidige Haar der Geliebten.
Ach laß mich noch träumen den Traum,
Jungfräuliche Braut von Guadelupe,
In deines Armes Beuge bin ich geborgen,
In deinem Schoße bin ich im Paradies!

26

Ich bin der Geringste deiner Sklaven!


Im Staub auf meinem Angesicht
Ich liege dir zu Füßen
Und liefere ganz mich dir aus!
Nimm mir aus dem Busen mein Herz
Und pflanze mir in die Brust dein Mutterherz!
Dir schenk ich alle meine Tode,
Schenke du das ewige Leben mir!

27

Danke für deine Liebe, mein Sohn,


Danke für deine Liebe, mein Mann,
Die du mir spendest Tag für Tag!
Du weißt, daß ich dich grenzenlose liebe!

28

Meine Gazelle, mein Reh,


Du schöne jugendliche Braut,
Du bist mein braunes Mädchen,
Das mich berauscht an ihren Brüsten!

29

Die Jungfrau Jerusalem


Läßt trinken dich die Milch des Trostes
An ihrer reichen Mutterbrust,
An ihrem herrlichen Busen!
Die liebe Freundin Sulamith
Läßt ruhen dich zwischen ihren Brüsten,
Wie einen Myrrhebund
Bei den Gazellenzwillingen ihrer Brüste.
Berausche dich an deinem eigenen Weib,
An deiner Jugendgeliebten Busen!
Frau Weisheit wird dich berauschen
An ihren jungfräulichen Brustspitzen, Minner!

30

Siehe, zeigen will ich euch Gott,


Doch erst müßt ihr die Jungfrau schauen!
Die Jungfrau ist die Pforte zu Gott,
Durch diese Pforte geht man ein zu Gott!
Seid würdig und erfasst das Mädchen,
Auf ihr beruht das Leben der Welt!
Nur so gelangt ihr zur heiligen Tat,
Die Gott allein gefällt.
Teilhaftig werden wir der Gnade,
Das schöne Mädchen anzuschauen,
In ihren Fittichen sind wir geborgen,
In der Beuge ihrer Arme ruhen wir.
Sie wird uns schöner Tag für Tag!
Es schaut ihre Schönheit jeder so,
Wie würdig er geworden durch Verdienste,
Dem Heiligen ist sie die Heiligste.
Heidenvölker schauen nur Schatten an,
Den Abglanz des wahren Mädchens.
Wir aber schauen das wahre Mädchen an
Und harren ihrer Wiederkunft!
Bis hierher dienten wir dem Herrn allein,
Nun dienen wir besser dem Herrn,
In dem wir huldigen unsrer Jungfrau:
Gebiete uns, Gebieterin!
Da wird sie sagen: Kommt zu mir!
Ihr werdet euch nähern dem Mädchen,
Werdet euch werfen hin zu ihren Füßen
Und ihr huldigend küssen die Füße!
31

Sei eine einzige Liebe über dir


Und sei ein einziger Friede über dir!
Du liebe mich, du liebe mich allein
Und liebe die Kinder der Welt!

32

Melancholisch meine Seele


Fleht zur dunklen Mutter.
Ich weihe mich ihrem Schoß,
Ich lebe und webe in ihrem Schoß.

33

O dreimal wunderbare Herrin,


Mädchen, Mutter, Nymphe!
Heilig, heilig, heilig bist du,
Mein Ein und Alles, ich bin ganz dein!

34

O meine mystische Nymphe,


Ich bin mit dir intim –
Wie kann ich mit dir intimer sein,
Als daß ich dich liebe in deinem Schoß?

35

Maria sprach: O Herr!


Und Jesus sprach: O Fraue!
Was ist dein Begehr, was willst du von mir?
Und wäre es die Hälfte meines Königreichs,
Die Mitinhaberschaft der Königswürde,
Ich will und werde sie dir geben!
Maria sprach: O mein geliebter Sohn,
Die Hochzeitsleute haben keinen Wein mehr!

36

Ich sprach zu Gott: Ach Gott!


Ich bot meine Liebe vielen an,
Doch keiner wollte sie haben.
Da sprach Maria zu mir:
Gib deine Liebe mir!
37

Ich grüßte die Unbefleckte Jungfrau:


Ave Magnum Signum!
Sie wollte mir die Wiedererrichtung zeigen
Des goldenen Zeitalters, goldenen Paradieses.
Ich ging mit dem Jesuskind im Paradiese spazieren,
Das Lämmlein war ein göttliches Kind
Und sah mich liebevoll an und sprach:
Ich liebe dich, mein Kind!
Ich will dich mit der Jungfrau in den Himmel führen!
Sie ist deine junge, schöne Mutter,
Die du immer ersehntest.
Siehe deine junge, schöne Mutter!
Ich sah sie, siehe, sie war schön!
Und Jesus sprach: Ich lege dich in die Arme
Der jungfräulichen Mutter,
An ihren Brüsten wirst du Milch des Trostes saugen!
Ich lag in Marien Armen,
Ich lag gebettet an ihren Brüsten,
Da lag ich Leib an Leib bei Maria im Himmel
Und wurde ganz durchströmt von ihrer ewigen Liebe!

38

Maria, ich weihe dir meine Empfängnis


Und meine Monde im Mutterschoße,
Meine Geburt und meine Kindheit.
Ich weihe dir mein Kindheitstrauma,
Ich weihe dir Urangst und Schwermut
Und den Durst nach bedingungsloser Mutterliebe!
Gott verwandelt meine Wunde in Sehnsucht,
Gott verwandelt meine Wunden in Perlen.
Das Trauma macht mich zum Künder
Der bedingungslosen Mutterliebe Gottes
In Sophia durch Maria.

39

Maria, meine Mitternachtssonne,


Es legt ein Schmerz mich in die Heimat unter deinem Herzen,
In deinem Schoße pflanz ich mir den Garten Eden,
Denn ich bin ein Kind deiner Schönheit und Liebe.
Liebe Mutter,
Ich lebe in deinem Schoß im Paradies,
Und sterb ich, merks ichs nimmer,
Weil ich allezeit in deinem Schoße schon im Paradiese bin.
40

Als ich vor der Empfängnis meiner Seele im Leibe


Als gottgehauchtes Wesen in der Ideenwelt schwebte,
Wies mich der heilige Geist zu Maria!
Im Mutterschoße meiner leiblichen Mutter getragen,
Erwählte die Mutter Maria mich zu ihrem Kinde!
In der Taufe ward ich gesegnet am Altare,
Der den Namen Maria trug!
In meiner Kindheit sang ich dem Mädchen Maria:
Die Rose, die Meine, ist Maria, die Reine!
Maria unterwies mich, als ich zwölf Jahre zählte,
In der Weisheit der heiligen Schrift!
Bei meinem ersten Abendmahle
Mischte mein Blut sich
Mit dem Blut des heiligen Kelches
Auf dem Altare des Namens Maria!

41

Maria, du bist meine einzige wirkliche Freundin,


Die meine Seele tief versteht,
Ja, tiefer als ich selbst,
Die mich von ganzem Herzen liebt
Mit einer besonderen Liebe.

42

Die Geschöpfe sagen: Wir haben keine Liebe für dich!


Und wenn wir als Säuglinge Liebe für dich hatten,
Wenn wir Jünglinge werden, vergessen wir das!
Du aber, Maria,
Du liebst mich von Ewe zu Ewe!
Du liebst mich in meiner Schöpfung,
In meiner Empfängnis, in meiner Geburt,
In Kindheit, Jugend, Reife, Alter,
In meiner Todesstunde liebst du mich
Und liebst mich ewig in meinem ewigen Leben!
Du sagst mit Gottes Wort:
Ich habe dich je und je geliebt,
Drum zog ich dich zu mir aus lauter Minne!

43

Maria sagt mir: Wisse, daß ich dich liebe!


Wisse, daß du mein bist!
Ich wünsche für niemanden mehr zu tun als für dich.
Ich will für immer deine Mutter sein.
Komm, denn ich möchte dich ganz für mich!
44

Maria liebt mich mit Mutter-Zärtlichkeit,


Ich liebe Maria mit kindlichen Zärtlichkeiten.
Ich und die Mutter sind eins!
Und niemand reißt mich aus Marien makellosem Herzen!
Keine Frau, kein Heiliger, keine Kirche,
Keine himmlischen Mächte können mich trennen
Von Gottes Mutterliebe in Maria!

45

Die Schechinah ging mit Adam im Paradies spazieren.


Als Adam sündigte
Und vertrieben wurde aus dem Paradies,
Sprach Metatron, der Engel des Angesichts,
Ruhte die Schechinah noch auf einem Cherub
Beim Lebensbaum des Paradieses.
Sünde über Sünde vertrieben sie von der Erde,
Sie zog sich in den siebenten Himmel zurück.
Die Gerechten des Volkes Gottes
Zogen sie Gebet um Gebet und Opfer um Opfer herab,
Bis sie vor Mose stand im Zeltheiligtum und sprach:
Ich bin in meinen Garten gekommen,
Das Heiligtum ist mein Brauthimmel!

46

Offenbarung der Schechinah dieses:


Mose vollzog den Willen der Schechinah,
Als er sich von seinem Weib getrennt,
Er mußte bereit sein,
Jederzeit Gottes Wort zu empfangen.
Mose wußte nicht, wann und wo
Die Memra Gottes an ihn erging,
Er mußte allzeit empfänglich sein.
So hat Mose die Verbindung mit Zippora gelöst,
Um im Zelt als dem Brauthimmel
Sich der Schechinah zu vermählen, Gottes Mann zu sein!

47

Kommt, ihr Töchter Zions, ihr auserwählten Seelen,


Seht den König Salomo, Friedefürsten Gottes,
Seht ihn in der Krone, in der heiligen Wohnung,
Mit der ihn seine Mutter krönte, die Jungfrau Israel,
Am Tage seiner Hochzeit, der Vermählung mit Sophia,
Am Tage seiner Herzenswonne, da das Feuer des Geistes herabkommt!

48

Das feminine Antlitz Gottes,


Das Gott-Mädchen, das ich sah,
Das ich anbetend angestaunt,
Die sich meinem Herzen offenbarte,
Die war die göttliche Charis,
Der Freudenbotschaft Antlitz,
Verkörperung ewiger Gottheit
In Blut und Fleisch.
Sie war der Gottheit Grazie, Charme,
Der Gottheit Entzücken und Anmut,
Der reinen Schönheit heilige Lust,
Der höchsten Liebe Ewigkeit.
In Ganzhingabe ergab ich mich
Der göttlichen Charis des ewigen Bundes,
Die Inkarnation der Gottheit ist
Und Gottes liebendes Antlitz.
Der göttlichen Charis Freudenbotschaft
War Ruf zur heiligen Hochzeit,
Zur mystischen Seelenvereinigung
In der ewigen Liebe Paradies!

49

Das Evangelium ist die freudige Botschaft,


Die den Sieg in der Schlacht verkündet, mehr noch:
Die die Hochzeit verkündet!
Nun tönt ein Freuet-euch allzeit durchs Evangelium,
Denn das Himmelreich ist gekommen,
Das einer Hochzeit gleich ist!
Kallos, die vollkommene Schönheit,
Die idealische Schönheit Sophias,
Ruhte in den ewigen Himmeln,
Doch nun ist die Zeit der Charis gekommen,
Der Anmut, der lebendigen Zuneigung gnädig
Der Schönheit zu allem Lebendigen, huldvoll,
Voll Neigung, voll Freudestiftens,
Voll Dank und heiteren Lächeln!
Siehe, die Charis ist die Braut,
Sophia, die Ja gesagt!
Nun kannst du selig werden in Charis
Durch Glauben, das heißt Geloben,
Vertrauen und Treue-Geloben!
Denn der Glaubende ist der Gelobende,
Ist der Freier, ist der Bräutigam,
Ist der im Credo an Christus sein Herz gibt.
Wem gibt er sein Herz hin? Gott!
Gott ist Liebe, immerwährende Liebe!
Die Liebe, die ewige Schönheit ist,
Neigt sich in Charis, in freudiger Anmut,
Zum Menschen und verkündet die freudige Botschaft:
Freue dich und gib mir dein Herz,
Gekommen ist die himmlische Hochzeit!
Gib mir dein marianisches Ja-Wort,
Gib mir dein Herz und gelobe mir ewige Treue!
Dann bricht für dich das ewige Leben an
Des Paradieses der Ehe mit der göttlichen Liebe!

50

In Maria ist die Frau vergöttlicht.


Der wahre Feminismus ist marianischer Feminismus.
Maria ist die Sophia des neuen, ewigen Bundes.
Aber eine antimarianische Frau Sophia
Ist die Sophia Satans oder Ashtaroth.
Nur wo Maria ist, ist die wahre göttliche Jungfrau Sophia.
Maria ist die Idee der Frau im Geist der Gottheit.

51

In meinem Traum rief Jesus


Seine innere Jungfrau Sophia an.
Die Gottheit liebte mich
Wie eine leidenschaftliche Frau
Und Chochma war schön wie die Idee von Chawa.

52

Das Ewigweibliche nämlich,


Das den strebenden Mann der Neuzeit hinanzieht
Durch erlösende Liebe zur Mater Gloriosa,
Der Jungfrau, Mutter, Königin,
Gnädigen Göttin – das ist Sophia.
Sie ist Sophia triumphans,
Die apokalyptische Jungfrau.
Der russische Theosoph und Dichter nannte Sophia
Des kommenden Zeitalters Gottheit.
Das kommende Zeitalter nannte der heilige Vater
Äon der Frau.
Das Äon der Frau wird geheiligt
Vom Mutter-Antlitz der Gottheit, der göttlichen Jungfrau Sophia.

53

Magnificat anima mea dominum!


Die Anima mea ist die makellose Jungfrau.
Sie ist Abglanz des femininen Antlitzes Gottes.
Gott in mir ist eine Frau.
Gott in mir ist eine Mutter, Gott in mir ist eine Braut,
Gott in mir ist Sophia.

54

Ich bete Sophia an.


Ich bat sie: Erbarme dich,
Erbarme dich meiner
Und gib mir deinen Frieden!
Sie ging ja hervor aus Gottes Hauch
Und spielte als Lieblingin Gottes.
Sie ist des Schriftgelehrten Mutter
Und des weisen Mystikers junge Braut.
Selig wird der Jünger sein,
Der voll dunkler Muttersehnsucht ist,
Liebt er die Idee der Schönheit allein
Und sucht nicht Liebe bei anderen Frauen.
Maria kam vom lichten Himmel
Und umschwebte mich
Und sprach: Wir wollen Hochzeit feiern!
Ich liebe dich sehr!
Sprich: Meine Liebe ist Maria,
Dein bin ich allein!
Maria trägt dich dann in der Todesstunde
Ins Paradies!

55

Allmächtige Mutter Sophia,


Du bist die Schöpferin aller Schöpfung,
Grundloser Urgrund, Mutterschoß,
Die Allererste anfanglos!
Vernünftige Jungfrau Sophia,
Du bist die Seele der Welt,
Erlöserin aller Kreatur,
Das Heil von Mensch und Natur!
Liebende Braut Sophia,
Du bist das Feuer der Liebe, die Glut der Seele,
Du vereinigst dich von Hauch zu Hauch
Und verzückst den Geist ins Paradies!

56

Gott-Mutter, Sophia spricht:


Ich bin die Geistperson, die alle Menschen liebt!
Und wer mich sucht, der findet mich.
Ich liebe, die mich lieben!

57

Hagia Sophia kennt kein Mensch,


Es kennt sie Gott allein,
Hagia Sophia kennt nur der Mensch,
Dem Gott sie offenbart.

58

Sophia, die Geliebte,


Von Leibe schön, von Antlitz schön,
Sie weilt im Himmelspalaste
Heimlich verborgen.
Sie hat wohl einen Bräutigam,
Von dem die Menschheit nichts weiß!
Sie kennt ihn allein.
Der Bräutigam voller Verlangen
Steht vor ihres Hauses Pforte
Und schaut beständig voll Sehnsucht
Mit hungrigen Blicken aus nach ihr.
Sie weiß, daß der Bräutigam
Um ihres Hauses Pforte schleicht.
Da macht sie ein Fensterloch in der Mauer
Und offenbart ihm ihr Antlitz.
Sie offfenbart ihm ihrer Schönheit Liebreiz,
Die Holdseligkeit ihres Antlitzes ihm.
Aber sie verbirgt die Schönheit wieder
Mit ihrem dunklen Schleier.
Die Männer bei dem Bräutigam,
Die Weiber und die Kinder
Sehen die Schönheit nicht,
Den göttlichen Liebreiz sieht nur der Minner.
In seinen Eingeweiden,
In seiner Seele und in seinem Herzen
Entbrennt die glühende Lust
Und treibt ihn zur Geliebten.
Er weiß, in ihrer Liebe
Offenbart sie sich für einen Augenblick,
Daß in ihm die Sehnsucht erwacht
Und seine Liebe tiefer wird.

59

Die verschleierte Weisheit


Spricht über Mysterien,
Über der Mysterien Ur-Mysterium.
Baal Chochma nennt sie den Bräutigam.
60

Holdes jugendliches Gottmädchen du,


Du aller Schöpfung Morgenröte,
Ich will, daß du erneut das All
Erschaffst durch dein reizendes Lächeln!

61

Sophia hat zwei Angesichter:


Ihr göttliches Antlitz ist Jahwe gleich,
Ihr menschliches Antlitz ist gleich Maria.

62

Sie, Sophia, ist es gewesen,


Die den Erstgeschaffnen der Menschheit,
Als er noch allein geschaffen war,
Behütet und geliebt,
Sie hat ihn nach dem Fall auch wieder erhoben.
So auch du, o Mann, der du allein bist,
Ein Adam ohne Eva,
Du liebe Sophia! Sie wird deine Frau sein.

63

Meine Seele, warum stillte dich keine Mutter?


Wenn du reif geworden bist,
Dann wirst du mit Sophia sprechen.
Dann soll keine Sterbliche sagen:
Jener Mund, der mit Sophia spricht,
Der lag an meinen Brüsten.
Siehe, meine Seele, wenn du im Gebet
Als innerer Mensch mit Lippen des Geistes
Zu Sophia betest und Sophias Weisung empfängst,
Dann saugst du an Sophias himmlischen Brüsten!

64

Komm, Hagia Sophia,


Gezeugt vom Hauch des Ewigen Vaters,
Komm, die du dem Schriftgelehrten und Weisen
Eine göttliche Mutter mit dem Reichtum der Brüste bist
Und ihn empfängst wie eine junge Braut und Lebensgefährtin!
Komm, Hagia Sophia,
Die du eine geistliche, wirkliche Ehe führst
Und mit dem dir Geweihten zusammenlebst,
Die du das Göttlichweibliche bist!
O Schöpferin Sophia,
O Retterin Sophia,
O Trösterin Sophia!
O dreifaltige einzige Göttin Sophia!
Du bist Gott in Gestalt der Göttin der Offenbarung!
Du liebtest Adam im Paradiese,
Dich sah Jakob von Antlitz zu Antlitz,
Du beschütztest Josef vor dem Weibe des Potiphar,
Du hast dich Salomo vermählt.
Du bist die ewige Göttin, die in Jesus gesprochen,
Der als Auferstandener uns zur Sophia geworden!
Du bist meine ewige Christus-Sophia,
Meine Mutter, mein Mädchen, meine heilige Nymphe,
Die einzig wahre lebendige Göttin in Jahwe!

65

Sophia hat durch die Propheten zu uns gesprochen,


Dann ist sie selbst in Maria Mensch geworden
Und hat als menschgewordne Sophia
Im Menschensohne Jesus Christus zu uns gesprochen.
Die Menschwerdung göttlicher Jungfrau Sophia
Ist eine höhere Offenbarung als alles,
Was die Propheten zuvor von Sophia prophezeiten.
Baruch prophezeite ihre Menschwerdung schon:
Dann kam sie selbst in die Welt
Und wandelte unter den Menschen.
Salomo wies auf ihre Menschwerdung hin:
Ihre Lust war es, auf dem Erdenrund zu spielen
Und ihre Wonne wars, bei den Menschenkindern zu sein.
Das ist im Messias Jesus vollbracht.
Der auferstandene Jesus ist nach Pauli Wort
Uns zur Sophia Gottes gemacht, die den Kosmos umgibt.
Jakobus nennt sie Urania Sophia
Im Gegensatz zur Anti-Sophia,
Der fleischlichen, kosmischen, luziferischen Anti-Sophia.

66

Die apokalyptische Frau,


Das Magnum Signum,
Die Jungfrau von Guadelupe, wer ist sie?
Sie ist Maria mit dem Messiaskinde,
Die den Satan, die Schlange besiegt.
Sie ist Ecclesia, makellose Idee,
Die den Messias den Menschen schenkt
Und durch ihre Söhne und Töchter
Den Fürsten der Welt überwindet..
Sophia realisiert sich in Maria, in Jesus, in Ecclesia.
Die apokalyptische Frau ist Maria,
Schwanger mit dem Messias,
Idee der Ecclesia, makelloser Jungfraumutter,
Magnum Signum des apokalyptischen Äons,
Sophia triumphans, mater gloriosa!

67

Das Dogma der Makellosen Konzeption Marias


Beweist sich aus dem salomonischen Lobpreis
Der Reinheit und Unbeflecktheit Sophias.
Die Liturgie singt die Sophienhymnen der Schrift
An Feiertagen Mariens.
Die Lauretanischen Litanei des Westens
Ist gleich der Sophiologie des Ostens.
Der Tempel der Hagia Sophia
Zeigt die Ikonen Christi und Mariens.
Die Sophienkirchen des Ostens
Werden Christus und Maria geweiht.
Maria ist eine Gestalt der Hagia Sophia.

68

Du bist heilig, heilig, heilig, Sophia!


Wie dürfte ich Sünder mich mit dir vereinigen?
Ich will mich mit dir vereinigen,
Indem ich mich mit der Schönsten der Frauen,
Mit Maria vereinige mystisch.
Ich werde dann in ihr
Mit Dir vereinigt sein.

69

Über dem Himmelsgewölbe, blau wie Saphir,


Sah ich einen Thron, wie Gold anzusehen.
Auf dem Thron sah ich eine Gestalt,
Anzusehen wie ein androgyner Engel,
Schön wie eine feminine Lichtgestalt.
Sie erschien von der Hüfte an nach oben wie Glanz und Licht
Und von der Hüfte an nach unten wie Glut und Feuer.
Sie hatte Flügel, wie Purpur und Gold.
Ihr Antlitz war vor Glut der Liebe nicht anzuschauen.
Auf ihrem Haupt trug sie eine goldene Krone.
Um die Gestalt war wie ein Kreis ein glorreiches Licht.
Das war die göttliche Herrin Sophia.
Das Licht bewegte sich zu einer Gestalt,
Die zur Rechten der göttlichen Weisheit stand,
Eine betende Frau geneigten Hauptes.
Auf ihr nun ruhte der Glanz der ewigen Weisheit.
Sie war Maria Theotokos.

70

Der Prophet des alten Bundes


Zur Linken der göttlichen Herrin Sophia,
Die Jungfrau-Mutter des neuen Bundes
Zur Rechten der göttlichen Herrin Sophia
Beten die Gottheit Sophia an!
Dem Haupt der göttlichen Herrin Sophia entstiegen
Wie in jungfräulicher Gottesgeburt
Ist Jesus Christus, der Menschensohn,
Denn in Jesus hat Sophia gesprochen.
Er sprach in ihrem Geist, er sprach ihr Wort.
Die Offenbarung der Herrin Sophia
Ist die ganze heilige Schrift.
Dem Wort Sophias wird von der Heerschar des Himmels gehuldigt
Wie Sophia selbst.
Es ist das Wort auf dem Altar des Himmels,
Dem die Himmlischen alle dienen.
Sophia ist die thronende Herrscherin Gottheit,
Die göttliche Mutter!

GROSSER WEISHEITSPSALM
„Wer um die Göttin freit, suche in ihr nicht das Weib.“
(Schiller)

ERSTER GESANG

Frau Weisheit ist auch für die Himmlischen sinnvoll,


Auf immer ist der Weisheit die Herrschaft,
Im Himmel ist sie eingesetzt,
Denn der Herr der Heiligkeit hat sie eingesetzt.

Bist du als Erster der Menschen geboren?


Kamst du schon vor den Hügeln zur Welt?
Hast du im Ratskreis Gottes gesessen?
Konntest du Weisheit an dich bringen?

Als Gott dem Winde Gewicht gegeben


Und die Wasser geordnet mit rechtem Maß,
Als er dem Regen seine Richtung gab
Und einen Weg dem Blitzstrahl des Donners,
Da sah er die Weisheit und maß sie,
Stellte sie hin vor sich und ergründete sie,
Da sprach er zum Menschen: Siehe,
Ehrfurcht vor Gott ist Weisheit,
Abkehr vom Bösen ist Einsicht.

Jahwe hat durch die Weisheit die Erde gegründet,


Hat die Himmel gestaltet durch die Einsicht.
Durch seine Erkenntnis spaltete sich die Urflut,
Durch seine Erkenntnis träuffeln die Wolken Tau.

Jahwe schuf mich als Erstlingin seines Waltens,


Als Uranfang seiner Werke einstmals.
Seit jeher bin ich Form geworden,
Seit Anbeginn, seit der Ur-Zeit der Erde.
Als es noch keine Urflut gab, ward ich geboren,
Als es noch keine Quellen gab, schwer von Naß.
Bevor die Gebirge sich falteten,
Vor den Hügeln ward ich geboren.
Als es noch kein Land und keine Wüste gab
Und nicht den unzählbaren Staub.
Als er den Himmel machte, war ich bei ihm,
Als er dem Horizont seine Grenze gegeben über der Urflut,
Als er die Wolken oben stark gemacht,
Als die Quellen der Urflut kraftvoll wurden,
Als er dem Meere seine Grenze feststeckte,
Als er das Fundament der Erde legte,
War ich bei ihm, seine Lieblingin,
Ich war seine Wonne Tag für Tag,
Lachend und scherzend vor ihm allezeit,
Lachend und scherzend auf der festen Erde.

Alle Weisheit stammt von Gott


Und ist bei ihm für immer.
Den Sand am Strand des Meeres
Und die Regentropfen
Und die Tage der Vorzeit,
Wer kann das zählen?
Die Höhe des Himmels
Und die Breite der Erde
Und die Tiefe des Meeres,
Wer kann all das ergründen?

Vor allen Dingen ist die Weisheit erschaffen,


Die vernünftige Einsicht ist von je.

Die Wurzel der Weisheit,


Wer hat sie erkannt?
Und ihre Werke,
Wer erkennt sie?
Einer ist weise, gewaltig,
Sitzend auf seinem Thron, der Herr!
Er selbst hat die Weisheit erschaffen,
Er hat sie angeschaut und gemessen,
Er hat sie ausgegossen über all seine Werke,
Über alles Fleisch, nach seiner Gabe,
Er hat sie denen geschenkt, die ihn lieben!

Wer fand ihren Ort


Und wer drang vor zu ihren Schätzen?
Wer stieg zum Himmel hinauf
Und nahm sie zu sich
Und brachte sie aus den Wolken herab?
Wer fuhr übers Meer
Und hat sie gefunden
Und wer wird sie heimbringen wie einen Goldschatz?
Keiner ist, der ihre Wege kennt,
Keiner, der ihre Pfade findet.
Nur er, der Allwissende, der erkennt sie,
Er hat sie gefunden mit seiner Einsicht.

Er hat den Weg der Erkenntnis gefunden


Und die Weisheit seinem Sohne Jakob gegeben,
Israel, dem Gottgeliebten!
Schließlich erschien sie selbst auf der Erde
Und verkehrte mit den Menschen.

Ich, die Weisheit, kam aus dem Munde des Höchsten,


Wie Nebel verschleierte ich die Erde.
Ich schlug auf den Gipfeln mein Zelt auf,
Mein Thronstuhl stand auf einer Wolkensäule.
Die Kreise des Himmels durchschritt ich alle,
In dem Abgrund der Urflut bin ich gewandelt,
Auf den Fluten des Meeres
Und auf der ganzen Erde.
In jedem Volk, in jeder Nation hab ich geherrscht.
Bei allen suchte ich meine Ruhe:
Wo soll ich mein Erbe finden und mein Lager?
Da gebot mir der Schöpfer des Kosmos,
Mein Schöpfer gab mir ein Ruhelager
Und sprach: In Jakob sollst du zelten,
In Israel sei dein Erbbesitz.

Vor der Weltzeit, im Anbeginn hat Gott mich geschaffen,


Solange die Weltzeit existiert,
Werde ich kein Ende nehmen.
Im Offenbarungszelt tat ich Dienst vor ihm
Und habe mich in den Toren der Tochter Zion niedergelassen,
In der geliebten Stadt Jerusalem fand ich Ruhe,
Jerusalem ist mein Königreich,
Ich bin verwurzelt im Gottesvolk,
Im Eigentum des Herrn,
Im Erbbesitz des Ewigen.

Beobachte und befolge die Weisung!


Das wird in den Augen der Heiden,
Die von all den Geboten hören,
Deine Weisheit und Klugheit sein.
Die Heiden werden sagen:
Wahrlich, wahrlich, ein weises und kluges Volk
Ist dieses gesegnete Gottesvolk!

Wo gibt es so ein großes Gottesvolk?


Wo sind die Götter der Heiden?
Sind sie uns so nahe, wie Jahwe uns nahe ist?
Jahwe ist uns nahe immer, wenn wir ihn rufen!

Wo gibt es ein Volk,


Das so vollkommne Gebote hat
Wie diese ganze Weisung, die Gott mir heute gibt?

Wie liebe ich deine Weisung!


Tag und Nacht betrachte ich sie.
Weiser als meine Feinde machen mich deine Gebote,
Denn sie sind immer mit mir.
Klüger selbst als meine Lehrer bin ich,
Denn deinem Zeugnis gilt mein Sinnen.
Einsichtiger bin ich als die Greise,
Denn deine Ordnung beschaue ich.

Dies ist die Weisung des höchsten Gottes,


Die Mose uns vermittelt
Als Erbe der Gemeinde Jakobs.
Die Weisung ist voll von Weisheit
Wie der Tigris in den Tagen des Frühlings,
Die Weisung bringt Fülle der Einsicht
Wie der Euphrat und der Jordan im Herbst.
Die Weisung lässt die Vernunft erscheinen wie der Nil,
Wie Pischon und Gihon in den Tagen der Weinlese!

Keiner kommt an ein Ende damit, die Weisung zu lernen,


Auch der letzte Mensch forscht sie nicht ganz aus.
Voller als das Meer ist die Fülle ihrer Weisheit,
Ihr Einsicht ist tiefer als der Abgrund.

Dies ist die Weisung des ewigen Gottes


Und die ewige Weisheit.
Alle, die sich an ihr festhalten,
Werden für immer leben,
Aber die sie verlassen, die verfallen dem Nichts.

Es schuf der Heilige seine Welt mit der Weisheit!


Es gibt aber keine Weisheit außer der Weisung Gottes!
Mit der Weisheit gründete Gott die Erde,
Mit der Weisung gründete er die Erde.

Weil die Weisung vor allem andern die Geliebte ist,


Wurde sie vor allen Dingen erschaffen.
Darum spricht die Weisung:
Jahwe schuf mich als Erstlingin seines Waltens.

Sieben Dinge wurden geschaffen,


Bevor die Welt erschaffen wurde:
Die Weisung,
Der Garten Eden, die Buße,
Gehenna,
Der Thron der Herrlichkeit,
Das Heiligtum und der Name des Messias!
Aber die Weisung spricht:
Jahwe schuf mich als Erstlingin seiner Werke!

Geliebt sind die Kinder Gottes von Gott,


Denn es ist ihnen ein Instrument gegeben,
Durch welches die Welt erschaffen worden ist,
Aus besonderer Liebe wurde ihnen
Dieses Instrument offenbart!

Gott ist gleich einem König,


Der eine einzige Tochter hatte.
Es kam einer von den Fürsten der Völker
Und nahm die Tochter zur Frau.
Er wollte in sein Königreich heimziehen
Und die Tochter mit sich nehmen.
Da sprach der König zu ihm:
Meine Tochter, die ich dir zur Frau gegeben,
Ist meine einzige Tochter,
Mich von ihr zu trennen, vermag ich nicht!
Aber dir zu sagen: Nimm sie nicht mit,
Das vermag ich auch nicht, denn sie ist deine Frau.
Aber dies bereite mir,
Daß du überall, wo du bist,
Mir ein Gemach bereitest, dass ich bei euch sein kann,
Denn ich kann von meiner Tochter nicht lassen.
So spricht Gott zum Gottesvolk:
Ich habe euch die Weisung gegeben,
Mich von ihr zu trennen, vermag ich nicht.
Aber überall, wohin ihr immer zieht,
Bereitet mir eine Wohnung, dass ich bei euch wohnen kann!

Es ist vernünftig,
Daß Gott die ganze Welt geschaffen
Und uns den siebenten Tag zur Ruhe gegeben.
Der siebente Tag heißt: Die Entstehung des Lichts,
Er kann auch der erste Tag genannt werden,
Das Licht, das alles erleuchtet und Erkenntnis schenkt.
So ist es auch mit der Weisheit,
Alles Licht kommt von ihr.
Die Weisheit ist wie eine Fackel,
Wer der Weisheit nachfolgt,
Befindet sich sein Leben lang im Zustand der Ruhe.
Schöner aber noch hat das unser Ahne,
König Salomo gesagt, als er sagte:
Die Weisheit ist vor Himmel und Erde.

Vernunft ist Verstand, der mit ruhiger Überlegung


Ein Leben mit der Weisheit erwählt.
Weisheit ist Erkenntnis des göttlichen Wesens
Und der menschlichen Dinge im rechten Licht.
Erkenntnis aber ist die Bildung,
Die durch die Weisung erreicht wird,
Durch die Bildung der Weisung
Lernen wir das Göttliche würdig kennen.
Arten und Weisen der Weisheit sind
Die Klugheit und die Gerechtigkeit,
Der Mut und die Besonnenheit,
Das wichtigste ist die Klugheit,
Durch welche die Vernunft die Triebe beherrscht.

Anfang der Weisheit ist


Verlangen nach Bildung,
Bemühen um Bildung ist Liebe zur Weisheit.
Liebe zur Weisheit
Besteht im Halten ihrer Gebote,
Halten ihrer Gebote erlangt die Unsterblichkeit,
Die Unsterblichkeit bringt in die Nähe Gottes!

Gott ist der Vater von allem


Und der Mann der Weisheit,
Der für den sterblichen Menschen
Den Samen der Erkenntnis
In guten jungfräulichen Boden sät.

Der Garten Eden ist der Garten der Wonne,


Der Garten der Wonne ist die Weisheit,
Die sich freut und in Frohsinn lebt
Und sich ergötzt an ihrem einzigartigen Vater.

Die Weisheit ist die Tochter Gottes,


Die edle Tochter Gottes,
Die immerwährende Jungfrau!

Die Weisheit ist vor aller Schöpfung,


Die Weisheit ist vor der Menschheit,
Sie ist die Amme von allem!

Die scharfgeschnittene Weisheit


Ist wie ein scharfgeschnittener Felsen.
Als der Mensch versucht ward,
Sich der Sinnlichkeit zuzuwenden,
Bot Gott dem Menschen denn besten Trank an,
Nämlich die Weisheit aus der Quelle,
Die Gott selbst hervorsprudeln lässt aus seiner eigenen Weisheit!

Siehe, mein Sohn, jetzt sag ich dir dies alles


Und schreib es für dich auf,
Ich habe dir alles enthüllt
Und dir die Bücher der Weisheit übergeben.
Bewahre, mein Sohn, die Bücher,
Die Bücher der Weisheit aus deines Vaters Hand,
Und übergib sie den kommenden Generationen.

Ich habe dir die Weisheit anvertraut,


Dir und deinen Kindern und Kindeskindern,
Damit die Weisheit den Generationen überliefert wird,
Die Weisheit, die über den Verstand geht.

Die aber die Weisheit verstehen,


Werden nicht schlafen, sondern wachen,
Werden horchen, von der Weisheit zu lernen,
Und sie wird denen, die ihre Speise essen,
Besser schmecken als gute Küchengerichte.

Es wird noch größeres Unrecht kommen


Als in den Tagen Noahs und seiner Söhne geschehen ist.
Aber ich kenne die Geheimnisse
Und das Geheimnis der Geheimnisse,
Denn die Heiligen reden zu mir
Und zeigen, was auf der Tafel des Himmels geschrieben steht.

Der Vater gab seinem Sohn den Namen.


In seinen Tagen stiegen die Engel Gottes,
Die Wächter, auf die Erde herab,
Die Menschenkinder zu lehren,
Gerechtigkeit auf der Erde zu üben.

Henoch ist der erste unter den Erdegeborenen,


Der Schrift und Weisheit lernte
Und der die Zeichen des Himmels beschrieb
Nach der Ordnung ihrer Monde,
Daß die Menschenkinder die Perioden des Jahres erkennen
Nach der Ordnung der Monde.

Er war der Erste,


Der das Zeugnis aufschrieb
Und es den Menschenkindern übergab
Unter den Geschlechtern der Erde.

Und er sagte von den Jubeljahren


Und von der Ordnung der Monde
Und verkündete den Ruhetag,
Wie die Engel es ihn lehrten.

Er sah in einem Traumgesicht


Die Vergangenheit und die Zukunft,
Was den Menschen geschehen wird
Bis zum Jüngsten Tag,
Er sah es, er verstand es,
Er schrieb sein Zeugnis auf
Und legte das Zeugnis nieder
Für alle Menschenkinder und Menschenkindeskinder.

Er war bei den Engeln


Im Jubeljahr,
Sie zeigten ihm alles,
Was auf der Erde und was im Himmel ist,
Und er schrieb alles auf.
Und er legte Zeugnis ab
Gegen die Göttersöhne,
Die zu den Menschentöchtern eingegangen waren.

Asael lehrte die Herstellung von Kosmetik,


Schemichaza lehrte die Beschwörung,
Chermoni lehrte die Magie,
Baraquel lehrte die Zeichen des Donners,
Zeqiel lehrte die Zeichen der Blitze,
Kokabel lehrte die Zeichen der Sterne
Schamschiel lehrte die Zeichen der Sonne,
Sahriel lehrte die Zeichen des Mondes,
Artaqof lehrte die Zeichen der Erde.

Die Engel lehrten Noah aber auch


Die Heilkunst und die Verführungskünste.

Der Engel Penumue weihte die Menschen ein


In die Geheimnisse seiner Weisheit
Und lehrte sie schreiben
Mit Tinte auf Papier.
Der alles vernichtende Tod
Wird diese Weisheit nicht vernichten.

Ich kam in den Garten der Gerechtigkeit


Und sah von ferne die Bäume,
Große, hohe Bäume wuchsen dort,
Ihr Duft war süß und lieblich
Und ihre Wipfel waren schön und ihre Stämme herrlich,
Ich sah den Baum der Weisheit,
Von dessen Feigen die Heiligen essen
Und tiefer Weisheit kundig werden.
Dies ist der Baum der Weisheit,
Von dessen Feige auch dein heiliger Vater speiste,
Von dessen Feige deine heilige Mutter speiste,
Die vor dir gewesen sind,
Da erkannten sie die Weisheit
Und ihre Augen wurden aufgetan,
Da erkannten sie, dass sie nackt waren,
Und der Cherub trieb sie aus dem Garten Eden.

Weisheit, Throngenossin Gottes,


Schöpfungsgehilfin Gottes!

Gott, du hast alles erschaffen


Und regierst alles,
Nichts ist dir zu schwer.
Die Weisheit entgeht dir nicht,
Die Weisheit wendet sich nicht weg von deinem Thron.
Du weißt alles, siehst und hörst alles,
Da ist nichts, was vor dir verborgen wäre,
Denn du weißt und verstehst alles.

Die Schätze der Weisheit


Liegen am Fuß des Thrones Gottes.

Herr, wer versteht dein Gericht?


Wer erforscht deine dunklen Wege?
Wer denkt nach über die schweren Lasten deines Weges?
Wer ergründet dein unergründbares Schicksal?
Wer von den Staubgebornen fand jemals den Anfang
Und das Ende deiner Weisheit?
Denn wir sind alle wie ein Hauch.

Ich, Gott, befahl am sechsten Tage meiner Weisheit,


Den Menschen zu machen.

Durch meine Weisheit hab ich alles ersonnen


Und gut geschaffen
Vom obersten Fundament bis zum untersten Fundament
Und bis zur Mutter Erde.

Da war kein Berater bei mir, als ich die Schöpfung schuf.
Ich bin ewig und nicht von Händen gebildet,
Ich bin immer gleich und verändre mich nicht.
Mein eigner Gedanke allein ist mein Berater,
Meine Weisheit ist allein meine Hilfe
Und mein Wort ist meine Tat.

Nun verbirgt sich die Vernunft,


Die Weisheit flieht in ihre Kammer.
Viele suchen die Weisheit und finden sie nicht.
Groß ist aber die Macht der Ungerechtigkeit
Und groß ist die Macht der Unzucht auf Erden.

Da die Weisheit aber keine Wohnung fand,


Wo sie ruhen könnte im Lager,
Ward ihr im Himmel ein Lager bereitet.

Als die Weisheit auf die Erde kam,


Um bei den Menschen zu wohnen,
Aber als die Menschen ihr kein Lager bereiteten,
Kehrte die Weisheit an ihren geheimen Ort zurück
Und setzte sich inmitten der Engel in ihren Thronsessel.

Als die Ungerechtigkeit trat aus ihrem Faß,


Fand die Weisheit die Auserwählten
Und ließ sich bei ihnen nieder
Und war so willkommen und erquicklich
Wie ein fruchtbarer Regen in der dürren Wüste
Und wie ein Morgentau auf dürstendem Land.

Den Auserwählten wird das Licht zuteil


Und Freude und Frieden,
Sie erben das verheißene Land.
Aber die Gottlosen trifft der Fluch.

Den Auserwählten wird die Weisheit verliehen,


Die Auserwählten werden leben
Und keine Sünde mehr tun.
In den erleuchteten Menschen wird es Licht
Und in den Vernünftigen wird es Vernunft,
Denen, die demütig sind, wird die Weisheit geschenkt.

In den Tages des Weltgerichts


Werden die Gerechten von den Toten auferstehen,
Dann wird sich die Weisheit erheben
Und sich den Gerechten schenken!

Am Ende der siebenten Woche


Werden Auserwählte erwählt
Zu Zeugen der Weisheit
Aus dem ewigen Garten der Wahrheit,
Ihnen wird siebenfache Weisheit
Und siebenfache Erkenntnis geschenkt.

Ich sah den Brunnen der Gerechtigkeit,


Der war unerschöpflich.
Rings um den Brunnen der Gerechtigkeit
Waren unzählige Brunnen der Weisheit.
Alle Durstigen tranken
Aus den Brunnen der Weisheit
Und wurden nüchtern-trunken vom Trank der Weisheit,
Satt und gestillt von der Weisheit.
Und die von der Weisheit getrunken,
Die wohnten bei den Heiligen und Erwählten.

Der Auserwählte wird in den kommenden Zeiten


Auf Gottes Thronstuhl thronen
Und alle Mysterien ewiger Weisheit
Werden aus seinem Munde fließen,
Denn der Herr der Engel
Hat es ihm geschenkt und ihn verherrlicht.

Der Sohn Davids segnet die Menschen


Mit Weisheit und Gerechtigkeit,
Der Sohn Davids segnet das Gottesvolk
Mit Weisheit in aller süßen Freude!

Herr, du erleuchtest zu aller Zeit


Die, die vernünftig leben,
Deine Weisung ist Leben
Und deine Weisheit ist Tugend!
Du weißt, dass sich mein Geist am Tag und in der Nacht
Mit deiner Weisung beschäftigt
Und dass ich mich von deiner Weisheit nicht losgesagt habe!

Wir sind ein Volk, nach dem Namen Gottes genannt,


Die wir die Weisung von Gott empfangen.
Und jene Weisung, die bei uns ist, hilft uns,
Und die allervorzüglichste Weisheit,
Die in uns ist, wird uns immer helfen!

Die schöne Erscheinung derer,


Die nach Gottes Weisung gut gehandelt haben
Und Einsicht hatten
Und die Wurzel der Weisheit
Pflanzten in die Tiefe ihres Herzens,
Deren Glanz wird in verschiedener Schönheit erstrahlen!

O Gott, du hast dem Menschen


Unterricht durch deine Weisung gegeben
Und Bildung durch deine Weisheit.

Geliebte, liebt die Tugend


Und wandelt den Weg der Tugend!
Naht euch der Tugend nicht mit gespaltenem Herzen,
Werdet keine Genossen des Weges mit den Sündern,
Sondern wandelt in Tugend und Gerechtigkeit,
Ihr Söhne meiner Seele,
Und die Tugend wird euch auf gutem Wege leiten
Und die Gerechtigkeit wird eure Genossin sein.

Siehe, ihr Söhne meiner Seele,


Wohin geh ich, wenn ich sterbe?
Was wird mir begegnen?
Ihr Söhne meiner Seele,
Verlaßt nicht den Allmächtigen!
Wandelt im Licht seines Antlitzes!
Lebt nach seinen Geboten
Und betet nicht die Götzen an!
Euer Herz sei treu in der Ehrfurcht vor dem heiligen Gott!
Und wenn ich heimgegangen bin,
Ihr Söhne meiner Seele,
Sucht mich nicht,
Bis mich der Herr als Engel zu euch sendet!

Herr, du lässt die Welten vergehen


Und sie können sich nicht widersetzen,
Du gebietest über Zeitperioden
Und sie gehorchen dir,
Du kennst die Dauer der Geschlechter,
Wenigen offenbarst du deine Geheimnisse nur,
Du gibst die Macht des Feuers an
Und wägst die Leichtigkeit der Lüfte,
Du berührst den Saum der himmlischen Höhe
Und ergründest den Abgrund der Dunkelheit,
Du bestimmst die Zahl der Menschen
Und bereitest eine Wohnung für die Menschen der Zukunft,
Du erinnerst dich des Anbeginns der Schöpfung
Und vergisst nicht den Weltuntergang,
Du gebietest den Flammen
Und gibst dem Wind seine Richtung,
Mit deinem Wort rufst du aus dem Nichts ins Dasein,
Du umfängst, was noch nicht gebildet ist,
Du lehrst durch deine Einsicht deine Menschen
Und machst die gehorsamen Sphären voll Weisheit,
Heerscharen von himmlischen Engeln dienen dir
Und warten getrost auf deine Winke,
Herr, höre deinen Knecht und erlöse mich!

Herr, du setztest mich zum Zeichen


Den Erwählten deiner Gerechtigkeit
Und zum Dolmetsch der Erkenntnis
In wunderbaren Mysterien,
Um zu prüfen die wahrhaftigen Seelen
Und zu erproben die Menschen der Zucht!
Ein Mann der Feindschaft bin ich den Übersetzern der Lüge,
Aber ein Mann des Friedens allen sehenden Seelen!

Eile, der hierin liest!


Das ist der Meister der Gerechtigkeit,
Den Gott alle Geheimnisse seiner Knechte,
Die Geheimnisse seiner Propheten wissen ließ.

In Einsicht hab ich dich erkannt, o Gott,


Durch den Geist, den du mir gegeben hast.
Gewisses hab ich gehört
Über deinen wunderbaren Ratschlag
Durch deinen heiligen Geist.

Du hast mir die Erkenntnis eröffnet


In das Geheimnis deiner Einsicht
Und den Quell deiner Kraft!

Der Unterweisende leite


Die Frommen mit Erkenntnis
Und lehre sie Einsicht
In die Geheimnisse aller Wunder
Und die Mysterien ewiger Wahrheit,
Daß sie als Heilige wandeln,
Ein jeder mit seinem Nächsten,
Wie es ihnen offenbart ward.

Aus der Quelle der Gerechtigkeit Gottes,


Dem Licht meines Herzens,
Aus seiner Geheimnisse Wunder
Schaut das Ewig-Seiende
Mein inneres Auge,
Die Einsicht, verborgen den Menschen,
Die Erkenntnis, verborgen den Menschenkindern,
Die Kraft, verborgen dem Fleisch!
Die Gott erwählt hat,
Denen gab er die Weisheit!

Gott segne dich in allem Guten


Und wahre dich vor dem Bösen,
Gott erleuchte dein Herz
Mit der Vernunft des Lebens
Und begnade dich mit ewiger Weisheit!
Gott wende dir sein Antlitz zu
Und schenke dir Frieden!

Gott wird den Geist der Weisheit


Über dich sprengen wie Wasser der Reinigung
Und dich reinigen von allen Gräueln des Trugs
Und allem Sich-Wälzen in der Sünde!
Gott wird dir Einsicht schenken,
Den Gerechten in der Weisheit des Höchsten
Und die Weisheit der Himmlischen
Zu erkennen, dass du sie lehrst
Alle, die gute Wege gehen.
Denn diese hat Gott erwählt zum ewigen Bund.

Zwar ist ein Mensch heiliger als der andere Mensch


Und ein Fleisch schöner als das andre Fleisch von Lehm
Und ein Geist klüger als der andere Geist,
Doch deiner Macht, o Gott, gleicht nichts an Kraft
Und deiner Ehre ist nichts vergleichbar,
Deine Weisheit ist maßlos und unerschöpflich
Und deine Wahrheit ist liebenswürdiger als alles!

Die Weisheit ist ein Geschenk des Heils,


Sie spendet das Charisma weiser Predigt,
Frommen Gesanges und kluger Lehre.
Sie ist die Eigentümerin eines Hauses
Mit hohen Toren und starken Säulen.
Sie ist Sprecherin frommer Weisheit
Und Sängerin heiliger Psalmen.
Sie ist die Herrlichkeit des Herrn
Und ist die Weisung des einzigen Gottes.

Wer singt mir das goldene ABC


In stark erotischer Sprache
Vom verliebten Weisheitssucher
Und der geliebten Weisheit,
Wie sie sich finden
Und sich lieben!

Wer singt das bittere Lehrstück


Über die Verführungskünste
Der Dirne oder der fremden Frau?
Wer singt von den sexuellen Reizen der fremden Frau,
Der Verführerin, in deren Haus die Totengeister hausen?
Wer singt von dem üblen Geschwätz der Frau Torheit?

Ich habe keine Kraft mehr,


Um vor ihr, der Weisheit, zu stehen!
Wer erträgt es, vor Gottes Engeln zu stehen,
Die mit feurigen Flammen richten,
Die die heiligen Geister Gottes sind?

Ihr Menschen, wehe!


Der Mensch sprosst wie Gras aus der Erde,
Seine Tugend blüht wie eine Blume,
Da setzt sein Atem aus,
Seine Blätter verwelken,
Der Wind trägt seinen Blumenduft weg
Ins Nichts,
Verschwunden ist er und vergangen!
Er wird nicht mehr gefunden,
Denn der Mensch ist ein Hauch.
Man wird ihn suchen, aber nicht finden,
Es gibt keine Hoffnung mehr auf Erden.
Der Mensch, was ist er?
Wie ein Schatten sind seine Tage auf Erden.

Jetzt aber, hört mir zu, meine Freunde!


Gebt acht auf mich, ihr Kinder!
Werdet weise aus der Kraft!
Erinnert euch der Wunder, die Gott gewirkt,
Und zittert vor seinem Schrecken!
Handelt nach seinem Wohlgefallen
Und unterwerft eure Seelen seiner Gnade
Und sucht euch einen guten Weg ins Leben
Und eine Straße in die Freude!
Warum gebt ihr eure Seele einem Nichts hin?
Selig ist der Mensch,
Dem SIE gegeben wurde!
Laß nicht die Bösen sich rühmen und sagen:
Sie wurde mir nicht gegeben
Und deshalb bin ich so töricht!
Mit gerechtem Maß misst Gott
Sie den Gotteskindern zu,
Seine Kinder wird Gott erlösen!
Aber er wird alle Menschen töten!
Wohl den Menschen, die dann sagen können:
Wir haben SIE gefunden!

Suche SIE
Und finde SIE
Und halte dich fest an IHR
Und erwerbe SIE
Und lebe mit IHR die Tage deines Lebens,
Das ist Fett für dein Fleisch
Und Freude für dein Herz wie Wein!
Gottes Wohltaten sind IHRE Jugend
Und Heil für alle schönheitsdurstigen Seelen!

Selig der Mensch, der SIE erlangt!


Selig der Mensch, der sich nicht abgewendet von IHR!
Suche SIE nicht im Irrtum
Und umgarne SIE nicht mit eitler Schmeichelei!
Wie SIE den Patriarchen gegeben wurde,
So wirst du SIE erlangen
Mit aller Kraft des Herrn
Und aller Macht der Liebe Gottes
Und Gott wird seinen Söhnen geben – SIE!

ZWEITER GESANG

Ich ging hinab in den Walnussgarten!


Dies ist die Tiefe des Chariot!

O die Gloria auf dem Chariot!

Ich ging hinab in den Walnussgarten,


Dies ist die Tiefe des Chariot!

Die Nuß hat eine grüne, bittere Schale,


Die Nuß hat eine hölzerne Schale aus zwei Bechern.

Wisse, der Umkreis der vier Gestalten ist rund wie die runde Nuß,
Zwei Schalen hat die Nuß.
Und die Frucht ist im Innern.
Und im Innern sind vier Kammern,
Zwei Kammern in der einen Schale
Und zwei Kammern in der andern Schale.
Und zwischen diesen Kammern ist eine dünne Scheidewand.

In Richtung des breiten Endes der Nuß


Ist eine Art von leerem Raum,
Ein Raum der Leere in der Frucht
Zwischen den vier Kammern.

Unten, auf einer Kante, da ist eine Art


Von Membrum virile,
Von daher saugt es die Bitterkeit der Schale.

So der Umkreis des Feuers umgibt


Den maskulinen Elektrum und den femininen Elektrum,
Zwei Typen von klarem Glanz,
Brillianten, klares Feuer auf der einen Seite
Und die Erscheinung von weißem Hagel auf der andern Seite.

In der Hälfte des Jahres


Ist die Temperatur des Wetters heiß
Und die andere Hälfte des Jahres kalt.
Diese zwei Typen des Lichtkreises
Sind umschrieben von einem grünen Glanz,
Der Glanz geht ein in die dicke Wolke.

Da sind zwei Seraphim,


Einer auf der Seite des klaren Feuers
Und einer auf der Seite des weißen Hagels.
Und keinem Engel ist es gestattet, näher zu treten.

Die äußere Schale der Nuß, die bittere, grüne,


Korrespondiert mit dem grünen Lichtkreis.

Und weil da zwei große Schalen wie Becher sind,


Muß die äußere Schale die bittere sein,
Und man tritt ein durch die Öffnung
Zur Spitze des Kernes.

Darum findet man keine Würmer in der Nuß,


Denn der Kern saugt an der Schale,
Der Kern saugt an der bitteren, grünen, äußeren Schale.

Schält aber einer die äußere bittere Schale vom Kern,


Bevor der Kern gereift ist,
Dann werden Würmer im Kern gefunden werden.

Bricht einer die Schale auf,


Wenn die Nuß noch am Nussbaum hängt,
Dann entwickeln sich Würmer im Kern.
Da sind neun Blätter an jedem Zweig des Nussbaums.

Und ich habe empfangen die Lehre:


Wenn Kinder Würmer im Magen haben,
Wenn man dann die Schale der Walnuß kocht,
Dann werden die Würmer fliehen oder sterben.

Nun hab ich dir eine Tür geöffnet


Zum Verstehen in deinem Herzen.

Ich ging hinab in den Walnussgarten.

Sein großes Feuer


Ist wie eine Nuß,
Weit auf seinem Gipfel,
Die Schale nahe der Erde.

Die Schalen der Nuß haben Ähnlichkeit


Mit einem Membrum virile
Auf der einen Seite und auf der andern Seite
Mit etwas Femininem.

Wie die äußere grüne Schale


Ist ein blitzendes Feuer
Von dem Lichtglanz vor Ihm
Wie die Erscheinung von Feuerpfeilen
Oder leuchtenden Fackeln,
Du siehst eine weiße Flamme!

So sind die Cherubim


Des höchsten Feuers.
So geht die Rede von den vier Gestalten,
Die Häupter und die Hörner der Gestalten
Korrespondieren mit den Cherubim,
Die oben auf dem Gipfel weit sind
Und unten flach.

Die äußere Schale ist gelb wie Wachs,


Das ist die Schale, die abfällt,
Denn, siehe, ein Wirbelsturm kam!
Ein Wirbelsturm kam vom Norden!

Die Nuß, wenn ihre erste Schale abfällt,


Ist die Manifestation des großen und starken Sturmes,
Denn siehe, ich sah, und was ich sah,
War ein starker Sturm aus dem Norden!

Neben der einen grünen Schale


Sind zwei Schalen wie Becher aus Holz,
Das ist die große Wolke
Von Feuer und Hagel,
Denn Feuer und Hagel sind wie zwei Becher.
Siehe, er machte Pavillions der Dunkelheit!

Wenn die Nuß austrocknet,


Ist es wie eine große Wolke,
Gleich wie Hagel und Feuer,
Denn Er macht Pavillions in der Dunkelheit
Gleich einem einzigen Pavillon.

Wenn die Walnuß frisch ist,


Ist es wie die Sammlung von Wassern,
Dicken Wolken am Firmament,
Korrespondierend mit den beiden Schalen,
Wie die beiden Schalen
Ist Sein Pavillon.

Siehe, da sind drei Schalen


Und eine dünne Schale in der Mitte der Nuß.
Da ist die grüne Schale, die mittlere Schale und die dritte,
Und da ist eine andere, dünne Schale in der Mitte der Nuß.

Und die Frucht wird im Innern gefunden.


Denn aus der Mitte heraus
Erscheinen die vier Gestalten.

Die Frucht ist im Innern.


Sammle die Wasser aus den dicken Wolken des Himmels!
Eine Schale für vier Kammern!
So hat die Nuß vier Häupter
Wie die vier Gestalten, wie die vier Räder.

Und wenn die Walnuß frisch ist,


Hat der Kern zwei Schalen aus Feuer.
Aus dem Lichtglanz vor Ihm
Erscheinen Hagel und Feuer
Und durchbohren seine Wolken!

Ist die Walnuß frisch,


So hat der Kern auch seine Schalen,
Jeder Kern aber ist wie inneres Feuer,
Jedes Kernes Feuer ist ein Inneres,
Und jeder Kern und jedes Kernes Urbild
Ist wie ein doppeltes Feuer
Von weißem Hagel und glühender Kohle
Aus der Mitte der Brillanz vor Ihm!

Da sind die drei Schalen,


Die eine bittere Schale
Und die beiden, die sich im Innern berühren,
Die sich berühren im Innern der Nuß.

Da war ein großer und mächtiger Sturm,


Aber der Herr war nicht im Sturm!
Das ist die eine äußere Schale,
Die ist wie eine große dicke Wolke,
Aber der Herr war nicht im Beben der Erde!

Die zwei Schalen, die sich im Innern berühren,


Sich berühren im Innern der Nuß,
Sind wie das blitzende Feuer.
Aber der Herr war nicht im Feuer!
Das ist die dritte Schale, die die zweite Schale berührt.
Das ist das blitzende Feuer.

Aber die allerinnerste Schale,


Die fein ist wie eine Haut
Und einer Scheidewand gleicht,
Ist wie ein sanftes Flüstern,
Ein wehendes Lispeln,
Ein süßes Schweigen.

Ein gelber Glanz


Und eine grüne Farbe
Umgeben den Glanz.
Dies ist die außere Schale der Nuß,
Die gelb ist wie Wachs.

Und von Innen kommt ein blitzendes Feuer,


Die Erscheinung der vier Gestalten,
Das sind die vier Kammern im Innern der Nuß.
Zwei Kammern in einer Schale
Und zwei Kammern in der andern Schale
Und zwei Jahreszeiten in einer Jahreshälfte
Und zwei Jahreszeiten in der anderen Jahreshälfte,
Aber ein einziger Stern!

Die rote Schale und der rote Stern!


Die äußere Schale ist rot
Wie das Rot in der Iris.

Aber die vier Gestalten


Hatten menschliche Figuren.

Als der Mensch geschaffen ward,


Ward er mit zwei Angesichtern geschaffen,
Mit zwei Angesichtern und zwei Armen.

Und die Gestalten hatten die Figuren von Menschen.

Wenn der Mensch sich bewegte,


So bewegten sich der Löwe, der Stier und der Adler.

Aber es bewegten sich nicht die feurigen Rosse


Vor dem brennenden Chariot!
Und der Kern der Nuß hat vier Angesichter,
Und der Kern der Nuß hat vier Häupter,
Und darum sind da auch vier Flügel in der Nuß,
Und darum sind da auch vier Kammern
Entsprechend den vier Flügeln,
Für jede der Kammern ein Flügel.

Alles in allem sind es zwölf,


Zwölf Myriaden zwischen den Flügeln,
Von Flügel zu Flügeln der Abstand
Ist zwölf Myriaden lang!

Und ihre Schenkel waren stark


Und waren wie Schwingen!
So ist es auch im Innern der Nuß.

Und die Hände des Menschen!

Jede Kammer ist geteilt in zwei Hälften,


Entsprechend ihrer zwei Schwingen,
Ihrer zwei Hände und ihrer zwei Schwingen!

Und der Stiel ist in beständiges Stück!


Und der Thron ist im Medium der Mitte der Nuß!
Und die Mitte des Stieles der Schale
Korrespondiert mit dem Thron,
Dem Thron von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit!

Ein starker Stiel,


Das ist der Thron,
Das Zentrum okkupierend.
Und im Einschnitt des starken Stieles der Schale
Ist es wie der Thron,
Der Thron von Gericht und Gnade!

Die Schale ist zwischen den vier Häuptern der Nuß.


Die vier Häupter der Nuß sind die vier Gestalten.
Die vier oberen Häupter der Nuß die vier Gestalten,
Die vier unteren Häupter der Nuß die vier Cherubim.

Und die Nuß ist rund!


Die Erscheinung und die Struktur der Räder des Chariot
Glüht wie Beryll!

Und die sanfte Schale berührt die Frucht!


Rad dreht sich in Rad!

Und die Außenseiten des Kernes


Berühren die äußere Schale,
Rot und Grün und Gelb,
Wie die Iris!
Und die äußere Schale erscheint wie Fackeln,
Wie wenn man von weit eine Fackel erschaut
Mit einer weißen Flamme,
Wie die grüne Schale des Kernes.
Es wandelt zwischen den vier Gestalten.

O die Schale, die das Medium ist,


Das Medium zwischen den vier Häuptern der Nuß!
Vier Häupter der vier Kammern
Über den vier Gestalten
Und vier Häupter der vier Kammern
Unter den vier Cherubim!

Und die Nuß ist rund, und es steht geschrieben:


Die Erscheinung und Struktur der Räder
War wie Glanz von Beryll.

Und die Höhe des Kernes der Nuß


Entspricht der Höhe des Himmels.

Und die Kammern der Nuß


Entsprechen den Gemächern in dem Palast des Himmels,
Den neun Ordnungen in der Glorie!

Vier Kammern sind es,


Vier Flüsse von Feuer,
Vier Cherubim und vier Räder
Und eine schwarze Schale, die den Kern teilt.
Und so wie der Kern hohl ist,
So ist die Unterseite des Thrones hohl.
Und von der Unterseite des Thrones
Ist eine Tür in den leeren Raum,
In die hohle Leere der Sphären,
Das ist wie eine Truhe,
In der gebündelt ruhen die Seelen der Gerechten!

Und die Nuß ist wie Silber, wie Bronze.


Die Nuß hat fünf Segmente alles in allem,
Vier feminine
Und ein Membrum virile.

So ist die Nuß.


Und die Nuß ist in der Iris.
Was erschien wie seine Lenden,
Da war ein Glanz wie Elektron.
Da sind fünf Kammern,
Vier Kammern, maskuline und feminine!

Da sind vier Gestalten


Und eine Gestalt ist über ihnen.
Am zweiten Tag der Schöpfung nach der Schrift
Wird viermal das Firmament besungen
Und einmal wird das Firmament Himmel genannt.
So, vor dem Thron der Glorie
Sind vier Ebenen und eine ist fein und erhaben.

O die Erscheinung des Thrones!


Eins, die Gestalt auf dem Thron!
Zwei, die Erscheinung wie Saphir!
Drei, der Raum des Thrones!
Vier, dies ist der Raum meines Thrones
Und der Schemel meiner Füße!

So sind die vier Sphären des göttlichen Hauptes,


Denn mein Haupt ist feucht von Nachttau!
Sein Haupt ist feines Gold!
Ein Helm von Triumph ist auf seinem Haupt!
Ah, wenn ich nicht die Jungfrau Jerusalem
In meinem Herzen bewahrte
Selbst in meiner glücklichsten Stunde...!
Und das Haar seines Hauptes war wie weiße Lammwolle!

Sie sind ein graziöser Kranz auf deinem Haupt


Und ein liebliches Kettchen um deinen Hals!
Laß Treue und Tugend nicht von dir weichen,
Sie geben das Leben deinem Geist
Und Grazie deiner Kehle!
Binde sie wie ein Kettchen um dein Herz,
Wie ein lichtes Kettchen um deinen Hals!
Trage sie wie einen Ring an deinem Finger!

Wenn du trägst den heiligen Schmuck der Tochter Zion,


So steht auf dir geschrieben der Name
Der makellosen Freundin!

DRITTER GESANG

Das Reich ist gleich einem König und seiner jungen Tochter.
Bis die Tochter aufwuchs und volljährig wurde,
Sprach er immer mit ihr auf der Straße
Und in allen Gassen.
Als sie jedoch groß und volljährig wurde
Und ihre Brüste straff geworden waren
Und ihr Schamhaar gesprossen,
Sprach er: Es schickt sich nicht
Um der Würde meiner Tochter willen,
Mit ihr in aller Öffentlichkeit zu sprechen.
Baut ihr darum eine Gartenlaube,
Ich spreche mit ihr dann in der Gartenlaube.
So steht es geschrieben:
Als sie ein Kind war, liebte ich sie.
Sie spricht: Mich hat der König gemacht
Als Erstlingin seines Schaffens,
Als Erstes seines Gezeugten.

Wo immer der Gottessohn in der Verbannung war,


Der verbannte Sohn Evas,
Da war die Tochter Gottes mit ihm.
Als er in Ägypten war in Gefangenschaft,
War die Tochter Gottes mit ihm,
Als er in Babylon war in Verbannung,
War die Tochter Gottes mit ihm.

Wer demütig ist und anerkennt,


Daß er Fleisch ist und von der Erde,
Der wird erlangen durch seine Demut,
Daß die Tochter Gottes mit ihm ist
Mitten unter den Menschen dieser Erde.
Ein Stolzer aber in seinem Hochmut
Entweiht die Mutter Erde
Und zwingt die Tochter Gottes,
Sich still und heimlich zu entfernen.

Warum hat der Ewige einst


In einem Dornbusch sich offenbart
Als verzehrendes Feuer?
Wir lernen daraus, dass kein Ort der Erde
Ohne die Tochter Gottes ist.

Fragt der Kaiser mich aber:


Du sagst, sind zwei oder drei beisammen,
Si weilt die Tochter Gottes unter ihnen,
Wie viele Töchter Gottes gibt es denn?
Ich sage: Die Sonne erleuchtet die ganze Welt.
Wenn die Sonne allein
Inmitten der vielen astralischen Körper
Die ganze Welt erleuchtet,
Um wie viel mehr dann die Gottheit!

Das Reich ist gleich einem König,


Der eine gute und schöne Tochter hatte,
Anmutig und vollkommen,
Und er vermählte sie einem Prinzen,
Kleidete sie mit feiner Seide
Und gab ihr Diademe und Spangen,
Kettchen und Ringe und Talismane
Und gab sie dem Prinzen zur Frau.
Kann der König aber ohne seine Tochter leben?
Nein, der König kann nicht ohne seine Tochter leben!
Kann er Tag und Nacht mit ihr zusammen sein?
Nein, er kann nicht Tag und Nacht mit ihr zusammen sein!
Was macht er? Er macht ein Fenster,
Ein Fenster zwischen sich und ihr.
So oft nun die Tochter den Vater braucht
Oder der Vater die Tochter braucht,
So kommen sie am Fenster zusammen.

Das Reich gleicht einem König,


Der sich im Innersten der Gemächer befand,
Und die Zahl der Gemächer
War dreiunddreißig,
Zu jedem Gemach gab es einen Weg.
Ziemt es dem König, dass alle
Auf allen Wegen seine Gemächer betreten?
Nein, das geziemt dem König nicht.
Ziemt es sich für den König,
Seine Perlen, Juwelen, Edelsteine und Schätze
Gar nicht öffentlich zu zeigen?
Nein, das geziemt dem König nicht.
Was tut der König? Er nimmt die Tochter
Und fasst in ihr alle Wege zusammen,
In ihr und in ihren Kleidern,
Und wer das innerste Gemach betreten will,
Muß schauen zu der Tochter.

Was heißt aber dies:


Gepriesen sei die Schönheit des Ewigen
An dem Ort ihrer Ruhe?
Das heißt, dass keiner den Ort ihrer Ruhe kennt.
Das ist gleich einer Prinzessin,
Die aus fernen Ländern kam,
Und niemand wusste, woher sie gekommen,
Bis alle sahen, dass sie eine schöne und starke Frau war,
Eine ausgezeichnete Frau in allem, was sie tat.
Da sprachen die Menschensöhne: Wahrlich, wahrlich,
Diese Frau stammt aus dem Licht,
Denn durch ihr Dasein wird die Welt licht!
Da sprachen die Menschensöhne: Wer bist du
Und woher kommst du?
Da sprach sie: Ich bin die Schönheit des Ewigen
Und komme aus meinem Ort der Ruhe.
Da sprachen die Menschensöhne: Die Seligen droben
An dem Ort deiner Ruhe
Sind sicher von großer Seligkeit erfüllt!
Gepriesen sei die Schönheit des Ewigen
Und gepriesen sei der Ort ihrer Ruhe!

Wer ist aber die Schönheit des Ewigen?


Es war ein König, in dessen Gemach war die Königin,
An deren Schönheit sich alle seine Heere entzückten,
Und der König und die Königin
Hatten Söhne, das waren die Gottessöhne.
Die Gottessöhne kamen täglich zum König und sprachen:
O König, wo ist unsre Mutter?
Da sprach der König zu den Gottessöhnen:
Ihr könnt die Mutter jetzt nicht sehen.
Da sprachen die Gottessöhne:
Gepriesen sei unsre Mutter, wo immer sie ist!

Was ist Vereinigung von Mann und Frau?


Wenn der Mann und die Frau
Gemeinsam geheiligt sind
Und Heiligung begehren,
Dann allein werden sie eins genannt,
Ohne Makel vereinigt.
Darum sollen Mann und Frau
In der Stunde ihrer Vereinigung
Nur ein einziges Verlangen haben:
Der Mann und die Frau, sie sollen sich freuen
Und einer am andern ergötzen
Und sich durch Zuneigung fesseln.
So bilden sie gemeinsam
Eine einzige Seele und einen einzigen Körper.
Eine einzige Seele bilden sie
Durch die sympathetische Magie der Liebe
Und einen einzigen Körper bilden sie
Durch den Akt der Vereinigung.
Wenn Mann und Frau in heiliger Liebe vereinigt sind,
So wohnt die Gottheit in der Einigung
Und schenkt dem Augenblick des Einsseins
Die schöne Liebe des heiligen Geistes!

In dieser Stunde,
Da der Gottessohn die Vereinigung
Vollzieht des göttlichen Wortes
Mit vollkommener Ganzhingabe,
Bricht die Erleuchtung hervor
Aus der übersinnlichen Welt.
Diese Erleuchtung aus der göttlichen Sphäre
Trifft auf die Flamme der Dunkelheit
Und teilt sich in eine Vielzahl von Leuchten.
Diese Vielzahl von Leuchten
Werden Kerzen auf dem Baum des Lebens.
In diesem Augenblick verbreitet der Baum des Lebens
Als der Feigenbaum des Paradieses
Düfte in den Garten der Wonne.
Da erfreut sich der Meister an dem Duft.
In demselben Augenblick
Wird die schöne Braut geschmückt,
Um unter den Schleier des Himmelsbettes
Zum herrlichen Bräutigam zu treten.
Die himmlischen Glieder vereinigen sich
In dem einen und einzigen Wunsch,
In einer vollkommenen Ganzhingabe
Zu verschmelzen und ganz eins zu sein,
Ohne jegliche Trennung und Einsamkeit.
Dann wendet der herrliche Bräutigam
Der Braut die ganze Aufmerksamkeit zu,
Um mit ihr unterm Schleier des Himmelsbettes
Die Vereinigung zu vollziehen,
Sich mit der Braut zu vereinigen
Und zu verschmelzen in der Lust der Erkenntnis.
Darum, erwache zur Braut und sprich zu ihr:
Lausche, Geliebte, der Gottessohn kommt,
Bereite dich vor auf die Liebe!
Dein Bräutigam kommt
In Schmuck seiner Liebe und Weisheit,
Er ist bereit zur Liebe mit dir!
Der Ewige, unsere Gottheit,
Der Ewige, unsere Gottheit, ist Einheit!
In einer Liebesvereinigung
Und einer vollkommenen Ganzhingabe
Ohne Trennung und Einsamkeit
Sind alle himmlischen Glieder vereint
Und geben sich in Ganzhingabe hin,
Wenn der Gottessohn spricht:
Der Ewige ist die Einheit!
Der Bräutigam und die Braut
Vereinigen sich
Und werden eine einzige Ganzhingabe.
Da wird die Braut verschönert,
Geschminkt und geschmückt,
Ihre Freundinnen bringt sie auch
Zum herrlichen Bräutigam
Und sagt mit leise flüsternder Stimme:
Gelobt sei der Name der Schönheit des Himmels,
Gelobt sei der Name
Der Königin der Schönheit und Liebe
Von nun an und Ewigkeit um Ewigkeit!
Dies ist geflüstert,
Denn flüsternd kommt die Braut
Dem Bräutigam entgegen.
Selig sind die Menschen, die dies erkennen
Und den erhabenen Dienst an der Liebe
In gläubiger Liebe und Erkenntnis vollenden.

Das Reich ist gleich einem König,


Der zürnte mit seiner Braut
Und sie für einige Monde
Aus seinem Palast verstieß.
Als aber die Monde vergangen waren,
Erschien die schöne Braut
Erneut vorm König.
Und so geschah es wohl dreimal.
Dann wurde sie aber entfernt
Aus dem Palast des Königs
Und verstoßen auf lange Zeit,
Wohl manche Jahre vergingen,
Da sprach der König: Diese Zeit
Ist nicht wie die andern Zeiten,
Sie soll wieder vor mich treten
Mit allen andern Mägden meines Palastes,
Ich will von neuem um sie werben.
Als der König zur schönen Braut kam,
Fand er sie auf der Erde liegen.
Wer sah da nicht die Glorie dieser Braut
Und das Verlangen des Königs,
Sie wieder aufzunehmen?
Er nahm sie bei der schlanken Hand
Und richtete sie auf
Und ließ sie kommen in seinen Palast
Und sprach zu ihr: Geliebte,
Ich werde mich nimmer von dir trennen,
Ich werde dich immer lieben
Von Ewigkeit zu Ewigkeit!

Komm, Geliebter, Dodo, komm,


Geh der Braut entgegen, der fleckenlosen Freundin,
Die Königin wollen wir empfangen!
Gedenke der ewigen Ruhe in einem Wort,
Das der Ewige uns vernehmen ließ,
Einheit ist der Ewige
Und sein Name ist der einzige Name
Zur Glorie und zur Schönheit und zum Ruhm.
Der Königin lasst uns entgegengehen,
Sie spendet den Segen,
Vor Anbeginn der Schöpfung ward sie gekrönt,
Die Krone der Schöpfung ist Sie,
Die Erste im Plan der Schöpfung.
Tempel und Stadt des Königs,
Erhebe dich aus deinen Trümmern,
Du warst lange im Tal der Tränen,
Lange im Jammertal warst du,
Nun erbarmt sich der Ewige über dich.
Schüttle den Staub ab, erhebe dich,
Zieh die schönsten Kleider an,
Durch den Sohn Davids aus Bethlehem
Naht deiner Seele der Heiland!
Erhebe dich, erhebe dich,
Denn gekommen ist das Licht,
Steh auf, steh auf,
Die Schönheit des Ewigen wird offenbar.
Du musst nicht in Scham erröten.
Was bist du so traurig, meine Seele,
Was stürmst du in mir, meine Seele?
Die Armen Gottes sind in den ewigen Armen geborgen.
Die Stadt soll wieder aufgebaut werden.
Die dich plünderten, sollen geplündert werden.
Fern von dir sind deine Verderber.
Wie der Bräutigam sich ergötzt an der Braut,
So wird Gott sich an dir ergötzen!
Nach rechts und links wirst du schreiten
Und rühmen die ewige Gottheit Elohim!
Mit der Hilfe des Sohnes Davids
Wollen wir frohlocken und jauchzen!
Eine starke Frau ist eine Krone des Mannes,
Ja, in Jauchzen und Frohlocken
Kehre die Braut ein bei den Treuen!
Ja, komm, geliebte Braut, ja komm, o Braut!

Alle Seelen im Universum,


Gehaucht vom Munde des Ewigen,
Sind eins in einem Mysterium.
Wenn sie herabsteigen auf die Erde,
Trennen sie sich in Mann und Frau,
Nachdem sie zuvor als Mann und Frau vereinigt waren.
Das Erwachen des Mannes für die Frau
Und das Erwachen der Frau zum Mann
Erzeugen die unsterbliche Seele
Und das Erwachen des Mannes für die Frau
Und sein leidenschaftliches Klammern an der Frau
Erzeugen eine unsterbliche Seele.
Der Mann erfasst die Leidenschaft der Frau
Und trägt die Leidenschaft der Frau
In einer Hochzeit von Himmel und Erde
Zu Gott als ein einziges Verlangen!
Die Frau wird vom Geist des Mannes schwanger.
Die Leidenschaft von Mann und Frau ist eins,
Ununterscheidbar eins im Geist der Liebe,
Das ganze All ist in dieser Liebe enthalten.
Wenn die Seele das himmlische Schatzhaus der Seelen verlässt,
Gehen Mann und Frau als Einheit heraus.
Sind sie herabgestiegen auf die Erde,
Trennen sie sich voneinander
Und geht jede an ihren Ort.
Der Ewige, Ruhm sei seinem Namen,
Vereinigt sie später!
Die Weisheit, das Paar zusammenzuführen,
Ist allein des Ewigen, Ruhm seinem Namen,
Denn der Ewige allein in seiner Weisheit weiß,
Welcher Mann und welche Frau zusammengehören
Von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Selig ist der Mensch, der rein ist in seinem Herzen
Und auf dem Weg der Liebe geht,
So wird seine Seele dereinst vereinigt
Mit der Seele, mit der er in Ewigkeit eins ist,
Wie im Anfang, so auch in Ewigkeit!
Gesegnet ist das Schicksal von Bräutigam und Braut!

Arm ist der Mensch, der denkt,


Die Göttin Byblia singe uns Märchen und Mythen.
Denn wenn wie Göttin Byblia Mythen sänge,
Könnten wir ja selber Mythen und Märchen singen
Und eine eigene Göttin Byblia uns erschaffen.
Da gibt es in den Griechen ja schönere Mythen
Und bei den Großmüttern süßere Märchen.
Dann folgen wir den Großmüttern und den Griechen
Und machen eine zweite Göttin Byblia.
Nein, in Wahrheit ist die Göttin Byblia
Ein heiliges Ur-Wort, ein tiefes Mysterium!
Himmel und Erde sind in Harmonie,
Das Gottesvolk auf der Erde
Und die Chöre der Engel im Himmel.
Der Ewige macht die Engel zu Boten.
Wenn die Engel auf die Erde kommen,
Umkleiden sie sich mit irdischer Hülle,
Sonst vermöchten wir ihre Schönheit nicht zu ertragen!
Ist dies schon bei den Cherubim und Seraphim so,
Um wieviel mehr bei der heiligen Göttin Byblia!
Die Göttin Byblia hat ja die Engel erschaffen
Und alle Sphären des Kosmos erschaffen.
Wenn die Göttin Byblia in die Welt kommt,
Würde sie sich nicht weltlich kleiden,
Wir könnten ihre feurige Schönheit nicht ertragen!
So sind die Märchen und Mythen
Die Kleider der Göttin Byblia.
Wer glaubt, Kleider und Schmuck seien schon die Göttin,
Der ist ein armer Narr!
Öffne meine Augen, o heiliger Geist,
Daß ich schaue, was unter den Kleidern ist!
Denn siehe, die Kleider sind allen sichtbar,
Nur Toren wollen nichts als Kleider schauen.
Aber die Schönheit des Kleides
Liegt in der größeren Schönheit des nackten Körpers!
Laß mich den nackten Körper der Göttin schauen!
Aber die Schönheit des nackten Körpers
Wird übertroffen von der heiligen Schönheit
Der schönen Seele der Göttin Byblia!
Geist, laß mich tiefe Blicke tun in die Seele der Göttin!
Der Körper der Göttin Byblia
Sind die Gesetze und Gebote.
Aber die Weisen, die vor dem brennenden Dornbusch gestanden
Und schauten das verzehrende Feuer Gottes,
Die schauen in die Seele der Göttin Byblia,
Das ist die wahre Göttin Byblia.
Aber in dem kommenden Zeitalter
Werden sie von Ewigkeit zu Ewigkeit schauen
Die Gott-Natur in der Seele der Göttin Byblia!

VIERTER GESANG

Rahel aber sprach zu Lea:


Gib mir die Liebesäpfel deiner Söhne!
Lea aber sprach zu Rahel:
Ist es dir noch nicht genug,
Daß du mir den Mann fortgenommen hast,
Willst du auch noch die Liebesäpfel meiner Söhne?

Der Liebesapfel, das sind die Tugenden aller Heiligen.


Die Pforten, an denen die Liebesäpfel hängen,
Sind die Doktoren der Kirche.
Die Liebesäpfel duften an den Pforten,
Weil die geisterfüllten Menschen
Den Duft ihrer Tugend verbreiten.

Nachdem aber Sulamith


In die Halle des Königs aufgenommen
Und zur Königshochzeit bestellt,
Da ward vom hohen Norden
Dem Bräutigam eine neue Braut zugeführt,
Ein Liebesapfel ohne Kopf.
Ihr setzte der Bräutigam eine goldene Krone auf,
So ward auch sie zur Hochzeit geladen.
Als aber Sulamith die Stadt verließ,
Fand sie die Liebesapfel-Braut
Kopflos auf dem Felde liegen.
Mitleid ergriff die schöne Sulamith
Und sie flehte den König an,
Sich der Elenden zu erbarmen.
Der König ging mit Sulamith aufs Feld
Und fand die Liebesapfel-Braut
In erbarmungswürdiger Nacktheit,
Kleidete sie
Und führte sie in sein Brautgemach.
Nun setzte er der kopflosen Braut
Ein goldenes Haupt auf,
Indem er seine Gottheit
Ihr im Glauben zu erkennen gab.
So wird sie gekrönt mit Glorie,
Er vermählte sich ihr im reinen Licht der Schau.

Wer die Braut hat,


Ist der Bräutigam.

Das Himmelreich gleicht den Jungfraun,


Die mit den Öl-Lampen
Dem Bräutigam entgegengingen.

Jetzt ist die Zeit gekommen


Nach dem Lied der Sibyllen,
Es beginnt von neuem eine Zeit,
Jetzt kehrt wieder die Jungfrau,
Es kommt das goldene Zeitalter wieder,
Jetzt steigen Himmelsmenschen aus den Höhen nieder!
Schau nur an die Geburt des göttlichen Kindes,
Welches den Anfang des goldenen Zeitalters bringt.

Kind, erkenne die Mutter


Und grüß sie mit lieblichem Lächeln,
Knabe, siehe, wem nicht die Mutter gelächelt,
Dem bereitet der Gott keinen Tisch,
Dem bietet die Göttin nicht ihr Bett!

Seele, du wuchsest heran


Und blühtest wie eine Jungfrau.
Deine Brüste wurde jugendlich straff
Und dein Schamhaar sprosste,
Du warst nackt!
Da ging ich vorüber
Und sah dich an
Und da war es die Zeit der Liebe.
Da breitete ich meinen Zipfel über dich
Und bedeckte dich
Und schloß einen Bund der Liebe mit dir
Und du wurdest ganz mein!

Kommt nun auf mich herab,


Ihr Worte der Weisheit,
Begattet mich,
Laßt euren Samen in mich fließen!
Wenn ihr die tiefgründige,
Fruchtbare und jungfräuliche Seele seht,
Geht nicht vorüber,
Ruft sie zu eurem Verkehr,
Erfüllt sie und schwängert sie!

Wir bereiten das Brautgemach,


Und jene, die in die Mysterien eingeweiht sind,
Werden bereitet zur pneumatischen Hochzeit,
Nachzuahmen die himmlische Hochzeit
Von Logos und Sophia!

Das Mädchen ist die Tochter des Lichts,


Der Abglanz des Königs wohnt ihr bei,
Erquickend ist ihr Anblick,
In Schönheit strahlt sie!

Ihr Brautgemach duftet


Von Myrrhe und Narde, Balsam und Aloe,
Rosenöl und Jasmin,
Drinnen sind duftende Rosen ausgebreitet,
Das Brautbett ist mit Schilf gekränzt,
Sieben Brautführer stehen an dem Bett,
Sieben Jungfraun führen sie zum Bräutigam,
Die tanzen vor ihr den Hochzeitstanz.
Zwölf Dienerinnen dienen ihr,
Die sind Sklavinnen der Tochter Gottes.
Sie richtet ihren Blick auf den Bräutigam,
Um durch diesen Anblick erleuchtet zu werden
Und auf ewig sein Freudenmädchen zu sein
Und seine Wonne der himmlischen Wollust!
Und sie werden bei der Hochzeit thronen,
Da werden sich die Heiligen und die Weisen versammeln.

Und sie werden zum Hochzeitsmahl sich versammeln


Und gewürdigt werden des gemeinsamen Kelches.

Sie trinken den mystischen Wein,


Der keinen Durst und keine Begierde erweckt,
Und sie preisen mit dem Heiligen Geist
Den Vater in Wahrheit und die Mutter Weisheit!

Die Weisheit kam nicht nackt zur Welt,


Sie ist gekleidet in Typen, in Ikonen.
Die Welt kann sie nicht anders empfangen.
Es gibt eine Geburt
Und eine Wiedergeburt im Zeichen.
Es ist wahrlich notwendig,
Wiedergeboren zu werden im Zeichen.
Es ist notwendig, dass das Zeichen sich zur Wahrheit erhebt.
Es ist notwendig, dass der Bräutigam und die Ikone
Eingehen in die ewige Weisheit,
Die die Wiederherstellung aller Schöpfung ist.
Der Herr bringt alles in Mysterien:
Eine Taufe, eine Salbung,
Eine Eucharistie, eine Erlösung,
Ein Brautgemach!

Nun kommt der Bräutigam


Nach dem Willen des ewigen Vaters
Zur Braut ins Brautgemach.
Der Bräutigam schmückte das Brautgemach.
Diese Hochzeit ist nicht wie eine fleischliche Hochzeit,
Wobei die, die sexuellen Verkehr mit einander üben,
Ihre sexuellen Wonnen aneinander haben.
Diese lassen die Wollust hinter sich
Und dienen einander in himmlischer Liebe.
Diese Vereinigung ist so, dass, wenn sie einander dienen,
Dann werden sie ein einziges ewiges Leben.

Die Matronita vereinigte sich mit dem König.


Durch die Vereinigung wurde
Ein einziger Körper.
Das ist der Segen dieser Stunde.
Was nur männlich und nur weiblich ist,
Ist nur ein Teil von einem Körper.
Es ist kein Segen an einem unvollkommenen Teil,
Nur an dem vollkommenen Ort ist Segen.
Die geteilten blieben nicht auf Dauer,
Die vereinigten bleiben ewig.

Als die Urgottheit alles schuf,


Schuf sie es in Gestalt von Mann und Weib.
Das war der Anfang alles Daseins,
Das mit Frau Weisheit begann,
Da ward Mann und Frau,
Nämlich die Weisheit als Frau
Und der Verstand als Mann,
Aus deren Vereinigung alles Sein entstand.

Es ward aus Morgen und Abend ein Tag.


Es ist keine Nacht ohne Tag, kein Tag ohne Nacht,
Sondern die Vereinigung zur Einheit bildet die Zeit.
So hat auch der Herr mit seiner Herrlichkeit
Sich in Liebe vereinigt,
So sind sie zusammen eins,
Wenn sie nicht getrennt sind.
Aber weil die Herrlichkeit in der Verbannung ist,
Kann sie nicht eins mit dem Bheherrn genannt werden.
Wann aber werden sie eins genannt?
Wenn die Herrlichkeit aus der Verbannung heimkehrt,
Um sich mit dem Herrn zu vereinigen.
Dann wird Gott eins sein und sein Name wird eins sein.
Eins ohne das andere aber wird nicht eins sein,.

Geh, mein Geliebter, der Braut entgegen,


Das Antlitz der Frau Sabbath empfange!

Bereite das Mahl des vollkommenen Glaubens


Zur Ergötzung des heiligen Königs,
Bereite das Mahl des mystischen Königs,
Dies ist das Mahl des glückseligen Granatsapfels!

Ich singe die Hymne vom Gang zu den Granatäpfeln,


Den Granatäpfeln, die heilig sind,
Wir rüsten dem Granatapfel jetzt einen Tisch,
Einen schönen Leuchter, der strahlt,
Zwischen rechtem Leuchter und linkem Leuchter
Kommt die Braut in kostbarem Schmuck und reizenden Kleidern.
Der Gatte umarmt sie in ihrem Grunde
Und schenkt ihr Erfüllung
Und presst ihr alle Kräfte aus!
Jammer und Elend sind aufgehoben,
Nun erscheint das selige Antlitz und die schöne Gestalt.
Es bringt ihr Wonne in doppeltem Maß,
Licht erstrahlt und Segenströme strömen!
Brautführer, führt die Braut herbei,
Süße Speise, Fisch und Eier,
Seelen zu zeugen und geistige Kinder!
Ich ordne nach Süden die mystische Kerze,
Dem Tisch mit der Speise geb ich im Norden Raum,
Mit dem Wein im Becher,
Umkränzt von Myrtenzweigen,
Dem Bräutigame und dem Verlobten
Zur Stärkung der Schwachen.
Ich flechte euch Kronen aus edlen Worten,
Zur Krönung der Myriaden auf zwölf Pforten!
Die Herrlichkeit sei umringt mit Sabbat-Broten
Und von allen Seiten mit dem Herrn vereinigt!

O der Stunde, wenn Mann und Frau vereinigt


In himmlischer Heiligkeit
Zur Richtung des Sinnes der Heiligung!
Wenn Mann und Frau in Liebesvereinigung
In der Richtung der Heiligung sind,
Dann wird die Menschheit vollkommen
Und eins genannt,
Ohne Makel des Wesens.
Darum soll der Mann in dieser Stunde
Sich immer seinem Wein vereinigen,
In personaler Einheit mit ihr,
Des Willens, des Verstandes, des Gefühls,
So sind sie beide auf ein einziges Ziel gerichtet.
Wenn sie so die Einheit finden,
Ist es Einheit der Seele und des Körpers.
Einheit der Seele
Ist Berührung des Willens der Liebe,
Einheit der Körper
Ist ein unabgespaltenes Menschendassein.
Wenn Mann und Weib sich vereinigen,
Wenn sie eine Seele und ein Körper werden,
Wird der Mensch eins genannt.
Auf solche Weise weilt die Urgottheit im Eins
Und senkt sich der Heilige Geist in die Einheit!

Entzücken fühl ich!


Was das Entzücken sei,
Sagt keine Menschensprache,
Sagt keine Engelszunge!

Komm, nach der meine Seele verlangt,


Begehrte und immer begehrt
Und ewig begehren wird!
Komm, Einsame, komm,
Komm zu dem Einsamen, komm,
Denn ich bin einsam, wie du siehst!
Komm, die du mich abgesondert
Und einsam auf Erden gemacht hast!
Komm, die du mein Verlangen geworden bist,
Die du gemacht hast, dass ich dich begehre,
Der zuzustreben keiner vermag!
Komm, du mein Atem und du mein Leben!
Komm, Trösterin meiner Seele!
Komm, Jubel und Herrlichkeit
Und unaufhörlich mein Ergötzen!
So schlage denn, Herrin Liebe, dein Zelt in mir auf
Und wohne mir bei,
Und scheide nie mehr von mir!

Glücklich die Seele,


Die so heiße Umarmung erfahren darf!
Es ist nichts andres als reine und heilige Liebe,
Zärtliche, süße Liebe,
Heitere, lautere Liebe,
Innige, starke Liebe,
Gegenseitige Liebe!
Die zwei sind in Einem Geiste vereinigt
Und so sind die zwei nicht zwei mehr,
Sondern die zwei sind Eines geworden!
Wer Gott anhangt, wird Eins mit Ihm!

O Jubel der Schau,


O Freude, o süßes Grüßen des Engels
Und glückliches Umschlingen!
Deine Wunder der Liebe, o Herr, haben mich betört,
Deine Gnade wirft mich in den Staub!
Verborgene Gottheit, Taube in der Felsspalte,
Nachtigall, verborgen in der dunklen Nacht,
Adler hoch am lichten Himmel erhaben!

Ich bin aus Liebe dein Gefangner,


Ich komme gern zu dir,
Ich will dich mit meinem Erbarmen krönen!
Überwinder der Sinnlichkeit bin ich!
Du kommst bald an einen Ort,
Wo all dein Elend ein Ende hat.
Der göttliche Strom, der von mir
In die Seelen fließt,
Der strömt auch in dich
Und strömt wieder aus dir hervor zu den anderen Seelen.
Ich komme zu dir, wie einer,
Der aus Liebe gestorben ist,
Ich komme, wie der Gemahl ins Brautbett,
Ich komme mit Begierde zu dir,
Ich komme wie einer, der große Geschenke gibt!

Nach manchen Stürmen ist mein Geist


Durch der Hölle Pforten gewandelt –
Lasse alle Hoffnung fahren –
Und bis in den innersten Schoß
Der gebärenden Gottheit
Und dort mit seliger Liebe umfangen,
Wie der Bräutigam seine Braut umarmt!
O ein Triumphieren des Geistes,
Unbeschreiblich ist es!
Das ist, als ob mitten im Tode das Leben
Geboren wird und ist gleich
Der Auferstehung des Fleisches!

Sophia schenkt sich,


Sie ist unbefleckt und makellos,
Der Mensch wird in Weisheit verwandelt,
Aber die Weisheit nicht in den Menschen verwandelt.
Keine irdische Schönheit einer schönen Frau,
Keine himmlische Schönheit einer Göttin,
Kein Umarmen einer Geliebten,
Keine sexuelle Vereinigung mit einem Wonneweibe
Läßt sich vergleichen mit der Ekstase
Der Vereinigung mit Sophia!
Solche Süßigkeit, solche Schönheit,
Solche Wonne und Wollust!
Wer leidenschaftlich lieben will,
Der liebe Sophia!
Er freie um Sophia,
Daß er zu ihr kommen darf!
Denn wie ein verliebtes Auge
Schmachtend und dürstend
Nach den Reizen des Körpers der Geliebten schaut,
So begehrt Sophia das schöne Herz des Menschen!

Die Seele hat solch ein unaussprechliches Gefühl,


Mit dem sie die Weisheit berührt
Und wie ein brennender Liebhaber
Leidenschaftlich umarmt!
Liebe Sophia,
Damit Sophia dich umarmt!
Die Leiber werden durch die Umarmung
Von Sinnlichkeit besudelt,
Aber die Seele umarmt die Weisheit
Und vereinigt sich mit Sophia
Und verschmilzt mit ihr in der Glut der Liebe!
So wird der Mensch geschwängert
Mit Heiligkeit und Reinheit!

Adam war ein Mann und war ein Weib,


Adam und Eva sind ein einiger Mensch!
Es ist die Liebeswesenheit des inneren Himmels,
Des mystischen Leibes Zelt,
In keiner Weise offenbar
Im eitlen Fleisch der Erde.
Am Jüngsten Tag des Weltgerichts
Soll der einige Mensch geschieden werden
Von dem nichtigen Fleisch der Erde
Und der Versuchung des Teufels.
Dann wird die eine Liebeswesenheit
Ineinander vermählt in Einem Körper sein
Und sind nicht mehr zwei Leiber, sondern einer!
Die Natur sehnt sich nach dem Ewigen
Und möchte gern die Vergänglichkeit los sein!
Daher ist das heiße Begehren
In dem Weib und in dem Mann,
Sich eins sehnt mit dem andern zu verschmelzen!
Das Fleisch versteht das nicht
Und auch der Gedanke erkennt das nicht,
Sondern es sind zwei kosmische Säfte,
Männlicher Saft und weiblicher Saft,
Die wissen im Innern darum.

Will die Seele nun Christi Lorbeerkranz erringen


Von der makellosen Jungfrau Sophia,
So muß er in brennender Liebesbegierde
Buhlen um die Buhlin!
Das ist die Blume von Scharon,
Die Rose im Tal,
Von der Salomo im Liebeslied gesungen
Und die er seine makellose Freundin nennt,
Die auch manch ein Heiliger nach ihm geliebt hat!
Wer die Jungfrau Sophia gewinnt,
Dem verheißt sie ihre Perle,
Dem verheißt sie mit keuscher Erotik,
Ihm im Paradies ihre Perle zu schenken
Und sich selbst ganz hinzugeben,
Um in Ewiger Wollust mit ihm zu verschmelzen!

Liebe Seele, sei freundlichernst


Und suche ohne Unterlaß!
Den Liebeskuss der makellosen Jungfrau Sophia
Empfängst du wohl im benedeiten Namen Jesu,
Sie wartet ja sowieso vor deiner Tür
Und klopft an und wartet darauf,
Eingelassen zu werden in deine einsame Wohnung.
So du nun ihre Liebe begehrst
Und verlangst nach ihrer Ganzhingabe,
So will sie dir zu Willen sein
Und dich küssen mit den lichten Strahlen
Ihrer süßen himmlischen Liebe,
Daß dein Herz vor Freude fast stirbt!
Aber in das Ehebett legt sie sich nicht sogleich,
Sondern prüft dich, ob du ihr treu bleibst,

Dann aber legt sie sich in das Ehebett zu dir


Und erweckt in dir dein eigenes Himmelsbild,
Den Menschen des Paradieses in dir!

Da wird ein kühner Freier erscheinen


Wie ein feuriger Löwe
Und im Bad mit der betauten Lilie vermählt!
Dann werden beide mit offenherzigen Flammen
Von einem Brautbett ins andre gewälzt!
Da erschien mir in bunten Farben
Die jungfräuliche Königin
In dem magischen Spiegel!
Sie ist die himmlische Medizin meiner Seele!

Durch Männlichkeit und Weiblichkeit


Wird das Werk vollzogen
Und erzeugt und gebiert den Ganzen Menschen!

Ich hatte eben mit meinem Herrn gesprochen


Und über die Mysterien nachgedacht,
Die mir Seine Majestät offenbarte.
Da stürmte ein solch gewaltiger Sturm daher,
Daß ich meinte, mein Haus stürze um!
Der Teufel kann mir nichts tun,
Ich blieb in meiner Meditation,
Bis mich jemand ganz sanft am Rücken berührte
Und mich zärtlich streichelte,
Da war ich so aufgewühlt, mein Herz pochte so heftig,
Ich traute mich kaum, zu schauen nach der Gestalt,
Da sah ich eine wunderschöne Frau,
Ihr Kleid war grünblau und geziert mit goldenen Sternen
Wie am Himmel geordnet
Am Tag der Makellosen Konzeption!

Vorüber ist der lange Schmerzenstraum der dunklen Nacht,


Sophia ist die Hohepriesterin meines Herzens!

Soll ich denn ewig getrennt sein?


Die Ahnung
Der Vereinigung in der Ewigkeit
Mit jener Geliebten, die ich hier schon schaute,
Aber noch nicht ganz mit ihr eins sein konnte,
Das ist nicht Rausch und Wahnsinn,
Das ist die Stimme des Genies!
Schauen werd ich, was mich unsterblich macht,
Schauen und erkennen werde ich jene
Geistige Frauenwürde,
Die hier nur einzeln erkannt wird.

Dann wird in Ewigkeit die Menschheit sein,


Was die verklärte Geliebte mir hier schon ist,
Vollkommene Grazie Gottes,
Keusch und erotisch,
Dann wird die höhere Erkenntnis
Nicht mehr verwechselt mit Rausch des Weines!

Das tiefe Mysterium ist nun offenbar


Und bleibt doch ewig unergründlich!
Aus Schmerzen wird das Paradies geboren,
Die Tränen werden in Asche aufgelöst
Und werden zum Becher des Elends,
Den Becher leerte ich ganz!
Ich fühle die süße Geburt in meiner Seele,
Das mystische Kind ist geboren,
Denn in mir wohnt die göttliche Mutter!

FÜNFTER GESANG

O Maria Genetrix!
O Mater Domini!
O Regina Coelorum!
O Stella Maris!
O Stilla Maris!
O Alma Mater!
O Stella Matutina!
O Rosa Mystica!
O Virgo Caelestis!
O Diva Claramontana!

Wie sind deine Schritte so schön


In den Sandalen, Prinzessin!
Der Bug deiner Hüften
Gleicht einem Geschmeide,
Dem Meisterwerk eines Künstlers!
Dein Becken ist ein runder Becher,
Nie mangelt ihm der würzige Wein!
Dein Leib ist ein Weizenbündel,
Umsteckt mit Lilienblüten.
Deine beiden Brüste sind Kitze,
Zwillingskitze einer Ricke!
Dein Hals ist ein Elfenbeinturm!
Wie bist du so schön und lieblich,
Du Liebe voller Wonne!
Deine Gestalt ist gleich der Palme,
Deine Brüste gleichen den Trauben!
Ich will die Palme besteigen
Und pflücken die Dattelfeige!
Deine Brüste sollen mir wie Weintrauben munden!
Der Duft deines Atems ist Minze!
Die Küsse deines Mundes, der scharlachroten Schnur,
Sind mir wie edler Glutwein,
Strömend in meiner Liebkosung,
Meine Lippen benetzend und meine feurige Zunge!

Die Geliebte jubelt:


Ich bin meines Geliebten
Und mein Geliebter ist mein!
Komm, wir wollen in den Garten gehen
Und nächtigen auf dem Lande!
In der Frühe brechen wir auf,
Zu schauen, ob der Granatbaum schon blüht!
Dort, unter Henna wollen wir schlafen,
Dort geb ich dir ganz meine Liebe hin!

Wie eine Blume im Garten laß ich dich wachsen,


Du bist herangewachsen, Geliebte,
Deine Brüste wurden voll
Und dein schwarzes Schamhaar kraus!
Du warst ganz nackt und bloß!
Da kam ich und sah,
Da war die Zeit der Liebe gekommen!
Da breitete ich über dich den Zipfel meines Rockes
Und bedeckte deine Nacktheit!
Ich schwor dir meine Liebe
Und schloß einen Pakt der Liebe mit dir!
Spruch Jehowahs:
Du bist ganz mein, Geliebte!

Maria wurde mit der Frucht des Paradieses gespeist!


Fatima ward aus den Feigen des Gartens Eden erschaffen!

Während der Nachtfahrt in den Himmel


Ward Mohammed – Friede sei mit ihm! –
Von Gabriel an der Hand genommen
Und geführt ins Paradies!
Dort hat der Engel dem Propheten
Dattelfeigen überreicht,
Mohammed hat die Früchte gespeist,
Sie wurden in seinen Lenden zu Samen!
Als der Prophet auf die Erde zurückgekommen,
Hat er seinem Weibe beigewohnt,
Die wurde schwanger mit Fatima!
Mohammed nannte Fatima darum
Menschliche Paradiesjungfrau!
Mohammed sprach: Immer,
Wenn ich mich nach den Düften des Paradieses sehne,
Rieche ich die Düfte Fatimas, der menschlichen Haura!

Das Licht vermählt sich dem Licht.


Vormund ist Gott,
Brautwerber ist der Engel Gabriel,
Verkünder ist der Engel Michael,
Zeugen waren die Engel des Himmels und der Erde.
Da gebot der Herr dem Paradiesbaum:
Streue die Feigen aus, dir an dir schaukeln!
Da streute der Paradiesbaum Perlen aus,
Rote Rubine und grüne Chrysolithe!
Und die Huris mit den schönen Augen
Sammelten ein die Perlen des Paradieses
Und schmückten sich mit den Perlen!

Am Tage des Jüngsten Gerichts


Wird Fatima kommen
Geritten auf einem Kamel des Paradieses,
Dessen Sattel aus weißen Perlen besteht,
Dessen Beine aus grünen Smaragden bestehen,
Dessen Schwanz aus duftendem Moschus besteht,
Dessen Augen zwei roten Hyazinthen gleichen.
Über Fatima erhebt sich eine Kuppel aus Licht,
Ihr Inneres ist die Allvergebung Gottes,
Ihr Äußeres ist die Allbarmherzigkeit Gottes!
Fatima trägt eine Krone aus Licht
Mit siebzig Ecken, in jeder Ecken sind Perlen,
In jeder Ecke sind rote Hyazinthen.
Rechts und links von ihr sind zehntausend Engel.
Gabriel führt das Paradieskamel am Zügel
Und ruft: Schließt eure Augen,
Bis Fatima vorübergezogen ist!

Im Paradies wohnt Fatima in einem Palast,


Der eine mächtige Kuppel aus roten Hyazinthen hat
Und hunderttausend Tore besitzt, die aus Perlen sind,
An denen tausend Engel stehen.
Den seligen Paradiesbewohnern erscheint
Der Palast der Fatima wie der Morgenstern,
Wie der Morgenstern am östlichen Horizont des Himmels!

Fatima ist die Glänzende, Schimmernde, Funkelnde,


Fatima ist die Leuchtende, Glitzernde, Glühende,
Fatima ist die Flammende, ist die Feurige, ist die Lichte,
Fatima ist die Herrin,
Herrin der Frauen im Diesseits und Jenseits,
Fatima ist die Allbarmherzige,
Fatima ist die Jungfrau, zu der Gott gesprochen
Durch den grüßenden Engel Gabriel,
Fatima ist die jungfräuliche Jungfrau,
Fatima ist die Reine,
Fatima ist die Herrin des Paradiesbaums,
Fatima ist die Schwester Marias,
Maria von Fatima ist die größte Maria!

Gott machte Marias Scham unzugänglich,


Da blies Gott ihr seinen Geist ein!
Maria ist die menschliche Paradiesfrau,
Madonna ist die menschliche Haura des Gartens Eden!

Als Fatima geboren ward,


Stand Sarah, Abrahams Herrin, am Wiegenbett,
Miriam, die Schwester des Mose,
Und Maria, die Mutter des Propheten Jesus,
Sie standen um das Wochenbett Chadischas,
Als sie Fatima gebar.

Im Himmel umgeben Chadischa und Fatima,


Sarah und Mirjam Prophetissa
Die allerseligste Jungfrau Maria
Wie verschleierte Paradiesfrauen!

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch,


Die in Minne flammenden Dichter
Preisen Fatima als den Schöpfer!
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch,
Die in Minne flammenden Dichter
Preisen die allerseligste Jungfrau Maria
Als Mutter des Schöpfers!

Die Huris warten in dem Paradiese,


Eine Haura wartet im Paradies auf mich!
Die Huris, das sind die Frauen, in deren Augen
Das Schwarze und Weiße besonders intensiv ist!

Der ins Paradies aufgenommene Mensch


Wird Gott nah sein in dem Garten der Wonne,
Auf golddurchwirktem Ruhebett wird er liegen,
Ewigjunge Knaben spazieren umher
Mit Kelchen und Bechern
Und Gläsern frischen Quellwassers,
Er wird kein Kopfweh haben vom Wein!
Früchte wird er speisen, wie er sie wünscht,
Und Geflügelfleisch nach seinem Wunsche speisen,
Woran er nur Lust hat,
Und wird sich ergötzen an der schönblickenden
Haura mit den Mandelaugen!
Sie ist einer aufgesparten Perle gleich!

In dem paradiesischen Garten


Wartet ein weibliches Wesen,
Das schüchtern die Wimpern senkt,
Von keinem Mann und keinem Engel beschlafen,
Diese Haura ist so schön, als sei sie
Aus reinen Korallen und Hyazinthen gebildet.

Der Gottesfürchtige hat nichts als Glück zu erwarten,


Den Garten Eden und schwangere Weinberge,
Haura, gleichaltrige Freundin,
Haura mit schwellenden Brüsten
Und einem immer wieder gefüllten Becher!

Haura ist aus Safran, Moschus, Ambra und Kampfer,


Hauras Augenbrauen
Sind schwarze Linien, auf Licht gezeichnet,
Hauras Stirn ist eine aufgehende Mondsichel,
Hauras Antlitz reflektiert das Licht Gottes!
Hauras Hände sind geschmückt mit Juwelen und Edelsteinen.
Haura wohnt in einem Paradiesschloß,
Das aus einer einzigen Muschelperle gebaut ist!
Die Wonne, die ich erleben werde mit Haura,
Ist hundertmal süßer als alle irdischen Wonnen!
Nach jedem Liebesakt ist Haura
Wieder makellose Jungfrau!
Keine üble Laune durch die Menstruation befällt Haura!
Haura wird mit mir trinken den Wein des Himmels!

Die Erscheinung Mariens:


Die Haare lang und schwarz!
Die Augen dunkel und glühend!
Die Haut bräunlich getönt!
Der Körper edel und vollkommen schön!

Maria ist auffallend schön


Und wohlgestaltet,
Unerreicht an lieblichem Liebreiz!

O sie ist in Wahrheit die Schönste aller Frauen!

Sie ist die minnigliche Morgenröte,


Sie ist der lichte Morgenstern, die wahre Venus!

Durch ihre Bitten gibt sie


Den Erschlafften Kraft!

Wie in der sammelnden Spitze


Einer Pyramide
Ist in Maria die brennende Sehnsucht
Aller Auserwählten und Seligen
Auf dem Höhepunkt angelangt!

Berauscht an Marienminne bin ich,


Ich kniee vor der Madonna,
Ein Milchstrahl aus ihrer bloßen Brust
Ergießt sich über meinen Mund!

Das ist es, was du suchtest,


Um was du seufztest,
Tag und Nacht in Gebeten ersehntest!
Bist du es, der dies versprochen wurde,
Oder sollen wir auf eine andere warten?
Ja, du bist es und keine sonst!
Du bist die Verheißene,
Die Erwartete, die Ersehnte!
Warum erwartest du von einem andern Menschen,
Was dir doch selbst angeboten wird?
Warum zögerst du?
Glaube, bekenne, nimm entgegen!
Öffne, selige Jungfrau, das Herz dem Glauben,
Die Lippen dem Bekenntnis,
Den Mutterschoß dem Schöpfer!
Siehe, der Ersehnte aller Völker
Pocht an die Pforte!
Was, wenn er vorübergehen müsste
Und du aufs neue schmerzvoll suchen müsstest?
Steh auf, Geliebte, und öffne!
Eile durch Ganzhingabe,
Öffne dich dem Bekenntnis:
Ja, ich will!
Ich bin die Sklavin!
Mir geschehe nach dem Wort!

Maria verhilft selbst einer Äbtissin


Zur schmerzlosen Geburt eines Kindes.
Maria legt sich neben Ehemänner
In das eheliche Bett,
Die Präsenz der Ehefrau vorzutäuschen,
Die beim Hausfreund im Bette liegen!
Maria schützt den Geistlichen segnend,
Wenn er zu seiner Konkubine schleicht!

Die Milch, die aus ihren bloßen Brüsten spritzt,


Heilt alle Wunden, auch Herzenswunden!

Ich bin der Sklave der Madonna,


Der Ritter der Minnedame,
Der Sohn der Gottesmutter!

O Maria, dich erwähle ich


Zu meiner Mutter,
Dich will ich besitzen, dich allein,
Als meine Braut, Vollkommenschöne,
Indem ich alles Irdische verschmähe!
Alle Regungen meines Herzens
Sollen streben zu dir!
Darum erhebe dich in deiner Wohlgestalt,
Schreite selig dahin
Und herrsche über meine Sinne,
Daß sie nicht den chaotischen Leidenschaften verfallen!
Herrsche über meine Phantasie,
Daß sie erfüllt wird mit deiner Schönheit!
Herrsche über mein Herz,
Daß alle Gefühle sich neigen zu dir!
Herrsche über meinen Willen,
Damit ich eifrig deinem Reiche diene!
O Madonna meiner Seele, sei meine Braut!
Als Zeichen deines Jaworts, Maria,
Erwarte ich nicht ein Wunder, allein die Gnade,
Daß ich nicht dem Chaos der Begierde verfalle!
Als Zeichen meines Verlöbnisses werde ich
Das Medaillon der Unbefleckten Empfängnis tragen,
Daß ich allezeit, am Tag und in der Nacht,
An meine süße Braut und Geliebte denke!
Da nun unter Brautleuten alles gemeinsam ist,
Laß mich teilhaftig werden deiner himmlischen Gnaden,
Zu deren Spenderin du bist bestellt,
Ich werde mich allzeit bemühen,
Deinen Ruhm zu mehren
Und die Liebe zu dir zu entfachen!

Wenn ich es wünsche,


Entblößt Maria die schönen Brüste,
Entblößt die Jungfrau die prallen Brüste
Und bespritzt mich mit süßer Milch!

Ihre beiden Brüste


Sind das alte und das neue Testament,
Ihre bloßen Brüste
Sind die Gottesliebe und die Menschenliebe,
Ihre prallen Brüste
Sind das Mitleiden und die Mitfreude!

Die eine Brust


Flößt Kindern Milch ein,
Die andre Brust
Flößt Weisen Wein ein!

Ich darf mich getrost an ihren Busen legen


Und saugen bis zur Sättigung,
Alle reinen Kräfte stehen offen,
Sie im paradiesischen Liebesspiel in sich zu ziehen!
In ihrer ganzen Beiwohnung ist eine selige Lust!
O reine Wollust, komm
Und besuche den deinen noch öfter
Und laß es ferner an Liebesreizungen nicht mangeln!
Würdige mich deiner Geheimen Beiwohnung immerfort...

ODE AN MARIA
„Jungfrau, Mutter, Königin,
Göttin, sei uns gnädig!“
(Goethe, Faust III)

ERSTER GESANG

1
Aber dein Leib,
Maria, ohne Gewalt
Und ohne Verletzung der Scham,
Schwoll an
Vom geheimen Wort,
Der strahlenden Kraft,
Gewirkt vom Himmel,
Steigt herab der Herr,
Gott durch alle deine Glieder,
Gott gibt sich dir ganz hin
Und mischt sich deinem Schoß,
Dein Schoß, von Gott berührt,
Erschauert und all dein Innres.

Maria steht im milden Licht


Und dreht sich nach links,
Über ihr ein Zelt, mit Pelzen gefüttert,
Zwei Engel öffnen eben das Zelt.
Marias einfaches blaues Kleid
Mit enganliegendem Oberteil
Und rauschendem Rock
Ist zu eng der schwangeren Frau.
Darum hat sie unter den Brüsten
Das Kleid geöffnet,
So dass das weiße Unterhemd zu sehen ist.
In die schwarzen Zöpfe hat sie rote Bänder geflochten
Und die Haarflut kunstvoll auf dem Haupt frisiert.
Unter schweren Augenlidern
Der Blick schaut in das Nichts,
Maria ist in Gedanken versunken.
Die schlanken Finger ihrer schmalen Hand
Liegen leicht auf dem Leib,
Dessen weibliche Rundung betont.
Die Aureole offenbart,
Daß die Schwangere nicht von dieser Welt ist.

Maria, Jesu Mutter,


War verlobt mit Josef.
Noch bevor sie zusammengekommen war,
Zeigte sich, dass sie schwanger war
Durch das Wirken des Geistes.
Josef, ihr Mann, war ein Gerechter,
Er beschloß, sich in aller Stille von ihr zu trennen.
Aber ein Engel im Traum
Zerstreute Josefs Bedenken und sprach:
Josef, du Sohn Davids,
Fürchte dich nicht,
Maria, deine Verlobte, zur Frau zu nehmen!
So zog Josef aus Galiläa hinauf
Nach Judäa in die Davidsstadt Bethlehem,
Weil er vom Stamme Davids war,
Mit Maria, seiner schwangeren Frau.
2

O schwangere Mutter Gottes,


Ich lobe deinen heiligen Leib,
Der neun Monde lang so heilige Frucht getragen!

Maria,
Du bist das Paradies des Lebensbaumes,
Du bist die fruchtbare Erde, die Gott beackert,
Die bist das goldene Faß, darin Gott den Wein gelagert,
Den Mischwein der Gottheit und Menschheit,
Du bist der goldene Schrein der Dreifaltigkeit,
Du bist das goldene Haus, das der Vater gestaltet hat,
Du bist der offene Himmel, in dem die göttliche Sonne wohnt,
Du bist die Pforte, durch die der Gottmensch ging,
Du bist die goldene Arche, in der das Manna lag,
Du bist der Tempel Salomos, da der heilige Vater wohnt.

Offenbarung:
Unsre Liebe Frau Maria
Tritt zu ihrem Sohne Jesus und spricht:
O Herr, ich mahne dich bei der Liebe,
Mit der du neun Monde lang gelegen
Unter meinem makellosen Mutterherzen,
Daß du diesem Menschen, der mir vertraut,
Deine Barmherzigkeit schenkst!

Öffne dem Worte Gottes dein Ohr,


Um zu hören Gottes Wort.
Es ist der Weg der Empfängnis des Geistes
Im Schoß des Herzens,
Daß die Glieder Christi, seine Tugenden,
Sich im Leib der schwangeren Mutter formen,
Nämlich in deinem Herzen.
Eheloser Christ um des Himmelreiches willen,
Du bist Mutter eines so glorreichen Kindes,
So trage selbst auch Sorge um dich selber,
Bis Christus in dir Gestaltung annimmt.
Trage Sorge und achte auf dich selber,
Daß kein harter Schlag von außen
Die zarte Leibesfrucht in dir verletzt,
Hab acht, dass nichts in den Leib dir dringt,
Der deine Seele ist,
Was den Geist dir verletzt,
Den Geist, den du im Schoß der Seele empfangen.
Trage Sorge um dich selber, Mutter,
Und wenn du dich schon nicht um dich selber sorgen willst,
So sorge dich doch um den Sohn in dir!
Bewahre dich nicht allein vor allem bösen Wort und Werk,
Bewahre dich auch vor aller Nichtigkeit
Und Eitelkeit der Welt,
Die den Samen Gottes in dir ersticken wollen.
Bewahre dein Herz,
Denn von deinem Herzen geht das Leben aus,
Bewahre dein Herz,
Bis die Leibesfrucht zur Reife gelangt
Und das in dir verborgene Leben Christi
In deinem sterblichen Leib Gestaltung annimmt.
Du hast empfangen den heiligen Geist,
Nun musst du gebären,
Aber du hast noch nicht geboren.
Sind auch schwere Wehen im Gebären,
So ist doch große Hoffnung
Auf die Freude nach der Entbindung,
Denn wenn die Frau gebären soll,
So leidet sie schmerzliche Wehen,
Aber wenn das Kind geboren ist,
So ist sie in der Freude
Über das neugeborene Kind,
Das Christuskind,
Geboren in die Welt des Fleisches,
Den Mikrokosmos.
Denn der jetzt von dir empfangen ist, der Herr,
Im liebenden Geist in deiner Seele,
Der wird als Mensch in deinem Leib geboren,
Dann wird dein Leib verklärt
Von seinem verklärten Leib,
Wird wandeln von Klarheit zu Klarheit
Und leben mit Gott in der Glorie
Ewigkeiten Ewigkeiten!

Darum sollst du leben wie Maria,


Die das göttliche Kind getragen,
Geboren, gesäugt, gekost.
Und deine Liebesverschmelzung als liebende Jungfrau
Mit dem göttlichen Sohn in deinem Schoß
Ist die intimste Liebesvereinigung,
Dafür dem glühendsten Liebhaber selbst
Die Feuersprache fehlt.

Du bist eine Mutter,


Wenn du Christus im Herzen trägst,
Wenn du Christus in deinem Körper trägst,
Indem du Jesus liebst
Und dein Gewissen rein bewahrst.
Du gebärst ihn aber in die Welt
Durch deine Werke der Liebe.

Du, Christ, du glaube,


Daß Gottes und Marien Sohn
Auch dein Sohn jetzt sei!
Der Christus muß von dir geboren werden.
Damit die Gottesgeburt dir frommt,
Mußt du das heilige Beispiel der Jungfrau
Als Bild in deinem Herzen empfangen
Und dein Herz dem Herzen Mariens gleichgestalten.
Es ist kein anderer Weg
Zur Gottesgeburt in der Seele,
Als dass du Maria gleichst.
Dies Große Zeichen der Mutter Gottes
Muß allezeit in deinem Herzen erneuert werden.
Auch annehmen musst du dich des göttlichen Kindes,
Wie die allerseligste Jungfrau tat,
Die Gott empfangen und Gott geboren,
Und sollst das Christuskind dein eigen nennen,
Dein Kind allein und einziges Kind.
Wer aber das Kind nicht annimmt
Und aufzieht mit mütterlicher Liebe,
Dem ist die Gottesgeburt umsonst geschehen.
Wer aber dem Kind der Jungfrau
Mit Liebesgefühlen und reinster Lust
In seinem Herzen eine Wiege bereitet,
Der wird in seinem Herzen solche Süßigkeit
Und Freude haben und unerschrocken sein
Und getrost sein und Frieden haben.

Gott unter Verschleierung


Der göttlichen Majestät
Verließ den himmlischen Thron,
Iim Tempel Wohnung zu nehmen,
Dem Schoß der Jungfrau.
Im Verborgenen tritt die Gottheit ein,
Als Menschenkind geboren zu werden.
Gott behält das göttliche Wesen
Und wird ein menschliches Wesen.
Mit menschlichem Fleisch und Blute
Bildet sich Gott zu einem Menschenkind.
Der Leib Mariens wölbt sich stolz,
Doch nicht infolge sexueller Einigung,
Infolge des Glaubens allein,
Nicht durch den Samen des Mannes,
Sondern durch das Wort.
Neun Monde währende Mühen kennt sie nicht,
Weil sie die schöpferische Gottheit in sich aufgenommen.
Sie gebiert nicht unter schmerzlichen Wehen,
Sondern mit Lust und Jubel!
Dreimal wunderbare Frau und Mutter des göttlichen Wunders!
Jauchzend bringst du ein Kind zur Welt,
Ein Kind, das älter als der Kosmos.
Die junge Wöchnerin ist nicht ermattet,
Das Kind kommt nicht weinend zur Welt.
Die Mutter liegt nicht erschöpft im Kindbett,
Das Kind ist nicht beschmutzt.
Nicht reinigen muß sich die Mutter
Und das Kind muß nicht gebadet werden,
Da das Kind gekommen,
Allen Schmutz und alle Unreinheit von uns zu nehmen,
Den Schmutz und die Unreinheit in uns!
Auch ist ganz unverletzt der Mutterschoß.
Es ward nicht verletzt, die das Heil geboren!
O Geheimnis der Geheimnisse,
Pforte des Ewigweiblichen,
Schoß der Mysterien,
O die Gottesgeburt
Im Schoß der immerwährenden Jungfrau
Mit dem auf geheimnisvolle Weise intakten Hymen.

Als die Stunde der Geburt gekommen,


Erhob sich die Jungfrau
Und lehnte sich an einen Pfeiler.
Josef legte Heu der Herrin zu Füßen
Und wandte sich ab.
Da ging das göttliche Kind hervor
Aus dem gesegneten Schoß der Jungfrau Mutter
Ohne Schmerzen
Und ohne Verletzung des Hymens.
Wie das göttliche Kind
In ihrem Schoß gewesen war,
So lag es nun vor ihr im Heu
Zu ihren Füßen.
Die Mutter beugte sich liebevoll nieder
Und hob das Kindlein auf,
Umarmte zärtlich das Kind
Und legt es auf ihren Schoß.
Dann wickelt sie das Kind
In ihren Schleier
Und legt es in die Krippe.
Die Tiere wärmten das Kind.
Maria betet das göttliche Ur-Kind an
Und dankte Gott:
Ich danke dir, Adonaj,
Mein Vater und meine Mutter,
Daß du mir das göttliche Kind geschenkt!
Ich bete dich an, Ewige Gottheit,
Und dich, der Lebendigen Gottheit Kind,
Mein Kind!
So setzte sich Unsere Liebe Frau
Und schaute auf das Kind in der Krippe,
Versunken in die Betrachtung
Des göttlichen Kindes, das sie liebte!

Nun grüßen wir dich, Maria!


Nun grüßen wir auch den gerechten Josef!
Nun will ich küssen im Geist das Jesuskind,
Küssen dem Jesuskindlein die Füßchen!
Nun bitt ich dich, geliebte Mutter,
Reiche mir dein Kind!
Ich nehm dich in die Arme, geliebtes Kind,
Ich drück dich an mein Herz, geliebtes Kind,
Ich schau dir in die Augen, geliebtes Kind!
Ich küsse dich mit Ehrfurcht,
Erfüllt von tiefem Vertrauen in deine herzliche Liebe!
Ich darf dich küssen, o göttliches Kind,
Du bist ja auf die Welt gekommen,
Sünder selig zu machen!
Darum wirst du es mir in deiner Liebe gern erlauben,
Dich nach Herzenslust zu berühren,
Darin wirst du keinen Stolz sehn, sondern Liebe,
Liebe des Sünders zum göttlichen Kind!

Marias schwangerer Leib


Ward nach der Geburt des Kindes
Wieder der graziöse Körper der schlanken Jungfrau!
Zarte Jungfrau,
Du bist von wunderbarer Schönheit!

Dem Kinde war kalt,


Da legte Maria das Kind an ihre Brust
Und wärmte das Kind.
Als aber die Hirten kamen,
Wollten sie wissen,
Ob das göttliche Kind
Ein Sohn sei, oder eine Tochter?
Da zeigte Maria den Hirten
Die Natur und das Geschlecht des Kindes.

O Madonna, du beugtest deinen schlanken Hals


Und ließest deine schwarze lange Haarflut
Über das Kindlein wallen.
Das Kindlein streckte das Händchen aus
Und nahm deine pralle Brust
Und saugte mit dem Munde
Die Muttermilch des Trostes, der Liebe und Weisheit,
Die süßer ist als Honigmilch
Und besser nährt als Manna – Was ist das?...

Die Ewige Weisheit,


Vor der sich die Engel scheu verhüllen –
Die allerheiligste Jungfrau schaute das Antlitz
Des göttlichen Kindes in tiefstem Vertrauen
Und innigster Liebe
Und sagte: O mein geliebtes Kind!
Der Kleine Gott
Sprach zu Maria: Meine geliebte Mutter!
4

Ich sah die Madonna im Bett,


Im Kindsbett, sie stillte das Kind.
Ich sah ein schönes Bett,
Mit schönem Schmuck verziert.
Da lag die Gebärerin Gottes
Und glänzte von solcher Schönheit,
Ihr Antlitz glänzte von solcher Klarheit,
Ihr weißes Kleid von solcher Reinheit,
Daß von dem Glanz, der von ihr ausging,
Das ganze Zimmer durchflutet war.
Der Kleine Jesus lag an ihrem Schoß
Und barg sich an den Brüsten
Und sie liebkoste das Kind.

O die Muttergottes
Reichte mir ihr Kind,
Das ich’s an meinem Herzen trage,
Da wollt ich stillen das Kindlein,
Stillen das Jesuskind
Mit meinem Mannesbusen!

Im Kindbett meines Herzens


Ruhe das Christuskind.
Das Bett meines Herzens ist der Ort,
Da Gottheit und Menschheit sich begegnen.
Wie Maria, die nach der Gottesgeburt im Bett
Den Kleinen Jesus liebkoste,
Liegt auch meine marianische Seele
Mit dem Kleinen Jesus im Bett meines Herzens
Und Jesus ruht in meinen Armen.
Selig ist der Mensch, der dem süßen Jesus
In seinem Herzen ein Kindsbett bereitet!

Siehe, der Schoß Mariens


Ist das blühende Bette Salomonis,
Das allein für Gott bereitet war,
Damit er darin ruhen könne.
Maria ist ein schönes gemütliches Bett,
Maria ist ein Brautbett,
Das Gott geschmückt,
Um sich im Brautbett der Madonna
Mit der Menschennatur zu vermählen!
Der Schoß der Jungfrau ist das Brautbett,
Der Ort der heiligen Ehe,
Da sich die göttliche Weisheit dem Menschen vermählt.

5
Narren brüllen vor Lachen,
Aber die weise Madonna
Lächelt nur leise und lieblich,
Ihr Lächeln ist von entzückendem Liebreiz!
Ihr Lächeln ist zauberhaft
Und unaussprechlich charmant!

Die Pflege des Jesuskindes


Löste bei Maria Wogen
Unaussprechlicher Wonnen aus.
Beim Stillen des göttlichen Kindes
Empfand sie unglaubliche Süßigkeit:
Das glaubst du nicht, so süß ist das!

Auch Josef, der Gerechte, der Zaddik,


Hielt das Jesuskind auf dem Schoß
Und lachte mit dem göttlichen Kinde
Und spielte mit dem göttlichen Kinde!

O Maria, meines Herzens Trost und Freude,


Jungfrau Mutter, du liebtest dein Kind
Mit einem Austausch von Zärtlichkeiten
Und Gefühlen trunkener Freuden!

Ich sah die vierundzwanzig Alten


Und den weißen Thron der Ewigen Gottheit!
Ich sah Maria und das Jesuskind,
Sie waren ausgesprochen herzlich
Und heiter miteinander!
Denn nach der Gottesgeburt
Maria hat ihren lieben Sohn
In ihre fraulichen Armen genommen
Und ihn mütterlich umarmt
Und das mit fröhlichster Wonne! Halleluja!

Frau Armut weihte ich mich


Wie einst der große Troubadour Gottes,
Da erschien mir Maria.
Mein leiblicher Vater hatte mich versucht
Und wollte mich abwenden von dem Wege Gottes
Und mich führen auf den Weg der Welt,
Die breite Straße der Verdammnis!
Aber ich widerstand der Versuchung durch meinen Vater
Durch den Beistand der Heiligen Schrift!
Und da belohnte mich die allerseligste Jungfrau
In der Nacht mit ihrer Liebe!
Ich lag wie in der Kirche vor dem Altare
Flach auf dem Boden,
Daß meine Nase den Boden berührte,
Und betete an den Gott der Schönheit!
Da rief mich die allerseligste Jungfrau
Mit ihrer zärtlichen Mutterstimme,
Ihrem fraulichen Liebesflüstern!
Da erhob ich mein Antlitz
Und sah die himmlische Jungfrau,
Den Spiegel der göttlichen Schönheit,
Sie hielt ihr nacktes Kind in den Armen
Und reichte mir das Christuskindlein mit den Worten:
Komm ruhig nah und herze mein Kindlein,
Den du heute vor den Menschen bekannt hast.
Da scheute ich mich vor der keuschen Jungfrau
Und dem allerheiligsten Gott,
Da öffnete Jesus seine Arme weit wie zum Willkomm
Und lachte mich erwartungsvoll an.
Und im Vertrauen in die Reinheit der Freude
Und Heiterkeit der Liebe des Kindes
Und im Vertrauen auf die Liebe der Jungfrau
Und Süßigkeit der Brüste der Muttergottes
Trat ich zum Christuskind,
Umarmte ihn und streichelte ihm das Haar.
Die himmlische Mutter
Und allerlieblichste Jungfrau überließ mir
Das Christuskind für eine ganze Nacht
Und einen langen Morgen!

Da war mir so froh und fröhlich,


Ich war wie ein König so selig,
Daß ich tanzen wollte und jauchzen
Vor dem Bilde Mariens,
Dem Spiegel der göttlichen Schönheit!

Schau, wie Maria am Kreuz


Geduldet und gelitten!
Schau die Gefühle
Einer Mutter voll Mitleid!
Das ist deine Mutter,
Mater Dolorosa!

Maria vergießt am Kreuze Tränen,


Tränenströme aus den Sternen ihrer Augen!
Oh dass meine Augäpfel Quellen wären
Und Tränenströme sich ergössen!

Durch das tiefempfundene Mitleid


Mit dem gekreuzigten Sohne
Ist sie mitgekreuzigt worden.
Was Lanze und Nägel im Fleisch des Sohnes getan,
Tat in der Seele Marias das Mitleid
Und die Angst der liebenden Mutter.
Die mütterliche Liebe Mariens
Hat sehr viel zur Versöhnung beigetragen,
Durch ihr unüberbietbares Mitleid
Hat Maria an der Erlösung mitgewirkt.

Der Sohn nahm Abschied von der Mutter Maria.


Maria wollte das Haus des Hohenpriesters betreten,
Aber es wurde ihr verweigert.
Sie stand vor der Tür und weinte,
Als sie die bösen Lügner hörten,
Die ihren Sohn verklagten.
Das Gericht vor dem Gouverneur hat sie miterlebt
Und sah dann aus der Ferne ihren Sohn
Gebunden von einem Heiden und Menschenmörder.
Sie hörte und sah das Todesurteil
Und hörte, wie die Leute sich statt des Sohnes Mariens
Einen Räuber und Mörder erbaten,
Aber den Sohn Mariens wollten sie nicht haben:
Was sollen wir noch mit dem?
Das brach Maria das Herz,
Durchbohrte ihre Seele!

Als die Mutter Maria sieht,


Wie ihr geliebter Sohn auf das Kreuz gelegt wird,
Sinkt sie in Ohnmacht vor Mitleid.
Wie tot liegt sie eine Weile am Boden,
Die Körperwärme ist ihr entwichen.
Magdalena und Johanna und Susanna
Weinen um den Sohn und um Maria,
Um den Sohn, der ans Kreuz geheftet wird,
Und um die Mutter, die Todesschmerzen
Aus Mitleid leidet und fast erstirbt!
Da kehren Maria die Sinne wieder
Und sie erhebt sich.
Da hört sie die Hammerschläge,
Da ihr Sohn ans Kreuz genagelt wird,
Da weint sie in bitterem Jammer,
Da schrie sie laut vor Schmerzen.
Dann schlug sie sich an die Brüste,
Raufte sich die langen schwarzen Haare,
Raing in namenlosem Schmerz die Hände,
Zerkratzte sich ihr heiliges Antlitz,
Stürzte in den Staub, erhob sich,
Streckte schreiend die Arme nach dem Sohn aus!
Beim scharfen Schnitt der Lanze
Ist ein Schwert durch sie gegangen,
Da der Speer ihrem Kinde das Herz durchbohrte.

Maria wollte zumindest die Füße


Ihres Sohnes am Kreuz umfassen,
Aber er hing zu hoch am Kreuzesstamme.
Da umklammerte sie mit den Armen
Den Kreuzesstamm und trank das Blut des Sohnes!
Sie küsste das Blut des Sohnes
Und weinte selber blutige Tränen,
Es mischte sich das Blut des Sohnes
Mit den blutigen Tränen der Mutter
Zu einem Wein der Erlösung!
Das Blut des Sohnes färbte das weiße Kleid Mariens
Zu einem roten Kleid der Marterzeugin!

Dann hielt Maria den toten Sohn


Auf ihrem Schoß, in ihren Armen.
Maria hielt den Körper des toten Sohnes
Umschlungen wie mit eisernen Ketten
Und wollte ihn nicht lassen zum Begräbnis.

Nach dem Begräbnis des Sohnes


Nahm Johannes Maria ganz bei sich auf.
Sie besuchte immer wieder
Die Leidensstätten ihres Sohnes
Und dachte an die Passion des Sohnes
Und ihr eigenes Mitleid.
Im Haus des Johannes fand sie die Ruhe
Zur mystischen Betrachtung
Der Schmerzen des Sohnes
Und der Schmerzen der Mutter.

Da sprach sie in großen Schmerzen


Zum Erzengel Gabriel dies:
O Gabriel,
Du hast mir große Freude verkündet
An meinem Kind,
Du hättest mir auch verkünden sollen
Die großen Schmerzen,
Die ich seinetwegen gelitten.
Du sagtest: Ohne Schmerzen sollst du gebären,
Aber sag mir, ob du je eine Mutter gesehen,
Die schwerere Schmerzen leiden musste?
O lieber Engel, schau,
Du sagtest: Du bist voller Gnaden,
Aber wie ist dies, in der Gnade zu leben,
Warum bin ich dann in solchen schrecklichen Schmerzen,
Solchem bitterem Jammer
Und solcher dunklen Nacht der Trübsal?
O mein Engel,
Du sprachst: Der Herr ist mit dir,
Doch ist er mir nun so fern,
Daß ich nur aufschreien kann:
Mein Gott, mein Gott, was hast du mich verlassen!
O lieber Gabriel, du sagtest:
Du bist mehr gesegnet als alle Frauen,
So sag ich aber aus meinem betrübten Herzen
Und aus der undurchdringlichen Finsternis
Des Jammers und meiner bitteren Trübsal:
Sahest du je eine Seele, die verfluchter war als ich?

Marias Brüste
Sind weißer als Milch und Lilien,
Ihr Duft ist süßer
Als Blumen und Balsam!
O Maria, deine Brüste
Sind besser als Wein!
Schau, die Gestalt deines Busens
Erinnert an die Gazelle,
Die in den Lilien weidet,
Zwei Kitze der Gazelle,
Zwillingskitze deine Brüste!
Wie eine Palme ist dein schlanker hoher Wuchs,
Und deine Brüste sind wie Trauben!
Trauben am Weinstock sind mir deine Brüste!
Maria redet: Meine Brüste
Gleichen Rundtürmen einer Mauer!
Mein Geliebter ruht gebettet
Wie ein Beutel mit Myrrhe
Zwischen meinen Brüsten!

Diese geistliche Kunst der Liebe


Lehrt am Beispiel der Brüste Mariens
Die Weisheit und die Liebe!
Milchspendende Brüste Mariens
Sind Quellen des Heils,
Sie sind das Verheißene Land,
Wo Milch und Honig überströmen!

Der Christ ist ein Kind,


Dem Milch gespendet wird,
Der Christ sei begierig
Nach der reinen vernünftigen Milch
Des unverfälschten Glaubens.
Kommt, trinkt an den Brüsten Mariens,
Trinkt an der Quelle des Heils,
Bei Maria ist die Quelle des Lebens,
Mariens Brüste sind die Quellen
Der geistigen, unverfälschten Milch.
Aus den Brüsten Mariens
Süßigkeit zu saugen, süßer als Honig,
Bin ich jetzt mit Eifer geeilt!

Milchspendende Brüste Gottes!

Der Herr spricht: Ich,


Ich habe die Glieder meiner Gläubigen hergestellt
Und meine eignen Brüste für sie bereitet,
Daß sie trinken meine heilige Milch,
Auf dass sie ewig leben!

Gottes Milch aus Gottes Brüsten erlöst!

Darum spricht der Christ:


Der Becher mit Milch ward mir gereicht,
Ich habe die Milch getrunken
In der Süßigkeit Gottes.
Der Sohn ist der Becher,
Der Vater wurde gemolken,
Der Geist hat gemolken.
Denn Gottes Brüste waren prall von Milch,
Er wollte die Milch nicht unnütz verspritzen,
Da hat den Busen Gottes der Geist geöffnet
Und die Milch gemolken
Und sie mit dem süßen Honig der Liebe gemischt
Und hat den Menschen und der ganzen Welt
Die süße Honigmilch des liebenden Vaters geschenkt,
Obwohl sie’s nicht wussten,
Aber die getrunken haben
Die Milch der Brüste Gottes,
Das sind die Gerechten.

Die Brüste Christi


Sind die Süße der Freudenbotschaft,
Speise für die Kinder Gottes.
Sauge nicht so sehr an den Wunden Jesu,
Sauge mehr an den Brüsten Christi!

Christus ist die Muttermilch


Der ewigen Gnade.
Mit der Muttermilch erleuchtet Christus
Unsre Augen wie eine Mutter,
Die dem Kinde, wenn die Augen schmerzen,
Muttermilch in die Augen tröpfelt.
Mit den beiden Brüsten
Seiner Gnade und seiner Barmherzigkeit
Hat Christus unsern Schmerz geheilt!

Zwei Brüste hat Christus,


Eine Brust seiner Menschheit
Und eine Brust seiner Gottheit.
Der Mensch, der Gemeinschaft mit Jesus sucht,
Den wendet Christus von einer Brust zur andern,
Begehrt der Mensch die Milch,
Legt Christus den Menschen an die Brust seiner Menschheit,
Begehrt der Mensch den Wein,
Legt Christus den Menschen an die Brust seiner Gottheit,
Seiner berauschenden Gottheit!
9

Ich sah, wie schön


Stand Unsre Liebe Frau
Zur linken Hand der Ewigen Gottheit,
Unverhüllt an ihrer Natur,
Ich sah, wie ihr jungfräulicher Leib
Geformt war in dem Licht ihrer Seele
Und wie die lustvollen Brüste
Unverborgen waren
Und voll der süßen Milch,
Daß die Tropfen fließen
Der Ewigen Gottheit zur Ehre
Und den Menschen zu Liebe,
So dass der Mensch über alle Schöpfung vollkommen ist.

Maria spricht: Da ich


Die Mutter war manches elenden Kindes,
Da wurden meine Brüste so voll,
So prall an Milch,
An süßer Muttermilch der Barmherzigkeit,
So dass ich säugte die Propheten
Und die Weisen
Und meinen Sohn Jesus
Und Gottes Braut, die ganze heilige Kirche!

O Liebe Frau,
Du musst uns säugen,
Denn deine Brüste sind noch so prall und voll,
Daß du nicht innehalten kannst.
Ja, wolltest du mich nicht säugen und stillen,
So täten dir die Brüste weh,
Denn wahrlich, ich sah, und siehe,
Deine Brüste waren so prall und voll,
Daß sieben Strahlen sich ergossen aus einer deiner Brüste
Über meinen Körper und meine Seele.
In der Stunde nahmst du mir die Arbeit,
Die kein Gottesfreund ohne Herzensqualen tragen kann.
So sollst du mich säugen und stillen
Bis an den Jüngsten Tag!
Dann sollst du sehen,
Wie Gottes Kind und deins
Gereift ist in den vollkommenen Leib.
Ah, dann will ich bekennen in unzählbaren Liedern
Die wonnereichen Brüste,
Die Jesus so dick geküsst!

Maria betet: Herr,


Erbarme dich über den armen elenden Sünder
Und gedenke, wie du meine Brüste gesogen
Und vergib dem Sünder durch meine Milch!

Ich bekenne, dass ich nicht nur einmal,


Sondern oft von den Brüsten Mariens
Gesäugt und gestillt bin worden
Und dass sie mir mit der Milch ihrer Brüste
Süßen Trost für alle Seelenwunden
Und himmlische Weisheit eingegossen
Und mein Mund ward voll des süßen Lobgesanges.
Denn Maria sprach zu mir: Nimm hin
Mein Kind, den Kleinen Jesus!
Dann ließ Maria einige Tropfen
Ihrer süßen Milch aus den Brüsten tropfen
Auf meine Lippen,
So dass ich ein süßer Troubadour Unsrer Frauen ward!

Als ich ein Kind war, sah ich,


Und siehe, ich sah, das Jesuskind
Trank an der Brust Marias,
Da rief Maria mir liebevoll zu:
Nun komm, mein Kind, und trinke,
Trinke gleich meinem Kind aus meinen Brüsten,
So wirst du ein Meister der frommen Kunst!
Da nahm das Jesuskind
Die Brust Mariens aus dem Munde
Und gab sie mir, die süße Brust,
Ich trank die Milch der Weisheit.
Dann nahm das Jesuskindlein wieder die Brust
Und ich verstand die Offenbarung
Der Weisheit der heiligen Schrift.

Auch weiß ich wohl, nicht weit von der Grotte,


Wo Christus geboren,
Im Süden Bethlehems ist ein Ort,
Ist eine Grotte, da singt man Gott.
Die Grotte heißt
Der allerseligsten Jungfrau Grotte.
Darin war die Mutter oft mit Jesus verborgen,
Da begab es sich, dass Maria
Aus Überfluß der Milch in ihren prallen Brüsten
Tropfen auf die Erde fallen ließ,
Davon die Erde die Kraft empfangen,
Wunder zu tun durch die Milch Mariens.
Daher stammt die Milch Mariens,
Die als Reliquie voll der Wunderwirkung
Auf den Altären gespendet wird...
Über der Höhle der Milch Mariens
Ist eine kleine Kapelle gebaut,
Ein Kloster der klugen Jungfraun,
Von der heiligen Paula ward es errichtet.
Dorther stammt die wunderbare
Muttermilch Mariens.
Die Muttermilch Mariens aber
Gleicht dem Blute Christi vom Kreuz.
Am Kreuze standen offen beide,
Die Wunden Jesu und die Brüste Mariens.
Die Wunden sich ergossen,
Die Brüste überflossen,
So ward meine Seele lebendig!

Der alte heilige Augustinus


Frug sich noch, aus welcher Quelle
Er sein Heil soll saugen,
Den Wunden Jesu oder den Brüsten Mariens?
Ein Blutstrahl aus der Seitenwunde Christi
Spritzte ihm ins Gesicht,
Die Milch aus den Brüsten Mariens
Ergoss sich über sein Haupt.

O du zu fürchtender Heiliger Vater!


In deiner barmherzigen Milde und Süße
Gleichst du einer barmherzigen Mutter,
Einer schönen göttlichen Frau
Mit offen entblößten Brüsten!
Die Gottheit des Himmels ist nicht ferne,
Sondern nah wie eine Mutter ihrem Säugling.

In der Ewigkeit vor der Schöpfung


Sog das göttliche Kind, die Weisheit,
An den Brüsten der Barmherzigkeit
Und war in Ewigkeit geborgen
Im barmherzigen Mutterschoß Gottes,
Und du, geliebte Seele,
Sei selig in der Umarmung der göttlichen Liebe!

ZWEITER GESANG

Ich sah die heilige Jungfrau,


Eine junge schlanke Frau
Von unaussprechlicher Schönheit,
Eine reine Lichtgestalt,
Das Kleid und die Augen von himmlischer Bläue,
Die Füße bedeckt vom weißen Saum des Gewandes,
Um die Hüften trug sie einen Gürtel,
Ein weißer Mantel umgab ihre ganze Gestalt,
Von einer goldnen Spange zusammengehalten.
Ein leuchtend weißer Schleier bedeckte die Haare
Und wehte im Himmel wie fließendes Licht.

Möge die Frau aller Völker,


Die einst Maria hieß,
Meine Adcocatin sein,
Meine Erlöserin!

Sie lehrte mich


Die Ewige Weisheit,
Sie lehrte mich
Das Geheimnis der Ganzhingabe an Maria,
Sie lehrte mich
Das Leben der Jungfrau zu schauen.

Maria lehrt geistliche Lieder,


Psalmen, Hymnen und spirituelle Oden,
Sie entfaltet ihren blauen Mantel
Über das ganze Universums,
Sie führt die Hand beim Schreiben,
Sie lehrt Gebete und Gedichte,
Sie lässt sich leibhaftig schauen
In der Television!

Drei Tage nach ihrem Tode,


Am Tage ihrer leiblichen Aufnahme in den Himmel,
Erscheint Maria den Aposteln
In strahlendem Lichtglanz und sagt:
Ich werde immer, immer bei euch bleiben!

Dem Schüler erscheint Maria


Mit dem Evangelisten Johannes
Und gibt Erklärungen zu Glaubensfragen.
Der heilige Ritter sprach mit Maria
Und sie sprach mit ihm
Wie eine Königin mit ihrem höfischen Diener
Und wie eine Mutter mit ihrem geliebten Sohn.
7

Maria erschien dem Knaben


Eines ungläubigen Vaters,
Der Vater wollte den Sohn verbrennen,
Aber Maria rettete ihren Schützling
Vor der Grausamkeit des Vaters,
Sie nahm den Sohn in der Taufe
Als ihren eigenen Sohn an.

Maria erscheint mit dem göttlichen Kind,


Sie hält eine Birne in der Hand,
Das Kind hält einen Apfel in der Hand.
Maria trägt ein goldenes Kleid
Mit eingestickten Blumen,
Darüber einen Purpurmantel
Mit goldenen Lilien,
Auf dem Haupt trägt sie im Haar
Einen Kranz von roten Rosen.

Maria spricht:
Bleib treu,
Bleib treu auf dem Weg,
Den du bis hierher gegangen,
Das ewige Heil wird dir dann gewiß sein.

10

Maria erscheint einem Bettler um Liebe


In der Nähe von Herford
Im Walde in weißer Lichtgestalt
Als heilige Maria vom Walde.
Zum Zeichen ihrer Erscheinung
Schwebte über dem Holzkreuz
Eine weiße Turteltaube
Mit rauschendem Flug im Winde.

11

Maria erscheint einer schwangeren Mutter


Im Traum und spricht im Traum zur Mutter
Und legte der Mutter einen goldenen Ring in die Hand
Und sprach: O meine Liebe,
Der Sohn, den du im Schoße trägst,
Soll einst mein Bräutigam sein!

12

Ein Gottgeweihter
Machte keine Fortschritte in dem Studium,
Dem Studium der göttlichen Weisheit.
Er wandte sich um Hilfe an Maria.
Maria erschien ihm
Und unterwies ihn spirituell:
Er soll in aller Demut
Die Gabe der Weisheit Gott weihen
Und alles zur Ehre Gottes allein tun.
Der Gottgeweihte entfaltete eine tiefe Frömmigkeit
Und tiefe mystische Weisheit
Und war erstaunlich belesen
Und bewandert in den Kirchenlehrern.

13

Ein Mönch zog die Armut


Dem väterlichen Reichtum vor
Und machte eine Wallfahrt
Und lebte schließlich einsam
Auf dem Monte Virgine.
Dort gab es schon in alten Zeiten
Einen Kultort der Magna Mater,
Der großen Mutter Cybele.
Im Gebet erging an den Eremiten das Gebot,
Den Ort, wo einst der Magna Mater gedient ward,
Zum Marienheiligtum umzugestalten,
Um so der wahren Mutter zu dienen.

14

Ein kleiner Knabe von einem Jahr,


Der bisher noch nicht gesprochen hatte,
Sprach plötzlich von einer wunderschönen Dame,
So unaussprechlich und unglaublich schön,
Die für seine Mutter aber nicht sichtbar war.
Der Onkel schloß darauf, dass das Kind
Die Dame Maria geschaut
Und wunderbar davon gezeugt.

15

Wenn du im Strudel des Lebens


Von Wind und Wetter umgewirbelt wirst
Und bodenlos unter dir der Abgrund klafft
Und du willst, dass dich die Brandung nicht verschlingt,
Dann schau auf den leuchtenden Meeresstern!
Toben Feuerstürme der Versuchung in dir
Und wirst du in das Meer der Trübsal geworfen,
Dann schau nach dem Meeresstern
Und rufe Maria, Maria, Maria!
In Zweifeln, in Angst, in Gefahren
Denk an Maria, rufe Maria!
Ihr Name sei immer in deinem Herzen,
Dein Herz sage allezeit: Freue dich, Maria!
Denkst du an sie, dann wirst du nicht irren,
Wenn sie dich beschützt,
Dann brauchst du keine Angst zu haben.
Denn Maria ist dein Schutz!

16

Einer verehrte schon als Kind


Das junge Mädchen, die junge Mutter Maria.
Einmal schenkte er dem Mädchen Maria
Einen köstlichen Apfel,
Den Maria aus seinen Händen empfing.
Mit zwölf Jahren kam er in die christliche Schulung
In Friesland.
Der Höhepunkt seines Lebens
War die mystische Vermählung mit Maria,
Wobei er zu seinem Taufnahmen
Noch den Namen Josef erhielt.
Drauf sang er süße Hymnen an Maria,
Die Königin der Minne.
In der Nacht sprach er sein Gebet,
Als er die Jungfrau Maria schaute
In unglaublicher Schönheit!
Sie war in ein strahlendes Kleid gekleidet
Und zwei kleine Engel waren zu ihren Füßen
Und sprachen einer zum andern:
Wen sollen wir der Jungfrau vermählen?
Sprach der andre Engel, wie ein Zwilling des ersten:
Wen anders als diesen Bruder dort?
Dabei wies der Engel
Auf den betenden Mann
Und nahm dessen Hand
Und legte des Mannes Hand in Marias Hand
Und sprach: Die Jungfrau ist deine Braut,
Wie sie mit Josef verlobt war.
So sollst du mit der Braut
Auch den Namen des Bräutigams erhalten.
So steht auf dem Grabe des Mannes:
Josef, Bekenner und Bräutigam
Der heiligen Jungfrau Maria!
17

Maria erschien einem Eremiten


Und eines Tages auch
Mit Maria Magdalena,
Der wunderschönen
Schwester der Engel.
Maria lehrte ihn
Geistlichen Lobpreis
Und sprach: Nur Mut!
Und segnete ihn im Namen
Der Allmacht, Allweisheit und Ur-Liebe.

18

Einmal sah ich im Traum Maria


In einem himmlischen Saal
Auf einem goldenen Thron
Wie auf einem leuchtenden Mond.
Aber satanische Hunde versperrten mir den Weg
Zum himmlischen Thron Mariens.
Da verscheuchte die Herrin Madonna
Mit einer Handbewegung
Die satanischen Hunde
Und belehrte mich,
Daß ich von keiner Widerwärtigkeit
Mich hindern lassen dürfe,
Sondern immer zu Maria Zuflucht nehmen solle.
Da sah ich die Madonna Maria
Und zu ihrer Rechten Maria Magdalena
Und zu ihrer Linken Maria Ägyptiaca,
Aber die Madonna Maria
War die Größte der drei Marien.

19

Einmal, als ich eine Hymne gedichtet,


Eine spirituelle Ode an Maria,
Die da hieß: Salve Mater!
Da erschien mir Maria,
Sie grüßte mich lächelnd
Und bedankte sich
Für meinen Marienlobpreis.

20

Eines Morgens ward ich im Geist erhoben,


Ich hatte auf dem Diwan geruht,
Ich hatte nicht gebetet,
Sondern geschlummert und geträumt
Und hatte die Gnade nicht erwartet,
Doch unerwartet traf mich die Gnade,
Daß meine Seele verzückt ward
Und ich sah die glückselige Jungfrau
Im Lichtglanz der Herrlichkeit,
Eine hohe Frau von himmlischem Adel,
Solcher Glorie, solcher Würde,
Daß ich unaussprechlich entzückt war
Und vor Freude zu weinen begann,
Denn sie zu schauen
Gewährt eine unaussprechliche Wonne.
Sie schwebte am Himmel, die allerreinste Frau,
Und bat für die Menschheit.
Wie soll ich sagen, welche mütterliche Sorge
Um die ganze Menschheit
Ich in ihrem Unbefleckten Herzen sah?

21

Unsre Liebe Frau sprach zu einer christlichen Seele:


Allerliebste meines Sohnes, nimm!
Da legte sie den göttlichen Sohn
In die Arme der christlichen Seele.
Das göttliche Kind schien die Augen geschlossen zu haben
Und war in Windeln gewickelt.
Unsre Liebe Frau war so schön,
So süß und lieblich anzuschauen,
Daß die christliche Seele
Nicht allein den Kleinen Jesus betrachtete,
Sondern unverwandt auf Unsere Liebe Frau schaute.
Da lag das göttliche Kind auf einmal nackt
In den Armen der christlichen Seele
Und öffnete die Augen,
Da empfand die christliche Seele
Vor diesen offenen Augen des Himmels
Solche Liebe, solchen Leuchtglanz der Liebe,
Daß die christliche Seele überwältigt war
Von dem strömenden Leuchtglanz der Liebe,
Es war unaussprechlich,
Welche heiße Glut der Liebe
Und welche strahlendste Wonne
Aus diesen Augen des Himmels strömte!
Da hatte das Kind auf einmal solche erhabene Würde,
Die Würde der Gottheit, und sprach:
Wer mich nicht als armes Menschenkind gesehen,
Der sah mich nicht in meiner wahren Größe.
Dann sprach das göttliche Menschenkind:
Ich kam zu dir und habe mich dir geschenkt,
Damit du nun auch dich mir ganz zu eigen gibst.
Da schenkte sich die christliche Seele
Ganz dem göttlichen Kinde Jesus
Und mit dem eigenen Herzen
Auch alle Kinder ihres Herzens
Schenkte sie ganz dem göttlichen Kind.
Und die christliche Seele erkannte,
Wie der Kleine Gott die Seele empfing
Und mit der Seele alle Kinder der Seele
Mit großer Fröhlichkeit alle herzlich empfing.
Über die süße Lust vor dem Jesuskind,
Die außergewöhnliche Freude
Und tiefe Wonne und überströmende Süßigkeit
Vor dem göttlichen Kinde
Kann die christliche Seele nichts sagen,
Weil menschliche Zungen nicht so jubeln können,
Wie der Jubel im Innern der Seele war.
Da segnete die Jungfrau
Die christliche Seele
Mit dem Segen im Namen des göttlichen Kindes Jesus.

22

Einem geistliche Menschen


Erschien Maria manchmal mit dem Jesuskinde.
Er schrieb geistliche Schriften
Über Maria und Jesus.
Maria erfüllte ihn immer wieder mit Mut
Und neuer heiliger Leidenschaft.
Einmal aber erschien Maria allein,
Da war kein Jesuskind bei ihr,
Da sprach Maria zu ihm,
Er habe das Apostolat der Literatur vernachlässigt, darum
Sei sie allein gekommen,
Er solle nur wieder fleißig schreiben
Als Apostel der Schrift,
Dann werde auch das Jesuskind wieder zu ihm kommen.

23

Nachdem der Beter


Das güldene ABC Mariens gebetet,
Legte er sich auf das Sofa,
Um sich auszuruhen,
Da sprach er: Ein wundervoller Besuch wird heute kommen.
Kaum hatte er dies gesprochen,
Hörte er die Stimme eines Engels:
Die All-Reine kommt!
Der Beter erhob sich auf den Ruf
Und trat an die Tür.
Ein Licht, wie Licht der Sonne,
Ergoß sich auf den Beter.
Und er schaute die All-Reine
Und neben ihr Petrus, den ersten Papst,
Und Johannes, den Jünger der Liebe.
Als der Beter dieses sah,
Da sank er in die Knie
Mit zitternden Knieen,
Weil er den Glanz der Morgenröte nicht ertragen konnte,
Weil er erschüttert niedersinken musste
Vor der strahlenden Schönheit der Jungfrau!
Da berührte die All-Reine den Beter
Und sprach: Fürchte dich nicht, mein Erwählter!
Ich bin gekommen, um dich zu besuchen.
Dein Gebet um deine Schüler ist erhört.
Sie sprach dies und ward unsichtbar.

24

Eine heilige Seele


Sah öfters Maria.
In der Weihnacht zeigte sich Maria
Mit dem göttlichen Kind,
Begleitet von Heiligen in den Himmeln
Und harfespielenden Engeln,
Singenden Seraphim.
Maria lehrte sie, Ikonen zu malen
Und lateinische Oden
Und italienische Sonette zu schreiben.

25

Ein frommer Eremit


Sah Maria als Göttin des Himmels,
Umgeben von Myriaden Engeln,
Und er hörte ihren Himmelsgesang.

26

Ich war etwa dreißig Jahre alt,


Als meine Großmutter starb.
Ich begriff, was ich verloren hatte
Und kniete in meiner Traurigkeit
Vor einem Bild der Muttergottes
Und bat sie unter Tränen:
Gottesmutter, sei nun meine Große Mutter!
Ich glaube, dass diese naive Bitte
Mir oft geholfen hat,
Denn immer wieder fand ich die Jungfrau,
Wenn ich mich ihr anvertraute.
Sie hat mich auch zu sich zurückgeführt.

27

Einmal sagte Maria zu mir:


Die Liebe aller Mütter
Kommt meiner Mutterliebe nicht gleich!
Deine Liebe zu mir
Steht in keinem Verhältnis
Zu meiner Liebe zu dir!

28

Maria erschien mir zweimal und bat mich,


Dafür zu sorgen, dass die Kinder meiner Seele
Das Gnadenbild der stillenden Gottesmutter
Mehr und liebevoller ehren.
Es war das Bild von Leonardo,
Da Maria ihre bloße Brust
Dem nackten Jesuskinde reicht
Und stillt mit der Milch der Liebe
Den menschgewordenen Gottessohn.

29

Ich hatte den Wunsch, die Jungfrau einmal zu schauen,


Mit diesem Wunsch ging ich schlafen
Und der Gewissheit, ich werde die Mutter schauen.
Um Mitternacht hörte ich meinen Namen rufen,
Da sah ich einen Knaben, vier Jahre alt,
Der sprach zu mir: Die Jungfrau wartet auf dich!
Ich aber sah die seligste Jungfrau noch nicht.
Dann sagte der Knabe, vier Jahre alt:
Da ist die seligste Jungfrau!
Ich hörte ein Geräusch wie Rauschen von Seide,
Die Gestalt kam vom Bilde des heiligen Josef mit dem Kinde.
Da sprach der Knabe: Das ist die seligste Jungfrau!
Ich fragte mich, ob ich wirklich lebendig die Jungfrau sehe?
Da sprach der Knabe zu mir, vernünftig wie ein weiser Mann.
Da sank ich in die Kniee vor der Jungfrau
Und warf mich vor ihr nieder
Und legte meine Hände in den Schoß der Jungfrau.
Das war der süßeste Augenblick meines Lebens!
Sie sagte mir, was ich nicht sagen darf...
Ich solle mich immer vor dem Altar der Weisheit niederwerfen
Und der Ewigen Weisheit mein Herz ausschütten,
Dort werde ich allen Trost empfangen.
Als sie fortging, war es wie das Verlöschen eines lichten Schattens.
Der Knabe, der mein Engel war,
Er brachte mich ins Bett, aber ich konnte nicht schlafen,
So bewegt war ich von der Vision der Lichtgestalt.

30

Ich träumte einen Traum,


Da sah ich eine Schar von munteren Knaben.
Die einen lachten und scherzten,
Die andern spielten und tobten,
Doch einige fluchten auch,
Was mir das Herz betrübte.
Ich wollte sie streng ermahnen
Und wollte sie sogar züchtigen,
Aber da sah ich einen schönen Mann
In einem schneeweißen Mantel,
Er rief mich bei meinem Namen
Und sagte, ich solle Anführer dieser Knabenschar werden:
Nicht mit Schlägen,
Sondern mit Sanftmut und Liebe
Sollst du sie dir zu Freunden machen!
Fange gleich an, sie zu belehren
Über die Befleckung der Seele durch die Lüge
Und die Schönheit der Liebe.
Ich sagte dem Mann, ich sei nicht fromm genug,
Die Kinder im Glauben zu erziehen.
Aber ich sah, wie die Knaben
Aufhörten, wild zu toben und zu fluchen,
Und sich um den sanften schönen Mann scharten.
Ich sprach: Wer bist du?
Er sprach: Du musst das Unmögliche möglich machen
Durch Gehorsam auf Gottes Wort
Und Studium der geistlichen Wissenschaften.
Ich sprach: Wo und wie erlange ich Weisheit?
Er sprach: Ich sende dir eine Lehrerin,
In ihrer Schule wirst du weise werden.
Ohne meine Mutter ist jede Weisheit nichts als Torheit.
Wer bist du, sprach ich, und er sprach:
Ich bin der Sohn der Frau,
Die du allezeit grüßt mit freudigen Grüßen.
Ich sprach: So sage mir deinen Namen.
Er sprach: Du frage meine Mutter nach meinem Namen,
Mit dem du mich nennen sollst.
Da sah ich neben dem schönen, sanften, weisen Mann
Eine Frau von majestätischer Schönheit.
Ihr Kleid war ganz aus Glanz
Und übersät mit Sternenkonstellationen.
Sie winkte mich zu sich und sprach:
Siehe! Und ich sah,
Wie die Knaben verschwunden waren
Und es wimmelte von Drachen und Schlangen,
Bären und Löwen.
Da sprach die allerschönste Frau:
Hier sollst du wirken,
Sei stark und mutig!
Wie du jetzt die Verwandlung der Tiere siehst,
So sollst du meine Knaben verwandeln.
Und ich sah, und siehe, die wilden Tiere
Waren allesamt sanfte Lämmer geworden.
Sie hüpften fröhlich, Zwillingslämmer,
Frisch aus dem Bad gekommen, keines fehlte,
Und scharten sich um die majestätische Frau
Und huldigten ihr als Mutter und Königin.
Da weinte ich im Traum, weil die Frau so schön war,
Und sie legte mir ihre Hand auf das Haupt
Und segnete mich, die Jungfrau meiner Seele.

31

Maria rief mich das erstemal bei meinem Taufnamen.


Maria sprach: Ich habe dir ein Geheimnis anvertraut,
Das nur dich allein betrifft
Und dir allein bestimmt ist.
Versprich mir,
Es niemandem in der Welt zu offenbaren.

32

Maria, meine himmlische Muse,


Schrieb als Poetesse diese Verse:
Die heiligen Engel in goldener Pracht,
Die bleiben bei euch
Winter und Sommer über Nacht!
Die Rosen im Garten,
Die im irdischen Paradies gewachsen,
Sind im Sommer zu erwarten.

33

Maria sprach zu mir:


Da wo du lebst, kannst du Gutes tun
Und meinen Ruhm verkünden.
Frankreich! Was hab ich alles für dich getan!
Und doch weigert Frankreich sich,
Auf mich zu hören!
Frankreich wird leiden!

34
Mit großem Ernst sprach die Jungfrau zu mir:
Mein Sohn, ich komme diesen Morgen vom Himmel
Und will dein Herz mit mir nehmen!
Da kam sie auf mich zu.
Sie nahm mein Herz und hielt es in ihren Händen
Und sprach: Hab keine Angst. Sei gut!
Ich beschütze dein Herz,
Ich bewahre es oben im Himmel bei mir.
Dein Herz wird immer in meinen Händen sein.
Sie segnete mich und schwand gen Himmel.

35

Mama!
Meine liebste Mutter,
So lässt du mich allein?
O liebe Mutter,
Ich kann nicht mehr sein ohne dich,
O meine Mutter!
Erinnerst du dich noch an den Tag,
Da du mein Herz mit dir
In den Himmel genommen hast?
Behüte es weiter dort oben!
So ist mein Herz immer bei dir.
Meine liebe Mutter,
Bei dir gibt es alles im Überfluß.
Was denkst du?
Kann ein kleiner Junge
Seine Mutter entbehren?
Ach, Mutter, ich fühle mich nicht gut.
O meine liebe Mutter,
Ich kann nicht sein ohne dich!
Verlasse mich nicht!
Meine liebe Mutter,
Ich möchte dich immer besitzen.
Ich kann mich von dir nicht trennen.
O meine liebe Mutter,
Nimm du mich mit ins Paradies!
Ich will nicht ohne dich sein.
Verlasse mich nicht,
Verlasse mich nicht!
Wann wirst du wiederkommen?
Welcher Kummer für mich,
Wenn du weggehst!
Aber – wie du willst!
O meine liebe Mutter,
Verlasse mich nicht!
Ich kann ohne eine Mutter, meine Mutter,
Nicht leben!
36

Maria sprach:
Hab keine Angst, ich tu dir nichts Böses!
Die Gnade Gottes wird deine Stärke sein!
Da öffnete sie die Hände
Und übermittelte ein so starkes Licht,
Wie ein Abglanz von ihren Händen,
Es drang in meine Brust
Und die tiefste Tiefe der Seele
Und ließ mich mich selbst in Gott schaun.
Da fiel ich auf mein Antlitz
Und betete innerlich:
Allerheiligste Dreifaltigkeit,
O mein Gott!
Drauf erhob Maria sich ruhig
Und stieg in Richtung Sonnenaufgang,
Bis sie in der Ferne verschwand.
Das Licht, das sie umgab,
Öffnete einen Weg durch die Himmelswölbung.
Aus diesem Grunde sag ich,
Ich habe den Himmel offen gesehen!

37

Maria sprach zu mir:


Du bleibst noch eine Zeitlang hier,
Denn Jesus möchte sich deiner bedienen,
Damit die Menschen mich erkennen und lieben.
Er möchte auf Erden
Die Verehrung meines Unbefleckten Herzens.
Mein Kind!
Leidest du sehr?
Laß dich nicht entmutigen!
Niemals werde ich dich verlassen.
Mein Herz wird deine Zuflucht sein
Und der Weg, der dich zu Gott führt.
Da öffnete sie die Hände
Und ich sah die Strahlen strömen von ihren Händen
Und sah mich in Gott versenkt.

38

In der dunklen Nacht


Besuchte mich die Muttergottes
Mit dem Jesusknaben an der Hand.
Freude erfüllte meine Seele,
Ich sprach: Maria, meine Mutter,
Weißt du, wie sehr ich leide?
Die Muttergottes sprach:
Ich weiß, wie sehr du leidest,
Aber hab keine Angst,
Ich habe Mitleid mit dir
Und werde immer Mitleid mit dir haben.
Sie lächelte lieblich
Und verschwand, die schöne Madonna.

39

Die Muttergottes sprach zu mir:


Ich bin nicht nur die Himmelskönigin,
Sondern auch die Mutter der Barmherzigkeit
Und deine Mutter!
Ich bin deine Mutter
Aus der unergründlichen Barmherzigkeit Gottes.
(Gottes Barmherzigkeit wohnt ja
In der Gebärmutter Gottes.)

40

Ich sah Maria so schön,


Die Schöne Madonna,
So lang und schlank,
So voller Anmut,
Daß ich die Schönheit nicht beschreiben kann.
Da sprach sie lächelnd zu mir:
Ich bin die Königin des Himmels und der Erde,
Vor allem aber deine Mutter!
Sie drückte mich an ihr süßes Herz
Und sagte: Ich fühle mit dir!
Ich spürte die Macht der Liebe
Ihres süßen Herzens,
Die Mutterliebe ihres Herzens
Strömte in meine Seele.

41

Von nun an lebe ich


Geborgen unterm Mantel der Madonna,
Sie schützt mich mit ihrem Schutzmantel
Und sie lehrt mich ihre Weisheit.
An ihrem makellosen Herzen bin ich ganz ruhig.
Ich bin schwach und ungelehrt,
Aber ich schmiege mich wie ein kleines Kind,
Wie ein Kind von drei Jahren,
An ihr makelloses süßes Mutterherz.

42
Es ist vor allem Madonnas Lächeln,
Ihr liebreizendes Lächeln,
Ihr entzückendes Lächeln,
Daß ich allezeit schaue.

43

Maria spricht:
Ich komme, dein Leid zu lindern!
Glaube an mich,
Und ich glaub auch an dich!
Ich bin
Unsre Liebe Frau über allem!

44

Maria erschien mir in der Nacht


Als eine große junge Frau,
Von langer schlanker Gestalt
Wie eine Palme,
Und von unaussprechlicher Schönheit
Und femininer Anmut.
Sie sprach zu mir:
Fürchte dich nicht,
Ich tue dir nichts zuleide.

45

Die Frau kam zu mir.


Eine überirdische Freude strömte von ihr aus.
Sie sprach: Ich wurde überall abgewiesen,
Nimmst du mich wenigstens auf?
Ich bot ihr einen Platz auf dem Sofa an,
Sie setzte sich und begann zu sprechen
Von der geheimnisvollen Weisheit der Heiligen
Und von dem Leben Sankt Franziskus’.
Die Zeit der Nachtruhe kam.
Sie sollte sich neben mich legen.
Sie sprach: Es ist genug Platz für uns.
Ich bat sie, den Schleier vom Haupt zu nehmen.
Sie nahm den Schleier ab
Und ihre wunderschönen Haare
Fluteten wie eine Kaskade zur Erde,
Ihre Haare waren wirklich wunderschön,
Volles Haar und flutend wie ein Wasserfall.
Ich bat sie, bei mir zu schlafen.
Komm bitte in mein Bett, sprach ich zur Frau.
Sie sprach: Mir genügt der Platz auf dem Sofa.
Wir saßen beide die ganze Nacht
Und lehnten uns an die Wand,
Sie erzählte mir die ganze Nacht
Vom Himmelsparadies
Und wie ich dahin kommen werde.
Was ich hörte von der Frau
War zu schön, als dass ich hätte schlafen können.
Die Frau sprach zuletzt,
Wenn ich viel bete,
So wird die tiefste Sehnsucht meines Herzens
Gestillt.
Beim Abschied sagte sie:
Vivi d’amore!

46

Ich gebe dir einen Lichtstrahl in die Hand,


Es ist die Flamme der Liebe meines Herzens!
Ich bin deine gütige, liebende Mutter,
Mit dir vereint,
Wir gehen Hand in Hand,
Ich rette dich!
Mein Sohn, ich überreiche dir
Die Liebesflamme meines Herzens!
Zünde dein Herz damit an
Und gib das Feuer weiter,
Wenigstens einer Seele!
Diese gnadenvolle Flamme
Aus meinem unbefleckten Herzen
Soll wandern von Herz zu Herz.
Das wird das große Wunder sein,
Dessen Lichtglanz den Bösen blendet.
Sie ist das Feuer der Liebe und Einheit.
Wir werden das Feuer des Hasses löschen
Mit dem Feuer der Liebe!
Meine Liebeflamme
Kann ich nicht länger in mir unterdrücken,
Laß zu, dass sie zu dir strömt!
Meine Liebesflamme
Bricht in deine Seele
Und wird deine Seele erhellen
Mit dem sanftesten Schein.
Wenn du meiner Liebesflamme Wohnung wirst,
Wirst du der ganzen Welt verkünden
Trunken die Gnadenfülle meiner Liebesflamme!
Eine solche Gnadenfülle gab es noch nie,
Seit die Weisheit Fleisch geworden ist.

47
Komm, ich erwarte dich!
So sprach die Stimme vom Garten der Nachbarin.
Ich sah eine Wolke sich vom Himmel niedersenken
Und sich im Pflaumenbaum des Gartens niederlassen.
Die Wolke strahlte von goldenen Sternen
Und vielen Rosenblüten.
Da löste sich aus der Wolke
Eine feurige Kugel
Und setzte sich auf den Apfelbaum.
Dann verschwand die Wolke
Mit der feurigen Kugel
Und ich sah Madonna im Lichtglanz.
Ihren Händen entströmten Strahlen.
Sie trug ein weißes Kleid.
Der Pflaumenbaum, den Maria berührte,
Blühte im Winter.
Du bist in meinem Mantel geborgen, mein Sohn.
Hab keine Angst!
Laß die Welt nur reden,
Du bist in meinen Armen.
Jesus hilft dir, der dich sehr liebt!
Verliere nicht den Mut!
Hebe die Augen oft zum Himmel.
Einst, wenn du bei mir im Himmel bist,
Mein Sohn, dann wird man dich verstehen.
Ich selbst komme oft in diesen Garten,
Dir zu helfen.
Dies ist mein Paradiesesgarten auf Erden!
Ich bin oft hier
Mit den Heiligen und den Engeln.
Selbst wenn ihr mich nicht seht,
Bin ich doch immer mitten unter euch.

48

Das Antlitz der Madonna war entzückend!


Sie trug einen weißen Schleier,
Einen himmelblauen Mantel
Und ein rosiges Kleid,
Ihr Gesicht war freundlich
Und sie lächelte lieblich!
Hohe Dame, gestattet Ihr mir,
Euch die Füße zu küssen?
Sie lächelte einfach entzückend!
Ich umklammerte ihre Füße
Und küsste sie begeistert
Und mit glühender Inbrunst!
Dann segnete sie mich mit dem Segen des Himmels.

49
Die Friedfertigkeit Gottes,
Die Freude Gottes,
Die Liebe Gottes,
Diese drei drangen in mein Herz,
Ich wurde verwandelt.
Heilige Göttlichkeit ward mir eingeflößt.
Die Göttlichkeit, sie berührte mich,
Sie liebte mich,
Erzeugte in mir ein Gefühl der Liebe,
Ich war in Verzückung,
Es war ein Augenblick paradiesischer Verzückung!
Ich fühlte mich wie im Himmel!
In war versetzt in eine paradiesische Atmosphäre.
Die Liebe Gottes ist wirklich wundervoll,
Mein liebes Kind, die göttliche Liebe!
Aber wer hat Worte,
Das Paradies und die Liebe des Himmels zu singen?
Eine unbeschreibliche Liebe,
Die die Seele befriedigt!
Eine Liebe, die den Grund deiner Seele erfüllt!
Die göttliche Liebe,
Die Liebe einer Gottheit!
Ich hab es gewollt,
Ich wollte dich verzücken,
Um dich mit Liebe zu erfüllen,
Um dich zu heilen,
Um dir die Pforte des Paradieses zu öffnen.
Ich hab es gewünscht und gewollt,
Ich habe dich vom ersten Augenblick an geliebt,
Ja, über die Maßen geliebt!
Die Wirklichkeit göttlicher Liebe,
Die Lobpreisungen göttlicher Liebe,
Die Freude und süßeste Wonne der Liebe,
Die will ich dir schenken,
Die sollst du erkennen.
Du weißt, wer deine Mutter ist!
Ach mein geliebter Sohn
Mein vielgeliebter Sohn,
Mein liebstes Kind!
Glaube an meine Liebe zu dir!
Mein Kind, ich möchte dich küssen, küssen!
Immer mehr will ich dich lieben!
Mein Liebling, immer mehr will ich dich lieben!

50

Maria erscheint einem Kind.


Das Kind spricht:
Ich sah den Himmelsvater,
Er war ganz weiß.
Der Himmelsvater war im Garten,
Weiß wie Schnee,
Er trug einen Rosenkranz mit einem Kreuz,
Der Christus war am Kreuz,
Lebendig, voller Blut!
Am Gürtel trug er eine silberne Schnalle,
Er trug einen langen weißen Schleier.
Die Gestalt stand auf der Erde,
Sie hat nichts gesagt,
Sie hat nur leise gelächelt.
Wenn der Wind den Schleier bewegte,
Sah ich schöne lange schwarze Haare.
Die Hühner waren ganz still
Und ich war auch ganz still.

EIN TRAUM VOM MORGENLAND


“Al-Wajib al-busidan?”
“Kus-i-naupaschm!”

ERSTER GESANG

Ich will die Göttin Sprache preisen,


Die Verschleiernde,
Die Mystifizierende!
Ich preise auch die Musik
Und die Pieta von Marmor,
So rein und schön!

Ich greife gern zurück


Auf den Erfahrungsschatz meiner Brüder.
Ich hauche alten Mythen
Neuen Atem ein,
Daß sie nicht ins Land des Vergessens versinken.

Ich suche Waq Waq,


Das Land, das so viel reines Gold besitzt,
Daß die Eingebornen
Goldene Kettchen machen für ihre Affen.
Auch tragen sie dort Kleider
Mit Gold bestickt.
Ebenholz ist dort von edler Sorte,
Mahagoniholz und Almuggimholz
Und Sandelholz für Harfen und Balkone.
Waq Waq ist die selige Insel
Jenseits des östlichen Horizonts.

Dort leben Astomen,


Die sich nur vom Apfelduft ernähren,
Dort wohnen Gymnosophen
Bei den Amazonen.

Gestern traf ich siebenhundert Menschen.


Ich sah gute Männer,
Reizende Frauen
Und fromme Kinder.
Die Königin war wunderschön,
Sie trug ein schwarzes Gewand.
Ihr Mund war scharlachrot
Und die Zehennägel scharlachrot geschminkt.
Auf dem Haupte trug sie
Einen Turban aus Palmenfächern.

Ich aber sage euch,


Die Indianer waren Kannibalen,
Die Azteken opferten Tausende Menschen täglich!

Die Indianer schändeten Weiber,


Mordeten Kinder
Und schnitten den Männern den Skalp vom Haupt.

Der fromme Pionier


Hatte die Gerechtigkeit auf seiner Seite,
Denn die gottgeliebte Insel Amerika
Durfte nicht länger Spielwiese sein
Für wilde Barbaren.

Nun redet ihr aber alle


Vom edlen Wilden.
(Ich kannte in meiner Jugend
Einen einzigen edlen Wilden.)
Der große Haufen
Ist blutrünstig und barbarisch,
Ah, sie haben Kannibalengelüste!

Freitag aber will ich preisen,


Der Robinson Crusoe beigestanden,
Und Pocehontas will ich singen,
Die John Smith gerettet
Und christliche Ehefrau geworden!
Diese indianische Prinzessin
Ward getaufte Jüngerin Jesu!

Aber ich sah auch die Ströme von Blut,


Die Indianer frohlockten bei den Strömen des Blutes,
Wurden erregt und gerieten in Ekstase,
Viele knieten nieder und tranken
Von diesem Strom des Blutes
Und besoffen sich ungehemmt
Und freuten sich wie Dämonen!

Und ich muß euch auch sagen von den Hexen,


Von ihrer sexuellen Gier,
Von ihrem Kannibalismus,
Von ihrem Geschlechtsverkehr mit Buhldämonen,
Von ihrem Starrsinn und verstockten Herzen
Und ihren sublunaren Launen!

Ja, der Orient ist ein Ort


Der Lust und der Sinne
Und doch von Gewalt gezeichnet.

Die Völker des Ostens sind lüstern,


Faul wie vom Opiumrausch,
Unfähig, sich zu regieren.

Wir haben eine zivilisatorische Mission!

Wenn ich aber reise in den Orient,


So suche ich meine eigene Bildung
Und Heiligung der Persönlichkeit.
Die Klassiker hassen das Ego,
Doch heute glorifizieren alle das Ego.
Ich aber bin als Reisender wahrlich
Pilger zum Grabe Christi,
Ritter Christi im Dienst meiner himmlischen Dame!
Mein Ruf eilt mir voraus
Und nimmt die Dimensionen des Rufes des Orpheus an!

Ja, den erotischen Orient sing ich!


Liebes-Sklavinnen alle Weiber,
Sie verheißen sexuelle Wonnen,
Die in Deutschland ein Tabu!

Die orientalischen Menschen


Haben manches mit Tieren gemeinsam.
Othello zum Beispiel
Gleicht einem Araberhengst.

Ich war in den Minen des Königs Salomo.


Ich war der König des Dschungels.
Ich durchquerte Urwälder einsam,
Durchwatete Flüsse,
Zähmte Horden von Wilden
Und blieb doch zivilisiert.

Der Chinese, den ich traf,


War beseelt von einem tiefen Gefühl des Respekts
Vor den deutschen Dichtern und Denkern.
Ja, es war beinah Liebe!
Es war viel Wertschätzung da
Für die deutsche Dichtkunst
In seiner demütigen Seele.

Aber Asiaten sah ich, die waren faul,


Die waren unsauber, rauschgiftsüchtig.
Jener ist feige in Gefahr
Und frech, wenn es nichts zu befürchten gilt.
Jener hat keine Idee der Wahrheit
Und keinen Begriff der Gerechtigkeit.
Und wäre jener genialer,
So wäre er der Inbegriff des Übels!

Das empört mein aristokratisches Herz,


Wenn sich der kommunistische Pöbel aufbläht!

Der barbarische Wilde


Und der revolutionäre Prolet
Sind ein und dieselbe Schlange
In mancherlei Kleidern.

Ich gebe euch die Ideen


Der Tradition des Abendlandes,
Des christlichen Abendlandes wieder.

Soll ich die Heiligen Orte


Jerusalems schildern?
Was kann ich sagen,
Was nicht schon gesagt?
Dies Thema Jerusalem
Ist unerschöpflich!

Wenn die Wirklichkeit unaussprechlich,


Bleibt die Phantasie und der Traum.
Ich inszeniere mein Leben
Und meine Leiden und meine Liebe
Auf der Bühnenszene des Orients.
Ich singe romantisch meine Romanze
Vom Pfingsten der Schönen Liebe!

Herrliche Städte,
Einst bevölkert von tugendsamen Menschen,
Geschmückt mit Tempeln und Säulenhallen,
Wahre Weltwunder architektonischer Schönheit,
Jetzt leer und verlassen,
Verödet, zu Trümmern zerfallen,
Durch die Barbarei des primitiven
Islamismus heruntergekommen,
Hier leben nur noch Wildkatzen und Schakale
Vor den Toren der einstigen Tempel.
Oft hab ich die Wildkatzen angeschaut
Vor den Türen der altehrwürdigen Kirchen,
Und es zerbrach mir das Herz!

Der Libanon, Gott sei Dank,


Der Libanon ist christlich!

Orient, Orient,
Schon dein Name
Erweckt mir einen Tanz von Bildern,
Sarazenen schau ich und Märchenerzähler,
Die arabischen Nächte Lailas hör ich flüstern,
Haremsfrauen schau ich,
Schönheiten seh ich Bauchtanz tanzen,
Ich denke an die Tempelritter,
An die Kreuzritter Christi
Und die Heilige Schrift!

ZWEITER GESANG

Lässt du dich von Mohammed irren?


In Purpur gekleidet geht Mohammed,
Er schminkte seine Lippen
Und liebte betörende Düfte
Von Rosen und Frauen.
Gott war ihm geeignet,
Den sexuellen Appetit zu stillen!
Mohammeds Himmel kreist um die Wollust!
Das gefällt dem Orientalen!
Er lebt ja beständig
In einem Klima der brünstigen Hitze!

Mohammed verheißt einen Himmel


Des Sexualkommunismus,
So laufen die Scharen von Männern
Der reinen Wahrheit davon
Und hängen sich an die ersehnten Huris!

Und siehst du jene Götzendiener,


Die den Antichrist rufen?
Und siehst du jene Götzendiener,
Die da die Naturgöttin feiern?

Heiliger Vater Dante,


Wo ist Mohammed im Jenseits?
Ist er im Schoß der Huris?
Ist er zur Rechten Gottes?
Oder sitzt er in der Hölle
Neben Luther und andern Ketzern,
Die die Gemeinschaft der Heiligen
Durch den Irrtum gespalten?
Ich singe mein Ideal,
Die Hohe Minne
Des Rittertums Christi
Und die überlegene Weisheit Gottes
Über alle religiösen Phantasien!

Ich singe den christlichen Ritter,


Der den hundeköpfigen Riesen erschlug!
Ich singe den Muslim,
Der sich zum Sohne Gottes bekehrt!
Ich singe die Prinzessin von Persien,
Die den christlichen Ritter liebt!

Die persische Prinzessin ist bereit


Mit der Demut einer Magd
Dem christlichen Ritter zu helfen.
Der Minneritter weckte
In der Magd Verlangen,
Sie hatte Lust an ihm!
So betritt die persische Prinzessin
Das Schlafgemach des christlichen Ritters
Und bietet ihm ihre Liebe an,
Der keusche Ritter Christi
Weist alle Unzucht zurück.

O die Verführerin!
In ihrer Sinnlichkeit ist sie bereit,
Dem Aberglauben abzuschwören
Und Freundin des Sohnes Gottes zu werden!
So schwor die Prinzessin dem Ritter,
Sie werde Christin,
Wenn er sie nur Einmal umarme!
Folgend dem Missionsbefehl des Herrn
Umarmte der Ritter die Prinzessin,
Sie wird Christin!

Die Prinzessin von Babylon


Ward von ihrem Vater gefangengehalten.
Sie entsagte der babylonischen Religion
Und löste sich aus den Familienbanden.
Als die Magd der Prinzessin
Sich geweigert, dem Ritter Christi zu helfen,
Warf die Prinzessin
Die Magd ins Meer!
Sie lockte den christlichen Ritter
In ihr Schlafgemach,
Versuchte ihn
Mit verlockenden Liebeskünsten zu verführen,
Doch der Minneritter blieb keusch!
Dann aber half die Prinzessin von Babylon
Der Armee des Blutes Christi,
Den König von Babel abzusetzen.

O ihr christlichen Ritter,


Meine Brüder und Freunde,
Wollt ihr den König von Babel
Von seinem Throne stürzen,
So nehmt als Hilfe an
Die Liebe der Prinzessin von Babylon!

Lest doch den Koran,


Lest doch vom Paradies im Koran!
Der Araber ist voll Begierde,
Ein Himmel ist ihm offenbart,
Der ewig Befriedigung
Seines sexuellen Appetits verheißt!

Das Paradies der Christen


Ist das Land von Milch und Honig,
Dort wird Jesus Christus
Mit uns vom Gewächs des Weinstocks trinken!

Die frommen Muslime genießen im Garten Eden


Ewige Wollust und Sinnenfreuden,
Die Christen sind im Himmel
Wie Engel Gottes glückselig
Im Genuß der Liebe Gottes!

Die Christen setzen ihre ewige Hoffnung


Auf die Freuden des vergöttlichten Geistes
Und die Muslime setzen ihre ewige Hoffnung
Auf die Genüsse der Fleischeslust!

Mit Horaz will ich reisen


Nach Ormuz, Ophir und Aleppo,
Ich will nach Syrien pilgern!

Den reichen Orient sang


Der Dichter, der die Königin von Saba besang,
Und jener große Künstler,
Der die drei Magier aus dem Morgenland malte.

Die Renaissance verband


Die Königin von Saba
Mit den drei Magiern des Morgenlandes
Und goß darüber die ganze Erotik der Schönheit.

Die jungfräuliche Königin Gloriana Elisabeth


Bemühte sich um die Gunst
Des türkischen Sultans,
Sie sandte ihm eine goldene Orgel
Nach Konstantinopel.
In der Hitze des Bosporus
Schmolz die Orgel.
Der Orgelbauer stellte die Orgel wieder her,
Er übergab die Orgel dem Sultan
Zum großen Entzücken Konstantinopels.
Der Orgelbauer durfte
Einen Blick in den Serail des Sultans tun!

Die Mauer am Gitter war breit,


Mit Eisenstangen versehen,
Durchs Gitter schaut ich
Dreißig Konkubinen,
Die auf einem Hof mit einem Balle spielten.
Sie hatten lange Haare,
Mit Perlenketten zusammengehalten.
Es waren Frauen
Und außerdem sehr schöne!
Ich stand lange da und staunte.
Allmählich wurde der Sultan,
Der mir die Schönen zeigte,
Von Ungeduld ergriffen.
Ich musste mich von dem Anblick trennen,
Das tat ich ausgesprochen ungern,
Weil mir alles, was ich da schaute,
So wahnsinnig gut gefiel!

Der Sultan warf


Die nackten Konkubinen
In den künstlichen Teich aus Porphyr
Und schoß mit kleinen Perlen auf sie,
Doch ohne sie zu verletzen.
Dann ließ er Wasser laufen in den Teich
In solcher Menge, dass die Nackten
Auftauchten, um ihr Leben kämpfend.
Dann rief der Sultan den Eunuchen,
Daß er die nackten Frauen
Aus dem Wasser hole.

Der türkische Sultan verliebte


Sich in ein Sklavenmädchen.
Er verließ die Geschäfte des Staates,
Um in ihren Armen zu liegen.
Seine Minister tadelten ihn,
Da bat er seine Geliebte,
Ihr durchsichtigfeines Seidenkleid anzuziehen
Und ihn zum Festmahl zu führen,
Wo er sie vor den Augen seiner Minister umarmte.
Er zog sie aus vor den Augen der Minister,
Sie durften ihre Augen weiden
An dem Anblick ihrer Nacktheit!
Dann zog er sein Schwert,
Die Sklavin zu enthaupten!
Othello ist reingewaschen
In den Wassern der Taufe,
Er dient Venezia!
Dennoch bleibt er ein Widder,
Aber ein edler Widder.
Seine Natur ist leicht erregbar,
Die Instinkte seiner Leidenschaft
Verwüsten seine Seele.
Der schwarze Widder darf nicht einfach zügellos
Das weiße Schäfchen decken!

Mark Anton war Römer von Überzeugung,


Er reiste nach Ägypten
Und war sogleich gefesselt
Von den sich bietenden Möglichkeiten.
Er gab sich der süßen Trägheit
Der Liebesstunden hin.
Er verfiel dem Orient.
Seine Vernarrtheit überstieg jedes Maß.
Sein Herz war zum Blasebalg geworden,
Die heiße Zigeunerin abzukühlen!
In Rom galt Staat und Ehe,
Pflicht, Ehre, Tugend,
In Kleopatras Ägypten herrschte
Die Maßlosigkeit süßester Sinnenfreuden,
Vernachlässigung alles politischen Amtes,
Überwältigung durch die sexuelle Begierde!
Mark Anton wollt sich befreien
Von der verzehrenden Leidenschaft!
Hier riss ihn die Staatskunst nach Rom,
Dort rief ihn die Leidenschaft nach Ägypten.
Die starke ägyptische Fessel
Muß ich zerreißen!
Sonst geh ich unter in der Wollust!
Er stieg zwar in die römische Staatsmacht auf,
Schloß eine politische Ehe
Mit einer tugendsamen Römerin,
Doch wollt er sowohl die Staatskunst Roms
Als auch die Sinnlichkeit von Ägypten.
Der Wahrsager führte ihn
Zurück in den Kreis der Magie,
Die Verkörperung von Ägypten.
Er ward an seine Begierde erinnert.
Nach Ägypten eil ich!
Schloß ich die Vernunftehe auch
Für Romas Frieden,
Im Osten wohnt doch meine Wollust!
Das Abendland ist der stabile Staat,
Das Morgenland hemmungsloser Liebesgenuß!
Die Römerin ist wohl weise und ehrbar,
Doch wenn die Ägypterin naht
In ihrer Barke,
Bist du überwältigt von ihrer Schönheit!
Sie macht hungrig nach mehr,
Je mehr sie schenkt!
Kleopatra ist die verkörperte sexuelle Begierde,
Unstillbar!
Markus Antonius folgt
Der großen Zerstörung
Durch Kleopatras Zauber!
O du falsches ägyptisches Herz!
O deine tiefe Magie!
Du winkst mein Herz in den Kampf,
Du ziehst mich heim in deinen Schoß!
Nur deine Brüste waren meine Krone, mein Ziel!
Zigeunerin, du hast mich betrogen
Beim falschen Spiel,
Wo ich mein Leben eingesetzt!
Ach Eros, ach Eros!
Markus Antonius stirbt!
Der Tod ist eine Liebe,
Stärker als die Leidenschaft!
Markus Antonius stirbt,
Kleopatra küssend!

O Kleopatras Barke!
Das ist der ganze Orient!
Der Duft von Parfüm und Weihrauch!
Stickereien, die in der Sonne glänzen!
Vor allem die Frau,
Die Göttin und Lustobjekt,
Königin ist und heilige Hure,
Tyrannin und Mätresse!

Dido von Karthago


Hieß den Äneas willkommen
In ihrem Bette!
Dido ist personifizierte Begierde,
Ein Lustobjekt für den ruhlosen Heros!
Ihre königliche Hoheitsgestalt
Ist Attribut der sexuellen Begierde,
Die sie erweckt im Mann.
Wie alle Verführerinnen
Bindet sie den Pius Äneas an sich.

Bilkis von Jemen,


Die Königin von Saba,
Ist die arabische Schönheit,
Die Salomos Weisheit prüfte.
Sie ist erotisch,
Mit Edelsteinen geschmückt,
Die Braut der Phantasie.

Salomes Schönheit,
Ihr verruchter Schleiertanz,
Der biblische Striptease,
Verzückt
Und flößt zugleich geheimen Schrecken ein!

DRITTER GESANG

Arabische Nächte!
Alf Laila wa Laila!

Die orientalischen Weiber


In ihrer orientalischen Weiblichkeit
Verbringen ihr Leben im süßesten Müßiggang,
In süßer Bequemlichkeit,
Sie liegen den ganzen Tag auf dem Bette
Und lassen sich von Sklaven massieren,
Einem der höchsten Genüsse des asiatischen Weibes,
Oder sie rauchen Tabak.

Wenn die Königin


Den König betrügt
Und sich sexuell vereinigt
Mit einem Geliebten,
Dann decken wir über den Akt
Und seine Art und Weise der Vereinigung
Den Schleier der keuschen Scham.

Im Orient schöpf ich Romantik,


Ich schöpf aus der Quelle!
Die südlichen Gluten Spaniens
Werden mir kühl erscheinen
Verglichen mit dem bengalischen Feuer
Der asiatischen Sinnlichkeit!

Ich werde Ruinen betrachten,


Den gelben Nil befahren,
Durch Arabien und durch Persien reisen,
Den Kaukasus besteigen
Und den Himalaya
Und im einsamsten Tale Kaschmirs wohnen.

Hier gibt es keine Armut, keine Bettler mehr,


Hier gibt es nur Bäder, Düfte,
Tänze, alle Genüsse Asiens!

Hier blüht die Rose,


Hier singt die Nachtigall!

Meine Freundin, wirst du reisen


In das Land der Eifersucht,
Wo die leidenden Weiber
Von Gatten werden bewacht,
Die abgeschnittnen Gurken gleichen?

In jener Stadt saß sie auf dem Sopha,


Dort lernte sie den Turban binden,
Hier nahm sie ein Bad,
Hier ließ sie sich mit Ölen massieren.
Ich werde von dir erfahren,
Wie du einen Traum gehabt
Vom Paradiese!
Glücklich sind die Weiber
Im Garten Eden,
Denn sie haben keine Seele,
Der schöne nackte Körper ist vollkommen frei
Von irgendeiner Seele!
Denn ach, wie plagt uns doch in Deutschland
Die Seele der Frau!
Doch dort im Himmel ist der Körper frei,
Ist endlich vollkommen frei,
Um all die schönen Liebeskünste
Und schönen Liebesspiele zu treiben,
Für die der Körper geschaffen!

Ich habe vernommen,


Daß die Menschen im Osten
Keine Opern kennen,
Sondern dass sie leben in einem Serail.
Die asiatischen Schönen
Sind die angenehmsten Weiber der Welt!
Sie haben nämlich keine Seele!
Wirklich, in der ganzen Natur
Ist nichts so liebenswert
Wie ein schönes Weib ohne Seele!
In Deutschland dagegen
Zerstört die tugendsame Seele
Den Reiz des Körpers vollkommen!

Das deutsche Phlegma


Und die deutsche Kälte
Quälen meine Seele zu Tode!
Ich bin viel zu empfindsam!
Ich kann die Gleichgültigkeit
Des deutschen Weibes nicht mehr ertragen!
Sicher, der deutsche Wald ist schön,
Die deutschen Weiber aber,
Helft mir, Götter!

Ich werde noch menschenscheu!


Mich plagen Depressionen!
Ich will wohnen in der Ägyptischen Halle,
Die orientalische Poesie zu studieren!
Don Quijote wird durch Marokko reiten!
Ich glaube, ich bin in den Gräbern Ägyptens
Und werde jeden Augenblick auferstehen!

Lord Byron, du hast mich ermutigt,


Mein Bruder und Freund,
Denn unsre Musen sind Schwestern,
Aus der Quelle
Des Ostens zu schöpfen:

Mein Mayer! Halte dich an den Orient,


Schrieb Byron mir,
Denn das Orakel der Madame verriet mir,
Dies sei die wahre poetische Strategie.
Was ich getan in meinen östlichen Poemen
Ist nur die Stimme eines Rufers in der Wüste!
Der Weg steht dir offen, Mayer!

Rehäugig alle Weiber,


Schmachtend sich verzehrend!
Sich verzehrend vor Sehnsucht!
Böse Gatten halten die Schönen gefangen!
Spitzenunterwäsche!
Kaschmir!
Juwelen, Parfüme,
Musik und Tanz
Und Nachtigall und Rose!

Der Himmel ist rasch bereitet,


Denn es genügen schöne Mädchenaugen und Limonade!

Freudenhäuser, Grotten, Bronnen, Milch!


Dies alles wartet in Xanadu!

Ich wünsche mir wie ein indischer Götze


Im Schoß einer Lotosblüte
Über einen grenzenlosen Ozean
Aus schäumender Milch zu treiben.

Ich kenne die Stätte,


Wo Lewti ruht,
Wenn Mutter Nacht ihr die Augen schließt.
Es ist eine Gartenlaube von Jasmin,
Dort singt die Nachtigall.
O Stimme der Nacht!
O hätt ich die Kraft,
Dies Labyrinth der Liebe zu füllen!
Könnt ich leis in den Garten kommen
Und erblicken ihre weißen Brüste!
Lieblich schwellen ihre weißen Brüste
Und bieten sich meinen Blicken!
Die beiden Schwäne werden sich heben und senken
Auf der Flut der Liebe!
VIERTER GESANG

König Ludwig der Vierzehnte


Sprach heute zum Dichter Mayer:
Wir sind Eurer Begabung günstig gesonnen!
Ich sprach zum König:
Majestät, wir singen immer vom Eros der Griechen,
Jetzt aber sing ich Asias Wollust!

Als ich der Küste nah kam,


Fühlt ich mich wie ein Bräutigam,
Der lüftet den Schleier seiner Braut
Und schaut zum ersten Mal das Antlitz,
Das ihn bezaubert!

Der Orient ist die Erotik,


Die pure Erotik, verkörpert in einer Frau!

Der Orient ist die Pforte


Zu einem imaginären Harem.

Die Frau ist wirklich wie ein Engel,


Ist auch wie eine Hure
Und wahrlich eine vertraute Freundin!

Die Frau liebt sexuelle Ekstase


Und ist zugleich ätherisch wie eine Aura
Und hoheitsvoll wie die Madonna!

Die Künstler unter den Nazarenern


Sahen diese Frau,
Bekleidet mit schönsten Gewändern,
Sie überragt die andern Frauen alle,
Man meint, sie sei aus einer Pyramide gekommen.
Ihre Aura ist die Aura der Fremdheit,
Sie stammt aus einer andern Kultur,
Vielleicht aus Luxor?
Ihre dunkle wallende Haarflut,
Ihre dunklen Augenbrauen,
Die Aura des Geheimnisvollen,
Der ägyptische Stoff ihres Kleides,
Das macht ihren Reiz aus.
Sie schnürt nicht die Brüste ein
Und doch ist sie unnahbar verschlossen,
Sie verströmt Erotik,
Die nicht von dieser Welt ist!

Diese orientalische Herrin


Steht wie ein numinöses Himmelswesen
In Beziehung zum Ewigen Ur-Geheimnis.
Die Schönheit Salomes
Stammt aus dunkler Quelle,
Ihre verruchte Schönheit
Faszinierte schon Johannes den Täufer.
Salomes Schleiertanz
Als Evangelischer Striptease
Ist Blutdurst der Sehnsucht
Nach dem Haupt Johannes des Täufers,
Die dunkle Seite
Der erotischen Leidenschaft.
Salome tanzt den Schleiertanz
Über dem blutigen Abgrund
Und küsst in ihrem Blutdurst
Und ihrer besinnungslosen Ekstase
Das abgeschlagene Haupt!

Ich habe deinen Mund geküsst, Johannes,


Ich habe deine Lippen geküsst!
Es war ein bittrer Geschmack auf deinen Lippen.
Es schmeckte nach Blut!
Es schmeckte nach Liebe!
Die Liebe schmeckt bitter,
Aber mein Kuß schmeckt bitterer noch als die Liebe,
Johannes, ich habe deinen Mund geküsst!

Der Mond verfärbte sich scharlachrot,


Als Salome tanzte
Den Wahnsinnstanz der Entschleirung!

Oben auf der Treppe


Legte sie ihren Schleier ab,
Begann zu tanzen.
Die Kettchen an ihren Knöcheln klangen
Zum Tanz der nackten Füße,
Die Flöte blies,
Die Zimbel des Jubelschreis erschallte!
Ihre runden Arme riefen ihn,
Der immer geflohen vor den Frauen!

Die Klassiker malten die nackte Aphrodite,


Aber die Orientalen
Malten eine Nacktheit,
Die zum Greifen nahe!

Der Logos des Philosophen


Vermählt sich oft mit der puren Erotik!

Reich verzierte Decken!


Klare Spiegel!
Alle Pracht des Orients!
Alles sprach die Seele an
Mit lieben Heimatworten!

Sie ist die weiße Dame


Der platonischen Liebe
Und zugleich die schmachtende Asia!

Amulette mit grüner Patina aus Ägypten!


Mumienglieder aus Grotten!
Florentinische Bronze!

Die Königin von Saba ist sie,


Die Versuchung des heiligen Antonius sie!
Die Königin von Saba verführt
Den Eremiten der Wüste
Mit orientalischer Wollust,
Sie verheißt unendliche sexuelle Lust
Und ungeahnte Liebeswonnen!

Ich bin kein Weib, ich bin ein Kosmos!


Meine Kleider brauchen nur zu fallen
Und du findest das Mysterium
Meines Leibes und Blutes!
Berührst du mit deinen Fingern meine Schulter,
Entflammt ein Feuer in deinen Venen!
Der Genuß eines Stückes meines Leibes
Würde dich mit mehr Glück erfüllen
Als der Besitz der ganzen Welt!
Meine Vereinigung schmeckt wie die Feige,
Die in deinem Herzen schmilzt!

Sei doch fröhlich, mein Eremit,


Sei heiter und glücklich!
Ich spiele die goldne Leier
Und tanze wie die Bienenkönigin
Und kann Gedichte inspirieren,
Eins schöner als das andre!

Ach, ich verzehre mich vor Sehnsucht


Nach Asia, nach der phyrgischen Asia!

O diese bezaubernde Frau in ihrem feierlichen Kleid!


Grüner und roter Damast
Mit aufgeschlitzten Ärmeln!
Vollendet geformte nackte Arme!
Breiter Zaubergürtel,
Mit filigranen Kügelchen reizend verziert!
O breiter Becher ihres Beckens!

Sie ist die Tscherkessin


Aus dem tscherkessischen Süden,
Sie ist Puschkins Muse!
Sie nähert sich mir
Und taucht den Löffel
In Kirschmarmelade
Und leckt den Löffel ab
Mit dem liebreizendsten spielenden Lächeln um die Lippen!

Sie ist die Geberin


Und selbst das Geschenk!
Ein appetitlicher Leckerbissen,
Süßer als reiner Zucker,
Sie wartet nur darauf,
Von mir vernascht zu werden!

FÜNFTER GESANG

Ich liebe dich, Madonna!

Ich nehme die Menschenflut


In meine Hand
Und schreibe mit Galaxien
Meine Liebe an den Himmel!
Dir will ich bauen das Haus mit sieben Säulen,
Das goldene Haus der Weisheit!

O wenn ich in deinen Augen


Den Lichtglanz der Liebe sehe
Bei meiner Ankunft im Himmel!

Madonna bittet mich,


Das makellose goldene Haus der Weisheit,
Unser gemeinsames Werk,
Zu ihrem Ruhm zu errichten!

FRAU WEISHEIT IM VORDEREN ORIENT

Ah weh, um die Stadt muß ich seufzen,


Ah weh, um die Schätze seufzt meine Seele.
Im heiligen Lagasch sind die Kinder bekümmert,
In das Innre des leuchtenden Schreines drang der Feind ein,
Die erhabene Königin nahm er aus dem Tempel fort.
O Herrin meiner Stadt, verlassene Mutter,
Wann kommst du wieder?
Der Feind ist mit Schuhen an den Füßen
In mein Brautgemach getreten,
Der Feind mit seinen schmutzigen Händen
Hat mich angetastet,
Er hat sich nicht gefürchtet,
Ich aber muß mich fürchten,
Ich vergehe vor Angst!
Der Feind hat mir mein Kleid genommen
Und seine Dirne damit bekleidet,
Der Feind hat mich gehetzt
In meinem eigenen Haus,
Wie eine ängstliche Turteltaube
Hockte ich auf dem Dach,
Wie eine schnelle Fledermaus
Flog ich durch die Nacht.
Wie eine Vogel aus den Käfig
Hat man mich fortfliegen lassen.
Mich, die Herrin, hat man aus meiner Stadt gejagt!

O meine Mutter,
Die du Lagasch errichtet,
Du blickst auf ein starkes Volk,
Ich bete dich an,
Du hast mein Leben verlängert.
Ich habe keine Mutter –
Du bist meine Mutter!
Ich habe keinen Vater –
Du bist mein Herr!
Meine himmlische Göttin,
Du weißt, was gut ist,
Du hast mir den Atem des Lebens gegeben.
Unter deinem Schutz und Schirm, o Mutter,
Will ich ewig wohnen!

Die ganze Welt hat Angst vor der Zeit,


Die Zeit hat Angst vor den Pyramiden.

Wenn sie den Toten gereinigt,


Wird er mit Palmwein begossen,
Dann zerreiben sie Spezereien,
Sie füllen den Leib des Toten
Mit Myrrhe und Kassia
Und anderm Räucherwerk,
Doch nicht mit Weihrauch.
Dann legen sie den Toten
In Natron-Lauge
Und verwahren ihn siebzig Tage lang.
Sie umwickeln den Leib
Mit Byssustuch
Und bestreichen ihn mit Gummi.

Höre auf das, was ich dir sage,


Damit du König seiest über das Land,
Damit du mehr Gutes tust,
Als man erwartet.
Nimm dich in acht vor den Bürgern
Und nahe dich nicht den Bauern
Und rede nicht vertraut mit den Sklaven.
Vertraue deinem Bruder nicht
Und traue keinem Freund.
Schläfst du, behüte dein Herz!
Am Tag des Unglücks hast du keine Freunde.

Seine Majestät ist einer,


Der weiß, was geschieht,
Es gibt nichts, was er nicht wüsste,
Er ist ein Gott des Wissens
In allen Dingen,
Es gibt nichts,
Was er will und nicht verwirklicht.

Hüte dich vor einer fremden Frau,


Die in deiner Stadt nicht bekannt ist.
Winke ihr nicht zu mit den Wimpern,
Erkenne sie nicht in leiblicher Liebe!
Sie ist ein tiefes Meer!
Eine Frau, wenn sie fern von ihrem Manne ist,
Dann sagt sie: Ich bin schön,
Alle Tage sagt sie: Ich bin hübsch!
Sie sagt es, wenn keine Zeugen dabei sind.
Das ist eine Todsünde,
Wenn man ihr zuhört
Und es nicht weitererzählt.

Wenn du gesichert lebst,


Dann gründe eine Familie
Und liebe deine Frau
In ihrem Gemach,
So wie es sich gehört!
Fülle ihren Bauch
Und bekleide ihre Glieder.
Erfreue ihr Herz, solange sie lebt!
Sie ist ein guter Acker für ihren Bauern!

O mein lieber Freund!


Es ist mein Wunsch und Wille,
Als deine Vertraute
Die Herrin deiner Güter zu werden!

Gib dein Brot dem Hungernden


Und sorge für einen ewigen Namen

Reiße nicht die Grenze der Witwe nieder.


Pflüge deinen eigenen Acker,
Da findest du alles, was du brauchst.
Du wirst Brot empfangen
Von deinem eigenen Acker.
Besser eine Handvoll von Gott,
Als tausend Schätze durch Gottlosigkeit.
Besser arm sein vor Gott
Als viel Gold im Tresor.
Besser Kraut mit freundlichem Herzen
Als Schweine fressen mit Feinden!

Gib dein Herz der Weisheit hin!


Liebe die Weisheit wie deine Mutter!
Es gibt nichts, was so kostbar ist
Wie die göttliche Weisheit!

Jeder Arbeiter wird beherrscht,


Nur der Geistesarbeit tut,
Der Weise beherrscht sich selbst.

Ein Unglück ist es,


In den Kampf zu ziehen.
Mühselig ist es,
Im Acker zu graben.
Die einzige wahre Wonne ist es,
Das Herz den ganzen Tag
Den Büchern zuzuwenden
Und auch in der Nacht
Im heiligen Buch zu lesen.

Verliere deine Zeit nicht


Mit irdischen Begierden.
Laß deinen Mund
Das Buch in deinen Händen lesen.
Lass dich belehren von denen,
Die weiser sind als du.

Wie freut man sich,


Wenn man erzählen kann,
Was man auskosten musste,
Wenn das Übel vorüber ist!

Ich war zum Bergwerk des Königs gezogen


Und hatte mich aufs Meer begeben
In einem großen Schiff.
Die besten Matrosen Ägyptens waren auf dem Schiff.
Sie beobachteten die Gesetze der Sterne,
Sie beobachteten die Gesetze der Erde.
Ihr Herz war starkmütig wie ein Löwenherz!
Sie sagten einen Sturm vorher,
Bevor der Sturm kam,
Sie kündeten ein Gewitter an,
Bevor die Blitze zuckten
Und der Donner brüllte.
Wir waren auf dem offenen Meer
Und konnten nicht rechtzeitig landen.
Der Wirbelsturm wühlte die Wellen auf.
Der Mastbaum ward zerschmettert!
Das Schiff versank!
Keiner blieb übrig,
Ich allein ward an den Strand einer Insel geworfen.
Drei Tage war ich allein mit meinem Herzen,
Mein Herz war meine einzige Freundin.
Ich lag im Schatten eines Baumes,
Dann erhob ich mich, zu suchen,
Was ich in meinen Mund tun könnte.
Da fand ich die Feige
Und die Traube!
O alle Arten gesunden Gemüses!
Frische Gurken, frisch gepflanzt!
Fische und Gevögel!
Ich sättigte mich und ließ noch übrig,
Weil zuviel in meinen Armen war.
Ich machte Feuer
Und brachte Gott ein Dankopfer dar!

O Gott, wer bist du?


Du hast einst die Verbannung über mich verhängt!
Sei mir gnädig
Und setzte mich wieder in meine Heimat ein.
Laß mich die Stätte wieder sehen,
Wo mein Herz geweilt hat alle Stunden der Verbannung!
Wo soll mein Leichnam sonst begraben werden,
Als in meiner Residenz?
Komm mir zu Hilfe!
Möge das Gute und Schöne sich verwirklichen!
Hab Erbarmen, Gott, und sei mir gnädig!

Ich kam ja in das Haus des Königssohnes.


Welche herrliche Schönheit war darin!
Ein Bad war in dem Hause, und,
Ach, und welch ein Schatz!
Kleider von Leinen und Byssus!
Myrrheöl und allerbeste Balsamen!
Räte voller Weisheit,
Die der König liebte,
In jeder Kammer waren weise Männer.
Die Köchin war tätig.
Die vergangenen Jahres meines irdischen Lebens
Zogen wie Bilder an mir vorüber.
Man nahm mir den verwilderten Bart ab,
Man schnitt mir das Haar.
All der alte Schmutz ward in die Wüste geschickt
Und das grobe Kleid des Wüstenwanderes.
Ich wurde gekleidet in allerfeinstes Linnen
Und mit dem Öl der Freude gesalbt,
Wie keiner meinesgleichen!

Und als ich zum Teich gegangen,


Der an die grüne Wiese grenzt,
Da sah ich eine Frau im Wasser.
Sie war von übermenschlicher Majestät!
Meine Haare standen zu Berge,
Als ich ihre lange Haarflut sah!
O wie war die Haut so weich und glatt!
Ich will tun, was sie sagt!
Ehrfurcht vor ihr steckt mir in jedem Glied!

Singe die schönen freudigen Lieder


Deiner Schwester-Braut, die du liebst,
Sie, die im Garten spaziert!

Die Liebe der Geliebten ist drüben!


Der Scheidefluß zwischen uns!
Ah, ich will zu ihr!
Ich steige in den Fluß
Und durchschwimme die Wellen.
Mein Herz ist stark in der Flut!
Das Wasser ist wie Land für meine Füße!
Die Liebe zu ihr macht mich stark,
Sie hat mich verzaubert!
Ich sehe, siehe, die Geliebte kommt!
Mein Herz jauchzt und frohlockt!
Meine Arme sind weit geöffnet,
Sie zu empfangen!
Mein Herz frohlockt und jauchzt in Ewigkeit!
Komm zu mir, meine Herrscherin!
Wenn ich dich umarme
Und deine Arme mich umfangen,
Ist es wie im Weihrauchland,
Es ist wie gesalbt zu werden mit Öl der Freude!
Küss ich dich,
Sind deine Lippen leicht geöffnet,
So frohlock ich und jauchz ich
Wie beim glutroten Wein!
Ah, wär ich dein Sklave,
Dir die Füße zu waschen!
Dann dürfte ich den ganzen Leib
In seiner weißen Haut erblicken!

Mein Freund, ich bin deine erste Schwester!


Ich bin für dich wie ein Garten,
Bepflanzt mit schönen Blumen
Und duftendem Kraut!
Schön ist der Teich im Garten,
Den deine Hand gegraben,
Wenn der Frühlingswind säuselt.
Schön ist der Garten,
Wo ich mich freudig erregt ergehe,
Wenn deine Hände auf meinen Händen ruhen,
Mein Herz ist satt vor Liebe!
Wir gehen zusammen!
Wie grüner Tee ist es,
Wenn ich deine Stimme höre,
Ich lebe auf, wenn ich deine freundlichen Worte höre!
Wenn ich dich sehe, ist es mir besser
Als das Mahl des Mittags
Und das Trinken nach dem Essen.

Das Alter ist gekommen,


Die Glieder werden leidend.
Das Alter kommt als Neuheit.
Die Kraft des Müden geht zuende.
Der Mund verstummt
Und redet nicht mehr.
Die Augen werden schwach,
Die Ohren werden taub.
Vergesslich wird mein Hirn,
Ich erinnre mich nicht mehr an gestern.
Die Knochen leiden im Alter,
Die Nase schnauft
Und kann nicht mehr atmen.
Ich mag stehen oder sitzen,
Mir geht es übel.
Das Gute wurde zu Schlechtem.
Ich finde keinen Geschmack mehr.
Was mir das Alter antut, ist,
Daß es mir schlecht geht.
So will ich den Stock des Alters nehmen.
Meine Kinder treten an meine Stelle.
Ich will nun meine Söhne unterweisen
Im Hören auf die Worte der Weisen
Und die Gedanken der Alten.
Möge der Streit aus dem Land vertrieben werden
Und die beiden Teile des Reiches sich vereinen.

Seine huldreiche Majestät


Gab mir die Erlaubnis, zu sprechen,
Doch ohne Langeweile zu erregen.
Sei nicht stolz auf dein großes Wissen
Und vertraue nicht zu sehr darauf, dass du weise bist.
Lerne von den Unwissenden wie von den Wissenden,
Die Kunst ist grenzenlos
Und kein Künstler kennt die ganze Schönheit.
Eine schöne Weisheit und ein wahres Wort
Ist versteckter als ein Smaragd.
Doch man findet die schöne Weisheit
Bei der Sklavin, die die Handmühle dreht!
Halte die Weisheit fest
Und verlasse nicht den Weg ihrer Weisung.
Wenn du Wohlgefallen findest bei den Menschen
Und einer Sippe vorstehst
Und Söhne nach deinem Herzen hast,
Die Freude haben an Gott,
Wenn deine Söhne deinen Lehren lauschen
Und wenn sie guten Ideen haben,
So suche das Beste für deine Söhne!
Wenn dein Sohn dir aber trotzt
Und nicht auf deine Unterweisung hört
Und dir in allem widerspricht,
Dann ist er nicht dein Sohn,
Dann ist er ein Bastard deiner Frau.
Wenn du die Freundschaft erhalten willst
In einem Hause, wo du Gast bist,
Dann hüte dich, dem Bett der Hausfrau zu nahen!

Jedes Wort meiner Weisheit


Wird unvergänglich in meinem Lande bleiben
Und wird die Reden schmücken
Der Fürsten der Gemeinde.
Die Weisheit lehrt den Mann,
Zu seiner Nachwelt zu sprechen,
Daß sie ihn höre,
Die Weisheit lehrt den Dichter,
Ein guter Künstler zu werden,
Einer, der gut der Inspiration gelauscht
Und nun zu seiner Nachwelt spricht.
Wenn Güte sich entwickelt
Bei dem Haupt der Sippe,
Dann wird seine treffliche Weisheit bleiben
Und die Schönheit seiner Worte wird bleiben.
Des Weisen Seele freut sich,
Wenn er seine Schönheit auf Erden unsterblich sieht!

Ich kenne aber auch Zweifler,


Die würden Gott das Opfer bringen,
Wenn sie nur wüssten, wer der Herr ist!

Ich wollte, dass Ende der Zeit wäre da,


Es gäbe nicht mehr Empfangen und Gebären,
Der Krieg wär nicht mehr da
Und kein törichtes Plappern mehr.

Der Philosophenkönig wird kommen,


Er wird Kühlung bringen für die Hitze!
Er ist der Hirte der ganzen Herde,
In seinem Herzen ist nichts Böses.
Seine Herde wird immer kleiner,
Doch den ganzen Tag sorgt er für seine Schafe!
Er weiß von ihrer Art im ersten Geschlecht
Und wird den Bösen vernichten!
Er wird den Arm ausstrecken
Und den Samen der Sünde vernichten
Und das Erbe der Bösen vertilgen.
Wo ist er heute?
Er schläft und schlummert doch nicht!
Wann komme ich dahin, seine Allmacht zu schauen?

Zu wem sprech ich aber heute?


Der Bruder ist verdorben,
Die Freunde von heute kann man nicht bewundern.
Habgierig sind die Väter,
Räuberisch sind die Weiber.
Die Sanftmut geht zugrunde,
Die Frechheit beherrscht die Leute!
Zufrieden sind die Schlechten,
Die Güte wird nirgendwo wertgeschätzt!

Heute steht vor mir der Tod!


Dann wird der Kranke gesund,
Dann duftet die Myrrhe süß,
Dann bläst der Wind in mein Segel,
Dann riech ich an der Lotosblüte,
Dann sitz ich trunken am Ufer,
Dann geh ich den schönen Spazierweg,
Dann kehr ich vom Krieg nach Hause,
Dann wird der Himmel heiter,
Dann erkennt der Weise die wahre Weisheit,
Dann kommt der Gefangene
In seine ewige Heimat!

Ich habe die Worte der Weisen gehört,


Ich hörte diesen und jenen.
Alle zitieren die Verse der großen Dichter,
Aber wo sind die Dichter heute?
Ihre Elfenbeintürme stehen leer,
Es ist, als wären sie nie gewesen.
Keiner kommt vom Jenseits zu mir,
Um mir zu sagen, wie schön es drüben ist.
Keiner kommt, mein Herz zu beruhigen,
Bis ich auch im Himmel bin.

Freue dich des Lebens,


Gedenke, dass man dich einst verklären wird!
Folge deinem Herzen,
Solange du lebst auf Erden.
Kränze dein Haupt mit Rosenkränzen,
Salbe dein Haupt
Und kleide dich in reines Leinen
Und ergötze dich an den Wundern Gottes!
Vermehre deine Güte,
Laß dein Herz nicht müde werden!
Tu dir selber Gutes
Und erfülle dir auch einmal einen Wunsch.
Quäle dich doch nicht selber!
Es kommt einst der Tag des Todes,
Doch der mit Seelenfrieden
Fürchtet sich nicht vor dem Tod.
Kein Jammern erspart dir den Tag des Todes.
Wer wird dich retten aus dem Totenreich?
Heute aber feire dein Leben,
Sei fröhlich Tag für Tag
Und werde der Liebe nicht müde!
Keiner nimmt sein Eigentum mit,
Das Geld erlöst doch keinen!
Wenn du erst fortgegangen bist,
Dann wirst du nicht wünschen,
Zurückzukommen auf Erden.

O Herr, der du der Zeitalter Flügel beschleunigst,


Einwohner aller Geheimnisse ewigen Lebens,
Du Hörer jeden Wortes, das ich sage und singe,
Du schämst dich meiner nicht,
Ich bin dein Sohn, dein Kind, dein Diener!
Dein Herz ist voller Trauer
Über die Sünde der Welt!
Herr, schenke der Menschheit den Frieden,
Reiße nieder die Mauern des Todes!
Wasche alle Sünden aus unsern Seelen
Mit deinem kostbaren Blut!
Fallen auch Tausende zu meiner Rechten,
Fallen Zehntausende auch zu meiner Linken,
Du bist mein Herr und mein Gott!
Schaffe alle Sünde hinweg
Und vereine die Menschenseele mit dir
In ewigem Frieden!

Ich habe den Menschenkindern kein Unrecht getan,


Ich habe nicht gesündigt gegen die Wahrheit,
Ich kenne die Geheimnisse Satans nicht,
Ich bin nicht taub, wenn die Wahrheit spricht,
Ich schmähe keinen Menschen,
Ich lüge keinen Menschen an,
Ich verklage die Menschen nicht bei Gott,
Ich trocknete viele Tränen,
Ich betrüge nicht im Handel,
Ich habe die Kirche nicht bestohlen,
Ich gab den hungernden Kindern zu essen,
Ich habe dem Säugling Milch in seinen Mund gegossen,
Ich habe die Ehe nicht gebrochen
Und niemals vergewaltigt eine Frau,
Ich war fleißig bei meiner Arbeit,
War als Arbeitgeber milde und sanft.
Ich habe kein Kind getötet
Und keinen Alten gemordet,
Ich tue, was die Menschen schön finden
Und womit mein Herr und Gott zufrieden ist!
Mein Mund ist rein
Und lobt die Mutter meines Gottes!

Herr, du erscheinst herrlich am Himmel,


Du erstes Licht des Lebens,
Du füllst den Himmel und die Erde mit Schönheit.
Du bist schön
Und strahlst über aller Schöpfung,
Du bist der König aller Völker.
Du bist der Vater und unterwirfst die Völker
Der Königsherrschaft deines Sohnes!
Du wohnst in unzugänglichem Licht
Und doch ist deine Herrlichkeit auf Erden!
Mein Antlitz sucht dich,
Du bist der Weg meines Lebens.
Nimmst du deinen Atem hinweg,
So sterben die Geschöpfe.
Aber wenn dein Lichtglanz die Erde erleuchtet,
Dann wandeln auf Erden herrlich die Löwinnen
Und kommen aus ihren Höhlen die Löwenjungen!
Dein feuriges Licht vertreibt die Finsternis,
Du schenkst uns das Feuer deiner Liebe!
Die beiden Länder sind voller freudiger Erwartung
Und stehen aufrecht vor dir,
Weil du sie berufen hast!
Wir reinigten uns im Wasser
Und wuschen unsere Kleider im Blut!
Die Hände erheben wir preisend zum Himmel!
Wir tun das Werk, zu dem du uns berufen.
Die Kühe sind zufrieden mit ihrem Gras.
Die Bäume blühen, die Kräuter duften einander zu.
Die Tauben gurren in ihren Nestern.
Das Flügelschlagen der Tauben preist die göttliche Liebe!
Die Hirschkuh springt auf dem Bergrücken,
Alles was lebt, jauchzt dir zu!
Die Fische im Wasser freuen sich an deiner Liebe,
Dein Lichtglanz spiegelt sich auf dem Meer.
Du erschaffst die Knaben im Schoß der Frauen!
Du bereitest den Samen des Mannes!
Du ernährst den Sohn im Schoße seiner Mutter,
Du beruhigst das Kind, wenn es weint,
Du tröstest uns wie eine Mutter!
Du bist liebevoll und gütig wie eine Amme!
Du schenkst uns umsonst die Luft,
Du erhältst das Leben aller Lebendigen.
Kommt der Sohn aus dem Mutterschoß,
Erleuchtest du ihn mit dem Licht der Welt,
Du öffnest seinen Mund
Und lehrst den Knaben sprechen
Und gibst ihm alles, was er braucht.
Das Küken lebt schon im Ei,
Du gibst dem Küken im Ei das Leben,
Du gibst dem Küken im Ei die Kraft,
Die Schale zu zerbrechen.
Kommt das Küken aus dem Ei, zu singen,
So lehrst du es gehen auf seinen Füßen.
Was gibt es noch, was du erschaffen?
Wie viel ist mir noch verborgen,
Du wundervoller Gott!
Du hast die Erde nach deinem Willen erschaffen,
Du allein bist der Schöpfer,
Du schufest den Menschen,
Die Herden und die wilden Tiere,
Was auf Erden kreucht und fleucht
Und alles Gewimmel und Gevögel ist von dir!
Alle Völker und alle Menschen aller Völker liebst du
Und gibst allen, was sie brauchen.
Jeder empfängt sein tägliches Brot von dir,
Die Lebenszeit wird von dir bestimmt.
Ihre Sprachen sind verschieden,
Aber in allen Sprachen ist herrlich dein Name!
Wie herrlich sind deine Ideen,
Du König des Himmels!
Wie schön sind deine Verheißungen,
Gottheit in Ewigkeit!
Deine Liebe säugt alle Kreaturen
Und schaust du uns gnädig an, so jauchzen wir!
Du schenkst die Kühle, dass wir uns erfrischen,
Und schenkst uns die Glut, dass wir sie trinken!
Du schaust vom Himmel aller Himmel
Und siehst alles, was auf Erden geschieht.
Du machst Myriaden Geschöpfe allein aus deinem Wort!
Du lebst in meinem Herzen, Gott,
Doch keiner kennt dich, als dein Sohn allein
Und der, dem es der Sohn offenbart,
Der den Geist besitzt, der die Gottheit ergründet!
Die Erde folgt deinen Winken,
Denn du bist der Schöpfer der Erde.
Du bestimmst die Lebenszeit des Menschen,
Wer lebt, der lebt durch dich.
Meine Augen sehnen sich, zu schauen deine Schönheit!
Ich lege alle meine Werke nieder
Und komme mit leeren Händen vor dich.
Laß mich ein in die ewige Ruhe!
Die Erde hast du geschaffen für den König,
Du segnest die Erde für deinen Sohn,
Der aus deinem Schoß gezeugt,
Der nicht geschaffen ist,
Der König der ganzen Welt,
Der König des Himmels und der Erde,
Der einziggeborene Sohn des Vaters,
Der Sohn Gottes, der die Wahrheit ist,
Der der Weg ist und das ewige Leben!
Lobpreis sei der Tochter, der Mutter, der Braut,
Lobpreis meiner himmlischen Königin,
Die da schön ist in ewiger Schönheit!

Als der heilige Abba,


Der Vater im Himmel,
Seinem Sohn die Königsherrschaft übergab,
Als sie den heiligen Namen
Der heiligen Stadt gesprochen
Und ein ewiges Königreich schufen,
Dessen Fundament der Felsen war,
Da riefen der Vater und der Sohn
Mich, den Verehrer Gottes,
Gerechtigkeit aufzurichten,
Den Bösen zu bestrafen,
Die Unterdrückung der Schwachen durch die Starken zu beenden,
Die Menschenkinder zu belehren
Und die Wohlfahrt der Armen zu fördern.
Statthalter meines Herrn bin ich,
Der in Überfluß tätig ist
Und reiche Gaben schenkt.
Alles, was geschaffen werden sollte, schuf ich,
Ich gab meiner Stadt eine Seele
Und versorgte die Bewohner meiner Stadt mit Wein,
Ich machte schön die Wohnungen der Menschen
Und gab Brot und Fleisch meinen Mitmenschen.
Ich half meinen Leuten in der Not
Und sparte die Schätze der Armen.
Stellvertretend für die Meinen trete ich vor Gott,
Vor Gott, dessen Diener ich bin,
Ich, dessen Werke meinem Herrn gefällig sind!

Die guten Weisungen, die ich gab


Als Mitarbeiter der Ewigen Weisheit,
Die habe ich dem Volke überliefert.
Meine Leute haben in mir eine feste Stütze
Und meine Kinder in mir einen milden König und weisen Vater.
In der Weisheit, die Gott mir verlieh, lehrte ich,
Die Schwachen nicht zu unterdrücken,
Die Unterdrückten zu befreien vom Joch der Starken,
Die Witwen zu trösten
Und den Waisen ein liebender Vater zu sein.
Jedes arme Menschenkind, das voller Kummer ist,
Soll zu meinem Gesetzbuch kommen
Und in meinem ehernen Denkmal lesen!
Folgt doch meinen gewichtigen Worten!
Möge doch das Licht meines Antlitzes Licht bringen
In die Nöte ihres Alltags,
Mögen die Seelen ihr Herz beruhigen,
In dem sie sagen: Er war ein liebender Vater,
Ein weiser Fürst vor seinem Volk,
Er hat die Herzen gut gelenkt
Und den Unwissenden Weisheit gegeben.
In den kommenden Zeiten,
Den kommenden Tagen der Gerechtigkeit,
Wird man achten auf meine Worte,
Die ich auf mein Denkmal geschrieben.

Herr, wie mein ewiges Leben liebe ich


Deine schöne Offenbarung!
Außerhalb der heiligen Stadt
Hab ich mir keine Wohnung erwählt!
Nach deinem Gebot der Liebe,
O Herr der Barmherzigkeit,
Möge die Wohnung der Weisheit,
Die ich gebaut, in Ewigkeit währen!
Ich will mich sättigen bald an deinem Lichtglanz,
Satt an Leben und mit vielen geistigen Enkeln gesegnet
Wollt ich sammeln die Schätze der Völker
Zum Tribut für den König des Himmels!

Jetzt ruf ich zu dir, o Frau der Frauen,


O Herrin aller Herrinnen,
Königin der Liebe,
Königin aller Städte,
Führerin deiner Menschenkinder!
Von deinen Händen fließt das Licht der Welt,
Du bist der Abglanz des Himmels,
Mächtige Tochter Gottes!
Allmächtig ist deine Fürsprache,
Herrin, gepriesen über alle Heiligen!
Dein Urteil ist gerecht.
Dir sind die Gesetze des Tempels untertan,
Du Mutter des heiligen Schreines,
Du bist die Herrin im Privathaus
Und die Königin der Liebe im geheimsten Gemach!
Wo ist ein Land, wo dein Name nicht gefeiert würde?
Wo ist ein Volk, wo dein Bild unbekannt wäre?
Vor dir zittern dir Dämonen!
Du schaust auf den Unterdrückten,
Zu den Niedrigen bringst du deine Hilfe.
Wie lange noch, o Himmelskönigin?
Wie lange noch, du himmelblaue Hirtin?
Wie lange noch, Frau, deren Füße nicht müde werden?
Wie lange noch, du Herrin der Heerscharen,
Siegerin in allen Schlachten Gottes?
Du Mutter aller Mütter, schenke den Müttern dein Licht der Liebe!
O du glorreiche Jungfrau,
Vor der die Dämonen und Dämoninnen zittern,
Vor dir erzittert der Satan in Höllenangst!
Göttin der Dichter,
Große Mutter der Frauen,
Deine Weisheit übertrifft die Weisheit aller Weisen!
Wenn du lächelst, ersteht mein Fleisch vom Tode!
Wenn du willst, wird der unheilbare Kranke gesund!
Der Geist des Idioten wird geheilt,
Wenn du es willst,
Wenn er dein Antlitz schaut!
Wie lange, Herrin,
Wird der Feind noch frohlocken?
Gebiete, und auf deinen Befehl
Muß der Satan stürzen!
Die Jungfrau ist heilig!
Die Jungfrau ist Königin!
Meine Herrin sei besungen,
Meine Herrin ist die Himmelskönigin,
Die allmächtige Prinzessin,
Die Tochter Gottes!
Keine Frau ist Ihr gleich!

Er brachte verborgene, geheime Dinge ans Licht.


Der Weisheit Tiefe
Ward ihm offenbar!
Aus der Zeit vor der Sintflut
Brachte er Kunde.
Einen weiten Weg in die Ferne ist er gegangen.
Leidensreich war seine Wanderung,
Schmerzensreich die Pilgerfahrt.
Mit diamantenem Griffel schrieb er in Erz
Die Schmerzen seines Herzens.

Da ist der Freund, o Frau!


Löse das Brusttuch von deinen Brüsten!
Enthülle den Hügel der Wonne!
Laß ihn deine Fülle empfangen!
Begierde errege in ihm!
Lock ihn in dein Netz!
Fremd wird werden ihm das Vieh,
Das mit ihm aufwuchs in der Wüste.
Seine Brust wird ruhen
Dicht, dichter auf deinen Brüsten!
Da löste die Frau das Brusttuch von ihren Brüsten!
Sie enthüllte den Hügel der Wonne!
Sie schenkte ihm ihre Fülle!
Sie zögerte nicht, sie nahm seine Wollust wahr!
Der Schleier sank zu Boden!
Er schaute sie!
Sie legten sich ins Gras!
Begierde erregte sie ihm!
Die Wollust ist das Netz der Frau!
Dicht, dichter ruhte seine Brust
Auf den Brüsten der heiligen Dienerin Gottes!

Mein Freund, du erscheinst mir wie ein Gottesbild!


Was willst du mit den Zwillingskitzen der Gazelle
Durch die Wüste jagen?
Komm mit mir in die heilige Stadt,
In die Stadt des Friedens!
Komm mit zum heiligen Tempel,
Zur Wohnung des Herrn
Und der Königin der Liebe!
Komm zu den lichten Wohnungen
In dem Hause des Vaters,
Die der König für uns erbaut, der Gottheld!

Er legte sein schmutziges Kleid ab


Und zog ein reines weißes Linnengewand an.
Er warf sich den Purpurmantel um
Und umgürtete die Lenden seines Gemütes.
Die Tiara setze er sich selber auf!
Eng schloß er den Gürtel um die Lenden des Gemütes.
Er war schön!
Da entbrannte die Königin der Liebe
In der Lust der ewigen Liebe!
Die Jungfrau warf ihre Augen auf den heiligen Mann:
Komm, sei mein Geliebter!
Schenk mir deine liebende Kraft!
Schenk mir deine brennende Liebe!
Sei mein Mann! Ich will deine Frau sein!
Siehe den Wagen, aus Feuer seine Räder,
Aus Türkis sein Thron,
Die Räder voller Augen,
Darüber ein Himmel von Saphir.
Du sollst im Himmel reiten
Die Stute vom Gespann des Pharao!
Komm in mein Libanonwaldhaus!
Bist du in meinem Haus,
In meiner himmlischen Wohnung,
Waschen dir heilige Väter die Füße!
Von ihren Thronen erheben sich die Weisen
Und die Dichter begrüßen dich mit deinen Versen!
Alles, was dein Herz begehrt,
Bringt dir meine Magd!

Mein Dodo ist ein Büschel Myrrhe,


Hangend zwischen meinen Brüsten!
Mein Dodo ist eine Traube
Von zyprischem Henna,
Blühend in dem Weinberg von Engedi!

Schau, meine Freundin, du bist schön!


O du bist schön!
Deine Augen sind liebevoll wie Taubenaugen!

Siehe, mein Dodo, in meinen Augen bist du schön!


Unser Bette ist grün!
Ich bin eine Krokosblume in der Scharonwiese!
Ich bin die scharlachrote Rose im Talgrund!
Erfreue mich mit Blumen!
Reiche mir den Apfel!
Ach, ich bin krank vor Liebe!

Ich beschwöre euch, ihr Töchter der heiligen Jerusalem,


Ich beschwöre euch bei den Rehkitzen und den Gazellen,
Weckt meine Freundin erst auf, wenn sie es selber will!

Mein Dodo ist ganz mein,


Siehe, ich bin ganz dein, mein Dodo!
Weide zwischen den Rosen!
Kehre um zu mir, mein Dodo,
Bis der Tag kühl wird und die Schatten weichen.
Sei wie ein Hirsch, mein Dodo,
Wie ein Einhorn auf dem Scheideberg!
Komm, mein Dodo, laß uns auf die Wiese gehen,
Laß uns bei den Bauernhütten bleiben!
Wir wollen früh aufstehn, mein Dodo,
Wir wollen wallen zum Weinberg,
Schauen wollen wir, ob der Weinberg blüht,
Ob der Granatapfel blüht!
Dort schenk ich dir all meine Liebe!

Freue dich der Geliebten deiner Jugend!


Sie ist reizend wie eine Hirschkuh,
Graziös wie eine Gazelle!
Ihre Liebe soll dich sättigen!
Ergötze dich immer an ihrer Liebe!
Berausche dich an ihren Brüsten!

Besser ist ein Teller Gemüse mit Liebe


Als ein Schweinebraten mit Verachtung!

Ich lobe also die Freude,


Der Mensch erfreue sich an einer leckeren Mahlzeit
Und der Wein erfreue des Menschen Herz,
So sei doch fröhlich, sei doch fröhlich!

Genieße das Leben mit der Frau, die du liebst!


Genieße das Leben mit dem Weib, das du liebst,
So lange du dies nichtige irdische Leben hast,
Das dir Gott gegeben hat
Unter der Sonne.

Des vielen Bücherschreibens ist ja kein Ende,


Das viele Studieren ermüdet den Körper.

Siehe, ich bin herrlich geworden


Und habe mehr Weisheit
Als alle, die vor mir in Jerusalem gewesen sind.
Mein Herz hat viel erfahren,
Mein Herz hat viel gelernt.
Ich richtete meinen Geist darauf,
Die göttliche Weisheit zu erkennen!
Auch erkannte ich den Wahnsinn!
Auch erkannte ich Frau Torheit!
Das war alles nur vergeblicher Verdruß des Herzens,
Ein Haschen nach Luftgespinsten!
Wo groß die Weisheit ist,
Da ist groß der Gram!
Wer vieles lernte,
Muß vieles leiden!

Der Herr sprach aus dem Gewitter!


Gürte deine Lenden als ein Mann!
Ich will dich fragen, lehre du mich!
Wo warest du, als ich die Erde gegründet?
Sag es mir, du bist doch so weise!
Weißt du, wer das Maß der Erde bestimmt hat,
Wer die Messschnur an sie gelegt?
Worauf stehen die Füße der Erde,
Wer setzte den Eckstein ein,
Als die Morgensterne mir sangen
Und alle Kinder Gottes jauchzten?
Wer hat das Meer mit einer Tür verschlossen,
Als es herausbrach aus dem Mutterschoß,
Als sein Lauf den Damm brach,
Daß ich ihm Riegel vorschieben musste?
Ich sprach: Bis hierher sollst du kommen
Und jetzt nicht weiter,
Hier sollen sich deine stolzen Wellen niederlegen!
Hast du der Morgenröte geboten,
Hast du dem Morgenstern seinen Ort gezeigt?
Bist du auf dem Grunde des Meeres gewesen
Und sind deine Füße im Abgrund gewandelt?
Hat sich dir je des Todes Pforte aufgetan,
Hast du die Pforten der Hölle gesehen?
Weißt du, wie breit die Brüste der Erde sind?
Sag es mir, wenn du das alles weißt!
Warst du dort, wo der Schnee geboren wird?
Sahest du den Hagel niederstürzen vom Himmel?
Kannst du den Gürtel des Siebengestirns binden?
Kannst du Orion den Gürtel lösen?
Kennst du die Hierarchie des Himmels
Und kennst du die Hierarchie die Erde?
Wer gibt die göttliche Weisheit
Ins Verborgene?
Wer gibt Vernunft und Ideen?
Wolltest du an Shaddai zweifeln?
Eloah sollst du nicht mehr tadeln!

MUTTER INDIA UND DER HAMMER DER TORHEIT


1

Die Götter der Veden


Sind Kräfte der Natur.
Der Himmel, die Sonne, das Feuer,
Die Erde, das Wasser, die Sexualität.
Dyaus war der Himmel,
Deva das Licht.
Der Himmel wurde zum Vater,
Die Erde eine Mutter, Prithevi,
Die Vegetation war Frucht
Ihrer Vereinigung.
Die Morgenröte war Usha,
Die Sonne war Mithra.
Auch das heilige Soma,
Dessen Saft berauschend und heilsam war,
Berauschend für Götter und Menschen,
Das heilige Soma war ein Gott,
Dessen Genuß zu Freude und Kraft inspirierte
Und ewiges Leben verlieh.

In dem lebenserzeugenden
Licht der Sonne
Sahen sie den großen Gott
Prajapati, den Herrn der lebendigen Wesen.
Er war allein der einzige Gott,
Man nannte ihn später Brahma.

Aber die Bauern liebten


Den Donnerer Indra.
Er war ein kraftvoller Heros,
Der Hunderte Stiere verzehrte
Und Meere voll Wein trank!

Diese Götter waren menschlich,


Allzumenschlich,
Töricht wie Menschen.
Es hörte ein Gott den Beter
Und dachte bei sich, der Gott:
Was geb ich meinem Beter?
Soll ich ihm dieses oder jenes geben?
Soll ich ihm ein Pony geben?
Ja, ich werde ihm ein Pony geben.
Oder nein, ich gebe ihm kein Pony,
Ich gebe ihm lieber eine Mutterkuh!
Hat er mir eigentlich gestern das Soma geopfert?

Varuna war der Himmel,


Sein Atem war der Wind,
Sein Kleid das Firmament.
Er war die geistige, ethische Gottheit der Veden,
Der mit seinem Sonnenauge die Welt betrachtet,
Das Böse bestraft,
Die Güte belohnt,
Den Reuigen ihre Sünden verzeiht.

Wie schuf die Gottheit die Schöpfung?


Der einsame Gott der Inder
Hatte keine Freude,
Er hatte keine Freude, da er allein war.
Da begehrte er nach einer zweiten Gottheit.
Da war die Gottheit
Wie ein Mann und eine Frau,
Wenn sie sich vereinigen.
Aus dem göttlichen Selbst
Sind geworden der Gatte und die Gattin.
So vereinigten sich der Mann und die Frau
Und daraus entstand der Mensch.
Sie aber dachte:
Wie will er sich mit mir vereinigen,
Da er mich doch aus sich selbst erzeugte?
Ich will mich vor ihm verbergen!
Da wurde sie zur Kuh mit vollen Eutern.
Er aber ward zum Stier mit starkem Horn
Und begattete sie,
So wurden die heiligen Kühe.
Da wurde sie zu einer Stute mit bebenden Flanken,
Da wurde er zu einem Hengst mit dampfenden Nüstern,
Er begattete sie,
So wurden die Pferde, von den Mädchen geliebt.
So wurde alles, was lebt auf Erden.
Da erkannte sie: Ich bin die Schöpfung.
So entstand der Name Schöpfung.

Das glaubten die Inder,


Der Schöpfer sei eins mit seiner Schöpfung.

Aber die Inder der Veden


Glaubten nicht an die Metempsychose,
Sie glaubten an persönliche Unsterblichkeit,
Da sie im Jenseits ein Gericht erwartet
Mit ewigen Höllenstrafen
Oder paradiesischen Wonnen im Himmel,
Wo alle irdischen Freuden ewig und vollkommen sind!

Wichtig war das Opfer des Soma,


Da man das göttliche Soma trank.
Das Opfer bestand aus einer magischen Handlung.
Ungeachtet der sittlichen Würde des Priesters,
War das Opfer gültig,
Wenn es nach der kultischen Vorschrift
Richtig der Gottheit geopfert wurde.

Das Sein war nicht, das Nichtsein war nicht.


Nicht war der Himmel, nicht war der Äther.
Was lebte? In wem geborgen?
War das Chaos wie ein Meer?
Damals war kein Tod
Und war noch nicht Unsterblichkeit.
Damals waren Tag und Nacht noch nicht geschieden.
Der Atem wehte ohne Wind,
Es war nur das Eine,
Nichts als das Eine.
Die Dunkelheit war in Dunkelheit gehüllt,
Alles war Meer.
Die Kraft war verhüllt von der Dunkelheit,
Die Kraft zeugte durch die Buße.
Da regte sich das erste Verlangen.
Das war der erste Same des Geistes.
Die Weisen fanden des Seienden
Verwandten im Nichtseienden,
Als sie im Herzen meditierten.
Gab es ein Oben und gab es ein Unten?
Es gab die zeugende Kraft
Und die empfangende Macht.
Der freie Wille war unten,
Die gnädige Gewährung war oben.
Wer weiß mehr?
Wer verkündet, wie die Schöpfung geschaffen?
Alle Geister sind Teil der Schöpfung,
Aber der Schöpfer hat keine Ursache.
Wie die Schöpfung geschaffen wurde,
Das weiß der Schöpfer,
Er, der Vater im Himmel, der uns sieht!

Ich singe der Menschheit Urelternpaar,


Die Zwillingsgeschwister,
Bruder Yama und Schwester Yami.
Schwester Yami will den Brüder Yama verlocken,
Ihr bräutlich beizuwohnen:
Mein Bruder und Bräutigam, ich will
Der Zukunft der Menschheit mit Liebe dienen!
Yama sprach: O Schwester, aber die Tugend!
Die Schwester-Braut lockt
Mit allen Reizen der Verführungskünste:
Mein Bruder und mein Bräutigam,
Sei kein Schwächling,
Sei ein Mann!

Gibt es ein Buch so wohltätig


Und des Studierens wert
Wie die Upanishaden?
Upa heißt nahe
Und shad heißt sitzen,
Denn es sitzen die Lieblingsschüler
Nah bei ihrem Meister,
Er weiht sie ein
In die geheime Lehre.

Viele Lehrer sind,


Viele Philosophen und Theologen.
Manche bringen Absurdes,
Manches Weisheit voll tiefen Sinns.
Ich aber preise Yajnavalkya, den Mann,
Und Gargi, die Frau,
Die weise Frau von Indien.

Der weise Mann Yajnavalkya aber


Wollte seine beiden Frauen verlassen,
Um in der Einsamkeit
Gott zu suchen.
Er wollte ein neues Leben beginnen.
Maitreyi, meine Lieblingsfrau, sprach der Weise,
Ich will nun für dich sorgen
Und für Katyayani, meine Nebenfrau,
Denn ich gehe in die Einsamkeit.
Maitreyi aber sprach: O weiser Mann,
Wenn die ganze Erde mein wäre,
Wäre ich dann unsterblich?
Nein, sprach der Weise,
Es gibt keine Unsterblichkeit auf Erden.
Da sprach Maitreyi: Wie werde ich unsterblich?
Ich suche die ewige Jugend!
Lehre mich den Weg, o Meister!

Woher kommen wir


Und wohin gehen wir?
Ihr, die ihr die Gottheit kennt,
Sagt uns, warum müssen wir leben auf Erden?
Hat uns die Natur geschaffen?
Oder der Zufall?
Sind wir nur Atome?
Oder sind wir ewige Engel?
Ist alles nur Stoff?
Oder gibt es einen höchsten Geist?

Ach, meine Freunde!


In diesem Todesleibe
Aus Mark und Gebein,
Aus Muskeln und Haut,
Aus Samen und Schleim,
Aus Blut und Tränen,
Wie kann man da Freude genießen?
In diesem Todesleibe
Voll Leidenschaft und Begierde,
Voll Zorn und Verzagtheit,
Voll Wahnsinn und Angst,
Voll Trennung von der Geliebten,
Voll Gebundensein an die Ungeliebte,
Voll Hunger und Durst,
Voll Kummer und Krankheit,
Wie kann man da Freude genießen?
Das Weltall ist vergänglich wie eine Mücke!
Die Frühlingsblüte ist gleich verblüht!
Meere verdampfen, Berge beben,
Sterne explodieren, die Sonne verglüht,
Wie kann man da Freude genießen?
Ach, und wenn man des Lebens satt ist,
Daß man dann doch noch nicht sterben darf!

Aber mein Sohn,


Wenn du zehn und zehn nicht zusammenrechnen kannst,
Wie willst du Gott begreifen?

Nicht durch vieles Bücherlesen


Erkennst du die göttliche Weisheit,
Sondern du musst werden wie ein Kindlein!

Gott bohrte die Sinnesöffnungen in die Sinne,


So schaut und hört der Mensch das Äußere.
Der Weise aber schließt die Augen
Und verstopft sich die Ohren
Und wäscht sich die Augen des Herzens rein
Durch Tränen der Buße
Und schaut den göttliche Funken
Im wahren Selbst.

Was der Gottsucher suchen soll,


Ist das Wahre Selbst,
Den göttlichen Funken im Selbst,
Das Seelenfünklein in der Seelenburg,
Den göttlichen Geist in der siebenten Kammer des Herzens.
Wenn du den göttlichen Geist gefunden hast,
Dann bade im Meer der göttlichen Liebe!

Was unsterblich ist,


Ist nicht dein Körper,
Ist nicht dein Ich,
Ist nicht deine Seele,
Sondern der göttliche Funken,
Der in deinem inneren Keim lebt.

In dir ist Gott,


Gott ist kein Heiliger Vater mit schneeweißem Haar,
Gott ist keine Große Mutter mit breiten Brüsten,
Gott ist Eins!
Gott ist Alles!
Gott ist die Wirklichkeit der Wirklichkeit
Und das Wesen aller Wesen.
Gott ist das Sein, das Leben, die Ewigkeit,
Die Seele aller Seelen.

Der göttliche Funke in dir


Ist Gott von Gott.
Der Gott von Gott ist eins mit Gott.

Versenke dich in den Gott in dir


Und werde eins mit Gott,
Dann wirst du selbst ein Gott in Gott.

Zeige mir eine Feige, meine Freundin!


Hier ist die Feige, mein Freund!
Spalte die Feige, meine Freundin!
Sie ist gespalten, mein Freund!
Was schaust du im Innern der Feige, meine Freundin?
Im Innern der Feige schau ich Samen, mein Freund!
Spalte einen von diesen Samen, meine Freundin!
Der Same ist gespalten, mein Freund!
Was schaust du im Innern des Samens, meine Freundin?
Nichts, mein Freund!
Aus diesem Nichts, meine Freundin,
Aus dieser unsichtbaren Liebe
Ist die Schöpfung gebildet,
Es ist Gottes Geist!

Du wirst deinen Namen vergessen,


Deine Gestalt vergessen,
Du strömst wie ein Strom ins Meer strömt,
So strömst du in die göttliche Weisheit ein
Und wirst vergöttlicht in ihr,
Wie ein Tropfen im Ozean der Liebe,
Wie ein glühendes Eisen in der Glut der Liebe,
Du wirst Licht im Lichtglanz Gottes sein!
3

Aber dann kam der große Glaubensabfall!

Eine fromme Seele kenn ich,


Die dreiunddreißig Jahre lang
Beim großen Gotte in die Schule ging
Und reiche Belehrung empfing
Über die unsterbliche Seele,
Wie sie erlöst wird vom Tod,
Wie sie zur wahren Wirklichkeit kommt.
Da kehrte die fromme Seele plötzlich
Zur Erde zurück
Und lehrte die Weisheit der Sinne:
Mache dich selber glücklich auf Erden,
Liebkose dich selber,
Denn wer das Leben auf Erden genießt
Und seine eigene Seele liebt,
Der ist glücklich auf Erden
Und wird im Jenseits selig in die Leere eingehn.

So sprechen die Narren:


Warum, o Freund, lässt du dich ermahnen
Von den Geboten Gottes?
Die Gebote sind nur für die Dummen!
Wir bedauern die armen Dummköpfe nur,
Die den Pflichten des Glaubens folgen.
Sie opfern den süßen Genuß der Lust
Und leben unfruchtbar.
Vergeblich bringen sie Opfer dem Gotte dar.
Vergeblich das heilige Mahl!
Kein Gott und Vater nimmt ihr Opfer an.
Wer den Priestern folgt, was hilft das seinen Ahnen?
Verlogene Priester erfanden die Gebote,
Sie sind nur hinter dem Geld der Gläubigen her.
Sie sagen: Gib den Armen,
Tu Buße,
Lebe in der geistlichen Armut!
Nein, es gibt kein Leben nach dem Tod,
Vergeblich ist eure Hoffnung,
Töricht ist der Glaube, ein Gotteswahn!
Genieße das irdische Leben,
Genieße die Lust mit allen Sinnen
Und verachte die Illusion eines Gottes!
Ja, so sprechen die Narren
Im großen Glaubensabfall!

Die Materialisten
Trauen dem Glauben nicht
Und auch nicht der göttlichen Vernunft,
Sie trauen nur den Sinnen.
Was die Sinne nicht erfassen,
Das gibt es nicht, so lehren sie.
Die Seele sei nur eine Illusion.
Die Materie sei die einzige Wirklichkeit.
Der Geist sei denkende Materie.
Es gäbe keine Unsterblichkeit.
Religion sei ein Wahnsinn,
Nur Opium für das Volk.
Die Moral entstamme nicht dem Gesetzen Gottes,
Sondern sei nur von der Gesellschaft definiert.
Die Ethik der Natur
Sei jenseits von Gut und Böse,
Der Zweck des Lebens ist, eine Zeit zu leben,
Der Sinn des Lebens sei die Lust!

Diese Materialisten
Setzten der alten Religion ein Ende.
Indien wartete aber
In seiner religiösen Seele
Auf einen neuen Glauben,
Auf den Stifter der wahren Religion.

Buddha, bist du es, auf den wir warten sollen?

Königin Maya feierte eben das Vollmondfest


Mit Blumen und Parfümen.
Am siebenten Tage
Badete sie in reinem Wasser
Und gab Almosen von dreitausend Münzen.
In schönstem Schmuck saß sie da
Und aß die besten Speisen
Und legte ab das Gelübde der Keuschheit,
Sie ging in ihr königliches Schlafgemach
Und legte sich auf ihr Bett.

Vier große Gestalten von königlicher Würde


Hoben sie mit dem Bett empor.
Da kamen heilige Frauen von königlicher Würde
Und brachten sie zum See der Reinigung.
Makellos und unbefleckt
Tauchte die Königin Maya
Aus dem See der Reinigung auf.
Sie trat zum silbernen Berg des Himmels
Und zum goldenen Palast des Himmels.
Dort war ein himmlisches Bett,
Für sie bereit,
Die Königin Maya legte sich auf ihr Himmelsbett
Und schaute gen Osten.
Da kam der Gott
In Gestalt eines weißen Elefanten,
Sein Rüssel geschmückt mit einer Perlenschnur.
Mit dem Rüssel hielt er eine weiße Lotosblüte.
Er trompetete und posaunte
Und trat ins Schlafgemach
Und zog drei Kreise um das Bett seiner Mutter
Und ging in ihren Schoß ein,
So wurde der Gott geboren.

Hab keine Angst, o Königin,


Du wirst einen Knaben gebären.
Er wird ein König und ein Herr sein.
Er wird erleuchtet werden von der ewigen Weisheit
Und wird von den Menschenkindern, seinen Brüdern,
Den Schleier der Unwissenheit fortziehen.

Die Königin Maya trug den Gott


Neun Monde in ihrem Schoß
Wie Öl in einer Schale.
Dann ging sie zu einer Verwandten.
Die Straße war mit Blumen geschmückt
Und mit blauen Fahnen der Liebe.
Da kam sie in einen Lusthain,
Die Bäume waren mit Blüten übersät.
Die Königin Maya wünschte,
Sich im Lustgartenparadies zu ergehen.
Sie trat zu einer großen Dattelfeigenpalme
Und griff nach den Rispen,
Die Palme neigte sich
Und schenkte ihr die süße Feige.
Da gebar sie,
Die Feige in den Händen gebar sie
Ohne Schütteln und Beben der Wehen.
Andere Kinder sind bei der Geburt
Mit dem materiellen Schleim behaftet,
Nicht so der menschgewordne Gott,
Er trat aus seiner Mutter
Wie ein Heiliger Vater vom Lehrstuhl herabsteigt,
Unbefleckt von jeder Sünde,
Leuchtend wie eine weiße Jade auf einem weißen Seidenkleid!

Da der Gott geboren war,


Erschien ein Stern am Himmel,
Die Tauben konnten hören,
Die Stummen konnten sprechen,
Die Lahmen konnten springen wie die Hirsche
Und Könige kamen aus der Ferne
Und alle Götter verneigten sich
Und baten, seine Jünger werden zu dürfen!

Er zog in die Welt,


Den Weg der Erlösung zu lehren.
Aber der Fürst der Welt trat ihm entgegen,
Der Fürst der Toten sprach:
Wenn du niederfällst und betest mich an,
So schenk ich dir einen Harem
Von lüsternen Huren!
Aber der heilige Mensch überwand.

Da kam er in einen heiligen Hain


Und fastete vierzig Jahre.

Schließlich trat er an den Paradiesbaum,


Den Ficus religiosa!
Hier erkannte er
Die Erlösung von Schuld und Bosheit und Tod
Und ewiger Verdammnis!
Das Licht der ewigen Weisheit strahlte auf,
Als er beim Ficus religiosa litt am Leiden der Welt!

Inder, ihr glaubtet nicht mehr


An die Religion der Alten,
Doch ward ihr auch überdrüssig
Der Weltlust der Materialisten
Und der zynischen Weisheit der Atheisten.
Da sehntet ihr euch nach einem neuen Glauben
Und hieltet Buddha für den Heiland.

Wisst ihr, was Buddha lehrt?


Ich zeige euch Buddhas Weisheit.

Buddha lehrte durch Gespräche,


Er erzählte Gleichnisse.
Wie Jesus, mein Gott,
Und wie Sokrates, der wahre Weise,
Hat Buddha nichts geschrieben.
Wie Jesus, mein Herr,
Und Lao Tse, der Sohn der Mutter,
Wollte Buddha Haß mit Liebe vergelten
Und Fluch mit Segen
Und Bosheit mit Güte.

Wenn ein Mensch in seiner Torheit


Mir Unrecht tut,
Will ich ihm den Schutz
Meiner barmherzigen Liebe
Angedeihen lassen.

Je mehr Böses von der feindlichen Seele kommt,


Um so mehr Liebe will ich ihr erweisen!

Als ein Narr mich beschimpfte,


Da sprach ich: Mein Bruder,
Wenn einer ein Geschenk nicht annehmen will,
Darf es doch der behalten,
Der es verschenken wollte?
Nun du mir deine Feindschaft schenken willst,
Nehm ich dein Geschenk nicht an,
Ich bitte dich, behalte deine Feindschaft!

Es gibt ja Weise, die lächeln,


Und Heilige, welche gern Witze erzählen.

Die Metaphysik führt zuletzt


Zum Lachen der Engel!

Er ging von einem Ort zum andern,


Begleitet von seinen Lieblingsschülern,
Sein Johannes war sein Lieblingsjünger!
Er kümmerte sich nicht um die Zukunft
Und aß, was man ihm gab.
Er kehrte bei einer Kurtisane ein,
Ob auch die fromme Jünger sich entsetzten.
Er schlug gern sein Lager in einem Garten auf,
Der Nachmittag galt der Betrachtung,
Die Nacht der Unterweisung.
Er sprach, indem er sokratische Fragen stellte
Und jesuanische Gleichnisse erzählte.
Sprüche sagte er auf wie Salomo.

Das Leben ist Leiden,


Das Leid kommt von der Begierde.
Bring die Begierde zum Schweigen,
Dann findest du Seelenfrieden.

Weh mir, Mutter, dass du mich geboren hast!


Bald kommt das Alter, das keiner gerne trägt!
Mit unlieben Leuten sitzt du zusammen,
Bist getrennt von der Geliebten,
Wehe, das ist ein Leiden!
Der unstillbare Durst nach Lust,
Das ewige Werden und Vergehen,
Das ist Leid!
Vernichte dein Begehren!
Wahrlich, die Last des Leidens überwiegt auf Erden
Die Leichtigkeit der Heiterkeit!
Wer früh stirbt, hat es besser,
Als wer lange leben muß!
Der Tag des Todes ist besser
Als der Tag der Geburt!
Besser wär es, nie geboren zu sein!
Mehr Tränen fließen aus den Menschenaugen
Als Wasser in den sieben Weltmeeren sind!
Ist da eine Lust? Sie ist flüchtig!
Kurz nur währt die Lust,
Unendlich verlängert sich der Kummer!
Ist die flüchtige Lust denn Lust
Und nicht in Wahrheit Leiden?
Die egoistische Gier nach Lust
Ist die Wurzel allen Übels!
Die Eigenliebe verursacht das Leiden!
Die Selbstverkrümmung in sich selbst
Beschert den großen Jammer!
Die Selbstverliebtheit
Ist der wahre Herzschmerz!

Und ihr, die ihr euch gatten wollt,


Die ihr zeugen wollt mit euren Geschlechtern,
Ihr zeugt für den Tod!

Wie soll ich mich aber verhalten,


O Weiser, in der Gegenwart der Weiber?
Mein Liebling, als ob du sie nicht sehen würdest!
Wenn ich sie aber doch sehe,
Mein Weiser, wie soll ich mich dann verhalten?
Mein Liebling, dann sprich nicht!
Aber wenn die Weiber mich ansprechen,
O Weiser, was soll ich dann tun?
Mein Liebling, bleib wachsam!

Buddha gründete eine Religion


Ohne Gott.
Er wusste nicht, ob die Welt einen Anfang
Und ob die Welt ein Ende habe.
Er wusste nicht, ob die Seele
Das gleiche sei wie der Körper
Oder was die Seele sei.
Er wusste nicht, ob der Kosmos endlich ist
Oder ob der Kosmos unendlich ist
Oder ob der Kosmos
Endlich und unendlich zugleich?
Diese Spekulationen
Waren ihm ein Marionettentheater,
Ein Possenspiel, das sich als Sakraltheater gibt!

Weisheit und Frieden


Kommen nicht aus dem Wissen
Über das Universum,
Sondern aus der tätigen Liebe.

Es ist Torheit, zu denken,


Ein andres Wesen könne
Uns glücklich machen.

Dieses Leben, das ein Leiden ist,


Wie kann das gewollt sein von einem Gott?
Die Mißgestalt des kosmischen Körpers ist größer
Als die Schönheit eines weisen Planes!
Wir kennen nur die Sinnesempfindung,
Stoff ist Kraft,
Substanz ist Wandel,
Alles ist Werden und Vergehen.
Die Seele, was ist sie mehr als ein Mythos?
Was ist die Seele mehr als ein Gespenst?
Was ist denn dein kostbares Ich?
Ein Sammelsurium von Zufällen nur!
Was ist die Freiheit deines Willens?
Vererbung, Gewohnheit, Umwelt!
Dein Individuum wird nicht dauern!
Dein Individuum stirbt im Tod!
Das ist die Weisheit Buddhas,
Nach der die Toren so lüstern sind!

Und was beschert uns die Erlösung?


Das Nirwana ist das Verlöschen
Des Individuums
Im namenlosen Großen-Ganzen,
Das Nirwana ist
Ein Nichts in grenzenloser Leere!

O Buddha, du bist mein Welterlöser nicht!

Akbar den Großen will ich singen.

Natürlich war der Herrscher


Ein Ausbund aller Tugenden!
Er war der beste Sportler,
Der beste Reiter
Und gewiß der schönste Mann im Reich!

(Seine Arme waren zu lang,


Seine Beine zu krumm,
Seine Augen mongoloide Schlitzaugen,
Sein Kopf zu schief,
Auf der Nase saß eine Warze.)

Ansehnlich durch Sauberkeit,


Durch Würde und Gelassenheit,
Seine Augen strahlten
Wie ein Meer im Sonnenschein,
Seine Augen flammten auf,
Daß sich die Frevler duckten!

Er trug einfache Kleidung,


Bluse und Hose,
Eine Kappe auf dem Kopf,
Barfuß ging er.

Allmählich lernte ich,


Auf meinem eigenen Vulkan zu sitzen!

Seine Milde kannte keine Grenzen,


In dieser Tugend
Übte er keine Vorsicht.

Er war freigiebig
Und gab riesige Summen aus
Als Almosen für die Armen.

Er war krankhaft melancholisch,


Dem Alkohol verfallen,
In seiner Jugend rauchte er Opium.

Er hatte einen Harem,


Der Größe seines Reiches angemessen.
Er hatte tausend Elefanten,
Dreißig Pferde,
Vierzehnhundert Hirsche
Und achthundert Konkubinen.

Er war nicht so nüchtern wie Cäsar


Und nicht so kalt wie Napoleon,
Er liebte die Metaphysik
Und wäre wahrscheinlich ein mystischer Eremit geworden,
Wenn er den Kaiserthron verloren hätte.
Wie Harun ar-Raschid zog er nachts
Verkleidet durch die Straßen.

Er sammelte eine große Bibliothek,


Von kunstreichen Schönschreibern ausgestattet.
Er verachtete den mechanischen Druck
Als eine seelenlose Sache.
Die Jesuiten ließen ihm zukommen
Auserwählte Produkte
Europäischen Geisteslebens.

Er unterstützte die Poeten,


Ohne geizig zu sein.
Einen liebte er besonders
Und machte ihn zu seinem Günstling.
Akbar ließ die Meisterwerke
Indischer Literatur,
Geschichte und Philosophie
In die persische Hofsprache übersetzen
Und überwachte in eigner Person
Die Übertragung des Mahabarata.
Musik und Poesie
Hatten ihre glanzvollste Periode.
Tief war seine Neigung zur Grübelei.
Der fast allmächtige Kaiser
Hatte einen Hang zur Philosophie.

Ich bin der Herrscher eines so gewaltigen Reiches,


Doch ist meine Seele nicht froh
Bei der Uneinigkeit der Sekten
Und Konfessionen und Religionen.
Die wahre Größe besteht
Im Tun des Willens Gottes.
Ich erwarte die Ankunft eines Menschensohnes,
Der mir die Probleme meines Gewissens lösen wird!
Die Gespräche über Philosophie
Haben für mich solch einen Reiz,
Daß sie mich von allen andern Sorgen ablenken.
Ich muß aber mein Begehren gewaltsam unterdrücken,
Das Begehren, den Philosophen zu lauschen,
Um nicht das Gebot der Stunde zu vernachlässigen.

Gelehrte Männer aus allen Nationen,


Prediger der Sekten,
Priester der Konfessionen
Und Oberhäupter der Religionen
Kamen an den Hof des Kaisers.
Er erwartete weise Worte
Über die Vernunft
Und die Offenbarung,
Über das Ziel der Geschichte
Und die Herrlichkeit der Natur.
Die Würde des Menschen, sprach der Kaiser,
Beruht auf dem Juwel der Vernunft!

Als Philosoph studierte er


Die indische Religion
Und die Hindu-Poeten.

Als er von der Neuen Religion


Des Christentums hörte,
Die von Portugal
Nach Goa gekommen war,
Bat er die Katholische Kirche,
Missionare zu schicken.
Die Jesuiten kamen.
Der Kaiser schenkte ihnen volle Freiheit,
Menschen zu bekehren,
Und gestattete einem Jesuitenpater,
Einen seiner Söhne zu erziehen.

Als das verzehrende Feuer der Jugend erkaltete,


War sein schönstes Vergnügen
Die philosophische Diskussion.
Er versammelte wie Freunde
Die Geistlichen der verschiedenen Konfessionen
An seinem Hof, mit ihnen zu diskutieren
Von Donnerstag Abend
Bis Freitag Mittag
Über die wahre Religion.

Als der Kaiser aber


Eine Welteinheitsreligion selbst erfinden wollte,
Stand als einziger protestierend auf
Der Priester der Katholischen Kirche und sprach:
Es gibt nur Einen Gott
Und nur Einen wahren Glauben!

Aber der Kaiser berief ein Konzil ein,


Die Welteinheitsreligion ward beschlossen,
Der Kaiser war selbst
Das unfehlbare Oberhaupt
Der Welteinheitskirche.

Nun machte sich das indische Volk


Ein Neues Goldenes Kalb!

Der Hinduismus, der den Buddhismus ablöste,


War ein Gemisch verschiedener Götterkulte.
Sie alle hielten fest am Kastensystem,
An der Führung durch die Brahmanen,
Bekannten sich zur Metempsychose,
Hielten die dumme Kuh für die Verkörperung Gottes
Und erfanden neue Götter.

Sie glaubten an den Gott der Liebe,


Vischnu, der Gestalt annahm in Krishna.
Der war zur Welt gekommen
In einem irdischen Gefängnis,
Hatte Wunder vollbracht
Und war als Bräutigam aufgetreten
Seiner geliebten Hirtin,
Hatte die Tauben hörend gemacht
Und die Blinden sehend,
Hatte die Armen verteidigt
Und Tote auferweckt.
Er hatte einen Lieblingsjünger,
Arjuna, vor dessen Augen
Er verklärt ward.
Er starb, wie manche sagen,
Von einem Pfeil durchbohrt,
Andere glauben, er sei an einem Holz
Gekreuzigt worden!
Er stieg hinab in die Hölle,
Fuhr gen Himmel
Und wird am letzten Tage wiederkommen,
Zu richten die Lebenden und die Toten.
Wir sehen, die Inder
Haben den Herrn Jesus Christus
Umgedeutet zum hinduistischen Krishna.

Die andern glauben an Shiva.


Die Shivaiten tragen als Symbol des Gottes
Den Phallus um den Arm gebunden.
Schon in der Urzeit Indiens
Verehrten die Inder den Phallus als Gottessymbol.

Der Name Shiva bedeutet:


Der Gnädige, aber das ist
Ein Euphemismus,
Denn Shiva ist ein schrecklicher Götze,
Der Gott der Zerstörung!

Shiva ist Personifizierung


Jener kosmischen Kraft,
Die die Wirklichkeit annimmt,
Alle Organismen und Ideen,
Planeten und Arbeiten,
Und eins nach dem andern zerstört!
Dies ist die Natur,
Die gebiert und verschlingt!
Dies ist die gefallene Schöpfung,
Da das Gute neben dem Bösen lebt und webt!
Dies ist die blinde Lebenskraft,
Die Geburt und Tod als Eines sieht.

Shiva im Phallus
Ist schöpferische Zeugungsmacht,
Und doch tanzt Shiva auf den Toten,
Denn Shiva vernichtet alles!

Die schöpferische Zeugungsmacht


Im phallischen Gottessymbol
Rief nach der weiblichen Partnerin,
Der Sexualpartnerin Gottes,
Das war die Schwarze Mutter Kali,
Welche auch Parvati hieß
Und Uma
Und die schwerzugängliche Durga.

Im Shakti-Kulte wird
Die große Muttergöttin angebetet.
Zu ihrer Verehrung
Werden Menschen geopfert!
Neuerdings begnügt sich die Göttin
Mit dem Blut des Bockes!

Schau, die schwarze Göttin!


Sie streckt dir die Zunge heraus!
Mit Schlangen geschmückt
Tanzt sie auf einer Leiche!
Als Ohrringe trägt sie tote Menschen,
An der Halskette trägt sie Totenschädel!
Ihr Antlitz und ihre Brüste
Sind mit Menschenblut beschmiert!
Denn Kali ist die Mutter
Und zugleich die Braut des Todes,
Sie kann zärtlich sein und lächeln
Und grausam sein und morden!

O Frau, bist du ein Engel


Oder ein Dämon der Hölle?

Wen wollt ihr anbeten?


Wir beten den Affen an!
Wir beten die Schlange an!
Wir beten das Krokodil an!
Wir beten den Panther an!
Wir beten die Ratte an!

Welche Gottheit liebt ihr am meisten?


Wir lieben am meisten die Heilige Kuh!

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch,


Die Brahmanen lehren, man darf die Kuh nicht schlachten,
Doch die Witwen darf man verbrennen!

Das ist der Schlangenteufel aus dem Garten Eden!


Das ist das Goldene Kalb am Fuß des Gottesberges!

In vierhunderttausend Doppelversen
Verfasst der Inder Glaubensbekenntnis.

Wir wissen nicht,


Wie das Weltall entstand.
Vielleicht legte Gott ein Ei
Und brütete selber aus das Ei,
Indem er darauf hockte.
Vielleicht ist die Welt
Nur ein vorübergehender Irrtum
Oder ein Scherz Gottes!

Das Liebespaar Urvaschi und Pururavas


Verbrachte sechzigtausend Jahre
In Wollust und Wonne!

Wer von uns ist denn du


Und wer ist ich?

Alle Wesen sah sie an


Als unverschieden von sich selbst
Und so schaute sie Gott
Als die Seele aller Seelen,
Als das Wesen aller Wesen.

Durch alle Geschöpfe gleich


Erstreckt sich Gott.

Er ist in mir,
Er ist in dir,
Er ist in allem.
Gott ist Geist.

Schau, mein Sohn,


Reiß nicht die Rose vom Strauch,
Sie war im vorigen Leben
Eine schöne Frau!

Meine Geliebte, du beschwerst dich,


Daß ich so gerne gebratne Hühner esse!
Das ist, ich war im vorigen Leben ein Fuchs!
Mein Freund, du riechst es nicht,
Doch hab ich oft einen strengen Geruch,
Ich war im vorigen Leben ein Fisch.

Mit deinen Leiden


Sühne deine Schuld!

Unausweichlich ist das Leiden auf Erden!


Doch tröste dich,
Indem du deinem Leiden den Sinn der Sühne gibst!

Ach, ich empfinde das Leben


Doch mehr als eine bittere Strafe.

Gut ist der Schlaf,


Besser ist der Tod,
Noch besser wärs,
Nie geboren zu sein!

Was ist das wunderbarste Ding der Welt?


Einen Menschen sterben zu sehen!
Doch tun die Menschen alle so,
Als ob sie unsterblich auf Erden wären.
Die Welt ist vom Tode heimgesucht.
Das Alter setzt uns eine Grenze.
Unfehlbar kommt die Nacht.
Was kann ich mit meinem Lebenswandel
Im Schutze der Weisheit
Angesichts des Todes erreichen?

Nun sitz ich als Philosoph


In meiner Höhle
Und lächle über mein altes Leben,
Da ich getrieben vom Begehren war.

Nur Narren wollen wiedergeboren werden!

Wenn die Erlösung dir nicht aus dem Glauben kommt,


Dann bleibt dir nur der Weg der Inder:
Vernichte dein Ich,
Bis du als Nichts in der Leere vergehst!

Ach, ich fühle das auch,


Wie das einsame Ich wünscht,
Aufgelöst zu werden
Und zu verschmelzen
Mit der ewigen Anima Mundi.

Und dies ist das bedeutendste


Philosophem der Inder?
Dies ist das älteste
System der Philosophie überhaupt?

Kapila schriebs, der Scholastiker.


Das vollkommene Ende allen Leidens
Sei das höchste Ziel des Menschen.

Schöpfer nennt er Prakriti, die Substanz,


Den universellen Stoff,
Prima Materia.
Ein Schöpfergott sei aber
Von der Vernunft des Menschen
Nicht beweisbar.
Die Schöpfung selbst sei der Schöpfer.

Zur Stofflichkeit
Gesellen sich der Verstand
Und die Sinne
Und der menschliche Körper
Und die Elemente,
Der Vater Äther,
Das Feuer und die Luft
Und das Wasser und die Erde.

Zuletzt erscheint
Die Seele!
Ihr Name ist
Puruscha,
Sie ist Person!
Sie allein vermag nichts,
Doch beseelt und belebt sie
Den Stoff
Und regt die Evolution an.

Ist das Materialismus?


Im Materialismus erscheint der Geist und die Seele
Wie der Körper und die Natur
Von einer Evolution der Materie
Einzig getragen
Zur Höherentwicklung
Und zum Tod.

In dieser Philosophie des Stoffes


Ist alles eins,
Stein und Blume und Tier und Mensch,
Ist alles blinder Stoff,
Getrieben von Reinheit, Tätigkeit und Torheit,
Ewiges Werden und ewiges Vergehen
Bringen einen endlosen Zyklus hervor.

In dieser Philosophie
Schafft kein Gott die Welt.
Gott ist nicht beweisbar
Von der Vernunft des Menschen.
Ist Gott vollkommen,
Warum sollte er diese Welt erschaffen?
Ist Gott nicht vollkommen,
So ist er nicht Gott.
Ist Gott gut und allmächtig,
Warum schafft er eine Welt,
Die so reich an Leiden ist
Und wo einzig gewiß ist der Tod?

Ist der Philosoph also Materialist?


Mein Philosoph ist ein Spiritist!
Alles ist des Menschen Wahrnehmung nur!
Wie die Welt an sich in Wirklichkeit ist,
Weiß keiner, der Mensch weiß nur,
Wie seiner Wahrnehmung alles erscheint.

Den ganzen Materialismus


Der schöpferischen Prima Materia
Und ihrer blinden Evolution
Stößt der Philosoph nun um
Und führt die Seele ein,
Puruscha, die Person!

Puruscha ist unabhängig vom Stoff,


Sie ist geistig,
Sie allein vermag nichts,
Doch sie allein entwickelt den Stoff.
Die Prima Materia kann sich nicht entwickeln
Und die Evolution treibt nichts an
Ohne sie, Puruscha, die Seele!
Puruscha treibt den Stoff,
Sich zu entwickeln, sich zu entfalten.

Des Menschen individuelle Seele


Und des Menschen geistiges Denken
Sind dem Philosophen nichtig,
Ein Nichts, dem Tod verfallen.
Einzig unsterblich ist sie,
Puruscha, die Person,
Die ewige Anima Mundi!

Wenige Tage der Freude haben wir erfahren,


Kurz ist das leidvolle Leben,
Reichtum ist wie ein Strom, der fortströmt,
Das Leben ist eine stürzende Trauerweide
An einem überschwemmten Ufer.

Was ist die Wurzel des Übels?


Daß das Ich gebunden ist
An den vergänglichen Stoff.
Welche Erlösung bietet der Philosoph?
Die Erlösung kommt von der Erkenntnis,
Daß alle Wirklichkeit Illusion ist,
Das Ich ist Illusion,
Die Welt ist Illusion.

Willst du Erlösung finden,


Erhebe dich über dein vergängliches Ich,
Erhebe dich über die vergängliche Welt
Und versenke dich in die ewige Weltseele!
Sie allein ist unsterblich!

Mache deine Seele frei


Von der Bindung an Vergängliches,
Erkenne die unsterbliche Weltseele
In deiner eigenen Seele
Und in allen menschlichen Seelen
Und in allen lebendigen Wesen
Und in allem Stoff
Und vereine dich
Der Anima Mundi!
Ich bin nichts,
Nichts ist mein,
Meine Existenz ist nichtig.
Alles was ist,
Ist die Anima Mundi.
Sie allein ist
Die göttliche Ewigkeit!

Bist du der heilige Thomas Indiens


Oder nur Indiens Kant?
O Genius Schankara!

Glaube wie der heilige Thomas


An die Autorität der Heiligen Schrift,
Das Zeugnis der göttlichen Offenbarung,
Und versuche, mit der Erfahrung
Und der Vernunft des Menschen
Die Wahrheit der Offenbarung zu erkennen.

Aber du kannst nicht wie der heilige Thomas


So tief glauben an die Vernunft des Menschen.
Nicht Logik sei nötig, sagst du,
Sondern intuitive Einsicht,
Der Inspiration des Dichters ähnlich.

Du willst in Einem Augenblick


Das Wesentliche im Unwestlichen erfassen,
Die Ewigkeit in der Zeit,
Das Ganze im Teil.

Forschen und nachdenken müssen wir


Allein um zu erkennen,
Nicht um zu schaffen
Oder zu herrschen.

Liebe die Weisheit


Allein um ihrer selbst willen
Und schau nicht auf die Früchte deines Handelns.

Selbstbeherrschung brauchst du,


Geduldig musst du sein wie ein Esel
Und bleibe frei von der Versuchung
Durch körperliche Begierden
Und frage nicht nach Geld und Besitz.

Ein Wunsch soll deine Seele treiben,


Der Wunsch nach Erlösung,
Die Sehnsucht nach Befreiung,
Die Bereitschaft, erleuchtet zu werden.
Das Ziel deiner Weisheit
Sei die selige Versunkenheit
In dem Ozean Gottes,
Dem Meer der Erkenntnis,
Der unendlichen Vereinigung!

Aber wie kommen wir zum Wissen,


Da wir die Wirklichkeit
Nur mit den Sinnen wahrnehmen
Und alles getrübt ist
Durch unser begrenztes Ich?
Wir sehen die Welt
Mit ihren Ursachen und Wirkungen
Und erkennen die Wirklichkeit nie,
Wie sie wirklich ist,
Sondern sehen sie durch den Schleier
Unserer Befangenheiten.

Die Welt existiert in Wirklichkeit,


Doch ist sie Maya!
Maya ist ein Phänomen!
Wir sehen die Wirklichkeit nur
Durch den Schleier der Maya
Und verblendet von unserer Torheit.
Maya und unsere Torheit
Verblenden uns, dass wir glauben,
Wir erkennen die Welt.
Doch nehmen wir in dem Phänomen nicht wahr
Die göttliche Wirklichkeit in allem.
Die Sinne nicht und nicht der Verstand
Erfassen die göttliche Wirklichkeit,
Nur intuitive Einsicht,
Die nur der wohlerzogenen Seele möglich ist.

Daß wir verblendet sind durch unsere Sinne


Und den begrenzten Verstand des kleinen Ich,
Läßt uns nicht schauen, wie in allen Seelen
Eine ewige Seele lebt,
Ein Hauch durch allen Atem zieht.
Unser individuelles Ich ist begrenzt
Und verschleiert uns die Wahrheit ebenso
Wie die Phänomene der Welt.
Wenn wir aber das Ich töten
Und uns erheben über Raum und Zeit
Und jenseits von Ursache und Wirkung
Mit den Augen der intuitiven Einsicht schauen,
Können wir die wahre Wirklichkeit schauen,
Jenen Atem Gottes,
Jenen Hauch des Geistes, der in aller Schöpfung lebt,
Der eins ist mit dem Schöpfergott.
Wer ist Gott
Oder was ist Gott?
Es gibt die individuelle Seele
Und die Weltseele.
Es gibt die Welt der Phänomene
Und den Ideenhimmel.
Es gibt den persönlichen Schöpfergott
Und jene Gottheit der Philosophen.

Was ist die Gottheit der Philosophen?


Es ist die ewige Gottheit,
Von den Philosophen in Ehrfurcht verehrt,
Die Wirklichkeit über allen Wirklichkeiten,
Das ewige Wesen aller Wesen,
Das Eine, das Alles umfasst
Und in Allem lebt,
Es ist das Sein an sich,
Das ewige Sein als Quelle aller Wirklichkeit!
Dieses ewige Sein dürfen wir als Gott verehren
Und dürfen Gott glückselig preisen,
Bewusst und intelligent
Und gut wie die ewige Güte selbst.

Ziel des Philosophen ist es,


Das Geheimnis Gottes zu ergründen
Und im gefundenen Geheimnis
Selig sich selbst zu verlieren
Und eins zu sein mit der Gottheit,
Es bedeutet, dass die Seele glückselig
Badet in dem Ozean der Gottheit,
Und es sind nicht mehr Zwei,
Sondern in Vereinigung ist Einheit geworden!

Um diesen Seelenfrieden zu finden


Und diese ewige Glückseligkeit,
Muß der Mensch nicht nur die Welt verlassen,
Sondern vor allem sein Selbst ganz hingeben!

10

Die Muse des Mahabarata


Ließ mich diese Vision erschauen:
Inmitten von hundert Millionen Toten
Wehklagt Gandhari,
Die Mutter des Prinzen Duryodhana,
Über den Leichnam ihres Sohnes.

Makellose Frau und Fürstin,


Stets der Güte zugewandt,
Tapfer in ihren Schmerzen stand
Gandhari auf dem Totenacker,
Schwarz vom Strom des Blutes
Lagen die Totenschädel zu ihren Füßen.
Schakale heulten ihr langgezognes Geheule
Und die Geier schwebten überm Aas,
Krähen krächzten überm Acker des Todes
Und ein ohrenbetäubendes Wehgeheule
Halte über dem Totenacker,
Schmerzensschreie,
Jammerklagen
Hallten auf dem Feld des Grauens.
Die andern Frauen zitterten,
Wankten und sanken wie tot zu Boden,
Das Leben wich aus ihnen,
Der Gram überwältigte sie,
Nur eine todesähnliche Ohnmacht
Linderte einen Augenblick ihre Schmerzen.
Voller Gewalt brach die Klage
Aus dem Busen Gandharis:
Siehe meine armen Töchter!
Siehe die Fürstinnen nun als Witwen!
Wie Adlerweibchen klagen sie
Um den gemordeten Bräutigam,
Die kalten Züge ihrer Liebe
Entflammen sie neu in ihren Schmerzen!
Die Mutter wiegt ihren Sohn,
Der so still im Todesschlaf
In ihren Armen ruht,
Die verwitweten Frauen weinen
Um ihren gemordeten Bräutigam.
Also klagte Königin Gandhari
Vor Gott,
Mit den Augen suchte sie ihren Sohn.
Schmerzen pressten ihr den Busen,
Wieder wachte sie auf in Schmerzen,
Wieder eilte ihr Blick
Zum Sohn, der unterm Himmel schlief,
Von schwarzem Blut überströmt.
Um seinen Leib schlang sie die Arme,
Sie presste ihn dicht an ihre Mutterbrust.
Schmerz durchzuckte ihre Glieder,
Da sie den toten Sohn in den Armen hielt,
Wie ein heftiger Sommerregen
Fallen ihre Tränen auf sein Antlitz,
Sein Haupt ist noch gekränzt mit dem Kranz
Der scharfen Dornen der roten Rosen!
Schau auch die Braut des Prinzen,
Königlich in ihrer Jugendschönheit,
Heilig wie ein goldner Altar.
Ihr Bräutigam ist ihr entrissen,
Ihren liebenden Armen entrissen,
Verdammt ist sie zu jammervollen Leiden
In all der Schönheit ihrer Jugend,
Sie ist doch so schön wie eine Frühlingsblüte!
Zerreiße, o Busen,
Zerreiße unter diesem Gewicht der Schmerzen!
Wie soll Gandhari weiterleben,
Wenn der Sohn gestorben ist?
Betrachte nur des Prinzen verlassene Braut,
Wie sie sein blutüberströmtes Haupt liebkost
Und ihn mit zärtlichen Händen pflegt
Auf seinem Totenlager!
Wie jene sich zum vielgeliebten Bräutigam wendet!
Wie jene sich zum vielgeliebten Sohne wendet!
Wie eine goldne Lotosblume
Erscheint die Braut des Prinzen.
Die Mutter spricht: O meine Tochter,
O du wunderschöne Lotosblüte!
Warum sollen wir weinen?
Ist der Sohn und Geliebte nicht im Himmel?
Es ist vollbracht!
Er wartet nun im Himmel auf uns!

Eben küsste mich


Die Muse des Ramayana.

Als der Pflug den Acker gepflügt,


Sprang aus der Ackerfurche
Sita!
Bald war Sita reif für die Ehe,
Aber wer vermag den ehernen Bogen zu spannen?
Da kam Rama mit der Brust des Löwen,
Mit mächtigen Waffen,
Seine Augen Lotosblumen,
Seine Zähne Zähne des Säbelzahntigers,
Seine Locken als Krone gebunden,
Rama allein vermochte den ehernen Bogen zu spannen.

Siehe, diese ist Sita,


Geliebt von Rama wie seine eigene Seele,
Nunmehr teile Sita Ramas Leben,
Sei sie deine treue Frau,
In Freuden und Leiden sei sie deine Gefährtin,
Dein sei sie in jedem Land der Erde,
In Lust und Schmerzen pflege sie dich liebevoll,
Reiche du ihr die Hand zum Bund der Liebe.
Wie der Schatten dem Körper folgt,
Folge dir deine Frau.
O Sita, Perle der Frauen,
Folge mir in den Tod und das ewige Leben!

Sitas Antlitz war wie Elfenbein,


Ihre Lippen wie Korallen,
Ihre Zähne wie schimmernde Perlen.
Aber eine Intrige eines bösen Weibes bewirkte,
Daß Rama in die Verbannung musste.
Er verzieh seinen Feinden
Und zog in die Wäldereinsamkeit,
Sita aber folgte ihm.

Pferde und schöne Häuser,


Das ist nur Eitelkeit für das Herz einer Frau.
Liebend zu sein und geliebt zu sein,
Das ist dem Weibe lieber,
Lieber hat sie den Schatten des Geliebten!
Glücklicher als in Lustschlössern
Lebt Sita mit Rama im Wald.
Nur dem Geliebten gelten ihre Gedanken,
Nur dem Geliebten gelten ihre Gefühle.
Wilde Früchte wird sie pflücken
Von den duftenden Zweigen.
Ramas Speise wird Sitas Speise sein,
Glückselig wird Sita mit Rama!

Rama und Sita machen sich Kleider


Aus Grasgeflecht, aus Feigenblättern,
Sie bahnen sich einen Weg durch den Dschungel
Mit scharfem Schwert
Und leben von Früchten und Nüssen.

Oftmals fragt Sita wissensdurstig Rama


Nach den Namen der Früchte.
Pfauen schreiten neben ihnen einher,
Affen spielen ihre berühmten Spiele.
Rama badet im Wasser
Im Schimmer der Morgenröte,
Sanft sucht Sita Erfrischung des Wassers
Wie eine Lotosblume im See.

Aber eine vornehme Dame


Kommt vorübergewandert
Und verguckt sich in Rama,
Er aber bleibt der geliebten Sita treu.
Da schickt die Dame ihren Bruder,
Sita zu verführen!

Der Bruder der Dame raubte Sita


Und brachte sie auf sein Lustschloß
Und versuchte mit großer Kunst,
Sita zu verführen.

Rama aber siegte in der Schlacht


Und befreite Sita
Und kehrte in die Stadt zurück
Und bestieg den Fürstenthron.
Rama spricht: Ich muß den Skeptikern Recht geben,
Sita war mir gewiß nicht treu!
Kein Frauenherz kennt Treue!
Sobald ein schöner Verführer kommt,
Lassen sie ihn willig ein!

Sita aber spricht: So denkst du von mir?


Ach, das lässt mich vor Scham
In der Erde versinken!

Und Sita versank im Schoß der Mutter Erde.

11

Ramakrischna glaubte bis ans Ende seines Lebens


An die Göttlichkeit Jesu Christi!

Der Brahmane aus Bengalen fühlte


Die Lockung der Liebe Christi!

Eines Tages kam Jesus Christus


Und ging in den Heiligen ein.

Da lehrte der Heilige eines nur noch,


Die Liebe als Weg zu Gott.

Das Wissen über Gott ist wie ein Mann,


Die Liebe zu Gott gleicht einer Frau.

Das Wissen des Mannes über Gott


Sieht Gottes Palast nur von außen,
Die Liebe der Frau zu Gott
Hat Zutritt zum Brautgemach Gottes!

Ein gelehrter Logiker aber fragte:


Was weißt du vom Denker,
Vom Gedachten
Und vom Denken?
Aber der Heilige sprach:
Du guter Mann, ich weiß nichts
Von der Spitzfindigkeit der Scholastik,
Ich weiß nur eines,
Daß Gott meine Mutter ist
Und ich bin Gottes Sohn!

Gottes Liebe ist wie eine Mutter.


O Mutter! O Mutter! O Mutter!

12
Geliebter, sage mir, ob das alles wahr ist,
Wenn meine Augen wie Abendsterne Blitze strahlen,
Daß dann in deiner Brust die schwarzen Wolken
Wie Donnerschläge des Donnerhammers Antwort geben?
Ist es wirklich wahr, dass dir meine Lippen süß sind
Wie die Blüte im Lenz der jungen Liebe?
Die Erinnerungen vergangener Maienmonde
Duften in allen meinen Gliedern?
Erschauert die grüne Mutter Erde
In Hymnen von Harfen,
Wenn meine nackten Füße die Gräser berühren?
Ist es wahr, dass Tautropfen tropfen aus der Nacht,
Wenn ich erscheine,
Und dass die Morgenröte lächelt,
Wenn ich meinen Körper im Lichtglanz bade?
Ist es wahr, dass deine große Liebe
Einsam wandert durch Welten und Äonen
Auf der Suche nach meiner Liebe?
Und da du mich schließlich gefunden,
Ist es wahr, dass du den Frieden findest
Allein in meinen sanften Worten,
In meinen leuchtenden Augen,
In meinen flutenden Haaren
Und in meinen keuschen zärtlichen Küssen?
Ist es wahr, dass du das Geheimnis Gottes
Auf meiner Stirn geschrieben liest?
Sage mir, mein Geliebter, ist das wahr?

Geliebte, ich sang einen großen Gesang für dich!


Aber meine Verse zerbrachen an deinen Fußkettchen,
Meine Poesie kam zu Schaden
Und liegt zerbrochen zu deinen Füßen!
Ein ganzes Heldenepos
Ward in Tränen ertränkt!
O der Verlust, Geliebte, der Verlust!
Vergelte mir ewig meinen großen Verlust!
Schenk mir unsterblichen Ruhm auf Erden
Und mache mich in Ewigkeit durch deine Liebe glückselig!
Dann werde ich meinen großen Verlust nicht mehr beklagen,
Dann brauche ich nicht mehr zu klagen über dich,
Geliebte, wenn du mir ewige, ewige Liebe schenkst!

DIE CHINESISCHE PHILOSOPHIE

China ist das Paradies


Der Weisen und der Dichter.

Vor zwei Millionen Jahren


Und dreihunderttausend Jahren
Schmiedete Pan Ku, der erste Mensch, das Universum.
Achtzehntausend Jahre lang hat er gearbeitet.
Sein Atem wurde zum Wind,
Seine Stimme zum Donner,
Seine Adern zu Flüssen,
Sein Fleisch zur Erde,
Sein Haar zu Gras und Bäumen,
Seine Knochen zu Metall,
Sein Schweiß zu Regen,
Die Insekten, die an seinem Körper klebten,
Wurden zum Menschengeschlecht.

Jeder der ersten Kaiser


Regierte achtzehntausend Jahre
Und versuchte, aus Pan Kus Insekten
Kultivierte Menschen zu machen.

Vor der Ankunft der himmlischen Herrscher


Waren die Menschen wie Tiere,
Kleideten sich in Felle,
Nährten sich von rohem Fleisch,
Kannten ihre Mütter, aber nicht ihre Väter
(Und das gibt’s heute noch).

Im Jahre zweitausend
Achthundert und zweiundfünfzig erschien
Der Kaiser Fu-Hsi.
Mit Hilfe seiner erhabenen Kaiserin
Lehrte er sein Volk die Ehe,
Die Musik, das Schreiben, die Malerei,
Das Fischen mit Netzen und das Flicken von Netzen,
Die Zähmung der Tiere,
Die Seidenraupenzucht.

Sterbend ernannte Kaiser Fu-Hsi


Shen-Nung zu seinem Nachfolger auf dem Thron.
Shen-Nung führte den Ackerbau ein,
Erfand den hölzernen Pflug,
Begründete Märkte und Handel
Und die Wissenschaft der Medizin,
Ausgehend von der Heilkraft der Pflanzen.

Der mächtige Kaiser Huang-Di beschenkte


Während seiner hundertjährigen Herrschaft
China mit dem Magneten
Und dem Spinnrad,
Ernannte die Historiker,
Errichtete erste Ziegelbauten,
Baute ein Observatorium zum Studium der Sterne,
Verbesserte den Kalender
Und verteilte neu das Land.

Yao regierte so gut,


Daß das chinesische Volk
Schon vom bloßen Anblick Yaos tugendhaft wurde.
Yao stellte außen an seinen Palast eine Trommel,
Damit die Menschen ihn rufen können,
Um ihre Beschwerden vorzubringen,
Und brachte eine Tafel an,
Daß die Menschen ihre Ratschläge aufschreiben
Für die Vervollkommnung seiner Regierung.

Yao war gütig und wohltätig wie der Himmel,


Weise und gerecht wie die Götter.
Von weitem strahlte er wie eine leuchtende Wolke,
Kam man ihm nah, so glänzte er wie die Sonne.
Er war reich, doch nicht überheblich,
Ein Kaiser, aber nicht verschwenderisch.
Er trug eine gelbe Kappe auf dem Kopf
Und trug ein dunkles Kleid,
Fuhr in einem roten Wagen,
Der von weißen Stuten gezogen wurde.
Sein Haus war schlicht und schmucklos.
Seine Nahrung bestand aus einer einfachen Suppe,
Er trank die Linsensuppe aus einer hölzernen Schüssel.
Er selbst war nicht mit Juwelen geschmückt,
Seine Kleidung war ohne Stickereien.
Er lauschte keinen Liebesliedern
Und keiner sinnlichen Musik des Südens.
Im Sommer trug er ein einfaches Kleid aus Leinen,
Im Winter trug er ein Hirschfell.
Und doch war er der Reichste und der Weiseste,
Der Langlebigste und der Geliebteste
Von allen Kaisern, die je regierten
Im blühenden Reich unterm Himmel.

Ihm folgte Shun,


Das Vorbild eines pietätvollen Sohnes,
Der Held, der geduldig kämpfte
Gegen die Fluten des Huang-He,
Er verbesserte den Kalender,
Brachte Gewichte und Maße in eine Norm,
Machte sich bei der Schuljugend beliebt,
Indem er die Länge der Peitsche kürzte.

Im hohen Alter setzte Shun


Seinen fähigsten Diener neben sich auf den Thron,
Yü, den Ingenieur.
Der regulierte die Fluten der neun Flüsse,
Durchbrach die neun Berge,
Bildete neun Seen.

Wenn es nach Yü gegangen wäre,


Wären alle Chinesen Fische geworden.

Zu Yüs Zeiten wurde der Reiswein entdeckt,


Aber Kaiser Yü warf den Reiswein zu Boden und sprach:
Der Tag wird kommen,
An dem das Reich der Mitte zugrunde geht am Reiswein!
Yü verbannte den Erfinder des Reisweins
Und verbot das Reisweintrinken.
Später erhoben die chinesischen Dichter
Den Reiswein zum nationalen Kultsymbol.

Yü aber gründete eine Dynastie,


Die Dynastie der Xia.
In der Xia-Dynastie galt noch das Mutterrecht.

Lao Tse kannte die Weisheit des Schweigens.

Szu-Ma Qian erzählt,


Wie Lao Tse,
Der Intrigen der Politiker satt
Und seiner Arbeit in der kaiserlichen Bibliothek von Chou,
Beschloß, China zu verlassen,
Um eine abgeschiedene Gegend aufzusuchen.
Als er die Grenze erreichte,
Sagte der Wächter Yin-Hsi zu ihm:
So gehst du also in die Einsamkeit!
Ich bitte dich, ein Buch für mich zu schreiben!
Da schrieb Lao Tse ein Buch in zwei Teilen
Vom Tao und vom Te,
Von der Weisheit und der Kraft,
In fünftausend Worten.
Dann ging er fort
Und niemand weiß, wo er gestorben.

Tao ist der Weg, die Weisheit,


Die Weisheit der Natur und des heiligen Lebens.
Es ist eine Art zu denken
Oder besser: Nicht zu denken!
Denn das Denken ist eine Kunst,
Gut zum Streitgespräch,
Dem Leben aber eher schädlich.
Man findet die Mutter Tao,
Die Ewige Weisheit,
Nicht durch den Intellekt,
Sondern durch ein heiliges Leben in der Stille,
Durch die Einfachheit
Und die Beschauung der Weisheit der Natur.
Denn Wissen ist nicht Weisheit.

Die Guten üben sich nicht in Redekünsten,


Die Redekünstler üben sich nicht in der Güte.
Laß ab vom Lernen
Und die Sorgen schwinden von selbst.

Auch das Schreiben ist eine unnatürliche Kunst


Und ein Einfluß des Teufels.
Der spontane Impuls des Volkes,
Des Volkes Lebensdrang
Und Wunsch nach Liebe,
Hält ungehindert von den Gesetzen der Herrschaft
Das Leben in Gang.

Der Alte Meister unterscheidet


Zwischen natürlicher Kultur
Und gelehrter Zivilisation.

Die Natur ist das Leben,


Der schweigende Ablauf der traditionellen Feste,
Die Ordnung der Jahreszeiten.

Die Natur selbst ist die Mutter Tao,


Der Weg und die Weisheit und das Leben.
Die Ewige Weisheit
Ist in jedem Bach, in jedem Stein, in jedem Stern
Als Spur geheimnisvoll offenbar.

Die Mutter Tao


Ist ein unpersönliches Weltgesetz,
Dem sich das Tugendgesetz des heiligen Lebens anschmiegt.

In Wahrheit sind das Weltgesetz der Ewigen Weisheit


Und das Tugendgesetz des heiligen Lebens eins.

Das menschliche Leben in seinem Rhythmus


Ist ein Teil vom großen Rhythmus,
Der die ganze Schöpfung durchpulst.

Die universale Mutter Tao


Vereinigt alle Gesetze der Natur
Und des menschlichen Lebens
Und ist die Ursubstanz des Seins.

Die Mutter Tao ist die Urform aller Formen


Und das Einig-Ein vor aller Zweiheit,
Sie ist das Absolute,
In welchem alle Teile ihre All-Einheit finden.

Im glückseligen Altertum
War das menschliche Leben einfach
Und friedlich
Und alle Welt war glücklich.
Dann aber erlangte der Mensch Erkenntnis,
Verkomplizierte sein Leben
Durch Kunst und Erfindung,
Verlor die geistig-moralische Unschuld,
Zog vom Land in die Städte
Und begann gar, Bücher zu schreiben!
Ach, da begann das Elend der Menschen
Und es flossen die Tränen der Philosophen!

Das Geheimnis der Weisheit


Und der stillen Genügsamkeit,
Die allein ein dauerhaftes Glück beschert,
Ist die Ergebenheit
In den Weg der Ewigen Weisheit,
Frei von allem Künstlichen
Und vom Verstand des Menschen.

Das Zeichen des vollkommenen Menschen


Auf dem Weg der Ewigen Weisheit
Ist die tiefe Stille,
Es ist die Art des philosophischen Nicht-Tuns,
Das Geschehenlassen des höheren Willens.

Wer nicht streitet mit den Menschen,


Mit dem vermögen die Menschen nicht zu streiten!
Vergilt die Feindschaft der Menschen
Mit der Tugend der Ewigen Weisheit,
Der Ursprungskraft der Mutter Tao!
Den Guten behandle gut,
Den Bösen behandle ebenfalls gut!
Den wahrhaftigen Menschen begegne in der Wahrheit,
Den unwahrhaftigen Menschen begegne in der Wahrheit!
So findet der Unwahrhaftige auch zur Wahrheit!
Das Weiche wird das Harte überwinden!
Nichts ist weicher und schwächer als das Wasser,
Doch das weiche Wasser bricht den härtesten Felsen!

Wie ihr vom Heiligen sprecht,


Dem Helden des Glaubens und der Güte,
So spricht Lao Tse vom Weisen,
Vom reifen und abgeklärten Geist,
Der zurückkehrt in die Einfachheit
Und das mystische Schweigen.

Das Schweigen und das Ruhen in der Stille


Ist der Anfang der Weisheit.

Der vollkommene Mensch


Spricht nicht von der Ewigen Weisheit,
Denn sie kann durch Worte nicht mitgeteilt werden,
Der vollkommene Mensch lebt die Weisheit
Und zeigt sie durch das Beispiel seines Lebens.

Wer die Mutter Tao kennt,


Der redet nicht,
Wer aber redet,
Der kennt die Mutter Tao nicht.
Wer die Mutter Tao kennt,
Der schließt den Mund
Und die Pforten der Wahrnehmungssinne.

Der vollkommene Mensch


Ist bescheiden.

Mit fünfzig Jahren


Kennt er die Grenzen seines Wissens.
Er weiß, dass alle Erkenntnis
Nur ein Stückwerk bleibt.
Weiß er mehr als andre,
So versucht er das zu verbergen.
Er mäßigt seinen strahlenden Glanz
Und sucht sich dem Staub der Weltlichkeit gleichzumachen.
Die Einfalt des Kindes steht ihm näher
Als die Klugheit der Belesenen.
Er hat aber auch nicht den Widerspruchsgeist
Des Neulings aus der Schule des Wissens.

Alles, was uns in der Jugend erfüllte,


Alles, wofür wir kämpft,
Alles verliert einst seine Bedeutung.
Wir ziehen uns zurück aus dem Kampf
Und werden den Kindern überreichen,
Was uns an Idealen geblieben!

Dann werden wir uns


Mit Lao Tse
In die Waldeinsamkeit zurückziehn
Nur mit Einem Buch,
In dem wir alle Weisheit finden,
Mit dem Buch von der Weisheit und Kraft Gottes!

Konfuzius liebte die Klarheit


Und Ehrlichkeit im Denken
Und im Ausdruck des Gedankens.
Wenn man sich durch seine Worte
Verständlich machen kann,
So ist das Ziel erreicht.
Was du weißt, das gelte als dein Wissen,
Was du nicht weißt, gelte als deine Unwissenheit.
Wenn du beides gelten lässt,
Besitzt du die Weisheit.

Du musst die Begriffe klären,


Einen unväterlichen Vater
Nenne nicht mehr Vater!
Einen nicht kindlichergebenen Sohn
Nenne nicht mehr Sohn!

Der Metaphysik ging er aus dem Weg,


Denn seine beherrschende Leidenschaft war
Die gute Lebensführung
Und die weise Herrschaft.

Er sprach gelegentlich vom Himmel und vom Gebet


Und lobte die Verehrung der Toten
Und das Opfer des Himmels.

Aber als Tse-Kung ihn fragte:


Besitzen die Toten ein Wissen?
Da gab Konfuzius keine Antwort.

Als Tse-Loo ihn fragte, wie man den Geistern dienen kann,
Da sprach Konfuzius:
Wenn ich den Menschen nicht diene,
Was frage ich danach, den Geistern zu dienen?

Als Tse-Loo ihn nach dem Wesen des Todes fragte,


Sprach der Meister: Wenn du das Leben nicht kennst,
Was fragst du nach dem Wesen des Todes?

Fan-Che frug: Was ist Weisheit?


Konfuzius sprach: Weisheit ist,
Die Götter ehren,
Den Dämonen fern bleiben
Und seine Liebe den Menschen erweisen.

Der Meister sprach nie von Magie


Und Dämonen der Natur.

Doch die Metaphysik des Konfuzius war


Die Einheit in allen Erscheinungen,
Die dauerhafte Harmonie
Zwischen dem Gesetz der Natur
Und der tugendhaften Lebensweise.

Seine größte Leidenschaft galt


Der Moral.
Das Chaos seiner Zeit erschien ihm
Als moralisches Chaos,
Herbeigeführt durch Schwächung des alten Glaubens
Und Ausbreitung eines Zweifels
An der Unterscheidung von Gut und Böse.

Konfuzius wünschte
Eine Revolution der Moral,
Ausgehend von der Restauration
Der heiligen Familienbande.

Wer die Natur der Menschheit heiligen will,


Der ordne den Staat.
Wer den Staat begründen will,
Der heilige die Familie.
Wer die Familie gründen will,
Der heilige sein Selbst.
Wer sein Selbst heiligen will,
Der verwirkliche die Ideen,
Der komme mit der Erkenntnis ans Ziel.
Das Ziel der Erkenntnis ist
Das Erfassen der Wirklichkeit.

Der Weisheit Anfang


Liegt im Innern des Menschen.
Grundlage der Gesellschaft ist
Der disziplinierte Mensch
In der Ordnung der heiligen Familie.

Tse-Loo befragte den Meister


Nach dem Wesen des Edlen.
Der Meister sprach: Er bildet sich selbst
Mit heiligem Ernst.

Der Edle ist


Zum einen ein Philosoph,
Zum andern ein heiliger Mensch.

Der Edle besitzt


Einen klaren Verstand,
Einen getrosten Mut
Und einen guten Willen.

Der Edle trauert um der Wahrheit willen,


Er trauert nicht wegen seiner Armut.

Der Edle ist vollkommen


Wie der Himmel vollkommen ist
Und sein Herz ist nicht eng.

Der Edle duldet kein Chaos


In seinen Worten.

Nicht allein Verkörperung ist er der Intelligenz


Und nicht nur ein Schriftgelehrter
Und nicht nur einer, der die Weisheit sucht,
Er besitzt die Vernunft
Und einen guten Charakter.

Die Grundlage seines Charakters


Ist die Wahrhaftigkeit.
Vollkommene Wahrhaftigkeit
Zeichnet den Edlen aus.

Der Vulgäre stellt Anforderungen an die Gemeinschaft,


Der Edle stellt Anforderungen an sich selbst.
Der Vulgäre fordert Gerechtigkeit für sich,
Der Edle ist gerecht zu allen.

Der Edle leidet,


Wenn er nicht genügend Fähigkeiten besitzt,
Er leidet aber nicht darunter,
Daß er nicht berühmt ist in der Welt
Und dass die Menschen ihn nicht verstehen.

Dennoch hasst er den Gedanken,


Die Welt zu verlassen,
Ohne einen bleibenden Namen zurückzulassen.

Der Edle benimmt sich so,


Daß seine Art und Weise
Jederzeit als Vorbild genommen werden kann.
Der Edle redet so,
Daß seine Worte
Jederzeit als Gesetz genommen werden können.

Was ist das Wesen der Tugend,


Fragte Chung-Kung den Meister, der sprach:
Was du selbst nicht wünschst,
Das tu du nicht den andern.
Tse-Kung den Meister fragte:
Nach welchem Wort kann man sein Leben gestalten?
Der Meister sprach: Nach dem Wort
Der allgemeinen Nächstenliebe.

Womit soll man Güte vergelten?


Güte vergelte man durch Güte,
Unrecht vergelte man durch Geradheit.

Der Grundcharakter des Edlen ist


Die überströmende Zuneigung zu allen Menschen.

Wenn der Edle einen Würdigen sieht,


So sucht er ihm gleich zu werden.
Wenn der Edle einen Unwürdigen sieht,
So prüft er sein eignes Inneres,
Ob er den gleichen Fehler auch noch an sich trage.
Wenn die Menschen ihn verleumden,
Achtet er nicht darauf,
Sondern ist höflich
Und leutselig allen Leuten gegenüber.

Aber der Edle ergießt sich


Nicht in uneingeschränktem Lob des Menschen.

Da er ein Werk zu schaffen hat,


Ist er fleißig in seiner Arbeit,
Das begründet seine Würde.

Selbst den Familienangehörigen gegenüber


Bemüht er sich um Höflichkeit.

Aber er wahrt einen gewissen Abstand


Sogar seinem Lieblingssohn gegenüber.

Mo Di war Philanthrop.
Sich von Kopf zu Fuß
Den ganzen Körper kahl zu scheuern,
Um der Menschheit zu helfen,
Dazu war er bereit!

Mo Di verurteilte Konfuzius
Und seine Lehre von den Familienbanden
Und wollte die Liebe in der Familie ersetzen
Durch allgemeine Menschenliebe.

Was ist das Fundament?


Man findet das Fundament
Im Studium der alten Weisen.
Wie gelangt man zu einem umfassenden Überblick?
Man prüfe die Erfahrung des Volkes.
Wie wendet man seine Erkenntnisse an?
Man führe sein Denken
In Gesetz und Herrschaft ein.

Mo Di wandte sich gegen Konfuzius


Und seinen unpersönlichen Himmel,
Mo Di betonte die Persönlichkeit
Des Vaters im Himmel.

Mo Di sprach: Die allgemeine Menschenliebe


Ist die einzige Lösung
Für jedes soziale Problem.

Wenn die Menschen sich lieben würden,


Würde der Starke den Schwachen nicht unterdrücken,
Würde der Arme vom Reichen nicht gekränkt,
Würde der Gemeine vom Edlen nicht verachtet
Und würden die Hinterlistigen
Nicht die Einfältigen bedrängen!

Egoismus ist die Wurzel allen Übels.


Das beginnt schon bei der Besitzgier
Des kleinen Knaben
Und führt bis zur Eroberung
Eines kleinen Reiches durch ein großes Reich.

Mo Di lehrte durch sein Vorbild.


Eh der Herrscher den Weisen sah,
Wollte er ein Nachbarreich überfallen,
Aber als er den Weisen gesehen,
Wollte er das Nachbarreich nicht einmal geschenkt,
Wenn Unrecht damit verbunden wäre.
Da sprach Mo Di zum Herrscher:
Bei dieser deiner Gesinnung
Kann ich dir den Nachbarstaat anvertrauen
Und ruhigen Herzens bleiben.
Wenn du weitermachst
Und Gerechtigkeit übst,
Kann ich dir die ganze Erde anvertrauen.

Der Erste Kaiser von China,


Shi Huang-Di, der Tyrann,
Verbrannte die Schriften von Mo Di.

Yang Chu, der Egoist, kam.


Er sagte, das Leben sei voller Leiden
Und sein Sinn sei das Vergnügen!
Es ist kein Gott, sprach der Tor,
Es gibt kein Leben nach dem Tod, sprach der Tor.

Was ist der Mensch?


Der Mensch ist eine Puppe,
Gelenkt von natürlichen Kräften,
Von dem Erbe der Ahnen
Und dem unveränderlichen Eigenwesen.

Der weise Mensch, sprach der Tor,


Erträgt das Schicksal, das ihm zugemessen,
Aber wird sich nicht beirren lassen
Durch den Wahnsinn der Philosophen,
Die von der heiligen Liebe reden
Und vom dauernden Namen des Weisen.
Die Moral ist nur ein Betrug,
Den die Weisen an den Narren begehen.
Allumfassende Liebe
Ist ein Kindertraum.
Kinder nur wissen noch nicht,
Daß der Haß die Welt bewegt.
Ein dauernder Name ist ein eitler Tand
Für Toren, die den Tand bezahlen
Mit dem Verlust der Lust!

Im Leben leiden die Guten


Wie die Bösen leiden,
Aber die Bösen können besser genießen!

Die weisesten Menschen


Des goldenen Zeitalters
Waren nicht moralische Herrscher,
Sondern Sensualisten,
Die die Lüste jeden Impulses genossen!

Die Weisen hatten nicht einen Tag der Freude,


Im Tode haben sie ewigen Ruhm.
Was haben sie denn davon?
Die von der Geschichte Bösewichter genannt sind,
Die genossen alle Lüste des Lebens,
Im Tod besitzen sie einen schändlichen Namen.
Was kümmert sie das?
So sprach der Tor, der Egoist, der Sensualist!

Doch an dieser Weisheit der Sinne


Ging China zugrunde!

Mencius will ich singen,


Die Weisheit aber lehrt mich,
Die Mutter des Mencius zu besingen.

Sie war die vorbildliche Mutter!

Dreimal, so heißt es,


Wechselte sie den Wohnort
Aus Liebe zu ihrem Sohn.
Zuerst weil sie am Friedhof wohnten
Und der Sohn begann,
Wie ein Toter zu wandeln,
Dann weil sie bei einem Schlachthof lebten
Und der Sohn begann zu brüllen
Wie ein Schlachtvieh,
Dann weil sie in der Nähe einer Bank gelebt
Und der Sohn begann,
Das Geld zu lieben.
Schließlich wohnten sie
In der Nähe einer humanistischen Schule,
Da war die Mutter zufrieden.

Doch als der Sohn das Studium vernachlässigte,


Da zerriß die Mutter ihr Kleid,
Sie sprach: Ich ahme deine Nachlässigkeit nach
Beim Studium der Alten Weisen.
Nun wurde der Sohn
Ein fleißiger Schüler
Und nahm sich eine Frau
Und widerstand der Versuchung,
Die Frau zu entlassen.
Er öffnete eine Schule der Philosophie
Und sammelte eine Schar Studenten um sich
Und diskutierte mit ihnen seine Theorien
Von der Hierarchie der Herrschaft.

Als die Mutter alt geworden,


Wollte der Sohn sie nicht verlassen,
Aber die Mutter sprach: Nur Mut, mein Sohn!

Die Mutter sprach:


Es ziemt sich nicht für eine Frau, zu herrschen,
Denn sie soll sich unterordnen.
Als Mädchen soll sie sich Vater und Mutter unterordnen,
Als Ehefrau soll sie sich ihrem Ehemann unterordnen
Und als Witwe ordne sie sich dem Sohne unter.
Du bist ein Mann in voller Reife,
Ich bin eine alte Witwe.
Handle, wie es dein Glaube gebietet
Und ich will mich verhalten, wie es der Glaube vorschreibt.
Du brauchst um mich also nicht besorgt zu sein.

Mencius gab der Monarchie den Vorzug


Vor der Demokratie,
Da es leichter sei,
Einen Philosophen auf dem Kaiserthron zu sehen
Als ein wohlanständiges Volk.

Als die Mutter heimkehrte


Zu der Versammlung der Ahnen,
Begrub der Sohn sie mit großem Pomp,
Ob ihn die Schüler auch tadelten,
Aber er sprach:
Es ist das Gebot der Pietät, des Glaubens,
Daß der Sohn die liebe Mutter ehrt!

Dann zog sich Mencius zurück


Aus dem öffentlichen Leben
Und widmete seine restlichen Jahre
Dem Studium
Und dem Unterricht der Studenten
Und der Fertigstellung eines Werkes,
Da er die Fürsten seiner Zeit beschrieb
Im Gespräch mit Frau Weisheit.

Daß Mencius aber


Das Recht des Volkes auf Revolution behauptete,
Das erzürnte den Kaiser der Ming,
So dass Mencius vom Sockel gestürzt ward!

Mencius sprach: Der Mensch ist gut,


Ist von Natur aus gut.
Hsün-Tse sprach aber: Der Mensch ist böse,
Von Natur aus böse.

Selbst Yao und Shun und Yü,


Sie waren bei ihrer Geburt
Nur Wilde!
Die Natur des Menschen ist böse,
Sein Gutes kommt nur von der Erziehung.
Von Geburt an hat der Mensch die Natur
Des Begehrens.
Folgt man der Begierde,
So entsteht der Streit, der Zank,
Die Freundlichkeit und die Großmut gehen zugrunde.
Von Geburt an hat der Mensch
Begierden,
Begierden nach Augenlust und Ohrenschmaus.
Folgt man der Begierde,
So entsteht die Unzucht,
Die Sitte geht zugrunde.
Nachgiebigkeit gegen die Natur des Menschen
Und das Ausleben seiner Leidenschaften
Bringen nur Zank hervor,
Die Ordnung verfällt
Und der Mensch wird zum wilden Tier.
Darum bedarf es des wohltätigen Einflusses
Einer Erziehung durch die Weisen,
Einer Erziehung in den Tugenden,
Damit die Freundlichkeit entsteht,
Die Ordnung eingehalten wird
Und alles der Regel der Weisheit entspricht.
So gesehen ist die Natur des Menschen böse
Und alle menschliche Güte
Kommt von der Kunst der Weisheit.

8
Tschuang-Tse betrachtete Mutter Natur
Als einzige wahre Geliebte,
Die ihn trotz seiner Sünden und seines Alters
Immer willkommen hieß!

Er schlug zweimal ein Amt am Fürstenhofe ab:


Geht schnell weg,
Beschmutzt mich nicht
Mit eurer sündigen Gegenwart!
Eh ich mich den Gesetzen und Schranken
Des Hofes unterwerfe,
Ziehe ich es vor,
Mich im Schlamm zu wälzen!

Die Herrschaft genoß bei ihm die gleiche Achtung


Wie bei seinem Ahnherrn Lao Tse.
Es bereitete ihm ein Vergnügen,
Darauf hinzuweisen,
Wie viel die hohen Majestäten
Mit Dieben gemeinsam hatten!

Man soll die Welt nur leben lassen,


Lasst sie nur gewähren!

Im goldenen Zeitalter
Lebte vollkommene Tugend,
Die Menschen lebten in Eintracht
Mit Vögeln
Und alle Lebewesen bildeten eine Familie.
Sie kannten nicht die Unterschiede
Zwischen Edlen und vulgären Menschen.

Ich suche den Frieden,


Ich jage dem Frieden nach,
Ja, wahnsinnig begehre ich den Frieden!
Wir wollen in der Stille der Wälder
Glücklich wie Kinder sein!

Frei von aller Künstlichkeit


Und aller Verstandesbeschränkung
Folg ich der göttlichen Mutter Tao!

Worte verwirren ebenso oft,


Wie sie als Wegweiser dienen.

Die göttliche Mutter Tao


Kleidet sich nicht in Worte
Und wird nicht ergriffen vom Denken.

Das ist meine Erkenntnis:


Alles gehört dem Einen Schatz!
Tod und ewiges Leben gehören dem Einen Schatz!

Ich hatte die Vision


Einer überperönlichen Einheit.
Es ist wahr, ich bin ein Pessimist,
Doch das hindert mich nicht,
Vom heißen Wein der göttlichen Mutter Tao berauscht zu sein!

Himmel und Erde sind mein Sarg,


Sonne und Mond sind meine Totenlampen,
Die Sterne sind meine Perlenschnüre
Und die ganze Schöpfung gibt mir Trauergeleit.
So hab ich ein prächtiges Begräbnis,
Da müssen meine Freunde nichts hinzutun.

Die Mutter Natur ist ein glühender Schmelzofen


Und Gott der Schöpfer ist der Große Gießer,
Wohin Er mich sendet,
Will ich gehen!

EPILOG

Der harmonische Leibnitz sprach:


Derart scheinen unsre Verhältnisse heute zu sein,
Da die Sittenverderbnis
Ins Unermessliche anschwillt,
Daß ich es für notwendig halte,
Daß chinesische Missionare zu uns kommen!
Sie sollen uns die Übung
Und das Ziel der Theologie lehren.
Nämlich wenn ein weiser Mann
Zum Schiedsrichter würde bestellt,
So würde er den goldenen Apfel
Sicher der Jadejungfrau China schenken!

Als die Franzosen in Deutschland wüteten


Mit ihren Bomben,
Vergaß der Vater Goethe den Lärm der Heiden
Und beachtete nicht die wüsten Sünder,
Denn er war versunken
In die Betrachtung
Der chinesischen Philosophie.

KONFUZIANISCHE WEISHEIT
Ich hadere nicht mit dem Himmel
Und vergebe alles allen Menschen.

Wer mich kennt,


Das ist der Himmel.

Der Himmel hat in mir veranlagt


Das Wirken zum Guten.

Wer gegen den Himmel sündigt,


Zum wem soll der noch beten?

Habe Ehrfurcht vor dem Himmel,


Ehrfurcht vor den Heiligen,
Ehrfurcht vor den Weisen.

Der Meister war krank.


Sein Schüler wollte für ihn beten.
In den Lobgesängen an die Heimgegangenen heißt es:
Wir bitten euch, ihr seligen Geister
Im Himmel und auf Erden!
Der Meister sprach: Mein ganzes Leben
War mein Gebet.

Durch Nachahmung lernen


Und sich darin üben,
Ist das nicht auch eine schöne Befriedigung?

Wenn die Menschen dich nicht erkennen


Als der, der du bist,
So gehört das zum Wesen des Gerechten.

Der Gerechte versteht sich darauf,


Gerechtigkeit zu tun,
Der Sünder versteht sich darauf,
Seinen Vorteil wahrzunehmen.

Der Dichter, der einen gewichtigen Inhalt


In einer ungestalten Form ausdrückt,
Ist ein grober Dichter.
Der Dichter, der in einer kunstvollen Form
Einen geringen Inhalt ausdrückt,
Ist ein Schreiberling.
Der Dichter, der Gehalt und Stil
Ausgewogen und harmonisch behandelt,
Ist wirklich ein Poet.

Ein Weiser, der in seinem Studium


Auf den guten Stil achtet
Und in seinem Handeln
Nach den Geboten der Tugend sich richtet,
Der wird nicht abirren von dem wahren Weg.
Der Weise ist aus innerer Ruhe heraus
Großzügig und gelassen,
Der Tor ist immer wegen irgendetwas
In großer Aufregung.

Wer sein Inneres überprüft


Und seine Fehler verbessert,
Worüber soll er traurig sein?

Der Weise ist erhaben,


Aber nicht hochmütig,
Der Tor ist manchmal hochmütig,
Aber niemals erhaben.

Der Weise stellt hohe Anforderungen


An sich selbst,
Der Tor stellt hohe Anforderungen
An die Andern.

So wie der Zimmermann in seiner Werkstatt bleibt,


Die Arbeit zu vollenden,
So bleibt der Weise bei seinen Gedanken,
Um das zu erreichen,
Was von ihm als der wahre Weg erkannt ward.

Beerdigungsriten vollziehen
Ohne Trauer im Herzen,
Wie soll ich das ertragen?

Ich habe schweigend zugehört,


Um zu erkennen.
Ich wurde des Lernens nicht überdrüssig
Und nicht müde, Schüler zu belehren.
Was soll man noch von mir sagen?

Ein Mensch, der einfache Speisen isst,


Der maßvoll trinkt
Und seinen eigenen Arm als Kopfkissen nimmt,
Der kann auch Freude des Lebens erfahren.
Aber Reichtum
Und große Ehre in dieser Welt,
Ohne nach dem wahren Weg zu fragen,
Das ist flüchtig wie eine Wolke.

Wer sein Herz darauf ausrichtet,


Seiner Heiligung nachzujagen,
Der wird von allem unter der Sonne angerührt,
Alles hilft ihm,
Auf dem wahren Weg zu wandeln.

Der Meister sprach zu seinem Sohn:


Hast du schon die klassischen Lieder gelernt?
Nein, sprach der Sohn, noch nicht.
Sohn, wer die klassischen Lieder noch nicht kennt,
Der kann auch nicht mitreden mit den Weisen.

In seiner Umgebung Liebe spüren,


Das ist schön.
Wer die Wahl hat, soll seine Wohnung danach ausrichten.

Ein Weiser, der von der Nächstenliebe abließe,


Verdiente den Namen des Weisen nicht mehr.
Ein Weiser entfernt sich nicht einmal
Für die Dauer eines Mittagessens
Von der Nächstenliebe.
In der Drangsal des Weltgetriebes
Liebt er seinen Nächsten
Und auch in der Stunde der Gefahr.

Etwas zu verschwenderisch zu sein


Aus Liebe zum Nächsten,
Das ist ein Fehler,
Der mir noch sympathisch ist,
Aber geizig sein als Fehler,
Das kann ich nicht leiden,
Solch ein Fehler kommt
Aus Mangel an Nächstenliebe.

Wer Nächstenliebe übt,


Der hat selbst einen inneren Halt
Und kann auch andere halten,
Er kennt die Wahrheit
Und kann andre belehren.

Richte deinen Willen


Auf den wahren Weg,
Dann wirke kraftvoll das Gute,
Übe die Nächstenliebe
Und erfreue dich an der großen Kunst.

Wenn man von der Nächstenliebe spricht,


So lebt sie als Ansatz in uns,
Doch wird sie oft verhüllt
Durch die Begierde.
Erst wenn wir den Egoismus entfernen,
Kann die Nächstenliebe sichtbar werden.

Was ist das Wesen der Nächstenliebe?


Den Menschen zu lieben.
Was ist das Wesen der Weisheit?
Den Menschen erkennen.

Ob wir es den Alten angenehm machen


Oder die Kleinen ans Herz drücken
Oder zu unserm Wort stehen
Im Umgang mit den Freunden,
Es gibt nichts,
Was nicht von der Nächstenliebe abhängt.

Wer gerecht und weise ist,


Der hat Autorität,
Er braucht nicht zu befehlen,
Und die Kleinen gehorchen doch.
Der Tor, der keine Wahrheit anerkennt,
Er kann befehlen so laut er will,
Die Kleinen gehorchen dennoch nicht.

Einer, der die Weisheit liebt,


Hat mehr Genuß an der Weisheit als der,
Der die Weisheit nur kennt.
Einer, der die Weisheit liebt,
Kommt dem an Freuden nicht gleich,
Der über die Weisheit sich freut!

Abwege kommen nicht vom Himmel,


Denn vom Himmel kommt allein
Der wahre Weg.
Wer sein Herz nicht gebunden
An den wahren Weg,
Der strömt den Irrlehren zu,
Unter denen die von Buddha die Größte ist.

Wer es versteht,
Die Weisheit der Alten
Neu lebendig zu machen
Und daraus Erkenntnis zu gewinnen,
Den kann man einen Lehrer nennen.

Der Meister sprach zu seinem Sohne:


Li, mit einem Menschen
Den ganzen Tag zusammen sein
Ohne seiner überdrüssig zu werden,
Das kann nur der Gebildete sein.

Die Toren aber halten es für Klugheit,


Alle möglichen Listen und Tücken sich auszudenken,
Sie freuen sich über den Fall eines andern,
Sie scheuen sich, etwas zu lernen,
Und schämen sich dennoch, nichts zu können,
So ist die Torheit.

Sage nicht: Niemand hört, was ich lehre!


Gott hat acht auf die Worte der Menschen!

Was ist die Überlegenheit des Meisters?


Ich erkenne, was die Worte der Weisen bedeuten
Und ich verstehe mich auf die Kunst,
Den Geist, der mich zur Großem beflügelt,
In mir zu pflegen.

O dieser Geist,
Der mich zu Großem beflügelt!
Der Geist ist der Atem unsres Leibes,
Ursprünglich ist er eins
Mit der Energie des Himmels
Und ist auch das innere Leben der Erde.
Wer zum Himmel aufschauend
Sich nicht schämen muß
Und wer hernieder schauend zur Erde
Nicht erröten muß,
Der braucht sich nicht zu sorgen
Und braucht nicht ängstlich zu sein.
In diesem Menschen schließt sich der Sund
Zwischen Himmel und Erde.

Die fromme Pflege


Des Geistes in uns,
Des göttlichen Atems in uns,
Der uns zu Großem beflügelt,
Läßt uns eins werden
Mit dem Vater im Himmel.

Und was sollen die Menschen tun?


Sollen sie kein Herz haben für den Nächsten?
Sollen sie kein Herz für Gerechtigkeit haben?
Wenn die Menschen aber
Gewissenlos leben,
So sind sie wie ein Wald,
Der von Äxten niedergehauen wird.
Wenn sie Tag für Tag in Frevel
Gegen ihr Gewissen handeln,
Wie könnten sie da Gutes tun?
Doch nach Morgen und Abend
Mit ruhigem Gebet des göttlichen Atems
Kommen die Lieben wieder zusammen
Und weichen die Feinde.
Aber wenn der Mensch sich im Alltag
Fesseln lässt von Dingen,
Die gegen das Gewissen streiten,
So schweigt das Gewissen bald.
Dann nützt ihnen auch das regelmäßige Atmen nichts.
Wenn der Mensch nicht mehr
Den göttlichen Atem meditiert,
Dann kehrt der Mensch
Dem wahren Menschen den Rücken zu
Und wird den Tieren ähnlich.

Leid, das einen andern betrifft,


Kann der Mensch nicht ertragen,
Ohne helfen zu wollen.
So wenn ein Mann
Ein Kind in einen Kanal fallen sieht,
Wird der Mann erschrecken im Herzen.
So wird er fühlen,
Auch wenn er nicht der leibliche Vater ist
Und das Kind nicht gezeugt von seinem Samen ist.
Der Mann fühlt dieses Mitleid nicht etwa,
Weil er die Mutter des Kindes
Zur Freundin haben wollte,
Auch nicht, weil die Klatschweiber in den Dörfern
Ihn loben und preisen sollten,
Auch nicht, weil sein Name
Keinen Flecken bekommen soll,
Sondern einfach, weil das Kind in Not geriet.
Aber all jene Kreaturen,
Die dieses Mitgefühl nicht kennen,
Die sich nicht schämen über Fehler,
Die keine Abscheu vor Schlechtem haben,
Die starrsinnig und verstockt sind,
Die Gut und Böse nicht unterscheiden können,
Die sind nicht mehr als Menschen anzusehen.

Liebevolle Beziehung zu einem Menschen


Ohne die Schmerzen der Verwundung
In der Tiefe des Herzens,
Wäre nur eine bloße Theorie
Der allgemeinen Menschenliebe.

Erst durch die Schmerzen der Verwundung


Lernen wir, uns vorwärts zu bewegen,
Sonst bleiben wir träge liegen.

Das Herz muß alles zuerst erwägen


Im Hören auf die Stimme des Gewissens.
Wenn das Herz zuerst denkt,
Erlangt man das Wahre,
Anders aber erlangt man nicht das Wahre.
Die Stimme des Gewissens
Ist uns vom Himmel ins Herz gegeben.
Wer zuerst sein Herz ausrichtet
Auf das Wahre,
Dessen Geist wird nicht mehr umgeworfen,
Er handelt als großer Mensch
Und nur als großer Mensch.

Wenn der Himmel


Einem Menschen eine große Berufung gibt,
So wird der Himmel zuerst
Dem Herzen des Menschen
Eine schwere Last auferlegen.
So wird der Himmel
Des Menschen Herz bewegen,
Demütig und geduldig machen.
Nur so wird der Mensch
Dinge vollbringen,
Die er vorher nicht vollbringen könnte.

Warum unterrichtet der Weise


Seinen Sohn nicht selber?
Ach, die Umstände lassen es nicht zu!
Der Lehrer wird sich nach dem Recht ausrichten.
Sieht er, dass man frevelt gegen das Recht,
Gerät er in Zorn.
Aber dieser Zorn
Entfremdet den Schüler von seinem Meister.
Der Schüler wird sich sagen:
Der Vater lehrte mich immer,
Stets nach dem Guten zu schauen,
Aber nun kann er sich selbst nicht beherrschen
Und gerät sehr schnell in Zorn.
So werden sich eines Tages
Vater und Sohn entfremden.
Aber wenn sich Vater und Sohn
Voneinander trennen, ist das ein Unglück.
Im goldenen Altertum
Haben darum die weisen Väter
Die Söhne ausgetauscht,
Um sie zu unterrichten.
Zwischen Vater und Sohn
Darf es nicht dahin kommen,
Daß der Weg der Güte verlästert wird,
Denn dann ginge jeder seinen eigenen Weg.
Und wenn dann solche Trennung zustande kommt
Und Vater und Sohn getrennt von einander leben,
Dann ist das wirklich traurig!

Den Himmel öffnen


Im Betrachten des Himmels,
Wie ist es denn, wenn du zuvor
Die Dinge betrachtest und ordnest?
Eins zu sein mit dem Willen des Himmels
Und die Allmacht besingen,
Wie ist es denn, wen du zuvor
Dich selbst beherrschst,
Um das vom Himmel Empfangene
Gerecht zu gebrauchen?
Voller Sehnsucht auf die Ankunft hoffend,
Nur die Ankunft erwartend,
Wie ist es, wenn du zuvor
Der Zeit entsprechend etwas für das Reich tust?

Wer den Unterschied erkennt


Zwischen dem, was uns der Himmel gibt
Und dem, was uns die Menschen geben,
Der hat Erkenntnis gewonnen.

Das Herz empfängt


Die Erleuchtung von Gott.
Das Herz gebietet,
Das Herz beauftragt,
Das Herz bewegt,
Das Herz hält inne.
Die Lippen kann man zwingen,
Zu sprechen oder zu schweigen,
Die Gestalt kann man zwingen,
Sich zu krümmen,
Aber das Gewissen
Als Stimme des Herzens
Ist frei!
Wenn das Herz die Wahrheit erkennt,
Dann stimmt es der Wahrheit zu
Und nichts und niemand kann es hindern.

Auch ich vergleiche das Herz


Einer Schale mit Wasser,
Die man ruhig hinstellt.
Das Trübe sinkt nach unten,
Oben ist das Wasser klar,
So dass man den Bart darin erkennen kann.
Wird die Schale aber bewegt,
Trübt sich das Wasser
Und man kann das Antlitz nicht mehr schauen.

Der Mensch hat von Natur


Die Möglichkeit, zu erkennen,
Und einen freien Willen.
Doch das Herz muß frei werden,
Um den Auftrag des Himmels empfangen zu können.
Denn das, was du schon empfangen hast,
Soll das nicht hindern,
Was der Himmel dir noch schenken möchte.

Du sollst den Weg erkennen!


Forsche und erkenne den Weg
Und handle nach den Geboten des Himmels,
Wandle den Weg
Und gib der Weisheit Gestalt.
Mache dein Herz frei von allem,
Um für das Eine offen zu sein
Und so wirst du ruhig.
Du wirst feinsinnig werden und klar.

Wenn einer erkennt,


Was ihm vom Himmel gegeben ist,
Der kann große Werke tun
In selbstlosem Handeln,
Tiefe Erkenntnis wird den überkommen,
Der nicht selbst erfinden will.

Nehmen wir die Wahrheit wahr,


Die frei von aller Unreinheit ist,
Müssen wir die Wahrheit im Innern bewahren.
Über die Unreinheit aber,
Über das, worüber man vor Scham errötet,
Prüfe sich jeder selbst.
Haben wir die reine Wahrheit gefunden,
Wird sie uns helfen auf allen unsern Wegen.
Wir lieben unser Selbst darum,
Weil wir die Wahrheit erkennen.
Finden wir aber Unreinheit in uns,
Ist unsre Seele wie ein Acker,
Aus dem wir noch Unkraut jäten müssen.
Der Mensch schämt sich dann vor seinem Selbst.

Die Kunst, den Geist mit dem Atem Gottes zu verbinden


Und die Ruhe des Herzens zu wahren
Besteht darin, die tierische Begierde
Zu zähmen und zu zügeln
Und die Leidenschaften zu ordnen
Und mit dem ganzen Menschen
In Harmonie zu bringen.
Auch im Erkennen
Erdrückt uns das Einzelne,
Und unser Geist erhebt sich,
Wenn wir auf das Große-Ganze schauen.

Manche sagen, um die Begierde zu zähmen


Könne man nur auf das Alter warten,
Da die Begierde von selber stirbt.
Manche sagen, um die Begierde zu zähmen
Könne man nur warten auf die spätere Zeit,
Wenn die Begierde schwächer geworden ist.
Diese Menschen glauben nicht,
Daß man die Begierden zähmen und zügeln kann
Und die Leidenschaft ordnen.

Wir haben die Leidenschaft


Vom Himmel empfangen,
Aber ohne bestimmtes Objekt.
Die Objekte, die sich die Leidenschaft wählt,
Bestimmt das Herz.
Vom Himmel haben wir also
Die Leidenschaft allein,
Unser Herz aber lenkt
Die Leidenschaft auf ihre Objekte.
Darum ist der Anteil
Der vom Himmel kommt,
Schwer zu bestimmen.

Wenn die Begierde das Maß überschreitet,


Das vom Herzen gemessene Maß,
Wenn die Bewegung der Begierde
Nicht das Erstrebenswerte erreicht
Und sogar Nichterstrebenswertes bekommt,
Dann hält das Herz die Begierde zurück.

Ob es zur Ordnung kommt


Oder zu Verwirrung kommt
In unsern Gedanken,
Hängt von der Fähigkeit ab zu erkennen
Und wie wir diese Fähigkeit ausgebildet,
Aber es hängt nicht ab
Von den Gefühlen der Begierde.

Weil nur mit Leidenschaft


Ein Ziel erreicht werden kann,
Darum kommt des Menschen Streben
Von dem Trieb der Leidenschaft.

Wer die Pforten seiner Sinne bewacht,


Darf doch die Leidenschaft nicht töten,
Sie ist der Antrieb
Aller seiner natürlichen Anlagen.
Obwohl der Mensch also nicht töten darf
Den Trieb der Leidenschaft,
Darf er doch nicht zulassen,
Daß die Leidenschaft
Ihre Grenze überschreitet.

Der Mensch aber, der Befriedigung sucht


Im Begehren,
Dessen Herz ist unruhig,
Der Mensch aber, der seinen Frieden sucht
Im Wandeln des wahren Weges,
Dessen Herz wird feinsinnig klar sein.

Der Narr ist prahlerisch


Und will doch, dass man ihm glaubt,
Der Narr betrügt und lügt gern
Und will doch, dass man ihn liebt.
Der Narr ist wie ein Tier
Und will doch, dass alle ihn bewundern.
Der Narr kommt beim Denken zu keiner Vernunft
Und ist beim Handeln immer rastlos,
Zuletzt erlangt er nicht das Liebenswerte,
Sondern das Abscheuliche.

Der Weise hat Vertrauen


Und will, dass man ihm vertrauen kann.
Der Weise begegnet den Menschen
Aus dem Innern des Herzens heraus
Und will den Menschen Liebe schenken.
Der Weise richtet sich gerade auf
Und ordnet seine Begriffe und Gedanken
Und will, dass die Menschen seine Gedanken achten.
Beim Denken sucht er einfach die Wahrheit,
Beim Handeln sucht er einfach das Gute.
Schließlich erlangt er das Liebenswerte
Und begegnet nicht dem Abscheulichen.

Wenn das Herz des Weisen sich weitet,


Achtet er die Gaben des Himmels
Und folgt dem guten Weg.
Er ist besorgt allein darum,
Das Gute zu tun,
Und darum bleibt er maßvoll in allem.
Im Denken betrachtet er das Seiende
Und achtet auf das Allgemeine
Und das Besondere aller Arten.
Er ordnet zuerst sein Herz in Ruhe,
Dann richtet er sich auf den wahren Weg.
Seine Freude ist ausgeglichen
Und selbst im Kummer ist er still und gefasst.

Für den Weisen gibt es nichts Besseres,


Um sein Herz weit zu machen,
Als wahrhaftig zu sein.
Wer die Wahrheit mit dem Herzen erkennt,
Für den gibt es nichts Schöneres als die Wahrheit.
Dem Weisen gilt nur die Nächstenliebe
Und das Tun der Gerechtigkeit,
Denn in der Nächstenliebe
Ist Gott gegenwärtig.

DIE WILDEN

ERSTER GESANG

Der Hund vergräbt einen Knochen,


Den er noch nicht glattgenagt,
Das Eichhörnchen sammelt Nüsse
Für die späteren Feste,
Die Biene füllt die Honigscheiben,
Die Ameisen speichern Vorräte
Für das Regenwetter,
Sie sind die Schöpfer
Unsrer Zivilisation.
Von ihnen lernten unsre Ahnen,
Aus der Überfülle des Heute
Für morgen
Zu sparen.

Die Zähmung der Tiere begann,


Als die hilflosen Jungen
Geschlachteter Tiere
Auf das Feld getrieben wurden,
Damit sie als Spielzeug der Kinder dienen.

Die Frau entdeckte nun


Die Freigebigkeit der Mutter Erde.
Der Mann ging auf seine Arbeit, nämlich zur Jagd,
Die Frau aber grub in der Zeit
In der Nähe der Hütte
Nach essbaren Dingen.

Wir halten es für möglich,


Daß beim Sammeln des Getreides,
Welches wild gewachsen war,
Auf dem Weg zwischen Feld und Siedlung
Manch ein Samen auf die Erde fiel
Und so das große Geheimnis
Des Wachstums ahnen ließ.

Unsre Ahnen beobachteten


Den Specht, der Eicheln einlagerte,
Die Bienen, die den Honig sammelten,
So schufen sie nach Jahrhunderten
Der Unbekümmertheit
Die Begriffe von Vorratsansammlung
Und Sparsamkeit.

Unsre lieben Primitiven


Haben einen wahren Heißhunger
Auf Fleisch,
Auch wenn sie sich hauptsächlich ernähren
Von Körnern, Gemüse und Obst.

Unsre Ahnen aßen wirklich alles,


Kröten, Schnecken,
Mäuse und Ratten,
Spinnen und Skorpione,
Schlangen und Boas,
Hunde und Pferde,
Läuse, Insekten,
Reptilieneier und Vogeleier,
Das waren alles Delikatessen
Für unsre lieben Primitiven.

Die größte Delikatesse aber


War der liebe Mitmensch!
Ein appetitliches Weib,
So sagt der Mann noch heute!
Ich habe dich zum Fressen gern,
Du appetitliches Weib!
Bin so sehr in Liebe zu dir versunken,
Als hätte ich dein Blut getrunken,
Sagt Goethe der Frau von Stein.

Der weiße Mann aber schmeckt


Dem Polynesier auf Tahiti
Wie eine reife Banane,
Wenn er gut gebraten ist.
Die Fidschibewohner
Fanden aber das Fleisch der Weißen
Zu salzig und zu zäh,
Ein Matrose aus Europa
War nicht sehr lecker, kaum genießbar!
Ein Polynesier schmeckt schon besser!

Ein Philosoph aus Brasilien


Sagte einst beim Rauchen seines Tabaks:
Wenn ich meinen Feind getötet,
Ist es besser, ihn zu essen,
Als ihn einfach wegzuschmeißen.
Schlimm ist es doch nur, zu sterben,
Und nicht, gegessen zu werden.
Wenn ich tot bin,
Ist es mir gleich, ob ich begraben werde
Oder ob mein Feind mich auffrisst.
Aber ich könnte mir keinen Braten vorstellen,
Der mir besser schmecken würde
Als das Fleisch meines Feindes.
Ihr Europäer seid wirklich zu empfindlich!

Das Feuer ist doch so wohltätig


Und so geheimnisvoll,
Daß unsre Primitiven das Feuer verehren.

Der Affe schleudert Steine


Und Früchte
Auf seine Feinde,
Der Biber baut Dämme,
Die Vögel bauen Nester,
Die Schimpansen bauen Hütten.
Der Ahn beneidet
Die Tiere um die Kraft ihrer Zähne,
Um die Schärfe ihrer Klauen,
Die Härte ihrer Hauer und Hörner,
Um die Sicherheit ihrer Verstecke.
Da machte sich der Ahn an die Arbeit,
Werkzeuge zu erschaffen
Und Waffen,
Die den Werkzeugen und Waffen
Der Tiere nachgebildet sind.

Die Spinne webt ihr Netz,


Der Vogel flicht sein Nest,
Die Wälder sind wie gestickt,
Ein wahres Fasergewebe die Blätter,
So dass die Primitiven
Als eine der ersten Künste
Das Weben lernten von der Mutter Natur.

Nun begann die Frau zu töpfern


Und ritzte mit dem scharfen Fingernagel
Figuren in den Lehm,
Erste Zeichen und Bilder,
Woraus die Schrift entstand.

Und was berichtet der Missionar Christi?


Überraschend ist es zu beobachten,
Wie liebenswürdig die Wilden
Und voller Achtung sind
Im Umgang miteinander.
Die Worte mein und dein,
Von denen Johannes Goldmund sagt,
Sie töten die Nächstenliebe,
Diese Worte kennen die Wilden nicht
In ihrem Urkommunismus.

Warum ging der Kommunismus unter,


Der Kommunismus unsrer lieben Primitiven?
Der Kommunismus war hinderlich
Für den Erfindergeist,
Den Fleiß und die Sparsamkeit anzuspornen,
Der Fähige wurde nicht belohnt,
Der Taugenichts nicht bestraft.
Alle waren gleichgeschaltet,
So gab es keinen Wetteifer
Und kein Wachstum.
Die Indianer waren so faul,
Daß sie nichts selber pflanzten,
In der Hoffnung,
Die Andern werden ihnen zu essen geben.
Wenn der Fleißige aber nicht mehr genießt
Als der Faule, hört er zu arbeiten auf.

Aber nach den vielen Mühen


Von Jagd und Arbeit,
Muß sich der Wilde erholen,
Das tut er mit einer ekstatischen Faulheit.

Langsam ging der Kannibalismus zurück


Und es trat der große Fortschritt ein,
Daß der Mensch nicht mehr gefressen,
Sondern versklavt ward vom Menschen.
Ein moralischer Fortschritt
Von ungeheurem Ausmaß!

Der Mensch ist nicht gerne


Ein politisches Herdentier.
Er schließt sich seinen Mitmenschen an,
Doch weniger aus Liebe
Als mehr aus Gewohnheit,
Er liebt die Gesellschaft nicht so sehr
Als er die Einsamkeit fürchtet.
Er geht mit andern Menschen,
Weil die Isolierung
Gefahren mit sich bringt
Und weil es viele Dinge gibt,
Die man besser zusammen tut als allein.
In seinem Herzen aber
Ist der Mensch einsam
Und stellt sich heldenhaft
Der Welt entgegen.

Im Kriegsfall wählten die Primitiven


Den stärksten Krieger
Zu ihrem Anführer
Und folgten ihm blindlings.

In Friedenszeiten aber
Hatte der Hohepriester
Die oberste Weisungsgewalt.
Schließlich bildete sich bei den Stämmen
Ein ewiges Königtum,
Der König war der oberste Heerführer,
Der Landesvater
Und eine Art zweiter Hoherpriester.
Die Gesellschaft wurde regiert
Vom Schwert des Königs
Und vom Mythos des Hohenpriesters.
Man hat oft versucht,
Den Thron und den Altar zu trennen,
Aber eines Tages
Werden sie sich wieder vereinigen.

Irgendein Ruder blonder Raubtiere,


Sagte Nietzsche von den Ariern,
Unterwarf gewaltsam
Eine friedliche Ackerbaugesellschaft.
Die bäuerliche Gesellschaft
Gibt den Menschen einen Tagesablauf
Und braucht den Menschen in den Mühen auf.
Die Jägerhorden sind ans Morden gewohnt,
Sie betrachten den Krieg
Nur als eine andere Form der Jagd.

Ohne die Autokratie der Herrschaft


Hätte die Entwicklung
Der Gesellschaft nicht begonnen.

Aber ein Staat, der nur auf Macht beruht,


Auf der Gewalt des Schwertes,
Geht bald zugrunde.
Der Mensch ist dickköpfig, leichtgläubig,
Er opfert dem Staate nichts,
Wenn die Macht des Staates nicht begleitet wird
Von der Unterweisung
Durch die Familie, die Schule, die Kirche.
In Kirche, Schule und Familie
Werden die Menschen geschmiedet
Zu Patrioten und frommen Bürgern.

Das Individuum hat weniger Rechte


In den Naturgesellschaften
Als in der Zivilisation.
Der Mensch wird in Ketten geboren,
In Ketten der Vererbung,
Des Milieus, des Brauches, des Gesetzes.
Das primitive Individuum bewegt sich
In einem strengen Vorschriftennetz.
Tausende Tabus schränken den Menschen ein.
Unveränderliche Gesetze bestimmen
Sitzen und Stehen, Essen und Trinken.
Das Individuum ist keine
Souveräne Einheit.
Das Individuum ist nur ein Teil
Der Sippe, der Dorfgemeinschaft.
Erst mit dem privaten Eigentum
Und dem Erscheinen des Staates
Wurde dem Individuum
Eigene Würde zugesprochen.
Die Menschenrechte
Kommen nicht von der Mutter Natur,
Denn die Mutter Natur
Kennt nur das Recht des Stärkeren
Oder der listigeren Kreatur.
Erst in gesicherten Zuständen
Erscheint die Freiheit
Als ein Luxus.
Das freie Individuum ist ein Zeichen
Und ein Erzeugnis
Einer entwickelten Zivilisation.

Die Urtriebe des Menschen sind


Der Hunger und die Liebe
(Und zum Hunger zähl ich auch den Durst).
So braucht es für eine Gesellschaft
Viel zu essen
Und viele Kinder!

Bis der Staat


Die soziale Ordnung stiftet,
Tut es die Familie,
Und selbst nach der Errichtung
Der staatlichen Herrschaft
Bleibt die Familie
Das feste Fundament.

Viele Fische
Legen eine Million Eier im Jahr,
Einige Fischarten sind nicht so kinderliebend
Und legen nur fünfzig Eier im Jahr.
Vögel legen fünf
Bis zwölf Eier im Jahr
Und sorgen gut für ihre Brut.
Die Weibchen der Säugetiere
Bringen drei Junge im Jahr zur Welt.
Abnahme der Fruchtbarkeit
Geht Hand in Hand
Mit einer größeren elterlichen Fürsorge
Für die wenigen Kleinen.
Je weiter die Zivilisation sich entwickelt,
Umso weniger Kinder gebären die Frauen.
Die Jugend dauert länger,
Die Jugendlichen werden besser ausgebildet.
Wenn weniger Kinder gezeugt werden,
Wird die menschliche Kreativität frei
Für die Zeugung geistiger Kinder,
Nämlich für Werke der Kultur.

Die einfachste Form der Familie


Ist die Mutter mit ihren Kindern.
Das ursprüngliche Mutterrecht
War aber kein Matriarchat,
Keine Gynäkokratie,
Keine Herrschaft des Weibes über den Mann!

Die Frau war im Ursprung dem Mann


An Widerstandskraft und Mut gleich,
Sie war noch kein hübsches Schmuckstück,
Kein niedliches junges Ding,
Kein sexuelles Spielzeug für den Mann.
Das Weib war ein robustes Tier,
Das stundenlang schwerste Arbeit tun konnte
Und mit Todesverachtung
Für ihre Kinder kämpfen konnte.

Der Fortschritt wurde


Von den Frauen eingeführt.
Der Mann ging als Jäger auf die Jagd
Oder war der Hirte seiner Herde.
Die Frau bearbeitete den Boden
Und entwickelte die Heimarbeit
Als die Grundlage
All unsrer Industrie.

Der Frau verdanken wir


Das Spinnen und Weben,
Das Körbeflechten, Töpfern,
Die Holzarbeiten
Und die erste Architektur.
Die Frau bereitete das Heim
Und fügte unmerklich den Mann
Der Liste ihrer gezähmten Tiere hinzu,
Bildete in dem Mann
Die soziale Neigung aus
Und gab ihm die anmutvolle Zerstreuung,
Die die Grundlage
Und das Klebemittel
Unsrer Zivilisation ist.

Die grundlegende Form


Der Regelung der Sexualität
Ist die Ehe,
Eine Verbindung von Gefährten
Zur Pflege der Nachkommenschaft.
Aber die Ehe kannte
Im Laufe der Geschichte
Viele veränderliche Formen,
Angefangen von der primitiven
Versorgung der Kinder durch die Mutter
Ohne Verbindung mit einem Mann
Bis zur dekadenten Form
Der Beziehung von Lebensgefährten
Ohne Nachkommenschaft.

Unsre tierischen Väter


Haben die Ehe erfunden.
Unter den Gorillas und Orang-Utans
Dauert die Ehe
Bis zum Abschluß der Säugeperiode.
Das lose Benehmen der Weibchen
Wird vom Männchen streng bestraft.
Die Orang-Utans auf Borneo
Leben in Familien
Von einem Männchen, einem Weibchen und einem Jungen.
Bei den Gorillas ist es nichts Ungewöhnliches,
Die Alten beim Geschwätz
Und beim gemeinsamen Obstessen
Unter einem Baum zu finden,
Während die Jungen
Um sie herumspringen
Und sich in stürmischer Fröhlichkeit
Von einem Ast zum andern schwingen.

Unter den Buschmännern genügt


Die kleinste Misshelligkeit,
Die Verbindung aufzulösen
Und neue Beziehungen
Werden augenblicklich angeknüpft.

Bei den Wilden wird


Die Ehefrau wöchentlich ausgewechselt,
Man kann kaum erfahren,
Wer gerade der Gatte
Der bestimmten Dame ist.
Die Frauen gehen von einem Mann zum andern.
Kaum zwanzigjährige Mädchen
Haben schon vier oder fünf Männer gehabt.
In der Sprache von Hawai
Bedeutet das selbe Wort
Versuch und Ehe.

Die Scholastiker dachten,


Mohammed habe die Polygamie erfunden.
Aber die Polygamie
Ist bei den Primitiven weit verbreitet.
Im Krieg und bei der Jagd
Sind viele Männer gestorben,
So gab es einen Frauenüberschuß.
Da konnten sich die Frauen nur entscheiden
Zwischen Polygamie
Und unfruchtbarer Ehelosigkeit.

Und der Mann liebt die Mannigfaltigkeit.


Die Neger von Angola sagen,
Der Mann ist nicht fähig,
Immer vom selben Teller zu essen.
Der Mann liebt auch die Jugend
Und die Frauen altern rasch
Bei den Primitiven.

Später begann man,


Die Hauptfrau von den Nebenfrauen zu unterscheiden.
Daraufhin wurde die Hauptfrau
Die einzige Ehefrau
Und die Nebenfrauen wurden
Zu heimlichen Geliebten.

Man nahm auch gerne Frauen


Aus andern Stämmen,
Weil die Nähe der Frau
Die schöne Illusion vertreibt
Und die Ferne der Frau
Die Frau verklärt erscheinen lässt.

Romantische Liebe
Kennen die Primitiven nicht.
Wenn wir Liebe finden,
Hat es nichts mit der Ehe zu tun.
Der Mann nimmt sich eine Frau
Als Arbeitskraft,
Um Kinder zu bekommen
Und eine tägliche Mahlzeit.
Eine Weizenähre zu schneiden
Und eine Frau zu nehmen,
Ist das gleiche.

Voreheliche Beziehungen
Sind bei den Primitiven üblich,
Die Leidenschaft wird nicht
Durch Abweisung gehemmt
Und darum beeinflusst die Leidenschaft selten
Die Wahl der Ehefrau.
Aufgrund dieses Mangels
Einer Verzögerung
Zwischen Wunsch und Erfüllung
Fehlt es an Zeit
Für ein Insichhineinbrüten
Der enttäuschten und darum idealisierten
Leidenschaftlichen Liebe,
Die gewöhnlich die Quelle
Der romantischen Liebe ist.
Darum gibt es bei den Primitiven
Auch keine Liebespoesie.
Als die Missionare die Bibel brachten,
Fanden sie in der Algonkinsprache
Kein Wort für Liebe.
Die Hottentotten
Waren kalt und gleichgültig zueinander.
Als man einen australischen Eingebornen fragte,
Warum er eine Frau heiraten wolle,
Sagte er, er wolle eine tägliche Mahlzeit
Und eine Frau, die ihm seine Siebensachen nachschleppe.

Die größte Aufgabe der Moral


Ist die Regelung des Geschlechtslebens.
Der Instinkt versetzt doch den Menschen
Innerhalb oder außerhalb der Ehe
In manche schwierige Lage
Und bedroht durch seine hartnäckige Stärke
Und Unbekümmertheit um die Gesetze
Und durch seine Perversionen
Die gesunde soziale Ordnung.
Sollen voreheliche Beziehungen
Verboten oder erlaubt sein?
Selbst unter Tieren
Ist die Auslebung sexuellen Triebes
Nicht völlig schrankenlos,
Vielmehr weist das ablehnende Verhalten
Des Weibchens während der Brunstzeit
Dem Geschlechtsverlangen in der Tierwelt
Einen bescheidenern Platz ein
Als bei den Menschen der freien Liebe.

Bei den Primitiven wird nämlich


Dem vorehelichen Geschlechtsverkehr
Freies Spiel gelassen.

Die primitiven Mädchen


Fürchten den Verlust ihrer Jungfräulichkeit nicht,
Vielmehr fürchten sie unbegattet zu bleiben.

Die Primitiven kennen keine Scham


Über die Nacktheit des Körpers.
Die Neger schüttelten sich vor Lachen,
Als ein Engländer sie bat,
Vor der Ankunft seiner weißen Frau
Sich doch bitte zu bekleiden.
Eine Anzahl von primitiven Stämmen
Übt den Geschlechtsverkehr
In der Öffentlichkeit aus.
Erst wenn die Frauen genommen worden vom Mann,
Haben sie das Bedürfnis, Kleider anzulegen.
Die Frauen im alten Ägypten
Und im zeitgenössischen Bali
Schämen sich nicht,
Ihre Brüste öffentlich nackt zu zeigen.

Unter den Papuas kam Abtreibung häufig vor.


Kinder sind lästig, sagten die Frauen,
Wir sind der Kinder müde,
Wir sterben an ihnen!

Wenn die Abtreibung misslang,


Blieb noch der Kindermord übrig.
Wenn ein Neugeborenes missgestaltet war
Oder irgendwie krank,
War die Ausrottung gestattet.

Stämme auf Madagaskar setzten die Kinder aus,


Die im Frühling geboren worden,
Ertränkten sie oder begruben sie lebendig.
Das gleiche Schicksal erwartete alle Kinder,
Die an einem Freitag geboren waren.
Wenn eine Frau Zwillingen das Leben schenkte,
Nahm man das als Beweis für ihren Ehebruch,
Da kein Mann zu gleicher Zeit
Vater von zwei Kindern werden kann,
Deswegen wurde eins der Kinder getötet.

Der Individualismus wie die Freiheit


Wird erst von der Zivilisation erzeugt.
Erst in der Morgenröte der Zivilisation
Wurde eine kleine Anzahl von Männern freigestellt
Und befreit von den Sorgen und Mühen des Alltags,
Um in schöpferische Muße
Die Werte der Wissenschaft und Kunst zu schaffen.

Was ist Schönheit?


Schönheit ist, was gefällt.

Das Gefällige kann


Die ersehnte Genossin sein,
Dann übernimmt das Schönheitsgefühl
Die Intensität und Kraft
Des Geschlechtstriebes
Und weitet den Heiligenschein auf alles aus,
Was mit der Geliebten in Berührung kam,
Auf alle Formen, die der ihren ähneln,
Auf alle Farben, die ihr Anmut verleihen,
Die ihr gefallen, an sie erinnern,
Auf Schmuck und Kleidung, die sie zieren,
Auf alle Körper,
Die den Körper der Geliebten widerspiegeln,
Ihre Grazie und ihr Ebenmaß.

Kunst ist die Schöpfung der Schönheit,


Kunst ist Ausdruck des Denkens und Fühlens
Einer schönen und erhabenen Form,
Deshalb weckt die Kunst in uns
Den Widerschein ursprünglichen Entzückens,
Das die Frau dem Manne gibt.

Was ist Philosophie anders als die Kunst,


Dem Gewirr der Erfahrung
Eine schöne Form zu geben?

Wenn der Schönheitssinn


Bei den Primitiven nicht hoch entwickelt ist,
Liegt der Grund in dem Fehlen der Verzögerung
Zwischen Wunsch und Erfüllung,
Begierde und Befriedigung,
Denn so fehlt der Raum
Für die phantasievolle Erhöhung
Der begehrten Geliebten
Und so kann der Schönheitssinn
Nicht befruchtet werden.

Die Frauen der Fellata


In Zentralafrika
Verloren mehrere Stunden am Tag
Mit ihrer Toilette,
Sie färbten Finger und Zehen purpurrot,
Indem sie sie über Nacht in Hennablätter wickelten,
Sie bemalten ihre Zähne blau oder rot,
Färbten das Haar mit Indigo
Und bestrichen die Augenlider
Mit Schwefel-Antimon.
Jedes Bongo-Weib besaß
Ihren Vanity Bag
Mit Pinzetten zum Auszupfen der Augenbrauen,
Lange Haarnadeln,
Ringe und Kettchen mit Glöckchen.

Die Kleidung ist bei der Primitiven


Mehr sexuelles Anziehungsmittel
Als Schutz vor Kälte.

Sie sind zufrieden, nackt,


Ehrgeizig, schön zu sein.

Die Körperbedeckung dient vor allem dazu,


Die weiblichen Formen und Reize hervorzuheben.
Die primitive Frau erreicht durch ihre Kleidung
Dasselbe wie die moderne Frau,
Nämlich nicht so sehr die Nacktheit zu verbergen,
Als ihre Vorzüge zu erhöhen
Und verborgene Reize verführerisch anzudeuten.

Nun freuen sich die Wilden auch


Am Rhythmus und beginnen
Das Schreien mancher Vögel nachzuahmen,
Das Zurschaustellen ihres Federschmuckes
In Gesang und Tanz nachzuahmen.

Tatsächlich gibt es keine Kunst,


Die die Wilden so sehr lieben
Wie den Tanz.

Auch ihre religiösen Zeremonien


Stellen ein Gemisch von Gesang
Und Tanz und Drama dar.

Der Tanz ist Ausdruck sexueller Begierde


Und die Wilden kennen
Die Gruppentechnik erotischer Stimulation.

Aus dem Tanz entwickelte sich


Die Instrumentalmusik
Und das Drama.
Musik war nichts als der Wunsch,
Den erotisch stimulierenden Tanz
Mit Geräusch zu begleiten
Und mit schrillen und rhythmischen Klängen
Die dem Zeugungsakt notwenige
Erotische Erregung zu steigern.

Australische Neger führten einen sexuellen Tanz auf


Rund um einen umbuschten Brunnen,
Der die Vulva darstellte,
Da die Tänzer nach erotischen Zuckungen
Und dem Aufbäumen ihrer Körper
Ihre phallischen Speere schleuderten
In den Schoß des Brunnens.

ZWEITER GESANG

Manche Völker haben anscheinend


Gar keine Religion.
Pygmäen kennen nicht Kultus, nicht Ritus.
Sie begruben die Toten
Ohne Zeremonie.
Sie kennen kein Tabu und keinen Gott.
Sie waren noch nicht einmal abergläubisch.
Die Zwerge von Kamerun
Kannten nur den bösen Gott
Und taten nichts, ihn zu versöhnen,
Da der Böse unversöhnlich ist.
Die Vedda von Ceylon glaubten an Götter und Geister,
Kannten aber weder Gebet noch Opfer.
Fragte man die Wilden nach Gott,
So sagten sie: Wohnt er auf einem Berg?
Wohnt er in einem Baum
Oder auf einem Ameisenhügel?
Ich hab niemals einen Gott gesehen!
Die Indianer glaubten zwar an einen guten Gott,
Doch sei er so groß und fern,
Er kümmre sich nicht um ihre Nöte.
Ein Wilder sagte einem Missionar:
Unsre Väter und Großväter waren es gewohnt,
Nur an die Erde zu denken,
Ob es genug zu essen und zu trinken gibt.
Sie fragten nie danach, wie der Himmel sei
Und ob ein Schöpfer sei, ein Herr im Himmel.
Wenn wir die Bäume sehen, so sehen wir sie,
Wir wissen aber nicht, wie sie geworden sind,
Wir denken, die Bäume haben sich selbst erschaffen.

Die Todesangst aber ist die Mutter der Götter.


Wie kam der Tod in die Welt?
Der gute Gott sprach zu seinem törichten Bruder:
Geh zu den Menschen und sprich zu ihnen,
Sie sollen sich häuten,
So werden sie unsterblich,
Aber sage der Schlange,
Daß sie sterben muß.
Der törichte Bruder des guten Gottes
Verwechselte aber die Botschaft,
Er schenkte der Schlange
Das Geheimnis der Unsterblichkeit
Und den Menschen das Todesurteil.

Die Todesangst, das Erstaunen über manchen Zufall,


Der Dank für gute Ernte,
Die Hoffnung auf Hilfe
Erzeugten den Glauben an die Götter.
Wunderbar und geheimnisvoll
Sind den Wilden vor allem
Die nächtlichen Träume
Und die Sexualität,
Auch glauben sie an einen Einfluß
Des Mondes und der Sterne.
Wenn ihnen im Traum die Toten erscheinen,
Glauben sie an die Totengeister.
Wenn die Wilden von den Toten träumen,
Beginnen sie, an eine Seele zu glauben,
Sie glauben, jedes Lebewesen
Habe eine Seele, sei von einem Geist bewohnt.
Nicht allein der Mensch,
Sondern alle Dinge sind beseelt,
Von Geistern bewohnt.
Der Animismus ist die Poesie
Der primitiven Religion.
Dem Primitiven sind die Berge und die Bäume,
Sonne, Mond und Sterne,
Ja, das ganze Universum
Wohnort von Geistern
Und Gegenstand der Verehrung.
Sie beten den Mond an als die Göttin Luna,
Das Meer gebiert die Göttin Aphrodite,
Die Nacht ist erfüllt von Hekate und ihrer Magie.

Weil alle Dinge beseelt sind


Und von elementaren Geistern besessen,
Wird alles religiös verehrt,
Die kosmischen Welten,
Die Erde,
Die Geschlechtsorgane,
Die Tiere,
Der Mensch und eine Menge von Göttern.

Der Erste aller Götter


Ist der Mann im Mond,
Ein Draufgänger, der die Weiber verführt
Und ihnen die Monatsblutung beschert,
Der Lieblingsgott der Frauen,
Ihr Schutzherr,
Zu dem selbst die Frösche um Regen beten.

Irgendwann begannen die Wilden


Auch zur Sonne zu beten.
Die Erde ist ihnen eine Muttergöttin,
Der heiße Strahl des Sonnengottes
Befruchtet die Mutter Erde,
So ist der Sonnengott
Der Vater aller Lebewesen.
Der Philosoph Anaxagoras aber wurde verbannt,
Weil er sagte, die Sonne sei kein Gott,
Die Sonne sei ein Feuerball,
So groß wie der Peloponnes.
Noch heute ist den Heiden im Fernen Osten
Der Kaiser ein Sonnengott.
Kultur ist Luxus einer kleinen Minderheit,
Die große Masse des Haufens
Glaubt auch heute noch
An die alten Götter der Natur.

Jeder Stern ist Wohnsitz eines Gottes.


Auf dem Mars wohnt der Kriegsgott,
Der Herr der Männer,
Auf der Venus wohnt die Liebesgöttin,
Die Herrin der Frauen.

Im Fernen Osten glaubt man heute noch,


Der Himmel sei ein Gott.

Das Zentralmysterium der Heiden


Ist die Hochzeit von Himmel und Erde,
Die sexuelle Vereinigung
Von Gott und Göttin,
Von göttlichem Phallus und göttlicher Vulva.
Denn der Himmel ist der Vatergott
Und die Erde ist die Muttergöttin
Und die Menschen sind ihre Kinder.

Bäume haben ja Seelen,


Und wer einen Baum fällt,
Der mordet die Seele des Baumes.
Aber, wie ein Heide einem Christen sagte,
Die Seelen der Bäume, die gemordet wurden,
Werden zu Rachegeistern
Und treiben den Mörder in den Wahnsinn
Und in den Selbstmord.

Ja, am Anfang beteten alle


Zu Bergen und Bäumen,
Quellen und Flüssen,
Der Berg ist die Muttergöttin,
Im Baum lebt die Fee,
In den Quellen plätschern die nackten Nymphen.

Noch heute sprechen wir ja von der Mutter,


Von der Mater und der Materia.

Die Babylonier nannten sie Ishtar,


Die Zyprioten nannten sie Aphrodite,
Die neuen Heiden nennen sie Demeter
Und danken ihr für das tägliche Brot.

Die Mutter Erde wird geboren,


Sie wird vermählt,
Sie gebiert in schöpferischer Fruchtbarkeit,
Sie altert und welkt
Und stirbt, um wieder neu geboren zu werden.
Die Philosophen der Heiden nennen das
Die ewige Wiederkehr des Gleichen
Und die heidnischen Theologinnen
Nennen die ewige Wiedergeburt
Unsterblichkeit der Seele und ewiges Leben.

Was weiß der Wilde von Ovum und Sperma?


Der Wilde sieht wohl Phallus und Vulva,
In Phallus und Vulva wohnen göttliche Kräfte,
Zeugungskräfte und Schöpfermächte,
Sie sind angebetete Gottheiten,
Ja, die wundervollsten Götter von allen!
Der Phallusgott bewacht den Rosengarten,
Um die Vulva wird eine Kirche gebaut
In Gestalt der Vulva,
In der die Vulva angebetet wird.
Die Primitivsten der Primitiven
Beten Phallus und Vulva an,
Und auch die feineren Wilden
Beten Phallus und Vulva
Auf höchst verfeinerte Weise an.
Besonders verehrt wird der starke Stier
Wegen seiner Zeugungskraft.
Sie beten alle die Schlange an,
Sie beten die Schlange als Phallusgott an,
Sie lieben vor allem das Bild
Des nackten Weibes, umschlungen von der Schlange,
Das Götterbild der sündigen Sinnlichkeit,
Sie beten zur Schlange des Gartens Eden,
Die Eva in den Mund nahm.

Es gibt ja kaum ein Tier,


Zu dem nicht gebetet wird.
Sie lieben den ägyptischen Mistkäfer
Und den hinduistischen Elefantengott.

Im Laufe der Zeit tritt die Tieranbetung zurück.


Die grausamen Tiergötter
Verwandelten sich in grausame Götter.
Einst waren die Götter Tiere,
Darum Athene, die Göttin der Weisheit,
Die Augen einer Eule hat,
Hera, die Himmelskönigin,
Die Augen einer Kuh hat,
Und Aphrodite, die Göttin der Liebe,
Augen einer Taube hat.

Die meisten Götter aber


Waren einst nicht Tiere,
Sondern Menschen, die gestorben sind.
Die Toten erschienen in den Träumen
Und wurden als Geister verehrt.
Ob man aber einen Geist verehrt
Oder ein Gespenst, ist nicht zu unterscheiden.
Aus dem Gespensterkult
Wird Ahnenverehrung.
Der tote Vater wird zu einem Vater im Himmel.
Erst war der Schrecken des Todes,
Dann die Furcht vor den Totengeistern,
Dann die Vergötterung des Toten
Und dann die Pietät
Der Verehrung des Vaters im Himmel.
Aus dem Menschenidol
Wird ein Gottideal.
Der Gott erscheint in Gestalt eines Menschen.
Von den Elementargeistern
Dämonischer Besessenheit
Gehen die Wilden über zum Kult
Der Hochzeit von Gott-Phallus und Göttin-Vulva,
Verehren dann die Ahnen
Und beten zum vergöttlichten Vater.
Manchmal aber beten sie
Schon zu Lebzeiten einen Menschen als Gott an.

Nachdem die Wilden sich


Die elementaren Geister ersonnen,
Wollten sie die Geister zwingen,
Ihnen zu Diensten zu sein.
Zum Animismus trat die Magie,
Die Seele ihrer Religion.

Es gibt ein Reservoir


An magischen Kräften,
Manas genannt,
Aus dem die Magier schöpfen.

Man macht den Geistern verständlich,


Was man von ihnen will,
Indem man ihnen das Gewünschte vorspielt.
Man gießt Wasser auf die Erde,
Wenn man Regen braucht.
Die Wilden forderten von einem Missionar,
Mit offenem Regenschirm
Durch ihre Felder zu spazieren,
Als sie Regen brauchten.
Die unfruchtbare Frau
Trägt auf ihrem unfruchtbaren Schoß
Ein Kinderpüppchen, damit sie schwanger wird.
Die werdende Mutter
Legt ein Püppchen an die Brust,
Als wolle sie das Püppchen säugen,
Und spricht dabei die magische Formel,
Dann verkündet sie im Dorf,
Sie sei jetzt schwanger,
Die Freunde wünschen ihr Glück
Und glückliche Niederkunft.
Der Magier windet sich selbst
In Wehenschmerzen
Und nimmt der gebärenden Mutter
Die Schmerzen der Wehen ab.
Der Magier rollt einen magischen Stein
Über den Bauch der schwangeren Frau,
Einen Bernstein oder Kristall,
Und lässt den Stein zur Erde fallen,
Das träge Kind wird es ihm schon nachtun.
Der moderne Pöbel
Ist solcher Magie sehr zugetan.

Zur Befruchtung des Bodens


Und um den Segen der großen Göttin Demeter zu erflehen,
Brüht man die Genitalien
Eines Mannes in bestem Alter,
Zerreibt die Mixtur zu einem Pulver
Und streut es der Muttergöttin in den Schoß.

Sie feiern auch den Maienkönig


Und die Maienkönigin,
Die in aller Öffentlichkeit
Den Beischlaf vollziehen,
Damit Himmel und Erde
Sich an den Menschen ein Vorbild nehmen
Und Hochzeit feiern
Und fruchtbar werden.

Die Bauern paaren sich mit ihren Weibern


Auf den Feldern,
Um die Ernte zu sichern.

Die Feste zur Zeit der Saat


Sind Ferien für die Moral,
Frauen unfruchtbarer Männer
Werden dann beglückt und geschwängert.
So will man die Mutter Erde anreizen,
Doch den Samen in ihrem Schoß zu empfangen
Und als Kinder die Ähren zu gebären.

Da sind Bacchanalien!
Sexuelle Zügellosigkeit!
Ausschweifende Sinnlichkeit!
Orgien! Rausch!
Die Prostitution ist frei!
Der Ehebruch ist keine Sünde!
Der Christ wendet seine Augen ab
Voll Ekel und Scham.

Damit die Muttergöttin fruchtbar wird,


Wird ihr ein Mann geopfert,
Sein Blut macht sie fruchtbar.
Kommt dann die Ernte,
Feiert man die Wiederauferstehung des Opfers.
Der geschlachtete Mann wird als Gott verehrt,
Der jährlich stirbt und aufersteht.
Die Poesie webt um den magischen Opferkult
Einen mythologischen Schleier
Und besingt Aphrodite und Adonis.
Allabendlich stirbt der Sonnengott,
Allmorgendlich feiert er Auferstehung.

Menschenopfer fordern die Götter der Heiden.


Der edle Wilde, der weise Indianer,
Der arme Azteke, von den Spaniern ermordet,
Er diente einem Götterbild,
In dessen Innern die Menschen geschlachtet wurden.
Moloch frisst am Liebsten Kinder!
Die Abtreibung unsres heutigen Pöbels
Ist der selbe Molochsgötzendienst!
Denn die Wilden sind Kannibalen,
Ihnen schmeckt vor allem Menschenfleisch,
Und so lieben auch die Götter,
Menschenfleisch zu fressen.

Später gab sich die große Göttin Diana


Mit einer Hirschkuh zufrieden,
Die alten Barbaren
Brachten ihr weiter Menschenopfer,
Aber die edlen Griechen
Opferten ihr die Hirschkuh.

Und so wie der Gott die Kinder frisst,


So frisst der Heide seinen Götzen.
Das Blut geopferter Kinder
Wird mit Mais vermischt,
Der Götze wird gebacken und gefressen.
Wahrlich, dies ist die Schwarze Messe Satans!

Die Wilden glauben alle an die Macht des Fluches


Und des bösen Blickes.
Sie sind sich sicher,
Der Fluch eines gewaltigen Magiers
Kann über weite Entfernung töten.

Darum haben sie Amulette


Gegen den bösen Blick
Und andre Mittel des Abwehrzaubers.

Der Animismus
Speist die Poesie,
Die Magie erzeugt
Die Naturwissenschaft.
Denn weil die Magie oft fehlschlägt,
Ist es für den Magier gut,
Die Gesetze der Natur zu kennen,
Um auf die Götter einzuwirken,
Das Gewünschte hervorzubringen.
So wird aus dem Magier ein Arzt,
So wird aus dem Magier ein Astronom.

Die heidnischen Priester sind Magier.


Der Priester besitzt die Macht, in der Trance,
Im Rausch und der Ekstase
Sich den Göttern zu nähern
Und sie zu zwingen,
Den Menschen dienstbar zu sein.
Der magische Priester
Wird zum Orakel der Geister
Und bestimmt Kultur und Moral
Der abergläubischen Heiden.

Es gibt Tabus.
Das Tabu tritt an die Stelle des Gesetzes.
Die Ägypter fressen
Während einer Hungernot
Lieber Menschen,
Als dass sie das Totemtier fressen,
Denn das heilige Tier zu essen, war tabu.

Über die Art der Ernährung


Herrschen diätetische Tabus.

Das Lieblingstabu der Wilden


Ist aber das Weib.
Von Zeit zu Zeit ist das Weib
Unrein, unberührbar, gefährlich.
Im Anfang der Menschheit
Brachte das Weib das Übel in die Welt.
Vor allem ist das Weib tabu
Während ihrer Monatsblutung.
Was mit einem Weib in Berührung kommt,
Das ihre Regel hat, verliert die Reinheit.
Den Weibern, die ihre Blutung haben,
Ist es verboten, ein Bad zu nehmen,
Da sie das Wasser vergiften.
Verboten ist dem blutenden Weib,
In den Wald zu gehen, es könnte sein,
Daß eine verliebte Schlange
Sie dort vergewaltigen würde.

Wo stehen wir heute?


Erziehung, Gesetz, Moral und Ehe
Lagen einst in den Händen
Der geistlichen Hierarchie.
Aber Erziehung, Moral
Und Geschlechtsbeziehungen
Entfliehen der Kirche,
Werden weltlich,
Werden schließlich heidnisch.
Die Intellektuellen
Verlassen die Theologie
Der alten heiligen Väter
Und verlassen die Moral der Kirche.
Die Literatur wird kirchenfeindlich,
Die Philosophie wird gottfeindlich.
Die Revolutionäre
Beten die Göttin der menschlichen Vernunft an,
Bis die Menschen enttäuscht, ernüchtert
Sich von jeder Idee verabschieden.
Ihres religiösen Fundamentes beraubt
Und der Säulen der Kirche,
Geht das Leben der neuen Heiden
In das tierische Wohlbehagen
Der süßsauren Fäulnis
Von epikuräischen Säuen über.
Das Leben, jedes Trostes des Glaubens beraubt,
Wird zum trostlosen Jammer der Elenden
Und zum sinnlosen Spaß der Reichen.
Am Ende stirbt
Nach dem Tod des Glaubens
Auch die Gesellschaft ihren Tod
Und es stirbt der Leib
Und die Seele stirbt den ewigen Tod.

Inzwischen steigt in dem letzten Rest


Der verfolgten Untergrundkirche
Der ewige Mythos Gottes erneuert auf
Und spendet wieder die göttliche Tugend der Hoffnung
Und spendet wieder freudigen Lebensmut
Für den apokalyptischen Endkampf!
Und nach den Kriegen der Satanisten
Baut die jugendliche Zukunftskirche
Die Zivilisation der Liebe!

ECCLESIA IN AFRICA
O Notre Dame d’Afrique!

ALEXANDRIA

Zwischen Meer und Sumpf


An der westlichen Ecke
Des Deltas des Nils,
Hat Alexander der Große
Alexandria aufgebaut.
Mit dieser neuen Hauptstadt
Wollte Alexander der Große
Ägypten
Mit seinen dreißig Dynastien Pharaonen
Für das griechische Weltreich gewinnen.

Ptolemaios der Erste Soter


Bestieg den Thron der Pharaonen.
Er holte Gelehrte und Künstler
Aus aller Welt an seinen Hof.
Apelles, der Maler,
Euklid, der Mathematiker,
Wurden nach Alexandria berufen.
Demetrios von Phaleron
Gründete die Bibliothek von Alexandria,
Die größte und bedeutendste
Bibliothek der Antike.

Ptolemaios der Zweite Philadelphos


Begründete das Museion,
Ein Stadtviertel voll von Palästen
Der Wissenschaft, der Rhetorik,
Der Poesie.
Die Medizinschule von Alexandria
Verkündete die Lehre von Hippokrates.
An der Universität von Alexandria
Lehrte Claudius Ptolemäus,
Der größte Astronom des Altertums,
Sein Weltbild galt im Mittelalter
Bis zur Kopernikanischen Wende.

Ptolemaios der Zweite Philadelphos


Förderte selbst die Wissenschaft.
Auf seine Weisung hin
Und unter seiner Schirmherrschaft
Wurde das Alte Testament ins Griechische übersetzt.

In Alexandria
Traf der Äthiopier auf den Gallier,
Der Skythe auf den Mann aus Karthago,
Der Spanier traf den Syrer.
Das Volk war intelligent,
Weltoffen und skeptisch
Und vergnügungssüchtig.
Sie erregten sich ebenso
Über eine philosophische Theorie
Wie über einen Wettkampf.

Das Nachtleben Alexandrias


War berühmt in aller Welt.
Der Mond schien auf die Kanäle,
Fackeln beleuchteten schöne Gondeln.

Alexandria beherbergte auch


Das Mausoleum
Mit dem gläsernen Sarg
Und dem mit Honig einbalsamierten Leichnam
Alexanders des Großen.

Menschen, Ideen,
Gebräuche des Ostens,
Handelswaren und Luxus
Strömten in die Stadt.
Alexandria wurde
Immer orientalischer.

Handelsschiffe konnten
Von Lyon an der Rhone
Bis nach Ceylon segeln.

Arius verbreitete seine Irrlehre


Zuerst in Alexandria.
Er leugnete die göttliche Natur Christi.

Nestor leugnete,
Daß Maria die Muttergottes sei,
Sie sei nur Mutter
Der menschlichen Natur Jesu.
Er war Patriarch von Konstantinopel.
Kyrillos von Alexandria
Bekämpfte ihn mit den Waffen
Des Heiligen Geistes.
Nestor wurde verbannt
In eine Oase
In der Libyschen Wüste,
Wo er gestorben ist, ohne zu ahnen,
Daß seine Lehre sich ausbreiten würde
Durch Innerasien
Bis nach Peking!

Die folgenschwerste Häresie


War die Häresie des Eutyches.
Eutyches war Abt in einem Kloster
Bei Konstantinopel.
Er leugnete, dass Christus
Eine göttliche und eine menschliche Natur habe,
Sondern behauptete, dass Christus
Nach der Vereinigung der Gottheit mit der Menschheit
Nur eine Natur noch habe,
Die Natur des fleischgewordnen Logos.
Von ihm stammen die Monophysiten ab.
Aus der christlichen Kirche Ägyptens
Wurde die koptische Kirche.
Weil sie monophysitisch war,
Trennte sie sich von der katholischen Kirche.
Allerdings hat sie es geschafft,
Die Eroberung Ägyptens
Durch die Heerscharen des Islam
Zu überdauern.

Unter den islamischen Arabern


Verfiel Alexandria.
Nur wenig blieb erhalten
Von der Herrlichkeit
Alexandrias,
Der Stadt Alexanders des Großen.

Der Pharos von Alexandria


War eins der sieben Weltwunder.
Ptolemaios der Zweite Philadelphos
Ließ ihn errichten.
An Höhe übertraf der Leuchtturm
Die Cheopspyramide.
Nichts ist erhalten geblieben von ihm.

Ptolemaios der Zweite Philadelphos


Gründete das Museion.
Auf den Münzen war sein Bild
Und das Bild seiner Gemahlin Arsinoe,
Die so schön war,
Daß sie als Inkarnation der Venus galt.

Das mazedonische Geschlecht


Der Ptolemaier hat Ägypten
Viele große Herrscher geschenkt.
Die Königin Kleopatra
War die letzte Herrscherin dieser Dynastie.
Ihre faszinierende Gestalt
Inspirierte die Dichter
Noch für Jahrtausende.
Ihr letzter Sproß war
Kaisarion, der Sohn,
Den Kleopatra Cäsar geschenkt hat.
Er wurde ermordet wie sein Vater.

Über die Boulevards


Der glänzenden Stadt Alexandria
Wandelten im Jahre dreiundvierzig
Nach Christi Geburt
Durchs Gewühl der Menge
Zwei bescheiden gekleidete Männer,
Die aus Palästina gekommen waren.
Einem zerriss der Schuh.
Sie gingen zu einem Schuster.
Der Schuster nahm den Schuh in die Hand,
Da rutschte seine Ahle aus,
Er stach sich mit der Ahle in die Hand und schrie:
Gelobt sei Gott!
Der Mann, dem der Schuh gehörte, beschloß,
In diesem Sodom zu bleiben,
Da es auch in Sodom doch Einen Gerechten gab,
Der im Schmerz noch Gott pries.
Diesem Gerechten wollte er das Wort Gottes bringen.
Er heilte die Wunde des Schusters
Und spendete ihm das Sakrament der Taufe.
Es war der Apostel Markus, der Evangelist.
Sein väterlicher Freund und Begleiter
War Sankt Peter, der weiter zog,
Um als Bischof von Rom den Martertod am Kreuz zu sterben.
Der Schuster Annainos wurde
Der erste Christ Alexandrias.
Nach dem Tod des Apostels Markus
Wurde er der zweite Bischof
Der ägyptischen Kirche.

Der berühmteste Theologe


Der Schule von Alexandria
Ist Origenes.
Er war ein Kenner der hebräischen Sprache
Und besaß eine umfassende Bildung.
Er war ein Schüler Platons
Und glaubte an die Ideen,
Die Vorbilder der stofflichen Erscheinungen.
Er schrieb Kommentare zur Bibel.
Er hat als Erster
Eine philosophische Darstellung
Der Lehre Christi geschrieben.

Die heilige Katharina von Alexandria


Entstammte einer Patrizierfamilie der Stadt.
Sie studierte an der Universität.
Durch eine Erscheinung
Der Madonna mit dem göttlichen Jesuskind
Bekehrte sie sich zum Christentum.
Als der Kaiser Maxentius
Eine neue Christenverfolgung befahl,
Verschaffte sich Katharina
Zutritt beim Kaiser Maxentius
Und machte seiner Majestät Vorwürfe.
Der Kaiser Maxentius
War von der strahlenden Schönheit
Der jungen Studentin
Überwältigt, so warf er sie nicht in den Kerker,
Sondern gab ihr die Gelegenheit
Mit fünfzig heidnischen Philosophen
Über die ewige Weisheit zu diskutieren.
Sie bewies aus den Schriften Homers und Platons,
Daß Christus die göttliche Weisheit ist.
Die fünfzig heidnischen Philosophen erklärten,
Katharina bekenne die Wahrheit.
Der Kaiser Maxentius
Bot ihr Ehre und Reichtum an,
Sie aber lehnte ab.
Dann erlitt sie das Martyrium.
Zuletzt ist sie enthauptet worden.
Engel trugen ihren Leichnam
Auf den Sinai.
Ihre Gebeine wurden von den Mönchen des Klosters
Am Berge der Offenbarung an Moses
In Obhut genommen.

Katharina von Alexandrien


Rief später Jeanne d’Arc,
Frankreich zu befreien.
Noch heute ist es der Wunsch jeder frommen Frau,
Die den Namen Katharina trägt,
Einmal im Leben eine Wallfahrt anzutreten
Zum Sinai, dem Berg des HERRN.

ÄTHIOPIEN

Ein Finanzbeamter
Las den Propheten Jesaja,
Als er in seinem Wagen
Durch die Lande reiste,
Dieser Mann aus Mohrenland
War ein Gewaltiger
Der Königin Kandake!
Auf der Reise von Jerusalem
Nach Afrika
Begegnete er dem Apostel
Philippus und sprach mit ihm
Über die Bibel,
Über den Propheten
Und das Evangelium vom leidenden Gottesknecht.
In einem Bach am Weg
Ließ sich der Mann aus Mohrenland taufen.

Die Äthiopier sind wahrlich


Die Entferntesten der Menschen.
So bezeugt es Homer.
Sie haben einen Ruf großer Frömmigkeit
Schon zu den Zeiten Homers.
Die Götter pflegten mit ihnen Mahl zu halten!
Im Jahre Tausend vor Christi Geburt
Ist Äthiopien ein freies Land.
Einmal haben die Äthiopier sogar
Ägypten erobert.
Semitische Stämme
Aus Südarabien sind eingewandert.
Es gab im Lande nun zwei Rassen,
Eine langhaarige und eine wollhaarige.
Die Zivilisation ist von Ägypten beeinflusst.

Die Hauptstadt des Landes


Ist Aksum.
Der Obelisk aus Aksum
Erlebte seit fünfzehn Jahrhunderten
Den Glanz der Kaiserkrönungen.

Über die Handelshäfen an der Küste


Des Roten Meeres,
Da Schiffe von Afrika bis Indien schwammen,
Drang die griechische Kultur nach Afrika vor.

Seit alter Zeit gab es jüdische Händler im Land.


Am Tana-See lebten Juden,
Die wie die Samariter
Die fünf Bücher Moses allein
Als Heilige Schrift anerkannten.
Sie waren zur Zeit des Königs Salomon
Nach Äthiopien gekommen.

Der Kaiser von Äthiopien


Nennt sich Löwe von Juda.
Das Herrscherhaus von Äthiopien
Stammt von den alten Kaisern von Aksum ab,
Die ihrerseits auf Menelik zurückgehn,
Den Sohn Salomos und der Königin von Saba.

Im Buche vom Ruhm der Könige steht geschrieben,


Daß Salomo seine Weisheit dazu einsetzte,
Die Königin von Saba zu verführen.
Er gab ihr ein reiches Gastmahl
Mit köstlichen, scharf gewürzten Speisen.
Als die Königin müde wurde,
Lud er sie ein, in seinem Palast zu schlafen.
Sie nahm die Einladung an,
Doch müsse er sie unberührt lassen.
Salomo schwor ihr, sie unberührt zu lassen,
Wenn sie alles in seinem Palast unberührt lasse.
In der Nacht bekam die Dame Durst
Und trank einen Becher Wasser.
Salomo, der nicht geschlafen hatte,
Warf ihr vor, den Becher und das Wasser berührt zu haben.
Aber es war doch nur ein Becher Wasser,
Sprach die Königin von Saba.
Ist Wasser nicht das Kostbarste auf Erden,
Sprach der König Salomo in seiner lächelnden Weisheit.
Diesem Becher Wasser
Verdankte der Sohn der Königin von Saba
Sein Leben, Menelik, der Sohn des weisen Salomo.
Als Menelik nach Äthiopien zog,
Gab Salomo ihm einen Priester mit,
Azarius, Sohn des Hohenpriesters Zadok.
Darum stammen die Priester von Äthiopien
Vom Hohenpriester Aaron ab.
Der Priester Azarius aber
Ging nicht ohne die Bundeslade nach Afrika,
Die Bundeslade befindet sich noch heute
In Äthiopien in der Kirche
Unserer Lieben Frau von Zion.

Im vierten Jahrhundert
Unternahm Meropius,
Ein Philosoph aus Tyrus,
In Begleitung zweier Knaben,
Der Brüder Frumentius und Aedesius,
Eine Reise in ferne Länder.
Bei der Rückkehr von der Reise
Lief sein Schiff in Äthiopien ein.
Das Schiff ward überfallen,
Die Mannschaft erschlagen.
Die beiden Knaben aber
Saßen unter einer Palme am Ufer
Und lernten aus den heiligen Schriften.
Man schickte sie als Gefangne
Zum König von Äthiopien.
Dem König gefielen die beiden Knaben,
Er ließ sie erziehen.
Frumentius wurde des Königs Vertrauter.
Nach dem Tode des Königs
Bestimmte die Königin-Witwe
Frumentius zum Reichsverweser
Und Erzieher des Prinzen Ezana.
Frumentius reiste nach Alexandria,
Empfing die Bischofsweihe,
Taufte den König Ezana,
Führte das Christentum in Äthiopien ein
Und wurde der erste Metropolit
Der Kirche von Äthiopien.
Frumentius wird in Äthiopien verehrt
Als Abbas Salama, Vater des Heils.

Später kamen neun Mönche nach Äthiopien


Und gründeten die ersten Klöster.
Man verehrt sie
Als die neun Heiligen.
Die Kirche von Äthiopien
War von der griechischen Kirche beeinflusst,
Sie hatte enge Beziehungen zu Byzanz.
Durch die Eroberungen des Islam
Wurde die Kirche von Äthiopien
Von der Christenheit isoliert,
Nur zur koptischen Kirche von Ägypten
Bestanden noch leichte Verbindungen.

Die Kirche von Äthiopien baute


Den Garten der Maria
Und den Tempel des heiligen Georg.

In einer Kirche ist das Bild zu sehen,


Wie Alexander der Große
Auf einem Milan in den Himmel reitet.
Die Äthiopier haben nämlich großzügig
Alexander den Großen heiliggesprochen.

Im dreizehnten Jahrhundert zur Zeit


Des Königs Rudolf von Habsburg
Ist der Kaiserhaus der Salomoniden
Auf den Thron gekommen.
Das Kaiserhaus der Salomoniden
Hat schon um ein halbes Jahrhundert
Das Kaiserhaus Habsburg überdauert.
Noch immer wacht der Löwe von Juda
An den Quellen des Nil.

Als der Negus Negesti


Kaiser Haile Selassi
Vor den Faschisten des Duce floh,
Legte die Kaiserin Zauditu ein Gelübde ab:
Wenn Gott dem Kaiser gewähre,
Nach Addis Abeba zurückzukehren,
Wird sie ihre Kaiserinnenkrone
Der Grabeskirche in Jerusalem weihen.
Nachdem die Faschisten aus Afrika verschwunden,
Hat die Kaiserin Zauditu
Ihr Gelübde erfüllt
Und ihre Krone der Kaiserin des Südens
Der Auferstehungskirche geweiht.

NORDAFRIKA

Den Glanz der Welt zu verlassen


Und in die Einsamkeit
Der Wüste zu gehen,
Um in der Kontemplation
Den Frieden der Seele zu finden,
Ist eine alte ägyptische Weisheit.
Der erste christliche Eremit
War Paul von Theben.
Während der Christenverfolgung
Unter Kaiser Decius
Floh er in die Wüste.
In Gebet und Buße
Verbrachte er seine Tage.
Die Palme ernährte ihn mit Feigen
Und kleidete ihn mit Palmblättern.
Eine Krähe brachte ihm
Das tägliche Brot.
Hieronymus erzählt uns sein Leben.
Als Paul von Theben hundert Jahre alt war,
Besuchte ihn der heilige Antonius.
Da brachte die Krähe
Doppelt soviel Brot als sonst.
Der Himmel ist voller Fürsorge
Und voll praktischen Verstandes
Für alle leiblichen Nöte.
Schweigend saßen die beiden Greise
In der Einsamkeit der Wüste
Miteinander im Gebet versunken.
Der tatenlosen Kontemplation
Der Eremiten
Ist die Tatkraft entsprungen,
Die Wälder gerodet,
Barbaren gezähmt,
Reiche gegründet,
Herrlichste Kunst geschaffen
Und höchste Stufen der Weisheit errungen hat.
Paul von Theben ist gestorben
In den Armen des heiligen Antonius.
Der neunzigjährige Heilige
Hatte nicht mehr genügend körperliche Kraft,
Den Toten zu bestatten.
Da schickte Gott zwei Löwen,
Die gruben mit ihren Pranken
Das Grab für Paul von Theben.

Das erste Kloster der Christenheit


Ist gegründet worden von Antonius.
Er war der Sohn reicher Eltern
Und erbte ein großes Vermögen.
Da hörte er in der Kirche
Die Worte Jesu:
Willst du vollkommen sein,
So verkaufe alles, was du hast,
Und gib es den Armen,
So wirst du einen Schatz besitzen
Im Himmel,
Und komm und folge mir nach!
Antonius verschenkte sein Erbe
Und folgte Jesus nach.
Er zog sich in ein Grab
Am Rand der Wüste zurück
Und lebte dort absolut einsam
Für fünfzehn Jahre.
In der Wüste wurde Antonius
Von Buhldämoninnen versucht.
Der Ruf seiner Heiligkeit
Verbreitete sich
Und so suchten ihn andre Eremiten auf.
Antonius übernahm die Führung
Ihrer kleinen Gemeinschaft
Und widmete sich dem Aufbau des geistlichen Lebens.
Die zweite Hälfte seines Lebens
Verbrachte Antonius wieder
In der Einsamkeit.
Seine Klause war auf einem Berg
Am Roten Meer.
Zweimal verließ Antonius
Seine Einsiedelei,
Einmal, um Marterzeugen zu trösten,
Einmal, um gegen die Ketzer zu predigen,
Die die Gottheit Christi geleugnet.
In der Wüste erlebte er noch
Den Triumph des katholischen Glaubens.
Der heilige Antonius
Wurde hundert Jahre alt.
Seinem Wunsch gemäß,
Blieb der Ort seines Grabes unbekannt.

Aufrecht zwischen Trümmern


Wollen wir stehen
Und nicht am Boden liegen mit denen,
Die ohne Hoffnung sind,
Ermutigt uns Cyprian.
Cyprian lehrte Rhetorik,
Mit dreiundvierzig Jahren
Ließ er sich taufen.
Von der Taufe an lebte er
Ein Leben voll Frieden und Glück,
Er schrieb
Über Dogmen und Ethik.
Zehn Jahre war er Bischof von Karthago,
Da rief ihn der Prokonsul
Galerius Maximus.
Du bist Cyprianus? frug er ihn.
Ich bins!
Du hast dich zum Führer der Christen gemacht?
Ja, das tat ich.
Die göttlichen Kaiser haben befohlen,
Den römischen Göttern zu opfern!
Ich opfere nicht den römischen Göttern!
Cyprian, denk darüber nach!
Tu, was du tun mußt,
Doch ich opfre nicht den römischen Göttern.
Cyprian, du bist zum Feind geworden
Des Göttervaters Juppiter
Und der großen Göttin Venus
Und der andern klassischen Götter
Und des göttlichen Kaisers!
Da nichts vermochte,
Dich zum alten Kult zurückzubringen,
Soll dein Blut bezeugen,
Daß der Kaiser Gott ist!
Darum befehle ich im Namen des Kaisers,
Cyprian durch das Schwert zu töten!
Cyprian sprach: Deo gratias!

O Doctor Ecclesiae,
Sankt Augustinus,
Sei gegrüßt!
Die erste Hälfte seines Lebens
Verbrachte Augustinus damit,
Ein Christ zu werden,
Die zweite Hälfte seines Lebens,
Ein Christ zu sein.
Mit Augustinus trat das Christentum
Wie mit Posaunenschall
In die lateinische Welt ein.
Der Mann, der mit seinem mächtigen Atem
Dem alten geschliffnen Latein
Ein neues Leben eingeblasen,
Stammt von der Erde Afrikas.
In Afrika begann mit Tertullian
Die lateinisch-christliche Literatur.
In Afrika entstanden die ersten
Lateinischen Bibelübersetzungen.
Mit Augustinus gewinnt
Das lateinische Christentum
Die geistige Schärfe,
Die es ebenbürtig machte
Dem griechischen Osten.
Augustinus ist im vierten Jahrhundert
In Tagaste in Numidien geboren.
Sein Vater war wohlhabend
Und führte ein Leben des Genusses.
Monica war eine fromme Frau,
Wie kennen sie gut
Aus Augustins Berichten.
Ein Leben lang hat sie gebetet
Für den widerspenstigen, genialen Sohn.
Ihre Gebete wurden erhört.
Ihr Sohn ließ sich in ihrem Sterbejahr taufen.
Heilige Mutter Monica,
Bete für Afrika!

DIE HIMMELSGÖTTIN
Maria ist die zentrale Person
Beim Pfingstereignis,
Sie ist es,
Die den Heiligen Geist
Als Erste in sich aufgenommen
Und von ihr ging aus
Die geheimnisvolle Kraft
Des Heiligen Geistes
Auf alle andern.

So seh ich ein Bild


Von Gott-Vater und Gott-Sohn
Und anstelle des Heiligen Geistes
Seh ich Maria,
Denn Maria ist gewissermaßen
Inkarnation des Heiligen Geistes.

Philo von Alexandrien aber sagt mir:


Wenn Gott mit Psyche zu verkehren beginnt,
Erklärt Gott die Psyche, die Frau war,
Wieder zur Jungfrau.

Am dritten Tag war aber


In Kana in Galiläa
Eine Hochzeit und Maria war da.
Auch Jesus und seine Freunde waren eingeladen.
Als der Wein ausging,
Sagte Maria zu Jesus:
Sie haben keinen Wein mehr!
Jesus sprach zu Maria:
Was ist das zwischen dir und mir, o Frau?
Der Jude aber vermutet,
Marias Bemerkung
Sei eine feine ironische Anspielung darauf,
Da Jesus als Freund der Weinsäufer gilt,
Für Jesus sei kein Wein mehr dagewesen.

Der Herr verwüstet die Erde,


Der Wein ist dahin,
Die Reben verwelkt.
Alle, die einst so heiter waren,
Seufzen und stöhnen.
Auf den Gassen jammern die Menschen:
Es gibt keinen Wein mehr!
Jede Freude ist verschwunden,
Der Jubel hat die Erde verlassen.
An jenem Tag wird der Herr hoch droben
Das Heer in der Höhe zur Rechenschaft ziehen
Und auf der Erde die Könige der Erde.
Sie werden zusammengetrieben
Und in eine Grube gesperrt.
Denn der Herr der Heere ist König
Auf dem Berg Zion
Und in Jerusalem.
Der Herr der Heere wird auf diesem Berg
Für alle Völker
Ein Festmahl geben
Mit den feinsten Speisen,
Ein Gelage
Mit erlesenen Weinen.
Er beseitigt den Tod für immer.
Gott der Herr wischt die Tränen ab von jedem Gesicht.

Beim Weinwunder Jesu


Ist Jesus etwa dreißig Jahre alt
Und Maria vierundvierzig Jahre alt.

Als aber Jesus am Kreuz


Seine Mutter am Kreuze sah
Und den Jünger, den er liebte,
Sprach er zu Maria: O Frau,
Siehe, er ist dein!
Und zum Jünger, den er liebte,
Sprach Jesus: Siehe,
Die Mutter!
Da nahm der Jünger, den Jesus liebte,
Maria ganz zu sich.
Dieser Jünger
Ist der Apostel Asiens.

Bei der Auferstehung Jesu


Sahen den Auferstandenen
Maria Magdalena
Und die Andere Maria,
Die Mutter des Gekreuzigten.

Als aber Maria heimging,


Rief Jesus ihre Seele:
Steh auf, meine Freundin,
O meine Schöne,
Komm, o komm!

Als in Ephesos,
Das von den Amazonen gegründet worden,
Nestorius abgesetzt
Und seine Lehren verurteilt worden waren,
Zogen die Menschen von Ephesos durch die Stadt
Und riefen immer wieder:
Groß ist die Theotokos von Ephesos!

Kyrillos hielt eine Predigt:


Voller Freude blick ich
Auf die Versammlung der Heiligen,
Die ihr alle gern zusammen gekommen seid,
Gerufen von der göttlichen Maria,
Der Theotokos,
Der Aipartenos!
Gegrüßet seist du,
Maria Theotokos,
Verehrungswürdiges Kleinod
Des gesamten Erdkreises,
Unauslöschliche Lampe,
Krone der Jungfräulichkeit,
Zepter der Orthodoxie,
Unzerstörbarer Tempel,
Gefäß des Unfasslichen,
Mutter und Jungfrau!
Ihretwegen jubelt der Himmel,
An ihr erfreuen sich die Erzengel und die Engel,
Sie verjagt die Dämonen,
Durch sie fiel der Teufel vom Himmel,
Durch sie wird die gefallene Schöpfung
In den Himmel aufgenommen,
Durch sie kam die Schöpfung,
Die im Götzendienst gefangen war,
Zur Erkenntnis der göttlichen Weisheit!

Nestorius hatte gewarnt:


Hat Gott eine Mutter?
Also haben die Heiden recht,
Die an die Mutter der Götter glaubten?
Laßt uns nicht Maria
Mutter Gottes nennen,
Daß wir sie nicht zur Göttin machen
Und so Heiden würden.

Parthenos ist Maria,


Unberührte Jungfrau
Und erotische anziehende Jugendlichkeit!

Julian Apostata, der Abtrünnige, sprach:


Die Magna Mater, die Mutter der Götter,
Ist die eine Göttin,
Die manche Juno nennen,
Manche Venus nennen,
Manche Minerva nennen.
Sie ist die natürliche Ursache alles Seienden.
Mutter und Gemahlin Jupiters,
Gebiert sie ohne Schmerzen
Und erschafft
Mit Hilfe des Vaters
Alles, was da ist,
Mutterlose Jungfrau,
Thronend an der Seite des Jupiter,
Ist sie wahrhaftig die Mutter aller Götter.

Noch im Namen der schönen Esther


Lebte die Erinnerung
An die Göttin Ishtar fort.

Aber Lukas, der Grieche,


Belauschte die Jungfrau,
Er kannte ihre Gedanken.
Maria bewahrte alles,
Was geschehen war,
In ihrem Herzen
Und dachte darüber nach.
Lukas hatte seinen Bericht von Maria selbst.
Er war ein Maler, der Maria malte,
Die Schwarze Madonna von Tschenstochau
Ist ein Bild von Lukas,
Dabei lauschte er Mariens Evangelium.

Mit Meisterhand
Hat Lukas als Dichter
Ein Marienbild entworfen,
Daß die ganze Marienverehrung enthält.
Lukas nannte Maria die Mutter des Herrn,
So nannte man in Ephesos Maria
Die Mutter Gottes.

Lukas berichtet auch


Von der ersten Marienverehrung,
Denn als Jesus durch die Dörfer zog,
Teufel austrieb und lehrte,
Rief eine Frau aus der Menge Jesus zu:
Glückselig ist die Frau,
Deren Schoß dich getragen
Und deren Brüste dich ernährten!
Ja wahr, rief Jesus, wahrlich, wahrlich,
Selig ist die Frau,
Und überselig ist die Frau,
Weil sie dem Worte Gottes vertraute!

Anna aber erhob ein doppeltes Jammern:


Meine Witwenschaft muß ich bejammern!
Meine Kinderlosigkeit muß ich bejammern!
Weh, weh der Kinderlosigkeit meiner Seele!
Anna wurde sehr traurig.
Sie legte aber ihre Trauerkleider ab
Und badete sich
Und zog sich ein Brautkleid an
Und ging in ihrem Garten spazieren.
Sie setzte sich unter einen Lorbeerbaum
Und sah die Sperlingsmutter im Nest,
Die Sperlingsjungen fütternd,
Da bat sie Gott um ein Kindlein.
Da erschien ihr ein Engel und sprach:
Anna, Anna,
Der Herr hat dich erhört,
Du wirst ein Kind bekommen
Und dein Kind wird berühmt sein
Auf der ganzen Erde!

Und Anna gab ihrer Tochter die Brust.


Und Anna stimmte den Lobpreis an:
Ein heiliges Lied will ich singen
Dem Herrn und Gott,
Wer meldet es den Kindern Israel,
Daß Anna stillt?
Hört es, ihr Kinder Israel,
Anna stillt!

Und Gott der Herr


Legte große Anmut auf die Tochter,
Sie tanzte vor Freude
Mit ihren Füßchen.

Maria war sechzehn Jahre jung,


Als sie schwanger war vom Heiligen Geist.
Josef kam nach Hause zurück
Und sah die junge Madonna gesegneten Leibes.
Wer hat diese Sünde in meinem Haus verübt?
Wer hat die unbefleckte Jungfrau befleckt?
Sollte ich ein zweiter Adam sein?
Denn die Schlange fand Eva allein
Und betrog sie
Und befleckte sie,
So ist es auch mir widerfahren!
Die junge Madonna aber weinte bittere Tränen
Und sagte: Liebster Josef,
Ich bin rein
Und weiß von keines Mannes Erkenntnis.

Josef und Maria


Mussten das Reinigungswasser trinken,
Wie es das Gesetz des Moses vorschreibt.

Die Hebamme Salome aber zweifelte


An der Immerwährenden Jungfrau.
Sie ging hinein in die Grotte und sprach:
Maria, lege dich bereit.
Maria legte sich bereit.
Und Salome legte ihren Finger
An Mariens Scham
Und untersuchte ihr Hymen.
Als sie aber Mariens Scham berührte,
Ward ihre Hand von Feuer verzehrt.
Da fiel sie vor dem Jesuskind auf die Knie
Und betete an das göttliche Kind
Und ward geheilt.

Wen verwundert es doch,


Daß ein Priester der Magna Mater,
Montanus, der Eunuch,
In Phrygien auftrat
Als charismatischer Prophet
Der Göttin Maria?

Bei den Marianiten


Spielten Frauen eine große Rolle
Als zölibatäre Prophetinnen.
Sie beteten die Göttin Maria an
Und verehrten die Urmutter Eva
Und priesen Eva dafür selig,
Daß sie die Feige der Erkenntnis gepflückt.

Auf dem Konzil zu Nizäa


Ward definiert,
Daß die Lehre der Marianiten
Unvereinbar mit der katholischen Lehre,
Da sie neben Gott dem Herrn
Verehrten den Gott Jesus und die Göttin Maria.

Nach dem Konzil von Nizäa


Traten in Ägypten auf
Die Kollyridianer,
Die Collyris opferten,
Kuchen der Himmelskönigin.
Wie die Frauen Israels
Der Himmelskönigin Kuchen opferten
Und Jeremia in Zorn versetzten,
So opferten die Kollyridianer
Der Göttin Maria Kuchen
Und versetzten den Bischopf Epiphanius in Zorn.
Der Opferdienst am Altar der Maria
Ward versehen von Diakonissen
Und Prophetinnen,
Männer waren ausgeschlossen.

Noch im sechsten Jahrhundert


Zürnte Leontinus von Byzanz
Über die Philomarianiten,
Die Brot im Namen Marias opferten.

Darum schrieb Mohammed:


Jesus, Sohn Marias!
Hast du je zu den Menschen gesagt:
Nehmt euch mich
Und meine Mutter
Neben Gott als Götter an?
Jesus sagte zu Mohammed:
Ich habe gesagt: Dient Gott,
Meinem Vater und eurem Vater!

O die junge Maria!


Sie bietet den christlichen Mädchen das Ideal
Der Jungfräulichkeit,
Die Mutter Jesu bietet den Frauen und Müttern
Ein Bild der ehelichen Treue,
Fürsorglicher Mütterlichkeit,
Die Anwesenheit Mariens in der Mitte der Kirche
Gab den Frauen ihre Ehre
Als würdige Dienerinnen Gottes in der Kirche
Etwa als geweihte Diakonissen.

Konstantin der Große aber,


Sohn der heiligen Helena,
Verbot den Kult der Aphrodite
Mit seiner Tempelprostitution.

Der Gnostiker Markion


Leugnete Jesu Mutter.
Da Jesus ohne Mutter sei,
Ohne jüdische Mutter,
War Jesus kein Jude,
Darum brauche man das Alte Testament nicht zu lesen.

Der Gnostiker Valentin


Anerkannte zwar die Mutter Jesu,
Aber Jesus sei in vollkommener Gestalt
Durch Maria hindurchgegangen
Wie durch einen Kanal
Und nahm von ihrem Fleisch nichts an.

Der babylonische Religionsstifter Mani


Sah in Jesus einen Heilsbringer
Neben Buddha und Zarathustra
Und andern Lichtgesandten.

Nestorius aber dachte,


Das Göttliche sei in Jesus
Wie in einem Tempel.
Maria dürfe man nicht Gottesmutter nennen,
Denn es wäre lächerlich,
Den allmächtigen Gott
Als kleines hilfloses Kind sich vorzustellen.

Kyrillos aber sah in Jesus


Den Menschen und den Gott zugleich.
Ein brennendes Stückchen Holz sei er,
Fester Körper und Flamme zugleich.
Gott hat aus Liebe zum Menschen
Das Trauma der Geburt durchlitten
Und die Schrecken des Todes.
Maria ist wirklich Gottes Mutter,
Weil sie Gott als kleines Kindlein geboren.

Denn in einem und demselben Christus


Sind die zwei Naturen,
Die menschliche Natur und die göttliche Natur,
Unvermischt und ungetrennt,
Im einen und demselben
Alleingeborenen Sohne Gottes,
Dem göttlichen Logos.

Maria aber ist die Klammer,


Die die beiden Naturen zusammenhielt
In der einen Person des Gottmenschen Jesus,
Maria ist die Werkstatt
Der Vereinigung
Der göttlichen und der menschlichen Natur.
Die Mutterschaft Mariens ist der Garant
Für die wahre Menschwerdung göttlichen Wortes,
Die immerwährende Jungfräulichkeit ist der Garant
Für die wahre Gottheit des Menschensohnes.

Maria ist also unbedingt Theotokos zu nennen,


Mutter des einzigen wahren Gottes,
Maria ist also unbedingt Aieparthenos zu nennen,
Immerwährende selige Jungfrau.
Darum wird der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria
Der Titel der archaischen Göttinnen zugesprochen,
Indem man sie als heilige Herrin preist.

Mohammed nannte Christus


Jesus, den Sohn Marias.
Damals sprachen die Engel:
O Maria!
Gott hat dich erwählt und gereinigt,
Dich erwählt aus allen Frauen der ganzen Welt!

Maria sprach:
Woher soll mir ein Knabe werden,
Da mich kein Ehemann jemals erkennt
Und ich keine Hure bin!

Mirjam, die Tochter Imrams,


Maria verschloß ihren Schoß.
Wir, Gott, hauchten Unseren Geist hinein.
Sie traute dem Wort des Herrn.
Sie gehört zu den gehorsamen Dienerinnen Gottes.

Mohammed spricht von geheimen Offenbarungen,


Wie die Männer Losstäbe warfen,
Wer von ihnen Maria heiraten darf.

Da überkamen Maria die Wehen, sagt Mohammed,


Am Stamm einer Palme,
Maria sprach:
Ach wäre ich doch vorher gestorben
Und wäre ich vergessen, vergessen!
Da rief Jesus ihr zu:
Sei nicht traurig, Maria!
Gott ließ eine Quelle sprudeln,
Von einer Palme fallen frische Feigen
Maria in den Schoß.

Dann kam Maria mit Jesus


Zu den Leuten, die sagten:
O Maria,
Unglaubliches hast du getan!
O Mirjam, Schwester Aarons,
Dein Vater war kein übler Mann
Und deine Mutter ist keine Hure.
Wie aber sollen wir mit Jesus sprechen,
Wenn er noch ein Säugling ist?
Das göttliche Jesuskind sprach:
Ich bin liebevoll zu meiner Mutter,
Gott machte mich nicht stolz.

Konrad dichtete dies


In der goldenen Versschmiede:
Die Kreise der Planeten,
Die Sonne und der Mond,
Der Wind, der Regen, Blitz und Donner,
Erde, Wasser, Luft und Feuer,
Die Himmel der Himmel
Und die neun Höllen
Und alle Kreatur
Sind mit Marias Hilfe erschaffen
Und mit Marias Hilfe geordnet.
Wahrlich, wahrlich, Maria und Jesus
Waren einst ungeschieden.
Ehe Jesu heilige Schöpferkraft
Den Abgrund erschaffen,
Erlangte Jesus Erkenntnis in Ewigkeit
Von der Jungfrau Maria.
Marias Sein ist in Ewigkeit
Als lichte Idee vor Jesus gewesen.
Da er die künftigen Wunder kannte,
Wusste er vorher in seiner Vorsicht,
Daß Maria Muttergottes sein wird.

O Maria,
Du Süßeste aller Süßen,
Du Zeder vom Libanon,
Du Balsamstaude,
Du Lilie des Tales,
Du Ölbaumzweig des Friedens,
Du Nuß der Weisheit,
Du Frau in der Sonne,
Du Blitz aus dem Auge Gottes,
Du Harfe des Herrn,
Du Harmonie der Sphären,
Du Hymne der Engel,
Du Tanz des Paradieses,
Du strahlende Göttin Aurora,
Du heiliger Rosenkranz,
Du Freudenhaus des Herrn,
Du Wonnegarten des Menschen,
Du Hügel des Friedens,
Du Gipfel des Glücks,
Du Heide der ewigen Ruhe,
Du Anker der Hoffnung,
Du Wind des Meeres,
Du Göttin Diana,
Du göttliche Kraft,
Du Tochter der Glückseligkeit,
Du Wolke und Regen,
Du Myrrhetropfen,
Du überfließender Honig,
Du Milchpfad des Himmels,
Du freudenschwangerer Samen!

Maria spricht:
Was wollte doch mein Geliebter von mir?
Er wartete ganz geduldig, bis ich,
Die Schwarze und Schöne,
Von dem Saft der Alraunenwurzel
Müde einschlief,
Da wartete er auf der Schwelle meiner Tür,
Er hoffte auf reiche Beute der Liebe.
Dieweil ich schlummerte,
Liebte er mich mit Kraft.
Der himmlische Donnerer
Warf seinen Donnerhammer
In meinen verschlossenen Schoß
Und wirkte die sieben Sakramente.
Ihn, der den Himmel und die Erde umfängt,
Ihn barg ich in meinem jungfräulichen Schoß.
Ja, ich bekenne,
Ich schlief mit drei Personen!
Ich bin schwanger geworden,
Angefüllt mit Liebe,
Süßigkeit drang in meine Süße.
Der alte Liebhaber küsste mich auf den Mund,
Da wurde er zu einem jugendlichen Buhlen.
Da freuten sich die himmlischen Scharen.
(Wie erotisch sing ich
Das Lob der keuschen Jungfrau,
Ich hoffe, dass es keiner alten Nonne missfällt.)
Mein jugendlicher Liebhaber sagte,
Meine straffen Brüste seien berauschender noch
Als der Wein vom Libanon.
Er bettete sich inmitten meiner festen Brüste.
Wie tief erkannte mich der Herr,
Als er sich ganz in mich eingeschlossen.
Er wollte als eine rote Rose
Aus dem Kelch der weißen Lilie sprießen.
Das war im Garten der Flora,.
Flora hieß der Garten,
Wo der Wind die rote Rose pflückte
Vom Schoß der weißen Lilie.
Da kränzte mich mein Geliebter
Mit dem heiligen Rosenkranz.
Er war ein glühender Strahl,
Ich war eine schimmernde Leuchte.
Wir glänzten im April.
Und mit dem Grün des Frühlings
Schmückte sich mein Geliebter.
Er hat mich gepresst
Wie eine schwellende Traube.
Der Vater im Himmel ist ja mein Weingärtner,
Ich bin sein Weinberg,
Ich bin die Tochter des Vaters,
So ist der Gottessohn
Mein Bruder geworden,
Mein Bruder und mein Bräutigam.
Den Winter der Herzenshärte,
Den trieben wir aus.
Von meiner Balsamstaude
Ist viel Trost getropft.
O geliebter Sünder,
Verbirg dich in meinem Busch!
SCHAU MARIENS

ERSTER GESANG

Bei dem Kreuze Jesu


Standen seine Mutter,
Und die Schwester seiner Mutter,
Maria, die Frau des Klopas,
Und Maria Magdalena.
Als Jesus seine Mutter sah
Und bei ihr den Jünger,
Den er liebte,
Sagte er zu seiner Mutter:
Frau, siehe, dein Sohn!
Dann sagte er zu dem Jünger:
Siehe, deine Mutter!
Von jener Stunde an
Nahm der Jünger Maria bei sich auf.

Maria symbolisiert die Kirche,


Der Jünger Johannes symbolisiert den Christen,
Der die Kirche liebt
Wie ein Sohn seine Mutter liebt.

Weil ich aber unter der Last des Alters spüre,


Daß mir nur noch eine knapp bemessene Zeit bleibt,
Auf Erden mich der Sonne zu freuen,
Drängt es mich unwiderstehlich,
All meinen Söhnen in Christus
Und jeder einzelnen Seele zu wiederholen
Die Worte, die Jesus am Kreuz gesprochen:
Siehe, deine Mutter!
Als schöne Fügung würd ich es betrachten,
Wenn ich durch meine Hinweise
Dahin wirken könnte,
Daß die Christen Maria mehr verehren
Und dass alle Christen
Sich das Vorbild des Johannes
Zu eigen machten:
Von dieser Stunde an
Nahm der Jünger Maria bei sich auf.

Das Wort Jesu ist schöpferisch.


Wenn Jesus sagt:
O Frau, siehe, dein Sohn!
So macht er in diesem Augenblick
Maria wirklich zur Mutter.
Er gibt ihr nicht nur den Namen einer Mutter,
Sondern auch das Herz einer Mutter,
Sowie alle Gnade und Weisheit,
Die einer Mutter notwendig sind.
Jesus hatte dieses Wort kaum ausgesprochen,
Als Maria in ihrem Innern
Die ungeheure Zärtlichkeit fühlte,
Die ganze Liebe
Einer wahren Mutter der Kirche.
Jesus hatte kaum sein Wort gesprochen,
Als der geliebte Jünger
Augenblicks Liebe fühlte
Zu seiner Mutter Maria.

Siehe deine Mutter!


Liebe nun diese Frau,
Schau auf Maria,
Nimm sie bei dir auf,
Nimm deine Zuflucht zur Mutter.
Es sind die Worte Jesu
Nicht leere Menschenworte,
Die nichts als Wind sind,
Sondern wirksame Worte,
Jesu Worte bewirken, was sie sagen.
Darum erschufen Jesu Worte
Die Sohnesliebe des Johannes
Und die Mutterliebe Mariens.
Siehe deine Mutter,
Aber auch die Mutter aller Apostel,
Die Mutter aller Christen,
Die Mutter aller Menschen,
Für die du jetzt hier stehst.
Deswegen müssen alle Christen
Zu Maria als zu ihrer Mutter
Mit großer Zuversicht
Und Liebe flüchten!

Suche ich den wahren Grund,


Warum Jesus Maria Frau nennt
Und nicht Mutter,
Denk ich, er wollte sagen
Mit dem Worte Frau,
Daß Maria die große Frau ist,
Die schon im Buche Genesis
Als Schlangenzertreterin angekündigt,
Denn durch Maria wird jene Kirche bezeichnet,
Die den ganzen Christus umfasst,
Christus das Haupt und die Christen die Glieder.
Maria ist Mutter des Hauptes Christus
Und Mutter des Leibes Christi,
Mutter aller Glieder Christi,
Mutter jedes Christen.
Johannes ist ja auch nicht Johannes genannt,
Sondern: der Jünger, den Jesus liebt,
Damit wir erkennen,
Daß Maria die Mutter ist
Jedes geliebten Jüngers Jesu,
Mutter jeder christlichen Seele,
In welcher Christus lebt
Durch den Geist Gottes.

Jesus sagte nicht zu Maria:


Siehe hier, in der Person des Johannes,
Einen andern Sohn als Jesus,
Sondern Jesus sagte:
Frau, siehe deinen Sohn!
So wollt er ihr sagen:
Du, Maria, hast nur einen Sohn
Und der ist Jesus in dem Jünger.
Denn durch die Erlösung am Kreuz,
Durch das Geheimnis der Wiedergeburt
Im Blut des Gekreuzigten,
Wird Johannes dem Christus einverleibt.
Der Jünger und Jesus
Sind jetzt ein und derselbe.
In Johannes, der unterm Kreuze steht,
Hast du, o Große Frau,
Deinen Sohn, denselben, der am Kreuz hängt,
Deinen Jesus, den du gebildet,
Der jetzt in seinem Jünger lebt,
Wie das Haupt mit den Gliedern verbunden ist.
Nichts mangelt meinem Jünger, den ich liebe,
Mein andres Selbst zu sein,
Eines Wesens mit mir zu sein.
Da ich dein Sohn bin,
Ist er dein Sohn.
Und alle, die den gleichen Anspruch haben
Wie Johannes, nämlich Jünger zu sein,
Von Jesus geliebt,
Die sind in mir
Dein einziger Sohn.

Denn keiner ist der Sohn Mariens


Als Jesus allein.
Wenn Jesus zur Gottesmutter sagt:
Siehe deinen Sohn,
So sagt er zu Maria:
Siehe, dieser Jünger ist Jesus,
Den du geboren hast.
Denn in der Taufe ist der Christ
Mit Christus eins geworden,
Wiedergeboren im Bad der Taufe
Zu einem Glied am Leibe Christi.
Da nun Christus im Christen lebt,
Sagt Christus zu Maria:
O Große Frau,
Siehe deinen einzigen Sohn,
Den gesalbten Christus im Christen!

Die Mutter Jesu stand neben dem Kreuz


Und freute sich über den Sieg
Im glorreichen Kampf
Gegen Sünde, Teufel und Tod,
Denn sie wusste,
Er wird triumphieren,
Und zugleich war Maria
Ganz aufgelöst in Trauer,
Weil Jesus so allein war
In seinem Kampf,
Weil Jesus ohne Hilfe von Menschen,
Ja, sogar von Gott verlassen war
Und ganz allein
Die Kelter treten musste,
Bis Jesus ganz erschöpft
Und übergossen von Blut
Den letzten Atemzug tat
Und seine Mutter zurückließ,
Beraubt ihres einziges Glücks!
Standhaft stand Maria beim Kreuz.
Das Feuer der Liebe
Erfüllte sie mit solcher Kraft,
Daß weder Juden noch Römer,
Weder Soldaten noch der Pöbel
Und auch nicht die heftige Bitterkeit
Ihrer Seelenschmerzen sie bewegen konnte,
Vom Kreuz zu weichen.
Sie blieb beim Kreuze stehen,
Ob auch ein Schwert in ihr Herze drang.
Da drang das Wort
Ihres sterbenden Sohnes
An ihr empfängliches Ohr:
Frau, siehe deinen Sohn!
Durch dieses Wort
Ward der Mutter Gottes
Der Diener an der Stelle des Herrn
Zum Sohn gegeben,
Der Jünger an der Stelle des Meisters,
Der Mensch an der Stelle des Gottes.
Dieses Wort war wie ein scharfes Schwert
Im Herzen Mariens,
Der Schmerz aber öffnete ihr Herz
Für eine allumfassende Mutterliebe.

ZWEITER GESANG

Nachdem ich meine irdische Mutter verloren,


Hab ich meine himmlische Mutter
Besser verstanden.
Jesus sprach am Kreuz das Wort:
Siehe deine Mutter!
Da wusste ich, dass er das zu mir gesagt,
Jesus sagte zu mir persönlich:
Siehe deine Mutter Maria!

Mancher von uns bewahrt


In seinem Herzen die Erinnerung
Und süße Liebe
Zu einem besondern Wallfahrtsort Mariens,
Wo sein Leben einen besondern Ruf
Empfangen und eine Einladung
Des unbefleckten Herzens
Der schönen Madonna.

Maria, die Mutter Christi,


Ist die Mutter aller Menschen.
Sie findet sich wirklich
Mit allen Kindern Adams verbunden.

Die neue Mutterschaft Mariens


Ist Frucht der neuen Liebe,
Die unter dem Kreuz
Durch Teilhabe und durch Mitleid
Mit dem Erlöserleiden Jesu
In ihr zur vollen Riefe gekommen ist.

Der Jünger nahm die Mutter zu sich,


Er nahm sie in seine Wohnung auf.
Ein besonderes Zeichen
Der Mütterlichkeit Mariens
Sind die Orte, wo sie uns begegnet,
Die Häuser, in denen sie wohnt,
Wohnungen, in denen man spüren kann
Die besondere Nähe der Mutter.

Der Jünger nimmt sie bei sich auf,


Er nimmt sie hinein in seine Probleme,
In die Probleme der andern,
In die Probleme der Familie,
In die Probleme seines Volkes und aller Völker,
In die Probleme der ganzen Menschheit.

Die geistige Mutterschaft


Mariens ist Teil der Kraft
Des Geistes, der das Leben schenkt.

Das unbefleckte Herz Mariens


Wurde geöffnet durch die Worte:
Frau, siehe dein Sohn!
Dies Herz Mariens ist verbunden
Mit dem Herzen Jesu,
Das von der Lanze
Des römischen Soldaten geöffnet wurde.
Das Herz Mariens ist auch geöffnet worden
Und erfüllt von der gleichen Liebe zum Menschen,
Der gleichen Liebe zur ganzen Welt,
Maria hat die Liebe,
Die Jesus in sich hat,
Die Liebe, mit der sich Jesus hingab
Am Kreuz bis zum Lanzenstoß des Soldaten.

O Mutter aller Menschen!


Die geistliche Mutterschaft
Kennt keine Grenzen.
Sie erstreckt sich über alle Zeiten
Und alle Räume.
Sie erreicht alle Völker.
Die Mutterschaft
Ist das beliebteste Thema
Des schöpferischen Geistes.

Jeder von uns darf sagen:


Jesus hat mich angeschaut
Und mich lieb gehabt.
Jesus hat gerade zu mir geschaut
Und mich auf besondere Weise geliebt,
Als er vom Kreuz herab
Zu seinem Lieblingsjünger sagte
Und dabei auf Maria wies:
Siehe, deine Mutter!

Jesu Mutter war das Geschenk


Des Abschieds Jesu von der Erde,
Dies Geschenk ist die Frucht
Seines Opfers und ist Geschenk
An die ganze Menschheit.

Mariens Mutterschaft als Jesu Geschenk


Ist die Krone der Erlösung.

Aber Jesus wählte Johannes aus,


Ihm die Mutter zu schenken,
Denn Jesus schenkt allen geliebten Jüngern
Die Mutter Jesu zur Mutter,
Ihre Liebe soll alle umfassen,
Aber Jesus stellte einen Jünger neben die Mutter,
Denn die Mutterschaft Mariens
Ist individuell,
Maria ist nicht einfach Mutter der Kirche,
Mutter des Leibes Christi,
Sondern ganz persönlich und individuell
Mutter jedes einzelnen Christen,
Maria nimmt jeden einzelnen Christen so an
Als wäre er ihr eigener Sohn,
Als wäre er die Frucht ihres Leibes.

Als Jesus seinem Lieblingsjünger


Die Große Frau zur Mutter gab,
Hat Jesus das Fundament gelegt
Der Verehrung der Mutter Maria,
Der Verehrung der Großen Frau.
Johannes folgte seinem Meister
Und nahm die Mutter bei sich auf
Und erwies ihr die Liebe eines Sohnes,
Eine Liebe, die eiferte,
Ihrer Mutterliebe zu entsprechen.
So entstand eine Beziehung
Geistlicher Innigkeit,
Die dem Jünger half,
Die Beziehung zum Meister zu vertiefen,
Weil der Jünger das Antlitz des Meisters
Im Antlitz der Mutter wiederfand.

Die Anwesenheit einer Mutter


Im Leben der Gnade
Ist Quelle des Trostes
Und der Freude.
Im mütterlichen Antlitz Mariens
Erkennt der Christ
Einen besonderen Ausdruck
Der mütterlichen Barmherzigkeit Gottes.

Es gehört zur Natur


Der Mutterschaft,
Daß sie sich auf eine Person bezieht.
Die Mutterschaft führt
Zu einer einzigartigen
Unwiederholbaren
Beziehung von zwei Personen:
Die Mutter liebt das Kind,
Das Kind liebt die Mutter.
Auch wenn eine und dieselbe Frau
Mutter von vielen Kindern ist,
Ist sie doch ganz persönlich
Und einzigartig Mutter jedes einzelnen.
Jedes Kind ist einmalig
Und auf unwiederholbare Weise
Gezeugt worden von Gott,
Jedes Kind wird auf genau die Art und Weise geliebt
Von der Mutter, wie es dem Kind entspricht.

Die Mutterschaft Mariens,


Die das Erbe des Menschen wird,
Ist ein Geschenk, das Christus
Ganz persönlich jedem einzelnen Christen macht.
Was die innerste Beziehung
Des Kindes zur Mutter ausmacht,
Ist das Vertrauen.
Maria, ich vertraue dir!
Vertrauen ist die Antwort
Auf die Liebe der Mutter.

Indem der Christ sich


Wie der Apostel Johannes
Maria kindlich anvertraut,
Nimmt er sie bei sich auf,
Führt sie ein in den gesamten Bereich
Seines inneren Lebens,
In sein menschliches, christliches Ich:
Er nahm sie zu sich.

Denn von jener Stunde an


Nahm sie der Jünger zu sich.
Eigentlich heißt es:
Er nahm sie in sein Eigenes hinein.

Es geht um das Einlaß Mariens


In das Innere
Des geistigen und geistlichen Lebens
Und ein Sich-Hineinlassen
In ihre frauliche Existenz,
In ihre Mutterexistenz,
Ein gegenseitiges Sich-Anvertrauen,
Das immer wieder Weg
Der Christusgeburt im Innern wird,
Gestaltwerdung Christi im Christen bewirkt.

Der Evangelist Johannes


Erhebt Maria als die Frau an sich
Ins Allgemeingültige,
Zeichenhafte,
Zum Inbegriff des Ewigweiblichen.
Die Szene der Kreuzigung
Verweist auf das Zeichen der Frau,
Die in mütterlicher Weise
Am Kampf gegen die Mächte der Verneinung
Teilnimmt und dabei Zeichen der Hoffnung ist.

Dieses feierliche Anvertrauen


Von Sohn und Mutter
Auf dem Höhepunkt der Kreuzigung
Und die testamentarische Form
Der Worte Jesu
Haben eine sakramentale Form.
Hier ist die Frau
Mit am Werk des Heils.
Jesus bittet Maria,
Einzustimmen in das Opfer des Sohnes,
Und indem die Mutter den Sohn opfert,
Wird sie zur Mutter der Menschen,
Zur Mutter jedes Menschen.

In diesem Augenblick
Wird Maria
Geweiht zur Mutter
Des Leibes Christi.

In dem Geschenk dieser Mutter


Erfüllt sich die Selbsthingabe Jesu.

Jesus hat alles aufgeopfert,


Zuletzt opfert er die Mutterschaft Mariens auf
Und löst sich von der Mutter
Und nennt sie Frau
Und schenkt sie der Menschheit
Zur Mutter der Menschheit.
Dann spricht er: Es ist vollbracht.
In dem, was vollbracht ist,
In dem neuen Heil,
Ist auch die Mutter aller Menschen
Als Gabe, und das wollte Jesus.

Diese Mutterschaft Mariens


Ist eine übernatürliche Mutterschaft
Im Bereich des Gnadenlebens.
Die Gnade ist die Urheberin
Des göttlichen Lebens im Menschen.
Und wie die Gnade Gegenstand des Glaubens ist,
So ist auch die Mutterschaft Mariens
Gegenstand des Glaubens,
Aber sie schließt das Aufblühen
Von Gedanken und Gefühlen
Des Vertrauens und der Liebe mit ein,
Ja, auch die Gefühle der Liebe
Der Kinder zur Mutter
Gehören mit zum Geschenk des Heilands.

Darum lade ich alle Menschen ein


Und jede Seele einzeln:
Bedenke, wie du Maria aufnehmen willst,
Wie du sie in dein Leben
Und in dein Inneres aufnehmen willst,
Und ich ermutige alle Christen
Und alle Menschen der Erde,
Das Geschenk des gekreuzigten Christus
Anzunehmen, denn der Herr
Hat uns seine Mutter geschenkt,
Und ich lade euch ein,
Seine und unsre Mutter
Immer mehr zu schätzen
Und immer inniger zu lieben!

Denn jeder Christ ist aufgerufen,


Auch du, mein Bruder,
Maria bei sich Heimat zu geben,
Maria bei sich
Geborgenheit zu schenken.

DRITTER GESANG

Maria hat frei


Von jeder originalen Sündhaftigkeit
Und frei von jeder persönlichen Sünde
Und immer mit ihrem Sohn
Aufs innigste verbunden
Jesus auf Golgatha
Zusammen mit dem ganzen Opfer
All ihrer Mutterrechte
Und all ihrer Mutterliebe
Dem Ewigvater dargebracht
Als Neue Eva
Für alle Kinder Adams,
Die von Adams traurigem Fall
So hässlich entstellt waren.

Maria hat dadurch, dass sie


Ihr namenloses Leid
Tapfer und voller Vertrauen trug,
Mehr als alle andern Gläubigen zusammen
Als wahre Königin der Märtyrer
Ergänzt, was an den Leiden Christi noch fehlte
Für Christi Leib, die Kirche.
Sie hat den geheimnisvollen Leib Christi,
Geboren aus dem durchbohrten Herzen des Heilands,
Mit derselbigen innigen Mutterliebe
Und mütterlichen Fürsorge begleitet,
Womit sie das Jesuskind in der Krippe
Und an ihren Brüste hegte und nährte.

Vermöge jener seligen Gottesschau,


Deren Jesus sich erfreute
Sogleich nach der Empfängnis
Im Schoße seiner Mutter,
Sind ihm alle Glieder
Seines mystischen Leibes
Unablässig und jeden Augenblick
Gegenwärtig
Und umfängt er sie alle
Mit seiner Liebe.
O wunderbare Herabneigung
Der göttlichen Güte
Zu uns Menschen,
O unbegreifliche Liebe ohne Grenzen!
In der Krippe und am Kreuz
Und in der Gloria Gottes
Hat Christus immer alle Glieder
Seines mystischen Leibes vor Augen
Und im Herzen
Und liebt jeden einzelnen mehr
Als der Mensch sich selber kennt und liebt,
Ja, Jesus liebt alle Christen
Wie die Mutter ihr Kind auf dem Schoß.

VIERTER GESANG

Ich ging aus dem Munde des Höchsten hervor,


Wie Nebel umhüllt ich die Erde.
Vor der Zeit,
Am Anfang hat er mich erschaffen,
Bis in Ewigkeit vergeh ich nicht.
Der Herr hat mich geschaffen
Als Anfang seiner Wege,
Vor seinen Werken in der Urzeit.
Vor aller Zeit
Wurd ich gebildet,
Am Anbeginn,
Vor dem Anfang der Erde.
Als die Urmeere noch nicht waren,
Wurd ich geboren,
Als es die Quellen noch nicht gab,
Die wasserreichen Quellen.
Ehe die Berge eingesenkt wurden,
Vor den Hügeln
Wurd ich geboren.

Von der Gestalt


Der heiligen Jungfrau
Weiß man nichts sicher.

Aber ich meine,


Maria war von hoher Gestalt,
Ihre Haut
Von der Sonne des Landes vergoldet,
Wie die Farbe des Weizens.
Ihre Haare waren blond,
Ihre Augen lebhaft,
Grün in ihrer Farbe.
Die Augenbrauen waren fein gezogen
Und schwarz,
Die Lippen rot
Und voller Süßigkeit
Beim Sprechen.
Ihr Gesicht war elegant oval,
Die Hände und die Finger
Waren lang und fein.

Es war ja nicht anders möglich,


Als dass Maria
Ein schönes Mädchen war,
Ein liebliches Mädchen,
Denn ihr Vorbild war Esther,
Dieses schöne Mädchen,
Judith,
Welcher der Herr einen großen Liebreiz gegeben,
Rachel, die sehr schöne Augen hatte,
Rebekka, die schöngeschmückte.
Ja, Maria besaß die höchste
Körperliche Schönheit.
Wie Jesus
Der Schönste aller Menschensöhne,
War Maria
Die Schönste aller Menschentöchter.
Die äußere Schönheit
Besteht in der richtigen Höhe des Körpers,
In der zierlichen Gliederung
Und rechten Proportion aller Teile
Und schließlich in der schönen Farbe.
In allem war Maria vollkommen.

Zuerst ist ein Seidenrauschen zu hören.


Wenn man hinschaut,
Sieht man die selige Jungfrau
Aufrecht stehend,
Angetan mit einem weißen Gewand,
Das am Hals geschlossen ist,
Mit langen Ärmeln versehen.
Ihr Haupt ist mit einem weißen Schleier bedeckt,
Der zu beiden Seiten
Bis auf die Füße herabwallt.
Auf dem gescheitelten Haar
Trägt sie einen Schleier,
Mit Spitzen besetzt.
Das Gesicht ist unverhüllt.
Die Füße ruhen auf der Erdkugel.
Ihr Angesicht ist von solcher Schönheit,
Daß man es unmöglich beschreiben kann.

Die junge schöne Dame


Ist besonders schön,
So außergewöhnlich schön,
Wie ich keine andre je gesehen habe.
Maria ist so schön,
Daß man, wenn man sie einmal gesehen,
Am liebsten gleich sterben möchte,
Um sie wiederzusehen.
Wenn ich aber die meisten Marienbilder betrachte,
Denke ich: Wie kann man nur
Solche Karikaturen machen?

Man müsste Sonnenstrahlen


Anstelle von Farben haben,
Um ihre unbeschreibliche Schönheit zu malen.
Man müsste die Sprache der Engel sprechen,
Um ihre Schönheit zu besingen.

Die Erscheinung Mariens


Ist die einer fünfzehnjährigen
Oder siebzehnjährigen Jungfrau.
Ihre Augen sind schwarz,
Das Kleid ist weiß wie Schnee.
Lichtglanz umstrahlt ihr Antlitz
Und die ganze Gestalt.

Wie ihr Antlitz aussieht?


Licht, Licht, Licht!
Die hocherhabene schöne Frau
Blickt überaus liebevoll,
Doch freundlich-ernst,
Mit einer gewissen Traurigkeit in den Augen.

Die Schönste von allen


Ist die Prinzessin Gottes,
Schöneres kann nicht malen ein Engel.
Maria ist ihr Name,
In ihrer Gestalt ist alle Schönheit versammelt,
An welcher Gott Ergötzen findet.

FÜNFTER GESANG

Das Hohelied
Ist das Allerheiligste
In der Heiligen Schrift.

Jede Seele, die liebt,


Wird Braut genannt.

Maria ist die vollkommene Braut,


Die vollkommene Braut des Hohenliedes,
Maria ist Sulamith in all ihrer Schönheit,
Die vollkommene Braut in der Prophetie,
Maria ist die Tochter Zion,
Die treue Braut Gottes,
Maria ist die vollkommene Braut
Des Hochzeitspsalmes Davids.

Als der ewige Gottessohn


Die Menschennatur
Zur Erlösung
Und zur Auszeichnung des Menschengeschlechts
Angenommen hat und so
Eine geheimnisvolle Vermählung
Mit dem gesamten Menschengeschlecht
Einzugehen beabsichtigte,
Vollzog er diese Vermählung nicht eher,
Als bis er das freie Ja-Wort Mariens
Erhalten hatte, Maria
Sagte Ja für die ganze Menschheit,
Sie spielte die Rolle
Des ganzen Menschengeschlechts.

Maria hat ihr Ja-Wort gegeben


Im Namen der ganzen Menschheit,
Daß sich zwischen dem Sohn Gottes
Und der menschlichen Natur
Eine Art geistlicher Ehe vollzog.

Unsre Herrin, sag Ja zu uns!


Königin des Weltalls, sag Ja zu uns!
Himmlische Königin, sag Ja zu uns!
Unsre Mittlerin, sag Ja zu uns!
Geliebte Tochter Gottes, sag Ja zu uns!
Braut und Mutter, sag Ja zu uns!
Wahrer Morgenstern, sag Ja zu uns!
Tochter Zion, sag Ja zu uns!
Lilie unter den Dornen, sag Ja zu uns!
Paradies der Unschuld, sag Ja zu uns!
Reines Erdreich, sag Ja zu uns!

Es gibt keine himmlische Gnade,


Die nicht durch ihre
Jungfräulichen Hände ging.
So will es Gott, der wollte,
Daß wir alles durch Maria empfangen.

Das makellose Herz


Unsrer Lieben Frau
Ist so voll Zärtlichkeit für mich,
Daß die Herzen aller irdischen Mütter dagegen
Nur ein Stück Eis sind.

Maria an den Wallfahrtsorten


Ist geworden
Zur sakramentalen Gegenwart
Des mütterlichen Antlitzes Gottes.
SECHSTER GESANG

Wenn man auch die Liebe


Aller Mütter zu ihren Kindern,
Aller Liebenden zueinander,
Aller Heiligen und Engel
Zu ihren Verehrern
Vereinigen wollte,
So würde diese Liebe
Nicht die Größe der Liebe erreichen,
Die Maria empfindet
Für eine einzige Seele.

Alle Berge und Hügel,


Alle Flüsse und Meere,
Alle Geschöpfe des Himmels und der Erde
Rufen: So unendlich,
So unaussprechlich hat uns Maria geliebt,
Daß sie ihr einziges Kind
Hingegeben hat für uns,
Für unsre Rettung,
Für unsre Seligkeit!

Wie der Himmel die Erde an Seligkeit übertrifft,


So übertrifft Maria an Liebe alle Geschöpfe.

Ich habe aus dem Herzen Mariens


Schon so viel Liebe geschöpft,
Daß es längst leer sein müsste,
Wenn es nicht unausschöpflich wäre.

Würde mir einer sagen,


In diesem Augenblick
Geschähe kein Wunder Mariens,
So würde ich ihm hundert Wunder
Der Liebe Mariens nennen.
Würde mir einer erklären,
In dieser Stunde
Habe uns Maria nicht geliebt,
So würde ich ihm die tausend Beweise
Ihrer Liebe zeigen.
Zähle die Wiesenblumen im Mai,
Zähle die Knospen im Frühling,
Zähle die Mücken im Sommer,
Zähle die Sandkörner an dem Strand des Meeres,
Zähle die Flocken des Schnees,
Zähle die Tropfen des Regens,
So zählst du die Wunder
Der Liebe Mariens,
So zählst du die Beweise
Ihrer Barmherzigkeit.

Nämlich nicht der Name einer Mutter


Macht eine Mutter zur Mutter,
Sondern die Mutterliebe
Macht Maria zur wahren Mutter.

Ich habe schon seit langem


Das Vaterunser nicht mehr gebetet,
Ich kann nicht Vater sagen zu Gott.
Darum bete ich zu Maria.
Die Mariengebete
Sind Gebete, die ich immer beten kann.
Es gibt kein Mariengebet,
Daß nicht auch der verdorbenste Sünder noch beten könnte.
Das Ave Maria ist die letzte Rettung!
Mit dem Ave Maria kann man nicht verloren gehen!

Maria taucht ihren Jünger


In den Abgrund ihrer Gnaden,
Schmückt ihn mit ihren Verdiensten,
Hilft ihm mit ihrer Macht,
Erleuchtet ihn mit ihrem Licht,
Entflammt ihn mit ihrer Liebe,
Schenkt ihm ihre Tugenden,
Demut und Glauben und Reinheit.
Sie ergänzt für ihn bei Gott,
Was ihm noch an Heiligkeit fehlt.
Sie ist sein Ein und Alles
Bei Jesus.

Marias Schönheit,
Marias Liebenswürdigkeit,
Marias Holdseligkeit
Machen sie zur Räuberin der Herzen,
Zum Magnet der Herzen.
Wie viele verstockte Sünder
Zieht dieser Magnet der Herzen
Zu Gott!
Wie der Magnet das Eisen anzieht,
So zieht Maria
Die härtesten Herzen an sich,
Um sie mit Gott zu versöhnen.
Und dieses Wunder
Ereignet sich nicht selten,
Sondern täglich.

Maria, du hast vollkommene Macht,


Die Herzen zu verwandeln,
Nimm also auch mein Herz
Und wandle mein Herz!
Gott hat seine Tochter erschaffen,
Seine überaus geliebte Tochter Maria,
Damit sie ihm
Eine süße Lockspeise sei,
Um die Menschen zu fangen,
Besonders die Sünder,
Und sie zu Gott zu ziehen.

Gott spricht zu mir:


Mit ewiger Liebe hab ich dich geliebt
Und darum hab ich dich an mich gezogen
Mit ewiger Liebe!

DIE GÖTTLICHE LIEBE

DIE FREUNDSCHAFT MIT GOTT

Er küsse mich mit Küssen seines Mundes!


Deine Brüste sind berauschender als der Wein!

Spricht die Seele doch zu einer Person


Und sagt: Er küsse mich mit den Küssen seines Mundes,
Und spricht dann gleicherweise:
Deine Brüste sind berauschender als der Wein!
Das übersteigt wohl den Menschenverstand
Und weckt doch in mir eine große
Himmlische Wollust!

Wir sollten uns ruhig freuen,


Daß wir einen solchen wunderbaren Gott haben,
Der, wenn seine Worte ins Deutsche übersetzt werden,
Immer noch nicht verstanden werden kann.

So süße Gnaden
Erweist uns Gott
Im Lied der Lieder von der Liebe
Und gibt die Gnaden zu erkennen,
Die Gott der Seele schenkt,
Jener, die den Gott liebt,
Damit die Seele mit der göttlichen Majestät
Sprechen kann
Und sich erlustigen kann
Und eine noch größere Liebe
Zur göttlichen Majestät
Aus dem Lied der Lieder schöpfen.
Ich hörte einmal einen geistlichen Menschen sprechen
Von den Liebeswonnen
Und lustvollen Ergötzungen der Seele
In der Vereinigung mit der Gottheit,
Daß die alten Nonnen schamrot wurden
Und die jungen Mädchen kicherten albern,
Obwohl er doch, was er von der Liebe sagte
Und von der lustvollen Vereinigung
Des Herrn und seiner Braut,
Am Karfreitag sagte
Und sich gründete auf das Lied der Lieder,
Da musste ich doch staunen.
Das kommt wohl daher,
Dies falsche Schämen und alberne Kichern,
Daß wir so wenig ergriffen sind
Von der göttlichen Liebe,
Daß uns scheint, als könnte einer Seele
Nicht solche Wollust widerfahren
Und als dürfe ein geistlicher Mensch
Nicht erotisch von der Gottheit sprechen.

Wenn aber eine Seele


Ausgezogen die Freuden der Welt
Und sich nackt in Gottes Hände gelegt,
Ganz sich ergeben dem Herrn,
Dann wird die Seele als Braut des Herrn
Von ihrem Gemahl erfahren
Solche süßen Tröstungen,
Solche Ohnmacht,
Solche Trübsal
Und solche tausend Tode
Und auch solche Freuden der Liebe
Und solche göttliche Wollust!

Wundert ihr euch also,


Daß Gott so liebevoll spricht
Und solche liebkosenden Worte gebraucht
Für seine Freundin Seele,
So wundert mich doch noch mehr,
Daß noch mehr als liebevolle Worte zu sprechen
Gott seine Liebe in der Tat erweist!

Wenn ihr nämlich erst einmal erkennt,


Daß Christi Liebe zu uns so groß ist,
Daß er aus Liebe leidet,
Daß er krank vor Liebe ist
Und betrübt bis an den Tod
Und dass er in der Passion seiner Liebe
Den Liebestod für uns stirbt,
Wenn ihr dann erkennt, mit welchen Worten
Erotischer Liebe
Gott zu uns spricht,
Dann müsst ihr wohl staunen
Über solche göttliche Liebe.

Wenn ich mich nun erlustige


An der göttlichen Liebe
Und an den süßen Liebesreden Gottes,
Dann will ich nur eines,
Daß das, was mich erlustigt,
Auch euch ergötze
Mit der selben Wonne der Liebe.

O küsse mich doch mit dem Kusse deines Mundes!

Es mögen wohl die Theologen sagen,


Ich sei ein armer Narr,
Daß ich nicht wüsste,
Mund und Kuß sei allegorisch auszulegen
Und nicht etwa sinnlich zu verstehen,
Darum es auch ratsam sei,
Daß junge Mädchen das Hohelied nicht zu lesen bekommen.
Ich gestehe zu,
Daß die Worte der Schrift
So manche geheime und geheimere Bedeutung haben,
Aber wenn die Seele erst einmal verrückt vor Liebe zu Gott ist,
Wird sie nicht die Deutungen der Theologen suchen,
Sondern sprechen einfach mit den selben Worten,
Mit denen Gott zur Seele spricht:
O küss mich doch mit dem Kusse deines Mundes!

Treten wir nicht immer wieder


Zum Allerheiligsten Altarsakrament?
Mir scheint doch, die geistliche Seele
Bittet in der Kommunion
Um die Vereinigung mit Gott!

Die sinnlichen Worte


Von der sinnlich-erotischen Liebe
Flößen vielleicht manchen Frommen einen Schauder ein,
Doch nicht den verrückten Seelen.
Ist es vielleicht vermessen, Gott,
So von dir zu sprechen?
Aber wenn der Kuß deines Mundes,
O Gott,
Freundschaft bedeutet,
Warum sollte meine Seele nicht begehren
Die Freundschaft mit Gott?
Was soll ich mehr begehren von Gott?
Ich bitte Gott,
Mir mit dem Kusse seines Mundes
Seine Freundschaft zu schenken,
So dass meine Seele sich geliebt weiß
Als geliebte Freundin Gottes!
DIE HEILIGUNG

Wenn eine Seele nicht tot ist,


Sondern lebendige Liebe zu Gott hat,
Dann ist es eine schöne Gnade,
Wenn sie alles, was ihrer Berufung zuwider ist,
Schmerzlich empfindet und ablehnt.
Ah, wie macht sie doch ein schönes Bett
Von dornenlosen Rosen
Und gelben Lilien der mystischen Ehe
Für ihren Gott und Herrn,
Sie, der Gott so große Achtsamkeit eingegeben.
Gott wird es sich nicht versagen,
Zur Seele zu kommen
Und sich mit ihr zu ergötzen,
Ob sie auch manchmal länger auf ihn warten muß.
Was tun die Karmeliter sonst in ihrer Zelle,
Die die Welt verlassen haben?
Wozu sind sie eingeschlossen in ihrer Zelle?
Womit könnten wir besser unsere Zeit totschlagen,
Als in unserer Seele
Eine schöne Wohnung für Gott zu bereiten,
Ein schönes Bett für unsern Bräutigam?
Darum haben die Karmeliter die Gelübde abgelegt.

Habe doch Mitleid mit dir selber


Und sei dir selber barmherzig,
Denn du weißt, dass du nicht aus eigener Kraft
Zur Freundschaft mit Gott gekommen bist.
Solltest du dir mit weniger genügen lassen
Als mit der vertrauten Freundschaft mit Gott?
O Gott, ist es nicht das Beste,
Die Gedanken zu richten
Auf den schönen Liebeslohn
In Ewigkeit?
Und sollte ich mich nicht freuen,
Daß Gott den süßen Liebeslohn
Auch schon auf Erden erteilt,
Wenn man zur Freundin Gottes geworden ist?

Aber wenn du demütig werden willst,


Dann beurteile deine Nächsten nicht so böse.
Es könnte ja gut sein, dass sie besser wären als du,
Wenn sie ihre Sünden beweinten
Und sich gute Vorsätze vornähmen,
Nämlich den ernsten strengen Vorsatz,
Jesus nie mehr zu beleidigen,
Nicht in großen Sünden
Und auch nicht in kleinen Sünden!
Wenn du aber von dir denkst,
Daß du keine großen Frevel begehst,
So nimmst du dir doch die Freiheit
Zu deinen kleinen eigenen Sünden!
Was nützen dir die abgelesenen Psalmen,
Wenn du nicht ganz fein und subtil
Dich um die Reinheit deines Herzen sorgst?

Es gibt wohl Menschen, die sich den Vorsatz nehmen,


Jesus nie mehr zu beleidigen.
Aber meiden sie auch die Versuchung zur Sünde?
Gott hat ihnen schon eine tiefe Andacht geschenkt
Und viele herzerweichende Tränen,
Aber doch wollen sie die Genüsse des irdischen Lebens
Und die Eitelkeiten der Welt nicht missen,
Sondern ein bequemes, ruhiges Leben führen,
Weil sie meinen, sie bräuchten viel Ruhe
Und müssten unbedingt im Frieden leben.

Das ist in jedem Fall ein Wunder,


Wenn die Bequemen in der Tugend verbleiben.
Denn wer sich den irdischen Freuden
Und eitlen Ergötzungen dieser Welt
Nicht ernsthaft entzieht,
Der wird auf dem Weg des Herrn
Leicht lässig und träge,
Und da sind auch mächtige Feinde,
Die uns behindern
Auf dem Weg mit Gott.

So muß ich euch von einem Menschen erzählen,


Der kommunizierte oft
Und lästerte keinen,
War im Gebet voll Andacht
Und liebte die Einsamkeit,
Der Mensch wohnte allein in seinem Haus,
Auch war der Mensch von solcher Selbstbeherrschung,
Daß er sich nicht zum Zorn hinreißen ließ.
Der Mensch sprach nicht Böses über andre,
Fluchte nicht
Und hatte auch die Heirat verschmäht
Und hatte auch viel zu erdulden gehabt
Auf diesem seinem geistlichen Weg.
Da dachte ich: Ein Heiliger!
Da merkte ich aber, dass der Mensch
Nur friedlich war, wenn alle ihn liebten und ehrten.
Sobald man aber seine Ehre angetastet,
So wurde er ziemlich zornig
Und fing sogar zu fluchen an.
Da merkte ich, dass der Mensch
Eine so hohe Meinung von sich selber hatte,
Daß jede Geringschätzung seiner Person
Ihm eine Majestätsbeleidigung schien.
Dann merkte ich, dass dieser Mensch
Auch gern Neuigkeiten von andern Leuten hörte,
Und ich wunderte mich, wie dieser Mensch
Auch nur eine Stunde allein in seinem Hause bleiben konnte.
Darüber hinaus wusste derselbe Mensch
Auch immer, seines Leibes Lüste zu suchen.

Du aber, geistlicher Mensch, sei froh,


Daß der Herr dich in deine Einsamkeit eingesperrt,
Damit der Satan dich nicht versuche,
Denn der Satan versucht sehr stark die Armen,
Die draußen in der Welt zu kämpfen haben.
Es gibt wohl manche Seele,
Die scheint schon zum Himmel zu fliegen,
Sie scheinen schon fast vollkommen,
Es ist auch kein Mensch da, der sie versteht.
Aber der Karmelit in seiner Zelle
Braucht nur der geistlichen Obrigkeit gehorsam zu folgen,
Dieweil der Fromme,
Der in seinem eigenen Hause lebt,
Alles nach seinem eignen Willen tut.

Wo ist denn eine Seele,


Die dem heiligen Petrus ähnlich wäre,
Der sich nämlich nackt ins Meer geworfen,
Um zu Jesus zu schwimmen,
Und andern Heiligen ähnlich wäre,
Die ihre Ruhe und ihr feines Leben aufgegeben,
Um Seelen zu retten!
Die meisten wollen zwar Seelen retten,
Aber dabei auch bequem und ruhig leben.

So sind auch nur wenige in der Welt,


Die in der Frage ihrer Kleidung
Und in der Frage des Brotes und Weines
Auf Gott den Vater allein vertrauen.

Und wenn du nun ein kontemplativer Mensch bist


Und den Menschen nicht helfen kannst
Mit den aktiven Werken der Caritas,
So hast du doch ein heißes Verlangen,
Den geliebten Seelen beizustehen
Mit deinen Tränen und deinem Flehen
Vor dem himmlischen Vater
Und der heiligen Gottesmutter.
Das Gebet hat wirklich Macht!
Wenn es Gott gefällt,
Wirst du mit deinem Gebet den Seelen helfen
Schon zu deinen Lebzeiten
Oder auch nach deinem Tod!
So denke ich an einen Laienbruder,
Der Unsrer Lieben Frau vom Karmel verbunden war,
Der den Seelen zu seinen Lebzeiten diente
Und viele Jahre nach seinem Tode
Erweckte Gott sein Gedächtnis
Und gab ihn den Frommen zum Exempel.
Dafür wollen wir die göttliche Majestät sehr loben!

DER KUSS DER GOTTHEIT

Der Mensch kommt zu einem Frieden,


So dass er es wagen kann,
In die Welt hinauszuziehen,
In den Kampf des Alltags,
Ohne seine Ruhe und seinen Frieden zu verlieren.

Wenn der Mensch erkennt,


Daß er seiner Braut, der göttlichen Weisheit,
An einer anderen Stelle
Mehr und besser dienen kann,
Wird er die Einwände seines Verstandes
Beiseite tun
Und an die gewiesene Stelle eilen.

Weißt du es sicher, o Mensch,


Daß deine Braut, die göttliche Weisheit,
Dich geküsst hat
Mit dem Kuß ihres Mundes?
Du musst es aus der Wirkung erkennen.
Laß dich nicht hindern,
Sondern laß die Weisheit durch dich wirken,
Damit du dieser göttlichen Braut gefällst!
Du sollst nur in ihren Augen schön sein wollen!

Es lässt sich die göttliche Majestät erkennen


An Menschen, denen ihre Gnade teilhaftig wurde,
Denn diese achten die irdischen Güter
Nicht höher, als sie es wert sind.
Auch hat solch ein Mensch
Keine Freunde als allein solche,
Die Jesus lieben.

Diese mystische Vereinigung


Zwischen der Braut und dem Bräutigam
Lehrt tiefere Weisheiten,
Als der rationale Menschenverstand
Mit all seiner Logik erkennen kann.
Darum hält der Mensch
Die Vernunft
Unter den Füßen des Glaubens.

Siehe, wenn eine arme Bauernmagd


Heiraten würde eine großen Kaiser
Und Kinder von ihm bekäme,
Wären ihre Kinder auch
Kaiserliche Hoheiten.
Wenn nun Gott
Der Seele solche Wohltat erweist
Einer solchen Liebesvereinigung,
Dann werden die Kinder der Seele,
Nämlich ihre kraftvollen Werke,
Kaiserliche Hoheiten sein.

O Gottheit des Himmels und der Erde,


Ist es wirklich wahr,
Daß ein Mensch auf Erden schon
Solche himmlischen Wonnen von dir empfängt?
Der Geist spricht doch im Lied der Lieder der Liebe,
Wie die Seele sprechen soll
Mit Gott, dem Gemahl der Seele.
Welche Worte sagt die göttliche Weisheit,
Welche süßen Worte!
Ein einziges dieser Worte der Liebe
Kann genügen, die Seele zu berauschen
Mit den Wonnen der göttlichen Liebe!
Ein Wort vom Geist geschenkt genügt,
Den Menschen mit der Gottheit
Mystisch zu verschmelzen!
Gesegnet bist du, Frau Weisheit!

Deine Worte sind so süß,


O Braut, Frau Weisheit,
Wie kann sie einer übersetzen,
Als wer deine Liebe erfahren hat?
Wenn du aber deine brennende Liebe sendest,
Kann der Mensch das Hohelied wohl übersetzen.

So bitt ich denn von dir, Frau Weisheit,


Nichts als dass du mich küsst
Mit den Küssen deines geheimnisvollen Mundes!

Nichts soll mich hindern zu sagen,


O meine Gottheit, o meine Gloria,
Daß deine Brüste berauschender sind als der Wein!

DIE GÖTTLICHEN BRÜSTE

Ich singe von der süßen,


Lieblichen Liebe
Und von den Ergötzungen göttlicher Liebe,
Wie Gott in der Seele wohnt
In der betenden Ruhe,
Welche vergleichbar ist
Dem Saugen an den göttlichen Brüsten.
Wenn die göttliche Majestät
Einem gottverlobten Menschen
Diese Bitte gewährt,
Solche Freundschaft mit der Gottheit zu führen,
So erlebt der Mensch Wonnen,
Die allein jene glauben werden,
Die es selber erfahren haben.

Der Mensch gerät


In eine göttliche Trunkenheit,
Daß er selbst nicht mehr versteht,
Was er will und was er begehrt.

Wenn die Gottheit


Den Menschen noch mehr begnaden will,
Zieht die Gottheit den Menschen in sich hinein,
Daß der Mensch ohnmächtig wird!
Ihm scheint, er liege in den göttlichen Armen
Und trinke an den göttlichen Brüsten
Die Milch des Trostes
Der Mutterliebe Gottes,
Wo Gott wie eine Mutter
Den Menschen überströmt
Mit Wollust und Wonne
Bedingungsloser Liebe!

Wenn der Mensch von dieser Trunkenheit


Und von diesem Schlaf erwacht,
Ist der Mensch erschüttert
Und wie ein Wahnsinniger,
Der den Verstand verloren hat.
Aber er weiß doch,
Die göttlichen Brüste
Berauschen mehr
Und machen trunkener
Als der dunkelste Wein von Frankreich.
Dem Menschen scheint,
Höher in der Seligkeit
Könne er nicht mehr steigen
Als so in den göttlichen Armen ruhend
Gebettet zu sein auf den göttlichen Brüsten!

So weiß ja auch ein Säugling nicht,


Wie ihm geschieht,
Wenn er noch nicht einmal schreit,
Die Mutter schon kommt
Und legt ihm die Brust in den Mund.

Das ist wirklich die größte Gnade,


Die der Mensch auf Erden schmecken kann.
Mögen sich auch alle Freuden
Des leckersten Fleisches und des teuersten Weines
Und der erotischen Menschenliebe vereinen,
Kommt es doch nicht an die Glückseligkeit heran,
Die der Mensch empfindet,
Wenn er an den göttlichen Brüsten trinkt.

Womit soll ich es sonst vergleichen


Als mit einem liebenden Mutterherzen,
Daß dem geliebten Säugling
Milch von ihrem Herzen gibt?

Das sagte doch der heilige Paulus mir schon oft,


Daß die Leiden dieser Welt,
Alle Leiden dieser kurz bemessenen Zeit auf Erden
Nicht ins Gewicht fallen
Angesichts der Schönheit der himmlischen Wonnen,
Die uns geschenkt werden sollen.

Keine Freude eines Kusses von menschlichen Lippen,


Keine körperliche Zärtlichkeit
Und nicht die Lust des Aktes mit einer Frau
Ist auch nur entfernt so schön
Wie dieses genüssliche Saugen
An den göttlichen Brüsten,
Da die Milch der Mutterliebe Gottes
Berauschender ist als der beste Wein.

Wache wieder auf, meine Seele,


Um der göttlichen Liebe willen,
Wache auf vom Schlaf der Erde,
Freue dich, meine Seele,
Daß die göttliche Weisheit
In ihrer göttlichen Liebe
Den Genuß der Gottheit
Nicht allein aufspart für die himmlische Hochzeit
In der Ewigkeit,
Sondern dich den Genuß der Gottheit
Schon auf Erden genüsslich schmecken lässt.

Die Gottheit zahlt dir den Liebeslohn


Nicht erst im Reich der Ewigkeit,
Sondern schon auf Erden
Belohnt sie dich für deinen treuen Liebesdienst.

DIE GÖTTLICHE TRUNKENHEIT

Jesus Christus führte mich in seinen Weinkeller


Und hat dort die Liebe in mir geordnet.

Erst war der Mensch


Wie ein kleines Kind
Und wurde von der Gottheit
An den göttlichen Brüsten
Ernährt, wie eine Mutter
Ihr Kind mit Milch ernährt.

Aber nun ist der Mensch


Eine Braut geworden
Und Christus ist der Bräutigam
Und führt die Braut in den Weinkeller,
Dort erquickt er sie mit Trauben,
Sie muß dort erkennen,
Wie viel sie für Christus noch zu leiden haben wird.

Aber Jesus Christus hört nicht auf,


Sich der Brautseele hinzugeben.
Christus weiß, dass er
Die Hagia Sophia ist.
Es scheint, als könne er der Seele mehr nicht geben,

Als den Kuß des Mundes


Und die göttlichen Brüste.
Aber nun führt Christus die Brautseele
Zum Weintrinken in den Weinkeller.

Wenn die Seele ruht im Schatten der Gottheit


Wie schlummernd in einer goldenen Wolke,
Was will sie mehr,
Was kann ihr Gott noch geben
Als diese ewige Ruhe?

So gibt Christus der Brautseele dies,


Nämlich solche harten und schrecklichen Leiden,
Daß die Seele schreien muß:
Herr, Herr, ich kann nicht mehr!
O Gott, wie schrecklich ist deine Gnade!
Soviel Gnade, mein Gott,
Um den Preis solcher grausamen Leiden,
Hab ich nicht begehrt!

Und doch, gestärkt durch den wahren Glauben,


Wollte die Brautseele diese Trübsal,
Diesen Feuerofen der Drangsal
Nicht tauschen
Gegen alle Lüste der eitlen Welt.

Darum sagt die Psyche


Zu ihrem göttlichen Eros:
Der König hat mich geführt
In den Keller zum blutroten Wein.

Die Größe dieser Gnade Christi


Ist über die Maßen groß.
Dem einen gibt Christus
Weniger Wein,
Dem andern schenkt Christus voll ein.
Den einen macht Christus
Wenig trunken,
Den andern macht Christus
Bis zum Wahnsinn betrunken
Von den blutigen Gnaden Christi des Gekreuzigten!
Dem einen gibt Christus
Wenig Wein der Andacht,
Dem andern schenkt Christus
So viel starken Wein der Kontemplation ein,
Daß der Mensch schon fast
Entrückt der Erde
Zwischen den himmlischen Schönheiten wandelt.
Dem einen schenkt er einmal
Den Wein der Nächstenliebe ein,
Daß er in großer Kraft und Stärke
Die Liebe Gottes
Zu den Armen und den Kleinen trägt,
Dem einen schenkt er ein andermal
Den Wein der mystischen Weisheit ein,
Daß er die Geheimnisse des Urgeheimnisses
Verzückt in seligen Schauungen ahnt.

Darum führt nämlich Jesus Christus


Die Brautseele in den Weinkeller,
Daß Christus ohne Maß
Den Wein ihr einschenken kann,
Daß sie kräftig trinken möge
Und von allen Weinen Christi kosten möge
Und alle Freuden des göttlichen Rausches
Und der göttlichen Trunkenheit
Genießen möge ohne Maß,
Daß sie trinke von Gottes Wein
Mehr als ihre sterbliche Natur erträgt,
So dass der trunkenen Seele scheint,
Sie sterbe jetzt
Und schwebe im Paradies!
Selig, dreimal selig ist der Tod,
Der einem solch ein Leben im Paradiese schenkt!

DIE CHINESISCHE TUGEND


„Sieh, die Erfahrung spricht
Aus meinem klugen und didaktischen Gedicht.“
(Puschkin)
DIE MUSIK

Die Töne entstehen


Im Herzen des Menschen.
Die Kombination der Töne
Zur Erheiterung des Menschen
Und ihre Verbindung mit Federn und Quasten
Wird Musik genannt.

Wenn das Herz von Trauer bewegt ist,


Wird scharf und sterbend der Laut.
Wenn das Herz von Heiterkeit bewegt ist,
Wird langsam und weich der Laut.
Wenn das Herz von Freude bewegt wird,
Wird stark und zerstreuend der Laut.
Wenn das Herz von Zorn bewegt wird,
Wird grob und grausam der Laut.
Wenn das Herz von Ehrfurcht bewegt wird,
Wird gerade und bescheiden der Laut.
Und wenn das Herz von Liebe bewegt wird,
Wird mild und zärtlich der Laut.

Eine in Ordnung befindliche Generation


Bringt friedliche, heitere Töne hervor,
Weil die Gebote der Herrschaft mild sind.
Eine Generation voll Unruh
Bringt grollende, zornige Töne hervor,
Weil ihre Herrschaft unterdrückend ist.
Ein Volk, das dem Untergang verfallen ist,
Bringt sehnsuchtsvoll schmerzliche Töne hervor,
Weil seine Bürger verzweifelt sind!

Die Töne vom Maulbeerwald


Und die Töne vom südlichen Flusse
Sind Töne eines untergehenden Volkes.
Die Gebote der Herrschaft sind chaotisch,
Das Volk ist zerstreut,
Es verleumdet die Obrigkeit
Und handelt egoistisch.

Die Töne entstehen im Herzen des Menschen.


Die Musik bringt Harmonie
In die Beziehungen unter den Menschen.
Die Tiere kennen zwar Laute, aber nicht Töne,
Der Pöbel kennt Töne, aber keine Musik.
Nur der Weise vermag es, den Sinn
Der Musik zu erkennen.
Die höchste Vollkommenheit der Musik
Besteht nicht in Pracht und Prunk der Töne,
Wie auch im Sittengesetz
Beim heiligen Speiseopfer
Es nicht ankommt auf den Geschmack des heiligen Brotes.

Die alten Herrscher waren nicht bedacht


In der Gestaltung von Sitte und Musik,
Der Augenlust und dem Ohrenschmaus zu dienen
Und dem Begehren von Mund und Bauch,
Sondern sie wollten lehren das Volk,
Seine Sympathie und Antipathie mäßigen
Und den Menschen auf das Ziel des Menschen hin ordnen.

Der Mensch ist von Natur aus still.


So ist seine himmlische Seele.
Durch Äußerlichkeiten bewegt,
Erregen sich des Menschen Triebe.
Durch die Äußerlichkeiten
Entsteht Bewusstsein,
Durch das Bewusstsein entstehen
Sympathie und Antipathie.
Wenn Sympathie und Antipathie
Nicht geordnet sind im Innern,
Verfällt das Bewusstsein der Äußerlichkeiten,
Der Mensch verliert die eigne Persönlichkeit
Und es erlischt die göttliche Ordnung.

Äußerlichkeiten aber
Beeinflussen immer den Menschen.
Wenn seine Sympathie und Antipathie
Im Innern nicht geordnet sind,
Verfällt der Mensch den Äußerlichkeiten,
Dann vernichtet er in sich
Die göttliche Ordnung
Und verfällt den Trieben und Begierden.

Dann werden die schüchternen Seelen


Von den Dreisten missbraucht.
Die Kranken werden nicht gepflegt,
Die Witwen nicht getröstet,
Die Waisenkinder nicht behütet.
Das ist das allgemeine Chaos.

Darum schufen die alten Herrscher


Das Sittengesetz und die Musik,
Das Menschenleben zu harmonisieren.
Trauergewänder, Weinen und Klagen
Regeln die Trauer um den Toten.
Glocken und Trommeln dienen dazu,
Die Freude harmonisch zu gestalten.
Die Jugendweihe, die Hochzeitsriten
Dienen dazu, die Geschlechter
In Zucht zu vereinigen.

Die Musik bewirkt


Vereinigung in Liebe,
Das Sittengesetz zeigt Unterschiede.
In der musikalischen
Vereinigung lieben die Menschen einander.
Aber wenn zuviel ist der Musik,
So zerfließen die Seelen.
Ist aber zu mächtig das Sittengesetz,
So verhärten sich die Herzen.
Die Gefühle zu harmonisieren
Und die Außenwelt zur Schönheit zu gestalten
Ist die Aufgabe der Musik
Und des Sittengesetzes der Alten.

Weil die Musik aus dem Innern des Menschen kommt,


Bewirkt sie Ruhe der Seele.
Weil das Sittengesetz die Außenwelt ordnet,
Gestaltet es die Welt zur Schönheit.
Darum ist die höchste Musik sehr einfach
Und das wahre Sittengesetz ist einfach.
Die höchste Musik
Entfernt den Gram und den Groll,
Das heilige Sittengesetz
Entfernt die Zwietracht und den Streit.
Durch Freundlichkeit und Güte,
Nachgiebigkeit und Milde und Sanftmut
Die Welt zu ordnen
Ist die Aufgabe der Musik
Und des heiligen Sittengesetzes.

Die wahrhaft große Musik


Wirkt mit dem Himmel
Und der Erde
Die harmonische Einheit der Menschen
Durch die Vereinigung in Liebe.
Das heilige Sittengesetz
Wirkt zusammen mit dem Himmel
Und der Erde den Rhythmus des Lebens
Der Menschen miteinander.

In der sichtbaren Welt


Herrscht das Sittengesetz
Und herrscht die Musik.
In der unsichtbaren Welt
Herrscht Gott
Und herrschen die seligen Geister.
So sind die Menschen miteinander verbunden
Durch die gegenseitige Achtung,
Wertschätzung, Ehrfurcht,
Und verbunden durch die gegenseitige
Menschenliebe.
Darum stimmt das Sittengesetz
Mit der wahren Musik überein.

Wer also das Wesen des Sittengesetzes erkannt


Und die Heiligkeit der Musik erkannt,
Der vermag sie schöpferisch zu gestalten.
Wer die Formen des Sittengesetzes
Und die Formen der Musik ergründet,
Vermag das Sittengesetz
Und die wahre Musik zu überliefern.
Wer sie schöpferisch zu gestalten vermag,
Ist ein heiliger Mensch,
Wer sie zu überliefern vermag,
Ist ein Weiser.
Der Titel eines Heiligen und Weisen
Bezieht sich auf Schaffen und Überliefern.

Der schöpferische Ursprung


Der Musik ist im Himmel,
Das Sittengesetz
Regelt das Leben der Menschen auf Erden.

Die Vereinigung der Menschen


In den bestimmten Beziehungen
Ohne Streit und Leid
Ist das Wesen der wahren Musik.
Die Wirkungen der Musik
Sind Heiterkeit und Freude
Und Vergnügen und Liebe!

Die Fürsten schufen Musik,


Wenn sie ihr Werk in der Welt vollendet hatten.
Die Güte ihres weltlichen Werkes
War bestimmend
Für die Güte ihrer Musik.

Erhabene Musik,
Doch ohne Traurigkeit,
Vollkommene Tugend,
Doch ohne harte Einseitigkeit,
Das vermag nur ein heiligmäßiger Mensch.

Der Frühling wirkt schöpferisch,


Der Sommer wirkt die Reife,
Das ist die Liebe.
Der Herbst erntet
Und der Winter sammelt in die Scheune,
Das ist die Gerechtigkeit..
Die Liebe ist Musik,
Gerechtigkeit ist Tugend.

Die Musik führt zur Harmonie,


Sie folgt dem himmlischen Weg
Und erhebt die Seele zu Gott.

Darum schafft der Weise Musik,


Um so dem Himmel zu dienen.
Er lebt gemäß der Tugend,
Gott auf Erden zu dienen.
In der Reinheit der Musik
Ertönt der Himmel,
In der Reinheit der Tugend
Verklärt sich die Erde.

Im Himmel sind vollkommne Ideen,


Himmlische Urbilder alles Seienden,
Auf der Erde streben die Kreaturen
Nach himmlischer Vollendung.

Die Gnade des Himmels neigt sich herab,


Das Streben der Erde strebt in die Höhe.
Licht und Schatten gehören zusammen.
Himmel und Erde vermählen sich.
Musik ist der Hochzeitsgesang
Von Himmel und Erde.

Musik und Tugend


Reichen bis zu den Höhen des Himmels
Und tauchen hinab in die Tiefen der Erde.
Musik und Tugend
Wirken im Licht und im Schatten.
Musik und Tugend
Stehen in Verbindung
Mit den Engeln und den Heiligen
Und verherrlichen Gott.

Musik erklang im Anbeginn,


Die Tugend führt die Seelen zur Vollendung.

Wechsel von Ruhe und Bewegung ist


Musik zwischen Himmel und Erde.

4
Die Musik der großen Verherrlichung
Besingt die Herrlichkeit des Herrn.

Das Essen von Entenfleisch


Und das Zechen von rotem Wein
Ist nicht zum Unheil.
Wenn es dennoch Streit gibt
Über das Essen von Fleisch
Oder wegen des Weines,
So kommt es daher, dass der Wein
Die Gemüter erhitzt.
Darum ordneten die Weisen
Die Art und Weise des Zechens.
Die Tugend des Gastmahls gebietet,
Daß man sich beim gemeinsamen Zechen
Zeremonielle Höflichkeiten erweist,
Daß man sich höfisch verneigt
Vor der Dame des Hauses
Und den Gastgeber segnet mit Segenssprüchen,
So kann man den ganzen Abend zechen,
Ohne besoffen zu werden.
Auf diese Weise regulierten
Die Weisen das Zechen beim Gastmahl
Und wehrten dem Besoffensein.
So dienen das Zechen von rotem Wein
Und Essen von Entenfleisch
Der Feier des heiligen Geistes.
Die Tugend der Weisen
Wehrt der Maßlosigkeit
Beim Zechen von rotem Wein.

Musik ist die Freude der heiligen Menschen.


Musik vermag die Gesinnung des Menschen zu bessern.
Musik beeinflusst den Menschen tief.
Durch Musik erzogen die weisen Pädagogen
Ihre geistlichen Kinder.

Die Seele des Menschen


Hat Kraft des Blutes und Bewusstsein der Sinne.
Aber es gibt kein gewisses Gesetz,
Die Trauer zu regeln,
Die Lust und den Zorn zu mäßigen.
Denn Trauer und Lust
Und Zorn wird erregt
Durch die Außenwelt.
Aber erst durch die Regulierung
Und Mäßigung der Affekte
Gewinnt das Herz die feste Gestalt.
Die Weisen schufen eine Musik,
Die hell erklang und doch nicht zerstreute,
Die dunkel war und doch nicht betrübte,
Die stark in der Seele war und doch nicht zornig,
Die weise war und doch nicht mutlos.

Wenn eine Generation


Im dekadenten Chaos versinkt,
Dann wird die Sitte vergessen
Und die Musik wird wild und lüstern.

Bei den verwirrten Geschlechtern


Wird die Musik bekümmert und schwach,
Lüstern und ruhelos,
Lasziv und rhythmisch wild.
Sie lassen sich so dahintreiben
In dem Chaos ihrer verwirrten Gefühle
Und vergessen das Fundament der Weisheit.
Wenn dann ein Mensch von weitem Herzen ist,
So neigen seine Wünsche sich der Unzucht zu,
Wenn aber ein Mensch von hartem Herzen ist,
So werden seine Gedanken egoistisch.
Die Kraft der ausgelassenen Wollust wird erregt,
Die harmonische Macht des Geistes aber vernichtet.
Darum verachtet der Edle
Das chaotische Treiben der dekadenten Geschlechter.

Der heilige Mensch verwehrt


Den Ohren die lüsternen Worte
Und den Augen die lasziven Bilder.
Unreine Musik und verdorbene Sitten
Lässt er nicht in die Gedanken seines Herzens.
Schlechten Angewohnheiten
Gibt er keine Macht über seinen Körper.
Er weiht Augen und Ohren,
Geist und Herz und Glieder
Der Ewigen Weisheit
Und tut dann seine Pflicht.
Dann erst macht er Musik
Und stimmt die Harfe.

Musik bedeutet Freude.


Der Edle freut sich,
Daß er den heiligen Weg erkannte.
Die Gemeinen aber freuen sich daran,
Ihr Begehren erfüllt zu sehen.
Wenn man aber das Wollen und Verlangen regelt,
Dann herrscht die Freude ohne Verwirrung.
Wenn man aber über seinem Verlangen
Den heiligen Weg verlässt,
So entsteht die dumpfe Verwirrung
Und keine Freude der Seele.

Die Lebenskraft ist Ausdruck der Seele.


Musik ist die Blüte der Lebenskraft.
Die Musikinstrumente sind die Werkzeuge der Musik.
Die Lieder drücken des Herzens Gesinnung aus.
Zu den Liedern tönen die Saitenspiele.
Die Tänzer bewegen sich
Gemäß der Regierung des Fürsten.
All dies hat seine Wurzel
Im Innern des Herzens.
Erst das Innere des Herzen
Bringt die Instrumente zum Tönen.

Wenn also der Fürst


In seinen Gefühlen rein und klar ist,
Wird seine Musik auch schön sein.
Wenn des Fürsten Herz voll Mut und Kraft ist,
Wird er die Menschen gut regieren.
Wenn Harmonie in seinem Innern ist,
Entfaltet sich die Blüte der Seele nach außen.
Die Musik erlaubt die Heuchelei nicht.

In der Musik erfreut man sich


Am Ursprung seines Lebens
Und in der Tugend kehrt man zurück
Zum göttlichen Ursprung.
Die Musik verherrlicht die Tugend,
Die Tugend dankt der Gnade Gottes,
Das ist die Heimkehr in den Schoß der Gottheit.

Wenn ein großer Künstler


Fördert die Musik
Und alte Sitte,
Dann werden Himmel und Erde
Ihre Kraft entfalten.
Himmel und Erde vermählen sich.
Licht und Schatten vereinen sich.
Der Himmel weht mit sanftem Hauch
Und die Erde erwärmt.
Die Himmel beschirmt und beschützt
Und die Erde ernährt die Lebewesen.
Da sprossen Kräuter und Bäume,
Die Keime sprießen ans Licht,
Die Federn der Flügel regen sich,
Die Hörner wachsen den Gehörnten...
Die Winterschläfer kehren zum Leben zurück.
Die Tauben brüten,
Die Katzen tragen ihre Jungen.
Was im Schoß der Mutter entsteht,
Wird nicht getötet!
Was im Ei der Mutter entsteht,
Stirbt keinen frühen Tod!
Wenn es so ist,
Dann hat die Musik ihr Ziel erreicht.

Ein Mann sprach zum Meister der Musik:


Wenn ich die klassischen Lieder höre,
Dann muß ich immer Acht geben,
Daß ich nicht einschlafe.
Aber wenn ich die populären Lieder höre,
Dann amüsiert sich mein Herz.

Der Meister der Musik sprach.


Bei der klassischen Musik
Sind die Töne harmonisch,
Einfach und tief.
Die Saiteninstrumente und Blasinstrumente
Richten sich nach der Perkussion.
Man ordnet die Wirbel
Mit dem Taktstock
Und mäßigt die Bewegung
Mit dem Plektron.
Die Weisen unterhalten sich über die Musik
Und beginnen von Gott zu sprechen,
Sprechen von der Heiligkeit der Familie
Und von dem Frieden in der Welt.
Bei der populären Musik
Winden sich die Tänzerinnen wie Schlangen,
Wilde Laute rauschen einher
Und betäuben das Ohr mit Geräuschen.
Gaukler kommen herein
Und Narren, die sich wie Affen benehmen.
Man weiß nicht,
Wer der Vater und wer der Sohn ist
Und weiß nichts vom Geist.
Wenn die Musik verrauscht ist,
Kann man darüber nicht sprechen,
Man denkt nicht an Gott bei dieser Musik,
Man denkt nur an Unzucht.

Vom Weisen aber sagt man:


In der Stille pflegte er seinen Geist.
Sein Geist war klar und rein,
So konnte er zwischen Gut und Böse unterscheiden,
So konnte er Kinder erziehen
Und herrschen über die Launen der Frauen.
Er brachte es zum Gehorsam vor Gott
Und führte so auch die ihm Anvertrauten
Zur Ehrfurcht vor Gott.
Und so führte er die ihm Anvertrauten
Zur wahren Menschenliebe.
Der weise Herrscher führte ein Leben ohne Makel.
Er empfing die Gnade Gottes
Und teilte sie seinen Söhnen mit.

Aber die Töne der sinnlichen Musik,


Der lasziven populären Lieder
Überströmen mit Wollust den Willen
Und schwächen den Willen
Und ertränken den Willen in Verlangen.
Die Töne sind hektisch,
Chaotisch, verwirren den Geist und den Willen
Und beschmutzen die Seele
Mit lüsterner Sinnlichkeit.
Die Tänzerinnen sind hochmütig, stolz,
Sie reißen hin zur Sinnlichkeit,
Zur Unzucht und zur Perversion.
Sie schaden dem Geist.
Man kann sie im Gottesdienst nicht gebrauchen!

In den Oden heißt es:


Ernste, harmonische Klänge
Hören die Seelen der Heimgegangenen
In dem Land der Verheißung.

Wenn nun ein Weiser Töne hört,


So beachtet er nicht das Geräusch, das sie machen,
Sondern er betrachtet die Gedanken,
Die beim Hören der Musik entstehen.

Tugend und Musik,


Sie dürfen der Persönlichkeit
In keinem Augenblick fehlen.
Wenn man die Musik auf die Seele wirken lässt
Zur Reinigung der Gesinnung,
So reift eine ruhige, ehrliche und gerechte Gesinnung.
Wenn solch eine Gesinnung in der Seele ist,
Dann wird die Seele glücklich.
Durch die Freude kommt der Friede,
Durch den Frieden entsteht eine himmlische Art
Und die himmlische Art macht der Gottheit ähnlich!
Himmlische Art braucht keine Worte
Und findet doch Glauben bei den Guten.
Gottähnlichkeit braucht nicht zu zürnen
Und findet doch Ehrfurcht.

Musik bedeutet Freude.


Ohne Freude kann der Mensch nicht leben.
Die Freude äußert sich in Tönen
Und nimmt bewegte Gestalt an.
Alle Veränderungen in der Seele
Äußern sich in Tönen und Bewegungen.
Ohne Freude erträgt der Mensch das Leben nicht.
Wenn sich die Freude äußert,
Aber ungeordnet und wild,
Dann wird sie übermäßig und zerstörerisch.

10

Ein Mann kam zum Meister der Musik und sprach:


Ich habe vernommen, dass bestimmte Lieder
Zu bestimmten Menschen passen.
Welche Musik passt denn zu mir?

Wer ruhig ist und korrekt,


Der singe die Hymnen.
Wer ruhig ist, fernsichtig und wahrhaft,
Der singe die großen Psalmen.
Wer bescheiden ist und tugendhaft,
Der singe die kleinen Psalmen.
Wer schlicht und bescheiden ist und pflichtbewusst,
Der singe die Volkslieder.
Wer wahrhaft ist und voller Liebe,
Der singe die Lieder der Liebe.
Wer freundlich und gutmütig ist,
Der singe die Lieder der Stille.

Der Gesang kommt aus dem Wort,


Der Gesang entsteht aus langgezogenen Worten.
Wenn der Mensch sich freut,
So spricht er seine Freude aus.
Wenn das Sprechen nicht mehr genügt,
So redet er in Versen.
Wenn die Verse nicht mehr genügen,
So seufzt er Ah und Oh.
Wenn selbst die Seufzer nicht mehr genügen,
So fängt die Leiblichkeit zu tanzen an!

DIE PÄDAGOGIK

1
Der Mensch bei seiner Geburt
Ist unvollkommen.
Seine Augen können noch nicht sehen,
Er kann noch nicht essen,
Er kann noch nicht laufen,
Er kann noch nicht sprechen,
Er kann noch nicht zeugen.

Im dritten Monat
Fixieren sich die Pupillen,
Dann kann er sehen.
Im achten Monat
Wachsen seine ersten Zähnchen,
Dann kann er essen.
Im ersten Jahre
Werden seine Kniescheiben fest,
Dann kann er laufen.
Im dritten Jahr
Schließt sich die Schädelspalte,
Dann kann er sprechen.
Im sechzehnten Jahr
Wird der Same reif,
Dann kann er zeugen.

Wo die Liebe groß ist,


Nimmt man die Trauerkleidung ernst.

Drei Tage nach dem Todesfall


Isst man wieder,
Ein Jahr nach dem Todesfall
Trägt man unter dem Trauergewand
Wieder Seide.
Die Selbstqual des Trauernden darf nicht
Bis zur Selbstvernichtung gehen!
Durch den Tod des einen Menschen
Darf nicht geschädigt werden
Das Leben des andern Menschen!
Die Trauer überschreite nicht
Die Frist von drei Jahren.
Dann wird das Grab
Nicht wieder neu aufgeschüttet.
Am Tage nach dem Abschluß-Opfer
Spielt man würdige Melodien
Auf der Zither,
Um den Menschen zu zeigen,
Daß die Trauerzeit ein Ende hat.

Wer für alle Verrichtungen


Beim Trauerritual
Einen Angestellten hat,
Der lässt die Dinge wortlos geschehen.
Wer selber reden muss,
Der stützt sich auf seinen Stock.
Wer sich um alles selber kümmern muss,
Der lässt in der Trauerzeit
Den Bart ungepflegt.

Nach dem Todesfall


Weint man drei Tage lang unablässig.
Drei Monate lang
Zieht man das Trauerkleid nicht aus.
Drei Jahre lang
Ist man betrübt.
So will es die Weisheit der Liebe.
Der Heilige richtet sich
Nach der Weisheit der Liebe.

Aber eine junge Frau


Aus einer rebellischen Familie
Heiratet man lieber nicht,
Weil sie sich gegen den Geist der Tugend empörte!
Eine junge Frau
Aus einer Familie, die in Unzucht lebt,
Heiratet man lieber nicht,
Weil sie die Ehe zerstört!
Eine junge Frau
Aus einer Familie von Dieben und Lügnern
Heiratet man lieber nicht,
Weil sie von der Gesellschaft verworfen ist!
Eine junge Frau
Mit einer üblen Krankheit
Heiratet man lieber nicht,
Weil sie dem Tod geweiht ist!
Die ältere Tochter eines geschiedenen Mannes
Heiratet man lieber nicht,
Weil sie in der Kindheit
Keine Mutterliebe erfahren hat!

Du sollst deine Frau nicht verstoßen,


Denn nach der Scheidung wüsste sie nicht,
Wohin sie gehen sollte.
Du sollst deine Frau nicht verstoßen,
Wenn sie mit dir durchgestanden hat
Die Trauer um deinen Vater.
Du sollst deine Frau nicht verstoßen,
Denn sie hat gemeinsam mit dir ertragen
Die Armut und Erniedrigung.

Ein großes Verbrechen ist


Die Empörung gegen Gott!
Ein großes Verbrechen ist
Die Lästerung der Heiligen und der Weisen!
Ein großes Verbrechen ist
Die Empörung gegen Ehe und Familie!
Ein großes Verbrechen ist
Die Lästerung gegen die Engel!
Ein großes Verbrechen ist
Die Tötung eines Menschenkindes!

Der Sohn
Soll beim ersten Hahnenschrei aufstehn,
Dann wäscht er sich
Und spült sein Gebiß aus
Und kämmt sich sein Haar
Und setzt seinen Hut auf.
Er zieht ein dunkles Gewand an
Und legt den Gürtel an
Und steckt sein Notizbuch in die Tasche.
Dann hängt er an seinen Gürtel
Ein Tuch zum Abwischen
Und einen kleinen Spiegel,
Ein Feuerzeug
Und ein Schreibgerät.
Dann zieht er sein Beinkleid an
Und schnürt die Schuhe.

Die Schwiegertochter
Steht beim ersten Hahnenschrei auf
Und wäscht sich
Und putzt ihre schönen Zähne,
Sie kämmt die langen schwarzen Haare
Und knüpft den Knoten ihrer Haare,
Dann steckt sie die Spange in ihren Haarknoten.
Sie zieht ihr Seidenkleidchen an
Und gürtet sich mit dem Zaubergürtel.
Am Gürtel hängt ein Tuch
Und ein Spiegel,
Nadel und Faden in einem Beutel
Und ein Duftkissen.
Dann bindet sie ihre Sandalen
Und begibt sich zum Sohn.

Der Mann spricht nicht


Über die innern Angelegenheiten,
Die Frau spricht nicht
Über die äußern Angelegenheiten.

Die inneren Räume


Und die äußeren Räume
Haben keinen gemeinsamen Brunnen,
Mann und Frau
Haben kein gemeinsames Badezimmer,
Sie schlafen nicht auf denselben Matten,
Sie tragen nicht die gleichen Kleider.

Was im Innern gesprochen wird,


Das dringe nicht nach draußen.
Was draußen gesprochen wird,
Das dringe nicht ins Innere.

Wenn der Mann den inneren Raum betritt,


So flötet er nicht,
Bei Nacht trägt er eine Kerze,
Erlischt die Kerze,
So bleibt er stille stehen.
Wenn die Frau nachts aus dem Hause geht,
Verschleiert sie sich,
Sie trägt eine Lampe,
Geht die Lampe aus,
So bleibt sie stille stehen.

Auf der Straße aber


Geht rechts der Mann
Und links die Frau.

Als die Frau im Begriff war,


Einen Sohn zu bekommen,
Zog sie sich im letzten Monat zurück
In ihr Schlafgemach.
Zweimal täglich schickte der Mann eine Botin,
Um die Frau nach ihrem Befinden zu fragen.
Wenn er selber kam,
Nach ihrem Befinden zu fragen,
So gab die Frau nicht selber Antwort,
Sondern beauftragte ihre Gesellschaftsdame,
Die sorgsam Toilette machte
Und dem Manne Antwort gab.
Wenn der Mann beim Fasten war,
So ging er nicht in das Schlafgemach der Frau.

Als der Sohn geboren war,


Da hängte man Pfeil und Bogen an die Tür.
Am dritten Tag
Bekam der Knabe Nahrung.
Zur Ehren des Sohnes
Schoß der Mann einen Pfeil in die Luft.

Man befragte das Buch,


Um den Paten zu bestimmen.
Wen das Buch genannt,
Der fastete streng
Und begab sich zum Frauengemach.
Vor der Tür zum Schlafgemach der Frau
Ward ihm der Patensohn überreicht.
Dann nahm die Amme
Den Sohn auf den Arm
Und trug ihn wieder in das Schlafgemach der Frau..
Der Wirt bewirtete dann
Den Paten mit reichlich Wein.

Dann wählt man das Kinderzimmer für den Knaben.


Man wählte unter den Damen solche aus,
Die den Knaben erziehen sollten.
In Betracht kamen solche Damen,
Die weitherzig waren,
Edelmütig und gütig,
Voll Liebe und Wahrhaftigkeit,
Vorsichtig und verschwiegen.
Eine Dame wurde Erzieherin
Und eine Dame Aufsichtsperson
Und eine Dame Pflegemutter.
Andern Leuten war der Eintritt verboten
In das Kinderzimmer des Knaben.

Im dritten Monat
Trat die Frau zum Mann
Zusammen mit ihrem Knaben.
Sie trug ein Festgewand
Wie bei der Vollmondfeier des Frühlingsäquinoktiums.
Der Mann trat durch die Tür
Und schaute in den Westen,
Die Frau sah in den Osten.
Dann sprach die Gesellschaftsdame der Frau:
Die Mutter Ai-Wei erlaubt sich,
An diesem Tage ihren Knaben
Dem Manne Shi Tuo-Tang zu zeigen.
Der Mann sprach zu der Frau:
Sei achtsam auf seine gute Erziehung.
Dann nahm der Mann
Die rechte Hand des Knaben,
Sprach lächelnd mit ihm
Und gab ihm seinen Namen:
Tom-Tom sollst du heißen.
Die Frau sprach mit charmantem Lächeln:
Wir werden immer gedenken
Deiner weisen und liebevollen Worte!
Dann kehrte die Frau zurück
In ihr inneres Gemach.

Wenn dem König


Ein Thronfolger geboren wurde,
So stand ein Fürst dem Thronfolger bei
Und lehrte ihn, morgens aufzustehen
Und sich sorgfältig anzukleiden
Und im Osten vor dem Himmel zu erscheinen.
Dann ging der Thronfolger
Von der Pforte des Hauses
Am Tempel vorüber
Mit ehrfurchtvollen Schritten.
So ist der Weg
Des pietätvollen Thronfolgers.
Als er noch ein Kind war,
Ward er so erzogen vom Fürsten.

Als der kleine König


Noch in den Windeln lag,
Da war der Herzog sein Großlehrer,
Da war der Herzog sein Großmeister.
Der Lehrer des kleinen Königs
Sorgte für seine Erziehung
Zu Tugend und Gerechtigkeit.
Der Meister des kleinen Königs
Sorgte für seine Erziehung
Zur Folgsamkeit und Pietät.

Der Herzog befestigte


Den kleinen König
In Ehrfurcht vor Gott
Und Liebe zu den Menschen.

Man hielt vom kleinen König fern


Die verkehrten Menschen,
Damit er keine bösen Taten sieht.
Darum wählte man aus den Fürsten
Den Ehrfürchtigen,
Den Gelehrten,
Den im himmlischen Weg Bewanderten,
Solche Fürsten sollten
Mit dem kleinen König zusammen sein,
Diese wohnten mit dem König zusammen
Und gingen ein und aus in seinem Haus.
Was der Thronfolger also mit Augen sah,
Waren Bilder der Wahrheit,
Der Weg, den der Thronfolger ging,
War der himmlische Weg.

Man wählte seine Lieblingsspeise aus,


Man gab ihm Reis und Zimt,
Doch eh er die Speise zu schmecken bekam,
Ward die Unterweisung vollendet,
Er musste zuerst den Himmel verehren,
Bevor er die Lieblingsspeise schmecken durfte.
Denn was in der Kindheit begründet wird,
Das wird im Leben auf Dauer ausgeübt.
Wenn der junge Kaiser
In die Schule geht,
So lernt er in den Räumen des Ostens,
Die Liebe zur Familie wertzuschätzen
Und das Verhältnis zu den Verwandten
Pietätvoll zu ordnen.
Er lernt in den Räumen des Südens,
Ehrfurcht vor den Greisen zu haben
Und auf die Worte der reifen Männer zu hören
Und als Knabe lernwillig zu sein.
Er lernt in den Räumen des Westens
Die Tugenden einzuüben,
So wird er die Weisen ehren
Und die Heiligen lieben.
Er lernt in den Räumen des Nordens,
Den Kaiserthron zu ehren
Und die Ritter und die Edeldamen,
Aber die Bauern nicht zu verachten.

Besucht der junge Kaiser dann


Die höhere Schule,
So wendet er sich an den Meister,
Den himmlischen Weg kennen zu lernen.
Sein Geist und seine Weisheit werden wachsen,
Er wird das Vernunftalter erreichen,
Dann entscheidet er sich,
Welchen Weg er gehen will.

Am lichten Schloss steht geschrieben:


Entschlossen sein zum Guten
Und das Lernen lieben,
Mehr hören als reden!
Wenn der junge Kaiser Zweifel hat,
So soll er fragen.
Wer Antwort geben kann
Und nicht in Verlegenheit kommt,
Der kennt den himmlischen Weg.
Wer den himmlischen Weg kennt,
Der heißt Guter Ratgeber.
Der Gute Ratgeber rät
Dem jungen Kaiser
Und gibt ihm weisen Ratschlag.

Wer auf der Wahrheit gründet


Und den Geist der Unterscheidung besitzt,
Wer unterstützt im Tun des Guten,
Der heißt Mann der Kraft.
Der Mann der Kraft bestärkt
Den Willen des jungen Kaisers.

Wer rein ist


Und edel in der Überwindung der Sünden
Und vor dem Bösen warnt,
Der heißt der Mahner.
Der Mahner warnt
Den jungen Kaiser vor den Sünden.

Wer erfahren ist und weitgewandert


Und reich im Gedächtnis
Und auf alles eine Antwort weiß,
Der heißt der Mann der Hilfe.
Der Mann der Hilfe
Steht dem Kaiser bei,
Wenn sein Gedächtnis versagt.

Das Schicksal der Welt ist abhängig


Von dem Sohn des Vaters Himmel.
Des Kaisers Frömmigkeit beruht darauf,
Daß er schon als Kindlein unterwiesen wurde.
Wenn sein Geist dennoch in Zweifeln befangen ist,
Soll man ihn erziehen und belehren,
Er wird dann leicht veredelt werden können.
Ihm den himmlischen Weg zu weisen
Und die Vernunft zu heiligen,
Das ist das Werk des Pädagogen.
Wenn der junge Kaiser
Sich aber jeder willkürlichen Laune hingibt
Und schlechte Angewohnheiten sammelt,
Dann wird es dem Weisen nicht mehr möglich sein,
In unmittelbarer Umgebung
Noch heilsamen Einfluss
Auf den jungen Kaiser auszuüben.

Wenn die Wurzel gesund ist,


So kommt alles in Ordnung.
Wenn man um die Breite eines Haares nur
Den rechten Weg verlässt,
So wird die Abweichung schließlich sehr groß sein.
Darum ist der Weise beim Anfang
Voller Vorsicht.

Was in der Wahrheit lebt,


Vollendet sich im Alltag.

Bei der Wahl der Ehefrau


Muß man schon an Kinder denken.
Bei der Wahl der Ehefrau
Achte man auf die Ehrfurcht und Liebe der Jungfrau.
Wenn die Ahnen gütig gewesen,
Werden auch die Kinder gütig sein.

Denn der Phönix ist von Geburt an liebevoll,


Der Wolf ist von Geburt an gierig.
Die Kinder haben ihren guten oder schlechten Ruf
Vom guten oder schlechten Ruf der Mütter.
Ach, wie voller Vorsicht muss man sein,
Daß man nicht einen Wolf großzieht,
Der einst die Welt zerstört!

Was die Erziehung im Mutterleibe betrifft,


So heißt es in den älteren Schriften:
Wenn die Königin die Leibesfrucht
Schon sieben Monde in sich trug,
So zieht sie sich in ihr Schlafgemach zurück.
Der Großschreiber hielt die Flöte in der rechten Hand.
Der Wächter bewachte die Tür der Königin.
Wenn in den folgenden Monden
Die Königin Musik zu hören wünschte,
So spielte ihr der Musikmeister die Musik vor,
Die der Heiligkeit gemäß.
Wenn die Königin Speise begehrte,
So reichte ihr der Küchenmeister
Nur gesunde Speise.
Wenn dann der Thronfolger geboren worden,
So bläst der Großmeister seine Flöte
Und spricht: Der Grundton des kleinen Königs
Passt zu dieser bestimmten Harmonie.
Der Küchenmeister aber sprach:
Dem kleinen König wird folgende Speise schmecken.
Daraufhin wählte man
Durch das Orakel
Den Namen des kleinen Königs.

Als die Königin einst


Den kleinen König in ihrem Leibe trug,
Da lehnte sie sich beim Stehen nicht an,
Da saß sie nicht ruhelos auf dem Kissen.
Wenn sie allein war,
War sie nicht stolz.
Wenn sie zornig war,
So zankte sie dennoch nicht.
Das ist Erziehung schon im Mutterleib.

HYMNE AN MEINE VEREWIGTE HERRIN


„The wine verily swelled the spleen in her girdle...“
(Kanaanäisch)

ERSTER GESANG
Daniel, der Seher,
Der Heros, der Geweihte des Donnergottes,
In Leinenkleidern dient er den Göttern
Und bringt Speise- und Trankopfer dar.
Er trug seine reinen Gewänder
Und lag in seinen reinen Gewändern
Auf dem Bett und weinte
Und versank in tiefen Schlaf.

Siehe, einen Tag und einen zweiten,


In Leinenkleidern dient er den Göttern,
Bringt im Allerheiligsten
Speise- und Trankopfer dar.
Siehe, einen dritten Tag und einen vierten,
In Leinenkleidern dient er den Göttern,
Bringt im Allerheiligsten
Speise- und Trankopfer dar.
Siehe, einen fünften Tag und einen sechsten,
In Leinenkleidern dient er den Göttern,
Bringt im Allerheiligsten
Speise- und Trankopfer dar.
Er trug seine reinen Gewänder
Und lag in seinen reinen Gewändern
Auf dem Bett und weinte
Und versank in tiefen Schlaf.
Siehe, am siebenten Tag
In Leinenkleidern
Bringt er im Allerheiligsten
Speise- und Trankopfer dar.
Da trat Baal zu seinem Vater El:

Ist es dir gleich, was aus Daniel wird,


Dem Seher, dem Heros,
Dem Geweihten des Donnergottes?
Denn er hat keinen Sohn wie seine Brüder,
Er hat keinen Erben, wie seine Sippe.
Willst du ihn nicht segnen, El Vater?
Willst du nicht Segen ausschütten über ihn,
O Schöpfer aller Geschöpfe?
Möge doch ein Sohn in seinem Hause sein,
Ein Erbe in seiner Residenz,
Daß der Sohn das Grab des Vaters pflege
Und opfere für den Geist des Vaters,
Weihrauch opfere für den Geist der Ahnen
Als den Wächtern der Orte und Geistern der Erde,
Strafen soll er die Feinde seines Vaters
Und seine Widersacher verjagen.
Er soll opfern im Tempel des Baal,
Anbeten soll er im Tempel des El.

Die Straße ist nass nach dem Regentag,


Die Kleider werden gewaschen vom Schmutz.
El nimmt seinen Becher in die Hand,
Den heiligen Becher in seine Rechte!
Er segnet Daniel, den Seher,
Er segnet seinen Knecht,
Spricht Segensworte über den Geweihten:

Ich schwöre bei meiner Seele:


Daniel, der Seher, soll leben!
Ich schwöre bei meiner Kraft:
Der geweihte Heros soll dauern!
Er und kein andrer erhebt sich von seinem Lager
Und besteigt das Bett der Liebe!
Da er die Geliebte küsst,
Zeugt er in ihrer Schönheit!
Sein Atem wird hitzig,
Wenn er sie befruchtet!
Er und kein andrer
Wird zeugen in ihrer Gebärmutter
Voller Leidenschaft,
Er wird befruchten die Herrin des Sehers!
Dann wird ein Sohn in seinem Hause sein,
Ein Erbe in seiner Residenz,
Der wird das Grab des Vaters pflegen
Und opfern den Geistern der Ahnen
Im Heiligtume, beten für die Sippe.
Er wird Weihrauch opfern für den Vater,
Er wird die Feinde seines Vaters strafen
Und seine Widersacher verjagen.
Er wird des Vaters Hand ergreifen,
Wenn er betrunken ist
Von edlem, altem, rotem Wein!

Daniels Stirne ward erleuchtet,


Seine Brauen hoben sich heiter,
Sein Antlitz strahlte vor Freude.
Er lachte fröhlich,
Er streckte seine Füße auf dem Schemel aus,
Erhob seine Stimme und sprach:

Ich sitze hier und ruhe


Und meine Seele hat Frieden im Busen.
Wie meine Brüder werde ich einen Sohn bekommen,
Einen Erben wie die ganze Sippe.
Er wird mir meinen Grabstein errichten
Von lichtem Granit
Und meiner Seele opfern
Gebete wie Weihrauch im Heiligtum.
Er wird meine Feinde strafen
Und meine Widersacher verjagen.
Wenn ich betrunken bin
Von edlem, altem, rotem Wein,
Dann fast der Sohn des Vaters Hand
Und führt mich, wenn ich taumle.
Er wird für mich beten im Tempel des Baal,
Er wird für mich opfern im Tempel des El.

Die Straße ist nass nach einem Regentag,


Die Kleider werden gewaschen vom Schmutz.
Daniel kam nach Hause,
Daniel ruhte in seiner Wohnung.
Die heiligen Huren kamen in sein Haus,
Die strahlenden Töchter der Mondin.

Daniel, der Seher,


Der Heros, der Geweihte des Donnergottes,
Schlachtete ein Kalb für die heiligen Huren
Und machte ein Mahl für die heiligen Huren.
Er schenkte Wein in die Becher
Für die strahlenden Töchter der Mondin.

Siehe, einen Tag und einen zweiten,


Er machte ein Mahl für die heiligen Huren,
Er schenkte Wein in die Becher
Für die strahlenden Töchter der Mondin.
Ein dritter Tag, ein vierter Tag verging,
Er machte ein Mahl für die heiligen Huren,
Er schenkte Wein in die Becher
Für die strahlenden Töchter der Mondin.
Ein fünfter Tag, ein sechster Tag verging,
Er machte ein Mahl für die heiligen Huren,
Er schenkte Wein in die Becher
Für die strahlenden Töchter der Mondin.
Siehe, am siebenten Tag
Verließen die heiligen Huren sein Haus,
Die strahlenden Töchter der Mondin nahmen Abschied,
Die geliebten und lieblichen Wärterinnen des Bettes,
Die Genossinnen, schöne Wärterinnen des Bettes.
Daniel setzte sich nieder
Und biss sich auf die Zunge.

Ein Mond, zwei Monde vergingen,


Drei Monde, vier Monde,
Im neunten Mond geschah es:
Ein Kind ist uns erschienen,
Ein Sohn ist uns geboren!
Ich werde einen Bogen spannen
Und Pfeile im Köcher haben.

Am siebenten Tag geschah es,


Daß der Seher Daniel,
Der Heros, der Geweihte des Donnergottes,
Seinen Sessel einnahm
Im Tor der Volksgemeinde,
Im Kreis der Ältesten der Gemeinde,
Und Richter war der Witwen
Und sich sorgte um die Waisenkinder!
Da erhub er sein Antlitz
Und siehe, er sah:

Tausend Engel sah er,


Zehntausend himmlische Heeresscharen!
Da sah er unten den Engeln
Das heilige Kind, den lieben Sohn!
Ich werde einen Bogen spannen
Und Pfeile im Köcher haben.
Und Daniel, der Seher,
Der Heros, der Geweihte des Donnergottes,
Sprach zu seiner schönen Geliebten:

Höre, Herrin Danty!


Nimm ein Lamm von der Herde
Und bereite es für die Tafel
Des heiligen Kindes, des lieben Sohnes.
Lecker bereite es zu
Für den großen Appetit
Des Sehers, des Künstlers.
Bereite das Speiseopfer
Und das Trankopfer für die Götter!
Ehre Gott mit diesem Gottesdienst,
Denn El ist der Herr des Weltalls,
Der Gott der ganzen Erde!

Herrin Danty hörte auf den Seher.


Sie nahm ein Lamm von der Herde
Und bereitete für die Tafel das Lamm
Dem heiligen Kind, dem lieben Sohn,
Lecker bereitete sie es zu
Für den großen Appetit
Des Sehers, des Künstlers.

Jetzt kam der Sohn zur Tafel,


Koschar-Hasis, der Sohn
Des Sehers Daniel
Und der Herrin Danty.
Auf die Schenkel Daniels
Legte er Pfeil und Bogen,
Auf Daniels Schoß den Köcher.

Und die schöne Herrin Danty


Bereitete das Mahl für Gott,
Brot und blutroten Wein für Gott,
Denn El ist der Herr des Weltalls,
Der Gott der ganzen Erde!

Koschar-Hasis ging in sein Zelt,


Der Sohn des Künstlers
Ging in sein Ruhebett.

Daniel, der Seher, der Heros,


Nahm Pfeil und Bogen
Und spannte den Bogen
Und legte den Pfeil an die Sehne
Und schaute übers Land
Und sprach zu seinem Sohn:
Siehe, mein lieber Sohn,
Dies ist der Beginn
Deiner Karriere als großer Jäger vor dem Herrn!
Nimm nun Pfeil und Bogen
Und jage das keusche Damwild!

Daniel grüßte seine Gäste.


Daniel grüßet vor allem die Göttin Anath!

Esst Fleisch, ja, speist das Fleisch,


Trinkt vom Schaumwein, Genossen!
Sauge an den prallen Brüsten, Säugling!
Nuckel an den Zitzen des Weibes!
Sie zechten Wein aus großen Bechern,
Apfelsaft aus weiten Bechern,
Sie tranken Unmaßen Wein,
Becher über Becher!
Wahrlich, Anath lehrte den Becher,
Trank den Wein aus dem Becher,
Der Rotwein stieg ihr zu Kopfe!
Der Rauschtrank löste ihren Gürtel!

Anaths Haut war transparent wie Eis!


Ihre Augen blickten wie Blitze!
Sie war wie ein rauschendes Meer,
Wie eine brausende Brandung!
Sie sah den straffen Bogen
Und schaute den spitzen Pfeil.
Ihre Augen schauten
Wie die Augen einer Schlange!
Ihr Becher fiel ihr aus der Hand,
Ihr Becher fiel ihr auf den Grund.
Sie hob die Stimme und sprach:

Höre, mein lieber Sohn!


Bitte mich um Silber, ich geb es dir,
Bitte mich um Gold, ich schenk es dir.
Aber weihe deinen straffen Bogen
Der göttlichen Jungfrau Anath!
Aber weihe deinen spitzen Pfeil
Der göttlichen Jungfrau Anath!

Da sprach der liebe Sohn


Des Sehers Daniel und der Herrin Danty:
Nimm das feinste Almuggimholz
Vom Gebirge Libanon,
Die Kraft des Hornes des Wildstiers,
Das längste Horn der Antilope,
Das beste Schilf vom großen Teich,
Die Hoden eines Bullen!
Gib das alles Koschar-Hasis
Und er wird seinen straffen Bogen
Weihen der göttlichen Jungfrau Anath
Und er wird seinen spitzen Pfeil
Weihen der göttlichen Jungfrau Anath!

Antwort gab ihm die Jungfrau Anath:


Bitte um Leben, um langes Leben für immer,
Bitte mich um das ewige Leben, mein Sohn!
Unsterblichkeit, ich geb sie dir,
Ewigkeit, ich schenk sie dir!
Du wirst wandeln auf Erden mit Baal,
Du wirst leben dein Leben mit Göttern!
Wer lebt wie Baal lebt,
Das Leben selbst wird ihm dienen
Und er wird essen das Leben
Und er wird trinken das ewige Leben!
Er wird gefeiert in Gedichten,
Er wird gefeiert in Epen,
Er wird gefeiert in Liebesliedern,
Er wird gefeiert im Theater.
Dies will ich dir geben, mein Sohn,
Mein geliebter Heros Koschar-Hasis!

Da sprach der Heros Koschar-Hasis:


Erzähl mir keine Märchen, o Jungfrau,
Denn für einen Heros wie mich
Sind deine Märchen wie Dornen der Röschen:
Ein spitzer scharfer Dorn in meinem Herzen!
Was wird nach dem Tode sein?
Was nimmt ein Mensch mit ins Jenseits?
Ein Schweißtuch wird mein Antlitz bedecken,
Ein Leinentuch wird meinen Leib bedecken.
Ich werde wie alle Menschen sterben,
Wahrlich, alle Menschen müssen sterben.
Mit deiner Erlaubnis, Herrin,
Will ich noch einmal reden:
Pfeil und Bogen ist die Waffe
Eines Kriegers auf Erden,
Aber ist die Jagd denn Frauensache?

Die Göttin Anath lächelte,


Innerlich aber war sie zornig!
Wohlan, nimm Abschied von mir,
Mein Heros Koschar-Hasis,
Nimm Abschied von mir und geh,
Du törichter Knabe!
Ich seh dich auf dem Weg der Arroganz,
Ich seh dich auf der Straße des Stolzes.
Ich zertrete dich mit meinen bloßen Füßen,
Du Weisester aller Menschensöhne!
Sie sprang auf ihre Füße
Und ließ den Boden erbeben.

Anath eilte zum Gotte El


Über den Jordan
Und der Unterwelt Flussbett.
Sie sah die Wohnungen Gottes,
Sie erreichte den Thronsaal Gottes,
Des Vaters der Götterthrone.
Sie kniete vor El
Und erwies dem Herrn die Reverenz.
Sie wollte demütigen Koschar-Hasis,
Den Liebling des Sehers Daniel.
Da sprach die Jungfrau Anath,
Sie erhob ihre Stimme
Und sprach in grimmigem Zorn:
Niederwerfen will ich den Heros!

Die Jungfrau Anath sprach zum Gotte El:


In der Höhe deines Hauses, El,
In deinem Hause spiele nicht,
Spiele nicht in der lieblichen Wohnung!
Ich stürze dir die Krone vom Haupt,
Dein schneeweißes Haupthaar
Werde ich beschmieren mit Blut!
Dein schneeweißes Barthaar
Werde ich bespucken mit Speichel!
Rufe doch den Knaben zu Hilfe,
Den Liebling des Sehers Daniel,
Er möge dich retten
Vor dem Zorn der Göttin Anath!

Da sprach der gnädige Gott:


Ich weiß, o meine Tochter,
Daß du hart sein kannst wie ein Mann!
Ich weiß, dass keine von den Göttinnen allen
So ein zorniges Temperament hat wie du!
Aber laß die Erregung dein Herz verlassen,
Laß ab vom Zorn in deinen Brüsten!
Er, der dich ärgert,
Wird niedergeworfen werden.

Die Jungfrau Anath ging fort von El


Und kam zum Heros Koschar-Hasis,
Tausend, zehntausend Meilen entfernt.
Die Jungfrau Anath lächelte,
Sie erhob ihre Stimme und sprach:
Höre, Heros Koschar-Hasis,
Du bist mein Bruder,
Ich bin deine Schwester-Braut!
Ich liebe die Fülle deiner Passion!
Ich liebe die Fülle deiner Milch in den Oliven!
Du hast Hoden wie der Wildstier!
Du hast eine Potenz wie der allmächtige El!
Ich bin jetzt eine Hure für dich!
Ich bin jetzt deine Geliebte!
Geh an meiner Seite, geliebter Mann!
Höre, glückseliger Mann,
Öffne deine Ohren, Geliebter,
Ich lehre dich die Jagd.
Ich treffe dich bei der Burg von Abitim.
Abitim ist die Burg Seiner Majestät.
Dort steht ein starker Turm,
Ein Fluß strömt zur Rechten des Turmes.

Ah! Und ihre Nacktheit (...)

Und die Göttin Anath ging wieder fort.


Sie ging zu Ytipin, dem Krieger.
Da erhob sie ihre Stimme und sprach:
Geh, Ytipin, du Krieger,
Geh nach Abitim, der Burg des Mondes.
Wenn Neumond ist,
Wenn das Horn des Mondes glüht,
Wenn das Horn des Mondes aufstrahlt,
Dann erscheint das Licht
Auf der Stirn des Gottes des Mondes.
Der Heros Koschar-Hasis wird kommen
Zur Burg Abitim, der Burg des Mondes.
Er wird Pfeil und Bogen in Händen halten,
Einen scharfen Pfeil in seiner Rechten!
Ich werde ihn schlagen
Wegen seines scharfen Pfeiles,
Ich werde ihn niederschlagen
Wegen seines straffen Bogens,
Ich werde zerschmettern
Den sanften Heros,
Sein Pfeil wird zerbrochen von mir!

Da sprach Ytipin, der Krieger:


Du wirst ihn schlagen
Wegen seines scharfen Pfeiles,
Du wirst ihn niederschlagen
Wegen seines straffen Bogens,
Du wirst den Pfeil zerbrechen
Dem sanften Heros!
Und Yitipin bereitete ein Mahl
Von Fleisch in seinem Zelt
Und reichte den Becher voll Wein.
Da sprach die Jungfrau Anath:
Sitze nieder, Ytipin, sei still!
Ich werde dich wie einen Falken
In meinen Gürtel stecken!
Ich werde dich wie einen Milan
In mein Röckchen stecken!
Der sanfte Heros wird essen,
Der Liebling des Sehers Daniel.
Über ihm werden Geier fliegen,
Eine Heerschar von Geiern,
Mitten unter den Geiern
Werde ich schweben!
Ich schlag ihm zweimal auf den Kopf,
Ich schlag ihm dreimal an das Ohr,
Ich verschütte sein Blut wie Wasser
Und opfere ihn wie ein Opferlamm!
Seine Seele verschwinde wie ein Hauch,
Seine Kraft verwelke wie die Krokusblume,
Rauch steige auf von seiner Nase,
Wenn sein Leichnam zu Staub zerfällt,
Dann werde ich triumphieren!

Und die Göttin Anath nahm Ytipin


Und steckte ihn wie einen Falken
In ihren Gürtel
Und steckte ihn wie einen Milan
In ihr Röckchen!
Der sanfte Heros aber speiste,
Der Liebling des Sehers Daniel.

Geier werden über ihm fliegen,


Eine Heerschar von Geiern,
Unter den Geiern fliegt Anath.
Sie wird ihn zweimal schlagen an den Kopf,
Sie wird ihn dreimal schlagen an das Ohr,
Sie wird sein Blut verschütten wie Wasser,
Sie wird ihn opfern wie ein Opferlamm,
Seine Seele wird verschwinden wie ein Hauch,
Seine Kraft verwelken wie die Krokusblume,
Rauch steigt auf von seiner Nase.

Anath sah, wie der Heros starb!


Da beweinte sie ihn
Wie eine Mutter ihren einzigen Säugling!
Traurig bin ich wegen deines Bogens,
Traurig bin ich wegen deines Pfeiles.
Du lebtest nicht lange genug!
Du wurdest gepflückt wie ein Blümchen,
Die Blätter sind vom Baum gefallen.

Die Jungfrau Anath eilte,


Sie versank in tiefem Wasser.
Sein Bogen hing an ihrer Hüfte,
Der Bogen zerbrach.
Wie eine zerbrochene Leier
War der Ruhm des Heros Koschar-Hasis.
Die Jungfrau Anath kehrte heim
Auf ihren heiligen Berg.

Sie bestieg den Berg wie eine Gemse!


Ihre Hände strahlten wie Blitze!
Ihre Füße glühten wie Feuerflammen!
Sie legte Gummi in seinen Mund!
Sie setzte ihm eine Krone auf
In Übereinstimmung mit den Erdgöttern
Und gemäß der Weisung der Todesgötter.
Von seines Grabes Loch
Ging der Heros Koschar-Hasis
Zum Herzen der dunklen Nacht...

Ah weh, der Heros ist gestorben!

ZWEITER GESANG

Der Gott, der sich selbst erzeugte,


Re erstrahlte,
Als er sein Königtum angetreten,
Da Götter und Menschen vereinigt waren.
Da sannen die Menschen
Einen Anschlag auf Re,
Weil die göttliche Majestät
Alt geworden war,
Die Knochen zu Silber geworden,
Die Glieder zu Gold,
Das Haar zu Lapislazuli.

Aber die göttliche Majestät


Durchschaute den Plan der Menschen,
Da sprach er zu denen in seinem Gefolge:

Ruft mein Auge zu mir


Und Schu und Tefnut
Und Geb und Nut
Und die Väter und die Mütter,
Die bei mir waren,
Als ich mich im Urmeer befand!
Ruft Nun, er soll seine Jünger mit sich bringen,
Aber heimlich,
Daß die Menschen sie nicht sehen
Und ihre Herzen nicht erschrecken.
Kommt mit Nun zum Palast,
Damit ich ihm und seinen Jüngern
Einen guten Ratschlag geben kann
Im Urgewässer,
Wo ich entstanden bin.

Man holte also die Götter


Und die Götter stellten sich an seiner Seite auf
Und berührten die Erde
Vor der göttlichen Majestät,
Er möge darlegen seine Probleme
In Gegenwart des alten Vaters,
Der die Menschen geschaffen,
Dem König des Volkes.

Die Götter sprachen


Vor dem Antlitz der göttlichen Majestät:
Rede, Herr, wir hören!

Re sprach zu Nun:
Alter Gott, aus dem ich gezeugt bin,
Und ihr Götter und ihr Ahnen!
Die Menschen, aus meinen Augen entstanden,
Planen einen Anschlag auf mich.
Was werdet ihr dagegen tun?
Ich kann die Menschen nicht vernichten,
Bis ich euren Ratschlag gehört.

Nuns göttliche Majestät sprach:


Mein lieber Sohn, o Re,
Du Gott, der du größer bist
Als der Gott, der dich gezeugt,
Gott, der du älter bist
Als die Götter, die dich erschaffen,
Nimm deine Stelle wieder ein!
Groß ist die Furcht vor dir,
Wenn sich dein Auge wendet
Gegen die Menschen, die Böses planen.

Die göttliche Majestät des Re sprach:


Sie sind in die Wüste geflohen,
Denn ihre Herzen sind voller Angst vor mir.
Die Götter aber sprachen
Vor dem Antlitz der göttlichen Majestät:
Lass dein Auge wandern
Und stelle die Menschen bloß,
Die Übeltäter und Bösewichter,
Die sich gegen dich verschworen haben.
Es gibt kein Auge,
Das deinem Auge überlegen wäre,
Die Feinde zu schlagen!
Lass dein Auge vom Himmel kommen
Als Göttin Hathor!
Die Göttin kam zurück,
Nachdem sie in der Wüste
Die feindlichen Menschen vernichtet.
Da sprach die göttliche Majestät des Re:
Heil Hathor! Friede sei mit dir!
Du hast dem Schöpfer geholfen,
Als ich dich um Hilfe bat!

Da sprach die Göttin Hathor:


So wahr der Herr lebt!
Als ich die Feinde vernichtet,
War es süß meinem Herzen.
Die göttliche Majestät des Re
Sprach zur Göttin Hathor:
Ich werde herrschen über die Menschen.
So entstand die Göttin Sachmet,
Der rote Wein der Nacht,
Die die Füße badete
Im roten Blut der Feinde.

Re sprach: Ruft die Boten,


Ruft die eilenden Boten,
Schnell wie der Schatten des Körpers!
Die Boten kamen,
Und die göttliche Majestät
Sprach: Geht nach Elephantine
Und bringt mir rote Erde!
Ihm wurde rote Erde gebracht.

Und die göttliche Majestät gebot,


Daß der Gelockte die rote Erde zerrieb.
Die Dienerinnen machten Wein.
Sie mischten zum Wein die rote Erde,
Da sah es aus wie Blut.
Siebentausend Becher voll Blut!
Da kam die göttliche Majestät
Mit allen Göttern,
Den Wein zu betrachten.
Da brach der Tag an,
An dem die Götter
Die bösen Menschen vernichten sollten.

Und die göttliche Majestät sprach:


Wie schön sind doch die Menschen!
Ich will die Menschen schützen
Vor dem Zorn der Göttin!
Bringe doch die Menschen an den Ort
Im heißen Süden,
Wo sie die zornige Göttin vernichten wollte.
Früh stand auf der Sonnengott,
Den Schlummertrunk goss er aus,
Da ward die Erde bedeckt
Vom blutigen Wein des Gottes.

Die Göttin in der Morgenröte


Sah die Überschwemmung der Erde,
Sie trank vom roten Wein,
Da glühte ihr Antlitz vor Schönheit!
Lustig ward ihr im Herzen zumute!
Betrunken war die Göttin
Und konnte die Menschen nicht mehr erkennen.

Da sagte Re zur Göttin:


Friede sei mit dir, Geliebte,
Sei willkommen, liebliche Schönheit!

Da sagte Re zur Göttin:


Schlummertrunk für die Menschen
Bereite man an den jährlichen Festen,
Und meine Dienerinnen
Sollen sich sorgen um den Schlummertrunk.
So ward der Schlummertrunk bereitet
Von den Dienerinnen
Am Tag des Festes der Göttin Hathor,
Für alle Menschen,
Vom erste Tag an.

Da sagte Re zur Göttin:


Pein ist in der schmerzhaften Feuersglut!
Da verging eine Zeit der Pein.

Der Gott sprach: So wahr ich lebe!


Mein Herz ist es müde,
Bei den Menschen zu sein!
Ich will sie alle vernichten!
Groß ist meine Macht!
Aber die Götter sprachen zu ihrem Herrn:
Zieh dich nicht zurück in deiner Müdigkeit,
Denn wirkungsvoll sind deine Wünsche.
Re sprach zum alten Vater Nun:
Mein Körper ist zum ersten Mal kraftlos,
Ich will nicht zurück zu den Menschen,
Denn sie greifen mich an.

Die göttliche Majestät des alten Vaters sprach:


Mein lieber Sohn,
Dein Auge diene dem Vater als Schutz!
Nut, meine Tochter,
Nimm ihn auf deinen Rücken!

Da sagte Nut, die Tochter Gottes:


Wie meinst du das, mein Vater?
Da sagte der Vater Nun:
Nicht weigre dich, Nut!
Da verwandelte sich die Göttin
In eine himmlische Kuh
Und Re bestieg ihren Rücken!

Die Menschen kehrten wieder


Und sahen Re auf dem Rücken der himmlischen Kuh!
Da sagten die guten Menschen zum Gott:
Die bösen Menschen haben sich empört
Und einen Anschlag ersonnen
Gegen ihren Schöpfergott.
Komm zu uns, Herr,
Und hilf, dass wir die Feinde stürzen!
Re ging in seinen Palast,
Er ritt auf dem Rücken der Kuh!
Re ging nicht mit den Menschen,
Die Welt lag in großer Finsternis.

Als am frühen Morgen


Die Erde wieder erleuchtet wurde,
Da waren die guten Menschen ausgezogen
Mit Pfeil und Bogen,
Zu kämpfen gegen die Bösen.
Da sprach die göttliche Majestät:
Böses habt ihr getan, ihr bösen Menschen,
Ihr habt das Blut von Menschenkindern vergossen!
Ferne bleibe das Morden von Menschenkindern!

Und Re sprach zur Göttin:


Ich bin auf deinem Rücken
Und bin erhöht!
Da sagte die Göttin zu Re:
Wie meinst du das?
Da verwandelte sich die Göttin
In die Bewohner des Himmels!

Der Gott sprach aber zu Nut:


Komm zu mir, Geliebte!
Sei mir nah und schau mich an!
Da verwandelte sich die Göttin
In den Himmel der Liebe!
Da tat der Gott einen Blick
In das Innerste der geliebten Göttin.
Da seufzte sie: Gott, gib mir Samen!
Da entstanden die Welten.

Die göttliche Majestät


Voll Heil und Leben sagte:
Friedlich ist das Gefilde des Himmels!
Da entstanden die schönen Gefilde
Der Seligen in den Himmeln
Und die Opfergärten auf Erden.
Und Gott sprach:
Ich will Kräuter wachsen lassen!
Da entstand das Schilf am Teich.
Und Gott sprach:
Ich will den Kosmos schmücken!
So entstanden die himmlischen Bewohner der Sterne.

Und es sprach die göttliche Majestät:


Mein Sohn, lieg unter der Göttin!
Leben sollen in der Dämmerung
Die Myriaden Götter!
Nimm die Götter auf deine Arme, mein Sohn,
Auf dass die Götter leben!
So entstand die Sitte,
Daß man den Söhnen eine Amme gibt!
So entstand die Sitte,
Daß ein lieber Vater seine Herzenssöhne umarmt!

Diese Verse soll man singen


Vor dem Bild der himmlischen Kuh:
Die kleinen Götter sind vor ihr,
Die kleinen Götter sind neben ihr,
Eine Neunheit von Sternen auf ihrem Leib,
Ein Schwanz zwischen ihren Beinen!

Schu ist unter ihrem Bauch,


Seine Arme umfassen die Sterne ihres Leibes,
Sein Name ist zwischen ihre Sterne versetzt,
Schu selbst ist unter die Sterne versetzt.

Der Kahn des Gottes


Und der Schrein des Gottes
Sind auf ihrem Körper abgebildet
Und Gott selbst, die göttliche Sonne,
Und Schu berührt sie mit seiner rechten Hand.
Ihr Euter
Ist zwischen den Beinen,
Ihr Euter ist bemalt
Und auf dem Euter steht geschrieben:
Ich bin der Ich-Bin - - -

Auf dem Kahn des Gottes steht geschrieben:


Werde nicht müde, mein Sohn,
Du hast doch das ewige Leben!
O Vater, ich bin ja dein Sohn,
Und Heil und ewiges Leben
Möge an jener deiner erhabenen Nase sein!

Auf dem rechten Auge des Schu


Geschrieben steht:
Die Menschenkinder hüte!
Auf der Flanke des Schu
Geschrieben steht:
O Göttin der Wahrheit, o Maat!
Auf der Unterseite des Armes
Geschrieben steht:
Geheimnisse sind versiegelt!
Auf seinem Haupt
Geschrieben steht,
Dem Haupt, das unter ihrem Euter
Und zwischen ihren Beinen ist:
Der Ausgang ist der Eingang!
Über dem Gott und der himmlischen Kuh
Geschrieben steht
Auf seinem Haupt und ihren Schenkeln:
Die Gottheit ist im Jenseits!
Jubel wird angestimmt,
Wenn die Seele ins Jenseitsgefilde einzieht!
Was über den Stirnen geschrieben steht
Des Gottes und der himmlischen Kuh:
Gott ist die Achse des Kosmos!

Re sprach zu Thot, dem Gott der Weisheit:


Rufe mir Geb, den Erdgott,
Mit diesen Worten: Komm, komm!
Und der Erdgott kam.
Da sprach die göttliche Majestät:
Hüte dich wegen deiner Schlange!
Sie steckt in dir!
Siehe, ich fürchte mich vor der Schlange!
Thot, du kennst ihre magische Macht!

Eile auch du an den Ort,


Wo der alte Vater weilt,
Und sage dem alten Vater:
Bewache die Schlange im Wasser!
Bewache die Schlange im Garten!
Setze ein Schreiben auf
Und schick das Schreiben an den Ort,
Wo deine Schlange lebt, und sage:
Treib nicht dein Spiel mit mir!

Die Schlange weiß, dass ich lebe,


Doch leuchte ich auch für die Schlange.
Was euren Bedarf angeht,
Ich kümmre mich um euch
Auf Erden bis zum letzten Tag.
Hüte dich vor der Magie,
Vor den magischen Sprüchen,
Magie ist in den magischen Sprüchen,
Doch der, der sich die Schlange einverleibt,
Bin ich!

Ich übergebe die Macht meinem Sohn Osiris,


Der die Jüngsten hütet
Und die Wünsche der Alten erfüllt.
Gib die magischen Sprüche,
Die du mit deiner Magie gemacht,
Der ganzen Welt,
Die Magie in deinem Leib!

Da sprach die göttliche Majestät:


Rufe doch den Gott der Weisheit an!
Thot kam herbei.
Da sagte die göttliche Majestät zu dem Gott der Weisheit:

Ich bin da - - -
Ich wohne im Himmel!
Ich kleide mich in Licht und Glanz!
Ich bin das Leben im Totenreich
Und auf der Insel der Seligen!
Schreibe! Wir bringen jene zur Ruhe,
Die jetzt im Jenseits ist,
Die ich geschaffen habe,
Die sich empörte auf Erden
Und jenem Geist der Rebellion gefolgt ist.

Du aber sei an meiner Stelle


Stellvertreter Gottes!
Man soll dich nennen Gott der Weisheit,
Stellvertreter der göttlichen Majestät!
Du sollst Boten schicken,
Die mächtiger sind als du.
So entstand der Ibis des Thot.

Strecke deine Hand aus


In Gegenwart uralter Götter,
Die größer sind als du,
Und deine Angelegenheiten
Stehen gut, wenn du so tust.
So entstand der Ibis des Thot.
Ich werde den Himmel umfangen
Mit meinem vollkommenen Licht.
So entstand der Mond des Thot.
Ich werde die Feinde verjagen!
So entstand der Affe des Thot.
Du bist mein Fürst,
Mein Stellvertreter auf Erden!
Das Herz der Menschen,
Die dich erblicken, soll geöffnet werden!
Alles, was ich geschaffen habe,
Ist voll Dankbarkeit für dich.

O Mensch, sprich diese Verse,


Nachdem du gesalbt worden bist,
Nachdem du Weihrauch geräuchert hast.
Deine Stirn ist mit Myrrhe gesalbt
Und Myrrhe tropft von deiner Hand,
Die Lippen fließen über von Myrrhe!

Deine Kleidung sei von weißem Linnen,


Nachdem du dich gereinigt im Bad,
Zieh an die Füße neue Sandalen,
Ein Zeichen der Göttin der Wahrheit
Sei allzeit auf deiner Zunge!

Wenn es der Wunsch des Gottes der Weisheit ist,


Diese Verse vor Gott zu lesen,
Dann sollst du dich reinigen
Und auch die Diener der Menschen
Sollen sich reinigen in dem Bad.

Wer diese Verse liest,


Soll das heilige Bild betrachten,
Wie es zu sehen im heiligen Buch.
Dann wirst du dein Leben verbringen
In Gemeinschaft mit der Schönheit,
Von vielen Menschenkindern gesegnet.
Deine Augäpfel werden dir gehören,
Deine Glieder werden erquickt,
Deine Schritte werden nicht gleiten.
Die Menschen werden über dich sagen:
Er ist wie Gott am Tag der Auferstehung!
Dein Eigentum wird nicht vermindert,
Deine Pforte wird nicht verschlossen.
Diese Verse sind Verse des Heils,
Erprobt seit zehntausend Jahren.

Der alte Gott umarmte den Gott


Und sprach zu den Göttern des Ostens:
Gebt Lobpreis dem alten Gott,
Durch den alles entstanden ist!
Ich bins, der den Himmel geschaffen
Und die Seelen der Götter
In den Himmel versetzt,
Ich bin bei euch bis ans Ende der Zeit.
Magie ist meine Seele,
Sie ist älter als ich.
Die Seele des Schu ist der Äther,
Die Seele der Zeit ist der Regen,
Die Seele des Dunkels ist die Nacht,
Die Seele des Nun ist das Urgewässer,
Die Seele des Osiris ist das Horn des Mondes,
Die Seele jeden Gottes ist die Schlange,
Die Seele der Sonne erleuchtet die Welt.

Der Mensch soll sprechen


Und sich schützen durch Magie:
Ich bin die reine Magie,
Die im Munde Gottes ist.
Ihr Geister, bleibt mir fern,
Denn ich bin Gott, das Licht.

Dann sollst du sprechen


Am Abend, wenn es dunkel wird:
Fluch deinem Antlitz, Feind Gottes!
Ich bin die Seele Gottes, seine Magie!

O Gott der Ewigkeit,


Der du die Zeit erschaffen,
Der du die Jahre der Götter vergehen lässt,
Vater Gottes, der du den Gott gezeugt,
Mögen die Götter dich lieben!

Magier, der du rein bist,


Forme eine Frau, die im Süden lebt,
Forme eine Göttin, die in der Mitte glüht,
Dazu den Schlangengott,
Der seinen Schwanz in sein Maul nimmt,
Laß ihre Hand auf seinem Körper sein,
Laß seinen Schwanz in der Höhle der Erde sein.

Der Gott der Weisheit wird ihm verleihen,


Daß die Ehre des Himmels auf ihm ruht.
Schu streckt ihm seine Arme entgegen,
So dass er gerettet wird
Vor den alten Göttern des Ostens,
Die Himmel und Erde hüten
Mit immerwährendem Geheimnis.
Er ist groß, wenn er aufsteigt,
Das Urgewässer zu schauen.

Ein Priester soll es rezitieren


Am dreizehnten Tag jedes Monats.
Wer diese Verse rezitiert,
Der bleibt leben auch im Totenreich.
Größer ist die Ehrfurcht vor Gott
Als vor den Menschen dieser Welt.
Wenn sie Gottes Namen aussprechen
Und Gottes Name ist Ewigkeit,
Dann sollen sie sagen: Sie ist Gottheit!
Dann sollen sie sagen: Die Gottheit
Hat uns auf diesem Weg erreicht.

Ich kenne den Namen Gottes


Und kenne Gottes Angesicht.
Ich bin ein Mann, der einen Talisman
Trägt um den Hals zur Nacht.
Ich bin Gott in seiner Neunheit.
Meine Schüler sind Magier.
Ich bin heil und ziehe vorüber,
Ich bin die Flamme, die Seele des Feuers.
Für mich gibt’s keine Feinde
Unter den Verdammten der Erde
Und in der ganzen Welt.

Zu sprechen vor diesen Geistern,


Die fortgegangen sind:
Laß die Götter wissen,
Die ihr Antlitz in ihren Händen bergen,
Daß sie die Seele passieren lassen,
Damit sie zur Flamme im Himmel wird!

Jeder tüchtige Dichter,


Der Gottes Worte kennt
Und sie in seinem Munde trägt,
Der wird ausgehn und eingehn im Himmel.
Die Bewohner des Abends
Halten ihn nicht auf.
Ihm mangelt nicht Trank des Mundes!
Sein Kopf ist kein Kuchen, den man essen kann.
Er beugt sich nicht vor dem Gerichtshof,
Sondern schreitet an der Spitze der Verklärten
Zusammen mit allen, die die Sprüche kennen.
Untaten lässt er nicht gelten auf Erden,
Er wird versorgt von Gott
Und keiner kann ihm Fallen stellen.

Wenn ihr diese Verse


Irgendeiner Hoheit gebt
Und irgendeinem Seligen,
Dann wird er sorgen für die Menschenkinder,
Die kein Brot zu essen haben.
Er wird den Hut nicht abnehmen
Vor den älteren Geistern,
Sondern sie werden ihn schauen
Wie eine Frühlingsblume.

Es spricht die verherrlichte Mutter:


Komm, mein Sohn, den ich liebe,
König M, mein Heiliger!
Komm, dass du zusammen bist mit deinem Vater
Als einer der Götter.
Die Götter sind im Gefolge deines Vaters
Zur Seite deiner Mutter.

König T ist lebendig!


Er stirbt nicht den zweiten Tod,
Er lebt, auch wenn er stirbt!

Im Namen aller Götter:


Gott ist König aller Welt,
Gott ist König in Ewigkeit!
Gott führt dich zum ewigen Leben,
Gott gibt dir Atem,
Gott gibt dir das Reinigungsbad
Und Gott gibt dir das Opfer in Ewigkeit!

DRITTER GESANG

Wie herrlich ist diese schöne Seele


Für den Torwächter des Horizonts!
Öffnet der Göttin ANNA,
Bereitet ihr den Weg,
Daß sie vorüberziehe,
Denn sie ist vergöttlicht!
Öffnet ihr den geheimnisvollen Platz
Und habt Ehrfurcht vor ihr,
Die ihr mit ihr sprecht.
Singt Lobpreis der Göttin ANNA,
Denn sie ist auferstanden!

Dessen Gesicht zur Erde hängt,


So ist der Name des Wächters der ersten Pforte,
Der Verhörende hütet die erste Pforte,
Der mit der klagenden Stimme
Meldet ANNA bei der ersten Pforte an.

Der die Brust entgegenstreckt,


So ist der Name des Wächters der zweiten Pforte,
Dessen Antlitz aufstrahlt, der hütet die Pforte,
Der Glühende meldet an die Göttin ANNA.

Der das Fleisch speist,


So ist der Name des Wächters der dritten Pforte,
Der Wachsame hütet die dritte Pforte,
Der Segnende meldet an die Göttin ANNA.

Der Sohn des Vaters


Ist der Wächter der vierten Pforte,
Der mit dem raschen Herzen, der hütet die Pforte,
Der mit der Großmut im Antlitz,
Der meldet ANNA bei der vierten Pforte an.

Der vom Brote lebt,


Der ist der Wächter der fünften Pforte,
Der Feurige hütet die Pforte,
Der Rasende meldet an die Göttin ANNA.

Der mit deutlicher Stimme spricht,


Der ist der Wächter der sechsten Pforte,
Der die Flamme vom Altare nimmt,
Der hütet die sechste Pforte,
Der mit den scharfen Augen,
Die meldet die Göttin ANNA an der sechsten Pforte an.

Der Schärfste von allen,


Der ist der Wächter der siebenten Pforte,
Der mit der schönen Stimme,
Der hütet die siebente Pforte,
Der Schützende meldet die Göttin an.

O ihr sieben Pforten


Und ihr, die ihr steht in den sieben Pforten
Und dient der Göttin ANNA,
Die ihr den Zustand der Länder meldet
Der Göttin ANNA an jedem Tag,
Die Göttin ANNA, sie kennt euch,
Kennt jeden bei seinem Namen.
Die Göttin ANNA ist neugeboren,
Verklärtheit ist ihr verliehen
Vom Herrn des Himmels
Und ihre Würde ist ihre Reinheit.
Die Göttin ANNA empfängt
Die andern Toten im Himmel
Und lebt im Kreis der andern Götter,
Die Göttin ANNA regiert
Den Hofstaat der Göttinnen und Götter,
Die Göttin ANNA ist jetzt eine von ihnen.

Die Göttin ANNA ist eine Verklärte,


Herrin der Verklärten,
Die Göttin feiert das Frühlings-Mondfest
Und die Wintersonnenfeier.
Die Göttin hat jetzt Adleraugen
Und schaut die göttliche Sonne.
Der Gott der Weisheit
Hat die Sonne in die dunkle Nacht gesetzt.
Die Göttin ANNA reist jetzt durch den Himmel
In triumphalem Jauchzen!

Lasst die Göttin ANNA in Frieden reisen,


Wenn sie in der Gondel der Sonne fährt.
Die Schutzmacht der Göttin ANNA
Ist die Schutzmacht der Gondel der Sonne.
Göttin ANNA, so nennen wir
Die Gottheit, die Menschenkinder erschuf.
Die Göttin ANNA ist größer als ihr,
Sie wandelt auf dem Weg der Wahrheit.
Die Göttin ANNA hat einen Ekel
Vor solchen Menschen, die andern schaden.
Die Schutzmacht der Göttin ANNA
Ist die Schutzmacht des Sohnes Gottes!
Die Göttin ANNA wird nicht abgewiesen
An den sieben Himmelspforten.
Die Göttin ANNA ist eine Reine
Im Gefolge aller heiligen Göttinnen.
Ihre Landschaft bringt Opfergaben
Von goldenem Brot und rubinrotem Wein
Den Wissenden, den Weisen,
Die erfreuen das Herz der Göttin ANNA
Mit Opfergaben von Brot und Wein.
Die Göttin ANNA ist eine Muse
Zur Rechten des Schreibers Gottes
Und eine Hilfe denen, die opfern.
Der Gott, der in dem Opfer ist, gebot,
Der Göttin ANNA ein Opfer zu bringen.

Die Göttin ANNA ist die Erhabenheit


Des himmlischen Horizontes.
Die Göttin ANNA hat den Höchsten angekündigt
An den Pforten des himmlischen Horizontes.
Nun jubeln Göttinnen und Götter
Beim Nahen der Göttin ANNA,
Denn der heilige Weihrauch gebührt
Der neugeborenen Göttin ANNA
Und die Schadenstifter müssen fliehen!
Die Torwächter segnen ANNA,
Die Göttin ANNA, sie ist
Mit verschleiertem Antlitz
Im Innern des Palastes
Vor dem Heiligtum Gottes
Zu jener Stunde der Ewigkeit,
Da ANNA nach ihrer Einigung
Dahingelangt durch die Liebe
Der höchsten Königin des Himmels!

Die Göttin ANNA ist eine,


Die die Wahrheit zu Gott gebracht
Und die die Kraft des Bösen vernichtet!
Die Göttin ANNA eröffnet die Galaxien
Und wehrt den Hagel ab
Und erhält die Kinder Gottes am Leben.
Die Göttin ANNA hat ein Opfer gebracht
Vom heiligen Brot
Dem Orte, wo sie jetzt lebt.
Die Göttin ANNA ist gefahren
Auf dem Schiff der Sonne.
Bereitet ist der Weg für die Göttin ANNA,
Daß sie fortschreiten kann zu Gott.

Das Antlitz der Göttin ANNA


Ist das der Schönsten!
Die Göttin ANNA verfügt über Kraft,
Die Göttin ANNA ist zufrieden!
Die Göttin ANNA hat einen starken Willen
Und bringt den Feind zu Fall!
Ihr Freunde und Freundinnen,
Bereitet den Weg
Der Göttin ANNA zu Gott!

Dies sag ich von der Göttin ANNA,


Wenn sie zum ermüdeten Herzen gelangt:
Gib mir den Weg frei,
Ich kenne dich,
Ich kenne deinen Namen
Und den Namen Gottes,
Der dich behütet.
O Herrin des Betens
Mit deiner festen Burgmauer,
Oberste Herrin,
Herrin des Eindringens,
Die du vorhersiehst die Zukunft,
Die du die Armen rettest,
Ob sie nah sind oder fern!
Ehrfurchtgebietender, so ist der Name
Des Wächters deiner Pforte.
Ich bin gereinigt durch das Wasserbad,
In dem der Herr gebadet hat.
Ich bin gesalbt von Myrrheöl,
Ich bin gekleidet in weißes Linnen,
Das Zepter in meiner Rechten
Ist von Almuggimholz.
So ziehe dahin, denn du bist rein.

Dies sag ich von der Göttin ANNA,


Wenn sie zum ermüdeten Herzen gelangt:
Gib mir den Weg frei,
Ich kenne dich
Und den Namen Gottes, der dich behütet.
O Herrin des Himmels,
Gebieterin der Erde,
Herrin der ganzen Welt,
Die du den erhöhst, der dir gefällt.
Sohn des Atems, so ist der Name
Des Wächters deiner Pforte.
Ich bin gereinigt durch das Wasserbad,
In dem der Herr gebadet hat.
Ich bin beräuchert mit Weihrauch,
Gekleidet in feinstes Linnen.
Mein Zepter in der Rechten
Ist aus Sandelholz.
So ziehe dahin, denn du bist rein.

Dies sag ich von der Göttin ANNA,


Wenn sie zum ermüdeten Herzen gelangt:
Gib mir den Weg frei,
Ich kenne dich
Und den Namen Gottes, der dich behütet.
O Herrin des Altares vom großen Opfer,
Die Brot und Wein herbeischafft!
Die Götter machen es sich bequem bei dir,
Tag der großen Flucht, so ist dein Name.
Licht, so ist der Name des Wächters deiner Pforte.
Ich bin gereinigt durch das Wasserbad,
In dem der Herr gebadet hat.
Ich bin gesalbt mit Narde,
Gekleidet in zartes Linnen.
Mein Zepter ist von Elfenbein.
So ziehe dahin, denn du bist rein.

Dies sag ich von der Göttin ANNA,


Wenn sie zum ermüdeten Herzen gelangt:
Gib mir den Weg frei,
Ich kenne dich
Und den Namen Gottes, der dich behütet.
Machtvoll durch das Schwert des Wortes,
Herrin des Südens und des Nordens,
Die du den Feind vertilgst
Und die Wünsche der Reinen erfüllst!
Stier, so ist der Name des Wächters deiner Pforte.
Ich bin gereinigt durch das Wasserbad,
In dem der Herr gebadet hat.
Ich bin begossen mit Tarschisch-Wein
Und gekleidet in weiße Seide.
Mein Zepter ist von Ebenholz.
So ziehe dahin, denn du bist rein.

Dies sag ich von der Göttin ANNA,


Wenn sie zum ermüdeten Herzen gelangt:
Gib mir den Weg frei,
Ich kenne dich
Und den Namen Gottes, der dich behütet.
Schutzfrau, Herrin vom Lobpreis,
Freudige, der man schenken will,
Zu der kein Kahlkopf Zutritt haben darf,
Die du den Übeltäter zurücktreibst!
Ich bin gesalbt mit Myron,
Gekleidet mit dem Fell der Panther,
Das Zepter in meiner Rechten
Ist vom Holz der Donner-Eiche.
So ziehe dahin, denn du bist rein.

Dies sag ich von der Göttin ANNA,


Wenn sie zum ermüdeten Herzen gelangt:
Gib mir den Weg frei,
Ich kenne dich
Und den Namen Gottes, der dich behütet.
Herrin der Gnade, voller Ruhm,
Deren Höhe, Tiefe, Länge, Breite unbekannt,
Die nicht Geschöpf ist,
Deren Schlangen zahllos sind,
Die im Anfang gezeugt ward!
Bruder, so ist der Name
Des Wächters deiner Pforte.
Ich bin gereinigt durch das Wasserbad,
In dem der Herr gebadet hat.
Ich bin gesalbt mit Olivenöl,
Gekleidet in feine Gaze.
Das Zepter in meiner Rechten
Ist vom Dorn der Rose.
So ziehe dahin, denn du bist rein.

Dies sag ich von der Göttin ANNA,


Wenn sie zum ermüdeten Herzen gelangt:
Ich kenne dich
Und den Namen Gottes, der dich beschützt.
Feuer, das brennt,
Aber das nicht den Dornbusch verbrennt,
Mit rascher Glut,
Pein der Liebe, so ist dein Name!
Der seinen Körper bewahrt,
So ist der Name deines Wächters.
Ich bin gereinigt im Wasserbad,
In dem der Herr gebadet hat.
Ich bin gesalbt mit Aloe,
Gekleidet in Duftgewänder.
Mein Zepter ist aus Zypressenholz.
So ziehe dahin, denn du bist rein.

Ich grüße die Göttin ANNA


Mit Brot und Salz.
Die Göttin ANNA ist gesalbt mit Myrrhe,
Beräuchert mit Weihrauch.
Ich bin gereinigt, rein
Durch die Verklärungen
Des Wortes Gottes.
Rein bin ich wie das Gefieder des Schwanes,
Keusch bin ich wie der Fisch,
Keusch wie die Jungfrau im Tempel!

Rein ist die Verklärung der Göttin ANNA,


Schön ist die ehrwürdige Göttin ANNA!
Gott hat ihr Gnade erwiesen,
Alle Götter sind ihr günstig gestimmt,
Alle Göttinnen sind ihr wohlgesonnen:
ANNA, deine Schönheit
Ist wie ein rauschendes, schäumendes Meer,
Wie die Brandung, die den Felsen umgischtet!
Deine Schönheit ist wie ein Festsaal,
Darin der Herr verherrlicht wird.
Deine Schönheit ist wie die Säule
Im Tempel Gottes.
Die Göttin ANNA hat eine Säule errichtet
Und eine Vase für die Liebe Gottes!

Wisse, ANNA, du wirst beweint!


Siehe, ANNA, du bist verklärt,
Du bist erhoben
Von magischer Macht!
Erhebe dich und richte dich auf,
Stehe auf gegen deinen Feind!
Dein Feind ist gestürzt,
Gottes Feind ist gestürzt!
Frau, du triumphierst über den Bösen!
ANNA, man ist deinen Worten gehorsam
Und führt deine Befehle aus.
Du bist gerechtfertigt vorm Gericht
Durch die Gnade Gottes.
Wisse, du wirst beklagt,
Wisse, du wirst beweint!

Göttin ANNA, deine Stirn ist gesalbt,


Du trägst die Haare lang,
Dein Antlitz glänzt wie der Mond.
Deine Brüste sind aus Lapislazuli,
Dein Haar ist schwarz wie die Nacht,
Deine Haare umrahmen dein Antlitz
Wie Lapislazuli den Mond,
Dein Antlitz ist wie reines Gold.
Deine feinen Augenbrauen
Sind wie befreundete Schwestern.
Dein Nase schnaubt Zorn.
Dein Auge schaut Gottes Berg.
Deine Wimpern sind lang.
Deine Augenlider sind wie Lapislazuli,
Deine Augenlider voller Schminke.
Deine Lippen küssen die Wahrheit
Und reden Wahrheit vor Gott.
Deine Zähne sind Schlangenzähne,
Deine Zunge flötet wie die Nachtigall.
Deine Brüste hüpfen,
Deine Brüste hüpfen,
Wenn du die Wiesen durcheilst!

Dein Hals ist golden,


Mit Elektron umhangen,
Deine Kehle ist nicht zusammengeschnürt,
Deine Wirbelsäule ist eine Schlange,
Dein Rückgrat ist aus Gold,
Deine Lunge ist voller Atem,
Deine Augen sind wie Sterne,
Dein Hintern, o dein Hintern
Ist ein Doppel-Ei aus Karneol!
Dein Rachen duftet süß,
Dein runder Leib ist golden,
Deine Brüste, ach deine Brüste
Sind zwei Eier aus Karneol,
Mit Lapislazuli geschmückt,
Deine Schultern leuchten als Fayence,
Deine Arme breiten sich aus,
Dein Herz ist immer sanft,
Deine beiden Brüste, ach deine beiden Brüste
Sind das Meisterwerk des allmächtigen Schöpfers,
Deine Muskeln öffnen und schließen sich,
Dein Leib ist der Himmel,
Wenn du zur Ruhe gehst,
Dein Nabel ist das Jenseits,
Dein Schooß ist mein Paradies...

HYMNE AN MEINE LIEBE GÖTTIN

„Isis zeigt sich ohne Schleier…“


(Goethe)

ERSTER GESANG

Zehn Schekel Silber,


Einen Schekel Gold
Für die Dekoration
Der Statue
Der Ishala des Königs.

Eine Mine Gold für Schmuckstücke,


Siebzehn Minen Gold für Ohrringe
Für die Ishala
Hat die Königin gegeben.

Sechs Schekel Silber


Für drei kleine Becher,
Ein Geschenk der Mutter des Königs
Für Ishala.
Sieben Schekel Silber,
Der Preis für eine Jungfrau,
Geschenk der Königin
Für Ishala.

Eine Mine Silber


Und zwanzig Schekel
Für eine Dattelfeigenpalme
Als Geschenk der Königin
Für Ishala.

Ein Schekel Gold


Für ihr Angesicht
Und für ihren Gürtel
Und für ihre bunten Bänder.

Der König weiht


Eine Statue
Der Ishala.
Ihr Antlitz ist gestaltet aus Buchsbaumholz,
Der Gürtel aus Silber,
Sie hält einen Becher in der Hand.

Bekleidung für Ishala


Von feinstem Stoff.

Zwei Becher
Aus Buchsbaumholz
Für Ishala.

Ein Tablett mit Brot


Für die treue Ishala.

Ein Lamm für Ishala,


Die Geliebte des Königs,
Zum Reinigungsopfer.

Ein schönes Kleidungsstück


Für die Frauen
Der Gesalbten der Ishala.

Zwei bunte Röcke


Für die Liebesdienerin
In der Kapelle der Ishala.

Einen Armreif
Für die süße Dirne
Der Göttin Ishala.

Weißes Linnen
Für die Königin
Am Tag des Gehens
Zu Ishala.

Opfer des Königs


In der Festzeit
Der Ishala.
Am Tag der Ishala
Ein feiner Stoff
Von bester Qualität
Für die geliebte Freundin.

Anordnung:
Im Mond der Ishala
Für die geliebte Freundin
Fünf feine Stoffe.

Zwei Lämmer
Im Mond der Ishala
Für den Herrn des Landes.

Eine Mehlration
Für den Diener des Königs
Im Mond der Ishala.

Sei beschworen, o Land,


Seid beschworen, o Wasser,
Ishala erscheint!

Bei Ishala beschwör ich dich:


Bis ihr Hals und dein Hals
Sich nicht aneinander schmiegen,
Sollst du keine Ruhe finden.

Eine Matratze aus gekämmter Wolle,


Fünf Minen schwer,
Ein Bett der Ishala
Ist hergerichtet.

Gunst der Ishala!


Fülle der Ishala!
Glanz der Ishala!
Mutter ist Ishala!
Meine Geliebte ist Ishala!

Ein Garten im Bezirk der Ishala.

Zwei Liter Mehl


Für den Tempel der Ishala.

In Bezug auf den Anteil und die Ration


Des Mannes
Und des Tempels der Ishala...

Illu, Dienerin der Ishala...

Die Schlange der Ishala


Kam ins Gerichtshaus hinein.
Diener der Ishala!
Mensch der Ishala!
Entgegenkommen der Ishala!
Ratgeberin ist Ishala!

Retterin Ishala!
Göttin Ishala!
Königin Ishala!
Eigentum der Ishala!
Ishala ist schön!

Ishala möge
Die weibliche Scham
In meine Lenden eintauchen!

Ishala ist meine Hirtin!

Ob dir mein Freund


Für Ishala
Eine Stierfigur und einen Becher gebracht
Oder nicht,
Darüber gib mir Bericht.

Betrifft einen Brief,


Dessen Vorderseite nicht beschriftet war,
Siegel des Freundes,
An die Geliebte,
Der Brief ist abgesandt
Und alle Briefe kamen an.

Ich habe meinem Freund


Einen Schekel Silber gegeben,
Als er zum Tempel der Ishala hinaufging,
Das hat der Priester
Als Opfer dargebracht.

Es sind nur noch wenige,


Die zum Tempel
Der Ishala hinaufsteigen.

Eine Halskette aus Lapislazuli


Wurde vom Palast genommen
Und der Geliebten angelegt.
Ein Künstler
Machte einen Talisman
Aus Kupfer und Malachit
Für Ishala.

Ishala ist meine Ärztin!


Ishala ist Güte!
Ishala ist Stärke!
Ishala ist Retterin!
Ishala ist herrlich!
Ishala ist die schöne Liebe!
Ishala ist meine Schutzfrau!
Ishala ist meine Beraterin!
Ishala ist Gnade!
Ishala ist mein Leben!
Ishala erhört mich!
Ishala liebt mich!
Ishala legt sich zur Ruhe!
Ishala hat mich zu sich gerufen!

Für Ishala
Ist hergerichtet ein Bett.
Der König legt sich zu der schönen Frau
In der Nacht.

Bei der Hochzeit


Mögest du dich freuen
Im Hause.
Nenne Ishala
Immer wieder die schöne Liebe!
Neun Nächte
Soll dein Freudenfest dauern.

Wenn an der Brust des Vogels


Zwischen rechtem und linkem Flügel
Ein roter Fleck zu sehen ist,
Verlangt Ishala ein neues Gewand.

Wenn am Öl am Rand
Grüngelbes zu sehen ist,
Ist da ein Wohnort der Ishala.

Wenn die Galle wie Malz ist,


Wird Ishala den Menschen
Traurig machen.

Wenn ihr Antlitz


Wachsgelb ist,
Hand der Ishala,
Sie wird nicht wieder genesen.

Ishala,
Herrin des Wohnhauses,
Soll ihn im Kampf nicht erhören.

Ishala, Königin des Wohnhauses!

Ishala rettete!
Ishala gab!
Ishala sprach!
Ishala war schön!
Einen Becher
Voll Balsam
Für Ishala.

Für Ishala,
Die Herrin der Stadt!
Für Ishala,
Die Göttin des Königs!
Für Ishala,
Die Inspiration der Prophetin!

Ishala,
Seele der Prophetin!

Eine Halskette aus Gold,


Von einem Schekel Gewicht,
Schmuck für Ishala.

Sie setzte die Sonnenfrau


Und Ishala
Inmitten des Gartens
Auf Zweige.
Links vom Teich
Stand ein Hirsch aus Ton.
Welcher Faden
Dem Hirsch ans Maul gebunden,
Den hält die Sonnenfrau.

Ich will singen


Von der schönen Frau,
Der Ishala.

Ich spreche zu Ishala,


Ishala spricht zu mir.

Geh in die Thronstadt!


Mache deine Worte groß!
Bringe vor, was du zu sagen hast!
Rufe sie immer wieder!

Man opfert der Ishala.


Das Kind der Nebenfrau
Geht mit der Prophetin.
Das Zeichen ist günstig.
Das Kind der Nebenfrau
Geht mit dem Priester.
Das Zeichen ist ungünstig.

Später trinkt er
Mit Ishala im Sitzen.
Hartes Brot ist nicht vorhanden.
Der Sänger singt.
Früchte bietet man an.

Später aber trinkt er


Auf das Bild der Ishala!

Man nimmt ein Schöpfgefäß Wein


Und einen Becher aus Gold
Und zwei Becher aus Silber
Für Ishala.

Wenn ein König


Für die Schlangenfrau Ishala opfert,
Opfre er ein Lamm und eine Taube
Für die Schlangenfrau
Und wasche sich die Hände
Im Allerheiligsten
Und die Frauen sollen es essen.
Ein Lamm als Speiseopfer,
Alle sollen es essen.
Ferner ein Trankopfer Wein
Im Innern des Hauses
Für die Schlangenfrau Ishala.
Alles geschehe an Einem Tag.

Ein Allkleid für Ishala!

Weihrauch ist aufgestiegen!


Ruhe nun, Ishala!
Möge deine Seele sich beruhigt haben!

Der Stern,
Der hinter der Venus wandelt,
Ist der Skorpionstern der Ishala.

O Skorpion, o Ishala,
Herrin des Hauses!

Ich beschwöre den Skorpion,


Ishala, barmherzige Göttin,
Die Gebet erhört,
Die Leben schenkt,
Barmherzige Mutter der Menschen!

Ishala,
Ich verneige mich vor dir,
Herrin der Länder,
Ich schwöre dir Treue,
Entferne alles Böse
Und alle Sünde von meinen Gliedern!

Das Kraut der Ishala


Ist Cannabis.

Ishala, Herrin der Liebe,


Mögest du uns erlösen!

Beschwörung der Potenz:


Ein Bett für die Liebe macht er,
Wie die Göttin der Liebe
Ihren Freund geliebt,
Wie Ishala lieb hat
Den lieben Freund.
Mann, dein Fleisch
Erschaure,
Richte auf dein Glied!
Dein Inneres
Komme nicht zur Ruhe
Tag und Nacht
Auf Befehl
Der tüchtigen Ishala!

Am Kopf der Kranken


Stellen sich Götter auf,
Die Söhne der Ishala.

Drei Maß Brot, drei Maß Wein


Für Ishala.

Barmherzige Göttin Ishala!


Barmherzige Mutter aller Menschen!

Ishala, Ishala,
Bewohnerin des Schlafgemachs...

ZWEITER GESANG

Anubis ist am Berg der Toten angekommen.


Onnophris feiert,
Alle Götter des heiligen Landes frohlocken,
Ihre Herzen sind voller Wonne,
Schu ist aus der Unterwelt in den Himmel gegangen,
Die Musen frohlocken,
Die große Göttin Isis freut sich,
Nachdem sie ihren Sohn gesehen,
Horus bleibt im Amt,
Isis ist die himmlische Schutzfrau,
Süden und Norden, Westen und Osten gehören Horus,
Re macht seinem Sohne nach Wunsch
Eine Vermögensverfügung.

Die Göttinnen kommen zu dir


Mit Lobpreis und Musik,
Die Edeldamen jauchzen bei deiner Ankunft,
Die Geister jubeln über deine Seele,
Die Musen spielen Harfe
Für deine Majestät,
Männer und Frauen preisen
Deine Vollkommenheit.

O Göttin Muse, Herrin


Der schwarzen Augenbrauen mit leuchtenden grünen Augen,
Dein Vater frohlockt bei deinem Anblick,
Er freut sich über deinen Duft,
Sein Herz erfreut sich an deinem Parfüm.
Dich preisen die seligen Geister,
Es ergötzen sich an dir die heiligen Affen,
Alle Musen musizieren täglich,
Es musizieren die Göttinnen auf den Trommeln.

Hathor, Göttin der Schönheit,


Mutter aller Mütter,
Du bist herrlich im Palast der Neunheit.
Du ruhst zur Rechten von Vater Re,
Er freut sich an dir.
Die Musen musizieren
Der majestätischen Göttin.
O Hathor, möge dein Antlitz
Gnädig leuchten über mir!

Die seligen Geister freuen sich an deiner Seele.


Die Musen streichen die Harfe,
Die Heiligen verneigen sich vor dir
Mit verschleiertem Haupt,
Die Toten eilen, dich zu sehen,
Die Hohepriester küssen die Erde, auf der du wandelst,
Das Land ist unter deiner Aufsicht,
O Fürst, du Sohn der Göttin Hathor!

Ich preise deine Seele, seit ich sehe,


Wie liebevoll deine Seele ist!

Der Kaiser Augustus kommt zu dir,


Osiris, du König der Götter.
Die Sänger des Ostens jauchzen über deine Seele.
Tefnut schlägt die Trommel,
Hathor bringt dir ihr Monatsblut dar.
Die Götter beten dich an,
Verkünden deine Perfektion.
Die Göttinnen erscheinen
Und verehren deine Perfektion,
Wenn du dein Heiligtum besuchst
Am Feiertag des reinen Stieres.
Du kommst in Frieden
Und vereinigst dich dem Tempel.
Dein Antlitz strahlt vor Freude,
Der Himmel feiert,
Die Erde ist voll Frohsinn,
Die Welt in feierlicher Stimmung.
Du bist der vollkommene Gott,
Der Herrscher mit der Krone.
Dein Sohn, den du lieb hast,
Betet vor dir, der Autokrator.

Es kommt der Kaiser Augustus zu dir,


Osiris, du König der Götter.
Er bringt dir die unterägyptische Muse,
Die deine Majestät verherrlicht.
Die westlichen Sänger preisen deine Seele,
Die Sänger von Osten jubeln.
Die Töchter spielen die Zymbel.
Die Edlen erweisen dir Ehren und Respekt.
Die Fernen reichen dir die Hand,
Um dich zu ehren.
Über dich freuen sich die Herzen der Götter.
Freude eines Festes ist im Himmel,
Es freuen sich die Alten,
Wenn du in der Stadt erscheinst.
Ihre Herzen heißen dich willkommen,
Wenn du vom Himmel zur Erde kommst.
Gott, du bist der vollkommene Gott,
Der Friedefürst im Haus der Geburt,
Dein Sohn, den du liebst,
Er betet zum Vater, Sohn Gottes,
Gekrönter König, Autokrator.

Ich bete dich an o Allherr,


Ich schaue dein Antlitz,
Ich jauchze und juble über deine Macht,
Du bist der große Gott,
Der den Uranfang geschaffen.

Es kommt der Sohn des Re,


Der Herr der Länder, der Kaiser.
Er bringt dir die oberägyptische Muse,
Die deine Majestät verherrlicht.
Die Nacht macht für dich
Die bedeutsame Geste.
Die Frau kommt aus ihrem Gemach
Und vereinigt sich mit ihrem Bruder.
Die östlichen Seelen jauchzen
Über deine unsterbliche Seele.
Die große Göttin Isis schlägt die Trommel.
Die Göttin der Liebe und Schönheit, Hathor,
Gibt dir ihre Hand.
Die Götter ehren dich
Und künden deine Vollkommenheit.
Die Göttinnen kommen
Und verehren deine Autorität,
Wenn du das Heiligtum besuchst
Am Tag des Festes,
Am Tag des Feuers.

Herr, du kommst in Frieden


Und vereinigst dich mit deiner Braut.
Dein Antlitz strahlt vor Freude.
Der Himmel feiert ein Fest,
Die Erde freut sich,
Die Welt ist in feierlicher Stimmung.
Du bist der große Gott,
Der gekrönte Herrscher,
Dein Sohn, den du liebst,
Ist König und Autokrator.

Ich juble vor dir, du Fürst der Götter,


Ich juble vor deinem Antlitz,
Ich juble zusammen mit den Guten,
Die deinen Namen lieben.
Du freust dich über die Musik,
Das Musizieren der Muse.

Es kommt der König zu dir,


Der Autokrator an der Spitze der Hierarchie.
Sohn des Re, du bist groß,
Alle Götter sind dir gnädig.
Er bringt dir die oberägyptische Muse,
Die deine Majestät verherrlicht.
Die Nacht macht dir Musik.
Tefnut kommt aus dem Schlafgemach
Und vereinigt sich mit dem Bruder.
Es ehren dich die Sänger
Des Ostens und des Westens.
Die Frauen freuen sich,
Wenn sie dein Antlitz schauen.
Das ganze Land ist in feierlicher Stimmung,
Wenn du dich niederlässt
Im Haus des Jauchzens.
Die schönen Musikantinnen spielen,
Die Prophetinnen singen
Und preisen deine unsterbliche Seele
Und sprechen: Die Kinder des Landes
Sind voll Ehrfurcht vor deiner Autorität.
Die Musikantinnen jubeln
Vor deinem väterlichen Angesicht,
Indem sie ihm Zymbeln tönen lassen.
Sie verhüllen ihre Scham,
Die Sängerinnen lieben deinen Namen
Und lassen deinen Namen erschallen.
Dein Sohn, den du liebst,
Ist Kaisarion.

Nimm dir deinen Becher,


Damit deine Seele froh sei
Über das Horusauge.
Den Wein sauge ein,
Damit er dein Herz ergötze.
Das Werk der Weingöttin
Ergötze deine Majestät,
O Herrin der Trunkenheit,
Trinke Wein mit mir!
Die Göttin Muse,
Die Herrin der Harfe,
Singt Lieder des Jubels
Zum Lobpreis der Neunheit.

Roten Wein für deine Seele,


Herrin der Länder,
Das grüne Horusauge
Für die Pracht deiner Majestät!

Die unterägyptische Muse,


Die Herrin der Kehle,
Die Herrin des Singens zur Harfe,
Die Herrin der Jubelmusik,
Lässt hören ihren Gesang,
Der Göttern gefällt.

Der König vollzieht das Opfer


Als Mundschenk der Königin,
Indem er der Mutter Wein reicht,
Indem er das grüne Horusauge
Der Königin gibt.
Er gibt der Königin Rauschtrank
Und bringt den Wein als Opfer dar.

Reiche den Rotwein!


Nimm dir den Becher,
Ehrwürdige Herrin,
Daß es dir wohlergehe!
Wie gut ist sein Geschmack!

Ich komme zu dir, o Goldene,


Herrin der Trunkenheit,
Am Sitz der Trunkenheit.
Ich bringe dir roten Wein,
Dein Herz zu erfreuen,
Daß deine Seele zufrieden sei
Über das Werk der Weingöttin.
Du bist die Herrin der Trunkenheit,
Die Herrin des Jauchzens,
Dein Antlitz ist voll Gnade,
Deine Liebe ist süßer als Honig!

Es spricht die Herrin der Trunkenheit,


Die Herrin der Freuden,
Die Herrin des Jauchzens,
Die Herrin des Tanzes,
Die Herrin der Myrrhe,
Die Herrin des Kranzes:
Ich gewähre dir, o mein Freund,
Tag für Tag die Trunkenheit,
Daß dein Herz sich ergötze!

Willkommen in Frieden,
Spricht Horus mit dem grünen Auge,
Willkommen, Sohn der Erde,
Den die Weingöttin selber
An ihren Brüsten gestillt hat,
Ich empfange den Wein
Als Opfergabe von dir
Und freue mich allzeit
An deinem Opferwein.
Ich gewähre dir Trunkenheit
Tag für Tag, mein Freund,
Dein Kummer werde gebrochen!

Die oberägyptische Muse


Ist die Herrin der Musik,
Die Herrin des Singens zur Harfe,
Sie singt mit goldener Kehle,
Mit süßem Atem,
Mit ihrem Gesang
Ist die Gottheit zufrieden.

Reiche den Rotwein!


Du Schönste aller Frauen,
Nimm in Empfang
Das grüne Horusauge!

Der König kommt


Zur Königin aller Menschen:
Allmächtige! Ohnegleiche!
Ich bringe dir das Gute
Von allen Trauben und Beeren,
Den Becher des Gottesreiches!
O Herrin der Trunkenheit,
O Herrin des Gesanges,
Du ergötze dich an der Wonne!

Isis verheißt dem Sänger:


Ich verheiße dir Trunkenheit über Trunkenheit
Und unvergängliches Jauchzen!
Der König auf seinem Thron
Erfreue das Herz seiner Herrin!

O Herrin des Tanzes,


O Herrin der Herzensfreude!
Es jubelt die Jungfrau
In ihrer Kapelle,
Ihr Herz freut sich
An deiner perfekten Schönheit!
Fürstin des Friedens,
Herrin des Jauchzens,
Du bist Tag für Tag
Die Herrin der Lust und Wonne!

Ich reiche den Kranz


Der guten Mutter.

Willkommen, willkommen in Frieden,


Fürstin der Frauen,
Herrin der Kinder!
Ich spiele die Harfe
Vor deinem gnädigen Antlitz,
Göttin der Göttinnen!
Laß dein Antlitz über mir leuchten,
Dein Herz sei froh,
Befriedigt deine Seele!

Horus kommt als Held,


Osiris ist zufrieden.
Trommeln ertönen,
Ägypten feiert,
Denn Horus wurde geboren!
Die Göttinnen kommen,
Horus zu sehen,
Der Sohn des Osiris
Ist auf dem Thron seines Vaters.

Isis, man ruft zu dir,


Die du die Länder ernährst,
Man kränzt dein Haupt,
Die du die Länder regierst,
Man spielt dir die Harfe,
Die du die Länder fruchtbar machst,
Man spielt dir die Harfe
Mit magischer Macht,
Fürstin des feurigen Hauses,
Glänzende Herrin der Sonne,
Herrliche, Einzige!
Horus ist zufrieden.

Isis spricht: Ich gebe dir


Die Berge mit Edelsteinen,
Ich gewähre dir
Das Königtum Gottes
Auf der Erde.

Gekränzt sei deine Stirne,


Ehrwürdige Fürstin,
Daß du die Stadt erleuchtest
Wie die Sonne am Horizont.

Die Goldene glänzt in der Stadt


Wie sie am Himmel leuchtet,
Sie sendet ihre Strahlen aus
Und erleuchtet das Land,
Sie schickt ihr Licht
Zu allen Menschenkindern,
Sie ist die große Sonnengöttin,
Die Fürstin der ganzen Erde,
Die Licht strahlt in die Dunkelheit.

Die unterägyptische Muse,


Die Herrin der Brust,
Die Herrin der Kehle,
Die Herrin des Singens zur Harfe
Ist heute Herrin des Jubels.

Hathor, wir jubeln über dich,


Hathor, wir jauchzen über dich,
Hathor, ich freue mich am Tag,
Da Horus geboren ist.

Ich bin der Musikant


Der goldenen Göttin,
Der ich das Herz meiner Herrin
Tag für Tag erfreue.

Ich höre das Flüstern


Der Göttin Muse!
Ich werde deine Majestät
Vor den Dämonen beschützen!

Ich spreche mit erhabener Zunge,


Ich öffne meine Kehle
Und beginne, die Harfe zu streichen
Für meine Göttin Muse.

Der Himmel ist in festlicher Freude,


Die Erde ist feierlich,
Die Horusaugen strahlen,
Die Schlange ist befriedigt,
Die Schlange an der Stirn der Gottheit.
Horus sitzt auf seinem Thron.
Die Göttin spricht: Ich gebe dir
Speise im Überfluss,
Als Nahrung den Ertrag
Des Vogelfanges an deiner Stätte.
So lobpreise zur Harfe
Die unterägyptische Muse,
Die auch im vergangenen Jahr
Deine Seele vollkommen befriedigte!

Ich tanze der Herrin


Im Heiligtum ihrer Seele.
Ihr Körper jauchzt,
Wenn sie mich sieht am Morgen!
Was die Göttin Muse betrifft,
So freut sich ihr Herz,
Wenn Hathor sie anschaut.

Man sagt von der Muse,


Ihr Leid und Elend sei es,
Was sie singt im Ritual.
Nun komm, o lichter Gott,
Der du den Bösen demütigst,
Wenn dein Licht erscheint
Am neuen Morgen.

DRITTER GESANG

Ich bin kein Apostel der Isis,


Ich bin platonischer Philosoph.
Aber auch Platon knüpfte an
An orphische, pythagoreische Lehren.
Die religiösen Lehrer der Vorzeit
Hatten in mancherlei Hinsicht
Einsicht in das Wesen der Dinge.
Man darf die Lehren der Alten ernst nehmen,
Muß sie aber deuten im Geist
Der platonischen Philosophie.
Die Lehre über Isis
Ist ein Wissen der Alten,
Wenn es philosophisch interpretiert wird,
Passt es letztendlich zusammen
Mit der religiösen Wahrheit.
Ich habe mit meiner Freundin
Über Isis gesprochen,
Sie war eingeweiht in die Mysterien
Und ich erklärte ihr,
Wie Isis philosophisch zu deuten ist,
Da bat mich meine Freundin,
Über meine Isis-Philosophie
Einen großen Gesang zu schreiben.

Die Gottheit ist für alle Menschen die Gleiche.


Alles, was uns das Leben möglich macht,
Ist uns gespendet von der Gottheit,
Das tägliche Bot, der tägliche Wein,
Feuer und Wasser und Holz und Wolle.
Die Gottheit ist nicht anders
Im Westen als im Osten,
Sondern wie die Sonne allen gemeinsam,
Dieselbe Gottheit bei Griechen,
Dieselbe bei den Barbaren,
Sie wie es nur eine Sonne gibt
In der Galaxie der Milchstraße,
So gibt es nur einen Logos,
Der den Kosmos lenkt.
Wir nehmen aus der Philosophie
Die Idee des Logos,
Dass der Logos uns führt
Wie ein Mystagoge,
Daß wir in frommer Weise
Die Mythen philosophisch deuten.

Der Mythos ist eine Erscheinung


Des Logos im Spiegel,
Mythen sind gebrochene Strahlen
Des einen Lichtes des Logos.
Man darf die Mythen nicht
Buchstäblich glauben,
Sondern nehme aus ihnen das,
Was der göttlichen Wahrheit entspricht.
Die Suche nach dem inneren Sinn
Der altüberlieferten Mythen
Ist heilig wie Taufe und Gottesdienst.
So sind die Zeremonien des Isiskultes
Voll von geheimnisvollem Sinn.
Alles, was die Gesetze des Kultes beschreiben,
Will ich auf den Logos beziehen.
Was die Ägypter von der Isis erzählen,
Liebste Freundin, nimm es nicht wörtlich,
Sondern erkenne den philosophischen Sinn.

Dreierlei macht den Menschen aus,


Der Geist, die Seele und der Körper.
Der Geist hat seine Heimat
Im Himmelreich der Ideen,
Die unveränderlich und immer gleich sind,
Da ist nicht Vergangenheit und Zukunft,
Da ist nur das ewige Nun
Der Ewigkeit, des ewigen Seins,
Unsichtbares Sein,
Allein im Denken erkennbar.
Die Körper der Menschen sind
In ständigem Werden und Vergehen,
Geboren zum Werden, nicht zum Sein,
Geboren zur materiellen Welt
Und sind sichtbar (meine Freundin,
Dein Körper ist sichtbar)!
Der Geist ist das Seiende,
Der Körper das Werdende.
Der Geist ist der Selbige,
Der Körper ist das Andere.
Der Geist gehört zum Einen,
Die Körper gehören zum Vielen.
Der Gegensatz zwischen Geist und Körper
Durchzieht die platonische Philosophie.
Der Geist gehört zum Einen,
Welches das Gute an sich ist
Und als das Gute und Wahre
Auch die höchste Schönheit.

Psyche steht in der Mitte


Zwischen dem Einen und dem Vielen.
Als Weltseele ist sie das Eine,
In den Menschen ist sie das Viele.
Psyche hat Anteil am Einen,
Sie ist unsterblich,
Aber viele Seelen sind in vielen Körpern
Und leben im Veränderlichen
Und im vergänglichen Vielerlei.
Die Seele ist unsterblich,
Weil sie sich selbst bewegt.
Die Körper sind sterblich,
Weil sie von der Psyche bewegt werden.

Die Dreiheit von Geist und Seele und Körper


Gilt nicht nur für den Menschen,
Sondern gilt auch für den Kosmos.
Der Geist weilt im Ideenhimmel,
Im Empyreum des Jenseits.
Der Körper des Kosmos
Ist die materielle Welt.
Der Körper des Kosmos
Ist ein Lebewesen,
Mit Geist und Seele begabt.
Die Weltseele schwebt
Zwischen dem höchsten Geist
Und dem Körper des Kosmos.

Die Aufgabe einer menschlichen Seele


Ist es, sich aus dem Körper zu befreien
Und heimzukehren in den Himmel
Zur Schau der Gottheit.
So steigt die Seele des Menschen
Von der Betrachtung eines schönen Leibes
Zur Betrachtung einer schönen Seele,
Zur Betrachtung der Tugend
Und der höchsten Güte,
Bis zur Schau der göttlichen Schönheit
Als dem Höchsten Gut der liebenden Seele.
In der irdischen Höhle
Schaut die Seele nur Schatten,
Aber bekehrt sie sich zum Licht,
So tritt sie ins Offne und schaut die Sonne.
Die Seele fährt in den Himmel
Über den Fixsternhimmel hinaus
Zur Vision der Ewigen Schönheit
Und absoluten Liebe!

Aber es gibt auch zwischen dem Seienden,


Nämlich dem Geist,
Und dem Verschiedenen,
Nämlich den Körpern,
Ein Drittes, eine Wesenheit,
Die schwer zu beschreiben ist,
Nur undeutlich zu beschreiben ist
Mit menschlichen Worten.
Sie hat das Wesen und die Kraft,
Sie ist die Empfangende
Des göttlichen Geistes
Und ist die Amme allen Werdens.
Sie ist der Raum, der allem Dasein
Die rechte Stätte zuweist,
Die Wesenheit, die alle Körper empfängt,
Die Ernährerin der Welt
Und Amme des Universums.
Voll schwungvoller Bewegung ist sie
Und schüttelt die Brüste und die Locken.
Sie ist die Mutter alles Gewordenen,
Mutter alles Sichtbar-Wahrnehmbaren,
Selbst eine unsichtbare Wesenheit,
Ohne materielle Gestalt,
Alles empfangend.
Sie ist das Prinzip der Empfängnis,
Die Mutter, die Amme, die Ernährerin,
Das Ewigweibliche in der Natur,
Der Raum als Sitz der Erscheinungen.
Sie ist Hyle, die Urmaterie,
Aber nicht die tote Materie der Atomisten,
Sondern Urmaterie in dem Sinne,
Wie die Psyche des Menschen
Der Stoff der menschlichen Einsicht ist.

Psyche steht in der Mitte


Zwischen Geist und Körper,
Zwischen Sein und Werden.
Aber Psyche, die Empfangende,
Steht auch zwischen Gut und Böse.
Psyche wendet sich ab vom Bösen
Und bekehrt sich zum Guten.
Strebe voll Sehnsucht nach dem Guten,
Werde schwanger von ihm
Und liebe ihn allzeit
Mit heiliger Begierde!

Das Eine, das Sein, das Gute,


Heißt Osiris, der Bräutigam-Gott.
Die Psyche, die Empfangende,
Der Raum, das Strebende
Heißt Isis, die Mutter der Welt.
Die Körper, das Werden
Heißt Horus, der Sohn.
Das Böse aber, die Sünde, der Tod
Heißt Seth, der Dämon.
Die Isis-Psyche
Steht zwischen Gutem und Bösem.
Ihre Lebensaufgabe ist es,
Der Pracht des Bösen abzuschwören
Und dem Guten nachzufolgen.

Osiris nennen die Ägypter


Den Gott als Bräutigam,
Das Eine, das Einzig-Seiende,
Das Immergleiche,
Unbefleckt von jedem Stoff,
Den Ersten, Mächtigen,
Den Herrn alles Guten,
Der die göttliche Vernunft
In der Psyche ist,
Allein dem Denken erreichbar,
Er ist der Erste, Anfanglose,
Zu welchem die Seelen der Menschen
Aufsteigen sollen nach Platons Weisheit.

Der Dämon Seth aber


Ist das Böse, Lebensfeindliche,
Aufgeblasen, hochmütig und tyrannisch,
Er bringt den Tod,
Ihm fehlt das rechte Maß,
Unordnung bringt er und Zerstörung.
In der Seele ist Seth
Die ungeordnete Leidenschaft,
Die zügellose Wollust,
Jegliche Unbeherrschtheit.

Zwischen Osiris, dem Gott des Guten,


Und Seth, dem Dämon des Bösen,
Steht Isis, die ewigweibliche
Weltseele der Natur.
Sie wendet sich ab vom Dämon
Und begehrt und liebt den Gott
Als Bruder und Bräutigam
Und wird schwanger von ihm.

Der Name der Isis bedeutet:


Schwungvoll in Bewegung sein.
Sie ist die Göttin der Bewegung,
Des Strebens zum Guten.
Schwungvoll bewegt sich die Psyche
Zum göttlichen Bräutigam.
Isis ist die Psyche des Alls,
Schwungvoll bewegt sich die Weltseele.

Der Name der Isis bedeutet


Wissen, denn Isis ist
Die Göttin der Weisheit, SOPHIA!
Ziel der Isisreligion
Ist die Erkenntnis des Ersten,
Des anfanglosen Gottes.
Isis zu verehren, bedeutet,
Erkenntnis zu erlangen
Und Wissen über den Seienden.

Was aber ist Eros?


Seherin, wer ist Eros?
Der Vater des Eros
Ist der Schaffende.
Die Mutter des Eros
Ist Frau Armut.
Frau Armut wünschte sich ein Kind,
Sie legte sich zum Schaffenden
Und empfing von seinem Geist
Und gebar den Eros.
Der Vater ist weise
Und ist sich selbst genug.
Die Mutter aber ist ruhelos
Und immer voller Begierde.

Der Schaffende ist der Erste,


Der Gott als Bräutigam und Bruder,
Der ägyptische Osiris.
Frau Armut ist Isis,
Die Psyche des Alls,
Die schwungvoll in Bewegung ist.
Der Sohn ist Eros,
Der Sohn ist Horus.
Er ist der sichtbare Kosmos,
Nicht ewig und nicht unveränderlich,
Aber immer neu entstehend.
In den Veränderungen
Und im Umlauf seiner Leidenschaft
Bleibt er doch ewig jung
Und geht nie zugrunde.

Der sichtbare Kosmos


Ist also Eros,
Sohn Gottes und der Weltseele.
Er ist schön wie die Sonne,
Er ist die Freudenzeit des Frühlings
Und die Mischung der Düfte in der Lenzluft.

Durch Eros steigt die Seele


Zur Güte und Schönheit hinan.
Unter einem Baume
An einem stillen Wasser
Spricht der Weise vom Eros.
Von den Nymphen begeistert
Zu göttlichem Wahnsinn,
Lehrt der Weise,
Daß Psyche unsterblich ist.
Sie gleicht einem Wagen,
Von zwei Rossen gezogen,
Vom Wagenlenker gelenkt.
Das rechte Ross ist weiß und stolz,
Das linke Ross ist schwarz
Und voller Leidenschaft und Begierde.
Der Wagenlenker aber
Ist die Vernunft, die Einsicht.
Der Wagenlenker beherrsche die Kunst,
Die beiden Rosse zu lenken.

Es führe der Mensch sein Leben so,


Daß er zur Erkenntnis gelangt,
Zur Einsicht in die göttliche Güte und Wahrheit.
Der Weg zur Einsicht
Führt über die Liebe zur Weisheit,
Die Freundschaft mit der Ewigen Weisheit.
Die Freundschaft mit der Ewigen Weisheit
Ist Liebe zur göttlichen Schönheit,
Liebe zur göttlichen Schönheit
Ist aber das Wesen des Eros.
Philosophie ist also Erotik.
Eros lässt den Menschen
Wieder Flügel wachsen,
So schwingt sich die Seele hinan
Zur Erkenntnis der Gottheit.

Der Mensch steigt hinan,


Noch über den Mond hinaus
Mit seinem Honigmeer
Und seinem Meer der Ruhe,
Noch über die Venus hinaus
Mit ihrer Erde der Aphrodite
Und ihrer Krone der Maria,
Bis zum Himmel der Ideen.

Mit der heiligen Isis-Psyche


Verschmolzen ist Eros
Und strebt zum Ersten, zum Guten.
Nach dem Höchsten Gut
Sehnt sie sich und jagt ihm nach.
Sie neigt sich zu dem Besseren
Und bietet ihm sich an,
Daß er in ihr zeugen möge
Und sie schwängert,
Damit sie sich freue
An ihrer Leibesfrucht,
Denn diese Geburt bedeutet
Das göttliche Sein im Stoff.
Und alles Werdende
Ist Abbild des Ewigseienden.

So soll man sich die Göttin Isis denken,


Daß sie mit dem Höchsten Gut vereinigt ist
In Schönheit und Liebe,
Die seine Aura sind.
Die ewigweibliche Seele der Natur
Hat die göttliche Schönheit an sich gerissen!
Die Erkenntnis Gottes
Fährt wie ein Blitz in die Psyche
Und gewährt ihr, Gott zu schauen,
Ja, Gott zu berühren!
Das nennen Platon (und Aristoteles)
Schau des Mysteriums.
Wenn man so mit Hilfe des Logos
Über alles Denken hinaus
Die Ewige Weisheit schaut und schmeckt,
Dann hat der geweihte Philosoph
Sein Ziel erreicht.

Der Dichter aber singt


Die Schau der Göttin Isis.

Ich war eingekehrt


In das Haus des Mannes Milon.
Die Frau des Hauses
War eine Magierin.
Ich wollte ihre magischen Künste kennen lernen
Und bat die Freundin der Frau,
Fürsprache für mich einzulegen.
Die Freundin aber zog mich in ihr Bett
Und verführte mich zur Unzucht.
Da ward ich zu einem Esel
Mit steifem Glied.
Allein die Rosen der Isis können mich erlösen!

Ich schlief am Strand


Und sah in der dunklen Nacht
Die weiße Mondin aus dem Meer auftauchen.
Es war der Vollmond
Des Frühlingsäquinoktiums.

Beim Anblick des Mondes


Schöpfte ich neue Hoffnung.
Auch meine menschlichen Angelegenheiten
Regelt die göttliche Providentia.
Das Schicksal hat sich an meinem Unglück gesättigt!
Ich habe wieder Hoffnung auf Rettung.
Ich bat um Befreiung von der Eselsgestalt.
Ich stürzte mich zu einem Tauchbad ins Meer
Und tauchte siebenmal unter mein Haupt.

Ich wusste nicht, dass der Name der Mondin


Isis ist, die Göttin der Weisheit.
Ich nannte sie damals Aphrodite
Und Anadyomene
(Oder auch die Jungfrau Diana).

O Himmelskönigin! Regina coeli!


Bist du etwa die Demeter guten Brotes?
Hilf mir in meiner Trübsal!
Richte auf mein zerschlagnes Gemüt!
Gewähre mir Seelenfrieden und Seelenruhe,
Nachdem ich die harten Schläge des Schicksals erlitten!
Es sei nun genug des Leidens!
Erlöse mich von der Gestalt des Esels!

Da legte ich mich wieder nieder


Und schlief am Meeresstrand.
Aus dem Meer erhob sich die Göttin,
Sie sah aus wie jene Marmorbüste
Der Aphrodite Anadyomene.

Da sah ich im Traum vor mir


Die Himmelskönigin,
Die langen schwarzen Haare
Mit Blumenkränzen geschmückt,
Eine Krone auf dem Haupt,
Eine Mondscheibe wie ein Spiegel
Glänzte um ihr Haupt,
Mit Ähren und Trauben geschmückt.
Ihr Gewand war weiß
Und bestickt mit Blütenornamenten,
Darüber trug sie einen blauen Mantel,
Mit einem Gürtel gegürtet.
Auf dem Mantel waren Sternbilder.
In der Rechten hielt sie eine Zymbel,
In der Linken einen heiligen Becher.
An den bloßen Füßen
Trug sie goldne Sandalen.
Sie duftete lieblich wie Weihrauch.
Sie erwies mir die Gnade
Und sprach mit himmlischer Stimme:

Siehe, mein lieber Sohn,


Auf deine Bitte hin bin ich dir erschienen,
Ich, die Mutter der Schöpfung,
Die Königin der Sterne,
Die Erstgeborne aller Zeiten,
Die Königin der Götterthrone,
Die Mutter der Toten,
Die Erste aller Himmlischen,
Die Göttin der Göttinnen,
Die ich das Schweigen der Toten
Mit gnädigem Nicken regiere!

Magna Mater nannte man mich in Kleinasien,


Minerva im weisen Athen,
Aphrodite auf Zypern,
Jungfrau Diana auf Kreta,
Aber mein wahrer Name ist
Regina coeli.

Ich bin gekommen


Voll Mitleid mit deinem Unglück!
Ich bin gekommen zu dir
Voll Wohlwollen und voll Gnade.
Laß dein Klagen und Weinen,
Denn jetzt wird durch die Providentia
Ein Tag des Heils!

Du wirst einen Priester treffen


Mit einem Rosenkranz.
Reihe dich ein in die Prozession
Zu meinen Ehren.
Küsse dem Priester die Hand
Und iß von meinen Rosen!
Dann wirst du ablegen deine Eselsgestalt.
Auch dem Priester bin ich erschienen
Und gab ihm Weisung im Traum.

Vergiss nicht, dass du mein bist!


Dein ganzes Leben bis zum letzten Atemzug
Bist du mein und ich bin dein!
Da du durch meine Gnade
Wieder zum Menschen wirst,
Verdankst du mir dein Leben!
Du wirst unter meinem Schutz und Schirm
Ein ruhmreiches Leben führen.
Und wenn sich deine Zeit erfüllt,
Werde ich dir erscheinen
In der Dunkelheit der Todesstunde
Und dich führen ins Elysische Gefilde!
Wenn du durch deinen Gehorsam mir gegenüber
Und Fasten und Beten und Opfer
Meine Gnade verdient,
Dann schenk ich dir das Ewige Leben,
Den Kranz des Ewigen Lebens!...

(Ja, ich aß die Rose der Göttin...)

MEINE AUGEN HABEN MEINE GOTTHEIT GESEHEN


„Weil du mich gesehen hast, glaubst du...“
(Evangelium)

PROLOG

Jesus bat mich zu glauben,


Daß er mich nicht vergisst,
Er wird mich nie verlassen,
Aber ich muß auch alles tun,
Was in meinen Kräften steht.
Der Meister sagte dies
Sehr sanft und süß.
Er sprach auch weiter
Gnadenvolle Worte,
Die ich nicht weitergeben muss.
Die Herrlichkeit des Herrn
Zeigte mir die Ewige Liebe
Und sprach zu mir:
ICH BIN DU UND DU BIST ICH!

MEDITATION ÜBER DIE WEISHEIT


DER HINDUISTISCHEN THEOSOPHIE
IN DEN UPANISHADEN

Wer zur mystischen Schau gelangen will,


Übe sich vorher in der Tugend
Des aktiven Lebens.
Er sei Hausvater
Im praktischen Leben.
Wenn er sich darin bewährt,
Kann er später auswandern
In die selige Theorie.

Zwei Wissenschaften sind zu erlernen,


Die niedere und die höhere.
Die niedere Wissenschaft
Umfasst die Lehre über die Natur,
Die Künste und die heiligen Schriften.
Die höhere Wissenschaft studiert
Das Urgeheimnis
Der unfassliche, unbegreiflichen
Mystischen Gottheit,
Schoß aller Wesen.

Nicht durch Bücherlesen erkennt man Gott,


Nicht durchs Denken allein.
Nur der, dem Gott sich offenbart,
Erlangt die göttliche Erkenntnis.
Worte können nicht sagen,
Wie schön die Gottheit ist!
Der Verstand kann nicht ergründen
Die Geheimnisse in der Gottheit.
Die Sinne können nicht umfassen
Die geheimnisvolle Gottheit.
Nur wer reinen Herzens ist,
Wird schauen die göttliche Schönheit!

Wer Gott nicht kennt,


Der bleibt der Sinnlichkeit verfallen.
Wer die Gottheit erkennt,
Wird wahrhaft frei.

Ein Wunder, wenn einer die Gottheit verkündet,


Ein Wunder, wenn einer die Gottheit erkennt!
Ohne den Meister und Lehrer
Ist der Weg nicht zu finden.
Zu tief ist die Gottheit
Für den Verstand des Menschen.

Der Weg ist schmal und steil,


Nicht viele gehen den Weg.

Viele haben noch nichts gehört


Vom Geist der Gottheit,
Und viele, die es gehört,
Die haben es nicht begriffen.

Unsterblich wird der Mensch


Gewiss nicht durch das Geld.

Der Weise liebt die Gottheit mehr


Als er die geliebte Frau liebt
Und als er den geliebten Knaben liebt.
Er hängt sein Herz
Nicht an Besitz.
Er liebt die Armut
Und vertraut der Vorsehung.
Er sucht nur noch, Gott
Und den Menschen zu dienen.

Wer in seinem höheren Selbst


Das göttliche Ich gefunden,
Feiner als Feinheit schimmernd,
Tiefer als Gefühl und Wille und Verstand,
Der schaut durch sein höheres Selbst
Auf das göttliche Ich,
Der erst vermag, selbstlos zu lieben,
Und seine Liebe ist ewig.

Das Wort, das die Schrift uns verkündigt,


Heißt Amen.
Amen bedeutet:
Gott ist ein König der Treue.
Wer Amen betet,
Im Namen des Gottes Amen betet,
Der wird erhört
Und vollmächtig ist sein Gebet.
Wer das Amen kennt,
Der lebt im Himmelreich.
Wahrlich, mein Sohn,
Das Amen ist Gottes Name,
In Gott ist Ja und Amen.

Die Gottheit im Innern der Natur,


Die Gottheit im Innern des Menschen
Ist eine einzige Gottheit.
Wer diese Gottheit erkennt,
Der gelangt zur Vereinigung mit der Gottheit.
Wer zur Vereinigung mit der Gottheit gelangt,
Der gelangt zum Einssein mit der Gottheit.

Wahrlich, wer die Gottheit erkennt


Und sich mit der Gottheit vereinigt,
Der wird von der Gottheit vergottet
Und wird ein Gott in der Gottheit sein.

Die Weltseele ist


Der Hauch der Gottheit.
Sie ist der Ruhepunkt des Weltalls,
Das Zentrum des Universums.
Sie ist feiner als die Feinheit,
Sie ist ewig und unsterblich.
Deine Seele, meine Geliebte,
Ist Seele von der Weltseele.
In deiner Seele, Geliebte,
Erkenne ich die Weltseele selbst.

In mir, der Weisheit,


Entstand der Weltkern,
Ist die Welt geworden.
In mir, der Weisheit,
Haben die Wesen ihr Dasein.
In mir, der Weisheit,
Finden die Wesen ihr Ziel,
Ihre Vollendung.
Ich, die Weisheit, bin Gottheit
Und neben mir ist keine andere Gottheit.

Im Gebet erkenne ich Gott.


Doch der Weise steigt
Noch über Gott hinaus
Zur überseienden Übergottheit
Und wird vergottet
In der Übergottheit,
Er geht in Vereinigung ein
In die unbegreifliche Gottheit.

Was du hörst und was du redest,


Was du denkst, ist Schall und Rauch,
Was du siehst mit deinen Augen,
Ist ein Schatten nur.
Der Weise wendet sich zum Unsichtbaren
Und wird im Scheiden von der Welt unsterblich.
Mit Worten und Gedanken
Ist die Gottheit nicht zu lehren.
Verschieden ist die göttliche Weisheit
Vom menschenmöglichen Wissen.
Doch sind die Weisen
Sich nicht unbewusst der Weisheit.
Unaussprechlich durch Worte,
Unerkennbar durch Namen,
Unerkennbar durch Bilder
Ist die geheimnisvolle Gottheit.
Was die Menschen dieser Welt
Gott nennen, ist nicht Gott.
Die Gottheit ist
Undenkbar durch das Denken.
Diese unbegreifliche Gottheit
Verehre du im Inneren,
Nicht das, was die Toren Gott nennen.
Wer die Gottheit nicht ergründen kann,
Der kennt die Gottheit.
Wer die Gottheit mystisch erkennt,
Der weiß nicht, wer sie ist.
Die von Erkenntnissen Unerkannte ist sie,
Von heiligen Narren erkannte göttliche Torheit!
MEDITATION ÜBER DIE WEISHEIT
DES NEOPLATONISMUS VON PLOTIN

Jetzt aber habe ich zu sagen,


Daß der Schoß aller Wesen
Einfacher ist als die Wesen alle.
Was dem Geist vorausgegangen,
Ist also nicht Geist und geistige Welt,
Ist einfacher als der Geist
Und einfacher als die geistige Welt.
Nicht aus Vielem ist Vieles geworden,
Sondern aus der Nichtvielheit
Ist das Viele geworden.
Wäre die ursprüngliche Einheit
Selber ein Vieles,
So wäre sie nicht der Schoß,
Sondern es gäbe einen andern Schoß.
Es kann also auf keinen Fall
Das Erste eine Vielheit sein,
Denn dann wäre vor der Vielheit
Ein anderes Erstes als Einheit.

Warum nenn ich das Erste nicht Geist?


Weil im Geiste zweierlei ist,
Das Denkende und das Gedachte.
Ist der Geist Zweifaltigkeit,
So gilt es die Einheit zu erfassen,
Die der Zweifaltigkeit vorausgeht.
Mit dem Geist vereinigt
Ist das gedachte Objekt.
Soll nun kein gedachtes Objekt
Vereinigt sein mit der Einheit,
So kann die Einheit nicht Geist sein.
Lässt die ursprüngliche Einheit
Des Geistes Zweifaltigkeit zurück
Und geht ihr voraus und liegt ihr zugrunde,
So ist die Einheit jenseits des Geistes zu suchen.

Die allerhöchste Güte


Ist jenseits von Sein und Denken.
Das Denken über die Güte
Ist von der Güte selbst verschieden.
Die Güte geht dem Denken voraus,
Die Güte ist einfach gut
Und denkt nicht über sich selber nach.

Jene geheimnisvolle Einheit


Ist aber nicht ein gewisses Etwas,
Sondern ist vor allem Seienden.
Die Wesenheit des Einen
Ist die Schöpferin alles Daseins.
Sie ist kein gewisses Etwas.
Wie ist sie beschaffen,
Wie groß, wie klein ist sie?
Von solchen Fragen wird sie nicht berührt.
Sie ist nicht der Geist,
Sie ist nicht die Seele.
Sie ist weder Bewegung noch Ruhe,
Sie existiert nicht in Raum und Zeit.
Sie ist gestaltlose Eingestaltigkeit
Und ist vor aller Gestalt.
Die Gestalten aber in Bewegung
Haften am Seienden.

Die Gottheit, die alle Schönheit erschaffen,


Darf selber keine dieser Schönheiten sein,
Sonst wäre sie ein gewisses Etwas
Und wäre nur ein Teil des Ganzen.
So ist die Gottheit auch
Von keiner bestimmten Gestalt,
Ist auch nicht eine besondere Kraft
Und nicht die Summe aller Kräfte,
Sondern jenseits von Kraft und Kräften,
Vor aller Gestalt ist die Gottheit,
Die Urgottheit ist gestaltlos
Und erzeugt doch alle geistigen Gestalten.
Da die Gottheit nun alles Seiende schuf,
Muß sie sehr groß sein,
Ja, ihre Größe muß unendlich sein,
Unendliche Größe aber sagt,
Die Gottheit ist von keiner Größe.
Die Gottheit erstreckt sich
Über die immerwährende Ewigkeit
Und so ist ihre Dauer maßlos.

Wie wird man der Einheit inne?


Nicht durch wissenschaftliches Denken,
Sondern allein durch ihre Gegenwart,
Die von höherer Art ist, als der Verstand begreift.

Die Gottheit ist unaussprechlich,


Denn was man mit Worten benennen kann,
Ist immer ein gewisses Etwas.
Darum nenne die Gottheit
Sie, die jenseits alles Daseins
Und jenseits alles Geistes ist.
Denn das ist ihr Name, der besagt,
Daß sie keinen Namen hat.
Wir können über sie nicht sprechen,
Nicht mit menschlichen Worten
Und nicht mit englischen Worten,
Sondern, meine Geliebte, was wir tun können,
Hinzuweisen einander auf die Gottheit.

Verenge die Gottheit nicht


Auf einen Punkt,
Sondern zeige ihre Fülle!
Das heißt, um die Macht zu wissen,
Wenn du weißt, dass die Gottheit
In sich trägt
Eine Fülle von göttlichen Qualitäten,
Alle in ihr versammelt,
Alle in ihr seiend.
Stell dir, meine Geliebte, eine Quelle vor,
Die viele Ströme hervorbringt,
Sich aber nie erschöpft.
In dieser göttlichen Wesenheit
Ist das Sein, das Leben und das Denken.
Sie ist die Ewigseiende,
Sie ist das Ewige Leben,
Sie ist die Ewige Weisheit.

Die Psyche hängt ab vom Geist,


Der Geist hängt ab von der Güte,
Die Güte hängt ab von der Urgottheit.
So ist das eine der Gottheit nah,
Das andre ist der Gottheit ferne,
Am fernsten aber ist die Sinnlichkeit.

Wenn sich aber Psyche wendet


Dem Geiste zu,
Dann wird sie erlöst vom Todesleib
Und steigt hinan in die Himmel.
Psyche schwingt sich hinauf
Zu Höherem, immer Höherem,
Sie erhebt sich noch über den Geist
Und steigt zur himmlischen Güte
Und ruht in der göttlichen Güte.

Betrachte also die Psyche


Und die Göttlichkeit in der Psyche,
Denn so erkennst du den Geist.
So ziehe den Körper aus
Und ziehe die Leidenschaften aus
Und alle Narrenpossen der Begierde
Und schaue Psyche nackt
Und erkenne in der bloßen Psyche
Das Ebenbild des göttlichen Geistes.

Die Stufen des Aufstiegs


Der erlösten Psyche
Sind die Stufen der Reinigung,
Der Tugend
Und des Wandelns im geistigen Reich.
Psyche halte sich frei
Vom Wirbelsturm der Gefühle
Und lasse auch die irdische Lust
Nur leicht vorüberstreichen,
In Freiheit erhebe sie sich
Über Schmerzen und Kummer
Und befreie sich
Von der Begierde nach Niederem.
Wenn Psyche die Liebeslust begehrt,
So höchstens die sittlich erlaubte.
So strebe Psyche,
Frei zu werden und rein
Und unbefleckt
Von ungeordneten Leidenschaften.

Wie du die Schönheit schauen kannst?


Ich rate dir: Geh in dich selbst,
Und wenn, was du innen schaust,
Noch nicht ganz schön ist,
So sei wie ein Künstler,
Der eine Büste formt,
Und meißle alles ab,
Was die heilige Schönheit entstellt,
Glätte und kläre den Marmor,
Bis die Büste vollkommen ist.
Laß nicht ab, mein Lieber,
An deinem Bild zu arbeiten,
Bis dir aufstrahlt der Glanz
Der vollkommenen Güte.

Erst wenn du selber, mein Lieber,


Im Innern schön geworden bist,
Dann erst bist du fähig,
Die göttliche Schönheit zu schauen.

Ich glaube aber, dass mein Geist


Die Gottheit geschaut hat
Im Lichtstrahl,
Das war sie selbst!
Steige über alle Geschöpfe hinaus!
Hier findet der Geist
Die innere Ruhe.
Nun wird der Geist
Auch das Denken nicht mehr so hochschätzen,
Weil doch die Gottheit nicht denkt.
Psyche schaut die Gottheit,
Indem ihr denkender Geist
Verwirrt wird und verschwindet
Und nichts bleibt als die Torheit der Liebe!

Von der Schönheit der Gottheit


Kann man nicht reden und schreiben.
Den Weg kann man zeigen,
Der zur seligen Schau der Gottheit führt.
Nur die Verkündigung und die Lehre
Zeigen dir den Weg, Geliebte,
Der seligen Schau im Innern der Psyche,
Sie ist reines Geschenk der Gottheit.

Der Seher aber


Schaut die Schönheit der Gottheit
Nicht als ein Objekt in der Außenwelt,
Sondern im eignen Subjekt
Schaut er die göttliche Schönheit.
Er selbst ist der Schönheit inne,
Ob er es oft auch nicht weiß.
Was der Seher außen Schönes sieht,
Das verpflanzt er in sich selbst
Und schaut es innen
Als seine eigene Seele.

Der Seher schaut die Gottheit


In einem Bild der Schönheit.
Vereinigt er sich mit der Gottheit,
So wird er eins mit der Gottheit.

Die geschaute Schönheit


Übersteigt den Verstand.
Wer aber diese übervernünftige Schönheit
Der Gottheit in sich selbst erschaut,
Wird erhaben sein
Und demütig einfach zugleich.

Der Seher, der die Schönheit schaut


Und sich mit der Gottheit vereinigt,
Er ist nicht mehr er selbst,
Er ist hineingezogen ins höhere Leben
Und Eigentum der Gottheit.
Er ist Geliebter der Gottheit!
Er darf betreten
Das innere Brautgemach
Der bloßen Gottheit!

Der so Begnadete
Lebt nicht wie ein religiöser Mensch
In sittlicher Tugend
Als ein frommer Bürger, nein,
Er lebt und wirkt wie ein Gott,
Ein Gott von der Gottheit Gnaden.

Und bist du so vereinigt


Und eins geworden mit der Gottheit
Und seliger Gott in der liebenden Gottheit geworden,
Dann tritt aus dem inneren Brautgemach
Der bloßen Gottheit
Und gehe zu den guten Menschen,
Sie den Weg zu führen,
Ihnen von der Liebe zu zeugen!

MEDITATION ÜBER DIE WEISHEIT


DER ISLAMISCHEN MYSTIK
DES DICHTER-MYSTIKERS ATTAR

Sieben Räume musst du durchschreiten


Bis in Gottes Zimmer.

Der erste Raum ist der Raum der Suche.


Hundert Schwierigkeiten erwarten dich hier,
Hundert Prüfungen musst du erdulden.
Viele Jahre wirst du hier sein
Und große Mühen haben.
Alles musst du hier aufgeben,
Allen Besitz für nichts erachten.
Wenn du nichts mehr besitzt,
Musst du dich noch von den Geschöpfen lösen.
Dann wirst du das süße Licht
Der göttlichen Hoheit erschauen
Und deine Wünsche
Streben ins Unendliche.
Solche Sehnsucht wird dich erfüllen,
Daß du dich ganz der Gottessuche ergibst.
Du wirst einen Schluck Wein trinken
Und nichts mehr tun
Als Gott zu suchen.
Wenn die Pforte sich auftut,
Wirst du den wahren Glauben haben.

Der zweite Raum ist der Raum der Liebe.


Du musst ein flammendes Feuer sein,
Du musst ganz Flamme sein.
Dein Antlitz muss leuchten und glühen,
Deine Seele muss ungestüm sein
Wie verzehrendes Feuer.
In diesem Raum verzehrt
Das Feuer der Liebe
Den Rauch der Vernunft.
Der Verstand kann nicht zusammenleben
Mit der Torheit der Liebe!

Der dritte Raum ist der Raum der Weisheit.


Die Erkenntnis ist endlos,
Der Raum ist groß, der Weg ist lang.
Bücherwissen ist vergänglich,
Göttliche Erkenntnis bleibt.
Wie du deine Sünden überwindest,
Offenbart sich dir die Weisheit,
Jedem offenbart sich die Weisheit
Nach seinem Maß.
Der Strebende wird erkennen
Den Kern in der Schale.
Er wird sich nicht mit sich selbst beschäftigen,
Sondern schaut zur Ewigen Liebe auf.
In jedem Atom erkennt er
Die innergöttliche Liebe.

Der vierte Raum ist der Raum der Freiheit.


Du willst nichts besitzen
Und nichts Weltliches mehr entdecken.
Ein Sturm geht durch deine Seele.
Der Ozean ist dir ein Tropfen am Eimer,
Die Milchstraße ist dir wie ein Funke,
Der Himmel wie ein Leichnam
Und die Hölle wie ein Eiszapfen.
Wenn Himmel und Erde vergehen,
Ist es wie das Fallen einer Blüte vom Baum.
Wenn kein Mensch und kein Engel mehr existierte,
Würdest du dennoch nachsinnen
Über den Einen Samentropfen,
Aus dem das All geworden.

Der fünfte Raum ist der Raum der Einheit.


Alles zerbricht und wird wieder zusammengefügt.
Alle Wesen siehst du vereint in Gott.
Gott erscheint in allem.
Die Ewigkeit vor der Zeit und die Ewigkeit nach der Zeit
Sind eine einzige Ewigkeit.
Du kannst von ihr nicht sprechen.
Wenn alles vergeht und zunichte wird,
Worüber willst du dann sprechen?

Der sechste Raum ist der Raum des Wahnsinns.


Hier fällst du der Trauer zum Opfer,
Du wirst verzagt sein.
Jeder Atemzug ist ein Seufzer.
Der Tag ist Nacht, die Nacht ist Tag.
Die lebendige Flamme lodert,
Du aber bist unglücklich.
Auf wessen Herz geschrieben steht
Die mystische Einheit mit Gott,
Der vergisst sich selbst.
Fragt ihn einer: Lebst du oder bist du tot?
So weiß er die Antwort nicht.
Er wird sagen: Ich weiß nicht, wer ich bin,
Ich weiß nur, dass ich verliebt bin,
Aber in wen?
Mein Herz ist lieblos und voller Liebe!
Der siebente Raum ist der Raum des Todes.
Tausend Schatten verschwinden
In einem einzigen Sonnenstrahl.
Das Meer der Ewigkeit gerät in Wallung
Und die gekräuselten Wellen
Der jetzigen und der kommenden Welt
Versinken in dem Meer der Ewigkeit.
Der Tropfen ruht im Meer.
Du wirst gedemütigt,
Du wirst zugrunde gehen.
Dann aber taucht aus dem Meer des Todes
Die Neue Schöpfung.
Du wirst aufhören zu existieren,
Doch deine Schönheit bleibt.
Du bist nicht mehr,
Doch jetzt erst wirst du wirklich sein.

Nun schaut der Weise


Im innersten Brautgemach
Die fünffach verschleierte Gottheit.
Die Gottheit lässt den ersten Schleier fallen –
Der Weise ist trunken von Ewiger Liebe!
Die Gottheit lässt den zweiten Schleier fallen –
Dem Weisen ist aller Irrglaube geschwunden!
Die Gottheit lässt den dritten Schleier fallen –
Dem Weisen ist das Ego gestorben!
Die Gottheit lässt den vierten Schleier fallen –
Der Weise ergibt sich dem Willen Gottes!
Die Gottheit lässt den fünften Schleier fallen
Und offenbart sich als bloße Gottheit –
Der Weise ist vergottet
Und ist zum Gott in der Gottheit geworden!

MEDITATION ÜBER DIE WEISHEIT


DES JÜDISCHEN NEUPLATONISMUS
DES PHILO VON ALEXANDRIEN

Die Suche nach der Gottheit,


Dem besten Wesen der Welt,
Der Unvergleichlichen,
Der Urheberin alles Seienden,
Diese Suche ergreift die Seele
Und bleibt nicht ohne Erfolg,
Da die Gottheit selbst
Gemäß der Gnade ihrer Gottnatur
Dem Sucher entgegenkommt
Und sich jenem Mann,
Der sie zu schauen begehrt,
In der lichten Wolke offenbart
Soweit es irgend möglich ist,
Daß der Mensch in seinem Wissen
Sich der göttlichen Schönheit nähert.

Das gesegnete Geschlecht der Menschen,


Die die Gottheit verdolmetschen,
Sind die prophetisch Begeisterten,
Besessen von der Gottheit,
Genießend die göttliche Trunkenheit.

Die göttliche Schönheit zu schauen


Wird allein gewürdigt der Geist des Menschen.
Von oben eingeblasen,
Der Geist beachte nicht den Körper
Mit seinem Appetit,
Beachte auch nicht die leibliche Seele
Mit ihren Begierden,
Verzehrenden Leidenschaften
Und brennenden Lüsten.

Von keinem Geschöpf laß dich zurückhalten,


Sondern erhebe dich über jedes Geschöpf.
Geist, sei königlich
Und lerne zu herrschen
Und laß dich nicht beherrschen von Geschöpfen.
Erkenne dich selbst!
Verlasse die irdische Welt,
Entfliehe deinem befleckten Körper
Und reiße dich los mit aller Gewalt
Von den Begierden des Körpers
Und aller körperlichen Lüsternheit!

Extase ist erstens ein Wahnsinn,


Der dich zum Idioten macht,
Extase ist zweitens ein Schock
Über den jähen Einbruch des Schicksals,
Extase ist drittens die Ruhe
Des Geistes im Arm der Ewigkeit,
Extase ist viertens Begeisterung,
Wenn die Gottheit selbst dich berührt
Und du prophetisch redest und handelst.

Solange noch der menschliche Geist


Mit aller seiner Erkenntnis
Nach allen Seiten in dir strahlt
Wie Mittagssonne in der Seele,
Sind wir noch nicht besessen
Vom guten Dämon der Weisheit.
Wenn aber dein Verstand mit allem Wissen
Versinkend untergeht, erhebt sich
Die göttliche Weisheit selbst
Mit ihrem liebenden Wort.
So geht es prophetisch begeisterten Menschen.
Der Geist des Menschen verstummt
Vor dem Wort der göttlichen Weisheit.
Wie kann ein Sterblicher
Zusammenwohnen
Mit der Unsterblichkeit?
Darum führe deinen Verstand
In die Nacht des Denkens
Und bereite dich darauf vor,
Daß in der Extase
Die Gottheit selbst dich entzückt!

O Seele, wenn du das Verlangen spürst,


Die Ewigkeit zu erben
Und die Gottheit zu genießen,
So verlasse nicht nur den Körper
Mit seinen animalischen Trieben,
Verlasse auch die Seele
Mit ihrem Verlangen, ihrer Begierde,
Ihrer Leidenschaft und ihrer Wollust,
Und verlasse deinen Verstand
Und all dein menschliches Wissen
Und werde zum Besessenen,
Besessen vom guten Dämon der göttlichen Weisheit,
Und lass dich von der Gottheit selbst
Begeistern und verzücken.
Herrsche nicht selbst
Über deine Vernunft,
Dein logisches Denken,
Dein menschliches Wissen,
Das Stückwerk deiner Erkenntnis,
Sondern weihe deine menschliche Weisheit
Der göttlichen Weisheit ganz
Und laß dich von dieser Herrin beherrschen!

Bist du so aus dir hinausgegangen,


Wirst du nicht nur Seher sein,
Sondern die Ewige Gottheit genießen!

MEDITATION ÜBER DIE WEISHEIT


DES KATHOLISCHEN NEUPLATONISMUS
DES HEILIGEN DIONYSIUS AREOPAGITA

Lass nicht ab, mein Geliebter,


Dich in mystischer Schau zu üben!
Entsage der Kunst des Verstandes,
Leg ab die Sinnlichkeit
Und ziehe die Klugheit aus,
Sei nackt von allem Seienden
Und nackt vom leeren Nichts
Und erhebe dich dann
Zur heiligen Indifferenz –
Fliege über den Kosmos hinaus
Bis an die Schwelle der Verschmelzung
Mit der Gottheit der Liebe,
Die über alles Wissen schön ist!
Erst wenn du dich deiner selbst entledigt
Und ohne alle vergängliche Kleidung nackt bist,
Wirst du in trunkner Extase
Dich bis zum schwarzen Glanz erheben,
Der die Urgottheit umhüllt
In Ewigkeit vor aller Schöpfung,
Dort wirst du nackt von allem,
Was dich zum Dasein macht,
Eingehn in die Gottheit.

Wer in den Schoß allen Seins will schauen,


Lasse zurück die Scheidung
Von heilig und verrucht –
Lasse zurück das Tal des Triebes
Und den Berg der Läuterung
Und die Höhepunkte der Heiligkeit
Und schwebe über aller Schöpfung
Und fliege über allem Licht
Und gehe über die Klarheit hinaus
Und durchschreite die Gründe des Paradieses
Und hinter dem zeugenden Logos,
Jenseits aller Grenzen,
Schaue den Schoß der Gottheit!

Denke einen Bildhauer dir,


Der mit Hammer und Meißel
Aus dem Marmorblock
Das innewohnende Bild
Des göttlichen Ideals der Schönheit
Herausschlägt mit Kraft und Kunst.
Alles was du tun musst,
Ist die Hindernisse fortzuräumen.
Nimm alles weg, was nicht göttlich ist!
Dann wird die verhüllte Schönheit
Mehr und mehr sich offenbaren
Und schließlich schaust du das Ideal
Der Schönheit der bloßen Gottheit!

MEDITATION ÜBER DIE WEISHEIT


DER KARMELITISCHEN BRAUTMYSTIK
DES HEILIGEN JOHANNES VOM KREUZ

In dunkler Nacht
Loderte die lebendige Liebesflamme,
Unaussprechlich die Glückseligkeit,
Da bin ich fortgegangen
Und ließ mein Haus im Schlaf zurück.
Heimlich ging ich,
Vermummt, die Treppe hinunter,
Verborgen in der Dunkelheit,
O Lust der Liebe,
Und ließ mein Haus im Schlaf zurück.
Keiner sah mich
In dieser gesegneten Nacht,
Auch wollt ich keinen Menschen sehen,
Nichts führte mich
Als diese Glut des Herzens,
Sie hat mich geführt
Besser als das Licht des Tages.
Die Ewige Liebe macht sich zurecht für mich,
Sie, die ich liebe,
Und kein Geschöpf hat uns gestört.
O stille Nacht, die seliger ist
Als die Morgenröte,
In deinem schwarzen Seidenkleid
Liegen die Geliebten vereint,
Da die Macht der Liebe
Den Geliebten in die Gottheit versenkt.
Ich lag an ihren Brüsten
Und genoss die Seelenruhe.
Sie labte und erquickte mich
Und erfrischte mich mit ihrem Hauch,
Als schon die Lüfte der Morgenröte
Mit ihren langen schwarzen Haaren spielten,
Fühlte ich, wie sie mich streichelte
Am rechten Arm.
Das war unvergleichlich zärtlich
Und mir schwanden die Sinne.
Ich trank den Trank des Vergessens
Und blieb an die Geliebte geschmiegt
Und ließ mein Ich versinken
Und wurde von der Geliebten eingewiegt
Und all mein Kummer
Ist verschwunden
In ihrem Rosengartenparadies.

DIE SCHWEIGENDE GOTTHEIT

Meine Theologie spricht sich in Hymnen aus,


Die in mystisch hindeutendem Sinne
Tiefgründiges verkünden.

Iphigenie ist in ihrer Seele still,


Weil ihr, der Priesterin der göttlichen Jungfrau,
Im Umgang mit der Heiligen
Die Stille zuteil geworden ist
Und ihre heilvoll beseligende Macht,
Die Stille der Gottheit,
Die auch dann noch über ihr schwebt,
Wenn fremdes oder eigenes Leid
Ihre Seele beschattet.
Als stille, reine Seele kann sie
Orest entsühnen und heilen sein Leid,
Seine Unrast stillen.

Das Ruhegebet der östlichen Kirche


Und die deutsche Mystik
Und auch die platonische Lehre
Und die plotinische Lehre
Von der göttlichen Schönheit
Weiß von der Bedingung der Stille,
Daß die Gottheit sich ergießen kann
Und der Mensch die göttliche Schönheit erkennt.

Als ich die griechische Statue sah,


War ich gleichsam entrückt
Und in einen heiligen Hain versetzt
Und glaubte die Gottheit selbst zu sehen,
Wie sie dem Sterblichen erschien.

Das Auge der Gottheit


Ist das Auge eines Wesens,
Das alles erschüttert,
Und doch in einer ewigen Ruhe ist,
Als ob es schwebe
Auf der Ebene eines stillen Meeres.

Die edle Einfalt und stille Größe


Der griechischen Statue
Ist das wahre Merkmal
Der Schriften aus der goldenen Zeit,
Der Schriften aus Sokrates’ Schule.

Hier offenbart sich das Wesen der Gottheit


In der sich im Schweigen vollziehenden
Anschauung anschaulicher Gestalt
Der schönen Gottheit.
Das Schweigen des Menschen bekundet
Die unmittelbare Wirkung des Gefühls
Einer numinosen Gegenwart selbst,
Deren Wesen einzig darin besteht,
Sich in ihrer Weltentrücktheit, Unbewegtheit
Und ruhigen Schönheit anschauen zu lassen,
Von Schweigen umgeben.
Wie in der Theologie Epikurs
Gewährt die schweigende Gottheit
Allein durch ihr bloßes glückseliges,
Selbstgenügsames Dasein
Dem Menschen innere Seligkeit.

Die stille Seele des Menschen


Singt Hymnen an die Vollkommenheit:
Voll hoher Einfalt,
Still und groß,
Strebten zu dir die Ahnen,
Strebten, des Triumphes gewiß.

Die hohe heilige Statue


Finde ich wunderbar und fremd-schön,
Die höchste Schönheit erscheint jedoch
In der unermesslichen Natur,
In den ungeheuren Weiten des Himmels
Mit seinen fruchtbaren Kräften,
Die sich noch im kleinsten Staube regen
Und ewig lebendig sind.

Die göttliche Schönheit offenbart sich


Sinnlich-anschaulich
In der lebendigen Natur.
Die gesamte Natur wird mir
Zum geweihten heiligen Raum.
Rings in schwesterlicher Stille
Lauscht die blühende Natur.
Die Epiphanie der schönen Gottheit
Ereignet sich in der Natur.
In milden Lüften begegnet dem Sterblichen
Und wenn er still im Garten wandelt,
Aufheiternd eine Gottheit.

Hier findet sich Mystisch-Hindeutendes


Auf ein Tiefgründiges, hinweisend
Auf ein Erlebnis,
Das nach Worten sucht, sich auszusprechen.
Tiefer und tiefer dringt ein
In den Sinn meiner Worte.
Denn ich besinge die Himmlische,
Die Kraft des Himmels, die stille,
Die voll goldener göttlicher Ruhe ist,
Die stille Geistfrau, die Unbekannte,
Die Ur-Ahnfrau,
Die wandellos in stiller Schönheit lebt.
So warte ich auf die Zeit,
Da in der goldenen Wolke wieder erscheint
Die strahlende Gottheit,
Indem ich die Stille preise:
Stille, die du ausgegossen
Die Ruhe in den Sinn des seligen Knaben,
Aus dir geflossen ist die himmlische Wonne,
Holde Stille,
Freudenspenderin!
Und du, Geliebte meines Geistes,
Meine Diotima,
Großes zu schauen
Und zu singen von der schweigenden Gottheit
Lehrst du mich, selbst stille schweigend,
Mich stille begeisternd.

Wir verehren die Natur, denn heilig ist die Natur


Und die in ihr wirkenden Mächte.
Der Schönheit der Natur
Wird inne der Mensch
In der reinen Anschauung.
Der Mensch hat sein Schicksal,
Die Gottheit aber ist erhaben über die Erde
Und ruht in ewiger Stille,
Still und mühelos ist das Leben der Gottheit.
An der ewigen Stille der Gottheit
Geht der sterbliche Mann
Wie ein tönender Hauch vorüber,
Wie ein flüchtiges Lied.
So sprach die sterbende Freundin:
Wir leben wie die himmlischen Harfespieler
Um den weißen Thron der Gottheit,
Und mit unserm flüchtigen Lebenslied
Mildern wir den seligen Ernst des Herrn.

Denn ich glaube an das Lichtreich


In den himmlischen Höhen,
Wo die Genien sich versammeln
Und sind in der Gloria
Des vollkommenen Seins.

Aber meine Gottheit ist menschlich,


Denn Christus ist wahrer Mensch.
Das Menschlich-Allzumenschliche
Heidnischer Götter ist nicht mehr,
Meine Gottheit ist transparent,
Ist allgemein,
Ist deutungsvoll
Die Seele der Welt.

Meine dichterische Tätigkeit hat da,


Wo ich die Schau der idealischen Schönheit
In Worte zu fassen suche,
Platons Prosahymnen auf die Idee
Des Guten und Wahren und Schönen zum Vorbild.

Denn mit Platon kritisieren wir


Die menschlich-allzumenschlichen griechischen Götter,
Wir bilden einen Gottesbegriff,
Den wir wahrhaft klassisch nennen.

Mit Platon kritisieren wir


Die Dichtertheologen und ihre Götter,
Sie bleiben unserm Staate fern.

Die Philosophen lösen die Dichter ab


Als Theologen der Gottheit.

Der Mythos Platons nämlich


Ist nicht mehr der alte Göttermythos.
Die alten Götter sind uns unverständlich.
Platons Lob des Eros feiert
Die Befreiung von den alten Göttern.
Dichtung sei im Staate Gottes
Nur Lobgesang an die Gottheit
Und Preislieder auf die Heiligen.

In diesem Sinn ist Platon


Schüler jenes Mannes,
Dem die Stadt vorwarf,
Er wolle neue Götter erfinden.

Platon ist nämlich gegangen


Vom Mythos zum Logos.
Die Dichtertheologie der Mythen
Wich der Philosophentheologie des Logos.
Theologie ist nun die Lehre,
Die Aussagen macht über das Wesen
Des Höchsten Seienden, Gott genannt.
In der dogmatischen Definition
Des Höchsten Seienden enthalten
Ist immer das Verhältnis
Zum Endlich-Seienden.
Aber wir setzen voraus,
Daß unter allen Geschöpfen vor allem der Mensch
Ein vorzügliches Verhältnis
Zur ewigen Gottheit hat.

Da Platon abgelehnt
Die Theologie der Dichter,
Hat er als Philosoph
Seine eigne Theologie gebildet.
Die platonische Gottesvorstellung
Wird in den platonischen Dialogen
Als Vollkommenheitsideal aufgestellt,
Das für alle spätern Philosophen
Des Abendlandes verbindlich wurde.

Die schweigende Gottheit aber


Ist ein Ideal der Gnosis
Und des Neoplatonismus.
Plutarch sagt zwar:
Die Menschen lehren das Reden,
Die Götter aber das Schweigen.
Doch Platon sprach anders.

Ich orientiere mich am Demiurgen,


Den Platon im Timäus preist.
Mit Platon nehme ich an die Existenz
Der übernatürlichen, hypothetischen Welt,
Ich meine den Ideenhimmel,
Darüber die überweltliche Gottheit herrscht.
Doch sage mir ein Weiser,
Ob die Ideen natürlich oder übernatürlich sind,
Ob Gottes Macht begrenzt ist,
Ob die Götter Genien der Planeten sind?

Platons Zwiespalt
In der Definition Gottes
Begründet sein undogmatisches Wesen
In der Art und Weise des Theologisierens.
So hat Platon bewusst darauf verzichtet,
Die Ideenwelt zu theologisieren.
Da gab es doch einen gewissen Streit
Zwischen seinem religiösen Glauben
Und seiner philosophischen Vernunft.

Die Ideen sind keine Personen


Und die Höchste Idee ist nicht Gott.
Oder ist die Idee der Güte – Gott?

Soll ich denn den Demiurgen Gott nennen


Und die Weltseele Gottheit nennen?
Dann kann ich auch die Idee der Höchsten Schönheit
Die himmlische Gottheit nennen.

Bis heute ist es mir nicht gelungen,


Aus den Dialogen Platons
Eine klare Universaltheologie
Herauszukristallisieren.
Ich betrachte doch alle Weisheit Platons
Im Licht der jüdisch-christlichen Offenbarung.
So stelle ich die Hypothese auf,
Daß Platon im Grunde seines Herzens
Monotheist gewesen.

Die Ideenlehre klammern wir nicht aus,


Sondern mit innerer Konsequenz
Sehen wir in der Höchsten Idee,
Der Idee der Güte, den höchsten Gott.
Doch ist auch Platons Gott Person?

Der Demiurg blickte auf die Höchste Idee,


So dass nicht der Demiurg als das Maß der Dinge erscheint,
Sondern die Höchste Idee.

Gott aber ist der Schöpfer


Der Idee der Ideen.

Wenn Platon vom ideellen Muster der Welt spricht


Und dieses Muster den intelligiblen Gott nennt,
So weiß er natürlich, dass der höchste
Intelligible Gott
Die Idee der Güte ist.

Dieser überpersönliche höchste Gott


Ist ein Wesen, das sich selbst genug ist,
Zu dem der Mensch sich hingezogen fühlt,
Eine Gottheit, die sich anschauen lässt,
Eine Gottheit, die sich bewundern lässt.
Doch ist es der Gottheit gleichgültig,
Ob der Mensch das Ziel seines Strebens erreicht oder nicht?
Solche gleichgültigen Götter dachten sich die Griechen.

In seinem siebenten Brief


Unterscheidet Platon
Zwischen dem Exoterischen
Als dem, was über Gott zu sagen ist,
Und dem Esoterischen,
Als dem, was dem Schweigen anheimfällt,
Nicht aus heidnischen Mysterienokkultismus,
Sondern weil die esoterische Gottheit
Dem Menschen unbegreiflich und unaussprechlich ist.

Hier kann dir nur weiterhelfen,


Mit Platons Geist selbst mündlich zu sprechen.

Hier sind die Grenzen des Logos,


Die philosophische Vernunft
Kommt an eine Grenze,
Und Sokrates und Platon
Sprechen in mythischen Bildern
Vom unaussprechlichen Gott.
Platon war kein Agnostiker.
Dass die Vernunft von Gott nichts wissen könne,
War nicht Platons Lehre.
Platon ist sehr wohl vorgedrungen
Zu einem letzten Positiven,
Der Horizont der Gotteserkenntnis Platons
Liegt aber jenseits der Dialoge.

Plotins religiöser Neuplatonismus


Steht der Lehre Platons näher
Als die Vernunft des Aristoteles.
Der Seinsgrund, sich entziehend bei Platon,
Bis zur Grenze des Denkbaren zurücktretend,
Rückt bei Aristoteles dem Denken näher
Und der natürlichen Welt.
Plotin aber stellt das platonische Eins
Über den Geist des Aristoteles.

Wir sehen also Platon


Die Gottheit seiner Erkenntnis umschreiben
Als die allerhöchste Eins,
Die Höchste Idee der Güte
Und den Demiurgen als Schöpfer des Kosmos.

Im göttlichen Eros,
Eros, dem persönlichen Gott,
Ist vereinigt der höchste Erkenntnisgegenstand
Und das ethische Ideal.

Die sittliche Vollkommenheit


Kann auch zustande kommen
Aufgrund von Gewohnheit und Übung,
Ohne Philosophie und Vernunft.
Aber als höchste Eudämonie
Kann dieser Zustand nicht gewertet werden.
Gott Eros aber,
Im Besitz der Sophia,
Steht auf der höchsten Stufe
Der ewigen Eudämonie.

Dazu die höchste Schönheit


Ist Eigenschaft des Gottes Eros,
Jenes vom Irdischen abgelöste Schauen,
Das Diotima den Sokrates lehrte,
Führt zur Schau der Schönheit des Eros.

Des weiteren ist der göttliche Eros


Nicht allein der Erste aller Götter,
Sondern auch die Ursache allen Seins.

Wenn aber Eros nicht Gott ist,


Sondern ein Dämon und Mittler,
Besitzt er nicht die Schönheit,
Da er nach Schönheit verlangt,
Bedürftig ist nach Schönheit.

Was aber ist das Ziel des Eros


Als des Mittlers und des Dämons?
Das Ziel des Eros ist die Schau der Schönheit.
Wer die höchste Schönheit schauen will,
Beginne beim Schauen des schönen Körpers,
Abstrahiere von allem Sterblichen
Und erkenne das ewige Wesen der Schönheit,
Gott, die Schönheit in aller Schönheit,
Die Urgottheit der Urschönheit,
Frei von allem anthropomorphem Schönsein.

Platon spricht nicht vom Jenseits


Als der kommenden Ewigkeit,
Sondern von der Präexistenz der Psyche
Im Jenseits vor der Empfängnis.
Die präexistente Psyche
Steigt hinan zum überhimmlischen Ort
In den Bereich der Göttlichkeit,
Zur Schau der ewigen Himmelswelt,
Wo die Himmlischen wohnen.
Hier schaut Psyche die Weisheit und Tugend,
Die den Philosophen zum Philosophen machen.

Diese überhimmlische Ideenwelt


Ist allein der Vernunft und dem Wissen zugänglich.
Das Denken Gottes selbst
Führt durch den führenden Seelenteil,
Den Geist der Seele, die Seele zu Gott.
In diesem Ideenhimmel
Wohnt die göttliche Gerechtigkeit selbst
Als himmlische Jungfrau
Und die weise Besonnenheit
Und die göttliche Weisheit.

Aber wahre Weisheit


Und ethische Vollkommenheit
Eignen dem Gotte Eros.
Die Schau der göttlichen Hypostasen
Garantiert die göttliche Qualität der Hypostasen.
Die präsexistente Seele und der Philosoph
Leben gewissermaßen das Leben der Götter,
Da sie mit göttlichen Qualitäten
Im Ideenhimmel umgehn.
Dass der Geist des Philosophen sich erinnert
An die Schau der präsexistenten Seele,
Wird bewirkt durch die Liebe,
Wenn der Mann eine Schönheit erblickt.
Dann taucht im Mann die Erinnerung auf
An die selige Schau der Gottheit,
Eine unversehrte, glückselige Erscheinung Gottes
Begegnet dem Liebenden
Im Schauen der Schönheit.

Die göttlichen Hypostasen


Oder auch Götterthrone genannt
Sind voll von Schönheit,
Unsterblichkeit und Glückseligkeit,
Sie sind gerecht und gut,
Urheber alles Guten
Und Stifter der göttlichen Hierarchie
Und Ordnung des Kosmos.
Gott in seiner Gottheit leidet nicht.

Der stoische oder pythagoreische Weise


Ist dem Gotte ähnlich,
Steht Gott an Angesicht zu Angesicht gegenüber.

Der platonische Weise wagt so nicht zu sprechen.


Er spricht nicht von der Vergottung,
Sondern von der Ähnlichkeit seiner Seele
Mit den ewigen Ideen im Ideenhimmel.
Doch weil die ewige Ideenwelt
Das vollkommene Abbild Gottes ist,
Erstrebt auch der platonische Weise
Eine Verähnlichung mit der Gottheit.

Voraussetzung zur Gottwerdung des Menschen


Ist die theoretische Sauberkeit
Und die moralische Reinheit.
Aber erst nach der Trennung vom Todesleib
Gelangt die Seele zur vollen Erkenntnis.

Die Stoiker hielten fern


Von ihrem immanenten Gott Logos
Alle anthropomorphen Züge.

Aber gehört zum Wesen Gottes


Das Schweigen oder das Reden?

Der Gott des Homer


Bewegt sich sehr rasch,
Der Gott des Xenophanes
Verharrt in Ruhe.

Die unbewegte Ruhe


Und die Mühelosigkeit bei allem Vollbringen
Verleihen dem Gott die angemessne Erhabenheit.
So sieht Xenophanes den Gott
Und wird zum neuen Dichter-Theologen,
Mit frommen Mythen und reinen Worten
Den Gott zu preisen.

Es ist doch nicht einzusehen,


Warum die Himmlischen glücklich sein sollten,
Wenn sie sich nicht unterhalten können?
Den man kann doch den Himmlischen das nicht nehmen,
Was der Philosophen größte Freude,
Die geistige Diskussion mit weisen Menschen.

Wenn ein Gott denn existiert,


So kann man ihn nicht anders denken
Als redend mit göttlichem Wort.
Aber wenn Gott eine Sprache hat,
Wenn Gott eine Stimme hat,
Hat Gott denn auch eine Kehle?

Jeder, der von der Existenz des Gottes spricht,


Soll sich klar sein,
Daß nur ein menschlicher Gott denkbar ist.
Der vernünftige Logos allein,
Den die Stoiker reinen Geist nennen,
Ist nicht denkbar,
Ein Gott Logos der Stoiker,
Der nicht redet!

Der Logos aber ist ein äußerlicher


Und der Logos ist ein innerlicher.
Der innere Logos ist der höhere Logos.

Die Gottheit ist nicht mit dem Diesseits verhaftet.


Der innere Logos im Innern der Seele
Ist die Möglichkeit der Kommunikation
Mit dem göttlichen Geist.

Die natürliche Mantik lehrt nun


Das übersinnliche Sehen Gottes
In Traum und Ekstase.

Die Seele erkennt aus eigener Macht,


Die Seele erkennt durch Gespräch mit den Geistern,
Die Seele erkennt durch das Reden Gottes.

Voraussetzung aber,
Das göttliche Reden zu hören,
Ist die Loslösung der Seele vom Körper.

Apathie ist die Voraussetzung,


Die Stimme Gottes zu hören.

Hier lehren die Platoniker


Die Kunst der Erkenntnis Gottes
Und des ekstatischen Schauens der Weisheit
In philosophischer Weise,
Wie auf religiöse und mystische Weise
Auch Hermes Trismegistos es lehrte.

Das lautlose göttliche Reden ist so,


Wie Plutarch es gelehrt,
Dass das Mitgeteilte
Den Vernehmenden sanft berührt.

Der Atemstoß der menschlichen Rede


Tut dem Hörenden weh,
Anders das Reden Gottes,
Da die Seele von selbst
Sich der göttlichen Weisung fügt.

Diese Berührung durch die göttliche Rede


Ist wie die Berührungen von Lichtstrahlen.
Die göttliche Rede bewegt die Seele,
Das göttliche Wort dringt mühelos in die Seele ein,
Die göttliche Vernunft
Lenkt die menschliche Vernunft
Und die Weltseele Gottes
Haucht die Seele des Menschen an,
Wie ein Lichtstrahl einen andern Lichtstrahl berührt.
So spricht der Logos Gottes
Mit dem inneren Logos des Menschen.

Es ist von vorneherein ganz ausgeschlossen,


Daß der Jude Gott
Als schweigenden Urgrund der Gnosis begreift,
Da in der jüdischen Religion
Und ganz dann in dem Christentum
Von Gottes Wort die Rede ist.
Gott spricht im Ersten Bund,
Die Schöpfung geht zurück
Auf das Sprechen Gottes,
Das Reden Gottes gibt die Weisung.
Gottes Reden ist die ihm eigne Aktivität.

Philon von Alexandrien


Nahm zu den Griechen Stellung,
Zu den Platonisten,
Neupythagoräern und Gnostikern,
Die Offenbarung Gottes auf dem Sinai
Philosophisch zu deuten.

Es besteht für ihn kein Zweifel,


Daß die höchste Gotteserkenntnis
Durch die Schau der Gottheit zuteil wird.
Er beruft sich dabei auf Heraklit.
Aber das Zeugnis eines Griechen
Ist für Philon so lange ohne Gewicht,
Bis auch die Bibel Zeugnis gibt.
Er legt die Bibel allegorisch aus,
Wie einst die Stoiker Homer allegorisch gedeutet,
Wie Origenes die Bibel deutet.
Was den Vorrang der Schau Gottes
Vor dem Hören des Wortes Gottes betrifft,
Beruft sich Philon auf den Vorrang Israels,
Des Gott Schauenden,
Vor Ismael, dem Gott Hörenden.

Kommunikation des Menschen mit Gott


Ist möglich durch die Verwandtschaft
Des menschlichen Geistes
Mit dem göttlichen Geist,
Der Mensch ist Person und frei,
Gott ist Person und frei.

Der Mensch hat einen menschlichen Geist,


Gott hat einen göttlichen Geist.
Der menschliche Geist ist ähnlich
Dem heiligen Geiste Gottes.

Die Weisung oder Tora aber ist


Die Weisheit Gottes, das ist SOPHIA,
Anders gesagt: Gott Logos,
Der als die Ganzheit der Ideen
Im Geiste Gottes gesammelt ist.

Die Offenbarung der Weisung an Moses


Ist ähnlich wie die natürliche Mantik der Griechen,
Da Gott in Visionen und Träumen sich offenbart.
Die zehn heiligen Worte
Hat Gott nicht mit menschlicher Stimme verkündet,
Gottes Worte sind vielmehr
Wie eine Lichterscheinung,
Gesehen vom Auge der Seele.

Die griechische Vorstellung


Oder, wenn du willst, die gnostische,
Daß die Gottheit geschaut wird,
Ist ein uralter Gedanke
Schon in der jüdischen Religion.

Wahrlich, es ist in der heiligen Schrift


Die Rede vom Schauen des Wortes Gottes.
Das Wort Gottes wird zum Gegenstand der Schau,
Zum höchsten Erkenntnisgegenstand.
Der göttliche Logos ist absolute Reinheit,
Der göttliche Logos ist Eins,
Das Eins vor aller Vielheit.

So spricht Gott
Von Mund zu Mund mit Moses
Und Moses schaut Gott
Von Angesicht zu Angesicht.

(Die Geliebte ist entrückt,


Sie ist in weiter Ferne...

Der Liebende muss sich nahen


Der schönen Geliebten,
Sich auf sie zu bewegen.

Sie lebt jenseits des Meeres,


Auf der Insel der Seligen.

Eine Schiffsfahrt muß den Raum überwinden,


Der den Liebenden scheidet
Von der Ewiggeliebten.

Auch die innere Ferne


Muss noch überwunden werden.

Denn er fragt nicht mehr nach sich,


Er fragt nicht mehr nach andern.
Nichts mehr suchend, nichts mehr denkend,
Im Schlummer liegt er in dem Boot,
Wortlos stumm.

In einem von allem abgezogenem,


Weltvergessenen Seelenzustand,
Schifft der Liebende still hinüber
Auf eine sakramentale Weise
Zur Ewiggeliebten, zur göttlich Schönen!)
SOPHIAS ZÄRTLICHER KUSS

ERSTES KAPITEL
DAS LIED DER ARCHITEKTIN

Was, mein geliebter Josef,


Sind dir die Sterne?
Ist dir der Morgenstern
Die allerschönste nackte Göttin Venus?
Der Große Bär, ists dir
Am Himmel die schöne Nymphe Kallisto,
Nymphe aus der Schar der Jungfrau Diana,
Von der lüsternen Venus verführt?
Orion, ist es dir der Heros,
Der sein Schwert an seinem Gürtel trägt?
Und Sirius, ist es sein Hund?
Die Dioskuren, die Dioskuren,
Sind es dir die Zwillinge Kastor und Pollux,
Gottessohn der eine, Menschensohn der andre,
Brüder der schönen Helena?
Das Sternbild der Jungfrau,
Ist es dir Asträa, die Jungfrau,
Die Göttin des Goldenen Zeitalters,
Welche wiederkommen wird?
Ist dir der Mond ein toter Stein
Oder die Unbefleckte Luna?

Und was ist dir die Schöpfung,


Mein geliebter Josef,
Was ist dir die Natur?
Ist sie ein mechanisches Uhrwerk,
Ein chaotischer Zufall von toten Atomen,
Oder ist die Schöpfung ein Lebewesen?
Siehst du sie nicht, die Lebendige,
Die ich Natura nenne?

Schau dir die Frau Natura an,


Wie schön sie ist!
Ihr Kleid ist aus Sonnenlicht fein gewoben,
Blüten des Lenzes hineingestickt
Wie in das Kleid der Nymphe Primavera,
Als Mantel trägt sie alle grüne Vegetation,
Auf ihrem Haupt den Zodiak,
Sie wandelt mit der jungen Luna
Und trägt in ihrem Kleide
Über ihrem süßen gewölbten Bauch
Die goldene Blume der Mystik.
Schau, wie schön die Frau Natura ist,
Das Kleid der Gottheit hat sie fein gewoben,
Fein gesponnen, so fein,
Wie ein ägyptisches Kleidchen von Spinnenweben,
So fein, dass durch die transparente Gaze
Der Körper der Gottheit schimmert!

Mein geliebter Josef,


Du sprichst von Gott,
Du sprichst vom Menschen, mein Josef,
Den Gott erschaffen als Mann und Frau.
Ich aber kenn ein drittes Wesen noch,
Das ist das schöne Wesen der Frau Natura.
Denn zu dem ersten Wesen der Gottheit
Und zu dem andern Wesen der Humanität
Tritt noch das Wesen der Frau Natura.
Ja, kühn bekenn ich,
Ob Theologen mich kritisieren,
Der Minnesänger Frauenlob steht mir bei,
Kühn bekenn ich, die Frau Natura
Ist die Mitschöpferin mit dem Schöpfer.
Der Ursprung von allem ist die Höchste Gottheit,
Allein die schöpferische Gottheit
Schafft mithilfe der Mitschöpferin,
Der Mitschöpferin Frau Natura.

Mein geliebter Josef, deine Brüder,


Die frommen Mönche in ihren Zellen,
Sie schauen die Frau Natura
Und lesen in ihr wie in einem Buch,
Sie sprechen vom Buch der Frau Natura,
Sie lesen im Buch der Frau Natura
Vom heimlich-öffentlichen Geheimnis
Der Schönheit der schöpferischen Gottheit.
Allein von der Gottheit lesen sie
Und nicht von dem Wesen der Frau Natura,
Allein in meiner Schule
Die Kosmologisten
Verehren in aller gebotenen Demut
Die Mitschöpferin auch, die Frau Natura.

Mein geliebter Josef, lausche


Dem Liede der Architektin,
Was die Architektin geschaut.
Im Anbeginn der Schöpfung
War die Idea der Frau Natura
Vor dem Throne der Sapientia Divina
Und weinte vor der Ewigen Weisheit:
Ach Sapientia Divina,
Schau doch den beklagenswerten Zustand
Der Prima Materia an im Chaos!
Was für ein Tohuwabohu!
Was für eine Nigredo!
Was für eine bleierne Schwermut!
Alles ist in Unordnung,
Alles in wahlloser Vermischung,
Alles umnachtet!
Was für ein Chaos,
Was für ein wahllos sich vermischendes
Blindes Treiben chaotischer Triebe!

Die Frau Natura sprach weinend


Vor dem Thron der göttlichen Sapientia:
Schau die Hyle an,
Die Mater, die Matrix, die Materia,
Schwarze Magna Mater,
Hyle, die Primitive,
Dieses stoffliche Wesen!
Erbarme dich, göttliche Sapientia,
Und erleuchte die dunkle Nacht
Und ordne die drängenden blinden Triebe
Und räume das Tohuwabohu auf
Und stille den Meeressturm
Und schaffe aus dem blinden Begehren
Durch einen schöpferischen Akt
Einen Kosmos als Schmuckstück,
Einen Kosmos als Schönheit,
Als einen Glanz der Ordnung,
Den Kosmos als Kosmetik der Gottheit!

Siehe, da machte sich Sapientia auf


Und entnahm dem Meer des Chaos
Vier Elemente,
Das Feuer, die Luft, das Wasser, die Erde,
Und schied sie sauber von einander.
Dann gab Sapientia auch
Dem Himmel der geistigen Wesen
Eine heilige Hierarchie
Und richtete ein die Chöre
Der Himmlischen, nämlich neun Chöre,
Wie Dionysios trunken geschaut,
Die Throne, auch Götter genannt,
Die Seraphim und Cherubim
Und Mächte, Herrschaften und Gewalten,
Erzengel, Engel zum Dienst der Gottheit!
Dann ging Sapientia an die Sternbilder,
Fügte sie zum Zodiak zusammen,
Zwölf Sterne, die Krone bildend
Der schönsten Frau Natura,
Und Sapientia gab dem Zodiak Macht
Und Einfluss auf die niedre Natur
Des menschlichen Herzens
Bei Wahrung der Willensfreiheit des Menschen,
Wie der Engelgleiche Tomas bezeugt.
Alle Sterne des Himmels
Rief Sapientia mit Namen
Und gab ihnen ihren Ort im All,
Den Carina-Nebel,
Den Asteroiden Muschi
Im Asteroiden-Hauptgürtel
Und den Asteroiden Astarte
Im Asteroiden-Hauptgürtel,
Alle kennt sie mit Namen.
Aber in der Galaxie der Sonne
Wie eine kristallene Kuppel
Sphären über Sphären
Schuf Sapientia zur Himmelstreppe
Sieben Planeten,
Die Luna,
Den Merkur und den Mars,
Die Venus wischen Juppiter und Saturn
Und Sol, die Sonne der Gerechtigkeit.
Dann blies Sapientia
Und rief von den Enden der Erde
Vier Winde, Ostwind und Westwind,
Nordostwind und Südwestwind.
Dann formte Sapientia
Wie eine Töpferin töpfert aus Ton
Unser aller Mutter Erde
Mit den breiten Brüsten,
Nicht ein totes Ding, mein Josef,
Sondern die Architektin sagt,
Die Mutter Erde mit den breiten Brüsten
Ist ein lebendiges Lebewesen.
Und Sapientia ging auf der Erde
Und unter den Tritten ihrer bloßen Füße
Sprossen die roten Rosen
Und die weißen Lotosblumen,
Der starke Eichbaum, der Efeu,
Die Ulm, die prallen Trauben,
Erdbeerbüsche hauchten sich an
Und Thymian duftete
Und der Mohn gesellte sich zur Malve
Und der Krokus war verliebt
In die gelbe Narzisse.
Die Mutter Erde mit den breiten Brüsten
Brachte aus dem Mutterschoß
Das Brot des Lebens hervor,
Das Herz der Menschen zu stärken,
Und brachte hervor den Weinberg
Mit den prallen Trauben,
Auf dass der Wein ergötze
Das Herz des Mannes.

Mein geliebter Josef, mein Liebling,


Sprach die Architektin der Kathedrale,
Ich spreche von der Schöpfung der Menschheit.
Sapientia gab das Gebot
Der heiligen Frau Natura,
Sie sollte suchen die Königin des Himmels,
Urania, die Idee der Schönheit,
Die Göttin purer spiritueller Liebe,
Die im dritten Himmel lebt,
Und suchen solle sie auch die reizende Physis,
Die reizende Physis – Body of Evidence –
Die im Schoß der Erde wohnt.
Die heilige Frau Natura steigt
Wie einst Maria Magdalena
Die Himmelstreppe der sieben Sphären hinan
Der sieben Planeten und pilgert
Durch die achte Sphäre des Fixsternhimmels
Und findet in der neunten Sphäre
Des Empyreums Urania,
Die Göttin der Schönheit und Liebe.
Die himmlische Göttin Urania
Und die heilige Frau Natura gemeinsam
Kommen vom dritten Himmel zur Erde
Und pilgernd durch den Kosmos
Bannen sie alle Dämonen der Sterne
Und machen unschädlich alle Schlangen,
Alle Skorpione und Wassermänner,
Und kommen unbeschadet
Zur Mutter Erde mit den breiten Brüsten
Und finden die Tochter der Mutter Erde,
Die reizende Physis – Body of Evidence.
Die geistige Göttin Urania
Und die seelenvolle Frau Natura
Und die körperlich reizende Physis gemeinsam
Schaffen die Menschheit, Mann und Weib.

Urania aber fährt in heiliger Himmelfahrt


Heim in den dritten Himmel
Und offenbart der heiligen Frau Natura
Dieses Mysterium von der Menschheit:
Alle Tugenden des Morgensternes Venus
Und der milden Luna
Und der all-erleuchtenden Sonne
Leben in der Menschheit,
Die Energien des heiligen Geistes,
Die strömen durch die Bahnen der Planeten
Und lassen die Fixsterne strahlen,
Alle diese Energien der göttlichen Dynamis
Wirken auch gewaltig in der Menschheit.
Die göttliche Vitalität des Ewigen Lebens
Wirkt als fruchtbare Grünkraft
Auch im Innern von Weib und Mann.
Die Macht aller Mächte
In ihrer vollkommnen Potenz
Schuf durch ihren Akt
So wie das Universum die Menschheit
Und die schöpferische Omnipotentia
Der Macht aller Mächte lebt
Auch in Mann und Weib
Als Potenz und Akt
Und Bruder Sol und Schwester Luna
In geschwisterlicher Harmonie
Und geistiger Hochzeit mystischer Wesen
Leben in Mann und Weib
Und die Menschen sind weise
Wie der uralte Vater Saturnus
Und die Menschen sind freundlich
Wie der joviale Juppiter Xenius
Und die Menschen sind Kämpfer
Wie der Mars, der für die Venus kämpfte,
Und die Menschen sind klug
Wie Hermes Psychopompus
Und die Menschen sind schön
Und voller leidenschaftlicher Liebe
Wie die astrale Venus.

Siehe, sprach die Architektin lächelnd,


Siehe, mein Freund und Bruder Josef,
Wenn die gehauchte Psyche
In die reizende Physis einkehrt,
Weiß die gehauchte Psyche,
Daß sie von den Sternen stammt.
Ja, sprach die lächelnde Architektin,
Die gehauchte Psyche nennt sich
Außerirdischen Ursprungs
Und fühlt sich Fremdlingin auf der Erde,
Denn sie ist ein Sternenwesen,
Ein inkarnierter Engel,
Und ihre insgeheime Sehnsucht
Sehnt sich nach dem himmlischen Garten
Eden auf dem Venussterne
Und heim in den Schoß des Ursprungs,
Heim in die Quelle des Lichts,
Denn aus der Quelle des Lichts
Emanierte das Hauchwesen Psyche,
Um mit der reizenden Physis –
Oh Body of Evidence –
Heimzukehren in den Schoß der überkosmischen Gottheit!

ZWEITES KAPITEL
DER HEILIGE KUSS DER GOTTHEIT

Petrus sprach zu Maria Magdalena:


Schwester, wir wissen,
Daß der Erlöser dich mehr liebt
Als die andern Frauen.
Petrus sprach zu den andern Jüngern:
Sollte der Erlöser heimlich
Gesprochen haben mit einer Frau,
Sie bevorzugt haben vor uns
Und alles das heimlich?
Levi sprach zu Petrus:
Petrus, du bist bekannt als Hitzkopf,
Und nun redest du über die Frau,
Als wenn sie ein Dämon wäre.
Doch wenn der Erlöser sie
Begnadet hat für ihr Werk,
Dann nenne sie nicht gottlos.
Der Erlöser kennt sie ganz genau,
Drum liebt er sie mehr als uns.

Die Gefährtin von Christus war


Maria Magdalena.
Er liebte sie mehr als die andern Jünger.
Die andern Jünger sprachen zu Jesus:
Warum liebst du sie mehr als uns?
Der Erlöser sprach zu den Jüngern:
Warum liebe ich euch nicht so wie sie?

Hermes Trismegistos
Reiste mit einem Schüler
Über die sieben Himmelssphären
In die achte und die neunte Sphäre,
Dort nennt der Schüler seinen Meister Vater
Und der Meister nennt seinen Schüler Sohn.
Hermes Trismegistos sprach:
Ich bin schwanger von der Quelle,
Die in mir fließt.
Diese Kraft ist von geistiger Natur
Und gebiert geistige Kinder.
Die geistigen Kinder des Meisters sind jene,
Die seine Erkenntnis empfingen.
Beim Eintritt in die neunte Sphäre
Ruft Hermes Trismegistos:
Lass uns einander küssen, mein Sohn, in Liebe!
Freue dich über den Kuss!
Schon kommt die Kraft,
Schon kommt das Licht zu uns!
Der Meister Hermes Trismegistos
Führte drei Schüler
Ins Allerheiligste ein.
Vor dem Heiligen Mahl
Sprachen sie ein Gebet.
Als sie das Gebet gen Himmel gesandt,
Umarmten sie einander
Und gaben einander den heiligen Kuss.
Dann traten sie zum Tisch
Und nahmen die heilige Mahlzeit ein.

Mani sprach vom Mysterium des Kusses:


Der erste Kuss ist der Kuss,
Womit Eva, die Mutter des Lebens,
Den Urmenschen küsste,
Als der Urmensch hinabstieg in das Reich des Todes,
Die Macht des Todes zu besiegen.
Der zweite Kuss ist der Kuss,
Mit dem Eva, die Mutter des Lebens,
Und Adam, der Vater aller Menschen,
Den Urmenschen küssten,
Als er auferstand von den Toten.

Diesen Kuss, sprach Mani,


Den Kuss des Urmenschen küssen
Frauen und Männer, wenn sie
Sich vorübergehend trennen,
Wenn sie verreisen,
Wenn sie sich wieder treffen,
Dann küssen sie den Kuss
Gemäß dem Mysterium des Urmenschen.

Christus singt diesen Psalm:


Maria, Maria, erkenne mich,
Magdalena, rühre mich nicht an!
Trockne die Tränen deiner Augen
Und erkenne, dass ich dein Meister bin,
Und sei Apostelin für mich,
Auf dass mich die irrenden Menschen erkennen.
Spute dich, spute dich in Freude
Und geh zu den Aposteln,
Vor allem zu Petrus, und sprich:
Steht auf, denn euer Bruder ruft euch!
Wenn sie mich nicht Bruder nennen wollen,
Dann sage Petrus und den andern:
Euer Meister ruft euch!

Christus sprach zu Petrus aber:


Petrus, bleibe treu wie ein Fels
Und bleibe bei mir,
Denn ich habe dich erwählt.
Ich habe mit dir den Anfang gemacht
Auch für die andern,
Die ich berufen will zur Gotteserkenntnis.

Petrus sprach zum gekreuzigten Christus:


Was muss ich schauen, Herr?
Du wirst von den Sündern ergriffen
Und gleichzeitig du ergreifst mich?
Du wirst gemartert auf dem Kreuz
Und lachst und bist fröhlich auf dem Kreuz?
Deine Hände und Füße werden durchbohrt
Und du lachst und freust dich?
Und der gekreuzigte Christus sprach zu Petrus:
Jesus wird zu Tode gemartert,
Aber Christus freut sich und lacht.
Da sprach Petrus zu Jesus:
Herr, sie erkennen dich nicht!
Christus sprach zu Petrus:
Wenn sie mich erkennen würden,
So würden sie den Herrn der Herrlichkeit
Nicht schlagen ans Kreuz und töten.
Sie sind blind,
Sie wissen auch nicht, was sie reden.
Da sah Petrus in dem gekreuzigten Jesus
Den lachenden fröhlichen Christus,
Der den heiligen Geist ausgoss!

Jakobus aber war im Gebet,


Da erschien der Herr dem Jakobus.
Jakobus beendete sein Gebet
Und umarmte den Herrn.
Jakobus küsste den Herrn und sprach:
Rabbi, ich hab dich gefunden!
Ich habe von deinen Leiden gehört,
Die du erleiden musstest,
Und ich war voller Mitleid mit dir!

Nun spricht die Braut aber selber:


Küsse mich
Mit den Küssen
Deines Mundes!
Wie lange noch schickt
Mir mein Bräutigam
Küsse durch die Schriften Moses?
Küsse durch die Verse der Propheten?
Nein, seine Lippen will ich
Berühren,
Er soll kommen,
Ihn will ich herunterholen
Vom Himmel.

Saturnus kam in den Himmel,


Von Engeln getragen
Kam er
Ins Paradies.
Dort sah er Christus.
Saturnus sprach: Ich sah
Dort einen Greis mit weißen Haaren
Und mit einem jugendlichen Antlitz,
Ich sah nicht seine Füße.
Rechts und links von ihm
Standen Älteste.
Voller Bewunderung trat ich ein
Und stellte mich vor den Thron.
Die Engel haben mich aufgehoben
Und ich habe den Herrn geküsst
Und der Herr hat mit seiner Hand
Mein Haupt gestreichelt.

Bilder und Rätselsprüche will ich nicht,


Träume und Visionen will ich nicht,
Einen Menschen und einen Engel will ich nicht,
Sondern Christus will ich.
Mein Christus ist ja schöner
Als ein Mensch und als ein Engel.
Meinen Christus bitt ich,
Mich mit dem Kusse seines Mundes zu küssen.
Ach, nicht darf ich bitten,
Von meinem Christus geküsst zu werden,
Aber demütig darf ich bitten,
Daß mein Christus mich küsst
Mit dem Kusse seines Mundes.

Mein Christus,
Laß mich dir die bloßen Füße küssen!
Mein Christus, lass mich dir küssen die zärtliche Hand!
Mein Christus,
Oh, ich wage zuviel,
Laß mich küssen deinen süßen Mund!

Wenn ich küsse deinen Fuß,


Bekehre ich mich,
Wenn ich küsse deine Hand,
Schreite ich voran,
Wenn ich dich küsse auf den Mund,
So werde ich vollendet.

Mein Kuss auf deinen Fuß


Ist noch die Strenge der Buße,
Mein Kuss auf deine Hand
Ist Liebe in Selbstverleugnung,
Oh mein Christus,
Laß mich einmal gewürdigt werden,
Deinen Mund zu küssen,
Denn da werde ich vollkommen!

Wer darf die Lippen küssen


Meines geliebten Christus?
Wer die wüste Begierde des Fleisches verlassen,
Wer vom geheimen Manna gekostet,
Wer die versiegelte Quelle getrunken!

Während der Heiligen Messe


Sah ich einen Adler
Vom Altare zu mir kommen,
Der Adler kündete mir
Die kommende Einswerdung an.
Dann sah ich vom Altare
Jesus als Kind zu mir kommen,
Jesus als Gott zu mir kommen,
Christus selber kam,
Aber noch wie von außen.
Da ward ich plötzlich eins mit ihm!
So sehr verging Er
Und zerschmolz Er
In der Einheit mit mir,
Daß ich ihn nicht mehr außen wahrnahm,
Daß er fortan von mir nicht mehr zu trennen war.
Es war eine süße Liebe,
Ein zärtliches Umarmen
Und allerlieblichstes Küssen!
Christus küsste mich,
Das war die geistige Hochzeit!

Ich ging in der Wohnung der Seele


Sechs Zimmer hindurch,
Im siebenten Zimmer
Zog Christus mich an sich
Und gab mir den liebevollen Kuss,
Um den ich ihn gebeten habe.

In diesem heimlichen Zimmer


Zeigte er mir alle seine Herrlichkeit,
Zeigte er mir alle seine Macht und Pracht.
Er selber zeigte sich
Und seine innige Liebe,
Die er schon vor langer Zeit
Mir zugedacht hatte.

O geliebte Seele,
Es muss dir ernst sein mit der Weisheit,
Suche ohne Unterlass die Weisheit,
Die Liebe
Eines Kusses
Der göttlichen SOPHIA –
Im Namen Jesu –
Diese Liebe empfängst du wohl,
Denn die göttliche Sophia
Steht vor deiner Tür
Und klingelt!

Oh, jetzt tritt sie ein,


Sie, die Göttliche Jungfrau Sophia,
Sie kommt zur Seele
Und küsst den Menschen
Mit ihrer honigsüßen Liebe
In dem innersten Wesen innerlich
Und drückt dem Menschen
Ihre Liebe ein,
Zum Triumph in die Begierde des Menschen!

Die göttliche Jungfrau Sophia spricht:


O mein geliebter Bräutigam!
Bleib doch mit deinem Antlitz
Vor mir stehen
Und gib mir alle deine Feuerflammen
Und zünde mich an,
So will ich aus meiner zärtlichen Sanftmut
Deine glühenden Feuerflammen
In reine Weißglut wandeln,
Ich will meine Liebe
Durch deine glühende Weißglut
In deine liebeslodernde Flammenseele
Einführen
Und dich ewig – ewig küssen!

APHRODITE URANIA

ERSTER GESANG

Celina ist tot,


Tot ist Celina!

Was sagt dazu der Philosoph?


Hilft dir deine Philosophie?
Hat sie Bestand
Im Angesicht des Todes?

Erfährst du den Trost der Philosophie


Im Angesicht des Todes
Der Frau, die dich liebte,
Die dir ihre Kinder schenkte?

Bist du überzeugt
Von ihrer Unsterblichkeit?

Nichts nützt dir


Der dialektische Materialismus!
Nichts nützt dir
Die Lehre vom Übermenschen!
Nichts nützt dir
Die Lehre vom absoluten Nichts!
Nichts nützt dir
Die Lehre der Harmonie von Mensch und Natur!

Soll denn ihre Seele zerflattern


Wie ein ätherischer Schmetterling
Im Vakuum der Weltseele?

Ach, geh hinaus in den Garten Gottes,


Schau dir die Tulpen an,
Sie sind schöner gekleidet
Als Salomo in all seiner Herrlichkeit!

Verkündet dir nicht die Schönheit


Des Gartens im Frühling
Die Schönheit des schöpferischen Geistes,
Eine schöpferische Schönheit?

Schau dir die Tulpen an


Und bete an den Schöpfer der Tulpen,
Schau dir die lachende Sonne an
Und bete an den Schöpfer der Sonne!

Brüder, liebe Schwestern,


Über diesen Myriaden Sternen
Des nächtlichen Firmamentes
Muß ein liebender Vater wohnen!

Aber warum wollen die Welteroberer


Die ganze Welt erobern?
Warum führen die Herrschenden
Kriege gegeneinander?
Warum schänden die Perversen
Kleine Kinderseelen?
Warum morden die Mütter
Ihre eignen Leibesfrüchte?

Woher kommt das moralisch Böse?


Ist der Mensch denn böse geboren,
Daß schon der kleine Säugling gierig
Der Mutter in den Busen beißt?

Und was ist meine Seele?


Hab ich zwei Seelen, ach, in meiner Brust?
Und du, Freundin, hast du
Sieben Seelen in deinem Busen?
Ist meine Seele weiblich
Und mein Selbst ist männlich?
Sind alle Menschenseelen
Vor Gott weiblich?
Oder ist die Seele der Frau
Im Unbewussten ein Jüngling?
Wann kam die Seele
In den Leib im Mutterschoß?
Was ist der Ursprung der Seele?
Ist die Seele gefangen
Im Kerker des Todesleibes?
Was soll ich jenen sagen,
Die glauben an die Seelenwanderung?

Ach, was weiß der Mensch?


Wie groß ist das Universum?
Wie ist es entstanden?
Wie wurde der Mensch geschaffen?
Was ist die Zukunft
Der Menschheit auf Erden?
Was ist die Zukunft
Des ganzen Universums?
Wie viele Universen gibt es?

Was weiß der Mensch von Gott?


So viele Religionen!
So viele Philosophien!
So viele mystische Lehren!

Alle Erkenntnis
Des Menschen auf Erden
Ist Stückwerk!

Was nützte euch


Die Lehre der Eudämonie?

Ihr habt auf allen Wiesen


Getanzt den Bauchtanz,
Habt alle Rosen gepflückt
Und Blumenkränze gewunden,
Ihr habt edle Weine getrunken
Und leckere Speisen gegessen.

Ihr habt verachtet den Frommen,


Verhöhnt und verspottet den Frommen.
Er sah euch nämlich an
Wie falsche Münzen,
Darum hasstet ihr ihn.

Ihr grüntet wie Lorbeerbüsche,


Man krönte euch
Mit Lorbeerkränzen.

Zuletzt verbrannte man


Euren toten Körper zu Asche.

Und ihr Wissenschaftler?


Was denkt ihr Stolzen?
Am Anfang war der Tod,
Der tote Stoff,
Der sich entwickelte
Durch den Zufallsgott, den Erfinder?

Irgendwo am Rande
Der vielen Universen
Brachte der Zufallsgott hervor
Einen denkenden Menschenaffen?

Ach, sprach die Erde zur Venus,


Ich bin sehr krank!
Was hast du, Erde, sprach die Venus.
Ich, sprach die Erde,
Ich habe Homo sapiens!
Da sprach die Venus zur Erde:
Sei getrost, das geht vorüber.

Solche gottlosen Witze


Erzählt ihr wissenschaftlichen Sünder,
Und mit dem zynischen Spaß
Bemäntelt ihr
Die Sinnlosigkeit eurer Lehre.

Alles ist sinnlos,


Sinnlosigkeit der Sinnlosigkeiten!
Alles ist Wahn,
Wahn der Wahnsinnigen!

Wie sollten wir ohne Hoffnung


Die Stürme des Schicksals bestehen?

Also grüße ich das Mädchen Hoffnung:


Salve, Spes unica!

Was steht uns doch alles entgegen:


Die gefährliche Macht der Triebe
Und die blinde Gewalt des Schicksals.

Ihr Triebe seid Raubtiere!


Ein gieriger Wolf
Ist die Gier nach Geld.
Wer das Geld liebt,
Wird des Geldes nimmer satt.
Die Liebe zum Gelde
Ist die Wurzel allen Übels.
Ein brüllender Löwe
Ist die Gier nach Macht.
Die Herrschenden unterdrücken
Die Völker, wie ihr wisst.
Der Herr aber stürzt die Mächtigen
Von ihren stolzen Thronen.
Ein schwarzer Panther ist
Die Gier der Geschlechtslust.
Die Unzüchtigen
Und die Hunde
Werden den Himmel nicht erben.

Wenn dich Stürme des Schicksals


Erschüttern, dass du zugrunde gehst,
Wenn das widrige Schicksal
Wie ein schäumendes Meer
Aufschäumt am Felsen,
Wenn das Schiff deiner Seele
Umhergeschleudert wird
Im Meer deiner Leidenschaften,
Wenn deine aufgewühlten Triebe
Dir die Seelenruhe rauben,
Wenn das Schiff deines Lebens
Auf dem Meer der Leidenschaften
Schiffbruch erleidet,
Rufe: Ave, Spes unica!

Eine heilige Stimme aber


Ist in deinem Urgewissen
Und gebietet dir kategorisch:
Sei gut
Und suche die Wahrheit!

Das Urgewissen,
Das prinzipielle Gewissen
Traut dir zu, dass du
Sein Gebot erfüllen kannst,
Das redet mit göttlicher Stimme:
Mensch, sei gut
Und suche die Wahrheit!

ZWEITER GESANG

Die Menschen fliehen vorüber,


Wo sind sie hin, die Gewesenen?

Dahingegangen meine Großmutter


Und fort ihre himmlischen Augen.
Dahingegangen meine Mutterschwester
Und fort ihr schneeweißes Haar.
Dahingegangen mein Vater
Und fort seine sichere Kraft.
Dahingegangen meine Jugendgeliebte
Und fort ihr herrlicher Busen.

Wo sind sie hin, die Toten?


Wo ist Vater Goethe, dass ich mit ihm rede,
Wo sind Puschkin und Byron hin,
Wo wandelt jetzt Hölderlins Schatte?

Was ist Ewigkeit?


Nicht eine Myriaden Jahre,
Sondern ein ewiges Nun,
Und doch nicht erstarrtes Sein,
Sondern Fülle des Lebens.

Und nun wende ich mich


Zur Ewigen Weisheit,
Die unerschöpflich ist,
Mit strebenden Mühen
Studiere ich die Weisheit des Ostens,
Die Weisheit der Ägypter,
Die Weisheit der Griechen,
Vor allem den geliebten Platon,
Ich studiere die Weisheit der Juden,
Moses und David und die Propheten
Und die mystische Kabbala,
Ich studiere die Weisheit der Kirchenväter,
Vor allem den großen Augustinus,
Ich studiere die deutsche Mystik
Und die spanische Mystik,
Teresa von Jesus, Johannes vom Kreuz,
Ich studiere die Weisheit
Der deutschen Geniezeit, Goethe,
Und studiere die Weisheit der Päpste,
Vor allem Sankt Johannes Paulus den Großen,
Unendliche Forschungen
Über die grenzenlose Weisheit Gottes.

Und ihr Geister des Himmels,


Ihr glückseligen Toten,
Selige ihr und Heilige ihr
Und alle Chöre der Engel,
Auch euch ist ewig unergründlich
Die Ewige Weisheit.

Die Seele ist von Natur


Religiös und sucht
Den Grund allen Seins,
Das höchste und letzte Ziel.

Alle Menschenseelen
Sind geschaffen
Im Bild und Gleichnis Christi,
Darum ist jede Seele
Von Natur christlich,
Und die Weisheit der Seele
Ist der göttliche und katholische
Glaube an Gott.
Der Gott der Philosophen
Ist der Urgrund des Seins,
Selbst überseiendes Sein,
Erstursache allen Daseins,
Unbewegter Erstbeweger
Aller Bewegungen dieses Lebens.
Dieser Urgrund allen Seins
Ist im Innern alles Seienden
Als die bewegende Kraft,
Und dieses ewige Ursein
Ist das letzte und höchste Ziel
Aller geschaffenen Wesen.
Diese Lehre entwickelte
Aristoteles, der Weise,
Der den jungen Alexander erzog
Und mit Phryne spielte,
Sie durfte auf seinem Rücken reiten.

Im Bewusstsein der Seele,


Im Wissen der Vernunft
Ist das Bewusstsein des Sollens,
Eines absoluten Anspruchs,
Gut zu sein, wahrhaftig zu sein.

Der Mensch empfindet


In seiner wissenden Seele
Den Anruf, gut zu sein.

Und darum leidet die Seele


An der irdischen Gerechtigkeit,
Weil die Seele findet auf Erden
An Stätten der Gerechtigkeit Unrecht
Und Geldgier bei den Advokaten.
Siehe, die Ungerechten werden reich,
Die Gottesleugner werden berühmt.
Der Gerechte aber ist einsam,
Der Gerechte wird verachtet.

Die irdische Gerechtigkeit nämlich ist


Himmelschreiende Ungerechtigkeit!

Nun schweifen meine Gedanken


Zu den wilden Menschen der Vorzeit.
Auch sie schon waren religiös.
Auch ihre Geliebten starben.
Sie träumten auch gespenstisch
Von den toten Geliebten
Und glaubten darum
An ein Leben nach dem Tod.

Da war eine Geliebte gestorben,


Man ließ ein Bild von ihr malen,
Schöner, als sie war auf Erden,
Und betete vor dem Bild
Und nannte sie eine Göttin.

Da war ein liebender Vater gestorben,


Man verehrte ihn nach dem Tode
Als einen hilfreichen Geist,
Ja, wie einen Vatergott.

Die Klagen sind unendlich


Der leidenden Gerechten.
Die Gottlosen werden reich,
Die Heiligen leben in Armut.
Die Gottesleugner regieren,
Die Frommen werden verfolgt.

Die Kinder im Mutterschoß


Werden umgebracht.
Wo bleibt da auf Erden
Gerechtigkeit für diese Kinder?

Das ganze Leben wäre ungerecht,


Wenn es nicht bei Gott
Vergeltung gäbe,
Gerechtigkeit bei Gott
In Ewigkeit.

Ich gestehe euch, Brüder,


Daß man nach meinem Geschmack
Zu übel redet
Von der Gerechtigkeit Gottes.

Der gerechte Richter


Wird alle aufrichten,
Die auf Erden
Um Gottes und des Guten willen
Ungerechtigkeit litten,
Ungerechtigkeit von Richtern,
Ungerechtigkeit von Advokaten,
Ungerechtigkeit von Präsidenten,
Ob sie auch noch so blumig reden.

Gott schafft
Ewige Gerechtigkeit!

Ich höre viel von Ägypten reden


Und von den Mysterien der Ägypter.
Sie suchten auch das ewige Leben.
Sie ahnten die Unsterblichkeit der Seele
Und träumten eine leibliche Auferstehung.
Darum salbten sie die Pharaonen
Zu Mumien für die Auferstehung.
Sie ahnten auch ein Totengericht.
Ihr gestorbener Gott,
Der auferstanden war im Jenseits,
Sei der Richter aller Toten
Und wäge die Seele
Auf der Waage der Gerechtigkeit.

Ja, Gerechtigkeit!
Kein Friede ohne Gerechtigkeit!
Keine Liebe ohne Gerechtigkeit!
Heilig ist die Gerechtigkeit Gottes,
Heilig, heilig die ewige Gerechtigkeit!

Aber auch die Schönheit ist heilig!


Schau dir die Schönheit an
Der Natur im Frühling,
Wie alles kündet Auferstehung
Und ewiges Leben
Und den Triumph der Liebe
Und den jubelnden Hymnus des Lichts!

Schau dir die Liebe an


Der Turteltaube zum Täuberich,
Der Schmetterlingspaare
Und der Biene zur Rose!

O welche Mutterliebe
In der Brust des Rotkehlchenweibchens!
O welche Vaterliebe
In dem Herzen des Rotkehlchenmännchens!

Und schau dir an den Mond,


Nicht um ihm einen Handkuß zuzuwerfen,
Und staune über Orion und Großen Bären
Und schaue am südlichen Kap der Hoffnung
Den Sternennebel der Carina,
Die Himmel erzählen
Die Herrlichkeit Gottes,
Bis am Morgen die Venus tanzt
Nach meiner Schwanenlyra!
Das alles hat ein Gott geschaffen!
Angesichts der Milchstraßen
Sprach Aristoteles
Von der Evidenz Gottes!

DRITTER GESANG

Menschen habe ich kennen gelernt,


Die zweifelten, ob es sinnvoll sei,
Nach dem Sinn des Lebens zu fragen.
Doch wenn der Mensch denkt,
Es sei alles sinnlos,
So kann er nur verzweifeln.

Was ist aber der Sinn des Lebens?


Was ist der Sinn, dass ich ich bin?
Was ist der Sinn, dass ich bin
Und nicht nicht bin?
Was ist der Sinn, dass es die Welt gibt,
Und nicht überhaupt nichts ist?

Der Sinn des Daseins einer Person


Ist so mysteriös
Wie die Person Mysterium ist,
Das ans Mysterium Gottes grenzt.

Streben nicht alle nach dem Glück?


Selbst wenn ein Mann sterben will,
So nur, um glücklich zu sein.
Alle Revolutionen erstrebten
Das Glück der Menschheit.
Alle Liebe sucht das Glück.
Und Nietzsche hatte recht mit dem Satz:
Alle Lust will Ewigkeit,
Will tiefe, tiefe Ewigkeit!

Die Wahrheit ist erstrebenswert!


Vielleicht gibt es Menschen,
Die gern andre betrügen,
Aber keiner will gern betrogen sein.

Was aber ist Wahrheit?


Fragte Pontius Pilatus den Messias.

Ist die Wahrheit verschleiert,


Siebenfach verschleiert,
Wie die Statue der Isis von Sais?
Wer hob denn den Schleier der Wahrheit
Und was sah er dann?

Es ist aber widersinnig,


Zu reden von verschiedenen Wahrheiten,
Die in sich widersprüchlich sind.

Die Wahrheit kann nur eine sein


Und ist in sich unwidersprüchlich.
Die Wahrheit muß die eine
Absolute Wahrheit sein.

Mich befriedigte nicht


Die körperliche Liebe,
Die du mir schenktest, Geliebte.

Was soll mir die Natur?


Die Bäume trösten mich nicht!

Und es gibt auch keinen Weinkelch,


Der so groß ist wie mein Durst!

Und das Feuer meiner Liebe


Löscht nicht der Stille Ozean!

Was befriedigt den Menschen,


Der alles will?
Selbst alles befriedigt ihn nicht,
Er will mehr als alles!

Tausend Nächte mit der schönsten Huri


Sind mir nicht genug,
Ich will tausendundeine Nacht
Mit zweiundsiebzig Huris.

Alles will ich und noch mehr!


Die Quelle der Weisheit
Soll mich ganz durchtränken!

Alles will ich und will noch mehr als alles


Und keine Liebe genügt
Als die absolute, grenzenlose
Liebe Gottes!

Die Vollendung des Menschen


Wird auf Erden nicht erreicht.
Noch auf dem Sterbebette
Lügt der Sterbende die Krankenschwester an.

Die Vollendung des Menschen


Und seine Purgierung zu reinem Gold
Reicht in die Ewigkeit.

Humanisten sind wir, Freundin,


Aber transzendentale Humanisten,
Denn der Mensch vollendet sich
In der göttlichen Transzendenz.

Ich will ein wahrer Mensch sein!


Ich will ein heiliger Mensch sein!
Ich will mehr als ein Übermensch sein,
Ich will ein Menschengott sein
Durch die Gnade des Gottmenschen!

Unsere Toten sind nicht tot,


Sie sind wie gute Geister um uns.
Wenn ich in der finstern Nacht
Der tiefsten Depression
Im schneidenden Frost
Am Styx spazieren gehen muß,
Wo es von Ratten wimmelt,
Dann höre ich hinter mir
Am Hirtenstabe gehen
Papa Johannes Paulus den Großen.

Und wenn ich bade


Und werfe mich in die Wellenbrecher,
Dan steht vor mir
Wie aufgetaucht aus der Gischt
Celina in ihrer vollkommenen Form!

Und wenn ich mich beschenken will,


Vom letzten Groschen
Noch ein gutes Buch erwerben,
Geleitet mich mein toter Vater
Und legt mit Platons Staat in die Hände.

Und meine Großengelin-Großmutter


Predigt mir in der Tele-Vision,
Daß Gott mich liebt wie eine Mutter!

Ach, das irdische Glück!


Das suchte ich in meiner Jugend.
Doch das Leben bescherte
Mehr Enttäuschung und Verlust
Und schließlich Leiden,
Leiden der Liebe,
Leiden der Depression,
Unerträgliche Seelenschmerzen!

Ach, das irdische Glück!


Und wenn du auch sammelst
Tausend Glücksgüter
Und sie im Tode alle verlierst,
So ist es wie nicht gewonnen.

Das irdische Glück


Ist nicht der Stern meines Lebens,
Eher schon Leiden mit Christus.

Und doch ist der Mensch erschaffen


Und berufen zum Glück,
Zum ewigen Glück!

Eternal happiness!

Die ewige Seligkeit der Seele,


Die Glückseligkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit,
Das ist meine Lehre
Von der transzendentalen Eudämonie!
Wir nennen es gerne
Wonnen des Paradieses!

Délice éternelle!

So strebe ich also nach Weisheit.

O Fülle der Fragen!


O Schwere der Rätsel!

Da hör ich den Dialogen zu


Von Pythagoras und Empedokles,
Den Streitgesprächen
Von Parmenides und Heraklit,
Hör Demokrit und Epikur
Und Sokrates
Und seinen Jünger Platon
Und seinen Jünger Aristoteles
Und zuletzt noch Epiktet.

Wer weise werden will,


Der leben einsam und still.

In meiner Eremitenklause
Mitten in der Welt,
Ach, von allen verlassen,
Ach, von allen vergessen,
Leb ich nur mit den Toten,
Die treu sind in ihrer Liebe.

Aber es gibt so eine Gnadenstunde,


Da bin ich einsam
In meiner Eremitenzelle,
Da ist es dunkel
Und plötzlich erscheint
In Gestalt der Hostia Immaculata
Die göttliche Sophia mir!

Sophia tränkt mich


Mit der Quelle der Weisheit,
Ich küsse Sophia,
Ich umarme sie
Und vereinige mich ganz mit ihr!

Und Sophia spricht:


Nach dem Purgatorium
Wird Celina leben
In den Wonnen des Paradieses,
Im ewigen Sommer des Himmels
Am Ozean der Schönen Liebe,
Erleuchtet von der Sonne Christi.

Celina ist heute schon


Sehr jung und sehr schön!
Sie feiert heute schon Ostern mit dir!

Du wirst sie wiedersehen,


Celina wiedersehen
Im ewigen Sommer des Paradieses
Am Ozean der Schönen Liebe!

VIERTER GESANG

Wir sind nicht geschaffen für die Erde,


Nicht für die flüchtigen irdischen Freuden,
Nicht für die Seifenblasen des Glücks,
Nicht für den Schaum der Lust,
Nicht für die Tränen der Sehnsucht,
Nicht für die Schmerzen des Verschmähten,
Nicht für die Qualen der Depression,
Nicht für den Krebs der Kranken,
Nicht für den Staub des Grabes,
Wir sind nicht für den Tod geschaffen!

Wir sind nicht geschaffen für das Nichts,


Unser Ziel ist nicht die Vernichtung,
Nicht das Verlöschen im Nichts,
Nicht die Auflösung der Person in die Leere,
Wir sind nicht geschaffen für den ewigen Tod!

Wir sind geschaffen für die Ewigkeit.

Was aber,
Wenn der Weg zur Ewigkeit
Der Weg ist, der durch den Tod führt?
Was aber, wenn der Weg zu den Freuden des Paradieses
Der Weg ist, der über das Kreuz geht?
Was aber, wenn der Weg zur Gemeinschaft mit Gott
Durch die Nacht der Einsamkeit führt?

O Nacht der Einsamkeit!


Gott will, ich soll dich lieben!

In meiner Jugend sang ich:


Todschöne Einsamkeit,
Wann sehen wir uns wieder?

Celina, du warst auch in der Nacht,


In der Nacht der Einsamkeit,
In der Nacht der Todesangst!
Und das war dein Durchbruch
Zum gekreuzigten Christus!

Und Christus war dein Durchbruch


Zur schönen Ewigkeit!

Von Ewigkeit zu Ewigkeit,


Von Herrlichkeit zu Herrlichkeit
Wirst du nun verklärt
Zum Abglanz Gottes!

Denn in der Ewigkeit sollst du


Göttin sein im dreifaltigen Gott!

Gloria Patria et Filia


Et Spirita Sancta!

Das Leid, das will mir keiner glauben,


Das Leid, das vertieft den Glauben.

Euer Vielwissen, Bücherwissen,


Das ist Torheit vor Gott.
Doch in der Nacht des Kreuzes
Wird göttliche Weisheit eingegossen.

Wer nicht mit der göttlichen Weisheit


Zusammen gekreuzigt worden,
Dessen Weltweisheit und Vielwisserei
Ist Torheit vor Gott.

Der Weg zur göttlichen Weisheit


Ist ein Weg durch die dunkle Nacht.

Überlasse es Gott,
Dich in deine eigne Nacht zu führen,
Ob es die Nacht der Seele ist,
Die Nacht des Nichts,
Die Nacht des Durstes,
Die Nacht der Einsamkeit.

Vertraue dich dem Meeresstern an,


Wenn du in dunkler Nacht
Sollst wandeln auf dem Meer!

Und vergiß die Schönheit nicht!

Vergiß nicht das junge Mädchen


Im luftigen weißen Kleid!
Vergiß nicht das zutrauliche Schaf
Mit Augen wie Edelsteine!
Vergiß nicht die schwarze Stute
Mit dem Namen einer indischen Göttin!
Vergiß nicht die Zwergturteltauben
In den Wipfeln der geselligen Kastanien!
Vergiß nicht den Fruchtsaft,
Vergiß nicht den Wein!

Und bedenke, was der Dichter sagt!


Alle andern sterblichen Menschen
Plagen sich mit alltäglichen Sorgen,
Aber uns Poeten
Gab der allmächtige Vater
Seine erstgeborene Tochter,
Sein Schoßkind, seinen Liebling!
Erwähle sie zu deiner Göttin!
Und lass ihr allein die Ehre
Der Herrin in deinem Haus!

Zwei schöne Gnaden


Schickte Gott vom Himmel,
Die eine Gnade ist die Liebe,
Die andre Gnade ist die Freundschaft.

Ach, das war schön,


Als die Liebe
Sich zu mir gesellte!

Wie schön ist das Leben


Im Licht der Liebe,
Unter den Flügeln der Liebe!

Wenn die Liebe dir lächelt,


Wenn die Liebe dich küsst,
Wenn die Liebe sich dir hingibt,
Hast du eine Ahnung vom Göttlichen!

Selbst der verstockteste Atheist


Bekommt eine Ahnung vom Göttlichen,
Wenn ihn die Liebe umarmt
Mit ihren ausgebreiteten Flügeln!

Das Feuer dieser Liebe


Ist wie eine Napalm-Bombe,
Selbst der Stille Ozean
Kann das Feuer der Liebe nicht löschen!

Und diese Liebe ist ein Geschenk Gottes


Und diese Liebe ist stärker als der Tod
Und noch nach dem Tod
Wird die schöne Liebe dich lieben!

Ach, es war schön,


In dem Segen zu leben
Der Gnade der Freundschaft!

Treue Kameradschaft,
Die dich nicht allein lässt,
Die dir bedeutet, wie wertvoll du bist,
Wie wichtig du einem Menschen bist,
Die dich am Rand des Grabes nicht verlässt,
Ist ein Segen und eine Gnade!

Freundschaft ist eine lächelnde Gnade,


Die Seite an Seite
Mit dir spaziert durch alle Nöte
Bis in das weiße Licht des Himmels!

Freundschaft ist eine milde Gabe,


Die deinen Leidenschaften
Seelenruhe schenkt.

Freundschaft lässt dich schmecken


Die Süßigkeit der Freundschaft Gottes!
Jesus nennt dich nicht mehr Knecht,
Jesus nennt dich Freund.

Auch die dunklen Nächte


Sind eine besondere Gnade.

Die Atheisten wissen das nicht,


Die östlichen Theosophen nicht,
Die gnostischen Irrlehrer nicht,
Die Protestanten wissen das nicht.

Willst du diese Gnade begreifen?


Sie ist nicht zu begreifen!
Es wird immer ein Geheimnis bleiben,
Wie die bräutliche Seele
Vermählt ist dem gekreuzigten Bräutigam!

Aber lass dich belehren


Von Juan de la Cruz,
Wenn die Nacht der Sinne über dich kommt,
Die Nacht der Seele, die Nacht des Geistes,
Die Nacht des Glaubens, die Nacht des Nichts,
Die Nacht des Durstes
Und die Nacht der totalen Menscheneinsamkeit!
Dann wirst du vermählt
Im Dornenbett des Kreuzes
Mit der Ewigen Weisheit,
Die dich mitten in der Nacht
Durchtränkt mir ihrer Quelle.

Was ist der Körper, was der Leib,


Und was ist die Seele?
Ist die Seele im Leib
Oder ist der Leib in der Seele?

Hast du ein Geschwür im Kopf,


Ist dann die ganze Seele
Leidend in dem Geschwür in deinem Kopf?

Und wenn die Seele


Sich löst vom Leib,
Hinaus gesogen wird
In der Stunde des Todes
Und hinanschwebt,
Dem Licht entgegen,
In der Stunde der Prüfung
Ihres geistigen Gewissens,

Der Leib wird dann gebettet


Im Schoß der feuchten Mutter Erde
Und Vergissmeinnicht
Und Himmelsschlüssel blühen auf deinem Grab,

Die Seele aber,


Die in der Stunde ihres Todes
Berührt ward von der Gnade
Und Barmherzigkeit Jesu,
Geht ihrer Vergottung entgegen.

FÜNFTER GESANG

Die menschliche Seele


Ist ein Schlachtfeld,
Da findet ein Kampf statt,
Ein dramatischer Kampf
Zwischen den Mächten des Bösen
Und der Macht des Guten.

Die Mächte des Bösen


Bieten deinem Körper an
Die wildeste Erotik,
Bieten deiner Seele an
Den Trost von König Alkohol
Und das Paradies der Droge,
Und bieten deinem Geist an
Die falschen Götter der Welt
Und die Dämonen der Elemente.

Und dagegen kämpfen


Die Gnade der Reinheit,
Die Askese und Buße,
Die Reue und das Gebet.
Im Leibe des Menschen
Erwachen Begierden
Der Augenlust und Fleischeslust,
In der Seele des Menschen
Erwacht die falsche Lehre
Des Hedonismus,
Im Geist des Menschen
Erwachen die Dämonen
Der Irrlehre der Gnosis
Oder gar die Anbetung Satans.

Dagegen reinigt sich der Leib


Durch das Fasten,
Die Seele reinigt sich
Durch das immerwährende Gebet
Und der Geist des Menschen reinigt sich
Durch das Hören auf das Wort Gottes
In der Heiligen Schrift und der Kirche.

Es gibt Menschen, die leiden


An einer kranken Psyche,
An großer Einsamkeit
Und der Ablehnung durch die Nächsten.
Diese kämpfen den guten Kampf des Glaubens,
Wenn sie ihre täglichen Kreuze
Zum Opfer bringen auf dem Altar
Der göttlichen Barmherzigkeit.

Im Staate zuständig
Sind die Arbeiter und die Bauern
Und die Kaufleute
Für die Bedürfnisse
Des Körpers, Essen und Trinken,
Ein Haus und Kleidung.

Für den Starkmut des Herzens


Sind die Krieger zuständig,
Die mit Heldenmut wachen
Über die Sicherheit der Seelen.

Für die Bedürfnisse des Geistes


Sorgen die Dichter,
Solange sie nicht Altweiberfabeln folgen,
Vor allem aber
Die Philosophen, die Wahrheit lehren.

Die leiblichen Stände


Sollen regiert werden
Von den Rittern und Helden,
Und die kämpferischen Stände
Sollen regiert werden
Von den Weisen
Oder dem einen Philosophen
An der Spitze des Staates.

Der Leib hat Triebe,


Er will essen und trinken
Und sich geschlechtlich fortpflanzen,
Diese Begierden des Leibes
Sollen im Menschen
Regiert werden von der Seele,
Von dem Liebesvermögen
Und der Kraft der Selbstbeherrschung,
Aber die Kräfte der Seele
Sollen regiert werden im Menschen
Vom Geist, der Gott erkennt
Durch die Lehre der Weisheit.

So ist der gerechte Staat,


So ist der gerechte Mensch.

Der Geist der Weisheit regiere


Das Herz voll Heldenmut,
Und die Kräfte des Herzens
Mit seinem Liebesvermögen
Regieren den Leib
Mit allen seinen Trieben.

Da ich dieses schreibe,


Wird selig gesprochen
Papa Johannes Paulus der Große.

In mancher Nacht kommt er


Zu mir in meinen Träumen.

Um Mitternacht höre ich


Seine Stimme im Radio
Beten den Rosenkranz
Und die Litanei von Loretto
Und das Salve Regina.

Sein Motto war:


Totus tuus ego sum!
Ich bin ganz dein, Maria!
Dies ist auch mein Motto.

Sobald ich mein Haus verlasse,


Sage ich zur Pieta von Michelangelo:
Totus tuus!

Ich las seine Gedichte


Und ich las seine Dramen
Und ich schaute die Filme
Über sein Leben
Und musste weinen
Vor süßer Rührung.

Als er gestorben war,


Sah ich in der Television
Die Bilder seines Lebens
Und sah sein liebes Antlitz
Als eine Ikone des Vaters.

Und mir war, als sagte Maria:


Geh und wähle den Papst
Johannes Paulus den Großen
Dir zum Papa
Und zum Beschützer!

Ich schrieb ihm einmal einen Brief


Mit einer Namen-Marien-Litanei
Und er wünschte mir
Gottes treuen Schutz
Und die Freude des Heiligen Geistes.

Viva il Pappa!
Riefen die Römer vor dem Vatikan,
Und ich nahm den Seligen an
Als meinen Papa im Himmel.

Den wahren Menschen will ich singen,


Nicht den frevelnden Übermenschen,
Der den Bund mit Gott gebrochen,
Sondern den wahren Menschen,
Der ganz mit Gott vereinigt war,
Den Gottmenschen will ich singen.

Was heißt es, wahrhaft menschlich zu sein?


Schaue dir das Leben an
Des Jesus von Nazareth,
So soll der Mensch sein,
Denn Jesus ist wahrer Mensch
Und wahrer Gott.

Die mit ihm lebten,


Petrus und die Söhne des Zebedäus,
Magdalena und Susanna
Und die selige Jungfrau bezeugen:

Der gekreuzigt worden, gestorben ist,


Der ist auch auferstanden von dem Tode!

Christus Jesus hat sich sehen lassen


Vor den Augenzeugen
Seiner Auferstehung.
Er ist der Erstgeborne aus den Toten,
Darum auch unsre Toten
Werden alle auferstehen,
Die Bösen zum Gericht,
Die Menschen guten Willens aber
Auferstehen zum ewigen Leben
In den Freuden des Paradieses!

Hier ist mehr als Sokrates,


Mehr als bloße Unsterblichkeit der Seele,
Hier ist die Auferstehung des Fleisches.

Hier ist mehr als ein Philosoph,


Hier ist die göttliche Weisheit selbst!
Hier ist mehr als Salomo,
Hier ist die Hagia Sophia selber!

Und du, geliebte Celina,


Hast in deiner Todesstunde
Gesprochen vor der Hostia Immaculata:
Ich möchte die Kommunion!

Christus ist auferstanden,


Er ist wahrhaft auferstanden!
Darum wirst auch du,
Celina, auferstehen!
Darum werde auch ich,
Geliebte, auferstehen!

DIE JUDEN

PROLOG

Mein Großvater mütterlicherseits


War nicht nur ein Trinker,
Sondern auch Bürgermeister
Der Insel Baltrum
Unter den Nationalsozialisten.
Nun ist er tot
Und Gott weiß, wo er ist.
Vielleicht hat er heute noch Durst
Und fährt in mich wie ein Dämon,
In mir noch viel zu trinken.
Ich muß Buße für ihn tun.
Meine liebe Oma
Hasste den Krieg und die Nazis.
Mich aber nannte sie
In meiner Kindheit
Zerstreuten Professor
Und lamentierenden Juden.

Ich muß also von den Juden singen.


Aber ich schreibe
Nicht als Historiker,
Nicht als Theologe,
Sondern als Dichter.
Nur Narr, nur Dichter!
Sagte Friedrich Nietzsche,
Der die semitische Religion
Verachtete und die arische
Herrenrasse des Übermenschen
Pries und den Antichristen.

Wer aber in Christus ist,


Jesus, dem Messias,
Wer das Blut trinkt des Messias,
Ist Blutsbruder des Messias.
Das Heil kommt aber von den Juden,
Denn der Menschheit nach
War der Messias Jesus ein Jude.
Wer also Blutsbruder Jesu ist,
Der ist ein Jude geworden.

Darum will ich singen das Volk,


Dem Jesus entstammte,
Das jüdische Volk,
Dem Maria entstammte,
Denn schon von Kindheit an
Liebe ich das Lied:

Freue dich, Tochter Zion!


Jauchze laut, o Jungfrau Jerusalem!

ERSTER GESANG
ABRAHAM

Abraham hörte den Ruf Gottes:


Ich bin dein Gott!
Durch deinen Samen
Sollen alle Völker gesegnet werden!
Ziehe fort von deinem Vaterhaus
Und fort von deiner Heimat
Und ziehe in jenes Land,
Das ich dir zeigen werde.
Du sollst nicht mehr Abram heißen,
Sondern Abraham sollst du heißen,
Denn du sollst Vater des Glaubens sein
Und Vater vieler Völker.
Ich werde deine Kinder so zahlreich machen
Wie die Sterne am Himmel
Und den Sand am Meeresstrand.

Abrahams Vater aber


Glaubte an die silbernen und goldenen Götzen.
Abraham musste fortgehen
Von seinem Vater
Und seiner ganzen Verwandtschaft.

Er wusste, dass Gott


Ihm einen Samen schenken werde,
In dem alle Völker gesegnet werden sollen.
Aber als er ungeduldig wurde,
Weil der Same nicht kam,
Da nahm er die Ägypterin
Hagar in sein Zelt
Und schlief mit ihr
Und zeugte einen Sohn,
Ismael, den Vater der Ismaeliten.

Aber Abrahams Hauptfrau


War Sarai,
Die fortan Sarah heißen sollte,
Sarah bedeutet Fürstin.
Die Fürstin sprach zu Abraham:
Schick die Ägypterin fort!
Abraham wollte Ismael nicht verlieren
Und schrie zu Gott. Und Gott sprach:
Abraham, tu, was Sarah dir sagt!

Als Abraham hundert Jahre zählte


Und es Sarah nicht mehr ging
Nach der Frauen Weise,
Gebar Sarah dem Abraham einen Sohn,
Isaak, das Lachen Gottes!

Und Abraham liebte sehr


Den kleinen Isaak,
Das Lachen Gottes!

Aber da sprach Gott zu Abraham:


Opfere mir deinen geliebten Sohn Isaak!
Und Abraham ging,
Gott ein Opfer zu bringen.
Isaak ging an Abrahams Hand
Und sagte: Lieber Papa,
Du willst Gott ein Opfer bringen,
Aber wo ist die Opfergabe?
Und Abraham sagte: Lieber Sohn,
Gott selber wird für die Opfergabe sorgen!
Und Abraham stieg hinauf
Den heiligen Berg Morijah
Und legte den Sohn auf den Altar
Und band ihn an den Altar
Und hob sein Messer –
Isaak aufzuopfern vor Gott –
Gott! Isaaks Schrecken!

Da sah Gott,
Daß Abraham seinem Worte glaubte,
Denn Gott hatte ihm den Samen verheißen,
Und wenn Gott den Samen jetzt forderte,
Wird Gott den Samen auferwecken,
Der Same Abrahams wird leben,
In dem gesegnet werden
Alle Völker der Erde.

Nun denke dir, mein Leser,


Du bist ein Mann, der seinen Knaben liebt,
Und Gott spricht zu dir:
Gib deinen Knaben auf!
Und Gott prüft dich so,
Ob du Gott in allem gehorchst,
Und du opferst deinen Knaben
Und dein brechendes Herz dazu
Und die Trauer des Knaben dazu.
Das alles legst du
Auf dem Berg Morijah
Auf den Ganzbrandopferaltar!

Wird Gott das Lamm erscheinen lassen,


Wird Gott selber den eigenen Sohn
Vom Herzen sich reißen
Und opfern den Sohn
Und mit dem Sohn sich selber?

Und wirst du, mein Leser,


Du Vater, der du deinen Liebling geopfert,
Eins werden mit Gottvater,
Der sein göttliches Kind geopfert?

Das ist der Gott,


Den wir voll Ehrfurcht anbeten,
Isaaks Schrecken!

ZWEITER GESANG
DIE KINDER ISRAEL
Jakob kam an den Brunnen
Und Rahel kam an den Brunnen
Und Jakob sah Rahel
Und Jakob küsste Rahel,
Herzte, liebkoste Rahel.

Jakob bat den Vater der Geliebten:


Gib mir Rahel zur Braut!
Da sprach der Vater der Geliebten:
Diene mir sieben Jahre
Und weide meine Schafe,
Weide meine Schafe
Und weide meine Lämmer!

Und Jakob diente sieben Jahre


Und verzehrte sich nach Rahel,
Verzehrte sich sieben Jahre nach Rahel!
Am Ende der sieben Jahre
Führte der Vater der Geliebten
Die Verschleierte
In Jakobs Zelt zur Hochzeitsnacht.

Nach der Hochzeitsnacht


Am frischen Morgen
Sah Jakob seine Braut an:
Es war nicht Rahel,
Es war Lea, die ältere Schwester.

Rahel hatte schöne leuchtende Augen,


Lea hatte matte Augen,
Aber Lea hatte große Brüste.

Der Vater der Geliebten sprach:


Jakob, mein Sohn,
Wenn du immer noch Rahel willst,
So diene mir wieder sieben Jahre!

Und nach den sieben schmerzlichen Jahren


Diente Jakob wieder sieben schmerzliche Jahre,
Verzehrte sich schmerzlich nach Rahel,
Verzehrte sich vierzehn Jahre!

Am Ende der vierzehn Jahre


Gab der Vater der Geliebten
Dem Jakob die Rahel.

Und Jakob liebte Rahel mehr


Als Lea, die ältere Schwester.

Aber Lea gebar


Dem Jakob
Zehn Söhne.
Schließlich gebar auch Rahel
Dem Jakob einen Sohn,
Den Liebling des Vaters: Josef.

Josef war ein Träumer,


Josef träumte prophetisch,
Josef las das Kommende
Aus seinem Becher.

Josef war der Liebling des Vaters,


Er trug einen bunten Rock.
Die andern Brüder waren neidisch
Auf den schönen Josef,
Denn Josef war der Liebling des Vaters.

Aber Rahel ward zum zweitenmal schwanger,


Es war nahe bei Bethlehem,
Da hatte sie schmerzliche Wehen
Und gebar ein Kind,
Das nannte sie:
Kind meiner Schmerzen!
Aber Jakob sah den Kleinen
Und nannte das Kind:
Du Kind meiner Freude!

Dieses Kind war Jakobs Wonne,


Aber Rahels Tod,
Denn sie starb bei der Geburt.

Jakob begrub sie bei Bethlehem


Und stellte einen Denkstein
Auf ihr blühendes Grab.

Aber Rahel ist nicht tot!


Sie schläft nur!
Rahel weint noch heute,
Rahel weint um ihre Kinder
Und kann sich nicht trösten,
Denn ihre Kinder sind
Hinweggeführt in die Verbannung!

Aber Gott spricht zu Rahel:


Weine nicht mehr
Um deine Kinder,
Denn es gibt eine Hoffnung für sie!
Es gibt eine Hoffnung für Josef!
Es gibt eine Hoffnung für Benoni!
Es gibt eine Hoffnung für Benjamin!

DRITTER GESANG
MOSES UND DIE TORAH

Moses stieg auf den Sinai


Und fastete vierzig Tage
Und war in der goldenen Wolke
Und schaute den Rücken des Herrn.

Mirjam und Aaron


Hatten Träume und Visionen,
Aber Mose sah den Herrn
Und Gott sprach mit Mose,
Wie ein Mann mit seinem Freunde spricht.

Und Mose sah, und siehe,


Im Anbeginn der Schöpfung,
Vor aller Zeit,
Bevor der Raum sich entfaltete,
War der rechte Arm des Herrn entblößt
Und auf dem rechten Arm des Herrn
Stand der Name des Messias:
Jahwe-ist-unsere-Hilfe!

Und Mose sah den Himmel offen


Und sah im Himmel eine Stadt,
Das war Jerusalem,
Die Stadt des Friedens.
Ihre Mauern waren von Jaspis,
Ihre Straßen aus goldenem Glas,
Ihre Tore aus Perlen,
Ihre Wohnungen aus Edelsteinen.

Und Mose sah den Himmel offen


Und sah im Himmel eine Buchrolle,
Das war die ewige Torah,
Sie begann mit dem Buchstaben A.

Und Gott der Herr plante,


Die Schöpfung zu schaffen,
Die unsichtbare und die sichtbare Welt,
Die Engel und die Menschen,
Mann und Frau.

Da schaute Gott der Herr


In die himmlische Buchrolle,
In die ewige Torah,
Und nach dem Urbild der Torah
Schuf Gott die Bilder aller Dinge.

Und Gott sprach zu Mose:


Haue dir zwei steinerne Tafeln,
Und ich will mit meinem Finger
Auf die Tafeln schreiben
Die irdische Torah.

Und Mose tat, wie der Herr ihm geboten,


Und Gott gab die irdische Torah
Moses und den Kindern Israel.
Und die irdische Torah
Beginnt mit dem Buchstaben B,
Bereschit, beginnend,
In dem Urprinzip
Schuf Gott den Himmel und die Erde.

Aber die Kinder Israel


Am Fuße des Sinai
Waren voll Ungeduld,
Weil Moses nicht zurückkam.
Sie wollten Gott danken,
Daß Gott sie erlöst
Von der Sklaverei in Ägypten,
Und sie wollten ein Bild von Gott,
Wie auch die Ägypter
Ihre Götterbilder verehren.
Und so machten die Kinder Israel
Die Statue einer goldenen Kuh,
Die zwischen den Hörnern
Den Neumond trägt,
Die mit ihrem prallen Euter
Die Kinder Israel ernährt.
Die Kinder Israel sagten nämlich:
Keiner hat Gott je gesehen,
Aber wir denken uns Gott
Wie eine Himmelskuh.

Und die Israeliten tanzten,


Sie schlugen die Zimbeln,
Sie schlugen die klingenden Zimbeln,
Sie tanzten Schleiertänze
Vor der heiligen Kuh.

Da kam Mose vom Berg herunter


Mit der Torah
Und sah die Israeliten tanzen
Um ihre heilige Kuh.

Da ward Moses zornig


Und er zerschmetterte die steinernen Tafeln.

Aber Gott war langmütig und geduldig


Und gab den Kindern Israel
Zum zweiten Mal die Weisung,
Die irdische Torah.
VIERTER GESANG
DIE KÖNIGE

König Saul war sehr geplagt


Vom Dämon der Melancholie.
Da hörte er vom jungen David,
Daß der sehr schön die Harfe strich
Und trostreiche Lieder sang,
So ließ er den jungen David kommen.
Und David spielte vor ihm
Auf seinem Saitenspiel
Und wenn der Liebling der Lieder Israels
Seine gedichteten Psalmen psalmodierte,
Wich der Dämon der Melancholie
Vom schwer geplagten König Saul.

David aber liebte


Den Prinzen Jonathan
Mehr, als er je ein Weib geliebt.
Und Jonathan liebte
David wie sein eigenes Leben.
Jonathans Vater aber
War eifersüchtig auf David,
Denn alle Weiber riefen:
Saul hat tausend Philister erschlagen,
David aber zehntausend!
Da wollte der besessene Vater
Des Sohnes Liebling töten.
Jonathan aber schloß einen Pakt
Mit dem gesalbten David.

David floh vor König Saul


In die Berge und sammelte
Vierhundert Männer um sich,
Die arm und elend waren
Und verbitterten Herzens.

Saul aber zog in den Krieg


Und kämpfte gegen die Philister
Und verlor den Krieg
Und brachte sich selber um!
Jonathan war auch gefallen im Krieg!
Da dichtete David ein Klagelied:

Sagt es nicht den Töchtern der Unbeschnittnen,


Daß Saul und Jonathan gefallen sind!
Weint, ihr Berge von Gilboa!
Saul war wie ein brüllender Löwe,
Er gab den Töchtern der Israeliten
Schöne Kleider und schönen Schmuck,
Jonathan war wie ein Adler!
Weh mir, mein Jonathan,
Deine Liebe war mir lieblicher
Als Frauenliebe!

Als David König geworden,


Erging er sich auf dem Dach seines Hauses
Und sah die Nachbarin
Bathseba nackt sich baden!
Da rief er sie,
Er beschlief sie,
Sie wurde schwanger,
Aber sie war vermählt mit einem Heiden,
Den schickte David in die Hölle!

Da ergrimmte Gott
Und ließ Bathsebas Kind sterben.
Als es krank lag und mit dem Tode rang,
Da fastete David,
Tat Buße in Sack und Asche,
Aber als es gestorben war,
Da aß er und trank einen Becher Wein.

Und Bathseba wurde schwanger


Und gebar den kleinen Salomo.
Er ward zur Erziehung
Dem weisen Propheten Nathan anvertraut.
Nathan nannte Salomo
Jedidja, Geliebter Gottes!

Und Salomo wurde König


Und Mutter Bathseba
War die Mutter des Königs
Und Salomo stellte
Den Thron der Königinmutter
Zur Rechten des Thrones des Königs.

Und Salomo bat den Herrn


Um Weisheit.
Und Gott gefiel die Bitte
Und er gab Salomo Weisheit,
Größer war Salomos Weisheit
Als die Weisheit der Weisen des Ostens,
Als die Weisheit der Weisen Ägyptens.

Denn Salomo liebte die Weisheit


Und liebte ihre Schönheit
Und suchte sie zu gewinnen
Als Braut und Lebensgefährtin
Und mit ihr zu leben
In einer geistlichen, aber wirklichen Ehe,
Das ist Torheit den Kindern der Welt,
Aber Weisheit den Eingeweihten.
Und die Weisheit
Als die Architektin des Kosmos
Inspirierte Salomo,
Den Tempel des Herrn zu bauen.

FÜNFTER GESANG
DIE PROPHETEN

Hosea, der Prophet,


Nach Gottes Willen
Nahm sich eine Hure,
Eine Tempelprostituierte
Der sakralen Prostitution,
Zur Ehefrau
Und zeugte Kinder mit ihr:
Jesreel, Gott sät ein,
Lo-Ruchama, Kein Erbarmen,
Lo-Ammi, Nicht mein Volk.
Doch eines Tages wird Lo-Ammi
Ammi genannt, Mein Volk,
Und Ammi wird sagen: Mein Vater und Gott!
Und Gott führt Israel
In die Wüste,
Verlockt die Hure Israel
Und wird sich mit ihr verloben,
Da wird die Hure Israel
Nicht mehr sagen: O Baal!
Sondern: Mein Bräutigam Jahwe!

Jahwe der Bräutigam


Hatte zwei Huren lieb,
Jerusalem war die eine Hure,
Samaria war die andere Hure.
Beide Huren hurten
In ihrer Jugend
Mit den Ägyptern
Und mit den Chaldäern
Und ließen sich betatschen
Ihre Zitzen
Und spreizten ihre Beine
Jedem Buhlen
Und öffneten ihre Köcher
Jedem Pfeil.

Der Hure gibt man Geld,


Daß man sie beschlafen darf,
Israel, die Hure,
Gab ihren Freiern Geld,
Damit sie mit ihr schlafen.

Aber der Prophet


Richtet die Huren
Wie Ehebrecherinnen
Und Kindsmörderinnen
Und Zauberinnen!

Wenn ein Mann eine Frau verstoßen


Und sie sich einen andern Mann genommen,
Will sie zu ihrem ersten Mann zurück,
Wird der sie wieder nehmen?
Und Jahwe soll Israel wieder nehmen,
Die mit Baal gehurt?

Aber freue dich, Tochter Zion,


Dein König kommt zu dir
Sanftmütig,
Reitend auf einem jungen Eselshengste,
Dem Füllen einer Eselin.

Die Tochter Zion


Wird zur Freudenbotin
Mit nackten Füßen,
Sie ruft von den Bergen:
Dein Gott ist König!

Ihr werdet getröstet werden


An den Brüsten Jerusalems,
An den prallen Mutterbrüsten,
Und saugen werdet ihr
Die Milch des Trostes
Aus den glänzenden Brüsten
Jerusalems und sitzen
Werdet ihr auf dem Schoß
Der Mutter Jerusalem,
Denn Gott wird euch trösten
Wie eine liebende Mutter
Ihren Sohn tröstet.

Aber wer ist der Knecht Gottes?


Er war nicht schön,
Wir hatten keinen Gefallen
An seinem Aussehn,
Sondern geschlagen war er
Und wir meinten,
Er wäre von Gott gestraft.
Aber durch seine Wunden
Sind wir geheilt
Und Gott hat unsre Sünden
Auf seine Schultern gelegt.

Mein Gott, mein Gott,


Wozu hast du mich verlassen?
Ein Wurm bin ich, kein Mensch mehr,
Sie durchstechen meine Seite
Und würfeln um mein Kleid!
Zu den Verbrechern bin ich gerechnet
Und begraben bei den Verbrechern.
Aber Gott wird nicht zulassen,
Daß sein Heiliger die Verwesung sehe.

Der Herr sprach zu meinem Herrn:


Setze dich zu meiner Rechten,
Bis ich alle deine Feinde
Zum Schemel deiner Füße mache!

Wie ein Kind in den Armen seiner Mutter,


Wie ein gestilltes Kind
An den Brüsten seiner Mutter,
Ist meine Seele bei Israels Gott!

SECHSTER GESANG
DIE ZEIT JESU

Die Gemeinde der Essener


Lebte am Toten Meer
In strenger Askese.
Sie schrieben die Heiligen Schriften ab
Und schrieben eigene Psalmen,
Sie beteten viel
Und fasteten streng
Und nahmen Reinigungsbäder,
Hatten eigene Taufzeremonien.
Sie warteten
Auf den Messias,
Den aaronitischen Messias,
Den Hohepriester und Propheten,
Den davidischen Messias,
Den König Israels.
Sie nahmen in ihre Gemeinschaft
Keine Krüppel auf,
Keine Blinden und Tauben und Stummen,
Denn David hasste die Krüppel,
Seit er die Stadt der Jebusiter erobert,
Die Burg Zion.

Johannes der Täufer


Lebte in der Wüste,
War die Stimme eines Predigers,
Der dem Herrn den Weg bereitete
In der Wüste, in der Einöde.
Er fastete streng
Und betete viel
Und trank keinen Wein.
Möglicherweise, man weiß das nicht genau,
War Johannes der Täufer auch
Bei den Essenern gewesen.

Diese bewahrten ihre Schriftrollen


In Tonkrügen auf,
Verborgen in Felsenhöhlen
In Qumran am Toten Meer.

Ein arabischer Hirtenknabe


Suchte sein verlorenes Schaf
Zweitausend Jahre später
Und kam an eine Felsenhöhle
Und warf einen Stein in die Höhle,
Um die Raubtiere zu erschrecken,
Und hörte den Klang,
Wie der Stein auf einen Tonkrug fiel,
So fand der arabische Knabe
Die Schriftrollen der Essener
In Qumran am Toten Meer.

Die Gruppe der Sadduzäer


Glaubte nicht an die Engel
Und nicht an die Auferstehung.
Sie waren die Epikuräer Israels,
Sie fragten darum
Jesus von Nazareth:

Eine Frau hatte sieben Männer,


Einen nach dem andern,
Ganz nach dem Gesetz,
Aber in der Auferstehung der Toten,
Mit welchem Mann wird sie verheiratet sein?

Jesus sagte: Ihr irrt euch,


In der Auferstehung der Toten
Werden die Menschen nicht mehr heiraten,
Sondern wie Engel sein.
Der Gott Abrahams,
Der Gott Isaaks,
Der Gott Jakobs
Ist nicht ein Gott der Toten,
Ihm leben sie alle.

Die Pharisäer hatten strenge Gesetze.


Saul war ein strenger Pharisäer,
Saul von Tarsus, ein Schüler
Des Rabbi Gamaliel.
Er hörte von der neuen Sekte
Des neuen Weges,
Diese Menschen glaubten,
Jesus von Nazareth
Sei der Messias
Und sei auferstanden von den Toten.

Saul von Tarsus, der strenge Pharisäer,


Verfolgte die Judenchristen,
Bis nach Damaskus verfolgte er
Die Sekte des neuen Weges,
Bis ihm vor Damaskus
Der auferstandene Jesus begegnete
Und sagte: Saul, o Saul,
Was verfolgst du mich?

Da glaubte Saul von Tarsus,


Daß Jesus von Nazareth
Der Messias Israels sei,
Der König der Juden
Und Retter aller Völker,
Und Paulus ging und predigte
Sein Evangelium von der Gnade allen Völkern.

SIEBENTER GESANG
DER TALMUD

Titus, der Kaiser von Rom,


Ritt nach Jerusalem
Und ritt in den Tempel Gottes
Und entweihte den Tempel
Und zerstörte den Tempel.

Da riefen die Juden:


Gott wird sich rächen
Am heidnischen Kaiser!

Titus dachte: Ihr Götter,


Der Gott Israels
Ist ein Gott der Berge.
Wenn ich in den Bergen
Kämpfe gegen den Gott,
So wird der Gott der Berge
Mich besiegen, mich,
Den Gottkaiser Roms.

Aber wenn ich am Meere


Bleibe und reise
Übers Wasser nach Rom,
So bin ich sicher
Vor Israels Gott,
Der ein Gott der Berge ist
Und nicht ein Gott des Meeres.

Und Titus stand am Meer,


Da kam vom Meer
Auf Gottes Befehl
Eine Möwe geflogen
Mit eisernem Schnabel
Und hackte mit dem Schnabel
Titus ein Loch in den Kopf
Und legte ein eisernes Möwen-Ei
In des Kaisers Kopf.

Und das eiserne Möwen-Ei


Im Kopf des Kaisers wuchs,
Kopfschmerzen hatte der Kaiser
Und ihm ward übel,
Er musste speien,
Konnte nichts mehr essen,
Hatte Todesangst
Und starb!

Gott lässt sich nicht spotten,


Ihr Heiden, ihr Stolzen,
Gottes Rache ist unerbittlich!

Aber die Rabbis suchten


Die Weisheit Gottes
In der Heiligen Schrift.

Der weise Salomo sagte:


Mein Sohn, ergötze dich
An deiner jungen Geliebten,
Sie ist reizend wie eine Hirschkuh!

Da sagte ein Rabbi zum andern:


Die Geliebte des Schriftgelehrten
Ist doch die Torah?
Warum vergleicht der weise Salomo
Die Jungfrau Torah
Mit einer Hirschkuh?

Da sagte der andre Rabbi:


Salomo kannte die Art der Tiere,
Er wusste, dass die Hirschkuh
Eine enge Scheide hat.

Die Jungfrau Torah


Ist reizend wie die Hirschkuh,
Die eine enge Scheide hat,
Denn ob auch der Weise
Die Jungfrau Torah geheiratet hat
In seiner Jugend,
Und ob er sie oft studiert
Und viel Erkenntnisse schon gewonnen hat,
So bleibt die Jungfrau Torah
Doch alle Tage der Ehe
Enggebaut wie eine Jungfrau.
Der Weise verliert nie die Lust,
Sich mit ihr zu beschäftigen,
Und selbst wenn er fünfzig Jahre alt ist,
Die Jungfrau Torah
Ist an der Scheide noch so eng
Wie eine siebzehnjährige Jungfrau.
Nie verliert sie ihren Reiz für ihn.

Da sagte der erste Rabbi:


Wie anders unsre Eheweiber!
Unmöglich sind die Kinder
Unsrer Eheweiber von uns,
Denn wir Rabbis von fünfzig Jahren
Haben so dicke Bäuche
Und unsre Eheweiber
Haben so dicke Bäuche,
Die Matronen,
Unsre Geschlechtsorgane
Können sich gar nicht vereinigen,
Die dicken Bäuche stehen dagegen.

ACHTER GESANG
DIE SCHECHINAH DER RABBINEN

Als Adam im Garten war


Allein mit den Blumen und Tieren
Und Evchen noch nicht erschaffen
Aus des Mannes Flanke,
Da war Schechinah schon
Als Jungfrau-Braut bei Adam.

Als die Mutter der Lebendigen


Den dritten Sohn geboren,
Gab Adam seinem Sohne Seth
Jenseits von Eden
Kunde von der Schechinah,
Der Matrone.

Schechinah gebot
Dem Vater Noah,
Die Arche zu bauen,
Ob ihn auch alle verspotteten,
Vater Noah allein
Gehorchte der Jungfrau.

Als Abraham die Heimat verließ


Und fortging von Ur in Chaldäa,
Den Vater verließ, den Götzendiener,
Seine Familie verließ, die Götzendiener,
Führte ihn Schechinah
In das verheißene Land.
Als Abraham betete
Unter der Eiche More,
Sagte die Jungfrau Matronita:
Dieses Land will ich dir geben.

Als Jakob in Bethel war,


Einst hieß es Lus,
Da legte er sein Haupt
Auf einen Stein
Und träumte von der Himmelstreppe
Und an der Spitze der Treppe
Sah er die Jungfrau Schechinah.
Aber Jakob war schwach,
Er liebte nicht die Jungfrau allein,
Er nahm sich zwei Weiber.

Als Josef floh


Vor Potiphars Weib,
Dem geilen Luder,
Und im Gefängnis war,
Da lehrte ihn Schechinah,
Träume zu deuten.
Und Josef deutete
Pharaos Träume
Und ward Wesir von Ägypten
Dank Schechinahs Gnade.

Wenn Moses in die Stiftshütte trat,


Wenn er ins Offenbarungszelt ging,
Dann sprach die Jungfrau Schechinah
Mit Moses von Antlitz zu Antlitz,
Dann erst trat Moses zum Volk
Und trug die Kinder Israel
Wie eine Amme das Kindlein trägt.

David liebte erst Jungfrau Michal,


Dann Abigail vom Karmel
Und auch Ahinoam von Jesreel,
Dann begehrte er Bathseba,
Die er nackt im Bade sah,
Zuletzt verlangte ihn
Nach einem schönen jungen Mädchen,
Abischag von Schunem.
Aber seine Psalmen sang
Er durch den inspirierenden Kuß
Der Jungfrau Schechinah.

Salomo gewann
Die himmlische Jungfrau lieb,
Verliebte sich in ihre Schönheit,
Und suchte sie als Braut heimzuführen.
Er führte eine geistliche,
Aber wirkliche Ehe mit ihr,
Der himmlischen Jungfrau Schechinah.

Vater Elia wollte nicht mehr leben,


Weil Isebel ihn plagte, das Biest,
Da bat er Gott um seinen Tod,
Doch ein Engel stärkte ihn
Mit Brot und Wein
Und kraft dieser Speise der Engel
Ging der Vater Elia vierzig Tage
Durch die Wüste
Zum Gottesberge Horeb,
Wo er wie sanft verschwebendes Schweigen
Die Stimme der Schechinah hörte.

Die Kinder Israel


Sind verstreut in hundert Länder,
In Verbannung
Und unterdrückt von den Heiden,
Aber bei Israel im Exil
Ist die Jungfrau Schechinah,
Die himmlische Matrone,
Sie führt Israel
In die Heimat,
Dort wird Jahwe sein Gott sein
Und Israel Jahwes Volk.

NEUNTER GESANG
RABBI MOYSES (MAIMONIDES)

Die Philosophie des Aristoteles


War gekommen zu den Arabern,
Avicenna und Averrhoes
Versuchten zu vereinen
Den Koran und Aristoteles.

Rabbi Moyses,
Wie der engelgleiche Thomas ihn nannte,
Maimonides versuchte zu vereinen
Das Gesetz Mosis und Aristoteles.

Denn wenn die Heilige Schrift


Von Gott spricht,
So redet sie von Gottes Arm,
Von Gottes Mutterschoß,
Von Gottes Herzen,
Von Gottes Finger,
Vom Alten der Tage
Mit schneeweißem Haar
Und schneeweißem Bart.

Aber das sind menschliche Bilder.


Der Schöpfergott,
Der Ursprung aller Dinge,
Ist doch kein Mann!

Wie wäre es auch denkbar,


Daß Gott, der Herrscher und Vater,
Einen schneeweißen Bart hat
Und Mutterschöße voll Barmherzigkeit?

Klären wir den Begriff von Gott!


Was sagt die Philosophie?
Alles sich Bewegende
Geht auf eine Ursache zurück,
Die es bewegt,
Und aller Ursachen Erstursache
Ist der Erstbeweger,
Der unbewegte Erstbeweger,
Die Erstursache aller Dinge,
Die nennen wir Gott.

Gott ist der Anfang


Und das Ende aller Dinge,
Zielursache alles Lebendigen.

Gott ist reiner Geist,


Als reiner Geist ist Gott das Denken.
Was aber denkt der denkende Gott?
Der denkende Gott denkt Gott,
Und so ist Gott auch das Gedachte.
Wie denkt aber der denkende Gott
An den gedachten Gott?
Das Denken selber ist Gott.
Und so ist Gott dreifaltig:
Der Denker, das Gedachte und das Denken.

Aber Gott ist,


So sagt die Offenbarung,
Israels Gott,
Der das Elend seines Volkes sieht,
Das Schreien seines Volkes hört,
Der Gott, der Gebet erhört,
Der rettende Gott,
Der befreiende Gott.

Nun ist aber der Allerhöchste,


Die transzendente Gottheit,
Über allem Seienden,
Die Über-Seiende Gottheit,
Jenseits aller Schöpfung.
Wie kann das Geschöpf
Aus Seele, Fleisch und Blut,
Mit der reinen Transzendenz
Kommunizieren als mit einem Du?

Da bedarf es eines Mittlers!

Gott wohnt in unzugänglichem Licht,


Wer kann es wagen, zu ihm zu treten?
Da bedarf es des Mittlers!

Jahwe selbst ist unzugänglich,


Aber Gottes Qualitäten,
Gottes Hypostasen,
Seine Selbstoffenbarungen
Als Weisheit, Barmherzigkeit,
Gerechtigkeit und Treue,
Wahrheit und Gnade
Und Herrlichkeit
Sind dem Frommen zugänglich.

Darum wagen wir es nicht,


Zu Jahwe zu treten,
Sondern rufen an
Die göttliche Weisheit,
Die uns Mittlerin ist zu Gott,
Dem reinen Geist.

ZEHNTER GESANG
DIE KABBALA

Mein Prinz,
Engel des Antlitzes Gottes,
Herr der himmlischen Heerscharen,
Fürst der Engel!

(Deinen Namen darf ich nicht nennen.)

Aber ich sah dich


In der Krone des Lebensbaumes,
Du Fürst der Weisheit
Und König der Vernunft,
Ich sah dich, und siehe, was ich sah,
War ein Knabe
Von göttlicher Schönheit!

Im Himmel ist
Eine mystische Rose,
Spirale von Licht,
Da lachen die Cherubini,
Da glühen die Seraphinen,
Da tanzen die Engel.

In der Spirale des Lichts


Versammelt der Prinz
Alle Kinder,
Die im Mutterschoß gestorben sind.

Mein Prinz,
Führer der himmlischen Heere,
Michael ist dein Freund,
Du sammelst die Kinder,
Die auf Erden nicht leben durften.

Fromme Frau, du weinst,


Weil Gott dir kein Kindlein geschenkt?
Erhebe dein Haupt
Und schau in den Himmel,
Mein Prinz versammelt dort
Im himmlischen Apfelgartenparadies
Die ungeborenen Kinder alle
Zu einem unermesslichen Fest.

Mein Prinz, du holder Knabe


Im lockigen Haar,
Du bist so sehr wie Gott,
Daß man dich Sohn Gottes nennen darf.

Gott hat noch kein Mensch gesehen,


Aber der Prinz offenbart sich
Wem er will,
Der Engel des Antlitzes Gottes,
Und wer reinen Herzens ist
Wie kleine Kinder,
Der darf den göttlichen Knaben schauen.

Michael, Gabriel und Raphael


Stehen in seinen Diensten,
Die Gotteslöwen gehorchen ihm,
Die Morgensterne jauchzen ihm,
Die Engel der mystischen Rose
Tanzen um ihn
Den Hochzeitsreigen von Mahanajim.

Oh, ich habe dich schon immer geliebt,


Dein Name ist mir süß wie Honig,
Dein Name ist süß wie die Idee des Honigs.

Manche Schriftgelehrten sagen,


Du seiest Beelzebub,
Doch das glaube ich nicht.

Du bist doch der Engel des Antlitzes Gottes,


Und wer dich schaut, mein Knabe,
Der schaut das Antlitz Gottes!

(Soll ich dich Penuel nennen,


Um deinen Namen zu verschweigen?)

Ich habe dich geschaut


In der Krone des Lebensbaumes,
Deine Augen wie der Himmel,
Deine Locken wie die Sonne,
Deine Glieder wie Marmorsäulen
Auf goldenen Sockeln.

Du bist der Apfelbaum


Unter den Bäumen des Waldes.

Ach, ich bin krank vor Liebe!


Stärke mich mit Äpfeln,
Stärke mich mit Rosinenkuchen!

Mein Prinz, strecke aus dein Zepter,


Tritt ein für die Gerechtigkeit!
Vor deinen Pfeilen fallen die Feinde Gottes!
Mein Prinz, mein heimlicher Kaiser,
Dein Thron ist ein göttlicher Thron!

Siehe, die Väter wird man vergessen,


An ihre Stelle treten die Söhne.

ELFTER GESANG
HEINRICH HEINE

Ich war einmal Protestant


Und protestierte viel
Und lernte bei Hegel,
Wie der Mensch den Gott erlöst,
Und lernte bei Marx,
Wie die Armen das Paradies erkämpfen.

Aber schließlich kam ich zum Glauben.


Da kniete ich in Paris
Vor Unsrer Lieben Frau von Milo
Und nahm weinend Abschied
Von der schönen Frau Venus:
Adieu, Frau Venus,
Dein Minnesänger
Zieht nun nach Rom zum Papst!

Da ich Christ geworden,


Ward ich ein besserer Jude.
Ich sah den armen Israel,
Die ganze Woche lebte er
Ganz arm und elend,
Aber am Freitagabend
Zündete er die Kerzen an,
Dann verwandelte sich
Der arme Sklave Israel
In einen herrlichen Prinzen,
Denn am Sabbat kam
Zu ihm Prinzessin Sabbath!

Ja, ein Minnesänger


War ich immer noch,
Doch ich sang nicht mehr die stolze
Donna Elvira mit dem harten Herzen,
Sondern ich singe
Die Prinzessin Sabbath,
Besinge ihr Feiertagskleid,
Ihre koschere Tafel,
Ihren koscheren Wein vom Karmel,
Und fühle die Sehnsucht
Der Prinzessin Sabbat,
Die immer schaut,
Ob heute wohl
Der Messias zu ihr kommt?

Man redet viel


Von Dante und Petrarca,
Von Goethe und mir
Und unserm Frauendienst.
Aber wer kennt schon
Jehuda ben Halevi?

Seine Dame,
Die er nur einmal im Leben sah,
War die Jungfrau Jerusalem,
Sie war die Madonna,
Die er mit Versen verherrlichte.

Auch von Salomon ibn Gabriol


Hab ich gelernt,
Dieser jüdischen Nachtigall,
Seine mystische Rose
War das Herz des Herrn!

Ich war auch in Spanien


Bei Donna Isabella,
Der allerkatholischsten Donna,
Die eingeladen hatte
Zu einem heilignüchternen Symposium
Die Brüder des heiligen Franz
Und die Rabbis der Synagoge,
Wer der wahre Gott sei,
Der Gott Israels, der Gott der Rache,
Der Vater Jesu, der Liebesgott?
Aber sie bewarfen einander
Nur mit Schmutz,
Daß Donna Isabella sagte:
Die Mönche und die Rabbis
Haben eines gemeinsam:
Sie stinken!

Aber kennt ihr auch


Den armen Poeten Lazarus,
Den Jesus schon sah
Im Schoße Abrahams,
Der doch lange krank lag
In seiner Matratzengruft
Zwischen Läusen und Flöhen
Und Mäusen und Ratten
Und dem die Hündinnen leckten
Seine Wunden am Leib?

Dieser arme Lazarus,


Wehe mir, der bin ich,
Und sehne mich
Nach Abrahams Schoß,
Oder, will ich lieber sagen,
Nach Unsrer Lieben Frauen Schoß!

ZWÖLFTER GESANG
ELSE LASKER-SCHÜLER

Ich bin Jussuf,


Prinz Jussuf von Ägypten,
Der verraten wurde
Und verkauft
Von seinen Brüdern.

In meiner Jugend
Wandelte ich
Mit Sankt Petrus,
Dem Propheten,
Und ich schrieb
Die Bibel über Sankt Petrus.

Mein Urgroßvater
War Rabbi der Synagoge,
Sein Freund war
Mufti der Moschee,
Und sie stritten
Über Religion,
Wer der wahre Gott sei,
Jehowah
Oder Allah?

Ich stritt auch über Religion


Mit Martin Luther,
Aber immer wie Brüder,
Ich hatte ihn lieb.

Ich kannte auch


Die barmherzige Maria,
Die die gefallenen Mädchen
Und ihre Leibesfrüchte
Aufnahm, pflegte,
Kein gefallenes Mädchen verstieß,
Mutter aller Kinder war.
Und ich beneidete
Diese gefallenen Mädchen
Und ihre kleinen Kinder
Wegen dieser Mutter
Mit den sieben Schwertern im Herzen.
O Maria!

Ja, ich sang Maria


Von Nazareth ein Lied,
Dem großen Himmel
Im reizenden blauen Kleidchen!

Man sagte von mir:


Sie mag den Paulus nicht.
Aber der Rabbi Jesus,
Jesus Christus von Nazareth,
Den sah ich einmal im Traum.
Er sagte zu mir:
Jerusalem ist nicht verloren!

Ich war Jude


Nicht der Juden wegen,
Sondern Gottes wegen.

Ich wurde verfolgt


Von den Hakenkreuzlern
Und floh aus Deutschland.

Ich floh nach Palästina.


O, das Hebräerland
Ist Gottes Geliebte,
Seine heilige Braut!

Ich sah auch Goethes Faust


Mit dem Teufel Mephistopheles
In die Hölle fahren
Und sah in der Hölle
Den Teufel Hitler.

Ich bin gestorben


In Jerusalem
Und liege begraben
Am Fuße des Ölbergs.

Ein Mensch der Liebe nur


Wird auferstehen.
Wer viel von Liebe zu sagen weiß,
Dem wird die Auferstehung.

Nun werde ich bewahrt


Am Fuße des Ölbergs,
Bis mein Wein gegärt,
Dann werde ich auferstehen!

O mein Gott mein, du allein!

DREIZEHNTER GESANG
EDITH STEIN
(TERESIA BENEDICTA A CRUCE)

Ich habe immer Pessach gefeiert


Und die Fasten gehalten.

Ich habe den toten Vater geehrt


Mit meinen Totenkerzen.

Ich habe gelernt und gelernt


Wie keine andre Frau.

Ich habe alle Phänomene


Genauestens analysiert.

Ich habe auch das Phänomen


Der Religion bedacht.

Als ein Christ gestorben,


Sah ich die Christin glauben ans ewige Leben.

Da hab ich mich durchgerungen


Zu einem positiven Christentum.

Dann las ich die Vita Nova


Der heiligen Madre Teresa.

Da wusste ich: Die Wahrheit


Ist der göttliche katholische Glaube.

Ja, die heilige Teresa meine Taufpatin,


Der heilige Augustinus mein Taufpate.

Ich lebte im Himmel auf Erden


In der Liturgie des Klosters.

Meine Mutter, jüdischen Glaubens,


Meine Mutter verstand mich nicht.

Ich wollte in das Kloster


Zu Unsrer Lieben Frau vom Berge Karmel!

Aber meine Mutter, die jüdischen Glaubens war,


Dachte, das Klosterleben sei ein Horror.

Als meine Mutter starb,


Legte ich meine Gelübde ab.

Ich lehrte die neuplatonische Weisheit


Des göttlichen Dionysios.

Ich lehrte die strahlende Wahrheit


Des engelgleichen Thomas.

Ich lehrte die Kreuzeswissenschaft


Von San Juan de la Cruz –

Die blieb unvollendet als Schrift,


Mein Leben sollte sie vollenden.

Ich floh vor dem Antichristen Hitler


In die Niederlande.

Da besuchte mich um Mitternacht


Die Königin Esther.

Ich sollte mein Leben einsetzen


Für die Rettung meines Volkes.

Heilige Mutter, erlaube mir,


Mein Leben Jesus anzubieten,

Auf dass die Herrschaft des Antichrist


Zusammenbreche ohne neuen Weltkrieg!

Als getaufte Jüdin ward ich


Deportiert nach Auschwitz.

Ich kämmte den Kindern


Der verzweifelten Mütter die Haare.

Ich tröstete alle hoffnungslosen


Juden im Vernichtungslager.
Ich bot Jesus mein Leben an
Als Sühneopfer für Deutschlands Sünden,

Für das jüdische Volk


Und den Orden des Karmel

Und die ganze heilige Kirche


Und für alle meine Lieben.

So gab ich mein Leben hin im Feuerofen


Als einen Holocaust vor Gott!

DIE KÖNIGIN VON SABA


ERSTER GESANG

Die Bücher der Gottessucher


Schildern die Korrespondenz
Zwischen König Salomo und der Königin von Saba.
Unter den vielen Charismen,
Die Gott dem Salomo schenkte,
War das Verstehen der Sprache der Vögel,
Und jede Art von Weisheit.

Er war der Herr der Menschen,


Der Genien und der Vögel.
Wenn er durch den Äther reiste
Auf seinem magischen Teppich aus grüner Seide,
Der vom Wind gewoben war
Nach des Königs Gebot,
Dann standen die Menschen zu seiner rechten Seite,
Die Geister zu seiner linken Seite
Und eine Armee von Vögeln
Flog über dem Teppich,
Um alle auf dem Teppich
Vor der Sonnenhitze zu schützen.

Eines Tages beschaute er alle seine Vögel,


Da merkte er, dass der Wiedehopf fehlte,
Und als er fragte, warum Hudhud abwesen war,
Beschloß er, Hudhud zu bestrafen,
Weil er nicht mit den andern Vögeln gekommen.
Als er seine Rede beendet,
Erschien der Wiedehopf und entschuldigte sich
Für seine Abwesenheit,
Denn er hätte Länder angeschaut,
Die den König noch nie gesehen hatten,
Und er hatte Saba gesehen,
Das regiert ward von der Königin von Saba,
Die sehr reich war
Und auf einem Thron saß,
Der von Gold und Silber gemacht
Und besetzt mit kostbaren Edelsteinen.

Die Königin und ihr Volk


Waren Anbeter der Idole
Und huldigten der Sonne.
Sie waren unter dem Einfluss Satans,
Der sie abgebracht hatte vom rechten Weg.

Darum schrieb Salomo folgenden Brief


An der Königin von Saba:
Vom Knechte Gottes, Salomo, dem Sohn Davids,
An die Königin von Saba.
Im Namen Gottes des Herrn!
Friede sei mit dem,
Der folgt der rechten Weisung!
Erhebe dich nicht gegen mich,
Streite nicht gegen mich,
Aber komm und unterwirf dich meiner Weisheit!

Salomo parfümierte diesen Brief


Mit Rosenöl
Und siegelte den Brief
Mit seinem wundertätigen Siegel,
Dann gab er Hudhud den Brief
Und sprach zu Hudhud,
Er solle den Brief nach Saba tragen
Und ihn fallen lassen im Gemach der Königin.
Dann solle Hudhud demütig warten
Auf die Antwort der Königin von Saba.

Der Wiedehopf flog los


Und überbrachte den Brief,
Er flog durch das offene Fenster
In das Privatgemach der Königin
Und ließ den Brief in ihren Ausschnitt fallen
Auf den mächtigen Busen.

Als die Königin den Brief gelesen hatte,


Rief sie ihre Weisen,
Daß sie ihr raten mögen,
Was sie nun zu tun habe.
Die Weisen sagten, sie seien Krieger und bereit,
Gegen Salomo aufzumarschieren,
Sobald die Königin dieses gebiete.
Der Brief sei aber an sie persönlich gerichtet
Und darum müsse sie selber
Die Entscheidung fällen.

Die Königin wünschte,


Eine Invasion zu vermeiden
Und all das Übel, das den Kriegen folgt,
Darum beschloß sie, Salomo Gaben zu senden
Und sie wählte dazu
Fünfhundert männliche Sklaven
Und fünfhundert weibliche Sklavinnen aus
Und fünfhundert ingots aus Gold,
Eine Krone von allerbestem Edelgestein
Und eine große Menge von Moschusparfüm,
Amberparfüm und Gewürze.

Der Wiedehopf kehrte eilig zurück


Zu König Salomo und erzählte ihm,
Was geschehen war
Und dass die Karawane
Mit den Geschenken der Königin von Saba unterwegs war.

Als die Leute aus Saba


Beim König Salomo ankamen,
Wurden sie vom König empfangen
In einem großen Hof,
Umgeben von einer Mauer aus Gold und Silber.
Salomo sprach verächtlich
Von den Gaben der Königin von Saba
Und schickte die Karawane zurück.
Er bat die Leute noch,
Ihrer Königin auszurichten,
Daß König Salomo unsichtbare Heere
Gegen die Hauptstadt von Saba schicken werde
Und dass er so Saba erobern
Und das Volk der Königin gefangen nehmen werde.

Als die Königin diese Botschaft empfing,


Beschloß sie, zu Salomo zu reisen
Und seiner Weisheit sich zu unterwerfen.
Sie schickte ihren Thron
Mit einer Armee
Nach Jerusalem.

Als sie schon auf dem Weg


Nach Jerusalem war,
Sagte Salomo zu seinen Fürsten:
Wer von euch wird den Thron
Der Königin von Saba
Zu mir bringen,
Bevor die Königin selber ankommt?

Und ein Genius,


Dessen Erscheinung schrecklich war,
Sagte: Ich bringe dir den Thron,
Bevor du deine Versammlung hier beendet hast.
Einer, der viele Bücher gelesen hatte
Und der anwesend war, meinte,
Der Genius brauche zu viel Zeit,
Den Thron zum König zu bringen,
Und er sagte: Ich bringe dir den Thron,
Bevor zu du nur einmal deine Augenlider bewegt hast
Und ebenso schnell bring ich den Thron zurück.
Einige halten diesen Belesenen für Asaf,
Den Wesir Salomos,
Andere für den Vater Elias,
Wieder andere für den Erzengel Gabriel
Oder einen andern der Erzengel.
Die meisten aber sind überzeugt,
Daß es Asaf war, denn Asaf kannte
Den Namen des HERRN.
Wie dem auch sei –
Salomo nahm das Angebot an.

Salomo hob seine Augen gen Himmel


Und schlug seine Augen nieder zur Erde
Und schon sah er
Den Thron der Königin von Saba
Vor sich stehen in seiner Halle.
Salomo veränderte nun den Thron,
Denn er wollte sehen,
Ob die Königin von Saba
Ihren eigenen Thron erkennen würde?

Als die Königin von Saba


In die Gegenwart Salomos kam,
Zeigte er auf den Thron und sagte:
Ist dein Thron wie dieser Thron?
Und sie gab zur Antwort:
Mein Thron ist in allem diesem Thron gleich.

Dann wurde die Königin eingeladen,


In den Palast zu gehen,
Den Salomo besonders für sie gebaut hatte.
Die Mauern waren aus Blöcken von weißem Glas
Und der Boden war gleichfalls aus Glas,
Über welches Wasser floß,
Und im fließenden Wasser schwammen viele Fische.
Als die Königin sich wandte,
In den Palast einzutreten,
Und als sie das Wasser sah,
Dachte sie, das Wasser wäre tief,
Da hob sie den Saum ihres Rockes,
Bevor sie das Wasser durchschritt.
Bei dieser Handlung offenbarte sie
Ihre Beine, und Salomo hatte den Beweis,
Daß ihre Beine behaart waren
Wie die Beine einer Stute.
Die Ansicht des Glases auf dem Boden
Erstaunte die Königin von Saba,
Und sie sagte: O Meister,
Ich habe ungerecht an meiner eignen Seele gehandelt!
Nun weihe ich mich,
Gemeinsam mit Salomo,
Gott dem HERRN,
Dem Schöpfer aller Kreaturen.

Einige Kommentatoren meinen,


Daß die Königin diese Worte aussprach
Als Buße für ihre Anbetung der Sonne
Und teilweise auch aus der Furcht heraus,
In dem Wasser, dass sie sah, ertränkt zu werden.

Manche sagen, dass Salomo daran dachte,


Die Königin von Saba zu heiraten,
Aber er konnte sich dazu nicht durchringen
Wegen ihrer behaarten Beine.
Die Dämonen, die allzeit Salomo auflauerten,
Entfernten die Haare von den Beinen der Königin
Durch die Benutzung eines höllischen Rasiermessers,
Aber es ist noch die Frage,
Ob Salomo sie daraufhin heiratete.

Manche sagen auch, es sei nicht klar,


Wen die Königin von Saba schließlich heiratete,
Aber vermutlich war es
Der Häuptling eines heidnischen Stammes.

ZWEITER GESANG

Wie wurde Salomo Vater


Des Menelek von Äthiopien?

Die Mutter des Menelek


War ein Mädchen vom Tigris,
Das ist die Königin von Saba.

Ihr Volk betete eine Schlange an,


Und jeder Mann hatte einmal
Seine älteste Tochter
Dieser Schlange zu opfern
Und große Mengen von Bier
Und süßer Milch.

Als die Reihe an ihre Eltern kam,


Banden sie sie an einen Baum,
Zu dem die Schlange gewöhnlich kam,
Nach Trank und Speise zu suchen.
Gleich danach kamen sieben Heilige
Und setzten sich unter den Baum
Wegen des Schattens, den der Baum gab.
Als sie da saßen, tropfte eine Träne
Von der Jungfrau über ihnen auf sie
Und als sie nach oben sahen,
Sahen sie die Jungfrau an den Baum gefesselt,
Und da fragten sie die Jungfrau,
Ob sie ein Mensch sei oder ein Engel.
Die Jungfrau sagte ihnen, dass sie ein Mensch sei
Und antwortete schon auf alle möglichen weiteren Fragen,
Indem sie erzählte,
Sie sei an diesen Baum gefesselt,
Auf dass sie zur Speise diene der Schlange.
Als die sieben Heiligen die Schlange sahen,
Zog einer von ihnen sich an seinem Bart
Und ein anderer sagte:
Die Schlange jagt mir Angst ein!
Und ein dritter schrie laut:
Lasst uns die Schlange zerreißen!
Und er schlug auf das Monster ein,
Unterstützt von seinen Kameraden,
Sie töteten die Schlange mit einem Kreuz.
Als sie die Schlange getötet hatten,
Floss Blut aus der Schlange
Und fiel auf die Füße der Jungfrau,
Und von diesem Moment an
Hatte sie die Beine einer Stute.
Die Heiligen lösten ihre Fesseln
Und schickten sie in ihr Heimatdorf.
Aber die Leute dort verjagten sie,
Denn sie dachten,
Die Jungfrau wäre vor der Schlange geflohen.
Da kletterte sie in einem Baum
Und verbrachte dort die Nacht.
Am folgenden Tag holte sie
Einige Leute aus dem Dorf
Und zeigte ihnen die tote Schlange.
Und so machten die Leute
Die Jungfrau zu ihrer Königin.

Sie wählten zu ihrem Oberoffizier


Ein Mädchen, das wie die Königin Jungfrau war.

Bald danach hörte die Königin von Saba


Von der medizinischen Weisheit
Des Königs Salomo,
Und sie plante, zu ihm zu gehen,
Daß er ihre Stutenbeine
Wieder in Frauenbeine verwandle.
Sie und ihr jungfräulicher Offizier
Frisierten sich die Haare
Nach Art der Männer
Und gürteten Schwerter um ihre Hüften
Und zogen zum Hof Salomos in Jerusalem.

Ihre Ankunft wurde dem König berichtet,


Der seinen Dienern gebot,
Den König von Abessinien
In seine Gegenwart zu bringen.
Sobald ihre deformierten Füße
Den Boden berührten
Des Königspalastes in Jerusalem,
Wurden ihre Beine wieder zu schönen Mädchenbeinen!

Salomo hatte Brot, Fleisch und Wein hereingebracht


Und setzte es den beiden Frauen vor,
Die als Männer verkleidet waren.
Aber sie aßen und tranken so wenig,
Daß Salomo vermutete,
Daß sie Frauen wären.

Als die Nacht hereinbrach,


Ließ er zwei Betten bereiten
Für seine Gäste
In seinem eignen Schlafgemach.
Er hängte in dem Raum einen Lederbeutel auf
Mit Wabenhonig darin
Und durchlöcherte den Lederbeutel,
So dass der Honigseim
In einen Becher tropfte.
Und Salomo und seine beiden Gäste gingen zu Bett.
In der Nacht hielt der König
Mit geschlossenen Augen Nachtwache,
Dann schlief er mit offenen Augen.
Die beiden Frauen erhoben sich von ihren Betten
Und wollten vom Honigseim im Becher kosten,
Aber sie sahen den König
Mit offenen Augen im Bette liegen
Und dachten, er sei wach,
Und so unterdrückten sie ihre Begierde
Nach dem Honigseim
Und blieben im Bett.
Nach einiger Zeit wachte der König auf
Und schloss seine Augen,
Und die Frauen dachten,
Er schlafe nun,
So erhoben sie sich von ihren Betten
Und begannen vom Honig zu schlecken.
So wusste Salomo, dass sie Frauen waren,
Und er legte sich zu beiden ins Bett.
Als er sie verließ,
Gab er jeder der Frauen
Einen silbernen Stab und einen goldenen Ring:
Wenn dein Kind ein Mädchen ist,
Gib ihr den Stab
Und schicke sie zu mir,
Wenn es ein Knabe ist,
Gib ihm den Ring
Und schick ihn zu mir.

Beide Frauen kehrten schwanger


In ihre Heimat zurück.
Nach neun Monden
Gebar jede der Frauen einen Sohn
Und jede Frau sagte ihrem Sohn,
Daß Salomo sein Vater sei.

Als die beiden Knaben größer geworden,


Schickten die Mütter die beiden Knaben
Nach Jerusalem.
Salomo wusste, dass sie den Anspruch stellten,
Als seine Söhne anerkannt zu sein.
Er gebot ihnen, auf ein Gespräch zu warten,
Und ließ sie drei Jahre
Auf ein Gespräch mit ihm warten.
Am Ende des dritten Jahres
Legte er seinem Freund
Die royale Robe an
Und setzte ihn in den Königsthron,
Während er sich in Lumpen hüllte
Und sich auf einen Fußschemel setzte.

Als die beiden jungen Männer


In den Thronsaal eintraten,
Streckte der Sohn der Ministerin
Seine Hand nach dem Freunde Salomos
Im Königsthron,
Denn er hielt ihn für den König.
Aber der Sohn der Königin von Saba,
Menelek war sein Name,
Stand aufrecht und verneigte sich nicht
Vor dem Freunde im Königsthron.
Er schaute in den magischen Spiegel,
Den seine Mutter ihm mitgegeben hatte,
Und er sah, dass das Aussehn
Des angeblichen Königs nicht so königlich war
Wie sein eignes, dass er nicht vor Salomo stand.
Er schaute sich um
Und sah alle Männer im Saal
Und fand keinen so königlich wie sich selber.
Schließlich fiel sein Blick auf Salomo,
Der in Lumpen auf dem Fußschemel saß,
Und er erkannte ihn sofort,
Trat zum Schemel
Und huldigte dem wahren König.
Und Salomo sprach:
Mein wahrer Sohn!
Der andere ist auch mein Sohn,
Doch er ist ein Narr!

Menelek ließ sich nieder in Jerusalem


Und assistierte Salomo in der Königsherrschaft.

Aber nach einiger Zeit merkte das Volk,


Daß Vater und Sohn sich nicht immer einig waren
In den Richtersprüchen,
Und das Volk ward unzufrieden.
Darum sagte das Volk,
Sie wollten nicht von zwei Herren regiert werden
Und dass Salomo seinen Sohn
Zurück in dessen Heimat schicken müsse.
Als Salomo dies Begehren des Volkes
Seinem Sohne mitteilte,
Sagte Menelek zu seinem Vater:
O Salomo, sage dem Volk:
Ist nicht Menelek mein wahrer Sohn?
Ich werde meinen Sohn fortschicken,
Wenn ihr eure Söhne mit ihm ziehen lasst.
Und die Leute willigten ein,
Und so zogen die Söhne
Mit dem Prinzen Menelek
Nach Abbessinien in Afrika.

Als Salomo
Die Abreise seines Sohnes vorbereitete,
Sagte er ihm,
Die Bundeslade des Erzengels Michael sei mit ihm.
Aber Menelek meinte,
Die Bundeslade Marias sei bedeutender.
Er vertauschte das Äußere der beiden Laden
Und nahm die Bundeslade Marias
Mit sich nach Abessinien.

Einige Tage später


Ward Jerusalem heimgesucht
Von einem Wirbelsturm.
Salomo gab seinen Dienern den Befehl,
Nach der Bundeslade Marias zu schauen,
Denn Salomo glaubte,
Die Bundeslade Marias allein
Könne Jerusalem jetzt noch retten.
Die Diener berichteten ihrem König,
Daß die Bundeslade Marias noch an Ort und Stelle war.
Salomo gebot den Dienern,
Die äußere Verkleidung abzunehmen,
Und so entdeckten die Diener,
Daß es die Lade Michaels war.

Salomo sandte Menelek einen Boten nach


Und forderte den Prinzen auf,
Die Bundeslade Marias zurückzugeben.
Doch Menelek behielt die Bundeslade Marias.

Menelek und seine Schar


Wanderten weiter und kamen nach Kayeh Kor.
Der Diakon, der die Bundeslade Marias trug,
Starb dort und wurde dort begraben.
Nach der Beerdigung
Wollten sie ihre Reise fortsetzen,
Aber die Bundeslade Marias
Weigerte sich, sich zu bewegen.
Menelek gebot,
Den Leichnam des Diakons auszugraben,
Und sie fanden, dass ein Finger des Diakons
Nicht begraben worden war.
Als sie nun den Leichnam
Mit dem Finger wieder begruben,
Ließ sich die Bundeslade Marias wieder bewegen.

Menelek und seine Leute zogen weiter.


Sie kamen auf direktem Wege nach Tegray
Und erreichten schließlich Akksum.
Dort fanden sie den Satan dabei,
Ein Haus zu bauen
Und gegen Gott zu streiten.
Als Menelek dem Satan sagte,
Die Bundeslade Marias sei gekommen,
Hörte Satan auf, das Haus zu bauen,
Und er riß nieder, was er bisher gebaut,
Und Satan zog von dannen.
Die Steine wurden nun von Menelek verwandt,
Eine Kirche zu bauen
Für die Bundeslade Marias.

DRITTER GESANG

Wie die Königin geboren wurde,


Steht in einem alten Manuskript.

Auch das Evangelium


Erwähnt diese Frau.
Als Jesus die Leute verdammte,
Die ihn verurteilt zur Kreuzigung,
Sagte Er: Die Königin des Südens
Wird sich erheben am Tag des Gerichts
Und wird mit ihnen disputieren
Und sie verurteilen
Und niederschlagen diese Generation,
Die nicht lauschen der Predigt Meines Wortes,
Denn die Königin des Südens
Kam vom Ende der Erde,
Zu hören die Weisheit Salomos.
Und hier ist mehr als Salomo.

Die Königin des Südens,


Von der Jesus sprach,
War die Königin von Äthiopien.
Und mit den Worten,
Daß sie vom Ende der Erde kam,
Wies Jesus auf die schwächliche Konstitution von Frauen hin
Und dass sie die lange Reise auf sich nahm
Und die brennende Sonnenhitze
Und den Hunger auf der Reise
Und den Durst nach Wasser.

Diese Königin des Südens


Hatte ein sehr schönes Antlitz
Und ihre Gestalt war superb
Und ihr Verständnis und ihre Intelligenz,
Die Gott ihr gegeben hatte,
Waren von edlem Charakter,
So dass sie nach Jerusalem reiste,
Zu hören die Weisheit Salomos,
Dies tat sie nach einer Weisung Gottes
Und so fand sie Gottes Wohlgefallen.

Desweiteren war sie ausgesprochen reich


Und Gott hatte ihr geschenkt
Herrlichkeit und Reichtümer,
Gold und Silber,
Eine glänzende Erscheinung,
Kamele und Sklaven und Händler.
Und die Händler besorgten ihre Geschäfte
Und reisten umher für ihre Königin
Zu Wasser und zu Lande,
Auch bis nach Syene in Ägypten,
Ja bis nach Indien.

VIERTER GESANG

Und die Königin sprach:


Höre, mein Volk,
Und leihe deine Ohren meinen Worten.
Ich begehre Weisheit,
Mein Herz verlangt nach Einsicht.
Ich bin geschlagen mit der Liebe zur Weisheit.
Ich bin gefesselt von den Fesseln der Erkenntnis.
Weisheit ist besser als Schätze von Gold und Silber,
Weisheit ist besser als jede Kreatur auf Erden.
Was unter der Sonne wollt ich der Weisheit vergleichen?
Sie ist süßer als Honig
Und lässt einen mehr jubeln als Wein
Und sie erleuchtet mehr als die Sonne
Und ist kostbarer als Perlen und Edelsteine.
Weisheit fettet besser als Salböl
Und sättigt besser als Speise
Und gibt mehr Ehre als Gold und Silber.
Sie ist die Quelle der Herzensfreude
Und ein helles Licht für die Augen.
Sie gibt feste Schritte den Füßen
Und ist ein Schutzschild für die Brust
Und ein Helm für das Haupt
Und ein Kettenhemd für den Rücken
Und ein Gürtel für die Lenden.
Sie lässt die Ohren hören
Und die Herzen verstehen.
Sie ist eine Lehrerin der Gelehrten
Und eine Meisterin der Klugen
Und gibt Ruhm den Ruhmbegierigen.
Ein Königreich kann ohne Weisheit nicht bestehen
Und Wohlstand lässt sich ohne Weisheit nicht bewahren
Und die Nahrung bleibt ohne Weisheit nicht in den Vorratskammern.
Ohne Weisheit sind die Reden der Zunge unerträglich.
Weisheit ist der beste Schatz.
Wer Gold und Silber aufhäuft,
Tut dies ohne Gewinn,
Wenn ihm die Weisheit mangelt,
Aber wer Weisheit aufhäuft,
Diesen Schatz kann seinem Herzen niemand entreißen.
Wegen der Bosheit der Übeltäter
Werden die gerechten Wohltäter gepriesen
Und wegen der Frevel der Narren
Werden die gütigen Weisen gepriesen.
Weisheit ist erhaben und reich.
Ich will sie lieben wie eine Mutter
Und sie soll mich liebkosen als ihr Kind.
Ich will folgen den Fußspuren der Weisheit
Und sie soll mich immer beschützen.
Ich will Weisheit suchen
Und sie soll immer bei mir sein.
Ich folge den Spuren ihrer Füße
Und sie wird mich nicht verschmähen.
Ich will mich auf sie stützen
Und sie soll mir wie eine diamantne Mauer sein.
Ich will Asyl suchen bei ihr
Und sie soll meine Kraft und Stärke sein.
Ich will in ihr frohlocken
Und sie soll mir graziöse Gnade sein.
Es ist recht, den Fußspuren der Weisheit zu folgen,
Und recht für unsre Füße, in den Pforten der Weisheit zu stehen.
Wir wollen sie suchen,
Dann werden wir sie finden.
Wir wollen sie lieben
Und sie wird uns nie verlassen.
Lasst uns ihr folgen
Und wir werden sie gewinnen.
Lasst uns um Weisheit bitten
Und wir werden sie empfangen.
Wir wollen ihr unser Herz schenken,
So dass wir sie nie vergessen.
Wenn wir an sie denken,
Denkt sie auch an uns.
In Gegenwart von Narren erinnere nicht an die Weisheit,
Denn die Narren ehren die Weisheit nicht
Und die Weisheit liebt die Narren nicht.
Die Liebe der Weisheit gilt dem weisen Mann
Und sie scheidet sich nicht von ihm.
Wenn du den weisen Mann betrachtest,
Wirst du selber weise.
Höre auf die Aussprüche seines Mundes,
Daß du weise wirst wie er.
Schau dir an, wo er geht und steht,
Und verlasse ihn nicht.
Mögest du Erbe seiner Weisheit werden!
Ich liebe es, ihm zu lauschen,
Und ich liebe ihn auch, ohne ihn zu sehen,
Und die ganze Geschichte, die ich über ihn hörte,
Weckt in mir Begierde nach ihm
Wie Durst nach frischem Wasser.

Und ihre Edlen,


Sklaven und Mädchen sprachen:
Unsre Herrin,
Die Weisheit fehlt dir nicht,
Und wegen deiner Weisheit liebst du die Weisheit.
Wenn du zu ihm gehen willst,
Wollen wir mit dir gehen,
Und wenn du dich setzt,
Setzen wir uns mit dir,
Und dein Tod soll unser Tod sein
Und unser Leben soll dein Leben sein.

Die Königin machte sich bereit für die Reise


Mit großem Pomp und Majestät
Und vielen Dingen und langen Vorbereitungen.
Denn durch den Willen Gottes
Verlangte ihr Herz,
Nach Jerusalem zu reisen,
Daß sie lausche der Weisheit Salomos.
So machte sie sich bereit.
Und siebenhundertdreiundsiebzig Kamele wurden beladen
Und unzählige Maultiere und Esel wurden beladen.
Und sie machte sich auf die Reise
Und folgte dem Weg ohne Pause
Und ihr Herz vertraute auf Gott.

FÜNFTER GESANG

Sie kam an in Jerusalem


Und brachte dem König
Viele kostbare Geschenke,
Welche er begehrte zu besitzen mit großem Verlangen.
Und er gab ihr große Ehre
Und freute sich.
Und er gab ihr eine königliche Wohnung
Nahe bei seinem Palast.
Und er schickte ihr Speise am Morgen und am Abend,
Jedesmal fünfzehn Maß weißes Mehl,
Gebacken mit Öl,
Und Gewürze und Saucen,
Und dreißig Maß von weißem Korn,
Woraus Brot gebacken wurde
Für dreihundertfünfzig Leute,
Zehn Ochsen, fünf Bullen,
Fünfzig Schafe, ungezählte Lämmer,
Und Hirsche und Gazellen,
Und eine Tonne voll Wein von sechzig Maßen,
Und dreißig Maßen alten Wein,
Und fünfundzwanzig singende Männer
Und fünfundzwanzig singende Frauen
Und Mädchen
Und Honig und Süßigkeiten,
Und manches von der Speise, die er selber aß,
Und manches von dem Wein, den er selber trank.
Und jeden Tag bekleidete er sie mit Kleidern,
Die bezauberten
Und verhexten die Augen des Mannes.
Und er besuchte sie
Und ward gesegnet,
Und sie sah seine Weisheit
Und sein gerechtes Richten
Und seinen Glanz und seine Gnade
Und hörte die Beredsamkeit seiner Zunge.
Und sie wunderte sich in ihrem Herzen
Und war erstaunt in ihrem Geist
Und sie erkannte in ihrem Verstehen
Und empfing mit ihren Augen sehr klar,
Wie bewundernswürdig er war,
Und sie staunte außerordentlich über alles,
Was sie sah und hörte,
Wie perfekt er gebaut war von Gestalt,
Wie weise er war im Verstehen,
Wie friedlich er und gnädig war,
Wie gebietend seine Erscheinung.
Und sie bemerkte,
Wie tief seine Stimme war
Und wie diskret seine Lippen sprachen
Und dass er würdevoll gebot
Und dass seine Antworten leise waren
Und voller Ehrfurcht vor Gott.
Alles dies sah sie
Und sie war erstaunt
Über den Umfang seiner Weisheit
Und da mangelte nichts
In seinen Worten und Reden,
Sondern alles, was er sprach, war perfekt.

SECHSTER GESANG

Und die Königin von Saba


Sprach zu König Salomo:
Gesegnet bist du, mein Meister,
Da solche Weisheit und Erkenntnis
Dir von Gott gegeben worden ist.
Für mich wünsche ich nur,
Daß ich die Geringste deiner Kammermädchen sein darf,
So dass ich dir die Füße waschen dürfte
Und lauschen deiner Weisheit
Und vernehmen deine Erkenntnis
Und dienen deiner Majestät
Und mich erfreuen an deiner Klugheit.
O wie sehr erfreute mich deine Antwort
Und die Süßigkeit deiner Stimme
Und die Schönheit deines Ganges
Und der Gnadenreichtum deiner Worte.
Die Süßigkeit deiner Stimme
Macht mein Herz jauchzen
Und macht das Mark in meinen Gebeinen stark
Und gibt Mut dem Herzen
Und guten Willen und Gnade den Lippen.
Ich schaue auf dich
Und sehe deine unausschöpfliche Weisheit
Und deine außerordentliche Erkenntnis,
Deine Weisheit ist wie eine Lampe in der Dunkelheit
Und wie ein Granatapfelbaum im Garten
Und wie eine Perle im Meer
Und wie die Venus unter den Sternen
Und wie der Vollmond im Nebelschleier
Und wie die glorreiche Morgenröte am Horizont.
Ich danke dem Herrn,
Der mich zu dir geführt hat
Und dich mir gezeigt
Und ließ mich deine Stimme hören.

Und König Salomo antwortete ihr und sprach:


Weisheit und Erkenntnis kommen von dir selber.
Was mich betrifft, ich besitze die Weisheit
In dem Maß, wie Gott sie mir gegeben,
Weil ich sie von ihm erbeten habe.
Und du, obwohl du nicht kennst den Gott Israels,
Hast diese Weisheit wachsen lassen in deinem Herzen
Und bist gekommen, mich zu sehen,
Mich, den Sklaven Gottes,
Und den Tempel und das Tabernakel,
Welchen ich errichtet habe
Und wo ich diene
Und bewege mich vor meiner Herrin,
Der Bundeslade
Des Gottes Israels,
Der heiligen und himmlischen Tochter Zion.
Nun, ich bin der Sklave meines Herrn,
Und ich bin nicht ein autonomer Mensch,
Ich diene nicht gemäß meinem eigenen Willen,
Sondern entsprechend dem Willen des himmlischen Vaters.
Und diese Rede entspringt nicht mir selber,
Sondern ich sage nur,
Was Gott mir zu sagen gebietet.
Was immer der Herr mir gebietet, das tu ich,
Wohin immer er mich ruft, dahin geh ich,
Worüber er mich belehrt, das versteh ich.
Ich bin nur Staub vom Staube,
Aber Gott hat mir einen Leib und eine Seele gegeben,
Und obwohl ich nur aus Wasser bestehe,
Hat Gott aus mir einen starken Mann gemacht,
Und obwohl ich nur ein ausgegossener Samentropfen bin,
Der vertrocknet wäre,
Hätte mein Vater ihn auf die Erde fallen lassen,
Hat Gott mich gemacht zu seinem Ebenbild
Und hat mich Gott selbst ähnlich gemacht.

SIEBENTER GESANG

Die Königin gewöhnte sich daran,


Zu Salomo zu gehen
Und zu lauschen seiner Weisheit
Und sie in ihrem Herzen zu bewahren.

Und Salomo ging täglich zu ihr


Und besuchte sie
Und gab ihr Antwort auf alle ihre Fragen,
Und die Königin besuchte ihn oft
Und fragte ihn alles, was sie wissen wollte,
Und er gab ihr auf alles eine Antwort.

Und als sie sechs Monate bei ihm gewohnt hatte,


Wünschte sie, in ihre Heimat zurückzukehren,
Und sie sandte eine Botschaft an Salomo:
Ich verlange sehr, bei dir zu wohnen,
Aber nun, aus Liebe zu meinem Volk,
Will ich heimkehren in meine Heimat.
Alles, was ich von dir gehört habe,
Möge Gott es fruchtbar machen in meinem Herzen
Und fruchtbar in den Herzen aller,
Die es jemals hören werden.
Denn das Ohr kann nicht satt werden
Im Lauschen auf deine Weisheit
Und das Auge wird nie satt
Im Schauen auf die Schönheit deiner Weisheit.

Und als die Königin diese Botschaft


An Salomo geschickt,
Dachte er in seinem Herzen:
Eine Frau von solcher herrlicher Schönheit
Kam zu mir vom Ende der Erde!
Was weiß ich?
Wird Gott mir Samen in ihr geben?
Nun war Salomo ein großer Frauenfreund.
Er nahm hebräische Frauen,
Ägyptische und kanaanäische Frauen,
Amoritische und moabitische Frauen,
Syrische Frauen und andere Frauen,
Von denen er gehört,
Daß sie außergewöhnlich schön wären.
So hatte er vierhundert Königinnen
Und sechshundert Konkubinen.
So hatte Gott schon zu Abraham gesagt:
Ich will deine Samen zahlreich machen
Wie die Sterne am Himmel
Und den Sand am Strande des Meeres!
Und so tat Salomo.
Also sprach Salomo:
Was weiß ich?
Wird Gott mir Söhne geben
Von allen meinen Frauen,
Werden meine Söhne
In all den heidnischen Völkern
Könige werden
Und die Götzen zertrümmern.

ACHTER GESANG

(...)
NEUNTER GESANG

Die Königin freute sich


Und machte sich zur Abfahrt bereit.
Der König begleitete sie auf ihrem Weg
Mit viel Pomp und Zeremonie.
Salomo nahm sie beiseite,
So dass sie alleine waren,
Und nahm den Ring von seinem Ringfinger
Und gab ihn der Königin
Und sagte zu ihr:
Nimm diesen Ring,
Auf dass du mich nie vergisst!
Und wenn ich einen Sohn von dir bekomme,
Soll der Ring sein Zeichen sein.
Und wenn es ein Knabe ist,
Soll er zu mir kommen.
Der Friede Gottes sei mit deinem Geiste!
Während ich mit dir schlief,
Hatte ich viele Visionen im Traum,
Und es schien, als ob eine Sonne aufging über Israel,
Aber die Sonne wanderte nach Äthiopien.
Dieses Land Äthiopien soll durch dich gesegnet werden,
Gott will das.
Bewahre alles im Herzen, was ich dir gesagt hab,
Auf dass du Gott anbetest von ganzem Herzen
Und des Vaters Willen tust.
Der Herr stürzt die Arroganten
Und zeigt Mitgefühl mit den Kleinen,
Er reißt die Throne der Stolzen um
Und bringt die Armen zu Ehren.
Tod und Leben kommen von Gott
Und Reichtum und Armut
Sind verteilt nach Gottes Willen.
Alles ist sein
Und niemand kann seinen Befehlen widerstreben
Und seinem Gericht im Himmel und auf Erden
Oder auf dem Meer oder in der Unterwelt.
Gott sei mit dir!
Geh im Frieden Gottes!

DIE SIEBEN TÄLER DES GLANZES

DAS ERSTE TAL


Die Stute, die ich reite,
Ist die Stute der Geduld.

Der Pilger wird sein Ziel erreichen


Allein durch Geduld,
Er darf nicht hitzig voraneilen
Wie ein zorniger Unbeherrschter.

Wenn er auch alle Jahre seines Lebens


Und wären es auch hundert Jahre
Den Geliebten nicht sehen wird
Und seine göttliche Schönheit,
So darf er sich dennoch nicht betrüben.

Der Pilger muß seine Seele reinigen lassen,


Auf dass er den himmlischen Schatz
Von Rost und Dieben frei bewahrt,
Er darf auch nicht die Väter
Und Heiligen blind imitieren.
Auch soll er die Tür seines Herzens schließen
Der Freundschaft mit den Kindern der Welt.

Er wird finden, dass alle Kreaturen


Aufgeregt suchen den Liebling!

Er sieht Jakob, der seinen Josef sucht.


Er findet eine ganze Welt von Freunden,
Die alle den Einen Geliebten suchen.
Er findet ein Universum voller Verliebter,
Die alle den Einen Liebling begehren!

Jeden Tag erlangt er eine neue Erkenntnis.


Jeden Tag begegnet ihm ein neues Mysterium.
Er hat sein Herz erhoben
Über die sichtbare Welt
Und sucht nur in den Tempel des Geliebten zu kommen.

Diese Suche sollte so leidenschaftlich sein


Wie der wahnsinnige Medschnun
Seine Layla begehrte, die Göttin der Nacht.

Wie der wahnsinnige Medschnun


Seine Nachtgöttin Layla liebt,
In purer menschlicher Liebe
Von höchster Liebesart,
So soll der fromme Pilger
Die Ewige Gottheit suchen.

Denn eines Tages sahen die Leute,


Wie Medschnun den Staub aufwühlte
Und heiße Tränen vergoss.
Was machst du, fragten die Leute.
Ich suche Layla, meine Geliebte, sprach Medschnun.
Die Leute riefen: Weh dir!
Layla ist von reiner Geistigkeit
Und du suchst die Geliebte im Staub?
Medschnun sagte: Ich suche sie überall,
Ach, dass ich sie irgendwo finde!

Zwar suchen die Weisen


Den König der Könige
Nicht im Staub,
Doch suchen die Weisen
Mit solchem leidenschaftlichen Liebesverlangen
Wie der wahnsinnige Medschnun
Seine geliebte Layla sucht.

Der Gottsucher muß die Gottheit so suchen,


Daß er alles verneint, was existiert,
Und zu allen Geschöpfen Nein sagt,
Bis er durch die negative Theologie
Zu jenem geistigen Nichts gelangt,
Da er ausruft voller Staunen:
Aber du, o Herr!

Es ist kein Gott außer Gott der HERR allein.


Es ist kein Gott, ist Negation,
Denn Gott ist Nichts,
Verglichen mit allem Seienden.
Doch Gott ist der Herr allein,
Das ist das letzte Ja,
Das göttliche Aber:
Aber du, o Herr!
Das ist der Beginn des Glaubens
Und des wahren Bekenntnisses.

Der Pilger aber muß sich selbst verlassen


Auf der Suche nach Ihm,
Da erst wird er den Honig schmecken
Und schmecken, wie gut der Herr ist,
Und kosten, wie süß der Name des Herrn ist,
Und genießen die Kommunion mit Ihm.

Wenn du dann den Becher leerst


Der Kommunion mit dem Liebling,
Vergisst du die Welt und ihre Kinder
Und vergisst du dich selbst
Und verlierst dich in den Geliebten.

Suche den Geliebten an allen Enden der Erde,


Bei allen Völkern und Zungen,
Suche, bis du entdeckst
Das Mysterium des Vielgeliebten.
Schau, und siehe, du wirst schauen
Das Antlitz des Einziggeliebten
In manchem menschlichen Antlitz.

Wenn der Pilger in diesem Tal


Durch den Beistand der göttlichen Gnade
Die Spur der Fußtapfen seines Geliebten findet,
Wird er augenblicklich hinübergehen
In das Tal der Ewigen Liebe
Und dort wird er verschmelzen
Mit der lebendigen Liebesflamme.

DAS ZWEITE TAL

In dem Tal der Liebe


Ist ein attraktives Himmelreich
Und eine all-erleuchtende Sonne,
Brennendes Begehren,
Und die lebendige Liebesflamme
Lodert wie Feuerschlangen!

Wo die lebendige Liebesflamme


Wie feurige Schlangen lodert,
Da wird die Ernte des Verstandes verbrannt.

Hier ist der Pilger bewusstlos,


Bewusstlos aller Kreaturen
Und bewusstlos seines eigenen Ichs.

Er weiß nichts von dem Wissen


Und weiß nichts von der Unwissenheit,
Er schwebt über den Dogmen
Und ist frei von aller Gottlosigkeit.

Er überlässt die Gottlosigkeit den Gottlosen


Und die Dogmatik den Dogmatikprofessoren.
Ein kleiner Dorn der Pein
Von der Rose der göttlichen Liebe
Ist genug dem Pilger.

Die Stute, die ich reite


Im Tal der Liebe,
Ist die Stute der Pein.

Ohne Kreuz wird die Pilgerschaft nicht vollendet.

Der Verliebte kann an nichts andres denken


Als an den Einen Liebling.
Der Pilger sucht keine Zuflucht
Als an dem Rocksaum des Geliebten.
An jedem Tag
Gibt er in tausend Toden sein Leben hin
In der Nachfolge des Geliebten.
Bei jedem Schritt
Wirft er tausend Feinde
Zu den Füßen des Schemels des Geliebten.

Mein Bruder!
Erst wenn du in das Ägypten des Geistes ziehst,
Wirst du Josef finden,
Die Schönheit des Geliebten.
Wie Jakob musst du aufgeben
Die äußeren weltlichen Augen
Und das innere Auge des Herzens öffnen.
Erst wenn du erfüllt bist
Von der lebendigen Liebesflamme,
Wirst du in Kommunion sein
Mit dem Liebling in Ekstase!

Der Liebende fürchtet kein Geschöpf


Und kein Verlust kann ihn betrüben.

Man wird ihn finden


Kühl im Feuerofen
Und trocken in den Meereswogen.

Die Liebe akzeptiert keine Existenz


Und wünscht sich nichts auf Erden.
Der Gottsucher findet Leben im Tod
Und in der Demütigung findet er seinen Ruhm.

Viel Weisheit ist notwendig,


Um einen bereit zu machen
Für die Weißglut der Liebe.

Selig ist das Haupt,


Das in den Staub geworfen liegt
Vor den Spuren der Fußtapfen
Seines Lieblings.

Sei ein Fremdling deinem Ich,


Damit du den Weg findest
Zu dem einzigbegehrten Liebling.

Verbanne die sterbliche Erde,


Damit du Ruhe findest
Im Taubennest
Der allmächtigen Liebe!

Zu Nichts musst du werden,


Damit du erfüllt wirst
Vom Feuer des Ewigen Seins
Und angenommen werden kannst
Von der Ewigen Liebe.

Die Ewige Liebe akzeptiert


Keinen, der an sterblichen Dingen hängt.
Der Falke des Himmels
Speist keine toten Ratten!

Jeden Augenblick
Verzehrt die Liebe
Die sterbliche Welt.

In welchem Land auch immer


Der Pilger die Fahne der Liebe hisst,
Die Liebe macht ihn
Immer und überall
Trostlos traurig!

Die eigne Existenz


Hat kein Sein
Im Bereich der Ewigen Liebe!
Und Männer des Verstandes
Haben kein Bürgerrecht
Im Fürstentum der Schönen Liebe!

Der Walfisch der Liebe


Speit aus die Männer des Verstandes
Und zerstört die Stolzen,
Die auf ihr Vielwissen stolz sind.

Selbst die sieben Weltmeere


Löschen nicht den Durst,
Den das Feuer der Liebe
Im Herzen des Pilgers entzündet!

Und dennoch ruft der Pilger:


Ist da noch irgendein Mensch
Der Liebe auf Erden?

Die sieben Schleier


Des satanischen Egoismus
Werden verbrannt
Vom Feuer der Ewigen Liebe,
So dass der Geist ganz nackt
Und sauber und pur
Vorm Herrn der Herren steht
Und spricht: Für dich allein!

Dann spricht Gott zum Gottseher:


Für dich, für dich allein
Bin ich gestorben am Kreuz!
Entzünde die Flamme der Liebe
Und lass vom Liebesfeuer verzehren
Alle Besessenheiten des Egoismus,
Dann steige barfuß und unbeschuht
Auf den Gipfel des Berges der Liebe.

Von dort wird der Pilger


Hinüberschreiten vom Gipfel der Liebe
Ins Tal der göttlichen Erkenntnis!

DAS DRITTE TAL

Der Pilger wird geführt


Vom Zweifel zum Vertrauen
Und geführt von der Nacht
Der weltlichen Irrtümer
Wilden Begehrens
Ins Licht
Der Führung
Durch die Pietät.

Sein inneres Auge


Wird geöffnet
Und er wird leben
In inniger Kommunion
Mit seinem Liebling!

Er öffnet die Pforte


Der Wahrheit und der Devotion
Und schließt das Tor
Des Aberglaubens und Stolzes.

Er gehorcht dem Gesetze Gottes,


Wird Leben im Tod erkennen
Und empfängt die Mysterien
Des Lebens der kommenden Welt
Und der Neuen Schöpfung
Und erkennt den Neuen Himmel und die Neue Erde
Mit den inneren Augen,
Und mit einem spirituellen Herzen
Erkennt er die Ewige Weisheit
In der Evidenz Gottes.

In einem Ozean
Erkennt er den Tropfen
Und in dem Tropfen
Erkennt er den Ozean.

Der Pilger empfängt in diesem Tal


Visionen, so dass er schaut
In aller Schöpfung
Die ewigen Ideen Gottes.
Wohin immer er schaut,
Er schaut die Spuren Gottes.

Über aller Ungerechtigkeit


Erkennt er die göttliche Justitia,
Über der strengen Justitia
Sieht er triumphieren
Die mütterliche Misericordia.

In allen Irrlehren
Entdeckt er
Den Samen der absoluten Wahrheit.

Er bricht aus dem Gefängnis


Der fleischlichen Begierde
Und wird berührt vom Geist
Der Heiligen in der Unsterblichkeit.
Er bittet um die Himmelsleiter
Und steigt hinan
In den Ideenhimmel.

Wird er unterdrückt
Von den Kindern dieser Welt,
So leidet er in Geduld.
Wenn er Zornige sieht
In ihren Zornausbrüchen,
Hat er Mitleid mit ihnen.

Der Pilger sieht


Den Anfang aller Dinge
Und das Ziel aller Dinge
Als Eines.
Ja, mehr noch,
Der Pilger schaut Eines,
Welches ohne Anfang
Und ohne Ende ist.

Die vollkommene
Erkenntnis des Herrn
Ist es, ihn zu befreien
Von allem, was nicht Gott ist.

Herr, führe uns den rechten Weg


Und segne uns
Mit göttlicher Liebe,
Deiner Substanz!
Frei von uns selber
Und frei von allen Geschöpfen
Sind wir, frei für dich,
Um nichts zu wissen als Gott allein,
Um nichts zu schauen als Gott allein,
Um nichts zu lieben als Gott allein.

Ja, der Pilger


Geht noch über die Liebe hinaus,
Denn die Liebe
Ist eine dünne Haut
Zwischen dem Liebenden und dem Liebling.

Ich bin Gottes Eigentum


Und kehre heim
In Gottes Schoß.

Und so schreitet der Pilger


Vom Tal der göttlichen Erkenntnis
Hinüber ins Tal
Der göttlichen Vereinigung!

DAS VIERTE TAL

Der Pilger trinkt


Vom heiligen Kelch
Der Theoria
Und schaut
Die Hypostasen
Der Einen Gottheit.

Er reißt den Schleier herunter


Des Vielen,
Flieht die Welt
Der irdischen Lüste
Und steigt in den Himmel
Der Einen Gottnatur.

Er lauscht
Mit heiligen Ohren
Und schaut die Wunder
Der Schöpfung
Durch das Wort des Herrn
Mit heiligen Augen.

Er betritt den Garten


Der göttlichen Freundschaft
Und tritt ein in den Pavillon
Seines Lieblings!

Er weiß nichts mehr


Von seinem Ich
Und hat auch seinen Namen vergessen
Und kennt nur noch
Sein Selbst versunken in Gott
Und kennt nur noch
Den Namen des Herrn, ja,
Den Namen des Herrn als seinen eigenen Namen.

Er hört die Stimme


Des Königs
Und die Melodien
Des Saitenspieles Gottes.

Er schaut alle Dinge an


Mit der Vision
Des einzigen Gottes
Und sieht das Licht Gottes
Durch alle Dinge scheinen.

Siehe das Phänomen der Sonne,


Die über Gute und Böse scheint.
Aber das Maß,
In dem die Sonne
Die Orte erleuchtet,
Ist gemäß der Orte Offenheit.

In einem fleckenlosen Spiegel


Scheint die Sonne hell
Und in einem Kristall
Offenbart sich ihr Feuer.

Einige Menschen aber


Haben den Seelengrund
Der Erkenntnis Gottes
Ummauert
Mit Egoismus und Begierden
Und leben verschleiert
Von Taubheit und Blindheit
Und sehen die Sonne der Ideen nicht
Und kennen die sieben Mysterien des Lieblings nicht
Und sind beraubt des Schatzes
Der Ewigen Weisheit
Und der göttlichen Schönheit
Und ausgeschlossen
Vom Allerheiligsten
Der göttlichen Gloria.

Ein reines Herz


Ist wie ein Spiegel,
Gereinigt durch Liebe
Und durch Absonderung von allem
Außer Gott,
Und die Ideale Sonne
Und die Ewige Luna
Spiegeln sich im reinen Herzen.

Der Himmel aller Himmel


Kann Gott nicht umfassen
Und kein Tempel auf Erden
Und dennoch will Gott
Wohnen im reinen Herzen.

Wenn die Ideale Sonne


Als Lichtglanz des Lieblings
Thront in deinem Herzensthron,
So strahlt das göttliche Feuer
Durch alle deine Glieder.

Wenn ein Gottesknecht


Mit Gott spricht im Gebet,
Hört Gott den Gottesknecht
Und spricht zu ihm
Und mehr noch,
Gott hört
Dann mit den Ohren seines Knechtes.

Denn der Hausherr


Ist im ganzen Hause der Herr
Und die Säulen des Tempels
Sind Lichtstrahlen Gottes.

Alles lebt und bewegt sich


Durch Gottes Leben
Und alles erhebt sich
Nach Gottes Begehren.

Dies ist die Quelle,


Von der jene trinken,
Die Gott nah sind.

Gottes Evidenz
Ist Gottes Menschwerdung.
Gottes Ewiges Sein
Ist Sein Name.

Einen sterblichen Schatten


Kannst du nicht vergleichen
Der Idealen Sonne!

Und dennoch wird


Die Sonne der Wahrheit
Sichtbar in den Spiegeln
Ihrer Heiligen.

Die göttliche Sonne


Strahlt im Herzen,
Aber sie ist verschleiert
Von irdischer Sinnlichkeit.
Entferne den Schleier,
Dann schaust du
Die bloße Sonne.

Wenn du von dem Antlitz


Deines Herzens
Den Schleier der Täuschung
Herunterreißt,
Schaust du die göttliche Sonne
Klar im Spiegel
Des unverschleierten Angesichts
Deines inneren Menschen.

In dir ist
Ohne Eingang und Ausgang
Die Sonne der Gottessubstanz,
Die Substanz alles Seienden,
Das Urmysterium
Des begehrten Lieblings!

Zwischen dem Liebenden


Und dem begehrten Liebling
Darf nicht die dünnste Haut sein!

Dies ist nicht Bücherwissen


Und nicht studierte Weisheit
Und angelesene Erkenntnis,
Sondern unmittelbar
In der Nacht des Kreuzes
Eingegossene Weisheit.

Der Gottesknecht
Erkennt sich als Nichts
Selbst im Kreis der Gottesfreunde,
Wieviel mehr dann erst
In der Realpräsenz
Des Einzigen Lieblings!

Halleluja dem Herrn!


Hosianna in der Höhe!

Friede sei mit dir,


Der du vollendest die Pilgerreise
Und folgst dem Herrn, geführt
Vom Licht seiner Gnade!

DAS FÜNFTE TAL

In diesem Tal vernimmt der Pilger


Das Blasen
Der göttlichen Befriedigung,
Das kommt aus der Wüste des Geistes
Und verzehrt den Schleier
Der Entbehrung.

Hier bezeugt der Pilger


Den Tag, da der Herr kommt,
Alle zu befreien
Mit der Kraft seines rechten Arms.

Der Pilger schaut


Den Tag der Erlösung
Mit den inneren Augen
Und mit den äußeren Augen
In den unsichtbaren
Und in den sichtbaren Dingen.

Der Pilger schreitet fort


Von der großen Traurigkeit
Zur stillen Freude
Und er wechselt
Die Depression aus gegen
Die Heiterkeit

Obwohl die Pilger


Äußerlich noch auf Erden sind,
Doch innerlich ruhen sie
Auf dem Sopha der Ideen,
Der Pilger hat Anteil
An der Gnade des Ideals
Und trinkt Tropfen
Puren spirituellen Weins.

Die menschliche Zunge


Kann nicht sprechen
Von der Gnade
Der letzten drei Täler
Und der Pilger spricht
Kurz angebunden.

Die Feder kann es nicht beschreiben


Und die Tinte lässt nur Kleckse zurück.

Die Nachtigall
Seines Herzens
Singt andre Melodien
Und tönt Mysterien.
Das Herz ist erregt
Und der Geist ist verstört.

Aber das Rätsel


Der Idee
Kann nur offenbart werden
Von Herz zu Herz
Und bekannt werden
Von Busen zu Busen.

Nur das Herz


Kann kommunizieren
Mit dem Herzen
Dessen, der Erkenntnis erlangt
Der göttlichen Geheimnisse.
Das kann kein Briefbote sagen
Und kein Schriftsteller schreiben in Texten.
Über vieles muß ich schweigen,
Denn ich bin nicht in der Lage,
Es so zu sagen, wie es ist.
Mein Zustand ist jenseits
Des Sagbaren
Und meine Worte sind ungenügend.

Erst wenn du den Garten erreicht


Der göttlichen Zeichen und Wunder,
In dem Unwirklichen
Siehst das Zeichen
Der göttlichen Realpräsenz
Und durch die Akzidentien
Schaust das Mysterium
Der göttlichen Substanz,
Wenn verzehrt ist der Schleier
Durch einen glühenden Seufzer
Und die Vorhänge aufgehen,
Starrst du an das göttliche Antlitz
Der Idealen Sonne.

Am Tag des Herrn


Wird deine Aussicht klar!
Das ist die Evidenz der Aussage.

Das Tal der göttlichen Befriedigung


Wird irrtümlich auch
Das Tal des Reichtums genannt.

Von diesem Tal


Der puren Befriedigung
Gelangt der Pilger
In das Tal
Des kindlichen Staunens.

DAS SECHSTE TAL

Der Pilger wirft sich


In das Meer der Größe
Und jeden Augenblick
Wird sein Erstaunen größer.
Er staunt
Vor der Gloria
Des all-liebenden Gottes
Und gibt auf
Sein eigenes Ich.

Viele Bäume
Der ewigen Ideen
Blühen durch das Blasen
Des Staunens
Und viele gefiederte Seelen
Wohnen in den Kronen.

Jeden Augenblick
Staunt der Pilger
Über Neue Welten,
Eine Neue Kreation,
Er wundert sich und staunt,
O Staunen über Staunen,
Über den Neuen Himmel und die Neue Erde
Des einen Herrn
Der drei Personen.

Wenn wir nur über eine einzige Welt


Der Neuen Kreation
Beschaulich meditieren,
Erkennen wir tausend mal zehntausend
Weisheiten!

Eine dieser Weisheiten


Ist die Weisheit des Schlafs,
Die Weisheit des Traums.
Bedenke, welche Schätze
Im Traum des Schlafs
Verborgen sind und welche
Weisheiten darin umhergehen.

Siehe, du schläfst in einer Wohnung,


Die Türen sind abgeschlossen.
Plötzlich bist du in einer andern Stadt,
Du gehst umher in der fernen Stadt
Ohne deine Füße zu bewegen,
Du siehst die Herrlichkeiten dieser Stadt
Ohne die Augen zu bewegen,
Du sprichst zu den Bewohnern
Ohne die Zunge zu bewegen.

Es kann sein, zehn Jahre später,


Da bezeugst du in Wirklichkeit,
Daß du dann alles erlebst,
Was dir einst im Traum geschehen ist.
Viele sichtbare Weisheiten sind
In deinem Traum,
Aber nur die Pilger
Aus dem Tal des Staunens
Erkennen diese Weisheiten in der Nacht.

Was ist das für eine Welt,


Die man sinnlich wahrnimmt
Ohne seine Sinne zu gebrauchen?

Wie kann es sein,


Daß du heute erlebst
In der wirklichen Welt,
Was du Jahre zuvor
Erlebt hast im Traum?

Gott, der Allerhöchste,


Hat diese Zeichen und Wunder gestiftet
In den menschlichen Kreaturen,
So dass die Philosophen nicht leugnen können
Das Leben nach dem Tod.

Einige Philosophen nämlich


Glauben nur an die Vernunft,
Obwohl die Vernunft allein
Von den göttlichen Dingen nichts wissen kann,
Es sei denn durch die göttliche Vernunft selber.

Wie kann ein Mensch


Begreifen Gottes Wort?
Wie kann eine Spinne
In ihrem Spinnennetz fangen
Den auferstandenen Phönix?

Alle diese Wunder


Findet der Pilger
Im Tal des kindlichen Staunens
Und er sucht
Zeichen und Wunder,
Ohne verrückt zu werden.

Der Herr derjenigen, die nicht mehr leben auf Erden,


Der Herr derjenigen, die noch nicht leben auf Erden,
Er teilt jedem das Maß zu
Der Reflektion und des Staunens.
O Herr, ich staune über dich!

Auch staune über die Größe


Der ganzen Schöpfung
Und ihrer Entwicklung
In Myriaden Äonen
Und staune: Dies All
Liegt in Gottes Hand!

Warum denkst du,


Dein Körper sei unbedeutend?
In deinem Körper
Ist ein ganzes Universum
Von staunenswerten Wundern!

Es ist aber notwendig,


Zu übersteigen
Die animalische Daseinsweise
Und ganz menschlich zu sein.

Lokman
Trank an der Quelle der Weisheit
Und schmeckte das Wasser
Des Ozeans der Allbarmherzigkeit
Und sprach zu Nathan, seinem Sohn:
Ein Traum ist dieses Dasein,
Das Erwachen ist das Ewige Leben.

Sohn, wenn du nicht einschlafen kannst,


Kannst du auch nicht sterben,
Und wenn du morgens nicht erwachen kannst,
Kannst du nicht auferstehen vom Tod
Zum Ewigen Leben in Gott.

Das Herz ist wie ein Kaufmannsladen,


Wo man göttliche Mysterien handelt.

Du bist ein Bürger


Des Hofes der gottnahen Heiligen,
Wähle kein irdisches Haus!

Diese Worte bleiben unvollendet.


Ich bin entmutigt
Und niedergeschlagen.
Gott, erbarme dich meiner!
Meine Feder weint
Und meine Tinte tropft Tränen
Und der Strom meines Herzens
Rollt in Wellen des Blutes.

Nichts kann uns schaden,


Denn Gott allein genügt!

Friede sei mit dir,


Der du folgst der Führung
Des heiligen Geistes!

Von dem Tal des kindlichen Staunens


Oder dem Tal des Perplexseins
Kommt der Pilger
Ins Tal der geistlichen Armut
Und der absoluten Vernichtung.

DAS SIEBENTE TAL

Dies ist das Tal,


Da das Ich stirbt
Und lebt fortan in Gott.
Der Mensch ist arm in seinem Ich
Und reich in dem begehrten Liebling.

Armut meint hier,


Arm zu sein an allem Geschaffnen
Und reich zu sein
An allen Schätzen der absoluten Wahrheit.

Denn wenn ein guter Freund


Und verliebter Freier
Zur Freundschaft Gottes kommt,
Zum göttlichen Liebling,
Ein Feuer fährt in ihn
Vom Lichtglanz der göttlichen Schönheit
Des Ewiggeliebten.
Die Hitze im Herzen des Liebenden
Verzehrt alle Schleier
Und verzehrt alle Kleidung.

Ja, alle Schleier,


Alle Kleidung verbrennt,
Die Haut verbrennt!
Nichts bleibt
Als allein die Freundschaft Gottes!

Wenn die Hypostasen


Des alten Gottes
Sich offenbaren,
Dann verzehrt der Mittler
Alle akzidentiellen Attribute.

Der diese Blöße erreicht,


Der ist geheiligt
Und losgelöst und abgesondert
Von allen weltlichen Kindern.

Die eintauchen
In den Ozean der Mystischen Union,
Die besitzen kein begrenztes Ding
In dieser sterblichen Welt,
Seien es Begierden
Nach stofflichen Lüsten
Oder egoistisches Denken,
All das kümmert den Pilger nicht.

Wer besessen ist


Von begrenzten Dingen,
Der ist gefangen in den Grenzen der Dinge,
Aber wer besessen ist von Gott allein,
Der ist grenzenlos frei.

Frau Armut,
Sagt der Heilige,
Ist meine Gloria.

Die Spuren aller Dinge


Sind vernichtet
In dem Pilger
Und die Schönheit
Des Heiligen Antlitzes
Entschleiert sich selbst
Im Orient der Ewigkeit
Und du verstehst das Wort:
Alles ist sterblich und vergänglich
Außer dem menschlichen Antlitz Gottes!

Lausche den Melodien


Des heiligen Geistes in allem!

Die Erleuchtung durch das göttliche Licht


Wird nicht zu aller Zeit
Durch deine Seele scheinen.

Obwohl die Gnade


Des gnadenreichen Herrn
Ist ewig und ohne Unterbrechung fließend,
Misst die göttliche Gnade
Doch ihre Gaben
Und ordnet jedem die Gaben zu
Nach ihrem Wohlgefallen.

Die Wolke der Allbarmherzigkeit


Wird regnen auf den Garten der Seele
Allein in Zeiten des Frühlings.

Andre Jahreszeiten haben keinen Anteil


An der allmächtigen Gnade
Und versteinerter Erdboden
Ist kein Favorit der göttlichen Gnade.

Nicht jedes Meer bringt Perlen hervor,


Nicht jeder Dornstrauch bringt Rosen,
Nicht in jedem Rosenbusch singt die Nachtigall.

Bis die Nachtigall heimkehrt


In den göttlichen Rosengarten
Und das Licht der spirituellen Morgenröte
Heimkehrt zur Sonne der absoluten Wahrheit,
Suche zu erhaschen
Einen Duft
Des Unsterblichen Rosengartens
Schon auf Erden!

Wenn du diesen Zustand erreicht hast,


Werden dir alle Freunde fremd sein
Und du schaust allein den Liebling,
Das unverschleierte Antlitz
Des göttlichen Lieblings allein!

Du hast aufgegeben
Den Tropfen vereinzelten Lebens
Und bist eingetaucht
In den Ozean der Ewigen Liebe!

Dies ist das Ziel,


Das du von Gott begehrst,
Hier fallen selbst die Schleier
Aus reinem Licht!

Vor der göttlichen Schönheit Antlitz


Sind keine Schleier
Als Transparenz allein
Und der göttliche Liebling
Trägt keine Kleider
Als allein die göttlichen Hypostasen!

Hier wird der Pilger


Eins mit Gott,
Ja,
Gott in Gott!

Gott ist Alles in Allen


Und Alles ist in Gott.

Wer in diesem Weinberg


Sein Zelt aufgeschlagen –
Wer gelegen unter diesen Rosen
Im Garten Eden –
Der weiß, was ich sage.

Dies ist es, was der Dichter meint mit dem Vers:

Leb in der Liebe, doch / die Liebe lebt in Not,


Der Liebe Anfang: Schmerz! / Der Liebe Ende: Tod!
DIE VISION DER HAGIA SOPHIA

ERSTER GESANG
VOM URSPRUNG SOPHIAS

Die Hagia Sophia tat selber ihren Mund auf


Und sprach vor den versammelten Gläubigen:
Ich ging hervor aus dem Munde des Ewigen
Und wandelte durch die unendlichen Himmel
Und thronte hoch auf einer Wolkensäule
Und schwebte über dem Meere
Wie ein Nebelschleier
Und suchte mir eine Wohnung auf Erden,
Ich suchte bei allen Völkern der Erde
Nach einer heiligen Wohnung
Und ich fand meine heilige Wohnung
In Jakob, welcher Israel heißt,
Und wohne nun in Jakob, der Israel heißt.

Die Hagia Sophia ist


Ein Lichtglanz der Gloria des Ewigen,
Ein Strahl der göttlichen Kraft,
Ein unbefleckter Spiegel
Der göttlichen Herrlichkeit,
Ein Ausfluss Gottes und seiner Kraft,
Eine Emanation des Ewigen.

Bevor die Schöpfung geworden ist,


Bevor die Zeit und der Raum geworden sind,
Ist die Ewige Weisheit bei Gott.
Ihr Adel ist von göttlichem Adel,
Denn ihr Ursprung ist in Gott,
Sie stammt von Gott
Und ist bei dem Ewigen
Und ist eines Wesens mit Gott.

Die Ewige Weisheit ist


Ein göttliches Licht vom Lichte Gottes,
Eines Wesens mit dem Ewigen,
Gottheit von der Gottheit.

Die Ewige Weisheit ging hervor


Aus dem Munde des Ewigen
Und der Geist der Weisheit
Ist ein Geist der Liebe und Freundschaft.
Die Ewige Weisheit ist
Sophia increata,
Die ungeschaffene Weisheit,
Denn die Hagia Sophia ist
Nicht geschaffen, sondern gezeugt,
Vor aller Zeit geboren von Gott.

ZWEITER GESANG
FRAU WEISHEIT ALS JUNGFRAU TORAH

Als der Ewige schaffen wollte


Einen schönen Kosmos
Und ein geistiges Menschengeschlecht,
Da schaute der Ewige
Die ewige Jungfrau Torah an
Und nach dem ewigen Urbild der Jungfrau Torah
Schuf der Ewige
Den Kosmos und die Menschheit.

Wer ist die Ewige Jungfrau Torah?


Ist sie die Bibel, die wir auf Erden lesen?
Die geliebte Byblia, die wir studieren,
Beginnt mit dem Buchstaben B,
Die ewige Jungfrau Torah bei Gott
Beginnt ihre Rede mit dem Buchstaben A.

Der ewige König hat im Himmel der Himmel


Einen Palast aus Licht und Edelsteinen,
Das ist die himmlische Stadt Jerusalem,
Dort wohnt die ewige Jungfrau Torah.
Der ewige König sucht
Als liebender Vater im Himmel
Einen Bräutigam für die Jungfrau Torah,
Die Tochter Gottes.

Wer ist würdig, zu schauen die Jungfrau Torah?


Siehe, sie selber offenbart sich,
Die Prinzessin, die Tochter des ewigen Königs,
Öffnet den Vorhang am Fenster
Des himmlischen Palastes Gottes
Und erscheint einen Augenblick am Fenster
Und lockt den Schriftgelehrten
Mit dem Liebreiz ihrer göttlichen Schönheit.

Wer darf wohnen in den heiligen Hallen


Der ewigen Jungfrau Torah?
Sie ist eine starke Frau,
Wer wird sie finden, wer wird sie gewinnen?

Wenn die Jungfrau Torah sich offenbart


Und aus freier schenkender Gnade
Sich einem Menschen schenken will,
So macht sie ihn verliebt
In den Liebreiz ihrer Schleier,
In den Lichtglanz ihres strahlenden Leibes,
In die Sanftmut und Demut ihrer Seele
Und das Mysterium Gottes
Im innersten Brautgemach ihrer Seele.

Wer die starke Frau errungen hat


Und Bräutigam der Jungfrau Torah geworden,
Erhält von der Jungfrau den neuen Namen:
Baal-Schem, Gatte des Ewigen Namens.

DRITTER GESANG
SCHÖPFERIN SOPHIA

Der Ewige beginnt seine Schöpfung


Mit dem Buchstaben B.
Welcher Name bezeichnet der Buchstabe B?
B bedeutet Bereschit,
Bereschit bedeutet: Beginnend.
Bereschit bedeutet:
Im Anbeginn schuf Gott.
Wer ist Bereschit?
Bereschit ist die Ewige Weisheit.
Sie ist das Urprinzip.
Denn Gott der Ewige schuf
Im Urprinzip der Ewigen Weisheit
Den Kosmos und die Menschheit,
Die Engel und die unsterblichen Seelen.

Die Ewige Weisheit ist das Urprinzip,


Die Ewige Weisheit war bei Gott,
Die Ewige Weisheit selbst ist göttlich,
In ihr ist alles erschaffen,
Sie ist das Leben aller lebendigen Wesen.

Denn Bereschit, das Urprinzip,


Die Ewige Weisheit, ist
Die göttliche Urform aller Formen,
Die Idea der Ideen,
Gottes Idea, in welcher Gleichnis
Kosmos und Menschheit erschaffen sind.
Sie ist die Forma Formarum,
Urform aller Formen aller Kreaturen,
Urform auch der Seelen,
Denn die geistigen Seelen der Menschen
Sind die Formprinzipien
Ihrer menschlichen Leiber,
Männlichen Körpers, weiblichen Körpers,
Die Seele ist die Form des Körpers,
Aber Sophia ist die Urform der Seelen.

Denn im Morgenglanz der Ewigkeit


Erhob sich Hagia Sophia
Wie eine göttliche Morgenröte!
Gott der Ewige hauchte die Ewige Weisheit
Im heiligen Geiste der Weisheit
Als Weltseele ein dem Kosmos,
Hagia Sophia ist die Weltseele,
Alle Geistseelen aller Menschen
Sind Abbild der Weltseele Hagia Sophia,
Geschaffen in ihrem Bild und Gleichnis.

Darum preise ich Sophia


Als die Schöpferin der geistigen Seelen
Und die unaufhörliche Schöpferin
All der unzähligen Universen.

VIERTER GESANG
SOPHIAS GNADENGABEN

Wenn du gute und schöne Dinge begehrst


Und bittest um dein tägliches Mahl
Und um den Wein zur Freude des Herzens,
Wer ist wohl reicher als Sophia,
Die ja die Schöpferin aller Dinge ist?

Wenn du Klugheit begehrst


Und wissen willst, wie die Welt entstand,
Wissen willst vom innern Wesen der Elemente,
Von den Bahnen der Sterne
Und den Äonen des Kosmos
Und der Urgeschichte der Menschheit,
Von der Heilkraft der Pflanzen
Und von der Seele der Tiere,
Dann bitte Sophia! Sie schenkt
Dir Einsicht und Erkenntnis.

Wenn du begehrst, ein Künstler zu sein


Und schöne Kunstwerke herzustellen,
Erwähle dir Hagia Sophia
Zur inspirierenden himmlischen Muse,
Denn die ist die göttliche Schönheit,
Sie ist ein inspirierender Geist
Und geht in die Seele der Menschen ein
Und macht sie zu Propheten
Und zu Freunden der Ewigen Gottheit.
Es gibt keine größere Künstlerin
Als die göttliche Künstlerin Hagia Sophia!
Bemühst du dich um Tugend,
So bitte Hagia Sophia,
Denn sie ist die Mutter der Tugend,
Sie schenkt dir Klugheit und Kraft,
Lehrt dich, Maß zu halten,
Und schenkt dir die Gerechtigkeit.

Denn der Mensch ist dreifaltig,


Gemacht aus Geist und Seele und Leib.
Sophia schenkt dem Geist die Klugheit,
Des Menschen Geist empfängt als Schwester
Und Freundin Binah, die Einsicht,
Der Seele des Menschen, des Menschen Herz
Schenkt Hagia Sophia Mut
Und redet immer wieder: Nur Mut, mein Kind!
Dem Körper des Menschen
Bringt Sophia Mäßigung bei,
Lehrt Askese und führt zur Keuschheit.
Ist der Geist des Menschen vertraut
Mit Binah, der schwesterlichen Einsicht,
Ist das Herz des Menschen voll Mut
Und der Körper keusch geworden,
So nennt Sophia den Menschen
Einen Gerechten wie Josef.

FÜNFTER GESANG
SOPHIAS BRÄUTIGAM SALOMO

Salomo hatte geträumt,


Es war ein prophetischer Traum,
Da Gott der Ewige sprach
Zu Salomo und fragte ihn:
Was wünschst du dir von mir?
Und Salomo begehrte nicht Reichtum,
Begehrte nicht Verdammnis seiner Feinde,
Begehrte kein langes Leben auf Erden,
Sondern begehrte die Weisheit,
Die Throngenossin Gottes.
Das erfreute des Ewigen Herz
Und der Ewige schenkte aus reiner Gnade
Salomo die Hagia Sophia zur Braut.

Geküsst vom Musenkuss der Ewigen Weisheit


Salomo sang das Hohelied der Liebe.
Sophia lehrte den weisen Salomo,
Daß Gott die Liebe ist,
Daß Gott nichts ist als Liebe,
Und alle andern Hypostasen Gottes,
Die Wahrheit, die Barmherzigkeit,
Die Gerechtigkeit und die Freiheit,
Die Kraft und die Gnade und alle andern
Allerlieblichsten Hypostasen
Stammen alle aus der göttlichen Liebe.

Gott ist göttliche Liebe und die Ehe


Zwischen der Gottheit und dem Menschen
Ist wie die leidenschaftliche Liebe
Eines Mannes zu einer schönen Frau.

Als Sophia aber bei Adam war,


Gab sie ihm das Buch der Kabbala.
Als Adam aber fern vom Garten Eden war,
Gab Adam das Buch der Kabbala Seth,
Den Eva ihm für Abel geboren.
Und in dem Buch der Kabbala steht:

Das Hohelied der Liebe


Ist das Liebeslied von Bräutigam und Braut
Und Bräutigam ist Jahwe
Und Braut ist Schechinah,
Schechinah ist die Matrone,
Einwohnung Gottes, immanente Gottheit,
Die Matrone des Gottesvolkes,
Sie ist die Braut des ewigen Jahwe.

SECHSTER GESANG
SOPHIA IST AUF ERDEN ERSCHIENEN

Wo ist die Wohnung der Weisheit?


Wer hat ihre Kammer geschaut?
Du musst nicht fahren übers Meer
Nach Indien oder Amerika,
Um die Wohnung der Weisheit zu finden.
Wer ist denn hinaufgestiegen
In den dritten Himmel der Venussphäre,
Im Leibe oder außer dem Leibe,
Ins Brautgemach der Weisheit zu schauen?

Gott der Ewige ganz allein


Kennt ganz die Hagia Sophia,
Gott der Ewige allein erkennt
Die Throngenossin, seinen Liebling,
Uns ist sie die verschleierte Herrin,
Siebenfach verschleierte Herrin.

Wo sind die Väter hin,


Die Gold und Silber vergötterten?
Sie sind im Totenreich
Und ihre Söhne und Söhnessöhne
Kennen die Ewige Weisheit nicht.

Und wo sind die Helden des Altertums,


Wo sind Nestor und Odysseus?
Sie sind zugrundegegangen,
Denn die wahre Weisheit Gottes
Hat auch Odysseus nicht erkannt.

Und wo sind die Söhne Hagars,


Die Ismaeliten, die Dichter,
Berühmt für ihre mystischen Verse?
Sie auch haben nicht erkannt
Die Gottheit von der Gottheit!

Aber Sophia ist auf Erden erschienen!

O wie groß ist das Universum!


O, wie zahlreich sind die Universen?
Die Wohnung Gottes ist grenzenlos!

Dir aber, Jakob, der du Israel heißt,


Dir hat Gott geschenkt
Die Hagia Sophia!
Wandle in ihrem Lichtglanz
Und gib die Herrlichkeit
Deines Glaubens an die göttliche Weisheit
Nicht den Arabern, nicht den Indern,
Nicht den Griechen und ihren Göttern!

Denn Sophia, die Gott dir geschenkt,


Die findest du im Buch der Bücher,
Die findest du in der heiligen Byblia!
Dringe ein in die heilige Byblia
Und küsse die heilige Byblia,
So küsst du die Hagia Sophia!

SIEBENTER GESANG
VERSÖHNUNG VON PLATON UND MOSES

Philon liebt die Philosophia


Des seligen Platon,
Der am siebten November geboren,
Der am siebten November gestorben,
Der seine Weisheit empfangen
Durch eine Offenbarung Gottes,
Denn bei den Philosophen der Griechen
Ist zu finden der Logos,
Der Logos Spermatikos.

Aber Philon war ein gläubiger Jude


Und glaubte an den Herrscher und Vater,
Den Schöpfer von Himmel und Erde.

Wie aber, fragte sich Philon,


Versöhnt sich die Wissenschaft
Mit dem offenbarten Glauben?

Gott ist über alle Schöpfung erhaben,


In unendlicher Transzendenz
Ein reiner Geist
In unzugänglichem Lichtglanz.
Wie aber kann Gott, das Ewige Sein,
Der reine Geist, der unsterbliche Gott,
So etwas Vergängliches schaffen
Wie die Materia, wie die Matrix,
Dieses flüchtige Wandelwesen
Von Werden und Vergehen,
Nicht ganz Sein, nicht ganz Nichts,
Wie kann der ewigseiende göttliche Geist
Erschaffen den Schleier der Maya,
Diese Blasen von Schaum?

Philo erkannte die Mittlerin,


Die er in Moses’ Torah erkannte
Als die Ewige Weisheit,
In welcher als dem Urprinzip
Der Ewige, durch ihre Mittlerschaft,
Geschaffen hat die Mutter Natur,
Welche er auch bei Platon fand
Als die Weltseele in dem Kosmos.

Denn Gott, der transzendente Vater,


Das absolute ewige Sein,
Erschafft durch die Mittlerin Sophia
Als der eingehauchten Weltseele
Alle Kreaturen des Kosmos
Und die unsterbliche Seele der Menschen.

ACHTER GESANG
SOPHIA UND LOGOS

Der Logos Spermatikos fand sich


Bei den Vorsokratikern auch.

Da sehen wir den frommen Parmenides


Wandeln durch die dunkle Nacht,
Geführt von den himmlischen Mädchen,
Kommt er ans Tor der Gerechtigkeit
Und schaut die Gottheit der Weisheit im Thron
Und die Göttin der Weisheit spricht:
Das ewige Sein allein ist seiend,
Aber die Kreaturen im Werden und Vergehen
Sind nicht seiend, sondern nichtig.

Aber da sehen wir auch den frommen Heraklit,


Er bringt sein Diplom der Philosophie
In den Tempel der Artemis von Ephesos
Und spricht: In allem Werden und Vergehen
Und in der Natur geheimnisvoll offenbar
Ist der göttliche Logos,
Die göttliche Allvernunft
Ist immanent dem Kosmos.

Philon studierte in Alexandria


In der Bibliothek der Weisheit
Und betete täglich, morgens und abends,
Zum Gotte Abrahams, Isaaks und Jakobs.

Gott der Ewige ist der Ewige Vater,


Der göttliche Logos ist der Liebling Gottes.
Im Anbeginn der Schöpfung
Spielte der Liebling, der göttliche Logos,
Spielte vor dem Antlitz des Ewigen Vaters,
Gottes Liebling,
Gottes Pflegekind und Gottes Hätschelkind,
Spielte vor dem Antlitz des Vaters
Und baute aus ungeformtem Stoff
Und dem wilden Tohuwabohu der Elemente
Einen geordneten Kosmos
Und brachte das Schmuckstück
Des geordneten Kosmos
Dem Ewigen Vater dar
Und übergab die ganze Welt dem liebenden Vater.

Der Ewige Vater schaute


Voll Liebe auf seinen Liebling,
Sein Hätschelkind, den göttlichen Logos,
Und nahm das Schmuckstück
Des Kosmos entgegen
Vom Werkmeister Logos,
Dem geliebten Hätschelkind Gottes des Vaters.

NEUNTER GESANG
SOPHIA IM EVANGELIUM

Johannes hat gefastet,


Tag für Tag gefastet in der Wüste,
In der Einsamkeit der Wüste,
Nur vor Einbruch der Nacht
Aß er einige Heuschrecken, etwas Honig wilder Bienen.
Er war nicht berauscht in der Nacht,
Es war, als ob er nichts als Tränen trinke,
Tränen der Buße.

Johannes hat auf der Flöte gespielt


Und Klagelieder gesungen,
Klagelieder über den Tod,
Den letzten Feind, den Tod,
Doch die Menschen auf den Märkten
Haben nicht geweint bei seinen Klageliedern.

Daß überall das Ehebett befleckt wird,


Beklagte er und klagte die Reichen an,
Das hat ihn seinen Kopf gekostet.
Die Reichen sprachen beim Bauchtanz des Mädchens:
Johannes ist ein Teufel,
Gott ist groß, so tötet Johannes!

Jesus hat sehr gerne Fisch gegessen,


Am Lagerfeuer gegrillten Fisch,
Und Jesus liebte den Braten des Lammes
Zu Kräutern und weißem Brot
Und den Käse vom Schaf und von der Ziege,
Und Jesus liebte es, roten Wein zu trinken,
Auf der Hochzeit von Kana
War der Wein schon ausgegangen,
Weil Petrus und Markus so viel getrunken,
Und Jesus machte neuen Wein,
Sechs Fässer voll mit bestem Wein.

Und Jesus trank nicht nur


Mit Petrus und Markus,
Sondern Jesus trank auch Wein
Und Schaumwein mit Magdalena.

Er schämte sich nicht, mit Huren zu sprechen


Und Huren liebevoll zu berühren.

Da sprachen die scheinheiligen Heuchler:


Jesus ist nicht Gottes Sohn,
Er ist ein Fleischfresser, ist ein Weinsäufer,
Ein Freund der Huren.

So schlugen sie ihn ans Kreuz.

Sophia aber ist gerechtfertigt worden


Durch die Werke ihrer Kinder.

ZEHNTER GESANG
CHRISTUS IST GOTTES WEISHEIT UND KRAFT

Simon der Magier sprach:


Ich bin die Kraft Gottes,
Vor Anbeginn der Zeit
War ich vereinigt mit meiner Braut,
Der schönen Helena,
Denn meine Braut ist Frau Weisheit,
Frau Weisheit, die Göttin,
Beging im Himmel eine Sünde
Und fiel in die Materie
Und kam in den Kerker des Körpers
Und ward geboren in Sparta
Als Helena, die schöne Königin,
Ward wiedergeboren in Tyrus
Als Helena, die schöne Hure,
Dort fand ich sie im Freudenhaus,
Ich, Kraft Gottes, erlöse meine Hure
Und führe sie wieder heim in den Himmel,
Indem ich, Kraft Gottes,
Mich in einem Hieros Gamos
Vereinige mit der Hure Sophia-Helena.

Der heilige Paul aber schrieb


In einem Brief an die Gemeinde
Der liebenden Frauen
Im Hafen von Korinth.

Gottes Kraft und Gottes Weisheit


Ist Jesus Christus allein.
Gottes Weisheit hat keine Sünde begangen,
Gottes Weisheit ist nicht gefallen in Sünde,
Gottes Weisheit ist nicht erlösungsbedürftig,
Gottes Weisheit ist selbst die Erlöserin!
Gottes Weisheit ist ins Fleisch gekommen,
Aber nicht infolge ihres Sündenfalles,
Sondern aus gnädiger Liebe
Ist sie ein Mensch geworden,
In allem uns anderen Menschen gleich,
Ausgenommen die Sünde,
Auf dass die Pneumatiker,
Anders als die Somatiker
Und anders als die Psychiker,
Auf dass die Pneumatiker
In der Pistis sich vereinigen
Mit Gottes Weisheit,
Auf dass nicht mehr das Ego lebt
Des Pneumatikers selber,
Sondern dass Gottes Sophia lebt
Ihr Leben in der Seele des Pneumatikers.

Diese Sophia Gottes ist aber


Der gekreuzigte und auferstandene Christus.
Denn Christus ist die Sophia Gottes,
Die ich verkündige in der Torheit meiner Predigt.

ELFTER GESANG
DIE APOKALYPTISCHE FRAU
Ich war in der Verbannung,
In der Einsamkeit
Auf einer Insel im Archipelagos,
Da sah ich, und siehe,
Der Himmel tat sich auf
Und ein Weib erschien,
Ein himmlisches Weib!

Ich sah das himmlische Weib,


Ich sah sie in ihrer Schwangerschaft,
Doch, ach, ich musste leider auch sehen,
Wie der Satan dem schwangeren Weibe nahte
Und das göttliche Kind
Im Schoße des himmlischen Weibes
Ermorden wollte
In einem apokalyptischen Abort,
In einem apokalyptischen Holocaust.

Der Erzengel Michael,


Der ritterliche Diener der himmlischen Frau,
Schützte das himmlische Weib
Und so ward geboren das göttliche Kind.

Das himmlische Weib floh vor dem Satan


In die Wüste der Einsamkeit
Ein Jahr und noch zwei Jahre und ein halbes Jahr
Und die schwarze Mutter Erde
Half dem himmlischen Weib,
Denn als der Satan
Wie ein scharlachroter Drache
Feuer spuckte,
Da löschte die schwarze Mutter Erde
Das Feuer der satanischen Schlange
Mit den breiten Strömen ihrer Liebe.

Sankt Michael aber, der Erzengel Gottes,


Verjagte den Satan aus dem Himmel.
Der Satan, geworfen in den Staub,
Verfolgte die Jünger der Frau,
Die luziferische Schlange
Versuchte zu beißen
Die Jünger der Frau in die Ferse.

Aber das himmlische Weib


Wird mit ihren bloßen Füßen
Der Schlange den Schädel zertreten,
Und zusammen mit dem himmlischen Weib
Werden die Jünger des Lammes
Über den roten Drachen triumphieren
Durch das Blut
Des Martyrium ihres Herzens.
ZWÖLFTER GESANG
DIE HIMMLISCHE JERUSALEM

Ich sah einen strahlenden Engel,


Einen himmlischen Engel der Schönheit,
Da wollte ich niederfallen zur Erde
Und zu Füßen des Engels,
Anzubeten diesen Engel der Schönheit,
Aber der Engel sprach leise,
Lieblich lächelnd voller Sanftmut und Demut:
Bete nicht mich an, bete Gott an,
Ich bin nur Diener wie du.

Und da zeigte mir der Engel


Die Vision der himmlischen Stadt
Aus Gold und Glas
Und weißem Marmor
Und Jaspis, Jade, Nephrit,
Saphir und Lapislazuli,
Onyx und Smaragd,
Chrysolith und Chrysopras
Und Aquamarin und Amethyst.

Und ich sah vom Himmel kommen


Ein Weib, geschmückt mit Liebreiz,
Wie eine Braut für ihren Bräutigam.
Die himmlische Braut kam vom Himmel
Zur Erde hinab
Zu den Jüngern des Lammes.
Sie war die himmlische Nymphe,
Die Nymphe des Lammes,
Gekleidet in weiße Schleier,
Transparent wie transparente weiße Jade.

Und ich sah die himmlische Hochzeit


Des Lammes und der Nymphe des Lammes.
Ich sah das himmlische Hochzeitsmahl
Und die alten, geläuterten Weine,
Die Speise der Engel, das Manna.

Ich sah das himmlische Weib,


Die Nymphe des Lammes,
In weißen Schleiern,
Transparent wie transparente weiße Jade,
Im Garten Eden, im Paradiese.

Da waren Bäume des Lebens


Mit den sommerlichen Feigen.
Da waren breite Ströme
Der Fluten der Liebe.
Und ich aß vom verborgenen Manna
Und Jesus schenkte mir den Morgenstern.

DREIZEHNTER GESANG
SOPHIA BEI AUGUSTINUS

Als Mutter Monika starb,


Da schaute Augustinus
Die göttliche Weisheit.

Was haben die Kirchenväter gesagt:


Wer ist Sophia
In der Allerheiligsten Dreifaltigkeit?

Ist die Weisheit der Heiligen Schrift


Das Wesen des Heiligen Geistes,
Der Ruach ha kadosch?

Oder ist die Weisheit der Heiligen Schrift


Christus, Gottes Weisheit und Kraft,
Die menschgewordene Weisheit?

Oder ist die Weisheit der Heiligen Schrift


Eine Hypostase Gottes,
Des Allweisen, der allein weise ist?

Augustinus sprach von Sophia


Als der Sophia des Vaters,
Der Schöpferin, die die Welt erschaffen,
Als der Sophia des Sohnes,
Der Erlöserin, die die Menschheit befreit,
Als der Sophia des Heiligen Geistes,
Der heiligmachenden Gnade im Herzen.

O Sophia des Vaters,


O Sophia des Sohnes,
O Sophia des Heiligen Geistes,
Du bist eine göttliche Sophia!

Denn dreifaltig ist die Gottheit


In den drei Personen
Des Vaters und des Sohnes
Und des Heiligen Geistes.

Aber Eine Gottheit glauben und bekennen wir,


Denn das Eine göttliche Wesen
In den drei Personen
Des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes
Ist die Eine göttliche Natur,
Die Eine Gott-Natur Sophia.
O, wer schaute die Eine,
Die einzige Gott-Natur,
Die göttliche Weisheit, Hagia Sophia,
Als Jungfrau-Mutter
Und pries sie als die Eine Wesenheit,
Divina Essentia?

VIERZEHNTER GESANG
SOPHIA INCREATA UND SOPHIA CREATA

Was kann man von der Sophia increata sagen?


Die Sophia des Vaters
Gebiert in Ewigkeit aus ihrem Schoß
Die Sophia des Sohnes,
Und die Sophia des Vaters
Und die Sophia des Sohnes
Sind in Ewigkeit
In liebender Umarmung,
Umarmt von der Sophia des Heiligen Geistes.

Ein kleiner blonder Knabe


Saß am Strand des Meeres
Und versuchte, mit einer Muschel
Das Meer auszuschöpfen,
So versuchte auch der Afrikaner Augustinus
Mit seinem begrenzten menschlichen Denken
Die Trias der Sophia zu erkennen.

Die Sophia des Vaters


Nahm die Sophia des Sohnes
Wie einen Becher in die Hand
Und goss in den Becher der Sophia des Sohnes
Den feurigen Wein der Sophia des Geistes,
So wollte die Sophia des Vaters trinken,
Aber im Übermaß
Der Trunkenheit Sophias
Floss der feurige Wein über
Und so ward die Schöpfung geschaffen.

O, in der Morgenröte der Schöpfung


Taucht aus dem Meere des Tohuwabohu
Die Sophia creata,
Die Mutter des Universums,
Die Königin des Kosmos,
Die Mutter der Menschheit,
Die Frau aller Völker,
Die Königin meines Fleisches.

Ich liebe dich, Sophia creata,


Maria der Meere,
Meergeborne Königin der Liebe,
Meergeborne Königin der Schönheit,

Du bist die Idee der Schöpfung,


Du bist die Idee der Humanität,
Dich verehren die Edelsteine
Und dich verehren die Blumen,
Rosen und Lotosblumen,
Herrin der wilden Tiere,
Dich verehrt der erste Mensch,
Du Erlöserin Adams!

FÜNFZEHNTER GESANG
UNBEFLECKTE SOPHIA

Geliebte Sophie,
Du bist ein Hauch
Der göttlichen Kraft,
O blase oft mich an,
Auf dass mein Leben erwacht,
Auf dass meine Liebe erglüht,
Angeblasen von dir,
Du Hauch der göttlichen Kraft.

Wer ist denn die göttliche Kraft?


Geliebte, die Mutter India preist
Die göttliche Kraft
Als göttliche Shakti.

Geliebte Sophia, du bist


Ein lichter Ausfluss
Des Pantokrators,
Eine leuchtende Emanation
Des allweisen Herrn,
Ein fließendes Licht der Gottheit,
Ein Gnadenstrom
Vom Schoße des liebenden Vaters.

Geliebte Sophia, du bist


Die Unbefleckte,
Immaculata,
Kein Befleckter dringt in dich ein,
Ganz rein bist du,
Die vollkommene Pure,
Kein Sünder dringt ein
In deinen makellosen Schoß,
Den Schoß der heiligsten Puren.

Sophie, du bist, Geliebte,


Ein strahlender Abglanz
Des ewigen Lichts,
Dein selig zu schauendes Antlitz
Ist das lieblich strahlende Antlitz,
Das spiegelt das Antlitz Gottes.
Dein Antlitz, Geliebte,
Ist das menschliche Antlitz Gottes,
Ja, kühn bekenn ich,
Geliebte, dein strahlendes Antlitz
Ist das feminine Antlitz Gottes!

Geliebte Sophia, du bist


Ein fleckenloser Spiegel
Der göttlichen Schönheit.
In deinem Licht, Geliebte,
Schaue ich das Licht
Der göttlichen Schönheit.

SECHZEHNTER GESANG
DICHTERISCHE PERSONIFIKATION?

So reden die Herren Theologen:


In den Büchern der Weisheit,
Noch ganz dem alten Bunde verhaftet,
Erscheint Frau Weisheit.
Die menschlichen Schriftsteller
Sahen in Alexandrien
Die ägyptische Mysterienreligion
Um die Mondgöttin Isis
Und schufen durch Bearbeitung
Alter Hymnen an die Muttergöttin
Die dichterische Personifikation
Der Lady Wisdom.

Gottes Weisheit wird von den Theologen


Eine Hypostase genannt.
Ich fragte den Priester: Herr Pfarrer,
Darf ich zu einer Hypostase Gottes beten?
Der Pfarrer sprach:
Du spreche von Hypostatischer Union,
Der Herr Jesus Christus ist
Ein wahrer Gott und wahrer Menschen,
Der Sohn des Vaters.

Nun finden wir im Alten Testament


Our Lady Wisdom
Als Mutter
Und junge Braut.
Ja, Throngenossin Gottes
Wird sie genannt in der Schrift.
Doch ist sie keine Göttin,
Keine Göttin neben Gott.

Sie ist eben


Nur eine dichterische Personifikation,
Pure Poesie von Hagiographen.

Wer ist denn die Mutter,


Wer ist denn die junge Braut?
Die allerseligste Jungfrau Maria
Ist die Braut des Heiligen Geistes
Und die Gottesmutter Maria
Ist die Mutter Christi und Mutter der Christen.

Aber ein heidnischer Irrglaube ist es,


Gott als Mutter anzubeten,
Das tun die heidnischen Hinduisten.
Gott ist nicht weiblich,
Gott hat kein Geschlecht,
Sondern Gott ist Vater
Und Sohn
Und Geist.

Dies ist die Lehre der Theologen.

SIEBZEHNTER GESANG
GÖTTLICHE PERSON SOPHIA

Ich kenne einen Mann,


Der fastete sehr streng
In strenger Klausur,
Der hörte die Worte der Byblia
In den Büchern der Weisheit
Und gleich verliebte er sich in Sie,
In Sie, die Ewige Weisheit,
Er suchte nach einem Bild von ihr,
Der allervollkommensten Schönheit,
Und diente ihr, der Ewigen Weisheit,
Wie ein Minnesänger
Seiner unerreichbaren göttlichen Dame.

Ich kenne einen Mann,


Der sah als Kind
Die Ewige Weisheit,
Dagegen war die irdisch Geliebte
Doch nur ein dummes Ding,
Wie die geliebte Amme sagte.
Dieselbe Ewige Weisheit
Sah der Mann in der Bibliothek
Bei seinem Studium.
Dieselbe Ewige Weisheit
Rief ihn in die Wüste,
Wo er im Morgenglanz der Ewigkeit
Die göttliche Weisheit schaute
In einer unaussprechlichen Vision.
Ich kenne einen Mann,
Ach Gott, ich leider bin ich,
Der betete: O Sophia,
Wenn du wirklich bist und lebst
Und göttliche Person bist und Gebet erhörst,
Dann schenke mir bitte
In drei Tagen
Eine Ikone von dir, o Hagia Sophia.
Drei Tage später
Besaß ich die Ikone
Der Hagia Sophia von Nowgorod.

Ich ging allein einen langen Weg


Und betete: Hagia Sophia,
Soll ich dich singen wie der russische Dichter?
Rußlands Venus, leidenschaftslos rein,
So sang dich der russische Dichter.
Da sah ich an einer steinernen Mauer
Geschrieben den Namen: Sophia!

ACHTZEHNTER GESANG
SOPHIA BESUCHT BOETHIUS IM KERKER

Die politischen Machthaber hatten


Den Philosophen eingesperrt
In eine einsame dunkle Zelle,
Da saß er in seinem Verließ,
In seinem Verließ aus Katastrophe,
Und weinte heiße bittere Tränen
Und klagte vor dem Herzen Gottes
Über die Ungerechtigkeit der Welt,
In der die Bösen glücklich sind,
Die Gerechten aber vieles leiden.

Da trat in seine dunkle Zelle,


In sein finstres Verließ der Einsamkeit
Die göttliche Philosophie,
Den einsamen Philosophen
Durch ihre allerheiligste Nähe zu trösten.

O Trost der göttlichen Philosophie!


Was sprach denn die göttliche Philosophie?
Ihr müsstet sie sehen,
Wie sie saß auf seinem Lager
Und er zu ihren Füßen kniete
Und staunte sie an.
O Staunen, Anfang der Weisheit!

Da sprach die göttliche Philosophie


Und ihre Stimme war
Wie das Schmachten einer Nachtigall
Und wie das Flötenblasen einer Bacchantin:

Mein Freund, das Höchste Gut


Ist allein die ewige Glückseligkeit!
Strebe du allein
Mit aller glühenden Sehnsucht
Nach dem Glück in Ewigkeit!

Oh, délice éternelle!


Oh, plaisir d’amour éternelle !
So seufzte der Philosoph.

Die göttliche Philosophie


Sprach wie aus einer anderen Welt:
Das Böse ist Nichts,
Das Ewige Sein allein ist dein Ein-und-Alles,
Das absolute Sein.

Leise lächelte die göttliche Philosophie:


Das Böse ist Nichts,
Das begreife, mein Freund,
Wie der Adler seinen Raub ergreift.

Das Ewige Sein allein


Ist deine Glückseligkeit in der Ewigkeit!

NEUNZEHNTER GESANG
DIE STILLENDE MUTTER

Die göttliche Philosophie


Erbarmt sich des Philosophen.

Wie gewinnt der Philosoph


Die göttliche Philosophie?
Er muß hinab in die dunkle Nacht
Und dort am Kreuz
Wird ihm göttliche Weisheit eingegossen!

O der Nächte!
O des täglichen Sterbens!
Ach, mein Gott, wann sterbe ich,
Auf dass ich endlich nicht mehr sterbe!

Aber die göttliche Philosophie


Erbarmt sich des Philosophen
Wie eine Mutter der Barmherzigkeit,
Wie eine barmherzige Mutter.

Ich sah die mütterliche Weisheit,


Sie legte mich an ihre Brust.
O Mutter, göttliche Mutter,
Ich preise deinen erbarmenden Busen!

Ich weiß nicht, wie,


Doch ward mir eingegossen
Die süße Muttermilch des Trostes.
Strömte die Milch des Trostes
Aus ihrem barmherzigen Busen?
Oder strömte die Honigmilch des Trostes
Aus ihren lächelnden Augen,
Augen eines himmlischen Mondes,
Augen einer sanften Mutterkuh?
Oder strömte die weiße Milch des Trostes
Von der weißen Perlenschnur
Der Zähne ihres lächelnden Mundes,
Ihres küssenden Mundes,
Als sie mich küsste
Mit den Küssen ihres Mundes,
Mit ihren lieblichen Lippen?

Ja, Gott wird eine Große Mutter sein


Und stillen den leidenden Philosophen,
Gott wird eine Große Mutter sein
Und Ruhe spenden der armen Seele
Am barmherzigen Busen Gottes.

O Mutter, o Mutter, o Mutter,


Die ganze Weisheit meiner Philosophie
Ist, dass ich die ganze lange Nacht lang
Nur immer lalle wie ein Kind vor Gott:
O Mama, o Mama, o Mama!

ZWANZIGSTER GESANG
COSMIARCHA

Bevor der Urkeim der Materie


Sich entwickelte,
Bevor die kosmischen Nebel
Ihre Sterne streuten in die Nacht,
Bevor die Galaxien
Sich formierten,
Bevor die Milchstraße
Ihren weißen Sternenstrom
Ausgoss durch die Nacht,
Bevor die Sonne
Und die Planeten
Sich zueinander gesellten,
Bevor die schwarze Mutter Erde
Aus dem blauen Meere tauchte,
Vor Anbeginn von Zeit und Raum
War die Hagia Sophia
Bei Gott, bei Jahwe Elohim,
Als Gottes Throngenossin,
Als Gottes Lieblingin.

Die Hagia Sophia scherzte


Vor Jahwe Elohim
Und spielte ihre Spiele der Liebe
Und tanzte vor dem Herrn
Und Sie war Sein Entzücken,
Sie war Sein Ergötzen,
Tag um Tag in Ewigkeit
Und Nacht um Nacht in Ewigkeit
Ergötzte sich Jahwe Elohim
An Seiner Geliebten Sophia.

Jahwe Elohim plante im Geiste


Den Bau des Kosmos
Und bat die Hagia Sophia
Als Gottes Architektin,
Den Bau des Kosmos auszuführen.

O wie groß ist Gottes Haus,


Wie unermesslich groß das Universum,
Alle die unzählbaren Universen,
O wie groß ist das All!
Das alles hat geformt und gebildet
Die Meisterin Hagia Sophia.

Sie ist die Meisterin und Zimmermännin,


Die das Haus Gottes gebaut,
Sie ist die heilige Architektin,
Die den Bau des Kosmos errichtet.

Gottes Geliebte, die Meisterin,


Göttliche Zimmermännin,
Göttliche Architektin,
Ist die Cosmiarcha:
Creatrix ex nihilo!

EINUNDZWANZIGSTER GESANG
SOPHIA-MARIA, IKONE DES HEILIGEN GEISTES

Den Wind kannst du nicht sehen,


Doch hörst du das Rauschen des Windes
Und siehst den Wind die Blätter bewegen.

Du musst aber neu geboren werden


Im Geist, und fragst du mich,
Ob du zurück sollst in den Schoß deiner Mutter,
So sag ich: Nicht in den Schoß der leiblichen Mutter,
Doch lass dich neu gebären von Gottes Schoß!
Willst du aber sehen
Das Antlitz des Heiligen Geistes?

Der Heilige Geist ist fruchtbar


Und bringt das neue Leben hervor,
Der Heilige Geist brütet Leben aus
Wie eine brüstende Taube,
Der Heilige Geist tröstet wie eine Mutter
Und trocknet die Tränen des Gotteskindes,
Der Heilige Geist inspiriert
Wie die Muse den Dichter inspiriert,
Der Heilige Geist entflammt, begeistert,
Entzündet die Flamme der Liebe,
Wie eine schöne geliebte Frau
Den liebenden Mann entflammt und begeistert.

In allen diesen weiblichen Tugenden


Des Heiligen Geistes als der Mutterliebe Gottes
Erkennst du die Ewige Frau.
Und wer ist die Ewige Frau?
Sie ist Sophia creata,
Sie, die Ewige Frau der Menschheit,
Die einst Maria von Nazareth war.

So schaue dir an das Antlitz


Unserer Lieben Frau,
Sie ist die Braut und Wohnung des Heiligen Geistes,
Sie ist die Einwohnung des Heiligen Geistes,
Sie ist das Brautgemach des Heiligen Geistes,
Sie ist die Ikone des Heiligen Geistes.

Ja, Unsere Liebe Frau,


Durch des Heiligen Geistes Beiwohnung
Ist sie die Ikone des Geistes geworden,
Der Mutterliebe Gottes.

Liebst du aber Unsere Liebe Frau


Wie ein Mann seine Geliebte liebt,
So wirst du erkennen
Eloah wie eine Geliebte!

ZWEIUNDZWANZIGSTER GESANG
SOPHIA-TORAH IN NATUR UND GESCHICHTE

Nehmt der Königin alle Kleider,


Ob sie auch sieben Schleier fallen ließ,
So trägt sie doch noch die Krone,
Die goldene Krone der göttlichen Königin,
Und ob auch schief die Krone auf ihrem Haupte sitzt,
Weil trunken die Königin ist
Und verrückt vor Liebe!

Das sah ich, doch verstehen kann ich es nicht.

Allerdings sagen die genialen Visionäre,


Die Sophia-Torah
Ist die transzendente Herrscherin,
Größer als alle Universen,
Die Gesetzgeberin,
Die göttliche Herrscherin,
Die den ganzen Kreis des Weltalls
In ihren Armen hält,
Die völlig souveräne Majestät,
Die der Natur in ihrer Entwicklung
Die Gesetze vorgibt
Und doch selber über den Gesetzen steht
Als absolutistische Alleinherrscherin,
In einer universalen Autokratie
Der göttlichen Allherrscherin Weisheit!

Doch ist die Gottheit nicht allein


Die Seele der Seele der Natur,
Sie ist auch Alpha und Omega
Der Geschichte der Menschheit,
Welche von der Weisheit bestimmt ist
Zur Heilsgeschichte der Menschheit.

So ist der Urmensch Adam


Am Anfang allein mit Sophia,
Aber nachdem die schöne Eva wollte
Selber Gott sein,
Verließ die Weisheit den Menschen nicht,
Sondern war die Braut der Patriarchen,
Die Inspiration der Propheten.
Die göttliche Weisheit offenbart sich
Im mosaischen Gesetz,
Im Psalter Davids
Und in den Weissagungen aller Propheten.

Schließlich ist die Weisheit auf Erden erschienen,


Nahm Fleisch an von Maria,
Starb und erstand und fuhr gen Himmel,
Alle nach sich zu ziehen
Zum Omegapunkt
Des Universums und der Menschheit,
Da Gottheit alles in allem sein wird!

DREIUNDZWANZIGSTER GESANG
SOPHIA UND IHR HAUS AUF SIEBEN SÄULEN

Lerne erst Maß zu halten


Und deinen Hunger des Fleisches
Und das verzehrende Dürsten des Blutes
Zu beherrschen durch deinen Geist,
Gib nicht dem sexuellen Appetit
In allem seinem Begehren nach,
Denn die Begier des Fleisches ist unersättlich
Und die Augen in ihrer Augenlust
Sehen sich nicht satt an den Reizen
Und die Eitelkeit des Menschen der Welt
Macht dich zum Narren, folgst du ihr nach.

Dann sprich dir selber Mut zu


Und höre auch auf die Stimme
Der Mutter der schönen Liebe:
Nur Mut, nur Mut, geliebte Kinder!
Denk an die Brüder,
An die Krieger der Jungfrau,
Und steh deinen Mann im Kampf,
Im Krieg zwischen Gut und Böse,
Sei bereit zu deinem Martyrium!

Dann erwerbe dir Klugheit


Und bitte den göttlichen Geist
Um die Gabe der Wissenschaft,
Laß dich von Gott erleuchten,
Die Vernunft erleuchten durch den Glauben,
Der offenbart ward.

Lebst du maßvoll im Körper,


Bist du mutig im Herzen,
Bist du klug im Geist,
So wird die Jungfrau Sophia
Dich Josef den Gerechten nennen!

Steh fest in deinem Glauben,


Folge keinen andern Religionen
Und keinen andern Philosophien
Und keinem närrischen Mystizismus,
Sondern nimm gehorsam
Den gottgeoffenbarten Glauben an,
Nicht nur in einzelnen Teilen,
Sondern die Fülle der absoluten Wahrheit.

Die Hoffnung ist ein junges Mädchen,


Überaus reizend tanzt sie dir voran
Und zeigt dir himmlische Wonne,
Freuden, Genüsse, köstliche Seligkeiten!
Folge ihr und lass dich verführen
Vom himmlischen Mädchen Hoffnung
Zur Verschmelzung mit der Gottheit!

Aber die Liebe, Brüder und Schwestern, die Liebe!


Die Liebe bleibt in Ewigkeit!
Sie, die wahre, selbstlos schenkende Liebe,
Die göttliche Caritas lebt in Ewigkeit
Und im siebenten Zimmer
Liegt die göttliche Caritas
Im Ehebette Gottes und wartet auf dich!

VIERUNDZWANZIGSTER GESANG
SOPHIA-MARIA UND DAS LAMM GOTTES

O Sophia creata,
Du Immaculata Maria,
Du bist die Mutter des Lammes,
Selber unschuldig wie ein Lamm,
Selber demütig wie ein Lamm,
Selber sanftmütig wie ein Lamm,
Selber friedfertig wie ein Lamm,
Führst du alle deine Kinder,
O Mutter des Menschengeschlechts,
Zum Lamm im Garten von Nazareth,
Zum Lamm im Garten der Flora,
Mit dem Lamm zu spielen.
Mutter und Königin,
Wer sich in seinen Sünden
Fürchtet vor Gott,
Dem zeigst du die Liebe Gottes
In Gestalt eines kleinen Lämmleins,
Das mit den Kindern spielen will.

O Sophia creata,
Immaculata Maria,
Bei deiner Unbefleckten Empfängnis,
Unvergewaltigte Jungfrau,
Virgo intacta,
Du führst den Mann, der dir vertraut,
Zur mystischen Hochzeit des Lammes.
Aber was sehe ich?
Ich sehe die Braut des Lammes,
Ich sehe die himmlische Nymphe
In dem Palast des ewigen Königs.

Sophia hat ihr Mahl bereitet,


Das Lamm ist geschlachtet,
Der Wein ist gekeltert.
Dieweil ich speise das Fleisch des Lammes,
Feire ich mystische Hochzeit
Mit der Hagia Sophia
Im Palast des ewigen Königs.

Unbefleckte Empfängnis,
Du bist die Pforte zur mystischen Burg,
Die Hagia Sophia
Wohnt in der mystischen Burg,
In der mystischen Burg
Des ewigen Königs von Jerusalem.

Im siebenten Gemach der mystischen Burg


Liegt die Hagia Sophia im Bett
Und feiert die Hochzeit mit mir.

FÜNFUNDZWANZIGSTER GESANG
SOPHIA-MARIA, BRAUT CHRISTI, MUTTER DER CHRISTEN

O Sophia creata,
Liebliche Mutter Maria,
Du bist die heilige Mutter-Braut,
Denn zwar bist du die Mutter Gottes,
Doch bist du auch die Braut Christi.
Nicht allein Braut bist du,
Verlobte Christi,
Sondern mystische Ehefrau,
Darum nannte der Erlöser dich auch Frau.

So sprach er auf der Hochzeit von Kana:


O Frau, was ist das zwischen dir und mir?
Und gemeinsam wirkten
Die Frau und der Herr
Das Wunder der Wandlung
Von Wasser in Wein,
Von Tränen in Freude.
Und wie der Herr den Wein verwandelt
In sein mystisches Blut,
So verwandelt die Frau
Ihre Tränen in blutige Tränen.

O liebliche Mutter Maria,


Du mystische Ehefrau Christi,
Als Christus starb am Kreuze,
Da war sein letztes Wort: O Frau,
Sieh dort den Jünger, den ich liebe,
O Frau, sieh deinen Sohn,
Sieh deinen Sohn Jesus in dem Jünger
Und nehme den Jünger als Sohn an
Und liebe den Jünger so,
Wie du deinen Jesus liebst.

Und was tat der Jünger,


Den Jesus liebte?
Er nahm Maria in sein Haus auf,
Er nahm Maria auf in sein Eigentum,
Er nahm Maria auf in sein Inneres,
Er nahm Maria auf in seinen Geist,
Daß sie ihm die göttliche Weisheit schenke,
Er nahm Maria auf in sein Herz,
Daß sie ihm allzeit Lebensmut schenke,
Er nahm Maria auf in sein Fleisch,
Daß sie alles Begehren des Fleisches mäßige
Und zähme den geilen Bruder Esel,
Er nahm Maria auf in seine ganze Person,
Daß er durch ihre Hilfe zum Gerechten werde,
Ja, zum Gerechten wie Josef.

Maria sprach zum Lieblingsjünger:


Ich nenne dich nicht mehr Johannes, mein Sohn,
Ich nenne dich jetzt Josef, mein Mann!

SECHSUNDZWANZIGSTER GESANG
DER HEILIGE GEIST UND SOPHIA-MARIA

Was die Theologen Vater nennen,


Die erste göttliche Person gebiert
In Ewigkeit die zweite göttliche Person,
Die von den Theologen Sohn genannt wird,
Und die Liebesvereinigung
Zwischen den zwei göttlichen Personen
Ist die göttliche Person der Liebe,
Von den Theologen Heiliger Geist genannt.

Der Heilige Geist aber


Ist die Fruchtbarkeit Gottes.
Zwar zeugt der Heilige Geist
Keine vierte göttliche Person,
Doch der Heilige Geist zeugt
Im unbefleckten Schoß Marias
Und so wird der Heilige Geist
Fruchtbar in der fruchtbaren Mutter
Und zeugt die heiligen Seelen,
Die Myriaden andern Christusse,
Welche wahrhaftig Christen sind.

Durch die Überschattung Mariens


Durch den Heiligen Geist,
Durch die Erfüllung Mariens
Mit göttlicher Kraft,
Zeugt der Heilige Geist
In der heiligen fruchtbaren Mutter
Den Gottmenschen
Und nicht den Gottmenschen allein,
Sondern durch die Eingießung
Göttlicher Kraft des Heiligen Geistes
Wurde die heilige Mutter
Der göttlichen Fruchtbarkeit
Mutter von Menschengöttern
Und Menschengöttinnen auch.

Darum ist Maria,


Die wahre Magna Mater,
Die heilige Mutter der göttlichen Fruchtbarkeit,
Nicht allein die Gottesmutter,
Sondern auch die mystische Göttermutter.

Denn Gott ist Mensch geworden


Im Schoß der Magna Mater,
Auf dass im Schoß der Magna Mater
Die Menschen Götter werden.

Maria, die Mutter Christi,


Maria, die Mutter der Christen,
Maria ist Mutter Gottes
Und Mutter der Götter auch.

SIEBENUNDZWANZIGSTER GESANG
MITERLÖSERIN UND GNADENMITTLERIN

Wenn ich bekenne, Maria,


Daß du die Mittlerin bist,
Die Mittlerin zu Gott,
Die Mittlerin aller Gnaden,
Künden die Protestanten
Mir die Freundschaft auf.

Wenn ich bekenne, Maria,


Daß ich erwarte
Von der heiligen Kirche,
Daß sie nach dem Karmelfest
Das Dogma noch verkündet,
Daß du unsre Fürsprecherin,
Unsre Gnadenmittlerin
Und Miterlöserin bist,
Werde ich als übereifriger
Marienverehrer
Von den säkularisierten
Katholiken belächelt.

Aber ja doch, selbstverständlich


Bist du die Miterlöserin
Mit dem einzigen Erlöser der Welt!
Wer das nicht glaubt und bekennt,
Hat den katholischen Glauben nicht verstanden.

Vereint mit der Miterlöserin


Sind die wahren Katholiken berufen,
Selber Miterlöser zu sein,
Miterlöser in der Miterlöserin,
Denn der einzige Erlöser der Welt
Erlöst die Welt
Und bringt die Erlösung in die Welt
Durch seinen mystischen Leib.

Aber ich darf auch sagen


Mit meiner guten treuen Freundin
Teresia Benedicta a Cruce,
Daß du nicht allein Miterlöserin bist,
Sondern wahrhaft Erlöserin.

Und das tröstet meine Seele,


Denn meine Seele braucht
Eine Erlöserin, die mich erlöst.
Und die nur sterblichen Frauen
Erhören meine Gebete nicht.
Aber Maria, die Ewige Frau,
Sie eilt herbei,
Sie ist mein Beistand,
Sie ist meine Mittlerin zu Gott
Und sie ist die Erlöserin meiner Seele.

ACHTUNDZWANZIGSTER GESANG
OMEGARCHA DER CREATION UND KIRCHE

Sophia Creata,
Du erstgeschaffene Jungfrau,
Du erstgeborene Tochter Gottes,
Maria, Morgenröte der Schöpfung,
Du erwartest mich
Und alle Erlösten am Ende der Zeit.

Ja, Sophia creata,


Du bist nicht Göttin, du bist Geschöpf,
Doch du bist ein besondres Geschöpf,
Denn du bist ein ungefallnes Geschöpf,
Sündlos, rein, vollkommen,
Ganz im Bilde Gottes geblieben
Von Anfang bis Ende.

Alle Schöpfung, von der wir wissen,


Daß alle Kreaturen seufzen,
Stöhnen und ächzen
Nach der Erlösung
Und der Offenbarung der Söhne
Und Töchter Gottes,
Sehen in dir, Sophia creata,
Den Inbegriff der Neuen Schöpfung,
Der erlösten Schöpfung.
Du gehst der Schöpfung voran
Und bist das Ideal der Schöpfung,
Vollkommen mit Gott vereintes Geschöpf,
Das Ziel der Schöpfung,
Denn alle Schöpfung will werden wie du,
Maria-Sophia creata.

Und die Kirche, die Kirche,


Ich rede von Christi einziger Braut
Und nicht von den Sekten der Ketzer,
Die einzige Kirche, die einzige Braut
Des einzigen Herrn und Erlösers,
Sieht in dir, du Frau der Offenbarung,
Ihr perfektes Ideal.
Zwar ist die Kirche Jungfrau,
Als Jungfrau Braut des Herrn,
Zwar ist die Kirche Mutter,
Als Mutter die Mutter der wahren Christen,
Aber du bist die vollkommene Jungfrau,
Du bist die vollkommene Mutter,
Perfekte Mutter aller Mutterschaft,
Jungfrau der Jungfrauen,
Maria, unsre süße köstliche Mutter!

Du gehst der Kirche voran,


Galionsfigur des Fischerkutters Petri,
Du leuchtest als Auferstandene
Den Katholiken auf als Ideal,
Auf dass der Gläubige werde, was du bist,
Auferstanden, mit Gott vereinigt!

NEUNUNDZWANZIGSTER GESANG
CARITAS IM EHEBETTE GOTTES

So wie wir bisher gesungen


Von unsrer Schwester und Freundin
Hagia Sophia,
Und Hildegard von Bingen
Hat mir schon manchmal geholfen,
So will ich jetzt singen
Die schöne Caritas Gottes.

Nämlich in der Wohnung Gottes


Sind sieben Gemächer,
Aber das siebente Gemach
Ist Gottes Schlafgemach,
Dort steht das Ehebett Gottes,
Ein breites Doppelbett
Für zwei Personen,
Die vereint sind in Liebe.

Ich weiß nicht, ob die Kissen und Decken


Weiß sind wie die Reinheit,
Rot sind wie die feurige Liebe,
Aber heute steht mir
Vor den Augen des Herzens
Das Ehebett Gottes
Mit Decken und Kissen
Rot wie die feurige Liebe,
Wie die Passion des Herrn.

Dort liegt Caritas


Im Ehebette Gottes,
Ganz vereinigt mit Gott,
Ewig vereinigt mit Gott,
Vereinigt, ja, verschmolzen,
Gott hat sich ergossen
In die Caritas
Und Caritas hat sich hingegeben
In Ganzhingabe an Gott.

Gott und seine geliebte Caritas


Sind in totaler Entblößung
Und Selbstentäußerung
Und Ganzhingabe schenkender Liebe
Eins geworden,
Denn wie Jesus einmal sagte:
Ich und der Vater sind eins,
So sind Gott und seine Caritas eins,
Nicht nur in Vereinigung,
Sondern im Einssein.

O Caritas, o Caritas,
O nackte Caritas,
O bloße Caritas,
Auch ich will in dein Bett, o Caritas,
Auch ich will in das Ehebett Gottes!

DREISSIGSTER GESANG
KABBALISTISCHE SCHECHINAH

Gott ist unergründlich Eines,


Unbegreifbar, unbeschreibbar,
En-Soph genannt, das Unendliche.

Aber Gott offenbart sich


In zehn Sephirot.
Die der Welt am nächsten stehende
Sephirot ist Schechinah,
Die Einwohnung Gottes
In der Welt,
Das Himmelreich auf Erden.

Diese Schechinah
Als die Prinzessin,
Die Tochter des ewigen Königs,
Auch Matrone genannt,
War bei Adam
Und weihte ihn ein
In die Geheimnisse
Kabbalistischer Mystik.
Adam gab die Weisheit
Seinem dritten Sohn Seth.

Diese Schechinah
War bei Josef
Und lehrte ihn,
Träume zu deuten
Und aus dem Becher
Weiszusagen.

Diese Schechinah
War bei Mose
Und gab ihm zur Torah,
Der geschriebenen,
Auch die ungeschriebne Torah,
Die Tradition des Judentums.

Diese Schechinah war


Bei Vater Elias,
War seine mystische Braut.

Jakob sah zwar die Schechinah


An der Spitze der Himmelsleiter,
Doch wählte Jakob
Zwei irdische Frauen,
Lea, die fruchtbare Mutter,
Rahel, die Kontemplierende.

Aber es gab auch Gottesmänner,


Die nahmen keine irdische Frauen,
Sondern ihre Braut
War die allmächtige Prinzessin,
Die heilige Matronita.

EINUNDDREISSIGSTER GESANG
JAHWE UND SCHECHINAH

Jahwe,
So nennen die Kabbalisten
Gott in seiner Herrlichkeit.

Jahwe vermählt sich


Mit der Prinzessin Schechinah.
Aber der ewige König
Jahwe, der Herr der Herrlichkeit,
Sendet die Prinzessin und Matronita
Zur Erde, zur Welt der Menschen,
Daß sie das Gottesvolk
Der Auserwählten
Heimführe
Aus der irdischen Verbannung
Des babylonischen Exils
Zur himmlischen Heimat
Jerusalem im Himmel,
Wo aus den prallen Brüsten Jerusalems
Strömt Milch und Honig.

Wenn die Prinzessin und Matronita


Heimgekehrt ist mit dem Gottesvolk,
Da feiert die Matronita
Das Hochzeitsfest der Götter
Mit Jahwe, dem Herrn der Herrlichkeit.

Wer hat gehört die Gedichte,


Die Lieder der Liebe,
Die Jahwe gedichtet
Für seine Braut, die Schechinah?

Salomo hörte sie,


Er, der Ehemann der Sophia,
Er hörte das Brautlied des Himmels,
Da Jahwe singt
Als der Geliebte
Das Lied der Lieder der Liebe
Für Schechinah,
Seine Freundin.

So spricht der Herr der Herrlichkeit:


Du bist schön, meine Freundin,
Du bist makellos schön!
So spricht die Einwohnung Gottes
Zu Jahwe, dem Herrn der Herrlichkeit:
Mein Geliebter ist mein
Und ich gehöre meinem Geliebten!

ZWEIUNDDREISSIGSTER GESANG
SCHECHINAH UND SOPHIA

In der Heiligen Schrift


Des Alten Bundes
Erscheint Frau Weisheit
Als göttliche Braut
Und göttliche Mutter.
Bei den Rabbinen
Und im babylonischen Talmud
Erscheint Frau Weisheit
Als die Jungfrau Torah,
Die mystische Braut
Des Schriftgelehrten,
Welcher Baal-Shem genannt wird,
Gatte des Namens.

Aber Frau Weisheit der Schrift


Und Frau Torah im Talmud
Erscheinen in der jüdischen
Mystik der Kabbala
Als die Jungfrau Schechinah,
Jungfrau und Matrone.

Wer ist Frau Sophia,


Wer ist Frau Torah,
Wer ist Frau Schechinah,
Sind die drei Frauen
Eine einzige göttliche Herrin?

Nach welchem Vorbild


Ist die Welt der Bilder erschaffen,
Nach der Frau Torah,
Der himmlischen Weisung,
Nach der Frau Sophia,
Der göttlichen Weisheit,
Nach der Frau Schechinah,
Der Immanenz Gottes?

Wo ist die Frau Weisheit zu finden?


Baruch sagt als Prophet:
Frau Weisheit ist Frau Torah,
Die göttliche Weisheit ist
Das Buch der Gesetze Gottes.

Wenn Sophia
Die Torah ist,
Ist Sophia
Die Jungfrau Schechinah auch?

Ist Sophia
Als Jungfrau Braut des Ewigen
Und als Immanenz der Gottheit
Das Himmelreich auf Erden?

DREIUNDDREISSIGSTER GESANG
DIE TRINITÄT UND SOPHIA

In der einen Gottheit


Ist der ewige Vater
Der grundlose Urgrund,
Unbegreifliche
Mutter des Schweigens,
Urtief,
Urschoß der Gottheit.

Aus dem Mutterschoß des Vaters


Ward geboren
Oder soll ich sagen gezeugt
Das Wort des ewigen Vaters,
Welches das Schweigen
Im Busen des Vaters
Ausspricht im Sohn.

Der Vater und der Sohn sind eins.


Vater und Sohn sind eines Wesens,
Der Sohn ist Gott von Gott
Und Licht vom Licht
Und Vater und Sohn sind
Von einer Gottnatur

Und hauchen einander zu


Die Glut der Liebe,
Den feurigen Atem der Liebe,
Das ist der Heilige Geist,
Der Geist der göttlichen Liebe,
Der Vereinigung ist
Der zwei Personen
Und selber ist
Die Person der göttlichen Liebe,
Von gleicher Gottnatur
Und gleicher Gottheit wie Vater und Sohn.

Und die vollkommen


Sich entfaltende
Liebesgemeinschaft
Der Allerheiligsten Dreifaltigkeit

Schaut sich an im Spiegel,


Im unbefleckten Spiegel
Der Hagia Sophia,
Welche in eins zusammenfasst
Den Vater mit dem Sohn im Heiligen Geist
Als eine Gottnatur,
Ein göttliches Wesen der einzigen Gottheit.

VIERUNDDREISSIGSTER GESANG
SOPHIA UND ADAM

Als der Schustermeister


Jakob Böhme
Einen zinnernen Teller sah,
Da ward er erleuchtet
Und ahnte das Mysterium
Der Hagia Sophia.

Als Adam, der Urmensch,


Noch allein erschaffen war,
Ein einsamer Urmensch,
War die göttliche Hagia Sophia
Himmlische Brautgenossin
Des Urmenschen Adam.

Als Adam aber sich abwandte


Von der himmlischen Braut
Und an eine irdische Gattin dachte,
Da zerfiel der eine Urmensch
In den Mann namens Adam
Und die Frau namens Eva.

Und so ist der Urmensch gefallen


Von der himmlischen Brautschaft
Rein geistiger Idealität
In die irdische Ehe
Materieller Allgemeinheit.

Aber wie Salomo sagt,


Sophia hat Adam nicht verlassen,
Sophia hat Seth übergeben
Das Geheimnis der Kabbala,
Sophia ward die Freundin
Der heiligen Patriarchen
Und der inspirierten Propheten.

Immer warb Sophia


Und suchte einen heiligen Gottesmann,
Der in himmlischer Brautschaft
Mit der Weisheit Gottes lebt.

Jakob auch verschmähte


Die mystische Ehe
Mit der göttlichen Weisheit,
Zeugte mit Lea Söhne
Und diente vierzehn Jahre
Um die Minne der schönen Rahel.

Aber Sophia will


Den Gottesmann für sich.
Jesus Christus will
Die bräutliche Seele.

Die Gottheit liebt den Menschen


Wie Mann und Frau sich ehelich lieben.

FÜNFUNDDREISSIGSTER GESANG
SOPHIA, DIE MARIA IST

Wenn die Trinität


Vollkommen entfaltet ist
Und sich beschaut
Im Spiegel Sophias,

Ist Sophia nicht Gott,


Doch Sophia ist auch
Nicht eine vierte Person in Gott,
Sondern Sophia ist
Die Erstgeschaffne,
Das Urbild der Schöpfung.

Diese Sophia
Ist Mensch geworden
In der Frau,
Die einst Maria war,
Maria von Nazareth,
Die Mutter Jesu Christi.

So wie Eva
Sich abgewandt
Von Gottes Wort,
So hat Maria
Sich zugewandt
Dem Wort des Herrn.

Darum ist Maria


Die Neue Eva.

Maria aber
Als präexistente Idee
War vor Eva
Schon im Anbeginn
Der ersten Schöpfung
Als Sophia creata da.

Diese Sophia-Maria
Als die Eva, die Ja sagt,
Ist der Anbeginn
Der Neuen Schöpfung,
Die in Christus beginnt.

Diese Sophia creata


Ist die Morgenröte der Schöpfung,
Diese Neue Eva Maria
Ist die Morgenröte der Ewigkeit.
SECHSUNDDREISSIGSTER GESANG
SOPHIA UND JAKOB BÖHME

Die weibliche Seele


Ergänzt sich
Durch den Bräutigam
Jesus Christus
Zu einem gottmenschlichen Wesen.

Die männliche Seele


Ergänzt sich
Durch Vereinigung
Mit der himmlischen Braut,
Der edlen Jungfrau Sophia,
Zu einem gottmenschlichen Wesen.

Was der christlichen Frau


Ist Jesus Christus,
Ist dem christlichen Mann
Die Hagia Sophia.

Also grüßte Jakob Böhme


Die edle Jungfrau Sophia
Wie einst Heinrich Seuse
Die Ewige Weisheit gegrüßt
Als Minnedame,
Wie Wladimir Solowjew
Sophia gegrüßt
Als geheime Freundin,
Wie Alexander Blok
Sophia gegrüßt
Als Schöne Dame und
Regina coeli.

Jakob Böhme liebte


Die edle Jungfrau Sophia
Als seine mystische Braut,
Geheimnisvolle Freundin,
Göttliche Partnerin,
Als heilige Seelenschwester
Und mystisch Intimvertraute.

Und die edle Jungfrau Sophia


Versprach ihrem menschlichen Bräutigam,
Mit ihm verlobt zu sein
Das ganze Leben auf Erden
Und mit ihm vermählt zu sein
Das ganze ewige Leben im Himmel

Und darum auch erst im Himmel,


Im Paradies,
Die Ehe zu vollziehen,
Und erst im Paradiese,
Aber dann doch für immer und ewig,
Ihm ihre kleine Perle zu schenken!

SIEBENUNDDREISSIGSTER GESANG
SOPHIA UND SULAMITH

Da hatte ein Pietist die Einsicht,


Nachdem er studiert
Die Lehre der Weisheit
Bei den Kirchenvätern
Der katholischen Kirche,

Daß die Sulamith


Des Hohenliedes
In Wahrheit Sophia ist.

Die Rabbinen lehrten,


Der Bräutigam Salomo
Sei der Bräutigam Jahwe
Und die Freundin Sulamith
Sei die Jungfrau Israel.

Die Kirchenväter lehrten,


Von Origenes an
Und von Ambrosius
Von Milan an,
Der Bräutigam Salomo
Sei der Bräutigam Jesus
Und die Freundin Sulamith
Sei die Ecclesia, die Braut Christi,
Sei die christliche Seele.

Oder der Bräutigam Schlomo


Sei der Heilige Geist
Und Sulamith sei Maria,
Die Braut des Heiligen Geistes.

Gottfried Arnold,
Der Pietist, sah in der Freundin
Sulamith die Hagia Sophia
Und im geliebten
Salomo den Freund der Weisheit,
Den heiligen Philosophen
Oder christlichen Theosophen.

So preist der Philosoph


Seine Freundin Sophia:
Ewige Freundin,
Du bist schön, ja, du bist schön,
Du Makellose!

Und so singt der Philosoph


Das Hohelied der Hochzeit
Mit der Ewigen Weisheit,
Seiner schönen Freundin,
Seiner göttlichen Braut.

Sulamiths Mutter aber


Ist der allmächtige Gott,
El Shaddai.

ACHTUNDDREISSIGSTER GESANG
MARIA-SOPHIA UND DER FALL DER ENGEL

Sankt Anna Katharina


Emmerich sah Visionen
Und der romantische Dichter
Clemens Maria
Brentano schrieb sie auf.

Sankt Anna Katharina


Sah Maria
Auch vor der Geburt Mariens
Quasi präexsistent
In idealischer Symbolik
Als reine Jungfrau mit dem göttlichen Kind,
Geziert mit Ähren und Trauben,
Der Hostia Schüssel
Und des Ewigen Blutes Becher.

In idealischer Präexistenz
Erschien Maria
Am Anfang der Zeit
Den Engeln Gottes allen.
Und Gott der Allerhöchste
Sprach zu allen den Engeln:
Diese ewige Frau
Wird Gottes Sohn gebären,
Denn Gott wird Mensch
In Jesus Christus
Und diese ewige Frau
Ist in Wahrheit Gottesgebärerin
Und die heilige Genitrix.
Darum, ihr Engel,
Werft euch nieder
Voll tiefster Verehrung
Vor dieser Frau,
Der Königin der Engel!
Aber ein Drittel der Engel,
Angeführt vom Engel Luzifer,
War zu stolz, einer Frau zu dienen
Und protestierte
Und rebellierte
In einer himmlischen Revolution
Und wollte stürzen Gott von seinem Thron
Und wollte nicht dienen
Der Ewigen Frau, der Königin der Engel.

Darum warf Christus


Mit Sankt Michael zusammen
Und allen gehorsamen Engeln
Die ungehorsamen Geister aus dem Himmel.

Sankt Gabriel aber trat ein


Bei Unsrer Lieben Frau
Und grüßte sie voll Ehrfurcht:
Heil dir, Königin!

NEUNUNDDREISSIGSTER GESANG
NICHTS, WELTSEELE, HUMANITÄT

Creator ex nihilo!
Gott schuf aus Nichts
Den Urkeim des Kosmos
Und alle lebendigen Wesen.

Was aber ist das Nichts?


Wer aber ist das Nichts?
Ist das Nichts,
Die absolute Leere,
Ist das die feminine
Hagia Sophia,

So dass der Schöpfer,


Der aus dem Nichts das All geschaffen,
Aus dem femininen Nichts
Der Hagia Sophia die Welt erschuf?

Der Körper des schönen Kosmos


Hat eine belebende Seele,
Anima Mundi genannt,
Die Weltseele Platons.

Die Ägypter verehrten


Die Seele der Natur
Als Himmelskönigin Isis.

Ist die Anima Mundi


Hagia Sophia,
Von Gott gehauchte Weltseele,
Das göttliche Leben
Im Innern der Mutter Natur?

Die ganze Menschheit


Erscheint als ein Wesen,
Ein Wesen idealer Art,
Das Große Sein,
Grand Etre,
L’Humanité.

Wer ist die Gestalt


Der verklärten Menschheit?
Wer ist das Große Sein,
Die ideale Geliebte
Des Philosophen?

Grand Etre, L’Humanité,


Bist du die Hagia Sophia,
Das Ideal der Menschheit,
Die große idealisch-verklärte Menschheit
Als heilige Frau Gottes?

VIERZIGSTER GESANG
DAS EWIGWEIBLICHE UND DIE POESIE

Begonnen hat
Die russische Poesie
Auf einem dörflichen Friedhof.
Dann kam der Adler
Mit dem ewigen Evangelium
Der göttlichen Schönheit.
Niemals war Solowjew fremd
Der Schönheitskult Puschkins.

Zuerst gebar das Chaos


Aus dem Meeresschaum
Das Weibliche
Und es nahm Gestalt an
Der göttlichen Schönheit
Oder Aphrodite.

Aber Aphrodite vermochte nicht


Die Dämonen des Chaos zu bannen.

Schließlich kam von oben


Das Weibliche
Und stieg herab zu den Menschen
In Gestalt Marias.

Maria ist das Ewigweibliche,


Welches von oben kommt.
Venus ist das Ewigweibliche,
Welches von unten kommt.

Maria ist das Ewigweibliche


In Gestalt der göttlichen Schönheit.
Maria, tota pulchra perfectissima,
Du bist schön, meine Freundin,
Siehe, du bist schön,
Du bist Maria, die Makellose.

Wie Dionysios Areopagita sagte,


Sind die schönen Kreaturen
In mancher Hinsicht schön,
In andrer Hinsicht unschön,
Zu manchen Zeiten schön,
Zu andren Zeiten unschön,
Allein die göttliche Schönheit
Ist in jeder Hinsicht schön,
Ist immer schön,
Ist in den Augen aller, die sie schauen, schön.

Und diese göttliche Schönheit


Verehren die Dichter
Als das Ewigweibliche,
Maria, Mater Gloriosa,
Jungfrau, Mutter, Königin,
Ja, Göttin!

EINUNDVIERZIGSTER GESANG
DREI SOPHIENVISIONEN SOLOWJEWS

Der Dichter war verliebt


In seiner Jugend,
Das Mädchen war
Neun Jahre alt
Und doch sprach des Dichters Amme:
Das Mädchen ist ein dummes Ding!
Doch der Dichter sah
In der Kirche
Das Antlitz der Ewigen Weisheit.

Und als der Dichter gesehen,


Geschaut das heilige Antlitz
Der Ewigen Weisheit
In weiblicher Schönheit,
Begehrte er, sie noch einmal
Zu schauen, doch nicht allein
Zu schauen ihr Antlitz,
Auch ihre Gestalt zu schauen.
Der Dichter war in England,
Studierte im Museum
Die Weisheit der Theologen,
Die Weisheit der Philosophen,
Die Weisheit der Theosophen,
Da schaute er
In einer Vision
Die Ewige Weisheit als Frau,
Er hörte ihre Stimme,
Sie rief ihn in die Wüste,
Dort wolle sie sich
Ihm offenbaren.

Er folgte ihrem Ruf,


War treu der Berufung der Weisheit
Und ging in die Wüste Ägyptens
Und wurde verfolgt
Und wurde gequält,
Doch als er halbtot
In der kalte Wüste lag des Nachts,
Da sah er in der Morgenröte
Die Morgenröte der Ewigkeit strahlen
Und sah in einer Vision
Die allumfassende
Göttliche Weisheit.

Diese Seele Gottes,


Anima Dei,
Nannte der Dichter fortan
Geheimnisvolle Freundin.
Sie war die Liebe seines Lebens,
Seine Freundin und seine Geliebte,
Sie allein, Sophia,
Sophia allein genügte ihm. Basta!

ZWEIUNDVIERZIGSTER GESANG
IKONE DER HAGIA SOPHIA VON NOWGOROD

O Sophia, darf ich zu dir beten?


Bist du Person, Sophia,
Und erhörst Gebet,
So gib mir ein Zeichen
Und lass in drei Tagen
Mich eine Ikone besitzen
Von dir, Sophia.
So sprach ich vor Jahren,
Und drei Tage später
Besaß ich die Ikone
Der Hagia Sophia von Nowgorod.

Sophia sitzt im Thron,


Ein androgyner Engel
Von femininer Anmut,
Feurig ihr Gewand,
Mit Goldglanz ihr Gewand,
Feurige Flügel hat sie
Wie Seraphim,
Wie der neuplatonische Engelsgeist.

Zur Linken betet


Johannes der Täufer,
Der Alte Bund,
Zur Rechten betet
Die Gottesgebärerin Maria,
Der Neue und Ewige Bund.

Über ihrem Haupt


Erscheint in der Gloriole
Das Antlitz Jesu Christi,
Denn Gottes Weisheit ist Mensch geworden
In Jesus von Nazareth,
Dem Messias.

In der Höhe ist ein Altar,


Der Altar des Wortes Gottes,
Dort dienen die himmlischen Heerscharen,
Engel verehren auf dem Altar
Die Heilige Schrift als Gottes Wort.

Zu dir will ich beten, Sophia,


Jetzt in der Hälfte des Lebens.
Die holden Schwäne
Tunken ihr Haupt
Ins heilige Wasser,
Wo Äpfel wachsen
Und Rosen blühen.
Doch wehe, wehe, wehe,
Jetzt wird es dunkle Nacht!
Jetzt schneidet der Frost!
Wo nehm ich jetzt
Die rote Rose her?

DREIUNDVIERZIGSTER GESANG
DIE EWIGWEIBLICHE WELTSEELE

Schon in seiner Kindheit


Suchte der Philosoph
Der Naturphilosophie
In den Bergen und Tälern
Kieselsteine und schwarzes Moos,
Schnecken, und liebte
Jedes Detail der Mutter Natur.
Er forschte nach
Dem Ursprung des Menschen
Und fand die Gebeine
Des Pekingmenschen,
Fünfzigtausend Jahre alt.

Ihm schien die Natur


In einer großen Evolution
Sich zu entwickeln
Von der Amöbe zu Goethe.

Christus, A und O des Kosmos,


War der Evolutionator,
Trieb und Ziel der Evolution.

Aber die ganze Mutter Natur


Besaß für diesen Philosophen
Ein geistiges Antlitz,
Die Seele der Natur,
Die Anima Mundi,
Er besang sie
Als das Ewigweibliche
In einer dichterischen Hymne.

Die Weltseele, ewigweiblich,


War ihm strahlende Jungfrau
In der Morgenröte der Schöpfung,
Königin des Alls,
Mutter alles Lebendigen.

Er pries die ewigweibliche


Weltseele wie Maria.

Christus war das Alpha


Und das Omega dieses Weltalls,
Maria war die ewigweibliche
Seele des Universums.

VIERUNDVIERZIGSTER GESANG
DER PHILOSOPH UND DIE FRAUEN

Zwar der Naturphilosoph


War Priester und Jesuit
Und lebte im Zölibat,

Doch wollte er nicht


Nur männlichen Umgang.

Er wollte die Ehelosigkeit


Nicht dadurch schützen,
Daß er den Umgang mit Frauen mied.

Denn die Freundschaft


Mit vielen Frauen
Im Laufe seines Lebens
Gab seiner Mystik
Den zärtlichen Wärmestrom.

In der Freundschaft mit Frauen


Lernte er kennen
Das ewigweibliche
Wesen der Weltseele
Und das zärtliche
Herz Jesu,
Dieses Zentrum des Universums,
Dieses kosmische Zentralfeuer
Voller Liebe und Freundschaft!

Aber der Zölibatäre


Muß darauf achten,
Daß nicht die Freundschaft
Zu irgendeiner Frau
Mächtiger wird
Als die bräutliche Liebe
Zu Jesus Christus!

Ein starker Magnet


Ist die Freundschaft der Frau,
Der allmächtige Magnet
Muß ewig die Liebe Gottes sein!

Zu des Mannes
Geistiger Intellektualität
Kam der weiblichen Freundinnen
Herzliche Sympathie
Und zärtliches Mitgefühl.

So ist die Mystik des Mannes


Nicht nur männliche Mystik,
Sondern ganzheitlich
Wie das All
Und die große Mutter Natur
Und die Ewige Gottheit.

FÜNFUNDVIERZIGSTER GESANG
DIE WELTSEELE BEI PLATON UND PLOTIN

Die Seele, sagt Sokrates,


Ist das Leben des Leibes.
Wenn die Seele den Leib verlässt
Im Augenblick des Todes,
Ist der Körper tot.
Doch da die Seele das Leben ist,
So bleibt die Seele lebendig
In der Unsterblichkeit.

Der ganze Makrokosmos


Ist ein einziger Körper,
Sagt Sokrates’ Schüler Platon.
Das Leben dieses Körpers
Ist die Weltseele,
Sie ist das Leben des Makrokosmos.

Plotin sah den Höchsten Gott


Als reinen Geist,
Der denkend sich selber denkt
In göttlicher Intelligenz.

Da der reine Geist,


Der unbegrenzt und unsterblich ist,
Nichts Materielles
Schaffen kann
Ohne Mittlerwesen,
Da das Materielle
Begrenzt und sterblich ist,
So schafft der göttliche Geist
Durch die Mittlerin Weltseele
Alle höheren Wesen
Und niedern Geschöpfe
Der heiligen Mutter Natur.

Platon führt den Ursprung


Aller einzelnen Geistseelen
Aller Menschen
Auf die eine Weltseele
Als der Form der Formen zurück.

So sagte einmal
Ein Knabe von sieben Jahren:
Ich denke,
Alle Seelen zusammen,
Das ist Gott.

Alle Seelen stehen


In Verbindung miteinander
Durch die eine Urform,
Die Anima Mundi,
Die gehaucht ist
Vom göttlichen Geist,
Den allerhöchsten Gott.

SECHSUNDVIERZIGSTER GESANG
DIE WELTSEELE BEI FICINO

Gemäß dem drei-einen Gott


Ist das Gottesebenbild Mensch
Auch eine Dreifaltigkeit
Aus Geist und Seele und Leib.
Die menschliche Seele selber
Ist eine Dreifaltigkeit
Aus Wille, Verstand und Gemüt.

Der Kosmos ist ein Körper,


Wie Platon schon sagte,
Die Seele des Kosmos
Ist die Weltseele
Anima Mundi,
Poetisch gesprochen
Ist es die Königin Urania,
Der Geist des Alls
Ist aber nach Ficino
Der höchste Engelsgeist.

Der Aufstieg des Menschen


Zu Gott durch die Liebe
Geht von den schönen
Körpern der Geliebten,
Allein empfangen
Durch Augen und Ohren,
Über die schöne Seele
Der Geliebten,
Den Willen zur Liebe,
Den Verstand der Weisheit,
Das Gemüt der Güte,
Zum Geist der Geliebten,
Zum Engelsgeist
Der gottesähnlichen Vielgeliebten.

Wer allein des Kosmos


Körper betrachtet,
Das Naturgesetz
Der materiellen Welt,
Wer nicht der Weltseele
Lebensprinzip, die Liebe,
Ergründet als Philosoph
Der Geisteswissenschaft,
Der kennt auch nicht
Den Geist des Alls,
Den Engelsgeist.

Wer aber den Engelsgeist kennt,


Der kennt den Engel
Des Antlitzes Gottes,
Der wird schauen Gottes Antlitz.
SIEBENUNDVIERZIGSTER GESANG
DIE WELTSEELE IN DER DEUTSCHEN GENIEZEIT

Als die Elohim


Die Sonnen und Planeten
Streuten aus in das All,
Da war die Weltseele
Von Ewigkeit her
In schaffendem Beruf.
Uns Menschen hat Gott gegeben,
Zu erforschen die Weltseele,
Zu ringen mit dem Weltgeist.
Die Weltseele trennte
Von der Sonne
Die Erde ab
Und belebte auf der Erde
Den Staub durch Feuchte
Und ließ wachsen
Die Pflanzen und Tiere
In vielen Metamorphosen,
Bis die Weltseele
Werden ließ
Den Mann
Und die Frau
Und die beiden schauten einander an
Im grünen Garten der Erde
Und liebten sich von Herzen.

Also grüßen wir die Weltseele,


Grüßen wir sie von unserem einsamen
Elfenbeinturm:
O Königin Urania,
Du, deren Zaubergürtel
Des Weltalls tobendes Entzücken
Und der holden Schwäne
Trunkenes Küssen
Zusammenbindet durch Liebe,
Du bist unsre Königin,
Unsre Mutter und Göttin,
Du ideale Schönheit,
Von dir berufen
Zum Amt des Propheten,
Von dir geküsst
Mit heiligem Kuss der Muse,
Und eingeweiht
Zu geistlichen Dichtern,
Grüßen wir dich
Aus unseren Klosterzellen:

Nur schütze uns vor Wahnsinn,


Mutter, Königin und Göttin,
Und wenn wir einst
In deinem Gefilde der Seligen sind,
Daß wir ein neues Leben dann
Unserer Liebe beginnen.

ACHTUNDVIERZIGSTER GESANG
MAHA DEVI IN INDIEN

Ich träumte von der Maha Devi,


Doch nicht, wie sie geboren
Einst aus dem Ozean der Milch,
Denn als die Weltenberge wurden,
Da ward das Meer von Milch,
Da standen die Götter alle
Auf den Weltenbergen
Und nahmen den Gott der Schlangen
Und griffen den Schlangengott
An seinem Schwanz,
An seinem Haupt,
Und quirlten das Meer der Milch
Zu weißem Schaum
Und aus dem Schaum geboren
Ward die Göttin der Schönheit,
Die Göttin der Wonne!

Aber als ich träumte


Von Maha Devi, der großen Göttin,
Da saß die Göttin auf dem Thron
Aus einer großen rosa Lotosblüte,
Die schwamm auf blauem Wasser.
Maha Devi trug ein Gewand
Aus rotem Purpur und goldner Stickerei.
Zwei Hände erhob sie gen Himmel
Und hielt in den Händen
Rosa Lotosblüten,
Zwei Hände breitete aus
Die große Göttin Maha Devi,
Zum Segen der ganzen Menschheit,
Und Gnadenstrahlen strömten
Von ihren segnenden Händen.

Das Haar war schwarz,


Die Augen groß und braun und mandelförmig,
Des Antlitzes Haut war bräunlich.

Hinter der großen Göttin


Im Wasser stand ein Elefant
Und hob den schlangenartigen Rüssel
Und spritzte Wasser aus dem Rüssel
Über das Haupt der Göttin.
Im Traum vernahm ich die Stimme,
Die sprach, dass Devi duschte!
Wahrlich, wahrlich, Devi duschte
In den Strömen lebendigen Wassers
Der Gnade des mächtigsten Gottes!

NEUNUNDVIERZIGSTER GESANG
RADHA IN DER INDISCHEN BAKTI-MYSTIK

Bakti-Mystik ist die Mystik


Der Liebe
Zu Gott.

Gott ist der Bräutigam,


Die Seele des Menschen die Braut.

Krishna ist der Avatar Gottes,


Die Verkörperung Gottes
Als Mensch und Bräutigam,
Und Radha ist die Seele des Frommen,
Rhada ist die Freundin
Des göttlichen Bräutigams.

Alles ist in der Bakti-Mystik


Wie im Hohenliede Salomos,
Wo Christus ist
Wahrer Gottmensch und Bräutigam
Und die fromme Seele des Menschen
Ist Gottes Freundin Sulamith.

Radha ist in Indien,


Was in Israel Sulamith ist.

Jedoch die Sprache


Der indischen Liebesmystik
Ist erotischer, sexueller.

Dem keuschen Abendland


Scheint das verwegene Bildsprache,
Die indische Bildsprache
Voller sexueller Bilder.

Doch die sexuelle


Vereinigung von Mann und Frau
Ist nach Plotin
Nur ein konzentriertes Abbild
Der allumfassenden
Vereinigung von Gott und Mensch.

Was in der sexuellen


Vereinigung von Mann und Frau
Die höchste irdische Wonne ist,
Das ist in der Vereinigung
Des Gottmenschen und der liebenden Seele
Ein unendliches, grenzenloses
Übermaß an Liebeswonnen,
Unaussprechlich, unaussprechlich!

FÜNFZIGSTER GESANG
GUAN YIN, GNADENGÖTTIN IN CHINA

Als die portugiesischen Jesuiten


Zur Mission nach China kamen,
Fanden sie heilige Bilder
Einer schönen Mutter
Mit einem heiligen Kind auf dem Arm.

Die chinesischen Bonzen sagten,


Das sei Guan Yin,
Die Mutter des Mitleids,
Welche den Kindersegen bringt.

Die christlichen Missionare dachten,


Das ist die Jungfrau Maria
Mit dem göttlichen Kind.

Guan Yin, die Mutter der Gnade,


Hört, wie ihr Name sagt,
Hört das Flehen ihrer elenden Kinder.

Maria, Mutter der Barmherzigkeit,


Höre das Rufen und Schreien
Deiner verbannten Kinder
In dem Tränental des Jammers!

So meinen die Theosophen,


Die Wesenheit, welche Sophia genannt wird,
Sei im Abendland Maria,
Im Morgenland aber Guan Yin.

Ein Archetyp der Mutter


Mit dem göttlichen Kind,
Ein universaler Archetyp
Finde verschiedenen Ausdruck
In Maria und Guan Yin.

O Mutter der Barmherzigkeit,


O Mutter der göttlichen Gnade,
O Mutter mit dem lieben Kinde,
O Mutter mit dem göttlichen Kinde,
Hör unser Schreien und Heulen
In diesem Jammertal der Tränen
Und nach diesem Elende
Lass uns verlöschen in Gott!

Hab Mitleid, Mutter,


Mit unsern Leiden,
Hab Mitleid, Mutter,
Mit den Leiden
Der ganzen Schöpfung.

Versenke uns, Mutter,


In den Ozean der Barmherzigkeit!

O Lord, Thou art the ocean of mercy!

EINUNDFÜNFZIGSTER GESANG
SOPHIA UND TAO

Sophia, die Ewige Weisheit,


Ist der Ursprung aller Lebewesen,
Denn in der göttlichen Weisheit
Und durch die göttliche Weisheit
Und für die göttliche Weisheit
Ist alles erschaffen.

Darum ist Tao auch


Die Mutter der zehntausend Wesen.

Die Ewige Weisheit ist unergründlich,


Allein der allweise Gott
Erkennt die göttliche Weisheit ganz.
Unser Erkennen
Als Menschen auf Erden
Ist nur Stückwerk.

So ist auch die wahre ewige Tao


Unsagbar für Menschen,
Die Tao auf Erden allein
Ist sagbar für Menschen.

Die Ewige Weisheit ist


Die Form aller Formen,
Idee der Ideen.

So ist auch Mutter Tao


Urbild aller Bilder,
Kraft der Kräfte.
Selber formlos,
Gibt sie allen Dingen die Form.

Die Ewige Weisheit Gottes


Ist Torheit für die Weisen der Welt.
Die Weisheit der Welt jedoch
Ist Torheit dem allein weisen Gott.

So nützt auch alles Vielwissen nichts


Und alles Bücherlesen nichts
Und alle Gelehrsamkeit nichts,
So kann man Tao nicht erkennen.

Die Ewige Weisheit will


Sich Kindern offenbaren,
Unmündigen Säuglingen.

So muß man sein Kindsein erkennen


Und ehren die nährende Mutter Tao,
Dann ist man beim Untergang
Des Leibes ohne Gefahr.

Die Ewige Weisheit liebt, die sie lieben.

Und wen der Himmel retten will,


Den rettet er durch Liebe.

ZWEIUNDFÜNFZIGSTER GESANG
DIE HIMMLISCHE EVA-SOPHIA NACKT

Die Sekte der Rosenkreuzer


Preist Sophia
Nicht als die Himmlische Sophia,
Sophia Urania,
Sondern als die kosmische Sophia,
Welche erscheint
Als astrale Göttin
Aller Sphären
Und astrologischen Zodiakzeichen,
Als Herrin der sieben Planeten
Und ihrer astralen Dämonen,
Als Herrin der kosmischen Energie
Und Göttin der vier Elemente
Und Göttin der Quintessenz,
Die Göttin von Gold und Silber,
Die sich vereinen,
Als Herrscherin aller Atome,
Die Herrin des unbestimmbaren
Quantensprünge,
Eben die kosmische Göttin.

Diese kosmische Göttin Sophia


Ist die himmlische Eva,
Die Mutter alles Lebens,
Die nackte Eva
Vom Garten Eden,
Die nackte Himmelsgöttin Eva,
Mutter des Universums.

Die nackte Göttin Eva


Ist größer als das Universum,
Das ganze Universum hält sie
In ihren empfindlichen Händen.
Sie hält die Kugel des Kosmos,
Den Kreis des Universums
Mit ihren Händen
Vor ihrem Bauch.
Darüber wölben sich
Ihre imperialen Brüste,
Barbusig neigt sich die Göttin Eva
Über den ganzen Kosmos.
Unter dem Kreis des Universums
Ist unverhüllt
Der nackten Göttin Eva
Heilige Vagina!

So wollen wir, beim Kreuz und der Rose,


Alle Universen weihen
Den nackten Brüsten
Und der unverhüllten Vagina
Der nackten kosmischen Göttin Eva!

DREIUNDFÜNFZIGSTER GESANG
GÖTTIN SOPHIA UND IHR HEROS LOGOS

Seit Bachofens Theorie


Vom Matriarchat der Vorzeit,
In dem Zeitalter des Feminismus
Glauben immer mehr Frauen
Und Männer
An die Magna Mater des Matriarchats.

Diese Magna Mater des Matriarchats,


Sagt Otfried Eberz, der Feminist,
Sei die große Göttin Sophia,
Große Mutter
Und göttliche Jungfrau.

Aber der Sohn der Großen Mutter


Und Geliebte der göttlichen Jungfrau
Sei der matriarchale Heros,
Dieser sei der Logos,
Der Bundesgott
Der Männer im Matriarchat.

Die große Göttin Sophia


Und ihr heiliger Heros, der Logos,
Feiern Hochzeit,
Den alten heidnischen Hieros Gamos,
Die Hochzeit von Himmel und Erde,
Die sexuelle Vereinigung
Von Gott und Göttin,
Stiftend neue Fruchtbarkeit,
Ja, schaffend alles Leben.

Durch die patriarchale Horde


Der blonden arischen Übermenschen
Ward vergewaltigt die Göttin
Und gekreuzigt der Heros.

Aber am Ende der Zeiten


Werde der Heros auferstehen,
Wie Osiris in Byblos,
Wie Adonis auf Zypern,
Wie der Heros Jesus in Jerusalem.

Dann wird wiederkehren


Das goldene Zeitalter,
Da die Große Mutter
Das heilige Kind gebiert,
Da die göttliche Jungfrau
Den göttlichen Heros liebt.

Dann wird Friede sein auf Erden


Und Liebe allein
Die Seele der Zivilisation,
Dann bildet die Menschen
Eine universale Frauenkirche.

VIERUNDFÜNFZIGSTER GESANG
MARIA UND DAS MÜTTERLICHE ANTLITZ GOTTES

Die katholischen
Befreiungstheologen Südamerikas
Versuchten Jesus
Mit Marx zu vermischen.

Auch der Feminismus


Ward von den Befreiungstheologen
Aufgenommen in den Katholizismus.

Nicht allein,
Daß Maria der Tempel
Des Heiligen Geistes ist,
Der Heilige Geist ist selber
Von mütterlicher Art
Und weiblicher Liebe ähnlich.
Auch ist Maria
Spiegel Gottes,
Maria von Südamerika
Ist Spiegel
Des mütterlichen Antlitzes Gottes.

Paul Claudel sang auch,


Daß Maria Sakrament ist
Der zärtlichen Mutterliebe Gottes.

Denn viele antike Hoheitstitel


Der altertümlichen Muttergöttinnen
Wurden übertragen
Auf die liebliche Jungfrau Maria.

Doch alle diese weiblichen


Archetypen vom Becher,
Von der Vase, von der Bundeslade,
Vom Tempel, von der Pforte,
Vom verschlossenen Garten,
Alle diese weiblichen
Ursymbole göttlicher Mutterschaft

Weisen über Maria hinaus


Zur Mutterschaft Gottes!

Papst Johannes Paul


Der Erste, der Lächelnde,
Sagte: Gott ist Abba, ja,
Doch Gott ist auch unsre Mutter!

Wie ein Kind, sang David,


In den Armen der Mutter,
Gestillt an den Brüsten der Mutter,
Ist meine Seele bei Gott.

Ja, ich glaube


An die Jungfrau von Guadelupe
Und die Mutterliebe Gottes!

EPILOG
LITANEI VON LORETTO

Ave, Mutter Gottes, bitte für uns!


Ave, Große Mutter, bitte für uns!
Ave, Mutter mit den Brüsten voll der Milch des Trostes!
Ave, Mutter, Mutterschoß des Vaters!
Ave, Mutter, die uns gebiert ins Ewige Leben!

Ave, Jungfrau, Lächelnliebende!


Ave, Jungfrau, reich an Grazien!
Ave, Jungfrau, virgo intacta!
Ave, Jungfrau, Elfenbeinturm!
Ave, Jungfrau, mystische Braut!

Ave, Königin, schenk uns Frieden!


Ave, Königin, dein Reich komme!
Ave, Königin der Liebe, meine Liebe!
Ave, Königin der Freuden, meine Wonne!
Ave, Königin der Schönheit, mein Ideal!
Ave, Königin des Paradieses, führe uns ins Paradies!

Ave, Göttin, sei uns gnädig!


Ave, Göttin, Gattin meiner Seele!
Ave, Göttin, Spiegel Gottes!
Ave, Göttin, meine Ewige Liebe!
Ave, Göttin, meine mystische Ehefrau!
Ave, Göttin, schenk mir deine kleine Perle!
Ave, Göttin, nimm mich auf in deinen Schoß!
Ave, Göttin, laß mich mit dir mich vereinigen!
Ave, Göttin, laß mich in der Ewigkeit eins sein mit dir!
Ave, Göttin, bitte für mich bei Jesus, meinem Herrn!

Im Namen der Gottheit, der göttlichen Allmacht, der göttlichen Weisheit und der göttlichen Liebe,

Ewige Weisheit, erlöse mich!


Ewige Weisheit, liebe mich oft und heftig und lange!
Ewige Weisheit, laß mich ganz verschmelzen mit dir!
Ewige Weisheit, laß mich Gott in deiner Gottheit sein!

Sela, Sela, Sela!

Zu Ende ist die Hymne Josef Maria Mayers.

EIN MENSCH

ERSTER GESANG
PROLOG

Ich sah im Universum


Eine Nacht
Der totalen Einsamkeit.

Die Sterne verließen


Die Sonne, die allein
Unterging in Finsternis.
Die Sonne schwitzte
Mitten in der Finsternis
Tausend blutige Tränen.

Die Götter Griechenlands


Peitschten mit Skorpionen
Die elende Sonne.

Tausend Tränen weinte


Die hohepriesterliche Sonne
Im Purpurmantel.

Alle spotteten brüllend


Wie Ozeane:
Du willst Sonne sein?

Und die Sonne tauchte


Ihr blutendes Haupt
In das Meer der Trauer.

In der endlosen Traurigkeit


War zu Tode betrübt
Die verblutende Sonne.

Da schrie die Sonne:


Kaiser des Universums
In deinem Empyreum,

Lass diesen Kelch


Mit blutigem Wein
An der Sonne vorübergehn!

Und die Sonne sang


In ihrer Sphärenharmonie
Wie eine goldne Sirene:

Schreibe alle Worte,


Die ich dir sagte,
Der Nachwelt in ein Buch!

Und ich sah, und siehe, was ich sah,


War die Klosterfrau
Der dunklen Nacht des Geistes.

Sie hatte lange schwarze Haare,


Lange Haare wie ein Wasserfall,
Und sie kämmte ihr Haar,

Dann schnitt sie die Haare ab


Und ihre glänzende Glatze
War die glänzende Luna.
Aber ihre Mutter, das Meer,
Zerrte an der dunklen Nacht:
Komm zurück zur Familie!

Du bist Luna,
Du bist von Silber,
Glaube an die dreißig Silberlinge!

Aber die dunkle Nacht


Floh durch einen Spalt,
Durch einen Riss im Universum.

Die dunkle Nacht des Geistes


Hatte eine Busenfreundin,
Das war die dunkle Nacht des Nichts.

Und beide flohen sie


Vor dem Gold der Sterne
Und dem Reichtum des Firmaments,

Schlossen sich beide ein


Als Reklusinnen beide
In der Einsamkeit des Alls.

Aber die gebackene Gottheit,


Die gekelterte Gottheit
Versüßte die Einsamkeit.

Die schwarze Klosterfrau Nacht


Trat zu ihrem Bruder,
Der sang mit den Schleiereulen,

Und sog an seinem Busen,


Die Milch der Milchstraße trank sie
Und sprach betrunken:

Du hast selber nichts zu sagen,


Es sind meine Worte
Und die meines Sohnes, der Sonne.

Vom Himmel hoch da komm ich her,


Ich bring euch eine neue Mär,
So begann ich mein Lied.

Das Thema ist


Das Evangelium
Meiner Liebe.

Ihr singt alle von der Liebe,


Nichts wisst ihr von der Liebe,
Denn die Liebe wurde gekreuzigt!
Eure Lieder von der Liebe
Kreuzigen immer wieder
Die gekreuzigte Liebe!

Die Liebe war im Anfang


Wie die Wehen einer Frau
Und der Schrei der Geburt.

Schreiend kam die Liebe zur Welt,


Ihr erster Laut war das Heulen,
Kein Sultan kommt anders zur Welt.

Aber seit die Liebe


Gekreuzigt wurde,
Ist die Liebe die gekreuzigte Liebe!

Eure Liebe ist Lust,


Eure Liebe ist Spaß,
Eure Liebe ist Hunger.

Aber ich verkünde die Liebe,


Die verblutet,
Die zu Nichts wird!

Ja, die Liebe, die zu Nichts wird,


Damit die Geliebte Alles wird,
Die nenn ich demütige Liebe.

Demütig! Demütig!
Immer schön demütig bleiben!
Nein, ich bin nicht Gott!

Doch Gott ist Liebe


Und ich bin Gottes Ebenbild
Und darum bin ich Liebe.

Und ich künde euch


Das Evangelium
Meiner gekreuzigten Liebe!

ZWEITER GESANG
GEBURT JOSEF MARIA MAYERS

Dass meine Eltern


Geheiratet haben,
Erregte eine Sturmflut.

Mein Vater ist der Sturm,


Meine Mutter ist das Meer,
Die Hochzeit ist die Sturmflut.
Meine Mutter ist die See:
Lasst uns um Sankt Marie
Die See!

Meine Mutter ist die See,


Die Nordsee, die Mordsee,
Der Blanke Hans.

Mein Vater ist der Sturm,


Der Geistbraus überm Meer,
Gottes Geistbraus, sausend.

Mein Vater ist


Der Atem Gottes,
Der Heilige Geist.

Meine Mutter ist


Das Meer der Materie,
Mutter Maria.

Als der Sturm des Heiligen Geistes


In das Meer Mariens fiel,
Da kam die Sturmflut.

Die Sturmflut kam


Und brach die Deiche
Und schoss die Elbe hinauf

Und überflutete Hamburg,


Menschen saßen weinend
Auf den Häuserdächern.

Aber mein Vater


Und meine Mutter
Tanzten ihren Hochzeitstanz

Auf der Insel Baltrum


Im ostfriesischen Archipel
Mitten in der Sturmflut.

Und der brüllende Sturm


Zeugte im schäumenden Meer
Josef Maria Mayer.

So lag ich am Strand


Der Insel Baltrum,
Ein Findelkind,

Da fand mich
Meine Großmutter
Paula Margarethe.
Sie war eine Witwe
Von neunzig Jahren,
Witwe zu Gottes Ehre,

Sieben Jahre
War sie vermählt gewesen,
Seit vielen Jahren war sie allein.

Sie war allein


Und doch nicht allein:
Wer glaubt, ist nie allein.

Sie legte mich


Auf ihren Schoß
Und nahm mich als ihr Kind an.

Sie gab mir Milch


Und süßen Milchbrei
Und Apfelkompott.

Sie sang mir


Wiegenlieder vor
Und Kindergebete:

Lieber Schutzengel mein,


Laß mich dir befohlen sein
Und führ mich in den Himmel!

Ich bin klein,


Mein Herz ist rein,
Soll niemand drin wohnen als Jesus allein!

Lieber Gott,
Mach mich fromm,
Daß ich in den Himmel komm!

Maria, breit den Mantel aus,


Mach Schirm und Schild daraus,
Bis alle Stürme vorüber sind!

Dann küsste mich Großmutter,


Nannte mich ihren Liebling:
Wie schön, dass du geboren bist!

Gott kannte mich schon,


Bevor ich empfangen wurde
Im Mutterschoß.

Bevor des Vaters Samenzelle


Und der Mutter Ei
Verschmolzen zu meinem Leib,
Bevor Gott hauchte
Meine Geistseele
In den Keim des Körpers,

Lebte ich noch nicht,


Aber Gott kannte mich schon
Und rief mich schon beim Namen.

Als ich gewoben wurde


Im Schoß der Materie,
Drunten im Dunkel der Erde,

Berief mich Gott,


Ich solle sein Jünger sein
Und ein Prophet des Höchsten.

Gott gab mir eine Zunge,


Scharf wie ein Pfeil,
Zu sagen trefflich die Wahrheit.

Gott sandte mich


Auf den blauen Planeten,
Die schwarze Mutter Erde,

Mit einer Mission:


Geh, mein Sohn,
Und künde allen Menschen,

Daß Gott der Vater


Die Menschenkinder
Liebt wie eine Mutter!

Darum hat Gott,


Seit Christoph Columbus
Maria von Guadelupe entdeckt,

Hunderttausend
Männer und Frauen
Ehelich vermählt,

Auf dass ich werde,


Frucht unzähliger Vermählungen,
Ich, Josef Maria Mayer,

Zu künden allen Menschen


Die Mutterliebe Gottes
Des allmächtigen Vaters.

DRITTER GESANG
LEBEN JOSEF MARIA MAYERS
Ich bin gekommen,
Den Frieden zu bringen,
Nicht den Frieden, sondern das Schwert!

Ich rief: Friede sei mit euch!


Aber des Menschen Feinde
Waren seine eignen Hausgenossen.

Der Vater wird den Sohn


Dem Richter übergeben,
Der Bruder den Bruder verraten.

Ihr ruft alle:


Friede, Friede!
Und ist doch kein Friede!

Der Friede kommt nicht


Von den Staatspräsidenten
Und nicht von den Armeen.

Kein Friede auf Erden


Ohne Gerechtigkeit
Für die Armen der Völker.

Hört mich, ihr Armen,


Ihr seid die Lieblinge Gottes,
Ihr Armen Jahwes!

Weh euch, ihr Reichen,


Ihr seid schon satt,
Ihr habt euren Lohn schon dahin!

Selig die Armen,


Die nur von Gott noch erbitten
Das tägliche Brot!

Selig ihr, die ihr hungert


Nach Gerechtigkeit,
Selig, die Frieden stiften!

Ihr könnt nicht zwei Herren dienen,


Ihr könnt nicht dem Mammon dienen
Und Gott!

Entweder liebt ihr den Mammon,


Dan werdet ihr
Gott verhöhnen und verspotten,

Oder ihr liebt Gott


Und liebt den Nächsten,
Dann spuckt ihr auf den Mammon!
Gott ist der Richter
In der Gemeinde
Der Götter.

Ich bin Jahwe, dein Gott,


Du sollst keine andern Götter
Neben mir haben!

Ephraim, was sollen mir weiter


Deine Götzenbilder,
Deine steinernen Götzen?

Schau dir die Venus an,


Deine Aphrodite von Marmor,
Sie hat keine Arme,

Sie hat keinen rettenden Arm,


Sie hat keine Füße,
Dir zu Hilfe zu eilen,

Sie hat keinen Kopf,


Sie hat keine Ohren,
Deine Gebete zu hören,

Sie hat keinen Mund,


Zu dir zu sprechen,
Siehe, die Venus spricht nicht.

Schaut euch an das wilde Treiben


Der Venus-Verehrerinnen,
Wie sie sich prostituieren,

Wie sie Unzucht treiben


Und nennen ihre Hurerei
Auch noch freie Liebe,

Sklavinnen ihrer Begierden,


Sklavinnen des Fleisches,
Sklavinnen der Sünde!

Buddha und Sokrates


Und Christoph Columbus
Und Nelson Mandela sind Menschen,

Lao Tse und Konfuzius


Und Mohammed
Sind Menschen, Staub vom Staube.

Eine Scham hindert mich


Die weltlichen Männer
Jesus Christus zu vergleichen.
Plötzlich stand Christus vor mir,
Wahrer Mensch und wahrer Gott,
Und ging in mich ein.

Ah weh, sie haben mein Herz zerrissen,


Mit Luthers deutscher Bibel
Haben sie meinen Leib zerschlagen!

Ich stand in Prag


Und rief zu Jan Hus:
Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage!

Dann warfen sie mich


In Prag aus dem Fenster,
Da rief ich Wallenstein.

Sie haben auf dem Boden


Meines Leibes geführt
Den dreißigjährigen Krieg!

Sie haben an die Pforte


Meines Herzens, der Kirche,
Ihre Thesen genagelt!

Den Ablaß haben sie


Mir gestohlen
Und dann auch die Beichte

Und dann wollten sie


An die Kommunion,
Da riss ich aus!

Ich war in der Kirche


Des heiligen Ludger
Und seines treuen Schwanes

Und speiste Gott


Und schwebte
Über der Erde!

Da hauchte mich Satan an,


Aus seinem übelriechenden Munde
Pest und Schwefel hauchend.

Aus Satans Munde


Schlüpfte eine Ratte,
Stinkend wie die Hölle!

Und Satan reichte mir


Ein Schwert und sprach:
Nun bring dich selber um!
Aber Sixtina
Sprach: Du sollst leben
Und blühen wie eine Lilie!

VIERTER GESANG
DIE PASSION JOSEF MARA MAYERS

Von einem Winter


Und einer dunklen Nacht
Muß ich singen und sagen.

Ein Winter war es,


Nicht einer allein,
Drei Winter waren es,

Doch, in Wahrheit,
Nicht nur drei Winter waren es,
Sondern zehn Winterjahre,

Oder muß ich nicht sagen,


Nicht zehn Winterjahre,
Sondern vierzig Jahre waren es?

Ich schaute nach innen


Und sah meine Seele,
Sah meinen inneren Menschen.

Mein innerer Mensch,


Meine Psyche,
Hing am Kreuz!

Meine Psyche blutete,


Fünf Wunden,
Sieben Schmerzen!

Meine Psyche war verwundet


Und alle Wunden meiner Seele
Waren sprudelnde Quellen

Und aus den Wunden


Brachen die Quellen hervor
Und sprudelten Ströme von Blut!

Aus meiner verwundeten Psyche


Spritzte aus allen Wunden
Das Blut des Erlösers!

O, meine Jugendfreundin
Lag im Sterbebett,
Der Krebs fraß sie auf.
Ich benetzte ihre Stirn
Mit dem segnenden Kuß
Und Strömen des Blutes.

Sie schaute auf


Und sagte mit brechender Stimme:
Ich sehe den gekreuzigten Christus!

Ich war ganz allein


Mit meinem getreuen Kreuz
In dieser finstern Nacht.

Meine zwei Frauen


Und meine fünf Kinder
Hatten mich verlassen,

Meine beiden Freunde


Und die Katholiken
Hatten mich verlassen,

Der Priester
Schickte mich fort
Von seiner Tür.

Jetzt war ich ganz allein,


Ja, von Gott verlassen!
Eli, Eli, lama asabthani?

Dunkle Nacht der Sinne,


Dunkle Nacht der Seele,
Dunkle Nach des Geistes.

Alle feiern den Advent


Und die fröhliche, selige Weihnacht,
Aber es ist mein Karfreitag!

Ich schreie zum Himmel,


Aber Gott stopft sich die Ohren zu
Mit dichten Wolken.

Ich weine meinen Jammer,


Ich flehe um Erlösung,
Ich schrei in meinen Schmerzen!

Da, Nägel in die Hände!


Da, Nägel in die Füße!
Da, eine Lanze in das Herz!

Mein Gott, mein Gott,


Eli, Eli,
Warum hast du mich verlassen?
Da tut sich in einer Vision
Der Himmel auf
Und ich sehe Jesus Christus,

Er stirbt am Kreuz:
In deine Hände
Befehle ich meinen Geist!

Meinst du, der Tod


Sei auf der Stelle
Eine Erlösung?

Da ich gestorben war


Am Kreuz
Mit Jesus Christus,

Musste ich noch hinab


In die Gottverlassenheit
Der Toten im Hades!

Du schreitest durch brennendes Feuer,


Du schreitest barfuß
Über scharfe Scherben von Glas,

Barfuß durch die Hölle!


Ist das die Freudenbotschaft?
Bin ich darum Christ geworden?

Warum hat mich Christus erwählt,


Daß ich allein
Soll pilgern durch die Hölle?

Die Toten harren stumm.


Schatten winken stumm.
Die Toten warten auf Erlösung.

Asche muß ich essen,


Tränen muß ich trinken,
Blut muß ich schwitzen.

Für welche verdammte Seele


Hat Christus mich
In diese Hölle geschickt?

Ich wollte endlich sterben,


Um nicht mehr sterben zu müssen
Diese tausend Tode!

O Gott!
Schlag mich tot
Wie einen Hund!
O Gott,
Flöße mir Morphium ein,
Schläfre mich ein!

De profundis, domine!
Ich schreie aus der Hölle
Zum Erlöser auf dem Blut!

FÜNFTER GESANG
HIMMELFAHRT JOSEF MARIA MAYERS

Ich lag auf meinem Bett


Und schaute die Grabeskerze an
Und verließ meinen Leib
Und schwebte in die Dunkelheit.

Meine Seele
Ward mir herausgesogen
Aus dem Leib,
Es war ein schmerzlich-süßer Sog.

Da schwebte ich in der Nacht,


Im Reich der universalen Nacht,
Und Schatten gesellten sich mir
Zur Rechten und zur Linken.

Alle diese Schatten


Wie Damen und Herren
In schwarzer Trauerkleidung
Standen da wie eine Allee

Von Grabeszypressen
Oder wie auf einer Prozession
Von Trauergästen,
Auf die Dämmerung zu.

Ich irrte umher,


So plötzlich herausgerissen
Aus meinem lustvollen Leib,
So jung gestorben,

Ich irrte unter den Schatten


Wie in einem Labyrinth
Von Lebensbäumen
Und Grabzypressen,

Keinen erkannte ich,


Zwar suchte ich
Unter den Schatten
Meine Brüder und Schwestern,
Ob da Ben Jonson sei,
Friedrich Hölderlin,
Marina Zwetajewa
Oder gar Sappho?

Es machte mich bange


In dieser großen Gesellschaft
Von stummen Schatten
So ratlos zu sein.

Da schwebte heran
Zu mir mein Schutzengel,
Schön wie eine schöne Frau,
Eine himmlische Zwillingsschwester.

Meine himmlische Engelin


(Wie passend
Für einen Minnesänger:
Eine schöne Engelin)

Flüsterte leise
Wie ein Pirol im Lenz,
Wenn der Zaubervogel
Über China tanzt,

Ihre Stimme rauschte


Wie ein Wasserfall,
Als ob sich unter dem Wasserfall
Eine schöne Nymphe duschte,

Und flüsterte leise:


Ich bin Mahanajim,
Mahanajim vom Wildbachtal
Des Jabbok nahe dem Jordan.

Ich sagte zur Engelin,


Wie verwirrt ich sei,
Wie geistesgestört,
Mein Geist wie vom Wahnsinn zerrüttet.

Meine Engelin sagte:


Halte dich nur
Am allerhöchsten Namen
Des Messias Jesus fest!

Da nahm ich in meiner Todesstunde


Den Namen Jesus
Dreimal heilig
In meinen Mund

Und hauchte meine Seele aus:


Jesus!
Jesus!
Jesus!

Da tanzte meine Himmelsschwester


Mahanajim
Wie ein Doppellager
Den himmlischen Hochzeitstanz

Und salbte mein Haupt mit Öl,


Das war die letzte Ölung,
Nun war ich bereit,
Dem Herrn zu begegnen.

SECHSTER GESANG
JOSEF MARIA MAYER IM HIMMEL

Ich stand vor der Himmelstür,


Der uralten ehernen Pforte,
Zwei Doppelflügel aus Kupfer,

Die Himmelstür
Öffnete sich
Einen kleinen Spalt

Und ich sah, und siehe, was ich sah,


Das war mein Herr und mein Gott
In einem blendenden Lichtreich.

Was meint ihr,


Lieben Brüder auf Erden,
Welchen Gott ich sah?

Sah ich einen Großvater


Mit langem weißem Haar
Und langem weißem Bart?

Sah ich einen strengen Richter


Mit zornigen Augen
Und strafender Rute?

Sah ich eine Große Mutter


Mit benedeiten Brüsten
Und Schößen der Barmherzigkeit?

Sah ich einen jungen Papa,


Der spielen wollte
Mit seinem kleinen Knaben?

Nein, nein, ihr Brüder,


Ich sah ein blendendes Licht,
Zu grell für meine Augen,

Und in dem Licht


Sah ich das Antlitz
Des gekreuzigten Christus!

Denkt euch das Selbstbildnis


Albrecht Dürers,
Aber ganz aus Licht,

Nein, denkt euch vielmehr


Das Grabtuch von Turin,
Doch ganz aus Licht gewoben.

Dieser gekreuzigte Christus


War mein barmherziger Jesus
Und mein Totenrichter.

Und ich sah eine Sonne,


Die war wie eine weiße Hostie
In einer goldnen Monstranz.

Und in der Hostiensonne


Sah ich die Stadt Jerusalem,
Den Palast des ewigen Königs.

Und in dem Palaste Gottes


Waren sechs Räume
Und ein siebenter Raum

Und der siebente Raum


War das Brautgemach
Der Ewigen Weisheit.

Und ich sah ein Himmelsbett


Aus Gold und Licht
Und voller purpurner Kissen und Decken.

In diesem Raum
Aus Gold und Glas und Marmor
War es wie ein heller Kristall.

Und in dem Himmelsbette


Lag die Ewige Weisheit
Im transparenten Lichtgewand.

Und ich kniete vor dem Bett


Der Ewigen Weisheit
Und entzündete das Feuer meiner Liebe

Und sprach zur Ewigen Weisheit:


Ich bin ganz dein
In allen Ewigkeiten!

Und da ich ganz dein bin,


Sei du auch jetzt ganz mein
Für alle Ewigkeiten!

Und da ich dein bin, Geliebte,


Und da du mein bist, Geliebte,
Umarme ich dich

Und vereinige mich ganz mit dir!


Von nun an kannst du mit mir machen,
Was du willst, Geliebte!

Und da ich sie umarmte


Und mich mit ihr vereinigte,
Wurden wie in Liebe eins.

Nein, ihr lieben Brüder,


Die ihr so arm seid im Geiste,
Ich muß euch enttäuschen,

Ich habe nicht mit Jesus


Und den zwölf Aposteln
Wein getrunken.

Ich war ja nur ein Tropfen


Sauren Essigs
In einem Meer von Süßigkeit!

Ich war ja nur ein Tropfen


In einem Ozean des Lichts,
Im Ozean der Schönen Liebe!

Ich war aufgelöst


Und verloschen
Im Ozean der Ewigen Liebe!

Was sollen mir da noch


Eure Zechkumpan-Apostel
Mit dem Schenken Jesus?

Jesus war der Wein,


Und ich war der Tropfen Wasser,
Aufgelöst im Wein!

Den Tropfen Wasser,


Aufgelöst im Wein,
Das könnt ihr nicht trennen!

Ich trank nicht mit Jesus Wein,


Nein, Jesus war der Wein,
Ich war berauscht von Jesus!

Ich war trunken


Von dem Weine Gottes,
In der Trunkenheit Gottes!

Was soll mir ein Schoppen


Mit dem Weinschenken Jesus
In der Schenke der Apostel,

Wenn ich berauscht bin


Und selber Trunkenheit bin
In der Trunkenheit Gottes!

Oh, und von der Trunkenheit Gottes


Taumle ich wie im Wahnsinn
In den ewigen Schlaf Gottes!

SIEBENTER GESANG
JOSEF MARIA MAYER AN DIE UNGEBORENEN

Ihr Kinder kommender Geschlechter,


Verzagt nicht, dass ihr werden sollt
Und sollt auf dunkler Erde wandern,

Euer Ungeborensein
Ist seliger zwar
Als der ganze Jammer der Erde,

Doch hier am seligen Ziel


Bezeug ich euch, geliebte Kinder:
Die Wanderschaft lohnt sich!

Gott ist nicht grausam,


Gott hat euch nicht nur geschaffen
Für sinnloses Werden und Vergehen,

Gott spannt seinen Bogen


Und legt euch an als Pfeile
Und schießt euch ins Ziel!

O Ewigkeit, du Donnerwort,
O Ewigkeit, du Flammenzunge,
O Ewigkeit, du lenzlicher Hauch!

Vergesst nicht die hohe,


Die heilige Geistermutter,
Die Geistermutter Ewigkeit!

Für sie seid ihr erschaffen!


Und was euch auf Erden fehlt,
Kann im Himmel Gott ergänzen!

Nicht mit beiden Beinen


Fest auf der Erden
Festgemauert sollt ihr stehen,

Sondern nur mit einem Bein


Auf Erden stehen,
Mit dem andern schreitend zum Himmel!

Und stecken eure Füße auch


Im Lehm der Mutter Erde,
Das Haupt hebt in die Wolken!

Erhebt eure Häupter,


Wenn die Erde bebt,
Denn eure Erlösung naht!

Die Liebe Gottes ist der Anfang


Eures Lebens
Und die Liebe Gottes ist das Ziel.

Ich höre euch schreien,


Ihr ungebornen Kinder:
Wer wird uns führen zu Gott?

Vom Schatzhaus der Weisheit


Hab ich gewonnen diese Einsicht:
Vertraut euch der Mutter Maria!

O Mutter, liebe Mutter,


Dreimal wunderbare Mutter,
Große Gottesmutter,

Ich weihe dir die Ungebornen,


Alle kommenden Geschlechter
Werden dich selig preisen!

Bienheureuse Marie,
Oh vierge chérie,
Délice éternelle !

O du überhimmlische Matrone,
Breite deinen Mantel
Über die Ungebornen!

Alle kommenden Geschlechter


Nimm in deinen Schoß,
Laß sie geborgen sein in deinem Schoß,

Und im rechten Kairos


Gebäre, Mutter,
Die Ungebornen ins ewige Leben!

Unsre köstliche Mutter,


Unsre Liebe Süße Frau,
Nimm dich der Ungebornen an,

Küsse sie
Mit zärtlichen
Mutterküssen

Und führe sie,


Heerführerin
In allen Schlachten Gottes,

Führe sie, die Lämmer Gottes,


Zum Guten Hirten,
Zur Quelle und zur grünen Aue!

Königin des Paradieses,


Öffne du die Himmelspforte
Allen deinen geliebten Kindern!

Ich schaue nun


Mit ewigen Augen
Zur schwarzen Mutter Erde

Und was ich sehe


Auf dem Mütterchen Erde,
Das sind alles Gräber.

Dort ist der schwarze Stein,


Da meiner Großmutter
Körper ist begraben.

Dort ist die weiße Marmorplatte,


Wo der Körper
Meines Vaters ist begraben.

Dort ist ein weißer Kelch


Aus Granit, da steht:
Ci git! Hier wohnt...

Und auch mein Gebein


Ist längst gesät
Zum Tag der Auferstehung.

Klopstock hör ich singen:


Halleluja, Halleluja
Dem Tag der Auferstehung!

Das ist ein Tag,


Da werde ich auferstehen,
Da wirst du auferstehen!

Da nimmt mich mein Engel


Bei der Hand
Und führt mich zu dir...

Pneumatischer Lichtleib,
Sei gesegnet,
Transparenter Glanzleib,

In dem die Seele strahlt,


Flamme vom Feuer Gottes,
Transparent für Gott!

Alle ihr geliebten


Pneumatischen Leiber
Und unsterblichen Seelen,

Lasst uns tanzen wie die Engel,


Lasst uns lachen wie die Engel,
Lasst uns lieben wie die Engel,

Versunken im Genuß
Der Ewigen Schönen
Liebe!

CONFESSIONES
ERSTER TEIL
DIE KOMMUNISTISCHE JUGEND

Ich schrieb eine Geschichte


Der Rebellion,
Aufstand gegen das Elternhaus,
Gegen Autorität und Hierarchie,
Einen Schrei nach Freiheit,
Nach eigenen Menschenrechten,
Nach Selbstbestimmung
Und Selbstverwirklichung.

Es war ein naiver Anarchismus,


Ich verteidigte die Rechte
Der Ameisen und der Gänseblümchen.
Ich war gegen jede Herrschaft,
Aber eigentlich protestierte ich
Gegen meinen Vater,
Den Bankangestellten,
Den strengen Mann,
Den kaltherzigen, hartherzigen,
Autoritären Mann.

Im Namen meiner Großmutter


Protestierte ich
Gegen meinen toten Großvater,
Den Familientyrannen,
Den Nationalsozialisten.

Mein Vater war Sozialdemokrat,


Aber kein revolutionärer Geist,
Er war ein Pfennigfuchser,
Ein kleingeistiger Geldanbeter,
Ein diesseitiger Genussmensch.

Ich wollte alle Fesseln sprengen,


Die Fesseln der Familie,
Des Staates, des Patriarchats.

Und als meine Verbündeten


In dem persönlichen Krieg
Gegen alle Herrschaft und Vaterschaft
Wählte ich Marx und Engels,
Ohne sie zu kennen,

Ich wusste nur eins: Ihre Ideen


Waren Revolution,
Rebellion, Aufstand,
Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit.

Aber alles in mir war anarchistisch,


Ablehnung jeglicher Herrschaft,
Auch Ablehnung der Herrschaft
Des Menschen
Über die Gänseblümchen und Ameisen.

Ich hörte im Radio


Die Nachricht, dass in Polen
Die Gewerkschaft Solidarnosc
Unterdrückte wurde
Durch ein Militärregime.

Da empörte sich mein Sinn


Für Freiheit und Gerechtigkeit
Und ich war gegen das Militär,
Gegen General Jaruselzki
Mit der ewigen Sonnenbrille.

Im Gymnasium
Schrieb ich in Gemeinschaftskunde
Einen Aufsatz und unterzeichnete
Mit dem Zeichen der Anarchisten.
Der Lehrer sprach mich an,
Ob ich wüsste, was Anarchie sei.
Er empfahl mir das Buch:
Der kurze Sommer der Anarchie
Von Hans Magnus Enzensberger.

Der Lehrer war also ein Rebell,


Ein Anarchist, ein Linker.
Mit meiner Freundin Hedda
Besuchte ich den Lehrer
In seinem alten Bauernhaus.

Ich hatte einen Text geschrieben


Über die Gewissensprüfung
Eines Kriegsdienstanwärters,
Einen satirischen Dialog.
Den zeigte ich dem Lehrer
Und er wies mich an eine Zeitung
Der Friedensbewegung,
Von linken Lehrern geleitet.

Ein andrer Lehrer war neu


Am Gymnasium
Und ihm drohte Berufsverbot,
Weil nicht sicher war,
Daß er das Grundgesetz schätzte,
Denn er war in seiner Jugend
Maoist in Westberlin gewesen.

Es gab Proteste gegen das Berufsverbot


Und der Lehrer wurde angestellt
Und wurde mein Lehrer
In Gemeinschaftskunde und Politik.

Bei meiner Freundin Hedda


Fand ich Maxim Gorkis Roman
Die Mutter.

Ich bekam eine romantische Vorstellung


Von der russischen Revolution.
Die Kommunisten waren Kämpfer
Für die Freiheit des Volkes.
Hier war Solidarität,
Tapferkeit und Mut,
Heißes Verlangen nach Freiheit
Und Gerechtigkeit auf Erden.

Vor der Mutter Heddas


Nahm ich den Namen Lenin
Preisend in den Mund.
Sie sagte zu meinem Erstaunen:
Was war denn so schlecht am Zaren?
Das schien mir eine absurde Frage.
Der Zar, die Monarchie,
Das war für mich Despotismus,
Tyrannei und Sklaverei.

Es fand ein Treffen statt


Der Friedensbewegung
Gegen die amerikanischen Raketen,
Die in der Bundesrepublik Deutschland
Stationiert werden sollten.

Ich fuhr mit Hedda zu dem Treffen.


So kam ich zur Friedensbewegung.
Dort trafen sich Sozialisten,
Kommunisten,
Naturschützer, Pazifisten,
Liberale Christen,
Sie protestierten gegen die Rüstung,
Gegen die Drohung
Eines dritten Weltkriegs,
Eines atomaren Weltkriegs.

In der Schule
Sahen wir einen Film
Über die Folgen eines Atombombenabwurfs
Und es entsetzte mich
Und ich wollte meine Jugend investieren,
Zu kämpfen gegen die Atombombe.

Amerika und die Sowjetunion


Wetteiferten in der atomaren Rüstung
Und ich war gegen alle Waffen
Und war ein Pazifist.

In der Friedensbewegung
Lernte ich Martin kennen,
Einen trotzkistischen Marxisten,
Er lud mich zu sich ein.
Seine Schwester Ursel war sehr schön,
Mit langen glatten schwarzen Haaren
Und schwarzen Augen und weißen Zähnen,
Ich verließ Hedda,
Um Ursel zu lieben.

Ursels Mutter war Christin,


Sie sagte: Jesus gebot:
Wenn dich einer auf die eine Backe schlägt,
So halt ihm auch die andere Backe hin.
Darum ist das atomare Wettrüsten
Amerikas und Russlands gottlos.

Aber Martin erklärte mir,


Amerika sei aggressiv
Und Sowjetrußland
Verteidige sich nur.

Amerikanische Atomraketen
Seien gegen den Frieden,
Sowjetische Atomraketen
Erhielten den Frieden.

Und Martin gab mir zu lesen


Das Kommunistische Manifest
Und des bulgarischen Stalinisten
Dimitroff Reden
Gegen den Faschismus
Und Lenins Analyse
Der Ökonomie des Imperialismus.

Und ich las Lenin


In Ursels Zimmer
Und verstand kein Wort
Von der marxistischen Ökonomie
Und schaute nur Ursels Augen
In Verliebtheit an.

Dann sagte mir Martin,


Es werde jetzt gegründet
Eine sozialistische Jugendgruppe
Und er lud mich ein
Zum ersten Treffen
Der sozialistischen deutschen Arbeiterjugend.

Da saßen wir im Jugendzentrum


Und gründeten den Ortsverein
Der sozialistischen deutschen
Arbeiterjugend,
Lauter Gymnasiasten.

Thomas liebte das Militär,


Die Rote Armee
Im Großen Vaterländischen Krieg.

Werner war der Sohn


Eines Fabrikarbeiters.

Volker war der Sohn


Einer Katholikin,
Die zu Pax Christi gehörte,
Und er stritt sich oft
Mit seiner christlichen Mutter.

Ein Landesvorsitzender
Kam aus Bremen
Und erklärte uns das Bekenntnis
Der sozialistischen Jugend.

Die Mutterpartei
War die deutsche kommunistische Partei.

Deren Ortsvorsitzende
War die Rote Regina.
Sie schimpfte auf die Polacken,
Die katholischen Polen,
Die Väterchen Stalin
In ihre Grenzen verwiesen.

Aber die sozialistische Jugend


Trat ein für die Rechte der Jugend,
Für gerechten Lohn,
Für die internationale Solidarität
Mit den Befreiungsbewegungen
In der dritten Welt,
Für Frieden und Abrüstung,
Für die Rechte der Frau.

Wir gründeten unsern Ortsverein


Und wählten einen von uns
Zum großen Vorsitzenden,
Einen zum Kassierer,
Einen zum Protokollanten.

Wir waren immer nur drei,


Drei oder vier Leute.
Thomas kochte schwarzen Tee
Und bot uns Kekse an.
Bevor er Kommunist geworden,
Ritzte er in die Schulbank
Hakenkreuze der Nationalsozialisten.
Er liebte die nationale Volksarmee
Der deutschen demokratischen Republik.
Er sagte, er habe einmal
Den Jungfraunberg in den Alpen
Bestiegen, die Jungfrau bestiegen.
Er war von keinem großen Intellekt.

Werner war ein echtes Arbeiterkind,


Er war der Kassierer der Gruppe.
Die Mitgliedsbeiträge
Bezahlte keiner gerne.
Wir mussten aber Marken
Ins Parteibuch kleben.
Werner lernte Ute kennen,
Die war aus katholischer Familie,
Kam nicht zur sozialistischen Jugend.
Werner ist später Lehrer geworden
An einer praktischen Berufsschule.
Ute aber führte mich
Zu den Leiden des jungen Werther,
Die ich in Oldenburg las.

Volker war der Vorsitzende,


Ein intellektueller Mensch,
Rational und logisch denkend.
Wir liebten ideologische Diskussionen
Über die wissenschaftliche Weltanschauung,
Hegels Dialektik,
Vom Kopf auf die Füße gestellt
Durch Lenins Materialismus.
Volker brachte Sonja herbei,
Das wilde revolutionäre Flintenweib,
Mit großen Brüsten und kleinem Mund.
Volker ging später nach Bremen
Und wurde Doktor der Physik,
Gab sich mit Rechenmaschinen ab
Und spottete über die Christen,
Die immer aussehen wie das Leiden Christi
Und immer Halleluja singen...

Ich schrieb vor allem die Flugblätter,


Pamphlete der Propaganda
Und pseudowissenschaftliche Abhandlungen
Der leninistischen Ideologie.

7
Ich traf Sonja
In der Diskothek.
Wir waren beide betrunken
Und tauschten Tabak aus,
Gingen hinaus in die Nacht,
Standen auf dem Deich
Am Strande der Nordsee
Und küssten uns.

Wir wurden ein Paar,


Einen Winter lang.
Ich beschaute die großen Glocken
Und küsste den kleinen Mund
Und sie bekam dafür
Von mir geschrieben
Einen Aufsatz in deutscher Literatur.

In diesem Winter las ich


Russische Tiergeschichten.
Wir gingen spazieren
Im schneidenden Frost
Auf knirschendem Schnee.

Sie war die Tochter


Eines Gastwirts
Und war dem Wodka hold,
Wie ich dem Wodka hold.

Sonja, russische Seele,


Revolutionäres Flintenweib!

Eines Tages
Besuchte ich Genosse Volker,
Fand ihn nackt auf seinem Bette
In den Armen der nackten Sonja.

Russische Tiergeschichte
Im russischen Winter:
Ich war ein Steppenwolf
Und heulte den Mond von Asien an
Und ersäufte meine Seele
In der russischen Seele aus Wodka.

Alle Weiber sind Gemeingut


Wie in Platons Staat
So auch im Kommunismus.

Volker blieb mein Freund


Und Sonja meine Genossin,
Aber es gelang mir nicht mehr,
Sie niederzuziehen auf mein Bett.
8

Ich las die Biographie Lenins.


Wladimir Iljitsch Uljanow
Hatte einen älteren Bruder,
Der war ein Terrorist
Und schoß den Zaren Alexander an
Und wurde deswegen zu Tode verurteilt
Und hingerichtet.

Wladimir Iljitsch Uljanow


Dachte, der Terrorismus
Sei nicht der richtige Weg
Zur Beseitigung der Zarenherrschaft.
Es muß eine Partei geben
Und eine politische Führung
Der gesamten Arbeiterklasse.

Lenin war in der Schweiz


Und sammelte Pilze.

Lenin traf Inès Amand,


Eine französische Kommunistin,
Die von der freien Liebe sprach,
Doch Lenin meinte,
Die freie Liebe sei bürgerlich.
Das revolutionäre Russland
Aber liebt sich in der Ehe.

Ein Baum ward gefällt,


Doch Lenin sprach:
Man soll die Bäume nicht fällen.

Lenin kam pünktlich


Zur Versammlung
Und Stalin staunte darüber,
Denn Stalin dachte sich:
Große Männer
Müssen zu spät kommen.

Lenin warnte die Partei


Noch auf dem Sterbebett
Vor dem grausamen Stalin.

Stalin war der Böse,


Lenin aber war ein Befreier,
Ein Messias aller Völker,
Ein revolutionärer Anti-Messias!
9

Die deutsche kommunistische Partei,


Eine unbedeutende Sekte,
Wurde geführt
Von der roten Regina von Norderney.

Sie war eine kleine alte Frau,


Krumm und bucklig,
Mit grauen Glubschaugen,
Einer Warze auf der Nase
Und einer schrillen Elster-Stimme,
Ganz wie die Hexe
In den Träumen meiner Kindheit.

Sie hielt nichts von den jungen


Und wilden Revolutionären,
Die doch nur liebten Wein, Weib und Gesang
Und kannten keine Disziplin.

Sie erzählte von der guten alten Zeit


Der kommunistischen Partei Deutschlands,
Als der Terror der Nationalsozialisten begann,
Versteckten die Kommunisten
Stalins gesammelte Werke
Unter den Dielen eines Tanzschuppens.

Nach der Befreiung vom Faschismus


Durch die heldenhafte Rote Armee
Im Großen Vaterländischen Krieg
Unter Führung des Generalissimus Stalin

Wurden die gesammelten Werke


Stalins wieder hervorgeholt.
Die besaß die rote Regina,
Alte braune Lederschinken
Mit der gesammelten Dummheit Josefs.

Stalin war als Mönch erzogen


In Georgien, lief davon
Und wurde Terrorist
Und besorgte den Bolschewisten
Geld durch Banküberfälle.

Er ließ sich anbeten


Als einen Vatergott
Und machte den Kommunismus
Zu einer Gegen-Religion,
Einen Glauben ohne Gott,
Mit einem Menschen als Gottherrn,
Ein wahres antichristliches
Gegengöttliches Heilssystem
Mit infernalischem Haß
Auf den russischen Christus.

10

Ich erinnere mich,


Wir saßen in einer Gaststätte,
Arbeiter saßen beim Bier,
Wir schwatzten
Jugendlich töricht
Pseudophilosophischen Tiefsinn.

Einer sagte: Der Urkommunismus


Hat viele Propheten,
Platons Staat
Ist eine Utopie,
Utopia von Thomas Morus,
Das Neue Atlantis
Und der Sonnenstaat.

Es gab sozialistische Utopisten,


Saint-Simonisten,
Französische Revolutionäre
Und die Pariser Kommune
Mit Arthur Rimbaud.

Ich sagte: Alles Unsinn!


Vor Karl Marx
Gab es keinen Kommunisten.
Alle diese Propheten
Sind bloße Utopisten,
Bürgerliche Träumer.
Erst Karl Marx entdeckte
Die historische Gesetzmäßigkeit
Und die revolutionäre
Macht der Arbeiterklasse.

Hegel und seine Dialektik,


Von Lenin auf die Füße gestellt!
Bachofen und sein Matriarchat
Und das Matriarchat der Huronen
Von Engels gedeutet
Auf den Urkommunismus!
Feuerbach und seine Religionskritik
Von Marx vollendet
Im wissenschaftlichen Atheismus!

Platon und sein Staat?


Thomas Morus und sein Utopia?
Das alles ist der alte Bund
Der unvollkommenen Propheten.
Mit Karl Marx und Friedrich Engels
Und dem Kommunistischen Manifest
Beginnt die Zeit des Heils,
Da die Arbeiterklasse
Unter Führung der Partei
Das Paradies auf Erden stiftet.

11

Wir saßen in einer Wohnstube,


Die rote Regina
Und die jungen wilden Revolutionäre.

In der Bundesrepublik Deutschland


Waren die Christ-Demokraten
An die Macht gekommen,
Geführt vom rheinischen Katholiken
Kohl, der wegen seiner Form
Von uns ward spöttisch Birne genannt.

Nein, die Bäume


Der Christ-Demokraten
Wachsen nicht in den Himmel.

Die Christ-Demokraten
Wollten amerikanische Raketen
Auf deutschem Boden.
Kriegstreiber! Aggressoren!
Knechte des Finanzkapitals!

Wir jungen Wilden


Traten ein in die Partei
Der westdeutschen Kommunisten.

Mein Vater fand


Mein rotes Parteibuch,
Das müsse ich selbst bezahlen,
Rief er, das finanziere er nicht.

Fortan am Mittagstisch
Der atheistischen Familie
Stritten Vater Sozialdemokrat
Und Söhnchen Kommunist.

Meine Mutter aber sagte:


Die schreckliche rote Regina,
Dieses schreckliche Weib
Mit der schrillen kalten Stimme
Will dich wieder sprechen!
Meine liebe Großmutter sagte:
Bist du einer von Jesus?
Ich leugnete Jesus: Nein,
Ich bin ein Kommunist.
Und meine liebe Großmutter sagte:
Pfui, ein Kommunist,
Mein Junge, lies den Psalm
Vom Guten Hirten!

12

Lenin und seine Bolschewiki


Hatten eine Zeitung
Namens Iskra, der Funke.

Wir hatten auch eine Zeitung


Und nannten sie: Funke
Und wählten als Motto
Ein Zitat von Lenin:
Von diesem Funken
Wird ein Feuer ausgehen,
Das die ganze Welt verändert.

Archimedes sagte:
Gebt mir einen Punkt,
Daß ich die ganze Welt bewege.

Dieser kleine Punkt


Und dieser winzige Funke
Waren die drei Gymnasiasten
In Ostfriesland
An der Nordseeküste.

Von Norden an der Nordsee


Soll die Weltrevolution ausgehen.

Die hatte immerhin schon stattgefunden.


Lenin, unser Idol,
Und seine bolschewistische Bande
Hatte die russische Irrlehre
Ausgebreitet über die Hälfte der Welt,
Von Russland bis Angola,
Von China bis nach Kuba
Herrschte die kommunistische Partei.

Im Kunstunterricht der Schule


Sollten wir einen Holzschnitt machen
Von einem Familienmitglied.
Ich machte eine weltliche Ikone
Vom Antlitz Lenins
Und nannte ihn: Großvater Jan.
Der Lehrer sagte:
Das ist doch nicht dein Großvater Jan,
Das ist doch Lenin.

Ein plattdeutscher Heimatdichter


Nannte mich verächtlich
Einen Möchte-gern-Lenin.

Lenin war ein Idol,


Ein atheistischer Halbgott,
Ein Gegen-Messias.

13

Ostern ist gekommen!


Was macht ein Kommunist
Am heiligen Ostersonntag?
Er marschiert
Auf dem Ostermarsch
Der Friedensbewegung
Für die atomare Abrüstung.

Da marschierten Ostern
Tausende, Zehntausende,
Linke Sozialdemokraten,
Gewerkschafsfunktionäre,
Kommunisten, Sozialisten,
Marxisten, Leninisten,
Trotzkisten, Maoisten,
Umweltschützer, Pazifisten,
Linkskatholiken,
Evangelische Friedensbewegte.

Alle waren vereint in dem Wunsch,


Keine amerikanischen Atomraketen
Auf deutschen Boden
In der Bundesrepublik Deutschland.
Uneins waren sie in der Frage,
Ob russische Atomraketen
Auf deutschem Boden
In der Deutschen Demokratischen Republik
Gerechtfertigt seien.

Auch im sozialistischen Deutschland


Gab es eine Friedensbewegung.
Ihr Motto stammte
Vom Propheten Jesaja:
Schwerter zu Pflugscharen!

Aber ich erinnere mich


An ein Treffen
Der westdeutschen Kommunisten
In Bremen, da ich hörte,
Die westliche Friedensbewegung
Sei von Kommunisten zu stärken,
Die ostdeutsche Friedensbewegung
Sei konterrevolutionär
Und antikommunistische Propaganda.

Die größte Friedensbewegung


Der ganzen Menschheit
Der internationalen Arbeiterklasse
Sei schließlich die Rote Armee
Der ruhmreichen Sowjetunion.

14

Hoch die internationale Solidarität!

In Südafrika
Am Kap der guten Hoffnung
Herrschten die Weißen
Und versklavten die Schwarzen.
Apartheid nannten die Weißen das,
Die menschenfeindliche Rassentrennung.

Gegen die Apartheid kämpfte


Der Afrikanische National-Congreß,
Geführt vom Rechtsanwalt
Nelson Mandela,
Der zwanzig Jahre im Gefängnis saß
Auf einer Gefängnisinsel.

Gegen die Apartheid


Erhob die Stimme
Der schwarze anglikanische Bischof
Desmond Tutu.

Auch in Deutschland
Gab es eine Bewegung
Der Solidarität
Mit den Schwarzen Südafrikas.

Keiner soll die Orangen kaufen


Der Weißen Südafrikas!
Boykottiert die Rassisten!

Schwarze Chöre kamen


Und sangen in Deutschland
Die harmonischen und melodischen
Chorgesänge der Schwarzen.
Ich schrieb ein Theaterstück,
Und mit einer Gruppe
Junger weißer Frauen –
Tanja war sehr schön –
Führten wir das Stück auf,
Den Tanz der Orange.

Ich schrieb ein Gedicht


Für Nelson Mandela,
Eine Hymne an die Freiheit,
Und klebte es auf Plakaten
An die deutschen Sparkassenhäuser.

15

Hoch die internationale Solidarität!

In Nicaragua herrschte
Der Diktator Somoza.
Dagegen kämpften die revolutionären
Sandinisten,
Die Söhne und Töchter Sandinos,
Mit revolutionären Waffen
Im Guerilla-Krieg.

Der Priester Ernesto Cardenal


Und seine Genossen Befreiungstheologen
Segneten die revolutionären Waffen.
Denn das war ihnen eins:
Kommunion und Kommunismus.

Das revolutionäre Flintenweib


Gioconda Belli
Schrieb die erotische Lyrik
Der revolutionären freien Liebe.

Ich und meine Genossen,


Von Moskau ferngesteuert,
Machten eine Aktion
Auf dem Marktplatz,
Geld zu sammeln,
Almosen der reichen Spießbürger,
Um Waffen zu kaufen,
Waffen für die Sandinisten,
Waffen für Nikaragua.

Ernesto Cardenal
War ein Christ,
Den die Kommunisten schätzen,
Wegen seines Kommunismus,
Nicht wegen seines Christentums.
Kuba war ihm das Paradies,
Die himmlische Zuckerinsel.

Sandino und Jesus


Waren seine Revolutionäre.
Die alten Götter der Indianer
Waren subversive
Guerilla-Krieger für die Freiheit.

Pablo Neruda schrieb


Den Canto Generale
Der südamerikanischen
Revolution.

Und Mikis Theodorakis,


Griechischer Kommunist,
Komponierte den Canto Generale
Zu einer revolutionären Volksoper.

16

Die Revolution, die Revolution


War so romantisch!
Wir spielten Revolution,
Robin Hood, Klaus Störtebecker,
Schinderhannes, Robespierre!

Der Zar aller Russen,


Ein grausamer Despot!
Sankt Nikolaus der Zweite,
Ein brutaler Sklavenhalter!

Kerensky hat ihn gestürzt,


Darum hat die Kirche
Kerensky das Begräbnis verweigert.

Die Sozialisten, Sozialrevolutionäre,


Menschewiki, Sozialdemokraten,
Bürgerliche und Anarchisten,
Alle fegte Lenin weg!

Die revolutionäre Arbeiterklasse


Ist Person geworden in Lenin.

Am siebenten November
Machte Lenin seinen Putsch.

Der Zar ward erschossen.

Lenin rief die Sowjetrepublik aus.


Trotzki war Kriegskommissar.

Trotzki bekämpfte
Die Matrosen von Kronstadt.

Der Rote Terror ward ausgerufen!


Das gefiel Josef Stalin.
Die Weißgardisten
Und ausländischen Mächte
Wurden besiegt.

Der Thron war gestürzt,


Jetzt ward der Altar gestürzt,
Lenin nahm das Gold
Der Ikonen, Kelche und Priestergewänder
Und gab das Kirchengold
Der Kasse des Kriegskommunismus.

Es waren die Wehen einer neuen Zeit.


Majakowski verkündete
Das Paradies auf Erden
Für die Proletarier aller Völker.

17

Ich las die Gedichte


Von Mao Tse Tung.
Chinesische Lyrik!

Die Ideen
Mao Tse Tung’s
Sind eine geistige Atombombe!

Mein Lehrer in Politik


Lud mich ein,
In seiner Bibliothek zu stöbern.
Da fand ich Mao,
Seine philosophischen Aufsätze
Über die marxistische Dialektik.

Philosophie!

In China tragen alle Chinesen


Blaue Arbeiterkittel.
Auch ich trug einen blauen
Arbeiterkittel
Mit rotem
Stern am Revers.

Mao Tse Tung


Schwamm durch den Yang-tse,
Den Blauen Strom.

Mao Tse Tung


Besiegte die Hungersnot,
Durch klappernden Lärm
Scheuchte man die Spatzen auf,
Sie ließen sich aus Angst
Nicht nieder auf den Zweigen
Und fielen vor Schwäche
Vom Himmel in die Pfannen.

Mao Tse Tung,


Ein Lyriker, ein Philosoph,
Ein Massenmörder!

Während der Kulturrevolution


Fraßen die Bauern Ratten
Und Mütter ihre toten Babys!

Kulturrevolution in China,
Roter Terror der Roten Garden!
Kulturrevolution in Berlin,
In Deutschland riefen die Studenten:
Mao, Mao, Mao Tse Tung!

Die Mao-Bibel
Schenkte Blinden das Augenlicht
Und ließ Lahme hüpfen,
Hüpfen wie Hirsche über die Höhen.

18

Auch ich war auf dem Festival der Jugend!


Moskau, das dritte Rom,
Moskau finanzierte
Das internationale Jugendfest.

Revolutionäre Jugendliche
Aller Herren Länder
Waren in Dortmund versammelt.

Sängerinnen sangen:
Neue Männer braucht das Land!

Kurden kochten leckere gegrillte Speise.

Russische Folkloregruppen
Tanzten zur Balalaika.

Sandinos Jugend war da


Mit ihren gesegneten Waffen.
Aus der Ukraine kam die Nachricht,
Ein sowjetisches Atomkraftwerk
Habe radioaktive Strahlen
Über Europa ausgestrahlt.

Volker, Werner und ich,


Wir tranken Bier
In revolutionären Bacchanalien.

Ich sog an Karins Brüsten.

Überall Lehrveranstaltungen
In Fragen der politischen Ökonomie,
Der Agitation und Propaganda,
Der materialistischen Philosophie,
Der historischen Dialektik.

Vietnamesen
Boten Kichererbsen an.

Die marxistisch-leninistische
Jugend Angolas war da
Und der Afrikanische National-Congreß
Vom Kap der guten Hoffnung
Mit seinen Chören.

Karl Marx prophezeite:


Wenn bei allen Völkern
Das Prinzip der Arbeit herrscht,
Wird Friede auf Erden sein.

Dann wird die Menschheitsfamilie


Eine kommunistische Union sein.

19

Ich habe von Erich geträumt,


Von Erich mit dem roten Bart,
Dem Kaiser Barbarossa.

Wir flohen vor der Schule,


Um frei zu sein.
Er dichtete plattdeutschen Blues
Und ich las Lenins Schriften.

Erich war ein Anarchist,


Bakunin und Erich Mühsam,
Ché Guevarra sein Idol.

Wie Ché mit seiner Zigarre,


Seiner dicken Havanna,
So Erich mit seiner Pfeife,
Seiner langen Haschisch-Pfeife.

Erich sagte: Ich bin zwei,


Bin Er und Ich.

Er las das Tagebuch


Von Ché Guevarra,
Das Fidel Castro
Zensiert und stilisiert.

Originalton Ché Guevarra:


Wir müssen der Jugend,
Der revolutionären Jugend,
Einen abgrundtiefen
Klassenhass schenken,
Haß auf den Klassenfeind!
So werden die Jugendlichen
Kalte Tötungsmaschinen!

Da sagte Rudi Dutschke,


Der Führer der Studenten:
Das kann man so nicht stehen lassen,
Das müssen wir kommentieren.

Erichs Vater
War ein Versicherungskaufmann
Und der Vater stellte den Sohn an
Als Versicherungsvertreter.

Ich träumte, Erich wäre gestorben.


Erich, der so gerne Blues gespielt,
Mit dem ich oft gespielt
Den Blues.

20

Ich war in Leverkusen


In einer Schule der Partei
Und studierte dort
Die politische Ökonomie
Des Marxismus.

Entfremdete Arbeit
Schafft Mehrwert,
Der abgeschöpft wird als Profit.

Ein Genosse sagte zu mir:


Genosse, du bist so strong,
Genosse, du bist so soft.
Dann war ich auch in einer Schule
Der Freien Deutschen Jugend
In der Deutschen Demokratischen Republik
Und studierte dort
Den dialektischen Materialismus.

Die Urgesellschaft
War primitiver Kommunismus.
Dann kam die Sklavengesellschaft,
Daraufhin der Feudalismus.
Mit der französischen Revolution
Begann die Bürgergesellschaft,
Da das Kapital herrscht
Über das Proletariat.
Der historischen Notwendigkeit nach
Wird die Bürgergesellschaft
Abgelöst vom Sozialismus
Der revolutionären Arbeiterklasse,
Abgelöst von der Diktatur
Des Proletariats,
Die übergeht in den Kommunismus,
Das menschengemachte
Paradies auf Erden.

Sonja war auch in der Schule.


Nachts in einem See
Ging ich mit Sonja baden.

Ich sang die ganze Zeit


Dies schlichte Lied:
What have they done to my song, Ma?

21

Als alter Partei-Veteran


Und Haudegen aus dem kalten Krieg
Durfte ich Urlaub machen
In Grünheide bei Berlin.

Da war ich jung allein


Im Kreis von Veteranen,
Die hatten noch erlebt
Die Illegalität
Der Kommunistischen Partei Deutschlands
Unter Adenauers Regierung.

Ich spielte Schach


Mit den alten Veteranen.

Wir gingen im Wald spazieren,


Da roch es nach Pilzen.

Im Kindergarten
Jenny Marx
Sah ich keine Kinder.

Ich ging in die Bibliothek


Und fand dort Hölderlin
Und das Hohelied Salomos.

Hölderlin schwor
Unwandelbare Liebe
Dem Genius der Wahrheit!
Modert, Knechte,
Über euern Gräbern
Steigt lächelnd der Friede auf!
Sei mir gegrüßt,
O Göttin der Muße!

Das Hohelied Salomos


Las ich zum ersten Mal,
Es war ein schönes Buch,
Eine Liebhaber-Ausgabe,
In schöner, farbiger Handschrift.

Was für ein Liebeslied!


Was für eine Ekloge
Von verliebten Schäferinnen!

Im Restaurant bediente
Eine schöne Kellnerin,
Schlank wie eine Palme,
Jung und reizend und charmant.

22

Auch ich war in Arkadien!


Ich habe Prag gesehen!

Libussa, meine Liebe,


Libussa, tanze!
Tanze, Laurentia,
Liebe Laurentia, tanze!

Der heilige König Wenzel


Und seine heilige Großmutter
Mögen mich segnen!

Sankt Nepomucken
Auf der Brucken
Vertraue ich
Die wilden Sünden
Meiner törichten Jugend!

Die Theyn-Kirche sah ich


Und stand vorm Altar
Und sah Maria-im-Schnee!

Im Goldenen Gässchen
Ging ich mit Kafkas Schatten,
Tycho von Brahe
Machte Gold für den Kaiser.

Den Hradschin sah ich,


Doch keinen Habsburger Kaiser.

Mit Prager Poeten


Trank ich weißen Wein
Im Straßen-Café.

Und ich schaute den Mädchen nach,


Den rosigen Mädchen,
Den flatternden Schmetterlingen,
Denn ich war eine Blume,
Die von Falter zu Falter flatterte.

Ich erhebe mein Kelchglas


Mit dem weißen Wein
Der Marke Poesie
Auf Marie im Schnee!

Maria im Schnee,
Segne alle blühenden Mädchen,
Alle Mädchen im Blütenschnee!

Und nun beuge ich mein Knie vor dir,


O Prager Jesulein,
Du heimlicher Kaiser der Geschichte!

ZWEITER TEIL
MEINE GELIEBTEN

DÖRTE

Meine Freundin,
Dein Vater war ein Architekt
Und meine Mutter
War des Architekten Sekretärin.

Ich spielte mit dir


Im großen Garten deines Vaters
Ping-Pong.
Einmal nahm dein Vater
Mich zum Segeln mit,
Wir segelten auf dem Großen Meer.

Du hattest einen Kaufmannsladen


Und ich spielte mit dir
Und mit den kleinen Püppchen.

Deine große Schwester


Führte mich zur Kinder-Bibelstunde.
Dort hörte ich vom Mosesbaby,
Von Josef im Brunnen
Und seinen gemeinen Brüdern,
Von David im Kampf mit Goliath.

Später gabst du ein Fest


Zu deinem Geburtstag
Und ich hörte davon
Und kam zu dir
Mit einer Kasperle-Puppe
Und sagte ein Gedicht auf.

Im Keller deines Hauses


War eine Diskothek
Und wir tranken dort Bier
Der Marke Jever
Und wir tanzten dort
Zu Abba.

Ich hörte von meiner Mutter,


Du hast Jura studiert
Und bist Ehefrau und Mutter geworden.
Ich hoffe, du bist
Nicht wie andre Advokaten,
Die auf menschlichen Gefühlen
Trampeln herum wie Elefanten.

Advokatin bist du,


Tochter des Architekten.
Tochter des Weltarchitekten Gott,
Advokatin ist auch
Maria!

KARIN

Karin, mein Vater sagte,


Dein Vater sei Alkoholiker,
Trockner Alkoholiker,
Der nicht einmal eine Praline
Aus Schokolade essen dürfe,
Wenn darin ein Tropfen Alkohol.

Du hattest tiefschwarze Haare


Und tiefschwarze Haare
Hatte mein Freund Andreas.
Wir spielten auf dem Spielplatz
Cowboy und Indianer.

Der schwarzhaarige Andreas,


Sohn katholischer Eltern,
War der Indianerhäuptling,
Und du, Karin,
Mit deinen schwarzen Haaren,
Warest seine Schwester,
Die Indianer-Squaw
Mit Namen Schöner Tag.
Und ich, der blonde,
Ich war Cowboy,
Blutsbruder des Häuptlings.
Und der blonde Cowboy
Und die schwarzhaarige Squaw,
Sie waren ineinander verliebt.
Und so küsste ich dich,
O Karin, auf den Mund,
Auf dem Abenteuerspielplatz
Im wilden Westen.

Noch heute, Karin, liebe ich


Eine Indianerin
Mit schwarzen Haaren,
Langen glatten schwarzen Haaren,
Aber sie ist keine Apatschen-Squaw,
Sondern die Mutter der Azteken.

Möge die heilige Monika


Deinem Vater helfen,
Ohne Alkohol zu leben.
Ich will auf den Wein
Lieber nicht verzichten.
Die heilige Monika,
Die flüssige Beterin,
Liebte auch zu sehr den Wein.

Mir aber gewähre


Die Kaiserin Amerikas
Die Gnade, sie küssen zu dürfen,
Die Mutter der Indianer,
Mein braunes Mädchen
Maria!

SONJA
Meine liebe Freundin Sonja,
In dem Garten meiner Großmutter
Stand ein Schmetterlingsflieder,
Da saßen auf den lila Blüten
Viele Schmetterlinge,
Die wollte ich alle fangen.

Meine Großmutter sagte:


Mein lieber Junge,
Wenn du einen schönen Falter
Berührst, verliert er die Farbe
Und muß sterben.

Frauen sind wie Falter,


Man darf sie nicht berühren!

In deinem Garten, Sonja,


Stand auch ein Schmetterlingsflieder
Und im Sommer, Sonja,
Fingen wir Schmetterlinge
In einem großen Glas.

Sonja, dein Antlitz


Leuchtete wie die Sonne,
Deine Augen lachten
Wie zwei blaue Himmel.

Ich war in deinem Zimmer,


Du saßest auf dem Bett,
Da saß ich neben dir.

Da war zwischen uns


So ein elektrisches Knistern,
So eine schwüle Aura.

Ich glaube, das war Eros!

Sonja, dein Name


Ist eine Koseform
Von Sophia.

Und Sophia ist


Die Erotik Gottes.

So knistert es auch
Von Gottes Eros
Zwischen mir und der
Geschaffenen Sophia
Maria!
ANGELA

Angela, meine Freundin,


Du kamest aus dem Viertel,
Wo die Armen wohnen,
Und ich war der Sohn
Eines Bankangestellten,
Der das Geld geliebt.

Wir gingen ins Schwimmbad


Und ich sah dich baden
Im Bikini-Atoll
Und da stellte ich mich
Unter die kalte Dusche.

Du warst in einem vorigen Leben


Sicher Marilyn Monroe.

Und wir spielten ein Spiel,


Da drehten wir die Flasche,
Auf wen der Flaschenhals zeigte,
Den musste man küssen.

Du küsstest den Flaschenhals


Und ich küsste die Flasche,
Aber wir haben uns nicht
Auf den Mund geküsst.

Da habe ich gelernt


Fürs ganze Leben,
Wer nicht ein Mädchen küsst,
Der küsst die Flasche.

Angela, Angela,
Mein blonder Engel,
Immer wenn ich ein Mädchen sehe
Mit langen blonden Haaren,
Schlank im weißen Kleid,
So meine ich,
Meinen Schutzengel vor mir zu sehen.

Engelgleiche Angela,
Schwester der Engel
Ist Maria Magdalena,
Königin der Engel
Ist die Madonna,
Angela, Madonna
Ist Regina Angelorum.

Ich liebe meine Engelin


Mahanajim vom Jabbok
Und die Engelskönigin
Maria!

KISSI

Kissi, du Schöne,
Du schlanke Meerjungfrau
Von Norderney!

Deine Eltern nannten dich


Kerstin,
Christin, Gesalbte,
Und tauften dich wohl
In den Fluten der Nordsee.

Aber deine Freunde nannten dich


Kissi. Ich denke an den Vers:
O welch ein bliss,
Zu sterben durch einen kiss!
Kissi, das heißt nämlich,
Du warst eine große
Küsserin vor dem Herrn!

Ich hätte dich gerne geküsst,


Aber im humanistischen
Gymnasium standest du Schöne
Im Flur mit einem schönen Jüngling
Und küsstest ihn
In der Schule der ersten Liebe.

Unser alter Lehrer


Lehrte uns Latein,
Wir lernte Latein
Vom gallischen Krieg:
Veni, vidi, vici!

Aber der alte Lehrer in Latein


Sagte zu der küssenden Kssi:
Man küsst sich nicht
In aller Öffentlichkeit!
Überhaupt ist vor der Ehe
Und außer der Ehe
Das Küssen eine Sünde!

Christenbrüder, Christenschwestern,
Grüßt einander
Mit dem heiligen Kuß der Liebe!
Gebt einander in der Kirche
Den Kuß des Friedens!
Die Kirchenväter warnen nur
Vor solchen lüsternen Brüdern,
Die die christlichen Schwestern
Während der Heiligen Messe
Gleich zweimal küssen wollen.

Die Seher fragten Maria,


Ob sie sie küssen dürfen?
Ja, sagte lächelnd die Gospa
Maria!

HEDDA

Als ich dich kennen lernte


Und lieben lernte, Hedda,
Da haben in England
Prinz Charles und Lady Diana
Sich das Ja-Wort gegeben.

Prinz Charles war ein kleiner Mann


Und Lady Diana war größer,
So musste Prinz Charles
Zum Hochzeitsfoto
Auf einen Schemel steigen,
Denn es muß der Mann
Doch Haupt des Weibes sein.

Wir maßen uns


Am Pfosten der Tür
Und du warst einen Fingerbreit
Größer als ich,
Drum wolltest du nicht
Mit mir zusammen sein.

Aber meine Liebe zu dir


Machte mich zum Schriftsteller
Von zwanzig Seiten langen
Liebesbriefen.

Ach, wem dürfte ich heute


Liebesbriefe schreiben?
Ach, niemand will
Von mir Liebesbriefe
Aus purer Poesie bekommen!

Und dein Kuß und dein Genuß


Haben mich zum Dichter gemacht
Und ich hatte ein Buch
Mit weißen leeren Seiten,
Darein schrieb ich meine ersten Verse,
Freie Verse der freien Liebe,
Und auf dem Titel des Buches stand:
Notizen eines verkannten Genies.
Ich trug ein Kettchen am Hals
Mit einer kleinen Medaille,
Darauf stand dein Name, Hedda.

Aber heute trage ich


Ein silbernes Kettchen am Hals
Mit der wundertätigen Medaille
Meiner Braut, der Immaculata
Maria!

URSULA

Mädchen und Frauen,


Ihr dürft mich nicht lieben,
Es steht eine unsichtbare Schrift
Geschrieben auf meiner Stirn:
Weicht von ihm, Mädchen und Frauen,
Denn dieser Mann gehört Gott.

Und wenn mich eine liebte


Und wollte mir schenken
Die schönen festen und vollen Brüste,
So entwich ich entsetzt
Und floh zu jener Frau,
Die unerreichbar war.

So kam ich zu dir,


Ursel, du Schöne.

Deine Zähne waren weiß,


Ebenmäßiger Perlmutt
Gereiht in einer Perlenschnur.

Die schönen Haare waren schwarz


Und glatt wie Seide
Und lang, sie fielen über die Brüste.

Und was vorher ein Mädchen


Privates Glück mir bescherte,
Du, Ursel, warest mir
Wie meine Geliebte, die Menschheit.

Du wolltest Frieden
In Russland und Amerika.
Du wolltest Frieden
Im geteilten Deutschland
Und im geteilten Korea.

Und heute liebe ich


Die Frau aller Völker.
Ihre langen schwarzen Haare
Wallen wie eine Herde schwarzer Zicken
Den Berg Gilead hinab.
Und ihre Zähne sind
Wie Mutterschafe,
Die frisch aus dem Bade kommen,
Und jedes Mutterschaf hat Zwillinge!

Und diese Frau aller Völker


Ist die siegreiche Königin der Erde,
Die triumphierende Königin der Liebe
Maria!

ANNABELLA

Christin warst du,


Annabella.
Deine christliche Großmutter
Hieß Anna,
Darum hießest du Annabella,
Aber du wolltest nur
Bella heißen, die Schöne.

Ich sah dich tanzen


Deinen Walzer
Mit zwei Schritten,
So schlank warst du,
So schlank deine Beine,
Schlank deine tanzenden Beine.

Ich besuchte dich einmal


In deinem Haus am Deich,
Da hast du mir die Leviten gelesen,
Das Evangelium gepredigt.

Ein Jahr lang versuchte ich


Dich zu mir einzuladen,
Du bist immer ausgewichen.

Dann hatte ich Geburtstag


Am Geburtstag Platons
Und ich lud dich ein
Zu meiner Feier.

Alle Freunde waren schon da,


Ich aber stand im Keller
Und fieberte dir entgegen.

Und tatsächlich kamst du


Zu meiner Feier,
Einmal, nie wieder.
Und ich sang dies Lied:
Die Liebe ist ein brennender Reifen,
Durch den ein Tiger springt.

Auch die christlichen Frauen


Lieben mich nicht.
So weit reicht die Nächstenliebe nicht
Und keine bringt es bis zur Feindesliebe.

Eine Christin kenn ich,


Belladonna Madonna,
Tochter der heiligen Anna,
So sehr die Frauen mich hassen,
So sehr liebt mich Unsre Liebe Frau
Maria!

MAIKE

Deine Mutter war gestorben


Und dein Vater in der Ferne,
In Lateinamerika,
Und du, Maike,
Mit deinen dreizehn Jahren
Warst ganz allein.

Du wohntest bei einem alten Künstler,


Der warmes Bier mit Zucker trank,
Es war ein romantisches Häuschen
In der Rosenallee.

Mein Freund Erich,


Der Rotbart,
Hatte dich zur Freundin.

Ich sagte: Ach Maike,


Ich habe das Rätsel
Zu spät gesehen,
Es hat ein andrer
Schon das Rätsel gelöst.

Da sagtest du: Ich bin


Kein Rätsel,
Ich bin ein Geheimnis.

Später, zehn Jahre später,


Ich sehnte mich nach dem Tod
Wie nach meinem Erlöser,

Sah ich dich noch einmal


Tanzen, wilde Maike,
Und wir fielen
Einander in die Arme
Und wie Überlebende
Einer schlimmen Katastrophe
Und wie Todgeweihte
Am Rand des Grabes
Umarmten wir uns
Und ich sagte stöhnend
Wie ein Sterbender:
Oh wie schön, dass du noch da bist!

Ja, am Rand des Grabes,


Mit einem Bein schon im Grab,
Umarmte ich in der Agonie
Ein einziges Mädchen,
Das vierzehnjährige Mädchen
Maria!

SONJA

Wir trafen uns beim Tanz.


Du batest mich
Um Tabak für eine Zigarette
Und botest mir dann selber
Eine Zigarette an.

Wir gingen auf den Deich,


Es war Nacht,
Das Meer rauschte ruhig,
Und wir küssten uns,
Ich küsste deinen kleinen
Engen feuchten Mund.

Du warst nicht gebildet


In deutscher Literatur,
Ich sollte dir schreiben
Den Aufsatz für die Schule.
Im humanistischen Gymnasium
Lasen wir die Räuber
Von Friedrich Schiller.

Ich schrieb dir den Aufsatz


Über das Thema:
Warum soll man Schiller lesen?

Zum Lohn für mein Schreiben


Durfte ich deine Brüste sehen,
Diese großen Kirchenglocken
In einem Tempel der Liebe.

Und wieder durfte ich


Küssen
Deinen engen feuchten Mund!

Wir liebten uns


Berauscht vom Wodka,
Berauscht von der russischen Seele.

Wir gingen spazieren


Als einsame Mondscheinmenschen
Durch den weißen Winter.

Ich war ein sibirischer Wolf,


Ich heulte wie der Steppenwolf
Den kalten gleichgültigen Mond an.

Wenn Russland sich bekehrt,


So wird das russische Volk
Das Volk der Erde sein,
Das Gott am höchsten verherrlicht,
Sagte Mütterchen Gottesmutter
Maria!

KATI

Kleine Kati,
Ich hatte für dich geschrieben
Antigone,
Das Lied der Frau,
Die rebellierte
Gegen die Gesetze des Staates
Im Namen
Der göttlichen Gesetzes.

Ich weiß gar nicht genau,


Kati, ob ich dich
Oder Antigone liebte.

Wir waren im Theater


Und von der Bühne scholl es:
Und einer verklärt seine Freundin
Zur Jungfrau Antigone!
Und ich hörte aus dem Publikum
Deine Freundin Britta lachen.

Britta war auch sehr schön.


Ich las in ihrem Haus
Vom Schatten des Pferdes des Kutschers
Und vom revolutionären
Hölderlin
Eines schwedischen Dichters.

Aber du warst so zart,


So fein, so sensibel,
So lieblich, feminin.

Ich war schon kein Kämpfer mehr,


Ich war ein Clown geworden,
Ein melancholischer Clown,
Ein Rokoko-Pierrot
Aus den galanten Festen.

Du warst eine Taube,


Eine Schwester,
Eine bessere Frau,
Die Hoffnung auf Frieden,
Die sanfte Kämpferin
Für Bruderliebe.

Du warst Antigone,
Die Jungfrau im Gesetze Gottes,
Darum weihe ich dich
Der immerwährenden Jungfrau,
Dem Spiegel der Gerechtigkeit,
Der ewigen Frau
Maria!

ANNEGRET

Kein Schriftsteller war ich,


Sondern ein Schriftsetzer.
Und du, Anne,
Ludst mich ein
In deine Dunkelkammer.

Wir haben uns umarmt


Und ich habe gebrummt
Wie ein Bär
Und habe gegurrt
Wie eine Taube
Und du hast gesagt: Ich mag
Die Töne, die du von dir gibst
In den Armen einer Frau.

Und ich habe für dich geschrieben


Das Weihnachtsevangelium
Nach Lukas,
Aber nicht Christus war geboren,
Sondern Annegret,
Und es war nicht in Bethlehem,
Sondern in Siegelsum,
Und es kamen nicht Hirten Judäas,
Sondern ostfriesische Bauern.
Und ich schrieb das Evangelium
Auf eine Buchrolle.

Und ich malte Bilder


Zu Goethes Faust,
Der Tragödie Erstem Teil,
Und du, geliebte Annegret,
Warst Gretchen,
Das blonde Gretchen.

Und Gretchen saß in ihrer Kammer,


Gretchen in ihrer Dunkelkammer,
Und sang der Schmerzensreichen,
Sang der Ohnegleichen.

Und Gretchen starb


Und war im Himmel
Bei den drei Marien

Und grüßte die Jungfrau,


Mutter, Königin,
Ja, Göttin
Maria!

MARIE

Marie, ich weiß nichts mehr,


Als dass du schwarz warst,
Als dass du jung warst
Und dein Name war Marie.

Du spieltest Theater,
Äschylus, Sophokles und Euripides,
Du warst eine Heroine
Aus dem Trojanischen Krieg.

Ich schrieb dir ein Gedicht


Von einem Reiter
Auf einem weißen Pferd,
Der in die Posaune bläst
Und es wird Friede sein.

Ich sah dich auch in Bayern,


In Bayern, Marie,
Da sangest du
In einem Kellergewölbe:

Rote Lippen
Muß man küssen,
Denn zum Küssen
Sind sie da!
Auf einer Volksversammlung
Gegen das Plutonium
Las ich zu Trommeln
Mein Gedicht
Vom Leben, das zu schützen ist,
Von der Heiligkeit des Lebens,
Und ich rief
In der Hafenstadt Emden:
Marie, ich lieb dich!
Marie, ich will noch nicht sterben!

Schwarze Madonna,
Notre Dame d’Afrique,
Ich liebe dich,
Ich wäre gern schon bei dir,
Aber ich muß noch bleiben
Auf Erden,
In deutscher Sprache
Christliche Kunst zu schaffen
Durch die Inspiration
Meiner himmlischen Muse,
Der schwarzen Madonna
Maria!

MARION

Ich hab dich in der Schenke


Gesehen, gesehen deine Augen,
Deine großen Augen
Wie auf Ikonen
Der Gottesmutter.

Ich sagte dir:


Wer gebraucht wird,
Ist nicht frei,
Ich aber brauche dich.
Und du sagtest:
Ich will nicht gebraucht sein.

Wir machten Puppen


Und Masken
Von genmanipulierten Monstern.

Und wir schrieben


Ein Flugblatt:
Ein apokalyptischer Engel
Hielt die Sonne
Wie eine löchrige Schale,
Durch die strömte zur Erde
Der Zorn des Herrn.
Und die Kommunisten
Sagten zu uns:
Was kommt ihr uns
Mit diesem Pfaffenkram?

Ich sah ein Gemälde:


Melancholia,
Und du warst Melancholia.

Du tratest in meinen weißen Saal


Und sagtest: Ich habe Visionen,
Ich muß rasch heim,
Die Visionen zu malen.
Ich sagte: Leg deine Hände
Auf mein Haupt
Und segne mich!

Marion, Marion,
Ich liebte in dir
Die apokalyptische Frau
Maria!

KARINE

Als du eintratest
In den weißen Saal
Mit der Marmorbüste
Der Brüste der Venus,
War es mir, als erschiene mir
Aphrodite, fleischgeworden,
In dir, der Priesterin der Aphrodite.

Und du zeigtest mir


Die Provence
Und ich hörte dort
Die Jungfrau reden:
Gott ist in dir!

Du aber, Karine,
Warst mir eine Magna Mater,
Eine üppige Liebesgöttin.

Und du zeigtest mir


Die Gipfel der Pyrenäen
Und ich sah
Die Seelen der Toten
Und die Schönheit der Engel
Und betete an
Die Gottheit der Schönen Liebe:
Iahu, Iahu!
Und du zeigtest mir
Polen, Krakau, die Karpaten,
Und ich las dort
Das Evangelium
Vom armen Lazarus
Und Martha und Maria.

Und du schenktest mir


Deine drei Kinder,
Die mich liebten
Wie einen Vater.

Und als du gingst


Zu sterben,
Sagtest du zum Abschied:
Verliere nicht die Geduld,
Bald bist du im Paradies
Bei Unsrer Lieben Frau!

Und ich habe von dir


Und von der Kirche von Zypern gelernt,
Daß mir ihre Liebe schenkt
Panhagia Aphroditissa,
Die Magna Mater
Maria!

GUNDA

Weil du so schön warst,


So hochgewachsen und schlank,
Dein Antlitz so schmal,
Die Augen so groß
Und die Lippen so schwellend,
Und weil so schön
Deine weißen Kleider waren,

Hatte ich mich in dich verguckt,


Und als ich zu dir kam,
Um deine schwellenden Lippen
Zu küssen,

Schloß deine goldige Tochter,


Die Vaterlose,
Mich in ihr großes Herz
Und sagte eines Tages
Zu ihrer kleinen Freundin:
Das ist mein Papa!

Ich konnte nicht allein sein.


Ich las in jener Zeit
Den Josefs-Roman
Von Thomas Mann.
Jakob hatte zwei Frauen,
Lea mit den vielen Kindern
Und Rahel
Mit den kontemplierenden Augen.

Und Josef war schön,


Sie sagen, zum Entzücken,
Und Suleika war
Ganz Begierde
Und wollte dem schönen Josef
Die Kleider vom Leibe reißen!

Josef, der Träumer!


Seht, da kommt der Träumer,
Sagten seine Brüder,
Der denkt in seinem Stolz,
Daß Vater und Mutter und Brüder
Sich noch vor ihm verneigen werden!

Josef will ich heißen,


Josef, die Lilie,
Bräutigam der keuschen Lilie,
Bräutigam der ganz schönen Lilie
Maria!

IRINA

Ich sah dich im Garten


Einer Freundin,
Ihr sprachet russisch,

Denn du, Irina,


Warst aus Sibirien,
Warst aus Irkutsk.

Und ich sagte: Ich liebe


Die russische Dichtung,
Tolstoi und Dostojewski,
Puschkin, den Meister,
Alexander Blok
Und Anna
Achmatowa
Und Marina
Zwetajewa.

Und du sagtest, du liebtest


Die Romane der Franzosen,
Zola, Flaubert, Mauspassant
Und Balzac und Marcel Proust
Und Victor Hugo.

Und ich schrieb dir ein Poem:


Jerusalem, Jerusalem!
Die Neue Jerusalem
Warst du mir, die Nymphe
Des Lammes,
Die himmlische Braut,
Denn du warst Christin.

Ich sah dich auf dem Bilde


Leonardo da Vincis:
Die Dame mit dem Hermelin.

Und du sagtest: Vor der Ehe


Und außerhalb der Ehe
Soll keusch leben der Mensch,
So lehrt es Christus.

Und du warst bei der Sekte


Der Pfingstler
Und sangest Lobpreis
Und sprachest in Zungen,

Und wegen deiner Glossolalie


Waren auf deinem rötlichblonden Haar
Pfingstliche Feuerzungen.

Ich liebe die Braut des Lammes,


Die Neue Jerusalem,
Die Braut des Heiligen Geistes,
Ikone der Kirche,
Und ich weihe das heilige Russland
Dem Unbefleckten Herzen der Jungfrau
Maria!

INKA

Ich sah dich das erste Mal


In einem kleinen Gebetskreis.
Ich sagte: O Herr,
Der Eifer hat mich verzehrt,
Der Eifer um dein Haus!
Und du, Inka, lächeltest.

Ich sang dir ein Liebeslied


Und schrieb es auf Chinesisch,
Verdolmetscht hieß es so:
O Schwesterchen, Schwesterchen,
Reine Jade mein,
Weiße Schwanin mein,
Jesus Christus liebt dich!
Ich liebe dich!

Und du sagtest: Dein Lied


Hat mir Jesus gesungen.

Und wir waren in Frankfurt


Und lasen die Apokalypse.
Ich sagte zum Bibellehrer:
Was hat die Frau des Pilatus
Von Jesus geträumt?
Sie sah im Traum den Sokrates,
Der sprach von dem Gerechten,
Von dem sündlosen Gottmenschen.

Du aber warst
Die siebente Königin
Der Apokalypse.

Du träumtest von Gott:


Die Taube von Elohim
Hat dir in die Augen geblickt.

Du träumtest von Gott:


Der Herr nimmt mich bald zu sich!

Dann schwandest du
Wie Henoch von der Erde!

Da sang ich ein Lied


Der makellosen Jungfrau:
Schwester aller Christen,
Schwester aller Menschen,
Schwester aller Jungfraun,
Schwester aller Propheten,
Meine Schwester-Braut
Maria!

INGE

Wir haben uns getroffen,


Inge, in unserm Interesse
An der Psychologie.

Die vier Humore


Sind ja das Fundament
Der menschlichen Komödie.

Der eine Bruder ist cholerisch


Und verflucht seine Kinder,
Der eine Künstler ist hysterisch
Und voll verrückter Phantasie,
Die eine Freundin ist phlegmatisch,
Sehr bequem und voller Güte,
Der andre Dichter und Philosoph
Ist voller Melancholie
Und jahrelang in dunkler Nacht.

Und ich hielt dir einen Vortrag


Über die Tiefenpsychologie
Von Carl Gustav Jung
Und sprach von der Idee
Der Anima
Und von dem Problem
Der Anima-Besessenheit,
Der besessenen Anima-Liebe!

Und du sagtest: Der kann reden


Und ohne Manuskript
Aus dem Stegreif
Einen Lehrvortrag halten.

Dein Ideal war nicht


Die Anima des Mannes,
Du liebtest den Archetyp
Der uralten weisen Vaters:

Der Alte an Tagen


War dein Bräutigam
Und du saßest auf dem Schoß
Des Ewigen Vaters.

Ich aber liebe


Die Schwester, die Jungfrau,
Die Braut, die Königin,
Die weise Frau,
Die Mädchengöttin,
Die makellose Jungfraungöttin,
Welche gesungen:
Magnificat, anima mea!
Maria!

REGINE

Du warst Minerva,
Die Athene von Athen!
Regine, du liebtest
Meine homerischen Verse
Und meinen Äneas

Und du ließest deine Schüler


Im privaten Gymnasium
Im Latein-Unterricht
Meine Epen lesen.

Du sagtest, an meiner Sprache


Merkst du, dass ich studiert
Die Humanisten.

Und als ich dich besucht


Und wir in Tübingen waren
Und sahen Hölderlins Turm,
Hast du mir vorgelesen
Aus der Ilias
Und dein Busen bebte
Mir entgegen.

Ich dachte aber nur


An die Allkönigin
Des orthodoxen Lobpreises.

Schwül wie Indien


War dein Garten,
Da du mir deine Liebe erklärtest,
Und da ich dir sagte, ich liebe
Eben allein die Allkönigin.

Und du schenktest mir


Das fließende Licht der Gottheit.

Du liebtest das Absolute,


Augustin und Meister Eckard
Waren deine Lehrer,
Aber ich liebte nur
Die Absolute Liebe!

Ich liebe eben allein


Maria sopra Minerva,
Den Sitz der Weisheit,
Die Allkönigin mit den Lilienarmen,
Die hoheitvolle Himmelskönigin
Maria!

MIRJAM

Ich ging im Schwarzwald,


Gott zu suchen, vor mich hin,
In meinen Händen
Das Gebetbuch der Kirche,
Murmelte leise vor mich hin
Gebete an den Herrn,
Da sahest du mich, Mirjam,
Und nanntest mich
Einen Bruder Mönch,
Denn du warst Novizin.

Für dich versetzte ich


Das Lied der Lieder
In den Schwarzwald.

Du hast mir gesungen


Dein Liebeslied
An die Jungfrau Maria:
O triefende Balsamstaude,
Oliva speciosa!

Da war Mutterheimat
In deinem Liebeslied.

Da sang ich für dich


Das Abschiedslied
Des Lieblings Johannes
An die scheidende
Mirjam von Nazareth,
Die gen Himmel fuhr.

Du aber nahmst meine Hand


Und führtest mich
Nach Lourdes,
Zur Quelle
Der Unbefleckten Empfängnis.

Du, Verlobte Jesu,


Lächeltest, als ich sagte :
Ich bin
Verlobter der Jungfrau
Maria!

ESKE

Du zähltest eben vierzehn Jahre,


Eske, mit rotblonden Locken,
Mit einem weißen Antlitz
Und tiefrotem Mündchen,
So sah ich dich
Vor meinem Hause wandeln.

Du kamest von der Konfirmation,


Ich schenkte dir weiße Rosen.

Am Abend klopfte es
An meiner Wohnungstür,
Deine Mutter und du,
Ihr standet vor mir,
Deine Mutter schenkte mir
Einen köstlichen Braten
Und du beschertest mir
Den süßen Nachtisch,
Weiße Götterspeise,
Aus der Milch der himmlischen Kuh,
Übergossen mit purpurnem Nektar
Der Erdbeeren Edens.

O du warst auch
So eine weiße Speise
Aus zitterndem Schaum
Und dein roter Mund
Wie eine purpurne Erdbeere!

Und ich klopfte an deine Tür


Und du tratest in den Flur,
Schlanke nackte Beine
In hohen Stiefeln,
Den Gürtel der Venus
Um die lüsternen Lenden,
Von rotblonden Locken umrahmt
Dein schneeweißes Antlitz
Mit der roten Rose des Mündchens,

Da schenkte ich dir


Die Venus der Medici.

Im dunkelsten Winter des Depression


Horchte ich nur noch
Auf deine klingelnden Schritte.

Vierzehn Jahre jung


War, als sie vom Engel gegrüßt ward
Und vom Heiligen Geist überschattet,
Das göttliche Mädchen
Maria!

JULIE

Nach dem Tode


Einer liebsten Freundin
Und mitten in der Trauer
Ihrer kleinen Waisenkinder,
Kam ich auf den Bauernhof
Deiner Mutter
In die Feier einer großen Sippe
Und fühlte mich einsam.
Da saß ich allein auf dem Hof
Und hörte das Rauschen der Eichen
Und hörte das Wehen Gottes
Und hörte klappern die Stalltür
Und es war mir, als ob
Maria vor mir stünde.

So trat ich wieder voller Mut


In die gesellige Küche,
Da saßest du an dem Tisch, o Julie.

Ich fragte: Heißt du Juli


Oder französisch Julie
Oder Julia?
Und du sagtest: Ich heiße Julie.

Schlanke Madonna!
Dein Hals ein weißer Elfenbeinturm,
Deine Lippen rosige Schnüre,
Deine Zähne ebenmäßige Perlen,
Deine Augen Mandeln
Oder Meteore,
Dein Haar ein Schleier
Von der Farbe der Kastanien,
Eine Schönheit! Eine Fee!

Und ich schrieb für dich


Shakespeares Romeo und Julia
Zu einer Komödie um.

Und ich schrieb für dich


Die Liebessonette
Des Heiligen Vaters
Alexanders des Sechsten
An seine Mätresse
Bella Julia.

Deine Schönheit war ein Schatten,


Das Modell deiner Schönheit
Ist die schöne Madonna,
Tota pulchra perfectissima,
Maria!

EVI

Du sagtest, Evi:
Komm
Nicht nur meine Freundin besuchen,
Komm
Auch mich besuchen!
Du sagtest: Es muß schön sein,
So zu glauben wie du!

Du sagtest: Ich habe viel


Gelernt von dir,
So manche Weisheit.

Und ich, Evi, ich,


Ich habe dir
Und deiner Schönheit zu verdanken
Den überragenden
Großteil meiner Lieder.

Was treibt denn


Die Nachtigall
Zum schönsten Gesang?
Es ist die geschlechtliche
Brunst des Vogels!

Warum singt denn


Die Nachtigall
Schöner als die andern Vögel?
Sie stößt sich
Den Dorn ins Herz
Und verblutend
Singt sie schöner
Als die andern Vögel.

Deine Schönheit
War mir Modell
Und Muster
Für alle Göttinnen
Und für die Göttin aller Göttinnen,
Die Jungfrau Maria.

Du warst mir
Die allmächtige Schönheit
Und schöner als dich
Hab ich keine gekannt
Als allein die eine,
Den unbefleckten Spiegel der göttlichen Schönheit:
Maria!

DRITTER TEIL
KABUZ

Diese Lehre übergab der Vater seinem Sohn.

DIE ERKENNTNIS GOTTES


Mein Sohn, willst du Gott erkennen,
So wisse, wer es dich lehren kann.
Nicht die östlichen Philosophen,
Nicht die westlichen Philosophen,
Nicht die Mythendichter
Und nicht die falschen Propheten
Befrage nach Erkenntnis Gottes,
Sondern befrage Jesus, Gottes Sohn!

Jesus ist vom Himmel gekommen


Auf die Erde zu den Menschen,
Um Gottes Wesen zu offenbaren.

Jesus nennt nun einmal


Gott seinen liebenden Vater,
Laß dir das nicht verleiden
Von rebellischen Weibern,
Die in ihren Sünden verharren.

Gott ist Liebe, nichts als Liebe,


Aber da Gottes Wesen die Liebe ist,
Kann Gott nicht Eine Person nur sein,
Sondern der liebende Vater
Liebt den geliebten Sohn
Und beider Liebe für einander
Ist die Person des Heiligen Geistes.

Der Vater ist der Alte an Tagen,


Schneeweiß sein Haupthaar und Bart,
Er sitzt auf dem strahlenden Thron,
Zu seiner Rechten steht
Der Menschensohn,
Und zwischen dem Alten an Tagen
Und dem göttlichen Menschensohn
Schwebt wie eine Taube
Die göttliche Liebe.

Siehe, die Taube der Liebe


Lässt sich nieder auf dem Haupt
Des reinen Mädchens Maria.

Das reine Mädchen Maria


Ist die Frau der Offenbarung,
Die ewige Jungfrau
Im Herzen der Dreifaltigkeit.

Mein Sohn, ergreife Marias Hand,


Sie wird dich führen
In das innere Leben
Der dreifaltigen Liebe.
DIE PROPHETEN

Mein Sohn, beginne die Bibel zu lesen


Mit dem Evangelium Jesu.
Wenn du Jesus von Nazareth
Hast kennengelernt
Und in dich aufgenommen,
So mach es nicht wie die Narren,
Die das Alte Testament verwerfen
Als Zeugnis eines Rachegottes.

Nein, du wirst das Evangelium


Besser und tiefer verstehen,
Wenn du Moses Gesetz
Studierst im Hinblick auf Christus.
Moses ist der größte Prophet,
Er verweist auf den Propheten,
Der kommen soll,
Und das ist Jesus, der neue Moses.

Wenn du Moses Bücher studiert,


Studiere auch die Propheten.
Mach es nicht wie die Toren,
Die gelten lassen allein
Den Propheten Jesaja,
Laß dich nicht erschrecken
Vom Propheten Jeremia,
Mach es nicht wie die Toren,
Die keuscher sein wollen
Als der Heilige Geist,
Verwerfe nicht die Propheten,
Die in kühnen erotischen Bildern
Sprechen von der mystischen Hochzeit.

Wenn du die Propheten studiert,


Und nicht allein die großen Vier,
Auch die zwölf kleinen Propheten,
Lerne du das Gebet
Vom Psalter Davids.
In den Psalmen findest du
Dank und Klage und Bitte und Lobpreis
Und also wirst du ein Beter,
Der vom Heiligen Geist
Das Beten gelernt.

Verschmähe nicht die Schriften


Der deuterokanonischen Bücher,
Und geh in die Schule
Der Ewigen Weisheit,
Lerne von Salomo,
Aber lerne auch von Jesus Sirach.
Wenn du Schüler der Weisheit wirst,
Wirst du eines Tages
Selbst ein Weiser und ein Lehrer sein.

LOBPREIS DER GÖTTLICHEN SCHÖNHEIT

Mein Sohn, lobpreise den Herrn,


Sing Halleluja, mein Sohn.
Unser Lobpreis kann
Die Herrlichkeit des Herrn
Nicht vermehren, denn sie ist perfekt,
Doch uns gereicht es zum Heil,
Wenn wir Halleluja singen.

Gut ist es, Gott zu danken


Für erlangte Geschenke.
Besser ist es, Gott zu preisen,
Weil Gott so herrlich ist.

Wenn du schöne Mädchen siehst,


So denke immer daran,
Wie schön der Schöpfer
Dieser Mädchenschönheit ist.

Schau dir eine schöne Frau an,


So wird sie heute dir schön erscheinen,
Morgen aber unschön erscheinen,
So werden ihre Brüste
Dir prächtig erscheinen,
Aber ihr Hintern zu breit,
So wird sie dir schön erscheinen,
Aber deinen Freunden nicht.

Die Schönheit Gottes aber


Ist alle Zeiten schön,
Ist in jeder Hinsicht schön,
Wird von allen, die sie schauen,
Als schön empfunden,
Ist in allen ihren Teilen schön
Und schön in Ewigkeit.

Verglichen mit der göttlichen Schönheit


Sind alle schönen Frauen hässlich.

Wenn schon ein hübsches Mädchen


Entzückt den Mann,
Wie sehr verdient die Schönheit Gottes
Enthusiastischen Lobpreis!

Und wenn die schöne Frau


Dir Gnade nicht erweisen will,
So denke, dass die Gottheit
In ihrer göttlichen Schönheit
Sich ewig anschauen lassen will,
Sich ewig genießen lassen will!

So strebe eifrig, mein Sohn,


Nach dem ewigen Genuß
Der göttlichen Schönheit!

DER GOTTESDIENSTLICHE KULT

Mein Sohn, sei treu der Kirche


Und ihrer heiligen Hierarchie.
Glaube an die Worte Jesu:
Dies ist mein Leib
Und dies ist mein Blut!
Nimm in deine Seele auf
Den auferstandenen Christus,
Auf dass nicht du mehr lebst,
Sondern Christus in dir lebt,
Christus in dir leidet,
Christus in dir stirbt,
Christus in dir in den Hades fährt,
Christus in dir aufersteht,
Christus in dir gen Himmel fährt!

Folge nicht den Toren,


Die geistlos ihre Riten vollziehn
Und wissen nicht was sie tun,
Da sie als gottlose Sünder
Christi Leib empfangen
Ohne Bekehrung und ohne Glauben!

Folge auch nicht den anderen Toren,


Die Jesus folgen wollen,
Sein Wort studieren
Und doch nicht feiern Kommunion
Mit Leib und Blut
Und Seele und Gottheit Christi
Und sind ungehorsam
Den Worten ihres Meisters:
Das tut zu meiner Erinnerung,
Mein Fleisch ist eine wahre Speise,
Und wer den Leib des Herrn nicht aufnimmt,
Der hat das Leben Christi nicht in sich!

Und wenn die gottlosen Sünder


Die Kirche beleidigen,
So bleibe du doch treu
Der Mutter, die dich ernährt
Mit dem Manna vom Himmel,
Und stimme nicht ein
In den lärmenden Chor der Lästerzungen,
Die nennen die Jungfrau,
Christi Braut und Verlobte,
Eine lästerliche Hure Babylon
Und eine Tyrannei des Antichristen.

Bleibe der Kirche treu, mein Sohn,


Und bleibe treu der Eucharistie,
Dann ist dir dein ewiges Leben sicher!

VATER UND MUTTER

Mein Sohn, vergiß nicht,


Ja, bis ins Alter gedenke,
Wie deine Mutter gesungen
Zur Zeit der heiligen Weihnacht
Die süßen Kinderlieder
Von dem Christuskind!

Gedenke, mein Sohn,


Wie deine Mutter
Dich ins Bett gebracht
Mit Kindergebeten
An den Schutzengel dein,
An Mariens Muttermantel
Und das Christkind im Paradies!

Mein Sohn, vergiß nicht


Im lauten Gebrause der Welt
Die Glaubenslehre
Deines Vaters,
Der dir von Moses erzählte
Und der Befreiung Israels
Aus Ägyptens Sklaverei
Und wie der lebendige Gott
Im Dornbusch brannte,
Wie der Knabe David
Den Riesen Goliath besiegte
Mit der Steinschleuder
Und dem Namen Gottes,
Wie Abraham bereit war,
Seinen Sohn zu opfern,
Doch Gott gab anstelle des Sohnes
Ein Lamm zum Opfer,
Und wie Josef der Träumer
Der Liebling seines Vaters war,
Beneidet von den Brüdern.

Wenn deine Mutter stirbt,


So bete für ihre Seele
Und schaue zum Himmel,
Wo sie auf dich wartet.

Wenn deines Vaters


Bart ist grau geworden
Und sein Körper müde,
So verachte nicht den Vater
In der Vollkraft deiner Jugend,
Sondern mache deinem Vater
Freude durch deine Weisheit.

HERKUNFT UND TUGEND

Mein Sohn, gib eines nicht auf,


Erinnere dich, wie du in Kindertagen
Die Menschen eingeteilt
In Liebe und in Böse,
Unterscheide immer die Geister
Und laß dich nicht verwirren
Von den Toren, die sagen,
In Gott sei eins das Böse und Gute.
Entscheide dich
In jedem Augenblick
Für das Gute
Und widersage dem Bösen
Und allem seinem Schein!

Reichtum oder Armut


Deines Vaters,
Ob er sich rechnet zur Großbourgoisie
Oder zum Lumpenproletariat,
Das sei dir gleich,
Nur suche immer das Gute,
Die reine Liebe
Und die Gerechtigkeit.

Laß dich nicht täuschen


Von den armen Toren,
Sie seien reich oder arm,
Die behaupten, das Geld
Allein mache glücklich.

Suche das Glück deines Herzens


Und die Freuden
Eines erfüllten Lebens
Nicht im Geld,
Dem falschen Gott der Welt,
Sondern allein in der Liebe,
Der wahren Gottheit im Himmel.

Zähle dich zu den Liebenden,


Nicht zu den Bösen,
Übe dich in der Liebe
Und erweitere immer dein Herz.

Ob du auch Geld bekommst,


So bleibe immer barmherzig
Mit den Armen,
Mit den Kranken,
Mit den Kleinen,
Mit den Sterbenden.

Hab und Gut nimmt keiner mit


In das Jenseits,
Was bleibt in Ewigkeit
Ist allein die Liebe.

VON DER SCHÖNEN REDE

Wenn du sprechen willst, mein Sohn,


Sprich nicht mit Essen im Mund.

Wenn dich ein Weiser belehrt,


So unterbrich ihn nicht
Und streite nicht mit ihm
In deiner kindischen Torheit.

Enthalte dich des Schwatzens,


Der üblen Nachrede,
Schlimmer Lästerreden
Und vor allem der Blasphemie.

Dein Ja sei ein Ja


Und dein Nein ein Nein
Und schwöre nicht
Bei den Gebeinen deiner Großmutter.

Gewöhne dir nicht das Lügen an,


Denn die göttliche Wahrheit
Flieht von denen, die die Lüge lieben.

Laß deine Reden verständlich sein


Und nicht wie ein Turmbau zu Babel
Und mische nicht alle Sprachen
Zu einem unverständlichen Kauderwelsch.

Ehre deine Muttersprache


Und schule deine Sprache
An den besten Autoren
Deines Vaterlandes.

Verachte keine Sprache


Irgendeines Volkes,
Denn in allen Zungen der Völker
Hört man Lobpreis Gottes.

Meide vulgäre Worte


Und rede keine Gossensprache,
Erzähle keine schmutzigen Witze.

Vor allem meide das Fluchen!

Schmücke deine Rede


Mit Sprüchen der Heiligen Schrift,
Mit Versen der Klassiker
Und mit Reimen
Der Dichter deiner Nation.

Bedenke, dass du für jedes Wort,


Das du auf Erden sprichst,
Vor Gott wirst Rechenschaft ablegen müssen
Im persönlichen Totengericht.

TESTAMENT DES GROSSVATERS

Mein Sohn, dein Großvater stirbt


In wenigen Monden.
Ich habe dich getragen
Zu seinem Sessel.
Der Großvater entkorkte die Flasche
Und schenkte mir spanischen Rotwein ein
Der Marke Carinena
Und sprach: Mein sehr verehrter Poet!
Deine Mitlebenden wissen nicht,
Daß du ein genialer Dichter bist.
Aber nicht allein ein wahrer Poet,
Du bist auch ein wahrer Kinderfreund.
Vor allem aber beklage ich,
Daß dich die schwärzeste Schwermut
Und der idiotischste Spleen
Immer wieder hilflos macht,
So dass du dann ausgeliefert bist
Den Teufeln in deiner Umgebung.
Suche dir Halt
Bei deinen christlichen Brüdern
Und beim rettenden Arm
Der göttlichen Karitas!
Meine reiche Lebenserfahrung
Wünscht dir vor allem
Serenitas, Serenitas!
Serenitas ist ein junges Mädchen
Von siebzehn Jahren,
Ähnlich einer Fee,
Ähnlich der Madonna,
Ähnlich einem Himmel
Ohne Wolken,
Aber voller Geigen,
Ähnlich einem Halleluja
Am Lager eines Sterbenden.
Weiter wünsche ich dir
Geniale Kreativität,
Auf dass du alle seelischen Wunden
In poetische Perlen verwandelst.
Aber ich warne dich auch:
Verströme dich nicht an die Bösen,
Die kalten Egoisten
Mit den steinernen Herzen,
Die dich krankmachen
Und dir das Leben verbittern,
Daß du wünschest, tot zu sein
Oder lieber nie geboren!
Vor solchen Schlangen hüte dich!

Ich habe die ganze Welt bereist


Und weiß, dass manche Menschen
Über das Leben hinwegkommen
Durch den fleißigen Wein.

DAS ALTER UND DIE JUGEND

Mein Sohn, die lustige Jugend,


Die hält das Leben für einen Tanz.
Sie tanzen angetrunken
Und sind betrunken vor Lust.
Wenn sie aber fromm sind,
So tanzen sie für Gott
Wie David vor der Bundeslade.

Wenn ich die jungen Mädchen sehe,


Von vierzehn Jahren an
Bis vierundzwanzig Jahren,
So ist es keine Kunst,
Lieblich und hübsch zu sein.

In meiner Jugend wollte ich auch


Die Welt aus den Angeln heben.
Neu einzurichten die Welt,
Schien ich berufen.

Man traut in der Jugend


Den Gefühlen und ist man verliebt,
So ist es die ewige Liebe,
Die dauert höchstens sechs Monde.
Aber wenn das Alter kommt,
Mein Sohn, das bittere Alter,
Die Glieder nicht mehr wollen,
Der Leib zu schwer geworden ist,
Dem einen wird grau der Bart,
Der andre bekommt eine Glatze,
Die Zähne sind ausgefallen,
Die Augen sehen nicht mehr scharf,
Die Seele hat erobert
Viele schreckliche Wunden,

Da flüchte sich der Alte


Nicht zu den jungen Mädchen,
Lächerlich wäre der Alte,
Wollte er scherzen mit törichten Mädchen.

Des Alters Würde vielmehr


Ist die Lebenserfahrung
Oder, wenn es Gott gegeben,
Die Altersreife der Weisheit.

Man ergibt sich in Gottes Willen


Und leidet wie ein andrer Mann
Und schaut schon aus nach dem Himmel,
Denn der Erde Lust ist flüchtig,
Aber ewig währen des Himmels Freuden!

BEIM ESSEN

Heiliger Grobian!
Was hab ich sehen müssen!

Der Knabe liegt zu Tisch


Und schmiert das Maul sich voll
Und wischt die klebrigen Finger
An den Hosenbeinen ab.

Der greift sich gierig


Das größte Stück vom Kuchen
Und gönnt dem Bruder
Den gleichen Anteil nicht.

Der verschmäht die Wurst


Und wirft sie dem Hunde vor,
Der bettelnd wartet unterm Tisch.

Der wirft mit den Nudeln um sich


Und unterm Tisch sind mehr
Als auf dem Teller.

Der verschmäht das Brot,


Er will nur Zucker.

Der isst mit schwarzen Fingern,


Mit denen er im Schlamm gewühlt,
Und leckt von den schwarzen Fingern
Den Honig ab.

Der springt vom Tische auf


Und lässt die Eltern speisen,
Er aber sucht sich
Die Näscherei zum Nachtisch.

Der legt den Kopf auf den Tisch


Und schiebt sich faul
Das Essen vom Teller in das Maul.

Der kreischt und lärmt am Tisch


Und zankt mit seinem Bruder
Und beleidigt die Mutter,
Das Essen schmecke ekelhaft.

Und wo ist geblieben die Sitte


Der frommen Christen,
Vor dem Essen zu beten
Und dem Schöpfer zu danken
Und die Speise zu segnen
Mit dem Zeichen des Kreuzes?
Dahin ist diese Sitte.

Heiliger Grobian,
Bitte für unsre Kinder!

BEIM WEINTRINKEN

Mein Sohn, nimm dir zum Vorbild


Nur meinen kultivierten Freund:
Der Tag verging mit Arbeit,
Mit Frauenzank und Kinderlärm,
Der Abend aber mit dem Freunde
Sei dem edlen Wein gewidmet,
Nicht billigem Essig fürwahr,
Nein, alleredelstem Tropfen!
Da trinken wir und stoßen an
Auf den Wein
Und die schönen Frauen.
Dann philosophieren wir
Und theologisieren wir
Und sind geistreich,
Ein Wort gibt das andre,
Dann scheiden wir fröhlich,
Mein Freund geht schlafen
Neben seiner schönen Frau.

Mein Sohn, versprich mir,


Nicht meiner Art und Weise zu folgen:
Ich öffne Abend für Abend
Die Flasche des selben Weines
Und trinke die Flasche leer
Und nehme mein Morphium
Und taumle trunken
In mein einsames Bett.

Mach es wie die Franzosen,


Mein Sohn, die schenken ein
Zum leckeren Festmahl
Einen guten Tropfen Wein,
Die Männer Franzosen trinken
Den ungemischten Wein,
Die Frauen Französinnen trinken
Den Wein gemischt mit Wasser.
Sie genießen den Geschmack
Des guten Weines
Aus Geselligkeit
Beim köstlichen Braten
Und schließlich bei Brot und Käse.
Dann wird die Flasche
Wieder verschlossen.
Statt dessen gibt es Café.

Reihe dich nicht ein in die Schar


Der Säufer, die betrunken
Aller Scham und Sitte beraubt
Fallen den Dirnen in den Schoß.

Ein Glas des guten Rotweins, mein Sohn,


Verlängert dein Leben
Und steigert deine Lebenslust.

DIE GASTFREUNDSCHAFT

Mein Sohn, sei gastfreundlich,


Denn schon manche Menschen haben
Engel bewirtet
Ohne es zu wissen.

Wenn dein Freund in seiner Not


Sucht Unterschlupf bei dir
Vor großem Seelenjammer,
Verschließe nicht dein Herz!
Dann lade ihn in deine Wohnung
Und laß ihn deinen Kuchen genießen
Und deinen heißen Café,
Dann geh mit ihm spazieren
Und zeig ihm deinen Garten,
Dann lade ihn abends ein
Zu einer gebratenen Ente
Und hole aus deinem Keller
Den allerbesten Wein.
Biete ihm ein sauberes Bett an
In deinem Gästezimmer
Und lege ihm ein Handtuch hin,
Falls er morgens baden möchte.
Am Morgen grüße ihn fröhlich
Und reiche ihm dampfende Brötchen
Und ein gekochtes Ei
Und besten Lindenblütenhonig.
Dann segne ihn und sage:
Mein bester Freund bist du,
Ich schätze die Gespräche mit dir,
Ob du auch voller Schwermut bist,
Hat Gott dir Weisheit gegeben.

Mein Sohn, ich warne dich,


Machs nicht wie jene Leute,
Die bieten dem Gast
Im heißen Sommer
Nicht einen Becher kühlen Wassers
Und wenden dem Gaste
Den Rücken zu und schweigen ihn an,
Er wird das Haus verlassen
Und den Staub von ihrer Schwelle
Von seinen Sandalen schütteln
Und sagen: Diese Leute
Wollen von Gott nichts wissen,
So sollen sie auch bleiben
Unwissend wie die Narren!

Mein Sohn, dein Gast


Ist manchmal ein Bettler,
Doch kann es sein,
Es ist Jesus Christus selber
Und bittet dich
Um deine Barmherzigkeit.

VON DEN GESELLSCHAFTSSPIELEN

Mein Sohn, wenn du Schach spielst,


So musst du wissen,
Daß in den Grenzen des Spieles
Du die Dame schlagen darfst.
Ich habe im Leben kein Verlangen,
Eine Dame zu schlagen,
Doch spiel ich Schach,
Dann ist es mir eine Lust,
Die feindliche Dame zu schlagen.

Wenn du mit deiner Großmutter spielst


Das Spiel, da der Mensch sich nicht ärgern soll,
Das sogenannte Gänsespiel,
Wenn deine Großmutter aufsteht,
Den Tee sich einzuschenken,
So betrüge nicht beim Spiel.
Der Sieg wird dir nur Freude machen,
Wenn du regulär gewonnen.

Wenn du Karten spielst mit deinem Freund,


So teil die Karten nicht so aus,
Daß du alle starken Karten hast
Und er alle schwachen Karten.
Denn wenn dein Sieg
Von vornherein gewiß ist,
Wo ist dann die Spannung des Spiels?

Wenn du im Spiel verlierst,


So fang nicht an zu weinen
Oder wütend zu werden
Und mit den Füßen zu treten
Gegen den Tisch.
Bleibe heiter und denke daran:
Wer Glück im Spiele hat,
Der hat Pech in der Liebe.

Aber warnen muß ich dich,


Daß du nicht in der Spielhölle
Spielst um Geld,
Denn einen Mann hab ich gekannt,
Der hatte all sein Geld verspielt
Und hatte keine Wohnung mehr
Und musste sein tägliches Brot
Erbetteln von geizigen Leuten.

WIE EINE GELIEBTE GEBAUT SEIN SOLL

Mein Sohn, wenn du eine Geliebte


In deiner wilden Jugend
Dir nehmen willst zur Genossin,
Dann mach es so,
Wie deine Mutter und ich
Uns in der Jugend liebten.

Wenn du die schöne Frau


Zum ersten Male siehst,
So scheint sie dir eine Göttin,
Eine weiße Göttin des Lichts.
Dann siehst du ihre Schönheit,
Verliebst dich in ihren Leib,
In ihre kusslichen Lippen,
In ihren bebenden Busen,
Du siehst ihr rotes Kleid
Und ihre weiße Haut,
Du liebst ihr schwarzes Haar
Und ihre meerblauen Augen.

Dann wird ihr Name dir


Der schönste Name der Welt sein,
Der Ort, wo sie geboren,
Wird dir zur Hauptstadt der Liebe.

An ihrer Hand entdeckst du


Den Norden mit seinem Meer,
Den Osten mit seinen Weizenfeldern,
Den Süden mit seinen Weinbergen,
Und sie erschließt dir die Welt,
Die schöne Schöpfung Gottes.

Wenn du die Wonnen


Der körperlichen Liebe
Genießt mit deiner Geliebten,
Ach, du wirst daran denken,
Wenn deine Geliebte gestorben,
Du wirst davon träumen
Im müden Alter.

Aber wenn du Gott suchst,


Wenn deine Geliebte Gott nicht sucht,
So wird euch das Bett nicht vereinen.
Wahre Liebe zwischen Mann und Frau
Braucht einen Dritten dazwischen,
Nämlich den Amor Gottes.

Besser ist es, mein Sohn,


Zu warten in deiner Jugend,
Bis du eine fromme Frau
Zur ewigen Gattin dir nimmst.

VOM GESCHLECHTSVERKEHR

Mein Sohn, auf Gottes Wegen


Soll Ein Mann Eine Frau lieben,
Einzig und allein diese eine
Und diese eine das ganze Leben lang.
Wenn ihr einander geprüft
Und euch vor Gottes Antlitz
Die Treue versprochen habt,
Ist eure Ehe ein Sakrament,
Welches gültig wird,
Wenn ihr miteinander
Geschlechtlich verkehrt
Und dabei offen seid
Für die Fruchtbarkeit
Und bereit seid,
Kinder großzuziehen.

Dann ist der Geschlechtsakt


Der Gipfel der Hingabe
Eines Menschen an einen andern,
Nicht die egoistische
Befriedigung der Begierden,
Sondern schenkende Liebe
Und Ganzhingabe der Herzen.

Dann wird eure Geschlechtlichkeit


Zum Ort des Schöpfers,
Da der Schöpfer in Vereinigung
Mit den schöpferischen Gatten
Ein neues Leben schafft.

Wenn allerdings fern


Von den Wegen Gottes
Die Geschlechtlichkeit des Mannes
Die Geschlechtlichkeit der Frau
Benutzt zur Befriedigung
Eigner Begierden,
Wenn Herz und Geist
Und Treue und Gott
Nicht beteiligt sind am Akt,

Dann ist der Geschlechtsverkehr


Schädlich der Seele des Menschen,
Dann wird das Herz verwundet
Und der Mensch im Laufe der Zeit
Wird unfähig sein zur Liebe,
Zum Vertrauen und zur Treue.

Dann wird die Sexualität,


Die heilige Gabe des Schöpfers,
Durch den Egoismus des Menschen
Zu einer zerstörerischen Kraft
Und des Menschen Herz bleibt zurück
Als Trümmer einer Ruine.

VOM BADEN

Wenn du traurig bist, mein Sohn,


So bete und bitte Gott,
Daß er dich tröste,
Suche Trost im Psalmengesang.
Wenn das nicht helfen will,
So nimm ein heißes Bad.

Wo ist eine Geborgenheit


Wie im Mutterschoß,
Wie im Fruchtwasser eines Uterus,
Als in der Badewanne?

Lege dich zurück


In den Schoß der Mutter,
In das warme Fruchtwasser,
Und genieße die Ruhe.

Spüle den Staub des Alltags


Und der Menschen Feindseligkeit
In dem Bade von dir ab.

Nimm duftende Badeöle


Von Lavendel oder Tanne
Und genieße den Wohlgeruch
Des dampfenden Bades.

Wenn ich mich in dem Bad


Entspanne von den Mühen des Alltags,
Lese ich gern im Bad ein Buch.

Stell auf den Rand der Wanne


Einen Becher mit Apfelsaft
Und laß dich treiben
Im verfließenden Fluß der Zeit.

Wenn du auch des Lesens


Müde bist vom vielen Studieren,
So meditiere in der Wanne
Den heiligen Rosenkranz.

Maria heißt auf Latein


Die Meere. Maria weiß,
Wie wohl ein Kind sich fühlt
Im feuchten Mutterschoß.
Wenn du Ave Maria
In der Wanne murmelst,
Bedenke, du bist im Schoß
Der heiligen Gottesmutter
Alle Zeit auf Erden,
Bis in deiner Todesstunde
Sie dich gebiert ins ewige Leben.

VOM SCHLAF
Mein Sohn, ich weiß, die kleinen Kinder
Gehen nicht gerne ins Bett,
Sie möchten, immer sei Tag
Und immer fröhliches Spiel.

Wenn du aber ins Alter kommst,


So weißt du den Schlaf zu schätzen.
Wenn du dann nicht schlafen kannst,
So bist du am Tage melancholisch,
Missmutig und gequält.

Wie sehnt sich erst


Ein Mensch voll Kummer
Nach einem tiefen Schlaf!
Oh, wenn dich die Liebe quält
Und dich das Leben peinigt,
Wie ersehnst du dann den Schlaf!

Ach, wenn du dann


Den Seelentrost im Schlafe suchst,
Doch noch im Schlafe wach bist
Und träumst ein wirres Zeug,
Wirst auch im Traum verschmäht,
Leidest im Traum Verlust
Und wirst im Traum verfolgt
Von Feinden und Monstren,

So ersehnst du
Einen traumlosen Schlaf.

Ja, wenn du gar


Vor Wahnsinn krank geworden,
Dann wissen die Ärzte
Dir anders nicht zu helfen,
Als dich in Tiefschlaf zu versetzen
Durch das Morphium für die Seele.

Dann bist du zur Hälfte deines Lebens


Im Tiefschlaf fast wie ein Toter.

Und zuletzt, wenn das Greisenalter


Dir das Leben zuwider macht,
Ersehnst du den großen Schlaf,
Den Bruder des Schlafes, den Tod,
Die ewige Ruhe.

Du aber, Sohn, spring auf


Aus deinem kleinen Bett
Und hüpfe lustig umher
Und sei fröhlich in deiner Kindheit,
Enthusiastisch in deiner Jugend.
VOM FUSSBALL

Mein Sohn, die Knaben


Lieben das Fußballspiel.
Die kleinen Knaben
Sitzen gern auf dem Schoß
Und lassen sich Bücher vorlesen,
Aber bald dann wollen sie hinaus
In den Garten und Ball spielen.

Nun, der Knabe, der allein spielt,


Wirft den Ball an die Wand
Und fängt ihn wieder auf.

Der Knabe denkt sich,


Die Sonne sei ein Fußball
Und Gottvater spiele
Mit dem Erzengel Michael
Fußball mit der Sonne.

Die kleine Therese von Lisieux


Sagte zum Jesusknaben:
Ich will dein Ball sein,
Und wenn du mit mir spielen willst,
Dann bin ich immer bereit,
Und wenn du keine Lust mehr hast
Und lässt den Ball in der Ecke liegen,
Bin ich es auch zufrieden.

Der selige Papst Johannes Paul


Hat als junger Priester
Mit den Knaben Ball gespielt.

Wenn heute Fußballspieler


Aus Brasilien schießen ein Tor,
So reißen sie herunter ihr Trikot
Und auf dem Unterhemd
Steht deutlich zu lesen:
Jesus ist der Herr!

Ein Knabe will den Ball


Befördern ins Tor,
Dein Leben hat ein Ziel,
Den Ball deines Lebens
Schieße du ins Himmelstor!

VOM UMGANG MIT FEINDEN

Mein Sohn, wer Christ geworden,


Hat die Feinde Christi zu Feinden bekommen.

Ich hatte mich frisch bekehrt


Zum lebendigen Christus,
Da trat mich ein Okkultist
Und hetzte seinen schwarzen Pudel auf mich
Und schüttelte auf mich ab
Die Asche seiner Zigarette
Und sagte: Laß mich in Ruhe
Mit deinem Abgott, diesem Schwächling,
Deinem gottverlassenen Gott!

Als deine Mutter erkrankte,


Da traf ich einen Irren,
Der bat mich um die Bibel,
Um die Apokalypse,
Er wollte den Antichrist ehren.
Lieber wollte er dem Teufel
Begegnen als Gott,
Lieber in die Hölle
Kommen als in den Himmel.
Er bellte mich an,
Verzog sein Gesicht zur Grimasse,
Mir war, als ob aus seinem Munde
Frösche hüpften.

Ich lernte Menschen kennen,


Die waren mir feindlich gesonnen.
Sie hielten mich für ihren Feind,
Obwohl ich ihnen zugesagt
Den Rückenwind von Gott.
Sie redeten schlecht über mich
Und nahmen mir das Liebste weg,
Was ich auf Erden hatte.

Ich kannte eine Frau,


Die war sehr schön, ja, reizend.
Sie war sehr sanft und bescheiden.
So begann ich sie zu lieben,
Ich tat ihr alles zu Liebe,
Half ihr in jeder Hinsicht,
Überhäufte sie mit Geschenken,
Unterwies sie im Glauben,
Sorgte mich um ihre Kinder.
Sie aber wandte sich
An okkulte Dämonen
Und lehnte mich ab
Und zerriss mir das Herz
Und verbitterte mir das Leben,
Daß ich wünschte,
Nie geboren zu sein!
Gott segne alle meine Feinde!

VOM GELD

Mein Sohn, du irrst dich,


Wenn du meinst, viel Geld,
Das könne dich glücklich machen.

Ich kannte eine Frau,


Die schickte ihrem Sohn,
Der krank vor Kummer war,
Einen Geldschein mit den Worten:
Hier ist ein Glücklichmacher!
Doch der Sohn vermisste
Nicht materielle Gaben,
Sondern barmherzige Liebe.

Ich kannte einen Mann,


Der verbrachte sein Leben damit,
Geld zu sparen.
Er ließ das Geld arbeiten
Und ließ das Geld sich vermehren.
Im Alter war er reich,
Da wollte er den Reichtum genießen
Und reisen durch die Welt,
Doch da ließ Gott ihn sterben.

Ich kenne eine Frau,


Die eine Millionärin ist,
Die ließ sich sterilisieren.
Mutter der Sterilisation,
So nennt man diese Mutter.
Sie genoß mit ihrem Mann
Den großen Reichtum,
Aber sie hatten keine Kinder.
Als aber das Alter nahte,
Sagten sie eines Abends beim Wein:
Es wäre doch schön, Kinder zu haben.
Da nahmen sie einem armen Mann
Seinen einzigen Liebling weg.
Der Staat hat den Reichen geholfen,
Denn es dachte der Staat:
Wo viel Geld ist,
Da geht es den Kindern gut.
Der arme Mann hatte Liebe geschenkt,
Väterliche und mütterliche Liebe.
Die Millionäre aber
Verwöhnten die Kinder
Mit vielen materiellen Gaben.
So verdarben sie
Den Liebling des armen Mannes,
Daß er nicht auf Gott allein
Vertraute, sondern auf das Geld.

Jesus sagt: Wie schwer ist es


Für Millionäre, in den Himmel zu kommen!
Eher geht ein beladenes Kamel
Durch ein Nadelöhr!

VOM UMGANG MIT EIGENTUM

Mein Sohn, wenn du ein Haus besitzt,


Dann stopfe dein Haus nicht voll
Mit allerlei unnützem Tand.

Ich kenne einen alten Mann,


Der besaß ein großes Haus,
Das stopfte er bis obenhin voll
Mit Dokumenten
Seiner politischen Arbeit,
Mit irgendwelchen Büchern,
Büchern, vom Keller an
Bis unter das Dach,
Mit allerlei Tand und Schmuck
Als Muscheln und Eulen,
Buddhas und anderen Götzen,
Wasserbüffeln und Drachen,
Modellen von Fischerkähnen,
Singvögeln und Aquarien,
Und über allem lag
Der unbesiegliche Staub.

Da schickte Gott dem Mann


Eine unheilbare Krankheit
Und der Mann bereitete sich
Auf den Tod vor.
Er entrümpelte sein Haus
Und warf die Dokumente
Seines politischen Lebenswerkes weg
Und verschenkte alle Bücher
Und warf die Buddhas weg
Und die Wasserbüffel und Drachen.
Im Angesicht des Todes
Schien all der schöne Besitz
Nur Müll und Abfall zu sein.

Wenn du ein Haus besitzt,


Mein Sohn, so laß dein Haus
Eine kleine Hauskirche sein.
Habe du einen Hausaltar
Mit einem Bild der heiligen Jungfrau
Und einem Bild des göttlichen Knaben.
Laß von deinem Hause
Gebete aufsteigen zu Gott.
Laß dein Haus
Einen salomonischen Tempel sein.
Dann wohnt in deinem Haus
Mit dir die göttliche Weisheit,
Dann besitzt du einen Schatz,
Den du im Tode nicht verlierst.

Habe ruhig Eigentum, mein Sohn,


Aber sei arm vor Gott
Und baue allein auf die Gnade Gottes!

WIE MAN EIN HAUS ERWIRBT

Mein Sohn, wenn du ein Erbe machst


Von hunderttausend silbernen Münzen,
Da suche dir in der schönsten Stadt
Des deutschen Vaterlandes
Ein Haus, in welchem du wohnen willst.

Achte auf die Zeichen Gottes!


Wenn du das leere Haus betrittst
Und draußen vorm Balkon
Die Turteltauben girren
Und ganz in der Nähe
Die Glocken der Kirche läuten,
So laß dich dort nieder.

Willst du mit Frau und Kind


In einem eignen Hause wohnen,
Mach dich auf Arbeit gefasst.
Du musst den Rasen mähen
Und die Gartenbeete pflegen,
Du musst das Hausdach reparieren
Und Terrasse und Balkon.

Wenn du eine Erwerbsarbeit hast,


Musst du sauerverdienten Urlaub
Dazu verwenden, zu arbeiten
An der Renovierung des Hauses.

Bist du dazu bereit,


So geh zum vorigen Eigentümer
Und schließe einen Vertrag ab.

Gedenke, dass der Staat


Wird Steuern von dir verlangen
Für dein Hauseigentum.
Zahle pünktlich die Steuern!
Wenn der Staat die Bürger befragt
Nach ihrem Hauseigentum,
So gib die erwünschte Auskunft!

Der arme Prophet Jeremia


Sah Israel fortziehen
In die babylonische Gefangenschaft,
Da sagte der Herr zu Jeremia:
Kauf dir einen Acker!
Unterschreibe einen Kaufvertrag!
Denn siebzig Jahre währt
Die Herrschaft Babylons.
Bete für das Wohl der Stadt,
In der du wohnst.
Denn wenn es deiner Heimat gut geht,
So wird es dir auch wohlergehen.

VON DEN PFERDEN

Mein Sohn, wenn du eine Frau liebst,


Weil sie reizend und charmant ist,
So wisse, Frauen haben Begierden
Und eines Tages wird sie sagen:
Schenk mir zum heiligen Christfest
Ein Pony! Schenk mir, mein Freund,
Dies Tinker-Pony, das will ich haben!
Ich habe schon gekauft
Den Reithelm und die Stiefel
Und auch schon den Sattel,
Ich will mein Gespartes verwenden,
Eine Weidefläche zu kaufen.

Tinker-Ponys sind die Pferde


Der irischen Kesselflicker.
Sie haben keinen Adels-Stammbaum,
Doch manche Züchter versuchen,
Ihnen nachträglich doch
Noch einen Adel zu verschaffen.

Aber schau das Tinker-Pony an,


Dort jenes bestimmte Tinker-Pony
Mit dem Namen Leila,
Welch eine Mähne!
Welch ein machtvoller Leib!
Welch ein Galopp!
Welch ein Schnauben der Nüstern!

Denke, welche Wonne es wäre,


Leila im Sattel zu sitzen
Und mit deinen Mannesschenkeln
Ihre bebenden Flanken zu pressen!
Oh, Leila einmal zu reiten!
Davon träumst du Tag und Nacht!

Doch sagst du das der Frau,


So spricht die züchtige Dame:
Stute und Hengst,
Das sind vulgäre Worte!
Eine Stute zu reiten,
Das ist ordinäre Rede!

Nun, wenn du Leila nicht


Erwerben kannst mit deinem Vermögen,
Geh zum Herzog deines Herzogtums
Und schau dir die Rosse an,
Seine adligen Rosse,
Schau dir an die jungen
Prinzessinnen deiner Stadt,
Wie sie reiten Dressur,
Wie sie Kunststücke machen
Auf dem Rücken des Rosses!

VON DER HEILIGEN EHE

Wenn du heiraten willst, mein Sohn,


Bereite dich darauf vor,
Indem du vor der Ehe
Enthaltsam lebst
Und betest: Herr, auf Erden
Irgendwo lebt schon meine Frau,
Bitte führe du sie mir zu!

Wenn du gefunden die Frau deines Herzens,


Lernt in keuscher Freundschaft
Euch tief und tiefer kennen
Und wenn sie dir weiter gefällt,
Entscheidet euch
In euren freien Willen
Zu einer ausschließlichen Bindung,
Einer lebenslangen Bindung,
Und bittet die heilige Mutter Kirche
Um Gottes Segen.

Wenn ihr das Sakrament der Ehe


Einander spendet,
Schenkt einander Gottes Liebe!

Der Mann soll lieben seine Frau


Wie Christus seine Kirche liebt
In Ganzhingabe
Und Treue bis zum Tod.
Die Frau soll ehren ihren Mann
Als Haupt der Familie,
Wie die Kirche Christus ihr Haupt nennt.

Zu dem Sakrament der Ehe


Gehört der Geschlechtsverkehr,
Doch nur solche Formen des Verkehrs,
Die Kinder zeugen können.
Seid bereit für Kinder!
Verhütet nicht künstlich die Fruchtbarkeit
Und treibt keine Embryos ab!

Denn wie der Vater den Sohn liebt


Und wie der Sohn den Vater liebt
Und von Vater und Sohn ausgeht
Der Heilige Geist,
So liebe der Mann die Frau
Und liebe die Frau den Mann
Und von Mann und Frau kommt
Das Kind nach Gottes Schöpferwillen.

Willst du aber Priester werden,


Mein Sohn, so lebe enthaltsam
Und vermähle dich der Liebe Gottes
In einer lebenslangen mystischen Ehe!

VON DER KINDERERZIEHUNG

Mein Sohn, die Erziehung


Eines Kindes beginnt
Im Schoß der Mutter.
Wenn die Mutter schwanger ist,
So bete man für das Kind
Und segne Mutter und Kind.
Die Mutter höre heilige Musik,
Nicht unheiligen Lärm,
Und sage ihrer Leibesfrucht:
Du bist mir willkommen!

Wenn das Kind geboren,


Soll die Mutter es betten
Zwischen ihren Brüsten
Und es lange stillen
An ihren milchprallen Brüsten,
So lernt das Kind
Das Urvertrauen,
Soziale Kompetenz
Und die Intelligenz des Gehirns.

Lehre das Kind die Liebe


Zu den Engeln des Kindes
Und zur Mutter Gottes
Und zum Jesuskind!

Segne das Kind


Mit geweihtem Wasser,
Zeichne das Kreuz
Ans Bett des Kindes.

Singe das Kind in den Schlaf


Und lass es nicht alleine schlafen,
Sondern im Zimmer der Mutter.

Lehre das Kind


Die Muttersprache
Und bring ihm das Laufen bei
Und schenke dem Kinde
Zeit, Zuwendung, Zärtlichkeit.

Führe das Kind bald ein


In die wunderbare Welt
Der schönen Künste!

Lies deinem Kinde


Gute Bücher vor
Und singe heilige Lieder
Und zeige ihm schöne Bilder.

In den ersten drei Jahren


Wird der Charakter des Kindes
Im wesentlichen festgelegt.

VON DER FREUNDSCHAFT

Mein Sohn, wenn du Freunde suchst,


So mach es nicht wie die Toren,
Die wahllos Freundschaften schließen,
Welche oberflächlich und leer sind.

Denn viele Freunde hat der Gottlose,


Wenn er gesund und reich ist,
Aber wenn er krank ist und elend,
So hat er kaum Einen Freund.

Laß bei deiner Freundschaft


Jesus gegenwärtig sein
Und suche dir gläubige Freunde,
Die dir zum Heil behilflich sind.

Findest du bei den Katholiken


Keine gläubigen Freunde,
So verschmähe nicht die Freundschaft
Der eifrigen Protestanten.

Erwarte nicht von deinem Freunde,


Daß er dir immer schmeichelt,
Sondern sei bereit, von ihm zu hören
Die Wahrheit, in Liebe gesagt.

Vergiß nicht, mein Sohn,


Wenn alle Freunde dich verlassen,
Ein Freund wird immer bei dir sein,
Wenn Jesus dein Freund ist.

Verzweifle nicht und werde nicht mutlos,


Wenn es dir so ergeht
Wie andern Freunden Jesu auch.
Denn der arme Lazarus
War ein geliebter Freund des Herrn,
Er war arm und elend,
Verspottet von den Reichen,
Voller Geschwüre,
Die Hunde leckten seine Wunden,
Aber Jesus war sein Freund.

Teresa von Avila ritt durch Spanien,


Klöster für Jesus zu gründen,
Da fiel sie vom Pferd und in den Schlamm,
Da sah sie Jesus und sagte zu ihm:
O Herr, jetzt weiß ich,
Warum du so wenig Freunde hast,
Wenn du deine Freunde so behandelst!

Über aller Freundschaft deiner Freunde


Stehe dir die Freundschaft Gottes,
Mein Sohn, denn das ist eine ewige Freundschaft,
Die dauert über den Tod hinaus.

VON DER VERGEBUNG

Mein Sohn, wenn du wem wehgetan,


So bitte ihn um Verzeihung.
Aber vergiß dabei nie,
Was du einem Menschen antust,
Indem du ihn um Verzeihung bittest,
Denn das ist oft eine schwere Aufgabe
Und kostet viel Selbstüberwindung.

Je näher du Gott kommst, mein Sohn,


Desto schärfer erkennst du
Deine eignen Verfehlungen.
Sei nicht zu stolz,
Den barmherzigen Heiland
Täglich um Vergebung zu bitten!

Überwinde heldenhaft
Den inneren Schweinehund
Und beuge dich vor Gott
Im Sakrament der Beichte
Und bekenne alle Sünden,
Jesus will dich ja freimachen
Von allen Sklavenketten der Schuld
Und neue Kraft dir geben
Zu einem heiligen Leben.

Bedenke, wenn Gott


Dir so willig verzeiht
Deine schweren Verschuldungen
Und alle Beleidigungen
Gegen die göttliche Liebe,
Dann sollst auch du bereit sein
Denen zu verzeihen,
Die dich beleidigt haben.

Simon Petrus fragte den Herrn:


Soll ich siebenmal verzeihen?
Aber Jesus sagte zu seinem Freund:
Verzeihe siebzigmal siebenmal!

Wenn Menschen dich verletzt,


Daß du für dein Leben lang krank bist,
So verzeihe immer wieder,
Bei jedem täglichen Vaterunser,
Gebetet in der täglichen Messe,
Verzeihe denen, die dich gekränkt
Und verletzt fürs Leben haben,
Verzeihe ihnen bis zu ihrem Tod
Und über ihren Tod hinaus verzeihe ihnen!

Und wenn die Mutter Gottes


Dir Kreuze auferlegt,
Schwer und tief wie das Meer,
Verzeihe du der Geliebten!

WIE MAN WEISHEIT SUCHEN SOLL

Mein Sohn, willst du weise werden,


So bitte Gott um die Gabe der Weisheit.
Nicht in großen Büchereien,
Sondern im Gebet
Ist die Quelle der Weisheit.

Wenn du Weisheit begehrst von Gott,


So mache dich bereit,
Zu gehen in die dunkle Nacht,
Denn göttliche Weisheit
Wird dir eingegossen,
Wenn du am Kreuze hängst!

Wenn du nach einem Buche fragst,


Nach einem zuverlässigen Lehrer,
So verweise ich dich
Auf das Buch der Bücher.
Im Studium der heiligen Schrift
Und im Wiederkäuen
Der göttlichen Offenbarung,
Im Betrachten und Meditieren
Der Lehren Jesu und der Propheten
Ist die göttliche Weisheit verborgen.

Wie die Schrift zu verstehen sei,


Frag nicht widerstreitende Sekten,
Sondern den Lehrstuhl der Kirche.
Frage den heiligen Augustinus
Und den engelgleichen Doktor Thomas,
Lies die Schreiben der Päpste.

Wenn du so ein Fundament


Errichtet hast, so baue darauf,
Indem du die Philosophen liest,
Platon und Aristoteles,
Vorsokratiker, Stoiker, Epikuräer.

Frage die chinesischen Weisen


Und die indischen Theosophen,
Die ägyptischen Weisheitslehrer
Und die deutschen Dichter und Denker.

Lass dich aber nicht verwirren


Von der Vielfalt der Meinungen
Und glaube nicht wie die Toren,
Alle Meinungen seien gleich wahr,
Sondern messe die Lehre der Lehrer
An der heiligen Schrift
Und der Lehre der heiligen Kirche.

VON DER KUNST DER ÄRZTE

Mein Sohn, wenn du krank bist,


Wirst du die Heilkunst der Ärzte schätzen.
Überschätze den Arzt nicht,
Doch unterschätze ihn auch nicht.

Mach es nicht wie die Toren,


Die halten die Gesundheit
Für das Höchste Gut.
Gesundheit ist ein hohes Gut,
Das Höchste Gut ist aber
Die ewige Seligkeit der Seele.

Bete den Arzt nicht an


Als einen Gott im weißen Kleid
Und opfre nicht dein ganzes Leben
Für die Gesundheit des Leibes.

Glaube nicht an die Religion der Gesundheit,


An die Prozession der Ärzte
Und die Ministranten der Krankenschwestern
Und den Hokuspokus
Der unverständlichen Fachbegriffe.

Aber mach es auch nicht wie jene Toren,


Die lehnen die Naturwissenschaft
Und die Heilkunst der Doktoren ab
Und wenden sich allein
An Düfte von Blumen,
An kosmische Energien,
An Schamanen und Scharlatane
Und an Zauberei von Hexen
Und an Kraft der Edelsteine
Und dergleichen magischen Aberglauben.

Gott gibt den Ärzten die Weisheit


Und die Natur gibt die Stoffe
Für die Medikamente.

Bitte Gott um Heilung,


Bitte Gott um Segen
Für deine Medikamente,
Danke Gott für die Heilung.

Aber wenn du leiden musst


Und Gott dein Gebet
Um Heilung nicht erhört,
Verzweifle nicht an Gott,
Vereine deine Leiden
Mit den Leiden Christi am Kreuz,
So wirst du Seelen retten
Und verstockte Sünder bekehren!

VON DER ASTROLOGIE

Mein Sohn, sei gläubig


Und nicht abergläubisch!

Die Astrologie ward erfunden


Von den heidnischen Chaldäern.
Damals definierten sie die Sternbilder,
Welche heute ganz anders stehen.
Man hielt die Sterne für Götter
Und Herren des Schicksals.

Damals folgten die Magier


Einem neuen Stern
Und kamen zum Jesuskind,
Der menschgewordnen Weisheit Gottes,
Und beteten Jesus an
Als Vater der Lichter
Und Herrn der Vorsehung.

Die Toren sagen,


Thomas von Aquin
Behauptete auch einen Einfluß
Der Sterne auf das Herz.
Doch die Kosmologie
Des katholischen Mittelalters
Dachte sich den Himmel
Über der Erde als Kuppel,
Die Sterne hingen an Sphärenschalen.
Und so wie das heitere Wetter
Gute Laune macht
Und das trübe Novemberwetter
Melancholisch macht,
So dachte der engelgleiche Thomas sich
Den Einfluß der Sterne
Auf die Geneigtheit des Herzens.

Aber der Kosmos ist heute


Den Astronomen vertrauter,
Die Astrologie ist veraltet,
Ist Aberglauben des Volkes.

Schau in die Heilige Schrift,


Du findest Hohn und Spott
Für törichten Aberglauben
An die schicksalsbestimmenden Sterne.

Geh nicht zu Wahrsagerinnen,


Geh nicht zu Magiern und Hexen,
Sondern lege dein Leben
Und all dein Geschick
In die Hände Jesu und sage:
Barmherziger Jesus,
Ich vertraue dir!

VON DER MUSIK


Mein Sohn, was die Musik betrifft,
So will ich dir nicht erzählen,
Was meine Mutter dir sagen würde
Von Bachs Weihnachtsoratorium
Und Mozarts Requiem.

Als deine Mutter


Mit dir schwanger war,
Ging sie immer zum Afrikaner
Von der Elfenbeinküste,
Trommeln zu lernen.

Du lerntest mit dem Herzschlag


Deiner Mutter
Das fröhliche Trommeln Afrikas.

Und als deine Mutter gestorben


Und ihr Leichnam lag aufgebahrt
In der Totenkapelle,
Da trommelten Afrikaner
Ihr zu Ehren
Wie Soldaten
Einer afrikanischen Königin.

Manche Bigotte beschweren sich,


Wenn in der Kirche
Getrommelt wird.
Doch weiß ich, dass in Afrika
Bei der Heiligen Messe
Getrommelt wird
Zu Kyrie und Gloria,
Zu Sanctus und Agnus Dei,
Und der Bischof
Mit dem Weihrauchfaß
Kommt zum Schlag der Trommeln
Tanzend in die Kirche.

Wenn du Liebeskummer hast,


Mein Sohn, dann tröste dich
Die Musik, die dir gefällt,
Sei es Halleluja
Oder Ave, Ave, Ave Maria.

Nur weise die Barbaren von dir,


Deren Musik ein Höllenlärm
Zu Ehren Satans ist.

Wenn die Engel musizieren


Zur Freude der Engel,
Spielen sie Mozarts Musik.
Wenn die Engel musizieren
Zur Ehre Gottes,
Spielen sie Johann Sebastian Bach.

KAISER VON GOTTES GNADEN

Mein Sohn, der Kaiser,


Unser alter Kaiser ist tot!
Seine kaiserliche Hoheit
Otto von Habsburg
Hatte auf den Thron verzichtet
Und doch blieb er Kaiser
Von Gottes Gnaden.

Selig sind, die Frieden stiften,


Sagte der Kardinal
Im Dom des heiligen Königs Stephan.
Denn Seine Kaiserliche Hoheit
Hat politisch gekämpft
Für den Frieden in Europa,
Für den Frieden in der Welt.

Er freute sich wie ein König,


Als aus Ungarn und Österreich
Und von allen Ufern der Donau
Die frommen Katholiken kamen
Zur Magna Mater Austriae.

Er kämpfte politisch dafür,


Daß die Staaten von Europa
Bekennen in ihrer Verfassung
Die Verantwortung vor Gott.

Europa, das Abendland,


Ist nichts ohne ihre Seele,
Ihre Seele ist das Christentum.

Dazu schloß der Kaiser


Einen Freundschaftsbund
Mit den muslimischen Staaten,
War ein Mitglied
Der muslimischen Akademie,
Denn während die Atheisten
Im Abendland leugnen
Die Verantwortung vor Gott,
Setzten sich dafür ein
Lateinamerikaner
Und die muslimischen Völker.

Unser alter Kaiser ist tot,


Gott schütze unsern alten Kaiser!
Die Magna Mater Austriae
Schütze das Haus Österreich!
Maria von Medjugorje
Segne des Kaisers Enkelin,
Ihre Kaiserliche Hoheit
Milona von Medjugorje!

DIE DEMOKRATIE

Mein Sohn, die heilige Mutter Kirche


Kann in jeder Staatsform wirken,
Solange die Freiheit der Religion
Von der Obrigkeit gewährt wird.

Unvereinbar ist die Freiheit des Menschen


Mit den ideologischen Diktaturen
Des Nationalsozialismus
Und des Kommunismus.

Aber Papst Pius der Zwölfte


Sagte: Die Demokratie ist so gut,
Wie das Volk gut ist.
Jedes Volk in einer Demokratie
Hat die Regierung, die es verdient.

Allerdings in dieser apokalyptischen Zeit


Des großen Glaubensabfalls
Ist die Tugend des Volkes
Ruiniert worden von den Ideologen
Des Hedonismus und des Nihilismus,
Des atheistischen Materialismus
Und des okkulten Spiritismus.

So sind auch die Regierungen


Der bürgerlichen Demokratien
Im westlichen Abendland
Förderer des Atheismus,
Des Materialismus
Und des okkulten Spiritismus.

Eine Erneuerung der Demokratie


Kann ausgehen nur
Von der Evangelisierung der Völker,
Von der Neuevangelisierung
Der lauen Christenheit.

Allerdings prophezeite die Makellose:


Die künftigen Könige
Werden Diener sein
Der heiligen Mutter Kirche!

Die Wahrheit allerdings, mein Sohn,


Wird offenbart von Gott
Und ist nicht unterworfen
Den Meinungen der Masse.
Über die Wahrheit
Wird nicht abgestimmt.
Christus ist von Gott eingesetzt
Zum König aller Völker.

DIE ARMEN

Mein Sohn, wo sind die Schätze


Der heiligen Mutter Kirche?
Siehe, das sind die Armen!

Das sind die Ärmsten der Armen,


Die auf Müllkippen leben,
Die sich ernähren vom Abfall der Reichen,
Die in den Straßengossen liegen,
Sich die Zähne putzen mit Abwasser,
Die in den Blechbaracken hausen
Und nicht wissen, was sie morgen essen sollen,

Das sind die Kranken,


Die an Lepra erkrankt sind
Oder am tödlichen Krebs
Oder an den Seuchen,

Das sind die Kinder,


Die in den Steinbrüchen arbeiten,
Kinder, die leben müssen
In den Prostituiertenvierteln,

Das sind die ungeborenen Kinder,


Die vom Tod bedroht werden
Durch die Kindermörder,
Das sind die Embryone,
Die ausgeschlachtet werden sollen
Zu medizinischen Zwecken
Und zur Züchtung des Übermenschen,

Das sind die Trinker,


Die zwischen leeren Flaschen leben,
Das sind die Drogensüchtigen,
Die ihr Gehirn zerstören,
Das sind die Prostituierten
Und die Sklaven!

Mein Sohn, wenn Jesus kommt,


Wird er sich nicht stellen
Auf die Seite der Unterdrücker,
Sondern auf die Seite
Der Armen, der Unterdrückten.
Folge aber nicht den bösen Burschen,
Die den Armen kein Brot geben,
Sondern Waffen in die Hände.
Nicht der revolutionäre Haß
Ist Gottes Antwort auf die Armut,
Sondern allein
Die barmherzige Liebe!

DIE TUGEND

Mein Sohn, liebe die Tugend!


Jene Zeiten, in denen keiner von Tugend spricht,
Die Künstler nicht die Tugend preisen,
Das sind dekadente Zeiten,
Sie sind dem Untergang geweiht.

Es gibt Heiden,
Die großzügig sind
Und aus einem großzügigen Herzen
Ihr Geld den Armen geben,
Das ist eine moralische Tugend.

Aber wer von Gott erleuchtet


Auf christliche Weise
Großmütig ist,
Der füttert die Hungrigen,
Kleidet die Nackten,
Tröstet die Trauernden,
Besucht die Kranken
Und ist Freund den Einsamen
Und dient in den Menschen
Dem menschgewordenen Gott.

Es gibt Heiden, die mutig sind,


Die steigen auf den Himalaya
Oder erforschen den Nordpol,
Es ist sehr gefährlich,
Doch sie unternehmen es
Des Ruhmes wegen.

Aber Menschen, die von Gott erleuchtet sind


Und auf christliche Weise
Die Tugend des Mutes haben,
Die gehen ins Todeslager
Und scherzen:
Auch hier kann ich Jesus bezeugen!
Die gehen für andre Menschen
Freiwillig in den Todesofen
Und sterben lächelnd
Mit dem Namen Mariens auf den Lippen.
Und es gibt Heiden,
Die haben große Weltklugheit
Und sind sehr belesen.

Aber die göttliche Weisheit


Wird dir eingegossen
In der dunklen Nacht
Im Ehebett des Kreuzes!

MYSTISCHER JESUS

PROLOG

Wolkenschwer ist der Himmel,


Schwarz von Efeu ist der Wald,
Bang ist Jesus in der dunklen Nacht,
Darum führe du ihn nach Hause, Maria!
Jesus und Magdalena begaben sich als Paar
Zur Laube, nah am Weg.
Lobpreis sei der Liebe von Jesus
Und Maria Magdalena
Am Ufer des Jordan!

Durch das Wort Gottes


Das Gebäude des Geistes schmückend,
Rose zu seinen Füßen,
Der Pilger Führer,
Den Bericht von Jesu Liebe verfassend
Schreibt hier Josef Maria Mayer sein Gedicht.

Wenn es dich entzückt,


An den Herrn zu denken,
Höre, wie lieblich und anmutig schön
Josef Maria Mayers Muse
Vers an Vers reiht wie eine Perlenschnur.

Vom Jenseits redet weise Dante,


Von Weisheit redet Goethe,
Vom irdischen Paradiese sang Milton,
Und Klopstock sang von Jehowah.

ERSTER GESANG
In der Sintflut hat einer das Wort gerettet,
Unversehrt die Weisheit in der Arche,
Der du den Weinberg gebaut hast,
Noah, du Tröster!

Tief versunken in den Fluten des Todes,


Die Meereswogen drückten dich nieder,
Als du vom Wal verschlungen wurdest,
Jona, du Sohn der Taube!

Von dem wilden Eber getötet,


Aphrodites Geliebter Adonis,
Bist du auferstanden
Als Adonisrose im Adonisgarten!
O tot Adonis!

Brüllend von den Baschanbergen


Bist du ein Löwe, Junges einer Löwin,
Sieger von Zion, König David,
Löwe von Juda!

Du hast die Erde fest gegründet


Auf sicheren Fundamenten
Und hast die Erde, unser aller Mutter,
Aufgehängt im Nichts,
O Herr der Welten!

Du hast die Erde überflutet


Und die Sünder ertränkt
Und eine neue Menschheit gegründet
Auf dem Berge Ararat,
O Herr, du Vater der Götter und Menschen!

Du bist siegreich in allen Kriegen


Und hast dich selbst geopfert
Als Opferlamm auf dem Altar,
O Herr, in Jesus inkarniert,
O Heiland und Retter der Menschen!

Du verlangst keine Opfer von Lämmern,


Von Stieren und Kühen, Ziegen und Tauben,
Sondern gabst dich selbst zum Opfer
Und erneuerst dein Opfer täglich in Brot und Wein,
O Jesus, eucharistischer Christus!

Du weidest die Völker


Mit eisernem Zepter
Und wirst die Heiden zerschlagen
Wie irdenes Tongeschirr,
Du apokalyptischer Herrscher!

Höre Josef Maria Mayers Gedicht,


Das seine Muse ihm eingegeben
In berauschenden Träumen!
Möge sein Lobpreis steigen
Wie Weihrauch zu deinem Thron,
Mein Herr und mein Gott!

Der du die heilige Schrift erfüllst,


Der du den Satan niedergeworfen hast,
Du Friedefürst, du starker Gott,
Du König der Könige, Herr der Herren,
Gott der Götter, Lobpreis sing ich dir, Jesus Christus!

ZWEITER GESANG

Blumenketten trägst du um den Hals


Und goldene Ohrringe an den Ohren,
Trägst den Wald des Libanon, seine Zedern,
Du bist der Sieger, mein Herr und mein Gott!

Geschmückt bist du von lichten Juwelen


Und zerreißt die Fesseln der Sünde!
Schwan bist du auf dem See der Weisheit,
Du bist der Sieger, mein Herr und mein Gott!

Des giftigen Satan Vernichter,


Du Dieb der Menschenherzen,
Sonne bist du für die Rose von Jericho,
Du bist der Sieger, mein Herr und mein Gott!

Die gewundene Schlange, die flüchtige Schlange,


Den feuerroten Drachen zertrittst du,
Auf Adelers Fittichen schwebst du,
Grund für den Tanz der Engel du,
Du bist der Sieger, mein Herr und mein Gott!

Mit Narzissenaugen lachst du,


Frei vom ewigen Tode machst du die Deinen,
Zentrales Feuer bist du des Universums,
Du bist der Sieger, mein Herr und mein Gott!

Maria Magdalena zur Freude strahlst du,


Die Sünde hast du überwunden,
Fesselst mit ehernen Ketten den Satan,
Du bist der Sieger, mein Herr und mein Gott!

Schön bist du wie Wolken vor dem Gewitter,


Des Zionberges Fundament bist du,
Du bist der Adler, der schaut des Vaters Antlitz,
Du bist der Sieger, mein Herr und mein Gott!

Wir werfen uns zu deinen Füßen nieder,


Vergiss uns nicht, wenn du in dein Reich kommst!
Spende Gnaden denen, die beten,
Du bist der Sieger, mein Herr und mein Gott!

Verse von Josef Maria Mayer,


Segen erbitten seine Verse dem Leser,
Segen soll es bringen, liest man dies Lied,
Du bist der Sieger, mein Herr und mein Gott!

An Marias Brüste gebettet


Verblieb sein Abdruck an ihrer Brust,
Der Abdruck seines heiligen Herzens,
Des Todesüberwinders,
Von Liebe gezeichnet,
Von Eros erschöpft,
Schenk er euch allen das überwallende Maß der Wonne!

Im Frühling mit lilienweißen Gliedern


Durch die Scharonwiesen irrte sie,
Jesus nachfolgend edler Art und Weise,
Verwirrt von Liebe und dem Fieber der Liebe,
Ratlos stand Maria Magdalena,
Da spricht mit sanfter Stimme die Freundin Susanna:

DRITTER GESANG

Wo süßer Nektarduft schmeichelt


Herab vom Hermon-Gebirge,
Wo beim Libanon-Waldhaus
Die Nachtigall von der Rose flötet
Und Honigbienen summen,
Da wandelt der Herr durch die Scharonwiesen,
Jesus tanzt mit den Jüngerinnen
Im Frühling, wo Einsame leiden!

Wo der wandernden Jüngerinnen Murmeln


Wie Liebesseufzer erklingt,
Wo die Blüten der Magnolienbäume
Von Honigbienen umsummt sind,
Da wandelt der Herr durch die Scharonwiesen,
Jesus tanzt mit den Jüngerinnen
Im Frühling, wo Einsame leiden!

Wo berauscht von den Düften


Die Feigenbäume erste Knospen treiben,
Die jungen Männer die Frühfeigen pflücken,
Von Eros und seinen Pfeilen verwundet,
Da wandelt der Herr durch die Scharonwiesen,
Jesus tanzt mit den Jüngerinnen
Im Frühling, wo Einsame leiden!

Wo wie das brennende Herz des Eros


Sich die rote Rose öffnet,
Wo wie die Stacheln der Hummeln
Die Pfeile des Eros wüten,
Da wandelt der Herr durch die Scharonwiesen,
Jesus tanzt mit den Jüngerinnen
Im Frühling, wo Einsame leiden!

Das Schamgefühl verschwindet in der Welt,


Da die Narzissen ihre Glockenhäupter schaukeln,
Wo die Luft ist heiß und trocken
Wie die Dornen an der brennenden Rose,
Da wandelt der Herr durch die Scharonwiesen,
Jesus tanzt mit den Jüngerinnen
Im Frühling, wo Einsame leiden!

Wo die Myrrhe schwitzt


Und der Gummibaum Gummi tropft,
Wo selbst der Weisen Gemüt verwirrt ist
Von dem Flöten der Nachtigall,
Da wandelt der Herr durch die Scharonwiesen,
Jesus tanzt mit den Jüngerinnen
Im Frühling, wo Einsame leiden!

Wo die Ulme zärtlich grünt,


Von den Ranken des Rebstocks umschlungen,
In dem Jabbok-Wildbachtal,
Von den Wassern des Jabbok benetzt,
Da wandelt der Herr durch die Scharonwiesen,
Jesus tanzt mit den Jüngerinnen
Im Frühling, wo Einsame leiden!

So erhebt sich die Stimme von Josef Maria Mayer,


Der seinen Geist auf die durchbohrten Füße Jesu richtet.
Seine Verse schildern den Garten Eden im Frühling,
Wenn Eros durch den Garten Eden spaziert.
Da wandelt der Herr durch die Scharonwiesen,
Jesus tanzt mit den Jüngerinnen
Im Frühling, wo Einsame leiden!

Wie in den prallen Rebenzweigen Trauben,


So beben die Brüste der Jungfraun.
Glut glüht in der Seele den Geliebten
Wie das Feuer im Dornbusch des Sinai.
Liebespfeile versendet der Südwind.

Krokosblumen auf der grünen Gartenwiese,


Von summenden Honigbienen umschwärmt,
Sie bieten ihren Nektar für Honig an.
Es schluchzt die Nachtigall vor Sehnsucht
Und wer es hört, den befällt das Fieber der Liebe,
Er fürchtet, dass sein Atem stockt,
Dass sein Arm nicht finde die Umarmung.
So überlebt die Tage der lachenden Erde
Der Pilger nur mit großer Not!

*
Betört von dem Verlangen,
Mehr als nur Eine Jungfrau zu umarmen,
Verlangt der Geliebte mit bebenden Gliedern,
Mit den betörten Jungfraun allen zu tanzen.
Auf Jesus wies mit klugem Wink
Susanna, die Freundin Marias, und sprach:

VIERTER GESANG

Mit Salböl gesalbt sein bräunlicher Leib,


Geschmückt mit Blumenkränzen,
Lächelnd, an den Ohren den Schmuck von Juwelen,
So der Herr in seiner Freundinnen Kreis.
Ihr Schwärmenden, schwärmt von dem Herrn
Und weiht euch der ewigen Wonne!

Schwer sind die üppigen Brüste der Frau,


Die den Herrn voll Sehnsucht umarmt.
Eine Hirtin singt ihm ein Lied
Und es klingt des Brautpaares Brautgesang,
So der Herr in seiner Freundinnen Kreis.
Ihr Schwärmenden, schwärmt von dem Herrn
Und weiht euch der ewigen Wonne!

Eine Frau mit blühenden Augen,


Feuer des Eros in ihren Blicken,
Die süße Frau träumt von den Rosenlippen des Herrn,
So der Herr in seiner Freundinnen Kreis.
Ihr Schwärmenden, schwärmt von dem Herrn
Und weiht euch der ewigen Wonne!

Eine Frau schmiegt sich an Jesu Wange


Und spricht ein Wort in sein Muschelohr,
Eine Frau mit breitem Becken
Küsst den Geliebten unter Freudenschauern,
So der Herr in seiner Freundinnen Kreis.
Ihr Schwärmenden, schwärmt von dem Herrn
Und weiht euch der ewigen Wonne!

Eine Frau ist auf lustige Spiele bedacht


Und hat den Gottessohn aus dem Jordan gezogen,
Als er stand im rauschenden Schilf,
So der Herr in seiner Freundinnen Kreis.
Ihr Schwärmenden, schwärmt von dem Herrn
Und weiht euch der ewigen Wonne!

Weil auf das Klingeln der Spangen einer Frau


Des Meisters Flöte Antwort gab,
Fröhlich tanzend im Schleiertanz
Sang der Herr das Lob einer Tänzerin,
So der Herr in seiner Freundinnen Kreis.
Ihr Schwärmenden, schwärmt von dem Herrn
Und weiht euch der ewigen Wonne!

Eine Frau umarmt er, eine Frau küsst er,


Eines Wonneweibes Wollust erweckt er,
Blickt auf eine mit lieblichstem Lächeln
Und geht mit einer andern gedankenvoll,
So der Herr in seiner Freundinnen Kreis.
Ihr Schwärmenden, schwärmt von dem Herrn
Und weiht euch der ewigen Wonne!

So wie es Josef Maria Mayer gesungen,


Dies Geheimnis von Jesu Liebe,
Wie man es singt im Libanonwalde,
Das Lied soll euch Freude spenden,
So der Herr in seiner Freundinnen Kreis.
Ihr Schwärmenden, schwärmt von dem Herrn
Und weiht euch der ewigen Wonne!

Allen Freundinnen schön bereitet Freude der Herr,


So dass sie überfließen von Wonne,
Wie irre Lilien seine Glieder,
Führt er ein Fest auf für Gott,
Von wunderschönen Frauen umgeben
Und geliebkost von Kopf bis Fuß,
Er, der leibhaftige Gott, o Freundin,
Es scherzt der Herr im Frühling.

Vom schmerzhaften Biss der Schlange verwundet


Flieht der Wind von den Balsambergen,
Wo der Schnee liegt auf Zedern,
Flieht er nach Zion, zum Gottesberg.
Die Nachtigall sieht kaum die Rose blühen,
Bülbül, Bülbül, klingt schon ihr Lied.

Schwindlig vom wilden Bauchtanz die Freundinnen schön


Stehen am Rand, da umarmt voll Liebe
Maria, blind vor Liebe, den Messias.
Voll Himmelsbrot ist dein Mund, Wort Gottes,
Spricht sie und preist im Lobpreis den König,
Der gnädig darüber lächelt.
Herr Jesus Christus segne euch alle!
*

Der Herr war im Libanonwalde


Und war gnädig allen Jüngerinnen,
Aber seine geliebteste Jüngerin,
Magdalena, war eifersüchtig und floh.
Honigbienen schwärmten
Durch den Garten Eden,
Da sprach voll Trauer Magdalena
Zu ihrer sanften Freundin Susanna:

FÜNFTER GESANG

Er bläst so schön die Flöte


Mit seinen Rosenlippen
Und seine Augen schauen alle Seelen an
Und an seinen Ohren klingen Juwelen.
Der Herr im Tanz mit den Freundinnen schön,
Ich denk an ihn, doch der Herr hat mich verlassen!

Seine Augen sind wie Monde


Und im Haar trägt er die Pfauenfeder,
Seine Haare sind wie Gewitterwolken,
Seine Augen wie Blitze Gottes.
Der Herr im Tanz mit den Freundinnen schön,
Ich denk an ihn, doch der Herr hat mich verlassen!

Er ist erfüllt von brennender Liebe,


Die Jüngerinnen zu küssen mit dem Kuss des Friedens,
Seine beiden Lippen sind süße Zwillingsbrüder,
Sein Lächeln ist lieblich und leuchtend.
Der Herr im Tanz mit den Freundinnen schön,
Ich denk an ihn, doch der Herr hat mich verlassen!

Härchen sind auf seinem Arm,


Mit dem er die Jüngerinnen umarmt,
Seine Brust ist wie ein Karfunkelstein,
Sein heiliges Herz strahlt auch im Dunkeln.
Der Herr im Tanz mit den Freundinnen schön,
Ich denk an ihn, doch der Herr hat mich verlassen!

Die strahlende Stirn, die im Dunkeln leuchtet,


Beschämt den weißen Vollmond.
Er presst sich an hohe üppige Brüste,
Sein offenes Herz scheint mir verschlossen.
Der Herr im Tanz mit den Freundinnen schön,
Ich denk an ihn, doch der Herr hat mich verlassen!

Schön geschmückt sind seine Muschelohren


Mit silbernen Ringen und rosigen Perlen,
Um ihn scharen sich Sünderinnen und Büßer,
Dämonen zittern vor ihm und Engel beten ihn an.
Der Herr im Tanz mit den Freundinnen schön,
Ich denk an ihn, doch der Herr hat mich verlassen!

Tritt er an das schilfige Ufer des Jordan


Und denkt, die Zeit der Sünde zu überwinden,
Mit dem göttlichen Eros im Blick,
Sogar mich erfreut er, mich, die Sünderin.
Der Herr im Tanz mit den Freundinnen schön,
Ich denk an ihn, doch der Herr hat mich verlassen!

Verse von Josef Maria Mayer,


Er singt von Jesu heiligem Antlitz,
Er denkt an die verwundeten Füße Christi
Und seine Verdienste, erworben am Kreuz.
Der Herr im Tanz mit den Freundinnen schön,
Ich denk an ihn, doch der Herr hat mich verlassen!

Alle Vorzüge sind in ihm versammelt,


Er prüft den Wankelmut und den Wahnsinn,
Aber zufrieden ist er mit den Betern
Und nimmt vom Kreuz unsre Kreuze von uns,
Es drängt sich Christi Liebe zu allen Jüngerinnen,
Aber ich hab ihn dreimal verleugnet,
Doch jetzt sing ich dem Todesüberwinder wieder:
Du weißt alles, du weißt auch, dass ich dich liebe!

SECHSTER GESANG

Wenn ich zum Libanonwaldhaus kam,


Wo Jesus wachte, verborgen im Frühling,
Wo ich zitternd mit glühenden Augen
Und überwältigt von Freude lachte –
Susanna, hilf mir, Jesus den Schlangenzertreter
Zu erfreuen, der stillt all unser Liebesverlangen!

Von der ersten Vereinigung glühte ich noch,


Da scherzte Jesus mit mir,
Wir sprachen in Liebe, in süßer Liebe,
Und er löste mir zärtlich den Lendenschurz –
Susanna, hilf mir, Jesus den Schlangenzertreter
Zu erfreuen, der still all unser Liebesverlangen!

Wenn ich hinsah auf den Boden des Waldes,


Dann sank er an meine üppigen Brüste,
Und wenn ich ihm meine Küsse anbot,
Dann stillte er mich mit dem Wein des Bundes –
Susanna, hilf mir, Jesus den Schlangenzertreter
Zu erfreuen, der stillt all unser Liebesverlangen!

Wenn ich in Müdigkeit meine Augen schloss


Und sich mir die Haare im Nacken sträubten,
Mein Körper schwitzte blutigen Schweiß
Und ich war aufgewühlt von heiliger Lust –
Susanna, hilf mir, Jesus den Schlangenzertreter
Zu erfreuen, der stillt all unser Liebesverlangen!

Ich flötete wie die Nachtigall


Und war Meisterin in den Künsten des Eros,
In der langen Mähne trug ich Hennablüten
Und seine Nägel ließen Spuren zurück auf meiner Brust –
Susanna, hilf mir, Jesus den Schlangenzertreter
Zu erfreuen, der stillt all unser Liebesverlangen!

Wenn die Kettchen an meinen Füßen klirrten


Und ich erfüllt war vom Übermaß der Liebe,
Wenn mein Liebreizgürtel sich löste
Und er meine langen schwarzen Haare strich –
Susanna, hilf mir, Jesus den Schlangenzertreter
Zu erfreuen, der stillt all unser Liebesverlangen!

Von der Liebesbegegnung erschöpft,


Hab ich geschlossen die Narzissenaugen,
Und es sank vor Erschöpfung mein Körper nieder,
Matt vom Kampf mit den Dämonen –
Susanna, hilf mir, Jesus den Schlangenzertreter
Zu erfreuen, der stillt all unser Liebesverlangen!

Dies sind Josef Maria Mayers Verse,


Erfüllt von dem Frieden des Todesüberwinders,
Wie Magdalena voll Sehnsucht sang,
Wer dies liest, erfahre die himmlische Freude!
Susanna, hilf mir, Jesus den Schlangenzertreter
Zu erfreuen, der stillt all unser Liebesverlangen!

Ihm glitt die lustige Flöte aus der Hand


Und es trafen ihn die brennenden Blicke
Der Jüngerinnen, versammelt im Schwarm,
Da schwitzte blutigen Schweiß seine Stirn,
Keuscher Liebe blickte er zu Maria,
Süß wie Engelsspeise seines Mundes Lächeln,
Maria schaut Jesus in der Schar der Jüngerinnen
Und Magdalena erschaudert vor Wonne.

Seh ich die Knospen der roten Rose


Am Teich im Garten Eden erblühen,
Umsummt von den schwärmenden Hummeln,
Und Apfelbäume blühen im grünen Garten,
O Susanna, kann der Garten Eden
Maria Magdalena befriedigen ganz?

*
Maria und Susanna lächeln still,
Strähnchen kringeln sich an ihren Wangen,
Sie heben die Arme und zeigen die Achseln
Und es dringen die Brüste aus dem Kleid,
Ruhig schaut Jesus die Jüngerinnen an
Und lange denkt der Allweise über sie nach
Und ist so rein und freudig wie ein Kind,
Jesus Christus, der sorglose Jüngling Gottes!
Von allen Sorgen befreie euch Gott!

Satans Feind, der sich die Fessel ums Herz geschlungen,


Mirjam von Magdala, Fessel der Liebe,
Jesus riss sich von allen Jüngerinnen los
Und eilte einzig Mirjam von Magdala nach,
Eilte hier hin und eilte dort hin,
Zerfleischt im Leib vom Pfeile des Eros,
Von Sehnsucht befallen nach Mirjam,
Im Libanonwalde zu Boden sank Jesus.

SIEBENTER GESANG

Fortgegangen ist Mirjam von Magdala,


Weil sie mich mit den anderen Frauen gesehen,
Sie floh vor meiner allgemeinen Liebe
Und floh aus Angst und zitternder Scheu.

Herr, Herr, ihr Herz ist verletzt,


Sie ist gegangen, einer Verbitterten gleich!

Was wird sie jetzt tun, was wird sie jetzt reden?
Wird sie bald zu mir zurückkehren?
Was nützt mir der Himmelspalast,
Was nützt mir Israel, was mein Leben?

Herr, Herr, ihr Herz ist verletzt,


Sie ist gegangen, einer Verbitterten gleich!

Ich denke an ihr Mondgesicht,


Seh ich sie fragend die Brauen erheben,
Ich sehe die Honigbienen schwirren
Über den rosenroten Rosenkelchen.

Herr, Herr, ihr Herz ist verletzt,


Sie ist gegangen, einer Verbitterten gleich!

Ich trage sie Tag und Nacht in meinem Herzen,


Der ich sie mit Intimität verwöhnte!
Ach, was nützt es doch, dass ich sie verfolge,
Daß ich für sie Liebeslieder singe?
Herr, Herr, ihr Herz ist verletzt,
Sie ist gegangen, einer Verbitterten gleich!

Schönes Mädchen, mir scheint, dein Herz


Ist aus Bitterkeit in Stücke gebrochen!
Wo du hingegangen bist, weiß ich nicht,
Und wollte dich so gerne versöhnen!

Herr, Herr, ihr Herz ist verletzt,


Sie ist gegangen, einer Verbitterten gleich!

Ich sehe dich im Geiste vor mir,


Sehe dein Kommen und dein Gehen.
Soll ich dich denn jetzt nicht mehr umarmen
Und dich pressen innig an mein Herz?

Herr, Herr, ihr Herz ist verletzt,


Sie ist gegangen, einer Verbitterten gleich!

Mirjam, sei mir wieder wohlgesonnen!


Ich will dir solche Schmerzen nicht mehr antun!
Tu doch mir zuliebe etwas Gutes,
Denn vor Sehnsucht nach dir vergeh ich!

Herr, Herr, ihr Herz ist verletzt,


Sie ist gegangen, einer Verbitterten gleich!

Die Worte des Herrn hier wiederzugeben,


Spann Josef Maria Mayer diese Verse,
Marias Schatz ist doch Jesus,
Der aus den Wassern der Taufe aufgetaucht!

Herr, Herr, ihr Herz ist verletzt,


Sie ist gegangen, einer Verbitterten gleich!

Am Herzen hat der Herr einen Rosenkranz,


Der stammt wahrlich nicht von der Schlange!
Am Hals trägt Jesus eine Perlenschnur,
Die stammt wahrlich nicht vom Drachen!
Salböl der Freude – nicht Asche der Buße!
Ach, da Mirjam von Magdala vor mir floh,
Trifft mich tödlich der Pfeil des Eros!
Eros, Eros, was hast du es denn so eilig?

Lege mir nicht den giftigen Pfeil in die Hand


Und spanne nicht den ehernen Bogen, Eros!
Triffst du mich in meiner tödlichen Ohnmacht,
Herrscher Eros, ist das eine Heldentat?
Eros, Eros, dies Mädchen, diese Gazelle,
Sie durchbohrt mich mit ihren glühenden Blicken!
Ihre Blicke waren wie Pfeile des Eros!
Die Liebe ist ein loderndes Feuer Gottes!

Ihre Augenbrauen der Bogen des Eros,


Ihre Wimpern sind die Pfeile des Eros!
Ich bin Gottmensch und Triumphator,
Aber der göttliche Eros hat mich überwältigt!
Aber Eros hat seine allgewaltigen Pfeile
Mir als blutiges Testament hinterlassen!

Da die Wimpern über den Augen strahlten,


Durchbohrte Eros mir das Knochenmark!
Die Strähne ihres Haares knüpfte
Mir den Strang, an dem ich gehangen!
Deine Lippen, rot wie Granatapfelwein,
Sie schenkten mir den dunkelsten Wahnsinn ein!
Makellos sind deine runden Brüste –
Warum spielt Eros mit meinem Leben?

Ich denke: So hat sie mich berührt,


So hat sie mich angeschaut aus frommen Augen,
So hat sie geduftet, wie Weihrauch geduftet,
Dies war ihre Stimme, wie ein Saitenspiel,
Dies die Süßigkeit ihrer Lippen, wie Granatapfelwein,
Und ich denke: Hängt an Frauen so sehr mein Herz?
Alle meine Gedanken sind tief in ihr!
Weh mir, weh mir! Woher der Schmerz?
Diese abgrundtiefe Verlassenheit! Wehe!

Jesus beugte seinen Nacken, bewegte sein Haupt,


Seine Ohrringe glänzten, die Flöte erscholl,
Von zehntausend Jungfraun umrahmt seine Liebe,
Er dehnte sich weit voll brennender Sehnsucht
Zum Mondgesichte Mirjam von Magdala!
Sei eurer Seele ein ewiger Gewinn
Ein einziger Blick vom Todesüberwinder!

Als am schilfigen Ufer des Jordan


Müde Jesus lag und träumte,
Erschöpft von der Last der Sehnsucht,
Sprach Maria Magdalenas Freundin
Susanna diese Worte zum Herrn:

ACHTER GESANG

Über das Salböl ärgert sich Magdalena,


Als Qual empfindet sie den Mondschein,
Vom Südwind meint sie,
Gift aus Nattern-Nestern zu empfangen.
Jesus, dir vereinigt in der Beschauung,
Dich entbehrt sie mit brennender Sehnsucht!

Vor den häufig hagelnden Pfeilen des Eros


Schützt sie ihr Herz mit einer Dornenhecke,
Schützt sie ihr Herz, um dich zu schützen,
Der du lebst in ihrem innersten Herzen.
Jesus, dir vereinigt in der Beschauung,
Dich entbehrt sie mit brennender Sehnsucht!

Kissen bereitet sie aus Magnolienblüten


Und bereitet euch ein Bett im grünen Gras,
Ein Bett für eure Liebesumarmung,
So erfüllt sie ihr heiliges Keuschheitsgelübde.
Jesus, dir vereinigt in der Beschauung,
Dich entbehrt sie mit brennender Sehnsucht!

Schwere Tropfen regnen aus ihren Augen,


Diesen Augen, die wie Narzissen glühen,
Ihr Antlitz ist wie der Mond, der weint
Den Nachttau auf den Garten der Liebe.
Jesus, dir vereinigt in der Beschauung,
Dich entbehrt sie mit brennender Sehnsucht!

Heimlich malt sie dich mit Henna


Als Herrn der Liebe auf ihre Wangen,
Malt dich, wie du in Händen hältst
Den Honigpfeil des göttlichen Eros.
Jesus, dir vereinigt in der Beschauung,
Dich entbehrt sie mit brennender Sehnsucht!

Tief in der Kontemplation, da bist du ihr nah,


O Gott, der in unzugänglichem Lichte wohnt,
Sie plappert, sie kichert, sie lacht, sie eilt
Und sendet in die Welt ihre glühende Liebe!
Jesus, dir vereinigt in der Beschauung,
Dich entbehrt sie mit brennender Sehnsucht!

Sie spricht nur dies: Ich fall dir zu Füßen,


O mein Herr und mein Gott, mein König,
Schaust du mich nicht an in Gnade,
So verbrennt der Südwind meine Glieder.
Jesus, dir vereinigt in der Beschauung,
Dich entbehrt sie mit brennender Sehnsucht!

Sollen diese Verse Josef Maria Mayers


Noch der Nachwelt im Herzen tönen,
So lest sie als die Worte Marias,
Die Worte der schmachtenden Magdalena.
Jesus, dir vereinigt in der Beschauung,
Dich entbehrt sie mit brennender Sehnsucht!
Wie der Libanonwald erscheint ihr Zelt,
Wie ein Fischernetz der Freundinnen Schwarm,
Die Glut der Seufzer Magdalenas
Erscheint wie ein Waldbrand im Sommer.
O Jesus, seit du Magdalena so fehlst,
Ist sie ganz zur verzärtelten Gazelle geworden.
Und Eros gibt sich ihr als ein seliger Tod
Und kommt zu ihr wie ein schwarzer Panther!

NEUNTER GESANG

Auf ihrem Busen die Perlenschnur


Fühlt die sich verzehrende Christin als Last,
Maria von Bethanien, leidend,
Weil Jesus so fern von ihr war!

Salböl von Myrrhe, sonst erquickend,


Erscheint ihr wie Gift in die Poren zu dringen,
Maria von Bethanien, leidend,
Weil Jesus so fern von ihr war!

Unbeschreiblich, wie die Seufzer wüten!


Wie vom Wein des Wahnsinns ist sie betört!
Maria von Bethanien, leidend,
Weil Jesus so fern von ihr war!

Tautropfen streut sie wie Samen aus,


Tautropfen von den Narzissenblüten,
Maria von Bethanien, leidend,
Weil Jesus so fern von ihr war!

Den Kopf stützt sie traurig auf die Hand,


Ihr Kopf ist Neumond in dunkler Nacht,
Maria von Bethanien, leidend,
Weil Jesus so fern von ihr war!

Sie weidet die Augen am grünen Bett des Gartens


Und meint, es wäre ein Ganzbrandopferaltar,
Maria von Bethanien, leidend,
Weil Jesus so fern von ihr war!

Herr, Herr, so flüstert sie voll Sehnsucht,


Als sei die Trennung ein Liebestod,
Maria von Bethanien, leidend,
Weil Jesus so fern von ihr war!

Dies Lied von Josef Maria Mayer erfreu dich


Und erfreue die durchbohrten Füße Christi!
O Maria von Bethanien, leidend,
Weil Jesus so fern von ihr war!
Es sträuben sich ihr die Härchen im Nacken,
Sie stöhnt, sie faselt Unsinn, sie zittert,
Sie ist bang in der Nacht und liegt am Boden,
Sie ist tot wie vom Fieber des Eros,
Und nur der Blutwein Christi könnte sie stärken,
Wenn du, o Jahwe-Rapha, du göttlicher Arzt,
Dich erbarmtest, sonst ist kein Retter da!

O Gott, du Arzt, o heile die Liebeskranke,


Heile sie durch deines Fleisches Vereinigung!
Maria von Bethanien, wenn du sie nicht erlöst,
Herr, so bist du hart wie ein Donnerhammer!

Krank von des heillosen Eros Fieber,


Schon lange wecken die Violen ihre Schmerzen,
Sie ruft deinen mystischen Körper, o Christus,
Bräutigam ihrer Seele, den allein sie liebt,
Sie sieht dich mit den Augen ihrer Seele,
Obgleich sie fast zu Tode erschöpft ist.

Die Trennung kann sie nicht ertragen,


Ein einziger Blick hat sie gebrochen,
Jetzt seufzt sie, sieht sie die Violen blühen,
Jetzt jammert sie in tödlicher Einsamkeit!

Jesus hielt den Schirm und Schutz


Über die Herde seiner Schäfchen,
Seine Freundinnen küssten ihn alle,
Die roten Lippen, rot wie Granatapfelwein,
Die roten Lippen küssten den göttlichen Freund.
Jesus ist der fleischgewordene Satansüberwinder,
Möge sein göttlicher Finger euch Freuden bereiten!

Jesus spricht: Ich bleibe


Im Garten Gethsemane!
Ich sende dich, Susanna,
Zu meiner Freundin Magdalena,
Führe sie zu mir! –
Und Susanna sprach zur Freundin Maria:

ZEHNTER GESANG

Regt sich der Südwind,


Trägt er Jesu glühende Sehnsucht,
Es blühen die Rosen im Garten,
Doch Jesus ist verlassen und zerschlagen!
Weil du ihm fern bist, o Freundin,
Liegt liebeskrank der Dorngekrönte!

Bescheint ihn des Mondes dunkles Licht,


Erlebt er die Todesstunde!
Ihn trifft der Liebespfeil,
Seine offene Wunde blutet!
Weil du ihm fern bist, o Freundin,
Liegt liebeskrank der Dorngekrönte!

Summen die Honigbienen,


Lauscht er ihrem Summen,
Sein Herz ist einsam!
Er bleibt erwählt den Leiden!
Weil du ihm fern bist, o Freundin,
Liegt liebeskrank der Dorngekrönte!

Ruht er im Garten Gethsemane,


Verlässt er die Davidsburg,
Muss er sich wälzen im Staub,
Oft seufzt er deinen Namen.
Weil du ihm fern bist, o Freundin,
Liegt liebeskrank der Dorngekrönte!

Es spricht der Dichter Josef Maria Mayer


Von den tödlichen Schmerzen der Trennung.
Möge Jesu Herz, von Leiden durchbohrt,
Auferstehen in göttlicher Freude!
Weil du ihm fern bist, o Freundin,
Liegt liebeskrank der Dorngekrönte!

Magdalena, mit dem König der Liebe


Lebtest du sonst in Vereinigung!
Im Garten Gethsemane denkt nun
Jesus an dich in der dunklen Nacht!
Er lallt die Gebetsschnur für dich
Und wünscht sich von den Bechern
Deiner üppigen Brüste, den Wein der Liebe
Und der Vereinigung Lust zu trinken!

ELFTER GESANG

Ewige Liebe zu verschenken,


Zog Jesus nach Jerusalem.
O Magdalena mit dem breiten Becken,
Vereinige dich mit dem Bräutigam!
Die Engel zu Geführten,
Auf dem Berge Karmel
Im Walde geht der Dorngekrönte.

Christus, deinen Namen trägt die Christin,


Jesus, der du die Flöte bläst,
Den Corpus Christi betet sie an
Und liebt noch den Schatten deines Leibes.
Die Engel zu Gefährten,
Auf dem Berge Karmel
Im Walde geht der Dorngekrönte.

Es rauschen die Flügel, es rauscht das Laub,


Jesus sehnt sich nach dir, Geliebte!
Er bereitet schon das Bett der Vereinigung
Und schaut, ob du zu ihm kommst.
Die Engel zu Gefährten,
Auf dem Berge Karmel
Im Walde geht der Dorngekrönte.

Löse die silbernen Kettchen von den Füßen,


Die silbernen Kettchen mit den silbernen Glöckchen,
Freundin, steige den Karmel hinan
Und umarme Jesus im Purpurmantel!
Die Engel zu Gefährten,
Auf dem Berge Karmel
Im Walde geht der Dorngekrönte.

Du ruhst an Jesu Herzen, Freundin,


Die Perlenschnur zwischen deinen Brüsten,
Maria, schön wie ein goldener Engel
Sollst du strahlen in der Umarmung!
Die Engel zu Gefährten,
Auf dem Berge Karmel
Im Walde geht der Dorngekrönte.

Den nackten Arm aus dem Kleid erhebe


Und schling ihn Jesus um den Hals
Und mit der Augen glühenden Narzissen
Schaue voll Liebe zu deinem Schatz!
Die Engel zu Gefährten,
Auf dem Berge Karmel
Im Walde geht der Dorngekrönte.

Der Herr ist unermesslich groß,


Die dunkle Nacht ging dem Ende entgegen.
Folge meiner Unterweisung, Freundin,
Und tröste Jesus, der dürstet nach Liebe!
Die Engel zu Gefährten,
Auf dem Berge Karmel
Im Walde geht der Dorngekrönte.

Josef Maria Mayers freie Verse


Preisen den Herrn mit großer Freude.
Werft euch nieder vor den Füßen des Herrn,
Der euch alle Gnaden geschenkt!
Die Engel zu Gefährten,
Auf dem Berge Karmel
Im Walde geht der Dorngekrönte.

Seufzer fließen von Jesu Lippen,


Voller Hoffnung schaut er in die Zukunft,
Bald birgt er sich in der dunklen Nacht,
Bald schweigt er in ruhender Stille,
Bald bereitet er das Bett der Hochzeit,
Bald blickt er voller Schmerzen sich um,
Von glühender Sehnsucht überwunden,
Windet sich dein Bräutigam dort im Staub!

Die Zeit, da du dich ihm verwehrt,


Die Zeit verging wie ein Sonnenuntergang.
Wie das Liebesverlangen in Jesu Herzen
Ward unermesslich tief die dunkle Nacht.
Wie der Singschwäne tödliches Lied,
So singe ich dir, Maria Magdalena:
Rasch, schöne Närrin, eile zum Freund,
Es ist die Stunde des Liebestreffens gekommen.

Wenn Jesus und Magdalena sich herzen,


Wenn sie tauschen den Kuss der Liebe,
Wenn der göttliche Eros aufgewacht ist
Und sie werden verrückt vor Liebe,
Wenn sie schließlich sich vereinigen liebend,
Die sich an dem Wort erkannten, die beiden,
Was blüht dem Bräutigam da für Wonne
In der dunklen Nacht, vermischt mit Schmerzen!

Ängstlich zitternd bist du gekommen,


Die Augen geheftet auf den engen Weg,
Bei jeder Zypresse bliebst du stehen,
Langsam setztest du Schritt vor Schritt,
Du bist genaht mit allen deinen Nöten,
Der göttliche Eros glühte auf deinen Wangen,
O schöne Geliebte, so schaut dich Jesus,
So krönt sich Jesus mit ewiger Wonne!

Der als Schmetterling gesogen


An Marias Rosenmund,
Der in der Dreifaltigkeit thront
Als Menschensohn aus Saphir,
Der dem ewigen Tod ein Ende setzte,
Der allen seinen Jüngerinnen
Die Seele beseligt in der Gnadenzeit,
Satans göttlicher Überwinder
Sei dir gnädig, Evas Tochter!

*
Als Susanna im Brautgemach
Die verliebte Magdalena sah,
Sprach Susanna zu Jesus Christus
Von der sehnsuchtsgequälten Freundin.

ZWÖLFTER GESANG

Sie blickt sich in alle Himmelsrichtungen um


Und sieht dich in ihrem Geist,
Wie den Honig du aus der Rose saugst
Ihrer rosenroten Lippen.
Herr, eile zur Freundin,
Die schmachtend liegt im Brautgemach!

Sie möchte gerne zu dir gehen


Und alles drängt sie zu dir,
Aber sie ist zu schwach zum Gehen,
Die Füße versagen ihr den Dienst.
Herr, eile zur Freundin,
Die schmachtend liegt im Brautgemach!

Sie umarmt sich selbst mit den Armen,


Mit ihren weißen Lilienarmen,
Sie lebt nur noch von Wahngedanken,
Wie ihr früher glücklich zusammen wart.
Herr, eile zur Freundin,
Die schmachtend liegt im Brautgemach!

Manchmal, wenn sie daran denkt,


Wie sie sich für Jesus schön gemacht,
Denkt sie gar in ihrem Wahnsinn:
Ich bin selbst der gekreuzigte Christus!
Herr, eile zur Freundin,
Die schmachtend liegt im Brautgemach!

Warum, denkt sie, hat Jesus mich verlassen?


Warum kommt er nicht zum Liebestreffen?
So klagt sie ihrer Freundin ohne Ende
Die Leiden ihrer trostlosen Gottverlassenheit.
Herr, eile zur Freundin,
Die schmachtend liegt im Brautgemach!

Jetzt stöhnt sie: Der Herr ist da!


Und sie umarmt die dunkle Nacht
Mit ihren schneeweißen Lilienarmen
Wie eine gewitterschwangere Wolke.
Herr, eile zur Freundin,
Die schmachtend liegt im Brautgemach!

Wenn du nicht zu ihr kommst, Jesus,


Dann verliert sie alle ihre Scham
Und stammelt Worte des Wahnsinns
Und weint, wenn sie dir das Lager bereitet.
Herr, eile zur Freundin,
Die schmachtend liegt im Brautgemach!

Josef Maria Mayer ersann dies Lied,


Es möge euch Trost und Freude bringen.
Herr, eile zur Freundin,
Die schmachtend liegt im Brautgemach!

Ihre Härchen auf den Armen sträuben sich,


Ein Seufzer jagt den nächsten Seufzer,
Wie Quellen sind ihre Augen voll Tränen
Und es steigen die Schluchzer in ihr Gebet.
O Jesus, an dir ernährt sie ihre Sehnsucht
Und in Fluten der Trauer versinkt
Maria Magdalena, Judäas Gazelle.

Wieder und wieder schmückt sie sich,


Und regt ein Windhauch nur ein Eichenblatt,
So denkt sie: Er ist es, er kommt!
Dann sitzt sie lang und denkt nach.
Sie ordnet Schmuck und Schminke
Und ordnet immer wieder das Bett
Und denkt an alle Gedichte des Wahnsinns,
Die schöne Maria Magdalena,
Und keine Nacht der Seele lebt sie ohne Jesus.

Aber Petrus spricht: Wo bist du, Herr,


Da Magdalena auf dich wartet
In den Schlangenlocken ihrer Mähne,
Sie wartet unterm Feigenbaum auf dich,
Mein Freund und mein Bruder Jesus Christus,
Geh doch nach Magdala in Galiläa!
So sprach Simon Petrus zu Jesus Christus
Und Jesus bereitete sich schon darauf vor,
Die schöne Maria zu grüßen und zu segnen.

Der keusche Mond, als träfe ihn die Sünde


Unkeuscher Frauen, zeigend seine Pracht,
Mit Strahlen scheint auf den Libanonwald,
Das Monden-Antlitz der Himmelskönigin.

Es nahte schon der himmlische Stier,


Doch fern blieb Jesus seiner Freundin,
Die Gekränkte ließ ein irres Lachen hören
Und stöhnte vor quälerischer Sehnsucht.
DREIZEHNTER GESANG

Die Stunde des Liebestreffens ist da,


Doch Jesus kam nicht zum Libanonwald.
Ist meiner Jungfräulichkeit Blüte
Mir abhanden gekommen, Herr?
Oh, wo finde ich Zuflucht?
Mich schmähten nur die Christen!

Bei Nacht bin ich durch den Wald gewandert,


Mich in der Nacht mit Jesus zu vereinigen,
Aber statt dessen trafen mich Pfeile
Und durchbohrten mir das Herz in der Brust!
Oh, wo finde ich Zuflucht?
Mich schmähten nur die Christen!

Ach, ich wäre lieber tot und im Himmel,


Nachdem ich hier vergebens Liebe gesucht!
Warum muss ich diese Trennung erleiden
Und warum wurde meine Vernunft verrückt?
Oh, wo finde ich Zuflucht?
Mich schmähten nur die Christen!

Ach, Verdruss nur bringt mir der Frühling,


Vergeblich leuchtet mir die süße Sonne,
Ob wohl eine andere Jüngerin
Jesus genießt mit lachender Freude?
Oh, wo finde ich Zuflucht?
Mich schmähten nur die Christen!

Weinen kann ich nur über die Kleider


Und den schönen Schmuck und die Schminke,
Ich entbehre Jesus, das muss ich leiden,
Und täte gern so vieles ihm zuliebe!
Oh, wo finde ich Zuflucht?
Mich schmähten nur die Christen!

Zart wie Violen ward mein Körper


Und wie die schmerzenden Pfeile des Eros
Stechen mich die Dornen des Rosenkranzes.
Ist denn Gottes Liebe ungleich verteilt?
Oh, wo finde ich Zuflucht?
Mich schmähten nur die Christen!

Hier im dunklen Walde will ich bleiben,


Ich zähle die Zweige im Walde nicht.
Mag sich der Satanüberwinder
Denn gar nicht mehr an mich erinnern?
Oh, wo finde ich Zuflucht?
Mich schmähten nur die Christen!
Dies Gedicht ist von Josef Maria Mayer,
Er liegt seiner Zuflucht Jesus zu Füßen.
O Jesus, wohne im Herzen der Freundin
Und schmiege dich dicht an die Frau!
Oh, wo finde ich Zuflucht?
Mich schmähten nur die Christen!

Lief Jesus einer liebenden Christin in den Arm?


Ob ihn mit geschickten Redekünsten
Seine Brüder und Freunde fesselten gar?
Verirrte sich Jesus in der dunklen Nacht?
Ist der Geliebte krank vor Liebe
Und zu schwach, den Weg zu gehen zu ihr,
Dass nicht einmal ein Ton seiner Flöte
Zu ihr gedrungen in den Libanonwald?

Als Magdalena sah, wie Susanna


Ohne Jesus Christus wieder zu ihr kam,
Schwieg Magdalena vor Verzweiflung.
Ach, liebt denn Jesus andre Frauen mehr
Und vergnügt sich mit einer andern Frau?
So sprach Maria Magdalena voll Eifersucht:

VIERZEHNTER GESANG

In prangendem Liebreiz,
Wie es ihrer Sehnsucht entspricht,
Sterne streuend
Aus ihrer blonden Lockenmähne,
Mit Satans Überwinder freut sich
Ein Mädchen höherer Schönheit!

Von der Umarmung Christi


In wallender Wollust,
Ihre Perlenschnüre tanzen
Auf den Bechern ihrer Brüste,
Mit Satans Überwinder freut sich
Ein Mädchen höherer Schönheit!

Von goldener Lockenmähne


Die Antlitz-Sonne umflossen,
Von der Macht seines Weines
Und seinen Küssen berauscht,
Mit Satans Überwinder freut sich
Ein Mädchen höherer Schönheit!

An ihren Muschelohren
Hängen die silbernen Ohrringe glänzend,
Mit strahlendem Liebreizgürtel
Gegürtet ist ihre schlanke Hüfte,
Mit Satans Überwinder freut sich
Ein Mädchen höherer Schönheit!

Unter den Blicken des Geliebten


Mit strahlendem Lachen steht sie,
Sie girrt wie eine Turteltaube
Und flötet wie eine Nachtigall,
Mit Satans Überwinder freut sich
Ein Mädchen höherer Schönheit!

Ihre Nackenhärchen sträuben sich,


Ihr Wonnekörper bebt,
Die strahlenden Augen sind offen,
Sie ist erblüht in Wollust,
Mit Satans Überwinder freut sich
Ein Mädchen höherer Schönheit!

Von Schweißtropfen perlen


Ihre lilienweißen Glieder,
In großer Liebe fällt sie
An Jesu heiliges Herz,
Mit Satans Überwinder freut sich
Ein Mädchen höherer Schönheit!

In diesem Gedicht von Josef Maria Mayer


Wird besungen in der Gnadenzeit
Christi Vereinigung mit der Seele,
Die durch Schmerzen geläutert wird,
Mit Satans Überwinder freut sich
Ein Mädchen höherer Schönheit!

Blass vor Sehnsucht


Ist Jesu heiliges Antlitz,
Es strahlt wie der Mond,
Der lilienweiße Vollmond,
Der Herr erleichtert sich ein wenig
Seiner quälenden Schmerzen
Und breitet sein heiliges Antlitz
Über das liebende Herz der Freundin,
Das erfüllt ist von göttlichem Eros
Und vom Kreuz der heiligen Liebe!

FÜNFZEHNTER GESANG

Im liebeglühenden Antlitz
Der Liebenden mit den Lippen,
Die lachend Küsse verlangen,
Ein Schönheitsmal
Trägt sie auf ihrer Brust.
Im Jabbok-Wildbachtal
Bei Mahanajim
Fand Jesus die ewige Wonne!

Ihre sonnengoldenen langen Locken,


Er spielt mit den Locken,
Die umfließen das lachende Antlitz,
Er schmückt ihr Haar mit Hennablüten,
Sie ist schön wie die Antilope
Im Wildpark des Vielgeliebten.
Im Jabbok-Wildbachtal
Bei Mahanajim
Fand Jesus die ewige Wonne!

Perlenschnüre der Gebete


Hängt Jesus zwischen ihre Brüste,
Die von Milch strotzenden Brüste,
Unterm Sternbild ihrer Brüste
Ruht Jesus wie unterm Vollmond.
Im Jabbok-Wildbachtal
Bei Mahanajim
Fand Jesus die ewige Wonne!

Auf die nackten weichen Arme,


Die schneeweißen Lilienarme,
Legt Jesus goldene Spangen,
Golden wie Honig der Bienen.
Im Jabbok-Wildbachtal
Bei Mahanajim
Fand Jesus die ewige Wonne!

Im Freudenhaus der Wonne,


Beim Schwenken der Hüften,
Beim weißen Thron des Eros,
Gürtet Jesus die Geliebte
Mit dem zaubernden Liebreizgürtel
Und führt sie in seine Wohnung.
Im Jabbok-Wildbachtal
Bei Mahanajim
Fand Jesus die ewige Wonne!

Die tanzenden Füße der Schönen


Sind mit Henna rot gefärbt,
Sie ruht an Jesu heiligem Herzen,
Während er vor Liebeskummer
Seine Wunden bluten lässt.
Im Jabbok-Wildbachtal
Bei Mahanajim
Fand Jesus die ewige Wonne!

Beglückt ist der Menschensohn,


Der Freund und Bruder des Hirten,
Er beglückt die Geliebte,
Die Schöne mit den Gazellenaugen.
O Magdalena, warum
Wartest du vergeblich
Im Libanonwald auf Jesus?
Im Jabbok-Wildbachtal
Bei Mahanajim
Fand Jesus die ewige Wonne!

In geistreichen Versen,
Den Herrn zu preisen,
In des Meisters Diensten
Spricht Josef Maria Mayer,
In der großen Gnadenzeit
Der göttlichen Barmherzigkeit
Ist er ein Muster jüngeren Dichtern.
Im Jabbok-Wildbachtal
Bei Mahanajim
Fand Jesus die ewige Wonne!

O Magdalena, lässt dich Jesus allein,


Was betrübst du dich, schöne Seele?
Jesus vergnügt sich mit anderen Frauen,
Aber geschieht dir etwa Unrecht?
Siehe, um mit dem Bräutigam eins zu werden,
Von des Geliebten Schönheit hingerissen,
Von der Schwermut der Sehnsucht gequält,
Verliert Maria Magdalena den Verstand!

SECHZEHNTER GESANG

Ihre Augen wie Lotos-Nymphäa,


Ihre beiden lachenden Augen!
Sie muss im grünen Frühlingsbett
Kein Leiden der Liebe leiden!
Ewige Wonne schenkt ihr
Das heilige Herz des Dorngekrönten!

Ihre purpurnen Lippen,


Die feucht sich scheiden!
Von Eros glühendem Pfeil
Wird ihr das Herz durchbohrt!
Ewige Wonne schenkt ihr
Das heilige Herz des Dorngekrönten!

Honigsüße Töne flötet sie


Und Segensworte singt sie!
Sie fiebert vom Liebesfieber
Im Südwind aus dem Südland!
Ewige Wonne schenkt ihr
Das heilige Herz des Dorngekrönten!

Ihre tanzenden Füße,


Weiße Lilien erblassen vor Neid!
Der Mond strahlt in der Nacht
Und sie wacht vor Liebe!
Ewige Wonne schenkt ihr
Das heilige Herz des Dorngekrönten!

Das Glänzen des lichten Mondes


Erhellt die dunkle Nacht.
Keinen Verlust erleidet sie,
Kein Schmerz wühlt in ihren Eingeweiden.
Ewige Wonne schenkt ihr
Das heilige Herz des Dorngekrönten!

Ihr leichtes seidiges Kleidchen


Schimmert wie Gold vom Stein der Weisen.
Lachend sieht sie die anderen Frauen
Ohne Neid und Eifersucht.
Ewige Wonne schenkt ihr
Das heilige Herz des Dorngekrönten!

Jesus, dem kein Jüngling vergleichbar,


Kein Mann ist vergleichbar dem Herrn,
Er lässt Salome nicht leiden,
Sondern erbarmt sich der Geliebten.
Ewige Wonne schenkt ihr
Das heilige Herz des Dorngekrönten!

Diese Verse Josef Maria Mayers


Sollen Engel dem Messias singen!
Möge Jesus einkehren sanft
In das Herz seiner Freundin!
Ewige Wonne schenkt ihr
Das heilige Herz des Dorngekrönten!

O du göttlicher Seligmacher,
O du duftender Gummi-Wind,
Blase in den Garten, Südwind,
Weiche, frostiger Nordwind,
Atem Gottes, wehe den Messias herbei!
Ich bin atemlos vor Bewunderung!

Magdalena aber fühlt


Der Freundinnen Nähe
Wie einen Erzrivalen.
Wie ein tödlicher Pfeil
Fühlt sich der Schnee
Vom Hermongebirge an.
Der milde Strahl des Mondes
Scheint Gift einer Hexe zu sein.
Magdalenas Herz brennt
Gewaltig für Jesu Herz!
Magdalena mit den Gazellenaugen,
Dich bändigt und überwältigt
Der unbändige göttliche Eros!

Wirf Magdalena zu Boden,


Du heißer Wind aus der Wüste!
Eros, Eros, nimm ihr den Atem!
Zu Hause will sie nicht mehr bleiben.
O Schwester Todin, was soll dein Erbarmen?
Gott, nimm mir aus meinem Fleisch
Die verzehrende Glut der Leidenschaft!

Den Purpurmantel umgeworfen,


Sieht Jesus in der Morgenröte
Maria Magdalena zittern,
Während die Freundinnen tanzen,
Jesus schaut aus seinen Taubenaugen
Zärtlich auf Maria Magdalena,
Süßes Lächeln um die Lippen.
Sei der ganzen Menschheit zur Wonne,
Jesus Christus, Mutter Marias Sohn!

Magdalena ist durch die Nacht gegangen


Und ist erschüttert von Eros’ Pfeilgeschossen
Und in der Morgenröte spricht sie zu Jesus,
Der voller Versöhnung vor Magdalena kniet,
Und redet zu Jesus eifersüchtige Worte:

SIEBZEHNTER GESANG

Von der durchwachten Nacht glühend,


Von Liebesleidenschaft glänzend,
Glüht dein Auge von genossener Liebe,
Getaucht in das Meer der lustvollen Liebe.
Herr, Herr, Jesus, geh, Christus, geh,
Folge doch Salome, dieser goldnen Nymphe,
Die dir deine Einsamkeit vertreibt!

Dein Mund hat die grünen Augen geküsst,


Die grünen Augen mit goldener Wimpernschminke,
Deine weißen Zähne, o Christus,
Gleichen deinem Leib, der weiß wie Brot ist.
Herr, Herr, Jesus, geh, Christus, geh,
Folge doch Salome, dieser goldnen Nymphe,
Die dir deine Einsamkeit vertreibt!

Nach dem Treffen im Geist des Eros


Trägt dein Leib noch die Spuren der Nägel,
Wie in Jaspis geprägt die Inschrift
Und die Bundesurkunde göttlicher Liebe.
Herr, Herr, Jesus, geh, Christus, geh,
Folge doch Salome, dieser goldnen Nymphe,
Die dir deine Einsamkeit vertreibt!

Hier ist dein blutrotes Herz,


Bemalt mit dem Henna ihrer Zehen,
Alles ist offenbar, wie du genossen
Den Feigenbaum der Liebesumarmung.
Herr, Herr, Jesus, geh, Christus, geh,
Folge doch Salome, dieser goldnen Nymphe,
Die dir deine Einsamkeit vertreibt!

In deinen Lippen die Spuren der Bisse,


Das brennt in meinen Eingeweiden!
Kann ich jetzt deinen Leib, so weiß wie Brot,
Kann ich jetzt noch deinen Leib genießen?
Herr, Herr, Jesus, geh, Christus, geh,
Folge doch Salome, dieser goldnen Nymphe,
Die dir deine Einsamkeit vertreibt!

Dein Leib ist wie weißes Brot


Und wie Brot ist auch dein Wort.
Warum verlässt du deine Freundin,
Die von Eros’ Pfeil gequält wird?
Herr, Herr, Jesus, geh, Christus, geh,
Folge doch Salome, dieser goldnen Nymphe,
Die dir deine Einsamkeit vertreibt!

Warum schweifst du durch die dunkle Nacht,


Um Frauen zu verschlingen wie Brot?
Hast du nicht schon als göttlicher Knabe
Mit deinen Freunden spöttisch gespielt?
Herr, Herr, Jesus, geh, Christus, geh,
Folge doch Salome, dieser goldnen Nymphe,
Die dir deine Einsamkeit vertreibt!

Dies ist das Lied von Josef Maria Mayer


Über das gedankenlose Plaudern der Frauen,
Die enttäuscht und verbittert sind von der Liebe.
Gott, so höre du die klagenden Frauen!
Herr, Herr, Jesus, geh, Christus, geh,
Folge doch Salome, dieser goldnen Nymphe,
Die dir deine Einsamkeit vertreibt!

Seh ich die Glut deiner Sehnsucht von dir fließen,


Gemischt mit dem Hennarot der Zehen der Freundin,
Warum brachest du die Bundestreue, Herr?
Spielst du mit dem Glück wie mit dem Schicksal?
Dein Antlitz zu sehen, macht mir Kummer,
Aber schließlich schäm ich mich meiner Tränen.
*

Jesus bewegt sein göttliches Haupt


Und pflückt vom Magnolienbaume Blüten,
Für Magdalena mit den Gazellenaugen
Ist das ein Zauber erneuerter Liebe,
Jesus, der sieben Dämonen aus ihr austrieb,
Jesus segne Magdalena mit seiner Flöte!

Zur betäubten Magdalena,


Zur freudeberaubten, verzweifelten Frau,
Von Jesus Christus enttäuschten,
Von ihm scheidenden Magdalena
Spricht die Freundin Susanna dies:

ACHTZEHNTER GESANG

Der Herr kommt im Frühling


Mit dem süßen Frühlingswind.
Was willst du schönere Freude
In deinem Hause finden?
Bittere, lass den Groll
Und verschmähe nicht Jesus voll Stolz!

Schwerer als Granatäpfel,


Von süßem Safte feucht,
Was lässt du unfruchtbar sein
Die Becher deiner Brüste?
Bittere, lass den Groll
Und verschmähe nicht Jesus voll Stolz!

Wie oft vernahmst du nicht den Vers,


Den wunderschön klingenden Vers:
Bleibe nicht fern vom Herrn,
Öffne dem Herrn dein Herz!
Bittere, lass den Groll
Und verschmähe nicht Jesus voll Stolz!

Warum heulst du so verzweifelt


Und bist den Schmerzen verfallen?
Nur spotten werden über dich
Die andern Christinnen alle.
Bittere, lass den Groll
Und verschmähe nicht Jesus voll Stolz!

Auf deinem Bett erblicke,


Auf dem die Violenblüten liegen,
Den Herrn und lass seine Augen
Deine reifen Feigen pflücken!
Bittere, lass den Groll
Und verschmähe nicht Jesus voll Stolz!

Was lässt du in deinen Gedanken


Die bittere Seelenwunde bluten?
Was lässt du den schweren Gram
Dir deine Seele umnachten?
Bittere, lass den Groll
Und verschmähe nicht Jesus voll Stolz!

In Josef Maria Mayers Gedicht,


Das so überaus schön geraten ist,
Sollen geistreiche Leser lesen
Von den Wunderwerken des Herrn.
Bittere, lass den Groll
Und verschmähe nicht Jesus voll Stolz!

Bist du grob, wo Jesus sanft ist,


Bist du stolz, wo Jesus demütig ist,
Setzt du seiner glühenden Liebe
Nur kalte Gleichgültigkeit entgegen,
Entziehst dich seinem Auge,
Wenn Jesus dich liebevoll anschaut,
Dann geschieht dir recht
In deinem verkehrten Sinn,
Dass dir das Nardenöl
Als Gift in die Poren dringt
Und dass das keusche Mondlicht
Dir wie verzehrende Glut erscheint
Und dass der Schnee vom Hermon
Dir wie ein Opferfeuer erscheint
Und dass der heitere Scherz der Liebe
Dich quält wie Pein des Todes!

Der Herr, dem die Pilger huldigen huldvoll,


Er neigt seine Stirn mit dem Dornenkranz,
Er ist süß wie Bienenhonig
Und ist verschwenderisch mit Gaben
Und ist blendend wie die Sonne!
Lobpreis den durchbohrten Füßen Jesu!
Dass der Tod und der Teufel besiegt sind,
Verkündet das Evangelium!

Zorn erfüllte die arme Magdalena,


Der Seufzer müde war ihr Mund.
Der Freundin mit den Rosenlippen nahend,
Die schamhaft zu Susanna schaute,
Mit liebesstammelnder Rede sprach
Am Ende des Tages Jesus zu Magdalena:

NEUNZEHNTER GESANG

Sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund!


Nimm von den Elfenbeinzähnen den Grimm!
Möge der Rotwein deiner Rosenlippen
Die Seele deines Freundes berauschen!
Geliebte Schönheit, lass ab vom Grimm,
Feuer der Liebe erfüllt mein Herz,
Gib mir den Rotwein deiner Küsse zu trinken!

Bist du denn wirklich böse auf mich?


Nägel sollen durch Hände und Füße mir dringen!
Umarme mich mit deinen Lilienarmen,
Rechtfertigung soll aus meiner Sehnsucht entspringen!
Geliebte Schönheit, lass ab vom Grimm,
Feuer der Liebe erfüllt mein Herz,
Gib mir den Rotwein deiner Küsse zu trinken!

Du bist doch mein goldenes Schmuckstück,


Du bist die Seele meiner Seele,
Du bist der Schatz im Acker meines Lebens,
Dich begehre ich selbst noch am Kreuz!
Geliebte Schönheit, lass ab vom Grimm,
Feuer der Liebe erfüllt mein Herz,
Gib mir den Rotwein deiner Küsse zu trinken!

Wie grüne Jade leuchten deine Augen,


Schlank bist du wie eine Palme von Tamar,
Lässt du von Liebesschmerz Jesu Herz bluten,
Wird er es freudig für dich erleiden!
Geliebte Schönheit, lass ab vom Grimm,
Feuer der Liebe erfüllt mein Herz,
Gib mir den Rotwein deiner Küsse zu trinken!

Deine Brüste sind breite Becher,


Es tanzen dazwischen die Perlenschnüre,
Es schimmert um deine Lenden der Liebreizgürtel,
Die Gebote des göttlichen Eros verkündend.
Geliebte Schönheit, lass ab vom Grimm,
Feuer der Liebe erfüllt mein Herz,
Gib mir den Rotwein deiner Küsse zu trinken!

Wie Lotossprossen sind deine Füße,


Die erhöht sind auf der Bühne des Tanzes,
Zu süßen Tönen tanzen deine Füße,
Ich will dir die Zehen röten mit Henna.
Geliebte Schönheit, lass ab vom Grimm,
Feuer der Liebe erfüllt mein Herz,
Gib mir den Rotwein deiner Küsse zu trinken!

Die verzehrende Glut der Leidenschaft zu löschen,


Leg mir auf die Schultern deine Füße,
Glühen sollst du von Liebesfieber,
Ich will dir die Wunde deiner Seele heilen!
Geliebte Schönheit, lass ab vom Grimm,
Feuer der Liebe erfüllt mein Herz,
Gib mir den Rotwein deiner Küsse zu trinken!

Es wirbt um dich der Teufelsüberwinder,


Es wendet sich Gottes Wort an Magdalena.
Es siege im Sänger-Wettstreit Josef Maria Mayer,
Allen frommen Frauen Seligkeit kündend!
Geliebte Schönheit, lass ab vom Grimm,
Feuer der Liebe erfüllt mein Herz,
Gib mir den Rotwein deiner Küsse zu trinken!

Gequälte Seele, lass ab vom Zweifel!


Immer seh ich vor mir deine schwellenden Brüste
Und deine schlanke Hüfte seh ich im Traum,
Keine andre ist für mich so schön wie du,
Selig herrscht in meinem heiligen Herzen
Der göttliche Eros allein, der Gott der Liebe!
Neige dich zu mir, du schöne Frau,
Der Anfang unsrer Umarmung gewähre
Volle Erfüllung aller unserer Hoffnung!

Süßes Mädchen, gönne doch dem Herrn


Die Bisse deiner Elfenbeinzähne!
Lass Armlianen mich fesseln!
Lass Brüste mich wie Sterne überwölben!
Erhöhe, feurige Frau, die Wollust noch
Und lass von des schrecklichen Eros Speer
Alle meine fünf Wunden bluten!

Du sonniges Antlitz! Wie fein deine Brauen!


Du betörst das Denken des sehenden Mannes,
Die du bist schillernd wie eine bunte Schlange,
Und um die Furcht vor der Schlange zu bannen,
Bleibt dem Jüngling Jesus nur der Zauber,
Den der Rotwein deiner Rosenlippen spendet.

Ach, mich verzehrt dein Schweigen, du Schöne,


Lass doch deine Liebeslieder wieder tönen,
Du Schlanke, mit süßem seufzendem Schmachten!
Mit lachenden Blicken deiner heiteren Liebe
Die verzehrende Glut der Leidenschaft lösche!
Du mit dem schönen Antlitz, wende dein Antlitz nicht ab
Und tröste mich wieder nach meiner Passion!
Du verliebtes Mädchen, hier bin ich, dein Bräutigam!
Wie Zwillingsblüten einer roten Rose
Sind deine feuchten schimmernden Lippen!
Rötlich von Liebesfieber glüht deine Wange!
Wie grüne Jade des Himmels leuchten deine Augen!
Deine Nase ist wie ein Elfenbeinturm!
Deine weißen Zähne lachen wie Jasmin!
Über deinem Antlitz ist Eros ausgegossen,
Eros, der die Sonnen und Sterne lenkt!

Deine Blicke sind trunken von Glück!


Dein Antlitz leuchtet heller als die Sonne!
Dein Tanz betört die jungen Männer alle!
Deine Schenkel sind gebogne Juwelenspangen!
Deine Wollust ist deine große Kunst!
Deine Brauen sind feine gebogne Linien!
Ach, du bist jung wie die Engel im Himmel!
Schlanke Schönheit, du mein Himmel auf Erden!

Spenden möge euch Jesus ewiges Glück,


Der im Kampf den Drachen getötet!
Das Schillern der satanischen Schlange
Erinnerte Jesus an Magdalenas Schillern,
Als er Blutschweiß schwitzte im Garten,
Die Augen schloss für einen Augenblick,
Da scholl schon der Ruf im Ostergarten:
Triumph, Triumph des göttlichen Eros!

Da er lange von Versöhnung gepredigt


Der Schönen mit den Gazellenaugen,
In seiner Schönheit ging der Menschensohn
Zum grünen Bett im grünen Garten,
Ging zur glänzenden Freundin,
Ging zu ihr in der Dämmerungsstunde.
Magdalena war nicht mehr bitter.
Zu ihr sprach die Freundin Susanna:

ZWANZIGSTER GESANG

Der dir das göttliche Wort zugewandt,


Der dir die staubigen Füße wäscht,
Der eben ins grüne Bett des Gartens sich legte,
Da die Osterglocken läuten,
Schönes Mädchen, dem Teufelsaustreiber
Gib dich ganz hin, Maria Magdalena!

Wie schwer sind doch deine üppigen Brüste,


Wie schlank ist doch deine Hüfte!
Mit silbernen klingelnden Kettchen am Knöchel
Tanze zum Lied des sterbenden Schwanes!
Schönes Mädchen, dem Teufelsaustreiber
Gib dich ganz hin, Maria Magdalena!

Höre den zärtlichen Ruf des Teufelsfeindes,


Alle zärtlichen Seelen lieben sein Wort!
Es flogen die Pfeile des Eros,
Da schwärmt die Nachtigall von der Rose.
Schönes Mädchen, dem Teufelsaustreiber
Gib dich ganz hin, Maria Magdalena!

Wie Blätter von grünen Bäumen


Sind deine lichten Finger der Hand.
Zeit ists zum Aufbruch, Mädchen,
Wandle mit deinen schlanken Schenkeln!
Schönes Mädchen, dem Teufelsaustreiber
Gib dich ganz hin, Maria Magdalena!

Als ob dir zuflüstert Eros:


Den Herrn umarme mit Liebe!
O welchen süßen Rauschtrank trägst du
Doch in den Bechern deiner üppigen Brüste!
Schönes Mädchen, dem Teufelsaustreiber
Gib dich ganz hin, Maria Magdalena!

Die Jüngerinnen sehen Jesus kommen,


Dein Leib ist zur Liebe bereit,
Feurige Frau, du schäm dich nicht vor ihm,
Lass klingeln die Schellen deines Liebreizgürtels!
Schönes Mädchen, dem Teufelsaustreiber
Gib dich ganz hin, Maria Magdalena!

Tänzelnd gestützt auf Johanna,


Mit deinen rotlackierten Fingernägeln,
Geh zum Herrn und gib dich ihm hin!
Deine göttliche Tugend der Liebe wird gepriesen.
Schönes Mädchen, dem Teufelsaustreiber
Gib dich ganz hin, Maria Magdalena!

Josef Maria Mayer singt dies Lied,


Der die Gebete der Perlenschnur schätzt,
Diese Verse sollen tönen in den Kehlen
Frommer Frauen, die Christus lieben!
Schönes Mädchen, dem Teufelsaustreiber
Gib dich ganz hin, Maria Magdalena!

Jesus sagt: Sie wird mich schauen,


Worte der Liebe wird sie lallen,
In meinen Armen wird sie ruhen.
Freundin, Jesus schaut nach dir,
Es sträuben sich ihm die Härchen im Nacken,
Er fühlt Liebe und schwitzt im Fieber,
Er geht dir entgegen mit glühender Sehnsucht,
Er sinkt in Ohnmacht in der dunklen Nacht,
Er kommt! Er kommt! Der Bräutigam kommt!

Wimperntusche auf die Wimpern legend,


An die Ohren hängt er dir Mondstein,
Hennablumen schmücken deine Mähne,
Auf deiner Brust sieht er das Schönheitsmal,
O all ihr lieben Jüngerinnen Jesu,
So eilt der Herr zu Magdalena,
Die Mutter Nacht breitet ihren Mantel
Um alle Mädchen mit schönen Augen.

Von goldenen Körpern fortgegangen,


Bedeckt er mit Blüten des Jasmin
Die Nacht, die wie ein Probstein ist,
An dem sich erweist die Reinheit des Goldes.

Von der weißen Perlenschnur beleuchtet


Und vom glitzernden Liebreizgürtel
Und von den goldenen Spangen der Arme,
Ist erleuchtet das grüne Bett des Gartens.
Durch die Pforte tritt Jesus ein
Und zur schamroten Magdalena
Spricht die Busenfreundin Susanna:

EINUNDZWANZIGSTER GESANG

Dort, wo die schöne Liebe thront,


In dem grünen Garten der Liebe,
Magdalena, tritt ein bei Jesus,
Schwelge, du Wonneweib,
Mit lustvoll lachendem Mund!

Dort in dem kostbaren Bett


Aus Zedern und Zypressen,
Magdalena, tritt ein bei Jesus,
Schwelge, die Becher deiner Brüste
Umgeben von frommer Perlenschnur!

Dort in des Brautgemaches


Lustschloss aus transparentem Jaspis,
Magdalena, tritt ein bei Jesus,
Schwelge, du mit dem lilien-
Weißen Leibe aus Licht und Schönheit!

Dort, wo der Südwind der Wüste


Blühen lässt die Apfelbäume,
Magdalena, tritt ein bei Jesus,
Schwelge, du von dem Honigpfeil
Des göttlichen Eros Getroffne!

Dort, wo die schweren Zweige der Reben


Voll sind von saftigen Trauben,
Magdalena, tritt ein bei Jesus,
Schwelge, du mit dem breiten Becken
Und dem kunstvollen Bauchtanz!

Dort, wo trunken von Honig


Goldene Bienen selig summen,
Magdalena, tritt ein bei Jesus,
Schwelge, du vom Honigpfeil
Des göttlichen Eros geöffnetes Herz!

Dort, wo wie Flötenspiel ertönt


Das Schmelzen der Nachtigallen,
Magdalena, tritt ein bei Jesus,
Schwelge, du mit dem Elfenbein
Der Perlenschnur deiner weißen Zähne!

Dort, wo sich die Schmetterlinge sammeln,


Die Glück im Kelch der Narzissen fanden,
O Teufelsfeind, spende den Segen,
Spricht Josef Maria Mayer, Dichter
Aus dem Dichterlande des Dichterfürsten.

Lange trägt Jesus dich schon im Herzen,


Er, vom Feuer der Liebe getrieben,
Ganz beherrscht vom Gott der Liebe,
Trinken will er von den roten Lippen,
Roten Lippen, getaucht in Rotwein!
Auf seinem Schoß genieße die Stunde!
Er wäscht dir deine lilienweißen Füße,
Ein Sklave, gekauft für den Preis
Einer deiner langen seidigen Wimpern!
Warum fürchtest du dich also vor Jesus?

Maria Magdalena, voll Wollust und Wonne,


Die Augen geöffnet zum Antlitz Christi,
Klingelnd die Kettchen der Knöchel der Füße,
So tritt sie ein in das Brautgemach.

ZWEIUNDZWANZIGSTER GESANG

Bei Magdalenas Antlitz fühlte Jesus


Kämpfen in sich Gerechtigkeit und Erbarmen,
Der See von Genezareth war aufgewühlt,
Der Vollmond schien aufs Meer von Tiberias.
Der Herr, der sich schon lange nach ihr gesehnt,
Schaute sie mit schweigendem Mund,
Der göttliche Eros herrschend in seiner Seele!
Sein heiliges Herz war der Morgenstern,
Die Perlenschnur der Gebete trug er,
Die Quellen des Jordan strömten vom Hermon
Und das Große Meer der Liebe schwoll an!
Der Herr, der sich schon lange nach ihr gesehnt,
Schaute sie mit schweigendem Mund,
Der göttliche Eros herrschend in seiner Seele!

Um Christi brotweißen Körper


Geschlungen der königliche Purpurmantel
Wie eine Rose, den Nektarstempel
Und den Samen der Rose in sich tragend.
Der Herr, der sich schon lange nach ihr gesehnt,
Schaute sie mit schweigendem Mund,
Der göttliche Eros herrschend in seiner Seele!

Seiner Augen zärtliche Liebkosung


Weckte die Wollust in ihrer Seele.
Sie waren wie ein Enten-Ehepaar
Auf dem Teich des seligen Lenzes.
Der Herr, der sich schon lange nach ihr gesehnt,
Schaute sie mit schweigendem Mund,
Der göttliche Eros herrschend in seiner Seele!

Er berührte ihre Rosenlippen,


Ihre Ohrringe strahlten wie Sonnen,
Seine Lippen schimmerten lächelnd
Und weckten in ihrer Seele die Lust.
Der Herr, der sich schon lange nach ihr gesehnt,
Schaute sie mit schweigendem Mund,
Der göttliche Eros herrschend in seiner Seele!

Schön wie der mondbeglänzte Bauch


Der schwarzen Wolke ihre langen Haare,
Makellos ihr Antlitz wie Luna,
Auf der Stirn das Zeichen der Auserwählten.
Der Herr, der sich schon lange nach ihr gesehnt,
Schaute sie mit schweigendem Mund,
Der göttliche Eros herrschend in seiner Seele!

Jesus sträubten sich die Haare zu Berge,


So war er erfüllt von Liebesverlangen,
Schön war sein weizenweißer Leib,
Schön wie weiße transparente Jade.
Der Herr, der sich schon lange nach ihr gesehnt,
Schaute sie mit schweigendem Mund,
Der göttliche Eros herrschend in seiner Seele!

Josef Maria Mayers Kunst


Lässt doppeltschön dies Lied geraten.
Beugt euch vor dem Herrn, der euch liebt,
Der euch angespornt zu Werken der Liebe!
Der Herr, der sich schon lange nach ihr gesehnt,
Schaute sie mit schweigendem Mund,
Der göttliche Eros herrschend in seiner Seele!

Sie verdrehte ihre strahlenden Augen,


Als wollte sie ihre Muschelohren betrachten,
So dass noch lichter ihrer Augensterne glänzten,
Da entströmte der schönen Maria Magdalena
Ein Wasserfall von Freudenströmen,
Da sie mit dem Geliebten zusammen war.

Als sie den Pfosten des Bettes berührte,


Da überkam sie ein lüsternes Jucken,
Mit den Händen verbarg sie ihr Antlitz,
Als sie das heilige Antlitz Christi sah,
Betört von der Allmacht des göttlichen Eros,
Überwand die Lust der Liebe die Scham.

Mutter Marias Sohn soll euch lehren,


Langsam, langsam sich der Liebe zu öffnen!
Magdalena schloss er in die Arme
Nach der langen bitteren Trennungszeit.
O dass die üppigen Brüste Magdalenas
Nicht flachgedrückt werden von Jesus!
Und der Bräutigam spricht zu den andern:
Entfernt euch, denn ich kenne euch nicht!

Geehrt durch die herrliche Dornenkrone,


Die ihm geschenkt den Sieg über Satan,
Stellte er sich auf wie ein Kriegselefant,
Der die Tochter Zion vorm Feinde schützt.
Den blutigen Händen des Todesüberwinders
Sei der Lobpreis für ihren Sieg!

O du Schönster aller Menschensöhne!


Dein Leib ist voll der ewigen Wonne!
Magdalenas Seele ist eine Bühne,
Wo sie den mystischen Schleiertanz tanzt!
Freue dich, Jesus, an ihren üppigen Brüsten,
Jesus, der du singst wie ein sterbender Schwan
Auf den hohen Hügeln ihrer üppigen Brüste!
Jesus gewähre allen Kindern der Ewigkeit Glück!

Fortgegangen waren die anderen Frauen,


Magdalena war von der Last erlöst,
Von Lust durchströmt ihr Bewusstsein,
Die rosigen Lippen umspielt vom Lächeln.
Voller Freude sah Maria Magdalena
Der Herr und sprach zur Geliebten diese Worte,
Als sie die Augen senkte aufs grüne Bett:

DREIUNDZWANZIGSTER GESANG

Lege auf das grüne Bett im Garten


Deiner Füße weiße Lotossprossen,
Mögen in diesem Garten der Liebe
Deine schlanken Beine siegen!
Die Stunde ist da, dem Messias
Gib dich ganz hin, Magdalena!

Mit dem fließenden Salböl meiner Hände


Wasche ich dir die Füße, Geliebte,
Lege nieder in das Bett des Gartens
Die Perlenschnüre deiner Gebete!
Die Stunde ist da, dem Messias
Gib dich ganz hin, Magdalena!

Wie vom Rotwein deines Rosenmundes


Fügen sich trunken die Worte der Liebe,
Wie ich dich von der Trennung erlöste,
Will ich erlösen deine Brüste vom Brusttuch!
Die Stunde ist da, dem Messias
Gib dich ganz hin, Magdalena!

Es drängt mich zur Liebesumarmung,


Der ich dich erobern wollte,
Presse deine Brüste an meinen Brustkorb
Und lösche die Glut der Leidenschaft!
Die Stunde ist da, dem Messias
Gib dich ganz hin, Magdalena!

Rotwein deiner Rosenlippen schenke ein


Und belebe den toten Gottesknecht!
All meinen Geist versenk ich in dich,
Den feurig liebenden Geist des Herrn!
Die Stunde ist da, dem Messias
Gib dich ganz hin, Magdalena!

Junges Mädchen mit dem schönen Antlitz,


Lass die Glöckchen deines Gürtels klingen,
Liebkose mit Worten der Liebe meine Ohren,
Die immer lauschen dem Lied der Nachtigall.
Die Stunde ist da, dem Messias
Gib dich ganz hin, Magdalena!

Schau meine fünf heiligen Wunden an,


Verwundet bin ich von der Lanze der Liebe,
Schäme dich nicht, mich anzuschauen,
Den nackten Gott an seinem Kreuz!
Die Stunde ist da, dem Messias
Gib dich ganz hin, Magdalena!

Dieses Lied von Josef Maria Mayer


Soll Vers für Vers den Sieger erfreuen,
Möge dies Lied in frommen Hörern
Lust an der Liebe zu Jesus vermehren!
Die Stunde ist da, dem Messias
Gib dich ganz hin, Magdalena!

Was stand jetzt noch der Umarmung entgegen?


Sie liebkosten einander mit den Augen.
Von lächelnden Lippen floss das Liebesgespräch.
So begann für die beiden die Liebesbegegnung,
Die von Augenblick zu Augenblick lieblicher wurde.

Von ihren Lilienarmen umarmt,


Von ihren üppigen Brüsten gepresst,
Die Lippen zerbissen von ihren Zähnen,
Ihre Hand an seinem Haupt,
Von ihrer Küsse Rotwein berauscht,
So labte sich der Geliebte an Maria!

Im Zeichen des ewigen Gottes der Liebe


Begann der zärtliche Kampf der Liebe.
Als wollte sie Jesus in die Kniee zwingen,
Fiel Magdalena übermütig über ihn her,
Frohlockend lag der Becher ihres Beckens,
Ihre üppigen Brüste zitterten, bebten,
Die Lider senkten sich auf die Augen,
Sie erlebte die Liebe auf weibliche Art.

Von den rotlackierten Fingernägeln


Blutete Jesu Seitenwunde,
Seine Augen waren wie vom Tod geschlossen,
Ihre blutenden Lippen befeuchteten sanft
Mit dem Wein der Küsse seinen Mund,
Der Dornenkranz war ihm entsunken,
Ihr Liebreizgürtel war aufgegangen,
Liebespfeile durchbohrten Jesu Herz!

Lang floss Magdalenas Mähne hinab,


Ihre Wangen glühten rötlich von Liebesfieber,
Blutrot wie Wunden ihre feuchten Lippen,
Die üppigen Brüste wie Becher des Heils,
Ihre Perlenschnur fiel auf die Brüste,
Der Gürtel hing an ihren Lenden hinab,
Die Brüste und die Scham verbarg sie
Mit der Mähne in den schlanken Händen,
Ihr Blick war keusch und schamhaft,
Ihr Rosenkranz auf dem Haupt war zerzaust,
Bezaubernd stand Maria da,
Bezaubernd die vom Rosenkranz Gekränzte.

Langsam schloss sie die Augen,


Die leuchtenden Augen des Mädchens,
Vom Lenzwind des göttlichen Eros
War sie betört, verrückt geworden,
Ihre purpurnen Lippen schimmerten feucht,
Ihre üppigen Brüste zitterten, bebten,
Ihre Gazellenaugen schauten zärtlich,
Ihr Leib zerschmolz vor Glut der Wonne.

Zu Jesus, der Lust an Magdalena hatte,


Da ihr ermattet waren alle ihre Glieder,
Zu Jesus sprach Maria Magdalena innig,
Zu Jesus Christus, dem seligen Gott der Wonne:

VIERUNDZWANZIGSTER GESANG

Male du mit deiner gesalbten Hand


Mit Schminke mir dein Zeichen auf die Stirn,
O Gottessohn, und male dein Zeichen auf meinen Busen,
Meine Brüste sind Schwestern den Bechern des Eros!
So sprach sie, als der Sohn des wahren Gottes
Ihr Herz mit ewigen Wonnen entflammte!

Süßer als Honig ist dein heiliges Salböl,


Wenn mein Bräutigam Liebespfeile schießt,
Du küsstest mit Küssen deines Mundes meine Augen,
Mein Freund, für dich erstrahlen meine Augen.
So sprach sie, als der Sohn des wahren Gottes
Ihr Herz mit ewigen Wonnen entflammte!

Gib doch meinen lauschenden Muschelohren,


Die neben meinen Gazellenaugen sind,
O du Schmuck meines Lebens, o Jesus,
Gib meinen Ohren Ringe von Mondstein!
So sprach sie, als der Sohn des wahren Gottes
Ihr Herz mit ewigen Wonnen entflammte!

Hier die Mähne, wie Schmetterlinge flatternd,


Diese verlockenden langen Schlangenlocken,
Flechte du sie rings um mein Mondgesicht,
Mit dem ich dich anschau, meine Sonne!
So sprach sie, als der Sohn des wahren Gottes
Ihr Herz mit ewigen Wonnen entflammte!

Male auf meine Stirn dein Zeichen,


Salbe meine Stirn mit Narde und Myrrhe,
O du heiliges Antlitz, salbe meine Stirn,
Nachdem die Erschöpfung von mir gewichen!
So sprach sie, als der Sohn des wahren Gottes
Ihr Herz mit ewigen Wonnen entflammte!

Schlinge in die schimmernde Schlangensträhnen,


Die Fahnen des glühenden Eros sind,
Um die flatternden glatten schwarzen Strähnen
Schlinge mir purpurne Hennablüten!
So sprach sie, als der Sohn des wahren Gottes
Ihr Herz mit ewigen Wonnen entflammte!

Hülle um meine schlanken Hüften,


Der Weide des schönen Hirten,
Hülle um meine Hüften den Liebreizgürtel
Und das seidige Kleidchen und goldenen Schmuck!
So sprach sie, als der Sohn des wahren Gottes
Ihr Herz mit ewigen Wonnen entflammte!

Jesus, neige dich zu Josef Maria Mayer


Und höre mit Wohlgefallen seine Lieder,
Der sich in der Endzeit wendet an Jesus,
An Jesu durchbohrte Hände und Füße.
So sprach sie, als der Sohn des wahren Gottes
Ihr Herz mit ewigen Wonnen entflammte!

Siehe auf meiner linken Brust das Muttermal!


Siehe die rote Schminke auf meinen Wangen!
Siehe den silbern glitzernden Liebreizgürtel
Um meine schlanken Hüften, Geliebter!
Siehe die schwarzen Flechten der schweren Haare!
Siehe an meinen Lilienarmen die Reifen
Und an meinen bloßen Füßen die Silberkettchen!
So sprach Maria Magdalena zu Jesus
Und Jesus tat alles, was sie sich wünschte.

EPILOG

Was Geschicklichkeit ist in seraphischem Sang,


Was Kontemplation über die Gottheit heißt,
Was Minnesang ist und Psalmengesang,
All das verfasste Josef Maria Mayer,
Der nicht mehr selbst lebt, sondern Jesus in ihm,
Den Lobpreis des liebenden Jesus
Sollen fromme Frauen lesen.

Der von seiner Großmutter abstammt,


Paula Margarethe Johanna Mayer,
Das Lied von Josef Maria Mayer
Fülle die Kehle der kommenden Kirche!

Fruchtiger Rotwein vom Berge Karmel,


Keiner denkt mehr an den Rotwein.
Weißer Zucker von dem Zuckerrohr,
Keiner denkt mehr an den weißen Zucker.
Milch von dem prallen Euter der Kuh,
Keiner denkt mehr an die Kuhmilch.
Reife Feige von dem Feigenbaum,
Keiner denkt mehr an die reife Feige.
Der Freundin scharlachrot geschminkter Mund,
Keiner denkt mehr an der Freundin Lippen.
Alle können nur noch denken an das Lied,
Das Josef Maria Mayer für Jesus gesungen!

So am Meer von Tiberias wandelt


Maria Magdalena, ihre Perlenschnur
Fällt ihr auf den frommbezwungenen Schoß.
Nach den prächtigen Granatäpfeln ihrer Brüste
Streckt Jesus die durchbohrten Hände aus.
Der Finger Gottes schenke euch ewige Wonnen!

HYMNEN AN DIE GROSSE HERRIN MARIA

ERSTE HYMNE

Die glänzenden Sterne alle über den glänzenden Mond


Verstecken ihre hellen Gesichter, wenn Maria voll und herrlich
In den Himmeln schwebt, überschwemmt sie die schattige Erde
Mit klarem silbernen Licht.
Jetzt erhob sich der Mond voll und silbern,
Während rundherum standen die Jungfrauen, wie an einem Schrein.
So manchmal, die Frauen, leichtfüßig,
Tanzen im Takt rund um der Messe Altar,
Zerkleinern die feinen Blüten des Grases.
Komm, Mond-Herrin Maria, komm,
Und in goldene Becher gieße reichsten Nektar
Gemischt in der am meisten ätherischen Perfektion,
So uns zu erfreuen.

Diese vielen sind die Tage,


Da unsere Mond-Mutter
Drüben im Westen
Erschien, immer noch schlank;
Wenn aber ein kurzer Tag blieb,
Bis sie voll ausgewachsen,
So viele Tage haben wir gewartet.
Wir sind zu der verabredeten Zeit gekommen.
Meine Kinder,
Alle meine Kinder,
Werden Opfer bringen.
Meine Mutter, der Mond,
Alle meine Kinder werden dich mit Opfern schmücken.
Wenn du dich in diesen Reihen angeordnet hast,
Mit deinen Gewässern,
Deine Samen
Werden segnen alle meine Kinder.
All dein Glück
Wirst du ihnen allen gewähren.
Zu diesem Zweck, meine Mutter,
Darf ich beenden meine Straße;
Darf ich alt werden;
Mögest du mich segnen mit dem ewigen Leben.

Süße, stimmhafte Musen, Töchter der Herrin,


Geschickt in Gesängen, erzählt vom geflügelte Mond.
Von ihrem unsterblichen Kopf ein Glanz
Wird vom Himmel gezeigt und umfasst die Erde;
Und groß ist die Schönheit, die von ihrem strahlenden Licht entsteht.
Die Luft, unbeleuchtet zuvor, leuchtet
Mit dem Licht ihrer goldenen Krone,
Und ihre Strahlen sind ein klarer Strahl,
Wenn auch immer heller Maria wird,
Nachdem sie gebadet ihren schönen Körper
In den Gewässern des Ozeans,
Und so zog sie mit dem weit-schimmernden, glänzenden Team,
Es laufen mit langen Mähnen ihre Pferde auf Hochtouren,
Zur Abendzeit in der Mitte des Monats:
Dann ihre große Bahn ist voll
Und dann ihre Strahlen leuchten am hellsten, wie sie erhöht ist.
So ist sie ein sicheres Zeichen und ein Zeichen den sterblichen Menschen.
Gegrüßet seiest du, weiß bewaffnete Herrin, helle Maria,
Milde, hell-gekleidete Königin!

Schöne Herrin der Bogen!


Schöne Herrin der Pfeile!
Von allen Hunden und aller Jagd
Du, die du wachst im gestirnten Himmel,
Wenn die Sonne im Schlummer versunken,
Du mit dem Mond auf deiner Stirn,
Die du die Jagd bei Nacht bevorzugst,
Bis zur Jagd im Tageslicht,
Mit deinen Nymphen zu der Musik
Des geblasenen Horns - selbst die Jägerin
Und Mächtigste: Ich bitte dich,
Denke für einen Augenblick,
Bei uns zu bleiben, die wir zu dir beten!

Jungfrau! Mutter! Braut!


Königin aller Seher
Und der dunklen Nacht
Und aller Arten,
Der Sterne und des Mondes
Und allen Schicksals oder Glücks!
Du, die du die Flut regierst,
Die scheint in der Nacht auf dem Meer,
Streuend Licht auf das Wasser;
Du, die du bist Herrin des Meeres,
In deinem Boot, gebildet wie ein Halbmond,
Von Halbmond-Rinde hell glänzend,
Immer lächelnd hoch in den Himmeln,
Segelnd über der Erde, reflektiert
In dem Ozean, auf dem Wasser;
Wir bitten dich auf dieser Schwelle:
Gib dieser guten Frau
Die große Gabe des Verstehens,
Was alle Geschöpfe sagen, während sie reden!

O Maria, die mich vom Rest der letzten Nacht heimbrachte


Zu dem milden Licht dieses Tages,
Bring mich aus dem neuen Licht dieses Tages
Unter der Führung des Lichts in die Ewigkeit!
Oh, aus dem neuen Licht dieses Tages
Unter der Führung des Lichts in die Ewigkeit!

Im Namen des Heiligen Geistes der Herrin,


Im Namen der Mutter des Friedens,
Im Namen der Maria, die den Tod von uns wegnahm,
Oh, im Namen der Drei, die uns in jeder Not schirmen,
Wenn auch du uns heute nacht gefunden hast,
Sieben Mal besser kannst du uns lassen ohne Schaden,
Du heller weißer Mond der Jahreszeiten,
Heller weißer Mond der Jahreszeiten.

Schöne Messe der Gnade!


Heil dir, du Neumond,
Schöne Führerin des Himmels;
Heil dir, du Neumond,
Schöne Spenderin der Gnade.
Heil dir, du Neumond,
Schöne Führerin der Sterne;
Heil dir, du Neumond,
Geliebte meines Herzens.
Heil dir, du Neumond,
Schöne Führerin der Wolken;
Heil dir, du Neumond,
Liebe des Himmels!

Sie, meine Liebe, ist der neue Mond,


Die Herrin des Lebens erleuchtet mich.
Höre mein Gebet, o Herrin,
In Übereinstimmung mit deiner Heiligung;
Sei mein Herz, o Herrin,
In Übereinstimmung mit deiner liebevollen Pflege.
Sei meine Tat im Land
In Übereinstimmung mit deiner Befriedigung;
Sei mein Wunsch am Meer
In Übereinstimmung mit deiner Regie.
Sei meine Hoffnung in der Höhe
In Übereinstimmung mit deinen Forderungen;
Sei mein Ziel in der Jenseitswelt
In Übereinstimmung mit deinem Frieden.
Lass meinen Wunsch, o Herrin,
Suchen nach deiner Ruhe;
Sei meine Ruhe, o Herrin,
Mit deiner ewigen Ruhe.

Heil dir, du Neumond,


Leitendes Juwel der Sanftmut!
Ich beuge mein Knie vor dir,
Ich biete dir meine Liebe an.
Ich beuge mein Knie vor dir,
Ich gebe dir meine Hand,
Ich hebe meine Augen auf zu dir,
O Neumond der Jahreszeiten.
Heil dir, du Neumond,
Freuden-Mädchen meiner Liebe!
Heil dir, du Neumond,
Freuden-Mädchen voll der Gnade!
Du bist unterwegs in deiner Natur,
Du bist die Lenkung der Gezeiten;
Du erleuchtest uns mit deinem Gesicht,
O Neumond der Jahreszeiten.
Du Königin-Jungfrau vom Leitfaden,
Du Königin-Jungfrau des Glücks,
Du Königin-Jungfrau, meine Geliebte,
Du Neumond der Jahreszeiten!
Wenn ich dich sehe, den neuen Mond,
Werde ich meine Augen zu dir aufheben,
Ich werde meine Knie vor dir beugen,
Ich werde meinen Kopf neigen,
Ich gebe dir Lob, du Mond vom Leitfaden,
Daß ich dich wieder gesehen habe,
Dass ich den Neumond gesehen habe,
Die schöne Führerin der Wege.
Obwohl ich noch genieße die Erde,
Du Mond der Monde und des Segens!
Wenn ich dich sehe, den neuen Mond,
Du wirst meinen Buchstaben antworten;
Du wirst mir das Sein des Lebens zeigen,
Ich danke dir für deine Güte;
Zu sehen, wie viele verschwunden sind
Über den schwarzen Fluss des Abgrunds,
Seit mir dein Antlitz leuchtet,
Du Neumond des Himmels!
Ich erhebe meine Hände zu dir,
Ich verneige meinen Kopf vor dir,
Ich gebe dir meine Liebe,
Du herrliches Juwel aller Zeiten.
Ich sammle meine Augen vor dir,
Ich beuge meinen Kopf vor dir,
Ich biete dir meine Liebe an,
Du Neumond aller Zeiten!
Dort seht ihr den neuen Mond,
Die Königin des Lebens segnet uns;
Duftende jede Nacht,
Sie soll leuchten!
Sei ihr Glanz voll
Bei uns in jeder Not;
Wir werden ihren Kurs absolvieren,
Und jeder wird kämpfen.
Sei ihr Licht über uns
In jeder Meerenge;
Sei ihre Führung über uns
In jeder Not.
Möge der Mond der Monde
Werden durch dicke Wolken
Für mich und für jeden,
Kommend durch dunkle Tränen.
Kann der Herrin Hand auf mir liegen
In jeder Meerenge, dass mir Gutes widerfährt,
Jetzt und in der Stunde meines Todes,
Und an dem Tag meiner Auferstehung!

Heil dir,
Juwel der dunklen Nacht!
Schönheit des Himmels,
Juwel der dunklen Nacht!
Mutter der Sterne,
Juwel der dunklen Nacht!
Schützling der Sonne,
Juwel der dunklen Nacht!
Majestät der Sterne,
Juwel der dunklen Nacht!
Heil dir, du Neumond,
Juwel des Leitfadens der Nacht!
Heil dir, du Neumond,
Juwel des Leitfadens auf den Wogen!
Heil dir, du Neumond,
Juwel des Leitfadens auf dem Ozean!
Heil dir, du Neumond,
Juwel der Führung der Tugenden!
Heil dir, du Neumond,
Juwel der Führung der Liebe!
Du Juwel des Himmels!
Möge dein Licht schön sein für mich!
Möge deine Natur glatt sein für mich!
Wenn dein Anfang gut ist zu mir,
Sieben mal besser wird dein Ende sein,
Du schöner Mond der Jahreszeiten,
Du große Lampe der Gnade!
Der dich erschuf,
Erschuf mich ebenfalls;
Er, der dir Gewicht und Licht gegeben,
Gab mir Leben und Tod,
Und die Freude der sieben Befriedigungen,
Du große Lampe der Gnade,
Du schöner Mond der Jahreszeiten.

ZWEITE HYMNE

Heil dir, Mutter Erde, die die gelben Blüten blühen lässt,
Die die Samen des Kaktus verstreut,
Wie du her kamst aus dem Paradies!
Heil dir, Mutter Erde, die ergoss Blumen in Hülle und Fülle,
Die die Samen des Kaktus verstreut,
Wie du her kamst aus dem Paradies!
Heil dir, Mutter Erde, die die gelben Blüten zum Blühen bringt,
Die die Samen des Kaktus verstreut,
Wie du her kamst aus dem Paradies!
Heil dir, Mutter Erde, die ergoss weiße Blüten in Hülle und Fülle,
Die die Samen des Kaktus verstreut,
Wie du her kamst aus dem Paradies!
Heil der Herrin, die im Dornbusch glänzte
Wie ein heller Schmetterling.
Ha! Sie ist unsere Mutter, die Herrin der Erde,
Sie liefert Nahrung in der Wüste den wilden Tieren,
Und bewirkt, dass sie leben.
So siehst du ein immer frisches Modell
Der Freiheit gegenüber allem Fleisch.
Und wie du siehst die Herrin der Erde tun,
Für die wilden Tiere,
So ist sie auch zu den grünen Kräutern und den Fischen.

Diese vielen Tage sind die Tage,


Da unser Mond ist unsere Mutter,
Drüben im Westen
Erschien sie noch jung.
Wenn sie voll ausgewachsen sein wird,
Suche ich entlang der Flussläufe
Diejenigen, die unsere Mütter sind,
Die weibliche Weide,
Viermal schneide ich die jungen Triebe,
Zu meinem Haus
Ging ich meine Straße.
Dieser Tag,
Mit meinem warmen menschlichen Händen
Ich nahm von ihnen, mich an ihnen festzuhalten.
Ich habe mein Opfer in menschlicher Form.
Mit dem gestreiften Wolkenschweif
Von derjenigen, die meine Großmutter ist,
Mit den gestreiften Wolken-Flügeln
Und massierten Wolken-Schwänzen,
Von allen Vögeln des Sommers,
Mit diesen vier Mal gab ich mein Opfer
In menschlicher Form.
Mit dem Fleisch der Einen, die meine Mutter ist,
Die Baumwoll-Frau,
Auch ein schlecht gemachter Baumwollfaden,
Viermal umgibt sie mich
Und bindet mich über ihrem Körper,
Ich gab den Opfer eine menschliche Form
Mit dem Fleisch der Einen, die unsere Mutter ist,
Viermal bedeckte sie alles mit Fleisch,
Ich brachte mein Opfer in menschlicher Form.
In kurzer Zeit werden die Opfer bereit sein.
Unter den Opfern
Ich gehe meinen Weg weiter.
Allesamt mit Gebeten
Wir gingen unsere Straße.
Wir denken: Lasst sie hier sein,
Unsere Mutter Erde.
Wir passierten auf ihrem Weg.
Dort auf eurer Erden-Mutter,
Dort, wo sie wartet auf euer Opfer,
Wir haben euch auf eurem Weg geleitet.
Dort, wo ihr alle zusammen in Schönheit versammelt,
Nun, da eure Opfer zu empfangen sind,
Ihr seid versammelt.
Diesen Tag gebe ich dir Opfergaben.
Durch deine übernatürliche Weisheit
Sie werden sich mit den Opfern kleiden.
Überall dort, wo du dauerhaft bist,
An der Stelle des ersten Anfangs,
Einander berühren sie sich mit Opfergaben.
Sie bücken sich, um miteinander zu reden.
Von dort, wo du dauerhaft bist,
Deine kleine verwehte Wolke,
Deine dünnen Wolkenfetzen,
Deine hängenden Streifen-Wolken,
Deine geballten Wolken,
Vollgestopft mit lebendigen Wassern,
Du sendest sie her, um bei uns zu bleiben.
Du wirst stehen auf allen Seiten.
Mit deinem feinen Regen streichelst du die Erde,
Mit deinen Waffen, den Blitzen,
Mit den knurrenden Donnern,
Deinen großen Abstürzen von Donner,
Mit deinem feinen Regen streichelst du die Erde,
Deine schweren Regen streicheln die Erde,
Mit deinen großen Haufen von Wasser hier,
Mit diesen findest du uns auf unseren Straßen.
Damit kannst du zu uns kommen.
Ich habe dir Opfer dargebracht.
Meine Mutter Maria,
Wenn du mein Opfer angenommen,
Mit deinen Gewässern,
Deinen Samen,
Deinem Reichtum,
Deiner Macht,
Deinem starken Geist,
Werden alle ihr Glück von dir besitzen,
Mögest du uns segnen.
An diesem Tag, o meine Mutter Maria,
Ich habe dir sieben Opfer dargebracht.
Die Quelle unseres Wassers des Lebens,
Die Quelle unseres Fleisches,
Das Fleisch des gelben Mais
Geb ich dir.
Bei deinen Opfern,
Mit deinen Gewässern,
Deinen Samen,
Deinem Reichtum,
Deinem ewigen Leben,
Deinem ewigen Jugend-Alter,
Mit all deinem Glück
Mögest du uns segnen.
Dies ist alles.

Ich werde die fundierte Erde, die Mutter aller,


Den Globus unserer Geburt singen.
Sie füttert alle Geschöpfe,
Alles, was auf dem guten Lande geht,
Und alle, die auf den Pfaden der Meere schwimmen,
Und alles, was fliegend ist:
All diese sind aus ihrem Laden heraus geführt.
Durch dich, o Königin, sind die Frauen
In ihren Kindern gesegnet
Und gesegnet in ihren Ernten,
Und dir geziemt es, Mittel des Lebens
Sterblichen Menschen zu geben.
Glücklich ist der Mann, der dich begeistert ehrt!
Er hat alles reichlich:
Sein fruchtbares Land ist beladen mit Getreide,
Seine Weiden mit Vieh bedeckt,
Und sein Haus ist mit guten Dingen gefüllt.
Solche Männer regieren ordentlich in ihren Städten:
Großer Reichtum und Wohlstand folgen ihnen:
Ihre Knaben jubeln mit immer frischer Freude,
Ihre Töchter in den Blumen-Bändern spielen,
Sie überspringen munter die weichen Blumen des Feldes.
So ist es mit denen, die dich ehren,
O heilige Herrin, reicher Geist.

DRITTE HYMNE

Maria, Höchste in Kraft,


Wagen-Lenkerin mit dem goldenen Helm,
Ernst im Herzen, Schildträgerin,
Herrin aller Weisheit, aller Einsicht, aller Kunst,
Geharnischt in der Rüstung, stark von Armen, unermüdlich,
Mächtige mit dem Speer, o Verteidigerin deiner Verehrer,
Tochter des Krieges, Erhalterin des Friedens,
Reine jungfräuliche Königin der Barmherzigkeit,
Mutter aller Siege,
Geschäftsleiterin der rechtschaffenen Frauen,
Zepterhaltende Königin der Patriarchen.

Maria, wirble deine blutrote Kugel unter den Planeten


In ihrem neunfachen Kurs durch die Sonnenscheibe,
Wobei deine prallen Rosse immer dich oben tragen
Durch das Firmament des Himmels,
Erhöre mich, Helferin der Frauen,
Spenderin der unerschrockenen Jugend!

Ich singe von Maria, der Herrin der Krieger,


Sie neigt sich freundlich von oben auf mein Leben,
Und gibt mir Kraft des Krieges,
Schrecklich ist sie, und liebt die Taten der Krieger,
Das Geschrei und die Schlacht.
Sie ist es, die rettet die Menschen, wenn sie in den Krieg ziehen,
Dass sie zu ihrer friedlichen Heimat zurückkehren.

Gegrüßet seiest du, Herrin Maria, ich rufe in Angst deinen Namen,
Dass ich in der Lage sei, zu verjagen die kalte Feigheit!
Vernichte du die betrügerischen Impulse meiner Seele.
Besänftige den scharfen Zorn in meinem Herzen, der mich provoziert.
In der Möglichkeiten des blutrünstigen Streites steh mir bei.
Lass sinken die Rüstung von deinen unsterblichen Schultern
Und bring uns die Segnungen des Friedens und des Sieges.
O selige Jungfrau, gib du mir Kühnheit,
Um innerhalb der harmlosen Gesetze den Friedens zu bewahren,
Zu vermeiden Streit und Hass und die Gewalt und den Unhold, den Tod.
O Herrin, du hältst den unbesiegbaren Schild und Schirm.

VIERTE HYMNE.

Ich werde von der stattlichen Maria singen,


Der goldengekrönten und schönen,
Deren Herrschaft ist das Reich der Liebe und Schönheit.
Der feuchte Atem des Westwinds wehte
Sie über die Wellen des laut-aufstöhnenden Meeres im Schaum,
Und die gold-geschmückte Gnade begrüßte sie freudig.
Sie kleidete sie mit himmlischen Gewand:
Auf ihren Kopf setzte sie eine feine
Gut durchdachte goldene Krone,
Und in ihre Ohrlöcher hing sie
Ornamente aus Bernstein und kostbarem Gold,
Und schmückte sie mit goldenen Halsketten
Über ihren weichen Hals und ihre schneeweißen Brüste –
Juwelen, die die goldgeschmückte Gnade selbst trägt, wenn sie geht,
Um in ihrer Mutter Hain die schönen Tänze der Nymphen zu sehen.
Und wenn sie in vollem Umfang sie geschmückt,
Bringt sie Maria zu den Himmlischen,
Die begrüßen sie, da sie Maria sahen.
Jeder von ihnen betete,
Dass sie vielleicht in sein Haus geführt werde,
Um dort seine Freundin zu sein,
So sehr waren sie über die Schönheit
Der veilchengekrönten Maria erstaunt.
Gegrüßet seiest du, Süßgewinnende,
Keuschblickende Herrin der Liebe!

Schimmernd thronende, unsterbliche Maria,


Tochter des Creators, Zauberhafte, ich flehe dich an,
Erspare mir, o Königin, diese Qual und Angst!
Zerknirsche nicht meinen Geist!
Wenn je du mich erhört hast -
Meine Stimme ruft aus der Ferne zu dir,
Und achtsam bist du gekommen aus deines Vaters
Goldenem Haus,
Du spanntest den Wagen an, deine geflügelten Rosse,
Flatternde schnelle Schwingen fliegen über der Erde Finsternis
Und bringen dich durch die Unendlichkeit her
Nach unten vom Himmel,
Dann, bald kamest du, gesegnete Herrin,
Mit göttlichem Antlitzes lächelnd, hast du mich gefragt,
Was für ein neues Wehe mir widerfahren jetzt und warum,
So hab ich’s dir gesagt.
Was in meinem irren Herzen wäre mein größter Wunsch,
Wer war es jetzt, die muss deine Verlockungen fühlen,
Wer war die Eine, die überzeugt werden müsse,
Wer tat Unrecht mir?
Denn wenn sie jetzt flieht, so soll sie schnell folgen,
Und wenn sie Geschenke verschmäht, so schenkt sie bald,
Ja, wenn sie nicht weiß zu lieben, wird sie bald Liebe spüren
Zurückhaltend.
Wohlan, ich bete, gewähre mir Befreiung von Trauer,
Pflege mich, ich flehe dich an, o Herrin,
Erfülle mir, was ich mich sehne zu erreichen,
Sei meine Kameradin!

Wenn Eifersucht überspannt dein Herz,


Lass nicht deine dumme Zunge daran teilnehmen.
Mit meinen beiden Armen weiß ich nicht danach zu streben,
Den Himmel zu berühren.
So, wie ein Kind hinter seiner Mutter her, flattr ich.
Jetzt die Lust schüttelt meine Seele,
Ein Wind auf dem Berg überwältigt die Eichen.
Ich weiß nicht, was zu tun ist: Ich habe zwei Seelen...
Schau, meine Liebe, und enthülle die Gnade deiner Augen.
Und ein süßer Ausdruck breitet sich über dein schönes Gesicht.
Ich liebe die Verfeinerung und für mich
Die Liebe hat den Glanz und die Schönheit des Morgensterns.
Ich sehne mich und ich suche deine Liebe.
Schöne Jungfrau, meine Meinung ist nicht zu ändern.

Ich werde von der stattlichen Maria singen,


Der Herrin der Liebe, der Mutter des All-Eros!
Sie schürt süße Leidenschaft
Und bändigt die Stämme der sterblichen Männer
Und die Vögel, die in der Luft fliegen,
Und all die vielen Kreaturen, die das dürre Land bevölkern,
Und das Meer: alle diese lieben die Werke Marias.
Goldgekrönte und Schöne,
Dein Herrschaftsbereich sind die Städte aller Meere.

O Maria!
Zu deiner Ehre will ich feiern dieses Fest,
Ich fülle den Kelch tief,
Wir werden tanzen und wild springen!
Und wenn du gewährst die Gnade, die ich brauche,
Dann, wenn der Tanz am wildesten ist, alle Lampen
Erlöschen und wir lieben uns in Freiheit!

FÜNFTE HYMNE

Heil dir, Maria, Mutter!


Du bist voll von liebevoller Gnade,
Deine Gnade, o Herrin ist immer mit uns,
Gelobt seiest du Maria unter den Frauen,
Gesegnet ist die Frucht deines Leibes,
Gepriesen seiest du, Königin der Gnade;
Du heilige Maria, du Mutter der Universen,
Plädiere für mich bei deinem dankbaren Sohn,
Jetzt und in der Stunde des Todes,
Jetzt und in der Stunde des Todes.

Maria, Herrin des guten Omens,


Mutter der sieben Freuden;
Ohne des Bösen Spuren
In dir, unvergleichliche Eine:
Freudig von Gesundheit,
Freudig von Freunden,
Freudig von Liebenden,
Freudig am Frieden,
Freudig an schönen Knaben,
Freudig am Frieden,
Freudig am Herrn!
Gnade und Segen bist du zu allen Zeiten.

O Herrin Maria,
In meinen Taten,
In meinen Worten,
In meinen Wünschen,
In meiner Vernunft,
Und in der Erfüllung meiner Wünsche,
In meinem Schlaf,
In meinen Träumen,
In meiner Ruhe,
In meinen Gedanken,
In meinem Herz und meiner Seele immer
Möge die selige Jungfrau Maria wohnen.
Oh! in meinem Herz und meiner Seele immer!

Herrin, mein Gebet höre,


Neige zu mir dein Ohr,
Lass mein Flehen und meine Gebete
Steigen auf nach oben zu dir.
Komm, du Königin der Glorie,
Um mich zu schützen hier unten,
Du Königin des Lebens und der Gnade,
Um mich mit Macht zu schützen,
Oh du schönste Maria,
Reinster Schönheit Herrlichkeit.

Oh große Herrin Maria,


Ich bade meine Handflächen
In einer Dusche von Wein,
In dem funkelnden Feuer,
In dem Quanten-Schaum,
In dem Saft der Beeren,
In der Milch und im Honig,
Und lege die neun reinen Gnaden
In dein schönes sanftes Gesicht,
Die Gnade der Form,
Die Gnade der Stimme,
Die Gnade des Schicksals,
Die Gnade der Güte,
Die Gnade der Weisheit,
Die Gnade der Liebe,
Die Gnade der schönen Liebe,
Die Gnade der Güte,
Die Gnade der guten Rede.
Ein Schatten bist du in der Hitze,
Ein Unterstand bist du in der Kälte,
Augen bist du den Blinden,
Eine Mitarbeiterin bist du den Pilgern,
Eine Insel bist du auf dem Meer,
Eine Festung bist du auf dem Land,
Eine Oase bist du in der Wüste,
Gesundheit bist du für den Kranken.
Dein ist das Geschick der Feenkönigin,
Dein ist die Tugend der Brigit der Ruhe,
Dein ist der Glaube von Maria Magdalena,
Dein ist die Ekstase der Heiligen.
Du bist die Freude aller freudigen Dinge,
Du bist das Licht der Strahlen der Sonne,
Du bist die Tür des Hauptes der Gastfreundschaft,
Du bist der überragende Venusstern der Führung,
Du bist der Schritt der Hirsche auf dem Hügel,
Du bist der Schritt der Pferde in der Ebene,
Du bist die Gnade des Schwanes,
Du bist die Schönheit aller schönen Wünsche.
Die schöne Gestalt des Herrn
Ist in deinem reinen Gesicht,
Das schönste Gleichnis,
Dass je war auf Erden.
Die besten Stunden des Tages sind dein,
Der beste Tag der Woche ist dein,
Die beste Woche des Jahres ist dein,
Das beste Jahr in der Domäne des Herrn ist dein.

Herrin, schirme dieses mein Haus,


Jeden, der hier wohnt heute Abend.
Schütze mich und meine geliebten Freunde,
Schütze alle, die ich liebe, die von mir geliebt sind,
Bewahre uns vor Gewalt und vor Schaden;
Bewahre uns vor Feinden in dieser Nacht,
Bewahre uns vor Verfolgung und Hass,
Aus Gnade der Mutter Maria,
An diesem Ort, und an jedem Ort,
Wo sie wohnen heute Abend,
In dieser Nacht und jede Nacht,
Diese Nacht und jede Nacht.

Gegrüßet seiest du, Maria! Heil, Maria!


Königin der Gnade, Mutter der Barmherzigkeit;
Gegrüßet seiest du, Maria, unübertreffliche,
Quelle unserer Gesundheit, Quelle unserer Freude.
Wir sind um dich Tag und Nacht,
Geliebte Kinder der Jungfrau Maria,
Hebe unsere flehenden Stimmen zu dir
In Freude und Gesang und Lobpreis.
Schenke uns, Wurzel du der Freude, Trost,
Denn du bist der Becher großzügiger Gnaden,
Ein Ort in dem Hain des Friedens,
Ruhe vor den Gefahren und dem Sturm der Wellen.

Am Festtag der Jungfrau Maria, der duftenden,


Mutter der Hirten der Herde,
Ich schneide mir eine Handvoll vom neuen Mais,
Ich trocknete ihn vorsichtig in der Sonne,
Ich rieb ihn scharf von der Schale
Mit meinen eigenen Händen.
Ich drückte ihn in einem Mörser am Freitag,
Ich backte ihn in einer Pfanne,
Ich röstete ihn in einem Feuer der Eberesche,
Und ich teilte ihn meinem Volk aus.
Ich ging Sonntags in meine Wohnung,
Im Namen der Mutter Maria,
Die mir versprochen, mich zu bewahren,
Die mich bewahrt hat,
Und die wird mich behüten,
In Frieden, in der Menge,
In der Gerechtigkeit des Herzens,
In der Arbeit, in der Liebe,
In der Weisheit, in der Barmherzigkeit,
Aus Gründen Seiner Passion.
Du Mutter der Gnade,
Die bis zum Tag meines Todes
Mich nie verlassen will!
Oh, bis zum Tag meines Todes
Wolle mich nie verlassen!

Eine Anrufung des Schutzes,


Ich trete auf den bösen Blick,
Da strampelt die Ente auf dem See,
Da strampelt der Schwan auf dem Wasser,
Da trampelt das Pferd auf der Ebene,
Da trampelt die Kuh auf der Heide,
Da bebt die Schar der Elemente,
Da bebt die Schar der Elemente.
Macht des Windes, ich habe Kraft,
Gewalt des Zorns, ich habe Zorn,
Kraft des Feuers, ich glühe,
Macht des Donners, ich wettere,
Gewalt der Blitze, ich leuchte,
Gewalt der Stürme, ich wehe,
Macht des Mondes, ich schimmere,
Kraft der Sonne, ich strahle,
Kraft der Sterne, ich funkle,
Kraft des Firmaments, ich dehne mich aus,
Kraft des Himmels
Und des Alls hab ich über meine Feinde,
Kraft des Himmels
Und des Alls hab ich über meine Feinde.
Ein Teil von ihnen hockt auf den grauen Steinen,
Ein Teil von ihnen hockt auf den steilen Hügeln,
Ein Teil von ihnen auf die schnelle Weise fällt,
Ein Teil von ihnen lärmt auf den Wiesen,
Und ein Teil von ihnen treibt auf der großen Salzsee,
Die Salzsee kann sie tragen,
Die große Salzsee,
Das beste Mittel, sie zu tragen.
Im Namen der Drei Personen Gottes,
Im Namen der Heiligen Drei Hypostasen,
In Namen aller geheimen Liebe
Und der himmlischen Mächte zusammen.
Drei schicke ich, meiner Feinde Plan zu vereiteln,
Die Tochter Gottes,
Die Mutter Gottes,
Die Braut Gottes.
Ich appelliere an Sankt Brigit,
Die Jungfraun und Liebenden,
Ich appelliere an Maria,
Hilfreiche Mutter von allen,
Herrin der Küste und des Meeres,
Und ich appelliere an den Einen Herrn,
Und an alle Heiligen und Geister des Lichts.
Wenn jemand dir geschadet hat
Mit dem bösen Blick,
Mit bösen Wünschen,
Mit böser Eifersucht,
Kannst du abwerfen jede Kränkung,
Jede Bosheit abwerfen,
Jede Bosheit abwerfen,
Jede Belästigung abwerfen,
Und kannst auch für immer frei sein,
Während diese Drohung
Geht um dich herum,
In Ehren der Mutter Maria,
Und in Ehren des Geistes des Balsams ewig.

O Maria, Mutter,
Herrin der allumfassenden Ozeane,
Nie war bekannt
Einer, der gestellt wurde
Unter deine großzügige Versorgung,
Der hat deine Gnade,
Der ist unter deinem Schirm,
Der hat deinen Beistand
Mit ehrlichem Herzen,
Der fände nicht deinen Trost,
Der fände nicht deinen Frieden,
Der fände nicht den Beistand,
Den er suchte.
Das gibt mir
Die Hoffnung alles überragend,
Dass mein Wesen wünscht
Dich im Heiligtum zu finden.
Mein Herz ist zufrieden
Vor deinem Bett zu knien,
Mein Herz ist zufrieden
An deinem Wohlgefallen und Gehör;
In deine Gegenwart zu kommen,
Schönheit, dein Lächeln zu sehen,
In deine Gegenwart zu kommen,
Schönste aller Frauen;
In deine Gegenwart zu kommen,
Königin aller Arten,
In deine Gegenwart zu kommen,
Königin-Mädchen vor aller Welt;
In deine Gegenwart zu kommen,
O Blumen-Girlande der schönsten Zweige,
In deine Gegenwart zu kommen,
Helle Girlande aus allen sieben Himmeln;
In deine Gegenwart zu kommen,
O Fluss von Saatgut,
In deine Gegenwart zu kommen,
O Schiff des Friedens;
In deine Gegenwart zu kommen,
O Brunnen der Heilung,
In deine Gegenwart zu kommen,
O gutes Frühjahr der Gnade;
In deine Gegenwart zu kommen,
Du Wohnung der Sanftmut,
In deine Gegenwart zu kommen,
Du Haus des Friedens;
In deine Gegenwart zu kommen,
Du Juwel der Wolken,
In deine Gegenwart zu kommen,
Du Juwel der Sterne;
In deine Gegenwart zu kommen,
O Mutter der schwarzen Trauer,
In deine Gegenwart zu kommen,
O Mutter des Ruhmes;
In deine Gegenwart zu kommen,
Du Jungfrau der Armen,
In deine Gegenwart zu kommen,
Du Mutter der Universen;
Mit Klage und mit Kummer,
Mit Gebet und Flehen,
Mit Trauer und Weinen,
Mit Rufen und Flehen;
Daß du mich geschont hast
In Schmach und Schande,
Daß du mich geschont hast
In Schmeichelei und Verschmähung;
Daß du mich geschont hast
In Elend und Trauer,
Daß du mich geschont hast
In Ängsten;
Daß du helfen kannst meiner Seele
Auf der Hochstraße der Königin,
Daß du helfen kannst meiner Seele
Auf der Bahn des Friedens;
Daß du helfen kannst meiner Seele
In der Tür der Barmherzigkeit,
Daß du helfen kannst meiner Seele
An der Stelle der Gerechtigkeit.
Da du der Stern des Meeres bist,
Führe mich am Meer;
Da du der Stern der Erde bist,
Leite mich am Ufer.
Denn du bist der Stern in der Nacht,
Erhelle mir die Dunkelheit;
Denn du bist die Sonne des Tages,
Leite mich am Land.
Da du der Stern der Himmlischen bist,
Wache über mich auf der Erde;
Da du der Stern des Paradieses bist,
Begleite mich in den Himmel.
Kannst du doch mich schirmen in der Nacht,
Kann du doch mich schirmen am Tag
Kann du doch mich schirmen am Tag und in der Nacht,
O helle und gnädige Königin des Himmels.
Gib mir mein Gebet der Liebe,
Gib mir meine Bitte für deinen Schutz und Schirm,
Gib mir mein Flehen des Schmerzes,
Zähle mich nicht als Nichts, o meine Herrin,
Zähle mich nicht als Nichts, o meine Schwester,
Zähle mich nicht als Null, o Braut des Geistes,
Und verlass mich nicht zum ewigen Verlust.

Du bist das Königin-Mädchen voller Süße,


Du bist das Königin-Mädchen voller Liebe,
Du bist das Königin-Mädchen der ewigen Ruhe
Und Frau aller Völker.
Du bist auch voll Mitgefühl,
Du bist die Wurzel der Tröstungen,
Du bist der lebendige Strom der Jungfrauen
Und von denen, die kleine Kinder tragen.
Du bist die Königin-Jungfrau des Meeres,
Du bist die Königin-Jungfrau des Himmelreiches,
Du bist das Königin-Mädchen der Engel
In Glanz und Gloria.
Du bist der Tempel des Herrn des Lebens,
Du bist die Wohnung des Herrn des Lebens,
Du bist das Herrenhaus des Herrn des Lebens
Und Mutter der Verlorenen.
Du bist der Fluss der Gnade,
Du bist die Quelle der Erlösung,
Du bist der Garten und das Paradies
Voll der himmlischen Jungfrauen.
Du bist der Stern des Morgens,
Du bist der Stern, den ich beobachte,
Du bist der Stern des Meere,
Du bist der Stern der Erde,
Du bist der Stern der Morgenröte,
Du bist der Stern des Herrn
Der Herrlichkeit.
Du bist das Korn des Landes,
Du bist der Schatz des Meeres,
Die ersehnte Besucherin der Häuser der Welt,
Du bist das Schiff der Fülle,
Du bist der Kelch der Weisheit,
Du bist die Quelle der Gesundheit
Der Frauenwelt und Männerwelt,
Du bist der Garten der Tugenden,
Du bist das Herrenhaus der Freude,
Du bist die Mutter der Traurigen
Und der sanften und gütigen Milde,
Du bist der Garten von Äpfeln,
Du bist der Gesang der Erwachsenen,
Du bist die Erfüllung der weltweiten Wünsche
In Süßigkeit und Lieblichkeit,
Du bist die Sonne des Himmels,
Du bist der Mond am Himmel,
Du bist der Stern und der Pfad
Der Wanderer zum himmlischen Zion,
Denn du bist der volle Ozean,
Führe mich am Meer;
Denn du bist das trockene Ufer,
Rette mich auf dem Lande.
Du bist das Juwel der Juwele,
Rette mich aus Feuer und Wasser,
Rette mich vor den Schlangenzähnen des Bösen
Und von riesigen Monster-Wellen.
Da ist keiner, der mein Lied singt
Oder nutzt es zum Heil,
Aber Maria wird sich zeigen
Dreimal vor meinem Tod und meinem Ende.

Blumen-Girlande des Ozeans,


Blumen-Girlande des Landes,
Blumen-Girlande der sieben Himmel,
Maria, Mutter der Universen,
Blumen-Girlande der Erde,
Blumen-Girlande der Lüfte,
Blumen-Girlande der Himmlischen,
Maria, Mutter der Universen,
Blumen-Girlande der Villa,
Blumen-Girlande der Sterne,
Blumen-Girlande des Paradieses,
Maria, Mutter der Universen
Gebenedeit bist du unter den Weibern
Und gebenedeit ist die Frucht deines Schoßes.

DAS CHRISTINE-LIED
ERSTER TEIL
DIE HEILIGE CHRISTINE

Die heil’ge Christine


Ist im Libanon geboren
Und im Jahre 307
Für Jesus gestorben
In dem schönen Italien.
Ihr Name bedeutet
Die Christin, oder
Der weibliche Christus!

Die heil’ge Christine


War die Tochter
Vornehmer Eltern,
Aber die Eltern
Glaubten nicht
An den lebendigen Gott,
Sondern an steinerne Götter.
Aber eine alte Amme
Erzählte der heil’gen Christine
Vom liebenden Gott
Und so glaubte die heil’ge Christine
An den lieben Vater im Himmel.

Ihr Vater auf Erden aber


Glaubte an die goldenen Götter
Und wollte die heil’ge Christine
Und ihre zwölf Dienerinnen
Zwingen, den Göttern zu dienen,
Und darum schloss er sie ein
In einem Turm,
Der an einem See stand.
Die heil’ge Christine aber
Warf die toten Götter
In den See,
Nur das Gold behielt sie,
Um es den Armen zu schenken.

Da wurde ihr Vater wütend


Und kam mit zwölf starken Männern,
Die schlugen die heil’ge Christine,
Bis sie nicht mehr konnten.
Die heil’ge Christine
Lachte die Männer aus.
Ihr wütender Vater aber
Warf sie ins Gefängnis.
Da kam ihre Mutter
Zu ihr ins Gefängnis
Und bettelte laut sie an:
Verrate doch den Gott im Himmel
Und glaub an die steinernen Götter!
Aber die heil’ge Christine
Lachte nur und sagte:
Ich liebe Gott
Und Gott liebt mich!

Der Vater wurde immer wütender,


Er verfolgte alle Christen,
Die an Jesus glauben.
Der heil’gen Christine
Ließ der eigene Vater
Die Arme brechen!
Ihre Haut ließ er abreißen
Mit scharfen Zangen.
Aber die heil’ge Christine
Warf dem wütenden Vater
Ihre Hautfetzen ins Gesicht!
Dann ließ der Vater
Die heil’ge Christine
An ein Rad binden
Und darunter wurde ein Feuer angezündet.
Die heil’ge Christine betete:
Heiliger Gott im Himmel!
Da schlugen die Flammen aus
Und töteten tausend Leute,
Die da standen
Und zugucken wollten,
Wie die heil’ge Christine starb.
6

Da wurde die heil’ge Christine angeklagt:


Du bist eine böse Zauberin!
Du übst Magie!
Aber die heil’ge Christine sagte:
Nein, niemals Magie,
Aber immer Gebet zu Gott!
Da warfen die Bösen
Die heil’ge Christine
Wieder ins Gefängnis.
In der dunklen Nacht
Wurde die heil’ge Christine
Auf eine Steinplatte gebunden
Und in den See geworfen!
Sie sollte ertrinken!
Aber ihr Schutzengel
Hielt die heil’ge Christine
Über Wasser.
Da kam Jesus vom Himmel,
Stark und schön und leuchtend,
Er zeigte auf sein brennendes Herz
Und sagte leise:
Ich liebe dich, Christine!
Ich liebe dich, Christine!
Ich liebe dich, Christine!
Und ich gebe dir einen Kuss!
Dann taufte Jesus
Die heil’ge Christine.
Nun war sie die Tochter Gottes!
Dann übergab Jesus
Die heil’ge Christine
Dem Erzengel Michael,
Dem starken Krieger Gottes,
Dem großen Drachentöter.
Und der Erzengel Michael
Trug die heil’ge Christine
Wieder an Land.

Nun wurde die heil’ge Christine


Wieder angeklagt:
Du bist eine Hexe!
Du hast magische Kräfte!
Wir werden dich köpfen!
In deinem blonden Kopf
Stecken nämlich Dämonen!
So brüllten die Bösen.
Da fand man den Vater
Der heil’gen Christine
Tot im Staube liegen.
Da gab man die Schuld
Am Tod des Vaters
Nur der heil’gen Christine.
Nun sollte sie wieder gequält werden.
Der Richter füllte
Eine eiserne Wiege
Mit Öl und Holz
Und zündete alles an
Und warf die heil’ge Christine
In die brennende Wiege
Und schaukelte sie,
Damit sie noch heftiger brenne.
Aber die heil’ge Christine
Lobte den Gott der Liebe:
Vater im Himmel,
Ich bin deine geliebte Tochter,
Und nun lieg ich in einer Wiege
Und du schaukelst mich
Wie eine zärtliche Mutter!
Vater im Himmel,
Du bist so lieb zu mir
Wie eine liebende Mutter!
Und nach diesem Gebet
Stieg die heil’ge Christine
Unverletzt aus der Wiege.

Da schnitt der böse Richter


Der heil’gen Christine
Ihre langen goldenen Haare ab!
Dann riss er ihr die Kleider vom Leib
Und schleifte sie nackig
Vor die goldene Statue
Des Sonnengottes.
Und der böse Richter brüllte:
Die Sonne ist Gott!
Aber die heil’ge Christine rief:
Jesus ist Gott
Und Jesus ist lichter als die Sonne!
Da zerfiel die Statue
Des goldenen Sonnengottes
Zu Staub und Pulver.
Vor Angst starb der böse Richter.
Aber da gab es
Genügend böse Richter.
Der neue Richter sperrte
Die heil’ge Christine
In einen glühenden Ofen
Für sieben Tage.
Aber mitten im Feuerofen
Tanzte die heil’ge Christine
Mit den tanzenden Engeln
Und sang mit den Engeln
Die fröhlichen Lieder der Engel!

Die heil’ge Christine


Trat am siebenten Tag
Aus dem Feuerofen.
Ihre Wangen glühten,
Sie schwitzte,
Denn es war heiß gewesen
In dem Feuerofen.
Da brachte man Schlangen herbei,
Giftschlangen, Würgeschlangen.
Aber die Schlangen
Legten sich um den Nacken
Der heil’gen Christine
Und mit ihren kalten Körpern
Kühlten sie die erhitzte
Heil’ge Christine.
Da rief man einen Magier,
Der sollte die Schlangen reizen,
Dass sie die heil’ge Christine
Beißen und würgen
Und so sie töten!
Aber die Schlangen
Stürzten sich
Auf den Magier
Und töteten ihn!
Da gebot
Die heil’ge Christine
Den Schlangen:
Geht in die Wüste
Und lasst die Menschen in Ruhe!
Da zogen die Schlangen fort
In die Wüste.
Die heil’ge Christine aber
Erweckte den Magier von dem Tod!

10

Da wurde der böse Richter


Noch böser
Und schnitt die Brüste ab
Der heil’gen Christine!
Aus den Wunden aber
Floss weiße Milch!
Da schnitt der böse Richter
Der heil’gen Christine
Die Zunge ab!
Aber auch ohne Zunge
Konnte sie reden
Und betete laut zu Gott!
Die Zunge aber warf sie
Dem Richter ins Gesicht,
Da wurde der Richter blind!
Da schoss der blinde Richter
Sieben Pfeile
Auf die heil’ge Christine
Und ein Pfeil traf
Ihr Herz!
Und so starb
Die heil’ge Christine.

11

Da kam die heil’ge Christine


Zu Jesus in den Himmel!
Und Jesus sagte voller Liebe:
Ich starb für dich am Kreuz
Und du bist gestorben
Aus Liebe zu mir!
Komm zu meinem ewigen Glück!
Und Gott der Vater im Himmel
Krönte die heil’ge Christine
Im Himmelsparadies
Zur allmächt’gen Prinzessin
Und himmlischen Schutzfrau
Für alle Mädchen auf Erden,
Die Christine heißen.

ZWEITER TEIL
KÖNIGIN CHRISTINE VON SCHWEDEN

Christine ward geboren


Im Dezember
Sechzehnhundertsechsundzwanzig
In Stockholm, der Hauptstadt von Schweden,
Und ging heim zum Herrn
Im Alter von dreiundsechzig Jahren,
Da sie starb in dem Ewigen Rom.
Sie war die Tochter
Des schwedischen Königs
Gustav des Zweiten Adolf,
Des Kriegers der Protestanten
Im Dreißigjährigen Krieg,
Und seiner Frau Maria
Eleonora von Brandenburg.
Christine war Königin von Schweden
Und Herzogin von Bremen-Verden.
Als der Papst sie gefirmt,
Erhielt sie den Namen Maria
Alexandra.
Sie starb im Schoß
Der römisch-katholischen Kirche.

Christine war fünf Jahre alt,


Als Gustav der Zweite Adolf
Im Krieg gefallen ist
Und Christine den Thron bestieg!
Bis zum Alter von neun Jahren
Lebte Christine bei ihrer Mutter
Eleonora von Brandenburg.
Aber die Mutter war depressiv
Und verantwortungslos,
Darum kam Christine zu ihrer Tante
Katharina Wasa,
Die sie männlich erzog.
Katharina Wasas Sohn
Karl Gustav wurde später
Christines Nachfolger
Auf dem schwedischen Thron.
Christine wurde erzogen
Wie ein männlicher Kronprinz.
Sie lernte reiten und jagen,
Verschmähte weibliche Putzsucht
Und verbrachte die Nächte
Mit ihren geistigen Studien.
Mit achtzehn Jahren übernahm Christine
Die Regierungsgewalt
Und befreite sich von ihrem Vormund.
Den Freund ihrer Jugend,
Karl Gustav, machte Christine
Zum Generalissimus
Der schwedischen Truppen in Deutschland.
Königsberg ward erfolglos besetzt,
Aber Königin Christine gewann
Vorpommern, Rügen und Bremen-Verden
Für die schwedische Krone.

3
Während ihrer Regierungszeit
Führte Königin Christine
Einen Hof voller Pracht,
Ja, den prachtvollsten Hof
Im Europa jener Zeit,
Und so war sie hoch angesehen
Von ihren Zeitgenossen.
Zwei Jahre lang hatte Christine schon
Briefe gewechselt
Mit dem französischen Philosophen
Descartes, bis sie ihn rief
Aus Holland nach Schweden.
Der Philosoph lag am liebsten
Bis Mittags im Bett,
Aber Königin Christine
Bestellte ihn um fünf Uhr Morgens
Zu philosophischen Gesprächen.
Der Philosoph starb
Am Hof der Königin Christine
Und ging zur göttlichen Weisheit ein.
Königin Christine beschenkte
Große Bibliotheken,
Sie sammelte wertvolle Münzen
Und schöne Gemälde.
Sie erbeutete den Schatz
Des Kaisers Rudolf des Zweiten,
Münzen, Statuen, Gemälde, Bücher,
Wissenschaftliche Instrumente
Und reine Kristalle.
Am meisten lag ihr am Herzen
Die Universität von Uppsala,
Die sie ausbaute und beschenkte
Mit alten Büchern.
Königin Christine unterstützte
Die Gelehrten, die studierten
Die Religionsgeschichte
Und die heiligen Kirchenväter
Und griechische und lateinische
Und hebräische Sprache.
Der französische Wissenschaftler
Und katholische Philosoph
Blaise Pascal
Machte der Königin Christine
Aus Ehrerbietung ein Geschenk.
Königin Christine liebte
Das Theater, vor allem
Das französische.
Sie lud ein französisches Ballett
An ihren königlichen Hof
Und einen französischen Violinisten.
Eine französische Sängerin
Wurde Hofsängerin.
Auch liebte Königin Christine
Die italienische komische Oper.
Ein schwedischer Dichter
Schrieb ein Theaterstück für sie
Über Amor, den Gott der Liebe,
Und die jungfräuliche Göttin Diana.
Königin Christine
Trat selber auf
Als Jungfrau-Göttin Diana.

Im schwedischen Parlament
Kam es zu Unruhen,
Der Königin Christine
Ward das Regieren schwer gemacht.
Sie erklärte dem Volk:
Ich brauche Ruhe!
Das schwedische Reich
Braucht einen starken Herrscher,
Ich will abdanken
Und mich den Künsten
Und dem Geiste widmen!
Die Leute des Hofes wollen,
Ich solle heiraten,
Ich aber will mein Leben lang
Jungfräulich leben!
Wenn ich weiter herrschen soll,
Erwarte ich vom Hof,
Mir nie wieder nahe zu legen,
Ich solle heiraten! –
Die Jesuiten,
Die Königin Christine unterrichteten,
Berichteten Rom,
Die Königin wolle konvertieren.
Die Jesuiten arbeiteten zielstrebig
Auf eine Konversion der Königin hin.
Dagegen nannte sie ein Mann des Hofes
Eine böse Jezabel,
Eine abtrünnige Königin,
Die mit der Hure Babel ins Bett ging.
Der Hofmann ward hingerichtet.
Der Arzt der Königin Christine
Riet ihr, nicht so viel zu arbeiten,
Sondern mehr die Künste zu genießen.
Die depressive Mutter Eleonora
Misstraute dem Arzt,
Die Mutter ward verbannt
Nach Schloss Gripsholm.
Königin Christine gründete
Den königlichen Amaranten-Orden,
Alle Ritter des Ordens
Mussten geloben,
Nie eine Ehe einzugehen,
Sondern jungfräulich zu leben.
Im Jahre Sechzehnhundertvierundfünfzig
Dankte Königin Christina ab
Vor dem Reichsrat
Auf dem Schloss von Uppsala.
Ihr Nachfolger auf dem Thron
Ward ihr Vetter,
Karl der Zehnte Gustav von Schweden.
Christine floh
Unter dem Namen Graf von Dohna
Über Münster nach Antwerpen.
Sie nahm mit sich wertvolle Bücher,
Wandteppiche, Statuen und Gemälde.
So kam sie nach Brüssel,
Dort trat sie Weihnachten
In die katholische Kirche ein,
Erst heimlich,
Dann öffentlich
In der Innsbrucker Hofkirche
Mit großer Feierlichkeit.
Zu ihren Ehren
Wurde in Innsbruck
Eine Oper aufgeführt.
Mit dem Beitritt zur Kirche Gottes
Protestierte die Protestantin
Gegen ihre strenge protestantische Erziehung,
Sie trat der Kirche bei,
Die in der Zeit des Barock
Die Schönheit Gottes verherrlichte.
Als Katholikin konnte Christine
Heimisch werden in Italien,
Nach dessen warmem Klima
Es sie sehnlich hinzog.
Für die Kirche Jesu Christi
War die Bekehrung Christines
Ein großer Triumph,
War doch ihr Vater Gustav Adolf
Ein protestantischer Krieger
Im Dreißigjährigen Krieg gewesen.
Nun triumphierte die Schönheit,
Pracht und Herrlichkeit Gottes!

Sie lebte nun im Ewigen Rom.


Vergeblich bemühte sie sich
Um die Krone von Neapel
Und später vergeblich
Um die Krone von Polen.
In Frankreich war sie
Nicht erwünschte Person,
Und Schweden verweigerte ihr
Die Einreise in ihre Heimat,
Weil sie in Begleitung
Eines katholischen Priesters war.
In Rom widmete sich Christine
Der Musik, sie spielte selber
Die erste Geige
Und gab auch Kompositionen
Bei Komponisten in Auftrag,
So auch zu Ehren
Der Thronbesteigung
Jakobs des Zweiten von England.
Christine gründete
Das erste Theater in Rom,
Da auch Frauen auftraten
Als Schauspielerinnen
Und Sängerinnen.
Christine liebte
Die erotische Poesie,
Sie kannte die Liebeskunst von Ovid
Und antike erotische Epigramme
Und die Hetärengespräche
Von Pietro Aretino.
Sie hatte eine tiefe Zuneigung
Zu einer ihrer Hofdamen.
Ein Kardinal geriet in Verdacht,
Mit ihr sexuell zu verkehren
Und ward von Papst
Alexander dem Siebten
Zur Rede gestellt.
Der Papst salbte Christine
Und gab ihr den Firmnamen Maria
Alexandra. Sie unterschrieb
Ihre Briefe mit dem Namen
Christine Alexandra.
Sie hatte gute Beziehungen
Zum spanischen Mystiker
Miguel de Molinos,
Ging aber nicht öfter
Als einmal im Jahr
Zum Sakrament der Beichte.
Sie sagte: Ich bin keine Nonne!
Man nannte Christine
Die Göttin Pallas Athene vom Norden.
Sie hatte eine tiefe Stimme,
Trug die Haare kurz
Und trug wie Männer Hosen.
Sie weigerte sich ihr Leben lang,
Einen Mann zu heiraten.
Die Vorstellung einer Ehe
Erregte in ihr
Einen tiefen Widerwillen.
Sie starb als jungfräuliche Königin
Im Alter von dreiundsechzig Jahren
In dem Ewigen Rom
Und wurde begraben
In den Vatikanischen Grotten
Im Dom Sankt Peter.
Jesus empfing
Ihre unsterbliche Seele
Mit Freuden.

HEILIGE APHRODITISSA

HYMNE AN APHRODITISSA

Clemens von Alexandrien sagte,


Aphroditissa sei geboren
Aus dem wollustvollen Geschlechtsteil
Des Vaters im Himmel.
Sie ist die Aphroditissa Philommedes,
Die das Geschlechtsteil liebt,
So ist sie auch Aphroditissa Philomeides,
Die das Lachen des Höhepunkts liebt!
Sie ist die Göttin dieses Augenblicks,
Der den Sterbling hinausträgt
Über das Leben, vielmehr,
Der ihn das Leben erfassen lässt
In seiner ganzen Tiefe.

Im Frühling kommen die Tauben


Über das Mittelmeer
Zur Nymphe Europa,
Sie paaren sich,
Sie lassen aus dem Dickicht des Laubes
Das betörende Gurren erklingen.

Die Rosen sind gefärbt


Vom Blut Aphroditissas.
O ihr krummen und zackigen Dornen,
Wie habt ihr Aphroditissa zerkratzt!
Ihr schontet nicht ihre weiße Haut,
Ihr schont gar keine Person,
Und wenn’s eine göttliche wäre!
Die schöne zarte Aphroditissa
Hat es wohl selbst erfahren,
Als sie durchstoßen ward.
Darum die weißen Rosen
Begannen sich blutrot zu färben!

O weiße Aphroditissa von Arles!


Königin der Provence!
Kein Mantel verhüllt deine schönen Schultern,
Ich sehe, du bist die Göttin,
Die Tochter des lichten Himmels!
Zeige mir deine nackten Arme!
Zeige mir deine nackten Brüste!
Zeige mir deine nackten Schenkel!
Zeige dich ganz nackt, Aphroditissa,
O göttliche Herrin!
Deine pure Schönheit
Kleidet dich besser als der Mantel.
Lass das Kleidchen auf die Füße sinken,
Das Reizgewand, das sich um deine Lenden schlingt!
Verhülle nicht länger das Schönste,
Was du besitzt!
Überlasse deinen bloßen Leib
Den Küssen des lichten Himmels!

Ihr schwarzes Haar ist schwer beladen


Mit Düften und Farben von Blumen.
Sie ist die weiße Rose der Gischt,
Sie ist ein silberner Glanz,
Sie ist eine lichte Flamme der Liebe!
Sie neigt sich zu mir voll der Gnade,
Der ich sie immer suche,
Und die Erde wird süß
Durch den Namen Aphroditissas!

Sie kam wie ein Blitz aus der flammenden See,


Sie wandelte auf dem Wasser!
Die wundervollen Meere kennen sie,
Die Stürme und die Wogen kennen sie.
Mit ihr erblühen die Rosen röter
Und blauer sind die Wasser
In den Buchten der Wonne mit ihr!

Die Göttin kam an Land.


Rasch schritt sie dahin an den frischen Ufern.
Im Mittag erhoben sich die Haine,
Die warmen Blumen waren verwirrt,
Als ob sie verwirrt aus einem Bett sich erhoben.
Sie ging ans Meer, das Meer erhob sich
Und warf den Delphin an den Strand.

Das Blut Aphroditissas


Mischt sich mit dem Blut der Menschen.
Der Kuss der Liebe
Erweckt die unerweckte Jungfrau.
Das Mädchen erwacht zur Lust der Liebe!
Morgen wird die Braut nicht mehr zögern,
Die Kerze anzuzünden!

Was machen wir mit all dem Geld?


Wir werden ein Kloster bauen!
Die Mädchen von sechzehn Jahren
Stecken wir hinein
Und den Mann von fünfzig Jahren!
Aphroditissa
Ist die Äbtissin unsres Klosters!

Sie erwuchs aus dem göttlichen Schaum


Des abgetrennten Gliedes
Des Vaters im Himmel.
Der geschwängerte Schaum
Trieb sie nach Kythera
Und von Kythera nach Zypern.
Dort erwuchs sie,
Im Schoß des Meeres,
Zu voller Blüte der Schönheit,
Bis sie ihren Fuß an den Sandstrand setzte.

Sie kam an der südwestlichen Küste


Der Insel ans Land,
Nahe Paphos, wo die Gischt
Unter rosenfarbigen Felsen
Geschmeidig und reichlich
Über den Sandstrand fließt.

Die Idee der mütterlichen Kraft


Besteht von der Eiszeit an
Bis heute. Sie ist die Göttin
Des Abendsterns, des Morgensterns,
Die Göttin des Bettes,
Der fruchtbaren Fülle,
Herrlich anzuschauen
In ihrem Lapislazuli-Schmuck
Und ihrem Lidschatten!

Alle Lebewesen des Feldes,


Alle Tiere mit vier Füßen
Unter dem weiten Himmel,
Obstbäume, Gärten,
Blumenbeete, grüne Gräser,
Die Fische im Teich,
Die Vögel unterm Himmel,
Warten bei Nacht, wenn es still ist,
Auf ihre Herrin,
Alle Lebewesen
Und alle Männer beugen vor ihr die Knie,
Meine Herrin schaut freundlich liebevoll
Vom Himmel auf mich herab
Und alle streben
Der Aphroditissa zu!

Auch die Achäer verehrten


Ihre Liebesgöttin
Mit prallen Brüsten
Und dem Dreieck der Scham.
Nun sahen sie auf Zypern
Eine höhere Göttin der Liebe,
Der Trächtigkeit und des Schaumes.
Aschtoreth ward Aschtaroth,
Aschataroth ward Attaorethe,
Aattorethe ward Aphthorete,
Aphthorethe ward Aphrodite.
Aphrodite ward aus dem Aphros geboren,
Aphrodite ist die Schaumgeborne.

Aphrodites Städte sind


Idalion,
Soli und Marion,
Salamis und Kouklia.
In Kouklia steht die Kirche
Der Panhagia Aphroditissa!
O Panhagia Aphroditissa,
Bei deinen bloßen Brüsten,
Bitte für mich!

Aphroditissa ist geboren


Aus der liebevollen Vereinigung
Des donnernden Vaters im Himmel
Mit der Mutter Erde,
Der göttlichen Mutter Dione.
Gott strömt seinen Regen nieder,
Dione ist ganz Empfängnis!

Andere sagen, ein Ei


Sank vom Himmel nieder
In den Euphrat.
Fische rollten das Ei an Land
Und Tauben brüteten
Das riesige Ei am Lande aus,
Sie brüteten aus
Die syrische Göttin
Aphroditissa.
Die Göttin war von solcher Hoheit
Und solcher herrlicher Heiligkeit,
Gott gewährte den Fischen,
Als Sterne am Himmel zu glänzen.
Darum sind den Syrern die Fische heilig
Und die Tauben heilig.

O die Genitalien
Des himmlischen Vaters!
Um ihr unsterbliches Fleisch
Schlang sich der weiße Schaum!
Aus dem Schaum geboren ward das Mädchen!
Das Mädchen ward nach Kythera getrieben
Und dann zur Insel Zypern im Meer,
Dort stieg die herrliche
Göttin an den Strand,
Die Rosen blühten unter ihren Füßen.
Götter und Menschen tauften sie
Auf den Namen Aphroditissa!

Sie nannten sie Aphroditissa Philommedes,


Die genitalienliebende Göttin,
Weil das Geschlecht des Vaters ihr Ursprung.
Eros war ihr Lebensgefährte!
Die göttliche Begierde begleitete allzeit die Göttin!
Von Anbeginn ward sie verehrt
Und angenommen von den Göttern und Menschen.
Sie lebt in dem Gekicher
Der jungen Mädchen,
In dem Geplauder der schönen Frauen,
Im verführerischen Lächeln der Herrin
Und in süßer Erfüllung der Träume-Sehnsucht
Und in zärtlicher Liebe!

Lobpreis der Muschel


Der Aphroditissa!
Die Göttin auf der Muschel
Wird sogar in China
An der Großen Mauer verehrt!
Die Göttin entsteigt der Muschel
Wie eben erschaffen,
Wie im Schoß der Muschel die Perle
Geboren und gewachsen.
Warum sollte der Schaum,
Warum sollte der Sperma des Vaters
Nicht in einem sanften Bette reifen,
Eingeschlossen und beschützt
Von zwei Muschelklappen?
Kteis heißt die Muschel,
Kteis heißt die Scham der Frau.
Im Mutterschoß des Meeres
Reifte die neue Göttin heran.
Die Muschel tat sich auf
Und Anadyomene erscheint in ihrer Nacktheit
Und hält ein Mannesglied in der Rechten!
Sie ist ja die Göttin in der Muschel,
Aphroditissa Philommedes,
Die Genitalienliebende,
Königin höchster sexueller Befriedigung!

So wurden einst zwei Frauen


Vom Meere angespült
Und kamen zum Tempel der Göttin.
Die greise Großmutter, die im Tempel diente,
Sprach: Die Göttin kommt aus der Muschel,
Da sollte sie wohl zwei Muschis retten können!
Siehe die Jakobsmuschel!
Öffne die Muschel,
Du findest an ihrem Saum
Unter kurzen Fühlern
Fünfzig glitzernde Augen,
Das Halsband Aphroditissas!
Diese winzigen Perlenaugen
Am Saum der Muschel
Sind das Halsband Aphroditissas!

Aphroditissa wird ja auch gefeiert


Als die Große Mutter Margarethe,
Die Herrin der Perlenschnüre!
Eine Frau hat der Göttin
Eine Bronzenadel gewidmet,
Auf der Spitze der Nadel
Ein Ei von ägyptischem Porzellan,
Gekrönt von einer Perle.
Unter dem Ei
Spreizen vier Tauben ihre Flügel
Und trinken aus vier Lotosblumen,
Zwischen vier Mäulern von Zicken.

Aphroditissa kam an Land


An der Achni-Küste
Bei Petra tou Romiou,
In der Nähe von Alt-Paphos,
Unterhalb der Straße,
Die von Paphos-Ktima nach Kourion führt.
Ein wilder Platz!
So heilig wie berückend,
Wie jemals ein Ort von einem Weib ward heimgesucht,
Im Silbermond
Die nächtliche Buhlerei zu ersehnen.
Die Klippen waren in Rosa getaucht,
In Aphroditissas Farbe.
Das dunkle Blau des Meeres
Wurde zu Fliesen in persischen Tempeln.
Schön ist der Meeressschaum,
Der schimmernd ans Ufer treibt.
Die rosa Felsen
Mit schwarzen Stücken
Erheben sich mächtig aus dem Meer,
Vom Persischblau des Meeres
Getrennt durch einen weißen Saum.
Die Woge des göttlichen Samenschaumes
Schwappt über einen Hügel der steilen Küste,
Teilt sich,
Gleitet an der sandigen Düne ab,
Um sich mit neuen Wogen
Des Meeresschaumes zu vereinigen.
Hier ist eine Landschaft
Aus Aphroditissas Blau und Rosa,
Erfüllt vom Tosen der See.

O Aphroditissa von Paphos,


Ich sah an deiner Bucht der Wonne
Meine Geliebte in blauer Woge schwimmen.
Jäh erfasste mein Herz die Flamme der Liebe.
Von dem nassen Wasserweib
Zog ich mir glühende Kohlen zu!
Ihr schenkte dein Sandstrand
Einen lieben Empfang.
Uns bindet die gleiche Sehnsucht.
Was ich am Land für sie erbeten hatte,
Göttin, das hast du ihr erfüllt.

Aphroditissa hüllte ihren Körper


In Liebreizgewänder,
Die die Grazien angefertigt,
Und in Blumendüfte getaucht
Von Krokus und Rosenblüten
Und Narzissen, geschwellt von Ambrosia,
Und keuschen königlichen Lilien.
Der Lenz und der Sommer verschwendeten
Ihre Blumendüfte über die leichten Stoffe
Der Kleidchen Aphroditissas.

Aphroditissa will ich singen,


Die schöne, tugendsame,
Sie mit dem goldenen Kranz,
Die im meerumflossenen Zypern regiert,
Wohin sie der Westwind geblasen
Über den Schaum des rauschenden Meeres.
Die Horen betend
Empfingen sie mit großer Freude
Und gaben ihr himmlische Kleidchen
Und setzten ihr den goldenen Kranz in die Locken
Und hängten an ihre Ohren Geschmeide
Von edelsteinernen Blüten,
Den schlanken weißen Schwanenhals
Und den weißen prallen Busen
Schmückten sie mit goldenen Kettchen,
Den die Horen selber trugen als heiligen Schmuck,
Wenn sie zu den Himmlischen gingen
In das Vaterhaus Gottes.
Nachdem die Horen geordnet
Den Schmuck am Körper Aphroditissas,
Geleiteten die Jungfraun die Königin
Zum Himmel, wo jeder Himmelsbewohner
Wünschte zur Glückseligkeit,
Aphroditissa zur Gemahlin zu haben!
Alle Himmlischen benedeiten
Die schöne Gestalt
Der gekränzten Göttin!

Von den Klippen von Achni


Ist es nicht weit zu den Troodos-Bergen,
Dem Lande der Anemonen des Adonis
Und der Alpenveilchen
Der Großen Mutter Margarethe,
Und ist es nicht weit bis nach Messaria,
Da im Frühling der rote Poppie blüht
Und wo man aus der Luft
Das Gold der goldenen Blüten sieht.
Zwischen Blumen gebettet
Liegen dort die Heiligtümer Aphroditissas,
Alt-Paphos vor allem,
Idalion, Amathos,
Soli und Kourion,
Dort ist zu sehen der blaue Gipfel
Des busenförmigen Berges Olympos.

Der Olymposberg wird gekrönt


Vom Kreuze Christi,
Er heißt der Berg des Kreuzes.
Hier befindet sich ein Kloster,
Dem die heilige Helena
Das Kreuz des Schächers schenkte,
Der mit Christus gekreuzigt ward,
Zu dem Jesus sprach: Ich sage dir,
Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!...

In Kythrea an der Quelle zwischen den Hügeln


Im Schatten der Platanen
Nahe dem Kaffeehaus
Ist die junge Aphroditissa aufgewachsen.
Nach ihren Liebesspielen
Hat sich Aphroditissa immer gebadet
In der Quelle der Akamasberge.
Diese Quelle heißt
Brusis ton Eroton, die Quelle des Eros,
Oder Loutra tis Aphroditis, das Bad der Aphrodite.

Wer das Bad der Aphroditissa besuchen will,


Nehme im Fischerdorf Lachi ein Boot
Und benutze den Weg des Wassers.
Er kommt in einen Park von Olivenbäumen,
Nahe den Pfauenfarben des Meeres
Liegt ein Bauernhof
Mit einem Pavillon,
Dort ist die Quelle,
Aus einer schmalen Felsspalte
Strömt das Wasser
Unter den Zweigen des Feigenbaums.
Man wandelt den Weg
Zwischen rosa und weißen Zistrosen,
Alpenveilchen mit langen Stielen,
Blausternen, Schilfgras.
Frauenhaarfarn strömt von den Felsen herab,
Das Haar der Venus,
Ob es nun das Haar ihres Hauptes meint
Oder das Haar der Scham,
Die doch so oft ihr feuchtes Haar
Getrocknet, wenn sie aus dem Bade stieg.

Isola sacra a l’amorosa Dea!


Land voller Lieblichkeit und Freude!
Sieben Meilen oder sechs
Vom Meer entfernt
Steigt der liebliche Hügel an.
Die Landschaft ist reich an Myrrhe,
Zedern, Mahagoni, Orangenbäumen
Und tausend andern lieblich duftenden Bäumen.
Aus der duftenden Mutter Erde
Springen Thymian und Majoran,
Rosen und Lilien.
Der Windhauch vom Land zum Meer ist schwer
Beladen mit zauberhafter Süße.
Die klare Quelle schickt
Einen Bach die Böschung hinab.
Der Ort so voller Lieblichkeit und Freude,
War Grundbesitz der Aphroditissa.
Der Geist der Göttin der Liebe
Inspiriert die Liebenden,
Die Jungen und auch
Die Alten bis zu ihrer letzten Stunde!

HYMNE AN DIE DEA DOLOROSA

Adonis wuchs in Paphos auf,


Er war als Jüngling so schön
Wie er als Knabe schön gewesen.
Die Dea Dolorosa liebte ihn bis zum Wahnsinn,
Sie hatte Angst um ihn,
Dass er sterben müsse,
Wenn er auf Jagd in die Wälder ginge.
Adonis hörte nicht auf die Göttin
Und ging zur Jagd in den Wald.
Da brach ein harter Eber aus dem Dickicht
Und haute seine Hauer
In das weiße Fleisch des Adonis.
Die Dea Dolorosa
In ihrem Schwanenwagen
Hörte Adonis’ Todesröcheln,
Sie kam herab und fand ihn
In einer Lache Blut
Im Staube tot!
Da beschloß die Dea Dolorosa,
Adonis ein ewiges Angedenken zu schaffen,
Sie verwandelte sein Blut
In eine rote Anemone.
Von meinen Tränen, Adonis,
Soll Erinnerung bleiben
Bis ans Ende der Weltzeit.
Ein lebendiges Bild
Soll von meinem schweren Kummer
Und deinem Tode zeugen.
Einer Blume weihe ich
Dein rotes Blut!
So sprach die Dea Dolorosa
Und schüttete Nektar
Auf das kostbare Blut.
Da fand sie eine rote Anemone,
Rot wie das kostbare Blut des Adonis.
Heute nennt man diese Blume
Sankt-Brigitta-Blume.
Auf den Hügeln von Idalion
Wächst die Ur-Anemone.
Wenn die rosa Mandelblüten fallen,
Blüht die Anemone auf.
Die Zyprier nennen den Hügel
Den Gabriel-Gipfel.
Denn wie die Dea Dolorosa
Ihren Liebling Adonis beweinte,
So eilte der Erzengel Gabriel
In die Kammer der Jungfrau Maria:
Chaire, Kecharitomene!
Die weißen Anemonen aber
Sind aus der Erde gekommen
Durch die Tränen
Der Dea Dolorosa.
Tränen der Dea Dolorosa tropften auf die Erde
Und das kostbare Blut des Adonis,
Die Tränen und das Blut benetzten die Erde
Und wurden zu schönen Blumen.
Weiße Anemonen blühen
Aus den Tränen der Dea Dolorosa
Und rote Rosen der Passion der Liebe
Aus dem kostbaren Blut des Adonis.
Adonis, Adonis, tot ist Adonis!
Auferstanden Adonis
Als rote Rose
Der Passion der Liebe!

HYMNE AN EROS

Jetzt aber sing ich Eros!


Vor den Göttern
War Eros
Und Eros war Gott!
Eros ist älter als der Himmel,
Älter als die Erde,
Aber älter als Eros
Ist das Kreuz!...
Eros ist der unerschaffene Gott,
Der das Leben zeugt,
Und ohne Eros lebt nichts
Und niemand liebt ohne Eros!
Dieser Eros hat mir das Herz erschüttert
Wie der Sturm in der Eiche wühlt!
Eros findet mich überall,
Eros findet mich in den Gärten,
Eros findet mich am Meer,
Eros treibt mich zum Wahnsinn! -
Eros demütigt mich,
Eros kommt als göttlicher Dieb
Und raubt mein Herz!
Die Mutter des kleinen Gottes
Schaut dem Treiben des Lieblings zu
Und hat ihre Freude daran!
Praxiteles hat ein Bild des Eros geschaffen
Und schenkte den Eros
Der schönen Hetäre Phryne,
Die schöne Hetäre Phryne
Schenkte das Bild des Eros
Dem Tempel der Liebe.
Das Antlitz, der Blick des Eros
Sind geheimnisvoll
Und anziehend in dem wissenden Wollen!
Traumliebhaber ist er aller Hetären,
Allen voran der schönen Hetäre Phryne!
Eros sing ich, den Knaben,
Den Sohn der Mutter der schönen Liebe,
Der mit seiner Fackel
Die Herzen entflammt,
Mit seinem scharfen Pfeil
Das Herz verwundet!
Ein schrecklicher Gott,
Ein schrecklicher Gott ist Eros!
Ein schrecklicher Gott ist Eros!
Der Liebling hört mir zu,
Dann lacht er laut auf.
Wenn ich seufze und stöhne,
Wächst seine Macht!
Wie brachtest du, Stern des Meeres,
Aus dem Meerestropfen
Das Feuer Gottes zur Welt?

HYMNE AN EUCHARIS

Singen will ich die immerjugendliche


Göttin Eucharis!
Spät am Abend kam Eucharis,
Sie, deren Augen so strahlen,
Die von ihrem Freier
In süßen morgendlichen Mußestunden
Sich nur ungern trennt.
Noch so müdesüß,
Als hätte die Nacht zur Ruhe nicht genügt,
Senkt sie sich in den Schoß des Thrones.
Ich sah das kostbare Blut
Der Göttin Eucharis fließen!
Ich sah den Lebenssaft
Der Wunde der Göttin entfließen!
Isst sie denn Brot, trinkt sie denn Wein?
Göttliches Blut fließt in ihren Adern
Und darum heißt sie selige Menschengöttin!

Da sah ich lächeln den Vater


Der Engel und Menschen
Und zärtlich sprach der Vater:
O Tochter Gottes,
Du verabscheust den Krieg, den Gräuel der Menschheit,
Friedenskönigin sollst du sein
Und ordnen die Werke der Ehe!

Wir wollen dem schönen jungen Mädchen nicht zürnen,


Dass sie so schön, so reizend ist!
Die gelbe Lilie ist so schön
Durch die Gnade Gottes!
Jede Menschengöttin taucht aus dem Meer des Lichts
Wie einst die schaumgeborne Aphroditissa!

Wer war denn bei Eucharis?


Die schmachtende Liebe war da
Und seufzende Sehnsucht
Und Scherze waren da
Und schmeichelnde Lippen,
Die selbst den Weisen betören!
Aus den lichtblauen Augen
Der Mädchengöttin Eucharis
Strömt die Schöne Liebe,
Welche alle Glieder
Des Lebenssaftes beraubt!

Auch singen für Eucharis


Will ich die ewigjugendlichen Charitinnen!
Gesangreiche Königinnen,
Hört, da ich euch anbete, Mädchen!
Mit euch kommt Heiterkeit und Süßigkeit
Zum Weisen, zum Edlen, dem Mann!
Gott herrscht im Himmel und auf Erden
Nicht ohne Gnade und Grazie!
Sondern die jugendlichen Gnaden
Wählen mit dem Sohn
Die Werke des Vaters
Und preisen den Vater im Olymp,
Den Alten der Tage
Mit dem schneeweißen Haar!

Herrlich bist du, Aglaja,


Freundin meiner Gefühle!
Euphrosyne, du liebst die Lieder,
Glorien singen deine Lieder!
Thalia, lachendes Mädchen,
Heiter scherzende Gnade!
Ihr Mädchen schaut belustigt
Auf des Dichters Verse.
Leicht wandelt ihr dem Glücke nach.

Lyrisch sing ich diese Hymne


Und wandle den Sehern nach
Und ging den Weg auch hinab
Zu Acheron und Phlegeton
Und sah die Echo unsichtbar
Und hörte ihre Stimme im Weinberg
Im Sommer umgehn
Und der Hirte spielte die Flöte
Am Ufer des Flusses
Und schaute hinüber
Auf die andere Seite heiter!

Alles, was Eucharis mir schenken wollte,


Schenkte sie mir durch die Mädchen,
Die jungen süßen Charitinnen!
Eucharis, makellose Mädchengöttin,
Du bist Charis Epistrophia,
Die unsre Herzen wandelt,
Du bist Charis Nympha,
Die Schutzherrin der Verlobung,
Du bist Charis Thalamon,
Die Herrscherin des Schlafgemachs,
Du bist Charis Paregoros,
Die Trösterin,
Du bist Charis Ambologna,
Die den Dichter jung erhält!

Eucharis ist unwiderstehlich schön!


O wie herrlich ist sie,
Wenn sie mächtig heranfliegt!
Wer sich ihr ergeben,
Dem wandelt sie milde zur Seite.
Die stolzen Herzen wirft sie nieder!
Am blauen Himmel wandelt Eucharis,
Sie wandelt auf dem Meer,
Der Frühling wird durch ihre Gnade!
Sie lockt den Samen hervor
Und lässt das Leben werden
Durch ihren göttlichen Liebestrieb!

Philosoph, betrachte mit deinem Geist


Die göttliche Liebe!
Was staunen deine Augen?
Was bleibst du sitzen?
In den Sterblichen
Lebt die göttliche Liebe,
Die Sterblichen lieben, wenn sie lieben,
Mit der Kraft der göttlichen Liebe!
Wenn sie Eintracht stiften
In schöner Harmonie,
So nennen sie die göttliche Liebe
Süßigkeit und Wonne!
Die göttliche Liebe wollen wir versöhnen
Mit frommen Weihegaben
Und köstlich duftendem Salböl,
Mit zerriebener Myrrhe
Und alleredelstem Weihrauch!
Rotblonden Honig will ich weihen
Der göttlichen Liebe!
Durch die Macht der göttlichen Liebe
Vereinen sich Glieder
Zum lebendigen Menschen
Und der Mensch besteigt
Die Höhe des blühenden Lebens.

Aber rasch, sehr rasch


Zertrennt der Vater Krieg die Glieder
Und die Toten irren
An den Ufern des Todes!
So blüht der Busch
Durch die Schöne Liebe
Und muss doch welken bald, wie bald!
So schlüpft der Fisch im Meer dahin,
So weiden die Lämmer auf den Gipfeln
Und der Schwan singt sein Lied
Durch den Kuss der Schönen Liebe!

Wie glänzt doch Eucharis!


Sie verströmt die Tropfen der Schönheit!
Die festen weißen Brüste
Präsentiert sie nackt!
Doch das Kleid verhüllt
Die gespaltene Wiese der Venus!
Das Haar bedeckt sie
Mit rotblondem Schleier!
Weit hat der Diener der Göttin,
Der Dichter der Kunst der Liebe,
Den Namen der Göttin berühmt gemacht,
Der Göttin der Ewigen Liebe!
Im Himmel spürt man die Macht der Liebe!
In der Hölle zittert man vor der Macht der Liebe!
Auf Erden sehnen sich alle nach der Macht der Liebe!
Im Meere baden die Kinder Gottes
In den Fluten der Schönen Liebe!
Die Menschen spüren deinen Atem,
Gevögel und Kräuter,
Kastanienbäume und Turteltauben
Spüren deinen Hauch, o Göttin!
In dieser Schöpfung lebt kein Geschöpf,
Es sei denn durch die Macht der Schönen Liebe!
Ohne Liebe hat kein Werk Bestand,
Kein Werk hat einen Wert, es sei denn durch Liebe!

Nun, makellose Mädchengöttin Eucharis,


Schenk deinem Diener deine Huld und Gnade!
Jungfräuliche Göttin, deren Diener ich bin,
Lehre mich, deine Wonne zu verströmen
In dieser Welt der Menschen,
Deine Wonne, die du mir schenkst,
Wenn du mir mit Ganzhingabe nahekommst!

Geboren aus einem Akt


Der lieblichsten Wonne
Kam das makellose Mädchen
Mit himmlisch reinen Zügen
Und ward vom Westwind herbeigetragen
Und es wogten die Wellen der Wonne!

O Mädchen, eines Morgens


Mitten im Mai
War ich in einem Garten,
Da wuchsen gelbe Lilien
Und weiße Rosen,
Die Wiese war süß.
O Mädchen,
Bevor die Süße verwelkt,
Wenn sie in voller Blüte steht,
Pflücke die weiße Rose!
Oh, wer meine Geliebte gesehen,
Nackt
Und weißer als das Laken des Lagers!

DER HEILIGE VATER

Das erste Gedicht schrieb er für seine tote Mutter:


Auf deinem weißen Grabe blühen weiße Blumen des Lebens.
Oh, wie viele Jahre sind schon entschwunden,
Wie viele Jahre ohne dich?
Die Gewalt der Schicksalsschläge,
Die ihn getroffen hatten,
Hatten in ihm ungeheure
Spirituelle Tiefen offen gelegt,
Seine Schmerzen wurde zum Gebet.
Du betest nicht genügend zum Heiligen Geist!
Du musst zu ihm beten!
So sprach er. Und er lehrte mich ein Gebet.
Das war eine wichtigere, dauerhaftere, stärkere Lektion
Als jene andern, die ich aus meiner Lektüre
Und dem Unterricht ziehen konnte.
Er machte eine Wallfahrt zum Heiligtum
Von Kalwaria Zebrzydowska,
Nicht weit von Wadowice entfernt.
Er sprach: Ich weiß nicht,
Wie sehr ich der göttlichen Vorsehung danken soll,
Dass ich diesen Ort,
Das Heiligtum der Muttergottes,
Noch einmal besuchen kann.
Katholiken und Juden bildeten eine Einheit,
Und dies, so vermute ich,
Weil sie sich bewusst waren,
Den selben Gott anzubeten.
Er interessierte sich für die Literatur.
Er las Adam Mickiewicz,
Quo Vadis,
Kants Kritik der reinen Vernunft
Und Marx, das Kapital.
Ihn faszinierte die Spiritualität des Karmel.
Er bat mehrmals, aber vergeblich,
In den Karmel gehen zu dürfen.
Die Interpretation des philosophischen Gedichts
Prometheus
Brachte ihm einen Preis ein
In einem Wettbewerb der Rezitation.
Er lernte Ginka kennen.
Aber seine ganze Liebe galt der Literatur.
Wir studierten die Grammatik
Der modernen polnischen Sprache,
Die geschichtliche Entwicklung der Sprache
Mit besonderem Interesse
Für ihre altslawischen Wurzeln.
Das öffnete mir neue Horizonte!
Das öffnete mir das eigentliche Geheimnis
Des Logos.
Mit zwanzig Jahren hatte ich schon alle verloren,
Die ich liebte,
Und sogar jene, die ich hätte lieben können,
Wie jene ältere Schwester,
Die vor meiner Geburt gestorben war.
Er bleibt allein und entschließt sich, nicht zu heiraten...
Wer kann ahnen, was ihn der Verzicht
Auf Frauenliebe und Kinderliebe gekostet hat?
Es kam der Tag,
An dem ich die absolute Gewissheit hatte,
Dass mein Leben
Sich nicht in der menschlichen Liebe realisieren wird,
Deren Schönheit ich immer zutiefst empfunden habe.
Er lernte einen Schneider
Mit besonderem spirituellem Charisma kennen.
Der hatte eine geheime Gruppe von Betern
Des lebendigen Rosenkranzes
Ins Leben gerufen.
Der Schneider bildete selbst sich weiter
Mit Hilfe der Schriften
Des heiligen Johannes vom Kreuz und Teresa von Avilas.
Der Schneider führte den Studenten
In die für sein Alter ungewöhnliche Lektüre ein.
Der Schneider war ein Apostel der Gottesliebe
Und lebte auf ganz schlichte Art ein Leben,
Das ganz Gott allein geweiht war.
Er fand seinen Vater tot.
Gemeinsam mit seinem brüderlichen Freund
Hielt er Totenwache.
Wer weiß, ob es in jener Nacht gewesen ist,
Dass ihn das schwindelnde Gefühl überkam,
Ganz allein auf der Welt zu sein?
Wurde ihm damals auch der Weg gezeigt,
Wie er dieser Einsamkeit
Einen Sinn zu geben vermag?
Er schuf ein Theater des Wortes.
Es war ein sehr schlichtes Theater.
Der szenische und dekorative Teil
War auf ein Minimum beschränkt.
Das Engagement konzentrierte sich
Auf den Vortrag des poetischen Textes.
Zur Lektüre der spanischen Mystik
Gesellte sich die Lektüre
Des goldenen Buches
Von der Ganzhingabe an Maria,
Welches der heilige Grignion gedichtet.
Totus tuus!
Ich bin ganz dein
Und alles, was mein ist, ist dein!
Ich habe dich erwählt zu meinem Besten.
Schenke mir dein Herz, Maria!
Brüder, ihr seid meine Kollegen,
Aber in meiner Studentenzeit
Gab es hier noch keine Schwestern,
Die heute in dieser Aula Magna
Die Mehrheit sind.
Ich muss euch gratulieren,
Liebe Studentinnen
An der päpstlichen Universität!
Sonne und Sterne,
Wasser und Luft,
Pflanzen und Tiere sind Gaben,
Mit denen Gott
Die irdische Bleibe der Menschen
Angenehm und schön gemacht.
Wer das versteht, wird ehrfurchtsvoll
Und dankbar auf die irdischen Geschöpfe blicken
Und sie mit verantwortungsbewusster
Aufmerksamkeit behandeln,
Die ein gebührender Blick
Auf die göttliche Geberin,
Die Ewige Weisheit, ihm auferlegt.
Ich habe ein Drama geschrieben,
Ein dramatisches Gedicht mit Namen David.
Mein Held trägt ein biblisches
Und ein Purpur-Gewand.
Ich habe viele Gefühle in ihn hineingelegt,
Die meine Seele erfüllen.
Mein Hiob ist ein Theaterstück,
Griechisch der Form nach,
Christlich dem Inhalt nach.
Es ist ein Drama über das Leiden.
Es ist das Resultat meiner Beschäftigung
Mit dem Alten Testament!
Ich habe Davids Psalmen, Hiobs Klagen,
Das Buch der Weisheit Salomonis
Und die Propheten gelesen.
Wenn der Herr dem zustimmt,
Dass Hiob durch Leiden geprüft wird,
So tut er das, um Hiobs Gerechtigkeit zu beweisen.
Das Leiden hat hier
Den Charakter einer Prüfung.
Er schrieb auch eine Meditation
Über die Ehe.
Er drang tief in die menschliche Liebe
Und Ehe und Familie ein,
Obwohl er doch selbst nie verheiratet war.
Er schrieb ein Mysteriendrama
Über die Einsamkeit,
Vaterschaft und Kindschaft
Und Mariens Mutterschaft.
Zum einsamen Adam kam Gott
Durch ein Kind.
Adam weiht sich der Neuen Eva.
Er spürte, dass die Menschheit
Und die Kirche
Eine außergewöhnliche Zeit durchleben,
Eine offne Epoche,
Die Jahre einer endgültigen Bewährung.
Der letzte Zeitabschnitt
Des zwanzigsten Jahrhunderts seit Christus
War für ihn ein Feld,
Das von einem gigantischen Umsturz
Der Kulturen, Regierungsformen und Mentalitäten
Durchpflügt ward,
Der den Glauben der Christen
Auf eine entscheidende Probe stellte,
Zugleich aber einem Neuen Christlichen Advent
Den Weg bereitet!
In dieser Epoche erscheint
Wie in keiner andern je zuvor
Der Christ als ein Zeichen des Widerspruchs!
Ihr werdet wie Gott sein, flüstert der Böse den Menschen zu...
Diese Versuchung
Hat ihren historischen Ort gefunden.
Hier erreicht die Versuchung
Den höchsten Grad der Spannung
Zwischen der Weisheit und der Gegen-Weisheit.
Diese negative Weiterentwicklung
Der Versuchung
Erreicht nun heute ihren Höhepunkt,
So dass wir uns heute an der Schwelle
Einer neuen Eschatologie befinden...
Der Slawe wird zum Heiligen Vater ernannt.
Es gibt keine Hoffnung ohne Angst
Und keine Angst ohne Hoffnung,
Sagte Theresia
Im Laden des Goldschmieds.
Ich danke denen,
Die mich gestern Abend so herzlich willkommen hießen
Und die mir heute Nachmittag so viel Begeisterung
Und Liebe entgegen brachten,
Und ich danke auch meinem Geleitschutz,
Denn durch die große Begeisterung hätte es leicht geschehen könne,
Dass ich auch im Hospital hätte bleiben müssen...
Er begab sich zum Grab des heiligen Franziskus,
Der sich von seinem leiblichen Vater losgesagt
Und den Bischof als geistlichen Vater angenommen hatte,
Und zu Santa Maria sopra Minerva
An das Grab der heiligen Katharina,
Die den Papst von Avignon
Nach Rom zurückgeführt.
Der Erlöser der Menschen, Jesus,
Ist das Zentrum des Kosmos
Und der Geschichte.
Jesus Christus, der Retter,
Macht dem Menschen das wahre Menschsein kund.
Das Herz des Heiligen Vaters
Hat eine Geographie,
Die so weit ist wie die Menschheit.
Er pilgerte zu der indianischen Muttergottes…
Der Heilige Vater steht bei allem, was er tut,
Mit seiner ganzen Person dahinter,
So als ob jede Tat, die er tut,
Die wichtigste wäre
Oder die letzte, die ihm gewährt ist.
O jenes besondere Liebesband,
Das mich in ständig neuen Formen
Mit Maria vereinte!…
Maria, bitte für die ganze Welt,
Für die ganze Menschheit,
Für alle Völker!
Bitte für den Frieden in der Welt,
Für die Gerechtigkeit in der Welt!
Bitte für die einzelnen Rechte des Menschen,
Besonders für die Religionsfreiheit
Jedes Menschen,
Jedes Christen und jedes Nichtchristen auch!
Bitte für die Solidarität der Völker aller Welten,
Der ersten und der dritten, der zweiten und der vierten!
Es gibt beim Heiligen Vater eine Dimension,
Die immer auf Maria hinweist,
Das Zeichen der Frau,
Das unsre Epoche besonders bestimmt,
Indem das Zeichen der Frau
Den dramatischen Charakter unsrer Epoche offenbart
Und zugleich die Bestimmung
Auch unsrer Epoche zum Heil.
Diese Dimension drückt der Heilige Vater
Oft in Gebeten aus,
Die die Form von Gedichten annehmen.
Noch sind diese Gebetsgedichte
Sprachlich nicht erforscht, soweit ich weiß.
Kardinal Josef sagte: Das Marianische Jahr bedeutet,
Dass der Heilige Vater
Das Zeichen der Frau
Als Zeichen unserer Zeit erkennt.
Auf dem Weg, den das Zeichen der Frau vorgibt,
Gehen wir den Spuren der göttlichen Hoffnung entgegen,
Christus, der die Geschichte durch Maria lenkt,
Die uns auf unserm Wege führt.
Das Zeichen der Frau
Ward schon Adam und Eva verkündigt,
Als der Herr zur Schlange sprach: Feindschaft
Setze ich zwischen dich und die Frau!
Die Apokalypse spricht vom Zeichen der Frau,
Die als großes Zeichen am Himmel erscheint,
Vom roten Drachen bedroht wird
Und schließlich den roten Drachen besiegt.
Kardinal Josef sagte: Am Ende
Des Neuen Testaments
Wird in der Apokalypse
Das Zeichen der Frau beschworen,
Die Frau wird in einer bestimmten Epoche der Geschichte auftreten
Und von da an den Himmel und die Erde miteinander versöhnen.
Das Zeichen der Frau
Ist das Zeichen der göttlichen Hoffnung.
Das Marianische Jahr,
Die ständige Anrufung Mariens,
Das Totus tuus,
Die Wallfahrten an marianische Gnadenorte,
Die Bezugnahme auf die Schwarze Madonna,
Die Diva Claramontana,
Wollen das Zeichen der Frau beschwören
Und die Hoffnung auf den Sieg
Der Frau
Über die Schlange.
Das Zeichen der Frau verweist
Auch auf die Frauen in der Geschichte,
Auf die Frau als Hüterin der Liebe und der Leibesfrucht.
Hier finden wir eine Hinneigung des Heiligen Vaters
Zu den Frauen,
Die er oft unter Bezugnahme auf die slawische Literatur ausdrückt.
Das Zeichen der Frau, die Schlange,
Das göttliche Kind, Christus,
Maria, die Frau und die Frauen,
Das Leben, der Leib, die Liebe…
Der Heilige Vater sprach
Über das marianische Wesen der Kirche
Und den leiblichen, ja den sexuellen Charakter
Der Erlösung.
Als junger Priester lernte ich,
Die menschliche Liebe zu lieben.
Die Theologie des Leibes
Wird auch zu einer Theologie der Sexualität,
Vielmehr zu einer Theologie
Der Männlichkeit und Weiblichkeit.
Die Theologie des Leibes
Will den Grund ergründen
Und die Folgen der Entscheidung des Schöpfers betrachten,
Dass der Mensch immer nur als Mann oder als Frau existiert.
Der Mensch ist ein Beziehungswesen.
Diese Natur des Menschen äußert sich
In der ehelichen Dimension des Leibes,
In der Fähigkeit des Leibes, Liebe auszudrücken,
Und findet ihre Vollendung
In der Verbindung von Mann und Frau
Als Einheit der zwei,
Wo die eheliche Liebe zum Modell jeder Liebe wird
Und wo die eheliche Liebe
In der sexuellen Vereinigung
Als gegenseitige Hingabe
Ihren vollen Ausdruck findet.
Als Mann und Frau erschuf sie Gott.
So beginnt die Lehre über die menschliche Liebe.
Mann und Frau sind von gleicher Würde.
Der Heilige Vater singt eine Ode
An die menschliche Liebe:
Im biblischen Schöpfungsbericht
Ist der Ausruf des ersten Menschen
Beim Anblick der soeben geschaffenen Frau
Ein Ausruf der Bewunderung
Und Verzauberung,
Wie er die ganze Geschichte des Menschen auf Erden durchzieht.
Jesus verwendet das Bild des Bräutigams,
Um von Gott zu sprechen,
Und zeigt so, welche liebende Vaterschaft
Und mütterliche Liebe Gottes
Sich in einer Ehe von Mann und Männin widerspiegeln,
Die in der Ehe miteinander treu verbunden sind.
Das Wort: Gott liebt sein Volk!
Wird auch in den persönlichen Worten ausgesprochen,
Mit denen Mann und Frau
Sich wechselseitig ihre eheliche Liebe beteuern.
Auch die begehrende Liebe des Menschen
Hat teil an der Liebe Gottes.
Kardinal Josef sagte: Gott ist Caritas,
Aber Gott ist auch Amor.
Gott ist auch ein leidenschaftlich begehrender Bräutigam.
Liebe Jugend!
Durch die Liebe, die jetzt in dir aufkeimt,
Sollst du Gott schauen,
Gott, der die Liebe ist.
Wenn Jesus ruft: Folge mir nach!
Dann kann der Ruf bedeuten: Folge mir nach,
Der ich Bräutigam meiner Braut Ecclesia bin
Und werde Bräutigam deiner Braut
Oder werde Braut deines Bräutigams.
Jesus hat sich als Bräutigam hingegeben
Und lehrt jeden Bräutigam, jede Braut,
Sich selbst zu schenken.
Sich selbst schenken bedeutet nicht nur
Die Hingabe des Leibes,
Sondern die Selbsthingabe des ganzen Menschen
Mit seiner Menschenwürde
Und mit seinem Geist, seiner Seele und seinem Körper.
Jesus lehrt die bräutliche Liebe.
Berufen zu sein zur Ehe bedeutet,
Die bräutliche Liebe Tag für Tag zu lernen,
Jahr für Jahr, die bräutliche Liebe,
Die Leib und Seele umfasst.
Schaut die nackten Gestalten,
Die Michelangelo malte
In der Sixtinischen Kapelle!
Diese Kapelle der Sixtina
Ist ein Heiligtum der Theologie des Leibes.
Bedenkt die Nacktheit
Des Stammelternpaares:
Nur in den Augen Gottes
Kann der menschliche Leib nackt und unbedeckt bleiben
Und zugleich seinen Glanz
Und seine Schönheit unvermindert bewahren.
Weil das Wort Fleisch geworden,
Ist der menschliche Leib
Durch das Hauptportal
In die Theologie eingetreten,
In die Wissenschaft von den göttlichen Dingen.
Männlichkeit und Weiblichkeit
Sind zwei verschiedene Inkarnationen
Desselben menschlichen Wesens
Nach dem Bilde Gottes.
Die Sexualität
Ist für den Menschen wesentlich
Und nicht nur eine Beigabe.
Die Sexualität zeigt, wie der Mensch in seinem Leib
Zutiefst Mann oder Frau ist.
Die Gegenwart des weiblichen Elements
An der Seite des männlichen Elements
Bedeutet eine Bereicherung
Für die Heilsgeschichte.
Als Mann und Frau
Erlöste Jesus die Menschen.
Die Sprache des Leibes wird gesprochen
Von den Liebenden in dem Augenblick
Ihrer wechselseitigen Hingabe.
Hier wird die Unschuld der Nacktheit wiedergewonnen.
Die Worte der Liebe,
Die Mann und Frau zueinander sprechen
Im Akt der Liebe,
Beziehen sich auf den Leib,
Nicht allein, weil der Leib eine Quelle der Faszination ist,
Sondern vor allem, weil auf dem Leib
Die Anziehungskraft der Person beruht,
Die im inneren Herzen
Die Liebe entstehen lässt.
Sie waren nackt
Und schämten sich nicht,
Nämlich Mann und Männin im Paradies.
Dies ist eine Entdeckung der Freiheit,
Die den ehelichen Sinn des Leibes ermöglicht.
Hier wird die Scham überwunden
Durch die reine Liebe.
Der Heilige Vater sprach
Über Zärtlichkeit und Sinnlichkeit
Im Leben des zölibatären Menschen.
Die Zärtlichkeit
Hat ihre Daseinsberechtigung
Nur in der Liebe.
Die Zärtlichkeit ist eine Kunst,
Den Menschen als Ganzes zu fühlen,
Selbst die verborgensten Regungen der Seele,
Und stets an das wahre Wohl des Menschen zu denken.
Die Zärtlichkeit hat die Tendenz,
Sich in die Seele des andern zu versetzen.
Die wahre menschliche Liebe
Braucht beide Pole,
Die Zärtlichkeit und die Festigkeit,
Denn menschliche Liebe
Bedeutet auch Kampf.
Die Zärtlichkeit entsteht aus dem Erfassen
Des Seelenzustands der andern Person.
Man möchte der Person gern mitteilen,
Wie nah man sich ihr fühlt.
Das Gefühl bringt die Menschen einander näher.
Es entsteht das Bedürfnis,
Unsere innerliche Nähe
Der andern Person mitzuteilen.
Darum äußert sich die Zärtlichkeit
In verschiedenen Akten,
Die innere Nähe zur andern Person
Zum Ausdruck zu bringen, in der Geste,
Die Person an sich zu drücken,
Zu umarmen,
In bestimmten Formen des Kusses.
Der Heilige Vater pflegte die jungen Mädchen
Auf die Stirn zu küssen.
Auch drückte er sie an die Brust.
Ein Mädchen machte einen Luftsprung,
Um den Heiligen Vater zu berühren.
Einem Mädchen, das die Messfeier so verschönte,
Strich der Heilige Vater über die Haare.
Er küsste ein Mädchen auf die Stirn,
Dann nahm er ein Mädchen im roten Rock an die Hand
Und reihte sich in die Scharen der tanzenden Mädchen ein
Und tanzte mit,
Dann umarmt er das Mädchen im roten Rock,
Drückt sie an seine Brust
Und streichelte ihr das Haar.
Ich habe noch einen ziemlich weiten Weg vor mir
Und hoffe, noch manchem Menschen zu begegnen
Und manchem Menschen nahe zu sein.
Im Gebet bin ich den Menschen immer nahe,
Aber mein Besuch bei euch ist ein besonderer Augenblick,
Da ich euch nun berühren kann!
Die beste Verwirklichung meiner Mission ist es,
Hinzugehen, Erfahrungen zu sammeln,
Menschen zu begegnen
Und sie zu berühren!
Ältere Frauen sollst du wie ehrwürdige Mütter behandeln
Und jüngere Frauen wie Schwestern in aller Tugend.
Der ältere Geistliche
Behandle die jungen Mädchen wie Töchter,
Weil sein Gottesdienst in echter geistlicher Vaterschaft
Ihm Knaben und Mädchen in Christus beschert!
Um in reifer und froher Weise dein Zölibat zu leben,
Ist es vor allem wichtig,
In dir das Bild der Frau
Als Schwester zu entwickeln!
Die Schwester ist eine besondere Manifestation
Der geistigen Schönheit der Frau
Und zugleich die Offenbarung
Ihrer Unberührbarkeit.
O Jugend!
Du bist die Zukunft der Welt!
Du bist die Hoffnung der Kirche!
Du bist meine Hoffnung!
O Jugend, heute ist es nicht mehr möglich,
Vom Glauben zu sprechen,
Ohne auch vom Unglauben zu sprechen.
O Jugend, der Konsum
Macht den Menschen nicht glücklich,
Die Menschen der Konsumgesellschaft
Waren nie dazu imstande,
Den Menschen glücklich zu machen.
O Jugend,
Die Droge
Überwindet man nicht mit der Droge!
Liebe Jugend!
Hab keine Angst davor,
Das Leben zu schützen!
Schütze das Leben an seinem Anfang
Und schütze das Leben an seinem Ende!
Geliebte Jugend!
Erlaube mir, dass ich ganz offen zu dir rede.
Bist du wirklich sicher,
Dass das Bild, das du von Christus hast,
Der Wirklichkeit Christi entspricht?
Das Evangelium zeigt
Einen anspruchsvollen Christus,
Der will, dass die Ehe unauflöslich ist,
Der den Ehebruch verurteilt,
Der auch schon die Begierde zum Ehebruch verurteilt.
In Wirklichkeit ist Christus nicht nachgiebig
In der Sache der ehelichen Liebe,
Der Abtreibung und der Homosexualität
Und der sexuellen Beziehungen vor
Und außerhalb der Ehe.
Heiliger Vater,
Du bringst die Jugend dahin,
Wohin du sie haben willst.
Nein, sprach der Heilige Vater,
Ich glaube eher,
Die Jugend ist es, die mich führt!
O Jugend,
Die Kultur von heute
Ist oft blasphemisch
Oder spottet ironisch über sich selbst.
Aber das menschliche Herz
In aller Tiefe,
Der ganze Mensch
Erwartet den ganzen Christus!
Liebe Jugend,
Lass dich von Christus verführen!…
Christus ist immer jung!
Geh, liebe Jugend,
Verkünde die freudige Botschaft!
Tu es mit einem Herzen voller Glück
Und werde Vermittlerin der Hoffnung
In einer Welt, die oft verzweifelt ist!
Wir brauchen die Lebensfreude der Jugend!
In der Lebensfreude der Jugend
Spiegelt sich etwas von der Freude,
Die Gott hatte, als er den Menschen schuf!
O liebe Jugend,
Du machst mich alten Mann wieder jung!
O Jugend, dank dir
Fühle ich mich jung,
Trotz all der Jahre,
Die ich auf dem Buckel habe.
Liebe Jugend,
Ich gehöre auch zu den Menschen,
Die gerne wieder jung sein möchten.
Viel wichtiger als mit dir zu sprechen
Ist es mir, dich zu sehen, Jugend,
So wie du bist: jung,
Spontan und ehrlich
Und zur Liebe fähig.
An einem herrlichen Sonnentag
Ich wünsche dir
Ein wenig von dieser Sonne
In deinem Leben!
Aber mehr noch als die Sonne
Der Wind liebt die Jugend
Und die nicht mehr ganz Jungen
Verjüngt der Wind.
So rufe ich dich auf, o Jugend,
Zum Radikalismus der Liebe!
Folge der Liebe auf allen Wegen,
Und gib nicht eher Ruhe,
Bis die Liebe siegt!

KÖNIGIN DER HÖLLE


Geschrieben am Todestag meines Vaters, Tag der heiligen Brigitta von Schweden 2009

O Maria, bitte für uns arme Sünder – jetzt –


Und in der Stunde unsres Todes...

O Herrin
Des Himmels und der Erde,
Der Höllenpfuhl bleibt unter dir,
Von dir besiegt!
Lass mich zu einem Auserwählten werden,
Der demütig vor dir
Auf seinem Angesicht liegt!
Sag deinem göttlichen Sohne Jesus,
Ich bin ganz sein!
Wie er aus Maria Magdalena
Die sieben Dämonen ausgetrieben,
Reinige Jesus auch meine Seele
Von aller Schuld und allem Unheil.

Gott erbarmte sich über Theophilus,


Weil du ihn erlöstest, Maria,
Weil du ihn aufnahmst in deine Gnade,
Der doch schon dem Teufel
Seine Seele verschrieben hatte.

O Maria hilf!
Der heilige Anselm
Lehrt ein Gebet, zu beten,
Der Angeklagte flieht von Gott dem Richter
Zu der süßen Mutter des barmherzigen Gottes!
Maria ist die Mutter der Gnade,
Leben und Erquickung und junge Hoffnung
Der Gefallenen,
Fürsprecherin vor dem Richterstuhl Gottes,
Die sich einsetzt für die Menschheit.
Christus bringt es nicht über sich,
Der Mutter etwas zu verweigern.
So hilft uns ihre Gnade.
Die jungfräuliche Mutter gibt
Dem Gottessohn ein menschliches Antlitz,
Mit dem Zauberstreich ihrer Fürsprache
Verwandelt sie den gerechten Richter
In den barmherzigen Retter.

Im Bußsakrament
Wird alle Sünde abgewaschen.
Sonst droht der reale Ort,
Da die Feuer der Hölle brennen.
Auf der andern Seite sind
Dichte Reihen strahlender Engel
Und die Gemeinschaft der Heiligen
Versammelt in ewiger Glückseligkeit
Um den Thron Gottes im Himmel.

Ein Drama
Folgt der Überquerung des Abgrunds
In die Landschaft des Jenseits.
Dort ist Sankt Peter
Mit dem Himmelsschlüssel
Und der heilige Erzengel Michael,
Der Schutzengel jeder Seele,
Der der Seele beisteht im Gericht,
Im persönlichen Gericht nach dem Tod,
Das die Seele beurteilt
Bis zum Jüngsten Tag.
Der letzte Tag, sagt der heilige Paulus,
Wird kommen wie ein Dieb in der Nacht.
Ich war hungrig und ihr habt mich ernährt,
Ich war nackt und ihr habt mich bekleidet,
Ich war obdachlos und ihr habt mich aufgenommen!
Christus wird die Verdammten
In das ewige Feuer schicken.
Bei seiner Erscheinung
Ergreift Jesus jede Seele.
Dann gibt es keine Begnadigung mehr
Für die törichten Jungfraun,
Die kein Öl in ihren Lampen hatten,
Für die Seelen, die zur Hochzeit
Mit dem göttlichen Bräutigam wollen,
Aber kein Hochzeitsgewand tragen!

Christus wird kommen


Auf den Wolken
Mit großer Herrlichkeit.
Jeden Menschen erwartet
Nach seinem Tod
Sein persönliches Gericht.
Der Jüngste Tag aber ist
Der letzte Punkt der Zeit.
Am Jüngsten Tag
Werden die Toten auferstehen.
Beim letzten Stoß der Posaune
Werden die Toten
In ihren Leibern auferstehen
Und jede Seele wird
Vereint mit ihrer sterblichen Hülle
Für alle Ewigkeit
Den angemessenen Platz einnehmen
Im Himmel oder in der Hölle.

Das Fegefeuer aber


Ist nicht Himmel nicht Hölle.
Hier werden die Sünder
Für eine bestimmte Zeit
Von Sünden gereinigt.
Vom Fegefeuer aus
Führt kein Weg zur Hölle,
Sondern alle Wege in den Himmel.
Wird die Seele einmal
Ins Fegefeuer eingelassen,
Ist ihr der Platz im Himmel sicher.
Die einen sagen, ein wirkliches Feuer
Reinige die Seele von jedem Makel
Und mache so die Seele bereit,
Die Liebe Gottes zu empfangen.
Andre sagen, allein der Verzicht
Auf die selige Schau Gottes
Sei der Seele Schmerz genug im Fegefeuer,
Aber die Seelen schreien nicht vor Qualen,
Sondern sind dankbar,
Dass sie gereinigt werden
Durch den Schmerz,
Weil sie so in den Himmel gelangen werden.

Ein Mensch, der in Todsünde lebte,


In so gewichtigen Sünden,
Dass seine Seele getrennt war
Von der Gnade Gottes,
Wenn er seine Todsünde bereut und beichtet,
Kann erlöst und gerettet werden
Und den Qualen der Hölle entrinnen.
Dennoch muss der Mensch
Im Fegefeuer eine Zeitlang büßen
Und abzahlen seine Schuld
Und die Sünden, die seine Seele vergifteten,
Ausrotten durch die Buße.

Ein Mensch, der lässliche Sünden begangen,


Sünden, die nicht von der Gnade scheiden,
Aber das Fließen der Gnade behindern,
Kann seine Schuld im Fegefeuer tilgen,
Und selbst wenn er nicht gebeichtet,
Kommt er nicht in die Hölle.

Nur der Sünder, der nichts bereut


Von seinem verdorbenen Leben
Und dem darum nicht vergeben werden kann,
Verdammt sich selbst
Durch seine Herzenshärte Gott gegenüber
In die ewige Hölle.

Das Fegefeuer ist wie ein Vorzimmer


Des Paradieses.
Die Gebete der Heiligen bei Gott
Und die Gebete der Lebenden für die Toten
Können Seelen aus dem Fegefeuer befreien
Und sie hinüber führen
In die ewige Seligkeit.
Gute Werke, die man für die Toten tut,
Wallfahrten, Fasten, Almosen,
Helfen den armen Seelen des Fegefeuers.
Die Lebenden können solche guten Werke
Gott darbringen für sich selber
Und so erbitten einen gnädigen Tod.

Mehr aber als die Gebete aller Heiligen


Und alle guten Werke und Gebete der Lebenden
Hilft den armen Seelen im Fegefeuer
Die Fürsprache der Jungfrau Maria.

Ich genialer Taugenichts


Schreibe ein Gebet für meine Mutter.
Ich mische die Predigt von der Kanzel
Mit den schlichten Herzensworten
Des Glaubens und der Todesangst.
Heilige Jungfrau und Muttergottes,
Ich bitte dich um Verzeihung,
Ich altes Weib bin unwissend
Und las keine klugen Bücher
Und schreibe keine Weisheitsschriften.
Ich bin eine alte Frau.
In der Kirche sah ich Bilder
Vom Himmel, wo die Engel
Jubilieren und Harfen streichen,
Und sah auch das Höllenfeuer.
Die Bilder vom Himmel
Machen mir Freude,
Die Bilder von der Hölle
Machen mir Angst.
O hohe Göttin,
Lass mich zur Freude auferwachen!

In Frankreich ist es zu sehen,


Das Jüngste Gericht,
Über dem Hauptportal des Gotteshauses,
Dass jeder, der hineingegangen,
Unter Christus hinein ging,
Dem majestätischen Richter.
Der aufgeblähte Satan,
Der hassenswerte Satan
Zerfleischte die Sünder
Zwischen Zähnen und Krallen
Und warf sie in die gierigen Flammen
Und andre Dämonen
Und Dämoninnen schürten das Feuer.
Christus aber zeigt seine Wunden,
Zeigt seine blutrote Seitenwunde,
Zugefügt täglich von den Sündern
Dem heiligen Leib des Herrn.
Christus hört auf die Fürsprecher,
Ihm zur Linken Johannes der Täufer,
Ihm zur Rechten die Jungfrau Maria.
Vom Throne Gottes aber strömt
Ein Feuerfluss und schließt die Verdammten ein.
Der heilige Erzengel Michael
Hält die Waage der Gerechtigkeit,
Er wiegt eine nackte bebende Seele!

In der Kathedrale von Chartres


Versucht der Teufel,
Die Waage zu verstellen
Und die nackte Seele zu verklagen,
Doch die elende Schurkerei des Dämons
Lässt den heiligen Erzengel Michael unberührt.
Er lächelt gnädig der Seele.
Christus ist hinabgestiegen
Zu den Toten,
Er kämpfte mit dem Tod,
Er sprengte die Fesseln des Todes
Und stieg empor,
Er zertrat den Teufel
Und überwand die Herrschaft des Teufels
Und nahm die Gerechten,
Die vor der Kreuzigung Christi gestorben,
Mit sich in den Himmel
In die ewige Herrlichkeit.

Christus stieg hinab in die Hölle,


Christus erlöste aus der Vorhölle
Adam und Eva,
Vater Abraham und König David
Und Johannes den Täufer.
Du musst wissen,
Die Gerechten, die vor der Erlösung gestorben,
Wahren aufbewahrt in der Vorhölle,
Im Limbus, ohne Leid und ohne Freude.

Als Marias Seele


Aus dem Leib geschieden,
Stieg Maria in die Hölle hinab,
Der heilige Erzengel Michael
Ging mit der Madonna
Und begleitete sie in die Hölle.
Dort waren Gotteslästerer,
Mörder, Abtreiberinnen,
Wucherer, Götzendiener.
Manche Seelen ertrinken
In einem See aus Feuer,
Manche Seelen kochen
In einem Meer aus Pech und Schwefel,
Manche Seelen hängen
An ihren lästerlichen Zungen,
An den Brüsten der Huren
Nagen Ungeheuer,
Andre Seelen werden verschlungen
Von gierigen Schlangen.
Die Heilige Jungfrau ist entsetzt
Und fleht Jesus um Barmherzigkeit an,
Jesus zeigt auf seine Wunden,
Zeigt seine rote Seitenwunde
Und erhört die Bitten
Seiner jungfräulichen Mutter
Und gestattet den Verdammten,
Den in der Hölle gequälten Seelen,
Am heiligen Pfingstfest
Auszuruhen von ihrer Qual.

Die Heilige Jungfrau


Entblößt ihre Brüste
Und spricht im Gericht:
Mein geliebter göttlicher Sohn,
Bei diesen bloßen Brüsten,
An denen du gesogen,
Erhöre das Flehen deiner Knechte
Und rette die Seelen der Sünder!

Das Gebet der Heiligen Jungfrau


Ist allmächtig beim Allmächtigen
Und vermag sogar, den Seelen
Der Verdammten Ruhe zu verschaffen.

Der heilige Brendan


Fuhr von Irland
Über den Atlantik
Und sah auf einer Felseninsel
Mitten im Atlantik
Judas Iskarioth,
Der Jesus verraten
Für dreißig Silberlinge.
Judas Iskarioth erzählte:
Meine ewige Strafe
In den Feuern der Hölle
Wird gemildert
Am Herz-Mariae-Samstag,
Am Sonntag, dem Tag des Herrn,
Zwischen der Heiligen Weihnacht
Und dem Tag der Heiligen Drei Könige,
Zwischen dem Ostertag
Und dem Pfingsttag,
Am Tag der Unbefleckten Empfängnis
Und am Tag Mariae Himmelfahrt.

Die Heilige Jungfrau


Maria ist der Stern des Meeres,
Der strahlende Stern der Hoffnung,
Dessen Licht den dichtesten Abgrund durchdringt
Und erleuchten kann die schwärzeste Seele
Und die verlorenen Seelen retten,
Indem sie auf dem Sterbebett
Im Sterbenden Reue erweckt.
Ich singe den Schatzmeister
Und Erzdiakon des Bischofs von Ardana
Im kleinasiatischen Zilizien,
Den Mann mit Namen Theophilus.
Als der Bischof starb,
Rief das Volk Theophilus zum Bischof aus,
Aber er war zu bescheiden
Und nahm das Amt nicht an.
Der neue Bischof
Enthob ihn aber aller seiner Ämter.
Da begann der Neid an ihm zu nagen
Und der Durst nach weltlicher Macht.
Vom Teufel geritten,
Suchte er einen Geisterbeschwörer auf
Und verschrieb mit blutiger Schrift
Seine Seele dem Teufel
Im Austausch gegen Reichtum und Erfolg.
Er ward wohlhabend und erfolgreich.
Doch bald nagte die Reue an ihm,
Er konnte sich nicht wirklich freuen.
Er verfluchte den Pakt mit dem Teufel,
Doch der Teufel wich nicht von ihm,
Sondern freute sich über seine Beute.
Da flehte er Maria um Hilfe an.
Da ist Theophilus eingeschlafen,
Im Traum erschien ihm Maria
Und gab ihm den Vertrag zurück,
Den er mit Blut unterschrieben.
Maria sprach: Ich habe den Vertrag
Und deine Seele dem Satan entrissen!
Theophilus wurde gerettet.
Theophilus erwachte vom Traum und sah,
Der Vertrag lag neben ihm.
Er beichtet seine Sünde
Und stirbt bald darauf in Frieden.

Im Nordportal von Notre Dame de Paris


Kniet Theophilus vor dem Satan,
Dem pferdefüßigen, spitzohrigen Satan,
Und erhält Geld von einem Kobold,
Fleht die junge schöne Madonna an,
Maria nimmt ein Schwert in Form eines Kreuzes
Und stößt den Teufel nieder
Und entreißt den Pakt den Krallen des Teufels.
Satan, ich werde deine Gedärme zertreten!

Ein Ritter versprach dem Satan,


Dem Teufel seine Gattin zu weihen,
Wenn er Geld dafür bekäme.
Maria nahm die Stelle der Frau ein,
Ihr Aussehen, ihre Stimme, ihre Kleidung,
Als der Ritter in den Wald ritt
Zum Treffpunkt des Teufels.
Als Maria näher kam,
Schrie der Teufel vor Angst
Und machte sich aus dem Staub.

Manchmal weckt Maria Tote auf,


Damit sie noch beichten können
Und dann in Gnade sterben.
Ein Wallfahrer auf dem Weg nach Compostela
Schlief mit einem Weib,
Da begegnete ihm der Teufel,
Verkleidet als Sankt Jakobus,
Und befahl dem Sünder,
Sich zu kastrieren
Und sich die Kehle durchzuschneiden.
Das Opfer der Teufelei weinte,
Gehorchte aber
Und ward von Teufeln in die Hölle gerissen.
Da traten der Heilige Petrus
Und der Heilige Jakobus dem Teufel in den Weg,
Ergriffen die arme Seele
Und brachten den Wallfahrer zu Maria.
Maria schenkte ihm sein Leben wieder,
Er ersteht von den Toten als Eunuch
Und mit einer roten Narbe an der Kehle.
Er lebt lange genug, um zu beichten
Und seine Sünden zu büßen
Und stirbt dann erneut,
In Frieden mit seinem Schöpfer.

Drei Tage und drei Nächte


Hing ein Dieb am Galgen,
Ohne sein Leben auszuhauchen.
Der Henker wollte ihm
Schon den Gnadenstoß geben,
Konnte ihn aber nicht verwunden.
Das Volk verwundert sich.
Sie nehmen den Dieb vom Galgen,
Da berichtet der Dieb: Maria,
Maria hat meinen Nacken gestärkt,
Dass mein Nacken nicht brach,
Und hat das Schwert des Henkers abgefangen.
Mit entschlossnem Ausdruck auf dem Gesicht
Erschien Maria und hielt
Mit einer Fingerspitze
Den Dieb in die Höhe.
Der Zorn des Teufels ist grenzenlos
Über die List der Heiligen Jungfrau.
Satan protestiert:
Maria fügt den Teufeln den größten Schaden zu!
Wer verworfen wird von Gottes Gerechtigkeit,
Der wird noch gerettet von der Mutter der Barmherzigkeit!

Wen liebt die Heilige Jungfrau am meisten?


Sie liebt die Ehebrecher und Hurenböcke,
Nichtsnutzige Studenten, schwangere Nonnen,
Faule Geistliche und entlaufene Mönche,
Solange sie Maria besingen
Und jeden Tag ein Ave singen.
Was immer ein Sohn Mariens sündigt,
Solange er die Mutter liebt,
Ist er ihr Paladin,
Sie ist ihm seine Majestät,
Allmächtige Souveränin,
Und rettet seine Seele!

Durch die allerseligste Jungfrau Maria


Findet die lustvoll-sinnenfreudige
Schwache Menschheit ins Paradies!

Sankt Petrus Damianus


Rühmt die Macht Marias,
Seelen aus dem Fegefeuer zu retten.
Jesus ließ die Mutter
Mit ihm teilhaben
An der Macht des Vaters.
Adam von Sankt Victor
Pries Maria als
Superatrix Infernorum.
Sankt Dominikus,
Sankt Gertrud die Große,
Sankt Brigitta von Schweden,
Sankt Simon Stock
Verherrlichten Gottes Mutter,
Sankt Bernhard von Siena
Pries der Immerwährenden Jungfrau
Immerwährende Gnade.

Der Franziskaner Bruder Leo


Sah zwei Leitern gen Himmel führen,
Die eine rot wie Blut,
Die andre weiß wie Milch.
An der Spitze der roten Leiter
Erschien Christus in seiner Gerechtigkeit,
Der heilige Franziskus
Winkte den Franziskanern zu,
Sie sollten sich nicht fürchten,
Christi Leiter zu erklimmen,
Doch die schwachen Brüder
Fallen immer wieder!
Sankt Franziskus eilt zur Erde
Und führt die Brüder
Zur milchweißen Leiter,
Die sie leicht besteigen,
Ohne zu fallen.
Oben erwartet sie
Die liebevoll lächelnde
Junge schöne Madonna!

Dieses Gedicht ist die


Ars Moriendi.
Sterbende werden heimgesucht
Von bösen Geistern.
Zweifel und Hoffnungslosigkeit
Bestürmen den Menschen.
Aber nach vielen Versuchungen
Und teuflischen Angriffen
Rettet die Jungfrau
Die Seele, die schaut die Jungfrau
Im Innern
Der Allerheiligsten Dreifaltigkeit!

Jesus Christus stirbt am Kreuz!


Die Dämonen werden sich fürchten
Und werden Maria untertan sein,
Die vernunftlosen Kreaturen,
Sterne, Planeten, Elemente,
Zusammen mit allen Kreaturen,
Vögel und Fische und andere Tieren
Werden Maria untertan sein.

Was immer Maria entscheidet und verfügt


In meiner Kirche
Für meine Kinder,
Die Söhne und Töchter der Menschen,
Wird von den Drei Göttlichen Personen
Alles bestätigt werden,
Und was immer Maria jetzt,
Später und in alle Ewigkeit,
Für die Sterblichen erbittet,
Gewährt Gott: Vater, Sohn und Heiliger Geist!
DIE MYSTISCHEN BRUSTSPITZEN SULAMITHS
FRAU TORA

Frau Tora, ihr Anfang ist ein Werk der Liebe,


Ihr Ende ist ein Werk der Liebe.
Frau Tora, ihr Anfang ist ein Werk der Liebe,
Denn Gott machte für Adam und Eva Röcke aus Fell
Und bekleidete die Nackten.
Frau Tora, ihr Ende ist ein Werk der Liebe,
Denn Er begrub im Tal.

Gott sollt ihr folgen!


Kann man Frau Weisheit denn folgen?
Es heißt doch: Die Gottheit ist ein verzehrendes Feuer!
Aber nachahmen sollt ihr Gott!
Gott kleidet Nackte,
Denn er machte der nackten Eva einen Rock aus Fell,
So gib dem Nackten Kleidung!
Gott besucht Kranke,
Denn Gott erschien Abraham bei der Eiche von Mamre,
So besuche den Kranken!
Gott tröstet Trauernde,
Denn nach Abrahams Tod
Ward sein Sohn Isaak gesegnet,
So tröste die Trauernden!
Gott begräbt Tote,
Denn Gott begrub im Tal,
So begrabe den Toten!

Ist die vita contemplativa größer


Oder die vita activa?
Ein Priester sagte: Die vita activa ist größer!
Ein Weiser sagte: Die vita contemplativa ist größer!
Die Meister sagen: Die vita contemplativa ist größer,
Denn sie führt zur vita activa!

Das Ziel der Weisheit ist Buße und Tun der Liebe.
Ein Mensch soll nicht lernen
Und dann seine Ehefrau hassen
Und seinen Lehrer verachten,
Der weiser ist als er.
Anfang der Weisheit ist Ehrfurcht vor Gott.
Die Ehrfurcht vor Gott ist eine Klugheit,
Die gut ist für die, die danach leben.
Die Weisheit ist nicht gut für die, die sie nur lernen,
Sondern gut für die, die sie leben.
Man muss nach der Weisheit leben,
Weil sie es würdig ist,
Und nicht, weil es einem Menschen Ruhm
Und Ehre bei den Menschen bringt.
Weh dem, der die Weisheit sucht, um Ruhm
Und Ehre bei den Menschen zu erlangen!

Jeder, der mit Frau Tora umgeht,


Weil Frau Tora liebenswürdig ist,
Der empfängt die Medizin zum ewigen Leben.
Ein Lebensbaum ist sie denen,
Die sie umfangen.
Heilung wird sie für deinen Körper sein.
Denn Frau Tora spricht: Wer mich gefunden hat,
Der hat das ewige Leben gefunden.

Gott machte die Menschen den Fischen des Meeres gleich.


Warum sind die Menschen den Fischen des Meeres gleich?
Wenn man die Fische aus dem Wasser zieht
Und sie auf das Trockene wirft,
So sterben sie.
So sterben auch die Menschen,
Wenn sie Frau Tora
Und ihr Gebot der Liebe verlassen.

7
Gott wollte seine Kinder ehren,
Darum machte er Frau Tora
Und die Liebesgebote schön.
Gott hatte Lust,
Aus reiner Liebe
Frau Tora groß und glorreich zu machen.

Ich bin lieb,


Denn Gott erhört mich.
Gott, ich bin geliebt von dir,
Denn du erhörst mich.
Du hörst die Stimme meines Betens.
Ich bin arm,
Aber die Hilfe wurde mir geschenkt.
Ich bin arm an guten Werken,
Aber ich bin ganz dein, mein Gott.
Darum wendest du mir die Hilfe zu.

Die Worte der Frau Tora


Sollen nicht als Last empfunden werden,
Sondern als Liebe.
Du sollst dich von ihrer Liebe nicht scheiden.

10

Die Weisen mehren den Frieden der Welt.


Deine Söhne sind Schüler Gottes,
Nicht nur Schüler,
Sondern auch Architekten des Friedensreiches.
Groß ist der Friede deiner Kinder.
Friede denen,
Die Frau Tora lieben,
Sie werden nicht fallen.
Friede herrscht in deinen Mauern,
Zufriedenheit in deiner Wohnung.
Um meiner Brüder willen
Will ich vom Frieden reden.
Um des Gotteshauses willen
Will ich Gnade erbitten allen.
Gott gibt den Seinen Kraft,
Gott schenkt den Frieden.
11

Wer sind die wahren Zimmermänner und Architekten?


Das sind die Weisen,
Denn sie bemühen sich Tag und Nacht
Um den Bau einer besseren Welt.

12

Tastet meine Gesalbten nicht an,


Tastet meine Kinder nicht an!
Tut meinen Propheten kein Leid,
Tut den Weisen kein Leid!
Die Welt besteht nur für den Atem der Kinder.
Der Atem des Sünders gleicht nicht
Dem Atem des unschuldigen Kindes.
Man darf die Kinder nicht stören,
Nicht einmal für den Bau eines Gotteshauses.
Das Land, das keine Kinder mehr hat, geht unter.

13

Die Propheten haben denen Segen verheißen,


Die einem Weisen ihre Tochter zur Braut anvertrauen,
Die den Weisen mit Arbeit helfen,
Die den Weisen mit materiellen Gütern helfen.
Über die Weisen selbst aber heißt es:
Kein Auge hat es gesehen,
Kein Ohr hat es vernommen,
Kein Herz hat es erkannt,
Was Gott denen schenkt,
Die geduldig warten auf Gott.

14

Drei Dinge sind es,


Die ihren Lohn in dieser Welt haben
Und in der Ewigkeit Heil erwirken:
Vater und Mutter zu respektieren,
Werke der Liebe zu tun
Und Frieden zu stiften unter den Menschenkindern.
Die Erkenntnis der Frau Tora
Ist all diesen Werken gleich.
15

Die Alten machten


Ihren Umgang mit Frau Tora
Zum dauernden Wesen,
Die Arbeit in der Welt
Zum gelegentlichen Wesen.
Beides hatten sie im Sinn.
Die Jungen machen
Ihre Arbeit in der Welt
Zum dauernden Wesen
Und den Umgang mit Frau Tora
Zum gelegentlichen Wesen.
Die Alten sind besser.

16

Das Wort ist wie Feuer.


Wie das Feuer nicht allein bleibt,
So bleibt das Wort der Frau Tora nicht allein.
Das Schwert über Narren!
Sie werden vollends zu Narren!
Wir wurden zu Narren und Sündern!
Das sagen die Feinde der Weisen,
Die über die Weisen spotteten,
Welche sich allnächtlich
Mit Frau Tora beschäftigten.
Das Wort der Frau Tora gleicht einem Baum.
Ein Lebensbaum ist Frau Tora denen,
Die sie umfangen.
Ein kleines Holz steckt ein großes Holz in Brand,
So entflammen die kleinen Gelehrten
Die großen Weisen.
Wahrlich, viel hab ich gelernt
Von meinen Lehrern,
Mehr noch hab ich gelernt
Von meinen Freunden,
Am meisten aber hab ich gelernt
Von meinen Kindern!

17

Jeder, der vor seinem Schüler


Eine Weisheit zurückhält,
Ist wie einer, der dem Schüler sein Erbe raubt.
Denn die Frau Tora,
Die Mose offenbart ward,
Ist das Erbteil der Gemeinde Gottes.

18

Gottes Gewand ist weiß wie Schnee,


Gottes Haar ist weiß wie Wolle!
Gottes Locken sind wie Dattelrispen
Und rabenschwarz!
In der Sitzung gibt es nicht Schöneres
Als einen weisen Greis.
Im Kampf ist nichts so schön
Wie ein starker Jüngling.

19

Für Gott ist Schweigen ein Lobgesang.


Schweigsamkeit ist die beste Medizin.
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

20

Das Pressen von Milch bringt Butter hervor.


Wo findest du die Butter der Frau Tora?
Bei jenem, der die Milch,
Die er aus den Brüsten seiner Mutter gesogen,
Wieder von sich gibt.
Das ist jener,
Der schon in frühester Kindheit
Die Weisheit der Frau Tora lernt.

21

Wer das Gebet in die Länge zieht,


Ohne die Bibel zu lesen,
Der liebt das zeitliche Leben mehr
Als das ewige Leben.
Eine Zeit der Bibel für sich
Und eine Zeit des Gebets für sich.
Wer sein Ohr von der Bibel abwendet,
Dessen Gebet ist Gott ein Gräuel.
22

Wer stolz ist, ein Prophet zu sein,


Der verliert das Charisma der Prophetie.
Es fehlte an Edlen in Israel,
Bis ich, Debora, aufstand,
Mutter in Israel!
Sie ist eine Prophetin.
Aber als sie das Charisma der Prophetie verloren,
Rief Gott: Wache auf, wache auf, Debora,
Wache auf, wache auf
Und sing ein Lied!

23

Wer sich von Frau Tora abwendet


Und sich der leeren Plauderei zuwendet,
Wird mit Asche gespeist.
Die sich vom Tisch der Weisheit abwenden
Zum Tisch des Geschwätzes hin,
Asche ist ihr Brot.

24

Unterbrich die Betrachtung der Frau Tora nur,


Um einen Toten zu begraben
Oder eine Braut ins Brautgemach zu führen.
Durch den Tod eines Weisen
Wird gleichsam die Ewige Weisheit
Von der Erde weggenommen.
Stirbt ein Weiser,
Der die Bibel allein studierte,
Sterben gleichsam sechzig Myriaden Weise.
Stirbt aber ein Weiser,
Der die Bibel
Und die Überlieferung des Gottesvolkes studierte,
So stirbt eine Zahl von Weisen, die maßlos ist.

25

Warum wird das Wort der Frau Tora


Mit Wasser verglichen?
Frau Tora spricht: Kommt alle zu mir,
Die ihr durstig seid!
Kommt zum Wasser!
Wie das Wasser vom höheren Ort
Zum niederen Ort fließt,
So kommt Frau Tora
Nur zu den Demütigen.

26

Begegnet dir der Satan,


So führe ihn zum Gotteshaus,
Wo das Wort Gottes verkündigt wird.
Ist der Satan aus Stein,
Wird er ausgewaschen.
Denn das Wort Gottes ist wie Wasser:
Kommt alle, die ihr durstig seid,
Kommt zum Wasser!
Ist der Satan aus Eisen,
Wird er geschmolzen.
Denn das Wort Gottes ist wie Feuer:
Ist denn mein Wort nicht wie Feuer,
Spricht Gott?

27

Jeder, der nachts tüchtig mit Frau Tora Umgang pflegt,


Wird von Gott am Tag mit Liebe umgeben.
Es gebietet Gott seine Schöne Liebe am Tag!
Es gebietet Gott am Tag seine Schöne Liebe,
Weil der Weise in der Nacht
Frau Tora sein Liebeslied gesungen!
Jeder, der in der Nacht des irdischen Lebens
Mit Frau Tora tüchtig Umgang pflegt,
Der wird von Gott am Tag des ewigen Lebens
Die Schöne Liebe empfangen!
Es gebietet Gott am ewigen Tag
Die Schöne Liebe,
Weil der Weise in der zeitlichen Nacht
Frau Tora gesungen hat!

28

Du sollst Gott lieben,


Seine Stimme hören
Und an ihm hängen!
Niemand soll sagen: Ich will die Bibel
Und die Überlieferung der Heiligen
Und die Entscheidungen des Lehrstuhls lernen,
Damit die Menschen
Mich einen Weisen nennen.
Sondern lerne die Weisheit allein
Aus Liebe zur Weisheit,
Dann schenkt Frau Weisheit dir
Einen bleibenden Namen und Nachruhm.
Binde dir Frau Weisheit um deine Finger,
Schreibe dir Frau Weisheit
Auf die Tafel deines Herzens!
Die Wege der Frau Weisheit
Sind liebliche Wege.
Ein Lebensbaum ist Frau Weisheit für den,
Der sie umfasst,
Und wer sie festhält,
Ist glückselig!

29

Die Weisen, die sich an jedem Ort


Mit Frau Tora beschäftigen,
Die betrachtet Gott wie jene,
Die das wohlgefällige Opfer darbringen.

30

Wer unterwegs ist


Und keine Begleitung hat,
Betrachte Frau Tora,
Denn sie ist eine liebliche Begleiterin.
Wer Kopfschmerzen hat,
Betrachte Frau Tora,
Denn eine liebliche Begleiterin ist sie
Für deinen Kopf.
Wer Halsschmerzen hat,
Betrachte Frau Tora,
Denn sie ist ein Schmuckkettchen
Für deinen Hals.
Wer Leibschmerzen hat,
Betrachte Frau Tora,
Denn sie wird Heilung für deinen Leib sein.
Wer Gliederschmerzen hat,
Betrachte Frau Tora,
Denn sie ist ein labender Trank
Für alle deine Glieder.
Wer Schmerzen am ganzen Körper hat,
Betrachte Frau Tora,
Denn sie ist Heilung
Für all dein Fleisch.
31

Wer den Feigenbaum pflegt,


Wird die Feige genießen.
Frau Tora ist ein Feigenbaum.
Sooft ein Weiser Frau Tora betrachtet,
Wird sie ihm die Feige der Erkenntnis schenken.
Frau Tora ist eine liebliche Hindin
Und eine schöne Gazelle.
Warum ist Frau Tora
Eine liebliche Hindin?
Die Hindin hat einen engen Schoß
Und ist bei ihrem Männchen allezeit
So beliebt wie in der ersten Stunde!
So ist auch Frau Tora allezeit beliebt
Beim Weisen
Wie in der ersten Stunde!
Und warum ist Frau Tora
Eine schöne Gazelle?
Frau Tora macht die Schönheit groß
Bei denen, die sich ihr auf besondere Weise schenken.
Die Brüste der Frau Tora
Werden dich immer stillen
Und berauschen!
Wie ein Säugling an den Brüsten seiner Mutter
Immer Milch findet,
So oft er sich ihr zuwendet,
So findet der Weise bei Frau Tora
Allezeit Nahrung,
So oft er zu ihr kommt.
Die Liebe der Frau Tora
Wird dich allezeit berauschen!
Du wirst trunken vom Wein
Der Ewigen Weisheit.

DIE FREUNDIN

Sprich zur Weisheit:


Du bist meine Schwester!
Nenne die Klugheit deine Freundin!
Ich vergleiche dich, meine Freundin,
Einer schönen schlanken Stute
Vor dem Wagen Pharaos.
Siehe, meine Freundin,
Du bist schön!
Deine Augen sind Taubenaugen!
Wie eine Rose unter Dornen,
So ist meine Freundin unter den Frauen.
Ich beschwöre euch, ihr Frauen,
Dass ihr meine Freundin nicht aufweckt,
Bis es ihr selbst gefällt.
Stehe auf, meine Freundin,
Meine Schöne,
Und komm!
Du bist vollkommen schön,
Meine Freundin,
Und kein Makel ist an dir!
Tu mir auf, geliebte Freundin,
Meine Schwester,
Meine Turteltaube,
Meine Fromme!
Du bist schön, meine Freundin,
Schön wie Jerusalem,
Schrecklich wie Heerscharen!
Die Freundin ist Sulamith
Und heißt Rayah, die Freundin.
Die Freundin ist Sophia, Frau Weisheit,
Und heißt Freundin und Schwester.
Der Freund der Freundin
Ist Salomo.
Aber er heißt nicht Freund, er heißt Geliebter:
Dodo!
Dodo ist der Geliebte,
Der Liebling, der Liebende, der Vielgeliebte,
Und der Onkel.
Rayah, die Freundin,
Verkörpert die Freundschaft,
Dodo, der Geliebte,
Verkörpert die Liebe.
Du bist schön,
Schön, das heißt yapheh,
Das heißt schön und sanft,
Du bist schön, meine Freundin,
Freundin, das heißt Rayah,
Das heißt Geliebte, meine Liebe,
Gefährtin, Magd,
Du bist schön, meine Freundin, wie Tirzah,
Tirzah bedeutet
Die Favoritin,
Die Bevorzugte, die Begünstigte,
Du bist schön, meine Freundin,
Meine Favoritin, mein Liebling,
Du bist lieblich, das heißt naveh,
Das heißt, du bist attraktiv,
Gutaussehend wie Jerusalem,
Jerusalem heißt
Die Botschaft des Friedens,
Du bist schrecklich, das heißt furchtbar
Wie Fahnen des Kampfes.
Du bist schön und sanft,
Meine geliebte Freundin,
Schön bist du, meine Favoritin,
Du bist lieblich wie die Botschaft des Friedens
Und schrecklich
Wie eine kämpferische Fahne!
Ruth, das heißt die Freundschaft,
Ist die Großmutter Davids,
Die Urgroßmutter Salomos,
Die Stamm-Mutter Jesu.
Jesus ist so voller Freundschaft
Zu allen Menschen,
Dass er selbst Judas Iskarioth
Seinen Freund nennt.
Jesus ist auch bekannt als Freund
Der Fleischfresser und Weinsäufer!
Johannes der Täufer,
Der größte aller Propheten,
Bezeichnet sich selbst als Freund
Jesu, des Messias,
Und sagt: Wer die Braut hat,
Ist der Bräutigam,
Der Freund des Bräutigams aber
Freut sich an der Hochzeit
Des Bräutigams und der Braut.
Die Freundin beschreibt den Freund,
Den Liebenden,
Dodo:
Mein Freund ist ein Büschel Myrrhe,
Das zwischen meinen Brüsten ruht!
Mein Freund ist eine Traube
Der Zyperblume
In dem Weinberg von Engedi!
Siehe, mein Freund, du bist schön
Und lieblich,
Unser Bett ist grün!
Wie ein Apfelbaum unter wilden Bäumen
Ist mein Freund unter den Männern.
Mein Freund ist wie ein Reh
Und wie ein junger Hirsch.
Er steht hinter unserer Wand
Und guckt durchs Fenster.
Mein Freund ist mein
Und ich bin sein,
Der in den Rosen gebettet liegt!
Bis der Tag kühl wird
Und die Schatten weichen,
Wende dich zu mir,
Werde wie ein Reh, mein Freund,
Werde wie ein junger Hirsch
Auf den Scheidebergen!
Mein Freund komme in seinen Garten
Und esse von seinen leckeren Früchten.
Mein Freund steckt seine Hand
Ins Loch der Pforte
Und mein Inneres
Stöhnt ihm entgegen!
Komm, mein Freund,
Lass uns aufs Feld hinausgehen
Und auf dem Dorfe bleiben!
Der Mann leiste der Frau
Die schuldige Freundschaft,
Desgleichen die Frau auch leiste dem Mann
Die schuldige Freundschaft.
Freundschaft, Eunoia,
Bedeutet guten Willen,
Freundlichkeit, Wohlwollen.
Es sind also Ausdrücke göttlicher Freundschaft
Mit dem Menschen,
Dass Freund und Freundin
In Freundschaft miteinander leben,
Es ist Ausdruck der göttlichen Freundschaft,
Dass Jesus Freund sogar des Judas Iskarioth war,
Freund der Fleischfresser und der Weinsäufer ist
Und dass er zu seinen Jüngern sagt:
Ich nenne euch nicht mehr Sklaven,
Sondern meine Freunde!
Es ist ebenso Ausdruck der göttlichen Freundschaft,
Dass Salomo zur Hagia Sophia sagt:
Meine Schwester
Und meine Freundin!
Die göttliche Weisheit selbst,
Wird Freundin genannt.
Sag zu Frau Weisheit:
Du bist meine Schwester,
Schwester, Verwandte,
Geliebte, Braut,
Die Andere,
Die intim Vertraute!
Und nenne die Klugheit,
Die Vernunft,
Die Erkenntnis,
Die Einsicht,
Die Einigung
Deine Freundin,
Deine Beziehung,
Deine Verwandtschaft.
Sage zu Frau Weisheit:
Du bist meine Schwester,
Meine Geliebte,
Meine Seelenverwandte,
Meine intim Vertraute!
Und gib Frau Einsicht den Namen
Der Seelenverwandten,
Der Liebesbeziehung!
So kann man sagen:
Die Gottheit ist meine Ewige Freundin,
Die Gottheit ist meine Geliebte,
Die Gottheit ist meine intim Vertraute!

DIE AUFERSTEHUNG DES FLEISCHES

In der Auferstehung
Werden sie weder heiraten
Noch sich heiraten lassen,
Sondern sie sind wie Engel im Himmel.
Die Pharisäer und Essener hielten sich
An die Lehre Platons
Und Pythagoras
Von der Unsterblichkeit der Seele,
Die Sadduzäer hielten sich mehr
An die Lehre Epikurs,
Dass mit dem Tode des Körpers
Auch die Seele zu Nichts wird.
Allzu irdische und sinnliche Vorstellungen
Vom ewigen Leben,
Wie die Pharisäer sie hatten,
Wie auch die Muslime
Ein Paradies der sexuellen Appetitlichkeit
Ersonnen haben,
Ließen die Menschen an der Ernsthaftigkeit
Der Idee der Auferstehung zweifeln.
Die Sadduzäer zweifelten die Auferstehung an
Und machten sie lächerlich,
Indem sie eine Frau vorstellten,
Die sieben Männer auf Erden hatte,
Und fragten, wem wird sie
Im ewigen Leben zur Ehefrau gegeben,
Etwa dem ersten Mann, der sie hatte,
Oder dem letzten Mann, der sie hatte,
Oder dem, der sie am meisten liebte,
Oder dem, den sie am meisten geliebt?
Jesus sprach in milder Weisheit
Von der Kraft Gottes.
Sie werden nicht heiraten
Noch geheiratet werden.
Die Ehe nämlich ist
Bei allen zivilisierten Völkern
Eine Einrichtung Gottes
Für diese irdische Welt,
Ist wie alles auf Erden
Gemischt aus Licht und Finsternis,
Die Ehe auf Erden bringt
Freuden und Leiden,
Sie ist kein Paradies auf Erden,
Kein Leben im siebenten Himmel,
Sondern eine Aufnahme täglichen Kreuzes
Unter Gewährung mancher schönen Freude.
Im ewigen Leben aber
Ist kein Leid,
Sondern alles pure Lust und Wonne!
Die Ehe ist eine Einrichtung Gottes
Für diese Erde,
Um die Begierde in geordnete
Und gesegnete Bahnen zu lenken
Und um Nachkommenschaft zu schenken.
Ohne Ehe würde
Die fleischliche Begierde sich ungezügelt,
Ungezähmt, unzivilisiert frei ausleben,
Was den Menschen
Seinen animalischen Begierden
Ganz unterwerfen würde
Und ihn mehr den Instinkten
Und Trieben eines Tieres gleichmachen würde,
Statt ihn zu einem Menschen
Von personaler Würde zu erheben,
Der eine Person liebt,
Einen personalen Menschen als Du
Mit Geist und Seele und Leib.
Die Ehe zähmt und erzieht
Die animalische Begierde
Und stellt sie in den Dienst
Der personalen Liebe
Zu einem ausschließlichen Du
Als ganzheitlicher Person.
Darüber hinaus wird die Ehe fruchtbar
Und sichert so
Den Fortbestand des Menschengeschlechts
In diesem Tal der Todesschatten,
Sie ist ein Gegengift
Gegen die Sterblichkeit des menschlichen Geschlechts.
Aber Jesus weist in seiner milden Weisheit darauf hin,
Dass die Söhne und Töchter der Auferstehung
Zum ewigen Leben
Unsterblich sein werden,
So dass die Notwendigkeit von Kinderzeugung
Zum Fortbestand der sterblichen Menschheit entfällt.
Desweiteren entfällt die Notwendigkeit,
Die fleischlichen Begierden zu zivilisieren,
Den sexuellen Appetit zu erziehen
Und zu erheben zu menschlicher Würde,
Denn es wird im ewigen Leben
Keine fleischlichen Begierden
Und keinen sexuellen Appetit mehr geben.
Im ewigen Leben werden die Menschen nicht,
Wie auf Erden notwendigerweise
Zur Erhaltung ihres sterblichen Körpers,
Essen und trinken
Und sich begatten und fortpflanzen.
All diese Appetite des Fleisches
Entfallen im ewigen Leben.
Was in der Hierarchie der göttlichen Liebe
Im animalischen Bereich die Begierde
Und der sexuelle Trieb ist,
Das ist bei den Engeln himmlische Liebesglut,
Sagt Sankt Dionysios.
So beschreibt Jesus in seiner milden Weisheit
Die Söhne und Töchter der Auferstehung
Zum ewigen Leben
Als Engelsgleiche.
Sie werden insofern engelsgleich sein
Als sie reine Geister sind
Und in reiner geistiger, spiritueller Liebe
Gottes Schönheit schauen
Und genießen.
Es wird im ewigen Leben
Keine Ehebande geben zwischen den Erlösten,
Sondern alle Erlösten werden
Die mystische Ehe
Und mystische Vereinigung
Mit der allerheiligsten Gottheit leben,
Wenn die Gottheit, die göttliche Liebe,
Alles in Allen sein wird.
Allerdings werden die Söhne und Töchter der Auferstehung
Nicht in jeder Hinsicht den Engeln gleich sein.
Denn die Engel sind reine Geister, körperlos.
Die Lehre der Kirche aber lehrt
Die Auferstehung des Fleisches,
Spricht von Auferstehungsleibern,
Die Paulus pneumatische Körper nennt,
Geistleiber.
Der Leib wird nicht mehr, wie auf Erden so oft,
Gegen den reinen Geist streiten, sich auflehnen
Oder den Geist beschweren oder bedrücken,
Sondern der geistige Leib, der spirituelle Körper,
Wird ganz vom Geist durchflutet sein
Und ganz vom Geist gelenkt.
Das Himmelreich ist
Nach der Lehre der göttlichen Weisheit
Einer Hochzeit gleich,
Allerdings nicht einer Ehe von zwei Erlösten untereinander,
Sondern der Hochzeit aller Erlösten
Und jedes einzelnen Erlösten
Mit Gott!
Das bedeutet aber nicht,
Dass es im ewigen Leben
Keine persönlichen Beziehungen
Und besondere persönliche Nähe
Zwischen einzelnen Erlösten gibt.
Nämlich die Menschen,
Die auf Erden in den Fesseln der Zeit
In Christus verbunden waren,
Die einander Christus widergespiegelt haben,
Jene, die einander zu Jesus geführt,
Jene, die Gnadenmittler
Und Gnadenmittlerinnen waren für andere,
Die werden in Jesus
Diese gnadenreiche Beziehung,
Die sie auf Erden im Geiste Jesu verband,
In der Ewigkeit verklärt und verherrlicht,
Verewigt und vergöttlicht wiederfinden.
Dann werden die,
Die durch die Bande der Liebe Gottes
Auf Erden verbunden waren,
Im ewigen Leben
In göttlicher Freiheit
Einander verbunden sein,
Jeder Einzelne
In mystischer Ehe mit Gott,
Und die Erlösten untereinander
In himmlischer Liebe verbunden
In dem Geist der Schönen Liebe,
Die Alles in Allen ist.
Dies aber wird pure Lust und Wonne sein
In ewiger Glückseligkeit
Der unsterblichen Seelen
In verklärten spirituellen Körpern,
Da jeder Sohn und jede Tochter der Auferstehung
Zum ewigen Leben
In den ewigen Genuss
Der Schönen Liebe kommt.
Dies lehrt Augustinus:
Dieser Genuss der Schönen Liebe
Ist zugleich eine ewige Sehnsucht
Und eine ewige Stillung,
Eine ewige Begierde
Nach dem Genuss
Der Schönen Liebe
Und zugleich
Eine ewige Befriedigung
Durch den Genuss
Der Schönen Liebe.

DIE FLAMME DER SCHÖNEN LIEBE


REISSE DEN LETZTEN SCHLEIER HERUNTER!

O Liebe,
Du hast mich mit deiner Zärtlichkeit verwundet!
Komm, geliebte Liebe,
Reiße den letzten Schleier herab
Zur süßen Vereinigung!
Der Mensch ist in der Vereinigung,
Die ihm die göttliche Liebe gewährt,
Entflammt vom Feuer der Liebe,
Sein Gaumen schmeckt schon die Gloria
Und er ist ganz gebadet in dem Bad der Schönen Liebe!
Aus meinem Schoße fühl ich strömen
Ströme lebendigen Wassers!
Ich bin der ewigen Seligkeit schon so nahe,
Dass mich nur ein hauchfeiner Schleier
Noch von der Wonne trennt!
O zärtliche Liebesflamme,
Wie hast du mich angefallen!
Schenkst du mir jetzt das ewige Leben?
Reißt du jetzt den Schleier herunter,
Den Schleier des sterblichen Fleisches?
Mit glühender Sehnsucht sprech ich zur Flamme,
Dass sie das fleischliche Leben zerreiße
Um dieser süßen Begegnung willen,
In der sie mir dann vollkommen spendet,
Was sie mir immer geben möchte,
Wenn sie mir begegnet,
Nämlich mich ganz und gar
Zu verherrlichen in der ewigen Schönheit!
O wie brennend ist doch meine Sehnsucht,
Die Schöne Liebe zu überreden,
Mich doch zu entfesseln!
Die Liebesflamme verzehrt mich
In zärtlicher Liebe
Und macht mich sich gleich
Und brennt darüber hinaus in mir
Mit lodernden Flammenschlangen!
Meine Menschenseele ist
Der Schönen Liebe gleich gestaltet,
Unsere Liebesakte,
Die wir im Geist vollziehen,
Sind wie lodernde Flammen,
Flammende Liebe,
In denen unsre Gefühle geeint sind,
Da wir auf höchste Weise lieben,
In vollkommener Kunst,
Da die Liebe eins geworden ist mit der Weißglut!
So spricht Gott in mir,
O Gott, dein Wort erglüht!
Sind meine Worte nicht wie Feuer?
Diese Seligkeit, die mir der Geist der Liebe schenkt,
Diese lodernden Flammen des Geistes,
Sind so erhaben wonnevoll und schön,
Dass ich jetzt schon koste und erkenne,
Wie das ewige Leben schmeckt!
Darum nenne ich Gott lebendige Gottheit,
Weil ich lebendig die Liebe schmecke,
Wenn auch nicht ganz so köstlich wie im Himmel,
Doch hab ich einen köstlichen Vorgeschmack
Des Genusses im ewigen Leben.
Wie du mich zärtlich berührst
Mit dem Hauch deiner Glut!
Deine Flamme ist eine Flamme göttlichen Lebens,
Du verwundest meine Menschenseele
Mit der Zärtlichkeit des göttlichen Lebens,
Du verwundest mich so stark,
Du verwundest mich tief im Innern,
Du machst mich so zärtlich
Und lässt mich so verzärtelt werden,
Dass ich schmelze in Liebesglut!
Sobald mein Gott gesprochen,
Zerschmolz meine verzärtelte Seele!
Die Liebe weiß von ihrer Aufgabe wohl,
Mich zu verwunden,
Um mich verliebt zu machen
Und mich mit Seligkeit zu erfüllen!
Die Liebe lebt in mir
In strahlenden Flammen,
Sie fügt mir unaufhörlich Wunden zu,
Diese Wunden sind wie lodernde Flammen
Zärtlich liebkosender Liebesspiele,
Dabei übt sie lustvoll
Und feierlich aller Liebeskünste
Und geschickt die Liebesspiele,
Wie im orientalischen Palast
Der König mit seiner Braut gespielt.
Denn die Weisheit der Liebe freut sich alle Tage
Und spielt allezeit vor meinen Augen
Und ihre Wonne ist es,
Bei dem Menschen zu sein.
In der Mitte meiner Seele
Steckt Gott!
Die Liebe ist die Kraft
Des Menschen, um zu Gott zu gehen.
In der Liebe vereint
Sich der Mensch mit der Gottheit.
Der Mensch dringt immer tiefer in die Gottheit ein,
Je heißer seine Liebe ist,
Denn stärkere Liebe
Vereinigt inniger noch.
In dem Hause meines Vaters
Sind verschiedene Wohnungen.
Die Vereinigung mit der Gottheit in Liebe
Auf dieser Erde
Gleicht nicht der Vereinigung
In der Ewigkeit.
Ob der Mensch auch fortgeschritten ist
Auf dem Weg zur Vollendung,
So ist er auf Erden doch nie
In der absoluten Glückseligkeit
Der Vereinigung mit der göttlichen Liebe
In den ewigen Himmelsgärten.
Vielleicht geschieht ihm doch,
Dass die Gottheit im Vorübergehen
Eine Gnade gewährt.
Dennoch kann der Mensch
Die Liebe in diesem Leben schon besitzen,
Wie er sie in der Ewigkeit
Besitzen wird,
Dann wächst die Macht der Liebe so sehr,
Dass dieses Leben auf der Erde
Jenem Leben im Himmel sehr ähnlich ist.
Die Ewige Weisheit
Zögert nicht und schätzt es nicht gering,
Bei den Menschenkindern zu sein
Und auf dem Erdkreis zu spielen.
Das ist wohl zu glauben,
Dass ein Mensch, geprüft
Im Feuerofen der Trübsal,
Gehärtet durch Versuchung,
Gereinigt durch Leiden,
Für treu befunden von Gott,
Auch diese Gunst der Gottheit erfährt,
Dass die Dreifaltigkeit
Zu ihm kommt und bei ihm wohnt.
Dann wird die Erkenntnis des Menschen
Von der Ewigen Weisheit erleuchtet,
Die Empfindung des Menschen
Erfreut sich des Trostes der Ruach
Und der Schöpfer zieht die Seele
In die süße Umarmung
Und bettet sie an den barmherzigen Brüsten
Und lässt sie ruhen im Schoß der Barmherzigkeit,
Ruhen am pochenden Herzen
Der göttlichen Liebe des Schöpfers.
Zwei Arten der Vereinigung gibt es.
Es gibt die Vereinigung aus Liebe
Und die Vereinigung aus brennender Liebe.
Die Vereinigung in Liebe
Ist ein Feuer Gottes,
Die Vereinigung aus brennender Liebe
Ist ein Feuerofen Gottes.
Die Vereinigung in Liebe
Vereinigt die irdische Kirche
In selbstloser Liebe mit Gott,
Doch nur mäßig entzündet.
Die Vereinigung in brennender Liebe
Vereinigt die himmlische Kirche
In selbstloser Liebe mit Gott,
In einem Feuer, das dem Glutofen gleicht,
In einer vollkommenen Liebe,
Die reine Weißglut ist.
Eine gewisse Menschenseele ist mystisch
Noch nicht gelangt zur vollendeten Liebe,
Die wie ein Glutofen voller Weißglut ist,
Doch im Vergleich mit andern Seelen
Ist diese entflammte Seele
Wie ein brennender Feuerofen,
Darum ist ihr Aussehen friedlich,
Herrlich, zart,
Weil ja auch die Flamme reiner ist
Als ein Backofen.
O glühende Liebe, die du
Mit deiner Liebesbewegung
Gemäß der Kraft meiner Seele
Mich verklärst,
Indem du meiner Erkenntnis
Gott zu begreifen gibst
Und aufgrund meiner Läuterung
Und Reinigung im Feuerofen
Meiner inneren Seele
Dich göttlich näherst
Und den Kern meiner Seele
Mit Strömen der Glückseligkeit überstürzt!
Denn der geläuterte Mensch
Wird der Ewigen Weisheit einverleibt.
Der im Feuer gereinigte Kern
Wird eingefleischt in die Spalte der Ewigen Weisheit.
Dort entflammt der Geist
Das Züngeln der göttlichen Flammen!
Wie quälend war doch die Flamme dem Menschen!
Bei diesem Läuterungsfeuer
War die Flamme nicht licht,
Sondern war ein schwarzes Feuer,
So sieht der Mensch, wie erbärmlich er ist,
Er sieht seinen Mangel, es schmerzt ihn.
Und zündet die Flamme den Menschen an
Zuweilen auch mit warmer Liebe,
So geht die Qual doch Hand in Hand mit ihr.
Seligkeit schenkt sie ihm nicht,
Sie schenkt ihm Trockenheit.
Manchmal nach ihrem gütigen Wohlwollen schenkt
Sie ihm Wohlgefühl,
So ermuntert sie ihn,
Doch dann zahlt sie es ihm heim
Mit harter Arbeit und schwerer Mühsal.
Nicht, ihn zu erquicken
Im Frieden ist sie gesinnt,
Sondern verzehrend und quälend ist die Liebe,
So erkennt er sich selber,
Indem er vergeht vor Schmerzen,
Er sieht, wie er im Elend ist,
Er schmeckt das Bittere,
Denn die Gottheit schickt ihm
Feuer in Mark und Gebein
Und prüft den Menschen wie Gold
Im Feuerofen der Trübsal.
Der Kern der Seele erleidet
Verlassenheit,
Eine trockene Wüste,
Einen beißenden Frost,
Mitunter quälende Hitze,
Und nirgendwo findet Erleichterung
Und keinen Trost der Kern der Seele,
Der Mensch kann sein Herz nicht zum Herrn erheben,
Denn ihn peinigt die Flamme.
Wie grausam bist du zu mir!
Was der Mensch leidet in dieser Zeit
Ist wie die Zeit im Fegefeuer.
Ja, ich bin der Mann, der die Rute Gottes spüren muss,
Er hat mich in die Finsternis geführt
Und nicht ins strahlende Licht,
Er hat mich mit seiner Hand geschlagen,
Er hat mich eingemauert
Und mit Galle gespeist
Und mit Schierlingsgift getränkt.
So leg ich mein Herz auf glühende Kohlen,
Die Dämonen zu vertreiben.
Aber sei getrost, denn dieser Schmerz
Des Läuterungsfeuers
Wird denen zugefügt, die Gott
Auf höhere Stufen heben will
Der Vereinigung mit der Gottheit.
Denn wie im Fegefeuer
Der Schmerz die Geister läutert,
Damit sie im ewigen Leben
Durch die klare Schau erkennen,
So wird der Mensch auf Erden schon
Im Reinigungsfeuer geläutert,
Damit er schon in diesem Leben
Dem Herrn in Liebe gleich gestaltet wird.
Wer ist sie,
Die heraufkommt aus der Wüste,
Überfließend von Beseligung,
Und Liebe verströmend?
Mach Ende, o Liebe, mach Ende,
Lass es dir gefallen!
Vollziehe nun in deiner Vollkommenheit
Die spirituelle Vermählung
Und lass dich schauen,
Denn dich zu schauen ist meine Seligkeit!
Ach, ich muss doch die Leere fühlen
Und seufzen in diesem Leben,
Wenn auch sanft die Seufzer sind,
Weil mir die Vollkommenheit fehlt,
Weil all mein Streben sich erst beruhigt,
Wenn ich im Besitz der Glorie bin!
Wenn ich auch die Glorie
Schon manchmal gekostet
Und heimlich von ihr genascht hab,
So wird dieses Aufflackern
Mich vergehen lassen,
Ich könnte dieses intensive
Feuer der Glorie nicht ertragen,
Wenn nicht die göttliche Liebe
Begnadigte auch meine Sinnlichkeit
Und stärkte mein Fleisch mit der Rechten,
Dass ich die Glorie schauen konnte,
Ohne zu sterben vor Wonne!
So spricht auch zu mir der Geist:
Steh auf, meine Freundin!
Beeile dich, Freundin!
Meine Turteltaube, komm,
Meine Schöne, komm!
Der Winter ging vorüber,
Der Regen ist vergangen,
Die Blumen sind aufgeblüht,
Der Feigenbaum bringt seine Feigen hervor
Und die Turteltauben girren
Und schlagen mit den Flügeln!
Steh auf, meine Freundin,
Du bist voller Anmut,
Meine Turteltaube
In der Spalte des Felsens!
Lass mich deine Stimme hören,
Denn deine Stimme ist süß,
Und lass mich schauen dein Antlitz,
Denn dein Antlitz ist lieblich!
O Liebe, reiß den Schleier herab
Zur süßen Vereinigung!
Den ersten Schleier der Zeit,
Den hast du schon abgelegt,
O göttliche Liebe,
Denn zweiten Schleier der Natur
Hast du auch schon abgelegt,
O geliebte göttliche Liebe,
Du trägst nur noch den letzten Schleier,
Nur noch den dritten Schleier trägst du,
Den Schleier der Körper-Seele-Einheit,
Den Schleier der menschlichen Sinnlichkeit!
Reiße den Schleier herunter, o Liebe,
Den letzten Schleier,
Zur süßen Begegnung,
Die um so süßer sein wird,
Je rascher du den Schleier herunterreißt!
Andre sterben an tödlicher Krankheit,
Andre sterben an Altersschwäche,
Ich werde sterben vor Liebe, o Liebe,
Ich werde sterben vor Lust,
Wenn du den letzter Schleier herunterreißt
Und mein Kleinod in dich aufnimmst,
Den feurigen Funken meiner Seele!
Dann werde ich selig singen wie ein Schwan,
Wenn der Tod wie eine Hochzeit kommt!
Dann mündet der Strom meiner Liebe
In das Meer der göttlichen Liebe!
Ich bin voller Sehnsucht,
Aufgelöst zu werden
Und in der Gottheit zu sein!
Aber der Schleier verbindet noch
Den Geist und das Fleisch,
Der Schleier trennt noch
Die Gottheit und den Menschen.
Aber der Schleier ist nicht undurchsichtig,
Ist nicht so dicht wie Linnen,
Sondern transparent wie Gaze,
Das Licht scheint hindurch,
Der Schleier ist schon so dünn und fein,
So ganz aus Äther und Aura,
Dass die Schönheit der Gottheit
Schimmert durch den Schleier,
Ja, die Gottheit in ihrer strahlenden Schönheit
Verschleiert sich nicht mehr
Als wie mit einem Spinnengewebe!
O reiße doch den letzten Schleier herunter,
Nicht, dass er sich langsam verbraucht
Oder aufgewoben werde,
Sondern dass du ihn herunterreißt,
Denn ich bin so voller Ungestüm,
Dass das Herunterreißen des Schleiers
Meinem Verlangen besser gemäß ist!
Ja, meine feurige Liebe will
Den schnellen Akt,
Der Akt soll rasch vollzogen werden,
Ich will den Akt mit geballter Kraft!
Auf den trockenen Zunder meiner Liebe
Springt der Funke der göttlichen Liebe
Schon bei der ersten Berührung über!
So wünscht der verliebte Mensch
Das rasche Herunterreißen des Schleiers mehr,
Als ein langsames Aufgewobenwerden
Oder ein noch längeres Sich-Verbrauchen.
Denn der verliebte Mensch
Erträgt die Verzögerung nicht,
Er kann nicht warten,
Bis das Leben natürlich zu Ende geht,
Denn die gewaltige Kraft der Liebe,
Die ihn von innen bedrängt,
Lässt ihn wünschen, dass sein Leben
Durch eine Liebesbegegnung
In übernatürlicher Liebesaufwallung
Abgerissen werde mit reißender Eile!
Reiße rasch den letzten Schleier herunter
Zur süßen Vereinigung, Liebe!

DER LIEBESPFEIL

Der Geist der Liebe


Ist ein verzehrendes Feuer,
Von unendlicher Kraft,
Sie kann den Menschen verzehren
Und ihn sich gleichgestalten.
Die Liebe zehrt jeden so auf,
Wie sie ihn findet,
Den einen mehr, den andern weniger.
Weil die Liebe
Unendliches Liebesfeuer ist,
Erglüht der Mensch,
Wenn die Liebe ihn an sich zieht,
In solchem heißem Grad der Liebe,
Dass es ihm vorkommt,
Heißer als eine Napalmbombe zu brennen!
Die Stärke der Liebe
Ist zärtlich
Im Menschen brennend
Und glühend vergöttlicht sie ihn
Und beseligt ihn!
Der Jünger erglüht
Innerlich zärtlich vor Liebe,
Wenn das Feuer der Liebe
Mit großer Heftigkeit
Auf ihn herab kommt
Und ihn verzehrt!
Es kam das Feuer der Liebe vom Himmel,
Nicht den Menschen verbrennend,
Sondern leuchtend,
Nicht den Menschen verzehrend,
Sondern erleuchtend.
Denn es ist die Absicht der Gottheit,
Den Menschen groß zu machen,
So macht die Gottheit den Menschen
Mit ihren Selbstmitteilungen
Nicht müde und matt,
Sondern groß und beglückt!
Die Gottheit macht den Menschen
Nicht dunkel wie Asche,
Sondern leuchtend und reich und stark,
Darum nennt der Mensch die Liebe
Einen lodernden Liebespfeil!
Dieser spirituelle Mensch
Urteilt über alles,
Wird aber von keinem beurteilt.
Der spirituelle Mensch
Ergründet alles,
Sogar die Tiefen der Gottheit!
Denn das ist die Liebe:
Er will die Geliebte ergründen!
O wenn der Liebespfeil
So zärtlich ist,
Wie wonnetrunken
Ist dann der Mensch,
Der vom Liebespfeil getroffen wird!
Selbst wenn der Mensch es sagen wollte,
So kann er es nicht sagen,
Sondern stöhnt nur: Ah!
So wird es eine zärtliche Wunde sein
Von einem Reinigungsfeuer
Und eine wonnetrunkene
Liebeswunde,
Eine Wunde von zärtlicher Liebe,
Die den Menschen erfüllt
Mit zärtlicher Wonne!
Das ist so bei dem Liebespfeil,
Dass er den Menschen, den er getroffen,
Verwundet zurück lässt.
Der Mensch kennt seine Erbärmlichkeit,
Der Mensch kennt seine Sünde,
Doch alle seine Wunden
Werden ihm zu Liebeswunden!
Diese Liebeswunde
Vom Liebespfeil
Kann nicht anders Heilung finden
Als durch denselben Liebespfeil.
Die Liebe, die ihn verwundet,
Die Liebe allein kann ihn heilen.
Doch jedes Mal, wenn die Liebe
Die Liebeswunde berührt,
Vertieft sie die Liebeswunde.
Je mehr sie verwundet,
Umso mehr schenkt sie Heilung.
Heilung, die die Liebe schenkt,
Ist Berühren der Liebeswunde.
So wird die Seele des Menschen
Zu einer einzigen Liebeswunde.
So zur Liebeswunde geworden,
Ist der Mensch ganz heil in Liebe,
Weil der Liebe gleich gestaltet.
Und weil die Liebe nicht aufhört,
Mit dem Liebespfeil
Den Menschen zu verwunden,
Und obwohl der Mensch schon über und über
Verwundet von Liebe ist,
So ist er doch schon voller Wonne und Heil,
Die Wunde ist seine Wonne.
Oh wonnetrunkene Wunde!
O Wunde, wonnevoller, wonnetrunkner,
Je tiefer die Wunde
Und je heißer das Feuer der Liebe war!
Denn die Gottheit der Liebe
Fügte diese Wunde nur zu,
Um den Menschen selig zu machen!
Da es der Wunsch der Gottheit ist,
Den Menschen trunken zu machen von Wonne,
Wird die Wunde tief sein,
Damit die Wonne groß ist!
O wonnetrunkne Wunde,
Um so wonnevoller mit Wonne erfüllend,
Je tiefer der Liebespfeil
In die Mitte der Seele eindringt!
Alles will das Feuer der Liebe verzehren,
Alles, was die Liebe verzehrt,
Das erfüllt sie mit Wonne!
Wenn die Liebe
Mit dem Liebespfeil
Den Menschen durchbohrt,
Dann flammt seine Seele auf
Und das Feuer schießt in die Höhe!
Dann spürt der Mensch,
Vom Liebespfeil durchbohrt,
Die übermäßige Seligkeit!
Wenn dieser Seraph
Die Seele durchbohrt,
Dann wird sie erschüttert von zärtlicher Liebe,
Erglüht und schmilzt!
Das Giftkraut auf der Spitze des Pfeiles
Steckt nun im Herzen
Der durchzuckten Seele!
Die Glut wächst so an,
Die Glut wird so verfeinert,
Dass es im Innern des Menschen
Meere der Liebe zu geben scheint,
Das Meer der Liebe reicht
Bis in die Tiefen der Erde
Und bis in die Höhen des Himmels!
Der Mensch schaut,
Wie das ganze Universum
Ein Meer der Liebe ist!
Der Mensch taucht ein
In dieses kosmische Meer der Liebe!
Er fühlt eine Liebe ohne Ende,
Eine grenzenlose Liebe!
Denn in sich fühlt der Mensch
Den Mittelpunkt der Schönen Liebe!
Der Mensch sieht sich
Zu einem Liebesfeuer geworden,
Zu einem grenzenlosen Feuer,
Das aus dem glühenden Punkt
Im Herzen der Schönen Liebe flammt!
Gottheit, was tatest du mir,
Als du deine Hand auf mich legtest,
Was tatest du mir mit der freigebigen großmütigen
Gnade, als du mich zum Spiegel deiner Herrlichkeit machtest!
Liebe, deine göttliche Weisheit
Reicht von einem Ende des Kosmos zum andern,
Und grenzenlos ist deine Liebesberührung!
O du zarte liebkosende Liebesberührung!
Weisheit, die du
Durch die Zartheit deines göttlichen Wesens
In den Wesenskern meiner Seele
Eingedrungen bist
Und meinen Kern sehr zärtlich berührst
Und mich aufnimmst in deinen Schoß
Mit allen Spielarten göttlicher Liebeswonnen
Und allen Künsten der zärtlichen Liebe,
Ganz mich in deinen Schoß aufgenommen!
Das sah man weder in Griechenland
Noch in Asien!
O wie glücklich,
O wie überglücklich ist der Mensch,
Ewige Weisheit, den du
Feinfühlig zärtlich liebkost!
Unaussprechliche zärtliche Liebesberührung
Der Ewigen Weisheit!
Sie geschieht im Menschen
Mit nichts als dem bloßen Sein,
Weil ihr Sein unendlich ist,
Unendlich zärtlich,
Unübertrefflich fein und zärtlich liebkosend!
Ewige Weisheit, dein Kuss
Schmeckt nach ewigem Leben!
Wer es genossen,
Der genieße und schweige!
Ewige Weisheit,
Du gibst mir einen weißen Stein,
Darauf ein Name steht,
Den nur du und ich zu lesen wissen.
O wenn mir hier schon dein Kuss
Nach ewigem Leben schmeckt,
Sophia, wie schmeckt dein Kuss
Dann erst im Paradies!
Wie wird deine Liebesberührung
Überzärtlich sein im Paradies!
Hier teilt mir die Gottheit alles mit,
Die göttliche Kraft der Liebe,
Die göttliche Schönheit,
Die Ewige Weisheit,
Die Grazie Gottes!
Denn wenn die Gottheit mich berührt,
So schmecke ich den Kuss der Schönheit,
Den Kuss der Liebe kann ich genießen,
Den Kuss der Weisheit trink ich auf,
Der Kuss der gnädigen Grazie wird mich beglücken!
Der ganze Mensch
Mit allen Gemächern seiner Seele
Wird Gott genießen!
Von dieser Glut der Liebe,
Von diesem feurigen Strom der Liebe in der Seele,
Fließt die Salbung des Geistes über
Und salbt die Sinne und die Glieder,
Dass bis ins Mark hinein
Der Mensch die Liebeswonne genießt!
Weil der Mensch auf seinem irdischen Pilgerweg
Sich abgemüht für Gott,
Steht Gott in der Schuld des Menschen,
Wenn ich so sagen darf,
Und Gott wird dem Menschen
Alle Leiden, Schmerzen, Ängste, Mühen und Kreuze
Überreich vergelten mit höchster Lust!
Ja, die Gottheit schenkt den Lohn
Oft schon in dieser Zeit
Und der fromme Mensch genießt
Die Vergeltung Gottes
Schon auf Erden
In unaussprechlicher Wonne
Und berauschender Seligkeit!
Es gibt doch kein Leid und keinen Schmerz
Und kein noch so trostloses Kreuz,
Dem nicht Gott Vergeltung schenkt
Auf Erden schon
Mit unaussprechlichen Liebeswonnen
Und Ekstasen der Glückseligkeit!
Aber in diese hohe Verfassung
Der geistlichen Ehe
Gelangt kein Mensch,
Der nicht zuvor gegangen ist
Durch den Feuerofen der Trübsal!
Wer durch den Feuerofen geläutert,
Durchs Purgatorium geschritten,
Der gelangt zur Einigung
Mit der Gottheit
In jenem Grad der Wonne,
Wie es der göttlichen Liebe wohlgefällt!
Auf diese Weise wurde der Mensch
Eingeführt in den Weinkeller
Göttlicher Weisheit,
Wo der Geliebte sich ergötzt
An seiner göttlichen Braut
Und sich über den Rausch des Weines hinaus
An ihren bloßen Brüsten berauscht!
Auf solcher Weise trunken
Von den Brüsten der Weisheit,
Läuft der Mensch auf Erden herum
Wie in einem himmlischen Fest
Und trägt auf seinen Lippen und seiner Zunge
Lauter Jubellieder
Und singt von Tag zu Tag ein Lied
Der Wonnen der Liebe!
Mein Geliebter ist mein
Und Ich bin sein!

ALL IHR FLAMMEN DER FEURIGEN GOTTHEIT!

Jetzt dankt der Mensch


Seiner Braut, der göttlichen Weisheit,
Für alle die reichen Gnaden,
Die er empfangen
Durch die Vereinigung mit ihr,
Und der Mensch empfängt
Manche Einsicht
Über die göttliche Weisheit,
Jede Einsicht in Liebe gehüllt.
Denn der Mensch der Liebe
Kann erst zufrieden sein,
Wenn er alles, was er ist und hat,
Der Geliebten schenkt und übereignet,
Und je mehr der Mensch
Sich ganz der Geliebten übereignet,
Umso mehr Freude findet er
Im Verschenken seiner selbst.
O ihr leuchtenden Flammen des Feuers!
Wer seid ihr, leuchtende Flammen des Feuers?
Die Eine Gottheit
In der Einheit ihres ewigen Seins
Ist die Summe ihrer Qualitäten,
Die Gottheit ist
Die göttliche Weisheit,
Die göttliche Güte,
Die göttliche Barmherzigkeit,
Die göttliche Gerechtigkeit,
Die göttliche Kraft,
Die göttliche Liebe,
Die göttliche Schönheit
Und Göttlichkeit, die uns noch unbekannt ist!
Alle diese großartigen Göttlichkeiten,
Frau Weisheit, Frau Liebe, Frau Barmherzigkeit,
Sie sind Gott,
Gott ist das unendliche Feuer
Und die Göttlichkeiten
Sind die Flammen des Feuers,
So leuchtet Frau Weisheit als Gottheit auf,
So leuchtet Frau Barmherzigkeit als Gottheit auf,
So leuchtet Frau Liebe als Gottheit auf,
Und wenn Frau Weisheit als Gottheit aufleuchtet,
Schenkt sie dem Menschen Wärme ihrer Liebesglut,
Und wenn Frau Barmherzigkeit als Gottheit aufleuchtet,
Schenkt sie dem Menschen Wärme ihrer Liebesglut,
Und wenn Frau Liebe, Frau Schönheit
Als Gottheit leuchtet,
Schenkt sie dem Menschen
Ihre glühende Liebe.
Wenn der Mensch
In einem einzigen Akt der göttlichen Vereinigung
Einsicht erlangt
In diese Göttlichkeiten,
So ist für ihn die Eine Gottheit, der er vereint ist,
Zugleich diese Vielzahl von Göttlichkeiten,
Und jeder dieser Göttlichkeiten
Schenkt dem Menschen
Besondere Erkenntnis
Und entflammt den Menschen in Liebe.
Und so liebt der Mensch
Jede einzelne Göttlichkeit besonders,
Er liebt die Göttlichkeit der Barmherzigkeit besonders,
Er liebt die Göttlichkeit der Schönen Liebe besonders,
Er liebt die Göttlichkeit der Frau Weisheit besonders,
Und jede ist ihm Gottheit
Und alle sind sie die Eine Gottheit.
Und so liebt der Mensch
Jede einzelne Göttlichkeit
Und empfängt von ihr Erkenntnis und Liebe,
Aber er liebt sie alle,
Denn alle zusammen sind die Eine Gottheit.
Denn was die Kirche Gott den Vater nennt,
Das liebt der Mensch
Als Gottheit der Allmacht,
Und was die Kirche Gott den Sohn nennt,
Das liebt der Mensch
Als Gottheit der Weisheit,
Und was die Kirche Gott den Geist nennt,
Das liebt der Mensch
Als Gottheit der Schönen Liebe.
Die Gottheit der Allmacht
Liebt den Menschen
Mit ihrer Allmacht,
Die den Menschen aus Nichts geschaffen,
Die Gottheit der Allmacht
Liebt den Menschen
Mit ihrer Weisheit,
Die dem Menschen Erkenntnis schenkt,
Die Gottheit der Schönen Liebe
Liebt den Menschen
Mit ihrer brennenden Leidenschaft
Und dem Glanz ihres Liebreizes,
In dem sie sich dem Menschen vereinigt.
Diese leuchtenden Flammen des Feuers
Sah Moses auf dem Berge,
Da die Herrlichkeit Gottes vor ihm erschien
Und Moses sich anbetend niederwarf
Vor der Schönheit Jahwes!
Da ward ihm große Erkenntnis zuteil
Der Tiefen der Gottheit
Und seine Liebe war groß
Entsprechend des Reichtums seiner Erkenntnis
Und darum war beseligend reich
Der Genuss der Gottheit, den Moses genossen!
Ja, die Seligkeit, die der Mensch genießt
In der Verzückung der Liebe,
Die Seligkeit, die ihm geschenkt wird
Von diesen Flammen der feurigen Gottheit,
Ist unermesslich groß und wundervoll!
Denn überfließend sind die vielen leuchtenden Flammen
Von Glut der Liebe,
Wobei die sanfte Barmherzigkeit
Den Menschen glühend liebt
Und beseligt im Genuss der Gottheit,
Wobei die ewige Weisheit
Den Menschen glühend liebt
Und beseligt im Genuss der Gottheit,
Und die Schöne Liebe
Liebt den Menschen mit brennender Liebe
Und macht den Menschen glückselig
Im Genuss ihrer Gottheit!
Ja, alle zusammen wirken dahin,
Den Menschen selig zu machen.
Der Mensch ist so unbeschreiblich glückselig,
Als würde er von drei Personen
Der Einen Gottheit
In Einem Augenblick
Liebkost, geliebt, beglückt!
O die zärtliche Liebesflamme
Der milden mütterlichen Barmherzigkeit,
Wie verwundet sie zugleich
Und beseligt sie zugleich!
O die zärtliche Liebesflamme
Der erleuchtenden ewigen Weisheit,
Wie verwundet sie das Herz des Menschen
Und im gleichen Augenblick
Schenkt sie dem Seelengipfel höchste Wonnen!
O die himmlische Grazie der Schönen Liebe,
Wie verwundet sie die Augen des Herzens
Und beseligt die Augen des Herzens zugleich
Mit dem Anschaun der göttlichen Schönheit!
O wie lieben die Personen
Der Einen Gottheit
Den Menschen doch mit einer Liebe,
Die das ewige Liebesleben ist!
Schön bist du, Prinzessin,
In den Spuren deiner Fußstapfen
Und deinen goldenen Sandalen!
Wer könnte die wunderbare Größe
Deiner beseligenden Liebe
Und die Majestät
Deiner strahlenden Herrlichkeit
Und die brennende Liebe
Der Flammen deines Feuers besingen?
Dein Schoß
Ist wie ein von Lilien umsticktes
Weizenfeld.
Und die Töchter des Königs
Wollen mich mit Myrrhe und Amber
Und andern Gewürzen
Beglücken!
Des Menschen Seele
Ist quasi eine Göttin geworden
In der wahren Gottheit!
Und nun sind die gemeinsamen Regungen
Der Gottheit und des Menschen
Verherrlichungen,
Fröhliche Spiele, Feste,
Wie die Schöne Liebe feiert
In der Seele des Menschen.
Wie die Jungfrau Maria
Ist des Menschen Seele,
Da der Heilige Geist ist über sie gekommen
Und die Kraft des Höchsten
Sie überschattete!
Ja, die Gottheit wirft Schatten,
Lichte Schatten ihrer strahlenden Gottheit!
Die göttliche Schönheit
Wirft den Schatten der Schönheit
Und der Schatten der Schönheit
Überschattet den Menschen.
Ja, die göttliche Weisheit
Wirft einen Schatten der Weisheit
Und der Schatten der Weisheit
Überschattet den Menschen.
Ja, die göttliche Liebe
Wirft einen glühenden Schatten der Liebe
Und der glühende Schatten der Liebe
Überschattet glühend den Menschen!
Der Mensch verschmeckt
Den Schatten der göttlichen Weisheit
Wie alleredelsten Wein!
Der Mensch verschmeckt
Den Schatten der göttlichen Liebe
Wie einen liebevollen Kuss!
Der Mensch verschmeckt
Den Schatten der göttlichen Schönheit
Wie eine wonnevolle Liebkosung!
Ja, die Ewige Gottheit
Bewässert des Menschen Felder,
Bewässert das obere Feld des Geistes
Und bewässert auch das untere Feld des Leibes,
Denn die lebendigen Wasser vom Berge
Durchströmen nicht allein die Seele,
Sondern durchrauschen auch erquickend den Leib!
O wie klar ist die Weisheit!
In dir, o Weisheit,
Ist manche Erleuchtung zu sehen,
Denn du bist der Abglanz
Der ewigen Leuchtkraft Gottes,
Du bist der fleckenlose Spiegel
Und das Abbild der ewigen Liebe!
Der Durst und Sehnsuchtsschmerz
Des geistigen Sinnes
Nach den Wonnen der Gottheit
Ist kaum erträglich!
Es steigert sich der Durst noch mehr,
Wenn gelegentlich ein Einblick gewährt wird,
Wenn der Mensch schaut wie durch eine Ritze
In den dritten Himmel
Und schon die eine und die andre
Lodernde Flamme der göttlichen Schönheit und Liebe
Den Menschen überkommt!
Wie ungeduldig brennt der Mensch dann in Liebe,
Diesen geschauten Genuss der Liebe
Auch vollkommen zu genießen!
Darum ist meine Seele begierig
Und fällt in eine fast tödliche Ohnmacht
Vor Verlangen
Nach den Zelten im Garten Eden,
Nach den Himmlischen Schönheiten
Auf der Insel der Glückseligen!
Meine Seele schmilzt in mir vor Glut der Sehnsucht,
Indem ich diese Schönheiten Gottes
In meinem Innern bewege,
So werde ich leben
Aus der Vorfreude göttlicher Hoffnung!
Denn das eine ist es,
Den lieben Gott recht gern zu haben.
Das andre ist es,
Sich der liebenden Gottheit ganz hinzugeben.
Das ist der Unterschied
Wie zwischen Verlobung und Hochzeit!
Bei der Hochzeit mit der Gottheit
Findet Hingabe statt der Personen,
Ganzhingabe der Gottheit,
Ganzhingabe des Menschen!
Schon in der Brautzeit
Besucht der Herr die Seele manchmal,
Doch in der Hochzeit
Gibt es die Einswerdung
Der Personen,
Der göttlichen Person
Mit der menschlichen Person,
Die doch der Höhepunkt der Hochzeit ist!
Das ist nun das selige Dasein
Im Stand der geistlichen Brautzeit
Des Menschen und der göttlichen Weisheit,
Da Sophia ihrem Verlobten
Unaussprechlich große Gnaden gewährt
Und ihn oftmals liebevoll heimsucht
Und der Mann dabei von ihr
So süße Gnaden, so gnädige Gunst empfängt,
Dass er beseligt ist in seinem tieferen Leben!
Doch diese Gunst der Ewigen Weisheit,
Diese Beseligung ihres Verlobten,
Ist noch nicht zu vergleichen mit der Wonne,
Der überseligen Wonne und Entzückung
In der Vereinigung mit der Gottheit
In der lichten Nacht der Hochzeit mit der Gottheit!
So beschreibt das Warten der Brautzeit
Auf das hohe heilige Glück der Hochzeit
Der Dichter mit den Worten, wie Esther
Gesalbt ward ein halbes Jahr mit Myrrhe
Und ein halbes Jahr mit Balsamen,
Bis sie zum großen König Ahaschweros
Zur Hochzeit geführt ward.
Diese Sehnsucht, die den Menschen fast sprengt,
Diese schmerzlich-süße Sehnsuchtsglut
Ist nun die Vorbereitung
Auf die Hochzeit mit der Gottheit!

SIE ERWACHT IN MEINEM SCHOOSZ MIT SANFTEM BLASEN

Das Erwachen, dass du,


O Sophia, meine göttliche Braut,
In der Mitte meiner Seele vollziehst,
Wo du geheimnisvoll und leise
Als meine einzige Domina lebst,
Nicht nur als Hausfrau in deinem Haus,
Nicht nur als Ehefrau in deinem Bett,
Sondern als Geliebte in meinem Schoß,
Ganz eng mit mir vereinigt,
Wie sanft liebkosend erwachst du,
Ausgesprochen liebevoll liebkosend!
Mir ist wie einem,
Der beim Öffnen eines Palastes
In Einem Augenblick
Die Erhabenheit der Königin sieht
Und sieht, was die Königin tut.
Die Gottheit gewährt dem Menschen, zu schauen,
Wie die Gottheit einige Schleier ablegt,
Die vor der Schönheit der Gottheit sind,
So dass der Mensch die Gottheit schauen kann,
So wie sie ist,
Wie sie schimmert im Halbdunkel,
Ein von höchstem Liebreiz erfülltes Antlitz!
Bei der Selbsthingabe der Gottheit
Im Schoß des Menschen
Ertönt in der Ohrmuschel der Seele
Ein überaus reizender Gesang
Von tausend Reizen der himmlischen Liebe!
Und der Mensch ist mittendrin
In diesen Reizen der himmlischen Liebe!
Mit allem Lieblichen aller Geschöpfe,
Mit allen Liebreizen aller Geschöpfe
Ist meine Gottheit ausgestattet!
Wer diese außerordentliche Schönheit der Gottheit schaut,
Muss in Ohnmacht fallen,
Wenn er nicht selbst verherrlicht wird.
Er schaut ja nicht nur einen Engel der Gnade,
Sondern Sie Selbst, die Gottheit!
Mit allem Liebreiz aller Geschöpfe ausgestattet,
Von erregender Macht
Und außerordentlicher Schönheit
Und von klingenden Reizen erfüllt
Das Schöne Antlitz der Gottheit!
Sophia wohnt heimlich in meinem Schoß.
Der Mensch spürt die Umarmung in sich,
Und wenn die göttliche Geliebte aufwacht,
Scheint dem Menschen: Nun erwacht Sophia,
Sie, die vorher schlief in meinem Schoß.
Ich spürte sie doch vorher auch,
Doch war sie wie in Schlaf versunken.
Wenn wir schlafen, wenn Sie schläft oder ich schlafe,
Dann teilen wir uns die Liebe nicht spürbar mit,
Aber wenn wir zusammen erwachen...!
Sophia weilt nun immer in meinem Schoß,
Ich genieße sie alle Tage meines Lebens.
Aber wenn Sophia immer wach wäre
Und mir ihrer Liebe Ganzhingabe schenkte,
Dann wär ich schon im Paradies!
Aber ich in meiner Menschheit,
Ich wache kaum auf und tue kaum das Auge auf,
Da bin ich schon in solcher Seligkeit,
In einem solchen entrückten Zustand der Erleuchtung,
Was wird dann erst im Paradiese,
Wo Sophia ewig wach ist und ich ewig wach bin
Und wir uns immerfort lieben!
Von dem sanften Blasen der Ruach
Bin ich ganz verliebt!
Darüber schweige ich besser.
Es ist dasselbe Blasen,
Mit dem Elohim Adam Leben in die Nase blies.
So gelange ich zur Erkenntnis der Chochmah.
So werde ich hinein gesogen in die Ewigkeit!

AFRIKANISCHER LIEBESGESANG

Ach, meines Ehemanns Zunge ist bitter!


Ehemann, jetzt verachtest du mich,
Jetzt kannst du mich schlecht behandeln und sagen,
Ich hätte die Dummheit meiner Tante geerbt.
Sohn des Häuptlings,
Jetzt kannst du mich vergleichen
Mit dem Müll in der Abfallgrube.
Du sagst, dass du mich nicht mehr willst,
Ich bin ein Ding, das du hinter dir gelassen,
Ein Ding in dem verlassnen Gehöft.
Du beleidigst mich,
Du lachst mich aus und sagst,
Ich könnte nicht einmal Buchstaben lesen,
Weil ich nicht zur Schule gegangen
Und ich bin auch nicht getauft.
Du vergleichst mich mit einer Hündin,
Mit einer kleinen Welpe.

Mein Freund, du Alterskamerad meines Bruders,


Achte, achte auf deine Zunge,
Achte darauf, was deine Lippen sagen.
Zuerst nimm einen tiefen Blick.
Bruder, du bist jetzt ein Mann.
Du bist keine tote Frucht.
Sich zu verhalten wie ein Kind,
Das steht dir nicht an.
Höre, Okol, der Sohn eines Häuptlings bist du,
Lass das unsinnige Verhalten kleiner Kinder,
Es ist nicht richtig,
Dass du in einem Lied verspottet wirst.
Lieder über dich sollten Loblieder sein.
Verachte nicht die Menschen
Wie ein dummer Mann.
Sei Salz und nicht Asche.
Sei sparsam mit Beleidigungen und Dummheiten.

Meine Stammesgenossen,
Ich höre meine weinende Stimme,
Die Beleidigungen meines Mannes
Schmerzen mich auf meinem Lager.
Mein Mann missbraucht mich
Zusammen mit meinen Eltern.
Er sagt schreckliche Dinge über meine Mutter
Und ich schäme mich so.
Er verletzt mich auf englisch
Und er ist so arrogant.
Er sagt, ich sei Müll.
Er will mich nicht mehr.
Mit grausamen Witzen lacht er mich aus.

Er sagt, ich sei primitiv,


Weil ich nicht Gitarre spielen kann.
Er sagt, meine Augen seien tot.
Und er sagt, ich könne nicht lesen,
Ich würde mir die Ohren verstopfen
Und nicht ein einziges Fremdwort hören.
Er sagt, ich könne die Münzen nicht zählen.

Er sagt, ich sei ein Schaf.


Der Narr!
Okol behandelt mich, als ob ich kein Mensch mehr sei.
Er sagt, ich sei dumm wie ein Ojun-Insekt,
Das sitzt auf dem Krug voll Bier.
Mein Mann behandelt mich schlecht.
Ach, all die Beleidigungen!
Worte schneiden mich schmerzhaft in Stücke.
Er sagt, meine Mutter sei eine Hexe
Und dass meine Clan-Mitglieder Narren seien,
Weil sie Ratten essen,
Er sagt, wir seien Kaffern.
Wir kennen nicht die Wege Gottes.
Wir sitzen in tiefer Finsternis
Und kennen das Evangelium nicht.
Er sagt, meine Mutter verstecke ihre Reize in ihrer Halskette
Und dass wir alle Zauberer seien.
Die Zunge meines Mannes ist bitter
Wie die Wurzel der Lyonno-Lilie,
So heiß wie der Penis der Biene!
Okols Zunge ist hart wie der Stachel des Skorpions,
Tödlich wie der Stachel der Büffel-Hornisse.
Er ist grausam wie das Gift
Einer unfruchtbaren Frau
Und sauer wie der Saft des Kürbis.

Mein Mann gießt über die Schwarzen Verachtung,


Er ist wie eine Henne, die die eigenen Eier frisst.

Seine Augen sind groß,


Seine Augen sind tiefschwarz,
Ocols Augen ähneln den Augen des Nilbarsches.
Er wird wild
Wie eine Löwin mit Löwenjungen.
R verhält sich wie eine verrückte Hyäne.
Er sagt, dass Schwarze primitiv seien
Und ihre Wege absolut schädlich
Und ihre Tänze Todsünden.
Sie seien ignorant, arm und krank.

Ocol sagt, er sei ein moderner Mann,


Ein progressiver, zivilisierter Mensch.
Er sagt, er habe intensiv und viel gelesen
Und könne nicht mehr mit einem armen Ding wie mir leben,
Die nicht zu unterscheiden wisse zwischen Gut und Böse.
Er sagt, ich sei ein Dorf, ein Weib,
Und ich sei alt und nicht mehr attraktiv.
Er sagt, ich verhindere seinen Fortschritt,
Mein Kopf sei so groß wie ein Elefantenkopf,
Aber es sei nur Knochen, kein Gehirn darin.
Er sagt, dass ich ihm nur seine Zeit stehle.

Ocol lehnte meine alte Art ab.


Er ist verliebt in eine moderne Frau,
Er ist verliebt in ein junges schönes Mädchen,
Die Englisch sprechen kann.

Aber erst vor kurzem


Saßen wir nah beieinander
Und berührten uns!
Erst vor kurzem
Hab ich auf meiner Harfe
Einen Lobgesang meinem Geliebten gesungen!
Erst vor kurzem versprach er,
Dass er mir vertrauen würde.
Ich habe ihn bewundert,
Wie gut er Englisch spricht!

Ocol ist nicht mehr in Liebe


Mit dem alten Typ.
Er hat sich neu verliebt
In ein modernes Mädchen.
Der Name der Schönen ist Clementine.

Bruder! Wann wirst du Clementine wieder sehen?


Die Schöne bemüht sich,
Wie eine weiße Dame auszusehen.
Ihre Lippen sind wie glühende Kohle,
Sie ähnelt einer Wildkatze,
Die den Mund mit Blut getränkt hat,
Ihr Mund sieht aus wie ein offnes Geschwür,
Wie der Mund eines Feldes.
Sie tut staubiges Pulver auf ihr Gesicht
Und sieht sehr blass aus.
Sie bereitet sich vor auf den Mitternachtstanz.
Sie wischt sich Asche übers ganze Gesicht
Und Schweiß glänzt auf ihrem ganzen Körper.
Sie sieht aus wie ein Perlhuhn.

Der Geruch von Seife macht mich krank!


Der Geruch von Pulver
Ruft die Geister in meinen Kopf!
Es ist dann notwendig, eine Ziege
Vom Bruder meiner Mutter zu holen.
Zum Opfer muss die Trommeln tönen
Beim Tanz der Geister.
Der Geist muss ausgetrieben werden,
Dass meine Ruhe wieder hergestellt wird.
Ich mag mich nicht mit Pulver bedecken.
Die Sache ist gut, wenn meine Haut rosa ist,
Wenn ich blass bin.
Aber wenn es eine schwarze Frau ist,
Sieht es aus, als ob sie Durchfall hätte.
Clementine nennst du schon Tina.
Tina sieht krank aus.
Und sie bewegt sich langsam.
Es ist ein kläglicher Anblick.
Es hat sich wohl Medizin in Tinas Gesicht festgesetzt.
Die Haut des Gesichts ist weg
Und es ist alles roh und rot,
Das Gesicht eines schönen Mädchens
Und die Haut zart wie bei einem neugeborenen Baby!
Und ich glaube, dass sie so schön ist,
Weil es das Gesicht einer weißen Dame ist.
Ihr Körper ähnelt dem hässlichen Fell der Hyäne,
Ihr Hals und ihre Arme haben echte menschliche Haut.
Sie sieht aus wie von einem Blitz getroffen.

Sie wischt sich Asche übers ganze Gesicht


Und Schweiß glänzt auf ihrem ganzen Körper.
Sie sieht aus wie ein Perlhuhn.
Ihre Lippen sehen aus wie Blutungen,
Ihr Haar ist lang, ihr Kopf ist groß,
Sie sieht aus wie eine Nachteule, eine Hexe,
Wie jemand, der den Kopf verloren hat
Und aus dem Schrein des Clans fortgenommen wurde.
Ihr Hals ist wie ein Seil, dünn und lang,
Und ihr Gesicht sieht kränklich bleich aus.

Verzeih mir, mein Bruder!


Denk nicht, dass ich beleidigen will die Frau,
Mit der ich meinen Mann teile!
Glaube nicht, dass die Eifersucht meine Zunge scharf macht.
Es ist im Gegenteil Tinas Anblick,
Der in meinem Herzen Sympathie erweckt.
Ich leugne nicht, ich bin ein wenig eifersüchtig.
Es ist nicht gut zu lügen.
Wir Frauen leiden alle ein wenig an Eifersucht.
Sie fängt uns unversehens wie Geister, die Fieber erzeugen.
Sie überrascht die Menschen wie ein Erdbeben.
Aber wenn du dieses schöne Mädchen siehst,
Mit der ich meinen Mann teilen muss,
Hab ein wenig Mitleid mit ihr!
Wie werden alle einst trockene faltige Haut haben
Und Nester aus Watte
Und faltige Kuhhaut in den Nestern
Und nennen es dann Brüste!

O meine Stammesgenossen!
Wie im Alter noch diese modernen Frauen
Vorgeben, junge Mädchen zu sein!

Sie formen die Spitzen der Baumwoll-Nester,


Damit sie scharf und spitz sind,
Und damit stechen sie die Truhen der Männer,
Und die Männer glauben, sie halten umfangen
Die Hüften von jungen Mädchen,
Die gerade erst aufgeblüht sind!
Das ist die moderne Art, zu schlafen
Mit den Nestern fest auf die Brust gebunden.
Wie viele Kinder hat diese Frau gesäugt?
Die leeren Taschen der Brüste
Sind völlig abgeflacht und ausgetrocknet!
Vielleicht hat sie Kinder abgetrieben?
Vielleicht hat sie Zwillinge geworfen
In das Plumpsklo?
Sind es die Rachegeister
Der vielen zerschlagenen Eier,
Die ihren Kopf gefangen genommen haben?
Wie jung ist diese Altersgenossin meiner Mutter?

Die Frau, mit der ich meinen Mann teile,


Geht spazieren, als ob ihr Schatten gefangen wäre,
Man kann ihre Schritte nicht hören.
Sie sieht aus, als ob sie schon lange krank sei.
Eigentlich hungert sie
Und will nichts essen,
Denn sie fürchtet, fett zu werden,
Und ihr Arzt hat ihr das Essen verboten.
Sie sagt, eine schöne Frau muss schlank sein,
Schlank wie eine weiße Dame.

Wenn sie geht, hört man ihre Knochen klappern.


Ihre Taille ähnelt einer Hornisse.
Die Schöne ist wie ein ausgetrockneter Sumpf.
Sie ist fleischlos wie eine leere Muschel
In einem ausgetrockneten Flussbett.

Aber mein Mann verachtet mich.


Er sagt, er sei zu gut, um mein Mann zu sein.
Ocol sagt zu den Altersgenossen meines Großvaters,
Er will nicht mit mir zusammen sein,
Mit einer, die nicht zur Schule gegangen ist.
Er spricht voller Arroganz.
Er sagt die unfreundlichen Dinge am helllichten Tag.
Er sagt, es sei kein Unterschied
Zwischen mir und meiner Großmutter,
Die bedeckt sich mit Tierhäuten.

Ich bin nicht ungerecht zu meinem Mann.


Ich will mich nicht beschweren,
Weil er eine andere Frau will,
Ob sie nun jung oder alt ist.
Wer hat je einen Mann aufgehalten,
Wenn er Frauen haben will?
Wer hat die Medizin für den Durst entdeckt?
Wer hat Wut und Feindseligkeit entdeckt?
In der Trockenzeit scheint die Sonne
Und in der Regenzeit fällt Regen.

Frauen jagen Männern nach


Und Männer wollen Frauen.
Wenn da eine andere Frau ist,
Mit der ich meinen Mann teile,
Bin ich froh.
Eine Frau, die eifersüchtig ist auf eine andere Frau,
Mit der sie den Mann teilt,
Ist nur darum eifersüchtig,
Weil sie selbst träge, faul und schüchtern ist.

Ja, weil sie selbst kalt und schwach und ungeschickt ist!
Der Wettbewerb um die Liebe eines Mannes
Ist die Sorge um die Kochstelle.
Wenn er vom Feld oder von der Jagd
Abgekämpft nach Hause kommt,
Gewinnt sie ihn mit einem heißen Bad
Und süßem Brei.
Die Frau, die als erstes gutes Essen bringt,
Deren Gericht ist heiß,
Deren Gesicht ist hell,
Deren Herz ist rein
Und deren Augen sind dunkel wie Schatten,
Die Frau, die heiter scherzen kann,
Die isst im Freien und nicht im Bett,
Die nicht stumpf wie abgestandenes Bier,
Das ist die Frau, die wird den Kopfschmuck kriegen.
Ich denke nicht, den Weg meines Mannes
Zu seiner neuen Frau zu blockieren.
Wenn er will, soll er für sie bauen
Ein mit Eisen gedecktes Haus auf dem Hügel.
Ich beklage mich nicht.
Mein Reetdachhaus in der Wiese ist genug für mich.

Ich bin nicht wütend auf die Frau,


Mit der ich meinen Mann teile,
Ich fürchte mich nicht,
Mit ihr zu konkurrieren.
Ich verlange nur,
Dass mein Mann mich nicht mehr beleidigt,
Er sollte es unterlassen,
Gemeine Schmähungen auf mein Haupt zu häufen.
Er sollte aufhören mit seinen Verrücktheiten
Und nichts Gemeines mehr über meine Mutter sagen.
Ocol, mein alter Freund!
Die Wege deiner Ahnen sind gut,
Ihre Sitten recht und nicht sinnlos,
Sie sind nicht leicht zerbrechlich,
Sie werden nicht weggeblasen von jedem Lüftchen,
Denn ihre Wurzeln sind tief in den Grund gesenkt.
Ich verstehe den Weg der Ausländer nicht,
Aber ich verachte auch nicht ihre Bräuche.
Warum sollten wir sie verachten?
Höre, mein Mann, du bist der Sohn eines Häuptlings,
Der Kürbis auf dem alten Bauernhof
Darf nicht entwurzelt werden.

Ich kenne nicht die Tänze der Weißen,


Es ist wahr, ich verstehe nichts
Von den Tänzen der Ausländer,
Und wie sie sich kleiden,
Ich weiß nicht recht,
Ihre Spiele kann ich nicht spielen.
Ich kenne nur die Tänze unseres Volkes.

Ich kann Rumba nicht tanzen.


Meine Mutter lehrte mich den schönen Tanz Acoli.
Ich kenne die Tänze der Weißen nicht.
Ich werde dich nicht betrügen,
Ich kann nicht Samba tanzen.
Du hast mich einmal tanzen gesehen
Den Orak-Tanz unserer Jugendlichen,
Den Tanz unsres Volkes.
Wenn die Trommeln dröhnen
Und die schwarzen Jugendlichen Staub aufwirbeln,
Dann tanzt du mit Kraft und Gesundheit,
Dann tanzt du frech und stolz,
Dann tanzt du mit erhabenem Geist,
Du konkurrierst, du provozierst,
Du beleidigst alle,
Du forderst alle heraus!
Und die Augen der jungen Männer beginnen zu glühen!
Der Sohn eines Mannes, die Tochter eines Mannes
Und der Glanz in der Arena!
Sklavenjungen und Sklavenmädchen
Tanzen rein wie Neugeborene!
Sie tanzen mit Hoffnung!
Und sie singen provozierende Lieder
Und beleidigende und kränkende Lieder
Und lobende Lieder
Und Lieder von gebrochenen Herzen
Und Liebeslieder
Und Lieder über den Mangel an Vieh.
Die meisten Lieder sind auf irgendwen wütend.
Du musst nicht betrunken in die Arena kommen,
Aber wenn du auf andere Jugendliche triffst,
Nimmst du die Herausforderung an als ein Mann.

Und wenn dich ein Mädchen schlägt,


Dann schlägst du zurück.

Eines Mannes Männlichkeit


Wird in der Arena gesehen,
Sie greifen einander nie an die Hoden.
Da ist ein Mädchen mit schlanker Taille,
Da ist eine plumpe Frau,
Da ist eine faule Frau,
Da ist eine ängstliche Frau.
Sie schmücken sich mit schönen Kostümen,
Sie binden Rasseln und Glocken an die Beine.
Sie tragen lange oder kurze Röcke
Oder einen imposanten Gürtel um die Hüften,
Spangen an den Armen,
Giraffenschwanz-Halsketten.
Ein junger Mann legt seiner Geliebten
Die Perlenkette um den Hals,
Schöne weiße Federn steckt er in ihr Haar,
Er bläst in sein Horn
Und andere junge Männer werden eifersüchtig.
Es wird am hellichten Tag im Grünen getanzt,
Da kann man nichts verbergen,
Auch nicht den dicken Bauch,
Furunkel am Hintern,
Kleine Brüste, kaum erblüht,
Große Brüste, voller Milch,
Die Müden und die Fallenden,
Die Schwachen und die Knochigen,
Die Schwächlinge, die Starken,
Die Löwen,
Narben an den Oberschenkeln,
Tätowierungen unterm Bauchnabel,
Tatoos und Wunden an der Brust,

Alle Glieder des Körpers


Werden in der Arena gezeigt.

Gesundheit und Vitalität


Werden in der Arena gezeigt.
Wnn die Tochter des Bullen in die Arena kommt,
Steht sie nicht da wie abgestandenes Bier,
Das sich nicht verkaufen lässt,
Sie springt hier und sie springt da.
Wenn du sie berühren willst,
Sagt sie: Rühre mich nicht an!
Die Tatoos auf ihrer Brust sind wie Datteln.
Die Tatoos auf ihrem Rücken
Sind wie Sterne im Dunkel der Nacht.
Ihre Augen funkeln wie Glühwürmchen.

Ihre Brüste sind prall wie der Vollmond!


Wenn die Altersgenossen ihres Bruders sie sehen,
Dann nur durch einen Zufall.
Die Augen ihres Liebhabers
Fallen auf ihre Brüste.
Glaubst, dass der junge Mann schläft?
Weißt du, wie das Feuer seine Eingeweide verzehrt?

Es ist wahr, Ocol,


Ich kann die Gesellschaftstänze nicht tanzen.
Statt stolz zu sein, schäme ich mich,
Statt stolz in der Öffentlichkeit zu stehen,
Bin ich beschämt.
Du kommst betrunken zum Tanz,
Du trinkst die Getränke der weißen Männer
Neben unserem Warangi-Trank.
Du schließt die Augen.

Und sie singen nicht, wie sie tanzen.


Sie tanzen still wie Diener.
Jeder Mann hat eine Frau,
Auch wenn sie nicht seine Frau ist,
Sie tanzen in einem und dem selben Haus,
Und es gibt kein Licht.
Schamlos, wie sie einander halten,
So eng, sie können nicht atmen!
Frauen liegen an der Brust der Männer,
Sie stechen der Männer Brustkörbe
Mit ihren spitzen Brüsten,
Sie stechen die Brustkörbe der Männer
Mit den Büstenhaltern aus Baumwolle.

Du küsst sie auf die Wange, wie weiße Männer tun,


Du küsst sie mit offenem Mund, wie weiße Männer tun.
Sie saugen schleimigen Speichel
Aus dem jeweils anderen Mund,
Wie weiße Männer tun.
Und die Lippen der Männer sind blutig geworden,
Blut tropft von den glühenden Lippen,
Ihre Zähne sehen aus,
Als hätte ihnen wer in den Mund geboxt,
Frauen werfen ihre Arme um den Hals ihrer Partner
Und legen ihre Wangen an die Wangen der Männer,
Männer halten die Hüften der Frauen dicht an sich.

Und wenn sie tanzen,


Berühren die Schenkel die Schenkel.

Und wenn die Musik aufgehört hat,


Stecken die Männer ihre Hände in die Hosentaschen.
Es gibt keinen Respekt für Familienangehörige,
Frauen lieben ihre Väter,
Jünglinge lieben ihre Schwestern,
Sie tanzen sogar mit ihren Müttern.
Moderne Mädchen sind leidenschaftlich.
Das fängt auch die Neffen,
Sie liegen im Arm ihres Onkels,
Die Nichten stechen die Brustkörbe ihres Onkels
Mit den Spitzen ihrer jungen Brüste.
Und die Frauen kleiden sich wie Männer,
Als ob sie im Land des weißen Mannes lebten.
Auf dem Höhepunkt des Sommers
Tragen sie dichte Anzüge
Und Wollsocken aus Europa,
Lange Unterhosen und wollene Westen,
Weiße T-Shirts finden sie fortschrittlich,
Sie tragen dunkle Sonnenbrillen
Und Schlipse aus Europa.
Ihre schlabbrigen Anzüge
Sind wie die Tränen des Kituba-Baumes
Nach einem schweren Sturm.

Sie rauchen Zigaretten wie weiße Männer,


Die Frauen rauchen Zigaretten wie weiße Frauen
Und nippen giftige Drinks aus den Gläsern.
Es ist heiß im Innern des Hauses,
Heiß wie in der Höhle einer Hyäne.

Die Frauen bewegen sich wie Füchse,


Die vergiftet wurden,
Sie taumeln, sie fallen auf ihr Gesicht
Und glotzen wie Fische,
Die betrunken sind von Schnaps,
Wie kleine Fische auf dem Trocknen.
Beim Rauch des Tabaks,
Beim Rauch der Zigaretten und Zigarren
Zählen sie ihre Münzen,
Der Rauch im Haus gleicht Quellwolken.
Der Dampf der vielen Spirituosen,
Der dampfende Schweiß und feurige Atem
Von zahllosen Menschen häuft sich.

Das Husten und Speien und Niesen


Von Betrunkenen,
Die feuchten Gase von Männern und Frauen,
Verschiedene schlechte Gerüche,
Der Staub, der heiße Dampf der Pisse!
Die Luft ist schwer wie ein Hammer.
Der Gestank von Urin ist dicht,
Er trifft die Nase wie ein Schlag,
Wie das Horn eines Nashornbullen!
Sie ersticken ihren Katarrh
Und sprechen rasch einen Fluch!

Sie treffen eine große Frau


Und taumeln ihr entgegen.

Sie lehnt sich an die Wand,


Sie löst ihr vollgepisstes Kleid,
Sie zwingt ihren Urin,
Als ob sie Syphilis hätte.

Der Gestank des Klos haut dich um


Schon aus weiter Ferne.
Es ist, als ob du dich in ein Löwenmaul ergossen hättest.
Der Geruch von Kot
Und der Geruch von Mist
Steigt aus dem Loch im Dach.
Der Boden ist voll von Menschenscheiße,
Alls Balken von menschlicher Scheiße bedeckt.
Trockene Scheiße
Und alte Scheiße und junge Scheiße
Und dampfende Scheiße
Und dicke Würste von Scheiße
Und schlangengleiche Würste von Scheiße
Wie Köttel von Python-Schlangen.
Die Kleinen hocken einfach da,
Die Großen liegen wie gefällte Baumstämme.
Einige Scheißhaufen sind wie Ocker
Und andere wie eine reife Mango
Oder wie eine reife Papaya,
Andere sind schwarz wie Erde,
Wie Lehm zum Verschmieren der Fundamente,
Eine Scheißhaufen sind von gemischter Farbe.

Scheiße und Pisse an den Wänden.


Sie reinigen ihren Arsch.

Und es gibt Texte an den Wänden,


Eingeritzt mit Messern.

Mein Mann lacht mich aus,


Weil ich die Tänze der Weißen nicht kann.
Er verachtet unsern Acoli-Tanz.
Er verachtet der Ammen dumme Ideen
Und hält die Tänze seines Volkes für Sünde,
Sagt, dass sie Todsünden sind.
Ich bin völlig unwissend,
Was die Tänze der Weißen betrifft,
Ich mag sie nicht leiden.
Feste will ich feiern,
Feste in der Öffentlichkeit mag ich nicht,
Ich schäme mich.
Tänze ohne Gesänge,
Tänze still wie Diener,
Ohne Respekt, betrunken...
Wenn jemand versucht, mich zu zwingen,
Den Tanz der Weißen zu tanzen,
Fühl ich, wie meine Knie weich werden.
Ich wünschte, ich wäre ein Meteorit!
Ich möchte Meteoriten fallen sehen!
Mein Name ist wie das Blasen des Horns!

Ich wurde zur Führerin der Mädchen gemacht,


Denn ich war lebhaft und munter,
Ich war hell,
Ich war nicht ungeschickt oder unordentlich,
Ich war nicht langweilig,
Ich war nicht träge und langsam.
Ich bin keine Närrin,
Ich bin nicht kaltherzig,
Ich bin nicht schüchtern.
Mein Haut ist makellos wie Mondschein.
Als Ocol mich umworben,
Waren meine Brüste straff und fest.
Und ich schüttelte meine großen Brüste!
Ich ging schnell und wenn ich ging,
Reckte ich meinen langen Hals,
Mein Kopf schaukelte hin und her
Wie eine Lotosblume auf einem Lotosstängel,
Winkend in der sanften Brise.

Und meine Freundin nannten mich Busenfreundin,


Wenn ich meine großen Brüste schüttelte!

Und ich winkte dem Vieh.


Und leise sang ich:
Mein Vater wird den Kraal errichten.
Das Vieh wird kommen.
Ich war die Führerin der Mädchen,
Mein Name war das Blasen des Hornes!
Auf meiner Harfe spielte ich
Und sang das Lied meiner Liebe.

Ocol, mein Freund, mein Mann!

Wovon redest du?


Ich sehe mich, wie ich jung war.
Ins Haus meiner Mutter kroch
Dieser Mann auf dem Boden!
Der Sohn des Bullen weinte Tränen wegen mir!
Er war wie ein hungriges Kind,
Dessen Mutter lange auf dem Feld blieb.
Jeder Nacht kam er zum Hof meines Vaters,
Er verpasste keine Nacht,
Selbst, nachdem er von meinen Brüdern geschlagen worden!

Du liebtest meine Giraffenschwanz-Armbänder.


Mein Vater kaufte sie mir
Von den Hügeln im Osten.
Das Dach des Hauses meiner Mutter
War schön mit Elefantengras bedeckt.
Mein Vater baute es mit großer Geschicklichkeit.
Du bewundertest die Löwenperlenkette
Meiner Schwester.
Meine Mutter hat ihren Schmuck
Mit großen Geschick gefertigt.
Du bebtest, wenn du die Tatoos auf meinen Brüsten
Und die Tatoos unter meinem Bauchnabel sahst!
Und du warst angetan von meiner Zahnlücke.
Mein Mann, was tust du?
Mein Clan-Mitglieder, ich frage euch:
Was ist aus meinem Mann geworden?
Kocht er noch? Ist er schon gar?
Sollte er die Eiterbeulen öffnen,
Dass der Eiter ausfließen kann?

Ich war Chefin der Jugendlichen


Aufgrund meiner guten Manieren,
Weil meine Taille schlank war.
Ich konnte süß singen.
Ich drosch die Hirse
Auf dem Weg zum Brunnen,
Da war niemandes Stimme süßer als meine.
In der Arena sang ich das Lied
Laut und deutlich
Wie die Vögel bei Sonnenuntergang.

Jetzt sagt Ocol,


Ich sei ein Hund, ein Welpe,
Ein kleiner Welpe.
Ich habe eine Hautkrankheit.
Ocol sagt, er liebe mich nicht mehr,
Weil ich nicht Gitarre spielen kann.
Ich mag ihre dummen Tänze nicht,
Ich verachte die Songs,
Die sie spielen zum Gesellschaftstanz.
Und ich kann auch nicht Radio hören,
Ich verstehe ihre Sprache nicht.

Was soll das alles?


Mein Mann weigert sich, mir zuzuhören,
Er weigert sich, mir noch eine Chance zu geben.
Mein Mann hat mir den Weg blockiert.

Er hat eine Straßensperre aufgestellt,


Aber er hat mir nicht gesagt, warum.
Er schreit, wie Eintagsfliegen schwirren
Über den Exkrementen.
Mein Mann sagt, er will keine Frau mehr mit Zahnlücke,
Er ist verliebt in eine andere Frau,
Deren Zähne füllen ihren Mund ganz
Wie die Zähne der Kriegsgefangnen und Sklaven.

Wie Bettler nehmen sie von weißen Männern Schmuck,


Wie Sklaven oder Kriegsgefangene
Nehmen sie der Weißen Art und Weise an.
Haben wir Acoli keinen Schmuck?
Haben schwarze Menschen nicht ihre eigenen Wege?

Wie betrunkene Männer


Hocken sie um der Weißen Spiele,
Sie hocken um der Weißen Vergnügungen.
Haben wir keine Spiele?
Hat dein Volk keine Vergnügungen?
Wie Trottel drehen sie sich
Bei den Tänzen der Weißen,
Spielen die Musikinstrumente der Fremden.

Als ob sie keine Tänze hätten!


Als ob sie keine Instrumente hätten!
Und sie können keine Lieder singen
Und kein Solo in der Arena.
Sie können den Rhythmus nicht schlagen
Auf dem hohlen Kürbis.

Sie können nicht rasseln


Mit dem hohlen Kürbis
Den Rhythmus zum Tanz.
Es gibt keinen einzigen Song.
Doch können sie tanzen.
Sie müssen nicht die Trommel schlagen
Oder das Kampfspiel üben.
Bei dem Tanz der Beerdigung
Oder beim Kriegstanz
Können sie den Schirm nicht schwingen.
Schau dir an die Tänze der Weißen:
In Torheit und Schande drehen sie sich
Und provozieren mit Dingen des Auslands.
Vielleicht haben sie die Hüllen fallen lassen
Ihrer dürren Hüften
Und mageren Brüste.
Und zeigen nun die Narbe am Oberschenkel
Und die Krätze am Gesäß.
Sie verstecken ihren kranken Magen
Und den geschwollenen Bauch.
Und mit den schwarzen Sonnenbrillen
Verstecken sie ihre Stubenfliegen-Augen
Und ihre brennenden Augäpfel.
Nein, die graziöse Giraffe
Kann nie zu einem Affen werden!

Mein Mann sagt zu mir,


Ich hätte keine Idee
Von moderner Schönheit.
Er nennt meine Frisur altmodisch.
Er sagt, ich sei dumm und rückständig,
Meine Frisur mache ihn krank,
Ich sei dumm und schmutzig.

Es ist wahr,
Ich trage das Haar nicht wie weiße Frauen.
Hör mir zu!
Mein Vater stammt aus Payira,
Meine Mutter ist eine Frau aus Koc,
Ich bin eine echte Acoli!
Ich bin kein Halbblut,
Ich bin keine Sklavin.
Mein Vater kam mit Speeren nach Hause,
Meine Mutter trug einen Korb mit Hirse.
Fragst du mich, was Schönheit ist,
Fragst du eine Acoli-Frau,
Ich werde es dir sagen,
Wenn du mir eine Chance gibst.
Du hast früher meine Frisur gesehen
Und du hattest meine Frisur bewundert
Und die Jünglinge haben mein Haar geliebt!
In der Arena die Jünglinge
Umringten mich und kämpften für mich.
Meine Mutter hat mich gelehrt
Die Haarmode unseres Volkes.
Straußenfedern unterscheiden sich
Von Hühnerfedern
Und eines Affen Schwanz

Unterscheidet sich vom Giraffenschwanz.


Die Haut des Krokodils
Ist nicht wie die Haut von Perlhühnern.
Das Nilpferd ist nackt und kahl.
Das Haar der Acoli
Unterscheidet sich vom Haar der Araber.
Der Eingeborenen Haar
Ähnelt dem Schweif des Pferdes.
Es ist wie Geigensaiten
Und muss mit einer Schere geschnitten werden.
Es ist schwarz
Und unterscheidet sich vom blonden Haar
Der weißen Frauen.
Das Haar einer weißen Frau
Ist weich wie Seide.
Manchmal ist es blond
Und manchmal braun
Wie das Fell der braunen Affen.
Das Haar einer schwarzen Frau
Ist dicht und lockig.
Es ist wahr,
Manchmal fressen Würmer
Das Haar eines jungen Mädchens
Und das ist schrecklich.
Aber dann wird ihr heißer Brei
Auf den Kopf gelegt
Und die Jugendlichen tanzen
Unter dem Wurst-Obstbaum
Und die Jugendlichen singen
Und die Würmer gehen weg.

Die Würmer fressen den Brei


Und sterben daran
Und die Haare des jungen Mädchens
Beginnen wieder zu wachsen
Und das junge Mädchen ist fröhlich.

Niemand außer Magiern


Und Weibern, die Gift bereiten aus Pflanzen,
Lässt seine Haare unbeschnitten.
Und der Männer Kinn sei nicht buschig
Wie der Hals des Löwen,
Wie das Kinn des Ziegenbocks,
Dass sie wilden Tieren ähneln.
Sie sollen weiße Asche legen
Auf das Haar unterm Bauchnabel
Und das Schamhaar ausreißen.
Und sie sollen die Haare im Gesicht
Und die Achselhaar abpflücken.
Wenn der Tod eingetreten,
Lassen Frauen ihre Haare ungekämmt.
Sie entfernen Perlen und Halsketten.
Die Frau, die sich schmückt,
Wenn andere jammern,
Ist eine Mörderin!
Sie kommen zur Beerdigung,
Um einander zu gratulieren.
Wenn sie zum Tanzen gehen,
Schmücken sie sich für den Tanz,
Dann ist ihr Röckchen ockerrot,
Sie färben ihr Haar mit Ockerrot,
Den Körper beschmieren sie mit rotem Öl,
Bis sie ganz rot sind.
Wenn sie ein schwarzes Röckchen tragen,
Färben sie ihr Haar mit Akuku schwarz
Und lassen den Körper glänzen
Von schwarzem Simsim-Öl,
Und ihre Tätowierungen auf den Brüsten
Und auf dem Rücken
Glitzern in der Abendsonne.

Und der gesunde Schweiß


Im Schoß
Ist wie die glasige Ocuga-Frucht.
Junge Mädchen, deren Brüste
Sind gerade im Werden,
Streichen Butter auf ihre Körper,
Das schöne Öl aus Labworomor.
Der Duft ist wunderbar.
Und ihre weißen Zähne blitzen.
Wenn sie singen, tanzen sie schnell
Inmitten der Tänzer
Wie kleine Fische in einem klaren Bach.

Butter aus Kuhmilch


Oder Fett von essbaren Ratten
Schmieren sie auf ihren Körper,
Das Aroma hält bis zum nächsten Tag.
Und wenn sie auf dem Kopf balancieren
Einen schönen Wassertopf
Oder einen Korb
Oder eine Flasche voll Honig,
Ähnelt ihr langer Hals einem Speer.
Und wenn sie zu Fuß gehen
Entlang des Weges,
Auf beiden Seiten blühen die Gräser
Und die Pollok-Blüten
Und die wilden weißen Lilien,
Um welche lautlos schreien
Die Bienen und Schmetterlinge!

Und wie der Duft der reifen Waldbeeren


Lockt die Insekten an
Und die kleinen Vöglein,
Wie des Fischers Angel zieht
Den Fisch gnadenlos an Land,
So sind die jungen Männer
Aus den Dörfern umher,
Sie kommen von vielen Bächen.
Sie kommen über die Hügel
Und von den weiten Ebenen.
Sie umgeben dich
Und beißen deine Ohren wie Schakale.
Und wenn du in die verbrannten Wälder gehst
Und sammelst die roten Oceyu
Oder schneidest die Oduggu-Sträucher,
Findest du sie lauern im Schatten
Wie die Leopardin mit ihren Jungen.

Ocol sagt mir, ich liebe wohl den Schmutz.


Er sagt, Schafsbutter verursacht Krankheiten.
Er sagt, der Acoli Zierden seien altmodisch
Und ungesund.
Er sagt, ich beflecke sein weißes Hemd.
Wenn ich ihn berühre,
Behandelt mich mein Mann,
Als ob ich an der Lepra leide!
Er sagt, dass ich das Bett beschmutze
Und sein Bett nun stinkend sei.
Er sagt, ich sei hässlich geworden

Und sei extrem hässlich,


Wenn ich mich schmücke für den Tanz.

Wenn ich vorbei geh an meinem Mann,


Zischt er wie eine verwundete Schlange
Und erstickt fast vor Rache.
Er hat sich geschworen,
Nie mehr meine Hände zu berühren.
Mein Mann liebt Clementine,
Die Frau mit dem großen Kopf.
Ocol stirbt für Clementine!
Ocol schläft nie,
Weil er schöne Bücher liest.
Die Schöne, mit der ich meinen Mann teile,
Gleicht einem Huhn,
Das in einen Teich gefallen ist.
Ihr Haar sieht aus
Wie die verworfene Haut einer Pythonschlange.
Sie kocht ihr Haar mit heißem Eisen
Und zieht es, dass es lang wird.
Dann bindet sie die Haare mit Bändern
Und schmückt es mit Holzkugeln
Wie einen Ziegenbock zum Kampf.
Sie brät ihr Haar in siedendem Öl,
Als ob es Heuschrecken wären,
Und das Haar brutzelt
Und schreit laut vor Schmerzen,
Wenn es gezogen und gedehnt wird.
Und das gesunde und kräftige Haar

Gelockt, elastisch und dick,


Das glitzert in der Sonne,
Ist lustlos
Und wie das Elefantengras,
Braungebrannt von der Februarsonne,
Es liegt leblos wie die traurigen
Sterbenden Bananenblätter
An einem heißen windstillen Nachmittag.
Die schöne Frau, mit der ich meinen Mann teile,
Nimmt schwarze Schuhcreme,
Sie schwärzt ihr Haar
Und wäscht das Haar
Mit schwarzer Tinte.
Aber das Unterholz
Lehnt die schwarze Schuhcreme
Und die schwarze Tinte ab
Und bleibt unberührt
Gelblich und grau
Wie das Haar der grauen Affen.

Es gibt viel Wasser


Im Haus meines Mannes,
Kaltes Wasser und warmes Wasser,
Sie drehen einen kreuzförmigen Griff
Und Wasser sprudelt hervor,

Heiß und dampfend


Wie Urin von Elefanten.
Sie drehen einen andern kreuzförmigen Griff
Und es kommt kaltes Wasser,
Kühl wie das Süßwasser aus den Flüssen.

Aber die Frau, mit der ich meinen Mann teile,


Hat sich nicht den Kopf gewaschen.
Der Kopf der Schönen riecht nach Ratten,
Die ins Kaminfeuer gefallen sind.
Und sie benutzt starkes Parfüm,
Um den Geruch zu übertönen,
Wie man einen Sarg mit Düften behandelt.
Und die verschiedenen Gerüche kämpfen miteinander
Und darein mischt sich der Geruch von Schuhcreme.
Clementine hat viele Tücher,
Schöne bunte Tücher.
Sie bindet sich eins um den Kopf
Und verhüllt so die Fäulnis im Inneren.
Sie bindet den Knoten vor der Stirn
Und ordnet die Ecken mit Sorgfalt,
Damit bedeckt sie ihre Ohren
Neben der kühnen Stirn.
Die Stirn sprüht Funken
Wie wenn Blitze zucken
Und schleudern das Sonnenlicht zurück,
Blanker als ein Spiegel.
Manchmal trägt die das Haar einer Toten,
Einer Frau, die vor Jahren gestorben,
Und sie geht damit zum Tanz.
Was für eine böse Hexe!

Schamlos fasst sie beim Tanz


Die Schultern meines Mannes,
Das Haar der toten Frau auf dem Kopf.
Der Körper der toten Frau
Verwest im Grab.
Eines Nachts kam der Geist der toten Frau
Und nahm ihr Haar weg
Von dem Kopf ihrer Dienerin,
Und das wunderschöne Haar fiel nieder
Und schüttelte sich vor Scham,
Sie schüttelte das wunderschöne Haar,
Als ob der Geist der toten Frau
Ihr wäre auf den Kopf getreten.

Ocol, mein Freund, siehe,


Meine Haut ist glatt und schwarz.
Und meine Knaben spielen Nanga
Und singen ein Lobpreislied dazu.
Ich bin stolz auf das Haar,
Mit dem ich geboren wurde,
Und ich bin nicht wie eine weiße Frau,
Die ihre Haare färbt,
Weil sie nicht stolz ist auf das Haar,
Mit dem sie geboren ist.
Ich habe keine Lust,
Wie eine weiße Frau zu sein.

Keine Leopardin würde sich


In eine Hyäne verwandeln!

Und der Kranich würde es hassen,


Wie ein Geier Aas zu fressen,
Und keine anmutige Langhalsgiraffe
Wird zu einem Affen werden!

Niemand reißt den Kürbis aus der Erde,


Und seine steinerne Mutter
Hat einen hohlen Bauch.

Mein Mann sagt, er lehne mich ab,


Weil ich nit zu schätzen weiß
Die Lebensmittel der Herren,
Und weil ich nicht weiß,
Wie man Löffel und Gabel hält.
Er ist wütend auf mich,
Weil ich nicht weiß,
Wie weiße Frauen zu kochen.
Und ich weigere mich, Huhn zu essen
Und rohe Eier zu trinken,
Wie weiße Frauen es tun.
Er sagt, er schäme sich für mich,
Wenn er die Dose mit Hummer öffnet.
Ich fühle mich dann schrecklich krank.
Oder wenn er erzählt,
Wie er im Land der Weißen war,
Und dass sie da Frösche und Muscheln
Und Schildkröten und Schlangen essen,
Dann rebelliert mein Magen

Und ich muss kotzen!

Er beschwert sich endlos und sagt,


Ich hätte in der Schule lernen sollen,
Wie man am Herd der weißen Menschen kocht.
Ich gestehe!
Ich kann es nicht leugnen!
Ich kann nicht kochen wie eine weiße Frau
Und kann nicht umgehen mit dem Gasherd.

Das Ding brüllt wie ein Löwe


Und macht mir Angst.
Sie sagen, es brach einmal ein Feuer aus
Und verbrannte alle Ziegen.
Ich hasse diesen Gasherd!
Ich hasse auch ihren Kohle-Ofen!
Die Hand ist immer schmutzig von der Holzkohle
Und alles, was man berührt, wird schmutzig.
Die Fingernägel ähneln denen einer Giftmischerin.
Es ist so schwer, das Feuer zum Brennen zu bringen,
Man muss immer hineinblasen,
Und hat keine Zeit mehr,
Die Schwiegermutter zu besuchen.
Das elektrische Feuer
Tötet Menschen!
Sie sagen, es seien Blitze,
Und sie sagen,
Der weiße Mann sei gegangen
Und habe den Donnervogel gefangen
Und eingesperrt in einem Stahlhaus.

Der Wunder des weißen Mannes sind viele.


Sie machen mich sprachlos.
Sie sagen: Wenn der Donnervogel
Seine Flügel spreizt,
Dann das brennende Licht
Und das tödliche Feuer
Fließe durch Drähte
Und erleuchte Straßen und Häuser,
Und das Feuer fließe dann
In den elektrischen Herd.

Wenn du es berührst,
Dann schneidet es in dein Herz,
Als würde die Nabelschnur abgeschnitten.
Und du stehst dann da, tot,
Eine beständige Leiche.
Ich habe schreckliche Angst
Vor dem elektrischen Herd.
Und ich weiß nicht,
Wie du nach dem Aufstehen
Darauf etwas kochen kannst.
Wer kocht schon im Stehen?
Und der Ofen hat viele Augen.
Ich weiß nicht, welches Auge ich stechen muss,
Damit der Ofen

Nicht anfängt zu brennen.


Und ich kann dir nicht sagen,
Welches Auge ich stechen muss,
Damit das Feuer unter der Pfanne brennt.
Ich fürchte auch,
Ich könnte die Zunge des Donnervogels berühren.
Nein, ich mag nicht kochen
Mit dem elektrischen Herd,
Ich kann nicht mehr kochen,
Seit du mir den Donnervogel-Herd gegeben.

Des weißen Mannes Ofen ist gut


Zum Kochen der Speise des weißen Mannes,
Zum Brat geschmacklosen Rindfleisches,
Das vor vielen Jahren eingefroren wurde,
Zum Braten von Eiern,
Diesem geschmacklosen Schleim,
Zum Backen haariger Hühner,
Du denkst, du kaust Gummi!
Des weißen Mannes Ofen ist gut
Zum Kochen von ekelhaftem Kohl
Und zum Backen von weißem pampigem Brei,
Was sie so Brot nennen.

Er ist gut für das Aufwärmen von Konserven,


Fischkonserven, Froschkonserven,
Konserven von Erbsen und Möhren,
Gut zum Kochen von geschmacklosem Brei
Für zahnlose Säuglinge
Und zahnlose Alte,
Gut zum Kochen von Tee und Kaffee.

Sie verwenden Töpfe und Pfannen,


Weil der Ofen flach ist
Wie die Fläche einer Trommel.
Der Erdgemüsetopf kann nicht darauf stehen
Und es gibt keine heißen Steine
Zum Backen von Hirsebrot.

Komm, Bruder, komm in das Haus meiner Mutter!


Verharre ein wenig an der Türe,
Lass mich dir das Haus meiner Mutter zeigen.
Siehst du den glänzenden Stuhl?
Das ist der Stuhl des verehrten Vaters.

Weiter sind da Töpfe und Krüge


In den Regalen und Schränken,
Hirsemehl, Trockenfleisch verschiedener Tiere,
Bohnen, Erbsen, Gurken, Fisch.
Blicke zum Dach!
Siehst du die Vorhänge?
Das schöne große Glas ist voll Honig.
Die irdene Schüssel enthält Simsim.
Die Strohtasche überm Kamin enthält
Getrocknete weiße Ameisen.
An der Seite liegen die Schleifsteine
Und dort steht auch der Mörser
Für Hirse, Mais und Sorghum-Korn.
Die Steinmutter hat einen hohlen Bauch,
Sie wird nie schwanger wie eine fremde Frau,
Ihre Tochter wird niemals fett,
Sondern wird immer kleiner,
Bis sie vollendet ist.

Weißt du, warum die Knie


Von Hirse-Fressern härter sind
Als die von Bananensaft-Trinkern?

Wo denkst du,
Dass das Steinmehl vom Schleifstein fällt?
Auf diesen Steinen werden getrocknet
Bohnen und Erbsen gemahlen.
Die Steinschwester ist klein und sauber
Und geölt wie zum Tanz,
Das ist der Simsim-Schleifstein.
Und meine Schwester ist gut darin,
Simsim zu mischen mit Erdnüssen.
Und ich mahle Hirse und Sorghum.
Und du hörst den Gesang der Steine
Und du hörst den Gesang von Korn und Samen.
Und du hörst das schöne Duett
Von mir und meiner Schwester.

Oh wie ich meine Schwester vermisse!


Und wie ich vermisse das Singen
Beim Mahlen der Hirse
Im Haus meiner Mutter!
Auf der linken Seite
Über dem Schleifstein
Rechts auf dem Dach gestapelt
Liegt das Brennholz.
Wenn du mich über Brennholz befragst,
Kann ich dir alles im Detail beschreiben,
Ich kenne die Namen der Hölzer.

Ich kenne Samen und Blätter und Rinde.


Oywelo und Lucoro und Kituba
Sind nicht geeignet als Brennholz,
Denn sie brennen wie Papier.
Die Brände sind kalt
Wie das Feuer der Glühwürmchen.
Labwori ist in Ordnung,
Wenn es völlig trocken ist.
Aber wenn es noch grün ist,
Produziert es beißenden Rauch.
Es ist gut für Speere
Bei der Jagd der Männer.
Odure, die nicht hört,
Wenn andere singen,
Odure kommt aus der Küche.
Feuer vom Herd verbrennt deinen Penis!
Opok ist einfach,
Mit der Axt gespalten.
Yaa brennt sanft,
Es brennt wie Öl.
Poi kann man nicht verwenden als Brennholz,

Es ist steinhart,
Man kann es nur verwenden
Als Wanderstab für die Alten.
Rechts ist die Kochstelle.
Der Kamin im Haus meiner Mutter
Ist in die Erde gegraben.
Die Frau des Bruders meiner Mutter
Hat den Herd vom Lango-Typ,
Drei Hügel, aus Ton geformt,
Wie jugendliche Brüste voller Milch,
Stehen zusammen da
Wie drei liebevolle Schwestern.
Ich kann nicht am Ofen des Auslands kochen,
Meine Mutter lehrte mich das Kochen
Am Herd des Acoli-Typs.
Und ich besuche den Bruder meiner Mutter,
Dessen Frau kocht am Lango-Herd.

Im Haus meiner Mutter


Gibt es keine Herdplatten.
Wir benutzen die Kürbishälfte
Und das Tongeschirr.
Des weißen Mannes Herdplatten
Schauen schön aus, aber
Sie legen das Hirse-Brot darauf
Und bedecken es einige Minuten,
Die Herdplatte schwitzt
Und die Unterseite des Brotes ist nass
Und der ganze Laib ist kalt.
Ein Brotlaib in einer Kürbishälfte
Ist warm und nicht nass.
Und die Tonschüssel
Hält die Sauce heiß-
Und das Fleisch wird gedämpft.
Und wenn der Mann von der Jagd kommt
Oder von einer tagelangen Reise,
Dann reicht die Frau ihm heißes Brot
In einer Kürbishälfte.

Und wenn ich einen Tag lang im Garten war


Zum Jäten oder Ernten
In der heißen Sonne,
Bei meiner Rückkehr nach Hause
Gibt man mir Wasser
In einer Kürbishälfte.
Wasser aus dem Glas hat keinen Zweck,
Es löscht nicht den Durst.

Im Haus meiner Mutter


Essen wir auf der Erde
Und sitzen nicht auf Bäumen
Wie die Affen.
Die jungen Männer sitzen
Im Schneidersitz
Und ein Mädchen sitzt keusch
Auf einem Bein.
Der Vater allein sitzt auf einem Stuhl.
Wir alle sitzen auf der Erde
Oder auf Papyrusmatten.
Die Messer im Haus meiner Mutter
Sind für die Ernte
Oder zum Schneiden von Fleisch,
Bevor es gebraten wird,
Aber nicht zum Schneiden von Hirse-Brot.
Wir waschen unsere Hände
Und greifen den Laib von allen Seiten.
Die Hände formen einen Löffel
Und tauchen in die Sauce,
So essen wir die Sauce.

Und du wirst die rechte Hand verwenden,


Selbst wenn du Linkshänder bist.

Das sind gute Manieren.


Nur unerzogene Stipendiaten
Brechen das Brot mit der linken Hand.
Ich kann nicht kochen wie weiße Frauen,
Ich kann nicht genießen
Des weißen Mannes Lebensmittel.
Und wie sie essen,
Wie könnte ich das auf diese Art?
Und warum sollte ich das können?
Des weißen Mannes Ofen ist gut
Zum Kochen der Speisen des weißen Mannes.
Er ist nicht geeignet
Zum Kochen der Acoli-Speisen.
Und ich habe Angst vor ihm.
Aber Ocol sagt, die Lebensmittel
Des schwarzen Mannes seien primitiv.
Aber was ist an ihnen rückschrittlich?
Er sagt, die Lebensmittel
Des schwarzen Mannes seien schmutzig.
Er sagt, ungeschickte Frauen,
Schmutzige schwarze Frauen
Bereiten ungeschickt die Lebensmittel
Und bieten sie in schmutzigen Töpfen an.
Er besteht darauf, dass ich rohe Eier esse,
Diesen widerlichen Schleim.
Er sagt, das sei gut für mich,
Es sei da etwas in den Eiern,
Das gut für die Knochen ist.

Aber meine Knochen sind stark.


Ich kann tanzen die ganze Nacht lang.
Höre das Lied,
Das sie sangen über mich:

Die Schöne tanzt die ganze Nacht lang!


Aleyker hindert mich am Schlafen.
Ich warte auf dem Weg.
Sie weigert sich, zu mir zu kommen,
Die ganze Nacht lang tanzt die Schöne.

Was ist das Gute in den Eiern?

Ist es nicht auch in anderer Speise?


Mein Mann, ich will nicht klagen,
Dass du des weißen Mannes Speise isst.
Wenn du sie genießen kannst,
So schreite nur voran!
Sollte ich nicht zustimmen der Freiheit,
Zu essen, was man gerne mag?
Es gibt keine festgelegte Zeit
Zum Stillen eines Säuglings.

Mein Mann ist wütend und sagt,


Ich könne nicht mithalten mit der Zeit,
Ich wüsste nicht die Jahre zu zählen.
Er fragte mich: Wie viele Tage
Gibt es in einem Jahr?
Wie viele Wochen
Gibt es in vier Monden?
Aber ich kann das nicht beantworten.
Die Anzahl der Monde in neun Wochen
Kann ich ihm nicht sagen.

Wie könnte ich das wissen?


Ocol hat in die Heimat
Eine große Uhr gebracht,
Die macht immer tick-tack
Und dann läutet die Glocke.
Er windet sich erst
Und dann geht es doch.
Ich habe die Uhr nie berührt,
Ich habe Angst vor ihr.

Ich frage mich: Was bewirkt


Den Lärm in der Uhr?
Und was macht sie gehen?
Auf dem Zifferblatt der Uhr
Gibt es Schriften
Und unten baumelt
Ein einzelner großer Hoden!
Der schwingt hin und her
Wie eine Brotfrucht im Sturm!
Ich weiß nicht zu sagen,
Wie spät es ist,
Ich kann die Zahlen nicht lesen.
Für mich ist die Uhr
Eine Quelle großen Stolzes.
Es ist schön zu sehen,
Wenn Besucher kommen,
Wie schwer beeindruckt sie sind!

Und Ocol hat eine merkwürdige Art


Zu sagen, wie spät es ist.
Am Morgen, wenn die Sonne aufgeht,
Aalt er sich im Bett und sagt:
Es ist sieben Uhr.
Und wenn der Hahn kräht,

Sagt er: Es ist fünf.


Gegen Mitte der Nacht,
Wenn die Zauberer mächtig sind,
Sagt Ocol: Es ist zwölf.
Und wenn die Sonne am Abend sinkt,
Sagt er: Es ist neun.
Mein Kopf wird ganz verwirrt,
Als ob ich auf dem Kopf stünde,
Alles dreht sich im Kreis
Und mir wird schwindlig.

Mein Mann besteht darauf,


Das genau die Zeit eingehalten wird.
Er will am Morgen Frühstück und Tee,
Am Nachmittag den Kaffee,
Er will den genauen Zeitpunkt
Für ein Familienfoto wissen,
Und wie spät es das Mittagessen gibt
Und wann das Abendbrot.
Ich muss zuerst in die Sonne blicken
Und mich erinnern,
Wann der Hahn kräht.
In unserm Dorf,
Wenn jemand auf eine lange Reise geht
Oder wenn man sich zur Jagd aufmacht,
Dann stehen die Menschen früh auf,
Wenn im Osten der Horizont
In Flammen steht
Und wenn im Westen
Der Büffelstern reif ist,
Wie eine gelbe süße Mango
Auf die Erde zu fallen.

Niemand bewegt sich um Mitternacht


Außer Zauberern, mit Asche bedeckt.

Dann tanzen sie nackt


Und weiden Frösche aus
Oder tote Eidechsen.
Oder junge Diebe sind auf der Suche
Nach anderer Männer Töchtern.
Unholde reisen durch die Nacht
Und säen Pocken.
Sie teilen die Dunkelheit
Mit nacktem Oberleib,
Sie riechen ihre Geliebte
Durch die langen Lianen.
Wenn die Sonne erwachsen geworden,
Die vergifteten Pfeile schmerzen
Den Rücken der Männer
Und die Frauen jäten und ernten.

Sie nehmen Trinkwasser


Für die Arbeiter mit.
Das Essen wird aufs Feld gebracht.
Die Männer sind erschöpft.
Sie beißen auf die Flügel des Huhns
Und essen Erbsen und Bohnen
Und Hirse-Brot so groß
Wie Scheißhaufen von Elefanten.

INDIANER-POESIE

DER FRÜHE MOND

Der Baby-Mond, ein Kanu, ein Silber-Kanu, segelt und segelt im Indianischen Westen.

Ein Ring aus Silberfüchsen, ein Nebel von Silberfüchsen, sie sitzen rund um den Indianischen
Mond.

Ein gelber Stern für einen Läufer, und Reihen von blauen Sterne für mehr Läufer, eine Reihe von
Beobachtern.

O Füchse, Baby-Mond, Läufer, ihr seid die Gruppe von Rettungsfeuer aus weißer Schrift heute
Nacht in des roten Mannes Träume.

Wer hockt, die Beine gekreuzt und die Arme verschränkt, richtend seinen Blick gegen das Mond-
Gesicht, die Stern-Gesichter des Westens?

Wer sind die Mississippi-Tal-Geister, aus Kupfer die Stirnen, reitend drahtige Ponys in der Nacht?
Kein Zaumzeug, die Arme um der Ponys Hälse, reiten sie in der Nacht, einen langen alte Weg?

Warum kommen sie immer wieder zurück, wenn die Silberfüchse sitzen rund um den frühen Mond,
ein silbernen Kanu, im indianischen Westen?
*

DIE GETRENNTEN LIEBENDEN

DER MANN SINGT

Meine Eltern denken, sie können mich von dem Mädchen, das ich liebe, trennen;
Wir haben geschworen, einander zu lieben, solange wir leben.
Ihre Befehle sind vergeblich: wir sehen einander, solange die Welt dauert.
Ja! lass sie sagen oder tun, was sie wollen; wir sehen einander, solange die Felsen stehen.

DIE FRAU SINGT

Hier sitze ich an diesem Punkt, von wo ich den Mann, den ich liebe, sehen kann.
Unsere Leute denken, dass sie uns trennen können; aber ich werde ihn sehen, solange die Welt
dauert.
Hier werde ich bleiben, in Sichtweite dessen, den ich liebe.

II

DAS MÄDCHEN MIT DEM EIFERSÜCHTIGEN GENOSSEN IN VERLASSENHEIT SINGT

Jetzt bin ich auf dieser einsamen Insel, um zu sterben.


Niemand wird den Klang meiner Stimme hören.
Wer wird mich begraben, wenn ich sterbe?
Wer wird mein Todes-Lied singen?

Mein falscher Freund, schreib mir doch hierher, dass ich nicht allein sterbe;
Wie ein wildes Tier bin ich auf dieser Insel zu verlassen, um allein zu sterben.
Ich wünschte, der Wind-Geist würde mein Schreien hören, meine Liebe zu dir zu tragen!
Mein Liebster ist schnell wie der Hirsch; würde er durch die Geschwindigkeit kommen durch den
Wald, um mich zu finden!
Jetzt bin ich auf dieser einsamen Insel verlassen, um zu allein sterben.
Ich wünschte, der Wind-Geist würde mein Schreien hören, meinen Liebsten zu mir zu tragen!
Mein Liebster ist so schnell wie der Hirsch; würde er durch die Geschwindigkeit kommen durch
den Wald, um mich zu finden!
Jetzt bin ich auf dieser einsamen Insel verlassen, um allein zu sterben.
Ich wünschte, der Geist der Luft würde mir den Atem geben, um meinen Liebsten hierher zu tragen!
Meines Liebsten Kanu, wie Sonnenlicht, würde durch das Wasser schießen an meine Seite;
Aber ich bin auf dieser einsamen Insel verlassen, um allein zu sterben, und niemand klagt um mich,
außer die kleinen Vögel.
Mein Liebster ist mutig und stark; aber als er mein Schicksal sah, brach sein Herz.
Und ich bin auf dieser einsamen Insel, um zu sterben.
Jetzt kommt die Nacht herauf, und alles ist still, außer die Eule.
Er singt ein trauriges Lied seinen Genossen, voller Mitleid mit mir.
Ich werde versuchen, zu schlafen.
Ich wünschte, der Nacht-Geist würde mein Lied hören; er wird meinem Liebsten sagen von meinem
Schicksal; und wenn ich erwache, werde ich den sehen, den ich liebe.
Ich bin auf dieser einsamen Insel verlassen, um allein zu sterben.
III

IHREN GELIEBTEN SIEHT SIE IM TRAUM UND SUCHT IHN UND SINGT

Komm, mein Geliebter, laßt uns hinaufgehen auf den leuchtenden Berg, und sitzen zusammen auf
diesem leuchtenden Berg;
Dort werden wir beobachten die Sonne untergehen in der Schönheit an diesem glänzenden Platz.
Dort werden wir zu sitzen, bis die in die Nacht Reisende stellt sich in der Schönheit dar
Über dem leuchtenden Berg; Wir werden sie beobachten, wenn sie aufsteigt zum schönen Himmel.
Wir werden auch nach ihrer Herrin beobachten die kleinen Sterne.
Wir werden auch beobachten, wie die Nordlichter spielen ihr Spiel mit dem Ball in ihrer Kälte, im
glitzernden Land.
Dort werden wir sitzen, auf dem schönen Berg, und hören den Donner schlagen seine Trommel.
Wir werden die Blitze aus dem beleuchteten Rohr der Blitze sehen.
Wir werden die großen Wirbelwind-Rasse mit Schwall sehen.
Dort werden wir sitzen, bis alle Kreaturen einschlafen.
Dort werden wir hören, wie die große Eule singt ihr übliches Lied: Geht zum Schlaf alle,
Und schauen, wie alle Tiere gehorchen ihrem Ruf.
Dort werden wir in der Schönheit auf dem Berg sitzen und beobachten
Die kleinen Sterne in ihrem schlaflosen Flug.
Sie haben nichts gegen das Lied: "Geht schlafen alle";
Auch werden wir nichts dagegen haben, aber sitzen enger zusammen, und denken
An nichts anderes als uns beide, auf dem schönen Berg.
Auch hier ist der Gesang "geht schlafen alle" zu hören,
Und die in die Nacht Reisenden wird näher kommen, uns zu warnen, dass alle schlafen,
Außer uns und den kleinen Sternen.
Sie und ihre Herrin sind entlang wandernd und unser Geist geht mit ihnen.
Dann schläft die Eule; nicht mehr zu hören ist "geht schlafen alle";
Die Blitze zucken in der Ferne; das große Rohr geht aus;
Der Donner hat aufgehört zu schlagen seine Trommel;
Und obwohl unsere Körper uns drängen, um zu schlafen,
Sitzen wir in der Schönheit noch auf dem leuchtenden Berg.

RITUAL VON FEUER UND DUNKELHEIT

Die Mitglieder des Hono-ti-noga-Gemeinde kommen zusammen. Nun der Medizinmann oder
Schamane wirft den heiligen Tabak in den Medizinbeutel, und leise singt er:

Großer Geist, der uns dahin bringt, im Dunkeln zu schlafen,


Wir danken dir für die Stille der Dunkelheit.
(Sänger.)
Nun frage ich um Segen und will Gebete sprechen.
(Er besprengt den heiligen Tabak. Dann spricht er zu dem Unsichtbaren.)
Jetzt gebe ich dir Tabak,
Dir, der großen Dunkelheit!
(Zum Donner-Geist.)
Jetzt bieten wir dir den Tabak!
Du liebst ihn am meisten von allen Opfern.
Mit ihm werden wir besser hören
Und nicht müde unsere Reden,
Aber lieben dich mit aller Kraft
Jenseits aller Schätze
Oder der Verbreitung von Wörtern durch die Luft!
Alle Menschen reisen unterm großen Himmel.
Du hast aufgefordert deine Enkelkinder und alle Völker;
Oh Hersteller von Lärm,
Du, der große Donnerer!
Deine Enkelkinder wollen dir danken!
Alle deine Enkelkinder haben mich gefragt,
Diesen Tabak auf dem Berge darzubringen!
(Gespräch mit dem Großen Geist.)
Du der Allschöpfer,
Oben der Allerhöchste,
Der beste Freund des Menschen!
Wir bitten dich, uns zu helfen!
Wir flehen um deine Gnade!
Ich habe gesprochen.

Die Lichter werden ausgelöscht, so dass die Szene in völliger Dunkelheit liegt. Der Beobachter der
Medizin deckt die Bündel an, hält sie in die Luft, und wie er das tut, eine schwache leuchtende
Wolke schwebt über dem Tisch und verschwindet. Nun gibt der Sänger das Signal, und die
Mitglieder der Gemeinde singen:

GESANG DER DUNKELHEIT

Warte hier in der Dunkelheit!


Kommt, alle, die ihr hören wollt,
Geht auf die magische Reise:
Jetzt ist der Himmel leer
Von aller Sonnen und Sterne Glanz;
Komm, wir verlieren unseren Boden.
Die Nacht ist keine Freundin von uns;
Sie hat ihre Augenlider geschlossen.
Der Mond, der uns vergessen hat,
Lässt uns warten in der Dunkelheit!

Jetzt nehmen die Häuptlinge ihre Rasseln, sie sanft schüttelnd, der Sänger singt, und die Mitglieder
der Gemeinde geben die Peitsche und weinen.

DER GESANG ZUR EINLADUNG ZUM TOTEM

(Chorus)
So singt die Peitsche:
Folge mir, folge mir!
So spricht der Häuptling zu ihr:
Ja, ich werde dir folgen!
Siehe der Nacht Verdunkelung
Geht durch das Schattenland;
Kein Licht winkt uns,
Es murmelt der Wasserfall,
So singt des Flusses Stimme!
Jemand ist kurz vor uns,
Kriecht zu uns in der Nähe,
Zwei Feuer der Augen sind in der Nähe
Und erleuchten des Waldes Pfad.
Höre, wie sein Atem weht hindurch!
Folge mir! Folge mir!
So singt die Peitsche.
Ja, ich bin folgsam!
So der Häuptling gibt ihr Antwort.

Schreie bekunden, dass der Wolf und sein Kamerad den Raum betreten haben.

Horch, die Bäume flüstern,


Verbiegen ihre alten Körper niedrig,
Nicht der starke Nordwind,
Nein, aber ein großer und schneller Sturm.
Teile sie mit pfeifendem Atem!
Horch, wie die Dickichte rauschen!
Furchtlos die Tritte gehen.
Schiebe die Bäume auseinander!
Große Hörner teilen sie.
(Wieder der Peitschen-Chor.)

Jetzt Rehbock und Reh, mit Röhren, treten ein. Der Gesang geht weiter:

Wie gehe ich zitternd!


Kein Schnee wird fallen,
Wo versteckt sich die Sonne?
Etwas Schnellfüßiges kommt
Röhrend und warnt mich!
Augen der Nacht, sind es Vorhänge,
Die fallen wie schwerer Nebel?
Jetzt schleicht es in meiner Nähe,
Warnend und winkend,
Wo der Schwarzwald weht.
(Schwarzkehlen-Chor.)

Der Bär und sein Kamerad sind gekommen, und das Lied geht weiter:

Wie der Wind pfeift!


Niemand wagt es, zu rennen mit ihm.
Große Bäume beugen niedrige,
Flüsse kämpfen sich zurück,
Brüllendes Spritzwasser!
Höre, wie die starke Flügel schlagen
Tief im böigen Himmel!
Hoch durch die Nacht fliegt
Ein Pfeifen und Schreien, noch
Jagt es die Beute, die läuft schnell!
(Schwarzkehlen-Chor)
Der Falke und sein Kamerad werden angekündigt. Dann kommen die Riten als Symbol für die
Gefahren des Waldes, Verwicklungen und sumpfige Schrecken. Der Legende nach muss der Adler
die Sitzung schließen. Sein Kommen, das auf einer kleinen Flöte nachgeahmt wird, gibt den Tag
kund. Als das Morgenlicht den zeremoniellen Ort durchdringt, skandiert der letzte Chor.

DER ADLER

Tief die Tau-Wasserfälle!


Niemand kommt in meine Nähe!
Wo bist du, Peitsche?
Warum muss ich warten?
Rufst du, forderst du?
Schreie die ganze Nacht
Mit großen Federn.
Fange die Dunkelheit auf!
Ich höre den Adler,
Er zog die Decke zurück
Vom Osten, der schläft immer noch.
Wie schnell er fliegt,
Wobei die Sonne am Morgen steigt;
Schau, wie er hockt
Auf den Spuren des Ost-Himmels.
Peitsche, ich folge dir nicht mehr!
Wenn die Nacht wieder kommt,
Wirst du schreien: Folge mir?

Der Sänger endet, und die Matronen bringen Nahrung und verteilen sie an alle.

ICH NENNE DICH MEIN EIGEN

Erwache! Blume des Waldes, himmelbeschreitender Vogel der Prärie!


Erwacht! Erwache! Wunderbare rehäugige Eine!
Wenn du auf mich siehst, bin ich zufrieden; wie Blumen, die Tau trinken.
Der Atem deines Mundes ist der Duft der Blumen am Morgen,
Dein Atem ist ihr Duft am Abend, wenn der Mond schwindet.
Werden nicht die roten Ströme meiner Adern zu dir laufen
Als Waldstrom der Sonne in den Mond der hellen Nächte?
Wenn du neben mir bist, singt mein Herz; ein Zweig tanzt,
Tanzend vor dem Wind-Geist im Mond der Erdbeeren.
Wenn du über mich die Stirn runzelst, Geliebte, wächst die Dunkelheit meines Herzens,
Einen leuchtenden Fluss die Schatten der Wolken verdunkeln,
Dann mit deinem Lächeln kommt die Sonne und macht Gold.
Furchen zog der kalte Wind in das Gesicht des Wassers.
Mein eigen! Siehe, ich will dich! Blut meines schlagenden Herzens!
Die Erde lacht, das Wasser lächelt, selbst der Himmel der Wolken lächelt, aber ich,
Ich verliere den Weg des Lächelns, wenn du nicht in der Nähe bist,
Erwache! Erwache! O meine Geliebte!

*
LIEBESLIED

Wen immer ich anschaue,


Er wird vor Liebe verrückt!
Mit wem immer ich spreche
Er wird vor Liebe verrückt!
Wem immer ich etwas zuflüstere,
Er wird vor Liebe verrückt!
Alle Männer, die die Frauen lieben,
Sie regiere ich, ich regiere sie,
Wisse das, mein Freund;
Wen ich berühre, wen ich anfasse,
Er wird vor Liebe verrückt!

*
WEISHEIT

(Der Geist spricht,


"Träume, oh, träume wieder,
Und sag mir, was du träumtest.
Traum du!")

In die Einsamkeit ging ich,


Und Weisheit wurde mir offenbart.
(Der Geist spricht,
"Träume, oh, träume wieder,
Und sag mir, was du träumtest.
Traum du!")

Lass die ganze Welt auf mich hören,


Weise, wie ich bin!
(Jetzt spricht der Geist,
"Sag mir deinen Traum,
Traum du!")

Alles wurde mir offenbart,


Von Anfang an
Weiß ich alles, hört mich!
Alles wurde mir offenbart!
(Jetzt spricht der Geist,
"Sag mir deinen Traum,
Traum du!")

HEILUNGSGESANG

Sie sind in enger Übereinstimmung


Mit ihren Köpfen zusammen:
Wenabojo
Und seine Großmutter.
LIEBESZAUBER

Was sagst du zu mir?


Ich bin wie die Rosen
Und schön wie sie.

ICH LAUFE

Zu ruhigen und schattigen Plätzen


Ich laufe
Auf der Erde.

SIE HALTEN MICH FÜR UNWÜRDIG

Sie glauben, ich sei's nicht wert,


Meine Brüder,
Aber schauen und sehen
Die Höhe meines Wigwams.

DER TON IST VERSTUMMT

Der Ton ist verstummt.


Es ist aus fünf Tönen
Die Freiheit.
Der Ton ist verstummt.
Es ist aus fünf Tönen.

DES DOKTORS GESANG

Ich singe und träume auf meinem armen Weg


Über die Erde.
Ich, der wieder von Bord gehen wird
Auf der Erde.

GESANG DER BÄUME

Der Wind...
Nur -
Ich fürchte mich vor ihm.

DER GESANG DES DONNERS

Manchmal
Geh ich mitleidig
Mit mir selbst,
Während ich durch den Wind fahre
Über den Himmel.

DER GESANG DES STURMES

Von der Hälfte


Des Himmels -
Das, was dort lebt,
Kommt und macht ein Geräusch.

ICH FÜRCHTE DIE EULE

Sehr, sehr
Auch
Ich
Die Eule
Fürchtete,
Wann immer ich allein saß
Im Wigwam.

ICH BIN SO MUTIG WIE ANDERE MÄNNER

Männer, die mutig und heldenhaft sind,


Wie du sie zu schätzen weißt!
Wie sie
Ich auch
Bin heldenhaft und mutig!

MEINE MUSIK ERREICHT DEN HIMMEL

Meine Musik
Nimmt den Lauf
In den Himmel.

ABSCHIED VON DEN KRIEGERN

Kommt,
Es ist Zeit, euch zu verlassen,
Wir gehen auf eine lange Reise.

GESANG DES MANNES, DER GEHÄNGT WERDEN SOLLTE

Der Donner wird mich nach Hause holen,


Wann immer ich nach Hause zu gehen will,
O meine Freunde,
Und der Wind
Wird mich nach Hause holen.

FREUNDLICHES LIED

Da drüben
Im Himmel
Haben sie Mitleid mit mir.

II

Der Himmel
Liebt es,
Mich zu hören.

GESANG DES BÜFFELS

Schlagt unser Land


Mit gebogenen Hörnern!

LIED DES MINISINOWUCK

Es ist ungewiss, was passieren wird


Dem einen, von dem ich fortfliege.
Es ist ungewiss, was passieren wird
Dem einen, von dem ich aufsteige.

TROMMELGESANG

Ich lasse sie tanzen,


Jene tapferen Männer.
jene tapferen Männer
jeder von ihnen

GESANG DER FRAU-VOM-ROTEN HIMMEL, DIE MIT IREM MANN IN DIE SCHLACHT
ZOG SINGEND

Damals,
Wenn ich ein Mann gewesen wäre -
Wirklich,
Ein Mann -
Ich würde sie besiegt haben.

TODESGESANG
Der Geruch des Todes...
Ich erkennen den Geruch des Todes
In der Front meines Körpers.

DIE SIOUXFRAUEN SAMMELN IHRE VERWUNDETEN EIN

Die Sioux-Frauen
Gehen hin und her und jammern,
Während sie sammeln
Ihre Verwundeten ein.
Die Stimme ihres Weinen
Kommt zurück zu uns.

SIE SPIELEN EIN SPIEL

Der Lärm der wandernden Füße


In der Prärie.
Sie werden ein Spiel spielen, wie sie kommen,
Jene Männer.

SCALP-GESANG

Ich frage mich,


Ob sie gedemütigt wird,
Die Sioux-Frau,
Dass ich ihm abgeschnitten den Kopf?

GESANG VOM FREUDENTAG

Sie sagt:
Ich freue mich,
O, mein Sohn,
Dass du deinen älteren Bruder
Mitgebracht hast,
O, mein Sohn,
Es sollte so sein.
Ich freue mich darüber,
O, mein Sohn!

TODESGESANG

Gibt es jemanden,
Der um mich weinen würde?
Meine geliebte Frau
Würde um mich weinen.
GESANG DES SCHMETTERLINGS

In der kommenden Wärme


Des Tages
Ich stand da.

AHORNSIRUP

Ahornsirup
Ist die einzige Sache,
Die mich befriedigt.

FRÜHLINGSGESANG

Als meine Augen


Suchten
Die Prärie,
Ich fühlte den Sommer im Frühling.

DURCH DEN HIMMEL

Da der Wind mich trägt,


Reise ich durch den Himmel.

DER HIMMEL WIRD WIDERHALLEN

Es wird fein klingen


Der Himmel,
Wenn ich ein Geräusch mache.

AN EINE ÜBERHÄNGENDE WOLKE

Eine überhängende
Wolke
Wiederholt meine Worte
Mit angenehmem Klang.

EIN BERG VON WOLKEN

Große Haufen
Von Wolken
In der Richtung, da ich suche.

DER LÄRM DES DORFES


Immer, wenn ich eine Pause mache,
Hör ich das Geräusch
Des Dorfes.

BEGRÄBNISGESANG

Neniwa
Verlässt uns
Und wir werden sehen,
Ihren Körper,
Wie ich will.

LIEBESLIEDER

MEINE LIEBE IST ABGEWICHEN

Eine Blase
Dachte ich, wär es,
Aber es war
Meines Liebsten
Spritzwasser vom Ruder.

II

Nach Sankt Maria


Hat er mich verlassen,
Mein Liebster hing von mir weg,
Nie wieder
Werde ich ihn sehen.

DER GROSSZÜGIGE EINE

Warum soll
Ich, ich
Eifersüchtig sein
Wegen diesem bösen Buben?

WIEDERHERSTELLUNG

Weine nicht,
Ich werde noch nicht sterben.

LIEBE VERLETZT
Obwohl er Gemeines sagte,
Immer noch
Ich bin voller Sehnsucht,
Wenn ich an ihn denke.

FRÖHLICHER ABSCHIED

Komm!
Ich gehe hin.
Ich bitte dich:
Lass mich gehen!
Ich werde bald zurückkehren!
Unterlass es,
Zu weinen um mich!
Siehe,
Wir sind sehr fröhlich,
Einander wieder zu treffen,
Wenn ich zurückkomm.
Unterlass es,
Zu weinen um mich!

EINLADUNG

Mein Schatz!
Eine lange Zeit
Hab ich auf dich gewartet.
Komm vorbei,
Wo bin ich.

SIE BEGEHRT IHN VERGEBLICH

Du wünschst vergeblich,
Dass ich dich besuche.
Der Grund ist:
Ich komme,
Um deine jüngere Schwester zu sehen!

ER IST WEG

Ich könnte trauern!


ich bin traurig,
Dass er gegangen ist,
Mein Liebhaber.

GESANG EINER EHRGEIZIGEN MUTTER


Ich bin dankbar für die Nachfrage,
Dass Bugac will
Meine Tochter.
Einen großen
Messingkessel
Muss er geben.

UNSINNSGESANG BEIM SPIEL DER STILLE

(Wenn du sprichst oder lachst, hast du verloren.)


Es hängt
Am Rand der Sonne,
Es ist ein Schwein, das ich sehe,
Mit seinen gespaltenen Hufen.
Es ist ein sehr fettes Schwein.
Die Menschen, die in einem hohlen Baum leben,
Kämpfen.
Sie sind blutig vom Kämpfen.
Er ist reich.
Er wird ein Packe Richtung des großen Wassers tragen.
(Der Hase spricht.)
Am Ende der Spitze des Landes
Ich esse die Rinde vom Baum.
Ich sehe die Spur eines Luchses.
Es ist mir egal, ob ich ihm entkommen kann.
Es ist eine springende Spur:
September!

ARBEITE STÄNDIG!

Sei sehr vorsichtig!


Ständig arbeite!
Ich fürchte, sie werden dich mir wegnehmen.

ICH HABE EINEN LIEBHABER GEFUNDEN

Oh!
Ich denke...
Oh!
Ich denke,
Ich habe gefunden .
Einen Liebhaber!
Oh!
Ich denke, so ist es.

RELIGIÖSE GESÄNGE

I
Ist es das,
Was meiner Stimme ähnelt?
Auch aus Metall
Das Ertönen meiner Stimme?

II

Von unterhalb der hohen Hügel


Meine Stimme hallt wider.

III

Die Stärke des Metalls


Hat sich in meine Pfeilspitze eingetragen.
Einen Geist
Ich könnte töten.
Die Stärke des Eisens
Hat sich in meine Pfeilspitze eingetragen.

IV

Schöner als Sterne hängend am Himmel


Sind unsere Wohnungen.

Ich habe solche Geist-Macht gewonnen,


Dass ich es in meiner Hand zu zähmen weiß.
Es ist wahr,
Sogar unsere weißen Schale
Kann ich mit meiner Hand zähmen.

VI

Böse sollt ihr nicht sprechen,


Meine Brüder,
Wo immer ihr auch sein mögt,
Sprecht nicht schlecht von einer Frau,
Meine Brüder.

VII

Wir können für immer leben,


Meine Brüder,
Es ist spirituell
Die Inspiration, die wir empfangen.

VIII

In der Mitte des Meeres,


In dem langen Raum des Meeres,
Da stehe ich.

IX

Ich, um es zu beschleunigen,
Ich schieße auf einen Mann,
Und er fällt in Trance,
Da fühle ich mit meiner Hand,
Zu sehen, ob er noch lebt.

Mein Bruder
Hat gesucht und
In seinem Herzen gefunden
Das, was ich versuche, zu entfernen:
Eine weiße Schale.

XI

In deinen Körper
Ich erschieße
Den Geist.

XII

Was ist das,


Was ich dir verspreche?
Die Himmel sind hell und klar für dich!
Dies ist es, was ich dir verspreche.

GESANG DER LENAPE

Nachdem die rauschenden Wasser sich gelegt hatten


Die Lenape von den Schildkröten waren dicht beieinander,
In hohlen Häusern, zum Zusammenleben.
Es fror, wo sie blieben,
Es schneite, wo sie blieben,
Es stürmte, wo sie blieben,
Es war kalt, wo sie blieben.
An diesem nördlichen Ort sprechen sie gut
Von milden, kühlen Ländern
Mit vielen Hirschen und Büffeln.
Als sie aufbrachen, einige waren stark,
Einige waren reich, da teilten sie sich
In Bauherren und Jäger:
Die Jäger zeigten sich im Norden,
Die Jäger zeigten sich im Osten,
Die Jäger zeigten sich im Süden,
Die Jäger zeigten sich im Westen.
In diesem alten Land, in diesem nördlichen Land,
In diesem Schildkröten-Land
Die Beste von Lenape waren die Schildkröten-Männer.
Alle Zeltfeuer dieses Landes wurden unruhig
Und alles sagte: Lasst uns gehen.
Zum Schlangen-Land im Osten gingen sie,
Wegzugehen, ernsthaft trauernd.
Zersplittert, zitternd, schwach, ihr Land verbrannt,
Sie gingen, zerrissenen und gebrochen, zur Schlangeninsel.
Diejenigen aus dem Norden waren frei, ohne Pflege,
Sie gingen aus dem Land des Schnees in verschiedene Richtungen.
Die Väter des Weißkopfseeadlers und die des weißen Wolfes blieben
Entlang des Meeres, reich an Fischen und Stärke.
Aufwärts schwimmend den Strom in ihren Kanus,
Unsere Väter waren reich, im Licht waren sie,
Als sie auf diesen Inseln waren.
Häuptling Biber und Großer Vogel sagten:
Lasst uns zur Schlangeninsel gehen, sagten sie.
Alle sagen, sie werden zusammen gehen,
Um das ganze Land zu zerstören.
Die des Norden hatten es vereinbart,
Die des Ostens hatten es vereinbart,
Über das Meer, das gefrorene Meer,
Sie gingen, es zu genießen.
Auf dem wunderschönen glatten Wasser,
Auf dem steinharten Wasser gingen alle,
Auf dem großen Gezeiten-Meer, dem muskullösen Meer.
Zehntausend in der Nacht,
Alles in einer Nacht,
Auf die Schlangeninsel, im Osten, in der Nacht,
Sie laufen und laufen, alle von ihnen.
Die Männer aus Norden, Osten, Süden:
Der Adler-Clan, der Biber-Clan, der Wolf-Clan,
Die besten Männer, die Reichen, die Hauptläute,
Diejenigen mit Ehefrauen, die mit Töchtern, die mit Hunden.
Sie alle kommen in das Land der Fichten:
Die aus dem Westen kommen, ohne zu zögern,
Wertschätzend hoch ihr altes Haus im Schildkröten-Land.
Es gab keinen Regen und keinen Mais,
So zogen sie weiter seewärts.
Am Ort der Höhlen, in dem Büffel-Land,
Sie hatten endlich Nahrung auf einer angenehmen Ebene.

HEILIGE FORMELN

ÜBER DAS LEBEN DER MENSCHHEIT

LIEBESZAUBER

Hu! Höre! In Alahi hast du Ruhe, schreckliche Frau,


O ihr, in der Nähe lebt, horch!
In Alahi hast du Ruhe, weiße Frau.
Niemand ist jemals einsam, wenn er mit dir ist.
Du bist eine der schönsten Frauen.
Sofort und auf einmal hast du mir einen weißen Mann gemacht.
Niemand ist jemals einsam, wenn er bei dir ist.
Jetzt mögest du den Pfad weiß für mich machen.
Er wird nie trostlos sein.
Du hast dich zu mir von oben auf der weißen Straße gebracht.
Die Mitte der Erde hast du mir entgegengebracht.
Ich werde aufrecht auf der Erde stehen.
Niemand ist jemals einsam, wenn er bei dir ist.
Ich bin sehr gut.
Du hast mich ins weiße Haus gebracht.
Ich werde dabei sein, wie es bewegt wird,
Und niemand mit dir wird jemals einsam sein.
Wahrlich, ich werde nie blau.
Und jetzt gibt es in Alahi die blaue Frau.
Jetzt kannst du den Pfad blau machen.
Laß sie in der Einsamkeit komplett verhüllt sein.
Lege dich an die blaue Straße.
Und jetzt bringen sie dich herab.
Zeige, wo sie stehen auf der Erde.
Wo ihre Füße sind jetzt und wohin sie gehen können,
Lass Einsamkeit hinterlassen ihre Spuren.
Lass sie mit Einsamkeit markiert werden, wo sie steht.
Ha! Ich gehöre zum Wolf-Clan,
Der ich allein dir zugeteilt wurde.
Niemand ist jemals einsam mit dir.
Ich bin attraktiv.
Lege ihre Seele ins Zentrum meiner Seele.
Gib, dass ich in der Mitte der Männer nie an dich denke.
Ich gehöre zu einem Clan allein, der dir zugeteilt wurde,
Als die sieben Clans entstanden.
Wo andere Menschen leben, ist es einsam.
Sie sind sehr abscheulich.
Der gemeinsame Iltis hat sie gemacht,
Dass sie nur für sein Werk geeignet sind.
Sie sind zu bloßem Müll geworden.
Sie sind sehr abscheulich.
Das Opossum hat sie gemacht,
Dass sie geeignet für sein Werk sind.
Sie sind sehr abscheulich.
Auch die Luft hat sie gemacht,
Dass sie nur für ihr Werk geeignet sind.
Sie sind sehr abscheulich.
Die miserable Regenkrähe hat sie gemacht,
Dass sie nur für ihr Werk geeignet sind.
Die sieben Clans alle gleich geben einem das Gefühl,
Sehr einsam zu sein in ihrem Unternehmen.
Sie sind nicht einmal gut.
Sie gehen etwa mit bloßem Müll bekleidet.
Sie haben sich sogar über und über mit Kot bedeckt.
Aber ich, ich wurde zum Priester geweiht,
Um ein weißer Mann zu sein.
Ich stehe mit meinem Gesicht in Richtung Sonnen-Land.
Niemand ist jemals einsam mit dir.
Ich bin sehr gut.
Ich werde sicher nie blau werden.
Ich bin von dem ewigen weißen Haus gedeckt,
Wohin immer ich gehe.
Niemand ist jemals einsam mit dir.
Deine in den Mittelpunkt meiner Seele komm!
Ich, Gatigwan, ich nehme deine Seele!
Segen!

II

ZUR SICHERSTELLUNG DER TREUE

Höre! O, jetzt in der Nähe, höre, o Große Alte!


Die Seele dieser Frau soll zur Ruhe kommen
Am Rand des Körpers.
Sie sind nie deine Macht über sie verlassen.
Er wird zum Priester geweiht,
Dass sie nur tut, wozu sie aufgefordert wird.
Lass sie an jedem anderen Ort nie denken.
Ihre Seele ist in ihrem Körper verblasst.
Sie wird durch die grauen Fäden gebunden.

III

Höre! Ha! Jetzt die Seelen sind erfüllt, nie geteilt,


So hast du gesagt, o Große Alte oben.
O schwarze Spinne, die du aus der Höhe gekommen.
Du hast dein Spinnennetz gelassen.
Sie ist vom Reh-Clan, ihr Name ist Ayasta.
Ihre Seele ist in deinen Spinnennetz eingewoben.
Höre! Ha! Aber jetzt kannst du mit der Einsamkeit aufhören.
Ihre Augen sind verblasst.
Wohin kann ihre Seele entkommen?
Lass ihre Trauer sein, wenn sie entlang geht,
Und nicht für eine Nacht allein.
Lass sie zu einem ziellosen Wanderer werden,
Dessen Spur kann nie verfolgt werden.
O Schwarze Spinne, bewahre ihre Seele in deinem Netz,
So dass sie nie durch die Maschen fällt.
Wie lautet der Name der Seele?
Sie beiden haben sich zusammengeschlossen.
Sie gehört mir!
Höre! Ha! Und jetzt hast du gehört,
O Alte Rote.
Deine Enkelkinder sind an den Rand des Körpers gekommen.
Sie halten sie noch fester in deiner Reichweite.
O Große Alte, wir wollen eins werden.
Die Frau hat ihre Seele in meine Hände gelegt.
Ich werde sie niemals gehen lassen!
Yah!

IV

DES LEBENS ZERSTÖRUNG

Höre! Jetzt bin ich gekommen, um über die Seele zu schreiten.


Du bist der Wolf-Clans.
Dein Name ist Ayu-nini.
Deinen Speichel habe ich in Ruhe unter die Erde gesetzt.
Ich bin gekommen, um dich zu bedecken
Mit dem schwarzen Rock.
Ich bin gekommen, um dich zu bedecken
Mit dem schwarzen Tuch.
Ich bin gekommen, um dich zu bedecken
Mit den schwarzen Platten, um nie wieder aufzutauchen.
In Richtung des schwarzen Sarges des Hochlands
In der Verdunkelung Land
Deine Wege werden sich erstrecken.
So wird es für dich sein.
Der Lehm des Hochlands ist gekommen, um dich zu bedecken.
Sofort der schwarzen Lehm ist dort untergebracht,
Wo du in Ruhe bist in den schwarzen Häusern
In der Verdunkelung Land.
Mit dem schwarzen Sarg und mit den schwarzen Platten
Ich bin gekommen, um dich zu bedecken.
Jetzt ist deine Seele verklungen.
Sie hat sich zu Blau verwandelt.
Wenn die Dunkelheit kommt,
Dein Geist wird weniger werden und schwinden,
Um nie wieder aufzutauchen.
Höre!
V

DER ERSCHLAGENE

Ha-yah! Yah! Höre!


Jetzt sofort haben wir die rote Kriegskeule gehoben.
Schnell seine Seele ist ohne Bewegung.
Dort unter der Erde,
Wo die schwarzen Kriegskeulen werden bewegt,
Wie Ball-Stöcke im Spiel,
Gibt er seine Seele, um nie wieder aufzutauchen.
Wir veranlassen es, so zu sein.
Er wird nie mehr heben die Kriegskeule.
Wir veranlassen es, so zu sein.
Es wird unter der Erde
Die schwarze Kriegskeule und den schwarzen Nebel haben
Zusammen als eins für deine Bedeckung.
Der schwarze Nebel wird nie von ihm gehoben werden.
Wir veranlassen es, so zu sein.

DIE GESTALTUNG DER KINDER

GESANG DES ROTEN-ADLER-CLANS

Die erste der Rassen sagte:


Ha, der jüngere Bruder! Die Kinder haben keine Körper.
Wir werden Stellen für unsere Kinder suchen.
Ha, der jüngere Bruder! Er hat ihn dafür zu besuchen.
Sie erreichten eine obere Welt und standen auf.
Da waren sie keine Menschen.
Ha, der jüngere Bruder! Die Kinder haben keine Körper.
Wir müssen die Stellen für unsere Kinder suchen.
Sie erreichten die zweite obere Welt und standen auf.
Da waren sie keine Menschen.
Ha, der jüngere Bruder! Die Kinder haben keine Körper.
Wir müssen die Stellen für unsere Kinder suchen.
Sie erreichten die dritte Oberwelt und standen auf.
Da waren sie keine Menschen.
Ha, der jüngere Bruder! Die Kinder haben keine Körper.
Wir müssen die Stellen für unsere Kinder suchen.
Sie erreichten die vierte Oberwelt und standen auf.
Da wurden sie zu Menschen.
Dennoch waren die Kinder ohne menschlichen Körper.
Wir müssen weiterhin Stellen für unsere Kinder suchen.
Sie kehrten nach der dritten Oberwelt zurück und standen auf.
Die Kinder waren wirklich ohne Körper.
Ha, der jüngere Bruder! Die Kinder haben keine Körper.
Wir müssen weiterhin Stellen für unsere Kinder suchen.
Sie kehrten zur zweiten oberen Welt zurück und standen auf.
Die Kinder fanden keine Körper für sich.
Ha, der jüngere Bruder! Die Kinder haben keine Körper.
Wir müssen die Prüfung noch eine Weile machen.
Sie kehrten zur ersten oberen Welt zurück und standen auf.
Sie kamen zur Roteiche und standen auf ihr.
An einem sehr schönen Tag kamen sie hierher und standen auf.
Der Schwarze Bär, der damals alles bewegte,
Direkt zu ihnen kam und stand auf.
Ho, älterer Bruder! sagte der Schwarze Bär.
Du sollst auch weiterhin meine Füße verbrennen.
Ha, Schwarzer Bär! sagte Tsicu.
Der Schwarze Bär ging zum Sternbild des Großen Bären.
Ha, Großvater! sagte er.
Die Kinder haben keine Körper.
Der Große Bär antwortete: Kann ich den Kindern Körper geben?
Ich habe eine ewigen Straße, auf der muss ich gehen.
Ich bin nicht der einzige Geheimnisvolle.
Du solltest sie noch eine Weile suchen.
Dann ging der Schwarze Bär
Zu dem Sternbild der Großen Bärin.
Ha, Großmutter! sagte er.
Die Kinder haben keine Körper.
Sie antwortete: Kann ich Körper für die Kinder machen?
Ich habe eine ewige Straße, an die muss ich mich halten.
Ich bin nicht die einzige Geheimnisvolle!
Du solltest sie noch eine Weile besuchen.
Dann ging er zu dem mysteriösen Tag.
Ha, Großvater! sagte er.
Die Kinder haben keine Körper.
Sagte er: Kann ich den Kindern Körper geben?
Ich habe eine ewige Straße, an die ich mich halten muss.
Ich bin nicht der einzige Geheimnisvolle.
Du solltest sie noch eine Weile besuchen.
Dann ging er zu der mysteriösen Nacht.
Ha, Großmutter! sagte er.
Die Kinder haben keine Körper, Großmutter!
Der Mond antwortete: Kann ich Körper für die Kinder schaffen?
Ich habe eine ewige Straße, in der ich mich halten muss.
Ich bin nicht die einzige Geheimnisvolle.
Du solltest sie noch eine Weile besuchen.
Dann ging er zu den Plejaden und sprach:
Ha, Großeltern!
Die Kinder haben keine Körper.
Einer von ihnen antwortete: Kann ich Körper für die Kinder schaffen?
Ich habe eine ewige Straße, an die muss ich mich halten.
Ich bin nicht der einzige Geheimnisvolle.
Du solltest sie noch eine Weile besuchen.
Dann ging er zu der Konstellation namens Hirsch.
Ha, Großvater, sagte er.
Die Kinder haben keine Körper.
Letzterer antwortete: Kann ich den Kindern Körper schaffen?
Ich habe eine ewige Straße, an die muss ich mich halten.
Ich bin nicht der einzige Geheimnisvolle.
Du solltest sie noch eine Weile besuchen.
Dann ging er zum Morgenstern und sprach:
Ha, Großmutter!
Die Kinder haben keine Körper.
Der Stern antwortete: "Kann ich Körper für die Kinder schaffen?
Ich habe eine ewige Straße, an die muss ich mich halten.
Ich bin nicht die einzige Geheimnisvolle.
Du solltest sie noch eine Weile besuchen.
Dann ging er zu dem kleinsten Stern, sagte:
Ha, Großvater!
Die Kinder haben keine Körper.
Der kleinste Stern antwortete:
Kann ich Körper für die Kinder schaffen?
Ich habe eine ewige Straße, an die muss ich mich halten.
Ich bin nicht der einzige Geheimnisvolle.
Du solltest sie noch eine Weile besuchen."
Die weibliche Rotbrust, die seitdem bewegt war,
Wurde auf ihrem Nest sitzend gesehen.
Zu ihr kam er und sprach:
Ha, Großmutter!
Die Kinder haben keine Körper.
Sie antwortete: Ich kann dazu führen,
Dass Kinder menschlichen Körper von meinem eignen bekommen.
Mein linker Flügel wird ein linker Arm für die Kinder.
Mein rechter Flügel wird ein rechter Arm für sie sein.
Mein Kopf wird ein Kopf für sie sein.
Mein Mund soll ein Mund für sie sein.
Meine Stirn muss eine Stirn für sie sein.
Mein Hals wird ein Hals für sie sein.
Mein Rachen wird ein Rachen für sie sein.
Meine Brust wird ein Brustkorb für sie sein.
Meine Oberschenkel werden Oberschenkel für sie sein.
Meine Knie werden Knie für sie sein.
Meine Fersen werden ihre Fersen.
Meine Zehen sollen ihre Zehen werden.
Meine Krallen sollen ihre Fußnägel sein.
Du wirst ewig leben ohne Zerstörung.
Deine Kinder werden als menschliche Wesen leben.
Die Rede von Kindern werde ich deinen Kindern schenken. -
Und so das Kind wird in dem Kosmos
Zur Geburt eingeführt.

II

EIN NEUES LEBEN

Ha! Ihr, Sonne, Mond und Sterne, alle,


Die ihr euch in den Himmeln bewegt,
Ich bitte euch, mich zu hören!
In eure Mitte hat ein neues Leben begonnen.
Seid zufrieden, ich bitte euch!
Bereitet den Weg, dass er die Stirn des ersten Hügels erreicht!
Ha! Ihr, Winde, Wolken, Regen und Nebel, alle,
Die ihr euch in der Luft bewegt,
Ich bitte euch, mich zu hören!
In eure Mitte hat ein neues Leben begonnen.
Seid zufrieden, ich bitte euch!
Bereitet den Weg, dass er die Stirn des zweiten Hügels erreicht!
Ha! Ihr, Hügel, Täler, Flüsse, Seen, Bäume, Gräser,
Alle, die ihr von der Erde seid,
Ich bitte euch, mich zu hören!
In eure Mitte hat ein neues Leben begonnen.
Seid zufrieden, ich bitte euch!
Bereitet den Weg, dass er die Stirn des dritten Hügels erreicht!
Ha! Ihr Vögel, große und kleine, die in die Luft fliegen,
Ha! Ihr Tiere, große und kleine, die im Wald wohnen,
Ha! Ihr Insekten, die unter den Gräsern leben
Und graben sich in den Grund,
Ich bitt euch, mich zu hören!
In eure Mitte hat ein neues Leben begonnen.
Seid zufrieden, ich bitte euch!
Bereitet den Weg, dass er die Stirn des vierten Hügels erreicht!
Ha! Alle ihr im Himmel, alle ihr in der Luft, alle ihr auf Erden,
Ich bitte euch, mich zu hören!
In eure Mitte hat ein neues Leben begonnen.
Seid zufrieden, ich bitte euch!
Bereitet den Weg, so kann er über die vier Berge reisen!

RITUAL-GESANG FÜR DIE SCHITZHÜTTE DER KRANKEN

Der Stein, mit den heilenden Kräfte seiner Wärme, wird zum Symbol der Beständigkeit und
Festigkeit.

Ha! Im Alter von Ecka,


Zu seiner Zeit, da wurden zusammen sieben Personen versammelt,
Sie setzte sich auf den siebten Platz, so heißt es,
Und der Siebente, du allein besaßest Kenntnis von allen Dingen,
Im Alter von Ecka.
Wenn sie in ihrer Sehnsucht nach Schutz und Führung lebten,
Die in ihren Köpfen nach einem Weg suchten für die Menschen,
Sie sahen sie mit Beständigkeit und Ausdauer sitzen
In der Mitte, wo zusammentrafen die Pfade,
Dort, der Gewalt der vier Winde ausgesetzt, setzten sie sich,
Mit Macht, durch ihr Flehen etwas zu erhalten,
Im Alter von Ecka.
Wo ist sein Mund, durch den sich die Sprache äußert?
Wo ist sein Herz, in das Wissen und Verständnis kommt?
Wo sind die Füße, womit er sich von Ort zu Ort bewegt?
Wir hinterfragen verwundert,
Doch wahrlich, so heißt es, er allein hat die Macht,
Durch Flehen Gunst zu empfangen,
Im Alter von Ecka.
Ich habe gewünscht, den Weg des Lebens mit meinen Kleinen
Noch weiter gehen zu dürfen,
Ohne Schmerzen, ohne Krankheit,
Über die zweite, dritte und vierte Periode des Lebensweges,
Im Alter von Ecka.
O sie zu hören! Dies ist mein Gebet,
Obwohl ich Worte sprach, schlecht zusammengereimt,
Im Alter von Ecka.

RITUALGESANG FÜR DIE KRANKEN

Ha! Im Alter von Ecka,


Du Fels, Ecka,
Im Alter von Ecka,
Ha! Ich habe diese Kleinen gelehrt -
Sie gehorchten, Ecka,
Im Alter von Ecka.
Ha!
Ha! Ungerührt von der Zeit ohne Ende, wahrlich,
Du sitzest da, Ecka,
Inmitten der verschiedenen Pfade der kommenden Winde,
In der Mitte der Winde sitzest du, Ecka,
Im Alter von Ecka.
Ha! Die kleinen Gräser wachsen um dich, Ecka,
Du sitzest, als ob sie deine Wohnung wären, Ecka.
Ha! Wahrlich, du sitzest mit dem Kot von Vögeln bedeckt, Ecka,
Den Kopf mit den Daunenfedern der Vögel geschmückt, Ecka,
Im Alter von Ecka.
Du, der du stehst neben der Macht, Ecka,
Ha! Du Wasser, Ecka,
Wasser, das geflossen ist
Von der Zeit unberührt, Ecka.
Ha! Ich habe euch, die Kleinen, getroffen,
Obwohl deine Geheimnisse werden nicht offenbart,
Diese Kleinen sehnen sich nach deiner Berührung, Ecka.
Ha! Du stehst als Säule einer Wohnstätte, Ecka,
Selbst wie einer Wohnstätte, Ecka,
Den großen Tieren, Ecka.
Ha! Wer macht für uns die Abdeckung, Ecka?
Diese Kleinen, wie du geredet hast,
Lassen ihre Gedanken ehrfurchtsvoll bei Ecka wohnen.
Ha! Du Zeltrahmen, Ecka,
Du stehst, mit gebeugtem Rücken über uns,
Mit gebückten Schultern beugtest du dich über uns.
Wahrlich, du stehst!
So meine Kleinen werden von mir sprechen.
Du hast gekämmt die Haare von deiner Stirn, Ecka,
Das Haar von deinem Haupt,
Das Gras, das dir wächst,
Deine Haare, die grau geworden sind, Ecka,
Die Haare, die auf deinem Haupt wachsen, Ecka.
O, die Wege, da ich die Kleinen treffe, Ecka,
Unabhängig von der Gefahr, dass Ecka fliehen könnte,
Sie werden entkommen.
Die Schultern werden mit dem Alter gebogen,
Wie sie gehen werden,
Wenn sie auf dem gut ausgetretenen Pfade zu Fuß gehen,
Beschattend die Stirn hin und wieder mit ihren Händen,
Wenn sie in ihrem Alter, Ecka, zu Fuß gehen,
Daß sie an deiner Kraft teilhaben, Ecka!
Daher wünsche ich meine Kleinen eng an deiner Seite, Ecka,
Ehrwürdiger Ecka.

RITUAL DER KOSMISCHEN KRÄFTE

Gegen das Kommen der Sonne


Werden Menschen aller Art gesammelt
Und große Tiere aller Art.
Wahrlich, alle zusammen als Menschen versammelten sich, wie gut!
Insekten auch jeder Art,
Wahrlich, alle versammelten sich dort zusammen,
Durch welche Mittel oder Weise, wissen wir nicht.
Wahrlich, einer allein von all diesen war der größte,
Inspirierend allen Köpfen,
Der große weiße Felsen,
Stehend, erreichte hoch den Himmel, in Nebel eingehüllt,
Wahrlich, so hoch wie der Himmel.
So meine Kinder sollen von mir reden,
Solange sie ist auf allen Lebenspfaden reisen,
So werden sie gut von mir sprechen.
So waren die Worte, die gesagt worden sind.
Dann im Rang am nächsten
Du, männlicher Kranich, standst mit deinem langen Schnabel
Und deinem Hals, keiner wie du, in der Länge,
In deinem Schnabel hast du das ganze Erdreich.
Das soll die Legende sein
Der Menschen von einst, der roten Menschen,
So meine Kleinen werden gut von mir zu sprechen.
Dann im Rang stand als nächster
Der männliche graue Wolf, dessen Schrei,
Obwohl ohne Anstrengung geäußert,
Wahrlich, ließ die Erde erzittern,
Auch die stabile Erde erzittern.
Eine solche wird die Legende der Menschen sein.
Dann im Rang stand als nächster
Der Mäusebussard, mit seinem roten Hals.
Ruhig stand er, seine großen Flügel ausbreitend,
Ließ die Hitze der Sonne gerade seine Federn sein.
Langsam schlug er mit den Flügeln,
Dann schwamm er, wie ohne Anstrengung,
Somit zeigend eine Leistung (ein Geschenk Wakondas),
Von der oft von den alten Männern
In ihren Lehren gesprochen wird.

GESANG DER VERACHTUNG

Enna!
Der, den ich wünschte zu heiraten,
Ist in den Krieg gezogen.
Enna!
Der, den ich hasste,
Ist nicht ausgezogen, sondern bleibt hier.

GESÄNGER DER RELIGION DER TÄNZER DES GEISTES

ENTTÄUSCHUNG

Meinen Kindern, wenn sie auch mochten die Weißen,


Meinen Kindern, wenn sie auch mochten die Weißen,
Ich gab ihnen süße Früchte,
Ich gab ihnen süße Früchte.

EKSTASE

Meine Kinder, meine Kinder,


Der Wind lässt die Kopffedern singen,
Der Wind lässt die Kopffedern singen.
Meine Kinder, meine Kinder!

WERKE DES GEISTES

Meine Kinder, meine Kinder,


Ich habe Mitleid mit denen, die gelernt haben,
Weil harte Lasten sie bedrücken,
Sagt Unser Vater.

WUNDER

Wie hell ist das Mondlicht!


Heute Abend, da ich reite mit meiner Last von Büffelfleisch.

DER WIND DER VERÄNDERUNG SPRICHT


Ich umkreise
Die Grenzen der Erde,
Tragend die langen Flügelfedern, wie ich fliege.

VISION

Meine Kinder, meine Kinder,


Schaut, die Erde ist im Begriff, sich zu bewegen.
Mein Vater sagt es mir.

GEISTESFREUDE

Ich fliege mit der gelben,


Ich fliege mit der wilden Rose auf dem Kopf,
Hoch gen Himmel!

OFFENBARUNG

Meine Kinder, meine Kinder,


Ich bin es, der den Morgenstern auf dem Kopf trägt;
Ich zeige es meinen Kindern,
Sagt der Vater.

MÜHEN DES GEISTES

Vater, hab Erbarmen mit mir,


Vater, hab Erbarmen mit mir;
Ich weine vor Durst;
Alles ist weg, ich habe nichts zu essen.

ANRUFUNG

Vater Morgenstern!
Vater Morgenstern!
Sieh uns an, wir haben bis zum Morgengrauen getanzt,
Hab Mitleid mit uns! Ach!

DER MESSIAS SPRICHT

Ich bin in Sicht gekommen,


I bringe mit mir den Wirbelsturm,
Dass ihr einander kennen lernt.

REINCARNATION
Wir werden wieder leben,
Wir werden wieder leben.
Die Sonnenstrahlen werden uns ausbreiten!

GESANG VOM WIEDERKEHRENDEN LEBEN

Der Wind bewegt die Weiden.


Der Wind bewegt die Gräser.

II

Die Pappeln wachsen hoch,


Sie wachsen hoch und grünen.

III

Eine schlanke Antilope,


Eine schlanke Antilope,
Sie wälzt sich auf dem Boden.

IV

Nebel! Nebel!
Blitz! Blitz!
Wirbelwind! Wirbelwind!

Wirbelwind! Wirbelwind!
Die schneebedeckte Erde bekommt Fliegen,
Die schneebedeckten Erde bekommt segelnde Fliegen.

VI

Es gibt Staub vom Wirbelwind,


Es gibt Staub vom Wirbelwind,
Vom Wirbelwind von den Bergen.

VII

Die Felsen dröhnen.


Die Felsen dröhnen,
Sie werden in den Bergen dröhnen.

VIII

Der Schnee liegt da!


Der Schnee liegt da!
Die Milchstraße liegt da!

SCHÖPFUNG

Dies ist mein Werk - Yah!


Alles, was auf der Erde wächst, ist nein - Yah!
Sagt der Vater Yah!
O Yah!

LAMENTATION

Mutter, komm nach Hause; Mutter, komm nach Hause!


Mein kleiner Bruder muss immer weinen,
Mein kleiner Bruder muss immer weinen!
Mutter, komm nach Hause; Mutter, komm nach Hause!

GESANG DES BOTEN

Ha! Sie haben wieder eine Rasse bekommen.


Warum sagen sie, eine Büffeljagd sei hier,
Warum sagen sie, eine Büffeljagd sei hier?
Spitzt die Pfeile! Spitzt die Pfeile!
Sagt der Vater, so sagt der Vater.

MILLENNIUM

Die ganze Welt kommt,


Ein Volk steht vor der Tür, ein Volk kommt,
Der Adler hat die Nachricht dem Stamm gebracht.
Über die ganze Erde kommen sie;
Die Büffel kommen, die Büffel kommen,
Die Krähe hat die Nachricht dem Stamm gebracht.

DAS URTEIL

Der Vater wird aufsteigen.


Jeder wird auftreten,
Die Hände ausstrecken.
Die Erde wird zittern.
VISITATION

Des Geistes Armee nähert sich,


Die ganze Welt ist weiter in Bewegung.
Schau! Jeder steht auf dem Beobachtungsposten.
Lasst uns alle beten, beten, beten!

DAS GEHEIMNIS DER MENSCHHEIT

Weil ich bin arm,


Ich bete für jedes lebende Wesen.

DER GOTTMENSCH

Mein Vater hat Mitleid mit mir.


Ich habe Augen wie die meines Vaters,
Ich habe Hände wie die meines Vaters,
Ich habe Beine wie die meines Vaters,
Ich habe eine Form wie mein Vater.

DER GEIST ALS JÄGER

Der Geist jagt voran, sagen sie.


Sie sind mit den Büffeln gekommen, sagen sie.
Sie sind mit der neuen Erde gekommen, sagen sie.

MYSTIK

Der Wind, der Wind


Schüttelt mein Tipi, schüttelt mein Tipi,
Und singt ein Lied für mich,
Und singt ein Lied für mich.

SCHREIBEN

Komm, Caddo, wir werden alle aufbrechen,


Komm, Caddo, wir werden alle aufbrechen
Zum großen Dorf!
Zum großen Dorf!
Mit unserem Vater gehen wir,
Mit unserem Vater gehen wir,
Der in der Höhe wohnt!
Wo unsere Mutter wohnt,
Wo auch unsere Mutter wohnt!

*
GEBET UM REGEN

Weiß schwebende Wolken,


Wolken wie Ebenen,
Kommt und spendet Wasser der Erde.
Sonne, umarme die Erde,
Dass sie fruchtbar sein kann.
Mond, Löwe des Nordens,
Bär des Westens,
Dachs des Südens,
Wolf des Ostens,
Adler des Himmels,
Ältester Kriegsheld,
Krieger der sechs Berge der Welt,
Haltet Fürsprache mit den Wolken-Leuten für uns,
Dass sie das Land befeuchten.
Medizin-Schüssel, Wolken-Schüssel und Wasser-Krug,
Gebt uns eure Herzen,
Dass die Erde bewässert werde.
Ich mache die alte Straße voll Mehl,
Dass mein Lied kann hinüber gehen
Die alte Straße.
Weiße Muschel, Perlen-Frau,
Die lebt, wo die Sonne untergeht,
Mutter Wirbelwind,
Mutter Yah, Schöpfer der guten Gedanken!
Gelbe Frau des Nordens,
Blaue Frau des Westens,
Rote Frau des Südens,
Weiße Frau des Ostens,
Leicht gelbe Frau des Zenits
Und dunkle Frau des Tiefpunkts,
Ich bitte euch um Fürsprache bei den Wolken-Menschen!

REGENGESANG

Wir, die Alten,


Die aus der Mitte der Welt aufgefahren von unten,
Unsere Medizin ist wertvoll,
Es ist, als unser Herz uns kostbar wäre,
Pfeile der Blitze,
Kommt zu uns
Und du, Echo.
Leute des Nordens
Und alle Menschen,
Eure Gedanken kommen zu uns.
Wer ist es?
Weiß schwebende Wolken.
Mögen eure Gedanken zu uns kommen
Und alle Menschen,
Mögen eure Gedanken zu uns kommen.
Wer ist es?
Wolken wie Ebenen,
Mögen eure Gedanken zu uns kommen.
Wer ist es?
Pfeile der Blitze,
Mögen eure Gedanken zu uns kommen.
Wer ist es?
Horizont der Erde
Und alle Menschen,
Mögen eure Gedanken zu uns kommen.

ANRUFUNG DES REGENS

Kommt, steigt die Leiter herauf, alle kommen herein, alle setzen sich.
Wir waren arm, arm, arm, arm, arm, arm,
Als wir zum schlechten Ort, in diese Welt kamen,
Wo der Körper austrocknet wegen unserer Vergehen.
Steile Wolken bedecken die Erde.
Alle sind viermal mit ihren Schauern gekommen,
Absteigend zum Fuß der Leiter und still stehend;
Bringe deine Schauer und großen Regenfälle.
Alle, alle kommen, die alle aufsteigen, alle kommen und setzen sich.

II

Werfe ich dir meine heilige Mahlzeit vor, alle kommen.


Halte deinen Spielstock; wirf ihn nach vorn, alle kommen.
Alle kommen und zu uns deine Schauer und Regenfälle, alle kommen,
Dass das Saatgut kann stark sein und kommen,
Alle Samenpflanzen können kommen und da sein stark.
Komm, dass alle Bäume und Samen können kommen und stark sein.
Komm hierher, alle kommen.

III

Decke meine Mutter Erde viermal mit vielen Blumen.


Der Himmel mit den steilen Wolken soll bedeckt werden.
Die Erde mit Nebel soll bedeckt werden; bedeckt die Erde mit Regen.
Große Wasser, Regen, die Erde bedecken. Blitze die Erde bedecken.
Lass Donner über der Erde hören; lass Donner gehört werden;
Lass Donner in den sechs Regionen der Erde gehört werden.

IV

Regen-Träger, kommt auf allen Straßen,


Dass große Flüsse mögen die Erde bedecken;
Dass Steine mögen von den Strömen verschoben werden;
Dass Bäume mögen entwurzelt
Und von den Strömen verschoben werden.
Großen Regens Träger, kommt auf allen Straßen,
Tragt den Sand unserer Erd-Mutter an den Ort.
Decke die Erde mit deinem Herzen,
Dass alle Samen sich entwickeln,
Dass meine Kinder alle zu essen haben
Und glücklich sein können;
Dass die Menschen in den abgelegenen Dörfern
Alle lachen und glücklich sein können;
Dass die heranwachsende Kinder
Alle haben Gutes zu essen und können glücklich sein.
Auf diese Weise Unser Vater wünscht, dass du kommst.
Auf diese Weise Unsere Liebe Mutter wünscht, dass du kommst.
Damit wir alle Arten von Saatgut und alle guten Dinge haben;
Dass wir den Heiligen Geist des Lebens einatmen;
Daß unsere Väter und unsere Mütter uns bringen glückliche Tage.
Lass unsere Kinder leben und glücklich sein!
Sende uns den guten Südwind!
Senden uns deinen Atem über die Seen,
Der unsere große Welt schön macht
Und dass unsere Leute leben können.

Dort, in weiter Ferne, mein Vater, die Sonne steht,


Steigt die Leiter herab, kommt hierher von seinem Platz.
Mögen alle die Straße des Lebens vervollständigen,
Mögen alle alt werden.
Mögen die Kinder atmen den heiligen Atems des Lebens.
Mögen alle meine Kinder Korn haben,
Das sie den Weg des Lebens vervollständigen.
Hier setze dich; hier bleibe;
Wir geben dir unsere besten Gedanken.
Wir hasten über die Straße; wir sind neidisch auf dich.
Wir atmen den heiligen Atem durch unser beflügeltes Gebet.

GESÄNGE IM GARTEN DES HAUSES GOTTES

Wirklich im Osten
Die weißen Bohnen
Und der große Mais
Sind mit den weißen Blitzen gebunden.
Höre! Regen kommt!
Die Stimme des blauen Vogels ist zu hören.
Wirklich im Osten
Die weißen Bohnen
Und der große Kürbis
Werden mit dem Regenbogen gebunden,
Höre! Regen kommt!
Die Stimme des blauen Vogels ist zu hören.

II

Von der Spitze des großen Mais das Wasser gurgelt, ich höre es;
Um die Wurzeln das Wasser schäumt, ich höre es;
Um die Wurzeln der Pflanzen schäumt es, ich höre es;
Um ihren Oberseiten die Wasser schäumen, ich höre es.

III

Der Mais wächst.


Das Wasser der dunklen Wolken tropft, tropft.
Die Regen kommen herab.
Das Wasser von den Mais-Blättern fällt, fällt.
Die Regen kommen herab.
Das Wasser von den Pflanzen fällt, tropft.
Der Mais wächst.
Das Wasser der dunklen Nebel fällt, fällt.

IV

Soll ich diese Frucht der großen Mais-Pflanze pflücken?


Soll man sie brechen? Soll ich sie brechen?
Soll ich sie brechen? Soll man sie brechen?
Soll ich? Sollst du?
Soll ich diese Frucht des großen Kürbis schlagen?
Soll ich sie holen? Soll ich sie holen?
Soll ich sie holen? Sollst du sie holen?
Soll ich? Sollst du?

DER BERG-GESANG

PRELUDIUM

ANRUFUNG

Aufgezogen innerhalb der Berge!


Herr der Berge!
Junger Mann!
Häuptling!
Ich habe dein Opfer dargebracht.
Ich habe den Rauch für dich aufsteigen lassen.
Meine Füße wirst du mir wiederherstellen.
Meine Beine wirst du mir wiederherstellen.
Meinen Körper wirst du mir wiederherstellen.
Meinen Geist wirst du wiederherstellen.
Meine Stimme wirst du mir wiederherstellen.
Stelle mich ganz wieder her in Schönheit.
Mach schön alles, was vor mir ist.
Mach schön alles, was hinter mir ist.
Es wird alles in der Schönheit neu gemacht.
Es wird alles in der Schönheit neu gemacht.
Es wird alles in der Schönheit neu gemacht.
Es wird alles in der Schönheit neu gemacht.

ERSTER GESANG DES DONNERS

Thonah! Thonah!
Es gibt eine Stimme über mir,
Die Stimme des Donners.
Innerhalb der dunklen Wolke,
Immer wieder klingt es,
Thonah! Thonah!
Thonah! Thonah!
Es ist eine Stimme von unten,
Die Stimme der Heuschrecke.
Unter den Pflanzen,
Immer wieder klingt es,
Thonah! Thonah!

ZWEITER GESANG DES DONNERS

Die Stimme, die das Land verschönert!


Die Stimme von oben,
Die Stimme des Donners!
Innerhalb der dunklen Wolke
Immer wieder klingt es,
Die Stimme, die das Land verschönert!
Die Stimme, die das Land verschönert!
Die nachfolgende Stimme,
Die Stimme der Heuschrecke
Unter den Pflanzen,
Immer wieder klingt es,
Die Stimme, die das Land verschönert!

ERSTER GESANG DES EXPLODIERENDEN STOCKS

Eine junge Frau, die zu einem Bären


In den brennenden Bergen geht.
An vielen Orten brennt es; als sie aufbrachen,
Es gab eine Reihe von brennenden Bergen.
Der Otter steht in Brand in den Gewässern.
An vielen Orten wo sie aufbrachen,
Es gab eine Reihe von brennenden Gewässern.

ZWEITER GESANG DES EXPLODIERENDEN STOCKS

Maid! Wer wird wie ein Bär suchen die Götter, der findet sie;
Auf den hohen Berggipfeln suche die Götter und du findest sie;
Wirklich mit deinem Opfer suche die Götter und du findest sie.
Jemand bezweifelt das, so hab ich gehört.

ERSTER GESANG VOM TAGESLICHT

Der Vorhang des Tagesanbruchs fällt,


Der Knabe des Tageslichts kommt herab,
Auf dem Land der Tage wird er stehen;
Vor ihm, wie es dämmert, wird der Vorhang fallen;
Hinter ihm, wie es dämmert, wird der Vorhang fallen.
Vor ihm, in der Schönheit, wird der Vorhang fallen;
Hinter ihm, in der Schönheit, wird der Vorhang fallen;
Von seiner Stimme, in der Schönheit, wird der Vorhang fallen.

ZWEITER GESANG VOM TAGESLICHT

Wiegenlied, Wiegenlied.
Es ist der Morgendämmerung Wiegenlied.
Jetzt kommt der Knabe des Tageslichts und sein Wiegenlied.
Nun ist es neuer Tag. Wiegenlied.
Jetzt kommt das Mädchen des Tageslichts mit ihrem Wiegenlied.

GESANG DES PROPHETEN

Das fließende Wasser! Das fließende Wasser!


Mein Geist geht auf dem Wasser.
Das breite Wasser! Das fließende Wasser!
Mein Geist geht auf dem Wasser.
Das alte Wasser! Das fließende Wasser!
Mein Geist geht auf dem Wasser.

GESANG VOM TANZ DER AUFGEHENDEN SONNE

Wo die Sonne aufgeht,


Der Heilige Knabe
Mit dem großen gefiederten Pfeil
Hat sie verschluckt,
Und sie hat sich zurückgezogen.
Die Sonne
Ist erfüllt.
Wo die Sonne untergeht,
Die Heilige Jungfrau
Auf die Klippe stieg mit ihren Pfeilen
Und hat sie verschluckt,
Und sie hat sich zurückgezogen.
Der Mond
Ist erfüllt.

LETZTE WORTE DES PROPHETEN

Lebe wohl, mein jüngerer Bruder!


Die heiligen Stätten der Götter sind für mich bereit.
Du wirst mich nie wieder sehen;
Aber wenn die Schauer kommen und
Die Donnerglocken läuten,
Da, wirst du sagen, ist die Stimme meines älteren Bruders.
Und wenn die Ernte kommt, die schönen Vögel und
Die Heuschrecken, wirst du sagen,
Es ist eine Botschaft von meinem älteren Bruder!

GESÄNGE VOM KNABEN DER MORGENRÖTE

Wo meine Verwandten wohnen,


Dort wandere ich.
Am Haus des roten Felsen,
Dort wandere ich.
Wo die dunklen Federn sind an der Tür,
Dort wandere ich.
Mit dem Pollen der Morgendämmerung auf meiner Spur,
Dort wandere ich.
Am Balken hängt die gestreifter Baumwolle mit Pollen.
Dort wandere ich.
Ich gehe mit ihm.
Dort wandere ich.
Mit anderen fahr ich mit ihm.
Dort wandere ich.
Im Hause des langen Lebens,
Dort wandere ich.
Im Hause des Glücks,
Dort wandere ich.
Schönheit vor mir,
Dort wandere ich.
Schönheit hinter mir,
Dort wandere ich.
Schönheit unter mir,
Dort wandere ich.
Schönheit über mir,
Dort wandere ich.
Schönheit um mich herum,
Dort wandere ich.
Im Alter auf Reisen,
Dort wandere ich.
Auf der schönen Strecke,
Dort wandere ich.

II

In Kininäki.
In dem Haus, von der Morgendämmerung gemacht,
In der Geschichte, von der Morgendämmerung gemacht,
Auf den Spuren der Morgendämmerung.
O, Reden Gottes!
Seine Füße stellen meine Füße wieder her.
Seine Glieder stellen meine Glieder wieder her.
Sein Körper stellt meinen Körper wieder her.
Sein Geist stellt meinen Geist wieder her.
Seine Stimme stellt meine Stimme wieder her.
Seine Federn stellen meine Federn wieder her.
Mit Schönheit vor ihm, mit Schönheit vor mir.
Mit Schönheit hinter ihm, mit Schönheit hinter mir.
Mit Schönheit über ihm, mit Schönheit über mir.
Schönheit unter ihm, mit Schönheit unter mir.
Schönheit um ihn herum, mit Schönheit um mich herum.
Mit Pollen schön in seiner Stimme, mit Pollen schön in meiner Stimme.
Es wird in der Schönheit vollendet.
Es wird in der Schönheit vollendet.
Im Hause des Abendlichts.
Von der Geschichte des Abendlichts.
Auf den Spuren des Abendlichts.
O, Haus Gottes!

III

In das Haus meiner Verwandtschaft


Komm ich zurück.
Kind des gelben Mais bin ich.
Auf den roten Felsen
Komm ich zurück.
Wo die blaue Federn sind an der Tür,
Dahin komm ich zurück.
Die Pollen der Abendlichts auf meiner Spur,
So komm ich zurück.
An den Balken hängt die Schale mit Blütenstaub,
Herumgehend,
Komm ich zurück.
Mit anderen gehe ich raus,
Damit ich zurückkomme.
In das Haus des Alters,
Dorthin komm ich zurück.
In das Haus des Glücks,
Dorthin komm ich zurück.
Schönheit hinter mir,
So komm ich zurück.
Schönheit vor mir,
So komm ich zurück.
Schönheit über mir,
So komm ich zurück.
Schönheit unter mir,
So komm ich zurück.
Schönheit um mich herum,
So komm ich zurück.
Jetzt im Alter auf Wanderschaft,
Ich komme zurück.
Jetzt auf der Spur der Schönheit,
So komm ich zurück.

ERSTER NACHTGESANG

Von der Basis im Osten,


Von der Basis des Pelado Peak,
Aus dem Hause vom Wunder gemacht,
Von der Geschichte der Luftspiegelung,
Von der Tür des Regenbogens,
Vom Pfad, auf dem ist der Regenbogen,
Der Regenbogen ist mir übergeben.
Der Regenbogen erweckte mich.
Mitten durch weite Felder,
Der Regenbogen geht wieder mit mir.
Dorthin, wo mein Haus zu sehen ist,
Die Regenbogen geht wieder mit mir.
Auf das Dach meines Hauses,
Der Regenbogen geht wieder mit mir.
Zum Eingang meines Hauses,
Die Regenbogen geht wieder mit mir.
Nur in mein Haus,
Der Regenbogen geht wieder mit mir.
Zu meinem Kamin,
Der Regenbogen geht wieder mit mir.
Zum Zentrum meines Hauses,
Der Regenbogen geht wieder mit mir.
Am vorderen Teil meines Hauses in der Morgendämmerung,
Das Reden Gottes ist mit mir.
Das Haus Gottes ist mit mir.
Der Pollen Knabe sitzt bei mir.
Das Grashüpfer-Mädchen sitzt bei mir.
In Schönheit meine Mutter, zur ihr kehr ich heim.
Schön mein Feuer, wieder hergestellt.
Schön meine Sachen, wieder hergestellt.
Schön meine weiche Waren, wieder hergestellt.
Schön meine harten Waren, wieder hergestellt.
Schön meine Pferde, wieder hergestellt.
Schön meine Schafe, wieder hergestellt.
Schön meine alten Männer, wieder hergestellt.
Wunderschön meine alten Frauen, wieder hergestellt.
Wunderschön meine junge Mannschaft, wieder hergestellt.
Schön meine jungen Frauen, wieder hergestellt.
Schön meine Kinder, wieder hergestellt.
Schön meine Lieblingsfrau, wieder hergestellt.
Schön mein Häuptling, wieder hergestellt.
Schön mein Land, wieder hergestellt.
Schön meine Felder, wieder hergestellt.
Schön mein Haus, wieder hergestellt.
Das Reden Gottes ist mit mir.
Das Haus Gottes ist mit mir.
Der Pollen Knabe sitzt bei mir.
Das Grashüpfer-Mädchen sitzt bei mir.
Schöner weißer Mais, wieder hergestellt.
Schöner gelber Mais, wieder hergestellt.
Schönes blaues Korn, wieder hergestellt.
Schöner Mais aller Art, wieder hergestellt.
In Schönheit kann ich zu Fuß gehen.
Den ganzen Tag lang kann ich zu Fuß gehen.
Durch die Rückkehr der Jahreszeiten kann ich zu Fuß gehen.
Auf den Spuren voller Pollen kann ich zu Fuß gehen.
Mit Heuschrecken über meinen Füßen kann ich zu Fuß gehen.
Mit Tau über meinen Füßen kann ich zu Fuß gehen.
Mit Schönheit kann ich zu Fuß gehen.
Mit Schönheit vor mir kann ich zu Fuß gehen.
Mit Schönheit hinter mir kann ich zu Fuß gehen.
Mit Schönheit über mir kann ich zu Fuß gehen.
Mit Schönheit unter mir kann ich zu Fuß gehen.
Schönheit um mich herum, kann ich zu Fuß.
Im Alter auf der Wanderung,
Auf einem Weg der Schönheit,
Lebendig, kann ich zu Fuß gehen.
Im Alter wandernd auf einem Pfad der Schönheit,
Wieder zu leben, kann ich zu Fuß gehen.
Es wird in der Schönheit vollendet.
Es wird in der Schönheit vollendet.

ZWEITER NACHTGESANG

In Tsegihi,
In dem Haus der Morgendämmerung,
Im Haus der Abenddämmerung,
Im Haus der dunklen Wolke,
In dem Haus der Regen und Nebel,
Von Pollen, von Heuschrecken,
Wo die dunkle Nebelschleier die Tür verhüllen,
Der Pfad auf dem Regenbogen ist,
Wo der Zickzack-Blitz steht hoch auf der Höhe,
Wo der Regen steht hoch auf der Höhe,
Oh, männliche Gottheit!
Mit deinen Mokassins von dunklen Wolken, die zu uns kommen,
Mit deinem Geist in den dunklen Wolken, die zu uns kommen,
Mit dem dunklen Donner über dir, um uns zu schweben,
Mit der dunklen Wolke zu deinen Füßen, zu uns zu kommen,
Mit der weiten Dunkelheit der dunklen Wolke über dem Kopf,
Mit der weiten Dunkelheit der Regen und Nebel über dem Kopf,
Mit dem Zickzack-Blitz hoch über dem Kopf,
Mit dem Regenbogen hoch über dem Kopf, in der Höhe,
Mit der weiten Dunkelheit der dunklen Wolken
Auf den Enden der Flügel,
Mit der weiten Dunkelheit der Regen und Nebel
Auf den Enden der Flügel,
Mit dem Zickzack-Blitz, mit dem Regenbogen
Auf den Enden der Flügel,
Mit der Nähe der Dunkelheit der Wolke der Regen und Nebel,
Mit der Dunkelheit der Erde, komm zu uns!
Mit diesen der Schaum schwimmt auf dem fließendes Wasser
Über die Wurzeln des großen Mais,
Ich habe dein Opfer dargebracht,
Ich habe einen Rauch für dich aufsteigen lassen,
Meine Füße stelle wieder her,
Meine Glieder stelle wieder her,
Meinen Körper stelle wieder her,
Meinen Geist stelle wieder her,
Meine Stimme stelle wieder her.
Heute gib mir deinen Zauber,
Heute gib mir deinen Zauber.
Glücklicherweise erhole ich mich,
Glücklicherweise werde ich kühl,
Meine Augen haben wieder Macht,
Der Kopf ist wieder kühl,
Meine Glieder haben wieder ihre Stärke,
Ich höre wieder.
Zum Glück für mich wird der Zauber abgewendet,
Glücklicherweise geh ich zu Fuß;
Unempfindlich gegen Schmerzen, gehe ich;
Innerhalb des Lichts gehe ich;
Freudig gehe ich.
Reichliche dunkle Wolken wünsche ich,
Eine Fülle von Vegetation wünsche ich,
Eine Fülle von Pollen, reichlichen Tau wünsche ich.
Glücklicherweise kommt viel weißer Mais,
Bis an die Enden der Erde, mit dir,
Glücklicherweise kommt viel gelber Mais,
Blauer Mais, Maissorten aller Arten,
Pflanzen aller Art, Waren aller Art, Schmuck aller Arten,
Auf die Enden der Erde, mit dir kommen.
Mit diesen vor dir, zum Glück kannst du kommen,
Mit diesen hinter, unter, über dir,
Glücklich kannst du kommen,
So kannst du deine Aufgaben erfüllen.
Glücklicherweise die alten Männer werden dich sehen,
Glücklicherweise die alten Frauen werden dich sehen,
Die jungen Männer und die jungen Frauen werden dich sehen,
Die Kinder werden dich sehen,
Die Häuptlinge werden dich sehen,
Glücklicherweise,
Wie sie sich in unterschiedliche Richtungen zerstreuen,
Die dich betrachten,
Glücklicherweise, wie sie sich ihren Häusern nähern,
Sie werden dich betrachten.
Mögen ihre Straßen zu Hause auf der Spur des Friedens sein,
Glücklicherweise können sie alle zurückkommen.
In Schönheit gehe ich,
Mit Schönheit vor mir gehe ich,
Mit Schönheit hinter mir gehe ich,
Mit Schönheit über und unter mich gehe ich,
Es wird in der Schönheit vollendet,
Es wird in der Schönheit vollendet.

SCHUTZGESANG

Nun, Krieger der fremden Götter unter den Menschen bin ich!
Nun zu den fremden Göttern mit Waffen der Magie komm ich!
Mit den Gipfeln der Berge eingerieben,
Nun zu den fremden Göttern mit Waffen der Magie komm ich!
Jetzt auf dem schönen Wanderweg im Alter,
Nun zu den fremden Göttern mit Waffen der Magie komm ich!

II

Nun, Nachkomme des Wasser unter den Menschen bin ich!


Nun zu den fremden Göttern mit Waffen der Magie komm ich!
Mit dem Wasser der Gipfel eingerieben,
Nun zu den fremden Göttern mit Waffen der Magie komm ich!
Jetzt auf dem schönen Wanderweg im Alter,
Nun zu den fremden Göttern mit Waffen der Magie komm ich!

III

Nun, der Blitz des Donners unter den Menschen bin ich!
Nun zu den fremden Göttern mit Waffen der Magie komm ich!
Mit dem Himmel der Gipfel eingerieben,
Nun zu den fremden Göttern mit Waffen der Magie komm ich!
Jetzt auf dem schönen Wanderweg im Alter,
Nun zu den fremden Göttern mit Waffen der Magie komm ich!

IV

Nun Altso-donig-lehi unter den Menschen bin ich!


Nun zu den fremden Göttern mit Waffen der Magie komm ich!
Mit der Erde der Gipfel eingerieben,
Nun zu den fremden Göttern mit Waffen der Magie komm ich!
Jetzt auf dem schönen Wanderweg im Alter,
Nun zu den fremden Göttern mit Waffen der Magie komm ich!

DIE FLUT

Älterer Bruder, Sohn der Erde,


(Besungen von den Menschen)
Erstaunliche Macht hat der ältere Bruder,
Beherrscher der Winde mit Gesang.
Schnell, jetzt kommen wir zusammen,
Singen, um die Kontrolle zu gewinnen.

II

Der Erde Doktor prophezeit die Flut,


Die der ältere Bruder verursacht.

Weint, meine unglücklichen Menschen!


All dies werdet ihr sehen.
Weint, meine unglücklichen Menschen!
Denn die Wasser werden das Land überwältigen.
Weint, meine unglücklichen Verwandten!
Ihr werdet alle lernen müssen.
Weine, mein unglücklicher Verwandter!
Du wirst viel lernen müssen.
Die Gewässer werden die Berge überwältigen.

III

Der ältere Bruder singt von seinem Haus:

Schwarzes Haus! Schwarzes Haus! Halte mich nicht fest;


Schwarzes Haus! Schwarzes Haus! Halte mich nicht fest,
Ich reise hin und her, hin und her.

Als er durch die Flut ging, sang er:

Fließendes Wasser, fließendes Wasser, hier durchgezogen,


Wie auf den Wolken bin ich in den Himmel geschwebt,
Fließendes Wasser, fließendes Wasser, hier brüllend,
Wie auf den Wolken bin ich in den Himmel gefahren.

Wieder sicher, sang er:

Hierher komme ich! Hierher komme ich!


Mit magischen Kräften komm ich hervor.
Hierher komme ich! Hierher komme ich!
Mit magischen Kräften komm ich hervor.
Ich stehe allein! Einsam!
Wer wird mich begleiten?
Meine Mitarbeiter und meine Kristallkugel,
Sie werden mit mir warten.

IV

Wie der Doktor des Südens


Prophezeit die Zerstörung der Erde
Und all ihrer Geschöpfe:

Das Wasser wird auflösen das Land.


Das Wasser wird auflösen das Land.
Der mächtige Zauberer prüft seine Stärke.
Das Wasser löst den Berg auf.
Das Wasser löst den Berg auf.
Ich sehe, was kommen wird.

Der Erde Doktor sah das steigende Wasser:

Ha-yah! Ha-yah! Flut! Flut! Ha-yah!


Siehe, die Strafe wartet auf sie!
Ha-yah! Ha-yah! Flut! Flut! Ha-yah!
Hier sind meine verlorenen Menschen vor mir.

VI

Des Südens Doktor hoch auf den Bergen:

Auf dem zerklüfteten Berge steh ich,


Mein Versuch, das Wasser zu teilen.
Auf dem zerklüfteten Berge steh ich,
Mein Versuch, das Wasser zu teilen.

Und er markierte die Grenzen der Flut:

Auf dem zerklüfteten Berge steh ich,


Mein Versuch, das Wasser zu teilen.
Auf der Bergspitze des zerklüfteten Berges steh ich,
Mein Versuch, das Wasser zu teilen.

Aber er konnte nichts mehr tun:

Machtlos! Machtlos!
Machtlos ist mein magischer Kristall!
Machtlos! Machtlos!
Ich werde wie ein Stein werden.

Der Erde Doktor entging der Zerstörung.


Der ältere Bruder wurde in seinem Haus gerettet.
Danach rollte das Wasser zurück.
Der ältere Bruder war der erste, der erschien
Und so wurde er der Herrscher der Welt.
Jetzt der Erde Doktor sieht alle Dinge neu.

SCHÖPFUNGSGESÄNGE VOM DOKTOR DER ERDE

Der Erde Magier prägt diese Welt.


Siehe, was er tun kann!
Rund und glatt formt er sie.
Siehe, was er tun kann!

II

Der Erde Magier macht die Berge.


Seht zu, was er zu sagen hat!
Er ist es, der macht die Tafelberge.
Seht zu, was er zu sagen hat.
Der Erde Magier prägt diese Welt;
Der Erde Magier macht seine Berge,
Macht sie größer, größer, größer.

III

In die Erde wirft der Magier einen Blick;


In die Berge kann er sehen.
IV

Ich habe die Sonne gemacht!


Ich habe die Sonne gemacht!
Feuersprühend wirbelt sie hoch
In den vier Himmelsrichtungen.
In den Osten warf ich
Ihren beauftragtem Lauf.

Ich habe den Mond gemacht!


Ich habe den Mond gemacht!
Schimmernd kreist er hoch
In den vier Himmelsrichtungen.
In den Osten warf ich
Seinen beauftragtem Lauf.

VI

Ich habe die Sterne gemacht!


Ich habe die Sterne gemacht!
Über die Erde warf ich sie.
Alle diese Dinge hab ich gemacht
Und gab ihnen, die Welt zu erleuchten.

JAGDGESÄNGE

Zu der Zeit der weißen Dämmerung,


Zu der Zeit der weißen Dämmerung,
Ich stand auf und ging weg.
Beim blauen Wasserfall ging ich weg.

Ich aß die Stechapfel-Blätter,


Und die Blätter machten mich schwindlig.
Ich trank die Stechapfel-Blumen,
Und das Getränk ließ mich taumeln.
Der Jäger
Überholte und tötete mich,
Abgeschnitten, warf er meine Hörner weg.
Der Jäger
Er überholte und tötete mich,
Abgeschnitten, warf er meine Füße weg.

Jetzt werden die Fliegen verrückt werden


Und sie fallen mit Schlagflügeln.
Die betrunkenen Schmetterlinge sitzen
Mit Öffnen und Schließen der Flügel.

II

Junger Hase, der Zauberer, läuft


Bringt schwarz geflecktes Wild.
Und junger Dachs, der Magier,
Bringt die Füße der schwarz gefleckten Hirsche.

Ich hatte weder Winde noch Wolken.


Im Osten den Gelben Ikol,
Im Westen den Gelben Ikol
Nannte man mich.
Ich hatte keine Winde und keine Wolken.

ADLERGESÄNGE

Wenn die Sonne sinkt im Westen,


Wir beginnen zu singen die Adlergesänge.
Das Haus des Magiers steigt,
Vor mir liegt das Land.
Wir beginnen zu singen die Adlergesänge.

Der Erde Magier kommt jetzt her,


Der Erde Magier kommt jetzt her.
Aus den Tiefen die Gesänge steigen,
Und von ihm sind sie hier angesiedelt.
Wenn nun das Land wohlhabend ist,
Wenn nun das Land wohlhabend ist,
Der ältere Bruder kommt aus dem Osten;
Er kommt hier als Kind voll Gewalt,
Das Land gedeiht mit seinem Kommen.

Es war in den westlichen Bergen,


Da die Weiße-Adler-Frau wohnte.
Es war in den westlichen Bergen,
Da die Weiße-Adler-Frau wohnte.

Der Abend leuchtet rot im Westen,


Und die Vögel versammeln sich um mich.
Jetzt höre ich die Schreie des Adlers.
Ha-yah! Ha-yah!
Jetzt treffen wir uns und sehen uns wieder.

II
Rolle von Klippe zu Klippe zum Ende, zum Ende,
Rollt, Winde, von den steilen Hauswänden.
So ist die wachsende Erregung,
Sie sammelt sich wie die Winde, die wehen
Aus dem Hause des Winde-Magiers.

Im Osten meine jüngeren Brüder,


Wir sind die Träger, voran,
Mit den heiligen Adlerfedern.
Im Osten meine jüngeren Brüder,
Wir sind die Träger, voran,
Mit den heiligen Adlerfedern

In dem fernen Land der Adler,


In dem fernen Land der Adler
Klingt das harmonische Rollen
Der hallenden Donner.

Jetzt die Schwalbe beginnt ihren Gesang,


Jetzt die Schwalbe beginnt ihren Gesang.
Und die Frauen, die mit mir sind,
Die armen Frauen fangen an zu singen.

Die Schwalben treffen sich beim stehenden Felsen,


Die Schwalben treffen sich beim stehenden Felsen.
Und die Regenbögen über mir wölben sich,
Dort werden die blauen Regenbögen sich erfüllen.

Die schwarzen Schwalben laufen hin,


Die schwarzen Schwalben laufen her,
Laufend sind sie gekommen, um mich zu führen,
Führen mich, führen mich dorthin.

Ha-yah! Weit in der Ferne des Ostens


Liegen die Wolken hinter dem Berg versteckt.
Weit in der östlichen Richtung
Zu den versteckten Wolken komm ich gerannt.

Wir schlagen die Trommeln,


Wir schlagen die Trommeln.
Ich singe, ich bin zu hören,
Vor meinen Federn die Wolken zittern.

Ich kreise wie ein Geier,


Ich fliege in der Nähe der blauen Ferne.
Ich kreise wie ein Geier,
Ich fliege in der Nähe der blauen Ferne.

Nun jubelt die Rote Fledermaus


In den Liedern, die wir singen,
Er freut sich an dem Adler unten
Mit dem Ornament unseres Kopfschmucks.

Ich lief in den Sumpf,


Ich hörte der Kaulquappen Gesang.
Ich lief in den Sumpf,
Wo die nackten Kaulquappen sangen.

Im Westen wandert der Drache,


Erklimmend die Oberfläche des Teiches,
Berührt ihn nur mit seinem Schwanz. Er überfliegt ihn
Mit flatternden und rauschenden Flügeln.

Von dort laufe ich, wo sich die Dunkelheit sammelt,


Trage Blumen des Kaktus in meinem Haar.
Von dort laufe ich, wo sich die Dunkelheit sammelt,
In flatternder Dunkelheit voll Gesang.

GESANG VOM WETTRENNEN

Viele Menschen haben sich versammelt,


Ich bin bereit, das Wettrennen zu beginnen,
Und die Schwalbe mit dem Flügelschlag
Kühlt mich bereits für das Wort.

Weit im Westen steht der Schwarze Berg,


Um den unser Fahrer fuhr am Mittag.
Wer ist dieser Mann, der mit mir läuft,
Der Schatten, dessen Hände ich sehe?

GESANG DER FREMDHEIT

Ich singe den Göttern, flehe,


Ich singe den Göttern, flehe,
So meine magische Kraft wird emporgehoben.
Meine Kraft wird erhoben, wie ich singe.

Huren kommen angerannt,


Huren kommen angerannt,
Halten blaue Blüten, wie sie laufen,
Sprechen im Flüsterton zusammen.

Entlang der gekrümmten Strecke werde ich gehen,


Entlang der gekrümmten Strecke Richtung Westen.
In das Land des Regenbogens werde ich gehen,
Schwingen die Arme, wie ich aufsteige.

KRIEGSGESANG

Das zeremonielle Schilfrohr wird angehoben,


Das zeremonielle Schilfrohr wird angehoben.
Ma-Akahi hat ein Apache getötet,
Und wir treffen hier zusammen in Kriegsbemalung,
Um Haar-Trophäen mit ihrer Macht zu sammeln.
Hivayomi hat einen gefangen genommen,
Und die Magie seines Bogens stirbt mit ihm.

PUBERTÄTSGESANG

Komm, beeile dich, komm schnell her.


Schon die hallenden Geräusche
Der Finsternis sind zu hören.

Die Jungfrau ist nicht schläfrig,


Sie ist wach in der Nacht.

Der Saguaro liegt dort gebrochen.


Und meine gefallenen Federn steigen
Über den Gipfel des Tafelbergs.

Der Junge bewegte die grollenden Steine.


Die Frau hörte es und konnte nicht schlafen.
Und meine Zehennägel sind gebrochen.

Die Zweige der Dunkelheit sind hereingebrochen,


Sie schnitten meine Federn, als ich vorüberging.

GESANG DER MAGISCHEN MORGENRÖTE

Auf der Spitze des Mohatuk


Es gibt viele Wolken.
Auf der Spitze des Mohatuk
Viele Nebelwolken steigen auf.
Der bittere Wind weht zu uns,
Der bittere Wind weht zu uns,
Wie wir singen mit vielen Bögen.
Obwohl ich ein Navitco bin,
Ich höre dich über mich reden.
Ich steckte meinen Kopf durch den Himmel
Und bin mit ihm weggelaufen.

FETISCHGESANG

Wir beginnen den Fetischgesang,


Wir beginnen den Fetischgesang.
Er ist schwierig, aber ich versuche es,
Die Nacht wird sehr laut.

Der Fetischgesang entsteht,


Der Fetischgesang entsteht.
Er wird für die verrückten Frauen aufgeführt,
Er wird für die verrückten Frauen aufgeführt.

Habt Mitleid mit mir! Oh, habt Mitleid mit mir!


Und streift meine Krankheit ab,
Jetzt streift meine Krankheit ab;
Klar gehe sie weg durch mein Singen.
Ich werde den Gesang singen,
Ich werde den Gesang singen.
Er wird auf den Berg führen,
Laufen zum Berge Sievat.

BLITZGESANG

Siehe die zerstörerischen Blitze,


Sie gehen, um die entfernten Bäume zu töten.
Es wird so sein, mein jüngerer Bruder,
So spalte die entfernten Bäume.

Rund um den Berg trag ich


Meinen armen Bruder:
Trag ihn rund um den Berg
Und dann steh ich vor ihm.

Der Blitz wie rötliche Schlangen


Versucht, zu peitschen, es zittern die Bäume.
Der Blitz versucht, sie zu schlagen,
Aber es funktioniert nicht, sie bleiben stehen.

Durch die tosenden Dunkelheit lauf ich,


Trage meinen armen Bruder;
Von der Spitze des Himmels der Blitz
Sprosst und schlägt ein in der Nähe.

KRÖTENECHSENGESANG

Das östliche Land scheint sehr angenehm.


Ich gehe darauf zu, und ich sehe,
Wie angenehm es zu sein scheint.
Ich gehe in das werte Land.

Das westliche Land ist das schrecklichste.


Ich gehe darauf zu, und ich sehe,
Wie schrecklich ist das Land.
Ich gehe in Richtung des furchtbaren Landes.

KRUSTENECHSENGESANG
Bemitleidenswerte Hure ich,
Mein Herz glüht mit dem Gesang,
Während der Abend noch jung ist.
Mein Herz glüht mit dem Gesang.

Wo die beiden Steine standen,


Der schwarze Wind rauschte in furchtbarem Blasen,
Es fahren die Vögel vor ihm
Flatternd hin und her.

Auf dem Gipfel des weißen Nagiwolik


Werden die grünen Frösche singen.
Liegend in der Nähe der blauen Gewitterwolken
Viele Frösche singen.

GESANG DER SCHWARZEN EIDECHSE

Zunächst singen wir dem Magier,


Wir haben zuerst dem Magier zu singen,
Die runde Scheibe der Sonne ist so entstanden,
Mit ihren Strahlen begleitet sie uns.

Huren kamen in einer Gruppe,


Huren kamen in einer Gruppe.
Huren kam mit Blüten,
Blumen-Kronen auf ihren Häuptern.

Schwarze Eidechse fand den Weg,


Wo der ältere Bruder gelaufen war,
Und er kam aus den Wolken
Mit Wasser in seinen Armen.

Dunkelheit legt sich auf den Gipfel


Des großen Steinernen Berges.
Es ist umkreist, er ist besiedelt,
Der großen Steinerne Berg.

Die rötlichen Strahlen wie Spinnfäden


Über den Himmel strömten.
Die rötlichen Schlangen wie Spinnennetze
Auf der anderen Seite kamen flammend.

GESANG DES SCHWARZ GEFLECKTEN HIRSCHES

Unten von den Häusern der Magie,


Unten von den Häusern der Magie
Blasen die Winde und von meinem Geweih,
Und meine Ohren sammeln sie.

Dort lief ich zitternd,


Dort lief ich zitternd,
Denn Bögen und Pfeile verfolgten mich.
Viele Bögen waren auf meiner Spur.

Welches Pferd versucht, mich zu fangen?


Welches Pferd versucht, mich zu fangen?
Das Pferd mit dem Stern an der Stirn,
Jetzt holt es mich langsam ein.

Wir sitzen hier zusammen,


Wir sitzen hier zusammen,
Singen das Lied des Ostens,
Singen das Lied des Westens.

KLAPPERSCHLANGENGESANG

Am frühen Abend,
Am frühen Abend,
Wir fangen an, viele Lieder zu singen,
Und ich komme mit vielem Singen.

Es war in der Nähe des Ka-matuk-Berges,


Dass dies Klapperschlange kam hervor,
Und sie sah, wie die niedrigen Wolken liegen
In der Nähe der Gipfel des Berges.

Wer ist das, wer ist das?


Ist es nicht Klapperschlange, Gehörnter?
Ist es nicht Klapperschlange, Gehörnter?
Wer wird jetzt vor uns stehen?

Die Schmetterlinge singen,


Die Schmetterlinge singen,
Wie ich gehe an den Fundamenten
Unten des alten Hauses.

BIBERGESANG

Sie sprechen über mich und fürchten mich,


Sie sprechen über mich und fürchten mich.
Wie die gewundene Schlange
Ich wandle auf dem Wasser.

Ich sehe, dass du langsam gehst,


Ich sehe, dass du langsam gehst.
Stark wie die Sonne zwischen den Bäumen,
Du lässt dein Zeichen auf ihnen.

Jüngerer Bruder, ich bin der Biber,


Ich bin der schnelle Biber,
Der nagt an den Bäumen des Waldes,
Ich bins, der sie stürzt.

EULENGESANG

Zum großen Ka-matuk-Berg


Ich gehe mit Gesang
Im Schein des Abends.
Ich treffe alle Sängerinnen.

Die Eule singt in der Ferne,


Ich höre sie, hin und her bewegt.
Viele Huren kamen hierher gelaufen,
Hierher kamen sie gelaufen lachend.

Die kleine Eule ähnelt Tocokot,


Die Winde steigen mit Eulenfedern.
Mit ihren aschfahlen Spitzen beginnt sie.
Die kleine Eule ist die große Eule.

Die Eule lässt mich trinken das rote Wasser,


Schnell berauscht,
Ich versuche, gerade nach Osten zu gehen,
Und findest du meine Schritte nicht atemberaubend?

WACHTELGESANG

Die grauen Wachteln wurden gebündelt,


Der Coyote rannte, sie zu suchen.
Die blauen Wachteln wurden gebündelt,
Der Coyote sah seitwärts auf sie.

MAUSGESANG

Flügel der Vögel unsichtbar


Werden nun flattern über dir.
Du stehst mit dem Gesicht erhoben
Und leise zu hören.

Unser Land war unglücklich,


Die Fluten kamen nach Westen rollend,
Dann kamen sie nach Westen fließend,
Und ich schrie vor Angst.

BÄRENGESANG

Ich bin der Schwarze Bär. Um mich


Siehst du die leichten Wolken sich erstrecken.
Ich bin der Schwarze Bär. Um mich
Siehst du, wie des Lichtes Tau fällt.

Ich trinke den rötlichen Schnaps,


Welcher tötet den Geist in mir.
Ich trinke den rötlichen Schnaps,
Welcher tötet den Geist in mir.

Jetzt hat das Singen begonnen,


Jetzt hat das Singen begonnen.
Ich gehe mit meinem jüngeren Bruder,
Ich kenne die Lieder, die wir singen.

HUNDEGESANG

Die Gesänge beginnen bei Einbruch der Dunkelheit,


Und die Winde wehen in Richtung Norden.
Die Winde wehen stark,
Blasen meinen Schwanz in Richtung Norden.

Schmetterlingsflügel fallen,
Schmetterlingsflügel fallen,
Fallen herab und schaden;
Mein Leiden ist größer.

Siehe, die kleine Hunde kommen angerannt,


Siehe, die armen Hunde kommen angerannt.
Siehe, die Reiter kommen danach,
Siehe, die Reiter kommen lachend.

HASENGESANG

Der Hase springt und singt,


Der Hase springt und singt,
Während der Wind tobt,
Während der Wind tobt.

Der Hase ist Tanz und Gesang,


Der Hase wird tanzen und singen,
Während die Wolken brüllen,
Während die Wolken brüllen.

Mit Kopfschmuck aus Federn der Eule,


Mit Kopfschmuck aus Federn der Eule,
Er kommt in mein fernes Land,
Er kommt mit seinem Bogen.

Die graue Maus kam bei Einbruch der Dunkelheit,


Die graue Maus kam bei Einbruch der Dunkelheit,
Kam in der Dunkelheit angelaufen,
Kam mit der Atmung in der Dunkelheit.

Ich bin in der Dämmerung des Tages verschlossen,


Ich bin in der Dämmerung des Tages verschlossen,
Die ganze Nacht bin ich frei zu laufen,
Aber ich bin in der Dämmerung des Tages bin ich verschlossen.

COYOTENGESANG

Der Coyote beginnt zu singen,


Der Coyote beginnt zu singen.
Die junge Frau eilt herbei,
Um des Coyoten Gesang zu hören.

Ein Hut mit Adlerfedern,


Ein Hut mit Adlerfedern,
Eine Kopfbedeckung wurde für mich gemacht,
Die ließ mein Herz stärker werden.

Der Coyote lief um ihn herum,


Der Coyote lief um ihn herum,
Lief in das blaue Wasser,
Änderte die Farbe seiner Haare.

DACHSGESANG

Hier bin ich unglücklich,


Hier bin ich unglücklich,
Die Lieder zu singen, die ich nicht kenne,
Die Lieder, die wir singen bei Sonnenuntergang.

Es kam eine graue Eule bei Sonnenuntergang,


Es kam eine graue Eule bei Sonnenuntergang,
Tönte leise um mich herum,
Sie brachte den Terror zu meinem Herzen.

Das Land lag ruhig schlafend,


Das Land lag ruhig schlafend.
Mein junger Schelm, weine!
Schade, sie graben dich in den Staub.

Du Sonne draußen im Westen,


Du Sonne draußen im Westen,
Du kannst jetzt mit mir reden.
Lass klingen deine Kürbis-Rassel.

Das Land ist ausgetrocknet und brennend,


Das Land ist ausgetrocknet und brennend.
Geh auf die Suche nach mir,
Ich sehe einen schmalen Streifen von Grün.
Aber ich kann nicht mit Sicherheit wissen,
Aber ich kann nicht mit Sicherheit wissen.
Die Hure ist hier unter uns.
Ich gehe hin in Richtung Westen.

Der Schatten des zerklüfteten Berges,


Die gebogenen und spitzen Schatten.
Hier wars, dass ich hörte den Gesang,
Hörte die Lieder, die meinem Herzen weh getan.

Das Licht glüht des Abends,


Das Licht scheint des Abends,
Kommt, wie die Wachteln fliegen langsam,
Und setzt sich auf die Jugend.

SCHMETTERLINGSGESANG

Dies ist der Schmetterlingsgesang, den wir jetzt beginnen,


Dies ist der Schmetterlingsgesang, den wir jetzt beginnen,
Sie tanzen auf den Blättern hin und her,
Bis der Staub entsteht.

Die Schmetterlings-Vögel, die Schmetterlings-Vögel


Beginnen, ihre vielen Lieder zu singen.
Ich laufe, wo der Staub entsteht,
In der Nähe der Wände des Hauses.

Ich beginne den Gesang, ich beginne den Gesang.


Ich hörte den Gesang, als ich lief,
Ich hörte den Gesang, als ich lief.
Ich schließe mit dem Gesang.

Die Katzen-Frau beginnt zu singen,


Die Katzen-Frau beginnt zu singen.
Ich schließe mich den kreisenden Tänzern an,
Markant meine Brust voll Gesang.

Ich segelte in den Wolken zum Tafelberg,


Ich fuhr in den Wolken zum Tafelberg,
Und ich singe mit dem Ka-matuk-Berg,
Auf dem es keine Wolken gibt.

Beeilt euch, ihr Toten, zum stehenden Berg,


Beeilt euch, ihr Toten, zum stehenden Berg!
Siehe da, mein jüngerer Bruder,
Wie die Winde dort sein Lauf.

Beim Abstieg vom Ma-Ayal-Berg,


Beim Abstieg vom Ma-Ayal-Berg,
Vor dem Haus des Magiers,
Es steht die Frau lachend da.

Hier an den Hängen des zerklüfteten Berges,


Hier an den Hängen des zerklüfteten Berges,
An dessen Füßen der Schaum bleibt,
Wir sind auf dem blauen Wasser gewandelt.

DÄMONENGESANG

Gesang am Ka-matuk.Berg,
Gesang am Ka-matuk.Berg,
Ich höre ihr Singen;
Ich komme angerannt, mit ihnen zu singen.

Der Abend fällt herab,


Der Abend fällt herab,
Und Dämonen erscheinen
Und besetzen meine Seele.

In der Santa-Rita-Höhle,
In der Santa-Rita-Höhle,
Wie ich in die Höhle trat,
Ich sah den Atem der Dämonen.

Hier der Dämon-Knabe kam angerannt,


Hier der Dämon-Knabe kam gelaufen,
Griff mein Haar und trug mich,
Brachte mich zu einem fernen Land.

REGENGESÄNGE

Hallo-o yah! Lasst uns unser Lied beginnen,


Beginnen wir mit Freuden!
Lasst uns unser Lied beginnen,
Lasst uns beginnen mit Jubel,
Singen wir den großen Mais,
Singen wir den kleinen Mais.

II

Hallo-o yah! Die Dunkelheit des Abends fällt herab,


Wie wir vor dem heiligen Amina singen.
Wir winken über uns auf allen Seiten zum Mais.
Das weiße Licht der Morgendämmerung
Findet uns singend, während wir dem Mais winken.
Die Dunkelheit des Abends fällt herab,
Wie wir vor dem heiligen Amina singen.
Wir winken über uns auf allen Seiten zum Mais.
Das weiße Licht der Morgendämmerung
Findet uns singend, während wir den Blättern winken.
Die Erde ist voll Grollen
Von den Schlägen unseres Schlagzeugs.
Die Erde rumpelt ist von den Schlägen
Unseres Schlagzeugs, überall dröhnend.
Die Erde knurrt, und überall regnets.

III

Hallo-o yah! Zupfe die Federn


Vom Flügel des Adlers und richte sie
In Richtung Osten, wo die großen Wolken sind.
Zupfe die weichen Daunen
Aus der Brust des Adlers und richte sie
In Richtung Westen, wo die kleinen Wolken sind.
Unter der Wohnstätte
Der Regen-Götter donnerts,
Großes Korn ist vorhanden.
Unter dem Wohnsitz
Der Regen-Götter regnets,
Kleiner Mais ist vorhanden.

KORNGESANG

Hallo-o yah! Er, der alles sieht,


Sieht zwei Stiele vom Mais stehen,
Er ist mein Bruder. Hallo-o yah!
Er, der alles sieht,
Sieht die beiden Kürbisse,
Er ist mein Bruder. Hallo-o yah!
Auf dem Gipfel des Berges sieht er den Mais stehen,
Er ist mein Bruder. Hallo-o yah!
Auf dem Gipfel des Berges sieht er die Blätter stehen,
Er ist mein Bruder. Hallo-o yah!

Hallo-o yah! Über dem Berg


Erheben sich die Wolken mit ihrem lauten Donnern.
Hallo-o yah! Über dem Berg
Erheben sich die Wolken mit ihrem lauten Regen.
Hallo-o yah! Der Blaue Vogel hält
In seinen Krallen die Wolken, die donnern.
Hallo-o yah! Der Gelbe Vogel hält
In seinen Krallen die Wolken, die regnen.

Hallo-o yah! Siehe, der ältere Bruder


Atmet die Winde, über dem Berg
Treiben die Wolken mit ihrem lauten Donnern.
Hallo-o yah! Siehe, der ältere Bruder
Atmet die Winde, über dem Berg
Die Willkommens-Gewitterwolken sind herrlich.
Hallo-o yah! In den großen Regen-Wolken
Lasst mich mein Lied der Freude singen!

GESANG DES MAGIERS

Am frühen Morgen ging ich


Im weißen Licht der Welt
Und mein Herz flammte mit Strömen,
Als ich ins magische Haus trat.

In dem hohen Federhaus


Meine Magie nimmt zu,
Und ich bewege mich sehr langsam
Mit der Kraft in meinem Herzen.

Der ältere Bruder kam als Erster heraus,


Der ältere Bruder kam als Erster heraus,
Und mit seiner glänzenden Arbeit
Hat er geregelt das ganze Land.

Der Erde Magier wurde wütend,


Der Erde Magier wurde wütend,
Und mit seiner Zauberkraft
Zerstörte er alle Häuser.

Mit einer schwarzen Schlange binde ich sie,


Mit einer schwarzen Schlange binde ich sie,
Die Häuser mit einer schwarzen Schlange,
Die Häuser mit einer schwarzen Schlange.

Mit einer weißen Schlange binde ich sie,


Mit einer weißen Schlange binde ich sie,
Die Häuser mit einer weißen Schlange,
Die Häuser mit einer weißen Schlange.

DER WINDGESANG

Der Wind jetzt beginnt zu singen,


Der Wind jetzt beginnt zu singen.
Das Land erstreckt sich vor mir,
Vor mir erstreckt sich das Land.

Der Wind überm Haus jetzt donnert,


Der Wind überm Haus jetzt donnert.
Ich gehe tosend über Land,
Das Land ist mit Donner bedeckt.

Im Laufe der windigen Berge,


Im Laufe der windigen Berge
Kamen die unzähligen Beine des Windes,
Der Wind kam hierher gelaufen.

Der Schwarze-Schlangen-Wind kam zu mir,


Der Schwarze-Schlangen-Wind kam zu mir,
Kam und legte sich zu mir,
Kam hierher gelaufen mit seinem Lied.

Rasch mit einer Tasse Wasser


Ich rannte, um zu trinken.
Ich lasse dich das Wasser trinken
Und dann drehst du dich benommen.

Unter dem weißen Kaktus-Blatt,


Unter dem weißen Kaktus-Blatt
Ich rannte zu diesem Ort,
Ich rannte an diesen Ort.

GESANG DES VISIONÄRS

Das Abendrot verweilt noch,


Das Abendrot verweilt noch,
Und ich mit meiner Kürbis-Rassel sitze
Und bin mit dem heiligen Lied beschäftigt.
Als ich winkte mit den Adlerfedern,
Wir hörten den magische Klang.

Die dunkle Nacht wird mich schütteln,


Wie sie zu jeder Zeit tat,
Als ich oben im Geiste getroffen
Das Haus des großen Magiers.

Der Gelbe Vogel legte seine Federn nieder,


Wo sie auf den Kopf der Frau fielen,
Machten sie zu einer Hure, die vorüber lief,
Klatschte in die Hände.

Die Drossel trieb am Rand der Erde,


Driftete entlang dem blauen Wind.
Der weißer Wind ging von seiner Wohnung aus
Und hob den Staub der Erde.

Der Mondschein bleibt in mir,


Und bald wirst du Männer und Frauen sehen,
Das Schilfrohr, das ich jetzt bin, weht,
Bringe den Mond herbei, mich zu treffen.

Ha-yah! Der Kürbis klappert,


Ha-yah! Der Kürbis klappert.
Wenn ich gehe, ihn dort zu sehen,
Iist er sicher eine Rassel.

Es ist Abend, es ist Abend.


Und dreimal am Abend
Ruft die weißköpfige Schwalbe,
Als sie zupfte an ihren Federn.

Der ältere Bruder schneidet sein Schilfrohr,


Vor mir wirft er es hin,
Tritt darauf, so dass die Wolken
Wiederholen den Klang.

Der graue Coyote ist ein schmutziger Bettler,


Er trägt einen Gürtel aus Schlangenhaut.
Der graue Coyote ist ein schmutziger Bettler,
Er trägt einen Gürtel aus Schlangenhaut.

Die Blauen-Frosch-Frauen trafen mich


Und führten mich ins Wolkenland im Osten.
Die Blauen-Frosch-Frauen trafen mich
Und führten mich in die Wolken.

Der graue Coyote stand im Wald,


Von seinen Schultern pflückte er Federn,
Da gab er mir die glänzende Arbeit,
Gerupfter Flügelfedern Arbeit.

Ich bin zum Berg gegangen


Und sah des älteren Bruders Land
Mit seinen rechtwinkligen Ecken,
Wie in einem Rechteck gezeichnet.

Der gelbe Vogel trägt mich zu den Höhlen,


Zu den entfernten Höhlen des Berges,
Und wir hören den Klang seiner Schritte,
Wie er sich auf dem Weg bewegt.

Der graue Straßenläufer, der Magier,


Als sein Knabe schrie vor Hunger,
Rannte, stark in der Abtötung,
Wie ein Tausendfüßler nach Hause.

Die schwarze Schildkröte nähert sich uns,


Sie trägt und schüttelt den Gürtel der Nacht.
Die schwarze Schildkröte nähert sich uns,
Sie trägt und schüttelt den Gürtel der Nacht.

Die Hure macht sich auf und läuft vorüber,


Sie schlägt ihre Brüste in der Luft.
Die Hure macht sich auf und läuft vorüber,
Sie schlägt ihre Brüste in der Luft.
Versteht ihr, meine jüngeren Brüder,
Dass es die Sonne ist, die mir
Die Trance-Visionen eingibt, die ich sehe?
Die Sonne gibt mir magische Kraft.

GESANG DER ERDE

Alles ist schön,


Alles ist schön,
Alles ist schön, wahrlich.

Nun ist die Mutter Erde da


Und der Vater Himmel,
Sie treffen sich,
Vereinigen sich,
Genossen einander.
Alles ist schön,
Alles ist schön,
Alles ist schön, wahrlich.

Sonnengott
Und Mondgöttin
Treffen sich,
Vereinigen sich,
Genossen einander.
Alles ist schön,
Alles ist schön,
Alles ist schön, wahrlich.

Und die Nacht der Finsternis


Und der Beginn des Lichts
Treffen einander,
Vereinigen sich,
Genossen einander.
Alles ist schön,
Alles ist schön,
Alles ist schön, wahrlich.

Und der weiße Mais


Und der gelbe Mais
Treffen sich,
Vereinigen sich,
Genossen einander.
Alles ist schön,
Alles ist schön,
Alles ist schön, wahrlich.

Und der Mais-Pollen


Und die Reifung
Treffen sich,
Vereinigen sich,
Genossen einander.
Alles ist schön,
Alles ist schön,
Alles ist schön, wahrlich.

Ewiges Leben
Und Seligkeit der Seelen
Treffen sich,
Vereinigen sich,
Genossen einander.
Alles ist schön,
Alles ist schön,
Alles ist schön, wahrlich.

Alles ist schön,


Alles ist schön,
Alles ist schön, wahrlich.

DER BLITZ

Ich trage die Fackel an den West-Baum-Kamm.


Siehe, ich will! Erstgeborener und Größter.

DER SCHÖPFER

Ich bin vor allem groß.


Ich zeuge in der schwarzen Wolke.

ROTFUCHS

Auf der Steinernen Klippe östlich geh ich.


Auf der weißen Straße ich hocke, bereit zum Sprung.
Ich, Rotfuchs, pfeifen auf dem Weg der Sterne.

DER POLARSTERN

Die Drehung der Erde, die du siehst,


Die Streuung der Sterne am Himmel, die du siehst,
Alles dieses ist der richtige Ort für mein Haar.

ALS SICH DER GEISTWIND NÄHERTE

Der Wind wandert, wandert,


Der Wind wandert, wandert.
ALS ER VERBRANNTE DIE UNREINEN HÄUSER

Das Haus brennt, es brennt.


Das Haus wird knistern, wird knistern.
Es wird lodern.
Wir werden tanzen.
Es wird beleuchtet.
Es wird beleuchtet.
Es wird lodern.
Wir werden tanzen.
Etwas wie ein Vogel kommt.
Vogelähnliche Namen
Werden über dem Ort sein.
Wir werden diese unreinen Häuser anzuzünden.
Es wird lodern, flammen.

ALS ER DEN FLUSS ERREICHTE

Das ist mein Wasser, mein Wasser.


Das ist mein Fluss, mein Fluss.
Wir lieben sein Wasser.
Wir lieben seinen Schaum.
Es wird ewig fließen.
Es wird ewig fließen.
Wenn das Wetter heiß wird,
Wird es aufsteigen
Und über die Ufer treten.
Es wird ewig fließen.

NACHDEM ER SEINE ARBEIT BEENDET

In die Erde gehe ich hinunter, geh ich hinunter.


Nichts als Erde werde ich da sein,
Ich werde sehen.
Ich sinke in das alte Flussbett,
Hinab in das Innere.

ALS ER DEN ADLER TRAF

Ich sprang und sprang.


O Schwungfedern!
O Körper-Federn!
Auf meinen Händen Schwungfedern.
Auf meinem Körper Körper-Federn.

*
WIEGENLIEDER

Wieder erwartest du, im Kanu deines Vaters zu sitzen,


Häuptlings-Frau, schau dich nach allen Dingen,
Sei vorsichtig, sei vorsichtig, Häuptlings-Frau!
Wieder erwartest du, im Kanu deines Vaters zu sitzen,
Häuptlings-Frau, schau dich um nach dem Ort,
Woher die Abalones kommen.
Sei vorsichtig, sei vorsichtig, Häuptlings-Frau.

II

Vielleicht wirst du weinen und kriechen,


Um auf die Hand deiner Großmutter zu kommen,
Die von einem Holztablett verletzt wurde, höre ich;
Darum wirst du weinen und kriechen,
Häuptlings-Frau, Häuptlings-Frau,
Weinen und kriechen.

III

Wo wo bist du herabgefallen, herabgefallen?


Wo wo bist du herabgefallen, herabgefallen?
Bist du gefallen, gefallen, gefallen, gefallen
Von der Spitze eines Erdbeer-Busches?

IV

Hör auf zu weinen, Kind des Häuptlings!


Hör auf zu weinen, Kind des Häuptlings!
Ich erwarte nicht Trommeln für dich, Häuptlingskind,
Wenn du schreist und zappelst.
Hör auf zu weinen, Kind des großen Häuptlings,
Ein Kind der Adelsfamilie sitzt still.
Jetzt, jetzt, o Kind des großen Häuptlings,
Ein Kind der Adelsfamilie sitzt still.
Hör auf zu weinen, Kind des Häuptlings!
Hör auf zu weinen, Kind des Häuptlings!
Ich erwarte nicht schwere Planken für dich,
O Kind des Häuptlings,
Wenn du weinst und zappelst.
Hör auf zu weinen, Kind des großen Häuptlings,
Ein Kind der Adelsfamilie sitzt still.
Jetzt, jetzt, o Kind des großen Häuptlings,
Ein Kind der Adelsfamilie sitzt still.
V

Man sitzt hier wie ein gewöhnlicher Mensch


Mit Blick auf den Wald.
Sprich, doch keine Lügen!
Dein Mund wird sonst krumm,
Du Moskito-Personen-Mülleimer!

VI

In das Haus deines Vaters, in deines Vaters Haus


In Cape Quona die Möwen fressen
Und schreien.
In der Mitte von all diesen Dingen
Gehst du, um dich zu bewegen
So stolz, wie du sitzt.

VII

Komm, wir nehmen es auf die Knie!


Komm, wir nehmen es auf die Knie!
Bring es zu uns ins Innere des Hauses seines Vaters,
Bring es zu uns!
Komm, wir nehmen es auf die Knie!
Komm, wir nehmen es auf die Knie!

VIII

Zu dieser Zeit, wenn mein Kind


Wird ein Jugendlicher,
Verlassen und allein
Ich werde herumsitzen.
Mein Sohn
Macht einen großen Lärm,
Als wollt er übers Wasser gehen.
Ich frage mich, wohin er geht?
Mein Sohn
Macht einen großen Lärm,
Als wollt er übers Wasser gehen.
Er muss wohl zu den Nordinseln wandern.

GESANG DER FRAU

Schon bald werde ich,


Ich werde sterben.
Ich hab von meinem Sohn geträumt.
RABENGESANG

Der Rabe muss ein großer Kerl sein.


Er ging auf dem Meer.
Dann zog er sich an der Nase.
Er ging durch die Stadt mit der Nase.
Wenn es ihm gegeben wurde, begann er, draußen zu fliegen.
Er flog für die andern.
Warum? anstatt für sich selbst, er flog für die andern
Und es sieht aus, als ob er etwas trinken wolle.
Nachdem er das getan hat, was er getan hat,
Kann er wandern über den ganzen Welt-Strand.

WIEGENLIED FÜR EIN MÄDCHEN

Wenn ich nicht alles täte, um Partei zu ergreifen,


Würde ich mich schämen,
Würde ich mich schämen.
Kleines Mädchen, lass dich hören.
Kleines Mädchen, lass dich hören.

WIEGENLIED

Lass mich schießen einen kleinen Vogel


Für meinen jüngeren Bruder.
Lass mich mit dem Speer eine Forelle fangen
Für meine jüngere Schwester.

GESANG DES KLEINEN TEICHES

Du bist vor meinem Gesicht jeden Tag.


Und wenn ich schlafe, denk ich immer an dich.
Ich sehne mich sehr nach dir.
Denke daran, zu mir zu kommen
Wie eine plötzliche Krankheit.

GESANG DES KUMMERS

Das Riff hat mich geschlagen,


Und des Stammes Kinder.
Aber habt Mitleid mit mir!
Ich frage mich immer, wer mich besuchen wird,
Wenn ich aufwache am Morgen.
Irgendwann öonnte ich meine Brüder sehen.

GESANG ZUM FEST


(Wenn ein Sklave getötet werden soll)

Die Worte der Menschen


Begraben mich unterm Schnee,
Worte von wertlosen Menschen.

Von der Wolfs-Familie gesungen:

(Kommend zum Fest)

Ein reicher Mann kommt.


Unsre Gefühle schweigen.
Wenn das Fest beendet ist,
Werden wir sagen:
Endlich ist er weg.

Zum großen Fest:

Wir werden auch eingeladen werden


Nach Killisnoo.
Hochgesinnte Menschen
Gehen, um gut zu essen.

VON NAQUALI

Ich frage mich,


Was mein zukünftiges Leben
Wird mit mir tun.

GESANG FÜR EINEN STÄDTISCHEN GEIST

Ich beobachte, wie Menschen behandelt werden,


Nachdem sie tot sind,
Und deshalb trinke ich,
Bevor ich sterbe.
Was du getan hast, war sehr egoistisch,
Kind des Stammes.
Aber ich mache dir keine Vorwürfe
Wegen deiner Worte.
Es ist dies des Raben Schuld.

VON NIGOT

Was denkst du, wofür ich lebe?


Ich lebe, um Whisky zu trinken!
Hab Erbarmen mit mir!
Schone meine Kinder!
VON TSAKAK

Sie nur wird weinen über mich,


Das kommt zu mir in einem Lied.

VON EINEM LENEDI-INDIANER

(Als am Juneau-Fluss Gold gefunden wurde)

Mehr sagt nicht,


Lenedi-Kinder.
Ihr seid mehr wert
Als alle Menschen in der Welt.

ÜBER DEN BLINDEN

Kleiner Rabe,
Ich hasse, was du immer sagst,
Weil du der Sohn eines Sklaven bist
Und kannst nichts sehen.
Ich hasse es, wenn du mit mir sprichst,
Weil du Flecken im Gesicht hast
Wie eine große Seegurke
Und siehst aus wie ein Sklave.
Weißt du nicht, dass
Du nichts sehen kannst,
Du großer Sklavensohn,
Darum isst du Sand
Statt Brei aus der Schale!

VON TOTER SKLAVE

Früher hatte ich Spaß


An diesem arme kleine Mädchen
Als sie sehr jung war.

VON EINEM SCHAMANEN

Es ist nur wegen des starken Getränks,


Dass du Mitleid mit mir hast.
Warum liebst du mich nicht?

VON UNTER-DER-DECKE

Sein Geist ist genau wie meiner,


Kind der Lubnaxadi.
So begann ich, ihn zu lieben.
Ich fragte mich, was ich suchte,
Wenn ich aufwachte am Morgen.
Irgendwann konnte ich meine Brüder sehen.

ÜBER PRINZESSIN THOM

Schon von Haus aus


Starke Getränke
Saufen die Männer weg,
Aber nicht du,
Raben-Frau.

ALS IHM DIE FRAU GENOMMEN WURDE

Wie einer, der starkes Getränk wünscht,


Ich schlafe nie,
Ihr Kinder meines Volkes.

II

Meine eigene Meinung ist schwer für mich.


Es ist so, als ob
Ich würde meinen Geist herumtragen.
Was ist los mit mir?

LIEBESLIED EINER FRAU

Warum bin ich zu dir gekommen


Von Dyea aus weit im Landesinneren,
Nur um zu finden,
Dass du weg gegangen bist?
Hier bin ich,
Ich weine um dich.

LIEBESLIED EINES TÄNZERS

Ich frage mich, wie der kommende Morgen


Des Juli wohl sein wird.
Mein Geist ist zu schwach,
Als dass ich denken könnte,
Dass ich nicht in der Lage sein werde,
Meinen Schatz zu sehen.
ALS IHN SEINE GELIEBTE VERLASSEN

Wenn man die Kontrolle über den Tod hätte,


Es wäre sehr einfach,
Mit einer Wolfs-Frau zu sterben.
Es wäre sehr angenehm.

TRAUERLIED

Es ist seine eigene Schuld,


Dass dieser Mann des Wolfs-Volkes starb.
Gebt die Schuld nicht einem andern.

LIEDER DER MENSCHEN

Yah, das ist gut!


Yah, das ist gut!
Das wertlose Weib
Mag mich nicht!

II

Sehr unglücklich war ich


Mit meiner Frau,
In Victoria.
Niemand
Sagte guten Tag zu uns
In Victoria.

III

Yah, o Yah!
Ich habe gesehen
Sitka in deinem Land.
Macht nichts, wenn ich sterbe
Jetzt bald.

GESANG EINER FRAU

I
Ist mir egal,
Wenn du mich im Stich lässt.
Viele hübsche Jünglinge sind in der Stadt.
Bald werde ich mir einen anderen nehmen.
Das ist nicht schwer für mich!

II

Nichts soll meinen Geist jetzt stören.


Du sollst nicht mir sprechen.
Ich wünschte, ich wäre tot
Mit meiner Schwester.

III

Yah, o Yah,
Wenn du dir eine Frau nehmen würdest,
Yah, o Yah,
Würdest du nicht wütend auf mich sein.

IV

Ich bin sehr erfreut,


Wenn das Dampfschiff hierher kommt.
Ich denke, ich werde weinen
Wenn das Dampfschiff uns verlässt.

Ich brach zusammen! Mein Lieber!


Auf Wiedersehen sag mir jetzt!
Immer muss ich weinen,
Denn der, den ich liebe, ist weit weg.

GESANG ZUM TOTENFEST

Unsere Kinder sind weg,


Während die Kinder unserer Freunde geblieben.
Ach Yah.
Komm zurück, Nichte, komm wieder, wir vermissen dich.
Ach Yah.
Komm zurück zu uns, verlorenes Kind,
Wir haben Geschenke für dich.
Ach Yah.
Oh, meine Schwester, komm zurück zu mir,
Ach Yah.
Komm zurück, meine Schwester, ich bin einsam,
Ach Yah.
Meine Schwester möge zurückkommen, und ich
Werde dir ein kleines Geschenk geben,
Ach Yah.
Meine Kinder, wo seid ihr?
Ach Yah.
Kommt zurück zu uns, unsere Kinder.
Wir sind einsam und traurig.
Ach Yah.

II

Komm, meine Schwester,


Komm zurück zu uns;
Wir warten auf dich;
Komm, Schwester, komm.
Ach Yah.
Komm noch einmal zurück.
Unsere Großmutter, komm zurück zu uns.
Ach Yah.
Komm zurück, unser Vater;
Wir warten auf dich;
Komm zurück zu uns,
Und wir, die einsam sind,
Geben dir Brot.
Ach Yah.

III

Tote, kommt hierher zu uns;


Ach Yah.
Kommt her, es gibt genug zu tun.
Robbenfelle für ein Zelt erhaltet ihr von uns,
Ach Yah.
Kommt her, es gibt genug zu tun.
Rentierfelle für ein Bett erhaltet ihr von uns,
Ach Yah.

IV

Wir werden ein Lied singen.


Wir gehen den aktuellen Weg.
Die Wellen werden steigen,
Die Wellen werden fallen.
Die Hunde werden uns anknurren.
*

INDIANISCHEN LIEBHABERS HYMNE

See-Gesang und Sturm-Gesang!


Und Trommeln in der Nacht,
Trommeln der Liebe!
Es tritt Prügel durch die Dunkelheit,
Sturm meines Pulses, es bricht eine Flut hervor,
Und mein Schreien des einen Tons, des einen Tons,
Durchsticht den Himmel wie ein Stern über dir,
O Gooltha, meine Geliebte vom See,
O Gooltha mit den beiden großen Brüsten!

Ich bin wie ein Fluss zwischen den Hügeln,


Treffe auf das Meer unter Kliffen,
O Wasser, wogende, zu Wassern
In der monotonen Macht des Kriegsgesangs,
Mit dem Spatenstich zurück klingend,
Und deine Sprache! süß dem Ohr des Jägers
Ist der schrille Pfiff des Falken im Wind!
O Gooltha, meine Geliebte vom See,
Dein Kuss öffnet das Dunkel
Und der Mond entfaltet sich in deinen lichten Augen!

Donner brechen am Tag hervor,


Lang schäumende Brandungs-Lichtlinien
Fegen die Morgen-Strände,
Es blasen die Winde und marschieren singend:
Hohe Winde, mit Jägern zu Fuß, schnell und weglos,
Streut das Licht Kunae in die Augen
Und das Lachen in seinen Mund!
Rot ist die Liebe der Herrlichkeit im Wald
Als wie ein erschlagener Hirsch.
O Gooltha, meine Geliebte vom See,
Ich ergebe mich deinem Herzen,
Meine Lippen zu heben zum Kuss,
Flamme mit hellen Flügeln der neuen Lust in der Sonne!
Gib mir deine Hand und spring mit mir
Über deine Schwelle zum guten Grund!
Führe mit kühlen Handflächen, schlage die Brüste,
Oberschenkel zum Oberschenkel blicken,
Nach den weißen Schwingen am Ufer.
Braune Füße und Felsen und Trampeln der Kiefern,
Beschreite den Weg mit dem Klang,
Dem Klang von See-Gesang und Sturm-Gesang!
Und Trommeln der Morgenröte!
DSCHEMIL UND BOTEINAH

Ich bin alt geworden, Boteinah,


Wir sind getrennt,
Du die Jugend,
Ich das Alter.
Es ist Zeit, zu tun,
Was Winde und Sonne tun.
Erst werden wir poliert,
Dann werden wir getötet.
Erst ist das Herz voll Leidenschaft
Und dann der Geist voll Weisheit.

Dschemil, du bist alt und weise geworden!


Liebst du deine junge Törin Boteinah wirklich?

Du bist alt geworden, Geliebter,


In den Augen der anderen Frauen.
Aber für mich bist du ein weißer Hirsch,
Der schmachtet nach der Quelle des Lebens,
Die sich im ewigen Frühling ergießt!

Bist das du, Geliebte,


Oder ist das nur dein Bild?

Ich bin's, Geliebter, mit Fleisch und Blut,


Mit meinem Namen. Ich bin zeitlos,
Ich bin das Morgen zu deinem Gestern.

Liebt sie dich wirklich, Dschemil?


Oder liebt sie nur die Perlen deiner Poesie?
Hat sie geschaut in deine dunkle Nacht
Wie die Mondgöttin aus dem Orient
Oder hatte sie ein Herz von Stein?

Es ist Liebe, Geliebter!


Ich wählte lieber den Tod
Und den Eingang ins Absolute,
Als einen andern Mann zu nehmen!
Die Liebe hat keinen Anfang,
Die Liebe hat kein Ende.
Dschemil und Boteinah
Und Boteinah und Dschemil.
Das ist die Liebe, Geliebter.
Ich wünschte, ich wäre
Dreißig Jahre älter,
Dass ich dir an Weisheit gliche!

In den Lüften will ich das Licht sein,


Um deinen Schatten zu bilden.
In den Nächten will ich ein Maulwurf sein,
In deinem Nabel zu wühlen.

Hast du sie verführt, o Dschemil,


Wie deine Biographen sagen,
Oder hat Boteinah dich verführt?

10

Ich verlobe mich mit ihr.


Es schütten alle Himmel
Milch auf unser Brot.
Immer, wenn ich zu ihr komme,
Blüht mein Leib wie eine Blume.
Jeder Morgen schüttet
Tropfen für Tropfen
Wein in ihren Becher.

11

Hat Gott dich für sie erschaffen, Dschemil,


Und bleibst du ihr ewig treu?
12

Mir wurde befohlen und anvertraut


Die Liebe zu Boteinah.
Ich sorge mich nicht
Um meine ausgegossene Gegenwart,
Verschüttet wie Wassertropfen
Auf ihre Trauben-Haut.
Ich sorge mich nicht
Um die Unsterblichkeit der Seele.
Die Unsterblichkeit folgt der Liebe
Wie der Schoßhund folgt meiner Herrin.
Ich weiß nur, dass ich geschaffen bin,
Boteinah zu lieben.

13

Erkläre mir Liebe, Dschemil,


Und wie du dich erinnerst
In der Zeit des Wandels
An die Idee der absoluten Schönheit.

14

Männer, die lieben,


Sind wahnsinnig idiotisch,
Sie müssen brennen,
Ohne zu verbrennen,
Und nicht, sich selbst zu erleuchten,
Sondern um Boteinah zu erleuchten.

15

Höher als die Nacht flog Dschemil


Und zerbrach seine Krücken.
Und er lehnte sich an mein Ohr
Und flüsterte mir ins Ohr:
Wenn ich dich sehe, Boteinah,
Können alle anderen Frauen sterben!
Mach du deinen Freund
Zu deinem Geliebten!
Da drüben glitzert Boteinahs Name
Wie der Reim auf Nonne.

16

Die Araber erzählen von Dschemil,


Dass er verliebt war
In seine Nichte Boteinah.
Alles sollte zu ihrem Glück verhelfen.

Sie sorgen sich nicht ängstlich


Um die Zustimmung ihrer Mütter,
Wie es sonst der Brauch war
Bei einer frommen Verlobung.
Es ward als unsittlich angesehen
Die Verlobung von Onkel und Nichte.
Aber Dschemil war ein Dichter
Und sang seine Lieder dem Wind.

Damit verletzte der Dichter


Den Codex der Beduinen:
Man sei immer diskret
Und zeige nie offen seine Gefühle.
Ansonsten fällt das Mädchen
Mit ihrer ganzen Sippe
In Ungnade.

Deshalb kam die Sippe zusammen


Und verweigerte sich der Verlobung
Des Onkels mit der Nichte.
Stattdessen gab die Mutter das Mädchen
Einem jungen törichten Bauern.
Das ist das Drama der Liebe.

Dchemil versank im Wahnsinn


Und lebte mit den Schakalen in der Wüste.
Denn die arabischen Dichter
Sterben vor Liebeskummer
Und können ohne die Geliebte nicht leben!

17

Die aufgeblühte Rose auf Boteinahs Wangen


War purpurrot und liebkoste Dschemils Augen.
Sie weinte die ganze Nacht und sprach von ihren Nöten,
Er sah sie unten in der Umarmung eines Glanzes.

Und die Perlen ihrer Lippen sagten: Küss mich,


Küss mich und heile mein Herz!
Ich bin müde, mein Körper wird schwer.
Komm, schlaf mit mir und ruhe an meinen Brüsten!

18

Seltsam, Boteinah, wie die Müdigkeit über dich kommt,


Wenn meine Augen nachts nicht schlafen können.
Es scheint, dass meine Augen nicht wissen,
Was Schlaf ist, denn meine Seele ist zu traurig.
Ich will dein Bild betrachten, Boteinah,
Dann wandert meine Seele zu den Peris.
Dein Bild kommt aber immer wieder zurück zu mir
Und wirft mir ohne Ende mein Alter vor.

19

Die Zukunft eines Landes oder einer Rasse


Liegt nicht in den Händen eines einzigen Mannes,
Und sei es der Kaiser oder der Richter.
Nicht aufzuhalten ist der Lauf der Menschheit.
Es geht zu immer höheren Höhen!
Ich sehe die Menschheit aufsteigen Schritt um Schritt,
Von Osten nach Westen strömt die Menschheit,
Vor solchem Licht verblassen die Sterne am Himmel.
Die stolzen Adler und die süßen Nachtigallen
Verkünden eine ewige Freudenbotschaft!
Ich bin nur der Mann mit dem Schreibwerkzeug.

20

Es ist Wahrheit, keine Lüge, dass ein Emir mit seiner schwarzen Sklavin den Sohn Dschemil
zeugte.

Dschemil verliebte sich in Boteinah, seine junge Nichte, die Tochter seiner Schwester. Eines Tages
wurde sein Stamm von einem feindlichen Stamm angegriffen. Nur Dschemils außerordentliche
Tapferkeit bewahrte seinen Stamm vor der Sklaverei.. Zur Feier seiner Tapferkeit wurde Dschemil
der Name gegeben: Beschützer des Stammes und Wagenlenker des Sonnenwagens!

Aber das war nicht der Lohn, den Dschemil erwartet hatte. Er war bereit, aus Liebe zu Boteinah zu
sterben. Enttäuscht von seinem Stamm, bekannte er offen seine Liebe zu Boteinah und seine
Begierde, sie zur Frau zu nehmen.

Der Stamm hatte es nicht eilig, Boteinah und Dschemil zu vereinigen. Wenn Dschemil auch ein
Heros war, so trug er doch nur alte Kleider und alte Schuhe. Auch behauptete der Stamm, Boteinah
habe die Ehe mit einem jungen, aber reichen Mann in Aussicht.

Dschemil erklärte, er würde keine andere Frau heiraten, wenn er Boteinah nicht haben könne, aber
er würde den Stamm, der ihm seine Geliebte verweigere, im Blut ersäufen. Der tapfere Heros wurde
traurig, aber eines Tages explodierte sein Zorn.

Warum weigert sich Boteinahs Mutter, mich Sohn zu nennen? Warum gibt sie mir nicht Boteinahs
Hand, da ich Boteinah mehr liebe als mein Leben? Dies fragte er seine Mutter, die schwarze
Sklavin.

Die schwarze Sklavin sagte zu ihrem Sohn: Dschemil, nie wird man Boteinah einem armen alten
Mann geben, der nichts anderes kann, als Gedichte schreiben! Da verzehrte Bitterkeit Dschemil, er
ging zu seiner Schwester und bat um Boteinahs Hand, aber seine Schwester wurde einfach nur
wütend.
Da sagte die Schwester: Auch dem wahnsinnigen Medschnun ward seine Layla nicht gegeben.
Sprich nicht mehr von Boteinah, Dschemil.

Dschemil ging in die Wüste. Das war der einzige Ort, wo er willkommen war. Er wanderte den
ganzen Tag allein umher und verzehrte sich vor Sehnsucht nach Boteinah. Dann aber kehrte er zu
seiner Mutter zurück.

Boteinah führte ein Gespräch mit ihrer Mutter:

Mama, lass mich nicht in diesen schrecklichen Qualen! Ich liebe Dschemil! Aber die Mutter sagte:
Ich will nichts mehr hören von Dschemil! Aber Boteinah sagte: Aber ich liebe einzig Dschemil! Er
ist so weise und barmherzig!

Boteinahs Mutter war verrückt vor Eifersucht.

Dschemil aber zog in den Krieg, besiegte die Feinde, und kehrte als Sieger zu seinem Stamm
zurück. Wieder hielt er um Boteinahs Hand an. Wieder wurde sie ihm verweigert. Zornig ging er in
die Wüste. Sein Herz war hart wie Stein geworden, und er weinte Tränen, hart wie Diamanten.

Dschemil saß auf der Höhe einer Düne in der Wüste. Unten kämpfte sein Stamm gegen die Feinde.
Männer starben, Frauen wurden vergewaltigt, Kinder aufgeschlitzt. Aber Dschemil saß unbeweglich
auf seiner Höhe.

Warum rettest du uns nicht, rief sein Stamm. Er sagte: Da ich es nicht wert bin, dass mir euer Blut
gegeben wird, so ist mir euer Blut gleichgültig.

Siehst du nicht, wie man die junge Frau von dir entfernt, die allein du liebst?

Warum soll ich sie retten, wenn sie doch einem jüngeren und reicheren Mann gegeben wird?

Wenn du uns rettest, welchen Lohn willst du dafür haben?

Die Hand Boteinahs!

Gesegnet bist du, Dschemil! Du hast dir Boteinah redlich verdient! - Mit diesen Worten sprang
Dschemil auf, stürzte sich in den Krieg und erschlug die Feinde.

Der Krieger, der Boteinah entführen wollte, gab seinem Pferd die Sporen. Aber Boteinah fiel vom
Pferd. Dschemil eilte herbei. Der Feind jagte davon. Dschemil reichte Boteinah die Hand. Sie war
am Oberarm tätowiert, es war das Zeichen der Nachtigall. Und so ward ihr Liebesbund besiegelt.

Die Ehe ward vollzogen. Und in der Hochzeitsnacht zeugte Dschemil einen Sohn, den er ebenfalls
Dschemil nannte. Und der kleine Dschemil begann schon früh, phantasievolle Bücher zu schreiben.
Der junge Dschemil war auch ein Meister des Schwertkampfs. Die Siege des jungen Dschemil
erregten noch mehr Eifersucht als die Siege seines Vaters Dschemil in dessen Jugend.

21

Dschemil zog in andere Länder, er war gezwungen, seine Heimat zu verlassen. Bis zu seinem Tod
blieb er im Exil. Boteinah blieb zurück. Aber sie schrieben sich täglich zärtliche Briefe. Ddschemil
starb in der Fremde an Liebeskummer, so sehr verzehrte er sich nach seiner Nichte. Dass er fern von
ihr leben musste, hat ihn ermordet.

Ob nun Dschemil und Boteinah verheiratet waren oder nicht, ob sie sich in körperlicher Liebe
vereinigten oder nicht, die Liebe von Dschemil und Boteinah war, wie der Meister sagt, platonische
Liebe.

22

Dschemil war der Hirte seiner Herde.


Boteinah weidete ihre Tiere.
Aber es fehlte das erquickende Wasser
In den Grenzen des Irak.
Und so tranken Boteinahs Kamele
Aus dem Bach, der dem Dschemil gehörte.

23

Liebe stirbt, wenn sie sich nicht erfüllen kann.


Ich sah die Knospen wiederkommen
Und Dschemil kämpfen im Krieg,
Ach was für ein grausamer Krieg!
Aber Bouteinah blieb heiter
'Und war bereit zum Martyrium,
Für ihre Liebe zu sterben!

24

Dschemil drückte seine Liebe zu Boteinah so aus, dass er in den Krieg zog, in den Dschihad der
Liebe, er sah es als seine religiöse Pflicht an, die Geliebte zu erobern, das Herz der Geliebten zu
gewinnen, und wenn er dafür als Märtyrer sterben müsste! Er verglich seinen Liebesschmerz mit
dem Tod in der Schlacht!

25

Dschemil, ein alter Mann, glaubte nicht an die Liebe auf den ersten Blick. Aber eines Tages sah er
seine junge Nichte zum ersten Mal.

Ein Blick, und ihr schüchternes Lächeln hat ihn verwandelt. Er fragte sich, ob es noch ein Traum sei
oder ob er schon erwacht sei.

Die Zeit verging und offenbarte ihm, dass Boteinah Wirklichkeit war.

26

Dies ist die Stunde, wir müssen weinen.


Was geschah mit unserer Liebe?
In der Zeit plagt uns das fehlende Glück.

Ich kann es nicht leugnen,


Dass ich dich liebe, Dschemil,
Obwohl du ein alter Mann bist.
Meine Mutter aber will,
Dass ich dich meide.

Gesegneter Augenblick,
Da sich meine Hoffnung erfüllt!
Ich sehe das Ziel der Liebe schon vor mir!

Die Frauen können mich beneiden!


Bin ich schon tot?
Ich will mein Leiden bis zum Ende tapfer ertragen!

Dschemil, du erinnerst dich jede Nacht


An die Jungfrau mit den geflochtenen Zöpfen.

Die Sonne über den Wolken


Ist eifersüchtig auf Boteinahs Haar!

27

Der Vogel des Morgens fliegt


Und trägt mein Heil auf den Flügeln.
Darf ich hoffen,
Wenn ich dich anrufe?
Vogel, bring ihr meine Verse!
Gott führe dich, geflügelter Bote!
Siehst du hier unten das Land,
Wo ich einsam in der Wüste stehe,
An Boteinah denkend,
Wahnsinnig, irre, idiotisch?
Ich träume von einem Tag,
Da nichts uns scheidet.
Der Tod ist meine einzige Hoffnung!

28

Oh, er richtet seine Augen auf mich!


Er spricht mit mir,
Er wartet auf meine Antwort.
Stummer Austausch.
Ich gebe mit meinen Blicken Antwort.
Eine frohe Verkündigung:
Wir werden uns wiedersehen!
Dann noch eine frohe Verkündigung:
Wir werden uns im Tode wiedersehen!
Ich verzweifelte, ich starb, ich ward zu Nichts,
Ich ward neu geboren
Im Reich der jungen Hoffnung!
Wie oft bin ich gestorben!
Wie oft bin ich auferstanden!
Würden alle Menschen und Genien auch
Mich hindern wollen, zu dir zu kommen,
Siehe, hier bin ich!

29

Ich verliebte mich in sie,


Und nun leide ich an der Liebe.
Durch sie ists mir geschehen,
Dass ich einsam durch die Wüste wandre.

Was bin ich doch ein Liebhaber


Ungetröstet!
Meine Leidenschaft lebt noch in mir,
Doch meine Kraft hat mich verlassen!

Boteinah will ich lieben,


Bis mein Herzschlag aufhört!
O meine Dichter-Zunge
Ist von meiner Impotenz betroffen!

Sie beklagt sich über die Gleichgültigkeit


Und die Feindschaft der Menschen.
Und über mich muss sie weinen
Und spricht von mir mit Bedauern!

Aber sie wird geliebt!


Tausend Schlangenbisse
Befallen meine Glieder
Und verbrennen mein Fleisch!

Heiß ist meine Liebe zu Boteinah!


Meine Schreie dringen zu Gott!
Der Ruf meiner bräutlichen Liebe
Macht ihre Mutter zu einer Waise.

Sie wird grob behandelt


Von der ganzen Sippschaft.
Die Mutter gehe mit Gott,
Aber sie gehe!

Das unergründliche Schicksal


Hat uns geschieden.
Boteinah, von allem Bösen
Will ich dich erlösen!

30
Dschemil liebte das Mädchen Boteinah. Aber die Sippe Boteinahs wollte nichts von Dschemil
wissen. Dschemil hatte in Gedichten von der Liebe des Mädchens zu ihm, dem Alten, gesprochen.
Von der Liebe einer Frau zu einem Mann zu sprechen, verstieß gegen den Ehren-Codex der Araber.
Darum wurde Boteinah mit einem reichen Jüngling verheiratet, der aber ein Dummkopf war.
Dschemil und Boteinah liebten sich weiterhin, rein platonisch, auf die Ferne, nur durch Briefe und
Verse kommunizierend, ohne den körperlichen Liebesakt zu vollziehen. Dschemil klagte seinem
jungen Mädchen seine verzehrende Sehnsucht in Versen:

Meine intime Busenfreundin!


In deinem ganzen jungen Leben,
Hast du jemals von einem Mann gehört,
Der ermordet wurde von seiner Geliebten
Und um seine Mörderin trauerte, so wie ich?

Dschemil wurde der erste Dichter in der Liebespoesie der Araber, der die Liebe ein Martyrium
nannte und den wahren Märtyrer den Mann, der aus Liebe zu seiner Geliebten sterbe.

Du sagst, Dschemil, dass du in den Dschihad ziehst?


Aber was ist der Dschihad neben einer schönen Frau?
Denn das Plaudern mit hübschen Mädchen ist eine Wonne.
Und wer von seiner Geliebten ermordet ist,
Der allein ist ein wahrer Marterzeuge der Liebe!

Berühmt ist der wahnsinnige Medschnun, der Dichter, der seine Geliebte Layla mit den langen
schwarzen Harren anbetete. Layla selbst war eine poetische Träumerin, und von ihr stammen diese
Verse:

Ich bin die, durch die Medschnun wahnsinnig wurde!


Er las mir seine Gedichte vor,
Ich las ihm meine Gedichte vor,
Und da ist er geschmolzen im Feuer der Liebe!

Ein Gottesgelehrter sagte einmal zu Dschemil: Wenn du die Heilige Schrift studieren würdest, wäre
das sinnvoller, als Liebesgedichte zu schreiben. Aber Dschemil gab zur Antwort: Die Propheten
sagen: Die göttliche Weisheit spricht durch den Mund der Poesie!

Dschemil und Boteinah gehörten zu dem Volk der Araber, die feurige Liebhaber sind. Solch einen
Liebhaber fragte einmal ein Kaufmann: Was ist mit deinem Herzen los? Du fliegst wie ein Vogel am
Himmel und löst dich auf wie Salz im Wasser! Warum fehlt dir die Festigkeit und Tatkraft des
Weltmannes? Der Liebende sagte: Ich sehe mit den Augen der Seele, was du nicht siehst! Ein
anderer Araber wurde von einem Fremden gefragt, zu welchem Volk er gehöre. Der Araber sagte:
Ich gehöre zu dem Volk der Liebenden, die sterben, wenn sie lieben! Ein junges Mädchen, die ihn
hörte, sagte: Beim Schoße Abrahams! Dieser Märtyrer der Liebe ist ein wahrer Araber!

Und Dschemil sang:

Meine Freunde, sagt mir, wenn der Frühling kommt


Im Irak, wo mein geliebtes Volk lebt!
Wie rasche ist der Frühling wieder vorüber!
Aber meine Geliebte ist fern von mir!
Botheinah, du fesselst mich an die Qual!
Die Turteltaube hat Mitleid mit mir
Und begleitet mit ihrem Gurren meinen Kummer,
Mein Leid der glühenden Leidenschaft!
Der Neid der Dummköpfe feuert nur meine Liebe an
Und die Verbote der Mutter machen mich treu.
Die 'Trennung hat meine Gefühle nicht erstickt,
In einsamen Nächten lieg ich und will nicht verzichten!
Boteinahs Lippen sind mir die Quelle des Lebens!
Begreifen denn ihre Lippen mein Dürsten nicht?
Wie ich verdurste, wenn ich ihr Antlitz nicht sehe!
Oft fürchte ich, der Tod überfällt mich unvorbereitet,
Während meine Seele ohne Liebe nicht leben kann!

Dschemils Freund und Bruder im Glauben, Azza, sagte zu Dschemil: Liebster, möchtest du, dass
ich zu Botheinahs Familie gehe und ihr ein Gedicht von dir vorlese? Dschemil sagte freudig Ja.
Azza kam zu Boteinah und ihrer Mutter. Die Mutter sagte: Was willst du uns heute sagen? Azza
sagte: Ich möchte euch heute ein Liebesgedicht eines verkannten Genies vorlesen. Tu das, sagte die
Mutter, wir sind neugierig. Und so las Azza folgendes Gedicht von Dschemil Boteinah vor:

Ich sende meinen Freund und Bruder zu dir,


Er ist klug wie ein Engel Gottes.
Sag mir den Ort, wo wir uns treffen können,
Und sag mir, was ich tun soll.
Das letzte Mal, da ich dich traf,
War es im Wadi, wo du dein Kleid gewaschen.

Boteinah hob ihren Schleier und sagte: Geh, Azza! Die Mutter fragte: Was ist mit dir, Boteinah?
Das Mädchen sprach: Es ist ein Hund zu mir gekommen in der Nacht, da alle gesunden Menschen
schlafen. Und Boteinah ging zu ihren Freundinnen und sagte: Lasst uns in den Palmenhain gehen
und ein Lamm braten für Azza. Aber Azza sagte: Nein danke, ich bin in großer Eile, denn Dschemil
wartet auf eine Antwort. Der Ort eures Treffens wird der Palmenhain sein. Da ging Boteinah mit
ihren Freundinnen und ihrem Schoßhund zum Palmenhain. Dort traf sie sich mit Dschemil. Sie
waren in Liebe zusammen, bis die Morgenröte anbrach. Es gab nie auf Erden zwei Liebende, die
keuscher waren als Dschemil und Boteinah. Sie wussten beide sehr genau, was der andere fühlte.
Und sie übertrafen sich gegenseitig in der anspruchsvollen Vorstellung einer heiligen Ehe.

31

Wenn ich in der Liebe bin,


Fühl ich mich wie der König der Welt,
Die ganze Erde ist mein Eigentum
Und ich fahre gen Himmel auf meinem Flügelpferd!

Wenn ich in der Liebe bin,


Bin ich wie das fließende Licht der Gottheit,
Den Augen des Fleisches unsichtbar,
Und die Liebesgedichte in meinem Notizbuch
Sind wie Gärten von Mohn und Mimosen.

Wann ich in der Liebe bin,


Fließt lebendiges Wasser aus meinen Händen
Und Rosen blühen auf meiner Zunge.
Wenn ich in der Liebe bin,
Bin ich außerhalb der Zeit,
Leb ich im ewigen Leben.

Wenn ich mein junges Mädchen liebe,


Seh ich die Bäume spazieren gehen
Wie Unbeschuhte Mönche.

32

Mein geliebter Herr!


Dies ist der Brief eines törichten Mädchens.
Hat dir schon einmal ein törichtes Mädchen geschrieben?
Was ist an meinem Namen gelegen?
Ob ich nun Layla oder Suleika heiße
Oder Fatima oder Aischa
Oder Maria -
Das dümmste an uns sind unsre Namen,
Mein geliebter Meister!

Mein geliebter Meister,


Ich wage nicht, dir von meinen Ängsten zu sprechen.
Vielleicht ist der Vater im Himmel zornig?
Siehe, im Nahen Osten
Wird ein christliches Mädchen
Von arabischen Männern vergewaltigt
Und vor und nach der Vergewaltigung
Danken sie Allah!
Ein jessidisches Mädchen
Wird verkauft als Sexsklavin!
Schiitische Ehebrecherinnen
Werden nach der Scharia gesteinigt!
Was soll da aus mir werden,
Dem Mädchen mit den schönen Zöpfen?
Der Rosenkranz der Muslime
Zur Anrufung der Namen Allahs
Ist gebildet aus Totenschädeln
Arabischer Frauen!

Mein Meister, mein Herr,


Verachte mich bitte nicht
Wegen des einfachen Stils meines Briefs.
Denn während ich schreibe,
Bellen die Hunde
Und wütet das Schwert im Irak!

Mein geliebter Meister!


Omar steht schon vor meiner Tür!
Er wird mich schlachten wie ein Lamm!
Er wird mich köpfen!
Er wird mich verbrennen!
Er wird mich kreuzigen!
Denn die Frauen Arabiens
Sind umgeben von Terroristen,
Denn im Nahen Osten
Verehren sie den Propheten Mohammed
Und steinigen Frauen!

Werde nicht zornig über mich, Herr!


Ich bin fortgelaufen
Aus dem Kalifat des Krieges
Und der Unterdrückung der Frauen!
Ich bin entflohen dem Harem
Und dem Palast des Scheichs!
Ich bin aufgestanden gegen den Tod!
Ich bin entflohen
Dem schrecklichen Schlachthaus Irak!

Werde bitte nicht zornig, lieber Herr,


Dass ich offen von meinen Gefühlen spreche.
Für die Männer des Nahen Ostens
Ist das bloß Poesie,
Die Männer des Nahen Ostens
Verstehen nicht die Frauen,
Ihre unsterblichen Seelen!

Es tut mir leid,


Wenn ich die Männer angreifen muss.
Die große Literatur ist natürlich
Literatur von Männern.
Liebe ist, was der Mann begehrt.
Und Sex kauft sich der Mann
Oder vergewaltigt die Sklavin.

Es ist ein schönes Feenmärchen


Die Freiheit der arabischen Frauen
Von Syrien bis zum Irak,
Denn die große Freiheit
Ist nur die Freiheit der Männer.

Mein geliebter Meister,


Sag mir alles, was du willst.
Ich bin nur ein törichtes Mädchen,
Ein Dummerchen, pure Einfalt!
Aber wer von den Nöten der Frauen spricht,
Wird von den herrschenden Männern
Ein dummes Weibchen genannt.
Und hab ich dir nicht bekannt
Gleich am Anfang meines Briefes,
Dass ich ein törichtes Mädchen bin?
33

Dein Körper ist meine Weltkarte, Herrin!

Erhebe meine Liebe,


Gib mir einen meiner schönsten Tobsuchtsanfälle,
Das Messer schneide in mein Fleisch,
Ich will sterben für meine Geliebte
Und will mich senken in den Schoß der Geliebten!

Mich ruft der Ozean der Liebe!


Tausend Tote will ich sterben!
Doch wenn ich sterbe,
Werde ich auferstehen!
Dein Körper ist meine Weltkarte, Herrin!

Ich bin Jericho,


Die uralte Hauptstadt der Schwermut!
Ich bin der Pharao,
Die einbalsamierte Mumie
Für das ewige Leben!
Meine Schmerzen erstrecken sich
Von Alexandrien bis nach China!

Meine seelischen Leiden


Sind eine Karawane,
Im siebten Jahrhundert nach Christi Geburt
Vom Kalifen nach China gesandt,
Ins Reich des Drachen.

O Nachtigall meines Herzens,


O Sandstrand am Mittelmeer,
O Garten der Olivenbäume,
O Geschmack von Schnee
Und Geschmack von Feuer,
O meine heidnische Philosophie!

Ich habe Furcht vor dem Unbekannten.


Beschütze mich, Herrin!
Ich habe Angst allein in der dunklen Nacht.
Umarme mich, o Geliebte!
Sing mir Kinderlieder vor!
Schlaf bei mir!
Singe mir den Anfang der Schöpfung!

Ich suche eine Heimat für meine Gedanken


In den schönen Haaren der Frau.
Schreibe meine Verse an alle Mauern
Und dann lösche mich aus!
Die Liebe einer Frau soll mich mitnehmen
Zu den Orangengärten des Morgensterns!
Die Liebe einer Frau verwandle
Meinen Staub in Goldstaub der Sonne!

Du Glanz meines Lebens,


Mein einziger treuer Fan, Geliebte,
Lege mich wie eine goldene Spange
In deine langen Haare.
Ich bin ein Tropfen im Ozean.
Vergiss mich! Aber bleibe treu
Meinen Gedichten im Winter!

Deine Liebe ermordet mich!


Wie ein tollwütig Pferd in Kirgisien
Ist meine Liebe zu dir!
Es spritzt mir Wasser aus den Augen!
O hübscher Wahnsinn!
Ich verbrenne meine Geburtsurkunde!
Schneide mir die Pulsadern auf, Geliebte!

NEUE MINNE

Ich erzog mir eine junge Hündin.


Nachts lag ich wach auf dem Sopha,
Bis lang nach Mitternacht war ich wach.
Du süßes Mädchen!
Dieser glitzernde Planet Venus
Bringt mir abgrundtiefe Schwermut!
Die Schwermut bringt traurige Stunden,
Nur die Liebe bringt fröhliche Stunden!
Gestern stand ich um Mitternacht am Fenster
Und sah das Feuerwerk an,
Da dachte ich an dich
Und sehnte mich nach dir!
Ach, warum muss ich schon wieder weinen?
Brennende Sehnsucht verzehrt mich!
Lasst kommen den Omnibus,
Ich will zu dir!
Wie ich meine junge Hündin zahm gemacht,
Will ich dich zähmen, hübsches Mädchen!

Mein Mädchen denkt an mich


Und schreibt mir einen Brief:
„Schläfst du noch am Mittag, mein Lieber?
Wie dunkel ist die lange Winternacht!
Die Sonne des Sommers ist fortgegangen!
Aber was nützt das ewige Trauern?
Ich hier im Hamburger Hafen
Und meine Mama haben dich lieb!

Wieder bin ich in ein Mädchen verliebt!


Doch nichts von Liebesschmerzen!
Mein Bruder in Christus lobt sie auch.
Heil mir, dass ich sie traf!
Sie ist mir ein Frühlingsbote!
Sie ist eine nackte Fee mit Libellenflügeln!

„Ich hab dich lieb und bin dir treu!


Der finstere Winter geht auch vorüber!
Das soll ich meinem Onkel melden.“

Der Winter macht Kummer mit ewiger Nacht!


Aber mir wird froh, dass die Tage steigen
Und bald ist Ostern!
Wer sich dem Amor geweiht,
Dem wird die Sonne aufgehen!
Und sein Maien-Mond ist Madonnen-Minne!

Nun weiß ich: Gott tut Wunder!


Mein Mädchen mag mich!
Das macht mich glücklich!
Bald kommt die Glückseligkeit,
Wenn ich den Kerker des Körpers verlasse!
Ich denke manchmal an die Vergangenheit:
Die Geliebte hat mir das Hirn weggeblasen!
Ach, meistens bin ich traurig.
Was singt die Welt von der Liebe?
Ich bin unschuldig!
Ich bin treu der ewigen Schönheit!
So hab ich heute Nacht geträumt
Von meiner jungen schönen Nichte.

Ich hörte ein Rotkehlchen singen.


Ich diene meinem Mädchen,
Die mir schenkte ihr Herz.

Ich grüße mit Liedern die Süße,


Ich, der ich arm und ohnmächtig bin.

Ich sah, dass Frauen sterben.


Mit Gesang wollt ich mich trösten,
Ich hab mir selbst ja Kummer bereitet.

10

Wenn ich denke an das fromme Mädchen,


Muss ich mich sehnen nach dem Liebchen.
Ich will versuchen,
Sie tiefer in die Liebe einzuführen.

11

Schön ist jetzt zu sehen


Die Sonne des Frühlings!
Die Rotkehlchen singen!
Vorbei ist die Zeit der Trauer!
Wo sonst die Bäume nackt
Wie Skelette standen,
Da knospen nun junge Blüten.
O schöne Augenweide!

Seh ich mein junges Mädchen


Lächelnd vor mir sitzen,
Gleicht sie ganz dem Gold
Der goldenen Sonne.
Wie ihr Lichtglanz
Mich durchströmt!
Die Herrlichkeit der Herrin
Erleuchtet die Nacht meiner Seele!

Heil Geliebte! Herrlich bist du


Und rein ist dein Herz,
Du bist wie der Sichelmond
Im Kranz des Zodiak!
Der Jungfraungöttin Diana
Ist gleich mein reines Mädchen!
Und was dich schmückt,
Das sind deine zwölf Tugenden.

Und lächelt meine Geliebte,


So seh ich ihre lieblichen Lippen
Auch in meinen Träumen lachen,
Lachenliebendes Liebchen!
Ach wenn ich nur am Freitag
Mit ihr zusammen sein darf,
Wie gerne hör ich dann
Ihre süße charmante Stimme!

Könnte ich der Kleinen


Dienen wie ein Kreuzritter!
Ich bin zufrieden, wenn sie sagt:
Danke, mein Lieber!
Doch was hab ich schon verdient?
Es ist alles Gnade allein,
Was sie mir gewährt,
Und ich bin ihr Sklave!

12

Mit fröhlichem Körper,


Umarmt mit den Armen,
Ans Herz gedrückt,
Wie tut das gut!
Meine Trösterin ist mein Mädchen
Mit Rosen in goldenen Locken.
Sie lacht so liebevoll,
Sie gibt mir neuen Lebensmut!
Wir sind ein Herz und eine Seele,
Ein junges Mädchen, ein alter Mann.
Nun soll die Traurigkeit weichen!
Und kann ich vor Liebe
Auch nur noch stottern,
Da möcht ich lieber küssen
Die süßen Lippen,
Die mir so freundlich gelacht!

Die Macht eines jungen Mädchens


Macht den verliebten Alten
Heute traurig und morgen heiter.
Ich bin frei von Neid und Eifersucht,
Ich freu mich, wenn sie sich freut!
Wenn sich unsere Hände berühren,
Dann küssen sich Sonne und Mond.
Dieses freundliche Mädchen
Ist meine Trösterin!
Was gibt es denn auf der Erde
Schöneres als Liebe?
Sie scherzt mir den Kummer fort!
Wir sind ein Herz und eine Seele!
Und o die schönen Brüste!
Wir sehen uns in die Augen,
Unsre Herzen sind befreundet.
Ist sie weit weg in Hamburg,
Grüß ich sie mit Liebesbriefen.
Himmelhoch jauchzend!
Zu Tode betrübt, wie immer!
Brennende Sehnsucht verzehrt mich!
Ich suche im Rausch Vergessen!
Aber bald hat der Geliebten Gnade
Allen Kummer wieder weg gescherzt!
Süß ist ihre Liebe!
Meine Liebe ist größer!
Heil ihrem heiligen Herzen,
Dass so keusch die Treue bewahrt!

13

Ich mache mein Mädchen berühmt,


Die Schöne, Wohlerzogene,
Ihr Loblied soll man in Deutschland lesen,
Im Amerika und in Polen, wo man mich liest.
Wie die schlanke Mondsichel
Erleuchtet sie die Nacht mit Glanz.
Ihr Licht durchdringt das Multi-Universum!
Voll der Gnade ist die Schönheit!
Und alle meine christlichen Brüder
Wollen sie zur Himmelsprinzessin krönen!

Ihr Loblied verurteilt die bösen Weiber,


Hexen, Furien und Xanthippen,
Selbst die andern christlichen Frauen
Können ihr nicht das Wasser reichen!
Auch ist makellos ihr Körper gebaut,
Schlank wie eine Birke ist mein Mädchen.
Möge ich unter ihrer Gnade leben,
Denn sie gebietet mir: Lebe!
Du sollst leben und blühn wie die Lilie!

Gott erhalte ihre Unschuld!


Wie fleißig und geschickt arbeitet sie!
Mein Herz hat dies Mädchen zur Muse erwählt.
Heil Mädchen! Süß ist dein Zuckermund!
Du hast schöne weiße Zähne!
Durch sie hab ich die Todestrauer verloren
Und den Hass auf die hässlichen Weiber.
Ich lobe ihren christlichen Glauben,
Ihre Sanftmut, Zärtlichkeit, Freude.
Darum sing ich ihr freudige Lieder.

Ihr Lichtglanz ist wie der der blonden Sonne!


Die Wolken der Trübsal erleuchtet ihr Licht!
Am schönsten ist sie im Frühling,
Dann gleicht sie dem heiteren Himmel!
Es freut mich, dass ich sie lieben darf!
Sie ist mehr gesegnet als andere Frauen!
Sie ist von Mutterschoß an heilig!
Sie ist heiliger als die Französin,
Herzlicher als die Russin und die Polin.
Ich will sie mit meinen Gedichten berühmt machen.

14

Wunder tat Gott!


Ihre zärtliche Seele
Und ihr strahlendes Lachen,
Ihr lichtes blaues Auge!
Ihre Blicke trafen mich
Wie Pfeile Amors!
Nun bin ich verwundet
Von brennender Sehnsucht!
Im Herz meines Herzens
Wohnt die Gütige,
Milde und Süße.
Aber meine Psyche ist krank.

Wenn ich wie ein Tor


Ihr meine Schwermut
Im Brief bekenne,
So ist es ein Wunder Gottes,
Dass sie mich dennoch mag
Und mir trostreich schreibt.
Und wenn ich ihre Stimme höre,
Wird meine Seele getröstet.
Dann sitz ich vor ihr im Sessel
Und erzähle lustige Witze
Von den Zaubereien der Fee!

15

In so himmelhoch jauchzendem Jubel


Fand sich meine Psyche,
Es war, als könnt ich fliegen wie ein Engel
Und kreiste immer um sie,
Seit ich ihren trostreichen Gruß empfing,
Der mir durch alle Synapsen der Psyche
In das Innere meines Herzens schoss!

O welche Schönheit ich anschauen kann!


Aber was ist das gegen die Lust, die ich hatte,
Dass Feuer und Luft und Wasser und Erde
Und Äther erfüllt sind von meinem Jubel!
Das ist ein fröhlicher Wahnsinn!
Das ist ein süßer Trost!
Mein Herz steigt die Himmelstreppe hinan!

Das ist ein tolles Zaubermärchen,


Das sich vor meinen Sinnen ereignet!
Sie besänftigt meine Schwermut
Besser als ein Anti-Depressivum!
Mein Herz hüpft, meine Seele schwebt
In Entzücken und Verzückung!
Die schöne Liebe badet sich
In meinen erschütterten Tränen!

Selig sei der achte September,


Da ich sie zum ersten Mal gesehen!
Sie sprach: Der wahre Dichter
Darf sich nicht selbst ermorden!
Ich war bezaubert von ihrer Weisheit,
Ihrer zärtlichen Liebe zur Mutter,
Ich war besoffen von ihr!

16

Sie ist die wahre Lichtelbe!


Ich bin von der schönen Liebe erwählt!
Die Große Frau hat mich erwählt!
Soll ich zur Strafe meiner Sünden
So schweres Leiden als Sühne tragen,
Wohlan denn, es sei!
Aber ich bitte um Frauenhuld,
Damit erfreut sie den Trauernden,
Dass ich vor trostreicher Liebe schmelze!

Ihre lichten zärtlichen Blicke


Erwärmen mein Herz mit stiller Glut.
Der Schnee schmerzt, wenn sie fern ist,
Doch kein Pazifischer Ozean
Löscht das Napalmfeuer Amors!
Nur Mut! So sagt die Schönheit freundlich.
Ich rühme den Katalog ihrer Tugenden,
Weiser als Aristoteles!

17

Freue dich, schöne Jugend!


Sei getrost, gelehrtes Alter!
Der frostige Schnee wird schmelzen!
Schau dir das Wäldchen an,
Schau dir die Wiesen an,
Natur trägt ein lustiges Kleidchen!
Blumen kommen aus der Erde,
Schneeglöckchen läuten.
Das ist die süße Lenzlust!
Die keusche weiße Blüte
Im kurzen grünen Mini-Rock!
Rote Rosen schmücken
Deine goldenen Locken,
Du lebenslustige Jugend!

Die geliebten Rotkehlchen zwitschern,


Man hört unaufhörlich Musik
In dem Tempel der Natur,
Der Winter ist vergangen.
Ihre Seele ist heilig und zärtlich
Und ich bin zufrieden,
Denn meine junge Herrin
Ist mir gnädig gesonnen.
Sie, die in meinem Herzen thront,
Meine Herzenskönigin,
Sie scheidet mich von Frau Sorge
Und vermählt mich Jungfrau Freude!

Muss ich auch ein schweres Leben erdulden,


Muss ich weinen und seufzen Ach,
Das reine Mädchen schenkt mir
Neuen Lebensmut.
Ich muss ja tragen mein schweres Kreuz,
Aber die Liebe ist da!
Mein Mädchen ist die Makellose
Und ist voller Gottesliebe
Und voller Lust am Leben
Und ist sich zutiefst bewusst,
Dass Gott sie natürlich mag!
Mit magischem Zauberstab
Verzauberte Gott meine Psyche!

18

Du Rasen und ihr Blumen,


Verscheucht mir am Morgen
Meine Melancholie,
Du jugendliche Natur!
Gladiolen aus Seide
Stehn in schlanker Vase.
Das Rotkehlchen singt inbrünstig,
Inbrünstig sing ich auch!
Wenn ich mein Mädchen
Endlich wiedersehe,
Möge ihr freundlicher Blick
Mir meine Sehnsucht stillen!
O du göttliche Liebe und Schönheit,
Ich hab meinen gelehrten Verstand
Schon fast im Wahnsinn verloren!
Herr Amor, bitte gib dem reinen Mädchen ein
In ihr heiliges Herz,
Dass sie meinen Kummer tröste.
Mein Herz ist voll von ihr,
Sie ist meine Eine, Reine, Feine,
Ach wär sie meine Schwester doch!
Liebe kannte ich bisher nur als Qual,
Für Liebe bekam ich nur Hass!
Aber sie lacht so strahlend!
Möge sie bald kommen, Herr,
Und meinem traurigen Herzen
Freude statt Trauer schenken!
Ich kann es kaum in Worte fassen,
Was am Tag und in der Nacht
Die kranke Psyche empfindsam empfindet.
Doch vor ihren lächelnden Lippen
Will ich schweigen von meiner Schwermut.
Wenn sie mir wohlgesonnen ist,
Dann ist ihr Herz auch mächtig,
Mein krankes Herz zu heilen.
Ihr frommen christlichen Schwestern,
Ich habe nur noch einen einzigen Wunsch:
Dass ich der Diener ihrer Freude sein darf,
Dass sie mich annimmt als ihren Dichter!
Aber sollte sie meiner überdrüssig werden
Und mag sie meine Liebe nicht annehmen,
Nun, so geh ich einen andern Weg!

19

Du allerschönste Zeit des Frühlings,


Wer kann dich besser besingen als ich?
Ist da solch ein Dichter, so wetteifre er
Mit mir im Lobpreis meines Mädchens!
Dann werde ich auch seine Dame loben,
Wenn sie fromm ist wie mein Mädchen.
Ach, ich habe schon viel gedichtet
Von der himmlischen Jungfrau,
Aber man kann sie auch nicht genug lobpreisen!
Sie ist meine Liebe, meine junge Hoffnung,
Und für den treuen Dienst als Dichter
Hat mich schon ihre herzliche Gnade reich belohnt!

20

Schaut, Schwestern, das blühende Ostern


Macht die Rotkehlchen und die Amseln zwitschern,
So erfreut mein liebevolles Mädchen
Meine depressive Psyche!
Und sie schenkt mir sola gratia
Und lässt mich Wunder Gottes erleben!
Sie spricht von der heiligen Fröhlichkeit,
Nennt diese Tugend Sancta Laetitia!
Was kann mich ermannen wie diese?
Mein Mädchen verdient durch ihre Güte,
Dass sie den besten Namen erhält,
So nenn ich sie meinen weiblichen Leidvertreib!

Jeden Tag wie heute


Freu ich mich an meinem Mädchen,
Denn sie bewahrte ihre Unschuld.
Wer mir alles zum Bösen auslegen will,
Der gehe zum Hexensabbat,
Doch lasse mich allein mit meinem Mädchen.
Manches find ich süß an ihr.
Und ob die Ostersonne auch
Den Laien ihr Gnadenlicht spendet,
Meine Jungfrau begnadet mich mehr!

Und wenn im Winter die Vögel verstummen


Und Schnee und Frost die Nacht beherrschen,
Keine Gladiole für die Geliebte blüht,
Dennoch seh ich rote Rosen im Schnee,
Die rote Rose in ihren goldenen Locken.
Das ist ein Blümchen nach meinem Geschmack!
Wem ward größere Lust gespendet?
Hat denn unterm Tannenbaum im Kerzenschein
Ein Christ so große Gnade erfahren
Wie ich von meiner Advents-Madonna?

21

Ich begrüße den neuen Menschheitsfrühling


In der jugendlichen Natur!
Überall Knospen und Blüten
Und bunt ist das Kleid der Natur.
Das wird unsre Herzen wieder erquicken,
Wenn wir mit trunken schmachtenden Augen
Die Blume der Blumen im Lichte schauen.
Dann werden unsre kranken leidenden Psychen
Getröstet von der Barmherzigkeit Gottes,
Wenn Frost und Finsternis von uns weichen.
Ich sehe im Geist das junge Mädchen,
Unter allen Schwestern seh ich nur die Eine!
Dass ich durch die Macht Amors
Meine Philosophie verlernt hab,
Erfuhr ich, und bin doch selig.
Mädchen, lass deinen lachenden Mund
Mit den weißen Zähnen strahlen
In deinem glücklichsten Lachen
Und sende einen zärtlichen Blick
Aus deinen zärtlichen lichten Augen
Wie Amors Pfeil in meines Herzens Mitte!
Die Nacht der Seele, den Winter des Kummers
Vertreibe du, meine Göttin Flora,
Und erquicke mein Herz, Geliebte!
Ich kröne deine jugendliche Anmut
Vor allen Brüdern zur Maienkönigin!

22

Willkommen, wiederkehrende Flora!


Willkommen, Lenzlust, du kommst zurück!
Du verleihst mir neuen Lebensmut,
Ich habe zu meinem Glück dich erwählt.
Mein Mädchen ist schöner als Gladiolen,
Mein Liebchen ist süßer als Rotkehlchen.
Mein Mädchen soll meine Muse sein,
Dann kann mein Geist auch wieder singen:
Komm, Liebchen, lass dir küssen die Hand!

Viele bunte Kleider hat mir gezeigt


Die junge schöne Maienkönigin,
Es freuen sich die Rasen, die Birken,
Es freuen sich die Sommergladiolen,
Weiß und blau die Vergißmeinnicht.
Alles hüpft dem Äther entgegen.
Das Rotkehlchen zwitschert vor Liebchens Balkon.
Ich werde verjüngt von dem jungen Mädchen!
Möge sie sich freuen an meinen Schmeicheleien!

Anmut, Schönheit, Grazie ist ihr Kleid,


Von der ich heute selig singe.
Sie ist lieb zu mir und nicht hässlich,
Mein Herz ist besessen von ihr allein!
Meine Geliebte ist fröhlich und heiter
Und gütig zu dem alten hässlichen Dichter.
Sie ist der Inbegriff der Glücksgöttin!
Möge Gott im Himmel sie behüten!
Mein Herz blüht auf in jugendlicher Lust!

ZAUBERSPRÜCHE
EINER FRAU BESCHWÖRUNG IHRER RIVALIN

Wie man vom Baum einen Kranz flicht,


So will ich ihr Vermögen und Ehre flechten.
Unter ihren Verwandten möge sie lange wohnen
Wie ein Berg mit breitem Fundament.

O König, Gott des Todes,


Ich will dir das Mädchen als Braut übergeben,
Die gebunden ist an ihre Mutter
Und an ihren Bruder im Vaterhaus.

Sie ist die Königin der menschlichen Rasse,


O Gott des Todes, ich opfre sie dir.
Lange mit ihren Verwandten möge sie sitzen,
Bis ihre Haare grau vom Alter werden.

Mit allen ihren Freundinnen


Soll sie wie mit Schwestern im Sarge liegen,
Ich fessle sie und alle ihre Kräfte.

EINES JUNGEN MANNES LIEBESZAUBER

Voll Honig blühte diese Blume im Leben auf,


Jetzt sauge ich den Honig aus dem Kelch.
Mach mich süß wie Honig,
Denn mit Honig ist dein Schoß erfüllt.

Meine Zungenspitze hat den Honig geleckt,


Den süßen Honig an deiner tiefen Wurzel.
Du bist fruchtbar nach meinem Wunsch und Willen,
Du sollst mein sein und meine eigene Schatzkammer.

Mein Kommen ist honigsüß


Und mein Aufblühn ist honigsüß,
Meine Stimme und meine Worte sind süß.
Ich wäre auch gern so schön wie Honig.

Ich bin süßer als Honig,


Süßer als der schwarze Lakritz.
So mögest du mich lieben als eine süße Wurzel
Und niemand lieben als mich allein.

Ich habe dich mit Zuckerrohr umgürtet,


Allen Groll und Hass zu verbannen.
Mögest du in mich verliebt sein
Und mich nie verlassen,
Ich will dein einziger Liebling sein.

VERHERRLICHUNG DER ERSTURSACHE ALLER DINGE


Ich habe den Höchsten geschaut,
Von dem das All die Form hat.
Von Ihm ward alles Leben gemolken,
Alles Existierende.
Die himmlischen Heerscharen
Loben Gottes Licht mit Hymnen.

Die Ewigkeit erkennend,


Kann der Engel mir erklären
Das höchste Geheimnis.
Drei Schritte entfernt in der Dunkelheit
Verborgen ist der Allwissende,
Der Vater der Väter.

Er ist unser Vater und Erzeuger,


Er kennt alle Wesen
Und ihre Bestimmung.
Er kennt die Namen aller Götter und Göttinnen.
Alle Kreaturen suchen Ihn.

Ich bin durch Himmel und Erde gegangen,


Ich habe mich genähert
Dem eingeborenen Sohn des Ordens.
Er ist die Stimme,
Er redet deutlich in der Welt,
Wahrlich, er ist das Feuer Gottes.

Ich bin durch das gekrümmte Weltall gereist,


Um in weiter Ferne zu sehen
Die große Gemeinde der göttlichen Ordnung.
Die Götter und Göttinnen haben empfangen
Das ewige Leben Gottes,
Sie sind im Himmel geboren.

EIN ZAUBER GEGEN DIE BÖSEN, DIE ABTREIBUNG BETREIBEN

Die Muttergöttin des Lebens hat uns gesegnet,


Aber Unruhe stiften die Dämonen.
Uns zerbrechen die schrecklichen bösen Geister.
Aber ich habe die Göttin gewonnen,
Die Mächtige, Eine.

Siegreich seit alten Zeiten


Wurde die Mutter von Gott gezeugt.
Mit ihr gemeinsam werde ich zerstückeln,
Als wenn es ein kleines Vöglein wäre,
Den Führer der bösen Geister.

Der verhasste Erzbösewicht


Trinkt Menschenblut
Und zerstört den Wachstum des Lebens.
Die Dämonen fressen den Menschenkeim,
Aber die Mutter bezwingt und zerstört die Dämonen.

Treibe die bösen Geister aus,


Die Dämonen, die Feinde des Lebens,
Begrabe sie unter einem Grabhügel!
Ich folge der Göttin, der Mutter des Lebens,
Die verbrennt im ewigen Feuer die Teufel.

Mutter, treibe aus die bösen Geister,


Die belästigen alles menschliche Leben!
In die tiefsten Schatten der Finsternis
Banne ich die Bösen,
Die Teufel, die Menschenfleisch fressen!

GEBET FÜR EIN LANGES UND GLÜCKLICHES LEBEN EINES KNABEN

Dieses Kind meines Alters soll wachsen,


Keine der hundert Todesarten soll ihm schaden.
Vor dem Ärger mit falschen Freunden
Bewahre ihn der Gott,
Wie eine Mutter beschützt ihr Kind,
Wie eine Amme nährt ihr Kind,
Soll Gott behüten meinen Knaben!

Der Gott, der Vernichter des bösen Feindes,


Gewähre ihm am Ende seines Lebens
Einen guten natürlichen Tod.
So segne ihn der Opferpriester,
Der Mann des Gesetzes,
So segnen ihn alle Geschlechter
Der Göttinnen und der Götter des Himmels.

Herr, du bist der Schöpfer all unserer Rinder,


Der Rinder, die uns schon geboren sind,
Und der Rinder, die uns noch geboren werden.
Nimm meinem Knaben nicht den Atem,
Beschütze ihn vor falschen Freunden
Und sorge, dass seine Feinde ihn nicht töten.

Der Vater im Himmel sei sein Vater


Und die Mutter Erde seine Mutter.
Gott gebe ihm am Ende eines langen Lebens
Einen guten natürlichen Tod.
Möge mein Knabe immer geborgen sein
Im Schoß der großen Muttergöttin,
Behütet sein hundert Frühlinge lang,
Durch Gottes lebendigen Geist.

Lass ihn leben, o Gott,


Und lass ihn leben im Licht,
Den lieben Knaben,
Du Gott und du König des Himmels!
Schütz ihn, o himmlische Mutter,
Alle Göttinnen und Götter des Himmels
Mögen ihm gewähren ein langes Leben,
Ein langes und glückliches Leben!

EINES MANNES LIEBESZAUBER

Wie der Wind bewegt das Gras der Erde,


So will ich deinen Geist bewegen,
Dass du mich lieben mögest,
Dass du mich nie verlässt, Geliebte!

Ihr Zwillingsgötter der Freundschaft,


Führt uns zusammen als Liebespaar!
Jetzt noch trennt uns das Schicksal,
Aber ich lege mein Gelübde ab dem Geist.

Wie die Adler am Himmel schreien,


Schreien vor Freude und Gesundheit,
So soll sie kommen auf meinen Ruf,
Wie der Pfeil eilt vom Bogen!

Was Äußeres ist, soll Inneres werden!


Ergreife und besitze, o Zauberpflanze,
Den Geist des Mädchens voller Charme!

Sie sucht doch einen Mann!


Der ist aber schon da!
Und ich bin voller Sehnsucht
Nach einer Ehefrau!
Ich bin wie ein wiehernder Hengst!
Möge mein Schicksal das Glück bald treffen!

EINES MANNES ZAUBER FÜR EIN HEIRATSMÜNDIGES MÄDCHEN

Als Bittsteller komm ich zu Gott,


Denn dieses Mädchen sucht das Glück,
Dieses Mädchen macht mich glücklich.
Wie im Freien stehen Baumgruppen schön,
Möge sie bald ein Ehemann beglücken!

Ich liebe das heilige Opfermahl,


Ich liebe das Gebet,
Ich bin ein wahrer Gottesmann,
Und in der Wahrheit Gottes
Verkünde ich der jungen Braut ihr Orakel.
O Gott, möge die junge Frau den Ehemann finden.
Denn wahrlich, der Herr des heiligen Mahles
Macht das junge Mädchen selig.
Möge sie Kinder empfangen und gebären,
Sie, die Herrin des Hauses,
Neben ihrem Gemahl im Bette liegen!

Wie diese heilige Grotte schön ist,


Den wilden Tieren eine sichere Wohnung,
So möge diese junge Frau ihren Geliebten gewinnen,
Geliebt von ihrem Herrn,
Und seine ewige Liebe gewinnen!

Erhebe dich, Herr, und besteige das Schiff,


Das unerschöpfliche volle Schiff,
Und bring den Liebhaber rasch herbei,
Den du mit ihr verheiraten willst!

Berufe ihn, o Herr des Reichtums!


Mach den Liebhaber liebestoll!
Lass ihn zu deiner Rechten stehen,
Lass ihn einen Ehemann sein,
Der würdig deiner Erwählung ist!

Hier sind die Edelsteine,


Hier ist das Gold,
Hier ist der Glaube
Und hier ist die Glückseligkeit.
Komm du zu den Männern
Und erwähle den einen Mann,
Den du erwählst für die junge Frau!

Möge dein Schutzgott dich führen, Mädchen,


Und dir den Mann bringen,
Den dein Herz begehrt.
O Hochzeit! Sei Gottes Geschenk an das Mädchen!

EINER EIFERSÜCHTIGEN FRAU BESCHWÖRUNG IHRER RIVALIN

Aus der Erde grab ich diese Pflanze,


Das Kraut mit wirksamer Kraft,
Dadurch quillt die Rivalin an,
Und ich gewinne meinen Mann für mich.

Verheißungsvoll, mit entfalteten Blättern,


Von den Göttern gesegnet, die Sieges-Pflanze,
Fahre du dahin, Rivalin,
Ich allein bin das Bergwerk meines Mannes!

Er hat zwar deinen Namen nicht genannt,


Du bummelst nicht mit meinem Mann.
Weit in die entfernteste Ferne
Fahre meine Rivalin weg.

Stärker bin ich, stärker als sie,


Mächtiger bin ich, mächtiger.
Unter mir wird meine Rivalin sein,
Die Niedrigste aller Weiber!

Ich bin die Eroberin,


Ich bin die Siegerin.
Der Sieg kommt zu meinem Mann und mir,
Ich bezwinge die fremde Frau.

Ich umgürte dich mit der magischen Pflanze,


Ich werde über dir die Mächtige sein.
Wie sich das Kalb beeilt, zur Kuh zu kommen,
So geschwinde ist mein Geist,
Ich kann sogar auf dem Wasser gehen!

ZAUBER FÜR EINE FRAU GEGEN UNFRUCHTBARKEIT UND FÜR DIE GEBURT EINES
KNABEN

Wir vertreiben von dir, o Frau,


Jede Ursache der Unfruchtbarkeit.
Alle Sterilität sei fern von dir,
Verbannt an einen weit entfernten Ort.

Wie im Köcher ein Pfeil,


So soll in deinem Mutterschoß
Ein männlicher Embryo sein.
Aus dir wird ein Baby geboren,
Nach neun Monden ein Kind,
Dein Sohn soll ein Held werden!

Wir bringen dir einen Mann,


Bring du einen Sohn hervor.
Ein zweites männliches Kind
Soll folgen dem ersten männlichen Kind.
Mutter sollst du von Söhnen sein,
Auch im Himmel Mutter von Söhnen sein!

Mit den verheißungsvollen Strömen,


Mit denen die Stiere die Kühe befruchten,
Sollst du einen Sohn bekommen,
Du sollst eine fruchtbare Mutterkuh sein.

Wir geben dir die Macht,


Ein Kind im Schoß zu tragen.
In dir soll sich regen
Der Keim eines neuen Lebens.
Besorge dir einen Sohn, o Frau,
Du sollst ihm ein Segen sein.
Du sollst ein Segen für deinen Knaben sein.

Möge dir das himmlische Kraut,


Dessen Vater der Himmel ist
Und dessen Mutter die Erde ist
Und dessen Wurzel im Meer ist,
Möge dir die himmlische Heilpflanze helfen,
Einen starken Sohn zu gebären!

EINES MANNES LIEBESZAUBER

Möge der Treiber dich anstacheln,


Sei nicht in Ruhe auf deinem Bett,
Schrecklich ist der Pfeil der Liebe,
Damit ich gewaltsam öffne dein Herz!

Der Pfeil mit den Flügeln von Sehnsuchtsgedanken,


Sein Holz ist Begierde, soll dich lösen,
Möge Eros immer weiter schießen
Und dir das Herz durchbohren!

Der Pfeil des Eros


Spalte dir Nieren und Milz!
Mit schnellen Flügeln und strahlend
Durchbohr ich dir dein Herz!

Ich bin verwundet von brennender Hitze,


Deine roten Lippen stehlen mir das Herz.
Sanft und bescheiden
Bin ich mit süßen Worten
Der Liebe gewidmet.

Verlasse deine Mutter,


Deinen Vater jag ich mit der Peitsche weg,
Damit du mir allein gehorchst
Und jeden Wunsch mir erfüllst.

Die Götter mögen vertreiben


Alle andern Gedanken von dir
Und dir entziehen deinen freien Willen
Und dich ganz mir zu eigen geben!

ZAUBER FÜR FAMILIÄRE HARMONIE

Freiheit von Hass will ich euch bringen,


In Eintrat und Einigkeit
Liebt einander
Wie die Kuh ihr Kalb liebt!
Eines Sinnes mit der Mutter,
Sei der Sohn dem Vater treu.
Die Frau möge ruhig und sanft sein
Und Worte reden süß wie Honig von Herzen!

Kein Bruder hasse seinen Bruder,


Keine Schwester sei lieblos zu ihrer Schwester.
Einstimmig, mit Einer Absicht,
Redet in Freundlichkeit!

Die Götter streiten sich nicht,


Kein Gott hasst einen andern Gott.
Der Götter Zauber sei auf eurem Haus,
Eine Union der Menschen.

Weise und demütig seid vereint,


Freundlich und nett,
Tragt gemeinsam das Joch,
Rede einer mit dem andern süß,
Seid bewusst und einträchtig!

Trinkt gemeinsam,
Speist am selben Tisch,
Bringt gemeinsam das Opfer dar!
Dient dem Herrn und versammelt euch um ihn
Wie die Speichen eines Rades!

Mit bindendem Zauber will ich euch vereinen,


Gehorcht nur einem einzigen Herrn
Und seid in ihm geeint!
Mögen die Götter, die die Menschen achten,
Am Abend und am Morgen
Euch ewig gnädig sein!

MYSTISCH-THEOLOGISCHE LEHRE

Gen Osten verneig ich mich zum Gebet,


Der Gott offenbart sich mit Blitzen auf dem Berg.
Ich schreibe seine tiefsten Offenbarungen,
Er ist der Schoß von Sein und Nichtsein.

Möge die Königin kommen,


Die erstgeborene Tochter des Vaters,
Die Erste in der Welt der früheren Generationen.
Für sie setzen sich Strahlengewölbe in Bewegung.
Möge sie süße Muttermilch spenden
Dem, der dürstet und saugen möchte!

Er, der der Allwissende ist,


Erklärt alle Götter zu seinen Söhnen.
Er hat unser Gebet aus der Mitte des Herzens angenommen.
In der Höhe und in der Tiefe
Lebt seine göttliche Natur.

Er gibt das treue Gesetz von Himmel und Erde,


Er gründet die Welten auf festem Fundament.
Der Allmächtige stürzt die mächtigen Herren,
Er breitet den unendlichen Himmel aus
Und schuf unsere irdische Heimat
Und die Region der Lüfte zwischen Himmel und Erde.

Er hat aus der Tiefe geboren


Den einzigen Herrn und König der ganzen Welt.
Aus dem Licht war der Tag geboren mit seinem Glanz,
In ihm leben die Weisen, mit Erleuchtung begabt.

Der gesalbte Dichter wahrlich preist


Den allmächtigen Gott der Urzeit.
Der Dichter wurde mit andern Menschen geboren,
Sie schlummerten, bis der Mutterschoß sich auftat.

Der weise Mann, der Freund der Götter,


Er sucht anbetend den himmlischen Vater.
Ich weine vor dir, allmächtiger Schöpfer,
Dass ich dich nicht beleidige, einzig weiser Gott!

EINES LIEBHABERS SCHLAFZAUBER

Mit dem Stier, der tausend Hörner hat


Und der aus dem Meer gestiegen,
Mit dem starken und mächtigen Stier
Wiege ich mein Volk in Schlaf.

Über der Erde weht kein Wind,


Kein Auge sieht das Wehen des Windes.
Schlaft nun, ihr lieben Frauen,
Euer Schoßhund möge schlafen,
Seid getrost, denn Gott ist euer Freund!

Die junge Frau soll schlafen in ihrem Zimmer,


Ausgestreckt liegen auf ihrem Bett.
Die Matronen, die nach Süßigkeit riechen,
Alle mit einander will ich einschläfern.

Alle bewegten Dinge werden festgehalten,


Augen und Atem sind sicher.
Jedes Glied und alle Glieder sind ergriffen
Von der Dunkelheit in der Nacht.

Der Mann, der sitzt, der Mann, der steht,


Der klar sieht, soll die Augen schließen,
Wenn verschlossen wird das Haus.
Schlafe, liebe Mama,
Auch Papa möge selig ruhen,
Schlafen mögen die Hunde
Und die Dienerinnen des Haushalts.

Mit einschläferndem Zauber, o Schlaf,


Lass das ganze Volk ruhen und schlafen.
Lass sie alle schlafen in der Nacht,
Ich aber wache, bis der Tag anbricht,
Bis die junge Morgenröte aufersteht,
Schön und gut und weise wie Gott.

VERHERRLICHUNG DER GÖTTIN SPRACHE

Ich wandere mit den Heiligen und den Weisen,


Mit den Mächten und Kräften des All,
Ich erhebe die Vereinigung der Götter
Und erhebe die Zwillingsgötter
Und bete an den höchsten Gott.

Ich bin die Königin, die Schätze sammelt,


Nachdenklich ist mein Geist,
Ich bin die Erste, der Anbetung würdig.
Die Götter, die an vielen Orten verehrt werden,
Sie wohnen alle in meinem Himmelspalast.

Wahrlich, ich werde verkündet


Als das Wort, das Gott spricht,
Und Menschen sind mir willkommen.
Ich mache aus dem Mann,
Den ich leidenschaftlich liebe,
Einen Priester, Heiligen oder Weisen.

Alle die essen, leben von meinem Brot,


Ich füttere alle meine Kinder,
Und der Mann, der sieht und atmet,
Hört mein göttliches Wort.
Die Menschen wissen es nicht,
Doch leben sie in mir.
Höre, mein Sohn, die absolute Wahrheit,
Wie ich sie dir offenbare.

Neige dich vor dem Bogen des Kriegers,


Dass sein Pfeil trifft und tötet
Die Masse des Pöbels voller Hass!
Ich erwecke den Kampf um Menschenseelen,
Ich durchdringe Himmel und Erde.

Ich pflege und unterhalte die heilige Opferspeise,


Ich unterstütze die Mächte und Gewalten.
Ich lade ein zum eifrigen Opferkult,
Wo das Blut vergossen
Und das göttliche Opfer dargebracht wird.

Ich habe die Berge hervorgebracht,


Ich und der Vater,
Ich wohne über den Wassern
Und mein Thron ist überm Ozean.
Von mir stammen alle Kreaturen.
Mit meiner Stirn berühre ich den Himmel.

Ich habe einen mächtigen Atem,


Der Winde und Stürme atmet.
Ich halte alle Existenzen zusammen.
Jenseits von Himmel und Erde
Bin ich allmächtig in meiner Größe.

ZAUBER GEGEN DÄMONEN UND NYMPHEN

Mit dir, o Blume, in alten Zeiten


Die Götter besiegten die Dämonen,
Die himmlischen Helden und strahlenden Krieger
Schlugen die Erzbösewichter, die Teufel.

Mit dir, o Blume, will ich erschrecken


Die Dämonen der Lüfte und die lüsternen Nymphen.
O Gott, verjage den Erzbösewicht,
Alle Unholde sollen verschwinden
Durch den süßen Duft der keuschen Blüte!

Lass die lüsternen Nymphen verdampfen,


Ich kenne sie alle mit Namen,
Die baden im Meer und in den Flüssen.
Aufmerksam will ich betrachten,
Wie die lüsternen Nymphen verschwinden
In dem Abgrund der Vergangenheit.

Wo große Bäume sind mit grünem Laub,


Wo die Schaukeln in den Bäumen hängen,
Sind die Baumnymphen und machen Musik
Zu ihren Harfen und Leiern,
Zu ihren Triangeln, ihren Zimbeln.
Aufmerksam will ich betrachten,
Wie die lüsternen Baumnymphen
Im Abgrund der Vergangenheit verschwinden.

Hierher ist die eine Blume gekommen,


Die am wirksamsten ist
Von allen Zauberpflanzen und Zauberkräutern.

Lass Gott eindringen


Und den Herrn mit erhabenem Horn!

Den Dämonen der Lüfte,


Die tanzen Tänze der Begierde
Mit den lüsternen Nymphen,
Und dem Herrn der tanzenden Hexen
Nehme ich mit diesem goldenen Haar
Alle Kraft und Potenz!

Mit den tausend Eisenspeeren Gottes


Sollen die Dämonen erstochen werden.
Mit Gift soll man füttern die unholden Geister,
Die kein Opfer darbringen Gott im Himmel.

O Blume, sei du die Siegerin,


Zertrete das Haupt der Schlange,
Ernähre mit tödlichem Gift
Die unerleuchteten Egoisten!

Ein Jüngling mit langen Haaren,


Affenartig und geil wie ein Hund,
So ist der Unhold der Lüfte,
Mit begierigen Blicken verfolgt er
Eine schöne junge Dame,
Sie mit schwarzer Magie zu erschrecken,
Er will sie vernichten.

Ihr jungen hübschen Mädchen,


Ihr seid die wahren Nymphen,
Und die Engel sind eure Herren.
Aber jagt die bösen Geister weg,
Die stören eure Vereinigung mit den Männern!

EINES MANNES LIEBESZAUBER

Wie die Schlingpflanze ihre Arme wirft


Und eng den Baum umschließt,
So umarme du mich,
Dass du in Liebe mit mir dich vereinigst
Und deinen Geliebten nie verlässt!

Wie der steigende Adler


Seine Schwingen über die Erde breitet,
So will ich deine Seele unterwerfen,
Dass du in der Liebe mit mir vereint seist
Und mich nie verlässt, Geliebte!

Wie in ihrem raschen Gang die Sonne


Den Himmel und die Erde umfasst,
So will ich als Kompass dir den Weg zeigen,
Dass du in Liebe mit mir vereinigt seist
Und mich nie verlässt, mein Liebling!

DES MANNES LIEBESZAUBER

Begehre meinen Körper, küsse meine Füße,


Liebe meine Augen, liebkose meine Lenden!
Lass deine Augen trocknen, junges Mädchen,
Und lass deine Locken fluten
Über meine Liebe zu dir!

Lass deine schlanken Arme liegen


Auf meiner Brust, auf meinem Herzen,
Sei fruchtbar auf meinen Wunsch hin
Und unterwerfe dich meiner Liebe!

Möge sie, deren Zungenküsse mich fesseln,


Ihr Herz beschwören lassen von meinem Liebeszauber!
O Große Mutter der Butter, Mutter der Kühe,
Mache das Mädchen zu meiner Liebessklavin!

EPITHALAMIUM. ZAUBER ZUR GEBURT EINES KNABEN

O heiliger Herr des heiligen Baumes,


Gib eines Knaben Geburt!
Das Ergebnis der Liebe sei ein Sohn,
Den bringe in den Schoß der Frau!

Der Vater sät den genialen Samen,


Die Frau nimmt ihn auf mit dem Muttermund
Und hegt und pflegt ihn.
Das Ergebnis sei ein Sohn!
Also gewähre es der Schöpfer.

Die heilige Dreiheit der Götter


Hat einen Knaben berufen.
Andere Städte mögen Mädchen erzeugen,
Aber uns sei ein Knabe geschenkt!

VEREHRUNG DES TODES

Verehrt die Waffen der Götter,


Verehrt die Waffen der Könige,
Verehrt die Waffen der Männer,
Verehrt den Tod!

Wir verehren und verteidigen dich


Und zahlen dir unsre Verehrung,
O Tod, wir verehren deinen guten Willen
Und bezahlen dir unsre Schulden.
Verehrung deinen Ärzten, o Tod,
Verehrung deinen Zauberern,
O Tod, Verehrung deinen Opferpriestern,
Du bist die Wurzel aller guten Werke!

DIE WERBUNG FÜR DIE BRAUT

Mit der Stirnlocke in der Stirn


Kommt der Werber für die Braut.
Ich suche einen guten Mann für dies Mädchen,
Einen unvermählten Mann für die junge Frau.

Werber! Dieses Mädchen hat bisher vergeblich gesucht


Einen Ehemann und Vater ihres Kindes,
Zur Hochzeit gehen andere Frauen,
Dies Mädchen hat noch keine Hochzeit in Aussicht.

Gott bewahrt den Himmel und die Erde,


Gott bewahrt die Sonne und den Mond,
Gott schenke diesem Mädchen einen Ehemann,
Der ganz nach ihrem Wunsch ist!

EIN HOCHZEITSSEGEN

Lass diesen Mann mit seinem Opfer kommen


Und tröste die Braut mit dem Saft des Lebens!

Er möge sie mit seinem Lebenssaft trösten


Und sie erheben mit seiner fürstlichen Herrschaft,
Im Reichtum und in tausend Kräften
Sei dieses Brautpaar unüberwindlich!

Gott mache sie zu einer Edeldame,


Gott mache den Mann zu ihrem Herrn.
Langes Leben möge Gott den beiden geben,
Eine Lebensdauer von tausend Äonen!

EIN ZAUBER, UM EINE BRAUT ZU GEWINNEN

Anbetung des göttlichen Namens,


Der war und der ist und der sein wird!
Ich liebe Gott, den Besieger des bösen Feindes,
Ich liebe den Herrn, den Freund mit tausend Mächten!

So sprach der Heilige zu mir:


Lass dir von mir eine Braut bringen!
Darauf brachten die Zwillingsgötter
Die selige Braut zu dem Jüngling.
Groß ist, o Gott, dein Hammer,
Dem Schatz schenkst du Goldschmiedekunstwerk,
Möge der Herr, die Macht der Mächte,
Mir die rechte Braut zur ewigen Ehe geben!

EINES MANNES LIEBESZAUBER

Die Kraft, die das heilige Opfermahl bringt,


Soll das Herz der Geliebten erfreuen!
Mit dem Trankopfer, das dort fließt,
Will ich ihren Geist beseligen!

Wenn deine Seele traurig ist, Geliebte,


Wenn dir Schmerzen und Kummer folgen,
Soll dein Leid wie Rauch im Winde verwehen,
Ich folge deiner Phantasie und deinen Träumen.

Mögen Gott und der Herr und die Göttin der Weisheit
Und möge der Nabel der Erde
Dich zu mir bringen, Geliebte,
Dass wir uns vereinigen und eins werden!

EINES MANNES LIEBESZAUBER

Wie dieser Bulle sich mit der Kuh vereinigt,


O ihr himmlischen Zwillingsgötter,
So möge meine Geliebte mit ihrer Phantasie
Zu mir kommen und sich mit mir vereinigen!

Wie der feurige Hengst mit der Stute reitet,


So lass uns zusammen reiten, Geliebte!
Wie der Sturmwind durch die Büsche bläst,
So will ich deinen Geist einatmen!

Mit des Zauberpriesters Händen


Trage ich die magische Pflanze
Und zwinge die Geliebte, mich zu lieben,
Dazu mach ich Sirup aus Zuckerrohr!

EIN GEBET UM DIE GABE DER WEISHEIT

O göttliche Intelligenz, komm zu uns


Mit Pferden und Rindern,
Du, mit den Strahlen der Sonne umgeben,
Bist unsre angebetete Heilige!

Du bist die Erste, o heilige Intelligenz,


Du kommst schnell auf unser Gebet hin,
Trunken von Liebe,
Ich nenne dich die Gnade der Götter!

Du alles überragende Intelligenz,


Die die Engel anbeten und die Dämonen fürchten,
Intelligenz, du Weisheit der Weisen,
Komm und dringe in mich ein!

Du, o Gott, mach mich weise


Mit deiner himmlischen Intelligenz,
Der Muse der kreativen Priesterdichter,
Der Weisheit und Einsicht der Gelehrten!

O göttliche Intelligenz am Morgen,


O himmlische Intelligenz am Mittag,
O heilige Intelligenz am Abend,
O mystische Intelligenz in der Nacht,
Komm und inspiriere meine Hymnen und Reden!

EIN ZAUBER GEGEN WAHNSINN

Entfessle und erlöse diesen Mann, o Gott,


Der gebunden ist mit den Ketten der Torheit!
Er wird dir Opfer des Dankes bringen,
Wenn du den Wahnsinn von ihm genommen!

Gott möge mit Sanftmut deine Gedanken beruhigen,


Wenn Aufregung dir Probleme macht!
Gut ausgebildet als Seelenarzt,
Hab ich ein Medikament für dich,
Dass deine Raserei zur Ruhe bringt!

Wahnsinnig durch die Revolution gegen Gott,


Vom Teufel dir gesandter Wahnsinn,
Ich bin ein gut ausgebildeter Seelenarzt,
Dich vom dämonischen Wahn zu befreien!

Mögen die himmlischen Jungfraun dich lieben,


Mögen die Throne der Götter dich segnen,
Möge Gott der Herr dich retten
Von der tödlichen Raserei!

EIN GEBET UM GLÜCKSELIGKEIT IM HIMMEL

Löse die Ketten, die uns binden, o Gott,


Löse die falschen Bindungen alle!
Befreie uns von bösen Träumen,
Bewahre uns vor Unglück und Unheil,
Lass uns mit allen göttlichen Tugenden
Gen Himmel fahren in das Land der Wonnen!
Wenn du mit einer Kette angebunden bist
An einen Pflock, in die Erde gerammt,
Oder wenn du einsam bist in der Kerkerzelle,
Kann nur Gott der Herr dich befreien
Und auffahren lassen an die Küste der Wonnen!

Der verheißungsvolle Morgenstern,


Der Erlöser der Gefangnen genannt wird,
Sende die Himmelsgöttin der Befreiung,
Dich zu entfesseln von allen irdischen Fesseln!

Öffne selbst deine einsame Zelle,


Lasse alles los, was dich kettet an die Welt,
Wie ein neugeborenes Baby frei
Wirst du wohnen im Land der Liebe, wie du es willst!

EIN GEBET UM DIE WONNEN DES PARADIESES

Ich bringe mein Opfer dem Herrn, dem Erstgeborenen,


Dem Könige meines betenden Ordens,
Ungebrochen auch im Alter
Will ich treu bleiben meinem Gelübde.

Diesen Lebensfaden, diesen Schicksalsfaden


Hab ich von den heiligen Vätern übernommen.
Andre aber sind falsche Freunde
Und suchen nur das Glück auf Erden.

Steht auf meiner Seite, Mann und Frau,


Nur Treue erreicht das Land der Liebe!
Wenn ihr das Mahl empfangen habt, Mann und Frau,
Dann tretet zusammen vor Gott!

Mit Eifer wohne ich im Tempel


Und bringe im Geist das heilige Opfer dar.
O Gott, so werde ich den Tod überdauern
Und kommen in den dritten Himmel
Zum Freudenbankett und zur Hochzeitsnacht!

Diese heiligen Frauen, rein und schön,


In Ruhe betrachte ich sie einzeln
Und vertraue sie den Händen des Priesters.
Möge Gott, gegürtet mit Licht,
Mir Segen vom Himmel geben,
Dem ich täglich mein Trankopfer weihe!

EIN GEBET UM HIMMLISCHE FREUDEN

Ihr Geister der Seligen, die ihr nahe seid,


Euch bringe ich meinen kostbaren Schatz,
Den Gottes Großmut mir geschenkt.
Die Seligkeit wird dem Opfernden folgen,
Er erkennt den Himmel der Himmel.

Denkt an die Gottheit im dritten Himmel,


Ihr kennt die Welt auch, Gottes Werk.
Frieden wird gegeben dem Opfernden,
Offenbart ihm die stille Freude,
Die kommt aus guten Werken der Nächstenliebe!

Die Götter sind die heiligen Väter


Und die heiligen Väter sind die Götter.
Ich bin der Mensch,
Ich bin.

Bäcker, geh und bringe dar das Speiseopfer!


Von dem, was Gott mir gegeben,
Soll nichts und niemand mich scheiden.

O König, dein Thron ist im Himmel,


Dir will ich meine Geschenke bringen.
Erkenne, König, meine Geschenke,
Und sei mir gnädig, mein Gott!

EINER FRAU LIEBESZAUBER

Dies ist der himmlischen Jungfrauen Liebeszauber,


Der erobernden, unüberwindlichen Nymphen.
Sendet euren Zauber, Göttinnen,
Bindet den Geliebten mit Liebe an mich!

Ich bete, er möge sich an mich erinnern,


Er möge mich lieben
Und sich lieben lassen von mir!
Sendet den mächtigen Bann, o Göttinnen,
Liebe zu mir soll ihn verzehren!

Er soll an mich denken,


Wie ich immer, immer an ihn denke!
Sendet den mächtigen Bann, o Göttinnen,
Liebe zu mir soll ihn verzehren!

Macht ihn verrückt, ihr Geister,


Macht ihn verrückt, ihr Geister der Lüfte,
Lasst ihn wahnsinnig werden,
Wahnsinnig werden vor Liebe!
O Gottheit! Liebe zu mir soll ihn verzehren!

EINER FRAU LIEBESZAUBER


Ganz über dich, von Kopf zu Fuß,
Beschwöre ich die Qualen der Liebe!
Sendet euren Zauber, Göttinnen,
Er soll sich vor Liebe zu mir verzehren!

Hilf mir dazu, o himmlische Gnade!


Führt ihn zum Höchsten Gut,
Zum himmlischen Ziel der Liebe!
Sendet euren Zauber, Göttinnen,
Er soll sich vor Liebe zu mir verzehren!

Wenn du drei Meilen weit läufst,


Fünf Meilen reitest auf deinem Pferd,
Von dort kommst du zu mir zurück
Und wirst der Vater meiner Söhne!

EIN VERHERRLICHUNG DES HEILIGEN GÜRTELS

Wir reisen zum Gott der Liebe,


Er wird alles versuchen,
Uns zu erlösen!
Der Gott, der uns gegürtet hat
Mit dem Zaubergürtel der Liebe,
Er macht uns bereit zur Liebe!

Du Hammer Gottes,
Du wirst verehrt,
Ich diene dir mit meinen Opfern.
O erste Verkostung der Milch der Liebe,
Zaubergürtel der Reize,
Sei ein Heros und Drachentöter!

Ich bin jetzt tot


Und wohne im Haus des Gottes der Toten.
Nun mit Gebet und Leidenschaft
Binde ich den Zaubergürtel der Liebe
Diesem Mann um seine Hüften.

Sie ist geworden die Treue,


Die Tochter der Lust,
Die Schwester der Schöpfung,
Geschaffen von der Göttin.
Mit diesem Zaubergürtel des Liebreizes
Gib mir himmlische Weisheit
Und religiösen Eifer
Und Vitalität des Leibes!

Gott, du hast mit diesem Gürtel gegürtet


Die Göttin, die tauchte aus dem Meer
Als Erstgeborene der Schöpfung.
Mit diesem Gürtel gürte
Mir die Lenden meines Gemütes,
Alle Tage meines Lebens!

EINER FRAU VERWÜNSCHUNG DES UNTREUEN LIEBHABERS

Pflanze, das ist dein Ruhm,


Du bist das beste Kraut des Auslands,
Wachse und werde größer!
Entmanne mir diesen Mann,
Dass er Hörner trage auf seinem Haupt!

Er sei ein gehörnter Eunuch,


Setze ihm ein Geweih auf den Kopf!
Lass Gott ihn mit einem Stein
Zerschmettern seine Manneskraft!

Er sei ein Entmannter, ein Eunuch,


Er werde impotent!
Ja, sei impotent, du Schlappschwanz,
Beraubt deiner Manneskraft!
Auf deinen Kopf setz ich dir Hörner,
Das Geweih des Gehörnten!

EINER FRAU LIEBESZAUBER

Du bist geworden ein Quell der Lust,


Mich mit Wohlsein zu segnen!
Hunderte Ranken breitest du aus,
Dreiunddreißig Ranken breitest du auf der Erde aus,
Dass sie tausend Beeren mir tragen,
Ich trockne die Beeren
Und bewahre sie auf für dein Herz.

Dein Herz soll dürsten nach mir,


Dein Mund sei trocken vor Durst!
Glühende Sehnsucht verzehre dich,
Komm mit deinen Lippen zu meinem Becher
Und benetze deine trockenen Lippen!

Treibe mich und ihn zusammen, Gott!


Bei der heiligen Messe, Gott,
Sei ein Mittler zwischen uns
Und erwecke die Liebe in ihm!
Lass uns zusammenfahren, ihn und mich,
Auf dass wir ein Herz und eine Seele seien,
Gleicher Begierde und gleichen Denkens!

Selbst wenn seine Kehle vertrocknet


Und er kein Wasser für seinen Durst hat,
Wenn er austrocknet vor Begierde,
Dann steht der Becher meiner Liebe bereit,
Zu befeuchten seine brennende Zunge!

Wie das Kaninchen auf die Schlange starrt


Und sie es mit Haut und Haaren frisst,
Allmächtiger Gott, so führe uns zusammen
Und heile den Bruch unsrer Bindung!

AN DIE BRAUT ZUR HOCHZEIT

Wahrheit ist das Fundament der Erde,


Um der Braut Gottes willen sind die Himmel geschaffen,
Mit dem Gesetz sind die Heiligen sicher
Und das Opfermahl thront im Himmel.

Mit dem Opfermahl sind die Heiligen stark,


Vom Opfermahl wird die Erde kräftig,
Das Opfermahl hat im Schoß
Der Konstellationen seinen Tempel.

Einer denkt, wenn die Menschen


Nach dem Lebendigen rufen,
Dass sie dann vom Trankopfer tranken.
Die Priester wissen wirklich,
Dass das Opfermahl unsterblich ist.

Wenn sie anfangen, dich zu trinken, Gott,


Du opferst dich aufs Neue.
Der Gott lebt im Opfermahl
Wie das Jahr in den Monden.

Das Opfermahl wird vom Ritus bewahrt,


Besungen von Hymnen der Engel,
Die Steine schreien seinen Lobpreis,
Die Erdenbewohner schmecken es täglich.

Die Vernunft ist der Braut Mantel,


Ihre Macht ist unsichtbar den Augen,
Ihre Schatzbrüste sind Himmel und Erde,
Gott geht einher als der Herr.

Der Priester ist der Freund des Bräutigams,


Die Weisen führen heim die Gottesbraut.
Schön ist der Mantel der Gottesbraut,
Ihr Kleid ist Sonnenlicht.

Gesänge sind Pfähle senkrecht und waagerecht,


Die Liebe bindet die Braut daran.
Die Zwillingsgötter leben durch sie,
Gott ist der Führer der Prozessionen.
Das Opfermahl umwirbt die Braut,
Die Trauzeugen sind die Engel,
Der Sonnengott verschleiert sie,
Die Braut ist bereit für das Kommen des Herrn.

Ihr Geist ist der Brautwagen,


Der Baldachin ist der Himmel,
Zwei goldene Stiere ziehen den Wagen,
Wenn die Braut kommt zum Herrn.

Sicher gehen die goldenen Stiere vor ihr


Und Lobgesang und heilige Verse preisen sie,
Die Wagenräder haben Augen,
Von der Fahrt bebt der Himmel.

Allreine, wie schön sind deine Schritte,


Deine Räder sind voller Augen,
Dein Atem ist die Achse des Wagens,
Die Braut reitet voran zum Herrn
Auf dem Weg ihres Herzens.

Der Pomp der Braut, das Kleid aus Sonnenschein,


Bewegte sich im heiteren Äther.
Wir haben Rinder geschlachtet.
Die Braut kommt zur Hochzeit.

In dem Wagen kommen die Zwillingsgötter,


Die Freier der göttlichen Braut.
Wo waren ihre Wagenräder?
Was war des Vaters Gebot?

Die Zwillingsfürsten des Lichtes,


Sie kamen, zu werben um die Braut.
Alle Götter waren einverstanden,
Die Söhne haben den Vater frei gewählt.

Deine Räder kennen die Priester,


O Braut, und die Zeichen der Zeit.
Das was verborgen und verschleiert ist,
Die höchste Wahrheit,
Die Weisen haben es gelernt.

Anbetung dem Gott, der sucht die Menschen,


Der Gott ist unser einziger Freund.
Wie aus der Wurzel die Gurke wächst,
So wachse ich aus der Erde in den Himmel.

Jenseits und nicht diesseits,


Gott sendet die Braut.
Ich werde sanft sie fesseln im Jenseits.
Barmherziger, gnädiger Gott,
Segne die Mutter und ihre Söhne!

Nun aus der Schlinge der Erde


Befreie ich die Braut,
Ich binde sie mit dem Segen der Sonne.
Segne Gott die Braut und ihren Freier,
Sie sollen wohnen in der Hütte der Lust!

Gott nehme deine Hand und führe dich,


Die Zwillinge nehmen dich im Wagen mit.
Ich gehe zum Haus der Geliebten,
Der Herrin des Haushalts,
Und spreche von der himmlischen Dame
Zur großen Gemeinde der Gläubigen.

Sei fröhlich, sei lustig,


Deine Kinder gedeihen.
Sei nüchtern und wachsam,
Regiere deinen Haushalt.
Eng vereinige deinen Körper
Mit dem Körper deines Mannes.
So wirst du in der Fülle der Jahre
Voller festem Vertrauen sein.

Sei nicht in dir selbst gespalten,


Erreiche die volle Zahl der Lebensjahre.
Mit Söhnen spieltest du,
Mit Enkeln wirst du noch spielen.
Freue dich und sei glücklich in deinem Zuhause.

Bewege dich mit magischen Kräften


Von Westen nach Osten,
Und zeige deine Söhne
Dem großen Ozean.
Der eine Sohn liebt alle Kreaturen,
Der andre Sohn ist wie neugeboren
Und arrangiert die Jahreszeiten.

Du, der du von neuem geboren bist,


Du bist neu für immer.
Trage die Fahne der Morgenröte!
Komm, der du die Götter ehrst,
Du bist mein Mond,
Verlängere du die Tage meiner Existenz.

Lege das Gewand aus Wolle ab,


Gib deinen Schatz dem Priester.
Die Hexe hinkt auf krummen Füßen,
Die gute Frau dient ihrem Herrn.

Die Dämmerung wird rötlich,


Die Hexe ist ausgetrieben.
Nun gedeiht die Sippe der himmlischen Braut.
Der Mann ist gebunden in Liebe.

Unschön ist sein Körper,


Wenn er mit dieser bösen Dämonin buhlt.
Der Mann zog über seinen Leib
Das rote Kleid der Geliebten an.

Die Bösen schlachten Kinder,


Zerschneiden sie und werfen sie weg.
Siehe die Form der Braut!
Der Priester reinigte sie von allen Schlacken.

Bitter ist das Leben,


Ist ein Pfeil mit Widerhaken.
Vergiftet ist das Leben
Und lohnt sich nicht der Mühe.
Der Weise, der die Braut erkennt,
Verdient den Mantel der Braut.

Der Weise zieht der Braut das Kleid aus,


Die Gute bringt ihm Glück im Himmel.
Der Priester kennt den Ritus der Buße.
Die Jungfrau bleibt unversehrt.

Bräutigam und Braut, bereitet euch vor,


Ihr sollt glücklich und erfolgreich sein,
Redet die Wahrheit in treuen Worten.
Liebe zur Braut macht den Mann gerecht,
Angenehm sind die Worte,
Die der Werbende spricht.

Bleibt im Lande und geht nicht fort.


Ihr Mutterkühe, segnet den Mann mit Kälbern!
Möge die Jungfrau der Morgenröte
Mit dem ruhmreichen Opfermahl kommen,
Alle Götter kommen zur Wiedergutmachung,
Deine Stimmung wird verzaubert sein.

Kommt, ihr Mutterkühe, mit Kälbern


Und wohnt mit ihm zusammen.
Er tut nichts, was die Götter beleidigt.
Zu ihm war sein Freund gekommen,
Alle Heiligen senden ihre Kräfte.

Gerade ist die Richtung des engen Pfades


Und voller Dornen ist der steile Weg.
Die Genossen reisen zusammen,
Es ist die Zeit der Werbung gekommen.
Gott und der Herr und der Geist
Segne das Liebespaar mit ewiger Lebenskraft!
Was liegt für ein Glanz auf dem Würfelspiel?
Was liegt für ein Glanz auf dem Wein?
Was liegt für ein Glanz auf Pferden?
Ihr seligen Zwillingsgötter,
Segnet die Dame mit allem Glanz!

Mit allem Glanz des Würfelspiels,


Mit allem Glanz der Schenkel der Pferde,
Mit allem Glanz des Weinbechers
Schmückt die schöne Dame!

Ihn, der über dem Meer thront in Kraft,


Verehren die Weisen mit dem täglichen Opfer.
Möge er uns die Tochter des Meeres senden,
Senden uns die Süße aus dem Schaum,
So segne uns die göttliche Kraft
Des allmächtigen Gottes.

Ich warf eine Handvoll Staub fort,


Verletzenden Staub,
Schädlich für die Gesundheit.
Ich hebe meine Hände gen Himmel,
Ich will bringen Schaumwein und Glück!

Die Priester bringen das Reinigungsbad,


Das schützt das Leben der Heroen.
Das Feuer des Geistes umkreist uns.
Die Pflegeväter stehen da mit ihren Söhnen
Und schauen hoffnungsvoll in die Zukunft.

Gesegnet sei das reine Gold,


Gesegnet sei das Reinigungsbad,
Gesegnet sei das sanfte Joch,
Gesegnet sei die Säule der Kraft!
Gesegnet sei die Badewanne,
Gesegnet sei die Vereinigung der Körper
Von Braut und Bräutigam!

Reinige die Geliebte, Gott!


Gib ihr sonnengebräunte Haut,
Zeichne sie mit dem Segenszeichen,
Gib ihr den Wagen und das sanfte Joch.

Sprich dein Gebet um gute Laune!


Sprich dein Gebet für deine Kinder!
Sprich dein Gebet um genügend Geld!
Widme dich deinem Mann, Geliebte,
Gürte die Lenden deines Gemütes
Mit dem Zaubergürtel der unsterblichen Liebe!

Wie Gott die imperiale Herrschaft


Über die Meere hat,
So sei du die Kaiserin der Kaiser,
Wenn du mit deinem Mann zuhause bist.

Über den Mann und seine Brüder


Sei du die Kaiserin der Kaiser!
Über deines Mannes Mutter und Schwestern
Habe du die höchste Kontrolle!

Die gesponnen und gewebt haben, Göttinnen,


Haben die Lebensfäden zusammengefügt.
Mögen sie dir langes Leben schenken,
Erbin des ewigen Lebens,
Dich bekleiden mit dem Kleid des ewigen Lebens.

Die Lebenden trauern um die Toten,


Der heilige Ritus ist organisiert,
Die Menschen haben all ihre Gedanken
Auf den fernen Gott gerichtet,
Die heiligen Väter haben gebracht
Die wunderbarsten Geschenke,
Die Frauen haben ihre Herren
Mit Freuden umarmt.

Auf dem Schoß der Erde sitzt die Göttin,


Die Steine werden Kinder gebären.
Stell dich vor die Göttin
Und grüße sie mit Freude,
Die strahlende Göttin gibt dir langes Leben,
So wird der Gott des Lichtes dich segnen.

Gott am Anfang der Zeit


Nahm die Hand der Mutter Erde.
So nehme ich und halte deine Hand.
Sei nicht beunruhigt,
Du wirst viele Kinder haben
Und genügend Geld.

Der Sonnengott nimmt deine Hand,


Das königliche Opfermahl segnet dich
Mit guten Söhnen.
Lass den allweisen Gott dich selig machen,
Noch im hohen Alter
Ehrt der Mann seine Frau.

Nimm meine Hand


Und sei glücklich mit mir.
Noch im hohen Alter werde ich dich ehren.
Die Götter haben dich mir gegeben
Zur Geliebten im eigenen Haushalt.

Die Götter haben deine Hand


In meine Hand gelegt.
Nach der Regel und dem Gesetz
Bist du meine Frau.
Der Meister deines Hauses bin ich.

Sei meine Sorge,


Ich werde dich immer schätzen.
Gott hat dir meine Hand gegeben.
Hundert Frühlinge lebe mit mir
Und sei die gute Mutter meiner Söhne.

Im Auftrag der heiligen Priester


Wurde dein Ruhmesgewand bereit gelegt.
Sonne und Mond umgeben die Dame,
Und du lebst mit deinen Kindern.

Mögen Gott und der Herr und der Geist


Und die himmlische Göttin
Und die seligen Zwillingsgötter
Und Sonne und Mond und Sterne
Die schöne Dame mit Glanz umgeben
Und mit Kindern segnen!

Es war die himmlische Göttin,


Die deine Haare geordnet.
Die seligen Zwillingsgötter
Schmücken die Frau für ihren Herrn.

Die schöne Form des Mädchens


Trage ich lange in meinem Geist
Und schaue, wie meine Frau sich mir nähert,
Ich werde ihr folgen
Mit meinen Weggefährten und Glaubensgenossen.
Wer löst die Fessel, die sie gefesselt?

Sie ist befreit.


Ich sehe sie in meiner Brust,
Im Nest meines Herzens,
Weil ihr schöne Gestalt
Mich verzaubert hat.
Ich liebe nicht gestohlenes Brot,
Mein Geist ist frei!

Nun hast du die Bindung des Vaters verloren,


Nun bindet dich dein Mann.
O Braut, nimm deinen Thronstuhl ein
Neben deinem Mann,
Nun könnt ihr angenehme Reisen unternehmen.

Erhebe deine Waffen,


Jage die Dämonin fort!
Deine Frau wird transportiert
In die Welt der Liebe.
Sie ist klüger als andere Frauen,
So hat sie den Gerechten zum Mann genommen.
O König, lass ihn ihr vorausgehen.

Gott hat die vier Beine gebildet,


Die Liebe hält das Haus zusammen.
Die Braut wird mit Kettchen geschmückt,
Mit segensreichen Medaillen,
Das bringt uns glückliches Glück.

Besteigt den Wagen, den goldenen Wagen,


Der rollt auf Rädern, die voller Augen sind,
Gestaltet vom himmlischen Werkmeister,
Schnell fährt der Wagen,
Bestimmt für die Welt unsterblicher Liebe,
Geschaffen für den Herrn,
In einer Prozession kommt die glückliche Braut.

Bringe, o Gott, die Brüder wieder zu uns,


Bringe die sanften Brüder zu der Herde,
Bringe, o Gott, die Braut zu ihrem Mann,
O Sonne, bringe uns das göttliche Weib,
Reich gesegnet mit frommen Söhnen!

Kränkt das schöne junge Mädchen nicht,


Ihr Zwillingssäulen des Tempels,
Sie ist auf dem Weg,
Den die Götter ihr bereitet haben.
Das Portal der himmlischen Heimat
Steht offen für die selige Braut!

Gebet sei vor uns,


Gebet sei in unsrer Mitte,
Gebet sei um uns herum.
Du wirst erreichen die unüberwindliche Burg
Der glänzenden Götter,
Deines sanften und gnädigen Herrn.

EINE HYMNE AN EROS

Am Anfang war Eros


Und Eros war der Ur-Same und Keim des Geistes!
O Eros, der du herrschst mit Gott,
Gib Wachstum und Wohlstand
Denen, die dir opfern!

Du, Eros, triumphierst,


Du bist mächtig und prächtig,
Ein berühmter Freund dem,
Der deine Freundschaft sucht.
Mächtig und siegreich
In allen Schlachten Gottes,
Gib Kraft und Macht
Denen, die dir opfern!

Die Frau erhörte meine Gebete,


Sie, von Eros geschaffen,
Bekleidet mit himmlischem Licht!
Aus der Ferne sehne ich mich nach ihr,
Wie ein Kaufmann nach der schönsten Perle.

Eros, die Frau und ich und unsre Lust


Weihen sich dir als deine Opfer!
Erfülle uns mit ewiger Liebe
Und himmlischen Wonnen des Paradieses!
Nimm uns an als dein Opfer!

Gegrüßet seiest du, göttlicher Eros!

GEBET FÜR ANNA

„Our Purgatory-Lady, Our Wonder-Woman!“


(Holy Mass)

Weiser und liebender Jesus,


Dessen verwundetes Herz voll Mitleid ist
Mit dem Elend der Menschen,
Schau mit Liebe auf die heilige Seele Anna,
Die im Purgaorium geläutert wird.
Ewigen Frieden gib ihr, Meister,
Und die ewige Glorie lass ihr strahlen!

O Jahwe, Gottheit aller Tröstung,


In deiner Schönen Liebe
Und mütterlichen Barmherzigkeit
Verwandle die Dunkelheit des Todes
In die Morgenröte des ewigen Lebens!
Im Namen Jesu bitt ich dich, Herr,
Für die heilige Seele Anna,
Die im Purgatorium jubelt und seufzt!
Heiße sie herzlich willkommen
In deiner Gegenwart, Gottheit,
Und segne sie mit der himmlischen Glorie
Und dem Reich des ewigen Friedens!
Erhebe sie mit allen Seligen
In der Auferstehung des Fleisches,
Zu leben und zu lieben
Von Ewigkeit zu Ewigkeit!
Darum bitt ich dich, o Jahwe Zebaoth,
Im Namen Jesu, des Messias.

O Gottheit, Schöpferin und Erlöserin der Menschheit,


Gewähre der Seele meiner geliebten Toten
Die Verzeihung all ihrer Schuld,
Dass sie durch mein stetes Gebet und Singen
Empfange die Wonnen des himmlischen Paradieses!
Sie hat sich immer nach dem Paradies
Und dem Reich der Liebe und des Friedens gesehnt.
Darum bitt ich dich, allweiser Jahwe,
Durch Jesus, meinen Meister.

Barmherziger Jahwe,
Ich empfehle in deinen Schoß
Die Geliebte, die von mir gegangen!
Ich bin von der immerjungen Hoffnung erfüllt,
Dass am letzten Tag der Welt
Alle auferstehen werden,
Die mit dem Blick auf den Leib Christi gerichtet
Selig lächelnd gestorben sind.
Ich danke dir für alle Liebe
Und allen Freuden und Wonnen,
Die Anna mir auf Erden gespendet!

O Jahwe, in dem Mutterschoße deiner Barmherzigkeit


Nimm an mein Beten, Seufzen und Singen,
Dass die enge Perlenpforte des Paradieses
Sich öffnet für deine Tochter Anna!
Ich möge getröstet werden
Durch die Hoffnung des Wiedersehens
Im Reich der Schönen Liebe
In vergöttlichter Seele
Und glorifiziertem Körper!
In der lichten und harmonischen Glorie
Wird mich Anna lachend begrüßen
Und dort werde ich wandeln mit ihr
In Gegenwart der göttlichen Liebe!

Mein weiser Jesus, mein Philosoph,


Bei dem Kummer, den du im Ölgarten hattest,
Bei deiner Dornenkrone und deinen psychischen Leiden,
Bei deiner Kreuzigung und Gottverlassenheit,
Bei deinem Tod und Hinabstieg zur Hölle,
Erbarme dich über meine geliebte Anna,
Die heilige Seele im Purgatorium.
Hilf ihr, die verzehrende Sehnsucht zu erdulden,
Rufe sie zu dir, Bräutigam der Seele,
Zu deiner Liebesvereinigung
In den Freuden und Wonnen des Paradieses!

Erbarme dich, süßes Jesuskind,


Über all meine Toten im Purgatorium
Und vor allem über Anna,
Gewähre ihr die Ruhe am Meer der Ruhe,
Und die ewige Schönheit der Glorie
Möge ihre Sonne über ihr strahlen lassen!

Allmächtiger Gott, Papa der Kinder Gottes,


Ewige Gutheit und Schöne Liebe,
Erbarme dich über die heiligen Seele
Und gewähre ihnen deine göttliche Liebe:

Erbarme dich über meine geliebte Großmutter!


Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Erbarme dich über meine treue Tante!


Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Erbarme dich über meinen Vater und meinen Vetter!


Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Erbarme dich über meine Jugendgeliebte!


Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Ich bete für deine Vielgeliebte Anna!


Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Ich bete für Anna, die Offenbarung deiner schönen Liebe!


Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Ich bete für Anna, die sich nach Liebesvereinigung sehnt!


Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Ich bete für Anna, die schmachtet in verzehrender Sehnsucht!


Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Ich bete für Anna, für die sonst keiner betet!


Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Ich bete für Anna wegen ihres Wunsches,


Dass ihre Kinder getauft werden!
Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Ich bete für die arme Anna, die jetzt reich ist!
Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Ich bete für Anna, die hilfsbedürftig war


Und nun meine mächtige Hilfe ist!
Jesus Maria! Barmherzigkeit!
Ich bete für die Törin Anna,
Die nun wissend und weise ist!
Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Ich bete für die wollüstige Anna,


Die nun eine reine Intelligenz ist!
Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Ich bitte für die Bettlerin Anna,


Die nun den Schatz des Himmels erbt!
Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Anna hatte wenig Zeit zur Meditation,


Nun ist sie eine mächtige Fürsprecherin!
Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Anna war angewiesen auf den Arm der Caritas,


Nun ist sie selbst ein Arm der Caritas!
Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Anna hat nur ein einziges Sakrament empfangen:


Die Begierde-Kommunion auf dem Sterbebett!
Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Anna war eine stadtbekannte Dirne,


Nun ist sie Beata Meretrix!
Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Ich bete für Anna, die ihre Kinder geliebt hat!


Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Ich bete für Anna, die Studentin der russischen Literatur!


Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Ich bete für Anna, die mir Geld geschenkt hat


Und mich so zum Urlaub eingeladen!
Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Ich bete für Anna, die Freude am Sex hatte,


Nun hat sie ihre Lust an Gott!
Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Ich bete für die sprachbegabte Anna,


Die sich für Flüchtlinge engagierte!
Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Ich bete für Anna, die beim Tod eines Onkels


Halleluja gerufen!
Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Ich rufe Papst Johannes Paul den Großen!


Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Ich rufe Frère Roger, den Gründer von Taizé!


Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Ich rufe Seine Kaiserliche Majestät Otto von Habsburg!


Jesus Maria! Barmherzigkeit!

Ich bete für meine eigene Seele in der Todesstunde,


Möge Maria meine Seele retten!
Jesus Maria! Barmherzigkeit!

O Herr, mein Gott, Jahwe Zebaoth,


Möge die heilige Seele Anna,
Die Beata Meretrix im Purgatorium,
Im Schoße des Friedens selig ruhen!

O verwundetes Herz Jesu,


Ich erinnere dich an dein Versprechen
Der Auferstehung der Körper!
In Demut und Wahrheit opfre ich dir
Gebete und Messen für Anna,
Meine Geliebte, die abgereist ist.
Mit Wonne danke ich für alle Liebe,
Die sie mir auf Erden gespendet!
Mit der Tugend der jungen Hoffnung
Bringe ich dir das Opfer meiner Gebete,
Dass Anna reisen möge in das Land
Der Fülle des Lebens und der Liebe
Und dass sie die Glückseligkeit empfinde
Der Vereinigung mit Gott im Himmel!
Du wirst sie purgieren wie Gold.
Möge sie bald wohnen in Gottes Schoß!
Möge sie sich vereinigen mit dem Geheimnis
Deiner vollkommenen Liebe!
Mit Ungeduld erwarte ich den kommenden Äon,
Wenn ich dank deiner rettenden Gnade
Mit Anna wieder vereinigt werde
In deinem Weinberg der Provinz des Paradieses!

O Herz Jesu, sanftmütig und von Herzen demütig,


Realpräsenz in der Eucharistie,
Du verzehrst dich vor Leidenschaft
Und eifriger Liebe
Zur heiligen Seele Anna im Purgatorium!
O mütterliche Allbarmherzigkeit, erbarme dich!
Christus, sei nicht streng in deinem Urteil,
Spende nur Einen Tropfen deines Blutes
Und Einen Tropfen der Milch deiner Mutter
Der glühenden Seele Anna im Purgatorium!
Barmherziger Retter,
Sende deine Seraphim, die Engel der Liebe,
Die heilige Seele Anna zu führen
In das Land der Liebe, der Wonne
Und der ewigen Lust an Gott!

O süßer Jesus, bei deiner Seele, die zu Tode betrübt war


Und bei deinen blutigen Tränen in der Einsamkeit,
Erbarme dich über die selige Anna!
Erbarme dich, o mütterliche Allbarmherzigkeit!

O süßer Jesus, bei der Beleidigung deiner Seele,


Als du angespuckt und verspottet worden bist,
Erbarme dich über die selige Anna!
Erbarme dich, o mütterliche Allbarmherzigkeit!

O süßer Jesus, bei den psychischen Leiden deines Kopfes,


Als du die Dornenkrone getragen,
Erbarme dich über die selige Anna!
Erbarme dich, o mütterliche Allbarmherzigkeit!

O süßer Jesus, bei deinen Leiden,


Als du Mühsal und schwere Lasten auf dich genommen,
Erbarme dich über die selige Anna!
Erbarme dich, o mütterliche Allbarmherzigkeit!

O süßer Jesus, bei den unaussprechlichen Schmerzen,


Als du gefoltert wurdest
Und dich von Gott und den Menschen verlassen sahst,
Erbarme dich über die selige Anna!
Erbarme dich, o mütterliche Allbarmherzigkeit!

O süßer Jesus, bei der namenlosen Qual der Liebe,


Als dein gebrochenes Herz verblutet ist
Und deine Seele aus allen Wunden blutete,
Erbarme dich über die selige Anna!
Erbarme dich, o mütterliche Allbarmherzigkeit!

O süßer Jesus, bei deinem göttlichen Atem,


Den du Anna in die Nase geblasen,
Erbarme dich der seligen Anna!
Erbarme dich, o mütterliche Allbarmherzigkeit!

Selige Anna, ich bin einsam und verlassen


Und meine Seele ist betrübt,
Von keinem Menschen mehr geliebt,
Bitte tröste mein schweres Herz!

O selige Anna, ich bete für dich und zu dir,


Die du die leidenschaftlich Geliebte Gottes bist,
Die du gerettet bist ins Reich der schönen Liebe,
Bitte für mich elendes Würmchen,
Dass ich mich ewig vereinigen darf
Mit der ewigen Weisheit Gottes!
Jesus, mein Retter,
Ich war ein Sünder und Götzendiener
Und war auf der Straße zur Hölle.
Ich danke dir für die Geduld,
Die du mit mir hattest.
Lieber Gott, ich liebe dich über alles
Und bin dir von Herzen dankbar,
Weil du so lieb zu mir bist.
Ich möchte dich nicht mehr beleidigen,
bitte hilf mir, denn ohne deine Gnade schaff ich es nicht.
Ich will dir treu sein.
Hab Mitleid mit meinem Elend und meiner Schwäche
Und hab Mitleid mit meiner Geliebten,
Der heiligen Seele Anna im Purgatorium!
Maria, Liebe Frau und Große Mutter,
Führe Anna bald durch deine allmächtige Fürsprache
In das Paradies, das Land von Milch und Honig!

Weh mir Unglücklichem!


Die Hälfte meines Lebens hab ich verbracht
Außerhalb der rettenden Kirche,
Ich betete Anubis an
Und war auf der Straße zur Hölle!
Ich danke dir, mein Schöpfer,
Dass du mir noch eine Frist gewährst
Zur Buße und Sühne meiner Sünden.
Mein lieber Gott, es tut mir leid,
Dass ich dich beleidigt habe
Durch Götzendienst und Hurerei!
Sende mir die himmlische Hilfe,
Dass ich die mir noch verbleibende Zeit
Auf Erden gut anwende,
Um dich zu lieben und dir zu dienen.
Hab Mitleid mit mir, o Jesus,
Und hab Mitleid mit Anna,
Der heiligen Seele im Purgatorium!
O Maria, Miterlöserin,
Gottesgebärerin,
Hilf mir in meinem Purgatorium auf Erden
Und Anna in ihrem Purgatorium im Jenseits
Durch deine fürsprechende Allmacht auf den Knien,
O meine allmächtige Prinzessin!

O meine Gottheit, du bist reine Gutheit,


Ich liebe dich über alles, Jahwe!
Ich bereue meine Sünden und Schwächen
Und auch alle Kränkungen,
Mit denen ich das Unbefleckte Herz
Der Gottesgebärerin beleidigt habe!
Gib mir Treue zu deiner Weisheit, Jahwe!
Hab Mitleid mit mir, o göttliche Barmherzigkeit,
Und hab Mitleid mit meiner Jugendgeliebten,
Mit der seligen Anna im Purgatorium!
Maria, Immaculata von Lourdes,
Hilf uns beiden durch deine Fürsprache
Aus dem Purgatorium ins Paradies,
In den Süden deiner Liebe!

Mein Herr und mein Gott,


Du bist vollkommene Güte
Und schöne und zärtliche Liebe!
Es tut mir leid, dich beleidigt zu haben
Durch meines Unglaubens Sünde!
Ich möchte lieber sterben und bei Gott sein,
Als ohne Gott auf Erden zu leben.
Gib mir unwandelbare Treue
Zu deiner bräutlichen Weisheit!
O göttliche Barmherzigkeit, hab Erbarmen
Mit mir und meiner Geliebten Anna,
Wir verzehren uns in brennender Sehnsucht
Gemeinsam im Fegefeuer
Und dürsten nach der Vereinigung mit Gott!
O Maria, Himmelskönigin,
Hilf uns durch die Allmacht deiner Gebete
In die schönste Provinz des Paradieses!

Weh mir Unglücklichem!


Satan hatte meine Seele in seiner Gewalt
Und ich tanzte zu den Glocken der Hölle
Und ich jagte dahin auf der Hölle Schnellstraße!
Aus der ewigen Isolationshaft der Hölle
Gibt es in Ewigkeit keine Errettung!
Ich liebe dich über alles, Jahwe Zebaoth,
Und es tut mir leid, die reine Liebe beleidigt zu haben.
Gib mir die Gnade der unwandelbaren Treue
Zu deinem Wort, denn ich will
Der Bräutigam deines Wortes sein!
Und hab auch zärtliches Mitleid
Mit meiner Vielgeliebten Anna,
Der schmachtenden Seele voll glühender Sehnsucht,
Der nackten Seele ohne Kleid des Körpers!
O Maria, Mittlerin, Miterlöserin, Advokatin,
Befreie durch deine Gebete
Anna aus dem Purgatorium
Und lass sie reisen in den ewigen Sommer
Am Ozean der Schönen Liebe!

Mein göttlicher Freund Jesus,


Du bist für mich den Liebestod gestorben
Und täglich vereinigst du dich
Mit meiner Seele in der geistigen Kommunion!
Lass mich immer dankbar sein!
Ich liebe dich über alles, o Jahwe,
Und ich bin traurig über meinen Hochmut.
Ich will lieber sterben,
Als so gottverlassen zu sein!
Gib mir die Treue zu deinem Wort!
Hab Mitleid mit meinem Elend
Und hab Mitleid mit Anna,
Der nackten Seele in ihrer heißen Gier!
Maria, Unsere Liebe Frau
Und Schwarze Muttergottes,
Komm und hilf Anna und mir
Mit deiner Allmacht auf den Knien!

O Gott, o Barmherzigkeit,
Befriedige Annas heiße Sehnsucht!
Sende ihr deine brennenden Seraphim,
Anna zu verkünden,
Dass du, o Jesus, ihr Bräutigam bist!
Dass Gott versöhnt ist durch die Passion Jesu!
Ja, dass der Augenblick der Befreiung gekommen ist!

O mein Gott, ich bin einer dieser Stolzen,


Denn nach dem du mir die Gnadengabe geschenkt
Der Schwester Weisheit und Freundin Einsicht,
Bin ich stolz wie ein Pfau,
Als wäre dies mein eignes Verdienst.
Verschone mich vor deinem Zorn!
Ich liebe dich über alles, allein weiser Gott,
Und es tut mir leid, dich zu kränken.
Ich will lieber sterben und bei Gott sein,
Als zu leben und verloren zu sein!
Gib mir die eheliche Treue
Zu Unserer Lieben Frau Maria!
Hab Mitleid mit mir, o mütterlicher Gott,
Und hab Mitleid mit Anna,
Der seligen Seele im Feuer der Sehnsucht!
O Maria, bei deinen Tränen beschwör ich dich,
Führe Anna und mich zusammen
Aus dem Feuerofen der Trübsal
In das Freudenhaus des Paradieses!

Mein Gott, wie konnte ich nur leben


So lange ohne deine Gnade?
Unendliche Güte und Sanftmut,
Wie geduldig warst du doch mit mir!
Von nun an will ich dich über alles lieben,
O Elohim Jahwe Zebaoth!
Ich bin der Sünden überdrüssig!
Sei barmherzig mit meinen Schwächen!
Hab Mitleid mit der heiligen Seele Anna
In der Phase ihrer Reinigung,
Bitte, stille ihre Sehnsucht,
Sie dürstet nach dir, o göttlicher Bräutigam!
Nimm sie bald auf ins Land der Lebenden
Am Ozean der Schönen Liebe
Unter der Sonne deines Angesichts!
Lass sie deine göttliche Schönheit schauen
Und vereinige dich mit ihr in Liebe
Und vergöttliche Anna
Zur Menschengöttin in Gott!
Maria, meine Geliebte, Große Mutter,
Führe auch Annas Söhne
Von der Erde in den Himmel!

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