Ausgabe 4 / 2014
Ausgabe 4 - 2014
Vorwort
Auch, wenn Eis als Symbol für Stillstand
und Tod herhalten muss, so vervollstän-
digen wir mit dieser Ausgabe den ersten
Jahrgang des Verlagsmagazins Uhr-
werk! und gleichzeitig den 10. Jahrgang
der Memoria Myrana. Beide stehen
ebenfalls als Symbole vor uns und zei-
gen auf, was man mit dem Engagement
von Fans alles schaffen kann. Und das
war und ist alles andere als Stillstand.
Ihr seid der Motor, der unser gemein-
sames Hobby am Laufen hält!
Mit Symbolen wurde man auch auf
der Spielemesse in Essen konfrontiert.
Die limitierte Ausgabe der Myrani-
schen Magie zeigt auf dem Einband
ein elementares Hexagramm. Nicht
alle Zeichen werden auf den ersten
Blick zu erkennen gewesen sein. Ein-
fach - sowohl zu identifizieren wie auch
in der Darstellung - ist das Logoramm
des Feuers. Zwei Flammen, ineinander
übergehend recken sich empor. Ihnen
gegenüber sieht man einen Tropfen vor drei Wel-
len - das Symbol für Wasser. Die dritte Ausgabe des
Uhrwerk! stand im Zeichen des Humus‘ und
dieses Element finden wir nun auf der rech-
ten Seite unterhalb des Feuers. Eine Blüte in
Aufsicht ist dargestellt, die gezackten Blü-
tenblätter nach außen gespreizt, sehen wir
einen Thearchenstern. Diese große Pflanze
aus dem Nebelwald wird nicht nur in der
imperialen Modewelt geschätzt, welche aus
Vorwort
ihren großen, samtweichen und silbrig transparen-
ten, sehr schön anzusehende Kleidung schneidert
(UdS 285, HC 72). Auch in den Kulten von Raia
und des Thearchen selber (MyGö 63, 73) werden
sie sehr geschätzt. Aufgrund der Größe und ihrer
Zähigkeit bei gleichzeitiger fragil wirkender Ele-
ganz gilt die bekannte Pflanze auch als Sinnbild
des Überlebens und schaffte es so, als Symbol des
Humus eine weite Verbreitung unter Optimaten zu
erlangen. Dem entgegen steht eine Schneeflocke,
genauer ein Eiskristall und symbolisiert das Eis.
Vertikal-symetrisch gegenüber sieht man
ein Objekt mit vier Enden und insgesamt
gebogenen Seiten. Dieses Symbol steht für
das Erz, welches die kommende Ausgabe
bestimmen soll. Dargestellt ist ein Ochsen-
hautbarren, welcher geformt ist wie eben
eine solche Tierhaut mit den vier (auf Ge-
lenkhöhe abgeschnittenen) Extremitäten.
Solche Barren waren in der Antike sehr
beliebt, um halbwegs genormte Mengen
an Kupfer und Bronze zu handeln. Auch
in Myranor, besonders im kerrishitischen
Einflussbereich, finden sich solche Formen,
während man im hohen Norden lieber
Ringe unterschiedlichen Gewichts für sol-
che Zwecke nutzt. Die sechste Ausgabe der
elementaren Reihe wird dann der Luft ge-
widmet sein, hier durch eine Wolke darge-
stellt. Als Ergänzung dieser Themen-Serie
werden wir die Ausgaben #7 und #8 wohl
mit den Themen Kraft/Magie und Untod
überschreiben.
Um einzelne Anfragen zu beantworten:
Alle Artikel im Magazin sind inoffiziell
und zwar so lange, bis etwas anderes an den
Artikeln steht oder sie in den Publikationen der
Reihen übernommen werden.
Wir freuen uns auf eure Einsendungen und wün-
schen nun viel Spaß mit dem Inhalt dieser Ausgabe.
Peter Horstmann
(Chefredakteur)
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 Ausgabe 4 - 2014
Impressum
Herausgeber: Uhrwerk Verlag
Scheffelstraße 22
50935 Köln
Redaktion: Patric Götz, Peter Horstmann,
Robert Hamberger
Satz & Layout: Robert Hamberger
Cover: Flavio Bolla
Mitarbeiter dieser Ausgabe
Grafiken und Fotos: Alfredo Dosztal, Peter
Horstmann, Lisa Kreuz, Michel Kustak, Ber-
nadette Wunden sowie weitere Künstler aus
den Publikationen des Uhrwerk-Verlags
Texte: Bjorn Beckert, Theresia Brasche, Aşkın-
Hayat Doğan, Nick Dysen, Arne Gniech,
Werner H. Hartmann, Peter Horstmann,
Marion Kreuz, Michel Kustak, Dennis Maci-
uszek, David Mitzkat, Frank Röhr, Marcus L.
Rowland, Dennis Rüter, Sebastian Schuma-
cher, Stefan Urabl, Jochen Willmann
Impressum
© 2014 Uhrwerk Verlag
Nachdruck von Artikeln (auch auszugsweise)
nur mit vorheriger Genehmigung des Heraus-
gebers sowie der jeweiligen Autoren.
Die Urheberrechte der einzelnen Artikel lie-
gen bei den jeweiligen Autoren. Ähnlichkei-
ten mit lebenden oder verstorbenen Personen
wären rein zufällig und unbeabsichtigt. „DAS
SCHWARZE AUGE, AVENTURIEN und
DERE sind eingetragene Marken in Schrift
und Bild der Ulisses Medien und Spiel Dis-
tribution GmbH oder deren Partner. Ohne
vorherige schriftliche Genehmigung der Ulis-
ses Medien und Spiel Distribution GmbH ist
eine Verwendung der Ulisses-Spiele-Marken-
zeichen nicht gestattet.“
Das Magazin Uhrwerk! erscheint vier Mal im
Jahr. Es kann auf http://uhrwerk-magazin.
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 Ausgabe 4 - 2014 Inhaltsverzeichnis

2 Vorwort Peter Horstmann

3 Impressum Uhrwerk!-Redaktion
4 Dieses Inhaltsverzeichnis - Sie sind hier! Uhrwerk!-Redaktion
5 Splittermond: Die Eishöhlen der Sherinya Marion Kreuz
8 Splittermond: Leben und Sterben in Ysgarrs Reich Aşkın-Hayat Doğan
32 Splittermond: Der Bushido der Kintarai David Mitzkat
35 Splittermond-Abenteuerwettbewerb Uhrwerk!-Redaktion
37 Myranor: Pflanzen in Myranor II Dennis Rüter
47 Myranor-Kochrezept: AmaGirRaos Schneefladen P. Horstmann, Th. Brasche
48 Myranor: Kamaluk Sebastian Schumacher
52 Myranor: Recht und Gesetz in Makshapuram Sebastian Schumacher
55 Myranor: Errata ‚Myranische Magie‘ Fabian Talkenberg
63 Tharun: Von der Dunkelzeit in der Hohlwelt Arne Gniech
64 Tharun: Auf Eis gelegt Dennis Maciuszek
71 Malmsturm: Das Winterhaus, sein Wirt und die Axt im Eis Werner H. Hartmann
74 Deadlands: Das Null Kelvin-Gewehr Nick Dysen
76 Deadlands: Teil I der Kansas-Trilogie Michael Kustak
84 Space 1889: Harbinger und Foresage Bjorn Beckert
87 Space 1889: Die Biologie des Flugholzes Marcus L. Rowland
91 Space 1889: Frauen bei Space 1889 Christian Bender
94 Space 1889: Die Macht von Angahiaa Die Space-Redaktion
95 CONTACT: Im Eis verborgen Frank Röhr
101 CONTACT: The Score Robert Hamberger
102 Sea Dracula: Diebstahl Frank Röhr
106 Publikationsinformationen und Veranstaltungstermine Uhrwerk!-Redaktion 4
 Ausgabe 4 - 2014 Splittermond - Die Eishöhlen der Sherinya

Die Eishöhlen der Sherinya

von Marion Kreuz

Tief im Gebirge Turubars, innerhalb des Berges

Namruk liegt ein Höhlensystem, dessen Wände
mehr oder weniger vollständig mit Eis ausgeklei-
det sind und ein kalter Wind heult gespenstisch
durch jede noch so kleine Ritze. Hier herrscht
ewiger Winter und die Temperaturen steigen nur
in den wärmsten Sommermonden knapp über den
Gefrierpunkt. Dann taut die oberste Schicht des
Eises und vom Berggipfel bahnen sich viele kleine
Rinnsale geschmolzenen Schnees ihren Weg in die
Höhlen. Doch schon nach kurzer Zeit verstummt
das Tropfen und Plätschern, das durch die Gän-
ge hallt, und die dünnen Wasserstrahlen gefrieren
wieder und bilden dabei bizarre Figuren. Im Laufe
der Jahrhunderte haben sich in manchen Höhlen
mehr oder weniger beständige Skulpturen gebil-
det, andere Abschnitte verändern durch das jähr-
liche Tauen und Gefrieren ihr Aussehen gänzlich.
Manche Räume erinnern an Tropfsteinhöhlen,
andere an ein Spiegellabyrinth. Manche Gebilde
sind von Staubeinschlüssen getrübt, andere sind
klar wie Glas. Wieder andere scheinen in Blau-
oder Grüntönen zu leuchten. Dies allein macht
die Höhlen bereits zu einem beeindruckenden
und geheimnisvollen Ort. Ihr wahrer Reiz
– und ihre Gefahr – liegt jedoch in der Tat-
sache, dass sie sich teilweise in einer magi- Der gesamte Berg ist dem Eisreich sehr nahe häufiger auf einer der beiden Seiten liegen. Wann
schen Domäne befinden, genauer gesagt im und die Durchlässigkeit zwischen den Domänen und wo sich Übergänge auftun und wohin sie füh-
Reich der Eiskönigin Sherinya. schwankt stark und ständig. So kommt es schon ren, kann nicht vorhergesagt werden. Fast eben-
mal vor, dass Namruk für kurze Zeit vollständig so unmöglich ist es, die Übergänge als solche zu
im Diesseits oder im Feenreich liegt. Die meis- erkennen, denn durch die ständige Nähe der zwei
ten Bereiche wechseln regelmäßig zwischen den Welten haben sie sich gegenseitig be-
Domänen, wobei es auch solche Orte gibt, die einflusst und angepasst: Das Eisreich 5
 Ausgabe 4 - 2014 Splittermond - Die Eishöhlen der Sherinya

ist deutlich beständiger als andere Orte in der Die Eiskönigin Der Charakter der Königin sowie ihre Art zu herr-
Feenwelt, während das Diesseits um den Namruk schen, lässt sich kurz und treffend zusammenfas-
Sherinya ist eine mächtige Feenfürstin, deren
durch die Eiskönigin geformt werden kann. All sen: Hart, aber gerecht. Ihr wichtigstes Anliegen
Herrschaftsgebiet sogar den diesseitigen Teil der
diese ständigen Veränderungen machen es nahe- ist die Sicherheit ihres Reiches und ihrer Unter-
Höhlen umfasst. Nur wenige Sterbliche bekom-
zu unmöglich, sich in den Höhlen zu orientieren. tanen, und jeder Unruhestifter wird konsequent
men sie tatsächlich zu Gesicht und diesen zeigt sie
Nur die heimischen Feenwesen scheinen stets zu verfolgt und bestraft. Auffällig daran ist, wie sehr
sich stets als makellos schöne Frau, deren Körper
wissen, wo sie sich befinden und woher der beste Sherinya um ein gerechtes und angemessenes Straf-
durchscheinend wie eine Eisskulptur ist. Das ist
Weg zu ihrem Ziel führt. Aber auch eine Handvoll maß bemüht ist. Von einigen Turbubaris wird sie
auch die einzige Gemeinsamkeit, denn ihr Körper
eingeweihte Sterbliche können den Weg durch die daher auch als Gerechtigkeitsgöttin verehrt. Jeder
ist, wie das Eis in den Höhlen, stets im Wandel. So
Höhlen finden, denn es gibt bestimmte Orte, die Wesenheit, die die Gesetze der Königin einzuhal-
kann man sie beispielsweise zunächst blau schim-
auch im Feenreich ihre Gestalt und Position nicht ten bereit ist und dies mit einem Schwur besiegelt,
mern sehen, doch binnen weniger Sekunden ist sie
oder nur sehr wenig verändern. Einer dieser Orte wird das Betreten des Reiches erlaubt. Gegen ent-
vollständig von Raureif bedeckt.
ist Sherinyas Palast, der stets im Zentrum des Ber- sprechende Entlohnung ist Sherinya sogar bereit,
ges liegt. Bitten von Sterblichen nachzukommen, wie etwa
Die Höhlen haben mehrere Ausgänge und kön-
nen als Passage durch den Berg genutzt werden.
Obwohl dieser Weg durch die gefährliche Feen-
welt führt, empfinden die meisten Reisenden ihn
doch als sicherer als über den Namruk zu steigen,
dessen Hänge so steil sind, dass es unmöglich ist
einen nutzbaren Pfad anzulegen. Wenn man ge-
nügend Zeit mitbringt, kann man auch einen Um-
weg von etwa zwei Wochen über einen nur wenig
ungefährlicheren Pass im Süden einschlagen. Im
Nordosten des Namruk liegt jedoch ein Tal, das
nur durch die Höhlen erreicht werden kann und
dessen Bekanntheit daher kaum über die Region
hinausragt. Hier befindet sich eine große Stätte
an Saphiren, die von einigen mutigen Ein-
heimischen abgebaut werden. Doch nicht
selten kehrt ein Schürfer nicht mehr nach
Hause zurück.

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 Ausgabe 4 - 2014 Splittermond - Die Eishöhlen der Sherinya
eine sichere Führung zum Ausgang der Höh-
len. Mit Entlohnung ist dabei im Normalfall ein
Dienst für das Eisreich gemeint, denn mit Gütern
von materiellem Wert kann die Königin nichts
anfangen. Wozu sollte sie denn auch Gold oder
Edelsteine haben wollen, wenn doch ihr Reich ge-
nau so, wie es jetzt ist, perfekt ist? Und sie tut alles,
damit es auch so perfekt bleibt. Sie ist sogar bereit,
diesen unzuverlässigen Sterblichen wichtige Auf-
träge anzuvertrauen, wenn es unumgänglich ist.
Und sollten die Sterblichen dabei Erfolg haben,
können sie sich einer angemessenen Belohnung
gewiss sein.
Besondere Höhlenabschnitte
Der Palast der Königin besteht aus zahlreichen
Türmen von unterschiedlicher Größe, die wie
umgedrehte Eiszapfen in ein riesiges Gewölbe aus
pechschwarzem Stein ragen. Die Höhlendecke
ist mit einer Vielzahl von weißleuchtenden Eis-
kristallen behangen, was den Eindruck erweckt,
als würde man durch ein riesiges Loch im Berg
direkt in den Sternenhimmel blicken. Ähnliche
Sternkristalle erhellen die Innenräume des Palas-
tes sowie zahlreiche andere Höhlen im gesamten
Reich. Tor- und Fensterbögen sind mit filigranen
Verzierungen geschmückt, die Schneeflocken oder
stilisierte Blüten darstellen. Die Eingangs-
halle wird von einer großen Wendeltreppe
dominiert, deren Geländerpfosten aus Eis-
skulpturen bestehen. Von dieser Haupttrep-
pe zweigen in unregelmäßigen Abständen
andere Treppen und Flure ab, die in die
verschiedenen Türme führen. Sie selbst en-
det in der höchsten Ebene des Hauptturms,
direkt vor dem Tor zum Thronsaal. Das Eis, aus
dem der Thron gefertigt ist, hat verschiedene
mineralische Einschlüsse, von denen einige fluo-
reszierendes Licht ausstrahlen. Dadurch leuchtet
und glitzert der Thron in den unterschiedlichsten
Farben. Hinter ihm befindet sich eine große Fens-
terrosette, die auf die gleiche Art eingefärbt wur-
de. Die meiste Zeit befindet sich der Palast in der
Feenwelt. Für die wenigen Moment im Diesseits
nimmt die Leuchtkraft der Sternkristalle deut-
lich ab und man kann nur mit einer zusätzlichen
Lichtquelle etwas erkennen.
Sherinyas Garten wechselt zwar ständig den Ort,
auch zwischen den Domänen, doch ist er immer
in der Nähe des Palastes zu finden. Hier wachsen
unterschiedliche Eisblumen und -bäume, von de-
nen die meisten alchemistisch wirksam sein sollen.
Manche dieser Gewächse sind tatsächlich Pflan-
zen, die die extremen Temperaturen (je nach Jah-
reszeit -20° bis +5°) überstehen können, wie zum
Beispiel die Gimolost-Beere oder das Edelweiß.
Andere sind Gebilde aus Eis, wie der Raufarn oder
die Glasdolde, die aber wie Pflanzen wachsen. Ge-
gen eine entsprechende Leistung hat die Eisköni-
gin bereits mehrfach die Erlaubnis erteilt, Pflanzen
in geringen Mengen aus dem Garten zu ernten.
Irgendwo in den nördlichen Höhlen befindet sich
eine langegezogene Kaverne, in der sich unzähli-
ge Eisskulpturen befinden. Von den Feen wird sie
Halle der Statuen genannt, die Sterblichen reden
eher von der Hölle der Statuen. Durch einen nie
abflauenden Wind wird die Höhle auf etwa -50°
gekühlt. Viele Sterbliche sind bei diesen Tempe-
raturen regelrecht im Stehen erfroren, und einem
aufmerksamen Betrachter wird bei einigen Sta-
tuen ein ungewöhnlich realistischer Detailgrad
auffallen. Verbannung in die Statuenhalle ist die
höchste Strafe, die die Königin gegen Sterbliche
verhängt.
Tief unten im Berg kann man auf einen riesigen
See treffen. Dass dieser auch bei einer konstanten
Temperatur von -12° noch nicht einfriert, liegt an
dem sehr hohen Salzgehalt des Wassers. Die Wän-
de dieser Höhle und der Zugänge bestehen voll-
ständig aus Salzgestein, das theoretisch abgebaut
werden könnte. Allerdings lässt sich diese Höhle
nur sehr schwer lokalisieren. Die Feenwesen mei-
den das Gebiet, da ihre Eiskörper von dem Salz
angegriffen werden. Diese zerstörerische Wirkung
auf die magischen Geschöpfe lässt vermuten, dass
das hier befindliche Salz selbst magische Eigen-
schaften besitzt. Bisher wurden aber noch keine
diesbezüglichen Untersuchungen angestellt.
Als Ausguck gegen eine längst vergessene Bedro-
hung wurde der Wachturm am südlichen Berg-
hang erbaut. Architektonisch gleicht er dem Palast,
nur ist er nicht so reichlich verziert. Während die
Turmspitze aus dem Berg herausragt, dringt das
Fundament tief in ihn hinein. Da er schon lange
ohne strategische Bedeutung für die Königin ist,
überließ sie die obersten drei Stockwerke einem
Magier aus Majahd. Damijal, der Sternenkundige,
(Mensch, *936) bezog den Turm im Jahre 985 LZ
und baute den obersten Stock zu einem Observa-
torium um. Ein Stockwerk darunter befindet sich
seine private Bibliothek. Im untersten Teil hat er
sich schließlich seine Wohnstätte eingerichtet.
Von hier aus führt eine Brücke zu einer Terrasse
im Berghang, wo Damijal einen Garten angelegt
hat. Dank der Südlage und der Tatsa-
che, dass der Turm meist im Diesseits
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liegt, ist es hier warm genug für Nutz-
 Ausgabe 4 - 2014 Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
pflanzen. Damijal ist ein höflicher und hilfsberei-
ter Mann, allerdings ist sein Geist etwas verwirrt
von dem anhaltenden Einfluss der magischen Do-
mäne. Trotzdem ist er ein kluger Kopf und wird
von farukanischen Magiern geschätzt. Allerdings
ist es recht mühselig, seine unnötig kompliziert
aufgezeichneten Forschungsergebnisse zu deuten,
die sich unter anderem mit dem Vergleich von
diesseitigen und feenreichischen Sternenkonstel-
lationen beschäftigen.
Flora und Fauna
Abgesehen von den beiden erwähnten, künstlich
angelegten Gärten wachsen auf dem gesamten
Gebiet lediglich ein paar Flechten und Moose. In
der Nähe der Höhlenausgänge kann man auch auf
frostunempfindliche Blumen treffen. Bewohnt
wird das Eisreich von den unterschiedlichsten Fe-
enwesen. Besonders häufig kommen die humano-
iden Eisdjinne und Schneegolems vor. Man kann
aber auch Wesen begegnen, die äußerlich Ähn-
lichkeiten mit Schneeleoparden, Bären oder Zie-
gen aufweisen. Die diesseitigen Entsprechungen
der genannten Tiere leben in der näheren Umge-
bung des Berges, trauen sich aber nur selten in die
Höhlen. Ein besonderes Wesen, das es nur in der
größeren Namruk-Umgebung zu geben scheint,
ist der Schneeadler. Beim Fliegen lässt er die
feinen Wassertropfen in der Luft gefrieren,
sodass es hinter ihm schneit und seine Fe-
derspitzen stets mit Raureif bedeckt sind.
Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
von Aşkın-Hayat Doğan
In der Gontcharia ist es kalt! Egal ob tiefster Winter
oder milder Frühling, die verschneite Steppe ist
nichts weiter als eine bis zum Horizont reichende
Ödnis. Gesegnet mit dem Wissen, wo es frisches
Gras und nahrhaftes Fleisch gibt, überleben nur
die Wenigsten seit Tausenden von Jahren in diesem
kargen Land. Gemeinsam ziehen unerschrockene
Rudel, Stämme und Herden durch die weite
Tundra. Wird man verletzt, hilft die Gemeinschaft.
Hat man Hunger, hilft die Gemeinschaft. Ist man
traurig, tröstet die Gemeinschaft. Gontcharia ist
kein Land für den Einzelnen und wehe dem, der
seiner Sippschaft abhanden kommt. Ein grausamer
Tod ist ihm gewiss. So irrt auch unser Freund seit
Tagen allein und verloren in der Weite der Steppe.
Getrieben von Hunger, Angst und Wehmut schlägt
er sich tapfer auf der Suche nach den Seinigen
durch feindliches Gefilde: Was war bloß passiert?
Wann ist er verlorengegangen? Düstere Gedanken
blitzten wild durch seinen Kopf, wie Irrwische in
einem Schneesturm.
Vorsichtig ging er übers gefährliche Glatteis
eines zugefrorenen Baches und suchte Schutz bei
hochgewachsenen Bralsträuchern. Es schneite
wieder heftig, aber die Eiszapfen an seinem weißen
Fell waren immer noch nicht geschmolzen.
Durchgefroren und nass, wie er war, lastete der
fallende Schnee schwer auf seinem Rücken. Er
setzte sich hin und gab sich seinen wärmenden
Erinnerungen hin: Essen … Familie … Freude …
Müde machte er die Augen zu und ließ die Schultern
sinken. Der eisige Wind heulte unbarmherzig
und schleppte alles mit sich, was er in die Fänge
bekam: Schneeflocken prallten ihm ins Gesicht,
abgebrochene Zweige schlugen peitschend seinen
massigen Körper, verirrte Blätter flogen wirbelnd
an ihm vorbei und ein strenger Geruch zog über
ihn hinweg. Ein Geruch! Unsicher zog er den
tobenden Wind tief in die Nase. Da kam etwas!
Etwas Nasses und Wildes! Es roch nach Blut!
Nach Gefahr und Blut! Er stand langsam auf,
spannte die Schultern an und harrte totenstill aus.
Es kam näher und er lauerte … allein. Was war bloß
passiert? Angst benebelte wieder seinen Kopf und
Erinnerungen fielen über ihm her wie gefräßiges
Ungeziefer.
***
„Was machen wir hier Ann‘Grar, wo bringt er uns
denn hin?“, klagte Is‘Gra genervt. „Wir sind schon
nördlich der Ulja! Sollen wir etwa noch höher zu
den Zwergen?“
„Sscht, sei ruhig!“, antwortete der drahtige
Raugar und brach ein paar größere Zweige des
vertrockneten Bralstrauchs am Boden, die er zu
den anderen in seinem linken Arm legte. „Was
wenn dich einer hört?“
„Wer soll uns denn schon hier hören? Wir sind seit
einer halben Stunde unterwegs.“, sagte die Jägerin
und horchte kurz mit gespitzten Ohren, den Speer
fest in der Hand. „Arroa‘Ro oder nicht, er hätte
uns nicht so weit hoch führen sollen! Das Land ist
sogar karger als bei uns in der Steppe. Was flüstern
ihm diese Schamanen denn überhaupt ins Ohr,
hat denn keiner von ihnen ein bißchen Hirn?“
Wütend verpasste sie der Erde einen leichten Tritt
und ließ etwas Schnee vom hartkalten Boden
aufwirbeln.
Ann‘Grar schmunzelte und riss noch einen
trockenen Zweig von einem hartnäckigen Busch
ab. Is‘Gras Ausbrüche in vertrauter
Zweisamkeit gefielen ihm: „Ich möchte 8
 Ausgabe 4 - 2014 Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
sehen, dass du es in ihrem Kreis sagst. Am Ende
hetzen sie dich noch mit Blitzen nackig übern
eisigen Fluss. Wer weiß, vielleicht nimmt dich
dann Arr‘Karrs Haufen auf und du kannst ihm das
Fell entlausen, wenn er gnädig ist.“
„Du!“, schrie sie ihn funkelnd an und verpasste
ihm einen deftigen Tritt. Er ließ die Zweige fallen
und ging gerade in Wehrposition – zu spät! Mit
einem Sprung riss ihn die flinke Jägerin von den
Beinen und lachend rollten sie über die karge
Schneedecke.
Ann‘Grar streckte sich auf dem Boden aus und
atmete tief ein. Mit verschränkten Armen hinter
dem Kopf blickte er in die letzten Sonnenstrahlen
des verhangenen Himmels. Hinter einem nahen
Hügel mit brüchigen Bäumen fraß sich der Mond
durch den Nebel hindurch. Is‘Gras Kopf ruhte auf
seiner Brust. „Wir müssen los“, sagte er so sanft
wie seine Natur es ihm ermöglichte, „sie warten
bestimmt schon auf das Feuerholz.“
„Und wessen Schuld ist es, dass mein Rudel in
dieser kargen Öde auf Feuerholz wartet?“ Sie warf
ihm einen säuerlichen Blick zu. „Außerdem sind
wir nicht die einzigen, die Holz suchen. Sollen
doch ruhig die anderen sich drum kümmern.“,
sagte die Jägerin und bohrte eine ihrer Krallen
spielerisch in seinen Bauch.
Da hörten sie es! Ein gellender Schrei, ein dumpfes
Krachen und das Klirren gebrochenen Eises.
Is‘Gra sprang auf und ergriff ihren Speer,
bevor sie auf die Bäume losstürmte. Dicht
hinter ihr lief Ann‘Grar mit gezücktem
Beil. Als sie die Spitze des Hügels hinter den
Sträuchern erreichten, fiel ihr Blick auf einen
mit Knochenketten behangenen Vargen
am Fuße der Frostbirken, der rücklings auf
dem Schnee zurückkroch. Eine eigenartige
Leere hatte sich in seinem blassen Gesicht breit
gemacht. Er murmelte in einem Satz ständig
tonlos „Nein! Nein! Nein!“ Ein fremder Raugar
mit zotteligem Fell näherte sich ihm langsam mit
einer bluttriefenden Axt.
„Gis‘Grigg!“, schrie Ann‘Grar. Der Fremde drehte
sich blitzschnell um und seine ungünstige Lage
richtig einschätzend, setzte er an, wegzurennen,
als mit einem Sausen Is‘Gras Speer ihn an der
Schulter durchbohrte und gegen die Bäume warf.
Die Zweige knackten! Er jaulte furchtbar auf.
Während der Schnee von den zitternden Bäumen
armdick auf sie alle herabrieselte, versuchte er
vergeblich wegzukriechen, doch die Jägerin bohrte
ihre Fußkrallen in seine andere Schulter hinein:
„Sag mir was du wolltest und ich mache es kurz!“
Seine Augen zuckten hilflos hin und her und
rasteten dann flehend auf Is‘Gra. Zögernd öffnete
er die Schnauze: „Wir sind Kundschafter von
Karr‘Rurrs Rudel … Wir …“ Weiter kam er nicht.
Gis‘Grigg hatte sich in einer Blutspur zu ihm rüber
geschleppt und stach ihn wie von Sinnen mit
seinem Dolch überall, wo er rankam: „Ihr habt sie
umgebracht! Ihr habt sie getötet! Ihr … habt … sie
… getötet! Ihr mondlosen Bastarde, ihr zahnlosen
Ziegenbälger!“ Die Brust des Angreifers hatte sich
mittlerweile in einen Brei aus Fell, Blut und Fleisch
verwandelt. Mit kurzen, markerschütternden
Schreien hauchte der Durchbohrte seinen letzten
Atem aus. Gis‘Grigg stach unaufhörlich weiter
und ließ mit jedem Stich blutige Büschel und
Hautfetzen um sich fliegen. Is‘Gra unternahm
einen zögerlichen Versuch, ihn zurückzuziehen:
„Bruder, lass gut sein, er ist tot!“
„Fass mich nicht an!“, funkelte er sie blutüberströmt
an.
„Gis‘Grigg, du bist verletzt, du blutest! Dein Bein
ist gebrochen!“, sagte sie selbstsicherer.
Der Schamane schaute kurz abwesend auf sein
Bein und die Blutlache, die sich unter ihm gebildet
hatte. Einen Moment lang hielt er inne und ließ
den Dolch fallen. Doch zugleich schüttelte er
den Kopf. „Ich lasse nicht zu, dass dieses Stück
Dreck mit den Himmlischen gemeinsam heult.“
Mit einem Ruck bohrte er seine Zähne tief in den
Hals des Toten und riss ihm den Kehlkopf raus. Er
spuckte den Fleischklumpen aus und drehte sich
gebieterisch zu Is‘Gra um: „Jetzt der andere, bring
mich zu ihm!“
Fragend blickte sie sich um und folgte mit den
Augen der Blutspur, die Gis‘Grigg kriechend
hinter sich gelegt hatte. Da nahm sie auch
Ann‘Grar wieder wahr. Er kniete über einer
Raugra mit silbriggrauem Pelz und schloss ihr die
Augen. Es war Ur‘Saru, Gis‘Griggs Partnerin, seine
Mondgefährtin, seine Mairir. Nun machte auch
das wilde Gefasel des verletzten Schamanen Sinn.
Wie hatten sie es nicht bemerkt, als sie den Hügel
hochgelaufen kamen? Eine riesige Wunde klaffte an
ihrer linken Bauchseite. Wunde war untertrieben,
man hatte sie fast entzwei gespalten. Keine Frage,
ein Axthieb. Das so schöne weiche Fell, wofür sie
die tote Rudelschwester insgeheim beneidet hatte,
war verklebt von durchtränktem Blut. Am Stamm
einer toten Frostbirke ließ Gis‘Grigg von Is‘Gra ab
und fiel auf eine kleine Schneeerhebung, die sich
als ein zweiter toter Varg entpuppte. Der Schamane
wischte ihm mit der Hand den herabgefallenen
Schnee vom unförmig zerdrücktem Kopf und
klopfte eine Schicht dünnen Eises von seinem Hals
ab, bevor er auch diesem die Kehle abbiss. Dann
sank er in sich zusammen und fiel in Ohnmacht,
ohne den Kehlkopf auszuspucken.
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„Kümmerst du dich um ihn?“, fragte
 Ausgabe 4 - 2014 Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
Ann‘Grar und ging langsam auf die andere Seite des
Hügels, als Is‘Gra nickte und ihren Kräuterbeutel
vom Gürtel abnahm. Duckend schlich der Krieger
den Hügel hinunter und suchte nach Spuren
im frischen Schnee. Sie führten hinab quer
durch totes Gestrüpp über ein kleines Bächlein,
wahrscheinlich einem Ausläufer der Ulja, zu einer
langen flachen Steppe. Ann‘Grar atmete ein paar
Mal tief durch die Nase und machte eher erleichtert
als zufrieden kehrt. Als er zurückkam, sah er Is‘Gra
mit einem fragenden Blick auf sich zukommen.
„Keine Sorge, da ist kein Nachschub. Sie sind
mindestens seit einem Tag allein unterwegs. Ihre
Witterung zieht sich durch die ganze Steppe da
hinterm Bach. Sie stinken stark nach Ziege. Sonst
ist da aber niemand.“
„Kein Wunder, sie hatten Brust- und Lendengurte
aus Ziegenleder und getrocknetes Ziegenfleisch
bei sich. Einer hatte auch etwas Sirbalin. Das
Fleisch und das Kraut habe ich eingepackt.“
„Sonst nichts?“
„Zwei schartige Messer, die nichts nützen.
Damit schneidet man sich eher selbst. Das
einzig brauchbare ist die Axt, die ist wirklich gut
geschliffen und hat zwei Schwünge. Aber als ich sie
anlegen wollte, hat Gis‘Grigg mich angeschrien.
Wenn ich das verfluchte Ding mitnehme, lässt er
mich verbannen sagt er.“
„Hmmh!“, grübelte Ann‘Grar „Lass ihm
seinen Schmerz. Vergraben wir die Axt, ich
komme sie dann später holen. Wie geht es
ihm?“
„Ich habe die Wunde mit Schnee gesäubert
und mit Balsam und Fett eingerieben, aber
das Bein ist zerquetscht, der Knochen ist
gebrochen. Die anderen Schamanen kriegen
es bestimmt hin, aber jemand muss ihm jetzt gehen
helfen.“
„Ich trage ihn.“
„Nein, du solltest Ur‘Saru nehmen. Wenn sie noch
länger bleibt, zieht sie noch die Tiere an. Ich traue
mich nicht, sie zu heben. Das bißchen Haut und
Fleisch, dass sie noch zusammenhält … nun ... sie
könnte auseinanderfallen.“
„Ich mache das schon. Gehen wir, wir waren schon
viel zu lange weg.“
„Nein, warte. Er will einen Moment mit ihr allein
sein. Bleiben wir noch.“
Ann‘Grar nickte. „Hat er dir gesagt, was die beiden
da oben überhaupt wollten?“
Is‘Gra schnaubte leise. „Der Arroa‘Ro hat sie
geschickt um das Land zu markieren. Sie sollten eine
hohe Stelle finden. Ich habe es gesehen, rechts neben
Ur‘Sarus Leiche ist ein kleiner blau rot bemalter
Totem mit Rippen, Krallen und Bockshörnern.
War bedeckt vom gefallenen Baumschnee. Als sie
die Reinigungsrufe aussprachen, wurden sie von
hinten überrascht. Die Angreifer hatten sich wohl
den Hügel hoch geschlichen. Der unterm Schnee
hat Gis‘Grigg geschlagen und der andere riss
Ur‘Saru weg. Gis‘Grigg hat sich mit einem Eisblitz
gewehrt, aber der Zottelige war schnell und brach
ihm das Bein. Da schleuderte Ur‘Saru, die sich
losgerissen hatte, ihren Hammer auf den bei
Gis‘Grigg und wurde von der Axt des Zotteligen
getroffen. Sie starb sofort, wie er sagt. Ihr Hammer
hat den Kopf des anderen zerdrückt und ließ ihn
zu Boden fallen. Dann weiß er nicht mehr, was
passiert ist. Da sind wir wohl erschienen, als er da
vor sich hinmurmelte.“
Ann‘Grar seufzte. „Armer Gis‘Grigg, Ur‘Saru war
ne gute Schwester!“
Is‘Gra blickte traurig auf den Boden: „Sie wollten
nur sie haben, weißt du. Sie wollten nur Ur‘Saru
mitnehmen. Bei Karr‘Rurrs Rudel sind Frauen
rar.“
Er legte die Arme fest um sie und sie ließ sich
hineinsinken. Ein Trauergeheul hallte oben von
den Bäumen herunter.
Während sie langsam den Weg zurückgingen, war
schon das letzte Licht der Abenddämmerung hin.
Die Jägerin stützte den schlappen Schamanen,
der tonlos mit matten Augen sein Bein durch das
kalte Gestrüpp nachzog. Ann‘Grar war bewusst
zurückgefallen und trug Ur‘Saru wachsam mit
vorgestreckten Armen vor sich. Is‘Gra hatte
Recht, ein Ruck und sie würde in zwei Hälften
brechen und Gesetz dem Fall, wollte er nicht, dass
Gis´Grigg es mitbekam. Sie hörten schon von
Weitem ausgelassenes Gelächter und erblickten
im Licht der großen Lagerfeuer baumlange
Schatten in der eisigen Steppe. Alle Jurten standen
bereits und die Schlittenhunde knabberten an
weggeworfenen Knochen. Es roch stark nach
gebratenem Rind und Ann‘Grar merkte, wie
hungrig er eigentlich war – doch essen durfte er
jetzt nicht mehr. Uzz‘Jraka war die erste, die sie am
Lager bemerkte. Die Hundeführerin band gerade
die frisch gefetteten Schlitten an einem Baum fest.
Als sie erkannte, was Ann‘Grar in den Armen trug,
stieß die zahnlose Raugra ein dreifaches Heulen
aus, das letzte lang und klagend. Schlagartig
verstummten alle Geräusche, die Jurten öffneten
sich und das Rudel sammelte sich um das große
Feuer. In ihrer Mitte stand der Erste Krieger
Korr‘Hrrau mit verwirrt besorgtem
Blick nebst dem Arroa‘Ro, Tharr‘Vrurr 10
 Ausgabe 4 - 2014 Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
dem Hünen.
„Bei Ruchorr, was ist passiert?“, donnerte die tiefe
Stimme des Anführers.
„Zwei Ausgestoßene von Karr‘Rurrs Bande haben
sie angegriffen.“, antwortete Is‘Gra, während
Ann‘Grar die Leiche vorsichtig auf den Boden
legte.
„Sie sind tot!“, sagte Gis‘Grigg abrupt und leblos
zugleich. Er ließ sich neben Ur‘Saru niedersinken
und legte ihr noch äußerst sanft die Ledergurte
und Rüstfelle um Schulter, Brust und Lenden ab;
Strich ihr ein letztes Mal über die kalte Wange und
schaute dann hoch zum Arroa‘Ro.
Tharr‘Vrurr nickte und sah sich beschwörend
um: „Brüder! Schwestern! Söhne des kühnen
Eises und der kühlen Steppe! Töchter des kalten
Schnees und der freien Winde! Raugarr der
Klammberster! Unsere Schwester Ur‘Saru ist jetzt
am Lager des göttlichen Rudels und bezieht ihren
Platz in der Himmelsjurte. Von nun an blickt sie
mit Wohlwollen auf uns hinunter. Sie wetzt die
Krallen mit dem schwarzen Ruchorr, spielt mit
der stürmischen Mairir, verwirrt den gewitzten
Firrgin und rennt mit Ysgarr lachend durch
unvergängliche Schneestürme. Sie ist jetzt bei den
Göttlichen und ihr immerwährendes Heulen soll
uns bis zu unserem letzten Tag über Sturm und
Schnee zur Seite stehen. Erweisen wir ihr die letzte
Ehre.“
Das ganze Rudel heulte dröhnend auf, die
Jurten zitterten, selbst die Hunde kniffen
ihre Schwänze ein. Gis‘Grigg setzte als erster
an und riss mit seinen Zähnen ein Stück von
Ur‘Sarus linkem Arm ab. Als er zu Ende
gekaut und den ersten Bissen geschluckt
hatte, fielen die anderen über sie her. Der
Arroa‘Ro und seine Gefährtin Utt‘Jara bissen sich
Stücke von Ur‘Sarus linker Wade ab, Is‘Gra ging
ihr an die Brust und Ann‘Grar riss sich ein sehniges
Stück von ihrem Schenkel raus. Die kleineren
Welpen bissen an ihren Ohren und Fingern
oder knabberten an kleineren Fleischstückchen,
welche die Großen für sie rausrissen. Heulend
und fressend, zerrend und ziehend, traurig und
feiernd erwiesen sie ihrer Schwester die letzte
Ehre: Schließlich brach Ur‘Saru im Gewirr der
Mäuler und Krallen entzwei und gelang durch die
Schlünde ihrer Brüder und Schwestern ins Reich
des göttlichen Rudels.
***
Ann‘Grar freute sich und biss herzhaft in die saftige
Keule in seiner Hand. Das Biest hätte ihm beinahe
ein Auge gekostet. Wenigstens war er immer noch
so schnell mit dem Beil wie eh und je. Einiges
verlernte man nicht. Es wurde auch höchste
Zeit, das Fleisch ging langsam zu Neige und
hatte durch das ganze Auftauen den Geschmack
von durchgekautem Brei angenommen. Doch
beschweren wollte er sich nicht! Mairir sei Dank,
er hatte Essen. Schwermütig guckte er schmatzend
auf sein Bein. Der tote Wolf prallte mit jedem
Schritt an seinen Oberschenkel und streifte die
Robbenfelle, die er sich um die Lenden gebunden
hatte. Man erledigte nicht jeden Tag ganz alleine
einen Geisterwolf ! Schade, dass er seinen Sieg mit
keinem teilen konnte. Niemand rief ehrfurchtsvoll
seinen Namen und begutachtete anerkennend den
starken Wuchs oder die scharfen Zähne des Biests
... Immerhin hatte er frisches Fleisch.
Labend lief er schnellen Schrittes über die Eissteppe.
Er musste sich beeilen. Der Wolf hatte ihm gute
drei Stunden geklaut. Kämpfen, töten, ausweiden
... drei kostbare Tagesstunden, die ihm langsam
zu schaffen machten. Hätte er gewusst, dass die
leere Steppe so weit ist, hätte er sie nicht gestern
Nachmittag betreten und bis zum Morgengrauen
gewartet. Es gab nichts außer Eis und Schnee.
Keine Höhle, kein Baum, kein Gestrüpp, nicht
Mal gefährliches Packeis, worunter man sich hätte
zu Not verstecken können. Doch irgendwann
müsste sie ja enden. In ein paar Stunden würde die
Sonne untergehen und er verspürte wahrlich keine
Lust, sich wieder ein Schneeloch in den Boden zu
graben, um nicht über Nacht zu erfrieren. Und die
Sonne tat ihr Übriges.
Ann‘Grars Augäpfel drückten stechend nach
innen und er spürte, wie seine Lider juckten. Es
war Zeit. Er warf den leergelutschten Knochen
aus seiner Hand und blickte forschend quer über
seinen Körper. Die schmerzenden Augen blieben
an seinem Arm haften. Ein breiter Lederriemen
war um den Oberarm gebunden, der einen schon
längst vertrockneten Verband über einer kaum
noch sichtbaren Wunde befestigte. Wehmütig
löste er den Riemen und streifte ihn glatt. Nun zog
er das kleine Messer aus seinem Gürtel und stach
zwei gleich große Schlitze hinein. Er drehte den
Riemen ein paar Mal um und prüfte die Schlitze.
Der Krieger entschied sich dann doch jeweils
einmal mit der Daumenkralle hineinzubohren
und sie auszuweiten. Jetzt band er sie sich um die
Augen, so dass die Schlitze ihm zwar schmale, aber
immerhin gute Sicht baten. Ann‘Grar blinzelte
zweimal und war zufrieden damit. ‚Wenn es nicht
ausreicht, reibe ich mir später die Augen mit Asche
ein.‘ dachte er sich. Seine Wunden heilten zwar
langsam und die große Risswunde über seiner Brust
war auch seit zwei Tagen nicht mehr aufgegangen,
aber sie schmerzte immer wieder in der Eiseskälte.
Sein Gesicht würde wohl nie wieder so sein, wie
früher. Mit der Hand fuhr er über die linke Wange
und fühlte die vier tiefen Furchen des
heftigen Krallenhiebs. Er war erst seit 11
 Ausgabe 4 - 2014 Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
vier Tagen wieder auf den Beinen und es war noch
ein langer Weg bis zur Ulja. Da brauchte er nicht
auch noch schneeblind zu werden.
***
Die Bucht der Verlorenen war fast gänzlich
zugefroren. Meilenweites Eis bedeckte ein paar
Schritt dick das Wasser. Eisbären lungerten
zwischen den großen Walrössern, um kleine
Jungen zu reißen, die sich unüberlegt von
der Herde entfernten, und wurden von den
Giganten mit messerscharfen Hauern vertrieben.
Unbehelligt unter ihnen stibitzten Weißfüchse
die Leichen kleiner toter Pinguine, erfrorener
Walrossjungen und Vögel wie Schneeschwalben
und Weißfederkraniche, die alle an der Eisküste
aufeinandertrafen. An einer abgelegenen Senke der
Bucht lagen die trägen Seelöwen schimmernd wie
Fische zwischen den Robben, die glucksend und
rutschend, behäbig wie riesige Steppenwürmer
rumtummelten. Hinter einem hochgelegenen
Stein, bedeckt mit festem Schnee, lugten zwei in
dicke Bärenfelle eingemummte pelzige Gesichter
hervor.
„Was sind das für Wesen?“, fragte Ann‘Grar und
machte große Augen.
„Na Robben, was sonst!?“, sagte Korr‘Hrrau und
verschaffte sich einen Überblick über die Bucht.
„Das sind Robben?“, wunderte sich
Ann‘Grar. „Der alte Ukk‘Krr hat sie immer
ganz anders beschrieben. Ich dachte, sie
wären dünner und länger wie Schlangen
und nicht so ... fett.“
„Irgendwie müssen sie den Winter ja auch
überleben ... Wir müssen aufpassen, der
Boden ist sehr glatt vom Meerwasser. Denk
dran, du musst dich fest einkrallen.“
Ann‘Grar konnte die Augen von einer großen
Robbe nicht wegreißen und blieb an der runden
Kopfform hängen, die glatt wie eine gefrorene
Erdknolle war. Er kramte blind mit den Händen
an seinem Gürtel und sprach weiter: „Wovon
fressen sie sich denn das ganze Fett an? Essen die
nur Fisch?“
„Weiß nicht.“, sagte Korr‘Hrrau abgelenkt, der
gerade einen schleichenden Weißfuchs unter den
Robben gesichtet hatte. „Hauptsächlich Fisch,
aber die essen wohl auch Vögel nehme ich an.“ Ein
lieblicher Geruch umfing plötzlich seine Nase. Als
er sich schnüffelnd danach umdrehte, ruhten seine
Blicke auf Ann‘Grar, der sich kleine rosaweiße
Fleischstückchen in den Rachen warf.
„Was isst du denn da?“
„Schneehuhn.“
„Schneehuhn? Wie kommst du hier an
Schneehuhn?“
Ann‘Grar murmelte etwas wie ‚Gsgrk‘ vor sich
hin.
„Was! Schon wieder von Gis‘Grigg? Bist du nicht
in der Lage, dein eigenes Essen zu fangen? Wenn
ich es nicht besser wüsste …“
„Ich bitte ihn nicht drum, er macht es von sich aus
... Für mich und Is‘Gra. Du weißt schon … Soll ich
etwa ablehnen? Würdest du`s?“
„Vielleicht sollte er sich wieder ein Weibchen
wählen. Dann hätte er nicht mehr soviel Zeit,
Hühnchen für euch zu rupfen.“
„Er hat eben noch keine passende gefunden ...
Komm jetzt, nimm eins! Es ist so zart, du musst
nicht Mal beißen, zerfällt dir auf der Zunge.“
Ann‘Grar hielt dem Freund ein Stück vor die
Nase.
„Wer bist du, die zahnlose Uzz‘Jraka? Brauchst
du jetzt zarten Huhnbrei?“ Ablehnend drehte
Korr‘Hrrau das Gesicht weg. „Ich möchte auch
der beste Freund des hohen Schamanen sein.“,
fügte er gehässig hinzu. „Ich kann aber nicht so
süß hecheln wie du, siehst du.“ Er riss dümmlich
die Augen auf und ließ sabbernd seine Zunge
raushängen.
„Dann solltest du ihm auch Mal das Leben retten.“
Erwiderte Ann‘Grar schroff „Und pack die Zunge
weg, oder ich reiß sie dir raus und werfe sie den
Hunden vor.“
Korr‘Hrrau wedelte mit dem Schwanz und sprang
von einem Fuß auf den anderen. „Gis‘Grigg, ich
wollen zart Fleisch!“
Ann‘Grar gab ihm einen Tritt in die Schulter und
ließ ihn in den Schnee plumpsen. „Dann esse ich
sie eben alleine.“ Er schnippte das Stückchen hoch
und schnappte es mit den Zähnen noch in der
Luft.
Korr‘Hrrau hob den Kopf vom Boden und
hechelte immer noch wie ein irrer Welpe, als etwas
Rosaweißes klatschend sein Auge traf.
Zwei zierlichere Robbenweibchen versuchten
unter einem imposanten Männchen mit
schelmischen Barthaaren durchzugleiten, aber der
stand wie ein Felsen mit aufgerichteten Flossen
auf dem Eis. Ein tiefes Pfeifen schnitt wirbelnd
die Luft und Ann‘Grars Wurfbeil zerschmetterte
der starken Robbe den Schädel. Bevor
er die Weibchen unter sich begrub,
rutschten sie panisch Richtung Meer. 12
 Ausgabe 4 - 2014
Korr‘Hrraus Speer hatte ein anderes Männchen
am Schwanz ans Eis genagelt. Das Tier zerrte
und schrie wie ein feiger Haarloser, dem man die
Zunge abgeschnitten hatte, und schlug zitternd
am ganzen Körper mit den Flossen auf das Eis. „Na
Dickerchen!“, sagte Korr‘Hrrau beim Vorbeigehen
und schlug ihm mit seinem Hammer gegen den
Kiefer. Aufgescheuchten Schneehühnern gleich
glitten die Robben dumpf kreischend durch die
Risse und Löcher ins rettende Wasser. Ann‘Grar
hatte einen noch mit den Krallen an der Flosse
gepackt, bevor es durch einen Spalt entwischen
konnte, und vergrub seine Zähne in die dicke
Hautschicht. Als er ihm die linke Flossenseite
zerriss, bebte das Tier noch kurz und verblutete
halb im Wasser. Korr‘Hrrau erschlug noch vier von
den kleinen weißen Flauschigen, die so langsam
waren wie der alte Ukk‘Krr.
„Sie sind echt lecker. So schön salzig.“, schwärmte
Ann‘Grar immer noch glücklich über den
unerwartete Leckerbissen, während er seine beiden
fetten Robben auf dem Schlitten festschnürte.
„Aber den hier habe ich verhunzt!“, sagte er traurig,
über die Robbe mit der aufgerissenen Flossenseite,
„Daraus wird nie im Leben ein Brustschutz,
vielleicht ein Schultergurt?“
„Du kannst einen von den Kleinen haben.“, sagte
Korr‘Hrrau, der die vier weißen Jünglinge
übereinandergestapelt festband wie
eingelegten Stockfisch. „Kannst es ja Is‘Gra
geben, die macht sich dann nen schönen
Lendengurt draus - natürlich nur wenn der
Arroa‘Ro es erlaubt.“
Schlagartig fielen Ann‘Grars Mundwinkel
nach unten. Ja, der Arroa‘Ro ... Ann‘Grar
überlegte kurz und rückte seinen Gürtel
Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
zurecht. Auch der Bärenpelz saß schief, der
musste auch straff gezogen werden. Als er dann
seinen Brustschutz und den Schultergurt auch
zurechtgerückt hatte und nichts mehr fand, woran
er rumfummeln konnte, platzte es doch aus ihm
heraus: „Warum sind wir hier Korr‘Hrrau, was
machen wir hier an der Nordküste?“
„Ich dachte, du wolltest schon immer Mal das Meer
sehen?“, sagte der Freund abweichend, während er
zerrend die Schlittenhunde anspannte, die noch
an Robbenflossen knabberten.
„Ja schon, aber ich bin nicht der Erste Krieger und
mir sagt der Arroa‘Ro nicht, warum er sein Rudel
zum Rande des Eismeers führt?“
„Frag ihn doch selbst! Ich weiß nicht mehr als
du. Oder hast du etwa gar ein Auge auf meinen
Posten geworfen, du Wurm in Firrgins Darm?
Kannst mich ja im Frühjahr herausfordern.“, fügte
er gewieft hinzu.
„Nein, das ist es nicht ... Ich will nur …“ Ann‘Grar
drehte sich kopfschüttelnd um und rückte das
Bärenfell erneut zu recht. „Schon gut, vergiss es!“
Korr‘Hrrau seufzte und griff etwas zu fest am
Halsband von Kundurur, dem Leithund, der
wütend zu knurren begann. Bedauernd streichelte
er den Hund, lockerte das Band und sprudelte wie
ein geplatzter Holzdamm an der Lasja: „Was soll
ich denn machen? Du, Orr‘Groa, Is‘Gra, Har‘Arr,
selbst die alte Uzz‘Jraka hängt mir ständig an den
Ohren. Es wird euch nicht gefallen, was ich sage.
Versteht ihr denn nicht?“ Er drehte sich wieder
zu den Hunden und zog das Geschirr enger um
Schlarra und Khusgrur. „Tharr‘Vrurr sagt, dass
wir der Steppe vorerst fernbleiben sollen. Die
Gurr‘Karr im Osten, die Blutsäufer im Westen
und dann noch das Rudel der zwei verstoßenen
Steppenweisen von Urr‘Rarrs Stamm. Sie haben
schon drei Rudel gerissen, hörst du mich, drei
ganze Rudel!“ Er setzte sich hin und warf sich
einen mit Robbenblut durchtränkten Eisklumpen
in den Mund, den er aus einem grauen Beutelchen
an seinem Gürtel rausgeholt hatte. „Der Arroa‘Ro
sucht den Rat der Himmlischen, deshalb sind
wir hier. Er muss sich ihnen würdig erweisen.“
Korr‘Hrrau hielt inne. „Nur weiß er selbst nicht,
wie er es tun soll. Angeblich werden sie es ihm
schon mitteilen, wenn es soweit ist. Nun sag
mir, was soll ich tun? Soll ich ihn herausfordern?
Den Hünen? Jetzt im tiefsten Winter? Was soll
ich ihm den überhaupt hinwerfen? Einen dieser
plumpen Säcke?!“ Abschätzig zeigte er grob auf
die verschnürten Robben. „Was hat er denn getan?
War er schlecht zu uns? Nein! War er ungerecht?
Nein! Er hat uns nur hier hoch gebracht und
irgendwann wird er wieder zurückkehren wollen,
weil es kein Norden mehr zum hingehen übrig
bleibt. Wir sind doch schon am Meer!“ Er deutete
auf das eisig glitzernde endlose Blau in der Weite.
„Wo sollen wir denn noch hin? So lange die
Schamanen ihn gewähren lassen, werde ich mich
hüten, etwas zu sagen. Und das solltest du auch.“
Er wedelte kurz mit der Hand über sein gebeugtes
Haupt, um die bösen Gedanken zu vertreiben und
warf den Eisbeutel in seiner Hand Ann‘Grar zu:
„Hier für dich!“ Nun stellte sich der Erste Krieger
hurtig auf den Schlitten und nahm entschlossen
die Zügel in die Hand: „Iss und stell keine Fragen
mehr!“
Augenblicke später schlitterten sie schon über
die glitzernde Küstensteppe. Ann‘Grar hatte
sich zwischen die aufgestapelten Robben gesetzt,
und beobachtete ihre glasigen Augen aus den
herabhängenden Köpfen, die während der Fahrt
auf- und abwippten. Er öffnete den
grauen Beutel in seiner Hand und riss 13
 Ausgabe 4 - 2014 Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
einen Eisknubbel aus den verklebten Kugeln raus,
den er sich in den Mund warf. Eine zufriedene
Genügsamkeit breitete sich in ihm aus: „Schön
salzig!“, dachte er „Schön salzig!“
***
Der alte Ukk‘Krr saß mit übereinandergeschlagenen
Beinen am warmen Lagerfeuer und puhlte sich
mit den Krallen Fleischreste zwischen den Zähnen
raus. Auch wenn seine Zahnwurzeln immer
wieder leicht bedrohlich wackelten, waren sie, den
Göttlichen sei Dank, noch ganz. Noch konnte er
beißen. Als er jung war, konnte er einem Zottelrind
mit einem Biss den Oberschenkel samt Knochen
rausreißen. Damals war auch sein Fell noch voll
und dicht und bei Ruchorr, springen konnte er
wie der Wind. Na ja, als er jung war, konnte er so
einiges, dachte er sich und blickte wehmütig ins
brennende Feuer, während er seine schwachen
Beine massierte. Hinter den stiebenden Funken
gerieten die Schatten in Aufruhr. Langsam
versammelten sie sich um ihn, wie jeden Abend.
Ein Haufen hungriger Wölfe rissen ihm Nacht für
Nacht geifernd Teile seiner kostbaren Lebenszeit
weg. Wohlgesättigt glotzten sie ihm in die Augen
und hingen an seinem Mund. Was würde er nicht
geben, um einen Abend nicht reden zu müssen,
aber das stand nicht zur Auswahl. Hier wurde
niemand umsonst gefüttert. Widerwillig setzte er
sich das gutgeübte Lächeln ins Gesicht und legte
mit angenehm streichelnder Stimme los:
„Wo waren wir stehengeblieben. Gestern
erzählte ich euch noch, wie die tapfere
Gurr‘Korra dem mächtigen Harr‘Harr aus
dem Palast des Gletscherfürsten zur Flucht
verhalf. Wir entsinnen uns seiner wohl.
Doch erzählte ich euch noch nicht, dass der
gewitzte Arroa‘Ro, der Wolfshetzer, sich
wieder in den Palast hineinschlich, nachdem
er der Kriegerin gebührend gedankt und sie zurück
zu ihrem eigenen Rudel geeilt war. Gepeinigt und
gedemütigt unter der eisigen Peitsche, wollte
Harr‘Harr es dem Eistyrannen heimzahlen und
löste die Fesseln von Goranon, dem Lieblingstier des
Gletscherfürsten, der im Kristallgarten festgehalten
wurde. Goranon seinerseits, der Stammvater aller
Frostmammuts, war ein schrecklich schönes Tier
von unermesslicher Größe. Sein sternensilbernes
Fell war übersät mit abertausenden Eiszapfen, die
mit jedem Schritt Melodien höchster Lieblichkeit
anstimmten. Wenn er sich aufrichtete, reichten
seine leuchtenden Hauer bis zum Himmel und
kitzelten den Silbermond. So schön war Goranon,
dass der Fürst es nicht übers Herz brachte, ihn
frei in der gefährlichen Gontcharia laufen zu
lassen. Also hielt er das Tier seit Jahrhunderten zu
seinem eigenen Schutz hinter den Palastmauern,
fern von seiner großen Herde, seinen Söhnen,
seinen Töchtern und seinen unzähligen Enkeln,
die als winzige Kälber freimütig über die Steppe
tollten. Tief in Harr‘Harrs Schuld verließ
Goranon freimütig mit dem neuen Freund sein
unbarmherzig hübsches Gefängnis.
Außer sich vor Wut ließ der Gletscherfürst auf der
Suche nach dem Mammut seine Schneeschergen
durch die Gontcharia wüten. Sie sausten von
Nord nach Süd, sie brausten von Ost nach West,
wurden aber nicht fündig. Fern vor den eisigen
Krallen der listigen Schergen genoss Goranon
die Freiheit und feierte Wiedersehen mit seiner
reich angewachsenen Herde. Es war nicht viel
Zeit vergangen, als Harr‘Harr vor ihm trat und
verlangte, seine Schuld zu begleichen. In seiner
Abwesenheit waren die Wolfshetzer unruhig
geworden. Die Jungspunde erkannten ihn nicht
mehr als ihren Anführer an und einer nach dem
anderen forderten sie ihn heraus. Die vielen Jahre
hatten seine Knochen verwässert und lange hätte
sich der einst kampfstarke Arroa‘Ro nicht mehr
behaupten können. So erschien er vor den Augen
des Vaters aller Mammuts.
Auf dem Rücken der Riesenbestie ritt er zurück
zu seinem Rudel. Unter großem Staunen
und beispielloser Ehrfurcht warfen sich die
Wolfshetzer ihm zu Füßen und versprachen ihre
Treue bis zu ihrem Tode. Von Rudel zu Rudel,
von Ohr zu Ohr, von Schnee zum Wind eilte die
Kunde bis zum Palast des Gletscherfürsten, dessen
Hass auf Harr‘Harr von Neuem entfachte. Zehn
Mal so stark wie vor Jahren marschierte er gegen
den Arroa‘Ro, doch Goranon zertrampelte die
Gletschergarde unter den gewaltigen Füßen und
schleuderte die Schneeschergen mit seinen Hauern
meilenweit hoch in die Lüfte. Der Rudel jubelte
und ließ das Biest heilig sprechen und Harr‘Harr,
geblendet in all dem Ruhm, hielt sich selbst
Ruchorr für ebenbürtig. So unermüdlich auch
Goranon war, so unendlich waren die Mächte des
Gletscherfürsten. Jeden Tag fielen Hunderte von
Raugarr den furiosen Schergen zum Opfer, jeden
Tag zerbrachen Frostgardisten Vargenknochen
wie gefrorenes Eis. Binnen kürzester Zeit war der
riesige Rudel bis auf hundert Seelen geschrumpft.
Der Schamanenrat suchte sein Gehör, doch
Harr‘Harr jagte sie fort, der Erste Krieger lag
ihm zu Füßen, aber der Arroa‘Ro hörte nicht hin.
Als der Rudel sich dann weigerte, wieder gegen
die Schergen zu ziehen, trieb Harr‘Harr den
widerwilligen Goranon über sie und trampelte
jeden zu Tode, der sich gegen ihn aufgelehnt hatte.
Alte, Junge, Schwache, Starke und selbst kleine
niedliche Welpen wie euch zerquetschte er unter
den riesigen Füßen seines Mammuts.
Harr‘Harr erklärte sich vor seinem entsetzten
Rudel zum Ro‘Arroa‘Ro, Anführer
aller Raugarr, und entsandte seine 14
 Ausgabe 4 - 2014 Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
restlichen Leute in alle Richtungen zu den Rudeln
der Raugarr. Er befahl diesen, sich seinem Feldzug
gegen den Gletscherfürsten anzuschließen oder sie
würden schneller zu den Himmlischen finden, als
es ihnen lieb wäre. Der Geltscherfürst tat es ihm
gleich und ließ die Nachricht verbreiten, er wolle
nur Harr‘Harr, seine Fehde gelte dem schändlichen
Dieb allein, nicht den tapferen Raugarr, die seit
Jahrtausenden friedlich mit seinen Elementen
zusammenleben. Doch würde er jeden gnadenlos
wegfegen, der sich auf die Seite des falschen
Anführers schlüge. Als Warnung fror er alle Flüsse
Gontcharias ein und ließ seine Frostwinde von der
Leine, die schneidend über die Steppe wüteten.
Die schlimmsten Schneestürme und die kälteste
Kälte schickte er über die Gontcharia. Selbst
Vögel erfroren in der Luft. Zwischen zwei Fronten
geraten, hatten die Raugarr damals keine gute
Zeit. Fügten sie sich dem Fürsten, verendeten sie
unter Goranons Füßen. Hielten sie zu Harr‘Harr,
ließ der Zorn des Gletscherfürsten sie in ihren
behaglichen Jurten zu Tode frieren. Aber die
meisten ordneten sich dem Ro‘Arroa‘Ro unter
und sandten ihre mächtigsten Schamanen und
tapfersten Krieger zusammen mit Geschenken
der Eintracht. Lange Schlangen bildeten sich
vor der prächtig wachsenden Großen Jurte von
Harr‘Harr, dem selbsternannten Fürsten der
Raugarr, der auf Goranons kraftvollem Rücken
thronte. Die zerschundenen Wolfshetzer baten
alle Ankommenden innbrünstig um Hilfe,
sollten sie doch dem Wahnsinnigen ein
Ende bereiten. Es ginge doch nicht nur um
das Wohl ihres Rudels, sondern um aller
Raugarr der Gontcharia.
Wir können euch nicht helfen! – sagten
die Rückenbrecher. Stellen wir uns gegen
den Ro‘Arroa‘Ro, erklärt er uns den Krieg
und sein Monster zertrampelt unseren
ganzen Rudel zu Tode. So beugten sie das Haupt
und beschenkten Harr‘Harr mit einem Dutzend
prächtiger Schlittenhunde.
Wir können euch nicht helfen! – sagten die
Frostreißer. Stellen wir uns gegen den Ro‘Arroa‘Ro,
erklärt er uns den Krieg und sein Monster
zertrampelt unseren ganzen Rudel zu Tode. So
beugten sie das Haupt und beschenkten Harr‘Harr
mit dicken Pelzen von Frostbestien.
Aber Gurr‘Korra, die Steinbeißerin, verschloss
nicht die Augen vor dem Elend der Wolfshetzer.
Als sie merkte, dass weder vernünftiges Zureden
noch Firrginsschmeicheleien Harr‘Harr zur
Besinnung brachten, schlitzte sie mit einem Hieb
den Bauch des majestätischen Zuchtbullen auf, der
als Geschenk für den Raugarrfürsten gedacht war.
Sie badete ihre Arme in seinem Blut und verpasste
sich das Ruchorrsmal auf die Stirn. Entrüstet über
diese Beleidigung trieb Harr‘Harr in tödlicher
Hast Goranon direkt auf sie zu. Doch mutig wie
Ruchorr stellte sich Gurr‘Korra dem rasenden
Goranon und schleuderte ihren Speer durch das
Auge des anstürmenden Ungetüms hindurch in
dessen Leib. Der Mammut ließ einen gewaltigen
Schmerzensschrei erklingen und schleuderte den
entsetzt heulenden Harr‘Harr von seinem Rücken.
Als der Speer weiter zuem Herzen drang und es
durchbohrte, überschlug sich das verängstigte
Tier mit lauten Getöse und riss meilenweit den
Boden bis zu seinen Grundfesten auf. Schnee,
Eis und Erde brachen ein und ein verstörter
Harr‘Harr wimmerte mitten in einem Meer aus
Fleischbrocken.
„Schimpf und Schande über dich!“, rief die
Steinbeißerin und übergab den gefallenen
Ro‘Arroa‘Ro den eisigen Griffen der Gletschergarde.
Der Fürst hielt Wort und pfiff seine Frostwinde
zurück. Die Flüsse schmolzen wieder in Sekunden
zu lebenspendendem Wasser und die Raugarr
kehrten zurück zu ihrem gewohnten Leben. Der
Gletscherfürst war so traurig über den Tod seines
Lieblingstiers, dass er jahrelang weinte. Seine
Tränen überfüllten die Flüsse, bis Ulja und Lasja
sogar zusammentrafen. Aber das war nichts im
Vergleich zu seinem Zorn. Dermaßen enttäuscht
und getroffen durch den Verrat seines geliebten
Goranon, dessen Unversehrtheit ja sein einziger
Wunsch gewesen war, befahl er seinen Untertanen,
fortan alle Nachkommen des einst so mächtigen
Frostmammuts auszurotten. Seine Schergen rissen
und zerfleischten alle Frostmammuts, die sie in die
Fänge bekamen, sodass nun nur noch sehr wenige
von ihnen versteckt vor dem Fürsten ihr Dasein
fristen.
Was das Schicksal mit dem wahnsinnigen
Harr‘Harr angestellt hat, ist nicht gewiss. Manche
sagen, er sei immer noch in den blendenden
Kammern des Gletscherpalastes gefangen und
würde sein Haupt gegen die Eiswände hämmern.
Manche sagen, er wurde den Schergen zum Fraß
vorgeworfen und seine kalten Gebeine zittern
noch vor Schmerz in den tiefen Fluten der wilden
Ulja. Wissen tut es nur der Gletscherfürst, der
immer wieder mit einem hämischen Grinsen
selbstzufrieden die Reißzähne auf seiner frostigen
Brust berührt, die um seinen Hals an einer Kette
aus Raugarrfell hängen.“
Ukk‘Krr schaute sich erwartungsvoll um und hoffte
auf die wohlverdiente Ruhe, aber niemand rührte
sich. Ein mulmiges Gefühl schlich sich in ihm
hoch. Sie begafften ihn wie hungrige Geisterwölfe,
denen er das Fleisch vor der Nase
weggezogen hatte. „Nun“, räusperte er
15
sich und setzte zuckersüß fort „wollen
 Ausgabe 4 - 2014
wir aber alle wissen, was die tapfere Gurr‘Korra als
nächstes gemacht hat. Jetzt erzähle ich euch die
Geschichte, wie unsere unerschrockene Heldin
den grauenhaften Roten Riesen aus den Alanjuten
verjagt hat. Aber dann geht ihr alle ab ins Fell!“
***
Ann‘Grar saß in seiner offenen Jurte und versuchte
sich abzulenken. Es war vier Tage her, seit er und
Korr‘Hrrau bei der Robbenbucht waren und ihre
Stimmung hatte sich nicht gebessert. Nicht nur
er, auch die anderen Krieger beschwerten sich
beim Ersten, selbst sein Weibchen, die tapfere
Orr‘Groa, zeigte ihm die kalte Schulter. Is‘Gra war
mit den anderen Jägern aufgebrochen, um einem
Schneeleoparden nachzustellen, dessen Spuren
sie gestern gefunden hatte. Das schwache Licht
der Abenddämmerung schwand zügig hinter
aufziehenden Nebeln und verkündete starken
Schneefall. Ann‘Grar schabte jetzt zum dritten Mal
gründlich das Robbenfell mit seinen Krallen aus
und rieb es mit Schnee und Rinderurin ein. Noch
drei Tage schaben und reiben und das Fell wäre
fertig. Doch Ann‘Grars Blick war auf die Jurte des
Alphapärchens gerichtet. Korr‘Hrrau saß schon
seit zwei Stunden zusammen mit den Schamanen
drin bei dem Hünen und Utt‘Jara. Er hatte sich
vorgenommen, heute im Kreis der Schamanen
den Arroa‘Ro zu fragen, wann das Rudel wieder
umkehren würde. Doch wie zum Spott lag die
Große Jurte ruhig wie ein Eisberg da. Keiner
kam heraus, keiner ging hinein. Ann‘Grar
schabte weiter. Auch die anderen Raugarr
gingen noch zur späten Stunde ihren
Pflichten nach: Hundeführerin Uzz‘Jraka
besprach die aufgerissenen Pfoten der
übermüdeten Schlittenhunde und mühte
sich mit dem widerspenstigen Kundurur
ab. Am Lagerfeuer hatten sich Welpen um
Splittermond - Die Affenkönigin
den alten Ukk‘Krr versammelt, der die legendären
Heldentaten von Gurr‘Korra der Steinbeißerin
zum Besten gab. Nebenan schleifte Waffenmeister
Akk‘Luul schon seit einer Weile an einem Beil.
Plötzlich öffnete sich der Eisberg. Als erstes trat
Korr‘Hrrau hervor und drehte sich instinktiv zum
Freund um. Doch Ann‘Grars freudige Erwartung
verschwand sogleich, als der Erste Krieger den Kopf
schüttelte. Ann‘Grar machte Anstalten, aus seiner
Jurte zu gehen, doch Korr‘Hrrau hob abweisend
die Hand und verschwand nach schweren Schritten
in seiner eigenen Jurte. Jetzt kamen auch einzeln
die Schamanen raus und zogen sich mit sauren
Minen zu ihren Schlafplätzen zurück. Ann‘Grar
beschloss, den Freund morgen zu sprechen und
wandte sich zurück zu seinem Robbenfell, als
herannahendes Geklimper seine Ohren erreichte.
Er drehte sich nochmal um und sah Gis‘Grigg auf
sich zukommen, der wohl als letzter das Zelt des
Alphapärchens verlassen hatte. Der Schamane trug
wieder die vielen klimpernden Knochenketten
und steckte gerade zwei Knorpelrasseln in seinen
Ledergurt. Das Bein war schon lange vollständig
genesen und er ging wieder fest und selbstsicher,
wie man es auch sonst von ihm gewohnt war.
Schnell räumte Ann‘Grar das Fell weg und machte
Platz.
„Hallo Bruder.“, begrüßte der Schamane Ann‘Grar
mit einem warmherzigen Lächeln, die nur eine
Handvoll Raugarr des Rudels überhaupt von dem
sonst so kühlen Schamanen zu Gesicht bekamen.
„Setz dich Bruder.“, sagte Ann‘Grar nicht minder
herzlich.
Gis‘Grigg schloss die Jurte und setzte sich mit
einem erleichternden Seufzer hin. Sein Gesicht
fiel müde in sich zusammen. Seitdem sie ihn
blutend dem Tode nah gesehen hatten, machte
der Schamane sich nicht mehr die Mühe, vor
Is‘Gra und Ann‘Grar unnahbar zu erscheinen.
Schwerfällig schaute er sich in der Jurte um: „Wo
ist Is‘Gra?“
„Sie und die anderen Jäger gehen immer noch der
Leopardenspur nach. Wahrscheinlich kommen sie
erst morgen wieder zurück.“
Gis‘Grigg zuckte teilnahmslos mit den Schultern
und öffnete einen runden Lederbeutel, der an
seinem Gürtel hing: „Dann kannst du sie ja
morgen damit überraschen.“ Zwei fette weißgraue
Kaninchen kullerten auf die ausgelegten
Rinderfelle. Angenehm überrascht hob Ann‘Grar
die toten Häschen an den Ohren hoch und strich
über ihr weiches Fell.
„Steppennuschler! So hoch im Norden?“
„Sie liefen in einen ausgehöhlten Baumstumpf
hinein, als ich ein Totem aufgestellt habe.“
„Gis‘Grigg“, sagte Ann‘Grar so edel wie möglich
„Es ist jetzt über zwei Monde her. Du musst uns
nichts mehr geben.“
„Doch, das muss ich! Und solange ich euch etwas
mitbringe, werdet ihr es bei Mairir annehmen!“
Ann‘Grar nickte und legte die Kaninchen unter
ein seitlich aufgerolltes Fell. „Du siehst müde aus,
bist du weit gelaufen für das Totem?“
„Nein, es ist unten am gefrorenen Teich. Mich hat
der Hüne ausgelaugt. Und diese dummen Würmer,
die sich Schamanen schimpfen.“
Sie schwiegen ... Was im Kreis der
Schamanen mit dem Arroa‘Ro 16
 Ausgabe 4 - 2014
besprochen wurde, verließ nicht die Große Jurte.
Das wusste Ann‘Grar, aber die Kaninchen und
die quälende Ungewissheit machten ihm Mut.
Außerdem hatte Gis‘Grigg seit Ur‘Sarus Tod
auch niemanden, dem er sich anvertrauen konnte.
„Was war denn?“, fragte der Krieger vorsichtig
„Korr‘Hrrau sah auch ziemlich genervt aus.“
Gis‘Grigg musterte ihn kurz eindringlich und
fuhr ohne zu Hadern fort: „Wie wir alle wollte er
wissen, wann wir denn zurückkehren. Aber wie es
aussieht, werden wir noch gen Nordwesten ziehen
bis zu den Festen der Zwerge.“
Ann‘Grar riss die Augen auf: „Was?“
„Sei ruhig! Tharr‘Vrurr wartet auf ein Zeichen der
Göttlichen, um sich würdig zu erweisen. Ich weiß,
dass Korr‘Hrrau dir davon erzählt hat. Er wurde
laut, es wurde ziemlich ungemütlich und sie fingen
an zu Knurren. Hätte Utt‘Jara nicht eingegriffen,
wäre es wohl übel ausgegangen. Korr’Hrrau
wird wahrscheinlich morgen zu euch Kriegern
sprechen, wann der Arroa‘Ro es dem Rudel sagt,
wissen wir nicht.“
„Gis‘Grigg, will er uns alle umbringen? Wir
kommen gegen die Eisfesten nicht an.“
„Ich weiß!“, fauchte der Schamane zornig. „Die
anderen Schamanen hören nicht auf mich,
ich allein kann den Hünen nicht umstimmen.
Denkst du, ich will, dass noch mehr von uns
sterben?“
Ann‘Grar besann sich und senkte den Kopf:
„Nein, sicher nicht.“
„Sag es niemandem weiter, schon gar nicht
Is‘Gra, sie ist zu hitzig. Ich werde versuchen
wieder mit Korr‘Hrrau und den anderen zu
reden.“ Er rollte nachdenklich seine Zunge
Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
von einer Seite zur anderen. „Wenn ich nicht
besser wüsste, würde ich meinen, dass einer der
Schammanen den Geist des Arroa‘Ro vernebelt.
Schwester Frr‘Grull vielleicht oder Bruder
Grr‘Hrrr.“ Abschätzend durchbohrte er die Luft.
„Vielleicht verliert er auch den Verstand und wir
merken es nicht. Ich weiß es nicht. Ich werde heute
zu den Geistern sprechen. So geht es nicht weiter!
Wir müssen etwas tun! Oder der Hüne bringt uns
noch allen den Tod.“ Gis‘Grigg stand auf und sah
sich nochmal aufmerksam in der Jurte um: „Und
du bist sicher, dass die Jäger nicht vor Morgen
zurückkommen.“
Ann‘Grar schüttelte den Kopf: „Sie haben
bestimmt ein Nachtlager aufgeschlagen, sie lassen
die Spur nicht los, bevor der Schnee nicht dicker
wird.“
„Gut! Schlaf jetzt, wir reden morgen weiter!“
Der Schamane schritt aus der Jurte und sein
Gesicht nahm wieder die Güte einer glitschigen
Steinklippe an.
Ann‘Grar kuschelte sich in die Rinderfelle hinein
und stellte sich die undurchdringlichen Bergfesten
der Eiszwerge vor, von denen der alte Ukk‘Krr oft
in seinen Geschichten erzählte. „Er bringt uns
noch allen den Tod!“, murmelte er leise vor sich
hin, während er sich langsam in den Schlaf wiegte:
„Er bringt uns noch allen den Tod!“
***
Sie war weit, weiter als er sie in Erinnerung hatte.
Er konnte sich nicht entsinnen, dass das Rudel
auf dem Weg nach Norden solange in der freien
Steppe unterwegs gewesen war. Zeit gehorchte
wohl anderen Gesetzen, wenn man allein war. Es
war jetzt der dritte Tag. Zwar tauchten langsam
tote Strauchfelder und einzelne Grüppchen
von Tannen und Fichten auf, aber trotzdem sah
das Auge meist nur eine endlose weiße Fläche.
Ann‘Grar hatte sich gestern erneut ein Loch graben
müssen, doch genützt hatte es nicht viel. Als er
aufwachte, taten ihm alle Knochen weh. Sogar das
krampfhafte Rennen hatte nicht geholfen. Selbst
der Schweiß bildete gelegentlich kleine Eiszapfen
in seinem dichten Fell, das mehr und mehr durch
den Schneeregen durchnässt war. Er bibberte am
ganzen Körper und schleifte sich unter großer
Mühe vorwärts. In der Ferne hatte er ein paar
Bäume ausfindig gemacht, zumindest hoffte er
das. Die musste er bald erreichen, sonst sah es übel
aus. Denn die Winde prallten aufeinander und
die Flocken wirbelten wie toll: Ein Schneesturm
bahnte sich an.
Nach einem Gewaltmarsch, in der er die letzten
hundert Schritt in kurzer Zeit zurücklegen
konnte, stand er vor einer großen Fichte. Er atmete
durch die verschnupfte Nase, konnte aber nichts
wittern. Ann‘Grar war unschlüssig. Zwar schämte
er sich vor Ruchorr, aber er bat trotzdem alle
Himmlischen aus tiefstem Herzen, nicht kämpfen
zu müssen. Hätte sich wieder ein Wolf oder
geschweige denn ein Bär Schutz unter dem Baum
gesucht, wäre es um ihn geschehen. Der Krieger
hatte nicht einmal mehr die Kraft, ein Huhn zu
verscheuchen. ‚Selbst ne bockige Ziege könnte
mich tot rammen.‘, dachte er. Die Himmlischen
waren auf seiner Seite. Er öffnete einen Spalt in
die langen schneebedeckten Äste der Fichte, die
bis zum Boden reichten, und warf seinen Beutel
hinein. Es dauerte noch eine Weile, bis er genug
Schnee unter dem Geäst weggeschaufelt hatte, es
war ein großer Baum, der Stamm war fast zwei
Schritt breit. Ann‘Grar stopfte noch vorsichtig
größere Löcher zwischen den Zweigen mit rauem
Schnee und setzte sich dann auf seine
Robbenfelle. Seine Hände waren 17
 Ausgabe 4 - 2014 Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
eisigkalt von der Schufterei, er konnte mittlerweile
große Risse zwischen den Fingern sehen, seine
Haut brach auf wie verbrannter Torf. Draußen
war schon das Raunen des Sturms zu hören, bald
würde es den ganzen Baum schütteln.
Schlotternd am ganzen Körper öffnete er den
großen Beutel und holte einen Bündel mit ein paar
kleinen Scheiten raus. Bei Mairir – sie waren nicht
durchgeweicht. Etwas abseits vom Stamm legte er
sie sternförmig auf den Boden und griff mit den
Händen zwei der kleineren Stücke fest, doch weiter
kam er nicht. Seine Hände gehorchten ihm nicht
mehr. Ann‘Grar zitterte am ganzen Körper und die
Scheite schlugen klackernd gegeneinander. Er ließ
sie auf den Boden fallen und kauerte sich über das
Holz. Todmüde zitterte er willkürlich vor sich hin.
Wenn er einschlief, ohne das Jägerfeuer entfacht
zu haben, wäre das sein sicherer Tod. Er begann
im Kopf den Spielreim des Dummen Geißleins
aufzusagen. Langsam wiegte er seinen Oberkörper
rhythmisch auf und ab und rieb fortwährend seine
Hände aneinander.
Mähh, hüpfte es über den Fluss.
Mähh, fraß es Büschel voll,
Mähh, ward es dick und fett,
Mähh, plumpste es in den Fluss! ... in den
Fluss! ... in den Fluss!
Nach einer Weile rhythmischen Wiegens
und vierzehn Strophen später hatte sein
Körper sich so weit beruhigt, dass er ohne
zu Zittern die rissigen Hände bewegen
konnte. Achtsam kniete er vor den Scheiten
und berührte wieder zwei von ihnen. Er atmete
tief ein und pustete anschließend die Luft über
die Hölzer. Augenblicklich fingen sie Feuer.
Ann‘Grar wartete gespannt, aber die anderen
Scheite hatten auch schon Funken gefangen und
zischten feierlich. Das Fichtenzelt erglühte leicht
im Schein des kleinen Jägerfeuers. Ann‘Grar ließ
sich erschöpft daneben fallen. Er kauerte sich über
den Robbenfellen zusammen wie ein schlafender
Welpe und zog das noch nicht geschabte Fell des
Geisterwolfs über sich.
Draußen tobte der Sturm. Der Wind rüttelte
an den Ästen, weicher Schnee rieselte auf den
einsamen Raugar herab. Nach ein paar Momenten
wärmender Zufriedenheit holte er den kleinen
grauen Beutel hervor und nahm sich begierig
eine von Korr‘Hrraus Blutkugeln raus. Es waren
nur noch sehr wenige übrig. Er packte den Beutel
wieder weg und schob sich die Kugel in den
Mund. Sie schmolz langsam auf seiner Zunge
und breitete wieder den wohligen Geschmack
von Salz aus. Ann‘Grar schaute entspannt nach
oben, aber sah nur das dunkle Holz der Fichte im
flackernden Schein des Feuers über sich. Gestern
war es ein Sternenmeer über ihm gewesen. Gestern
hatte er noch minutenlang gewaltige Lichtspiele
im Nachthimmel beobachtet. Grünblaue
Himmelslichter der launischen Mairir, die sie
geschmeidig und ausladend hinter sich herzog und
zierlich hüpfend im Firmament verteilte. Grün
und saftig, weich und sanft.
Ann‘Grar schlief ein.
***
„Wach auf ! Bruder, wach auf !“, Gis‘Grigg pikste
ihn jetzt zum zehnten Mal in die Schulter, aber
Ann‘Grar schnarchte wie ein krankes Zottelrind
und hatte offenbar nicht im Geringsten vor,
aufzuwachen. Der Schamane fuhr sich ungeduldig
mit beiden Händen über die Ohren und murmelte
etwas von Firrgins Lauscher. Nun spitzte er die
Ohren: Durch die Jurte hindurch konnte er
den Waffenmeister Akk‘Luul nebenan ebenfalls
schnarchen hören, ein Opossum knabberte an
den Knochenresten am Rande des erloschenen
Lagerfeuers und Kundurur ging unruhig auf und
ab. Aber alle anderen in unmittelbarer Nähe
schliefen – und Ann‘Grars Schnarchen donnerte
jetzt wie ein tosender Wasserfall an seinem Ohr.
Er ließ den Zauber fallen und fuhr nicht gerade
sanft mit den Krallen über die Schulter des
Schlafenden. Ann‘Grar sprang mit der typischen
Geschicklichkeit der Krieger auf die Beine und
knurrte mit vorgeschobenem Kiefer bedrohlich
ins Dunkle. Seine Jurte stand offen und der Schnee
leuchtete unter dem Silbermond.
„Ich bin’s Bruder, Gis‘Grigg.“ Ann‘Grar brauchte
einen Moment, bis er den Schamanen so ganz
ohne seine Ketten erkannte. Er ließ das Knurren
sein und schaute verwundert: „Was ist denn los?
Werden wir angegriffen?“
Gis‘Grigg deutete mit Nachdruck auf sein Ohr
und schloss die Jurte. „Nein, wir werden nicht
angegriffen“, sagte er flüsternd „aber sprich leise. Ich
habe zwei Stunden gewartet, bis alle eingeschlafen
sind. Die Zwillinge schieben Wache, aber sie sind
am anderen Ende des Lagers, sie haben mich nicht
gesehen. Ich habe mit Kundurur gesprochen, er
wird bellen, wenn sie näher kommen.“
„Was hast du denn vor?“, fragte Ann‘Grar gespannt
aber deutlich leiser als vorhin.
„Du musst gehen! Du musst sofort weg von hier!“
Der Schamane öffnete zwei Lederbeutel und
ließ Dutzende Fleischbrocken fallen.
„Ich habe das restliche Robbenfleisch 18
 Ausgabe 4 - 2014 Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
mitgebracht. Hier hast du auch getrocknetes
Rind und etwas Balsam, das habe ich Bruder
Grr‘Hrrr entwendet, möge Mairir mir vergeben.
Das dürfte dir zehn Tage reichen.“ Er hob
Ann‘Grars großen Lederbeutel aus gehärtetem
Rindsmagen vom Boden und begann das ganze
Fleisch hineinzustopfen. „Du bist ja allein, wenn
du schnell bist, erreichst du dann vielleicht
schon die Ausläufer der Ulja. Von da an bist du
eh im gewohnten Land. Nimm den Weg, denn
wir gekommen sind. Die anderen werden nicht
annehmen, dass du zurückgegangen bist. Es
schneit! Bis sie morgen merken, dass du weg bist,
sind deine Spuren schon längst verdeckt. Wenn
nicht, lege ich selbst falsche Spuren. Hast du
die Ulja erst mal im Rücken, kannst du dich ja
Urr‘Kah oder den Gurr‘Karr anschließen. Warum
auch nicht. Die müssten ja völlig verblödet sein,
wenn sie dich nicht nehmen, so jung und kräftig
wie du bist. Nimm einen der Bärenpelze mit, sonst
erfrierst du noch im Schlaf. Und die Nuschler,
pack die auch ein.“ Er sah sich kurz um „Hast du
sie schon gegessen?“
Ann‘Grar antwortete nicht.
„Ann‘Grar, hörst du mich? Wo sind die
Kaninchen?“
Der Krieger hob langsam die Arme und machte
das Zeichen des satten Mondes. Ein sanfter Schein
strahlte von ihm aus und erhellte die Jurte
in dämmrigem Licht. Der Schamane konnte
ihn jetzt deutlich erkennen. „Ich werde
nirgendwohin gehen!“, sagte er ruhig und
standhaft wie die imposante Robbe mit den
schelmischen Barthaaren. „Ich verlasse doch
nicht mein Rudel!“
Gis‘Grigg verengte die Augen: „Hör mir
zu! Hör mir jetzt ganz genau zu! Und wehe,
du gibst einen Laut von dir! Der Arroa‘Ro hat
Korr‘Hrrau verbannt!“
„Was?!“, brauste Ann‘Grar auf und sein Fell
richtete sich auf. „Gis‘Grigg, was redest du da?
Hast du schlecht geträumt oder haben dir die
Himmlischen den Verstand geraubt?“
„Still jetzt! Tharr‘Vrurr hat ihn wieder zu sich rufen
lassen und aufgetragen, im Morgengrauen schon
mit den Kriegern gen Westen zu marschieren.
Korr‘Hrrau hat sich geweigert und da ist der
Hüne über ihn hergefallen. Die Schamanen haben
eingegriffen und daraufhin hat er Korr‘Hrrau
verbannt, er hat sie beide verbannt.“ Des Schamanen
Augen weiteten sich. „Orr‘Groa wollte nicht ohne
ihn bleiben, da hat der Arroa‘Ro sie auch verjagt.
Utt‘Jara hat sie sicher ziehen lassen. Sie durften
ihre Jurte mitnehmen und wurden weggeschickt.“
Ann‘Grar spurtete raus und sah den kahlen Boden
bedeckt mit frischem Schnee, wo paar Stunden
zuvor noch Korr‘Hrraus Jurte stand. Schwer
atmend ging er zurück und drehte sich bedrohlich
zu Gis‘Grigg: „Sag mir die Wahrheit, hat er sie
getötet?“
Der Schamane schüttelte den Kopf: „Nein, hat er
nicht. Ich habe sie selbst gesehen. Die Schamanen
haben ihren Geist vernebelt und sie in aller Stille
weggeschickt. Aber ich beschwöre dich bei den
Himmlischen, komm wieder rein und sei leise!“
Ann‘Grar sank blass in seiner Jurte nieder und
spürte einen Schmerz in der Brust. Er konnte nicht
umhin, traurig über den Freund zu sein, der bei
diesem Ysgarrwetter rudellos in die Verbannung
torkelte. „Das darf er nicht! Es gab keinen Kampf !
Das darf er nicht!“, murmelte er entrüstet. „Wieso
hast du es nicht verhindert?“
Gis‘Grigg stutzte: „Was hätte ich denn machen
sollen? Ich bin der einzige im Rat, der sich gegen
ihn stellt. Hätte ich ein Wort gesagt, hätte er mich
mit ihnen geschickt. Wem hätte das genützt?“
„Du stehst unter dem Schutz des Fuchspaktes,
der Arroa‘Ro kann dir nichts tun!“, erwiderte
Ann‘Grar stur.
„Er darf mich nicht töten, aber sehr gut verbannen.“
Gis‘Grigg rümpfte die Nase „Außerdem ist nur der
Arroa‘Ro an den Pakt gebunden, nicht die anderen
Schamanen. Stelle ich mich jetzt gegen ihn, werden
sie mich mit Freuden in Stücke reißen.“ Gis‘Grigg
sah ihn eindringlich an: „Wenn mich jetzt einer
mit dir sieht oder hört, was ich sage, bin ich tot,
ist dir das klar?“
Ann‘Grar nickte gebeugten Hauptes.
„Nachdem Korr‘Hrrau ging, hat Tharr‘Vrurr den
Schamanenrat zu sich berufen. Er will morgen
sofort aufbrechen, sobald die Jäger zurück sind.
Schwester Frr‘Grull hat ihnen schon einen Bussard
geschickt, damit sie sofort umkehren.“ Gis‘Grigg
atmete tief ein „Er wird dich zum Ersten Krieger
ernennen.“
Ann‘Grar zuckte ungläubig: „Mich?“
„Ich habe ihm abgeraten, aber die anderen acht
haben ihn bestätigt. Ich konnte nichts tun.“,
betonte Gis‘Grigg mit Nachdruck. „Er wird von
dir verlangen, sein Rechter Zahn im Krieg zu
sein.“
Ann‘Grar war nicht auf noch mehr schlechte
Nachrichten vorbereitet „Er bringt uns allen den
Tod ...“, gab er matt von sich.
„Ich weiß, dass du uns nicht mit in einen sinnlosen
Krieg ziehen willst, aber wenn du
dich Morgen auflehnst, wird er dich 19
 Ausgabe 4 - 2014
umbringen. Ob du ihn herausforderst oder nicht,
Tharr‘Vrurr lässt dich bei Ruchorr nicht am Leben.
Er hat in der tiefsten Nacht Korr‘Hrrau verbannt.
Alle werden Antworten wollen. Wenn dann noch
sein neuer Erster Krieger sich ihm nicht fügt,
wird er sich behaupten müssen. Der Hüne wird
dich umbringen, das ist so sicher wie der fallende
Schnee. Du musst gehen!“
„Aber ich kann nicht! Wenn ich gehe, nimmt er
einfach einen anderen.“
„Und? Lass ihn doch! Es wird gewiss Kur‘Zrar sein,
und dem kuschenden Nichtsnutz würdest nicht
Mal du eine Träne nachweinen. Also, pack jetzt
deinen Beutel und beeil dich, wenn du schnell bist,
kannst du Korr‘Hrrau und Orr‘Groa einholen.
Schließ dich ihnen an, sucht euch gemeinsam ein
Rudel. Hier kannst du nichts ausrichten. Nicht
hier, nicht jetzt, nicht in diesem Eiswinter! Wenn
du bleibst, stirbst du!“
Ann‘Grars Stimme brach: „Aber Is‘Gra! Ich kann
sie nicht hier lassen.“
Gis‘Grigg zog überrascht die Augen zusammen,
als würde er den Krieger zum ersten Mal wirklich
erkennen. „Willst du sie mit in die Verbannung
nehmen? Willst du sie von ihrem Rudel
trennen?“
„Aber ich soll gehen!?“, knurrte der Krieger.
„Ihr droht auch nicht der Tod.“, sagte
Gis‘Grigg zornig „Wenn du auf sie wartest,
wird es zu spät sein. Schlägt sie sich auf deine
Seite, wird sie mit dir untergehen. Auch wenn
der Hüne sie nicht umbringt, werden die
Schamanen sie mit ausgerissenen Zähnen,
abgeschnittener Nase und ausgekratzten
Augen in eine Grube werfen und elendig
den Tieren überlassen. Dann findet sie nie
Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
zum Himmlischen Rudel! Willst du das für sie?“
Ann‘Grars Augen flackerten: „Aber sie wird mich
für einen Feigling halten, wenn ich weggehe!“
„Sie wird froh sein, dass du am Leben bist. Sie wird
sich schon denken, was passiert ist. Is‘Gra ist nicht
dumm. Ich werde sie beizeiten einweihen, aber
vorerst wäre es gefährlich; für uns alle!“
„Aber ...“ Ann‘Grar wusste nicht mehr, was er
sagen sollte. „Aber, ich bin doch bis jetzt nie allein
gewesen?“, hörte er sich überraschend flüstern.
Gis‘Grigg räusperte sich und zog einen weiteren
Beutel von seinem Gurt, diesmal einen kleineren.
„Du bist nicht allein!“, sagte er ungewohnt
behutsam „Die Himmlischen sind immer an
der Seite der Gerechten.“ Er übereichte ihm den
Beutel. Ann‘Grar öffnete den kleinen grauen
Lederbeutel und sah rundlich verklebte Eiskugeln
in fahlem Rot. „Er wollte, dass ich sie dir gebe,
es ist Robbenblut.“ Der Schamane ergriff fest die
Hände des betretenen Ann‘Grar „Geh und finde
dein Freund! Ihr schafft das, das weiß ich!“
Ann‘Grar verließ zum allerletzten Mal seine Jurte.
Vorsichtig schlich er verpackt im Bärenfell und
beladen mit dicken Fleischbeuteln an verschneiten
Jurten vorbei. So klamm heimlich sein Rudel zu
verlassen, verschnürte ihm die Kehle. Bevor ihm
die Traurigkeit übermannte, ließ er schnellen
Schrittes das Lager ungesehen hinter sich. Nur
der treue Kundurur hatte ihn durch den Schnee
hindurch erblickt. Gis‘Grigg schloss Ann‘Grars
Jurte von außen und behielt den dahinziehenden
Krieger im Auge, bis er gänzlich hinter tanzenden
Schneeflocken verschwand. Besprochen mit allerlei
Zaubern hatte Ann‘Grar kaum Spuren im Schnee
hinterlassen, die sich sogleich mit frischem Weiß
füllten. Erleichtert zog sich der Schamane zurück
und legte wieder die unzähligen Knochenketten
an, bevor er in den Scheinschlaf fiel.
Nach ein paar Meilen fand Ann‘Grar beim ersten
Sonnenschein endlich erste Spuren im Schnee
und setzte sich nachdenklich hin. Er verputzte ein
Kaninchen, warf sich eine der salzigen Blutkugeln
in den Mund und rannte wie ein durchgedrehter
Mammut Spuren nach, die keineswegs einem
Vargen gehörten.
***
Gestern hatte wieder ein Schneesturm getobt. Der
zweite, seit Ann‘Grar seine Reise angetreten war.
Aber zum Glück hatte er die kahle Steppe nach fünf
Tagen hinter sich gebracht. Mittlerweile begegnete
er wieder wilden Sträuchern und vereinzelten
Bäumen, die immer öfter und dichter auftraten.
Und mit solchen toten Sträuchern und festem
Firn hatte er sich gestern unter einem Abhang
eine notdürftige Hütte gebastelt. Den Sturm
hatte er drunter kaum mitbekommen. Mit den
Sträuchern tauchte auch endlich wieder Leben um
ihn herum auf. Gestern hatte er eigenhändig einen
Schneefalken gefangen. Oder eher aufgesammelt,
der Vogel hatte sich im Gebüsch verheddert. Seit
Tagen Mal wieder frisches Fleisch gehabt, auch
wenn der Falke selbst nur aus Federn und Knochen
bestand. Anscheinend war alles am Verhungern.
Am meisten vermisste er das Robbenfleisch, er
hatte ziemlich mit sich gerungen, bevor er das
letzte Stück verschlungen hatte. Der Geschmack
klebte immer noch an seiner Zunge und ließ ihm
den Mund wässrig werden. Doch waren nicht nur
Vögel wieder zu sehen, auch Großwild kreuzte
seinen Weg. Heute früh war er mehr schlecht als
Recht auf eine Tanne hochgeklettert,
als eine kleine Bärenfamilie an ihm
20
vorbeizog. Ab und zu begegnete er
 Ausgabe 4 - 2014 Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
auch schmalen Hufspuren, so wie von Pferden
der Menschen. Ann‘Grar zog sich immer mehr
von weiten Flächen zurück und ging im Schatten
von gelegentlich auftauchenden Felsen oder toten
Baum- und Strauchlandschaften. Das Letzte was
er wollte, war als Trophäe im Haus eines Haarlosen
zu enden.
Als er die Bleichgeier zum ersten Mal bemerkte,
lief er gerade einem Hasen hinterher. Das kleine
Kerlchen schlüpfte immer wieder Mal irgendwo
raus und verschwand wieder geschwind im
Unterholz. Der Hase war einfach zu schnell
für ihn, außerdem machte ihm seine Narbe
noch zu schaffen. Trotzdem rannte er den
vielversprechend leckeren weißen Ohren nach
und trat plötzlich durch das Unterholz in eine
weite Senke. So weit sein Auge reichte, schien sie
mit kleinen Bauminseln versehen zu sein. Wie
zufällig sprießende Pilze wuchsen hier und da
spärliche Ansammlungen von Fichten, Tannen
und Frostbirken. Als er quer über die Landschaft
schaute, sah er die verfluchten Vögel. Bleichgeier!
Schemenhaft kreisten sie über einigen Bäumen
und flogen mal auf und verschwanden dann
wieder in den Bäumen. Sie flogen noch, also war
da was am Leben! Ann‘Grar vergaß den Hasen
und lief so schnell er konnte zu den Tannen, über
denen die Vögel kreisten. Vielleicht war es ja ein
verletzter Raugarr, vielleicht einer von Urr‘Kahs
Rudel oder jemand von den Blutsäufern. Endlich
hätte er sie gefunden. Diese verfluchten
Ausgestoßenen. Sonst lauern sie überall und
zerspalten einem den Körper. Aber sucht
man sie, sind sie nirgendwo zu finden. Je
näher Ann‘Grar kam, desto mehr konnte er
wittern. Als erstes roch er Asche und kalten
Rauch, wohl ein ausgebranntes Lagerfeuer.
Dann der unverkennbare Geruch von totem
Fleisch. Aber es war anders.
Als er endlich die Bäume erreicht hatte, sah er
das verloschene Lagerfeuer. Der Wind trug noch
leichte verkohlte Reste. Dahinter waren schmutzige
Jurten zu sehen, die allesamt eingebrochen oder
teilweise vom Sturm weggeweht waren. Beim
zweiten Blick erkannte er, dass es gar keine Jurten
waren. Die Wände waren dünner und flatterten
leicht. Er duckte sich sofort: Haarlose! Ann‘Grar
spitzte die Ohren zu und wartete gebannt auf
einen Laut. Doch außer dem schrillen Gekreische
der Geier war nichts zu hören. Vorsichtig legte er
seine Tasche ab und nahm das Beil in die Hand.
Leise schlich er vorwärts. Die erste Leiche sah er
am Lagerfeuer. Es war schwer zu sagen, ob es eine
Frau oder ein Mann war. Auf alle Fälle ein Mensch.
Er lag ausgestreckt neben den verbrannten
Holzscheiten und war mehr als nur angefressen.
Die Geier waren nicht gnädig gewesen, das Gesicht
war ein einziges Loch. Der hatte gelitten.
Ann‘Grar erhob sich, hier war gewiss keiner mehr,
der ihm gewachsen war. Er ging direkt auf die
Vögel zu, die an einem kleinen Mann pickten.
Der Krieger ließ ein Knurren los und sie flogen
alle böse gackernd in die Luft. Er hatte sich nicht
geirrt, es war ein Zwerg. Der kleine Mann lag
leise wimmernd auf dem Boden und blickte leer
in den Himmel, neben ihm lag eine Zwergin. Sie
hatte noch versucht, sich notdürftig mit einem
Wolfspelz zu bedecken, doch der war im Boden
festgefroren; genau wie die bleiche Zwergin.
Ann‘Grar ließ den Blick schweifen und entdeckte
noch die eine oder andere Leiche. Alle erfroren
oder mit Brüchen und großen Wunden versehen.
Keine Frage, die meisten Verletzten hatten die
Vögel zu Tode gepickt. Einige Leichen hielten
noch Messer in den Händen, hatten wohl noch
genug Kraft gehabt, sich zu wehren. Das erklärte
auch die drei herumliegenden Geierleichen.
Ann‘Grar war klar, was passiert war. Der Sturm
hatte sie kalt erwischt.
Das Wimmern ertönte wieder und der Krieger
blickte runter zu seinen Füßen. Der Zwerg hatte
ihn bemerkt und schaute mit einem leblosen
Schimmer erwartungsvoll hoch zu ihm auf.
Ann‘Grar legte sein Beil ab und beugte sich über
ihm. Die Geier hatten sein linkes Ohr und die
Wangen durchlöchert. Er blutete nicht mal stark.
Der Krieger befühlte seine Arme und Beine. Kalt
wie Stein. Er griff nach der Hand des Zwergen und
sie brach plötzlich. Die Glieder waren ihm schon
abgefroren. Ann‘Grar schnaubte ärgerlich, das
Männchen würde ziemlich bald erkalten. Hastig
vergrub er die Zähne in den bläulichen Hals des
entsetzten Zwergen und trank begierig das noch
warme Blut. Er spürte, wie neues Leben in seine
Knochen hineinfuhr und seine Glieder umfloss.
Der Zwerg gab noch ein Geräusch von sich, das
nach einer Mischung aus Blöken und Wimmern
klang und erstarrte leblos. Als er von dem Toten
abließ, waren die Bleichgeier schon weggezogen.
‚Ysgarrs Wege sind unergründlich‘, dachte
Ann‘Grar, während er sich die blutige Schnauze
sauber leckte. Er wusste nicht, wem er mehr
danken sollte. Dem Zwerg oder den verfluchten
Bleichgeiern, die ihn zu ihm geführt hatten.
Gestärkt richtete er sich wieder auf. Es würde nicht
lange dauern, bis die wilden Tiere das ganze Aas
wittern würden. Bald würden Eisbären, Füchse
und Wölfe über sie herfallen. Eilig ging er von einer
schrecklich zerschundenen Leiche zur nächsten.
Einem riss er festgefrorene Dolche aus den Händen.
Von den Leichen zweier zur Lebzeiten wohl sehr
robuster Packpferde nahm er sich eine große
Umhängetasche aus schwarzbraunem Leder, die
er keinem Tier zuordnen konnte. Als er die erste
umgefallene Jurte untersuchte, freute
er sich wie der Gletscherfürst: Er hatte 21
 Ausgabe 4 - 2014 Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
zwei Töpfe gefunden, zwei echte Metalltöpfe! Die
kleinen metallenen Pikser und Messerchen drum
herum warf er in die Töpfe und nahm sie mit. Die
zweite Jurte war voll mit Leichen. Unter den toten
Menschen und Alben fand er auch einen dieser
verräterischen Stadtvarge. Gestutzt mit kurzem
Fell und eingezwängt in lächerliche Beinkleider lag
er da tot mit heraushängender Zunge. Ann‘Grar
verzog angewidert das Gesicht. Er nahm dem
toten Varg den eigenartigen Pelzmantel ab und
zwängte seinen massigen Körper hinein. Zum
Spaß schlitzte er dem Vargen noch den Bauch
auf.
In der dritten Jurte fand er das Fleisch. Neben
eigenartig körnigem Brei hatten sie viel Rindfleisch
und Fisch mitgenommen. Unter einem verklebten
blutüberströmten Bärenpelz fand er zwei
Schwerter. Das eine war so lang wie sein Arm.
Er holte es aus der Scheide raus und konnte sein
Glück nicht fassen, als er sah, dass es auch aus
Metall war. Vorsichtig untersuchte er die Jurte mit
der Hoffnung, vielleicht ein Metallbeil zu finden.
Aber unter Pelzen, eigenartigen Metallstöcken
und Kisten mit weichen Decken und dünner
Kleidung fand er keins. Während er sich über
die letzte Kiste beugte, die besonders schwer und
irgendwie verschlossen war, sah er hinter ihr vier
übereinandergestapelte große Stoßzähne. Er riss
die Augen auf. Sie reichten ihm bis zur Brust. So
groß wie die waren, waren es Hauer von echten
Frostmammuts. Ann‘Grar ging raus und ließ
ehrfürchtig seinen Blick über die Leichen
schweifen. Welch große Krieger waren hier,
die sich sogar Bestien wie Frostmammuts
stellten, um dann elendig zu erfrieren? Jetzt
tat es ihm leid, den Vargen aufgeschlitzt zu
haben. Er rannte zurück zu der Jurte mit
den Leichen und riss ihm das tote Herz
raus. Er war zwar nicht von seinem Rudel,
aber zumindest diese Ehre konnte er ihm erweisen.
Ann‘Grar begann es zu essen.
Mit einem seltsam laschen Geschmack im Mund
kehrte er zurück zu der schweren hölzernen Kiste
vor den Stoßzähnen. Er rüttelte und kratzte an ihr
herum, aber sie gab nicht nach. Schlussendlich zog
er sein Beil und schlug ein paar Mal heftig drauf ein,
bis die obere Seite zerbarst und ein großes Loch
frei ließ. Ann‘Grar fiel das Beil aus der Hand.
Man sagte zwar, dass die Keule des mächtigen
Na‘Rraar gänzlich daraus bestand, aber das waren
ja alles nur Märchen. So viel hatte er noch nie
auf einmal gesehen. Ab und zu winzig kleine
Stückchen, die sich die Schamanen oder der
Arroa‘Ro gierig unter den Nagel rissen. Es glomm
in lieblichen Blautönen. Ann‘Grar berührte es
demütig sanft mit den Fingern. Es war glatt und
porös zugleich. Ein Kribbeln durchfuhr ihn. Es war
echter Mondstein, der Stein der Himmlischen. So
groß wie sein Kopf.
***
Ann‘Grar war nicht gerade ganz ohne Stolz,
als er die Spur bis zu einer kleinen Felshöhle
verfolgt hatte. Er witterte Aas von unglücklichen
Wölfen, Weißkopfhabichten und anderen
Wildvögel. Immerhin hatte er geschafft, was
allen Jägern seines Rudels seit zwei Tagen entsagt
blieb. Lautlos schlich er hinein. Das erschöpfte
Schneeleopardenweibchen lag im Schlaf. Ihr
weißes Fell glitzerte sternenhaft beim Auf und
Ab ihres sanften Atems. Neben ihr lagen in einem
weichen Lager aus Zweigen und Blättern zwei
neugeborene Kätzchen, die kaum drei Tage alt
sein durften. ‚Wie niedlich.‘, dachte der Krieger,
während er die Winzlinge bewunderte, die ihn
mit kaum behaarten Köpfen aus frisch geöffneten
Lidern erstaunt anstarrten. Ruchorr hatte ihnen
noch nicht die gewaltige Stimme ihrer Mütter und
Väter eingehaucht, nur ein leises „Mau!“ drang aus
ihren kleinen Kehlchen. So leise wie ein hustendes
Kaninchen. Lauter ging es nicht. Nicht Mal,
als Ann‘Grar ihrer Mutter im Schlaf den Kopf
zerschmetterte.
Der Weg zurück erwies sich viel länger, oder
vielleicht kam es ihm auch nur so vor. Die Sonne
hatte den Zenit schon überschritten und die
Last des Leopardenweibchens tat ihr Übriges.
Das war nicht gut, er brauchte seine Kräfte. Zwei
Meilen vor dem Lager nahm er den Bärenpelz
ab und setzte sich rauf. Er stärkte sich mit dem
zweiten Kätzchen, das er noch übrig gelassen
hatte, und machte sich an die Arbeit. Bis auf den
Lendengurt legte er alles ab und riss mit seinen
Krallen das Weibchen an der unteren Bauchseite
auf. Das Ausweiden hatte er von Is‘Gra gelernt,
der geborenen Meisterin. Sorgfältig entfernte er
die meisten Organe und steckte die Arme tief in
das tote Tier, bis sie mit Blut überdeckt waren.
Abgesehen vom Gerippe riss er anschließend
alles raus, ohne davon auch nur einen Brocken
zu essen. Zum Schluss legte er das Herz in einen
der Lederbeutel mit Robbenfleisch und schnürte
es fest zu. Bevor er aufbrach, zog er mit seinen
blutigen Krallen rote Streifen an seine Brust und
Beine und verpasste sich das Ruchorrsmal auf die
Stirn.
Es war wieder Uzz‘Jraka, die ihn als erste sah.
Aufgereiht lagen die Schlitten vor ihren Füßen, die
sie mit Bündeln zusammengefalteter Jurten belud.
Die Hundeführerin witterte den herben Geruch
des verwesenden Leopardenweibchens
und erkannte wohlwollend, dass 22
 Ausgabe 4 - 2014 Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
Ann‘Grar das Vieh aufgeschultert ins Lager trug.
Die Narben ihres brüchigen Körpers erlaubten ihr
mit einer gewissen Hochmut stolz auf die Taten
der anderen zu sein, als wären es ihre eigenen. In
ihrem Alter durfte sie das. Wie eine undankbare
Moschusziege im Frühjahr hatte das Wetteifern
der Jugend sie schon lange verlassen und einem
beschaulichen Gemeinschaftssinn Platz gemacht.
Sie war zufrieden, wenn es anderen gut ging.
Doch als sie zu einem Heulen ansetzte, stockte ihr
plötzlich der Atem, ihre nebligen Augen hatten
das Ruchorrsmal entdeckt. Eine Mischung aus
Hohn und Mitleid fiel über sie her und erstickte
die aufkeimende Freude. Zu viele heißblütige
Raugarr hatte sie schon in ihrem langen Leben
erlebt, die sich gegen den Arroa‘Ro auflehnten.
Frisch entwachsene Welpen liefen mit dem Kopf
in den Wolken schnellen Schrittes ihrem eigenen
Elend entgegen. Sie blieb stumm und ging langsam
Ann‘Grar hinterher, der zum großen Feuer lief.
Diesmal tat es ihr sogar Leid, sie mochte den
Jungen.
Die Raugarr waren am Packen, viele Jurten waren
schon abgebaut und ließen runde kahle Flecken
auf dem Teppich aus Schnee zurück. Zwei der
kleineren Lagerfeuer waren schon erloschen,
dünne Rauchschwaden zogen noch träumend in
den Himmel. Ann‘Grar fragte sich, ob Tharr‘Vrurr
schon einen neuen Ersten ernannt hatte und ob
die Krieger wirklich schon gegen die Zwerge
losgezogen waren. Am Feuer angekommen
blickte er sich neugierig nach allen Seiten
um. Es dauerte einen Augenblick, bis
die umstehenden Raugarr langsam den
Aasgeruch witterten und Ann‘Grars
gewahr wurden. Die kleine Arr‘Nruu, ein
aufgewecktes Mädchen von fünf Jahren,
ließ gerade die Scheite in ihrem Arm auf
den Boden fallen und deutete mit dem
Finger und aufgerissenen Augen auf Ann‘Grar,
während sie ohne zu Atmen hüpfend lauthals rief:
„Ann‘Grar ist da! Ich habe ihn gefunden! Ich habe
ihn gefunden!“
„Da bist du ja!“ „Wo warst du denn?“ „Er hat den
Leoparden!“ „Bei Ruchorr, ja!“ „Ann‘Grar hat
es erlegt.“ Rufe von Erstaunen, Freude und Ärger
verstummten sogleich, als die Umstehenden das
Mal und die roten Arme sahen.
„Er ist da?!“, kam Is‘Gras dumpfe Stimme
überrascht und erleichtert aus ihrer Jurte. „Na der
wird was erleben, dem ziehe ich jetzt das Fell über
die Ohren!“, schalt sie spielerisch und glitt lächelnd
ins Freie. Als Ann‘Grar sich zu ihr umdrehte und
leicht den Kopf schüttelte, sprang sie entsetzt
zurück. Im Bruchteil eines Augenblicks schoss
es ihr in den Sinn, ob sie sich mehr gefürchtet
hätte, hätte die verstorbene Schwester Ur‘Saru
vor ihr gestanden. Wenn sie sich später an den
heutigen Tag erinnerte, was öfter geschah, als
es ihr lieb war, fragte sie sich immer noch mit
Verwirrung und einer gewissen Wut, woher dieser
völlig sinnlose Gedankengang kam. Es dauerte
einen Moment, bis sie sich dessen bewusst war,
was tatsächlich geschah. Sie wusste, dass sie nicht
träumte. Sie hatte schon einen schönen Traum
gehabt, in der sie furchtlos eigenhändig ein Rudel
Frostbestien erlegt hatte, deren Umrisse ständig
verschwammen. Um sicher zu sein, ballte sie die
linke Faust zusammen, im Traum gelang ihr das
nie. Doch sie träumte nicht. Sie guckte nach oben,
der Himmel war noch da. Der Boden auch ... das
Lager ... das Feuer ... und Ann‘Grar! Ihr Blick fiel
panisch auf ihn, doch ihre Jägerinstinkte eilten
ihr schnell zu Hilfe. Es war alles echt! Is‘Gra
beruhigte ihren Atem und sah sich flüchtig um, die
gebannten Blicke der anderen klebten gierig an ihr
wie Maden am Fleisch. Sie suchte sichtlich nach
einem Schleichweg, einem geheimen Pfad, um
Ann‘Grar aus dieser misslichen Lage zu befreien.
Ein momentlang öffnete sie den Mund, um etwas
zu sagen, aber es blieb bei einem abgeschnittenen
Hauch. Es gab nichts! Nichts, was sie noch hätte
tun können. Das Rudel sah, das Rudel wusste.
Nach einem kurzen Zaudern zog sie sich bitter zu
den anderen zurück und bat die Göttlichen um
ein Wunder. Als darauf der Arroa‘Ro gefolgt vom
Schamanenrat aus dem Eisberg rauseilte, lösten
sich die Blicke wieder von Is‘Gra und die Menge
machte dem Hünen Platz, dessen entrüstete Mine
auf Ann‘Grars Stirn haftete. Rechts hinter ihm
stand Gis‘Grigg, der mit aufgerissenen Augen
betreten den Kopf schüttelte.
Nach einem Atemzug, vielleicht auch zwei, richtete
sich Tharr‘Vrurr zur ganzen Größe auf und breitete
die Arme aus. Die Menge wich weiter zurück.
Abgesehen von seinem furchteinflößenden Wuchs
von knapp zweieinhalb Schritt, besaß Tharr‘Vrurr
die seltene Gabe, bei seinem Gegenüber stets
das Gefühl von Unterwürfigkeit hervorzurufen.
Die Raugarr taten sich schwer damit, dem einen
Namen zu geben, konnten sie sich doch kaum
einigen, ob das ‚Macht‘, ‚Stärke‘, ‚Anmut‘ oder
‚Charakter‘ war. Während der alte Ukk‘Krr von
‚Wahrer Größe‘ seines Anführers sprach, traf
wohl eher Uzz‘Jrakas Aussage zu: „Er hat Biss!“
Nun lief er langsam mit ‚Biss‘ auf und ab und
behielt Ann‘Grar fest im Auge, bevor er bedächtig
stehenblieb und gewährend mit dem Kopf nickte.
„Was bringst du mir, mutiger Krieger Ruchorrs,
deinem Arroa‘Ro, der dich führt durch Schnee
und Sturm?“
Ann‘Grar warf den Kadaver Tharr‘Vrurr vor
die Füße und ging vor ihm auf die Knie. „Ein
Schneeleopardenweibchen es ist,
Arroa‘Ro, die Gunst Mairirs begleitete 23
 Ausgabe 4 - 2014
mich durch Schnee und Sturm, durch den du mich
führst!“
„Die Göttlichen blicken mit Wohlwollen auf dich,
nährst du doch dein Rudel in diesem Schnee und
Sturm, tapferer Sohn Ruchorrs. Aber nun sag, was
dir auf dem Herzen lastet, denn sehe ich wohl,
dass deine Seele blutet und Zorn deinen Kopf
umhüllt!“
Ann‘Grar stand auf und setzte zu sprechen an,
als Tharr‘Vrurr ihm mit der Hand Einhalt gebot.
Unruhig sah das Rudel verwirrt den Arroa‘Ro
an, die Schamanen tuschelten leise miteinander,
Is‘Gra hob hoffnungsvoll den Kopf.
„Halt ein!“, sagte Tharr‘Vrurr ruhig aber
nachdrücklich. „Ich weiß nicht, was in dich
gefahren ist Ann‘Grar, aber du schlägst einen
falschen Weg ein. Vielleicht habe ich dich erzürnt
ohne es zu wissen, vielleicht aber auch nicht.
Vielleicht wähnst du dich im Recht, aber vielleicht
irrst du dich. Du hast deine Kühnheit und deine
Stärke oft genug bewiesen, das kann keiner von
uns leugnen, ohne sich Lügen zu strafen. Und
es erfordert mehr als nur trotzige Umnachtung,
mitten im Winter in unbekannten Gefilden
deinen Arroa‘Ro herauszufordern. Auch noch mit
solch einem Kampfgeschenk!“, er deutete auf das
ausgehöhlte Leopardenweibchen. „Es ziemt solch
einem Krieger nicht, unzeitig Arroa‘Ro zu spielen.
Du bist kein Welpe mehr! So lasse ich dir
jetzt die Wahl, aufzuhören!“ Ungläubiges
Raunen streifte durch die Menge. Ann‘Grar
schwieg.
„Ich sage dir, besinn dich! Ich sage dir, wasch
dir den Hochmut von der Stirn und zieh
dich zurück in deine Jurte. Lass ab und ich
schwöre vor den Göttlichen und vor meinem
Rudel, ich werde das vergessen! Lass ab und
Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
ich werde es weder nachtragen noch vergelten!
Noch vergelten lassen!“ Er sah sich bedrohlich
um und begegnete nur demütigen Augen, die ihre
Blicke senkten. „Es ist nicht die richtige Zeit für
dich! Warte bis zur Schneeschmelze! Dann wetze
ich gerne mit dir die Krallen. Doch glaube mir
eins, deinen Tod will ich wirklich nicht! Und hier
wirst du nichts anderes finden!“
Ann‘Grars Wange zuckte, seine Kehle war trocken.
Beleidigungen, Zorn, Wutgeheul. Mit allem hatte
er gerechnet, aber das! Alles in ihm wollte nach
dieser helfenden Hand greifen und vergessen.
Vergessen und weitermachen. Im Schnee liegen
mit Is‘Gras Kopf auf seiner Brust. Glücklich und
zufrieden. Er blickte sich ruckartig mit den Augen
um, ohne den Kopf zu bewegen: Ein Reigen aus
Gesichtern. Gesichtern, die ihm ein Gemisch aus
Wohlwollen, Achtung und Respekt zurückwarfen.
Uzz‘Jraka starrte ihn gefühllos an, gespannt wie
die Sehne eines Geisterwolfs. Is‘Gra machte
erwartungsvoll ein Schritt auf ihn zu, aber Ukk‘Krr
hatte sie noch rechtzeitig gepackt und zog sie sanft
zurück. Ann‘Grar schloss die Augen und presste
die Zähne so fest zusammen, als würde er sein
Kiefer durchbeißen. Sein Kopf brodelte. Einen
Moment der Kühle, einen Moment der Frische,
einen Moment der Ruhe, flehte er Mairir an. Die
eisblaue Weite tat sich vor seinen Augen auf, eine
kühle Brise kam vom Meer auf, fette Robben
rutschten sorglos übers Eis und Korr‘Hrrau lachte
gelassen.
Ann‘Grar öffnete die Augen und schrie mit
bebender Stimme: „Schimpf und Schande über
dich!“ Tharr‘Vrurr taumelte wie benommen
auf der Stelle, als hätte ihm ein Zottelbulle den
Kopf in den Bauch gerammt. Is‘Gra entfuhr ein
gebrochenes Seufzen. „Du hast mich in den Schnee
geführt, und weidest dich selbst in grünen Auen.“,
fuhr Ann‘Grar fort „Schicktest mich in den Sturm
und schläfst in der warmen Jurte! Schimpf und
Schande über dich, der du bist bruderlos, der du
bist schwesterlos, der du bist rudellos!“ Er holte
das Leopardenherz und biss ein großes Stück ab.
Dann warf er den tiefroten Fleischklumpen dem
Arroa‘Ro vor die Füße.
Tharr‘Vrurr griff hastig nach dem halben Herz
und lief schnaufend auf und ab. „Sind mir etwa
die Zähne ausgefallen, dass ich gefüttert werden
muss wie ein Welpe?“, schrie er Ann‘Grar mit
kaum gebändigter Zorn an „Sind meine Krallen
brüchig, das ich dir die Kehle nicht mehr zerfetzen
kann? Du undankbarer Bastard, Du Zecke an
meiner Brust!“ Seine Zähne schlugen vor Wut
aufeinander. Er straffte die gewaltige Brust und
heulte lang und wild. Ann‘Grar blieb ruhig, ließ
aber die Augen nicht ab von ihm. Tharr‘Vrurr
quetschte mit steinharter Faust das restliche Blut
aus dem Herzen und zog sich ebenfalls rote Streifen
über den Körper, bevor er den durchlöcherten
Fleischklumpen mit einem Biss runterschluckte.
Ann‘Grar prüfte seinen Stand und löste das Beil
vom Gurt.
„Wirf es weg!“, rief der Hüne scharf mit einem
nahezu irrem Leuchten in den Augen. „Keine
Waffen! Haben wir etwa Frühjahr? Ist das da
oben etwa ein Blutmond?“, deutete er hoch zum
Silbermond, der gerade noch aus der Sichelform
entwachsen war. „DU hast mich zur Unzeit
herausgefordert, also bestimme ich die Waffen!
Und ich sage, keine Waffen!“ Tharr‘Vrurr löste sein
Schultergurt und ließ seinen dicken Hals knacken.
Ann‘Grar biss missmutig die Zähne zusammen
und warf das Beil aus der Hand. Erfrorenen Hasen
gleich starrten sie sich mit gestreckten Krallen
schweigend an.
24
Wie plötzliche Blitzrisse im Glatteis
 Ausgabe 4 - 2014 Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
brach Utt‘Jara unerwartet die Stille. „Bringt
die Trommeln und lasst uns das schnell hinter
uns bringen.“, rief sie zu den erstaunt harrenden
Schamanen.
„Nein!“, schrie Tharr‘Vrurr kühler, aber nicht
minder zornig. „Wenn er sich nicht an den rechten
Weg hält, sind wir es ihm auch nicht schuldig!
Dieser Wurm verdient nicht den Segen des
Heulenden Donners! Keine Trommeln!“ Utt‘Jara
nickte und die Schamanen fielen wieder zurück in
ihre Starre.
Es dauerte einen Augenblick, bis alle begriffen,
dass es begonnen hatte. Tharr‘Vrurr rührte sich
als erster und wiegte sanft den Kopf von rechts
nach links. Mit gekrümmten Rücken näherte er
sich langsam knurrend von der Seite und behielt
Ann‘Grar herausfordernd im Auge. Ann‘Grar tat es
ihm gleich und zog sich mit vorsichtigen Schritten
zurück nach hinten. Uzz‘Jraka fing an, auf dem
Boden zu stampfen. Kleine dumpfe Schläge mit
kurzen Abständen, mal heftig, mal sanft. Nach und
nach folgte ihr das ganze Rudel und rhythmisch
bebte die Erde unter ihren Füßen. Tharr‘Vrurr
machte einen ruckartigen Zug nach links und ließ
in der Luft seinen Kiefer zuschnappen. Ann‘Grar
sprang nach hinten. Jetzt wieder ein Sprung
nach links, ein Knurren rechts, ein Vorpirschen
nach links. Tharr‘Vrurr jagte Ann‘Grar, der sich
nicht beirren ließ und konzentriert nicht aus der
Deckung kam. Nach zwei ganzen Kreisen
sprang Tharr‘Vrurr geradeaus mit voller
Wucht auf Ann‘Grar, der einen Schritt
zur Seite machte und dem Arroa‘Ro in
der Luft seine Faust in die Niere rammte.
Das Rudel heulte auf. Tharr‘Vrurr fiel hin
und stand zugleich wieder auf. Ann‘Grar
spürte Hoffnung aufflammen und führte
den Kreistanz fort. Noch ein Sprung und
eine weiterer Hieb links, noch ein Sprung und ein
weiterer Hieb rechts. Ein stampfendes Meer heulte
und heulte immer lauter um sie herum. Selbst die
Schlittenhunde zerrten in wilder Unruhe an ihren
Leinen. Nach fünf Hieben sammelte Ann‘Grar
seine geballte Kraft und lauerte auf den nächsten
Sprung, der nicht lange auf sich warten ließ. Die
Große Jurte schien greifbar nah. Er drehte sich
mit vollem Schwung und schoss nach vorn - doch
seine Faust glitt ins Leere ... Tharr‘Vrurr war nicht
losgesprungen und hatte sich nach dem Spurt auf
den Boden fallen lassen. Nun riss er mit seiner
hochgeschnellten Hand eine riesige Wunde von
Ann‘Grars Brustbein bis zu seinem Bauchnabel.
Ann‘Garr heulte auf und fiel seltsam schlotternd
auf den Boden. Das Rudel jaulte, die Erde erzitterte
unter der Gewalt der stampfenden Füße. In der
Ferne verließen Weißfederkraniche verängstigt
den Schutz einer Trockenfichte und flogen davon.
Tharr‘Vrurr sprang mit den Knien auf Ann‘Grars
halboffene Brust und drehte mit einer Hand den
zuckenden Kopf zu sich. „Du freust dich zu früh.“,
funkelte der Hüne ihn mit hervorquellenden
Augen an „Ein paar Treffer und schon hältst du
dich für Ruchorr persönlich. Ein später Rat für
dich: Spann die Beine nicht so stark an, sonst sieht
der gemeine Arroa‘Ro, was du vorhast!“, fauchte er
abartig versonnen. „Ich hielt dich für schlauer.“
Ann‘Grar spuckte fortwährend Blut, rosa kleine
Bläschen bildeten sich an seinen überlaufenden
Mundwinkeln. Brüllend riss er den Arm hoch und
drang mit den Krallen bis zur Mitte seiner Finger
tief in die linke Schulter des Hünen ein. Tharr‘Vrurr
heulte schmerzvoll auf und brach mit Leichtigkeit
Ann‘Grars Arm wie trockenes Geäst im Spätjahr.
Ein Röcheln, kleine platzende Bläschen und ein
dumpf nach unten fallender Arm. Kaum noch am
Leben lag Ann‘Grar lautlos wie ein Fleischberg in
seinem eigenen Blut.
Der Hüne sprang hoch und hielt sich die hängende
Schulter fest. Als wäre er aus einem bösen Traum
erwacht, erkannte er nur schemenhaft sein Rudel.
Wie Geier gafften und stampften und glotzten
und stampften sie weiter. ‚Ich habe gesiegt.‘, dachte
er. ‚Ich habe gesiegt, sehen sie das denn nicht?!‘
„Hat noch einer von euch was zu sagen?“, brüllte
er. “Hat noch einer von euch was zu sagen?!“ Stark,
irre und mit ‚Biss‘ wie eh und je.
Das Stampfen ließ nach. Angeführt von Utt‘Jara
stimmten sie den hallenden Ruchorrsgeheul an.
Akk‘Luul, die Zwillinge, die Schamanen samt
Gis‘Grigg, selbst der alte Ukk‘Krr und die kleinen
Welpen schrien aus vollen Kehlen den Sieg ihres
Arroa‘Ro. Dass Is‘Gras zögerliche Stimme dabei
völlig unterging, fiel niemandem auf. Der Hüne
blickte sich eindringlich um und nickte bedächtig
mit dem Kopf. Das Urteil war gefallen. Wie
sterbendes Vieh lag Ann‘Grar zitternd zu seinen
Füßen. Tharr‘Vrurr rümpfte angewidert die Nase.
„Werft ihn in eine Grube.“, sagte er abfällig zu
den Schamanen und presste sich die blutende
Schulter.
Ann‘Grar hustete schwer und nass. Unter großer
Anstrengung drehte er sich keuchend auf die
Seite und gurgelnd schwoll Blut aus seinem
vollgelaufenen Mund. „Er bringt uns noch allen
den Tod!“, schrie er schrill und verzweifelt. „Hört
ihr denn nicht, er wird uns alle umbringen!“ Die
riesige Wunde an seiner Brust bahnte sich tiefe
rote Schlieren durch seinen Pelz. „Er bringt uns
alle um, er hat Korr‘Hrrau verbannt!“, schrie er wie
von Sinnen. Die Raugarr schauten sich verwirrt
an. Tharr‘Vrurr ließ einen Wutschrei von sich und
sprang mit schäumendem Mund auf Ann‘Grar. Er
packte seinen Kopf, bohrte die Krallen tief in seine
Wange und schleuderte den Krieger
mit seiner mächtigen Pranke wie einen 25
 Ausgabe 4 - 2014 Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
kleinen Welpen quer über das Lagerfeuer.
Ann‘Grar fiel ins Schwarze.
***
Es hatte gedauert, bis Ann‘Grar sich entscheiden
konnte, was er mitnam oder bedauernd zurückließ.
Vergeblich hatte er nach einem Schlitten gesucht,
aber die Haarlosen hatten wohl nur die zwei toten
Pferde mitgenommen. Er hatte die Töpfe zusammen
mit den Messern und anderen Metallsachen in die
Packtasche vom Pferd hineingetan und sie sich
umgehängt. Die Stoßzähne und die Schwerter
waren in das weiche Stoff der kaputten Jurten
eingerollt und mit Riemen festgezurrt, die er sich
auf den Rücken gebunden hatte. Daneben war
noch sein eigener Beutel, der jetzt den kostbaren
Mondstein enthielt. Die freien Zwischenräume
hatte er mit Fisch und Rindfleisch vollgestopft.
Nachdem er alles festgezurrt und gezogen hatte,
lief er deutlich beladener und viel langsamer
als die Tage zuvor. Der Rücken schmerzte ihm
fortwährend unter der großen Last und die Narbe
an seiner Brust pochte wieder.
Zwei Tage hatte er erst hinter sich, als er an den
Ausläufern eines Baches ankam. Vorsichtig legte
er die Packtasche und seinen Beutel ab. Er wollte
nicht schon wieder umkippen wie ne verblödete
Schildkröte. Der Krieger breitete den verdreckten
Bärenpelz unter sich aus und setzte sich mit einem
Seufzer der Erleichterung hin. Die Riemen
hatten lange Striemen an seiner Schulter
hinterlassen und die Füße hatte er sich
am Harsch wundgescheuert. Gemächlich
massierte er seine Oberschenkel und dachte
mit schlechtem Gewissen an den alten
Ukk‘Krr, über dessen Gebrechlichkeit er sich
unüberlegt so oft lustig gemacht hatte. Als
er sich einen der leckeren Fische rausholte,
begann es zu schneien. Ann‘Grar knurrte grantig
und schulterte geschwind alles wieder auf. Noch
ein paar Tage so weiter und er würde wirklich
wie Ukk‘Krr enden, wenn man davon absah, dass
er nicht Mal zwei gescheite Sätze bilden konnte,
geschweige denn Geschichten und Legenden
erzählen. Während sich dem Schnee jetzt auch
eine steife Brise anschloss, lief Ann‘Grar von einem
Bralstrauch zum nächsten. Er hielt Ausschau
nach hohen Frostbirken, die seit gestern immer
öfter zu sehen waren. Vor ihm tauchte ein kleiner
bewachsener Hügel auf, auf der ein paar einsame
Bäume Schutz versprachen. Mit dem Wind im
Rücken kletterte er die letzten paar Meter hoch
und eilte zu den Bäumen. Oben angekommen
blieb der Krieger wie angewurzelt vor den toten
Birken stehen.
Es fühlte sich an, als ob er sich zurück zu seinem
Rudel verlaufen hätte. Er legte seine Last ab und
ging langsam hinter die dritte Birke von rechts.
Da stand es. Ann‘Grar wischte mit der Hand
den Schnee vom oberen Haupt des Totems
und blickte auf die vielen Knochen, die drum
herum gewunden waren. Einzelne Rippen von
Wölfen und rausgerissene Adlerkrallen waren
längst unter dem Schnee und Eis mit dem Holz
verschmolzen; wie Fleisch auf Knochen. Unter der
dicken Eisschicht waren die Farben Rot und Blau
noch vage zu erkennen. An vier Seiten ragten die
Krummen Bockshörner raus. Ann‘Grar sah sich
flüchtig um. Die Leichen der zwei Ausgestoßenen
waren schon längst weg, aber das Totem hatten die
Tiere nicht mal angerührt.
Trotz des heftigen Schnees kniete sich Ann‘Grar
vor dem Totem nieder und scharrte am harten
kalten Boden. Er kratzte, riss und stampfte, bis
sich die Erde auftat und Ann‘Grar die Axt gänzlich
freibuddeln konnte. Seine Hände waren wieder
aufgerissen. Dünnes Blut tropfte zwischen seinen
dreckigen Fingern auf die Axt, die Mal Ur‘Saru
entzweit hatte. Ann‘Grar blickte sie versunken
an, als wäre sie etwas, das er vor Jahren verloren
hatte, und jetzt nicht mehr wusste, wozu es zu
gebrauchen war. Wie eine verängstigte Hirschkuh
beugte er sich scheu hinunter und griff die fremde
Axt mit beiden Händen. Hier hatten sie den
Schamanen gerettet, hier war Ur‘Saru gestorben,
hier lag Is‘Gra auf seinem Bauch. Sein Griff wurde
fester.
***
Als erstes nahm Ann‘Grar seinen Kiefer wahr. Der
Krieger konnte die Umrisse seines vor Schmerz
pochenden Kiefers spüren, als gäbe es kein Kopf
drum herum. Sein Körper war hart und taub
wie durchgetretener Firn. Langsam schob er die
Zunge nach vorn wie ein halbtoter Wurm und
versuchte seine Zähne zu berühren. Ja, er hatte
sich nicht geirrt. Die Zähne hatten sie ihm nicht
rausgerissen. Auch seine Augen waren noch da, er
konnte fühlen, wie sie unter den schweren Lidern
hin und her zuckten. Eine Welle der Erleichterung
durchflutete seinen gletscherhaft kalten Körper
und er seufzte merklich.
Das war ein Fehler! Seine Lunge zerbarst förmlich.
Tausend Stiche durchfuhren seine Brust. Es
fühlte sich an, als würde er ins eiskalte Wasser der
gefrorenen Ulja fallen und gleichzeitig unter einer
Lawine begraben sein. Ann‘Grar fuhr sich mit
dem Arm langsam über die schmerzende Narbe.
Die rissigen Fingerkuppen glitten über den harten
Schorf und zu seiner Überraschung fühlte sie
sich gar nicht so groß an. Eigentlich hätte sein
Brustkorb mit Leichtigkeit rausfallen können, bei
dem riesigen Riss, den Tharr‘Vrurr ihm
verpasst hatte. Dagegen fühlte sich das
26
an wie ein Kratzer.
 Ausgabe 4 - 2014 Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
„Es wird bald heilen, die Wunde ist ganz
geschlossen.“, hörte er Is‘Gras Stimme. Übermütig
öffnete er so schnell es ging die steinschweren
Augenlider und sah die Jägerin verschwommen zu
seinen Füßen sitzen. Sie band gefütterte Füßlinge
aus Ziegenleder um seine Füße fest. Er war so
aufgeregt, dass er kein Wort rausbrachte.
„Spürst du das?“, fragte sie und drückte seinen
Fuß fest, Ann‘Grar schüttelte den steifen Kopf,
seine Augen tränten vor Rührung. „Und das?“ Sie
hob den Fuß hoch, er schüttelte erneut den Kopf.
„Hmh“ zog sie nachdenklich die Augenbrauen
zusammen. „Was ist damit?“ Die Jägerin bohrte
einen ihrer Krallen auf den Fußrücken, der
Krieger stöhnte schmerzvoll. „Gut!“, sagte Is‘Gra
erleichtert und senkte den Fuß ab. „Ich hatte schon
Angst, dass du sie nicht mehr spürst.“ Sie näherte
sich seinem Kopf und goss ihm Wasser aus ihrem
Schlauch in den Mund. Ann‘Grar schluckte es
begierig runter, seine Zunge löste sich vom harten
Gaumen.
„Wo bin ich?“, fragte er unruhig.
Is‘Gra senkte den Kopf und schloss langsam ihren
Wasserschlauch. „Du bist in einer Grube, nicht
sehr weit vom Lager.“
Ann‘Grar versuchte sich mühevoll zu
konzentrieren: „Er hat mich am Leben gelassen?“
Sie nickte. „Aber warum?“
Is‘Gra stand gehetzt auf und wischte sich
die Hände an ihren Oberschenkeln ab: „Ist
doch unwichtig. Du bist am Leben! Das
ist doch alles was zählt, oder?“ Ann‘Grar
blinzelte verständnislos „Lass mich die
Wunde sehen!“, sagte die Jägerin und kniete
sich neben seiner Brust. Sie guckte sich
umsichtig die Narbe an und holte ihren
Kräuterbeutel hervor.
Ann‘Grar sah sich um, und versuchte sich einen
Reim daraus zu machen, was geschehen war. Er lag
auf einem Pelz, das konnte er mittlerweile fühlen,
zu seinen Füßen sah er seinen großen Beutel aus
Rindsmagen und darunter lugte sein Beil. Um die
Grube herum lagen haufenweise tote Äste. Is‘Gra
musste damit die Grube zugedeckt haben. Er
schaute liebevoll zu ihr rüber. Sie hatte zerriebenen
Balsam rausgeholt und mischte es mit Ziegenfett
zu einer Salbe. „Wie lange liege ich schon hier?“
fragte Ann‘Grar ruhig.
„Drei Tage.“
„Du hast dich die ganze Zeit um meine Wunde
gekümmert?“
Is‘Gra mischte weiterhin konzentriert die Salbe:
„Mit mir hättest du nicht mal die erste Nacht
überstanden. Es war Bruder Grr‘Hrrr, er hat bis
zum Morgengrauen durchgerasselt und Heilgeister
beschworen, die deine Narbe geschlossen und
dein Blut gefüllt haben. Den Arm hat er dir auch
wieder hergerichtet.“ Ann‘Grar guckte schnell zu
seinem gebrochenen Arm, den er völlig vergessen
hatte, aber es war keine Spur mehr von einer
Verletzung zu sehen. Nur ein breiter Lederriemen
um seinen Oberarm hielt einen Verband über einer
anscheinend kleinen Wunde fest. „Mit kaputtem
Arm überlebst du nicht ein Tag hier draußen.
Doch für das Gesicht hat es nicht mehr gereicht,
die Narbe wirst du behalten. Grr‘Hrr läuft immer
noch erschöpft und blass herum, es dauert wohl,
bis seine Kraft wieder zurückkommt.“
Verwirrt versuchte Ann‘Grar alles
zusammenzufügen: „Der Arroa‘Ro hat dem
Schamanen erlaubt, mich zu gesunden?“
„Nein, der Hüne weiß nichts davon.“, sagte sie
ohne aufzusehen.
Ann‘Grar zog die Augenbrauen zusammen: „Und
warum hat Grr‘Hrrr mir dann geholfen?“
Is‘Gra seufzte und schmierte jetzt ihre Hände
weitflächig mit der Heilsalbe ein. „Ich habe
ihm unsere Bärenpelze dafür gegeben.“
Ann‘Grar schwieg. Er schämte sich, sie in solche
Schwierigkeiten gebracht zu haben. „Jetzt halt
still, ich werde dir die Brust einreiben.“ Sorgfältig
strich sie die milchige Masse über seine Narbe.
Es dauerte nur einige kurze Momente, bis
Ann‘Grar wieder zu reden begann. Er hatte noch
nicht genug von ihrer Stimme. Es fühlte sich so an,
als ob er sie seit Jahren nicht gehört hätte. „Warst
du jeden Tag bei mir?“
„Ja, ich hatte Angst, dass du es nicht schaffst.
Aber hier sind wir nun. Ich habe deine Verbände
gewechselt und dafür gesorgt, dass du nicht
erfrierst.“
„Danke“, sagte Ann‘Grar verlegen, „wissen denn
die anderen, dass du zu mir kommst.“
Is‘Gra stockte kurz und schüttelte den Kopf.
„Das Rudel ist schon gestern früh losgezogen, die
denken, dass ich Jagen gehe.“ Sie lachte abrupt.
„Heute sollte ich wirklich zumindest mit nem
Vogel erscheinen, sonst ist mein guter Ruf hin.“
Is‘Gra ging ein letztes Mal über die Narbe und
verteilte die restliche Salbe auf Ann‘Grars Füßen
und Armen.
„Is‘Gra“, sagte Ann‘Grar sanft „wieso bin ich noch
am Leben?“
Sie stand auf und wischte sich die klebrigen Hände
an ihren Beinen ab. „Gis‘Grigg hat den
Arroa‘Ro überredet. Deshalb haben 27
 Ausgabe 4 - 2014
die Schamanen dir nichts abgeschnitten, deshalb
hast du noch Zähne und Augen.“
„Was hat er denn gesagt?“, fragte er gerührt
Is‘Gra seufzte merklich. „Du hättest den Verstand
verloren. Die Weite von der Heimat und das
fremde Schnee hätten deine Sinne verblendet und
du wärst dem Irrsinn verfallen. Es stünde einem
Arroa‘Ro an so einem bedeutenden Tag nicht zu,
sich an einem Wehrlosen zu vergehen.“ Sie hielt
einen Augenblick inne. „Es wäre ein schlechtes
Omen, sagte er.“
„Eigenes Blut vor Kriegsbeginn zu vergießen ist
wahrlich nicht gut.“, murmelte Ann‘Grar. Is‘Gra
senkte den Blick. „Ich hätte auf Gis‘Grigg hören
und einfach weggehen sollen. Dann hätte ich dich
nicht in diese Lage gebracht. Ihr hättet gedacht,
dass Leoparden oder Frostbestien mich geholt
haben und das wär’s gewesen. Aber ich konnte
dich nicht zurücklassen.“ Ann‘Grar senkte den
Kopf. „Gis‘Grigg hatte Unrecht, die Himmlischen
sind nicht an der Seite der Gerechten.“
Is‘Gra beruhigte wieder ihren Atem und biss sich
auf die Zunge: „Ich muss jetzt gehen. Du bist
wieder bei Sinnen und deine Wunden sind fast
verheilt. Ich habe dir die Robbenpelze mitgebracht
und Fleisch für mindestens sechs Tage, dann musst
du selber zusehen, dass du satt wirst. Ich lasse dir
auch meinen Schlauch und den Kräuterbeutel.
Außerdem habe ich Feuersteine, ein Messer
und dein Beil mitgebracht. Nimm etwas
von den Ästen, bevor du weggehst, damit
kannst du Feuer machen. Eine Jurte konnte
ich nicht mitbringen, dass wäre aufgefallen.
Pass ja auf, dass du dich warm hältst.“ Sie
verharrte kurz und sah ihn traurig an.
„Mögen die Himmlischen jetzt an deiner
Seite sein!“
Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
„Komm doch mit mir!“, flüsterte Ann‘Grar
sehnsüchtig.
Is‘Gra schüttelte traurig den Kopf. „Ich kann
mein Rudel nicht verlassen. Sie würden uns eh
spätestens morgen finden und aufspießen. Geh du
und schließ dich den Verstoßenen an.“ Sie lachte
krampfhaft „Wer weiß, vielleicht kannst du ja
Arr‘Karr entlausen.“
„Du wirst hier sterben.“, sagte Ann‘Grar sanft, „Ihr
werdet alle sterben, wenn ihr gegen die Zwerge
zieht. Tharr‘Vrurr ist irre, er führt euch alle ins
Verderben.“
„Ich muss jetzt los.“, sagte die Jägerin gereizt und
drehte sich hastig um „Vergiss nicht, dir die Brust
einzureiben, einmal täglich!“ Sie lief los.
„Is‘Gra, ihr könnt diesen Krieg nicht gewinnen!
Das ist Wahnsinn!“, rief er ihr nach. „Wenn du
schon nicht auf mich hörst, hör auf Korr‘Hrrau.“
Sie blieb stehen. „Er wusste es, er hat sich gegen
den Arroa‘Ro gestellt und wurde verbannt. Er
wusste es besser. Wir können ihn finden, ihn und
Orr‘Groa, dann schließen wir uns einem anderen
Rudel an. Der Krieg wird dein Tod sein! Hör auf
mich!“, flehte er inbrünstig.
Is‘Gra durchfuhr ein Zittern. „Es gibt kein Krieg.“,
sagte sie matt.
„Was?“, zischte es aus Ann‘Grars Mund.
Abrupt drehte sie sich um und sah ihn zornig an:
„Du Narr! Korr‘Hrrau wurde nicht verbannt.
Zwei Stunden nach dem du in die Grube geworfen
wurdest kamen sie zurück. Er und Orr‘Groa
hatten Schwester Frr‘Grul zu eurer Robbenbucht
gebracht. Sie hat die Senke mit einem Totem
markiert. Wir sind das erste Rudel, das eine Bucht
ihr Eigen nennen kann. Deshalb war er weg. Das
war die letzte Vision des Arroa‘Ro, eine Bucht
unser nennen. Und jetzt kehren wir Heim.“
„Du lügst!“, presste Ann‘Grar aufgebracht
hervor. Sogleich wurde ihm klar, dass er die Frau
beschuldigte, die ihn die letzten Tage vor dem
sicheren Tod bewahrt hatte.
„Er hat es uns selbst gesagt, nachdem er dich fast
getötet hat. Du hast ihm vorgeworfen, seinen
Ersten Krieger verbannt zu haben. Wie hätte er da
noch schweigen können?“
„Aber...“, flirrte es wirr in Ann‘Grars Kopf „Aber
Gis‘Grigg sagte ...“
„Gis‘Grigg sagt viel.“ Schnitt sie ihm
zähneknirschend das Wort. „Er hat sie mitten
in der Nacht weggeschickt, damit sie das Totem
aufstellen. Er wollte, dass Korr‘Hrrau und
Orr‘Groa Frr‘Grul begleiten.“
„Nein, das hat er nicht!“, schnaubte Ann‘Grar
ungläubig.
„Doch, hat er.“, sagte Is‘Gra mit gesenkten
Schultern und setzte sich schlapp auf den Boden.
„Das hat er nicht!“, beharrte Ann‘Grar, „Warum
sollte er so was tun?“
Is‘Gra warf ihm einen durchdringenden Blick
zu und Ann‘Grar fühlte zum ersten Mal
Geringschätzung in ihren Augen: „Hast du dich
denn nie gefragt, warum er uns ständig mit Essen
und Geschenken überhäuft hat? Warum das ganze
Fleisch, all die Hühner und Ziegen und Habichte?
Warum wohl?“, sie schaute ihn herausfordernd an
„Weil der große Schamane uns ja so sehr zu Dank
verpflichtet war? Weil sein Herz so weich ist wie
Mairirs Zunge?“
28
 Ausgabe 4 - 2014 Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
Ann‘Grar glotzte sie immer noch verständnislos
an. Is‘Gra schüttelte wütend den Kopf und stand
wieder auf. Sie hatte eine andere Reaktion erwartet.
‚Aber vielleicht ist das auch besser so‘, dachte sie.
„Ich habe immer gedacht, dass du es weißt, aber es
nicht ansprichst, weil du drüber stehst. Manchmal
habe ich mir gewünscht, dass du ihm die Knochen
brichst, aber eigentlich war ich froh über deine
Nachsicht und sogar stolz darauf. Jetzt wünschte
ich wirklich, das es anders gewesen wäre.“ Sie
holte tief Luft. „Du bist noch am Leben, weil ich
eingewilligt habe, seine Gefährtin zu werden.“
Ann‘Grars Augen weiteten sich voller Entsetzen
„Nein!“, rief er dumpf „Das ist nicht wahr!“
Die Jägerin ging gar nicht auf ihn ein. „Er hat es
nicht zugegeben, aber ich hatte mir schon gedacht,
dass er in deinen Kopf gekrochen ist.“, sagte sie
matt. Sie war entsetzlich müde.
„Nein, nein!“ Dass lasse ich nicht zu!“, rief
Ann‘Grar erschüttert und schüttelte fortwährend
seinen Kopf.
„Was?“, Is‘Gra entschlüpfte zornig ihrer Mattigkeit.
„Was willst du denn noch tun? Hast du nicht
schon genug getan?!“ Voller Abscheu blickte sie
auf ihn herab. „Das ganze Rudel hält dich für
irre!“, schrie sie ihn an „Wer hätte mich denn
nach deiner Schande überhaupt noch genommen,
hattest du schon Mal darüber nachgedacht? Hast
du überhaupt nachgedacht!?“
Ann‘Grar schüttelte immer noch außer sich
den Kopf, ohne wirklich zu begreifen, was
geschah. Die Fassungslosigkeit wandelte
sich in körperliche Wut um. Er begann zu
zittern: „Ich bringe ihn um!“, rief er kalt
zwischen den Zähnen. „Ich bringe ihn
um!“
Is‘Gra rappelte sich schnell auf, als wäre sie von
einer Einsiedlerwespe gestochen worden: „Du tust
gar nichts, hast du mich verstanden Ann‘Grar?“,
sagte sie mit mahnenden Augen.
„Er kommt mir nicht davon!“, brummte er immer
noch zitternd.
„Doch, genau das wird er!“, sagte die Jägerin
deutlich und betonte jedes Wort. „Näherst du dich
dem Rudel, werden alle über dich herfallen. Und
das Letzte was ich will, ist auf der Flucht vor den
Klammberstern zu sein, weil du ihren Schamanen
getötet hast!“
„Er kommt mir nicht davon!“, sagte Ann‘Grar
erneut wie ein bibbernder Eisbär. „Er kommt mir
nicht davon!“
Is‘Gra drehte wütend seinen Kopf zu sich, ein
brennender Stich durchfuhr seine Wirbelsäule,
doch Ann‘Grar spürte nichts davon. „Das
Einzige, was zählt, ist dass du am Leben bist. Ich
schwöre bei Ruchorr und allen Himmlischen,
dass ich dich persönlich umbringen werde, wenn
du zurückkommst. Ich reiße dir die Gedärme
raus und mache mir eine hübsche Kette draus.
Wenn alles umsonst war, was ich die letzten Tage
durchgemacht habe, werde ich es dir niemals
verzeihen.“ Ann‘Grar starrte sie mit verklärten
Augen an, als würde er sie gar nicht wahrnehmen.
Sein Verstand kämpfte noch mit Klauen, um
ihn nicht völlig zu verlassen. Is‘Gra erhob sich
und holte einen kleinen grauen Beutel aus ihrer
Gürteltasche. „Ich wollte sie dir nicht geben, weil
ich es dir eigentlich nicht sagen wollte, aber jetzt
ist es egal.“ Sie legte ihm den Beutel auf den Bauch.
„Die hatte Korr‘Hrrau für dich mitgebracht.“
Ann‘Grar verfolgte ihre Hand mit hörigen Augen,
als wäre er wieder ein vierjähriger Welpe und
Uzz‘Jraka würde ihm sein Essen auftun. Er lächelte
Is‘Gra dankbar und zufrieden an. Die Jägerin
schrak angesichts seiner grotesken Mine zurück
und betrachtete ihn mit gerunzelter Stirn.
„Ann‘Grar, hörst du mich?“ Er nickte brav und
lächelte weiter. Is‘Gra lief ein Schauer über den
Rücken. Sie massierte sich kurz die Schläfen und
schüttelte sich den Schrecken vom Leib. Ann‘Grar
lächelte sie immer noch hohl und stumpf an.
„Ich ... ich muss jetzt gehen!“, sagte die Jägerin
verunsichert. Ann‘Grars Lächeln blieb bestehen.
Sie kam näher heran und flüsterte besorgt seinen
Namen, doch der Krieger rührte sich nicht. Sie
drehte sich den Tränen nah um und lief ohne noch
einmal zurückzuschauen los.
Es dauerte eine gute Stunde, bis Ann‘Grars
geschwächter Körper seinen Tribut forderte und
der Krieger in den Schlaf fiel. Im Traum sprang er
glücklich über Berge, Bäche und Täler und jagte
einem klimpernden Schneehuhn hinterher. Als
er aufwachte meldete sich sein Verstand wieder
und die fürchterliche Erkenntnis raste durch
sein Bewusstsein. Ein noch nie zuvor gefühlter
Schmerz überkam ihn wie ein messerscharfer
Steinhagel und übersäte seine Seele mit berstenden
Schnittwunden.
***
Bebend vor Wut stand er schweißgebadet vor den
Bruchstücken des einstigen Totems. Er hatte es
abermals mit der Axt zerspalten, der Schnee war
überdeckt mit Holzsplittern und kleinen eisigen
Knochen. Die fliegenden Wolfsrippen hatten sich
tief in den Schnee gebohrt, die Bockshörner lagen
gebrochen vor seinen Füßen. Die tiefen Risse an
seinen Händen waren wieder blutig aufgegangen.
Gellend schleuderte er die Axt den
Abhang hinunter und heulte abermals 29
 Ausgabe 4 - 2014 Leben und Sterben in Ysgarrs Reich
auf. Vor Wut zitterte er am ganzen Körper und
seine Augen wurden feucht. Hätte die Axt doch
Gis‘Grigg gespalten. Aber so war es nicht. Was
geschehen war, war geschehen. Es gab kein Zurück
mehr. Der Schamane lebte. Er verpasste sich mit
einer Kralle einen tiefen Stich am Unterarm und
hieß den Schmerz willkommen. Der Wind blies
ungestüm und Ann‘Grar stand erfüllt mit kaltem
Hass auf. Wie sehr er auch drum bitten würde, die
Göttlichen würden die Zeit nicht zurückdrehen.
Das Zittern ließ nach. Im Raunen des Windes
tanzten ihm die Tränen in den Augen und flogen
weg.
Dem heftigen Schnee zum Trotz rappelte er sich
auf und rannte mit dem eisigen Wind im Rücken
den Hügel hinunter. Er fühlte sich klarer als je
zuvor in seinem Leben. Alles stand ihm noch offen!
Er würde sich einem Rudel der Ausgestoßenen
anschließen, ganz egal ob Arr‘Karrs oder
Urr‘Kahs. Mit den Töpfen, den Schwertern und
dem Mondstein würde er sicher bald zum Ersten
Krieger werden. Ein Kämpfer seinesgleichen gab
es nicht oft, dass wusste er. Und wenn er einen
Waffenmacher fände, der nur halb so gut war wie
Akk‘Luul, würde er sich ein mächtiges Beil aus
dem himmlischen Stein machen lassen. Und dann
... Ja, dann würde er selbst Arroa‘Ro werden und
mit der ganzen Kraft seines Rudels über Gis‘Grigg
herfallen. Ja, das würde er! Bei Ruchorr, das würde
er!
Unter dem unaufhörlich fallenden Schnee
führte der allmählich tosende Wind ihn
entlang des zugefrorenen Baches über eisig
glatten Boden. Vorsichtig krallte er seine
Füße fest ein und kniff kalt und berechnend
die Augen zusammen: ‚Ann‘Grar der
Schamanenspalter‘, flüsterte er zu sich und
es klang wie das süße Geschrei neugeborener
Welpen in seinen Ohren. Selbstzufrieden machte
er im Schutz von hochgewachsenen Bralsträuchern
halt und löste den kleinen grauen Beutel von
seinem Gürtel. Ohne Kummer und Trübsal griff
er nach der letzten Kugel, der Moment war es
wert. Da erschien direkt vor ihm die riesige Bestie
aus dem Nichts. „Bei Ysgarr!“, rief Ann‘Grar vor
Schreck und ließ den Beutel fallen. Das Monster
hatte zwischen den hohen Sträuchern auf der Lauer
gelegen und hob mit einem ohrenbetäubenden
Dröhnen die gewaltigen Vorderbeine hoch. Die
Steppe erzitterte. Der Krieger hatte noch nicht den
Mund geschlossen, als die enormen Füße ihn mit
aller Wucht trafen und auf den Boden knallten.
Er spürte, wie sein Körper unter der Last des
tosenden Frostmammuts knirschend zerbarst. Der
Mondstein auf seinem Rücken zerquetschte ihm
unter dem Druck die Wirbelsäule. Das Biest hob
wieder die Beine hoch. Die unzähligen frostigen
Zapfen in seinem Fell klirrten wie aufs Eis gefallene
Sterne, als er auf Ann‘Grars knirschendem Körper
trampelte. Der Boden ging auf. Mit jedem Tritt
zersprang das Eis und riss tiefe Wunden in die Erde
hinein.
Ann‘Grar hatte das Körpergefühl verlassen.
Er fühlte sich wie eine Flocke im Wind. Die
Lider drückten ihm schwer auf die Augen. Mit
halbverschlossenem Blick sah er schemenhaft
Bleichgeier oben in froher Erwartung ihre
Kreise ziehen. Sein silberweißes Fell färbte sich
dunkelrot, Blut sickerte in einer breiten Lache tief
durch das zertrampelte Eis. Eine blassrote Eiskugel
kullerte hinein und zerschmolz wie tanzende
Schneeflöckchen in der Mittagssonne. Als der
Frostmammut endlich von ihm abließ, fielen die
Geier kreischend im Sturzflug über sein zitterndes
Fleisch her. Is‘Gras Kopf ruhte auf seiner Brust
... ihre Krallen bohrten sich spielerisch in seinen
Bauch ... Die Vögel stoben auseinander.
Frostmammut
Frostmammuts sind geringfügig größer als die
gewöhnlichen Mammuts des Nordens und
erreichen eine Schulterhöhe von etwa fünf Schritt.
Ihr Fell ist silbrig- bis schneeweiß und besonders
dicht und zottelig, oft ist es mit kleinen Eiszapfen
bedeckt. Sie sind die einzigen Mammuts, die noch
ganz hoch im Norden der Gontcharia zu finden
sind, selbst in angrenzenden Küstenregionen kann
man noch übers Eis ziehenden Kolonnen von
Frostmammuts begegnen. Sie leben in kleineren
Herden von bis zu zwölf Tieren und erscheinen
nur in Gebieten nördlich der Ulja. Einzelne
verirrte Tiere kommen sehr selten vor und sind
besonders gefährlich.
Frostmammuts tauchen in vielen Legenden des
Hohen Nordens auf und sind heute noch den
Bewohnern der Gontcharia ein Rätsel. Neben
ihrem ausgeprägten Geruchssinn besitzen sie eine
instinktive Urform von Spurlos in der Wildnis
und hinterlassen sogar bei frischem Schnee oft
annähernd keine Spuren. Bei Gefahr verschmelzen
sie mittels Chamäleon gänzlich mit dem eisigen
Hintergrund und können bis zu sieben Minuten
den Atem anhalten. Die sonst so friedlichen
Tiere sind durch ihre Zauber überaus gefährlich.
Auch wenn ihre Zahl über die Zeit beträchtlich
zurückgegangen ist, haben sie nicht wenige
Reisende urplötzlich aus dem Nichts in den Tod
gerissen.
In der Mythologie der Raugarr soll einst der
durchtriebene Weißfuchs Firrgin – unter anderem
der Gott der Magie – beim Gletscherfürsten
in Ungnade gefallen sein, als er ihm durch eine
List um seine Krone brachte. Auf der
Flucht vor der Gletschergarde und den 30
 Ausgabe 4 - 2014 Leben und Sterben in Ysgarrs Reich

Schneeschergen des Fürsten gewährten ihm noch Entschlossenheit 15, Heimlichkeit 4 (siehe aber im Winter auch in südlicheren Gebieten
die wenigen überlebenden Frostmammuts Schutz Zauber und Beschreibung), Wahrnehmung 15, gesichtet werden. Bei einer Körperlänge von 90
unter ihrem dichten Fell. Als Dank schenkte Zähigkeit 23 Zentimetern und einem Gewicht von um die elf
der Gott den gutmütigen Tieren, damals von Pfund, erreichen sie eine Flügelspannweite von gut
vielen unterschiedlichen Stämmen gejagt und Zauber: Natur II: Spurlos in der Wildnis; III: zwei Schritt. Kopf und Hals sind blassgrau gefärbt
nahezu ausgelöscht, die Gabe der Magie, um sich Chamäleon und nackt, die Halskrause ist weißlich befiedert.
vor Gefahren schützen zu können. Ähnliches Meisterschaften: Handgemenge (I: Umreißen Ihre Rücken und Flügel sind schmutzig weiß, die
berichten auch andere Kulturen, wobei Firrgin bei [Schwierigkeit 25], Vorstürmen), Heimlichkeit Bauchfedern dagegen meist gräulich braun. Der
den Frynjord durch den Heiligen Jord und bei den (III: Überraschungsangriff III; siehe Zauber und krumme Schnabel und die spitzen Krallen sind
Jogodai durch Gol Gara, dem Gott der Familie, Beschreibung), Athletik (II: Muskelprotz) blass gelblich und haben hellblaue Einsprengsel.
ersetzt wird.
Merkmale: Erschöpfungsresistenz 4, Feine Nase, Warum sich die Vögel nur von Todgeweihten
Trotz ihrer mythologischen Bedeutung werden die Kälteresistenz 3, Schmerzresistenz ernähren, ist nicht geklärt. Das gemeine Volk führt
unberechenbaren Frostmammuts sehr gefürchtet. es auf einen Götterfluch zurück, wobei es keine
Namen wie Zapfenmonster, Steppenberg, Beute: Fell (20 Lunare; Jagdkunst gg. 25), einstimmige Legende dafür zu geben scheint.
Fleischlawine, Klirrbestie, Gontchariese und Stoßzahn (30 Lunare pro Zahn; Jagdkunst gg. Etwaige Untersuchungen, die Tiere würden eine
Unsichtbarer Tod sind überall im Norden für 10) Art Todes-, Erkenntnis- oder Naturmagie ausüben,
die behäbigen Tiere in Gebrauch. Ihre Zähmung wurden von unterschiedlichen magischen
ist nahezu unmöglich, doch wird immer wieder Wissenschaftlern wie vom Zirkel der Zinne mit
berichtet, dass es einigen Wenigen gelang. Wer Bestimmtheit verneint. Versuche lorakischer
bei den Raugarr einen Frostmammut erlegt, Bleichgeier Ornithologen, den Bleichgeier als eine Abart
erlangt hohes Ansehen. Unter den Rudeln der Bleichgeier gelten als verfluchte Vögel und sind des surmakarischen Traumgeiers zu bestimmen,
Ausgestoßenen soll es sogar eines geben, das die beim gemeinen Volk des Nordens das verhasste blieben bis jetzt auch fruchtlos. Trotz allem
Tiere als Götter verehrt. Mächtigen Schamanen Sinnbild des Todes. Entgegen ihrem Namen sind werden ihre Federn, Krallen und ihr Blut von
wird nachgesagt, dass sie sich bei bestimmten sie keine Aasfresser und ernähren sich nur von vielen Schamanen und Alchimisten für Rausch-
Mondzyklen in Frostmammuts verwandeln, um schwerverletzten Tieren, Menschen und anderen und Betäubungsmittel verwendet.
die Mauern zwischen der Geisterwelt und Diesseits Zweibeinern, die dem Tod geweiht sind. Während
niederzureißen. sie von manchen gelobt werden, da sie in den Weiten Die Frynjord verbindet ein glühender Hass mit
der Gontcharia und auf großen Schlachtfeldern den Bleichgeiern, seit die Vögel 822 LZ den
AUS BEW INT KON MYS STÄ die Schwerverletzten
VER WIL wie durch Zauberhand frisch ernannten Bergregenten Tossjom den
3 2 3 8 1 13 1schnell aufspüren,
3 werden sie von anderen gehasst, Unglücklichen nach einem Jagdunfall zu Tode
GK GSW LP FO VTD SR weil sie den
KW GW mit dem Tode Ringenden noch die gepickt haben. Bei den Raugarr halten sich
9 10 20 8 18 3 letzte Lebenskraft
33 19 rausreißen – und die eilende einige Geisterrufer der Schamanen Bleichgeier
Waffen Wert Schaden WGS INI Merkmale Rettung wegen ihnen als Vertrauten. Gleiches wird von Feldmedici
Körper 20 4W6+6 14 7-1W6 Wuchtig zu spät kommt. aller Kulturen berichtet, die ihre Vögel auf die
Schlachtfelder schicken, um noch in letzter
Typus: Monster, Großwild, Tier Bleichgeier kommen Sekunde diejenigen Verletzten zu finden, die mit
nördlich der Luftlinie einem Fuß schon in anderen Sphären weilen. In
Monstergrad: 4+ / 4
zwischen Catley und Arkuri gibt es sogar den „Bund der
Fertigkeiten: Akrobatik 8, Athletik 20, Palitan vor, können Bleichen – Bruderschaft zur Ehrung 31
 Ausgabe 4 - 2014 Splittermond - Der Bushido der Kintarai

und Mehrung des heiligen Bleichgeiers“: Im Jahre Waffen Wert Schaden WGS INI Merkmale
729 LZ wurde Gonolas Pirander, Oberhaupt Körper 5 1W6 10 1-1W6 -
einer der Gründerfamilien Arkuris, auf einer
Handlungsreise zu einem der umliegenden
Dörfer von einem Raugarrrudel überfallen und Typus: Vogel, Tier
samt Gesandtschaft schwerverletzt dem Tode
überlassen. Einen halben Tag später eilten ihm Monstergrad: 0- / 0- (Bleichgeier greifen selbst
fahrende Bauern nur deshalb zur Hilfe, weil nur an, wenn ihre Opfer die Gesundheitsstufe
sie Bleichgeier in der Ferne auf- und abfliegen „Todgeweiht“ erreicht haben. Werden sie
sahen. Nach seiner Genesung gründete er mit angegriffen oder stoßen sie auf Widerstand, Der Bushido der Kintarai
beträchtlichen Verlusten des Familienbesitzes den ergreifen sie die Flucht.) Schwertalbische Lebensart im Reich des
Heilerorden und änderte den Familienwappen bis
Fertigkeiten: Akrobatik 6, Athletik 4, himmlischen Kranichs
zu seinem Tod in einen Bleichgeier. Der Bund bildet
Feldheiler aus, die bestens auf monatelange Reisen Entschlossenheit 8, Heimlichkeit 7, Jagdkunst 8, von David Mitzkat
durch unwegsame Schnee- und Frostlandschaften Wahrnehmung 16, Zähigkeit 4
gewappnet sind. Neben ihrer medizinischen
Meisterschaften: Handgemenge (I: Vorstürmen),
Profession versuchen sie heute immer noch
Heimlichkeit (I: Überraschungsangriff I)
den beim Volk verbreiteten schlechten Ruf des
„verfluchten Schreckensvogels“ ins rechte Licht Merkmale: Dämmersicht, Feigling, Fliegend,
zu rücken. Der jährliche Bleichgeierfest in Arkuri Kälteresistenz, Kreatur 3, Schwächlich
geht auch auf den Orden zurück. Der Bund steht
weiterhin unter der Schirmherrschaft der Familie Beute: Federn (1 Lunar; Jagdkunst gg. 15), Krallen
Pirander, welche die Bruderschaft finanziert (1 Lunar; Jagdkunst gg. 10)
und gleichzeitig als eines ihrer wichtigsten
„Handelsgüter“ betrachtet: die Bleichen Brüder
und Schwestern werden gewinnbringend Wenn man in einem Wörterbuch nach Stilbruch
Prospektoren, Händlern, Glücksrittern und sucht, dann steht dort unter Anderem, dass es bei
anderen zahlungskräftigen Kunden für gefährliche diesem stilistischem Kniff um den Versuch geht,
Expeditionen zur Verfügung gestellt. Der Bund mit einem ungewohnten oder auf den ersten Blick
arbeitet auch mit den gnomischen Portalherren unpassenden Stilmittel zu provozieren und das
der Stadt zusammen und oft ist ein ästhetische Empfinden des Publikums anzustoßen.
Bleichheiler im Preis mitinbegriffen, wenn Denn damit lässt sich die Aufmerksamkeit des
ein Mondführer für Karawanen über den Betrachters schneller auf interessante Details oder
gefährlichen Mondpfad nach Süd-Arkuri Veränderungen von bereits Bekanntem lenken.
gemietet wird. Im Osten des Subkontinents Takasadu finden wir
genau so ein Beispiel für lebendigen Stilbruch:
AUS BEW INT KON MYS STÄ VER WIL
Das Volk der Kintarai.
1 2 9 2 1 1 1 2
GK GSW LP FO VTD SR KW GW Eine albische Kultur mit dem Japan
3 3/19 4 6 18 0 16 15 der Feudalzeit zu verschmelzen 32
 Ausgabe 4 - 2014 Splittermond - Der Bushido der Kintarai
lässt einen unweigerlich an makellos gefertigte
Handwerkskunst denken, welche mit Bedacht
und Hingabe gefertigte Güter hervorbringt.
Man hat Bilder der kraftvollen Bewegungen von
Schwertkämpfern, voller Geschmeidigkeit und
Disziplin vor Augen, welche die Gewandtheit des
albischen Volkes dank ihrer Langlebigkeit und
durch stete Übung zur Perfektion bringen. Anmut
und Ausdauer, Geduld und gute Umgangsformen
sind Schlüsselwörter, die man als Besucher im
Land der Schwertalben mit ihrer Kultur leicht
in Verbindung bringen möchte. Doch welchen
Antrieb haben die Kintarai, wie sich die Bewohner
dieses Landes selber nennen, ihr Verhalten an
derartig hohen Maßstäben zu orientieren?
Diese Frage lässt sich dadurch beantworten, dass
wir einen Blick auf einen zweiten bedeutenden
Unterschied zu den meisten anderen Völkern
von Lorakis werfen. Denn Kintai wird nicht
von einem Ältestenrat oder einer Monarchin im
Sinne eines sterblichen Adelsgeschlechts regiert,
sondern von Myuriko, einer leibhaftigen Göttin.
Dies ist bereits eine ausgesprochene Besonderheit,
doch das Verhältnis zwischen Myuriko und ihren
Untertanen basiert darüber hinaus nicht auf
einem ausbeuterischen oder unterdrückerischen
Motiv, wie man es eventuell von einer Gottheit als
regierendem Oberhaupt erwarten könnte, sondern
auf der Idee, dass das Volk der Schwertalben von ihr
erwählt wurde. Viele Gläubige anderer Kulturen
können die Wunder ihrer Götter durch
Vermittlung von Priestern im täglichen
Leben erfahren, doch welches Volk kann
noch von sich behaupten, würdig genug zu
sein, dass ein derartiges Wesen sich bei ihm
niederlässt?
Um nun ein Leben zu führen, dass in den
Augen des himmlischen Kranichs, einem
Beinamen Myurikos, lebenswert ist, hat sie
ihrem Volk Leitbilder gegeben, an denen es sich
orientieren kann. Dies sind die fünf Tugenden,
welche wir auch im irdischen Bushido wiederfinden
können:
Mut
Ehrlichkeit
Höflichkeit
Schönheit
Pflichtgefühl
Der Mut an erster Stelle ist nicht alleine als
Tapferkeit im Angesicht eines Kampfes zu
verstehen, sondern beinhaltet auch, in schweren
Zeiten nicht zu verzagen und den eigenen
Idealen treu zu bleiben. Dies ist zudem eine
Herausforderung für jene Schwertalben, welche
fernab der Heimat unterwegs sind, und sich
gegenüber fremden Kulturen behaupten müssen.
Die Ehrlichkeit beinhaltet auch das Streben
nach Gerechtigkeit sowie das Unterlassen von
Hinterlist, Scheinheiligkeit und Täuschung. Ein
Kintarai, der sich an die fünf Tugenden hält, wird
also einem Feind kaum hinterrücks auflauern oder
ihn durch Lügen hinter das Licht führen.
Höflichkeit zielt nicht alleine darauf ab, das
Miteinander des schwertalbischen Alltags zu
regeln, sondern steht auch für Mitgefühl und
Gnade. Grausamkeit und unnötige Gewalt
sind genauso verpönt wie das Ignorieren eines
Obdachlosen, der um Hilfe sucht. Man tritt
denjenigen, welche im Stand über einem stehen,
respektvoll auf, und übt Mildtätigkeit gegenüber
denjenigen, welche unter einem stehen.
Die Schönheit als vierte Tugend ist vielleicht
sogar das anspruchsvollste aller Leitbilder, denn
es beinhaltet das Streben nach Perfektion und
Gegenwärtigkeit in allem Tun. Makellosigkeit lässt
sich nur durch Übung und stete Aufmerksamkeit
für die eigene Person und die Umgebung erreichen.
Also werden die Kintarai dazu angehalten ihre
Fähigkeiten immer weiter zu schulen und auch bei
einfachsten Handlungen Hingabe zu zeigen.
Pflichtgefühl ist die Fähigkeit zur Demut und
sich seines Platzes in der Welt bewusst zu sein.
Zum Wohl des Ganzen hat sich der Einzelne
zurückzunehmen und sich an die fünf Tugenden
zu halten. Denn so dient er seinem Volk am besten
und trägt gleichzeitig dazu bei, die göttergewollte
Ordnung aufrecht zu erhalten.
Die Erfüllung dieser fünf Tugenden wird nur vom
Adel der Kintarai in Tat und Wort erwartet. Doch
bedeutet dies nicht, dass nicht auch der einfachste
Tagelöhner zumindest versuchen würde, sich in
den Augen der Gottheit als würdig zu erweisen,
indem er seine Handlungen nach diesen Prinzipien
ausrichtet. Das Ergebnis davon ist nicht nur
eine große Einigkeit über das Richtig und Falsch
innerhalb des täglichen Lebens, sondern auch eine
sehr produktive Gesellschaft, welche in der Lage
ist, als Ganzes Herausragendes zu leisten.
Fehlverhalten gegen die fünf Tugenden ziehen,
je nach schwere des Vergehens, gesellschaftliches
Missfallen nach sich. Die Leitbilder sind
immerhin ein Teil der persönlichen Identität jedes
Schwertalben, und so können sehr grobe Verstöße
auch langfristige Schmähungen oder sogar den
Untergang einer Familie nach sich ziehen.
Doch dass die Prinzipien, mit welchen der
himmlische Kranich ihr Volk betraut
hat, Harmonie und Stabilität mit sich 33
 Ausgabe 4 - 2014 Splittermond - Der Bushido der Kintarai

führen, lässt sich auch an der Landschaft

von Kintai selbst ablesen. Denn genau wie
die Vertreter des Volkes weist selbst der
geringste Weiler eine malerische Schönheit
auf, und passt sich perfekt in die übrige
Landschaft ein, ohne dabei jedoch seinen
eigenen Glanz zu verlieren. 34
 Ausgabe 4 - 2014
An den Küsten der Kristallsee
Ein Abenteuerwettbewerb für Splittermond
Macht mit beim ersten Splittermond-Abenteuer­
wettbewerb! Der Titel gibt das Thema vor: Es
dreht sich um Abenteuer rund um die Kristallsee.
Ein Feuerteufel auf einer mertalischen Werft?
Rivalität zwischen seealbischen Kapitänen?
Einem pashtarischen Schmuggler zur Flucht aus
Arwingen verhelfen? Der Nebel des Grauens
über einem dalmarischen Fischerdorf ? Es gibt
unzählige Möglichkeiten!
Für Euer Abenteuer ist es ausreichend, wenn
das Thema „An den Küsten der Kristallsee“
bei der Wahl des Ortes oder für die An- oder
Abreise berücksichtigt wird. Wir verlangen keine
ausdrücklichen Seefahrtsabenteuer, es können
auch ein Dungeoncrawl oder eine städtisches
Ränkespiel sein. Denn auch Gegenden wie die
strahlende Metropole Ioria oder die von Intrigen
beherrschten mertalischen Stadtstaaten sind Teil
der Lande an der Kristallsee.
„An den Küsten der Kristallsee“ ist lediglich die
Klammer, die die Abenteuer räumlich verbindet.
So wie im Grundregelwerk vor allem Kulturen
von den Küsten der Kristallsee aufgeführt wurden,
so sollen sich auch diese Abenteuer mit diesen
Kulturen befassen.
Den Siegern winkt (neben materiellen
Preisen) eine Veröffentlichung in einer
Abenteuer-Anthologie und der unsterbliche
Ruhm, sich in diesem Wettbewerb einen
Namen gemacht zu haben.
An den Küsten der Kristallsee
Allgemeine Informationen
Arbeitsgrundlage sind die beiden Bücher
Splittermond: Die Regeln und Splittermond: Die
Welt – diese werden als bekannt vorausgesetzt und
ihnen sollte nicht widersprochen werden
Die Jury besteht aus Bernhard Hennen, Stefan
Unteregger, Lars Reißig, Christian Gosse und
einem noch zu bestimmenden Fan-Juror (mehr
dazu zu einem späteren Zeitpunkt!)
Die Abenteuer sind einzusenden an: info@
splittermond.de
Termine
Start: der Wettbewerb beginnt sofort!
Abgabetermin: 12. Januar 2015 – ihr habt also
etwa zwei Monate Zeit von der ersten Idee bis zum
fertig formulierten Abenteuer
Bekanntgabe der Gewinner: Heinzcon in Norden-
Norddeich, 7. März 2015
Formale Anforderungen
Maximal 54.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen). Das
entspricht ca. 12 Druckseiten.
Pläne, Karten und (eventuelle) Illustrationen
zählen nicht zum Limit.
Abgabe als Datei in den Formaten .rtf oder .doc
Nicht erforderlich für ein gutes Abschneiden
sind: gelayouteter Text, beigefügte Illustrationen.
Layout und Illustrationen gehen nicht in die
Bewertung ein!
Karten und Pläne sind hingegen, sofern sie für
das Spielen oder das Verständnis nötig sind,
beizufügen. Dabei wird nicht die künstlerische
Ausgestaltung beurteilt, sondern lediglich die
Funktionalität in Bezug zum Abenteuertext.
Bewertung
Die Abenteuer werden in vier Kategorien bewertet.
In jeder dieser Kategorien können pro Juror bis zu
10 Punkte erworben werden, durch Gewichtung
entstehen bis zu 100 Gesamtpunkte. Das
Gesamturteil eines Abenteuers ist der Mittelwert
der einzelnen Juroren-Wertungen.
Die vier Kategorien lauten (samt zugehöriger
Gewichtung):
Plot (50%): Glaubwürdigkeit, Struktur,
Originalität, Einbeziehung alternativer
Handlungsmöglichkeiten
Setting (20%): Originalität, Verwendung/
Kreierung interessanter Orte und Personen,
Kreativität, Konsistenz zu offiziellen
Informationen
Regelanwendung (20%): Korrekte Nutzung
der Splittermond-Regeln (Proben, Kampf,
Zauberei etc.), Fehlerhäufigkeit, Einbeziehung
von Regelelementen (Meisterschaften,
Ressourcen, …) bei der Entwicklung der
Handlungsmöglichkeiten.
Sprache (10%): Rechtschreibung, Grammatik,
Stil
35
 Ausgabe 4 - 2014
Zur Sicherheit sei nochmal gesagt, dass Folgendes
nicht bewertet wird:
künstlerische Gestaltung von Plänen und Karten,
Layout des Textes, Illustrationen
Sollte es zu einer sehr hohen Zahl von Einsendungen
kommen, besteht die Möglichkeit, dass die Jury erst
in einem Vorentscheid Finalteilnehmer ermittelt,
die dann nach obigen Angaben in eine Rangfolge
gebracht werden.
Preise und Veröffentlichung
Die Plätze 1 bis 5 erhalten jeweils einen Preis:
Platz 1: je eine streng limitierte Mitarbeiterausgabe
von Regel- und Weltbuch, die so im Handel nicht
erwerbbar ist
Platz 2: eine Mitarbeiterausgabe von Regel- oder
Weltbuch
Plätze 3-5: ein Warengutschein im Wert von 40
Euro für den Uhrwerk-Webshop
Darüber hinaus werden drei der Wettbewerbs­
abenteuer in einer Anthologie unter der Redaktion
eines erfahrenen Splittermond-Redakteurs ver­
öffentlicht werden. Dabei muss es sich nicht
zwingend um die Gewinner handeln, sofern
inhaltliche Gründe (wie etwa Dopplungen
oder ähnliches) dagegen sprechen – auch
wenn die Gewinner natürlich besonders
große Chancen haben, da ihre Abenteuer
als qualitativ hochwertig eingestuft wurden.
Die letztendliche Auswahl der Anthologie-
Abenteuer obliegt aber Redaktion und
Verlag. Sofern ein Abenteuer für die
Anthologie ausgewählt wird, ist von Seiten
des Autors Nachbearbeitung unter Anleitung
An den Küsten der Kristallsee
des Redakteurs nötig, um das entsprechende
Abenteuer reif für die Veröffentlichung zu machen.
Dafür erhalten die ausgewählten Autoren aber
auch das übliche Honorar eines Abenteuer-Autors,
unabhängig von ihrer Platzierung im Wettbewerb
und möglicherweise schon gewonnenen Preisen.
Rechtliches
Mit Teilnahme an diesem Wettbewerb erkennt
man die oben genannten Bedingungen an und
erklärt sein Einverständnis mit ihnen. Darüber
hinaus geht das ausschließliche und exklusive
Nutzungsrecht der eingesandten Abenteuer auf
den Uhrwerk Verlag über, der die Autoren nach
dem Wettbewerb kontaktieren wird, um etwaige
Verwendung in offiziellen Publikationen zu
besprechen. Für eine etwaige solche Verwendung
(auch über die oben genannte Anthologie hinaus)
fällt natürlich ein Honorar an, das dem normaler
Splittermond-Autoren entspricht.
Für Abenteuer, die der Uhrwerk Verlag nicht
offiziell veröffentlichen möchte, fällt das
Nutzungsrecht durch Mitteilung des Verlags nach
Beendigung des Wettbewerbs an die jeweiligen
Autoren zurück. Diesen Autoren empfehlen
wir, ihre Abenteuer über eine der bestehenden
Fanseiten oder das Splittermond-Forum den
anderen Splittermond-Spielern zugänglich zu
machen.
36
 Ausgabe 4 - 2014
Pflanzen in Myranor - Teil 2
von Dennis Rüter
Schon in der letzten Ausgabe konnten wir im ers-
ten Teil einiges über die Pflanzenwelt im Gülden-
land erfahren. Hier nun der zweite Teil mit wei-
teren interessanten Exemplaren der Myranischen
Flora.
Incendium Herba
„Gold und Schätze? Na klar, aber auch viele Ge-
fahren: Steinschlag, Luftmangel, Explosionen. Und
dann, so sagt mein Onkel, gibt es auch noch so ein
bösartiges Gewächs, dass dir die Eingeweide raus-
brennt. Also halt dich lieber an die Oberfläche, Son-
nengänger.“ — Tavernengespräch mit einem Rhogo-
lanen, neuzeitlich.
Myranor - Pflanzen in Myranor 2
Mutmaßlich teils dämonischer Herkunft, findet
sich dieses Gewächs in den gemäßigten Breiten
vor allem nahe großer Hitzequellen. Es bildet
schwarze Blätter aus, die schwach glühen und der
Hitzequelle entgegen gewölbt sind. So fängt es die
Wärme ein. Neben diesen großen Auswüchsen
wirkt der kleine Stiel mit gerade mal einem Spann
geradezu winzig.
Zu einer nicht näher bestimmbaren Zeit bildet
sich eine feuerrote, ebenfalls einen guten Spann
messende Schote, die regelrecht pulsiert. Diese
ist bei Alchemisten und Magiern begehrt, da aus
den darin befindlichen kohlenschwarzen Samen
ein potentes Pulver zu gewinnen ist. Allerdings ist
Vorsicht geboten: Die Schote explodiert, um so
die Samen über ein großes Areal zu verteilen. Dies
geschieht, wenn ihre innere Wärme durch die Au-
ßentemperatur steigt. Oder falls jemand versucht,
die harte, aber leicht Funken schlagende Hülle
aufzubrechen. Die Explosion richtet 3W6 TP im
Wirkungsbereich an und wird wie eine magische
Explosion (Quelle Tyakar) behandelt. Das Kraut
selbst weist gegenüber Feuer eine Resistenz auf,
reagiert aber empfindlich auf Wasser und Antima-
gie gegen seine dämonische Quelle. Seine Aura ist
schwach magisch (3 AsP).
Die Rhogolanen berichten von einem wesentlich
größerem Exemplar, dass Ausmaße eines kleinen
Waldes irgendwo tief im Boden einnehmen soll. Je
nach Version wächst es entweder unter dem Baan
Bashur oder Dorinthapoles und soll diesen Ort ei-
nes Tages überwuchern oder gar mit einer gewal-
tigen Explosion vernichten. Dies soll zugleich ein
Tor in die Niederhöllen öffnen.
Typ: übernatürliche Pflanze
Gebiet: zwischen Polarregionen
Verbreitung: oberirdische Hitzequellen (sehr sel-
ten), vor Regen geschützte Hitzequellen (selten)
Bestimmung: +2
Ernte: keine bestimmte Zeit
Dosis und Wirkung: Die Schote, sobald auf-
getrennt, stirbt binnen weniger Stunden ab. Die
Samen (1 Samen ist 1 Portion) lassen sich zu ei-
nem scharfem Pulver zermahlen. Eingenommen
steigern sie die Fähigkeit des Anwenders für dä-
monische Feuermagie (Quelle Tyakar) um 2W3.
Gleichzeitig steigt der Wert in Rachsucht oder
Gerechtigkeitswahn um 1W6. Beide Wirkungen
halten 2 Stunden an. Wer mehr als eine Portion
innerhalb von zwei Tagen zu sich nimmt, kann
den entsprechenden Nachteil permanent auf dem
Mittelwert der Anwendungen erhalten. Bei der
zweiten Anwendung reicht dafür eine 6 auf dem
W6, bei der Dritten 5 und 6 usw.
Haltbarkeit: trocken nahezu unbegrenzt
Preis: 4 Au pro Samen, Pulver 5
Laufkraut
Zwischen den zahlreichen Gräsern der nördlichen
Steppen ist das etwa kindsgroße Gewächs mit den
ovalen, länglichen Blättern leicht zu übersehen.
Lediglich zur Blütezeit Anfang Shinxir zeichnet
ein Bündel einzeln am oberen Ende sitzender,
herzförmig gewölbter Blüten in Blau es von der
Masse aus. Für die weißen Puste-Sa-
men gilt dies nicht. Sie werden vom 37
 Ausgabe 4 - 2014
Wind verteilt. Für Kulturschaffende ist das Kraut
aufgrund seiner Ausdauer steigernden Wirkung
interessant. Allerdings ist Vorsicht geboten, da
zu häufige Einnahme zu Sucht und verringerter
Regeneration führen kann. Im Imperium ist es
aufgrund seiner Verbreitungsgebiete recht unbe-
kannt. Dort wissen am ehesten servantinische und
karonische Wildniskundige um seine Wirkung.
Typ: Nutzpflanze
Gebiet: zwischen Frostweste, den Bergen
von Skiresis und Nitharus-Bergen
Verbreitung: Steppe (häufig), Hochgebirge
Myranor - Pflanzen in Myranor 2
(gelegentlich), Wald (selten)
Bestimmung: +8, während Blütezeit im Shinxir
+2
Ernte: Blütenblätter (Anfang Shinxir)
Dosis und Wirkung: Die Blätter werden gekaut
oder zerstampft geschluckt. Der Anwender erhält
daraufhin 2W6+4 AuP, sein Maximum steigt für
sechs Stunden um 10. Athletik-Proben zur Stei-
gerung des Lauftempos sind um 2 erleichtert, die
Dauer von Sprints erhöht sich, als wenn die KO 2
Punkte höher läge. Sollte innerhalb von drei Ta-
gen eine weitere Einnahme erfolgen, so verringert
sich die nächste Regeneration von LeP und AsP
um 2 Punkte. Zudem besteht die Gefahr der Ab-
hängigkeit (Stufe 4).
Haltbarkeit: trocken vier Nonen
Preis: 2 Argental pro Grundmenge, außerhalb der
Erntezeit das Dreifache
Lauftrunk
Werden die Blütenblätter gekocht und mit Alko-
hol vermischt, halten sie ein gutes Jahr. Die Wir-
kung reduziert sich auf 1W6+4, das Maximum
steigt nur um 5. Die Suchtstufe ist 2 (nicht vom
Alkohol). Die übrigen Wirkungen bleiben erhal-
ten.
Zubereitung: Alchimie +3
Haltbarkeit: ein Jahr
Preis: 8 Ag
Chrysirs Dauerlauf
Der Alchemist kocht die Blätter auf und mischt
den Absud mit trockenem Brot. Der Brei nimmt
daraufhin eine hellere Färbung an. Neben oben
genannten Auswirkungen bezüglich KO und Ath-
letik verleiht es dem Anwender die Fähigkeit zum
Dauerlauf. Jede KR, die er über seinem gewöhn-
lichen Maximum sprintet, erleidet er 1 SP. Dabei
fühlt er sich wie im Rausch. Um zu bemerken, wie
sehr er schon mitgenommen ist, ist eine Probe auf
Selbstbeherrschung +4 notwendig. Scheitert die-
se, läuft er weiter – bis seine LeP auf 0 sinken. Alle
10 KR ist eine Probe erlaubt
Zubereitung: Alchimie +5
Haltbarkeit: ein gutes Jahr
Preis: 4 Au
Lebensmoos
Hoch oben auf den Ästen großer Waldbäume
wächst dieses Moos. Dort bekommt es viel Son-
nenlicht ab, ist von Fressfeinden kaum und für
Regentropfen gut zu erreichen. Die Sommerzeit
über erscheint es saftig grün, während des Winters
dagegen matt. Es stellt im Norden ein wichtiges
Heilmittel, ja in den Wäldern oft gar das einzige
Heilmittel dar. Es kann zudem in Heiltränken
statt Wirselkraut eingesetzt werden. Daher wird
es gelegentlich auch auf Obstbäumen angesiedelt.
Auf Totholz wächst es nicht, da es das verdunstete
Wasser seiner Wirtspflanze unter sich aufnehmen
muss. Zudem braucht es ein feuchtes, wenn auch
nicht durchgehend regnerisches Wetter. Die Wol-
falben erzählen vom Krieger Schneller
38
Läufer, dessen Freund bei einem Jagd-
 Ausgabe 4 - 2014
zug ins Imperium verletzt wird. Der Läufer rennt
daraufhin in einem einzigem Tag zum großen
Wald und zurück, und rettet mit einigen Trieben
seinem Freund das Leben.
Typ: Heilpflanze
Verbreitung: nördliche Wälder, im Osten bis an
den Rand Valantias und Mayenios
Lebensraum: Wälder (häufig), Sümpfe (gelegent-
lich), Hochgebirge (selten)
Bestimmung: +6
Ernte: ganzjährig, erfordert bei großen Wildbäu-
men jedoch eine Klettern-Probe (-2 bis +6)
Dosis und Wirkung: Frische Triebe bringen ge-
gessen nicht nur einen bitteren Geschmack, son-
dern auch über einen Zeitraum von 1 SR 1W6+1
LeP zurück. Wird es innerhalb von drei Tagen
zweimal verzehrt, so besteht die Gefahr der Ab-
hängigkeit (Stufe 5).
Haltbarkeit: ein Tag
Preis: 2 Au
Lebenspaste
Kleingeschnitten, zermahlen und mit etwas Lehm
vermischt, bleibt die Pflanze länger wirk-
sam. Die Farbe der Paste ist ocker-grünlich.
Verarbeitung: +0
Haltbarkeit: 1 Oktal
Preis: 8 Ag
Myranor - Pflanzen in Myranor 2
Loruoor/Lebenskoralle
„Als meine Freundin und ich nach Perlen tauch-
ten, griff uns plötzlich ein Hai an. Bevor wir wie-
der auf ’s Boot kamen, hatte er ihr Bein übel zuge-
richtet. Da waren wir nun, auf dem offenen Meer,
und ihre Wunden am Bluten. Ich hab sie natürlich
gleich verbunden, aber sie sah trotzdem schlecht aus.
Glücklicherweise hatte ich mal von einem Fisch-
menschen gehört, dass es da eine seltene, grünlich-
orangene Koralle gibt, die sie ihren Verletzten geben.
Also bin ich wieder rein. Ich schau mich so um und
seh’ tatsächlich so’n Ding. Ich also hin, ruckel und
zuckel, bis ich blau anlauf. Da gibt endlich ein Ast
nach, und ich schwimm außer Atem nach oben. Mit
letzter Kraft schaff ich es an die Luft. Dann hab ich
meiner Freundin erst mal ‘ne Ladung verabreicht.
Das hat ihr das Leben gerettet.“
—Aus einem Kneipengespräch mit einer Taucherin,
neuzeitlich
Was an Land das weit verbreitete Wirselkraut,
stellt für die amphibischen Völker eine kleine Ko-
rallenart dar. Sie sieht aus wie ein großer Fächer,
nur mit Lücken zwischen den feinen Ästen, durch
die das Licht sie grün und orange schimmern lässt.
Zerstoßen und eingenommen gibt sie verlorene
Vitalität zurück. Sie enthält jedoch auch ein Gift,
dass Lähmung verursacht. Daher ist sie bei Land-
bewohnern recht unbekannt, bietet hier doch die
Rote Pfeilblüte eine ungefährliche Behandlungs-
methode. Die amphibischen Völker verabreichen
sie bevorzugt vor dem Einschlafen.
Typ: Heil- und Giftpflanze
Lebensraum: noch vom Sonnenlicht erreichte
Flachwasser der tropischen Meere
Verbreitung: Meer (häufig), Sümpfe (gelegent-
lich)
Bestimmung: +2
Ernte: ganzjährig
Dosis und Wirkung: Die fein gemahlenen Ko-
rallenstücke geben eingenommen binnen 2 SR
1W6+2 LeP zurück. Das Einnahmegift besitzt
Stufe 5 (Lähmung).
Haltbarkeit: mindestens leicht feucht gelagert 1
Oktal
Preis: 5 Pk/Portion
 Ausgabe 4 - 2014
Luurnath
Werden die zerstoßenen Stücke gekocht und der
daraus entweichende, orange Saft mit Mantigora-
Sud gemischt, entsteht ein Heiltrank einfacher
Qualität. Dieser ist nicht mehr giftig. Ansonsten
gelten die Regeln für Heiltränke.
Nachtaugen
„In den Zeiten, als Nesseriás Haus gleich nach den
Aphirdanos kam, studierten sie zahlreiche Vielbei-
ner. Eine Pflanze, die ihre Aufmerksamkeit erreg-
te, blüht des Nachts in der Sommerzeit. Sie zieht
zahlreiche Falter an, sie zu bestäuben. Die Nesseriá
warfen die Blütenblätter ins Feuer und inhalierten
die Dämpfe. Ob sie darüber die letzten Bezüge zur
Realität verloren?“ —Imperiale Geschichte, Band
III, neuzeitlich
Als Ranke wuchern Nachtaugen an den Stämmen
von Laubbäumen empor, ohne diese zu schädigen.
Im Grunde sind sie unauffällig. Nur von Ende
Shinxir bis Mitte Brajan und dann des nachts
zeigen sie eine handvoll blauer Kelchblüten mit
silbrig glühenden Stempeln am Boden des Kelchs.
Die Bestäubung erfolgt durch allerlei Nachtfalter.
Im Chrysir schließlich tragen sie mehrere Dut-
zend winzige, blaue Beeren, die von Baumbewoh-
nern gefressen und so die darin befindlichen
Samen verbreitet werden.
Seit dem Niedergang der Nesseriá interes-
siert sich kaum noch jemand für die Nacht-
augen. Nur wenige Raia-Kulte oder Insek-
ten-Anbeter (v. a. in Harpalis) nutzen sie
gelegentlich.
Myranor - Pflanzen in Myranor 2
Typ: Nutzpflanze
Lebensraum: nördliche gemäßigte Breiten
Verbreitung: Wald (häufig), Sumpf (selten)
Bestimmung: +6, während Blüte nachts 0
Ernte: Blüte Ende Shinxir bis Mitte Brajan
Dosis und Wirkung: Eine Dosis Blütenblätter
(12 Stück) geben in einem nicht zu starkem Feuer
Dämpfe ab, die eingeatmet die Denkleistung stei-
gern. Der Nutzer erhält Boni von 2 auf KL und IN
für 2 Stunden, jedoch auch Mali von 4 auf KK und
GE, da die für Bewegung zuständigen Areale des
Verstandes vorübergehend für höhere Denkleis-
tungen herangezogen werden. Er spricht nur noch
so, dass er einen Gutteil seiner Worte weglässt. Als
würde ein Gegenüber diese für ihn denken bzw.
ahnen. Dies ist wie ein Sprachfehler zu bewerten.
Sollten zwei Magiebegabte geistig miteinander
kommunizieren und dabei beide den Rauch ein-
atmen, so bilden sie mit der Summe ihrer TaW für
geistige Handlungen und den durchschnittlichen
Attribut-Werten quasi ein Schwarm-Bewusstsein.
Bilden Sie Summen bzw. Schnitt am besten nur
von angewandten Talenten. Die Wirkung hält 2
Stunden an.
Haltbarkeit: eine halbe None
Preis: 2 Ag
Schwarmtrunk
Durch alchimistische Verarbeitung mit salzigem
Wasser steigt die Haltbarkeit. Zugleich sinken die
Mali auf 2. Der Anwender muss viel trinken, um das
Salz wieder auszuscheiden, oder erleidet 1W6 SP.
Verarbeitung: +4
Haltbarkeit: 1 Jahr
Preis: 10 Au
Sandklaue
„Auf dem Weg nach Balan Mayek wurde unsere Ka-
rawane von Banditen überfallen. Ich konnte mich
mit Müh und Not in die Ödnis retten. In der sen-
genden Sonne sah ich Oasen und Städte, so flüchtig
wie Traumgespinste, und eine große, knochige Hand
mit einem grünen Ring. Als sich der Ring bewegte,
näherte ich mich vorsichtig. Da sah ich, dass es sich
um irgendein totes Gewächs handelte, auf dem eine
grüne Echse herum krabbelte. Ich spießte die Echse
auf, doch das Holz des Gewächses erwies sich unter
einzelnen, vertrockneten Rindenstücken als stein-
hart. Also musste ich sie roh essen. Wenigstens konnte
ich am folgenden Tag eine andere Karawane entde-
cken und nach Hause zurück kehren.“ —Aus einem
Tavernengespräch in Balan Mayek, neuzeitlich
In den Wüsten nördlich des Dschungelgürtels
wächst dieser Busch. Er erreicht eine Höhe von ein
bis zweieinhalb Schritt. Charakteristisch ist der
Wuchs: Von einem Stamm gehen nach der Hälf-
te der Größe mehrere Äste ab. In ihrer Mitte bil-
det sich eine ziemlich ebene Fläche, während die
Äste selbst wie Finger plötzlich abknicken, statt
geschwungene Kurven zu beschreiben. Daher der
Name. Meist öffnet sich die Handfläche entgegen
der vorherrschenden Windrichtung, sodass die
„Finger“ alle in dieselbe Richtung entgegen des
Winds zeigen. Außerhalb der Regenzeit – Shin-
xir bis Chrysir in Mayenios, Raia oder Chrysir
in Koromanthia, nach Regenfällen im Sommer
 Ausgabe 4 - 2014
oder Winter in Rhacornos – trägt er keine Blätter.
Dann steht die beigefarbene Rinde in leicht nach
außen gekrümmten Schuppen ab. Darüber kann
er den Morgentau in sein Holz aufnehmen. Das
Holz darunter ist hart und weist nur minimale
Lebens-Aktivitäten auf. Diese Eigenschaft behält
es auch nach der schwierigen Bearbeitung.
Sobald Regen fällt, bilden sich rasch direkt an
den Ästen sitzende Blätter in sattem Grün. Diese
sind oval und spitzendig. Die Rinde legt sich eng
an und wird elastisch. Die ganze Pflanze holt jetzt
sämtliche Aktivitäten nach, die sie sonst unterlässt.
Binnen weniger Tage bilden sich an den Astenden
mehrere weiße Blüten mit herzförmigen Blüten-
blättern. Nach nur einer None fallen diese ab. (Für
Kleidungsstücke sind die weichen, empfindlichen
Blätter ungeeignet.) Nach nicht ganz einem Oktal
zeigen sich weiße Beeren mit rotem Punkt an der
Außenseite. Diese Beeren sind für Kulturschaffen-
de giftig (Einnahmegift, Schaden 2, Schlaf 1). Sein
Samen benötigt eine ordentliche Düngung mit
dem, was hinten rauskommt, um zu keimen.
Der Baum gedeiht nur unter trockenen Bedingun-
gen, da er gegen Pilze und andere Schädlinge, die
bei feuchteren Klimaten stärker wachsen, kaum
Abwehrkräfte besitzt. Nur in Mayenios gibt es am
Rand einiger Domänen kleine Haine, doch auf-
grund mangelnden Schutzes anderer Pflan-
zen vor Wind oder verwertbarer Früchte
wird er selten angebaut. Wildniskundige
schätzen nicht nur seine Hilfe bei der Ori-
entierung, sondern auch die Möglichkeit,
eine einfache Unterkunft an oder in die
„Hand“ zu bauen. Gelegentlich versuchen
Gelehrte, zu ergründen, wie sich die Samen
verteilen, ob kullernd oder über den Wind
Myranor - Pflanzen in Myranor 2
oder gefressen von Tieren. Neben Ghaalen und
Blutbüffeln sind Vögel, Insekten oder gar Feenwe-
sen im Gespräch.
Die Leonir erzählen sich, es handelte sich bei den
ersten Klauen um Opfer des Xarfyash. Einst habe
der Verräter einige Leichtgläubige überzeugt, sich
zu ihm ans Lagerfeuer zu legen und ihre Waffen
zu zeigen. Dann schnitt er ihnen damit im Schlaf
die Sehnen durch. Die Armen versuchten, ihm zu
folgen, hatten allerdings nicht die Kraft, sich auf-
recht zu halten. Der Wind bedeckte ihre Körper
mit Sand, bis nur noch die Hände heraus schau-
ten. In einer anderen Version ist gar von einem
untergegangenem Reich die Rede, und wer den
Fingerzeichen folgt, soll ihre Hauptstadt voller
Schätzen und Aufzeichnungen finden. Das die
Leonir sich wegen solcher Dinge nicht in Scharen
auf die Suche begeben, liegt auf der Hand. Doch
mag eines Tages eine Heldengruppe aufbrechen,
den Gerüchten auf den Grund zu gehen.
Typ: Wildpflanze/Nutzpflanze
Gebiet: Wüsten und Steppen zwischen Wald von
Amaunath und Dschungelgürtel
Verbreitung: Wüste (gelegentlich), Steppe (sehr
selten)
Bestimmung: +-0
Ernte: hartes Holz während der Trockenzeit, wei-
ches Holz in der Regenzeit (2W6 Stein pro Baum,
was in der Trockenzeit unglaublich schwer zu fäl-
len und zerkleinern ist: Struktur 10, Härte 12 und
Strukturpunke 18)
Dosis und Wirkung: Da die Äste üblicherweise
entgegen der Windrichtung zeigen, erleichtern sie
bei passender Geländekunde Orientierungs-Würfe
um 3 Punkte. Das harte Holz zu verarbeiten, benö-
tigt neben Holzbearbeitung 15 auch das passende
Berufsgeheimnis (Sandklauen-Holz). Die Verar-
beitungsprobe ist um 10 Punkte erschwert. Dafür
lassen sich daraus allerlei Gegenstände herstellen.
Dies ergibt jedoch nur bei Rüstungsteilen, Mobi-
liar oder andern Dingen Sinn, hinter denen etwas
versteckt werden kann. Das Holz mindert näm-
lich die Aura lebender Dinge, auch den Geruch,
sodass Hellsichtmagie aller Art auf den Träger um
7 Punkte erschwert wird. Kleinere Rüstungsteile
als Torsorüstungen geben nur 3 Punkte. Schlech-
ter Geruch verbessert sich zu normalen Geruch,
jedoch negieren sich auch die Auswirkungen von
gutem Geruch oder Parfüm.
Das weiche Holz erfordert dieselben Vorausset-
zungen zur Verarbeitung, jedoch nur Proben +5.
Aus ihm hergestellte Schäfte für Waffen (was
größtenteils metallische Waffen ausschließt) sind
sehr elastisch, sodass ihr Bruchfaktor um 4 Punk-
te sinkt. Rüstungen besitzen eine BE -2. Es reicht
auch künstliche Bewässerung. Allerdings muss
das weiche Holz frisch verarbeitet werden. Dafür
sind etwa 1 Liter pro angefangenem Schritt Länge
notwendig. Eine Kombination beider Holzarten
ist so selten, dass derartige Gegenstände geradezu
Artefakte darstellen.
Haltbarkeit: dauerhaft
Preis: 1 Stein Holz etwa 5 Au, Waffen und Rüs-
tungen Preis x4, aber nicht unter 10 Au.
41
 Ausgabe 4 - 2014
Satyarenbaum
In den gemäßigten Wäldern des Nordens findet
sich diese Baumart. In allen Belangen ähnelt sie
den Pflaumen, zu deren Vertretern sie zählt. Sie
blüht im Zatura mit rosa Blüten, deren Blätter
fünf an der Zahl sind und weiße Ränder aufwei-
sen. Im Raia zeigt sie violett-rote Früchte. Diese
werden von den Satyaren lang gelagert, wodurch
sie gären. Aus der Rinde gewinnen sie einen Saft,
der Neugier und sexuelles Interesse stark anregt.
Da sie diesen häufig ihren Alkoholika beimischen,
ist vielen nicht bewusst, dass dieser Schnaps nicht
nur wegen seines Alkohols so stark wirkt. Unter
den Menschen genießen ihn häufiger Illacrion
oder Raia-Priester und seltener Alantinos, Partho-
lon oder Gyldaras Diener.
Typ: Nutzpflanze
Lebensraum: südlich von Ochobenius bis nach
Valantia
Verbreitung: Wälder (häufig), Grasland (gele-
gentlich), Domänen (selten)
Bestimmung: +6, während Blüte und Ernte +3
Ernte: Rinde zweimal im Jahr (am besten Früh-
jahr und Herbst)
Dosis und Wirkung: Der aus der Rinde gewon-
nene, rotbraune Sud steigert Neugier und
Brünstigkeit um je 4 Punkte. Sind diese
nicht vorhanden, so werden sie vorüberge-
hend verliehen. Die Wirkung hält 2 Stun-
den an.
Haltbarkeit: ein halbes Jahr
Preis: 8 Ag
Myranor - Pflanzen in Myranor 2
Schneemoos
In den baumlosen Ebenen des Nordens und wei-
ter südlich im Hochgebirge wächst vereinzelt an
Steinen, vor allem in windgeschützten Nischen,
dieses unscheinbare Gewächs. Es erreicht gerade
mal einen halben Spann an Höhe und besitzt eine
mattgrüne Farbe. Wenn die bitteren Wurzeln an
der Unterseite ausgiebig gekaut werden, mindern
sie Mangelerscheinungen durch Hunger, ohne die
Ursache selbst zu beseitigen. So ist schon manch
einsamer Wanderer plötzlich zusammen gebro-
chen, weil er keine Kraft mehr besaß. Im Imperium
ist das Moos unbekannt, und selbst die Karonier
verfügen nur vereinzelt über das nötige Wissen.
Typ: Nutzpflanze
Gebiet: Tundren und Gebirge des Nordens, Letz-
tere bis nach Karonius
Verbreitung: Tundra (selten), baumlose Teile von
Hochgebirgen (selten)
Bestimmung: +6
Ernte: ganzjährig, im Winter und nachts schwie-
riger, da sie dann am Untergrund festfrieren
Grundmenge: eine Pflanze pro Mahlzeit
Dosis und Wirkung: Werden die Wurzeln vor-
sichtig abgetrennt – was eine Pflanzenkunde-Pro-
be erfordert, die nachts und im Winter um 4 er-
schwert wird – und ausgiebig gekaut, so halbieren
sich die Mali aufgrund von Hunger. Die Maximal-
dauer, in der ein Wesen ohne Nahrung auskommt,
steigert sich jedoch nicht. Fleischfresser erleiden
an jedem Tag der Einnahme einen Malus von 1
auf ihre Regeneration.
Haltbarkeit: zwei Nonen
Suunurguur/Blutschlinge
in den Wassern am und im Meer der Schwimmen-
den Inseln, vor allem dem Louranath, lebt diese
mehrere Schritt lange, bräunliche Wasserpflanze.
Sie besteht aus einem Stiel mit wellenförmigem
Rand. An der dem Licht abgewandten Seite je-
doch sitzen zahllose durchsichtige, feine Härchen.
Nähert sich ein Tier, dass höchstens halb so groß
wie die Pflanze ist, greift sie blitzschnell an, indem
sie vorschnellt und einen Teil ihrer Härchen ab-
wirft. An Gewässern, vor allem Sümpfen, greift sie
manchmal auch Wesen am Ufer oder ein bis zwei
Schritt über dem Wasser an. Durch den Schwung
besteht die Chance, dass die Härchen wie ein
Atemgift aufgenommen werden. Sie verursachen
Krämpfe und Schlaf.
Der Stiel löst sich dabei von seiner schwachen Wur-
zel und schießt ebenfalls auf sein Opfer zu. Sollte
er dieses erreichen und es vergiftet sein, legt er sich
um seine Beute und setzt an seinem Wurzelansatz
ein Verdauungssekret frei. Dieses frisst ein Loch
in den Leib, über das neue Wurzeln wachsen, und
löst die Innereien binnen weniger Tage auf. Sobald
nur noch Haut und Knochen übrig sind, lässt die
Pflanze ab und sucht sich einen neuen Standort.
Wenigstens mögen Blutschlingen weder Hitze
(ab 40 C°) noch große Helligkeit oder gar Feuer –
wobei Letzteres unter Wasser zugegebenermaßen
kaum herzustellen ist.
Während der Zeit des Hauses Charybalis wurden
unliebsame Personen gefesselt und mittels der
Schlinge umgebracht. Die Leiber der Opfer muss-
ten in der Regel Dienst als untote Wasserleichen
leisten. Diese Praxis ist heute offiziell
nicht mehr verbreitet. 42
 Ausgabe 4 - 2014
Gebiet: Meer der Schwimmenden Inseln
Verbreitung: Sümpfe (gelegentlich), Meer, Flüsse
und Seen jeweils selten
Bestimmung: +8
Größe: 2 bis 6 Schritt
Gewicht: 20 Stein
MU 12 IN 9 KO 12
Rammen und Giftsporen freisetzen: FK 14
Reichweite 8* Schritt TP Gift
PA 6* INI 16+W6 RS 1 WS 6
LE 18 AU 12 GS 6* MR 8 GW 6
Anzahl: 1
Größenkategorie: mittel
Jagd: +8, Angriff
Beute: Giftsporen (3 Au pro Ladung)
Attribute: Gift (Atemgift, Lähmung 5, Schlaf 3),
Nachtsicht
Fertigkeiten: Hinterhalt (9), Talent Sinnenschär-
fe (12; 4/9/9)
Kampfweise: Sie verfolgt ihr Opfer nur, wenn es
getroffen wurde und Anzeichen der Giftwirkung
zeigt. Sie meidet Kämpfe und zieht sich sofort zu-
rück. Einmal pro None kann sie ihre Sporen
auch über einen Bereich mit 3 Schritt Breite
und 8 Schritt Länge verteilen, was sie jedoch
nur zur Verteidigung einsetzt.
*Wasser, an Land halbiert
Myranor - Pflanzen in Myranor 2
Tanzbusch
In den nördlichen Breiten östlich des großen
Orismani wächst eine Buschart mit langen, gelben
Stacheln. Er trägt erst von Ende Brajan bis Mitte
Chrysir gelbe Blüten mit weißer Mitte. Die Bee-
ren bringt er im Nereton, also im tiefstem Winter,
hervor. Sie schmecken nicht besonders gut, wes-
halb sie außerhalb dieser kargen Zeit sicher weni-
ge Abnehmer finden würden. Um sich zu schüt-
zen, produziert der Busch ein ungewöhnliches
Gift: Wer sich an den Stacheln verletzt (1W6+3
SP), der muss bis zur Erschöpfung ‚tanzen‘, d. h.
das Opfer erleidet rhythmische unkontrollierte
Muskelzuckungen. Da der Busch auch in Gebir-
gen wächst, führt dies nicht selten zu einem un-
freiwilligem, jedoch zuweilen spektakulär anzuse-
hendem Todessturz.
Da das Opfer sich dabei unkontrolliert bewegt,
wird er als Hecke um Gärten und Domänen ge-
pflanzt, jedoch nicht darin. Es wäre ja auch zu
schade um die schönen Blumenbeete. In Cantera
und Valantia müssen zum Tode Verurteilte gele-
gentlich mit einer Giftdosis auf schmalen Stegen
über Speergruben oder durch fallengespickte Are-
nen tanzen. Einige Naturvölker nutzen es bei Fes-
ten oder animistischen Ritualen.
Typ: Giftpflanze
Lebensraum: Süden der nördlichen Wälder bis
nach Cantera und vom Großem Orismani bis zum
Thalassion
Verbreitung: Grasland (gelegentlich), Gebirge
(gelegentlich), Wälder (selten)
Bestimmung: während Ernte und Blüte +4, sonst
+6
Ernte: ganzjährig
Dosis und Wirkung: Um das Gift zu entnehmen,
wird ein Ast angeritzt und der weiße Saft aufge-
fangen. Zum Glück handelt es sich um ein Waf-
fen- und Einnahmegift, sodass der reine Hautkon-
takt nicht schadet. Dabei bedarf es jedoch einer
Pflanzenkunde +4, um sich nicht zu verletzten.
Sonst kommt das Gift zum Tragen (Tanzen 6).
Das Opfer tanzt, bis seine AU auf 5 sinkt, bzw.
die Hälfte der AuP aufgebraucht sind, wenn die
KO-Probe gelingt. Unter der Wirkung sind seine
Bewegungen kaum vorher zu ahnen,
sodass Nahkampfangriffe um 12 und
43
Fernkampfangriffe um 15 erschwert
 Ausgabe 4 - 2014
werden. Finten und Ausfälle haben gegen das
Opfer keine Wirkung. Es kann dafür ebenso we-
nig irgendjemanden angreifen oder zaubern. Die
Wirkungsdauer beträgt 1 SR/50 KR.
Haltbarkeit: ein Oktal
Preis: 8 Au
Tanzender Tod
Versetzt mit Mantigora, verursacht das Tanzen
zusätzlich Schaden 2 (Giftstufe 6, Tanzen 4). Dies
kann Wunden verursachen, da die Bewegungen
sehr halsbrecherisch ausfallen. Ansonsten siehe
oben.
Verarbeitung: +6
Haltbarkeit: ein Oktal
Preis: 16 Au
Todestänzer
Vermischt mit dem Blut eines Reptils und abgekocht
mit Laufkraut entsteht eine schwarzrote Paste. Auf-
getragen auf Arme, Beine und Körper verleiht sie den
Bewegungen eine tödliche Geschmeidigkeit, ohne
zu Unkontrollierbarkeit zu führen. Sie verursacht
1W6+1 SP(A), steigert dafür INI, GS und PA-
Basis um 3 und die TP um 2 Punkte. Nach 50
KR (1 SR bei gelungener Selbstbeherrschung
+5) erleidet das Opfer 2W6 SP(A). Besonders
bei den Wolfsalben findet sie Verwendung.
Verarbeitung: +9
Haltbarkeit: zwei Oktale
Preis: 25 Au
Myranor - Pflanzen in Myranor 2
Waldkönig und Tyrannenbaum
In den Tropen wachsen vereinzelt gewaltige Baum-
riesen, die das übrige Blätterdach um die Höhe
einer Insulae überragen. Der Waldkönig zählt zu
diesen Giganten. Er besitzt große, ovale Blätter,
deren Rand gezackt ist, und bringt um den ersten
Neumond des Nereton seine außen golden und
innen weiß oder gelb schimmernden Blüten her-
vor. Erst ein halbes Jahr später gehen daraus Bün-
del kleiner Samen mit silbernem Flaum hervor. Er
lässt sie einzeln zu Boden fallen, wo sie dank des
Flaums samtweich aufschlagen. Sowohl die Blü-
ten als auch der Flaum sind als teurer Schmuck
begehrt.
Um seine Größe zu erreichen, bedient der Baum
sich Magie. Er befiehlt allen Pflanzen in seiner
Umgebung, ihm Platz zu machen. Sie wachsen
entsprechend gebogen um den Wirkungsbereich
des Zaubers herum. Für Kulturschaffende wird
er zum Problem, wenn sie ihn irgendwie beschä-
digen, zum Beispiel beim Schlagen von Holz oder
Klettern ein Stück Rinde abbrechen, dass größer
als ein Daumennagel ist. Dann wird er versuchen,
dem Störenfried zu befehlen, den Bereich sofort zu
verlassen – selbst wenn das Opfer gerade zwanzig
Schritt über dem Boden hängt. Sollte der Baum Er-
folg haben, so muss das Opfer diesem Befehl Folge
leisten. Wie es das tut, hängt von seinen Möglich-
keiten ab. Zudem setzt er seine Magie ein, damit
Tiere oder Kulturschaffende die Samen einzeln
mit sich transportieren. Entweder lassen sie diese
am Ende der Wirkungsdauer oder auf einer mög-
lichst hellen Lichtung fallen – was zuerst eintritt.
Im verfluchten Wald von Amaunath wächst eine
mit den plötzlichen Knicks ihrer Äste eher an Ge-
lenke oder Krallen erinnernde, angebliche Varian-
te. Diese wird kleiner, überragt selten die andern
Bäume und weist unsymmetrische Blätter auf. Jun-
ge Triebe nutzen ihre Macht, um sich von feliden
Wesen gegen Pflanzenfresser bewachen zu lassen
Sie bildet im Shinxir in Bodennähe nach Blut und
Aas riechende Kelchblüten. Wenn ein Tier seine
Nase hinein steckt, wird es damit die Pollen samt
deren blutroten Saft aufnehmen. Beim nächsten
Baum kann es diese abgeben. Bis zum folgenden
Zatura, also beinahe ein Jahr, wachsen die Samen
unter der Rinde. Wenn sie diese aufbrechen und
anfangen, zu keimen, befiehlt der Baum durch
Zauberei ein felides Wesen – unter Umständen
auch Kulturschaffende – herbei, um den Samen
zu essen. Er wächst dann einige Tage, bis er durch
sein Wachstum den Wirt tötet. Der Leichnam
gibt ihm guten Dünger. Überhaupt ist der Tyran-
nenbaum bei seiner Magie auf Katzengestaltige
beschränkt. Er wächst nur auf Boden, der wie im
Amaunath dämonisch verseucht wurde.
Die Amaunir des Dschungels unterteilen zuweilen
die Zeit Modebewusst in Blüten- und Flaumzeit.
Sie sehen den Waldkönig, oder zumindest deren
mächtigstes Exemplar, genannt Grüner Thearch,
als Säule des Himmels. Zuweilen soll Aurisha dort
hinab steigen, weshalb mancher Pilger ein Exemp-
lar erklimmt. Auch die Verteilung von Samen gilt
als Gottesdienst. Pardir versuchen gelegentlich, als
Mutprobe, die Spitze zu erreichen. Manch Shing-
wa oder Ashariel hingegen errichtet hoch oben
sein Quartier. Die Shingwa verhalten sich dann
sehr vorsichtig, während Ashariel zur Not fliegen
können.
Die hässlichen Sphyngiaden des Wal-
44
des schätzen zwar den Nektar, der Blut
 Ausgabe 4 - 2014
und Süße verbindet, meiden den Baum jedoch
nach Kräften im Zatura. Alle anderen feliden Völ-
ker meiden das Produkt wegen seines Ursprungs
im verfluchten Wald.
Typ: Übernatürlich/Gefährlich
Verbreitung: Dschungelgürtel/Wald von Amau-
nath
Lebensraum: Dschungel (selten)/Wald (selten)
Bestimmung: +6, während Blüte +2
Ernte: Blüten und Samen Nereton bzw. Brajan/
Nektar im Shinxir
Dosis und Wirkung: Die leuchtenden Blüten des
Waldkönigs werden gern von Reichen getragen.
Wer eine Blüte pflückt, muss Pflanzenkunde +4
schaffen, sonst wird der Baum es bemerken und
den Fremden verzaubern. Der Flaum lässt sich
nach dem Fallen leicht von den Samen abschälen,
sobald diese abgefallen sind. Sonst siehe oben. Die
Entfernung eines verschluckten Samens des Ty-
rannenbaums erfordert zwei Heilkunde Wunden-
Proben +6, bei Tieren eventuell statt der Ersten
eine Tierkunde, um ihn operativ zu entfernen.
Jeden Tag nach dem Verschlucken erleidet das
Opfer 1W6 SP, und nach 3W6 Tagen wird der
Samen durchbrechen, dabei unter anderem den
Brustkorb zerstören und die wichtigsten
Organe zerquetschen.
Magie: Der Waldkönig bedient sich der
Quelle Erfolg mit Zf W 18 und 4/10/10. Der
Tyrannenbaum dagegen besitzt Ghorgumur
mit denselben Werten. Kleine Bäume haben
niedrigere Werte (Meisterentscheid). Beide
besitzen 30 AsP, die Instruktion Kontrolle
Myranor - Pflanzen in Myranor 2
über Wesen (alle/Felide) mit folgenden Formeln
jeweils für alle Lebewesen/Felide (Wert jeweils 0):
Herrschaft über [alle Tiere/Felide], Kurzer Be-
fehl (Myranische Magie S. 52), Langer Befehl (10
Aktionen, Einzelperson, Reichweite 21 Schritt,
ZfP* Stunden, schwer; +11+MR, 26 AsP), Lan-
ge Herrschaft (wie Langer Befehl, aber auf Tiere,
Kosten entsprechen GW x2)
Haltbarkeit: Blüten eingelegt halbes Jahr, Flaum
ebenso lange
Preis: 1 Au pro Unze (1 Blüte bzw. Samenflaum)
Witwenmacher
Diese unscheinbare Seerosenart wächst in den
nördlichen Orismanis, südlich der Orismani-Fälle
und sonstigen Binnengewässern bis zum valanti-
schen Meer. Sie bildet einige wenige Finger durch-
messende Blätter aus und im Siminia in jeder
Blattmitte direkt einen etwa daumengroßen Blü-
tenstempel in Gelb. In dieser Zeit verfärben sich
die Blätter weiß. Ihre Samen lässt sie ein Oktal spä-
ter einfach ins Wasser fallen. Was dieses Gewächs
erwähnenswert macht, ist der Wirkstoff in seinen
Bodenwurzeln. Dieser schmeckt leicht bitter. Er
wirkt hervorragend gegen pflanzliche Gifte. Nach
optimatischer Lehre führt die Einnahme dazu,
dass die „miasmischen Säfte“ in Gase umgewan-
delt und anschließend freigesetzt werden. Dies
geschieht zum kleineren Teil über Rülpsen, zum
Größeren aber Fürze, ohne dass der Patient diese
unterdrücken kann. Gesellschaftliche und heimli-
che Handlungen werden dadurch erschwert. So-
wohl der intensive Geruch als auch der Krach sol-
len schon so manche Ehefrau zur Mörderin ihres
eigenen Mannes gemacht haben. Da Witwenma-
cher nur auf sehr guten Böden in sauberem Wasser
gedeihen, ist die künstliche Zucht sehr schwierig.
Seit den Mholurenkriegen sind Witwenmacher in
der freien Natur selten geworden.
Typ: Heilpflanze
Lebensraum: Binnengewässer zwischen Orisma-
ni-Fällen und Valantischem Meer (nicht Grüner
Orismani)
Verbreitung: Orismanis (selten), sonstige Binnen-
gewässer (selten)
Bestimmung: +6, während Blütezeit +2
Ernte: ganzjährig
Dosis und Wirkung: Der aus den Wurzeln ge-
presste, grünliche Extrakt wirkt bei Einnahme
gegen pflanzliche Gifte bis Stufe 7, führt jedoch
auch zu üblem Geruch für die nächsten 24 Stun-
den und gewisse Lärmbelästigung (am besten wie
Unangenehme Stimme behandeln).
Haltbarkeit: mindestens leicht feucht ein Oktal
Preis: 5 Au
Lebensbewahrer-Trank
Durch mehrere, komplexe Schritte und den Zusatz
von Zucker und zerstoßenen Reiskörnern kann
die Wirkung des Gegenmittels erhöht werden. Es
heilt dann Pflanzengifte bis Stufe 13. Seine bräun-
liche Farbe wirkt allerdings wenig anziehend.
Zubereitung: Alchimie +8
Haltbarkeit: 2 Oktale
45
Preis: 20 Au
 Ausgabe 4 - 2014
Wolfsblatt
„Wenn die kupferhäutigen Spitzohren des Nordens
des Nächtens um ihre Feuer tanzen, trinken sie ein
Gesöff aus zerstoßenen Samen und Blut. Dies weckt
ihre animalischen Triebe und lässt sie noch barbari-
scher werden, weckt ihren grenzenlosen Durst nach
Blut. Daher verbietet sich die Benutzung für aufge-
klärte Optimaten.“ —Aus den Schriften von Phrai-
sophos, neuentdeckte Texte um 4100 IZ
In den nördlichen Gefilden wächst im Halbschat-
ten der dichten Wälder ein gut 2 Spann hohes
Kraut. Die Blätter sind halb so groß und herzför-
mig, wobei die Spitze nach außen zeigt. Im Bra-
jan zeigen sich am oberen Ende zwei Dutzend
mattroter Blüten. Ein Oktal später haben sich
daraus kleine, schwarze Samen gebildet. Diese
Myranor - Pflanzen in Myranor 2
sitzen an kurzen, spiralförmigen Ansätzen, die
sich wie Sprungfedern, wenn auch langsam, zu-
sammen ziehen. Nach und nach entladen sie ihre
Spannung. Dabei schleudern sie die Samen einige
Schritt weit.
Viel interessanter ist die Verwendung der schwach
süßlichen Samen zur Steigerung der animalischen
Seite des Nutzers. So erleichtert sie Verwandlun-
gen in Tiere. Daher ist es in der optimatischen
Oberschicht am ehesten als Aphrodisiakum be-
kannt. Von seinem Nutzen in magischen Dingen
wissen hauptsächlich Wolfsalben und Aldangara.
Typ: Wildpflanze/Nutzpflanze
Gebiet: Wälder nördlich von Centralis und der
großen Steppe
Verbreitung: Wald (gelegentlich), Sümpfe (sel-
ten)
Bestimmung: +6, während der Blüte im Brajan
+4
Ernte: Samen im Raia-Oktal
Grundmenge: 6 Samen pro Portion, zerstampfen
und Pulver essen
Dosis und Wirkung: Das Pulver erleichtert die
Verwandlung in Tiere, egal mittels welcher magi-
schen Quelle, um 3 Punkte. Dafür steigt zugleich
eine zur Tierart passende, schlechte Eigenschaft
– Blutdurst, Brünstigkeit, Fresssucht auf Fleisch
oder Gemüse, Landangst (bei reinen Wassertie-
ren), Sensibler Geruchssinn, Spieltrieb etc. – um
3 Punkte. Dabei steigt bevorzugt eine vorhandene
Eigenschaft. Ist keine solche vorhanden, entsteht
sie vorübergehend mit einem Wert von 2W3
Punkten. Beide Wirkungen halten 2 Stunden an.
Haltbarkeit: trocken gelagert ein gutes Jahr
Preis: 5 Argental in Winter und Frühjahr, im
Spätsommer mehr
Albensöff
Wird das Pulver der Samen in Flüssigkeit aufge-
kocht, kann die schlechte Eigenschaft bestimmt
werden. Blut führt beispielsweise zu Blutdurst,
Honig zu Lust auf Süßkram, Wein zu Brünstigkeit
etc. Die Haltbarkeit entspricht dem der Flüssig-
keit. Bei gleichzeitiger Einnahme von Laufkraut
oder Lauftrunk erleidet der Trinker nach Ende der
Wirkung 1W6 SP.
Zubereitung: Alchimie +0
Haltbarkeit: wie die Flüssigkeit
Preis: 8 Ag
Zaturaklaue
In den Tropen kann zuweilen diese räuberische
Liane gefunden werden – wenn sie nicht ihre Op-
fer zuerst aufstöbert. Mit einer Länge von einem
bis zu drei Schritt und der graubraunen Rinde,
wirkt sie auf den ersten Blick unscheinbar. Ihre
drei bis fünf schmalen Auswüchse vereinen sich
hinten, was ihr das Aussehen einer Hand verleiht.
Sie verbringt die Tage fast regungslos auf Bäumen.
Nachts aber krabbelt sie langsam über die Äste
und den Boden. Sie besitzt einen herausragenden
Geruchssinn, der Nachtsicht in nichts nachsteht,
und vermag so Gerüche und Ausdünstungen po-
tenzieller Opfer zu orten. An diese
schleicht sie sich heran. Kleine Beute, 46
 Ausgabe 4 - 2014
die höchstens halb so groß ist wie sie, erwürgen
sie, um die Körper vollständig auszusaugen. Grö-
ßere Beute wird vorsichtig angezapft und verliert
so 2W6 LeP pro Schritt Länge. Dann bildet sie am
unteren Ende eine kopfgroße Knolle, deren Vorrat
einige Tage reicht.
Einige Gelehrte vertreten die Ansicht, dass es sich
ursprünglich um Chimären aus Schlangen und
Pflanzen handelte, die von den Shindra gegen das
Imperium erschaffen und auf dem Festland ausge-
setzt wurden. Andere Theorien gehen von
Daimoniden aus Lianen und Suulunarem
aus, die den Chimärenkriegen entstammen
sollen. Gerade in Makshapuram findet diese
Version Anhänger. Jeder schätzt jedoch die
reißfesten Fasern, die sich für Seile mit guter
Qualität eignen.
Myranor - AmaGirRaos Schneefladen
Typ: Wildpflanze/Nutzpflanze **Werte gelten für ein Schritt lange Exemplare. Je
Schritt mehr steigen die Werte je um 1.
Verbreitung: Dschungel der Tropen (gelegent-
lich)
Größe: 1 bis 3 Schritt
Gewicht: 3 Stein/Schritt Länge
MU 12 IN 10 KO 18
Würgen: AT 10 TP(A) 1W6+6 DK H, ab 2
Schritt zusätzlich N, ab 3 S AmaGirRaos Schneefladen
Peitschenschlag mit Trieb*: AT 13 TP 1W6+4 von Peter Horstmann, Theresia Brasche
DK siehe Würgen
für 4 Personen
PA 6 INI 1W6+7 RS 3 WS 10
1/2 Stein Kuanua ( 500g Gehacktes)
LE 30 AU 50 GS 3 MR 6 GW 5
4 Fladen (Weizenmehl oder Maismehlfladen)
Anzahl: 1
1 Paket Varkenkäse (Feta)
Größenkategorie: mittel
1 Kerhi (Zwiebel)
Jagd: +10, Angriff
3 Zehen Knoblauch
Beute: reißfeste Fasern für Seile (roh 4 Pk, verar-
beitet 1 Ag je pro Schritt, Bonus von 3 auf Proben, Jimaucha (Myrunhaller Fluss-Salz), Piperales
da hochwertig) (Pfeffer), Thymian, Olivenöl, Pflanzenöl
Attribute: Nachtsicht (durch Geruchssinn Milch oder Sahne vom Vark, Knoblauchsoße
Fertigkeiten: Hinterhalt 8, Gezielter Angriff (3)**,
Lebensraub (3)** Sinnenschärfe (15, 3/10/10), Heute muss es etwas schneller gehen, denn gleich
Umreißen (3)**, Umschlingen (3)** kommt ein knauseriger Honorat des Hauses Alan-
Kampfweise: Versucht, sein Opfer möglichst tinos und will die Bestellung seines Imbisses im
einzeln aus dem Hinterhalt heraus anzugreifen, Winter abholen ... und das zum Tag des Shinxir
es dabei entweder umzureißen oder gleich zu um- (9. Juni)! Da keine Magie im Essen sein soll, muss-
schlingen. Sollte die Klaue mehr als 20 LeP verlie- te ich mir etwas einfallen lassen. Neben ein paar
ren, zieht sie sich zurück. Köstlichkeiten mit der weißen Version von Sumus
Leckerei (Weiße Schokolade) wird es auch meine
*Umgeht wie eine Peitsche den PA-Bonus von
geliebten Schneefladen geben.
Schilden.
Das Kuanua wird in einer Pfanne mit 47
 Ausgabe 4 - 2014
etwas Öl (Pflanzenöl mit geringem Eigenge-
schmack) angebraten, die Kerhi – fein gehackt
– hinzugegeben. Dies wird nun weiter gebraten,
bis die Kerhi-Stücke goldgelb werden. Dann wird
ein Viertelliter Milch oder Sahne ergänzt und der
Varkenkäse, ebenfalls schön zerkleinert, dazu ge-
geben. Ebenso der Thymian. Die Mischung lassen
wir kochen, bis sie ein fester Brei wird. Je nachdem
wie intensiv man den Knoblauch haben möchte,
kommt er bereits mit den Kerhi-Stücken zusam-
men (wenig Knoblauchgeschmack) oder erst mit
dem Thymian (intensiverer Geschmack) in die
Myranor - Kamaluk
Pfanne. Alternativ kann man auch eine fertige
Knoblauchsoße nutzen und dafür etwas weniger
Milch oder Sahne verwenden. Dann mit Jimaucha,
Piperales und Olivenöl abschmecken und auf die
zwischenzeitlich erhitzten Fladen geben. Durch
den geschmolzenen Varkenkäse sehen die Fladen
aus, wie eine kleine Winterlandschaft.
Kamaluk
der Gott des Kampfes und der Gerechtigkeit
aus Makshapuram
von Sebastian Schumacher
Kamaluk |Kamaluk (Makshapuram), KaMaLu
(Kamamaunir) | Gerechtigkeit, Furcht, Eide, Ent-
schlossenheit, Kampf, Kampfrausch, Treue, Wett-
kampf, Wildheit, Raubkatzen, Ziel |MU, CH,
GE, KO; alle Nahkampftalente, Athletik, Körper-
beherrschung, Selbstbeherrschung, Überzeugen,
Menschenkenntnis, Etikette, Orientierung, Sagen/
Legenden, Rechtskunde, Schätzen
Vom Wesen der Gottheit
„Warum verlangst du ein Gesetz, das jemand
schrieb, der uns nicht kannte? Bist du zu feige oder
zu faul, auf die Gerechtigkeit zu lauschen, die hier
und jetzt in deinem Herzen zu dir spricht? Du
weißt, was richtig und falsch ist, also handle danach
und frage nicht verzagt nach staubigen Texten!“ —
Frage eines Kamaluk-Priesters an seinen Klienten,
einen imperialen Fernhändler, der sich nach den
Gesetzestexten von Makshapuram erkundigt hatte.
Kamaluks Lehre von der Gerechtigkeit im Einzel-
fall ist vielen Bewohnern von Makshapuram das
Vorbild in moralischen Fragen. Sie handeln spon-
tan aus ihrer Intuition und der Bewegung ihres
Gemüts heraus und verachten vorgefertigte Kon-
zepte und vermeintlich Absolutes. Dabei vertrau-
en sie fest darauf, dass Kamaluk ihnen bei ihrer
Geburt genug moralische Urteilskraft mitgegeben
hat, in der jeweiligen Situation das Richtige zu er-
kennen. Diese Situationsabhängigkeit der Moral
ist tief in der Kultur der Makshamaunir veranlagt,
denn sie sehen das Leben als stetigen Wandel. Wie
bei einem Tanz die Bewegungen der Tänzer zum
momentanen Rhythmus passen müssen, so muss
sich auch das Handeln in diesem Moment des Le-
bens an dem Gefühl der Seele für den aktuellen
moralischen Rhythmus ausrichten. Kamaluk be-
fiehlt nicht das ein für allemal Richtige, sondern er
mutet den Gläubigen zu, selbst zu urteilen und für
ihr Urteil Verantwortung zu tragen. Er verlangt
also nichts außer einem reinen Gewissen und der
Ehrenhaftigkeit eines jeden.
Ein zentraler Begriff im Weltbild der Gläubigen
ist ‚Narka‘, was sich etwa im Wort Narkaprati
(Dämon; böses, körperloses Wesen) wiederfindet.
Narka bedeutet im engeren Sinne schwach bzw.
kraftlos. Im übertragenen Sinne ist es aber auch
ein pathetischer Ausdruck für unmoralisches Ver-
halten, vergleichbar dem, was der Begriff ‚Sünde‘
meint. In den Augen Kamaluks ist Bösartigkeit
also eine Form der seelischen Schwä-
che. Die Analogie in den Augen der 48
 Ausgabe 4 - 2014
Gläubigen ist, dass in der Tierwelt der Jaguar die
körperlich schwachen Tiere der Herde erlegt und
damit den übrigen Mitgliedern der Herde sogar
einen Gefallen tut, da sie nur so stark ist, wie ihr
schwächstes Mitglied. Ebenso verlangt Kamaluk
Jagd auf die seelisch schwachen Verbrecher, was
die Gemeinschaft stärkt. Aber wie auch der Ja-
guar nur zur eigenen Sättigung jagt, so wird auch
Kamaluk zugestanden, sich an den Schmerzen der
Verbrecher zu laben, wenn sie Strafe erdulden.
Die Bestrafung ist also stets eine Opfergabe, auch
wenn der zu Bestrafende meistens nicht dabei um-
kommt. Dass dieser Eigennutz des Gottes dem
Wohl des Ganzen dient, ist nur ein Beweis mehr
für das harmonische Zusammenspiel aller Wesen
im Kreislauf des Werdens und Vergehens. Ähn-
lich soll auch der maßvolle Eigennutz des Priesters
dem Wohl Makshapurams dienen.
Symbolik
Das übliche Symboltier des
Kamaluk ist der Jaguar, aber
auch Darstellungen von
Körperteilen wie Augen,
Pranken oder Abdrücke
sind üblich. Reale Jaguare
gelten als heilige Wesen und
Diener des Kamaluk.
Sie sollen bisweilen
auf Geheiß ihres Herren Verbrecher, die
ihre Taten nicht gesühnt haben, zur Strecke
bringen.
Jedes Kind der Muttergöttin RaDja wird
auch durch eine Art von Musikinstrument
dargestellt. Kamaluks Instrumente sind alle
metallischen Blasinstrumente, insbeson-
Myranor - Kamaluk
dere laut hallende Hörner und Posaunen.
In der Dichtkunst wird Kamaluk auch mit der
Himmelsrichtung Süden und insbesondere dem
unerbittlich heißen Südwind aus der Wüste
Nakramar (Kamaluks Hauch) in Verbindung
gebracht. In der religiösen Praxis spielt dieser Zu-
sammenhang aber keine Rolle. Wie bei den Amau-
nir üblich, existieren auch von Kamaluk unzählige
Beinamen. Besonders bekannt sind: der Hungrige
Gott, der Grimmige Reißzahn, der Alles-sehende
Richter, der Gestrenge Sohn [der Göttin RaDja]
und Seelennager.
Kamaluk wurde in der Vergangenheit fast immer
alleine dargestellt, da man ihn für einen eifersüch-
tigen Gott hält, der die Verehrung der Gläubigen
nicht teilen will. Auf neueren Abbildungen wird
Kamaluk hingegen oft begleitet von seinen Ge-
schwistern Pateshi und Aphamara. Diese beiden
flankieren ihren Bruder in Gestalt von zwei Amau-
nir, Pateshi weiß-befellt und Aphamara schwarz-
befellt und spielen auf Instrumenten – Pateshi
auf einer Flöte und Aphamara auf einer Trommel.
Kamaluk führt auf diesen Abbildungen zur Musik
seinen Tanz auf. Diese komplexe Anordnung soll
andeuten, dass Kamaluks Urteile stets zwischen
zwei Extremen, der Gnädigkeit von Pateshi und
den Rachegelüsten von Aphamara Maß halten.
Heilige Orte
Laut der Priester ist der beste Ort, um Kamaluks
Macht zu spüren, zweifellos die verfluchte Stadt
Jamowah. Niemand weiß mit Sicherheit, warum
diese Stadt vernichtet wurde, aber die Priester
des Kamaluk erzählen, ihr Gott sei vor Urzeiten
leibhaftig in den Straßen erschienen und habe die
Bewohner wegen ihrer Bosheit allesamt mit Haut
und Haaren verspeist. Nur ihrer Geister durch-
streifen in der Dunkelheit noch die Ruinen als
‚Heulende Schatten‘, verflucht jede Nacht erneut
von Kamaluk verzehrt zu werden. Kein Lebender
darf die Ruinen berühren oder sich nachts dort
aufhalten, denn das würde Kamaluk als Abspens-
tigmachen seiner Beute verstehen. Über kurz oder
lang würde auch ihn der Tod ereilen.
Verbrecher, die Angst vor Kamaluks Zorn haben
und Buße tun wollen, suchen oft das Gebirge auf,
das bei den Makshamaunir als Rücken des Kama-
luk (Kamaluks Rücken) bekannt ist. Dort leben
die ebenso heiligen wie gefährlichen Bergjaguare
und der Glaube besagt, dass ein Wanderer dort
von den Jaguaren gefressen wird, wenn sein Narka
zu schwer auf ihm lastet. Wenn er jedoch vorher
durch Selbstkasteiungen den Hunger des Kama-
luk nach seiner Seele gesättigt hat, werden ihm
die Jaguare nicht begegnen. Sollte ein Wanderer
jedoch die Jaguare treffen, diese ihn aber verscho-
nen, so gilt das als göttliches Zeichen. In diesem
besonderen Fall widmen die Pilger nach ihrer
Rückkehr ihr Leben nicht selten dem Dienst an
Kamaluk.
Im gewaltigen Wald von Amaunath, der Urhei-
mat der Amaunir, soll an einem geheimen Ort das
sog. Rattenkind verehrt werden. Laut dem Glau-
ben der Amaunir handelt es sich bei dieser Gott-
heit um den Inbegriff aller bösen Gedanken und
aller Verbrechen. Da aber niemand mit Bestimmt-
heit sagen kann, wo diese Kultstätte oder gar Stadt
liegt, pilgern besonders kühne oder besonders
unbedarfte Kamaluk-Priester in den Wald von
Amaunath, um dort den Kampf gegen
das Rattenkind aufzunehmen. Bisher 49
 Ausgabe 4 - 2014
wurde aber noch niemandem von Kamaluk die
Ehre gewährt, die Diener des Rattenkindes auf-
zuspüren. Viele kehrten aus dem Wald jedoch nie
mehr zurück und wer weiß schon, ob sie nicht im
Kampf gegen das Rattenkind ihr Leben ließen.
Der Kultus
Kamaluk wird als Sohn der RaDja von fast allen
Einwohnern Makshapurams verehrt, wobei ihm
Amaunir öfters als Garanten der Gerechtigkeit
ehren, während Menschen ihn als Gott ihrer kat-
zenartigen Herren sehen, weshalb sie ihm mehr
Furcht als Ehrfurcht entgegenbringen. Es finden
keine regelmäßigen Zeremonien zu Ehren Kama-
luks statt, auch wenn er bei Festen der RaDja stets
mit erwähnt wird. Durch sein aufbrausendes Na-
turell und seine berüchtigte Eifersucht wird er oft
sogar besonders hervorgehoben und als Zweiter
hinter seiner Mutter genannt.
Es sind es immer konkrete Anlässe, vor allem Ver-
brechen, bei denen der Gottheit alleine gedacht
wird. Jede Ansprache an Kamaluk erfolgt als lauter
Ausruf und möglichst vor Zeugen, ein stilles Ge-
bet oder eine Meditation kennt der Kult hingegen
nicht. Auch wagt es kaum ein einfacher Gläubiger,
sich persönlich an den Gott zu wenden, so wird
nur den Kamaluk-Priestern das Recht zuerkannt,
ihn anzusprechen. Zu groß ist die Angst, die
Aufmerksamkeit Kamaluks auf sich zu zie-
hen, was die eigenen Laster aufdecken wür-
de. Insbesondere Menschen werden nicht
als würdig gesehen, den Gott zu behelligen.
Sollte ein Amaun sich doch einmal mit ei-
ner Bitte an Kamaluk wenden, so ist das ein
sehr emotionaler Moment der moralischen
Entrüstung und wird stets mit einem Ver-
Myranor - Kamaluk
sprechen an den Gott verbunden. Kamaluk ist
keine Gottheit, die ihre Gunst verschenkt.
Da Kamaluk über Leben und Tod richtet, ist es
kein Wunder, dass im einfachen Volk, vor allem
bei Menschen, einige abergläubische Prakti-
ken verbreitet sind, um die Aufmerksamkeit des
Gestrengen Sohnes von den eigenen kleinen und
großen Missetaten fernzuhalten. Besonders unter
Menschen ist die Praxis üblich, ein Gefäß mit Blut
oder rohem Fleisch etwas abseits des Ortes eines
Verbrechens zu platzieren, um so den hungrigen
Gott abzulenken. Kamaluk-Priester schütteln
darüber natürlich nur den Kopf, denn erstens ist
ihr Gott nicht so leicht zu täuschen und zweitens
gilt sein Hunger den Seelen der Missetäter und
nicht derischem Fleisch, wie es bei seiner Schwes-
ter Aphamara der Fall sein mag. Üblich ist auch
die Ansicht, Lügen und Betrügereien sollten im-
mer mit dem Gesicht gen Norden ausgesprochen
werden, da Kamaluk von Süden her blickt und so
den Lügner nicht erkennen kann. Verbrecherische
Absprachen sollten wiederum am besten ohne
Worte, sondern nur durch Handzeichen gesche-
hen und zwar am besten zur Mittagsstunde, denn
dann ist Kamaluk durch die Helligkeit der Sonne
geblendet.
Die Kamaluk-Priester sind selber nicht direkt in
den Kult RaDjas involviert, sondern arbeiten als
eine Art freischaffender Richter und Vollstre-
cker mit weitreichenden Befugnissen innerhalb
der Gesellschaft von Makshapuram. Das Rechts-
system des Landes ist für imperiale Augen bizarr
und willkürlich: Die Urteile der Priester entste-
hen aus der jeweiligen individuellen Gemengelage
von schlichtem Opportunismus gegenüber der
Meinung der Mächtigen und ehrlicher Gewissens-
entscheidung. Verbindliche Codices aus Erlässen
und Gesetzen spielen dabei keine Rolle. Demnach
sind die Priester zwangsläufig sehr im Alltag und
dem Empfinden der Bewohner involviert, um die-
se eigentümliche Funktion ausfüllen zu können.
Die Priesterschaft ist kaum organisiert und außer-
halb von persönlichen Freundschaftsbanden gibt
es keine zentrale Autorität, die die Gottesdiener
für ihren Dienst entlohnt. Daher sind sie umso
versierter im Einwerben von Sympathien und vor
allem Spenden für ihren eigenen Lebensunterhalt.
Ob das durch besonders gerechte Urteile, durch
das Wirken von beeindruckenden Wundern
oder einfach durch Bestechlichkeit geschieht, ist
eine Frage des Einzelnen. Insgesamt ist jedoch in
Makshapuram der Glaube an den Zorn Kamaluks
so fest verwurzelt, dass es nur einige wenige darauf
anlegen, ihre heiligen Befugnisse vorsätzlich zu
missbrauchen oder von einem solchen Missbrauch
zu profitieren.
Außerhalb der makshapurischen Gesellschaft ste-
hen sog. Kamaluk-Wanderer, die als Missionare
ins Imperium reisen, um die Ehrfurcht vor dem
Hungrigen Gott in der Welt zu verbreiten. Bei re-
bellierenden Stammesführern und in den Armen-
vierteln der großen Städte finden sie offene Ohren.
Die Wanderer sehen ihre Aufgabe sowohl darin,
durch karmale Gaben die Macht ihres Gottes un-
ter Beweis zu stellen, als auch in der Ermahnung
zur Rechtschaffenheit, wo bisher bloß Grausam-
keit und Rachsucht herrschte. Hierbei ist ihnen
der Kampf gegen die Anhänger des Rattenkindes
ein besonderes Anliegen. In den dunklen Nischen
der imperialen Gesellschaft außerhalb von Thar-
pura repräsentieren sowohl Kamaluk
als auch das Rattenkind allerdings nur
50
 Ausgabe 4 - 2014
einen von zahlreichen Kulten, die den Unterpri-
vilegierten ein Gefühl von Bedeutung und Macht
geben. Einige Wanderer nehmen eine besondere
Rolle in Tharpura ein, die aus der Unzulänglichkeit
der dortigen Exekutive entstanden ist: Bei imperi-
alen Gerichtsverhandlungen werden zwar Urteile
von Rechtsgelehrten und Advokaten gemacht,
aber die Vollstreckung wird den Beteiligten selbst
überlassen. Wer nicht über die Mittel verfügt, sein
Recht wahrzunehmen, muss nach bezahlbaren
Vollstreckern Ausschau halten, die gleichzeitig
vertrauenswürdig und durchsetzungsstark sind.
Ein Kamaluk-Priester wird, eine entsprechende
Aufwandsentschädigung vorausgesetzt, das Urteil
gerne vollstrecken. Auf diese Weise sind Kamaluk-
Wanderer hin und wieder in Tharpura heimisch
geworden und haben ihr Amt schließlich an ihre
Nachkommen vererbt. Diese Kamaluk-Priester
der zweiten Generation haben nur noch eine lose
Verbindung zu Makshapuram, dafür aber umso
mehr Expertise mit den Feinheiten der imperialen
Gesellschaft und vor allem des imperialen Rechts.
Kamaluk als solcher genießt in Tharpura selbst
keine offizielle Verehrung, auch nicht unter den
dortigen Amaunir, da seine Aspekte inzwischen
von den Göttern der Oktade abgedeckt werden.
Der Kamaluk-Priester als Spieler-
Charakter
Der Kamaluk-Priester ist ein gut funktio-
nierender Spieler-Charakter in den aller-
meisten Abenteuern: Da er keiner festen
Organisation angehört, ist er niemandem
Rechenschaft schuldig, wenn er auf lange
Reisen zieht. Im Gegenteil gehört es für jun-
ge Kamaluk-Priester sogar zum guten Ton,
Myranor - Kamaluk
den eigenen Mut in haarsträubenden Abenteuern,
den sog. heiligen Jagden auf alle Arten von Übel-
tätern, zu beweisen, um später in der Heimat die
nötige Reputation als furchtloser Held zu haben.
Der typische Kamaluk-Priester wird also stets be-
reit sein, Gefahren und Beschwernisse auf sich zu
nehmen, auch wenn keine großzügige Belohnung
in Aussicht steht und auch wenn es ihn weit aus
seiner Heimat Makshapuram hinausführt. Nur
offensichtlich verwerfliche Aufträge, die seinem
persönlichen Gerechtigkeitsempfinden wider-
sprechen, wird er ablehnen. Stattdessen wird er
sich voller heiligem Zorn gegen diejenigen wen-
den, die solche Untaten im Schilde führen. Die
Aufgabe, als freischaffender Rechtsvollstrecker
im Imperium zu wirken, bietet auch Gelegenheit
für verschiedenartige Abenteuer, gerade wenn der
Charakter nicht so stark in Makshapuram verwur-
zelt sein soll.
Der Kamaluk-Priester ist farbig und charakter-
voll zu spielen: Spieler, die Lust haben, einen pa-
thetischen und gleichzeitig grimmigen Helden zu
spielen, der mit geschwellter Brust und mit dem
Willen der Götter auf seiner Seite dem Bösen die
Stirn bietet, liegen mit dem Kamaluk-Priester
goldrichtig. Da er aber gleichzeitig im sozialen
Umgang und dem Fällen von maßvollen (!) Urtei-
len bewandert ist, stellt er aber mehr dar, als einen
geistlosen ‚Haudrauf ‘, der nach dem Gesetz des
Stärkeren lebt. Er kann also auch in Anwesenheit
eines Optimaten und unter Gelehrten eine gute
Figur machen, auch wenn er immer ein Mann
(oder eine Frau) der Tat bleiben wird und von sich
aus nicht zum abstrakten Denken neigt. Nur eines
wird der Kamaluk-Priester nicht akzeptieren: Sich
anderen zu unterwerfen, die seinen Respekt nicht
verdient haben. Er wird auch seine Prinzipien von
Gerechtigkeit nicht verraten oder es zumindest
niemals zugeben. Für faule Kompromisse ist er
nicht zu haben.
Der Kamaluk-Priester bietet verschiedene An-
sätze: Da der Kult des Kamaluk wenige inhaltli-
che Vorschriften macht, sondern auf die Urteils-
kraft des Einzelnen setzt, sind Kamaluk-Priester
Individualisten: Wenn der Charakter zu Beginn
schon sehr von sich und seiner göttlichen Auto-
rität überzeugt ist, wird er im Laufe seiner Aben-
teurerlaufbahn lernen müssen, dass nicht nur seine
persönliche Sicht der Dinge maßgeblich ist und es
oft zwei Seiten einer Medaille gibt. Falls er jedoch
anfangs noch unsicher auftritt und das Gefühl
hat, noch nicht würdig zu sein, vielleicht sogar
anfällig zu sein, für die Versuchungen der Macht,
kann er später gerade deshalb zu eben jenem ge-
rechten Krieger werden, der er immer sein wollte,
weil er eben nicht in Selbstgerechtigkeit verfällt.
Wenn der Priester ein eher ausgeglichenes Gemüt
hat, wird er neben dem Kampf auch scharfsinni-
ge Nachforschungen anstellen, um die Wahrheit
aufzudecken. Wenn er ein hohes Charisma be-
sitzt, kann er auch klangvolle Worte finden, um
die Herzen seiner Zuhörer zur Wahrhaftigkeit zu
bewegen. Kulturell bedingt sind alle Priester ei-
ner Gottheit aus dem Pantheon der RaDja in den
schönen Künsten, insbesondere dem Tanz und der
Musik bewandert. Ein paar Kamaluk-Priester be-
tonen dieses kulturelle Erbe so sehr, dass sie sich
einen Ruf erarbeitet haben als Sänger und Dichter
von moralisierenden Epen, die sie als ihren Beitrag
zu verschiedenen Priester-Duellen dargeboten
haben. Natürlich kann kein einzelner
Priester alle diese Aspekte abdecken, 51
 Ausgabe 4 - 2014
aber jeder individuelle Charakter kann mit Hil-
fe einzelner solcher Elemente abgerundet wer-
den und zu mehr werden als nur einem heiligen
Kämpfer.
Der Kamaluk-Priester ist eine Bereicherung in
vielen Heldengruppen: Sein moralischer An-
spruch macht ihn zu einem perfekten Anführer
und seine Kampfkraft zu einer praktischen Hilfe
bei allen Arten von Kampf. Eventuell sind seine
karmalen Kräfte eine weitere Bereicherung: Kama-
luk-Priester erbitten von Kamaluk vor allem, ihre
eigene Fähigkeiten zu stärken, ebenso wie die ihrer
Gefährten. Nicht wenige stärken auch die heilige
Furcht vor der Gottheit in den Herzen ihrer Fein-
de. Dies gilt insbesondere, wenn die Gruppe aus
sehr unterschiedlichen Völkern zusammengesetzt
ist, schließlich beurteilt Kamaluk jedes Wesen
nach seinen Handlungen und seiner Gesinnung.
Wer sich rechtschaffen verhält, der wird auch ak-
zeptiert, woher er auch stammen mag. Da er kei-
ne exzentrische Philosophie vertritt oder Gebote
predigt, die anderen unverständlich oder untrag-
bar erscheinen, kann er in solchen Fällen einen
gemeinsamen Nenner für die Werte der Gruppe
schaffen. Da er Eide und Versprechen für heilig
hält, werden die anderen Gruppenmitglieder in
ihm einen machtvollen und vor allem verlässlichen
Gefährten haben. Vorsicht ist jedoch geboten bei
ähnlich dominanten Charakteren, wie etwa
vielen Optimaten. Wer sich von Haus aus
als Anführer sieht, wird es schwer haben die
individualistischen Kamaluk-Priester neben
sich zu dulden und umgekehrt.
Recht und Gesetz in Makschapuram
Der Kamaluk-Priester in Werten
Rasse: Amaunir
Kultur: Höfisch, Städtisch (in der Regel Maksha-
puram, teilweise Tharpura, selten andere imperiale
Horasiate)
Profession: Tempelwächter/Kampfpriester, teil-
weise Wanderpriester
Empfohlene Vor-/Nachteile: Ausdauernd, Empa-
thie, Guter Ruf, Kampfrausch, Karmatiker (IV bis
VI selten), Verbindungen, Wohlklang, Arroganz,
Blutrausch, Einbildungen, Eitelkeit, Gerechtig-
keitswahn, Moralkodex, Streitsucht
Unpassende Vor-/Nachteile: Feenfreund, Ko-
boldfreund, Autoritätsgläubig, Behäbig, Festge-
fügtes Denken, Fettleibig, Schlechter Ruf, Skla-
venmentalität, Stigma, Stubenhocker, Tollpatsch,
Verpflichtungen
Empfohlene Sonderfertigkeiten: Ortskennt-
nis, Aura der Heiligkeit, Göttliche Anrufungen
[Göttliches Prinzip stärken], Göttliche Anrufun-
gen [Göttliche Beseelung rufen], Karmale Ein-
stimmung, Liturgiekenntnis [Kamaluk]
Recht und Gesetz in Makshapuram
von Sebastian Schumacher
Kamaluk-Priester als Rechtssprecher: Maksha-
puram ist nicht das Imperium und selten zeigt sich
das deutlicher als in der Vorstellung von Recht
und Rechtsprechung. Während im Imperium
nüchterne Gesetzestexte und klug argumentie-
rende Advokaten über Urteile entscheiden, liegt
die Rechtsprechung bei den Makshamaunir allein
in den Händen der Kamaluk-Priester und ihrer
Willkür. Obwohl es allgemeine Gewohnheiten
gibt, philosophische Mediationen über Gut und
Böse und auch vage Vorstellungen von der Schwe-
re bestimmter Verbrechen, können und wollen die
Priester auf keinen Kanon an Gesetzen zurück-
greifen, sondern sind in ihrem Urteil nur ihrem
eigenen Empfinden und natürlich dem mutmaßli-
chen Willen ihrer Gottheit verantwortlich.
Die Priester haben die Autorität über jeden Fall
zu entscheiden, der an sie herangetragen wird oder
dessen sie sich aus eigenem Antrieb heraus anneh-
men. Dabei ist es ihnen überlassen, wie gründlich
sie sich mit dem Fall auseinander setzten, bevor sei
urteilen. Ein Urteil ist gültig, sobald es vor Zeu-
gen und unter Anrufung des Kamaluk laut und
deutlich ausgesprochen wurde. Eine Anwesen-
heit oder auch nur die Kenntnisnahme seitens des
Verurteilten ist nicht nötig und so ereilt viele Ver-
urteilte ihre Strafe, ohne dass sie je erfuhren, aus
welchem Anlass. Der Verurteilte wird sich hüten,
zu widersprechen, wenn er erfährt, dass er das Ziel
eines Kamaluk-Priesters war, denn es gilt selbst-
verständlich als Frevel, die Urteile der
Priester anzuzweifeln oder auch nur 52
 Ausgabe 4 - 2014
die Vollziehung der Strafe zu behindern. In beiden
Fällen steht den Priestern jedes Mittel ihrer Wahl
zur Verfügung, die Ehre ihres Gottes zu vertei-
digen. Überraschenderweise ist dieses sehr freie
System der beinahe unumschränkten Macht der
Kamaluk-Priester aber weit davon entfernt, eine
Willkürherrschaft der Priester darzustellen. Die
Priester sind nämlich nicht Teil einer umfassenden
machtbewussten Organisation, sondern stehen
sogar in Konkurrenz zueinander. Abgesehen von
informellen Freundschafts- und Verwandschafts-
bindungen ist jeder Priester nur seiner Gottheit
gegenüber Rechenschaft schuldig und empfängt
weder Befehle noch regelmäßigen Sold von einem
Kirchenoberhaupt. Das bedeutet in der Praxis,
dass die Priester auf die Spenden und damit auch
das Wohlwollen des Volkes angewiesen sind. Soll-
ten die Urteile eines Kamaluk-Priesters in den Au-
gen der Bürger als ungerecht, grausam oder auch
als zu nachsichtig erscheinen, wird er in Ungnade
fallen und im schlimmsten Fall seinen Lebens-
unterhalt nicht mehr bestreiten können. Anders
herum können Priester durch Wohlgefallen beim
Volk oder bei einflussreichen Gruppen natürlich
auch zu Berühmtheit und Reichtum gelangen.
Maßstäbe für einen erfolgreichen Kamaluk-Pries-
ter sind daher die Kenntnisse von althergebrach-
ten Gewohnheiten, nach denen die Bevölkerung
bzw. meinungsmachende Kreise die Dinge
bewerten. Daneben muss er von außeror-
dentlichem Charisma sein, damit er das
Volk für sich einnehmen kann und er muss
selbstverständlich auch Kampfkraft haben,
damit er in Priester-Duellen und bei den
sog. heiligen Jagden seinen Ruhm vermeh-
ren kann.
Recht und Gesetz in Makschapuram
Rechtsstreite als Duelle der Priester: In Rechts-
streitigkeiten sind meist zwei Kamaluk-Priester
beteiligt, wovon jeder als Verteidiger einer der
beiden Parteien auftritt, entweder weil ihn die Ar-
gumente dieser Seite überzeugt haben oder weil
genügend Geld von Seiten dieser Partei geflossen
ist. Dass sich zwei Priester in ihrem Urteil unter-
scheiden, wird nicht als Unglück oder Irritation
gesehen. Kamaluk ist auch ein Gott des Kampfes
und der Konflikt zwischen zwei Priestern, die
für ihre jeweilige Auffassung des Rechts strei-
ten, ist ehrenhaft und eines Geweihten würdig.
Die Kämpfe zwischen den beiden Verteidigern
haben einen öffentlichen Charakter. Fester Be-
standteil ist der Brauch, beide Priester möglichst
bewegende Geschehnisse aus der Sagenwelt der
Makshamaunir zitieren zu lassen, die als Präze-
denzfälle für den aktuellen Fall dienen sollen. Bei
diesen Darbietungen zählt die Kunstfertigkeit in
Gesang und Tanz mindestens so viel wie die in-
haltliche Nachvollziehbarkeit und der klare Bezug
den Segen Kamaluks und genießt ein höheres An-
zum Fall. Auch rituelle Mutproben und sportliche
sehen. Am Ende der oft spektakulär inszenierten
Wettkämpfe zählen zu den üblichen Disziplinen
Wettkämpfe liegt es an den beiden Priestern sich
im Rechtsstreit und sollen die Ehrenhaftigkeit der
selbst als Sieger oder Besiegten zu bestimmen. In
beiden Interessensvertreter unter Beweis stellen.
aller Regel hat das Publikum inzwischen einen der
Besonders beliebt beim Publikum ist natürlich
beiden zum Favoriten erkoren und der Unbelieb-
der Zweikampf, bei dem die beiden Priester direkt
tere tut gut daran, seinem Ruf nicht noch mehr zu
miteinander kämpfen. Die Schwere des Anliegens
schaden, sondern als fairer Verlierer seinen Kon-
bestimmt dabei die Ernsthaftigkeit des Kampfes.
trahenten zu beglückwünschen.
Bei einem kleinen Diebstahl oder einer leichten
Verletzung nimmt das Duell die Form eines harm- In besonders wichtigen Angelegenheiten von all-
losen, wenn auch anstrengenden Ringkampfes gemeinem Interesse, d. h. wenn durch Beteiligung
an. Bei Mord hingegen wird meist mit scharfen einflussreicher Personen die öffentliche Friede
Waffen gekämpft und in solchen Fällen sind auch gefährdet ist, kann der Radjar persönlich bestim-
schon Tote bei den Duellen zu beklagen gewesen. men, neben den beiden Kamaluk-
Wer sich hier besser bewährt, hat offensichtlich Priestern auch noch einen Guru, also
53
 Ausgabe 4 - 2014
einen erfahrenen Zauberkundigen aus der Tradi-
tion der Sadhaka, hinzuzuziehen. Die Sadhaka
stellen asketische Außenseiter in der Gesellschaft
Makshapurams dar, deren Urteil aber manchmal
gerade aufgrund ihrer Distanz zum politischen
Geschäft geschätzt wird. Als Weisheitslehrer ge-
nießen sie Ansehen, empfinden es allerdings als
unwürdig, sich in die Streitigkeiten anderer ein-
zumischen. Ihr Effekt bei einem Priesterduell ist
subtil, aber entscheidend: Ein Guru wird sich be-
mühen, möglichst ausgeglichen und wohlwollend
über die beiden Kontrahenten zu sprechen und
sich nicht festlegen zu lassen. Am Ende wird er
es durch kluge Worte erreichen, dass beide Pries-
ter sich als Sieger fühlen können und sich auf ein
Unentschieden einigen. Im Anschluss regelt der
Radjar die Angelegenheit unter Ausschluss der
Öffentlichkeit und ohne Gesichtsverlust für die
beiden Parteien.
Strafmaß und Strafvollstreckung: Wenn ein
Priester entweder eigenmächtig oder als Sieger ei-
nes Duells, über Schuld oder Unschuld entschei-
den darf, legt er auch das Strafmaß fest und voll-
streckt das Urteil auch umgehend. Grundsätzlich
ist er frei in der Bestimmung der Härte der Strafe,
aber jeder Priester, der noch bei Verstand ist, wird
sich hüten, die Grenzen des ungeschriebe-
nen Gefühls von Maß und Zahl zu missach-
ten. Gefängnisstrafen sind sehr selten und
bedeuten dann auch bewachten Hausarrest.
Körperliche Züchtigungen oder finanzielle
Wiedergutmachungen sind hingegen die
üblichen Strafmaßnahmen und auch die
Todesstrafe wird immer wieder vollstreckt.
Da es bei den Amaunir Sitte ist, die Toten
Recht und Gesetz in Makschapuram
rituell zu verzehren, gilt dies auch für verurteilte
Straftäter. Die Zuteilung der Portionen erfolgt
durch den Priester nach eigenem Ermessen. Es ist
allerdings üblich, die delikatesten Stücke als Op-
fergabe zu verbrennen, um dadurch Kamaluk sei-
nen Dank für die erfolgreiche Bestrafung zukom-
men zu lassen. Allein die Leber eines Verbrechers
wird weggeworfen, da sich nach der Vorstellung
der Amaunir dort die krankhaften Säfte angerei-
chert haben, die ein ruchloser Missetäter zwang-
läufig haben wird.
Heilige Jagden: Eine besonders ehrenvolle Auf-
gabe ist die Vollstreckung eines Urteils, wenn
der Schuldige sich der Strafe zu entziehen ver-
sucht, indem er entweder flieht, sich gewaltsam
zur Wehr setzt oder ohnehin an einem anderen
Ort weilt, und vom Urteil noch nichts weiß. Ein
Kamaluk-Priester ist verpflichtet, ein einmal ge-
sprochenes Urteil persönlich zu vollstrecken und
er wird nicht eher ruhen, bis er den Schuldigen
gestellt hat. Dies führt einen Kamaluk-Priester
oft auf abenteuerliche Reisen, auf denen er seine
Entschlossenheit und seine Kampfkraft beweisen
kann. Die Makshamaunir nennen solche recht-
schaffene Questen ‚heilige Jagden‘. Jeder Priester
sollte in seiner Jugend mindestens eine solche Jagd
erfolgreich beendet haben, aber die neugierige und
freiheitliche Mentalität der Amaunir führt dazu,
dass die meisten Priester, gerade wenn sie noch
jung sind, Gelegenheiten suchen, zu reisen und
finstere Schurken in fernen Ländern abzuurteilen.
Sie erkundigen sich sogar nach Nachrichten aus
anderen Regionen, um von möglichst furchterre-
genden Übeltätern zu erfahren, gegen die sie auf
Pantherjagd gehen können.
In der Regel gibt es auch Gefährten des Pries-
ters, die gemeinsam mit ihm auf eine heilige Jagd
gehen: Wohlhabende oder gut vernetzte Priester
lassen sich mindestens von einem Heiler (oft gar
einem zauberkundigen Makshamanten), einem
Wildniskenner und/oder einem Übersetzer be-
gleiten, die durch heilige Eide an ihn gebunden
sind. Ob die Gefährten Amaunir oder Menschen
sind, spielt da keine Rolle, solange sie sich bewäh-
ren. Vor allem sollen sie aber später auch als Zeu-
gen auftreten und die Heldentaten ihres Herren
bestätigen. Aber auch auf dem Weg lassen sich die
Priester von anderen helfen und begleiten, solange
sie immer die Entscheidungsgewalt behalten und
sich nicht unterordnen müssen. Dass zwei oder
mehr Kamaluk-Priester gemeinsam eine heilige
Jagd veranstalten, ist hingegen selten und eigent-
lich nur denkbar, wenn es sich bei ihnen um Ge-
schwister handelt.
Schutzbefohlene: Einige Kamaluk-Priester su-
chen sich unter ihren Gläubigen Schutzbefohle-
ne, denen sie langfristig, teilweise ein Leben lang,
dabei helfen, ihre Rechte durchzusetzen, indem
sie sie in den Sitten beraten, Rechtsstreite für sie
übernehmen und ihnen als Leibwächter dienen.
Ähnlich wie beim Erlassen eines Urteils, wird das
Versprechen zum Schutz gegenüber Zeugen und
vor den Augen der Gottheit ausgesprochen. Oft
sind diese Schutzbefohlene reiche Bürger oder
Adelige, die älteren und des Kämpfens müden
Kamaluk-Priestern ein regelmäßiges Einkommen
und einen gesetzteren Lebenswandel bieten kön-
nen.
54
 Ausgabe 4 - 2014
Errata für die Spielhilfe ‚Myranische Magie‘
von Fabian Talkenberg
[Anm. Red.] Im Folgenden sind die Errata zur
Publikation Myranische Magie von 2009 aufgelistet.
Dies soll den Besitzern der Erstausgabe als Hilfe dienen.
Der in der erratierten und erweiterten Neuauflage von
2014 erhaltene Anhang wird in der Sonderausgabe zu
Myranor zum Jahreswechsel folgen.
S. 9, Der Limbus: Beim Aufenthalt im Limbus gelten
die im Anhang befindlichen Regeln.
S. 11, Regeltechnische Auswirkungen von Zaubern:
Die Auswirkungen aller Quellen werden durch die im
Anhang befindlichen ersetzt.
S. 13, Feenwesen: Die Quelle wird gestrichen.
S. 15, Elementare Reinheit im Überblick: Beim
Element Eis sind die Kältestufen besonders unedel
(Leichte Kühle, mehr als 10 °C), unedel (Kühl bis kalt,
10 bis -10 °C), gemindert (Frostig bis eisig, -10 bis -35
°C), rein (Firunsfrostig, -35 bis -50 °C), konzentriert
(Grimmfrost, -50 bis -100 °C), edel (Namenlose Kälte,
-100 bis -150 °C) und besonders edel (Niederhöllische
Kälte, kälter als -150 °C).
S. 15, Temperaturschäden: Die Tabelle wird durch
jene im Anhang ersetzt.
S. 19, Regeltechnische Auswirkungen von
stellaren Essenzen: Bei der Quelle Kreativität
wird die Ausnahme für Alchemie gestrichen.
S. 24, Regeltechnische Auswirkungen von
dämonischen Essenzzaubern: Bei der Quelle
Abgrund sind Arroganz, Autoritätsgläubig,
Neid, Sklavenmentalität, MU, CH, Überreden
Myranor - Errata 'Myranische Magie'
und Überzeugen aufzuführen.
S. 25, Die Kunst der Beschwörung: Anstatt
festen Vorgaben bezüglich Zauberdauer, Anzahl,
Erscheinungsort und Erscheinungsdauer zu folgen,
greifen Zauber zur Wesenbeschwörung auf die auf S. 30
zu findenden Randparameter der Essenzbeschwörung
zurück. Das Zielobjekt beschreibt in diesem Fall
die Anzahl der gleichzeitig beschworenen Wesen,
wobei für die Beschwörung von mehr als einem
Wesen die SF Massenbeschwörung benötigt wird. Die
Reichweite bestimmt den maximalen Abstand vom
Beschwörer, in dem das Wesen erscheinen kann. Die
Anrufungsschwierigkeit bestimmt sich aus der Wahl
der Randparameter, modifiziert durch den bei jedem
Wesen angegebenen Anrufungsmodifikator, der die
bisherige Anrufungsschwierigkeit ersetzt. Basiszeit,
Kosten und Struktur sind dem im Anhang zu
findenden Dienst Wesenbeschwörung zu entnehmen.
S. 25, Übersicht über die bekannten
Beschwörungszauber und zugehörige Quellen: Die
Tabelle wird gestrichen, da mit allen Quellen sowohl
Essenz- als auch Wesenbeschwörungen möglich sind.
Unmöglich ist lediglich eine Wesenbeschwörung mit
den Quellen Kraft und Zeit.
S. 25, Die Eigenschaften der Beschwörungszauber:
Proben der Quelle Zeit werden auf MU/KL/IN
abgelegt.
S. 25, Die Komplexität der Beschwörungszauber:
Die Lernschwierigkeit kann auch durch
die SF Sphärenkenntnis verändert werden.
Essenzbeschwörungen der Quellen Eskates und Zeit
werden nach Spalte E gesteigert.
S. 26, Der Ablauf und drei Beispiele: Der Abschnitt
wird gestrichen.
S. 26, Die Anrufungsschwierigkeit und die
Verwendung von Formeln: Bei formellen
Beschwörungen ist es nicht notwendig, weitere SF wie
Instruktion oder Kombinationszauberei zu besitzen.
S. 29, Die fünf Randparameter der Anrufung: Dem
Zauberer steht bereit bei einer INI von weniger als 8
nur eine Aktion pro KR zur Verfügung. Unter Objekte
fallen auch Punkte im Raum und magische Effekte.
Zonen können an ein bewegliches Ziel oder an einen
stationären Ort gebunden werden. Zusammenhängte
Gegenstände wie Mechaniken oder Rüstungsteile
zählen als einzelnes Objekt, ebenso große Massen
kleinteiliger Gegenstände wie Münzen, Nahrung oder
Sand. Soll mehr als ein Wesen gleichzeitig beschworen
werden, ist die SF Massenbeschwörung erforderlich.
Das Ziel muss sich lediglich in der letzten Aktion
der Zauberdauer innerhalb der Reichweite befinden.
Ist dies nicht der Fall, scheitert der Zauber. Da die
gleichzeitige Durchführung mehrerer Aktionen
unmöglich ist, können folgerichtig im Kampf keine
Zauber der Reichweite Berührung gewirkt werden,
solange das Ziel nicht bereits festgehalten wird
oder der Zauberer über die SF Aufladung verfügt.
Die freiwillige Aufhebung eines Zaubers noch vor
Ende der Wirkungsdauer ist nur bei Besitz der SF
Zauberkontrolle möglich.
S. 30, Dienste und Kosten: Soll eine geringere
Wirkung als die eigentlich übliche erzielt werden,
sinken die Kosten im gleichen Maße. Soll beispielsweise
ein Wert statt um ZfP* Punkte lediglich um ZfP*/2
Punkte erhöht werden, muss auch nur die Hälfte der
AsP aufgebracht werden. Dies ist nur möglich, wenn
die entsprechende Wirkung in vollem Maße über den
Effekt des Zaubers bestimmt. Durch Veränderung
von Wirkungsdauer oder Gewicht können die Kosten
niemals unter 1 AsP fallen.
S. 30, Tabelle zur Berechnung der
Anrufungsschwierigkeit: Es können keine Effekte
erzielt werden, deren Randparameter über jene in
der Tabelle hinausgehen, solange nicht
explizit etwas anderes angegeben ist.
55
 Ausgabe 4 - 2014
S. 33, Liste der Instruktionen: Die Instruktionen
werden komplett durch die im Anhang aufgeführten
ersetzt.
S. 40, Formeln in Theorie und Praxis: Alle Formeln
können nur in Kombination mit dem dazugehörigen
Zauber eingesetzt werden.
S. 40, Das Niederlegen von Formeln: Das Ablegen
einer Handwerks-Probe zum Niederlegen einer
Formel nimmt 1 Zeiteinheit in Anspruch.
S. 40, Bekannte Formeln der Essensbeschwörung:
Die bisherige Formelliste wurde aufgrund der
zahlreichen Änderungen am Regelwerk einer zu
großen Überarbeitung unterworfen, um sie an
dieser Stelle aufführen zu können. Zudem wurden
zur gleichmäßigeren Verteilung der Formeln auf
die einzelnen Quellen diverse Einträge gestrichen,
verschoben oder hinzugefügt. Sämtliche hier
aufgeführten Formeln finden sich ebenso wie
zahlreiche weitere im Band Myranische Formeln.
S. 61, Die Kontrolle über das Wesen: Der Abschnitt
wird durch den im Anhang zu findenden Dienst
Wesenbeschwörung ersetzt.
S. 62, Bannung beschworener Wesen: Der Abschnitt
wird durch den im Anhang zu findenden Dienst
Wesenbeschwörung ersetzt.
S. 63, Dienste beschworener Wesen: Die Dienste
werden komplett durch die im Anhang aufgeführten
ersetzt. Die Dienste Gefolgschaft, Lastentransport
und Manifestation werden gestrichen. Der
Dienst Kollektivsinn wird in Kommunikation
umbenannt, der Dienst Mimikry in Verhüllung.
Die ZfP* betragen 7 (Geist), 14 (Genius) bzw. 21
(Archon), wenn nicht etwas anderes angegeben
ist. Sind die Eigenschaftswerte eines Wesens
von Relevanz, so betragen diese 7 (Geist),
14 (Genius) bzw. 21 (Archon) Punkte. Auch
hierbei kann es im Falle einzelner Wesen jedoch
Myranor - Errata 'Myranische Magie'
zu Abweichungen kommen. Zeit- und Mengenskala
entsprechen jener der Essenzbeschwörung. Für im
Rahmen eines Dienstes aufzubringende pAsP kommt
der Beschwörer auf. Die Basiskosten der Dämonen
werden gestrichen. Eine Kombination von Diensten
ist bei allen Wesen möglich.
S. 67, Eigenschaften beschworener Wesen: Die
Eigenschaften werden in Attribute umbenannt. Die
Zuordnungen Ch, Go und Un werden gestrichen. Es
wird die Zuordnung Z für Zauberer hinzugefügt, die das
Attribut mittels der Instruktion Beseelung des Körpers
verschaffen können. Attribute können mit Hilfe von
ZfP* hinzugekauft werden, wenn der Beschwörer über
die SF Wesenformer verfügt. Die Kostenausnahme für
das Attribut Zusätzliche Kampfaktion entfällt. Werden
mehrere Wesen gleichzeitig beschworen, müssen die
ZfP* auf diese aufgeteilt werden. Es werden die im
Anhang befindlichen Attribute hinzugefügt.
S.67, Besonderer Angriff: Die besonderen
Angriffsmanöver sind Anspringen, Gezielter Angriff,
Hinterhalt, Niederwerfen, Sturmangriff, Sturzflug,
Trampeln, Überrennen, Umreißen, Umschlingen
und Verbeißen, wie sie in MyMo S. 10 beschrieben
werden.
S. 67, Blick in fremde Welten: Das Attribut steht
Naturwesen nicht offen.
S. 67, Durch [Element] gehen: G wird durch T
ersetzt.
S. 68, Empfindlichkeit: Der Eintrag wird durch den
im Anhang befindlichen ersetzt.
S. 68, Existenz: Das Attribut wird gestrichen.
S. 68, Fluch: Strafen der Icemna wird durch Strafrituale
ersetzt.
S. 68, Folgeschaden: Es wird die Zuordnung Z
hinzugefügt. Gift führt nicht zu Folgeschaden,
stattdessen wird es über das gleichnamige Attribut
abgebildet. Die Kosten betragen 2 Punkte.
S. 68, Formlosigkeit I: Es wird die Zuordnung Z
hinzugefügt.
S. 68, Gebunden: Das Attribut wird in Gefesselt
umbenannt. Es steht Naturwesen nicht offen.
S. 68, Gegenstände beleben: Die Belebung erfolgt
analog zur herausfordernden Verwendung der
Instruktion Objektbewegung. An die Stelle der ZfP*
tritt der TaW Telekinese.
S. 68, Geistermanifestation: Das Attribut steht auch
Naturwesen offen.
S. 69, Infektion: Der Eintrag wird durch den im
Anhang befindlichen Eintrag Krankheitsüberträger
ersetzt.
S. 69, Lebensraub: Der Eintrag wird durch den im
Anhang befindlichen ersetzt.
S. 69, Lebenssinn: Das Attribut wird gestrichen.
Wesen, die es bislang automatisch erhielten, erhalten
stattdessen das Attribut Dunkelsicht.
S. 69, Lichtscheu/Lichtempfindlich: Der Eintrag
wird gestrichen, die Auswirkungen gehen in
Empfindlichkeit gegen [Umstand] auf.
S. 70, Präsenz: Bei Dämonen muss das Attribut
Existenz nicht vorhanden sein.
S. 70, Raserei: Der Eintrag wird durch den im Anhang
befindlichen ersetzt.
S. 70, Regeneration: Zusätzlich zur Regeneration
von Lebensenergie schließt sich pro 7 gleichzeitig auf
diesem Wege zurückgewonnener LeP eine eventuell
aufgetretene Wunde. Es kommt zu keiner Regeneration
von Schaden, gegen den das Wesen Verwundbar ist.
S. 70, Resistenz / Immunität [Zaubergattung]:
Es wird die Zuordnung Z hinzugefügt.
Handelt es sich um einen Flächeneffekt, 56
 Ausgabe 4 - 2014
fällt keine Erschwernis an, jedoch werden die ZfP*
für das Wesen um die MR gesenkt. Fallen sie auf 0,
erleidet es keine Auswirkungen.
S. 70, Resistenz / Immunität [Schadensquelle]:
Der Eintrag wird durch den im Anhang befindlichen
ersetzt.
S. 71, Schaden auf belebte Materie: Die AT beträgt
7/14/21, solange nichts anderes angegeben ist, und es
kann ein Angriff pro KR ausgeführt werden. Attacken
dieser Art können nicht pariert werde, sind aber um
die MR des Gegners erschwert. Die Kosten betragen
9.
S. 71, Schaden auf unbelebte Materie: Die AT beträgt
7/14/21, solange nichts anderes angegeben ist, und es
kann ein Angriff pro KR ausgeführt werden. Attacken
gegen von Wesen besessene Objekte sind um die MR
des Wesens erschwert. Die Kosten betragen 9.
S. 71, Schreckgestalt: Sind mehrere Wesen mit diesem
Attribut anwesend, muss lediglich eine Probe mit der
höchsten Erschwernis abgelegt werden. Die MU-
Probe bei Schreckgestalt II ist ebenso erschwert, muss
aber nur bei dem Versuch einer Nahkampfattacke
abgelegt werden. Misslingt sie, verliert das Opfer eine
Aktion.
S. 71, Suche nach dem Unbekannten: Das Attribut
wird gestrichen.
S. 71, Tor in andere Welten: Das Attribut wird
gestrichen.
S. 71, Verwundbarkeit: Der Eintrag wird durch
den im Anhang befindlichen ersetzt.
S. 72, Wasserwesen: Der Eintrag wird
durch den im Anhang befindlichen Eintrag
Unterwasserwesen ersetzt.
S. 72, Zusätzliche Aktionen: Der Eintrag wird
durch den im Anhang befindlichen Eintrag
Zusätzliche Kampfaktion ersetzt.
Myranor - Errata 'Myranische Magie'
S. 72, Die Werte beschworener Wesen: Der
Anrufungsmodifikator der einzelnen Wesen entspricht
der bisherigen Anrufungsschwierigkeit, jedoch werden
bei Geistern 5 Punkte subtrahiert, bei Genien 8 und
bei Archonten 11.
S. 73, Elementare: Bei den automatischen
Diensten werden Schutz vor Quelle, Wache, Warte
und Zurückschicken ergänzt. Der Dienst Zauber
wird in Zauber (außer Geister) geändert. Bei den
Sonderdiensten werden Warte und Zurückschicken
gestrichen. Statt Beseelung durch Quelle muss es
Beseelung der Umwelt heißen.
S. 75-76, Elementarwesen: Bei den Varianten Cherub
des Genius der Erzes, Undine des Genius des Wassers
und Salamander des Genius des Feuers wird Wunsch
durch Bitte ersetzt. Bei der Variante Salamander des
Genius des Feuers wird zudem Beherrschung durch
Befehl ersetzt.
S. 78, Tiergeister: Bei den automatischen Diensten
werden Bereitstellung besonderer Fähigkeiten und
Zurückschicken ergänzt, bei den Sonderdiensten
werden Warten und Zurückschicken gestrichen sowie
Spionage ergänzt. Bei den Talenten wird Tiergestalt
5/10/15 (Geister/Genien/Archonten) hinzugefügt
und Kontrolle über Tiere der eigenen Art gestrichen.
Bei den verleihbaren Attributen sind Folgeschaden,
Gift und Rudel zu ergänzen. Der restliche Abschnitt
wird ersetzt durch: Für jedes myranische Tier existiert
eine Sorte von Tiergeistern. Sie verfügen über die Werte
typischer Vertreter ihrer Art und werden je nach Größe
als Geister, Genien oder Archonten betrachtet. Ein Geist
ist dabei ein Wesen der Größenklasse winzig oder sehr
klein, ein Genius ein Wesen der Größenklasse klein oder
mittel und ein Archon ein Wesen der Größenklasse groß
oder sehr groß. Schwärme winziger Wesen können je
nach Anzahl als einzelner Geist, Genius oder Archon
behandelt werden. Alle Sorten von Tiergeistern sind als
solche zu erkennen, da sie zwar die Form ihrer Tierart
aufweisen, jedoch leicht transparent sind.
S. 79, Einige Beispiele von Tiergeistern: Bei der
Grubenotter wird Folgeschaden (Gift) durch Gift
(Lähmung 5) ersetzt.
S. 80, Totenwesen: Bei den automatischen Diensten
werden Bereitstellung besonderer Fähigkeiten,
Bewegung (außer Geister), Bindung, Stilllegung,
Temporäre Leihgabe, Warte und Zurückschicken
ergänzt. Bei den Sonderdiensten werden Bereitstellung
von Attributen sowie Zurückschicken gestrichen und
Beratung ergänzt. Bei den verleihbaren Attributen
kommt Geistermanifestation hinzu.
S. 81, Phantom: Die Werte eines Wiederbeseelten
entsprechen denjenigen des alten Körpers zu seinen
besten Zeiten, also vor eventuellen Krankheiten oder
Alterserscheinungen. Zusätzlich erhält er einen Bonus
in Höhe von je 3 Punkten auf KO und KK. Der Körper
eines Wiederbeseelten besitzt keine Resistenzen oder
Immunitäten, dafür jedoch die Attribute Lebensraub
I und Leichte Empfindlichkeit gegen Sonnenlicht.
Außerdem verliert es jeden Tag bei Sonnenaufgang
1W6 LeP.
S. 81, Poltergeist: Bei den besonderen Attributen
wird Körperlosigkeit II wird ergänzt.
S.83, Stellare Wesen: Bei den automatischen Diensten
werden Suche, Warte sowie Zurückschicken ergänzt,
bei den Sonderdiensten Warte und Zurückschicken
gestrichen. Bei den automatischen Attributen werden
Immunitäten gegen Gifte und Krankheiten hinzugefügt,
bei den verleihbaren Attributen Geistermanifestation
und Tore in andere Welten. Statt Beseelung durch
Quelle muss es Beseelung des Geistes heißen.
S.83, Dämonen: Bei den automatischen Diensten
werden Warte und Zurückschicken ergänzt, bei
den Sonderdiensten werden sie gestrichen. Die
unterschiedliche Empfindlichkeit gegen geweihte
Objekte wird ersetzt durch Mittlere
Empfindlichkeit gegen karmales Wirken
und Schwere Empfindlichkeit gegen 57
 Ausgabe 4 - 2014
entgegengesetztes karmales Wirken. Eine Schreckgestalt
kommt nur dann zum Tragen, wenn das entsprechende
Wesen dieses Attribut besitzt. Außerdem werden die
im Anhang befindlichen Wesen Gra-Khal, Iphas und
Maruk-Methai hinzugefügt.
S. 85, Daggo: Folgeschaden (Gift) wird durch Gift
(Schaden 2) ersetzt.
S. 88, Suulonar: Es wird das Attribut Körperlich Hilfe
(KK 200) hinzugefügt.
S. 88, Aketun: Lichtempfindlich wird durch Mittlere
Empfindlichkeit gegen Sonnenlicht ersetzt.
S. 98, Hyabarash: Es wird das Attribut Bindung
hinzugefügt.
S. 90, Uchdar, Naggarach-Archon: Ergänz werden
Maul: DK H, AT 17, TP 2W6+5 und Pranken: DK
NSP, AT 18, TP 1W6+6.
S. 93, Aventurische Dämonen in Myranor: Die
Tabelle wird gestrichen.
S. 94, Zusätzliche Quellen: Der Abschnitt wird
gestrichen.
S. 95, Verbesserung beschworener Wesen: Der
Abschnitt wird in die Grundregeln überführt.
S. 96, Magieresistenz von Gegenständen, Artefakten
und Pflanzen: Der Abschnitt wird gestrichen.
S. 96, Verwendung der Zf P*: Der Abschnitt wird
gestrichen und durch den im Anhang befindlichen
ersetzt.
S. 96, Modifikationen für die Kontrollprobe:
Im dritten Satz wird das Wort Anrufungsprobe
durch Kontrollprobe ersetzt.
S. 97, Dauer des Dienstes: Der Abschnitt wird
gestrichen.
S. 97, Dienstanzahl für externe Wesen: Der
Abschnitt wird gestrichen.
Myranor - Errata 'Myranische Magie'
S. 97, Mehrere Dienste gleichzeitig: Der Abschnitt
wird durch folgenden ersetzt: „Es ist möglich,
eine Essenz oder ein Wesen zur gleichzeitigen
Erfüllung mehrerer Dienste zu bewegen. Dazu
müssen alle Randparameter identisch sein, wobei
die Wirkungsdauer augenblicklich mit jeder anderen
kombiniert werden kann. Die Struktur entspricht der
höchsten Einzelstruktur plus Anzahl der Dienste, die
Kosten entsprechen der Summe aller Dienstkosten.
Es muss nur eine Kontrollprobe abgelegt werden,
die jedoch zusätzlich um die Anzahl der Dienste
erschwert ist. Im Falle der Essenzbeschwörung ist eine
gleichzeitige Diensterteilung nur bei Besitz der SF
Kombinationszauberei möglich.“.
S. 98, Gleichzeitige Beschwörung mehrerer Wesen:
Der Abschnitt wird gestrichen.
S. 98, Großbeschwörung: Sämtliche
Großbeschwörungen sind ausschließlich in der
Formalzauberei möglich und verwenden einen
Zauberdauer-Modifikator von +0. Je nach Tradition
kann statt Malen/Zeichnen auch ein anderes Talent
zur Anwendung kommen. Der letzte Satz wird
gestrichen.
S. 98, Beschwörerzirkel: Ein Zauberer kann nur dann
Teil des Zirkels werden, wenn er sich nicht weiter 1
Schritt vom nächsten Gruppenmitglied aufhält.
Eventuell anfallende pAsP müssen vom Zirkelleiter
aufgebracht werden.
S. 99, Der Befehl: Der erste, vierte und fünfte
Punkt wird gestrichen. Im Falle einer misslungenen
Kontrollprobe sind lediglich die halben Dienstkosten
zu entrichten.
S. 100, Die Bitte: Der dritte Punkt wird gestrichen,
ebenso wie der Kasten Bitte und Astralenergie.
S. 100, Bewegliche Zonen: Der Abschnitt wird
gestrichen.
S. 100, Die Reichweite Horizont: Bei
Wesenbeschwörungen ist die Zielgröße stets sehr
groß.
S. 101, Die Reichweite Außer Sicht: Soll nicht ein
bestimmtes, sondern ein beliebiges Wesen verzaubert
werden, genügt die stoffliche Komponente eines
beliebigen Wesens der gleichen Art als körperliche
Verbindung aus. Dies gilt beispielsweise im Falle einer
Kommunikation mit dem am nächsten befindlichen
Leonir innerhalb der Reichweite.
S. 102, Die Zauberdauer der Wesenbeschwörungen:
Der Abschnitt wird gestrichen.
S. 102, Wirkungsdauer von Inspirationen: Der
Abschnitt wird gestrichen.
S. 102, Nachteile und Leihgaben: Bei Besessenheit
durch Dämonen erleidet der Besessene lediglich pro
vollen Tag 1 Punkt Verfall, bei Kenntnis der SF Höhere
Bindung Dämonen sogar nur pro voller None. Kommt
es zu einem nicht abgewendeten Patzer und gelingt
die Probe auf den Willenskraftswert, hält die Kontrolle
über den Körper für 1 SR pro unterwürfeltem Punkt
an. Das Auswerfen dauert 1 Aktion. Leihgaben und
Nachteile werden gestrichen. Stattdessen erleidet
jeder Inspirierte eine oder mehrere der Negativen
Auswirkungen der jeweiligen Quelle nach Wahl des
Spielleiters im Wert von 2/4/8 Punkten. Werden
sie in Generierungspunkten gemessen, entspricht
jeder Punkt 3 GP. Pro 3 ZfP* vermag der Zauberer
die Negativen Auswirkungen um 1 Punkt zu senken.
Alternativ kann er pro 3 ZfP* eine oder mehrere der
Positiven Auswirkungen der jeweiligen Quelle im Wert
von 1/2/4 Punkten auswählen.
S. 103, Leihgaben von Wesen: Die Leihgabe Gift
verleiht dem Biss des Besessenen nicht die 3/6/9
KR andauernden Auswirkungen des Attributs
Folgeschaden (Gift), sondern die den üblichen
Zeitraum andauernden Auswirkungen
des Attributs Gift (Schaden 2/4/6).
58
 Ausgabe 4 - 2014
S. 104, Tiergeister: Der Vorteil Tierfreund verschafft
eine Erleichterung in Höhe von 3 Punkten auf alle
Proben zur Kontrolle von Tiergeistern.
S. 109, Ritualzauberei: Es werden die im
Anhang befindlichen Bogenzauber der Wolfalben
hinzugefügt.
S. 110, Rituale der verschiedenen magischen
Traditionen: Der Einfachheit halber werden meist
elementare oder stellare Quellen angegeben, jedoch
ist für die meisten Rituale auch eine dämonische
Variante bekannt.
S. 110, Fehlende Quellen bei Ritualzauberei:
Bannklinge: Zauberei; Bannfokus: Zauberei, gewählte
Quelle; Bindung des Stabes: Zauberei; Dienstfokus:
Zauberei; Entwässerung: Wasser; Geistesband:
Erkenntnis; Hammer des Magus: Kraft; Resistenz:
Zauberei; Seil des Adepten: Zauberei, Humus; Seil des
Magus: Humus, Zauberei; Spontanfokus: Zauberei;
Welle des Elements: nach Quelle; Wesensspeicher:
Zauberei; Zauberparade: Kraft, Zauberei; Bindung
der Triopta: Zauberei, die gewählte Quelle;
Zauberspeicher I/II: Zauberei; Astralspeicher II/III:
Kraft, Zauberei; Bindung des Speeres: Zauberei; Dinge
aufspüren: Erkenntnis; Erster unter Gleichen: Erfolg;
Ungesehener Beobachter: Erkenntnis; Wachsame
Augen: Erfolg; Zwiegespräch: Erkenntnis
S. 111, Bann- und Schutzkreise: Der Begriff Merkmale
wird durch Quellen ersetzt. Die Voraussetzung der
Bann- und Schutzkreise gegen beschwörbare Wesen
wird gestrichen. Die Komplexität von Bann-
und Schutzkreisen gegen natürliche Lebewesen
beträgt stets 4, jene von Bann- und Schutzkreisen
gegen erschaffene Kreaturen stets 7.
S. 112, Modifikationsglyphen: Das Bemalen
von Wesen dauert 1 SR.
Myranor - Errata 'Myranische Magie'
S. 114, Astral-/Lebensraubs: Die Kosten betragen 4
AsP, die Wirkungsdauer ist augenblicklich (n).
S. 114, Bindung des Stabes: Unter den üblichen
Auswirkungen sind die Unzerbrechlichkeit des
Artefakts und die Möglichkeit zur Aufnahme weiterer
Rituale zu verstehen. Für Vergrößerung des Volumens
müssen pro Punkt 3 pAsP investiert werden.
S. 115, Elementarklinge: Das Element Kraft kann
nicht gewählt werden.
S. 116, Geistesband: Jede Aktivierung kostet 2 AsP
und erfordert eine gelungene Probe auf KL/IN/IN.
Die Wirkungsdauer ist augenblicklich (n).
S. 117, Schild vor [Umstand]: Bei den wählbaren
Wesen werden Konstrukte gestrichen und Golems,
Stellare sowie Tiergeister hinzugefügt.
S. 119, Welle des [Elements]: Die Reichweite der
Welle beträgt RkP*/3 Schritt, die Erschwernis der
Aktivierungsprobe +5.
S. 123, Strafende Zauber: Die Verankerung eines
Strafzaubers im Zauberspeicher erfordert keine
vorherige Benennung des Opfers.
S. 125, Besondere Kampfregeln: Die Einträge werden
durch die im Anhang befindlichen ersetzt.
S. 126, Gefährte in neuer Gestalt: Diese
Vertrautenmagie steht auch Wolfalbenvertrauten
offen.
S. 127, Tarnung: Die Stärke der Tarnung entspricht
7+RkP*/2 Punkten.
S. 128, Wirkung des Ritualplatzes: Der fünfte und
der achte Punkt werden gestrichen. Die Kosten von
Wesenbeschwörungen sinken lediglich um die halbe
Stufe. Bei Großbeschwörungen steigen die Zf W
lediglich um die halbe Stufe. Die Regeneration von AsP
steigt lediglich um die halbe Stufe. Der Platz verschafft
einen positiven Ortsmodifikator in Höhe seiner Stufe.
S. 129, Fetische: Der Abschnitt wird gestrichen.
Fetische werden stattdessen im Band Myranisches
Zauberwerk behandelt.
S. 130, Kleiner Exorzismus: Statt Beseelung durch
Quelle muss es Beseelung des Geistes heißen.
S. 131, Probe und Gegenprobe: Es ist auch möglich,
einem Opfer die Strafe direkt entgegenzuwerfen. In
diesem Falle dauert der Vorgang nur 4 Aktionen,
kostet aber das Doppelte der angegebenen AsP und
erschwert die Eigenschaftsprobe lediglich um die
halben RkP*.
S. 133, Geballte Kraft: Die Wirkungsdauer ist
permanent. Das Ritual erhöht das Volumen des
Instruments um 1 Punkt. Harmonie wird als Quelle
gestrichen.
S. 138, Der Schutzgeist: Der Schutzgeist kann nur
dann aktiviert werden, wenn noch mindestens 1 AsP
vorhanden ist.
S. 144, Zaubern in der Traumwelt: In einer Traumwelt
kann ohne Einschränkungen gezaubert werden.
S. 147, Magische Vorteile: Es werden die im Anhang
befindlichen Einträge hinzugefügt.
S. 147, Aurakonjunktion: Der Vorteil kann auch für
Naturwesen erworben werden.
S. 147, Begabung für [Sphäre / Kategorie / Quelle]:
Bei der Auflistung der Sphären sind jene der Natur
und der Toten hinzuzufügen.
S. 148, Natürliche Zauberwirkung: Die Kosten
betragen 2 GP für jede Quelle (Startwert: 3) und 1 GP
je 10 Formelpunkte. Instruktionssonderfertigkeiten
sind für natürliche Zauber nicht nötig.
S. 149, Nachteile: Es werden die im Anhang
befindlichen Einträge hinzugefügt.
S. 150, Unfähigkeit für [Sphäre /
59
Kategorie / Quelle]: Bei der Auflistung
 Ausgabe 4 - 2014
der Sphären sind jene der Natur, der Toten und der
Zeit hinzuzufügen.
S. 150, Liste der Sonderfertigkeiten: Es werden die
im Anhang befindlichen Einträge hinzugefügt.
S. 150, Automatische Mitverwandlung: Die
Sonderfertigkeit ist auch von Viertelzauberern
erlernbar, wenn diese den Vorteil Wolfskind besitzen.
S. 152, Instruktion (Dienst): Ergänzt werden
Beseelung der Umwelt (6), Beseelung des Geistes (6),
Beseelung des Körpers (6), Beseelung des Objekts (6),
Kommunikation (4) und Transport an einen Ort
(Instruktion Transport durch Element, 4). Gestrichen
werden Dämonische Manifestation und Wahnsinn.
Die Instruktion Heilung/Wiederherstellung wird
umbenannt in Heilung, Kontrolle über [Wesen] in
Kontrolle über Wesen.
S. 155, Traumgänger: Auch Karmatikern ist es
erlaubt, diese Sonderfertigkeit zu erwerben.
S. 156, Kulturen und Professionen: Die Professionen
werden durch jene aus Wege nach Myranor ersetzt.
S. 157, Kulturvariante Optimat: Die GP-Kosten des
Hauses Partholon betragen 4, des Hauses Phraisopos
6, des Hauses Quoran 5, des Hauses Tharamnos 4 und
der entmachteten Häuser 4.
S. 177, Magische Traditionen: Der von einer
Repräsentation gewährte Bonus auf die ZfP* gilt nur
dann, wenn der entsprechende Zauber auch ohne ihn
gelungen wäre.
S. 182, Das Spezialwissen des Hauses
Alantinos: Statt der bisher unter Spezial
aufgeführten Wirkung sind Zauber der
Influxion Kontrolle über Gefühle um 10%
vergünstigt, kosten aber weiterhin mindestens
1 AsP.
S. 184, Das Spezialwissen des Hauses
Aphirdanos: Statt der bisher unter Spezial
Myranor - Errata 'Myranische Magie'
aufgeführten Wirkung sind Zauber der Instruktion welche die Instruktion Analyse oder Metamagie
Antimagie oder Bann der Quelle um 10% vergünstigt, verwenden, automatisch 3 ZfP* zusätzlich, solange sie
kosten aber weiterhin mindestens 1 AsP. auch ohne diese gelungen wären. Statt der bisher unter
Spezial aufgeführten Wirkung sind Zauber der Quelle
S. 185, Das Spezialwissen des Hauses Ennandu:
Kraft um 10% vergünstigt, kosten aber weiterhin
Statt Beseelung durch die Quelle muss es Beseelung des
mindestens 1 AsP.
Geistes heißen.
S. 196, Das Spezialwissen des Hauses Charybalis:
S. 186, Das Haus Icemna im Überblick: Unter den
Statt der bisher unter Spezial aufgeführten Wirkung
üblichen Ausbildungen sind Elementarist, Priester
sind Zauber der Quelle Galkuzul, die im oder auf
sowie Zauberpriesterin: nur Humus zu streichen und
dem Wasser ausgeführt werden, um 10% vergünstigt,
Elementarzauberer und Zauberpriester hinzuzufügen.
kosten aber weiterhin mindestens 1 AsP.
S. 189, Das Spezialwissen des Hauses Kouramnion:
S. 189, Das Spezialwissen des Hauses Chrysotheos:
Statt der bisher unter Spezial aufgeführten Wirkung
Statt der bisher unter Spezial aufgeführten
sind Zauber der Instruktion Kontrolle über Element
Wirkung wird bei Zaubern der Quelle Abgrund,
um 10% vergünstigt, kosten aber weiterhin mindestens
die der Beschwörung von Wesen dienen, der
1 AsP.
Anrufungsmodifikator halbiert.
S. 189, Das Spezialwissen des Hauses Onachos:
S. 189, Das Spezialwissen des Hauses Melarythor:
Der Bonus auf Zauber der Quelle Totenwesen beträgt
Statt der bisher unter Spezial aufgeführten Wirkung
lediglich 3 ZfP*.
wird der von einer misslungenen Beschwörung
S. 191, Die Zauberer des Hauses Partholon im verursachter Schaden oder Verfall halbiert.
Spiel: Die Stäbe des Hauses Partholon verfügen zwar
S. 197, Das Spezialwissen der Alshinjira: Statt der
über die Kampfwerte kurzer Stäbe, gelten jedoch in
bisher unter Spezial aufgeführten Wirkung sind
magischer Hinsicht als solche von normaler Länge.
Zauber der Instruktion Kontrolle über Element um
S. 192, Das Spezialwissen des Hauses Phraisopos: 10% vergünstigt, kosten aber weiterhin mindestens 1
Statt Beseelung muss es Beseelung des Körpers heißen. AsP.
Statt der bisher unter Spezial aufgeführten Wirkung
S. 197, Das Spezialwissen der Makshamantim: Statt
sind Zauber der Influxion Chimärenerschaffung um
der bisher unter Spezial aufgeführten Wirkung sind
10% vergünstigt, kosten aber weiterhin mindestens 1
Zauber der Instruktion Heilung um 10% vergünstigt,
AsP.
kosten aber weiterhin mindestens 1 AsP.
S. 182, Das Spezialwissen des Hauses Rhidaman:
S. 199, Die Sadhaka im Überblick: Unter den
Statt der bisher unter Spezial aufgeführten Wirkung
üblichen Ausbildungen ist Mystiker zu streichen und
sind Zauber der Influxion Kontrolle über Gefühle um
Zauberpriester hinzuzufügen.
10% vergünstigt, kosten aber weiterhin mindestens 1
AsP. S. 197, Das Spezialwissen der Runenmeister: Der
Abschnitt Lange Runenbindung wird gestrichen.
S. 195, Das Spezialwissen des Hauses Tharamnos:
Statt der bisher unter Bonus aufgeführten Wirkung
erzielen Zauber der Quelle Kraft oder Zauberei, 60
 Ausgabe 4 - 2014
S. 202, Der myranische Animismus: Es werden die
im Anhang befindlichen Einträge hinzugefügt.
S. 204, Die Sibyllen im Überblick: Unter den
üblichen Ausbildungen sind Beschwörer sowie Priester
zu streichen und Wesenbeschwörer sowie Zauberpriester
hinzuzufügen.
S. 204, Die Repräsentation der Sibyllen: Statt
der bisher unter dem dritten Punkt aufgeführten
Wirkung haben Zauber der stellaren Quellen und der
Quelle Totenwesen, welche für eine Inspiration genutzt
werden, die doppelte Wirkungsdauer.
S. 208, Die Sherkumar im Überblick: Unter den
üblichen Ausbildungen sind Medium, Tierflüsterer
sowie Wassersucher zu streichen und ist Tierzauberer
hinzuzufügen.
S. 208, Die Repräsentation der Sherkumar: Statt
der bisher unter dem zweiten Punkt aufgeführten
Wirkung erzielen Zauber der Quelle Tiergeister oder
Totenwesen automatisch 3 ZfP* zusätzlich, solange sie
auch ohne diese gelungen wären. Außerdem haben
Zauber dieser Quellen, welche für eine Inspiration
genutzt werden, die doppelte Wirkungsdauer.
S. 209, Die Repräsentation der Aygon: Statt der
bisher unter dem dritten Punkt aufgeführten Wirkung
sind Zauber, die mehrere Wesen betreffen, um 10%
vergünstigt, kosten aber weiterhin mindestens 1 AsP.
S. 210, BaLoa: Unter den üblichen Ausbildungen
sind Arkaner Händler/Diplomat, Arkaner Künstler,
Bewegungsmagier, Elementarzauberer, Exorzist,
Heiler, Hellseher/Analytiker, Magischer Dieb
und Verwandlungszauberer hinzuzufügen.
S. 211, Die Repräsentation der BaLoa:
Statt der bisher unter dem zweiten Punkt
aufgeführten Wirkung haben Zauber der
Quelle Humus, Luft oder Wasser, welche für
eine Inspiration genutzt werden, die doppelte
Wirkungsdauer.
Myranor - Errata 'Myranische Magie'
S. 216, Die Animisten der Ashariel im Überblick:
Unter den üblichen Ausbildungen ist Mystiker zu
streichen und Zauberpriester hinzuzufügen.
S, 217, Die Shanwada im Überblick: Unter den
üblichen Ausbildungen ist Priester zu streichen und
Zauberpriester hinzuzufügen.
S. 217, Die Repräsentation der Shanwada: Es muss
nicht gesungen, sondern eine Geste ausgeführt werden.
Statt der bisher unter dem zweiten Punkt aufgeführten
Wirkung erzielen Zauber der Instruktion Illusion oder
Verhüllung automatisch 3 ZfP* zusätzlich, solange sie
auch ohne diese gelungen wären.
S. 218, Die Magie der maritimen Rassen: Das
Zeitalter der maritimen Rassen war nicht das achte,
sondern das neunte.
S. 218, Die Wogenformer und Wellenkinder im
Überblick: Unter den üblichen Ausbildungen
sind Elementarist sowie Priester zu streichen
und Elementarzauberer sowie Zauberpriester
hinzuzufügen.
S. 208, Die Biagha im Überblick: Unter den üblichen
Ausbildungen sind Priester sowie Tierbeherrscher
zu streichen und Tierzauberer sowie Zauberpriester
hinzuzufügen.
S. 216, Die Repräsentation der Windflüsterer: Statt
der bisher unter dem zweiten Punkt aufgeführten
Wirkung erzielen Zauber der Quelle Freiheit oder
Luft automatisch 3 ZfP* zusätzlich, solange sie auch
ohne diese gelungen wären. Außerdem haben Zauber
dieser Quellen, welche für eine Inspiration genutzt
werden, die doppelte Wirkungsdauer.
S. 208, Die Repräsentation der Thulna‘il: Statt der
bisher unter dem vierten Punkt aufgeführten Wirkung
erzielen Zauber der Instruktion Heilung, Reinigung
oder Infektion automatisch 3 ZfP* zusätzlich, solange
sie auch ohne diese gelungen wären.
S. 221, Die Satudure im Überblick: Unter
den üblichen Ausbildungen sind Priester sowie
Tierbeherrscher zu streichen und Tierzauberer sowie
Zauberpriester hinzuzufügen. Hilfsfertigkeiten sind
Musizieren, Singen und Tanzen.
S. 222, Die satyarische Repräsentation: Statt der
bisher unter dem zweiten, dritten und vierten Punkt
aufgeführten Wirkungen erzielen Zauber der Quelle
Begierde und Humus automatisch 3 ZfP* zusätzlich,
solange sie auch ohne diese gelungen wären. Außerdem
sind Zauber dieser Quellen um 10% vergünstigt, kosten
aber weiterhin mindestens 1 AsP. Darüber hinaus ist
das Wirken von Magie in satyarische Repräsentation
in großem Maße von den vorherrschenden Emotionen
abhängig. Sind diese besonders ausprägt, erzielen alle
Zauber automatisch bis zu 3 ZfP* zusätzlich, solange
sie auch ohne diese gelungen wären. Ist der Satudur
dagegen niedergeschlagen oder steht er sogar unter
dem Einfluss gefühlsdämpfender Drogen, erhält er
eine Erschwernis von bis zu 3 Punkten. Es handelt
sich um eine intuitive Repräsentation (Leiteigenschaft
IN).
S. 223, Die Shindramatha im Überblick: Unter den
üblichen Ausbildungen ist Tierbeherrscher zu streichen
und Tierzauberer hinzuzufügen. Hilfsfertigkeiten
sind Rechnen und Sternkunde.
S. 223, Die Repräsentation der Shindramatha:
Statt der bisher unter dem dritten und vierten Punkt
aufgeführten Wirkungen erzielen Zauber, welche
der Beschwörung schlangenartiger Wesen dienen,
automatisch 3 ZfP* zusätzlich, solange sie auch ohne
diese gelungen wären. Außerdem sind Zauber dieser
Art um 10% vergünstigt, kosten aber weiterhin
mindestens 1 AsP.
S. 224, Die Zaubertänzer im Überblick:
Hilfsfertigkeiten sind Musizieren und Tanzen.
S. 225, Die Repräsentation der
Zaubertänzer: Der dritte Punkt wird 61
 Ausgabe 4 - 2014
gestrichen. Zauber der Quelle Begierde oder Harmonie
erzielen automatisch 3 ZfP* zusätzlich, solange sie
auch ohne diese gelungen wären. Als Inspiration ist die
Beschwörung von Wesen in der zaubertänzerischen
Repräsentation möglich.
S. 227, Die natürliche Repräsentation: Werden
neue Repräsentationen erlernt, können diese normal
genutzt werden, die Einschränkungen für die
natürliche Repräsentation bleiben jedoch erhalten.
S. 230, Alantinos: Statt Beseelung muss es Beseelung
des Geistes heißen.
S. 230, Aldangara: Statt Beseelung muss es Beseelung
der Umwelt heißen.
S. 230, Ennandu: Statt Beseelung muss es Beseelung
des Geistes heißen.
S. 230, Illacrion: Statt Beseelung muss es Beseelung des
Geistes heißen.
S. 230, Onachos: Statt Beseelung muss es Beseelung
des Geistes heißen.
S. 230, Partholon: Statt Beseelung muss es Beseelung
des Körpers heißen.
S. 230, Phraisopos: Statt Beseelung muss es Beseelung
des Körpers heißen.
S. 231, Quoran: Statt Beseelung muss es Beseelung des
Objekts heißen.
S. 231, Rhidaman: Statt Beseelung muss es Beseelung
des Geistes heißen.
S. 231, Tharamnos: Statt Beseelung muss es
Beseelung des Geistes heißen.
S. 232, Celiu-Brajanos: Statt Beseelung muss es
Beseelung des Geistes heißen.
S. 232, Icemna: Statt Beseelung muss es
Beseelung der Umwelt heißen.
Myranor - Errata 'Myranische Magie'
S. 232, Magische Wesenheiten: Der Abschnitt wird
gestrichen. Chimären, Golems und Untote werden
im Band Myranisches Zauberwerk behandelt, die
Ergänzungen zu Wiederbeseelten werden zu der
Beschreibung der Totenwesen verschoben und die
Regeln zu Ghulen und Rabiaren gehen im neuen
Kapitel Magischen Krankheiten auf, das die im Anhang
befindlichen Einträge enthält. Magische Krankheiten
können lediglich auf übernatürlichem Wege geheilt
werden, vor allem also mit der Instruktion Infektion
und entsprechendem karmalen Wirken.
S. 236, Magische Phänomene: Die folgenden
Abschnitte werden eingefügt. Es werden die im
Anhang befindlichen Einträge hinzugefügt.
S. 236, Kraftlinien: Beim Spiel mit Kraftlinien sind
die im Anhang befindlichen Besonderheiten zu
beachten.
S. 238, Die Spielwerte eines Totengeistes: Wird der
Held als mächtiger Zauberer zum Totenarchon, kann
er weiterhin normal zaubern.
S. 239, Geistermanifestation: Proben auf diese Gabe
werden auf MU/IN/CH gewürfelt.
S. 239, Lebenssinn: Die Geisterkraft wird in
Dunkelsicht umbenannt.
S. 242, Das Erlernen myranischer Zauber für
Aventurier: Die Aktivierung einer Essenzbeschwörung
des Feuers kostet 40 AP.
S. 245, Die Konvertierung eines Magiers: Der
Abschnitt wird gestrichen.
62
 Ausgabe 4 - 2014 Von der Dunkelzeit in der Hohlwelt

Von der Dunkelzeit in der Hohlwelt Regen, der in der Nacht die Erde durchgeweicht und die göttliche Kraft der Sonne (…).
hat, in der zunehmenden Hitze des Tages verdampft Was aber war dann vorher, vor allen Tagen und
von Arne Gniech
und sich in den Lüften zu Wolken ballt, die in der nach dem zerborstenem Unlicht? Nichts anderes
Kühle des abnehmenden Lichts wieder ihren Regen als endlose Dunkelheit, Lähmung und Erstarrung
»Bevor die Sonne von den Göttern erschaffen wurde,
schenken. Ohne das Licht der Sonne erstarrt der – und die Elemente, die gebändigten Urkräfte
herrschte Dunkelheit in Tharun – darauf weisen
Daseinskreis der ewigen Abfolge von Leben und der Welt, standen still. Keine Wärme, keine
manche Legenden hin, die die Höchsten der Azarai
Tod, den die Götter behüten und weisen und den, Nässe, keine Winde und kein Wuchs – sondern
hüten und die auch die Kundigsten unseres Ordens
wie die Azarai der Spendenden lehren, Nanurta ein die ganze Welt umfassender Stillstand, eine
nicht einsehen dürfen. Sofern sie sich überhaupt über
leibhaftig verkörpert, seit sie der Unversöhnliche allumfassende Kälte, kein Leben und kein Tod. Ist
das Geschehen vor dem Licht Sindayrus äußern, die
aus dem Gebein der Welt zog. Nanurtas Erhebung dieses erstarrende Dunkel, diese lichtlose Kälte also
doch der Anfang aller Tage war, sprechen sie davon,
jedoch war am Anfang aller Tage, als auch die ein Widersacher der Elemente, ein Feind von Leben
dass vorher nichts war außer Dunkelheit und Kälte,
Sonne erschaffen wurde, und erst mit ihr begannen und Tod – und daher die Nacht, die unablässig die
Schwärze und Starre, Leere und Stille. Denn ohne
Blühen und Welken, Wehen und Wogen, Weißglut Tage voneinander scheidet und doch nur durch sie
Sindayrus Licht war nach ihren Worten noch gar
und Abendbläue, Asche und Quell. (…) begrenzt wird, eine dauernde Mahnung? (…)
keine Zeit, sondern nur vor allen Tagen. (…)
Nanurtas Werke entstehen aus der Kraft der Und gibt es nicht in manchen Gegenden tiefste
Andererseits wissen wir auch von heiligen Schriften,
vier Elemente, die Erde, Wasser, Feuer und Luft Spalten, in denen kein Licht der Sonne dringt,
nach denen Arkan’Zin jene frevelhafte Laterne zum
heißen, und nur im Licht der Sonne können sich die sondern immer Nacht herrscht, in denen es so kalt
Verlöschen brachte, deren Bruchstücke mit Magie
Elemente entfalten, wie an den Kreaturen an jedem ist, dass Wasser nicht fließt, Feuer nicht wärmt,
erfüllt sind, und damit die Welt ins Dunkel tauchte
neuen Tag zu erkennen ist und wie auch die Völker Erde verhärtet ist und Luft unbewegt? Dort finden
– es muss also eine Zeit dazwischen gegeben haben,
Tharuns wissen, denen nur die Stunden des Tages wir eine farblose Kälte, die kein Element ist, sondern
in denen Tharun ohne Licht war, ehe Sindayru
zustehen, nicht aber die Nacht. Hat aber der stetige, ihr Gefängnis – und im Angesicht des Sonnenlichts
und die anderen Götter sich ihrer annahmen und
endlose und ewige Wechsel aus Tag und Nacht verschwindet es und wird triefend, dampfend,
ihr die heutige Gestalt gaben. Nur die Sonne ist es,
getilgt, was vor allen Tagen war? Oder spüren wir rieselnd, brodelnd zu Wasser, Luft, Erde und Feuer,
die der Welt Wärme und Leben spendet, denn die
in den Schwarzen Stunden einen Hauch der Kälte den Elementen unserer Welt. So werden wir des
Nächte sind stets kalt, während die Tage bis zu den
und des Stille, die die ganze Welt umfasste, ehe die gewaltigen Wunders ansichtig, mit dem die Götter
Mittagstunden stets immer heißer werden, jeden
Götter sich ihrer erbarmten? (…) am Anfang aller Tage Tharun befreiten und uns
Tag aufs Neue seit dem Anfang aller Tage. (…)
Wie also war die Gestalt der Welt vor allen Leben und Tod schenkten.
Nur die Sonne stiftet den Lebenskreis, wenn der
Tagen, wenn kein Licht sie erhellte? Herrschte —Vor allen Tagen, Auszug aus den geheimen
dort Lichtlosigkeit wie in einer ewigen Nacht, Aufzeichnungen des tharunischen Runenherren-
einer immerwährenden Dunkelheit, die nicht Ordens Bund der Elemente
einem neuen Morgen wich, sondern die Welt und
alles was in ihr war gefangen hielt? Dann muss es
wahrhaft entsetzlich kalt gewesen sein ohne den
Sonnenwechsel, der das tägliche Zusammenspiel der
Elemente noch nicht in Gang gesetzt hatte. Denn erst
das Licht offenbarte die wahre Natur der Elemente 63
 Ausgabe 4 - 2014 Tharun: Auf Eis gelegt

Auf Eis gelegt

von Dennis Maciuszek

Eine in Tharun gestrandete Heldengruppe steht

schnell vor dem Problem, nicht in die rigiden
Gesellschaftsstrukturen der Hohlwelt zu passen.
Besonders eine schwertschwingende Kämpferin ist in
den meisten tharunischen Reichen undenkbar. Das
Szenario, das auch im Anschluss an Aus anderem
Holz geschnitzt (Uhrwerk! Ausgabe 3) gespielt
werden kann, verhilft einer um ihre Profession
gebrachten aventurischen oder myranischen Heldin
– zumindest vorübergehend – zu einem Status als
Schwertmeisterin. Mit einigen Anpassungen kann
dies auch ein männlicher Krieger sein, der als Nicht-
Guerai ebenfalls keine Waffe führen darf, die mehr
als ein Werkzeug darstellt.

Vorgeschichte
Nicht genug, dass die Helden in Tharun gestrandet
sind und noch immer keinen Rückweg nach
Aventurien bzw. Myranor gefunden haben – nun
hat der örtliche Zinakai (Richter) ein Urteil über
die bisher nur geduldeten Fremden gesprochen.
Sie haben widerrechtlich Waffen getragen, diese
eventuell sogar gegen einen Tharuner erhoben,
und das Schlimmste: Die Kämpferin
unter den Helden wird beschuldigt,
sich als Guerai (Schwertmeister oder
Schwertmeister-Anwärter) ausgegeben zu
haben. Als Frau! Welch Frevel gegen Shin-
Xirit, Gott des Schwertes und des Kampfes.
Die Helden wurden – notfalls mit Gewalt –
gezwungen, ihre Waffen abzugeben, um mit
dem nächsten Schiff auf Nimmerwiedersehen das Im Gegensatz zu Lania, wo Frauen zumindest
Reich zu verlassen. wegen ihrer Schönheit und Weisheit verehrt
werden, scheinen sie hier fast gar keine Rechte
Sind die Helden in Lania (vgl. Aus anderem Holz
zu haben. Doch dann dringt eine Geschichte aus
geschnitzt), dann bringt sie ein Seidenschiff den
dem Reich Kuum an die Ohren der Helden. Im
weiten Weg ins Nachbarreich Conossos – ein
Archipel Kuumej soll einmal eine Heerführerin
schroffes und strenges Reich, gegen das Lania
mit Namen Huuji Tabaan eine ganze Festung
geradezu paradiesisch anmutet. Conossos ist
gegen die conossische Armee verteidigt und
geprägt von kargem Land, harschem Klima und
lange Zeit dort geherrscht haben (Die Welt der
dem blutigen Kult des Zirraku, der auch vor
Schwertmeister, S. 171). Zudem sollen
Menschenopfern nicht haltmacht. Und wer wäre
die Frauen in den Horden – so nennen 64
dafür besser geeignet als die ungläubigen Helden?
 Ausgabe 4 - 2014
die nomadischen Kuumis ihre umherziehenden
Stammesverbände – die Hoheit über die Zelte,
und alles was sich im Inneren abspielt, besitzen.
Vielleicht ist Kuum, das noch einmal viele, viele
Tagesreisen entfernt liegt, ein besserer Ort zum
Leben, gerade für Heldinnen?
Die Gruppe erwirkt gegen ihre letzten
Habseligkeiten eine Schiffspassage auf einem
kuumischen Handelskatamaran, der conossisches
Eisenerz nach Kuumej bringt. Auf der langen Reise
lernen die Helden Grundzüge der kuumischen
Sprache und erfahren, dass es tatsächlich weibliche
Guerai in Kuumej gibt. Diese sind zwar meist
Außenseiterinnen und müssen wahrscheinlich
doppelt so viel Disziplin für ihre Ausbildung
aufbringen, um Anerkennung zu finden.
Die Manöver von Leehej
Das Schiff erreicht als ersten Außenposten
des Archipels Kuumej die Insel Leehej. Diese
ist spärlich bewohnt, und das Zeltdorf am
Hafen (ebenfalls Leehej geheißen) verdient
die Bezeichnung „Stadt“ nicht. Trotzdem wird
der Katamaran für einige Tage hier anlegen,
um Vorräte aufzufrischen. Die Helden finden
Unterkunft in einem typischen kuumischen
Brunnenhaus und können sich ein wenig
auf der Insel umsehen. Auf Leehej findet
zurzeit ein besonderes Spektakel statt: die
gemeinsamen Übungsmanöver der zwanzig
Schwertmeister von Leehej und Kaalej,
der nahen Nachbarinsel. Die Horden des
Marakai (Inselherrscher) und alle, die in den
Hafenzelten nicht absolut unabkömmlich
sind, haben einen dreitägigen Marsch zur
Tharun: Auf Eis gelegt
gegenüberliegenden Inselseite auf sich genommen,
um die kühnsten Guerai bei der Ausübung ihrer
Künste zu bestaunen – warum nicht auch die
Helden!
Der Marsch durch die unwirtliche Steppe von
Leehej endet an einem breiten Holzzaun, der die
Grenze zu einem vielleicht fünfzig Schritt tiefen
Talkessel markiert: dem Übungsgelände. Zur
anderen Seite wird es durch die schroff abfallende
Küste begrenzt. Ringsherum stehen die Zeltbauten
der Horden von Leehej, darunter das palastartige
Zelt des Marakai sowie der nicht minder opulente
Bau seines Bruders aus Kaalej. In der Talmitte
steht ein mit orangen Bändern geschmückter
Schrein des Shin-Xirit. Eine exotische, grüngelbe
Frucht, etwa kopfgroß (von der Insel Loom), liegt
auf dem Rand eines Brunnens, der dem Schrein
vorgelagert ist. Andere Zuschauer können den
Helden erklären, dass die Übungen kurz vor ihrem
Abschluss stehen. Es folgt noch ein Wettstreit,
in dem die Kämpfer, die sich bisher besonders
hervorgetan haben, gegeneinander antreten und
die Frucht erbeuten sollen. Dem Sieger winkt als
Preis eine zweihändige Kushra (Krummschwert)
aus Endrunium oder so ähnlich (gemeint ist das
magische Metall Endurium).
Da stürmen auch schon acht Krieger in vollen
Bronzerüstungen – Kampfschreie ausstoßend
– die steilen Böschungen auf den umliegenden
Hängen herab, um an die Frucht zu gelangen.
Bevor der erste sie erreicht, wirft ein zweiter
eine Wurfschlinge und zieht sie weg. Ein dritter
Kämpfer nagelt die Frucht mit einem Wurfspeer
am Boden fest, wird aber, kurz bevor er sie erreicht,
mit einem zischenden Schwerthieb eines vierten
Guerai zu Boden geschleudert. Zwei Guerai
krachen ineinander und reißen den siebten mit zu
Boden, als der über sie hinweg springen will. Der
achte Kämpfer wirft sich auf die Frucht und verliert
dabei den Kuppethelm: Es ist eine Frau! Sie ist jung,
dunkelhäutig (wie bei Kuumis üblich) und trägt
ihr metallisch glänzendes Haar hochgesteckt –
eine Schwertmeisterin!? Ihre Wangen weisen zwei
orange eingefärbte rituelle Narben auf. Sie rappelt
sich auf und rennt mit der Frucht die Böschung
hoch, der Rest eilt hinterher. Oben angelangt
stellt sie der erste Kämpfer. Die Frau zieht ihre
einhändige Kushra, und ein Gefecht entbrennt.
Die dritte Attackeserie erwischt die Kämpferin
am Hals. Sie stürzt rückwärts die Klippe hinab
und landet mit einem lauten Platschen im Meer.
Die übrigen Schwertmeister halten inne, während
der Sieger die Trophäe in den Himmel reckt.
Bei den Umstehenden brandet langanhaltender
Jubel auf. Sie erklären den Helden, dass damit der
Gewinner der ausgelobten Kushra feststehe. Die
Siegerehrung werde am selben Ort in acht Tagen
stattfinden.
Jenseits der Klippe wird man noch etwas Blut am
Felsen finden (Sinnenschärfe +4), aber die Guerai
hat wohl in den Tiefen der rauen See ihr Leben
gelassen. Betrauert wird die Gestorbene nicht –
sie war allem Anschein nach eine Einzelgängerin,
einzige Überlebende einer einst mächtigen
Schwertmeisterfamilie von Kaalej, die im Krieg
um den letzten Kuumjakuum (Herrscher des
gesamten Reiches von Kuum) ausgelöscht wurde.
Während die Inselherren bis zur Siegerehrung
mit einem Teil der Horden in die Steppe ziehen,
um die Tiere grasen zu lassen, wird
rund um das Übungsgebiet ein Fest
65
vorbereitet.
 Ausgabe 4 - 2014
Ein ungewöhnlicher Auftrag
In den folgenden Tagen können die Helden tun,
was sie möchten, sie fühlen sich dabei aber immer
irgendwie beobachtet. Schließlich tritt eines
Abends eine geheimnisvolle Person an sie heran,
die gänzlich in schwarze Kleidung gehüllt ist,
sodass man nur ihre dunklen Augen sieht. Sie ist
schmächtig, aber nicht einmal an ihrer Stimme
kann man ihr Geschlecht festmachen. Die Helden
sollen sie Shaad nennen. Wird sie bedroht, kann
sie von einem Moment auf den nächsten in der
Dunkelheit verschwinden – so, wie sie gekommen
ist. Sämtliche Begegnungen mit ihr gehen immer
von ihr aus, d. h. die Helden können sie nirgends in
dem Zeltdorf entdecken, sondern werden stets von
ihr aufgesucht. Shaad ist ein weiblicher Schatten
– eine Spionin mit dunklen Zauberkräften und
einer Agenda, deren Hintergründe sie nicht
einmal selbst versteht. Sie gibt an, ihre Herrin
verfolge das Ziel, die Macht der Frauen unter den
kuumischen Herrschern zu mehren. Dass nun
die einzige Kämpferin von Leehej und Kaalej
gestorben ist, sei nicht hinnehmbar. Shaad war bei
dem Manöver zugegen, und ihr ist aufgefallen, dass
eine Heldin Taarja Vamjaana, der Getöteten, vage
ähnlich sieht – was kein Wunder ist, da es sonst
keine kräftigen, im Kampf ausgebildeten Frauen
auf der Insel gibt. Shaad hat Taarjas Leiche
gefunden und ihre Rüstung geborgen.
Shaads Plan sieht so aus: Mit ihren
Schmink- und Maskierungskünsten will sie
aus der Heldin eine Doppelgängerin Taarjas
machen, die dann auf dem Fest erscheint.
Wer einen solchen Sturz überlebe, würde
sicher anstelle von Thuulej Nüü, dem Sieger,
das Endurium-Schwert zugesprochen
Tharun: Auf Eis gelegt
bekommen. Die Heldin dürfe dieses behalten und Vorgehensweise, wenn kein männlicher Erbe den
hätte zudem auf dem Weg der Täuschung den Rang Krieg überlebt hat. Sie diente dem Marakai von
einer Schwertmeisterin erworben. Shaad (bzw. ihre Kaalej und schloss sich wie viele junge Guerai
Herrin) hätte es gerne, dass Taarja II ihre Position dem kuumischen Kriegerorden des Shin-Xirit an
als Guerai von Kaalej beibehält, Bedingung sei es – daher die orange gefärbten Narben. (Näheres zu
aber nicht. Es gehe ihr um das Mächteverhältnis den Kriegerorden in Die Welt der Schwertmeister,
der Geschlechter unter den Schwertmeistern – S. 162).
ein Anliegen von größerer spiritueller Bedeutung
Außerdem übt Shaad mit der Heldin typische
als die lokale Militärpolitik. Gefragt, ob sie denn
Sätze des Guerai-Alltags auf Kuumisch ein.
keine materielle Belohnung für ihre Dienste
Zum Glück lässt sich dieses Gebiet halbwegs
wünsche, würde Shaad entgegnen: „Das mag sich
eingrenzen, und da Taarja eine Außenseiterin war,
ergeben, wenn der Sieg errungen ist!“
wird sie selten mit den übrigen Guerai über Dinge
Geht die Gruppe auf das Angebot ein, dann sind die abseits des Professionsalltags gesprochen haben.
meisten kosmetischen Veränderungen erstaunlich Falls nicht vorhanden, gibt Shaad der neuen
einfach. Shaad erledigt sie ausgesprochen Taarja eine geeignete Waffe (Kushra oder andere
professionell, bis zu dem metallischen Glanz, einhändige Schwinge). Erklären, wie man damit
der die Haare eines Schwertmeisters ziert. Ein umgeht, kann sie aber nicht.
eventuelles Dunkelfärben der Haut sowie das
Anbringen einiger vermeintlicher Schrammen
bzw. des Schnitts am Hals dauern bloß eine
Weile. Das Problem sind die Gesichtsnarben:
Shaad will diese durch sorgfältige Schnitte
tatsächlich anbringen, diese in den nächsten
Tagen mit Kräutern behandeln, damit sie schnell
ausheilen, und die Narben schließlich orange
einfärben. Weigert sich die Heldin, trägt Shaad
bloß künstliche Narben auf, was nachfolgende
Talentproben in Überzeugen (siehe unten) um  2
erschwert.
In den Tagen vor dem Fest erhält die Heldin so viele
Informationen über Taarja wie irgend möglich: Als
Schwertmeister gegen Schwertmeisterin
einzige Tochter eines im letzten Nachfolgekrieg
gefallenen hochangesehenen Heerführers wurde Nach acht Tagen ist es soweit: Die Horden und
ihr die Schwertmeisterweihe zugestanden, um die beiden Inselherren sind zurück und
die Erinnerung an das Haus Vamjaana weiter zu rund um den Shin-Xirit-Schrein im
66
tragen – eine in Kuum gelegentlich praktizierte Talkessel ist ein großes Fest aufgebaut
 Ausgabe 4 - 2014
worden. Idealerweise ist das Fest zu Ehren des
siegreichen Guerai in vollem Gange, wenn die
„auferstandene“ Taarja die Bühne betritt. Alles
verstummt, und Thuulej Nüü sitzt mit offenem
Mund da, unfähig zu verstehen, was seine Augen
ihm zeigen. Nun ist das schauspielerische Geschick
der Spielerin (oder des Spielers) gefragt. Wie
erklärt sie die wundersame Rückkehr Taarjas?
Zudem ist jeweils eine Probe auf Überzeugen und
auf Stimmen Imitieren erfolgreich abzulegen, sonst
glaubt man ihr die Scharade nicht (siehe unten).
Alternative Ideen sind denkbar: Etwa könnte
man der Heldin einen Verband um den Hals
wickeln und vorgeben, dass der Schnitt während
des Manöverzweikampfs sie ihre Stimme gekostet
hat. In dem Fall ist es an den anderen Helden, dies
glaubhaft zu erklären und eine Überzeugen- oder
Überreden-Probe zu schaffen. Shaad wird hier nicht
helfen. Sie beobachtet alles von einem sicheren
Versteck aus und verschwindet unbemerkt, wenn
ihr Plan nicht aufzugehen scheint.
Die Helden müssen vor allem Muutaj (grauhaarig
mit Silberglanz, langer Spitzbart), den greisen
Azarai (Priester) des Shin-Xirit überzeugen, da
dieser in dem Wettbewerb als Schiedsrichter
agiert und daher eine unanfechtbare Autorität
besitzt. Glaubt er, dass Taarja den Sturz von
der Klippe überlebt hat und zur Insel
zurückgeschwommen ist, wird er verkünden,
dass das Duell wieder aufgenommen werden
muss, um den rechtmäßigen Empfänger
der magischen Klinge zu ermitteln. Der
bisherige Sieger Thuulej willigt etwas
widerwillig ein und Muutaj wird wieder als
heiliger Schiedsrichter walten.
Tharun: Auf Eis gelegt
Der Schwertmeister Thuulej Nüü
Größe: 1,72 Schritt
Haarfarbe: Rotbraun
Augenfarbe: Grau
MU 15 KL 10 IN 12 CH 11 FF 12 GE 16
KO 15 KK 13
LeP 41 AuP 43 WS 10 RS 7 BE 4 eBE 2 MR
2 GS 4 TP 1W+6 AT: 17 PA: 16
INI 16+1W6
Waffe: Kushra (1W+4, TP/KK 12/3, BF 1, INI
+1, WM 0/+1, DK N, Talent Säbel)
Rüstung: Große Bronn, Kuppet
Sonderfertigkeiten: Auf­merksamkeit, Aus­fall,
Ausweichen III, Binden, Eisern, Entwaffnen, Finte,
Kampfreflexe, Meisterparade, Niederwerfen, Mutige
Schwinge, Schwingentanz, Rüstungsgewöhnung II,
Wuchtschlag
Mutige Schwinge (Schwingenhaltung):
Bei dieser dem Element Feuer zugeordneten
Grundhaltung wird die Schwinge über dem Kopf
erhoben gehalten, sodass kraftvolle Angriffe auf
den Gegner begünstigt werden. Die Blöße der
Arme und des Rumpfes erschwert allerdings die
Abwehr (Auswirkungen: TP +2, PA -1).
Mehr zu den Schwingenhaltungen und weiteren
Kampf-Sonderfertigkeiten der Schwertmeister im
demnächst erscheinenden Regelband Wege nach
Tharun.
Hatte die Maskerade Erfolg, dann erklärt
Muutaj denjenigen bzw. diejenige zum Sieger
des Wettkampfs um die ausgelobte Endurium-
Kushra, der/die beim Gegner zuerst drei Wunden
verursacht hat.
Konnten die Spieler ihre Geschichte aufgrund
fehlgeschlagener Proben nicht wirklich glaubhaft
vorbringen, wird hingegen bis zum Tod gekämpft.
Selbst wenn die Heldin siegt, glaubt man ihr
auch jetzt nur, dass sie die echte Taarja ist, wenn
ihr eine Probe auf Kriegskunst +4 gelingt. Sie hat
sich dann im Kampf ungefähr so verhalten, wie
es eine tharunische Guerai tun würde. Zwar sah
es in den geschulten Augen der Guerai immer
noch ungewohnt aus, aber schließlich musste die
Kämpferin erst kürzlich einen Sturz aus fünfzig
Schritt Höhe verkraften.
Kann die Heldin nicht gewinnen, dann bekommt
Thuulej das magische Schwert zugesprochen. Die
Helden können ihn trotzdem noch im Folgenden
beschatten und versuchen, auf anderen Wegen an
die wertvolle Waffe zu gelangen.
Kann die Heldin als Taarja gar nicht überzeugen,
dann erklärt Muutaj sie vor allen Festgästen zu
einer Betrügerin. Machen sich die Helden dann
nicht ganz schnell aus dem Staub, stürzt sich
eine Übermacht Guerai (Werte wie Thuulej)
auf Geheiß der erzürnten Inselherrscher auf die
falsche „Schwertmeisterin“. Denn Fremde, die
sich als Schwertmeister ausgeben, haben nicht
mal eine Anhörung vor einem Zinakai (Richter)
verdient!
Gelingen aber Maskerade und Kampf, dann erhält
die Heldin unter großem Jubel ihren
Gewinn aus den Händen des Inselherrn 67
 Ausgabe 4 - 2014
von Kaalej: Allerdings wird ihr kein magisches
Schwert überreicht, sondern eine gravierte
Tontafel mit einer filigranen Skizze der Klinge –
das Bestellschreiben für ein magisches Schwert.
Die Siegerin muss selbst den Monaden-Schmied
Nom (dunkelhäutiger Zyklop mit stählernen
Händen) in einer abgelegenen Felshöhle auf der
Insel Kaalej aufsuchen.
Eine Enduriumklinge – zum Mitnehmen bitte
Für die Reise nach Kaalej brauchen die Helden
nicht einmal ein Boot. Es gibt zwischen den Inseln
eine langgezogene Sandbank knapp unterhalb
der Wasserlinie, an der man bei ruhigem Wetter
das Meer mit einem Wagen oder reitend zügig
überqueren kann. Die mehrtätige Querung führt
zudem an einem unbewohnten Eiland vorbei, auf
dem trockenen Fußes genächtigt werden kann.
Den gleichen Weg in die Heimat nimmt einige
Tage später auch das Gefolge des Marakai von
Kaalej, falls die Helden lieber in Gesellschaft
reisen.
Die Höhle an der zerklüfteten Küste von Kaalej ist
schnell gefunden, denn ihr Eingangstor ist schon
von Weitem zu sehen. Allerdings können die
Helden nicht einfach zu Nom hineinspazieren.
Um nicht ständig von Besuch belästigt zu
werden, hat der einäugige Einzelgänger
vor langer Zeit einen magischen
Schutzmechanismus errichtet, der aus vier
schleusenartigen Türen besteht. Dabei
gibt es kein weit verzweigtes Gangsystem
zu erkunden. Der Monade denkt recht
eindimensional, und so ist der Zugang zu
seinem Reich einfach ein unregelmäßig in
Tharun: Auf Eis gelegt
den Berg gehauener Tunnel, der immer wieder
von einer verschlossenen Tür unterbrochen ist, die
den weiteren Weg versperrt.
Die Lösung besteht jeweils darin, eine Substanz
aus einem der vier in Tharun bekannten Elemente
mit der Tür in Berührung zu bringen. Dann lässt
sie sich öffnen – unter der Bedingung, dass man
die vorherige Tür wieder verschlossen hat. Jede Tür
ist aus Stein, kreisrund mit einem Durchmesser
von fast fünf Schritt und mit einem großen
Knauf versehen, um sie rotierend zur Seite zu
schieben (gelungene KK-Probe von mindestens
zwei Helden, die je nach Lage des Knaufs per
Räuberleiter nach oben gehievt werden müssen).
Kommen die Spieler bei den Rätseln nicht weiter,
können sie Muutaj um Rat fragen. Der Azarai reist
im Tross des Marakai nach Kaalej und weiß, dass
irgendwie die Elemente damit zu tun haben und
dass der griesgrämige Nom Wert auf Höflichkeit
legt: Man löscht seine Fackel, wenn es hell genug
ist, oder schließt eine durchschrittene Tür hinter
sich.
Die erste Tür schließt mit der äußeren Höhlenwand
ab. Neben ihr ist ein Relief in den Fels gehauen,
das eine kräftige, riesenhafte Person zeigt, die über
dem Feuer einer Esse ein Stück Metall erhitzt.
Berührt man die Steintür mit einer Fackel oder
sonstigen Feuerquelle, dann ist sie für etwa eine
Minute magisch entriegelt und muss nur noch
aufgeschoben werden (KK-Proben, siehe oben).
Die zweite Tür lässt sich öffnen, nachdem man
Wasser auf sie geschüttet hat – allerdings nur, wenn
die Helden die Feuertür wieder zugeschoben und
einen Moment gewartet haben, bis der magische
Mechanismus schließt.
Die dritte Tür, nun schon tiefer in der Erde, lässt
sich einfach so öffnen. Das liegt daran, dass der
Mechanismus auf Luft reagiert, mit der die Tür
immer in Kontakt steht. Dafür gibt es genügend
Belüftungsschächte.
Tür 4 besitzt einen Humus-Mechanismus. Man
könnte Erde auf sie werfen, es genügt aber auch die
Berührung durch einen Menschen. Somit lässt sich
auch diese Tür grundsätzlich immer aufschieben,
wenn man nicht gerade Handschuhe aus Metall
trägt. Das Problem ist aber, dass Tür 3 nicht nur
geschlossen, sondern auch verschlossen sein muss.
Wie nimmt man ihr die Luft? Man könnte sie von
beiden Seiten mit einem großen Tuch bedecken.
Es müssten dann einige Helden im Tunnel vor Tür
3 verbleiben. In diesem letzten Abschnitt ist bereits
geradeaus ein lautes Hämmern zu vernehmen.
Weitere magische Elemente (Eis, Erz) gibt es in
Tharun nicht. Wenn das die aventurischen oder
myranischen Helden noch nicht wussten, knobeln
sie also unter Umständen mehr als nötig.
Die vierte Tür gibt den Blick auf die Arbeitsstätte
des Monaden frei. Der einäugige Riese steht vor
einem mächtigen Amboss und schmiedet an
einem Werkzeug. Er ist recht behäbig, und so ist
zwischen den Hammerschlägen jeweils eine Pause
von mehreren Sekunden, während der man ihn
ansprechen kann. Ganz langsam dreht er sich um
und grüßt verwundert die Gäste. Nom gibt sich
grummelig, akzeptiert aber die Tontafel mit der
Bestellung: „Kommt in acht mal acht mal acht
Sonnentagen wieder, dann mögt ihr das Werk
abholen.“
Die Helden können darauf eingehen,
68
aber wollen sie wirklich fast zwei Jahre
 Ausgabe 4 - 2014
warten? Eigentlich wäre doch der Plan, bis dahin
wieder die Außenwelt erreicht und dem Wahnsinn
in der Hohlwelt den Rücken gekehrt zu haben.
Nom lässt tatsächlich mit sich reden und würde
der Bestellung die höchste Priorität einräumen.
Es dauert dann vielleicht noch dreißig Tage. Als
Zuzahlung verlangt er jedoch – einen Runenstein!
Runensteine sind die Quelle tharunischer Magie
und höchst selten. Sicher übersteigt so ein Stein
den Wert der Enduriumklinge, andererseits ist ein
einzelner Stein für die Helden kaum einsetzbar.
Geben die Helden zu, nicht zu wissen, wo sie nach
einem Runenstein suchen sollen, legt Nom seinen
Hammer ab und begibt sich gemächlich in eine
Nebenkammer. Er kramt in einer Truhe und kehrt
mit einem Büffelfell zurück, das er den Helden
reicht. Dann wendet er sich wieder der Arbeit zu
und möchte nicht weiter gestört werden.
Das auf dem Fell geritzte Bild kommt den Helden
noch am ehesten wie eine Umrisszeichnung eines
Kaninchens vor. Sogar das Auge ist eingezeichnet,
sowie eine kaum erkennbare Markierung an den
Ohrenspitzen. Die Spieler sollten darauf kommen,
dass sie es mit einer Schatzkarte zu tun haben. Bei
einer gelungenen Überreden-Probe würde dies
auch Nom noch hinzufügen sowie den Hinweis,
sie sei „aus dem bewegten Wasser“. Er glaubt,
dass sie den Fundort eines Runensteins
angibt. Die Helden sollten erst allmählich
erkennen, dass es keine klassische Karte
aus der Vogelperspektive ist, wie sie sie aus
der Heimat kennen, sondern eine seitliche
Landschaftsdarstellung – so als würde man
eine Küste aus weiter Ferne vom Meer aus
skizzieren.
Tharun: Auf Eis gelegt
Der Eis-Stein
Die Suche nach diesem Panorama wird nicht
einfach sein. Allerdings sind richtige Berge –
die „Ohren“ der Kaninchen-Zeichnung – nur
auf der Hauptinsel Kuumej selbst zu finden.
Da kuumische Schiffe wegen der starken
Binnenströmung zwischen den kuumischen
Archipelen üblicherweise Kuumej nur in einer
Richtung passieren, könnten die Helden auf die
Idee kommen, dass die Zeichnung vermutlich aus
diesem Blickwinkel angefertigt wurde. Um nach
Kuumej zu gelangen, müssen die Helden ein Schiff
requirieren, denn das Handelsschiff, mit dem
sie angekommen sind, ist längst weitergefahren.
Aber die Helden haben ja jetzt eine vermeintliche
Schwertmeisterin unter sich. Wer könnte einer
Schwertmeisterin auf wichtiger Mission die Reise
verweigern?
Vorbei an der Insel Saada und ihrem weithin
sichtbaren Vulkankegel gelangen die Helden
nach Kuumej, doch erst nachdem sie die Insel
zur Hälfte umfahren haben, erkennen sie das
Panorama auf dem Fell wieder. Die Gegend hier
ist von schroffen Klippen geprägt, an denen sich
die Wellen der See brechen. Darüber türmen sich
hinter einem schmalen Landstreifen zwei steile
Berge auf. Auf den ersten Blick gibt es nur ödes
Land ohne irgendwelche Besonderheiten. Die
Helden werden also einige Tage suchen und bei
einer durchziehenden Nomadenhorde nachfragen
müssen, bis sie auf eine Spalte im Fels aufmerksam
werden. Man erzählt sich, dass darin eine
geheimnisvolle weiße Substanz von ungeheurer
Kälte vergraben läge.
Klettern-Proben sind erforderlich, um in die
Spalte hinabzusteigen. Tatsächlich stößt man dort
in einiger Tiefe auf eine glatte Eisschicht, die nur
an einer Stelle (Sinnenschärfe-Probe) etwas mit
Werkzeug behauen zu sein scheint, ohne dabei
entscheidend beschädigt worden zu sein. In etwa
einem Schritt Tiefe kann man, wenn man die
Stelle mit einer Lampe ausleuchtet, tatsächlich
einen kleinen Stein erkennen.
Die wenigsten Tharuner kennen Eis. Deshalb
kamen sie auch nicht auf die für einen Außenweltler
sicher naheliegende Idee: Man kann die Eisschicht
mit einer Fackel zum Schmelzen bringen und so
in den Besitz des vermeintlich wertvollen Steins
gelangen.
Der Stein, den die Helden bergen, sieht
grundsätzlich aus wie ein Runenstein. Und,
tatsächlich, es ist ein Bruchstück der alten Sonne
Glost!
Allerdings wurde dieser Stein nicht mit einem den
tharunischen Gelehrten geläufigen Runenzeichen
beschriftet, sondern mit einem gänzlich fremden
Zeichen – einer Rune aus drei Strichen, die
ein entsprechend Gebildeter als Abbild des
Buchstaben „R“ aus dem zwergischen Rogolan-
Alphabet entziffern kann.
Nur mir einer eingehenden magischen
Untersuchung ließe sich indes erkennen, dass
einer der Striche nachträglich aufgebracht
wurde und es sich ursprünglich um einen Feuer-
Stein handelt (entspricht dem „P“ im Rogolan-
Alphabet). Offenbar war der Stein einst Teil eines
Experiments, um die Macht des Elements Eis
nutzbar zu machen. Dieses hat schon vor langer,
langer Zeit in Tharun seine magischen
Kräfte eingebüßt (Die Welt der 69
 Ausgabe 4 - 2014
Schwertmeister, S. 262). Ob die ungewöhnliche
Eisschicht in der Spalte aus der Vorzeit stammt,
als elementares Eis noch in Tharun vorhanden
war, oder ob noch ein Rest Astralenergie in dem
Splitter steckt, der die gefrorene Fläche erschaffen
oder aufrechterhalten hat, lässt sich heute nicht
mehr sagen.
Jetzt ist guter Rat teuer. Wie überzeugt man den
Monaden, dass dies ein echter Runenstein ist und
er im Austausch nun die Kushra aus Endurium
fertigen soll? Hier sind die Rollenspielkünste
der Spieler gefragt. Vielleicht wollen sie ja auch
lieber den Stein behalten und von einem Sombrai
(Zauberer) untersuchen lassen?
Die Überlegungen nehmen eine Wendung, als
nach der Rückkehr nach Kaalej plötzlich wie aus
dem Nichts noch einmal Shaad, der Schatten,
auftaucht. Haben die Helden den mysteriösen
Eis-Stein, der so lange in der Vergessenheit
geschlummert hat, noch nicht bei Nom
eingetauscht, dann beansprucht sie ihn selbst als
Bezahlung für ihre Mühen, eine der Heldinnen
zur Schwertmeisterin gemacht zu haben. Geben
die Helden ihn ihr nicht, wird sie versuchen, ihn
zu stehlen.
Denn Shaad vermutete die ganze Zeit, dass der
Monade Wissen über Runensteine und ihre
Fundstellen besitzt. Es ging ihr im Grunde
nie um Geschlechtergerechtigkeit. Sie
wollte, dass die scheinbar einfach gestrickten
Fremden einen Runenstein aufspüren, den
sie dann ihrer Herrin überbringen könnte.
Verschiedene Enden sind denkbar:
Bekommen die Helden das Schwert? Den
Runenstein? Wenigstens Taarjas Rüstung?
Tharun: Auf Eis gelegt
Hat der Eis-Runenstein noch irgendeinen Magie: Offensiv (Ansagen auf jegliche
Wert? Und: Will die Heldin sich weiter als Angriffsmanöver sind um 1  Punkt erleichtert,
Schwertmeisterin ausgeben? Wie befreit sie 4  GP), Beherzt (Erhöht MU des Trägers um
sich von der Verpflichtung, Kaalej als Guerai zu 2  Punkte, 8 GP), Effizient (Glückliche Attacken
dienen? Über längere Zeit – zumal ohne Shaads oder Paraden werden automatisch bestätigt, 4
Hilfe – würde ihre Maskerade unter den übrigen GP), Trügerisch (Jede gegen den Träger angesagte
Guerai nur allzu bald auffliegen. Finte wird automatisch um +2 erhöht, -6 GP),
MR 9
Regeln zur Erschaffung magischer Waffen,
Die Große Kushra „Täuschung“
ihre Vor- und Nachteile und die Bedeutung
Der Monade Nom fertigt wunschgemäß eine der oben erwähnten GP werden im demnächst
Große Kushra, die nur zweihändig zu führende erscheinenden Regelband Wege nach Tharun
große Ausgabe der kuumischen Krummschwinge ausführlich vorgestellt.
an. Ihr Enduriumgehalt beträgt 100 %, daher ist
sie einer vergleichbaren Waffe aus herkömmlichen
Stahl deutlich überlegen (TP+2, BF-5). Seine
monadische Schmiedekunst härtet die Waffe
zusätzlich (BF-4).
Beim Schmieden formt er auch den Charakter der
magischen Waffe, ihre Erzseele – und verschafft
der Waffe so ein unverwechselbares Profil. Sie
unterstützt den Träger vor allem im Angriff
durch die Waffenvorteile Offensiv und Beherzt.
Durch den Vorteil Effizient stützt sie auch das
Kampfglück. Allerdings hat der Monade ihr auch
den Nachteil Trügerisch verliehen, weshalb der
Träger anfälliger für Finten ist.
TP TP/KK Gewicht Länge BF
2W+8 13/3 150 170 -6
INI WM Bem. DK
−2 0/−2 z p S
70
 Ausgabe 4 - 2014
Das Winterhaus, sein Wirt und die
Axt im Eis
von Werner H. Hartmann
Stimmen des Nordens
„Woher es kam? Ha! Niemand scheint auch nur
so recht zu wissen, wann oder von wem genau das
Winterhaus überhaupt zuerst gesichtet wurde!
Sicher ist nur, dass es zumindest seit dem Ende
der berüchtigten Zwölf-Schiffe-Fehde allgemein
als neutraler Boden und sicherer Hafen für jeder-
mann gilt. Außerdem ist K. der einzige bekannte
Wirt des Winterhauses – was recht bemerkens-
wert erscheint, da K. meist als schlanker sehniger
Mann in den Vierzigern beschrieben wird, die
Zwölf- Schiffe-Fehde aber bekanntlich schon vor
über dreißig Jahren ihr Ende fand! Bedenkt man
weiterhin die geradezu sprichwörtlichen Schwie-
rigkeiten, welche schon das bloße Erreichen die-
ser Zuflucht angeblich vielen bereiten sollen, so
verwundert es doch kaum, wenn das Winterhaus
oft nur für Seemannsgarn gehalten wird. Ich aber
weiß es besser …“—Drei-Augen Ulf, Geschichten-
erzähler und alter Navigator, im Schinkenhof in
Svinsager
Seit vielen Jahren nun hört man hier und
dort in den Städten entlang der Ufer des
Nebelmeeres von einer ganz besonderen
kleinen Insel: diese soll über einen kleinen
Hafen und ein einziges großes Gasthaus
verfügen, in dessen jeweiligen Grenzen ein
garantierter Waffenstillstand zwischen See-
Malmsturm - Das Winterhaus
leuten und Reisenden aller Art gilt – sogar zwi-
schen verfeindeten Kapitänen und selbst zwischen
Eispiraten und Mitgliedern der Liga! Darüber
hinaus soll diese Insel nicht an einem bestimm-
ten Ort zu finden sein, sondern wie ein enormes
Floß über die Wogen des Nebelmeers treiben.
Dies wird möglich, da es sich bei dieser Insel um
nichts anderes als einen günstig geformten Eisberg
handelt, dessen ungefähr hufeisenförmige Flan-
ke einen natürlichen Hafen bildet und in dessen
zentraler Erhebung, welche einem gewaltigen
Baumstumpf ähneln soll, jemand ein Gewirr von
Tunneln und Hallen aus dem Eis geschlagen hat,
in dem sich nun ein Gasthof befindet. Sowohl
der Gasthof als auch die gesamte Insel sind un-
ter dem Namen Winterhaus bekannt und sollen
schon so manchem Schiff samt Besatzung Schutz
vor Unwetter oder anderen, feindlichen Schiffen
geboten haben. Dabei bietet der Hafen zwar nur
für wenige Schiffe Platz – die Rede ist meist von
höchstens einem Dutzend Jagdschiffen der Eis-
piraten oder sechs großen Kaufmannskoggen der
Liga oder zwei Dhukor der Ladchoum –, soll aber
dank eines uralten Zaubers sicheren Schutz auch
vor den stärksten Winden und höchsten Wellen
garantieren. Die andere Sicherheitsgarantie des
Winterhauses ist hingegen rein weltlicher Na-
tur und geht nur auf den Besitzer der Insel und
Wirt des Winterhauses zurück, der jedem Schiff
ewiges Hafenverbot androht, dessen Mannschaft
und Passagiere sich nicht an das Friedensgebot des
Winterhauses halten.
Stimmen des Nordens
„Der Eissturm tobte schon seit zwei Tagen und
Hafen und Gasthof boten keiner kümmerlichen
Muschel mehr Platz. Da glaubt der fette Steuer-
mann der Silberwind, sich in einer dunklen Ecke
an einer Navigatorin der Liga vergreifen zu müs-
sen. Plötzlich stand der Wirt hinter ihm. Ohne
weitere Warnung zog er sein Küchenmesser durch
die Kniekehle des Steuermanns und rief dabei
nach dem Kapitän der Silberwind. Nachdem
dieser erschien und sah, was geschehen war, mar-
schierte er ohne weiteren Kommentar mit seiner
Mannschaft in den Sturm hinaus und verließ mit
der Silberwind den Hafen. Später hörten wir, dass
etwa dreiviertel der Mannschaft bei Nhastrand
lebend aus dem Wasser gezogen wurden, aber der
Steuermann wurde nie wieder gesehen.“—Ilkmas
Gronnen, erster Ausguck der Schattenschnell
Das Friedensgebot des Winterhauses verbietet
jede Art körperlicher Auseinandersetzungen –
mit einer Ausnahme: Zwei Kontrahenten können
beim Wirt einen sogenannten Zorngang anmel-
den. Dies ist ein Duell, welches stets unter freiem
Himmel am Rand des Hafenbeckens stattfindet.
Nur der Gebrauch von Magie, egal in welcher
Form, ist verboten. Sonst gilt nur, dass Zuschauer
ausdrücklich erlaubt sind und der Wirt ein Fünf-
tel aller Wettgewinne erhält. Jeder Zorngang dau-
ert bis er endet – man kann versuchen, so etwas
wie Aufgabe zu signalisieren, aber niemand muss
sich an solche Vereinbarungen halten. Jeder Ein-
griff von Zuschauern in den Zorngang, ebenso
wie jeder Angriff der Zorngänger auf
Zuschauer ist schlicht ein Verstoß ge- 71
 Ausgabe 4 - 2014
gen das Friedensgebot. Seltsamerweise scheint es
keine Berichte über irgendwelche direkten Angrif-
fe gegen den Wirt zu geben, obwohl regelmäßig
gefürchtete Krieger und Magier im Zustand ab-
soluter Volltrunkenheit zu seinen Gästen zählen.
Der Wirt soll außerdem die einzige Person sein,
die das Winterhaus dauerhaft bewohnt. Er ver-
neint jede Frage nach eventuellen Dienern und
sagt dazu stets nur „das Haus kümmert sich dar-
um“. All dies führt zu häufigen Gerüchten, denen
zufolge der Wirt über mächtige Magie verfügen
muss, aber gleichzeitig mangelt es nicht an Berich-
ten von Galdern, Seydern und Runengelehrten,
welche alle versichern, dass es sich bei dem Wirt
des Winterhauses keineswegs um einen Magier,
von welcher Art auch immer, handelt.
Das Winterhaus selbst wird seinerseits gern mit
kraftvoller Magie in Verbindung gebracht, die
deutlich über den bemerkenswerten Sturmschutz
des Hafens hinausgeht. Denn, obwohl ja das Win-
terhaus vollständig aus Eis zu bestehen scheint,
sind in allen seinen Gasträumen helle Laternen
und gutbefeuerte Öfen zu finden, die für Licht
und behagliche Wärme sorgen – und dennoch
schmilzt der umgebende Eisberg selbst während
der Sommermonate nicht einfach dahin! Danach
befragt, lächelt der Wirt angeblich immer, um
dann auf eine große Doppelkopfaxt zu verweisen,
deren unscharfe Umrisse in der Eiswand
hinter dem langen Tresen im Schankraum
zu erkennen sind. „Alle hoffen, dass sie dort
eingeschlossen bleibt. Also bleibt sie auch
eingefroren – und mit ihr der gesamte Rest
des Eisbergs!“ Einige Geschichten sprechen
allerdings von einer weit weltlicheren Ursa-
che des ungewöhnlich hitzeresistenten Eis-
Malmsturm - Das Winterhaus
bergs: sie erzählen von einem mächtigen Krieger-
volk hoch oben auf den äußeren Gletschern der
Hochebene von Khor, welches Häuser, Wehrtür-
me und kleine Festungsbauten aus einer Art künst-
lichem Eis errichtet, welches sie selbst herstellen,
ganz als handele es sich um gebrannte Tonziegel
oder ein ähnliches Material. Die daraus errichte-
ten Gebäude sollen – wie das Winterhaus – selbst
im Sommer nicht schmelzen und manchmal sogar
wie auf unsichtbaren Kufen über das Eis gleiten.
Manche glauben allerdings, dass nicht nur die gro-
ße Axt im Eis des Winterhauses eingeschlossen ist.
Sie berichten von langen schwärzlichen Schatten,
wie die Adern eines Riesen, die an einigen Stellen
durch das Eis erkennbar seien, und welche jeweils
nur Teile eines mächtigen Artefakts im Inneren
des Winterhauses erkennen lassen würden – ein
Artefakt, das einige den Tagen des imperialen
Zeitalters zuordnen, während es andere sogar für
ein Produkt des sagenhaften Bhaltarischen Rei-
ches halten! Was genau solch ein Gebilde jedoch
für das Winterhaus bewirken könnte, bleibt aber
in jedem Fall unklar.
Schriften des Nordens
»…möchte ich mich meinem ehrenwerten Lehrer
anschließen, welcher bereits Belege für die Deser-
tation dieses sogenannten „Gildenbarons“ gegen
Ende des imperialen Zeitalter gesammelt hatte, aus
denen er zutreffend schloss, dass diese Person samt
Gefolge und in Besitz diverser mächtiger Waffen
wohl zuletzt am Ufer des Nebelmeeres gesichtet
wurde. Anders als mein Mentor bezweifele ich je-
doch die erfolgreiche Fortsetzung dieser Flucht zu
den fernen Eisebenen jenseits der Arsali. Vielmehr
sehe ich in den erwähnten Funden den Beleg für
ein tragisches Scheitern seines Versuches, das win-
terliche Meer zu überqueren! Eine neue Expediti-
on könnte nun …« —lesbarer Rest eines Briefes
des Gelehrten Trunder Breen an den Händler Orp
Fynden in Nidbærg
Wenigstens ebenso rätselhaft wie die genaue Be-
schaffenheit und der Ursprung des Winterhauses
– ganz zu schweigen von seinem unberechenba-
ren Kurs – ist der Wirt des Winterhauses und die
mysteriöse eingefrorene Axt hinter seinem Tresen.
Schon der genaue Name des Wirtes ist wenigstens
so umstritten wie sein Alter. Er scheint sich nicht
daran zu stören, stets nur „Wirt“ genannt zu wer-
den, aber gemäß einiger Berichte hört er ebenso
auf Knud, Kolv, Kurd, Korl oder Kharl. Er wirkt
weitgereist und spricht die verschiedensten Spra-
chen, doch die Gerüchte, welche ihn mit dem
Volk der Choár in Verbindung bringen, denen er
das Geheimnis ihrer Schneehäuser gestohlen ha-
ben soll, verneint er – angeblich oft mit den Wor-
ten: „Wenn überhaupt, dann haben die Choár
ihr Geheimnis von hier, aber eigentlich stimmt
auch das nicht wirklich.“ Zu der berühmten Dop-
pelkopfaxt sagt er wohl ebenfalls meist nur sehr
wenig, aber gegenüber einigen Gästen soll er zu-
gestanden haben, dass die Axt nicht immer dort
im Eis eingeschlossen war. Der Wirt scheint die
Axt nicht unbedingt als sein Eigentum zu betrach-
ten, aber streitet zumindest nicht ab, sie auf sei-
ne schwimmende Eisinsel gebracht zu haben. Als
Waffe benötigt er sie wohl jedenfalls nicht, da in
allen Anekdoten über das Winterhaus übermüti-
ge Gäste grundsätzlich mit Leichtigkeit vom – oft
völlig unbewaffneten – Wirt überwäl-
tigt werden. Dennoch gibt es eine ein- 72
 Ausgabe 4 - 2014
zige Geschichte, in welcher die Axt in der Hand
des Wirtes auftaucht. Man sagt, dass im dritten
Jahr der Zwölf-Schiffe-Fehde zwei der beteiligten
Kapitäne zufällig zur Verproviantierung dasselbe
Fischerdorf auf einer winzigen Insel östlich von
Svinsager anliefen. Es kam praktisch sofort zum
Kampf und das erste Dach ging schon in Flam-
men auf, da stolperte ein Mann, den Augenzeugen
später als den Wirt des Winterhauses erkannten,
aus der brennenden Hütte – schlaftrunken und
eine schwarze Doppelkopfaxt hinter sich her
schleifend. Es kam dann wohl zum Kampf, doch
dazu gibt es wahrscheinlich hundert verschiede-
ne Varianten der Geschichte. Alle Arten dieser
Geschichte enden aber mit zwei Kapitänen ohne
Mannschaft, die ewigen Frieden untereinander auf
die beiden Klingen der Axt schwören – dies war
der Anfang vom Ende der Zwölf-Schiffe-Fehde!
Bekannt ist sonst nur noch, dass der Wirt auch ge-
genüber noch so großzügigen Stammgästen stets
seine Neutralität bewahrt. Dazu gehört für ihn
wohl auch, dass er bisher keinem Gast länger als
drei Monate ununterbrochen Herberge gewährt
hat, so dass etwa niemand das Winterhaus nutzen
kann, um dort tatsächlich zu überwintern. Dies
mag auch im Zusammenhang mit dem angebli-
chen Verschwinden des Winterhauses während
gewisser Monate stehen: Vor Jahrzehnten schon
versuchten einige Runengelehrte, Seyder
und Galder, dauerhafte magische Markie-
rungen im Winterhaus zu platzieren, um
dieses jederzeit problemlos aufspüren zu
können. Diese endete aber nicht nur in
jedem Fall mit spektakulären, oft fatalen,
magischen Unfällen dieser Meister der Ma-
gie, sondern auch mit der immer wieder
Malmsturm - Das Winterhaus
gemachten Feststellung, dass jedes dieser Spürsig- Mögliche Aspekte
nale um die Wintersonnenwende schlagartig ver-
- Eine Zuflucht vor Sturm und Streit
stummte. Einige wurden Wochen danach wieder
bemerkt, aber früher oder später erloschen alle - Stets genau am rechten Ort
Spürsignale – und es kam die bis heute ungeklär- - Das Haus kümmert sich darum
te Frage nach dem Verbleib des Winterhaus wäh-
rend der längsten Nächte des Winters auf. Fragt - Die Axt im Eis
man den Wirt danach, so lächelt er nur und zuckt - Ich bin der Wirt
verlegen mit den Schultern – beinahe, als ob er es
selbst nicht so recht wüsste. Solange sie nicht ihn
oder sein Heim betreffen, vermag der Wirt aber
ansonsten recht freigiebig mit Informationen al-
ler Art umzugehen, obwohl er für diese keinerlei
Entlohnung zu erwarten scheint. Geld scheint
ihm generell nicht viel zu bedeuten. Was die Gäs-
te für Kost und Unterkunft zu entrichten haben,
hängt allem Anschein nach nur von ihren eigenen
Möglichkeiten und wirtschaftlichen Verhältnissen
ab. Der Wirt selbst beteiligt sich nicht einmal an
irgendeinem Handel, der unter seinem Dach ver-
einbart wird, obwohl oft von verdächtig gut zuei-
nander passenden Tischnachbarn im Schankraum
des Winterhauses die Rede ist …
Stimmen des Nordens
„… Unsinn? Von wegen! Ihr seid nur zu feige, um
mir zu glauben! Mein Onkel war einer der klügsten
Gelehrten von Grimwerk – und er war überzeugt
davon: Wem es gelingt, das Winterhaus während
der Wintersonnenwende zu betreten, der wird
sein neuer Wirt – und als solcher unsterblich und
unbesiegbar!!“ —Reppen „Metmund“ Sorgenson,
Barde und notorischer Würfelspieler in Fænsal
73
 Ausgabe 4 - 2014
Das Null Kelvin-Gewehr
ein neuer, unheimlicher Apparat für Deadlands
von Nick Dysen
PINKERTON-DETEKTEI
STRENG VERTRAULICH
ALPHA-FREIGABE ERFORDERLICH!
An: Ulysses Simpson Grant
Von: Allan Pinkerton
Betreff: Deseret
Sehr geehrter Mr. Präsident,
unter schwierigsten Bedingungen war es einem unse-
rer Agenten möglich, die beiliegenden Unterlagen aus
Utah zu schmuggeln. Offenbar entwickeln die Wissen-
schaftler von Smith & Robards in aller Heimlichkeit
eine neue Waffe, die sich laut des Spionage-Berichts
in der letzten Testphase befindet. Nach vorliegenden
Informationen soll die neue Erfindung spätestens in
drei Monaten einsatzbereit sein. Unser Agent meldet
außerdem, dass die ersten zwanzig Exemplare ins-
geheim den Rebellen gegen eine beträchtliche Menge
an Geisterstein zum Kauf angeboten worden sind.
Sollte diese neue Waffenentwicklung in die Hände
der Konföderierten gelangen, könnte dies schwer-
wiegende Folgen für General Shermans geplante
Novemberoffensive haben. Da das volle Ge-
fahrenpotenzial dieser neuen technischen
Entwicklung bisher nicht abzuschätzen ist,
schlage ich eine konzentrierte Sabotageakti-
on vor. Unser Ziel sollte es sein, die Baupläne
sowie einen der Prototypen zu erbeuten und
die restlichen Apparate zu zerstören. Die so
gesammelten Informationen könnten dann
in Fort 51 von unseren Wissenschaftlern aus-
Deadlands - Das Null Kelvin-Gewehr
gewertet und für einen Nachbau genutzt werden.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, stelle ich unter
größter Geheimhaltung umgehend ein Team von
Spezialisten zusammen, das sich der Aufgabe an-
nimmt. Aufgrund der aktuellen politischen Lage
in Washington empfehle ich keine aktiven Agenten
zu verwenden, sondern externe Kräfte mit dieser
Aufgabe zu betrauen. Eine Beteiligung der Regie-
rung könnte beim Scheitern der Mission so leichter
bestritten werden und die Beziehungen zu Smith
& Robards würden nicht weiter beeinträchtigt.
Sollten wir erfolgreich sein, können wir Sherman
den Apparat als verfrühtes „Weihnachtsgeschenk“ für
seine Truppen zur Verfügung stellen. Ich kann mir
das Grinsen des alten Haudegens schon jetzt vorstel-
len, wenn er damit Richmond einnimmt und Davis
in die Sümpfe treibt. Ich erwarte Ihre Befehle.
Allan Pinkerton
Das Null Kelvin-Gewehr
Möchten Sie Ihre Gegner schleunigst kaltstellen,
dann ist dies die perfekte Waffe für Sie. Smith &
Robards neuste Erfindung basiert auf jahrelanger
Forschung mit kryogenen Flüssigkeiten und wird
hier erstmalig einer breiten Öffentlichkeit vorge-
stellt. Zögern Sie nicht, bei dieser erstaunlichen
Erfindung zuzugreifen.
Ähnlich einem Flammenwerfer besitzt das Null
Kelvin-Gewehr (von unseren Wissenschaftlern
kurz NK 1 genannt) einen Tank, der mit gewöhn-
lichem Wasser gefüllt ist und zusätzlich mit einer
von Smith & Robards patentierten Chemikalien-
kartusche bestückt werden muss. Mit Hilfe einer
eingebauten Pumpe vermischen sich die Chemi-
kalien mit dem Wasser und die Waffe ist einsatz-
bereit. Dieser unglaubliche Apparat verwendet
Druckluft und verschießt nach Betätigung des
Gewehrabzugs einen bis zu 10 Meter reichenden
konzentrierten Kältestrahl. Alles, was mit dem
Kältestrahl in Kontakt kommt, wird sofort ein-
gefroren und mit einer Schicht aus Eis und Frost
überzogen. Der Druckluftvorrat des NK 1 kann
durch die eingebaute Pumpe leicht wieder aufge-
füllt werden. Für ein einfaches Nachladen verwen-
den Sie normales Wasser und kaufen sich einfach
eine Smith & Robards Chemikalien-Kartusche.
Null Kelvin-Gewehr: 3.000 $
Chemikalien-Ersatzkartusche: 30 $
Betrieb
Für das Abfeuern eines Null Kelvin-Gewehrs
wird das Talent Schießen: Null Kelvin-Gewehr
benötigt. Die Waffe hat eine maximale Reich-
weite von 10 Metern. Sofern die Außentem-
peratur unter den Gefrierpunkt fällt, ist die
Waffe nicht mehr funktionsfähig. Die Kälteche-
mikalien reagieren mit der niedrigen Tempera-
tur und lassen den Lauf des Gewehrs zufrieren.
Die versprühten Kältechemikalien entziehen die
Körperwärme und haben eine verheerende Wir-
kung auf ungeschützte Ziele. Neben dem normalen
Schaden und den damit verbundenen Effekten aus
Wunden und Pusteverlusten, erhält das Ziel zusätz-
lich für jede erhaltene Wunde die Wundenmodifi-
kation als Abzug auf alle Proben (beispielsweise bei
einer schweren Wunde zusätzlich einen Kälteabzug
von -2). Diese Abzüge sind, anders als bei normalen
Wunden, für alle am Körper erhaltenen
Wunden kumulativ. Würde also ein Ziel 74
 Ausgabe 4 - 2014
durch das Null Kelvin-Gewehr eine leichte Wunde
am rechten Arm (-1) und eine ernste Wunde am
Oberleib (-3) erhalten, bekäme es für die nächste
Probe insgesamt einen Kälteabzug von -4. Diese Ab-
züge stellen die verlangsamten Reaktionen durch das
Einfrieren des Zieles dar. Die Probenabzüge bauen
sich pro Runde und Trefferzone um eine Stufe ab.
Sollte eine Trefferzone durch die Kälte einen
Probeabzug von -5 erreichen, genügt lediglich
eine zusätzliche leichte Wunde, um die Kör-
perzone zu verstümmeln (Arm oder Bein) bzw.
um in’s Gras zu beißen (Kopf- oder Leibtref-
fer). Die Körperzone zerspringt dann in win-
zige Eisbrocken und verteilt sich in der Prärie.
Trägt das Ziel eine Panzerung oder ist in dicke Pelz-
kleidung gehüllt, erhält es durch einen Treffer mit
dem NK 1 weder Schaden durch Wunden noch
Abzüge durch den Kälteeffekt. Allerdings sinkt der
Panzerungswert bei der getroffenen Körperzone
automatisch um eine Stufe (Pelzkleidung hat beim
NK 1 einen Panzerungswert von 1).
Fehlfunktionen
Geringe Fehlfunktion: Kein Luftdruck mehr, die Waf-
fe kann nicht abgefeuert werden. Jede Aktion, die zum
Pumpen benutzt wird, stellt genügend Druck für einen
Schuss her.
Schwere Fehlfunktion: Die Chemikalien frieren den
Lauf des Gewehres ein. Die Waffe kann solange
nicht abgefeuert werden, bis der Lauf gereinigt
und der Wassertank wieder aufgefüllt wurde.
Katastrophe: Der Wassertank platzt wie bei ei-
nem Wasserrohrbruch im Winter. Der Schütze
wird mit 1W10 Ladungen der Kältechemikalie
übergossen, die vollen Schaden verursachen.
Deadlands - Das Null Kelvin-Gewehr
Spielwerte
Munition Geschw. FR
15 2 1
Szenario-Ideen
1. Um General Shermans geplante Novemberof-
fensive nicht zu gefährden, genehmigt Präsident
Grant den Vorschlag von Allan Pinkerton. Dieser
beauftragt umgehend einen seiner besten Agen-
ten, Dan Baker, ein Aufgebot zusammenzustellen.
Ziel des Aufgebots ist es, in die Fabrik von Smith
& Robards einzudringen, die Forschungsunter-
lagen sowie einen Prototyp des Null Kelvin-Ge-
wehrs zu entwenden und die restlichen Exemplare
der Waffe zu vernichten. Baker gibt sich gegen-
über dem Aufgebot als verrückter Wissenschaft-
ler Dwight T. Cunningham aus und behauptet,
der ursprüngliche Erfinder des NK 1 zu sein. Er
tischt der Gruppe eine rührselige Geschichte auf,
nach der er von Smith & Robards auf ‘s Kreuz ge-
legt und um seinen Anteil betrogen wurde. Um
glaubwürdiger zu wirken, kann er alle Behaup-
tungen durch fingierte Dokumente untermauern.
Wie das Aufgebot letztlich in die Fabrik eindringt,
bleibt ihm selbst überlassen. Allerdings stolpern sie
während des Diebstahls über ein X-Kommando
von Hellstromme, das zur gleichen Zeit das Kraft-
werk von Smith & Robards sabotieren will und
dabei ein gewaltiges Durcheinander verursacht.
Es kommt zu einer Konfrontation mit dem X-
Kommando und dem Werkschutz von S & R, bei
der sich das Aufgebot letztlich nur nach einer wil-
den Verfolgungsjagd in den Junkyard retten kann.
Während der Übergabe des Prototyps und der
Forschungsunterlagen im Junkyard an Dan Baker,
Reichweite Schaden Zuverl. Blatt
5 2W10 18 Flush
bekommt es die Posse mit einigen Spionen der
CSA zu tun, die die Waffe entwenden wollen und
Baker heimlich beschattet hatten. Als dann auch
noch eine Gruppe Laurer (Stadt der Finsternis,
Seite 143) in das Geschehen eingreift und Baker
mit ihren Eiern infiziert, ist das Chaos perfekt.
Zwar kann der Pinkerton und seine erfundene
Geschichte durch seine versteckte Dienstmarke
und einige schriftliche Befehle enttarnt werden,
allerdings stehen sie von nun an in einem großen
Haufen Pferdemist. Verfolgt durch den Wach-
schutz von S & R und die Spione der Konföderier-
ten, haben sie einen schwerverletzten Pinkerton-
Agenten und den gestohlenen Apparat am Hals.
Dass der gestohlene Prototyp außerdem von einer
Horde Gremlins verhext wurde, macht die Situ-
ation nicht leichter. Kann sich das Aufgebot aus
der Affäre ziehen oder wird es von der Stadt der
Finsternis verschluckt?
2. Während eines Feldtests von Smith & Robards
kann die Bande von „Black Jack“ Harper eine Kiste
mit Prototypen des Null Kelvin-Gewehrs stehlen.
Die Banditen überfallen daraufhin mit den Waf-
fen spektakulär mehrere Banken und Züge und
hinterlassen dabei eine Spur der Verwüstung und
schockgefrosteter Leichen. Längst ist die Presse
auf die ungewöhnlichen Überfälle aufmerksam
geworden, und in der Gegend wimmelt es bereits
von neugierigen Reportern, die unschö-
ne Fragen stellen. Sollten die Überfäl- 75
 Ausgabe 4 - 2014
le mit Smith & Robards in Verbindung gebracht
werden, wäre dies für die Firma ein Desaster.
Aus diesem Grund heuert S & R unauffällig ein
Aufgebot an, das die Waffen wiederbeschaffen
oder im schlimmsten Fall zerstören soll. Ziel
des Aufgebots ist es nun, die Bande aufzuspüren
und die Waffen in ihren Besitz zu bringen. Da-
bei können sie einige der abenteuerlichen Über-
fälle auf Eisenbahnen oder Banken verhindern,
ehe sie schließlich „Black Jacks“ Bande in ihrem
Versteck stellen. Während der Suche nach den
Banditen bekommen sie es mit von Hellstrom-
me angeworbenen Kopfgeldjägern zu tun, die à
la „The Wild Bunch“ schießwütig und skrupellos
auch vor harmlosen Passanten, Frauen und Kin-
dern nicht halt machen, sowie dem halsstarrig
Texas Ranger „Bad Luck“ Buck MacKenna, der
noch eine Rechnung mit Harper zu begleichen
hat und ihn auf jeden Fall lebend stellen will.
Zusätzlich heftet sich ein neugieriger Reporter des
Tombstone Epitaph an die Fersen des Aufgebots,
der die Story seines Lebens wittert und ähnlich wie
Dung am Stiefel nur schwer abzuschütteln ist. Als
es im Versteck der Bande schließlich zum Show-
down aller Parteien kommt, sorgt das Auftauchen
eines Mojave-Rassler für zusätzlichen Ärger.
Deadlands - Die Kansas-Trilogie, Teil I
Teil 1 der Kansas-Trilogie
„I‘ve a feeling, we‘re not in Kansas anymore!“
von Michel Kustak
Dieses Abenteuer stellt den ersten Teil einer
Trilogie dar, die als augenzwinkernde Hommage
an den Wizard of Oz zu verstehen ist. Sie beginnt
in Kansas und endet in Denver. In jedem Teil
kommt eine (verdrehte) Version einer der
Kreaturen aus dem Klassiker vor, in diesem wird es
die Vogelscheuche sein. Das Abenteuer findet am
besten Ende Oktober statt, da vom 31. Oktober bis
zum 02. November der Dia de los Muertos gefeiert
wird und das Fest rein zufällig mit Halloween
zusammenfällt. (Besonders grausamen Marshalls
empfehle ich zudem das Auftischen eines Kürbis-
oder Maisgerichtes ...)
Was bisher geschah
In Hope, Kansas, auf halbem Wege zwischen
Dodge City und Kansas City lebt seit einigen
Jahren eine Farmerfamilie aus Mexiko.
Ein Jahr vor dem Beginn dieses Abenteuers ließ
der aus Mexiko stammende Farmer Juarez Abarca
die ersten Indianerkinder entführen, um ein
blutiges Ritual durchzuführen, das er von seiner
Großmutter, einer alten Aztekenpriesterin, gelernt
hat. Sie war es auch, die ihn zu einem vollwertigen
aztekischen Priester ausbildete. Das Ritual dient
der Steigerung der Fruchtbarkeit seiner Felder.
Die Abrechner erkannten den Versuch an und
belohnten Juarez Abarca, der die Herzen von vier
Kindern unter gravierten Steinen an den Ecken
seines Feldes vergrub, indem sie ihm einen Diener
schickten, der sein Feld bewachte und ihm die
Möglichkeiten der schwarzen Magie eröffneten.
Als der Ertrag sich verdoppelte, beschloss der
skrupellose Farmer, das Ritual zu wiederholen,
doch fanden sich keine Indianerkinder mehr,
sodass Abarca beschloss, Kinder aus der Stadt zu
entführen und zu opfern. Er schickte seine Kinder
los, um die Opfer einzusammeln, doch sie brachten
nicht nur drei Farmerkinder (Carter, Elizabeth und
Joseph Blesh) mit, sondern auch ein chinesisches
Mädchen, das zu den Bahnarbeitern gehörte, die
gerade den Bau einer Linie von Dodge City nach
Nordosten vorantrieben. Diese stellten nach dem
Verschwinden die Arbeit ein und verlangen nun
von Hope die Rückgabe ihres Mädchens.
Der Aufbau
Es gibt mehrere grundlegende Möglichkeiten, das
Aufgebot in das Abenteuer hineinzubekommen.
Die erste wäre, dass die Union Blue als Auftraggeber
in Erscheinung tritt, denn der Geldgeber für die
Trasse, ein Mr. Longdale aus Boston, hat großes
Interesse daran, Hope anzuschließen, da ihm
ein großer Teil der Stadt gehört. So würde ein
Aushang (z. B. in Dodge City) dazu auffordern,
sich bei einem Vertreter der Eisenbahngesellschaft
zu melden. Gegen ein angemessenes Entgelt wird
das Aufgebot dann nach Hope geschickt, um nach
den Gründen des Arbeiterstreiks zu forschen.
Sie sollen mit dem Vorarbeiter, Mr.
Walther Schmid aus Deutschland,
reden und das weitere Vorgehen 76
 Ausgabe 4 - 2014
abstimmen. Dieser wohnt im Pioneers Hotel.
Ein chinesischer Held könnte von dem
Verschwinden der kleinen Li-Li gehört haben
und sich eigenständig auf die Suche nach dem
Mädchen machen.
Ein Soldat oder Offizier der Nordstaaten
könnte nach Hope geschickt werden, um dort
nachzuschauen, was die Unruhe verursacht, denn
die Union Blue hat eine kleine Truppe in der
Nähe stationieren lassen, um Angriffen durch
die Südstaaten vorzubeugen. Diese soll notfalls
auch eingreifen, um die Chinesen zur Arbeit zu
bewegen.
Die Helden könnten auf der Durchreise sein
und von den Farmern gebeten werden, das
Verschwinden der Kinder aufzuklären.
José Inigo Juarez Abarca
Der Farmer José Inigo Juarez Abarca wurde 1831
in Mexico City als Kind eines Mestizen und einer
mexikanischen Prostituierten geboren. Seine
Großmutter Zyanya (Ewig, für immer, aztekisch)
nahm ihn bei sich auf und lehrte ihn den alten
Weg ihrer Vorfahren, der Azteken. Sie bildete José
zu einem vollwertigen aztekischen Priester aus,
wozu er in einem blutigen Ritual in einem
geheimen Tempel in Mexico City geweiht
wurde.
Durch einen glücklichen Zufall konnte er
von einem durchreisenden Amerikaner auf
der Flucht vor dem Gesetz eine Farm in
Hope, Kansas erwerben und zog mit seiner
Familie in den hohen Norden, um dort mit
Deadlands - Die Kansas-Trilogie, Teil I
dem Anbau von Mais seinen Lebensunterhalt zu
verdienen.
Da keiner der einheimischen Cowpokes für
ihn arbeiten wollte, holte er sich nach und nach
Farmhelfer aus Mexiko hinzu, die wie er einen
aztekischen Hintergrund hatten. Dennoch wollte
seine Farm nicht wirklich gut laufen, sodass er
auf ein altes Ritual seiner geliebten Großmutter
zurückgriff.
Die Macht, die ihm durch das Ritual verliehen
wurde, gefiel dem Farmer und er begann immer
mehr in Blutritualen zu schwelgen, in die er auch
seine Farmhelfer und seine Familie hineinzog. In
ihm begannen die Ideen eines neuen Aztekischen
Großreiches aufzukeimen und er sieht sich als
aztekischen Priester an dessen Spitze.
Profil
Körperlich: Gs: 2W6, Gw: 3W8, St: 2W8, Re:
3W6, Ko: 2W10
Schießen: Gewehr: 3W6, Ausweichen: 2W8,
Kämpfen: Macuahuitl: 4W8, Schleichen: 4W8
Geistig: Wa: 1W10, Wi: 4W6, Ch: 3W10 Sc:
1W6, Ge: 4W12
Einschätzen: 3W10, Beruf: Farmer: 3W6,
Bildung: Okkultismus: 3W6, Medizin: Chirurgie:
3W6, Einschüchtern: 5W10, Führungsqualitäten:
3W10, Bluffen: 3W6, Glaube: Aztekischer
Pantheon: 4W12, Mumm: 4W12
Terror: 7 in Panthergestalt (9, wenn man
beobachtet, wie er ein Herz herausschneidet)
Schwarze Magie: Strahl des Verderbens: 3, Fluch: 3
Besondere Fähigkeiten:
Macuahuitl: St+2W8, Vert.+2 (Aztekenschwert
mit Obsidian-Splittern)
Wunden, die vom Macuahuitl geschlagen
werden, bluten stark. Wenn keine schwierige (7)
Konstitutions-Probe gelingt (kann jede Runde
wiederholt werden), verliert ein getroffener Held
jede Runde einen Punkt Puste.
Panthergestalt: Wenn Abarca in die Enge
getrieben wird, kann er die Macht seines
Macuahuitl anrufen (1 Aktion) und sich in einen
Panthermenschen verwandeln. Dies verschafft ihm
eine Panzerung von 1 und erhöht alle körperlichen
Attribute um einen Würfeltyp. Die Verwandlung
selbst zu beobachten und ihn in dieser Gestalt zu
sehen, erfordert einen Mummwurf für jeden, der
nicht den gleichen Glauben hat, wie Abarca.
Seine Gestalt wächst und ihm sprießt schwarzes,
dichtes Fell am ganzen Körper. Der Macuahuitl
wird dabei in seine Form absorbiert und zu
Obsidian-Klauen und Obsidian-Reißzähnen
umgewandelt, die den gleichen Schaden
verursachen, wie die Waffe selbst.
In dieser Gestalt kann Abarca nicht sprechen, dafür
regenerieren sich seine Wunden miteiner Rate von
einer Wundstufe pro Runde (pro Trefferzone).
Getötet werden kann er nur,wenn man seinen
Kopf vollständig vernichtet (7 Wunden auf die
Rübe).
Kapitel Eins: There is still Hope in Kansas
Das Abenteuer beginnt in dem
77
 Ausgabe 4 - 2014 Deadlands - Die Kansas-Trilogie, Teil I

Moment, als das Aufgebot in Hope einreitet. Kapitel Zwei: No hope in Hope Mann in einem Anzug mit einem beeindruckenden
Perfekt für das Abenteuer wäre eine Ankunft am Das Aufgebot hat in Hope mehrere Schnauzbart und wilder Frisur unterhalten sich
30. Oktober. Die Bürger scheinen geschäftig und Informationsquellen. Um die Ursache des Streiks am Eingang des Pioneer Hotels angeregt über das
leicht unter Druck und die Atmosphäre in dem in Erfahrung zu bringen, werden die Helden Erzählen sogenannter Tall Tales (Lügengeschichten)
kleinen Städtchen wirkt insgesamt sehr aufgeladen mehrere Personen befragen müssen. zur Unterhaltung. Ersterer erzählt mit starkem
(Furchtstufe 1). Hope ist noch mehr ein Camp deutschen Akzent (Ostpreußisch, Helden, die
als eine wirkliche Stadt und viele der gerade erst Auf ein Wort, Gentlemen! Deutsch als Fertigkeit haben, können das mit
eingetroffenen Einwohner leben noch in Zelten einer fairen (5) Deutsch-Probe erkennen) von den
und errichten sich ihre Häuser nach und nach. Ein wirr erscheinender Mann mittleren Alters in Geschichten eines Barons von Münchhausen, was
einem karierten Arbeiterhemd und ein jüngerer der Zweite mit Freude aufnimmt.
Die größten Baustellen, die man erkennen
kann, sind die Kirche und der Bahnhof.
Auffällig ist eine in sich geschlossene
Zeltstadt direkt an der Bahnhofsbaustelle,
deren Durchgänge mit großen Tüchern
verhängt wurden. An der Hauptstraße stehen
mehrere große Gebäude, unter anderem
der Bull‘s Head Saloon, das Pioneer Hotel,
das Shady Lady und das Telegrafen-Amt.
Dazu kommen diverse kleinere Gebäude
wie ein Hardware-Shop, eine Bank und eine
Schmiede mit angeschlossenem Mietstall.
Eine schwierige (7) Wahrnehmungs-
Probe offenbart, dass einige Farmhelfer im
Eingangsbereich des Shady Lady stehen und
offenbar die Zeltstadt (in der die Chinesen
wohnen) beobachten.

Kopfgeldpunkte
Das Aufgebot bemerkt die Farmhelfer:
1 weißer Schicksalschip

78
Ausgabe 4 - 2014 Deadlands - Die Kansas-Trilogie, Teil I

79
 Ausgabe 4 - 2014
Wenn die Helden ihn ansprechen, ob er Herr
Schmid sei, verneint der Herr und stellt sich als
Dr. von Marwitz vor, der hier in den Diensten des
Mr. Longdale steht. Der andere Herr stellt sich
als Samuel Clement vor (der sich normalerweise
hinter seinem Synonym Mark Twain verbirgt, was
jemandem nach einer harten (9) Wissens-Probe
bekannt sein könnte).
Sollten die Helden erwähnen, dass sie versuchen,
die Problematik vor Ort aufzuklären, wird
Clement sich an sie heften wie eine Klette und
alles versuchen, um zu erfahren, worum es geht.
Schließlich schreibt er ja auch für den Tombstone
Epitaph.
Zu dem Wissenschaftler von Marwitz sollten die
Charaktere einen möglichst positiven Kontakt
aufbauen, wenn das zweite Abenteuer der Trilogie
auch mit denselben Helden gespielt werden soll,
denn er ist der entscheidende Aufhänger des
Abenteuers.
Joa mei, die Herren!
Schmid ist ein übergewichtiger Herr mit einem
gezwirbelten Schnauzbart und gewaltigen
Koteletten, der bei der Ankunft der Helden gerade
im Hotel speist. Sollte die Ankunftszeit unpassend
sein, können sie ihn auch im Bull‘s Head
antreffen, wo er mit den guten Damen
des Enthaltsamkeitszirkels Kaffee trinkt.
Schmid ist ein jovialer Vorarbeiter, der vor
wenigen Jahren aus Bayern nach Kansas
kam, um hier sein Glück zu finden. Er weiß
nicht genau, warum die Chinesen streiken,
da sie nicht mit ihm reden wollen, bis
Deadlands - Die Kansas-Trilogie, Teil I
irgendeine Lilie zurückgegeben wurde (er versteht
nicht, dass ein Mädchen verschwunden ist). Es ist
Schmid relativ egal, was mit den Chinesen ist und
er nutzt die freie Zeit, um es sich redlich gut gehen
zu lassen. So lange er im Bull‘s Head sitzen und
in Ruhe Kaffee trinken kann, ist er zufrieden. Die
Ankunft des Aufgebots empfindet er als Störung
in seinem Umfeld, lässt dies jedoch nicht allzu
sehr nach außen dringen (harte (9) Probe auf
Einschätzen).
Im Bull‘s Head
Das Bull‘s Head ist ein recht ungewöhnlicher
Saloon, da dort kein Alkohol ausgeschenkt wird.
Hintergrund ist, dass die Frau des Besitzers Jacob
Josua Wilcox „The Emperor“ die Vorsitzende
der örtlichen Enthaltsamkeitsliga ist. Im Saloon
treffen sich vorrangig die gehobenen Bürger der
Stadt und jeder, der nicht ordentlich gekleidet ist,
wird schräg angeschaut.
Die Damen der Enthaltsamkeitsliga unterhalten
sich über das Verschwinden der Farmerkinder
und schieben es auf die Auswirkungen der
schändlichen Werke eines Schmieren-Schreibers
namens Mark Twain, dessen gerade erschienenes
Buch Huckleberry Finn sicherlich schlechten
Einfluss hatte. Unter den Damen ist auch die
Lehrerin Miss Alcott, die dieses Buch bei einigen
Schülern gefunden hat.
Wǒ bùxiǎng shuōhuà (Ich will nicht reden)
Wenn die Helden bei den chinesischen Arbeitern
anklopfen, werden sie unwirsch empfangen. Man
weigert sich, mit ihnen zu reden, macht aber
klar, dass man bereit ist, weiterzuarbeiten, wenn
Li-Li zurückkehrt. Ein chinesischer Held wird
wesentlich freundlicher empfangen und kann
in Erfahrung bringen, dass Li-Li die Tochter des
chinesischen Vorarbeiters ist und dieser vermutet,
dass die Farmer das Kind entführt haben, um sie
als Sklavin weiterzuverkaufen oder zur Arbeit
zu zwingen. Sie wissen, dass Li-Li mit den
verschwundenen Kindern der Familie Blesh im
Maisfeld gespielt hatte.
Familie Blesh
Der Rancher Rudolph Blesh ist in katastrophalem
Zustand. Seit seine Kinder fort sind, trinkt er
exzessiv und verfällt von einem Tobsuchtsanfall
in den nächsten. Er hat eine große Rinderzucht
und etwa 25 Cowboys arbeiten für ihn. Diese
versuchen gerade, in seiner Gegenwart den Kopf
unten zu halten und möglichst keine Fehler zu
machen. Daher halten viele von ihnen sich auch
tagsüber im Shady Lady auf und wettern gegen die
Chinesen, die sie für die Schuldigen halten.
Blesh ist bereit, mit den Helden zu reden, solange
kein Indianer oder Chinese unter ihnen ist. Er
berichtet, dass seine Kinder entgegen seines klaren
Verbotes mit „dem verdammten Chink-Balg“
gespielt haben und zuletzt im Maisfeld gesehen
wurden. Eine Suche durch seine Cowboys blieb
erfolglos, auch wenn Abarca sich bei ihm wegen
des zertrampelten Mais’ beschwert hatte.
80
 Ausgabe 4 - 2014
Das Shady Lady
In dem Saloon, der auch die Dienste leichter Damen
anbietet, gibt es billigen Whiskey und Pokerspiele
mit Cowboys und Büffeljägern mit kurzer Lunte.
Besonders auffällig ist, dass auch zu früher Stunde
bereits viele Cowboys anwesend sind und über die
Chinesen herziehen, die für sie die Wurzel allen Übels
sind. Diese Cowboys gehören zur Familie Blesh und
versuchen, andere zu überzeugen, die Chinesen zu
vertreiben, wenn nötig auch mit Gewalt.
Auch hier kann man erfahren, dass die Kinder
verschwunden sind und wohl mit einem der
chinesischen Kinder gespielt hatten.
Verlangen Sie eine faire (5) Wahrnehmungs-
Probe, um festzustellen, dass zwei mexikanische
Farmhelfer ebenfalls unter den Cowboys die
Theorie stärken, dass die Chinesen dahinterstecken.
Wenn die Helden sie ansprechen, möchten sie
nicht mit ihnen reden. Diese Männer gehören
zu Abarca und sind darauf angesetzt, derartige
Gerüchte anzuheizen.
Kopfgeldpunkte
Das Aufgebot findet heraus, dass verschwundene
Kinder die Ursache des Streiks sind: Ein blauer
Schicksalschip
Das Aufgebot stellt sich mit von Marwitz
und Clement gut: Ein roter Schicksalschip
Das Aufgebot verhindert, dass die Cowboys
andere gegen die Chinesen aufhetzen: Ein
weißer Schicksalschip
Deadlands - Die Kansas-Trilogie, Teil I
Kapitel Drei: Im Maisfeld
Maisfeld, Furchtstufe 2
Wenn die Helden in das Maisfeld gehen, erwähnen
Sie mehrfach, dass der Mais sehr prächtig
gewachsen ist und sehr hoch steht. Am günstigsten
ist es, wenn dieser Ausflug in der Dämmerung
stattfindet, da dann die Schatten der Pflanzen
einen düsteren Ort entstehen lassen. In der Mitte
des Maisfeldes steht eine Vogelscheuche (siehe:
Der Wächter des Feldes), die inaktiv bleibt, wenn
das Aufgebot in voller Stärke aufläuft. Sollten
sich einzelne Helden in das Feld wagen, wird die
Vogelscheuche versuchen, sie zu erledigen.
Die Spuren der Kinder sind durch Regen schon
sehr verwaschen und sie zu verfolgen, erfordert
eine harte (9) Probe auf Spurenlesen. Sie führen
in die Mitte des Feldes, wo sie auf der Lichtung
der Vogelscheuche enden. Ein zusätzlicher Erfolg
offenbart, dass die Spuren von insgesamt fünf
Kindern stammen.
Lassen Sie am Rande des Feldes einen Helden
(Glückskinder voran) über etwas stolpern. Ein
großer Stein, der dort vergraben wurde. Wenn er
ausgegraben wird, offenbart er sich als Steinstele
mit eingravierten Ornamenten, die furchtbare
Fratzen zeigen. Mit einer harten (9) Bildung:
Okkultismus-Probe kann man sie als aztekische
Gottheiten erkennen. Unter der Stele, die etwa
einen Meter hoch ist und 30 cm Durchmesser hat,
findet sich ein Tontopf mit verwesten Fleischresten
(die Herzen der Indianerkinder), allerdings ist
nur noch mit einer unglaublichen (11) Medizin-
Probe herauszufinden, dass es Herzen sind. Dass
sie menschlichen Ursprungs sind, ist beim besten
Willen nicht mehr erkennbar, jedoch, dass sie
weder von kleinen noch von sehr großen Tieren
stammen. An jeder Ecke des Feldes befindet sich je
eine Stele. Das Entfernen eines der Steine entbindet
übrigens den Wächter von seinen Grenzen ...
Der Wächter des Feldes
Der Wächter des Feldes ist die von Abarcas Ritual
belebte Vogelscheuche, die nun regelmäßig nach
neuen Opfern verlangt. Die Steine begrenzen die
Macht auf das Feld. Sollte das Aufgebot einen
davon ausgraben, kann sie überall zuschlagen, wo
es ihr passt. Und das wird sie auch tun ...
Kopfgeldpunkte
Entdecken der Kinderspuren:
1 roter Schicksalschip
Auffinden der Vogelscheuche:
1 roter Schicksalschip
Besiegen der Vogelscheuche:
1 blauer Schicksalschip
Kapitel Fünf: Panik
Abarca wird auf die Ankunft und Nachforschungen
des Aufgebotes reagieren, indem er in der
ersten Nacht maskierte Männer zu den Zelten
der chinesischen Arbeiter sendet, um Feuer
zu legen und Panik in der Stadt zu verbreiten.
Sollten Helden in der Nacht wach sein oder
sogar im Maisfeld, könnten sie diesen Männern
begegnen und vielleicht verhindern, dass es zu
einer Katastrophe kommt. Um die Männer zu
bemerken, wird eine harte (9) Wahrnehmungs-
Probe verlangt, wenn die Helden in
der Stadt unterwegs sind und eine faire
81
 Ausgabe 4 - 2014
(5) Wahrnehmungs-Probe, wenn sie sich gerade
im Maisfeld aufhalten, durch das sich auch die
Arbeiter an die Siedlung heranschleichen.
Wenn die Helden zu diesem Zeitpunkt die
Vogelscheuche noch nicht entdeckt haben und
die Steine noch intakt sind, wird diese im Feld
eingreifen, wenn Abarcas Männer von den Helden
gestellt werden. Sollten die Steine nicht mehr
rituell vergraben sein (auch ein Zurücklegen hilft
nicht, es sei denn, man opfert dazu ein Kind ...),
wird die Vogelscheuche auch außerhalb eingreifen,
dabei aber versuchen, nicht aufzufallen.
Sollten die Helden nicht wach sein, werden sie
spätestens durch die Kirchenglocken geweckt, die
auf das Feuer aufmerksam machen. Bei den Zelten
ist wildes Geschrei zu vernehmen und mindestens
5 chinesische Arbeiter sind ums Leben gekommen.
Dies kann verhindert werden, wenn die Helden
schnell beim Löschen des Feuers mithelfen.
Von den Dorfbewohnern helfen nur sehr wenige
den Chinesen und die meisten sorgen nur dafür,
dass die umliegenden Gebäude kein Feuer fangen.
Unter den Helfern sind unter anderem Samuel
Clement, Dr. von Marwitz und David Jacob
Eisenhower, der Besitzer des General-Stores. Zu
diesem Zeitpunkt wird es sehr schwierig, die
Chinesen daran zu hindern, einfach abzureisen
und nur eine kleine Delegation zur Suche
nach Li-Li zurückzulassen. Hierbei könnte
ein schwieriger (7) Wurf auf Überreden
oder Geschichtenerzählen dafür sorgen, dass
sie in Hope bleiben. Ein fairer (5) Wurf auf
Einschüchtern erzielt das gleiche Ergebnis,
erschwert den Helden aber weitere Kontakte
zu den Chinesen ungemein.
Deadlands - Die Kansas-Trilogie, Teil I
Wenn die Männer Abarcas gefangen genommen
werden, verweigern sie die Aussage und beißen
sich eher die Zungen ab, als dass sie ihren Meister
verraten. Daraufhin kann es passieren, dass die
Helden Abarca konfrontieren wollen, dieser wird
sich zu diesem Zeitpunkt auf seiner Farm aufhalten
und auf die Rückkehr seiner Männer warten. Fünf
weitere Arbeiter halten gerade Wache und werden
eingreifen, wenn Abarca angegangen wird.
Kopfgeldpunkte
Trotz Feuer alle Chinesen gerettet: 1 roter
Schicksalschip
Chinesen an Abreise gehindert: 1 roter
Schicksalschip
Feuer verhindert: 1 blauer Schicksalschip
Männer gefangengenommen: 1 roter
Schicksalschip
Abarca an diesem Abend aufgehalten: 1 blauer
Schicksalschip
Kapitel Sechs: Dia de los Muertos
Der 31. Oktober ist Halloween, der Tag, an dem
die Grenzen zwischen der Geisterwelt und der
realen Welt dünn werden. In Mexiko ist dies auch
der Beginn des Dia de los Muertos, an dem die
Toten unter den Lebenden wandeln.
Auch wenn das Abenteuer nicht zwingend davon
ausgeht, an genau diesem Tag einen Teil seiner
Handlung stattfinden zu lassen, sollte dieser
abschließende Tag etwas besonderes sein, wenn
Abarca bis hierhin noch nicht gestellt wurde.
Ihn am helllichten Tage zu stellen, wird sehr
schwierig, da seine Farmhelfer und er damit
beschäftigt sind, die Farm für die bevorstehenden
Festlichkeiten herzurichten. Zu jedem Zeitpunkt
bis Sonnenuntergang sind jederzeit mindestens
20 fähige Farmhelfer auf dem Gelände unterwegs
und nur ein wirklich sehr heimlicher Cowpoke
könnte ungesehen in die Farm gelangen.
Die Kinder werden in der Scheune festgehalten
und ebenfalls für das Ritual vorbereitet, indem
sie in rituelle Gewänder gehüllt und mit Tierblut
bestrichen werden. Da es auf der Farm sehr laut
ist, ist auch ihr Weinen nur zu vernehmen, wenn
man direkt in der Scheune steht.
Wenn die Sonne blutrot untergeht
Zum Sonnenuntergang gehen Abarca und fünf seiner
treuesten Anhänger in Roben gehüllt gemeinsam in
das Maisfeld direkt hinter dem Hof. Sie haben die
Kinder dabei, die willenlos hinter ihnen herlaufen,
da sie unter Drogen gesetzt wurden. Ohne ein
Eingreifen der Helden wird Folgendes passieren:
Abarca führt die Gruppe zu der Lichtung, auf der
die Vogelscheuche steht und legt seine Robe ab.
Seine Begleiter tun es ihm gleich. Darunter kommt
eine traditionelle aztekische Priestergewandung
und Hautbemalung hervor.
Die Farmhelfer legen die Kinder auf den Boden
und binden Hände und Füße so an Pflöcken fest,
dass sie einander an den Händen berühren und
sternförmig ausgebreitet daliegen. Abarca stellt
sich in die Mitte und beginnt auf Aztekisch zu
intonieren. Seine Farmhelfer stimmen
summend ein. 82
 Ausgabe 4 - 2014
Die Vogelscheuche schreitet um die
Ritualteilnehmer herum und verlangt mit
knarrender Stimme nach den Herzen der Kinder.
Von Li-Li will sie das Hirn, um endlich komplett
zu sein. Abarca stimmt zu mit den Worten: „So
die Götter dies verlangen!“
Abarca schneidet einem Kind nach dem anderen
langsam das Herz aus dem Leib und trinkt
ein paar Tropfen Blut daraus. Er reicht es an
seine Farmhelfern weiter, die es ihm gleichtun.
Anschließend nimmt die Vogelscheuche das Herz
und steckt es in ihre Brust.
Beim letzten Kind, Li-Li, angekommen, greift
Abarca, nachdem er das Herz entnommen
hat, zu seinem Macuahuitl und schlägt ihr den
Schädel auf. Die Vogelscheuche nimmt das Hirn
heraus und steckt es in ihren Schädel, woraufhin
sie zu zittern beginnt. Nach und nach fallen
kleine Objekte, die Maiskolben ähneln, aus der
Vogelscheuche und bilden Arme und Beine aus.
Insgesamt 13 neue Vogelscheuchen entstehen auf
diese Weise und rennen durch das Feld davon. Sie
verteilen sich dann über das ganze Land, um Tod
und Terror zu verbreiten.
Das Ritual zu beobachten, erfordert eine harte
(9) Mumm-Probe. Dabei gilt zu bedenken, dass
die Furchtstufe im Feld zu Beginn einen Wert
von 2 hat, jedoch durch das Ritual auf 3
angehoben wird (sobald der Vogelscheuche
das erste Herz übergeben wurde). Die
genauen Auswirkungen der Furchtstufe
können dem Grundregelwerk entnommen
werden. Hierbei können Sie auch durchaus
gnadenlos mit den Helden verfahren, denn
wenn die Kinder geopfert werden, haben
Deadlands - Die Kansas-Trilogie, Teil I
die Abrechner diesen Kampf schon fast gewonnen er noch nach Kontaktadressen fragen. Besonders
und sie kennen keine Gnade. andere Wissenschaftler wird er ziemlich freundlich
behandeln und anmerken, dass er gerne Kontakt
Die Farmhelfer sind mit Revolvern bewaffnet und
halten würde. Vielleicht ist da ja noch mal ein
Abarca hat sein Macuahuitl zur Verfügung, es
anderes Abenteuer möglich ...
sollte also eine Herausforderung für das Aufgebot
bedeuten, sie zu erledigen. Wenn Schüsse
fallen, werden sowohl die restlichen Farmhelfer Boot Hill
Abarcas als auch die Cowboys der Blesh-Ranch Farmhelfer
aufmerksam. Beide Gruppen werden nach ca. 5 Angriff
Minuten eintreffen und sich in einem Mexican Raufen 2W8
Standoff (pun intended ...) gegenüber stehen. Messer 4W8 (2W8+1W6)
Hier bietet sich die Gelegenheit, zu deeskalieren Pistole 4W6 (3W6)
oder das ganze in einer großen Schießerei enden Verteidigung
zu lassen. Messer 5
Trefferpunkte: 30
Kopfgeldpunkte
Cowboys
Abarca wird am Ritual gehindert: 2 blaue Angriff
Schicksalschips Raufen 3W8
Ein Massaker zwischen den Farmhelfern Pistole 3W6 (3W6)
und den Cowboys wird vermieden: 1 blauer Gewehr 2W6 (4W8)
Schicksalschip Verteidigung
Raufen 3
Li-Li und die anderen Kinder werden unbeschadet
Trefferpunkte: 30
ihren Eltern übergeben: 1 blauer Schicksalschip
Chinesischer Arbeiter
Abschluss: Angriff
Raufen 4W8
Und sie ritten in den Sonnenuntergang ... Vorschlaghammer 3W8 (3W6+1W10)
Egal, wie das Abenteuer ausgeht, das Aufgebot Verteidigung
wird Hope wieder verlassen. Samuel Clement, Raufen 4
Dr. von Marwitz und Schmid werden sich in Trefferpunkte: 30
jedem Fall von ihnen verabschieden und ihnen
alles Gute wünschen. Wenn die Helden sich mit
von Marwitz besonders gut gestellt haben, wird 83
 Ausgabe 4 - 2014
Harbinger und Foresage
von Bjorn Beckert
Kurz nachdem die Briten im Jahre 1872 auf dem
Mars ankamen, machten sie sich daran, im sandi-
gen Boden dieser fremden Welt Wurzeln zu schla-
gen. Sie gewannen trotz aller Schwierigkeiten die
Freundschaft der Parhooner, den Respekt vieler
Kanalprinzen und eine permanente Kolonie in
Syrtis Lapis. Es entwickelten sich lukrative Han-
delsbeziehungen zwischen Mars und Erde, durch
die das britische Reich immens profitierte. Aber
Nachrichten zwischen den Planeten zu über-
mitteln, dauerte lange, da man auf Kurierflieger
angewiesen war, deren Flugzeit einige Monate
andauerte. Die britische Regierung erkannte bald,
dass ein viel schnelleres Kommunikationsmittel
benötigt wurde.
Die Lösung dieses Rätsels entzog sich vielen Wis-
senschaftlern. Alte Ideen, wie das Entzünden riesi-
ger Leuchtfeuer in den Weiten Sibiriens oder das
Anlegen geometrischer Rübenfelder, wie man sie
vor der Erfindung der Ätherschifffahrt für die
Kommunikation mit dem Mars in Betracht ge-
zogen hatte, waren in der Praxis schlicht nicht
brauchbar. Während andere aufgaben, widmete
sich der damals unbekannte Erfinder Andrew Guil-
stone tapfer weiter dem Problem. Heute ist
sein Name, ebenso wie die ‚Geburt‘ der Or-
bital-Station Harbinger, Legende. Zunächst
zerbrach sich Guilstone wie alle anderen
Ingenieure den Kopf über die Lösung des
Kommunikationsproblems. So konzentriert
war er darauf, dass sein Privatleben beinahe
zum Erliegen kam. Eines Abends erhielt er
SPACE: 1889 - Harbinger und Foresage
Besuch von einem engen Freund, einem Iren na-
mens Jackie O´Connor, der Guilstone auf einen ge-
mütlichen Abend im Pub einladen wollte, damit
er endlich wieder unter Leute käme. Guilstone
erklärte O´Connor das Problem, über dem er
brütete und verkündete, er würde sehr gerne wie-
der einen Pub aufsuchen, wenn er endlich eine Lö-
sung gefunden hätte. Enttäuscht wandte sich der
junge Ire zur Wohnungstür, als er auf einem Regal
einen kleinen Handspiegel erspähte. Er drehte sich
noch einmal zu Guilstone um und sagte: „Sag mal,
Andy, warum morst Du die Nachrichten nicht
einfach mit ’nem riesigen Spiegel?“ Guilstone war
perplex. Das war die Lösung! Er starrte seinen
Freund mehrere Augenblicke lang an und begann
dann, die ersten Notizen für den Orbitalheliogra-
phen auf Papier zu kritzeln. Dann begab er sich
zusammen mit O´Conner beschwingten Mutes
in die nächste Gaststätte, wo sie den Gästen gleich
mehrere Lokalrunden spendierten. Denn beide
wussten, dass diese Idee sie zu reichen Männern
machen würde.
Bei ihrer Fertigstellung im Jahre 1882 hatte die
Orbitale Heliographenstation ihrer Majestät Har-
binger und ihre Schwesterstation Foresage auf dem
Mars die Arbeitskraft hunderter Ingenieure und
eine Summe von über 1.000.000 Pfund gekostet.
Acht speziell konstruierte Ätherschlepper waren
zudem benötigt worden, um die auf der Plan-
etenoberfläche gebauten Stationen in die Umlauf-
bahn zu heben. Dass der Aufwand jeden Penny
und jeden Tropfen blutigen Schweiß wert war,
beweist sich tagtäglich aufs Neue! Die Möglich-
keit, Militärberichte, Materialanforderungen und
wichtige Nachrichten innerhalb von Minuten von
Planet zu Planet schicken zu können (wenn die
Sterne richtig stehen), hat viel dazu beigetragen,
die Position der Briten auf dem Mars zu stärken.
Die Station:
Das auffälligste Merkmal des Heliographen ist
der gigantische ‚interplanetare‘ Spiegel, der in der
Mitte der Station auf einer drehbaren Plattform
montiert ist. Zwei Solarkessel und eine Zwilling-
sturbine werden benötigt, um den enormen und
komplexen Mechanismus in Bewegung zu setzen,
der den Spiegel immer in die richtige Relation zur
Sonne dreht, so dass er die Sonnenstrahlung im
korrekten Winkel auffangen und über Millionen
von Kilometern bis zum Mars reflektieren kann.
Das kleinste Rädchen des Mechanismus passt in
die Hand eines Kindes, das größte hingegen ist
riesiger als ein Haus. Gesteuert wird die Maschin-
erie über ein verwirrend kompliziertes System aus
Dampfventilen, Düsen und Kolben, das so akkurat
gebaut ist, dass der Spiegel sich mit der Genauig-
keit eines schweizer Uhrwerkes bewegt.
Über dem Spiegel sind lange Stahlblenden mon-
tiert, die wie die Lamellen einer Jalousie angeor-
dnet wurden. Die Blenden lassen sich öffnen und
schließen, so dass man Nachrichten im Morsecode
versenden kann. Durch die schiere Größe der
Blenden dauert es lange, eine Nachricht zu mors-
en, aber das Licht braucht nur wenige Sekunden,
um den Mars zu erreichen. Obwohl der interplan-
etare Spiegel riesig ist (man könnte auf der Ober-
fläche bequem Polo trainieren), benötigt man
dank der kosmischen Entfernungen dennoch gute
Teleskope, um die Nachrichten des Heliographen
zu empfangen. Dass der Spiegel keinen
besonders fokussierten Lichtstrahl re- 84
 Ausgabe 4 - 2014 SPACE: 1889 - Harbinger und Foresage

flektiert, erschwert die Sache Spiegeln geschlossen, um Beschädigungen durch

zusätzlich. Selbst mit einem kleine Meteore und Weltraumstaub zu verme-
Teleskop braucht man gute iden und die Passagiere vorbeifliegender Raumer
Augen, um die Lichtsignale nicht zu blenden. Trotz der Größe und Komplex-
erkennen zu können. Wenn ität des Heliographenmechanismus gab es in den
die Harbinger eine Botschaft sieben Jahren, in denen sie nun schon existieren
ihrer Schwesterstation Foresage weder auf der Harbinger noch auf der baugleichen
empfängt, wird sie mit einem Schwesterstation Foresage einen einzigen Defekt,
kleineren, ‚planetar‘ genannten der einen Nachrichtentransfer verhindert hätte.
Spiegel zur Erdoberfläche ge- Eine Tatsache, auf die die Stationsbesatzungen zu
schickt. Da nicht jede Nach- Recht stolz sind.
richt an dieselbe Empfangssta-
Neben dem riesigen Kommunikationsmechanis-
tion geschickt wird, verfügt der
mus beherbergt der Heliograph auch noch meh-
planetare Spiegel über einen
rere andere Einrichtungen:
zusätzlichen Mechanismus zur
Winkelveränderung. Der plan-
etare Spiegel wird ebenfalls mit Das Oxford-Camebridge-Äther-Laboratorium
Hilfe der beiden Dampftur-
binen betrieben, ist aber leicht Das größte und bestausgerüstete Ätherlaboratori-
genug, um auch über ein Sys- um der Welt befindet sich an Bord der Harbinger.
tem von Handkurbeln bedient Es handelt sich um eine gemeinsame Einrichtung
werden zu können. Nachrich- der Universitäten Oxford und Camebridge. Man
ten von der Station zur Erde forscht dort an neuen Geräten, die die Kraft des
können nur nachts übermittelt Äthers noch effektiver nutzen können als dies
werden. Tagsüber würde das heute möglich ist. Nur eine Handvoll Wissen-
Sonnenlicht die schwachen schaftler wird jährlich dazu eingeladen, dort zu
Lichtstrahlen des planetaren arbeiten. Beide Universitäten belohnen besonders
Spiegels komplett überstrahlen begabte Studenten mit exklusiven Stipendien für
und selbst nachts muss die Orbital-Station. Der Konkurrenzkampf um
man die exakte Position diese Stipendien ist hart. Normalerweise bleiben
des Orbitals am Nach- Wissenschaftler und Studenten ein Jahr auf der
thimmel kennen, um die Station. Nach Ablauf des Jahres kann das Stipen-
Morseblitze erkennen dium oder die Einladung um ein weiteres Jahr ver-
zu können. Wenn nichts längert werden – oder auch nicht.
gesendet wird, bleiben
die Blenden vor beiden 85
 Ausgabe 4 - 2014
Das Büro der Times
Die Times unterhält eine Niederlassung auf be-
iden Orbitalstationen und zahlt Unsummen für
dieses Privileg. Dafür erhält sie aber auch vor al-
len anderen Zeitungen Zugang zu allen Nachrich-
ten, die nicht als Verschlusssache klassifiziert sind.
Die Zahl der Times-Abonnements hat sich in den
letzten drei Jahren vervierfacht und die Daily Mail
nebst mehreren anderen Zeitungen in ernstliche
wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht. Mehr-
fach wurde erfolglos versucht, die Times deswe-
gen wegen unfairer Wettbewerbsvorteile zu verk-
lagen.
Das Gewächshaus
Natürlich verfügen auch Harbinger und Fores-
age über große Gewächshäuser, um die Stationen
mit frischem Sauerstoff und ebenso frischem
Gemüse zu versorgen. Die kuppelförmigen
Gewächshäuser auf beiden Heliographen werden
aber hauptsächlich dazu benutzt, außerirdis-
che Pflanzen in irdischer Erde anzupflanzen. An
diesen Pflanzen wird intensiv geforscht. Schon
manch ein Chemiker oder Botaniker konnte hier
bemerkenswerte Entdeckungen machen, angefan-
gen von Duftstoffen über Nährstoffkonzentrate
bis hin zu Medikamenten. Die kuriose Folge ist,
dass auf der Erde etliche Scharlatane und
Pseudowissenschaftler sogenannte ‚He-
liodrogen‘ mit vermeintlichen Wunder-
wirkungen an den Mann bringen, in dem
sie behaupten, irgend eine dubiose marsian-
ische Pflanze würde zum Wunderheilmittel
mutieren, wenn man sie der ungefilterten
Strahlung der Sonne aussetzt. Unzählige
SPACE: 1889 - Harbinger und Foresage
Leichtgläubige sind dieser Bauernfängerei schon
auf den Leim gegangen.
Andockstation
Die Andockstation der Heliographen befindet
sich komplett im Inneren. Lange, horizontale
Schotts erlauben kleinen Schiffen, hinein und
hinaus zu fliegen. Sobald die Schotts geschlossen
sind, ist die Andockstation luftdicht versiegelt.
Die Kapazitäten sind groß genug, um zusätzlich
die 15 Beiboote der Station zu fassen. Allerdings
können mit ihnen nur kleinere Reparaturen in der
Station durchgeführt werden.
Der Wassertank
Der große Tank der Stationen fasst 3000 britische
Gallonen Wasser und versorgt das Gewächshaus,
die Dampfturbinen und etliche Wasserhähne
und Toiletten. Die Aufbereitungsanlage für ver-
brauchtes Wasser basiert auf antiken marsianis-
chen Designs.
Die Beiboote
Die 15 Beiboote beider Stationen sind batter-
iegetrieben und zu wenig mehr gedacht, als zur
jeweiligen Planetenoberfläche zu fliegen. Sobald
die kleinen Boote in die Atmosphäre eingetreten
sind, falten sich ihre Wasserstoffballons aus und
die Luftschrauben sorgen für die nötige Manövri-
erfähigkeit. Die Boote sind dazu gedacht, die Be-
satzung im Notfall von der Orbitalstation evakui-
eren zu können.
Die Observationsdecks
Die Orbitalstationen verfügen über drei Observa-
tionsdecks, eines am Bug und zwei weitere je an
Back- und Steuerbord. Alle Observationsdecks
sind große Hallen, die fast zur Gänze aus verstärk-
tem Glas bestehen. Von dort aus studieren As-
tronomen Sterne und Planeten und die Offiziere
registrieren dort die empfangenen Nachrichten.
Etliche Teleskope sind zu diesem Zweck fest in-
stalliert.
Du siehst mich – Du siehst mich nicht! In-
terplanetare Telegraphie und ihre Tücken.
Die beiden Heliographenstationen in der Umlauf-
bahn von Erde und Mars gelten zu Recht als Glan-
zstücke britischer Ingenieurskunst. Allerdings sind
ihrem Einsatz natürliche Grenzen gesetzt – und
für den, der dies im Spiel berücksichtigen möchte
haben wir hier ein paar Fakten zusammengestellt.
Viele Laien stellen sich vor, die Heliographen
würden es erlauben, jederzeit Telegramme zwisch-
en Mars und Erde hin und her zu schicken. Ganz
so einfach ist die Angelegenheit aber leider nicht,
denn die Himmelsmechanik des Sonnensystems
verhindert dies. Befindet sich der Mars in Kon-
junktion zur Erde (d. h., wenn er von der Erde aus
gesehen hinter der Sonne verschwindet), ist er teils
für ein halbes Jahr nicht sichtbar und es können
keine Signale vom Mars empfangen werden! Dies
passiert etwa alle zwei Jahre. Der Astronomische
Almanach der Sternwarte Radebeul gibt folgende
Zeiträume an, in denen der Mars zwischen 1880
und 1900 nicht sichtbar ist:
86
 Ausgabe 4 - 2014 Space: 1889 - Die Biologie des Flugholzes

15.06.1880 bis 19.12.1880 zwischen Erde und Sonne aus, um die Erde sehen Die Biologie des Flugholzes
zu können. Dann läuft die Erde zu nahe an die
von Marcus L. Rowland
30.07.1882 bis 16.04.1883 Sonne und hinter sie. Etwa Anfang November (Übersetzung Theresia Brasche)
1889 taucht sie dann wieder auf. Im März 1890
10.09.1884 bis 28.05.1885 gerät sie wieder zu nahe an die Sonne, läuft zwis-
Obwohl Luft- und Raumfahrt fast gänzlich von
chen Mars und Sonne hindurch, um etwa im Ok-
Flugholz abhängig sind, ist noch immer wenig
25.02.1887 bis 26.06.1887 tober 1890 wieder einen hinreichenden Abstand
über das Wesen dieser Pflanze bekannt. Es ist zu
zu erreichen, der eine direkte Kommunikation er-
betonen, dass ein Großteil des folgenden Artikels
08.05.1889 bis 27.07.1889 möglicht. Im Übrigen wäre noch zu berücksichti-
auf der Untersuchung einer sehr geringen Anzahl
gen, dass die beiden Heliographen, die sich jeweils
von Proben basiert. Flugholz entwickelt seine
17.06.1891 bis 03.09.1891 auf einer geo-, bzw. marsstationären Umlaufbahn
Antigravitationseigenschaften nur in der Erde bei
befinden, einander während der Kommunika-
den entlegenen Kraags (Bergfestungen) auf den
14.06.1893 bis 06.10.1893 tionsperiode nur für 12 Stunden am Tag sehen
Hochebenen des Mars f, und Expeditionen in
können. Daher werden die schmalen Zeitfenster,
diese Regionen werden unweigerlich von Dieben
21.07.1895 bis 23.11.1895 in denen man Telegraphieren kann, intensiv aus-
oder den barbarischen Hochlandmarsianern an-
genutzt. Für die britischen Telegraphisten auf den
gegriffen. Daher gab es bisher wenig Gelegenheit,
09.08.1897 bis 02.05.1898 Raumstationen ist dies eine Zeit voller Anspan-
diese seltsamen Pflanzen in ihrem natürlichen
nung und kräftezehrender Schwerstarbeit.
Habitat zu studieren. Physik und Chemie des
22.08.1899 bis 02.06.1900
Flugholz-Effekts bleiben ein Rätsel.
(Für die astronomischen Daten danken wir Herrn
Verwickelter wird die Angelegenheit jedoch, Uwe Wolter von der Sternwarte Radebeul!)
Flugholz
wenn man die Sichtbarkeit der Erde am Marshim-
mel mit einrechnet. Wenn die Erde dort zu nahe Flugholz ist die Gattungsbezeichung für eine
an der Sonne steht, wird man keine Erdsignale Gruppe einander ähnlicher Pflanzenarten (Ligniv-
vom Mars aus beobachten können. Das ist der olucer var.), die allein auf dem Mars zu finden sind.
Fall, wenn die Erde hinter der Sonne und wenn Es besteht keine enge Verwandtschaft mit einer ir-
sie vor der Sonne steht! Sonderlich weit kommt dischen Pflanzengattung. Die Samen weisen einzi-
die Erde am Marshimmel nie von der Sonne gartige Verbreitungsmechanismen auf.
weg. Die maximale Entfernung beträgt gut
40 Grad (das sind etwa vier Handbreit am
gestreckten Arm ‚gepeilt‘). Sichtbar ist die Hauptgattungen
Erde vom Mars aus nur, wenn sie zwischen Drei Sorten sind bisher untersucht – die am weit-
40 und ca. 20 Grad von der Sonne entfernt esten verbreiteten, kultivierten Arten. Sie sind
ist. Laut der Universität Hamburg ergibt nach den Gegenden benannt, in denen
sich für das Jahr 1889 folgende Situation: sie zuerst von terranischen Wissen- 87
Im Januar und Februar reicht der Abstand
 Ausgabe 4 - 2014
schaftlern entdeckt wurden.
Lignivolucer aeria ist die breitblättrige Art, von der
Edison als erster nach seiner Rückkehr vom Mars
berichtete. Sie ist die häufigste Form und heute
weiß man, dass sie über das gesamte marsianische
Hochland verbreitet ist. Die physikalischen Ei-
genschaften der L. aeria geben den Maßstab vor,
nach dem andere Flughölzer beurteilt werden.
Ausgewachsene Pflanzen erbringen Holz, das für
ca. 10 Jahre nutzbar ist.
Lignivolucer edensis wurde zuerst im Eden-Ge-
birge gesichtet und hat eine breite Nord-Südaus-
dehnung in den Höhenzügen von Cydonia bis
Noachis. Die Pflanze ist kleiner als L. aeria und
wirft bei der gleichen Menge tendenziell weniger
nutzbares Holz ab. Jedoch nimmt man an, dass
sie kargere Böden und schlechtere Wuchsbedin-
gungen verträgt als L. aeria. Das ist vermutlich
auch der Grund dafür, dass ihr Auftrieb und ihre
Nutzungsdauer nur die Hälfte derer von L. aeria
erreichen.
Lignivolucer arabia ist in den Bergen von Arabia,
Meroe und Tempe spärlich verbreitet. Diese Bäume
sind kleiner, doch ihre Stämme für gewöhnlich
frei von Verwachsungen und sie ergeben eine gute
Ernte nutzbaren Holzes – bis zu einem Drittel
mehr als L. aeria bei der gleichen Anzahl Stämme.
Der Auftrieb beträgt ungefähr das Einein-
halbfache von L. aeria, und die Nutzungs-
dauer ist höher, es kann ab der Ernte für ca.
12 Jahre verwendet werden.
Space: 1889 - Die Biologie des Flugholzes
Bestäubung
Alle Flugholzpflanzen produzieren
das gesamte marsianische Jahr
über Pollen und können bestäubt
werden. Die Pflanzen sind offen-
bar zur Selbstbestäubung fähig, doch ist dies noch
nicht in Experimenten nachgewiesen. Die Pollen
sind äußerst feinkörnig, vergleichbar mit denen
der feinsten Gräser. Sie scheinen keinen Anti-
gravitationseffekt zu besitzen, doch dank ihrer
Größe und der heftigen Gebirgswinde bleiben die
Körner über mehrere Monate hinweg in der Luft.
Wissenschaftler habe in allen Höhen und allen
Gegenden des Mars f, einschließlich der Pole und
Wüsten, Proben gefunden.
Biologische Bedeutung der Antigravitation
Auf den ersten Blick scheint es keine offensichtli-
che natürliche Notwendigkeit für die Antigravita-
tionseigenschaften der Flughölzer zu geben: Die
Pflanze stirbt, wenn sie aus der Erde gerissen wird,
also ist sie augenscheinlich nicht in der Lage, einen
Nutzen aus ihrer Fähigkeit zu ziehen. Die Wich-
tigkeit dieser Eigenschaft wird erst offenbar, wenn
man den Lebensraum der Pflanze in die Rechnung
einbezieht. Flugholz ist abhängig vom Boden der
Hochebenen bei den Kraags, anderswo kann es
zwar auch angebaut werden, erreicht dort aber
selten Reife, trägt kaum Samen und zeigt keinerlei
Antigravitationseigenschaften. Andere Pflanzen,
die nur in denselben Gegenden wachsen und of-
fensichtlich denselben Boden brauchen, entwick-
eln nicht die Fähigkeiten des Flugholzes. Daher
scheint es klar, dass der Boden eine nutritive An-
forderung erfüllt, der Antigravitationseffekt ist da-
bei nebensächlich. Bisher war es unmöglich, eine
sorgfältige und groß angelegte Untersuchung von
Flugholzhainen vorzunehmen. Die verfügbaren
Beweise zeigen, dass sehr ähnliche Flugholzpflan-
zen in weit von einander entfernten Gegenden
des Mars f zu finden sind, doch die anderen, in
Flugholzhainen vorkommenden Pflanzengattun-
gen sind viel unterschiedlicher, und oftmals nur
auf einem einzigen Berg zu finden. Dies lässt zwei
Schlussfolgerungen zu: Entweder sind die Flug-
holzgattungen von den Hochlandmarsianern ver-
breitet worden, oder die Ausbreitung wird durch
ihre bemerkenswerten Eigenschaften unterstützt.
Obwohl die Hochlandmarsianer diese Pflanzen
zweifellos anbauen und verbreiten, legen Entdeck-
ungen von isolierten Pflanzen und wilden Hainen
nahe, dass sie sich auch ohne Hilfe ausbreiten kön-
nen. Wildes Flugholz ist normalerweise um 10 bis
20 Prozent schwächer (was den Antigravitation-
seffekt betrifft) als kultivierte Pflanzen. Auch die
Erträge an nutzbarem, geradefaserigen Holz sind
geringer. Hartnäckig hält sich das Gerücht, wildes
Flugholz sei besser, doch das entspricht nicht der
Wahrheit.
Samen
Auf der Erde werden die meisten Samen durch
Tiere oder vom Wind verbreitet. Auf dem Mars
gibt es bedeutende Hindernisse für die Verbrei-
tung durch Tiere, hauptsächlich die riesigen Aus-
dehnungen wüstenhaften Landes, in dem nur
wenige Tiere leben. Flugholzpflanzen haben noch
eine weitere Einschränkung – ihren Bedarf an
spezieller Erde. Um geeignete Leben-
sräume optimal auszunutzen, können 88
 Ausgabe 4 - 2014
sich alle bekannten Flugholzarten durch Spros-
sausläufer verbreiten‚ (ähnlich wie bei der Feige
oder der Erdbeerpflanze). Jedoch erfordert eine
Ausbreitung jenseits dieser Gegenden mobile
Samen, angesichts der gewaltigen Entfernungen
vorzugsweise fliegende. Die drei untersuchten
Arten bringen alle Samen hervor, die den Flug-
holzeffekt aufweisen. Entflohene Sklaven berich-
ten, dass hochlandmarsianische Flugholzfarmer
den größten Teil der Samen noch während des
Wachstums entfernen; dadurch könnten die
Bäume mehr von der Flugholz-Chemikalie in sich
zurückbehalten, und das ist vermutlich einer der
Gründe, aus denen kultiviertes Flugholz stärker ist
als wilde Pflanzen.
L. edensis ist ein gutes Beispiel für diese Art der
Samenverbreitung. Der erbsengroße Samen zieht
wurzelartige Ranken hinter sich her, die keine der
Schwerkraft entgegenwirkenden Eigenschaften
haben. Anfangs ist der Samen in der Lage, sein
eigenes Gewicht und das der Ranken zu tragen.
Samen steigen langsam von der Pflanze auf und
verstreuen sich im Aufwind der Berge. Nach eini-
gen Stunden verliert der Samen ein wenig Auf-
trieb, wird gravitationsneutral und verbleibt für
Wochen oder gar Monate in gleich bleibender
Höhe. Es überrascht nicht, dass diese konkrete
Höhe die ideale für die Spezies ist. Der schwe-
bende Flug dauert an, bis die Ranken ein
festes Objekt berühren. Schon nach kurzem
Kontakt verliert der Samen an Tragkraft
und sinkt, bis etwa die Hälfte der Ranken
auf dem Boden aufliegt. Da somit ein Teil
der Last verschwunden ist, bleibt der Samen
in der Luft, schwebt weiter und zieht die
Ranken dabei hinter sich her. Wenn diese
Space: 1889 - Die Biologie des Flugholzes
auf einen Flecken passender nährstoffreicher Erde
treffen, graben sich haarfeine Wurzeln hinein und
verankern den Samen, indem sie ihn langsam in
den Boden hineinziehen.
Ein Nachteil der Methode, die L. edensis anwen-
det, ist dass der Sinkflug auch durch versehentli-
chen Bodenkontakt ausgelöst wird. Außerdem
können solche Samen bei starkem Aufwind auf
einen Berg treffen und ihn überfliegen, ohne je-
mals Kontakt zu bekommen.
Dieses Problem wird von den eichelgroßen
Samen der L. aeria vermieden. Die L. aeria gibt
die Flugchemikalie in ihre Samen und die daran
wachsenden blätterähnlichen Flügel ab. Diese
Flügel sind so ausgerichtet, dass der Samen sich
im Wind um sich selbst dreht. Der Samen zieht
eine einzelne Ranke mit einer knolligen Spitze
hinter sich her. Wie bei der L. edensis ist die L.
aeria anfänglich schwerkraftneutral. Nach ein paar
Tagen jedoch trocknen die Flügel aus, und ihre
Befestigungspunkte werden sehr brüchig. Wenn
der Samen dann auf turbulente Winde trifft, wie
die Aufwinde an Bergen, reißen die Flügel ab, und
ein Teil des Auftriebs geht verloren. Der Samen
sinkt hinab, bis die Ranke den Boden berührt und
beginnt dann, genau wie bei der L. edensis, einen
niedrigen Flug. Wenn sie auf passende Erde trifft,
werden vier Widerhaken ausgefahren, die den
Samen verankern, während die Wurzelspitzen wa-
chsen. Das Ausfahren der Haken dauert ca. drei
Sekunden und scheint einen ähnlichen Mechanis-
mus zu nutzen, wie die terranische Mimose beim
Zusammenfalten ihrer Blütenblätter.
Eine einfachere Methode nutzt L. arabia, die
kleinste der gewöhnlichen Flugholzgattungen.
Tausende winziger Samen werden produziert,
jeder davon ist von einem ovalen Schirm gekrönt
– einer Art Schwebekörper aus einem der Schwer-
kraft entgegenwirkenden Material. Dieser Samen
liegt unter ruhigen Bedingungen stabil in der
Luft, aber trudelt und verliert viel von seinem Auf-
trieb, wenn er auf Turbulenzen trifft. Dann steigt
er unweigerlich ab und beginnt zu wachsen, egal,
welcher Art der Boden ist. Die meisten Samen ge-
hen ein, aber ein kleiner Teil fällt auf geeigneten
Grund.
Weitere Arten
Vermutlich existieren mindestens zwei andere
Arten Flugholz, doch kennt man sie nur du-
rch weitergegebene Berichte, ihr Holz und ihre
Früchte. Bislang hat noch kein terranischer
Forscher die tatsächlichen Pflanzen zu Gesicht
bekommen, und es wurden noch keine wissen-
schaftlichen Namen vergeben.
Die Shiuuskup ist eine seltene marsianische Frucht,
die an eine süße blaue Aprikose mit einem würzi-
gen Nachgeschmack erinnert. Sie ist unter mar-
sianischen Gourmets hoch geschätzt und kann zu
einem hochprozentigen Likör fermentiert werden.
Wenn die ovalen Samen vorsichtig gelöst werden,
schweben sie. Man nimmt an, dass diese Samen
normalerweise von Tieren verbreitet werden, ver-
mutlich vom fliegenden Skrill oder einem seiner
kleineren Verwandten. Die Samen behalten ihre
Antigravitationseigenschaft, die genutzt wird,
falls keine Tiere zur Verfügung stehen. Anders als
bei den untersuchten anderen großen Samen, gibt
es keinen ersichtlichen Mechanismus
für die effiziente Verteilung durch die 89
 Ausgabe 4 - 2014
Luft. Experimente beweisen, dass die Samen ihren
Antischwerkrafteffekt verlieren, nachdem sie den
Verdauungsapparat durchlaufen haben, was diese
Theorie unterstützt. Wahrscheinlich verrotten die
ungefressenen Früchte und geben so die Samen
frei, die der Wind dann davonträgt. Marsianis-
chen Quellen zufolge ist die Pflanze kein Baum,
sondern ein Busch und produziert kein nutzbares
Flugholz – doch konnte das noch nicht bestätigt
werden. Ihre Verbreitung ist anscheinend auf das
Noachis Hochland begrenzt.
Seerdiik ist ein extrem seltenes, massives Flugholz
mit gerader Faserung und sehr starkem Antigravi-
tationseffekt. Ein Stück Seerdiik kann ungefähr
doppelt soviel Gewicht heben wie die gleiche
Menge L. aeria. Man sagt, es behalte seinen Auf-
trieb für 20 bis 30 Marsjahre, weit länger als an-
dere Arten. Das größte, von terranischen Wissen-
schaftlern untersuchte Stück ist der Rumpf eines
Modellätherschiffes, das der Amwaak von Parhoon
einem britischen Händler schenkte, kurz bevor er
einem Attentat zum Opfer fiel. Das unbearbeitete
Holz war ca. 30 cm mal 10 cm groß. Die Maserung
lässt vermuten, dass es nahe am Hauptstamm ge-
schnitten wurde, der vermutlich nicht mehr als 20
bis 30 cm breit ist. Die Quelle des Seerdiik bleibt
unbekannt. Unzuverlässige Berichte beschreiben
sie als eine zwergenhafte Hybridform, die von den
Mitgliedern eines zivilisierten Stammes von
Hochlandmarsianern angebaut wird, doch
dies bleibt äußerst zweifelhaft.
Die Otterwood Expedition 1887 – 1888
1887 leiteten Naturforscher der Royal
Botanical Gardens eine Expedition in die
Space: 1889 - Die Biologie des Flugholzes
Wege, zur Erlangung verschiedener Proben von
Flugholzpflanzen, deren bevorzugtem Boden und
von zugehörigen Pflanzen- und Tierarten. Die
Forschungsreise wurde von Dr. John Otterwood
angeführt, einem Botaniker, der schon an früh-
eren Expeditionen in den Kongo und das obere
Amazonasgebiet beteiligt gewesen war. Aus logis-
tischen Gründen beschlossen die Entdecker, sich
das Astusapes-Hochland vorzunehmen.
Leider kostete es viel Zeit, die Miete einer Flug-
barkasse und anderer Ausrüstungsgegenstände zu
organisieren, und so verzögerte sich der Aufbruch
bis Februar 1888, einige Tage vor dem Vorfall im
Kraag Barrovaar.
Eine ganze Zeit lang gab es keine Nachricht von
der Expedition, bis man schon befürchtete, die
Forscher seien in die Kämpfe verwickelt worden,
die dann zum Oenotrischen Krieg führten. Diese
Befürchtungen waren durchaus gerechtfertigt: Ein
oenotrischer Blutbringer-Kriegsgleiter begegnete
der Barkasse auf ihrem Rückweg und griff an.
Die Wissenschaftler, die nur ein Nordenfelt-
Maschinengewehr und kleine Handfeuerwaffen
zur Verfügung hatten, wehrten sich, indem sie
die Barkasse in die Segel des Gleiters lenkten und
diese in Brand steckten. Dann griffen sie die Be-
satzung des Blutbringers an, als diese die Flammen
zu löschen versuchte. Am Ende stürzte der Gleiter
ab, es gab keine Überlebenden. Die Barkasse war
im Kampf schwer beschädigt worden und musste
in der Meroe-Einöde notlanden. Die Forscher flo-
hen quer durchs Land und erreichten schließlich
Parhoon, wo sie allerdings gezwungen waren, die
Bodenproben und den Großteil ihrer Ausrüstung
zurückzulassen. Otterwood hatte sich bei der
ruppigen Landung das Bein gebrochen, und auf
der Rückreise wurde es brandig. Weniger als eine
Woche nach der Heimkehr von der Expedition
verstarb er.
Die von den Mitgliedern der Forschungsreise mit-
gebrachten Samenproben und Zeichnungen sind
eine der Hauptquellen für diesen Artikel.
Verwendung im Spiel
Abenteurer werden sich wahrscheinlich eher für
den kommerziellen und militärischen Nutzen des
Flugholzes interessieren, als für seine botanische
oder ökologische Beschaffenheit. Diese Forschun-
gsergebnisse könnten aber dennoch zu spannen-
den Plotideen führen.
Die Abenteurer handeln mit Flugholz. Während
der Rückreise bemerken sie, dass ihre Ladung
nicht aus L. aeria besteht, sondern aus L. edensis,
das weniger als ein Viertel des Wertes hat, den sie
eigentlich erwarteten – wahrscheinlich noch nicht
einmal genug, um ihre Kosten und Verbindlich-
keiten abzudecken.
Seerdiik enthält eine ungewöhnlich stabile und
konzentrierte Form der Flugholzchemikalie.
Wenn man eine große Probe erhalten könnte, wäre
es vielleicht in einer detaillierten Analyse möglich,
seine Geheimnisse zu ergründen. Die einzige
zugängliche Probe ist das Ätherschiffsmodell, der
ganze Stolz eines reichen parhoonischen Hän-
dlers, der nicht die Absicht hat, es zu verkaufen.
Wo wächst Seerdiik und wer (oder was) baut es
an? Könnte es doch einen zivilisierten
Stamm Hochlandmarsianer geben?
90
 Ausgabe 4 - 2014
Shiuuskup-Pflanzen werden als Nahrungsmittel
angebaut, nicht wegen ihrer Antigravitationsei-
genschaft. Kann die Pflanze unter kultivierteren
Bedingungen angepflanzt werden? Wenn ja, wird
der Geschmack, den die marsianischen Gourmets
von der Delikatesse erwarten, erhalten bleiben?
Irgendwo in der Meroe-Einöde befindet sich das
Wrack der Barkasse der Otterwood Expedition,
das mehrere hundert Pfund Erde aus Flughol-
zhainen, eine Vielzahl Pflanzen und Samen und
wissenschaftliche Gerätschaften enthält. Haben
die Oenotrier es bereits gefunden? Falls nicht,
gibt es dort irgendetwas, das es zu bergen lohnt?
Hat schon jemand das Wrack des Blutbringers ge-
plündert?
Space: 1889 - Frauen bei Space - Teil I
Frauen bei Space: 1889 – Teil I
von Christian Bender mit Dank an Stefan Küppers
Das Setting von Space: 1889 auf der Erde des
Titeljahrs führt von sich aus dazu, dass die Rolle der
Frau wenig mit der Rolle der Frau in der heutigen
Zeit oder in anderen Rollenspielen gemein hat.
Während wir heute in unserem Kulturraum eine
weitgehende Gleichberechtigung von Männern
und Frauen leben, wird diese wie selbstverständlich
in nicht wenige Rollenspiele portiert, was den
Zugang für Spielerinnen insofern vereinfacht,
als dass sie sich im Spiel nicht durchweg mit
Vorurteilen konfrontiert sehen. Will ein Spieler
oder eine Spielerin einen Charakter verkörpern,
der gegen Vorurteile ankämpfen muss, so ist dies
eigentlich immer eine sehr bewusste Entscheidung
bei der Generierung.
Bei Space: 1889 ist dies deutlich anders gelagert.
Dieser Umstand mag dazu führen, dass das Spiel
für Spielerinnen weniger reizvoll erscheint, da
zahlreiche weibliche Rollen mit Vorurteilen
zu kämpfen haben, wenn sie versuchen aus den
‚altbewährten‘ Rollenmustern auszubrechen und
einen unabhängigen Platz in der Welt und dem
All zu suchen.
Andersherum aber gibt es ohne jeden Zweifel
auch diejenigen Frauen, die diese Vorurteile nicht
sehen und ihren Platz in der Gesellschaft nicht
anders kennen. Diese Frauen werden es genießen,
von Gentlemen hofiert zu werden und sich jeden
Wunsch von den Augen ablesen zu lassen.
Tatsächlich aber werden weibliche Charaktere,
die aus dem weit verbreiteten stereotypen
weiblichen Rollenbild des KKK (Kinder, Küche,
Kirche) ausbrechen, beinahe zwangsläufig fast
überall mit Vorurteilen konfrontiert. Dies liegt
nicht zuletzt daran, dass, im Falle Deutschlands,
gerade die Führung des Kaiserreichs, und auch der
deutsche Kaiser Wilhelm II., an diesem Rollenbild
festhalten. Es ist darüber hinaus auch der Geist
der Zeit ...
Frauenbewegungen
Dennoch gibt es auch im wilhelminischen
Deutschland gegenläufige Bewegungen, denn es ist
auch die Zeit der erstarkenden Frauenbewegungen.
Diese treten an, das Korsett gesellschaftlicher
Konventionen aufzubrechen. Zu den bekanntesten
gehört sicher der bürgerliche ADF, der Allgemeine
deutsche Frauenverein, der bereits 1865 in
Leipzig gegründet worden war. Der Verein gab
ab 1866 die Vereinszeitschrift Neue Bahnen
heraus und veranstaltete die von 120 Frauen
besuchte Frauenkonferenz, die zur Keimzelle
einer sich schnell in Deutschland ausbreitenden
Frauenvereinslandschaft wurde. Insbesondere
die Bildung von Frauen und damit einhergehend
die Führung eines vom Mann unabhängigen
Lebens, ist diesen Vereinen, von denen sich in
nahezu jeder großen deutschen Stadt in der Folge
einer bildete, ein groß geschriebenes Anliegen.
Dies insbesondere, da die neuen Techniken und
Rohstoffe, wie das marsianische Flugholz, völlig
neue Berufe und Berufszweige ermöglichen – und
die sollen aus Sicht dieser Frauen nicht allein den
Männern vorbehalten sein.
Daneben gibt es seit 1866 die
Vaterländischen Frauenvereine, von
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denen sich binnen drei Jahren 291
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Zweigvereine bildeten. 1869 schlossen sich diese
zum Vaterländischen Central-Frauenverein unter
dem roten Kreuz zusammen. Die Aufgabe dieser
Frauenvereine besteht darin, im Frieden Notstände
zu lindern und Krankenpflege zu fördern und sich
im Krieg um Verwundete zu kümmern. Im Jahr
1889 zählen die Vaterländischen Frauenvereine
mehr als 150.000 Mitglieder und sind auch in den
deutschen Kolonien, wie auf der Venus, aktiv.
‚Untypische’ Frauen
Doch über die Berufe, die nicht selten von
bürgerlichen Frauen ergriffen werden, hinaus,
wie Krankenschwester oder Lehrerin, gibt es
Rosa Luxemburg
Space: 1889 - Frauen bei Space - Teil I
diejenigen Frauen, die andere Berufe ergreifen doch die Möglichkeiten, die Frauen haben, wenn
oder auf anderem Weg hervorstechen. sie beherzte Entscheidungen treffen.
Es sind diese Frauen, die zeigen, dass die Rollen, Rosa Luxemburg wurde 1871 im von Russland
die Frauen bei Space: 1889 einnehmen können, besetzten Teil Polens geboren und wurde bereits
weit vielschichtiger sind, als es auf den ersten Blick in ihrer Jugend politisch tätig. Diese Tätigkeit
erscheinen mag. in einer marxistischen Gruppe in Warschau
zwang sie 1888, in dem Jahr, in dem sie auch ihr
Bereits im Grundregelwerk wurden einige
Abitur erlangte, zu einer Flucht in die Schweiz.
Beispiele ausgewählt, an denen sich Frauen zeigen,
Hier plant sie seitdem sich weiterzubilden und
die aus den gesellschaftlichen und moralischen
an der Universität Zürich, an der Männer und
Vorstellungen der Zeit, mehr oder weniger stark
Frauen gleichberechtigt studieren können,
ausscheren. In diesem und dem kommenden
ein Studium aufzunehmen. Dies beginnt sie
Beitrag soll dieses Portfolio um einige Frauen
im Jahre 1890 zunächst in Mathematik und
Zentraleuropas, und in der Fortsetzung auch
naturwissenschaftlichen Fächern und kurze Zeit
Übersees, erweitert werden. Als beispielhaft
später eher in Wirtschafts-
gewählt wurden dafür zunächst
und Geisteswissenschaften.
Rosa Luxemburg, Bertha Benz,
Gerade im sozialistischen
Marie Curie, Louise Otto-Peters
Spektrum ist Rosa
und Bertha von Suttner.
Luxemburg nur eine von
Die 1849 in Pforzheim geborene vielen Frauenrechtlerinnen,
Bertha Benz machte im August die in dieser Zeit aktiv sind.
1888 vor allem dadurch auf sich
Louise Otto-Peters wurde
aufmerksam, dass sie mit dem
1819 als Louise Otto in
von ihrem Gatten Carl Benz
Meißen geboren und gehört
konstruierten und gebauten
zu den Gründerinnen des
Automobil, ohne dessen Wissen,
ADF in Leipzig, den sie
eine Fahrt von Mannheim nach
seitdem als erste Vorsitzende
Pforzheim machte. Seitdem
leitet. Dass sie auch die
häufen sich die Anfragen der
Zeitschrift Neue Bahnen
zahlungskräftigen Kundschaft.
redaktionell mitbetreut,
Unter vorgehaltener Hand heißt
erstaunt kaum vor dem
es, selbst der technikbegeisterte
Hintergrund, dass sie seit
Kaiser habe sich bereits nach
den 1840er Jahren als
dem Automobil erkundigt.
Schriftstellerin,
Auch wenn sie dies noch nicht
Louise Otto-Peters nicht selten unter
zur Ingenieurin macht, zeigt es 92
männlichen
 Ausgabe 4 - 2014
Pseudonymen, tätig ist. Als eine der
hervorstechenden Frauenrechtlerinnen im
Kaiserreich ist Louise Otto-Peters eine, aber bei
weitem nicht die einzige Frau, die offen gegen
gesellschaftliche Zwänge vorzugehen bereit ist.
Die 1867 in Warschau geborene Maria Sklodowska
machte 1883 ihr Abitur und arbeitet seit 1885
Marie Curie
als Hauslehrerin. Sie nimmt 1891 an der
Sorbonne in Paris ein Studium der Physik
auf und wird als Marie Curie Anfang des
kommenden Jahrhunderts zwei Nobelpreise
erhalten. Gleichwohl Marie Curie sicherlich
eine Ausnahme darstellt, zeigt sie doch den
Space: 1889 - Frauen bei Space - Teil I
Weg zu naturwissenschaftlicher Bildung, der
durchaus auch Frauen offensteht – wenn auch
noch nicht überall. Wenn die Charaktere ihr
begegnen, steht sie ohne Frage ganz am Beginn
ihrer Karriere, aber eine Exotin dürfte sie schon
jetzt sein.
Die 1843 in Prag geborene und in Niederösterreich
lebende Bertha Baronin von Suttner gehört
ebenfalls zu den Journalistinnen der Zeit, die unter
Pseudonym mit großem Erfolg veröffentlichen.
Sie macht sich für den Pazifismus stark und wird
durch ihren im Herbst 1889 publizierten Roman
Die Waffen nieder! fraglos zu einer bekanntesten
Vertreterinnen der Friedensbewegung einer
von Militarismus geprägten Zeit. Als Dame des
Adels zeigt das Beispiel Bertha von Suttners sehr
deutlich, dass die neuen Gedanken einer freieren
Entfaltung der Frauen keine Standesgrenzen
kennen.
Frauen auf dem Mars
Ein bei Space: 1889 nicht zu unterschätzender
Einfluss sind zweifelsfrei die Kolonien. Der
Transport von Waren und Anschauungen ist
sicherlich keine Einbahnstraße. Zwar gibt
es auch auf dem Mars meist keine faktische
Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern,
aber gerade bei den Hügel- und Steppenmarsianern
erzeugt es eine erheblich geringere Aufgeregtheit,
wenn Frauen eher ‚männliche‘ Berufe ergreifen.
Vor allem aber Bildung steht den weiblichen
Marsianern dieser Völker jederzeit offen. Ein
solch stärker gleichberechtigtes Nebeneinander
von Männern und Frauen hat ohne Frage auch für
manche menschliche Dame einen erstrebenswerten
Vorbildcharakter. Sicherlich werden zunächst jene
Frauen davon beeinflusst, die auf dem Mars leben
oder dort zu Besuch waren. Doch Erzählungen
und Briefe mögen in der Heimat so manche Frau
Fragen stellen lassen und manche Begehrlichkeit
wecken.
Diese erste Zusammenstellung mag Spielerinnen
oder Spielern, die weibliche Charaktere
verkörpern möchten, verdeutlichen, dass
wirkliche Emanzipation zwar sicherlich noch weit
entfernt ist in der Welt von Space: 1889, dass es
aber jene Frauen gibt, die gegen die Schranken
der Gesellschaft aufstehen und dass es auch jene
Männer gibt, die mit diesen Frauen verheiratet
sind und sie nach Kräften unterstützen. Dies
ändert aber gewiss nichts daran, dass die
öffentliche Lektüre von Neue Bahnen ohne Frage
einige empört hochgezogene Augenbrauen nach
sich ziehen wird ...
Space: 1889 ist also nicht nur ein Setting voller
geographisch-räumlicher und wissenschaftlich-
technischer Umbrüche, es ist auch ein Setting voller
gesellschaftlicher Spannungen und Neuerungen,
die auch Pilotinnen und Ingenieurinnen, zwar
nicht alltäglich, doch aber denk- und spielbar
machen. Starke weibliche Spielercharaktere sind
also sicherlich vieles, aber nicht allein auf weiter
Flur ...
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Die Macht von Angahiaa
Nach zwei erfolgreichen Anthologien wollen wir
euch das erste Einzelabenteuer für Space: 1889
vorstellen, das voraussichtlich Anfang nächsten
Jahres erscheinen wird: Die Macht von Angahiaa.
Autor Niklas Forreiter war so freundlich, uns ein-
en kleinen Einblick in sein Abenteuer zu geben:
Seit der ersten erfolgreichen Reise auf den
Mars im Jahre 1870 durch Edison und Arm-
strong träumen abenteuerlustige Menschen
aller Nationen davon, selbst eines Tages die
Oberfläche des Roten Planeten betreten zu
können – einmal mit einem Schiff aus Flug-
holz die Weiten der marsianischen Steppen
Space: 1889 - Die Macht von Angahiaa
erkunden, die gewaltigen Kanäle sehen und die bi-
zarren wie wunderschönen Städte der Marsianer
besuchen, sei es als interplanetare Luxuskreuz-
fahrt, Geschäftsreise oder auf der Suche nach
Abenteuern und exotischen Schönheiten.
Für den Ökonomen Gustav Schmoller wird
dieser Traum wahr, er erhält die Gelegenheit, die
Wirtschaft einer gänzlich anderen Zivilisation
als der irdischen, mit einer zehntausende Jahre
währenden Geschichte, zu studieren. Er erhofft
sich bahnbrechende Erkenntnisse über die Organ-
isation der marsianischen Wirtschaft und der Soz-
ialen Frage im Allgemeinen. Eine solch abenteuer-
liche Reise unternimmt Schmoller natürlich nicht
allein, sondern verlässt sich auf die Begleitung
einiger kompetenter Persönlichkeiten, die ihren
Beitrag bei den kommenden Herausforderungen
zu leisten vermögen – die Abenteurer. Das Re-
iseziel ist die Stadt Angahiaa, die schon in frühen
irdischen Marskarten als „Emden“ verzeichnet ist,
obwohl sie gar nicht im deutschen Einflussgebiet
um West-Dioscuria liegt. An dem Kanal zwischen
Angahiaa und Dioscuria liegen jedoch einige at-
traktive Flugholzvorkommen, sodass Schmoller
vom Auswärtigen Amt mit einer geheimen Han-
delsmission betraut wird, die er gerne an seine ver-
trauenswürdigen Begleiter weiterreicht, um sich
ganz seinen Studien widmen zu können.
So haben die Charaktere von Beginn ihres Be-
suches an auch zu den höheren Kreisen der mar-
sianischen Stadt Zugang und es werden mancher-
lei Aufgaben an sie herangetragen. Von der Suche
nach einem alten marsianischen Artefakt, über
Ermittlungen gegen französische Umtriebe, bis
hin zum handfesten Kampf gegen Entführer und
Marskreaturen. Jede ihrer Taten und Entschei-
dungen wirkt sich dabei aus, auf die Macht von
Angahiaa.
Das Abenteuer enthält eine ausführliche Bes-
chreibung der Stadt Angahiaa (bzw. Emden) und
bietet in mehreren verwobenen Handlungssträn-
gen und einigen Nebenquesten jede Menge Gele-
genheiten, die kanalmarsianische Kultur zwischen
alt-marsianischer Mystik sowie aktueller Politik
und Intrigen aktiv kennenzulernen.
Aus dem Klappentext:
„Der Mars und seine Stadtstaaten sind eines der
wichtigsten Ziele der irdischen Kolonialpolitik. Das
Flugholz ist ein begehrter und wichtiger Rohstoff,
und nicht alle Staaten haben darauf gleichen Zug-
riff. Aber auch die Marsianer haben ihre eigennüt-
zigen Interessen und suchen Kontakt zu den Men-
schen.
Der Kanalprinz des kleinen marsianischen Stadt-
staates Angahiaa will durch einen Handelsvertrag
mit dem Deutschen Reich seine eigene Machtposi-
tion ausbauen. Andere Gruppen in der Stadt wollen
keinen Einfluss der Erdenmenschen zulassen oder
streben selber nach der Macht über die Stadt und
wollen die Fremden nutzen, um eigene Ziele zu ver-
wirklichen.
So geraten die Charaktere als Teil der deutschen
Delegation unversehens mitten in die Kämpfe und
Intrigen der Stadt. Nun gilt es sich zwischen dem
dekadenten Kanalprinz, seinen Gegnern in Adel
und Gilden sowie den marsianischen Priestern, den
Sklaven und den Steppenmarsianern des Umlandes
zu orientieren und Bündnisse zu schließen.
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Im Eis verborgen
von Frank Röhr
„Die Flammenwerfer weiter bewegen, nicht auf
einer Stelle bleiben!“, wies ich an. „Wir wollen es
rausschmelzen, nicht beschädigen.“
Das fremdartige Gefährt lag vor uns, zwischen
den Eisplatten eingeschlossen. Die Hitze unserer
Flammenwerfer breitete sich aus und schmolz
große Teile des Eises. Immer mehr Eisfragmente
lösten sich und rutschten langsam die Hülle
herunter, immer schneller werdend, und schlugen
dann platzend auf dem Boden auf.
„Schilgers, hier, schauen Sie!“, rief einer der
Soldaten.
Das Eis war weit genug geschmolzen, um etwas
freizugeben, was wie eine Tür aussah – oder ein
Schott.
Das runde Etwas mit einem Durchmesser von
etwa 20 Metern war ein UFO. Das war zumindest
die gängigste These bei OMEGA: Seitdem man
vor fünf Tagen dieses Objekt im schmelzenden
Antarktiseis entdeckt hatte, hatten die Mühlen
nicht stillgestanden. Ein Forschungsschiff war
ausgestattet, Soldaten abgeordnet, eine Crew
zusammengestellt worden – eine ziemliche
Maschinerie. Niemand wusste, wie lange das Ding
da schon lag. Es konnte vor einer Woche oder
vor Jahren abgestürzt sein. Das Eis konnte
nachher darüber zusammengebrochen
oder das UFO absichtlich darunter geparkt
worden sein.
Aber für solche Fragen war ich ja da.
Schilgers. Eigentlich Dr. Schilgers, Xeno-
Archäologe. Leider kein Eisexperte. Und
so scheißkalt, wie das hier war, würde ich
CONTACT - Im Eis verborgen
das auch nicht werden wollen. Doch gerade
interessierte mich das alles nicht.
Ich fuhr die feinen Linien, die Umrisse des Schotts,
entlang. Links und rechts hielt ich vergebens
Ausschau nach Bedienelementen. Nichts. Dieses
UFO – dem ersten Anschein nach ein Schiff der
Grauen, vermutlich Eindringling-Klasse – war
hier entweder von außen nicht zu öffnen, oder
nur per irgend einer Art von Funk oder sonstiger
Fernsteuerung.
Seufzend drehte ich mich um. Ich hasste das. Aber
es ging nicht anders. „Aufmachen ... mit Gewalt.“
Wäre ich nicht der Expeditionsleiter, hätte jemand
anders diesen Befehl gegeben. Ich hätte die andere
Person dafür gehasst. Fremde Technologie war
zum Untersuchen, nicht zum Zerstören da.
Wenn man selbst an der Spitze steht, muss man
Entscheidungen fällen, die einem nicht gefallen.
Die Schotts der Grauen hätten noch Geheimnisse
bergen können, die uns weiterhalfen. Aber sahen
wir es realistisch: Es war recht unwahrscheinlich,
dass dies das einzige Schott war und was sich sonst
noch in dem UFO befand, war mit Sicherheit
wichtiger.
Einer der OMEGA-Soldaten zog einen
Schweißbrenner heran. Mit geübten Handgriffen
aktivierte er das Gerät und begann, das Metall
aufzuschmelzen.
Dies entpuppte sich als schwerer als gedacht. Nach
mehreren Minuten war gerade mal ein Ansatz
geschmolzen. „Scheißmaterial!“ Auf der Stirn
stand dem Soldaten trotz der Scheißkälte schon
der Schweiß.
Die Explosion überraschte uns alle. Ich stand ein
Stückchen abseits. Ein flaches Trümmerstück flog
mir entgegen. Es hatte sich aus der Wand gelöst,
traf mich wie eine Mauer und warf mich zurück in
den Schnee. Benommen blieb ich liegen, während
um mich herum Leute zerfetzt und aufgelöst
wurden.
Snater lag da vorne im Eis, tot, von der Explosion
zerfetzt. Soldaten und zwei Wissenschaftler
sprangen hinter einen Eishügel in Deckung. Nicht
weit entfernt lag Sanders, mein Assistent. Und ein
Stück entfernt sah ich noch die Überreste von
Nielsen.
Mein Blick fiel zurück auf den einzigen Soldaten
von OMEGA, der noch stand. Ein bulliger
Kerl, der immer in der 2. Reihe gestanden hatte.
Ich vermutete, dass er der eigentliche Chef der
Operation war, denn der offizielle Kommandant –
Snater – hatte sich nach jedem Befehl umgedreht
und das Nicken dieses Kerls abgewartet.
Als der Rauch sich verzog, sah ich vier Graue,
die das Feuer auf uns eröffneten. Als erstes
hörte ich eine Explosion hinter dem Eishügel,
wo die anderen sich verschanzt hatten.
Verdammt.
Ich bin nicht dumm.
Das hat seit Jahren auch keiner mehr zu mir gesagt.
Damals, als das jemand gesagt hat, war das Henry.
Wir waren noch in der Schule.
Henry meinte, ich bin dumm wie Brot. Dabei ist
Brot doch gar nicht dumm, sondern man kann es
essen. Und es ist nicht dumm, das Brot
zu essen. 95
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Aber ich wollte nicht, dass Henry über mich sagt,
dass ich dumm bin.
Also habe ich in der Pause Henry erst auf die Schnauze
gehauen, dann habe ich ihm einen Schlag mit der
Faust auf den Kopf gegeben. Henry hat die Augen
verdreht und ist umgekippt. Die anderen meinten,
er wäre bewusstlos. Das Wort kenne ich natürlich –
ich bin ja nicht dumm. Wenn man bewusstlos ist,
hilft kaltes Wasser. Ich habe Henry dann also mit
dem Kopf ins Klo gesteckt und abgezogen.
Hat funktioniert. Er war wieder wach.
Danach musste ich zum Schulchef. Der Schulchef
hat geschimpft und Papa angerufen. Papa ist dann
auch gekommen, hat viel erzählt und auch mit mir
geschimpft. Da kam noch ein Brief, in dem stand,
dass ich zwei Wochen nicht zur Schule musste. Papa
hat wieder geschimpft und gesagt, ich müsste nun zu
Hause bleiben und würde nichts lernen.
Danach bin ich in der Schule genauso gut
mitgekommen wie vorher. Und als ich nach den
zwei Wochen zu Henry hingegangen bin und ihn
gefragt habe, ob ich dumm bin, hat er nur ganz
schnell gesagt, dass ich nicht dumm bin.
Also bin ich nicht dumm.
Papa ist einer der Chefs von OMEGA. Genau kann
er mir das nicht sagen, er sagt, dass das Ganze sehr
geheim ist. Aber weil ich nach der Schule nicht
wusste, was ich machen soll, und immer dieses
tolle Wort gehört habe - „überqualifiziert“ oder
„intellektuell zu sehr herausgefordert“ (ich hab
mir das gemerkt, das stand in den Briefen, die
mir Papa vorgelesen hat! Bin ja nicht dumm.)
- hat er gesagt, ich könnte ja OMEGA-Soldat
werden.
CONTACT - Im Eis verborgen
Ich wusste nicht genau, was man da macht. Ich habe
alle möglichen Dinge geübt. War wie in der Schule,
nur mit mehr Wumms.
Bei den Punktzahlen war ich, glaube ich, ganz
gut. Die anderen haben das nur nicht verstanden.
Meine Punktzahl hatte eine Neun vorne, die der
anderen hatte eine Zwei. Neun ist mehr als Zwei.
Die anderen meinten, sie hätten aber mehr Zahlen
nacheinander, und das würde mehr zählen, aber ich
bin ja nicht so dumm wie die.
Und als es dann drum ging, sich auf die Mappe zu
hauen, war ich wirklich gut. Nach einer Woche hatte
der Rest der anderen OMEGA-Neusoldaten keine
Lust mehr, gegen mich zu kämpfen. Einer hat mal
gesagt, ich würde nur die Ausbildung abschließen
dürfen, weil Papa einer der Chefs ist. Dem habe ich
auf die Schnauze gehauen. Danach hat der das nie
mehr gesagt. Ich habe da auch was verstanden – ich
soll „die Wahrheit verteidigen“. Naja, das mache ich
dann eben so.
Dann war ich fertig, und dann kam Snater. Snater
ist mein Freund. Also später. Erst habe ich gedacht,
er mag mich nicht. Snater hat immer mit mir
geschimpft. Das habe ich Papa gesagt, und Papa
hat gesagt, Snater schimpft mit mir, um einen
besseren Soldaten aus mir zu machen und um mir
zu helfen. Also habe ich mich immer, wenn Snater
mit mir geschimpft hat, bedankt. Die anderen
Soldaten waren nicht so gut wie ich, die hat er nicht
so ausgeschimpft. Nur ich konnte ein besserer Soldat
werden. Das fand ich toll.
Snater hat sich angewöhnt, mich immer anzugucken,
wenn er etwas befiehlt. „Damit Du Depp weißt, dass
Du gemeint bist!“, hat er vorher mal gebrüllt. Ja,
ich habe das verstanden. Dann geht es darum, dass
er sicher sein kann, dass er sich auf mich verlassen
kann.
Und das ist ja wichtig.
Dann sind wir ins Eis gefahren. Mit dem Schiff.
Das ist kalt hier. Wir haben Eisanzüge, damit uns
nicht kalt wird, aber es ist trotzdem kalt.
Das Ding, das wir hier gefunden haben, das Ufo,
ist aus Metall. Und dann gibt es den Knall. Die
anderen werfen sich alle auf den Boden. Ich habe das
gar nicht verstanden. Dann kamen die komischen
Kopfleute aus dem UFO.
Ich hebe meine Nina und schieße. Nina, das ist
meine Waffe. Ich weiß auch, was für eine: Ein Krieg
Armada-Sturmgewehr. Nina kann doll Bumm
machen. Die anderen gehen hinter einem Eishügel
in Deckung. Ich überlege noch, ob ich da auch
hingehen soll, als irgendwas da laut Bumm macht
und die anderen alle umfallen.
Ich zeige mit Nina auf die Feinde und drücke den
Feuerknopf. Ich habe das lange geübt, ich bin ja
nicht dumm. Und ich zeige auf ihre Köpfe. Bumm,
Bumm, Bumm. Es bummt immer schnell, wenn
man auf den Knopf drückt. Man muss aufpassen,
wo man mit Nina hinzeigt. Aber das habe ich auch
geübt.
Die Köpfe der Grauen wurden durchschlagen und
zerfetzt.
Der einsame Soldat und ich standen noch da,
als die Feinde alle vor uns lagen. Ich wagte mich
hinter meinem Trümmerstück, das mich gerettet
hatte, hervor. „Verdammt.“, fluchte ich.
„Lebt noch jemand?“
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„Ich!“, sagte der Soldat.
Verdammt, wie cool musste man sein, um in so einer
Situation die Nerven zu bewahren? Auf welchen
Schlachtfeldern war dieser Soldat gewesen?
Ich wollte zu den anderen hinlaufen. Ich wollte
schauen, ob etwas zu retten war, obwohl ich sah,
dass sie entweder tot waren oder es sehr bald
sein würden. Ich sprang auf – und wäre beinahe
in den Schuss des nächsten Grauen reingelaufen.
Vermutlich war ein weiterer Eingang freigelegt,
denn dieser Graue kam von der anderen Seite.
„Verdammt!“, brüllte ich. „Wir müssen zurück!“
Ich wollte mich an dem UFO entlang zurückziehen,
es als Deckung nutzen, um dann in Richtung des
Forschungsschiffs zu fliehen.
Der Soldat feuerte auf die Feinde. Er erwischte
zwei. Dann war wohl seine Waffe leer, was ihn nur
kurz abhielt. Er friemelte daran herum, offenbar
war sie kaputt. Er warf sie einem der Grauen ins
Gesicht, der daraufhin ebenfalls zu Boden ging.
Dann sprang er auf die Grauenleichen zu, die noch
vor dem gesprengten Eingang lagen.
Nina macht Bumm, Bumm, Bumm. Dann sind die
Feinde tot.
Der Wissenschef will wissen, wer noch lebt. Ich
melde mich. Er schaut mich komisch an. Ich
befolge nun seine Anweisungen. Er ist ja auch
ein Chef, eben der Wissenschef, und Snater ist
tot, glaube ich. Jedenfalls sagt er nicht, ich soll
dem Wissenschef nicht gehorchen.
Dann sind da noch mehr von den Kopfleuten.
Nina macht Bumm, Bumm, Bumm, bis
CONTACT - Im Eis verborgen
Nina nix mehr sagt. Das kenne ich. Munition alle.
Nun müsste ich Nina nachladen.
Mist. Wie ging das noch?
Da war dieses Ding unten dran. Da muss man dran
ziehen, dann drücken, nein erst drücken ...
Die Kopfleute schießen mit ihren Strahlenwaffen
auf mich.
Die sind böse.
Ich werfe dem einen Nina an den Kopf und brauche
was Neues zum Schießen.
Da liegt die Waffe von einem von denen.
Gucken, ob die auch funktioniert.
Und Deckung. Da, durch das Loch!
Der Soldat schnappte sich eine der Waffen der
Aliens. Für einen Moment dachte ich, er wüsste
nicht, was er damit tat, aber dann sprang er durch
das zerfranste Loch, was einst das Schott gewesen
war.
Da ich keinen anderen Ausweg sah, sprang ich
mit.
Der Soldat schwang seine neue Waffe im Kreis. Mit
einem lauten Zischen entlud sie sich und fräste ein
Loch in den Schnee. Was war da gewesen? Dieser
reaktionsschnelle Kerl hatte sicher irgendein Ziel
gesehen, das ich nicht gesehen hatte.
„Was war das?“ fragte ich. „Worauf haben Sie da
geschossen?“
„Schnee“, antworte ich.
Ich wollte gar nicht schießen. Diese doofe Knarre von
den Aliens. Die sind nicht so wie Nina, mit einem
Knopf, da muss man nur den Griff fest anpacken.
Ich wollte die nur wegstecken, habe dann gemerkt,
dass die nicht in das Holster passt, wo Nina so schön
reinpasste – das war ja auch extra für Nina gemacht.
Und dabei ist sie losgegangen. Hab zum Glück nur
in den Schnee geschossen.
„Ganz bestimmt nur Schnee. Wirklich. Nur
Schnee.“
Der Wissenschef guckt mich mit großen Augen an.
Was ist denn jetzt los?
Ich verstand den Soldaten. Diese OMEGA-
Trainingseinheiten waren noch einen Tacken
weiter fortgeschritten, als ich gedacht hätte. Er
musste eine Bewegung unter dem Schnee gesehen
und direkt richtig gedeutet haben. Vermutlich
hatten die Grauen spezielle Drohnen. Oder eine
Abart, so etwas wie einen Facehugger aus „Alien“,
der unter dem Schnee durchbrach. Irgend so
etwas.
Und offenbar war das so top secret bei OMEGA,
dass seine Selbstherrlichkeit, Mister Supersoldat,
nicht einmal in dieser Situation bereit war,
mir das zu erklären. Ich hatte die höchste
Sicherheitseinstufung, Einstufung Null. „Meine
Sicherheitseinstufung beträgt Null!“, grummelte
ich. „Sie dürfen mir alles erklären. Ich bin der Leiter
dieser Expedition! Und nach Snaters Ableben
– das ich sehr bedauere, wie Sie sich vorstellen
können – jetzt auch offiziell Ihr Vorgesetzter.“
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Hihi. Null.
Null ist ja gar nichts.
„Ich hab mehr!“ sage ich. Ich habe schließlich drei.
Das ist ja viel mehr!
Aber das sage ich dem nicht. Der hat ja nur Null,
dem darf ich bestimmt nichts sagen. Und stimmt,
das ist der Chef. Wie immer: Chef sagt was, ich
mach was.
„Und Sie sind der Chef. Der Wissenschef.“ Ich
nicke.
Mir blieb der Mund offenstehen. Mehr als Null?
Negative Wissenseinstufungen? So geheim, dass
ich nicht einmal wusste, dass es sie gab?
Und jetzt machte dieser Supersoldat sich auch
noch über mich lustig. Der würde was zu hören
kriegen, wenn wir zurück waren!
Aber erst einmal mussten wir hier rauskommen.
Die Grauen rückten schon nach. ,,Kommen Sie!“,
rief ich. „Hier, den Gang entlang!“
Kurz danach schossen die ersten Strahlensalven
herein, als wir um die Ecke bogen. Sie kamen
ungezielt, doch sie hätten uns sicher durchsiebt,
wenn wir nicht weitergelaufen wären.
Ich wollte nur noch weg hier. Forschungen
waren wichtig, aber nicht so wichtig wie das
Leben. Ich durfte nicht an die Toten draußen
denken. Irgendwie mussten wir hier wieder
rauskommen, und nach Möglichkeit, ohne
dabei draufzugehen.
Verdammt. Ich war Wissenschaftler, kein
Soldat. Taktik und Strategie verstand ich
CONTACT - Im Eis verborgen
nur unzureichend. „Wie kommen wir hier raus?“,
brüllte ich den Soldaten an, als wir ziellos durch
die Gänge liefen.
Der Chef hat eine Frage gestellt. Er will hier raus.
Der ist offenbar gar nicht so schlau, er ist nur der
Chef.
Naja, das macht ja nichts. Ich bin ja da, ich bin
nicht so dumm wie der.
Wenn er raus will, muss er raus gehen. So einfach
ist das.
„Da, wo wir reingekommen sind. Da kommen wir
auch wieder raus.“ sage ich.
„Dann müssen Sie ja alle Aliens erschießen!“
Dieser Supersoldat hatte natürlich Recht.
Aber wieso war er dann überhaupt erstmal hier
hereingesprungen?
Das war sicher alles eine Taktik, die ich nicht
verstand. Aber mein Hirn war auch gerade echt
nicht gut darin, mit der Situation klarzukommen.
Ich war es gewohnt, in Krisensituationen schnell
und umsichtig zu reagieren. Das waren aber
meistens Experimente, bei denen ich Anweisungen
gab. Ja, auch das war oft kritisch, aber meist ging es
darum, eine wertvolle Probe nicht zu zerstören.
Hier ging es ums Überleben, und damit war mein
Hirn einfach überfordert.
Der Supersoldat wusste wohl sehr genau, was er
tat.
Verdammt. Gerade waren wir in einen Raum
gekommen, in dem in Tanks an der Wand
verschiedene Spezies lagerten. Bläuliche Lampen
warfen ein steriles Licht auf die Szenerie. Die
Grauen hatten irgendwas gesammelt. Was?
Andere Außerirdische von anderen Planeten?
Oder irdische Fauna?
Daran durfte ich nicht denken. Wir mussten hier
raus. Wenn wir mit mehr Leuten zurückkamen,
konnten wir vielleicht die Grauen überwältigen.
Sollte der Supersoldat uns doch hier rausführen.
„OK, dann los!“
Der Chef ist lustig. Ich soll da jetzt gegen alle
Kopfmenschen antreten? Alleine?
Naja, der Chef ist auch da, aber der hat keine
Waffe.
Aber er ist der Chef. Der hat bestimmt einen guten
Plan.
Um uns rum sind lauter komische Glasdinger, wo
Leute drin sind. Und Tiere oder so.
Ich muss noch rauskriegen, wie man diese Waffe
genau abfeuert. Das eben war ja nur Zufall.
„Muss noch was testen“, sage ich.
Und drücke.
Hmm. So nicht.
Ich hebe meine Hand ein wenig höher.
Geht auch nicht.
Ich klopfe auf die komische Waffe.
Dann halte ich noch mal den Griff. Tiefer.
Ah! So geht das.
98
 Ausgabe 4 - 2014
Der Supersoldat hatte die Waffe gerade offenbar
genauer untersucht. Verdammt, ich dachte, wir
kennen diese Waffen gar nicht, da hatte der
schon herausgefunden, wie man verschiedene
Strahlenarten einstellt!
Der Typ musste eine Sicherheitseinstufung haben,
die derartig weit jenseits meiner war... das war
unglaublich. Ich wusste nicht einmal, dass es bei
OMEGA eine Abteilung gab, die so etwas wissen
konnte!
Mit einem Schuss zerstörte er einen der Tanks.
Flüssigkeit trat aus. Irgendwie roch sie... chemisch.
Ein ganz kleines Bisschen erinnerte mich der
Geruch an Alkohol.
Und der Strahl der Waffe setzte die Flüssigkeit
in Brand! Alles rauchte. An den Wänden gingen
Lichter an. Ich kannte die Sprache der Grauen
nicht, aber einen Alarmton erkennt man, auch
wenn er nicht von Menschen konzipiert wurde.
„Was machen Sie da?“ Ich brüllte gegen den Lärm
an. „Das Feuer breitet sich aus! Wir müssen
raus!“
Jaja, ich habe den Chef ja schon verstanden. „Jaja.“
sage ich. „Alles klar.“
Dann gehe ich, die komische Waffe in der
Hand, voran.
Ich war baff. Dass diese brennende
Flüssigkeit hier überall Feuer und Hitze
verbreitete, gehörte zum Plan?
Ich hatte von Taktik wirklich gar keine
Ahnung, wie ich gerade feststellen musste.
CONTACT - Im Eis verborgen
Fump. Fump.
Die neue Waffe macht nicht Bumm. Hihi, da ist der Kopf richtig schön aufgeplatzt.
Fump. Fump, Fump.
Da, ein Kopfmensch. Diesmal habe ich ihm erst auf das Bein geschossen,
Fump. das ist geplatzt. Dann auf den Kopf. Das geht auch!
Daneben.
Der schießt auf mich. Aber vermutlich hätten die Grauen auch kein
Mitleid mit uns.
Daneben.
Einem Feind versuchte der Supersoldat sogar
Hihi. Fump. noch, nur die Beine abzuschießen. Ich sah es nicht
Der Kopfmensch platzt. genau, aber der wollte dann wohl auf ihn anlegen,
und er musste auch ihm in den Kopf schießen.
Nina hat nur Löcher gemacht. Die komische Waffe
macht Fumps. Dann platzt das, worauf man zielt. Intelligentes Leben hin oder her, hier ging es um
uns.
Hihi.
Da, noch einer.
Haha, da vorne ist das Loch. Dahinter sieht man
Fump.
das Eis. Brrr.
Wird nur ganz schön heiß von hinten.
„Hier geht’s raus!“, rufe ich. „Dahinter wird es
„Wird heiß! Wir müssen hier raus!“ rufe ich. wieder kalt!“
Da, noch einer.
Fump. Das war gar nicht unlogisch. Hinter uns war eine
Hitzequelle, vor uns war es kalt. Man musste
sich anhand von Temperaturen orientieren,
Verdammt. Ja, ich wusste, dass wir herausmussten. herausfinden können, ob man in die richtige
Wie der Mann mit dieser Waffe Aliens abschoss, Richtung lief.
als hätte er nie etwas anderes getan, ließ mir
einen Schauer über den Rücken laufen. Skrupel Darauf musste man aber erst einmal kommen!
hatte er keine, aber gut, das konnte ich ihm nicht Ich gehe mal raus. Hihi, da draußen sind keine
verdenken. Kopfleute mehr. Naja, die sind wohl alle tot.
Ja, die Grauen waren intelligentes Leben. Leben, Und meine Leute sind auch alle tot. Das ist schade.
das eigentlich, wie jedes Leben, Rücksichtnahme
Aber Lishen hatte immer so leckere 99
verdiente.
 Ausgabe 4 - 2014
Zigarren dabei. „Kubaner.“ Die braucht der jetzt ja
nicht mehr. Wo liegt Lishen?
Mist. Lishen stand ganz vorne, direkt vor dem Loch.
Der ist echt weit nach hinten geflogen.
„Hier rüber!“ Ich will da rüber zu Lishen.
Ich schöpfte Hoffnung. Der Supersoldat verließ
das Raumschiff und lief zu einer Seite, wobei er
mir zurief, ich sollte mitkommen.
Also folgte ich ihm. Zum Glück schienen draußen
keine Grauen mehr zu sein.
Der Platz, wo ich hinsollte, war hinter einer kleinen
Erhöhung. Das war auch gut so, denn so trafen
uns die Trümmerteile nicht, als das Raumschiff
explodierte.
Bumm.
Das ganze UFO ist kaputt.
Bumm.
Da kommen keine Kopfmenschen mehr raus.
Menno, war das laut.
„Bumm“, sage ich.
Ich drehe Lishen auf die Seite und aus seiner Tasche
hole ich eine Zigarre, die ich anstecke.
Ja, die ist gut.
Oh, wie unhöflich. Papa hat immer gesagt, ich
soll nicht alles alleine essen, sondern teilen,
und für Zigarren gilt dasselbe.
Ich ziehe noch eine Zigarre aus der Tasche
von Lishen und reiche sie dem Chef.
CONTACT - Im Eis verborgen
„Zigarre?“, frage ich höflich. „Kubaner!“ Wir ließen tote Kameraden und einen
Trümmerhaufen zurück.
Dieser Supersoldat ließ nun wirklich kein Klischee Es gibt Tage, da verliert man, und es gibt Tage, da
aus. Aus der Tasche seines gefallenen Kameraden gewinnen die anderen.
holte er eine Zigarre und steckte sie sich an – und Nun ja, wir hatten überlebt, die Grauen waren tot.
bot mir auch eine an! Ich konnte nur den Kopf Wer hatte nun gewonnen?
schütteln. Ich wollte keine.
Das Alienschiff war in Flammen aufgegangen. Ich Juchhu.
hatte gehofft, dieses Schiff zu untersuchen, das er
in die Luft gesprengt hatte. Zurück.
Scheißkälte, bald bin ich weg, dann kannst Du hier
Hatte er das eigentlich?
herumkälten, wie Du willst!
Oh doch, das hatte er. Ich war mir sicher.
Früher gab es nicht nur eine Kälte, sondern mehrere
Meine erste These war, dass das Feuer eine Kälten. Habe ich gelernt. Bei der Völkerwanderung,
Kettenreaktion ausgelöst hatte. Vermutlich oder so.
irgendeine Reaktorgeschichte. Aber wenn ich
sah, wie geheimnisvoll und wissend dieser Mann Schon doof, dass Snater tot ist.
war, hatte er entweder genau gewusst, was er mit Aber Papa wird mir einen neuen Chef geben, der aus
seinem gezielten Schuss anrichtete – die vorherige mir einen noch besseren Soldaten machen kann.
ausführliche Einstellung der Waffe sprach dafür –
Da freue ich mich schon drauf.
oder er hatte noch andere Dinge getan, von denen
ich keine Ahnung hatte. Er war erst hineingelaufen
und dann wieder hinaus, er wusste genau, wohin
er musste.
Sicherheitseinstufung unter Null.
„Wir sollten zum Schiff zurückgehen.“ schlug ich
vor.
Er nickte nur.
Und so zogen ein Soldat, dessen Identität mir bis
heute unbekannt ist, der eine Sicherheitseinstufung
hatte, die meine bei weitem übertraf und dessen
taktisches Geschick phänomenal war, und ich gen
Heimat.
100
 Ausgabe 4 - 2014 CONTACT - The Score

CONTACT - The Score Über die Musikschmiede

von Robert Hamberger X-Score besteht aus den beiden Komponisten Jan
Haak und Kostantine Kazantzis.
Als begeisterte Rollenspiel- und Science Fiction- Jan ist schon seit Jahren fester Bestandteil der
Fans war die Spielwelt von „CONTACT“ für die Mittelalter-Musikszene und gehörte dort mit sei-
Jungs von X-Score ein gefundenes Fressen. Mit ner Band Capud Draconis zu den erfolgreichsten
„The Score“ entstand ein Konzept-Album für un- Newcomern der letzten Jahre.
ser vergleichsweise neues Science Fiction-Rollen-
spiel, das eine bewusst bunte Genre-Mischung an Konstantine stammt aus Griechenland und kam
Tracks bietet. 2013 nach Deutschland, um bei X-Score einzu-
steigen. Er hat in Griechenland die Ausbildung
Dieses Album liefert etwa zu gleichen Teilen at- zum Audio-Engineer abgeschlossen und schon
mosphärische und epische Tracks, welche den mehrere Tracks zu Rollenspielproduktionen bei-
Hörer stimmungsvoll in die Spielwelt einführen. gesteuert; dafür wurde er zum „Best Independent
Der Sound vieler Stücke orientiert sich unüber- Fantasy Composer“ in der P&P RPG-Commu-
hörbar am militärisch-futuristischen Ambiente nity gewählt. Mitte 2013 veröffentlichte X-Score
von CONTACTs Invasions-Szenario, dem auch das erste Album „Imaginations“. Imaginations
ein dezenter Cyberpunk-Einschlag nicht abzu- war eine Zusammenarbeit von Jan mit verschie-
sprechen ist. Synthesizer und Orchester markieren den Grafik-Künstlern, deren Bilder er musikalisch
und Horror hingegen eine tragende Rolle, so dass
dabei unmissverständlich ihr Revier. Bei man- umsetzte und als Video präsentierte. Das Projekt
auch düstere Klangkreationen, die man weniger
chen Tracks spielen die Themenbereiche Mystery wurde auf Youtube veröffentlicht, das Album gibt
als Musik denn als atmosphärische Hintergrund-
beschallung bezeichnen kann, durchaus anzutref- es zum freien Download im Internet.
fen sind. Den harten Stromgitarren sind hingegen Mit „Vault Of Oblivion - Vol. 1“ hat X-Score 2014
die Stücke verschrieben, die ebenso harte Action seine erste kommerzielle, digitale Veröffentlichung
untermalen sollen - im Laufe einer UFO-Invasion umgesetzt. Sie soll eine Reihe weiterer Rollenspiel-
gibt es schließlich immer wieder mit High Tech- Produktionen einleiten.
Waffengewalt ordentlich auf die Mütze!
„CONTACT - The Score“ ist nicht nur X-Scores
Zusammen können die siebzehn Tracks dieses Al- erste Produktion, die spezifisch für ein Rollenspiel
bums eine spannende Geschichte ergeben, die vom in Zusammenarbeit mit dessen Machern produ-
Kampf der Helden der Menschheit gegen eine ziert wird, sondern auch ihr erstes physikalisches
nicht zu bezwingende Bedrohung aus dem All er- CD-Release.
zählt. Ob die Hauptfiguren es schaffen werden, die
Erde vor einer totalen Niederlage gegen die außer-
irdischen Feinde zu bewahren, gilt es dann beim
taktischen UFO-Rollenspiel herauszufinden! 101
 Ausgabe 4 - 2014
Diebstahl
von Frank Röhr
Kommissar Ed Hunter starrte auf den Tatort. Eine
kleine, handliche Waschmaschine, in die zwei So-
cken passten, und ein Bananenportionierer stan-
den links und rechts von der leeren Stelle in dem
Regal.
„Hier war die Flasche!“ jammerte Mountain
View, der Besitzer des Ladens und wedelte mit
seinem Affenhänden. Zur Untermalung wedelte
auch sein Schwanz. Hunter nickte. „Und sie war
auf einmal weg?“
„Ja! Ich habe sie eben noch gesehen, und dann ...
war sie auf einmal weg! Es war niemand im Laden,
also, um genau zu sein, ich habe niemanden gese-
hen...“
Das war ein Rätsel. Eines, auf das er sich freuen
konnte. „Nun denn. Ich werde dann mal anfan-
gen, die Spuren zu sichern.“ Mit gründlicher Poli-
zeiarbeit sollte das schnell gelöst werden können.
Und diesmal würden ihm keine ...
„Ich habe auch meinen Anwalt schon angerufen!“
schimpfte Mountain View. „Das kann ja nicht an-
gehen, dass hier einfach so gestohlen wird!“
Verdammt. Hunter blickte auf. Das Entsetzen in
seinem Blick versuchte er gar nicht zu ver-
bergen. „Anwalt?“ fragt er nur.
„Ja! Da ist er schon!“
Die Tür ging auf, und Ed Hunter seufzte.
Gerade hatte er das Fingerabdruckpulver
und die Lupe herausgeholt. Jetzt war auch
das wieder einmal überflüssig.
Willi Whopper flog beinahe durch die
Sea Dracula: Diebstahl
rücksichtslos aufgestoßene Tür. Seine Wieselau-
gen schauten unstet nach links und rechts. „Willi
Whopper, Anwalt von Herrn Mountain View.“
stellte er sich vor. Das war natürlich überflüssig
wie sonstwas – jeder kannte ihn. „Was haben wir
hier?“ Dabei suchte er sich, um überlegener zu
wirken, einen freien Platz und setzte sich hin. Zu-
fälligerweise war das genau der Platz, wo die ge-
stohlene Flasche gestanden hatte, und so saß nun
ein Wiesel im Regal.
„Herr Anwalt, sie haben soeben wichtige Spuren
zerstört.“ seufzte Ed Hunter. Das war immer das-
selbe mit den Anwälten. „Und sind Sie nicht auf
Mord und Totschlag spezialisiert?“
„Aber, aber, Herr Komissar. Wann gab es den
letzten Toten in Animal City? Also den letzten
ermordeten Toten. Das ist Wochen her. Wie soll
ich davon leben? Nein, nein. Ich bin nun der An-
walt von Herrn Mountain View in diesem Fall des
Diebstahls.“
Und noch bevor jemand es verhindern konnte,
begann er den Schwur zu sprechen. „Ich, Willi
Whopper, schwöre, dass ich ein Tunichtgut bin
...“
Eigentlich war es seltsam, dass der Anwalt ihn auf-
sagte, denn der Schwur war für Zeugen gedacht.
Aber so genau nahm man das nicht.
Die anderen beiden standen still und warteten ab.
Ed Hunter war bis Oberkante Unterlippe von die-
sem Wiesel genervt. Aber wenn jemand in Animal
City den heiligen Schwur des Sea Dracula aufsag-
te, hatte man stillzustehen und andächtig zu lau-
schen. Sonst wurde man verklagt.
„So, was haben wir nun?“ fragte Willi danach.
„Das ist eine Waschmaschine. Die wurde aber of-
fenbar gar nicht geklaut!“
„Nein.“ beeilte sich Mountain zu versichern. „Na-
türlich nicht. Sonst wäre sie noch da.“
„Sie ist noch da!“ triumphierte Willi. „Das ist
ein Widerspruch in sich. Sag solche Dinge nicht,
wenn der Komissar dabei ist. Sage am Besten
nichts mehr! Das muss ich Dir als Dein Anwalt
raten, Du machst Dich sonst verdächtig.“
„Ich bin doch der Bestohlene?“ Mountain View
runzelte die Stirn.
„Ja, schon, aber Du könntest ein In-Sich-Vergehen
begangen haben. Vielleicht hast Du Dich selbst
bestohlen. Das wird echt schwierig, Dich dage-
gen aufzulehnen, da man bei einer Zeugenaussage
immer Dir unterstellen wird, dass Du
als Zeuge nicht objektiv bist, da Du ja 102
 Ausgabe 4 - 2014
selbst belastet bist. Und das führt dazu, dass Du
Dein Eigentum nicht wieder erhältst, weil Du als
Eigentümer unglaubwürdig wirst.“
„Verstehe ich nicht.“ gab Mountain zu.
„Das macht nichts, das ist Anwaltskram. Kümmer‘
Dich nicht drum, halt einfach die Fresse.“ tröstete
ihn Willi. „Zur Sache zurück.“
Ed Hunter nickte.
„Der Dieb hat also kein Interesse an Waschma-
schinen für zwei Socken.“ grübelte Willi. „Das
heißt, es handelt sich nicht um jemanden, der sei-
ne Socken wäscht.“
Ed und Mountain nickten. Mehr traute der sich
gerade nicht mehr.
„Dann war das vermutlich Skeleton Cobra!“
schloss Willi. „Skeleton Cobra hat keine Beine
mehr! Er braucht überhaupt keine Socken! Ich
rufe sofort mal seinen Anwalt an.“
Und ehe die beiden anderen sich versahen, hatte
Willi ein Mobiltelefon aus der Tasche gezogen
und eine Nummer gewählt. „Hallo Mary, bist Du
da?“
Die anderen beiden verstanden nur die Hälfte. „Ja,
ich hab was, Skeleton ist in höchsten Schwierig-
keiten. Ich hoffe für Dich, Du kannst ihn rausbo-
xen.“
„Ja, ich bin hier am Tatort. Ja, es sieht nicht
gut aus, der Täter hat eine Waschmaschine
stehengelassen. Da passen genau zwei So-
cken rein. Na, wer braucht sowas nicht?“
„Soso. Du glaubst nicht, dass Skeleton das
war. Nun gut, es mag ja sein, dass Du mit
ihm im Bett warst. Zugegeben. Aber ... ok.
Dann komm vorbei.“
Sea Dracula: Diebstahl
Mit einem zufriedenen Nicken beendete Willi das
Gespräch. „Sie kommt!“
Und in der Tat trat keine zwei Minuten später
Mary Bloody ein. Ihre langen Zebrabeine schlen-
derten durch den Laden, und sie betrachtete ihren
Anwaltskollegen mit einem deutlich überhebli-
chen Blick.
Der lies sich nicht beeindrucken. „Mary, Mary.
Ist das wirklich professionelles Anwaltsverhalten,
mit seinem Mandanten ins Bett zu gehen?“ Seine
Stimme hatte einen leichten Tadel.
„Ist es etwa professionelles Verhalten, das nicht zu
tun? Vielleicht bist Du ja auch nur hässlich, dass
Deine Mandanten mit Dir nicht ins Bett wollen.
Wozu bin ich sonst Anwältin geworden? Parties,
Tanzen, Spaß haben, das sind die Dinge, wegen
denen man lebt.“ erklärte sie. „Aber lassen wir das.
Was wird Skeleton Cobra vorgeworfen?“
„Er hat hier etwas geklaut. Das sieht man daran,
dass direkt daneben eine Waschmaschine für zwei
Socken steht. Skeleton Cobra hat keine Beine
mehr, also hat er die nicht mitgenommen.“ Trium-
phierend ob seiner Logik schaute Willi Mary an.
„Na, was hältst Du davon?“
„Nicht viel, um genau zu sein, gar nichts. Denn ei-
nerseits war Skeleton Cobra wie gesagt, zum frag-
lichen Zeitpunkt mit mir im Bett, zum anderen
steht hier was neben?“
„Ein Bananenportionierer.“ erklärte Mountain
View. „Man steckt oben Bananen rein, drückt auf
den Kopf, dann surrt es, und unten kommen Por-
tionen raus, die genau auf einen Löffel passen.“
„Soso.“ grinste Mary. „Und wie groß ist so eine
Portion? Es gibt doch völlig verschiedene Löffel.
Teelöffel, Esslöffel, Suppenlöffel...“
„Das ist ein Speziallöffel. Der ist unten drin, hin-
ter der Klappe.“
Mary klappte mit ihrem Zebramaul die Klappe
auf und trat einmal unter die Maschine. Der Löf-
fel flog in hohem Bogen heraus.
„Was haben wir hier?“ fragte sie. „Was ist das für
ein Löffel?“
„Das ist ein komischer Löffel, in der Tat.“ gab Wil-
li zu.
„Das ist ein sehr merkwürdiger Löffel.“ erklärte
Mary. „Mir scheint, das ist ein Griff, an dem vorne
eine Halterung für eine ganze Banane dran ist!“
„Das stimmt.“ stimmte Mountain View bei.
„Und?“ fragte Mary. „Was heißt das?“
„Äh ... was meinst Du?“ wunderte sich Willi.
„Das heißt, dass diese Maschine ganze Bananen
ausspuckt, die man vorher dort hineingetan hat!“
triumphierte Mary.
„Das stimmt.“ nickte Mountain. „Ja, richtig, das
ist so.“
„Und so eine Maschine hätte Skeleton Cobra nie-
mals hier stehenlassen. Skeleton Cobra ist nämlich
so groß wie eine Banane! Und in diese Maschine
hätte er hineinspringen können, ohne dass ihm et-
was passiert wäre!“
„Ich komme nicht ganz mit.“ erklärte Mountain,
doch Willi winkte geschlagen ab. „Ich habe Dir ja
gesagt, Mountain, davon verstehst Du nichts. Ja,
Mary hat eine gute Beweiskette. Ich habe es ver-
standen. Fast jeder Einwohner von Animal City
würde von dieser Maschine eine Gefahr auszuge-
hende Erkenntnis erlangt haben.“ erläuterte er im
Konjunktivis Anwaltis Irrealis. „Du
und ich oder Mary, wir würden diese 103
 Ausgabe 4 - 2014
Maschine nicht mitnehmen, denn wenn wir aus
Versehen reinfassen oder reinfallen, werden wir
auf Bananengröße portioniert. Doch Skeleton
Cobra ist eine Maus ohne Beine, von daher kann
er diese Maschine gefahrlos nutzen.“ - „Genau!“
triumphierte Mary und schüttelte ihr Zebrahaupt,
überlegen lächelnd.
„Ich weiß gar nicht, ob die Maschine überhaupt
was tut...“ murmelte Mountain View, doch die
beiden Anwälte hörten kaum zu. Ferner fiel ihm
gerade ein, dass man eine nichtstuende Maschine
zu verkaufen als Betrug auffassen könnte, und so
wechselte er schnell das Thema. „Äh, ich mag mir
gar nicht vorstellen, was ihr da im Bett gemacht
...“.
Willi winkte ab. „Das ist egal. Anwaltskram. Du
weißt, wenn Du mit jemandem ins Bett gehst, und
nicht einer davon Anwalt ist, wird man eh verklagt
... und in der Regel beide. Und bei zu deutlichen
Nachfragen gibt es eine Unterlassungsklage auf
Nachfragen.“
„Jaja, schon klar.“ beeilte sich Mountain View zu
versichern. „Wollte nix andeuten.“
„Gut so. Dann hätten wir das geklärt.“ lächelte
Mary. „Nun denn. Wer sonst hat kein Interesse an
gewaschenen Socken, ist aber so groß, dass für ihn
von der Bananenportioniermaschine Gefahr aus-
geht?“
Es knallte erneut, und wieder flog die Tür
auf. Military Pacifist betrat den Raum. Sei-
ne Krokozähne klapperten auf und ab, un-
ter dem Arm trug er eine menschenlederne
Aktentasche. Und als ob er alles mitgehört
hätte, brüllte er in den Raum „Das war ein
Maukenwufftel! Ich bin Military Pacifist
Sea Dracula: Diebstahl
und ich werde das beweisen!“
Mary verdrehte die Zebraaugen zur Decke. Willi
schnaufte. Mountain schaute völlig irritiert von ei-
nem zum Anderen, und Ed Hunter hielt sich nur
noch die Hände vor das Gesicht.
„Ich weiß alles, Alles, ALLES! Hört ihr?“ Seine
Stimme überschlug sich fast. „Ich habe alles ge-
hört. Hört Ihr? Alles. ALLES! Hört ihr?“
„Ja, vernommen. Und zu welchem Schluss bist Du
gekommen?“ seufzte Willi.
„Es war ein Maukenwufftel!“ wiederholte Milita-
ry. „Ein echter Maukenwufftel. Hier mitten unter
uns.“
„Was zur Hölle ist ein Maukenwufftel?“ fragte Ed
Hunter interessiert.
„Ein Maukenwufftel ist zunächst einmal ein Wuff-
tel.“ dozierte Herr Pacifist. Er hatte eine Klaue er-
hoben und malte damit wilde Kreise in die Luft,
die seine Erklärungen wohl untermalen sollten.
Was sie nicht taten. „Dann kommt die Mauken-
theorie zum Tragen.“
„Die ... Maukentheorie?“ Willi war verwirrt.
„Ja, so ähnlich wie die Quantentheorie.“ erklärte
Military. „Dieser Wufftel hat irgendwann keine
Lust mehr, seine Füße zu waschen.“
„Was ist eigentlich ein Wufftel?“ unterbrach
Mountain View ihn.
„Das weiß doch jeder.“ antwortete Military. „Ein
Wufftel ist ein Hund, der aufrecht geht.“
„Das ist aber ein blöder Name.“ erklärte Moun-
tain. „Warum nennt man das nicht Ahund, oder
Aufhund?“
„Weil das nunmal Wufftel sind.“ grummelte Mili-
tary. „Darf ich weitermachen oder muss ich Dich
wegen Unterbrechens verklagen?“
„Nein, nein, schon ok.“ versicherte Mountain.
Und auch Willi nickte ihm ernst zu. „Da hat er
Recht, ich muss ihm da Recht geben, ich bin zwar
Dein Anwalt, Mountain, aber das Mandat muss
ich im Unterbrechungsfall natürlich niederlegen.
Ich will ja hören, was er zu sagen hat, da kannst Du
ihn nicht einfach unterbrechen!“
Mountain gab kleinlaut bei, und Military führte
seine Erklärungen fort.
„Die Maukentheorie besagt, dass der erste Mau-
kenwufftel, Wufftellius der Siebte, sich seine Füße
einen Tag lang nicht gewaschen hat.“ erklärte er.
„Wilhelm Katze hat das in seinem Buch »Ge-
schichte der Maukentheorie« eindrucksvoll er-
läutert. Dadurch, dass Wufftellius die Füße nicht
wusch, schimpfte seine Mutter mit ihm. Wuff-
tellius war in der Spätpubertät, so mit Mitte 30,
und demzufolge ignorierte er aus reinem Trotz
das Gemecker seiner Mutter. Nach ein paar Wo-
chen stellte er fest, dass seine Mutter nicht mehr
schimpfte. Er wunderte sich zunächst, stellte dann
aber fest, dass seine Mutter ihn nicht mehr sehen
konnte. Das lag daran, dass ihr vor lauter Gestank
die Augen tränten, wenn sie in seine Richtung sah,
und sie darum immer wegguckte. Wufftellius ent-
führte daraufhin eine weibliche Wufftellin, zwang
sie, sich nie mehr die Füße zu waschen, bis sie so
stank, dass sie nicht zurückkehren konnte, ohne
für immer verstoßen zu werden, und sie gewöhnte
sich an den Geruch und nahm dann auch Wuff-
tellius wahr. Da sie keinen anderen Ausweg mehr
hatte, in die Wufftelgesellschaft zurückzukehren,
musste sie dann Wufftellius heiraten. Danach
kriegten sie viele Kinder und verboten
104
ihnen allen, sich die Füße zu waschen,
 Ausgabe 4 - 2014
so dass auch sie unsichtbar wurden. Daher stam-
men die Maukenwufftel. Die Unsichtbarkeit war
ein evolutionärer Vorteil, darum sind die übrigen
Wufftel ausgestorben.“
„Und wie sollen wir das nun überprüfen, ob das
auch stimmt?“ Mary war nicht überzeugt.
„Wir brauchen einen Teilchenbeschleuniger, um
das zu überprüfen. Denn die Maukenwufftel kann
man natürlich nicht sehen, weil die Füße so stin-
ken, aber wir können damit ihre Spuren erkennen.
Zufällig habe ich einen dabei.“ erklärte Military
und holte einen unförmigen Knüppel aus seiner
Menschenledertasche.
An der Seite des Knüppels war eine kleine Ausspa-
rung, in die Military zum Entsetzen aller anderen
ein Puddingteilchen steckte, das ebenfalls aus sei-
ner Tasche stammte. Dann drehte er den Knüppel
am ausgestreckten Arm im Kreis.
„Ich beschleunige nun das Teilchen. Es ist übri-
gens völlig egal, ob es sich um Puddingteilchen,
Hefeteilchen oder gar um Erdbeertörtchen han-
delt.“ dozierte Military ächzend, während er wei-
terdrehte. „Achtung, Teilchen beschleunigt!“ rief
er plötzlich und stoppte den Knüppel abrupt.
Das Teilchen flog vorne aus der Aussparung und
platzte am Boden. Die Umstehenden wurden mit
Pudding bespritzt.
„Du Ferkel!“ erboste sich Mary.
„Ich bin kein Ferkel, ich bin ein ausgewach-
senes Krokodil!“ bestand Military. „Jetzt
können wir, vorausgesetzt, sie kommen zu-
rück, ihre Spuren erkennen. Hier im Pud-
ding!“
Die anderen drei sahen sich entsetzt an.
Mountain wollte gerade den Mund aufma-
Sea Dracula: Diebstahl
chen und sicher eine unglaublich dumme Frage
stellen.
„Sei still, Mountain! Kein Wort mehr! Und Mi-
litary: Ich zweifle das an!“ brüllte Willi. „Als
Grund nenne ich §34 Abs. 2 Animal City-Gesetz-
buch: Vermutet der Anwalt bei einer Verhandlung
oder sonst irgendwann an einem beliebigen Ort
hirnverbrannten Schwachsinn, kann er auf der
Stelle Austragung und Wettbewerb zur Klärung
der Schwachsinnsfrage verlangen, nach Maßgabe
des § 45 Animal City-Gesetzbuch hat damit also
dann der Kontrahent den Tanz auszuwählen!“
Military blieb gelassen. Fies grinste sein Kro-
komaul, dann sagte er nur leise, aber betont ein
Wort: „Tango.“
Willi schnappte sich Mary und begann mit ihr
einen Tango zu tanzen. Military schaut entsetzt
zu. „Was macht ihr da? Mary, wieso tanzt Du mit
dem? Ich hatte gehofft, er findet keinen Partner
und macht sich lächerlich, wenn er alleine Tango
tanzt!“
„Och, er ist eigentlich ganz niedlich, und ich woll-
te noch mit ihm ins Bett.“ erklärte sie.
„Ach so. Naja, gut. Dann hast Du gewonnen, und
das mit dem Maukenwufftel stimmt nicht.“ gab
sich Military geschlagen.
„Prima. Dann können wir ja Skeleton Cobra ver-
haften und ins Gefängnis stecken. Ed, machst Du
das?“ fragte Willi.
„Aber er war doch mit mir im Bett!“ protestierte
Mary. „Ach, ist ja auch egal. Ich lege mein Mandat
nieder, das hatte ich eh nur angenommen, um ein
wenig Spaß mit ihm zu haben. Hauptsache, wir
stopfen wen in den Knast, dann ist der Tag gut
und ich muss sein Geweine nicht ertragen.“
„Und nachher essen wir Eis!“ freute sich Willi.
„Ich brauche nach jeder Verhaftung Eis.“
„Aber nur mit Sahne, sonst verklage ich Dich!“
grummelte Mary. „Wegen Vergammelnlassens von
Sahne durch Nichtbenutzung beim Eisverzehr.“
„Von Dir lass ich mich gerne verklagen, Mary!“
raunte Willi und ließ seinen Wieselschwanz um
ihre Beine streichen.
Gemeinsam zogen alle fröhlich von Dannen, um
Skeleton Cobra seiner gerechten Strafe zuzufüh-
ren und danach Eis zu essen.
***
Wunki saß mit seiner Familie am Essenstisch in
seiner Wohnung und betrachtete die Flasche, die
er aus Mountain Views Laden entwendet hatte.
„Das ist wirklich eine sehr leckere Flasche Mäu-
seblut. Der schmeckt ganz hervorragend – es sei
denn, man ist eine Maus, aber die würde sowas ja
auch nicht klauen.“
„Du hast übrigens Glück, Vati!“ grinste seine
Tochter Shinniwupf ihn an.
„Warum?“
„Weil ich noch nicht fertig bin mit meine An-
waltsausbildung. Wenn ich fertig wäre, könnte ich
Dich jetzt verklagen!“
Wunki seufzte. Noch drei Wochen, dann würde
Shinniwupf ausgebildete Anwältin sein.
Nun ja, dann würde er halt aufpassen, und nur
noch dann klauen gehen, wenn sie gerade nicht
dabei war. Und auf diese neumodischen Dinger,
diese Teilchenbeschleuniger.
105
 Ausgabe 4 - 2014 Informationen

Produkterscheinungen Jahresrück- Der Eine Ring: lag.de (Von Ost nach West, alles zwischen Osnabrück
und Bonn)
blick 2014 Hobbitgeschichten
Bereich Süd: Frank.Sauer@uhrwerk-verlag.de
Im Laufe des Jahres sind für unsere Linien einige CONTACT: (Von Ost nach West, alles südlich von Bonn)
Publikationen herausgebracht worden. Krater des Verderbens
Projekt Oberon
Myranor: The Score (Musikalbum) Veranstaltungen bis Ende des Jahres:
- Das sterbende Land 20.12. Brot und Spiele Braunschweig (b-u-s.wah-
- Myranische Geheimnisse Deadlands: nunsinn.de) Braunschweig
- Myranische Magie (überarbeitete Neuauflage) Grundregelwerk (Reprint)

Dungeonslayers: Veranstaltungen im 1. Quartal 2015:

Sea Dracula
- Der Wind des Wahnsinns Grundregelwerk 17.01. Brot und Spiele Braunschweig (b-u-s.wah-
- Wyndland (Fanabenteuer, nicht im Handel) nunsinn.de) Braunschweig
- Kult des roten Drachen (Reprint) 14.02. Brot und Spiele Braunschweig (b-u-s.wah-
- Die Söhne der Wüste nunsinn.de) Braunschweig

Gammaslayers: 06.-08.03. Adventure Con (www.sdnv.de)

- Der rostige Pfad Gottes Veranstaltungstermine 06.-08.03. HeinzCon (www.heinzcon.de) Norden
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Zu vielen der folgenden Cons kommen unsere
Splittermond: 21.03. Brot und Spiele Braunschweig (b-u-s.wah-
Supporter und bieten Demorunden an. Aktuelle
- GRT-Schnellstarter Infos dazu kann man auf der Homepage des Ma- nunsinn.de) Braunschweig
- Die Welt gazins einsehen: 28.03. Gratisrollenspieltag
- Türme im Eis (nicht im Handel)
- Grundregelwerk 27.-29.03. Namenlose Tage (www.namenlosetage.
http://uhrwerk-magazin.de/supportrunden-ter-
- Der Fluch der Hexenkönigin de) Syke
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