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14.1 Einführung
Anflug und Landung birgt – wie auch der Start – ein gewisses Unfallrisiko.
Dies zeigt auch die gegenwärtige Unfallstatistik (Stand 2006), nach der
von insgesamt elf schweren Unfällen strahlgetriebener Flugzeuge sechs
der Kategorie approach and landing (ALA), also Unfälle der Anflug- und
Landephase, zuzuordnen sind.
Einer der häufigsten ALA-Unfall ist der landing overrun, also das Über-
schießen der Piste nach der Landung. Eine Auswertung solcher Zwischen-
fälle konnte folgende Punkte als beitragenden Faktor identifizieren
(Gurney 2006).
x Der Anflug verlief zu schnell und das Aufsetzen erfolgte mit einer zu
hohen Geschwindigkeit. In aller Regel lag diese mehr als 15 kt über der
Referenzgeschwindigkeit.
x Der Anflug verlief zu hoch. Die Pistenschwelle wurde nicht in der ge-
forderten Höhe von 50 ft überflogen, sondern höher.
x Es wurde eine weiche Landung angestrebt. Dazu wurde das Flugzeug zu
lange über der Bahn gehalten ohne aufzusetzen.
x Es wurde nicht innerhalb der Landezone (touch down zone) aufgesetzt
x Die Landebahn war nass oder kontaminiert.
x Es herrschte Rückenwind bei der Landung.
Um ALA-Unfälle zu vermeiden ist es daher wichtig, die mit dieser Flug-
phase verbundenen Risikofaktoren zu kennen. Hierzu gehören unter
anderem, die Berechnungsgrundlagen von Landestrecken zu kennen und
dazugehörige Informationen richtig zu interpretieren.
Nur das Kennen und die richtige Einschätzung von Sicherheitsmargen
kann zu entsprechenden Entscheidungen führen.
322 14 Anflug und Landung
Der Wert „x“ bedeutet, dass die Landebahn „ungrooved“ ist. Im Falle einer
„grooved“ Piste würde hier ein „G“ stehen.
Ist der Anflug hindernisfrei, steht die gesamte Bahnlänge als Landestrecke
zur Verfügung (LDA = TORA). Hierbei ist zu beachten, dass ein eventuell
vorhandener stopway im Anschluss an die Bahn die verfügbare Lande-
strecke nicht erhöht. Ein stopway beeinflusst lediglich die verfügbare
Startabbruchstrecke.
Tatsächliche Landestrecke
Die JAR-OPS 1.515 schreibt vor, dass das Landegewicht eines Flugzeuges
nur so hoch sein darf, dass es innerhalb bestimmter Strecken zum Stehen
kommt.
14.2 Limitierung des Landegewichts 325
Wenn die Landestrecke für eine automatische Landung die der manuellen
Landung übersteigt, muss die benötigte Landestrecke im AFM definiert
werden. Die tatsächliche Landstrecke bei trockener Bahn und auto-
matischer Landung ergibt sich aus einer Luftphase (da) und einer Boden-
phase (dg).
Für den Fall, dass ein Anflug abgebrochen wird, werden an das Flugzeug
formale Anforderungen hinsichtlich seiner Steigleistung gefordert. Diese
schlagen sich wiederum direkt in einer Gewichtslimitierung nieder, die
bereits in die Überlegungen bei der Flugplanung zu Beginn des Fluges
einbezogen werden müssen. Denn je schwerer das Flugzeug, desto
schlechter die Steigleistung.
Nach CS 25.1001 muss eine Flugzeug innerhalb von 15 Minuten am Start-
flughafen wieder landen können. Dies könnte beispielsweise im Falle eines
Triebwerksausfall notwendig sein. Zu diesem Zeitpunkt, haben die Flug-
zeuge jedoch noch den gesamten Treibstoff für den Reiseflug an Bord.
Unter Umständen kann dies dazu führen, dass sie zu schwer sind und den
geforderten Steiggradienten für einen approach climb nicht erzielen
können.
Für diesen Fall sind manche Flugzeug mit einem Schnellablassventil aus-
gestattet, das er erlaubt, innerhalb sehr kurzer Zeit, sehr viel Treibstoff ab-
zulassen (fuel jettison) und dadurch das Landegewicht so zu verringern,
dass der Mindeststeiggradient erreicht werden kann.
Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen den beiden Szenarien approach
climb und landing climb. Je nach Szenario sind unterschiedliche Aus-
gangsparameter unterstellt.
Während zweistrahlige Flugzeuge eher durch den approach climb limitiert
sind, werden vierstrahlige Flugzeuge häufig durch den landing climb ein-
geschränkt.
14.2 Limitierung des Landegewichts 329
Fehlanflugverfahren
Nach einer Landung nehmen die Bremsen durch das Abbremsen des Flug-
zeugs Wärmeenergie auf und erhitzen. Würde das Flugzeug kurz nach der
Landung wieder starten, könnte es sein, dass aufgrund der noch heißen
332 14 Anflug und Landung
Druckhöhe
Mit zunehmender Druckhöhe nimmt die Dichte ab und die TAS wird
größer. Dies führt zu größeren Landestrecken. Darüber hinaus nimmt der
Schub ab, was in einem verminderten Steiggradienten für den Fall eines
Fehlanflugverfahrens resultiert.
14.3 Ermittlung der Landestrecke 333
Temperatur
Der Schub nimmt ab einer bestimmten Referenztemperatur (flat rate
temperature) ab (siehe Abb. 6.2). Dieser geringere zur Verfügung stehende
Schub resultiert an sehr warmen Tagen im Falle eines Durchstartmanövers
in einem geringeren Steiggradienten.
Pistenneigungswinkel
Ein positiver Neigungswinkel verkürzt die Landestrecke und umgekehrt.
Pistenbeschaffenheit
Die Pistenoberfläche beeinflusst die Landeflugleistung durch den
Reibungskoeffizienten und den Widerstand durch vorhandene
Kontaminierung. Ein niedriger Reibungskoeffizient führt zu längeren
Landestrecken. Widerstand durch Kontaminierung führt zu kürzeren
Landestrecken (je nach Art und Beschaffenheit der Kontaminierung).
Flugzeugkonfiguration
Die Flugzeugkonfiguration beeinflusst die Landeflugleistung zum einen
durch die Klappenstellung und zum anderen durch die Zapfluftentnahme.
Eine große Klappenstellung führt zu einer niedrigeren Anflug-
geschwindigkeit, aber auch zu höherem Widerstand. Daher nehmen die
Landestrecke und der Steiggradient ab. Die Zapfluftentnahme verringert
den zur Verfügung stehenden Schub. Der Steiggradient nimmt daher ab.
Zusammenfassung
Tabelle 14.3 zeigt die Ermittlung von ALD und RLD eines CRJ 700, wie
sie bei Lufthansa CityLine verwendet wird.
Tabelle 14.3 Ermittlung der Landestrecke auf trockener und nasser Piste (© CLH)
Bei der Ermittlung der required landing distance sind jedoch einige grund-
sätzliche Überlegungen ratsam: So ist der Übergang von einer nassen zu
einer kontaminierten Piste graduell. In der Dokumentation ist es der Unter-
schied von „bis zu 3 mm“ zu „mehr als 3 mm“ Schichtdicke der
Kontaminierung. Doch wie soll diese Dicke gemessen werden? Gewitter-
schauer regnen schnell ab und konvektives Wetter ist hochdynamisch.
14.3 Ermittlung der Landestrecke 337
Wird aus einer wet runway nun eine contaminated runway, hat dies nicht
nur für die Landestrecke Konsequenzen, sondern auch für die maximale
Querwindkomponente.
Grundsätzlich sind die Werte aus den Tabellen kritisch zu betrachten. Sie
„suggerieren eine Genauigkeit von +/- 10 m, was genauso viel mit der
Realität zu tun hat, wie die Temperaturanzeige eines Digitalthermometers,
dessen Display zwar noch die zweite Kommastelle anzeigt, während im
Kleingedruckten steht: Toleranz +/- 2 °C“ (Kiessling 2007).
Während die ALD für trockene Pisten noch tatsächlich erflogen wird, be-
ruhen die Werte für nasse und kontaminierte Pisten auf mathematischen
Modellen, wie sie in Kapitel 9 zu den Pistenoberflächen beschrieben
wurden. Auch wenn die mathematischen Modelle grundlegend nicht falsch
sind, berücksichtigen sie nicht alle in der Praxis vorkommenden Um-
stände. So gibt es z. B. keine besondere Aufschläge für eventuell vor-
handenen Gummiabrieb auf der Piste, der den Bremsweg zum Teil signi-
fikant verlängern kann. Eine vorhandene Sicherheitsmarge kann sich
bereits dadurch schnell in Luft auslösen.
Bei der Ermittlung der Landedaten und der Handhabung von Tabellen oder
auch Computerprogrammen, ist es wichtig, die Parameter zu kennen, die
einem Ergebnis unterstellt sind. Hierzu gehören nicht nur die Parameter,
die dem Rechenalgorithmus hinterlegt sind, sondern auch diejenigen, die
man selbst eingibt. Nicht selten kommt es am Schluss anders, als man
denkt. So sind die wichtigsten Faktoren, die in der Vergangenheit zu einem
Überschießen der Piste nach der Landung beigetragen haben unter
anderem:
x unerwarteter (schlechterer) Pistenzustand
x inkorrekte Bodenwindinformation
x unerwarteter Rückenwind oder negative Windscherung
erst bei ca. 2.000 ft. Hier wurden also bereits die ersten 300 Meter an
Sicherheitsmarge aufgegeben.
x Pro 5 Knoten höherer Landegeschwindigkeit braucht man etwa 10 %
mehr Landedistanz. Bei einem Geschwindigkeitsaufschlag von 5 kt,
z. B. in konvektivem Wetter wegen Böen, führt dies zu weiteren 150 m.
x Flughafenhöhe auf MSL: pro 1.000 Fuß fliegt das Flugzeug durch den
Unterschied von TAS zu IAS etwa 2-3 kt schneller. In München mit
einer ELEV von rund 1.500 ft werden dadurch weitere 100 m benötigt.
x Maximum Manual Braking: Der Unterschied zu autobrake medium be-
trägt beim A340 auf trockener Piste ca. 400 m, bei nasser Bahn ca.
170 m und bei kontaminierter Piste ca. 100 m. Aus Gründen des
Passagierkomforts wird maximum manual braking in der Regel im
Linienalltag nicht genutzt.
x Außerdem wird von einer ebenen Piste mit intaktem Oberflächenbelag
ausgegangen. Gummiabrieb am Ende der Bahn in der Aufsetzzone der
Gegenrichtung ist nie berücksichtigt.
14.4 Empfehlungen