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KANT-STUDIEN 2015; 106(1): 3–35

Reinhard Brandt
Kants Revolutionen
Abstract: In Kantian philosophy (between 1787 and 1798), the concept of revolu-
tion is used in the context of theoretical knowledge (geometry, physics, astron-
omy), metaphysics (his own critique) and morals (right, ethics). A revolution leads
to a fundamental change: where the subject once had to follow external determi-
nations, he now subdues objects via his own legislation. Heteronomy becomes
autonomy. Kant organizes the revolutions in an order that follows not the empiri-
cal facts of history, but the structure of philosophical reason. The two most
important texts are the Preface to the second edition of the Critique of Pure Reason
(1787) and the second chapter of the Conflict of the Faculties (1798).

Keywords: Revolution, legislation, theoretical knowledge, philosophy, practical


knowledge.

DOI 10.1515/kant-2015-0002

1 Über verschiedene Wortbedeutungen von


„Revolution“
Die im 18. Jahrhundert vertrauten Gebrauchsformen des Wortes beziehen sich
einmal auf die Umläufe von Sternen, auch ungeordnete Naturumbrüche, zum
anderen auf politische und kulturelle Umwendungen.¹ Eine politische oder kultu-
relle Revolution kann entweder auf die Rückkehr zur Vergangenheit zielen oder sie
bewirken, also eine „restauratio“ sein, oder sich auf die Zukunft mit einer dezidier-
ten Abwendung von der Vergangenheit richten. Naturrevolutionen sind unregel-
mäßige Ereignisse auf der Erde, die plötzlich einbrechen, ohne sich in eine
erkennbare Zweckordnung zu fügen.²
Die Rede von der Revolution einer Disziplin der Erkenntnis oder der politi-
schen Ordnung bezieht sich bei Kant auf ein kulturelles Ereignis, das durch fol-

1 S. Günther 1992. Zum Revolutionsbegriff vgl. auch Griewank 1969.


2 S. u.  a. SF, AA 07: 89.05.

Prof. Dr. Reinhard Brandt: Augustinergasse 2, D-35037 Marburg; brandt2@staff.uni-marburg.de

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gende Merkmale gekennzeichnet ist. Es ist der kausal nicht herleitbare, im Prinzip
irreversible plötzliche Umbruch von einer Vor- und Versuchsphase hin zur Etab-
lierung einer methodisch geordneten Progression in einer Disziplin oder einer
Rechtsordnung. Diese Revolution beendet die Phase tumultuarischer Versuche
und initiiert etwas völlig anderes: den fortwährenden sicheren Gang der Erkennt-
nis oder der Rechtsstruktur in eine unbegrenzte (nicht offene!) Zukunft hinein.
Sie geschieht „auf einmal“ im Einfall oder in der Erleuchtung eines einzelnen
Forschers oder der Initiative eines geistreichen Volks. In der Vorgeschichte wird
der um Erkenntnis bemühte Mensch von wechselnden Eindrücken bestimmt,
die Revolution erlöst ihn aus dieser Kausalität, jetzt bestimmt er umgekehrt die
gesetzliche Erkenntnis der Gegenstände; aus dem passiv ablaufenden Gesche-
hen wird eine Folge selbstbestimmter Handlungen. Zur Vorgeschichte des Rechts
gehören monströse Despotien, die Revolution führt dagegen in einen Staat selbst-
bestimmter Gesetze der Freiheit und damit des Friedens. Revolutionen sind im
jeweiligen Gebiet singulär; ein Thales³, ein Bacon, ein Kant und die eine Revolu-
tion in Paris, nur sie genügen dem besonderen Titel.
Vor Kant tendierten die Gelehrten und Politiker dazu, mit der Revolution
eine ursprüngliche Erkenntnis oder die „old liberties“ zu restaurieren. Selbst der
erste neuzeitliche Zeuge Nikolas Kopernikus will mit seiner Schrift De revolutio-
nibus orbium coelestium (1543) die Astronomie nicht gänzlich erneuern, sondern
die ursprünglichen Erkenntnisse wiedergewinnen.⁴ (Sein Werk wird von Kant
aus bestimmten, noch zu erläuternden Gründen nicht als Revolution geführt).
Rück-Kehr, Re-volutio, re-stauratio war die Absicht des Werks über die „Umläufe
der Himmelskreise“, auf keinen Fall ein „neues Weltbild“⁵. Noch von der „Glori-
ous Revolution“ (1689) heißt es, sie wollte „die gute alte Sache wiederbeleben“
(„revive the good old cause“).⁶ Sie richtet sich gegen Abweichungen von der
alten Verfassung besonders durch Jakob II. Kants Revolutionen der Denk- oder
Denkungsart⁷ haben dagegen kein verpflichtendes Muster in der Vergangenheit,
sondern entspringen prononciert und ausschließlich dem Jetzt in der kreativen
menschlichen Vernunft und zielen auf etwas Neues. Auch die zeitgenössische
Revolution von 1789 will keine alten Rechte der Franzosen wieder zur Geltung

3 S. KrV, B XIf. Zur historischen Klärung s. Mohr 2004, III, 386.
4 Carrier 2001, 67.
5 So unter dem Titelzwang Hans Günter Zekl in seiner sonst bewundernswerten Ausgabe, Zekl
1990.
6 S. Speck 1988, 26; s. auch Harris 2006, bes. 308–363.
7 Ein sachlicher Unterschied zwischen den beiden von Kant gebrauchten Termini lässt sich
nicht feststellen. Kontrastbegriff kann der der Sinnesart sein.

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bringen, sondern das Recht der Vernunft. Es beginnt der freie Flug der Mensch-
heit, gestützt nur auf die eigenen, vorwärts gewandten Kräfte.
So vollzieht sich im Revolutionsverständnis selbst die Verkehrung der Rich-
tung; wendet sich die „revolutio“ qua „restauratio“ der Vergangenheit zu, wird
sie im moderneren Wortverständnis zur Eroberung der Zukunft. Jede Revolution
in diesem Sinn ist eine durch blinde Versuche vorbereitete und doch unerklär-
bare Befreiung des Menschen aus der Fremdbestimmung zur Mündigkeit; sie
entspricht der Maxime der Aufklärung, sich zum Ausgang aus der Unmündigkeit
zum Selbstdenken zu bewegen. 1789 signalisiert so die große Zeitenwende; die
Menschheit orientiert sich (idealiter) nicht mehr an der Vergangenheit und ihren
Mythen und Offenbarungen, sondern an der Zukunft, wie sie unsere Vernunft
und Tätigkeit gestaltet. Die christliche Zeitachse soll durch eine eigene ersetzt
werden, die mit dem Nullpunkt der Revolution beginnt und sich nur auf die künf-
tige Zeit erstreckt.
In der „Vorrede“ zur zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft (1787)
befasst sich Kant mit dem Problem der Revolution als eines Umschlags einer Dis-
ziplin der Erkenntnis zwischen der methodenlosen Vorgeschichte und der regu-
lierten Nachgeschichte eines dann im Prinzip konstanten Fortschritts. Es werden
(nach der selbstevidenten Logik, B VIII–IX) folgende Disziplinen genannt: Geo-
metrie (Thales), Physik (Bacon) und die eigene kritische Philosophie. Die Kritik
der praktischen Vernunft (1788) ermöglicht die sittliche Revolution, die in der
Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (1793) thematisiert wird. Die
Französische Revolution (1789) tritt hinzu und wird im Streit der Facultäten (1798)
besprochen. So lässt sich eine Geschichte der progressiven Aufklärung skizzieren
von Thales zur Französischen Revolution, die in dem wohlkomponierten Ensem-
ble den Schlussstein bildet. Die Astronomie mit Kopernikus und Newton gehört
nicht in den wortwörtlichen Katalog der Revolutionen, obwohl sie eine zentrale
Rolle spielt und unter dem Namen der Kopernikanischen Revolution die später
meistgenannte ist.
Bei den angeführten Umwendungen der theoretischen Erkenntnis hält sich
Kant in den beiden wesentlichen Fällen an die Abfolge von Anschauung und
Begriff, so wie wir sie in der KrV in der Folge von „Transzendentaler Ästhetik“
(Formen der Anschauung) und „Transzendentaler Logik“ (reine, auf Anschauung
beziehbare Begriffe) finden. Zuerst betritt Thales als Geometer die Bühne, dann
folgt Bacon als Naturlehrer; auch bei der spektakulären Erneuerung der Astro-
nomie tritt zuerst Kopernikus mit der geometrischen Neubestimmung der Stern-,
speziell der Planetenbewegung auf, dann folgt Newton mit deren dynamisch-
begrifflicher Herleitung. Aus dieser Sicht wird der duale Aufbau der KrV beleuch-
tet, denn auch die Aufdeckung der zwei Erkenntnisstämme folgt dem Muster in
der Form, dass zuerst 1770 die Lehre der reinen Anschauung in der Dissertation

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De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis niedergelegt wurde, die


korrespondierende Begriffslehre aber erst 1781 folgte.
Die Revolutionsfolge in der „Vorrede“ von 1787 stellt sich in keinen gedank-
lichen Zusammenhang mit dem Schluss der Kritik der reinen Vernunft von 1781;
dort heißt es noch: „Ich will jetzt die Zeiten nicht unterscheiden, auf welche diese
oder jene Veränderung der Metaphysik traf, sondern nur die Verschiedenheit der
Idee, welche die hauptsächlichsten Revolutionen veranlaßte, in einem flüchti-
gen Abrisse darstellen.“ (KrV, A 853) In der „Vorrede“ von 1787 will Kant dagegen
sein Werk nicht in eine Philosophietradition mit ihren Umkippungen stellen,
sondern als die Initiation einer Wissenschaft, die sich qua Revolution nicht von
den anderen positiven Wissenschaften unterscheidet. Daher widmet er die zweite
Auflage dem Physikbegründer Francis Bacon, dem „bucinator“ nicht der Philoso-
phie, sondern der experimentellen Naturwissenschaft. Aber der Schluss der Kritik
der reinen Vernunft ist auch in der 2. Auflage beibehalten; so vereinigt das Werk
in Schluss und „Vorrede“ den Anspruch, Philosophie als Wissenschaft zu sein.
Wir greifen aus den Revolutionen und Wenden drei heraus: Die Wende von
Kopernikus und Newton, die sich auf die Gesetze der Natur bezieht, Kants eigene,
auf das erkennende und sittlich handelnde Subjekt gerichtete metaphysische
Revolution der KrV, und die letzte, die sich auf die Freiheit und rechtliche Gesetz-
gebung richtet. Die Begründung der Gesetzgebung von Natur und Freiheit stiftet
das Subjekt, das nach unserer Ordnung in der Mitte steht und die Vollständigkeit
der neuen Gründungen gewährleistet.
Von Thales bis zur Französischen Revolution  – es werden aus der Antike
Berichte über den Ersterfinder, den Entdecker, über den Ausruf „heureka“ („Ich
habe es gefunden!“), den Einfall, die plötzliche Erleuchtung, den qualitativen
Umschlag vom blinden oder nächtlichen Herumtappen zum Sehen und Erken-
nen übermittelt – ist die kantische Verwendung des Begriffs der Revolution oder
verwandter Formulierungen mehr als die metaphorische Bündelung ähnlicher
geschichtlicher Ereignisse? Und wie wäre das möglich?
Eine Revolution hat irrationale Züge, denn der singuläre Akt der Umkehr von
Thales bis zu den Ereignissen in Paris lässt sich nicht konkludent erklären. Man
wird in Kenntnis der kritischen Philosophie vermuten, dass eine kausale Herlei-
tung im Bereich der Erscheinungen nicht möglich ist, sondern die wirkliche Revo-
lution auf einen noumenalen Ursprung verweist. Es wird der Begriff der Denk-
oder Denkungsart benutzt, also etwas Geistiges, in dem Übersinnliches möglich
ist. Die Beziehung der Denkart auf den noumenalen Charakter des Akteurs ist
notwendig im Bereich der Moral, also der Religion innerhalb der Grenzen der
bloßen Vernunft und der Französischen Revolution, wohl auch der zentralen
Revolution der Metaphysik in Kants eigener Kritik der reinen Vernunft. Lässt sich
jedoch die Erneuerung der Denkart in der Geometrie und Physik hier ansiedeln?

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Kants Revolutionen   7

Kaum, wenn die Trennung von theoretischer und reiner praktischer Vernunft
gilt. Diese Trennung zwingt uns dazu, zwei Revolutionsbegriffe voneinander zu
trennen, den moralisch relevanten und den trivial-anekdotischen bzw. wissen-
schaftsgeschichtlichen. Der erste verweist auf das Intelligible im Subjekt, der
zweite auf Sonderbarkeiten in den empirischen Ereignissen der Menschheitsge-
schichte. Zu dieser zweiten Revolution sind bloß vernünftige Wesen wie etwa die
Teufel im Ewigen Frieden (1795) in der Lage, zur ersten nur das moralisch begabte
Vernunftwesen (vgl. MS, AA 06: 26; 418; 434). Teufel können, vielleicht durch
überraschende Gedankenassoziationen, die Geometrie und Physik als stabile
Wissenschaft kreieren, geraten aber nicht in enthusiastische Verzückung bei dem
Versuch, republikanische Rechtsverhältnisse zu begründen. Die erste Revolution
findet innerhalb der empirischen Psychologie statt und kann bei näherer Erfor-
schung der Umstände vielleicht doch aus einem kontinuierlichen Prozess ohne
Emergenz erklärt werden, die zweite ist a priori der empirischen Auflösung entzo-
gen.⁸ Wir lösen diese Ambivalenz im Kern der kantischen Wortverwendung nicht
auf, sondern folgen dem Autor in der Vorgabe, dass es sich bei der „Revolution der
Denk(ungs)art“ seit Thales um ein einheitliches Phänomen handelt.
Folgt man dieser Interpretationslinie, so findet sich in der „Vorrede“ das
begriffliche Gerüst für die Entwicklung des menschlichen Geistes; die Stationen
von der Antike bis hin zum Umbruch von 1789 markieren die Wenden, in denen
sich der menschliche Geist aus der Passivrolle emanzipiert und nun sein Erken-
nen und Handeln selbst bestimmt. Es wäre der Leitfaden für eine Geschichte,
die sich nicht mit den Nebensächlichkeiten und der Folklore der Vorgeschichte
aufhalten lässt, sondern die essentiellen Erkenntnisse herausstellt, die die Ge-
schichte jetzt irreversibel bestimmen.
In der jeweiligen Revolution ergreift ein Individuum oder eine geistreiche
Nation auf unerklärbare Weise die Initiative und dreht die Richtung einfach um,
nicht mechanisch, sondern kreativ. Nun spricht Kant nicht von einer offenen
Zukunft, sondern umgekehrt von einem nunmehr gesicherten Gang. Wenn dieser
durch die eine entscheidende Revolution gefunden ist, dann ist, so können wir
über Kant hinaus zuspitzen, auch das Ende der Geschichte erreicht; was die Men-
schen tun, wird wieder Natur, wenn auch auf einer höheren Stufe als am natür-
lichen Beginn. Mit dem Aufblitzen der Freiheit im revolutionären Umschwung
setzt die Notwendigkeit des sicheren Ganges des Fortschritts ein.

8 Auf der einen Seite gilt allgemein, dass alle Phänomene letztlich empirisch verursacht sein
müssen, andererseits kann die öffentliche Bekundung des Enthusiasmus für die Revolution
„keine andere als eine moralische Anlage im Menschengeschlecht zur Ursache haben“ (SF, AA
08: 85.28  f.).

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Die Revolution ist in den angesprochenen Fällen ein Ereignis, das die Ver-
wirklichung einer methodischen Wissens- oder Handlungsordnung ermöglicht,
sie ist nicht Bestandteil dieser Ordnung selbst. Sie gehört in den Zeitpunkt, in
dem die neue Disziplin beginnt, dann hat sie ihre Aufgabe erfüllt und verlässt
das Feld, so wie der Rousseau’sche „Législateur“ im Contrat social.⁹ Das Rechts-
gebilde oder die Disziplinen, die die Revolutionen von Thales bis zu Kant und
zu den Franzosen verwirklichen, darf auf keinen Fall eine schon fertige plato-
nische Idee sein, sondern kann nur in der Methode bestehen, die Wissenschaft
oder Sittlichkeit frei zu erzeugen. Insofern ist sie ein Akt der Tätigkeit, die das
Subjekt endlich selbst ausüben kann, statt fremden Impulsen oder Anweisungen
zu folgen. Die spontane Selbstgewinnung ist der Übertritt zu einer methodisch-
gesetzlichen Ordnung, zu der die Revolution selbst nicht mehr gehört, sonst käme
es zur Unsinnsunordnung der permanenten Revolution. Zu den strikten Rechtsre-
geln gehört das Revolutionsverbot. Kants postrevolutionärer Wissenschaftler und
Bürger folgt dem Fortschritts-Gang der etablierten Wissenschaft und den selbst-
gegebenen Gesetzen.

Hinweis zur Literatur

Die „Vorrede“, die hier zunächst im Zentrum steht, ist vielfach interpretiert
worden: Herausragend ist die Analyse von Hans Blumenberg in Die Genesis der
kopernikanischen Welt (1981). Blumenberg rekonstruiert mit größter Gelehrsam-
keit die Quellen und inneren Bezüge des kantischen Textes der zweiten „Vorrede“;
er beachtet jedoch nicht die Stufenfolge, mit der Kant die Selbstgewinnung der
Erkenntnis in einem Apriori der menschlichen Vernunft konzipiert, die Abfolge
von Anschauung und Begriff. Kopernikus ist bei Kant grundsätzlich nur für die
Anschauung zuständig, und hier wiederum für alle Beobachtungen, gleichgültig,
ob sie aus der Erdrotation oder der Umkreisung der Sonne entstehen. Dazu später
Näheres. Eckart Försters Analyse der zweiten „Vorrede“ (Förster 1998) bietet eine
gute Grundlage, aber Förster folgt nicht dem Kantischen genre der philosophi-
schen Philosophiegeschichte und sieht nicht die Tiefendimension des Revoluti-
onsbegriffs, die wir im Folgenden herauspräparieren wollen. Georg Mohr bringt
in seinem Kommentar (Mohr 2004) die wichtigsten literarischen Informationen
zur „Vorrede“ (Mohr 2004, III, 65–75 und 383–395). Schönecker, Schulting und
Strobach (2011) führen eine intensive Miniaturinterpretation im Dreieck Koper-
nikus, Newton und Kant durch; mit dem Verfahren wenden sie sich gegen die

9 Rousseau 1959  ff., III 381–384; Du contrat social, II 7.

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sonst verbreitete „Textvergessenheit“¹⁰. M. E. kann oder muss dagegen zum Text
auch das gehören, was nicht wortwörtlich in ihm steht und dennoch entschieden
mitzudenken ist. „Drei Musketiere“? Nein, vier. Das Genre der philosophischen
Philosophiegeschichte, zu dem die „Vorrede“ gehört, entgeht ihnen aus Prinzip.
Da sich die Autoren am Schluss auf mich berufen, ist dies hier auch eine Replik
auf ihre Bezugnahme, auch im Hinblick auf die Interpretationsmethode.
Kants Revolutionsbegriff unterscheidet sich fundamental von Thomas Kuhns
Konzept in der Kopernikanischen Revolution (1981). Die Kuhn’sche Revolution ist
ein Paradigmenwechsel im Kontinuum der Wissenschaften. Es wird dabei eine
stabile Wissenschaft vorausgesetzt, die aber unter dem Ansturm neuartiger For-
dernisse durch einen völlig neuen Typ der Erkenntnis derselben Disziplin ersetzt
wird. Völlig neu – wie soll das möglich sein? Bei Kant erhalten sich die durch eine
Revolution entstandenen Disziplinen wie Geometrie und Physik in kultivierten
Ländern von selbst, idealiter in alle Ewigkeit, bei Kuhn gibt es dagegen keine
privilegierte Wissenschaft, die ein für alle Mal den sicheren Gang gefunden hat.
Es bleibt allerdings rätselhaft, welcher Altbestand zu einer empirischen Konstanz
von Disziplinen über den Paradigmenwechsel hinausführen soll.¹¹
Das hohe Ansehen, das der Revolutionsbegriff seit 1789 und auch seit der
Kantischen Philosophie genoss, hat am Ende des 20. Jahrhunderts zu einer Infla-
tionierung der Revolutionen, Kehren und Wenden geführt. Der „linguistic turn“,
der „iconic turn“ etc. besetzen ein fertiges Feld mit einem Machtanspruch des
„ganz anders“, wodurch verdeckte Energien freigesetzt werden, aber die präzise
Bestimmung des Woher und Wohin notwendig leidet. So haben die „turns“ und
beflissenen Kehren ihre Kraft verloren, den Gedankenprozess zu konturieren,
und gehören zur gewohnten Überbietungsrhetorik.

2 Kants Orientierungen in der Geschichte –


Apriorische Geschichte
Wir werden gleich verschiedene Muster der Orientierung in der Geschichte
kennen lernen, am Anfang dieses Abschnitts soll jedoch ein Hinweis zu einem
generellen Problem der Geschichtserkenntnis bei Kant stehen: Für sie gibt
es weder in der zweiten „Vorrede“ noch an anderer Stelle eine Revolution der
Denk- oder Denkungsart, und zwar weder für den Umgang mit der politischen

10 Schönecker et al. 2011, 514.


11 Zu Kuhn vgl. bes. die in der Literaturliste aufgeführten Arbeiten von Fritz Krafft, bes. Krafft 1977.

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Geschichte noch mit Text-Dokumenten. Auf beiden Bereichen rechnet Kant mit
gewissermaßen naturwüchsigen ausreichenden Vorgehensweisen seit der grie-
chischen Antike, die auch in den zeitgenössischen Universitäten gelehrt werden;
Historie ist ein rein empirisches, sich selbst disziplinierendes und korrigierendes
Geschäft. Keine Revolution der Denkart etwa bei Thukydides oder Tacitus. Neben
der üblichen Historie gibt es jedoch die begrifflich dirigierte eigene Geschichts-
philosophie, und auch für die Textlektüre gibt es neben der empirischen Kennt-
nisnahme eine apriorische Dimension. Am Ende des Aufsatzes Idee zu einer allge-
meinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784) wird auf den Unterschied der
skizzierten Geschichtsphilosophie und der historischen Forschung verwiesen:

Daß ich mit dieser Idee einer Weltgeschichte, die gewissermaßen einen Leitfaden apriori
hat, die Bearbeitung der eigentlich bloß empirisch abgefaßten Historie verdrängen wollte:
wäre Mißdeutung meiner Absicht; es ist ein Gedanke von dem, was ein philosophischer
Kopf (der übrigens sehr geschichtskundig sein müßte) noch aus einem anderen Stand-
punkte versuchen könnte. (IaG, AA 08: 30.29–34)

Dieser angedeutete Standpunkt ist kein empirisch gewonnener Verstandes-


begriff, sondern eine a priori legitimierte Idee der Vernunft, auf die der Philo-
soph zurückgreifen kann, nachdem einmal die „Revolution der Denkart“ in der
Kritik der reinen Vernunft vollzogen ist. „Idee“ natürlich im Singular, nicht, wie
Herder in seinen Ideen zur Philosophie der Menschheit (1784) schrieb, im Plural.
Eine Machtfrage: In der bloß empirisch abgefassten Historie haben die Fakten
das Wort, in der philosophischen umgekehrt die Idee im philosophischen Kopf.
Der „Leitfaden a priori“ bildet den „sensus philosophicus“, der den empirischen
Literalsinn überformt; so wird auch die „Vorrede“ von 1787 neben dem Literalsinn
einen zweiten Text, eine philosophische Lesart bieten, die der denkende Leser
entdecken muss.
Im Hinblick auf die überlieferten Texte kann es zu Konflikten kommen, die
Kant selbst in seinen Notizen thematisiert.

Eine philosophische Geschichte der Philosophie ist selber nicht historisch oder empirisch
sondern rational d. i. a priori möglich. Denn ob sie gleich Facta der Vernunft aufstellt so
entlehnt sie solche nicht von der Geschichtserzählung sondern zieht sie aus der Natur der
menschlichen Vernunft als philosophische Archäologie. (HN, AA 20: 341.07–11)

Wir sahen schon, dass Kant die vernunftnotwendige Abfolge von Anschauung und
Verstand in die historische Erzählung der Revolutionen in der Vorrede der Kritik
der reinen Vernunft von 1787 einträgt, und wir können oder müssen die gesamte
Darstellung der „Vorrede“ als ein Stück philosophischer Geschichte der Metaphysik
betrachten. Soll die „philosophirende[n] Geschichte der reinen Vernunft“ (HN, AA
20: 340.25) die empirische Geschichte ersetzen? Der Konflikt betrifft die gesamte

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Kants Revolutionen   11

Genesis-Erzählung der Vorrede, selbst Kants eigene Revolution der Denkart.


Wenn es heißt: „Dem ersten, der den gleichschenkligen Triangel demonstrierte (er
mag nun Thales oder wie man will geheißen haben), dem ging ein Licht auf […].“
(KrV, B XI), so deklariert Kant, dass das Genre des vorliegenden Textes das der
philosophischen Geschichte der Philosophie ist, die nach anderen Kriterien zu
bemessen ist als die empirische Geschichte, die den Philosophen als solche nicht
interessiert.
Die Revolution der Denkart in der Grundlegung der Kritik der reinen Ver-
nunft muss auf einen Einfall, eine momenthafte Erleuchtung zurückgehen; die
historische Forschung legt jedoch nach der ersten Stufe von 1769 („Das Jahr 69
gab mir großes Licht“, Refl, AA 18: 69.21  f.)¹² einen weiteren Prozess in den sieb-
ziger Jahren frei, wie wir sehen werden. Auch Francis Bacon vollbringt gemäß
der „Vorrede“ die Revolution in der Physik; die Geschichte zeigt zwar einen lang-
wierigen Prozess, der könne aber in seinem Kern „eben sowohl durch eine schnell
vorgegangene Revolution der Denkart erklärt werden“ (KrV, B XII). „Und so hat
sogar die Physik die so vorteilhafte Revolution ihrer Denkart lediglich dem Einfalle
zu verdanken, […].“ (KrV, B XIII) Die beiden Texte, mit denen wir uns besonders
befassen, sind apriorische Darlegungen philosophisch-geschichtlicher Sachver-
halte. Federführend ist Kants eigene Theorie, die sich die Geschichte unterwirft
und in ihr die Gedanken- und Ereignisschritte fixiert, die für die Erkenntnis- und
Rechtsgeschichte essentiell und nicht einfach empirisch belehrend sind.
In der Tradition theologischer Texte und ihrer Interpretation ist die Alterna-
tive von Finden im Text und apriorischem Selbstdenken und in den Text Hinein-
lesen klar.

Auf solche Weise müssen alle Schriftauslegungen, so fern sie die Religion betreffen, nach
dem Princip der in der Offenbarung abgezweckten Sittlichkeit gemacht werden und sind
ohne das entweder praktisch leer oder gar Hindernisse des Guten. – Auch sind sie alsdann
nur eigentlich authentisch, d. i. der Gott in uns ist selbst der Ausleger, weil wir niemand
verstehen als den, der durch unseren eigenen Verstand und unsere eigene Vernunft mit uns
redet, die Göttlichkeit einer an uns ergangenen Lehre also durch nichts, als Begriffe unserer
Vernunft, so fern sie rein moralisch und hiemit untrüglich sind, erkannt werden kann. (SF,
AA 07: 48.01–09)

Eine Religion, die sich nicht an die Moral der reinen praktischen Vernunft bindet
und ihr das Vorrecht einräumt, ist Dämonen- oder Aberglaube, sie mag sich so
fromm gebärden wie sie will. – Die Moral der reinen praktischen Vernunft ist in
undeutlichen Begriffen immer präsent im menschlichen Bewusstsein, sie wird

12 Vgl. Brandt 2010, 251.

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aktualisiert „durch eine Revolution in der Gesinnung im Menschen“ (SF, AA 07:


47.24  f.) und zum Gegenstand der Erkenntnis erstmals in der kritischen Philoso-
phie. In der Hermeneutik der Text- und Wissenschafts-, aber auch der Realge-
schichte übernimmt Kant die Tradition der Trennung von Fakten- und Bedeu-
tungsebene, erobert die letztere jedoch für die Philosophie.¹³ Sie wiederum reiht
die Revolutionen nicht einfach historisch auf, sondern stiftet Konstellationen
wie die von Thales und Bacon und von Kopernikus und Newton, wie sich im Fol-
genden zeigen wird. Der Appell daran, den Text nicht zu vergessen, vergisst die
Schwierigkeiten, die die Dopplung der Sinnebenen bietet.
In der „Vorrede“ richtet sich die Philosophie selbst in ihrem Umschlag von
der Vorwissenschaft zur Wissenschaft nach dem Paradigma der Mathematik und
der methodischen Naturwissenschaft, nicht nach hermeneutischen Disziplinen.
Kant, der seine Laufbahn mit naturwissenschaftlichen Schriften wie der Schät-
zung der lebendigen Kräfte (1748) und Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie
des Himmels (1755) begann, hat immer die Dominanz der Naturwissenschaft kul-
tiviert, natürlich neben anderen Tendenzen wie der des Primats der praktischen
Vernunft. Aber die basalen Gewissheiten entstammen der methodisch ausgerich-
teten Mathematik und Physik.

Vorlagen der Orientierung

Kant trifft auf verschiedene Vorlagen, sich in der Geschichte und Philosophie-
geschichte zu orientieren. Vertraut ist natürlich die Zeitenwende mit der Geburt
Christi, die für alle Datierungen („Das Jahr 69 […]“) verbindlich ist.¹⁴ Im revolutio-
nären Paris wird versucht, eine neue Zeitenwende durch eine neue Jahreszählung
zu markieren, aber mit geringem Erfolg.¹⁵ Kant hat in den überlieferten Schrif-
ten nichts vermerkt, das auf seine Kenntnis schließen ließe, er nimmt jedoch teil
an der großen Zeitenwende, die sich durch die Umkippungen in der Produktion
und Herrschaft in den Köpfen vollzieht. Dazu gehört auch die futurisch gewen-
dete Richtung der Revolutionen. Sie ist nie eine „restauratio“, die zurück zu den
Ursprüngen will, sondern öffnet eine neue regelbestimmte Zukunft.

13 Dazu Brandt 1998, 190–196.


14 Zur Schwierigkeit der Datierung „ante Christum natum“ vgl. Waschkies 1987, 448  f. Eine ex-
plizite Datierung dieser Art findet sich wohl nicht.
15 Der Revolutionskalender wurde am 22.  9. 1792 vom Nationalkonvent beschlossen; er legte
den 1. Januar 1790 als Beginn des Jahres II der Freiheit fest. Geplant war keine Revision der vor-
hergehenden Datierung vor und nach Christi Geburt, sondern nur der Zukunft. Brandt 2012.

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Kants Revolutionen   13

Die Suche nach den Wörtern oder Begriffen „Neuzeit“¹⁶, „Modern“, „Antik“,
„Mittelalter“, „Renaissance“ bei Kant ist ergebnislos. Vom Altertum spricht er
dagegen wie Johann Joachim Winckelmann in seiner Geschichte der Kunst des
Alterthums (1764). Wenn von den „Alten“ die Rede ist, kann es sich auch um
spätere Autoren handeln; es ist z.  B. von der „Transscendentalphilosophe der
Alten“ (KrV, B 113) die Rede, die von den „Scholastikern“ erdacht worden ist.
Sonst sind die „Alten“ die Griechen oder Römer bis zum Niedergang Roms.
Das Konzept der Revolution, wie Kant es benutzt, teilt den Zeitverlauf jeweils
in zwei Teile, die Vor- und die Nachgeschichte mit dem entscheidenden plötzli-
chen Sprung in der Mitte. Diese Mitte kann auf der Zeitachse ihren Ort verschie-
ben, sie kann sich bei Thales ereignen oder in der Pariser Revolution.
Unklar ist die Präsenz von Platons Politeia und ihres Kunstmythos der plötz-
lichen Umwendung aus der Schattenhöhle ans Tageslicht. Die Erzählung ist
gekennzeichnet durch zwei Phasen: Die erste bezieht sich auf die Höhlenbe-
wohner, die bewegungslos vor einer der Wände sitzen und dort die Schatten von
Figuren sehen und kommentieren, die zwischen ihnen und einem Feuer hinter
ihrem Rücken vorbeigetragen werden. Der Wechsel aus der Höhle der Schatten in
die Wirklichkeit unserer von der Sonne selbst erhellten Welt ist schmerzlich und
nur mit Anwendung von Gewalt möglich. „Nun betrachte auch […] die Lösung
und Heilung von ihren Banden und ihrem Unverstande, wie es damit natürlich
stehen würde, wenn ihnen folgendes begegnete. Wenn einer entfesselt wäre und
gezwungen würde, sogleich aufzustehen, den Hals herumzudrehen, zu gehen
und gegen das Licht zu sehen, und, indem er das täte, immer Schmerzen hätte
und wegen des flimmernden Glanzes nicht recht vermöchte, jene Dinge zu erken-
nen, wovon er vorher die Schatten sah; […].“¹⁷
Ist jedoch einmal die Erkenntnis des Wirklichen gelungen, wird sich der
Mensch selbst glücklich preisen über die Veränderung und die dort Zurückge-
bliebenen beklagen.¹⁸ Die Wende soll „auf einmal“¹⁹ geschehen, ein Epitheton,
das auch Kant für seine Revolutionen verwendet.

16 Der Begriff der Neuzeit selbst wird von Kant nicht gebraucht und spielt noch im 19. Jahrhun-
dert keine Rolle. Im Grimm’schen Wörterbuch steht s. v. „Neuzeit“ nur: „die neue, jetzige zeit,
gegensatz zu vorzeit: ‚ein kind der neuzeit, fiebernd und erregt, / das um die alte fromme noch
leide trägt.‘ (Freiligrath (1870) 3, 20.“ (Jacob und Wilhelm Grimm 1984, 13, 689) Wir werden diese
und analoge Begriffe zu unserer eigenen Orientierung benutzen, also damit nicht den Anspruch
erheben, hier einer Kantischen Diktion zu folgen.
17 Platon 1958, III 224; Politeia 515c2–9.
18 Platon 1958, III 224  f.; Politeia 514 a ff.
19 Platon 1958, III 224; Politeia 515c6 (exaiphnes).

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14   Reinhard Brandt

Kant verweist in seinen überlieferten Schriften nicht ausdrücklich auf die Pla-
tonische Wende, es ist jedoch höchst unwahrscheinlich, dass er nicht mit diesem
bekanntesten Stück der Politeia vertraut war. Er hatte gute Griechischkenntnisse
von der Schule²⁰, nahm an einem Lesekreis mit David Ruhnken über antike Texte
teil²¹ und begleitete seit 1770 als Ordinarius die Prüfungen auch im Griechi-
schen.
Wenn es in der Darstellung der Kopernikanischen Hypothese heißt: „und
dagegen die Sterne in Ruhe ließ“ (KrV, B XVII), dann evoziert dies Platons For-
mulierung: „die Dinge aber im Himmel werden wir lassen.“²² Bei dem exorbitan-
ten Gedächtnis Kants kein Wunder. Man wird also mit der Hintergrundpräsenz
des Platonischen Wendemythos rechnen können. Mit Platon gewinnt das Insis-
tieren auf die Plötzlichkeit des Umschwungs, seine Unableitbarkeit aus der Vor-
geschichte und das Privileg der jetzt möglichen theoretischen und praktischen
Erkenntnis eine intensivere Plausibilität. Diametral entgegengesetzt ist die Rolle
des Subjekts. Platons Protagonist wehrt sich mit Händen und Füßen gegen die
von außen erzwungene Umwendung, er wächst erst allmählich in die Rolle einer
selbständigen Person. Bei Kant dagegen ist die Machtergreifung des Subjekts der
begrüßte je eigene Anfang der jeweiligen Revolution. Bei Platon gibt es den Wis-
senden, der die Wende erzwingt und das gesamte Geschehen lenkt; Kant kennt
keinen derartigen Übervater, der immer schon alles weiß und ordnet, sondern
setzt auf die Initiative des einzelnen Subjekts, das sich aus den Wirren der Vorzeit
selbst befreit. Bei Platon ist jede Erkenntnishandlung nur die Wiederholung oder
Anamnesis dessen, was es schon gibt und erkannt wurde, bei Kant ist die Revolu-
tion des Thales so gut wie Revolution der Freiheitskämpfer in Paris keine memo-
rative Handlung, sondern eine unerhörte Innovation ohne Vorbild. Bei Kant
stellt die Vorphase notwendige Bedingungen bei den exzellenten Individuen
und dem „geistreichen Volk“ (SF, AA 07: 85.19) zur Verfügung, es fehlt jedoch das
hinzukommende irrationale Etwas, um zur wirklichen Wende zu gelangen. Nur
bei Kant ist es ein Akt der Aufhebung des Vergangenen, der Überwindung und
Rettung, bei Platon dagegen können die Schatten der Höhle zur Ideenerkenntnis
nichts beitragen, sondern werden tunlich vergessen.
In einer anderen antiken Filiation wird der erste göttliche oder menschliche
Erfinder einer Kunst, Technik oder Wissenschaft unter dem Titel des „protos heure-
tes“ in der klassischen und hellenistischen Literatur geführt und gelobt oder auch

20 S. Klemme 1994, 80.


21 S. Klemme 1994, 55.
22 Platon 1958, III 237; Politeia 530b7.

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Kants Revolutionen   15

verflucht.²³ Er ist im positiven Fall der geniale Urheber, dessen Werk meist unüber-
troffen am Anfang einer Tradition steht.²⁴ Kant muss ihm in der Literatur begeg-
net sein, er konnte dieses halb mythische, halb historische Konzept gut brauchen.
Einen Autor nennt Kant seit Beginn seiner literarischen Laufbahn beständig,
Epikur, vertraut durch Lukrez und sein Gedicht De rerum natura. Die für uns ent-
scheidende Lehre betrifft den Übergang von der blinden, nur materiellen Natur zu
den Lebewesen und ihren beständigen Gattungen. In der Vorgeschichte der repro-
duktionsfähigen Gattungen experimentiert die überbordende titanische Natur
mit vielen Verbindungen von Gliedern, die keine konsistenten Einheiten bilden.²⁵
Durch Zufall finden sich endlich die für das Überleben geeigneten Glieder zusam-
men, und damit ist eine Gattung begründet, die sich ad libitum reproduzieren
kann. Hier also haben wir in einer Kant bestens vertrauten Theorie den Dreischritt
von blind laborierender Vorgeschichte, Umschlag durch Zufall und drittens die
Gattung, die sich von allein reproduzieren kann, die, mit Kant, den sicheren Gang
gefunden hat. Ein stichfester Nachweis der Filiation dieses Gedankens von Epikur
via Lukrez zu Kant wird sich kaum auffinden, die Isomorphie der beiden Theorien
ist jedoch zu eklatant, um auf einem Zufall zu beruhen. Entscheidend ist, dass die
Wissenschaftsdisziplinen in Analogie zu den Gattungen der Lebewesen gesehen
werden, die sich selbst erhalten und kein natürliches Ende haben – einmal durch
Zufall (bei Kant: durch glücklichen Einfall) entstanden, reproduzieren sie sich
von selbst. Der Anfang ihrer Geschichte ist zugleich das Ende, etwas Neues ist
in der Gattungsgeschichte nicht zu erwarten. Die Erinnerung an Lukrez fördert
eine Frage zutage, die bei der bloßen Wort-für-Wort-Lektüre vielleicht verborgen
geblieben wäre: Die einzelnen Wissenschaftsdisziplinen der Mathematik, Natur-
wissenschaft und nun auch der Metaphysik erhalten, so scheint es, ihr Gütesie-
gel aufgrund derselben Qualität, die in der Naturphilosophie des Materialisten
Epikur die biologischen Gattungen haben: Sie bewähren sich durch innere Kon-
sistenz und die Abwehr externer Gefährdungen; was sie also auszeichnet, ist
das simple Überleben aufgrund der inneren und äußeren Haltbarkeit, also der
Erfolg der Selbsterhaltung. Kann man von den durch Revolutionen entstandenen
Disziplinen der Erkenntnis inklusive der Metaphysik mehr erwarten? Aber dies
ist sicher nicht Kants Position in der „Vorrede“; die Legitimation als wirkliche
Erkenntnisse erfahren die dort angeführten Disziplinen in der „Transzendenta-
len Ästhetik“ und „Transzendentalen Analytik“. Man braucht also von Epikur-

23 So in Tibulls Carmina I 10: „Quis fuit, horrendos primus qui protulit enses“ („Wer war es, der
als erster die schrecklichen Schwerter hervorzog?“). Auch III 2.
24 Baumbach 2001.
25 Lucretius 1956, V 837  ff.

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16   Reinhard Brandt

Lukrez nicht zurück zu Platon und seiner Einheitsmetaphysik zu pilgern, sondern


erhält die Antwort in der kritischen Philosophie. Ein wissenschaftliches Kenn-
zeichen ist die Methode, die Kant den sich selbst erhaltenden Wissenschaften
zubilligt. Ihr Procedere ist methodisch, nur als ein solch kontrollierbares, freies
und öffentliches Verfahren gewinnt es die Möglichkeit der Selbsterhaltung. Daher
der Hinweis, die Kritik der reinen Vernunft sei „ein Traktat von der Methode“ (KrV,
B XXII). Erkenntnisgebiete, die den Status der Wissenschaft noch nicht erreicht
haben, gehen ohne Methode vor. Das gilt auch für Platons Erkenntnislehre in der
Politeia; sie ist vorkritisch und scheitert an inneren Widersprüchen.
Kant nennt einige Wissenschaften, die jetzt den steten Gang ihrer Disziplin
gefunden haben. Kann es auch in Zukunft immer neue Wissenschaften geben,
oder versiegt die Natur, ist das mögliche Material erschöpft? Die mit Kant zur Welt
gekommene Metaphysik ist das einzige Exemplar ihrer Gattung und wird in die
Zukunft hinein ohne relevante Änderungen tradiert werden. Diese Metaphysik
aber hat einen Überblick über die grundsätzlich möglichen Erkenntnisse, so dass
mit ihr gesagt werden kann: Das Ende der turbulenten Geschichte, so extrapo-
lierten wir schon, ist erreicht, jetzt beginnt die im Prinzip geschichtslose stellare
Epoche der Bewahrung und gesicherten Fortschritts.
Die Kopernikanische Erkenntnis und die Französische Revolution sind epo-
chale Ereignisse der Neuzeit auf dem Gebiet der Naturerkenntnis und Moral. Kant
sucht in seinem System von Natur und Freiheit eine Affinität von beidem und
so die Einheit von physikalischer und moralischer Wirklichkeit wenn nicht zu
beweisen, so doch nahezulegen. Er stellt seine eigene „Revolution der Denkart“
in eine Parallele zur Wende des Kopernikus. In den drei Revolutionen werden die
Erkenntnisse und Entwicklungen der Antike und des Mittelalters vorausgesetzt
und anerkannt, zugleich deren Unfähigkeit konstatiert, bestimmte Probleme zu
lösen. Sie werden nicht maoistisch liquidiert, sondern dialektisch aufgehoben.

3 Kopernikus und Newton:


Geometrie und Wechselwirkung
Der Text, der im Folgenden im Vordergrund steht, ist die zweite „Vorrede“ der
Kritik der reinen Vernunft (1787). Sie enthält zwei Stufen. In der ersten wirbt Kant
um das Verständnis der KrV als einer strikt theoretischen Wissenschaft, die ihre
Entstehung einer Revolution der Denkart verdankt und sich damit in eine Reihe
der Geometrie, Physik und auch der Astronomie stellt. Der Titel der „Revolution
der Denkart“ nobilitiert das Werk und verlangt billig eine Anstrengung beim
Leser. In einem zweiten Gedanken wird eine gewagte Verbindung zur praktischen

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Kants Revolutionen   17

Philosophie hergestellt (KrV, B XXII. Anm.), in der plötzlich die theoretische Kritik
eine bloße Hypothese sein soll.²⁶
Die ursprüngliche Idee der „Vorrede“ ist vielleicht durch Francis Bacon ange-
regt worden, dessen Instauratio Kant das Motto entnimmt. Bei ihm fand er die
Maxime der Naturforscher, dass man „die Natur nötigen müsse, auf ihre Fragen
zu antworten,²⁷ nicht aber sich von ihr allein gleichsam am Leitbande gängeln
lassen müsse“ (KrV, B XIII). Das Letztere stand 1784 fast wörtlich in der Auf-
klärungsschrift (WA, AA 08: 35), und so stellt sich die Revolutionsemphase der
„Vorrede“ insgesamt unter die Maxime der Aufklärung, sich selbst zu bestimmen.
Kant spricht nie von einer Kopernikanischen Revolution, wie dies in der
Nachfolge üblich wurde. Warum? Vielleicht liegt der Grund, weder bei Koperni-
kus noch bei Newton den Titel der Revolution zu benutzen, in dem eigentüm-
lichen Doppelschritt, der für Kant mit der von Kopernikus initiierten Wende
verbunden ist. Kopernikus verdanken wir die geometrische Bestimmung der
heliozentrischen Astronomie, Newton dagegen bringt ihre physikalische Erklä-
rung mit seinem wahrhaft revolutionären Gravitationsgesetz, das die bloße
anfängliche Hypothese zu einer wahren Aussage macht. Beides, die phoronomi-
sche Hypothese der Heliozentrik und ihre dynamische Erklärung, bilden für Kant
eine naturwissenschaftliche Theorie in zwei Stufen, so, wie sich zeigen wird, in
der zweistufigen neuen Metaphysik der Kritik der reinen Vernunft.²⁸
Im „Vorwort“ der 2. Auflage der KrV von 1787 heißt es:

Es ist hiermit ebenso, als mit den [dem?] ersten Gedanken des Copernikus²⁹ bewandt, der,
nachdem es mit der Erklärung der Himmelsbewegungen nicht gut fort wollte, wenn er
annahm, das ganze Sternenheer drehe sich um den Zuschauer, versuchte, ob es nicht besser
gelingen möchte, wenn er den Zuschauer sich drehen und dagegen die Sterne in Ruhe ließ.
In der Metaphysik kann man nun, was die Anschauung³⁰ der Gegenstände betrifft, es auf
ähnliche Weise versuchen. (KrV, B XVIf.)

Hans Blumenberg hat mit Verve die Meinung vertreten, bei den (oder dem) ersten
Gedanken des Kopernikus handle es sich nur um die tägliche Erdrotation, vom

26 Förster 1998 sieht in diesem Manöver das Ziel der gesamten Vorrede, gerichtet gegen das
Jammern, die Dialektik der KrV zermalme alles.
27 Kim 2008, 144  ff. mit einer erhellenden Quellenangabe zur Kants und Bacons Begriff des Ex-
periments und der „vexatio“. Eben diese Vorstellung ist der Antike und dem Mittelalter fremd.
28 Eine weniger wahrscheinliche Vermutung besagt, dass sich Kopernikus schon auf Thales
und Newton auf Francis Bacon als der Revolutions-Autoren stützen konnten.
29 Kopernikus wird genannt als der Autor der Schrift De revolutionibus orbium coelestium, Kra-
kau 1543. Kant intendiert keine historisch korrekte Interpretation, s.  o.
30 Kursiv! Nicht ihre Begriffe.

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18   Reinhard Brandt

heliozentrischen System könne keine Rede sein.³¹ Ich denke, dass diese Auffas-
sung einerseits durch den isolierten Text nahegelegt wird, andererseits doch den
Gedanken von Kant zerstört,³² und zwar aus folgenden Gründen. Vor der Koper-
nikus-Reminiszenz erinnert Kant an die Revolution der Geometrie und Physik
und fragt, ob die Metaphysik das dort gewählte Verfahren nachahmen und so
die Abhängigkeit des erkennenden Subjekts vom Gegenstand vielleicht aufheben
und in ihr Gegenteil verkehren könne. Wie die heutige Metaphysik, so war die
Astronomie mit dem gesamten Ptolemäischen System ins Stocken geraten, bis
Kopernikus kam. Sein grundlegender Gedanke bezog sich auf die Anschauung
des Sternenheeres insgesamt, so wie die marode Astronomie insgesamt ange-
sprochen ist. In ihr dreht sich „das ganze Sternenheer“, Fixsterne und Planeten,
um den Zuschauer; der Einfall besagt, dass man eben dies umkehren und den
zweifach bewegten Zuschauer sich drehen lassen kann, sc. täglich und im Verlauf
eines Jahres.³³ Kant zerlegt also mit dem „ersten Gedanken“ nicht die zwiefache
Bewegung in der Lehre des Kopernikus, wie Blumenberg meint, sondern die
beiden Stufen der Theorie von Kopernikus und Newton, erst Anschauung und
dann der Verstand. Bei Kopernikus besteht keine sachliche Notwendigkeit, die
Erdrotation vor die Umlaufbewegung zu stellen; so folgt in der Kurzfassung des
Commentariolus die Rotation auf den Sonnenumlauf, nicht umgekehrt.³⁴ Und:
Warum sagt Kant nicht, welches der zweite Gedanke des Kopernikus ist? Das
müsste er tun, wenn der „erste Gedanke“ die Bedeutung haben soll, die Blumen-
berg ihm verleiht. Unsere Konjektur: Der zweite stammt eben von Newton.
Kants intendierte Analogie: Dadurch, dass der Zuschauer als Erdbewohner
in die Bewegung der Planeten involviert ist, können die Sternbewegungen insge-
samt als seine Erscheinungen gefasst werden, während die Sterne selbst in Ruhe
bleiben. So präludiert der Einfall des Kopernikus die Trennung von Erscheinung
und Ding an sich, die Kant in der Metaphysik vollzieht, und zwar in deren ersten
Teil, der „Ästhetik“ (s.  KrV, A 26  ff.). Gegenstand der menschlichen Erkenntnis
sind die erscheinenden Bewegungen, nicht die Dinge an sich – man lässt sie in
Ruhe. Dies alles aus der Erkenntnis der nicht bewegten Vernunft, die begreift,
wie der Mensch als Erdbewohner in die Bewegung, die er beobachtet, verflochten

31 Blumenberg 1981, 705; auch zögernd Brandt 2010, 223–258; diese Ausführungen werden teils
korrigiert, teils vertieft und ergänzt, ohne dass im Einzelnen die Bezüge hergestellt werden.
32 So – mit anderen Gründen – Schönecker et al. 2011, 498–508. So auch die Kopernikanische
Hypothese im SF, AA 08: 83.20–29.
33 Die Erdrotation wurde schon vor Kopernikus vielfach behauptet; sein Werk von 1543 will zei-
gen, dass die Erde einer der Planeten ist, die die Sonne umkreisen. Womit er hierbei anfängt, ist
relativ uninteressant.
34 S. Copernicus 1990, 4–6 (Tertia Petitio, Quinta Petitio).

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Kants Revolutionen   19

ist. Also: „Es ist hiermit ebenso, als mit den [oder „dem“] ersten Gedanken des
Copernikus bewandt, […]“ (KrV, B XVI) wie „anfänglich“ (KrV, B XXII Anm.) zu
beziehen auf den ersten Theorieschritt, auf den der zweite in Form der Gravita-
tion von Newton folgt.³⁵
Wir haben es in der Astronomie beim entscheidenden Schritt des Koperni-
kus mit Himmelsbewegungen zu tun, die beobachtet und berechnet werden
können, methodisch, wenn man die Bewegungen auch auf die beiden relevanten
Selbstbewegungen des Zuschauers zurückführt. Gegen Tycho Brahe wird Koper-
nikus in anderem Zusammenhang herausgestellt: „Dagegen ist das Copernikani-
sche System eine Hypothese, aus der sich Alles, was daraus erklärt werden soll,
soweit es uns bis jetzt vorgekommen ist, erklären läßt.“ (Log, AA 09, 86.02–04)³⁶
Damit ist die gesamte phoronomische Darstellung des heliozentrischen Systems
gemeint. Der Wahrheitsbeweis jedoch der Hypothese kann nicht durch die Phoro-
nomie, sondern nur durch das dynamische Gesetz der Wechselwirkung geliefert
werden, den zweiten Gedanken also.
Kant übernimmt seine Kopernikus-Auffassung mittelbar oder unmittelbar
aus der Vorrede des Andreas Osiander³⁷, in der dieser gegen die Intentionen von
Kopernikus selbst die lauernden theologischen Feinde beschwichtigte und die
heliozentrische Theorie als bloßes Schema der Sternbestimmungen, als bloße
Hypothese vorstellte. Die Astronomie wolle nicht die wahren Ursachen der Him-
melsbewegungen erkunden; vielmehr sei es hinreichend, „Grundannahmen […]
irgendwelcher Art dafür auszudenken und zu ersinnen, unter deren Vorausset-
zungen eben diese Bewegungen aus Grundsätzen der Geometrie […] berechnet
werden können.“³⁸

35 Bacon 1963, III 365 nimmt ebenfalls eine Zweistufung an; es gibt erstens „the theory of
Copernicus who supposed the earth to move“ und die damit konkurrierende Ansichten, „several
theories and philosophies“, und zweitens: „whereas to find the real truth resquireth another
manner of severity and attention“ (III 365; lateinisch I 580) – das wird die Aufgabe des einen
Newton sein. S. auch im Novum Organum V: „Neque enim speret aliquis terminare quaestionem
utrum in motu diurno revera terra aut coelum rotet, nisi naturam rotationis spontaneae prius
comprehenderit.“ (I 232) Das ist, wenn ich richtig sehe, Kimm 2008 in seiner Studie über Bacon
und Kant entgangen. David Hume schreibt in der Inquiry concerning human understanding (1748)
nach der deutschen Übersetzung von 1755: „Die Sternkundigen haben sich lange begnüget, aus
den Erscheinungen die wahren Bewegungen, die Ordnung und Größe der himmlischen Körper
zu beweisen, bis zuletzt ein Weltweiser aufstund, welcher aus den glücklichen Vernunftschlüs-
sen auch die Gesetze und Kräfte bestimmet zu haben scheinet, durch welche ihre Umwälzungen
eingerichtet und geordnet werden“ (zit. nach Brandt 2003, 10, Anm. 6; 2010, 235–236).
36 S. ausführlicher in V-Lo/Wiener, AA 24: 887  ff.
37 Zekl in: Copernicus 1990, XXII–XXIV.
38 Zit. nach Carrier 2001, 129.

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20   Reinhard Brandt

Die von Kant favorisierte Fassung der Lehre des Kopernikus als einer bloßen
Hypothese steht also zwar in der Erstauflage des Werks von 1543, der Text ist
jedoch aus taktischen Gründen von Andreas Osiander hinzugefügt worden, er
gibt nicht die Selbstauffassung des Kopernikus wieder, auch wenn dieser im Hin-
blick auf die eigene Theorie den Begriff der Hypothese nicht meidet. Zweitens:
Die Pointierung des bloß geometrischen Charakters der Theorie tritt einer physi-
kalischen Interpretation entgegen, die Kopernikus tatsächlich selbst favorisiert.
Man vergleiche den Titel von Fritz Krafft: „Die physikalische Erneuerung der
antiken Astronomie durch Nicolaus Copernicus“; Kopernikus tritt ausdrücklich
der bloßen Hypothesenauffassung in diesem Sinn entgegen.
Die Opposition von bloß geometrischer und physikalischer Astronomie bzw.
von bloßer Astronomie und Kosmologie gibt es seit der Antike.³⁹ Kant nimmt
diese traditionelle Opposition auf, er formt sie jedoch (wie Bacon und Hume)⁴⁰
in eine notwendige Abfolge um: Am Anfang steht die Anschauung bzw. die bloß
mathematische Hypothese des Kopernikus, dann folgt die wahre Theorie des
Weltenbaus durch die Gravitation von Newton. Er begreift die beiden gegensätz-
lichen Ansätze der Astronomie als eine notwendige Stufenfolge komplementärer
Erkenntnisse. Das ist der Kern seiner Retrospektive und seiner eigenen Erkennt-
nistheorie ab 1770.
Wir finden die Dualität wieder in der kantischen Entgegensetzung von
Anschauung und Begriff, hier in der „Vorrede“: von Kopernikus und Newton.⁴¹
Die Dichotomie von Anschauung und Begriff selbst entstammt jedoch einer
anderen Filiation; Kant übernimmt sie bekanntlich der Philosophie Alexander
Baumgartens, der der Logik eine „soror minor“, die „aesthetica“,⁴² folgen lässt
und damit die Theorie der zwei irreduziblen Erkenntnisstämme anregt. Kant
macht aus der jüngeren die erste Schwester, die soror maior, und lässt auf sie die
Logik folgen, die die Anschauung begrifflich bestimmt und so Erkenntnis ermög-
licht. Eine umgekehrte Reihenfolge ist nicht möglich.

So verschafften die Centralgesetze der Bewegungen der Himmelskörper dem, was Coperni-
kus anfänglich nur als Hypothese annahm, ausgemachte Gewißheit und bewiesen zugleich
die unsichtbare den Weltbau verbindende Kraft (der Newtonischen Anziehung), welche auf
immer unentdeckt geblieben wäre, wenn der erstere es nicht gewagt hätte, auf eine wider-

39 Diese Opposition von mathematischer Astronomie und physikalischen Grundsätzen wird


aufgenommen von der arabischen Astronomie, Carrier 2001, 54  f.
40 Vgl. Anm. 30.
41 Carrier 2001, 87  f.; 127 u. ö.
42 Baumgarten 1970, 5; „Prolegomena“ § 13: „Aesthetica nostra § 1, sicuti logica, soror eius natu
maior […]“.

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Kants Revolutionen   21

sinnische, aber doch wahre Art die beobachteten Bewegungen nicht in den Gegenständen
des Himmels, sondern in ihrem Zuschauer zu suchen. (KrV, B XXII, Anm.)

„[A]nfänglich nur als Hypothese“ – im Kontrast dazu nachfolgend Newton, der in


seinen Philosophiae naturalis principia mathematica (1686) nach Kant den Beweis
der beiden Bewegungen der Erde brachte. Datieren wird man also diese erste
neuzeitliche Revolution in die Jahre 1543 und 1686. Der Name einer Kopernika-
nischen Revolution kommt nicht vor; dadurch ist die gleichgewichtige Betonung
der Rolle Newtons ermöglicht. Unglücklich bleibt, dass in der Zweiteilung Koper-
nikus für die Anschauung und deren mathematische Bestimmung zuständig ist,
Newton dagegen trotz der revolutionären Einführung der dynamischen Wech-
selwirkung und anderer Lehren der Physik seinem Werk den Titel der „Principia
mathematica“ gibt statt „Principia dynamica“. Aber die genetische Stufung der
einen Wende gemäß der Zweiheit von geometrischen Bestimmungen der Stern-
bewegungen aus heliozentrischer Sicht und deren unsichtbaren dynamischen
Ursachen ist unabhängig vom Titel der Newtonschen Schrift.
Dieselbe epistemische, nicht sachliche Stufung finden wir schon 1784 in der
Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht:

So brachte sie [sc. die Natur] einen Kepler hervor, der die eccentrischen Bahnen der Pla-
neten auf eine unerwartete Weise bestimmten Gesetzen unterwarf, und einen Newton, der
diese aus einer allgemeinen Naturursache erklärte. (IaG, AA 08: 18.14–17)

Keplers Verdienst bezieht sich auf die Planeten, nicht wie bei Kopernikus auf das
Sternenheer insgesamt. In der gemeinten Sache selbst muss natürlich die dyna-
mische Kräfteordnung vorangehen, von der die geometrische Verlaufsform der
elliptischen Bewegung abhängt.⁴³
Im ersten Schritt der Gesamtwende, der nur mathematisch erschlossenen
Verfassung, für die Kopernikus verantwortlich ist, sind Kant zwei Bewertungen
fremd. Einmal sieht er in ihr keine metaphysische Degradierung des Menschen,
der nun unbehaust in einem Winkel des Universums schmollt und verkommt
(Freud), noch ist es die Glorie Gottes, die durch die verbesserte Erkenntnis der
Umläufe der Planeten erhöht wird, wie Kopernikus selbst schreibt;⁴⁴ für Kant ist
dagegen der kühne Schritt des Kopernikus notwendig auf dem Weg der Aufklä-
rung, Kopernikus gehört zu den großen Befreiern aus einer sich selbst blockieren-
den Weltauffassung – was ehrt den Menschen mehr als solche Tat der Erkenntnis
gegen die tradierte Dunkelheit?

43 Zur Beweisproblematik vgl. Waschkies 1987, 439.


44 Copernicus 1990, 81–83. S. dazu Safranski 1997, 252  f.

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22   Reinhard Brandt

Vielleicht ist es erlaubt, die Verknüpfung von Anschauung und Begriff, wie
wir sie in der Erkenntniseinheit von Kopernikus und Newton entdecken, in die
Kantische Konzeption des Erkenntnisurteils hinüberzuspielen. Sie wird im Tele-
grammstil des Leitfadens zur Urteilstafel dargelegt und besagt, dass ein sach-
haltiges Urteil wie „Alle Körper sind veränderlich“ (KrV, A 68) die Einheit des
Gegenstandes in einer möglichen Anschauung und des Begriffs, durch den das
Anschaubare erkannt wird, herstellt. Damit ist die notwendige Präzedenz der
Ästhetik vor der Logik und ihre Einheit im transzendentalen Urteil festgehalten,
wenn man den Passus in dem genannten Sinn interpretieren kann. Umgekehrt
die Frage, die die Prolegomena formulieren: „Wie sind synthetische Sätze a priori
möglich?“ (Prol, AA 04: 276.12) Ausgangspunkt ist das analytische Urteil a priori,
das als rein begrifflich problemlos möglich ist; aber wie lässt sich der Übergriff
auf die sinnliche Anschauung in einem synthetischen Urteil als notwendig
retten? Wie ist die einheitliche Erkenntnis aus den beiden heterogenen Erkennt-
nisstämmen möglich? Also: „Wie sind synthetische Sätze a priori möglich?“ Ganz
sicher spiegelt sich die Stufung von Anschauung und Begriff in der dualen Folge
mathematischer und dynamischer Grundsätze wieder (KrV, A 150  ff.)⁴⁵, die post
festum auch als mittlere Zäsur in die Urteils- und Kategorientafel einzutragen ist.
„So verschafften […]“. Dieser oben zitierte Satz aus der „Vorrede“ enthält
einen noch nicht erwähnten weiteren Schritt. Die mit dem „So“ angesprochene
Analogie besagt (gegen Blumenberg⁴⁶), dass so, wie die Hypothese des Koperni-
kus nur der erste, anfängliche Schritt zum dynamischen Beweis durch Newton
war und beides notwendig nur die Erkenntnis der Gegenstände als Erscheinun-
gen betrifft, so ist diese jetzt angesprochene Erkenntnis nur die Vorbedingung,
den Platz für die unerkannten Dinge an sich zu verschaffen, die durch eine
weitere kritische Erkenntnis als der Platz der Gesetzgebung der reinen prak-
tischen Vernunft erkannt wird. Newtons Gravitation ist die „unsichtbare den
Weltbau verbindende Kraft“ (KrV, B XXII), von der Kant in der Kritik der reinen
Vernunft unter dem Titel der  – natürlich unsichtbaren  – Wechselwirkung als
einem Grundsatz der Erfahrungserkenntnis handelt (KrV, A 211–218). Also: Die
theoretische zweistufige Erkenntnis der Erscheinungen (Ästhetik und Analytik
der KrV) ist der erste Schritt, einen Platz (Dialektik) frei zu machen, den dann
das moralische Gesetz einnimmt. Das letztere steht also im quid pro quo in einer
Parallele zur Gravitation, worauf Kant an anderer, entfernter Stelle anspielt:

45 Aufgenommen in der „Kritik der ästhetischen Urteilskraft“ in Form des mathematisch und
dynamisch Erhabenen, KU, AA 05: 247–266.
46 Blumenberg 1981, 699–701.

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Kants Revolutionen   23

Die Newtonische Attraction durch den leeren Raum und die Freyheit des Menschen sind
einander analoge Begriffe. (OP, AA 21, 35.04  f.)⁴⁷
Die Attraction durch den leeren Raum (nach Newton, actio in distans) die Freyheit die ein
Princip der Causalität in der Welt als Wirkung ohne Ursache postulirt blos durch sein veto
im categorischen Imperativ. (OP, AA 21, 51.29–52.01)

Die Logik der Stufung zwingt dazu, wie Kant in der zweiten Hälfte der Anmer-
kung B XXII schreibt, die KrV als bloße Hypothese anzusehen, die dann durch
die Moralphilosophie zur ausgemachten Gewissheit gelangt, ein für den ganzen
Bau wesentlicher Gedanke, der natürlich die Schwierigkeit enthält, dass Kant
zwar in diesem Experiment und Spiel der Analogie die KrV als bloße Hypothese
anführt („um nur die ersten Versuche einer solchen Umänderung, welche allemal
hypothetisch sind, bemerklich zu machen“, B XXII), dies in der Schrift selbst aber
nicht berücksichtigt. So erfährt Kant in dem Fortschreiten seiner Philosophie die
Vorphase (1747 bis 1769), die Revolution (1770 bis 1781 bzw. 1788) und den nun
einsetzenden methodisch sicheren Gang der kritischen Philosophie als typischen
Ablauf der Revolutionen in der Geometrie, in der Physik und deren Derivat in der
kopernikanisch-newtonischen Wende.
Anschauung und Begriff: Erst in den siebziger Jahren operiert Kant mit der
Dualität von Naturbeschreibung und Naturgeschichte; die erste bezieht sich
auf wahrnehmbare Ähnlichkeiten der Phänomene, wie sie im System von Linné
gesammelt werden, die zweite sucht die genetische Verwandtschaft, geht also
über zur begrifflich-kausalen Erforschung. Diese Schrittfolge ist in den vorher-
gehenden Schriften unbekannt, auch wenn der Begriff der Naturgeschichte in
Anlehnung an Buffon verwendet wird,⁴⁸ nach 1775 wird sie zum Gegenbegriff der
Naturbeschreibung, im Opus postumum erscheint statt „Naturbeschreibung und
Naturgeschichte“ die äquivalente Formulierung “Observation und Experiment“⁴⁹.

47 S. a. Blumenberg 1981, 700.


48 Waschkies 1987, 500, Anm. 53.
49 Vgl. die Belege s. v. „Observation“ AA 22: 699. Im IV. Hauptstück der Metaphysischen Anfangs-
gründe der Naturwissenschaft (1786) führt Kant die Opposition von Erscheinung und Erfahrung
ein (MAN, AA 04: 554  ff.); die erstere soll sich auf den Bereich der drei Kategorien der Quantität,
Qualität und Relation beziehen, die vierte auf die Modalität, in der über die Möglichkeit, Wirk-
lichkeit und Notwendigkeit des zuvor Exponierten befunden wird. Kant orientiert sich hier (und
nur hier) an der Dualität von Anschauung und Verstand. Zur Interpretation des Vierten Haupt-
stücks vgl. Pollok 2001, 473–507.

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24   Reinhard Brandt

Gravitas und Gravitation

Zählen, Messen, Wägen (Wiegen) sind der Antike vertraut,⁵⁰ „gravitas“ bezeich-
net hierbei die Eigenschaft der Schwere der Körper; die „Gravitation“ ist dagegen
bestimmt als Relation, als universelle Wechselwirkung („actio mutua“) der
Körper, sie ist vor Newton unbekannt.⁵¹ Zur historischen Klärung: Für Kopernikus
selbst ist die Theorie der Schrift De revolutionibus orbium coelestium keineswegs
eine bloß phoronomische Hypothese, sondern ist objektiv wahr. Kopernikus will
die Astronomie physikalisieren, wie Carrier schreibt.⁵² „Ich bin wenigstens der
Ansicht, dass die Schwere nichts Anderes ist, als ein von der göttlichen Vorse-
hung des Baumeisters der Welt den Teilen eingepflanztes natürliches Streben,
eine Einheit und Ganzheit in Form einer Kugel zu bilden. Und es ist anzuneh-
men, dass diese Neigung auch der Sonne, dem Monde und den übrigen Plane-
ten innewohnt.“⁵³ Kopernikus selbst spricht von „causae“, „Ursachen“, und
beschränkt sich nicht auf die Analyse des Sichtbaren ohne Überschritt zu den
unsichtbaren Gründen; er ist jedoch, wie das Zitat zeigt, Aristoteliker. Die Gegen-
these der Geozentrik ist nach ihm physikalisch unhaltbar. Gemäß der Kantischen
Auffassung hätte er die Geozentrik als weiterhin mögliche Alternative kennzeich-
nen und der noch ohne feste Gründe favorisierten Heliozentrik entgegenstellen
müssen. Diese werden erst möglich durch Newtons Gesetz der Gravitation, das
Kopernikus auf der Grundlage des Aristotelismus nicht kannte.⁵⁴
So ist die kantische Beurteilung der Kopernikanischen Theorie aus der Ret-
rospektive in Kenntnis von Newton korrekt: Erst die instantane Wechselwirkung
beweist die Hypothese der Heliozentrik als wahr. In der vorkritischen Phase ist
Kant angewiesen auf eine physikotheologische Prämisse, die die pure Materie zu
einem zweckmäßig interagierenden Weltstück macht. In der Kritik der reinen Ver-
nunft dagegen wird die Gravitation aus allem Zweckzusammenhang gelöst und
zu einer rein mechanisch zu denkenden Kraft. Die Wechselwirkung ist jetzt die

50 Dazu Platon, Euthyphron 7b–c; Bibel, Weisheit Salomonis 11, 21: „omnia in mensura et nume-
ro et pondere disposuisti“.
51 Zum literarischen Vorfeld und Umfeld vgl. Starobinski 1999, 19–53.
52 Carrier 2001, 87–88; 127. Zekl in: Copernicus 1990, XXII ff.
53 Copernicus 1990, 123.
54 Z. B. Copernicus 1990, 123: „Ich jedenfalls bin der Meinung, Schwere („gravitatem esse […]“)
sei nichts anderes als eine Art natürlichen Strebens der Teile, ihnen eingegeben von der göttli-
chen Vorsehung des Alls, daß sie sich zu ihrer Einheit und Ganzheit zusammentun, indem sie
zur Kugelform zusammengehen.“ Das ist nicht die Gravitation Newtons, von Wechselwirkung
kann keine Rede sein, s.  auch Zekls Kommentar in Copernicus 1990, 233, Anm. 104. So auch
Schmeidler 1998, 83 zu P. 17,5.

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Kants Revolutionen   25

dritte Kategorie der Relation (KrV, A 80) und damit der dritte dynamische Grund-
satz (KrV, A 211–218), der die erfahrungsbegründende Rolle der „actio mutua“
und „instantanea“ aller Massen im Universum transzendental fordert.
Kant lässt Newton auf einen zur angewandten Geometrie verengten Koperni-
kus (Kreise) oder auch Kepler (Ellipsen) folgen, so wie in der Kritik der reinen Ver-
nunft die Erkenntnislehre auf die Theorie von Raum und Zeit als bloßer Formen
der Anschauung folgt und folgen muss. Newton ist, so ist mitzuverstehen, als
Naturwissenschaftler zugleich Nachfolger von Francis Bacon, dem die Physik die
eigentliche disziplininterne Wende verdankte:

Mit der Naturwissenschaft ging es weit langsamer zu, bis sie den Heeresweg der Wissen-
schaft traf; denn es sind nur etwa anderthalb Jahrhunderte, daß der Vorschlag des sinn-
reichen Baco von Verulam diese Entdeckung theils veranlaßte, theils, da man bereits auf
der Spur derselben war, mehr belebte, welche eben sowohl durch eine schnell vorgegan-
gene Revolution der Denkart erklärt werden kann. (KrV, B XII)

Der Untertitel der Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels lautet:
„Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprunge des ganzen
Weltgebäudes⁵⁵, nach Newtonischen Grundsätzen abgehandelt.“ Kant hält sich
in der Untersuchung selbst an den Wortlaut des Titels von Newtons Principia
mathematica (1686) und schreibt, er wolle zeigen, wie man aus der Materie und
dem Gesetz der Attraktion den Weltbau erklären könne.

Dieses sind die Ursachen, worauf ich meine Zuversicht gründe, daß der physische Theil
der Weltwissenschaft künftighin noch wohl eben die Vollkommenheit zu hoffen habe, zu
der Newton die mathematische Hälfte derselben erhoben hat. Es sind nächst den Gesetzen,
nach welchen der Weltbau in der Verfassung, darin er ist, besteht, vielleicht keine anderen
in der ganzen Naturforschung solcher mathematischen Bestimmungen fähig ist, als dieje-
nigen, nach welchen er entstanden ist, und ohne Zweifel würde die Hand eines versuchten
Meßkünstlers hier nicht unfruchtbare Felder bearbeiten. (NTH, AA 01: 230.27–35)⁵⁶

Newton ist also gemäß dem Titel seines Werks zuständig für die mathematische
Bestimmung des bestehenden Weltbaus – für die besondere Rolle der Gravitation

55 Kant hat weder 1755 noch am Ende im Opus postumum Bedenken, die Gravitation als wirksam
im gesamten Universum anzunehmen; Lambert scheint dagegen nur das Sonnensystem als mög-
liches Wirkungsfeld anzunehmen, s. dazu Blumenberg 1981, 636–637.
56 Waschkies 1987, 438–439. Während Kant sich von Beginn auf die Seite von Kopernikus und
Newton stellt, äußern Herder (Zekl in: Copernicus 1990, LXXVI) und Hamann in der Nachfolge
der protestantischen Opposition gegen Kopernikus (Luther, s. Zinner 1988, 225, Melanchthon,
s. Zinner 1988, 271–279 u. ö.; Carrier 2001, 143–152) Bedenken. Goethe bekennt sich wie Kant na-
türlich zu Kopernikus, s. Zekl in: Copernicus 1990, LXXVII und LXXXIV.

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26   Reinhard Brandt

für Genese und Erhalt der Welt wird er nicht aufgerufen. Auf keinen Fall gibt es
1755 die Gliederung von Anschauung und Kraft, die die Grundlage für die Zweitei-
lung von Kopernikus (oder Kepler) und Newton ermöglicht.
Wägen (wiegen): die Schwerkraft Platons und der Bibel kann in der tradierten
Kosmologie nur als lokale, unilaterale Eigenschaft und Größe behandelt werden,
während die Wechselwirkung oder Gravitation bei Kant universeller Natur ist und
die Barriere zwischen dem Himmel und der niederen sublunaren Welt, die wir
bewohnen, endgültig niederreißt.⁵⁷ Platon rätselte, wie es im Aufbau der Welt
von der Geometrie (Linie, Fläche, stereometrische Figur) zur Schwere der Körper
kommen konnte. Wenn die Einsicht des Laien nicht täuscht, löste erst der Physi-
ker Higgs dieses Problem.⁵⁸

4 Die Revolution in der Metaphysik⁵⁹

Ehe wahre Weltweisheit aufleben soll, ist es nöthig, daß die alte sich selbst zerstöhre, und,
wie die Fäulniß die vollkommenste Auflösung ist, die jederzeit vorausgeht, wenn eine
neue Erzeugung anfangen soll, so macht mir die Crisis der Gelehrsamkeit […] die beste
Hoffnung, daß die so längst gewünschte große revolution der Wissenschaften nicht mehr
weit entfernet sey. Kant an Johann Heinrich Lambert am 31. December 1765 (Br, AA 10,
57.04–10).

Kant abstrahiert in der „Vorrede“ von 1787 von der Bestimmung der KrV als einer
Lehre der Transzendentalphilosophie (der Begriff erscheint nicht) und spricht
nur von der Kritik, einer speziellen neuen Vordisziplin der Metaphysik. Wie
immer diese Begriffsstrategie begründet ist (die Einbeziehung der praktischen
Philosophie, die nicht zur Transzendentalphilosophie gehört? Die allgemeine
Wissenschaftswende seit den Prolegomena?), wir nehmen diesen Befund als Auf-
forderung, die speziellen Probleme der Transzendentalphilosophie aus unserem
Versuch, die Philosophie der „Vorrede“ zu erkennen, auszuklammern.

57 Während Newton selbst die Gravitation noch auf das Planetensystem begrenzt, erweitert
Kant 1755 die Geltung des Gesetzes auf das Universum überhaupt. Zu den Schritten, die zu dieser
Erweiterung führten, s. Calinger 1979, 353  ff.
58 Platon 1958, III 233–236. Es kann sich nicht gut um die „unzureichend ausgebildete Stereome-
trie“ handeln, wie ein Zwischentitel der Übersetzung meldet (234), denn der Stereometrie wird
testiert, dass es sie noch nicht gibt.
59 Es folgen einige Hinweise, die ihr Zentrum und ihre Grenze in der „Vorrede“ haben.

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Kants Revolutionen   27

Kants eigene Revolution vollzieht sich, nach der „Vorrede“, in der Kritik der
reinen Vernunft von 1787 und in der nur vorsichtig angedeuteten Kritik der prakti-
schen Vernunft, die 1788 erscheinen wird.
In einer Reflexion des Jahres 1776 (?) heißt es: „Das Jahr 69 gab mir großes
Licht.“ (Refl, AA 28: 69.21  f.)⁶⁰ Unterstellen wir die Erkenntnisse, die wir bisher
aus der „Vorrede“ gezogen haben, dann kann sich dieses Licht nur auf die sub-
jektive Form von Raum und Zeit beziehen, wie sie 1770 in der Dissertation gelehrt
wird. Dann zerfällt die Genese der kritischen Philosophie in zwei Schritte, zuerst
den Kopernikus-Teil der Anschauung, dann den Newton-Teil der Begriffe; dieser
zweite Teil wird erst in den siebziger Jahren ausgearbeitet, erst jetzt kommt es zur
Integration der Wechselwirkung in die allmählich entstehende „Analytik“.⁶¹
Mit der Subjektivierung von Raum und Zeit ist ein Platz freigegeben für die
Dinge an sich, die unter diesem vorläufigen Aspekt noch eine Leerklasse bilden
können.
Kant ist 1772 noch auf der Suche nach den reinen Begriffen des Verstandes
und ihrer genauen Funktion in der Erkenntnis der sinnlichen Erscheinungen
oder Dinge, wie sie an sich sind (Br, AA 10: 129–132). Solange diese Fragen nicht
geklärt wurden, sind Verstand und Vernunft noch nicht voneinander unterschie-
den, folglich kann es auch noch keine Antinomie der reinen Vernunft geben.
Die genaue Entwicklung lässt sich schwer rekonstruieren, die Revolution auf
der Begriffsseite findet in den siebziger Jahren statt und endet vorerst mit der
KrV von 1781.⁶² Sie ist zunächst die einzig mögliche Kritik, denn eine Kritik der
praktischen Vernunft (1788) und gar der Urteilskraft (1790) werden erst durch
bestimmte Entwicklungen der achtziger Jahre möglich. Die „Vorrede“ der zweiten
Auflage der KrV (1787) gestattet erstens einen Einblick in die Revolution, die die
KrV vollzogen hat, zweitens gibt sie einen Hinweis auf eine zweite Kritik, die
im folgenden Jahr erscheinen wird und die es ermöglicht, den Dual von bloßer
Hypothese der theoretischen Vernunft und entschiedener Wirklichkeit der reinen
praktischen Vernunft anzuwenden (KrV, B XXII Anm.). Jetzt also, 1788, ist die
Revolution erst wirklich beendet. Die KU entwickelt keine Ambitionen, sich noch
in das komplexe Revolutionsprogramm einzugliedern.

60 Die Ausführungen sind angeregt von Reich 2001, 268–271.


61 Kant schließt hier jede empirische Analyse dieser Frage aus; sie hätte ihn leicht zu der Fest-
stellung geführt, dass es eine subjektive, perspektivische Raumbühne beim Menschen (und bei
den gänzlich verbannten Tieren) gibt. Ihr Raum kann nicht identisch sein mit dem Weltraum,
den wir (nach damaliger Auffassung) durch die Euklidische Geometrie bestimmen.
62 Immer noch: Wolfgang Carl 1989.

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28   Reinhard Brandt

Die Paradoxie der reinen sinnlichen Anschauung

Mit der Lehre einer reinen Raum- und Zeitanschauung 1770 beendet Kant die Tra-
dition, die von den Empiristen in England und den Rationalisten auf dem Kon-
tinent geteilt wird: Die Tradition des Kontinuums vom Dunklen und Verworre-
nen der Sinne zum Klaren und Deutlichen der Vernunft oder des Verstandes. Die
Dichotomie von Anschauung und Begriff, die in der „Vorrede“ von 1787 benutzt
wird, ist mit der prozessualen Ordnung von dunkel-verworren / klar-deutlich
nicht vereinbar, weil sie mit einer reinen Anschauung rechnet, also einer para-
doxen klaren und deutlichen Sinnlichkeit. Kant sistiert die Widersprüchlichkeit
dadurch, dass er sich nicht auf eine reine Sinnlichkeit tout court bezieht, sondern
auf deren Form. Die reine Gegebenheit der Anschauung besteht nicht in deren
materieller Affektion, die wir erleiden, sondern deren Form, die wir als erken-
nende Subjekte mitbringen oder gar erzeugen⁶³.
Oben wurden die entscheidenden Sätze zitiert, mit denen Kant 1787 sein kri-
tisches Unternehmen in eine Parallele zur Revolution des Kopernikus setzt. Erst
die Subjektivierung von Raum und Zeit (als unserer Formen der Anschauung)
und erst die Ansiedlung der Erfahrungsbegriffe im Verstand des erkennenden
Subjekts ermöglichen mathematische und Erfahrungserkenntnis im emphati-
schen Sinn, d.  h. mit dem Status der Notwendigkeit. In unserer Beziehung zu den
Gegenständen der Erkenntnis gibt es in abstracto zwei Möglichkeiten: Entweder
hängen wir von den Objekten ab, oder wir bestimmen selbst, was ein Objekt der
Erkenntnis sein kann. Zu der ersten Möglichkeit gehören Geschichtswissenschaft
und Anthropologie, zur zweiten die Erkenntnis, die die Erkenntnismöglichkeiten
des Subjekts selbst untersucht und damit die Instrumente freilegt, die über die
Bestimmungen möglicher Objekte befinden. Die erste Weise wird als empirisch
geführt, die zweite ist rein, rein von aller sinnlichen Affektion und daher a priori.
Es sind also zwei Ebenen zu unterscheiden: Die Wahrnehmungslehre der Anth-
ropologie (oder empirischen Psychologie) und die Notwendigkeitserkenntnis a
priori. Die erstere ist naturgemäß ohne jedes Interesse an einer Revolution der
Denkart, letztere besteht in der Stufung von Anschauung und Begriffen und der
konkreten Ausführung dieses dualen Programms. Die erstere wird ausführlich
von Kant in der Anthropologie in pragmatischer Hinsicht dargestellt (Anth, AA
08: 135–140); die Anthropologie entspringt Anfang der siebziger Jahre der empiri-
schen Psychologie, gegen die sich die Dissertation mit dem Versuch einer reinen
Sinnes- und Verstandeserkenntnis stellt. Nur mit der Befreiung der Philosophie
von ihren empirischen Wurzeln lässt sich, so Kant 1770, die gesuchte Notwendig-

63 S. MSI, AA 02: 403.24  f.: „[…] e natura mentis stabili lege proficiscens“.

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Kants Revolutionen   29

keitserkenntnis von etwas Realem gewinnen. Ein wichtiges Dokument zur Voll-
endung der Revolution ist Kants Brief vom 21. Februar 1772 an Marcus Herz, dem
Disputanten der Dissertation zwei Jahre zuvor. Der Inhalt des Briefes ist höchst
verwickelt, aber die Botschaft ist: 1770 war die apriorische Form der Anschauung
bestimmt, jetzt steht noch aus die genaue Form und Funktion der Verstandesbe-
griffe.

Ich hatte mich in der dissertation damit begnügt die Natur der intellectual Vorstellungen
blos negativ auszudrüken: daß sie nämlich nicht modificationen der Seele durch den Gegen-
stand wären. Wie aber denn sonst eine Vorstellung die sich auf einen Gegenstand bezieht
ohne von ihm auf einige Weise afficirt zu seyn möglich überging ich mit Stillschweigen. (Br,
AA 10: 130.33–131.01)

In der Lehre von 1770 wird die doppelte reine Form der Anschauung von Raum und
Zeit herauspräpariert; 1781 treten die reinen Verstandesbegriffe nach Maßgabe
der Logik hinzu: „Dieselbe Funktion, welche den verschiedenen Vorstellungen in
einem Urtheile Einheit gibt, die gibt auch der bloßen Synthesis verschiedener
Vorstellungen in einer Anschauung Einheit. Welche, allgemein ausgedrückt, der
reine Verstandesbegriff heißt.“ (KrV, A 79) Mit beidem gewinnen wir die Mög-
lichkeit einer Notwendigkeits-Erkenntnis dessen, was uns sinnlich affiziert. Im
Vorgriff auf diese philosophische Leistung haben Kopernikus (und Kepler) von
der reinen mathematischen Raum- und Zeitbestimmung der Sternbewegungen
und Newton von der dynamischen Kategorie der Wechselwirkung des reinen Ver-
standes schon Gebrauch gemacht. D. h. hier und generell: Die Wissenschaften
gehen nach der je spezifischen Revolution ihren eigenen sicheren Gang; in der
Philosophie werden dagegen die Bedingungen ihrer Möglichkeit gezeigt, ob sich
die jeweiligen Revolutionen in den einzelnen Disziplinen nun schon vollzogen
haben oder nicht. Epikur-Lukrez konnten bei der materialistischen Rekonstruk-
tion der Genese konstanter Naturgattungen nur auf das Faktum verweisen, dass
sich irgendwann im Lauf der Geschichte die zum Leben tauglichen Verbindungen
ergeben hätten. Kant argumentiert nicht vom vorliegenden Ergebnis her, sondern
legt die Bedingungen der Möglichkeit menschlicher Erkenntnis selbst frei. Die von
den Wissenschaftlern seit Thales vollzogenen Revolutionen und Weiterentwick-
lungen der Disziplinen befolgen ein Muster, das sie im Einzelnen nicht zu kennen
brauchen – Newton ist kein Philosoph, so wenig wie Thales. Der Anspruch, den
er gewissermaßen naiv mit seinen notwendig geltenden Naturgesetzen erhebt,
wird in der KrV legitimiert; insofern ist sie die Verfassungsschrift menschlicher
Naturerkenntnis. Wenn sie als „Traktat von der Methode“ (KrV, B XXII) bezeich-
net wird, so bezieht sich dies auf die generelle Notwendigkeit methodischen Vor-
gehens in der Wissenschaft, es ist z.  B. nicht erlaubt oder möglich, auf Schöp-
fungsakte in der Physik zu rekurrieren.

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30   Reinhard Brandt

In der „Vorrede“ von 1787 nimmt die Revolution der Metaphysik den Doppel-
schritt, den Kant bei Kopernikus-Newton gemäß der Dualität von Anschauung und
Begriff fand, in subtiler Weise auf. Es wird in der „Ästhetik“ die Zweiteilung von
Erscheinung und Ding an sich konstatiert, wie wir sie schon aus der Dissertation
von 1770 kennen; neu ist die Deduktion der Verstandesbegriffe in der Erkenntnis
der Erscheinungen (KrV, A 84  ff.). Damit ist eine in sich konsistente theoretische
Erkenntnis der Erscheinungen möglich, die auf jeden Anspruch der theoreti-
schen Erkenntnis der „res ipsae“ ohne Raum und Zeit verzichtet. In der „Vorrede“
rekonstruiert Kant die Lage so, dass er auf einen Bestimmungsversuch des Unbe-
dingten und damit die Dialektik der reinen Vernunft verzichtet. Nun bleiben als
leeres Feld dieses Unbedingten die Dinge an sich – kann sich die Vernunft hier
ansiedeln? Wenn ja, dann zeigt sich, „daß, was wir anfangs nur zum Versuch
annahmen, gegründet sei“ (KrV, B XXIf.). Auf den „anfänglichen“ Versuch folgt
die Begründung wie in der Schrittfolge von Kopernikus mit seiner „anfänglichen
Hypothese“ und Newton mit der „unsichtbare[n]“ Gravitation oder Anziehung,
die den apodiktischen Beweis der Revolution führt. Den hier freigestellten Platz,
den im Spiel der Analogie 1781 Newton einnahm, wird 1788 die Kritik der prak-
tischen Vernunft ausfüllen mit der nunmehr gesetzlich bestimmten Freiheit. So
kommt durch die strategischen Setzungen auf der Grundlage der komplementä-
ren Theorien von Kopernikus und Newton die komplementäre Setzung von KrV
und KpV zustande, wie sich schon oben zeigte.
Wodurch unterscheidet sich die Revolution der Geometrie bei Thales von der
kritischen Raum-Zeittheorie von 1781? Die letztere ist Teil der kritisch-metaphysi-
schen Denkungsart, die erstere Teil der wissenschaftlichen Fachdisziplin. Thales
hat den Einfall, sich nicht geometrische Figuren durch sinnliche Gegebenheiten
und ihre Formen (Horizont, Sonne) vorgeben zu lassen, sondern umgekehrt ein
Verfahren auszudenken, nach dem er die Figur methodisch erzeugen kann. Der
Metaphysiker dagegen lässt sowohl den Naturraum wie auch den Konstruktions-
raum zu einer Form der subjektiven Anschauung werden, so dass auch die Kon-
struktion sich nicht in einem Raum an sich mit immer nur ablesbaren Eigenschaf-
ten abspielt, sondern in dem a priori selbst erzeugte Formgebilde des Subjekts
selbst mit Gewissheit erkannt werden. Der Geometer ist in der reinen Anschau-
ung bei sich selbst, nicht in einem Medium, das immer fremde Eigenschaften
unkontrolliert mit sich führen kann.
Die Genese der kritischen Philosophie kann hier nicht aufgerollt werden;
bei der Untersuchung ist wichtig zu beachten, dass Kant als Treibsatz der Revo-
lution die Antinomie der reinen Vernunft im Weltbegriff wertet. Nun setzt diese
Antinomie die Trennung von Verstand und Vernunft voraus, die aber erst in den
siebziger Jahren vollzogen wird. „Res ipsae“ sind 1770 noch Objekte der theore-
tischen Erkenntnis. So ist die spektakuläre Subjektivierung von Raum und Zeit

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Kants Revolutionen   31

von 1769 ein erster, aber noch nicht entscheidender Teilschritt zur Revolution der
Denkart.
Die Kritik der reinen Vernunft ist, so erfuhren wir oben, „ein Traktat von der
Methode“ (KrV, B XXII)⁶⁴. Die Revolution führt von der Außenlenkung mit einem
unableitbaren Salto hin zu den subjektiven Ressourcen, mit denen einzig und tat-
sächlich die Erkenntnis der Struktur des Raumes (Geometrie), der Natur (Physik
und Astronomie) und die eigene gesetzliche Bestimmung der Freiheit möglich
sind. Die erste Kritik gibt einerseits die methodischen Anweisungen der Diszi-
plinen, sie grenzt andererseits das mögliche Gegenstandsgebiet ab, in dem ein
methodisches Procedere möglich ist. Die gesetzliche Bestimmung der Freiheit
liegt außerhalb der theoretischen Transzendentalphilosophie.

5 Die Französische Revolution


„Solange die Sonne am Firmamente steht und die Planeten um sie herumkreisen,
war das nicht gesehen worden, daß der Mensch sich auf den Kopf, d. i. auf den
Gedanken stellt und die Wirklichkeit nach diesem erbaut.“ So Hegels Rhetorik
über die Geschehnisse in Paris.⁶⁵ Goethe greift poetisch zum Himmel: „Denn wer
leugnet es wohl, daß sich das Herz ihm erhoben, / Ihm die freiere Brust mit rei-
neren Pulsen geschlagen, / Als sich der erste Glanz der neuen Sonne heranhob, /
Als man hörte vom Rechte der Menschen, das allen gemein sei / Von der begeis-
ternden Freiheit und von der löblichen Gleichheit […].“⁶⁶ Kant blendete ähnlich
die Kopernikanische Revolution ein, um zur Französischen zu führen.

Vielleicht liegt es auch an unserer unrecht genommenen Wahl des Standpunkts, aus dem
wir den Lauf menschlicher Dinge ansehen, daß dieser uns so widersinnisch scheint. Die
Planeten, von der Erde aus gesehen, sind bald rückgängig, bald stillstehend, bald fortgän-
gig. Den Standpunkt aber, von der Sonne aus genommen, welches nur die Vernunft thun
kann, gehen sie nach der Kopernikanischen Hypothese beständig ihren regelmäßigen Gang
fort. (SF, AA 07: 83.20–26)⁶⁷

Wer der Vernunft folgt, so scheint uns der Text zu belehren, kann in der mensch-
lichen Geschichte einen analogen beständigen Fortschritt wie bei den Planeten
erkennen, es bedarf nur des richtigen imaginierten Standpunkts der Sonne, von

64 Vgl. Kim 2008, 80–86.


65 Hegel 1961, XI 557; Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte.
66 Goethe 1960, II 478; Herrmann und Dorothea VI („Klio, Das Zeitalter“, 6–11).
67 Zur Datierung des Abschnitts s. Brandt 2003, 16, Anm. 28.

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32   Reinhard Brandt

dem aus zuvor der stete Gang in der Planetenbewegung sichtbar wurde. Aber die
Erkenntnis des Kopernikus ist nur eine Hypothese; auf ihre Erinnerung folgt ein
ganz anderer Gedanke. „Es muß irgendeine Erfahrung im Menschengeschlechte
vorkommen, die als Begebenheit auf eine Beschaffenheit desselben hinweiset […]“,
steht im zweiten Abschnitt des Streits der Facultäten (SF, AA 07: 84.13  f.). Was
hat die Kopernikanische Hypothese mit der gesuchten Begebenheit zu tun? Um
den Gedanken zu verstehen, muss man zurückkehren zu den drei schon antiken
Auffassungen der menschlichen Geschichte, die in den Skeptizismus führen; es
sind der Terrorismus, Eudaimonismus und Abderitismus (SF, AA 07: 81.01–82.34).
Sie werden vorgestellt mit dem Anspruch der Vollständigkeit⁶⁸; gibt es jetzt noch
einen Ausweg, der die Annahme des Fortschritts ermöglicht? Projizieren wir die
Ausweglosigkeit in die Astronomiegeschichte, so ist sie ein Abbild des Systems
des Ptolemäus, das mit seinen Epizyklen in eine Aporie führte, in der „es mit der
Erklärung der Himmelsbewegungen nicht gut fortwollte“ (KrV, B XVI). Auf diese
desolate Situation folgt der Einfall des Kopernikus, der den Standort des Betrach-
ters ändert – von der Sonne aus lässt sich sowohl die tägliche wie auch die jährli-
che Bewegung der Sterne als Bewegung ohne Epizyklen erklären. Aber diese Volte
ist nur eine Hypothese; es kam in der Theorie, wie wir sahen, die Newton’sche
Gravitation hinzu, die aus der Hypthese eine wahre Erklärung machte. Im Feld
der praktischen Vernunft und ihrer Frage, ob es einen moralischen Fortschritt
in der Menschheitsgeschichte gibt, zeigt eine Begebenheit, dass es tatsächlich
eine moralische Anlage gibt, die sich als Erfahrung gezeigt hat: Die Französische
Revolution und ihr weltweites Echo.
„Die Revolution eines geistreichen Volks, die wir in unseren Tagen haben vor
sich gehen sehen, […] findet doch in den Gemüthern aller Zuschauer (die nicht
selbst in diesem Spiele mit verwickelt sind) eine Theilnehmung dem Wunsche
nach, die nahe an Enthusiasm grenzt, und deren Äußerung selbst mit Gefahr
verbunden war, die also keine andere als eine moralische Anlage im Menschen-
geschlecht zur Ursache haben kann.“ (SF, AA 07: 85.19–29) Kant spricht vom
„Enthusiasm“ (SF, AA 07: 86.06  f.), vom „Heiligthum, das über allen Preis (der
Nützlichkeit) erhaben ist“ (SF, AA 07: 87.30  f.); es mische sich zwar ein „Affect“
ein (s. SF, AA 07: 86.06), aber in der Bilanz findet sich das rein moralische bei-

68 Kant benutzt eine Figur, die sich häufig bei ihm findet, vgl. Brandt 2014. In der KrV wird z.  B. die
Frage, „Was sind nun Raum und Zeit?“ so beantwortet, dass drei denkmögliche Antworten ausfal-
len (wirkliche Wesen, Bestimmungen, Verhältnisse der Dinge), die vierte dagegen trifft zu: Sie sind
subjektive Formen der Anschauungen (s. KrV, A 23). Hier gibt es drei tradierte Antworten, die kei-
nen Fortschritt erkennen lassen (s. SF, AA 07: 81  f.), die vierte dagegen ist einschlägig. Sie zerfällt
in eine Hypothese (s. SF, AA 07: 83.29) und den Nachweis, dass sie tatsächlich wahr ist, die Fran-
zösische Revolution (Akteure und Zuschauer), die gewissermaßen den Newton-Part übernimmt.

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Kants Revolutionen   33

stimmende Urteil der Zuschauer. Die Fokussierung auf das weltweite Publikum
gewährleistet, dass die gesuchte Begebenheit nicht eine provinzielle Idiosynkra-
sie ist, sondern die Menschheit insgesamt betrifft. Das Urteil über das Ereignis in
Paris⁶⁹ ist universell und betrifft die Menschheit im Ganzen.⁷⁰
Hierbei wird unterstellt, dass das regionale Ereignis selbst, die Französische
Revolution, aus keinen Erwägungen der Not oder Nützlichkeit stammt, sondern
dass die reine praktische Vernunft am Werk ist, so wie das Publikum es glaubt;
andernfalls bleibt die Revolution vielleicht eine aus bestimmten politischen und
psychologischen Gründen falsch beurteilte Episode im Verlauf der Ereignisge-
schichte. Entsprechend werden die Revolutionierenden auch explizit einbezogen,
Kant spricht von „den Waffen derer, welche das Recht des Volks, wozu sie gehör-
ten, ins Auge gefaßt hatten“ (SF, AA 07: 86.16  f.), von deren „Eifer und Seelengröße“
(SF, AA 07: 86.13). Es zeige sich, „daß wahrer Enthusiasm nur immer aufs Ideali-
sche und zwar rein Moralische geht, desgleichen der Rechtsbegriff ist“ (SF, AA 07:
86.09–11). Ohne diese Gewissheit in der Beurteilung der Revolution als einer Hand-
lung, die ihre Basis in der Moral hat, ist die Kantische Konstruktion nicht möglich.
Am Ende bleibt die moralische Motivation der Revolutionierenden und gleicher-
maßen der ihnen zujubelnden Zuschauer, zu denen der Autor selbst gehört.
Kant hat den zweiten Abschnitt des Streits der Facultäten vor dem 23. Oktober
1797 (s. Br, AA 12: 2442) geschrieben, zu einer Zeit also, als er die Religion inner-
halb der Grenzen der bloßen Vernunft publiziert hatte. Wir zitierten oben: „Es
muß irgendeine Erfahrung im Menschengeschlechte vorkommen, die als Bege-
benheit auf eine Beschaffenheit desselben hinweiset […]“ (SF, AA 07: 84.13  f.). In
der Religionsschrift steht: „Eben darum muß auch eine Erfahrung möglich sein,
in der das Beispiel von einem solchen Menschen gegeben werde […]“ (RGV, AA
06: 63.09  f.); gemeint ist der Weise des Evangeliums; er ist das Erfahrungsdoku-
ment eines ethischen Menschen; durch ihn wird der Skeptiker widerlegt, der die
sittlichen Vorschriften für unausführbar hält. Das Gegenstück dazu ist im Bereich
des Rechts die Französische Revolution, bei der sowohl die Revolutionierenden
selbst wie auch das Publikum von der Idee des Rechts Zeugnis ablegten.

69 Vgl. OP, AA 22: 324, Anm. 2: „Revolution in Paris“. In einer Anmerkung des § 65 der KU spricht
Kant von der „neuerlich unternommenen gänzlichen Umbildung eines großen Volks zu einem
Staat“ (KU, AA 05: 375.31  f.). Hannah Arendt meint: „Dort bezieht sich Kant auf die Amerikani-
sche Revolution, an der er bereits sehr interessiert gewesen war.“ (Arendt 1985, 27). Aber die
Unabhängigkeitserklärung der amerikanischen Kolonien wird nicht als „gänzliche Umbildung“
gesehen. S. a. Vorländer 1911, 251  f.
70 Und natürlich den Autor Immanuel Kant. Es ist nicht gut möglich, dass der Autor sich nicht
den Zuschauern zurechnet, die mit den Revolutionierenden sympathisieren.

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34   Reinhard Brandt

Literatur (auch nicht zitierte Werke):

Arendt, Hannah (1985): Das Urteilen. Texte zu Kants Politischer Philosophie. München/Zürich.
Baumbach, Manuel (2001): Protos heuretes. In: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike.
Stuttgart-Weimar. Band 10, 466  f.
Baumgarten, Alexander Gottlieb (1970): Aesthetica (1750). ND Hildesheim/New York.
Blumenberg, Hans (1981): Die Genesis der kopernikanischen Welt. Frankfurt am Main.
Brandt, Reinhard (19982): D’Artagnan und die Urteilstafel. München.
Brandt, Reinhard (20022): Philosophie in Bildern. Von Giorgione bis Magritte. Köln.
Brandt, Reinhard (2003): Universität zwischen Selbst- und Fremdbestimmung.
Kants „Streit der Fakultäten“. Berlin.
Brandt, Reinhard (2010): Die Bestimmung des Menschen bei Kant. Hamburg.
Brandt, Reinhard (2012): Die Zeitenwende der Neuzeit. In: Wie gewiss ist unser Wissen?
Alles nur eine Mode der Zeit? Hrsg. von Helmut A. Müller. Berlin, 14–35.
Brandt, Reinhard (2012a): „Sei ein rechtlicher Mensch!“ – wie das? In: Sind wir Bürger zweier
Welten? Freiheit und moralische Verantwortung im transzendentalen Idealismus.
Hrsg. von Mario Brandhorst, Andree Hahman und Bernd Ludwig. Hamburg, 311–360.
Brandt, Reinhard (Hrsg.) (2014): Die Macht des Vierten. Über eine Ordnung der europäischen
Kultur. Hamburg.
Calinger, Ronald (1979): Kant and Newtonian Science: The Precritical Period. In: Isis 70,
348–362.
Carl, Wolfgang (1989): Der schweigende Kant. Göttingen.
Carrier, Martin (2001): Nikolaus Kopernikus. München.
Clewis, Robert R. (2009): The Kantian Sublime and the Revelation of Freedom. Cambridge.
Copernicus, Nicolaus (1990): Das neue Weltbild. Drei Texte: Commentariolus, Brief gegen
Werner. De revolutionibus I. Übers. und hrsg. von Hans Günter Zekl. Hamburg.
Förster, Eckart (1998): Die Vorreden. In: Immanuel Kant. Kritik der reinen Vernunft. Hrsg. von
Georg Mohr und Marcus Willaschek. [Klassiker Auslegen]. Berlin, 37–55.
Fulda, Daniel (2013): „Wann begann die offene Zukunft? Ein Versuch, die Kossellecksche
Fixierung auf die ‚Sattelzeit‘ zu überwinden“. In: Geschichtsbewusstsein und Zukunfts-
erwartung in Pietismus und Erweckungsbewegung. Hrsg. von Wolfgang Breul und Jan
Carsten Schnur. Göttingen.
Goethe, Wolfgang (1960): Werke. Hrsg. von Erich Trunz, Hamburg.
Griewank, Karl (1969): Der neuzeitliche Revolutionsbegriff. Entstehung und Entwicklung.
Frankfurt am Main.
Grimm, Jacob und Wilhelm (1889, ND 1984): Deutsches Wörterbuch. München.
Günther, Horst (1992): Revolution. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hrsg. von
Joachim Ritter und Karlfried Gründer. Basel, Bd. 8, Sp. 958–974.
Hanson, N. R. (1959): Copernicus’s Rôle in Kant’s Revolution. In: Journal of the History of Ideas
20, 274–281.
Hegel, Gottfried Wilhelm Friedrich (1961): Sämtliche Werke. Hrsg. von Hermann Glockner.
Stuttgart.
Harris, Tim (2006): Revolution. The Great Crisis of the British Monarchy. London.
Hoff, Erwin (1943): Zur geistesgeschichtlichen Beurteilung und Bedeutung des kopernika-
nischen Gedankens in Vergangenheit und Gegenwart. In: Die Burg. Vierteljahresschrift des
Instituts für deutsche Ostarbeit Krakau. Krakau, 86–138.

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Kants Revolutionen   35

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und Véronique Zanetti. Frankfurt am Main.
Kim, Shi-Hyong (2008): Bacon und Kant. [KSEH 156]. Berlin.
Klemme, Heiner F. (Hrsg.) (1994): Die Schule Immanuel Kants. Mit dem Text von Christian
Schiffert über das Königsberger Collegium Fridericianum. [Kant-Forschungen Bd. 6].
Hamburg.
Krafft, Fritz (1973): Physikalische Realität oder mathematische Hypothese? Andreas Osiander
und die physikalische Erneuerung der antiken Astronomie durch Nicolaus Copernicus.
In: Philosophia naturalis 14, 243–274.
Krafft, Fritz (1975): Copernicus retroversus II. Gravitation und Kohäsionstheorie. In: Studia
Copernicana XIV, 65–78.
Krafft, Fritz (1977): Progressus retrogradis. Die „Copernicanische Wende“ als Ergebnis
absoluter Paradigmentreue. In: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen und die
Geschichte der Wissenschaften. Hrsg. von Alwin Diemer. Meisenheim, 20–48.
Kuhn, Thomas (1981): Die kopernikanische Revolution. Übers. von Helmut Kühnelt.
Braunschweig/Wiesbaden.
Leibniz, Gottfried Wilhelm (1965): Die philosophischen Schriften. Hrsg. von C. J. Gerhardt.
Hildesheim.
Lucretius (1957): De rerum natura. Hrsg. von Cyrillus Bailey. Oxford.
Meyer, Karl (1974): Das Kuhnsche Modell wissenschaftlicher Revolutionen und die Planeten-
theorie des Copernicus. In: Sudhoffs Archiv 58, 25–45.
Mohr, Georg (2004): Immanuel Kant. Theoretische Philosophie. Frankfurt am Main.
Olivier, J. W. (1964): Kant’s Copernican Analogy: an Examination of a Re-examination. In:
Kant-Studien 55, 501–551.
Pollok, Konstantin (2001): Kants „Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft“.
Ein Kritischer Kommentar. [Kant-Forschungen Bd. 13]. Hamburg.
Reich, Klaus (2001): Gesammelte Schriften. Hrsg. von Manfred Baum et al. Hamburg.
Rousseau, Jean Jacques (1959  ff.): Œuvres complètes. Hrsg. von B. Gagnebin und M. Raymond.
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Safranski, Rüdiger (1998): Das Böse oder das Drama der Freiheit. München.
Schmeidler, Felix (1998): Kommentar zu „De Revolutionibus“ (Nicolaus Copernicus, Gesamt-
ausgabe III/1). Berlin.
Schönecker, Dieter (mit Dennis Schulting und Niko Strobach) (2011): Kants Kopernikanisch-
Newtonische Analogie. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 59, 497–518.
Speck, William A. (1988): Reluctant Revolutionaries. Englishmen and the Revolution of 1688.
Oxford.
Starobinski, Jean (1999): Aktion und ReAktion. Leben und Abenteuer eines Begriffspaars. Aus
dem Französischen von Horst Günther. München.
Vorländer, Karl (1911): Kants Stellung zur Französischen Revolution. In: Philosophische
Abhandlungen. Festschrift Hermann Cohen. Berlin, 247–269.
Waschkies, Hans-Joachim (1987): Physik und Physikotheologie des jungen Kant.
[Bochumer Studien zur Philosophie 8]. Amsterdam.
Whiston, William (1696): A New Theory of the Earth, From its Original, to the Consummation of
all Things. London.
Zinner, Ernst (1988): Entstehung und Ausbreitung der Copernicanischen Lehre (1943). Hrsg. von
Heribert M. Nobis und Felix Schmeidler. München.

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